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Full text of "Geschichte des Ursprungs, Fortgangs und Verfalls der Wissenschaften in Griechenland und Rom"

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Geſdichte 


Urfrung ’ * und —2 


Wiſſenfchaften 


Geiehenam und Rom 


Chriſtoph Meiners 


ordentlichem Lehrer der Weltweisheit in Goͤttingen. 








Erſter Band. 





Nos quoque apes debemus imitari, & quaecunque ex diverſa 
ledione congeflimus, ſeparare. Melius enim diſtiucta ſer- 
vaniur. Deinde adhibira ingenii noftri cura & facaltate, 
in anum faporem varia illa li amenta confundere: ut eriam 
& apparuerit, unde fumsum fit, aliud tamen eflc, quam 
unde fumtum eſt, apparcat. ‘ SENEC.. 


Lemgo, 
im Berlage ber Meyeriſchen Buchhandlung 1781. - 


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Vorrede. 


I: nächfte Veronlaſſung zu diefen Werke 


war, die vor einigen Jahren von ber 

Königlichen Akademie der Wiffenfcaf: 
ten in Berlin aufgegebene Frage: welche Einfhüffe 
die Staatsserfaffung auf die Wiffenfchaften, und 
diefe wiederum auf jene geäußert hätten, oder noch 
äußerten? Um diefe Frage zu beantworten, ſah 
ich die Materialien durch , die ich feit langer Zeit zu 
eiter Ähnlichen Abſicht gefammlet harte; allen ich 
fand bald, daß mein-Borrath zu groß, und ber 
Zeitpunct, vor welchem die Preisſchriften enge: 
(hit werden » Allen, zu wenig enter [97 ie 

B a 3 


Vo. Borrede 


daß ich das Vergnuͤgen haben konnte, meine Unter⸗ 


ſuchungen uͤber einen ſo reichhaltigen Gegenſtand 
einer ber beruͤhmteſten Akademien in Europa vorzu⸗ 
legen. Unterdeffen wurde ich durch dad Neachlefen, 


Ordnen und Prüfen meiner Papiere, an die Ma⸗ 


terie , in welche ich mich eingelaffen hatte, fo mäch- 
tig hineingezogen, daß ich mid) entſchloß andere 
Geſchaͤfte eine Zeitlang bey Seite zu legen, und 
wenigſtens einen Theil der Geſchichte ber Wiſſen⸗ 


ſchaften der Griechen zu liefer. 


— 


Wenn man dem Urſprunge, Fortgangẽ und 


Verfall der Wiſſenſchaften unter den Voͤlkern, 


unter welchen ſie gebluͤhet haben und geſunken ſind, 
nachipärt: fo iR eine der erſten Bemerkungen, die 
fich dem Forſcher darbieten, dieſe, Daß die gluck 
lichen und ungluͤcklichen Schickſale derſelben mit zu 
den Erſcheinungen gehoͤren, die unzaͤhlige Urſachen, 
und unuͤberſehlich viele Wirkungen haben, und daß 
es alſo Vermeſſenheit ſey, wenn ein ſterblicher 
Menſch, deſſen ſchaͤrffter, am weiteſten vordringen 


der Blick doch immer noch von allen Seiten fo fehr 
eingeſchraͤnkt bleibt, wenn dieſer ſich unterſteht, das 
ganze Raͤderwerk einer faſt unendlich großen und 


zuſammengeſezten Maſchine, die nur allein ihr an⸗ 
betungswuͤrdiger Erbauer und Aufſeher in ihren 


kleinſten Theilen durchſchaut, auszuſpaͤhen und 


eeines Volks unverſtuͤmmelt, und die Denkmaͤler 
der größten Geiſter deſſelben unzertruͤmmert find, 


darzuſtellen Selbſt alsdann, wenn die Geſchichte 


ſelbſt alsdann iſt es unmoͤglich, Das geheime Spiel 
von urſachen und Wirkungen vollſtondig zu erken⸗ 
nen, 





. 
— * 


| 


Vorrede vo 


nen, ‚aus welchen entweder Entwickelung ober Un⸗ 

tergang der Wiſſenſchaften erfolgte. Alle 5* 
dernde ſowohl, als aufhaltende und hindernde Ur⸗ 
ſachen, die wir entdecken koͤnnen, find meiſtens 
ſchon entfernte Wirkungen von Triebfedern, Die 
fi unfern Augen entziehen. Die erften Urſachen 
aber, oder gleichfam die Elemente derjenigen Urſa⸗ 
chen, von welchen wis auszugehen pflegen , find 
und faft immer ebenfo unbefannt undunbemerkbar, 
als die Keime von Gewaͤchſen und Thieren, die nach 
Jahrtauſenden entwicfelt werden follen; und eben 
fo verlieren ſich für und die legten Wirfungen Ders . 
felsen, gleich den aͤußerſten Graͤnzen der Kreiſe, 
die ein in's ruhige Weltmeer hinabgeworfener 
Stein hervorbringt. 


So richtig mir aber auch dieſe Betrachtungen 
fcheinen; fo muß man doch auf der andern Seite 
zugeben, Daß wir, unferer Kurzſichtigkeit unge⸗ 


achtet, dennoch bey einem gehdrigen Gebrauche 


unſerer Kraͤfte, viele der naͤchſten Urſachen des 
Zuſtandes und der Veraͤnderungen der Wiſſen ſchaf⸗ 
ten zu Beobachten im-&tande find. Dergleichen 
find gewiſſe Befchaffenheiten des Bodens und Him⸗ 
meld, auf und unter welchem Bölfer wohnen, 
ferner ihrer Staatsverfaſſung und Sitten, endlich 
ihrer Religion uud ihrer Öffentlichen Gluͤckſeligkeit 
oder Elendes. Wenn wir alle dieſe Urſachen die 
den Geiſt der edelſten Buͤrger ganzer Nationen ent⸗ 
weder beleben und entwickeln, oder auch nieder⸗ 
ſchlagen und zuruͤckhalten, ſo genau kennen, 
44 


vi | Sarei | 


es menſchlichen Kraͤften verſtattet In ſo find. wie | 
alsdenn auch fähig, für Menfchen eine Irhrreiche 

. und zuſammenhaͤngende Sefchichte von Wiflenfchafe 
ten zu fchreiden. Sind ung hingegen mehrere der 
jeztgenannten Triebfedern unbekannt; fo ift es vers 

gebens, ein vollffändiges und vollendetes Gemälde 
- von der wiſſenſchaftlichen Aufklaͤrung yewiſſer Vol⸗ 
fer und Zeitalter wuͤnſchen und unternehmen zu 
wollen. Wir können daher tiber bie Fortgaͤnge 
der alten Aegyptier, Phoͤnicier, Chaldaͤer, Perſer 

und Indier in der Erforſchung der Wahrheit und 
Natur zwar wahrſcheinliche Vermuthuñgen wagen, 
und gelehrte Unterſuchungen anſtellen; aber eine 
eigentliche Geſchichte der Wiſſenſchaften dieſer Na⸗ 
tionen iſt unmoͤglich, weil wir von keiner derſelben 
weder die Sitten, noch die Religion, noch die Re⸗ 


u . gengsforn, noch auch die Stuffe bürgerlicher 


Gluͤckſeligkeit, die fie erreichten, zuverlaͤſſig erfah⸗ 
sen Pönnen, und nicht einmal wiflen, ob fie über⸗ 
bhaupt Wiffenfchaften, und in welchem Grade der 

Vollkommenheit fie diefelben befeffen haben. 
Alle bisher von mir aufgezählte, den Wiſſen⸗ 
ſchaften bald günfige, Bald ungänftige Urfachen, 
. Farin man innere oder beftändige nennen, zum Un⸗ 
terfchiede von folchen , die in der gewöhnlichen 
Sprache der Menfchen zufällig genannt werden, 
weil fie nicht. immerfort, ſondern nur zu gewiſſen 
"Zeiten wirfen. In dieſe Elaffe zufälliger Urfachen 
gehören.die eigenthuͤmlichen unergruͤndlichen Fors 
"men des Genies einzelner großer Männer , die den: 
Denkarten ganzer Volter u und Zoht dunderte 
meh⸗ 


\ 
\ 


- Morrede K 


mehren Wiſſenſchaften neue Geftalten geben, Die 

fich oft verändernde, bald vortheilhafte, bald nach⸗ 
theilige Cage Der Fänder;. die nähere oder entfernis 
tere Verbindung mit mächtigen und aufgefiärten, 
oder ſhwachen und rohen Nationen, fchnelle über 
viele Länder fortlaufende Siege entiweder-der einen, 
oder der andern, unerwartete oder gewaltige Lim» 
wälzungen von Reichen, deren Gluͤck oder Ungluͤck 
die Schickſale ihrer Nachbaren beftimmt , wichtige 

Erfindungen, auf die der Menfch mehr ftieß , als 
ex fie fuchte , Die er mehr zufälligen Imftänden, als 
feinem Scharffinn-und Fleiß zu verdanfen hatte, 
und die alfo unendlich merfwürdiger in .Anfehung 
ihrer Folgen, als ihrer Lirfachen find ; Umlauf und 
Uebergang der höchfien Macht, des Handeld und 
Reichthums aus_einem Theile der. Erde in andere; 
Aufmunterungen einzelner Beherrſcher, denen die 
Kräfte und Schäze unermeßlicher Länder zu Ge 
Bote ſtehen, und die alſo auch unglaubliche Wir⸗ 
fungen bervorbringen koͤnnen, und fo weiter. 





Diefe veränperlichen Urſachen befördern oder ſchraͤn· 


fen die Wirkungen der beftändigen auf mannigfal 


tige Arten ein. Aus ihnen muß man die Anoma 


lien erflären , Die man nicht felten in der Gefchichte 
des menfchlichen Geiſtes antrıft, indem die Aehn⸗ 
lichkeit des Bodens, des Klima, der Religion, : 
der Staateverfaffung und Sitten fich mit der größten 
Berfchiedenheit der MWiffenfchaften und Künfte, 
und die größten Abweichungen: in Anfehung der er. 
fern , fich mit einer _auffallenden Aehnlichkeit der 
jeztern zufammenfinden., | 

ET u - Kenn 


— 


x .. Berrede 


| Wenn es aber ſchwer iſt, alle Urſachen der 
verſchiedenen Zuſtaͤnde von Wiſſenſchaften ausfin⸗ 
dig zu machen, und ſelbſt unter foldyen, die noch 
unter unfern Geſichtskreis fallen, nicht einige zu 
überfehen, und andere zu erdichten ; fo iſt es weit 
ſchwerer, die Sphaͤren der Wirkſamkeit einer jeden 
gefundenen Urſache zu beſtimmen, und aus einer 
unendlichen Summe von Wirkungen einer jeden 
den ihr gebührenden Antheil, und Feiner zu viel 
oder zu wenig zuzueignen. Mehrere berühmte Ge⸗ 
ſchichtſchreiber und Gefchichtforfcher der neuern Zeit, 

“ haben mir dem gluͤcklichſten Scharffinn den ürſa— 
chen nachgefpürt, wodurch in den Abendlandern 
Europens der menfchliche Geift, aus dem toͤdtli⸗ 
chen Schlummer, in welchen er verſunken war, 
‚nnd die faſt ganz ausgeſtorbenen Fünfte und Wiſ⸗ 
ſenſchaften aus ihren Gräbern hervorgerufen wurs 
den; allein feiner hat es gewagt, alle diefe ders 
fchiedenen Urſachen ‚gleichfam nach Ihrem innern 
Gewichte zu wuͤrdigen, die eigentliche Kraft einer 
jeden zu ſchaͤzen, ihre größern oder geringern Ein- 
flüffe anzugeben, und alle Erfcheinungen , die fie 
hervorgebracht haben , und unter Denen mehrere 
den kuͤhnſten Rather verwirren Lönnen, big zu ihren . 
wahren und erſten Principien hinauf zu verfols 
gen. — Man bemerkte, daß eben die Kreuzzuͤge, 


2 Am und durch welche mehrere Thronen in Europa : 


‚ und Aſien erfchüttert oder umgemworfen, mehrere 
gefalßte Haͤupter zeitreten, ‚unzählige edle Ge⸗ 
fchiechter ausgelöfcht, und viele hunderttauſende 


weniger vortrefiicher Menſchen aufgerieben wurden, 
die 








— 


Vorrede. xl 


die endlich den Roͤmiſchen Hobenpriefter über alle 
Könige der Ehriftenheit zu erheben drohten, daß 
die denen am meilten verderblich wurden, die fie 
zum ®Berderben der Voͤlker entzuͤndet und unterhal⸗ 
ten hatten, und daß eben durch fie die Feſſeln des 
Aberglaubens und der Seelen Snechtfchaft, die 
dadurch erſchwert und feſter angesogen werden ſoll⸗ 
ten, zuexft zerbrochen wurden. Die heiligen Krie⸗ 
ger brachten aus den Ländern, die fie mit ihrem 
Blute gedüngt, und durch ihre Ausſchweifungen 
und Frevelthaten mit Abfcheu und Entfegen gegen 
fih erfüllt hatten , nicht nur edle Pflanzen und 
Früchte, fondern aud) mannigfaltige, fchöne oder 
nuͤzliche Gewerbe, Künfte und Kenntniſſe zuriick, 
Die Gegenden, aus denen die Kreuzbrüder aus⸗ 
sogen, genofjen, weil die Kirche die Beſizungen 
der feztern in Schuz nahm, mehr. Ruhe, und fie 
wurden unter einander ſowohl, ald mit den aufge: 
klaͤrtern Griechen und Saracenen in Aften und 
Africa genauer verbunden, als fie ed in den vor⸗ 
hergehenden Jahrhunderten gemefen waren, Die 
Entfräftung des Adels, die aus dieſen für ihn bes 
fonders koſtbaren und mörderifchen Zügen erfolgte, 
hob die Macht von Königen, und das Anfehen 
der nieder Stände, und machte fie allmaͤlich ſtark 
genug, den Uebermuth täuberifcher Ritter, und ihre 
blutigen Fehden zu pämpfen. Der erftaunliche 
Handel; der zuerſt die Städte der Lombardey und 
des uͤbrigen Italiens, und dann die Staͤdte im 
ndrdlieben Europa mit Einwohnern und Reichthuͤ⸗ 
mern füllte, erzeugte und belebte Handwerker und 


En 


gg 


aM 0.0 Bortede 


Künfte und befeuerte den Muth und viegeepbeiäliebe 


des Bürgers fo mächtig, daß er fich allmalich von den 


Meinen und größern Tprannen, von denen er bisher 
war gemißhandelt worden, unabhängig madhte, 


fo wie der Landmann in den meiſten Europäifchen 
Reichen von. dem fürchterlichen Joche der Leibeigen⸗ 
ſchaft frey wurde. Selbſt der. Adel und das weib⸗ 
liche Gefchlecht erhielten. durch die Ritterſchaft, 
durch abentheuerliche Züge, durch Turniere und Ro⸗ 
manzen, wo nicht gelehrte Kenntniſſe, doch eine 
folche Aufklärung, und ſolche Sitten und Tugen» 


den, daß fie die Schulweiſen der damalıgen Zeit, 
und die unglaublich beröpröene Seiklehteu beſcha. 


wen fonnten, 


— 


Zu allen dieſen glucklichen Revolutionen, die 


aus den Kreuzzuͤgen entſtanden, und die kein 


menſchlicher Scharfſinn haͤtte vorherſehen koͤnnen, 
geſellten ſich noch viele andere Eraͤugniſſe, die für. 
einen großen Theil des menſchlichen Geſchiechts 
nicht minder heilſame Folgen hatten, Die Erfin« 

dung des Papiers räumte das große. Hinderniß 


weg, was Die Vervielfältigung von Schriften und 


Die Ausbreitung nuͤzlicher Kenntniſſe bisher aufge⸗ 
halten hatte, und verhuütete die fernere Vertilgung 
der. Denfmäler des. Alterthums, die man nicht fel» 
ten: vernichtet hatte, um an ihre Stelle Urkunden 
oder Formulare don Gebeten oder Moͤnchslegenden 


aufzuzeichnen. Die Gelehrfamkeit der Araber 


lockte, vom zehnten und eılften Jahrhunderte an, 


viele ; Abendlaͤnder nad Spanien, wo diefe fich nicht 


nur 


“ 





. 


j Borrede. xXxIII 
nur durch Umgang und muͤndlichen Unterricht aus« 


bildeten, fondern auch mit den Werken der Araber 


ſowohl, als der Griechen bereicherten, Die nach 
einander , felbit auf. den Befehl eines aufgeklärten 
Karlerd, ins Bateimfche überfezt wurden. In als 
len Eändern wurden Kıichterftühle und hohe Schu⸗ 
fen errichtet, auf welchen leztern man außer den 
Römischen Gefezen, die man wieder gefunden, und 
dem päbftlichen Rechte, mas man gefammlet hatte, 
auch noch Gottesgelahriheit und Weltweisheit 
lehrte. Endlich flüchteten die Griechifchen Mufen, 
berscheucht Don rohen Barbaren, und mit den Wer⸗ 
Een ihrer Lieblinge, der größten Weifen, Dichter, 
Redner und Gefchichtichreiber des Alterthums bes 
laden , nach SFralien,, riefen ihre Mömifchen 
Schweftern ins Leben zuruͤck, und ſteckten ein eben 
fo helles Licht Auf, als fie in den Ländern, aus 
weichen fie ausgewandert waren, eine tiefe Fin 
fterniß zuruͤck gelaſſen hatten, Ehen dies Licht 
wurde bald nachher durch Die Buchdruckerey über 
das ganze uͤbrige Europa verbreitet, und. leuchtete 
den großen Männern vor, die die göttlichite unter 
allen Religionen reinigten, und durch die Entde 
dung beyder Zindien die Graͤnzen der Erde eben fü 
ſehr, als die der menfchlichen Erfenntniß erweiter⸗ 
ten. Diefe zulezt genannten Begebenheiten muß 
man, tie die Erfindung des Pulvers, als folche 
Eraͤugniſſe betrachten, die dem menfchlichen Ges - 
ſchlechte am meiften Bures und Boͤſes zugefügt, - 
die meiften Tugenden und Lafer erzeugt und ge, 
tödtet, auf die Eitten, Degierungsformen "san 

Ä nn an- 


\ 


XV 0 Borrede 


ten anſieht, fo follte man glauben, daß fie zwiſche 


‚der ſechzigſten und achtzigſten Olympiade gebluͤhe! 


und mit den groͤſten Meiſterſtuͤcken der Alten gar 


unbekannt geweſen wären, : Die Wiederherftelle 
der alten Luteratur waren entweder gleich De 
Griechiſchen Sophiſten eben ſo ungebunden un 


ausgelaſſen in ihren Syſtemen, als im Leben un 
Handeln; oder ſie waren auch gleich den bloͤdſin 


nigen phüoſophiſchen Schwaͤrmern des dritten un 
der folgenden Jahrhunderte nach Eh. Geb. alle! 


Arten des laͤcherlichſten Aberglaubens ergeben 
Kein Theil der Philoſophie, und feine andre Wil 


fenichaft fand fo vielen Beyfall, und wurde fo eifris 
und von fo großen Männern bearbeitet, als di 

Sterndeuterey , die Lehre von den Dämonen, un! 
die verichiedenen Zweige der unermeßlich andgebrei 
teten Magie. : Der Glaube an Geiftererfcheinun 


gen, Zeufelöbefizungen und Beſchwoͤrungen, . at 


die faft undegränzte Macht und Wirkſamkeit dei 


-böfen Feindes, an tägliche Wunder, die dene 


ähnlich waren, um derentmillen der Mömıfch: 
Kaıh etruſciſche Wahrfager oder die Sıbpllinfdyer 
Biicher. fragen ließ ‚endlich die fefte Ueberzeugun 
von Der werßagenden Bedeutenheit von Traumen 
Zahlen, Ueberſchwemmungen, Erdbeben, u. ſ. w 
waren im funfjehnten , ſechszehnten, und einen 


. großen Theile des fiebenzehnten Jahrhunderte 


nicht bloß dem verächtlichiten Theile des. Poͤbele 
eigen, fondern faſt allgemein auch unter den gidſter 


| Gelehrten und Weiſen jener r Zeiten heriſchend. 


— W Ein 


⁊ 


Vorrede. _ AV 


Ein jedes dieſer groben Vorurtheile war ſo 


tief in die verdorbene Philoſophie und Gottesge⸗ 
lahrtheit verwebt, daß man diejenigen, die fie bes 
ſtrüten, als gefährliche Gottesläugner verabs 
Iheute, oder gar verbrannte, indem man zu gleis 
cher Zeit Schriftfteller, welche die Grundſaͤulen 
der Religion und Sitten untergruben, öffentlich 
ſelbſt in Italien beichüzte, und unangefochten oder 
doc) ungeftraft ließ. Die Ausrottung eines jeden 
aberglaubigen Wahns, und aller Den aoimpflchen 


"orurtheile, von denen jezo viele Fam glauben | 


iverden, daß ſie fih jemals bis zu den beflern Elafe 
fen der Menfchen erhoben haben, erregten Die Hefe 
tigiten Verzuckungen in dem Eranfen Körper des 
Zeitalter, das davon geheilt werden follte, und 
die Helden, die diefe Damals furchtbaren Unge⸗ 


heuer befämpften, wurden meiſtens Märtyrer der. . 


Mahrheit, und Opfer der Wuth ihrer Wider⸗ 


ſacher. — Meinem Urtheile nach kann es nicht 


leicht ein intereffanteres Gemälde für einen denken⸗ 
den Geiſt geben, als die Geſchichte des Aberglau⸗ 
dend, und der herrfchenden Borurtheile der erſtern 


Jahrhunderte nach ver Wiedergeburt der Willens 


fchaften, deren Austreibung emes der unterjchei« 
dendflen Merkmale der Aufklärung unferd Jahr⸗ 
hunderts ift, wodurch es fich felbft vor den glaͤn⸗ 
zendſten Zeitaltern der Griechen und Roͤmer auf 
die vortheilhaftelte Art auszeichnet. 

Wenn es aber zu verwundern iſt, daß man 
fo lange mitten im Beſize he größten Schaͤze als 


I 


— 


xvii Borrede. 


ter Weisheit entweder aberglaͤubiſch ſchwaͤrmte, 
oder auf die feltfamfte und fühnfte Art unvernünfe - 
telte; und daß man endlich nach vielem Streiten 
und Schwanfen unter den Scepter des Ariftotele® 
mit einer Ergebenheit zuruͤkkehrte, die es fuͤr Hoch⸗ 
verrath hielt, an der Untruͤglichkeit des Fuͤrſten 
der Philoſophen zu zweifeln; ſo iſt es noch unerklaͤr⸗ 
licher, warum in einem oder einigen Menſchenal⸗ 
- tern , faft in allen Ländern von Europa , fi) 
Männer ‚erhoben, die weit eritfernt , überteiebene 
Bewunderer, "oder furchtfame Nachtreter großer 
Porgänger zu ſeyn, mit fühnem Schritt, und 
bdie Fackel der Erfahrung und Beobachtung in der 
- Hand, in die Abgründe und Sefeiminiff aller 
Naturen eindrangen. Eopernieus, Galilei, Dede 
carted , Gaſſendi, Huygens, Newton, Lode, 
Leibniz , "und die Bernouillis, trugen, mehr jur 


Bereicherung unferer Kenntniſſe, und zur Bere 


herrlichung des in feinen erhabenen Werken bisher 
wenig erfannten Schöpfers der Melt bey, als 
alle vorhergehende Jahrtaufende nicht gethan hate 
ten, und fie erweiterten gleichfam das Univerſum 
- nach beyden Seiten ins Unermeßliche, indem fie 
uns neue unbekannte Welten, im unendlich Klei⸗ 
nen wie im unendlich Großen , offenbarten, 


Vergebene fucht man die Mrfachen, weßwe⸗ | 


= ‚gen die heilige Schaar der Erleuchter der lezten 


Hoͤlfte des fiebenzehnten und des Anfangs des 
| achtzehnten. Jahrhunderts in demfelbigen Zeitraus 
me verfammlet , oder dach ſo nahe zuſammenge⸗ 
| >» drängt 


⸗ 


Bere OXK 


drängt wirden in dem’ Zeitalter ſelbſt, in wel⸗ 
chem fie lebten, oder in den Megierungsformen 
der Völker, unter Denen fie wohnten, oder in der 
Reinigung ihrer väterlichen Religion , oder in eis 
nem ungen nährenden und flärfenden Frieden, 
oder in den glänzenden Belohnungen wahrer oder 
eyn wollender Kenner und Befchüzer von Wiſſen- 
haften. — Die größten Erfinder entwickelten 
ih eben fo wohl in Ländern, wo Gefängnffe 
der Hunger und Armuth, ald wo die Schmeis 
heleyen von Foͤnigen und Mächtigen ihrer wars 
eten; unter den Gefahren und Serkern der In⸗ 
fl tion eben fo wohl, ale in der ruhigen Muße, 
nd dem erquickenden Schatten der Freyheit. 
Bielmehr wurden die erfien Wahrbeitsforicher, 
ne mit mächtiger Hand der Natur ihren Schleier 
briffen, und mit gefchärftem und verflärtem Aus 
e neue Welten entdeckten , dis zu welchen fich 
‚er menfchliche Geiſt bis dahin nicht einmal ın feie 
en gluͤcklichſten Träumen, und fühnften Bermus 
hungen Hinaufgefchwungen hatte, in Gegenden: 
nd Meichen gebohren , die die mohlthätigen Eins 
uffe der Keligionsverbefferung gar nıcht empfun⸗ 
en Hatten , die ferner durch die hartnäckigften 
nd biutigften Kriege waren yerrüttet worden, in 
enen endlich geiftliche Tprannen noch ungeſchwaͤcht 
ouͤthete, und die bürgerliche Freyheit immer mehr 
nd mehr eingefehränft und gefchmälert wurde. 
Vir müflen daher mehr die Kügungen dedjenigen, 
er die Richtungen des menfchuchen Geiſtes, mie 
ie Schickſale von Welten lenkt, anſtaunen, als 
b 2 wir 


* + 








XX. | Work‘ 


wir. es erffären konnen, warum gerade zu der Ki 


als es geſchah, der lange gebundene menſchlich 


Geiſt mit unwiderſtehlicher, in der Stille geſamn 
leter, und Jahrhunderte lang zurückgehalten 
Gewalt auf Irrthum und Aberglauben losbrad 
— Wir ſehen leicht, daß eine jede große Entd 
ckung andere minder wichtige und bemerfbare vo 
ausfezte, und daß zu einigen viele Menfchenalt 
“durch vorbereitet wurde: wir bemerken ferner ohl 
Mühe, daß ein jeder der Linfterblichen, die neı 
Bahnen erdfneten, und neue Felder von Kent 
‚niffen-anbauten , immer gewiſſe Vorläufer un 
Borarbeiter hatte, ohne deren Winfe und Fü 
sung er das. nicht hätte leiſten, und dahin nic 
Härte fommen fönnen, was er leiffete, und woh 
er am, allein der erſte göttliche Funke, aus w 
chem in der Folge ein fo hellglaͤnzendes Licht au 
koderte, und der erfte eleftrifche Schlag, der naı 

ber fo außerordentliche Geiſter in Thaͤtigkeit fez1 
leben ſich, mie die feinern Entfpinnungen t 
Nerven dem Blicke des durch fruchtlofes Anſp 
nen ermuͤdeten Spaͤhers. 


| Nicht minder raͤthſelhaft als die unglaubl 
ſchnelle Bewegung des Europaͤiſchen Genius 
legten Jahrhunderte, iſt die traͤge Langſamke 
womit unfer und die vorhergehenden Zeitalter 
den fchon geebneten Bahnen fortgeruͤckt ift, x 
noch fortruͤckt. Faſt follte man glauben, als mo: 
ber menfchliche Geiſt durch eine zu fange anhalı 


Borrede XXI 


de Neberſpannung zu ſehr erſchoͤpft wäre, als daß 
er mit unverminderter Kraft noch immer fortſchrei⸗ 
ten koͤnnte; und es ſcheint daher, als wenn er hin 


und wieder gaͤnzlich ſtille ftunde, oder gar in Ges. 


fahr wäre ruckwaͤrts zu gehen. Unſtreitig iſt die 
Zahl aufgeflärter Menſchen jebo größer, als im 
Zeitalter der großen Erfindungen ; und nuͤzliche 
Kenntniſſe find auch viel gemeiner und verbreiteter 
als Damals; aber mie felten find dagegen die ſchoͤ⸗ 
pferiſchen Genies, die mehrere Wiflenichaften ers 
finden „oder umbilden? — Wahricheinlich mer« 
den unfere Nachkommen von uns und unfern Vaͤ⸗ 
tern urtheilen, daß wir auf den Eorbeeren Unſerer 
Vorfahren ausgerufet r_ und ihre Eroberungen 
mehr zu genießen und, zu behaupten als zu erwei⸗ 
tern geſucht haben. | 


Da es nun fo ſchwer, und ofk unmöglich iſt, 
von Begebenheiten der Geifterwelt, Die und fo na⸗ 
he, oder doch viel naͤher ſind, als diejenigen, die 
ich erzählen werde, die Urſachen, und von den Ur⸗ 
ſachen die Wirkungen zu entdecken; : fo darf ich 
mol kaum. erinnern, daß ich keinen Anſpruch dar⸗ 
auf mache, von allen den Erſcheinungen und Ver⸗ 
aͤnderungen, die die folgende Geſchichte enthalten 
wird, alle Anlaͤſſe und Folgen anzugeben und zu 
ſchildern. Eine ſolche Kuͤhnheit würde um. deſta 
unbeſonnener ſeyn, ba aus den meiſten Zeital- 
tern, die ich beſchreiben werde, der groͤßte Theil 
bon Urkunden und d Dengu alern verlohren gegan⸗ 

| gen 


xxll Borrede. 


gen iſt*). So oft ich aber auch gendthigt ſeyn wert 
bie Neugierde meiner Leſer unbefrigbigt, und bald t 
Urfache bald die Wirkungen merkwuͤrdiger Eräu 
niſſe unerklaͤrt zu laflen; fo bin.ich doch übergetig 
daß die Gefchichte der Wiffenfchaften unter de 
Griechen, fo mangelhaft und unvollftändig, als w 
ſie jego noch liefern koͤnnen, lehrreicher ſey, ur 
‚mehr Aufmerkfamfeit.verdiene, als die Gefchich 
der Wiflenfchaften irgend .eines andern Wolf 
Die Griechen find nicht bloß diejenige Natior 
von welcher Aufklärung über alle Theile der Er 
in allen. nachfolgenden Jahrhunderten ausgegaı 
gen ıft, fondern fie find. auch Die einzige, die allı 
nur fich felöft und keinem andern gelehrten Vol 
etwas zu verdanken hatte, und unter welcher mc 
den ſich felbft überlaffenen menfchlichen Seift, dur 
alle Stuffen und Alter , von feiner. erften Erh 
bung an, bis zu feiner. äußeriten Schwäche u 
Entkräftung beobachten Bann. Alle übrige It 
fer der Erde, fie mögen die Griechen erreicht, od 
- ‚übertroffen haben, oder Binter ihnen zurück gebli 
den ſeyn, waren immer Schüler von.andern, ut 
Ihre Kenntwiſſe nicht ſelbſterworbenes s Eigeatben 
.? So groß uns unerſetzlich der Schade auch iſt 
bie Griechiſche Litteratur in mehrern fuͤrchterli— 
Ssdfbruͤchen gelitten hats fo ſiad doch Immer n 
Trümmer genug gerettet worben, aus benen ein 
felebigendes "Gange zufammengefegt werden Fa 
Man koͤmmt nie an einen Abgrund, ber die We 
und Geſchichte mehrerer Zeitalter verſchlungen haͤtt 









Vorrede. XXIII 


ſondern mehn oder weniger fremdes Gut, was fie 
entweder von andern geborgt, oder andere ihnen 
zugebracht Haben, Unter den Griechen allein kann 
man «8 wahrnehmen , in welcher Ordnung der 
menſchliche Geift, wenn er gar feine fremde Huͤl— 
fe erlangt, von den Künften zu Wiffenfchaften, 
- und von einer Wiſſenſchaft, Unterſuchung und 
Meynung zu aubern fortgeht. | 


Damit man aber bon meinem Werfe nicht 
mehr erwarte oder verlange, als ich leiten kann, 
oder will; fo erkläre ich hiemit gleich anfangs, daß 
ich nur die Geſchichte der Philoſophie, in dem Um⸗ 
fange, welchen die Griechen ihr gaben, ferner 
der Beredſamkeit, und endlich der Gefchichte, uns 
ter den Griechen und Römern von dem Ucfprunge 
diefer MWiffenfchaften an, bis auf ihren Berfoll 
vortragen werde. — Faft alle griechifche Welt, 
weıfe rechneten die Naturgefchichte, Medicin, und 
die verfchiedenen Theile der Mathematik nicht zur 
Philofophie, und ich" werde daher die Zuſtaͤnde 
und Veränderungen biefer Wiſſenſchaften nur big 
auf den Zeitpunct berühren, wo fie mit der Welt⸗ 
weisheit verbunden waren, und eine einzige noch 
nicht abgefonderte Maſſe von Kenntniffen aus 
machten, Sobald fie aber ſich von der Philofos 
phie zur trennen, und gleichſam für fich zu beftehen 
anfangen , werde ich. Die Erzählung ihrer Fortgaͤn⸗ 
ge größern Kennern überlaffen , als ich weiß, daß 
ich felbft Bin. Ich fchäme mich gar nicht zu geſte⸗ 

hen, daß ich in dieſe Wſpaſcheſten nicht genug 
ein 


+ J 


KV: 27 Weirede | Bu 
eingemeihet Bin, "um ihre Gefchichte ſchreiben zu 
koͤnnen, wie ich Die Geſchichte der Übrigen zu liefern 
- Hoffen fan. - on 


DSgß ich pur Gefchichte der Wiſſenſchaften uns . 
ter den Griechen, die Gefchichte derfelben unter 


den Roͤmern binzufüge , 'gelchieht weder in der Abs 


ficht mein Merk zu erweitern, oder den Titel des 
ſelben prächtiger und wohlflingender zu machen, 

ſondern weil die erftere von der leztern unzertrenn⸗ 
tich ift. — Ohne den Beyfall, die Aufmunterung 


amd: die Belohnungen, welche die griechiſchen 


Kuͤnſtler und Gelehrte in Kom fanden, würden 
Kuͤnſte und Wiffenfchaften unter den Griechen 
noch viel fehneller. gefunfen feyn, als wirklich gen 
ſchehen ift; und die Folge diefer Gefchichte wird 
zeigen, wie fehr diejenigen fich irren, melche glaus 
Ben,’ daß die Griechen allein die Wohlthäter der 
Roͤmer waren, und die erflern den leztern nichts 

zu verdanken gehabt haben. WB 


Leſer, die mit der Materie, die ich gewaͤhlt 
Habe, nicht ganz unbekannt find, und von der 
Art, wie fie behandelt werden muß, nur einiger 
maßen richtige Begriffe haben-, werden e8 von 
felöft vorausfehen, daß die Gefchichte der Philo⸗ 
fophie den bey weitem gröften Theil meiner Arbeit 
ausmachen werde; und folchen Eefern wird es auch 
nicht befremdend ſeyn, daß ich in diefem erften 
Bande nur einen Meinen Abfchnitt der erftern vor- 
"trage, der ohngefähr einen Zeitraum von hundert 

. - — und 


Borrede XXV 
und zwanzig Jahren in’ fich faßt *), und den Lieb⸗ 
haber des Alterthums mir in die Worhöfe des 
Tempels der Griechifchen Weisheit führte, Von 
ſachverſtaͤndigen Richtern fürchte ich deßwegen gar 
feine Bormürfe, daß ich meinen Schritt anfangs 
nicht mehr beſchleunigt, und nicht mehr Weges 
zuruck gelegt habe. Solche Perſonen aber, die in 
dem Lande, was ich ihnen beſchreibe, noch Fremd⸗ 
linge ſind, muͤſſen es mir zutrauen, daß ich es beſ— 
fer, als fie, wiſſe, welche Gegenſtaͤnde merkwuͤr⸗ 
dig ſind, oder nicht. Wenn ich mir anders durch 
meine Arbeit einiges Verdienſt um die alte Ges 
fhicgte erworben habe; fo Fann ich, glaube ich, 
aud) dieſes mit Dazu rechnen, Daß ich unmwichtige 
lächerliche Fragen und Unterfuchungen , die diefen 
Theil der Eitteratur bisher verunftalteten, von dem 
wichtigen adgefondert, die erftern in die Fiuſter⸗ 
niß ausgeivorfen, und Die legten nach dem Ver⸗ 
hältniffe ihres innern Werths behandelt habe. 


Ich würde mich allerdings Fürzer haben fafs 
fen Eonnen, wenn ich nur allein die Perfon des 
Geſchichtſchreibers, und nicht auch die des Ge⸗ 


ſchichtforſchers zu übernehmen gehabt haͤtte. Als. 


lein die Materialien, die ich zu verarbeiten hatte, 
waren nicht allein nicht vollſtaͤndig geſammlet, und 
gehoͤrig zubereitet; ſondern auch meiſtens durch 

— 5 2 Me 


EREREEEEEEEE Te TU U) 7 TH 1 





2) Bon DI. 40. bis go, oder vom J. 620 bis 460% 


vor Eprifil Geburt, 


⸗ 


XXVI Vorreder 


ungeſchickte Werkmeiſter ſo verdorben, und ver 
ſtuͤmmelt, daß die Abſonderung und Wiederher 
ſtellung derſelbigen in ihre urſpruͤngliche Geſtal 
mir mehr Mühe, als nachher die Zufammenfezung 
Anordnung und Ausfchmückung verurfacht hat 
Man muß Daher diejen erfien Band als ein Werl 
don einer vermifchten Gattung anfehen, was nu 
zum Theil Gefchichte, zum Theil aber auch) Bor 
‚bereitung und Grundlage derfelben it, und alfe 
auch nicht durchgehende 'nach den Gefegen der, Ge 
ſchichte gerichter werden Fann, Aus der Ungleich 
artigfeit des Stoffs entitand natürlicher Weiſe 
auch Verſchiedenheit der Schreibart, die gewiß 
alsdann am beiten iſt, wenn fie am natuͤrlichſten 
iſt, und mit den Sachen die man vorträgt, fich 
Bald erhebt, und bald wiederum niederſenkt. Sich 
ann faſt ohne Einfchränfung das auf mich an» 
menden, was Cicero dem Eato in den Mund legs 
te, als er ihn die ftoilche Philofophie vortragen 


. .- ließ: Quaedam dicuntur fortaffe jejunius: funt 


enim quafi prima olementa (hiftoriae)'; quibus 
ubertas orationis vix adhiberi poteft,. nec equi- 
“ dem eam cogito confedtari : veruntamen cum 
de rebus grändioribus-dicas, ipfae res verba ra- 
piunt, Ita fit cum gravior, tum etiam fplendi- 
dior gratio. Nur wünjche ich , daß meine Leſer 
mit dem Cicero antworten möchten: EA, ut dicis, 
fed tamen omne, quod de re bona dilucide di» 
. citur, mihi praeclare dici videtur; iſtiusmodi 

autem.res dicere ornate velle, puerile et: pla- 

. . . . . ne 






Fi 
[4 


Vorrede. xxvu 
ne autem & perfpicue expedire poſſe, docti & 
intelligentis viri . \ 

Vorſetzlich und mit Fleiß habe ich mich wd be 
den Quellen der Pythagoreiſchen Geſchichte, bey 
der Unterſuchung des Zeitalters des Pythagoras, 
und der Prüfung angeblicher Pythagoreiſcher 
Schriften und Fragmente fo lange aufgehalten, 
nicht bloß um eine Menge von wichtigen Puncten 
recht ind Licht zu ſetzen, fondern hauptfachlich in 
der Abſicht; meine füngern Lefer mit den Grund; 
fägen- der Hiftorifchen Kritik befannt zu machen, 
und ihnen zugleich Beyſpiele ihrer Antvendung zu 
‘geben, nach welchen fie fich in ähnlichen Fällen, 
bis ihnen beſſere Muſter aufgeftelle werden, rich» 
ten koͤnnten. Diefe Kunſt, den Werth, das Als 
terthum, und Anfehen verdaͤchtiger, oder anony⸗ 
miſcher Schriften und Bruchſtuͤcke aus innern 
Merkmalen zu beſtimmen, die Glaubwuͤrdigkeit 
‚von Schriftſtellern, und die Annehmlichkeit oder 
Verwerflichkeit einzelner Zeugnuffe und Ausfagen 
zu entfcheiden, den Urfprung, umd alle Werändes 
rungen einzelner Woͤrter und Meynungen zu ers 
forfchen, die unbekannten Berfaffer wichtiger Stel- 
len und Fragmente auszufinden, die Widerſpruͤche 
vieler großer. und Feiner Schriftſteller zu vereinigen, 
uf. m. Diefe Kunſt ift, wie die Geſchichte kehrt, 
eine der alerſchwerſten, die der menſchliche Geiſt 

er⸗ 


EEE — — VERSEHEN . 


*) De Fin, IL S. 


By Zn 


’ 


— 


N | 


xxvili — Borrede— 
erfunden hat, und eine der ſpaͤteſten/ worauf er 


gefallen iſt. Noch jezo ift dieſe Höhere: Kritik. den 


meiften Kennern und Liebhabern der Alten bey 
weitem nicht in ihrem ganzen Umfange bekannt; 


und doch find one: fie die muͤhſeligſten Unterſu⸗ 


chungen aus der Altern Gefchichte eitel Träume, 


oder Fünftliche Gebäude auf Sand gebaut , die 
durch e 


inen einzigen Stoß eines geuͤbten Kunftrich: 
ters übern Haufen geworfen Werden. J 


Ich ſchmeichle mir daß es nur noch wenige 


‚Grundregeln und Geheimniſſe dieſer Kunſt gebe, 
die ich nicht in den beyden erſten und im vierten 


Abſchnitt des dritten Buchs geoffenbaret, und auf 
eine nachahmliche Weiſe angewandt haͤtte. Eben 
dieſe Capitel ſind daher auch nur fuͤr Leſer, de⸗ 
nen Unterricht willkommen iſt, wenn er gleich un⸗ 
verſuͤßt gegeben, und nicht ohne Anſtrengung em⸗ 
pfangen wird, und ſie koͤnnen hingegen, wie die 
meiſten Beylagen, von allen denen uͤbergangen 


“werden, die mehr Unterhaltung als Belehrung 
fuchen. — 
> Viele Leſer werben ſich daruͤber wundern daß 


ich meine Vorgaͤnger, oder diejenigen Maͤnner, 
deren Schriften für die Archive der alten phüoſo⸗ 
»hifchen Gefchichte gehalten werben, entweder gar 
richt, oder nur alsdenm:angeflihrt habe ; wenn.in 


ihnen etwas zufammengetragen war, was ich nicht 
ſagen oder wiederholen mochte. Den Grund bie: 


ſes 


 Morrebe XXIX 


ſes Stillſchweigens, muß man weder in einer ſtol⸗ 
zen Verachtung der Verdienſte dieſer fleißigen Ge⸗ 
lehrten, noch auch in Unwiſſenheit oder Mangel 
von Beleſenheit ſuchen (denn ich habe ihre Werke 
zu einer gewiſſen Zeit alle geleſen ), wiewohl ich 
fie ben der Abfaſſung des gegenwärtigen micht zu 
Rathe gezogen habe, noch auch ins fünftige zu 
Rathe ziehen werde, ) fondern in meiner Art zu ara 
beiten, die ich feit vielen Sjahren befolgt habe, — 
Sch fing rämlıch frühe an zu bemerfen, daß alle 
Eompilationen , feldft Diejenigen, die den Ruf dee 
brauchbarften und vollftändigften haben, .doch im⸗ 
mer noch mangelhaft und unvoilftändig ſeyen; Daß 
ihre Verfaſſer, meiftens Stellen der Alten wiede. 
rum aus andern Sammlern, oder auch aus den 
Indicibus abgeichrieben, und gerade die wichtig⸗ 
Ben vernachläffige Hätten, aus welchen man die Sits 
ten, 


Geunsumunpepuun GEEBERISHEEREESEHND ν 


®) Sich finde ed noͤthlg, bier eine fleine Bemerfung we⸗ 
gen des Werks eines meiner Freunde, nämlich der 
Befchichte der diteften Weltwelſen Griecheniandes 
von Hra, Tiedemann biazurufügen. Als dieſes Werk 
beraus kam, war das meinige ganz fertig; und Ich. 
Harte nicht cher Zeit dag erſtere durchzuleſen, als bis 
das leztere abgeſchrieben, verbeſſ ert, und in bie Drus 
ckerey gefchickt war. Man wird daher auch In mei⸗ 
ner Schrift nicht die geringſte Anfpielung auf Hrn. 
Tiedemanns Arbeit finden. Ueber den Werth ber vers 
ſchiedenen Methoden, nach welchen wir diefelbigen 
Materien behandelt haben, müflen. wir das Publicum 
richten laſſen. 





ü uf ⏑— 





- 


. 
v . 
[4 , 
- N 
. r 
XIX. vortebe 
— 


ton, Denkart und den Charakter ganzer Zeitalter 
ſowohl als einzelner Perſonen kennen lernen kann; 


daß endlich ein großer Theil von Zeugniffen vers 


ſtuͤmmelt, oder in ein falfches Licht geftellt worden, 
Ich faßte Daher den Entſchluß, mich. der ſchwachen 
und unſichern Huͤlfe, die. ich aus den Compilatio⸗ 


nen eines Brucker, Stanley, u. ſ. w. erhalten fon - 
te, gänzlich zu entſchlagen, und alle Schriftftellen 


aus welchen fie gefchöpft. hatten, oder doch hätten 
ſchoͤpfen ſollen, von neuem zu lefen, als wenn fie 


\ 


noch nie twären gelejen und benuzt worden — und 


zwar in der Abſicht, dereinſt eine folche Arbeit zu 


unternehmen , als wovon ich jego den Anfang lies 


" fere, Je weiter ich fortlad, und je mehr meine 
Kenntniſſe anrouchfen, defto mehr neue Ausſichten 
eröffneten fich mir, defto mehr Gegenftände- wur⸗ 


u den mit’ merkwuͤrdig, auf die ich vorher nicht Ada - 
tung gegeben hatte, und defto mehr Fragen entse . 


landen, deren Beantwortung : ‚mir vorher gar 
nieht eingefallen war. Um folcher fich immer von 


neuem darbietender Unterfuchungen willen, für die 

- ich bisher noch nicht gelefen Hatte, mufte ich oft 
wieder umkehren, und abermals -eben die Wege 
Ä gehen ‚ die id) fehon zurückgelegt zu haben glaubte. 


Ich kann daher meine Lefer verfichern, Daß ich nicht 


nur /alle Ueherbleibſel des ‚Sriechifchen und Roͤmi⸗ 


{chen Alterthums, in welchen fich Moterialien für 
ein folches Werk, ald das meinige ift, finden, ges 
leſen, fondern daß ich die wichtigften derſelben ‚um 
verfehiedener Abſichten willen, mehrmalen gele⸗ 
ſen habe. 


5 


Baorrede. XXXx 


So muͤhſam dies Verfahren auch war; ſo 
ſcheint es mir doch immer viel weniger beſchwerlich, 
als wenn man alle die mittelmaͤßigen und elenden 
Bücher lieſet, die in neuern Zeiten, uͤber alle Theis 
le und Zeitpuncte der Geſchichte der alten Philoſo⸗ 
phie find geſchrieben worden, und deren gehaͤufte 
Anführung dem Kenner am allermeiſten Mangel 
aͤchter Gruͤndlichkeit verräth. Leberdem wurde mir 
meine Mühe auf mehrere Arten reichlich vergolten: 
om meiften durch die seiche Ausbeute von wichtigen 
bisher ungebrauchten Factid und Beweisſtellen, 
und durch die oFtern Veranlaſſungen, die ich erhiele, 
über diefelbigen Tharfachen und Zeugniffe nachzu⸗ 
denfen, Sch erwog nämlich Die einen und die ans 
dern , nicht bloß alsdann, wenn ich fie zum erften» 
male antraf, fondern auch fo oft ich auf andere: 
fh, die ihnen ähnlich waren, fie entweder beſtaͤ⸗ | 
figten, oder umwarfen, oder zweifelhaft machten. 


Henn man die Alten nicht auf eine folche 
At, als ich Befchrieben habe, nach einem gewiſ— 
fen Plane, und mit beftimmten Zwecken aufmerk⸗ 
fam durchliefet, und forgfältig aussieht, fo iſt es 
unmöglich, irgend einen Punct oder Stück der als 
ten Eıtteratur auf eine vollendete Art zu behans 
dein. Denn wenn man die Data und Zeugnifle, 
die man zum Grunde feiner Unterſuchung legt, ents 
weder ans Compilationen , oder aus den Regiſtern 
von Schriftftelern aufſucht; fo iſt man nıe ficher, 
»d man das Verdienſt der Vollſtaͤndigkeit bee, 

0 : wei 


/ X 


XXX Bu Bortebel | 


weil Sammler und Regiſtermacher oft bie e ih 
tigften Stellen für unwichtig halten, oder. da nicht 
anzeigen: und bepbringen, wo fie eigentlich hin: 
gehören. Man lernet ferner nie den Gert, die 
Sprache und Glaubwuͤrdigkeit von Autoren Pen 
nen, and weiß alfo auch nicht, mem oder wann 
man jemanden trauen, und wie man gewiſſe Mor: 
te verſtehen foll. . Auch verdrehen.die fchiefen Aus: 
legungen oder‘ falfcben. Anwendungen, die man vorn 
Zeugniflen gemacht findet, den Sinn. des Forſchers 
verderben feine Urtheilskraft, und machen, daf 
er fie eben fo, .oder auf. eine eben fo unrichtige Arı 
anfieht, ald Augleger oder Sammler fie vorher an 
gefehen hatten. Zulezt wird der Forfcher, wenn cı 
alsdann erft, wenn er ausarbeiten foll, Compilatio 
nen nachfieht, oder felbft zu fammlen und nachzu 
ſchlagen anfängt , durch die Menge von Factis, dir 
er. beyfammen findet, oder zufämmen treibt, zu ſeh 
niedergedruͤckt; und er ift daher wegen Mangel voı 
_ Zeit außer Stande, feine Materialien gehörig zi 
prüfen; mit einander zu vergleichen, und. aus ih 
nen alle® herauszudruͤcken, was aus ihnen nur her 
ausgepreßt/ und ableitet werden kann. 


Anhaltender ſorgfaͤliger Fleiß aber macht fe; 
alsdann, wenn er mıt ungewöhnlichen Scharffin 
‚verbunden iſt, nod) feinen wahrhaftig großen S 
ſchichiſchreiber oder Geſchichtforſcher aus. Verein 
gung von beiden iſt oft Die Haupturſache der Unten 
druͤckung oder : Berdunfelung der Wahrheit, rs 


—8 


Vorrede. KXXII 


der Antbreſtitug Und Scheinbarfeit Gen Irrthaͤ 
mern geworden. Wenn alſo Arbeitſamkeit und 
Talente daurende Berdienfte um die Gefchichte ges 
ben jöllen ; fo muß zu ıhnen Freyheit von allen Bore 
utheien und vorgefaßten Meynungen, Unemge⸗ 
nommenheit fir oder wider gewiſſe Voͤlker, Pers 
fonen, Syſteme und Grundſaͤtze und Ausrotiung 
aler Hypotheſenſucht (in fo ferne der Menſch dazu 
föhig 8) hinzufommen. ch weiß nicht, durch. 
welche Merkmale man Partheplichkeit in allen Faͤl. 
len von dloßer Eiehe und Eifer für Wahrheit uns 
terſcheiden, und ob: andre.in andern, oder ein jeder 
in ſich ſelbſt Partheylchkeit leichter prüfen‘, und 
wahrnehmen koͤnne; aber fo diel glaude ich behaup⸗ 
ten zu dürfen, daß, wenn es uͤberhaupt nicht un⸗ 
möglich if, ſeine eigene Partheylichkeit anzuerfens 
un, man am Heften auf folgende Art erfahren koͤn⸗ 
1, ob man unbefangenen Gemuͤths fen, oder nıche? 
Dan muß nemlich beym Anfange einer. jeden Un⸗ 
terſuchung ſich ſelbſt fragen, und gleichſam auflaus 
en, od man nicht einen geheimen Wunſch habe, 
daß jene eher dieſen ald einen andern Ausgang nehs 
men möge: Man muß Achtung geben, ob man 
At einer vorzuͤglichen Aufmerffarhkeit Jolche. Zeuge 
uſſe auffuche:, die: gewiſſen Volkern, Perjonen, 
Syſtemen, oder: Behauptungen. gimſtig oder uns 
günſtig find‘? 06, man geneigt fen, -folche Facta, 
die denen, die wis‘ vertheidigen oder. entſchuldigen 
höhten, nachteilig ; oder ſolchen, die wir anzu⸗ 
Ingen Luſt haben; vortheilhaft find, zu verdrehen 
6c | 1 Zu 


Dep + 9 + Ge 77377 7 Du 


oder -verdärhtig:iu. machen?- :06 ændlich wichtige 
Stellen in uns. eine lebhaftere Freude erregen, nid 


die aus fruchtbaren Datis zu entfiehen:pflegt, unt 


die alſo zum Theil Daher erklaͤrt werden muß, daf 
wir in dem gemachten Fund eine ſtarke Stuͤhe fuͤt 
eine Lieblingsmeinung angetroffen haben. Went 
man auf dieſe Art oft in ſich ‚felbft hineingeht 
ſo .iſt man zwar vor der feinſten Art von: Parthey 


 Kchfeit, derjenigen ndmlid) deren man {id felbf 


nicht bewußt wird noch nicht ganz ſicher; man if 
aber doch auch dieſer viel weniger ausgeſezt, al 
wenn man ckeine der Worfichtäregein ; von di 

nen.ich geredet :habey zu beobachten, und: auf fic 
anzuwenden verſucht hat. MSIE Eee 
Ich verachte die Zierereyen, wodurch ma 
den Leſer mehr Gutes von ſich errathen laͤßt, al 


mæaan wirklich beſizt, indem man ſich ſcheut, ſich ſelb 


das wenige, was man mit Wahrheit und Zuve 
. . Jiht ſagen koͤnnte, oͤffentlich zuzueignen. Ich trı 
ge daher fein Bedenken zu verſichern, daß ich allı 
gethan habe, was in meiner Macht war, um ni 
mals weder übertriebener Eobredner noch Tadler 
werden, um mic) ferner ſtets von Factis feiteı 
und durch Berdienfte nicht gegen Fehler, und dur 
Fehler nicht gegen Vorzuͤge blenden zu laſſen, en 
lich um mich, zwiſchen ziwoen:entgegengefeiten U 
hauptungen fo lange in der Mitte oder im Glei 
gewichte zu Halten, bis ich Die Gründe und Gege 
gründe gegen. einander abgemogen hatſhe. Dii 

on Br j Ka 


— 


Borsede; Xxxxv 


Kaltbluͤtigkeit, oder wie die Skeptiker fagten, 
Unerſchutterlichkeit erwirbt man nur durch anhaltens 
de Uebung, am meiften Durch die Erfahrung über 
eilter falſcher Ausfprüche und Urtheile, die man 
ſelbſt für oder wider Perfonen und Sachen gefällt 
harte. Mir ift es um defto weniger ſauer gewor⸗ 
ben, biefe Tugend in der gegenwärtigen Schrift 
auszuüben, da ich fchon feit mehrern Jahren mit 
allen meinen Meynungen , auf welchen nicht mei⸗ 
ne und meines Nächften Wohlfahrt berußt, in eis 
ner ſolchen Verbindung ftehe, daß ich mich ohne 
Schmerz und Schnfucht von ihnen trennen kann. 
IH darf gar feinen Karten Kampf kaͤmpfen, und 
fühle auch gar feine ſchwer zu überfteigende Wider 
Ipenftigfeit, oder innere heftige Empörung, wenn 
ch Facta antreffe, wodurch Meynungen, denen 
ich viele Jahre ald wahren angehangen habe, zer⸗ 
Hört und aus ihren Hisher ruhigen Sizen getrieben 


Diefe Unpartheylichkeit, nach welcher ich mes 
nigflene geftvebt babe, Hat in dem berühmten Loba 
redner eines großen Mannes, der aber auch große . 
Schwachheiten Hatte, einen heftigen Widerſacher 
gefunden. Es giebt, ſagt D.*) zwo Arten vom 
Scharfſinn, die eine zeigt ſich in der Verringerung, 
die andere in der Vergrößerung der Fehltritte vom - 
Menſchen, welche leztere öfter einen guten Kol 

ca a 


ungen 





°) Vie de Senegue p. 76% 2 





— 


xxxvi J Vertede 
als eine ſchoͤne Ser verraͤth. Diele fieenge Im: 


partheylichkeit wird nur von folcheri ausgeübt, di 


ſelbſt am meiſten Nachficht nothis haben.‘ 


| Wenn man den Verfaſſer auch mit der Fra 
ge verſchont, wie er jemanden unparthepifch nen 
‚ nen könne, der Fehler und Schmwachheiten vergrö 
ßert, wenn man auch vorausſezt, daß er, wie an 
Dre denfende Dienichen, nur diejenigen unpaitheg 
iſch nenne , die vor einer richtigen Kenntniß! de 
Sachen und Perfonen, weder zum Lobe noch jun 
Tadel geneigt, und vorher geftimme fi ind, und di 
fetöft alsdenn, wenn fie ben Werth.der.einen ode 
der andern unterfücht haben, nicht. mehr loben ‚ode 
tadeln, als es ihnen .die Sefäge einer erleuchtete 
- Serechtigkeit ind Bihlligkeit erlaüben; fo Hat de 
V. doch immer eben To. ſonderbar heſchloſſen al 
derjenige / der auf folgende Art raiſonnirte. 


Es giebt nur zwo Arten von Lobrednerey ode 
Sofreven: die. einen, in denen. man Gegenflände 
die gar nichts lobenswuͤrdiges an ‚fich haben, ode 
die gar von aller Welt verabſcheuet werden, uͤbe 
alles Maaß erhebt, um zu zeigen, daß man durc 
ben Zauber der Beredfamfeit Heine-Dinge vergri 
Bern (und große wiederum erniedrigen) Fönne; Di 

- andern, in welchen man die Berdienfte wuͤrdige 
Männer (oder Sachen) mit einer erkuͤnſtelten e 
J ſtatiſchen Bewunderung uͤbertreibt, und auf all 

Ä diejenigen, die kleine öchler,o an ihnen tadeln, de 

_ . bi 


Vorredu” © XXXxVv 


bitterſten Fluch legt, um andere glauben zu mas 
chen, ald wenn man don einer ſchwaͤtmeriſchen Lies 
be zur Tugend entzündet fen, al8 wenn man die 
Bortreflichkeit großer Männer allein zu Ichäzen 
und zu empfinden wiffe, als wenn man endlich in 
der Sache ungewöhnlicher aber angefochtener Mens 
(hen gleichſam feine eigene Sache vertheidige, um 
dereinſt fich ähnliche eifrige Netter feiner eigenen 
Ehre zu erwerben, | 


So wie man gemeiniglich an Unpartheylich. 
Peit im Urtheilen in eben dem Berhältniffe zunimmt, 
in welchem Lieblingsmeynungen und Anhänglich- 
keit an ihnen verfchwinden , eben fo wächft ın 
gleihhen Graden Abgeneigtheit gegen Hypothefen, 
ſie mögen fo neu und glänzend fern, als fie nur 
wollen. Faſt immer find die grundlofeften Bes 
hauptungen ihren Erfindern die thenerften , To wie 
Eltern ihre fchwächlichfien und unartigften Rinder 
. am meiften zu lieben pflegen. Bon diefer Schwach: 
heit wird man nicht eher geheilet, ald bis man aufs 
hört, Mepnungen bloß deßwegen, weil wir fie zuerft 
gehegt und geäußert haben, als Theile unferer 
ſelbſt, und als das koͤſtlichſte unſerer geiftigen Haa⸗ 
be anzufehen. Wenn man es aber einmal fo weit | 
gebracht hat, Meynungen für nichts mehr zu hal: 
ten, als was fie wirklich find, und fich dabey nicht 
unfahig fühlt, in dem Meiche der wahren Gefchich, 
te ein nützlicher Bürger zu merden, fo mird einem 
die Zeit zu koſtbar, als daß mon in dem umendlis 
| en 


xxxvuii Borrede. 


— 


vuͤltig iſt, ob ſie die rechte oder unrechte Bahn betre⸗ 


— 


chen Raͤumen der Erdichtung und Muthmaßung 
herumirren, und nach leeren Geſtalten haſchen ſoll⸗ 


"te, die ein einziger Lichtſtrahl der Wahrheit zer⸗ 


ſtreuen kann. Voll von dieſen Gedanken, habe 
ich, ſo leicht es mir auch geworden waͤre, und ſo 


viel Veranlaſſungen dazu ich auch gehabt habe, da, 

| wo. alle Facta mich verließen, nicht einmal Vers 
muthungen gewagt. . Wenn ich aber meinen Eefern 

| nichts als Murhmaßungen darlegen Eonnte; fo has - 


be ich ed immer erinnert, und zugleich die Gruͤn⸗ 
de, angegeben, morauf ich mich flügte. Hingegen 
babe ich mit meinem Wiffen nie Bermuthungen und 
Thatſachen auf eine folche Art zufammengemifcht, 
Daß meine Leſer die einen für Die andern hatten neh⸗ 
men koͤnnen. | | 


Auf einer fo langen Reiſe, als diejenige iff, 
die ich angetreten habe, kann es nicht fehlen, daß 
man nicht auf Irrende ſtoͤßt, Die einem den Weg , 
Herrennen , und die man Daher entweder mit Güte 


zu feinen Gefährten machen, oder mit Gewalt auf 
die Seite bringen muß; — oder daß mar nicht 


wenigſtens folchen begegnet, mit denen man über 


die Führer und Richtungen, denen man zu folgen 


hat, zu Erklärungen kommen muͤſte. — Bor eis 
nigen Abwegen nun muß man laufmarnen, weil 


ſich viele darinn verlohren haben: auf.andere darf 


man nur mit dem Finger hinweiſen, weil fie bloß 
denen noch gefährlich find, von welchen es fait gleiche 


un: 


8* 





Borrede XXXX 


ten: und noch andere hat man gar nicht einmal 
nothig zu bemerken, weil ſie ſchon fo verwachſen, 
und ungangbar geworden find, daß nicht leicht ans» 
dere als Wahnſinnige ſich darinn verfriechen oder 
verwickeln koͤnnen. — Oder um eigentlich zu rer . 
den, einige Irrthuͤmer in, der alten Geſchichte muͤſ⸗ 
ſen ſorgfaͤltig widerlegt werden, weil fie herrſchend 
ſind, und durch Verjaͤhrung den Schein von Wahr⸗ 
heiten erhalten haben: andere darf man nur kurz 
beruͤhren, um fie zu entlarven: und eine große 
Menge endlich kann ganz mit Stillſchweigen uber, 
Hangen werden, weil ſchon der Genius des Zeital⸗ 
ters, und Die allgemeine Aufklärung fie erftickt 
und ausgerottet hat. Ich Babe es mir daher ans 
gelegen ſeyn laſſen, den polemifchen Theil meines 
Buchs *). fa viel als möglich abzufürgen, und den 
kreiſchenden heftigen Ton von Zaͤnkern zu vermeiden, 
die in einer jeden ihrer Meynungen die unentbehr⸗ 
lichſten Wahrheiten zu verfechten, und in einem je⸗ 
den Saze, der ihnen entgegenſteht, den verderb⸗ 
lichſten Irrthum zu beſtreiten glauben. Zugleich 
aber habe ich allenthalben , wo ic) von’ berühmten 
und unberühmten Männern abweichen mußte, mei⸗ 
c4 ve 
— — — — | 
) Ich Hätte zum Veyſpies fm der Unterſuchung uͤber das 
Zeitalter des Pythagoras noch mehrere beruͤhmte 
Männer zurechtwelfen koͤnnen; allein ich babe tom. 
Ihnen geſchwiegen, weil fe eben fo, oder mit nod, 
mehr Rachlaͤſſigkeit irrten, als Bisjenigen, die ich 


widerlegt habe. Man ſehe .B. Jackfon’s ebronola⸗· 
sin Aneigalde 1.374 


XL. oo Borrede 


ne Zweifel und Gehengruͤnde mit üneingeſchrant⸗ 
er Freymuͤthigkeit vorgetragen, in dem feſten Zu⸗ 


trauen, daß alle meine vernünftige Widerſacher 


den Gegner ihrer Meynungen nicht für ihren Feind 
halten oder nichts wichtiges zu verlieren fürchten 
würden, wenn ihrien auch Die eine oder die andere 
ihrer Behaupfungen genommen werden. folte. — 
Quamobrem (denfe ich mit Eicero De Fin, L 8.) 
diſſentientium inter fe reprehenfiones non ſunt 
vituperandae: maledidta, contumeliae, tum ira- 
cuiidae contentiones, concertationesque. in di- 
fputando pertinaces, indignae mihi philofophia 
videri folent. = Neque enim dilputari fine re- 
prehenfione , nec cum iracundia aut pertinacia 
recte difputari poteft. 


Bey aller meiner Bemühung aber ſtets der. 
Woahrhen getreu zu- bleiben, befcheide ich mıch doch 
gerne, Daß ich gleich meinen Borgängern mehrma« 
len ein Raub des Irrthums geworden bin. Wer 
mir meine Fehltritte ohne Bitterkeit zeigt, dem 
werde ich nicht weniger verpflichtet ſeyn, ald dem 
Arzte, der mich von Krankheiten: beftent. Nur 
Bedenfe man immer, daß 'es viel leichter fen, die 
Irrthuͤmer anderer zu entdecken, als felbft nicht 
zu irren, und daß es faſt unmöglich war, auf fü. 
unebenen ungebahnten Wegen, al& welche ich übers 
munden oder verſucht habe, bisweilen nicht zu 
ſtraucheln, oder ſelbſt zu fallen, indem ich andere 
auftichtete. 


ne; 





Bey allen wichtigen Factis habe ich mich 
nicht begnuͤgt, meine Gewaͤhrsmaͤnner, und die 
Stellen zu nennen, wo man ihre Zeugniſſe finden 
kann; ſondern ich habe auch ihre Worte ſelbſt an⸗ 


gefuͤhrt. Dies ſchien mir ſowohl deswegen nuͤzlich 


und zweckmaͤßig, weil ſich in Zahlen fo leicht 
Schreib - oder Druckfehler einfchleichen koͤnnen, als 
weil auch viele Leſer die Bücher , die ich citirt habe, 
entiveder gar nicht, oder doch nicht in Den Audgas - 
ben befizen,. Die ich gebrauchte, weil fie endlich auch 
nicht Luft Haben alles nachzufchlagen ; worauf fie 
verwwiefen werden. Wenn man hingegen die Stels 
fen, worauf: alles ankoͤmmt, abſchreibt und unten 
den Tert ſezt; fo erfpart man vielen Eefern eine bee 
fchwerliche Arbeit, und fezt fie fogleich in Stand, 
zu urıheilen, ob man Schriftfteller recht veritanden 
habe, oder nicht, — Bon einigen Elaffıfern fühs 
ve ich bald diefe, bald eine andere Ausgabe an, 
weil ich ihre Werke nicht auf einmal ganz durchlas, 
und zu verfchiedenen Zeiten nicht immer dieſelbigen 
Ausgaben erhalten konnte. 


Schließlich will ich noch einiges uͤber die 
Rechtſchreibung bemerken, der ich in dieſem Buche 
gefolgt bin, und die von derjenigen, die man in 
meinen uͤbrigen teutſchen Schriften finden wird, 
in vielen Stuͤcken verſchieden if. Zu meiner Be: 
ſchaͤmung muß ich befennen, daß ich mir Bid vor 
noch nicht gar langer Zeit niemals die Mühe ges 
nommen babe, über Die Rechtſchreibung unſrer 

5 Epra⸗ 





KL: -Worrebe 


Sprache, in ihrem ganzen Umfange, nachzudenken, 
teil ish dieſen Gegenftand-für viel weniger wichtig 
hielt, ald er wirklich ik. Ich war. daher nicht 

' nur unbeſtaͤndig in der Art, wie ich ‚Diefelbigen 
‘ Woͤrter fchrieb, fondern marhte auch Fehler, die 
‘ich mir jego kaum ſelbſt verzeihen kann, und die 
man gewiß fFrenger würde geahndet haben, went 

man fie nicht aus einer zu vortheilhaften Mehnung 

von mir für Druckfehler gehalten haͤtte. Die vor« 
trefliche Schrift des Heren Geheimen Juſtiz⸗Rath 

— Bütter, über die Richtigkeit und Rechtſchreibung 
der teutichen Sprache, bat. mic) zuerft veranlaßt 

eine Sache in reifliche Ueberlegung zu ziehen, im 
welcher Nachläffigkeit , wie unnöthige Neuerun⸗ 
gen, von größern uud nachtheiligern Folgen find, 
als man glauben follte. — Nach mehrmalen wies. 
derholten Unterfuchungen babe ich die Grundfäze 
des eben genannten berühmten Gelehrten immer 
bewährt gefunden, und fie auch durchgehende in 

der gegenwärtigen - Schrift angewandt; folgende 
beyde Fälle ausgenommen, wo ich hinlängliche 
Urſache zu haben glaußte, fie zu verlaſſen. — 
Herr Geheime Juſtizrath Pütter ſezt es als eine 
Regel fe, daß man bey Wörtern, die wir aus 
fremden Sprachen angeriommen haben , nicht im» 
mer ängftlich auf ihre Ableitung fehen müffe, bes 
fonders aledenn nicht, wenn wir fie durch Umwe⸗ 

ge erhalten, oder ein allgemeiner Gebrauch fie ver 
wandelt und umgebildet hätte. Man müfle da 
Ger Wörter, die urſpruͤnglich Griechifche fen, 
no: aber 


⸗ * 
—* * 


V x 
Vorrede. XL 


aber nicht unmittelbar aus der Griechifchen, fons 
dern aus der Lateinischen Sprache zu ung gekom⸗ 
men, fo fchreiben , wie fie ein allgemeiner Gebrauch 
aus der leztern Sprache eingeführt habe. 3.8. 
niht Katechiſmus, Katechorifch , fondern Eat 
chiſmus, Categoriſch. Auch fen es unrecht, 
Sylbe und Stpl, ſtatt Silbe und Stil zu fegen; 
wenn gleich die erſte Art diefe Wörter zu fchreiben 
mit der Ableitung derfelben uͤbereinſtimmend ſey. 


In dem einen, wie in dem andern Falle fcheint 
mie dem erften unter allen Grundfäßen der Recht⸗ 
ſchreibung, der Erhaltung der Etymologie, zu viel 
vergeben zu werden. — 5 


Wir brauchen viele Griechiſche Woͤrter und 
Namen die ſich in keinem Roͤmiſchen Schriftſtel⸗ 
ler finden, und die wir alſo nicht erſt durch das 
Medium der Roͤmiſchen Sprache erhalten haben, 
ſollen wir denn dieſe auch ſo ſchreiben, wie der 
Roͤmer ſie geſchrieben haben wuͤrde, wenn er ſie 
angefuͤhrt haͤtte? Ich weiß nicht, warum wir 
Griechiſche Woͤrter, beſonders die Namen von 
Perſonen, Voͤlkern, Laͤndern und Staͤdten bloß 
deswegen verſtummeln wollen, weil die Roͤmer 
es aus Mangel eines oder mehrerer Buchſtaben 
thaten, die uns nicht fehlen. Ich ſchreibe daher 
alle Griechiſche Namen, wie ſie von den Griechen 
geſchrieben wurden, ausgenommen wenn fie aus 
dem Lateiniſchen abſtammen, wie 3. B. Clemens, 
oder wenn ſie im Lateiniſchen, woher wir ſie 

pfan⸗ 


IV . Boreo 


pfangen haben, eine ganz andre Geſtalt erhalten 
- baden , und Burch ihre Zurückführimg, auf ihre 

urfprünglıche Form ganz .unkenntlich werden wuͤr⸗ 
den. Dies iſt der Fall bey den Wörtern, Aes⸗ 
culap, Eılicien, Lycien, Thracien, Sicilien, Athe⸗ 
nienſer, die ganz unverftändlich werden würden , 
wenn man dafür Asflepins , Kilikien, Enkien‘, 
Thrakien, Sifelien, Athenaͤer ſezen wollte. "Die 
fe Ausnahme ift derjenigen ähnlich, wenn man 
Porter, die aus dem Lateinischen abſtammen, der 
Ausfprache wegen anders fchreiben muß, als eg 
nach deit Geſezen der Epmologie geicheben Sollte, 
3. B. Artikel für. Articel: | 


+ Noch viel weniger hat man: xnöͤthig, eine 
Rechtſchreibung, welche die Etymologie verlangt , 


einem allgemeinen Gebrauche aufzuopfern. Denn 


ſo wie es einen richtigen und fehlerhaften Gebrauch 
zu reden giebt; ſo giebt es auch einen richtigen und 
unrichtigen Gebrauch in der Art Wörter zu ſchrei⸗ 
‚ben. Und ſo wie der Dictator Caͤſar vom Cicero - 

und allen geſchmackvollen Roͤmern deswegen vers 
diente Cobfprüche erhielt, daß er tadelnswerthe Ges 
mohnheiten: zu reden nach geltenden Gründen ver 
befferte *): fo verdient, glaube ich, auch ein jeder 
Scriftitellee Beyfall, wenn er unetymologifche 
Wortſchreibungen zu berichtigen ſucht. an 

| r⸗ 


————_—__ — ——— — ⸗ 





09 Cie, in Rruto. Caeſar suteıw ratlanem adhibens, con- 


ſuetudinem vitioſam & sosruptem pura & Incorrupte 
: sonfuetudine emendat. 


* 
\ . 


Vorrede. „XY | 


Woͤrter, die von bewaͤhrten Schriftſtellern 
auf mehrere Arten geſchrieben werden, habe ich 
der Abwechslung wegen bald auf die eine, bald 
auf die andere Weiſe gefchrieben. 3. B. jezo; 
ifo, jest. — Wenn ferner die helfenden Zeit» 
wörter fich an gewiſſen Stellen zu fehr haͤuften, 
oder dafjelbige Wort mehrmalen. hätte wiederholt 
werden muͤſſen; fo ‚habe ich nach dem Bentpiele - 
der Alten, die ſich oft Ellipfen des Wohllauts wer. 
gen erlaubten, Hilfs: Verba an ſolchen Stellen 
weggelaffen, wo ihre Abweſenheit weder Dunkel: 
heit noch Mißverftand hervorbringen konnte. Ends 
lich Habe ich (um zu der vorhergehenden grammas - 
tikaliſchen Bemerfung noch eine hinzuzuſetzen) alle 
Nomma Propria, wenn fie den Artifel vor fi) 
haben, in allen Eafibus wie im Nominativo ge⸗ 
braucht, und gleichſam als Indeclinabilia anges 
ſehen *). Hingegen habe ich, wenn fie nicht mit 
Artikeln verbunden waren, den. Caſus durch eine 
von dem Nominativo verſchiedene Endigung bes 
merkbar gemacht **). Ich habe dieſe Regel deß—⸗ 
wegen befolgt, weil man fie in vielen Fällen ſchon 
lange ausgeuͤbt, und ohne in die lacherlichfte Affe 
ctation, und den unerträglichiten: Mißlaut zu fal⸗ 
len, oft nicht verlegen Fanı. Wer würde es dul⸗ 
den, wenn jemand, des Ariftotelid , des Ciceronis, 
des Ariſtoxeni uf w. ſagen wollte? Dapunh 

aber 





U U} 


”) Des Dikaͤarch, Diodor, u. ſ. w. 
) Senecca's, Cicero's, Dieders Ditaͤarch's, u.ſ. w. 


\ D 


" xivi  RWorrede 


aber daß man ‚diefen Gebrauch allgemein Macht , 
gewinnt man den großen Vortheil daß man in al · 
len Faͤllen, mo man den weggelaſſenen Artikel 
durch eine Veränderung der Endigung von Namen 
ausdrückt, dieſe Weränderungen viel bedeutender 
macht; als avenn fie ohne allen Unterfchied, auch 
dann, ‚wenn Artikel da find, gemacht werden. — 


Geſchrieben auf der Georg Auguſt Uniber⸗ 
fität, am funfgehnten September 1780. i 


erhes 206. 


Unber den "Alteften‘ Zufland von Griechen 


land, und das" Zeitaltei 
re We. 





— 


Tode ns dmavrav Tsopıns ögay fauriv zum vu 
weg TE un Yayavevan Ti: Tav duvcron yayacdızın 


I die erſtey Geſchicheſchrelher Grledhens 
landes afle verlogren gegangen, und in den 
‚Wbrlg gebliebenen. waheſcheinlich nur wenige 
Reſte alter Ueberlleferungen erhalten worden find; fo 
teidien boch ſelbſt dieſe duͤrftigen Ueberbleibſel ofe unfiches 
ter und widerſprechender Zadridten hin, um es zu er⸗ 

& See ° "Mlären 


r der ſieben 


x 


A 


. . wu J | u 
nr Kerle Buch. 


I Ä 0 » R 
klaͤren warum bie erſten Reime Griechiſcher Weisheit ſich 
unter dem ſchoͤnen Himmel Joniens, und nicht in dem 
sieh ättern Griechiſchen Mutterlande entwickelten? warum 

eben dieſe jungen Keime; da ſie kaum ausgebrochen waren, 
aus dem. Schooße des muͤtterlichen Bobens ausgeriſſen, 
und nicht in das nähere Griechenland, ſondern in das ent · 
ferntere Italien verpflanzt wurden ? warum fie endlich 
auch bier nicht dausende Wurzel faßten, fondern- erft im 
ſtelinigten unfruchtbaren Attika mächtig zu treiben anſin⸗ 
‚  gen,. und einen Stamm Hirvorbrachten, deſſen Zweige 
in der Folge ſich uͤblg Öle, Theile der Erde verbreiteten, 
und deſſen koͤſtliche Fruͤchte noch jezo von den aufgeflär« 
teffen (Bölfern und molfeften Menfchen genoffeg werpend - 
... Wenn wir etwa fechzehnhundert Jahre üben dem 
Anfang tinferer Zeitrechnung Hivauffteigen ; fo finden wir 
das eigentliche Griechentand von mehrern Voͤlkerſchaften 
beſezt, die eben ſo wild, als die fie umgebende Natur 
waren, die ohne Geſeze, ohne daurende haͤusliche und 
bargerliche Werbindungen, ohne alle die Kuͤnſte des Fries 
dens, DER dag Leben des Menſchen' verſchoͤnern, „gleich 
andern relßenden Thieren in unermeßlichen Waͤldern her⸗ 
umirrten, und unter einander in beſtaͤndigen Kriegen, 
wie in nie aufhoͤrenden Gefahren Iebten,: von fremden 
Menſchenraͤubern mweggeführe zu werden *), Iyn dies 
u fon freien Zuftande war Griechenland, als einige 
Mnſchenalter nach einander Ebentheuret aus Aeghoten, 


\ . 
“ . J 2 “ . » 
. d1 L 7; ‘ rd » 











) Diefe Schilderung, wird nicht nur durch das folgende 

ſſonbern anch durch manche alte ——— 
gt, die ˖ Goguet (Part I Liv. L. 59. Bde gro 
0 Baria 1958.) gefamlet hat. 








Ueber den ölteften Zuſtand von Sriechenfand. 3 
Phonicien und Phrygien in Attika, Boͤetien und ben 
Peloponnes ans Sand traten, und bie in biefen Gegenben 
herumgiehenden Horden ehtweber ausrotteten, und dere 
jagten *), oder auch mit Gewalt unterjochten unb mie 
fih vereinigten. Gemeiniglich glaubt man, daß bie 
Fremdlinge ans Afien und Africa, die fich in Griechen« 
land niederließen , den urfprünglichen Bewohnern deſſel⸗ 


ben alle Künfte und Kenntniffe der Völker, aus welchen 
fie abflammeten, mitgetheile haben; allein Biefer Gedanke 


iſt eben fo unwahrſcheinlich, als er geſchichewidrig iſt. 


Alten Ueberlieferungen zufolge, wurden die Fluͤchtlinge 
entweder durch bie Furcht dor ben Strafen ausgeübter 
Verbrechen , oder auch durch mächtige Gegenparteyen 
aus Ihrem Vaterlande vertrieben , und hatten alfo nicht 
Zeit genug , ſich Fahre lang zur Gründung neuer Pflanze 
ftädte vorzubereiten , und alles das zufammenzubringen,, 
was zur Gewinnung oder Bezähmung von Barbaren, 
und zum vortheilboften Anbau von Wildniſſen unentbehre 


lih war. Sie.trafen ferner in ben $ändern, wohin mehr 


der Zufall fie verfchlug , als ihre eigene Wahl fie führte, 
Menfchen an, die einen befto undezwinglichern Haß ges 
gen Fremde hatten, weit fie häufig von Menſchendieben 
überfallen und beraubt worden waren; und diefe feindfer 
ligen Geſinnungen muften die erftern durch neue Gewalt⸗ 
thätigfeiten vermehren , ohne welche fie fich. weder bes 
haupfen , noch die freyen Nomaden aus Ihren Wohnpläs 
zen vertreiben, ns diefe an wine ſtete ihnen äußert ver⸗ 

Ar haßte 


N 
. 











”, Man fehe den gelehtten Verfaſſer des Buchs de PEtat & dus 


fort des anciennes colanies p. 9. & 64. Auch Goguet, 


Part. 11. p. 59. Pauſan. IX, 5. 








4 - erh Ba 


haßte zebenart gewoͤhnen konnten. Nachbem fie ſich 
endlich feſtgeſezt, und Durch die Borzüge ihrer Waffen 
und Küftungen furchtbar gemacht Hatten, blieben fie doch 
‚immer nod von zahlreichen unbezwungenen Stämmen 
umringt, die fie zwar in angefündigten oder vorhergeſe⸗ 
benen. Kämpfen überwinden, deren Machſtellungen und 
plözlichen Ueberfällen fie aber doch ‚nicht ausweichen fonnz 
ten, und unterhielten Dingegen mit ben Sändern, aus Des 
nen fit ausgegangen waren, gar feine Verbindung , fon 


ern wurden von ihren ehemaligen Landsleuten eben ſowohl, 


endlich außer einer gewiſſen Anzahl von Wörtern wenig 


als ‚andere gepluͤndert unb iveggefchleppt, Wenn man 
alle diefe Beobachtungen zufammenniminr; fo muß man 
nothwendig fchließen, daß die erften Gründer von Colo— 
nien in Griechenland felbit mehr verwilderten,, als fie zue 
Bezähmung zügellofer Barbaren beyfragen Pentiten, und 
daß fie den leztern außer ihren Göttern und gettesbienft« 
llchen Bebräucen , außer den erften Anfängen bes Acker⸗ 
baued, und der damals noch ganz unbrauchbaren Schrift, 


oder gar nichts von bildenden Kennen und Fertlgkel⸗ 
ten überliefert haben 2). | 
| Diefe 


rinnen 








x PER NE ⸗ de — EIER * u 


.%) Ueber bie aͤlteſten Volker Griechenlandes, welche die 
Aegyptier, Phonicier u. ſ. w. antrafen, habe ich wer 
der ſelbſt, nvch in aͤndern etwas ſo wahrſcheinltches gen | 

funden, alg was Herr Hofrath Henne in einem Auhange 

ſagt, welchen er feiner erſten Abhandlung über bie 
Epochen. des Kaſtor hinzugefügt bat (Vid. Nov, Com. 
ment. Seciet. Reg, Selent. Goetting: 1.p.89.) Bevor: 

1. ich. diefen Aufſaz las, Hatte ich alle, oder doch vie 

wichtigſten Stellen alter Geſchichtſchreiber über die urs- 
hyrungüichen Bewohner Griechenlandes geſamlet, und 

I ich 









— 


> 


® 
‘ 


\ 


eber den Alteſten Zuffand don Sriechentand. 5... N 


Dieſe Bemerkungen werben durch das Gemälde 
deſtoͤtigt, was uns Thukydides vom. Zuftande des alten 
43 Brise 


ng 











—“ 


ich Fonnte daher eine deſto genauere Vergleichung zwi⸗ 

ſchen den Vermuthungen meines Freundes, und den 

Zeugniſſen der Griechen anſtellen. Bey dieſer Verglei⸗ 

chung fand ich, daß die erſtern durch die leztern voll 

kommen beſtaͤtigt werden. Herr Hofrath Heyne vimmt 

an, daß Varderaſien und Griechenland durch wieder⸗ 

holte Einwanderungen von Nationen, die zwiſchen dem 

ſchwarzen und kaspiſchen Meere hervorgebommen, bes 

voͤlkert worden ſeyen; daß man in Griechenland wenig— 

ſtens zwey verſchiedene Voͤlkerſchaften, naͤmlich Thras 

ciſch⸗Phrygiſche und Pelasgiſche, nuterſcheiden muͤſſe, 

vie vielleicht aus denſelbigen Gegenden ausgegangen, 

und mit einander verwandt, aber zu verſchiedenen Zeia 

ten, eingewandert feyen, und eben deswegen in ber Folge 

ſters in Unfchung der Sprache und Eitten verſchieden 

geblieben. Daß endlich aus einem won diefen Stämmen, 

aber aus beyden zugleih, water dem Deufalion und 

deffen Sohn Hellen, ein nener Etanım der Hellenent 

entffanden, die man, weil fe ih. vor bei. übrigen durch 

höhere Grade von Sultur merklich erhoben, nachher alg; 

von ihnen gänzlich verfchieden angefehen habe. Aus dem 
gemeinſchaftlichen Urfprunge nun der aͤlteſten Bewoh⸗ 

ner Griechenlandes und Vorderaftens mäffe man ſchlie⸗ 

Ben (was man andy nad) dem Homer behaupten muͤſſe,) 

daß die Sprachen aller biefer Voͤlker bey alken Abwei⸗ 

chungen von Mundarten doch immer ſehr viele Aehn⸗ 

lichkerten und Verwandſchaft gehabe haͤtten. 


Die wichtigſten Stellen, wodurch dieſe Saͤze bewieſen 
werben, ſtehen im Strabo, der vorzuͤglich dem Heka⸗ 
taͤus und Ephorus folgte. Man ſehe ©. 338. 39. 494. 
95. 608. 720,22. 857:59, 909. 975 7). Edit. 
Alwolov. Hiemit vergleihe man Heredot I, 57. H. or 
52. und VII. 94. 99. uud Dionys L 6:25. Ant, Rom, 
Merkwuͤrdig iſt es, daß Hekataͤus, Ephorus und Heroa 
dot bie Pelasger, Leleger und. Karier ſtets Barbaren 


6 Erſtes Buch. ı 
Griechenfandes ſelt der Ankunft der fremden Colonien 
bis auf den trojanifchen Krieg macht. Die verfchledenen 
Theile des jesigen Hellas ,. ſagt diefer große Geſchicht⸗ 
ſchreiber, waren vormals nicht fefte Wopnfige von Voͤl⸗ 
fern’ , bie. beftändig denfelbigen väterlichen Boden ‚bauten, 
und ſich innerhalb ihrer Graͤnzen hielten , fondern fie wa« 
ren vielmehr von unfteten Stämmen befest, bie oft entweder 


‚> mit Gewalt aus ihren Befizungen verdrängt wurden, oder 


fie auch bey den geringften. Anläffen. freywillig verließen , 
weil fie das, mas zur nothdürftigen Erhaltung des Lebens 
gehört, allenthalben zu finden hoſten. Solche Ein-und 
Ausmanberungen gefchaben in den fruchtbarften ändern, in 
Boͤotien, TIheffallen und dem Peloponnes, Arkadien 
ausgenommen, am haͤufigſten. Man ſaͤete nicht, weil 
es zu ungewiß war, ob man erndten, und bie Früchte 
feines Fleißes genießen würde, Auch verſtand man die 
Kunſt noch nicht, ſich durch die Erbauung ſeſter Plaͤze 
gegen 

nennen, und daß der leztere die Sprache der Pelasger, 

die noch zu ſeiner Zeit uͤbrig waren, von der der Griechen 

ſo gaͤnzlich verſchieden fand, daß er die erſtere eine bar⸗ 

| barifhe Sprache nanrite, und der leztetn entgegen feste. . 
Nach dem Strabo hingegen "traf ınan in der Sprache 

ber Karier, die fi Brüder der Lydier und Myſier 
nannten, und mit. den Lelcgern fehr verwandt waren, 

viele griechifche Wörter an, und er glaubte, daß die 

Karier nur beswegen vom Homer niit dem Beynahmen 


Bueßzeodwvös belegt worden, weil fie eine unan⸗ 
genehme von der Griechiſchen verſchiedene Ausſprache 
gehabt haͤtten. Das Zeugniß des Herodots uͤber die 
Sprache der Pelasger iſt die einzige Schwierigkeit gegen 

den Urſprung der Hellenen aus dem Volke ber Pelasger, 
welchen dieſer Zeſcheheſchritet 6 doch nicht zu laͤugnen 
ſcheint. ViL 95. 











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._ / r 


So 
L 


Icher den äfteften Zuftand von Griechenland. 7 


gegen feindliche Ueberfälle zu ſchuͤzen, und eben fo wenig 
dachte man daran, ſich gegenfeitig durch Bündniffe zu 
käͤrken, oder einen ſichern Handel zu Waffer und zu 
done zu errichten. Die Küften wurden fo oft von frem« 
den Serräubern beſucht, Daß man gezwungen mar, fid) 
in das Janere des Sandes hineinzuziehen, und aud hier 
noch beftändig Waffen zu tragen, um flets zum Streite 
gerüftet,, und zur Gegenwehr bereit zu ſeyn. Griechen⸗ 
land blieb daher (fo ſchließt Thukydides) bis auf die Zele 
ten des trejanifchen Krieges zu ſchwach, zu arm und zu 
gefpalten , ats daß es große gemeinfchaftliche Unternehs 
mungen hätte ausführen fännen *), - . 
Eine Folge der gemaltfamen Einbrüche und Nies 
berlaffungen auslänbifcyer Rotten, vielleicht auch der ende 
Iofen innern Kriege, war diefe, baß ein großer Theil der 


urfpränglichen Nomaden Griechenfandes feine Heimath 


gänzlich verließ, und fich ſowohl über Italien, als über 
Alien von Troas bis nady Cilicien herunter, und auch 
über viele griechiſche Inſeln ergoß **), Unter diefen zahl» 


reihen Schmärmen hob ſich das kleine Häufleln, was 


ſich in Kreta feftfezte, zuerft bie Eingebohrnen diefer ne 
fel bezwang, und ſich nachher mit Doriern und‘ andern 
Barbaren vermifchte ***), vor allen übrigen hervor, und 
trug befonders durch den Murh und die Weisheit deu 
awenlen Minos, diefes großen Worläufers des Lykurg, 

Ag doar 


— > Eng 








*) Thucyd, 1. 2-12. e. 

*, Hieruͤber leſe man vorzuͤglich Strabo VII.496. 97. xu. 
855. 857. 58. XI. 909. 

*) Vid. Died. V. 393- 95. Strab. p. 728. ‚732. Gog.1l, 

‚ 202 Hayas I, m 77. 


Ad 


4 


et N 


8... Lıfls Buch. 


ber ohngefaͤhr ein halbes „Jahrhundert vor bem trojaniſchen 
Kriege lebte,‘ mehr zur Sicherheit, Ruhe und Macht 
des alten Griechenlandes bey, als alle fo fehr gepriefene 
Fremdlinge bis dahin gethan hatten *). Diefer außer⸗ 
ordentiiche Mann, der mehr als die vergötterten Helden 
der Griechen übermenfchliche Verehrung verdiente, ſam⸗ 
lete die bis dahin zerſtreuten Bewohner von Kreta nicht 
nur in Staͤbte, ſondern er ſchuf fie auch durch feine Ge⸗ 
fu, die in ber Folge eine Haupturfache der erftaunlichen 
Größe von Sparta und Athen wurden **), in. tapfere 
unwiderſtehliche Krieger und ia Deherrfcher des Meers 
um. Er raͤchte an den Kariern und Phöniciern , bie fi) 


alllmaͤlich der Kykladen bemaͤchtigt hatten, alle das Uns 


veht, was fie an feinen und feines Volks Vorfahren 
‚ verübt hatten, jagte fie von den’ Inſein ang fefte fand, 
legte denen, die zuruͤck geblieben, Tribut auf, und ſaͤu⸗ 
berte das Meer, wo nicht von aflen, doch von dem 
. größten Theile der räuberifchen Barbaren, die ſich bis 
bahin von dem Ungluͤck anderer Menfchen genaͤhrt, und 
Schiffart, Handlung und aflen Fortgang zur Aufflärung 
zurüd gehalten hatten. Von biefer Zeit an wagten fid) 
auch bie europaͤiſchen Griechen auf das Meer, und fien⸗ 
gen an Handlung zu treiben: ſie erbauten neue Staͤdte 
auf Erdengen, oder an den-Ufern der See, und umga- 
Beni fie mit Feſtungswerken. Sie legten ſich mit größe 
rem Eifer als vormals auf ben Ackerbau, und nahmen 
in wenigen Menfchenaltern fo fehr an Wohlhabenheit und 
Bevoͤlkerung zu, daß ſie mit einer Flotte von zwoͤlfhun⸗ 
dert 
*) Vid, Seript. mode cit. & Thueyd. I, 4. 
* S. die erſte Veylage, am Ende des Ab ſchnitts. 











J 


neher den alleſten Zuſtand don riehenlam 9 


dert Sthiffen noch Aften überfegen, und Troja belagern 
konnten: Die erfie Unternehmung, zu welcher ſich alle 
griechiſche Staaten, aber mehr aus Furcht vor ber über 
legenen Macht des Agamemnon, als aus freyer Webht 
vereinigten *). | 

So fehr fi aber auch GSriechenland in dem lez⸗ 


ten Jahrhunderte vor bem trojanifchen Kriege aufgerich⸗ 


tet hatte; fo weis war es noch won berjenigen Cultur ente 


feent, die aus einem fichern Genufſe der bürgerlichen Frey⸗ 


heit, und einem Jangrolerigen Befize vor Kuͤnſten, kuͤnſt⸗ 


lichen Handwerkern und Wiſſenſchaften entſteht. Noch 


zu und noch den trojaniſchen Zeiten gewannen die Gries 


chen mehr durch Seeräuberenen als Durch Handlung, mb 

bie erfteen waren eine fo ehrenvolle Beſchaͤftigung, daß 

ſelbſt Könige und Haͤupter von Völkern fie trieben, und 

Fremdlinge ohne Beleidigung gefragt wurden, ob fie 

Freybeuter wären ? Die Schiffe der Griechen, bie nad) 
Aften zogen, waren meiſtens offene Kühne, und fo um 


bedeutend , daß bie größten nur hundert und zwanzig 


Mann kaffen, und one Mühe aufs Sand gesogen wer⸗ 
ben fonnten. Sie hatten wahrfcheintich noch Peine Anfer, 
und Peine anbere als bemegliche Maſtbaͤume, bie man, 
wenn man fie nicht brauchte, aushob. Einzelne Könige 
und Helden befoßen zwar foftbare Waffen und Hausges 
rärhe, und fühftliche Arbeiten aus edlen Metallen; allein 
diefe hatten fie entweder von Sidoniern gefauft, ober 
von: frengebigen afiatifchen Gaſtfreunden erhalten , oder 


auch durch glücklichen Raub zufammengebracht.: Im | 


Zeitalter Homers, ohngefaͤhr drey Jahrhunderte nach dem 
15 tro⸗ 





nd 


2) Thueyd. I, 9. 





an, DER 


0. 


v4 or | 


wo. Enet Vuch. 


—— Kriege , waren in Griechenland nur noch 
wenige Städte ‚ und felbft Die anſehnlichſten unter dieſen 


waren mebr.regellofe Haufen armfeliger Hütten ‚in denen 
man eben fo wenig Spuren ber Baufunft oder Säulen» 


ordnungen entdeckte, als man Gtatuen aus Erz und hars 

ten Steinen, oder bie Bearbeitung von Marmor 
Fannte: *), J 

Waͤhrend und nach dem rojanifgen Rriege v vers 


lohren die Griechen zwar ihre groͤßten Helden, und einen 


großen Theil ber Schiffe, bie fie nach Afien hinuͤbergetra⸗ 
gen hatten; allein die übrig gebliebenen Krieger kehrten 
“auch mit unermeßlicher Beute zuruͤck, waren mit meh⸗ 


zern reichen Völkern an ber ganzen Küfte von Afien her⸗ 


unter, und mit den Ausflüffen des Nil bekannt gewor⸗ 
ben , und wahrfcheinlich alfo wuͤrde das europäifche Grie⸗ 
chenland von feiner erften gemeinfchaftlichen Unterneh⸗ 
mung in einem fremben Erbtheil eben die Vortheile erhal⸗ 


ten haben, welche bie. Kreuzzuͤge dem weftlichen Europa 


verfchaften, wenn nicht die lange Entfernung‘, und die 
Ruͤckkehr der Griechen, bie Troja zerflört hatten, allen 
halben Zwietracht und Meutereyen erweckt hätten, die 


wahrſcheinlich meiftens daher entftanden, baß man fid) 
. an den Familien und Gütern der Äbweſenden vergriffen, 
‚ober ihre Vorrechte zu ſchmaͤlern geſucht hatte. Dieſe innern 


Unruhen und Empoͤrungen endigten fi ch felten anders, .als | 


mit der gänzlichen Berigung, „ Oder auch der Flucht der 


9. Man fehe Goguet Part, IT. 150. p. — ‚Heyne In com- 
ment, fuper veterum ebore, ebutaeisque fignis p. 96- 
‚01. in Comment, Ner. Soe. Goett, Tom, I, Paul, 
“VUL 14. n 


um 


— — — 





— 


ſchwa⸗ 


Ueber den älteften Zuftand von Griechenland. u 


ſchwaͤhern Partey, die im leztern Falle ein neues Va⸗ 
terland ſuchen, und mit ihrem beften Blute erkaufen 
muſte. Es ſtanden aber nicht bloß Buͤrger gegen Buͤr⸗ 
ger, ſondern Stämme gegen Stämme auf, Ganze 
Völkerfchaften wurden aus ihren Wohnfizen Berrrieben, 
und über die ruhigen Bewohner anderer Jänder hergewor⸗ 
fen, die ſolche bis zur Berzweifelung gebrachte Ankoͤmm⸗ 
linge entweder unter ſich aufnehmen und ihre Güter mit 
Ihnen thellen, ober ihnen auch) Plaz machen muften *). 
Blei im erften. Jahrhunderte, alfo nad) dem trojani⸗ 
[hen Kriege taufchten alle Theile von ®riechenland, wenn 
man Arfabien und Attika ausnimmt, ihre bisherigen Des 
fijer glelchſam gegen elnanber aus, und biefe mit blutigen 

. Sie⸗ 


NT 





GEREESEEESREEED .. ———— — ⏑ 


*) Die beruͤhmteſten Wanderungen waren, die der Boͤotier 
aus Theſſalien in das Land, welchem ſie ihren Nah⸗ 
men gaben, und welches vorher Kadmeis hieß: no . 
mehr aber, die der Herafliden in ben Peloponnes, bie 
zwanzig Jahre fpäter, und achtzig Jahre 1 bein tros 
janifchen Kriege erfolgte. Thue. I, 13. Die wichtig⸗ 
ſten Stellen uͤber die drey Hauptſta mme der Griechen, 

die Aeolier, Dorier und Jonier, und über bie großen 
Wirkungen der Ruͤckkehr der Herakliden ſtehen beym 
Strabo (VIII. 513. 14. 587789. IX. 654. Siehe auch 
Hexrod. 1. 56. &: 145. VII, 24. und. Pauf, VH. ı. der 
aber vom Strabo in einigen Puncten abweicht). ‘Der 
Stammvater ber Hellenen war, übereinftimmenben Mes 
- Tieferungen nad, Deufalion, oder vielleicht deffen on 
Hellen, der in Pthia, in Theſſalien, zwiſchen 
Denens und Aeſopus herrſchte. Diefer übergab feinem 
Alteften Sohn, dem Aeolus, feine Herrſchaft; \und 
die uͤbrigen ſchickte er aus, um felbft Befizungen- aufs 
zuſuchen. Xuthus heirathete eine Tochter des Erechteus, 
und ſein Sohn Jon gab den Bewohnern von Attika 
den Nahmen der Jonier. Une ben leztern nahm 
.n ttika 


— 


PR 


a. — Erf Ru Bu 


i Siegen und Niederlagen hegfeitete Verfrpungen von Voͤl⸗ 


kern, ſchlugen ſelbſt den Laͤndern, die am wenigflen lit⸗ 
ten, fo.tiefe Wunden, daß fie mehrere Zeugungen hin 
ducch bfuteten und ihren Wachsehun hinderten. Aber 
eben diefa verheerenden Ummälzungen von Etaaten hatten 
“auch die glücliche Wirkung, daß viele Taufende von 
, Griechen, Die nirgends unterfonmmen Eonnten, ſich nad) 
Aſien wandten, und die Oruͤnder blühenber Städte ſowohl 
auf den Inſeln als auf dem Yeften Sande wurden “\ 
Kaum aber hatte das zerrüttete Griechenland au⸗ 
gefangen, ſich ein wenig zu erholen, und die verlohrnen 


FKrafte wieder zu ſamlen, als es unter das Joch von 


Tyhrannen, oder vpn unumſchraͤnklen Beherrſchern fiet, 
die meiſtens ihre Mitbürger als ihre Feinde und Sclaven, 
und die Güter berfelben a als ige Eigenthum und Beute ans 


ſahen, 








Attika ober Jonien ſo ſehr an Bevoͤlkerung zu, daß 








man Coloniſten in den Peloponnes ſchickte, welche die 


Gegend einnahinen, die won Pelasgern bewohnt, und 
Aegiale geilannt wurde, nachher aber ben Nahmey 
Achaja erhielt. — Ein anderer Sohn des Hellen, 
Achaͤus, gieng nach Sparta, in welchem damals ein 
Volk aͤoliſchen Urſprungs wohnte welchem er den Nah⸗ 
mien der Achaͤer gab. Ein dritter Sohn, Dorus, ver⸗ 
ſamlete die Barbaren um den Parnaß, und errichtete 


vier Städte, oder vielmehr Flecken, welche man nachher 


das borifche Tetrapolis nannte. Won bier ans thaten 
die Herafliden mit den Doriern ihren Einfall in den Pe⸗ 
loponnes, wertrieben die Achäer, die wiederum die Jos 
nier oder bie athenienfifchen Eolsniften ausjugen. Diefe 
leztern kehrten huͤlflos in ihr Mutterland zurſick, und 
giengen mit vielen andern Griechen nach Aſien, wo fie 


eben fo viele Pflanzſtaͤdte anlegten, als fie in beim alten 


Aegiale gehabt hatten. . 
9 Thue. I. 125 18, 0 


— 


Heben den älteffen Zuſtand don Griechenland. 13° 


ſahen, tie aber auch eben beswegen als die ſcheußlichſten 
Miſſethaͤter gehaßt wurden. Weil dieſe Freyheitsraͤuber 
nicht ſowohl für das Wohl der Städte, Die fie ſich unter⸗ 
worfen Hatten, als für ihre und ihrer Bamille Sicherheit 
forgten 53 fo wagten fie feine große ruhmvolle Unter⸗ 
nehmung, modurd) fie felbft aus ihren. Wohnſizen hätten 
entfernet, oder auch ihre Unterthanen gegen fie hätten 
bewafnet werden koͤnnen. Sie ſchwaͤchten die Griechen 
durch wine entkraͤftende Ruhe; und eben dieſe Unthaͤtig⸗ 
teit Giele das Emporfireben und die Fortgaͤnge ber grits 
chiſchen Staaten eben fo ſehr, als die vorhergegangenen 
wilden Befehdungen auf *). 


. Sparta war unter alten alt » grlechiſchen Staaten 
der einzige, ber ſeit den Zeiten feines großen Geſezgebers 
feine Freyheit underlezt bewahrte, und auch der erſte, der 
eine überwiegende Macht und Anfehen zu erhalten ans : 
fing **). Diefe erhabene Tochter Lykurgs lud zwar eine 
Zeitlang durch die hartnaͤckige Bekriegung, noch mehr aber _ 
Durch die gänzliche Verwuͤſtung von Meffene, den Haß 
des uͤbrigen Grlechenlandes auf fich *2); allein dieſer 

DB, 





— 


») Ib, 13. 17. c. r zartayegev n EAAas ers worum 
—— KaraıKeTo, pure warn Davecoy under 
x Seeyaguedan, ı „ KATa HoNuS To “ronnoregen 
zıvon, 


%) Thuc. 1. 18. \ 
. wu) Siehe Pauf. IV. Sr21. ©, Men warf ihnen Falſchheit, 
Herrſchſucht, Unverſoͤhnlichkeit und Graufamkeit in hret 
Rache vor: man klagte fie an, daß ſſie unter allen Gries. 
ben zuerſt den Sieg nicht durch Tapferkeit, fondern 
durch Befehungen zu erhalten —R Man 
ſehe beſ. ©, 5 & 17. 








AN 


J.Erſtes Buchh. 


| 


Haß verſchwand bald, und gieng’in allgemeine Eprfur 
über, als fie ihren mächtigen Arm, den fie durch beftäu- 
dige Uebung geftärke hatte, über ire leidenden Schwe⸗ 
ſtern ausftre@te, und die Häupter ber Ungeheuer‘ zer 
ſchlug, von denen ‚fie waren unterdrüct worden *). 
Sparta teinigte mit der edeiften Unelgennüzigkeie nicht 
lange vor dem perfifchen Einfalle das ganze Bienende Gries 
cheniand von Tyraunen, und ermarb fid) dadurd) ein fo 
‚allgemeines Zutrauen, daß fie als die Schuzgoͤttinn der 
griechiſchen Freyheit angefehen, und beym- Einfall der 
Perſer einmüthig: zur Fuͤhrerinn ber verbundenen griechi. 
ſchen Möller erwaͤhlt wurde **)ı . Ungeachtet aber Safe, 
dbdaͤmon am früheften vor allen ihren Schweftern yaraus 
- tief, und ihre Sitten und Verfaſſung ein halbes Fahr. 
taufend ungefränfe behauptete; fo fonnte fie bod) immer 
mehr. die Hinderniffe von Aufklärung wegräumen , als 
ſelbſt unmittelbar etwas dazu beytragen. Denn eben die 
Geſeze Lykurgs, die alle eble Metalle, alle Werke des 
ausländifchen Fleißes und $urus, und alle kuͤnſtliche 
Werkjeuge aus ihrem Gebiete verbannten, eben dieſe 
"machten es unmöglid) ,- daß Kuͤnſte und Wiſſenſchaften 
in ihrem Schooße gebohren, ober von ihr genaͤhrt ind 
vervollkommt, andern übergeben werben. foninten. 0 
Die Athenienfer ruͤhmten ſich nicht nur bas äftefle 
erbgebohrne Volk in Griechenland zu feyn, fondern fie 
gaben ſich auch für die Erfinder des Ackerbaues, und für 
die erften Beſizer von Myſterien aus, wodurch alle übrie 
ge Völker aus dem Zuſtande ber roheften Wildheit, in 
07... Thucyd. 1. 18. Herod.1, 69, , 
7...) Thus. b.e. Hor. I. 151. 








EXRRX 


Ueber ben älteften Zuffand von Griechenland. 15 


fefte durch Seſeze georbnete bürgerliche Geſellſchaften wä« 
ren hinüber geführe worden: So erdichter aber, oder we⸗ 
nigftens unbewieſen diefe Anfprüche waren; fo gewiß iſt 
es, daß die Achenienfer unter den Griechen zuerft und 
zwar nicht fange nach dem trojanifhen Kriege Ges 
fhmeide aus Gold und Eoftbare Gewaͤnder trugen *), 
und daß ſie auch äuerft bie Gewohnheit verließen, ſelbſt 
in Sriedenszeiren ftets bewafnet dzu ſeyn. Diefe frühere 
Verfeinerung und Milderung ihrer Sitten hatten fie we⸗ 
ber ihrem vorzüglidyen Handel, noch ihrer vorsreflichen 
Etaatsverfaffung „ noch endlich ihrem befondern Fleiße 
und Dlurhe, fondern der Unfruchtbarkeit ihres Landes zu 
banfen, das für Krieger, die fih neue Size mit dem 
Schwerte erfechten mußten, gar nichts einladendes hatte, 
Sie blieben, während daß die übrigen Voͤlker Griechen⸗ 
landes entweder zertreten oder zerſtreut wurden, in einer 
ungeflörten näßrenben Ruhe, und mit andern Stämmen. 
anvermifcht **). Sie rückten zwar burch mehrere Vers 
wandlungen von Regierungsformen , die fie durchgiengen, 
immer mehr und mehr ber alles belebenden Freyheit ent⸗ 
gegen ***); allein fie wurden doch uuch bis auf Die Zei⸗ 
ten des Solon von den Haͤuptern der Ariftofratie fo graus 
fam gemishandelt, daß ſie vor Aemuth und Schwaͤche 
nichts 


14 








—— nn 


°) Thue. 1. 6. 

**) Thucyd, J. 2. 6, 

wr) Attika wurde der gewoͤhnlichen Rechnung nad 1018 
Sahre von febenzehn, Königen und drepzehn beftändigen 
Archonten beherrſcht. (Meurſ. de reg. Ath. III. 16.) 
Auf, diefe folgten, im eriten Jahre der fiebenten Olym⸗ 
piade zehnjaͤhrige Archonten: und endfich zwey und fies 
benzig Jahre ſpaͤter (Ol. 24. 1.) ſolche, bie allg Sie 
abwechſelten. (de Arch. c.4.9.) | 





- j 


\ 


; 
„' ' ’ u. 
- . 


* Ener Buch: BER 


nichts großes catwerfen und susfüßren konnten , ; und in 
einem Zeittaum von fechs Jahrhunderten nicht einen eins 


' zigen merkwürdigen Krieg führten, denjenigen ausgenom⸗ 
men, in weichem Kodrus fie. Themiſtokles war der 
u erfte Schöpfer ihrer Schiffart und Handlung, in wel⸗ 


‚hen beyden fie noch kurz vor den perfifchen Kriegen von 
‚ den Bewohnern der kleinen Inſel Aegina übertroffen wur⸗ 


. ten. Unter folchen "Unfländen alſo ſtanden in dem duͤrf⸗ 


tigen und bedraͤngten Athen, ſowohl als im kriegeriſchen 
Sparta der Encſtehung und Ausbildung von Künften 
und, Biffenf haften unübermiadliche Hinderniſſe entgegen. 

: Ben feiner Stadt in Griechenland lieb es fih fo 
fahr, ‚als von Korinth erwarten, daß fie die Aufftärerinn 
_ ber. übrigen Voͤlker Hätte werden müffen, Sie war gwar 


“eine der jüngern Staͤdte, und zu den trojaniſchen Zeiten 


noch von den Königen in M dkene abhängig, allein-fte. 
wurde in den. Drey folgenden Jahrhunderten fo bluͤhend, 
daß ſie dom Homer den Beynahmen der Reichen erfiett*). 
Durch ihre vortheilhafte Sage wurde fie nicht vur der 
Mittelpuntt des Handels, weldyen die Griechen in und 
außer den Peloponnes mit einander führten, fondern auch 
eines. beträchtlicen Theils des afiarifchen Handels, der 
durch ihre Häfen nach den weftlichen und nordlichen Gem 
genden Europens gerrieben wurde. Die Korinchier foln 
ten ferner im erften Jahre der neunzehnten Olymplade, 
"die erſten großen bewafneten Schiffe, in, welchen drey 
Reihen von Ruderbaͤnken über einander errichter waren, 
erbaut +), und veetzig Jahre fe ben von ihnen ge⸗ 

gruͤn⸗ 
— — 


* 4) Man ſehe Strabo VIIl. 589. 581. | 
a Thus, I, > > 














. . [2 u nz 


Ueber den älteften Zuftand von Griechenland, 17 


. / 
gründeten Korkyreern die erfte Seefchlacht geliefert Haben. 
In diefer Stadt ſchien fid) alfo alles zu vereinigen, was 
das fhlummernde Genie erwecken, und große Gedan⸗ 
Een und Erfindungen veranlaffen konnte. Allein wenn 
mon bie fabelhafte Erfindung der Mahlerey, oder vielmehr 
Zeichenkunft *), ausnimmt ; fo iſt Peine einzige Kunſt, 
vielweniger Wiffenfchaft, in diefer Mutter der alt: gries 
chiſchen Handelsftädte entſtanden, fondern fie find ihr 
alle von Afien aus in einem nicht geringen Grabe von 
Vollkommenheit überliefert worden, Strabe **) ſagt 
daher auch nicht, daß Mahlerey, Plaſtik, und andere Künfte 
in Korinth entdeckt, ſondern nur, daß fie in dieſer Stade _ 
und in Sifpon erweitert worden, und nachher in Ihnen 
immer gebtühr hätten. Diefe Unfruchtbarkeit bes Gel. 
fies der -Korinthier ift allerdings eine eben To rächfelhafte 
als merkwuͤrdige Erfcheinung ; aflein fie komme mir doch 
immer weniger ſchwer zu erffären vor, als eine andere, 
daß ſich nämlich unter ihnen, felbft in den Zeiten ber 
Freyheit, niemals große Redner ausgebildet haben, ober 

| — dau⸗ 





%) Plin. XXXV. 3. De piäurss laltils Ineerte, nec Infl- 
tutl operis quaeſtio et: — Greece autem all 
Sieyone, alti apud Corinthlos repertam : emnes 
umbra hominis linels sircumdn@is &c, — Invertam 
Huearem dieunt a Philocle Aesgyptio, vel Cleanthe 
Corlathlo, Primi exercuere Ardices Corintbius, & 
Telepbanes Sleyonius. fine ullo etlamaum «.lore: — 
Primus Invenls eas colarare — Cleophanthus Corin- 
thius &e, | nn 

*°) Strabo VIII. 586. uarısa'yue non evrotrdis 
Ko EV ZIKUmYs nuEngn voaDıcyre aa TAASIUN, 
Ks TERN TOAUTR INMiBglice. . - = 


Bo: 











\ - 


. f f oo: f 
k 


danrende Schulen von Weltweifen errichtet worden. — 
* Wenn man die Gründe aufſucht, warum die Beherrſche⸗ 
ginn zweher Meere, und die einzige Beſtzerinn des grie⸗ 
chiſchen Handels, in welchem: fie. In. Europa lange 
"gar Leine Mebenbuhlerinn hatte, dennoch Kuͤnſte und wife 
ffenſchaf.liche Kenntniſſe nicht ſelbſt erfunden, ſondern 

don den viel juͤngern aſiatiſchen Staͤdten, unter denen 
eine jede die Vortheile des Handels mit vielen andern 
eheilen mußte, ‚empfangen habez ſo iſt es leicht, auf den 
Gaedanken zu kommen, daß vielleicht eine Karte Regler 
zung die gluͤcklichen Wirkungen des. Handels und bes 
daraus entftehenden Wohlſtandes zuruͤck gehalten habe, 
Dep einer genauern Prüfung aber findet man bald, dag 
dieſe Vermuthung ganz unhaltbar fey, denn erftliih muß 
es einem jeden-benfallen, daß eine Staatsverfaſſung, wels 
che die Enrftehung von Künften gepindert hätte, gewiß 
auch Handel und Schiffart würde gehindert ober. zernich⸗ 
tet haben. . Serner lehrt die Geſchichte, daB Korinch ") 
nach der Rückkehr der Herakliden 'ohngefähr viertehalb 
Hundert Jahre von einer Dynaſtie von Königen regiert 
wurde, die fehr milde berrfchten, und wie in allen übris 
gen alt: griechifchen Staaten fehr eingeſchraͤnkt, und mehr 
Deerfuͤhrer, Richter und weile Rarhgeber ; als unum⸗ 

ſchraͤnkte Despoten waren. Diefe Familie war die der 
Bakchiaden, welche von den Bezwingern bes Peloponnes 
Ä eingeſezt worden war, und von dem vierten Koͤnige ihres 
Stammes den Nahmen empfing. In der Folge hörte 
zwar die koͤnigliche Würde In dieſem Geſchlechte auf; als 
lein das leztere behielt doch immer die hoͤchſte —8* 
zr ag — a u bin ; 


2) II, Diod. 635. Eie. 





her den aͤlteſten Zuffand don Griechenland. 19 


md wählte aus Ihrem Mittel jährliche Prytanen, welche 
de Stelle des Königs vertraten, und an ber Spije der 
übrigen Bakchiaden die öffentlichen : Angelegenheiten bes 
forgten. Die Regierung diefer Prytanen, die neunzig 
Jahre dauerte, muß ſehr fanft geweſen fepn, weil die 
Korinthier und übrigen Griechen bie Herrſchaft der Kyp⸗ 
ſelden, welche Die Bakchiaden verfagten,, in MWergleis 
dung mit dem ariftofratifchen Regimente der leztern als 
harte Tyranney / vderabſcheueten. Selbſt diefe Kypſeliden, 
die ſich ohngefaͤhr vier and fiebenzig Jahre auf dem Throne 
erhielten*), waren, glei) den Piſiſtratiden in Athen, oder 
den erſten Koͤnigen in Syrakus und Agrigent, nicht 
ſowohl Bedruͤcker als Wehlihaͤter des Volks, das -fie 
nach ihrem Willen leiteten. Wenn ſie aber auch um ih⸗ 
ter eigenen Sicherheit willen einige der ihnen angedichte⸗ 
ten Gewaltthaͤtigkeiten wirklich veruͤbt Härten, fo würde 
non fie deßwegen nicht: für Feinde unb Zerftöhrer von, 
fünften und Wiſſenſchaften halten Binnen. Vielmehr 
nß man aus dem Ehrennahmen des Weifen , den 
Irriander erhielt, und. aus. einer Gtelle des Ariftoreles*") 
dließen, daß fie Goͤnaer und Belohner von Künftiern. 
nd Dichtern waren ‚' und daß fie ihre Echäze dazu ans 
undeten, große Werke zu errichten, die ihren Ruhm 
BR | und 






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*) Von Olymp. 38. bis 49. 1. Atin. V. 18, deTlvit, 

") de Ev Vi in, _ Kar - ννννα wo 
Tas wexgbievsE, Fukainkon = fzewderypau de 
rors oa Fa Dlvpapudes di tagt Ayvarren, war Toh 
08 — ta Kurberrdov J ao TE Oxun« 
as n smedöunöischte tray Tleısgiriden , | nah 
Tav Begiı Zupöv ey WoNungaTeid: 





N 


. geſezten großen Wohlſtande dieſer Stadt, weder in d 


— 


20Erſtes Buch. 
mb Größe der Nachwelt verfündigen könnten. — Sollt 


V 


gedenkbaren Hinderniſſe gefuchg.werden kann; fo mi 


Schiffart nicht ſo alt, und Ihe Relchthum nicht fo grı 


ſchloſſen haben. „Sch. gebe gerne zu, daß Korinth 


J als ſie ſechs Menſchenalter nachher wurde, ſo wuͤrde 


* 
4 . 
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ee . 4 N “ { 


es fid endlich aud) beweifen laſſen (mas man gewiß nie 
mals wird darthun Pönnen) daß die drey Kypſelide 


Kuaͤnſte und Künftler eben fo fehr. verfolgt, als fie na 


den überteiebenen Schilderungen ber griechiſchen Tran 
nenhaffee ihre Mitbürger ‚gemißhandelt uud: beraubt ba 
ben; fo würde man zwar den Grund‘ angeben Pönnen 
warum unter folchen MWürerichen die Künfte zugleidy. ni 


der Freyheit entweder entflohen. oder geſtorben ſeyn; abe 
man waͤrde woch nicht bie Froge beantwortet haben 


warum ſie nicht vor dieſen Zeiten der Untendrüfung , | 


_ bem noch ungefehwächten Korinth entſtanden fegen? DI 


Herrſchaft der Kypſeliden fälle viele Jahre hinter die bli 
henden Zeiten der Schiffart und bes Handels der Kori 
thier, und viel fpäter , als diefe zuerſt in Griẽeche nlan 
Kriegsſchiffe erbauten, und der maͤchtigſten unter ihre 
Pflanyftädeen ein Geetreffen lieferten... Da nun D 
Hichtentſtehung der Kuͤnſte in Korinth ‚bey dem vorau 





Grundserfaffung derfelben, noch in irgend einem aubel 


man nothwendig annehmen, “daß ihre Handlung ui 





geweſen ſey, als einige ſpaͤtere Schriftfteller geglaubt‘, ot 
einige Ausleger aus ihren unbeftimmten Ziugniflen < 
Homers Zeiten,’ ber ohngefaͤhr Penner — vor de 
Anfange der Olympladen lebte, in Vergieichung mit d 
uͤbrigen Staͤdten des alten Griechenlandes reich genar 


* - 


werben konnte; allein wenn fie fo mächtig geweſen waͤ 





.. wo 


% 


— 


Ueber ben aͤteſten Zuſtand bon Griechenland. 21 


vehrſcheinlich , gleich ben afiatifchen Griechen Factoreyen 
und Pflanzörter in Aegnpten, an der Kuͤſte von Afien und 
am ſchwarzen Meere angelegt, ober auch ſelbſt nad) Ita⸗ 
lien und in die Inſeln, die zwiſchen Sicilien und Gries 
chenland liegen, ihre Kolonien früher hingeſchickt haben. 
Unter den leztern war feine vor der zehnten Olympiade 
gegründet, und fie machten zuſammengenommen faum 
den zwanzigſten Theil von denen aus , welche Miter allein 
ausgefandt hatte. . Die Korinthier wagten audy nie f6 
welte Relfen, als. wir gewiß wiffen, daß die afiatifchen 
Griechen nach den Phöniclern und Karthaginienfern una 
ternommen haben; ja fie waren nicht einmal die erftern 
Erfinder der Silbermuͤnze, die ohngefaͤhr vierzig jahre 
vor dem Anfange der Olympladen von einen Argiver 
Phidon auf der Tafel Origina zuerft gefchlagen ſeyn foll *). 
Mie unbedeutend der Reichthum und Hantel von Kos 
tinth, und wie groß zugleich die Armuth des übrigen 
Otiechenlandes, bis an die fünf und fiebenzigfie Olym⸗ 
plode gemefen ſey, erhellt aus folgenden Machrichten und 
Erzählungen der bewährteften Geſchichtſchreiber **). Vor 
ber Regierung des Inbifchen Königs Gyges fanden fi ch in 
Delphl weder. filberne noch goldene Schäze; fondern afle 
Befchenfe, bie man bis dahin dem Apoll geheitige hatte, 
baren don Erz, und beftanden nicht einmal in Statüen, 

| B 3.. ſon⸗ 


m 
- J 








t) Heyne Comment, ſee. de Caſtoris Epochis Tom. II, 
p 49. Öoguet verınuthete, aber ohne allen Grund, 
dag man zwar früher filberne Münzen gefannt hätte, 
bag aber Phidon ihnen zuerfl eine bequeme Form gegen 
ben habe, und deßwegen für den Erfinder berfelben in 
Griechenland gehalten worden ſey. 

*%) Theopomp, ap. Athenaeum VI. q. p. 231. 32. Her, 1.69. 


— 





N. _ 
l 


genden Laͤnder, und zogen fich nachher tiefer in Diejenigen 
Gegenden. herunter‘, die von Ihnen den Nahmen Aeolis 
empfingen. Sie erhaufen auf dem feften Sande zwölf 
Sraͤdte *), welche man bie aften in Vergleichung mit 
denen nannte, bie nachher auf Tenedos und $esbos er⸗ 
richtet wurden **), tn 
a Nice 
zur Zeit der Ruͤckkehr ber Herafliden in Aſien an. — 
Ueber dieälteften Wanderungen der&riechen find die beiten 
Schriftſteller mit einander nicht einig. Thukydides fagt 
ohne Einfhräntung, daß alle Pflanzftädte der Gries 
qhen in Aſien erſt nach dem trojaniſchen Kriege gegrüms 
deet worden wären. (1. 12.) Strabo hingegen nennt meh⸗ 
rere Inſeln und Oerter, ſelbſt in Pamphilien und Ci⸗ 








licien, die von Argivern oder auch von den Herakliden 


vor den trojaniſchen Zeiten beſezt worden. (Man ſehe 
Vin, 958.59. X1V.983.990.092.) Das leztere bes 
hauptet er ausdrüdlich von Kos und Halifarnaf. Pau⸗ 
fanias endlich (VIE, 2.) giebt den Zug der Jonier nach 
Aſien für den älteften unter allen aus: zween ausges 
nommen, in deren erfterm Jolaus, ein Bruder Sohn 
des Herkuleg, die Thespienfer und Athentenfer nach 
Sardinien’geführr, und in deren zweytem Theras von 
Theben die Lafedämonier und Minyer, welche Pelasgus 
aus Lemnos vertrieben hatte, nach der Inſel Kalliſthe 
gebracht, die nachher den Nahmen Thera erhalten 
habe. — Unftreitig aber find mehrere Städte in Lycien, 
* Pamphilien und Cilicien gleich nach den trojaniſchen 
Zeiten von Griechen erbaut worden; die vor Troja ges 
fochten batren, und an die eben genannten Käften von 
Afien nerfhlagen wurden. Man fehe Strab, XIV. 984. 
Her.4. 139: 151. Diefe Städte waren Kuͤmaͤ, Läriffä, 
Neon Teihos, Tenos, Killä, Notion, Aigiroeßa, Pis 
tana, Ageaͤ, Myrina, Grynia, Smyrna, welche 
leztere ihnen aber abgenommen wurde. . 
80) Lesbos allein hatte fünf Städte. Diefe wurden die jüns 
gern genannt, weil die Aeolier vom feften Rande an die 
- Infeln, und nit von den Iufeln aufs fefte Land ges 
gangen waren. Her. ib, | 


a 








ileber den älteften Zuftand von Griechenland. 25 


Nicht lange nad) der Niederlaſſung der Aeoller in, 
Afım, gingen Neleus und andere Söhne des Kodrus, 
die fi) wegen der Erbfolge nicht vereinigen Ponnten *), 
mit den Joniern, welche die Achäer verjagt haften, und 
einem großen Haufen von Ebentheurern aus allen uͤbri⸗ 
gen Gegenden von Griechenland nach Afien, wo fie eie 
nen anſehnlichen Strich Landes wegnahmen, und zwölf 
Städte entweder mit Gewalt eroberten, oder auch von 
neuem errichteten. **), Sie erfchlugen die Einwohner, 
die fie vorfanden, ein Gemiſche von Lydiern, Kretern, 
Pelasgern, $elegern und Kariern, und theilten nicht nur 
ihre Befizungen, fondern aud) ihre Weiber und Toͤchter 
als Beute unter fid) aus ***), 


B5 Bald 


GEBE SORTE 
‘ 








%) Dan fehe Pauf. VII.1s 3. Strab. XIV. 938. 


“®) Her. I, 145. & Seript, mod. eit. Herodot glaubt, fie 
hätten zwoͤlf Städte errichtet, oder befezt, weil bie Jos 
nier vormals in Peloponnes eben fo viele inne gehabt 
bitten. Von den zwoͤlf Städten der jonifhen Griechen 
lagen drey, naͤmlich Milet, die mitternächrlichfte unter 
allen, Minus und Priene in Karin: ſechs in Lydien: 
naͤmlich Epheſus, Kolophon, Lebedus, Tess, Klazos 
mene und Phokaͤa, zu denen Herodot noch Erythra auf 
der von Lydien herauslaufenden Haibinfel, und bie beys 
den gegen über liegenden ſchoͤnen Eylande, Chios und 
Samos, rechnet. Zu diefen zwölf urfprünglich jonifchen 

Städten Fam in ber Folge noch Smirna hinzu, mels 
ches die Kolophonier eroberten, und wit Jonierm 
befejten. . | 

“2, Man fche Herodot, Strabo und Pauſanias an den ans 
geführten Drten. Der eritere merkt noch an, daß bie kari⸗ 
ſchen Weiber ſich durch einen Eid verpflichteten, mies 
mals mit den Männern, die fich ihnen aufgedrungen - 
hätten, zu fpeifen, oder fie bey ihrem Nahmen zu 

4 B 
rufen, 
7: 


— 


Pe „Erfie Bu, 0 


Bald nnd diefer glüdftichen Unternehmung der jo⸗ 
niſchen Griechen, machten ſich die Doriſchen aus dem Pes 
loponnes gleichfalls auf *). Sie bemaͤchtigten ſich ber 
ſchoͤnen Jaſel Kos und Khodus **), und gingen dar⸗ 
‚anf ins fee Sand über, wo. fie Lyndus und Halitarnaß 


anlegten. 

Alle dieſe griechiſchen Pftanzſt ͤdee führten unter ſich 
eben bie Regierungsfoem ein, die jur Zeit ihrer Grüns 
dung im ganzen Mutterlande allgemein war, &ie wähle 
. ten naͤmlich aus ben Geſchlechtern ihrer Fuͤhrer entweder 
. einen, oder wenn dieſer Führer und ihrer Familien meh⸗ 
rere waren, mehrere Koͤnige **), die aber nichts wenks 

' = ger 











———n 
rufen, und daß biefer Schwur ber- Mutter noch von 
on. fnätern Toͤchtern zu ſeiner Zeit gehalten gern 

6) XIV, Strab, 965. 

us) Der doriſchen Stinte waren eigentlich ache: brey auf 
Rhodus, Lyndus, Jalybus und Kamirus: eine auf 
Kos, die mit biefer Infel gleiden Nahmen hatte: und 
endlich Knidus und Halifarnaß, welche leztere fie aber 
von ihren gemeinfhaftlichen Feſten und Zuſammenkuͤnf⸗ 
ten ausfchloffen, weil fie einen yralten gottesdienſtli⸗ 
chen Gebrauch verlegt hatte. Herod. I. 144. 

em) Hrrad. J. 147. Pauf, VIE 1:3, ber die erften Stifter 

Ä der joniſchen &tädte, and die Familien, aus melden 
nachher Koͤnige gemählt wurden, faft alle nennt. Ferner 
Strabo XIV. 938 und Vell. Patere. I. 129. Die Fami⸗ 
tie des Androklus, des Gruͤnders won Ephefus, und 
eines rechtmaͤßigen Sohnes des Kodrus genoß noch lans 
ge nachher, da die koͤnigliche Gewalt abgefchaft war, 
außerordentliche Chrenbezeugungen vor ihren übrigen 

 Mitbürgern. Alle Perſonen aus diefem Gefchlechte 
batten bey Öffentlihen Zufammenfünften den Vorſiz: 
ferner, dag Recht, Purpur und einen Koͤnigeſtab a 


Ueber ben aͤlteſten Zuftand don Griechenland, 97 | 


ger als unumſchraͤnkt, und wie in ben Helbengeften übers 
haupt nur die eriten Feldherren, Richter und Opferpries- 
fir ihres Wolfe waren *). Ungeachtet ferner alle Grie⸗ 
den, bie aug demfelben Stamme entfprımgen waren; 
gemeinfchaftliche Goͤtter, Tempel, Feſte, Opfer und. 
gewiffe Derter hatten **), an denen fie ſich zu gewiſſen 
Zeiten verſamleten; fo machten body weber die jonifchen 
noch barifchen noch aͤoliſchen Städte jemals, wie Die Ka⸗ 
tier und Lycier thaten, einen Bund aus, durch welchen: 
fie in einen einzigen mächtigen Etaatsförper wären ver⸗ 
einige worden, Sie wählten auch niemals Berfamlungs« 
pläge, an welden fie entweder beflänbige Abgeordnete 
aus allen Städten unterhalten, oder wohin fie wenig⸗ 
fiens zu gewiffen Zeiten Abgefandten geſchickt hätten, um 
ſich über Angelegenheiten des ganzen Bundes zu beraths 
ſchlagen. Won den dlteften Seiten an führten daher - 
Staͤdte, die gleichen Urfprungs waren, mit einander 


Krieg, ohne daß ihre übrigen Schwetern ſolche Streitige - | 


Feiten zu fehlichten gefucht, oder die fämpfenden Par⸗ 
oo theyen 


T 
tragen, und beſaßen endlich das ausſchließende Prie⸗ 
ſterthum der eleuſiniſchen Ceres. — Sehr unrecht alſo 
ſagte Goguet (P. UL. p. Yı1.) baß die joniſchen Städte 
in Aſien eine republicaniſche Staatsverfaſſung angenom⸗ 

men haͤtten, weil ein ſolches Regiment zur Zeit ihrer 

Erbauung im eigentlichen Griechenlande allgemein ges 











‘worben fey. Diefer vortrefliche Gelehrte macht hiere 


nen Anachronism von wenigſtens fünfhundert Jahren. 
Ariſtoteles ſchildert fie fo: IM de Civ. i0. 
Rubio⸗ de navy TNS TE HATE WoAsaov Nyeuovics, ’ 
x ray Jucmv, omwı um Fagarınaı. uaı Fgos 
Faro, Ts dinoss engen, - 

©) Flerod. K 144. 148. 


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auch auf gewiffe Jahre die höchfte Gewalt zu übergeben. 


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3. ul: ⸗ 


theyen ihre Waffen: niederzulegen gezwungen hätten. 
Eben ſo wenig fam man: einzelnen Städten, wenn fie 
von Barbaren überfallen wurden, zu Hülfe, um einen 
gemeinfcyaftlichen Feind mir gemeinfchaftlichen Kräften 
“zuräczufchlogen. Wenn endlich auch der größte Theil 
von Stäbten, die zu einerley Mahmen gehörten, in eine 
zeinen Fällen gemieinfchafttiche Entfchließungen faßte; fo 
konnte doch eine oder.rinige ſich ganz abfondern, ohne: 
ſich der geringften Untreue oder. Berrätherey ſchuldig zu 
machen *). J | — 

Dieſe aͤlteſte Verfaſſung der griechlſchen Städte 
wurde, ungewiß in welchen Zeitaltern, wahrſcheinlich 
aber zwiſchen dem Zeitalter des Homer, und dem An⸗ 
fange ber Olhmpiaden nicht wenig veraͤndert. Die koͤ⸗ 
nigliche Gewalt wurde abgeſchaft, und es entſtanden 
allenthalben Arlſtokratien **), die bald wiederum entwe⸗ 
der in Despotien, oder auch in eine noch haͤrtere Oligar⸗ 

/chie uͤbergingen ***), Durch die leztere vorzüglich wur⸗ 
den alle afiatifch : griechiſche Staͤdte genoͤthigt, ſich ſelbſt 
unumſchraͤnkte Herren unter dem Nahmen der Aeſymne⸗-⸗ 

” ten zu wählen, und dieſen entweder auf Zeitlebens, oder 


Diefe 


DD a 1 


*) Diefe Säze werben durch mehrere Facta, die ich in ber 
Faolge anfuͤhren werde, beftärigt. Man fehe unterdeffen 

. De l' &tat &.du fort des Colonies As, p. 228.29. 
*r) Dergleihen maren in Kolopbon. Arif, de Civ. IV. 4. in 
77 Epbefus: Serab. 1. c. in Phokaͤa, deren verjagte Eins 
wohner ſie, wie befannt ift, in Marfeilfe wieder ers 
/ ‚  neuerten. on - 
‚CH Dies. wiſſen wir aus dem Benfpiele von Milet, und 
dem Beugniffe des Ariſtoteles. Strabo XI, 917. r8. 

- Ariſt. de Cir. III. 11. ” | 


®_ 

















een 


Ueber den älteften Iuftand von Griechenland. 29 


Diefe Aeſymneten nennt Ariftoteles. Wahldespoten, und 
er unterſcheidet fie von Tyrannen nieht durch eine befchränfs 
tere Macht, fondern allein dadurch, daß jene nicht mit 
widerrechtlicher Gewalt, fondern gefesmäßig und mit dem 
guten Willen ihrer Mitbürger, die ſich ihnen unterwor- 
fen hatten , berrfchten, und daß fie ſich felbft durch ben 
bewafneten Arm ihrer Unterthanen, nicht aber nad) Art der 


Tyrannen, durch Wachen und Rotten von Ausländern zu 


fchüzen ſuchten *). Solche Aeſymneten fcheinen im Zrite 
alter ber fieben Weiſen in allen großen Städten regiert 
zu haben ; wenigſtens trag Pittafus. und wahrſcheinlich 
auch Kleobulus **) Diefen Nahmen ; und eben dieſe Mäns 
ner gaben allem Vermuthen nad) den meiften Städten 
ihre vorige Regierungsferm, eine gemäßigte Ariftokratie, 
wieder. a E | 

_ Unter ber fanften Regierung nun, beren bie gries 
chifchen Kolonien In ben erften Jahrhunderten nach ihrer- 
Gründung. in Afien genoffen, und deren wohlthaͤ⸗ 
tige Einflüffe weder durch innere Unruhen, noch durch 
auswärtige Kriege geſtoͤrt wurden, nahmen Bevoͤlkerung 


und MWohiftend in unglaublich ſchuell fleigenden Graden 


zu. Nicht aber bloß Freyheit und Ruhe, -fondern auch 
bie größere Sruchtbarfeit des Bodens, den fie,bebauten, 
und die Schönheit und Milde: des Himmels, unter wel⸗ 
chem fie wohnten, und mit welchem Herodot fein ande 
res Klima auf der Ihm hefannten Erde zu vergleichen 
wußte ***), am meiften aber ihre glückliche Sage, wären 
, J die 











— 
*) Ariſt. TE, 10. ıt, . L . ” 
* Conyis. Sap, Inter Opp. Plut. Ed, Raifkli T. VI. p. 63. 
e#®) Her.1, 142.149. Die Aeolier hatten ein fruchtbareres Erd⸗ 
reich, als bie Jonier, aber ein weniger ſchoͤnes Klima. 


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90 Erſtes Buch. 5 


die Urſachen, daß fie bald dle Staaten bes europälfchen 
Griechenlandes fehr meit hinter ich ließen. Faſt alle 
" gefechifche Staͤdte, ſowohl auf dem feften Sande Afiens, 
‚:al8 auf.den Inſeln, waren unmittelbar an der See er⸗ 
baut, und hatten die ficherſten und geraͤumigſten Haͤfen 
vor, und bie reichſten hluͤhendſten Laͤnder, Lydien, Phry⸗ 
gien und Kappadocien, hinter ſich *). Von dieſen erhiel⸗ 
ten die joniſchen, doriſchen und aͤeliſchen Sriechen nie 
hut. mehrere Handwerker, Manufacturen und die An⸗ 

fänge verſchiedener Kuͤnſte, die ihren europqͤiſchen Bruͤ⸗ 
dern unbekannt waren, und ihnen ſelbſt unter andern Um- 
 fänten roch lange unbefaunt geblieben wären, jondern 
fie wurden auch, well fie das ganze Geftade des Meers, 
die Mündungen der Ströme, und alle ührige Aus und 
Eingänge befeze hatten, die einzigen ausfchtießenden Abs 
nehmer der natuͤrlichen und Fünftlichen "Probuere. dieſer 
. sänder, und die einzigen Zuführer aller Waaren, bie 
dieſe brauchten, und denen fie nach ihrem Belieben Preife 

ſezen konnten. 
Eine faſt norhwendige Folge aller dieſer Vorthelle 
war der Eifer, mit welchem die griechiſchen Pflangſtaͤdte 
ſich gleich nach ihrer Eutſtehung auf Handel und Scyifs 
‚ fart legten, Man kann zwar die Geſchichte von beyden 
nicht mehr vollſtaͤndig beſchreilben, noch auch genau die 
Gtuffen anzeigen, die fie in einer jeden Stadt erreicht 
Haben; aber fo-viel läßt ſich im: Allgemeinen fagen ; daß 
bie Jonier, deren Lage allerdings guͤnſtiger, als die der 
übrigen‘ altauſchen ruchen war * ſrüher und weiter 
n — ediſt 
5, IE mt unten be dritte Pre sau ung) 


#*) Es läßt ſich Fein anderer — als Man a einer vor⸗ | 
theilhaften tage angeben, warum die Griechen, Ir 


‚SI oo. 
Ueber den älteften Zuſtand von Griechenland. -33 


geſchiſt und gehandelt Haben, als bie Dorier obere Aeo⸗ 
tier *), und daß unter den Joniern fi) wiederum bie 
Bewohner von Milet, Kolophon, Samos und Phaekaͤa 
vor allen übrigen durch ihre Thärigfeit und ihren: fü. 
nen unternebmenden Geiſt ausgezeichnet haben. Die 
Mileſier erbauten an den Küften des mittelländifchen und 
ſchwarzen Meers fünf und fiebenzig, oder gar achtzig 
Pflansftädte **), und fie waren es auch vorzüglich, die, 
wo nicht früßer, doch unter dem Pſammetichus) feften 

Zuß 











ſich in Lycien, Pamphilien and Eilicten niebergelaffen 

hatten, niemals zu einer fo ausgebreiteteri Handlung, 

und bis anf die Zeiten der Römer auch nicht zu einer 

ſolchen Cultur gelangt find, als ihre Brüder erreichten, 

die füih in Karien und Lydien geſezt hatten. Die er⸗ 

fiern waren mit lauter armen und räuberifchen Völkern 

umgeben, mit denen fie öfter kriegen mußten, nie fie 

mit ihnen handeln konnten. | | 

*) Unter den doriſchen Griechen thaten fih bie Rhodier, 

und unter den Aolifchen die Bewohner von Lesbos, bes 

fonderd von Mityine am meiften hervor, (Vergl. 

Heyne Tomiment, de Caft, Epachis p. 42. & sg.) Als 

fein beyder ihre Schffart und Reicht huͤmer waren doch 

viel geringer, als der Handel und Wohlſtand ber gras 

Ben joniſchen Städte, Die Stadt Rhodus, die lange 

nach dem Zeitalter ber ſieben Weiſen erbaut wurde; 

(XıV, 965. Strab.) hatte erſt das Gluͤck, der Hanptfiz 

ber griechifihen Handlung, Weltwäishejt und Beredt⸗ 

famfeit zu werden, als Arhen unddie aſiatiſchen Städte 

den größten Theil ihres ehemaligen Glanzes verlohren 

hatten. Hievon werde ich zu feiner Zeit umfländlicher. 
reden: 

MR) Das erfte fagt Senee. ad Helviam I, 6.5 das andere 

Plinius V.29. 

aua) Fruͤher als die Regierung bes Pſammetichus kann man 

eine daurende Bekanntſchaft der aſiatiſchen Griechen mir 

| E | ben 





J 


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an Erfſtes Su. 


Fuß in Aegypten faßten, bie ferner ben übrigen aͤfiati. 


fchen Griechen den Eingang: in diefes Sand oͤfneten, und 


“ ‚unter dem eben genannten Könige. fowohl als. unter dem 
Amaſis die einzige. Handelsftadt Aeghptens, und viele 
* andere Factoreyen errichteten *). Kolophon wurde noch 
‚vor dem Gyges, der im erften Jahre der fünf und zwan⸗ 
zigſten Olympiade flarb, fo reich, daß die begüterten 


Bürger den bey weitem größern Theil ihrer Einwohner 
ausmachten **), Die Samier ſchiften zuerſt nach Spa» 


nien, und diefen ahmten bald die Phofäer nach, von 


welchen lestern Herodot noch ſagt, daß fie unter den Grie⸗ 


‚chen zuerft lange, ober geräumige zu weiten Seereifen 


geſchickte Kauffartheyſchiffe gebaut hätten ***), 


So natuͤrlich e8 war, daß die bortheilhafte Sage 
der griechiſch⸗ afiatifchen, befonders ber jonifchen Städte, . 


Handlung und, Sdiffart veranlaßten; eben fo natürlich 
folgten auf beyde Vermehrung von Reichthuͤmern und 
Kräften, und Erfindung oder Vervollkommung "von 


Handwerkern, Manufacturen, Künften und Wiffene 


ſchaften. Die Mache und Tapferkeit von Milet und 
Kolo⸗ 








den Aegyptiern wohl nicht anſezen. Die Jonier und 
Karier, die dem Pſammetichus nachher ſo große Dienſte 
leiſteten, und ſo koͤniglich von ihm belohnt wurden, 
ſtiegen nicht vorſezlich, ſondern durch Noth gezwungen, 
ans aͤgyptiſche Ufer aus; ſie raubten und pluͤnderten 
bier, wie anderswo, und waren, wie aus der Erzaͤh⸗ 
lung des Herodots erhellt, den —* eine ganz 

neue Erſcheinung. 

%) 152.547 178. Il. | | 

*) Ariſt. de Civ. V. 4.. 


%*) Her, IV. 152. Man fehe Heynli Comment, fec. de Caſt. 
Epochis p. 61. it. Her. 1. 163. | 








it 


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Lieber den älteften Zuſtand von Griechenland. 33 


Kolophon waren ſo groß, daß ſie zu Spruͤchwoͤrtern An⸗ 
laß gaben *), die noch lange nach der Zerſtoͤhrung oder 
dem Verfall beyder Staͤdte fortdauerten. Die Mileſier 
behaupteten ihre Frer heit und Unabhaͤngigkeit waͤhrend 
eines Zeitraums von anderthalb Jahrhunderten gegen 
die Angriffe der maͤchtigſten lydiſchen Koͤnige; und unge⸗ 
achtet **) oft viele Jahre hinter einander ihre Felder ver⸗ 
wuͤſtet, ihre Fruchtbaͤume abgehauen, und ihre Heerden 
weggetrieben wurden, fo blieben fie body unbezwingbar, 
weil ihre Stade die Königinn des Meers war, und durch 
Ihren Handel ſich leicht alles Nothwendige verſchaffte, 
und allen Schaden wieder erfeste, Kolophon entriß den 
Aeollern das (höhe Smyrna, und wehrte ſich eine Zeit, 
lang gegen den Ipdifchen Gyges; allein fie unterlag end» 
lih, wie Smyrna und Priene diefem Könige oder ſei⸗ 
nem zweyten Nachfolger, von welcher Zerſtoͤhrung aber 
eben diefe Städte, Smorna ausgenommen ?*9), ſich 
bald müffen erhohle haben, Kroͤſus mar der erfte, der 
die afiatifchen Griechen alle überwältigte +), und das 
ange Vorderaſien bis an den Halys beherrſchte ++). in 
on 








*) Man ſehe über die Viieſera Athen, XII. 523. Ariſtoph. 
Plut. 1002. T&Adı TOT’ nooev MAXI ME MIANTIO z 
und über die Kolophonier XIV. 952. Strab, Die Keus 
terey ber Kolophonier war fo berühmt und tapfer, baß 
fe allenthalben, wo fie ſich zeigte, den Sieg entſchied 
- 808 (fat: Strabo hinzu) KO TV MRORRSILIOEN exdo- 
vaı Tmw AsyBoav, rev KoAoDava erreönner, 
u ja ı TeAos enresn Beßasov To meaynerı. 
eu) —8* blieb nad ber Zerſtdrung durch die Lydier 
vier hundert Jahre wuͤſte. Sırab, XV. 956... _ 


h 6 
tt) Serab. XIV. 1068. 


- j ! 


194 u Erſtes Buche 


Bon den Manufacturen , welche. bie aſtatiſchen 
Griechen mit der allmaͤligen Erweiterung ihres Handels 
entweder, erfunden eber vervollkommt haben, ſchweige Ich, 
da wir zu wenig umfländliche Nachrichten von ihnen has 
ben, und das, mas uns davon in alten Schriftſtellern 
aufbehöften ift, von Goguet vollfiänbig ift gefamlet wor⸗ 


den. Von dem Fortgange der Kunſt aber will Id) die. 


merkwuͤrdigſten Data, die ſich im Herodot, Plinius und 
Paufanias finden , kurz zufammen faſſen, teils um zur 


” Erflärung des Urfprungs, ber Wiſſenſchaften vorzuberei⸗ 
‚ten, theils um die Bewunderer der aſiatlſchen und afria 


canifchen Nationen zu überzeugen, wie wenig die afiatia 


ſchen Griechen den’auf ihr höheres Alterthum fo flolgen 


Barbaren, und wie viel hingegen das europaͤiſche Gries 
chenland feinen’ Pflanzftädten zu verdanken hatte, wie nas 


ruͤrlich es endlich fey, daß einige Künfte gleich nach ber 


ſiebenzigſten, andere nach der achtzigfken, und noch an⸗ 


dere nach der neunzigſten Olympiade in. Sicilien und 

Arhen den hoͤchſten Grad ihrer Vortreflichkeit erſtiegen. 
Die afiatifchen, vorzüglich aber die joniſchen Gries 

chen erſchufen die ſchoͤnen Kuͤnſte entweder aus mehr oder 


weniger plumpen Handwerken, oder fie zogen fie auch 


- 


“ ohne alle Mufter und Vorbilder aus ihrem eigenen, durch 
. alle Arten günftiger Einflüffe befruchteten, Sende hervor, 


Das erfte kann mah von der Muſik, der Plaftif, der 


Kunft Metalle zu verarbeiten : das andere von ber 


Eculptur in Marmor, von der Mahlerey und Baufunft 
behanpten. Daß die Griechen ihre Muſik von den Ly⸗ 
diern und Phrygiern erhalten Haben, ift fihon oben bes 
merkt worden; daß fie aber auch eben biefe phrugifthe 
und lydiſche Muſik veredelt haben, müßte man, wenn 

en nn es 


Ueber ben älteften Zuftand non Griechenland. 35 


es auch nicht durch . ältere MWeberlieferungen beftärige 
würbe *), allein aus der großen Zahl nicht nur In ihrem 
Zeitalter, fondern auch in aflen nächftfolgenden Jahr⸗ 
hunderten "bewunberter Dichter fchließen , die unter den 
Kesierungen der beyden Testen Indifchen Könige, oder 
auch Eurz vorher und nachher fangen, Die Plaſtik er 
fanden die Griechen eben ſo wenig als bie Mufif, und 
esiftzuverläfftg falsch, was Plinius ſagt, daß Rhoekus 
und Theodor von Samos bie erften Bildner geweſen feyen, 
ungeachtet ich ihm gerne zugebe, daß man Werfe aus 
Thon fchon lange vor der Vertreibung der Bartiaden aus 
Korinth im Vaterlande des Pythagoras gearbeitet Habe**), 
Die eben genannten Meifter iebten zu einer Zeit, we 
viel ſchwerere Künfte ſchon fehr ausgebilber waren, und 
olfo eine der leichteften und einfachiten niche erft entdecke 
werben konnte. Die erften rohen Bildneteyen empfingen 
die Sriechen entweder von ben Flüchtlingen aus Afien und 
Yegnpten , die ſich unter ihnen niederließen, oder fie fan⸗ 
den fie auch ben ihrer Ankunft in Afien unter den Lydiern 
und Phrygiern vor. Sie ahmten alfo anfangs nad), 
hohlten aber ihre Vorgänger batd ein, wie’ man zwar 
nicht aus der Vergleichung der Werfe diefer Völker, die 
fon zu Plinli Zeiten untergegangen waren, aber doch 
baraus abnehmen kann, daß die Geſchichte die Nahmen 
beruͤhmter griechifcher Plaften aufgezeichnet, und binges 
gen Das Andenken von. feinem einzigen lydiſchen oder phry⸗ 
giſchen Künftler erhalten hat, Noch entſcheidender laͤßt 
es ſich darthun ‚ daß die aſiatiſchen Griechen nicht nue 
C2 Ihre 


ee 











*) Plin. VII. 86, ' 
#6) XXXV. 12. 


7 


36 eme Buch. we. 


. ihre nächfler Nachbaren, ſondern auch die Phoͤnlcler in 


kuͤnſtlichen Arbeiten aus Erz und edlen Metallen ſehr weit 
übertroffen haben. Die beyden lezten lydiſchen Koͤnige 
ließen die koſtbaren Geſchenke, bie fie aus einer Miſchung 
von, Andacht und Eitelkeit dem Apoll zu Delphi ſchickten, 
nicht von ihren eigenen Untertbanen , nidyt von. Phönis 
ciern, fondern von griechifchen Meiſtern verfertigen, ungee 
achtet fie fonft die aſiatiſchen Griechen mit unverföhnlicher 
Feindſchaft verfolgten. Ein prächtiges filbernes Geſchirr, 


mas Alyattes verehrte, und eine eiferne Unterſchaale, die 


Herodot zu den fehenswürbigen Kleinodien bes griechifchen 
Gottes rechnete, waren von einem Chier Ölaufus verfer⸗ 
tige, der, wie Herodot fage, unter allen Sterblichen die 
Kunſt, das Eifen zu loͤten, zuerft erfunden hatte *). 
Ein anderer filberner Krater, von einen ungeheuren 
Umfange, das fchönfte Geſchenk, was Kröfus nadı Del 
phi geſchickt Hatte, war, wie bie Diener des Apoll ver, 
fiherten, ein Werk des Samier Theoborus, und Heros 
dot glaubte ihnen, weil es ein auferordentlichen Kunſt⸗ 
ſtuͤck geweſen fen **), Der joniſche Geſchichtſchreiber 
alſo, der die beſten Arbeiten in dieſer Art ſowol in A 
gyyten als Phoͤnicien und in Vorderaſien geſehen hatte 
fand ſelbſt in der ungewoͤhnlichen Kunſt, die aus dem © 
fchenfe des Kroͤſus bervorleuchtere, einen Grund, waru 
das leztere von feinem andern als einem " griechifchen 
Kuͤnſtler herruͤhren fönne **), . ‚Eben diefer Theod 
war der Arbeiter des berüpmten Ringes des Tyrann 


Pol 











Leber den älteften Zuſtand von Griechenland. 37 


Polykrates, der noch zu Auguſts und Plinli Zeiten mie 
ben fibönften ähnlichen Kunſtwerken um den Vorzug 
ſtritt *. Faͤlſchlich aber werden er und Rhoekus für bie 
erſten Ploften und Arbeiter in Erz ausgegeben **). Viel 
glaublicyer ift es, daß fie in Bildungen aus Thon, und 
in Statüen aus Erz alle vorhergehenden Kuͤnſtler fo ſehr 
verdunkelt haben, daß man von ihnen die’ Epoche der 
ſchoͤnen Kunft anfing ***), | 
Nicht bloß von den Griechen veredelte, fonbern 
ſelbſt erfundene und ihnen ganz eigenehümliche Künfte, 
fcheinen die Sculptur in Marmor, die fchöne Baukunſt 
und Mahleren gewefen zu feyn. Die benden erfiern ſtei⸗ 
gen bis an den Anfang'sder garbis über die Olympia⸗ 
den hinauf, die Seulptur in Marmor wurde zuerft in 
Ehios erfunden, bald nachher aber auch in andern In⸗ 
Ä € 3 feln 











©) Paufan. VIII, 140. 629. Plin. XXXVII. 1. 
©) Plin. XXXV. ı2. & Pauſan. |, e, | 
a), Daß man lange vor dem Rhoekus und Theodor Finflliche 
Arbeiten aus Erz verfertiget babe, läßt fich anf unmis 
berfprechlichften aus den beyden Thalamis beweifen, 
die Myron, König in Sikyon, Furz nach ber drey und 
drepßigften Olympiade nah Olympia gefchenft hatte, 
und wovon der eine in borifcher, der andere in jonis 
fher Manier verfertigt war. (Paufan, VI. ı9. p, 497.) 
Gleich nach dem. Rhoekus und Theodor aber muß bie 
Kunft, Erz und edle Metalle zu bearbeiten, mit ſchnel⸗ 
len Schritten fortgegangen und vollendet worden feyn. 
Denn die Werke, die zwiſchen ber fiebenzigften und 
achtzigſten Diympiabe von Onakas (Pauf, VII, 42. «, 
637. p.) und andern Künftlern, beſonders für die Koͤ⸗ 
nige und Städte in Sicilien, vwerfertigt wurden, bes 
haupteten ftets den Ruhm ber hoͤchſten Vortreflichkeit. 
Ih werde unten, wo es nöthig feyn wird, auf biefe 
Bemerkung wieder aufmerkſam machen. | 


- 


\ _ 


BB. Er. Buß, 


_ 


ſeln und Stadten getrieben; und Dipdnus und Stylis 


aus Kreta.maren die erften, die um die funfzigfte Olym⸗ 


plade ihre Kunft auch im eigentlichen Griechenland zeige 
ten, und befonders für Sifyon mehrere Bildfäufen von 


Göttern machten *). Ohngefaͤhr ein halbes Jahrhun⸗ 


dert fpäter blühten Bupalus und Anthermus aus Chios, 
und fuͤllten die berühmteften griechifchem Stäbte in Afien 
und Europa mit ihren Werfen an. Sie arbeiteten fo 


vortreflich, daß ihre aus -parifchen Marmor verferrigte - 
Etatiien noch im Zeltalter des Auguft vorzüglich geſchaͤzt, 


und von dieſem erften Beberrfcher ber Römer neben den 
größten Meiſterſtuͤcken aus -ben beſten Zeiten der Kunſt 
aufgeſtellt wurden **), : 

Won gleichem oder noch höherm Alter, als bie 
Ecu'ptur,.war die Baukunſt in. Kleinafien , welcye 
die Bricchen weder von den !nbiern, noch Phöniciern , 
noch Aegyptiern gelernt hatten noch lernen konnten. Uns 
ter Diefen eben genannten Voͤlkern bauten die Aegyptier 
‚ am fühnften und dauerhafteften , und eben daher brauchte 
Kambyſes, als er Suſa und Ekbatana verfchönern wokl⸗ 
te, nicht phoͤniciſche, ſondern aͤgyptiſche Baumeiſter; 
allein unter allen Denfmälern Aegyptens trifft man nicht 
die geringfte Spur von griechiſchen Säulenorbnungen , 
“ geiechifcher Einfalt, Regelmaͤßigkeit und Schönheit 


an?**), Wenn aber auch die Architektur ber Aeguprier 


vollfommner., oder der Briechlfchen ähnlicher geweſen 
wäre, als man nad Ihren Reſten, und den uͤbereinſtim⸗ 
menden 


! 











*) Plin. XXXVL, 4, J 


°s) Plin. le. e. 6. und Pauf, IV. 20. . 
“) Gogu, I 1, 127. U. 1. 3 u i 


- 


Ueber den älteften Zuſtand von Griechenland, 9 


menden. Urtheilen der Kenner glauben fann ; fo mürde 
man doch Die Jonier und Dorier fuͤr die Erfinder ber ib» 
tigen halten muͤſſen, weil das, was die Baufunft ber 


leztern von. der erftern unterfcheidet, lange vorher befannt- - 


und eingeführt war, ehe bende Völker mit einander in eis 
nige Verbindung kamen *). Die Eäulenordnungen 
find fo alt, daß man die Zeit, wann fie zuerft gebraucht 
worden, und ihre Entdecker in Griechenland nicht mehr 
angeben Fonnte. Später erfand man die Kunſt, den 
Marmor auch zur Verzierung der Böden, Dächer und 
Mände großer Gebäude anzuwenden. Erſt unter den 
Regierungen bes Alyattes von Lydien, und des Kyara⸗ 
res von Medien lehrte Byzas von Nayos die Griechen, 
Marmorblöde in Ziegelplatten zu zerlegen: eine Entde⸗ 
dung, die ben Zeitgenoffen diefes Mannes fo wichtig 
ſchien, Daß fie feinen Nahmen durch Ehrenfäulen und In⸗ 
fihriften zu veremigen fuchten **). Unter allen Künften 
aber iſt die Mahlerey diejenige, über deren Erfinder und 
Alterchum die größten und fleißigften Forfcher unter den 
Griechen am wenigſten mit einander einig waren, und 

008.4 | | “über 





U nd — —— © 


*, Die Lydier waren gewiß nicht die Lehrer der + Griechen in 
der Baukunſt. Des reiche und Üppige Sardes, das 
erſt nach den trojanifchen Zeiten erbaut‘ war (Streb, 
XII. 928.) befand noch unter der. Regierung des Das 





rius Hyſtaspis größtentheils aus Käufern, die aus Leim, , 


und Rohr zufaimmerngefezt waren, und die wenigen, 
die ınan aus gebackenen Steinen aufgeführt harte, hats 

. ten bob noch Strohdaͤcher. Eben daher brannte biefe 
Stadt fo fehnell ab, als zur Zeit ihrer Eroberung 
durch die Jonier von ungefähr öeuer auskam. V. idi. 
Herod.) 


") V. io. 398. Pauſan. 


2 


— — — — —e 


40 — m Erſtes Buch. 


über welche Plinlus die widerſprechendſten Nachrichten, 
wie die entgegengefezteften Urrheile aufgezeichnet hat *). . 
Man wuſte nicht, ‚ob die erften. Mahler Aegyptier oder 
Spdler , ober. afiatifche oder europaͤiſche Griechen geweien 
waͤren; und doch erzählte man mit ber genaueften Um⸗ 
ſtaͤndlichkeit die verfchledenen Stuffen des Vollkommenheit, 
welche. diefe Kunft in · Griechenland durchgegangen war. 
Man nannte die Nahmen derjenigen, die zuerſt nur die 
Umriſſe von Koͤrpern gezeichnet, die nachher eine einzige 
Farbe gebraucht, die noch ſpaͤter beyde Geſchlechter unter⸗ 
ſchieden, die Ausdruck in Geſichter und Bewegungen 
der Gliedmaßen gelegt, und endlich Licht und Schatten 


in ihre Gemälde hineingebracht hatten-**), Wenn man 
- die Zeugniffe bes Plinius nicht ganz verwirft,, fo feheinen 


bie erften Anfänge ver Mahlerey, in fo ferne fie von Zei⸗ 
ehenfunft unterſchieden iſt, den Griechen eigenthuͤmlich, 
und nicht weit von benen ber Baukunſt und Sculptur In 
Marmer entfernt, aber ihre Fortgänge viel langſamer, 
als die der übrigen Kuͤnſte geweſen zu ſeyn. Denn Pa- 
näus, ein Bruder des Phidias, war der erſte, der zu eie 
ner Zeit, als die Baufunft und Eculptur ihrer größten 


‚Höhe nahe gefommen waren , Perfonen nach dem Leben, 
oder Porträte fchilderte, Ungleublic iſt es, was Pli⸗ 


nius 


tun I US U] Sl m 7 \ 7) 


°) VII. 56. xxxv. 2.8.9. 








n) Eben dieſo Nachrichten beweifen wenigſtens, daß, wenn 


auch die aſiatiſchen Griechen die eigentliche Mahlerey 

. von irgend einem andern Volke erhalten haben, fie doch 

“ eben biefe Kunſt in einer ſolchen Unvollkommenheit eıns 

pfangen haben müffen, daß bie elenden Pinfeleyen, 

bergleihen ‚die Griechen zuerfi nachahmeten, nicht 
einmal ben Nehmen von Kunſtwerken verdienten. 


— 


Lieber den älteffen Zuftand von Griechenland. 41 


nius mit großer Zuverſicht erzählt, daß Kandaules, Kö: 


nig in Lodien, ein Gemälde bes Bularch mit Golde aufs - 


gemogen habe *)., 

Daß nun in fo reichen, blühenden und mächtigen 
Städten , als die griechifchen Colonien in Afıen waren, 
ſelche Männer, als wofür man die fogenannten Weifen 


halten muß, in bem Zeitalter, in welchem fie wirklich 


lebten, entftanben , ift meinem Urtheile nad) weniger zu 
verwundern, als daß fie fich nicht viel eher gezeigt haben, 
Wenn man von den griechiſchen Weifen ſich eine rich⸗ 
tige Vorftellung machen will; fo muß man fie ſich als 
Männer denfen ‚die mit großen Anlagen des Geiftes 
und Herzens eine durch vieljährige Erfahrung reif ge⸗ 
wordene Klugheit, und alle nüzliche Kenntniſſe der da⸗ 
maligen Zeit’verelnigten, die eben Diefer außerordentlichen 


angebohrnen und erworbenen Worzüge wegen, in den, 


michtigften Angelegenheiten um Rath gefragt, zu ben 
größten öffentlichen Geſchaͤften gebraucht, und entweder 
su Gefandten,, ober Heerführern, oder Befesgebern, ober 
Häuptern von Staaten erwählt wurden, die endlich ihre 
Mitbürger nicht bloß durch heilſame Rathſchlaͤge und Ans 
orbnungen, fondern audy durch faßliche Gedichte, und kurze 
Eräftige Sprüche zu beffern fuchten, und die nun um bie 
fee mannigfaltigen Verdienſte willen von ber Dankbar⸗ 
keit und Ehrfurcht” ihrer Zeitgenoffen ben Ehreunamen 
der Weiſen empfingen, | 

Cs j Wenn 
— — un 


*) Quid? quod in confeſſo perinde oſt, Bularchil piao- 
ris tsbulam , in qua erat Megnetum praellum, s Can- 
daule rege Lydiae‘ Hersclidasum novifimo, qui & 











Mytſilus vocitstus et, repenfam auro; tanta jam di- 


gnatio pläure ↄ erat, 


‘ 


' J / 


a | Erſtes Buch. 


Wenn auch nicht alle oder ‚der größte Zoe der 
| griechifcjen Weiſen Dichter waren , wie neuere Gefchichte 
ſchreiber berichten *), fo muß man fie doch gewiß ohne 
Ausnahmeẽ für große Stastsmänner erfenrien, zu deren 
Rechtſchaffenheit, Muth und Klugheit man in den ge 
fägrtichften Zeitläuften, und am meiften alsdann feine Zus 
fluche nahm , wenn zerrüttete und aus einander gefallene 
Städte wieder herzufteflen, und in Ordnung zu bringen 
waren, Um dleſes ju beweifen, bat man nicht einmaf 
noͤthig, ſich auf die Urtheife ber größten Schriftfteller des 
Alterthums zu berufen, in’ welchen bie griechiſchen Wei⸗ 
fen Hauptet von Staaten, oder kiuge vorherſehende Ge⸗ 
| | ſezge · 








— 


* Wenn. man dem Diogenes und Athenaͤus trauen wollte; 
- fo hätten außer dem Solon alle übrige Weifen, Thale, 
Pittafus (I. 79. Ath, X. 7. 427. p.) Bias (Diog. I. 
ge.) Periander (db. 97. f. Athen, XIV. 8.) Kleobulus 
(S. 89.) und Chilon (8. 64.) Gedichte meiiteng in eles 
giſchen Versarten hinterlaffen, und ben Pittakus würde 
man fogar für dem erften profaif politifchen Schrift: 
ſteller halten müffen.: So wenig unglaublich ed aber 
auch an firh ift, daß die übrigen Weifen gleich dem 
Solon gefungen haben ; fo fehr zweifle ich doch, daß 
fie, den athenienſiſchen Gefezgeber ausgenommen, ihre 
‚ Mitbürger durch Gedichte unterrichtet haben. Weder 
Plato noch Ariftoteles noch irgend ein anderer -alter 
Schriftſteller vor dem Plutarch führte Derfe der übris 
gen griedifhen Weiſen, und auch dieſer ein. Wer bes 
Thales mit großer Ungemwißheit an. In ben Zragmens 
ten bes Bias, die beym Diogenes ſtehen, finder ſich 

= Fein joniſcher Dialekt, und der Inhalt der Elegien bier 
fes Drankes „in melden er die Gluͤckſeligkeit Ioniens 

| gepriefen haben foll, freitet mit dem Rath deſſelben, 
\ ben Bene, gieich nachher aus dem Herodot erzählen 
werde, | 


\ 7 














\ j 


- 


Ueber den älteften Zuſtand von Griechenland. 43 


ſezgebende Männer ‚genannte werben*); fonbern man 
kann von einem jeden, ber den. Weifen zugrzählt wurde, 
Taten und Facta anführen, Die von ifrem Eifer für 
das Befte ihres Waterlandes, : und ihrer Erfahrerheir in 
afentlichen Sefchäften zeugen. Pittakus, Solon, Kleo⸗ 
bulus und Periander waren entweder Geſezgeber, oder 
Heerfuͤhrer, oder Vorſteher und Beherrſcher ihrer Vater⸗ 
ſtaͤtte *X). Chilon bekleldete das Amt eines Ephorus in: 
Sparta, und wurde wegen feiner Vorherſehungskraft, 
oder feines politifchen Weißagungsgeiftes bewundert ***), - 
Dom TIhales und Bias wiffen wir zwar nicht, ob fie df 
fentliche Würden getragen haben; aber von beyden dit es 
gewiß, daß fie Rathgeber von Völkern und Koͤnigen 

u | ‚waren, 


t . 














%) Cie. de Or. 111. 34. fed ut ad Graeco« teferam oratio- 
nem — ſeptem fuiffe dieuntur uno tompore, qui ſa- 
pientes & haberentur & vocarentur. Hi omner, 
praeter Milefium Thalem, eivitatibus fuls praefue- 
zunt. Diescareh. ap. Diog. I. 40. © de Aınaıze= 

: Xos are aoDas. (Ueber diefes Wort werde ich mich 
in.ber Folge erklären) are DiAoccDes Daciw au- 
TES VVoveves, GUVETES DE TIVES UL VOMODETIV.ES. 
Plntarh vom Solon: (Opp. I. 319. Ed. Relsk.) 
OsrosoQßıas de r& nIme parısa Te MokıTtınov, 
—R8 0 mAeıs0ı Toy ToTs Duν Nyaznoa.. 

. and im Leben des Themiftoffes (ib. p. 440.) von eis 

‚nem Müefiphilus , mit dem der griechiſche Held 
Umgang’ gehabt habe: — — — — 
TyVv naAspevnv voDiav, 80V de dewornra m0- 
.Aurınnv os deusmeiov ewvecw, enırndeunz me. 
TromuevE. 

0) Ari, de Civ. III. 10. Ding. I, 74. Steab, 1. 
(up, eit. u 

***) Diog, 1, 68. 71. Herod.'I. s9. Vil.239, 


44 Erſtes Buch. 
waren. Der leztere hielt den Kroͤſus von einem Sen 


Priege wider die griechifchen Inſelbewohner zurück, und 
that bey den Einbröchen der Perfer den Joniern den 


Vorſchlag, den Herodot als fehr weiſe pries, ihre Staͤdte 


in Aſien zu verlaſſen, und nach Sardinien zu ziehen *) 
Lange vorher hatte Thales Die Jonier zu bewegen gefudtt, 
in einen großen Bund. sufammen zu treten, und in Teos, 


das ohrgefähr von allen joniſchen Städten gleich weit ent⸗ 


fernt ſey, einen gemeinfchaftlicheh Rath zu verfamlen **). 
. Eben diefer. Weife begleitete den Kröfus auf feinem Zuge 
wider die Perſer, und führte bas lydiſche Heer trockenen 
Fußes durch den Halys, ben er abgeleitet hatte nor), 


Er 


U) U) 








— 
2*6) i. 170. Her.. 
***) Aus dieſem Facto kaun man bie Nachricht eines Uns 
genannten beym Diogenes (I. 25.) wiberlegen: daß 
" Ahales die Mileſier won der Verbindung mit dem Kroͤ⸗ 
fus abgezogen, und zu einem Bündniffe mit dem Ky⸗ 
rus bewegt habe. Milet war allerdings bie eingige jo⸗ 
niſche Stadt, "bie fih zum Kyrus vor feinem” Siege 
u'ͤber den Kröfus flug; allein Thales kann die Urfache 
dieſes Entfchluffes micht gewefen ſeyn, weil er fich fonft 





ſchwerlich in das Heer des Iydiſchen Koͤniges wiirde gerungt 


haben. (Her. 1.79.& 169.) Aus diefer legten Nachricht, 
wie aus ben im Texte angeführten Zeugniffen des Hr: 
rodot, kann man ferner beweifen, daß, wenn Thales 
auch ein von Öffentlichen Geſchaͤften entferntes Leben ge: 


führt hätte, er füch doc feinen Mitbärgern und Zeitger 
noffen nicht ganz entzogen, noch auch ber Betrachtung _ 
ber Natur allein gewidmer habe, wie Heraflides ers 
zählte. (1. 25. Dieg.). Diefer Schriftffeller wurde auf 
feine Meinung wahrſcheinlich durch das Maͤhrchen gelei: 


tet, was fi ſchon im Plato findet (Thoaot. p. 81. Bd. 


Bat.) daß nämlich Thales vor gar zu aufmert ſamer Bes | 
ſaauuns 





* 
° 


Leber den älteften Zuſtand von Griechenfand. 45 
So entfernt es auch von den Sitten und Sewohn⸗ 
heiten unferer Zeit ift,. daß Regierer und Ordner ganzer 


Staaten neben Dichtern die einzigen «und erfien Volkes 
0 leh⸗ 








[RU [7 


fhauung des Himmels nicht das gefehen habe, was ihm 
vor den Füßen lag, und eben daher in eine Örube ges 
‚fallen, und von einer barbariſchen Sclavinn ausgelacht 
worden fey ; oder er ſchoͤpfte fie auch aus einer Stelle 
des Ariſtoteles, wo es beißt, daß man ben Thales, 
Anasagoras und andere zwar für weife, aber nicht fir 
kluge Männer halte, indem fie ben allen den bewuns 
deruswürbigen göttlichen Kenntniſſen, die fie befeffen, 
dennoch nicht ihre eigene Vortheile verftanden, und fich 
um menfhliche Guͤter befümmert harten (VI. 7. Ethie.) 
Diefen berühmten 'Schriftftelleen folgte allem Vermu⸗ 
then nad Cicero, wenn er ben Thales aus ver Zahl 
der Weifen , bie Häupter ihrer Vaterſtaͤdte gewefen 
wären, gleichſam heraus bob. 

Sch muß hier noch einer Stelle des Plato Ermähnnng 
thun, in welcher er allen-übrigen alten Schriftftellern 
widerfpricht, ober zu widerfprechen ſcheint. Er. ſagt 
nämlich (p. 345. is Hipp. me}. Ed, Bafil,) daß alle, - 

- oder hoch die meiften Männer, die wegen ihrer Weiss 
. beit berühmt gewefen, von Thales, Bias und Pittakus 
an bis auf den Anaxagoras herunter fich von öffentlichen 
Geſchaͤften enthalten hätten. Wenn Plato diefis in 
allem Ernte behauptete, fo kann man ihn eben ſo zus 
verſichtlich eines Irrthums befchuldigen, als wenn er 
im eriten Buche feiner Gefeze den Epimenides .nye 
zehn Jahre vor dein erften Einfalle ber Perfer, aljo im 
Unfange der fiebenzigften Olympiade nah Athen foms 
men läßt. Allein man muß annehmen, baß Plato 
bier wie an vielen andern Stellen, wo er den Sokra⸗ 
tes mit den Sophiften redend einführt, oft nur deßwe⸗ 
gen den erfien von der Wahrheit abweichen, und aus 
feinem eigenen Sharafter heraus treten läßt, um bie 
leztern defto mehr in Verlegenheit zu fegen. Indem 
er diefe Abficht zu erreichen ſucht, nimmt er fich felbft 
nicht genug vor Widerfprüchen in Acht. Denn in eben 
N.’ . dem 





4 


N . 


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46 Ef Buch. 
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lehrer waren, ſo auffallend es ſerner manchen, die nur 
ihr eigenes, oder den ihrigen aͤhnliche Zeitalter kannten, 
geweſen iſt, daß man jemals durch ſolche Sprüche *), 
J a | B bder⸗ 





— — — 
beim Geſpraͤche, in welchem er die aͤlteſten Weiſen Gries 
henfandes zu müffigen Unterfuchern macht, um den 

Sophiſten zu zeigen, daß fie denfelben unaͤhnlich ſeyen, 
trägt er dur den Mund des Spfrates die Meynung 
vor: daß die Kunft des Sophiften viel älter fey, als 
fie felbft glanbten, und daß fie von undenklichen Zeiten 
ber in Kreta und Sparte geblüht habe, Diefe Bes 
hauptung fieht der erfiern fihnurftrads entgegen, und 

iſt auch nach der firengiten Auslegung eben fo wenig 
wahr, alsbiefe. . : — 

*), Wenn man bie Spruͤche aufmerkſam unterſucht, did vom 

Plato, (in Prot. 1, e.) Ariſtoteles (II. 21. Rhet.) Dioge⸗ 
nes(im erſtenBuche)dem Verfaſſer des Gaſtmals der ſieben 
Weiſen, Vom Demetrius Phalereus (Ap. Stob, in Sera. 
p 44.45.) Soſwides (p. 47. ib.) undStobaͤus (p. 268.) 
endlich vom Auſonius in feinem Ludus feptem fapien-- 
tum den griehifhen Werfen zugeeignet werden, fo 
ſieht man bald, daß faſt ein jeder merkwuͤrdiger Denk⸗ 
fpruch einem jeden Weifen zugefchricben worden, daß 

die Griechen in fpätern Zeiten felbft nicht mehr gewuſt 

— haben, welche und wie viele einem jeden zugehoͤrten, 

— und daß beſonders in den Samlungen derſelben beym 

Soſwides, Diogenes, Stobaͤus, Auſonius und dem - 

Verſaſſer des Gaſtmals der ſieben Weiſen viele unter⸗ 

geſchoben find. Es iſt und izo unmoͤglich, die Aecht⸗ 

heit oder Untergeſchobenheit eines jeden Spruchs ‚zu 
‚beweifen, und wenn man es auch Eiunte, fo würde 
es fi nit ber Mühe verlohnen. Man kann aber 
doch, glaube ich, diejenigen noch am erften für alt und 
ächt halten, die. wir vom Plate, Ariftoteles und Des 
metrius Phalereus angeführt finden. Diefe find alle 
ſehr einfaͤlrig und beftchen meiftens nur aus zweyen oder 
drey Wörtern, da hingegen viele bey den übrigen Schrifts 
ſtellern kuͤnſtlicher und weitlänftiger find. 2Benn man 

I | | biefe 


‘ 











J 





Ueber ben aͤlteſten Zuffand von Griechenland. 47 - 


dergleichen die ber griechifchen Welfen find, den Nahmen 
von Weifen habe verdienen fönnen ; fo vollfommen anges 
meſſen war der Unterricht der griechiſchen Weiſen ben 
Beduͤrfniſſen ihrer Zeitgenoffen, und nicht weniger würs 
dig der Thaten, die fie gethan, der Würden ‚ die fie bes 
leidet, und des Chrentitels, den fie erhalten haben. Die 
griechifchen Weifen lebten in Staaten, in welchen nies 
mand weder buch Erbrecht, noch angebohrnen 
Abel, noch and; durch größere von beffern Vorfahren er _ 
worbene Reichthuͤmer zum Heer» oder Volfsführer erhoa 
ben wurde, fondern. in welchen man nur allein durch 
überwiegende Geiftesfräfte, erhabene Tugenden, und 
hervorftechende Verdienſte zu den hoͤchſten Ehrenflellen 
Inaufbringen, und: es als eine Regel ohne Ausnahme an« 
fehen konnte, daß diejenigen, die mit dem freven Wil 
fen des Volks an ber Spije deffelben fanden, diefer ih⸗ 
rer Stelle auch allemal durch die Groͤße ihres Gelſtes 
und Herzens werth waren, Wenn man alſo zu einem 
ſol⸗ 


— —— — — —. 


dieſe wahrſcheinlich nicht erdichtete Spruͤche der griechi⸗ 
Then Weiſen dazu genuzt bat, daß man die wahre Bes 
ſchaffenheit des Unterrichts der Älteften Zeit, und ber 
Kehren der größten Staatsmaͤnner hat Fennen lernen; 
fo glaube ich nicht, daß man ſonſt noch beträchtliche 
Vortheile daraus ziehen koͤnne. ie find alle zu uns 
beftimint und zu allgemein, oder auch zu vielen Miß—⸗ 
dentungen und unrichtigen Anmendungen ausgeſezt, 
als daß man fie als heilfame Lebensregein empfehlen 
oder brauchen Fönnte. Dieſe Unbeſtimmtheit, vder Niels 
beutigfeit, ober felbft auch Unrichtigfeit, derfelben fiel 
ſchon mehrern fharfiinnigen Wel heilen bes Alterthums 
auf, und einige diefer Sprüche wurden daher and) alg 
falfche Bemerfungen oder irreführende Rathfchläge ber 
ftritten, (Man fehe den Ariftor. 1, e.) 











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48. Erſtes Bud. 
ſolchen Anfehen gelange, dergleichen die griechifchen Wei, 
- fen erhielten, fo mufle man feinen Mitbürgern mehr als 


andere gedient, den Menfchen mehr als andere betrach⸗ 
tet, und über den Werth oder Unwerth von Dingen, 
und. die guten ober ſchllmmen Folgen von Handlungen 


Häufiger'als andere nachgedacht haben. ‘Die griedjifchen 


Weiſen waren daher au in ihrem Zeitalter am meiften 
geſchickt, weniger erfahrne und geübte Menfchen zu un 
terrichten, und nicht bloß am meiſten geſchickt, ſondern 
ſie muſten auch vor allen andern geneigt dazu ſeyn. Denn 


man mag annehmen, daß unelgennuͤzige Vaterlandsliebe, 


oder Ehrgeiz und Ruhmbegierde, ober irgend eine andere 
feibftfüchtige Leidenſchaft, fie angetrieben Habe, fich als 
Geſezgeber, Magiftratsperfonen, und Heerführer um Ihre 


- Mitbürger verdient zu machen; fo mufte fie eben diefer 


Parriotismus, eben diefe Ruhmſucht und Eigennüzigfeit 


‚ aud) antreiben, ihre vorzüglichen Kenntniſſe dazu anzu⸗ 
. wenden, entweder um Ihren Zeitgenoffen eine defto groͤ 
Bere Ehrfurhht gegen ſich ſelbſt einzufloͤßen, oder ſie auch 


zu beſſern und gluͤcklichern Menſchen zu machen. Ihre 
Lehren konnten aber nicht in feinen ſcharfſinnigen Bemer⸗ 


kungen über das geheime Spiel menſchlicher Leidenſchaf⸗ 


ten, und die verborgenen Triebfedern menſchlicher Hand» 
lungen beſtehen, indem ‚die Menfchen damals noch nicht 
fo Fünftliche , verwickelte und zufammengefeste Mafchinen 
waren, ale fie in fpätern Zeiten wurden, und diejenigen, 


Denen man nugen wollte, bergleichen nicht einmal ver. 


ftanden hätten ; fie muften ‚vielmehr kurze buͤndige 


ESdpruͤche, einfältige Erfahrungsſaͤe, Fräftige Ermah 
nungen zur Tugend, und nachdruͤckliche Warnungen vor 
dem Laſter ſeyn, die ſich don dem gemeinſten Verſtande 


fafen, 


#. 


Ueber den ditefien Zuſtand von Griechenland. 49 


faſſen, und dem ſchwaͤchſten Gedaͤchtniſſe einpraͤgen ig 
Gen, die endlich Ihe Gewicht eben ſowohl oder noch mehr 
dem Anfehen der Perfonen, von benen fie herrührten, ale 
ihrem Inhalte zu verbanken harten. . 

Solche Spruͤche nun, waren nicht bloß ben gries 
chiſchen Weiſen, und ihrem Zeitalter, und nicht. den 
Griechen allein eigenthuͤmlich, fondern fanden fi) auch 
unter andern Völkern unter ähnlichen Umſtaͤnden. Es 
iſt freylich nur foßratifher Scherz, wenn Plato *) feie 
nen Lehrer fagen läßt, daß bie älteften Sophiſten ſich in 
Kreta und Sparta ‘gefunden hätten , daß. diefe Völker 
alle übrige griechifche Staaten an Weishelt wie an del. 
besübungen überträffen, baß fie aber Die erftere verſteck. 
ten, um feines Verdacht, ober nadjtheilige Aufmerk⸗ 
ſamkeit gegen fich zu erregen ; allein es Ift auch wieberum 
reine, und mit den Ausfagen aller. übrigen Schriftſteller 
betätigte Watztheit, wenn Sofrates hinzuſezt, daß Per⸗ 
ſonen beyderley Seſchlechts in Sparta von Ihrer erſten 
Kindheit darinn geibr würben ,. furze und Präftige Ant⸗ 
worten zu geben, unb daß daher auch der gemeinfte 
-Spartaner, der am nffhigften zu verfpredhen fcheine, bach» 
-immer ein gefäßrlicher. Feind fey, Ber einen jeden an. 
dern Griechen, der ſich an ihn machen wolle, durch die 
treffendften Einfälle zu Boden werfe. SYeeifihen dieſen 
Antworten und Einfällen der Spartaner, auf welche fie 
einen fo großen Werth festen, und zwiſchen ben Sptuͤ⸗ 
„hen der griechifchen Weiſen, fand Plato ſchon eine große 
Aehnlichkeit, und Bit Abhal deet war nicht erdichtet, 

wenn 


9) In 7 pP: 295. u | vo. 
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39 « ' ‘ n er 0 . N “ 
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wenn er niche fewehl die wizigen Spottreden der erftern; 
und ihrebeißenden / Repartien, fondern vielmehr diejente 
‚ gen Apophthegmen im Sinne hatte, die man als 


Greundfäze ächter Spartaner , und als Denfmöler der 
Weisheit der! Vorfahren den Nachkommen überlieferte”), 
Solche Sprüche wurden von Männern, die den griehh 
ſchen Weifen ähnlich waren, in ähnlichen Abfichten aus⸗ 


. gefprochen , “und brachten auch ‚ähnliche Wirkungen 


Gleich nach dem Zeltalter ber griechifehen Weiſen 


ſolgte Hippatch, der ältefle und weifefle unter den Edfe 


gen des Pififirarus/ ben Fußſtapfen, welche die erfiern 
ihm vergeztichnet hatten"), '; Nachdem er nämtic die 
Genichte des Homers nad Aıden gebracht, und Rhapſo⸗ 


0 Stifte beſtellt hatte, welche fie fingen muften, nachdem 
gr ferner den Anakreon und Simonides ats goͤttliche Leh⸗ 


aer durch bie glängenhften Belopnungen nach Athen geje 
gen, und mit ihrer Huͤlfe die Einiwoßler der Gtabt ger 


bialbet Hatte; fo fuchte er auch:die nich: rohen Laadleute zu 


beffern und aufzuklaͤren. . Er.tießsbaher, an den oͤffentli⸗ 


| F chen Plaͤßen und Strafen ber Endt, Säulen ober Her⸗ | 


Be; 


. «ben Sanblenfh , wenn fie zur Stadt kaͤmen, gelefen, 


’ . 
.. orte rt . 74 ... 


en 


‚men errichten‘, uud diefen Hermen mielegiſchen Silben 
:manße-abgrfaßte Sittenfprüche eingraben ‚damit fie von 


oo. | und 
Rakete niit aintiendehene un unanhbnnnheni . — | 





| = RD erhellt aus det großen Menge von aporhihch⸗ 


prime die Plutarch, oder ein dem Plutarch gleichzeit⸗ 
ger Schriftfteller noch zuſammen bringen Fonnte, Diele 
ſpartaniſchen Bon Mots und Einfälle find aber eben fo 


u wenig. alle.alt und aͤcht, als diejenigen, bie man den 


griechiſchen Weiſen zueignet. 


Bus P23 5, \ 








— 


Ueber den alteſten Zufand von Griechenland. s 


und von Diefen wiederum chren Hausgenoſſen und Nach⸗ 
baren mitgetheilt würden. Plato hat ung mehrere der⸗ 
felben aufbehatten , die ganz im Geiſte der Weifen ge⸗ 
decht und ausgedruͤckt find *), ' 

Was unter den riechen die Weifen waren, das 
Maren unter Den Roͤmern die Claudier, Scaͤvola's, 
Seiplionen, Meteller, beſonders Tate und Maximus. 
Dieſe foßten, eben mie bie erſtern, ihre wichtigen Erfah⸗ 
tungen, und bie Darüber angeftellten Betrachtungen in 
kurzen alfgemeinen Sägen zuſammen, die gange Jahr⸗ 
hunderte nachher nicht nur der Jugend eingeprägt, ſon⸗ 
dern auch ver dem Wolfe und im Senat als die Stimmen 
der Weisheit und Tugend angeführt wurden **). Der Eenfor 
Cato war unter allen Römern an ſolchen Sprüchen, wie an 
wizigen Einfällen und Gegenantworten am reichſten, und 
er war auch der erfte, der bende aus dem Alterthum ſam⸗ 
te, Wenn man die Ueberbleibſel der alt: römifchen 
Weisheit, die im Cicero, Plinius und Valerius Maria 
mus zerſtreut find, aufſuchen wollte; fo würde mar ge 
wiß eben fo viele, und Auch eben fo vortrefllche Gedan⸗ 
fen finden, a als ben griechiſchen Weiſen zugeeignet werben. 
| 2 Wenn 


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°) gergedınaım Deovov. — 5 de ruv Four 
Tay X AA ev aAAdıS kn oA xce⸗ 
nero erıyEy —XV 651 de In raro 80 
rn Sereiuenn öde @v © Aryeı. mn Tal im- 
naexe. un DıAov efaunmre: In Eeas. Lc. 
an) Man ſehe Val. Maxim, Vn. 2. & Cicer, de Amie. c. 3. 
Multa ejus (Catonis) & in ſenatu & In forovel pro- 
vila prudenter , vol acta eonfanter, vel reſponſa 
acute fegebantur. 


u 
I 


Went ich nicht glaubte, daß die bisher angeführt 
ten Beyſpiele hinreichten , den rechten. Öefichtspunet zu 
beſtimmen, aus welchem man die Spruͤche der griechl⸗ 
ſchen Weifen anfehen muß; fo würde ich mid) noch auf 
die ſalomoniſchen Sprüche, und andere ähnliche Werke 
maorgenlaͤndiſcher Nationen berufen. Allein was ich ges 
ſagt habe, iſt ſchon genug, um zu beweiſen, daß kurze 
faßliche Sprüche gleichſam bie Erſtlinge des Nachdenkens, 
und des Beobachtungsgeiſtes unter ganzen Voͤlkern, und 
die Vorlaͤufer wiſſenſchaftlicher Kenntniſſe ſind *). 
Viel eigenthuͤmlicher als die Spruͤche ſelbſt, ſcheint 
die Art geweſen zu ſeyn, wie die griechiſchen Weiſen ſie 
ju erhalten, und auszubteiten ſuchten. Sie heiligten fie 
Faͤmuch dem Apoll zu Detphi, und ließen fie in den Bar 
höfen , und an ben Eingängen feines Tempels eingrae 
ben **), wo fie noch bis auf die ‚Zeiten des Paufanlas - 
geleſen wurden. Allein auch hierinn hatten die griechiſchen Ä 
Weiſen in ihrem Vaterlande ſowohl Ihre Vorgänger als 
Nachfolger , und auch unter: andern Völkern trift man 
ähnliche Beyfpiele und Gewohnheiten an. Unter den 
- Griechen legte. man ſchon von den aͤlteſten Zeiten nicht 
nur Denkmäler merfwürdiger Begebenheiten und großer 
— — Tha⸗ 
* Die meiften alten Spruͤchwoͤrter in allen Sprachen ruͤh⸗ 
ren von Männern ber, bie den griechiſchen Weiſen 
Ahnlich waren, und wurden erft Spruͤchwoͤrter, nad» 
. dem man bie Nahmen ihrer Urheber vergeffen hatte. 
Faſt eine jede Gegend, ein jedes Dorf, tja eine. jede 
Familie erhält, gewiffe Sprüche von Männern, bie in 


‚ Ihrem Leben „ wegen ihrer befondern Klugheit und vieh 
jährigen Erfahrung, berühmt waren. ' 


*#) Plat. in Protag. p. 295. und Pauf, X, 24. e.857. p 





J [an 
\, . . I, 








Ueber den älteften Zuſtand von SGriechenland. 53 


Taten ‚ nice bloß Geſche und Vertraͤge von Staaten, 
ſendern auch wichtige Werke, Beobachtungen und Eifin⸗ 
dungen in Dem Tempel irgend einer Gottheit nieder, theilß 
aus andächtiger Dankbarkeit gegen bie Götter, von mela 
hen man afle guten Gaben ableltete , eheils aber auch 
um nügfichen Werfen und Entdedungen ein größeres An⸗ 
feben, eine längere Dauer und ausgebreltetere Nuͤzlichkelt, 
wie dem Erfinder deſto fchnellern ind größern Ruhm zu 
verfchaffen. Alle diefe Zwecke, befonders aber den leztern 
konnte man vor der Gewohnheit, Meiſterſtuͤcke der Kunfl 
und des Genies den bey Olyımpla oder an andern Spies 
len verfamleten Griechen vorzulegen, auf feine ficherere Art 
erreichen, ale indem man fid) mit allem, mas man er« 
halten, oder befännt gemacht wünfchte, an ben Tempel 
irgend einer welßagenden, oder hellenden Gottheit wandte, 
nach welchem täglich aus aflen Theilen von Briechenlond, 
und felbft aus fremden Laͤndern, ganze Schaaren von 
Pilgrimmen zufammen floffen , die ſich alle Seltenpeiten 
und Merkwürdigkeiten ber heiligen Derter eigen und era 
Mären liefen. Aus einer, oder einigen, oder allen von 
mir angegebenen Urfachen heiligee Patamebes bie von ihm 
erfundenen Würfel 'der. Fortuna zu Argos, und ein ges 
voiffer Alerander ein Pfaltetion, mas er verfertigt harte, 
und für fein vortreflichftes Werk hielt, ber Diana zu 
Ephefus *). Eben biefer Goͤttinn wibmere nachher 
Heraklid ſein Wert über die Natur der Dinge, fo wie 
alle Genefende, bie ihre Geſundheit dem Aesculap ſchul⸗ 
dig zu ſeyn glaubten, die Goͤtterſtze deſſelben mic Täfele 
hen anfüllten, auf welchen die Heilmittel angezeigt was 

D3 ren, 





*) Pauf. II. 20. Athen. W. 3 .p 183. 


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u —WM "Echtes Bach. un 


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ren, woburd) fü von ihren Rranffeiten w und. Heben was 


ren. befreyt worden *). Unter den Ausländern übergab 
Hanno, wenigſtens einer griechiſchen Sage nach, feine Er⸗ 
zaͤhlung von der Umſchiffung von Africa den Prieſtern 
des Saturn in feiner Vaterſtadt **) .. und in Rom ließ 
Decimus Brutus Verfe feines Zreundes Accius in alle. 


von ihm errichtete Tempel und Monumente eingraben ***), 


Auch unter den Arabern des fechften und fiebenten Jahr⸗ 
hunderts wurden diejenigen Gedichte, die den größten 
Beyfall des Volks und der Geſchmacksrichter empfangen 
hatten, mit goldenen Buchſtaben auf Seide gemalt, und 
inm Tempel zu Mecca aufgehängt +). 

| indem olfo die griechiichen Weifen ihre. Denk, 
fprüche nach Delphi ſchickten, folgten fie bloß einer alten - 
Sitte, die aud) noch lange nach Ihnen gebräudylich blieb; 
-und indem ihre Gebanfen über dem Eingange des Tem⸗ 
pels des Apollo eingegraben wurden ‚. erhielten fie eine 


Eßhre, die olelen vor ihnen, und auch nach ihnen, fomohlunter 


ben Griedyen als andern Nationen aus ähnlichen Urſachen 
erzeigt murde, oder erzeigt worden war. Eben diefe unter den 
Griechen mehr-als unter andern Völkern allgemeine Ge⸗ 
wohnheit, große Werke, Erfindungen und Denkmäler. 
merkwuͤrdiger Handlungen und Begeben heiten den Goͤt⸗ 
tern zu widmen, war ber Grund, warum die Prieſter in 
den älteften Zeiten faſt bie engen Bewahrer und Beſi⸗ 

zer 


— — — —— — 





⸗ß· „ ¶ 








'$) Strab, VIII. 575. & ib. Cafaub, 

#*) Man fehe Holt. Notae ad Porph, vit, Pyth, p. 98. 
Ed. Rom 

#) Cicer, pro Arehia e. li. Val. Maxim. vl. : 


7) p. 7: Rieberdfon’s Differtation on the literature, 4 


guages and Manners of Eaſtern Naslons, 





Ueber den Ateſten duſland wonSticchentand. 5 


ger nögticher Renumifte, und der Ateſten Eeſchichte und 
Mabertieferungen waten, und warum die berühmteſten 
Goͤtterſize fo Heifig won den erſten Weltweifän, Aerzten 


und Geſchichtſchreibern beſucht wurden. Phythagoeras 


wandte ſich allenuhalben an bis Prieſter und Priefterinnen, 
und feibft Ariftöpenus erzählte, daß: des famifche Werft» 
weife einer Priefteninn zu Delphi vieles zu danken Hätte *). 
Herodot empfieng gleichfalls viela alte Sagen, beſonders 
über Die. Belchichte. der. Doͤtter und Religion in Dobona 
und andern geweihten Plaͤzen, und Hippofrares ſoll 


! 


einen großen Theil feiner Wiſſenſchaft aus beu Hellmite - 


tsin gefchänft haben, Die er. Im: Tempel Des Assculan u 

Kos vorfand **) 
Eben ſo merkwuͤrdig of bie Spruͤche der Weifen, 
iſt der Geſchmuck an Vaͤthſeln und. Griphen, wis deren 
Erfindung und Auflöfung fich water den griechiichen Weis 
fen *) vorzuͤglich Bias, Kleobulus und deſſen Tochter 
Kleobulina oder Eumetis, und unter ben Altern Dichtern 
Sappho., Archilochus, Simonides und Theognis beſchaͤf⸗ 
tigt zu haben ſcheinen. "Mach den Ueberbleibſeln zu ur⸗ 
thellen, die am meiften das Sepräge bes Alterthums 
on ſich fragen, und von ben angeführten Schriſeſtellern 
dafür ausgegeben werden, waren. die Raͤthſel, wodurch 
die Weifen, Oriechenlandes fich großen Ruhm ermarben „ 
entweder unbeſtimmte Fragen , bie auf mannigfaltig, 
wichtig feheinende, aber nur auf, eine einzige treffende Are 
D 4 beant⸗ 














%, Die Stelle werde i6 unten wit mehrern andern anführen, 
*) XIV, 972. 


/ 


*ss) Athen. X, e,15. bis ans Ende bed Bye. Diog. l. 


69. Aud. eonv. raetet Open Blut. VE 09. u. . 


RE Buß. zu 


n 


‚ beantwortet werben Eonnten, oder es waren auch Be⸗ 


ſchrelbungen, die beym erſten Anblicke auf gar keinen 


wirklichen Gegeuſtand, bey näherer Unter ſuchung aber 
auf: viele Gegenftände anwendbar ſchienen, aber doch im⸗ 
mer etwas unerklaͤrtes übrig behielten, bis man auf die 
Sache fiel, die gemeynt, und deren Merkmale auf eine 
verwirrende Art angegeben worden waren *), Man 
brauchte fie nicht bloß an Gaftmälern **), oder in freunde 
fchaftlichen und feſtlichen Zufammenfünften , als Mittel 
- der 


— ——— — ⸗ 


%) Die Erklaͤrung eines Raͤthſels vom Klearch beym Athenaͤ⸗ 
us (l.e.p.448.) iſt viel zu enge, und paßt nur auf 
Griphen, wie man fie zu. feinen Zeiten hatte, und 

' brauchte. Yeidos (fagte “ weoßAnux a5: ması- 

xov, PESEXTINOV TE. dio Önrnsews Evesw Tu 
— ro —XX Tıuns N erilnuis Kae 
sıenusvov. Die meiften Raͤthſel, die Diogenes und 
ber Verfaffer des Gaſtmals ber fieben Weifen anfüh 
ten, feinen alt zu feyn, u ann mit denen 
überein, die Athenaͤus S. und 453. an⸗ 
führt. Ich ſeze nur kurz Folgende. Werte her: 
BeXaTares des Aoyınos. Yordos, naı TNs TE 
eıDevew Ducews OKEIOTAToS. Ti MAYTes 8% 
aniseuevos Ödowronev; na Tı Tourer wbane 
Kos REIFE; Kos as Teros, vure, 
ey Aa nl ezı. v⸗ X 8 Sararıın 
u. ſ. w. 

* Klearch urtheilte ſehr richtig, wenn, er beym Athenaͤus 
(©. 457.) ſagte: rev yedar n Oirneıs 8% @AA0- 
reis DiAocoQias u5ı ua 0 BaAaıcı Tny TS 
Bades azodeıgw. eu TaTras 2na8yr0. Er 
irrte aber gewiß, wenn er hinzuſezte: ꝓeo Be- 
Aov ya *cxesn vas wer ex NL 03 vuy #60- 

ror- 


\ 


Ueber den m älteften Zuftanb von Erehenland. Fr 


der. Unterhaftung, unb als’ Erwecker der Feöptichfeit, 
fondern Die weifeften und vornehmſten Perfonen , ſelbſt 
Könige legten fie fich einander vor, um gegenfeitig ihren 
Scharfſinn auf die Probe zu flelten. Eine glücliche Auf⸗ 
löfung berfelben wurde für ein ficheres Merkmal von 
Weisheit gehalten, und überdem noch, wie es fcheint, In 
den meiften Fallen durch anſehnliche Gefchenfe und Preife 
belohnt, fo wie audy wiederum das Bekenntniß, vorge 
legte Griphen nicht enträchfein zu Binnen, außer bem 
WBekenntniſſe In einem Kampfe des Genies überwunden 
zu ſeyn, faßt immer eine beträchtliche Geldbuße, oder 
andere Strafe nach fih sog. So reiſte eine Koͤniginn 
aus Arabien nach Jeruſalem hinauf, um die Weisheit 
des Königs Salomo, deffen Ruhm durch alle umliegende 
$änder erſchollen war, auf die Probe zu fegen. Sie 


fegte ihm allerley Raͤthſel vor, und als ber iſraelitiſche 


König dieſe gluͤcklich aufgelöft hatte, ließ fie eine Menge 
von Koftbarteiten, wahrfcheintich als den Preis der bes 
DD; . Ä wun· 





wwcco — |) 








Fovrss aAAnABs, Tis Tav ADdeobensınav eur. 


VERKOY, NTIEn Molos 1y,Ius ndısos m TIs che - 


‚pasoravos. Die Aufgabe und Auflöfung von Raͤth⸗ 
ein wurde erft (päter unter die Beluftigungen der Tas 
L aufgenommen. Dan belohnte den glädlichen Ras 
ther durch Kraͤnze, oder lauten Beyfall; der ungluͤck⸗ 


liche hingegen mußte einen Becher reinen ungemifchten . 


Weins austrinfen (Clesrch. ap, Ath, l. e.) — Biel 
fonderbarer ift es, daß drey famifche Jungfrauen an 
den Feſten des Adonis vorgelegte Griphen in Werfen 
auflöften. Die Beyfpiele, bie Athenaͤus anführt, bes 
weifen, daß diefe Feſte des Adonis in Samos ausge⸗ 
laſſener, als die Bacchanalien unter den Roͤmern wa⸗ 
ven. sr. ©.) 


- 


AN____ 


wundernswuͤrdigen Faͤhlgkeit des großen Rathers, zu⸗ 
mer) Außer ben Griechen, Aegyptiern, Arabern, 

AIſtraeliten ſcheinen auch die aͤlteſten Skythen Mächfel ſuͤr 
Probierfteine von Weisheit gehalten zu haben. . Denn 
als Darius Hyſtaspis auf feinem ungluͤcklichen Zuge wi. 
der fie den äußerten Mangel an Sebensmitseln ju leiden 
anfieng; fehichten fie Ihn einen Vogel, einen Froſch, 
eine Maus und ein Bund’ von Pfeilen, mir des Nach⸗ 
sicht, daß bie Perſer, wenn fie melfe wären, die Ber 
deutung biefer‘ Gegenftaͤnde starben möchten. Der Ks 
nig felbft glaubte darinn ein Bekenntniß zu ſtades, daß 
die. Skythen ſich unterwerfen wollten , allein Gobrilas, 


ber weiſeſte unten den Perfern,, legte ben Sinn der Feinde 


ganz anders aus, Er überzeugte den Darius‘, doß bie 
Skythen ihm drohten, daß er ſamt feinem Heere ihren 
Pfeilen nicht entweichen würde, wenn er nicht. wie ein 
Froſch im Waffer ſchwimmen, oder wie eine Maus ſich 
in die Erbe nerfriecdhen, oder wie. ei Vogel durch Die Kuft 
fliegen könnte **), 

See⸗ſehr aber auch dieſe Oieichlbemigkeit des Ur. 
theils fo vieler Voͤlker, die zwar der wiffenfchaftlichen 


| Ausbildung nicht gleich nahe ‚- aber doch fchon afle weit 


. „don ber Gedankenloſigkeit wilder Nationen entfernt ma. 
“ven, bie nicht. nad) Grundfägen, fondern nach augen. 
blicklichen Einfällen und gegenwärtigen Eindrüden han⸗ 

dein, fo fehr diefe nun auch zu beweiſen ſcheint, daß ber 

Hang zu Raͤthfein unter ſolchen Umftänden, in welchen 

die Grlechen ſich im Beltalte der ſ eben Weiſen ſanden, 

dem 





. v4 % 
nl XXVEX 








18. d. Könige io Cap. 
” Herod. IV, 31, 





ueber den auteſten Zaſtand von Crieena, 59 


vn Menfchen ganz natürlich ſeyn müffe ; fo wenig. weiß 
ich mir ihn doch auf eine befriedigende Art: zu erflären, 
Die Erfindung und Auflöfung von Raͤthſeln ſezt aller 
dings allemal einen gewiſſen rad von Scharffinn vor« 
aus, von dem man es fich leicht vorftellen kann, wie 
man ihn in Zeiten ‚‚wo man Geiftesfräfte, und ihre An⸗ 
jeigen richtig zu ſchaͤzen noch gar nicht. gewohnt war, über 
alles Maaß bewundern konnte; aber ſchwer zu begreifen 
bteibt es doch Immer, wie man ben Grad der Fähigkeit 
oder Unfähigkeit, Leichte und klare Sachen zu verdunfeln, 
und vorfeslich verdunfelte auſzuklaͤren, als einen. Mans« 
ftab dee Weisheit und des wohren Genies annehmen 
konnte, Die Erfahrung ,. (heine es, mufle die Men⸗ 
ſchen bald. lehren, daß die Fertigkeit Raͤthſel zu finden 
und aufzuſchließen, mehr die Wirkung einer gewiſſen 
Uebung , als einer ungewöhnlichen Vortreflichkeit der 
Verftandesfräfte fen, und daß daher mittelmäßige und 
ſeibſt ſchlechte Köpfe es in dieſem Puncte ungleich größern Ä 
fehr weit zuvorthun koͤnnen *). 

Schon unter den Griechen waren mehrere Schrift. 
ſteller, welche die Köchfet ber griedyifchen Weifen und 
anderer alten Völker mit der Sprache der alten Dich 
ter, ihren Bildern und Allegorien und mit den Symbo⸗ 
len bes Pythagoras für einerlen oder doch fehr genau vers 
wandt bielen *. Allein dieſe verwechſelten Dinge, 

die 


G ⏑ GEREEE> 


%) Laͤcherlich wäre ed, wenn man hieraus ben Schluß ziehen 
wollte, daß meiner Meynung nah nur mirtelmäßige 
Köpfe ſehr gluͤcklich, und alle Männer von Genie uns 
gluͤcklich in der Erfindung oder Auflöfung von Räthfeln 








fyn.. 
*) p. 451. 52. Athen. le, . 


” J *V 
60 Erſtes Buch. 


die weſentlich /verſchleden find. Alle Wolker und Dich - 
er von Voͤlkern, deren Sprachen noch arm, oder noch 
nicht genug ausgebildet ſind, brücten häufig Oegenſtaͤnde 
mit den Wörtern ober durch bie Eigenfdhaften anderer 
‚aus: das heißt, fie reden in Bildern, Gleichniſſen "und 
Allegorien. Allein fie thun biefes nicht in der Abfiche, 
um fich vorfezlich unverſtaͤndlich zu machen, und die Ge⸗ 
duld oder die Gabe Geheimniſſe aufzuſchließen in ifren 
Hoͤrern oder Leſern zu prüfen, fondern entweder weil fie 
fuͤr das, was fie fagen wollen, feine eigentliche Aus- 
drüce finden, oder doch durch eigenttiche Wörter nicht fe 

- ar und kraftvoll ausdruͤcken können, ‘als fie gerne moͤch⸗ 
ten. Die Räthfelerfinder hingegen unter den Weifen 
wickelten Das, was fie ſehr gut deutlich hätten fagen koͤn⸗ 
nen, In eine Menge täufchender Decken ober Knoten ein, 
von henen fie wuͤnſchten, daß fie eines jeben Scarffinn 
anauflöslich bleiben möchten. 0 Ä 


| Der Geſchmack an Kärhfeln werloße ſich nicht gleich 
mit dem Zeitalter der fieben Weifen , fondern nahm | 
vielmehr zu. Allein er bekam eine ganz andere Niche | 
tung, als er urſpruͤnglich gehabt hatte. Anſtatt daß fie 
ehemals eine wirkliche Beſchaͤſftigung ber ernfihafteften | 
. und weifeften Männer geweſen waren, wurden fie in der 
Folge bloße Ergdjung, von der man aber fagen fann, 
daß ihr Fein Volk allgemeiner , länger und in einem hoͤ⸗ 
hern Grade nachgehangen habe, als die Griechen. Es 
waren nach Klearchs Rechnung *) ſieben Arten, mit 
denen man nicht nur an Gaſtmaͤlern, ſondern an Fe 

| . ften , 
un — — — — * | 


.®) p. 448. 6. 16. Athen. 














x 


Ueher den älteften Zuſtand von Griechenland. 61 


fen, und ſogar auf Grabſchriften ſpielte. Die größten, 
Dichtet fangen Raͤthſel, und viele Schriftfteller *), des 
ven Nehmen man beym Athenaͤus nadylefen kann, zelch⸗ 
neten ihre Geſchichte auf. Zu den Zeiten dieſes Sam⸗ 
lers aber waren ſie ſchon verſchwunden, und hatten 
Tſchreden Plaz gemacht, die weniger Anſtrengung ers 
fotderten, aber der ſchaamloſen Verderbniß und Ausge⸗ 
laſſenheit der Sitten angemeſſener waren. 

Wenn nun ſolche Männer, bie fich wie bie griechi⸗ 
fhen Weifen durch Kenntniffe, Verdienſte, und befon- 
bers durch Staatsfunft fo ſehr won ihren Zeitgenoffen 
unterfhieden, unter einem jeden andern Volke mit dem 
tel der Weifen wären beehrt worden; fo würde man 
eine Urſache Haben, hlerinn etwas fremdes oder fonderbas 
res zu ſuchen. In Griechenland aber war diefes um deſto 
weniger zu vermindern, indem das Wort Welfe unter 
ben Griechen ſowohl vor ols lange nach bem Zeitälter der 
Männer, die diefen Ehrennahmen erhielten, bey weis 
tem nicht fp viel fagend war, als er. jego unter uns iſt, 
und auch fpäter unter den Griechen wurde. Weiſe war 
mit geſchickt und erfahren völlig gleichbedeutend, und man 
nannte daher nicht nur alle gute Dichter ımd Künftier, 
fondern auch alle gefchicfte Handwerker, und felbft erfahre, 
ne Schiffer und Landleute weife Männer **). Unter Eile 

| J nem 


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— — 

#) Athen. I .. U | 
#) Meber Die Bedeutung ber Worter coDos ; woßısn:, Br- 
AccseDos,, und deren Veränderungen, ferner über 
bie Veranlaflungen zur Benennung der fieben Weiſen, 
über ihre Zahl, Gaftmäler, und das Anfehen des Gafts 
mals der fieben Weiſen, fehe man die fünfte Beylage, 
die man am Ende diefes Bude finden wird, Ä 

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nem Volke alfo iſt es weniger auffallend als unter den 
Griechen," daß verehrungswuͤrdige Haͤubter oder Rath⸗ 


geber und $ehrer von Staaten vorzugsmeife fo genannt 
wurden. ; 
Um aber. bas Natürliche dieſer Erſchelnung noch 
mehr zu begreifen, darf man nur bie Geſchichte anderer 
Nationen in ähnlichen Zeitpuncten, und befonders die der 


Roͤmer zu Rathe ziehen. Dieſe Erdbezwinger waren 
waͤhrend des zweyten punifchen Krieges, noch mehr abe 
- zwifchen dem Schluffe deſſelben, und dem Anfange des 


dritten, in einer. Sage, bie von der Sage ber griechifchen 


Städte in Afien im Zeitalter der Weifen nicht fehr ven 
ſchieden war. Die Sitten. der Römer waren" nämlid 
noch faft gang unverdorben, und die aͤchten römifhen 
Tugenden nicht nur ungeſchwaͤcht, fondern auch in ber 
bochſten Spannung, bie fie unter dem erhabenften Volke 
"der Erde jemals erreicht haben, Maͤßigkeit, Ent 


haltſamkeit, gewiſſenhafte Redlichkeit, und Einfalt in 


Wohnungen, Geraͤthe, Speiſen, und Ergoͤzungen war 


ren noch ganz gemeine Tugenden; und Würde des Reicht, 


und bie Majeflät des römifchen Nahmens 5 niche aber 


‚verderbficher Chrgelg und Gewinnſucht leiteten bie Bütet 


bes Volks in ihren Entfehließungen,, und trieben . ihre | 


Heerfuͤhrer und Legionen unwiderſtehlich uͤber alle Gefah⸗ 
ren und Feinde hin. Ungeachtet man mit reichen Nas 


tionen gefriegt hatte, und bald nachher eben diefe und noch 


andere reichere Völker und Könige übermanb ; fo wurde 
doch die unermeßliche Beute, die man gewann, nicht 


: einigen räuberifchen Feldherren, und ihren gierigen Rot 


‚ten zu Theil, fondern wie anvertraute Heilathuͤmer In 


die Schazkammer des Staats geliefert, Die: größten 
. — — — ne Hel⸗ 


% 








lieber den älteften Zuſt and Don Griechenland. -63 


Helden, die die Republik bereichert harten, und ihre Fa⸗ 
millen, waren entweder wirflid arm, oder doch nur 
wohlhabend , und das Vermögen, was fie befaßen , war. 
niht durch Gewaltthaͤtigkeiten und Dieberehen, fordern 
duch Fleiß und Sparſamkeit errungen, In dieſem 
Zeltalter nun, auf welchen ber Freund und Verehrer 
menſchlicher Wortreflichkeiten.mit bewunderndem Erſtan⸗ 
nen vereilt, erhoben ſich Männer, die’ in einem fangen 
tum Dienſte des Vaterlandes ih allen. Arten von Aem⸗ 
tern und Geſchaͤften hingebrachten Leben Die nuͤztichſtea 
Exrfahrungen kluger Hauspäter, weiſer Senatoren und 
glüfiiher Feldherren gefamiet hartem, und mir der Reche. 
ſchaffenheit "guter "Bürger eine genaue Kenntniß der vaters 
landiſchen Rechte, Religion, Geſchichte, und alles deſſen 
verbanden, was Damals mur wiſſenswuͤrdig war *), 
Vergleichen. waren ©. Aelius, M. Monilius, der ältere 
Craſſus, T. Coruntanius; M, Caro, Caͤc. Metellus, 
M. Lepidus, Morimus,: Paullus, und andere, deren 
Nahmen man im Cicero findet. **). Dieſe Häupter des 
Volks, weit eutfernt, den legten Theil ihres Lebens in ei⸗ 
ner unruͤhmlichen genießenden Muße hinzubringen, re⸗ 
gierten durch ihre Klugheit und Anſehen den Staat, und 
erlaubten einem jeden, daß er ſie entweder zu Hauſe, 
oder 


—————— — ⸗ô¶ ¶ —— — — — ——— —— — — — 


2) Equfden ſaepe audtvi (fügt Craſſus beym Cicero It. de 
orat.) de potae & de. faeoro moe, woftrös quoque 
komites, qui exeallere fapientise gloria vellent, 
omais quse quidam tum hare eivitas noſſet. folltos 

eſſe enmpledl, — Weber der -Marimus und Cato 
werde ich gleich nachher Stellen anführen, 


*, Man fehe Cle-ddsen, 17. 8. de Ahle, 2, & 5. de orat, 
ul 33» ” | . 


+ 


Br Pe 7 73:77 Su 
“oder auf dem Foto, wo fie deßwegen zu gewiſſen Zelten, 


fpazieren gingen, . zu Rathe ziehen konnte *). Man 
frug fie niche nur-über zweifelhafte Rechtsfaͤlle, ſondern 
auch über häusliche Angelegenheiten; über bie Verhei⸗ 
rathung von Kindern,. den Kauf oder Werfauf von Häu- 
‘fern oder Gütern, und ‘über die befte Art feine Aecker zu 


- bauen und zu benuzen. Gie waren flets mit Haufen 


der edelſten jünglinge umgeben, die man nicht bloß In 
der Abfiche zu ihnen führte, um von ihnen zu Rechtsge⸗ 
lehrten und Rednern gebildet zu werden,. fondern um - 
durch ihr Beyſpiel zu guten Bürgern ,_ durch ihre Er: 
fahrung, Lehren und Anſehen zu weiſen und tugendhafe 


« sen Männern, und durch ihre Handlungen zu großen 


s 


a 


Thaten erweckt und gereie zu werben **), "Auf dieſe 


‚Art bildete fi der Cenſor Kato in dem vertrauten Um- 


‚gange mit dem Q. Marimus, bem Erretter Roms, der 


‚den Hannibal ermuͤdete, und feine Heftigkeit zuerſt brach, 


der feinen Zeitgenoffen eben fo fehr an Kenntniß des 


‚Staats und bes Alterthums, als an feldherriſchen Tus 
‚genden, Stärke der Seele und Erhabenheit des Beiftes 
über die abergläubifchen Vorurtheile feines MWolks 


: über: 


*, ©. bie vierte Beylage, melde am Ende des Abſchnitts 
. angehängt wird. 


. %®) Cie. de foned, e. 9, Quid enim eA jueundips ſe- 
nectute, flipate ſtudiis juventutis? Aune eas qui- 
dem vires ſenectuti eliaquemus, ut adolefeentulos 

- docest, Imflitust, ad ommeoflicid munus Inftrunt ? quo 
" quidem opere quid poteſt eſſe praeclarius ? Mihl 
vero Cn. & P, Selpiones, & sri.tui due, L. Acmillus & 
F. Africanus. comitatu nobillum juvenum fostunaci 

| videbantur. 














\ O2 
re 


licher den alteften Zuſtand don Griechenland. 65 
übertraff *). So wie Cato das Mufler ‘des Marimu⸗ | 


ftets vor Augen gehabt, und zu erreichen geſucht hatte; 
fo wurden er wiederum und bie beyden Bchpionen Bey 
fpiefe für andere, und diefe drey außerordantlichen Maͤn⸗ 
ner muß man vielleiche für die legten Lehrer roͤmiſcher 
Tugenden , oder wie die Schriftfteller diefes Volks fagen, 
roͤmiſcher Künfte Halten, die bald durch ausländifche 
Kenneniffe und Wiſſenſchaften verdrängt wurden. Ale 

2 biefe 


- 


} 














2) do Son, 4. Ego (fagt ber Ältere Cato) Q. Maximum; 
eum, qui Tarentum seeepit, adolefcens Ita dilexä 
fenem, ut aequalem. erst enim ia illo viro tomi- 
tate sonditg gravitas: nee feneftus mores mutare- 
zat. — Cumgus eo questum eonfule adolefeentulus 
miles profedus fum ad Capuam, quistoque anno 
pof sd Tarentum quasflor: — — — hie & bells 
gerebat, ut adolefcens ‚_cum plane grendis eflät: ds 


Hannibalem juveniliter exfultantem patientia fus mol« ' 


liebat? — — — Nas vero in armis praeftsutior, 
quam in toga ! — — — augurqus cum eflet, dieere 
-aufus-eft, optimis aufpiells es geri, quae pro rei- 
publicae falute gererentur: queo eontra rempubli.- 
sam ferrentur, contra aufplela ferri. Multa in eo 
vieo-praeclara cogaovi: fed nihll eſt admilrabilius, 
quam quomedo ille mortem M. Alli tulit, elari virk 
& eonlularis. ef in manibus laudatio: quam cum 
legimus, queın philofophum non contemnimus ? Nes 
vere ille in Juse modo, atque ia oculis eivium 
magnus: (ed latus, domique prseftantior, Qui ler- 
me? quae praecepte? quamta notitia sutiquicatis? 
quae feiantis juris augusii? multao etism, utin he- 
mine Romane, litterae. Omnia memoris tenobat, 
non domefien folum, fed etiam externe bella : cujus 
fermone ita tum eupide fruebar, quafi. Jam divina- 
sem id, quod svenit, illo exflinfte, fore, unde 
dilcerem , neminem. 


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* 
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"Hefe großen Romer nun, die glelch den griechlſchen Wel⸗ 
fen in ihrem blühenden und reiferem Alter dem Staate 


in Frieden wie im Kriege gedient hatten, und als Greife 
noch durch ihre weiſen Rathſchlaͤge ihren Mitbürgern und 


‚bein würden... W 


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durch ihre Ermahnungen und: Benfpiele der. Jugend nuͤz⸗ 


lch zu werden ſuchten, erhielten vom ganzen Volke, was 


fit anbetete, oder auch fuͤrchtend verehrte, den Nahmen 
der Meifen *) , und man muß aus dieſem Betragen der 


Römer und der Griechen fhließen, daß alle Voͤlker in 


ähnlichen Fällen eben fo gehandelt Haben, oder doch han⸗ 
J u \ = Wenn 


” —* * 
Na 








“ #) Cie, de Amie. 2 c. Sunt ifle, Laeli. uce enim mellor 
Ä vir fuit Afrieano quisquam, nee clarlor, fed ex!fi- 
mare debes, omnſum oeulos in te efls conjaftosg 
unum te fapieefem & appellsot & exifiimant.. Tel“ 
buebatur hoe modo M, Catoni. Seimus L, Atllium 

apud patres nofltos appellstum efle fepientem. Sed 
uterque allo quodam mode: . Atilius, quia prudens 

. efle in jure eivili putabſtur: Gate, quia wiultarum 

- serum ulum habebat. — Propteres quafi coguomen 

>. Jam habebat in fenedute fapientis, — Und’. 5. Nos 

* autem ea, quae ſunt in ulu, vitaque eommuni, non 

es, quae fingentur, aut optantur, fpedtare debomus, 
Nusquam ego diesm, C. Fabrielum, M. Curium, T. 
J— Coruseanium, quos fapientes noſtei msjores judiea- 
bant, ad iſtorum normam fuiffe fepientes. Endlich 
e. 17. de ſeneciâ. Apex autem ſeneciutis efl Aydteri- 
tat. Quanta fult.in L. Csesilio Metello? quanta iq 
Atilio Calatine? In quem illud elogium unieum : plu- 
’ simse eonfestiunt gentes, populi primerium fu:TTe 
— virum. Notum eſt totum earmen, incifum in ſepul- 
ero. Jure igitur gravis, eujus de laudibus omnium 
eflet famo eönfontiens. Quem vizumP, Creflum, nupes 
pontiisem maximum, quem poftea M. Lepidum eo. 
dem facerdatio praeditum vidimus? Quid de Paulg 

aut Africano loquar ? aut ut jam ante de Msxime ? 


N - 








Ueber den älteften Zuſtand von Griechenland. 67 


Wenn bie griechiſchen Weiſen allein um ihrer 
Sprüche und Gedichte willen ihren Ehrennamen erhalten 
hätten; fo würben fie Diefen Titel wahrfcheintich mit den ' 
Lehrdichtern haben theilen müffen, die in oder kurz nady 
ibrem Zeitalter lebten, und unter weichen außer dem 
Selon, Aeſop, Mimnermus, Theognis, Phofylides 
und Simonides bie beruͤhmteſten waren. Die ernſthaf 
ten Gedichte dieſer ſogenannten Gnomiker haben mit den 
Soruͤchen der Weiſen ſowohl in Anſehung ihres Aus⸗ 
drucks, als ihres Inhalts eine auffallende Aehnlichkeit. 
Ihre Sprache unterſcheidet ſich von ſchlichter Proſe faſt 
ganz allein durch ben abgemeſſenen Numerus *) und iſt 
durchgebends fo einfältig, Funftlos und helle, daß fie 

\ €a auch 


— —— — 


*) Ich finde im Athenaͤus uͤber den Rythmus ber alten Guss 
mifer eine Stelle, die ich entweder nicht verfiche, oder 
die auch mehrere Unrichtigfeiten enthält. Dieſer 
Schriftſteller fheint nämlich zu behaupten, daB Homer 
deßwegen nachläffiger in ber Beobachtung des Sylben⸗ 
maaßes,.und im Versbau gewefen fey, weil feine Ge⸗ 


[U U} 





RU U) 











dichte gefungen worden, und daß hingegen Sofon und 


‚andere Lehrdichter mehr für die Richtigkeit der Versart 
geforgt hätten, weil ſie ihre Elegien nicht zum Sins 
gen, und für muſikaliſche Inſtrumente ausgearbeitet 
hätten. : Beyde Behauptungen find eben fo fonderbar, 
als es falfch ift, daß die Werke der alten Gnomiker 
nicht gefungen worben find. Plato bezeugt im Anfange 
feines Timaͤus, daß man bie Gedichte bed Solon und 
anderer Gnomiker in Athen, an gewiffen Zeflen abges 

ſungen habe, und Athenaͤus felbft erzählt, daß ſogar 
die Gefeze des Charendas in Athen vormals an Gaftls 
mälern wären gefungen worden (XIV. 3. 619.) Die - 
Worte des leztern Schriftftellers, die mich zu diefen 
Bemerkungen veranlaßt haben, fiehen im 14 Buche im 
achten Enpitel und lauten fo: oTı da zugos Tnv pacı- 


on, 


w 
—* 


N \ — 
68 Erſtes Buch. | 
auch einem Imausgebilbeten Verftande Feine Schwierig⸗ 


keiten machen: konnte. Ihr Jnhalt beſteht entweder in 
allgemeinen Klagen über die Bosheit und das Eiend de 
Meuſchen *), über die Kürze und Fluͤchtigkeit des menſch⸗ 


lichen Lebens, uͤber die Freudenloſigkeit des Alters, und 
über die Schande und Bitterkeit der Armuth **), ober 
in Erhebung bes Reichthums, beſonders deſſen, der auf 


eine gerechte Art erivorben worben ***), ober. in allge 


- meinen unbeftimmten Empfehlungen von Tugenden , vir- 


" von Freunden, und der Treue in. Freundfchaften, Eiden 


‚güglid) derjenigen, die in jenen, Zeiten am wüzlichften unb 
nothwenbigften waren , ber Eintracht, Tapferkeit, Ba 
terlandsliebe , Maͤßigkeit, der Vorſicht in der Wall 


und 


3 + ® 


— 











un omsorares dienswro of wexmioı, .AnAov 5 
, .£ Ounos, ös dios TO MEMEAOTOIMKEVAL car 
Enure ray momow aleovrısı TES MOoAABS Axt 
. Qarss mas suyas , na Auyagas,. erı U 
 peisess. Zivoßorns. de nıtı EoAav na @eoyui 
x DaxvAıdıs, arı de Tlegıavdeos o Koendis 
 eAeysiomäios', na Tav Auımav.oi un wMeoaayı 
res Weos To monuTa nehodınv, anzovacı Ti 
suxas Tas. wen vn Take Tay MEreo 
AO OKOREIL, — — undeıs aneDaht 
- eu unse Auyoseos., yunre Meispos. icli 
urtheilte von ben Verfen des Renophanes und Parme 
nides, was den Wohllaut derfelben betrift, richtiger As 
Quaeft, IV, 23. Parmenidas, Xenophaues minus bo 
nie quanquam verfibus, fed tamen illis vorfibys ip: 
erepant sorum arrogantiam &e, | | 
“) Theog, 65. 90. nn 
4) Theog. 6. 21.649. Ve _ 
WR) 1113. 1152. id. 
N WMW 








- . — ' v. — 


4 
" J 


Ueber den aͤlteſten Zuſtand von Griechenland. 69 


und Verträgen *), oder endlich in ftommen Betrach⸗ 
tungen über die Macht und den Einfluß der Götter: daß 
nämlich alles Gluͤck und Ungluͤck, alle Weisheic und Tus 
gend von den unfterbfichen Göttern herfomme und abs 
hänge, daß fromme und tugendhafte Menfcyen von ihnen 
geliebt, und boshafte und gottfofe unfehlbar, wenn gleich 
bisweilen fpät,. geflraft werden **). Diefe und aͤhn⸗ 
lihe Allgemeinörter machen ben Hauptvorwurf der Sehr. 
gebichte des athenienfifchen Geſezgebers, wie feiner Zeite 
genoffen , und unmittelbaren. Nachfolger aus; und man 
Fönnte daher faft aus ber Gleichfoͤrmigkeit des Vortrags 
und der Gedanken fließen, daß fie ohngefähr In ſolchen 
Zeiten und für ſolche Menfchen gefchrieben worden, in 
und von welchen bie Denffprüche ber gelechiſchen Weiten 
bewundert wurden ) 


E33... 00000 Ber 











*) V. 30. 480. 1183. 

ea) 149. so, 165.5 70. 580 Theog. V 
une) Ich trete völlig Tem iriheife bes Herrn Hofrat Heyne. 

bey (Vid. praef, ad Glandorfil Edit. earul, aur. p. 23.) 

nach welchem die Gnomen des Theognis, fo wie wie 

fie jezo haben, nicht ein einziges, unverfiämmeltes und 

“ unverfälfchtes Lehrgedicht, fondern vielmehr eine Sam⸗ 

hung von Sprüchen diefes und anderer Dichter find, 

in welche Trink- und Liebeslieder von mehrern Verfaſ⸗ 

fern eingeſchoben worden. Nur mit dieſer Vermuthung 

allein kanw man den Mangel des Zuſammenhanges, 

die haͤufigen Wiederhohlungen, und die nicht ſeltenen 

Widerſpruͤche der Ueberbleibſel des Theognis erklären. — 

Das Fame vadernov , das den Nahmen des 

Phokylides führe, bafte ich mit Scaligern für ein ſchoͤ⸗ 

nes Gedicht,’ dad aber unftreitig einen Chriften zum 

Berfaffer hatte. Die Empfehlungen der Iungfraufchaft 

und der Mildrhärigkeit gegen Arme, ferner bie Wars‘ 

nungen 


— 


N . 


% 


vo Erfled Buch. 


Vor allen andern aber verbienen bie Fabeln bes 

Aeſop Aufmerffamfeit, den das griechifche Alterthum als 
einen weiſen Mann bewunderte, den viele Schrififteller 
unter die griechifchen Weifen festen, deffen Erzählungen 
Sofrates. wenige Tage vor feinem Tode in Verſe brachte, 
und Plato allein in feiner Republik duldete, aus welder 
„er die Werfe des Homer, Hofiod und anderer. berühms 
ten Dichter verbannt hatte, den aber ein elender Moͤnch 
nach unzuverläffigen. ‚Sagen als einen haͤßlichen 
Poffenreißer gefchiidert hat *), Gelehrten Leſern braudıt 
- man nicht mehr zu beweiſen, fondern man darf fie nut 
Daran erinnern, daß Aeſop nicht ber erfte Erfinder der 
Dichtungsarf war , die von ihm den Namen erhielt; daß 
ſchon vor ihm Heſiodus, Archilochus und mehrere andere 
den Aefopifchen ähnliche Fabeln erzähle hatten: daß ferner 
Die Aeſopiſchen Fabeln von ihrem Verfaſſer weder In Verfe 
gebracht noch aufgefchrieben, fondern mündlich vorgetra⸗ 
‘gen, und aud) durch bloße mündliche. Leberlieferungen er⸗ 
‚halten worben: daß Eofrates, Demetrius Phalereus 
und andere beruͤhmte Maͤnner und Schriftſteller unter 
den Griechen ihnen ein dichteriſches Gewand umgeworfen 
und 


« 











U 2 


nungen gegen magiſche Buͤcher und gegen Unkeuſchheit, 
endlich die Erwaͤhnung einer goͤttlichen Offenbahrung 
verrathen alle einen Dichter, der niit hriſtlichen Relis 
gionsbegriffen angefüllt war. 


*, Ehen diefe Schriftfteller,, die ben Aefop als einen Poſſen⸗ 
reißer beſchrieben, dachten nicht daran, daß er cin 
Freund und Geſandter des Kroͤſus war, und bag die 

\ Griechen ihn für einen fo gortwohlgefälligen Mann 
hielten, daß fie glaubten: poll habe die Hinrichtung 

eines Freblings. an den Delphiern durch ſchwere Stra 

fen geahndet. Man fehe Herod, II. 134. - | 


ww 


. 








leber den alteſten Zuſtand von Griechenland. 71 


und fie geſamlet haben: daß endlich nur der kleinſte Theil 
der griechiſchen Fabeln, die den Namen des Aeſop tragen, 
vom Aeſop herrähren, und die meiſten, ſpaͤtern namen⸗ 
loſen, mehr oder weniger gluͤcklichen Nachahmern des 
Pfiyziers zugeeignet werben müffen ? 

Eine natürliche Folge diefer ausgemachten Vordere 
fäze ift diefe: daß, wenn man die Natur und den Zweck 
der Aefopifchen Erzählung beurteilen ober beftimmenwill, 
man ſolche Fabeln, die von den aͤlteſten Schrifiſtellern, 

‚einem Ariftophanes, Tenophon und Ariſtoteles angen 
führt werden, und von denen es alfo am wahrfcheintih“ 
ſten it, daß fie achte und unverfälfche find, zu Muftern 
wählen, und mit ähnlichen Ueberbleibfeln alter Dichter 
vergleichen müfle. 

Nach ſoichen, allem Vermuthen nach, weber un. 
tergeſchobenen, noch verborbenen Reſten zu urtheilen, 
waren die Fabeln des Aeſop, und feiner Vorgänger unb 
Zeitgenoffen erbichtete Erzählungen menfchenäßnlicher Re⸗ 
den, Handlungen und Begedenheiten, von Thieren, weburdy 
ihre Erfinder weder müffige Hörer und $efer allein ergoͤ⸗ 
sen", noch auch bloß im allgemeinen urtterrichten und beſ⸗ 
fern wollten, fondern in welchen fie Handlungen und Ber 
gebenheiten der Thiere als Mufter der Nachahmung, oder 
als Benfpiele der Warnung aufftellten, um die Ente 
ſchließungen eines ganzen verfamleten Volks in einzelnen 
wichtigen Fallen und Angelegenheiten dadurch zu leiten, 
und ihre Mirbürger entweder zu gemiffen Entwürfen auf⸗ 
jumuntern, oder fie auch vor. übereilten Schritten und 
Unternehmungen zu bewahren. o erzählte Stefichorus 
den Himerenfern die Fabel vom Pferde und Hirſche, um 
fr gegen bie Tyranney des Phalaris zu warnen, und 

eg Aeſo⸗ 


\ 


FL. 


72Erſtes Buch. 


Aeſopus den Samiern die Geſchichte des Fuchſes , um 
fie von einer ungerechten Berurtheilung eines reich gewor⸗ 


* denen Demagogen zurüd zu halten *).- Aefop und Ste 


ſichorus waren daher nicht bloße Maͤhrchenerzaͤhler, fon, 


dern Rathgeber von Staaten und öffentliche Volksred⸗ 
ner **8), die, wie Menenins Agrippa auf bem heiligen 


Berge gerhan haben fol **°), Ihre Zeitgenoffen durch 
Fabeln ermahnten oder abriethen, und auf die wichtig⸗ 
fien ©efchäfte und Angelegenheiten einen. mächtigen Ein 


fluß hatten. 
Wenn aber Fabeln bie Wirkungen hervorbringen 


follten, weswegen Ihre erſten Erfinder fie erzaͤhlten, ſo 


muſten ſie, wie die Spruͤche der Weiſen, und die Werke 


der aͤlteſten Lehrdichter ernſthaft, faft ohne allen 


Schmuck, kurz, und dennoch deutlich ſeyn, weil kuͤnſt⸗ 


liche Verzierungen bie Zuhoͤrer zwar ergoͤzt, aber ihre 


Aufmerkſamkeit von dem Sinne auf bie Einfleidung ge 
feitet — und bie geringfte Dunkelheit und Werwirrung 
fie langfamen , im Denken ungeübten Dienfchen un 
verftändlich gemacht hätte. Die erzählten Begebenfeiten | 
muften wahrfcheinlich, die Reden und Handlungen der 
Thiere, Ipren Charakteren entſptechend, die Anwendung 
ti, 
®) Rhet. Ari. II. 20, | | 
*) Aicœoæos (fagt Ariftoteles am angefuͤhrten Orte) 4— 
ev Zaun cum yogwv Innayoya , “enopnn 
weg Yavaraı EDEHT.A. 


‚vo II. 32. Liv. Ich halte es nicht fuͤr unwahrſcheinlich, | 
daß dieſer Roͤmer den Plebs durch eine Fabel nach Rom 
zuruͤck gebracht habe. Ich Zweifle aber, ob der Inhalt 
derfelben fe beſchaſlen war, als s Lirius ihn angibt. 











| 
\ | 


lieber den. aͤlteſten Zuſtand von Griechenland. 73 


leicht, and die Lehre ſich ſelbſt darbietend, und aus der 
Erzählung natuͤrlich ausflleßend ſeyn. Alle dieſe Merk— 
male findet man in den aͤlteſten Fabeln der Griechen ſo⸗ 
wohl als anderer Völker, und nad) ihnen kann man in: 
mondyen eingeinen Fällen, über das Alter und Anſehen 
bon Gedichten dieſer Are, einen ziemlich suverläff igen 
Ausſpruch thun. 

Merkroürdig ſſt es, daß Yefop, unb aud) bie er» 
fen Fabeldichter anderer Nationen, ihre Zeitgenoffen 
allein.oder Doch vorzüglich Durch Handlungen und Bege⸗ 
benpeiten von Thieren, nicht aber durch die Benfpiele 
und Mufter von Göttern oder van Melden, ober endlich 
von erdichteten und allegorifchen ‘Perfonen zu beichren, 
ud zu warnen geſucht haben, Dies fcheint um deſto 
fonderbarer, da wundervolle Erzählungen von ben Tha⸗ 
tm und Schidfäjen unfterblicher oder vergätterger Matus 
ten, und Märchen von afleriey Art, In Griechenland, 
und auch unter andern Nationen, entweder älter,. oder 
doch eben fo alt waren, als die Zabel im: Hefopifchen Ger 
ſchmack. Alle Forſcher, welche die Geſchichte dieſer 
Dichtungsart unterſuchten, bemuͤhten ſich, die Gruͤnde zu 
finden, warum man ſo allgemein dieſer Art lehrreicher 
Erzaͤhlungen, vor allen übrigen Gattungen, den Vorzug 
gegeben habe. Ein jeder gab eine andre Urſache dieſer 
Erſchelnung an, "und glaubte dabey die wahre entdeckt zu 
haben, Allein Peiner hat fie da geſucht, mo fie allein ge» 
unten werden konnte, nämlich in der Denfungsart der 
Menſchen, Die zuerft durch Fabeln unterrichtet wurden. - 

Die älteften Fabeldichter lebten in forchen Zeital⸗ 

teen, in welchen der größte Theil eines Volks wenig ge⸗ 
der, über die Thlere bes Feldes wenig erhaben, und 
BE, .. hut 


\ 


S 


| 74 — Eiſtes Vuch. 


juglelch it ben außerordentlichen temkeiten und Kuͤn⸗ 
ſten derſelben auf das vertraulichſte bekannt waͤr: in wel⸗ 


chem alſo auch der rohe Menſch, der die todte Natur be⸗ 


lebte, und ſelbſt die goͤttliche vermenſchlichte, leicht dar⸗ 
auf verfallen konnte, Thieren, deren Werke ihm eben 
fo unnachahmlich als "unbegreiflich waren, menſchenaͤhn⸗ 
liche Sprache, und Vornunft zuzutrauen. Der Glaube 


an vernuͤnftig redende und handelnde Thiere war vormals, 


und iſt noch izo allen Wilden und Barbaren, und ſelbſt 
mehrern halbeultivirten Voͤlkern gemein *), und die Eins 


. theilung der empfinbenden Etdbewohner in vernünftige 


und unvernünftige wurde und wird nicht eher gemacht 
und angenommen, als bis der Menfch fich lange in 
Erädte zurückgezogen, und durch Künfte, Handwerke 


und Wiffenfchaften über die There, deren. angebohrne 


Befchieklichkeiten er immer weniger und weniger beobach⸗ 
tet, zu erheben angefangen hat. Die älteften Fabelerzaͤh⸗ 
ler waren daher nicht durch gehends Erdichter , wenn fie 


i Thiere auf eine menfchenäßnliche Art reden und handeln 


lleßen , fondern fie folgten einer herrſchenden Meynung, 


die ſich wahrfcheinlich zu -Aefops Zeiten nach nicht ganz 


verlohren harte , und übertrafen ihre Zeitgenoffen nur 
barinn, daß fie Diefe Meynung zum beften ihrer Mits 
bürger nuzten. Sie erfanden einzelne Begebenheiten, 
Handlungen unb Reden von Thieren und Göttern, bie 
aber beyde mit den gemeinen Begriffen‘ ihres Zeitalters 
übereinflimmen muften. Waͤten die Menfchen nicht zu 
‚ einer gerolffen Zeit überzeugt gewefen, daß die Thiere 
nach Art der Menſchent redeten und bandelten; ; fo würde 
die 


* Siehe meine phil. Schriften zter Theil ©, zn. Ä 





| Ueber den älteften Zuffand von Griechenland, 75 


die Aeſopiſche Fabel felbft als Erdichtung unmahrfcheine : 
ih gemefen, und als folche verworfen worden fenn, .: 

Bon feiner andern Art von Erzählung , fie mag . 
frühee oder fpäter als Bie Aeſopiſche Fabel erfunden wor⸗ 
den ſeyn, konnte man ſich fo große Wirkungen, als 
von der leztern, verfprechen. Die Abentheuer erbichte 
tee Perfonen würden gar fein Anfehen erhalten, und kei⸗ 
nen Eindruck gemacht haben; weil cıan fie von ber er 
fien Jugend an von Ammen und alten Grauen in Mährs 
hen gehört hatte. Die Schickſale der Götter waren 
meiftens fo ſehr außer der Orbnung der Na« 
tur ,. und Ihre Handlungen fo menig mufterhaft, daß. ' 
bie einen felten lehrreich ſeyn, und die antern faft nie 
mals zur Nachahmung empfohlen werden konnten. 
Wahre Gefchichte gab es gar nicht, oder fie war äuferft 
eingefchränft. Große Helden waren faft zu Göttern er. 

hoben, und ihre Thaten der Mythologie eingemebt oder 
angehängt. Was man aber auch noch von zuverläffigen 
Ueberlieferungen aus vorhergehenden Zeitaltern befaß, war 
fo unbedeutend, daß man aus Ihnen nur felten Beyſpiele 
bernehmen fonnte, bie auf gegenwärtige Fälle gepaßt 
hätten. . Die Handlungen und Begebenpeiten von Thies 
ren boten daher ben reichften und fchidlichften Stof zum | 
faßlichen anziehenden Unterricht für folde Menfchen dar, 
dergleichen diejenigen waren. ‚ mit welchen Heſiodus, | 
Archilochus, und felbft aud) noch Aeſop lebten, 

Won Peiner Seite ift die Aefopifche Zabel ben 
Spruͤchen ber Weiſen und Gedichten der Gnomiker fo 
ähnlich, als von dieſer, daß ihr Wirfungsfreis und- ihre 
Nüztich keit eben fo fehr, ober auch mehr begränzt waren, 
als der erſtern ihre. Nachdem unter den Be, 

elt, 


76 Erſtes Buch. 


| Weltmeisheit , Berebfamfelt, Gefchichte und drama» 


eifche Dichtkuuſt entftanden ; ließen die aufgeflärtern und 
durch Dichter und Redner verwöhnten Volksverſamlun⸗ 


» gen ſich nicht mehr durch ſolche ſchmuckloſe Erzählungen 


befriedigen „ als wedurd) Stefihorus und Aefop ihre 
Zeitgenoffen geleitet harten. Die Aefopifche Fabel fanf 
in die Claſſe von Moͤhrchen, ‚oder doch — von erzaͤhlen⸗ 
den Gedichten herab, von denen man mehr Unterhaltung 
und Ergoͤzung als Unterricht erwartete, und die man 
ganz für Erdichtungen hielt, weil man nichtmehr- an 
Sprache und Vernunft der Thiere glaubte. Unter ben 


Griechen machte ſich daber nach bem Aefop Bein einziger 


Sabeldichter berühmt, ungeadjtet nod) viele einzelne Fa⸗ 


beln ausgearbeitet wurden. In dieſen trat man oft aus 


den urfprünglichen Orängen biefer Dichtungsart heraus, 
weil man nicht mehr dieſelbigen Zwecke hatte, welche 


Ihre erſten Erfinder zu erreichen ſich vorfesten, Man 
belegte Fictionen aus der Mythologie, luſtige Erzähluns 


gen von Begebenheiten aus dem gemeinen Leben, ja 
ſelbſt ſolche, in denen lebloſe oder allegoriſche Weſen re⸗ 
dend und handelnd eingefuͤhrt wurden, mit dem Namen 


Aeſopiſcher Fabeln, und glaubte, daß fie In der Manier 


des Phrygiſchen Bolfslehrers erdichtet waren, Phaͤdrus 
erfuhr zuerſt, Daß feine andre Dichtungsart meht an ges 


wiſſe Zeitalter gebunden fen, als die Aefopifche Fabel, 


und daß fie unter aufgeflärten Völkern weber den Muzen 
fifte, noch den Ruhm verfchaffe, den Aeſop geſtiftet 
und erlangt hatte. Denn ungeachtet ber Freygelaſſene 


des Auguſts gewiß anmurhiger erzaͤhlte, und eine ſchoͤnere 
Sprache redete, als derjenige, welchem ee nacheiferte; 


fo war doch der Beyfall, ben er erhielt, fo-geringe und 
a ſo 








) 


SG _ o ® a 


. 
>“ 


Lieber den alteften- Zuftand von Griechenland. 77 


fo kurz daurend, daß Seneca die Aefopifche Fabel als 
eine Dichtungsart anſah, in welcher die Roͤmer ſich noch 
gar nicht verfucht hätten *). | 
So fehr aber alle bisher gefamlete Züge des 
Zeitalters der fieben Weifen zu einem einzigen harmoni⸗ 
ſchen Gemälde zufammen flimmen ; eben fo fehr ſcheint 
ihnen die große Zahl von Trinf s und Hebestledern zu wi ⸗ 
derſprechen, an welchen fein anderes Zeitalter fo fruchte 
bar war, als dasjenige, in welchem die Griechifchen 
Meiifen lebten und farben. Entweder zugleih, oder 
auch kurz vor und nad) ihnen fangen Alkman, Alfäns, 
Soppho, Anafreon und Ibykus, deren Werke fo. ausge: 
laffen und üppig waren, daß fie fo gar einem nich: fehr 
firengen Sittenrichter, der zur Zeit der hoͤchſten Rudy 
loſigkeit der Römer handelte und fchrieb, anftößig wur. 
den **). Nicht aberbloß die eben genannten Dichter, 
. . . . bie 








s 
[ U RU 7 0) 


©) Conf. ad Polyb. e. 27. Non audeo to usque eo per- 
ducere, ut fabellss queque & Acfopeos Ipgos, in- 
tentatum romanis ingesils opus, follta tibi vanuflate 
eonnedies, Diffisile el quidem, ut ad haec hi- 
lariora Audia tam vehementer porculfus aulmus, tam 
eito poflit aceodere, Die lezten Worte zeigen, daß _ 
man auch damals die Aefopifhe Zabel mehr fir eine’ 
ergözende, ale ernfthafte unterrichtende Arbeit oder 
Lectüre bielt. No . 
%) Quis — won intelligie, — quld homines dodiimt 
& fummi poetae de ſe ipfis & earminibus edant & 
eantibus? fortis vir in (ua republien cognitus, quas 
de juvenum amore feribit Aleaeus? Naus Anacreon- 
tis quidem tota poeſis eſt amatorla.. Maxime vero 
omnium flagrafle amere Rhogisum Ihyeum, apparot 
ex feriptis, Atque harum ownium libidinefos eſſe 
amores videnms. Fragmente dieſer Dichter finder 
man beym Athenänd.X, 8. 430. All. 8. 601. 





% 


I. EGrſtes Buch. 
die ſich ganz der Venus und dem Backs getsibmet | 
haften ‚ und die als eifrige Diener diefer Götter berüchtige 
. waren, fondern auch die größten unter den Gnomikern, 
Solon, Mimnermus, Theognis, Simonides und Ste⸗ 
-fihorus priefen mit entzuͤckender Begeiſterung die Freu⸗ 
den ber’ Siebe.und des Weins, und munterten zu ihrem 
Genuſſe auf *). Dies zahfreiche Chor von Dichtern , . 
- deren Stimmen ſich alle zu Sobgefängen adf die gröbften 
“und hbeftigften finnfihen WBergnügungen vereinigten, 
fcheine einen Hang zur Ueppigkeit und Schwelgerey zu 
verrathen, von dem. man faum begreifen kann, wie er 
ſich mit der Einfalt der Sitten und Denfart zufommen 
“ finden fonhte, die aus: den Sprüdyen und Raͤthſeln der 
Weliſen und aus den Gedichten der alten Gnomiker her⸗ 
vorleuchtet.. 
Um dieſe dem erſten Anſehen einander entgegen⸗ 
geſetzken Erſcheinungen zu erklaͤren, muß man erſtlich 
bemerken, daß-nicht immer Ueppigkeit in. Schriften, 
Verdorbenheit ver Sitten in ihren Verfaſſern, oder de⸗ 
ren Zeitgetioffen beweiftl. Ich will mich nicht darauf 
- berufen (weil man gegen dies Beyſpiel mandjes einwen. 
ben fönnte) daß eben der weiſe Koͤnig, der ſein Volk 
durch ſeine Spruͤche belehrte, auch der Verfaſſer des 
hohen Lledes ſey; allein gewiß iſt es doch, daß Archilo⸗ 
‚hus, der früher lebte, als man bie Anfänge der Ber- 
. dorbenpeit ber Griechen mit einiger Wahrfcheinlichkeie , 
“annehmen kann, fo unſittlich und verführerifch in feinen 
Gedichten war, daß dieſe Deswegen aus Sparta aus. - 
gewor⸗ 











®) Simonid, ap. Ath. XII, 1 Mimner, “ KIM, 7. 8. Stelich, 
XI. 8. 601. 


\ 
N 
* ⁊ 


lieber den äfteften Juſtand von Griechenland. 7, 


gewoͤrfen wurden *). Wir miffen ferner, daß unter den 
Römern , felbft in den Zeiten, wo ihre Mäßigfeit und 
Reinigkeit der Sitten, ihrer Tapferkeit und Barerlandes 
llebe gleich Fam, die älteften Saturninifche und Fescen⸗ 
ninifäye Gefänge im hoͤchſten Grade muthwillig und un. 
jührig waren **). Unter den ‚Griechen ſowohl als Roͤ⸗ 
mern fcherzten ferner die größten und ernfihafteften Staats, 
männer, Heerfuͤhrer, Beherrſcher und Weltweiſe, des 
ven $eben und Charafter meiftens ganz untadelich waren, 
in den feichtfertigften Gedichten, : deren anziehendfter 
Heiz ihnen eben ihre Unzuͤchtigkeit zu ſeyn fehlen ***),- 
Die großen Namen diefer Männer findet man 
beym Plinius und Apulejus, die: ſich mit ihren Beps 
fpielen rechtfertigten, und beren Keufchheit eben fo mu⸗ 
fierhaft, als ihre Schriften muthroillig wareh +). Im 
| alten 





I 





ν 
5) Ath. VI. 3. — 

u) Cafaub. de Satyrica Pocfi & Satisa Rom. Il. 1. p. 177. 
& ſeq. ® ' 

Ss) Schnus (fagt Plinins, indem er von feinen Hendekas 
follaben redet, VI. 14 ) alloquig hujus opusculi Illam 
eſſe verifimsm legem, quam Catuilus expreflit, 

Nam caftum efle deset pium.poẽetam 
lpſum, verficulos nihil neceſſe eſt: . 
Qui tune denique habent falem & leporem, fi ſunt 
mollieuli & parum pudiel, 

4) — — Apul. 310. 11. Ed. Colvli & Plin. Vil. 4. 

Audii genus, & ia eblefistlonibus habuiſſo & ia 
laude pofuiffe, Intendi animom, eontraque opinio. 
nem mesm, poft longam defuetudinem, perquam 
exigo temporis momento Id Ipfum , quod me ad 
feribendum follieitaverat, bis verfibus exorarvi, 

Quum libros Gsili legerem, quibus ille parenti 

Aufus de Cicerone dare eft palmamgue deeusgue, 

2 BE - Le 


Epift.”— — coepi reputsre, matimos orsteres hoe j 


, " , \\ 
— 


80 J Bu Erſtes Bude zu 
: often. Gelechenlande kann man aus Unfitellhfeit von 
EScheiften um defto weniger auf Ruchloſigkeit des Charak- 
ters, oder Nusartung ber Sitten ſchließen, da der Genuß 
finnlicher Freuden an manchen Feſten und feſtlichen Zufams- 
‚inenkünften einen Theil des Goͤtterdienſtes ausmachte. 
gg war alſo niche Widerfprud) oder Unbeftändigfeit, 
mern Solon, Mimnermus, Simonides und andere, 
die in’ihren ernfihaften Gedichten “alle Geſchlechter und 

„Acer zut Tugend zu erwecken ſuchten, in froͤlichern Ges 
ſaͤngen gleich Juͤnglingen ſpielten; und eben ſo wenig 


* 
-_ 


” f 
=, 





Fann man ſchlechtweg behaupten, daß der Verfall der 
. 2 Bitten unter den Aſiatiſchen Griechen eben fo groB, ale 


J 


pie. Ausgelaſſenheit ihrer Dichter geweſen ſeyn muͤſſe. 
| Ungeachtet aber die jego mitgetheilten Betrachtun- 
gen viele Schwierigkeiten in ber Beantwortüng einer Frage, 
die anfangs unaufloͤslich ſcheint, aufklaͤren, und aus 
"dern Wege raͤumen, fo werben fie doch diejenigen, weiche 
die Zügellofigfeit .eines Alkman, Anakreon und Ibykus 
nur aus Ihren Sragmenten fennen, noch nicht: ganz be⸗ 
frledigen. Ich bemerke daher ferner, daß gerad? die 
BE . | =... (hlimme 


4 





4 a — . — — 
il Lalcivum luveni luſum Cieeronis, & Mo 
Ip andum ingenio quo ſeria eondidit, & quo. 
Humanis fallbus, multo vatloque lepore — 
Magnorum oftendit mentes geudere sirorum;. 
Nem queritus „ quod fraude male fruſtatus 
— er nn umantem 
Pauscula eoenato ſibi debita ſua via Tiro 
Tempore nocuurno ſubtraxorit. His ego lacti⸗ 
Caur poft haec- inquam, ooftros celamus amores?] 
Nullumque in medium timidi damus ? atque 
Tironisque dolss, Tironis wolf: fugacen. 
Blanditias, & furta novas addentia flammas ? 


“ ” - 
‘ 4 
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Ueber den atteſten Zuftand’vomOxichenland ‚gt 


ſchlimmſien unter den alten Wein: und Aebesdichtern der 
Griechen, entweder in einer Stadt ‚gebohren wurden, 
welche marı die erfte Verfuͤhrerin und Verderberin der 
Griechlſchen Staͤdte nennen kann, oder daß fie audy an 
dem Hofe des reichſten , gluͤcklichſten und ausſchweifend⸗ 
ſten Thrannen des Polykrates lebten, und daß fie endlich 
etwas foäter als die Griechifchen Welfen, und zwar im 
ſolchen Zeiten bluͤhten, wo Weichlichkeit, Schwelgerey 
und alle Arten unnatuͤrlicher Luͤſte das Afiatiſche Griechen⸗ 
land wie Fluchen überfcimemmeten, und allenthalben die 
fuͤrchterlichſten Verheerungen anrichteten. 
Dieſe Sittenverderbniß girig von den Hdiern aus, 
die unter ihren lezten Koͤnigen, beſonders unter dem 
Kroͤſus, das reichſte, aber auch bald nachher das nichts, 
mürdigfte und üppigfte unter allen Afiatifhen Völkern 
wurden. ie waren nicht nur die erften Erfinder der 
mweichlichften und Eöfflichften Kleider und Tapeten, forte 
bern auch ber wohlriechendſten Salben , ber lecferhaftes 
ften Gerichte und der ſchmelzendſten Inſtrumente *). 
Sie pflanzten zuerſt Paradiefe oder ſchattenreiche Gaͤrten, 
in deren kuͤhlenden Gaͤngen und wolluͤſtigen Einſiedeleyen 
ſie Erfriſchung und Ruͤhe zum lebhaftern und ungeſtoͤrtern 
Genuß der feinſten ſinnlichen Vergnuͤgungen ſuchten. 
Sie entdeckten zuerſt das Geheimniß, auch Maͤdchen zu 
verſchnelden, um ſie zu Huterinnen ihrer Weiber und 
Benfchläferinnen, und zur Vewichtung anderer Geſchaͤfte 
|, 
Athen, XII. 3. XIV. 9.634. XV. 12. 690. enu dıas- 
er "Bönrer Ad Huradsc Pi 1 Audei, Ka Force Kyce 
rerorr. Au ans; » unascn dv rs — 














EREEE > x" SERIE 


ou gebrauchen, bie ſonſt maͤnnlichen Berfänlteien af, 
getragen wurden, Als die Einwohner, von Sarbes fi 
‚gegen den. Kyrus, der Ihrer gefchont hatte, empötten, und 
dieſer fie In feinem Grimme vernichten wollte ; gab Kröfus 
aus Siebe zu feinen Untertanen dem erzürnten Sleger 
ben Rath, den Ipdiern, und befonders den Bürgern der 
- übermürhigen Hauptſtadt, ſtatt des Lebens ihre Maͤnn⸗ 
lichkeit und alle Tugenden zu nehmen, wodurch fie den 
Perfern fürdptetlich werden Fönnfen *). Auf biefen Vor⸗ 
ſchlag des Kroͤſus unterfagte Kyrus den Iydiern auf ewig 
bden Gebrauch der Waffen und Eriegerifche Uebungen: er 
ſchrieb ihnen eine Kielderordnung vor, wodurch fie in 
weibiſche Komoͤdianten verwandelt wurden, und beſchl 
ihnen, ihre Kinder beyderley Geſchlechts in allen Kuͤnſten 
der Unzucht und Verführung gu unterrichten. Die Voll 
zlehung diefer Verordnung brachte nach der Bemerkung 
des Herobot in den Sitten und der Lebensart ber Lydier 
eine gänzliche Veränderung hervor. Zur Zeit dieſes Ges 
fchichtfehreibers war es ſchon eine ganz allgemeine Ge⸗ 
wohnheit, daß die Töchter der Lydier mit ihren Reizen 
iwucherten, und den Genuß derfelben an den meiftbietene 
den verkauften, um ſich durch dies ſchaͤndliche Gewerbe 
einen Brautſchaz zu fammien “), | 
Diefe entfezliche Eittenverberbniß ber Spbier ver⸗ 
breitete ſich ſchon in den lezten Zeiten ihres Reichs, noch 
“mehr aber unter den Perſiſchen Koͤnigen über die Grie 
chiſchen, befonders die Joniſchen Städte, bie daher 
U auch im Eurepalſchen Griechenland eben fo übel berüd) 
7 


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. N Her. L 1, 
a) I. 93. | 











Io N . — 


Ucher ben aͤleſten Zuſtand von Griechenland. 63 


tigt, als bie Lybier wurden *), Kolophon war bie erſte 


Ungluͤckliche, die ſeit ihrer Zinsbarkelt und genauern Were’ 
. bindung mit den $ydiern *) Ihre alte einfache mäßige: 
Lebensart verließ, umd mit einer Art von Wuch ſich in 
auslaͤndiſche Schwelgerey und Ueppigkeit ſtoͤrzte. Mehr 


als tauſend ihrer Bürger prangten am öffentlichen Der 
teen mit purpufien Gewaͤndern, die man bisher nur zum 
Schmuck und unter die Kleinodien von Röntgen gerech⸗ 


net hatte, unb bie bamals noch mit Silber aufgerogen: 


wurden, Beil fie glaubten, daß -für die fellgen Be⸗ 
wohner von Kolophon Fein Augenbli Teer vom Genuß jr 


und unausgefüllt mit ben ausgefüchtefien Vergnuͤgungen 


feya muͤſſe; fo machten fie ein Geſez, das ach bis auf 

— U die 

9) Athen, XII. 625. 526. OsoDpasos dv Tu BEps 

"dovns , na dn nei Tas Iwvıws Oncı din rm UF 

Bonm Ins TeoPns, ers no vv Even mag 
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&+) Athen. Ib, KorePanıor d’ ws Onoı DuAmexos,, 

TnV ABXNV Dvres enAngo U Tas a yayaıs, mer 

es Teudev .eEuneırav mes Audes Dirsav u 

GUMMKION TFOMGOEVOL, MO Nav dimanzune- 

v0 TS KORE XEyCw Kinn, SE Ka Zivodauns 

Onou, 

Aoecoues da uaorres eures —2X 
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ode æ rvecvvumc NEO ERISUYEENS, V 


neoœv ris æ yoonv Mavanseyeu Dupe wyorres, 
BUEIBS NREE Kılmm EIS 81 MO. a 


Auxpaneo XUTRaHy yooNAousv', un 


no. a - WEETTH 
Adunras odum xgeiapmeı devomman 


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— 


ſchoͤpfung Dazu gezwungen wurden. Das Lehen dieſer 
Schwelger. war faſt nichts als ein beſtaͤndiger Rauſch, 
oder Erholung: vom Rauſche, und e$. ſollen viele, unter 


die £oftbarften Seltenheiten wat Eigenthümlichkeiten aller 


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84 Erſtes Buch 
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zungen ‚aus. Dem, y . 
werben. follten ,.: daß fie. verpflichtet waͤren, yom frühen. 
Morgen his am den ‚einbrachenden Abend ‚für die Untere 


4 


Zages:tratan ſie, ohne ſich auszuruhen, in einen andern 
Wirbel naͤchtticher Freuden über ,..von denen fie fich nicht 


dee innen ut ati mh 
Dig Zeiten ‚bes, Arhenäys.fprtdausete, und: das mehr als 
isgend etwan anders den wahnfinnigen. Taumel verraͤth, 
da ſie ergriffen ‚haste, daß Tänzerinnen , Sängerinnen, 
und andere, Diengeynd; Husſtlerinsen oͤffentlicher Ergoͤ⸗ 
| Shan des Volks fo seichlich belohnt 


haltung ihrer Wohl haͤter zu arbeiten... Aus diefem Kreife 
ugmittelber.; auf, einander folgender Zerfireuungen bes 


cher trenneten, als bis fie durch Sinnloſigkeit und Er« 


ifinen geweſen ſeyn, die niemals weder die aufgehende 


noch die untergehende Sonne geſehen ‚hatten, . 


Dieſe rafende Ergözungsfucht und Prachtliebe fam 


von. Kolophon zuetſt zu ‚den. Mileſiern, dann gu 


zu haben. Nachdem aber Polykrates ſich der Herrſchaft 
bet Samos beniächtigt , fich viele. Ehlande und Städte, 
(eibft am feſten Sande unterworfen, und große Schäge 


geſammlet hatte „ ſchuf er Samos in ein zweytes Sardes 
um.**), Er verſammlete nicht pur die groͤßten Kuͤnſtler, 





Sänder an ſeinem Hofe und: 


237 * 


auf feiner Inſel, und 

ſchmuͤckte 
en α νν. . 
, *®) XII, Athen. e. 9. 10. p. 549. 41. 


* 


Re 


— en. . 











den -Ephefieen., „ und -enlich: zu-den. übrigen - Jonifchen 
Städten”). Am ‚fpäreften ſcheint ſie die Inſeln erreicht 


e 


Weber den if Zufan 20 Griechenland. 8 


ſchmuͤcte nicht bloß die Stadt mit den praͤchtigſten Bei. 
ten aus; fondern er fürläferte auch ˖die Samier durch 
unaufperliche Feſte, Schmäufe und eine ſich faft nie ver. 
lierende Trunkenheit ein: er ‚legte nach Sardifchen Din: 
ſtern Derter oder Plaͤje an, wo men ale Vergmügungen, 
bie die Siebe .nur gewähren kann, ohne Müße fand,. und 
ohne Vorwurf und Geſeze genießen durfte: endlich floͤßte 
er dem ganzen uͤbrigen Griechenlande eben dert Hang zur 
Schwelgerey und Ueppigfeit. ein, wodurch er feine Mit: 
bürger entfräftet hatte. 

Diefe ungeheure Sittenverberbniß brachte faft in 
allen Städten diefelbigen Wirkungen hervor *). Gränzens 
loſe und ſelbſt Durch den Genuß gerelzte Begierben erzeugten 
Verſchwendung: auf Verfchwendung folgte Armurh und 
peinigendes Unvermögen , ben unerfättlichen Durft nah . 
Vergnügungen befriedigen zu Finnen, Aus Armuth 
entflanden Hang zu Neuerungen, Raubſucht und Kuͤhn⸗ 
heit zu den größten Sreveltbaten, und ass diefen endlich 
entweder Tyranneyen oder Aufrußre, in welchen bie Reichen 
und der Pöbel fich wechſelsweiſe verjugen, ober mit une _ 
menfchlicher Grauſamkeit aufrieben *). Viehiſche 

83 Schwel⸗ 





8) Ich werde dieſe Bemerkung in der Folge bey vielen an⸗ 
dern Staaten wiederholen muͤſſen. Nuper, ſagte Li⸗ 
vius (In praef.) von den Römern, divitise avaritism 
"& abündantes voluptates defiderium , ‚per luxum at- 
que libidinem pereundi, perdendique omnie in. 
wezere, . 

©%) Herod. V. 28-30. Athen. 523.26. In Mile ließ 
der Poͤbel die Kinder der Reichen von Ochſen zertres 
ten, und als die Häupter der Ariftofratie wiederum 
die Oberhand erhielten, verbrannten fie ihre Feinde 
. famt Weibern und Kindern. Athen. 524. 








— 


86 Erſtes Buch. 
Schwelgerey; und entnervende Weichlichkelt töbteten in 
pen Aſiatiſchen Griechen alle öffentlichen Tugenden, 
machten ihre ſchwachen Bemühungen zur Wiedergemin. 
mung ber Freyheit vergeblich‘, und wuͤrden wahrſcheinlich 
auch den fernern Fortgang von Künften und Wiſſenſchaf⸗ 
ten gehindert haben, wenn dieſer auch nicht durch den 
Perſiſchen Despotismus wären verjagt oder erſtickt 


— 





"Ueber den aͤleſten Zuſtand den Griechenland. 87 
Erſte Beylage. 


ir Bemerkung, boß Einrichtungen bes Minos 
der Grund des nachherigen Ruhms und Ueber⸗ 
gewichts der Griechen über die Perfer wurden , kann nie» 
manden fonderbar fcheinen, der fidy befinnen will, daß 
Minos zus die Gymnaſtik zu einer Vorübung bes 
Krieges und zu einer Ausbilderin ftarfer und gewandter 
Krieger machte, daß Lykurg bie Kretifchen $eibesübuns 
gen nach Sparta hinuͤber brachte und vermehrte *), daß 
eben biefe Leibesübungen der tafebämenier eine ganze 
Zeltlang eine unbeſtrittene Ueberlegenheit über alle andere 
Griechen im Kriege verfchaften **), und daß fie endlich) 
von Sparta aus ſich allmählich’ auch über bie übrigen 
Grlechiſchen Staaten verbreitete, und die Bürger derſel⸗ 
ben eben ſo ſehr, als Freyheitsllebe und Klugheit, zu 
Slegern über die Barbaren bey Marathon und Piatög, 
und In ben Geſilden Aſiens gemacht habe. 

Die meiften Arten Griechiſcher Wettkaͤmpfe * 
viel älter, als die eigentlichen feierlichen Spiele, und 
hatten enfangs auch nicht dieſelbigen Abſichten, bie fie In 
der Folge erhielten. Die erſtern fteigen bis über die 
Trojanifchen Zeiten, und vielleicht bis über das Zeitalter 
des Minos hinauf ‚ ber durch fie wahrſcheinllch jur Eine 
führung feiner Disciplin veranlaße wurbe***), an ſtatt 
daß bie Alteften ber lezteru, die Olympiſchen, vom 

F Mbi⸗ 
9 Man ſehe befi Arifiox. ap. Athen, XIV. 7. 63% 


.*%) De Civ, VIE 4. Arlf, 
“6) Froret in Mewmelres de r And, des laſerixi. vu. 


28p. 298. 


[2 











= 





8. Erſtes Bud. 


gphiene kunber und acht Jahre vor dem Aufenge der 
Oiympiaden, und 884 Jahre vor Ehriſti Geburt geftif: 
tet wurden *). Alle Wettkämpfe waren urfprüngtich Ä 
‚ mehr kunſtloſe Ergoͤzungen an oͤffentlichen Zuſammen⸗ 
kuͤnften, ober gottesdienſtliche Handlungen, die man 
verſtorbenen Helden zu Ehren an Ihren Graͤbern vornahm, 
als Friegerifche Leibesübungen, bie forgfältige Vorberei⸗ 
‘tung’ erfordert, und dem Körper Stärke, Behen⸗ 
digkeit und Dauerhaftigkeit gegeben haͤtten. Man wußte 
lange nach der Stiftung der Oiympiſchen Spiele nichts 
von ſtaͤrkenden Salben und Reiben, nichts von der Ente 
bloͤßung des Leibes, nicht einmal von’ ber Bekraͤuzung 
der Sieger mit Delzweigen **). Die Spartaner waren 
die erſten, welche auf den Befehl des Lykurg bey ihren 
friegerifchen Uebungen fich falbeten, und alle hinderliche 
Bedeckungen abwarfen; und Ihrem Beyſpiele zu Folge 
‚wagte es ein Megarenfer zuerft ganz nackt in ben Olym⸗ 
riſchen Spielen wertzulaufen ***), Dies fehlen den 
Glrriechen anfangs lächerlih,, allein man gewoͤhnte ſich 
bald daran, und ſahe den Nuzen dieſer Neuerung ein +). 
Foſt zwey hundert Jahre nach der Stifcung der Olhm— 
piſchen Spiele war das Laufen Die einzige Uebung, in 
welcher man ſich zu zeigen pflegte ff); und erſt im An⸗ 

"fange der adezehnten Olympiade fuͤhrten zween Spartaner 








| ‚das 
9 Man feße Straße VII. 5494-48: Paul, V. 4. 7. 8. 
16. 24. 18. | 


“ Thue, 1. 6. trade l. e. 
1,088) Ih, & Meurfius de Asch, Athen. I. 4- -6. 
t) Plato de rep..V 330. Ed. Meffey. | 
+4) Man fehe Meurfius, I, e. bef. aber Pauf. V. q, wo 
man:die Seit und Ochnung der. Kaͤmpfe, diealmählih 
Sinzufanen, am richtigſten angegehen, ſindet. | 





/ 


Ueber ben äfteflen Zuftand ven Griechenland. ‚89 


das Pentarhlon.und Ringen ein, in welchen Leibesuͤbun⸗ 
gen fie auch den Preis erhielten. Die Safedämonier alſo 
waren es, welche die heftigſten aus Kreta empfangenen 
Leibesͤbungen deu übelgen Griechen mictheilten, und fie 
marenzs auch, die fie am längften beybehielten, da fie 
in den übrigen Griechiſchen Staaten auszufterben ans 
fingen *), 
Wenn man die Urfachen auffucht, warum bie 
Gpmnaftit mehrere Jahrhunderte ben Kretern, und . 
naher den Spartanern eigenthümlich geblieben fey; fo 
findet man fie in den Gefesgebungen des Minos und 
ykurg, die von denen aller übrigen Griechiſchen 
Staaten himmelweit verſchleden waren. Minos bildere 
(und eben das that nachher Lykurg,) die Kreter in Krie⸗ 
ger um, bie keine andere ihrer wuͤrdige Kunſt, als die 
des Streits, und im Frieden keine andere edle Beſchaͤf⸗ 


tigung, als Jagd und Leibesuͤbungen kannten, bie ferner 


Ihre Felder von unterjochten. Sclaven bearbeiten ließen, 
und Ackerbau und Handwerke hingegen als freyen Maͤn⸗ 
nern ſchimpflich anſahen **). Beyde Voͤlker harten alſo 
zu allen Arten von Leibesuͤbungen uͤberfluͤſſig Muße, und 
wurden von ihrer erſten Jugend dazu angehalfen. Sn 
ben. übrigen Griechiſchen Staaten hingegen waren alle 
Bürger dem Aderbau und Handmerfen ergeben, und 
bey diefen Ponnten daher bie Kretiſchen und Spartanis 
(hen $eibesübungen nicht eher Eingang finden, als’ bis 
fie reich genug wurden, Symnaſia zu erbauen und zu 
intetgalten , und bis eine „ereächelihe Anzahl von Mite 
j 5 | bürs 
. — — 
*) Athen, I, ſap. elt. 
0) Ari, ds Civ. 11, 8. Pat, de Leg. IV, ialı, p. 0 


U 








— 


} 
/ 
, 


90 | | Erſtes Bud. 
Gürgern ‘ begätert war, baf fie ſelbſt die GSymnaſia 


beſuchen, oder von ihren Kindern beſuchen laſſen 
konnten, ohne ſich und ihre Familie einer beſchwer⸗ 


ichen Daͤrftigkeit auszufegen. — Schon lange vor 


den Perſiſchen Kriegen merkte man es, daß die Pa⸗ 
laͤſtra die Ernaͤhrerin ber Tapferkeit ſey, und Polyfras 
tes ließ daher alle Gymnaſi en als Ne Seine feiner Herrſchaft 
zerſtoͤhren *). | 


Aypeyte Beylage 


| Yon dies Refultat meiner Unterfuchungen fännen vor⸗ 
‚züglich zween Einmwürfe gemacht werden: erfilich aus den 
berunbernswürdigen Werfen des Dädalus, wie Diodor fie 
befchrieben Hat **), und dann aus den Geſchenken, weiche 
die Kupfeliden dem Jupiter zu Olympia wibmeten, und 
unter welchen vorzüglich ber Kaften des Kypſelus merk. 
wuͤrdig iſt. Die einen ſowohl, als bie andern. fcheinen 
ein höheres Alterthum und größere Fortgaͤnge der Kunſt 
im eigentlichen Sriechenlande zu bewelſen, als ich anges 
nommen babe, 

Mas bie Bere des Daͤdalus betrift, fo berufe 
ich mich auf die vortrefflichen Goguetifchen Bemerkungen 
über dieſen griechifchen Bildhauer, in welchen jener auf 
eine unwiderlegliche Art darthut, daß afle_die großen 
Denkmaͤler, die. man bem leztern sugefchrieben habe, er: - 
dichtet ſeyn *). Ungeachtet ich es fuͤr eine ſehr kuͤhne 

Ver⸗ 


* 5 xin. — 
/20) IV. 319. u. f. 
wi) IL 207% . 











Lieber den älteften Zuſtand von Griecheniand. "gr 


Vermuthung des Paufanias halte, daß man alle hölzerne : 
Siatuͤen lange vor dem Dädalus Däpafa genannt, und 
bef alfo der erftere feinen Namen von den leztern, nicht 
bie feztern von ihm empfangen haben *); fo mollte ich 
Diefe Vermuthung doch noch viel eher vertheidigen, als 
glauben, daß bie rohen Statuen, die man zu den Zeiten 
diefes Schriftftellers für Arbeiten des. Dädalus ausgab, 
und bie er felbft auch dafür hielt, von der Hand dieſes ale 
ten Kuͤnſtlers gersefen feyen**). Man darf nur bebenten, 
daß Dädalus nahe an funfzehn hundert Jahre vor dem 
Paufanias lebte, und daß die Werke, die man ihm zu⸗ 
eignete, faſt alle von Holz waren, um fid) zu überzeugen, 
daß fie eben fo wenig von ihm herrühren konnten, als 
die Statien ächt warm, bie man vom Kekrops ***) ober 
den Töchtern des Danaug +) gehelligt, oder aud aus 
Ilium berübergebracht glaubte, Wie wenig man fi) auf 
die Meberlieferungen und Angaben der Griechen bey Denk. 


mälern und Prrfonen aus einem hohen Alterthume werlap 


fen koͤnne, erhellt unter andern daraus, daß man ben 
Skyllis und Dipomus-, die um bie so Olympiade bluͤh⸗ 
gen ), und den Bearchus von Rhegium, ber bie bron⸗ 
zene State bes \yupiters in Sparta, deren Theile mit 
Nägeln zufammengebeftet waren, verfertigt hatte +t}), für 
Schüler des Dadelus 6 Diet Wollte aber jemand alle die 

Ueber, | 


5 IX. 3. 

”+) Er nennt fie 1.27. p. 62 IL. 4. p. 121, def. IX, 40. 79% 
) 527. P.6. _ 

Tr) 1. 37.1298. 

+1) Plin. XXXVI. 4. 


tif) il, 32. 187. ſx. II. ı7. p. 357. Pauf, 








⸗ 


I J J J 
m Erfies Buß. gen 


22 


Ueberblelbſel veehehner Kuͤnſtler, die man im zwenten 


Jahrhunderte nach Cheiſti Geburt als Werke des Daͤ⸗ 


| dalus verehrte, dleſem Zeitgenoſſen des Minos wirklich 


zueignen, ſo wuͤrde man daraus nichts’ für die frühen 
| Fortgaͤnge der ſchönen Kunſt in Griechenland ſchließen 


koͤnnen. Sie waren naͤmlich ohne alle Ausnahme. hoͤchſt 


unvollendet, und fuͤr das Auge der Kenner beleidigend ) 


und es fand ſich darunter eine Venus aus weichem Steine, 


Die nicht einmal Füße, ſondern ſtatt deren einen unförme 
lichen Block hatte**), Man könnte aus diefer Nachricht 
bie gewöhnliche Meynung, die für mid) immer etwas 


unwahrſcheinliches gehabt hat, bezweifeln: daß ſchon 


— 


Daͤdalus die Phoͤniciſchen und Aegyptiſchen Muſter, die zu 
feiner Zeit nicht felten in Griechenland feyn Fonnten, über. 
troffen, und ſeinen Bildſaͤulen $eben und Bewegung ge⸗ 


geben habe. Selbſt die Statuͤe des Apoll zu Amyklaͤ, 
bie man, glaube ich, nicht älter als die funfsigfte Olyma 
vriade machen kann, war, Mund, Haͤnde und Fuͤße 
| ‚ausgenommen, weiter nichts, als eine eherne Säule ”e), 


| Der. Kaften bes. Kypfelus, deſſen Beſchreibung 
beym Pauſanias t) Hear Hoftath Heyne. vorrrefflich er⸗ 
laͤutert hat, verdiene in der Griechiſchen Kunſtgeſchichte 
bie größte. Aufmerkfamkeit. Diefer Kaſten war aus Ce⸗ 
dernholz verfertigt, und mit Basreliefs und Figuren aus 
Eifenbein und Geld auf allen Seiten gefchmückt, Um: 
das hohe Altertfum deſſelben zu beweifen, „darf ı man ſich 

on nicht 





ul. ee 
*9 1X. 40 793. a 


®+*) III, 19. 257. Pauf. 
H»V. 17.419. uf en 








L 
\ 


Ihe den älteften Bulfand von Sriechenland. 3 


nl af die allgemeine Sage. berufen : : daß Kyiſclu⸗ 
gleich nach feiner Geburt vor ſeinen Nachſtellern datinn 
verſteckt worden; auch nicht auf die Vermurhung, dee. 
Paufonias, daß der Korintpifche Dichter Eumelus, der. 
nach Frerets Meynung um ben Anfang der Olympladen 
lebte „der Berfaffer.der Snfcheiften ſey, wodurch Die Bes 
deutung mehrerer Figuren beftimimt wurde, auch endlid) 
nicht darauf, Baß der Kuͤnſtler zu den Zeiten bes Pau⸗ 
(anlas gänzlich unbekannt war. Das hohe Alterthum 
dieſes Werks wird Durch Die Charaktere oder Buchſtaben, 
die darauf vorkamen, und die ſelbſt dem Pauſanlas oft 
unleſerlich waren, und durch die ſurchenmiaslge Schtiſt un⸗ 
widerſprechlich dargethan. 
Beyde Meynungen uͤber die Zelt, warn ber Kaften. 
berfertige worden , laffen ſich verihzeidigen: : ſowohl die, 
welche ihn uͤber die Geburt, des Kypſelus hinaus, ale die, 
welche ihn. in die Regierung diefes Königs, . oder feiner. 
beyden Nachfolger ſezt. Fuͤr die erſtere kann. man .die. 
Ueberlleftrusg der Priefter-in Olympia, bas Urtheil des 
PYauſanias, und vorzüglich den ‚Grund anführen: daß, 
wenn die Ropfeliden dies Werk haͤtten verfertigen laffen, 
fe alsbann wahrſcheinlich dem Kuͤnſtler beſohlen haben 
vuͤrden, ihre. eigene Familiengeſchichte barauf vorzu⸗ 
ſtellen, Die Verfechter der zweyten Meynung koͤnnen ſich 
vorzüglich. auf die Stelle. des Ariftoteles *) berufen, wor⸗ 
inn er vom den geheiligten Denkmaͤlern redet, an welche 
die Kypſeliden die Schäge ber. Korinthier verſchwendet 
hatten, und zu welchen der Grieciſche Weſtweiſe allem 
Beranrfen, nach Au. bee koſtbare Kiſte rechnete. 
nn oo Zwed⸗ 
— — 





— 
SV, 11. de Civ. 
3 








4 — . Er Such. | 


Zyedtens koͤnnte man auch dieſes erinnern, baß bie Rifte | 
des Kypſelus ein zu praͤchtiges Geraͤth für eine niche 
‚berefchende Familie gewefen ſey. Wenn man bie Gruͤn⸗ 
‚de für beyde Mepnungen unpartheyiſch gegen einander ab« 
wiegt ; fo kann man faum anders als ber.erflern feinen 
Beyfall geben. Die Stelle bes Ariſtoteles ſcheint Hier 
nicht anwendbar zu ſeyn, da ber Kaſten des Kypſelus, 
fo prächtig er audy war, ſchwerlich als ein Werk ange: 
ſehen werden konnte, das zur Erfchöpfung der Korinchier 
. „vieles bepgetragen habe. Und gegen den zwehten Grund 

kann man mit Heren Hofrach Heyne einwenden, baß alle 
älte und vornehme Geſchlechter Schäze hatten, aus wel⸗ 
hen fie die Gaſtfreunde beſchenkten, und mworinn fie bie 
Geſchenke von Gaftfreunden niederlegten, und daß alſo 
der Kaſten des Kypſelus vermurhlic auch ein Kleinod 


eines folchen Famillenſchazes gemefen fy. Man mag 


aber beytreten, welcher Meynung man will; fo wird man 
immer geftehen müffen, daß die frage, wann dies Kunſt⸗ 
were verfertige worden? viel weniger wichtig ſey, als . 
wo es, und ob es im alten Briechenlande,, oder in Ko⸗ 
rinth ſelbſt gemacht worden? - ch halte es fuͤr garig un⸗ 
glaublich, daß ein ſolches Stuͤck, als. der Kaſten des 
- Kopfelus war, vor, ode währen der Regierung ber 
Kopfeliden, von einem eingebohrnen, und- ſelbſt von ei⸗ 
nem auslaͤndiſchen Kuͤnſtler in Korinth, oder Dem eigent⸗ 
fichen Griechenlande ausgearbeiter worden, Wenn dies 
geſchehen wäre; fo würbe man den Namen des Kuͤnſt. 
lers nicht gänzlich) in Olympia vergeffen, und gewiß 
auch Vorftellungen aus der Korinrhifchen Geſchichte und. 
Babel darauf erblickt haben, wovon man feine Spur auf 
dem ganzen Kaften ſah, ein Umftand, der ſchon dem Pau⸗ 
u Ze — anlas 


L 3 F 





Leber den Älteften Zuſtand son Griechenland. 95 


fanias ſehr auffie, Hiezu kommt noch, daß, wenn man 


dies alte Monument in Griechenland ſelbſt vor oder unter 


ber Regierung der Kypſeliden verfertige annimmt, man, 
alsdenn wider afle Gefchichte, große, und noch dazu 
ganz vergeffene Kuͤnſtler vor den erften Kuͤnſtlern anneh⸗ 
men muß, die aus Aften nady Griechenland, und zwar 
alle fpäter Pamen, als der Kaften in Olympia gemacht 
feyn kann. ine mir fehr annehmlich ſcheinende Vers 
muthung alfe über den Kaften des Kypſelus wäre biefe: 
daß er, wie alle Arbeiten aus Elfenbein ober Geld und 
Silber im Homerifihen Zeitalter, und die koſtbaren Tha⸗ 
lami, die Mpron König von Gikyon *) nach Diympia 
geſchenkt hatte **), aus Afien nach Griechenland, ‚in die 
Famllie der Vorfahren bes Kypfelus gefommen ſey, und 
daß man eben daher von dem Namen des Künfllers 
nichts mehr gewußt, und auch nichts aus der Ge⸗ 
fhihte von Korinth oder der Kypſeliden darauf er⸗ 
blickt habe. 

Man kann wider dieſe Vermuthung einwenden, 
daß zu eben der Zelt, da die vom Kypſelus nach Oym⸗ 
pla geſchenkte Joldene State des Jupiters ***) emacht ” 
worden, auch der Kaſten verfertige ſeyn könne. Allein 
erfttich laͤßt ſich nicht beweifen, daß dieſe Statuͤe in Grie⸗ 
chenland gearbeitet worden, und zweytens iſt es ſehr un⸗ 
gewiß‘, ob Kypſelus je ein Bild aus gediegenem Golde 
nad) Diympla gefchenft Habe Man erinnere fich bier 
an die Seltenheit: des Goldes in Griechenland und Kos 

rinth 


EEE — — 


n ame 
B 








®) O1, 33. | 
*) v1 19. 2.497: Puh | 
“) Strab, ‚vll, 542. Ä 


ce . 


95Erſtes Buch. 


⸗ 


ein. noch zu den Zelten des Königs Kröfus und Hiero: 
und rufe ſich die Zeugniffe der Alten ins Gedaͤchtniß zu⸗ 


ruͤck, in welchen Gorgias als der erſte genannt wird, der 


eine gediegene goldene Statuͤe in Griechenland verfertigen 
laffen*), und man wird, glaube ich, die Sage, vom. 
goldenen Jupiter des Ropfelus beym Strabo, nicht mehr. 
für gegründet haften. — Auch die Denfmäler ber Kyp⸗ 
feliven alfo, fo viel uns davon befannt iſt, ſtoßen meine 
Behauptung nicht um, daß. dor der funfzigften: Olyin⸗ 
plade feine berühmte eingeboßene Kuͤnſtler im alten Grie⸗ 
chenlande gebluͤhet haben. | | 


sen 


rR „. 


| . Dritte Beytge. 
B. den Schaͤzen der alten Könige Phryglens, unb 


Ldydiens find alle Fabein, und von der Fruchtbarkeit die⸗ 


ſer Laͤnder, wie der ſie von Oſten begraͤnzenden Reiche, 
find alle Gedicht ; ind Erbbeſchrelber voſl**). Wenn 
man aber die wundervollen und glaͤngenden Schilderungen 
der Reichthuͤmer $obifiher und Phrygifcher Beherrſcher 
lieſt; fo muß, man erſtlich bedenken, daß fie Ueberliefe⸗ 


rungen von Griechen, und zwar aus ſolchen Zeitaltern 


find, wo es leicht war, Die leztern an Koſtbarbelien unts 
edlen Metallen. zu übertreffen. Man muß ferner nicht | 
vergeffen, daß in bieſen Uederliefetungen nicht Wohlha⸗ 

benpeit 


——— ——— — — nn 





— — — — 


Y Athen. XI. «, ult. goc. 'Pauf, VI. 494. Plla. xxxin 4. 
Cieer. de Or. Ill. 32. 


4%) Man fehe Her. 1.93. V. ioi. Strabo anzen woͤlf⸗ 
” ten Buche, ferner XIII. 1928. XIV. pe ⸗ a1 


Ueber den älteften Zuſtand von Griechenland. 97- 


benhelt ganzer Voͤlker, fonhern nur -Schäse. einzelner. 
Könige oder mächtiger Privarperfonen und Dpnaften ges 
priefen werden. Solchen Haͤuptern non Völkern, ober 
alten edlen Sefchlechtern, war es fehr leicht, große und 
den Griechen ungeheuer fcheinende Schäze zu ſammlen, 
wenn fie auch gleich jaͤhrlich an dien Metallen noch weni» 
ger als Die Lydiſchen Könige, aus golbreichen Slüffen oder 
aus Bergwerken heraus gebracht härten*), Sie erhlele 
ten alles, was fie für ſich und ihre Familien brauchtenz 
entweder durch Geſchenke, oder auch dutch bie Arbeit, 
von Sclaven. ie befoldeten ferner, wie auch noch jezo 
die Aſiatiſchen Despoten, Ihre Bediente durch natürliche 
oder kuͤnſtliche Produkte, die in Borrarhshäufern aufbe⸗ 
wahre wurden, und wenn ſie, ‚mas nur felten geſchehen 
konnte, etwas einkaufen wollten, was weder von ihren 
Knechten, noch von Unterthanen, die ihnen zollen mu⸗ 
fen, verfertigt oder angeboten wurde; fo tauſchten fie 
dieſes wiederum meiſtens gegen Gaben oder Waaren ihres 
landes ein. Könige alfe, . oder ihnen an Mache gieich 
kommende Häupter von Familien harten faft gar ‚feine 
Gelegentzeit, eble Metalle auszugeben, und alles, mas 
davon in ihre Hände kam, häufte ſich fo lange auf, bis 
Igend ein koſtbarer Krieg bie lange geſammleten Schaͤze 
berzehtte, oder ein gluͤcklicher Eroberer fie mit ftarfer 
Fauſt wegnahm, und unter fline Krieger verthellte. 
Kröfus war reicher, als alle feine Vorgänger, die 
wegen ihrer Schaͤze berüßme geworden waren, Allein 
x | ” dies 








Bentuiteus suite ri 


0) Strab, l.c. & Her. v. 45 
| 0 


So 


ſtaͤbte auspländerte.. Seine‘ ganze Schagfammer aber 


die Phoͤnlcier Ausgenommen, eine Beute des Perſiſchen 
Kyrus, deſſen Raub Plinius alcht zu hoch anfchlägt”), 
Silbers, und vier Millionen Perfifcher Goldſtuͤcke beſeſſen, 
gib dem Terxas angeboten haben ſol. 


zaͤglich auf das Zeugniß des Kaſtor beym Euſebius, der 


ten Syncellus +) ſowohl, als Pauſanlas +}) ‘dem Ku 
flor beym Euſebius, wenn fie.einen König von Phrygien, 


/ 


— 
. J m > R 
.44* [} ” * g ‘ ” u” x . 
ng. nn Ei 
9 " ® — 
/ 


dies war gar nicht zu verwundetn, da er ſich bie ganze 
Kuͤſte von. Vorderaſien unterwarf, und alle Handels⸗ 


wurde, wie die Reichthaͤmer aller uͤbrigen Wölfer Mens, 


wenn es wahr iſt, was Herodot von einem einzelnen Ein 
wohner in‘ Phrygien erzähle, ber zweytauſend Talente 


:.. Mehrere Schriftfteler haben den Reichthum ber 
O9dier und Phrygier ans einem uralten einträglichen Hanı 
bel abgeleitet, den biefe Voͤlker geführe haben follen er 
Mein man biefen beweiſen will ; fo beruft-man fidy vor⸗ 


die Sybier als das erſte, umd bie Phrygier als das fünfte 
Meerbeherrſchende Volf'nennt ), Wahrſcheinlich folge 












Midas, \ fuͤr den erſten Erfinder des Ankers ausgaben. 
Allein ich halte ben Kaſtor für einen ber nachlaͤffigſten und 
— unwiſ 
5) Jam ‚Cyrus deviäta Aſia poado XXXIV, millis inv 
Ä nerat, praeter vala area, hurumque ſactum, 
in eo folla ae platanum vitemquer Qua vicdoris st 
gento ‚quingenta millia. talentorum repertavit, 
eraterenı Semitamidis , cujus pdndus quindeeim H 
lenta colligebat. Lib. XXXIII. 3. 
Eu) Manfehebef. Goguet. IL IV. 3... 
unky Man Tche Talaub, Comment, in Bolyb, p. 192- 94 
Ed: Gronev, Heyne, a. 1. p. go.lli’pg | 





+) p. ı$h, N _ 
'7D I. 4. DE u u 








Ueber den älteften Zuſtand von Griechenland. o9 


moiffendften Zeitrechner unter den Griechen, und fein 
tagment für den unglaubmwärbigften Reſt griechifcher 
hronologle, ber faum einen fo gründlichen und gelehrten 
lusleger, als Herr Hofrath Heyne iſt, verbienre, Die⸗ 
r Kaſtor nennt in feinem Verzeichniſſe ſiebenzehn Voͤlker, 
e eine Zeitlang wenigſtens in einem gewiſſen Theile des 
Iteländifchen Meers mächtig gewefen ſeyn follen, und 
ıter biefen find wenigſtens fünf oder ſechs, von denen 
an mit ber größten Zuverficht behaupten kann, daß fie 
emals den Ruhm berühmter Seefahrer verdient Haben; 
ergleichen find Die Lydier und Phrygier, wie ich gleich 
‚gen werde, ferner' die Pelasger, von denen die altem 
chriftſteller bloß diefes fagen, daß fie. weit und breie 
tumgesogen feyn, und nur allein Dionys von Halikar⸗ 


8 bezeugt*), daß fie fich auf der See Anfehen erwor⸗ 


n hätten? nach diefen die Aeghptier **) und Thracier, 
d endlich die Lakedaͤmonier. — Eben diefer Schrifte 
ler macht ferner die lächerlichften Verſezungen, un 
t bie Schiffare faft Feines Volks zur rechten Zeit, 
dern alle entweder zu früh oder zu ſpaͤt an. So follen 
indier, Pelasger, Thracier, Rhodier, Phrugier- 
Kyprier früher als die Phoͤnicier, die Milefier vor 
Kariern, und die Safedämonier vor Den Aeghneten 
Bee befahren und beherrſcht haben, Endlich übergeht: 
% berühmte und auf dem Meere weit herrſchende 
r, wie die Kreter und Korinthier, und widerſpricht 
dung der Dauer, der Mache und Schiffart, bie 
G 2 eer 


| 








u 


Dan ſehe Her. 1.179. 


18: Aut, Rom, | ws 


„ 


® 
N 


4100... Erſtes Buch. Br 
er für jede Stadt ober Nation beſtimmt, ben ficherften 
Sefchichtfchreibern. _ Der gelehrte- Kommentar mgined 
Freundes iſt daher auch faſt durchgehends eine ſtill ſchwei 
gende Anflage des träumenben Griechen. 
Dasß die igbler und Phrygier niemals, wenigfiens 
nicht innerhalb des Zeitraums der Ueberlieferung und 
Geſchichte, kuͤhne Schiffer, unternehmende Handelsleute 
und Beherrſcher des Meers waren, laͤßt ſich nicht bief 
durch das Seillſchweigen der aͤlteſten Schriftſteller, fon 
dern auch noch: durch andere überzeugende Facta beweifen 
Wären diefe Völker jemals dem Handel und. ber Schif 
fart ergeben geweſen; ‚fo wuͤrden fie nie zugegeben haben 
daß vor, den trojaniſchen Zehen. die Pelasger) Leleger 
Kreter und Karier, und wach dieſem Zeitpumcte bie Grie 
chiſchen Kolonlen der ganzen Kuͤſte, die vor ihren Laͤn 
dern ausgeſtreckt war, eingenommen hätten ?). Mae 
eeift ferner in den beiten Schriftſtellern gar feine Spu 
won Factoreyen oder Niederlagen, oder. Colonien a 
weiche die Phrygier oder Lydier des Handels wegen 
gruͤndet und ausgefandt hätten. Ohne folhe Colon 
aber ‚. deren. Mitglieder die Vortheile reicher, aber v 
nachlaͤſſigter Länder nuzten, oder auch die barbarifi 
. Einwohner derfelden unterhielten und cultivirten, um 
zu Werkzeugen ihres Gewerbes und Handels brauchen 
| ln. | e 








a) Ich finde in den Alte nur einen einzigen Ort erwaͤhr 
bey beffen Erbauung mar um bie Erfaubnif eines Ly 
{hen Königs nachgeſucht hat, und diefer ift Abydı 
Steabo XI. 883. Alle übrige Pflanzſtaͤdte wur! 
ohne die Bewilligung , aber au ohne Widerſezung 
Lydiſchen ·Koͤnige weggenommen, ober. ganz 1 
angelegt. re 





Ueber den älteften Zuftand von Griechenland. 101 
fönnen, war und blieb Schiffart in den älteften Zeiten 
mehr Raͤuberey, als einträglicher dauerhafter Hantel, 
und man kann daher aus dem Nichtdaſeyn ber ‚erfterm 
ziemlich ficher auf das Nichtdaſeyn des leztern ſchließen. 

Wenn jemanden bey diefer Beobachtung die Ans , 
Funft des Pelops aus Phrngien oder $ydien *), oder auch 
die. Abkunft der Etruscer oder Tyrrhener aus Indien , bes 
ren mehrere Schriftſteller gedenken **)," einfallen ſollten; 
der bedenfe, daß die Phrygier und Lydier, welche Pes 
Iops mit nad) dem Peloponties brachte, ein flüchtiger 
Haufe war , der mit Gewalt aus feinem Vaterlande aus⸗ 
geworfen wurbe, und in der Folge gar Feine Verbindung 
mit feinen Landsleuten unterhielt; und daß bie Auswan⸗ 
derung der Lydier nach Italien mit ſolchen Umſtaͤnden 
erzaͤhlt wird, die ſie ganz unglaublich machen, weßwe⸗ 
gen auch die ſcharfſinnigſten Alterthumsforſcher an ihrer 
Wirklichkeit gezweifelt, oder fie gänzlich abgelaͤugnet ha» 
ben **x), Wollte aber jemand das Anfehen des Hero⸗ 
dot, oder vielmehr ber Lydier, denen: er nacherzäblte, 
wiche vermwerfen ; fo Pain man ſelbſt aus der Befchichte 
der Indifchen Auswanderung, wie fie von dem eben ges 
nannten Schriftfieller vorgetragen wird, mehrere Ber 
weiſe wider den Handel und die Schiffart biefes Volks 
hernehmen. Nachdem die Einwohner von Indien, (fo 
lautetedie Sage) unter Ihrem zweyten Könige Atys, eine 

- N . G 3 Hun⸗ 


#) Pauſ. V. 1. 376, p. Athen. XIV. 5. 624. p. 
*©) Herod, 1,94. Staabo V. 335. Voll, L1. Tee. Aonil, 














IV, 55, 

ue*) Vid. Heyne in Coniment, faper Cafloris Epochls p, 8. 
quemque ibi laudat Preret T. XvuR Hiſit. de Aca- 
demie des Iufer, p, 94. et ® 


⸗ 


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392: | Erßes Buch J— 


Hungerenoth von 22 Jahren ausgeſtanben hatte (eine 
Noth, die das ganze Volk aufgerieben haben, müfte,) fo 
verließ die Hälfte der Einwohner Ihr Vaterland, ging 
nad) Smyrna ‚ baute ober verfhafte ſich Schiffe, und 
‚Lam endlich nach vielen Irrungen in Umbrien an. Waͤ⸗ 
ren bie $nbier e ein handelndes Wolf geweſen, mwürben fie 
benn wohl fo ange von Hungers noth haben gedruͤckt wer⸗ 
ben koͤnnen und gezwungen worden ſeyn, in einer fo gro⸗ 
‚Gen. Zahl auszumandern? Würden fie denn wohl fo 
fange und aufs Gerathewohl berumgefchift , und neue 
Wohnſize aufgefucht haben ? 
Wie wenig die Hdier die Vortheile bes Handels 
einzuſehen, ober ſich zuzueignen getrachtet haben; erhellt 
aus dem Betragen der Koͤnige, aus dem Stamme der 
Mermiaden, denen ganz Troas unterworfen war. Auch 
bieſe ſuchten ſich niemals von den Griechiſchen Städten, 
deren maͤchtigſte ſie bekriegten , oder zerſtoͤrten, unab⸗ 
haͤngig zu machen, oder den Handel, der den leztern al⸗ 
lein Kraͤfte zum Widerſtande gab, zu zerſtoͤren, ober fi 
auch durch eine Seemacht vom Meere, wie durch ihr 
Heere von ber Sandfeite einzuſchließen. Kröfus hatt 
einmal den Gedanken, eine Flotte zu erbauen, um au 
die Griechen auf den Juſeln zu bezwingen; allein er lie 
dieſen Gedanken fogleich mieder fahren, ba Bias ih 
durch ‚eine Erdichtung fühlen ließ, ;daß er den Inſula 
nern zur.See eben fo wenig, als die, riechen ihm zı 
Sande gewachſen feyn würden. 
Weceann aber gleich die Phrygier und Hdier niemal 
Handlung zur See getrieben, ſondern in den aͤlteſten Zei 
ten von ben Phoͤniciern, in ſpaͤtern von den Aſtatiſcher 
Griechen alles, was ſe brauchten, erhalten, und ihne 














wieder 





Ueber den aͤlteſten Zuſtand von Griechenland. 103 


wlederum, was fie entbehren konnten, verkauſt haben; 
fe iſt es doch unlaͤugbar, daß ſie lange vor ben Griechen 
eine gewiſſe Cultur erreicht, und daß Lie Pflansftäbte in 
Alien es ihrer Bekanntſchaft mie diefen Wölfen zung 
Theil zu verdanfen haben, daß fie in Rünften und Wiſ⸗ 
fenfchoften fchrieller, als bie Griechiſchen Eroaten in Eu⸗ 
topa fortgerückt ind. . Die Erfindnng der Gold und 
Eilbermänzen, die man den Ipdiern zufchrieb, die erſte 
Einführung von Gafthöfen und mancherley Eplelen zum 
Zeitvertrelb *) , die frühe Prachtliebe und Sittenverderb⸗ 
niß, von ‚der ich ini Texte geredet habe, vertathen alle 
ein Volk, Das vor den Öriechifchen Barbaren, die nach 
| Aion kamen, und ſelbſt vor denen, bie biefe austrieben, 
fehr vieles voraus hatte. ‘Bon ihnen und. ben Phrygiern 
empfingen die Aſiatiſchen Griechen nicht nur muſikallſche 
Jaſtrumente und gewiffe Arten der Mufif **), fondern 
auch Manufacturen, befonbers die Kunſt Wolle zu fürs 
ben, die nachher in Milet fo fehr vervollkommt wurde ***), 
nicht weniger die Kunſt, Erz zu fchmelgen und zu verar- 
beiten +) und vielleicht die erſten Anfänge der Mahle⸗ 
rey }}), und der Bergwerkskunſt, welche lejtere fie aber 
auch aus Kolchis ++) oder von den Phöniclern, die auf 
aſos Geldbergwerke angelegt und bearbeitet hatten, er⸗ 








G 4 halten 
9) Her, I. 94. 
*e) Plin. VI. 56. 
*6%) Ibid. 


}) Aes conflare & tempesare, Arifioteler Lydum Sey- 
them monftrafle, Theophraftun Delum ‚ Puargem 
putat, u 

tt) Ari. 36, Zu 

tt) Plin. XXXIII. Cap. 2. 


— zuhelges. 


ie⸗ u 


‚baten Haben Pönnen *), Wie weit dle Phrygier und 
‘ $npller es vor der hoͤhern Eultur der Griechen ,.befonders 
in der Bearbeitung von Metallen gebradjt hatten, läßt 
ſich nicht bloß aus ben aflgemeinen, und oft verbächtigen 
Zeugniffen des Plinius, fondern aud) aus ben Werfen 
beweifen, die man noch zu Herodots Zeiten in Delphi 
‚zeigte *). Mach dieſem Vater der Oeſchichte war Mi⸗ 
bas, König in Phrygien, der erfte Barbar ober Auslaͤn⸗ 
der, ber den. Adoll zu Delphi beſchenkte. Er helligte | 
ihm einen Thron, auf welchen er Gericht zu halten 
pflegte, und der nach Herodots Urrheile der Arbeit wes 
gen ſehenswuͤrdig war. Ungeachtet diefer Schrififteller 
über Die Materie diefes Pöniglichen Sizss nichts hinzuſezt; 
fo muß man doch annehmen, daß er aus Erz, oder gar 
noch aus einem edlern Metall verfertigt mar, Noch frey⸗ 
gebiger bezeigte ſich gegen dieſelbige Gottheit GOyges, Koͤ⸗ 
nig in Lydien. Dieſer widmete ihr nämlich außer einer 
großen Summe Geldes noch fechs goldene Trinfgefchirre, 
Die dreyßig Talente ſchwer, und wahrfcheinlic im Sande 
felbft gemacht waren, weil Herodot fonft nicht vergeſſen 
haben würde, ben Namen bes Griechiſchen Künftiers an⸗ 


Vielleicht kommt es mancher nicht unwahrfeheins 
fich vor, daß man ben ber Auffuchung der erften Ans 
fänge von Künften und fünftlichen Handwerken noch tie 


, —— rn 





») Her. VI, 46. 47. Unwahrſcheinlich iſt es, was Pli⸗ 
nius in dem ſchon mehrmalen angefuͤhrten Capitel, 
in welchem er ſich ſelbſt widerſpricht, meldet, daß 
(kon Kadmus Goldbergwerke in Gricchenland Ye 
habe 
3* I. 14. 











Ueber den aͤlteſten Zuſtand don Griechenland. 105 


fer in Aſten zurüc gehen, und fie von ben Ufern des Ti⸗ 
gris und. Euphrat herauf holen fünne, Allein biefer 
Vermuthung kann man erſtlich das. Zeugniß und Urtheil 
des Strabo entgegen ſezen, nad) welchem zu ben Zeiten 
des Homer die Griechen von ben Voͤlkern des innern Afiens, 
gar nichts, oder fehr wenig wuſten; weil, wenn mon fie 
gekannt hätte, Homer die Affyrier, Meder, Babylonier 
eben ſowohl, als der Größe von Theben, und der Reiche 
thümer ber Phoͤnicier würde erwähnt haben. Man kann 
‚ ferner eben diefe Wermuthung aud) Durch die fpäterg Ge⸗ 
fehlchte der angrenzenden ober herrfchenden Völker wider 
legen. Denn wäre die Eultur von Ninive oder Babylon 
aus zu den Phryglern und Lydiern fortgerüdt; fo würden 
fie doch andy Die Dagwifchen liegenden Nationen haben bee 
rühren müffen. Allein Die Konpabocier und Armenier , 
welche in ber Folge ben Mebern dienten, waren felbft 
noch zu des Darius Hystaſpes Zeiten der Viehzucht erges 
ben, und wegen ihrer zahlloſen Heerden berühmt *). 
Auch die Meder waren der langen Verbindung, Die fie 
während einer Knechtſchaft von soo “jahren mit ben Afe 
tieren unterhalten hatten, ungeachtet; - zu ben Zelten der 
Freyheit, doch noch ſo wenig gebildet, daß fie nur in 
Dörfern wohnten, feine ordentliche Magiftratsperfonen, 
oder fefte Gefege hatten, fondern alle Streitigfeiten ente 
weder durch die Waffen ausmadıten, oder auch durch 
freywillig gewählte Schiedsrichter beylegen ließen, - Uns 
ter ſolchen Schiedsrichtern erwarb ſich einer mit Namen 
Depkes durch Klugheit und Unpartpeplicteit, anfangs 

5 nur 


J 








* 


AHV. 


4 


06.0 Erſtes Buch. 


nur in ſeinem Dorfe, bald aber unter allen uͤbelgen 


Staͤmmen der Meder ein ſo allgemeines Zutrauen, daß 


ſie ihn einſtimmig zu ihrem Koͤnige erwaͤhlten. Er wurde 
daher zu den Zeiten des Gyges der Stifter des Mediſchen 


Reichs und der Erbauer von Ekbatana, ber erſten Mer 
bifchen Stadt. Das Mebifche Reich war alfo weit juͤn⸗ 
ger als das Phrygifche und Lydiſche; und Pracht und 

Ueppigkeit entflanden im erftern auch viel fpäter afs in den 
lestern *).» Man fiest aber doch aus der ganzen Befeſti⸗ 
gung und Ausfhmüdung der Koͤnigsſtadt **) des Dejos 
tes, aus dem Pompe feines Hofes, und aus dem des⸗ 
potifchen Ceremoniel, mas er einführte, daß diefer erfte 
Beherrfcher der’ Meder einen andern üppigen Hof ſich 


‚zum Mufter gewählt harte. Sein Nachfolger Phraor 


tes beswang die Perfer., und fein- Enkel’ Kyarares, der 
aber während feiner vierzigjaͤhrigen Regierung 38 Jahre 
ben Skythen zinsbar war, eroberte und zerftörte Nie 
nive ***), und murbe der Schöpfer der Kriegsdifciplint), 
indem er Neuterey, Fußvbolk und Bogenſchuͤzen, die vor⸗ 


her ohne alle Ordnung unter einander gemiſcht geweſen 


waren, von einander fonderte. Auch führte er mitdem 


“ Alyattes, einem Vater des Kröfus, einen hartnäckigen 


Krieg, der endlich nicht durch das vorgügliche Gluͤck oder 
die Tapferkeit einer der beyden Partheyen, ſondern durch 


Aberglauben geendigt wurde. Beyde Heere ſowohl das 


Indifche als das Mediſche wurden durch eine Sonnenfine 


ſterniß, die Thalis vorher geſagt hatte, in ein ſolches 








| Schre⸗ 
mu m EEE 
3 Ber. I. 95. 5. 900g 
9X 99. & .. — 
end, 616 J. v. Ch. Geb. * 


7—) 103: . = 
ee , 





EN 
ee 


‚Ueber den äfteften Zuſtand von Griechenland. 407 


Schrecken geſezet, daß alle Gemuͤther ach zum Feleden 
neigten, ber auch bald geſchloſſen und Durch die Vermaͤh⸗ 
lung einer ydiſchen Königs Tochter, mit dem Mediſchen 
Aſtyages befeftiget wurde. Im 35 Jahre der Regierung 
bes Urenkels des Dejofes, wurde ſowoh!l das Mediſche 
und Babyloniſche Reich, welches leztere ſich noch immer 
gegen die Meder gehalten hatte, als das Lodiſche vom 
Kyrus uͤbern Haufen geworfen *), und famt den Gries 
Kirchen Städten auf dem feften Sande in Aſien in die 
ungeheure Perfiſche Despotie vereinigt, die ſich bis auf 
"den Lerpes noch immer vergrößerte, und in. Anfehung 
ihres Umfangs und ber Zahl von Voͤlkern, die fie in ſich 
foßte, alle ältern Afiatifchen Meiche ohne Vergleichung 
uͤbertraff. 
Eben biefe Sieger Aſiens waren vor und zu den 
Zeiten des Kyrus eben ſo ſehr Barbaren, als die Meder 
es zu den Zeiten des Dejokes waren. Das ganze Per - 
fifche Wolf befand aus zwoͤlf Stämmen „ unter denen nur 
.. einige das Feld baueten, ber größere Thell aber von der 
Jagd oder Viehzucht, und wahrfcheinlich auch von Raube 
lebte. Sie kleideten ſich durchgehende in Thierfelle, 
kannten weder Oehlbaͤume noch Weinſtoͤcke, noch andere 
edle Fruͤchte und Gewaͤchſe, und waren auch, wie ſelbſt 
aus bem Kunſtgriffe erhellt, womit Kyrus fie zur Em- 
poͤrung wider die Meber aufbrachte, mit alten Vergnuͤ— 
gungen und Bequemlichfeiten ausgebitdeter Nationen 
gänzlich. unbekannt **), — Da alſo Luxus, Kuͤnſte und 
kunſtliche Handwerker nicht einmal don den Aſorlern 











100.0 | 
”) Her. 171. & 125, 


es 


ee Buch. 


den Mebern , vor dem Untergange ber erſtern, und 
von beyden wieberum bis auf den Umfturz von Ninive _ 
und Babylon nicht: zu ben Perfern übergingen, fo If es : 


/ j . - 3 


noch viel unwaßrfcheinlicher , daß fie durch einen gany 
unbegreiflichen Sprung vom: imern Afien her zu den 
Pprngiern und Lydiern gefommen ſeyn folften. 

Aus der langwierigen Barbarey, und Armuth aller, 


| der großen Völfer,, die den Affpriern "und Babyloniern 


am nächften lagen, ferner aus der Unmöglichfeit, eine | 


Nation ohne Haupt und Gefeze, wie die Medifche war, 


wieder zum Gehorſam zu bringen, enblich aus ben unnwle 


derſtehlichen Einfällen ber Efythen, und aus den ſchnel⸗ 
fen Eroberungen des Kyrus fchließe ich, mas Goquet 


ſchon mit andern Gründen. vortrefflich geseigt hat”), daß 
die Schilderungen faft aller alten Schrififteller von den 


‚  Weichthümern, der Pracht und ben Kunftwerfen ber 


Staͤdte Ninive und Babylon auf das unverſchaͤmteſte 


übertrieben finde > 


Dierte Eeylhe 


Mewinerant illi S. Adium, M. vero Manilium 
hos etiam vidimus transverfo ambulantem foro; 
quod erat infigne, tum, qui id faceret, facere . 
civibus omnibus confilii. fui copiam : ad quos 


olim et ira ambulantes & in folio fedentes domi 


fic adibatur, non folum ut de jure civili ad eos, 


‚verum etiam de Alia collocanda , de fundo 








emen- 
/ . u \ 
”) Prem, Part, Liv; II, eh. _ nn 
“ — 








Lieber den älteften Zuſtand von Griechenland. 100 


emendo, de agro colendo, de omni denique 


aut officio aut negotia referretur. Haec fuit 


P. Crafli illius veteris, haec T. Coruncanii, 
haec proavi generi mei, Scipionis, prudentif= 
fimi hominis fapientia, qui omnes pontifices 
maximi fuerunt, ut ad eos de omnibus divinis 
atque humanis rebus referretur ; iidemque et in ſe- 
natu, & apud populum, & in caufis amicorum 
& domi &'militiae confilium ſuum fidemque 
praeftabant. Quid enim M, Catoni, praeter 
hanc politifimam doctrinam transmarinam atqua 
adventitiam, defuit? num quia jus civile didice- 
rat, caufas non dicebat? aut quia poterat dicere, 
juris ſcientiam negligebat? At utroque in ge- 
nere & laboravit & praeftitie Num propter 
hanc ex privatorum negotiis collectam gratiam 
tardior in republica capeflenda fuit? nemo apud 
populum fortior, 'nenıo melior fenator: idem 
facile optimus imperator: denique nihil in hac 
eivitate temporibus illis fciri difcive potuit, 
quod ille non 'cum invelligarit, & fcierit, tum 
etiam confcripferit *). In hoc viro (M, Porcio 
Catone) tanta vis animi ingeniique fuit, ut quo- 
eunque loco natüs eflet, fortunam fibi fadturus 
videretur, Nulla ars neque privatae, neque 
publicae rei gerendae, ei defuit, . Urbanas ru- 
fficasque res pariter callebat. Ad fummos ho- 
nores alios fcientia juris, alios eloquentia, alios 
gloria militaris provexit, Huic verfätile inge- 

| ., Dium 


! 














©) Cie, deOr. Il, 33. Man höre ben Livius L. 39, ap. 40. 


= 





Vo. | 


\. 7 
no: Erſtes Buch. 
nium fie pariter ad omnia fuit, ut natum ad id 
unum diceres, quodeunque ageret. In bello 
‚manu fortiffimus, multisque infignibus clarus 
pugnis, idem pofleaquam ad magnos honores 
pervenit fummus imperator:.. idem in pace, fi 
I confuleres, peritiffimus, fi.caufa oranda ef _ 
.'- fer, elöquentifimus. Nec is tantum, cujus 
lingua vivo eo viguerit, monumentum eloquen- 
tiae nullum exftet? vivit imo, vigetque eloquen- 
tia ejus, ſactata fcriptis omnis generis, = 
“In parfimonia, in'patientia laboris periculique 
ferrei prope corporis animique, quem ne ſene- 
Aus quidem, quae folvit omnia, fregerit. Qui 
ſextum ‘et oflogelimum annum agens caufam 
dixerit, ipſe pro ſe oraverit, tcripferitque, 
nonagelimo anno $ervium Galbam ad populi ad- 
. ı duxerit judicium, "Weber die Befchäftigungen feines 
Alters läßt Cicero ihn fo retien*): Septimus mjhi 
Origenum liberin manibus: omnia antiquitatis 
monumenta colligo: caufarum illuftrium, quas- 
cunque defendi, nunc quam maxime conficio 
dtationes: jus augurum, pontificum, civile 
trato: multum etiam ‚Graecis litteris utor® 
Pythagoreorumque' more exercendae memoriae 
gratia, quid quoque die dixerim, audierim, 
égerim, commemoro veſperi. Hae funt exer= 
citationes ingenii, haec curricula mentis: in his 
. defudans atque elaborans corporis vires, non 
tnagnopere deſidero: adfum amicis: venio in 
| - lſena- 


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“ %) De Sense, «Il, ' . N De 











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Ueber den aͤlteſten Zuſtand von Griechenland. Ni 


fenatum frequeps: ultroque affefo res diu mul. 
tumque cogitatas; easque tueor animi non cor- 
poris viribus, Der Griechifchen Utteratur war Cate 
bis in fein hohes Alter gar nicht gewogen, wie nicht nue 
aus der Entfernung des Karneades und feiner Gefähr. 
ten, als gefährlicher Schwäzer aus Kom, bekannt iſt, 
-fondern auch aus folgendem Fragmente biefes großen 
Mannes erhellt, das ich mie einigen Anmerkungen beg 
Plinius herſezen will, weil es beweiſet, wie fehr er alle 
Kenntniffe feines Zeitafters, felbft die Medien, um⸗ 
faßte ). Dicam de iftis Graecis fuo loco Marce 
fili, quid Athenis exquifitum habeanı, et quod 
bonum fit eorum literas infpicere, non perdi.- 
fcere, Vincam nequiffimum et indocilegenus illo« 
rum: et hoc puta vatem dixiſſe: quandocungue 
iſta gens ſuas litteras dabit, omnia corrumpet: 
tum etiam magis, fi ımedicos ſuos huc mittet: 
jurarunt inter fe barbaros necare omnes medi- 
cina, Sed hoc ipfum mercede faciunt: ut fides _ 
iis fit, & facile difperdant. Nos quoque didti- 
tant barbaros, et fpurcius nos quam alios opicos, 


“. appellstione foedant: interdixi tibi de Medi- 


cis — Atque hic Cato (fagt Plinius) DCV anno 
urbis noftrae obiit, — — fubjicit enim qua me- 
dicina et ſe et conjugem usque ad longam ſenectu- 
tem perduxerit, iis iplis fcilicet,. quae nunc nos 
tradtamus. Profiteturque efle commentarium 
fibi, quo medeatur filio, fervis familiaribus, 
quem nos per generä ufus ſui differimus, | 
nn Fünfte 


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") Lib. xxix. 


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Zu Sünfte Beylage. ur 


| Ni. uefpeängliche Bedeutung bes Worts roßer wil 


+ 


Par 


‘ 


x fie fidy gelegt haben? — Und nicht lange nachher führe 


P2 
Q 


on 


ich uur mit einigen Stellen erläutern, Nennſt bu nicht, 
(jagt Sofrates zum Thrages) *), blejenigen Weife, bie 
in dem Gefchäfte oder der Kunſt erfahren find, worauf 


er fort: Nach was für einer Art’von Weisheit bift du 
begierig, vielleicht nad der, wodurch die Menſchen 
Schiffe regieren? — Wen, fagt Sofrates zum Protas 
geras-**), gibft du den Namen eines Weiſen? oder wele 
chen nennſt du fo? — Wie das Wort ſelbſt zeigt, ante 
wertet Profagoras, Toy ‘709 0cDay erisnuove, einen 
jeden, der nüglicye Kenneniffe beſizt. — Man fann alfo, 
erwiebert "Sokrates, Malern und Bildhauern dieſen 
Namen geben? — Und erſt hier fängt: Protageras an, 
feine gegebene Erflärung vom Weiſen einzufchränfen, — 
Weisheit, fage Ariſtoteles ***), fchreibt man ‚denen zu, 
die in den Künffen vorzüglich groß und geſchickt find, und 
man nentit alfo Deihiav; AsIseryov doßor, ag TlsAu- 
uAeırov; avdasıy vo Fo. Er führt Die merkwuͤtdige 
Stelle Homers ay, wo der Dichter vom Margites ſagt: 
roy dar’ agananınea Becı Iecay | 

N rg 
ru oo 
: m 


5 5 x « ⁊8 


m) P. 239. Op. Ed, Bil. Ch, 


J ur) Etbie, V. To 


vo 


*) in Prot, p. 284: 





Ä Ueber den aͤlteſten Zuſtand don Sriechenland. n3 


Rn einer alten Jnſchriſt wurde auch Onatas weiſe 
genannt ®): 
“wohin Bee * —2 romuxræ 1C7| 
| Ovastos 
Eeyov, ey Amon Taxe TR BIROT. 

Zu diefen Zeugniffen , die ich leicht verwielfältigen koͤnnte, 
feze ic) nur noch eins aus dem Achenäus Hinzu, in wel⸗ 
chem dieſer Schriftfteller bemerkt, daß man in ben älten 
fien Zeiten vorzüglich Tonfünftler , die faſt alle * 
Dichter waren, mit dem Ehrennamen der Weiſen be⸗ 
legt habe **), 
In den aͤlteſten Zeiten waren Sophiſt und Welle: 
(vodsons ng @oDos) völlig gleich bedeutend. Herodot 
braud;t den Ausdruck Sopbift, wenn er fagt, daß alle 
Künftter und geſchickte erfahrne Männer, und unter 
diefen auch Solon, ſich an dem Hofe bes Kröfus vers 
ſammlet hätten, An einem andern Orte nennt er ben 
Pythagoras einen der vornehmften Gophiften Griechen⸗ 
landes ***), Iſokrates erzählt, daß Solon fich in Gries 
chenland zuerft den Nahmen eines Weifen oder Sophi⸗ 
fien gegeben habe 7). Aeſchylus nannte Muſikver⸗ 
ftändige fo: 

ıT s8v —8 27,60 —ED xXenu 
ap. Athen. XIV. 8. Kratinus gab dem Homer und He⸗ 
ſiodus +}), und Plato ſogar dem Jupiter eben dieſen Na⸗ 

mer 


U} 











”) Pol V. 2. p. 445. 
—8 * 95. 
T) zebı —S il. p. 418. Ed, Benit, - 
" rt) Ap. Diog, l. 12. 


/ 


. . \ 8 a. 
| | In 
1 Erſtes Buch. 


men *),. Eben deswegen legten ſich die alten Sorhiften 


diefen Titel bey, und dies-mirft ihnen Sokrates faſt im 
allen Gefprächen des Plato vor... Einer der berühmteften 
war Hippias, und von diefem heißt es beym Paufanias**), 
daß er von den Griechen der Weiſe genannt fey. Thraſyma⸗ 


chus, gleichfalls eia Sophiſt, erbiekt folgende Grabfchrife! 
Touropc Inræ gm apa. cav, vn @rdEe X 


. on ‚g av. 
BOT EIS Kanne. n de rexvn cobın 


u, 


‚Endlich erhellt aus vielen Stellen des Kenophon, Plate, 


mb Ariftophanes , daß auch Prodikus, Protagoras 
und Gorgias. den Beynamen ber Weiſen erhalten und 
geführt haben. | . 
"Wenn daher Piutarch behauptet, daß die alten 
Weiſen Griedrenlandes, und unter biefen auch Solon, 
‚andere In ihrer Weisheit unterrichtet, daß ihre Weisheit 
vorzüglich In. Staatstunde, und in der Wiſſenſchaft 
Menſchen zu. regieren beſtanden, und daß endlidy ein ges 
wiſſer Mneſiphllus, ber Lehrer des Themiſtokles, dieſe 
Weisheit vom Solon als eine Sefte empfangen hätte; 
“fo hat er. ſowohl den Iſokrates als. Cicero auf feiner 
Seite ). Allein Plutarch hat wiederum nicht. nur 
— das 








*) in Mis. p. 509 
WE V. 2q. p. 443. oo 
‚#t) ap, Athen, X V.20. p. 454: . 


4) Plut, in vit, Them. I. p. 441. Ed. Reisk, uerAov 9 
. 


eær TIS REOTEXOI roæ unrıDiNeTev OenisonAe& FE 


Desacız CnÄwrıv 'yereodaı Aryzaw, are ennogos 
orros, Bre Toy Ducinwv „Andevray DiAccodmv, 
AA ra nohsyeıny eöpıav, arav de danornra 


U] | 








TRONTIUGV 5 Kg OGRSNGE0V OUVETIWE EWI TN OEL 
u \ Ä —XX 


fd 


Ueber den aͤlteſten Zuſtand von Griechenland. us 


das ansdruͤckliche Zeugniß bes Iſokrates, ſondern auch 
alle vorher von mir angefuͤhrte Stellen der Alten gegen 


ſich, wenn er ſagt, daß man erſt diejenigen Maͤnner mit 
dem Namen der Sophiſten zu belegen angefangen habe, 
die neben der Staatsfunft auch noch in der gerichtlichen 
Beredſamkeit Unterricht gegeben, und fid) von der Vers 
waltung öffenslicher Gefchäfte allein auf die Verfertigung 
fhöner Reden hingemande hätten. Die Oriechifchen: 


Weiſen wurden eben ſowohl eodssas, als bie Soppiftien \ 


wife Männer genannt, 
Mit beyden Ausdruͤcken gingen im Zeltalter des 
Sokrates und feiner erſten Nachfolger große nnd zwar 
entgegengeſezte Veränderungen vor. Der Name Eos 
phift wurde durch den Stolz, bie Habſucht und ver erbs 
| ‚9a — lichen 


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enomnes na dinomlovros. demep iger ew- 


Diosdoxns are ZoAavos. M oi-mera Taura di 
KAYInDISE METYoRYorTas 
670 Ta“ Tenfemv TNV Konya 8m TuS Aoyas, 
aodı5c ReooaYogsugycav. lloe. aegı avridossuns. 
dl, 412. ux8v azeye Tav Mooyoray STws eıXev. 
aA Tas ev nelsuevan 00Qdısas eIaumumlor, 
na TES oUvovras autos elyAsV Tas de cune- 
Pavros mAITaV HERmy MITIBS Evonılov- Eins. 
neyısov de rerungsov.  ZoAwya MeV YoRp Tov TOi- 
rTov ray moArad Anlorrz Tyv ErTmVvunIaV Tau 
TU, NESaTnV n£ıwoov TNS Kokswg Era, — 
‚Cie. de Orst. 111.28. Dicunt Igitur nune quidem ill, 
qui ex particule parva urbis ac loci, nomen hbabent, 
et peripatetici philofophi,- sut Aesdemiel nominantur; 
olim sutem, propter eximiam rerum marimarum 
fedentiom., a Graeeis politisi philofophi sppallatl‘, 
univesfarum resumpublieasum semine vorabautur. . 


/ 


— 


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u. 8 


en "75: Base 


lttihen Lehren der Männer, die Ihn führten, am meiften 
abes durch den Tadel des Sokrates und Plato fo verhaßt, 
daß er ſich in einen Schimpfnamen verwandelte, und. 
daß fo gar viele ber vornehmften und aufgeklärteften 
Griechen fich feheueten, etwas. zu ſchreiben, weil fie 
fürchteten, für Sophiſten gehalten zu werden *). Der 
Name Weiler (7oBos) Hingegen wurde dadurch, daß 

Sokrates, den die Pythia für den Weifeften unter den. 
Griechen erkläre Hatte, ihn ablehnte, und Weisheit für 
eine Vollkommenheit erflärte, die man nicht dem Men. 
ſchen, fondern nur der Gottheit zueignen koͤnne **), fo 
ſehr erhoben, daß Feiner in der Folge fich mehr untere 
ſtand, ſich ſelbſt dieſen Titel beyzulegen ***) oder von 
feinen Zeitgenoffen anzunehmen. Plato +). fchloß wider 
den Sprachgebrauch feiner Zeit alle Künftler, Hands 
werker, und Verrichter nuͤzlicher Gefchäfte bes bürger- 
lichen Lebens von der Zahl der Weiſen und den Anfprüs 
hen auf Weisheit aus, und feste die legtere in ein 
unveränberliches Beſtreben ſich von aller Sinnlichkeit und 
Anhänglichkeit an die Materie loszumachen, und feine 
böchfte Gluͤckſeligkeit in der beſtaͤndigen Anfchauung eml 

u ge 





U} 
, 





9) .Plat. p. 207. Xeneph, in Kuymyerico. e. 13. 

*#) Plat. io Apol..Soe.p. 8. in Phaod. p. 214. - ' 

#*#)" Den Epicur ausgenommen, von weldem Cicero fagt: 

qui fo unus, quod ſelam, fapientem profiteri fit au- 

fus. Nam Metsodosum non putant ipſum profe ſſam: 

ſed eum appellaretur ab Epieuro, tantum beneficlum 

- repudiate neluiffe. Cicero dachte nicht an bie Sophis 

fien, und man muß baher nad dem Worte unus, 

poft Socratem hinzufegen, wenn feine Behanptung ' 
' richtig ſeyn ſoll. De fin. 1 

4) In Proug, p. 82. 83, in Eeinom, p. 635: 636, 





oo 








! 


Ueber den aͤlteſten Zuſtand von Griechenland. 117. 


ger Wahrheiten, eber des ſtets Gleichen und Unwandel⸗ 
baren, und in ber Aehnlichwerdung und Wiebervereinis - 
gung mit Bott zu finden.. Zu ben Zeiten des Ariftoteles 
harte das Wort in der Sprache des Volks, und in ber 
Buͤcherſprache eine ganz verfchledene Bedeutung *). In 
‚ ber erſtern nannte man den Phibias, Polyflerus und ans 
dere noch immer weiſe Kuͤnſtler; in der andern hingegen 
feste man ſchon weiſe und kluge Männer einander entge⸗ 
gen, und nannfe nur diejenigen Weiſe, die fich wie Tha⸗ 
les und Anaragoras mit den ſchwerſten und über den ges 
melnen Menfchenverfiand am meiften erhabnen Kennt⸗ 
niffen beſchaͤftigten. Ariſtoteles unterfchied Daher voPıa 
von awecıs, Desvnass, emısaan und Texyn, und erflärte 
die erflere als eine Wiſſenſchaft ber wiſſenswuͤrdigſten 
Dinge. or 9 @odın ası Kai ewısuun αν VES TI Tim 
‚puwrarav Quoei. Selbſt die Regierungs- und Ges 
ſezgebungskunſt fchienen ihm nicht zur Weisheit zu gehoͤ⸗ 
ten, fondern nur verfehledene Zweige der Klugheit (Deo- 
ns) zu ſeyn **). Mit dieſen Begriffen angefüllt (pras 
chen Dikaͤarch und andere den Männern, bie in ben ältee 
ſten Zeiten allein und vorzugsweife den Ehrennamen 
der Weifen empfangen hatten, ben Titel der Weiſen ab, 
und hielten fie bloß für kluge und flaatsfundige Perfos 
nen, die ihre und ihres Vaterlandes Vortheil gut ver⸗ 
handen und eifrig befoͤrdert haͤtten 9. | 


3.0. og 








U << TI 


3 vr 7. Eithie, 





2 — ap. Diog. . 40.- Eile. de Anke. er. Nım 


qui feptem sppellahtur,, eos qui iſta fubtilius un 
—* u numexo fapientum non habent. 





IL: 


us u Erſtes Buch. 
; Es iſt elne ganz allgemeine Meynung, daß Pytha⸗ 
goras fich zuerft in Griechenland aus Beſcheldenheit nicht 
einen-Weifen, fondern einen Liebhaber der Weisheit ges 
nannt-habe. Cicero *), Didgenes **) und andere ha⸗ 
ben diefes dem Heraklides Pontikus, ober auch ſolchen 
Schrifiſtellern nacherzaͤhlt, die aus diefem Schuͤler des 
er und Ariſtoteles geſchoͤpft harten. . Allein gleichwie 
raklides die ganze Philoſophie des Plato auf den; Py 
chagoras übertrug , ‚(und dies wird in ber Felge 
umftändficher datgethan werben, ) ſo eignete er ihm auch 
in dem Maͤhrchen, worin er ihn zum Erfinder des Na: 
mens Phitofoph ‚machte, einen dem Plate oder deffen 
Lehrer eigenthümlichen Gedanken zu, mie einem jeden, 
id, aus folgenden Grünten einleuchten wird. 
. aͤmlich fchon Pythagoras ftatt bes zu folgen Titels, 
! ‚ oder Sophiſt, den Ramen eines Siebhabers der 
! it angenommen‘, fo würden ſchwerlich die Sophie 
1. » andere große und beruͤhmte Männer das Her) 

gehabt haben, ſich ſelbſt noch immerfort Welfe zu'nennen. | 
Auch Herodot nennt den Pothagoras ***) nicht einen 
Philoſophen, fondern einen op» , und Jon von Cpios 
«od }). Im Zeitalter des Sofrates gab es außer ben 
Goppiften no werrrızo , enroges , Madnuarman 
pasınaı, Quosnaı, oder ei Tor Mereugav Daovrısan, ol 
To perunga, va daspovie, Ta Jen Inravres wa 
Deorigovres, aber unter allen diefen Lehrern, entweder 
nuͤzlicher, -ober blenbenber, ober ſelbſt ſchaͤdlicher Kennt» 
uiſſe 





®) Tufe, Queeſt. V. 3._ : 
**) |. 12. 
* IV. 94. oo. 
2 Ap. Diog, I, 120. won 


\ 


Ueber den aͤlteſten Zuſtand von Griechenland. ug. 


niffe fanden fich gar feine, die ſich DrAccoDss genannt 
hätten, - Dies Wort fommt ferner in feinem Fragment 
der älteften philoſophiſchen Dichter, auch nidye in Ben 
Bruchſtuͤckken des Heraklit und Demokrit, und nicht eine 
mol, fo viel ich weiß, im Herodot dor, $ejterer brauche 
nur einmal ben Yusprud DiAocodew *) an ber Stelle, 
wo er den Kroͤſus zum Solon fagen läßt: Daß der Ruhm 
der Welsheit des leztern, und der Reifen, die er zur 
Erwerbung und Erweiterung nuͤzlicher Kenntniſſe untere 
nommen habe, auch zu ihm gekommen ſey **), Aus 
allen diefen Factis und Stellen der Alten nıuß man ſchlie⸗ 
ben, daß Sokrates, der den Titel eines Wellen für zu 
erhaben hiefe, als daß Menſchen ihn tragen dürften, ber 
den Namen Sophift lächerlich und verhaßt machte, ber 
ſich auch niche zu den Naturforſchern oder Öuasmess rede 
nen wollte, weil‘ er ihre Unterfuchungen (ru kerewex) 
verabfcheuete, und nur weg Tav ayJewzeiav ae diere- 
vero), Daß diefer alfo der erfte geweſen ſey, der 
ſich einen Hebhaber der Weisheit zu nennen angefangen 
habe, Hiemit ſtimmt nicht nur Plato überein, indem 
er ihn am Ende feines Phaedrus fagen laͤßt }); To ver 
aoDov Dosdes nuAEN, eupi Ya MEY 81004 doxes, #068 
en Mm WEETEN. TO den ‚DrAoeopor » N TOATABTeOVE 

Ka Te avdurw xaı agmorro ud eumeässeons 
ex: fondern auch Die Bemerfung, daß die Wörter 
PRosoPos und PiAovodıa erft In ben Schriften der 
24 Schuͤ⸗ 


— — —— —— — s 





#7, 

”,) * —S— nv wear Sanyo & exev el 
Anrudas. 

#2) Xenoph, Mom, I. 1. 

D P- 214. i 


— 


120 = Erſtes Buch. 


Schüler des Sokeates und ihrer Zeitgenoſſen haͤufig vor 
kommen, und aus dieſen bald in die allgemeine Volks- 


ſprache übergegangen find. Die Bedeutung berfelben 
‚blieb aber noch lange unbeflimme. Iſokrates verftand un. 


> ter, der Philofophie bie Kunſt glüctlich zu leben, und ans 


bere durch Klugheit, Beredſamkeit und Rechtfchaffenheit 


gluͤcklich zu machen). Plato iſt fehr unbeftändig im Ges 


brauche des Worts Ppilofophie. Bald nimmt er es: für 





Begierde nach nüzlichen Kenntniffen (DrAsuaIin), bald 


fchränft er es faft ganz allein auf das Studium der Groͤ⸗ 
 Sentehre ein, und bald ift es ihm wiederum mit Yrwass, 
srisun und aodıa einerley, Bein Zuhörer und zweyh⸗ 
ser Machfolger Tenokrates war ber erſte, der den Aus—⸗ 


druck Philofephie genau beflimmte, oder doch ihren Ume 
fang ‚ ihre Theile, und die Kenntniſſe angab „ welche fie 


in fich faffen ſolle **), Ä en 
Nachdem ich jego die Geſchichte einiger ber wich. 
tigften Wörter der griechifchen Sprache vorgetragen habe; 
fo komme ich zum zweyten Punete, den ich in diefer Bey⸗ 
lage zu erläutern verſprach: nämlich zur Prüfung ber 


übrigen Gogen von ber Veranlaffung der Benennung ber 


, Orig 














®) Paneg. I, 142. DsAoaoDıar 'rowuv 4 mar 
rœuro auvefeuge, Has OUYHETEAKEUNTE, Kol 
EOS TS Tas mERLrIS yuus emasdsuos, 1 TrEOS 
BAAnAus areuuvs na Tay cuuoewv Tas Te di 
qace)lν, na Tas eb avaayuns Yıysouevas disı- 
Ar, u Tas uev Burakacdı, Tas ds nadus 
weyariv sdidagev sn morıs Kay nm — — 
run. 


“) Man fehe Sextum advorf, Mathem, VII. 10. 


' 


ileber den älteften Zuffand von Griechenland. ızı 


Griechiſchen Beifen. Ungeachtet ich nun feine andre Ver⸗ 
muthung und Erzählung für fo wahrſcheinlich, und mie 
ber Gefchichte anderer Voͤlker für fo übereinftimmend 
halte, als diejenige iſt, bie ich im Terte mitgetheilt habe, 
und bie durch das Urtheil des Cicero beftätige wird *); 
fo kann ich doch auch nicht verhehlen,, daß die Meynung 
des Iſokrates nicht vieles vor fich habe. Diefer Redner‘ 
fagt , in der oben angeführten Stelle, daß Solon der erſte 
in Athen gemwefen fen, der fich einen Weiſen genannt habe, 


und ſagt es auf eine ſolche Art, daß man fieht: er habe 


noch) andere im Sinne gehabt, bie vor dem Solon eben 
diefen Namen angenommen hätten. Leſer, die mit der 
Denfungsart der Griechen und anderer freyen Voͤlker 
nicht befannt find, werden geneige ſeyn, die Nachricht 
des Iſokrates bioß deßwegen ats falſch zu verwerfen, weil 
fie befürchten, daß, wenn ihre Wahrheit zugegeben würbe, . 
die Weiſen Griechenlandes fi) eines unverzeihlichen 
Stolzes ſchuldig gemacht ‚hätten. Allein eben diefe Leſer 
kann man aud) bald auf eine unwiberfprecdhtiche Art über 
zeugen, daß die Briechifchen Weiſen, wenn fie fid) auch 


ſelbſt diefen Titel bengelege hätten , gar nichts ungewoͤhn⸗ 


liches gethan, und ſich ſelbſt bloß Gerechtigkeit Haben mies 
derfahren laffen. Man fpricht, wie Tacitus **) vortreffe 
m 25 lich 








N I XR 





—ãA 


*) De Fin, 1.3. Septem autem illi, non fuo, fed po- 
pulosum fuffragie ommium nomlnati funt, 


°%) In vit. Ag, I. At pleriquo fuam ipfi vitan (er redet 
von den alten Roͤmern) narrero, fiduciem potius 
morum, quam serogantism arbitreti ſunt. noe id 
Rutilio Scause eitra fidem, aut obtre&ationi fuit. 
ades virtutes ilsdem temperibus optime asflimantur, 
quibus facillime gignuntur. 
\ . 








D 


132 Erſtes Buch. J 


lich bemerkt, niemals mit groͤßerer Zuverſicht von ſeinen 
eigenen Tugenden, als in ſolchen Zeitaltern, wo man am 


meiſten beſizt und ausübt, und nirgend (Bann man hinzuſezen) 
rähmte man feine und feiner Freunde Vollfommenbeiten 
und Berdienfte mit einer größern Freymuͤthigkeit, als in 
ſolchen Staaten, in welchen man die Fehler und Verbre⸗ 
chen feiner Feinde am dreifteften tadeln Fonnte und durfte, 
Die furchtſame Beſcheidenheit, die fich felbfl entweder 
gar nicht, ober nur mit Errörhen lobt, war dem freyen 
Griechen und Römern. eine eben fo unbekannte Tugend, 
als die fhüchterne ſchonende Behutſamkeit im Tadel von 
Widerſachern; und fie erhielten beyde erft, nachdem fie 
faſt alle uͤbrige Tugenden mit. ihres Freyheit eingebüßt 


hatten. Die republicanifchen Raͤmer fchrieben nicht nur _ 


ihr eigenes Leben, ſondern fie hielten auch ihren nächften 
Verwandten nady ihrem Tode Lobreden, in welchen bie 
Tugenden und Thaten der Verflorbenen und Vorfahren 
mit aller Macht der Beredſamkeit geſchildert wurden. 


Wenn fie fid) bem verſamleten Volke als Mitwerber um | 


& hohe Würden barftellten; fo. maren fie von den ehrwuͤrdig⸗ 


fien Maͤnnern begleitet, bie fie ben Waͤhlenden empfah⸗ 


Nlen, und fie ſelbſt ſuchten das Volk zu überzeugen, daß 
fie mehr als irgend andere zur Führung des Amts, wel⸗ 


des fie füchten, fähig fepen. Sie mochten endlich fi 


ſelbſt vertheidigen, ober andere .anflagen; ſo machte al- 
lemal ein nachdrüdliches lebhaftes Gemaͤlde ihrer eigenen 
- Vorzüge und Verdienſte einen großen Theil der Reden 


aus, womit fie ſich entweder felbft vom MWerberben erret- - 


ten, oder andere niederſchlagen wollten. Es iſt alſo Un⸗ 
wiſſenheit, und Mangel von Kenntniß der Sitten freyer 


Nationen, wenn man den Orleden und Römern ein je⸗ 


des 


. 
4 





— — 


’ 


Ueber den äfteften Zuftand von Griechenland, 123 
des Selbſtlob, Bas unbeſcheiden ſcheint, zur fträflichen 


Eitelkeit, und jeben Tadel, ber jezo übertrieben heftig 


ſeyn würde, zur bäurifchen Orobheit anrechne. Ic 
führe Feine Römifche Beyſpiele an, weil diefe Hier zur 
Unzelt angebracht feyn würden, und ich es zu einer andern 
Zelt in einer Abhandlung über den Charakter bes Cicero 
und feiner Schriften zu thun gebenfe, in welcher ich mit 
reuvoller Ehrerbietung dem Schatten dieſes großen Man⸗ 
nes öffentlic) das Unrecht abbitten werde, welches ich ihm 
mit einer unbefonuenen Uebereilung in einer meiner uns 
reifen Arbeiten zugefügt habe. 


Wenn man alfo auch mit dem Iſokrates annähme, Er 


daß die Griechiſchen Weiſen fich ſelbſt fo genannt hätten ; 
fo würbe daraus welter nichts folgen, als daß fie ihre Les 
berlegenheit in Menſchenkenntniß und Staatsklugheit 
über ihre Zeitgenoffen gefühlt, und ohne Prahlerey durch 
einen ſelbſtgewaͤhlten Beynamen geäußert hätten, fo wie . 
die Römifchen Helden durdy bie Beynamen des Großen, 
des Gluͤcklichen, des Afrikaners, des Numidikers u. f. w. 
ihre Thaten ausbrüdten, - Was Iſokrates vom Solon 
berichtet, das _thalen nachher —3 „Heraklid und 
Empedokles, ohne daß man dieſe Maͤnner einer uͤbermaͤ⸗ 
ßigen Schaͤzung ‚Ihres eigenen Werths beſchuldigt, oder 
einen gefährlichen Neid auf.fie geworfen hätte; und auch 
die Sophiften würden ungeflört in dem Befize.des Na⸗ 
mens weiſer Männer geblieben feyn, wenn fie nicht durch 
ihr Leben und ihre Schren den Spott und Unwillen bes 
Sokrates und feiner Schüler auf ſich gezogen hätten, 


Eenophanes, das Haupt der Eleatlſchen Weltwei⸗ 
ſen, und der bitterſte Tadler des Homer, Heſiod und 
I ande⸗ 


Pl 


N 


m — Edſſtes Buch. 


1— ‚anderer alten Weiſen, ſagt beym Athenaͤus von ſich ſelbſt: 
Wenn jemand auch im Lauſe, und In allen’ andern Arten 


von Kämpfen bey Olympla Sieger geworben , und als 


Sieger den Borfiz in allen Spielen, prächtige Gefchen 


‚ te, und beftänbigen Unterhalt von jeiner Vaterſtadt em. 
\ pfangen hätte; ſo würde er Doch Das nicht werth feyn, 


was id) werth bin. Denn meine Weisheie iſt auzlicher 
und vortreffiicher,, .als bie Stärfe von Männern und 


Pferden: und irtig wird die leztere der erſtern vorgezogen, 


Denn wenn fi auch gute Ringer oder Balger oder fäu 


fer, oder Führer und Seiter don Pferden und Wägen, in 


‚ giner Stade finden; fo iſt fie deßwegen nicht beffer geord⸗ 
net oder verwaltet *). — Noch ſtaͤrker und nachbrüdl. 
. der fprach Heraflid von feinen Kenntniſſen und Vorjuͤ⸗ 


gen. Er geſtand **), daß er zwar In feiner Jugend uns 


wiſſend gemefen fey, daß er aber in feinen reifern Jahren 


alles, und zwar durch ſich felbft ohne fremde Huͤlfe und 


Unterricht erfanne hätte, Er verficherte ſogar, daß 
= So. | ee 


*) Pag. 37. Pocl, phil, Steph, ss will nur einige Verfe 


abſchreiben: nn 

Ars vn — m Ti —. — 
Tour Yazavın Ace 
an zov abus aome eym. guums Ya 
| cœnenov 

nd IBZEOV nnereon codıy 

Anx an Hana TBTo — ,. 98 

œiov. 
TIeo Kenen ed an⸗ Tns ya sodms. 
” Ej. Prag. apud Diog. IX, 5, N 





lieber den afteften Zuftand von Griechenland. ms 


er allein alles wiſſe, und daß alle uͤbrige unwiſſend 
ſeyen *). 

So kuͤhn nun der Eyheſiſche Weitweiſe fein eiges 
nes Sob verkuͤndigte; fo freymuͤthig und entfcheidend war 
er in feined Ausfprüchen über andere. Vielwiſſereh 
(fagte er) nüjt zu nichts, meil fie fonft dem Heſiodus und 
Hekataͤus würbe geholfen haben, : Wahre Weisheit bes 
ftehe Darinn, demjenigen Scharffinn gu befizen, der jemans 
den In allen Sagen und Umftänden ielte, und zum ‘Bes 
fen führe FF), 

Naoch befrembenber als altes, was ich bieher an⸗ 
geführt Habe, wird für die meiften Leſer der Lobgeſang 
ſeyn, den Empebefles auf fidy felbft anſtimmte. Freut 
euch (rief er in dichteriſcher Begeifterung aus) ***), freut 
euch, ihr Bürger von Agrigent, daß ich mit heiligen 
Infuln und Krängen ummunden ımter euch, nicht als ' 
ein fterblicher Mann, fondern gleich einem unfterblichen 
Gotte herumwandle. Mic verehren Männer und Wels 
ber, wenn ich in fremde Städte einziehe: mir felgen 
jebntaufende, und fragen mich, bald uͤber die Wege, 

die . 














”*) Apud Proel. in Tim. p. 106. Henn Aeıros ROVT Ob 
Sauroy eıdevası Aryay , TOVTES TES MARS 
 VEWITNMOVES Eck. 
an) So müffen, glaube ich, folgende Worte des Heraklit 
verſtanden werden, die Plutarch mißverſtanden hat: 
emoœs væę Ev To doe, —— 
nros 64 nußeernons mar die zarte. Mus 
dieſen lezten Worten bat Plutarch ein To Deovav, 
erws nußdsevaraı To Te Cum nad NeakAsıroy 
herausgebracht. de Iſ. & Of. VII, p 502. Ed, Reisk.. 
“n Ap, Diog. VII. 62. | 


— 


Ze | 


26° . Erſtes Buch. 


© die zu ihrem Gtüde führen, und bald ziehen fie mich über 
bie Zufunft oder über die Heilung von Krankheiten zu 


Rath. — Der Agrigentinifche Dichter hielt ſich ſelbſt 


“für einen Wunderthaͤter, oder wollte wenigftens dafuͤr 


— 


angeſehen ſeyn. ‘Denn In einem andern Fragment gibt: 
er einem Freunde von ſich folgende Verſprechungen *). 
Bon mir, fagt er, ſollſt du die Mittel erfahten, wo⸗ 

durch bu "Krankheiten zu vertreiben, und das traurige 
Alter zuruͤckzuhaiten vermagft: aber auch nur bir allein 
vertraue ich diefe Beheimniffe an. Won: mir fohft du . 


E hören, wie du verheerende Winde bezaͤhmen, und wenn 
du willſt, in ihre Lager oder in ihren Geburtsort zuruͤck 
führen koͤnneſt. Ich will dich lehren, wie du Lngemits 


ter in heitern Sonnenſchein, ober dieſen in jenes verkeh ˖ 
ren, wie bu aus Dürre Regen bervorbringen, oder auf 
Fluthen trockene Witterung folgen laſſen, wie du endlich 
die abgeſchiedene Seelen verftorbener Merfihen aus dem 
Reiche der Schatten wiederum hervorrufen koͤnneſt. Dio⸗ 


genes und. andere, die die großen Männer des Alters 


‚GEBEN EHER 


. thums nach der Denfungsart Ihres Zeitolters beurthellten, 


wärfen dem Empebofles ımerträglichen Stolz vor; allein 
Sextus **) dachte anders, und glaubte ; daß nur unwiſ. 
fende Brammatifer unverfhämtes Selbfilob in den Ver⸗ 
fen dtefes Weltweiſen finden koͤnnten. Apollonius pries 


ben Empedofles gluͤcklich, daß er fich durch das Gute, 


mas er von fich ſelbſt geſagt, unter feinen Zeitgenoffen 
feine Geinde und Neider zugezogen habe ***), | 
\ . Da 


Den 








#) Ap. Diog. VIII. Ba 
**) 1dr. Math. l. 
a“) vi. 7. Philehr. Ih vi, Apoll, 














) ’ 


Leber ben alteſten Iufand don Griechenland. 27 


| Da olfo.Eenophanes, Heraftit und Empeboffes 
ſo laut von ihrer Weisheit rebeten, „und .noch fpäter die 
Sophiften ſich ungefcheut Weife nannten, und vom Jans 
zen Grieche nlande bis auf eine gewiſſe Zei dafür erkannt 
wurden; ſo kann man es nicht als ganz unwahrſcheinlich 
. vermerfen, daß bie leztern den ältern Griechiſchen Wei⸗ 
ſen nachgeahmet, und auch Solon und deſſen Zeitgenofe 
fen ſich ſeibſt den Titel der Weiſen beygelegt haben, 


Alle übrige Erzaͤhlungen über die Veranlaſſung bee 
Benennung der Grlechifchen Weifen „, welche Diogenes 
und deſſen Ausleger *) am vollſtaͤndigſten geſammlet das 
ben, find weniger glaubwürdig, und mit den Gitten der 
alten Zeit weniger übereinftimmend, oder auch mehr mit 
Fabeln vermiſcht, als diejenige, bie ich angenommen 
habe, und die ich gleich nach biefer für bie wahrſchein⸗ 


lichſte halte. Die befanntefte und gewoͤhnlichſte Sage 
ift folgende: daß Joniſche Jünglinge von Mitefifchen File, - 


fehern einen Nezzug gefauft,, und unter ben Fifchen einen 
goldenen ober ehernen Dreyfuß *), von welchem es uns 
gewiß if, ob es ein Trinfgefchirr oder-ein Gefäß, worinn 
man Wein und Waffer zu mifchen pflegte, ober enblich 
ein Tiſch geweſen fen ***), gefimden härten. Ueber 
Diefen unerwarteten Fund fe unter Käufern und Vers 
kaͤufern ein Streit entftanden, ber vom Apofl zu Delphi 
endlich dahin entſchieden worden, daß der Dreyfuß we⸗ 

der 


. u 


Gm —— —û——— —— —— — nn a — 3— 
® 


2) 1. 2 


Exe, Il. 652. 
“Dan fe —* II, 2. 10, überbie Vedeutuns dee Werts 


rex⸗ 


⸗ 


) Ds “erflere fagt Diesenes l, e. das andere Diodor | 


⸗ 


ug.. Ecſtes Buch. — 
der den einen nach den. andern zukomme, ſondern dem 
Weiſeſten unter den Griechen uͤberreicht werden ſolle. 


Dieſem Ausſpruch zufolge habe man ihn dem Thales an⸗ 
geboten, der ihn aber abgelehnt, und einem andern be⸗ 
ruͤhmten Zeitgenoſſen zugeſchickt habe. Der zweyte Em⸗ 
pfaͤnger ſey aber eben ſo beſcheiden geweſen als Thales, 
und habe das Geſchenk einem dritten überliefert, von dem 
es aber aus gleichen Bewegungsgrümden- einem vierten 
und fo meiter herumgefandt werden, bis es endlich 


an den -Golon gefammen,..ber es endlich. dem Gotte 


iu Delphi gebeilige Habe, —. Andern Ueberlieferun 


- 


gen oder Erdichtungen nach *), hinterließ ein gewiſſer 
Arfadier, Batyllus, ein Trinkgeſchirr, mit dem Ber 
fehl, daß es dem Weiſeſten der Griechen geſchenkt 
wuͤrde; oder Kroͤſus fol. einen goldenen Becher als einen 
Preis der Weishelt ; oder.die Argiver einen Dreyfuß, 
eis einen Preis der Tugend, ausgefegt haben, Dieſe 
widerfprechenden Nachrichten ſtimmen weder in Anfehung 
der Männer, die diefe Geſchenke zuerft empfangen, nod) 
wuc derer, die fie behalten haben follen, mit einander 
überein. — Die Zeit, wann durd) die eine oder Die an 
bre biefer Beranlaffungen mehrern berühmten Männern, 


ſowohl im Afiatifchen als Europäifchen Griechenland, 


der Name von Weiſen gegeben worden, foll in.bas ſie⸗ 

ben und funfzigſte Jahr des Thaleg, und in das fünfe 

hundert ein und achtzigſte vor Eprifti Geburt fallen **). 
I 


+ . . . - f — 











nm 
y 





. ®%) Diog, l.æ. on 

*#) Marm. Arund, Epoch. yxix. Dies Datums iſt falſch, 
weil bie Hälfte der ſieben: Weiſen in ber ſieben und 
funfzisſten dynpiade nicht mehr lebte. 


| lieber den ältefien Zuſtand von Griechenland, 129 | 


Ich trage fein. Bedenken, alle jejt kurz erzaͤhlte 
Maͤhrchen von einem wunderbar gefundenen Drepfuß, 
ber vom Apoll dem Weifeften in Gricchenland zuges 
fproshen worden, ober von Preifen der Weisheit und Tu⸗ 
gend , Die-von einzelnen Perfonen oder Städten hinterlaffen 
und ausgefest fenn follen, als ganz unglaublich zu verwer⸗ 
fen. Die Pythia konnte wohl einzelne Männer für bie 
Weifeften unter den Griechen erflären; allein fie konnte 
nicht einen Sand dem Weifeften zuerfennen,, ohne entwe. 
der unfinnig zu feyn, ober etwas zu beſtimmen, mas 
nicht gut beftimmt werden Ponnte, nämlich wie und ven 
weichen, und nach mas für Merkmalen die hoͤchſte Tu⸗ 
gend und Weisheit geprüft und gerichtet werden ſollte? 
Eben diefe Schwierigkeit findet auch bey den übrigen Sa⸗ 
gen ſtatt. Denn faum iſt es gedenkbar, daß es einzel. 
nen Perfonen und‘ Städten auch nur jemals einfallen 
Ponte, dem Weifeften und Tugendhafteften einen Preig 
zujuerfennen, ohne Richter ober Geſeze, nach welchen 
Die Wetreifernden gerichtet werden follten,, zu beftellen und 
vorgufchrefben. Hiezu Pommt noch biefes, daß weder 
Plato, der die Griechifchen Weifen fo oft nennt, noch 
Herodet, der einen jeden (einen einzigen ausgenommen) 
mehrmalen namentlich anfuͤhrt, und manche Abentheuer 
und Wunder vorträgt, die den Erzählungen von ben 
fieben Weifen, befonbers_der von dem gefundenen Dreps 
fuße ſehr ahnlich. ind, und ihn, wie es fcheint , noth. 
wendig Daran erinnern mußten, nicht da9 geringfie von 
ben Begebenheiten anführen, wodurch Die Griechiſchen 
Weiſen ihren Ehrennanten erhalten haben follen. 

Heumann glaubte, dag die Griechiſchen Weiſen 
als Dichter um Preife geſtritten, und auch, als die beften- 

" a 3 | - Dis 


\ 


A ’ 


=“ 


/ 


J 190° Erſtes Buch. Eu 


Dichter Ihrer Zeit, die Ihre Micbuhler oft In dichterke 
fchen Wettkämpfen beſiegt, den Namen der Weifen ver- 
diene Härten, Allein erſtlich ift es zweifelhaft, ob alle 


Weiſe wirklich Dichter waren, und um ausgefeste Preife 
wettgeeifert haben , und zweytens iſt es eine durchaus 


willtuͤhrliche und falſche Vorausſezung, daß ihre dichte: 


riſchen Verdienſte nach dem Urthelle der Griechen vor 


denen afler übrigen fo herworftechend geweſen feyen, daß 
man ihnen bewegen den Namen ber Weiſen gegeben 
babe. Vielmehr ſieht man aus ber größern Zahl von 
Fragmenten einee Gappho, eines ‚Alfäus, Anafreon, 
Eimonides, und anderer, bie ohngefehr um dieſelbige 
Zeit lebten, und aus den größern Lobſpruͤchen, die ihnen 
beygelegt werden, daß eben diefe Sänger unb Saͤngerin⸗ 
nen; bie.man niemals vorzugsweiſe Weiſe genannt Gar, 
gehalten worben find. Ä 
- 7 Biel glücklicher würde Heumann, meinem Ber 
daͤnken nad, gerathen haben,‘ wenn er bie poetifche 
Wettkaͤmpfe, bie in ben älteften Zeiten an Feſten ober 
auch an den Gräbern gehalten, und an welchen bemjenigen, 
der das Sob der Gottheit oder des Helden gm beiten befungen 
hatte, Preife zuerkannt wurden *), für bie Beranlaffung 


FE für vortrefflichere Dichter, als die Griechiſchen Weifen, 


aller Märchen über den Urſprung der Benennung ber 
Weiſen gehalten hätte, Weit man naͤmlich in folgen 
dichteriſchen Wettkämpfen meiftens den Sieger mit einem 


Dreyfuße belohnte; fo erdichtete man, daß auch ein ge⸗ 
fundenes, oder binterlaffenes dregfüßigtes Geſchirr oder 
a 0 Befäß 








up sehntiuchähtn. 





‚ 


0) Heliod; Op. & Die, V. 652 a. f. Aiben. II. 10. Au, 


{ Conv, Sap, VI. 583. apud Plut. 











Ueher den äfteften Zuſtand son Griechenland. 131 | 


Gefäß oder Tiſch für den Welfeften der Griechen ausge 
ſezt worden feg, ‚ohne darauf Acht zu geben, daß der . 
vorzüglichfte unter mehrern Dichtern, und bas befte un⸗ 
ter verſchiedenen Dichterifchen Werken, viel eher erfanne 
werden Fönne, als der Welfefte und Tugendpaftefte eines . 
ganzen Wolle, Ä 
Die Zahl der Griechifchen Welfen war, -wie es 
ſcheint, weder in ihrem eigenen Zeitalter, noch auch ele 
nige Zeitalter nachher, beftimmr, Herobot führe zwar 
die Namen aller Weiſen an, den einzigen Kleobulus 
ausgenommen, allein er ſagt nirgends, daß man fie auf 
eine gewiſſe Zahl eingefchränft babe. Plato und beffen 
Sreund Eudorus waren allem Vermuthen nach die erften, 
welche von fieben Welfen Griedyenlandes *) redeten; 
allein beyde gaben wiederum die Namen derſelben niche 
auf einerley Art an, indem Plato den Myſon ſtatt des 
Periander, und Eudoxus eben venfelben an’ die Etelle des 
Kleobulus ſezte. Die Zählung diefer beyden Weltweifen 
hat zwar auf die lezt alle übrigen verdrängt; allein fie 
wurde in Griechenland doch nicht fo allgemein angenen» 
men, daß man nicht von ihnen, fo wohl in Auſehung 
ber Zahl, als der Namen der Griedifchen Wellen, ab« 
gegangen wäre. Nach dem Dikaͤarch **) gab es: nur 
vler Männer, die ohne Widerrede und Ausnahme vom 
ganzen Griechenlande für Welfe anerfannt worden: naͤm⸗ 
lich Thales, Bias, Pirtafus und Solon: außer biefen 
nannte er aber noch ſechs andere, aus welchen einige diefe, 
andere jene ausgehoben hätten, um die Zahl fieben voll 
J2 zu 


nn 








BEER side ⏑ 


*) Plat, in Prot. p.ↄ295. und Eudoxus apud Dieg. 1. 50, 
) l, 40, 41. apud Diog. ea 


daß daher bie nachfolgenden Geſchichtſchreiber aus Gruͤn⸗ 


132° Erſtes Buch. 

jzu machen. Hermipp hingegen führt ſechtzehn Männer 
an, aus welchen die ſieben Griechiſchen Weiſen auf eine 
ganz verſchiebene Weiſe von verſchiedenen Schriſtſtellern 
gewahlt worden *). Lamprias, ein Bruder des Pius 

tarch, glaubte, daß ihrer urſpruͤnglich nur fuͤnf geweſen 
ſeyen, und daß Cleobulus und Periander ſich gleichſam 
wit Gewalt in ihre Zahl eingedraͤngt hätten **). Die. 
genes, bezeugt: ferner ***), daß zu der damals faſt allge⸗ 
nmein angenommenen Zahl der fieben Weiſen von einigen 
noch drey, von andern vier hinzugeſegt wurden, und nach 
ihm nahm Porphyr nicht fieben, ſondern neun Sriechtfähe 
Weifen an, Zu ben Zeiten bes Paufanias mufte man 
zwar nur von fieben; aber: man rechnete, "wider Das An 
fehen des Plato, ben Periander., und einen $esbifchen 
Tyrannen darunter +). ° Aus biefen abweichenden Zeug, 
niſſen alter. Schriftfteller fann.man, glaube ich , „mit 
Recht ſchließen, daß Plato und Eudoxus in ihren An 

gaben. ver Zahl und Namen der Griechiſchen Weifen 
“mehr ihren eigenen Vermuthungen, als zuverlaͤſſ igen 
Nachrichten, oder alten Ueberlieferungen folgten, und 







ben , die mir unbefannt find, fidy für berechtigt hletten, 
von den Entſcheidungen dieſer Weltweiſen abzumeldyen. 
Nicht älter und auch nicht uͤbereinſtimmend 


als die Zeugniffe über die Zahl und Namen der Welfe 
find die Sagen von ihren Zufammenfünften, Gaftm 
| | — l 











2). 42. diß. 


| ML Vit. „OP. Plat, s14 MI Ts u Ta © Aem 
an, | 


Ä —* = 


Y t 


tieber.den älteften Zuſtand von Griechenland, +33 


lern und Tifchreden. Plato iſt, wo nicht ber erſte, doch 
gewiß der ältefte unter allen Griechifchen Schriftfteßlern, 
deren Werke zu uns gefommen find, und bie von ben 
Zufammienfünften der fieben Weiſen *) reden. Er 
ſcheint zu behaupten, daß die Grlechiſchen Weifen in eis 
ner ſolchen Zufammenfunft den Entſchluß gefaßt harten, 
ifre Sprüche, als die Erſtlinge der Griechiſchen Wels. 
heit, dem Apofl zu Delphi zu weihen. Plato beſtimmte 
aber weder die Zeit, noch den Ort, wann und wo fie fi ch 
verſammlet haben ſolften. 

Beyde wurden in ſpaͤtern Zeiten auf eine ganz ver⸗ 
ſchiedene Art angegeben. Archetimus von Syrakus bes 
bauptete, daß die Griechiſchen Wellen beym Kupfelus 
zufammengefommen wären , unter beffen Regierung ber 
größere Theil der Griechiſchen Weiſen wahrſcheinlich noch 
nicht einmal gebohren war **), Andere ließen die Griechi⸗ 
ſchen Weifen fich entweder in Delphi, oder an dem Hefe‘. 
des Rröfus, oder in Korinıh beym Periander , ober endlich 
in Mpfale, in Afien verfommien ***), Sin fpätern 
Zeiten ließ man fie auch Gaſtmaͤler feyern, die wiederum 
93 Ä auf 


ò———————— ——— — 














— — — 
©) In Prot. p. 295. Tara ” zu Ocxns 6 kiAnauos, 
neu Tlrrauos 0 MiruAnvauos, neu Bias o nem 
> N aus, was ZoAay ö Nmeregos, neu KisoßsAos 
"os Amdıos, mau Murwv 0 xweus, na EB ones. 
Tovros aAeyero Aunedumovios KıAoy. = — ro⸗ 
ka non Euverdovres , aTaenm Ts oda 
'avedecav To AromMavı EIS TAV vE@v EV Asrdos 
yenıyavres TAUTE & on TavTes susses T vos 
GERUTOV As under ayav. 
*t) Diog, I. 49. En 
“) Diog. l.e. 





ER "7 Pe 


auf eine ganz abweichende Art geſchildert werben. El—⸗ 
nige beſchreiben ſie als froͤhliche Schmaͤuſe, in welchen 
man ſich den Freuden des Weins ohne Zuruͤckhaltung 


überlaffen ®), andere hingegen als fenerliche Gaſtmaͤler, 


in denen Weisheit und Ernft geberrfcht, und Scherze 


und Muthwillen verbannt hätten **). 


Die Zufammenfünfte der fieben Weiſen ſind zwar 
nicht unwahrſcheinlich, und ſtreiten auch nicht mit der 
Zeitrechnung ***); allein es gibt andere Gründe, weßs . 
‚wegen man fie für erbichtee haften muß. Herodot redet 


van dem Zuſammenlaufe aller wegen ihrer Kenntniſſe 


oder Geſchicklichkeiten beruͤhmten Griechen am Hoſe des 
Kroͤſus; er erzaͤhlt, daß Thales ſich im Heere dieſes 
Koͤnigs, und Bias an ſeinem Hofe gefunden, daß beyde 
den bey Mykale verſammleten Griechen vortreffliche Vor⸗ 
ſchlaͤge gegeben’ hätten; er handelt endlich umſtaͤndlich 
vom Periander und feiner Verbindung mit dem Thraſy. 
bulus; ‚allein nirgends erwähnt er einer Zufammenfunft 
der Griechiſchen Weiſen, fo viele Veranlaſſungen er auch 
dann, eine ſo mertwindige Begebenheit aufgugelchnen. | 
Dies 


‚GE 
e 











) Athen. 3. p. 463. exoiavro de na 01 EnTe nare- 
Evo aoduı FUMTOTIKAS OMIAIHS. —X 
yae 0 OWos Ko TV TE Ynews dusßunszey Pnow 
0 OsoQewsos ıv Ta TEE Keine 


w “*) Vid, aut. Conr. fept, Sıp. | — 


Be} Pittikus wurde in ber zwey und breyßigſten, Periander 
im erſten Jahre der 29ten, Thales in der 35 oder 38 
Olympiade gebohren. Solon gab in der 46 Olympiade 
ſeine Geſeze. Die Zeitrechnung der uͤbrigen iſt unge⸗ 
wiß, wir wiſſen aber "von, daß ſ fe Zeitgenoflen ber er- 
He waren. 


“ “ 


“ D 
⸗ * R — 








lieber den Altefien Zuftand von Griechenland, 135 


Dies rebende Stillſchweigen bes Herodot würde allein 
ſchon das Zengniß. bes Plato überwiegen ,; wenn man 
auch daran nicht einmal denken wollte, daß eine folche 
werabredete Zufammenkunft der Weifen Griechenlandes 
eine viel genauere Verbindung zwifchen entfernten Staͤd⸗ 
ten, mehr Muße, und wichtigere Bewegungsgruͤnde vor, 
ausſezt, als man annehmen ober vermurhen kann. 
Wahrſcheinlich hat die Nachricht des Herobot, daß alla 
Künftter und erfahrne Männer den Krötus beſucht haͤt⸗ 
ten, zur Erdichtung einer Zufammenkunft der fieben 
Weiſen Anlaß gegeben, 

Eine ſolche Zufammenfunft ift aber, melnem 
Urthelle nach, immer weniger unwahrfcheinlich, als ein 
Gaſtmal in dem Geſchmacke, in welchem ein unbekann⸗ 
ter Schriftftelier , den man faͤlſchlich fuͤr den Plutarch ges 
halten, eins gefchrieben hat. Diefem Schrifiſteller nach 
follte man glauben, als wenn die Weiſen nur in ber 


Abfiche sufammengefpeifet hätten, um fid auf einmal alle 


ihre Sprüche, Raͤthſel und Gefinnungen mitzutheilen 
und vorzulegen. Solche Gaftmäler, an welchen man 
mehr zuſammendachte, als zuſammenaß, find ein offene 
barer Widerfpruch mit den Sitten ber alten Zeit, in wel⸗ 
cher alle Schmäufe , gottesdienftliche Handlungen, und 
zu Ehren der Götter angeftellt, oder doch mit gottesdienfte 
lichen Gebräuchen, mit Opfern, Bekraͤnzungen, fröhfls 
hen Gefängen „ und. felbft mit Spielen und Rauſch bes 
gleitet waren *). Diefen feftlichen Schmäufen, .an 

. 34 wele 


+ Man fehe Mrgendus 11. 3 V. 3. 198. x. 7.437. XI, 
3. 462. p. und bie efhreibungen ber diteften Dichter, 
die hier vorkommen, 








IN 


Fu 


. 16 J ” J Enſtes Buch. 
welchen ſelbſt bie welſeſten Männer rlethen, ſich von der 


bedaͤchtlichen Nuͤchternheit eben fo weit zu entfernen, als | 

vor der ſinnloſen Trunkenheit in Acht zu nehmen, wa⸗ 
ren die: ſreundſchaftlichen Zuſammenkuͤnfte, an welchen 
man glüdliche Begebenheiten der Familie , oder ber 
Häupter. von Familien feyerte, im Zeitalter des Sokra⸗ 
tes noch ſehr aͤhnlich, mie bie Goftmäler des Plato und 
Zenophon beweiſen. Plato war’ In feinen Oeſezen der 
erftere, der wider die wilden Schmäufe, die man an 
Beten zu Ehren der Götter feyerte, und wider die Be⸗ 


rauſchungen, womit fie begleitet waren, eiferte, und er 


and Menedemus führten zuerſt die mäßigen Gaftmäler 
ein, an weichen man mehr für ben. Geiſt, al 


. für den Gaumen forgee, und fi über ernuſt⸗ 


hafte und miffenfchaftliche Gegenflände unterhielt *). 


Dieſe philofephifchen Gaftmäler wurden in Ver Folge in 


allen Seften allgemein, und. bauerten mehrere Jahrhun⸗ 
derte nach Chriſti Geburt fort. Die berühmteften Welts - 


welſen verordneten, baß dergleichen nach ihrem Tode won: 


ihren Verehrern. zur Erreuerung ihres Andenkens gehal⸗ 


ten werden follten; und mehrere fezten anfehnliche Ver- 


mächtuiffe zu Diefer Abfiche aus. Man ſieht aber aus 
bem Arhenäus, daß dieſe Gaſtmaͤler fi in Anfehung 
der Mäßigfelt eben fo fehr von denen der erfin Etifter 


entfernten, als bie fpäten Nachkommen der großen Welt⸗ 
 ..weifen Orlechenlandes den Hauptern Ifrer Schulen UNe 
J dei waren. j 


N ni 








—— 


©) Athen, x. 4. p. 49. Dog. IL, 133. 140. 141. 
N)Vn 


t 





Ueber den. älteften Zuſtand von Griechenland, 137 


Micht bloß aus der jego angeführten groben Bes 
leidigung des Coſtume, deffen fi der Verfaſſer des 
Gaſtmals der fieben Weifen ſchuldig gemacht bat ‚.fchließe 
ich, daß dieſer Verfaſſer nicht Piutarch feyn koͤnne, 
(denn man koͤnnte leicht aus diefem großen Weltweifen 
und Geſchichtſchreiber Fehler anführen ‚die eben fo groß, 
und vielleicht noch größer find, als berjenige, den fein 
falſcher Mamensräger begangen hat,) fondern ich gründe 
mein Urtheil noch auf folgende Bemerfungen, bie mie 
entſcheldend zu ſeyn ſcheinen: 1) Iſt die Schreibart zwar 
nicht ſchlecht, oder unrein; allein fie bat doch nicht die 
Fülle, das Blühende, den Reichthum an glücklichen 
Bildern und Gtleichniffen, nicht die häufigen Anfpieluns 
gen und Anfuͤhrungen auf, und von den größten Dichtern 
feines Volks, welche bie Sprache des Piutarch einem ' 
jeden vertrauten Leſer und Kenner biefes vortreffli⸗ 
chen Schriſtſtellers fo Penntlih machen. 2) Erdellt 
feibft aus Der -Werwirrung, ober geſchmackloſen Un⸗ 
ordnung diefes Aufſazes, daß Piutarch die unförmlichen 
Theile dleſes unausgearbeiteten Ganzen weder gebilder 
noch geftellet babe. Alle Anekdoten, Sprüche, Raͤthſel 
und Gedanken, die in fpäten Zeiten den Griechifihen 
Weifen zugeeignet wurden, find mit fo weniger Vorſicht | 
gefammiet und geprüft, und mit- fo weniger Beurthels 
Iungsfraft über einander hergeworfen, daß ein jeter ver. 
nünftiger Menſch fühlen muß, daß man niemals ſolche 
Gaftmäler und Tifchreden gehalten Habe, oder daß die 
jenigen, die fie gehaften hätten, mit allen ihrem Scheine 
and Rufe von. Weisheit die lächerlichften Pebanten und 
die verächtischiten Tporen geweſen ſeyen. So wenig aber 
Plutar fähig war, weiſe w ei auf eine ſolche unges 


5 reimte 
« f 


’ — — — — 


2 Eifer Zu 
reimte At reden und denken zu loffen, ‘als bie Welſen 


Griechenlands im Gaſtmale bes Ungenaunten thun; eben 


fo wenig war er, glaube ich, fähig, die Sitten der al⸗ 
ten Zelt fo ſehr zu vergeſſen und zu beleidigen, daß er 


die Kleobelina oder Eumetis, eine Tochter des Kleobulus, 
gu elner Tiſchgenoſſinn ber fieben Weiſen, ober zu einer 
| Thellnehmerinn ihres Gaſtmals gemacht haͤtte*). Wollte 


man aber auch dieſes dem Plutarch zutrauen; ſo wuͤrde 


> doch viertens dies unwiderleglich bleiben, Daß ber wahre 


Plutarch die Einmetis nicht für eine Tochter des Lindiſchen 
Kieobulus , fondern für eine Corintherin pielt”*). Ende 


lich und fünftens muß auch dieſes gerechten Verdacht ge: 
gen bie Aechtheit des Gaſtmals erregen, daß des Ver⸗ 
faſſer des leztern nie bes a: erwaͤhnt, über welches Piu- 
 tardy eine ganze Abhandlung gefchrieben hat, und daß 
wiederum Plutarch in diefer feiner Abhandlung nicht ein 


Wort ‚von der angeblichen Zuſammenkunft ber Griechl⸗ 
ſchen Welfen beym Perlander fagt, und den leztern fpgar, 


famt dem Kleobulus, aus ber Zahl ber — ch 
ſen ausſchließt. | 


N Sp em 











* 154. 8s8. 
* VI. 578 zig Ts HT 0 ano. 





Zn 





139 


Zweytes Bud 


Bon der Joniſchen Philefenhie, oder Gr 
fchichte der erften wiſſenſchaftlichen Kennt⸗ 
niffe der Griechen. 


——,s — 





ll. ben riechiſchen Weiſen war Ir Tales von Miles, 
ben Zeugniffen aller Alten zufolge, ber einzige, 
und auch der erſte, ber Über den Urſprung der Dinge, 
über bie Größe ımb Bewegungen bimmlifcher Körper, 
über die wichtigften Erſcheinungen der Rasur‘, endlich 
über fich felbft und bie menſchliche Seele, Beobachtun⸗ 
gen und Unterſuchungen anzufteffen , und vielleicht auch 
die erſten Gruͤnde der Meßkunſt zu legen anfing*), Er 
wurde daher in der Folge der Water ber Griechiſchen 
Philoſophie, und Das Haupt derjenigen Männer genannt, 
die das Forfchen der Natur zur einzigen, ober Dach zur 
SHauptbefchäftigung ihres Sehens machten. Man gab 
ihm und feinen Nachfolgern den Namen ber Joniſchen 
Woelxwelfen, weil Thales ſelbſt, und die beruͤhmteſten 


Maͤn⸗ 








— — — — 


*) Man ſehe Ariſt. 1. 3. Sttabo XIII. 942. Cie. LI de 
- Nat. Deot, auch Plutarch i im Leben des Solon. 





— 
- , } , 
’ . 4 


er 


oo. Bwepted Buch ·. 


| Männer, bie feinen Fußſtapfen folgten, in Joniſchen 
Staͤdten waren gebohren worden *). 


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Dieſer erſte Lehrer und Erfinder wiſſenſchaftlicher 
Kenntniſſe machte feine Gedauken weder in profaifchen 
Werken, bie.man zu feiner Zeit noch nicht kannte, noch 

\ . en / auch 


. 4 . . 
. ..- 3 “ " 2 
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———— —— — GER 


Wi 








H Eigentlich follte man nur ben Thafes, Anaximander und 
AUrnaximenes alte Sonifhe Philefophen nennen, Der 
a erfie wurde, wie ich in der Folge beweifen werde, wahrs 
ſcheinlich in der acht und dkeyßigſten, und der andere 
in der zwey und vierzigfien Olympiade gebohren. Ueber 
das Zeitalter des Anaximenes finden fi in verſchiede⸗ 
nen, ja fogar in den felbigen Schriftftellern, ganz wis 
derfprechende Nachrichten. Nah dem Diogenes foll 
er erft um die 63ſte Olymp. gebohren, und doch fchon 
vor feinem Lehrer zur ga der Einnahme von Sardes 
| geſtorben feyn U. 2. Suidas fezt.feine Geburt in bie 
4.7. fünf und funfzigfte Olympiade, welches Datum aber 
mit der Zeitrechnung des. Anaximander, ben er nad 
denm Ariſtoteles hörte, unvereinbar iſt. Am wahrfcheins 
| Ulichſten alfo. jind die Angaben des Eufebius und des 
2° Merfaffers ber DiAocodaperz, woson ber erftere den 
Aunfang des Ruhms des, Anarimenes in Olymp. 56. 2, 
und derandere feine Bluͤte indie sg DI. fezt. Wenn man 
diefe Zeugniffe gelten laͤßt, oder auch felbft den Suidas 
folgen will; ſo muß man es für unglaublich halten, 
daß Anaxagoras, ver DI. 70. 1. gebohren wurde, ein 
Schüler des Anaximenes geweſen fey. Arijloteles 
"nennt den leztern auch nie, ſondern vielmehr ben Her⸗ 
motimus von Klazomene, eich Lehrer des Anaxagoras, 
Ser auch einen ganz andern Meg einſchlug, als die. drey 
erften Weltweifen aus Milet betreten hatten. Auf 
N den Anaxagoras folgten Diogenes von Apollonia, und 
N Archelaus von Athen, , unter welchen der leztere ganz 
Eu unbedeutend. tft.“ In Anſehung des erftern verweife ich 

auf nieine Hiſtoria doctrinae de vero Dee p. 373. 


+ ° " et 


LS N j ] 








Bon der. Joniſchen Philoſophie. 141 
auch in Gedichten allgemein befannt *); fonbern er legte 
fe vielmehr in vertrauen Unterredungen in den Buſen 
B 37 dns 


\ 





nr XXCO) 


Dies kann man mit der größten Gewißheit daraus ſchlie⸗ 
Ben, daß Ariſtoteles von feinen Meynungen allenthal⸗ 
ben als von ſolchen redet, die nicht durch Schriften ih⸗ 
res Erfinders, ſondern durch Ueberlieferung fortge⸗ 
pflanzt worden, und daß Plutarch der erſte iſt, der 

eines Werks des Thales erwähnt, aber auch zugleich 
an der Aechtheit deſſelben zweifelt, (De Pythlao Ora- 
sulis Vli. 585. Ed. Reiskli.) Diogenes hingegen, 
Simplicius und Stobaͤus ſchrieben die Werke, die man 
dem. Thales untergefchoben hatte, als alte Denkmäler 
des erften Griechiſchen Weltweifen aus. Die Echriff 
bes Anaximenes, deren Diogenes von Laerte ermähnt, 

31. 2. war gleichfalls unächt,, wenn anders diefer Com⸗ 
pilator ein richtiges Urtheil über fie gefällt hat. Gie 
foll nämlich in einer einfältigen bilderlofen Sprache abs 
gefaßt geweſen ſeyn, dergleichen man von einem Zeite 
genoffen bed Pherefydes nicht erwarten Pann. 


In Anfehung der Schrift des Anarimander Über - 
1 die Natur der Dinge, von welcher Themiſtius Otat. 
XX. ſagt, daß ſie die erſte geweſen ſey, die man in 

Griechenland zu ſchreiben gewagt habe, bin ich unge⸗ 
„wiß. Wider ihr Alterthum koͤnnte man anführen, 
daß alle Griechiſche Schriftfteller ohne Ausnahme ben 
Pherekydes, der fpäter ald Anarimander gebohren _ 
wurde, für den erften Proſaiſten erflären, welcher ' 
ubͤͤber die Natur der Götter und Dinge gefchrieben habe. 
Gegen diefen Grund läßr fi aber einwenden, daß 
ungeachtet Anaximander einige Olympiaden älter als 
Pherekydes war, er doch deßwegen fpäter als der lez⸗ 
tere fein Buch befannt gemachthaben koͤnne. Hiezu. 
koͤmmt noch ferner, daß mehrere Schriftfteller, und ums 
ter diefen-ein alten, ein Werk des Anarimander atiss 
druͤcklich anführen, oder doch feine Meynungen pers 
zählen, als wenn fie fie aud einer Schrift dieſes Man: 
nes genommen hätten, apellod. ap. Dios. Il, 2, 
2 Simpl. 








XX 


| M \ 
14i Zweytes Bud, 
einiger Freunde nieder, in denen er Siebe zur Wahrheit 
und Fähigkeit, die ihnen Anverttaueten‘ Kenntniffe zu. 
bewahren und zu erweitern, gu finden glaubte. Er 
teilte fich aber vorzüglich dem Anarimanber mit, der 
wiedernm dem Unopimenes eben den Dienft feiftete,, dem 
Thales ihm erwieſen hate. Die Altern nennen daher 
den lestern einen Schüler des Anarimander, fo wie ben 
Anaximander einen Zuhörer des Thales. Man muß 
ſich aber durch diefe in! Grlechiſchen und Römifchen 
Schriftſtellern fehr gemößnliche Arsen zu reden nicht ver» 
führen laffen, zu glauben, als wenn Thales folche lehr⸗ 

: Stunden gegeben, oder eine ſolche Schule errichtet hätte, 
als Plato, Arifloteles und andere ſpaͤtere Weltweifen in 
" Athen eröffneten. Der eigentliche höhere Lehrſtaud, der 
ſich der Bildung des Beiftes und Herzens von Juͤnglingen 
- und Männern ganz witmete, entftand faſt ‘ein volles 
Jahrhundert nach dem Thales im Europäifchen Griechen 
= u lande. 








ιαα eam 
Slupl. In Phyf. Auſe. Arlfot. Fol. 6. a. fol. 32. b. 
Plut. ap. Euſ. 1.8, Daß dieſe Gelehrte alle daffelbige 
Buch vor fich yehabt Haben, erhellt aus der vollkomm⸗ 
nen Uebereinfiimmung der Lehren, die fie bem Anaxi⸗ 
mander zueignen, und die auch denen german. entfpres 
chen, welche Nriftoteies dem Freunde des Thales zus 
— ſchreibt. Wenn es aber auth jemanden um diefer 
Betrachtungen willen wahrſcheinlicher vorkommen ſollte, 
daß Anaximander einen kurzen Adriß feiner Gedanken 
hinterlaſſen habe; fo muß man doch wenigſtens bie 
übrigen Schriften, die Suidas unter dein Worte Anaris 
mander diefem alten Joniſchen Weltweifen zusignet,-für 
untergeſchoben halten. Denn Apollodor, Themiſtius 
und Diogenes wußten alle drey nur von einem ein⸗ 
‚sigen. Buche, das ben Namen des Auaximander 

.. Big. | j ’ » 
j 1 








Bon ber Doniſchen Philoſophie. 143 


lande. Die alten Griechiſchen Sophiſten waren bie erſten, 
die einen jeden ohne Unterſchled fuͤrs Geld unterrichteten; 
und die Zuhoͤrer des Sokrates waren wiederum die erſten, 
die das Handelnde Leben verlteßen, und ſich von oͤffent⸗ 
lichen Geſchaͤften zuruͤckzogen, um ſelbſt deſto ruhiger 
ſorſchen, und ber jugend an beſtimmten, meiſtens oͤf⸗ 

fentlichen Plaͤzen, alle Arten von Wiſſenſchaften vortra⸗ 
gen zu Fännen, 

Wenn man das Zeitalter der älteflen Joniker mie 
denjenigen Zeitaltern ‚vergleicht, in. weldyen ber größte 
unter den Griechifchen Dichtern, und die erften Erfinder 
und Fortbilder aller Künfte lebten; fo wird man mie 
Erftaunen gewahr, daß die rohen Anfänge von Wiſſen⸗ 
ſchaſten ſich in Griechenland fo fpät, und viele Menſchen⸗ 
alter nachher zeigten, da die Künfte ſchon einen nicht Ges 
ringen. Grad der Vollkommenheit erreicht harten. Diefe 
Bermunderung wird aber um viele Grade vermindert, fo 
bald man ſich beſinnt, daß dies nicht bloß unter, ben 
Griechen , fondern auch unter andern Voͤlkern ge 
fehehen , und baß es dem Dienfchen immer viel ſchwerer 
geworden ſey, fich felbft und die Natur gu erforfchen, 
als fie in herrlichen Werfen nachzubilden und zu verfchd« 
nern, Unter den Römern und Arabern gingen bie Kuͤnſte 
gleichfalls lange vor den Wiſſenſchaften vorher; und bey 
der Wiedergeburt von beyden im funfzehnten und ſechs. 
zehnten Jahrhundert folgte die wahre Reinigung und Er, 
hebung der leztern den vollendeten Künften erfl in einer 
langen Entfernung nach. Selbſt diefe fpäte Entſtehung 
ber wiffenfchaftlichen Kenntniffe aber in einem Zeitalter, 
In weichem die Griechen ſchon Jahrhunderte durch mit 
den am meiften gebildeten Nationen bekannt waren, und 

dieſe 


PERL 


14) Zweytee Vud. 


dieſe auch ſchon lange in allen Künften ereiät u und iber- 
eroffen hatten, ferner Die longbaurende Kindheit. der Grie. 
chiſchen Philoſophie, ihr langſames Wachsthum, und 
Rendlich bie unverwerflichſten Nachrichten zuvetlaͤſſ iger 
Schriftſteller, nach welchen bie größten Erfindungen von 
foichen Männern gemacht worden find, bie niemals Grie- 
chentand verlaffen haben, beweiſen olle, daß die Griechen, 
“einzelne Handgriffe und Beobachtungen ‚ausgenommen , 
‚ Reine Wiſſenſchaft unter irgend einem Volke, mit. wel⸗ 
chem fie Gemeinſchaft hatten, in einem bluͤhenden Zu⸗ 
ſtande gefunden, und nur in ihre Vaterſtaͤdte uͤbergetra⸗ 
gen haben. Denn wären. die Phönicier oder Aggpprier 
die Beſizer von fo vielen. Wiſſenſchaſten geweſen, als 
. man nad) den Zeiten des Alexander zu glauben anfing; 
“ fo. würden diefe früher nach Gtiechenland gefommen , und 
nicht die erften einfachen Grundfäge derfelben vom Tha⸗ 
les erfunden, ſondern der ganze Vorrath von Entdeckungen 
vieler Jahrhunderte würde auf einmal von den Vorfahren 
des Thales, die aus Phönicien abflammten ‚oder von den 
‚Griechen , bie feit den Zeiten des Pfammerichus Aegyhpten 
befucht hatten, ins Griechiſche Afien verpflanze worden 
ſeyn *). Wenn man aber auch zugeben wollte, was 
wider bie ausdrüdlichen Zeugniffe der größten :Schrifte 
| fleller Yu, daß Thales alle kine © Gedanken aus den 
Wer 





.# Ich habe den gemeinen Wahn: daß bie Griechen ihre 
Wiſſenſchaften von Afiarifchen und Afrioaniſchen Vol⸗ 
kern empfangen haben, in.meiner Gefchichte ver Lehre von 
Gott mweitläuftig unter den Abfchnitten ber Religions; 
‚begriffe der Aegyptier, Phänicier und Indier widerlegt. 
Weiter unten werde ich die Zeit und Urfachen der Ents 
ſtehuns des gemeinen Irtthumẽ anzeigen. 


._ 








Von der Joniſchen Philoſophie. 145 


Werlen ober dem Umgange ber Weiſen des einen ober 


des andern biefer Mötfer geſchoͤpft habe; fo würde man. 
doc) alsdenn menigfiens geſtehen müffen, daß die Kennt. 


nifie der leztern hoͤchſt eingeſchraͤnke geweſen ſeyen, well 


ſaſt alles Wiſſen des Thales ‚ und feiner erſten Nacıfol. 


ger nicht in wichtigen Beobachtungen, und In ſcharfſinni⸗ 
gen aus Beobachtungen gezogenen Schluͤſſen, ſondern in 


ungluͤcklichen, oder vielmehr wilden Vermüthungen ber | 


Rand, Yon denen man kaum begreift, mie Männer ‚bie 
alle ihre Zeitgenoſſen an Talenten und Durft nad) Wahr, 
beit übertraffen , fie glauben konnten, und nicht vielmehr 
durch den flüchtigfien Blick auf ſich ſeibſt und die Natur 
davon perüfgebracht wurden. - Biel natürlicher, und 
ber Oefhichte ſowohl, als dem Bange des menſchlichen 
Gelſtes gemäßer iſt es, anzunehmen, daß weder die Ada 


hicier noch die Aeghptier auf eine folche Art zu rathen, 


det zu irren im Stande geweſen, als man uns von den 
een Jonikern erzaͤhlt, und daß Ihnen im Zeltatter des 
Tales, wo fie in Anfehumg der Künfte weit hinter ben 
Öriehen zuruͤck waren, ſolche Fragen gar nicht einmal 
In den Sinn gefommen feyen, dergleichen der Milefifche 
Weltweiſe aufjumerfen, und zu beantworten wagte. 


Wenn man einem fharffinnigen, aber mit ber e— 
ſcichte des menſchlichen Geiſtes nicht genau bekannten 
Manne die Frage vorlegte: auf welche Gegenſtaͤnde er 
gaube, Daß die erſten Denker vorzüglich ihre Aufmerk⸗ 
fmfeit gewande haͤtten, oder don welchen Fragen und 
Unterfachungen fie außgegangen wären; ſo wuͤrde ein fol. 


Ger allem Vermuthen nad) den. erften Suchern der Wahr⸗ 


bit mancherley Beratungen gueignen, - von benen bie 


Se . 


. 


ur Zu 


pr 


146 " Boote Bu. 


Geſchichte zeigt, daß fie fich ihnen niemals geräte ha. 
ben; und hingegen an diejenigen, anf die fie wirklich ger | 
‚falten find, vieleicht gar nicht, oder am ffäteften den 
ten. Einem gluͤcklichen Rather müfte ſich Feine Vermu—⸗ 
thung eher darbieten, als dieſe, buß man diejenigen 
Wiſſenſchaften zuerſt erfunden habe, die allem Anſcheine 
nach am leichteſten zu erfinden , und den Beduͤrfniſſen 
rölcher Freyſtaaten am meiſten anpaſſend waren, Bey. 
Bes ,; ſcheint eß, kann man vörzuͤglich Von der Staats; | 
und Arznepfunde, der Arithmerit ‚ eigenklicher Sitten. | 
behre, Oekonomie, and von der Kunſt zu überreden bi 
haupten ‚und dieſe Wiſſenſchaften, ſollte man alſo den 
- Een, wären unter den Griechen vor allen uͤbrigen herge⸗ 
gangen. Allein die Geſchichte lehrt, daß bie erſten For⸗ 
ſcher alle diefe Kenntnifſe vernachlaͤſſigt, und Hingegen 
mit den ſchwerſten Unterſuchungen über den Urſprung det | 
Dinge, über die Natur und Klafſen der Goͤtter, übet 
‚ bas Weſen der menſchlichen Seele, uͤber die Größe und 
 Zeiödgungen: himmliſcher Korper, Über die Urſachen gro⸗ 
Ber Erſchelnungen der Natur, endlich über die Verhaͤltniſſe 
und Eigenſchaften gewiſſer Ynien und Flaͤchen angefangen 
haben. So ſouberdar und unerklaͤrlich aber auch dieſer Bang 
des menſchlichen Geiſtes unter den Griechen ſcheinen mag; ſo 
It es doch nichts beits weniger gewiß, daß er Der natuͤr 
ichſte ſeyn muͤſſe. "Denn alle Völker, die ohne fremdeh 
Unterricht, über Natlonalgedichte und fabeihafte Chroniken 
hinaus, "bis zu den erflen Eieimenten roifferifchäftlicher 
Renntniffe fortruͤckten, nicht wenlger Diejenigen , bie von 
aufgeflärten Ueberwindern ode Ueberwundenen belehrt 
wurden; endlich auch ſolche, "die dus einem bluͤhenden 
Zuſtande in umiſenhet. und Bardareh la ſanken, 


haben | 








= 


= Bon der Joniſchen Philoſophie. 147 


haben eben die ſchweren, und meiſtens unergründlichen 
Unterſuchungen, mit welchen die Sriechen anfingen, oder 
doc ihnen ähnliche, am erſten hervorgezogen oder anges 
nommen, oder am länaften beybehalten. Die Aegyptier 
und Ehaldäer hatten nicht nur Ueberlieferungen, und man⸗ 
gelbafte Chroniken von den Schickſalen ihrer Reiche, 
den Thaten ihrer Koͤnige, und den Folgen und Verdien⸗ 
ſten einzelner merkwuͤrdiger Priefter ;- fonbern fie beobach⸗ 
teten auch die Bewegungen und Stellungen der Geſtirne, 
beſtimmten die Laͤnge des Jahrs, und die Wiederkehr 
zaͤhrlicher Feſte, und wagten Vermuthungen über die 
Schickſale der abgeſchiedenen Seelen, und die Seltenhel⸗ 
ten und Eigenthuͤmlichkeiten ihres Sandes, Die Prirftee 
eben biefer und anderer morgenländifchen Voͤlker, ferner 
die Galliſchen Druiden, und in. der Folge Die Araber 
griffen, nach ihren Befanntfchaft mie den Griechen, um 
ter allen ben Kenntniffen und Wiſſenſchaften, welche die 
leztern ihnen darboten, nach denen am gierigſten, welche 
am fruͤheſten waren erfunden werden, und Fragen alſo 
über dem Urfprung der Dinge, über die Oroͤße der Welt, 
über bie Revolutionen der glänzenden Sphaͤren, die fie 
ofs die Regiererinnen ihrer Schickſale verehrten, waren 
bie erſten, mit welchen fie ſich befchäftigten *). . Auch 
nach der Zerſtoͤhrung des Abendlaͤndiſchen, und dem Vers 
fall des Sriechifchen Reichs blieben von ‘allen Künften 
und Wilfenfchaften, die allmaͤlich ausftarben, nur die 
unnügeften und. ſpizfindigſten Unterfuchungen , und zwar 
meiſtens diejenigen uͤbrig, welche die Neugierde ber Grie⸗ 

K 2 ben 


«nis 
TS 








— — 
=, Weber dieſe Saze ſehe man die erſten Abſchuitte meiner 
Be der Lehre von Ge 


J 


yo 


148 BE Zweytes Buch. ' 


chen zuerft auf ſich gezogen hatten. Kine jebe dieſer Er⸗ 
fheinungen muß ben aufmerkfamen nachdenkenden Beob⸗ 
achter daran erinnern, wie natuͤrlich oft dasjenige ſey, 
was ung am unnatuͤrlichſten ſcheint, und wie leicht man 
fich verwirren koͤnne, wenn man, ohne ber Geſchichte zu 
folgen, bloß unter ber feitung eigener Vermuthunqgen 
fiber die Wege und Richtungen des menfchlichen Geiſtes 
ju vernünfteln ſich unterfängt. = 
So wie Hefisbus fid) vom Homer vorzüglich barinn 
unterſchied, daß er außer. den Geburten und Zeugungen 
per Goͤtter, auch die Entſtehungen einzelner Theile der 
Natur beſang; ſo unterſchieden ſich die aͤlteſten Joniſchen 
Weitweiſen, “deren Philoſophie gleichſam aus vaterlaͤndi⸗ 
ſcher Dichtkunſt ausfloß, und damit verſchwiſtert blieb, 
vom Heſiod wieder dadurch, daß' ſie nicht bloß den Un⸗ 
ſprung der Erde, Luft, Berge und Meere, ſondern auch 
die Entſtehung aller Dinge aufſuchten *), daß fie ferner 
B | 2 | ganz 


J x - J 2* 
Rn 











——— — — —— 


© Man kann immer zweifeln, ob Heſiodus von allen himm⸗ 

liſchen Körpern geglaubt habe, daß fie entflanden ſeyen. 

Wenigſtens erwähnt er in ſeiner kurzen Kosmologie ber 

Eutſtehung ver Sonne, des Mondes, und einzelner 

EGeſtirne nirgends, ungeachtet er v. 108 und Iso fagte: 

BHATE OS TE RAWTa Yeoı nacs Voss "Yevovzo. 

sen TE Auunstiavro nes BEVOS wUugos 

tn \ URELJTEN. 

| Wahrſcheinlich hielt er die Sterne flr Pleine glänzende 

“ Richter oder Flammen, die am Himmel befeftigt wären; 

\ * den Himmel aber gewiß-für einen Sohu der Erde, der 
a ihr gleich fen. . . " 


Yon TE TO. TERToy MEY SYENATO ı00y daury 
aeœvoy 517 11.7° Sue 





. 1 





Bon der Joniſchen Phlloſophie. 149 


sang beftimme den Urſtoff angaben, aus welchem ‚\ihrer 
Meyaung nad), alles. hervorgegangen war, unb daß fie 
zugleich die Kraft oder Kräfte nannten, durch welche alle 
Weſen aus. der erften Grundmaterle Bervorgebracht 
worden. = 

Wenn Hefiodus gefungen hatte, daß das Chaos 
zuerſt enıftanden fey, ohne die Natur diefes Chass zu 
befimmen, oder ben Stoff und bie Kraft anzugeben, 
woraus und wodurch e8 ıpirflich geworben; fo nannten 
Thales das Waffer, Anopimander eine gewiffe Subftang, _ 
bie feiner als Waſſer, .aber dichter als Luft fen, und 
Anarimenes die $uft als dasjenige Grundweſen, aus wele 
dem die Welt und alle Dinge in der Welt erzeugt wor⸗ 
den, und in welches alle Dinge auch wieder aufgelöft ' 
würden. Anarimander befchrieb feinen nameniofen Urs 
Rof als eine unendtiche görtliche Natur, bie weder ente 
Randen, noch dem Untergange unterworfen fey; welche 
Vorzüge Thales wahrfeheinlich bem Waſſer, und Ana⸗ 


Finenes gewiß der Luft beylegte. Die wirkende Urfadhe, - .. 


die aus dem ewinen Grundſtoffe alles gifchaffen habe, bes 
fürieb Thales als eine felbftändiga bewegende Kraft, die 
er wahrfcheinlich Seele nannte; Anoximander hingegen. 
ſand fie In zwoen entgegengefesten Kräften, der Wärme . 
und der Kälte, wovon er die eine als Urfiche der Entfie 
hung, die andere als Die Urfacye der Aufloͤſung aller 
Weſen anſah. Allem Vermuthen nach ſtimmt Anopie 
menes über diefen. Punct mit ſeinem lehrer uͤberein 9 


K 3 ©. 


ED ——— — — — — ⏑ 


* de Beneislfen finder m man in meiner Hif. doAr. de 
Deo p. II. 8. 





40 


150 | gZuweytes — 


So wie Hefiodus Himmel und Erbe, und ſelbſt | 
bie Goͤtter, aus oder nach dem Chaos enrflehen ließ; 
eben fo. glaubten auch die Joniſchen Ppitofophen, daß 
‚alle görtliche Naturen aus der ewigen Materie, bie ein 
jeder . vertheidigte, eutſprungen ſeyen. Thales fagte, 

| daß alles mit Goͤttern oder Dämonen angefuͤllt fen, ohne, 
fo viel wir wiffen. die Geſtalten, Vollkommenheiten Ä 
und Geſchaͤfte diefer übermenfchlichen. Wefen zu beftime 


men. Encweder glaubte er alfo mit dem Heſiod, daß 


viele Tauſende von Daͤmonen vom Jupiter über alle 
Theile der Erde zerſtreut, und zu Hoͤtern der Menſchen 
geſezt worden *); oder er war auch in der Meynung, 

bie man faft unter allen unaufgeflärten Völkern wieder- 
. finder, daß naͤmlich in einem jeden Gegenftande geheime 
. anfihebare goͤrtliche Kräfte, ober wohlchätige und feind⸗ 
felige Gortpriten wohnten. Anarim manber hiele die Goͤtter 
nicht nur für entſtanden, wie Heſiod und Thales, ſondern fogar 
auch für ſterblich. Er behauptete, daß aus der unendlichen 
unbeflimmbären Natur, unzählige Welten und Geftirne, 
die er für Goͤtter erfannte, abgefondert, und nach lan⸗ 
gen Beitcäumen wleder in ihren Urftoff aufgeföfet 

würden **). 


Se wenig bie Gedanken der erſten Weltweifen 
Griechenlandes über den Urfprung der Dinge und Soͤtter 
ſich von denen des Hefiodus unterfchledei-, und über fie 
.. erboben;- fo’ roh, und mit den Vorſtellungen vieler 
J widen Bat Hbereinftimmend waren Ihre Örundfäge 

| | über 


— — — — ö— — —— — — | 


®) Oper. & ı DI sv 127, 20. 2. . 
“) Dan fehe bie angeführte Schrift am angeführten Orte. 





N 
Von der Joniſchen Yhiloſophie. .ugı 


üben die Natur der Seelo, und uͤber die Entſtehungsart 
der Menfchen und Thiere. Thaleg hielt die gange Welt 
für befeele, und die Seele feib für sine. bloß bewegende 
Kraft, die fi nicht nur in Menſchen und Thieren, und 
in den Oewaͤchſen der Erde, fondern aud im Magnete 
und im Bernftein finde, Was Anarimander und fein Zu⸗ 
börer über Die Seele gebacht haben , iſt eben fo ungewiß; 
ala es. wahricheinlich iſt, daß der erftere und fein. Lehrer 
alle Thiere aus dem Waſſer, aber aus einer fetten fchlei« 
migten Feuchtigkeit entftanden, geglaubt haben. Plu⸗ 
tarch eignet wenigſtens dem Ansrimanber bie Behauptung 
zu%), daß die Menfchen eine Zeitlang im Waſſer und in 
Fiſchen, Die er deßwegen die Bärender Menfchen nannte, _ 
ernährt , und. alsdeun aufs trockene Land geworfen worden, 
wo fie fich ſelbſt fortgeholfen hätten +), 

Solche Danner nun, die entweder Waſſer ober 
Sufe, oder eine zwifchen benden. llegende Mitteinatur füy- 
den Grundftoff ‚ und eine oder mehrere unnerftänbige, 
"nice nach Abſichten wirkende bewegende Kräfte, für die 
erfie Urſache aller Dinge erklaͤrten, die Die Seele für ein, 
bloß bemegendes,, und den Menfhen mit, alen Tieren, 
Pflanzen und ſelbſt mit Steinen gemeinfchaftliches De 
fen bielten ‚„ denen ferner bie Shiere Zeugungen einer. 

K4 fe. 

— — ——— — — 


Ylel. e. 





“r) Pherekydes wird allgemein fuͤr deu. erſten erklart, der 


die Unſterblichkeit der Seelen in Griechenland verkuͤn⸗ 
digt habe. (Cie. Tufe. Quast, I, 16.) — Wahrſchein⸗ 

. "lich aber muß man ftatt Unfterbfihfeit Sesfeuwanderung, 
fen. Denn die Fortbauer der Seele nad} dein Tode wurde 
durch alle heilige Fabeln und Mufterien ber Volt sreli« 
gion lange vor dem Pherefybes gelehrt. 


ET gðeytes Yu“ 

| feuchtbarin, aber empfindungsloſen Feuchtigkelt, Men⸗ 
ſchen Beburten von Fifchen, und ſeibſt goͤttliche Natu⸗ 
"ren Wirkungen einer vernunft / und" empfindungsloſen 

Subſtanz zu ſeyn ſchienen, die endlich nicht nur an uns 

zählige entſtandene, fondern fogar an fterbliche Gott⸗ 

. heiten glaubten , und die Geſtirne ſelbſt, wie ich gfeich 


zeigen werde, für bergängliche Ruinen eines von ohnge⸗ 
fähr entftandenen, und durchs Ohngefaͤhr zerbrochenen 


Achtskreiſes anſahen, ſolche Maͤnner nun konnten ſich 


unmoͤglich zu dem Gedanken eines uͤber alles maͤchtigen, 


weiſen und guͤtigen Schoͤpfers, oder Ordners und Erhal- 
ters der Welt erheben, weil ſie weder die erſtaunliche 


Größe und Schoͤnheit, noch die bewundeinswuͤrdige und 
unbegreiflihe Ordnung , Zweckmaͤßigkeit und Abſicht in 
den Werken der Natur erfannten, durch deren Wahrneh- 
mung allein die forfchende. Vernunft zur Vermuthung eis 
nes unfichtbaren Urhebers aller Dinge hinaufgeleitet wer« 


den kann ” 

\ 
on Man 
*) Sp muß man aber die aͤlteſten Jeniſchen Weltweiſen ur⸗ 
theilen, wenn man dem Ariſtoteles und andern zuver⸗ 
läff:gen Geſchichtſchreibern folgt. Man kann alſo 
‚ohne Bedenken alle die ſchoͤnen S pruͤche, die dem Tha⸗ 
les vom Diogenes, dem Verfaſſer des Gaſtmals ber 
fieben Weifen vom Clemens von Nierandrien, und 
vom Johannes Stobaͤus zugeeignet werden, ald erdich⸗ 
tet verwerfen, weil fie den Achren Meynungen bes Tha⸗ 
led und feiner Nachfolger ſchnurſtracks widerſprechen, 
‚ und unläugbare Spuren Platsnifcher, Ariftotelifcher 
und Stoifcher Phifofophie an fih tragen. Dergleichen 
find folgende: daß Gott dad äitefte unter allen Werfen, 
ohne Anfang und Ende, und die Welt bas (chönfte 
Wert der Gottheit ; 5 daß die Gottheit nicht nur die 
| " Sands 


o 











— 





J 
v 


Bon der Joniſchen Philoſophie. 333 

- - Man voumbert fi) um befto weniger, daB bie 

älteften Joniker fi) von den Schilderungen der Dichter, 
vnd den Begriffen des Volks fo menig entfernten, wenn. 
man ihre Ausfprüche mit den Fragmenten des Pherekydes 
über Die Natur der Götter und der Welt vergleicht 
Diefer alte Gottesgelehrte, wie die Griechen ihn nann⸗ 
ten, redete oder fang vielmehr von den Geburten und 
Schlachten ber Götter, wie Homer und Hefied; von ber 
liebe des Zeus und der Erde, von den Wohnungen des 
Ogens, oder des Oceans, die Jupiter gebauet, und von 
dem ſchoͤnen Gemande, das biefer in eine beflügelte Eiche 
Bineingearbeitet hatte *). Er unterſchied fid) vom Homer 

= Ks .” und 





U I 1 


Handlungen der Menſchen, fondern auch ihre Gedan⸗ 
fen erkenne, daß Gott der erfie Beweger bes Ganzen, 
und fein Wille ewiges Gefez, und unüberfteigliche 
Porpwendigeeit ſey. Man ſehe Stanley S, 2. de 
sl, | 








9) Aria uoy ra zug TV ONE OHOTE, Ko TOV’ 
Amvos nos TNV XTovimm, NO TOV EVTETOIS ECWT Ob 
au nv ODrovans Yavasıy, nous Tav Jeay naynw 
xos vo devdeov nu To wenAov. Max. Tyr. 
Diff. XIX. p. 304. Ed. Dar. Canteb, 1703... Zur Er⸗ 
laͤuterung diefer Worte dienen folgende Stellen, bie 
in der eben angezeigten Ausgabe angeführt werden, 
Ceifus ap. Orig. Lib, VI. p 303. Drros Pecçexu- 
Inv — nudoreiiay senTraV SenTIE MALRTATE 
Tonevnv , Kaı Tys mev n'yanavas Koovov didovass, runs 
treoos de ODsovsa' meonAngeıs Te na amıAAdS 

aurav isoger. Clem. Strom, Lib. VI. p. 448. 

Degexudns 0 Zugios Acyeı. Zus zoisı Dorgos meyaa 

TE nas HEADYV, Kos 39 AUTO MomıAAE Yan wo 

Dynvov, no Ta ya danera: iſid. sp. .. 
482, 


11 U Bez |. 1; ) 7. 2: Pe 

und Hefied bloß barinn, daß er den Jupiter, ben Kro⸗ 
nos und die Erde, bie diefe.für entflanden hielten, für 

ewig erflärte *), und diefen Ausſpruch haste Ariftoreles 

wahrfcheinlich im Sinne, wenn er.**) fagte, daß Phe⸗ 

rekydes nicht, wie die aͤltere Dichter gefabelt, und daß 

er die erſte zeugende Urſache für das Beſte und Vollkom⸗ 
menſte gehalten habe ***), - 

| Mach den Kragen über ben Urfprung ber Welt, 


der Menfchen und Thiere, und über die Matur der Seele 


fcheinen die älteften Griechiſchen Weltweiſen ihre Auf⸗ 
merkſamkeit vorzuͤglich auf die Entſtehung, Größe und 
Bewegungen der himmliſchen Körper, beſonders ber 
Sonne und des Mondes, auf die merkwuͤrdigſten, und 


Be Sinne am meiſten ruͤhrenden Erſcheinungen am Him⸗ 


mel und auf der Erde, endlich auf die Mittel, Groͤßen 
zu beſtimmen, und die Verhaͤltniſſe und Eigenſchaften 
von Linien, Flaͤchen und Figuren zu entdecken, gerichtet 


| "ju haben. Aflein von alten Unterfuchungen ber Joniker 


Ä Aber biefe Prgenftände finden ſich in den Werken alter 


und 


. 
2 . u 





D . 
Br ‚ * 2. - — J ’ .. 9* nn. Den 


462. Kaı gar ya dere Tas vgos Faspives 
Biroaodew ivas nagacı vıewn ÜnumTegos 
us, u ro ER AUTN REROHIAUVOVy Dargas , Kobh 
KANTE oco⸗ Degexudus vAANYogunes e9e0Ao- 
Ynaeın. 

®») Diog. I. 119. augeros de T8 Zus To Te 
BißArv 6 awerygarkev, En gexn, Zeus nevnaun 

. xXeavos als aa, Kai XIwy Mr. 

#8) Pag, 246. Ed, Syib. Gr, Metapb, | 

up! Yeter diefe Stelle febe man HIR, dodr. de ı Deo 
p. 205. . 


4 ! . > . N 


Von der Wonthen plolbehe. 18 


und zuwerfäffiger Schriſtſteller, in benen man dergleichen. 
om erſten vermuthen follte *), fo mehige Uebenbieibieh, 
und in fpätern und unzuperläffigen Befchichefchreibern *%) 
fo widerfprechende Nachrichten, daß man. auch bey deu 
groͤſen Behutſamkeit im Prüfen und Berwerfen doch im⸗ 
mer in Gefahr iſt, fich zu verirren, und dem Thales und 
feinen beyden Nachfolgern etwas abzuſprechen, was ihnen 
zugehört, ober etwas zusufchreiben, 1098 fie vicht bes 
hauptet Haben. . Man mog aber zum Grunde legen, 
welche Zeugniffe man will; fo muß man immer. gefteben, 
bog ihre Kenntniß bes Simmels , und ihre Masurfunde 
eben fo mangelhaft und unvollfländig als ihre übrige 
Dhilofophie war „und Bag Männer, Die fo dachten, we⸗ 
der von den Aegyptiern, noch Phoͤniciern vieles gelerant | 
haben koͤnuen. 
Man 


RIED 





DK ⸗ 


” Dergieihen ſind bie Bücher des Ariſtoteles de Gorle, 
und ſeine ‚Metegtr. in welden er, wie in feinen ährte 
gen Foriſten- gleichſalls ein genauer Geſchichtſchreia 

er iſt. 


“ Dergleihen find ber Verfaffer des efenden Buches de 
placitis philofopherum, bet falfche Drigenes, Stos 
bäus, Diogenes, Proklus, und felbft auch Cubemus 
den Proklus und Simplieius häufig anführen, und 
der die Geſchichte mehrerer marhematifcher Wiſſen ſchaf⸗ 
ten geſchrieben hatte. Er lebte, wie ich aus dem Sim⸗ 

licius ſehe (in Phyf. Aufe, Arifi.g& f. b.) vor dem 
— **— Aphrodiſaͤus, und iſt 9 wahrſcheinlich ei⸗ 
nerley mit bein Eudemus, der ein Zeitgenoß des Galen 
„war. Siehe 1. 15.4 Jonf de feript. hift. pbtl. Am 
Zeitalter dieſes Geſchichtſchreibers waren den aͤlteſten 
Weltweiſen, beſonders dem Thales, ſchon viele Buͤcher 
untergeſchoben ‚und aus ſolchen ſcheint er, ben genauen 
„Detail der Erfindungen genommen zu haben, die ek 
nnd aus ihm Proklus den Thales zueigneten. 





— 


eo 


16. Biweptes Buch. 


Man darf nur allein die Vermuthungen bes Ana⸗ 
‚ pimander über bie Eatſtehung der Geſtirne, wie Plutarch 
fe beſchrieben Hat *) , nachleſen, um ihre ganze Art zu 
benfen fennen zu lernen, und ſich zu überzeugen ,. daß 
man in den Gedanken Biefer erften Naturforſcher nicht 
“ einmal Annäherung zur Wahrheit erwarten fönne, ‘Dee 
Stünger des Thales behauptete nämlich, daß fidh um den 
Dunſtkreis der Erde, ein aus dem unendlichen Urfloff 
entftandener Feuerzirkel hergezogen, und ihn eben fo, wie 
bie Rinde einen Baum umgeben habe. Diefer feurige 
Ming fey auf einmal durch einen Zufall gefprengt worden, 
und aus den Bruchſtuͤcken deffeiben hätten fich Sonne, 
Mond und bie übrigen Geſtirne gebilder, 

- Nach dem angeblichen Plutarch **), bem Johan⸗ 
nes Stobäus faft Durchgehends folge ***), ſoll Thales 
bie Geſtirne, und unter biefen auch Sonne und Mond 
. für Körper gehalten haben, die unferer Erde zwar ähnlich, 
aber doch feuriger Natur wären. Eben biefen Schrift. 
ſtellern zufofge wichen Anapimander. und Anarımeneg }), 
fowoht in ber Beftimmung der Subſtanz der Geſtirne, 
als der Größe der Sonne und des Mondes vom Thales 
ab +). Anapimander fol das Sonnenrad für zwey und 
deerhis, und den Cirkel des Mondes fuͤr neunzehnmal 

groͤßer 


— 

*) Apud Fuſeb. Rrasp. Ev. I. g. 

#*) lIl. 13. de Plae, Phil. 

*oun) p. 53. 86. Bel. phyf. 

$) p. 55. Stob. de Pise, Phil. II. 20. 21. 25. 

Tr). Anaximander foll behauptet haben, (55. so. vieb) 
daß die Sonne ſowohl als der Mond in radfoͤrmigen 
Gehaͤuſen eingefchloffen wären, die aber Defnungen 

hätten, durch welche ihr Licht ausſtroͤmte. Nach 

.. dieſem 


22 








Bon der Joniſchen Philoſophie. 157 


größer als bie Erde, Anorimenes ben Mond und die 
Erde für gleich *), und Thales hingegen bie leztere für 
viele hundert mal Eleiner als ben Mond gehalten haben **), 
Entweder hat Thales nicht auf eine ſolche Ark geirrt, oder 
er hat auch die Sonnen und Mondfinfierniffe nicht auf 
eine ſolche Art erklärt, als ber Verfaſſer des Buchs von 
den Meynungen der. Weltweiſen ſeine Leſer glauben ma⸗ 
den will ***), 

Thales mag übrigens über bie Urfachen der Eklipſen 
gedacht Haben, wie er will; fo war er gewiß der erfie in 
Griechenland, der eine Eennenfinferniß vorher verkuͤn⸗ 
digte +); doch muß man immer bemerfen, daß er nicht 
ganz, genau. die Zeit angegeben habe, - wann fie einfallen 
würde. Kr bielt ferner die Erde für einen platten Körs 
per, der wie Helz auf dem Waffer ſchwimme, und 
deſſen Geſtalt die Urfache ihrer Feſtigkeit und Under ' 
weglichkeie fen. Diele lejtere Meynung nahmen Anaxi⸗ 
menes, Anorageras und Demokrit vom Thales an, und 
auch Znapinander ſcheint ſich nicht weit davon ensferns 


in haben 1) 
Die 


dieſem Sammler p: 53. hielt Anarimanber den Himmel 
-für ein Chryſtallenes Gewölbe, in welchem die Sterne 
wie. Nägel befefligt worden, . Die Träume des erfterm . 
werben von andern Schriftſtellern dem Heraeklit zu⸗ 
‚geeignet. ® 


— — —— 





XXXEXA 2 








5 
wi 2. Diefe Stelle ift verborben. Mau “re Sol. | 


16. 
uns) * Place, 1. 24. 
+4) Ber. 1. 39. 
+}) Ari. de Coelo. Hier wiberfprechen dem Ariſtoteler der 
angebliche Plutarch, und Diogenes won Laerte III. 10. 


de 


160 Zweytes Buch.. 
ob ſie aͤcht find, fo ſehr dieſe Schriſtſteller auch mit ein. 
ander ‚überein flimmen *). Wenn aber auch dieſe 
Meynungen von den Machfolgern bes Thales herruͤhren 

ſollten; fo ſind ſie nur neue Beweiſe deſſen, was ich über 

die Eingeſchraͤnktheit ihren Naturkunde geſagt habe, Indem 
fie Btig md Donner aus Windſtößen oder Feuern able 
töten, deren Entſtehung fie nicht anzugeben muften. 
So unvollkommen aber audı bie erften Werfude 
ber Aſiatiſchen Griechen in der Weltweisheit waren, (9 
merkwuͤrdig iſt es doch (und eben dieſes vermindert das 
Befrenidende diefer Erfcheinung) daß fie vor. der Profe 
"und Geſchichte diefes Volks hergiengen, wovon die er⸗ 
ſtere vom Pherefpdes, einem Eingebohrnen von Syres 
erfunden, und bie andere von zween Milefiern, dem Kad. 
mus und Hekataͤus, zuerfi bearbeiter wurde Beyde, 
ſowohl die Proſe, als die Giſchichte, waren In ihrem et⸗ 
ſten Urfprunge eben fo mangelhaft, als. die Philoſophie 
der Joniker:; beybe bildeten fich eben ſo langſam aus, und 
entferaten ſich aud mit eben fo fehleihenden Schritten 
von ihren Schweſtern oder vielmehr Muͤttern, der Dicht⸗ 
tkunſt, Babel und Ueberlieferung , als die Weltwelsheit 
von Mylhologie und varerländifcher Religion. Die Schreib⸗ 
ark:des Pherekydes ſowohl als des Kadmus und Heka 
taͤus **) unterſchied ſich von der Sprache der aͤlteſten 
| ot F Dh 





| — — — — — * — — 
24 Mehr Glaubwuͤrdigkeit ſcheint Folgende Stelle bes Seneca 
zu haben. Alt enins (Thaler) cerrarum orbem aqus 
fuRineri, &.vehl more navigii, mobilitsteque ejus 
Aufuere tung, eum djeltur tremere, 

, mm) Beyde waren Keitgenoffen ‚und blühten unter der Re⸗ 
gierung des Datius Hyſtaſpes, kurz vor dem Einfall 
dieſes Königs in das Europäifdie Griechenland. Her. J. 

36. 129. . a EL BL Sue 





Won der Joniſchen Philo ophie. 168 


Dichter Burch weiter nichts, als durch bie Abweſenheit 
eines beſtimmten abgemeſſenen Rythmus ®), und na 
bem Urtheil bes Strabo waren die älteften Geſchichtſchrei⸗ 
ber auch eben fo voll von Fabeln und Erdichtungen, und 
eben fo wenig glaubwürdig, als Sommer und Heſiodus 
waren **), | | 
Schon Thales und feine erſten Nachfolger, noch 
mehe aber die Väter der Griechiſchen Profe und Ge 
ſchichte erlebten den Verluſt der Freyheit des Afiarifchen 
Griechenlandes, und folche Vermüftungeh ihrer Waters 
flädte, daß fie ben Verfall des öffentlichen Wohlſtan⸗ 
des, wie der Künfte und Wilfenfchaften voraus ſahen, 
und eine Auswanderung der gröften Kuͤnſtler und weifes 
fien Männer befürchten muſten. Kaum hatte Milet 
ihre Freyheit von dem wahrhaftig edelmüchigen, und fein 
Vaterland mehr, als feine und feiner Familien Größe 
liebenden Thraſybulus ***), wiedergenommen; als fie, 
. | wie 
>) Strab. 1. 37. Bd, Almel, | 
we, XL 774: | 
er, Cr vertheidigte feine Vaterſtabt mit unerſchuͤttertem 
Muthe wider den Alyattes Her. 1. 21. 22, und bes 
freyse fie von einer Belagerung, gegen biefie fichb wegen _ 
. bes äußerfien Mangels an Lebensmitteln nicht lange 
mehr hätte halten Finnen, durch eine Kriegsliſt, die 
einen eben fo gluͤcklichen Erfolg hate, als fie in jenen 
Zeiten fein feyn mochte. Wenn Thrafpbulus, bloß in 
der. Abſicht, Teine Mitbürger, und berem Girer zu 
Werkzeugen feiner ſchaͤndlichen Lülte zu machen. und 
nicht aus edlerer Ruhmſucht und Herrſchbegierde ſich 
der -höchften Gewalt in Milet bemächtigt hätte; fo 
würde er weit entfernt, diefe Stadt von einem fremden 
Joche zu retten, fie vielmehr, wie nachher unzäbltge 
audere 


\ 


63. Beepted Buch. 
wie afle übrigen Griechiſchen Städte auf dem feften Sande 
- (nur die Lyciſchen und Clliciſchen ausgenommen) vom 
 Keöfus unterjacht und ihm zinsbar wurden. *). Wem 
mana aber einen, wie es ſcheint, fehe mäßigen Tribut, den 
dieſer König. ihnen auflegte, - und oielleidht die Verbind⸗ 
lichkeit, mie ihm gegen feine Feinde zu ziehen, auf 
nimmt, fo ſcheint er übrigens weder bie Freyhrit noch 
die Grundverfaſſung ber Orlechiſchen Staaten gelhmi 
"tert. zu haben. Herodot ſagt nicht allein nichts von Auf⸗ 
ſehern oder Tyrannen, die er den Griechen aufgebrungen; 
ſondern er redet ſogar don gemeinſchaftlichen Zuſammen⸗ 
kunften, die fie nach wie vor gehalten, und von freyen 
gemeinſchaftlichen Entſchließungen, bie fie ‚gefaßt hät 
sen Kr). Wapefcheinlich alfe war es mehr Dewogenhelt 
und Dankbarkeit gegen die Milde des Lydiſchen Königs, 
als. Zwang ober Furcht, wenn außer Milet alfe Griechis 
ſche Stäpre ihn Holfavolker wider den Kyrus fchichten “) 
Dieſe Treue und Anhaͤnglichkeit der Afiarifchen Griechen 
an dem Kröfus kam ihnen aber nach ber Njederlage die 
— | J ze # 


Ph 






andere thaten, demſelben aus Allen Aräften zu unter 
werfen gefucht haben, um ſich felbft eine Stuͤze zu 
— und bie Herrſchaft über feine Mitbürge 
| als einen. Lohn feiner Verraͤtherey zu empfangen. 

4 Her. I. 26:28: Kroͤſus regierte bon DL 54. 4 bis 


. 58. 1. a , 7 
au) Selbſt bie freundſchaftliche Verbindung, im welde 
- mehrere der Griechiſchen Weiſen mit dem Rröfns fan 
den, beweift, daß man den leztern nicht als einen X 
tannen verabſcheute, und Dienfte, bie ihm erzeigt min 
—*— nicht für Verraͤthereyen gegen —32 

t a . . I . » u , 

w) Her E76 10 1 





J IJ X 


N 





” 


Bon der Joniſchen Philoſophie. 163 
ſes Könige und dem Umſturze bes Lydiſchen Reichs *) (eby 
heuer zu ſtehen. Wergebens flebten fie um die Gnade **), 
ſich dem ſiegenden Kyrus unter eben ben Riedingungen 
unternerfen zu Dürfen, unter. welchen fie bisher dem Ande 
fus jinsbar gewefen wären. Er antwortete ihnen, daß 
es nun za ſpaͤt ſey, um eben das zu bitten, was fie vor⸗ 
bee, da ed ihnen von freyen Stuͤcken angeboten, much⸗ 
pilig ausgefchlagen Hätten, Er.übergab daher, weil ee 
nach der Eroberung von Sardes in Öberafien zurüch 
ging, um die Babylonier unb andere Voͤlker zu bezwin⸗ 
gen, bie Züchtigung und Unterjochung der Afiatifchen 
Oriechen einigen feiner Feldherren, unter welchen dee 
graufame Mazares Priene nad Magneſia nicht nur von 
Dtund aus zerſtoͤrte, ſondern auch ihre Bewohner als 
Eclaben verkaufte ***). Weil die Phokaͤenſer ein aͤhnli⸗ 
des Schickſal befuͤrchteten; ſo entſchloſſen fie ſich, eher 
Ihe Vaterland ſelbſt zu zerſtoͤeen, und es alsdann mit 
Welbern, Kindern und allen beweglichen Guͤtern zu ver⸗ 
loffen, als ſich dem Harpagus, einem Nachfolger des 
Majares, zu unterwerfen +). Ihrem Beyſpiele folgten ' 
die Tojer, Denn ale die Perfer ihre Mauer srfliegen, 
fen fie ſich in ihrr Schiffe, und wandten ſich nach 
Abdera, deren Bewohner von den Thraclern vertrieben 
worden waren, Ale übrige Stonifche Städte fochten 
) Olymp. Lvm. 
De 
—* — Nach vielen Dranglalen und ausge⸗ 
"übten tapfern Thaten ließen fie ſich endlich in Italien 
und Gallien nieder, und wurden bie Erbauer von 
Elea und Waſſilien. | 





f! 


1] " ir 1 





N 


164. Zweytes Buch. 
gleichfalls ‚mit einem Muthe, den die dußerfte Werzwei- 
felung und bie Furcht vor unvermeidlicher Knechtſchaft 
anter unerbitrfichen Barbaren nur einfläßen fonnte; allein. 
fie wurden: dennoch alle nach einander erobert. Harpagus 
begegnete ihnen aber mit größerer Gelindigkeit, als wor 
mit-fein Vorgänger Priene und Magnefia behandelt Hatte, 
Er ließ weber ihre Einwohner wegführen, noch ihre Wei⸗ 
Ber und Kinder als Sclaven verfaufen *), Am wenige 
fen Widerftand chaten die Karier, fo wie auf der anbern 
‚ Beldte bie weier am wuͤthendſten fochten. Die leztern 

 Hieferten den Perfern eine biutige Schlacht, und als diefe 
ungtüclich ausfiel, fehleppten fie Weiber, Kinder, 
Sclaven und Kleinodien in den befeftigten Thell der 
. Etadt Tanthus **), vwerbrangten alles, was ihnen am 

theuerſten war , ‚verpflichteten ſich burch bie fürchterlich ften 
Eide, ihr Leben von feinem Perfer anzunehmen , und 
fluͤrzten ſich hierauf mit rofender Tapferkeit In den Feind, 
durch deſſen Schwerdt fie alle fielen ***), Faſt eben Las 
taten die Raunier.}), und man fann daher aus dieſen 
- angeführten Nachrichten abnehmen, wie fehr das Aſia⸗ 
tifche Griechenland durch diefe erfte gemaltfame Untere 
werfung unter bie Herrſchaft der Derfer leiden mufte+t). 


Wenn 


959 Idem I. 169. 
‘© ], 176. 
m], 176. 

+) L | 177 . . u nn 

+r) Milet war die einzige Stadt auf dem feften ande, die 
vwerfhont wurde, weil fie fih vor der Niederlage bes 

E Kroͤſus mit dem Perfifhen Eroberer verbunden hatte. 

Der Untergang ihrer Schweftern wurde für fie, mie 

; — 4 für 











4 


Bon ber efoniien Pollbſophi 16 


Wenn man aber bie Verheerungen ausalamt 
welche der Ueberfall eines ven tagen Dorn, und 
a 3 ‚die 


ôö — — 











U U | ⏑ 


fürdie Griechiſchen Inſeln, eine nene Duelle von Reich⸗ 
thum, Handel und Macht. Miler, Samos und Chios 
waren, wie aus ber Folge erhellen wird, nie in einem 
bluͤhendern Zuſtande, als zwiſchen dem Einfalle des 
Kyrus und der Empoͤrung ber Aſiatiſchen Griechen un⸗ 
ter dem Ariſtagoras. 


Ueber das Schickſal der Griechiſchen Infeln- finde 
ich ben Herodat mir ſich ſelbſt und andern Schriftftelt 
lern im Widerfpruh: Einmal fagt er, daß bie Grie⸗ 
chiſchen Inſulaner durch die Grauſamkeit der Perſer gegen 
bie Griechen auf dem feſten Rande wären mm Furcht geſezt 

worden, und daß ſie fich dem Kyrus ergeben hätten (1.169.) 
An einer andern Stelle geſteht er felbft, daß bie Infelbes 
ypet von ben Perſern nichts zu befürchren gehabt 

> Yärten, weil die legtern im Seeweſen noch unerfahren; 
undbie Phonieier ihnen noch nicht unterworfen geweſen 
wären 1. 143. Er ſelbſt nennt viele Infeln namente 
lich, die noch unter dem Darius Hyſtaspes ihre Freyheit 
hatten, und erſt in der Folge von dieſem Koͤnige be⸗ 
zwungen wurden V. zi. u. f Hiemit ſtimmt nicht nur 
dad Zeugniß bes Thukydides, ſondern auch die Des 
ſchichte des Polykrates überein, wie wir fie in eich 
dieſem und andern Geſchichtſchreibern finden. (Her. III. 
39. 41. 139. 149. Thue. I. 13, 14. IL 104. Pille, 
XXXVIL. 1.) . Diefer Tyrann von Samos herrſchte 
sicht nur Aber fein Vaterland, ſondern auch über viele 
andere Infelu, und felbft über Städte auf dem feften 
Laube, und ging gar mit dem Gedanken um, ſich Jos 
nien zu unterwerfen. Er mar anfangs ein Bunded⸗ 
genoß und Gaſtfreund des Aegyptiſchen Königs Amaſis, 
der ihm aber, wie Herodot meldet, die Freundſchaft 
aufkuͤndigte, weil er befuͤrchtete, daß ein ſo anhalkeun⸗ 
des und eerſtaunliches Gluͤck, als dasjenige war, was 
Polykrates genoſſen hatte, nothwendig den Yrid der Götz 
ter esregen, und einen ſcheclichen Yu v3 leiden Dei ” 
Poly⸗ 


— —s — 


zur 


| 6 gZyoeyrei Buch, 


bie harinaͤckige BGegenwehr der Griechen gleich undermelbs 
lich machten, fo wurde das Gcieffal ber leztern unter 
den beyden erften Perfifchen Königen allem Anfehen nach 
gar. nicht, oder nur fehr wenig verſchlimmert. Die 
Aſiatiſchen Städte hingen freylich won den Perfiichen Be⸗ 
ſehlshaber ab, ber. meiftens feinen Wohnſij in Sardes 
hatte: fie,muften ferner, gleich allen übrigen uͤberwun⸗ 
benen Völkern, gewiſſe' Geſchenke darbringen *), bie 
waßrfebeinlich ben Tribut, den fie vorher dem Kroͤſus 


entrichtet hatten, nur um ein geringes überfliegen : end. | 
lich waren fie verbunden, Kriegsoslker , wa, und warn, 
‚ und fo viel ihrer verlange wurben, zu fielen. Allein. 


man nahm ihnen weder. ihre Geſeze, noch ihre innere 
Verfaſſung, ‚man brang ihnen feine Tyrannen auf, und 
erlaubte ihnen fogar, fi) ‚zu perfammien **). Khyrus 
ſowohl als Kambyſes waren zu fehe mit neuen Eroberun« 
- gen und mit den erften nothwendigen Einrichtungen faum 


bezwungener größerer $änder befchäftigt, als daß fie bie 


Beinen Griechiſchen Staaten 1, „die im + unermeßlißer Ent 

fer 

Polykrates bot daher dem Kenbyfes ſeine Dienſte an, 

und ſchickte ihm eine Flotte wider Aegypten zu Huͤlfe, 

die er mit Männern beſezte, von benen er gerne befreyt 

feyn wollte. Den ſchrecklichen Kreuzestod diefes gros 

Sen Mannes Finnen diejenigen, bie ſich von beim Betra⸗ 

gen ber Perfer einen Begriff machen wollen, beym He⸗ 
rodot nachlefen, III. 135 S 
..% Herod, Ill. 89. 


“*) Auf einer folden Verſammlung ber Jonier n war es, ms 
Bias den Vorſchlag that, um des unabwerflichen Joches 
der Perſer willen, Aſien zu verlaſſen, und unter der 
Fuͤhrung der Sonim der Freyheit nach Sardinien zu 
ziehen. J. 170. | 


nen a 











Von der Jeniſchen Phleſoehie. 67 


fernung von ihren Kinigefzen am Außerften Rande ihres 
ungeheuren Reichs lagen, genau hätten kennen, ober ben 
Eatſchluß faſſen koͤnnen, die ihnen eigenthuͤmliche Frey⸗ 
heistiche, und alle aus biefer hervorquillende Tugenden, 
burh vorfichtige Maaßregeln zu brechen und ausjurofs 
tem. So gelinde aber auch die Herrſchaft der beyden 
fen Perfifchen Könige war, fo ſchimpflich und uner⸗ 
ttäglich ſchlen body den @riechen ihre Knechtfchaſt zu feyn. 
Herodet fagt baber, daß die Aflatiſchen Griechen unter 
dem Kyrus zum zweyten mat In die Gelaneren gerathen 
fm, und daß Kambyſes die Jonier und Aeolier ſchon 
als angeerbte Knechte angefehen habe V. 
Untere dem Darius Hoſtacspes, ben man. mıl 
Recht ben zwensen Brünber oder ben Befeſtiger des vom 
Kyrus geftiftesen Reichs nennen fonu **), wurden bie 
 Griehifchen Staaten in Afien viel eingef&ränfter und 
abhängigen, als fie unter deffen Vorfohren geweſen wa.· 
ren, und ihre alte Grundver aſſung wurde gänzlich une 
gefeet und vernichtet. Dieſer ebie Zerſtoͤrer des fhimpfr 
lichen Prieſterreglments, deſſen fich wach bem Tode deu 
Kanibufes die eben fo verfihmigten als kuͤhnen Magier 
bemächtige Hatten, erweiterte feine. Staaten, nicht nme. 
durch Eroberungen in Indien, und durch Die Bezwin⸗ 
gung der Griechiſchen Inſeln ſondern er theilte auch alla 
Ihm unterworfene Laͤnber In zwanzig große Provingen ode 
Gutapien ein, deren jeber er einen ihrer Größe und 
Wehlhabenheit angemeſſenen Tribus. auftegte. Er ba 
fellte ferner. über eine jede Prouinz einen großen Dh 
14 babet, 
Pre: 
91 ı6g I 
re) —RE tegiertt von Ol. LXIV., 4 bislxxi * 





— —— 


Er GE Zu f 


or. Bu Buch. 


ver. ai.» 


—* handhaben, Ruhe erhalten, 34 —34 
treiben, und zum Dienſte bes Koͤniges eine gewiſſe An- 
zahl von Krlegsleuten bereit halten, und an einem gewiſ⸗ 


fen jedem beflimmten Orte liefern. muſte. Endlich ver 
ordnete er über einzelne Stäbte, und Fleinere Gegenden 


Vorſteher, die von dem Satrapen obhängig waren, und 


hahin ſehen muſten, daß nirgends etwas wider das In⸗ 
tereſſe des Koͤnigs vorgenommen, daß ſein Wille allent⸗ 
halben erfuͤllt, und eine jede Uebertrotung deſſelben beftsaft 


"würde, Dieſe Einrichtungen muſten fich die Griechen, 


. wie alle übrige dem Scepter der Perſer gehorchende 
Woͤlker gefallen laffen. Darius fchlug Jonlen, Acolien, 
Karien, Lycien und Pamphylien zu einer Provinz; legte 


üguen einen Tribut, von 400 Babplonifchen Talenten Si 


bers auf (ein jedes Talent hielt 70 Euboifche Minen) 
Jegte über das ganze Aftarifche Griechenland einen einzigen 
Satrapen, und über. eine jede Stadt einen eigenen Bor. 


| 


fieher. Diele lestere waren immer gebohrne Griechen, 


wmeiftens aus ben Städten, ‚denen fie vorjlunden, und 


wurden von ihren Mirbürgern Tyrannen genannt, und 


ols ſolche verabſcheut *), weil fie. ihr Vaterland nach lh⸗ 
gem. eigenen Gutduͤnken und dem Willen des Hofes ber 
berefchten , dem fie ihre Hoheit und alle damit verbundene 
Vorzuͤge zu danken hatten, Die eigennuͤzigen und um 
gatriotiichen Gefinaungen biefer Tyrannen äußerten ih 
bey Peiner Gelegenheit ‚deutlicher, als bey dem kuͤhnen 
Borfehlage.d des s Ditiabes, ber ignen riech **), die Brüde 

über 


®) Herad, IV, 137.138. V. 37. 38. Herobot nennt fe 
bald rugasyos, bald enıreomss. - 
-©*) Hero, IV. 137.138. Corn. Nep. &, 3. in Vie Mile. 








Bon der Joniſchen Phaloſophie. 169 


über bie Donau, deren Beſezung ber Perfifche König den 
Aſiatiſchen Griechen beym Antritt feines Zuges wider 
die Ekythen anvertraut hatte, abzubrechen, und den 
Dar ſamt feinem Heere durch das ihm folgende 
Sdwerdt der Feinde verzehren gu laffen. Alle Tyrannen, 
deren Namen Herodot anführt, vermarfen biefen Rath 
enftimmig, und ſcheuten ſich nicht, öffentlich zu befennen, 
daß ihre Wohlfart von ber Errettung des Darius abhänge, 
daß mit, feinem Untergange auch ihre Größe aufhören, 
und die Frepheit fich allenthalben auf den Trümmern ih⸗ 
ter. Herrfchaft erheben mürbe. . Sie entriffen daher durch 
betügliche, Verſprechungen ben fliehenden: Koͤnig der 
Rache der Skythen, und wurden von dieſen, die ſie hin⸗ 


tergangen „hatten, bie feigeſten und nieberträcheigfed | 


Sclaven geſcholten. 


Nicht lange nach dleſem ſchimoflchen Ruͤckjzuge 


ber Perſer zog bie Unbeſonnenhelt und Verzweiflung eines 
‚einigen Mannes die Afiatifchen Griechen in eine ſolche 
Heide von Fehleritten und Unglücsfälen hinein, bie ſich 
für ale Städte, felbft diejenigen, bie bis. dahin ihre 
dreyheit behauptet hatten, und vom Feinde unberührt 
geblieben waren, mit der härteften Knechtſchaft und fols 
hen Verheerungen endigten, DaB ganze Jahrhunderte nicht 
hinreichten, fie wiederum aufjurichten. Dieſer merke 
rürdige Mann, der über fein Vaterland fo viel Sammer 
und über bie uropäfchen Griechen. fo. viel Gefahren 
brachte; aber auch ſelbſt durch dieſe Gefahren (und bie 
fer Gedanke kann allein ben, Griechen liebenden Leſer tröͤ⸗ 
ſten) den Grund zum Ruhme und zur Gluͤckſeligkelt der 
leztern legte, war Ariftagoras, Tyrann oder Vorſteher 
von Milet, welche Stadt damals, nach dem Zeugeiffe 

| 5 Ä „bes 


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— Ber zus. 


bes Herabat, nicht nur offe Eräpte Jeulete fonbern 
auch fich ſelbſt an Reichthum, und Macht, und blühen · 


bem Wohlſtande übertraf % Kriftagoras wurbe theils 


durch Schulden, In bie er durch bie Verraͤtherey eines 
vornehmen Perſers geſtuͤrzt worden war "N, theils durch 
bie Furcht var ber Rechesſchaft, zu der er glaubte, daß 
man Ihn zlehen wuͤrde, am melften aber durch die An⸗ 
reisungen feines Schwiegervaters Hiſtiaͤus, den man wi 
ber feinen Willen am Perſiſchen Hofe In einer ehrenvol⸗ 
Ien Gefangenfchaft hieit,, in bie gefaͤhrliche Unterneh 
mung Ginelngetrieben, bas Afizciipe Griechenland 
zu einer allgemeinen Empdrung, anb bie mächtig. 
ſten OGriechlſchen Staaten in "Europa "zu einem ' 
Kriege: wider die Perfer- aufzumiegein.. Er fing da⸗ 
mie an, feiner Paterſtadt Milet die Freyheit wieber 
zu —RG trieb bald nachher aus allen übrigen Joni⸗ 
ſchen Städten die von ben Perſern eingefejten Tyraunen 
eus fuͤhrte allenthalben eine tepublicanifche Verfaſſung 


. ein, und reizte dadurch die aus dem Schlummer der 


Knechtfchaft erwachenden Griechen zum iebhafteſten €i. 
fer, ihre alten Rechte, und die füße wiedererhaltene Frey⸗ 
beit mir allen Kräften gegen Ihre Unterdruͤcker zu verthei⸗ 
bigen. Weil aber Ariftegoras die vereinigte Macht ber 
Aſſatlſchen Griechen noch nicht für hinreichen® hielt, den 
Verlern zu widerſtehen, ſo ging er, ſelbſt nach Sparta, 
—um deren tapfere Buͤrger zum. Micſtreite fuͤr die Wohl. 
fort ihrer Brüder in an nahen Allein hier Mn 
- fe 














pP 


Won der Joriſthen Philoſbphle. m 


fein Vorhaben sgeifs durch die Klugheit und unbeftechlicht 
Rechtſchaffenheit des Königs Kleomenes, theils durch die 
vonltig⸗ Aufſaͤhlung der ſreylich reichen, aher unermeßr 
Ike Sägber des PYerſiſchen Rönigs vereitele, wodurch 
Air bedͤchtlichen Gpartaner mehr abgeſchreckt als ange 
htmben, Deſto glücklicher war Arißagoras in Athen, 
vos ihm, wie Herqdot fagt *), leichter wurde, einen 
Haufen von 30009 freyen Männern zu berüden, als iq 
Sparta einen einzigen meifen König zu übseliften, DU 
Athenlenſer beſchloſſen, ihm 20, Schiffe, zu Hätfe zu 
ichen, zu. denen. voch fünf andere aus. Ergıria fließen, 
is hieher war fein Entwurf noch iumer yon der Ark, 
ha die Ausfuͤhrung deffelben nicht unmöglich fhlen, und 
ein giükticher Ausgang feinem Urheber einen Play unten . 
den füpnfen und erhabenſten Geiftern feines Volks wird 
gegeben haben. Adein ber Gebrauch, deu er won ben 
ous Europa erhaltenen Verſtaͤrkung machte, jdgee, to 
Alßagoras viel. Meiner, aſs bie Unternehmung, war, 
die er angefangen. harte. Er ebat naͤmlich einen abe 
theuerlichen Zug gegen Sardes, Bas er zwar uͤberrum⸗ 
velte, aber wicht einmal fo. lange. behauyten kennte, da 
in es hätte onsplänbern koͤnnen. Gr mufte fich fchleunig 
wrücjiehen , und fehen auf biefer ſchimpftichen Flucht 
Wurde er durch den beträchtlichen. Vexluſt, den ce litt, 
dafür gezuͤchtigt, daß er einen Theil der Stadt Sardes, 
und unter-andern auch einen Tempel der Goͤttin Kybele vᷣe) 
in Die Aſche legte, welche Morbbremneren der Haupsgeund 
Bat, wrfergen Da du Ei —* 
3— 


3 102. o Kusel, 





172 Zweytes Buch. | 
mit Krieg überyog, und alle Benungen Griechlſcher 
Goͤtter mit ſchwaͤrmeriſcher Rache zerſtoͤren ließ. 
Diteſe unbeſonnene Unternehmung ‚gegen Sardes 
machte auf die verbundenen Griechiſchen Staaten ganz 
Ä entgegengefajt? Eindrüfe. Die Athenienfer verlohren 
5 durch ben Tod vieler edlen Briechen, die auf dem Rück 
. zuge erfchlagen worben waren *), auf eiamal den Much 
fo ſehr, daß fie. aller Bitten und Geſandſchaften bes 
Ariftagotas ungeachtet, von ihrem Bündniffe mit den 
„jontern abtraten. Die Aſiatiſchen Griechen hingegen 
gprannen durch eben diefen Streich an. Kühnhelt eben fo 
 :feßr, als an neuen Bundesgenoffen und’ Eroberungen, 
-Ble namen Bpzahız und andere Städte am Hellespont 
weg; und erhielten die Einwohner von Kypern, und ei- 
nen: großen Theile von Karlen zu Mitkaͤmpfern **). Dies 
anſcheinende Gluͤck war aber nur von ſehr kurzer Dauer. 
Klpern wurde gleich in dem erſten Jahre nach ſeinem 
Adfall wieder erobert ***),.. Die Karler erlitten eine 
Niederlage von zehntauſend Mann +); und. bie eroberten 
Städte am Hellespont wurden wie Klazomene in Jonien 
Ä unb Kyme in Aeellen unter: bie Perſiſche Herrſchaft zu⸗ 
ruoͤckgebracht. Ariſtagoras ſeibſt entfloh nach. Thracien, 
mo er ſamt feinen Begleiteen von den friegerifchen Ein 
-  wohnern erſchlagen wurde. 
Alle diefe Unfälle machten die Griechen bald. ben 
Scrir heeues- den f ie seien batten. Sie warfen es 
i denm 


58, 








*) 10% “. 
#4) Hes, ib, 

") 116, 

LP) 119. 








Bon der Joniſchen Philoſophie. 173 
dem Hiſtiaͤus vor, baß er fie durch den Ariſtagoras zum 
Kriege wider die Perfer bemsgen habe *), und die Mis 
Iefier weigerten ſich fo gar, ihn als Ihr Haupt aufzunchs 
men, Unterdeſſen faßren fie doch **) den einmürhigen 
Euſchluß, in dem Abfall von den Perſern zu behatren, 
umd dieſes nicht ſowohl in der Hofaung eines gluͤcklichen 
Ausgangs, als weil fie fich in Ihrer gegenwärtigen tage 
nicht anders zu rathen wuften, Sie verfammleten daher 
eine Flotte von mehr als drephundert und funfzig ***) 
Stiffen, ein Beweis, wie vielihnen, aller ausgeftanbenen - 
Drangfale ungeachtet, noch Kräfte übrig geblieben waren }), 
und würden vielleicht die faft zweymal fo ftarfe feindliche 
Seemacht geſchlagen haben, wenn nicht Zwietracht und 
Verroͤcherey fie getrennt, und Weichlichkeit fie zu den 
Gefahren, und felbft zu den Voruͤbungen des Krieges 
mrüchtig gemacht hätte. Sie folgten anfangs dem heile 
famen Rathe des Dionyfius von Phokaͤa mit der größten 
Bereltwilligkeit, der fie ermunterte, fich täglich fleißig 
In den Waffen zu üben, und zu allen Arten. bes See⸗ 
ſtreits zu ruͤſten und vorzubereiten +), ja fie gaben ihm 
fo gar eine unumfchränfte Vollmacht, alle Beranftale 
tungen zu treffen, die er gut finden wuͤrde; allein dieſe 
guten Borfäze Dauerten nur fieben Tage, Das anhaltende 
Nudern, das Hin» und Herfchiffen, und pas mühlelige 

— ' Wafo 


* VL 3. 

x) VI. Te j " 

*e#) V]. 80. un 

H Die Mileſier allein gaben achtzig, die Samier ſechzig, 
und die Chier 100 Schiffe her, von welchen leztern ein 
jedes mit 40 ftreitbaren Bürgern beſezt war, 

Mırız2uf. | 


fj \ 


i | 77 ne Zweytes Buch. | 


Baffentragen keſchoͤpfte fie nicht nut, ſondern og ihnen 


“auch wuͤrklich diele Rrankpeiten zu. Sie meigerten ſich 


baher ſchlechterdings dem Dionyſius ferner zu gehorchen, 


veetlleßen Ihre Schiffe Und richteten am Ufer Zelte auf, 


tinter deneh ſle ſich von der ihnen unerträglich ſcheinenden 


Arbeit erholten. Aus biefer Unbefländigkeit und Wider⸗ 


ſpenſtigkeit gegen Ihren Führer muften nothwendig aller⸗ 


ley Unordnungen und verderbliches Mißtrauen entſtehen, 
welches die vertriebene, zu den Perſern uͤbergangene 


Tyrannen auf eine liſtige Art zu unterhalten und zu-nisgen 


+ 


1 


wuſten. Die Samier fingen zuerſt an, an dem Glide 
“der Griechiſchen Waffen zu verzweifeln, und ſchloſſen mit 


ben Feinden einen geheimen Vertrag, fü welchem fie ſich 


Berbindfich Mächten, ihre.bisherigen Bundögenafleh zu 


berlaflen, Sie fegelten daher auch In der bald darauf er. - 
fjolgenben unglucklichen Schlacht mir allen ihren Schiffen, 


Elfe Ausgenommen, verraͤtheriſcher Weiſe nah Haufe, 
und wurben dadurch die Urſache, daß die Flotte ber Übtls 
den Griechen, unter denen bie Chler am tapferſten foch⸗ 


ten, faſt ganz zu Grunde gerichtet wurde. Durch dleſen 
Ettreich gewannen die Gamier *) zwar fo viel, daß we⸗ 





65 Städten, und wuͤrde dieſen Vorzug (I, 139. 
etod.) wahrſcheinlich auch noch lange behauptet haben, 


durch den Darius fo ſehr, daß er die Samer, wie hlle 





fbtige 





A 


Bon der Joniſchen Philoſophie. 375 | 


ber hhee Häufer wech die Tempel Ihrer Göcter angezündet 
wurden, allein fie muften doch tiber ihren Willen”) den 


Aealus zum Behetrſcher annehmen, weil diefer zur Une 


treue der Samler, und zur Niebetlage der Griechen am 
meiſten beygetragen hatte: Alle uͤbrige Griechiſche Staͤdta 
auf dem ſeſten Sande ſowohl, als auf den Inſeln, wur⸗ 
den mit einer unerhoͤrten Graͤuſamkeit vernichtet, Sie 


mochten mie Gewalt erobert werden, ober ſich ohne Bea | 
logerung ſreywillig ergeben **). Ihre Mauern wurden . 


eingetiffen‘, ühre Häufet und Tempel verbtannit, alld 
 mehrhafte Maͤnner getoͤdtet, oder duch in das Innerſte 
bes Perſiſchen Reichs weggefuͤhrt; Weiber und Kinder 
murden als Sclaven verkauft, die edelften Jünglinge vers 
fünltten, und Die fÄhönften Jungfrauen für den Harem 
bes Königs ausgefucht, , Die mit Trümmern won Pallaͤ⸗ 
fen und Tempeln überdeckten läge, wo einſt bie herrlich 
ſten Staͤdte geftanden Hatten, wurden ſamt dem dazu 


N. 


gehorigen Gebiete entweder eingebohrnen Derfern, odet 


ouch Kariern, vder endlich ſolchen Otiechen ausgetheilt, 
welche die Perſer für unſchuldig hielten ***), em 
man nun bie bisher erzählten, ſchnell auf einander füls 

0. - gen⸗ 


ke kl un 





— —— Aura * 
Ährige Inſulanet mißhandeln ließ. Man here eine 


algemeine,Denfihenjagd an, ſchlug alle wehrhaften 
Fl die manantraf, todt, und verkaufte die ühris 


gen Einwohner ald Sclaven. (III. 147. Vi. 31.) Samos 


wurde baber auf einmal ganz menſchenleer; doch ließ - 


der Perwuͤſter diefer Inſel, durch einen Traum ges 
fihredit, fie bald nachher wieder befegen. Ul. 149 am Eben 
ye bejammernswuͤrdig War der Fall von Miles, VI, ze, 
l. 25 
19. 20. 31. 
6 


*) 20. 31. ı Fo \ . . J Mn re; 5. 
08, Diefegänzlihe Umkehrung bes Sniatifhen Brischenfans 
| * falls, im lezten 


des geſchah im aͤten Jahre ihres | 
Jahte der 22 Olympiade. Horod. vi gt, 


J 


\ 


16 * Zweytes Buch. 

J genden und Immer ſchrecklichern Verwůſtungen des Gri⸗ 
chiſchen Aſiens, den Tod ober die Flucht der großen Män« 
ner, die Ausrottung der ebelften Familien, die noch immer 
forebaurende Unterwürfigkeit unter harten und argwoͤhni⸗ 
ſchen Herren, und endlich die ungeheure Sittenverderbniß, 
die kurz vor. oder auch zu den Zeiten ihrer größten Leiden 
unter ben Griechen Ueberhand nahm, zuſammendenkt; 
fo findet man es ſehr begreiflid) , was die Geſchichte lehrt, 
dab Künfte und Wiffenfchaften in Afien nicht nur ſtill⸗ zu 
ſtehen, ſondern auch zu fallen anfingen, und aus ihrem 
urſpruͤnglichen Vaterlande in andere Gegenden ſtuͤchteten, 
wo ſie unter dem Schuze der Freyheit, und im Schooße 
des Ueberfluſſes, Sicherheit und Belohnungen erwarten 
konnten. Daß Mardonius in die Griechiſchen Staͤdte 
eine demokratiſche Regierungsform einfuͤhrte *), half ihnen 
eben fo wenig, als daß bie Roͤmer ſpaͤter den Europaͤi⸗ 
ſchen Griechen die Freyheit wieder ſchenkten. Beyde blies 
‚ben doch immer von. maͤchtigern herrſchenden Voͤl— 
kern abhängig: und beyde hatten von dem reizenden 

Schattenbilde womit man fie täufchte, den greßen Scha- 


den, daß ' ie in wuͤthende Factlonen **) zerriſſen, von vie⸗ 
len 








e vi. 43. Herod. 
wr, Auf dieſen Zeitpunct bericht fi der zluch, ben Hera⸗⸗ 
| klit über die Ephefier, wegen der Verbannung des 
Hermodors, ausſprach, und die Erflärung des Ephe⸗ 
ſiſchen Volks, daß. unter ihnen niemand vor andern 
hervoritehen , fondern wenn er über feine Mitbürger 
fich zu erheben wuͤnſche, alsdenn fi ch unter ein anderes 
Bolf begebenfolle. (Dieg. Vill, 2.) 
| - Die fernere Gefchichte des: Brichifhen Aftens will 
ich alsdann fortſezen, wenn es aus ſeiner Ver⸗ 
| nich⸗ 





Von der Joniſchen Philofophie:  iy7 
fen nichtswuͤrdigen Demagogen irre gefuͤhrt, und ber 


wenigen rechtſchaffenen Patrieten, "Die u und 


Muth hatten, ihr Vaterland zu bena.- beraubt 
wurden. 


michtung wiederum au anden ſepu, 
J Crew —— A Shertzefn 





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Drittes Buch. 
Geſchichte der Pythagoteiſchen Geſellſchaft, 
und ihrer Verdienſte um die Wiſſen⸗ 

ſchaften. 





a 





ESEinlenitung. 


Phile ſophlam nos quoque adjuvemus, nesque Ipfos 
zedargui, refellique patiamur, Quod il fesunt ani. 
‚mo Inigdo , qui eertis quibusdam deltioatisgue Ten» 

tentlis quafi addidi, & tonfecrati funt, eaqque no- 
eeflitete eonfirilti, ut etiam quae non probare feleant, 
es eögantur sonflentise esuſa defendere. Nos qui 
fequimur probabilis, nee ultra id, quod verifimile 
vecurrit, progeedi poflumus, et refellere fine perti= 
nacia, et zefelli fine irasumdia parati fumus, Cie, 
} ' on 








4 
. !»® 


. u . oo. $ 
.. | . I: | J 
U⸗ allen Männern, die man bis auf ben Sokrates 


in. Griechenland Weiſe oder Naturkuͤndige 

nannte, ift Feiner, der die Aufmerkſamkeit des Geſchicht⸗ 

forſchers und Menfchenkenners in fo vielerley Betrachtun⸗ 

gen vrgbient,, als Pythagoras, zu deffen und feiner 
Freunde Schickſalen und-Verdienſten ich jezo fortgehe. 


5 —— | ’ Pytha⸗ 





! 


Geſchichte ber Pythagoreiſchen Gefelfchaft. 179 


Pythagoras „vereinigte ‘in einem hoͤhern Grade, 
als irgend einer feiner Vorgänger und Nachfolger, reife 
und oft überdachte Erfahrımgen mit unergruͤndlicher 
Tiefe des Genies. Er befaß allein, oder doch vorzuͤglich 
das Gehelmniß, die mächtigften Triebfebern des Abere 
glanbens und der Staatskunſt, allen Domp und Würde 
der Religion und Tugend, endlich jeden Reiz anziehender 
und nüzficher Kenntniſſe zu ben großen Abfichten anzuwen⸗ 
den, zuerft ſich ſelbſt Freunde, Anfehen und Herrſchaft 
über die Seelen feiner Zeitgenoſſen zu verfchaffen , und 
durch diefe nicht fein Vaterland, fondern fremde bloß 
duch gemeinfchafttihe Sprache: mit ihm verbundene 
Menſchen zu beffern und gluͤcklich zumachen. Die Gründung 
und Sortdauer der Geſellſchaft, bie er fiftete, hatte mehr 
glüctiche, und Ihr Umſturz mehr nachtheilige Folgen für bie 
Sitten, Freyheit, Staatsverfaffung und Aufflärung eines 
großen Theils von Griechenland, als die Entftehung und der 
Untergang einer jeden andern Sekte. Aus ihr gingen 
mehr große Dichter, Erfinder und Erweiterer von Wiſ⸗ 
fenfehaften , mehr berühmte Staatsmänner, Thrannen⸗ 
Mürger, Feldherren, Gefesgeber, oder Bilder von fol« 
hm hervor, als Feine weder ältere noch jüngere Schule 
erzeugt hat.: Durch ben &nfis zog fie den Epaminondas 
von Theben,, und Philipp von Macebonien, die beybe 
die ganze Geſtalt don Griecheuland umkehrten, und wo⸗ 
don der eine Die Beffeln ſchmiedete, welche nicht lange 
nachher Mlerander den Voͤlkern Afiens anlegte. Go ger 
wiß es aber ift, daß die Geſchichte des Pythagoras wich. 
tiger iſt, als die aller übrigen Weltweiſen des alten 
Gelechenlandes; eben fo wahr ift es auch, daß fein an⸗ 
derer Theil der a Dein fo ſchwierig und 

Ma ver. 


wo De 


verwickelt, und ſeit Jahrrauſenden durch fo- vlele Fabeln 
und Meynungen verdorben worden If, als eben ſie 
Bon dieſen Schwierigkeiten taffen ſich mehrere Gründe 
‚angeben , untet weldyen, folgende die wichtigfien find, 
Die erften Geſchichtſchreiber, die vom Pythagoras und 
feinen Freunden nicht in einzelnen zerſtreuten Stellen, 
oder in zufällig eingemifchten Nachrichten, ſondern In 
weitlaͤuftigen "Werken handelten , Tebten faft zweh Jahr⸗ 
hunderte nach dem ‚Untergange des Pythagoreiſchen Bum 
des, und ſchoͤpften nicht afle aus ſichern, oͤffentlichen, 
forgfältig geprüften Urkimden und Denkmaͤlern, ſondern 
meiſtens aus. Lieberiteferungen‘, bie nothwendig waͤhrend 
änes fo großen Zeitraums unter ben eben fo lelchtglaͤubb 
gen, als kuͤhn erdichtenden Griechen auf mennigfaltige 
Arc verſtuͤmmelt und verfätfcht feyn muften. - Nenn alle 
anch diefe ältefte Geſchichtſchreiber des Pythagoras und 
Ber Pythagoreer den ſeltenſten Scharffinn und unermuͤdel⸗ 
ſten Fleiß mit der reinſten und waͤrmſten Wahrheitsliebe 
verbunden Hätten, und alle ihre Werke unverſehrt zu und 
gefonmen wären , fo würden wir doch den Vorſchriften 
einer ganz gemeinen, ‚noch. gar nicht mistrauiſchen odet 
-  jweifelfüchtigen Vorſicht zu folge , flogen und prüfe 
muͤſſen, 0b felbft fotche Männer, die mit allen Bor 
gen großer Alterthumsforſcher ausgeruͤſtet waren, in eine 
fo ungeheuren, alles verfehrenden Entfernung, die Haupt 
perfonen und ihre Verdienſte richtig gefaßt , und nad 
“ der Natur geſchildert harten. Nun aber klaͤßt ſichs bo 
weifen, daß mehr als die Hälfte biefer erſten Schri 
ſtellrr über ben Pythagoras leer don aflen ben angebo 
nei ober erworbenen Tugenden waren, bie mon ti 
einem jeben Gefchichtforfiher,, om meiſten aber, von du 
2 W DE ef 






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Geſchichte Der Pothagereiſchen Gefefihaft. 181. 


erſten Lnterfuchen der Geſchlchte der Pythagoreer foberu 
muſte. An ſtate die verſchiedenen Sagen und Ueberlie⸗ 
ferungen von ihrem Helden, den die Volksmeynung 
ſchon lange in einen. Gott, oder Goͤtterglelchen Mann 
umgeſchaffen hatte, nach ben Geſezen ber Wahrſchein⸗ 
uichkeit abzuwaͤgen, und dann die glaublichſten anzunch- 
men, die zweydeutigen abzuſondern, und bie: unglaubli⸗ 
hen. ganz zu verwerſen, griffen bie meiſten grade nach 
Ben lächeslichfien und augenfcheinlichfien Fabeln mit ber 
groͤßten Gierigfeit, fchmüdten biefe mit Zufägen und 
älmftanben von eigener Erfindung aus, und beugten alles _ 
nach Neblingemennungen , bie bey der größten Vorſicht 
und Währhaftigkeit-ofein ſchon hinreichend. geweſen wär 
ren, ihre Erzählungen fehlef un unfärmilch zu machen, 
Aus dieſer großen Verſchiedenhelt won Gaben, Arbeit 
famfeit, Reblichkeit und worgefaßten Mepnungen ent⸗ 
ſtanden ſchon in ben Werfen ber aͤlteſten Geſchichtſchrei⸗ 
ber Häufige Widerſpruͤche, faft über einen jeden Irbengs 
umſtand des Pythagoras, über eine jede Einrichtung, ſel⸗ 
ner Geſellſchaft, über eine jede Meynung und Erfindung, 
die er und feine Auhaͤnger gehege und gemacht haben folle 
ten. Den kuͤhnſten und unzuverläffigfien unter ihnen 
begegnete es nicht felten, baß fie ſich ſogar felbft miter 
forachen „ aber doch aus Vergeſſenheit Ihrer Abfichten 
Dinge vorbrachten,, bie gar nicht mit einander beſtehen 
fonnten. Vielleicht aber mürben doch, mit Hülfe einen _ 
firengen. und feharfunterfuchenden - Kritik, die meiſten 
Verwirrungen, Ungewißheiten und Dunfelßelten, welche 
die Schwachheits, ſowol als vorfezlichen Sünden ber er⸗ 
fien Geſchichtſchreiber der Pythagoreer hervorbrachten, 
g heben werden innen, Denn vn nur ihre Echriften gang 
3 iu 


Ed 


‘ 


—2 Drittes Buch. 


u uns gefommen wären, ober wir nur genan wüfen, 
was ein jeder, und mie er erzähle habe. Ungtüdil 
cherweife aber find ihre Werke bis auf einige Ueberbleib⸗ 
ſel verlöhren gegangen, und aus eben diefen verſchwun⸗ 
denen Werfen entlehnten wieder während eines Zeitraums 
"von fünf Jahrhunderten ganze Folgen oder Geſchlechter 
yon Gefchichtfchreibern, von denen oft die Namen, 
: noch öfter das Zeitalter, und durchgehends der Grob 
von Zuperläffigfeit, den man ihnen zugeftehen muß, und 
die Männer, denen fie vorzuͤglich folgten , unbefannt find, 
Unter biefen Schriftſtellern, Die vom Aufange des bei 
ten Jahrhunderts vor Chrifti Geburt, bis an ‚den Au 
fang des. dritten Jahrhunderts nach unfrer Zeitrechnung 
die Gefchichte des Pythagoras und der Pythagoreer 
‚bearbeiteten, war feiner, ber fich durch hervorſtechende 
Verdienſie ausgejeichnet, oder auch nur die am wenigſten 
berühmten unter feinen Vorgängern erreicht haͤtte. Hin 
gegen fanden ſich unter ihnen (und wie läßt ſich von Orie | 
chen aus jenen Zeitaltern etwas anders erwarten?) vidk 
entweder Seichtgläubige, die aus Liebhaberey fürs unglaub⸗ 
liche und wunderbare, und weil fie einen großen Mann 
mit einem WBundermann für einerley hielten, bekannte 
gefchriebene Fabeln mit neuen erſt entſtandenen, und bit 
„her ungeſchriebenen Erbichtungen häuften; ober aud Un 
wiſſende und Nachläffige, bie ganz verſchiedene Perfonen 
unb Zeitafter verwechfelten, und nach Halb erloſchenen 
Zügen ihres Gedaͤchtniſſes, Das, was fie vor langer Zeit 
gelefen hatten, verflümmelt und werfälfche wiederholten: 
ober ferner, Hypotheſenerfinder und Beſchuͤjer, denen 
Daran gelegen war , daß Pythagoras andern das ſcheinen 
moͤchte, woſde fl ſie ihn hlelten , bie nur das für Bier 
Zope 





Seſchichte ber Phthagoreiſchen Geſellſchaft. 183 


Wahrheit gelten ließen, was mit Ihrer Vorſtellungsart 
uͤbereinſtimmte, bie alſo die Meynungen und Thaten des 
Pythagoras fo beſchrieben, als wenn er wuͤrklich fo ge⸗ 
dacht und gelebt Hätte, ale fie fich einbildeten; ober end« 
lich ſelſame Zwitter oder Mitteldinge von abergläubifcher 
Schwaͤrmerey und argliſtiger Verſchmiztheit, bie fich für. _ 
Beſiger goͤttlicher übermenfchlicher Künfte ausgaben, von 
benen fie felbft niche recht wuſten, - wie viel fie glauben 
oder nicht glauben follten , die fie unterdeſſen zu Iren 
Vortheile ausibten und von Pythagoras ableiteten , 

fich ſelbſt als deſſen ächten Nachfelgern deſto mehr —* 
und Anſehen zu erwerben. 

Aber auch die Arbeiten dieſer Männer, bie in ganz 
verſchledenen Zeitaltern aus Sagen und Schriften von 
ganz verſchiedenem Werthe, mit bald geringern, bald hoͤ⸗ 
bern Graden von Unfleiß, Aberglauben und Erdichtungse 
ſucht ſammleten und fchrieben, hat uns die Zeit entriffen, 
und don ihren und ber erften Geſchichtſchreiber Denkmaͤ⸗ 
lern iſt nichts zu uns gekommen, als ein zoher Haufe wi⸗ 
derſprechender, ungereimter , und größtentheils falfher 
Nachrichten und Erzählungen, die drey ber elendeſten 
Compilatoren ſiebenhundert Jahre nad) dem Tode des Py⸗ 
chagoras zufammengefchleppt haben, ohne Daß man bite ' 
her (einige Fälle ausgenommen) weiß, woher eine jebe 
genommen ‚: und wie oft fie umgebildet worben,, ehe fie 
an den ober bie Schriftſteller kam , aus welchen Dioges . 
. 66, Porphyr und Jamblich fie zulezt entlehnten. Wenn 
man zu allen diefen unuͤberwindlich ſcheinenden Schwiee 
rigkeiten endlich noch biefe. hinzudenkt, daß man den Pya 
thagoreern ſchon vor ben Zeiten ihrer Alteften Geſchicht⸗ 
fhreiber falſche Bücher anaedichtet, und daß man eben 

M 4 | biefen 


WBecſchreibern bes Pythagoras zugehöret, Mar alsdann 


x“ 
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I 7 2:7 We Se 
dieſes in allen nachfolgenden Zeitaltern fortgeſtze habe, 


daß dieſe untergeſchobenen Werke, ihrer Nichtswuͤrdig⸗ 
keit und Widerſpruͤche ungeachtet, ben vielen Glauben 
‚gefunden, und neue Widerſpruͤche veranlaße haben, daß 
endlich noch jezo unter dem Namen alter Hythagoreer 
ganze Schriften ſowohl, als einzelne Bruchſtuͤcke übrig 
‚find, deren Anfehen ungewiß und ſchwer zu beſtimmen 
. ft; fo muß nothwendig ein jeber, der noch nicht die Mit: 
tel weiß, wie. man die meiſten dieſer wirkfichen, gar nicht 
Vrergroͤßerten Schwierigkeiten wegräumen fann , entweder 
„an einer Gefchichte ber Pythagoreer verzweifeln, oder fie 
boch für eine eben fo ſchwer auszuführende Unternehmung 
Heolten, als wenn jemand ſich vermeffen wollte, aus all 
GSoͤtter⸗ und Heldenfabeln der Griedyen das wenige darin⸗ 
. " anen verborgene, und bis zur Unfenntlichkeic umgeformte 
and verkleidete Wahre heraus zu lefen, » 


Nr 


A 


.. Aus dem bisher gefagten muß einem jeben von 
ſelbſt einleuchten, dag man 'eine wahre Gefchichte des 
Pythagoras und feiner. Nachfolger ſo lange vergebens 
wuͤnſchen wird, fo lange man noch nicht bie Hechtheit ober 
Nnaͤchtheit verbächtiger Pythagoreifcher Schriften, fen 
das Zeitalter; und die Zuverläffigkeie ber verſchiedenen 
Beſchichtſchreiber unterſucht, und endlich ausgemacht ha⸗ 
‚ben wird, welchem unter ihnen eine jede wichelge, aber 
namenloſe Nachricht und Erzaͤhlung in den lezten Lebens⸗ 


erſt, wenn man bleſes geleiſtet hat, iſt mon im Stande, 
‚glaubwürbige und unglaubwuͤrdige Ueberlieferungen von 
einander zu fondern, und ben Werth ber zweybeutigen 
aus ber Uebereinſtimmung und Aehnlichteit derſelben mit 
. den 


x 
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Geſchichte der Pothagoreiſchen Geſellſchaft. 185 
ben einen ‘oder andern feftzufegen , ba man im entgegen. 
geſezten Fall immer ungewiß bleibt, ob man die Erzaͤh— 
lung eines ſichern und alten Befehirhtfchreibers ‚ oder das _ 
Maͤhrchen eines Jangem Sabelbichters lieſt und. nieber- 
ſchreibt. 

Unter Men Shhifttelleen „die mit bie Jezo ‚da 
ich dieſes ſchreibe, bekannt find, iſt feiner, der nur ei⸗ 
nen kleinen Theil der Arbeit übernommen hätte, die man 
nothwendig vollenden muß, ehe man daran denken kann, 
eine Geſchichte des Pythagoras -und feiner Geſellſchaſt, 
und beyder Werdienfte um die Wiffenfchaften anzufangen. 
Ale berieſen ſich vielmehr bisher ohne Unterfchied eben 
fo gut auf unzewerlaͤſſige Schriftfteller und unädjte Schrife 
ten, als auf zuverläffige und aͤchte, oder wenn fie auch 
blsweilen die Zeugniffe der einen und das Anſehen der an« 
bern verwarfen, fo thaten fie biefes niche nach einer un« 
bartheyiſchen foräfältigen Unterfuchung, fondern um ge. 
wiſſer Meynungen willen, bie fie durchſezen wollten, und 
denen jene im Wege ſtanden. Ich glaube daher den bis 
berigen Bearbeitern ber Geſchichte ber Pythagoreer fein 
Unrecht zu hun, wenn ich fage, daß, wenn man fie 
auch alle gefefen hat, man bach nicht einmal zu errarhen 
Im Stande feh, wie Pythagoras und feine Philoſophie 
ſich in Ihrer wahren Geftalt zeigen werden, 

Sch will Daher, bevor ich bie Geſchichte Ber Py⸗ 
thagoreiſchen Philoſophie und Geſellſchaft anfange, zuerſt 
die Geſchichtſchreiber von beyden nennen, und beurthei⸗ 
Im, und alsdann zur Untetſuchung des Zeitaltere des Sa⸗ 
mifhen Weltweiſen und feiner Nachfolger fortgehen, defr 
fen Nichtkenntniß die feltfamften Verwirrungen und Ver 
Iaungen von Merſchen ſowohl als Meynungen, entweder 

M5 in 


6. Drittes Buch. 


An fruͤhern ober-fpätern. Zeiten veranlaßt Got R :Diefe 
‚beyden Lnterfuchungen ,. machen: den ſchwerſten, aund 
wenn fie gluͤcklich ausgeführt. merden, den wichtigſten Mb» 
ſchnitt der Geſchichte der Pyhthagoreiſchen Philofophie aus. 
Denn wenn man erft. alle Schriftfteller geprüft und efle 
Facta gefammlet hat, fo gehört alsdenn nur. ganz gewoͤhnli⸗ 
cher Fleiß, Drdnungsgeift, md Hebung im Schreiben dazu, 
die leztern nach ihrem Werthe.von einander zu ſcheiden, 
zu flellen, und in eine zufommenbängende Erzählung zu 
‚verarbeiten. Ich erinnere diefes un berentwillen , die 
gewohnt: find, den guten Geſchichtſchreiber ohne alle Ver⸗ 
gleichung weit über- den Geſchichtſorſcher wegzuſezen, oder 
‚bie auch Das, was ihnen beym Leſen am menigflen Unter⸗ 
haltung verfhaft, für den leichteſten und eutbehrlichfien 
Tpeil dieſes Werks halten möchten. Hier ‚ wie ia-vies 
(en andern Fällen, fordert die Vorbereitung, Erforfhung, 
Reinigung und Beſeſtigung des Grundes, mehr Kräfte 
and Anfirengung, als die Wollendung - bes. Gebäudes, | 
was nachher darauf errlchtet wird. 


I ,. 





— 

9 Die Pruͤfung bet Pothagoreiſchen Schriften, von un⸗ 
gewiſſem Alter und Aufehen, werde ich erſt am Ende 
der ganzen Geſchichte vornchmen, wo ſi ſie an ihrem rech⸗ 
ten Plaze iſt. 











ef 








Sechihte ber Pothagoreiſchen Sefelfiaft 187 
Erfies Kapitel, | 


Von den Gefchichtfchreibern des Pythagoras, fi 
. ner Schule und feiner Philefophie, 


— — 


Quidam ineredibilum relstu eommendstionem parant, &. 
‚ledorem allud adurum, fi per quotidisna ducerstur, 
mirseulo excitant. Quidam ercduli, quidam negligen- 
ses funt: quibusdam mendacium obrepit, quibusdam 
placet, 1lli non evitant, hi appotunt. Et hoc in om- 
muse de tota natione : quae approbsre opus fuum, de 
fierl populare son putat poſte niß lud ‚mendacio 
efpeslit, 'Sener, 














Se oft ich das Verzeichniß der Schriftſteller durch⸗ 

laufe, die vom Pythagoras und den Pythago⸗ 
teen gehandelt haben, und alsdenn das große Mißver⸗ 
hälmiß zwifchen treuen, fleißigen, und fähigen, und zwi-⸗ 
(den nachlaͤſſigen, ungfaubwürdigen, und unfähigen 
Männern bedenke; fo oft ſcheint mir die Ungerechtigkeit 
der ältern und neuern Griechen, Feinde verzeihlich , denen 
Griechiſcher Glaube ein Epott war, Die an Griechiſcher 
Treue ganz verzweifelten, und benen es Grund genug zu 
ſeyn ſchien, Erzählungen gang zu verwerfen, wenn fie von 
Griechen herruͤhrten. 

Ich ſelbſt wuͤrde der erſte ſeyn, der lernbeglerlge 
Juͤnglinge von dem Stublum der Geſchichte dieſes Vol— 
kes abſchreckte, wenn in jedem Theile derſelben, wie in 
der Geſchichte der Pythagereer, die Wahrheit unter ef. 
nem rien ungefeuren Haufen von Fabeln, Irrthuͤmern, 

und 


er "Drittes Buß. 


und Erdlchtungen vergeaßen wäre, und mit fo vieler 
Muͤhe aus dem Abgrunde und Schutte laͤngſt verfloſſener 
Jahr hunderte hervorgezogen werden muͤſte. Hoͤchſtens 
wuͤrde ich die Griechlſche Geſchichte denen empfehlen, die 
ihre Kräfte gerne in der Ueberwindung großer Schwie- 
rigfeiten üben, und ihren Scharfſinn befonders an der 
Auseinonderjerrung unaußtöstid ſcheinender Knoten ver⸗ 
ſuchen moͤchten. 

Nicht alle unter den Alten, die des Pythagoras 
und ſelner Schuͤler erwaͤhnten, und in deren Werken und 
Fragmenten Nachrichten von beyden vorkamen, waren 
eigentliche Geſchichtſchreiber: Auch Redner, Dichter 
und Weltweiſe rebeten ven Ihnen, und zwar höchft wahr⸗ 
ſcheinlich viel mehrere, als deren Namen oder Schriften 
jest befannt find. So viel wir ihrer aber kennen, mach⸗ 
ten fie entweber bie Sefchichte des Pythagoras, und feiner 

Geſellſchaſt, oder. auch) feiner Lehren und Erfindungen zum 
“> Hauptgegenftonde einzelner Schriften, oder dod) großer 
Abſchnitte derfelben ; ‚ober fie handelten auch nur im Vor⸗ 
beygehen davon. In Rüdficht auf das Zeitalter, worin 
nen fie gelebt haben, kann man fie alle bequem in fünf 
| Klaffen eintheilen, | 
Die erfte umfaßt Diejenigen Scrifrftele, bievor 
dem Ariftoteles von dem Pprhagoras.oder den Dpthage 
reern gerebet haben, In dieſe Klaſſe gehören die Dich: 
“ we?) on von Chios, Antiphanes, und Ariftophon, 


Ä ‚sieheicht auch Atiſtephenes. Ferner die Weltwelſen Plato, 
Arl 


— — — —— — — nn Gm 


#) Weber biefe Männer ſehe: man die Beylage am Ende die 
fes Abſchnitts. 


2 








[4 


Gefdihte der Pothagoreiſchen Geſelſchaft. 199 


Ariſtipp, Eudorus und Metroder, ein Sohn bes Epis 
charmus, denen man den Redner Iſokrates an 
Tann; endlich die Geſchichtſchreiber Herobot, Andron 
von Epheſus, Anaximander und Theopomp. Die ein⸗ 
zelnen Zengniſſe dieſer Männer werde ich an ihren Pröjen 
anführen und prüfen. Ich finde aber unter allen feinen 
einzigen, der hier eine eigene ausführliche Unterſachuns 
verdlente. | 
Die zwore Klaſſe enthalt den. Ariſtoteles, feine Zus 

Hörer , oder unmittelbaren Nachfolger , und deren Zeitges 
offen: Atfo den Ariftörenus, Heraflides Pontikus,. Kim 
aut, Dikaͤarch, Hermipp, ben Zeno von, Zitttum, und 
deſſen Schaͤler den Kleanth, den Komiker Alexis, und 
den Seſchichtſchreiber Duris von Samos. Unter dieſen 
ſind alle diejenigen, die ich vor dem Zeno, dem Vater 
der. Stoiker, genannt habe, der. ſorgſaͤlcigſten Pruͤfung 
werth, weil vorzüglich aus ihren Werken alle nachfolgende 
Gefdyichtfchreiber gefchöpft haben, und von ihrer Slaub⸗ 
wördigfeit die ganze Vorſtellung der Pythagoreiſchen Bes 
ſellſchaft und Philoſophle abhängt... Bon ben übrigen 
Haben wir nur einzelne Nachrichten, ober wir wiſſen auch 
nur , baß fie von den Pythagoreern gefchrieben haben, 
ohne das geringſte von ihren Arbeiten zu befizen. " 


Se führe zum Beyfpiel Peiner der fpätern Geſchicht | 
ſchreiber, auch nur ein einziges mal ein Werk des Zend 
über Die Meynungen ber Pythagoreer an, ben Diogenes 
allein ausgenommen, ber es unter ben Schriften dieſes 
Weltweiſen aufserabt bat *). s die dritte Klaſſe ges 

bören 





vis 


" ® 


90. Drittes Buch. 


bir diejenigen , die nach den erſten und aͤlteſten Schuͤ⸗ 
ern des Ariſtoteles, aber doch vor Chriſti Geburt, die 
Geſchichte des Pyehagoras und der Pythagoreer bearbeis 
det," odei ihrer doch erwähnt haben. Derglelchen find 
 imäus’ ‚ Sotion , "und beffen Auszieher Heraflides, 
. Serapfons Sohn‘, Hieronymus, Lykus, Eratofthenes, 
Atiſtarch, Neanthes, Alexander, Diodor, Strabo, 
—— und Philo; Cicero und die Lateiniſchen Dich⸗ 
ker nicht einmal mitgerechnet. : Unter dieſen verdienen 
nur aftein Timaͤus, Hermippus, Neanth, Diodor und 
Alcxander eine beſondere Aufmerkſamkeit. 

In die vlerte Klaſſe ſeze ich diejenigen Schtifeſteller, 
beren Zeitalter unbekannt iſt. Solche find Antiphon, Soſikra⸗ 
tes, Dionyſi phanes, Hippobotus, Androkydes, Eudorus, 
Apstlodör der Arithmetiker, und Lykon der Jaſier. Ich 
laſſe dieſe Schriftſteller vor: denen,die nach Chriſti 
Geburt gelebet hahen, vorhergehen, weil es von allen 
gewiß iſt, daß ſie älter find als Porphyr und Jamblich, 
und von mehreren wahrſcheinlich, daß ſie über den An⸗ 

fang unſerer Zeitrechming hinaus fallen. Unter allen bies 
Ten Geſchichtſchreibern iſt keiner, von dem 6 umftändtid 
sr reden noͤthig haͤtte. 


‚Die f fünfte und legte Klaſſe endlich Hefe aus fole 
chen Schriſtſtellern, die-nad) Ehrifti Geburt das Leben 
. des’ Pythagoras, oder auch die Einrichtung feines Bun 

des und feine Meynungen befchrieben haben. Dies tha⸗ 
‘fen Apoflonius von Tyana, Nikomachus, Moberatus, 
Mumenius, zween Diogeneſſe, Porphyr, Jamblich und 
"der Ungenannte beym Photius , deffen Fragment Küfter 
iugleich mit den lebensbeſcheelbungen des Jamblich und 





Geſchchre der Pothagoieſtchen te, ſelſchoft. so 


Yorphpr bat abbrucken leffen. Alle dleſe Männer vers 
blenen, daß man ſich bey Ihnen verweilt, und Ne ge⸗ 
none kennen zu fernen ſucht. Ich Habe fe "daher.von 
der großen Schaar derer abgeſondert, die In- eberi den 
Seltaltern! des Pythagoras, ober feiner Schüler und Leh⸗ 
ten nur erwühnt Haben, und deren Nachtichten nichr. ale 
von gleicher Bedeutung find, Die merkwuͤrdigſten Zruge 
niſſe find die des Plinius, Plutarch Apulejus, Larian 
und Phlloſtratus ? weniger wichtig find die, Der Plato⸗ 
hilfe des fünften und ſechſten, und der Rirhtnokter des 
driften und vierten Jahrhunderts. 

Die Staubwürdigfeitaller Hefe Schrffieker, und 
bie Zuserläffigkelt Ihrer Erzählungen und’ Nachrichten 
werde Ic) nach folgenden Brfijen (däjem mn: 


1J. GBeſchichtſchreiber, deren Fleiß Treue und 
Eharffon nicht nur. von. feinem unparthepifchen Kenner 
bezweiſelt, fondern wielmgbr vom ganzen Alterthume, 
oder doch von mehreren, großen Männern und gültigen 
Richtern anrrkannt worben, bie ferner in Zeitältern leb⸗ 
ten, wo die Usberlieferungen von den alteften Pythago⸗ 
teen noch nicht ganz verfälfcht waren, deren Erzaͤhlun⸗ 
gen endlich unker ſich, mit dem Geiſte der Zeiten, bie fie 
beſchtleben, und mit den Nachrichten andrer bewährter 
Shriftftelier Abereinſtimmen, ſolche Geſchichtſchreibet 
derdienen uneingeſchraͤnktes Zuttanen, und muͤſſen als fl, 
chere Fuͤhret in den dunkeln Gegenden bes Auterthums 
angeſehen werden. 


2. Zeugen von dieſem Gewichte koͤnnen nicht gieich | 


verworfen, oder ihr Fleiß und, Aufrichtigfeit in Zmeifel 
spgen werben, wenn man fi auch eines ober einiger 
. / 5. klei. 


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2) Drittes Buch 

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Beinen Fehler volber bie Beitrerhniung, ober in andern doͤ⸗ 


(ea und Schriften einer. zu weit getriebenen Partpepliche 
feie, für. aber wider gewiſſe Perfonen zeihen und überfüß- 


„ven: könnte, Geſchichtſchreiber, Die ale gefehlt harten, 
und die stiemals wider jemanden gereizt, oder, für jemanı 
den ,. oft ohne. en, ſalbſt zu. wiſſen und gu glauben, “einge 
ueinmen worden, ‚find, ngch nicht gebehrzn worden, und 


. werben vielleiht au: night gebohren werden. 


9, Geſchicht hreiber ferner, von denen ‚man bewel· 
fen kann, daß ſie wahra und ſalſche Sachen ohne Un 
terſchied aus zuverlaͤſſigen und unzuverläffigen Schrift⸗ 


flellern genommen, deß fie, ohne es zu merken, ſich ſelhſt 


widerſprochen, und Dinge, bie ihren Zeitgenoſſen ſelbſt 
unglaublich (heinsm.muften, ‚mit dem Tone ber feſtefen 


Weberzengung . erzähle haben , . müffen wenigſtens für 


7 
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ſchwache und leichtglaͤubige Männer gehalten werden, 
deren Zeugniffe nur alsdann Glauben verdienen , wenn 
man weiß, daß fie aus nnverwerflichen Urkunden entlehnt 
ſind, oder auch mit den Zeugniffen glaubwürdiger Mäns 
ner überein kommen, hergegen muß man diefer Schrift 
ſteller Nachrichten gar kein Gewicht behlegen, fo lange «6 
unbekannt iſt, woher fie entlehnt worden, ober fo bald 
ſie auch glaubwuͤrdigern Zeugniſſen enigegen ſtehen. 

"4 Ergähfungen von Wundern, oder won und UN 


glaublich ſcheinenden Dingen; taſſen nicht immer auf 


ſchwache Leichtglaͤubigkeit im Erzaͤhler ſchließen. Schrift⸗ 
ſteller koͤnnen Fabeln anfuͤhren, ohne fie ſelbſt zu glauben, 
und andere glauben machen zu wollen ; audy- Pönnen uns 
gewiſſe Erjählungen unglaubliche Fabeln ſcheinen, die In 
‚andern Zeitalsern nicht dafür gehalten wweben. 


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Geſchichte der Pythagoreiſchen Geſellſchaft. 3 
5. Es iſt in vlelen einzelnen Faͤllen ſchwer, beichtglaͤn. 
bigkeit, mit Unflelß verbunden, won Untreue ober vorfej- 
lichet Erdichtungsſucht zu unterſcheiden, vorzüglich deß. 
wegen, well man unmoͤglich zu beftimmen im Stande 
iſt, wie weit die Seichtgläubigkeit einzelner Menfchen ge» 
hen kane, ober vielmehr, weil man aus unzähligen 
Beyſpielen ſonſt fcharffinniger Männer weiß, daß ‚ihre 
Ueherzeugung oft in gleichem Verhaͤltniſſe mit der Un 
glaublichfelt gewiſſer Nacheichten flieg. Unterdeſſen kann 
man ohne Bedenken einen Schriftſteller untreu und IA. 
genhaft nennen, wenn große, billige und vorfichtige 
Männer ihn vorſezlicher Erdichtungen befchuldigen , wenn 
er häufig fo ungereimte, und allen Glauben überfieigende 
Dinge verbringe, daß es hoͤchſt unwabrſcheinlich dt, daß 
auch ber Seichtgläubigfte fie annehmen’ konnte: 'wenh er 
ferner eben fo oft Sachen erzählt, von denen man vor 
ihm keine Spur findet, und. wenn endlich ſelbſt fein Leben 
voll don unüberlegten,, ober niebetträchtigen Raͤnken!?und 
Betroͤgereyen iſt. 

6. Iſt es ſehr wichtig zu wiſſen, ob Geſchicht⸗ 
ſchreiber bloß Teichegfäubig "aber freu; oder ob fir vorſez⸗ 
le Erdichter ſind. Den erſtern kann man oft mic ebar . 
dr Zuverſicht, wie den glaubwuͤrdigſten Zeugen, den an⸗ 
dem aber. niemals trauen , felbft alsdann nicht, wenn 
fie twas von den ficherfien Gewährsmännern gehört, 


Sr aus den glaubwuͤrdigſten Urkunden entlehnt zu haben, . | 


vorgehen. 


7. Alle Scheiftſiellern die nach ben lezten Pycha· u 


Seen und ihren erften Geſchichtſchreihern ‚gelebt haben, 
verdienen nur in fo ferne Glauhen, Info keene ſie super: 
hfigen und alten Geſchichtſchreibern nacherzaͤhlen. “Die | 
5 > N | ‚gene 


ee Dre Buſch. 


‚eigene Slaubwrdigkeit der etſtern nimmt in gleichen 
Verhättniffe mit ihrem Abftande von den leztern ab, wei 
Erdichtungen, falſche Urtheile, witergefchobene Sarlf 
tes und unrichtige Anfuͤhrungen der Vorgänger ſich nk 
jedem Zeitalter vermehrten,. und diejenigen Schriftfieltr, 
die zulezt ˖ von den Pythagoreern handelten, ſich nicht im 
mer an die älteften und beften, ſondern meiſtens an dieje 
nigen hielten, ‚die ihnen am nächflen waren, und dere 
‚Schriften noch den’ frifcheften Ruf hatten. Wenn all 
Dorphpr. und Jamblich die Namen und Schriften der et 
ſten Geſchichtſchreiber anführen ; ſo kann man nicht im 
mer annehmen ‚daß fie Die Werke biefer Männer felhk 
zu Rathe gezogen haben. Ich werde Im ber Folge mi 
mebrern Beyſpielen beweifen, daß biefe Platoniker ot 
Nochrichten des Ariftorenus und feiner, Zeitgeneffen, nick 
aus den Schriften und mit ben: Worten ihrer Verfaftt, 
fondern. aus fpätern Scheiftftellern erzählen, die fie vieh 
leicht wiederum :aus ‚andern fihöpften, und bisweilen got 
durch. Umkleidung in einen fremden Ausdeud verftämmk 
ober verfätfcht hatten, 
» 8 Die glaubwuͤrdigſten unter ‚allen Nachrichten, 
—* wnfteeicig diejenigen , in welchen. alte und neue, 
vlaubwuͤrdige und unglaubwärdige Schriftfteller zufem 
Amen ſtimmen. Faſt von gleichen Gewichte find bie Er 
‚Föhlungen'ufler ober mehrerer der erften und zuverlaͤſſigften 
Geſchichtſchreiber, wenn Ihnen ‚gleich won jüngern un 
unzuverlaͤſſigen widerſprochen wird. Ganz zu verwerſea 
aber find die Zeugniſſe jüngerer und unguberfäffiger Min 
‚ner, die durch ausdrückliche —— einer 0 
weheerer au Alten "wkerkget. worden. 








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* Oeibichte der Pothagoreiſchen Geſellchaft. 195 


9 ‚Man. kann bier fo wenig, als In andern Zi . 
len bie Glaubwürdigkeit don Ausfagen nach ber Menge 
von Zeugen ſchaͤzen. Die Erzählungen aller oder vieler 
perdächtiger oder unzuverläffiger Schriftftellee merden das 
ber durch ein einziges Zeugniß eines alten und zuverläfft. 
gen Mannes uͤberwogen, und zwar um deflo mehr, wenn 
jene unter einander ſtreiten, oder wenn gar bewieſen 
werden fann, daß fie alle aus einer einzigen unreinen 
Auelle ausgefloffen find, 0. 
10. In ber Geſchichte der Phthagoteer, wo bie 
Zehl der glaubwütbigen Zeugen und Zeugniſſe gegen die 
unglaubwuͤrdigen fo ſehe Flein iſt, verdienen alle Nach⸗ 
tihten, deren Ürheber entwedet gang unbekannt, oder 
hörhfteng dem Namen, nicht aber dem. Zeitalter und 
Anfehen nach bekannt find, gar feinen Glauben, als in 
fo ferne fie geprüften Nachrichten entfprechen , oder ihnen 
aͤhnlich find, Der geringfte Schein von Gegenfaz fole 
"ber verwaiſeten Erzählungen mit bewährten Zeugniſſen 
‚gibt ein vollkommnes Recht, fie als faiſch zu verwerfen, 
odet doch ala verdächtig zu übergehen, 


J. 
I Ariſtotelecä. 
Wenn ich den Ariſtoteles nad) Den jest vorgetrage⸗ 

‚Am Geſezen richte; fe kann ich nicht anders, als urthele 
In, daß er wie der aͤlteſte, fo auch det zuverlaͤſſigſte eis 
gentliche Gefchichtfehreiber des Pythagoras und felner 

Phlloſophie ſey. N 
Er trug In mehrern Werfen die Gedanken bee 
Pythagoteet hiſtoriſch vor, oder wiberlegte fie auch ald 
Wohrheitsfotſcher. Mad alle diefe Arbeiten find er 
.. " 2 W au 


Bar Drittes Vuch. 


auf ihre Site und einige wenige gerettete Trümmer uns 
tergegangen *), . Ihr Verluſt ift eben fo fehr, als dee 
von irgend einer andern Ariftorelifhen Schrift zu bebaue 
ren, und um deſto unerfeglicher, da Die jüngern Schriſt. 
ſtteller aus ihnen nicht, wie aus andern. Büchern, be⸗ 
erächtliche Auszüge gemacht, und ung hinterlaffen haben. 
Die Nachlaͤſſigkeit dieſer Maͤnner, und den Mongel von 
kritiſchem Sinn, kann man ſchon allein Daraus abnehe 
men, daß fie alle zufammengenommen den Ariftoteles nut 
ein oder einige mal anführen, uud fidy eher. einem jeden 
andern Erdenfohne überlaffen ,. als die Muͤhe gegeben‘ ha« 
- ben, die treuften Urkunden Inden Denfmälern bes größten 
Weltweiſen Griechenlandes aufzuſuchen. Ungeachiet wir 
aber mit diefen Werfen zugleich die beſten und ſicherſten 
Fuͤhrer in der, Geſchichte des Pythagoras und ſeiner Ge⸗ 
ſellſchaft eingebuͤßt haben, fo möffen wir uns doch Immer 
noch Glück wünfchen, daß Ariftoteles in andern Schrif⸗ 
ten, die fi) erhalten haben, die Sehren und Meynungen ber 
älteften Pythagoreer zwar immer nur behlaͤufig, aber doch 
oft und bisweilen auch ausfuͤhrlich vorgetragen hat. Wenn 
man alle feine Zeugniſſe ſammlet; ſo kann man freylich 
aus ihnen noch nichts vollſtaͤndiges über bie Ak: Pytha⸗ 

goreiſche Philoſophle heraus bringen; fie. reichen aber 
doch wenigftens hin, uns mit den Grundfägen ber erften 
Pythagoreer über den Urſprung der Dinge, bie Mätur 
. der Götter und Menfchenfeelen,, und mit m. ganzem 

Art m phibe ſophiten bekannt zu machen. . 


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Jenſ. I, ıt. 





Oefäichte der Ppythagoreiſchen Geſellſchaft. 197, 


So bald man aber den Arifoteles ben einem ges 
wiſſen Theile der Pythagoreiſchen Geſchichte zum Grunde 
legen will, muß man ſich bereit halten, folgende Fragen 
eufulöfen, deren Beantwortung ber größte Bewunderer 
des Stagiritiſchen Weifen nicht ablehnen Fan, wenn er 
arders billig und unparthepifch denkt. Die erſte Frage 
ift dieſe; Meder Ariftoteles auch wirklich von den älteften 
Pythagoreern, das iſt von folchen, die Freunde und Zeite 
genofen des Pythagoras felbit waren , oder hatte er nicht 


vielleicht, fo oft er Meynungen ber Pythagoreer anführt, 


biejinigen Männer im Sinne, bie ſich in feinem Zeit. 
alter fo nannten? . Ferner, Ponnte Ariftoteles auch bie 
Brundfäze diefer gebeimnißvollen Schule erfahren ,. und 
woher nahm oder empfing er fie? Endlich, hat Ariftos 
(des die Lehren ber älteften |Pychagoreer auch. unverän- 
dert vorgetragen , oder hat er, wie Moshelm *) und 
andere neuere Schriftfteller ihn befchuldigen ‚ fowol ber 
Pythagoreer, als anderer aiter Weltmeifen Meynungen 


vorſezlich verkehrt und verfälfche, um bie Verbienfte ſei⸗ | 


ner Vorgänger In den Augen ber Nachwelt zu verkleinern, 
und feiner Größe. das hinzuzuſezen, mas er andern auf eine 
hinterliſtige und mieberträchtige Arc entwande hatte? 
Diefe drey Fragen müffen unterfucht und aufgeloͤſet wer» 


ben, bevor man ben Zeugniffen des Ariftoteles In ber 


Cefhichte ber Pprpagoreer folgen, ober fie ben Gegen, 
jtugniffen anderer vorziehen fann. Wird nun durch bie 
ſchͤrfſten Unterfuchungen die Glaubwuͤrdigkeit der erftern 
nicht. nur nicht geſchwaͤcht, fordern bewähret ; fo erhält 
man: alebenn Im pen einen großen Gewinn , nämlich 

| | N 3 oo einen 
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” Ad Cudw, St. intelt, Tom. 1 p. 6. Ed. bie ate. 





189 nn Drittes Buch. v* 


elnen richtigen Maasftab, nad) welchen man bie Buven , 
laͤſſigkeit und den: Werth anderer Geſchichtſchreiber und 
ihrer Werke fehäzen und ‚Seftimmen fann, 
Folgende Bemerfüngen (um gleich mit ber often 
Frage anzufangen) werden, glaube id}, niemanden einen 
Zweifel übrig laſſen, daß Ariſtoteles, fo oft er von Py⸗ 
Ä sbagoreern ſpricht, nicht die Philoſophen dieſes Namens 
aus ſeinem Zeitalter, ſondern die aͤlteſten Mitglieder der 
noch bluͤhenden Pothagoreiſchen Schule gemeynet habe. 
Er redet von ihnen, als von den erſten Erfindern der 
‚ Baplen: und Groͤßenlehre in Griechenland, und trägt 
ihre Meynungen ſtets vor denen des $eufipp, Demokrit, 
Parmenides, Ynaragsras und. Empebofies vor. Er 
unterſcheidet den Archptas , Eudoxus, And Philolaus 
ſorgfaͤltig von den Pythagoreern, deren er am meiſten in 
feiner Phyſik und fogenannten Metaphyſik erwähnt ; hinges 
gen fiehf er den Alkmaͤon, der in den legten Zeiten des 
Pythageras lebte, als ihren Zeitgenoſſen an *), | 
Die zweyte Frage, ob Ariftoteles bie wahren 
Grundfäge ber erften Porhagorger erfahren konnte? kann 
man zwar nicht fo zunerfichtlich , als bie erſtere bejahen; 
deſto entfcheibender aber Bann man behaupten, daß, wenn 
zu den Zeiten dieſes Weltweiſen die Lehren und Schickſale 
bes Pythagoras und feiner Freunde fich noch nicht ganz aus 
dem Bebächtniffe und ben Denfmälern der Grtechen ver» 
lohren hatten, und bie Erforſchung von benden, noch nicht 
unmöglich gemorben mar, man alsdann die unpartheyiſche 
Unterſuchung und Ellis derſelben von keinem 
| ol⸗ 





— — — — *— 


* Die Beweisftellen findet man in meiner " Hidor. doAr. 
»: de vero deo p. 299. 





bechichte der Potbagoreifihei@efelfhäft. -199 


folgenden Shüäftfteller mehr oder nur fo:fehe als vom 
Arijioreles erwarten könne, Er übertraf alle fpätere 
Geſchichtſchreiber ohne Ausnahme an Echarffinn, Wiß⸗ 
begierde und Gelehrſamkeit, nicht weniger an großen 
Berbindungen und Reichthuͤmern, endlich an Eifer und 
Pereitwißigfeit, die einen und die andern zur Erweite⸗ 
rung dee Wiffenfchaften und zum Beten der Gelehrfams 
feit anzuwenden, Man mag alfa annehmen, daß die 
Dhilofephle der Pythagoreer bis auf feine Zeit nur durch 
mündliche Weberlieferungen fortgepflanzt , oder daß fie in 
alten, aber feltenen und Foftbaren Werfen enchalten war; 
fo muß man in beyden Fällen glauben, daß Ariſtoteles 
leihter, und eher, als irgend ein anderer, zur richtigen 
Kenntniß derfelben gelangen fonnte. 

Burden.Bie Lehren und Geſchichte dee Pythagoreer 
Im Gedächtniffe, micht aber in gefchriebenen Denkmaͤ⸗ 
lan aufbewahret; ſo harte Ariftoteles außer andern natür» 
lichen und erworbenen Worzügen und Gaben vor feinen 
Nacfoigern den wichtigen Vortheil, daß er wenigſtens 
um ein Menfcherigiter früher lebte, und alfe um eben fo 


Biel der Wahrheit näher, und der Berfärfhung alter Trae 


ditionen Weniger ausgeſezt wor, Sezt man hingegen 


keraus, daß man im Zeitalter Aleranders alles, was den | 
Porhagerag und bie Pprhagereer betraf, im fchriftlichen 
Urkunden finden konnte, ſo muß man aud) alsdenn den 


Hrifteles für denjenigen erkennen, ber. bie meifte Be⸗ 
kibfamkeit und Mirtel hatte, fich folche Werke zu ver. 
hoffen, und ven größten Scharffinn ,. ädjte ven unters 
geſchobenen oder verfälfchten zu unterfcheiden. Er war 


der erſte in Griechenland, ber eine vollſt ändige Bibliothek 


ſammlete; er beſaß, wie feine Schriften beweiſen, bie 
M4 Werke 


.. 


a00 Dei Buß. 


Werke aller übrigen ‚ältern Dichter und Beitweifen ; } 
und man fann - daher: niche zweifeln, daß er nid 
- alles angewandt haben follte, um die Schriften und Ueber⸗ 
bleibfel der älteften Pythagoreer, wenn es dergleichen 
‚noch gab, zu erhalten. Er lebte ferner vor, oder in 
dem Anfange ber Zeiten, wo Die Griechen von ber Wuth 
ber DBüchererdichtungen, wie von einer allgeniein herr⸗ 
fchenden bösartigen: Krankheit ergriffen wurden. Ent⸗ 
weder waren zu feiner’ Zeit dem Pythagoras und feinen 
Freunden noch gar feine Schriften untergeſchoben, oder 
wenn dergleichen herumgingen, fo mar er mehr als irgend. 
ein anderer durch feine vorzüglichen Kenntniffe und lebung 
im Stande, foldye Betrügereyen zu entdecken. 
Mir ift es hoͤchſt wahrſcheinlich, daß Aciſtoteles 
Al: Pythagoreiſche Schriften in Haͤnden hatte, und 
daß die Lehren, die er ihnen in ſeinen Werken zuelgnet, 
aus felchen genommen find, Ich ſchließe diefes daraus, 
daß er fo vieles über und wider die Pythagoreer und ihre 
Philoſophie fchrieh, daß er auch in.den Arbeiten, bie 
wir noch beſtzen, fo oft und ausführlich von ihnen 
redet, und Diefes weber mit bem zwelflenden Tone , 
noch mit ben ihm fonft fo ‚geläufigen Formeln: man 
fogt, und, es heißt, deren er ſich bey Dingen, bie er 
nicht gewiß wußte, ober die er der bloßen Ueberlieferung 
zu Danfen hate, zu bedienen pflegt. Sollte aber jemand 
aller diefer Gründe. ungeachtet bennody glauben, mit 
Recht daran zweifeln zu Eönnen _ ob Ariftoteles die wahre 
Gefihichte und Grundfäze bes Pythagoras erfahren habe; 
der bedenke, daß, wenn man den Ariftoteles zur richti⸗ 
gen Unterſuchung der Pythagoreiſchen Phlloſophie für un 
fi etlärt, man noch vietmeße ade übeigen, die nad) 
ihm 









Seffichte ber Pothagoreifchen Geſellſchaft. 201 


ihr ſchrieben, für untüchtig erfennen, und zugleich | 
“an einer Geſchichte der Pythagoreer gänzlich verzweifeln - 


muͤſe. 

Wenn man aber zugibt, was ſich vernünftigen . 
Belfe nicht laͤugnen läßt, daß Ariftoteles mehr als alle 
übrigen, die nach Ihm lebten, Gelegenheit hatte, über 
den Pyhthagoras und bie Pprhagoreer, die Wahrheit zu 
erführen; fo iſt es noch immer erlaubt zu fragen,. ob er. 
auhXRedlichfeit genug gehabt habe, Bas, was er gefuns 
den oder. gehört hatte, unverändert in feine Schriften eins . 
zutragen? oder ob nicht Feindſeligkeit, und die Begierde, 
allein groß zu ſeyn, und allenthalben die Wahrheit zuerſt 
entdeckt zu haben, ihn zu einer vorſezlichen Verſtuͤmmelung 
Purhagoreifcher. Gedanken verleitete, wodurch dieſe in 
grillenhafte Träume verwandelt wurben , oder doch dag 
Anfehen feltfamer und lächerlicher Mepnungen erhielten? 

Diefen entehrenden Verdacht Eonnten und koͤnnen 
nur diejenigen hegen, (ich ſage dieſes mit allem Vorbe⸗ 
dacht; aber auch mit dem gerechten Unwillen, ven bag 
verkannte und gemißhandelte Verdienft in jedem feinee 
dankbaren Verehrer hervorbringen muß) bie die Größe 
des Mannes, an bem fie ſich verfündigen, nicht kennen, 
und den Freund Philipps und den Erzieher Alexanders 
mit irgend einem eben fo unbefonnenen als nieberträchtie 
gen Sophiſten verwechfeln. 

Freylich hatte Ariftoteles, eben wie Sofrates, auch 
ſchon im Alterthum viele Verlaͤumder *); allein diefe 
fine Feinde waren entweder als muthwillige und neidifche 
Stander aller grohen Namen beruͤchtigt, ober ſie waren 

N 5 auch 











*) Nriftoßfes nennt fie bepm, Eufebins, Uufeb. Praop. 
FErang, Vz | 





a Weite Buch, 
auch Schüfer und Nachfolger von berühmten Weltwelſen, 


bie Arifloteles getabelt oder widerlegt hatte, und deren 
, verlegten Ruhm fie retten zu müffen ſich einbildeten. 


Sie verriethen durch Ihre notoriſch unwahre, und allen 
Glauben uͤberſteigende Beſchuſdigungen Ihren Unverſtand 
und ihre Ohnmacht eben fo ſehr, als ihren Vorſaz zu 
fchaden; und Ariſtokles urtheilt nicht unrecht von fhnen, 
wenn er fagt, daß bie Werke der meiften fchon eher, ald 
fie ſelbſt, geſtorben mären. Sie warfen dem Mann, 
den Philipp von Makedonien zum Erzieher feines einzigen 
Sohnes erfohr, eine in den ſchaͤndlichſten Luͤſten und 
Beſchaͤftigungen hingebrachte Jugend, eine unnatürlice 


Vertraulichkeit mit dem Hermias und eine feiner Weis 


heit unmürbige Schweigerey und Ueppigfeit vor. Auf. 
gebrachte Piatonifer befchuldigeen den Ariftoteles einer 
ſchwarzen Undankbarkeit gegen feinen Lehrer, einer nie 


brigen Tadelſucht, ober einer unruhigen, In allen feinen 


Schriften bemerfbaren Begierde, neue und des Plato ſeinen 
entgegengeſezte Mepnungen zu behaupten. | 

VDieſer elende Wiverfpruchsgeift babe ihn, (fagten 
fie) zu ben gröften Ungereimtheiten und einer Menge gott: 


fofer, der‘ Tugend und Froͤmmigkeit verderblicher Ber 
hauptungen verleitet, und ihn zu einem $äugner ber Vor⸗ 


fehung und der Unſterblichkeit der Seele gemacht *), 


Aus diefer ganzen Schaar feindfeliger Anklaͤger des Ariſto⸗ 


teleg aber harte Peiner das Herz, ihm eine vorfezlihe 


Verfälfchung ober abfichtlich « unrichtige Borftellung ber 


lehten aͤlterer philoſophen ethuwerſen, den einzigen Eu 
| bull 


%* Man ſehe b den 1 Pietoniter Anikus bes Euſebius Prasp 
| Evang. XV. 4-1. | 


\ 


Geſchichte der Pothahoreiſthen —X 203 


hulldes, einen der Eriſtiker, ausgenommen, bie Wiiſto⸗ 
les am nachdruͤcklichſten beſtritten, und bis zur Unbe⸗ 
weglihleit gebunden harte, Dieſer Eubulldes war une 
berfhämt genug, von dem gluͤcklichen Bekaͤmpfer feiner 
und feiner Brüder Narrheiten zu fogen, daß er die Werke 
des Plato verborben oder verfälfche habe, Dies angeb⸗ 
liche Verbrechen war, wegen der großen Zahl von Ab⸗ 
hriften, die von Plato's Gefprächen nach bey feinem 
teben durch alle Thelle von Griechenland verbreitet wur⸗ 
den, und wegen der fat eben fo großen Menge eifriger 
Verehret, die er hinterließ, und bie auch die Pleinften 
Ihreg Meifters Ehre nachtheiligen Verſuche nicht würde 
ungeftraft gelaffen Haben, fo augenfcheintich unausführbar, 
und die Erdichtung Derfelben eine fo offenbare Ungereimes’ 
heit, daß einer der nachfolgenden Tadler des Ariftotes 
les es gewagt Hat, biefe ſich felbft widerfegende Verlaͤum⸗ 
dung zu wiederholen, oder Theil Daran zu nehmen, 

Selbſt aber aus diefer Nothwendigkeit, worin 
die Widerfacher des Ariftoteles waren, durd die Uns 
glaublichfeie ihrer Beſchuldigungen mehr die Vernunft 
und ihren eigenen guten Namen, als den Ariftoteles zu 
beleidigen, und Dann aus dem allgemeinen Stillſchweigen 
aller alten und zuverläffigen Schriftſteller muß man noth- | 
wendig ſchlleßen, daß es während des ganzen langen 
Zeltteums, in welchem bie Werke der älteften Weltwei⸗ 
fen unverlezt fortdauerten , und unzählige Gelehrte bie 
Geſchichte Ihrer Mepnungen ausarbeiteten, niemanden 
eingeſallen fey, die Aufrichtigkeit des Ariftoteles zu bes 
jrelfeln, oder ihn wegen einer vorfeslichen Verkehrung 
der lehrgebaͤude feiner Vorgänger zu argwehnen. Man 
darf u nur bie Unbefonnenheit eines ſolchen Uaterneh: 

mens, 


J 


204 Drittes Buch. 


mens, als bie Entſtellung ber ältern Syſteme geweſen 
wäre, mit der vorſichtigen Klugheit bes Ariſtoteles zuſam⸗ 
menhalten, um den lejtern eines eben fo haſſenswuͤrdigen, 
als unverzeihlichkindiſchen Anſchlags, der unmoͤglich un⸗ 
entdeckt bleiben konnte, nicht faͤhig zu glauben. Die 
Schriften der Männer, deren Lehren er verdorben Haben 
fofl, waren zu feiner Zelt, we nicht in aller, doch in 
vielee Händen, hatten größtentheils eben fo viel Ruhm 
und Sefer, als er für bie feinigen nur. hoffen fonnte, und 
von feinen oder wenigen ließ es ſich vernünftiger Weiſe 
vermuthen, daß fie eher als die feinigen untergehen würs 
den. Die meiften ältern Philofophen hatten: noch zu den 
Zeiten des Ariftoteles Nachfolger, die ihre Meynungen 
onnahmen, vertheidigten, und auf andere fortzupflanzen 
fuchten, bie alfo auch eine jede Entweihung der Weis. 
heit ihrer Führer auf frifcher That würden geahndet das 
ben, "Endlich hatte Ariftoteles.viele Feinde und Neiber, 
die allen ſeinen Fehltritten auflauerten, und fi ch gewiß fo 
gleich zu Verfechtern von Männern würden aufgeworfen 
haben, denen Ariftoteles Unrecht zu thun verſucht haͤtte. 
Aus dieſen allen erhellet, Daß man ein ſolches Verfahren, 
dergleichen einige dem Ariſtoteles zugetraut haben, . nu 
von einem Menfchen, ber mit :einer Fleihen neibifchen 
Seele den äußerfien Grab von Unbebachtfamfeit were 
nige harte, nicht aber von einem alten feinen Hofmarm 
erwarten koͤnne. Gegen bie Pythagoreer befonderg konnt 
Ariſtoteles ſich um deſto weniger etwas erlauben, we 
viele-angefehene Männer diefer Schule feine Zeitgenoffe 
waren, und er nicht nur gegen die alrzen, fondern au 
. gegen bie neuern gefchrieben hätte, - Bon biefen mufte ei 
aiß Sefüraten, def fie eine jede an ihnen ober Ihren, ou 
m 












Seſchihte der Pythagoreiſchen Eelaten 205 


fahren begangene Untreue ſo gleich offenbaren und ſtra⸗ 
fen wuͤrden. Wie ſehr er aber durch die Freymůuͤthigkeit, 
womit er die Pythagoreiſche Philoſophie beſtritten hatte, 
alle Freunde derſelbigen wider ſich gereizt habe; ſieht maͤn 
aus dem. Beyſplel des Pythagoreers Lyko, den Ariſtokles 
auch unter den armſeligen Verläumdetn des Ariſtotekes 
aufzaͤhlt, der aber biefem Philoſophen weiter nichts , als 
ein zu koſtbares und sahlreiches Küchen» und Tafelgefäitr 
vorzumerfen wußte, 


Zu den bisher: angeführten Sränden für. bie Rede 
lichkeit und hiſtoriſche Treue Des Ariſtoteles feze man zulezt 
noch dieſe hinzu, daß alle Nachrichten des Ariſtoteles von 
den Meynungen älterer Weltweiſen mit den Fragmenten 
der lejtern, oder mit den Erzaͤhlungen aller übrigen glaub⸗ 
wuͤrdigen Schriftſteller genau uͤbereinſtimmen; daß alles, 
was er von der Pythaaoreiſchen Philoſophie ſagt, durch 
andere unverwerfliche Zeugniſſe beſtaͤtigt wird, und daß 
man endlich nod) feinen einzigen Fall angezeigt, und außer 
Zweifel gefezt hat, in welchem Ariftoteles als ein Verf | 
fher wäre befunden. worden. . . . | 


Menn ich aber. die Redlichkeit des Kelfotees ju 
retten, und den lächerlichen Verdacht einer vorſezlichen 
unrichtigen Darſtellung der rLehren älterer Weltweiſen zu 
widerlegen ſuche; ſo behaupte ich im geringſten nicht; dag 
nicht eben diefer große Mann Stellen und Meynungen 
anderer’ bismweiten habe mißverftehen, unrichtig anstegen, 
und fasfch über fie urtheiten koͤnnen. Es braucht gar fels 
ner Erinnerung , daß ſelbſt die fharffinmigften Kunſt- 
tichter nicht immer gegen Mißverflänbniffe;unrichtige Aus. 

legungen ober Urthelle ficher find, daß man aber auch aus 


% 
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. 


206 u . Deitte Bud N 
‚fchen nichts wider die Glaubwürdigkelte von Sri 
ſchtelbern und Zeugniſſen ſchließen koͤnne. | 


| \ Setaklides Pontitub. 


So wie beym Ariſtoteles ſich alle Umfßaͤnde Bet 
hen um ihm ſelbſt Glauben, und feineti Leſern Zu 
frauen zu feiner Glaubwuͤrdigkeit einzuflößen : fo fommt 
beb feinem. Schuͤlet und Mitſchuͤler, dem Heraklides Pon⸗ 
tikus, alles zuſammen, was einen Schriftſteller verdächtig 
machen, und Im Alterthumsforſcher ein unausloͤſchliches 
Mistrauen gegen feine Zengnifle hervorbeingen muß, 
. "Das ganze Leben des Heraklides, oder doch bie wichtigſten 

: $ebensumftände, wie Diogenes *). fie meiftens aus gleich 

.  "geltigen Befchlchtfchreibern- erzaͤhit, nicht weniger die mel 
ſtſen feiner übriggebliebenen Fragmente, und endiſch alle 
Urtheile, ſowohl altet Als neuer, ſowohl ſcharfpruͤſender 
als leicht zu beſriedigender Schriftſteller zeigen ihn als el 
‘nen Mann, ber eben fo leichtgläubig, als Fühn im En 
"dichten war, den man eben ſo oft betrog, Als er andete 
* Binterging oder. zu Binitergehen fuchte, ber. wenigſtens eben 
fo unbefonnen, als verſchmigt, undipu verfchledenen Zei 
‚sen füch ſelbſt: ‚ungleid) war. Er —* außer vielen 











"dern Werken ein Buch über die Pythagoteer **), au 
‚welchem und felnen abentheuerlichen Maͤhrchen wagı rı 
errves faſt alle Erzaͤhlungen genommen find , bie beim 
:Biogenes, Yamblic , Porphyr, und verſchiedenen ans 
Dein vorfommen, Vlogee *ee) gibt ihm das u. 

} | |; 
— —— — — — 


28 94. 5 
I ee ee 


Brfiähte der ethaperiſhen ocaen 207 


olß, do. feine Schreibast prächtig und anglehend gewe⸗ 
ſen ſey. 
Unm fich wu überzeugen, wie leichtglaͤubig. und Uns 
bedadefann Diefer Mann war, und wie leicht ihm Beiruͤge⸗ 
reyen und Erdichtungen wurden, darf man nur ‚folgende 
Facta leſen, die Diogenes faſt alle aus den Werken 
keiner Zeitgenoffen und, Mitſchuͤler, einer. Hermipp und 
Atiſtexenus, gejogen ‚hat, , Ein gewiffer Dionpfius, wie 
andere ſagen, Spintharus; verfertigte ein Trauerfpiel, dem 
er den Namen des Sophokles vorſezte. Heraklides nahm 
dies untergefchobene Werk ohne Bedenken für-dcht an, und 
mußte ſich nachher · quf. eine ſchimpfliche Ark, feinen Mans 
gel an Scharffinn und Worficht von eben dem Manne, 
der ihn hintergangen harte, vorruͤcken laffen. Nicht 
lange nachher gab der betrogene Heraklides Trauerſpiele, 
die er ſelbſt gemacht hatte, unter dem Namen des Thes⸗ 
pis heraus „ wahrfcheinlich um Diejenigen, die ihn beruͤckt 
hatten, wieder zu uͤberliſten, und- feine Schuld durch 
aͤhnliche Fehltritte anderer zu decken, ober doch zu verrin⸗ 
gen, Er beraubte ferner mit der dummſten Unverſchaͤm⸗⸗ 
heit einen. gewiſſen Chamaͤleon *), und eignete ſich ans 
deſſen Werke die wichtigſten Nachrichten uͤber den Homer 
und Heſiod zu, ohne den Namen desjenigen zu nennen, 
dem er.fie zu danken hatte: Er wurde aber ſogleich auf 
dee That ergriffen und gezüchtigt; denn der befeibigte 
Schrifeſteller Plagte laut: über Gewaltthaͤtigkeit, und übege 
fübete den. Heraklides öffentlich des groben Diebſtals, 
den er an ihm begangen hatte. . Noch weniger Ehre aber, 
als die Ye angefügren Site wachen ſeinem Herzen 
Ze und 
— — — — 
) V. 92, ci ibi Mensg. 





⸗ 


" a N 


N 4 \ 


208. 7 Drittes Buch. 


und Verſtande die laͤcherlichen und vergeblichen Venihe 
gen, wodurch er es dahin zu bringen ſuchte, daß er als 
ein Gore oder goͤttlicher Mann verehret wuͤrde. Einer 

Erzaͤhlung des Hermipp zu folge hatten die Einwohner 
von Heräften ſchon lange dutch Theurung und Hungers— 
noth gelitten; fie ſchickten endlich eine Oeſandſchaft an 
‘pen Apoll zu Delphi, um von diefem Gotte bie geſchwin⸗ 


deſten und kraͤftigſten Mittel gegen eine der ſchrecklichſten 


"allgemeinen Landplagen zu erfahren. Diefe Verlegenhelt 
der Herakleoten fuchte Heraklides zu feinem Vortheile zu 
nuzen er beſtach nämlich die Pythla, und ließ den Fra 
‚ "genden die: Antwort geben, daß man, um von dem gie 
‚geritoärtigen Uebel befreyt zu werben, ben Heraklides mit 

einer goldenen Krone kroͤnen, und nach feinem Tobe als 
einen Helden- verößren muͤſſe. Die bedrängte Stadt 


wollte ben angeblichen @ötterfpruch eben -erfüllen, did - 


ber gottloſe Betrug -entdedt, und feinen Urbheberh und 
Tpeifnehmern verderblich wurde. Heraklides (fo führt 
Hermipp fort) ſtarb gleich nachher, da man ihm die gol⸗ 
“dene Rrone aufs Haupt gefeze Hatte, an einem Schlag: 
flugfe: die Geſandten ftürzten zu Boden, und die Pprhla 
"wurde fürz darauf, durch den Biß einer Schlange ge⸗ 
toͤdtet. 
Ich Häugne nicht, daß Hermipp nicht de Mann 
ſeh, von deſſen Nachrichten man die Ehre von Schrift 
ſtellern abhängig machen koͤnne: ich gebe auch zu, daß 


die eben mitgetheilte Erzählung eher das Anfehen'eines 


anbaͤchtigen Maͤhrchens, als einer wahren Geſchichte 


Babe, und daß ſie / wenigſtens den Stumpfſiun und Aber 


glauben des Hermipp weit mehr, als die laͤcherliche Eitelkeit 


des Heraklides verrathe. Hermipp iſt aber auch nicht der 
| Ä onen .| 


| 





Geſchichte der Vothonoreſthen Geſellſchaft. 209 


einzige, der von Anſchlaͤgen des Heraklides auf goöttliche 
Verehrung geredet hat. Auch Dionpfius von Magneſia 
atzaͤhte ), daß Heraklides eine Schlange ganz zahm 
gemacht, und einem ſeiner Freunde beſohlen Habe, ſei 
nen Leichnam gleich nach feinem Tode in der Stille fort⸗ 
zuftofren, und an deſſen Stelle die Schlange unterzus 
üben, um ben. großen Kaufen glauben zu ‘machen, | 
als wenn er zu den Göttern hinaufgeſtiegen wäre, Nach 
dem Zeugniffe eben biefes Geſchichtſchreibers richtete zwar 
der Freund des Heraflides den Willen Diefes Betruͤgers 
aufs pünetlichfte aus; allein ungluͤcklicher Weife wurde 
die Schlange durch die zu heftigen Ausrufungen ber be 
wundernden Menge, fchüchtern gemacht; fie entrolfchte zur 
Unpit: die Abſich tn des verftgrbenen Thoren offenbarten ur 
ſich auch den einfältigften, und man hielt den Heraklides 
nicht mehr für denjenigen, ber er ſeyn wollte; ſondern 
für den, der er wuͤrklich war. 

Solche Fehltritte und Schwachheiten eines fon 
nicht unberuͤhmten Mannes konnten unmoͤglich im gan⸗ | 
zen Alterchume unbemerft bleiben. Wir finden baher s 
auch, dag man ihn gleich nach feinem: Tode für einen | 
Mährchenerzähler und Erdichter gehalten, und daß man 
allgemein feinen Hang zum Wunderbaren und Fabelhaf⸗ 
ten getadelt hat. Schon Timaͤus) warf ihm von, | 
daß er die Geſchichte bes Todes des Empedekles und des 
Ehrendenkmals, das ihm vom Paufanias errlchtet wor⸗ 
den, ganz unrichtig erzaͤhlt, und durch 6 viele. ſeltſame Zu⸗ 
füge verfaͤlſcht babe. 


n 


ESoiche 


* .V.8 pi 
viii. ei. [4 og. 
O 


x 


10-0 MWeittes Bud), 


Sıldı Entftellungen von Factis (ſezt Timdus 


Binzu) ſeyen dem Heraklides ganz gewöhnlich ‚- und durch 
afle feine Schriften zerftreur. Wollte man gegen diefes 


Urtheil einmenden, daß Ximäus als ein übertriebener 
und verläumberifcher Tadler unter den Oriechen berüd. 
tige geweſen ſey; fo kann man hierauf antworten, daß 
diefer Gefchichtfchreiber Im gegenwärtigen Falle Farta, 
und zwar folche Facta vor fidy hatte, mad) welchen ‚der 
billigſte Richter nicht anders haͤtte Urtheilen koͤnnen, und 


daB es außer dem Timäus noch mehrere Männer von 
großem Anfehen gegeben habe, die.dem Heraflides allen 
Glauben abgefprechen haben. Cirero, der dem Herakli⸗ 


des mannigfaltige Kenntniffe zugeftanden , fagt doch, 





daß er feine Werke mit Einbifchen Faban angefuͤllt Habe). 


ben Heraklides einen fabelhaften und. untreuen Erzähler, 
an dem es garnicht zu vermunbern ſey, daß er Mom In 
eine griedyifche Stadt am großen Meere verwandelt, und 
ein Heer von Hyperboreern zu ihrer Serftöhrung 


habe fommen laſſen, ohngeachtet ihm die wahre Ge⸗ 


ſchichte der Einnahme Roms durch bie Gallier und 


ihrer Befreyung durch den Camillus **), fo wie Ariſto⸗ 


. Auch Plutarch, dervielen trauete, die es nicht verdienten, 
und vieles annahm, was er hätte verwerfen follen, nennt 





teles fie vorgetragen hat, nicht unbefanne habe fen 


koͤnnen. | 
Wenn aber auch alle diefe Anfiäger des Heraklldes 
geſchwiegen hätten, und wir von feinem. ganzen Leben 


und Charakter fonft nichts wüßten; fo. würden doch die 


wæeni⸗ 


®) Tufeul. Quaeft, V. 3. de Nat, Beer. L, ı. 








N 





ı 9%) in vita Camilli I, 547. Ed. Relsk, 


/ 


\ 


Geſhichte ber Ppthagoreifchen Geſellſchaft. an 


wenigen Ueberbleibſel feiner Schriften fo laut, als irgend 
einer kn Feinde, wider ihn reben. | 
Er erjäßlte den Fall eines Menſchen aus dem 
Monde*),.Bie Seelenwanderungen des Pythagoras ®), " 
und de Himmelfahrt des Empedokles ***) mit folchen 
Umfänden, daß man ohne alles Bedenken fagen kann: 
ı felbft habe in dem Zeitalter , worinn er lebte, und bey 
in Renntniffen, bie er befüß, das, wos er erzäßite, 
elbft nicht: geglaubt, fondern ein elendes Wergnügen 
rin geſunden, Maͤhrchen zu erfinden, und andere, 
Houben zu machen, s 
En bald atfo Heraklibes in feinen Nachrichten von 
em Pyhagoras oder den Pythagoreern, andern gfeiche 
ttlgen and glaubwuͤrdigern Schrififtellern widerfpricht; 
darf man nicht bloß, fondern man maß ihn verlaffen, - 
ft mar gewiß der vornehmſte, ober einer der vornehm⸗ 
&n unter den alten und angefehenen Schriftſtellern, von. 
rien Porphpr und Jamblich bende Ifagen, daß fie bie 
Bunderthaten des Pythagoras aufgegeichnet hätten +). 
Mit dem Heraklides verbinde ich Den Klearch, weil 
leſer auch ein Zuhörer des ‚Ariftoteles war ++), und 
t feinen lebensbeſchreibungen berühmter Männer gleich⸗ 
iis vom: Pythagoras handelte. Nach den Proben, 
le Gelius aus biefem +t, und Diogenes fft) aus einem 
O 2 an⸗ 
— — — 
) Diog, V. 72. | 
u) Sy . 
SR) vin. er 68. 
he 23. —— 60 ſ. | 
ur) \w. —E der Farict deym Dein kann Rear | 
vielleicht anf eben die Art entſchuldiget werden, wie ich 
wr; unten den Dikaͤarch rechtfertigen werde. 








4 


— 


— 


* F J N J . " \ _ 
u -, Drittes Bud), 


Solche Enrftellungen von Factis (ſezt Timdus 
hinju) fegen dem Heraklides ganz gewöhnlich, und durch 
alle feine Schriften zerſtreut. Wollte man gegen dieſes 
Urtheil einmenden, daß Ximäus als ein übertriebene 
und verläumberifcher Tadler, unter den Orlechen beruͤch⸗ 
tigt geweſen ſey; fo kann man hierauf antworten , daß 
Diefer Geſchichtſchreiber im gegenwaͤrtigen Falle Forte , 
und zwar folche Facta vor ſich hatte, mach welchen ber 
bittigfte Richter nicht anders Härte urtheilen koͤnnen, und 
daß es außer dem Timäus noch mehrere Männer von 
großem Anfehen gegeben babe, die dem Heraklides allen 
Glauben abgefprachen haben. Cicero, der dem Herakli⸗ 
des mannigfaltige Kenntniſſe zugeftanden , ſagt doch, 
daß er feine Werke mit kindiſchen Fabyn angefuͤllt habe*). 
. Auch Plutarch, dervielen trauete, die es niche verdienten, 
und vieles annahm , mas er hätte verwerfen:follen, nennt 
ben Heraklides einen fabelhaften und. untreuen Erzähle, 
an dem es garnicht zu verwunbern ſey, daß er Kom in 
eine griechifche Stadt am großen Meere vermanbelt, und 
ein Heer von Hyyperboreern zu‘ Ihrer Zerſtoͤhrung 
habe kommen laſſen, ohngeachtet ihm die wahre Ge 
ſchichte der Einnahme Roms durch die Gallier und 
ilhrer Befreyung durch den Camillus **), fo wie Ariſto⸗ 
teles fie vorgetragen hat, nicht unbekannt ‚habe ſeyn 
koͤnnen. 
Wenn aber auch alle dieſe Anftäger des Heraklldes 
geſchwiegen hätten, und wir von feinem, ganzen Leben 
und > Charckur fonft nichts mäßten; fo. würden doch in 
” wreni⸗ 
0) Tufeul. Quaeſt. V. 3. de Nat. Beer. I, iz. 
20) in rit⸗ Camilli I, 54. Ed. Reis, 


. . 








04 





\ 


Geſchichte der Pothagoreifchen Geſellſchaft. an 


penigen Ueberblelbſel feiner Schriften fo laut, als irgend 
eine feiner Feinde, wider ihn reben. | 

Er erjäßlte den Fall eines Menſchen aus bem 
Monde*), die Seelenwanderungen des Ppthagoras ""), " 
und de Himmelfahrt des Empedokles ***) mit folchen 
Umfinden, daß man ohne alles Bedenken fagen kann: 
" felbft habe in dem Zeitalter , worinn er lebte, und bey 
m Renntniffen, bie er befüß, das, wos er erzählte, 
elbft nice: geglaubt, fondern ein elendes Vergnügen 
tin gefunden, Mäbrchen zu erfinden, und andere, - 
fauben zu machen, & Ä 

So bald alſo Heraklibes in ſeinen Nachrichten von 
em Puhagoras ober den Pprhagoreern, andern gleiche 
rigen und glaubwuͤrdigern Scrififtellern widerſpricht; 
darf man nicht bloß, ſondern man muß Ihn verlaſſen. 
't mar gewiß der vornehmſte, oder einer der vornehm⸗ 
en unter den alten und angefehenen Scheiftfteflern,, von. 
men Porphpe und Jamblich bende jagen, daß fie die 
Bundertdaten bes Pythagoras aufgezeichnet hätten +), 

Mit dem Heraflides verbinde ich den Klearch, weil 
er auch ein Zuhörer des Ariſtoteles war ++), und 
feinen lebensbeſchreibungen beruͤhmtet Männer gleich⸗ 
fs vom: Pythagoras handelte. Nach den Proben, 
e Gellius aus ofen Hr, und Diogenestttt) aus einem 

O 2 


ans 
Diog, V, 12. 
*) VIE 4. | 
») vl, 67. 68. 
1) Porph.'23. 28. hal 60 ſ. | 
tt) fiehe Jonf, 1. 20 8 
th tv. ĩi. Wegen‘ der diachricht deym Gellius kann ahar | 
vielleicht auf eben bie Art entſchuldiget werden, wie ich 
weiter unten ben Dikaͤarch reihtfertigen werde. 


HH % 


U") 








4 


- 


. 


m Drittes Buch. J 


andern Buche anfüßren ‚ war er nicht weniger — 
big und kuͤhn, als ſeine Mitſchuͤer. 

Seine Fragmente beym Athenaͤus hingegen enthal 
ten nichts unwahrſcheinlichet, und ſtimmen mit den & 
sählungen anderer glaubwürdiger Schriftfteller vollkon 
imen überein, weswegen ich ihnen auch zuverſichtlich 9 
folge bin. Das angebliche Werk dleſes Gefchihrihrd 
bers endlich, aus welchem zuerſt. Joſephus *), und og 
dem Joſephus, Clemens *) und Eufebius Fee), di 
Stelle über die Bekanntſchaft des Ariftoteles mit eine 
Juden angeführt haben, halte/ ich mit dem Jonſius M 
eben fo wenig aͤcht, als den Briefwechſel des Demerria 
Phalereus mit dem Prelomäus Philadelphus, und ol 
derum zwifchen diefem und dem Hohenprieſter ver} 
weichen man bey dem zulezt angeführgen Kircenve 

| = I - fin 


%) Caut: Appien I, e. 22. . 

“) Strom. I. R 

AR) Praop. Evang. IX. 5. 

Wenn im Diogenes (I. 6.) glearq für Kit 

geſezt werben müfte, wie Menage vermurhere, U 
Nachrichten, die im frebenten Abſchnitt jichen, eine 
fezung derer_im fechften wären, fo wuͤrde man 
Kicar in feinen Erzählungen von fremden Boll 
ı deren Religion un Meeynungen, allen Glauben all 
hen müffen: denn in der lezten Stelle wird von! 
Magiern vieles gefagt, mas durch die Beugniit 
zuverlaͤſſ igſten Geſchichtſchreiber widerlegt wird. 
kann aber weder mit Gewißheit behaupten, daß DI 
genes den Klearch, und nicht den Klitarch, der ge 
falls ein feiner Erdichtungen wegen berüchtigter Eri 
ftelfer war, vor ih gehabt hale. Man febe Eror 

. Clav. Cie. Voe. Clitaschus, noch läßt, es ſich darthul 

.daß die Fragmente beym Diogenes alfe_von demſel 
Berfaffer find. 






















Geſchichte der Pythagoreiſchen Gefelfchaft, ar 
nder, Ale diefe Schriften rühren, hoͤchſt wahrſcheinlich I 


on irgend einem der Juden her, die nicht nur aus Grie⸗ 


fen Schriftſtellern ale Jeugniffe zufammenfuchten, 


n denen bloß der Name ihres Volks oder Landes vorkam; 


ondern auch beruͤhmten Männern Schriften unterſchoben, 


ım dur) deren Ausſprüche das Anfehen und Alterthum 
hres Volks, ihrer Weisheit, und ihrer heiligen Buͤcher 
u beweiſen, welchen Zweck ſie auch nach Wunſch erreich⸗ 
en. Die vom Joſeph gebrauchte Schrift muß einen 
mwiſſenden Fremdling in ſpaͤtern Zeiten zum Verfaſſer 
jaben, weil, wie Jonſius bemerkt, Ariſtoteles darinn 
nit feinen Schülern nach Afien verſezt wird, und feine 
Zuhörer oXcAwsınos genannt werden , welches Wort 
xſt' lange nach bem Ariftoteles in diefer Bedeutung. ges 
iommen worden iſt. | 


ILI. 


dom Keiforenus, Dikaͤarch und Sieronymus. 


Nah dem Ariftoteles verdienet unter den ältern 
Beſchichtſchreibern des Pythagoras feiner mehr Aufmerk⸗ 
Imfeit, als Arifterenus, der gröfte und berühmtefle 
unter allen Schülern bes erſten wandelnden Weltweifen , 
nach oder vielmehr neben dem Theophraft. 

Er handelte vom Pythagoras, den Pythagoreern, 


und beyder ihren Lehren nicht nur umſtaͤndlich in einem 


eigenen Werke, oder wenigſtens in einem großen Ab⸗ 
Mnitte feiner Lebensbeſchreibungen, ſondern auch noch 


beaͤufig in andern Schriften *). Wir baben bon die⸗ 
03 ſem 





Ei 


er = Drittes Bub. 


beruͤhmteſten Männern des Alterthums, deren Werke 


EXXX 


. u 
| I 
| 
em Manne weit mehr Sragmente, als man gemeiniglich 


glaubt, oder bisher aufgeſucht hat. Und wenn er alſo 
quverlaͤſſig iſt; ſo koͤnnen wir aus ſeinen Nachrlchten allein 


die Lebensumſtaͤnde der aͤlteſten Pothzagoreer, und die 
‚ganze Einrichtung und Abſicht ihrer Geſellſchaft voll ſtaͤn⸗ 
diger, als aus dem Ariſtoteles, ihre Erfindungen und 


einzeläen Mepnungen erfahren. 

Meinem Urtheile nach gebührt dem Ariflopenus une 
ter den Schriftſtellern aber die Pythagoreer gleich nach 
ſeinem Lehrer der. erſte Rang: wenigſtens iſt unter den 
übrigen Peiner, der alle Vorzuͤge eines großen Geſchicht- 
forfchers,, Fleiß und Scharffinn, ‚Treue und Erhaben⸗ 
heit über Aberglauben, endlich Verachtung aller Fabeln 
im hoͤhern Grabe befeffen hätte, und dem zugleich weni. 


ger Schwachhelten und Sehltritte vorgeworfen . werben 


Pönnten, als ihm. Ariftorenus wird häufig ‚von den | 
zu uns gekommen find, angeführt; aber von feinem wird 
ihm Unfleiß, Erbichtung , ober feichtgläubigfeit vor⸗ 
geworfen, vielmehr prekfen bie meiſten, befonders Cicero *), 
feine feltene Gelehrſamkeit, feinen Flelß und fein viel um» 
faſſendes Genie, In den Erzähftingen, die wir noch 
won ihm haben, findet fich nichts Mäprchenhaftes, nichts 


. unglaubliches ; ober auch nur unwahrfcheinliches,, niches, 
woraus man fcbließen Fännte, daß er für oder wider bie 


Pythagoreer eingenommen, oder daß es Ihm darum zu 


thin gemwefen fen, fie durch Kunſt oder Gewalt ju Befkd. 


nien irgend einer vorgefoßten Meynung m brauchen, 
| . Sie 











de Orat. NL 3 ad attie. VL 4 de Fin, V. . 
| Tufe, Quaeli, x Li ‘ * ⸗ 


Geſchichte der Pothagoreiſchen Geſelſchaft. æꝛis 


Ele ſtimmen ſowol unter ſich, als mit den Nachrichten 
anderer glaubwuͤrdiger Geſchichtſchreiber uͤberein, und 
widerſprechen nur den Zeugniſſen ſolcher Schriftſteller, 


die von keiner Seite mit ihm verglichen werden koͤnnen, 


und die mit ſich ſelbſt eben ſo ſehr, als mit dem Ariſto⸗ 
xenus ſtreiten. 


Auch lebte Ariſtoxenus zu einer Zeit, wo der Fa⸗ | 


bein und Erdichtungen von den Pythagoreern noch niche 
fo viele, und-diefe Fabeln noch nicht fo alt waren, daß 
man Ihre Urheber. nicht hätte entdecken fönnen» Endlich 
wurde er mit den lezten Pythagoreern befannt, von Denen 
er unſtreitig alle mündliche und ſchriftliche Nachrichten 
über ihre Vorfahren einzog, die ſich bis dahin erhalten 
batten. Beym Ariftorenus find dieſe Umftände und Vor⸗ 
theile wichtig , wenn gleich. Seraflides Pontikus und 
andere fie wenig genuzt haben. 

Gegen ben Fleiß und bie Vorſicht bes Ariſtexenus 
koͤnnte man allenfalls biefes einwenden , baß er *) ben 


® 


&fis und Archippus als bie einzigen Pprhagoreer nannte, 


die in dem Ueberfall der Kyloniſchen Parthey nicht umge 
fommen ſeyn, und daß er vom Lyſis hinzuſezte: er fey 
nach dem Untergange des Bundes nach Theben gegangen, 
und der Lehrer des Epaminondas geworden. Diefer 
Nachricht hat beſonders Bentley unwiderſprechliche 
Gründe eatgegen geſezt **); und Ariſtoxenus Hat ſich 
unſtteltig eines Fehlers wider die Zeitrechnung ſchuldig 
gemacht, wenn er den Bilder des Siegers bey Leuktra 
und Cheronda his einen Zeitgenofjen des Pythagoras 


O 4 aus- 


— — — — — —— —— —— — 


| .) Jambk. 251. fl 


9 Man i feine DIE upon the «Egli. Pal, 2 56. 9. 


26 nn ‚ Drittes Bich 


aussah, Addln biefer Fehler iſt auch bet einzige in der 
Geſchichte des Pythagoras, deffen man Ihn überführen 
Tann, und aus weldieny allein kein billiger Richter einen 
_ Bene von firdfliher Nachlaͤſſigkeit im Unterfirchen 
dernehmen wird. Der Irrthum des Ariſtoxenus iſt um 
deſto verzeihlicher, da ihn alle uͤbrige Schriftſteller, die 
von dem Untergange der Pprhagsreifchen Geſellſchaften 
geredet haben, auch begangen, und feiner im ganzen Als 
terthum bemerkt hat. *). Hoͤchſt wahrſcheinlich alſo war 
er älter, als Ariſtoxenus, und fand ſich ſchon in ben Ue⸗ 
Berfieferungen oder Urlunden der er Pochagereet die dieſer 
„su Rathe gg, ‚ 


‘ Ein viel. größerer, und nicht fo leicht zu beantwor⸗ 
‚tenber Worwurf wider Die Unparthẽeylichkeit des Ariſtoxe⸗ 
nus liegt in der Heftigkeit, womit er den Sokrates an⸗ 
er, ‚und Ihm. der a igften Safler beſchuldiote, welche 
— ihm 
— seen 


* Dies Verſehen war feine turpiı- ævigoonoic; fonbern 
ein commune ersatum, Und muß man es eben ſo beurthei⸗ 
len, wie Cicero einige ähnliche Fehler in folgender 

Stelle: Nam illud de Flavio & falls, fi feeus eſt, 

. eommune ertatum eſt; & tu belle nmoencasz, & 
20 publicam prope opintonem ı fecuti fumus, u 

| ‚nulta apud Graeeos. -Quis enim aan dixit ,. Eurzo= 
7, AW-Tov INS weXaıms, ab Alciblade , navigante is 
-.. Stellen, dejectum eſſe in mare, Redarguit Era- 
‚ tofbenes, Adfert enim. quas ille, poſt idtempus, 
fabulas docuerit. Num ideireo Duris Samius, homo 

‚In hiftoria diligens, quod eum multis erravic, irri- 
‚detur? Quis Zaleucum leges Loeris feripfiffe non di- 

zit, num igitur jacet Theophrafius, Ni id a Timaeo, 

tuo famillari, zeprebenfum oft, Epifl, ad Astieum 

Lib. VI. 1.p. ögı. Edi Etneſt. 


— 











⸗ 


[02 
= - | 


’ \ ⸗ 





Geſchichte der Phthagoreiſchen Geſellſchaft. 217 


ihm bor zuwerfen ſelbſt Ariſtophanes, hd feine Anklaͤger 
ſich geſcheut hatten *), 

Einem Manne, "ann man ſagen, der den beſten 
und welſeſten der Griechen wider alle Zeugniffe jeiner ver» 
chungswuͤr digſten Schuͤler ſo falſch beurtheilen, und 
ſo ungeſtuͤm und grundlos verlaͤumden konnte, muſte 


nothwendig die ruhige Gleichguͤltigkeit und Unbefangen⸗ 


heit des Geiſtes fehlen, mit welcher ein jeder Wahrheit. 


llebender Forſcher unterſuchen, und jeder zuverlaͤſſige Ges 


ſchichtſchreider erzaͤhlen ſollte. Eben dieſe Werftanbese 


ſchwaͤche, die ihn den Sokrates gaͤnzlich verkennen machte, 


ſeſte ihn in der. Geſchichte eines jeben andern berühmten 
Mannes , und alfo auch des Pythagoras ber Gefahr aus, 
ber augenfcheinlichften Wahrheit zum Troge feine Helden 
entmeder unnatürlich zu verhaͤßlichen ober auch zu ver⸗ 
fhönern, Ich übernehme es eben fo wenig das Verfah⸗ 
ren des Ariſtoxenus zu rechtſertigen, als ich ſein hartes 


Urtheil uͤber den Sokrates billige. So ſehr ich aber auch 
bedaure, daß ſich unter den Griechen auch nur einige, und 


unter dieſen ein fo großer Mann, als Ariſtorenus war, ges 
finden haben, die die Afche des Sofrates nicht fegneten, 
und fein Andenfen nicht eben fo eifrig, als Tugend und 
Wahrheit vertheibigten ; fo.feft bin ich auch uͤberzeugt, 
daß Ariſtoxenus nicht fo ſchuldig fen, als er fcheint, und 
deß der Reſt von Schuld, der nicht von Ihm abgewälzt 
werben kann, feine Glaubwuͤrdigkeit in der Geſchichte ber 
Pythagor⸗er im geringften nicht vermindere, Ich läugne 
nicht, daß ein jeder warmer Verehrer des Sokrates 
leicht in Verſuchung gerathen koͤnne, es einer vorfezlichen 

EEE ı Br 0 Were 
— — „ 











% 


28 u u Drittes Buch. 


Verblendung od ſtraͤflichen Weſtegchei muzuſcheelhen, 


baß Ariſtorenus eher unſichern oft widerlegten Gerüchten, 
ols den unverwerflichen Zeugniffen. eines Tenophons und 
Plato traute, Wen fallen hier aber auch) nicht unzäptige 

Beyſoiele ein, daß oft bie elenbeften Kleinigkeiten, un 
beträchtliche Abweichungen in Urtheilen verſchledene 
Schaͤzungen von Dingen, die einem vorzüglich werth 
waren, Widerſpruͤche gegen Meynungen, wo man gerade 


keine Widerſpruͤche vertragen konnte, daß dieſe oft die 


groͤßten Maͤnner ſo ſehr aufbrachten, daß ſie ſich gegen⸗ 


‚ feitig als Feinde zu haſſen und zu verfolgen, und ihre 


Verdienſte nach fatfchen und ganz andern Kegeln abzuwaͤ⸗ 
gen anfiengen, als nach welchen | ſie alle übrige Menfchen 
richteten ? 

Wenn man alſo aus einem einzigen Falle, woje 
mand tabelnswürbig, Hart und ungerecht war, folgen 
wollte, daß er es auch gegen alle übrige, oder viele andre 
Menſchen feyn müfle; fo wäre dies ohngefähr eben fo 


ſeltſam und unrichtig gefchloffen, als wenn man um eines 


einzigen Irrthums eines berühmten Schriftfieflers mil 


len alle feine Behauptungen für: ſalſch erklärte. Faſt 


immer find: die Urfachen, die ungewöhnliche. Menſchen 
bis zur gänzfichen Vergeffenheit ihrer ſelbſt gegen andre 
ihres gleichen empoͤren, fo einzeln, daß .fie nur unter die 
fen Umflänben gegen biefe und Peine andere Perfon mürs. 

Een; und eben daher verwandeln ſich auch Die Dem er» 


ſten Anfcheine nach unvernünftigften Ausbruͤche von Hize 


in gewöhnliche und verzeihliche Schwochheiten, ſo bald 
man nur den erſten zuͤndenden Funken entdeckte. 
Auf dieſe Art muͤſte man die Ungerechtigfeit eines 


Mannes, von dem bie größten Schriftfteller mis Hoch⸗ 


achtung 


! , Yo; 
‘ i 





Geſchichte det Pothagoreifchen Gefelfhaft. ag 
achtung reden, und dem man in feinem andern Falle 
etwas ähnliches vorgeworfen bat, erflären, wenn wir 


auch gar nicht mehr Die Urfachen errathen koͤnnten, bie beg 
Ariſtoxenus fo fehr wider den Sokrates erbitterten; 


Ich glaube aber werigftens eine davon in einer 
Stelle gefunden zu haben, die Eufebius uns aus einem 
. Werke des Ariftofles aufbehalten hat, und die einen 
jeden zugleich belehren kann, wie leichtgläubig Parthey⸗ 
lpfeit oder Eingenommenpeit den flärkften und gefundes 
Nın-Kopf mache *). Ariſtoxenus erzählte in feiner Ges 
hichte des Sokrates, daß ein Indiſcher Brachman, 
der fich zu den Zeiten bes Sopns des Eophrenisfus in 
Athen aufgehalten, den leztern gefragt habe, was denn 
verzüglich der Hauptgegenſtand feiner Phitofophie und fele - 
ner Unterfuchungen fey, und daß Sokrates auf Diefe grage 
geantwortet Habe: er befchäftige fich nur mir folchen Be⸗ 
trachtungen, bie einen unmittelbaren Einfluß aufs menfch« 
lie geben hatten, und die dem Menfchen feine eigene 
Natur näher befannt machen, ober fie auch beffern und 
veredeln koͤnnten. Auf diefe Erklaͤrung (fuhr Ariftorenus 
fort) habe der Indier mit einem vwerachtenden Sachen er⸗ 
wiedert: daß man foldhe Kenntnifle, dergleichen Sokra⸗ 
tes allein ſchaͤze, ſuche und ausbreite, gar nicht erlangen 
fönne, wem man ſich nicht auch über den Menfchen hin⸗ 
aus, bis zur Betrachtung göttlicher und unfi chtbarer Dinge 
erhebe. 

Wenn man dieſe Etlahlung des Ariſtexenus, bie 
ohne allen Zweifel, eine erft nach dem Tode des Sokrates 
erfan 


*) XI, Praep. Evang. 3. p. II. 


U 








4 - 


“ 


7 VE St Bu 


erfindene- Fabel iſt, recht beherzigt; ſe fuͤhrt Re PP 
natürlich auf die Vermuthung, daß Arifterenus vieleicht, 
deßwegen gegen ben Sofrates fo feindfelig gefinht war, 
weil diefer das Ziel der Weltweisheit feinem Urtheile 
nach zu kurz abſteckte, ihre Graͤnzen zu fehr einſchraͤnkte, 


z und vom Gebiete berfelbigen fehr vieles ausſchloß, was 
ben Schüler des Arifkoteles erhabene und des Menſchen 
vorzüglich wuͤrdige Kenntniſſe zu ſeyn fehlen. Auch iſt 


es nicht unwahrſcheinlich, daß eine andre Urſache des Un⸗ 


willens dẽs Ariftorenus wider den Sokrates die Ueberre⸗ 


dung war, als habe der leztere alle angenehme, bloß er⸗ 


goͤzende Kuͤnſte, und unter dieſen die Tonkunſt, von. bes 


ren Bearbeitung Ariftorenus ben Beynamen des Muſi⸗ 


kers erhielt, verachtet, ober Doch zu tief herabgefest, und 
nicht ihrer Vortreflichkeit gemäß gewürdigt. | 


Daß aber Ariftorenus, dieſer Urſachen von Feind⸗ 
ſeligkelten ohngeachtet, fich nicht zu verläumberifchen Era 
bichtungen herab Heß, und audy nicht, nach der Weiſe 
kleiner Seelen, begierig dunkle, in der. Finfterniß herum 
ſchleichende Pöbelfagen, deren Nichtigkeit er ſelbſt kannte, 
aufgefucht habe, um darauf feine Anflagen zu gründen, 
ſieht man aus einer Nachricht beym Cyrill, die ung. ein 
dem ‚guten Namen des Ariftorenus günftiger Zufall aufbes 


wahret bat *). Dieſem Zeugniſſe zufolge, wurde er mit 


einem gewiſſen Spintharus, einem ehemaligen Zuhörer 


des Sokrates bekannt, der aus einem jegt nicht mehr. zu 
erflärenden Haffe gegen den Sokrates, einigen richtigen 
Beobachtungen über feinen Lehrer, entehrende Unwahr⸗ 

heiten 








N N 


%) Cyrill, adi, Jul, Lib, VI, & Lue, Hol, in not, ad Por- 
phyr. cap, VII, p. 57. 9— 


m 





Geſchichte der Pothagoreikhen Geſellſchaft. mar 


heiten untermiſchte. Aus den Erzälungen diefet Man 
nes ſchoͤpfte Ariſtorenus alles das nachtheilige, was ee 
nachher ſelbſt vom Sokrates wieder fagte, und ihm traute 
er mehr, als dem Plato und Zenophon; nicht ſowohl, 
weil auch Epiniharus ein Augenzeuge und Zuhörer dus 
Athenienſiſchen Philoſophen war, ſondern weil die Nach⸗ 
richten dieſes Abtruͤnnigen mehr mit feinem vom Sokra⸗ 
tes vorher geſaͤllten Urtheile uͤbereinſtimmten,. Ariſtoe 
penus wird durch dieſen Umſtand zwar nicht gerechtfertiget, 
aber doch entſchuldiget; und es wird jezo nicht leicht ie 
mand mehr zweifeln, daß der Verunglimpfer des Sokra- 
tes dennoch ein großer Mann, und ein treuer vortreflicher 
Gefhichefchreiber des Pythagoras fenn konnte. | 
Mach dem Suidas*) ſchonte Ariftorenus feinen 
$eßrer nicht mehr als Sofrates, und fuchte fich durch bie 
heftigſten Schmähungen am Ariſtoteles zu rächen, weil 
diefer nicht. ihn, fondern den Theophraſt zum Nachfolger 
ernannt hatte. Wenn biefe Rachricht wahr märe, fo 


würde man allerdings Mecht haben, den Ariftorenus une‘ 


vernünftig reizbar und auf eine empoͤrende Art undankbar 
fu nennen; allein auch um dieſes gehaͤſſigen Verfahrens 
willen, würde man ihm noch nicht allen Gfauben In der 
Geſchichte von Männern abſprechen koͤnnen, die ihn. wa⸗ 
der durch Beleidigungen zu ihrem Widerſacher, noch 
durch große Wohlthaten zum Lobredner und Schmeichler 
gemacht hatten, und machen konnten. 


Ariſtoxenus braucht aber nicht auf dieſe Art ver⸗ 


Beige zu werden; denn ſeine angeblichen Ausfälle uf 


den 








Gumnsnungep - a 
d 


) In voce Agisofaves:. 





FE Drittes Buch. 


den Artftoteles find ungegruͤndet, und wahrſchelalich and 
Misverfländniffen entftanden. Wir wiffen naͤmlich aus 
dem Zeugniſſe des Ariſtokles, der die Vorwuͤrfe aller 
Verlaͤumder des Ariſtoteles am fleißigſten aufgeſucht, 
und am weitlaͤuftigſten widerlegt hat, daß Ariſtoxenus 
niewals anders, als mis Achtung und Ehrerdletung von 
ſeinem Lehrer geredet babe *). 

Wom ˖ Ariſtoxenus gebe ich ſoglelch zum Dikaͤarch, 
ſeinem Freunde und Micſchuͤler, fort, der gleichfalls Le 
bensbeſchrelbungen beruͤhmter Maͤnner, und unter dieſen 
auch die des Pythagoras, und vielleicht einiger der bes 
rühmteften Porhagoreee heraus gegeben hatte. Ueber 
diefen Weltweifen und Gelehrten finb die Urtheile der 
‚Alten, deren Ausſpruͤche am vielgeltendften find, fo ge 
theilt, daß man, wenn "man auf fie allein Hinfieft, 
ſchwerlich entfcheiden kann, ob man feinen Zeugniffen 
trauen, oder fie vermerfen fol, Cicero ſchaͤrte if nicht 
nur als Weltweiſen, und einen ber beruͤhmteſten Schi 
ler des Ariftgreles, und redete nicht nur non ihm, als von 
: feinem Sieblingsfchriftfteller und von einigen feiner Werke 
als von goldnen Büchlein 5 fondern er verehrte ihn auch 
als Geſchicht » und Erdbefchreiber vor vielen andern, 

dannte ipm In dieſer Rackſicht einen großen, bewunderns⸗ 
wuͤrdl⸗ 


—X 
[U U) ü—— 








9 Tır day werndem Tas im Apısofeve Ta unowe 
Meyopevas ey ro Bo re IAcrovos; ey yao ra 
win zu en reine, Dacdıy wand 
Reis —X Kur Tivas REGKETLV Ense 
ovras, braytacs BV Evi TUT Kaps ApsoraAss 
Aryan ayroy, Agısofne dia Kavros rvnuuvrot 

| Agısorenmn op. Eufeb, XV, . Praop. Evang, 





oe Sag Odfäkef. ma 


würdigen Mann *), eignete Ihm Flelß, Scharffinn, und 


alle übrige hiſtoriſche Gaben im höchften Grade zu, und 
glaubte, daß man mit Ihm entweder gar nicht irren könne, 
oder daß Fehler in ihm hoͤchſt felten und unbedeutend ſeyn. 
Ehen fo urtheilten außer dem Cicero, Atticus und 
Dienpfius , ber. gelehrtefte Unterrichter der jungen 
Cicerone. 

Ganj anders aber dachten Polyb und Strabo uͤber 
den Difdarch **). Jener fand. in, den geographiſchen 
Buͤchern diefes Schriftftellers eine Menge grober Fehler 
und Irrthuͤmer, und Strabo macht dem Polyb fogar 
Vorwürfe darüber, daß er fich fo welt vergeffen habe, auf 
einen fo oft von ihm felbft getadelten, und fo unguverläfs 
figen Mann auch nur einmal ſich zu berufen. Zwar 
fat Steabo Hinzu, daß dem Dikaͤarch und Eratofthenes 


die Fehler, die fie In der Beſchreibung des noͤrdlichen Eu⸗ 
topa gemacht. haͤtten, um deſto eher zu verzeihen mären, 


teil ſie dleſe Gegenden ſelbſt nicht bereifet haͤtten, und 
In dieſem Zuſaze alſo ſcheinen die Fehler des Dikaͤarch 
mehr für Wirkungen einer unuͤberwindlichen Unwiſſenheit, 
als des Unſteißes gehalten, und nicht ſowohl ihm als ſei⸗ 
nem Zeitalter gugerechnet zu werden; allein eine merke 
wirdige Stelle beym Cicero, dem größten Verehrer des 
Dikaͤarch »*) beweiſt, daß man ihn nicht bloß unver» 
meidlicher, ſchuldfreyer Jerthuͤmer, ſondern auch einer 


Rräflichen Rad igkeit oder Ueberellung befculdigen 


konnte. 
9) Ad An. Il. 2. Vi. 2. 
0) Strabo II. p. 104. 
“) Epiſt. ad Attie, vi, 2. 


hellen 





2 Dritted Buch. 


konnte. Er tadelte nämlich die Griechen, daß fie ihrt 
Städte ſo gerne am Meere erbaut hätten, und ſagte ohne 
Einſchraͤnkung, daß alle Staͤdte in Peloponnes an der 
See gelegen wären. Dieſer Fehler war um deſto un 
verzeihlicher, da Difäarch nach dem Zeugniffe des Cicero 
lange. im Peloponnes gelebt hatte. 
| Untei ſucht man ferner die Weberbieibfel feiner fu 
bensbefchreibung des Pythagoras; fo ſtoͤßt man auf einige 
.Nachrichten, die einen jeden geneigt machen müffen, eher 
‚bem Urteile bes Polybius als dem des Cicero benzutre 
ten. Dikaͤarch erzählte, daß Pythagoras in Metapon⸗ 
tum in einem Tempel geſtorben ſey, nachdem er bierjig 
I Tage gefaſtet, und ſich aller Nahrung enthalten. hätte*). 
Auch redete er gleich dem Klearch von den Wanderungen 
und MWiedergeburten des Pythagoras, als von eier 
glaubtichen Sache **), Er war alſo wenigftens licht 
gläubig, vorausgeſezt, daß er dieſe Nadhrichten fo nie 
derfihrieb, als wenn er felbft von ihrer Wahrheit über 
zeugt geweſen waͤre, und andere davon überzeugen wollte. 
Hieran muß man aber billig zweifeln, weil er nicht nur ge 
meinen Aberglauben. und Vorurtheile verachtete, fondern 
auch Lehren und Meynungen verwarf, die unter den Grie— 
chen fuͤr Religionsartikel, oder Grundfäge der Weltweisheit 
galten. Er laͤugnete alle Arten von Weiho gungen (a 
bie von träumenden. und wahnſinnigen Perfonen ausge 
Kommen) und beftritt nach dem Zeugniffe des Cicero die 
-  Unfterblichfeit der Seele , unter allen Alten, mit den au 
| gefuchtften Gründen. Bon einem ſolchen Hanne müßt 












*) Diog. VIII. 40, | 
*), Gelllus IV, 11. | 


Ed 
] 
! 


Geſchichte der Pythagoreiſchen Geſelſchaft. 225 


Ian vermuthen, daß er bie vom Gelllius und Diogener 


18 ihm angeführten Fabeln nicht felbft geglaubt, fone 


en als gemeine Sagen vorgetragen habe, wenn mir 
ud) nit aus einem Fragment beym Porphpr *) müften, 
aß er wenigftens bie eine nur als eine ſtreitige Ueberlle⸗ 


rung, und auch nicht ſo abentheuerlich als Diogenes 


tähle habe. 
Die übrigen Bruchflüce der Sefhläte bes Pycha⸗ 
oras vom Dikaͤarch, die ich in der Folge anzelgen werbe, 


atfprehen vollfommen bem Lobe, was Eicero feinen his 


'orifchen Werfen gab, und ſtimmen genau mit den Er. 


ühlungen des Ariftorenus und anderer zuverlaͤſſiger | 
zchriftſteller überein.» ch rechne daher den Difdarch 


mter die glaubwuͤrdigen Gefchichtfchreiber der Pythago⸗ 
er, und würde ihn felbft dem Ariſtexenus und Ariſſote⸗ 
eg völlig gleich fegen, wenn er nicht durch Irrthuͤmet 
n einer dee Gefchichte verwandten Wiſſenſchaft, einen 
Berdaht von Uebereilung ober Nachlaͤſſigkeit gegen ſich 
rregt haͤtte. - 

Ich fomme jezo zu den Geſchichtſchrelbern des Py⸗ 
hageras, die ich in die dritte Klaſſe geworfen babe. ‚Une 
“ diefen iſt Timäus der Ältefte, der zu den. Zeiten der 


den erſten Pıotamder, und des 3 Agathokles in Sicilien 
idee, | 


Ci imäns. u 
Diefer berühmte Schriftſteller harte in einem feiner 
ake, wehrfcheinlich in feinen Geſchlchten, welttäufeig 
‚von 
— —— 
5, 5% 


[| 








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N 





von ‚dem Phthagotar und ſaner Feeunden gerebt, und wirh 
ſowohl vom Porphyr, als beſonders vom Diogenes in fh 
nem ganzen achten Buche haufig angeführt. Seim Un 
—— laͤßt ſich eben fo unwiderſprechlich, dis 
. Die des Heraklides Pontikus beweiſen. 
Tinmaͤus wird nur von einem großen Kenner, naͤm 
ih vom Eicere *) gelobt: aber nicht als Gefchicefärd 
ber, ſondern als Schriftſteller, und uicht wegen feinet 
Glaubwürdigkeit ‚ ſondern wegen ſeiner Sqreiboꝛt und 
Gedan en. | 
Plutarch hingegen **) und Longin tadeln an Ihm 
Fioſ oder Nuͤchternbeit ber Sprache. und Gedanken, dt 
allenthalben ſichtbare Begierde, etwas neues und aufftb 
lendes zu ſagen, und eine hleraus entſtehende kindiſch 
Schiefheit oder Falſchheit von Einfaͤllen, womit er glän 
"zen wollte. Selbſt alſo der. Ruhm eineb fchönen tedne 
rifchen Schrififtelers. wurde Ibm von mehrern gültige 
. Allen frei, oemacht. As Geſchichtſchreiber che 























or a} Minfaus natu horum onınlum Timseus, quaatun 

u ‚sein. judicate poflum, longe erüditilimus, & 

zum. eopla &. ſententlarum varietate abundenti 
mus, & ipfa eompolitione. verbosum non impoli 
megnam'eloquentiam ad feribandum attulit, led} 
lum ufum foreofem, Orat. I, 14. 


- Naqus ut mulie, Timaeus: gui eum In bis 
Ä ‚ dixiffet, qua node natus Alexander effet, er 
Dianse Ephefise templum deflagraviffe ,’ adjunıke 
miaime id efle mirandum, quod Diana eum fnpı 
Olympladis effe voluiffet, abfuifist domo. DeN% 
Deor. Il, 29. Diefer legte Gedanke ift es, den Lofgih 
wie ich glaube, mit Recht als froſtis tadelt. 
*) Vol, Ill, 335 


* 


\ 


Gecchichte der Pythagoreiſchen Geſellſchaft. 227 
vard er ganz allgemein verurtheilt und aller Fehler we⸗ 
gen getadelt, deren ein Hiſtoriker ſich nur ſchuldig machen 
kann. Polybius *), Artemidorus beym Strabo **), 


Diodor ***), Clemens ), endlich Suidas und Heſychlus 
werfen ihm eine lobredneriſche uͤbertriebene Erhebung eine 


jeiner weniger Menſchen, beſonders Des Timoleon, noch mehr 


aber die unverſchaͤmteſte Tadelſucht vor, wodurch er die 
jrößten Maͤnner, am meiſten den Agathokles verunſtal⸗ 
et babe. Eben dieſe Schriftſteller, wenigſtens Polpy- 
ius, Diodor und Clemens ſagen, daß feine Seidhtgläus 
igkeit und Nachlaͤſſigkeit eben fo groß als feine Dreiftige 
eit im Erbichten gewefen fey. Man beiegte ihn mit 
nehrern Schimpfnamen , die ſich auf feine allgemein be⸗ 
annten Untugenden bezogen. Kinige nannten ihn bey 
Tadler F}) und andere einen Mährchenfammier ttt). 
Saft alle feine Fragmente beweifen,, daß die vorher ange⸗ 
uͤhrten Schriftftefler ihm ein Unrecht gethan haben. Er 
ezählte, um nur eine einzige Probe zu geben, in allem‘ 
eenfte, boß Empedofles feinen Micbürgern gerathen 
abe, zur Abwehrung gemiffer fchädlicher, die Swaten - 
erderbender Winde, eine Menge Efel zu würgen, und. 
hre Haͤute auf Bergen und Anhöhen auszufpannen tip 
2 Pa Er 


°) au. XII, 1.6. ©, 15. 16. de Virtut, & Vitlis p. 1598. 
Il. Ed. Gronov, 

*#) XIV. 640. Ed. Cafaub, | 

®s#) XIII. 614. in Extarp. 1408. 141$. Ed, Weil, 

7) 1. p. 269. Strom. Ed. Sylb, — 

— ⏑ — ——— | on 

If) VendevArsKrer. 

+tt}) Diog. VII, 60, . 


t 


nr Drüted Buch. 


N 


dichtet oder als verfälfcht vernachläffigen. Nie ab 


! 
Er ccheute ſi ſich nicht hinzuzuſezen, daß dleſer Vorſchln 
mit dem gluͤcklichſten Erfolge waͤre ausgefuͤhrt worden, 
und daß Empedokles daher den Namen des Windebäni 
gers erhalten habe. 

Wenn alfo bie Nachrichten des Timaͤus von dm 
Pythagorerrn die geringſte Unwahrſcheinlichkeit enthalten, 
oder den Zeugniſſen älterer ober zuverlaͤſſiger Geſchicht 
ſchreiber widerſprechen; fo Bann man fie entweder als er “ 





Fönnen fie der Maasſtab werben, nach welchem man die 
„‚ Eräbtungen anderer ſchaͤen oder tichten dire Ä 





Sermippus. 
v Con gleicher Unmürbdigfeit mit dem Timun iR 
Hermipp, der eine umſtaͤndliche Geſchichte des Pythoq 
ras ſchrieb, und unter dem Ptolomaͤus Evergetes Iehte* 
Wenn man dem Urtheil ‘des Joſephus trauen mollte; f 
war Hermipp einer der berühmteften unter den Gefhicht 
ſchrelbern des Pythagoras, und in allen Arten von Keml 
niffen und Befchichten fehr bewandert. Man kann ol 
leicht errathen, warum jener dieſem einen fo unverbient 
Lobſpruch ertheilte, , Er rühmte ihn naͤmlich aus Di 
barkeit, weil er- gefagt hatte, daß Porhagoras viele Die 
nungen und Gebraͤuche von den Juden angenommen hoh 
‚ Mau darf übrigens nur die Stelle leſen, die Joſephu 
aus dem Hermipp anführt, um das Urtheil des erſt 
durch das erhaltene Fragment des leztern zu miberleg 
Diefem Bruchſtuͤcke find_ faft alle übrigen aͤh —J 
ich von ihm in andern allen Scrlfeſtellern ancieffe. © 















) Diog. VII. 10, Jofephus 1.22. contra Aplonem. 


\ 
) * 





Gecſchichte der Pythagoreiſchen Gefellfchaft. 29 
beſtehen groͤßtentheils in · den ungereimteften Gabeln, von 
denen er wahrſcheinlich einen Theil feibft geglaubt, und 
einen andern erfunden Hat , um bie einen burd) bie an⸗ 
dern zu ſtͤjan. 

Er war gewiß einer der eiſten Otlechiſchen Philos 
ſophen, der an Magiſche Rünfte gtaubte, und meitläuftig 
von ihnen in ſeinen Schriften handelte *). Er redete ferner 
nuerit von’ Werken des Soroafter ; zeigte fogar ihre Titel 
an und fdhäzte ihren Inhalt auf zwo Millionen Zeilen, 
entweder nach Gerüchten, bie er ohne Prüfung annahm, ı 
oder auch nach eigenen Muthmaßungen **). Keinem 
vor Ihm war e8 eingefallen ,. den’ Pythagoras zu einem 
Jünger der Juden und der Thracier, eimes barbarifchen 
Volkes zu machen ***); Er allein hatte das Herz eben 
diefen Weltweifen der groͤbſten Betrügeren , und des laͤ⸗ 
Serlichften Abetglaubens zu befchulßigen +). Nythago⸗ 
ras, eähtte er , habe bey feiner Ankunft.in Itallen ich 
eine unteriredifche Wohnung bereitet, und feiner Mutter 
beſohlen, während ber Zeit-, daß er ſich darinn aufhalten 
würde, ‚alle merfaärdige Begebenpelten aufzuzeichnen, 
und ihm mirzuchellen. Als er nun nach einem gewiſſen 
Zitraume aus dieſer Betruͤgergrube,‘ mager und ent⸗ 
fleſcht, hervorgekommien, habe er vorgegeben, daß er 
int aus dem Reiche der Schatten wiederum zur Oberwelt | 
empor geſtlegen ſey, und-zur Begläubigung feiner unteritte 
difchen Ref den Kroteniaten alles vorgeleſen, was in 





P3 7— ſeiner 
FIRE * 8* — — 
— en. Xxx. L 
le - 7 


t) vin. 40. 41. Dios. DE 


n230 | — Drittes Buch.. 


— 







ſeiner Abweſenhelt vorgegangen war. Durch diefeh 
Kunftgrif ſeyen die Einwohner von Kroton nicht nur v 
der Wahrheit feines Vorgebens überzeugt, ſondern au 
bis zu Thränen und Wehklagen über feine Seiten, u 
zur böchften Berundering feiner Abentheuer gerührt m 
den. Hermipp forgte' aber in ben Fabeln, , die er v 
andern annahm, ober auch felbft erfand, fo wenig fi 
Gieichfoͤrmigkeit und Uebereinflimmung, daß er iben de 
Pythagoras, den er bisweilen als den kuͤhnſten Betru 
ſchiiderte, an andern Orten die Schwachheit oder Du 
heit zutraute, einer einzigen Grille fein Leben aufjuopfern 
Diogenes wiederholt es nämlich aus dem Hermipp) 
daß Pythagoras, in einem Kriege der Syrakuſaner . 
Agrigentiner , den leztern zu Hülfe gefammen: fen, u 
als diefe gefchlagen worden, ſich auf ber Flucht eher babe 
‚umbringen laffen, als er ein heiliges Bohrienfeld petrrtn 
und entweiht habe, Dieſe Gabel neiderfprächt allen übel 
gen Erzählungen.vom Tade des Pythagoras eben fo lift, 
. als mir die folgenden allgemeinen unglaublich * 
wuͤrden, ‚wenn nicht Joſephus fie angenommen hätte”) 
Dem Bericht des Hermipp nach, ‚gab Purhagores ver 
daß Ihn Die abgeſchiedene Seele eines ſeiner Freunde, ii 
Kalliphon von Kroton, Tag und Nacht umſchwebe, un 
ihm flets die wichtigften Lebensregeln wlederhole: fid 
‚vor Dertern. in Acht zu nehmen, wo ein Efel gefallen 
‚und fich forgfältig wor trüben ſchmuzigen Waſſer ju irn 
Solche und ähnliche Albernheiten glaubte Joſeph mit der 
Hermipp, daß Pythagoras von den yanı und * 
cie 
AV —4. ne 
x#) Joſ. |. e en 





Geſchichte der Pythagoreiſchen Geſellſchaft. . 91 


clen gelernt Habe, und man ſieht hleraus, wie fehr es 
jenem darum gu hun war, den riechen Zeugniffe ihrer 
eigenen Schriftſteller vorlegen zu koͤnnen, in weichen tele 
nes Volks Erwähnung geſchehen. 
Nach dem; was ich bisher gefagt habe, Safte 6% 
für unndeig , mit mehr Depfpielen zu beweifen, daß 
Hermipp fähig war, alles zu glauben oder zu erdichten, 
daß er ſelbſi zu wenig Urtheilskraſt beſaß, um gu uitdbs 
ſcheiden, welche Fabeln und fügen fi) mit einiger Wäße- 
ſcheinlichkeit erzählen IHeßen, und welche nicht 5 daß er end⸗ 
lich des lobes ganz unwerth ſey, Das Joſeph und Jon⸗ 
ſius an ihn verſchwendet Haben. *). Nur will ich noch 
kuͤrzlich außer einigen Stelten, die den angezogenen ni 
nachgeben **),, diefes anjeigen, daß’ er nach dein Hera 
klides gewiß eine von den Sauptperfonen ſey, von denen 
Porphyr und: Jamblich fagen, daß fie viele wundervolle 
Handlungen und Begebenheiten vom Pythagoras aufge ⸗ 
jeichnet hätten, und daß er wahrfcheintich der erfte war, 
der den Puehagoras- als einen in- die. Geheimniſſe ber Ma⸗ 
ge eingemeißten Wander hater ſchilderte. | | 
Neambes, Mexinver Polybiſtor und Wiodon. wi 
Nicht Sange wach dem Hermipp, nämlich unfer 
der Negkirung des Actalus, Ichrieb’Mednrhes von K 
Ifum ein Bud Aber die Pythagoteer rl welches, wir. 
PD. ande 


— niit GEEEREBTERRES 





*) Siehe den leztern n. 9. Fa Kon onen 


“) Man kefe, was er beym Diogenes vom Pherekydes BR 
117. f. vom Heraklibes V. qr. und ſelbſt us A 
thagoras erzähft viu. I. | Ä 


vun 72.Dieg. a 





4 
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"EVER > 1112 20: 1 ee 


m & wiederholte nicht nur die Erzaͤhlung des ef 
Eenus von. Lyſis und Archippus. ohne Prüfung }), I 
dern ſezte auch, wie es ſcheint, aus andern Nachtichten 
dieſes Schriftſtellers, und. aus eigenen. oder Hermippiſchen 


lelcht zu beruͤckenden Nacherzaͤhler anklagen kann }}). 


anhere Werke dieſes Mannes von vilelen Schriftſtelle 
augt fiihrt wird., ‚die Jonſius *) und Menage **), wi 
wohl night vollſtaͤndig, aufgezäßltspaben. Ueber dieſe 
Mann finde ich in den Alten-fein anders Urtheil, als d 
Des: Plusarch **Y), der ihn einer nachläffigen Seichtgläu 
bigkeit beſchuldigt. Dieſer Ausſoruch eines ſonſtg 
nicht ſtrengen Rcchters erregt kein gutes Vorurtheil | 
den. Neanthes, deſſen Meberbleibfel zeigen, daß Plutar 
* zu gelinde v..al . Arenge- gegen. ihn geveſ 








Erdichtungen eine-fo-ungtaubliche. Geſchichte zuſammen, 
Haß. man ihn breiſt als einen Verfaͤlſcher, oder als einen 





“. . Seiner Verſi cherung nach, brannte Dionyſius ont. 
Beglerde, die Freundſchaft der, Pythagoreer zu erhalten, 


‚ ober mitihnen ia genauere Berpindung Zu kommen. Wel 


er nun alle übrige Wege fchon vergebens verfucht hatte; 


ſo entſchloß sr fich endlich Gewale zu gebrauchen (ein Mit 


tel, deſſen fich der verſchmizte Dienyſius gewiß In diefen 
Falle nicht bedient hätte), Er ſchickte Daher einen Hou 
den. von Kriegsleuten aus, die den Pythagoreern, die 
Wer v von Tarent it nad) — wallfahrteten, auf 


lauren, 





gi PER I. ©; | ı 
‚0, Sywp. * * Cap. wo rn 

+) Porph et 
tn Din fe Jambl, S. "89. fq. 


L 


Geſchichte der Pothagoreiſchen Geſellſchaft. 233 


lauren, ſich ihrer bemaͤchtigen, und ſie alsdann zu ihm. 


bringen ſollten. Dieſe Rotte des Sieilianiſchen Tyhran⸗ 
nen mar auch ſo gluͤcklich, ben ganzen Zug von Pothayd« 
reern, Denen fie.nuchfellten, ‚anzutreffen. Sie bracen, 
als fie dieſe entdeckten, auf einmal aus ihrem Hinterhalte 
bervor , und überfielen die Ppebagoreer, um fie gefangen 
zunehmen, Allein Diefe fuchten fid) Durch Die Flucht zu 
retten, und würden :wahrfcheinlich ihren Werfolgern’ auch 


alle entronnen ſeyn ‚ wenn fie nicht ploͤzlich auf ein Boh⸗ 


‚nenfeld-geftoßen waͤren. Vor dieſem heiligen Orte mach 
ten ſie, um ihn nicht zu verwuͤſten, auf einmal Halte, 
und versheidigten ſich mit Steinen und Pruͤgeln, fo. gut 
fie konnten, fielen aber endlich bis auf den lezten Mann, 
weil fie fich durchaus nicht ergeben. wollten... Nur allein 
Myllias von Kroton, und Timycha, deſſen hochſchwan⸗ 
gere Frau, wurden ergriffen, well ſie ſich vonder uͤbrl⸗ 
gen Sefelifchaft getrennt batten, ‚und unvermutbet übers 
fallen wurden.“ "Dies Paar. führte.man ver. den Diony⸗ 
fins, ver die Timycha frug, als wenn er nichts wichtigers 


hätte fragen koͤnnen, warum ihre Freunde fich eher hate 


ten umbringen, als durch ein Bohnenfeld treiben laſſenꝰ 
Zugleich verfprach der Koͤnig ihr und ihrem Manne die 
Freyheit und andere Belohnungen „wenn fie ihm Diefe 


Frage aufrichtig beantworten würde: "Maik entferne 


ober ihm zu willfahren, ſagte die Pyhthagoreerin, daß 


fie lieber: Bohnen zertreten ; als. ihm vffenbahren wolle, 


warum ihre Brüder. es nicht getban haͤtten. Dieſe trozige 
Harträdigkeit.reiste ben Dionys fo fehr, daß ex fie. füs 
gleich anf hie Folter fpannen Heß, in der gemiffen- Höfe 
nuig, daß er einem ſchwachen, ihre Niederkunft ermarten- 


den, und van. ifrem Manne geftennten Weihe, durch 


42 D ...2* Mar. 


— 


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Marter ; leicht ihr Geheimniß entreißen, würde, Der | 


Wuͤterich wurde aber, wie Neanth erzählte, ganz ir feiner 
Erwartung betrögen: Die Timycha blieb fetbft in Den heftig. 


ften Schmerzen verfihleften, und biß ſich ſogar, um der Mög 


| lichkeit, ihnen unterguliegen , nicht ausgefezt zu -fenn, 
bie Zunge a6 ‚bie fie ihrem Folterer ins Angeſicht fpie. 
1 Dies Fragment bes Neanthes flreitet offenbar mis 
den Gefinnungen bes Dionyſius, bie Ariſtorenus aus 
 beffen eigenen! Munde: gehöre Hatte‘ *); und ich habe 
Daher bas.erftere wit Fleiß fo ausführlich abgefchrieben, 
um meinen $efern-in. einem auffalenden Beyfpiele zu zel⸗ 
gen, wie dreiſt man ſchon in ben naͤchſten Zeitaltern nach 
dem Ariſtoteles, und feinen aͤlteſten Schüfern, den groͤh⸗ 
‚ven Männern :widerfprechen , wie fehr man wahre Er. 
zaͤhlungen verdreht, Fabeln noch fabelhafter gemant, 
und aus beyden neue: Abentheuer zuſammengeſezt habe, 
Saft aber waren auch Neanthes und die übrigen Nachfel⸗ 
‚ger der erften Gefchichtfchreiber zu Erdichtungen ober 
Verfaͤlſchungen gezwungen, wenn fie etwas neues jagen, 
und nicht 5 das bekannte wiederholen wollten. Alles 
wahre und falſche, was man aus Ueberlieferungen, Ge 
ruͤchten und Schriften hatte .auftreiben koͤnnen, war vom 
Ariſtoteles und feinen waͤrdigen oder unwuͤrdigen Edıl. 
lern erſchoͤpſt; und es blieb daher den ſpaͤtern Schrifiſtel⸗ 
km, bie die Nachrichten ihrer Vorgaͤnger nicht kritiſch 
pruͤfen, und auch nicht bloß nacherzaͤhlen wollten, nichts 
weiter uͤbrig, als ganz unerhoͤrte Dinge zu erdichten, 
oder ſolche, die von andern ſchon erzähle waren; umzu⸗ 
bilden... Andere Proben der Unwiſſenheir, Nachlaͤſſig 
: 0 \ Be keit 
2) Man ſehe Arinox. ap. Jambl. 234 et ſoq. — 








* 








Geſchichte der Pythagoreiſchen Geſellſchaft. 235 


keit und $echtgläubigkele des Neanthes finden ſich beym 


Porphyr *) und Diogenes o), wovon ich nur die leſtere 
-berühren will,  - . 


Bis auf den Empebokles, glaubte biefer Geſchicht· 


ſchreiber, wären die geheimen Wiffenfchaften der Pytha⸗ 
goreer nur allein den Eingeweiheten befannt gemerden $ 
aflein diefer Dichter habe zuerft die verborgene Weisheit 
feiner Brüder ausgebreitet, und dieſe Entweihung habe 
die Pprehagorees bewogen, es zu einem unverbrüdhlichen 


Geſeze zu machen, feinen Dichter wieder in ihre Gefelle . 


fhaft aufzunehmen, Aus dieſem Grunde fey Inder Folge 
Plato abgewleſen, und nicht zu den’ Geheimniffen der 
Pythagoreer zugefaffen worden. Diefe Erzählung if 
aus lauter handgveiflichen Ungereimtheiten und ‚groben 


Jerthuͤmern zufammengeflidt, "Ungereimt wäre es ge 


weſen, wenn die Pythagoreer ein Oefez gegen bie Be 
kanutmacher ihrer Beheimniffe erſt da Hätten’ geben wollen 
nachdem biefe ſchon einmal verbreitet worden, und nichk 
- weniger ungetrimt, ein foldyes Geſez nur gegen Dichter ein⸗ 
zufuͤhren, als wenn Proſaiſten auch nicht unvorſichtig oder 


treulos hätten ſeyn koͤnnen. Faͤlſch aber iſt es, mas Neam 


ches voraus fezt, daß die Pythagoreer bis auf den Empedokles 
nach immer in einem Orden vereinigt geweſen, und Ordens 
geheimniſſe gehabt haͤtten z falſch daß Empedokles zu dieſem 
Bunde gehoͤter, und in feinen Sedichten bisher verbor⸗ 
gene Lehren der Pythagoreer vorgetragen habe: falſch 
endlich, daß Plato von den Pythagoreern abgewieſen 


worden, weil man ihm als einem Dichter nicht genug | 
| getraut. 





NND Ba TEE en 
- 8) de AbRin. IV. ig... .. 
se, VIII. 55, . 1 


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.. ⸗ \ 
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26 .: Drittes Buch. ih. 


getraut habe. Faſt ift”es .unbegreiflich., wie man zu 
einer Zeit, wo es fo-leicht war, fid ‚aus glaubwiudigen 
und unverſtuͤmmelten Urfunden zu unterrichten , . feiche 
Fehler begeben, und wie Schriftfteller, die ſo fehlten, und 
fo uniffend waren, als Neanthes, dennoch: vom Dioge 
nes, Porphyr und Jamblich eben fo gut, als die aͤlteſten 
nnd treueſten Geſchichtſchreiber gebraucht werden konnten. 

Wichtiger, als dieſer Neanthes, iſt in der Ge⸗ 
ſchichte der Pythagoreer Alexander Cornelius, der wegen 
Kiner Gelehrſamkeit der Vietwiſſer genannt wurde, und 
gu den Zeiten bes. Sulla lebte“*). Er handelte.*") in 
feinem Werke von den, Folgen Griechiſcher Welcweifen, 
ouch. nen. der r Pythagoreiſchen Philoſophie, und hatte noch 
uͤberdem, wie es ſcheint, in einer beſondern Scdrrift die 
-  Pothogoreifchen. „Spngbola.. unterfudhe ***), Dieher 
Aligrander war des-prächtigen Beynamens, den er erhielt, 
und har feinen ihr bemumbernben Zeitgenaffen Reine Ehre 
macht, ferner der großen Sohfprüche: ungegchtet, womit 
bie Kirchenvaͤter jdn ‚belegten , weil er von. ben Juden, 
und Ihrer heiligen Geſchichte geredet hatte, ein, ſehr ſchwa⸗ 
cher und leichtgläubägen Mann, dem es mehe Darum zu 
hun war, ben, Griechen von unbekanhten Sändern, und 
Voͤlkern etwas neues vorzuerzaͤhlen, als die Schriften 
und Werke zu prüfen ; - aus denen er feine Nachrichten ent 
lehnte. Er hielt ben. Manerho und Berofus file glaub 
würbige Hiſtoriker und ſchrieb ihnen alle ihre Ungereimt⸗ 
heiten und Erdichtungen aß, one den "serien Zee, 

| kl dagegım in Außen. :.. Ä 
Er 


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vy Siehe Van Grace, P- 144 —* I. ‚SR, 8 
“*) VIII, 36. Dieg. 
4°) Clem. I. 9.304. . 











3 








Geſchichte der Pythagoreiſchen Geſellchaft. 937. 


Ich wurde alſo den Alexander, auch in der Py⸗ 
thagoreiſchen Geſchichte, unter die verdaͤchtigen Schrift 
ſteller herabſezen, wenn ich nicht aus dem Diogenes 
wuͤſte, daß er die Meynungen der Pythagoreer nach Py⸗ 
thagoreiſchen Schriften, die ihm in die Haͤnde gefallen 
waren, dargeſtellt habe*). Freylich haͤtten dieſe Schrift⸗ 
ten leicht nnaͤcht und undergeſchoben ſeyn, und vom 
Alexander doch nicht als ſolche erkannt werden koͤnnen; 
allein diefen Verdacht verliert man, wenn man die Srag, 
mente diefes Mannes beym Diogenes mic den Zeugniffen 
des Ariftoreles und anderer jufammen hält. Denn bey 
einer foichen Bergleichung ergibt es fi, daß Alerander 
ächte Buͤcher von wirklichen Pythagoreern vor ſich hatte. 
Wann aber und von wem dieſe Werke geſchriehen worden, 
laͤßt ſich nicht beſtimmen; am wahrſcheinlichſten iſt es, 
daß fie von einem der lezten Pythagoreer herrührten,, dig 
zu den Zeiten. des Ariſtoteles und Ariftorenus lebten, 

Diefem Alerander war Diedor ſehr aͤhnlich, In 
beffen Bibliorhef und Eproerpten ſich, außer einigen fehe 
merfwürdigen chronologiſchen Datis, vortreflide Nach⸗ 
richten über. die Einrichtung und Geſeze ber Pythagorei⸗ 
ſchen Geſellſchaft finden. Diodor war zwar leichtgläubig, 
aber freu und aufrichtig im. Erzählen; man Pann ihm 
alfo ſicher glauben, wenn man weiß, daß er zuverlaͤſſigen 
Gewaͤhrsmaͤnnern und Urfunden folgte. Seine Erzählung 
vom Pythagoras und den Pythagoreern ſchoͤpfte er ges 
wiß aus dem Atiftorenus und Dikaͤarch; denn faft alles, 
was Davon gerettet iſt, ſtimmt mit ſolchen Nachrichten 
Oberein, von benen wir aß wiflen, daß fie von dieſen 

2 u bedden | 


*) VIE 24:36. 











238 . Deittes Buch. 
beyden Männern find. Dagegen trift man im Diobor nichts 
dem. ähnliches an, ‚was Heraklides, Hermipp und Ti⸗ 
mäus vom Porhagoras und: .den. Porpagereern gefabelt 

ten. 
be Ich rechne es aber dem Diobor gor nicht jum Ber 
dienfte an, daß er in diefem Falle fi) an die beffern 
Schrififeller ‚gehalten, : und bie ſchlechten verachtet habe, 
und eben fo wenig, glaube ich, daß er nach teifer vorher» 
gegangener Prüfung, die einen gewählt und die andern 
verworfen habe. So günftig kann man yon einem Manne - 
nicht urteilen, der alles annahm, mas prahleriſche Ae⸗ 
guptier und luͤgenhafte Aethiopiſche Ebentheurer ihm vor⸗ 
ergzaͤhlten, oder was Kteſias von Babylon und deſſen 
Wunderu erdichtet hatte. Wenn er an bie rechten Quellen 
kam, fo war es nicht ſein Scharffi ion, fondern mepr 
glücklicher Zufall, der ihn hinleitete. 

Unnter den Gefchichtfchreibern des Pprhageras, bie 
ich in die fünfte und legte Klaſſe geftel bebe, ‚if der 
meifwörbigfte unfteeifig i 


Apolloniae von Tyana. 


Der nicht nur das Leben des Pythagoras ſchrieb, 
aus welchen Porphyr einiges *), und Jamblich zweh 
große Bruchſtuͤcke erhalten hat **), ſondern auch den 
Phythagoras, fo mie er ihn ſich vorſtellte, in feinem gane 
zen auszubrüden und zu erreichen fuchte. | 

Wenn man die Fragmente des Apollonius mit den⸗ 
jenigen_Stellen in feinem Seben , wo non ber von ihm 
Ä nach⸗ 


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Lat, 21 — 
a s i 30. 244: 264 . " 





Geſchichte der Pythagoreiſchen Geſellſcha ſt. 239 | _ 


nachgeahmten Pythagoreiſchen Philoſophie die Rede' iſt, 
und dann mit den Nachrichten anderer gleichzeitiger oder 
auch etwas früherer und fpäterer Schriftfteller jufammen 
hält, fo fann man fehen, wie das allgemeine Urcheil der 
Öriechen und Römer über den Pythagoras im erften 
Jahrhunderte befchaffen war , aus und nach weichen 
Schriftſtellern dies Urtheil beſtinm wurde, und ob Apol⸗ 
lonius und Philoftratus , oder Jamblich und Porphyhr 
ſelbſt erdichtet haben. 

Sehr leicht kann man, des Zeugniſſes des Euldas 
ungeachtet, auf den Argwohn fommen, daß nicht Apol⸗ 
lonius von Tyana, fondern ein andrer Schriftſteller glei» 
ches Namens, vielleicht der Weltweiſe, oder Rhetor, die 
beyde am Ende des zweyten Jahrhunderts lebten, bet 
Verfaſſer der vom Jamblich erhaltenen Fragmente ſey. 

Verdaͤchtig iſt es, daß Jamblich nicht, wie Alle 
dere Schriftſteller meiftens chaten, zum Namen des 
Apollonius den Namen feiner Barerftadt hinzugefüge hat; 
verdächtig, daß Philoſtratus nirgends diefer Lebensbeſchrei⸗ 
bung erwähnt, verdächtig endlich, daß der Apollenius 
beym Jamblich an der Stelle, wo er von ben Meifen des 
Pythagoras redet, nichts von deſſen Aufenthalte ‚unter 
den Indiern faget *), da wir doch aus dem Philoftrarus, 
oder vielmehr aus dem Damis wiſſen, daß Apollonius 
bie Pythagorelſche Philofophle für Indiſchen Uriprungs 
bielt **), Allein alle diefe Drey Bedenklichkeiten laſſen ſich 
lelcht wegräumen. Auffallend würde es ſeyn, daß Jamblich 
das Vaterland des Apollonius ungenannt gelaſſen, wenn 

nicht 
WAT 
5 vili. 6. 7. 1% 





— 





240 Drittes Bud. 

nicht andere Schriftfteler es auch gethan, und zmar 
deßywegen gethan härten, weil Apollonius von Tyana alle 
übrigen Männer gleiches Namens fo fehr verdunfelte, 
daß man, wenn man vom Apollonlus ohne meitere Be⸗ 
ftimmung redete, man nicht leicht an einen andern, ‚als 


an ben von Tyana denken fonnte und dadıte *). 
Micht ſchwer zu erflären ift es, warum Philoſtratus 


des Lebens bes Pythagoras vom Apollonius niche erwaͤh⸗ 


net babe.’ Philoſtratus liefert nirgends ein vollſtaͤndiges 
Verzeichniß der Bücher feines Helden; fondern führe nur 
diejenigen Schriften des Apollonius beyläufig an, melde 
ihm , durch gemiffe Begebenheiten und $ebensumftänte 
diefes Mannes, ins Gebachtniß gebracht wurden. 
Das gaͤnzliche Stiäfchweigen über den Aufenthalt 
unter den Indiern würde eine unauflöfliche Schwierig 
feit feyn, wenn’ es im Phlloftrates hieße, daß Pytha— 
goras, der Mennung bes Apollonius zufolge, von den 
Brachmanen felbft unterricheet worden wäre. Allein 
Apollonius fage nur, daß die Pythagoreiſche Philoſophie 
. — | 0 aus 
*) Unter andern Apulejus Apol. II. pıg. 37%. Ed. Calvil, Sl 
' quatmlibet medicum emolumestum probaveritis ; ego 
- ille fim Carinondas, vol Damigeron, vel Hilmoles, 
vol Joannes, vel Apollodius, vel ipfe Dardanus, vel 
quleunque allus poft Zoresfteem & Hoflanem Inter 
Magos celebratus of. Ich glaube, daß auch Strabo 
den Apellonins won Tyana in, folgender Stelle im Sinne 
‚harte, Ex d' Eeudgmv SZßuÄArassw das, Ku 
post YusTıs. Kor Arsfavdeov de &Arn m 
ror XuTov TEoBov mavrınn, neraevn Adnvaıs, 
| qu TS KUTNS WoAeos, 81.4 mus yeswAsıdns 
3.2. NeoQihos ıerpos,, ovaxoAasıs ArrsAAanıg 78 
pvos. (Lib. XIV. pag. 954. Edit. Almelov.) 

















y 


‘ 
” 


Geſchichte der Pythagoreiſchen Geſellſchaft. 241 
aus Indien abgeleitet ſey; und dies ſagte er in ber Ue 
herzeugung, daß die Gymnoſophiſten in Aethiopien, und 
die Aegyptiſchen Prieſter, unter denen Pythagoras lange 
gewohnt habe, urſpruͤnglich von den Jadiſchen Weiſen 
abſtammten*). Mehr aber, als durch) alle Beantwor⸗ 
tungen ber vorhergehenden Einwuͤrfe, werde ich in der 
Meynung , daß die angezeigten Stellen beym Porphhr 
nd Jamblich dem Apollonius von Tyana zugehören, 
dadurch beſtaͤrkt, daß in dieſen Fragmenten Pythagoras 
zenau fo beſchrieben wird, als Philoſtratus ung berichtet, 
05 Apollenius ſich ihn vorgeſtelt und nachgeahmt habe. 
Diefe Uebereinſtimmung der Fragmente mit der Erzaͤh⸗ 
ung bes Philoftratus bemeift jweyerley. Erſtlich, daß 
ie Fragmente beym Porphyr und Jamblich wuͤrklich vom 
Apollonius von Tyana find, und dayn, da Philoſtratus, 
vie er auch ſelbſt geſteht, an ben Orten, die ich gleich 
emerken werde, der Handſchrift des Damis treulich ges 
olgt ſey. 
In den Fragmenten beym Jamblich und Porphyr 
efchreibt Apollonius den Pythagoras als einen außerors . 
entlichen Mann, ber zwar nicht vom Apoll erjeugt wor⸗ 
en, deſſen Seele aber doch aus einer höhern goͤttlichern 
Tlaſſe unfichtbarer Wefen als die Seelen gewöhnlicher 
Menſchen geweſen fey. Er erzähle, daß Pythagoras 
n feiner Kindheit und Jugend, wegen ſeiner ſeltenen 
Schönheit, die Bewunderung aller benachbarten Gegen« 
en auf fid) gezogen, und daß er befonders wegen feines. 
eichen und ſchoͤnen Haarwuchſes zauırns benannt wors 
— den 
")VI,e Il, p. 245. 246. 2 Apollon, 








SH ERDE 


244 it Buch. 


den (ev; a ſeitem achtzehnten Jehee Cehet et fa) 
‚babe er, regen ber fhon ſich gruͤndenden Tyranney des 
Polhkrates ‚ Sames verlaffen, um die weiſen Naͤmet 
‚ feiner Zeit kennen zu lernen, und Gabe, befonders durch 
das Beyſplel und das Bureden bes Thales gereist, ſich 
die firengfte Enthaltſamkeit von Fleiſch und’ Wein aufge 
feat. Durch eben dieſen Weiſen ermiuntert fey er über 
Phönicien nach Aegypten gereiſt, und nad) einem Kufa 
enthalte von zweh und zwanzig Jahren, vom Kambyſes 
nach Perfien geführt worben. Allenthalben habe er DU 
Religionen und Gebräuche von Voͤlkern und Staͤdten ur 
terſucht, fich in alle Myſterlen einwelhen Laffen , und ſeh 
endlich mie aller Weisheie der Phoͤnicier, Aegypter, 
Chaldaͤer in einem ſechs und funfzigjährigen Alter nach 


Sameös zuruͤckgekommen. Well man aber in feine 


Vaterſtadt zuwenig Begierde nach feinen großen Kennt⸗ 
niffen bezeigt, und ihn überdem mit. Öffentlichen Su 
ſchaͤften zu oft beunruhigt habe, fo fe er endlich bee 

en worden, nach Italien zu ſchiffen, wo er eine großt 
Anzahl von Schülern und Bewunderern erhalten, die 
ihn bey feinem Leben nur den göttlichen genannt, und 
nad) feinem Tobe durch das Wörtchen j jener bezelchnel. 
haͤtten *). 

Alle dieſe Zage, mit’ denen Apoſſonlus ba 
Pothagoras mahlte, finden ſich in der Lebensbeſchreibung 
des erſtern, beſonders in den Stellen wieder, wo entwer 
der Philoſtratus ſagt, In welchen Stuͤcken Apollonius 
dem Pythagoras nachgeahmt habe, oder wo er auch 
den Apollonius ſelbſt aus deſſen eigenen Briefen, ‚und 

0 der 
*) lamblieh. et Porpbyr, l, EN \ 





Sefchichte der Pythagoreiſchen Geſellſchaft. 243 


der Handſchrift des Damis ſich über bie Natur, bie Ab⸗ 
fihe und Vorthelle der Pythagoreiſchen Phllofopdie. und 
Lebensart, der er fich ergeben habe, erflären läßt *), -- 

Aus diefen wichtigen Abfäzen der Biographie des 
Philoſtratus kann man gleichſam die verlohrnen Theite 
der Lebensbeſchreibung des Pythagoras vom Apollonius 
wiederherſtellen, und ſchließen, was Apollonius in den 
Abſchnitten, die wir nicht mehr haben, vom Pythagoras, 
dem Vater und Urheber ſeiner Weisheit, wie er ihn meh⸗ 
rere male nennt, erjaͤhlt und geurtheilt habe. 

Um feinem großen Mufter deſto eher ahnlich zu 
werben, fing Apollonius als ein junger Menſch an, auf 
einmal feine ganze Lebensart zu ändern, Er. nährte fein. 
Haar, wie er glaubte, daß Pythagoras gethan babe ; 
kleidete fidy nur in Cattun⸗Leinwand, vermied förgfältig: 
olle Bebedung des Siibes, bie von Thieren genommen, 
oder aus ihrem Raube bereite war, und unterfagte ſich 
nicht nur den Genuß alles Steifches und Weins, fondern 
aud) fo gar der Liebe: eine Enthaltſamkeit, die Pytha⸗ 
goras nicht empfehlen und geübt hatte, „wodurch aber- 
Apollonius fein Vorbild noch zu übertreffen fuchte, und. 
nach dem Urtheil des Philoſtratus auch wirflich uͤber— 
of *). Er zog ſich aus dem Geraͤuſche von Tarſus 
das ſtillere Aega zuruͤck, und wohnte im Tempel des 
esculap, der ihn für feinen Michelfer erflärete, und oft 
ranfe an ihn verwies, welche Schmeicheley ihm In deu 
olge auch noch andere Götter machten, Auf der Reiſe, 
Q2 i die 














kun 


*) Lt’e 42, OR VE Il, VII, & % L 4 Im Ep. se es * 
Ä pell ® L 


on) Ehllofr, Lage 


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Damis gaben daher vor (und Zeitgenoſſen, und nach 


übernatürliche Unterſtuͤzung glorreiche Thaten oder un 


‚und wenn er wolle, fich unfichtbar machen und verſchwi 


\ 


244 Dreittes Buch, 


‚bie er gleich nachher , während feines fünfjäßrigen Still 


ſchweigens, durch die Staͤdte von Vorderaſien unter⸗ 


nahm, kehrte er allenthalben als Gaſtfreund in bie 


heiligen Wohnungen der Götter ein, ließ fich in ihre 


Myſterien einweihen, und unterfuchte oder: befferte ihren 


Dienft , fie mochten Griechen oder Barbaren feyn. Die 
Gabe aus Träumen, Geſtirnen und andern Erfdeinuns 
gen und Gegenfländen zu weißagen, das Glück des Um 
gangs der Götter gewürdigt zu werden, das Wermögen, 
die Erfcheinungen der Götter von denen ber Helben und 
bloßen Phantomen unterfcheiden zu: Pönnen , endlich, dit 
Wiſſenſchaft, den Göttern auf die ihnen gefätligfte A! 
zu dienen, hielt er für elgenthümtiche Vorzüge der Pr 
ehagoreifchen Phitofophie, und für hinlaͤngliche Beloh⸗ 


“mungen für den Zwang, ben fie den menfchlichen Begier⸗ 


den und Leidenſchaften auflege. Ein nothwendiger Thill 
der wahren Pythagoreiſchen Verehrung der Goͤtter ſchien 
ihm die gaͤnzliche Enthaltung von blutigen Opfern, un 
der herrlichfte Segen derfelbigen diefer zu fenn: durch 


ber verrichten zu fönnen. Apollonius von Tyana md 


folgende Menfchengefchlechter glaubten es) daß er, Ay 
lonius, als ein Siebling und Wertrauter der Götter, ab 
gefchiebene Seelen hervorrufen, unreine Geifter, austt 
ben und bandigen, Todte erwecken, Seuchen und © 
beben abwenden , in demfelbigen , ober in einigen wenig 
auf einander folgenden Augenblicken ſich an mehren Dit 
zugleid) zeigen, ‚Ketten durch ein bloßes Wort brechen 












den koͤnne, endlich, daß er die Sprache aller Voͤller 
‚ »5 9 ul 


F 


Gefchichte ber Pothagoreiſchen Geſelſchaft 245 


unb fogar ber Thiere verſtehe. Aller dieſer Goͤttergaben 
tuͤhmte fi) Apollenius, und man kann alfo gar nicht zwei- 
feln, daß er fie nicht auch gleich der Wiffenfchaft zukuͤnf⸗ 
tiger Dinge, der Vertraulichkeit mit den Goͤttern, dem 
Unterſcheidungsvermoͤgen der verfchiedenen goͤttlichen 
Naturen, dem Pythagoras zugeeignet habe *). 

Wenn man'das erzählte geleſen hat, fo wird man 
nicht leicht von einem vernünftigen Manne ned; Unterſu⸗ 
ungen über die Unglaubwürdigfeit des Apollonius als 
eines Geſchicht ſchreibers des Pythagoras erwarten. 

Man kann auch nicht einmal zweifeln, daß er zu 
ber Zeit, als er das Leben des Pythagoras fehrieb ,. fchon 
kein blofer Schwärmer mehr, fondern auch ein Betruͤ⸗ 
ger gewefen fey. Wenn es gedenfbar wäre, daß Apollos 
nius in einem folchen Grade hätte feichtgläubig und ver⸗ 
rüdt ſeyn koͤngen, dab er ſolche Dinge, vergleichen ich 
aus dem Philoſtratus ausgezogen habe, vom Pythagoras 
geglaubt, und auch ſich felbft zugetraut hätte; fo ift und 
bleibt es doch immer unwiderſprechlich, Daß er wider feine 
tigene Ueberzeugung redete, wenn er ſagte, daß Pytha⸗ 

Q3 goras 


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*9 Apollonius glanbte, eben wie man vom Ppthagoras 
erzaͤhlte, in vielerley Koͤrpern zu verſchiedenen Zeiten 
erſchienen zu ſeyn, und hatte es zu einem Grundfaze. 
feines Lebens gemacht: allen Menfhen unbekannt zu 
leben, (VII. 28.) oder wenn dies nicht möglich ſey, 
wenigftens allen Menſchen unbekannt zu fierben. Dies 
fen Grundſaz nahm nachher Proklus, wahrſcheinlich 
auf das Anſehen des Apollonius, als aͤcht Pythagoreiſch 
an, ungeachtet er aus der Philoſophie des Epikur 
abſtammte, und von allen Widerſachern des Epikur, 
beſonders aber vom Plutarch, als eine der menſchli⸗ 
chen Geſell ſchaft gefährliche Lehre beſtritten worden war. 


40 Brietee a 


goras alle ſelne wiffenfihaftliche Renntnife , fogar feine 
Zahlenlehre, und den wahren Goͤtterdienſt von ben Aegy—⸗ 
ptiern erhalten, und daß dieſe widerum afles den Indiern 
zu danfen hätten, Apollonlus war felbft in Aegypten 
und Indien gewefen ,: und mufte es baher wiſſen, daß 
‚weder Aegyptier noch Indier ſo dachten und Iebten, als 
er den Damis überredet hatte, Es finden ſich noch viele 
"andere Proben in der Lebensbeſchreibung des Philoſtratus, 
aus welchen unlängbar erhellt, daß Apollonius oft ein 
Betrüger, und Damis ein fehwacher Berrogener war, 
Ich verweife hier aber nur kurz auf die Stellen , m 
Philoſtratus nady dem Damis erzähle, was Apollonius 
dem leztern über die Wunder und Grundſaͤze der Brady 
manen, und über Die Hetvorrufung und Unterredung mit 
dem Schotten bes Achill vorgedichtet Hatte. 
Unterdeffen läße ſich beweifen, daß Apolluiut, 
Kleinigkeiten ausgenommen, im Leben des Pythagoras 
nichts vorgetragen habe, mas nicht don aͤltern Schrift 


ſtellern, befonders dem Heraklides und Hermipp geſcgt, | 


und von ben Zeitgenoſſen bes Apollonius geglaubt mer 
den. Ungeachtet er ganz aus eigenem Antriebe, und 
ohne irgend ein Iebendes Beyſpiel vor fih zu haben, die 
Sebensart erwählte, die er für Pythagoreiſch hielt *); b 
war ee doch nicht der einzige angebliche Pychagoreer jentt | 
Zeiten, noch vielweniger der einzige oder erfte, der ſo 
vom Pythagoras dachte, und ihm auf eine ſolche Ar 
iachzueifern fuchte, 

) - | u Sim 
j TUE — — — —— * — — 


*) Zwar hörte er einen Ppthagoreer Euxenus in Tarſus; 
allein er urtheilte ſelbſt, und diefer des Namens, Di 
er angenommen habe, unw Ps ſep. 








Geſchichte der Pythagoreiſchen Gefellfcaft. 247 


Im Zeitalter des Cicero gab es gute und boͤſe 
Maͤnner, die dem Apollonius aͤhnlich waren, und den 
Pythagoras und die Ppthagoreiſche Philoſophie für das 
hielten, wofür Apollonius fie hielt. Vatinius und. 51: 
gulus waren bende Pythagoreer, beybe glaubten an Mas 
gie, Zauberen, Befchwörungen und Welßagungen *). 
Der legte gab ſich felbft für einen Mann aus, der in ber 
Eterndeuterey und andern Künften, die man damals 
unter der Magie zufammenfaßte, erfahren ſey. Im 
Zeitalter des Plinius war es berrfihende Meynung, daß ° 
Pythagoras die ganze Magie von Barbaren gelernet,- 
und in Griechenland gelehrt und ausgeübt habe **). Auch 
Plutarch führe einen Pyrhagoreer Theanor ein, der an 
Traymgefichter glaubte, ber Erfcheinungen verftgrbener 

4 - und 








e 


)Et quoniam omalum rerum magnarum a diis immor- 
talibys priacipia ducuntur, vole ut mihi relpondess 
tu, qui te Pythagaricum foles disere, et hominig 
doctiſſimi nomen tule Iimmanibua et berbarls moribus 
praetendere ; quae ts tanta pravitss mentis tenuerit, 
qui tantug furor, us cum inaudita, ac nefsria ſaera 
füfceperis, eum Inferorum salmas elicere, cum pue- 

,  rorum extis daos manes mastare foleat u. f. w. Cie, 
- In Val, c.& 
Vom Figulns erzählt Apulejus folgendes: (Apol.. 
p. 338.) Itemque Fablum, sum quingentos denariog 
perdidiffet, ad Nigidium confultum veniſſo: ab eo 
pueros earmine inſtinctos Indieafle, ubi Jocarum 
defofla effet erumena, eum paste eorum, ceteri ut 
 korent difiributl ; unum gtlamı denarlunı ex eo numero 
habere M, Catonem Philofophum, queın fe a pedif- 
fequa in Alpe Apallinis aecepiffe Cato confeflus eſt. 
Figulus erhielt diefen Namen von einem Beweife, den 
er für die Zuverläffigfeit der Sterndeuterey vorbrachte, 
Man ſehe Augukin, de Civit, Dei, V. 3. 
**).Lib, XXX. I. j 


* . 


- 


248 Drittes Buch. Br 


und lebender Menſchen zu unterfcheiben waſte, der Geiſter 
hervorrief, ſich mit ihnen unterredete und Stimmen 
hoͤrte *). 
Alle diefe Zeugniſſe beweifen,, daß man im Zeltalter 
bes Apollonius allgemein vom Pythagoras eben fogeurrheilt 
babe, als Apellonius , und alfo nod) vor und im Anfange 
unferer Zeitrechhung bie beften und zuverlaͤſſigſten Geſchicht · 
fchreiber des Pyrhagoras in Wergeffenheit gerathen, und 
von den unmürbigften Erdichtern verdrängt worden 
waren, , 
' | moderatus. — 

Ein ander berühmter Pythagoreer des erſten Zap 
hunderts, und ein Zeitgeneß des Apollonius iſt Modera⸗ 
tus von Bades, Plutarch fpeifte mit einem feiner Schü 
ler, unb man feze ihn Daher nicht ohne Grund in die Res 
gierung des Nero **); - Er fchrieb ein Werk über die 

- Pprhagereifche Philoſophie, welches Porphyr und mehrere 
‚ Schriftfteller in den folgenden Jahrhunderten als vortrefs 
lich loben,“ wovon aber nur Porphyr allein ***) und 
- Stebäus +) einige Fragmente erhalten haben, Dies 
Werk hatte Aldobrandin noch in Händen, und jog, mie 
er ſagt, nur eine furze Stelle daraus an ‚ weil er boffie, 
daß es nächftens würde bekannt gemacht werben "t) 
Mode⸗ 





P— Tom. VIII. 304 S. Edit. Roiakii. Ich habe zwar ehe⸗ 
mals an der Nechtheit dieſer Abhandlung gezweifelt; 
—— jezo, daß ich es ohne hinlaͤnglichen Grund 

an babe 

*) Vill.'7. Symp, 

**260 48-5 ‘2. } 

+) Lk Phyf. Fel. 2, 

- 1) Aldob. ad Diog, VIII. 2$. 

















’ 


N 
4 





Geſchichte der Pythagoreiſchen Geſellſchaft. 249 


Moberatus *) war in’ ber Mepnung, baf Pate, 
Arifloteles, Fenofrates und Ariftorenus ſich die wichtig⸗ 
ſten Erfindungen der Pythagoreer, als die ihrigen zuge 
eignet, und diefen Männern nur foldye Gebanfen und 
Lehren übrig gelaffen hatten, auf welche nicht leicht jemand 
ſtolz fenn koͤnnte. In diefer Meinung, die eine große 
Unveiffenheit in der ältern Geſchichte, und eine nicht ges 
ringere Unbeleſenheit, befonbers in den Schriften des 
Ariftoteles, voraus feste, gab er der Pythagereiſchen 
Philoſophie eine durchaus Platenifche Beftalt, und fuchte 
ihr durch mühfame Erflärungen das wieber zu gewinnen, 
was er glaubte, daß Plato und feine Schüter derfelben 
entwandt hatten, Er verwandelte die ganze Arichmerif . 
ber Pythagoreer in ein hieroglyphiſches Zeichenſyſtem, 
wodurch fie ihre Begriffe über,das Wefen , fomohl ber: 
unfichtbaren , ſich ſtets gleichen und unveränderlichen,, als 
der wandelbaren und veränderlichen Dinge, die fie nicht 
durch Worte ausdrücken fönnen, angedeutet hätten. Er 
glaubte daher, daß die Pythagoreer unter ihren Zahlen 
nicht wirkliche Zahlen verftanden , fondern daß fie dieſel⸗ 
ben als Symbole ganz von ihnen verfchieberier Begriffe . 
gebraucht hätten **). Co fehr diefe Behandlung der 

a Q 5 Pryrdas 














*) 8. 53 Porph, 
**) un duanıya, Oncı, To menra ln neu Tas 
Feurus Kas sadws Tw Aoıyow —XRC 
dic re To u‘ uozeewonTov &uray mas dunefusor, 
BALEYEvOTo EWI TES WeUBS ; ; EUINAE dduo-. 
Kokos Kae, Kiunaapnevos TES YEWETORS 17.72 
Tas Yonumarısas. = —- Kay Erw Tov ner ns 
dvoTnTos Aoyov, Kos Tov TNE TAUTOTNTOR Ho 
’ TuS 


ss, Dritied Buch, j 
| Pythagorelſchen Zahlen auch, wider alle Geſchichte ſtritt; 
ſo fand ſie doch im erſten und in den folgenden Jahrhun⸗ 
berten allgemeinen Beyfall. Plutarch nahm fie ohne 
Einſchraͤnkung an *), „und wenn er von ben Zahlen 
ber Pythagoreer redet; ſa muß man unter den leztern faſt 
immer nur den Moderatus, und deſſen Schuͤler Jolius 
Tuſcus verſtehn. Plutarchs Beyſpiele folgten alle neuere 
Platoniker und K irchenvaͤter; auch dieſe legten die Zah» 
len quf diefelbige oder auf eine ähnliche Art wie Mode: 
ratus aus, trugen, wie er, bie ganze Plaronifihe Phl- 
loſophle In die Pychagoreiſche uͤber, und es wurde daher 
nicht lange nach dem Zeitalter des Moderatus eine allge⸗ 
mein hertſchendo Uebertedung, daß die erſtere ganz aus 
der Ieatern geſchoͤpft, und mit ihr völlig einerle ſey. 


Nikomachaus. 
Den Fußſtapfen des Moderatus und Hexraklides 
Pontifus folgte Nikomachus, der vor dem Apulejus, 
wahrſcheinlich gegen die Hälfte des zwepten Jahrhunderts, 


lebte, 

















rnc ornros, Ks To ıriov TNE UMmVsIAS 04 

ers aunma eis Ko TNS OWTMEHES Tav oAar, 

TB Kar TOUTE Ka WaUFws eXuvros, & 
 MEoenysgeusav. Kalı V To EV TOIE NOTE ngas er 

N TOBTOV URROKEL, HYOMEYEV: TAS MEGECW Ka CUM- 
| mE, KOT METBOIEV, TE TARTE TIER. Toy de 


Fns iregornros KL OVITOTYTOS, MOM MAITOS TE. 


pegıze, Ks Ev —— —A 


—X duo: sich Aoyor KO. —RX æconveer 


IE. X. T. A. 
* Man ſehe beſonders feine Abhandlung regı. vu Te 


ev DsADas. 








Geſchichte der PythagoreiſchenGeſellſchaft. ayr 


lebte ). Er war ſowohl Lebensbeſchreiber des Prrbas 
goras, als ein Geſchichtſchreiber feiner und feiner aͤltern 
Schüler Philoſophie. Won ihm find außer feinen 
Grundriſſe der Tonkunſt und feiner Auslegung der Zah⸗ 
lenlehre noch viele und wichtige Sragmente beym Stobäus 
und Photius (von welchem leztern ich unten reden werde) 
vorzüglich aber beym Porphyr und Jamblich, bald mit 
bald ohne feinen Namen übrig **), , 
- Wenn man dem Urtheite des Jamblich trauen 
dürfte , fo würde Nikomachus zu den größten Männern 
des Alterthums gehören **). Er nennt ihn einen außer 
ordentlichen Mann, der in den mathematifchen Wiſſen⸗ 
ſchaften wenig feines gleichen gehabt habe. Cr rühme 
feinen Tieffinn und erfinderifihen Geift, Die Orbnung 
und den Zufammenhang feiner Gedanfen, bas beflimmte, 
gebrungene und abgerunbete feiner Schreibart, Sieht 
man hingegen die Fragmente bes Nikomachus felbft any 
fo muß man darüber erflaunen, was die neuen Platonis 
fer alles ohne ‚den geringfien Argwohn zu glauben ins 
Stande waren, und wie leiche Uebereinſtimmung in 
Meynungen, einen Thoren in ben Augen des andern zu 
einem großen Manne erheben koͤnne, Nikomachus er⸗ 
zählte +), daß Pythagoras gleich nach feiner Ankunft in 
Itallen durch eine einzige Mede einen Haufen von zweh⸗ 
taufend Menfchen, Wlänne u Weiber und Kinder, ſich 
ſo 











— 
*) Jonf. II, XII. 2. 
#*) Porph. 28-33. Diefen entfpredhen Jambl, 30: 37. 
ferner Jambl. 25, 53. diefen entfprechen Berph, 51 
59. endlich Juabl. in Nieom, Arichm, p. ” 
6%) l, e. P-3. 4 
1) Bosph. 5 29- 3. in Vit, pyth. 


. 


Sr, Dritte Bu 


zukehren, aufgegeben, und eine gemeinſchaftliche Woh— 
nung errichtee hätten, um in einer völligen Gemeinſchaſt 


ungeftört genießen zu Pönnen, Diefe feine “Jünger, fuhr 


Nikomachus fort, hielten ihn für einen Gott, und ſchwo- 
- ren bey feinem Namen eben fo wohl, als bey der hell 
‚gen geheimnißvollen Tetrafiys. Unter feine Schuͤler 


rechnet er den Zaleufus und Charondas, ben Epimenides, 
Abaris, Empebofles und Tamolxis, und glaubte zu 
gleich an alle Wunder, die man bis auf feine Zeit dem 
Pythagoras angedichtet harte. Auch in der Geſchichte 
des Uinterganges des Pythagoreiſchen Bundes, und de 
Schickſale und $ebensart der wenigen übrig gebliebenen 


: Mitglieder, fo wie Nikomachus fie vortrug , findet [id 


viel fabelhaftes, unter weldyen unglaublichen Nachrichten 
aber feine foneu, und den Zeugniffen aller übrigen Schrift: 
fteller fo entgegengeſezt iſt, als diefe: daß die Por 
goreer nach dem Tode der größten Männer ihres Bundes 


| fi) aus aller menfchlichen Geſellſchaft in Einoͤden zutüd, 


gezogen , und ſich auch ganz in ſich felbft verfchloffen hät 
ten. Diefe kurzen Auszüge lehren, daß Nikomachus 
eben fo leichtglaͤubig als unmiffend in bee Gefchichte und 


Chronologie war, und zeigen, wie wenig man von einem 


folhen Manne richtige Auslegung der alten Pythagorei⸗ 
ſchen Philoſophie und Zahlenlehre erwarten koͤnne. 

| Auf den Nikomachus folge unter den Min: 
nern , deren Nachrichten über den Pythagoras und beffen 
Philoſophie vorzügliche Aufmertfamfeit verdienen, 


Dioge⸗ 
J 
\ 


* 


J fo eigen hemocht und ſo bezaubert habe, be fie fo glelch | 
alle Gedanken In ihre Heimarh und Behaufungen jurüd. 


aller Güter ,, des himmlifchen Unterrichts des Pythagoras 





Geſchichte Bei Pythagoreiſchen Geſelſſchaft. 253 


Diogenes, 


den man vom Diogenes von Laerte ſorgfaͤltlg un⸗ 
terſcheiden muß. Wann und wo dieſer Diogenes gelebt 
babe, und wer er gemwefen fey, läßt fidy nicht genau bes 
flimmen ; daß er aber fpäter als alle bisher von mir bes 
urtheilte Schriftſteller gebohren wurde, und in bie erfte 
Hälfte des dritten Jahrhunderts falle, fieht man aus ſei⸗ 
nen Sragmenten , in denen Nachrichten aus dem Ariftos 
yenus, Heraklides, Timdus, Neanthes, Moderarus 
und Nikomachus vorkommen, Er fchrieb ein Werk von 
ben Wundern jenfeits Thule, das nur allein Porphyr *) 
namentlich angeführt bat **): ein Beweis, daß er nie 
ſehr 


|) 


*) S 10. 32. , ' 

HR), Nachdem ich dieſes gefhrieben hatte, fiel mir wiederum ' 
ber Abſchnitt in der Bibliothef des Photius in die Hände, 
worinn aus dein Werfe des Diogenes ein Auszug mite 
getheift, And ein Urrheil darüber gefällt wird. Dies 
fen Abfchnitt hatte ich zwar fhon früher gelefen, aber 
nicht angemerkt, weil ih aufden Mann felbft noch nicht 
aufmerfjam geworden war. Nach dem Auszuge nun beym: 
Photius waren dis Aoycı Toy. umso OSAnv KTIı7aV 

“ein Roman, in welhem Diogenes einen gewiffen Dis 
niad gerade in diejenigen Länder, die den Öriechen am 
wenigften befanut waren, reifen, allerley Abentheuer 
erleben, und nachher erzählen fieß*). Dieſen Erzähluns 
gen flocht er auch, wie Photius fagt, die Geſchichte 

"des Pythagoras ein, die gewiß nicht am ivenigs 
ften Unglanbliches enthielt. Photius vermuthere, daß 

er nicht lange nach dem Zeitalter Aleranderg gelebt habe, 
allein er bringt gar Feine Beweiſe, ale eine neue Vers 
muthung bey, daß nämlich Lucian, Achilles Tatius, 
Heliodor und andere Mährchenbichter, ſich nach dem 
Mufter des Diogenes gebilder zu haben feinen. 
re Jenn 











. ) Cod. 156, ap. Phot, 


1 7T 


\ 


- 


7 . f 


Sn 


fehr befanht geworden, oder großen Beyſall erhalten 
babe, Außer dem Porphyr hat aber no. Jamblich, 
ohne ihn zu nennen, ſehr vieles aus ihm entlehnt, wie 
ich unter dem Abſchnitt vom Jamblich weitläuftiger bar. 
thun werde. 

Porphhr ſagt awar von Ihm, daß er ſeht genau 
und umſtaͤndlich vom Pythagoras gehandelt habe; allein, 

eben dies Urtheil zeigt, daß Porphyr über, die Glaubwuͤr⸗ 

digkeit von Schriftſtellern gar nicht zu urtheilen im Stande 


war. Nach den Ueberbleibſeln der Schrift dieſes Man⸗ 


nes zu ſchließen, war er zwar Fein Erdichter oder Wer: 
Alſhder, aber ein hirnloſer Sammler, der aus ullerley, 
Werfen ohne Auswahl wahre und falfche, ja ſich ſelbſt 
"widerfprechende Erzählungen zufammenraffte, ohne fie zu 
prüfen, oder ihren Widerſpruch zu bemerfen, der afles, 
auch das Unglaublichfte, glaubte, mas man vom Pytha⸗ 


goras gefabelt hatte, und der fich endlich gar niche um 


die Zeit, mann der Samifche Weltweife und andere bes 
ruͤhimre Männer lebten, befümmert hatte, 

Diogenes redete von der wundervollen Crreftung 
und Erziehung des jungen Pythagoras anders, als irgend 
ein glaubiwürdiger after Gefchichtfchreiber getan Hatte *); 


er war überzeugt, daß Zaleufus und Charondas, nicht 


weniger Tamolxis und Abaris Schüler des Pythagoras 
geweſen kon, oder doch von ihm uncertichtet worden. Er 
ban. 


tung 


* 
Wenn Diogenes ſo früh gelebt hätte; und yon. ſo vier 
‚len nachgeahmt worden waͤre, als Photius glaubte; 
ſo wuͤrde er gewiß oͤfter angefuͤhrt worden ſeyn. Ich 
finde daher keine Urſache, mein Urtheil über das Zeits 

Alter des Diogenes abzuändern, 
%)_Porpbys 5. 1 19, . | 








pr _ 


” -® . J * 
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- . . 
> 
42 * 1 
. 
5 - 


Geſchichte der Pothegoteſſhen Geſellſchaft. 253 


handelte von den Keifen des Pythagoras unter ben Araa 
ben, Juden, CEhaldaͤern und Perfern, tind von der 
großen Weisheitsfchäzen , die jener aus dem Umgange 
mit den Priejtetn und Philoſophen dieſer Voͤlker nach 
Griechenland zuruͤck gebracht habe: er bewunderte ben. 
Pythagoras als einen Mann,” der mit ben Göttern eben: 
fo vertraut, als mit. enſchen umgegangen. ſey, der 
butch ihre Hülfe große, die gewoͤhnlichen Kraͤfte dei 
Menfchen Überfteigende Thaten verrichtet, und fein Leben 
In ber Betrachtung uͤberirtdiſcher, unvergaͤnglicher und 
unwandelbarer Dinge zugebracht habe. 
Ich uͤbergehe hier andere Unrichtigkeiten, die ſich 
In feinen Fragmenten beym Porphyr *), und noch mehr 
beym Jamblich finden, und die alle zu der Schluſſe hin⸗ 
führen, daß Diogenes in einem Zeltalter fsbte,. in wel⸗ 
chem man eine richtige Kenntniß bes Alterthums ſchon 
gan) vetlohren, und im welchem auch bie fabelhaften 
und unglaudbmwürbigen Schriſtſteller ſchon voͤllig das Uebere 
gewicht über Die juverläffigen erhalten hatten. ° 
Ein Zeitgenoß des Plotins, und wahrſcheinlich auch 
des Dlogenes, von ‘dem ich eben Heredet habe, war 
Numeniug, der In der erfien Hälfte des dritten Jahr⸗ 
hünderts-bie Platoniſche Philoſophie In Athen fehrete **),- 
Auch et verband, wie Die meiften Piatoniker des erſten 
und zwehten Jehe hunderis Platoniſche und Pythagoreiſche 
Philoſophle, und glaubte nicht nur, daß die Gedanken“ 
des Pythagoras und Plato mie einander übereinftimmten, 
ſondern daß auch mit ihnen wiederum die Religlonen bet: 
Indier, 


ur “ur 





98 10. igl nud j2- -46 "über: 45. 
kotpbit. in vie, Plot. 





\ 


Vf u ! 


456 > Dritte Buch. | 
—* ‚Juden, Phoͤnlcier und Aegyptler und bie 
eynungen ihrer Priefter einerley wären. Er war in 

dem Wahne, daß Plato befonders den Juden vieles zu 
danken babe, und nannte: ihn daher den Attiſchen Mo 
fes. Er redete mit Bewunderung, von ben Thaten Mofis 
in Aegppten , und von der göttlichen Kraft, womit Jan⸗ 


33 und Jambres, Aegyptiſche Prieſter, die Wunder 
des Iſraelitiſchen Geſezgebers nachgeahmt oder verrich⸗ 


ur tet hätten. Er hielt fie alle für goͤttliche Wunberthäte 


und Magier; und man kann alfo feicht denken, daß 
er auch den Pythagoras für einen felchen anerkannt 
babe *). 

Wohrſcheinlich im Zeitalter dleſes Mannes ſchrieb 


| Diogenes von Kaerte und Sertus, 


unter welchen der erſtere ſein ganzes achtes Buch 


dem Pythagoras und deſſen Schuͤlern gewidmet hat. 
Diogenes iſt in dieſem, wie in ſeinen uͤbrigen Buͤchern, 
ein leichtglaͤubiger, verworrener, nicht ſelten ſich ſelbſt 
wider ſprechender Schriftſteller, der aber weder den 


Vorſaz, noch die Faͤhigkeit hatte, zu erdichten. Et 


behielt faft immer die Worte der Maͤnner, bey, bie er 
ausfchrieb, und hierin Hege der Grund, warum feine 


Sprache ſich felbft fo ungleich, oder von n ch ſelbſt ſo ſeht 


verſchieden iſt. 

Diogenes verdient alſo, wie alle ihm aͤhnliche nicht 
welter Eompilatoren biefer Art, Glauben, w wenn r 
| | gewi 


. — — ——— — — — 


) Siehe Eufeb, Praep. hen 7.8. in den folgenden 
Büchern bes Eufebius fidben 2 noch viele Ftagmente 
dieſes Mannes. 





I. 


* . 


Gefchichte der Pothagoreiſchen Geſelſchaft. 257 " 


wiß iſt, daß er-zufälliger Weiſe fichere Urfunben und. 
eſchichtſchreiber ‚vor ſich Hatte. In der Erzählung ber 
bensumſtaͤnde Des Pythagoras nennt er feine Gemährs. 
aͤnner viel feltener , als er font zu chun pflege, und 
tan kann daher alle namenlofe Stellen nie mit Zuverſiche 
m Örunde legen, well wir aus andern, wo er feine 
uellen angibt, wiffen, daß er dem Heraklides, Here 
Ipp, Timäus und Neanthes eben fo wohl, als dem 
tiſterenus oder Ariftoteles folge. 
In der Geſchichte der Einrichtung ber Prrthagorel« 
ven Geſellſchaft, ſcheint er vorzüglich den Ariftoxenus 
braucht zu haben, mie aus der Folge erheflen wird, 
en kurzen Orundriß der Pythagoreiſchen Philoſophle 
wid nahm er aus den Schriften des Arifioteles und 
$ Alexanders, und hler verdient er Daher am alletmei⸗ 
m-Olauben oo a | 
Woprfcheinfich Ahöpfte Sertus, in deſſen zehn⸗ 
m Buche fich ein wichtiges Fragment über die Pythago⸗ 
iſche Zahlenlehre findet, aus denfelbigen,,. oder aͤhnli. 
a Quellen, Sextus und Diogenes ſtimmen eben ſo 
St In den Hauptlehren, die fie für Pythagoreiſch aus- 
den, mit einander überein, als fie vom Moderatus, 
tfomahus,; und aflen neuern Platonikern abmeichen, 
Nachdem ich ist alle merkwürdige Geſchichtſchrel⸗ | 
"des Pythagoras; feiner Schüer, und. beyder ihre Phi- 
lophie beurtheilt habe; fo komme ich endlich zur lezten 
MD einer-der ſchwerſten Unterfuchungen dieſes Abfchnitrs: 
ur Prüfung der Biographie des Ppthagoras vom Por⸗ 
hye und Jamblich, in welchen das wichtigſte von dem, | 
das man während ganzer fieben Hundert Jahre über bie 
Porfagsreer gefchrieben hat, und zugleich die größten 
on N Bruch ⸗ 


. 4 





EEE _ VVVVVV VV //—/—0— 


! , ı ’ " 
% - . 4 


258 Drittes Buch. 

Brucflüde aus den meiften vorhergehenden Gefthicht, 
ſchreibern, aber freylich faſt immer ohne Merkmal und 
Sinfchrife enrhalten find. Es koͤmmt alfo darauf an, 
die dern Werth nach fehr' ungleicyen und durch einander 
geworfenen Güter fo vieler Eigenthümer abzuſondern, 
das Alter und‘ Anfehen derfelben zu beffimmen, und wenn 
es mögtich iſt, ein jedes feinem: wahren Befizer wieder 


zuzueignen. Laͤßt fich eine. folhe Theilung ganz, oder 
doch größtenteils zu Stande bringen und ausmadyen, 


aus weichen Schriftſtellern eine jede Nachricht oder Ab. 


faz des Porphyr und Jamblich genommen ift; fo Eann 
man auch mit Hülfe der Bisher gefällten Urthelle beftim- 
men, wann man diefen beyden Männern trauen oder 
nicht trauen, und was man überhaupt in der Geſchichte 
der Pythagoreer glauben oder nicht glauben muͤſſe. 
Bevor ich aber meine kritiſche Scheidekunſt an 
- dem Porphyr und Jamblich verfche, muß ich nothwen⸗ 
big den Grund oder Ungrund der Zweifel prüfen, welche 
viele berühmte Gelehrte gegen die Eprfichfeit und Auf⸗ 
richtigkeit dieſer Schriftſteller im Erzaͤhlen geaͤuße 
haben. Dee Biſchof Loyd, Kuͤſter, Mosheim, Bru 
und ein ganzes Heer von blinden Nachſagern waren 
der Meynung, daß Norphyr und Jamblich die meift 
Wunder, die fie. vom Pythagoras erzählt haben, In 
Abſicht erfunden hätten, um dadurd) bie Wunder unfers 
eilandes und feiner “Jünger verdächtig zu machen: Man 
eiguete allen neuern Platonikern den unverföhnlichften Haß 
gegen dag Chriftenthum zu, und glaubte wider alle richs 
tige Zeitrechnung, daß feibft Philoftrarus, der früher 
fhrieb, als Ammonius Saccas Ju lehren anfing, und 
Plotin gebohren wurde, doch ein Waffentraͤger dieſer 
Man⸗ 













Geſchihte der Pythahoreiſchen Befefaft, 259 


Männer. gerdefen (ey, und feinen Helden, den Apollonius, 
als einen großen Wunderthaͤter geſchildert habe, um ihn 
dem goͤttlichen Stifter unſerer Religion an die Seite zu‘ 
fun *). Dieſe faft allgemeine Meynung von der Er 
dihtung von Wundern, durch den Philoſtratus, Por⸗ 
phyr und Jamblich, und zwar in der vorausgefesten Ab⸗ 
fiht, Fäuft fo fehr wider Die ganze Gefchichte des Pytha⸗ 
goras, Apollonius und der neuern Platonifer, umd verräth 
eine ſolche Unbeleſenheit, oder doc; Undufmerffamkeit im 
Sefen und Beobachten , daß ich es faum begreifen kann, 
wie nur mittelmäßige Gelehrte auf fie verfallen, fie ans 
nehmen, und fo large gelten laſſen konnten. 

Ich will nicht einmal darauf dringen, daß ſelbſt 
die Beſtreiter des Chtiſtenthums, unter den neuern Pla- 
tonikern, ſtets mit der größten Hochachtung von Moſes 
und Epriftus geredet, ımb nie daran gebaiht haben, 
die Wirklichkeit ihrer Wunder zu laͤugnen, oder zu bes 
zweifeln, daß man ferner weder den Porphyr noch den 
Jemblich jemals, auch nur einer einzigen Erdichtung 
überwiefen Hat, und daß man endlich in ihren Schriften 
nicht die geringſte Spur: von Vergleichung und Veraͤhn⸗ 
lichung der Wunder des Pythagoras und unſers Heilan⸗ 
des entdeckt; aber das, denke ich, haͤtte man doch nicht 
uͤberſehen koͤnnen und ſollen, daß die aͤlteſten Geſchicht⸗ 
fhreiber des Pythagoras dieſelbigen Wunder erzählten, 
die fich im Porphyr und, Jamblich finden, daß eben dies 
fes von beyden ausdruͤcklich verfichert wird, und daß man 

5 N 2 en |. 


— — — — — — — 


*) Man ſehe hierüber meine Abhandlung Aber die Neu⸗Pha⸗ 
toniſche Philoſophie im dritten Seid: des sahne 
‚Magazine. | 





- 


J— 
— 


260 Drittes Buch. 


im ‚erften und gwepten Jahehundert aflgemeln fo vom 
Porhagoras urtheilte, als fie ihn geſchildert haben, Die 


. folgende Unterſuchung wird einen jeden überführen, daß 
eben die Weltweifen,. bie man argliftiger Erdichtimgen 


halber In Verdacht hatte, niche nur alle ihre Nachrichten 
aus. vorhergehenden Schriftſtellern nahmen , fonbern fie 
auch faſt durchgehende mit den Worten. derer, Die fie auf 


ſchrieben, erzaͤhlten. Beyde waren won einer ſo einſl⸗ 


tigen, kindiſchen und trugloſen Ehrlichkeit, und von dem 


" Borfage, ihre Leſer Durch neue von ihnen ſelbſt erfundene 
Fabeln zu hintergehen, fo weit entfernt, daß fie in ihren 


Auszügen fo gar die Bemetkung foldyer Männer mitrhels 
ten, welche glaubten, daß bie Pythagoreer ihrem Meiſter 
viele Wunder angedichtet hätten, Wenn fie fo verfchmif 


geweſen wären, als man fie fid) gemeinlglich vorſtellt; ſo 


wuͤrden ſie gewiß dergleichen Gedanken unterdruͤckt haben, 


wodurch ihnen ihre eigene Leichtglaͤubigkeit vorgeworfen, 
und die Glaubwuͤrdigkeit ihrer Erzählungen vernichtet 
oder geſchwaͤcht wurde, Ich trage Daher Fein ‘Bedenken, 


die ganze Anklage von Erdichtung gegen den Porphyt 


und. Jamblich für falfh und grundlos zu erklären, und 


, halte die. Unverfälfchtheit der Fragmente und Zeugnifle, 
aus denen ihre Sebensbefchreibungen zufammengefezt find, 


für eben fo gewiß, als ich gegen bie Zuverlaͤſſigkeit bet 
meiften mistrauifd) bin. nn | 
In diefer Unterfuchung nun, aus welchen Schrift: 


Bellen Porpfye und Jamblich eine jede Erzaͤhlung, ober 


einen jeden Abfaz genommen haben, werde ich folgende 
Kegeln zu beobachten fuchen, gegen Beren Richtigkeit 


man ſchwerlich im allgemeinen etwas einzumenden haben 
wird, Aber. deren fehlerlofe Anwendung aber [red 


+. 
» » 


N . 








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en der pohaonſher X a6 


ſich telche Zweifet und Bedenklichkelten mußten 


Können. 


u )) Gebe ich ganz genau auf bie Stefien ade, wo 


der eine ‚oder der andere die Männer nennen, aus wel⸗ 
hen - die erſtere entlehnt find, und ſuche aledann aus 
Aehnlichkeit der Sprache und bes Inhalts, oder auch 


aus dem Uebergange in ganz neue Erzählungen und Mas 


teen, zu beſtimmen, wie weit ſolche Zeugniffe reichen. 
Meifteng find bie Abſaͤze oder bie Uebergänge von dem 


Fragment eines Schriftftelfers zum Fragmente eines ans ' 


dern fehr Fark abgefchnitten : bisweilen aber iſt es zwei⸗ 


felhaft, wo eine Erzählung aufhört, und die andre fi 


anfängt: und ſolche Stellen oder Faͤlle werde ich aufriche 
fig anzeigen. - 

2). Wann Ich Tolche Fragmente, beren Verfaſſer 

von einem der beyden Compilataren genannt ift, in dem 


andern auch ohne Namen, , aber mit benfelbigen oder wer 


nig veränderten Worten wieder finde 5: fo ſchreibe ic; ſolche 
gleiche oder ähnliche Stellen nicht nur demfelbigen Manne 
zu, fondern ich forfche auch nach, ob nicht vielleicht deu» 
jenige, dev feinen Gewaͤhrsmann verfchwieg, mehr aus⸗ 
309 und abſchrieb ale der andere. Sehr oft kann man 
diefes aus Dem Fortgange ber Erzählung, aus der Gleich⸗ 
beit der Sprache, aus ber Uebereinſtimmung und dem 


Zufammenbange der Marhrichten mit dev größten Gewiß⸗ 
beit beſtimmen, und alsdann ſchließe ich, daß alles, was 
mit einer Stelle, deren Verfaſſer bekaunt if, unläugbar 


infanınien Bängt, von berfelbigen Hand herruͤhre. 


3) Sammte und bemerfe ich mit der größten Sorge 
falt alle Bedanken und Rachrichten, bie von anbem 


R3. Schrift. 


— 


— 


MN 


‘ 
* J 


1 


262 Ze ‚Drittes Buch. 


Shhrifeſlellern aus diefem oder jenem ältern Sefäkt 
fchreiber, mern auch nicht mit den Worten der legten, 
doch dem wefentlichen Inhalte nach angeführt. werden: 
Wenn ich nun folde Gedanken und Nachrichten , von 
denen es befannt ift, daß diefer oder jener fie zuerſt, 
oder doch auch erzählte, im Porphyr oder Jamblich, die 
bloß abfchrieben, autreffe; fo halte ich mich berechtigt an⸗ 
zunehmen , daß die ganzen Stellen und. Fragmente, 


worin fie eingewebt find, öder zu \denen fie gehören, 
dieſelbigen Verfaffer haben. Doc erlaube‘ ich mir diefe 


Art zu ſchließen nur alsdann, mann die Abſchnitte, In 
denen ich die Gedanken oder Erzählungen aͤlterer Ge 
ſchichtſchreiber finde, durch) Schreibart und übrigen In⸗ 
halt meine Vermuthung beguͤnſtigen, und ſich hingegen 


nichts darin findet, was fie verdaͤchtig machen koͤnnte, 


denn ſonſt wuͤrde man ſich, wie ich oben ſchon bemerkt 


| babe, fehr oft irren, wenn man immer voraus ſezte, daß 


allenthalben, wo Nachrichten eines Ariftofenus, Hera⸗ 
klides und anderer vorfommen, audy ganze underänderte 
aus den Werfen diefer Männer abgefchriebene Stellen 
und Fragmente vorhanden ſehen. Nach dieſen Vor: 
fehriften nun hoffe id) faſt das ganze Fragment ber Le⸗ 
bensbefchreibung des Porphyr, und den größten Theil 
ber des Jamblich, in ihre Beſtandtheile aufloͤſen, und 
die Schriften angeben zu Fönnen, aus welchen fie entlehnt 
worden ſind. Ungeachtet unter diefen beyden Compila⸗ 


tionen bie des Porphyrs die kuͤrzeſte iſt, fo iſt fie doch 


unſtreitig die wichtigſte, weil ſie den Schluͤſſel zu der 


Jamblichiſchen enthaͤlt, die ohne fie faft durch und durch 


unbrauchbar ſeyn wuͤrde. Porphyr nennt ſehr haͤufig 
die Manner, denen er * figte ‚ und- durch Huͤlfe dieſer 
An⸗ 


— 








Geſchichte der Pythagoreiſchen Gefellfchaft. 263 


Angaben fann man meiftens heraus bringen, welche 
Werke Jamblich vor fich ‚harte und ausfchrieb. Glücks 
licher Weile gibt Jamblich da, wo Porphpr feine Vors 
gängee verfchmeigt, ihre Namen an, oder man findet‘ 
auch In den Sragmenten des erftern, deren Berfaffer man ° 
aus dem legtern entdeckt hat, Stuͤcke, durch welche man 
nlederum an andern Etelen dem Porphyr auf die Epur 
fommen ann. 


Porphyrs Abensbeſchrelbung verraͤth keine von den 
Vorzuͤgen, die man ihrem Verfaſſer in andern Werfen 
nicht abfprechen ann, und hingegen alle Schwachheiten, 
Gebrechen und Fehler, morüber ſich feine Tadter nur je 
luſtig gemacht haben. Porphyr war gewiß der fcharffine 
nigfte Kopf, der größte Gelehrte und einer ber erträgliche 
ſten Schriftfielfer unter den neuern Platonikern. Man 
muß es nothwendig wiffen, daß in bem Zeitalter, in. 
welchem er lebte, Erziehung, Unterricht und herrfchende 
Denkart, Schwaͤrmerey und Aberglauben beguͤnſtigten, 
um es nicht unglaublich zu finden, daß ein ſo geiſtvoller 
Mann, als Porphyr, der durch den Longin gebildet, und 
durch die beſten Werke der Alten genaͤhrt war, in einem 
Alter von dreyßig Jahren, von dem verworrenen, gei⸗ 
ſterſehenden, und aus ſich ſelbſt weggeruͤckten Plotin, fo 
bezaubert und hingeriſſen wurde, daß er völlig in diefelbis 
gen Raſerehen verfiel, und, Feine Zwifchenräume von . 
Zmeifel und gefunder Vernunft ausgenommen, darin bis 
an feinen Tod beharrte. Es ſcheint zwar nicht, als 
wenn Porphyr gleich nach feiner Befanntfchaft mit jeinem 
jwepterr Lehrer ein uneingefchränftes Zutrauen zu ihm ge⸗ 
faßt, und alles für Wahrheit angenommen habe, was 

. R4 | | er 


\ 


ſelbſt umzubringen, und feinen unfterblichen Geiſt an 


er verfiel von Zeit zu Zeit, wie fein Brief an den Ah 


heimſten Lehren und Künften feiner Vorgaͤnger; air 
auch dieſe Pleinen Verirrungen von der Bahn, in nıldt 


264 | Drittes Bus, 


ey . 
Zu 





er von i6m hörte: er erzaͤhlt bielmehr von ſich FF b 
er dem Plotin Einwürfe gemacht, daß er ſich mehrmale 


- über diefelbigen Materien Erläuterungen ausgebeten, und 


aufeichtig geſagt habe, was ihm in feinem Derrrge 
verftändtich fen; allein er muß biefe Worficht In ber du 


u ruͤckhaltung des Beyfalls, und die dawit verbundene Bi 


berfpenftigfeit bald abgelegt haben, weil er nad eine 
fünfjährigen Vertraulichkeit mit bem Plötin weit gefähr 
licher -afs dieſer ſchwaͤrmte, und in einem folchen ia 
Koffer des Sebeiis, und Verächter aller Güter und Eiteb 
Feiten der Erde wurde, daß er den Entfchluß fahre, fi 





dem ihn einfchränfenden Gefängniffe des Leibes heraus a 
reißen. In feinen reifern ohren wurde fein Glaube a 
die ehren feines Meifters bisweilen wieber erfchättert, und 





guptifchen Priefter Anebo, und viele Fragmente‘ beim 
Auguftin beweiſen, in einen völligen Zweifel an ben ge 





Plotin ihn eingeleitet hatte, daureten nicht lange, nit 


aus allen-feinen übrigen erhaltenen Schriften und Brud⸗ 
ſtuͤcken erhellt, Er Hing, mit einem noch feftern Glauhen 
als Piptin, an Magie, und allen damit verbunden 
heiligen Rünften, legte falfche Drafel mit einer nod gr 


. Bern Salbung aus, und trug Platoniſche Begriffe mi 


noch größerem Eifer in die Religionen aller Voͤlker ein 
In feiner $ebensbefchreibung des Plotin erzähle er, daß 
er als ein Greis von acht und ſechzig Jahren: der Innig: 


ſten Bereinigung mit dem höchften Gotte gewuͤrdiget wer 


den fen, Er rebet zugleich von ben. Wundergaben 
nn . W dir 


N 


Sefchichte bet Bychenoraſche Seffänt.: 265 


Thaten feines aehrers in einem ſo offenen und treuhetzigen | 
Tone, daß man an feiner feften Ueberzeugung von alle. dem, 
was er fagte, nicht einen Augenblick zweifeln kann. 


In ber Biographie bes Pythagoras erfcheine 
Porphye nicht bloß als ein leichtgläubiger Schwaͤrmer, 
der andern vom Pythagoras eben das und noch mehr zu- 
glaubte, als was er ſelbſt vom Plotin erzaͤhlt harte, ſon⸗ 
dern zugleich als ein ſchlechter nachlaͤſſiger Schriftſteller, 
ber ſich nicht einmal die Mühe gab, die Erzaͤhlungen 
anderer ju ordnen, zu perbinben , mit ſich ſelbſt überein. 
flimmend zu machen , und dann nach feiner eigenen Art, 
und mit feinen eigenen Worten zu erzählen. Won dem 
ganzen Fragment, fo wie mir es jezo haben, gehört ihm 
nichts, als etwa die anderthalb erfien Paragraphen, uad 
dann in der Folge die Uebergangsformeln , und die Tem⸗ 
pora verſchiedener Zeitwörter zu, die er Hin und wieder 
abgeändert Hat, uns fie den vorhergehenden entſorechend 
ju machen; fonft aber iſt dies unvollftändige Werkchen, 
eine felten zufammenhängende,, und oft zur Unzeit unters 
brochene Reihe von bloß abgefehriebenen Stellen ganz 
verſchiedener Geſchichtſchreiber. Dies fieht man nicht 
nur aus der auffallenden. Ungleichheit der Schreibart, 
ſondern auch aus der Trennung von Materien, bie zufammen 
gehören , und der wiederholten Erwähnung derfelbigen 
Dinge, aus Den weder gehobenen noch einmal bemerften 
Widerfprüchen von Nachrichten, aus ben harten, gar 
nicht vorbereiteten Mebergängen aus einer Materie un 
Erzählung in andere, die mit ber vorhergehenden in gar 
feiner Verbindung ſtehen, enblid} Daraus, daß im Jam⸗ 
blich, der eben die Schrifefteler ausfchrieb, die Porphyr 

R 5: ggepluͤn⸗ 


66: Drittes Buch. 


‚geplündert hatte, ſehr oft ganze Stellen mit benfelbigen 
‚ oder wenig abgeänderren Worten wieder vorfommer, 
Diefe Bequemlichkeit, immer-andre für fich reden zu laß . 
‚fen, macht zwar feinem Kopfe Feine, Ehre; fie verbürgt 
uns aber'auch feine Ehrlichkeit, und die Unverdorbenheit 
feiner Erzählungen *). 





*) Porphyr iſt nicht bloß in feiner Lebensbeſchreibung des 
Ppthagoras, ſondern auch in feinem geſchaͤzteſten und 
wichtigften Werke reeı azoxns euıuyav ein efens 
der Sammler oder Ausſchreiber. Es tft in der Xhat | 
ſchimpflich für die Kritik der legten Sahrhunderte, daß | 
man Died Buch fo fehr bewundert hat, ohne zu bemer⸗ | 
fen, daß der größte Theil deffelben, und zwar gerade 
diejenigen Abfchnitte, in welchen Gedanken und Echreibs 
art wirklich fhön find, nicht vom Porphyr herruͤhren, 
- fondern nad der Gewohnheit des dritten und vierten 
Jaahrhunderts aus ältern und beffern Echriftftellern 
. ausgefchrieben find. Aus dem erften Buche gehören dem 
Porphyr bloß die drey erften Paragraphen. Die vier 
und zwanzig folgenden find aus verfhiedenen Schrift: 
ftellern genommen, die er felbft nenun Vom fieben . 
und zwanzigiten Abfchnitt bis zu Ende des Buche hat , 
er lauter befannte Gedanken, von denen viele in den ' 
or folgenden Büchern wieder vorkommen und beffer gefagt 
\ werden," wahrfcheinfich mit feinen Worten vorgetragen. 
Im 3weyten Bude iſt nur die Einleitung, die vier 
‚ Paragraphen beträgt, vom Porphyr. Die folgenden, 
bis zum zwey und dreyßigiten find, wie er ſelbſt fagt, 
aus dem Theophraft abgefchrieben, einige Zabel und 
Einſchiebſel ausgenommen. Vom zwey und dreyfigfin 
bis an dem fieben und dreyßigiten redet er feibit wieder. 
Dann aber läßt er, wie er felbft erinnert, sihen Pas - 
tonifhen Philoſophen, unbefannt welden, bis ang 
“ Ende des Buchs fprehen. Das ganze dritte Bud, 
das mir grofem Scharffinn gefchrieben ift, hat Pors 
phyr wieder von einem andern entichnt, wie aus feis 


] am 





Geſchichte der Pythagoreiſchen Geſelſſchaft. | 267 


‚Die erflen fiebenzehn Abſchnitte find aus dem 
leanches, Apollonius, Duris von Samos, ykos, Eu- 
us, Antiphon, Diogenes und Dionpfiphanes genom« 
en, und Das, was einem jeden gehört, iſt fo deutlich 
emerft, daß ich die Sefer des Porphyr nur aufmerffam 
u machen brauche, ohne einzeln angeben zu Dürfen, was 
us dem einen ober dem andern genommen ſey. Nut ale 
in von den beyden leztern Paragraphen koͤnnte es zwei⸗ 
haft feheinen, ob fie dem Dionpfiphanes zugehören, 
Kein, wenn man die Erzählung des funfzehnten Ab⸗ 
hnitts: daß Pythagoras nad) Samos zurücgefommen, 
m ben Hermodamas zu hören u. f. mw, mit dem Anfange 
es folgenden, In welchem .der Bewegungsgrund feiner 
[breife nady Italien angegeben wird, vergleicht ; fo wird 
nan bald den Zufammenhang derfelben wahrnehmen. 

Der achtzehnte und: neunzehnte Paragraph find vom 
Dikaͤarch und in Anfehung ihres Inhalts fehr wichtig. 
Beym zwanzigften fängt ſich ein Fragment des Nikoma⸗ 
hus an, das meinem Urrheile nach bis-an den zwey und 
reyßigſten Paragraphen fortläuft. Man finder naͤmlich 
n biefem ganzen Abfchnitte nirgends Unterbrechung, oder 

unna⸗ 


U] 


nem eigenen Geftändniffe ($. 1.) aus der Art, wie bes 
Apollonius ($. 3.) und einer Reife nach Karthago ($. 4.) 
erwähnt wird, erhellt. Der vortrefliche Perfaffer dies - 
fer Abhandlung Tebte nach dem Plutarch. ($. 18 & 24.) 
Das legte Buch ift wiederum aus Fragmenten des Dis . 
kaͤarch, Chäremon, Euphantus, Pallas, Eubulug, 
and anderer ungenanter Schriftſteller zuſammen geſezt, 
deren Worte Porphyr faſt immer beybehalten ‚ und aus 
denen er ohne alle Beurtheilung fürzere oder längere 
Stellen (mie den 3, und 4 $.) abgefchrieben hat, bie, 
gar nicht zu feinem Zwecke gehörten. 











268 , Drittes Buch. 
unnatuͤrliche Uebergaͤnge, fondern vielmehr allenthe 
Bleichförmigkeit der Schreib: und Denkart, in eine 
gegründete, ‚und durch einander veranlaßte Erzählun 
von Wundern, dergleichen nur ein Pprhagoree n 
Chriſti Geburt fo innig glauben konnte, endlich di 
bige grobe Unwiffenheit in der alten Zeitrechnung und 
ſchichte. Den zwey und zmanzigften Paragrapfen na 
Nikomachus aus dem Ariftorenus‘, die folgenden a 
‚.. aus dem Heraftides, Hermipp-unb andern: denn er 
ſichert ausdruͤcklich, daß er in der Geſchichte der Bu 
dien, amd, wie er urtheifte, glaubreürbigen Mi 
gefolgt ſey. 
Daß ſich beym zwey und dreyßigſten Abſchnit 
neues Fragment anhebe, wuͤrde man bemerken fün 
wenn Porphyr auch gar nicht hinzuſezte, daß er jep 
Erzähfuig des Diogenes mitchelle. Dies Brut 
gehet gewiß bis an den ſechs und vierzigſten, viel 
bis an den acht und vierzigſten, oder gar bis an den 
und funfzigfien Abſaz fort. Bis an die zuerft be 
Stelle entſteht eine Nachricht aus der andern, und 
gends entdecfet man Unterbrechung, oder Sprung, 
plöjlichen Abfall von Schreibart. Zwiſchen dem 
und vierzigften und ſechs und viersigflen findet ſich 
feine Luͤcke; allein hier fcheint die Sprache ſich mer 
zu verändern und feperlicyer zu werden. Um ber nal 
lichen Folge willen, glaube ich, daß auch ber ſechs⸗ 
fiebenvierzigfte aus dem Diogenes abgefchrieben ſeh; 
gen ber Verſchiedenheit der Schreibart aber vermurhe ! 
daß Diogenes felbft wiederum nur die Worte eines 
dern. in fein Werf übergetragen habe. Und diefer and 
war allem Bermuthen nach Moberatus, aus jr 
| | | ag 














heſchichte ber Pythagoreiſchen Seſellſchaft. 269 


leich eine lange Stelle vom acht und vierzigſten Para⸗ 
aphen bis zum vier und funfzigfien angeführt wird, 
m und Grundſaͤze in den beyden zweifelhaften Abfäzen. 
id den ſechs folgenden voſllkommen entfprechend, So. 
cheſcheinlich es mir aber If, dab der ganze. Abfaz 
16.54) vom Diogenes aus dem Moberatus und vom 
orphpe wieder aus dem Diogenes entlehnt ſey; fe werde, 

‚ 25 niemanden. verargen, mern er ih dieſem Falle 
ine Orinde fürr.nicht ganz genugehuend halt. Ich will 
her auch den Verfafler des ſechs und vierzigften und 
Igenden Paragraphen unentfchieben laſſen, da man ih⸗ 
tſehr gut entbehren kann und nichts von Wicheigkelt 
tinn enthalten iſh. 

"Wenn man vom drey und fanfjigften zum näche 
m Paragraphen fortrückt; fo merft man es ſogleich am 
inlichen Mangel des Zufammenhänges, daß ein an⸗ 
rer Schriftfteller zu reden anfange, 

Porphyr verſchweigt zwar den Berfaffer des neuen 
bſajzes, der drey Paragraphen *) enthaͤlt; allein es iſt 
us einer Parallelſtelle bes Jamblich *) von daß er 
us dem Ariſtorenus genommen ſey. 

Der ſechs und funfjigfte und bie Hälfte des fieben 
Ad fünfjigften Paragraphen ***), find ohne ofle Veraͤn⸗ 
tung aus dem Dikaͤarch abgeſchrieben. Dies ſieht 
han nicht nur aus dem Zeugniſſe des Porphyr ſelbſt, der 
en Difdarch nennt, fondern auch aus ber Uebereinſtim⸗ 
Aung der ganzen Erzählung mit derjenigen, bie Dioge« 

nes 





NRbis 56. 5 | _ 
)s, 248 » 52, 
“ie, Bis an bie Bon: Fu dnouuPogus: x. T. A. 


J 


⸗ 
———— — ——— 


| | 70 Drittes Buh. 


nes *) aus biefem Schriftſteller anfuͤhrt: endlich an 
den Worten, womit fi) der ſechs und funfzigfte Pate 
graph ſchließt. Hier fage nämlich der Verfaſſer, di 
man des Aufflandes gegen den Pythagoras und feht 
Freunde noch bis Auf feine Zeit in Großgriechenland un 
. ser dem Namen der Verſchwoͤrungen und Aufruͤhre gegn 
die Porhagoreer erwähne: ‚eine Anmerfung, für deren 
Verfaſſer nicht leicht jemand den Porphyr halten wird, 
Die lezte Hälfte des fieben und funfzigften Pars 
graph, bis ang Ende, iſt aus dem Nikomachus m 
lehnt. Porphyr verſchweigt zwar bey den anderthalb m: 
ſten Abfchniteen den Namen bes Gefchichefhrelbes; 





man vergleiche fie aber nur mit dem Fragment des I, 


komachus beym Jamblich **), und man wird bald ad 
der völligen Uebereinflimmung des leztern mit der name 
loͤſen Stelle beym Porphyr finden, daß beyde von ehrt 
dem Manne gefchrieben find, weichem Porphyr den nen 
und funſzigſten und bie folgenden Paragrophu 
zueignet. 

Dieſe kurze Analyſe bes Porphur iſt eine ber mi 
igſten Arbeiten in der. Geſchichte der Pprhagorell 
Philoſophie, auf die fich vieles im vorhergehenden gri 
der, und worauf ſich das meifle von dem folgenden 
fiehen, wird, Schon die Unterfuchung der Jamblichiſcha 
- Biographie, zu der ich jest fortgehe, wird einen je 
überführen, wie viel ich Dadurch gemonnen habe. 

Porphyrs beruͤhmteſter Schüler, Jamblich, ® 
ſelnem lehrer weder an Talenten noch a an Gelehrſambel 

| gleld 


— 
VI 4a . oo. 
ie LIE 37er 2 













! 


0 


Gefchichte der Pythagoreiſchen Geſellſchaft. 271 
| 


gleich: er übertraf ihn allein, wenn man andeis dies 
Wort in einer ſolchen Bedeutung nehmen darf, an’ 
Schwaͤrmerey, Leichtglaͤubigkeit und Unfleiß. Die Le⸗ 
bensbefchreibung des Pythagoras vom Porphyr iſt zwar . 
das ſchlechteſte unter allen feinen Werfen, fie iſt aber- 
‚doch immer noch ein Meifterftück gegen die des Jamblich, 
in welcher dieſer Schriftſteller auch unter ſich ſelbſt hinab⸗ 
geſunken zu ſeyn ſcheint. Sn der erſtern folgen: doch mei⸗ 
ſtens die Auszuͤge nach einem gewiſſen Plane auf elnan⸗ 
der; in der andern hingegen find die rohen Materialien, 
die Jamblich geſammlet hatte, ſo abſichtlos, und mei⸗ 
ſtens ohne alle varbindende Formeln, hinter einander ges 
ſtellt, daß fie nicht verworrener und unzuſammenhaͤngen⸗ 
ber ſeyn könnten, wenn er die Fragmente aller Schräfte 
ſteller durch. einander geworfen, und fie bann wieder 
einzeln, fo wie der Zufall fie ihm in Die Hände geführt, 
zuſammen gebeftet hätte. Jamblich gab fich nicht allein 
nicht die Mühe, Die gröbften (Fehler. gegen bie Geſchichte und 
Zeitrechnung zu verbeffern, und die Widerfprüche ber . 
Schriftſteller, die er auszog, zu. vereinigen oder zu heben; 
es war ihm fogar zu läftig, Darauf Achtung zu geben, ob 
nicht etwas, was In der Folge vorfam, ſchon im verhere 
gehenden enthalten wäre, Es werden daher oft dirfelbie 
gen Sachen mit. denfelbigen Worten wieder erzählt, meil 
ee fie in verſchiedenen Schriftſtellern fand‘, die aber den. 
felbigen Geſchichtſchreiber ausgefchrieben hatten, der bis. 
weilen vom Jamblich ſelbſt ſchon benuzt worden 
war. 

Dieſe haͤufigen Wiederholungen koͤnnen leicht 
die Vermuthung veranlaſſen (die auch Kuͤſter in ſeiner 
Vorrede iu dieſer Compilatlon äußerte) daß. die ſoge⸗ 

nannte 


XX 


’ x 


a Drittes Buch. 


maninte Lebensbeſchreibung des Pythagoras vom Jamblich | 


eine unvollendete Arbeit diefes Mannes, und'eine blofe 
Sammlung von Materialien fey, an deren Bearbeitung 
er durch den Tod gehindert worden. Allein Jamblich 
ſelbſt hat mich belehrt, ‘daß Diefer Gedanfe, aller feiner 
Waghrſcheinlichkeit ungeachtet „ doch ungegrünbet fen, und 
daß man von dem Schüler bes Porphyr zu vorthellhaft 
urthaile, wenn man ihm nicht einen fat unglaublichen 
Grad. von Nachläffigkeit zutraut. Er ſagt naͤmlich glelch 
im Anfange feiner Aufmunterung zum Studio der Welt 
weisheit *), Daß er dieſe göttliche Wiffenfchaft mis Pr 


thago⸗ 








um GE 


”®) Leoi uev muVayops zuge Kar’ aurov Bis,ro 


Te Ruta yoemmy wrÖgay Kar Tumumeres ev Ts 

173. WFRO TETRV. EIOHKOCKEN. —XX de 70 Acınar 
&ure vns oigenews, Cap. 1. Protr. Diefe Ermah⸗ 

nung zum Studie der Philofophie ift feiner Lebens 
beſchreibung des Pythagoras eben fo Ähnlich, ale das 

= uch von der Enthattung von Flerfihfpeifen der Bio 
I graphie bes Porphyrs.ift. Huch fie ift groͤſtentheils and 


Stellen andrer Weltweifen zufammen gefezt, in denen, 
. wie in ben Auszügen des Porphyrs, vieles vorkoͤmmt, 
. "weilen gar wiberfpriht. Einen Beweis von der Drei 
ſtigkeit des Jamblichs, oder der in feinem Zeitalter 


 " rfihon allgemeinen und gar nicht mehr ſchimpflichen 


Mode, neue Bücher aus Bruchſtuͤcken alter zu ver 
fertigen ,. muß ein jeder in den vielen und langen Steh 
fen finden, bie aus ben Gefpräcen des Plato, eine 
bamals vorzüglich beliebten Schriftftellers, unverändert 
genommen find, ohne daß Plato ein einziges mal ger 


a 


nannt wäre. Jamblich fehrieb fogar feinen Lehrer den 


4 


Porphyr aus, wie Simplicius in feinen Comments 
rien uͤber die Kategorien des Ariſtsteles bezeugte, 
u eht 


— 


‚was im geringften nicht zur Sache gehoͤrt, und ſich bir. 





— —— — ul 


uͤbel zuſammenhaͤngenden, und wirklich abgeſchriebenen 


’ Ir I u 


‘1 


Geſchichte der Pothagoreiſchen Geſellſchaft. 273 


agoreiſchen Gruͤnden empfehlen wolle, nachdem er die 
jefhichte des Pythagoras und feiner Schüler geliefert 
be Aus diefer Stelle fieht man, daß Jamblich fin 
ben des Pythagoras noch vor feinem Tode befannt ger 
acht , und für ein Werk gehalten habe, das feiner Ber: 
derungen und Berbefferungen bebürfe,, um einem jeden: 
fer vorgelegt zu werden, 

Marı vermweile hier einen Augenbli bey der Bes 
ıhtung , wie Geſchichte, Beredtfantfeit und Weltmeis. 
it in einem Jahrhunuderte befchaffen ſeyn mußten, in 
chem ein Dann, den feine Zeitgenoffen als einen goͤtt⸗ 
hen Weiſen verehrten, eine folhe Biographie, als die 
ambtichifche iſt, unter feinem Namen heraus zu geben, 
5 Herz hatte .·. u 

Jamblich fängt fein Buch mit einem Fragment des 
pollonius.von Tyana an, das die fünf erften Kapi⸗ 
‚ bis an den dreyßigſten Paragraphen einnimmt. Daß 

| . diefer 








Dr "7 


fehe deſſen Worte, ap. Holften. vit. Porph,) Ex hes 
Simplieit loeo (fezt Holftein hinzu) apparer nan iaſo- 
lens fuifle Jamblicho Perphyrii Nibros transferibere, 
aut sdditis mutarisque. quibusdaın Interpolsre: quod 
& in commentsriis in Plaronis Timseum eum feciffe 
spparet ex illis, quae Proclus ex urroque pelfiim ci- 
tat: ita enim:forme ubique vos corjungit, ut unam 
eandemque utriusque Icntentiam referat. Man traue, 
alſo den Jamblih nit, wenn er in feinem Sommentar 
hber die Arithmetik des Nikomachus fagt: daß es uns 
danfbar fey, fi fremde Gedanken zuzueignen, und 
andere ihres verdienten Ruhms berauben zu wollen. 
(sre eDereaigesda To yeypauneva. Ayvapo- 
cduvnc Yageoyarns epyov, aDasgemla runs em. 


Barrsons dogns vo ZuYyereapere, P.4) 





Fr 
Sn 


24 “ Drittes Buch. 


Jeſer ganze Abſchnitt von einem einzigen Verfaſſer fa 
lehrt einen jeden die Gleichheit der Schreibart, und ! 
ununterbrochen fortgehende Erzählung, Die nirgends « 
nen plözlichen Abfall hat, daß fie aber aus dem Apcl 
nius entlehnt fey, fieht man nicht nur aus dem Fragme 
des Apollonius beym Porphyr *), das ſich im Jambli 
wieder findet **), ſondern auch aus ber Uebereinſtimmur 
. aller darinn vorfommenden Nachrichten , mit denen di 
Philoſtratus, in welchen er ung die Gedanken des Ado 
lonius über die Sebensart und Philofophie bes. Pythagore 
mittheilt, oder auch die Seiten aufzähle, von meld 
ber eine dem andern aͤhnlich zu werden ſich bemih 
habe. 

ESogar dle beyden erſten Paragraphen find ni 
vom Jamblich, fondern vom Apollonius und eine Üin 
Leitung in deffen sebensbefchreibung bes Prthagei 
Dies erhellt theils aus dem andaͤchtigen Tone, der dari 
berefcht,, und aus dem frommen Gebete, und ber 
rufung:der Götter, theils aus der Aeußerung des Dir 
zes, * den Pythagoras als den Vater der gan 
Philoſophie zum Muſter zu wählen; am meiften abtr 
den Klagen über die Schwierigkeiten, Die mit der 
forfehung der Gefchichte des Pythagoras verbunden 
und aus bem Geftändniffe, daß bie Porbagoreildt f 
loſophie felt langer Zeit wäre vernachläffige worben. 
leztere Ponnte Jamblich unmöglich fagen, da es 
feit drey Jahrhunderten wieder Pythagoreer gegeben he 
bie Jamblich fuͤr ſolche erkannte, und deren Gdri 














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Geſchichte der Poth 


des Pythagoras ſammlete, und ſtudirte, einfallen, uͤber 


ihre Schwierigkeiten zu klagen, und unter dieſen Schwie. 


rigkeiten beſonders die Menge falſcher, dem Pylhagoras 
oder ſeinen Schuͤlern untergeſchobener Schriften anzufuͤh⸗ 
ren. Denn er ſelbſt zweifelte an-Der Aechthelt von Wer 
ken, die den Namen von Pythagoreern trugen, eben fo 
wenig, als er unter glaubwürdigen und unglaubwürdigen 
Geſchichtſchreibern einen Unterſchied machte. 


Das zweyte Fragment im Jamblich geht bis an 
"den *) fieben und dreyßigften Paragraphen, und iſt ohne 
allen Streit. vom Nikomachus. Inhalt, und fogag 
Worte flimmen mit dem überein, was Porphyr **) aus 
dieſem Pythagoreer angeführt har, - 

daft ben, fo gewiß ift es, daß Der folgende Abſaz, 
ber erft mit dem fieben und funfzigften Paragraphen aufs 
hört, ohne alle Veränderung aus dem Difdarch genom⸗ 
men ſey. Die Schreibart in dieſer ganzen Stelle iſt 
ſo ſchoͤn, und die Reden und Gedanken, die dem Pytha— 
goras in den Mund gelegt werden, ſo vortreflich, und 
dem Charakter dieſes Weltweiſen ſowohl, als dem Geiſte 


. 


feines Zeitalters fo fehr entfprechend, daß auch ein mite, 


telmäßiger Kenner es fühlen muß, daß bier ein alter und 


großer Schriftftefler rede, und daß feiner von allen den 
Männern, die nach Eprifti Geburt das Sehen des Pie 

- | 2 | thago⸗ 
— — — — 
Doch werde ich nicht widerſprechen, wenn jemand auch 








den ſechs und drepßigſten Paragraphen dem Dikaͤarch zu⸗ u 


erkennen wollte, 


‘ 


au 8. 20. u. ſ. 


agoreiſchen Geſellſchaft. 275 


er am meiſten las. Eben ſo wenig konnte es dem Jam⸗ | 
blich, bey der Methode, nach weldyer er die Oeſchichte 


4 


J 
276 Drittes Buch. 
thagoras beſchrieben haben, ſich ſo auszudruͤcken, und ſo 
zu denken im Stande geweſen ſey. i 
Unter den ältern Geſchichtſchreibern aber ift feiner, 
dem dies Fragment mit einer höhern Wahrſcheinlichkeit 
zugeſchrieben werden kann, als dem Dikaͤarch. Dem 
aus einer- Stelle des Porphyrs wiſſen wir”) ‚ daß Potha⸗ 
goras nad) dem Zeugniffe des Dikaͤarch gleich nach feiner 
‚Ankunft , in eben der Ordnung , und zu eben den Altern, 
Ständen und Geſchlechtern geredet haben ſoll, in welchem 
die Ermahnungen des Pythagoras im Jamblich mitge⸗ 
theilt werden. 7 | u 
E Der neun und funfsigfte und ſechzigſte Paragranf 
‚hängt mit den vorhergehenden eben fo wenig, als mit 
den nachfolgenden zuſammen. "Sie find beyde, allem 
Vermuthen nad , aus bem Heraklides Pontikus: 
denn Cicero ſowohl, als Diogenes **) lehren uns, deh 
dieſer Mann die Veranlaſſung zur Annahme des Names 
eines Philoſophen fo erzaͤhlt, und die Philoſophie Di 
Phthagoras ſich ſo gedacht habe, als beyde in dieſen Ab 
ſchnitten vorgetragen werden. 
Die vier folgenden Paragraphen ***) find mit de 
nen beym Porphyr +) einerley, und aus dem Nikomachus 
entlehnt: Jamblich mag fie nun Aus dem leztern, ode 
aus dem Porpbyr abgefihrieben Haben. | 
— Mit dem vier und fechsigften Abſchnitt hebt ſich 
ein neues Fragment an, das erſt mit dem ſieben und 
acht⸗ 


\ 





® 8. 18. 1 4— 

“) Diog. I. 12. et ibi Commenf, 
600.6 
+) 23. u. f. 








Sefchichte der Pythagoreiſchen Geſellſchaft. 277 


achtzigſten aufhoͤrt. Dies iſt unſtreitig aus dem Dio⸗ 
genes: denn alles, was darinnen von der Muſik der 
Pythagoreer, ihrer Prüfung, ihrer Lebens art und ihren 
Claſſen gefage wird, entſpricht dem Inhalt, und oft 
den Worten nady ben Auszügen des Diogenes beym 
Porphyr *). 

Der acht und achtzigfte Paragraph ſteht mir dem 
vorhergehenden fo wenig In Verbindung, als das Ende 
und der Anfang zweyer verfchiedener Bücher, oder als 
der neun und achtzigfte mit dem neunzigften zufammen» - 
hänge. Den Verfaffer Diefer beyden Abfdynitte weiß ich 
nicht anzugeben. Daß er vom Diogenes verſchleden fen, 
erhellt aus den Abweichungen des neun und achtzigſten, 
und des sin und zwey und achtzigften Paragraphen. Wie 
unmwiffend und leichtgläubig aber dieſer unbefannte Schrift. 
fteller war, ſieht man aus dem Mährchen von dem jäme 
merlichen Tode des: Hippaſus, der eine göttliche Strafe 
für die Ausbreitung der bis dahin geheim gehaltenen gro. 
fen geometrifhen Wahrheiten der Pythagoreer geweſen 
feyn fol. ine abermalige Probe des gedanfeniofen 
Abfchreibens des Jamblich iſt diefe, daß er, ungeachtet - 
er abbrach, doch das Ende dee neun und achtzlgften 
Paragrophen fliehen ließ, in welchem der Verfaſſer fagt, 
daß er nun auch von der Eintheilung der Pythagoreer in 
die Claſſe der Staatsmänner, der Befezgeber, und der 
Beſorger der häuslidyen Angelegenheiten reden wolle, von 
welchem ollen im neunzigften Abſchnitt nichts vorkoͤmmt. 
Das neungehnte Gapitel, was In vier Abfchnitren bie 
Wunder des Abaris in fid) faßt, iſt wiedergm ein ein. 

S 3 iel 


0)9 S. 13. 033-4. 





73. u Drittes Buch, 
zelnes Brut, beſſen Urheber mir unbekannt Ä 


. , Eannte den unbekannten, oder der unbefannte den bekann⸗ 


die Namen der Verfaffer der beyden legten Fragmente er⸗ 


x 
- 


die glaubwuͤrdige und. fabellofe Erzählung von Dingen, 


- ganz unmahrfcheinliche Art zu übertreiben pflegen, koͤnnen 


= Panne gemacht hat, zweifeln laffen, daß dies merfmit 
dige Fragment einem Manne, aus dem Zeitalter der 


wie Schreibart und Zufanimenhang zeigen, von elnm 


— 


⸗ 


iſt. Ein Theil der Wunder des Abaris, die hier er⸗ 
zähle werden, find mit denen einerley, die weiter unten *) 
wieder vorfommen, Allein diefe Aehnlichkeit führt zu 
nichts. Denn mern man audy weiß, ven wen bie late 
Stelle iſt; fo bleibt es doch immer ungewiß, ob der be⸗ 


ten, oder beyde einen dritten ausgeſchrieben haben. 
a iſt aber auch nicht viel daran gelegen, ob wit 


fahren, oder niche, meil fich nichts betraͤchtliches barinn 


. finder, wodurd) Die Geſchichte ber Pythagoreer ermeitnt ' 


und bereichert werden fönnte, 


Eine der wichtigften Steffen im ganzen Jamblich 
iſt das zwanzigſte und die beyden folgenden Capitel, die, 


Verfaſſer herruͤhren. Die edle Einfalt der Sprache, 
die Abweſenheit aller ungeheuren Woͤrter, welche die 
neuern Pythagoreer und Platoniker fo kenntlich machen, 


welche alle Schriftſteller nach Chriſti Geburt auf.eine fe 


niemanden, ber Griechiſch verfteht, und ſich nur einige 
mofen mit den Geſchichtſchreibern des Pythagoras ber 


noch unverdorbenen Griechiſchen Sprache, zugehoͤre, 
in welchem auch die meiſten Fabeln vom Pythagoras und 
fee 


N 





2) 7 





Gefchichte der Pythagoreiſchen Geſellſchaft. 279 


inen Schülern noch nicht entſtanden oder noch nicht 


Igemein geworden waren. 

Eine genauere Unterfuchung bes ganzen Style, 
nd die Verglelchung der darinn enthaltenen Nachrichten 
nit folhen , deren erfte Erzähler von andern Schriftftel- 
en genannt worben, lehrt ferner, daß der Verſoſſer deſ⸗ 
ben Ariſtoxenus fen. 

Diefer würdige Schüler bes Ariſtoteles wird von 
den Schriftftellern als derjenige angegeben, ber mit feis 
em Sehrer, und wider ben Heraffides und andere Erdichter, 
chauptet habe, daß die aͤlteſten Pythagoreer ſich nicht 
aͤnzlich von animaliſchen Speiſen enthalten, ſondern 
lelmehr das Fleiſch von Thieren genoſſen, und auch den 
döttern Thiere geopfert hätten*). Dieſe Dem Ariſtoteles 
ad Ariſtoxenus fo eigenthuͤmliche Behauptung finder ſich Im 
tgenmwärtigen Abfaze **) wieder; und man faun daher 
m leztern, note ich glaube, "dem Ariftorenug zufchrei« 
m, da ber Ausdruck, fo rein und edel er auch iſt, doch 
any von der Sprache des Ariftoteles abweicht, Wenn 
haber auch nicht im Stande gemefen wäre, den Ver: 
fer diefes Fragments durch eine hoͤchſt wahrſcheinliche 
dermuthung heraus zu bringen; fo würde ich es doch, 
gen der groͤßern Wahrfcheinlichkelt dee Erzählungen 
1b der unlaͤugbaren Vorzuͤglichkeit der Sprache. allen 
inlichen Stelten und Erjählungen im Yamblid und 
ſorphyr vorgezogen, und als das glaubmwürdigfle unter 


len übrigen in ber Geſchichte der Einrichfung ber Pyrhas 


reiſchen Geſelſchaſt sum Grunde gelegt haben, 
S 4 i Wenn 


BEER 





*) Die Berweisftellen werben unten angeführt werden. 
**) . 08. ... - . 














280 Drittes Buch, 


Wenn man den auffallenden Unterfchled, ober 
Sprache eines alten und eines jüngern Geſchichtſchreibe 
recht bemerken will, fo vergleiche man die jezt gepril 
"Stelle mit dem gleich darauf folgenden hundert und dr 
ten Paragraphen, der voll von pomphaften, magil 
fegerlichen, aber doch zugleich leeren, und bloß tönen 
Wörtern ift u) 

Von diefem Paragraphen bis an den hundert u 
vierzigften finde ich eine an einander. hängende, nirgen 
abgefezte Erzäßlung, und eine fi ch ſoſt durchgeßends glg 
bleibende Schreibart. | 
. Daß dies Fragment nun von einem der (pätef 
feichtgläubigften, und unwiſſendſten Schriftfteller, den 
‚Pothanoras gehandelt haben, herruͤhre, erhellt aus? 
erzeichniffe der Schüter des Pythagoras **), unter 
chen Philolaus, Zamofris, $eufipp und Empedobles | 
ben , nicht weniger aus der Geſchichte des Abaris, 4 
der Wunder des Pythagoras. Wem es. aber zugeſde 
ben werden müffe, iſt niche fogleich einleuchtend. J 
genauefien und mehrmalen wiederholten Unterfodun 
Folge , die ich uͤber biefen Abfaz angejlelet habe, fa 



















— 

9 Man gebe beſonders auf folgende Worte * u 

draeIewcsıs caDdws Tas Toy Il ud yogınav auub 

II—— 

Sornros n aAndeıas merexgarıı amwonaAufr 

da, no TE au yuaTadas eAeufsea Jeiai 

m3, Neocomswdeocı de nay' many ni a 

: #3A0V magocdocm, To: 'Twv Diroeodav 7 

neyaroduais, 10 inee az ll 

. Seodeean 
°*) 8. 104. 


! 
* — 
! 
” [2 


{ — — 





Geſchichte der Pythagoreiſchen Geſellſchaft. 281 


ich nicht anders, als behaupten, daß er aus dem Dio⸗ 
genes abgefchrieben fer. Die Nachrichten über die Le⸗ 
bensart ‘der Pyrhagoreer *), über ihre. Mufit und den 
Gebrauch , dei Pythagoras von den Gedichten des Homer 
und Heſiodus gemacht habe **): flimmen ‚genau mit 
denen überein, Die Porphyr ***) aus eben dieſem Schrift⸗ 
ſteler angeführt hat Hiezu kommt noch das Urtheil 
über die Seichegläubigfeit der Pothagoreer, und ihre Bes 
gierde, den Pythagoras durch erdidytete Wunder zu erhee 
ben: ein Urtheil, von dem man fid) unmöglich vorftellen 
kann, daß ein Pyehagoreer es gefällt Habe +), So wahr⸗ 
fheinlich es aber ift, Daß Diogenes der Verfaffer dieſes 
Ä Fragments ſey, ſo gewiß iſt es, daß er den groͤßten Theil 
deſſelbigen wieder aus dem Nikomachus genommen, und 
alſo auch ſpaͤter, als dieſer gelebt habe. Vom Niko—⸗ 
machus nämlich iſt das Verzeichniß von Schülern des 
Pythagoras, unter welchen Cherondas und Zaleufus ſich 
finden ++), das Urtheil über die Eymbola des Pythage⸗ 

5 ras, 


’ 
, 
[ [U } 











‚®) S. 106. 

°.) $, 111. 

se) S. 110.32. 0 f. 

1) Kas raroye mavres ol Iludasyognios, cuas exeeı 
Bıseutinws, ciov nee Agıswıa Te Ileoxownsıe 
xos Aßaeıdos ra “Ymreeßoges Ts uodoAoyzpeva, 
Ko 000 RAR TOIauTd Asyeraı.- BAOI YAE Ti- 
GEUBEH TOIS TOIBTOS, TMOAAL ds naı auTa Rei 
ewvras. 8. 128. Ich irrte daher mit allen denen, bie 
diefe Stelle bisher angeführt haben, wenn ich in ıneis 
ner Ei. schichte der Lehre von Gott noch glaubte, daß 

dies Urtheil vom Jamblich herrühre , und vorzäglich die 
Pythagoreer nach Chriſti Geburt treffe. (©. 272.) 
- ID S 104 et 130. 


. 


282 Drittes Bug, 
ras, bas ganze ſechs und zwanzigſte Eopitel und die Sa 


beln von den Wundern bes Abaris und Pythagoras *), 


> 


Sollte aber auch jemand gegründete Zweifel wider meine 
Vermutung über den Verfaffer Diefes Fragments finden; 
ſo wird man Doch immer geftehen müjfen, daß ein Schrift⸗ 


ſteller, der alles das erzaͤhlen Fonnte, was darinn enthalten _ 


ift, gar feinen Glauben verdiene, fo bald ihm von einem 


u befannten glaubwuͤrdigen Geſchichtſchreiber widerſprochen 
wird. 


Mit dem hundert und vierzigſten Parographen 


fangt ſich ein neues Fragment eines andern Schriftſtellers 


an, das ſich mit dem hundert und acht und vierzigſten 


wieder ſchließt. Daß der Verfaſſer deſſelben eben fo 
jung und leichtglaͤubig, als Diogenes ſey, beweiſen bie 


Machrichten vom Abaris, und die Mepnung, daß Pyh⸗ 
thaͤgoras fein Werk: Heilige Rede, betitelt, - aus den 


- göttlichen Gefängen bes Orpheus zufammengefejt, und 


dieſem alten Dichter, außer den Aegyptiern, ‚feine ganze 


Philoſophie zu danken habe; ‚daß ber Verfaffer aber auch 


vom Diogenes verfchieden fen, und mie diefer den Niko⸗ 


nen Namen errathen fönnte, 


machus beraubt habe, lehren die Wiederholungen ber 


Abentheuer des Abaris, die Diogenes im vorbergehens 
den Fragment auf eine ähnliche Art aus dem Nikomachus 
erzähle hatte So nahe man aber auch) durch diefe Bes 
merkungen bem Zeitalter des Schrifeftellers gebracht wird; 
fo wenig Data finden ſich darinn, aus welchen man ſei⸗ 


777 
Der 


U Z 


/ 











*) 135. u. f. Man ſehe die Feagmente d des Nikroinachus 
beym Porphyr. 


ı 


Geſhihte der Pothagereifen Gefelfihaft. a3 ' 


Der hundert und neun und vlerzioſte Parapraph 
mache mit den achtzehn folgenden *) wieder einen beſon⸗ 
dern Abſchnitt aus, deſſen Verfaſſer mir gleichfalls un. 
belannt iſt. Eine Fortſezung des vorhergehenden Tann 
er nicht ſeyn, weil der Anfang deſſelben mit dem Ende 
des leztern gar nicht zuſammenhaͤngt, und im hundert 
und ſunfzigſten und dem folgenden Paragraphen yon der 
Enthaltung der Pyihagoreer vom Eide, und der Abſtam⸗ 
mung ber Pythagoreiſchen Phitofophie aus der Örppifchen, 
eben das. wiederholt wird, ' was ſchon im Dundert und 
vier und vierzig ſten geſagt wird, 


Die abentheuerliche Sprache In diefem ganzen Frag⸗ 
mente, die Herausdrehung geheimer Deutungen aus 
olen Handlungen und Gewohnheiten der Pythagoreer, 
der fefte Glaube an das Alterchum, und die Aechtheit 
Prrhagpreifcher Schriften, endlich die Ueberredung von | 
der Erfindung und Vollendung aller Wiffenfihaften durch 
dm Pyothagoras, „dringen einem jeben Prüfer die Ver 
mutfung.auf, daß es einen der fpätefien Schriſiſtellee 
vum Berfaffer Habe. Die gänzliche Uebereinftimmung 
des hundert und fimfzigfien Paragraphen aus dem, wag 
Porphyr **) und Jamblich ***) aus dem Nikomachus 
anführen, erregen die wahrſcheinliche Vermutung, daß 
Interer, ober ein noch jüngerer Schriftſteller, der ihm 
ſelgta, Dies gefchrieben habe. Aus dem Hundert und 
tun und vlerzigften und neun und funfzigften Paragras 

| phen 


— 


cn | 
—* 167. 


. 20, - 
) in Arithm. P. 5. W 


) 5T 


24 > Drittes Buch. — 


phen erhellt, daß ber Verfaſſer, er fen auch wer er wol⸗ 
den Ariſtoxenus und Heraklides *) vor fich gehabt Hate, 


Der Anfang des dreyßigſten Capitels fcheint beyn 
erſten Anblick eine Fortfegung des neun und zwanziaſien 
zu fenn; wenigftens Fönnte man fo etwas aus den Wen 
dungen fchließen , womit das lestere gefchloffen wird. E 
laſſen ſich aber mehrere Gründe-anführen, warum man 
mit dem hundert fieben und ſechzigſten Abſchnitt ein neues 
Fragment anfangen, und diefes bis an den zwenhundert 
und acht und viersigften Paragraphen, einige Einfchiebun 
gen abgerechnet, fortgefezt annehmen müffe. Denn af 
lich ift die Sprache dieſes ganzen‘ Abfazes (die „einge 
ſchalteten Stellen ausgenommen) von der Echreibut 
des Nikomachus, oder wer auch der Verfaſſer der vor 
hergehenden Paragraphen ſeyn mag, nicht weniger, vm 
der Schreibart der übrigen Pythagoreer fo gan; verfchlt 
den, daß man den Abftand derfeiben nicht Leiche über, 
ben, oder läugnen fann. Die Sprache in dem große 

Ä Fragmente, deſſen Verfaſſer ich jezt aufſuche, iſt rein, 
keuſch, ohne den falſchen Prunk von neuen und glaͤnzenden 
Woͤrtern, und eines Zeitgenoſſen oder Schuͤlers des Arb 
ſtoteles vollklommen würdig. 


Es kommen ferner in dieſem Abfaze viele Nah 
richten und Stellen vor, die zwar in den vorhergehenden 
Fragmenten des Diogenes und Nikomachus flehen, von 
denen es aber viel wahrfeheinlicher iſt, daß die leztern ſt 
aus dem erftern entlehnt, als daß fie dieſelben mehrm® 

len angeführt und wiederholt Härten. Endlich wird? 
en | O6 








I 











*), Dan vergleiche S. 100 et 59. 


(GEMEEERSUSEHEND ⏑ GEHE GEHE 
, 


\ . ‚ » t 








efhichte des Abaris *) in biefem Fragmente anders 
inähle, als fie von dem einen ober andern diefer beyden 
chriftſteller in den von mir beurtheilten Bruchflücen 
ÄR vorgetragen worden. 

Aus allen dieſen Gründen muß man behaupten, 
deß einer der aͤltern Schriftfteller in diefen Paragraphen 
‚eede; wer aber diefer alte fen, wage ich nicht zu beftim« 


men. Die Verfezung des Charondas, Zaleukus**) und 


Epimenides ***) unter die Schuͤler des Pprhagoras, und 
die wunderbare Gefchichte bes Abarist) verrarhen fo viel 
Leichtglaͤubigkeit und Unmiffenheit, daß ich geneigt märe, 
auf den Heraflides zu rathen, wenn nicht im hundert 
ſechs und achtzigften Paragraphen, und noch an einer ans 
dern Sleſſe, im Tome des Beyfalls ven der Enthaltung 
ber Pnrhagoreer , vom Schlachten und Opfern der Thiere 
geſprochen würde, wogegen Heraklides, wie wir aus dem 
Porphye wiſſen, mit vielen Gründen geftritten hotte +4). 
Noch viel ı weniger erlduben die eingemifchten Fabeln, Die 
groben Fehler wider die Zeitrechnung, und die Anptels 
fung der vegetabilifchen Diät an den Ariftopenus zu dene 
fen, ungeachtet es ausgemacht iſt, daß der Werfafler 
eine lange Stelle fff) aus diefem Gefehichtfehreiber,, und 


nicht wenig aus dem Difäard) genommen habe. Wahre 


ſcheinlich alſo iſt dieſer Abſaz aus dem Hermipp oder 
Klearch abgeſchrieben und verdient meinem Urtheile 


nach 











S. 216. 

**) 172. 

ns) 272, 

) 216 u. f. _ 

tft) Porphyr. de Abſt. I. 4. 

tt}) 8. 29-240. Vergleiche nieſe mit dem oben angeführ: 
ten dragmente dieſes Mannes. x 


Gecſchichte der Pothagoreiſchen Gefellfchaft, 285° 


u 


ze 


286 or Drittes Buch. 
nach immer Aufmerkſamkeit, fo bald man aus ber Aehn⸗ 


lichkeit gewiſſer Stellen mit den Fragmenten des Ariſto⸗ 


xenus und Dikaͤarch ſchließen muß, daß der Verfaffe 


einem diefer beyden Weltweifen folgte, 
Daß diefes Fragment his an den zwey hundert acht 


und vierzigften Paragraphen 'hinab laufe, kann man fos 
wohl aus der Gleichheit der Schreibart, als ber zuſam— 


menhängenpen Folge der Materien ſchließen. Die ploͤzll⸗ 


chen Abfäge und Unterbrechungen aber, auf die man hin 


und wieder Rößt, rühren daher, dag Jamblich an eini— 
gen Stellen, wo ihm die Erzaͤhlung nicht vollſtaͤndig ge 
nug ſchien, Fragmente aus andern Geſchichtſchreibern, 


“und zwar meiftens ſolche einfchob, bie vorher ſchon ds 


gewefen waren. in folches Einfchiebfel iſt die Stelle, 
zwifchendem bundert und acht und achtzigſten, und hundert 
fuͤnf und neunzigften Paragraphen. Der Anfang dieſes 
Fragments hängt mit dem Ende des / vorhergehenden Ad 
ſchnitts nicht zuſammen, und iſt ſchon einmal *) aus bem 
Diogenes. angeführt worden; die uͤbrigen Paragraphen 


, nahm Jambilch aus dem Porphyr, der fie aus dem Ne⸗ 
anth und Hippobotus gezogen hatte *). Der hundert 


fünf und neunzigfte Paragraph hat ‘wiederum gar Feine _ 


Beziehung auf;die zunaͤchſtvorhergehenden, und ift hin⸗ 
gegen mit dem hundert und ſieben und achtzigſten i in der 
genauften Verbindung, 


: Ein anderes‘ eingefchaltetes Fragment fänge ſich 


ehngefac⸗ in der Mitte des wen hundert drey und zwan⸗ 


zigſten Paragraphen an, und geht bis an den zweyhun⸗ 
dert 





mn 


IR Fo ı Fo | 
9 Man fehe das Ende ber Ppthagoreiſchen Biographie. 





| Gefchichte ber Pythagoreiſchen Geſelſchaft. 287 


dert vlerzigſten Paragraphen fort *). Dies ganze Frag⸗ 
ment ift weder mit dem vorbergebenden, noch mit dem 
folgenden, noch mit ſich felbf? in einer genauen Verbin 
dung: es enthält Stellen aus dem Diogenes und Ariftos 
penus, die vorher ſchon vom Jamblich waren eingeführt 
worden; ja eine Nachricht aus dem leztern *), die erft 
im zwey hundert und fechs und zwanzigſten Paragraphen 
da gewefen war, Wenn man diefe ganze Reihe von Pa« 
ragraphen aus der Stelle, wo fie eingerüct find, ber 
aushebts fo wirb man finden, daß die beyden abgeriffes 
nen Enden ber Erzählung, die ich vorher bemerkt habe, 
fih einander volfommen entfprechen, und daß im Ans 
fange des zweyh hundert und fieben und dreyßigſten Para« 
graphen das fortgefegt wird, was im zwey hundert Drey 
und zwanzigſten von der Freundfchaft der Pythagoreer 





angefangen war. Der Anfang des zwenhundert ein und. -' 


vlerzigſten Abſchnitts zeigt, daß -derfelbige Schriftfteller 
nody immer fortrede, und das Ende des zwey hundert 
acht und vierzigften, daß er nun aufhöre. 

Die Erzählung des Untergangs der Pprpagoreifgen 
Schule in den vier folgenden Paragrapden, Ht vom - 
Atiſtoxenus, wie Jamblich felbft bemerkt **). . Am 
Ende des zwey bundere ein und funfzigften- Abſchnitts 
fängt ein Fragment des Nikomachus, und mit dem zwey 
hundert vier und funfzigften , “ein anderes bes Apolionius 
an, ‚das bis an den zwey hundert fünf und fechzigften 

Sn | | u forte _ 


mn nn — — — 





* Mit den Worten: yjv de x adauare TAB ü- 
Tas maranAncıs. etc, 

) g, 234. 

“) 248-5t. 


agg Drittes Buch, 
fortgeht. Ob bie drey legten Paragraphen , die die Be 
ſchichte und Namen ber Nachfolger des Pythagoras ent 
halten, vom Apollonius oder einem andern find, iſt un 
gewiß, Daß fie aber feinem alten Schriftſteller zuge⸗ 
hören, ſieht man theils daraus, daß Diodor von Alden⸗ 
dus darinn angefuͤhrt wird, theils aber auch aus dem Ver⸗ 
zelchniſſe der Pyhthagoreer, unter Denen mehrere vorkommen, 
die dieſen Namen nicht verdienen, oder bie wenigſtens nid 
unter die älteften Freunde des Pythagoras gezählt werden 
koͤnnen. IJ | | u 
| ch hänge dieſen Unterfuchungen: über ben Jam⸗ 
blich und Porphyr noch einige Bemerkungen über den un 
bekannten Beſchreiber einiger Sebensumftände und Lehren 
des Pythagoras nnd felner Schüler an, deſſen Fragment 
Küfter zugleich mit der Biographie des Porphyr und 
Jamblich aus dem Photius *) hat abdrucken laſſen. 
Sch glaube zwar nicht, daß man in diefem Frag: 
ment Data finden fönne, aus welchem fidy das Zeltal. 
ter feines Verfaſſers genau beſtimmen ließe; allein fo 
viel kann man doch aus mehrern Stellen fehr wahrfdein. 
. lich ſchließen, daß er einer von den jüngern Austegern 
und Freunden der Ariftotelifchen Phitofophie geweſen ſey, 
der, nad) dem Porphyr und Jamblich, im vierten, oder 
einem der folgenden Jahrhunderte gelebt habe, in melden 
die Ausleger des Ariftoteles meiftens auch Bewunderer 
oder Ausleger des Piato waren, und den größten Tpeil 
der Schmärmereyen der neuen Platonifer und Ppthage 
reer annahmen , oder angenommen hatten, Die Begriffe 
von den himmlifchen Sphären und der Natur der Geſtirne 
nn oo im 





*) 249. Cod. 


\v, 








“r . 
, . 





— 


Seſchichte der Pythagoreiſchen Gefelfihaft. 299 


im zehnten und zwoͤlften Abfchnitte, die Eincheilungen 
der Seelenfräfte im fünften, endlich der Bertheitigungss 
ton gegen die Tabler des Ariftoteles im vierzehnten , vera 
ratben, wie die Sprache, und noch mehrere andere Gedan⸗ 
fen einen Anhänger des Ariftoteles , ‚dergleichen Olympio⸗ 
dor, Simplicius und Philopon waren, Ungeachtet aber 
ber Verfaffer felbft Fein Pthagoreer war, (denn er ver 
wirft Die Seelenwanderung) fo hatte er doch die meiften . 
ihrer hiſtoriſchen und philoſophiſchen Vorurteile anges 
nonimen. Zu diefen gehören Die Mepnungen : daß Zeno, 
Parmenides, Plato und Ariftoteles Nachfolger des Py⸗ 
tbagoras geweſen feyen *) ; ferner Die Lehte von der Aehn⸗ 
lichfeit und dem vertrauten Umgange mit Bott **), der 
Glaube an die Weißagungen des Pythagoras, und an 
Die erfi nach Dem Tode des Körpers erfolgende Vollendung 
der Seele und ihrer Vollkommenheit ***), endlich die 
Auslegungen der Zahlen nach dem Benfpiele des Modes 
ratus und Nikomachus. Die Cintheilung der Schüler - 
des Pythagoras, mie die Nachrichten von den Lebens— 
und Samilienumftänden diefes Weltweifen, die im erften 
und zweyten Abſchnitt ſtehen, unterſcheiden ſich, oder 
widerfprechen auch ben Zeugniſſen aller übrigen Geſchicht⸗ 
ſchreiber. Nach dem, was ic) jest gefagt habe, wird 
es, boffe ih, nicht leicht jemand wagen, irgend eine 
Bemerkung oder Erzählung diefes fo jungen, unbefanns 
ten und unzuverläffigen Schniftftellers ale entſcheidend oder 
glaubwuͤrdig anzufuͤhren. | 


290 Roeltted Bud, u 


Base ich iso die verfchiedenen Geſchichticheel 
ber des Pythagoras, und ſeiner und feiner Nachfolge 
Philefophie geprüft, und die Namen der Werfafker der 
wichtigften. Fragmente im Porphyr und Jamblich angege⸗ 
ben habe; ſo wird es nicht fo fehr ſchwer mehr ſeyn, bie 
Einrichtung der Pythagoteiſchen Geſellſchaft und ihre 
Mepnungen ausfindig zu machen, Ehs ich aber zu die 
fen Unterfahungen fortgehe, muß ich nothwenbig vorher 
das Zeitalter bes Pythogoras , die Zeit des Untergangs 
‚feines Bundes, die verfchiedenen Geſchlechter der Nach⸗ 
folger bes Pythagoras, fo genau als moͤglich, zu beſtim 
men fuchen, weil es von der Entfcheldung dieſer Fragen 
abhängt, ob man gewiſſe Männer zu den älteften Pıriu 
goreern rechnen, und ihre Grundſaͤze in die Geſchichte dr 
Pothagoreiſchen Phlloſephi bineinfügren mie, cda 
nicht? 





4 


Beylage. 


| Ueber die verſchiedenen Schriftſteller, die des Pythagen 
ras und der Pytbagdreer mebr beyläufig erwähnt, Al 
ausfuͤhrlich von ihm gehandelt baben. 











Ehe ci 


R Jon von Chios beſchuldigte den Pythagotas, babe 
dem Orpheus ein Gedicht untergefchoben habe. *). em 
man voraus ſezt, daB Diogenes allenthalben, wo | 
* denfelbigen Namen anfuͤhrt, auch von derfelbigen Perfn 


rede; fo war u en ſchwerlch ee mit den 
Tea 





"m Diog. ym. 8 





N s 


Geſchichte der Pythagoreiſchen Geſellſchaͤft. | 291 


‚rögifer gleiches Namens, der um die 72 Olympiade 
lühte *). Jener war ein Zeitgenoß bes Sokrates, und 
ktleiche noch jünger , als der Achenienfifche Weltweiſe; 
kannte ihn, oder hatte ihn als einen berühmten Mann 
ekannt; weil er ſich Die Mühe gab, einer Reife des 
Sofrates nach Samos ‚(die allem Vermuthen nad) er⸗ 
lchtet iſt) in feinen Schriften zu erwähnen **), Diele 
mfände fönnen unmoͤglich auf Jon den Tragiker pafa 
n, wenn er anders um bie 72 Oinmplade am berühm« ' 
fin war. Ehen fo wenig halte ich den Jon beym 
Jiogenes fire einerley mit dem Philofophen Jon, den 
ato mit dem Sokrates ſich unterreden laͤßt. Der lege 
te war in Ephefus, und der erfte in Chios gebohren, 

Uebrigens kann man dem Jon von Chios nicht vor 
erſen, daß er gegen den Pythagoras feindfelig gefinnt 
ar. Er nennt ihn vielmehr mit tiefer Ehrfurcht dem 
Belfen, in einem Epigram ‚ base auf,den Pherekydes 
emacht hat ***), 

Von den Komikern, die | der Pothagoreer geſpot⸗ 
t haben, ſchweige ich, da ich ihre Stellen zur gehöre 
m Zeit erläutern werde, und Ihr Zeitalter einem jeden 
ſelehtten befannt iſt. Aus eben diefen Urfachen halte 
hmich nicht beym Plato, Herodot und Iſokrates auf. 

In die erſte Claſſe gehöre aber. noch Anaximan⸗ 
?, der Geſchichtſchreiber von Milet,, ver zu ben 
ten des Artarerpes Mnemon lebte, und bie 
ymbola Der — autlegte ). Es if zu 





ver⸗ 
— ⸗— —— 
#) Jo. I, Ca 13.4 
=) 1.23, dien. 


Hr Dog, 1, 120, 
H Suldıs im vos Anz, | 


ſtrenge, als gegen irgend einen andern feyn , weil erjt 


, J oo oo 
299Drittes Buch. 


verwundern, daß außer dem Suidas fein anderer Grlht 
oder Nömer dies Werk angeführt bat, daß, wenn db 
ächt war, und zu uns gefommen wäre, den orfcek 
der Pythagoreiſchen Geſchichte fehr viele Muͤhe und Srd 
tigkeiten wuͤrde erfparet haben. 
Theopomp hatte, wie Herobot, des Pythogeru 

nur Bepläufig in feinen Werfen erwähnt. Er trat de 
Meynung des Ariſtorenus und anderer bey, daß Pia 
goras ein Etrusker geweſen ſey, und fchilderte, ben late 

als einen verſchmizten Staatsmann. Man muß gg 
dieſe Nachricht mistraulfch , fo wie überhaupt gegen ihn 


















als Schriftftelleer und Menfchermahler bemundet 

aber zugleich von ben gröften Männern als ein hümiil 

partheyiſcher Tadler, als ein Räuber fremder Gitr 

und ald ein Maͤhrchenerzaͤhler und Fabelerdichter af 

klagt wird ee). 
Ein Zeitgenoß des Theobomp/ und einer von! 

nen, die er plünderte, war. Andron ven Epheſus. 

fer Geſchichtſchreiber ſammlete die Welßagunge ! 

Pythagoras, unter welchen Theopomp eine, die be 

Eufebius we) angeführt wird, vom Pythagores 

"den Pherekydes übertrug, . Diogenes führt zwo PA 
richten aus diefem Andron an t): unter welchen die ei 

von ben Ersäblungen alle übrigen Schelfeſtlle 

abweicht. z 





— — — 
*) VI. 783 -85 Dionyf, Edit, Reisk, 

 ##) Diongf, 1. 8, Cic, de . L. 1. Porph, “ Eu, Pre 
+ Evang. x. 3. 
wo |, e. 
17) 1. 30. ı19. 

. i) 





> 


Geſchichte der Poren —X 293 


Vom Eudorus find mir nur zwey Zeugnife bes 
kannt, die zur Geſchichte des Pychagoras gehoͤren, das 
Hne ſteht beym Porpbyr*), und das andere in einem 
Fragment des Mpollonius beym Jamblich **), Beyde 
techtfertigen die Uetheile, die Strabo an mehrern Stellen 
vom Eudoxus fällt, und worinn er Ihn für einen leicht⸗ 
gläubigen , und nicht forgfältig. genug prüfenden Schrifte 
Reller erklaͤrt ***), 

Vom Ariftipp , einem Zeitgenoffen bes Plato 
and Eudorus, habe ich nur eine einzige nicht fehr wahrs 
ſcheinliche Nachricht Über den Pythagoras gefunben, Er 
glaubte nämlich, daß dieſer Weltweife feinen Namen - 
yaher erhalten habe, weil er eben fo wahrhaftig „als bie 
Pythia gewelen fey }). 

Metrodor , ein‘ Sohn des Epiharmus, wird. 
don ben Brfhichtfhreibern des Pythagoras nur ein eini⸗ 
ges mal angeführt +). Ihm Haben wir die Mad 
richt zu danken, daß die Pprbagoreer den Dorifchen Dias 
left allen übrigen vorgezogen hätten. 

Aus der zweyten Elaffe find Duris von Sa⸗ 
mos und Kleanth die einzigen, von denen ich bier noch 
tiniges herſezen will, indem ich von den übrigen entweder 
ſchon geredet babe, oder noch reden werde: Dom Kies 
anth gilt eben Das, was ich in der Abhandlung felbft von 
feinem $ehrer, bem Zeno von Zittium, bemerkt habe, .. 
Wir würden gar nicht ein dag Kleanth im fünften 

3 - Bude 








GR n 


#) de vit, Pyth, 7. 

%#) de vit. Pyth, 7. 

**4) vido p. 778. 827. 842. Bd, Aluelev, 

t) VII. 21. Diog. on 
tt) 241. 42. Jambl, / 


29° Deitted Buch. 


Bude feine uuSixev vom Phthagoras ehandet kt, 
wenn es nicht dem Porphyr eingefallen wäre, eine Eu 
zäblung daraus in feine Jebensbefchreibung überzutragen, 
Kieanth behauptete, daß Pythagoras nicht In Samos, 
fondern in Tyrus gebohren morden, daß aber fein Vote 

das Bürgerrecht in der erſten Stadt erhalten habe, mil 
er ihren Einwohnern zur Zeit einer fürchterlichen Kun: 
gersnoth mit einem groͤßen Vorrath von Getrehe iu 


Houͤlfe gefommen ſey *). 


Duris von Samos gehört zu ben gefbäyn 
Sebensbefchreibern oder Geſchichtſchreibern berühmte 
Männer von Griechendland **), ungeachtet er nicht irn 
von Fehlern und Jerthuͤmern war ***).. ch habe fein 
Namen nicht ganz verjchweigen wollen, ungeachtet nt 
“von ihm nur eine einzige, und mie es, ſcheint, nicht ei 
. Aal zuverlaͤſſige Femlſeunaqheche über den Porfage 

haben }). 


Schriftſteller der dritten Claſſe. 


Hieronynius war ein beruͤhmter Peripatetifttt 

Weltweifer zu den Zeiten bes zweyten Ptolomäus. © 

hinterließ mehrere Werke, die von den Alten haufig a 

geführt werben ++), und in deren einem er auch vom?" 

thagoras redete. Mach dem einzigen Fragment aber i 

urtheilen, das wir aus feiner Geſchichte des Porhagert 

haben, kannte er den Sohn des Mnefarchs nicht, und 
| wir 

*) Porphyr, 1. ſ. BE u et 

“0, Man fehe Cle. VI.T. ad Attleum und Jonf. II. 2.3 

") Man fehe den Cleero 1. e, und Diogenes H. 19: 

+) Porph. 5. 3. 

11) Dan fehe Menage ad Dieg. 1. 36. et Jost. 13.6 | 


N 


unse — 








* 


Sefäiie der Vohheheluſther Sefellſchaft. 295 


war nicht ſtrenge genug in der Peifung von Nachrichten, 
die er felbft als wahr erzählte, 

Seinem Zeugniffe zu Folgt follte Pythagoras geſagt 
haben, daß er bey ſeinem Hinabſteigen und Aufenthalt 
in Hades geſehen habe, wie die Seele des Heſiodus zur 


Strafe fuͤr ihre Schmaͤhungen wider die Goͤtter an eine 
bronzene Säule gefeſſelt worden, und vor Schmerz 


und Wuth geknirſcht Härte, und wie ferner bie bes 


Homer aus eben der Urſache an einem Baume aufgehenkt, 


und mit Schlangen umringt geweſen ſey *), Erſtlich ift 
es ganz unglaublich, daß Pythagoras jemals, vorgegeben, 
die unterierdifchen Wohnungen der abgefchiedenen Seelen 
beſucht zu haben, und zweytens iſt e8 unwahrſcheinlich, daß 
Pythagoras, der die Werke der alten Dichter zur Ers 
weckung der Andacht, und zur Beſſerung des Herzens 
eifrig empfahl, und ſelbſt aus den Erzaͤhlungen bes Ho⸗ 
mer und Hefiod. unterrichtende Ermahnungen und Bey 
fpiele für andere zog, daß biefer durch die vom Hiero⸗ 
npmus erwähnte. Erbichtung , das Aufehen der beyden 


größten, und.am. meiflen verehrten Dichter feines Volfg 


zu ſchwaͤchen geſucht haben follte. 


Sykus. 

Ei anderer Beripatetifer Lykus, beffen Mepnung 
über das doͤchſte. Gut „Clemens von Alerandrien **), 
und deffen Ausſpruch über das Vaterland bes Pythagos 
ras, Porphyr erhalten hat ***), war gewiß ein fehr nach 


läffiger Geſchichtforſcher. Er hielt es (an der lezten 


Tg Biel) 


* VIll. 27, Dig. . — 


— — 








296 Br Drittes Buch. 


Stelle) fuͤr unmoͤglich, das Vatetland des Pythagoras 
ausfindig zu machen, weil die Schrififteller ſich fe ſehr 
widerſpraͤchen. Denn einige gaͤben ihn fuͤr einen Samier, 
andere für einen Phliaſier, und noch andere für einen 
. Metapontiner aus, Dieſe beyden lezten Angaben hatte 
Uykus hoͤchſt wahrfcheintich nirgends gefunden; fie e ſcheinen 
vielmehr aus der. Verwechfelung ber Geburtsſtadt bes 
Pythagoras mit Oertern ſeines Aufenthalts entſtanden | 
zu fon, 
Sotion von Alexanbelen, lebte unter dem Ptolo⸗ 
maͤus Epiphanes, und machte ſich am meiſten durch ſeine 
Schrift von den Folgen der Griechiſchen Weltweiſen be: 
ruͤhmt *). Keiner führe ihn häufiger an, als Dioge: 
net von Laerte, ber ihn, oder. feinen Abfürger faft auf 
allen Seiten nennt, Unter den Nachrichten aber, die 
Diogenes aus dem Sotion abſchrieb, trift man nidt 
wenige an, die fein günftiges Vorurtheil für Lie Genau 
igkeit und den Scharfſinn dieſes Mannes im Unterſuchen 
geben, So finden fich zum Benfpiel viele Unricheigfeiten 
- in der Schilderung der Perfifchen Magier, die im erſten 
- Buche **) fleher. Er machte ferner wider alle übrige 
Zeugniffe der Alten den Eudorus zu einem Schüler des 


.  lato‘***), und gab den Eenophanes für den erften Be 


haupter der Unbegreiflichkeit aller Dinge aus V- Sein 
Ausſpruch alſo, wodurch er dem Pythagoras zwey Ge⸗ 
dichte, eines über bie Natur des Ganzen, und ein anı 
deres unter dem Titel: Das heilige Wort, zuelgnete, 

Ä kann 





) Joof, Ip. 10. I. 
“.s 6. 7. | 
“er, vin. 86. 


12) IX, 20. 





\ x 


Gefchichte der Vochaereſthe —* 297 
kann einein Sochverſiandigen nicht leicht von Gewiche 


ſcheinen *). 


Es verſteht ſich von ſelbſt, daß die Fragmente u 


bes Heraflides, eines Sohns bes Serapion, der aus der 
Gefchichte des Sotion einen Auszug machte, nicht mehr 


Glauben verdienen ' als das. Hauptwerk bes Sotlon 


ſelbſt **). 


Unter folgenden brey Männern, dem Eratoſthe— 


ned, Ariſtarch und Philochorus hatte der erſte unſtrel⸗ 
tig das groͤßte Anſehen im Alterthum, ſo oft ihn auch 


Strabo getadelt, und falſche Schluͤſſe ſowohl, als unge⸗ 


gründete Nachrichten vorgeworfen hat. Sein Zeugniß 


über das Zeitalter des Pythagoras ſteht beym Dioge⸗ 


nes***), aus welchem Ich es zur gehörigen Zeit beybringen 


und prüfen werde, Ariſtarch Hiele den Porehagoras mit .- 


vielen andern für einen Tyrrhener oder Etrusfer +): bie 
einzige Stelle, woraus wir wiſſen, daß diefer Kunſtrich⸗ 
ter auch vom Pythagoras geredet habe. .Philochorus 


fchrieb ein Buch über die Heldinnen des weiblichen Ger 


fchlechts , ober von den Pythagoreiſchen Weibern, aus 


welchem wahrfcheinlich die Benfpiele von Muth und Stand⸗ 
baftigleit, die beym Jamblich von Porhagoreerinnen er⸗ 


zähle werden, entlehnt find +}).. 


Eicero erwähner des Pythagoras und der Pyrha- 


goreer häufig. Inter aflen Stellen, wo er von dem 


einen oder dem andern handelt, find diejenlgen die wich⸗ 
T 5 tig⸗ 


— — —— — — 





vm. 
“2, Man’ ide — * Il. e. n. u6 2. 


ses) VIH, 


+) Sttom. * p. 300. Clement. 
tt) Joof. 1. 9, 5 1. 


r 


u 98 | \ . Site Dub. 


doften, in welchen er von dem gelte des erſlern 
ſpricht, auf welche ich im folgenden Abſchnitt zuruͤck kom⸗ 
men werde. Zugleich mit ihm, oder nicht lange nad 
ihm, lebten Didymus und Philo, beyde Pythagoreet, 
und Strabo. Didymus gab ein Werk über bie Pyiha⸗ 
goreer und ihre Lehren Heraus, das aber nur vom Cle 
mens und Eufebius angeführt wird*). Der Fragmente 


dieſes Buchs find zu wenig, als daß man nad) ihnen ein 


ficheres Urthell über Die Zuverläffigkeit feines Verſaſſets 
geben koͤnnte; und fo Ift auch Inter allen Nachrichten, bie 
wir von ihm "haben, feine von einer folchen Bedeutung, 
daß. fie: eine fiharfe Unterfuchung nörbig machte. Auf 
bem, was Clemens aus ihm anführe**), ſieht man, deß 
er vonder Aechtheit und den Urhebern ber Spruͤche ber fir 
ben Weifen, und won den Verdienſten gelehrter oder doch 
berügmter Griechiſchen Frauenzimmer gehandeſt habe. 
Wahrſcheinlich um eben dieſe Zeit, gewiß dit 
Chriſti Geburt, lebte Philo, ein Pythagoreiſcher Phil⸗ 
ſoph, der vom Clemens und Euſebius, beſonders vom 
erſten einige mal angezogen wird —J Diefer Philo war 
ein großer "Berounderer ber Weisheit der “Juden. und ih⸗ 
res Geſezgebers. Er hielt jene für viel älter, als die 
ber Griechen, glaubte aber Doch, daß Moſes auch von 
Griechifchen Lehrern in Aeghpten waͤre gebildet worden }). 
Nach ſolchen Stellen braucht man die Unwiſſenheit und 
Unguoertäpgtek dieſes Mannes nicht weiter zu beweiſen, 
deſſen 
ö— — — — — — 
9) Mar „en Jonf, II. 1. 3, amd Scheffes de Phil, Il 
*r 
ns 1.30 2% w. 523. 
1) Strom. I. 305. 309, 0“ 








Geſchichte der Pythagoreiſchen Geſellſchaft. 299 I 


deſſen Beyſpiel uns lehrt, wie bald nach dem Alexander 

die Griechen auf bie Gefchichte fremder Völker, befon. 

ders der Juden aufmerffam geworden, und wie früh das 

Vorurtheil entftanden fey, als wenn bie Griechen ihre 

Philoſophie und uͤbrigen Wiſſenſchaften von Barbaren em⸗ 
pfangen hätten, 


. f 

Auch im Strabo fommen verfchiebene Resriheen 
über den Pythagoras und die Pythagoreer vor, unter wel⸗ 
den folgende die meiſte Aufmerkfamfeit verdienen: daB 
Pythagoras nicht bloß Aegypten, ſondern auch Babylon 
beſucht habe, daß er ſich von aller animaliſchen Nahrung 
enthalten, und biefe Sebensart mie gewiffe afironemifche 
Kenntniffe feinem Selaven Eamolyis mitgetheilt habe, deu 
nachher Geſezgeber und Keligionsftifter unter den Geten 
geworden, und als ein Bott verehrer worden fen*). Diefe 
Erzaͤhlungen führe ich nicht deßwegen an, wellich fie für 
wahr halte, oder weil ich glaube, Daß Gtrabe‘s Anſehen 
ihnen ein gewiſſes Gewicht beylegen koͤnnte, ſondern 
um jüngere $efer zu überzeugen, wie fehr man auf feiner 
Huch feyn.müffe, um ſich durch den Ruhm von Schrift⸗ 
ſtellern nicht irre führen zu laffen, ober um nicht zu glaue 

ben, daß man einem Schriftfteller, der unzählige 'mal 
zuverläffig mar, nun ohne weitere Unterſuchung ſtets 
trauen Fönne. Strabo war unftreitig einer der gelehrte⸗ 
ften -und fcharffinnigften Schriftfiehler feiner Zei. Er. 
war nicht nur mit den Werken der größten Männer auf 
das vertrautefte befannt, fondern prüfte fi ſ e auch, und be⸗ 


merkta 





%) Lib. VII. p. 456. 57. Edit. Almelov. 4 ‚98. Edit, - 
 " Cafı XIV.945, ot: os p. 








2 


300 Drittes Buch. 
merkte oder verbeſſerte ſehr of Fehler, welche Kuborus, 


Hipparch, Pofivonius, Dikaͤarch, Eratofthenes, Poly 
bius'und andere begangen hatten. Er verfolgte Erdichter 


und deren Fabeln mit unerbittlicher Strenge, und hatte 
ſich über manche Vorurtheile und abergläubifche Meynun 


gen erhoben, denen bie meiften aufgeflärten Griechen und 
Römer, befonders die Stoifer , zu denen. er fich befannte, 
unterworfen waren. Nichts deſto weniger war diefer ſo 
gelehrte, fcharffinnige , freydenkende und mißtrauiſche 


Strabo zu gewiſſen Zeiten fo leichtglaͤubig und unnade 


denkend in feinen Ausſpruͤchen, daß man ihn für einen 
‚ eben fo ſchwachen Kopf, als unmwiffenden Schriftftehr 
halten ſollte. Won diefer nachtheiligen Seite erfcheint et 
In feiner Befchreibung der Sitten und Lebensart der Ge⸗ 

. ten, und der Berdienfte bes Eamolris, in feinen Urthei: 

len über die Wiffenfchaften, der Aeghptiſchen und Chaldäl 
ſchen Priefter im Anfange bes fiebenzehnten Buchs, und 
. dann in der Annahme der damals ſchon Herrichenden 
Meynung von ben Reifen des Pythagoras in Die Morgen. 
‚länder: welche Benfpiele von Uebereilung noch mit vielem 
andern vermehrt werben fönnten. 


In ungewiffen Zeitaltern lebten folgenbe Schrift: 


ſteller: Antiphon, der Verfoffer von Sebensbefchreibungen 
berühmter Männer, welche Diogenes *) und Porpht **) 
anführen. Diefem Antiphon zufolge, erhielt Pythage⸗ 
ras vom Polyfrates ein Empfehlungsfchreiben an den Ks 
nig Amafis, ber ihn auch auf das Bitten feines bamal6 
noch geliebten Freundes, den ehrwuͤrdigen Collegi⸗ von 

Prie⸗ 


X 








*) VII 3. | | 
u S, 7. 








Gefchichte der Pothagoreifchen Geſellſchaft. 301 
Drieftern -mit vielem Nachdruck empfahl. Allein biefe, 
abgeneigt ihre Weisheit einen Fremden anzuvertrauen, 
wiefen ihn erft von einer Stadt zur andern, und als der 


neugierige Juͤngling ſich dadurch nicht abfchreden fieß, ' 
ſuchten fie ihn durdy langwierige und peinliche Prüfungen 


zu ermüden. Nachdem Pythagoras auch diefe geduldig 


ertrug , ſchloſſen fie Ihm endlicy, voll Bewunderung über - 
feine Beharrlichkeit, die verborgenen Schäze von Kennt 
niffea auf, die fie ihm bisher vorenthalten hatten, 
Nachdem Pythagoras Aegnpten verließ (fo fährt Antla 
phon fort) kehrte er nad) Samos zurück, und bereitete 


ſich ein Lehrhaus, welches man nachher den Halbrirkel 


Des Pythagoras nannte, und worinn die Samier fich in 
fpätern Zeiten über öffentliche Angelegenheiten berath⸗ 
fchlagten.. Er ging aber auch oft in eine von der Natur 


ſelbſt angelegte Höhle, in welcher er ſowohl des Tags di 


des Nachts fich mit feinen Freunden über wichtige Gegen⸗ 
ftände unterhielte. 


Saft eine jede biefer Nacheichten des Antiphon fies 
get mit den glaubwürdigften Zeugniffen älterer Geſchicht⸗ 
ſchreiber, oder ift doch äußerft unmahrfcheinlich: beſon⸗ 
ders die von dem Simpfehlungsfchreiben des Polyfrates, 
von dem Lehrhauſe des Pythagoras in Samos, und von 


deffen Aufenthalte in einer Höhle. Ohne Bedenken alfo 
fann man den Antiphon zu den lelchtglaͤubigſten und nahe 


laͤſſiaſten Männern rechnen, die vom Pothagoras ge⸗ 
ſchrieben haben. 


Nicht viel zuverlaͤff iger ſchelnt Soſikrates geweſen 
zu kon ‚ ber in feinem Due von den. Solgen ber Grie⸗ 
| ren 


1 


N 


502 Drittes Buch. | 


Diefer Sofifrateß lebte gewiß nach dem Heraklides und’ 


‚-. Hermipp, weil er von dem erften die Erdichtung von dem 
Urfprunge des Namens Philoſoph annahm, und-fid) auf 


den leztern In der Gefchichte des Myfon bejog**). Wenn 


er auch nicht felbft erdichtete; fo war er doch auch nichts 
weniger, als ein großer Gefchicht « und Alterthumsfor⸗ 
fher. Er Hielt den Chilon für den erſten Ephorus in 
Sparta ***) und läugnete, daß Ariſtipp irgend etwas J 
ſchrieben habe +). 
Lykon ein angeblicher Pothehoreer war der Ber 
faſſer einer Sebensbefchreibung des Prehagoras, aus wel. 
cher aber nichts übrig geblieben iſt, als die einzige Nach⸗ 
richt, daß Porhagoras fehr mäßig gelebt'habe }), Er 
Zehoͤrte zu ben bigigfien und unbefonnenften Verläumdern 
des Ariſtoteles H}). . 
Den Dionpfipfanes führe unter aden Alten nur 
allen Porphyr an, weßwegen auch fein Name ſowohl Dem 
Woſſius, als Honfı us unbemerkt geblieben ift fff). Er 


dhiielt den Famolfis für einen Sclaven des Pythagoras, 


und erzählte, daß diefer Gete unter die Seeräuber gefallen, 
"und von ihnen gebrandmarft worden fen, aus weicher Ur⸗ 


u fache er auch fein Geſicht oder feine Stirn ſtets verhuͤllt 


getragen babe, Ein Mäprchen, woraus man nicht viel 
5 | guͤnſti⸗ 


— 





*) Diog. VII. 8 
* I. 106. 107. 
RM) J. 68. 
7) ll. 84 
Eh Man fh ei ton ap. ul. XY | 
| ) un ſehe Auiflöclen ap. Ei 2. P.7 
At) 6. 15. j J 


. 





Geſchichte der Porhägoreifchen Geſellſchaft. 3 
günfziges für die unbekannte Schrift des Dionyſiphanes 
ſchließen kann! | 

Hippobolus hatte ſowohl eine Geſchichte ber 
Griechiſchen Seften, als ihrer Stifter gefchrieben, deren 
Diogenes mehrmalen erwähnt *). eine Erzähfungen 
vom Pythagoras find aber ganz verlohren gegangen, bis 


auf die von ben Verwandlungen des Pythagoras, und . - 


dab biefer Weltweiſe von Etrufeiſcher Abkunſt gemefen 


fen **) Es iſt daher eben fo wenig der Mühe werd, 


über feine Blaubwürdigfeit ausführliche Unterſuchungen 
anzuſtellen, als uͤber die des Androkydes , den Nikoma⸗ 
chus einen Pychagorelſchen Poitöfophen nennt »#) und 
‚von welchem wir nur noch eine einzige fromme $egende 
haben, die in feiner Schrift von den Symbolen ber Pr 
thagoreer ſtand P. 

Aus der vi An Claſſe ſtad nur nach allein Cuba -. 
rus und Apollodor der Arithmetiker übrig. Vom erften 
werde ich am Ende ber Gefcyichre der Pythagoreiſchen 
Zahlenlehre zeigen, daß er fpäter, als Nikomathus ges 
lebe habe. Vom andern wiffen wir nur dieſes, daß et 
die Erfindung des Pythagoreiſchen Lehrſazes dem Pytha⸗ 
geras zugefihrieben, und geglaubt habe, daß diefer Welt 
weife um diefer wichtigen Entdecfung willen eine wirkliche 
Hekatombe geopfert Ib 4m - 
ntuniue — /——————— — — —————— 0 


4, Jon, IV. 22 


”, Man (ehe Arlth, Theol, Par. "1543. p. ud clem. J. 


(up, « 
F Arith, Be. -. 
1) S. 145. ‘ | | 
tr) x 4 "Atbon, - | oo . 


| ee By · 


= 


J 


304 u Deite Bud, 


Be Zweytes Kapitel, | 


. Meder das Zeitalter‘ des Pythagoras: über die 

Zeit des Unterganges feines Bundes: über die Fol⸗ 

gen der Pythagoreer: nebſt einigen hiemit ver⸗ 
wandten Unterfychungen, u 


⸗ 


— 


De Feege vom Zeitalter des Pochegerae iſt in ber 


Zeitrechnung der Griechen eben Das, was bie 
Geſchichte feiner Lehren in der Gefchichte der. Griechiſchen 
Philoſophie iſt: eben fo wichtig, aber auch eben fo flreitig, 


. und dies leztere nicht nur durch Die widerfpredjenden Zeugs 


niffe Griechiſcher und Roͤmiſcher SWeifefteller , fondern 
* auch durch die abweichenden Reſultate der Unterfuchungen 
ber größten Gelehrten , unfers und des testen Jahrhun⸗ 
detts. Ich will daher zuerſt Die Kegeln feſtſezen nach 


welchen ich glaube, daß man dieſe Unterſuchung anſtellen 


muͤſſe; alsdann die verſchiedenen Meynungen berühmter 
Gelehrten über das Zeitalter des Pythagoras, ſamt ihren 
“Gründen furz anführen und prüfen, und > endlich meine 


eigne Vermurhung vortragen. 


1) Man darf nur‘ Ellein ben Diogenes von Laerte 
aufmerkſam geleſen haben, um ſich zu überzeugen, daß 
die aͤltere Zeitrechnung der Griechen noch viel ungewiſſer 
fen, als ihre Ältere Geſchichte, daß die Griechen in der 
Beſtimmung und Angabe von Zeitaltern und Zeitpuncten 
noch viel nachläffiger, als in der Prüfung von hiſtoriſchen 
Zaciie waren, daß beher oft die glaubwuͤrdigſten Ge⸗ 

ſchicht⸗ 











u, - 
Geſchichte der  Pasßageefhe Seſelſchaft. 305 


ſhichtſchreiber, als die unzuverfäff igſten Chronologen be⸗ 
funden werden, daß endlich ſelbſt diejenigen Schriftſteller, 
bie als Chronologes unter den Griechen am beruͤhmteſten 
waren, z. B. Timäus, Apollodor und Sorion fid) viel. 
häufiger widerſprachen, und auch weit öfter fehlten, als 
die beften Griechifchen Geſchichtſchreiber. Um bie Unger 
wißheit der äftern Griechiſchen Zeitrechnung einzufehen, 
barf man nur wiſſen, daß das Zeitalter feines einzigen 
Gelechlſchen Weltweifen vor dem Gofrates genau bes. 
fimmt war, und daß die Geburts sund Sterbejahre der 
alten Phnfifer von EScdhriftftellern, die wegen Ihres Flei- 
bes und Ihrer Sorgfalt im Unterfuchen unter den Gries 
chen am meiften galten, auf bie verfchiedenfte Arc ange 
geben werden. Diefe einzige Betrachtung muß nothwen⸗ 


big in einem jeden, der fie recht beherzigt, felgende ” 


Gedanken veranlaffens daß es gar nichts befonderg oder 
einiges fen, wenn die Schriftfteller des Alterchums In 
ber Zeitrechnung des Pythagoras fo ſehr von einander abs 
weihen: daß man ferner unvorfi ichtig, und gegen alle 
Kegeln einer behutſamen Kritik verfahre, wenn man auf 
elnem einzigen Dato felbft eines fonft zuverläffigen und 
großen Schriftffellers, deffen Gründe man aber nicht 
weiß, und dem von andern, eben fo großen Schriftftels 
len widerfprechen wird, die ganze Chronologie des Pre 
thagoras zu bauen unternimmt: daß man aber am al« 
lerwenigſten die Zeugniffe und Angaben ſolcher Männet 
zum Grunde legen müffe, deren Namen oder Zuverläffig. 
feit nicht bekannt, ober deren Unfleiß und Nachläffigfeit 
erwieſen iſt, oder deren Worte zwendeutig find, und 
mehrere Auglegungen ı und. “esarten leiden, die fich endlich 

M | Ä ſelbſt 


u 306 0 Drittes Buch. 


ſelbſt wider ſprechen ober denen auch von mneheem glaub 
wuͤrdigern Unterſuchern widerſprochen wird, 

9) Bo gewiß es iſt, Daß ſich in ber Beitrecdhnun 
eines jeden Altern Weltweiſen und Dichters entweber un 
bereinbare, ober. doch: fchwer zu hebende Widerfprüht 
- finden; eben fo gewiß ift es, daß alle oder doch die meh 


ſten Nachrichten, von den Sebensumftänden bes Prrhagsras, 


durch bloße Ueberfieferung auf feine erften SGefchichtfirels 
ber fortgepflanze worden find. Diefe konnten alfo jur 
wiſſen, von welchen großen Männern Pythagoras en 
Zeltgenoß war, und welche wichtige Begebenheiten er u 
lebte; aber bfoß errathen konnten fie es, mann er geh 
ven worden, mann er geftorben, und wie fange er gell 
habe: denn ſolche Umflände und Nachrichten find ed, 
welche aus‘ Ueberlieferungen am ebeften herans fallen, 
ober am eheften verfätfche werden, und um melde die 
Griechen überhaupt fih am wenigften befümmerit. 
Wenn ‚wie alfo auch die Zeugniſſe der äfteften Geſchich— 
ſchreiber von dem Geburtssund Sterbejohre, und ie 
$ebenslänge bes Pythagoras hätten; fo würben dieſe wii 
ter nichts, als Vermurhungen, und noch dazu ſehr vet 
einander abweichende Vermuthungen feyn. Die Angu 
ben ber ältern Schriftſteller find aber mit allen Grin 
ben, womit fie unterflügt waren, bis auf einige wenige 
verloren gegangen; man muß aber doch aus d großen 
- Abweichungen der fpätern, die wahrfcheintich Immer ds 
nem ber vorhergehenden folgten, fchließen daß auch ihre 
Fuͤhrer ſich faſt ale entgegen gefezt waren: 

Aus diefen Betrachtungen nun folgt wieder, dal 
es eine unerfüllbare Forderung, ober eine fruchtiofe Ar 
beit feyn wurde wenn man, das Sehars. ind Todesjaht 

des 





\ . 
| 


Sefhichte ber Pothagoreiſchen Geſellchaft. | 307 


6 Pythagoras, was bie aͤlteſten Gefthichtfchreiber nur 
wc Berechnungen und nach mwahrfcheintichen Datis 
raus bringen Fonnten, nach dem Werluſte ihrer Untere 
dungen jezt gang gewiß und beſtimmt wiſſen oder an⸗ 
den wollte. | 

3) Diefe Fragen aber: wann Pythagoras gebohren 
otden, wann er geftorben ſey, und wie lange er gelebt habe? 
anen auch ohne Schaden umentfchieben bleiben, wenigſtens 
hören fie nicht zu ben wichtigften in ber Unterfuchung ber 
itrechnung diefes Mannes, indem ung wenigbaran gelegen 
', ober einige Jahre mehr oder weniger gelebt habe, 
er nie? Der Hauptpunck, um deſſentwillen bie Zeite 
chnung des Pythagoras allein Aufmerffamkeit verdient, 

! biefer, vor, neben und nach welchen beruͤhmten Maͤn⸗ 
tn und Weltwelſen feines Volks er gebohren worden? 
ft, daß man auch die Zahl von Fahren nicht beftim« 

en fönnte, um welche er entweder jünger öder diter, als 

n jeder feiner Worgänger, Zeitgenoffen, oder Nachfol⸗ 
tmar. Der Auflöfung diefer wichtigen Frage kann 
an fich weit mehr nähern, als her Beantwortung ber 
dern, die bloß die Neugierde befchäftige: wie lange er - 
Iebe, und in welchem: Jahre er geftorben fen? Wenn 

en ſich hauptfächlich auf die Beantwortung der erftern 
ihränktz fo wird Die ganze Chronologie des Pythago⸗ 

$ leichter und einfacher, und man ift eines befchwerli« 

en Kampfs mit einer Menge von großen Schwierigkel⸗ 

\ überboben, 

4) Es läßt ſich war uͤber die Zeltrechnung des 
Mdagoras Peine Hypotheſe liefern und erwarten, in 
her alle Zeugnifle Griechiſcher und Roͤmiſcher Schrift⸗ 
Ir vereinigt, und welcher von keinem widerſprochen 

Va 1. würde, 





zweydeutige Stellen glaubwürdiger Männer und auf ſicher 


| Geſchichtſchreibern von großem. Anſehen iſt, .ausdrüd 


ob und wie ferne dieſe fich wiederum einander beftärge 


\ 


308 WBW Drittes Buch. 
























wuͤrde, well mehrere Schriftſteller ſogar mit ſich feik 
im Gegenſaze ſind. Man muß aber doch Immer , glaube 
ich, diejenige. für Die wahrſcheinlichſte und annehmen 
wuͤrdigſte halten „die auf ganz klare, im geringſten nicht 


Chronologiſche Data gegründet iſt, mit welcher fern 
bie meiſten Schriftfteller von geringerm oder zıyepdeul 
gem Anfegen übereinftimmen,. und welcher enblich kei 
einziger,’ deſſen Name unter den alten. Chronologen ode 


fi) widerſpricht. Zu einer folchen Hypotheſe kann ma 
nur alsdann ‚gelangen, wenn man diejenigen Sebensu 
ftände, in welchen alle oder die meiften und glaubmürdl 
fien Alten zufammen ſtimmen, ſammlet, dann nachſuh 


und endlich erſt zu erfahren ſich bemuͤht was aus ihm 
allen folgt, und für das Zeitalter des Pythagoras 
ſchloſſen werden kann. Der erfte. Gelehrte der nem 
Zeit, der das Zeitalter bes Pythagoras zu. beftimm 
wagte, iſt Dodwell *), Diefer Alterthumsforſcherlt 
eine Nachricht aus dem Fragmente des Apoflonius | 

Jamblich **) zum Grunde feiner Unterfuchung. € 
nimmt mit dem. Apoflontus an, daß Pythagoras M 
zwoͤlf Jahre in Perfin, wohin er vom Kambyfes d 
Gefangener gefuͤhrt worden, aufgehalten habe, und M 
er endlich Im 35 Jahre feines Alters nach Same? 
fein Vatetland und gelommen ſey *. Da nun! 


‘ c 


»: In feinem. Bude, pr Yeteribi Graotorum Remın 

















v 
\ 


Geſchichte der Pythagoreiſchen Geſellſchaft. 300 


kroberung Aegyptens durch ben Kambyſes in das 
dritte Jahr der zwey und ſechzigſten Olympiade fällt; fo 
hließt Dodwell, daß Pyhthagoras im dritten Jahre ver 
men und funfsioften Diympiade geboßren, und ım vier 
and vierzigften Jahre‘ feines Alters in die Perſiſche Scla. 
berep gerathen ſey. Hiemit, Ylenbt er, ftimme Das 
Zeugniß des Ariftorenus beym Porphyr zuſammen *), 
nnd welchem Pythagoras fein Vaterland tar’ vierzigften 
Yahıre verlaffen habe, weit ihm die immer‘ junehmende 
Bewalt oder Tyranney des Polykrates unerträglich” ge— 
vorden ſey. Ariſtoxenus habe ſich nur darinn geirrt, daß 
r den Pythagoras nicht nach Aeghpten, ſondern nach 
Stalien habe reifen laſſen. 

Nahen nun (fährt Dodwell fort) Prrhagoras**) 
ieber aus der Perfii ſchen Knechtſchaft losgekauft war , fo 
ſielt er ſich eine Zeitlang in Samos auf, und bereifte, 
hige Infeln und Theite von Griechenland, nicht nur 
im feine Kenntniſſe zu 'erweitern , fondern auch wahrs 
cheinlich um von ſeinem Vaterlande nicht zu weit entferne 
Mfeyn, wenn fich etwa Hofnungen barbieten follten, es 
on dem Drucke des Solyſon, eines Bruders des Poly« 
rates, und Damaligen Herrn von Samos, zu befreyen, 
Prthagoras konnte alfo nicht var Ol. 67. 1. und vor fein 
m acht und-funfzigften jahre nach Italien kommen. 
Im folgenden Jahre habe er zwar ſchon da ſeyn kaͤnnen; 
ilein zwo Nachrichten des Jamblich, über die Laͤnge 
eines Lebens, und feines Aufenthalts in Itallen, machten 
$ nothwendig, feine ‚Ankunft in Italien, entwe— 
rt in den Ausgang bes zweyten, oder - in -den 

- u — 


—— D— 


— — — 
NS - 


9. 
“in Ol. 66. 3; 





‚nicht anders, als behaupten‘, daß Pythagoras erft, na 














3100 . 0 Deitted Burh: 


‚Anfang bes dritten Jahrs der 67. DI. zu fegen. 9 
Schriftſteller fage nämlich ‚daß Pythagoras der von i 
geftifteten Schule. neun: und dreyßig Jahre vorgeflan 
habe, und in einem beynahe hundertjährigen Alter 
ſtorben fey *). Dieſem Zeugnifle zufolge könne 


‘dem er an ber Rettung feines unterdruͤckten Vaterlan 
‚gänzlich verzweifelt hatte, ſich im ſechzigſten Jahre fein 
Alters nach Italien gewandt habe, welches Jahr 
DL. 67. 3 und dem lezten der Regierung des Königs tu 
quinius Superbus zufammen falle. - Später bürfe 
ihn auch nicht in Kroton erfcheinen laſſen, well Cic 
ſage, daß Pythagoras unter dem eben genannten Xi 
fhen Könige in Italien angelangt ſey, und Diede 
nebſt andern bezeuge, daß er zur Zeit des Krieges m 
Krotoniaten mit ben Tarentinern unter ben erflern 9 
"wohnt habe **). In Keoton habe er eine berüfnt 
Schule errichtet, und ihr, nad) dem Juſtin, zwang 
fahre vorgeftanden **) , als ber größte Theil fein 
Sreunde durd) die Emipdrung und den Ueberfall der Kıl 
nifchen Parthey. umgebracht worben +). Zwar ſagia 
mehrere alte Schriftfteller, daß Pythagoras feibft entns 
der in dieſem Aufruhr , oder gleich nachher ‚geftorben IM; 
allein ihm fcheine bie Nachricht des Jamblich glaubmin 
iger, daß Pythagoras neun und dreyßig Jahre dab: 
- Haupt .einer von ihm genannten und Anfangs 


; 9) 265. 1. 
#*) Olymp. 67. 4 
j „. 2%) XX, 4 
90172 3. 


IN \ J . 


Gefchichte der Pothagoreiſchen Geſelſſhaft. zu 


blühenden, aber In der Folge ſehr zerſtreuten und ge- 
ſchmaͤlerten Geſellſchaft geweſen ſey, und alſo neunzehn 
Jahre ihre hoͤchſte Bluͤthe überlebt Habe. 

Unter allen Erzaͤhlungen der Todesart des Pyrhas 
gras flimme Feine mit dem bisherigen Datis überein, ale 
die des Hermipp, ben Joſephus den berühmteften unter 
allen Gefchichtfchreibern des Pythagoras nenne. Diefer 
Philoſoph nämlich Habe erzähle *), daß Pythagoras ben 
Agrigentinern gegen die Syrakuſaner zu Hülfe gefammen, : 
aber in einer Schlacht, welche die erfiere gegen die leztern 
verloren, von denen Siegern erlegt worden ſey, weil er 
durch ein Heiliges Bohnenfeld in feiner Flucht aufgehalten 
werden. Allem Wermurben nady fen Dies Treffen eben 
Dasjenige, deſſen Diedor in ber 77 Ol. 1. erwähne, in 
weldiem der Beherrſcher von Agrigent Tprafibäus m 
Hlero vn Syrakus überwunden worden, 


Die wichtigſten Puncte diefee Zeitrechnung behält 
Dodwell in feiner Abhandlung vom Zeitalter des Pytha⸗ 
goras bey, worinn er feine Behauptungen gegen die Eins 
würfe und Widerfprüche von Bentley und Loyd zu retten 
füht , und unftreieig den erſtern in einigen Vermuthun⸗ 
gen glüclicher angreift, als ſich ſelbſt vertheidigt. Er 
derändert feine Meynung aber doch darinn, daß er bie 
Geburt des Pythagoras um ein Fahr, und ben $pfonie 
(hen Aufftand um neun ganze Olympiaden ſpaͤter und, 
diele Fahre nach dem Tode des Pythagoras anfejt **). 


u ⸗ © 


*) Ding. VIII. 40. 
M &. 203. naml. Olymp. 83. 3. ter 35 ?. 


- 

















gm . 7° Drittes Buch; 


Er rüdt bie Epoche ber Verſchwoͤrung wiber bie 
Pythagoreer bewegen: fo tief herab, weil Jamblich und 
mehrere Alte bezeugten, daß Aoſis und noch ein anderer 
Pythagoreer aus dem Brande, in welchem die uͤbrigen 
Freunde umgekommen waren, als junge und rirflige 
Männer entfprungen , und der erftere. nah Theben in 
Griechenland gegangen fey, wo er den Philipp von Ma⸗ 
“ febonien, und den Epaminandas unterrichtet habe *). 

Nach dem Plutardy nun war Lyſis ſchon mehrere Jahre 
geſtorben, als die Thebaner die Safedamonier aus ihrer 
Burg Kabmea verjugen : biefe legtere Begebenheit aber 
falle in Dt 1085 ‚ und,der Tod des Infis wahrſcheinlich 
. In Ol 1005. Wenn man ferner. nach anderh annehmil 
chen Bermuthungen voraus feje ; daB ſis OL. 76. ;. 
gebohren worden; fo koͤnne die Meuterey gegen bie Py⸗ 
thagoreer nicht vor DI. 83.2, wohl aber fpäter ausgebro⸗ 
chen feyn ve), 

Ungeachtet Dobwell feinem von benen, die da 
Zeitalter des Pythagoras unterfucht haben, weber an Ge 
lehrſamkeit noch an Fleiß und- Scharffinn nachgab; 
ift doch feine Hypotheſe die ſchwaͤchſte und unhaltbarfie 
unter allen, auf die-man gefallen ift, und diejenige, bi 
- am -wenlgften vor fid) und am meilten wider ſich bat 
Wenn ich auch felbft. nichts befferes und befriedigenders 
vorzubringen wuͤſte; ſo wuͤrde ich doch dieſe mit der 
groͤßten Zuverſicht als durchaus falfch verwerfen, Die 
Grund, warum Dodwell fic) viel weiter von der Wahr. 
beit verierte, und die Geſeze der geſunden Kritik mehr 

als 


— 








*) S. 198. uef. 4 
#8) 207. ©. 


RD 


Geſchichte der Phthagoreiſchen Gefellfehaft. gs 


. l 

als irgend ein anderer befeidigte, lag in gewiſſen vorge⸗ 
foßten Menynungen, mit denen er an die Beftimmung 
bes Zeitalters des Samifchen Philofophen ging. Er hatte 
nämlich die berühmteften Männer des Griechifcheh Alten 
thums, ſowohl Gefesgeber als Dichter fo tief, einige um 
jo, andere um 100 Jahre mehe, als fie follten, herab⸗ 
geihoben, daß er nun durch feine Hypotheſen - über das 
Zeitalter des Homer, Lykurg, GStefihorus, Phalaris, 
unb fo weiter faft gezwungen wurde, auch den Pyihages 
rad vorwaͤrts zu drangen, um bie gehörigen Entfernune 
gen zwifchen ihm und denen‘, die vor Ihm gelebt hatten‘, 
zu erhalten. Dodwell fehlte erſtlich darinn, daß er bie 
ganze Zeitrechnung des Pythagoras auf ein einziges Zeug« 
niß, und zwar auf ein folches Zeigniß gründete, daß 


mahrfcheintich vom Apollonias, oder gar von einem, uns 


befannten , leichtgläubigen und unzuverläffigen Schrifte 
ſteller, perrüßete, deffen Bültigfeitser ‘gar nicht geprüft, 
und bewiefen hatte, das nicht nur an ſich hoͤchſt unwahrs - 
ſcheinlich war, fondern auch durch alle übrige Angaben: 
älterer Schriftfteller widerlegt wurde, und das Dodwell 
fetbft niche ganz annahm , ohne ſich doch darüber zu erfläs 
ten, warum er einen Theil glaublich fände, und einen 
andern hingegen verwürfe. Er traut dem Erzähler beym 
Jamblich, wenn er fagt, daB Porhagoras vom Kamby⸗ 
ſes als ein Sclave weggeſchleppt werden, und zwölf Jahre 
in Perſien geblieben fey: und verfäßt ihn, wenn diefer 
verfichere, daß Porhagoras gleich nach feiner Bekannte 
(haft mir dem Thales nach Phönicien und Aegypten ge . 
reift, und zwen und zwanzig Jahre in bem lezten Sande 
geblieben fey. Er nimmt ohne allen Grund, und nicht 
nur. wider die Zeugniſſe aller übrigen Schriftſteller, fon- 
Us; 0 dem» 


— 


| 914 E ö Sitte Sue 


been auch wiber alle Wahrfiheintichteit an, daß Pyſha⸗ 
goras nach einem Rath des Thales den Earfchtuf gefaßt 
‚babe, Aegppten zu befuchen, daß er aber diefen Werfa; 


— erſt achtzehn Jahre nachher ausgeführt habe, und nur 


etwas länger als ein Jahr unter den Prieftern dieſes Lan⸗ 
‚bes geblieben fey. - Er überfah es, oder verſchwieg es 
‚wenigftens, wie unglaublich, und wider alle Gewohrheit 
. alter Voͤlker ea fen, daß Kambyſes einen (Fremden, der 
weder Ber Sclave eines Aegyptiers war, noch unter den 
Aegyptiern gefochten hatte, zur Knechtſchaft ſollte ver. 
dammt, und in fein Reich fortgefuͤhrt haben. An ſtatt 
ſich durch den Ariſtoxenus auf andere Gedanken bringen 
zu laſſen, der die Reiſe des Pythagoras nach Itallen 
ins vierziaſte Jahr feines Alters ſezte, zwang er durch 
eine unerhoͤrte Gewaltthaͤtigkeit dieſen Weltweiſen, wider 
ſich ſelbſt zu zeugen, indem er. die Reife nach Itallen in 
"die nach Aegypten verwandelte. Er nahm endlich gar 
nicht einmal Ruͤckſicht auf die Abweichung eines freyllch 
jungen, und in dieſem Falle unzuverlaͤſſigen Schriftſtel⸗ 
lers *), der zwar gleich dem Syncell **) der Gefangen⸗ 
ſchaſt des Pythagoras in Perfien, worauf Dodwell als 
auf ein Haupifactum drang, erwaͤhnt, der aber den Ph 
thagoras nicht aus Aegypten nach Perfien, ſondern aus 
Derfien nach Aegypten bringen läßt, und Hinzu ſezt, daB 
nur einige wenige diefer Sclaverch des Pythagoras er⸗ 
waͤhnten, und daß hingegen, der allgemeinern Meynung 
afge, Pochagoras aus eigener Bewegung und unge 
jwungen 


' @) Apul, p. 231. Ed Colpli, 
j ““) Giche deffen Worte ap. Lentl. p. 50. 








= W 
Seſcichte der Pothagereiſchen Gefekfihaft. a5 


poungen Aegypten, und bie Motgenlänte beſucht 
habe. 


Ä 


Das bisher gefagte iſt, glaube ich, Ron * 


chend, einen jeden Sachverſtaͤndigen von der Uaregel⸗ 
maͤßigkeit des Dobmellifchen Verfahrens, und der Unzu⸗ 


läffigkeie ber Dadurch erpreffen Hypotheſe zu überführen _ 


Es find aber noch eben fo ſtarke, wo nicht ſtaͤrkere Bes 
weife übrig, wodurch fie ganz zernichtet wird, Weil 


Dodwell ben Pythagoras erft in feinem finfenden Alten 


nah Samos zurüd fehren, und als einen Stel von 


ſechlig Jahren *) in Itallen anlanden ließ; fo war er 
gejuungen , allen denen fhlechterdings zu wiberfprechen, 


die bie Zeit des Anfangs ober der hoͤchſten Reife feiner 


Bluͤthe, Das iſſ, feines Ruhm, qugegeben haben. Die 


eine oder bie andere fegen Diohor, Diogenes, Clemens 
und Tatian, Kyrill und Auguftin ®*) entweder in bie 
ſechzigſte, ober in die ein und ſechzigſte, oder hoͤchſtens 
in die zwey und ſechzigſte Olymplade. Euſebiys, nach 


ber Scaligerſchen Ausgabe, ruͤckt bie Zeit feines Ruhms 


in Ol. 65. 1. herob; allein mehrere Handſchriften haben 
62. 3. oder 4, welche Leſearten, wegen der Zuſammen⸗ 
ſtimmung aller übrigen Schriftſteller, den Vorzug verdle⸗ 


nen, wie Bentley richtig bemerkt hat. Alle dieſe Stel⸗ 


Im fichen der Dodmeilifchen Rechnung entgegen, denn 


‚unmöglich kann man fagen, daß Pythagoras zu einer 
Zeit, da er noch in der Perfifchen Gefangenfchaft war, 


geblüber Habe, 
ee Um 


benuusiughen u . 
9) Ol. 67. 2. oder . 
"*) 48. 49. ©. Bentl, 








— 


 . 
IN 


— \ * . 
| 6 5 Dritte: Buch. RAT, 


„N 


Un bie Zeit bes Untergangs der. Pychagsreiſchen 
Schule *), und des Todes bes Pythagoras ) zu beftim- 


. men’, legte er zwo Stellen zum Grunde, bie ſich ſelbſt 


. 2 


. _ "widerfpradhen : bie eine aus dem Juſtin ***), und bie an- 


— 


— 


"dere aus einem Fragment beym amblid}). Der erftere 


fagt "ausdrüichiich , daß ber Pythagoreiſche Bund nur 
jwanzig Sabre gebauret habe, und daß Pythagoras nad) 
deſſen Zeritörung nad Meräpontum gegangen, und bort 
‘geftörben ſey. Der andere hingegen erzähle , daß Pyiha⸗ 


goras neun ung dreyßig Fahre feine Schule regiert habe, 


welches nernünftiger Welfe nicht anders, als von der noch 
Immer mathfenden , unbeunruhigten Geſellſchaft vers 
ſtanden werden kann. Ith will aber auf dieſen Wider⸗ 


fpruc von Datls, die Dill fir Harmonirend ie, 


a”et feine Meynung über den Zelte 


niche weiter dringen‘, "b 


‚punct ber Zerflörung ver Pythagoreiſchen Schule nachher 


⸗ «3 


‚geändert hat. Dagegen wiit ich den Grund prüfen , "aus 


„welchen er das Todesjahr des Pythagoras in die 77 DI. 


3 oder 3 geſezt hat. Dies Datum gründet‘ ſich "gang 
"alten Auf die angeführte Nachricht beym Jamblich , dab 
Phihagoras neun und neunzig Jahre alt geworden fey; 


"Allein dieſe Nachricht hat nicht ‘die getingften Worzüge 


vor denen‘, Die den Pythagoras im achtzigſten, ober neun. 
zigften ‚oder hundert und, vierten, oder gar hundert und 
fiebengehnren Jahre ſterben faffen. Wenn fie etwus we 
niger unglaublid) ift, als die beyden leztern; "jo iſt 





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*Geſchchte ber Pythagoreiſchen Geſelſchaft. 317 ° 


fie noch nicht ſo glaublich, als die erſtere, die uͤberdem 
noch von einem. bekannten Schrifiſteller herruͤhrt, und 
durch das Stillſchweigen des Lucian beſtaͤtigt wird, der 
den Pythagoras, wie Bentley ſchon anmerkte, nicht 
unter den fanglebenden berüßmten Männern angeführt 
hat. Zugegeben. aber, daß die Stelle beym Jamblich 
über das Alter des Pythagoras die glaubwürdigfte unter 
allen fen; fo hätte dieſe Dodwell bewegen müffen,, den 
Porhageras eher acht ober neun Olympiaden früher ges 
bohren werden , als in ber fieben und fiebenzigfien Olhm⸗ 
piode fterben zu laſſen. Denn in ber Folge werde ich 
zeigen, baß, fo bald.man den Tod bes Pythagoras über 
die fiebenzigfte Olympiade Hinausfest, man alle dem wi⸗ 
derſprechen müffe, was wir wahrſcheinliches und gemwifles 
über das Zeitalter des Eenophanes, Parmenides, He⸗ 
raflit und Leukipp wiffen, und was alle Schriftfteller vom 
Untergange der Pythagoreiſchen Schule erzaͤhlen. Ich 
merfe hier nur noch biefes an, daß Dodwell unter allen 
Erzählungen von der Todesart des Pythagoras gerade 
die unglaubwärbigfte und unwahrfcheinlichfte gemählt habe. 
Denn läßt es fi) wohl denken, daß ein Greis von neun 
und neunzig jahren einem Tprannen von Agrigent ge⸗ 
gen einen Koͤnig, den die Syrakuſaner anbeteten, in eige⸗ 
ner Pet ſon zu Hülfe gekommen ſey, und ſich ſelbſt habe 
umbringen laſſen, um nur ein Bohnenfeld nicht zu zer⸗ 
treten? 

Die einzige wichtige Veraͤnderung, die Dodwell 
In feiner Hypotheſe machte, und wodurch er die Verſchwoͤ⸗ 
fung wider die Pythagoreer nach dem Tode des Pythago⸗ 
tas, und in oder nach der zwey und achtzigſten Olympiade 
ſezte, iſt nicht allein Beine Verbeſſerung, fondern eine 

| | fel: 


{ 


38 nn Drittes Buß. 


| feiner willkahelichſten, , wenn ‚gleich am müßfellgfien aus⸗ 


gefuͤhrten Behauptungen *). Sie hat durchaus nichts vor 


ſich, als die Nachricht beym Jamblich, daß Lyſis einer 


von denen war, die aus dem Brande des Haufes , -worinn 
bie Pythagoreer fich verfammlet hatten, entfprungen ſey, 


‚ und dann die elendefte Verdrehung einiger Steffen in eben 


dileſem Geſchicheſchreiber **), mo es heißt, daß Pytha⸗ 


— 


goras zut Zeit, da die Verſchwoͤrung gegen ſeine Freunde 
ausgebrochen, nicht gegenwärtig, und daß bie auferer 
dentliche Ehrfurcht derfelben gegen ihren Meiſter eine 
von den Urfachen des Aufftandes gegen fie gemefen ſey. 
(Man habe nämlich den Pythagoras bey feinen Lebzeiten 
den Görtlichen genannt, und nad) ‚feinem Tode durch 
das Wörtlein, jener, bezeichnet.) Diefe Anmerkung 
des Apoflonius nimme Dodwell für einen Vorwurf, den 
die Feinde der Pythagoreer ſelbſt vorgebracht, und Apols 
konius nur wiederholt haͤtte. Die Erzäßlung von der 


gluͤcklichen Entwifhung des Lyſis aus dem Untergang 


der Pythagoreiſchen Gefellfchaft in Kroton wirb zwar von 


mehrern Schrififtellern beftätige und wiederholt, allein 
eben diefe nehmen ſich ſelbſt in dieſem Falle allen Glau⸗ 
ben, weil fie fagen, daß Lyſis der Lehrer des Epaminon⸗ 


das, und Schüler und Zeitgenoß des Pyrhagoras gewe⸗ 
fen ſey. Dies getraut Dodwell fich ſelbſt nie zu: 


behaupten, fondern er erdichtet Hier, wie in mehrem 


. . ’ i 


ähnlihen Fällen, einen neuen Pythagoras, ben ber 
Stifter der Schule mit aus Samos nad) Itallen gebracht, 
und der zur Zeit der Zerſtoͤhrung der Geſellſchaft noch ges 

. . —— lebt 











* 
®) 207. 8 
"248. .5 


u 
\ 


Geſchichte der Pothagoreiſchen Geſellſchaft. zi9 


lebt habe, Wie viel natuͤrlicher und wahrſcheinlichet 
waͤre es geweſen, entweder mit andern anzunehmen, daß 
man den Lehrer des Epaminondas mit einem aͤltern Lyſis 
verwechſelt, oder daß man auch den einzigen Lyſis, wie 
den Empedokles, Philolaus, Archytas und Timaͤus aus 
ſelnem Zeltalter verruͤckt habe. Man mag aber von Dies 
fen beyden Vermuthungen vorziehen, welche man will, 
fo muß man Dodwells lezten Gedanfen über die ſpaͤte 
Epoche der Verſchwoͤrung wider die. Pythagoreer Immer 
‚als griftenhafe verwerfen. - Denn alle Schriftſteller ohne 
Ausnahme, Juſtin, Diogenes, und beym Porphyr und 
Jamblich *), Ariſtexenus, Dikaͤarch, Nkomachus, 
ja ſelbſt Apollonius, fagen mit ganz ausdruͤcklichen, gar 
keiner Verſchraubung faͤhlgen Worten, daß die Empoͤ⸗ 
rung wider die, Pythagoreer ben ben Lebzeiten des. 
Pythagoras ausgebrochen ſey; und gehen nım Dann von 
einander ab, wann die Frage entfteht, ob Pythagoras 
geginmättlg, gewefen, oder nicht, und ob er in dieſem 
Tumulte zugleich mit dem größten Theile feiner Anhänger, 
oder eine Zeitlang nachher geftorben fen? 
Nach diefer Prüfung der Dodmwellifchen Meynung 
über das Zeitalter des Pyehagoras, fomme ich jego zur. 
genauern Unterfuchung der Bentleyſchen Hypotheſe, fo 
wie ich fie in ber meuern Ausgabe feiner Abhandlung von 
ber Aechtheit der Briefe des Phalaris finde **), 
Bentley geht von einem Zeugniffe des Eratoſthenes | 
und Phavorin aus "*), nach welchem bee Samiſche Py⸗ 


tha ⸗ 





ul 








r————n: h 
% 6545. u. f. 'Jımbl. 248 8. 
*#) Londen 1777. p 35-63 ©. 
*) Diog. VI, 47. 


20 .: Drrittes Buch. 
thagoras, mit einem reichen Haarwuchs und einem pur: 
- purnen Gewande gefhmüdt, fi) um bie 48 Olympiade, 
und im Anfange feines achtzehnten Jahrs, vor ben Rich 
tern der Olympiſchen Spiele erbot, unter ben noch uner» 
" wachſenen Knaben zu kaͤmpfen, und ba er deswegen ver. 
ſpottet wurde, ſich gleich in bie Zahl der männlichen 
Kämpfer einzeichnen ließ, und den Gieg davon trug. 
Eben dies erzählen Eufebius und Syncellus *). Auch 
Lucian **) und Auguſtin beflätigen es, daß der welſe 


| Pythagoras ein Arhlete, oder in der Achletik ſehr geuͤbt ge⸗ 


weſen ſey. Hieraus ſchließt nun Bentley, daß er im vierten 
Jahre der 43 DI. gebohren feyn müffe. , Mit diefer Bermu: 
thung ſtimme das Zeugniß eines gewiſſen Antilechus **) 
überein, der von dem ſchoͤnſten Alter +) des Pothagoret, 
bis auf den Tod des Epifur +) 312 Jahre rechnete. 
Das griechifche Wert, worauf bier alles anfomme, fa 


nicht, wie Dodwell vorgebe, mit yon, fondern mit 


oxen gleich bedeutend. 


| Nach dem Ariſtorenus, faͤhrt Dante fort, ging 
. Dorfagoros als ein Mann von vierzig Jahren, alle DI. 
53. 3, nad) Italien. Dies Datum fey nicht nur wohr⸗ 
fcheinlicher, als Dodwells Berechnung, der ihn erft als 
einen reis von fechzig Jahren in einem fremden Lande 
ankommen, beurathen und eine Schule fliften laſſe, ſon⸗ 


dern werdo auch durch die Seügniffe mehrerer geoßet 
Maͤn⸗ 















S; 


*) Eul. o. Syne. 2 
ei, in all 6. * 
ee). I. p. 133. Clem, Strom, 
T) Mmım. 
tt), Ol, „m Ä —W 





Geſchichte der Phthagoreiſchen Geſellſchaft. gar 
Männer bekraͤſtlgt. Lvlus erzaͤhle, daß Pythagoras 
nicht der Lehrer des Muma Habe ſeyn koͤnnen, ‚weil er 
über Hundert Fahre nach deſſen Tode eine Spule geftife 
tet babe *), 

Kenn man nun vom Tode des Numa **) auf bas 
dritte Jahr ver drey und funfzigften Olnmplade herab- 
rechne, fo fomme eine Zahl von 105 jahren heraus.’ 
Eben fo müffe Dionyſius von Halikarnaß gedacht haben, 
welcher fage, daß Pythagoras nach der 30 Olympiade 
in Italien geweſen fen ***), Valeſius habe hier zwar 
einen Fehler vermuthet, und ſtatt der Soten die 60 Olym⸗ 
piade ſezen wollen ; allein Dies leide der Zuſaz nicht, wo⸗ 
durch Dionpfius ſelbſt feine Meyhung näher beſtimme. 
Er ſchaͤze naͤmlich die Entfernung des Pythagoras auf 
vier Menſchenalter, oder 1334 Jahre, welcher Zeitraum 
nur mit der gewöhnlichen Lesart zuſammenſtimme. Ends 
lich füßre Plutarch im eben des Numa die Meynung 
einiger Gelehrten an, die den Pythagoras fuͤnf Genera⸗ 
tionen nach den Zeiten bes Numa gebohten werden liefen. 
Auch dies weiche nicht‘ weit von feiner Angabe ab, da 
Plutarch ein Menfchenalter nad) dem Heraklit auf dreys 
Big Jahre angefchlagen habe, Nur aledenn, wenn 
man den Pythagoras in der 53 Ol. nadı Kroton fommen 
laſſe, Habe man das Chtonikon Alerandrinum auf feiner 
Seite, welches bezeuge, daß diefer Philoſoph in der fol⸗ 
genden Olympiade N) bekannt zu werden angefangen 


babe, = 





28. 
2 a 27. 1. | “ | 

)1 p. 120 > j un 
Dh Nu 


— 


4 
4 
' 


22 J Drittes Buch. 


J A 
babe: Diefem wiberfprächen die Schriftfteller nicht, 
welche ſagten, daß er in der Go, oder Gi, ober 62 , eb 
gar 65 DI. berühmt gemefen fey, oder gebluͤht habe, 
Wenn aber Eicero *) fage, dab Pythagoras erſt unter 
‚ ber Megierung bes Tarquin, bie DE 61. 4. anfing, und 
Solin »*), daß er gar erſt unter dem Conſulat des Bru⸗ 
tus nach Italien gekommen ſey; fo muͤſſe man anneh⸗ 
men, daß dieſe beyde Schriftſteller die Zeit, wann Py⸗ 
thagoras in Italien war, mit der Zeit, wann er hin 
kam, verwechfelt haben, Ze 


( Zn 
Ueber die Zeit feines Tobes feyen zwar bie alten 
Schrififteller nicht einig: doch flimmten die meiſten, 
Jamblich nämlih *n*), Tzetzes****), und felbft Dioge | 
nes ***), wenn han bie Sesart bes Caſaubonus annehme, 


darinn zufammen, daß Pythagoras ein Alter von neun 


und neunzig fahren erreicht‘ babe. Dieſe Nachricht 
werde durch die Zeugniſſe des Diodor +), des Jam⸗ 
blich +) und des Cicero +++) beſtaͤtigt, von denen die 
. beyden erſtern ausfagten, daß Pythagoras zu und nad 
der Zeit des Krieges der Rrotoniaten und Sybariten mm). 
nuund der leztere, daß er zur Zeit der Austreibung ber Könige 
aus Rem durch den Brutus, in Italien gewefen. fey. 
| BE | | Wahre 
BIER — 


*) Tuſe. Quaeſt. IR 16. 
*e, c.' 21. oo. u 








Here) VI], 44, 
D ad Ol, 67, 4. 
FD c. 35. 
+11) Tufe, Quaeſt. IV, I. 
1tTH) 67. 4 


. 





Geſchichte der Pothegoreiſchen Gefelſchaft. 923 


zhtſcheinlich alfo müffe man das Todesjahr des Pytha⸗ 
tas in das neun und neunzigſte feines Alters fegen *), 
d annehmen, daß er entweder in oder gleid) nach dem 
enifchen Ueberfall geftorben, von welchem leztern 
mblih fage, daß er nicht lange nad) der Eroberung 
ı Snbarls ausgebrochen ſey. nn 
Diefe vom Bentley geordnete Zeitrechnung bes 
Hagoras laͤßt ſich viel beffer vertheidigen, als bie 
dwellifche, Hat weit mehr Zeugniffe der ‚Alten vor, 
viel weniger wider ſich. Sie. hat aber dennoch ihre 
ierigfeiten, weßwegen Ich fie nicht annehmen kann. 
Der erfte wichtige Einwurf , den man ihr mit 
ht machen kann, Ift diefer, daß fie ‚ganz auf einer - 
ydeutigen Stelle beym Diogenes **), und einer vom 
mel angefochtenen, und vom Bentley nicht genug 
jeidigten Auslegung berfelben beruht, - Aus ber 
bindung nämlich, worinnen Diogenes die Zeugnifle 
Eratoſthenes und Phavorin anführt, Pann man nicht 
18, als mie Dodivell und wider Bentley fehließen ***), 
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INN, 


Wenigſtens erheßt aus dem Anfange des neun und 


2: Det Buch. 
daß diefe beyde gelehrte Griechen nicht den Welten 
HPythagoeras, fondern den Werfaffer der Doriſchen 


ſchichte für den Kämpfer gehalten haben, der In ber 
und vierzigften Olympiade unter den Männern ſie 










* zigſten Abſchnitts im Diogenes unkaͤugbar, daß ſo 
ber leztere, als der Verfaſſer des Epigramms, das 
gefuͤhrt wird, den Athleten Pythagoras vom Phlloſo 

unterſchieden haben *). Auch Apollonius **) trennt 
einen von: dem andern, und nennt den Athleten Pr 
goras als den einzigen, der in Samos gegen bie 
heit des Philoſophen nicht gleichgültig geliehen, 
mit diefem nad Italien gegangen ſey. Er bezeut 
her, daß diefer dem Weltweifen gleichnamigte Kin 
ein Sohn bes Eratolles, die Kämpfer zuerſt and) 

ſpeiſen gewöhnt, und auch Schriften über die A 

binterlaffen habe: welche Erfindung und Werke t 
umrecht dem Weltweiſen Pyhthagoras, einem Seh 


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, Mus. 6 de BirosoDos (fezt Diogenes fin) 
de Ersveme. %. T. A 0 
%) 5. 25. ap. Jambl. 


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- ’ " * 





Geſchichte der Pythagoreiſchen Geſellſchaft. 325 


Nneſarch, zugeeignet haͤtten. Endlich ſagt Diogenes *), 
aß nach der Meynung mehrerer Schrifiſteller nicht der 
Veltweiſe Pythageras, ſondern ein anderer, der ents 
der Athlet, oder Lehrer der Athlezik war, der erſte 
Empfehler ber Fleiſchſpeiſen für Athleten geweſen fen. 
Denn wie ſollte (fest Diogenes wahrſcheinlich nach den 
Mänsern Hinzu, deren Behauptung er eben niederge 
chrieben Hatte) Pythagoras der Weltweife Diefes gethan 
nben, da er gar das Ermürgen von Thieren verberen 
atte? Dieſe wider feine Auslegung ber Stelle beym 
Diogenes ſtreitende Gründe und Gegenzeugniffe hat Bents - 
ey niemals gehörig beantworte. So gewiß es aber 
ud ift, daß Apollenius, Diogenes und viele andere 
Schriftſteller vor und mit ihnen den Fechter Pythagoras 
von dem Weltweiſen unterfchieden,, und die wichtige Bere 
inderung in ber Diätetif der Kämpfer dem leztern abge» 
ſprochen habe: eben fo gewiß ift es auch, daß die ent 
Begengefegte Nachricht und Meynung auch viele Verthei⸗ 
ger hatte, Daß zu dieſen Erarofihenes und Ppavorin 
gehörten, daß alfo Bentley Recht hatte, wenn er die zum 
runde gelegte Nachricht der bepden Gkiechiſchen Schrift. - 
Nele von Phitofophen verftand, und daß. es endlich 
bloß der Nachlaͤſſigkeit und Werworrenheit.des Diogenes 
Inufhreiben iſt, wenn ihre Erzählung in ein foldyes Licht 
gefteßer wurde, daß man fie nothwendig misdeuten, und 
von einer andern Perfon, als die fie im Sinne hatten, 
nehmen mußte. Die Beweife von diefen Gäzen wird 
man leicht finden, menn man ben zwoͤlften, und dann 
ben fieben und acht ynd vlerziaſten Aoſchnlit mit einander 
*3 ver⸗ 


“um * 


813% 





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ug 


320 Drittes Buch. 
vergleicht. Es heißt, fagt Diogenes‘, an be erfta] 
Stelle, daß Pythagoras, der Weitweife, den Athleten 
juerſt ben Genuß animatifcher Nahrung angerathen habe, 
und nadı dem Phaxorin foll er ben Eurpmenes zuerft 
gezogen haben,’ da bie Kämpfer vorher fich mit troden 
j Hülfenfrüchten und frifchem Käfe nährten, Eben bir 
NPhavorin nun if es, der in Hebereinftimmung mit dem 
Eratoſthenes in ben beyben lezten Mbfäzen ſagt, daß ei 
gewiffer Pythagoras zuerft Funftmäßig fi) gebalgt, un 
“in der acht und vierzigften Olhmpiade den Sieg dar 
getragen habe, und um gar kelnen Zweifel übrig zu la 
fen , von welchem Pythagoras bie Rede fen, fezt er hin 
"Haß eben dieſer Funftmäßige Athlet zuerft Erklärungen il 
die Mathematik eingeführt, ‘den Himmel zuerft Kooue 
und die Erde rund genannt habe, welches alles mar) 
ſchwerlich von einem andern als dem Weltweiſen verſtehen 
ann, Die ganze übrige Befchreibung deg Athleten Pr 
thagoras, ober die Merkmaale, bie Erätofthenes und 
Phavorin von ihm angaben, paſſen vollkommen auf br 
Samiſchen Weltweifen. Er habe , fagren fie, fen 
Haar genaͤhrt gehabt, welches Apollonius *) , Nikomo— 
chus **) und Lucian **) gleichfalls vom Weltwelfen m 
zählen. Diefen Schriſtſtellern zufolge war ber fat 
reiibe ae aus Samos gar ein. eüchmördliche Anh 












/ 





u * ep. Jembl, u, Li Phil, Vi, Apal, 2 J— 
'**) 8, 30. ap. Jambl, Ä 

j *RR) I. ga. vi. rer j 
t) Ap. Dodw, p. 129, 





/ 


Geſchichte der Pythagoreiſchen Gefellichaft. 327 


mehr Gewicht, als irgend einer der genannten Männer, 
und er kann alfo In Biefem Falle gegen alle drey gar nicht, 
in Betrachtung fommen, ba die lejtern überdem noch 
den Eratofihenes auf ihrer Seite haben. Auch aus dem 
purpurnen Gewande, in welchem ſich der Athlet Pyrhas . 
goras den Kampfrichtern bey Elis darbot, muß man 
(hließen, daß Erarofthenes unter dem Athleten und Welt 
weifen einerley Perfon verftanden habe. Denn bie beften 
Geſchichtſchreiber, deren Zeugniffe man weiter unten fine 
den wird, bezeugen, baß Pythagoras und feine Schuͤler 
durch reine und glänzende, wenn gleich nicht immer koſt⸗ 
bare Kleider, dem großen Haufen Ehrerbierung eng 
flößen gefucht haben. 

Dodwell läugnete nicht nur wider bie von mir an⸗ 
geführten Nachrichten, daß der Weltweife Pythagoras 
fein Haar genähre und purpurfarbene Kleider getragen 
babe; ſondern er fuchte auch aus der gäuzlichen Enchals 
tung deſſelben von Fleiſchſpeiſen wahrſcheinlich zu machen, 
daß Phihagoras der Weltweiſe, und Pythagoras ber 
Athlet, oder der Einführer der animalifchen Diät für 
Kämpfer, nicht einerley Perfon ſeyn Eönne. Ueberdem 
(dienen ihm die heftigen $eibesübungen der Griechen zu 
ſehr mit dem ſtillen betrachtenden Leben des Pythagoras 
zu ſtreiten, als daß man dieſem ſchon in einem Alter 
von 18 Jahren fo viel Erfahrenheit in der Athletik zus 
trauen koͤnne, um über ermachfene Männer zu fiegen *). 


Allein es ift nicht nur zweifelhaft, ſondern, wie 
ich im folgenden Capitel zeigen | werbe . hoͤchſt unwahr. 
X4 | ſchein⸗ 


—————— " j 
— — — 





®) De actate Pyth, p. 125 u. f. 





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8 


zaz Drittes Buche 


ſcheinlich, „daß Pythagoras und. feine Freunde fi 6 vom 
Fleiſche und vom Schlachten der Thiere gänzlich enthalten 
haben. Wenn aber aud) ein Drdensgefez den Pythago⸗ 
reern ſelbſt den Genuß thieriſcher Nohrung unterſagt haͤtte; 
ſo wuͤrde daraus im geringſten nicht folgen, daß Phtha— 
‚goras nicht den Arhleten das Fleiſcheſſen angerarhen ha, 
ben koͤnnte. Die neuern Platonifer verboten animaliſche 
‚Nahrung aufs firengfte; aber nur allein ſolchen, bie ein 


reines befchauliches Leben fuͤhren, und ihren emporſtee⸗ 


benden Geiſt von den Banden des Körpers und der Sinne 
losmachen wollten. Sie erlaubten hingegen das, wu 
von fie ſich felbit enthielten, ausdruͤcklich Athleten, Krie⸗ 
gern, Handwerkern und allen übrigen, bie ſchwere Ar: 
beiten verrichteten, ober ein unruhiges gefchäftiges Leben 
führten *). Auch Pythagoras alfo- hätte zwar fich ſelbſt 
und ſeinen Schuͤlern das Fleiſcheſſen nicht erlauben, und 
dennoch Kaͤmpfern empfehlen koͤnnen. 


Sdoo unrichtig Dodwell in’bem festen Falle rät 
fo unglüclich war feine Bermurhung ; daß heftige Lelbes⸗ 
übungen dem Pythagoras und ſeinen Freunden deßwegen 
zuwider geweſen waͤren, weil ſie dadurch zu ſehr gerſtreut, 
und in der ſtillen Wahrheitsforſchung waͤren unterbrochen 
worden. Der glaubwuͤrdigſte unter allen Gefchichefchrd 
bern des Pythagoras, Ariſtoxenus, fagt in einer Stele, 
auf die ich in der Folge zuruͤckkommen werde #*), daß die 

Pothagoreer, um.ihren Körper zu bilden und zu ſtoͤrken, 


„alle Toge mehrere Arten von n peftigen Sißbeibungen ge 


a . F trie⸗ 








®) — . ® Ru. oe 
”#) ap. Jambl, 978, ee, 





Geſchichte der Pythagereiſchen Geſellſchaft. 219 


trieben hätten. Aus bem Serabo *) und andern wiffen 


wir ferner, daß Mile, der ftärffte und beruͤhmteſte un⸗ 


ter allen Griechifchen Athleten, und der Sieger ber Sy⸗ 


bariten, ein Schüler des Pythagoras, und daß um. 
eben biefe Zeit die Stade Kroten, wegen ihrer Krieger 
und Kämpfer , unter allen Griechiſchen Städten am meie 


fen berühme war, Mach eben dieſem Erbbefchreiber 
brachte. Proton in einer Dipmplade fieben Sieger in den’ 
Olympiſchen Spielen hervor , und ihre Kämpfer hatten 
einen fo großen Namen, baß man im Sprücmorte fagte; 
der geringfte unter ben Krotoniaten fen der größte unter 


den übrigen Griechen, Pythagoras alfo, der unter fele 


hen Schuͤlern fo große Athleten hatte, und deſſen Bor 
ſchriften und $ebensregeln wahrfcheinlich mehr, als die 


geiunde Luft in Kroton, fp viele ſtarke und gewandte 


Männer in Kroton bildeten, Pythagoras alfo kann felbit 


auch wohl in der Athletlk geübt gemefen ſeyn, und als 


Juͤngling in den Olympiſchen Spielen geſiegt haben. 


d. 


Wenn man fraͤgt, warum Apollonius, und andere 


neuere Schriftſteller, dem Weltweifen Pythagoras Er⸗ 
ſahrenheit in der Athletik, und Erfindung der animalie 
(den Diät für Kämpfer abgefprochen, und einen zweyten 
vom Samifchen Philoſophen verfchiedenen Ppthagoras 
erdichtet haben, fo antworte ich, daß dieſe Männer nicht 


anders konnten, indem fie den Pothagoras als einen 


ſchwaͤrmeriſchen Gruͤbler ſchilderten und nachahmten, det 
ſchon als Juͤngling dureh Enthaltſamkelt und Faſten ſel⸗ 


nen Leib gekreuzigt habe, um durch ihn deſtoweniger in 


hiumliſchen Eutzuͤckungen und Betrachtungen geſtoͤrt zu 
Es 


were 


‚ ‘ n 
— w⸗ nn m 


) VI. Ren Ed. cl; 








* re “ / 


= 330 Deittes Bus, , 


werben, Ehmärmer und Sictgfäuige, bie fo vom 
Pythagoras dachten, waren gezwungen, fowohl anime 
liſche Diät, als ſtarke feibesübungen von ihm zu entfer⸗ 
nen, weil fie von beyden glaubten, daß die Seele du 
| durch feſter an den Leib genagelt wuͤrde. 
— Ungeachtet ich aber überzeugt bin, baß Benııy 
bie Nachricht des Eratofthenes mit Recht vom Weltwel⸗ 
fen Pythagotas verftanden babe, , ſo zmeifle ich Boch ſchr, 
ob er fie auch mit Recht zur Grundlage der ganzen Jeit⸗ 
rechnung des Pythagoras mädchen Fonnte, Zwar ſcheint, 
wie auch Llohd anmerkte, die Berechnung des Antilocus 
bie Meynung des Eratoſthenes zu beſtaͤtigen, und die 
Zeugniſſe des Dionyſius von Halikarnaß, Livius und | 
Plutarch widerſprechen ihr auch nicht ſchlechterdinge. 
Allein alle dieſe Stellen find unbeſtimmt, und bie by 
festern befonders find mehr wider Dodwell, als fie für 
Bentley find, Denn wenn zum Beyſpiel Dionyſius fagt, 
daß Pythagoras ſich nach der funfzigſten Olympiade 
(welche fefeart ich mie Bentley für die richtige halt) 
in Stollen aufgehalten habe; fo kann man daraus weite 
nichts ſchließen, als daB ber Iestere nach ber Meynung 
des erſtern zwifchen der funfzigiten und fechzigften , und 
‚nicht erft nad der leztern nach Italien gekommen fe. 
Die nähere Beſtimmung, daß Pythagoras vier On 
ſchlechter nad) bem Numa geblüper babe, iſt nur alsdann 
für Bentley, wenn man vom Anfange der Kenierung 
bes Numa zu rechnen anfängt, Heißt aber im Diony 
ſius? nach dem Muma’ blühen, (wie es viel wahrſchein⸗ 


licher if) ſo viel, ala nach dem Tode des Numa 9), He 
au 




















— — me e BE 


v Ol. 27 L 





Echte der Yythagoreiſchen Geſellſchaft. 330 


auch nach der Mitte feiner Regierung berühmt werben ; 
fo IR die Stelle des Dionyfius ein Gegenzeugniß wiber 
die Nachricht des Eratofthenes, Eben fo ſchwankend 
find die Worte des Livius, worinn dieſer Geſchichtſchrel⸗ 
ber ſagt, daß Pythagoras uͤber hundert Jahre nach dem 
Numa, zur Zeit der Regierung des Servius Tulius, 
an der Außerften Kuͤſte Italiens Juͤnglinge unterrichtet 
habe, Wer, kann hierbeflimmen, wie viele Yahre'über 
hundert, und in welchem Jahre der Regierung des Sete 
vius Tullius, Lvius geglaubt habe, daß Pythagoras in 
Jialien zu lehren angrfangen ? Diefer Roͤmiſche König 
herrſchte von der sı bis au das Ende ber 61 Diympiabe, 
und man Fann alfo aus dem Zeugniffe bes Livlus hoͤchſtens 
ſo viel abnehmen, daß, feinen Unterfuchungen zufolge, 
Pythagoras vor ber So Olympiade nad) Italien gekom⸗ 
men fe, weil er font nicht nach hundert, fondern nach 
hundert und funfjig Jahren würde geſagt haben. — 
Noch vlel weniger konnte Bentley die Meynung derer, 
welche den Pythagoras fünf Menſchenalter nach dem 
Nama ſezen, als eine Beſtaͤtigung des Zeugniſſes des 
Eratoſthenes anſehen. Wer mag bier unterſchelden, ob 
mon den Zeitraum, um welchen Phthageras vom Numo 
entferne geweſen ſeyn fell, bon der Geburt bes Roͤmiſchen 
Königs, ober won feiner Regierung, aber von feinem 
Tode zu berechnen anfangen müffe? | 


Nach einer genauen Unterfuchung alſo iſt Bas tin« 
chell des Eratoſthenes, und etwa das des Phavorin das 
einzige, welches Beutley berechtigen konnte, den Pytha⸗ 
goras in der 43 Olymplade gebohren werben zu laſſen. 
Allein dieſem Urcheile ſteht erſtlich das Zeugniß bes Cieers 

| | | ne 


\ 





. 3 . Dritte Sud, a 


N entgegen *), nad) welchem Poehegorae erft unter dem 


Tarquinius, nicht vor 61. 4, nad) Italien kam: 
ferner das Zeugniß des Dikaͤarch *%), nad) welchem 
Ppythagoras den Pherekydes begrub, bevor er Italien 
beſuchte, und der leztere alſo vor der 53 Ol. geſtorben ſeyn 

muͤßte, welches allen Ueberlleferungen der Alten wider 
ſpricht; endlih, die Data aller, oder ber beſten Ge 
ſchichtſchreiber über die Zeit feinee Bluͤthe, die Dauer 

ſeines Aufenthalts in Italien, bie dänge feines Lebens, 
und über bie Epoche der Regierung bes Polyfrates, deß 

; fen. geftärfte Herrſchaft ihn noͤthlgte, Samos zu ver 


laſſen. | 

u Alle Schriſtſteller ſezen die Zeit der Bluͤthe des 
Pythagoras, ‘oder feines allgemeinen Ruhms, zwiſchen 
bie 60 = 62 Olympiade. Wäre er alfo fo früh nad 
Italien gefommen, als Bentley meynt; fo würden doch 
wenigſtens einige feine Bluͤthe bald nach 53 DI, angenom⸗ 
men haben, Dern feine Ankunft in Itallen war auch 
der Anfong feines ſich in Der Folge mehr verbreitenden 
Ruhms. 

Nach dem Juſtin Rand Pthagoras ſeiner Säule 
zwanzig Jahre, und nad) einem ungemiffen Schriftftefler 
beym Jamblich neun und dreyßig vor. Bentley's Rech⸗ 
"Hung sufolge, würde er nahe an fechzig Jahre das Haupt 

einer blühenden Geſellſchaft geweſen ſeyn. 

Die alaubwuͤrdigſten und soahrfdzeinlichften Anga⸗ 
ben der Lebenslaͤnge ſind unſtreitig die, welche beym 

Diogenes ſtehen. Die eine des Herallides, , der dem 
| - Pop: 


—— 











æ — ⸗ 


6) Tuls, QUI. * 
* beret. 55.5 








7 
⸗ 


Gefchichte ber Pothagoreiſchen Geſelſſchaft. 3 | 


Pythagoras 80 Fahre gab: und die andere der meiſten 
Schrififteller, ‚die das Leben des Ppthagoras zu neunzig 
Fahren anſchlugen. Mit keinem von diefen beyden Das 
‚eis reicht “Bentley aus, under muß daher dem Ttetzes 
und Jamblich folgen, die den Pythagoras neun und neun« 
zig Jahre alt machen. Wergebens fucht er auch ben 


Disgenes mit den beyden feztern übereinftimmend zu mas - 


chen, weit keine Handſchrift ſtatt neunzig Jahre, neun 
und neungzig angiebt, 

Die größte und unäberroinbtichfte Schwierigkeit ges 
gen die Bentlenifchen Angaben der Geburt des Pyehageras 
und feiner Ankunft in Itallen, iſt bie Unvereinbarfeit 
derfeibigen ‚. mit der Zeitrechnung bes Polykrates, deſſen 
Herrſchäft, nach dem Zeugniſſe aller Schriftſteller, bie 
Urſache entweder ſeiner Reiſe nach Aeghpien, oder nach 
Italien, oder auch nach beyden Laͤndern war. Nimme 
man mit dem Apollonius *) und dem Antiphon **) an, 
daß die erften Anfänge der Tyranney des Polyfrates den 
Py'hagoras zu feiner erften Entfernung aus Samos bes 
wegt haben, und daß Polnfrates ihm gar Embfehlungss 


fehreiben an den Amafis mitgegeben habe; fo würde fol 


gen, daß Polykrates fchon um Die acht und vierzigſte 
Simmpiade die Freyheit feines Vaterlandes unterdruͤckt, 
und den Pythageras an den Amafis faſt zwanzig Fahre 
vor der Regierung bes leztern empfohlen habe, Wenn 
man Aber auch die unzuverläffigen Nachrichten diefer 
- Männer - ganz verwirft, und mil dem Ariftorenus bes 
dauptet, deßd die Tyraoneh des Potrates nur einmal 
bie 

*) 8 11. ap. Jambl, — 
**) 5,7. ap. FPorph. 0 


«1 











die Urfache der Flucht des Hochacdras, und zwar nach 
Italien geworden, und daß der flüchtende Weltweife um 
diefe Zeit vierzig Jahre alt gemefen fen ; fo wird doch das 
Durch, fo lange man die Bentleyſche Zeitrechnung verthei⸗ 
digt, die Regierung des Polykrates wider die ausdruͤck 
lichſten Zeugniſſe aller Schriftſteller, und. felbſt 
über alle Wahrſcheinlichkeit hinaus verlaͤngert. Mad 
dem Ariſtoxenus war. die Tyranney dieſes Mannes 
ſchon im Wachsthum, oder befeſtigt, als Pythagoras 
ſie nicht laͤnger ertragen konnte; ihr Anbeginn wuͤrde alſo 
über die 53 Olympiade hinaus, gegen die 50 hinfallen, 
md der glückliche Beherrſcher von Games, der DI. 64. 1, 
gekreuzigt wurde, würde über so Jahr regiert haben, 
Dies iſt nicht nur unwahrſcheinlich, fondern wird auch 
Durch mehrere Nachrichten beym Athenaͤus wiberlegt, 
Arhenäus tabelt den Hermefianap, daß er die Sappho 
und den Anakreon fuͤr Zeitgenoſſen gehalten habe *), da 
jene doch unter dem Alyattes, ‚und Diefer zu den Zeiten 
des Kyrus und Polnkrates gelebt habe. . Nun ftarb 
Alyattes in der 54 DI. 3., und Kyrus fing nach dem 
Abereinſtimmenden Zeugniſſe aller Alten, erft 33 DI. 
‚man guregieten, Polykrates alfo, deffen Epoche ber 
. bes Alyattes entgegen geſezt, und mit der des Kyrus 
gleich gemacht wird, kann nicht vor der fünf und funfs 
sigften Olymplade fich der Alleinherrſchaft in Samos bes 
mächtige haben. ch bringe hier nicht einmal auf das 
Beugniß des Polyänus, (das Bentley ſelbſt anfuͤhrt) **) 
nah welchem Poldtrates im Anfange feiner Hertſchaft 

| Trup⸗ 

/ 

5 Xu, van, p. 599 . 

* Stratag. 1. 233. °, 





I 


Geſchichte der Pothagoreiſchen Geſelſchaft. 335 


Truppen vom Lygdamis, Tyrann auf Narus, borgte, 
er wahrſcheinlich nicht .vor Ol. 59. 1. zu regieren anfing, 
Bider diefe Nachricht laͤßt ſich theils dieſes einwenden, 
af der leztere noch vor ber Ergreifung der höchften Ges 
alt dem Polykrates, wie dem Pififtrar *), benftehen 
onnte, und daß Polyan ihn einen Tprannen von Norus 
tonnte, weil er es kurz nach der. Unserflügung des Polys 
rates wirßlich wurde s theils kann man, dem Polyan ein 
zeugniß des Apollodor entgegen ſezen, welcher beym Dio⸗ 
mes **) fagt, daß Anarimander im zten fahre der 
8 01. 64 Jahr alt geweſen, und kurz nachher geftorben 
m, nachdem er vorzüglich zu den Zeiten des Polykrates 
jeblüher Habe, Dieſe Stelle ſtreitet zwar mit der des 
Polyaͤns, aber nicht mit der des Athenaͤus, und beweiſt 
Ye Bentleyiſche Meynung vom Anfange der Regierung 
zes Polhkrates im geringſten nicht. Suldas ſagt zwar 
ınter dem Artikel Anakreon, daß dieſer Dichter um die 
jr Ahmpiade gelebt habe, und ein Zeitgenoß des Poly⸗ 
rates gewefen fen; allein Bentley fühle felbft, DaB diefer _ 
uchlaͤſſige Serikograph nichts für ihn beweife, indem er - 
mer dem Worte Ibykus wieder ſchreibt, daß Anafreon 
n der 54 Olympiade nad) Samos gefommen fey, als 
Polyfrates, der Water des Tyrannen in Samos, und 
kröfus in $ydien regiert habe, Nun hatte Pol;frates 
tinen Vater gleiches Namens, der Samos beherrſchte 
kin Water hieß Aeakes) und Kröfus beftieg, nach 
Deueps Rechnung er in Ol. 55. 3. den $ndifchen 








Uhron re), | — 
| | Sof, 
"1,61. Her ' 


"%) In vita Anszimandel, on 
00% S. 48. M | u | 


336 Drittes Buch. 


Zwiſchen Dodwell und Bentley nahm der Bl 
ſchof Loyd gleichſam die Perfon eines Mittlers an. €r 
verwarf zwar die Rechnung des erftern gang, gab abt 


- doch dem leztern auch nicht in allem Recht *). Phytha⸗ 


goras (fage er) iſt im brieten Jahre ber 43 Olympia 


gebohren, wenn er derfelbige mit demjenigen iſt, vm 


welchem Eratofihenes beym Diogenes redet **). E 
wolle aber doch lieber fein Geburtsjahr in das dritte Johr 
der acht und vierzigften Olympiade fezen, weil Herallldes 
bezeuge, daß Pythagoras nur achtzig Jahr alt gemarden, 
und die meiſten Biographen, daß er nicht lange nadı Dr 
Zerftöhrung von Sybaris geftorben fen ***), An maht 
fcheinlichften alfo fen es, daß Pythagoras in der 68013 
geftorben, und zwanzig Ölympiaden vorher gebohren mr: 
den ſey. Wolle man aber mit, den Schriftftellern bıpm 
Diogenes glauben, daß Pythagoras ein Alter von go 
Jahren erreicht habe, fo falle fein Tod in 1.704 
Ungeachtet Henb meinem Urtheile nach der Wahr 
heit näher gefommen ift als Bentley; fo hat er doc fan 
Meynung viel weniger bemwiefen, als dieſer Gelehrtt 
Er gab zu, daß Pythagoras in der 43 91. gebopren foyn 
müfte, wenn Eratoffhenes den Weltweiſen Paehagır 
im Sinne gehabt habe; und verließ doch dieſen Eran 
ſthenes und Bentley, ohne etwas wichtiges wider di 
Glaubwürdigkeit ves erfiern, und bie Auslegung desan 
i bern 
— — | 
#4) Man fehe den Auszug feiner Hifoire chronolotique 
‘de Pythıgore, &d’autres hommes e£lebres. qui ol 
veeu de fon tems, dans Is Bioliorh,. choilie de M. 
le Clere X. pP: 10J4. 
%6) Diog. VIH. 47, 
a) Ol, 67. 4° 











— 





4 
l 


Geſchichte der Pothagorcichen Defeat 27 


been vergebracht zu haben ober vorbeingen su können... 


Er würde, feiner Art zu-fchließen zu folge, Bentley ohne: 
weitern Zweifel haben beyſtimmen müffen, menn bieler 
die Stelle des Diogenes fo vertheidige hätte, als fie füch,. 
tie ich gezeigt habe, wirklich vertheidigen laͤßt. Das 
einige, was ihn (außer bem Dato von der Zerftärung. 


von Eybaris) bewog, vom Bentley abzugeben, war. 


die Nachricht des Heraklides uͤber die Lebenslaͤnge des 
Pythagoras, die Ihm dadurch ein neues Gewicht zu erhal⸗ 
ten fchien, weit Lucian den Pythagoras nicht unter den 
langiebenden Weltweiſen angeführt hobe. Auch Ich glaube 
joar, daß die Nachricht bes Heraklides denen, aller. 
übrigen-Schriftfteller, vorgezogen zu werben verbiene, 
aber dies nicht um bes Heraflides willen, deſſen Gewaͤhrs⸗ 
mänher und Gründe ich nicht weiß, auch nicht um des 
Stillſchweigens des Lucian willen, weit Lucian viele andere 
berühmte Männer, die neunzig und mehrere Jahre alt 


geworden find, ‚nicht angeführt hat; nur allein beßwegen 


halte ich die Erzählung des Heraftides für die wahr⸗ 
fheinlichfte, weil fie allen übrigen hoͤchſt glaubwuͤrdigen 
Zeugniffen alter Gefchichtfchkeiber, und den zuperläffige 
ften darauf gegründeren Berechnungen am beften ent⸗ 
fit. Ohne diefe Zuſammenſtimmung würde ich es 
nie wagen, das Datum dieſes Schriftſtellers zur Grunde 
lage der ganzen Zeitrechnung des Pythagoras zu machen, 


Wenn man nicht firenger ſeyn wollte, als $loyb; fo koͤnnte | 


man mit eben fo vielem Grunde, als worauf feine Rech⸗ 
hung gebaut ift, hie Geburt des Porhogoras in die 46te 
Olympiade hinaufruͤcken. Die meiften Schriftfteller 


(tönnte man fogen) ftimmten, wie Diogenes meldet, dahin 
überein, daß Pychagoras 90 Jahre gelebt habe. Die. 
9 


un, 


Pr 


” 


rn 
N . 


8Dritieg Vuch. 


nmun bald nach. dem Ausgange der 67 DI. geſtorben if; 
ſo folge hieraus , daß er entweder am Ende der 45, oder 
wahrſcheinlicher mit dent Anbeginn der 46ften gebohrn 
ſeyn muͤſe. 
WVraon dieſen drey beruͤhmten Schriftſtellern, uͤbn 
Bas Zeitalter des Porbagoras, weichen wiederum Har⸗ 
duin und Stanfen ab. Der erftere*) fezt eine aſtronomiſche 
Enntdeckung des Pythagoras In das 661ſte Fahr vor Chriſti 
Geburt, und laͤßt ihn alfo Faft hundert Jahre früher ges | 
Bohren werben, als Bentley. Diefe willkahrliche Reqhe 
nung aber wird durch bie Zeugniffe aller Alten fo kräftig 
widerlegt, daß man ſich der Mühe überheben ann, ifre 
Urrichtigkeit ausführlich zu zeigen. Stanley hinge 
gen **) ſezt die Geburt bes Pythagoras nech um einige 
Jahre fpäter an als Dodwell. Ex nimmt zuerft die Er 
zählung des Jamblich als wahr an: daß Pprhagoras, 


achdem er ſich 22 Jahre in Aegypten aufgehalten hatte, 


“ vom Kambyſes im dritten Jahre der 63 Of. nach Pır 
fien geführet worden, und nach einer Gefangenfchaft von 
gtodlf Jahren, nad) Samos in fein Vaterland zurücze 
fommen fey, Dieſer Erjählung nach, koͤnne er alfonidt 
vor dem Ende der 66 DI. Samos verlaffen haben, um 
Italien zu befuchen, und. wenn er damals, wie Jamblich 
gleichfalls dezeuge, 56 Jahre alt geweſen, ſo koͤnne er nic! 
‚ vor bern erfien. Jahre der 53ſten Olympiade geboren worden 
ſeyhn. Auch diefe Meynung unterfuche ich niche weicläuf 
tig, weil alle bie Gründe, . die ich der Dodwelllſchen 
entgegen geſezt habe, auch wider die. Stanignfcye gelten 
Ich erinnere hier nur noch diefes, daß in einigem Puucten 
*) Chron, Vet, Teft, ad anaum 661 ante Chriftum, 
“*, Hift, phil, de Pych, c. X, p. 671, 


« 1. 











Geſchichte der Pothagoreiſchen Geſellſchaft. 339 
'tanley, in andern aber Dodwell ſich genauer an bie 
ithriftfteler halten, denen fie beyde folgen,‘ Dodwell 
rinn, daß er den Pythagoras nicht gleich In demfelble 
n Jahre, in welchem er aus der Perfifchen Gefangen⸗ 
oft zuruͤckgekehrt ſeyn fol, mach Itallen reifen läße: 
jtanleg aber, darinn, daß er ben zwey und zwanzig jaͤh⸗ 
gen Aufenthalt des Pythagoras in: Aeghpten, ben Dobe 
ell ablaͤugnet, beybehaͤlt. | 

Eine ganz neue Bahn, bie von ben Wegen. aller 
her genannten Männer abwich, betrat ein gelehrter 
anzos de la Nauze *). Diefer übernahm es zu. bewel⸗ 
1, daß Pythagoras im Anfange der 35 Of, 640 Jahe 
e Chrif Geburt, geboßren worden, . 

Er beruft ſich zuerft auf. eine Sage, bie Herodot 
tee den Griechiſchen Anwohnern bes Sellefpent und 
waren Meers hörte: daß nämlich Zamolxis, der von 
n Beten göttlich verehret wurde, ein Sclave bes Py⸗ 
agoras gewefen fey **). Herodot (ſagt be la Nauge) 
tt diefe Sage freplicy für eine Erdichtung; allein fie 
itde unmöglich in mehrern Laͤndern haben Glauben fin 

n, und ſich verbreiten fännen, wenn Porhagoras ſo 
19 gewefen wäre, als Bentley oder.&ioyd ind Dodwell 
ben, und bis unter den Darius, oder gar Terpes 
lebt hätte, Man muß daher annehmen, daß fein Tod 
kt bie Regierung dieſer beyden Perfifchen Kun, alſo 
er Ol. 64 4; hinaus falle. 

9 — Ee 


F —** de — Fr des R Ihre de Pac. 
dinie zoyale des laſerlptlon⸗ & bel nee Tom. 


4 


340 Drittes Buch. 1F 
F n 


Er beruft ſich ferner auf die Zeugniſſe der aͤlteſia 
Weltweiſen, die alle vom Pythagoras als einem Mann 
redeten, der vor Ihnen gelebt haͤtte. So table Herelil 
die Biekoifferen des Pythagoras *), Parmenides fchreih 
ihm eine Eutdeckung über die Benus zu **), und Zw 
phanes endlich ***) mache feine Seelenwanderung laͤchen 
lich. Nun bluͤhete (ſchlleßt de la, Nauze) der erſtere um 
die 69. Ol., Parmenides war deſſen Zeitgenoß, (falld 
fagt der V., daß Parmenides aͤlter als Heraklit ud 
deſſen Lehrer heweſen ſey) und wor dem Parmenides Ic 
Genophanes von Kolophon. Da nun Pythagotas ld 
als fie alle mar; fo müffe man feine Geburt norhmend 
bis in das 640ſte Jahr vor unferer Zeicrechnun⸗ 
heben. 


Er beruft ſich drittens auf das Zeugnlß be ? 
menibes, nach welchem Pythagoras der erfte war, 
beobachtete , daß der Morgen s und Abendftern nicht 
einander verfchieden feyn. Zwar ſchreibe Phavorn 
diefe Beobachtung dem Parmenides zu; allein Apol 
, (beym Stobäus und Plinius ++) flimmten dem Ps 
nides bey , ber bier unftreitig am meiften Glauben 
diene. Pitnius fage fogar , daß Pythagoras diefe 
dung in der 42 Olympiade gemacht habe +++), Auch 
aus alſo muͤſte man den Schluß ziehen, daß Pythago 














YDoe vie. 
60) vill. 4 
N * —* 


6 J. vor Ch. Geb, 





— 


Geſchichte der Phchagoreiſchen Gefellfchaft. 34: 
m bie fünf und dryoßigſte Dipetplade gebehren worden 


Als einen vlerten Grund fuͤr ſeine Meynung fuͤhre 
e fa Nauze bie allgemeine Ueberlieferung alle altım 
Zchriftſteller an, daß Porhagoras den Pherekydes von 
Zhros zu feinem Lehrer gehabt babe.‘ "Diefer Pherekybes 
nüffe älter geweſen ſeyn, als die Weifen von Griechen⸗ 
md, meil Ttetzes berichte *), daß Thales Ihn gehört . 
abe, Da nun Pythagoras ein Mitſchuͤler des Thales 
eweſen fen, fo folge hieraus, daß er auch ohngefaͤhr 
m dieſelbige Zeit *), muͤſſe gebohren worden ſeyn. 

Das frühe Zeitalter des Pherekydes werde überbem, 
uch zen merkwuͤrdige Nachrichten im Diogenes ***), 
wußer Zweifel geſezt. Diefer Schriftfteller berichte, daß - 
Pherefydes zur Zeit des Meſſeniſchen Krieges gelebt habe, 
Diefer Krieg nun fönne fein anderer als der zweyte ſeyn, 
der ſich in der 27 DI. mit der Zerflörugg non Meffeme 
mdigte, 

Diogenes führe ferner aus bem Hermipp an, daß 
Pherekydes die mit den Magneſiern friegenden Ephefer 
begünftigt, und ihnen durch bie Fortfchleppung feines 
Körpers in ihr Gebiet den Sieg verſchaft Habe. Diefer 
Krieg ſey unftreitig eben der, deſſen Archilochus erwähng 
habe +), melcher Dichter nach den Herodot mnter dem 
lydiſchen Könige Gyges vor der 27 DL. lebte. 

Wenn übrigens Pherekydes -von ‚einigen Särife 
ßelern tlefer herab geſezt werde, fo fomme dieſes baper, 








a [| | 
') 11,970. Chil. Zn 
) 640%. 8 Eh. Geb. 3580. | 


ML 117.179 . 
t) Ste,XIV, p. en. Cliem, Ste. 1. p. 244. - 


pn 


_ 


Babe: 


kus der Geſezgeber der Sofrier genannt ,. deſſen Zeitalte 
muan am beflen aus einer Stelle des Demoſthenes wide 


vaftit “N Rh und werte auch vom Atiſſoteles fies vor dem 


m" 9 * von — 


842 J— . Deittes ER 


def man zween Pheeelydeffe von Gore, einen fa 
gen und einen Toeologen mit ‚einander verwechſelt habe, 
melde vom Andron ven Ephefus fergfaltig unterſchiede 
worden *). Wolle man aber mit dem —* 





und Strabo *%*) nur einen Pherekydes von Syros anne 
men; fo koͤnne man doch nicht läugyen, daß ältere ui 
neuere Gelehrte den Unterrichter des Pythagoras mit dem 
viel fpätern Geſchichtſchreiber vertauſcht härten, 
Nicht aber bloß die Zeltrechnung der Lehrer 
Pythageras, ſondern auch ſeiner Schuͤler beweife, & 
er um-bie 35 Ol. gebohren werben ſey. Unter den lep 
dern werde, fowohl vom Jamblich als Porphyr, Zela 





den Timokrates beflimmen könne, in welcher der Ada 
ufenfifche Redner foge, daß die Geſeze bes Zateufus’füm 


bber 200 Jahre’ geltend gebHeberi wären, Da nun Ds 
maoſthenes dieſe Rede in ber 106 DI, mehr als 300 Jeh 
vor Chrifti Geburt gehaften-habe; ſo folge daraus, Di 


die Geſezgebung des Zaleufus gegen 550 Jahr vor Eprif 
Geburt hinaufgefegt werben muͤſſe, und daß Pprhagetel 
etfo um das 600 Jahr vor Ehriſn Geburt gelh 


Ein anderer Zuhoͤrer bes 6 Dotfagoras , Kippafıl 
von Metapont / war nach bem Suidas ein Sehrer bes Ho 





de 
3— Dlog. l. 115.” nr 
—8X l. 5, 


⸗ 





. yit 


beſhichte der Ppthahoreiſchen Gefelihaft, 245 


Heraklit als ber ältere genaunt. Mun habe Heraklle 
um die 69 ‚Öl. oder soo Jahr vor Chriſti Geburt ge 


ße, und Porfagoras, der Sure fenes Srers, müffe ° 


daher um. Gon Jahr vor Chriſti Geburt gelebt haben, 


Ich übergehe das, was. der V. von dem Zeitalter 
bes Alkmaͤon und Parmenides vorbringt, und fee nme 


noch feine Bemerkung über bas Zeitalter bes Kenophanes, 
und deſſen Verhaͤltniß. zur Epoche des Pythagoras her. 
Darmenides hörte, nach dem Zeugniffe *) Des Diogeneg, 
ben Tenophanes, und ben Pyehagereer Diochetes. Nun 


fen jener, nach bem Xpoflodor.**) und Sextus, um.bie 


40 Qlympiabe gebohren worden, _ und. ba eben biefer 


Weltweiſe jünger als Pythagoras geweſen, wie aus fe 


nen eigenen oben angeführten Werfen erhelle; fo koͤnn⸗ 
ber leztere nicht unter bie 35 Ol. herab gebracht werden. 
Diefer feiner Rechnung wiberfprächen zwar erfilich 


die Zeugnifle des Jamblich und guderer „ bie den is, | 


Empedokles, Pilolaus, und mehrere andere Weltwelße 
su Zeltgenoſſen des Pythagoras machten; allein durch 
dieſe und ähnliche Nachrichten müffe man fich nicht irre 
machen laffen „ ba eben. biefe Gchriftfieller aus einer un⸗ 
verzelhlichen Machläffigkeit ſo gan Männer, die nach 
dem Ariſtoteles lebten, in has Zeitalter bes Pyothagoras 
hinaufgehoben hätten e) 


Wenn de la Nauze alle übrige Einwärfe wider - 


feine Hypotheſe fo gut hätte wegräumen Aönnen, als dar 
eben angeführten; ſo wuͤrde fie unter allen bisherigen bie - 
| D4 | annehm⸗ 


IXX. . 
*) Clem, Str. 1. 301. 
*) 5.14 


944. \ J Drittes: Buch. 


:annehmlichfte ſeyn. Allein fie zwingt ihn zu laͤugnen, 
daß Pythagoras zu ben Zeiten bes Amaſis, Kambyſes 
und Polykrates gelebt Habe, wenn man nicht außer dem 
berühmten Tyrannen von Samos mit dem Suldas % 
‚nen anbern gleiches Namens annehmen wolle. Dee 
auge gibt übrigens: zu, daß Pythagoras Im goften 
Führe feines Alters nad) Italien gekommen, und Im 
Hoften Jahre, 550 vor Cbhriſti Geburt, noch, vor der 60 
| Ofymplade geftorben fen. 
| In eben dem Bande, in welchem ſich die zulır 
üusgejogene Abhandlung finder, ſteht eine Widerlegung 
derſelben vom gelehrten Freret, deren: Inhale ich daher 
‘auch kurz mittheilen will. Das Jahr der Geburt des 
Pythagoras (ſagt dieſer Ehronolog) konne fo wenig, als 


das ſeines Todes, genau beſtimmt werden, und er wole 


baher nur bie aͤußerſten Graͤnzen abzuftechen ſuchen, über 
welche man das eine nicht hinaus, und bas andere nich 
heruͤber ruͤcken koͤnne. | 
“ Nach dem Diodor von Sicillen , defſen Nadıri 
won dien andern Geſchichtſchreibern, Entweder voraus 
ſezt und beſtaͤtigt, oder dach nicht widerrufen werde, übe 
lebte Pythagoras bie Zerſtoͤhrung von Sybaris *), meld! 
nach ihm und dem Eufebius in das Jahr sog wor Chrifi 
‚Geburt **) falle, hiemit ſtimmen Apollonius dem 
Jamblich und Eieero ***) genau zufammen, die In 





beyde hoch nach ber Zerflöhrung von E yharis keben laſſe. 


| Prrpageras Fönne alfo nicht vor 509 3 geſtorben J— 
wah hu 


— — 








3 Li, Zul 483. Ed. Weflel, 
.4. 
rs, ul [Ar . 


‚ y | . 
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mahrfcheinlich aber falle fein Tod in das Jahr vor Epriftl 
Beburt sog oder 7, wenn anders bie Erzählurigen der 
Alten über feine Todesart beym Jamblich und Porphyr 
Gtauben verdienten. fe nachdem man nun einer von 
den entgegengefesten Nachrichten Griechifeher Schriftftels 
ler über, die Sebenslänge des Pythagoras folge, und bie 
leztere entweder auf 80, oder 90, oder 99, oder 104, oder 


117 Jahre ſchaͤze, je nachdem müffe man aud) das Ger 


burtsjahr deffelben hoͤher oder niedriger, entweder In das 
587, oder 597, oder 606, ober Grı, oder 634 Jahr 
v. C. ©, ſezen. Mach dem Antilochus, ber von ber 
ara des Pythagoras bis auf den Tod bes Epikur *) 
312 Jahre rechnete, möüffe Pythagoras 600 Jahr ver 


Chriſti Geburt gebehren worden feyn , wenn man nArım 


in der Bedeutung nehme, in welcher es in den beten 
Schriftſtellern vorfomme , naͤmlich für das Alter, 
worinn jemand zum Krieger Hefchieft war. Wolle man 
hingegen dem Jamblich folge, der den Pythagoras im 
der 62 Olympiade **)', und in einem Alter von 56 Jahren 
nad) Italien kommen laſſen; fo müffe man deffen Geburt 
einige Fahre fpäter (Im 596 oder 594 Jahre) ans 
nehmen. I 
Diedor von Sicilien, Cicero und Gelllus ſtimm⸗ 
ten ohngefähr alle mit dem Jambllch über die Zeit der 
Ankunft des Pythagoras in Itallen überein. Der ers 
ſtere fege fie in die 61 DI. ***),. die beyden leztern In das 
| ds. Enbe 


®) 270 v. Ch. Geh. 


9) 532. 33. 
"634 3. vor Ch. G. 


/ 


nipumen au 








Seföichte der Pythagoreiſchen Geſelſchaft. 345 | 


N 


346. :Deitteß Buch. 


Ende der Regierung des Servius Tullius, ober den Au, 
fang | der Kegierung bes zweyten Tarquinius. 
. Vergleiche man endlich die Nachrichten bes Arlſis⸗ 


renus, über das Alter des Pythagoras bey feiner Abrelfe 


nach Italien, mit ben Datis anderer, und beſonders 


‚bes Eufebius über den Anfang. und das Ende der Tyran⸗ 
nen des Polyfrates, um weicher willen Pythagoras feln 


_ Vaterland verließ; fo: falle feine Ankunft ia Italien ol: 
Ä ſchen die Jahre 522: 535, und feine Geburt gwiſchen 562 
875 Mac dem Ariſtorenus ging Pythagoras zur zeit 


der hoͤchſten Macht des Polykrates als ein viergie jährl 


‚ger Mam nach Italien: Polnfrates aber, werde Im zien 


Jahr der 64 DI. *) gekrenzigt, und hatte nad; bem Eu 


ſeblus im 21en. Jahre der oꝛ Ol. =®) zu regleren an 


gefangen. | 
Darinn wer Freret verfichtiger als alle. feine Ver⸗ 
„gängen, daß er. obu.den fi cherſten Datis in ber ganyen 
Zeitrechnung: des Pythagoras ausging: von ben Zeug 
‚niffen nämlich des. Diodor, Cicero und Apollonius beym 
Jamblich, nach weichen Pythagoras die Zerſtoͤhrung von 
Syharig v uͤberlſble. Dieſe Narhrichten nun warin 
frepfich hinreichend, bie Meynung bes de la Noue, die 
e widerlegen wollte, übern Saufen zu werfen, allein | fie 
fahrten· boch auch zu nichts deſtimmten, wenn ce nid! 
erſtlich die Erzählung bes Apollonius damit verbunden 


diene: : deß bie Vefmörung, tiber die Prrfagorin ae 


P 











| gu Jahr v. Ch. Geb. 
WE) Das iſt, 535 vor Ch. Geb. ober nach atidern Fra 
— vis. 32. aꝛ. | 





Geſchichte ver Pothagoreſſchen Geſelſchaft. 347 


nach der Miederlage der Soybaricen ausgebrochen, und 


Ppythageras entweder in dem Kyloniſchen Aufſtande um⸗ 
gekommen, ober doch bald nachher geſtorben ſey. Für 
die Richtigkeit dieſer Ueberlieferung bringe Freret gar feine 


Gründe vor, Wenn er alle die Empoͤrung wider die De . | 


thagereen gleich in Das erfie- oder zweyte Jahr nad) dee - 
Serflörung von Sybaris, und den Tod des Pyshagoran 
in das Fahr 308 eder joy. vor Chriſti Geburt feste; fo 
Batte er nur allein das Anfehen eines. jüngern fabeihaften = 
Geſchichtſchreibers, und eine unbewieſene willkaͤhrliche 
Auslegung einer zweydeutigen Stelle vor ſich. 


Von 'dleſem durch bloßes Rathen herausgebrachten 
Eterbejahr des Pythagoras rechnet er nun ndch einander. 
die ebenslaͤngen zurück, die von verſchiedenen Schriftſtel⸗ 
lern angefuͤhrt werden, und daraus ergibt es ſich, daß 
zwiſchen dem naͤchſten und entferuteſten Geburts jahre ein 
eben fo größer Abſtand, als zwifchen den Meynungen el— 
nes de fa Nauje und Bensten, aber eines Bentley und 
Dodweii ſey. Diefe Berechnungen waren ganz unnäg, 
fo baid er nicht erflärte,, und darthat, welchem Schrift 
 fellee,man folgen, und weiche febeuslänge man für ie 
ö weheſchelnlichſte dalten muͤſſe. 


Sram ſehlt ſerner, wenn er bie achrich kom“ 
Gamble über die Ruͤckkehr bes Pothagoras ah Samos 
In einem Alter von 56 Jahren, mit einer anbern von der 
Ankunft defieiben in Italien in der 62 Olympiade verbins 
bee, als. menm fie beyde von einerley Schrifcſteller her⸗ 


ruͤhrten, und daraus den Schluß zieht, daß Porbageras | 


im Jahr 587 oebohren ſeyn muͤſſ.. Das eine Datum 
iſt vom Ayololus das andere vom Nikomachus, und 


“ 


nn 


n 


\ 





28 Drittes Buch, 
es ift gar nicht bewiefen,, daß der erſtere die Berechnung 
des zweyten, und Der zweyte die. Erzaͤhlung bes erſtern 
‚angenommen habe. Viemehr iſt es wahrſcheinlich, daß 
Apollonius Die Ankunft bes Pythagoras in Stalien viıl 
früher als Nikomachus angefezt habe. Wenn man 
.  Wämlid zugibt, daß das lezte Capitel im Jamblich eine 

"Bortfegung des vorhergehenden ſey, und wie der größte 
- Zeil des festen, und die fänf erftern Capitel, den Apelı 

Aonius zum ˖ Verfaſſer habe: ſo läßt ſich Die Nachricht im 
36 Capitel, daß Pythagoras feine Schule 39 Jahre re⸗ 


giert habe, ſehr wohl mit der Erzählung-des Apollo- 


alus*) aber ger nicht mit der Nachricht des Nikoma⸗ 
dus **) vereinigen. Freret nahm fogar wider das Zeug. 
niß des Apollenius an, daß Pythagoras in eben dem 
Jaßhre, in welchem er aus der Perſiſchen Kuechiſchaft 
‚gurüdigefommen fegm ſoll, ſich nad Rallen eingeſchlſt 


be. 


Ein weit groͤßeres Verſehen aber, ale bie vorhen | 


‚gehenden, mar diefeg, daß er alle Übrige Schrifefteller 
‚mit dem Nikomachus, ber die Reife des Pythagoras In 


| ‚bie 62 Olpmpiade feste, In Harmonie zu bringen fuchte. 


Außer dem Nifomachus reden aur noch zween andere ber 
ſtimmt und austrüclich von der Ankunft des Pythagorat 
in Stallent- Cicero naͤmlich, der ihn unter im Tarqu⸗ 
nius Suprebus***);; und Solin +), der ihn in dem Com 


| fulat des Brutus +}) nach Italien fommen läge, De 


erſtere 


(ERREGER GEHE vo mm DU U | -)} —— 


— 8. 19. 
“r Im 46. Abſchnitt. 
AR) Nach Ol. 61. , W 
ty. 21. . 


49 68.1. 


Eerdiäte der Pythagoreilhen Geſellſchaft. 349 


atere von dieſen beyden ſtreitet zwar nicht mit dem: Mi. 
komachus, aber beftätigt auch feine Angabe nicht, Der 
andere hingegen weicht um 6 Olympiaden von Ihm ab, 


Ale übrige riechen und Römer, die Freret zu 
Mitzeugen des Nikomachus, und zu Erhärtern feiner 
Meynung macht, reden entweber nur von dem Anfange 
des Ruhms des Pythagoras, oder von feiner Bluͤthe, 
oder überhaupt von der Zeit, wann er gelebt habe, Den 
Anbesinn feines ſich verbreitenden Ruhms fezte ber Vers 
be des Alexandriniſchen Chronikons in das 1. abe 

der 54. DI. und Auguftin In bie Zeit der Rückkehr der Juden 
aus der Babyloniſchen Gefangenſchaft: ohngefähr um die . 
62.01, Seine Blüche nimmt Diogenes In der 60 und 
Diodor in der 61 Olympiade an, und an dieſe Bläche laͤßt 
fi), wie ich nachher darthun werbe, erft einige Jahre 
nach feiner Ankunft in Italien denfen, Von ber Zeit, 
mann er gelebt habe, reden Dienpfius, Plutarch, Tas 
tan, Clemens und Kyrill, aber alle unbeſtimmt. Bon 
den bepden erftern habe ich dies fchen gezeigt, und von 
den andern barf man nur die Worte lefen, um feinen 
Beweis welter zu verlangen. Tatian fagt in feiner Rede - 

wider die (riechen *), daB man den Ppthagoras um bie 
wey und ſechzigſte Olympiade finde, und faſt eben fo 
drückt ſich Clemens von Alerandrien aus, dem Kyrill 
beyſtimmt **), nur daß ber erftere ben Pythagoras einen 
Zelte 





” Im Ende p. 174: Apanav * zegı OAupmsade re·· 

arxcosn MO EWWOTV EUGITHETEI Yayovos. Zoray 
zegı p, Ivdosyoens aregı &. 

®) adv, Jul. p. 12. 





30 | Deittes Buch. 


Zätgenfin des Polhkrates von Samos nennt ). E 


braucht gar keiner Erinnerung, daß ſich in allen dieſen 


: Beugniffen nichts finde, was die Nachricht des Nike 


machus über die Ankunft des Pothageras in Italien be 
aͤtige, und daß hingegen bie meiften, wie das bes ih 


vius; der den Pprhagoras ſchon unter dem Servlut 
Tulllus in Itallen lehren läßt, ‚offenbar wider ihe 


en. 

| Das fonderbarfke abet in der Freretſchen Unterſu 
chung iſt dieſes, daß er das Zeugniß des Ariſtorenus, 
nach welchem Pythagoras im vierzigſten Jahre feines 


‚Aters nach Italien kam, zum Grunde einer Berechnung 
legt, wodurch die Angabe des Nikomachus beſtaͤtigt wer⸗ 


den foll. Das erſtere ſtreitet offenbar mit der leztern; 


|. 


dean wenn Pythagoras vierzig Jahr alt war, als er in 
der 62. DI. nach. Italien kam; fo kann er nicht, ‚nie 
Freret will, in der. 68, er muß wenigſtens in der 76 
Olympiade geftorben feyn, wenn man feine Sebenslänge 


- auch nur auf Bo “Jahre (hägt. Wollte man "hingegen 


bem Pythagoras ein Alter von 100, 104, 117 Jahren 
geben; fo würbe fein Tod nahe bis an bie 8o Olympiade 
herabfallen. Freret ſcheint auch gar nicht bemerkt zu 
haben, daß man entweder die auf das Zeugniß des Apol⸗ 
lonius gegruͤndete Rechnung, oder auch Die Erzaͤblung 
des Ariftorenus von dem Alter des Pythagoras, zur Zelt 
feiner Abreife nad) Italien verwerfen müffe. Er behält 
beyde be, ‚und verbinder die er zuerſt mit einer Nach⸗ 

richt 











*) Ele. tir. l. p. 302, Ida'yogs de Kar. MoAu 


xeærn Tov Tugawev, Meg Tmw EEanesny deuregar 
—DR —RRX OEL 





Ü 





1rFW 

Geſchichte der Pothagoreiſchen Geſellſchaft. 358 
Hehe des Euſeblus: daß Polykrates erft im aten Jahre 
ker 61 DI. zu ‚regieren angefangen habe, und dann nıle 
der Erzäßlung des Herodot, mach welcher eben dieſer 
Tytann, Im dritten Jahre der 64 Olympiade, oder 522 

Jahre vor Chriſti Geburt, Bingerichtet wurde, - 
Aus den verbundenen Datis des Ariftorenus und 
Eufebius fchließe er nun, daB die Ankunft des Pythago⸗ 


tas in Italien zroifchen das Jahr ser und 35, und feine 
Geburt alfo zwiſchen 562 ımd 575 unferer Zeitrechnung 


falle. Dies ſcheint Ihm ſehr gut mit den Zengniffen des 


Clemens übereinzuftimmen, nach welchen die Reife Des Py⸗ 
thagoras nach Kroton zwiſchen 532 — 34 geſezt werden 
müffe. In diefem durchaus unkritiſchen Käfonnement vere 
Haß Fretet, daß die Männer, bie er als gleichdenfend annahm, 
mit einander firitten, daß das Zeugniß des Ariftorenug 
mit andern nicht fo verbunden werden koͤnne, als er wollte, 
weil Ariftopenus über den Anbeginn der Herrſchaft des 
Polykrates wahrfcheintich nicht fo urtheilte, ats Eufebins; 
daß ferner die Handſchriften des leztern fehr von einander 
abweichen, und daß endlich das Datum des Eufebius 
durch dje Zeugniſſe des Arhendus und Apolloder von der 
Regierung des Polpfrates, und wie aus der Folge erhels 


Im wird, durch die zuverlaͤſſigſten Data aus der Zeit. 


Rechnung des Pythagoras widerlegt werde. Ich merfe 


i 


nur noch diefes an, daß, wenn Eufebius, der den Tod des 


Pythagoras nach einigen Mſpten in die 68, nach andern 
in bie 70 Olhmpiade feze, den Polyfrates erft von bee 
61 DI. Härte zu regieren anfangen, und den Pythagoras 


ehngeſaͤhr in dee Mitte feiner Herrfchaft in einem Altet - 


bon 40 Fahren nach Italien entfliehen faffen, er tem lez⸗ 


tern eine geringere Sebenslänge, und einen kuͤrzern Aufı | 


ent 


—W Drittes Bud. 


‚enthalt. In Itallen gegeben haben würde, als irgend ein 
anderer Schriftiteller behauptet har. 
So vieles ſich aber auch gegen die Sreretfce Eh 
zung, Auslegung und Wereinigung von Datis alter 
Schriftſteller einwenden läßt; fo gründlich iſt feine Wir 
berlegung der Hauptftüce der Zeitrechnung. bes Pprhagr 
ras, wie de la Nauze fie.entmarf. Ich will daher dat 
Weſentliche dieſer Pruͤfung mittheilen, weil ich mid auf 
einige feinee Beobachtungen in der Folge beziehen, un 
zugleich ber Muͤhe überheben werbe, mid bey gerife 
Stellen weiter aufzuhalten. 
. Was: erftlih die Stelle Im Plintus betrift, In 
weicher die Entdeckung der Einerleyheit des Abend: ut 
Morgenfterns dem Pythagoras in einem jugendlichen A 
ger zugeichrieben, und in Die 42 DI. geſezt wird; fo bt 
merkt Freret, daß es gar nicht wahrfcheinlich fen, deß 
| ein junger Menſch, ber zur Zeit der Kindpeit ber Ann 
nomie unter den Griechen febte, auf eine Erfindun | 
folkte. gekommen ſeyn, die zu den ſchwerſten ber ae 
nomie gehöre, und eine vollfommene Kenntniß unlet | 
Sonnenfoftems „. befonbers bes Laufes der Wenus vorauk' 
ſeze. (Diefer Einwurf würde ſtaͤrker ſeyn, wenn Fre 
bewiefen hätte, daß man auf den Gedanken, ben Pi 
nlius dem Pythagoras zueignet, nur allein durch ſolch 
Mecynungen und Wahrnehmungen, aus welchen er in 
bewieſen wird, nicht aber durch bloßes Rachen und Du 
obachten gelangen koͤnne, und daß die Mennung der % 
sen Überhaupt, ‚die ben Phosphorus und Hefperus ſit 
eineriey hielten, fo gegründet und dargethan war, alt 1 
es in unfern Zeiten. If. So lange beydes nicht ausge 
macht iſt, kann man nicht ficher fchliegen, daß Port: 
got 









— 


Geſchichte der Pothagoreiſhen Geſellſchaft. 953 


mas ober fonft jemand im entfernteften Alterthume, ba 
Ye Sternfunde noch ein Pleiner roher Haufen, entweder 
on einfältigen Beobachtungen, der Fühnen Vermu⸗ 
fungen war, nicht eben fo. gut barauf hätte verfallen 
Innen, daß der. Morgensund Abendftern einerien ſey, 
6 daß bie Erde fich um einen andern Koͤrper bewege, 
ud daß der Mond unferer Erbe aͤhnlich, oder wie biefe - 
ewohnt ſey.) 

Wichtigere Einwendungen ‚gegen bie Stelle im 
Ninius, und die Folgerungen, bie man daraus gezogen 
at, find diefe: baß Pychagoras Über 330 Jahre alt ges - 
verden ſeyn muͤſte, wenn er ſchon in der 42 Olymplade 
le ihm pugeeignete Entdeckung gemacht hätte: daß ſer⸗ 
er die Zahl im Plinius in verſchiedenen Haudſchriften 
uf eine ſehr verſchiedene Art gelefen werde, indem einige - 
att der 42 Olympiade bie 32, ober auch 58 fegen: daß 
achſt wahrfcheintichen Wermuthungen ber beiten Ausle⸗ 
m zu Folge bie Gtelle im Diogenes, wo Parmenides 
eſe Erfindung dem Pythagoras zuſchreibt, gleichfalls 
rdorben ſey *); und an flatt os Pncs Ilssauerdus, ds 
' Onsı Iaepevıdıv gelefen werben muͤſſe, weil Dioge Ä 
8 Im Leben dieſes Weltweifen **) dem Phavbrin bey⸗ 
Imme, ber bie Bemerkung über die Venus dem Par⸗ 
mides zufchrieb : " daß endlich das einzige Zeugniß bes 
Minius nicht gegen die widerfprechenden Angaben ältere 
ad zuverlaͤſſigerer Geſchichtſchreiber vertheidige werben 
Iane, da wir nicht einmal wüßten, woher er es genom⸗ 
en, und mit welchen Gruͤnden es unterſtuͤzt geweſen ſey. 

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») IX, 2% " 


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-  übergettagen habe, koͤnne man nicht [chließen, daß M 


334 Delkted Buch. 
Wenn aher zweytens be la Nauze aus bem ul 
alter ber Sehrer und Mitſchuͤler des Pythagoras fehllefe 
wolle, daß der lezte in ber 35 DI. gebohren worden m 
ſo thue er den beſten Schriftſtellern bie offenbarſte Gewil 
an. Es fen falſch, daß Pherekydes, ber Lehrer de 
Ppihagoras, fo fruͤh gelebt habe, als man vorgeben nl 
falſch, daß Thele⸗ ein Zeitgenoß des Prrhagmas ge 
weſen ſey. 
Man muͤſſe es freylich als ein wnläugbares, ul 
von allen Gchriftftelleen bewaͤhrtes Factum annehmen, 
daß Pothagoras einen Pherefgbes von Spros zum if 
zer gehabt Habe; allein man müffe auch mit dem And 
von Ephefus, beym Diogenes, zween Pfyerefybeffe wi 
ſcheiden, einen-Aftrolegen,, ımd einen Theologen, d 
Sohn bes Babys, mit. welchen leztern Pythagoras 
Panne geroefen fer. Wom erftern hingegen ruͤhrten 
Welßagungen her, bie ſich auf die Niederlage ber Di 
gneſier und Meffenier bezogen, und beym Diogenes I4 
Sehen des Pherekydes ftehen. Aus biefen Weißagund 
alſa, die man unrichtig auf ben fogenannten Theoleg 





“ Lehrer dos Ythagoras zwiſchen der 20 und, 30 9 


plate gebluͤhet habe, 

(Dies Räfeunenient laͤßt ſich freylich vertheldihe 
man kann aber auch mit dem Eratoſthenes und Streh 
nur einen Pherekydes annehmen, und doch denen IH 
leicht wiberftehen, bie biefen Mann indie Zeit der Zerfiirum 
son Magneſia und Meffene fegen. Beyde Proppezem 
gen von dem Untergange diefer Städte, oder der Nieden 
lage ihrer Einwohner find offenbare Gabeln, die durch he 
Erzaͤhler nie bas seat Auſchen nicht dm 





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\ 
+ [2 


Sefhiche der Porbagoreffen Gefefigoft, 333 


Vorurtheil eines gewiffen Altera "gewinnen. Die eine 
nahm Diogenes aus bems Hermipp, einem berüchtigten 
Erdichter und Mährchenliebpaber; bey ber andern nenne 
Diogeneb feinen Gewaͤhrsmann nicht einmal, Sie Enz 
nen daher ohne Bedenken den Erbichtungen zugezäßfe 
werden, bie dem Pythagoras den Eamolris, Charoms 
das und Epimenibes zu Schülern gaben, well fie ben An⸗ 
gaben ber glaubtvürbigften Alten, und ber ganzen übrigen 
deitrechnung bes Pythagoras widerſprechen). 
Suidas feze die Geburt des Pherekydes In die 45 
Olympiade; Cicero mache Ihn zu einem Zeitgenoffen bes 
Servlus Tullius, ber bis DI. 61, 3: regierte: und mie 
dieſem ſtimme Diogenes überein, als weicher fage*),, daß 
PYherekydes um die s9 Olympiade gelebt habe, Euſeblus 
etwaͤhne feiner im aten Jahre der 60 Olympiade, und 
ale diefe ſtimmten darinn übereln, daß Pherekydes fpäter 
als Thales und Anarimander gebohren worden und auch 
geſtorben ſey. (Die Zeit feines Todes iſt ungewiß, und 
läßt ſich auch nicht genau beflimmen. Aus ben Worten 
des Eicero **) muß man fchließen, Daß er noch vor der 
61 Olympiade geftorben fen. Nimmt man. feinen Tob 
in den erften Jahren der neun und funfzigften Olympiade 
an, fo hatte Dikäarc Recht, wenn er fagte, baß Pas 
thagoras ben Pherekydes noch vor feiner Reife nach Ita⸗ 
2 3a... lien 





En 
122. . nt 
9) Sed quod Iltteris exRet Pherseydes Syrlus primus di 

zit, animes hominum eſſe fempiternos,, antiquug 
ſane, fuit enim meo regnante gentili, Hase opisio- 

nem difeipulus ejus Pythagoras maxime eonfirmavit, 
qui eum Superbo seguante in Itallam voniffet, ate, 
Tufe, Quaei, I. 16, 








un“ 
’ 


| 35 | Drittes Buch. 


— 


< 


\ 


tim jur Erde beftattet habe. Get man hingegen bat 
Sterbejahr des leztern In die 60 ober 61 Ol.: fo muß 
man denen folgen, welche berichten, daß Pythagoras 


"aus Stalien nach Delos zurücgegangen ſeh, um feinem 
Lehrer die legte Pflicht zu leiſten. In jenem Fall abe 
Haben die jüngern Gefchichtfchreiber Unrecht, welche vor. 


geben, daß die Porhagoreifhe Schule zerſtoͤtt worden 
fen, waͤhrend daß Pythagoras den Pherekydes befuct, 
und nach feinem Tode begraben habe. Bentley *) nahm 


. ohne Beweis an, daß Pherefydes um bie 59 Olympiade 


geftorben ſey, und daß Lucian, ber einem gewiſſen Phe⸗ 
rekydes ein Alter von 85 Jahren giebt, dem Lehrer des 


Ppythagoras gemeint habe. Nach diefen unrlchtigen Vor⸗ 


ausſezungen bringe er nun feine Geburt in bas 4te “Jah 


der 37 Olympiade jzuruͤck; allein ſchon Dodwell hat ge 


zeige **), daß Lucian nicht vom Weltweiſen, ſondern vom 
Genealogen ober Gefchichtfchreiber gereber Habe. Lord 
verwechſelte gleichfalls den Sehrer des Pythagoras mit 


dem Perefydes beym Lucian, und läßt daher dem erſtern 


Im aten Jahre der 66 Olympiade fterben, welches dab 


8zgte Jahr vom Anfange ber 45 DI. ift.) 


Mehrere alte Schriftfteller (fo fährt Freret fort") 
geben dem Porhageras nicht nur den Pherekydes, ſon⸗ 
Kern auch den Thales und Anarimander zu Lehrern. 
Diefer Männer Zeugniffe vermerfe de. ia Nauze um des 


.' > einzigen. Tjeges willen, als welcher den Thales zu einem 
„Schuͤler des Pherekydes und zu einem Miiſchuͤler un 
| Zelt, 


»> 





2) ©. 42. | | 
) ©. 101. de aetate Pyth,. 


_ ee nes 





— 


aaxe) Diog. ap. Porpb, G. 11. und Apollonius ap. Jdl. 


11 


Geſchichte der Pythagoreiſchen Geſellchaft. 27. 


Zeitgenoſſen des Porhagoras mache, Gegen diefen Bora 
jug aber, den fein Gegner einens nachläffigen und unglaub⸗ 
nürdigen Brammatifer gebe, und gegen bie Nachricht 
des leztern ftreite nicht nur Die ganze mahrfcheinlichere 
Zeitrechnung bes Pherekydes, fondern aud) ale Data und 
Urehelle ber Alten über ‚bie Sebensumftände und Philo⸗ 
ſophle des Thales. Sowohl Ariftoteles ‘als Cicero vers 
ſicherten ausdruͤcklich, daß Thales der erſtere gemefen 
ſey*), der Unterſuchungen über die Natur der Dinge 


anzuftellen angefangen babe, (Und beyde, kann man hinzu . 


fegen, erwaͤhnen, wie alle übrige alte Geſchichtſchreiber, 
der Meynungen des Thales und Anaximander ſtets vor 
denen des Pherekydes oder Pythagoras). Mit dieſen Ur« 
hellen ſtimmten die Data der Griechen von bem Alter 
des Thales volfommen überein, Nach dem Apollonius 
und Diogenes **) war Pythagoras fehr jung, als er zum 
Tales kam, und Tales ſchon ein hohes Alter erreicht 
hatte: man müffe alfo wenigftens einen Unterſchled von 
40 oder 45 Jahren unter ihnen annehmen, Nun fege 
Apolloder , derjenige Schriftfteller, der den Thales am 
höchften hinauf ruͤcke, beffen Geburt in die 35 DL. ***), 
oder 640 Jahr vor unferer Zeitrechnung, und Pythago⸗ 
tas müffe alfo gewiß nach der 45 DI. gebohren worden 


ſeyn. Vielleicht aber’ falle die Geburt des Thales noch - 


tiefer herab, denn Herodot berichte, daß er die Nieder⸗ 
lage des Kroͤſus noch erlebt habe +), und alfo in bie 
58 Olgmpiabe eingerreten ſey, in welche auch Eufebius 

8 3 Ä fein 





ER 


*) de Nat, Deos; I, 7 Metaph, L, 4. 
a il, ee, 


Dia U 1 DE 
) I. 75. 0 





— — 





BB Drittes Buch. 
fein Todesjahr fege. Wenn man biefe leztere Data anı 
nehme, und dem Thales auch mit dem Soſikrates das 
hoͤchſte Alter, nämlich von achtzig Jahren gebe; fo müfl 
man feine Geburt in die 38 Olympiade herunterſchieben. 
(Freret hätte hier gar nicht zweifeln follen: denn Hero⸗ 
dots und Eufebit Zeugniſſe überwiegen bie Angabe dis | 
oft unrichtigen Apollodorus ohne Verhaͤltniß. Mon 
- ann daher ohne alles Bedenken die 38 Olympiade als 

Diejenige anfehen, In welcher Thales gebohren worden). 
BE Wenn man es endlich zugebe, daß Pythagorat 
auch ben Anarimander gehört habe; fo muͤſſe man bie 
Geburt des erftern nothwendig diſſelts 640 vor C. ©. her | 
unterſinken laffen. - Denn Anarimander war nad) Apel⸗ 
lodors Berichte im aten Jahre bee 58 Dlpmplabde 64 
Jahre alt, und alfo 614 oder 15 geboßren: aus welchem 
Date es viel wahrfcheinlicher werde, daß Pythagoras 
‚ biffeits 600 J. wor Eh. Geb., als vor biefem Zeitpuncte 
gebohren worden ſey. (Wenn Anaximander auch nicht 
der Lehrer des Pythagoras war, welches man, wit ich 
glaube, aus feinem vernünftigen Grunde ablaͤugnen kann; 
fo muß man ihn doc) immer um brey Olympiaben älter, 
als den Pherefydes, und alfo wenigſtens um 6 Olympia 
den älter, als den Pythagoras annehmen). 
Zulezt kommt Freret zur. Unterfuchung bes Zeitel 
‚ters ber Männer, bie man für- Schüler oder auch Nach— 
folger des Pythagoras gehalten habe. - Aus der Gage 
__ bemerkt er richtig, daß Zamolpie ein Sclave bes Pytha⸗ 
goras geweſen ſey, koͤnne man nichts für das hohe Alten 
cthum des leztern ſchließen; well Herodot das ganze Gerüdk 
für falſch erklaͤre. Eben fo ſchwach ſey das Räfennement, 
wodburch de ia Nauje den Zaleukus zu einem Gr 





— 


Schhihte ber Vythe gerelche Cefstfäft. 3 339 


Samifchen Philoſophen zu machen ſuche. Die Worte 


ws Demoſthenes, worauf er ſich gründe, fenen unbe . 


limmt; Eufebius fege den Zaleukus in bas zte Jahr der 
9 Olympiade, und mit diefem überelnftimmend gaben 
Sfymnus von Ehies *) und Strabo **) die Geſeze bes 
zaleukus für die aͤlteſten gefchriebenen Geſeze in Gries 
benland aus, deren Bekanntmachung alfo Prrhagoras 
mmöglich häste erleben önnen, — Endlich fen Die Nach⸗ 
Ihe, als wenn Charondas vom Pythagoras gebil⸗ 
et worden, im geringſten nicht einer chronologiſchen 


dypotheſe guͤnſtig, wodurch bie Geburt des Prrhagoras 
n die 35 Oymplade versücht werde. Ariſtoteles verlache 


iejenigen, die ben Charondas zu einem Freunde des Za⸗ 
eukus machten **9), und nach dem Diodor habe 
Charondas gar erſt feine Geſeze für die Bürger von Thu⸗ 


ium gefchrieben, welche Stadt in 83 DI. 3. gegründet wor · 


en fer. . Wenn man aber auch zugeben wolle, daß 
Iharendas. ber Urheber der Geſezgebung von Nhegium, 
ie durch die Thranney des Anarllas abgefchaft wurbe, 
eweſen ſeh; fo folge Hieraus nichts, was. bie Meynung 


es de la Mauze beftätigen Fönne; Indem man nicht wiffe, . 


He lange man die Befeze des Charonda⸗ bis auf den 
lnaxilas, der Im dritten Jahre der 71 DI. zu herrſchen 
fing, beobachtet habe. 


‚Hier bricht Freret feine Betrachtungen üben die 


zitrechnung der Maͤnner ab, aus deren Alter de la 
auge bie Erode der Geburt des Prchogcea⸗ zu beſtim⸗ 








34 mn 
Iv 


v. 499. 
“NV. 12, de Rep, 


v 





360 Drittes Buch; 


men ſuchte. Unftreitig waren aber die. Data der Alte 
über die Zeit, warın Hippafus, Alkmaͤon, Herakllt, 
Henophamenes, Parmenibes und andere gelebt hatten, 

das ſcheinbarſte, mas de la Nauze für feine Behau— 

vorgebracht hatte: Hier nun, wo fein Widerſacher im 
ſtaͤrkſten iſt, ſchlaͤgt er ihn bloß Durch bie Anmerkung: 
daß, wenn auch In ben Nachrichten ber Alten über bi 
Epochen beruͤhmter Männer, bie man für Zeitgenoffa 

‚ober Nachfolger bes Pythagoras ausgegeben habe, fih 
etwas finden follte, mas mit den ausgemachteften Dark 

. der Zeitrehnung. bes leztern fich nicht vereinigen lafk, 
man erft prüfen müffe, wie viel Glauben ſolche wit 
ſprechende Stellen verbienten, und ob fie allen den Zug 

niſſen, denen fie entgegenſtuͤnden, das Gleichgewiqh 
- halten könnten? 

Ä Nachdem ich ist ben Grund ober Ungrund die 
mir befannten merkwuͤrdigen Meynungen über dei 
Zeitalter des Ppthagoras, und , zugleich de 
Sinn, ober die Büttigkeit und Unguͤltigkeit ber meiltn 

* Stellen, die zum Grunde gelegt worben find, ober geld 
werden muͤſſen, geprüft habe; fo wird es mir um bel 
leichter werben, meine eigenen Gedanken über biefen u 
genſtand in aller Kürze zufammenzufaffen. Ich ſchmeicht 
mir, daß ich feine von den Grundfäzen beleidigen wer, 
die ich anfangs wiebergelege, und nach welchen ich andere 
gerichtet habe. Auch werde ich aufrichtig alle Zeugniſt 
und Schwierigkeiten anzeigen, die meinen Vermutham⸗ 
gen entgegen ſtehen. 

Wenn man die fur, vorher aus dem Freret mit 

‚ geteilten, und von mir beſtaͤtigten ober berichtigin 

wahrſcheinlichſten Berechnungen bes Zeitalters der Min 

ne 












Sfäiste der en Geſellſchaft. 961 | 


ner gelten zace, die alle Lehrer des Pythagoras, eder 
doch gewiß älter als er waren, und ihnen zufolge an⸗ 
nimmt, daß Thales in ber 38 ober hoͤchſtens 35, Anaxi⸗ 
manber in der 42 , und Pherekydes in der 45 Olympiabe 
gebohren worden; fo muß man geneigt werben, bie @eburt 
des Pythagoras nicht nur über Die. 45 Olympiade herab, 
fondern auch näher an die funfzigfte als an die 45 zu ſezen. 
Eine jede ber angegebenen Epochen der Borgänger des 
Pythagoras gruͤndet ſich auf die glaubwuͤrdigſten Data - 
mehrerer Schriſtſteller, und eine jebe ift alfo einzeln für 
ſich betrachtet, aunehmenswerth. Um deſto größer wird 
daher ihr Gewmicht, da fie unter einander fo vollkommen 
übereinflimmen, und Peiner einzigen etwas mit Grunde 
ettgegengefezt werden kann. Ich will aber dennoch aus 
der Harmonie der Zeitrechnungen bes Thales, Anaximan⸗ 


ber und Pherekydes nichts weiter fchließen , als daß es . - | 


wahrſcheinlich ſey, daß, Pythagoras mehrere Olympiaden 

nach der 45 gebohren worben, 
| Die eigentliche Zeit ober das Jahr der Geburt bes 
Pythagoras hat Feiner beſtimmt, als ein gewiffer Anti⸗ 
lochus, deffen Zeitalter unbefannt if}, und der nur. dom 
Ciemens *) und einem ungenannten Zeitrechner angeführt 
wird. u Beyde ——— ſagen vom Antilechug, 
5 daß 


) Clem a AvrıAoxos de. ö rar Igogus Men YnaTsuCu- 
usvos no Tns TluIayoos * em rnm' Emı- 











KELE reAsurny > yaumAiovos d 0 dexary Ta 
 EVE Yavopaıny, 873 Deceır BAT TRIKOT 
wdene! 


We) Anonymus, OAuumiadar areyenQe auf, nd Olymp, 
XLIX, 2. &r0UuJev Arrinoxes rus Toy inogav 
| ze 


“ 


362 Drittes Buß. 


daß er bie Geſchichte der Griechiſchen Weltwelſen von bee 

‚ AAınıoc- bes Pythagoras bis auf ben Tod bes Epikur be⸗ 
ſchrieben, und daß er diefen Zeitraum auf 312 Jahre be⸗ 
sechnet Gabe. Wenn man nun von bem Tobesjahr des 
Epikur *) 312 Jahre zurück rechnet, fo fält-bie HAmız 
des Pythagoras, mit welcher Antilochus feine Geſchichte 
anfieng, in das ate Jahr ber 49 Olympiade, wie ber 
uunngenannte Zeltrechuer ſchon anmerkte. Hier entflanb 
nun Streit über die Bedeutung des Worts NArnı. 
Bentley bewies mit mehrern Benfpielen (und ihm ſtimm⸗ 

ten tloyd und reret bey); daß nAın für bas blühende 
Alter von Männern gebraucht werde, und mit: axun 
einerley ſey. Doedwell Hingegen chat mit eben fo entichel- 
denden Stellen aus ben Demoſthenes und Piutarch dar *), 
daß HAsxıos mit aetas, ober mit Zeitalter gleichgelcenb 
ſey, und nicht immer ein beftimmtes Alter, eine fefte 
Stufe im menfchlichen Leben anzeige, In diefer Bedeu⸗ 
‚tung nahm Antilochus unftreitig dies Wort in dem ange 
führten Fragment: denn er trug bie Gefchichte ber Welt. 
weiſen vom Pothageras bis auf den Epikur vor, und fieng 
alfo eben fo wahrfcheinlich mic dem Sehen, oder ber Geburt 
“ det 


N 





FOR Yuareines wpxeras. Idem ad Olymp. XVII. 2, 
Avrinoxos 0 TES ISoùenms FERYURTEUCEUEIOL Buzo 
Ts Ivdayogs nAmıas er vov Errıneos TeAeurp, 
ern Drası Tu navra Tiß. — Ich uͤbergehe hier das 
Zeugniß bes Eratoſthenes und Phavorin, nicht nur, 
weil ich es oben ſo beftritten babe, fondern weil man 
daraus zwar die Olympiade, aber nicht das Jahr heraus 
bringen koͤnnte, in weldhem Pythagoras nach diefer 

Männer Meynung gebohren worden. . 
Ol. 127. 2.. ze ' 
. \ °.) 105. P; de act. Pytk, 


\ 


Geſchichte bei Pythagoreiſchen Geſelſchaft. 366 


es erſtern an, wie er mit dem Tobe bes leztern aufbärte, 


dieſe Erklaͤrung ber zweydeutigen Stelle bes Antilochus J 


ſtalhn Geſezen ber richtigen Auslegungskunſt fo ent ſpre⸗ 
hend, daß man ſich kaum vorſtellen kann, wie man je 
uf eine andere fallen koͤnnte. Einem jeden, ſcheint es, 
nuͤſe es einleuchten, wie lächerlich und unglaublich es 


nn, daß ein Mann, ber bie Geſchichte der Weltweisheit 


‚on einem gewiſſen Phileſophen bis auf den Tod bes an⸗ 
een abzuhandeln fich vorgenommen hatte, daß biefer von 
om Leben desjenigen, mit welchem er anfieng, einem 
heit abgefehnirten und zuruͤck gelaffen hätte, da er bas 
pange Leben des leztern, mic dem er aufbörte, in fein Werk 
einſchloß. Vernuͤnftiger Weiſe alfo läßt ſich nicht baran 


zweifeln, daß Antilochus die Geburt bes Pythagoras in 


das ate Jahr der 49 DI, gefegt habe, von welchem er 
ausging, Eine ganz andere Frage aber ift diefe: ob Ans 
tilochus richtig rechnete, und ob man feiner Angabe beys 
fimmen muͤſſe? Wir fennen nämlich weber feinen Fleiß, 


* 


noch feinen Scharffinn, noch bie Männer, denen er 


folgte, noch bie Gruͤnde, auf welchen feine Rechnung 


beruhte. Much blieb er den berühmteften Schriftſtellern 
unter Griechen und Roͤmern unbefannf > lauter Um 
fände, die, wie es ſcheint, nicht viel günftiges für den 
Antilehus und fein Zeugniß fchließen laſſen. — Daraus 
aber allein, daß Antilochus nur von einigen genannt more 


den iſt, folge nichts nachthelllges, wenigſtens niche für 
den Fleiß oder die Genauigkeit biefes Geſchichtſchreibers; 


denn auch die Werke des Sertus, und einiger anderer 
berühmter Griechiſcher Weltweiſen find oft nur von einem 


eder einigen ermähnt worden, Aus ben benden Stellen 


hingegen, die Clemens und ber ungenannte Chronolos 


aus 


- 





Drittes Buch. 


aus ihm. erhalten haben; muß man wenigfiens fo u 
vermuthen, daß er in Unterfuchungen, die zur Zeitud 
nung gehörten, - genauer und forgfältiger war, als dı 
Griechen gewoͤhnlich zu ſeyn pflegten. Er. gab nämlif 
nicht nur ganz genau ben Zeittaum, ober Die Menge ma 
‚Jahren an, die feine Gefchichte in ſich begriff, fonben 
er beftimmte audy die Zeit des Tobes des Epikur uf 
Monath und Tag, ch will mich äber dieſer Vortfei 
und. der dem Antilochus günftigen Umſtaͤnde nicht einmal 
bebienen, fondern fein Zeugniß nur als.ein ſolches ans 
-sen, das für ſich gar-keine Glaubwürdigkeit har, u 


beſſen Werth ganz von ber Uebereinſtimmung deffabn 


mit andern ſchon geprüften wahrſcheinlichen "Datis ah 
hängt. Vergleicht man es nun mit der Zeitrechnung m 
: Männer, bie dem ganzen Alterthum zufolge vor ben 
Pythagoras gebohren wurden; fo wirb es dadurch nit! 
nur nicht widertege, fondern fogar beſtaͤtigt. Denn wm 
Thales in der 38, Anarimander in der zwey und Hin 
zigſten, und Pherekydes in ber fünf und vienip 
ften Olympiade geboßren wurben; fo ift es ſehr wahr 
ſcheinlich, daß die Geburt des Pythagoras obngefähr in 
die 49 Olympiade gefallen fen. J 

Die Rechnung des Aatilochus entſpricht nicht nz 
ben Chronologien der Lehrer und Vorgänger des Pytho 
goras; fondern fie ſtimmt auch vollkommen mit ben An 
gaben ber glaubwürdigften Schriftſteller überein, bie ven 
ber Blüche, ober dem ſich ausbreltenden, ober (hen 
ı . ausgebreiteten Ruhme bes Pythagoras reden. Seine 

Bluͤthe ſezt Diegenes in die 60 ), Diodor, der, mi 


U 02 








. ®. von, 45: ' 2 





\ 


Geſchichte ber Pythagoreiſchen Geſellſchaft. 365 
ch oben gezeigt habe, die beſten Schriftfteller vor ſich 
atte, in die 6 *), und Auguſtin in die 62 Ol., mit 
vlhen Tatlan, Clemens und Kyrill zufammenzuftinte 
nen (heinen **), Dieſe Bluͤthe des Pythagoras muß 
nan durchaus mehrere Fahre nach: feiner Ankunft im 
Yullen annehmen, weil er ſich vorher nirgends zeigte, 
md Zeit dazu erfodert wurde, ehe er als ein Fremdling 
Infehen und Freunde gewinnen konnte. Auch aus Dies 
os Worten ***) kann man nicht anders fließen, ale 
af Pythagoras zu der Zeit, als er berühmt zu werben 
fing, fich fchon einige Zeit in Italien aufgehalten 
satte, Aus dieſen Zeugniffen wird es daher wahrſchein⸗ 
ic), daß Pythagoras noch vor der 60 Olympiade nah 
Itallen gefommen fenn müffe. Nun wiffen wir ferner | 
aus dem Zeugniffe. des Ariftorenus, daß Pythagoras 
hngefähr 40 Jahr alt war, als er aus Samos entwich, 
um ſich in Italien niederzulaſſen; und auch aus dieſer 
Nachricht, verbunden mit den Datis des Diodor und 
Diogenes über die Bluͤthe des Pythageras, muß man 
alfo den Schluß ziehen, daß er gegen das Ende der 49 
Olympiade gebohren worden fen. 

Das Zeuguiß des Antilochus entſpricht daher ſowo 
der Zeitrechnung des Thales, Anaximander und Pheres 


. 


. x 





— — 
*) Tom. Il. Exe. p. 553. 54. Ed. Weflel, 
%) Siehe Beni. p. 49. 0 x 
"*), Diodor. 553. 54. ori em œgxorros Adna 

OrenAsuc nur Tv * OAvumade, Hugayooas 
ö DiAocoDos EyvmeıClero; Fooxenodos nn ev 
madeıa. Yeyovs de Isogius Wr 2 Ka TIs Ere= 
eos Toy TER aIdeIaY diareı avrav. Yeyova ds 
Zenies To yeros. ol de Daow orı Tugenvos. etc, - 





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kydes, 


S 


! - 


366 Deittes Bu 


kodes / als den loubwindigltenkehihimmhenderäeihere 


Diogenes und Diodor, über das Alter und die Zelt, 


Endlich beftätigen Uvlus, ber die Reiſe des Pytha— 


‚a6 nad) Itallen in die Regierung des Servlus Tuli 


welchen er ‘in Italien angelange fey, ober geblüht z 


ſezt, ferner Tatian, Clemens und Auguſtin, welche | 


babe, die Angabe bes Antilochus mehr, als fie voni 
abweichen, da fie hingegen den Nechnungen des Feat, 


gen, baß er um bie 62 Olympiade geblüht ober s 
Dodwell, Bentley und Loyd offenbar wiberfprecdyen, or 


bdoch ſehr ſchwer damit zu vereinigen find, 


In ber ganzen sebensgefchichte bes Porhagoret i 
fein Umftand fo gewiß, und durch ſo viele glaubwürdig 
Stellen der Alten bewährt, als dieſer: daß Ppehaget 
noch gelebt, und feine Schule noch gebluͤht habe, als ti 
Krotonlaten unter ber. Anführung eines feiner he 
süßmteften Freunde, des Rämpfers Milo, die Sybark 
ten überwunden *), welcher Gieg in. das vierte Jahr ve 





67 Di. faͤllt. Wie bald aber auf die Zerſtoͤrung m 


Spbaris der Untergang feines Bundes gefolgt fey, (iR 


ſich vielleicht gar nicht, wenigftens nicht aus unzweyde 


tigen Stellen alter Gefchichtfchreiber beftimmen. Au 
der Erzählung des Apollonius, (dem Ich in blefem Frog 


- ment mehr als fonft zutraue, weil er Die Veranlaſſungen 


\ 


‚bes Aufftandes, und die Befchwerden wider die Porhe 


goreer, fo umſtaͤndlich ausführt, als fie niemand ohne 
Urkunden erdichten koͤnnte, und weil er, ohne es zu mer 
| fen, 
®) Died, XII. 483. Cie. Tufe, Q. 1.16. A ou. ap. Jaubl. 
a Ariftox, ib, 249. Porph. 54. 1, r > 





EEE 





bſbaie der = Pocheboeeiden en Sch. 7 


im , derſhledene Facta einmiſcht, die feiner genen 


Schilderung bes Pythagoras widerſprechen) aus der Er 


zäblung des Apollonlus alſo muß man zwar vermuthen, 
daß der Pythagoreiſche Bund nicht fo gar lange nad) dem 
Siege der Krotoniaten aufgelöft wurde; allein man fins 
det darinn nicht ein einziges Wcrt, weraus man zu ſchlie⸗ 
Ben berechtigt wäre, daß bie Verſchwoͤrung der Feinde 
der Pythagoreer fo bald reif geworden und ausgebrochen 
fen, ats Bentley, !opb und be la Nauze annehmen. 
Vielmehr iſt es wahrſcheinlich, daß Pythagoras und feine 
Parthey durch den glücklichen Erfolg des Raths *), ben 
dee erfiere Den Krotoniaten gegeben hatte, und durch 
den glängenben Sieg , ben biefe vorzüglich dem Pythago⸗ 
reer Milo ſchuldig waren, auf eine Zeitlang, ein weit . 
groͤßers Anfehen, und einen maͤchtigern Einfluß erhiel⸗ 
len, als fie vorher ‚gehabt Hatten. Unwahrſcheinlich hin⸗ 
gegen ift es, daB bie Einwohner‘ von Krolon gleich im 
erften ober zweyten Jahre nach dem Umſturze von Eybas 
ris die Verdienſte ihrer Wohlthaͤter fo ſehr vergeffen, und 
eine Gegenparthey fo fehr begünftige haben, daß bie - 
Sieger ihrer Feinde, und die Erhalter Ihrer Vaterſtadt 


dadurch härten vertilgt werden koͤnnen. Viel glaublicher  - 


iſt es, daß mehrere Jahre darüber hingingen, bis man 
bie weifeften und tapferften Mitbürger beym großen Haus 
fen fo verbächtig machen, und eine fo mächtige Rotte gegen 
fie zufammen bringen fonnte, daB man es mit irgenb 
einem Scheine von stüflichem Erfolge wagen durfte, fie 
Ä mit 


) Mimlich den übermäthigen Sybariten bie Fluͤchtlinge 


nicht auszuliefern, die fie zuruͤck foderten, und die ſich 


ua den. an der Riotoniaten begeben hatten, | 


J 
° . 
‚I 
3 
e * 


zo8 Drcittes Buch. 
mit afenbarer Gewalt anzugreifen, und entweder iu er⸗ 
morden, oder ins Elend zu jagen. 

Eine ſolche Vorausſezung wird fafl nechwendig , 


wenn man mit dem Dikaͤarch und Polybius annimmt, 
daß die Verſchwoͤrung wider die Pythagoreer nicht bloß 


auf Kroton eingeſchraͤnkt geweſen, ſondern in den meiſten 


Staͤdten von Großgriechenland auf einmal wider fie aus⸗ 
"gebrochen fen, denn fo allgemeine und gleichzeitige Wer. 
ſtſhwoͤrungen gegen einen fo mächtigen Bund; als ber. Py⸗ 
thagoreiſche war, koͤnnen nicht in einem fo. einen Zei 
raum, als man gemelniglich zwifchen dem Untergange 
yon Sybaris, und ber Pythagoreiſchen Geſellſchaft ans 
nimmt, entworfen und ausgeführt werben. Man feit 
daher, ‚glaube ich, mit mehrerm Grunde die Zerſtoͤrung 
der Pythagoreiſchen Schule in den Anfang, oder bie erfie 
- Hälfte der 69 als ber 68ten Olympiade. 

" Ahle alte Schriftfteller *) fagen entweber, daß Die 
thagoras in dem allgemeinen Aufſtande umgekommen, oder 
daß er kurz nachher geſtorben fen, welches leztere Dikaͤ 
arch, und aus Ihm wahrſcheinlich Juſtin verſichern **), 
Hoͤchſtens alſo überlebte er den Untergang feiner Freunde 
um einige Monarhe, und man muß daher annehmen, daß 
er in der erften Hälfte der 69 Olympiade geftorben ſey. 
Dies ſtimmt niche nur mit allen bisher angeführten 
tis, fondern auch mit den fchon oft erwähnten Zeugniffen 
des Heraklides beym Diogenes, und eines ungewiſſen 
Stchriftſtellers beym Jamblich überein, unter weichen 
jener dem Pychagoras ein Alter von Bo Jahren und, und 
. biefer 











. | —. j 
*) 54. ©. Ben 
*) Disaeareh, * Bios. VI 12. ap. Porph.se, JoR. XX.& 


N 


- 


Geſchichte ber Pythagoreiſchen Geſellſchaft. 369 
biefer ihn 39 Johte feine Squl⸗ In Itallen regieren 
ließ, 

Späte ale den Anfang ber 65 DI, kann man ben 

Lod bes Porbagoras, und die Auflöfung feines Bundes - 
nicht herabfegen, weil Ernophanes und Heraklit *) vom 
HPhehagoras als einem Verſtorbenen reden, und Arifiotes 
les niche nur Die Meynung des Hippafus, fondern auch 
bie Sehren aller Alteften Phthagoreet ſtets vor denen der 
Eleatiter und des Heraflit anfuͤhrt. Tenophanes war 
jwar ein Zeltgenoß des Pyhthagoras, denn er bluͤhte um 
bie #*) 60, DI. ***), er wurde aber älter als Pythagoras, 
weil er ſich, ſeinem eigenen Zeugniſſe zufolge, uͤber ſieben 
und ſechzig Jahre außer feinem Vaterlande aufhielt, und 
bis In die Reglerung des Hlero, und das Zeitalter des 
Epicharmus hinein lebte +). Heraklit blühte um die 69 
Ölpmpiade, und in diefer Olympiade mufte Phhthagoras 
(han geftorben feyn, weil Hetaklit gewiß nicht eher bluͤ⸗ 
hend genannt wurde, als bis er feln Werk über die Ma» 
tue der Dinge irn Tempel ber Diana niedergelegt harte. — 
Wollte aber jemand ben Tod des Pyhihagoras mit dem 
Eufehlus einige Jahre höher hinaufruͤcken, naͤmlich ins 
dritte Jaht Der 68 Ötympiade ſo haͤtte ich auch Dagegen . 
nichts einzumenden. Mut wuͤtde man alsbenn diefen 
| | Ph 


vnt. 6. 36. Diog, 

*) Apollodor fehlte unftteitig, wenn er dh Eenophanes 
in die 40 Olympiade ſezte. Sotion hingegen konnte 
tin Recht ſagen, daß dieſer welrweiſe e ein eitgenoß 
bes Anagimanders geweſen ſey. 

*) Bing, IX. 2 

h Diog. 1X, 19 * Finseus ap. lem, Ströu. 1. 301. 


Us: 








in 2 
m 





Phlloſophen nicht 80 Jahre alt werben: faffen koͤnnen, 
was auch gar nicht nörhig iſt, ba die Nachrichten von dr 

 $ebenslänge bes Pythagoras unter allen bie unſi cherſten, 
und mit ſich ſelbſt am meiſten ſtreitenden ſind. 

Diefe Zeitrechnung des Pythagoras nun, nah 
welcher .er einige Jahre vor der so Ol. gebohten wurde, 
eben fo lange vor der Go nach Itallen fam, und im Anı 
fange ber 69 oder am Ende ber 68 ftarb, iſt, glaube 

A, unter allen diejenige, zu deren, Beſtaͤtigung die 
meiften Data zuverlaͤſſiger Gefchichtfchreiber, Die vom 
Pythagoras gehandelt haben, und alles zunerläffige oder 
wahrſcheinliche, was wir von den -Zeitgenoffen dleſes 
Mannes, ober von feinen Vorgaͤngern und Nachfelgen 
wiſſen, zuſammen flimmen, zu deren Vertheidigung 
ferner Beine einzige wichtige Stelle, die man nicht ganz ga 
verwerfen ſich unterſtehen darf, gewaltſam verdreht za 
werden braucht, ‘und welcher endlich Peine andere Schrift 
ſteller widerfptechen,, als die entweder mit ſich ſelbſt nicht 

elnig find, oder auch von einer groͤßern Zahl gepruͤſtern 
‚Zeugen überflimme und widerlegt werden. Offenbar fireh 
ten wider bie Beſtimmung des Zeitalters des Prhagores, 
die mir Die annehmlichfte fcheint, nur Eratoſthenes und 
Phavorin, ferner Apollonius, Nikomachus, Cicao, 
Solin, Paſchalis, Juſtin und die Maͤnner, die dem 
Pythagoras ein hoͤheres als achtzigjaͤhriges Alter gegeben 
haben. 
| Bon ben beyden erftern Echriftfteliern brauche lch 
nichts weiter .gu fagen, da ich oben weitläuftig von ihren 

-  Beugniffen geredet habe. Apollonius läßt den Helden, 

“dem er nachzuahmen glaubte, erſt im 56 Fahre nad 
. Samps zuruͤck kommen, anſtatt daß Ariſtoxenus, dem 

) | - \ | r ih 


Geſchichte der Pythagoreiſchen Gefelſchaft. 371 
Id) gefolgt bin, ihn ſchon im vlerzigſten Jahre nach Jar 


llen reiſen ließ, Wer kann aber hier nur einen Augen “· 


blick zweifeln, den erſtern gegen den leztern zu verlaſſen, 
beſonders ba mit dieſem Die beſten übrigen Geſchichtſchrei. 
ber hatmoniten, und mit jenem unvereinbar find, ⸗ 
Nikomachus ſezt die Ankunft des Pythagoras in die 64 
Olympiade : Cicero In bie Regierung des Tarquinius 
Euperbus*): Solin erft nach 68. 1. und Paſchalis pin. 
gegen die Zeit, wann er berühmt zu werben anfing, In 
die 45 Ol. — Iſt aber unter allen diefen gegen einan⸗ 
der gekehrten Zeugniſſen, von denen man keines anneh⸗ 
men kann, ohne die übrigen zu verwerfen, wohl ein ein.“ 
ziges, das den Angaben des Diogenes, Diodor, Livlus 
und der meiften Kirchenvaͤter, von der Zeit dee Bluͤthe 
des Pythagoras, ober feiner Reife nach Großgriechenland, 
das Steichgewicht halten Pönnte, wenn auch Die lestern 
nicht durch die ganze übrige Zeitrechnung Des Pythagoras 
beftärige, und jene nicht zernichter würden **)? — Auch 
Juſtin, det den Phehagoras nur zwanzig Fahre in Kras 
ton wohnen läßt, kann nicht vertheidigt werden, wenn 
man nicht dem Ariftopenus, und allen Denen entfagen 
will, die den Pythagoras zwilchen DI. So: 64 blühen, 
und erft noch 67. 4. fterben laſſen. — Wenn 'ich endlich 
dem Heraklides beyſtimme, und die übrigen Nachrichten 
verwerfe, nach meichen Pythagoras Ye, ober 99, oder 104, 
U das oder 
4 4 a . eu 2 . R , " ‘ 
eig Biefen Schriftſtellern, Stcero, . 
war hkein genauer Zeitrehner: Dean -fehe folgende 
"Stellen über die Zeitalter der Geftjgeber und Weifen 
Gricchenlandes, ind Aber das des Themiſtokles. de Orat, 
11.323. Brut, id, Tufc, Quach. 1,3, | 





j s m. * .. Su 








”. 


B7a Deitted Buch, 


‚Sale und. > Rasfaige kennen lernten, und ihre Mey 


— 


‚sber 117 Jahre af geworben ſeyn ſoll; ſo thue Ich dieſes 
nicht deßwegen, weil ich überzeugt bin, daß Seropiors 


Sohn das Alter des Pythagoras beſſer wiſſen konnte, 
als andere, ober daB er ſichrere Urkunden brauchte, ſondern 


weil ich bey einer ohngefaͤhr gleichen Glaubwuͤrdigkeit aller 
abweichenden Erzählungen bie erfiere mic der. Chronologie 
des Porhagoras am / meiſten uͤbereinſtimmend finde. Un: 
terdeſſen ift ber‘ Widerſpruch don vier Nachrichten fein 


| Vorwurf , ber meine Meynung allein traͤſe; wenn dies 


anders ein Vorwurf iſt, ſo iſt er unvermeidlich, und man 


kann ihn nicht nur allen bisher bekannten, fondern auch 
oflen nur. möglichen Hypotheſen machen. Man mag au 


nehmen, ‚welche Nachricht man will; fo muß man im 
mer vier abwelchenden allen Glauben aöfprepen. 


Wenn man nun ale ausgemacht feſtſezt, daß Py⸗ 


thagoras noch vor der 70 Olympiade geftorben,, und feine 


Geſellſchaft zu Grunde gerichtet oder zerfirent worden ſeh; 
fo muß man folgende Claffen oder Geſchlechteꝛ von m 
thagoreern annehmen. 


Aelteſte ober wahre Porhagoreer verdienen nur al 
fein Diejenigen genannt zu werden, bie Zeitgenoffen des 
Pythagoras, und. Thellnehmer feines Bundes waren. - 
In diefe erfte Claſſe kann niemand gefezt werden, von 
dem es nicht bewieſen iſt, daß er vor der 65 O1, gebohren, 
und in den noch blühenden Pythagoreiſchen Bund wirk⸗ 
lich aufgenommen worden. ine zweyte Claſſe von Pr 
thagoreern machen diejenigen. aus, bie nach der Zerflößr 

rung. det Ppehagoreifchen Geſellſchaften einzelne Mit - 
glieder derfeiben,, die fid) gerettet hatten, oder audh deren 


nungen 





- 


_ En N 
Geſchichte der Pythagoreiſchen Gefellichaft, 973 
nungen umd Sebensart annahmen *), Nach ber fürchten. 
lien Empörung nämlich, In welcher der größte und 
edelſte Theil der Pythagoreer gefallen war ‚verließen bie 
wenigen, die fich gerettet hatten, nicht ſogleich ihre Grund 
füge und Lebensart, am bie fie ſich gemöhng hatten, fon« 
bern pflanzten beyde zugleich mit dem Mamen auf andere 
fort, ungeachtet dieſe Männer; die ſich Pythagoreer 
nannten, nicht mehr fo genan als fonft vereinigt waren, 
Der Name und die Nachfolger der Pythagoreer "dauerte 
daher bis’ auf die Zeiten des Ariftorenus und Heraflides 
fort, in welchen die festen gelebt haben follen **). Aus’ 
diefer zweyten Claſſe muß man bey gewiſſen ragen ſorg⸗ 
fültig diejenigen , die vor bem-Aharagoras lebten und ge” 
fihriebem haben, von denen unterfcheiden, die erfi nad’ 
dem Weifen von Klazomene berühmt oder Schriftfteller 
wurden. — Nach den kurz vorher angeführten Zeugniffen 
des Diogenes und Cicero, erlofch die Pythagoreiſche Phi⸗ 
loſophie in’ Sriechenland ohngefaͤhr gegen die 130 Olym⸗ 
piade, allein diefer Tod oder Schlummer daurete nicht‘ 
linge. Denn fon im Zeitalter des Cicero, Jullus Caͤ 
Aa3lary 


7 
guums 





Fr . 
ED GRUREERESEEEREBEED 








#) Diefe nennt Iſokrates in einer Stelle, die ich bald anfühs, j 
‚ren werde, nur angebliche Pythagoreer. 
**) TeAsuraiı Yageysvonra Tay Ilv9ayopsos us nals: 
 Agısofevos ‚ade, ZevoßsAus Te GngaAxıdeus, ann 
Oegunns, ncı Davray q PAsurros s u EXEsQan . 
vns, no AsonAyg., wos TloeAuuvesas, DAsaossı 
so auto, Diog, VII, 46. Hieher gehört auch fol⸗ 
gende Stelle des" Cicero: Denlque fie iudies, poft jl- 

los nobiles Pythagoreos,, quorum difciplins exfinfta 

er quodammodo, cum aliquut ſaecula in Italia Siel- 

‚ Haque viguiflst ; hune ezfitiffe (Nigtdiom) qui illam 
zeuovaret, frag. de Univetſo. init, - ' = 


\ 


» L Vin Ap, Te 


m: Dei Bu 


" far und Auguſt fanden ſich viele angefehene Männer , bie 
ſich für Pyothagoreer ausgaben und bafür gehalten wurden, 


Dergleichen waren Figulus, Vatinius, Cotion von 


Aleranprien, Anorllaus von Sarlffa, und Sertius: fer« 
ner Diogenes *), Enbarus **), Philo ***) und ber Pys 
tbagoreer Euxenus, den Apollonius zu Tarſus hörte 4), 


- Aus dieſem Werzeichniffe fieht man, daß es eine freund» 


ſchaftliche Schmeicheley war, menn Eicero den Nigidius 
einen Wiedererwecker der Pythagoreiſchen Phllofophie- 
nannte, . Höchft wahrfcheinlich hatte Nigidius, wie Va⸗ 
tinlus, ben Hang zur angeblich. Pythagoreiſchen Phlloſo⸗ 
phie, entweder von einem der Maͤnner, die ich eben ge⸗ 
nonnt habe, ober auch von izt ganz vergeſſenen Griechen 
empfangeh, Aus ber Verſchiedenheit ‘der Jänder, in 
welchen Sotlon, ı Anarllas, Philo und Eupenus geboh⸗ 


ren worden waren, oder lehrten, muß man fchließen‘, 


baß die erneuerte Pythagoreiſche Weltweisheit faft ein 
Jahrhundert vor Chriſti Geburt fich wieder gezeigt habe, 
und mit dem Anfange unferee Zeitrechnung fehen Durch. 


alle Theile des Roͤmiſchen Reichs verbreitet..gemefen fen, 


Unter aflen denjenigen aber, bie fie befannren , verfchafte 
ihr feiner bey feinem Seben und nach feinem Tode mehr 
Verehrer und Bemunderer, als Apollonlus von Tyana, 
der im erſten und folgenden Jahrhunderte faſt allgemein 
als ein goͤttlicher Mann, als ein Freund und Vertrauter 
dar Götter, unb- als ein zwehter Pythagoras verehrt 


Ä wird, Durch ihn vorzägfich wurhen bie Pythagoreer 





e) Per in, "3 3. in 


2*5) m. 
“on, I 4. ’R 





ß 


Geſchichte der Pothaoraſchen Gelelſchaft. 375 | 


In den beyben erſten Jahrhunderten nach Chriſti Geburt 
fo zahlreich, daß fie vom Lucian und andern immer zu 
ven damals blühenden Sekten gezählt werben. Schon 
Im dritten Jahrhunderte wurden fie feltner, und mit dem 
slerten hörten fie ganz auf, well Piotin und beffen Nahe 

folger zwar allen Unfinn und Schwärmeregen der neu. 
em Porhagoreer in bie Platoniſche Philoſophie aufnah⸗ 
men, fich aber doch nicht Pythagoreer, ‚fondern Platonis 
fer nannten. — Diefe Folge von Männern nun, die 
wa vom erflen —88 vor Ch. Geb. bis in das 
dritte nach Ch. Geb. ſich fuͤr Schuͤler des Pythagoras 
ausgaben, machen die dritte und lezte Claſſe von Pytha⸗ 

goteeen unter ben Roͤmern und Griechen. aus. | 


Nachdem ich io die Zeitalter bes Vhrhagoras ie 
wohl, als ber verfchiedenen Geſchlechter feiner Schüler 
und Nachfolger beſtimmt und unterſchleden habs; fo 
Pönnte ich ohne Bedenken, da ich nicht eine Geſchichte 
des Pythagoras, ſondern der Pythagoreiſchen Philoſo⸗ 
phie, in fo ferne ſio ein Zweig ber alten Oriechiſchen 
Weltweisheit ift, -fchreibe, alle übrige Lebensumſtaͤnde 
des Pythagoras übergeben, Lnterdeffen kann ich doch 
einen einzigen wichtigen Abſchnitt feines $ebens, feine 
Reifen nämlich, nicht ganz unberührt laſſen, da er mir 
Gelegenheit geben wird, ben Urfprung eineg Jerthums, 
der unter den Griechen lange geherrfcht, und in der nem . 


ern Zeit fehr viele Bertheidiger gefunden hat und noch fine 


det, des Wahns von der Uebertragung ber Phlloſophie 
und Übrigen Wiffenfchaften, aus den Völkern Afızng una. Ä 
Aitens vo Oriedpenfand syien 0 . 


Kirn Wenn 


* 


376 Drittes Buch. 


Wenn man ben unten angefuͤhrten Gehriftfkel, 
fern *) glauben wollte, fo hatte Pythagoras faſt alle Wil. 
Fer beſucht, die ben Griechen zu, und kurz nach Alexan⸗ 
bers Zeiten befannt waren, und harte unter allen entwe⸗ 
der aus alten Schriften, oder auch aus dem Munde von 
„Prieſtern, die man als Kenner und Forſcher der Natur 
ſchildert, Weisheit gefammlet, Man nennt nicht nm 
die Phoͤnicier und Aegyptier, fondern Thracier, Juden, 
Araber, Chaldaͤer, Perſer und Indier, als dieje 
nigen Voͤlker, unter denen Pythagoras ſich auf 
haften und unterrichtet habe, In Phoͤniclen folfıe er di 
Arithmetik gelernt, und die Bücher des Moſchus gelefen 
in Yegupten Geometrie und Aftronsmie ergründet, in 
Chaldaͤa und Perfien vom Zabratus oder Zeroaſter die 
Zatzlenlehre, und die verſteckteſten Geheimniſſe der Natur 
empfangen; in Arabien ſich in der Sprache der Thiere. 
unterrichtet, in Indien die Kunſt mit Göttern‘ umzuge 
ben aus dem Munde der Brachmanen gefhöpft, und 
endlich in Judaͤa bie Schriften Mofis fludiere haben. 
Gleich nah Chriſtl Geburt fagten eu nicht bloß Juͤdiſche 

. ne und 
"F) Cie. Me Pin, V, 29. Cur Ipfe Pyihagaran & Angypiuw 
Jufrevit, & Berfarum magas adiit ? eur tanta F 















. nes barharorum podibus abilr.? tot matia traum 

Wie viel Ölanhen Bicero in biefer Erzählung verdiene, 
zeigt eine Ahnlite in feinen Tuſculaniſchen ragen 
IV, ı9. Pbilofopbiae denique ipſius priacipes nus- 
qusmp in fnis Audiig tantog progreffus fine fagrestl 
eupiditate fasoze potuiffent.. Uſtimas tertas lufralls 
Pychageram, Democritum ,„ Platonem arerpiaus, 
Man fehr ferner Hetmipp. sp. Jof. adv. Apionem I. f.«, 
Ktrsb. KIV. 638. Apoll. ap. Jepbhl. [. 14. & 1. Lyc. 
ap. Porph. $. 6. Nieg. ib. f. ı1, 12. Digg. VIII. 3. 
Plin. XXX. 1. Plutarch. de If, & QOLVII, 397 Euf, X. 4. 
Apul, pr 238. Ed, Calrid, 


— 


8 


GSeſchichte der Pythagoreiſchen Geſellſchaft. 377 | 


und Chriſtliche Schriftſteller, welche bie Juden und Chris 
ſten erheben, und die Griechen erniedrigen und demuͤthigen 
wollten, fondern bie berühmteften Gelehrten und Welt, 
welfen unter riechen und Römern glaubten es auch, dafl 
die Weltweishelt unter den Griechen nicht einheimifch, 
fondern barbarifchen Urfprungs fen, und daß ſowohl Pys 
thagoras, als Orpheus und Thales vor ihm, und Des 
mokrit, Plato und Eudoxus nach ihm, alle wifferifchoft: 
liche Kenntniffe auf ihren Reifen unter Aegyptiern, Chats 
biern, Phöniciern und andern Wöifern fid erworben | 
und nachher unter ihren Landesleuten verbreitet haͤtten. 
Faſt die einzige Abweichung von dieſer nad Chrifti Ger 
burt fo allgemeinen Meynung finder ſich im Anfange 
des erfien Buchs des Diogenes von Laerte, ber bier uns 
fireitig einem unbefannten, aber größern Manne folgte f 
als er ſelbſt war *). 

Ich wiederhole Hier nich, was Ich anbersmo aus 
unläugbaren Factis bewiefen habe; daß feine von. ben 
Nationen Aſiens oder Afrikens, deren Alterchum un 
Aufflärung man fo fehr bewundert hat, wiſſenſchaftliche 
Kenneniffe befeffen habe, und daß alfo weder die Philoſo⸗ 
phle, noch irgend eine andere Wiſſenſchaft, aus einem 
barbarifchen Wolfe, dos in dieſen Erdtpeilen wohnte, - 
nach &riechenland gebracht worden fe ; ich ſchraͤnke mich 
blee nur auf die Bemerfung ein , daß fein glaubwürbdiger 
Schriftſteller vor dem Alexander daran gedacht habe, bie 
wiſſenſchaftlichen Erfindungen der Griechen Ausländern 


| ” 4 zZugu⸗ 
— — 





*) —E Fa auras 78 av ‘EAN xæræe. 
Deka - r Bughagcıs Aemazterte. "Dig, 
3 


+ 


2: Drittes Bu 
und fest Hinzu, baß nicht er es allein fen, ber dieſe 
pfähle, fondern daß ſehr viele, ſowohl Zeitgenoffen 
Vorgänger, und unter den festeen befonders Pythage 
von Samos, eben biefes gethan harten. Dief.r 
nad) Aegypten. gereifer, ihr Schüler geworden , und f 
außer, daß er bie übrige Phitofophle zuerft in Griech 
hand eingeführe, Opfer und andere gottesdienfti 
Handlungen häufiger, und auf eine mehr in die Au 
fallende Art unternommen, als alle Weiſe vor ihm; 
der Hofnung, daß, wenn er dadurch bie Gnäde der @ 
ter auch nicht in einem hoͤhern Grade verdienen follte, 
doch gewiß einen größern Namen unter den-Menfdent 
langen würde. . Zu ' N 
Wenn Iſokrates an diefer Stefle auch ausbrüdi 
verſicherte, daß Pythagoras alle feine Kenntuiſſe 
Umgange mit ben Aegyptiſchen Prieſtern erworben 4 
fo würde doch Eein vernünftiger $efer deßwegen g 
Pönnen, daß der Mebner hier feine wahre Mepnunp 
- getragen habe, oder daß man feine Worte als ein hi 
ſches Zeugniß brauchen koͤnne. Iſokrates hatte fi 












B 





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. : Ursea[IaAav, Te Hall TASVERTERBS dravras 
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YEYaHEVES, U T@V OIKEISV ETIUEÄBJLEVES. 
TETAS EI HN TERTIZRI. ETIYaE yuy TESM 
TUBMEVES EHEWE yasnres EINS, naAlır 
‚Yavras Savmmlonev, NTRS 871 Ton Agsyen 
. „Keyisu defav exorras. 





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Erſchchte der Pythagoreiſchen Gefelfihaft. a8: 


ner Declqmotion auf den Buſiris vorgeſezt, die Mach? 
ner Deredfamfeit dadurch zu zeigen, daß er einen Mann 
n einer guten Seite fchilderte, deffen Name unter den 
riechen des-ftärffle Ausdruck eines grauſamen Wuͤterichs 
ar. Bey diefer Gelegenheit nun breitet er fich über die 
terdienfte und Tugenden ber Aegyptiſchen Priefter aus, 
ıd redet von beyden mit einer Waͤrme, die eben fo er. 
aſtelt iſt, als das Lob des Bufiris wenig aufrichtig 
ı, Um aber doch feinem verfchönerndeh Gemälde einen 
nftrih von Wahrheit zu geben, beruft er fich auf dem 
ythagoras von Samos, der unter den riechen als ein -. 
Jottgefälliger Mann berühmt war, und den Iſokrates, 
m ihm noch mehr Anfehen zu geben, ben Einfäprer aller 
uͤllichen Kenntniſſe in Griechenland nenne. Diefer 
erehrungswuͤrdige Weife habe (fagt er) die Heiligkeit der 


Iegpptifchen Priefter erfannt, und ihrem großen Mufler .- 


ı Folge ſich einem reinern beſſern Bötterdienfte ergeben, 
6 wovon die Griechen bis dahin gehört härten. Unge⸗ 
chtet nun aber Iſokrates wider fein beffera Wiflen, und 
der alle Wahrheit hinaus fomohl den Ppihagaras als 
le Aegyptiſchen Priefter erhob; fo wagte er es doch nicht, 
Iefe zu Bätern und Befizern aller Wiſſenſchaften, und 
men zu einem. bloßen Ableiter derfelben nach Griechen⸗ 
md zu machen, Er ruͤhmt die Naͤhrer und Waͤrter der 
leghptiſchen Götter vorzüglich wegen ihrer Heiligkeit, 
der wegen ihrer reinen, enthaltfamen und mäßigen Le—⸗ 
ensart, und gibt-den Pythagoras nur in fo ferne für ih⸗ 
in Schüler aus, in ſo ferne er dieſe Heiligkeit zu errei⸗ 
den ſich beftrebe harte, Aa Matt alfo bie falfche Men - 
ung von der Entſtehung aller Öriechifchen Wiffenfchaften - 
n Achmpcen zu beguͤnſtigen, widerlegt vielmehr die ob. 
ed . rede 
) ., - 


- , m 


382 Drittes. Buch, 

rede des gſokrates auf den Buſtris dleſen gegen bie Ol 
‘then fd ungerechten Irrthum, indem fie zeigt, daß es nit 
einmal verſchoͤnernden Panegyriſten wor den Zeiten Aleran 
ders in den Sinn gekemmen fey, die Aegpprifchen Prie 
ſter zu Lehrern und Ausbildern ber een Silegſ 
Weltweiſen zu machen. . 


Gleich nach dem Alexander aber fing de Bi 
an, fich unter den Griechen zu verbreiten? Daß die alıa 
berühmten Wölfer, die ber Makedoniſche Ersberet m 
weder bezwungen oder doch beſucht Hatte, ſeit unberfih 
chen Zeiten eben ſolche Naturforfcyer, Wiſſenſchafn 
und Mehnungen gehabt hätten, als die Griechen, mi 
daß die ganze Philoſophie der leztern, durch ben Dıpfat, 
.Pythagoras, und andere Männer von ben Ufern bes Di, 
Euphrat und Ganges nad) Griechenland wäre verpflf 
worden. Geltfam ift es, daß biefer Wahn’ geradejt 
einer Zeit entftand , und in allgemeine Meynung, übersig 
als Ylerander und feine Nachfolger das innere von Men 
und Afrika Den Griechen eröfner hatten, und ihnen Br 
genheit veefchaften, den wahren Zuftand ber Voͤlker die 
ſer Laͤnder genauer kennen zu lernen, als es ihren Ps 

. fahren möglidy gewefen war, Allein zwo Claſſen mt 

ſehr verſchiedener Schriftfteler ſchienen darinn ſich ai 
einander verabredet zu haben, den Griechen die verdient 
Ehre zu rauben, die Aufklaͤrer won Afien und Aftika ge 
worden zu fehn, und fie foger zu Echülern derjenigr 
Voͤlker zu machen, bie Ihnen alles, ſelbſt die Kenntrifk 
ſchuldig waren, wodarch fie ſich Aber ihre Eiger m) 
ehrer zu erheben ſuchten. 








! 


Geſchichte der Pythagoreiſchen Geſelſchaft. 363 


In die erſte Eloffe gehören die Geſchichtſchrelber, 
bie den Alekander nach Afien begfeiteten,, ober auch gleich 
nachher unter feinen erften Nachfolgern lebten, Dergieb 
chen find: ‚ Klearchus, Onefifritus, Kalliſthenes und 
Megaſthenes.“ Alle biefe” Männer redeten von den Wifs 
fenfchaften ver Chafdder, Magier und Indier, mit eben | 
dee Bewunderung oder Verwunderung, womit fie die 
Ungeheuer und Seltenhelten Indiens befehrieben. Me 
gaſthenes beſonders, der kuͤhnſte und fabethaftefte unter 
ihnen, bezeugte *), daß alles, was man in Grlechen⸗ 
land über die Natur der Dinge geforfehe und gelehrt habe, 
ſich auch unter Juden und Indiern finde, und lange ge⸗ 
funden habe. Diefe Schriftſteller, deren Unverfchämts 
beit im Erdichten faft eben fo unglaublich iſt, als es 
ihre Erzählungen waren, fanden dennoch unter den leicht 
gläubigen Griechen Eingang, ungeachtet Eratofipenes, 
und andere genauere Unterſucher, Ihnen allen Glauben 
abfprechen, Hermipp**) zweifelte ſchon nicht mehr daran, 
daß Pythagoras nicht vieles,uon den Juden und. Thra« 
ciern gelernet hätte. Außer dieſen müffen die meiften 
übrigen Schriftfieller zwiſchen dem Zeitalter des Alexan⸗ 
der. und Auguſt das hohe Alterchum der Wiſſenſchaften 
unter det Morgenlaͤndern und Aegyptern für ausgemads . 

gehalten haben, weil es unter der Regierung des lej⸗ 
tern fchon herrſchende Mepnung war , und Strabo, 
Philo der Prismen "), Apollonius, Se⸗ 


neca 








5 Euf, IX, 
“|, 22. Jar. adv. Aplonem. 
,9*®) Taray dnayro neschurarov — ro Isdau 
vyevos, x TRY Bug auTois DilosoDiav EYYEEN- 
| re⸗ 





3: Dritte Buch. | 
ca *) and Plinius, von ber MWelshele diefer Völker, 
tind den Reiſen des Pythagoras und anderer unter ihnen, 
als von Factis reden , wogegen ſich gar nichts einwen⸗ 
ben ließe. Zu. | 

In dbieſen Irrthuͤmern nun, die von windigten 
Gelechen zuerſt waren ausgeſtreuet worden, wurden die 


folgenden Zeitaltet noch mehr durch die Erbichtungen und 
Erzählungen von Schriftſtellern aus denjenlgen Voͤlkern 


— 


beſtaͤrkt, denen die Griechen ihte Sprache und Wiſſen⸗ 


ſchaften mitgetheilt Garten, Nicht lange nach dem 
Alexander erhoben ſich in Aegypten, Phoͤnicien, Judoͤa, 


und Chaldaͤa Schriftſteller, die die Kenntniſſe und Ge⸗ 


ſchichte Ihres. Volks und ihrer Vorfahten den Griechen 
befannt zu machen vorgaben. Alle biefe Maͤnner erhoben 
Das Alterthum und die Weisheit ihrer Nationen Über die 
| - der 
41 . , 


— 








Fov Yevönevnv, — rns nae' "ERAncı 

BiAocoQicis , dic RoÄAaV ⸗ IluIJayogssös uno 

desuves ;, Dirav. Ich feje auch die folgenden Worte 

her, da fie theils eine Beftätigung des vorhergehenden, 

iheils aber deffen find, was ich gleich fagen werde: 

# ev aAia nui Apısolsios 0 TEımarnTıng, 

0. Kr AA FÄrss, Wa ua nat dvomöe ein 

diareihm. Davsantati ds Mevaseıns 6 au'y- 

VeirDeos ; 6 Erieud FW Nuavog euußeßw- 

kos;. ev 7a tern Fan Ivdıravy : ade YonDen. 

Aravfa pev to To meeı Dugeas sipnpeva Tape 

Toic awexgaicıs ÄAsysraı wm Hüagc Tas dfm Tas 

Eirudos DiAocdQöis. , ‚Ts juev 71,77 Indeis un 

‚tor Beuxiavorı Ta de ev tn Zug ‚ur ⁊ a⸗ 
—XR ledzıas. Clem. Strom. 1; P. 35% 
Man fche Sen. Nat. Quaell,.1.33. 111,29, VII. 4. 


„ft 


— Ad En oO a 3 3 5 





Geſchichte der Pythagoreiſchen Gefellfchaft. 385 
er Griechen, und einige von ihnen waren ſo dreiſt, zu vera 
bern, daß Orpheus, Pythagoras und andere Griechen 
on Prieftern ihres Baterlandes wären unterrichtet werben, 
Jie vornehmſten unter dieſen gräcifieten Barbaren, die 
en Griechen Kohn fprachen, waren Berofus ber Thale 
ir, Manetho, Chaͤremon, Ptolomäus und Apion, ' 
us Yegnpten *); ferner Theoborus, Hypſikrates, Mia 
us »), Dien ***) und der angebliche Ganchunlathon 
18 Phoͤnlelen, endlich die Juden Ariftäus +), Ariſto⸗ 
ılus +1), Philo und Joſephus, denen man vielleicht 
m Eupofemug hinzufügen muß fff). Ein jeder dieſer 
rdichter (hier nehme ich bie Juden aus) machte fein 
zolk zum älteften der Erde, ließ Schrift, Künfte, 
Jandıwerker und Wiffenfchaften in feinen Waterlanbe era 
inden werben, und fezte bie Gefchichte beffelden aus 
lationalfagen, und aus Örlechifdyen Fabeln, nicht we⸗ 
ger aus Erzählungen des Iſraelitiſchen Geſezgebers zu⸗ 
mmen, beffen Schriften vom Berofus, Manetho, 
häremon, und ben übrigen eben von mir. genannten 
schriftftellern benuzt wurden, mie ſchon Joſephus, Eu 
bius und Syncellus bemerkten. Die Juden blieben 
var ihrer. alten Geſchichte gefreu, allein fie legten doch 

die Werke ihres Gefeggebers Griechifche Philoſophie 
nein, und bemuͤhten ſich zu beweiſen, daß Orpheus, 

| U u Phytha⸗ 
®, X, 11. p. 493. Eui. | 
ne) ib. J 
ses), 17.09 Jh oO \ 
$) VII. 1-5. Eufeb, 
ir) xilg 18. ib, x 
up) IX, 26: ib, | nn 


86 


rn. nn 












N , 
| ot Dritte Bu 
' Pythagoras, Plato und andere Griechen mit Nord 
I Abereinftimmten, und ihre Lehren in’ Judaͤa aus de 
Schriften ihres göttlichen Propheten geſchoͤpft hätten ‘) 
Sie erdichteten ferner, um bie Griechen zu demuͤthige 
und ihnen Ehrfurcht gegen ihr Volk und ihre Heilige Sri 
. sen-elnzuflößen , einen Briefwechſel zwiſchen dem Ö 
mon und einem Phönlcifchen Könige , zwiſchen 
Demetrius Phalereus, den fie zum Aufſeher der Alt 
driniſchen Bibliothek und zum Urheber des Projects 
Ueberſezung ihrer ‚alten Religionswerke machten, und 
| Ptolomaͤus Phlladelphus , endlich zwifchen diefem & 
chiſchen Könige und einem Hohenpriefter. der Juden” 
Auch machten fie gemeinſchaftliche Sache mit dem Be 
ſus, Manetho und ben Phoͤniciſchen Schriftſtellern“ 
und fuͤhrten deren Zeugniſſe an, wodurch das Alterth 
Ares Volks bewieſen wurde: Ja fie gingen endlich ſo 
beruhmten Schriftſtellern der Griechen Werke unterzufd 
ben, und darinn Griechiſche Weltweiſen das Geftän 
a ablegen zu laſſen, daß fie vieles von Juden gelernet 
7 Gem Ein folches unaͤchtes Buch war vermmurflid 
jentge, deſſen Ich oben in ber Beurtheilung des Kit 
erwähnt habe, und aus welchem Joſephus +), Cl 
und Euſeblus ein Fragment anführen. _ Diefe Anfri 
und Börgebin det Juden fanden um befto meht Glan 
3 bafie von Männern dorgebracht wurden, bie, mie 
ffaͤus und Ariſtobulus nicht nur unter ihren Glaub 



























Yr 


Eu 1 j ' 
j Fr ES GR ne Akeneuuiniichsinei — * 
N ) Acifl. ap: Euf. XIII. 12, Pracp. Evang, 
**, vll, 1-5. Eufeb, = 
wer) fol, J. eont. ß. 
7) 22. adv. Apion, " \ 











J 


Seſhihe der Vothogoreiſchen Geſllchaft 17 


noffen , fondern auch als Weltroeife unter den Griechen 
Im Anfehen landen, und da Schriftſteller fie wiederhol⸗ 
en, die, wie Joſephus und Philo, auch von Nichtjuden 
emlich allgemein geleſen wurden. 

Wenn man dieſe Facta und Bemerkungen über 
ie Erdichtungen Griechiſcher und grächfieter Schriftfteller 
iberdenft; fo kann man ſich nicht mehr wundern, daß. 
Briechen und Römer, am meiften aber bie neuern Plas 
oniker, bie den Berofus, Charemon, Sanchuniathon, 
Manetho und die befannteften Juͤdiſchen Schriftfteller mehr : 
ofen, als bie beften Gefehichtfchreiber ihres Volks, daB . 
ndlich die Kirchenvaͤter, denen eine jede Gelegenheit, 
ie Griechen zu erniedrigen, willkommen war, es als 
in unläugbares Factum anfahen, daß die Griechifche 
Philoſophie fremden Urfprungs fey, und daß Pythago⸗ 
as faft alle Völker der Erde befucht habe. 

Bruder und einige andere Gelehrte bezweifelten oder \ 
erwarfen fchon mehrere von ben Reiſen des Pythagoras, 
ınd hielten befonders die nady Jubda und Indien fuͤe 
Erdichtungen der neuern Platoniker, und Kirchenvaͤter. 
Allein dieſe Maͤnner erdichteten nicht zuerſt, ſie waren 
uch nicht die erſten Leichtgiqaͤubigen, Die ſich durch die 
alfchen Erzählungen unglaubwärdiger Schriftfteller ver. 
uͤhren ließen, ie ireten nur, wie viele große Männer 
or ihnen geiret harten, und folgten Geſchichtſchreihern, 
eren Ruhm und Glaubwürdigkeit durch den Beyfall 
nehrerer Jahrhunderte befeftige mar. Ungeachtet. die 
Reifen des Pythagoras nad) Paläftina und Indien unter 
illen die unglaublichfien find, fo haben doc gerade biefe 
Yie Zeuguiſſe ber: alteften. Schriftfteller vor fih. Hermipp 
ınd Ariſtobulus ſagten, dab 1 reden f ich in Judaͤa, 

| und, 


laaſſen. 


vorjzuͤglich aber, um die Einrichtung und Kunftgt 


bie Sprache feines Volks rebeten. Er. war gewiß, 
Aegyypten afffceunde, Landsleute und viele Eingebeh 


I ylefe Vortheile und Bequemlichkelten wuͤrde er fü! 
den Phoͤniciſchen Staͤdten, entweder gar nicht, ot 




























a See 
Lin Migaflpenes, ober doch Apoilantus, "daß er AR 
Indien von Prieftern und Weltweiſen Gabe unterricit 


Waenn man aber often zuderläfligen Schriftftele 
und wahrſchelnlichen Vermuthungen folgen will, RR 
unter Allen angeblichen Reiſen des Pythagoras in an 
wärtige Laͤnder nur allein Die nad) Aegypten "gewiß, d 
welche dom Herodot und Iſokrates bezruge wird, ıM 
Die übrigen hingegen find entweder unſicher, über Dal 
erdichtet. Aegypten befuchte Pythagoras, nicht, M 
man glaubt, um ſich mit den Wiſſenſchaften det Priefi 
biefed Landes bekannt zu machen, fündern um die © 
faffung , Geſeze, Sitten und Religion dieſes Voll 


des Prieſterordens kennen zu lernen, wodurch fie hit 
zu unumſchraͤnkten Herren über: Könige und Doll Mi 
‚macht hatten, Er kounte es wägen, bies fand jı bi 
&en, weil die Oriechen fange dahin gehandelt, und bi 
ſich darinn niedetgelaſſen hatten, und bie Prieſter fo 4 


‚zu finden, mit denen er ſich unterhalten Fonnte. 


viel geringerm Magaße angetroffen haben, Dieſe mr 

ihm überdem lange nicht ſo wichtig, als Aegypten, 4 

fein Aufenthalt in Phönicien bleibt daher Immer zwe 

haft, ohngeachtet ich ihn nicht ganz ablaͤugnen mel 

Seine Reifen nach Palaͤſtina aber, nach Arabien, Ch 

din, "Prrfien und Indlen kann man ohne Beate 
I | oo m 


x 





“ 
[7 ‘ 
N FR 


/ 


Echidte der Pethezereilcen Geflfhaft; 389 


tdichtet erflären Denn wenn Pythagoras ſchon im 
lerzigſten Jahre nach Italien kam, fo muß man die 
lt, wo. er außer Griechenland ſich aufhalien konnte, 
viſchen bie funfzigfte und fechzigfte Olymplabe fezen, 
n ein bis dahln unbekanntes, und ben Griechen uner- 
istes *) Polf (denn Kröfus kannte die Perfer nicht 
Inmal) ſich aus feiner Dunfelhelt herporhob, mit unmls 
erſtehlicher Gewaltſamkeit über: Medien, Indien bis ing 
hriechifche ‚Yfien fertwälzte, und die meiften von, den . 
indern verheerte und unſicher machte, die Pythagoras 
eſucht haben ſoll. Ep ift ‚gar nicht einmal gedenkbar, 
aß Pythagoras ſich unter Voͤlker gewagt haben. fallte, 
le mit den, Griechen in feiner Verhindung waren, wo er 
eine Boflfreunde und Dolmetſcher finden, und ‚deren 
Sprache er eben, fo wenig, als man bie feinige verfichen 
Bd. . konn⸗ 


*) Man leſe folgende Stelle des Strabo, "in welcher er 
richtiger urtheilt, als an der oben angeführten, two er von 
ben Reifen des Pythagoras imis dem großen Haufen 
redete. Zuveßn de vois Ilegraıs vdofuraros V- 
verdas ray Baeßaguv, muem zus EAAnaw, 
071 Tay ev @AAmy Bdeves Toy ryy Acıs aeeev. 
Tay EAAwis yekor , —8 nsaav ad’ exewoi rar 
Tas, ad’ oe) EAAmves Tas Beeßuess. war emı 
MiNGoy Movoy eu Tns Mogemdev aunons. Ouneos 
Yav are rw ray Zugav, ara ruv Mndav wen 
eidey. ud var av Onßas Aryumrav renalon,. 
Kos Toy SKEIT Ras ToV 89 DOmicH AABTO, Ton ey 
Baßuran, nu Now ua Enßaravoıs reneim- 
nnoe. Wie roh, und zugleich wie unbefannt bie Pers 
fer zu und vor den Zeiteh des Kyrus den Lydiern und 
Ihrem. Könige waren, kann man aus ber Nede ben 
' Sandanis beym Herodot fehen. 1. 71. e, 





! 


le Vch 


konnte; un fofche Sänder waren damats Arabien, 9 
laͤſtina, Chaldaa, Perſi ien, Inblen, "ton welchem I 
tern man mit Zuverläff igkeit behaupten Farin, daß? 
Griechen es nicht einmal dem Namen nad) kannte 
Wenn aber. auch Pythagoras Luſt gehabt Härte, die Pr 
ſter und Sazungen der bis dapin unbekannter Perfer Ir 
nen zu lernen, die bis‘ auf ben Kytus gleich den Skyh 
in Thierfelle gefleibet, in ‚Stämme abgetheifet, und! 
elende Dörfer zerfireut waren, und eben. besiegen I 
Neugierde eines Mannes, wie P Pythagoras war, 

beſonders reizen konnten; ſo hatte er gar nicht u 


fie in ihrem Vaterlande aufzufuchen, et Pomnte fie: 


fo gut im Griechiſchen Afien, oder in Lydien beobadin 


Die Erbichtungen alfo der meiften Reifen des Porn 


ras, und der Glaube an ſie, feste eine gänzlice Ih 
wiffenbeie der Zeit, im weldjer er tebte, und der Veid 


ſung der Sänder vorans, en e ſich u 


Naben pl 








Geſchichte der Yothagoreiſchen Geſellſchaft. 398 
‚Drittes: Kapitel, | 

don den Einrichtungen und den Sazungen de 

Yuthagoreifchen Geſellſchaft, yon der Febendars, t 

en Geheimniſſen, und den Symbolen ber älteften 

ythagoreer, endlich von der Ausartung der 


Porhagoreen, die nach dem Untergang des 
Ä Bundes lebten. 








® 


)[. Pythagoras fein Vaterland. gegen die fechzigfte 

Olympiade verließ, weil er unter ber Herrſchaft 
es Polyfrates weder Sicherheit fuͤr ſeine Perfon, noch 
uch die geringſte Hofnung hatte, auf eine ſeinen Talen⸗ 
n und erworbenen Kenntniffen entfprechende Art fich 
mals In Samos empor zu heben; fezte er weder nad) 
m feften Sande Afıens, noch nadı dem eigenclichen 


kiechenlande über; ſondern er wandee ſich, wie Femme 


jones, und viele aus: ihren Sizen vertriehene Freyheit 
chende Aſiatiſche Griechen, nach Jtallen, deſſen unterſte 
wohl oͤſtliche, als weſtliche Hüfte, eben wie die öftliche 
id ſuͤdliche Seite Siciliens ſchon einige Jahrhundert⸗ 
Im Griechen beſezt, angebaut‘ und mie Stäbten ums 
aͤnzt war. Er mied Bas Griechiſche Afien, weil die⸗ 
8 von ben Perſern kurz vorher verwuͤſtet und unterjocht 
Orden wars und fchiffee vor dem eigentlichen Griechen» 
nd vorüber, weil bie wichtigfien Staaten und Staͤbte 
imeder wie Sparta allen Fremdlingen Aufnahme: And 
Sirgerrecht verfagten, oder doch unendlich erſchwerten, 
der weil fir ie, wie Athen ‚ damals nad) zu arm, m ind on 

Bb 4 wmich; 

1— 


39 Deitted Burh, 
mächtig waren, ober endlich auch iofe: Korinth, ein 


- Dempfratifche Verfaſſung, oder. vielmehr ‚Defporler 


\ 


eines zügellofen Pöbels eingeführt hatten; eine Regin 
tungsform, die Pythageras eben fo fehr, als bie un 
Tchränfte Alleinherrfchaft eines einzigen Tyrannen haft 
Die Griechiſchen Stähte in Itallen und Sicilien dings 
gen Famen in Anfehung ihres Reichthums, ihrer Modi 
und Volksmenge ben reichfien, mächtigften und bee 
kertſten in Aſien gleich, und Batten fo vortrefliche Gely 
and Grundverfaffungen, daß Pythagoras immer fıfin 
Burfte, daß, wenn auch Die einen oder bie ambern dur 
Eittenverberbniß geſchwaͤcht und erſchlaft worden mitt, 


‚ fie doch wieberum durch Weisheit und Tugend ei 


a} 


Buofırieienlent ſcer vor dem Pothagoras ser 


und hergeſtellt werben koͤnnten. 


Ein jeder weiß, daß alle von bin Griechen in In 
(len gegründeten Städte In fpätern Zeiten mie denn prüde 
tigen Mamen von. Groß Giriechentand bezeichnet wor 
find *); allein ungeriß iſt «6, wann und warum mal 
fo genannt hat. . Athendus **) und Strabo **) gi 


ihr ſchuelles Wachſthum, ihre außerordentliche Ba 


kerung, und ihren len, wodurch fie bald ade Ei 

des eigentlichen Griechenlandes verbunfelcen,, als M 

Grund diefer Benennung an, ' Waͤrt dieſe Ablekum 
richtig; ſo müßse man vermuthen, daß der Dans 





* ———— — 

u Einige begriffen unter Hiefen Morte nicht nur die Ste 

liaͤniſchen, fondern auch die Sieilignifchen von Gricher 

. . . bewohnten Städte, wie Ende X, 389. Ed. Alaıb 
ER, 4. p. 52% 





⸗ 





} 


Geſchichte ber Yorker Sefeliäcft, 399 | 


gerefe ſey, weil bie Griechifchen Eolonien in Jeelles 
und Slcilien lange vorher ihre Mutterſtaͤdte nicht nur ein⸗ 
geholt, ſondern auch übertroffen hatten, Ein Schrift⸗ 
ſteller Hingegen beym Jamblich *) verſichert, daß bey 
Mame Großgriechenland erſt nach ber Gründung der Py⸗ 
thagoreiſchen Schule entſtanden, und durch die große - 
Zahl von Rednern, Dichtern, Weltmeifen und Gefejgen 
bern veronlaßt worden fey, bie vom Pythagoras gebildet 
worden, und fid).über alle Städte von Italien, Sicl⸗ 
lien und Griechenland verbreitet haͤtten. | 
Die älteften Griechiſchen Städte In Itallen unb, 
Sicilien, die fchon mehrere Menſchenalter vor der Flucht 
bes Pythagoras aus Samos blühten, (denn einige wur⸗ 
den erſt in feinern Zeitalter von vertriebenen, ober fluͤch⸗ 
tenden Afiatifchen Griechen in Italien, Sicilien und Gal⸗ 
lien. erbaut) waren nicht lange nach dem Trojanifchen. 
Kriege, die meilten und größten zwiſchen der 10 und 
20 Olympiade, andere aber zwiſchen ber za und 30 
Olympiade gegruͤndet worden *%), Ihre Stifter waren. 
entmweber Spartaner und andere Dorifce Griechen, oder 
auch Achaͤer, oder eudlich Ebentheurer aus Chalkis. 
Die Urſachen der Auswanderungen von Griechen aus ſo 
verſchiedenen Staͤmmen nach Itallen und Sieillen, was. 
ren eben die, wodurch fie nicht lange vorher über bie In⸗ 
ſeln und. an ade Füßen von Aften waren getrieben wor⸗ 
65. Ä den; 





— — 

%) 166. de Vie, —— 

we Ich beziehe mich bier auf bie vortreflichen Abhandlun⸗ 
gen des Herrn Hofrath Heyne fiber die Geſeze und 
Schickſale der Staͤdte in Großg riechenland, in denen man 
allemal, wo ich Feine alte Schriftſteller namentlich an ⸗ 
Bin, die beweiſenden ea ee | ſnden 
wird. 


f 


N 


bis uͤber bie 30 Olpmpiabe binaue 1 Könige ” Auch 


den: entweder Innere Spaltungen und Gaͤhrungen entgegen, 
geſezter Partheyen, die ſich damit endiglen, daß bie eine 
freywilllg oder gezwungen das Vaterland verlaſſen, und 
neue Wohnſize ſuchen mußte*): ober auch Niederlagen, 
wodurch ganze Wötferfchaften, oder dach bie Bewohner . 
einzelner Städte und Gegenden aus ihren bisherigen 
Wohnfizen verjagt wurden, Der Grund. aber, warum 
ſich die Griechen zwiſchen der 20 und 30 Olympiade, und 
nachher zwiſchen ber 50 und 60 Olympiade nach Italien, 
Sicilien und zulezt nach Gallien wandten, lag nicht bloß 
in der Fruchtbarkeit dieſer Laͤnder, oder in ihrer gluͤckli⸗ 
chen Lage, (denn beyde wurden mehrern Pflanzörtern 
nicht zu Theit) oder in der Milde des Himmelsſtrichs, 
ſondern hauptſaͤchlich darinn, wei die Kuͤſten von Aſien, 
die Griechiſchen Inſeln, und ſelbſt auch die uſer des (den 
‚gen Meere fchon beſezt waren, 


Ale Altgriechifchen Stätte In Sleillen und en 
llen wurden früher gegründet, als Demofratien, oder 
BVolkoherrſchaften im eigentlichen Griechenlande entſtan⸗ 
den, und Ihre Erbauer gingen alle von Städten und 
Völkern aus, die entweder don Koͤnigen, oder von ele 
nem Rathe, der aus ben angefehenften und weiſeſten 
Bürgern beſtand, oder auch von beyden zugleich regieret 
wurden, Das leztere war, wie bekannt, ber Fall in 
Sparta. Die Achaͤiſchen Städte aber gehorchten noch 


Kr 











- * Solche Mißhelligkeiten noͤthigten zum · Veyſpiele die ſo⸗ 


genannten Jungfernkinder in Sparta ihren vaͤterlichen 
Boden zu meiden, und Tarent anzulegen. 
—*R*⁊& VI. i9. 22. VI. 1. 6. 


Geſchichte der Pythagoreiſchen Gefelfchaft. 395 
Korinth hatie in den äkteften Zeiten Könige, dann jaͤhr⸗ 
liche Prytanen, Hierauf unumſchraͤnkte Beherrſcher, und 
erſt nach der 49 Olympiade eine Demokratiſche Vefaſ 


ſung*). Von Chalkis wilfen wir es aus einem Zeuqniſſe 
des Strabo, daß dieſe Stade zu der Zeit, als fie Colo⸗ 


nien nach Itallen und Sicilien ausſchickte, eine Ariſto-⸗ 
kratiſche Regierungs form Hatte »se). Den Euböiihen 


Coloniſten ahmten die Peloponneſiſchen Griechen nad), 
die ſich in Italien und Siecilien -niederließen. Wenn 
dieſe gletch in ihrem Vaterlande an. koͤnigliche Herrſchaſt 


gewohat waren ; ſo duideten fie dieſe doch nicht in den 
Staͤdten, die fie erbauten, (wenigſtens iſt mir in allen 


Beinhifhen Schriftſtellern· nicht eine einzige Stelle anf⸗ 


geſtoßen, woraus ich dergleichen vermuthen koͤnnte,) fons ' 


dern fie führten, wenn: man von ben größten und wichtig« 
ften auf‘ Die kleinern ſchließen darf, eine Ariftokratifche 
Verfaſſung ein, und erwählten einen regierenden Math, 
der , wo nicht die gefeggebende , doch gewiß bie ausübende 
Gewalt in Händen Hatte. Don Tarent ***), Syrakus, 


und ben Sridten Chalbidiſchen Urſprungs, hat Here. Hofe 


w⸗ 


rach Heyne es ſelbſt bewieſen. In Anſehung Krotons 
el und der übrigen von Achaͤern erbauten Staͤdte, 


wach 


4 [y3 
U} 











— 

Ya. 4. 

9 Stab, X. p. 685. Ku: Ins Trarıas de was Ei: 
INES WONG Kwgı Yarınıdewv asıW. Esarnsay 
ds is ATOM auraı agree "EIONKEV Agısors. 
Ans vn n Toy Immoßorov uurzuen syenga- 
Te MOÄITEIG. TEOETNTEV Yo aUTAS ao Tıiun- 


'uatos erdees ApıSorpETInas UEXOVTES- 
) fiebe V. “3 de Civ, Ariſt. 


1 


1 


I u Drittes Bich. 


zweifelt biefer Gelehrte, oh fie. eine ben Borhergenannten 
aͤhnliche Grundverfaffung gehabt hatten, aber nicht, in⸗ 
‚ dem bie Adhäer in Sriechenland nach dem Palpb *). fehr 

fruͤh Freyheit ober Demofratie erhalten hätten. Allein 
dieſer Geſchichtſchreiber beſtimmt Bier Brine Zeit, und 
man muß ihn daher nach dan oben angeführten Zeugniffen 
bes Paufanias, bie fih auf ae Denkmäler Rügen, 
auslegen. Dleſem zufelge gehörten bie Achaͤer mit zu 
ben lezten Griechiſchen Voͤlkerſchuften, Pie fick wnn dee 
Königlichen Herrfchaft losmachten. Ben, Kanton laͤßt 
es fich mit den glaubwuͤrdigen Zengniffen des Dikaͤorch **) 
beweifen, daß dieſe Stadt einen Rath von ‚Taufers 
den ober von Geronten Paste, und auch van Sybarit 
laͤßt es fich nach den Erzählungen bes Herodot ***)., - He 
vaftibes Pontikus }), und: Dioder +4). kaum längnen, 
bdaß auch in ihr die Vornehmſten bie hoͤchſte Gewalt In 
Händen hatten. Denn eben eine Empoͤrung des Pobeis 
wider bie Reichen, und die Flucht der leztern, mar die 
Urfache bes Kriegs der Sybariten mit den Krumlate, 
und des. gänzlichen Untergangs der erſten. 

Abe alte Schriftfieller , deren Machrichten mes 
in ben, Abhandlungen. meines gortseflichen Freundetz Hey 
. fammen findet, und von denen ich nur einige unten an 
| kg will Hit), ſeimmen darinn überein, daß die vor 


ehe 





u — — — 
“) IL 38. : 
“°) Jambl. 5, 45. und Porph, 8 I u. 
er. v 


9» Dt, Ath, xu. p. zn 
rt) 

+4) Achen. IV. 9. 8x Tuooponp. vl. au IL 3- * 
psg. 518-523. 


R 


Geſchichte der Porhägoreiipen Gefelaft, 997 


nehmſten Sriechiſchen Staͤder in Stallen, beſonders Tan 
rent, Sybaris und Kroton gegen die So Olympiade, 
noch mehr aber zur Zeit der Ankunft des Pythagoras in 
Großgriechenland unglaublich bevoͤikert, aber auch in 
eine faft mäßrchenhafte, oder doch fittenverderbende 
Pracht, Schwelgeren und Weichlichkeit verſunken waren. 
So zogen, um ein Benfpiel ihrer Volksmenge zu geben, 
die Sybariten mit 300000 Manu wider die Krotoniaten 
aus, und fanden ein Heer gegen fi, das dus 100000 
Mann befland, und von dem fie bis aufs Haupt gefchlan 


ı 


gen wurden. Wenn man auch annimmt, daß die era 
fern alle ftreitbare Männer nicht nur aus Shbaris, forte 


dern auch *) aus den a5 Städten, bie ihnen zinsbak, 


maren, zufammeh gezogen hatten, fb bleibt ew doch im⸗ 
mer ünbegreiflich, woher bie Rretonlaten auch nur bem 


— 


dritten Theil einer ſolchen Macht aufbrachten. Dieſe 


Volksmenge, und bet Reichthum bepder Städte iſt ein 
deſto größeres Raͤthſel, weil ihre Einwohner, befonders 
die von Sybaris, feinen fehr fruchtbaren Boden bauten, 
und wie man aus dem Stillſchweigen der Alten ſchließen 
muß, auch feine eintraͤgliche Manufacturen oder Schifs 
farch Hatten, fündern ſich vielmehr die koſtbarſten Pro⸗ 


\ 


ducte des Luxus von auswärtigen Kaufleuten zuführen 


ließen, Man mag äber von den Nachrichten des Strabo 


und anderer uͤber ben Zuftand der Griechiſchen Städte in 


Italien fo vieles abtechnen, als man will; fo bleibe doch 
diefes unlaͤugbar, daß Sybaris, Kroton und Tarent, 
gegen Die 60 Olympiade am äußern Wohlftande und Bes 
ilterun alle Srädte des eigentlichen Griechenlandes fehe 
| weit 
rn — 


2) VI. 404. Saab, ı 





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j ” 
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Pa - 
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weit übertrafen, To wie fie-ven dieſen wicherum in Anſe | 


bung ber Reinigfeit der Sitten übertroffen: wurden. 


Pythagoras wählte, unter allen mächtigen Städten 
in Großgriebenland, Kroton zu feinem fünftigen befläns 
digen Wohnfize, wahrfiheinlich nicht bloß deßwegen, weil 
der Zufall ihn zuerft in dieſe Stade verfchlagen hatte 
(denn es erhielt ſich eine Sage bis in ſpaͤte Zeiten herab”), 
daß er zuerft bey Sybaris ans Sand geftiegen fey) fondern 
‚entweder, weil er fie für gefunder hielt, ‚ als bie übrigen, 


ober weil er ihre Einwohner am wenigſten verborben, 


und eben deßwegen zur Ausführung feiner großen Abfiche 
- ren am gefchidteften fand. Bfeich nach feiner Ankunft In 


Kroton zog er die Aufmerffamkeit und Berounderung. 


aller Stände, Geſchlechter und Alter auf ſich *e), wel 
er alle Gaben und. Vorzuͤge beſaß, die eine freygebige 
Natur, verfchwenderifches Gluͤck, Iangwierige Reiſen, 


reife Erfahrung, vertrauter Umgang mit den größten | 


Männern feiner Zelt, und eine befländige Beobachtung 
und Ausbildung feiner felbft nur verleihen und mittheilen 
konnten. Vor ihm ging der Ruf don, feinen großen 
Keifen, und feinem vieljährigen Aufenthalte in fremden 
Laͤndern her , und. bereitete Die Gemüther zur Ehrfurcht 








und Erwartung ſeltner und erhabener Weisheit vor. Er 
war fchön und groß von Perſon: ein Vorzug der ihn 


Allenthalben wuͤrde empfohlen haben, der aber nirgends 
- , ſo 





— — 
8) Jambl. 36. 
#°) Dieneacch. ep, Porph. ı8. 2p. 9. Jambl. 97% aq und aus 

ihm im Juſt. XX. 4. und Diodor. II, 554. Aus dieſen 
Stellen find auch die ‚folgenten Naqricen ge⸗ 
nommen. 


— 








Geſchichte der Pythagoreiſchen Gefellfchaft, 399 - 
fo tiefen Eindruck machte, als unter ben Griechen, bie 
ungewöhnliche Schönheit eben fo ſehr, Als Die größten 
Talente and volllummenfte Tugend ſchaͤzten. Einladen⸗ 
der Kebreiz und Ehrfurcht gebietende Würde, waren 
nicht nur über feirien Körper verbreitet, fondern wären 
auch in feiner Stimme, in feinen Bewegungen und Ne 
den in ſeltner Eintracht vereinigt, Hiezu fam endlich eine 
alles überwältigende Beredſamkeit, bie nicht den Ohren 
und der Sitelfeit eines müffigen und fteljen Poͤbels 
fhmeichelte, fonbern eingemurzelte herrfchende Jeitenfchafe 
ten und $after angriff, und die Seligfeiten eines weifen 
tugendhaften Sehens verfündigee. Er redete nad) dem 
Ditäarch ‚nicht fange nach feiner Ankunft in Gymnaſien, 
Tempeln -und in dem Verſammlungshauſe des großen 
Raths, zuerſt nur zu den unerwachſenen Kindern in Kro- 
ton, dann zur ſtaͤrkern Jugend, und endlich zum regie⸗ 
renden Rath ſelbſt, und auf deſſen Befehl zu den Matro⸗ 
nen der Stadt. Und durch dieſe feine vortreflichen Er⸗ 
mahnungen erhielt er nicht nur von den Vaͤtrrn des Wolfe 
öffentliche Danffagungen, fondern wirkte duch auf die 
Seelen feiner Zuhörer fo mächtig, daB die Männer ihre 
Kebsweiber abſchaften, die Weiber allen ihren Schmuck, 
und ihre koſtbaren prächtigen Gewaͤnder, als überflüffige, 
und ihrer Tugend unmwürdige Verzierungen, im Tempel 
der Juno niederlegten, und der Goͤttinn heiligen, und 
die Sünglinge endlich mit dem lebhafteſten Eifer für nüyr - 
lihe Kenntniſſe erfüht wurden *% Diefe bemunderns. 
ac Gewalt, womit Pythageras die Herzen eines 
— Apple 


⸗ 


RR 
m 


#) Durch, l. so. 56. 8 Jambl. Died, Exe, n. ss und 8 
Juſt. he 














/ 
“ 


400 Drittes: Buch: 


. üppigen und ſchwelgeriſchen Volks an ſich riß, und nad 


feinem Gefallen, bildete, wird außer. ben angeführten 
Factis noch durch die Zeugniſſe eines Ariſtoteles und Ts 
mons, des Skeptikers und Tadlers aller alten Weltwei⸗ 
fen, ‚befräftig Der erftere erzählt, daß die Krotonias 
ten den Pythagoras wegen feiner Weisheit für einen goͤtt⸗ 
dihen Mann, oder gat für ein göttlichen Werfen, für 
den Hüperboreifchen” Apolk gehalten Härten, der ſich In 
menfchlicher Geſtalt geoffenbart und unter ihnen niederge⸗ 
doffen habe *)s der leztere hingegen **) nannte den Py- 


thagoras einen bezaubernden Schwäzer und einen liftigen 


s 
J Br 


Menfchenjäger. Die Eindrüde, bie Pothagoras in Kro⸗ 


‚ton machte, find, fo außerordentlich fie auch befchrieben 


werden , doch nicht unglaublich, und fönnen nicht einmal 


jemanden unmahrfchelnlid) vorfommen, welcher weiß, 
welch einen ungeheuren Benfafl viele, weniger große Maͤn⸗ 


ner in andern Zeiten erhalten haben, und wie heftig und 


‚allgemein, und faft bis zur Krankheit fteigenb ber Enthu⸗ 


fiasmus und die fernbegierde war, welche bie diteften 
Sophiſten in allen Griechiſchen Städten, ferner die er 


| fien @riechifchen und Romiſchen Redner im alten Nom, 


und die erften Lehrer unb Ausleger der Griechiſchen Sprache 


und Echriftfteller in Stallen, Srankreich und Teutfejlgnd 
- Hervorbrad)ten. 


oo. | Bey 
eier che 
O) Arifot. sp. Aclien, Var, Hi, II. 26, Man fehe and 

Diod, In Exe, 954, 5%, Edit, Welfel;- 

“) Apı Dieg Viit. 30. Tloudæyeen ve yenen 
—XxX— —2 Önen —2 — ge" 
ynyopıns dopisiiva 





Gefchichte der Pythagoreiſchen Geſellſchaft. 401 


Bey ben fo ſehr herborſtechenden Verdienſten des 
hythagoras, und der faſt goͤttlichen Verehrung, womit 
nan den neuangekommenen Fremdling in Kroton empfan⸗ 
en hatte, konnte es nicht fehlen, daß nicht die erſten 
Männer des Staats, und alle edle zu großen Thaten ‚bes 
iimmte und fählge Sjünglinge, feinen Umgang und Une 
erricht gefuche hätten *). Diefe Bewerbung um feine 
Bekanntſchaft war nady alle dem zu urthellen, was wir 
vom Pythagoras wiffen, und was id, in ber Folge von 
hm erzählen werde, das, was Pythagoras wuͤnſchte, 
und zu bemirfen gefucht hatte, und gleichſam ber - 
erſte nothwendige Schritt zur Vollendung des gro» 
fen Plans, den er gewiß ſchon in Aegypten en 
morfen, und viele “Jahre überdacht harte, und um wel⸗ 
chen auszuführen, "er aus feinem Bateriande entwichen 
und nach Italien gekommen war. | | 

Wahrfcheinlich brauchte Pythagoras mehrere Jahre, 
um alle die vornehmen angefehenen Männer und Jüngs 
linge, die fich um feine Freundſchaft bemüßten, oder bie 
ihm der feinigen wert ſchlenen, In. der Stille, und ohne 
feine Abfichten zu verrathen, genau zu prüfen und zu 
beobachten. So wie er fie näher fennen lernte, zog er ſich 
(auch dies laͤßt ſich nicht anders denken) allmaͤlich von de⸗ 
nen zuruͤck, in welche er ein Mistrauen zu ſezen gerechte 
Urfache hatte, und verband ſich hingegen immer inniger 
mit ſolchen, in denen er große Anlagen des Geiſtes und 
Hetzens entdeckte. Dieſe leztere vermochte er endlich da⸗ 
bin, ſich mit ihm in eine Geſellſchaft zu vereinigen, . 

= tn ma 








Man leſe bieräben die oben and dem Iſokrates angeführte . 
Stelle, ge en 
* ee 


gen ber Pythagoreiſche Bund, von andern die Porhags 


402 Drittes Bud. . 
ach gang eigenehümlichen, von ihm vorgeſchriebenen & 
fegen zu leben und zu handeln, Auf diefe Art“ enftonl 


ber Pythagoreiſche Orden, der nach. den Zeugniffen aller 
Alten zuerſt in Kroton gefliftet wurde, und der von ein, 





reifche Verbrüderung und Schule, und vom Herd 
fogar *) die Pychagorelſchen Orgien genennt wird. 


‚ Mehrere Geſchichtſchreiber ſtimmen ziemlich in de 
Zahl ber genauern Freunde des Pythagoras, oder da 
Mitglieder überein, aus welchen fein Bund beſtand, di 
er in Kroton zerſtoͤrt wurbe **), allein es gibt Bein zuvn 
“ Jäffiges Datum, aus welchem man bie Menge der Tpell 
nehmer dieſer Befelifchaft bey ihrer erſten Errichtung de 
- flimmen fönnte***), Wir willen ferner aus den Nat 
richten der älteften und glaubmürbigften Schrifeftelr, 
zines Ariftorenus, Dikaͤarch und Polybius , daß der Pr 
thagoreiſche Bund nicht bloß In den Mauren von Krein 
eingeſchloſſen geblieben fen, fondern daß wenigſtent it 
den gröften Stäbten von Großgriechenland ähntiche, um 
der. in Keoton abhängende, oder wenigitens mit ihr we 
bundene Verbrüderungen errichtet worden; allein und 
kannt iſt es, wann und in welchem Fortgange dieſe ent 
| | fanden, 


— — 











— | 





*) 1 
* Se fegen he naͤmlich auf dreyhundert. Juſt. XX. 4. wahr 
J aus dem Dikaͤarch Apoll.260. ſ. ap. Jaobl 
log. Vilt, 3. lezterer redet 1. 15. von 600. aher hie 
werben nicht Mitglieder des Bundes, ſondern nur Zu⸗ 
Hörer’ gemeyhet. 


Wr, Denn die ungeteimte Erzählung des Nikomachus beyn 
Porphyr (. 22. verdient, wie ih ſchon an einem andern 
Örte erinnert babe; dar einen Glauben. 


\ 


t 
Fi 


Geſchichte der Pythagoreiſchen Sefelſthaft. 403 


anden, und wie zahlreich fie in einer jeben Stadt gewo 
n find. Auch beruht es nur allein auf der Richtige 
it gewoiffer Erzählungen beym Diobor *) und Jamblich, 


% 


ad des Verzeichniffes det Porhagoreer, in dem leztern, 


ser Pythagoreiſche Drden fich nicht nur über Italien und 
icilien, ſondern auch bis ins eigentliche Griechenland, 
nd in die Griechifchen Inſeln/ ja fogar bis nad) Kar⸗ 
ago und Kyrene verbreiset habe, oder daß fich doch in 
m zulest genannten Städten und Inſeln einzelne Mit⸗ 
leder deſſelben gefunden haben. 

Die Errichtung der Pythagoreiſchen Schule iſt 


telnem Urteile nad) bas erbabenfte und meifefte Syſtem 
on Geſezgebung, was jemals zur Veredelung und Vers 


olfommnung unfers Geſchlechts erfunden worden ;' ein 
Spflem, das ganz auf die reinfte unelgennügigfte Tugenh 
egruͤndet, und auf die Gluͤckſeligkeit ganzer Laͤnder abge⸗ 
elt war, das endlich nicht nur dem Geiſte und Herzen 
ines Erfinders, ſondern der menſchlichen Natur ſelbſt 
chre macht, aber freylich nur bey einer kleinen Zahl aus⸗ 
waͤhlter Männer ausgeführt werden konnte, Nach den 
Irdensregeln, die Pythagoras für fi) und feine Freunde 
atwarf, konnte in denen, bie darnach lebten, Feine Kraft 
nd Anlage unentwickelt, und feine Unart oder Gebrechen 
nbemerfe und ungeſchwaͤcht bleiben. Vermoͤge dieſer 
kegeln wurden alle Theile bes Körpers, und-alle Faͤhig.⸗ 
elten der Seele, durch die angemeſſenſten, beſtaͤndig ans 


altenden Uebungen bis zur dauerhafteften Gefundheit, 
schen und ſchnellſten Wirkſamkeit und maͤnnlichſten 


Ötärke. ausgebildet; und Tugenden wurden nicht durch 


Cc2 | Vor. | 


nn 
*) 514. 9» 





| U RU 7 7] 
- t 





44 | , Det Buch, 


| Vorſchriften ober e Bene und Ermoßnungen , kn 
durd) Benfpiel und’ Gewohnheit gelehrt. In ihnen m 
‚ ‘alles vereinigt und verbeffere, was Pythagoras in & 
Sazungen feines Volks und fremder Nationen nüzlid 
und heilſames beobachtet hatte, und fogar die Heiligf 
der Religion und gottesdienftlicher &ebräuche , und I 
Ehrwuͤrdige herrſchender Vorurthelle, war meifterhaftg 
nuzt, um ihren- Beobachtern und: Verehrern ein Di 
größeres Anfehen zu verſchaffen. Das Geſezbuch 
Pythagoras, wenn ich mich ſo ausdruͤcken darf, wer 
vollſtaͤndig, daß nach ihm Feine Stunde des Lebens, U 
man wachend zubringt, unausgefuͤllt, Peine Kantlın 
ungeregelt, keine Pflicht unbeſtimmt, und fein But ch 
Vergnuͤgen unabgeiogen blieb. Nach den erften Hom 
Rüden deſſelben, wurden zwar feine Freunde genauer m 
ter fih, als mit ihren Mitbuͤrgern vereinigt; allein ni 
am ſich von biefen zu entfernen, ‚oder ihnen entgegen 
wirken, ſondern um mit verbundenen Kräften deſto! 
hafter und thaͤtiger an ihrer Wohffart arbeiten zu für 
‚Eben diefe Geſeze beſtimmten ferner. ihre treuſten uf 
. würdigften Erfüller zu Haͤuptern und Führern ander 
Menſchen, aber nicht um Völker Zu unterdrücken ode f 
-. plündern, damit fie allein genießen fönnten , fonbern ı 
‚mit Ihrem eigenen Gute und Blute bie Srepfeit, Roect 
und Sicherheit ihrer Mitbürger zu ſchuͤzen, und all 
jenigen, Die diefen nachftellten, ober fie angriffen, nit 
der abzuhalten oder zu zernichten. — Man jefe, mob i 
jezo etzäßlen werde, und urthelfe alsdann,. ob ih buf 
ein ibealifches Gemälde geliefert habe, und ob Pythagori⸗ 
wegen der Einrichtung feiner Geſellſchaft nicht mehr # 
| ſegnet zu werden verdiene, als wenn er das mel 

















7 





’ J 
” J 4 4, 


Geſchichte der PotfagoreiiiemGefelfihaft, 405 - , 


chrgebaͤude, und alle bie Wiſſenſchaften, die man ihm 
‚ufhreiben pflegt, erfunden hätte, _ a 
Pythagoras nuzte erſtlich in der Wahl der Bede⸗ 
tungen des Leibes, Die er feinen Freunden vorſchrieb, 
ie Beobachtungen und Beyſplele der Goͤtterdiener, fer | 
vol Der Griechen als Aeghptler und anderer Voͤlker, bie 
le feih bemerken, daß Anzug.und Gewand dem.großen 
daufen oft eben fo ſehr, als Würden, Verdienſte 
nd Tugenden Ehrerbietung einflößen. Er entlehnte das 
er aus Aegyptenꝰ) eine Kleidung , die ſich durch Gelten« 
yeit eben fo fehr, als durch toftbare-Einfalt, von der 
Tracht der übrigen Griechen unterſchied, und einen Ges 
uch von priefterlicher Heiligkeit über Diejenigen verbreis 
tete, die damit angethan waren, Anflatt daß die übrigen 
Briechen ſich in wollene Zeuge oder Tücher einwickelten, 
wählte Pythagoras für fich und feine Freunde Gewänber 
von feiner Aegyptiſcher Cattunleinwand, die oft. mit Purs 
put gefärbt, oder doch mit Purpurftreifen erhoben war ), 
&c 3 und 


— — ——— x 
R 1 > 


") Herod, 1, 37. 

%*) Aniftoz, ap. and. ſ. 100. Diod. Exe. 35. p- Pbir 
loſt. vit. Apoll, 1.5. & ibi Olear. Hermip. Timseus & 
Sofice, ap. Athen. IV. 17. 18. Allen diefen Schrifte 
ftellern widerfpricht der einzige-Diogenes von Laerte, 
der VIEH. 19 einem ungenannten, aber gewiß unzuvers“ 
läffigen Geſchichtſchreiber nacherzaͤhlt⸗ daß bie Pytha⸗ 
goreer weiße aus Wolle bereitete Roͤcke getragen hätten, 
indem Aegyptiſche Cattunleinwand im Zeitalter des Py⸗ . 
thagoras noch nicht in Großgriechenland bekannt gewe⸗ 

ſen wäre. An dieſer lezten Nachricht wuͤrde man Bey 

dem vieljährigen Handel der Griechen mit den Aegyptiern, 

und der Prachtliebe der Bewohner von Großgriehen, 

land zweifelun muͤſſen, wenn auch nicht en 
erſten 


⸗ 


—— , 


0 Bu { 
Pr Mitte Buch. 


und deren Seife man ſtets fan oder ei 
hetſtellen muſte. | | 


Faſt alle Soriſteller die von der Kleidung Wr 
Ppothagoreer reden, fagen ferner, daß eben diefe Maͤnn 
nicht nur. auf die Reintichkeit. ihrer Gewänder , fonde 
auch aller Theile des Leibes, die größte Sorgfalt gemant! 
und fich daher häufig gefihoren, und Bäder und Galbu 
ygen gebraucht haͤtten. Auch bierin ahmte —8* 
den Aegyptiſchen Prieſtern nach, die ſich alle vier u 
zwanzig Stunden viermal in kaltem Waſſer badeten, ul 
an jedem dritten Tage ihren ganzen Leib ſchoren, dam 
kein Ungeziefer an ihnen haften koͤnnte. Wahrfceiniid 
verlangte Pythagoras von feinen Schülern nicht bloß ii 
wegen eine größere Reinlichkeit in Kleidern, und A 
gere Säuberungen des Leibes, als unter den übrigen Grb 
chen gebräuchlich waren, ‚weil er fie für nothwendh— 
und der Gefundpeit befonbers zutraͤglich hielt, ſonden 
weil der große Haufe von - äußerlicher Reinlichken, 
und von Reinigungen des. Körpers ,_ auf Unbeflediki 
und Keuſchheit des Herzens ſchloß, und weil ungemöh 
liche Reinigungen nad) den Keligionsbegriffeh der dam 
 Higen Zeit zu den heiligen Gebraͤuchen und gottestiml 
lichen Handlungen gehörten, Ich zmeifle aber doch ff 
ob Pythageras hierin fo weit gegangen fep, “als die de 
prpiſſchen Ptleſter, und ob er ſo oft als’ diefe feinen ganyr 








Kin 
. — — — 


erſten Buche ausdruͤcklich verſicherte, daß Aegyptiſche 

Sattun in alten Zeiten eine gewoͤhnliche Kleidung det 
Griechen’ geweſen, und en kurz vor beine Zeitalter 
abgekommen ſey. 





⸗ 


Geſchichte der Pythagoreiſchen Gefſelſchaft 4% 


Körper, und felbft alfo auch das Haupt befchoren habe. Her⸗ 
mipp und Sofifrates*) fcheinen zwar bie Pflegung des. 
Haars für ein Zeichen ber Unreinlichfeit zu halten, wos 
von Die älteften Pyibagoreer weit entfernt geweſen feyen , 
und verfichern,. daß die Scjäler des Samifchen Philos 
ſophen fich fergfättig gefchoren haͤtten; allein außer daß 
es nicht wahrſcheinlich iſt, daß Pythagoras, der fo ſehr 
auf ein vortheilhaftes Aeußere ſah, eine die Griechen bes 
leidigende Kahlheit foHte empfohlen haben, bezeugen. viele 
oben angeführte Schriftſteller, daB Pythagoras in feiner 
Jugend feinen reichen Haarwuchs genähre habe, und | 
Athenaͤus ſelbſt meldet an einem andern Orte, daß die 
Griechen erft zu Aleranders Zeit den Dart wegzufcheren 
angefangen hätten **), 


Die Pythagoreer kleideten ſich aber nicht bloß im 
reine weiße Cattunleinwand, ſondern ſie ruheten auch 
auf und unter Decken von diefem.Zeuge , und ließen fon 
gar nach dem Tode ihre Feichname darinn einwiceln, 
In dieſem Stüde waren fie den frühern Macheifereen ber 
Aegyptiſchen Priefter, den Vorſtehern und Einweihern 
der Orphiſchen Geheimniffe ähnlich : eine ——— 
die allem Vermuthen nach den Herodot veranlaßte, die 
Pythagoreiſche Geſellſchaft als eine Art von Myſterien 
anzufehen, und mit dem Namen von Örgien zw belegen "N, 
Den Pythagereern aber ahmten wiederum In Anſehung 
der Pracht uud Reinlichkeit, Empedokles t)ı Gorglas, 

Cec 4 und 


——n 











. —i 
8 ap. Athen. 1. e. oo 
3 Xu, 2 p- 565. | 

u, 


* Vul. 74: Diog. nn oa 


WB nr  Düttes Bub, 


und alle ältere Sophiſten, und inAnſehang des Steffs, 

aus welchem ihre Gewaͤnder verfertigt waren, Apolb⸗ 
nius *), und bie meiften neuern. Pythagoreer nad, 
‚Apollonius glaubte, daß Pythagoras die Aegyptiſch 
Leinwand deßwegen jur Bedeckung Bes Leibes gemähl 
babe, weil ſie eine Gabe der muͤtterlichen uͤnvergaͤng 
Tichen Erbe ſey, und daß er hingegen wollene Klelder aus 
dem Orunde verboten habe, un: feinen $eib nicht burd 
etwas zu beflecken, was von pinem lebenden, aber zugleid 
ſterblichen Seſchopfe genommen, oder ihm gerauh 


worden. 


So durchgedacht die Grunbfäge bes Pythagoras über 
bie Kleidung und Wartung des Körpers waren; eben I 
tiefe Menfchenfenntniß verratben_die Worfchriften, in 
‚ welchen er die Dergnügungen und Erholungen ſowohl, 

als bie Geſchafte und Arbeiten. des: ganzen Tags bu 
Sinne, Beyde waren nicht: nur ſo gewählte, daß Kür 
per, Geift und Herz gleichförmig und verhältnißmäßis 
"geübt und entwicelt wurden, fondern folgten, aud fi 
‚zwedtmäßig und in fo abwechſelnden Reihen auf einander, 
daß aus den einen nie Sangeweile und Ueberbruß, und 
aus den andern nie Ermüdung oder Erſchopfung ent 
konnte. 


So bald bie Pythogoreer des Morgens rd, 
und von ihrem Lager aufgeftanden waren; wandelten fl 
einzeln an ruhige einfame Oerter in Haine oder Temp, 
—nicht nur um ihre Sinne und Körper zu erwecken und p 
erfriſchen, fondern auch um ihr Gemuͤth zu fammin, 

No. EEE um 








*) L I. de Vita Apoll, 








— 








Geſchichte der Pothagoreiſchen Geſelſchoft. ‚409 


um ferner Die Thaten des vergangenen oder mehrerer ver⸗ 
gangenen Tage zu wiederholen *), endlich um ſich zu ben 
Geſchaͤften des angefangenen Tages. vorzubereiren *) 
Sie nahmen ***) die Töne der Leier zu Hülfe, um alle 
Nebel des Schiafe zu zerfireuen, ihre tebensgeifter zu 
ermüntern, und die Seele zu einer geſeztenvgleichfoͤrmi⸗ 
gen Thärigfeie zu flimmen. Ihnen ſchien es gefährliche 
$eichtfertigfeit, mit andern zu reden und umgugeben, bee - 
vor man ſich mit fidy feibft umterhatten habe, weil nethe 


wendig Unruße und Verwirrung des Geiftes, und Leber - 


eitung In Handlungen und Geſchaͤften daraus erfolgen 
miüffe, wenn man ſich oßne alte. Vorbereitung ins Ber 
wuͤhl von Menſchen hineinſtuͤrze ). 


Wenn bie Pythagoreer Ihre frühen Spaziergänge 
geendiget hatten; fo fuchten fie ſich einander auf, und 
wandten in Tempeln, ober ähnlichen Dertern die heiter. 
ften Stunden des Tagrs und Ihre erften Kräfte zum Leh⸗ 
ren und Lernen, zur Aufklärung des Geiſtes und Ermeites 
eung nüzlicher Kenntniffe, oder auch zur Befferung des 
Herzens an. Auf diefe Iehrreichen und bildenden Unters 
rebungen folgten Uebungen, die dem Körper Stärke und 
Behendigfeit geben, oder fie auch vermehren muften. 
Die meiften wetteiferten mit einander im Saufen, ber 
älteften Leibesuͤbung in Griechenland, und ließen ſich zu⸗ 
gleich ſolben und reiben‘: andere rangen und balgten ſich 

Cc5 in. 


anne —— — — men SEE (EEE —— MEERES 


32 Don p: 555. Eze, 6 
*) Arift. ep, Jembl, 06 et 2 Dieg, ap, Porph. 46. 
st) Quiarı IX, 4. > 35: PT 
+) Man ſehe ben Nriftosenus 1. e. aus ben ich auch das pol 
gende nehmen werde. - 


410 Drittes Buch. 


Im Bärten ober Halnen, und noch audere endlich warfen 
große Gewichte nach gewiſſen Zielen, oder tanzten auch 
gewiſſe Tänze, die mit heftigen Bewegungen aller Thelle 
bes Körpers, befonders der Hände verbunden waren. 
Bon diefen Leibesübungen gingen fie zum Mittagsmahl, 
das unter-Hriechen und. Roͤmern meiftens nur Srübflüd, 


. aber unter den Pyſhagoreern noch viel einfacher als unter 


den übrigen Griechen war. Sie genoffen weder Fleiſch 
noh Wein, (vom lejtern enthielten fie ſich den ganzen 


. Tag über) fondern nahmen nur ſo viel Brod und Hong 


zu fih, als zur Stillung des Hungers nöchig war. 


Nach geendigter Mahlzeit arbeiteten fie Den groͤſten Thell 


+ 


bes Nachmittags in öffentlichen Angelegenheiten, und | 
erft gegen Abend gingen fie nicht einzeln, fondern felhl 
green und drey ſpazieren, und wiederholten die Materie, | 
die fie des Morgens gehört, oder worüber fie fich unter: 
gedet hatten. Dieſe Abendfpagiergänge befchloffen It 
zit einem falten Bade, und verfommieten ſich alstann 
in gemeinſchaftlichen Epeifefälen zum Nachteffen, dab 
aber immer vor Untergang der Sonne geendigt wurde 
Diefe Abendmahlzeiten, an weichen nie mehr als zehen 
Bruͤder der groͤßern Vertraulichkeit wegen beyſammen 


waren, wurden jebesmal mit Sibationen und Opfern ats 


‚gefangen und beſchloſſen, und beftanden aus mannigfal 


Aigen, und nahrhaftern Speifen, als welche fie des Mit 


tags zu genießen pflegen. Sie aßen nicht nur gekochte | 
und ungefechte Kräuter und Gemüfe, fondern auch Fleiſch 
und Fiſche, aber felten und wenig, und kranken auch 


Wein. Wenn fie ögefpeift harten, unterhlelten fie [if 


noch eine Zeitlang mit angenehmer ober — 
geek. Der Oberſt der Geſellſchaft ſchlug vor, was 


gele⸗ 


Fu 











’ 
s 
L \ 


Gefchichte der Pothagoreifchen Geſellſchaft. 4,u 


geleſen werden ſollte, und der jüngfte muſte vorfefen, ben 
jener, wo es nörhig war, verbefferte und unterbrady. 
Zulezt wurden noch einem jeden beym Auselnandergehen 
die wichtigſten Pflichten des Lebens, und Die Hauptgrunds 
füge des Ordens kurz vorgehalten, und in Erinnerung 
gebracht. "Hier Hört zwar die Erzählung des Ariftorenus 


beym Jamblich von der gewöhnlichen Art, mie die 


Porhagoreer den Tag hinbrachten, auf: man fann aber 
aus andern Schrififtellern , „die hoͤchſt mahrfcheintich den 
eben genannten großen Gefchichtfchreiber vor ſich harten, 
noch diefe Machricht Hinzufegen, daß die Pythagoreer 
nicht gleich von der Abendmahlzeit fich zur 8* begaben, 
ſondern vorher noch ein wichtiges Geſchaͤft vornahmen. 
Sie uͤherdachten daͤmlich, bevor fie ſich niederlegten, 


allet, was fie den Tag über geſehen, gehört und gethan 
hatten, und bemuͤhten ſich dann, ihre Seele zu entfpans 


nen , und durch die fanfteften Harmenien der $eier im 
eine füße Ruhe einzumiegen , und zu einem ungeftörten 
und traumloſen Schlafe vorzubereiten *). 


B Trade 


! 





| ] ERDE 








e) Siehe Rittersh. in Net. ad Porph. S. 9. p. 39. Dieg. 


ap. Porpb, 40. idom ap. Jambl. 65. Muo de ux= 


Asse nasess TaENY'Yvo ev Dewridı Geo. vor 


c c 
ev OTE EIS oxrov Toemosro. Tov de oTe eß ums 
Mævigœro. ETIOKOREN Ya TreoONKeI Ev EnTegw 
TETOW» TOTE NON BENOKYMEVE ı Koi To& MEAA0Y- 


To. Tay Ev Yevanevav BuSWvas Wae Erurs iu - 


” 509 Auparorro. To» de MeAAcıTav TrEOVeIaHN 


mossevov. Tleo uev 89 TEURVE TaUTa EnuTa To 


um emadew Enasor. 
2 und 


g2 Deitted Buch. 


Machdem ich nun .ben ‚ganzen Tageslauf eines 
Pythagoreers nach dem Ariftorenus gefchilbere habe; fo 
will id) izo noch einzelne Theile dieſer Beichreibiung etwas 
naͤher unterſuchen, und auch diejenigen Ordensregeln, die 
nicht darinn beruͤhrt ſind, nachholen. 
Ercſtlich muß es ſelbſt dem Unaufmerffamften aufs 
fallen , wie fehr die jwigfache Ruͤckkehr in ſich felbft, wo⸗ 
mic, die Pythagoreer den Tag anfingen und befdjloffen, 
= das Innere Auge fhärfen, einen jeden mit fich ſelbſt be⸗ 
kannt machen, Unbedachtſamkeit und Unüberlegtheit im 
Reden und Handeln vermindern, und endlich durch das 
felige Vergnügen, was das Andenken an gute Thaten 
gewaͤhrte, die Liebe zur Tugend ſtaͤrken, und hingegen 
durch Schaam und Reue, die von der Erianerung an 
Thorheiten und Ungerechtigkeiten ungertrennlich ſind, die 
Keime unmäßiger oder ungefelliger Neigungen allmälid 
eeftichen muften. Pythagoras fehrleb aber die Wieder: 
holimg deffen, wag man gethan hatte, und die Ueberden⸗ 
kung deifen, was man thun wollte, nicht bloß als Mit 
tel der Selbſterkenntniß und Bildung, des‘ Herzens vor, 








. | \ ſon⸗ 
——— —— — 
und umver. naAunoow em opnaoı meodt 
ER . EagIoı, 
Ile rTor zunegwav: eeyarı Tas Ense 
.. ezerdeıy 
In wageßm; vi d’egefa;. Ts mos deon en 
| —— ereAeo94; . 
* 2... Tleo de sans sfavasacews enewon” : 
Ilewr® ev g£- Unveso” mel govos sfune- 
i J VITÄS + | 


Ev var TEOLTEVEUEN 5 os sv naar eeya TE 
N Asceeıs. 


— 


Geſchichte der Pythagoreiſchen Geſellſchaft. 4 


ſendern er verordnete fie auch nach dem Zeugniſſe mehre· 
rer Schriftſteller als die vortreflichſte Uehung des Gedaͤcht. 
piffes, und fie werden daher auch als eine Pythagoreiſche 
Gedaͤchtnißkunſt befchrieben*). Es war ven Freunden 
des Pythagoras nicht genug, fi ch überhaupt, oder im 
Ganzen der Begebenheiten eines oder mehrerer verganges 
nen Tage zu erinnern, fondern fie bemübten ſich, nach 
dem Rathe ihres Meifters, die Spuren derfelbigen ir 
eben der Ordnung zurerneuern , in melcher Die Begeben ⸗ 
beiten ſelbſt einander gefolgt waren, ie 'befannen fich 
alfo zum Benfpiel, was ſie ihren Bedierten zuerft, mas _ 
zweytens, Drittens und fo weiter befohlen hatten; wen fie 
zuerſt, wem zweytens und drittens aufgefloßen, weldye Ges 
ſpraͤche zuerſt, welche zulezt, und welche zwiſchen beyden ge⸗ 
fuͤhrt waren. Wenn ſie Zeit hatten, fo gingen fie mit ihren 
Gedanken nicht nur über die Eräugniffe eines Tages, fondern 
mehrerer Tage zuruͤck; und es fonnte nicht fehlen, daß nicht 
durch diefe anhaltenden Uebungen ein Seelenvermögen, 
Das die Alten überhaupt mehr ſchaͤzten, als die neuern, 
ſehr geſarkew worden waͤre. Bey der beſtaͤndigen und wieder⸗ 


bol. 


— — 
” Piod. I. e. et Neep. Jambl, ı64. 165. Ilv$ayogess 
æynę 8. EDTEEOV EN TNS KOTNS RVISETO, N TOX- 
85 Yevousvaa Newdeeoy avamın dem. ETEIEMTO 
 avaruuhareıy rn dınvoss Ti Mowregov eımev, 
N 1KBcev,.r meoderufev rois 'svdov, mvasus m 
deurseov n reırov. Kas Bel Tuv EIwMEVaV 0 &u- 
Tos Aoyos. Kar zarmw av efıar, Tıyı FenTa 
eréruxer, N TI deuregm. ' Kos Aoyosı Twves 
eNexInsav newro, n deuriod, y Tara - 
ei de aA oxoany ayoev ev Tw deyeyaadıı, , 
. TA Kata Tem —R — Tv wur 
reoxo⸗ miæur⸗ avarzuaven, 








— ñ— e — ) 


er -. 


— 


44— Drittes Buch, 
holten, Exfeifehung aller Eindruͤcke, die ihr Gedaͤchtniß 


empfangen, oder die fie Ihm auch anvertraut hatten, 
‘mufte der ganze Vorrath ihrer Erinnerungen gleichlam 
.eine an einander hängende Gallerie von Gemälden werten, 
‚auf welchen alle wichtige Auftritte ihres Lebens mit un. 
vergaͤnglichen, oder wenig verbleichenden Farben vorgeftclt 
waren. Die $ebensgefchichte, die ein jeder In. feinem 


Gedaͤchtniſſe herumtrug, mufte vielmeniger Luͤcken haben, 
als bey andern Menfchen, die durch Nachläffigfele oft 
ganze Jahre einbügen, und aus großen verflofjenen Zelt 
räumen nur einige dunfle verworrene Schattenbilder In 
bie lezten Abſaͤze ihres Daſeyns hinüberbringen, Wahr 
fcheintich war Pythagoras ker erfte feines Gefchlechts, de 


„bie großen Vortheile einer periodifchen, an gemiffe Zei 
ten gebundenen Prüfung feiner ſelbſt, und regelmäßige 
Gedaͤchtnißuͤbungen einſah: gewiß aber war er der erſte, 
- der jene öffentlich empfohl, zur. Gewohnheit niche nur fit 
ſich, fondern aud) für eine große Zahl von Freunden malt, 


und aus ihr fo mannigfaltigen Nuzen 309, als man ei⸗ 


‚nige Jahrtauſende nach ihm kaum glauben wirt, daß | 


fie verjchaffen koͤnnte. 

Weniger neu und eigtathaͤmlich ſind die Erholun⸗ 
gen und Leibesuͤbungen, bie er feinen Freunden vorſchrieb. 
Diefe waren alle (dielleicht Bas Spaziergehen ausgenom 
men) fchon vor ihm unter den Griechen eingeführt; und 
die meiften davon gehörten zur Erziehung eines jeden rdeln 


“und über den Pübel Hervorragenden Griechen. Allein 


bie zweckmaͤßige Bertheilung berfelben war doch dem Pr 

thagoras eigen. Sie entſprechen der Abſicht, wozu fi fi 

erfunden waren, fo fichtbar, daß ich meine Sefer beleb 

bigen würde, wenn Id) Ihnen weitläuftig zeigen wollte, 
- le 








Geſhichte der Pythagoreiſchen Gefelfihaft. 415 


wie viel eine jede jur Entwidelung,, Geſundheit und. 


Staͤrke des Res beytragen mufle. 


/ 


Eo fehr die alten Schriftfieller in dem Macke 
von Speife und Tranf übereinftimmen, das die Pyttza⸗ 


goreer beobachteten , fo fireitend find ihre Nachrichten über . 


die Befchaffenhele und Arten der Nahrungsmittel, die 


Pythagoras feinen Nachahmern erlaubte. Alle Geſchicht⸗ 
fhreiber bezeugen, daß die Phthagoreer niemals. der Nas 
tur mehr qufgedrungen haben, als fie verlangte, und 
daß fie auch niemals durch kuͤnſtliche Mittel und Reize 
Begierden erregt hätten, um fie mit einem augenbiickli⸗ 


hen Rizel befriedigen zu Finnen Diele vor tem Pyihas 
goras, und noch mehrere nad) ihm hatten und haben die 


Vortheile der Maͤßigkeit, und alle traurigen Wirkungen 
der Unmaͤßigkeit, bie oft die Seele noch mehr als ben 
ei verdirbt, mit lebhaften Farben geſchildert; allein 
feiner als er verftänb die Kunſt, üppige, In allen Arten 
von MWohlleben erweichte Maͤnner und Juͤnglinge von 


— 


einer Schwelgerey, die gleichſam Beduͤrfniß geworden 


war, loszureißen, und auf den Weg ber einfachen un⸗ 
verdorbenen Natur zuruͤckzufuͤhren. Pothagoras Ichrre 
nicht bloß Maͤßigkeit, ſondern er ließ fie ausüben; er 
empfahl fie nicht bloß, fondern er zwang gewiffermaßen 
dazu: beydes dadurch, daß feine Schuͤler ben ganjen 
Tag über weder Wein, noch Fleiſch, noch warme Epel. 
fen genießen, und am Abend in ber. Gefelljchaft und un 
ter der Aufficht von Altern Mitgliedern eſſen muſten, die 
durch Beyſpiel und Anſehen ihre juͤngern Brüder von 


allem Uebermaaß im Genuß würden: zurüd gehalten ha⸗ 


ben, wenn die Gerichte auch verfüßrerifcher, und un 
| | | ſoß 


” E 
— — —— — 


iu weeuagm m. .m- w - 
‘ 


delichen Lebens ſchien ihm eine ſtete Gleichheit des Zu 


416 Det Buch. - 
bloß zur Seillung des Hungers zubereltet geweſen wären*), 


So wie Pythagoras ſeine Tiſchgeſell ſchaften nach Kretl⸗ 


ſchen und Spartaniſchen Muſtern einrichtete, ſo nahm er 


auch vom Lykurg und deſſen Söhnen die wahre Norm, 
oder den Probierſtein einer fortgeſezten Maͤßigkeit an **), 
Das einzige zuperläffige Merkmal eines mäßigen une 


ſtan⸗ 





*) Ariſtoxen. ap. Stob. Serm. X, p. 132. Ileeı de end 
Mas, To de eAsyer. eıwası To wagos TETo Dur 
KıÄlov, Ko MOAUBON0y, Kal MoAusIdssacToVv. Ei 
va de Toi ET dUuRımy TORS KEN EWINTNTUS TE nui 
KACHOHEUNSaS, Tas de 0uuduTas urn yevru 
Tnv erıdupıav , ER Dogs Too Tns \uns mai 
oppamv, Kaı ogıkıw vous HANCHGEnS, N Warpscıes 
.WICIHTERS, N HEATEDS KO RTETIRS, Kat TE 
un aucIaneoYe. erıdupias de nuogrnpevns rı 
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AFXRUOIMMy, ROUUMFETOHEV, Koıpıcev. N YaL | 
Murodev eıyas Tn ERISUMIEY EOXNMOVEE TE Ka 
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n TOITov EOS TAUTO, o ve 8 del, Ka. Mweos a 
8 de. - J er 
&#) Vide Died. loe. eit. Diog. ex Atiſt. ap. Porph. von Ps 
thagoras: oIev aurw us To —2* —8R Em. 
sagun vnv aurm ibm dbaßvAarrenw. 8 7dre um 
 Uysavov, TOTE de voobv. ‚Bde ou More'uev Mi 
curouevov. Ka wufavonevon ,- more de Arnır 








\ ronevor naaı ITXloıvesavov. Vot. Seript, ap, Jombl. 


196. et 226. Under erften Stelle von ben Ppthagoreern: 
PREOTEIXeV VAL TOMTE, ws av EM 
Tœov uTœr Öscenewras „ Ka un ROTE ner eıXYya, 
“ rore de RoAu Tuer. EYWUAAB. Yag Bis rare 
RoyTo Ejvob desyum. on " . 
\ 


J 


* u 





D 


PERPR. der Soiageegen Geſellſchaft. Fra 


Iandes des Körpers zu ſeyn, die durch niches abgeaͤndert 
der unterbrochen werde, als durch bie unvermeiblichen 
heſeze der Natur, nad welchen afle thierifche Wefen 
ben fo langſam abnehmen, und zur Aufldfung hinab⸗ 
nten ſollen, als fie entwickelt und ausgebildet werden. 
Yingegen Hlelt;er- mit den Spartanern alle Kranfpeiten 
hue Ausnahme, ferner Magerpelt, ober plögliches Wera 
binden von Kräften und Fleiſch, endlich überflüffiges 
ett und Aufgedunſenheit für uncrugic · Zelchen von 
namaͤßlgkeit. 

Von einem Manne, ber nach diefen Srunbfägen 
bte, und andere feben ließ, kann man ſchon erwarten, 
16 er in der Wahl ber Spelſen, wo nicht fo firenge als 
sfurg, doch ſtrenger als feine Zeitgenoffen geweſen fey. 
Niefes beftärigen audy afle Schriftfeller, nach welchen ' 
hthagoras und feine Schüler ſich von 
Iiteln enchalten haben. Mur weid 
ab, und wiberfprecyen fich, went 
"einzelnen Speifen fommen, die J 
ofen, ober ſelten genoffen haben fol. :Man mag aber 
(gen, welchen man will, und über ihre Glaubmürdige 
it noch fo verfchieden urteilen; ſo muß man die Did« 
ik des Pprhagorag nicht nach den Grundfägen unferer 
wern Aerzte richten. Der Briechifche Weltwelſe unsere 
gte gewiffe Speifen, nicht bloß deswegen, weil er fie 
t fhädlich und ungefund hielt, ſondern weil fie zu den 
@ereyen und Sieblingsgerichten ber damaligen Schwelger 
hörten , "ober well ſie auch nach bem Aberglauben- feiner 
Yäter und Zeltgenoffen entweder für heilig, oder auch 
t unrein gehalten „ :und In den Myſterien verboten wur⸗ 
na feines idteit — nicht bloß Arbeiten 

und 


2. Deitie Buß. 


und Erholungen, Schlaf und Wachen, Ein: und Teinfen, 
fo genau abzumägen, und ihre Verhaͤltniſſe fo zu beſtimmen, 
daß daraus nothwendig eine ununterbrochene Geſundheit de 
Körpers und Geiſtes entſtehen imuſte, (ungeachtet er auf 


dieſes, nach den Zeugniſſen der Alten, unker den Grieche 


zuerſt verſuchte ). feine Abſicht bey der Unterſagung gs 
wiſſer Speiſen war vornehmlich auch dieſe, einer in Gitt 


übergangenen Schwelgerey zu ſteuren, der unbegrängten 
Leckerhaftigkeit ſeiner Zeitgenoſſen Peine Mahrung zu gs 


ben, und die Religionsbegriffe der Griechen nicht zu 
leidigen, indem ihm vlel’darari gelegen war, daß er u 
feine Anhänger für reine, unbefleckte und Gott gefäl 
Menſchen gehalten würden, 


In ber ganzen Diatetit des Pothageras iſt fie 


| wihtigee, und ſchwerer zu beantwortende Frage, di 


dieſe: ob er feinen Freunden eine gänzliche: Enchaltem 
keit von aller animalifcher Nahrung empfohlen Habe? = 
Wenn diefe Frage bloß nach der Zahl sufammenftimme 
der Schrififteller eutſchieden werben Könnte, ober bürf fe 
fo. müfte man fie-unftreltig mit ja beantworten ı benn de 
größte Thell melden, daß die Pythagoreer nach ben Oe 
ſezen ihres Lehrers gar Feine Fleiſchſpeiſen getroffen haba. 
Andere hingegen, und zwar Männer won größerm 9% 





vicht, verſichern, daß die äkteften Pythagoreer ad 
Fieiſch, nur nicht won allen Tpieren, und auch nid 
‚ alle: Theile von Thieren gegeſſen haben. Einige wenlg 


enblich Halten ſich zwiſchen dieſen beyden entgegen gefef 
Parthryen gleichſam In der Mitte, und ſagen, daß jez 
Pythagoras; und deſſen vertrautefte Freunde, die fü 
na feinem: WBarblde der x heqhſten Rtulgteis —* 


x 





Geſchichte der Pythagoreiſchen Geſellſchaft. — 
efliſſen haͤtten, ſich vom Opfern, vom Schlachten und 
'fen der Thlere unbefleckt erhalten, daß hingegen bie 
dern Elaffen feiner Anhänger, bie nicht Kräfte genug 
habt, fich von allem Irdiſchen abzureißen, wie andere 


mößnliche Menfchen gelebt, und animalifche Speiſen 
icht unter bie verbotenen gerechnet haͤtten. 

Die Zeugniſſe der Alten, die für eine gänzliche 
nthaltung der Pythagoreer von Sleifchfpeifen ansehe 
erden fönnen, rühren im geringften nicht von Jauter 
ätern,, verdächtigen oder unberühmten Schriftſtellern 
er: mehrere derfelben find von Weltweifen und Dichtern, 
le aͤlter oder eben fo alt, als bie aͤlteſten Gefchichte 
hreiber des Pythagoras waren, und einen großen Na⸗ 
ven in ihrem Wolke harten. Man kann fich mit Recht 
lerſt auf verfchledene Fragmente des Empedofles beru⸗ 
n, In welcher biefer Bewunderer, ‘und in vielen Stüs 
m Nachahmer des Pythagoras, die Menfchen vom 
hlachten der Thiere, als vom Water » und Bruder 
ide abzuſchrecken ſucht *). Faſt eben fo wichtig iſt 











b2. ...0. de 
9 Ap, Plut, Opp. T. Vi. p. 654. de fuperfilt. & Ari, 
KRhet. I. 13. | u 
MoeDnv ö —X Zzarne DAN won 
| —W F 
 ePafer, ensuxouses neya vnmos. dı de 
en TRETEN 
Asssousyev” Quovres. 6 0: agnusos 6 tom 
" j “Aean, | 


Sdafas, ;@y ‚neyagocı Hay MÄRYUNETE, 
| “ Be )7. 7 
| . As 





— 


. 40. J Drittes Buch. 


die Erzaͤhlung bes großen Sternkundigen und Hlmmelsde 
trachters, Euborus, beym Porpfyr *), nad welcher 
Pythagoras nicht nur niemals Thiere ſchlachtete, un 
von ihrem Fleiſche aB- ſondern ſich fogar in Acht nahm, 
Koͤchen und Jaͤgern zu nahe zu fommen, als wenn ſe 
verruchte, und mit Menfchenbiut befledte Moͤrder g6 
weſen wären. Eben diefe Abgeneigtheit der Ppthagerer 
gegen thleriſche Nahrung bezeugen bie, Komifer, ders 
Fragmente Athenäus **) und Diogenes “rk anführen, un 
die zwiſchen ber go und hundereften , ober Doch vor ber 
Olympiade ſchrieben. Diefe find Antiphanes, Alerit, 
Mnefimahus , Ariftophon und Ariſtophanes, wenn niit 
dieſe beyden leztern eine Perfon find, und ber Name da 
zweyten, mit dem Namen bes erftern verwechſelt werke 
iſt, wie Menage vermurhete +). Allen diefen. Schtiß 
ftellern ſtimmen Apollonius +), ein unbekannter Scheiſ 
ſteller beym Porphyr ttt), Sotion und Sextius Hit) 








De SF auras wre vios EAwy xors punTen 
u Ba 
Gunoy amoggmisarre, Pidos nTos auge 
| — edari. 
-  unbdap, Sext. adv. Matth, IX. 128. 129, 
" Qu: avseede Dovaro dvamxeos ; ux ur 


j IJ ORTE 
ArANABS damtirrss uxndems vono’ 
B ed) 8. 4. R 

F 09) IV. 17. 18. | 

... Pre vi, 37. B- j \ 

Ä De VIIE 38. Diope 

W —t— 1,6 vi, Apell, 

+4}) de abfl. m. aß. 


— 





Geſchichte der Pythagoreiſchen Geſellſchaft. ‚gu 
Diogenes *), Porphyr **), und mehrere Schriftſteller 
uym Jamblich bey **), Zu allen diefen Beweisftels 
m, fann man endlich noch diefen Grund hinzufügen, daß 
Prehagoras an bie Wanderung von Menſchenſeelen im 
thlerfelber glaubte, und daß er daher das Erwuͤrgen 
nd Effen von Thieren für eben fo unerlaubte und gemale 
ome Handlungen erPlären mußte, als den Ledeſchlag und 
bilde Menſchenfreſſerey. 


Wenn man auch voraus fezen wollte, baß bie ek⸗ 
tatifhen Ausrufungen und Warnungen bes Empedokles, 
Menſchenhaͤnde nicht mit dem Blute von Tpieren zu ver» . 
reinigen, gar nicht auf ähnliche Sefinnungen ber Pys 
hagoreer ſchließen ließen, weil es bekannt ſey, daß ber 
Agrigentiniſche Dichter kein aͤchter und alter Schuͤler des 
Py hagoras gewefen, und in vielen Puncten von ihm ab⸗ 
zewichen fen; fo kann man doch unmöglich, wenigftens 
nicht mit einigem Scheine, die Fragmente der Komiker 
berwerfen, In welchen die Enthaltung von Fleiſchſpeiſen 
als etwas den Pythagoreern eigenthuͤmliches angegeben 
wvird. Dieſe Stellen find meinem Urtheile nach um 


defte unverdächtiger, da bie Verabſcheuung animaliſcher eo | 


Nahrung ben Pythagoreern niche zur Helligkeit und Nele 
tigkeit des Lebens angerechnet ,. fondern als eine, fromme 
Thorheit, oder auch als eine Wirkung ber äußerften Ars 
Muth vorgeworfen wird. Man muß alfo nothwendig 
nnehmen, daß bie Porbeseen, die zwifchen der 9a 
Dd 3 und 





— — — en nn — 
*) VIEL, 13. 
) U. de Abt. 36. 


“) Nicom, sp. Jewbl. 106. 150. & 168 186, . 





N 


DE nn En 


| W 
| . Dritte Buch⸗/ 


die Erzählung bes großen Stern” cchenfanbe lebten, m 
trachters, Euborus, beym,/ „fen bes Empedokles, m 
Pythagoras nicht nur nF 6 Schlachten von Thieren ei 
von-ihrem Fleiſche aß, /s Benießen ihres Fleiſchet a 
Kochen und Yägerr/Hällige Verunreinigung Apres Lebe 
verruchte, nd nf ur 
wæeſen wären. gr aber biefes auch zu ſeyn fcheint; I 

gegen — läßt ſich daraus ber Schluß ziehen, bıl 
" Sragmer sub feine älteften Freunde, bie vor der zofm 
- die zw’ „A, blühten, eben-bie Sebensregel beobachtet habe, 
Sfr jinen Nachfolgern ein halbes oder ganges ahı 
7 # nach ſeinem Tede ausgeübt. worden iſt. Es 
Per aus ben Fragmenten der. angeführten Komiln 
if ermeistich, (wie Ich welter unten zeigen werde) di 
pe Porhagoreer, die nach bem Tode: des Pyrhagnı 
nbten, ſich In vielen wichtigen Puncten von ihren Da 
gängern unterfchieden haben, und zu.diefen Neuerung 
gehört nun auch die größere Strenge. in der Sebentutl, 
die fie ſich in der Enthaltung von allen Fleiſchſpeiſen au 
legten. Dies fann man mit den Zeugniffen von Ör 
ſchichtſchreibern beweiſen, welche ben Euborus fonohl ul! 
alle neuere Schriftfteller , bie von den unblutigen Opf 
‚und der vegetabilifchen Diät ber Pythagoreer reden, o 
alle Bergielhung an Glaubwuͤrdigkeit übertreffen. 
" Dergleichen Zeugniffe nun find die Nachrichten du 
Arifioteles und Ariftorenus, der gelehrteften und mıh' 
Baftigften Geſchichtſchreiber des Pythagoras , und der mi 
ihm eingeführten Lebensart und Philoſophie. Beyde int 
ten darinn überein (und auch Theophraſt glaubte, N 
fagte.diefes) *) daß Pythagoras und deffen Attefte u 
- Eu 


420 





nn 


®) ap. Porph. II. 6,28. 


\ , 


4 


no. 
\ 
‘ 
4 
| - 


chte der Yothagoreiſchen Geſlſchaft. 103 


{en Thieren, ſondern nur von einigen Arten j 
"s vom Zugechfen und Bock, und Dann 
befonbers dem Kerzen und ber Mut⸗ 
.„ 8» )» | | 
% annern frauten Plutarch und verfchlebene 
‚einer Zeit, die Fleifcheffer waren, . mehr 
zudorus und beffen Mitzeugen ‚. ungeachtet Pius - 
. den Eubopus fleißig gelefen hatte, And fonft ein 
ateiger Vercheidiger der Thiere und ber vegetabilifchen 
ebensort war **). Auch Achenäus***), dem mir bie 
Erhaltung der meiften Spoͤttereyen der Griechiſchen Luſt⸗ 
Ipielfchreiber über die Cuthaltſamkeit ber Pythagoreer ih⸗ 
ver Zeit zu verdanken daben, dahnte dieſe gänzliche Ents 
haltung won thieriſchen Speiſen nicht auf die Alteften 
Pythagoreer aus, und glaubte auch nicht, daß der Muth⸗ 
wille der Dichter den Pytbageras ſelbſt und deſſen Zeit⸗ 
genoffen treffe, fonbern trat den Meynungen derjenigen 
ben „ welche verficherten, baß bie ülteften Pythagoreer von 
ollen Thieren, nur nicht von Fiſchen gegeffen hätten. 
Wenn endlich Apollonius, Gotlon, Sertius, Porphyr, 
Jamblich und andre denen folgten, welche bie Vorſchrift 
— Dd 4 der - 


— ee [Te 





— — 
*) Plat, ex Aritt. ap. Gell, IV, 11; Aria. ib, & Diog, 
VII, 20. Jegbl, S. 98. ap. Parph. ex Diog. 34. 36. 
°) Sympof. VII. 8. Ks TE x9 naas AAeäungaras 
EVaTUYov maIuraus, SAND mv asıv orE METEImS 
m005 Deppuevas, zocı vn Asct Yuzow, ıx 9vos de un 

- : yevoandaı vo Raps war umöuerscw.— Teur“. 

emäweous 0 ZuAAws, weoceıze mweei Tray Hudam 
Yoeınmvy, OS MAIS ev EyevovTo Tor jsgodu- 

Tav azaexoneve Tas Jadıs. \ 

*e) VII. 16. p. 308. J 








3 “ 


Fre - Det Buch. 


und 100 di. Im eigentlichen Griechenlande leblen, u 
‚vielleicht gar ſchon Die Zeitgenoffen des Empedokles, de 
zum bie 34 DI. bluͤhte, das Schlachten von Tieren ai 
‚ein Verbrechen, und das ®enießen ihres Fleiſches ah 
‚eine den Göttern misfällige Verunreinigung Ihres gelbes 
engefehen haben. 

So gewiß mir aber biefes auch zu ſeyn ſcheintz . 
venig, glaube ich, laͤßt ſich daraus der Schluß ziehen, beh 
Pythagoras und feine älteften Freunde, bie vor der of 
Olympiade blühen, eben die Sebensregel beobachtet hab, 
‘die von feinen Nachfolgern ein halbes oder ganzes Jahr 
hundert nach feineni--Tede ausgeübt. worben iſt. Es 
vielmehr aus ben Fragmenten der. angeführten Komile 
ſelbſt erweislich, (mie ich weiter unten zeigen werde) di 
die Pythagoreer, die nady bem Todesdes Pyrhagan 
lebten, ſich in vielen wichtigen Puncten von ihren Dan 
gängern unterſchleden haben, und zu dieſen Neuerunga 

gehöre nun auch die größere Strenge: in der Lebensan, 
die fie fi in der Enrhaltung von allen Fleiſch ſpeiſen at 
legten. Dies fann man mit den Zeugniffen von Or 
ſchichtſchreibern beweiſen, welche den Euborus ſowohl al 
alle neuere Schriftfteller , die von den unblutigen Opfern 
und der vegetabilifchen Diät ber Pythagoreer reden, oft 
alle Bergleihung an Glaubwürdigkeit übertreffen. 
Ddeergleichen Zeugniffe nun find die Nachrichten di 
Arifloteles und Ariftorenus, der gelehrteften und wahr 
Baftigften Geſchichtſchreiber bes Pythagoras, und der DM 
ihm eingeführten Lebensart und Philoſophie. Beyde ftimm 
ten darinn überein (und auch Theophraft glaubte, und 
fagte diefes) *) daß Pythaeras u und deſſen aͤtene In 


— — — — w | 


| — sp. p. Porph, I. il. 6. 28. 





\ 
‘ 
4 
J 


| Geſchichte der Vothagoreiſchen Geſellſchaft. | 483 


ſich nicht von allen Thieren, fondern nur von einigen Arten 
derfelben , befenders vom Zugechfen und Bock, und bann 
von einigen Theilen, beſonders dem Herzen und ber Mus 
ter enthalten hätten *). - 

. Diefen Männern trauten Plutarch und verfchledene 
Potfagoreer feiner Zeit, bie Fleifcheffer waren, '. mehr 
ols dem Eudoxus und deſſen Mitzeugen ‚. ungeachtet Pius - 
tarch den Eudoxus fleißig gelefen hatte, And. fonft ein 
elfriger Vereheidiger der There und ber vegetabilifchen 
Sebensart war **). Auch Achenäus***), dem mir bie 
Erhaltung der meiften Spoͤttereyen der Griechiſchen Luſt⸗ 
fpieiichreiber über die Euthaltſamkeit ber Pythagoreer ih⸗ 
ver Zeit zu verdanfen daben, Bepmte dieſe gänzliche Ents 
haltung won thieriſchen Speiſen nicht auf die aͤlteſten 
Ppthagoreer aus, und glaubte auch nicht, daß der Muth⸗ 
wille der Dichter den Pythagoras ſelbſt und deſſen Zeit⸗ 
genoſſen treffe, ſondern trat den Meynungen derjenigen 
bey, welche verſicherten, daß die aͤlteſten Pythagoreer von 
allen Thieren, nur nicht von Fiſchen gegeſſen haͤtten. 
Wenn endlich Apollonius, Sotlon, Sertius, Porphyher, 
Janblich und andre bene folgten, welche bie Vorſchrift 

d4 der 


*) Plut, ex Ariſt. ap, Gell. IV, 11; Arit. ib. & Diog, 
VII, zo. Jaybl, S. 98. ap. Porph. ex Diog. 34. 36. 

%) Sympol.VII.8. Kos ra xag'nuos Aredunguräs 
SVATUXov madyrass, SA ev esiv 6TE KETeIWS 

reos Degopevais, wor vn is Juzaıy, ıx.Ivos de pr 

- : ywoasdaı To Kae Far Umonesrv. = Teur“. 
—XC 0 ZuAAes, weoseims nei av Hude 
voemov, as MAAS ev eyevorro Toy isgodu 

. ..,T0y AraeXoneve Tois Jedi. | \ 
ee) vii. i6. p. 308. . 











424 W - rüter Such, Ä 


der Schonung der Thiere vom Pythagoras ſelbſt ableit 
ten; ‚fo ſchien es hingegen den Pythagoreern, die Plutar 
kannte *), kaum bekannt zu ſeyn, daß man derglel 
jemals dem Samiſchen Weltweiſen zugetraut habe, un 
ſie aßen daher alle ungeſcheut vom Fleiſche heilig 
Opferthiere. 
Gegen alle dieſe Zeugniffe if. bie Stelle des Eu 
dorus beym Porphyr von keinem Gewichte, Wenn di 
‚Freund des Plate ‘auch ein eben fo großer Kunſtuſchte 
und Geſchichtforſcher geivefen wäre, als er Mathemoetlle 
war; fo hätte es ihm doch leicht begegnen Pönnen, bij 
er eine diäterifche Vorſchrift, die von allen oben den meife 
Pythagoreern feiner FUN ausgeuͤbt · wurde, auf ben Ps 
thagoras ſelbſt aͤbergetragen haͤtte. Eudoxus war ct 
als Prüfer und Erzähter von Nachrichten aus dem hehe 
Alterthume gar nicht mit dem Ariſtoteles und Ariftormd 
zu vergleichen‘, wie ich ſchon eben gezeigt babe, und I 
Gegenzeugniß kann daher einem jeden vorfichtigen Fr 
‚fer um deſto weniger Bedenklichkelt und Zweiſe 
erregen. 
Noch viel weniger iſt die Lehre von der Gem 
wanderung ein Grund, warum man das Schlachten du 
Thiere, und das Eſſen ihres Fleiſches, als vom Pads 
-goras verboten, anfehen müfle. Denn felbſt die % 
gyytier und deren Priefter, von welchen Pythagoras jet 
‚Meynung erhalten haben foll, erwuͤrgten und. afen fı 
von eben fo vielen Thierenarten, als fie entweder dl 
goͤttlich anbeteten, oder auch als unrein verabſcheutu 
Auch gibt es unter den Deehe mehrere Caſten, 
4 





— ———— — — — 


Yıe 


. « 
+ 





Geſchichte der Pythagoreiſchen Geſellſchaft. 425 
uͤber die Schickſale der Seelen nach dem Tode bee Koͤr⸗ 
pers mie ben alten Aegyptiern gleich denken, und ſich eben‘ 
fo wenig als dieſe ein Gewiffen baraus machen, Thiere 
zu opfern, oder wenn ſie geſchlachtet ſind, von ihrem 
Fleiſche zu eſſen. Freylich ſcheint zwiſchen dem Beiragen | 
und der Denkart ber alten Aegyptier ſowohl als der In⸗ 
diſchen Prieſter ein offenbarer Widerſpruch zu ſeyn; man 
ſieht aber aus dieſen Beyſpielen, daß die Vertheidiger ge⸗ 


wiſſer Säge aus biefen nicht immer die Folgerungen ziee - . 


hen, von benen man ſich vorſtellt daß ſie nothwendig 
daraus gezogen werden muͤſten. Man kann alſo auch 
nicht ſchließen: weil Pothagoras bie Einkehr menſchlicher 
Seelen in Leiber don Thieren lehrte; ſo konnte er dieſe 
weder opfern noch ſchlachten, noch ſich mit Ihrem Fleiſche 
näfren 0) 

Es laͤßt fich ferner feine Urſache anfüßren, worum 
Pythagoras flrenger gegen ſich ſelbſt und feine Schüler, 
als die Aegyptiſchen Prieſter geweſen ſeyn ſollie. Viel⸗ 
nr muß man vermuthen daß, wenn auch die fegtern in 
Ä Dd 5 Are 


% Beun ein Gedanke des Diogenes ‚ ber fi bepm Jam⸗ 
blich finder, nicht bloß eine Vermuthung dieſes ober 
eines andern Schriftſtellers iſt; ſo war zwiſchen der 

Lehre der Porhagoreer von der Seelenwanderung und 
dem Opfern der Thiere, bie unvereinbar zu ſeyn ſchei⸗ 
nen, Fein Widerſpruch. Die Ppthagoreer follen naͤm⸗ 
fich geglaubt haben, daß in diejenigen Thiere, bie zum 
Opfern beftimmt und tüchtig wären, Feine menfchliche 
Seelen einwanderten. Ess Movov Toy lwar gu MiR- 
eexerai avSemms \Vuxn, a Sepıs esı Tugmas, 
Os TgTo Tav Iurıuav Xen ze mevar, dis. 
av Ta add KaniyRn, ap. Jambl. 5.85. 





+ 4 
⸗ 


dl R “ 
— 

e 
436 ur Dritted Buch . -- u 


ihret Zuruͤkgezogenheit, und der ungefideten Ruhe Ihrer 
Tempel nur vegetabiliſche Speiſen genoſſen hätten, Py- 
shagoras fie in dieſem Stuͤcke wuͤrde verlaſſen haben, weil 
er nicht müffige ſich ſtets caſteyende Moͤnche, fondern 
thaͤtige Männer für den Staat ziehen wollte. Es iſt im⸗ 
mer Höchft unwahrſcheinlich, daß er, der Arhleten und 
allen übrigen Kaͤmpfern .zuerft eine Fleiſchdiaͤt empfal, 
und feinen Freunden durch alle Arten von $eibesübungen, 
| Staͤrke und Behendigkeit des Koͤrpers zu geben ſuchte, 
daß eben er dieſe Vorzuͤge durch eine Übertriebene ſtreuge 
Lebensart ſohſte verhindert haben *), 
ee I Unge⸗ 


) Ehe ich weiter gehe, muß ich ben Plutarch gegen eine 
Auslegung von Dobwell vertheidigen, woburd der 
Sriechiſche Meltweife mit ſich felbft in den offenbarften 
Miderfpruch geſezt wird. . Nachdem naͤmlich Plutarch 

VIll. g. Sywp. feine und feiner Zeitgenoffen verſchiedene 


t 





Gründe angeführt hatte, warum die Alteften Pythago⸗ 
“20 geer fich meiſtens, bie neuern aber gänzlich von Zifchen 
entkhalten hätten, lobt er. bie letztern wegen der Scho⸗ 


nung von Thieren, die nicht allein dem Menſchen nicht 
wirklich ſchadeten/ ſondern auch nicht einmal ſchaden 
koͤnnten. Nach dieſem Lobſpruch faͤhrt er in folgenden 
Worten fort: Ilxeası de var Te Aoyay xaı Tay 
iegay enaleiv Tois maAmIAS, as-8 Wovov edw- 
nv» KA Ks Dovoy (WE an BAurwrovros, Ef- 
ı. vevtvayes, ua UJETWEV EROBvTo. AÄTE de- 
miysonevo LaleıgYapavoı, Hai Xenous Fivos (ws 

Qacw) en AsıGav ETIKEeATUSEHEVE TOISKERZOS 

> 7 genyew Ödngoummas , negavro ev nantıegeumm. 

| ers de DUWS TALATTOUEVO Ka ÖEIMEIVOVTES, 
dodem pev suaAsv Kaı gelew, @5 Tı Meyo deav- 
vis vo Jury euluxev. Diele ganze Stelle ver; 
ſteht Dodwell von den Alteften Pythagoreern, bie 

> 


Fan 





Seſchichte der Pythagoreiſchen Geſellſchaft. 47 


. Ungeachtet aber Pythagoras feinen Schuͤlern Has 
Steifcheffen erlaubte 3 fo that er Dies doch nur unter Bes 
Dingungen , wo es nicht leicht taͤglich werden, oder in 

ſchaͤd⸗ 








— — — 


Aovsc von ihren geheimen Lehren, und haͤlt einen / 
DHelphiſchen Goͤtterſpruch für die Urſache, warum Alexi⸗ 
krates und andere Pythagoreer im Zeitalter des Plus 
tarch von der enthaltfamen Lebendart,ibrer Vorgänger. 
abgewichen wären. Wenn man nicht wuͤſte, daß es bem 
Dodwell p. 131, de zer, Pyth. darum zu thun war, den - 
Athleten Pythagoras, und den Erfinder ber Fleiſchdiaͤt. 
von dem Weltweiſen Pythagorasz zu unterſcheiden, und 
daß er allenthalben, wo er nur fonnte, Beftdtigungen 
biefer feiner Dieynung fand und fuchte; fo wuͤrde man 
ihn wegen her angeführten Erfläruhg der Worte des ' 
Plutarch mit Reht ber aͤußerſten Unwiffenheit. ſowohl 
der Griechiſchen Sprache, als der angeblichen alten Ue⸗ 
berlieferungen der Griechen beſchuldigen koͤnnen. Wie 
konnte es ihm ſonſt ohne bie ſeltſamſte Verblenduug 
nicht einfallen, daß 05 raAnıos hier nicht die aͤlteſten 
— (von denen Plutarch an zwoen vorbers 
ehenden Stellen ausdruͤcklich gefagt hatte, baß fie 
5 fehfpeifen genoffen hätten) fondern, wie an unzaͤh⸗ - 
igen andern Orten, bie erften Sterblichen , oder Be > 
wohner Griechenlandes, bedeute? Sollte er fi ferner 
nicht darauf beſonnen haben, daß von der Zeit an, da 
> Re Enthaltung von animaliſchen Speiſen für einen Bee 
fehl des Pythagoras gehalten, und von mehreru aus 
genommen ‚wurde, auch angeblide heilige Sagen 
Cagos Aoyes) in Griechenland hernmgingen, daß Ke⸗ 
krops, — *c— Drako, und die Eleuſiniſchen 
Myſterien das Srwärgen yon Thieren als eine Miffee - 
shat verbotben hätten, de Abſt. Aulm. IV, 22. Porph, 
Such Fonnte es ihm nicht mubefaunt feyn, daß man 
die unmahrfcheinfichften Maͤhrchen yon den erfiern Ers 
mwirgern von Stieren, und ben göttlichen Strafen, 
womit biefe Frevler heimgefucht ſeyn ſollten, erzählte, 
Eublich haͤtte er es nothwendig merken we daß tie 
orte 


—ß— r 


I gnugnigen 


Zn — 


428 Drittes Buch. 


fchästihe Schwelgeren ausarten konnte. Er befahl 
nämtich ; daß man nicht von allen Thieren, fondern nır 
von gewiffen Arten, befonders von jungen Boͤcklein und 
Schweinen, und aud von diefen nur mit Ausnahme 96 
wiſſer Theile, und bloß alsdenn eſſen follte , wenn fie den 
Göttern zum Opfer wären bargebracht worden”). Nun 
aber waren, wie ich nachher beweiſen werde, die Prrde 
goreer viel fparfamer in ber Darbringung blutiger Onfe, 
als die übrigen Griechen: auch fdhlachteten fie den Bit 
tern zu Ehren, weder fo große Thiere, noch in ſo großer 
‚Zahl, als ihre Zeitgenoffen, und hieraus folgte von ſelbſt, 
x daß Fleiſch für fie nicht eine tägliche Koft werben konnte, | 
und daß, wenn fie es aßen, fie es immer nur von jun 
gen, zarten, und leicht verdaulichen Thieren nahmen. 


Che 





v 
m 








Werte minder d ETIKEOHEYE x 9 eu'youmnl, 
x Yoneus Twos eu AEADav STIXeAsurauum 
Tas nuemos aenyew' Despomevoss ſchlecta- 
binae nicht auf die Pythagoreer iin Zeitalter des Plu⸗ 

‚ „tar, fondern nur auf bie Alteften Bewohner Griechen 
landes, die von den fich zu fehr vermehrenden There 
in die Einge getrieben werben, anmendbar feyen. 

. Diefer Anmerkung füge ich noch folgende binzt: 
baß diejenige Mepnung, nach weicher Pythagoras dal 

Fleiſcheſſen den nicht ganz eingeweihten Schülern er— 

‘Taubte , und nur fih und feinen ehrwuͤrdigſten um 
frömmften Nacheiferern unterfagt haben ſoll, durch gar 
feinen alten Schriftfieller, fondern nur durch den Ri 
komachus und andern biefem ähnliche bezeugt werde loh 

‚sa. ap, Jambl. Wahrſcheinlich alſo iſt fie nicht eher 
eutſtanden, als bie man zu glauben anfing, daß Pr 

tthadoras fein ganzes Leben in Ertödtungen feines älet 
ſches zugebracht habe. . 
#) Arifi, ap, Jambl. 98. Porph. 34. Dieg, VIII. 20. 











t 
d . 
\ 


Seſchichte der Pothagoreiſchen Geſcllſchaft. 429 


Eben die Schriftſteller, deren Anſehen ich bisher 
den Zeugniffen der Ihnen wiberfprechenden vorgezogen, und 
mie denen ich angenommen babe, daß bie älteflen Pytha⸗ 
goreer animaliſche Speiſen ſich nicht gänzlich unterſagt 
haͤtten, eben dieſe verſichern, daß Pythagoras und ſeine 
Freunde ſich von gewiſſen Fiſchatten ganz enthaigen, und 
auch die eßbaren viel ſeltner, als das Fleiſch von Sands - 
ehieren gegeffen Haben *). Plutarch befonders, mit wel⸗ 
diem Athenaͤus uͤbereinſtimmt, merkt an, daß die Py⸗ 
thagoreer, die er kannte, in Anſehung der Fiſche ſtren⸗ 
ger Als die aͤltern geweſen feyen, “und daß fie ſich Den 
Genuß derfelbigen gänzlich verfage hätten *e). Aus eben 
dieſem Schriftfteller erhellt, daß bie Pythagoreer bes era 
ſten und zweyten Jahrhunderts. diefe Enthaltung von 
Fiſchen als ein Gebot des Pythagoras angefehen haben, 
deſſen Grund vielleicht ewig ein Oeheimniß bleiben. mürbe, 


Sie vermutheten bald, daß er ihrer zu fchonen verorbnet - J 


babe, weil er fie für heilige Symbelen des Stillſchwei-· 
gens angefehen; bald, weil die Aegyhptiſchen Prieſter fie 
als unrein verabſcheuet hätten, ober endlich, well fie un⸗ 
ter allen Thieren dem Menfchen gar nicht fchaben koͤnn⸗ 
ten. Diefe legte Vermuthung kam tem Plutarch am 
wahrfcheinlichflen vor, und er mar gar nicht ungeneigt, 


das Maͤhrchen für wahr zu halten: daß Pythagoras bey 


feiner Ankunft in Itallen einen Fiſchzug gekauft, und 
alle darinn enthaltene Zifche frey gelaffen habe. Sounge 
reimt die jüngern Pythagoreer handelten, wenn ſie ohne 
eigenitich zu wiſſen warum? eine Speiſe mieden, von ber 
* große 


0 via. iopr. Ariſtox. & Plut, eit, loe, 
*s) l. FR 











lt. 


430. Drittes Buch. - 


große Schriftſteller ſagten, daß Pyehogoros fie nicht ganj 


verboten harte; fo meife handelte Pythagoras, wenn er 
In feiner Gefelifchaft, die eine Schule von Maͤßigkeit fen 
foflte, den dftern Gebrauch von Fiſchſpeiſen unterſagte. 


. Er errelddte dadurch zwo große Abfichten, bie ihm beyde 
. gleich wichtig waren, und zwar zuerft Einfchränfumg der 


Schlemmerey der Griechen, denen Fiſche die feinften 
Sederbiffen und bie größten Koftbarkeiten ber Tafel waren, 
Wahrſcheinllch theilte ſich der bis zur Wurh gehende Ge⸗ 
ſchmack an Fiſchen von Italien und Sicillen aus dem 
übrigen Griechenlande mit: wenigſtens war er in Syba⸗ 
ris ſo herrſchend, daß man in dieſer Stadt den Verkaͤu⸗ 
fern gewiſſer Fiſcharten, eben ſo wie den Verfertigern 
and Einfuͤhrern von purpurnen Bewänbern alle oͤffentliche 
Abgaben erließ. Ein ur Vortheil aber, den Pytha⸗ 
goras dadurch gewann, daß er Fiſche faſt ganz von der 
Tafel feiner Sreunde entfernte, war biefer, daß er und 


feine Anhänger für heilige, den Göttern eifrig dienende 


Männer gepalten wurden, weil fie fich von lebenden Oe⸗ 
ſchoͤpfen enthielten, die nicht opferbar waren.‘ Der wahre 


. Grund, warum Fiſche nicht geopfert wurben, war biefer, 


weil-die Menfchen zu-der Zeit, als fie chierifche Opfer 
ben Göttern darzubringen ahfingen, noch Leine Fiſche 
aßen. Der Päbel aber glaubte, daß man fie defwegn 


nicht auf die Tifche der Gotter bringe ,. weil fie entweber 


heliig, oder auch weit fie unrein wären. Der legte bie 
fer Gründe wird vom Sulla, einem ber Xifchgenoffen 
des Plutarch *) angeführt: ber erſte und —— aber *e) 

wird 








*) 9.909. VIII. _ | 
**) p. 9 





| Geſchichte der Pothagoreiſchen Geſellſchaft. 4. 


wird vom Plutarch ſelbſt, aber nur im Vorbeygehen 
hingeworſen. | Ä 


Unter den vegetabilifchen Nahrungsmitteln foll Pys 
tdagoras nur bie Bohnen allein verboten haben, wie die 
meilten Schriftfteler -fagen *), Hermipp erzählte fs 
gar, daß Pythagoras felbft, und Neanth und Hippobo⸗ 
tus **), und viele Pythagoreer lieber ihr Leben geloffen, 
bevor fie fich unterſtanden hätten, ein heiliges Bohnen⸗ 
feld zu. zertreten. Allen diefen Zeugniffen widerfpriche 
Ariftopenus ‚ nach welchem die älteften. Pythagoreer, une 
ter allen Erdgewächfen keines fo häufig geneflen haben . 
als Bohnen, weil fie den Seib gelinde äfnecen*“*), Wenn 
ich mich nur überzeugen koͤnnte, baß bie zuerſt angeführte 

u = - &telle 

*3) Ariſtot. sp. Diog, van, 34, & ibi Men, Thoophraft, 
V. de Cauf, Plant, 27. e, Alezıuder Polyh, sp. Diog, 
24. Vi. Dieſe Stelle iſt ſo wenig als die erſtere uns 
verdachtig. Lucas, 1. la vit. Auf! 545, Plie, XVIIL; 


12. Diogenes ap. Perph, 44. Jambl. 206. und meha 
rere andere ap. Rittershuf, ad Porph. 24, 1. p. 30. 
MR) ap. Janıbl, 189. & 260.1. | en 
M).Gell, IV. nr. Diefer Sammler bemerkt, wahrſcheinlich 
auch aus dem Ariſtoxenus daß zu dem Irrthume der 
. Enthaltung des Pythagoras won Bohnen vielleicht der 
Ders des Empedokles Anlaß gegeben hätte: Aemo⸗ 
 FoydeıAoı ,_ KUauay 70 Xeiges. eXeadou, 
opiasti funt (fezt Öellius hinzu) plerique nur ie 
gumentum vulgo diel. Sed qui diligentius auquifi- 
tiusgue enrmina Empe Interpeetati funt, 
xu@ues hoe in loto tefticulos figuificare dieunt, 
eosque mpse Pythagerao eperte atquo Iymbolice 
- Xucues sppellatos, qula ſint ex To us dewar, 
KIT TE KUN, ©. 








X 





2 . Dot Bub, 


Etelle des Diogenes von Sarrte *) wirklich aus einer 
aͤchten Schrift des Ariſtoteles genommen worden; ſo 
wuͤrde ich fein Bedenken tragen, ihr zu folgen, und zu 
behaupten, daß Ariftorenus diesmal von den Pythago⸗ 
reern, bie er kennen lernte, unredje berichtet worden fen. 
Allein die ganze Stelle iſt verderben, und es iſt alfo auch 
. Meine Unmöglichkeit,- daß ber Name bes Ariftoreles an 
die Stelle eines andern gefezt, ober doch fo verrückt wer 
ben ſey, daß er izo etwas bezeugt, was ein anderer air 

batte, Diefer Fall ift um deſto wahrſcheinlicher, da 
weder jn den DBerzeichniffen der Werke des Ariftoteles 
(dies bemerkte ſchon Menage) noch in: irgend einem andern 
Alten, das Werk von den Bohnen angeführt wird, auf 
welchem die Worte beym Diogenes entlehnt ſeyn folln, 
Ueberdem find die Gründe des Verbots, die beym Die 
genes angegeben werben, fo befchaffen, baß-es faſt un. 
glaublich iſt, daß Arifloteles dergleichen dem Pythagoras 
aufchreiben Ponnte, "Dem wenn ich auch drey davon gel» 
ten laffen wollte: daß man naͤmlich feine. Bohnen eflen 
müffe , weil fie einige Aehnlichkeit mit den: menfchliden 
‚ Beugungsgliebern ‚Härten (diefem Grund führee auch der 
fpottende Lucian an, ber noch hinzuſezt, daß fie, wenn 
‚ fie gekocht würden, ſich in Blut vermandelten,) ober wel 
ſe dem Rips ſchaͤdlich wiren und unfruchtbar ur 
(diefe, 








— — —— 
®) Ono⸗ de Auısereins u To Zagı xue no „ warn)" 
yeMen AUToß anexuodeı Toy xunpan , Ta 
öT1 audardıs 2m —X8 noͤr⸗ — (ayr 
pærov Jap mov) n arı Diesen, N örı TATE oAB 
Ouoci Ouoiy, 9 örı —V ‚Anus ya 
AUTOS. Diog. VI 34: 








Geſchichte der Pythagoreiſchen Geſellſchaft. 433 


dleſe Ueſache vermuthete Tpeophraft) oder weil fie Sym⸗ 
ole der Ollgarchle wären, fo läßt es ſich doc) kaum den. 
m, daß Ppthagoras fie verboten, (und Ariftoteles dieg ° 
glaubt haben follte) weil fle den Thoten der unterierbls 
hen Derter, ober auch bem ganzen Univerfo aͤhnlich 
zen, Soche ſinnlos myſtiſche Narrhelten kann man 
em Pythagoras eben fo wenig, als die Wiederholung 
felbigen dem Ariſtoteles zutrauen. Hingegen find fie 
am In der Manier der neuern Ppthagoreer, die eine. 
aglaubliche Uebung hatten, Bedeutungen und Aehnlich. 
ten zu finden, wo fein andrer Menſch dergleichen zu 
udeclen im Stande war, und Gründe von Dingen an. 
führen, ie nad) eines jeden vernünftigen Ureheit nicht 
Ir ſoſche gelten konnten. = Auch Theophraſt ſteht dem 
ltiſtoxenus nicht entgegen: denn er fage nur, was diefer 
sah, daß Weltwelſe, die fich Ppthag 
d von Bohnen enthalten Härten. Ale d 
ler teden entweder auch nur unbeſtimmt 
en, die feine Bohnen gegeffen hätten, 
ich den Pythagoras für den Urheber ei 
16 welcher feine fpätern und unaͤchten Schüler ſich rich« 
fm. — Will man aber dennoch die Gage: daß Pys 
ageras ſelbſt das Bohneneſſen verboten habe, nicht aufs 
ben; fo darf man ‚ihn einer ſolchen Vorſcheift halber 
dt gleich als einen Abergläublgen. verdammen. Er 
terfogte fie alsdann entweder, well er fie für blaͤhend, 
et gar-unfeuchtbarmadhend hielt, wie nad) ihm Theo⸗ 
taft, oder weil Die Aegyptiſchen Prieſter fle verabfchen, 
1%), ober weil fie in mehrern Mpfterien verboten war 

, een, 


Rom auch Feine er durfte Ius. l.c. 
‘ G 


A} 


ren, ober endlich, weil er die Unterfagung derſelben olı 


Freyheitsliebe anſah. | 


durch dieſe Städte und Familien Ins Berderben ſtuͤrzten 
. | B 


) Fres de ußeıs, no reußn WorhaRIS , Ri vju 


44 Drittes Buch: 
eine ſymboliſche Ermunterung zur Keuſchheit und wahren 


Durch alle bisher von mir angeführte Verordnun 
gen glaubte Pythagoras Die Schwelgerey und Ueppigkei 
ein Paar Ungeheuer, die Uebermuth ergöigten, un 


+ 





, Eu c , 3 6» BR — BERNER, 2 
6} 





Umseobiz erwigssw eis wdınıcy, dies rau 
örnpirezs Haenyyahe von BonSeiv , mac uropd 
"Dortpeıy I Taura de kocı TAv Teikurım drauf 
zu enmsTo, of To RowToy Tay Kock dicagetn 
Ein Jev eis Ta. TS 0rKıass Kai TRS ToNEK, Na 
 Asıen reudn‘ deuregsv ußeıs. TeiTop z: oh 
‚Je en muvros sıeyew TE nd) araJeisIai 
Feußgv; Ra euwvedrleedni ame Yeverıs t 
Obor va naı avdgino Bım, Dieſe Stelle ift mit 
vorherangefuͤhrten des Heifforenus, und mit eintt 4 
dern eben diefes Schrififtellers ($. 100. ap. Jambl,) | 
fibereinftimmend , daß man nicht zweifeln kann, ? 
fie aus ihm genommen if. Um bie Vielbedentenhe 
be Worts ußgus zu zeigen, will ich eine Stelle 
dem Phädrus des Plata herfezen, die in dieſer RAdi 
- merfwhrbig iſt: ezrıYunns de EAksene em ' 
yas; na wegaons av may Ta gm 3 üßeis em 
youwco9n. ußes de dm woAverumev: zoÄupe 
Yog nd oAuEIdes , no TETEYy To dewy euzft 
res n dv Fun Yevomerf TRY dcurns Enanpm 
bromalomevov Toy EXVT KÜLEX EIG ere rm 














’ Kaıv. 818 erw fisv nerÄnodei. eg me Ya 
adadıv ; ngaTsca TE Aoys Te Ta agıze wait 

J a I ——— 
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f 
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— 
— 


Eeſhite der Pythagorriſchen Seſelſchoft. 435 


noch nicht genug gebänbigt zu haben, Er machte es das 
her zu einem Geſeze, dag feine Freunde zu gewiſſen Zei⸗ 
ten bie herrlichſten Mahlzeiten zubereiten, und die Tafel 
ihrer Speifefäle mit allen dem befegen laſſen follten, was . 
die dem Gaumen dienende Kuͤnſte nur reizendes und ein⸗ 
ladendes erfinden, koͤnnten, daß fie alle dieſe vor ihnen 
ausgebreiteten Reichthuͤmer der Schwelgerey eine Zeits 
lang mit den Augen genießen, und alsdann zur Beſie. 
gung der Begierde, die Anblick und Geruch erregen wuͤr⸗ 
den, von Ihren Sclaven wegnehmen und verzehren laffen 


follten f Diefe vorerefliche Uebung in der Maͤßigkeit 


Bab in fpärern Zeiten zu der Erzählung Anlaß, daß Ps 
Magoras dutch Faſten und andere gewaltſame Mittel 
gegen bie fleifchlichen Süfte gekaͤmpft, und fie duch Feuer 


und Schwerdt, und die peinlichften Ereuzigungen ausju⸗ | 


torten geſucht habe **); 

Durch diefe mennigfaltigen Mittel, fi) und feine 
Sreunde vor gefährlichen Werfuchungen und Ruͤckfaͤllen 
n Schwelgeren zu verwahren, erſtickte et das verzehrende 
Feuer, des heftigften unter allen Trieben der menfchlichert 


Natut , des Triebes bet finnlichen thierifchen Siebe gleich» - 


am in ber Geburt, Er warnete ünd redete nicht bloß 
vider die Beluft, wie Archyhtas von Tarent, einer ſei 
er 2 | het 


[5 “. — re mn . 








—XX ER du, yasenög'yie ve 


Kai Toy erovro Taurod TETO KERAÄNKEvoN Focgen 
Kerl Egli de au nefeis Tugavyeusaod, nÄod 


8 rauferms meos ennæros. Phaod. p. 199: Ed; 
9) Ver. Geript. ip. Jambl, i87. 8. Dioder. Ein, 855. B - | 


Plaut. VIII. 313; Edit, Reisk, 
“) Imst, 68. 226, 


R 


4 . [1 
& 


430. Drittes Buch. 


ner groͤſten und wuͤrdigſten Nachfolger, er ſchilderte fe 
nicht nur als eine Feindinn der Tugend ünd Vernunſt, 
deren fie. den Menfchen , fo lange: fie daure, gänzlich be. 
raube, oder als bie verderblichfte unter allen natürlichen 
Keanfheiten und Gebrechlichfeiten unſers Geſchlechts, 
oder endlich als die Mutter von Verraͤthereyen bes Vater: 
landes , Umkehrungen ganzer Staaten, heimlichen Ver— 
"bindungen. mit Geinden, und den ſchaͤndlichſten Ehebris 
chen und Gemaltthätigkeiten*); er entfräftere und mt 
ae - ze waon 





—— — 


em 2 
*) Cap. 12. de Senoca. Aseipite enim, (der ältere Cato redeh) 
optimi adoleſcentes, veterem orationem Archyti 
Tarentini, magui in primis et pracelari visi: que 
mihi tradlta eft, eum ellem adolefeens Tarenti cua 
Q. Maximo. Nullam espitsllorem peoftem, qua 
eoeporis voluptatem, hominibus dicebat a nytut! 
datamı : aujus, voluptetis avidae libidines „ temere u 
effrenste ad pstiundum Incitsrentur. Hine petriu 
proditiones, hine serum publicarum .everfiost, 
hine eum boftibus clandeftina eolloquia .nafch: nur 
lum denique fcelus, nullum malum faclaus efle, ı 
quod fufeipiendum sion libido voluptstis Impellerei; 
ftupra vero, et adulteria, et omme talo flagklum, 
uullis allls ecobris exektari, nifi voluptaris, Cum 
qquue horiini five natuss, fine quis deug nihil ment 
präeftebilius dediffet; hule divigo muneri ne dom 
hibil eſſo taim inimieum, quam voluptatem, Na 
önim libldine dominsnte temperintise Ideum elı; 
Kegues ominiao in voluptatis regno virtutem polt 
eonüfere, Quod quo ınagis intelligi peffit, fr 
göre anlıms jubebat, tanta Incitetum aliquem vol 
ptate eorporis, quauta peteipi poilit waxima. Ne 
imini confebat fore dublüm, quin tatndiu, dum it 
gaudetöt, nibil sgitäre mente, hihil ratlone, albll 
äogitstione eonſequi poſſet. Quoelsea nihil «li 
tam detefteblle, tamqua peſtiſerum quam voluptsten: 
üquideni oa , cum majer eilet atque lomgior, on 
| I WA 














1* 


Geſchichte der Pythagoreiſchen Geſellſchaft. 4347 
wandelte ſie dadurch in einen heilſamen, der Vernunft 
gehorchenden Naturtrieb, daß er ihr allen Zunder und 
Nahrung entzog, indem er nicht nur feine Freunde maͤ⸗ 
fig leben, und Leib und Seele beſtaͤndig üben ließ, fon« 
bern Ihnen auch, Benfchläferinnen zu entfernen, ‚ihren 
Meibern, die durch heilige Gebräuche und Buͤndniſſe 
mit ihnen verbunden worden, getreu zu fenn, und feibft 
In den Peufchen Umarmungen ber ehelichen Siebe ein ges 
viſſes Maaß, gewiſſe Zeiten, und gemiffe Vorſichtsre⸗ 
en In Acht zu nehmen befahl *), | 


€e 3 | Pytha⸗ 


⸗ 
A 
12 


animi Iumen exfiingusre., Hate cum C, Pontia 
Ssmsite, pätre cjus, a quo Caudino proelie Sp. 
Pofumias, T. Veturlus, Confules, fuperati funt, 
losutugs Archytam, Mearehus Terentinus, hofpes 
-nofter, qui in amleltia populi Romasi permanlerat, 
fe a msjoribus natu aesepifle dicebat, eum quidem 
ei fermoni interfuiflet Plato_ Athenienfis ; quem 
Tarentum veniffe, L. Camille, Appio Claudie con. _ 

fulibus , seperie, | 
®) Ariſtox. ap. Stob. Serm, XCIX. p. 942.43. Diesearch, 
ap. Jambl, 48. 5. Died, p. 551. Exe. imp, Jambl, 
209-214. Dies leztete Fragment iſt eins der vortrefs 
lichſten im Jamblich, und alle Gedanken und Rath⸗ 
ſchlaͤge über Zeugung, Erziehung und Genuß, die bars 
inn enthalten find, entfprechen denen des Ariſtoxenus 
beym Stobäus fo vollfommen, baß man fie feinem 
andern, als ihm zufchreiben kann. Ich will bie 
Stelle aus ben Stobaͤus herſezen, da auch bie 
folgenden Bemerkungen daraus genommen find. 

BEL de vyeveoeosc naudav, Trade eis ye. nadoAR 

yev QuAarreodaı To xaAwnevov TeoDeges, ara 
Yae Tay Puray, BTe Tan (wmv EUKDETS Ts 
weodsen yweadas, UAAT Xpovov Tıya go Te- 
— ęereoxeu- 











x 
7 


\ 


’ 
J 


433 ODrtittes Buch. 


Pythagoras rechnete den Genuß der finnlichen ſſeb⸗ 
mit zu den Dingen im menſchlichen Leben, mit benen 
 eine-fpätere Bekanntſchaft am vortheilhafteften fe. 
Denn’ fo wie alle früßgeltigen Gewaͤchſe und Thiere, ode 
ſolche, beren Trieb durch Fünfkliche Mittel zu ſchneller— 
weckt und befördert werben, nur ſchwache und Burg dau 
rende Fruͤchte braͤchten; fo könnten aus bem 'unrelfm 
Saamen noch unvollendeter Menfchen auch nur el 
und unvollendete Kinder entſtehen. Er rieth bafır, 
-  HYünglinge und Jungfrauen durch $ebensgre ,- Uebunge 

und Arbeiten fo zu ziehen *), daß fie, wenigſtens du 
el 


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"Mm Eine vortreffige Stelle des Xriftorenus Aber die Beſci 
: tigungen , die Ppthagoras einem jeden‘ Alter var 
ſchrieb, finder ſich beym Stobaͤus; Serum. gi, p. 24: 
. \ N u 87 











— 


Geſchichte der Pythagoreiſchen Geſellchaft. 459 
‚Rem, fih "nicht vor dem zwanzigſten Jahre nach der 


Zermifchung mit Perfonen des anderg Geſchlechts fehns | 


n, Wenn aber ein junger Menfch biefeg Alter errefs 
ut habe, fo müffe er, wenn ihm. anders Geſundhelt 
nd Stärke des Lelbes werth ſey, der Liebe nur felten 
Regen, als welcher die größten Geſezgeber der Griechen 
urch bie Verbote ber Vereinigung mit Toͤchtern, Muͤt⸗ 
rm und Schweſtern, und. aller unnatuͤrlichen und ge⸗ 
altthaͤtigen Luſt, weiſe und hellſame Hinderniſſe ereee 
| 2 Ee 4 gen 








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mineAnteev de maons —R vsvro, Koh TS 
yo messbar 8 Yoxupaai ni Tois @AAsıS uaIr- 
yası warsısIau. TS be vERvIEKBS Tois TNS WO- 


Asus 2Jesı TE, Aus vonos Yunualkodas. res de 


avdons Tas wesERoı us —R — —— 


TCJßxν. TES de —XX —X— Par 7.7 u 
BEITNEIOIS , KO eyußgAıs dew avaargeDestcı 


KETTE TERENS ERISNUNS enelanßavav i —*X KH 


ve 1 Masdeg INTIRLEH., KANTE 01 VERVICHQU MOL 


BEIEVONTE, MATE DEVÖRBS VELEVIEUOTO, MITE Ob, 


VEgoUTEs. Kae Ppovosv. den de’ eOœcuov suSus. 


EH FIRIORY 3 KO THV TODAY TETAYUEVOSTT E05 Dem 
gsadaı, dudwanscay (Gefnerus munlebat. diduczor. 


ras) ws 1 mev TaLıs, uoı Gumsmea won. no 
Gum Pogos' ı derwra kuss nı noyumar gi. ago 


re xoı wouuMoeos. Diefe Stelle beweift außerdem, 
weßwegen ich fie hauptſaͤchlich angeführt babe, noch 
zweyerley, erſtlich, daß —XRX nicht bloß bluͤhendes 
Alter bedeute, ſondern mit dem Lateiniſchen aetas, und 
mit dem teutſchen, Alter, einerley ſey, und dann, daß 
Pythagoras Knaben und Juͤnglinge nicht blog zu ein⸗ 
ſamen Wahrheitsforſchern, ſondern zu geſchaͤftigen und 
weiſen Staatsmaͤnnern auszubilden ſuchete. 


koͤnnten. Diefen Bedanfen, daß auch ein mäßige dr 


440 Drittes Buch. 


gin geſezt hatten. Pythagoras billigte bie groͤſte une 
‚alten finnlichen Vergnuͤgungen nur alsdann, wenn fiei 
den Armen einer"rechtmäßigen Gattin nicht zur Befrie 
digung unmäßiger, durch Schwelgerey ermedter Be 
gierden, ſondern den Abſichten ber Natur gemäß zu 
Erzielung geſunder, gutgearteter und gluͤcklich organiſt 
ter Kinder genoſſen würde. Kr unterſagte fie ſich mi 
feinen Freunden zwar nicht ganz, mie nachher Apoleniu 
und viele'von beffen Nachfolgern thaten, die man kr 
bee neuern Platoniker, und Worläufer der Ehriftiicn 
Mönche und Anachoreten nennen Pönnte; allein er Il 
boch jeden, auch ben mäßigften Genuß als ſchwaͤchend or, 
und rieth daher feinen Nachahmern, ſich ihn nur fdn, 
und. meniger in ber heißen, als Falten Jahreszeit zu alır 
ben, Diefe Vorſchriſt, die man nachher in eine gi 

fiche Enthaltſamkeit von finnlicher Siebe verwandelte, het 
aber ganz andere Gründe und Abfichten, als bie nam 
Pythagoreer, Diatoniker, und auch die Kirdyennäter fd 
einbildeten. Pythagoras rierh bie Seltenheit des Ör 
nuffes nicht deswegen an, weil ee befürchtetete, burh 
diefe finnliche Vergnuͤgungen ben Geiſt an den Edepr # 
ſchmieden, oder dadurch in himmliſchen Betrachtung 
geſtoͤrt zu werben; er empfahl fie vielmehr gur Grärtug 
des Leibes, und um feine Freunde zu hindern, ihre Kriſ 
nicht In ehierifchen Bergnügungen zu verſchwenden, de 
fie auf eine .edlere und beffere Are zur Wohlfart Ihre 
Freunde, und im Dienfte ihres Waterlandes verwende 


nuß immer fchwäche, Hatte Pythagoras entweder mit 
Athleten feiner Zeit gemein, oder wurde auch, ment f 
Kıpleif und Erziehung: ber Athleten zuerſt auf Kg 

bracht, 








Geſchichte der Pothagoreiſchen Geſelſchaft. 441 


brachte, in der Folge don dieſen angenemmen und genau _ 
beobachtet: denn. es iſt befannt, daß die Srlechifchen 
Athleten ſich ganz der Siebe enthalten muften. — Pyrhas 
goras eiferte ferner wider die viehifche Sorgloſigkeit, wo⸗ 
mit die meiſten Menfchen eins der wichtigſten Werke, 
bie Fortpflanzung Ihres Geſchlechts, und die Hervorbrin⸗ 
gung ihres Gleichen unternähmen., Bey Hunden und 
andern Thieren (beobachtete er vortreflidh *) gebe man 
genau Barauf acht, mann und wo, und von mweldyen 
Eltern, und aus welchen Macen fie erzeugt würden, ‘Bey 
der Zeugung bes Mienfchen hingegen laſſe man ſich gang. 
von augenbliclichen Beglerden leiten, und gebe ihm mit 
eben der Gedankenloſigkelt das Leben, womit man ihn 
nachher aufsuziehen pflege. Ex befahl baher, ſich mit 
ber größten Sorgfalt zur. Zeugung von Kindern: vorzus 
bereiten, vorher mäßig zu leben, fich nicht mie Speiſen 
zu iberfüden , oder mit Wein zu befeuren, weil aus 
Voͤllerey eine wüfte, unlautere, unbermonifche Miſchung 
bes Saamens entftehe, und ber rund zur Bösartigfeit 
und Nichtswuͤrdigkeit bes künftigen Menſchen gelegt 
werde. 

So unfehlbar bie von ihm vorgejeichneten Wege 
waren, auf welchen er feine Freunde zur Mäßigfeit und 
Enthaltſamkeit führte, fo unvenbefferlich ift die Merhobe, 
nach welcher er fie zur unerfchütterlichen Gleichmuͤthigkeit, 
zue Herrſchaft über die heftigſten Empfindungen, zur 
männlichen. Stärfe und Erhabenheit der Seele über aͤu⸗ 
Bere Zufälle orwbute und hinleitete. Er unterſagte ih⸗ 

Ee 5 | nen 





*, Men ſehe ben Ariſtoxenus beym Jamblich an der mien 
angeführten Stell. 








1 


44 | | | Drittes Buch. 


nen (und zeigte durch fein Benfpiel, daß er nichts un. 
- mögliches fordere) alte Ergießungen von gusgelaffener 
Freude, mie von übermäßiger Traurigkeit, alle Aus 
brüche eines wilden Zorns, wie das Kruͤmmen und Win 
ben niedertraͤchtiger Fleher und Schmeidler *), Er 
perbannte daher aus der Mitte feiner ächten Nachahmer 
‚ fomohl das ftohlockende Kauchzen des Frölichen, als die 
Thrönen und Winfelenen des Niedergefchlagenen , ſe 
wohl’ die kreiſchenden Drohungen und Verwuͤnſchungen 
von Zornigen, wie die entehrenden Schmeicheleyen des 
Demüchigen, indem badurch bie ruhige ſtete Gleichheit 
der Seele zerſtoͤrt werde. — Wenn es nun wahr iſt, was 
piele merkwuͤrdige Menſchen von fich ſelbſt bezeugt has 
ben **), daß man durch die Erkuͤnſtelung und Nachah⸗ 
mung ber äußern Zeichen, Geberden und Stellungen hefe 
tiger Gemuͤthsbewegungen, dieſe keztern in fich hervor 


bringen föhne, wenn auch fonft feine andere Veranlaſ⸗ 
fungen ba feyen, fo fann man fid « glaube ich, eine 


noch allgemeinere und fichrere Wirkung für die Mäßigung 
und Unterdruͤckung von $eidenfchaften davon verfprechen, 
wenn man fid; darinn übt, oder es dahin bringe, " bie 
Symptome, bie fü e zu begleiten pflegen, zuruͤckzuhalten. — 

Uebernahm aber dennach jemanden, der noch nicht lange 





genug | 





*) Busı vœꝙ ſros — Aeıwofenns, Ouro⸗ de; PR de» 
REUBY , Ui TAYTEV Toy TOETaV EIgyeaIas Tas 
dans EKEIVES , as erde xeTO MaAıSca. 0 cauros 

de Aoyas x wel Iomeias ug Ienöens Ku Ar 


TAVEIAS KO FAT TV TOETRV. vo. 


y Gardan fügt bergfeichen von fi in ſeiner Särif de vita 
proptia. 


+ 





Ps 


Geſchichte ver Pothagoräfen Geſelſſchaft. un 


genug an fh fetbft gearbeitet hatte, ‚oder noch nicht ur 
völligen Herrfchaft feiner. felbft gelangt war, eine plözlich 
entſtehende Freude, ober Traurigkeit, oder Wurh; fo 
war es Geſez, fich aus ber Geſellſchaft anderer Menſchen 
zu entfernen, ſich in der ſtillſten Einſamkeit zu beruhigen, 
und nichts zu fagen oder zu unternehmen, und weder Un⸗ 
tergebene zu ſtrafen, noch Freunden Vorwuͤrfe zu mas 
ben, bis biefe innere Empörungen ſich gelegt, und man 
fich wieber in ben Bes ij felner ſelbſt gefese hätte, Die, 
fem Rath des Pythagoras folgte Archytas, ber große 
Staatsmann und Feldherr der Tarentiner, nach deu 
Geſchichte, die beym Jamblich *) erzähle, und vom 
Eisero und vlelen andern widerholt wird, 


| Unter allen elgeurhümtichen Borzägen ber menfch« 
lichen Natur, und. allen Tugenden eines vollfomnmer 
Mannes fchäste, wie es ſcheint, Pythagoras Feine’ mehr, 
als. eine gewiſſe Saufthelt und Mitde des Gemuͤths, die 
ung gegen Freunde dienſteifrig und ergeben, gegen Fremde 
und gleichgültige. Derfonen gefällig, und gegen Feinde 
verſoͤhnlich mache, Er nannte fie Harmonie ober. har - 
menifche Stimmung ber. Seele, —* hielt fie. für. die 
Mutter der Zeldabenhet Verſchaͤmthei und —— 
en. 


{ 





—— 
— e — ** 


9 —2 kam namlich E. 1 * von einem Zelrzuge 
nach Hauſe, und fand, ah der Mann, den er zum 
Aufſeher beſtellt hatte, und alle uͤbrige Selaven, feing 
häuslichen Angelegenheiten auf dag unverantwortlichſte 
verabſaͤumt hatten. Er wurde buch biefe ſtraf bare 
Nachlaͤſſigkeit heftig gereist, allein er faßte ich bald, 
au fagte denen, die ihm gefchader hatten, daß es Ihr 
Gluͤch fey, daß er durch ihr. ticrentimiges Vettagea 
waͤre in Zorn geſezt werden. 











444 nu Drittes Such. 


Menfchenliebe. Er verabfchente hingegen unter allen 
angebohrnen , 'oder erworbenen und mitgerheilten Misge⸗ 
falten oder Verunftaltungen unfrer Natur; Keine ſo ſehe 
als eine wuͤſte Rohheit oder Verwilderung bes Gemuͤthe, 
deren unzertrennliche Begleiterinnen Schaamiofigfelt, 


- Mangel von Mäßigung im Gluͤck, wie im Unglüd, un 


unermeichbare Härte. feyen, und wodurch der Menſch 


+ vom Menfchen entfernt, und gegen felnes ‚Gleichen ba 


ben kleinſten Antäffen entzündet werde *), Um fein 
Rachahmer von der leztern zu entfernen, und zur erſtern 
zu gewöhnen, ‚befahl er ihnen, mit ihren Freunden f 


u umzugehen, baß.biefe nie Feinde werben koͤnnten, un 
Feinden hingegen. fo zu begegnen, daß fie Freunde wen 


ben müften °*), Er machte es ferner zum Geſez, fein 
unſchaͤdliche, vielmeniger nuͤzliche Thiere und Gewödl 
ohne Morh zu beleidigen, oder zu vernichten‘, und brel—⸗ 
tete burch dieſes Geſez das theilnehmende Mitgefuͤhl 


| mit dem Wohl und Weh unferer Brüder , was lange im 


Menſchen ſchiummert, faſt immer ſchwach ift, und ef 


Te 








N 





©) ariſt. S, 99. ap. Jambl, ereonore:ı Yag mws eyad 


Dusews FROS Nusgamıv. EnceAeı de TETO KAT 
rTrueun, moAewov de yyeıro TyV aycIoryra mw 
roicury dia yayıv, — ceyerormfi 
eevasdeımy , avaıayuvTiav, BxoAassıny , dusue- 
Gesav, AVENIV , ETIMIOV Kos Tab EroABIM. 

Teuurnrı de ua YMELOTHTI, To evasrıc, 
©9) Diescarch, 40. ap. Jambi. umreDawero de xaı Tas 
reos RAANABS oMı Arch STws av Yewuevas erıTU)- 
XCven, ws MEAABCI Tas uev Diias unde Fort 
exIgoı narasmaı. Tois de exIpas, as Tayy 

. Se DiAv yweogaı. | “ 





Gecſchichte der Pythagoreiſchen Geſeliſchaft. 445 " | 


ganz erſtickt wird, auch Über die bloß empfindende, und 
fogar über die empfindungsiofe Natur-aus *), Er hofte 
nicht ohne Grund, Laß Menſchen, bie ſich fcheuten, une 
vernünftige Thiere, und felbft gefühllofe Gegenflände zu 
verlesen, daß ſolche Menfchen ſich noch vielmehr hüten 
würden, Ihres Gleichen zu ſchaden, mit denen fie durch 
Bande bes Bluts und ber- Freundſchaft, oder Durch 
Gleichheit. der Rechte, oder doch durch Uebereinſtim— 
mung der Matur und Sprache genauer vereinigt 
wären. 
Aus der großen Aehnlichkeit ber Lebensart, Grund⸗ 
füge und Oefinnungen der Pyrhagoreer, aus ihrem bes‘ 
ftändigen Zuſammenleben, ihrem vertraulichen Umgange, 
der mehr, als alles diefes, Herzen zufammenziehenden Ge⸗ 
meinfchaft großer Entwürfe und Geheimniffe, von denen 
ich bald reden werde, muften nothwendig unter dieſen 
Maͤnnern wahrhaftige Heldenfreundſchaften, und heilige, 
unzertrennliche Seelenbuͤndniſſe entſtehen **), Faſt alle 
Schriftſteller des Alterthums ſind von dieſen Sreundfchafs 
ten der Pythagorerr voll, und Ariſtoxenus ***) und an⸗ 
Dere fagen, daß Pythagoreiſche Freundſchaft zu einem 
Sprichworte geworden, und als eine gleichgeltende For⸗ 
mel für ächte Sreundfchaft gebraucht worden ſey. Eo 
| | | 0 eine 











s) Arifiox, ap, Jambl. 08, —RC de xc⸗ o, ö an 
medune Biußerov Ta ardenrww Yyaraı, unre 
Brantew, unte DIeigew. = = 5, 99. Nme- 
eov Durov xœ⸗ eykaetov unre Brantew hyre 
O9gew. 

#) .Aridox. 101-163. und ©. 229. bid 231. rem wahr, 
ſcheinlich bie 240, ap, Jambl, 

es) sp. Jambl. Pr 230% 


N 


1 
— | 


46. Drittes Buch. 

eine nothwendige Folge aber feiner übrigen Einrichtungen 
dieſe innige Verbindung feinet Freunde auch war, und 
fo wenig er von ſolchen gefejten, mäßigen und tugend⸗ 
| haften Männern, als welche bie meiſten von ben Schein. 
güterh verachteten, bie Zwietracht unter Freunden zu er⸗ 
zeugen pflegen, heftige Ausbrüce von Felndfeligfeit, 
grabe vorfezliche Beleidigungen, und gefährliches, mit 
Eiferſucht und Haß von Nebenbuhlern begleitetes Wett⸗ 
eifern und Streben nach denſelbigen Vorthellen zu be 
fuͤrchten hatte; fo ſuchte er doch noch durch weiſe Mathe 
ſchlaͤge, die gleich in Handlung und Gewohnheiten über, 
gingen, das Band, pas feine Freunde knuͤpfte, noch 
feiter zufammenyujlegen ,‚ und allen, aud) nur möglichen 
eranlafjungen von Unejnigkeit und Bruͤchen zuwvorzu— 
kommen, und er wurbe daher, wie einer feiner größten 
Geſchichtſchteibet fagt *), Der erſte Gefeggeber ver Freund. 
ſchaft genannt, Er riech einem jeden dahin zu feben, 


baf wahre Freundſchaft ſo wenig als moͤglich Narben und | 


Geſchwuͤre erhalte, weil es ſchwer ſey, alte Wunden, 
bie man ihr einmal geſchlagen, in der Folge ganz auszu⸗ 
heilen. Man müffe daher Zänfereyen und Rechthabe⸗ 





rey aus dem freundſchaſtlichen Umgange verbannen, und 


Treu und. Glauben dürfe man nicht einmal im Scherze 
verlezen. Selbſt freunbſchaftliche Ermahnungen, die 
er mit einem ganz eigenen Worte nannte **), muͤßten 
mit einer ſolchen Behutſamkeit gegeben, ünd durch die 
ſanfteſten Worte fo genifbeit werden , daß man es nicht 
Ders 





| A Man febe hier Arif. S. for. 102. 234: sp; Jambl, aus 
« welchem aud das folgende genonimen iſt: 
9 ————— S. 101. dp, Jumbl, 


_ x ' 





_ ! \ | , / | 
Geſchichte der Pythagoreiſchen Geſellſchaft. 447 


verfennen koͤnnte, daß fie aus feiner andern Quelle, als 
aus der aufrichtigften Sorge für das Beſte des Fehlenden 
entſprungen feyen, Er erklärte endlid) diejenigen für 
ſchaͤndliche Verraͤther, die um bloßer underdienter und 
unvermeidlicher Ungluͤcksfaͤlle willen eine geprüfte Freunb⸗ 
ſchaft aufhoͤben, die nur alleit wegen einzt unbeil. 
baren Verkehrung des Herzens fonft gellebter Perfonen 
jerriffen werden ſollte. — Dies waren die Orunbfäze, 
nach welchen die Pythagoreer unter einander lebten, und 
wenn man biefe mit ihrer übrigen Art zu denfen und zu 
hendeln zufammienbält, f6 wird man die Benfpiele ben 
wiligen Aufopferungen des Jebens und der Ouͤter, die *) 
von Pythagoreern erzählt werben, nicht allein nicht mehr 





für unglaublich, ſondern kaum für etwas ungewöhnliches on 


halten, \ 
Pythagotas zog aber nicht die ungethellten Hetzen 

feiner Freunde, und Ihr ganzes Vetmoͤgen zu Heben, fe 
auf ſich, und die mit ihm verbundenen zuſämmen, daß 
fein Reſt von Neigung für andere Menſchen übrig geblie. 
bet, ober kalte Gleichgültigkeit und Verachtung gegen 
folche,. die Feine Brüber waren, Daraus entflanden wäre. 
Er empfahl vielmehr Freundſchaft oder Wohlwollen aller 
gegen alle, Ehrfurcht gegen Gott, gegen Eltern und 
bejahrte Petfonen, Zaͤrtlichkeit gegen Ehegatten, Kin, 
der iind Verwandte, und ſelbſt Schonung geget under. 
nünftige Thiere, die mis ben Menſchen wenigſtens durch 
vanhe tie aͤhnliches Gefühl zufammen hingen **), 

- | ' Er 


.- J 2 ” ‘ ‘ . - 
mmsiuistpuisenm 


24 












$. 233 u. f. 
eðh Man fehe arifor. ap. Stob. Ser. 67. 5. 457. und 
Aug ihm audi, apı laubl. 939. BıXıoev £ doc Davs- 
dara 


r 


| - ur ee. 
448 Drittes Buch. 


Er erlaubte nur allein unverbeſſerlichen Boͤſewichtern 
Seindfchaft anzufünbigen,, und. einen ewigen Krieg mit 
ihnen. zu führen. In ſolchen gerechten Fehden mifl 
man feinen Widerſacher mehr mit Werfen als Worten 
verfolgen , und nie vergeffen,, daß auch der verruchteflt 
Gegner doch noch immer ein Menſch ſey ). 


Wenn man die bisher erzähften Berbienfte dei 
Pythagoras um feine Freunde überbenft, fo. findet man 
feine Wirkung der Dankbarkeit natürlicher , als bie, 
daf die leztern ihren Lehrer, in bem fie den Bilder ihres 
Herzens und Geiſtes, und den Schöpfer ihrer Gluͤckſelig⸗ 
keit erkannten, als einen großen und auferorbentlicen, 

U | od 














Sara mayray meos aravras Tludayegxs zur 
eduxe. Ösay mer meos avSewnss di evaeßras 
HAI ETITNKONENS Jeexreins oYpaTay de 3008 
AAANA , xα —XRX Vuxns Eos Coma, At 
YISInE TE MEOS To TE aAorya eiön, dıoe BiAcı 
105 , na Tis Kar’ ausm ISewews” avdgazen 

e Rees wÄANABS, KoAıray mev dıa DucseAoyi 

“ oasns. avdeos da Neos Ywaı, N.TERE, N 


adeAdEs "Ko OMElBS ,z Öras Movonsas ad 


GeoDe. EC, 


#) Arifiox, ap. Jambl, fe&t. 232. any Ieuv.dnovres une 


nore dresıo9eı eos. Tas un TeAeıas Kart. 
‚wennevovde, Meran euyeros av Ton diasmrohsun, 
ev um nero Teoy To ndos TE in Deosuers, wa 





Agos ys vpræa Euyvouodusy.  WoAtusv de mM 


‚Ayo, aA To eeyois. vonmob de awaı Kal 


doav Toy moAtuev, na as yIewmes ardguze 
Molepis sk. nn 





Sefchichte der Pythagoreiſchen Geſellſchaft. 449 


ber, wie die Griechen fagten, göttlihen Mann verehrten, 
lach ben Ariftoteles theilten die älteften Pythagoreer alle 
mnünftige Naturen in Götter, Menſchen, und in 
Ihe Weſen ein, dergleichen Pythagoras fep *)). Es. 


talfe nicht bloß eine fpätere Erdichtung, daß Prrha- - - 


as noch während feines Sehens von feinen Schülern filr 
was erhabeners, als einen gewöhnlichen Menfchen, ges 
ılten worden fey. — Mir frheint es daher auch gar. 
Ihe unglaublich, was Apollenius beym Jamblich ſagt **), 
aß man ben Pythagoras bey feinem Leben nur den Goͤtt. 
hen genannt ,. und nach feinem Tode durch das Wort 
jener begeichmer habe. Zur neuern Mythologie diefes 
Nannes aber muß man es unftreitig rechnen, was meh⸗ 
ere Schriftfteler verfichern, daß feine Freunde Ihn als 
Inen wirftichen Gott, als den Hyperboreifchen Apoll ana 
ebetet, daß fie feine Ausfprüche als eben fe viele Orakel 
ufgenommen , daß fie’ alle ihre Entdeckungen ihm allein 
igefchrieben Hätten, ja daß er endlich ſich ſelbſt für einen 
Jott ausgegeben, und dem Abaris feine goldene Hüfte 
‚yelgt habe ***), | 
u | - Als 
*) 5.31. ap. Jambl, Isoges de nos Agısoreies ev Tom 
- ne ans IvIayseruns Qiiosodies ; disiesaw 
Ta Toıaayde Uno Tov avdomy ey Tois mau oop- 
enros baQvAarreeda. TE Acyına (as Fo ner 
es Jeos, To de ayögnzos , To da color Hu- 
ævogus. 





— 8. 244; 
”) Die vitt, 11. 14, Nieom, ap. Porph. 20. 8, ineert, 
auct. ap. Jambl, 9I. 92. ner uonsp, eund, 140. & 144. 
De 198.7... 

| ‚Sf 


DEU. · 


Als den ſtaͤrkſten Bewels des göttlichen Anfehen, 
worinnen Pythagoras ſich bey feinen Schuͤlern geſezt hatte 
fuͤhrt man gemeiniglich die beruͤchtigte Formel: ti 
ſagt's *) an, die fast alter Gründe bey feinen Anhin 
gern gegolten, und wodurch er alles weitere Nachfrage 
auf einmal abgebrochen haben ſoll. So reden non bi 
fem angeblichen Machtfpruch niche nur Cicero **) u) 
. andere Schrifefteller ***), fondern Apollonius ahmte ih 
auch in biefem Sinne nad, unb man muß baher glaube 
daß ein: oder „mehrere ältere Gefchichtfchreiber davon aıl 

‚ eine ähnliche Art geredet haben. Diogenes +) iſt de 
einzige, ber das, er ſagt's, nicht dem Pythagoras m 
Samos, fondern einem anbern won Zakyntus zueignt; 
allein lieber möchte id) die ganze Sache vermerfen on 
- bezweifeln , als glauben, daß ein dem Samifchen glei 
namigter. Weltweiſe fi unterftanden habe, feinen Edi 
lern auf eine folche Arc Stillſchweigen zu gebieten; Inden 
unter allen Männern, bie außer bem Sohn des Di 
far) den. Namen Ppthagoras getragen haben, fein en 
ziger Ruhm genug hatte, um ſich eine ſolche Seelenhen 
ſchaft, als welche die beyden Briechifchen. Wörter it 
ausfezen, über feine Freunde anmaafen zu Fönnen, E 
jeder Leſer aber, ber ben Ppibagoras ven Samos gr 





x 








) Auros ede. a 
%%) de N. D, 1.5. Nes vero probate folea id, quadil 
Pythagoreis adsepimus : quos ferunt,, fi quidafırat 
tent in difputando , cum ex ils qusereratur, qum 
Ita eflet , telpaddere folitos, ipfe dixir. Ipſo autım 
 etst Pythagoras; tentum opinio praejudieata patent, 
ut etlam fine ratione valeret aufteritas, 
ı 668) ap, Mens ad VIII. /6. 
1 > I 111 077 Pe 


. 


‚I 








N 
\ 


Geſchichte der Pothagoreiſchen Sefelſchaft * 


weit Pond, als ich Ihm bisher geſchildert Gabe, muß für 
gieich fühlen, daß bie ſtolze Tprannifche Formel, wie 
fie ihm zuerft Yon eihigen underfländigen Bewunderern 
zugeſchrieben, und Bon andern nachher wieberbolt worden, 


nicht-einen Weiſen zum Urheber Haben koͤnge, der mäßige 


Schäzung feiner eigenen, und Anerkennung fremder 
Verdienſte durch Benfpiel und Grundfäze lehtte, im 
daß fie auch unmöglich gegen ſolche Maͤnner habe ge⸗ 
brauche werden Finnen, bergleichen Phthagoras in feinen 
Freunden waͤhlte oder bildete. Ich vermuthe aber doch 
nicht, daß man das &uros «dw ganz erdichtet, ſon⸗ 
dern daß man es nur verdreht und misnerftanben habe, — 


Unterbeffen ann man viel enefcheibender behaupten, baß 


det Sinn, ben man in diefe Worte zu legen fliegt, falſch 
(9, als man ihre wahre Bedeutung und die Umſtaͤnde, 
unter welchen fie ausgeſprochen worden, wieder finden 
kann. Ich will aber bach immer lieber eine jede am 


dee, nur mögliche und dem Chataktet des Pythagoras | 


nd feiner Freunde entſprechende Auslegung annehmen, 
ld mit der Vertheidigung det gemeinen, ben erftern eines 


In Norrheit grängenden Stolzes, und bie leztern eines 


Indifchen Bloͤdſinnes und einer verächtlichen Geduld bes 
duldigen, . Vielleicht brauchten die Verehtet des Pytha⸗ 
jora6 das: er ſagt's, als ein Loſüngswort, um dadurch 


inujeigen, daß die Meynungen und Rathſchlaͤge, die. 


ie im teglerenden Rath zu Kroton derttugen, auch bie 
es Pythagoras ſehen *): ober fie ſprachen es auch aus, 
m fi ſich unter einonder gu ſagen daß gewiſſe Entfchlie⸗ 

Ff2 ßungen 


De pr 





beiten befragt; 8. 177. ap. Jembl, 


een euere PET IRER KISTEN VEEREEFOENEREHEEN / 


*) Pythagoras wurde häufig in den titigfien Bingelegens | 


fungen Ijo gefaßt, gewiſſe Entwuͤrfe auch von Hm fehf 
gebilligt worden ,/ und nun ausgeführt werben fellten: 
eder man erinnerte endlich auch dadurch folche Pprhaye 
seer , die noch in der Prüfungszeit begriffen waren, und 
alfe das innere Triebwerk und die Geheimniſſe der Geſel⸗ 
ſchaft noch nicht Pannen, daß fie izo noch nicht die Gruͤnde 
von dem, was man. von Ihnen verlangte, ober ihnen vr. 
bet, oder auftrug, erfahren koͤnnte, und ſich in mandm 
Böllen mit dem bioßen Anfehen bes Hauptes ihres Orden 
begnuͤgen müßten, Kine jebe dieſer Vermuthungen ſſ 
gedenkbarer, als bie Sage, daß Pythagoras ſeinen 
Schuͤlern Meynungen ohne Beweiſe aufgedrungen, un 
‚eine loͤbliche Wißbegierde durch einen undernuͤnfüige 
Machtſoruch unterdruͤckt haben ſollte. 


Machdem Pythagoras eine gewiſſe Zahl von 
pruͤften Freunden zuſammengebracht, und ſie bemozm 
hatte, nach den von ihm vorgeſchriebenen Geſezen zu b 
ben und zu handeln; nahm er mit ihnen gleichſam de 
Verabredung, daß Feiner ein Mitglied ihres heiligen 
Freundſchaftsbundes werden follte, den er nicht vorhe 
geprüft hätte, und der fich nicht ſolche Prüfungen geld 
fen laſſen würde *), Pythagoras machte daher, ga 
würdigen Zeugniffen zu Felge, nicht einmal jemanden W 


. Hofnung, ihn 'dereinſt unter feine vertrautern Granit 


aufzunehmen, wenn er nicht vorher deffen ganze Bildes 


- so , . . = " 
®) Man fehe Ariftox. ap. Jambl. 9 95. Diog. ap. Perphrt 
13, S. op, Jembl. 71. Die leztere diefer 4 Stel 
ift faſt ganz aus dem Ariftorenus ; und auch die zweyſt 
— ber Etzaͤhlnng dieſes Geſchicht ſchreibers u 
man, \ 2 | 


[4 
2 — 
- “ æ * äh * ⸗ 











> 


Geſchichte der Pythagoreiſchen Geſellſchaft. 453 
Mienen, Geberden, Stellungen, Oang und Bewe⸗ | 
jungen genau unterfuchs hatte. Aus allen diefen äußern 
Zeichen zufammen genommen, lockte er wahrfdyeinliche 
Bermuthungen über die Fähigfeiten und -Gefianungen 
hm fonft unbefannter Perfonen, hervor, Und er wurde ' 
zaher von den Alten für einen großen Renner, oder auch 
ür ben Erfinder der Kunft gehalten, das Unfichrbare im 
Menfchen aus dem Sichtbaren zu errathen. Pythagoras 
jatte aber fich felbft und andere zu lange beobachtet, a6 - 
zaß er auf fo erägliche Data, allein, fich hätte verlaſſen, 
der ben ihnen hätte flehen bleiben ſollen. Er forfchte 
ılfo weiter nach, wie diejenigen, bie fi um feine ver 
traute Freundſchaft bewarben, ſich gegen Ihre Eltern, 
Hausgenoſſen und Freunde hetruͤgen, und wie bie leztern 
heſcaffen waͤren? Er gab auf ihr Sachen, Ihre Reden 
md Schweigen, auf ihre Zerſtreuungen und Geſchaͤfte, 
md alle ihre übrigen Bewegungen Acht, und unterfuchte 
mdlih, ob, und wann und bey welchen Gelegenheiten, 
und wie ſehr fie aufgebracht, ober erfreuet und nieberges 
lagen würden ? ob fie zänfifch und ungefeflig und roh, 
der frieöfertig,, „freundlich und milde wären? Bon der 
Prüfung der Genmüchsart feiner künftigen Freunde ging 
r zur Ergrünbung ihrer Sählgfeiten fort. Er merke 
uf, ob fie die Renneniffe, die er ihnen miteheilte, Teiche, 
nd begierig faßten, und treu. unb Bauerhaft Gebielten, 
der ob fie ihm nur langſam folgten, von bem, was ee 
nen fagte, nur wenig erwedt und erwaͤrmt würden, ‘und 
b feine Neben fich nach einem gemiffen Zeittaume in ifa 
im Gebächeniffe werftümmelten, oder gar Daraus ver⸗ 
hwaͤnden. Am allermeiften fuchte aber Pythagoras zu 
fahren, ob jemand anvertraute Geheimniſſe aufbewaße 
En | 5 


1] - 


} 
/ 


Dr 


ren konnte, oder ob ee geſchwaͤtig, unvorſichtig, mitthe 
lend und leicht Auszuforfchen fey? Fand nun Pythage. 
ras, In und nach allen dieſen Prüfungen, in denen, be 


ſich ihm darboten, ſolche Gaben und Vorzuge, als nl 


von feinen Vertrauten verlangte, fe ruͤckte er ſolche ge 


» pröfte Männer in die Claffe der ſchon lange Eingeweihten 


ein, und ließ fie mit biefen dieſelbigen Vorrechte gr 

Mel Pythagoras nad dem Ausdruck bes Ari 
renus die Kunft zu ſchweigen mehr, als die Kunſt zur 
ben fihägte, und die fünftigen Mitglieder feines Bund 
vorzüglich in Ruͤckſicht auf ihre Verſchwiegenheit auf di 
Probe feste; fo wurde die ganze Zeit der Prüfung in de 


* Zofge die Zeit bes Stilfhmeigens *) genannt, Di 


| Merfchmiegenheit, oder dies Setillſchweigen nun, wort 
Pythagoras fo fehr drang, nahm man (faft iſt es m 


" gtaubfich) in der ſtrengſten und eigentlichen Bedeu 


Diefes Worts, und überrebete ſich, daß Pythagoras o 
nen, die er pruͤfte, geboten habe, ihren Mimd waͤſen 
elnes Zeitraums von zweh ober drey, ober gar fünf Jah 
ren gänzlich zu nerfchließen, und gegen Eeinen Menſche 


auch nur ein einziges Wort vorzubringen *). Ja mu 


glaubte nicht bloß an ein mehrjaͤhriges Stillſchweige— 
das Pythagoras feinen Freunden auferlegt habe, ſonden 
man ahmte es, wie die angefuͤhrten Schriftſteller ben 
fen , fo gar nach, und pries es ala das vortreflichſte MH 
el, Herr feiner: ſelbſt und Meiſter feiner Sungt AT 





m TREE SEI SH En — —— — 
| #) exenudies, . B 

#*) Man fehe die Zeugniſſe geſammlet ap, Riıtınh 4 
.. , Pasph, $, 19. Pr 20, 


a} 











— — 


Geſchichte der Pythagoreiſchen Geſellſchaft. 455 


den, ferner ſich von allen lerdiſchen Dingen abzuziehen, | 


und die vertrautefle Bekanntſchaft mit feinem Innern zu 
erlangen. Eben diefe leichrgläubige. Münner, Deren 
Beyſpiel abermals zeige, wie viele Unrichtigkeiten und 


Ungereimtheiten durch bloße: Firfalt und Mißverftand in 


bie Pythagoreiſche Geſchichte gefommen find, gehen nur 
darinn von einander ab, daß einige zwey, andere drey, 
bie meiften aber das, was fie fid) kaum als möglich hät 
tn vorſtellen follen, fünf Jahre, als den beftimmten 
Zeltpunct angeben, während welchem bie einzuweihenden 
Porhagoreer gar nicht reden, fondern nur hören, und ih⸗ 


ven Lehrer nicht einmal von Angeficht zu Angefiche (eben 


dürften, Man betrachtete, fcheint eg, bie Pythagorei⸗ 
ſche Phitofopgie als ein Handwerk und die Prüfungszeit 
als beſchwerliche Sehrjapre, welche der Meifter fo viel 
als möglich zu verlängern gefucht habe. Apulejus iſt bee 
einzige jüngere Schriftfteller *), welcher fagt, daß Py⸗ 


thagoras diejenigen, die er prüfte, doch nicht zu einer. - 


— 


gänzlichen Stummheit verdammt habe, und ihm ſtimmen 


nur allein der Platoniſche Weltweife Taurus **), und 
ein elender Schriftfteller beym Jamblich ***) barinne bey, 
daß Pythagoras nicht allen eine gleich lange Zeit des 
Stillſchweigens und Ser Prüfung auferlegt habe. Dies 
leitere würde man annehmen, fo wie das vermenntliche 


Stillſchweigen Als eine ben Pythagoras und feine Freunde: 


entehrende Erdichtung verwerfen muͤſſen, wenn jenes auch 
von niemanden begeugt, und dleſem von. keinem wider. 

Ä [+ 0 fpeos 
— — mn EEE, resume 
—* ea 1 
*) S. 90 * 





456 Drittes Zub, Be 


methode *) bes Pythageras zu danken haben, melde 
nichts von einer völligen Aufhebung bes Gebrauchs der 


Sprache, noch auch von einer unveränderlichen, für alle 


ohne Unterfchieb feſtgeſezten Prüfungszeit. Er erzählt 


nur, daß Pothagoras einen jeden vorzöglich wegen der 


ſorochen wuͤrde. Ariſtoxinus aber, dem “wir die (Rn | 
-  Läuftigfte und glaubwürpigfte Befchreibung der Prüfungs 


Gabe zu ſchweigen erprobt, und wein er diefe und an- 


\ 


- dere Vollkommenheiten in Perfonen gefunden hätte, a 
ihnen alsdenn fein ganzes Zutrauen geſchenkt habe, Na⸗ 
tarlich wurde es dem Pythagoras bey dem einen leichter, 
bey dem andern ſchwerer, ihn genau kennen zu fernen, 


und eine nothwendige Folge hievon war, daß der eine fruͤ— 
her, der andere ſpaͤter in feine Geſellſchaft aufgenemmen 
wurde. 

Weber Ariſtoenus noch irgend ein zuverlaͤſſiger 
Geſchichtfchrelber ſagt etwas davon, daß Pychagoras der 


nen, bie ſich zu Mitgliedern feiner Geſellſchaft meldeten, 


beſchwerliche und peinliche Büßungen auferlegt” hobe, 


durch melche in fpätern Zeiten Chriften und Nichtchriſten 


alle diejenigeri durchgehen ließen, die in Kloͤſter oder Mix 


fterion aufgenommen werben wollten. Solche unnoͤthige, 


und in dem damaligen Zeitalter mehr abſchreckende ald 


einladende Kreuzigunigen würben den Abfichten des Samlı 


ſchen Weltweifen eben fo hindetlich gemefen feyn, als bie 


Prellereyen, die Kratinus in einem Fragment beym Die 


genes ſchildert *), Denn man mag voraus ſezen, dab 
Py⸗ 


— 


— 











) 8,94, 9. ap, Jambl, 
*) VI. 37. Eos sw wureis, a Tıy nor zn 
—— DISZICH damıyopne 
Ti⸗ 


| Geſchichte der Pythagoreiſchen Geſellſchaft. 457 
 Ppifagoras und feine Freunde diejenigen, bie ſich blewei. 
fen in ihre Verſammlungen miſchten, ober auch diejeni⸗ 
gen, die bereinft von ihnen als Brüder geliebt zu fen 
wünfchten,, auf bie vom Griechiſchen Komiker beſchrie⸗ 
bene muthwillige Art gefoppt haben; fo kann man ein 
ſolches Betragen in feinem Falle anders, als des Ernſtes 
ber Pythagoteer unmwürbig, ‚und eben bewegen unglaub⸗ 
lich nennen. Kratin harte wahrſcheinlich Davon gehädrt, 
daß Pytbagsras auch die Fähigkeiten von Perfonen uns 
terfuche ; er glaubte daher, oder ſtellte fich doch, als wenn 
er es glaubte, baß biefer Weltweife und feine Gehuͤlfen 
alle Neulinge durch fpisfindige eben, oder verfängliche 
Fragen zu verwirren und nieberzumerfen fuchten, und 
hieraus entfiand die übertriebene Schilderung, (dergleis | 
chen den älteften komiſchen Dichtern fehr gewoͤhnlich wa» 
ren), wodurch die Pythagoreer in mitdoiuize Sophiſten 
verwandelt wurden ). 

f5 Ein⸗ 








— — e — 


Ins Toy Aayav gwuns » TOsesrray na 


Kunay 
Tore avrıevos, Ten Teenci, Tois Tegı 
Eapoeaı, 
Tes awenravus, Tois neyadıaw vaßun 
gInoS. 


Diefe Stelle habe ich vormals unrichrig verſtanden. 
pag. 282 Hit. doftrisz de vero Deo, - 

“ Noch feltfamer als Kratin, ber der Pythagoreer fpotten 
‚ wollte, mahlte das Haupt derſelben ein neuerer Schrift 
ſteller, und gewiß in der Abſicht, das feierliche und 

heilige ber Pythagoreifhen Sazungen zu erheben. S. 72. _ 
. a9, Jambl, Er ſagt naͤmlich, daß man die Lehrlinge ef - 

drey Jahre hintereinander vernochläffigt, oder ihnen mit 

Verachtung begegnet, und ihnen alsdenn noch ein fünfs 
Jäpriges Stillſchweigen auferlegt habe. 


— 


. — — — 


4588 777Drittes Buch. | 


Eine gemeine Sage, die aber allem m Wera | 
wach wiederum aus Mißverſtaͤndniß entftanden iſt, iſt 
bieſe: daß bie Pythagoreer entweder gleich ‚wenn fie ſich 
zu Pünftigen Mitgliedern ber Sefelfchaft angaben *), 


oder auch wenn fie ihre Prüfungszeit überftanden hatten, 
Ihe ganzes Vermögen der Geſellſchaft überliefert hätten, 


und daß daher unter den Ppipagoreern eine völlige Ge 


meinfchoft der Guͤter eingeführt gemefen fen ), -Diefes 
‚Zufammenpäufen aller Haabe, welches Pythagoras zw 


gleich mit der Zuſammenſchmelzung ber Seelen verbunden 
“ haben foll, ift eine fo unwahrſcheinliche Sache, und eine 


mit der Klugheit diefes Mannes fo wenig vereinbare Um 


ternehmung, daß man fie läugnen Pönnte, wenn fie 


aquch nicht von den erfien und zuverläffigften Geſchicht⸗ 


ſchreibern nerworfen würde, Fuͤr die Pythagoreiſche Ge⸗ 


meinſchaft bey Güter zeugen nur ſpaͤtere ober ungültige 
Schriftſteller, unter welchen wahrfcheinlich Timaͤus der 
vornehmſte if. Wenn nämlich in den Worten des Dim 
. geneg *%*),, die id) unten anführe,, nicht Nachrichten vers 
fchiedener Männer vermiſcht find, wie es nicht ſcheint; 
fo iſt Timäus der etfie, der won einer Gemeinſchaft aller 
Güter unter ben Pythagoreern gereder hat. Nimmt 
_man blagegen an, daß Diogenes nach den beyden erſten 

| Glie⸗ 








e) Diog sp. Jembl, 72. 68. . 
Gon) Dieg. VIII. io. Apellon, sp. Jambl. 237. it. car. NI- 
... sO@. op. Porpb, S. 20. Taurus ap. Gell. 1.9. 
er, vill. 10. 276 T9 WEwWToS (ar Oneı 0  Tuuases) 
zone Ta DiAwy zur. Koss BrAuay sooTrnTo. na 
aurs 0 nadnraı narerıgerro Tas Bolas, 6 
ev TorBusvon 


N 


Seſchichte der Pothagereiſchen Geſellſchaft. 459 
Gliedern ober Abſaͤzen ber angejogenen Stelle, bie Er⸗ 
aͤhlung eines andern Geſchichtſchreibers mittheilt; ſo iſt 
zwar Timaͤus alsdenn frey von der Schuld der Erdichtung, 
oder eines groben Misverftändniffes; man muß fie aber 
alsdenn auf einen andern eben fo nachläffigen oder era 
"Dichteten Geſchichtſchreiber übertragen. Unlaͤugbar ging 
der Glaube an die Gemeinfchaft der Güter unter den 
Freunden des Pythagoras über Chriſti Geburt hinaus; 
Denn Apollonius erwaͤhnt ihrer ſchon. Wer aber auch 
zuerſt davon geredet haben mag; fo iſt es immer ausge 
macht, daß fie niemals umter ihnen ſtatt gefunden hat. :Diea 
beweifen. die Erzählungen des Ariftorenus beym Jam⸗ 
blich*), nach welchen bie Pythagoreer bey der Gefahr von 
Bruͤdern, deren Gluͤck einen nahen Umſturz drohte, 
alle Baarſchaft, die fie nur aufbringen konnten, zuſam⸗ 
menraften, um ihre wankenden Freunde zu unterflügen, 
Eben diefe Benfpiele von Nothhuͤlfe wiederholt Diodor 
aus dem Ariftopenus **), und begleitet fie.mit der Ans 
merkung, bie wahrfcheinlich aus demfelbigen Schriftſtel⸗ 
ler genommen iſt, daß die Pythagoreer mit einem jeden 
Teilnehmer ihres Bundes, der fein Vermögen verloh⸗ 
zen hatte, das ihrige bruͤderlich gerheilt, und daß fie dieſen 
Sreundfchaftsbienft nicht bIHß denjenigen, mit denen fie 
täglich umgegangen wären, fandern quch ſolchen, Die fie 
nie, von Perfon Pennen gelernt, erwieſen hätten, — Die 
Meranlaffungen der Meynung von Der Gemeinſchaft ber 
Güter unter den Pythagoreern laffen ſich leicht ausſin⸗ 
ben,. und find in Ruͤckſicht auf diejenigen‘, bie bader⸗ 
. Ä en rre 
9) 8.239. 
09) 55 eve. 





⸗ 


460 Drittes Buch. 


| ive geführt wurden, viel verglichen ‚als die von vielen 


/ 


andern, Sie liegen nämlich in den Ausſpruͤchen bes 


Porhageras *), bie nachher unter den Griechen. Eprüd: 
wörter wurden 9%): daß die Freundſchaft eine völlige 
Gleichheit, und eine Zuſammenſchmelzung mehrerer Her: 
gen in eins, und ein wahrer Freund ein anderes Ich oder 
felbft ſey, daß daher unter Freunden alles gemein fon 
muͤſſe. Dies legte Freundſchaftsgeſez, was die Pytha⸗ 
goreer in feinem ganzen Umſange erfüllten, und nah 
- weichem feiner von ihnen etwas befaß, ober in feine 
Macht hatte , was er nicht, und wenn es auch das Leben 
geweſen wäre, einens jeden feiner Freunde willig mitgetheilt 
und aufgeopfert hätte, bies Gefez legte man faͤlſchlich 6 
aus, als wenn Pythagoras alles Eigenthum einzelner 
Mitglieder hätte aufheben‘, und aus-den Guͤtern aller 
einen gemeinfhafttichen Bond des ganzen Ordens hätte 
gründen wollen. 


Nichts iſt glaublicher, als was Diogenes ser) beym 
Jamblich erzaͤhlt, daß die Pythagoreer ein jedes unmire 
diges Mitglied, das wider die Grundſaͤze ihrer Geſell⸗ 
ſchaft gröblich fündigte, und durch Safter oder Miſſetha⸗ 
ten alle feine übrjgen Mitbruͤder befchimpfte, von dem 
gefunden Körper abgefondert und ausgeworfen, baß fie «6 
_ ferner für todt erfläre, und Ihm als einem Verſtorbenen 
ein Grabmal gefest haben. Falſch Hingegen iſt der Zus 
fa diefes Schriftſtellers, den ich nicht weiter gu widerle. 
"gen. daß fe einem ſolchen ausgeſtoßenen Oru⸗ 

der 
89) Dog. VI, i10. ex Tim. & Che. rn Menıg. ed, h. l. 
*s) — IX, e, 8. Ethiec. 





rauj 8. 72. Du 


, 








Geſchichte der Pythagoreiſchen Geſellſchaft. 461 
der zweymal fo viel, ober noch mehr zurück gegeben hätten, 
ats er bey feinem Eintritt in die Caſſe der ganzen Geſell⸗ 
ſchaft eingeliefert Hatte *). 

Aus bem bisherigen kann man leicht beſtimmen 
wie viele Hauptelaſſen von Freunden oder Anhaͤngern 
Pythagoras gehabt habe, wenn man diejenigen nicht. mit 
dazu rechnet, die feinen und feiner Schüler Reden bis- 


weilen, ober aud) oft mit Bewunderung zubdeten, ohne | 


fonft mit ihnen in nähere Verbindung zu kommen. Es 
waren nämlich, und konnten ihrer niche mehr als zwo 
ſeyn: erſtlich ſolche, bie Pythagoras geprüft hatte, und 
denen er fich ganz offenbarte: und wiederum. ſolche, Die 
noch geprüft wurbin, und vor Denen man noch immer 
etwas zurüc hielt. Dies beftärigt das Zeugniß des Ari» 
ftorenus**), nach welchem man die ſtreitenden, unbe⸗ 
ſtimmten, oder gar lächerlichen Eintheilungen und Bes 
nennungen ber Pythagoreer berichtigen ober verwerfen 
muß ***) es iſt Ve ‚ was die meiften 

! Dee 


d 








— — —, ve 
* Dieſe meqhricht iſt gewiß falſch, wenn fie vom Einlegen 
und der doppelten Ruͤckzahlung des ganzen Vermoͤgens 
verſtanden ward. Wahrſcheinlich iſt es unterdeſſen, baß 
ein jedes Mitglied bey ſeiner Aufnahme in die Geſell⸗ 
ſchaft eine gewiſſe Summe hergeben, und auch nachher 
noch immer beytragen muſte, nm die gemeinſchaftlichen 
Ausgaben der ganzen Geſellſchaft daraus zu beftreiten.- 
8) 8,05. up. Jembl. Ev Mey 8 diameign Toutes 
ameonone, x mes raul® nareı TSS movrda- 
vovjas. Tas re deuolovras.ras. wyaJos Tns 
' Lg Saulo.aodıess aveveıve. 
vr, Die Hauptftellen find folgende. Taur. ap. Gell.1.9. 
Diog. ap, Perph, 37. & ibi Rittersh, ap Jemb! 73.81. 
"wid, & 89. Anonym, r Phot, 1, Hiemit vergisiche man 
on Meng. 


462 = Drittes Sud, 


bergen *), baß bie noch aicht bewaͤhrten Freunbe des 
Pyttzagoras Akuſtiker ober Akusmatiker und Exote⸗ 
riker; bie geprüften hingegen entweder Eſoieriker oder 
Mathematlker genannt wurden. Auch iſt es nicht uns 
glaublich, daß bie legtere nach ihren verfchlibenen Faͤtzig⸗ 
keiten entweder für die Erforſchug und den Vortrag 
von Wiſſenſchaften, oder auch für oͤffentliche Geſchaͤfte 
entweder die Namen von Thesretikern ober Phyſikern, 
oder auch von Politikern und Nomothetikern trugen. Falſch 
hingegen, und ganz wider das, was Ich von bein Unter: 


kichte der Pyhthagoreer aus dem Ariftorenus erzähle habe, 


iſt es, daß die einen deßwegen Eforerifer und Mathema⸗ 
tiker genannt worden, weil fie ben. Poehageras innet halb 
des Vorhangs gehoͤret, und ſelne geheimſten Lehren aus⸗ 
faͤhrlich, und mit allen ihren Beweifen aus feinen, Munde 
empfangen hätten? die andern hingegen Efoterifer und 
Alusmatifer , weil fie den Pythagoras außerhalb bes 
Vorhangs gehöet, und fih bloß mir gewiſſen kurzen und 
tnbewiefenen Lehrſaͤzen hätten begnügen müffen. Eben 
fa gefchichtwidrig, und ſelbſt mit der gefunden Vernunft 
ſtreitend, find die Eintheilungen des Ungenannten beym 
Photlus die vom hienloſen Suldas ‚und einem ſchwach⸗ 

koͤpfigten 





⸗ J 
4 RL SL we j ur u 2 
tin han — 


Menag. ad VIII. 38: & Schefl, de Phil, italten e. XI. 
‚Der leztere fällt in ein ünverſtaͤndliches Gewirre, weil 
er alle Nachrichten der Griechen ohne Ausnahme gelten 
laͤßt, und fo viele Rangordnungen von Ppthagoreern 
heraut zu bringen ſucht, als fi Benennungen derſel⸗ 
. ben in elenden Schriftſtellern finden, die von den 
ren Bie falſcheſten und ungereimteften Begriffe 
aben. 


9 Bel. Tour, & blox. ſ.. 





I 





Berichte der Potfagoreihen Geflfihaft. 463 


koͤpfigten Schollaften des: Theokrit wiederholt ‚werden, 
Unter ben Pythagsreern, fagen dieſe Männer, waren 
einige ganz bem Beſchauen oder ber Betrachtung ergeben, 
und diefe wurden Ehrwuͤrdige genannt. Andere bes 
fhäftigten ſich mit weltlichen Dingen, und diefe hießen. 
Politiker. Eine dritte Claſſe arbeitere in den mathema⸗ 
tischen Wiffenfchaften , und diefe führten ben Namen von 
Mathematifern. Berner wurden diejenigen, Die dem 
Pythagoras ſelbſt hörten, Puthagorifer ; ſolche hingegen, 
die nur von feinen Schülern Unterricht enrpfingen , Pi 
thagoreer; und endlich alle übrigen, Die fonft dem Pya\, 
thagoras wohl wollten ober nacheiferten, Pythagoriſten 
genannt *). 


Nachdem Ic iso bie ganze Innere Einrichtung der 
Pythagoreiſchen Geſellſchaft befchrieben habe; fo frage ich 
nun einen jeden. Leſer, ob es ihm glaublicher vorkomme, 
daß diefe Männer (mie man in der neuern Zeit allgemein 

auge 
*) Nach dem Dikaͤarch (8.19. ap. Porph.) wurden nicht nur 
Maͤnner, ſondern auch Weiber in die Pythagoreiſchen 
Geſellſchaften aufgenommen. Hiemit aber wollte Dis 
kfgarch nichts weiter fagen, als daß die Weiber und 
Toͤchter der Pythagoreer nach den Brundfäzen ihrer 
Männer und Vaͤter ſich gekleidet, genaͤhtt, gehandelt, 
„und ihre Kinder erzogen hätten. Uebrigend fiebt man 
aus der Einrichtung der ganzen Gefellichaft, wie Aris 
florenns fie beſchrieben hat, daß das weibliche Geſchlecht 
weder an dem fruͤhen Unterrichte, noch an den heftigen 
Leibesbewegungen, noch endlich an den nachmittaͤgigen 
Berathſchlagungen Theil genommen habe, oder nehmen 
konnte. Wenn es nicht verboten war, die Geheimniſſe 
bes Bundes Weibern auzuvertrauen; fo ſagt doch auch 
kein glaubwuͤrdiger Schriftſteller, daß dieſe⸗ geboten 
oder gewoͤhnlich geweſen ſey. 





J 


44, - Dritte Bud, 
angenomm bat und noch annimmt) I einer beſtindig 
Entfernung von oͤffentlichen Geſchaͤften gelebt, und ſich 
ganz in bie. Betrachtung und Erforfhung himmſiſcher 
und unſichtbarer Dinge verſenkt haben, oder ob er es den 
Sajungen des Pythagoras entſprechender finde, dah er 
und feine Schüler ihre Kenntniſſe und Kräfte, wie ver 
ihnen die Weifen von Griechenland, und machher bie 
Eleatiker thaten, in einem handelnben geben, ‚und in der 
Uebernehmung Öffentlicher Aemter und Warden zum 
Dienſte ihres Vaterlandes angewande haben? Das 
leztere behaupten alle aͤltere, zuverlaͤſſige und bie meiſten 
neuern unzuverlaͤſſigen Schriftſteller; das erſtere Hingegen 
nriur allein Heraklides Pontikus, und nach ihm Apolle 
als, Nikomachus, und bie meiften neuern Platoniker, 
bie ſich aber zugleich ſelbſt widerſprechen. Denn eben 
dieſe Männer, die den Pythagoras an einigen Stellen 
als den Stifter eines philofophifchen Moͤnchordens ſchil⸗ 
dern, ſtimmen wiederum mit den glaubmürbigften Gr 
ſchichtſchreibern darinn überein, daß die Pythagoreer In 
‚ allen Städten, wo fie ſich fanden, eine genau verbundene 
Geſellſchaft von Staatsmärnern ausmadhten, bie nach 
den vortreflichen Brundfäzen ihres Oberhauptes oͤffentliche 
Angelegenheiten verwalteten, Eitten und Geſeze zu ver 
beſſern, Alleinherrſchaft, oder übermäßige druͤckende Ge⸗ 
walt eines oder einiger Tyrannen zu hindern und zu ver 
tilgen, Eintracht und Frieden unter allen Ständen u 
erhalten, und eine gemäßigte, auf das Gluͤck aller abs 
" Jlelende Ariſtokratiſche Regierungsform einzufüßren und 
gu befeftigen ſuchten. Kein anderes Factum in der gan 
gen MPythagoreiſchen Geſchichte wird durch fo viele Ausſa⸗ 
gen, und wat ſolcher Männer beftäige, bie ve » 


d 





Oeſchichte der Pothagoreiſchen Geſellſchaft. 465 


allen Übrigen Puncten von einander abwichen. Ich 


will dieſe Beweisſtellen nach der Ordnung ber Zeit, in 


welcher ihre Verfaſſer gelebe habe, Hinter einander an⸗ 
führen, weil es hier nicht bloß um den hiftorifchen Vor« 


trag von unbezweifelten Nachrichten, fondern um den 


Beweis einer Sache zu thun iſt, bie wider bie allgemeine 


Meynung ber Oetepeten der leztern Jahrhunderte läuft. : . 


Schon Theopomp hlelt den Pythageras zwar 
“nicht für einen fo edel denfenben "Staatsmann, als er wirk⸗ 
lih.war, (befannt aber iſt es, daß Theopomp nie im 
Soben, aber faft immer im Tadeln zu viel that) aber doch 


für einen feinen politifchen Kopf, ber unter dem Vor⸗ 


wande feiner fcheinbar ſchoͤnen Philofophie fich der Alleine 
berefchaft zu bemächtigen, und ähnliche gewaltthätige Ge⸗ 
finnungen feinen Schülern einzuflößen geſucht haͤtte. Er 


verglich Daher den Athenlon, einen Arijtorelifchen Welte 


weifen, der im Michridarifchen Kriege fich zum Tyrans - 


nen von Athen aufwarf, mit dem Pythagoras, und fezte 
Dinzu, daß der erftere dem Benfpiel und den Grundfäzen 
dis leztern gefolgt fen *). Eben fo urtheilte Hermipp 
über den Pythagoras, mie nicht nur aus den verbefferten 


Morten des Athenaͤus, fondern auch aus feiner oben ges 


prüften Erzählung von dem Aufenthalte, des Pythagoras 
in einer Hoͤhle erhellet. Zwiſchen dieſe bende Schriftſtel⸗ 
ter falle Arifterenug‘, der nicht nur ſie, ſondern auch die 
- meiften der folgenden als Geſchichtſchreiber überwiegt. 
Die orueflche Schüler des Ariftoteles en erlih 

| daß 


x 
— —— — — 


9) Athen, XV, 4. 





v 


466 re 
vaß die Pythagorrer den ganzen Nachmittag auf polltiſche, 
ſowohl einlaͤndiſche als auslaͤndiſche Angelegenheiten ver⸗ 
wandt hätten®), er ſagt ferner, daß man den Pythago⸗ 
- seern alle Abend beym Weggehen von Ihren Gaftmälern 


‚ eingeprägt habe: der Gerechtigfeie und ven Geſezen zu | 


helfen, und mit ber Ungerechtigkeit und Tyranney einen 
unaufhoͤrlichen Krieg zu führen **), Endlich. bezeugt 
er, daß die Pythagoreer folgende Ermahnung , als ben 
Inbegriff ihrer und aller rechtfchoffenen Männer Sitten⸗ 
lehre beftändig wiederholt hätten: daß man auf alle nur 
mögliche Arten, und felbft mit’ Feuer und Schwert , vom 
Körper Krankheit, von der Seele Unwiſſenheit, oder vie, 
"mehr roße Ungebildheit, vom Bauche Schwelgerep, von 
Staͤdten Aufruhr, -von Familien Uneinigkeit entfernen 
und verrilgen, und in allen Dingen ſich vor Uebermaaß 
Hüten müffe ***). Alle diefe Stellen des Ariftorenus wer⸗ 
.n _. ie 


4 


Ran, 











22)8. 97. op. Jambl, u 

.: WE) 8S. 100. You Te BenIen, nos volusce More. 

. . ap. Stob, Serm. 41. Auch redete er von den Ppthago⸗ 
reifhen Grundfäzen ber Erziehung, als wenn fie nur 
allem Fuͤhrer von Staaten oder. Herren hätten bilden 
wollen, Bu 2 


orq) Arif,ap, Nisom, inPorpb, vik,(,22. Duyadeulor 
Won ANXN, Kacı FERIROMTEey ups αν erden 


> 





— 








——A — — 


—X——— —E—— —RXRX 
XC de Sacıy, bius de dio Deoounie „ cu8 
de nayrov rwueresav: Man fehe den Arifkorenus 

au ap, Btob. Sorm. 41. p. 243. Don ihm iſt, wie 
ich vorher fihon beinerkt habe, uabefibeinlig auch der 
äweyhundert und viergehnte Abfaz im Jamoͤlich, mo 


— 





— —* 


N 


Geſchichte der Pythagoreiſchen Geſelſchaft. 467 


en durch ſeine Nachrichten von den Urſachen und Folgen 
es Unterganges ber. Pythagoreiſchen Schule, die ich 
achher anfuͤhren will, bekraͤftige und erlaͤutert. Auch 
Akaͤarch, ungeachtet er in einigen Umftänben von feinem 
clehrten Freunde abgeht, kommt dach darin mit ihm zu— 
mmen, daß Pythagoras das Haupt einer mächtigen 
yefellfhaft gewefen ſey, die ſich über viele Städte ver, 
eltet, felbft benachbarte ungriechifche Koͤnige und Dips 
ıften zu Mitgliedern gehabt, allenthalben einen überwie 
nden Einfluß in Staatsgefchäfte erhalten, und end, 
h durch ihren Untergang die größten Unsrdnungen in 
Ien Staaten von Großgriechenfand nach fich gezogen 
be ). Nach diefen reden Polpbius**), ‚Cicero ***) 


Gs 2 und 





er fagt, daß Pythagoras alenthalben Tyrannen verjagt, 
Geſezloſigkeit gebändigt, und alte Rechte und Freyheit 
wieder hergeftellt Habe: Tupanı das de xurarumv, 
ROU-WONTEIOS OUYxEXUuEvaS DETETTOV, @Acu- 
Yıgmav Te umo Ösreıns Tas qroAenı mapadıdas. 
Ka, Tv Mmagovonov Tau, ußew Te zaros- 
Auay, aa Tas UBeısas nos TUBEWIRES KaAumy, 


na 





Kos Teis pev dinascıs Kos Huseoıs Trewov Euren . 
Nagexmv nainyeuove, Tas de aygıws aydens 


na vBeisas ameAduvay Tas ewädies SC, 

) Porpb, S..56, - 

'*) 11, 39: ü ' 

*t) de orat. IH. 34. Tuſc. Quseſt. I, ı6, Hane opinie- 
sem .difcipulus ejus Pythagoras maxime conformarit : 
qui cum Swperbo rognnate ja ltaliam veniflet, tenuie 
magnam illam Grascisme sum more. 5 difciplins, cum 


? 


eiiam dufloritate; multaque iaecula poſtea fie vigutt- 


Psthagorcorum namen, uf nalli alii doAT videren- 
tur, V. 4. Nee vorn Pyihogerss nominis folum in- 
ventor, verum otiam amplificatör full, - Qii cum 

0 | | . pott 


\ 


468... Deiltes Bud 
und Dioder *) vom Pythagoras, als einem Manne , ben 
‚die Krotoniaten in den wichtigfien Fällen und Angelegem 
- „heiten um Rath befragt und gefolgt hätten, und won dei 
BGeſellſchaften der Pythagoreer, als von den Haͤuptern 
| und Vernehmſten, in den Sroßgriehifhen Staaten, 
bie fie viele Fahre hinter einander durch ihre Weisheit 
Benfpiele und Geſeze blühend gemacht hätten. Endli 

erzähle Strabo **) von den. Tarentinern, daß auch 
dile Pythagoreiſche Phlloſophie angenommen hätten, u 
daß unter ben Weltweifen aus diefer Schule. vorzügil 
Archytas lange mit vielem Ruhme feiner Vaterſtadt 
geſtanden habe, Eben dieſer Erdbeſchreiber ***) fü 
den Parmenides und Zeno. als Pythagoreiſche Philoſo 
an, durch welche Elea vorzüglich vortrefliche Gefeze 
halten Hätte, | nn 

Penn biefen ie angeführten Schriftſtellern a 

alle jüngere Geſchichtſchreiber und Weltweiſen entge 
ſluͤnden, fo würde boch ein jeder vernünftiger Sorfcher d 

Partheh der erftein folgen müffen. Nun aber. ſtim 
















9 an . . . | 
| poſt hune Phlisfium ſormonem In lealiam voni 
exosnayit eam Grseclam , quae magna didte eft, 
‚privarim & publice, prachintilimis & Iekltutis 
artlbus, de Amic. IV. ‚Plus apud me antiquorum ı! 
&orites valet, vel noßrorum msjorum, qul wort 
tam religiofa’jura tribuerunt: — — — vel eorus 
qui in bag terra ‚fuerunt , 'magnemqus Gracchl 
(quae nune quidem deleta eſt, tum fierebas) inßit 
ı  tis, & praeteptis fuls etudierum, 
 ®) 483. Lid. Xil. Ed. Well, | 
Boc) VI. 429. Almel, Ed, 
on) 387 . 


4 Br 





er 4 


Geſchichte der Pythagoreiſchen Gefelfchaft, a66. 
uch die leztern mit jenen uͤberein, und widerſprechen nur 
anz allein ſich ſelbſt. Apollonius, deſſen erſter Grund⸗ 
az dieſer war, unbekannt zu leben, oder body unbekannt 
u ſterben, und der dieſen Grundſaz für ädyt Pyrhagee 
eiſch hielt, ſchildert doch *) die Purbagereer als eine 
Nigarchiſche Parthey, die faft. alle Gewalt in Kroten 
n Händen gehabt, und ſich der Wahl von Magiſtrats⸗ 
erfonen durchs Loos mit der äußerfien Macht widerſezt 
abe, Auf eine eben fo miderfinnige Art freitet Niko⸗ 
nachus.mit fich felbft. Denn an vielen Orten redet er, . 
ben wie Apollonius, von ben Pythagoreern, als von himme 
fc) gefinnten Forſchern und $iebhabern der Wahrheit, - 
ie ale irrdifche Dinge verachtet hätten; und an andern 
ingegen pflichtet **).er denjenigen Erzählungen bey, nach 
oelchen Purhagoras nad) feiner Ankunft in Italien viele 
Staaten von Tyrannen enflaftee, und in ihre alten ® 
Rechte und Freyheit wieder eingeſezt habe, Er 
ſennt die Städte, welche durch die Pythagoreer aus. 
er Sclaverey Herausgeriffen worden, und‘ hält gar. ben 
Sbarondas und Zaleukus, die berühmteften Geſezgeber 
n Großgriechenland, für Mitglieder des Pythagoreiſchen 
Bundes, Er verfichert ferner, daß aus der Schuledes 
Pyihagoras nicht nur die gröften Dichter und Weltwei⸗ | 
en, fondern aud) Geſezgeber hervorgegangen ſeyen, und 
yaß die von ihnen gefchriebenen Gefeze fogar ins eigente 
ie Griechenland wären übergetragen worden. Auch 
He beyden Diogeneffe, die nicht felten bie Pytha⸗ 
joreer nach dem. vom Heraklides, Apollonius, Nikoma⸗ 

| De. 7. u Ge Aus 





— 
m ER 








' — 
“) sp. Jambl. 8, 954. et faq. 
*s) “p. Jamb!. 5 33« " 


chus und anbern entworfenen Gemälde ſchildern ‚imma 


: daß jene eben deswegen zur Zeit ‚ber Porbagoreifdei 
Schule am meiften geblüher haͤtten. Auch er fezt hinzu 


“ 


> 


daß es unter ben Pythagoreern Staatsmänner uad Bu 
ſezgeber gegeben habe: baß die Städte in Italien ihnen 


‚und ihnen eine freye Kegierungsform wieder gegeben hät 
een, Mit dleſen Nachrichten harmoniret Diogenes 


ſagt nämlich), daß Pythagoras ben Italiaͤniſchen Bri 


treflich regiert hätten, — Allen diefen Stellen füge | 
"endlich noch folgende aus dem Jambilch hinzu, bie 
beßwegen zulezt anzeige, weil ihr Werfaffer nicht go 


N ‘ 
..4 4‘ 
——— — ⸗— — WERE 
[2 " 


H 8.1129. Ein Theil diefes Abſazes iſt aus dem Nrifopu 


, 9%) VIEL 3. Eıra smanmdes sis Lœnov, ua dr 


ETW ROTER. ' 


1 


\ 


doch hier in bie Erzaͤhlungen aller übrigen Schriftſtel⸗ 
ein. Der erflere, ben wir nur allein dus feinen Frag 
menten beym Porphyr und: Jamblich kennen, gefteht *) 


bie wichtigften Memter und große Macht anvertraut, unl 


Baß’viefe Männer aus vielen Städten Tprannen verjagt, 













$aerte **) fo genau, daß «s ſcheint, als wenn fie bey 
aus einer einzigen Quelle geſchoͤpft haͤtten. Der lezt 


chen Geſeze gegeben, und drey hundert Freunde in 


tön um ſich her verſammlet habe, die gleichfam e 
Ariftofratifchen Körper ausgemacht , und den Staat zur 


gewi 








mus: man vergleiche das Bruchſtuͤck des leztern 244 
ferner S. 130⸗433. en 


gar Tv marTeıda TUEBNVEREYNV-URO IleAuxgares, 
anne sis Koorava vns Iraxıs. xuxsı vonss 
Yes rois Iradıraıs, edofaadn auv rois pad 
rœux. 0 MEI TES TEIEHOTIES OVTES, wRovougt 


LITE TE KOAITINE, MS TE oxeder BLISORELTIET 
* ar 


\ 





0, / “ 

Geſchichte der Pptbagoreifchen Geſellſchaft. 471 
gewiß bekannt ift *). Dieſer Gchrififtellee giebt den 
Pythagoreern das Lob, daß fie unter allen bie vortrefs 
lichſten Geſezgeber gewefen feyen, und er nennt aufge 
dem Charondas und Zaleufus noch fünf andere, deren 


Namen von den übrigen Geſchichtſchreibern abergangen 
worden ſind. 


| Die bisher angeführten Zeugniffe koͤnnen nicht 
leicht einem verftändigen Kunſtrichter einen gegründeten 
Zweifel übrig laffen, daß es vom Heraklides kuͤhne, unver« 
(hämre Erdichtung, und in ben neuern. Pythagoreern 
und Pfatenifern grobe Unwiſſenheit, vereinigt mit der 
Neigung, war, die beruͤhmteſten Weltweiſen des Grie⸗ 
chiſchen Alterthums ſich aͤhnlich zu denken, wenn fie den 
Pythagoras und ſeine Freunde als Maͤnner vorſtellten, 
die einen ſchwaͤrmeriſchen Abſcheu gegen alle vergaͤngliche 
Guͤter und Groͤßen empfunden, und mit ihrem in ſich 
gekehrten Geiſte ſtets aus dem alederziehenden Körper 
und über die ſublunariſche Welt hinaus geſtrebt haͤtten. 
Verbindet man aber noch mit dieſer großen Zahl von 
Zeugniſſen die Bemerkung, daß die beruͤhmteſten Nach⸗ 
folger oder Nachahmer des Pythagoras, Empedokles, 
Archytas, Timaͤus, Eudoxus und andere, große Staats⸗ 
maͤnner waren, und erwaͤgt man endlich die Erzaͤhlungen 
der beruͤhmteſten Geſchichtſchreiber, von den Urſachen 
und Folgen des Untergangs ber Pythagoreiſchen Gefella 
fhaften, fo fann man, glaube idy, einen jeden einer 
biödfmnigen Verſtocktheit oder Anflebung an alte Vor⸗ 
urthelle beſchuldigen, der es nad) laͤugnen wollte, daß 
| .Gg 7 Porbas 


den n 











| U U} 


*) 8. 172 


⸗ 


472 | Drittes Du, 
Pothagoras vorzüglich befmegen feinen Bunb errichtet 


. babe, um durch die Hülfe, Weisheit und den Arm de 


ganz von feinem @eifte befeelten Freunde einen maͤchtigen 


Einfluß in alle Staatsvermaltungen von Großgrieden 


fand zu erhalten, 2 | | 
Den Untergang des Pythagorelſchen Orhens, br 


ſo feſt gegruͤndet zu ſeyn ſchlen, als wenn er weder durh 
innere noch äußere Gewalt hätte zerſtoͤrt werden koͤnnen“) 


— J tra⸗ 


ee 





*, Man Fünnte auf die Pythagoreer faſt das anmenden, 
was Poſidonius von den Volkshirten des goldenen Zeit 
alters träumte: (Sen, Ep. 90.) Illo ergo’ fscculo, 
qued aursum perhibetur, penes fepientes fulfle ı- 
gnum. Pofidonius judieat. Hi continebsut manus, 
et Infirmioresia validioribus tugbantur ; Tusdebast, 
diffuadebautgque , & utilis atque inurilia monftrabatt, 
Horum prudeotis, ne quid deeflet ſuts, provide 
bat; fortitudo arcebat periculs; henefitdentin augebnt; 
oamabatque ſubjettos. offielum erst Imperare, nun 
regnum, Nemo quantum poflet adverfus cos erpe- 
siebatur, pes quos eoeperat pofle. - Diefer Poſido 
nius, der fih unter den Griechiſchen Stoikern eben ſe 
fehr, ald-Seneca unter den Roͤmiſchen, bes Schoͤnredens 
befleißigte, der ferner pie Wahrheit und Michrigkeit von 
Sachen nicht genau ünterſuchte, wenn fie ſich nur 
ſchoͤn erzählen oder declamiren ließen, hielt die Pytha⸗ 
goreifhe Schule für die Mutter zweener großer Ge— 
. feageber, die lange vor ihrer Entfiehung geſtorben wur 
ren, und glaubte doch zugleich, daß fie ſalche Männer 
in einer heiligen Stille, und m einer Entfernung von 
- bein Geraͤuſche Iffentlicher Gefchäfte gebildet habe, Zu 
louci leges (fährt Scueca in eben bein. Briefe and dem 
Poſidonius fort) Charondaeque laudantur, bi nos 
ja fara, noe in confulterum atria , fed in Pyehegorse 
tseito Ile ſanctoque feceflu didiserunt. jurs, quit 
floronti tune Sieillae, et pot Itallamı Grascie pi 
Besen, u 5 a 


t y 


/ 

















\ 


Seſchchte der Pythagoreiſchen Seſellſchaft. 473 


fragen zwar die äfteften und zuverläff lgſten Schriftſteller 
nicht genau mit denſelbigen Umſtaͤnden vor; allein ſie 


ſiimmen doch faft afle.in der Angabe der Veranfaffungen 


deſſelben, und in der Beichreibung der Folgen, bie dar⸗ 
aus entſtanden, mit einander überein, Man mag daher 
wählen, welchen Führer man will; fo muß man immer 
zugefiehen, daß ſolche Verſchwoͤrungen, als weldyen die 
Ppythagoreer unferlagen, nicht gegen eine Schule von 
ruhigen, alle öffentliche Geſchaͤfte fllehenden, und fi ch 
ſelbſt lebenden Weltwerſen flat haben fonnteh, und def 
die Erwürgung oder Verjagung von bioß fpecufirenden 
Gruͤblern nicht ſolche fuͤrchterliche Zerruͤttungen ganzer 
Staaten haͤtte nach ſich ziehen koͤnnen, als unlaͤugbar auf 
die Bertilgung der älteften Pythagoreer folgen. 


Nach dem Ariftorenus *) wurden mehrere Veran⸗ 
loffungen der Verfchwörung wider Die Pyothagoreer anges 
geben, von denen aber Jamblich nur eine ausgezogen 
 hae**), Ein reicher Krotoniate nämlich, mit Namen’ 
Kylon , verlangte ein Mitglied des Pythagoreiſchen Bune 
des zu werden; er wurde aber abgemiefen, weil er. ein 
kuͤhner, unruhiger und befrfchfüchtiger Kopf war, 
Dieſe Beſchimpfung ſchmerzte ihn fo fehr, daß er eine 
Verſchwoͤrung wider fie zu Stande brachte, der die Px«. 
| thagoreer lange widerſtanden, die ihnen aber doch endlich 
den Untergang brachte. Sie waren eben in dem Hauſe 
des Milo verſammlet, und rathſchlagten über wichtige 
Kriegsangelegenheiten als fie von der Motte des Ky⸗ 
gs Ä Ion 











*, Mit dem Diodor Exe, 554, uͤbereinſtimmt, und in ven 
meiſten Puncten auch Diogenes VIL 39. 
—* 3.248, 52. 


474. Drittes Buch. _ 
fon überfallen wurden. Diefe Würhenben Jünbete bie 
Wohnungen ‚ In. welcher die Pythagoreer beyſammen 
waren, und erwuͤrgten oder verbrannten alle, ben Archh⸗ 
tas und Lyſis ausgenommen. Mach diefem Vorfall bes 
kuͤmmerten fid) die Pothagoreerr, wie Ariftorenus mel 
bet, um feine mithtige Angelegenheiten mehr, theils, 
weil die Städte ſich ihrer nicht annahmen, am 
meiften aber deßmegen, weil die Häupter ihres Or⸗ 
dend, und die größten Gtaatsmänner gefallen waren, 
on denen, bie ihren Feinden entkamen, gingen einige 
nad Griechenland: die übrigen verſammleten fih In 
Rhegium, und blieben ihrer Sebengart und ihren Grunde 
fügen getreu, ungeachtet ihr Bund aufgehöret hatte. — 
-Diefe Erzählung läßt fi) unmöglich von- einer bloßen 
phitofophifchen Sekte verſteben ‚ man mag fie auch aus⸗ 
— lecgen, wie man will. 
| Nach dem Dikaͤarch ergriffen bie Vetſchwoͤrer nur 
vlerzig Pythagoreer auf einem Haufen, und ermordeten | 
Die übrigen eingeln, wie fie‘ fie in der Stadt antrafen. 
Pyothagoras ſelbſt aber entwiſchte, und wandte ſich zuerſt 
nach Lokri. So bald die Einwohner dieſer Stadt feine 
Annäherung. vernahmen, fandten fie ihm einige Mitglie 
der bes regierenden Raths mit dem Bedeuten entgegen: 
daß fie ihn zwar für einen -qußerordentlichen und meifen 
Mann erfennten, daß fie aber auch mit Ihrer gegenmäts 
tigen Verfaffnng zufrieden wären, und hinfort auch über 
ihren Geſezen halten wollten. : Sie erfuchten ihn daher, 
fi einen andern Aufenthalt zu waͤhlen, als, ihre Stadt; 
doch ſeyen ſie bereit, ihn mit allem, was er brauchte, 
zu unterſtuͤzen. Eben fo wurde Pythagoras in Tarent 


empfangen und abgewiefen,. und tam alſo endlich nach 
Meta⸗ 





Geſchichte der Pythagoreiſchen Gefellfchaft. 475 

Metapontum. Denn (fo ſchließt Difäarch) allenthalben 
- entflanden große Aufruͤhre, von Renen man unter dem 
Mamen der Verſchwoͤrungen wider die Pythagoreer noch 
bis auf den heutigen Tag redet *). — Wäre Pythago⸗ 
ras weiter nichts als ein ruhiger Wahrheitsforſcher gewe⸗ 
fen; fo wärbe man ihm felbft nicht das Einkehren in meh. 
rere Städte verwehret haben, als wenn von ihm fogleih . 
Ummälungen von Regierungsform gu befuͤrchten gewe⸗ 
fen wären, und eben fo wenig würden er und feine Freunde 


fo große Empoͤrungen veranlaßt haben, die noch zwey 


Jahrhunderte nach ihrem Tode im Munde des Volkes 
Waren, 


| Den Nachrichten bes Apollonius zu folge, baren 
die Pythagoreer fchon lange ‚vorher den allgemeinen Haß 
dadurch auf ſich gezogen, daß fie fo genau unter fi) ver» 
bunden waren, , und fich: fo fehr von ihren Mirbürgern ' 
unterſchieden. Diefe Unzufriedenheit wurde nicht wenig 
vermehrt, als nach der Zerſtoͤrung von Sybaris vorzüge . 
lich auf. ihr Anftiften die eroberten $ändereyen nicht nad 
dem Wunſche des Pöbels ausgetheilt wurden, So bald 
nun die Feinde der Pythagoreer merkten, wie fehr diefe 
an $iebe unter dem ‚großen Haufen verloren hätten, thas . 
:ten fie, um das Volk noch mehr zu erhizen, den Bor 
ſchlag, ber in folchen kleinen Staaten, als die Griechi⸗ 
ſchen uͤberhaupt, und auch der von Kroton war, immer 
mit dem groͤßten Beyfall auſgenommen wurde, daß alle 
öffentliche Wuͤrden und Aemter einem jeden Mitbürger, 
- der Verdienſie beſaͤße, offen ſtehen, und alle Magiftratse 

perfös 





N | 1 








s 


*) Diessacch, s; 56. ap. Porph. 


476 . Drittes Bud. 
perfonen einer geroiffen Zahl von Dänen, bie durchs 
Loos aus dem ganzen Wolfe erwähle würden, Rechen⸗ 


ſchaft ablegen ſollten. Diefem aufrührifcyen Satwourfe, 


. den man in allen alten Freyſtaaten zu’einer gemiffen Zeit 


- 


mbihre,. und durchfezte, der in allen eine Zeitlang fuͤrch⸗ 
terliche Spaltungen, bürgerliche Kriege und Dieberlagen, 
bald der Vornehmen, und bald bes Poͤbels hervorbrachte, 


und enblich auch allen, nad) ber Auscottung der edelften 


und gröften Männer und Famillen, Knechtſchaft und 


‚Untergang zuzoq; Biefem verderblichen Eatwurfe wider: 


fezten fih Die Pythagoreer aus allen. Kräften, richteten 
aber weiter nichts aus, als daß fe ihre Gegenparthen 


verftärften, und die Wuth bes Pöbels noch mehr wider 


fih reiten, Zween Aufrührer, Kyfon und Ninen, bie 


‚durch nieberträchtige Verläumbungen die Väter des Va⸗ 


terlandes aus dem Wege zu räumen, ‚und zugleich durch 
friechende Schmeichelepen ſich ſelbſt zu Führern des Vol⸗ 
kes zu erheben ſuchten, Flagten die Pychagoreer oͤffentlich 
an. Der leztere ſtellte fh als wenn er in alle ihre 
Gehelmniffe eingeweiht wäre, und ließ ein untergefchos 


benes Buch ablefen, beffen Inhalt tyranniſche und olle 


garchifche Geſinnungen, ausſchließenden Eifer für das 


Wohl der Geſellſchaft, Verſchwoͤrung wider das Volk, 
und Verachtung aller derer, die nicht zum Bunde gehoͤr⸗ 


‚ten, enthielt und empfahl, Er warf es den Krotoriaten 
als etmas ihrer unmürdiges und fie entehrendeg vor, daß 
fie fi) von drey hundert Männern beherrfchen lleßen, bie 
fie taufendmal fo viel am Traentfluß überwunden hätten. 
Er ermahnte fie endlich, den Verraͤthern fernerhin fein 


Gehoͤr zu geben, die es auf alle Weiſe zu hindern geſucht 
haͤtten, daß ſie ſich zur Behauptung Dur Freyheit nicht 


ein, 


S 


\ 





Gecſchichte der Pythagoreiſchen Geſelſchaft. 477 


einmal haͤtten verſammlen und berathſchlagen ſollen. 
Durch dieſe Reden wurde den Poͤbel fo ſehr erbittert, 
daß er einige Tage nachher zufammenlief, um die Porhas 
goreer umzubringen. Allein diefe merken die Gefahr, 
die ihnen bevorftand, und flohen entweder in heilige 


Schujoͤrter, ober auch außer der Stadt. Nach der 


Entweichung felbft wurde ihre Sache unterfucht, und von 
Schledsrichtern aus Tarent, Kaulonia und Metapont 
(die ſich aber nach den Archiven in Kroton beſtechen ließen), 
dahin entſchieden, daß fie, Die Pythagoreer, famt ihren 
Familien, und denen, die mit der neuen Berfaffung 


unzufrieden wären, auf ewig verwiefen feyn follten, Erſt | 


nach vielen Fapren, und nach) dem Tode der Hauptaufe 
ruͤhrer, unter welchen Nino eutſezliche Orauſamkeiten 
ausübte, ſahen die Krotoniaten das Unrecht ein, was fie 
ben Pythagoreern angerhan hatten, und ſoͤhnten ſich durch 


bie Vermittelung Achaͤiſcher Geſandten, mit den Bere 


wiefenen, beren ohngefaͤhr noch fechzig übrig waren, uns 
ter gewiflen Bedingungen aus, die von beyden Seiten 
befchworen, und zum ewigen Andenken in Delphi aufbes 
wahret wurden *). 


Der Grund diefer Nachrichten des Apoflonlus 


gewiß nicht erdichtet, wie ich oben ſchon bemerkt habe, 

und wie audy aus ihrer Uebereinſtimmung mit ben bis, 
herigen Erzählungen, und mit dem Zeugniffe des Polyb 
erhellt “), Nachdem_ (fo erzähle dieſer große Beldichte 
ſchreiber) an der ganzen Küfte von Stalien, die man 
Groß⸗ 








°) Jambl, 254 et leg 
voe) IL 39. Ä 





8. Dritte Buch. 


Großgriechenland nennt, "alle Geſellſchaften der Poecha⸗ 


goreer vertilgt worden waren; wurden bie Griechiſchen 
Staͤdte mit Mord und Aufruhr angefuͤllt, weil ſie ihre 
größten Männer in einer eben fo.plöglidyen als traurigen 
Revolution verlohren hatten, _ Alle Griehifhe Wölter 
ſchickten Abgefandten nach Italien, um die entflandenen 


Urruhen und Uneinigfeiten beyzulegen; bie zerrürteren 


Staͤdte aber bebienten ſich allein des treuen Beyſtandes und 


Nachs der Achäer, welchen zu Folge fie die Geſeze und Ver⸗ 


_ 


x j . 
——————— —— — 


faffugg der leztern annahmen, und einen Ort beſtimmten, 


wo fie ihre jährlichen Zuſammenkuͤnfte halten, und gemein. 


ſchaftliche Angelegenheit abthun wollten, / 
Bon den Nachrichten der bisher angezogenen Ge. 


ſchichtſchreiber weicht zwar der Pythagoreer Theaner, 


den Plutarch In der Abhandlung vom Genius bes Sokra⸗ 
tes redend einführt *)‘, in feiner Belchreibung des Unter⸗ 
ganges des Bundes darinn ab, daß er die Verſchwoͤrung 


‚ der Rylonier nicht in Kroton, fondern in Metapontum 


ausbrechen läßt; allein übrigens beſtaͤtigt auch er, oder 
vielmehr Plutarch die Hauptfacta: daß bie Pythagorel⸗ 
ſchen Geſellſchaften In allen Städten Italiens durch Rot⸗ 


ten und Aufſtaͤnde zerſtoͤrt worden, daß in dieſen Unruhen 


bie meiſten Pothagoreer umgefommen, und in den Staa⸗ 
ten von Großgriechenland gleich nachher langwierige 
Kriege, Meutereyen und Alleinherrſchaften entſtanden 
ſeyen. Aus den Zeugniſſen alſo aller alten Schriftſteller 
uͤber die Urſachen und Wirkungen des Untergangs des 


= Pythagereiſchen Bundes kann man nicht anders ſchließen, 


— 





©) VII. 304. 5. Bd, Relak, 

















Gefchichte der Pythagoreiſchen Geſellſchaft. 479 
als daͤß dieſer eine maͤchtige Verbruͤderung von großen 


Staatsmaͤnnern war, die ihre Vaterſtaͤdte eine Zeitlang 


gluͤcklich machten, mit deren Tode oder Verjagung aber 


die wahre Freyheit und Macht eines großen Theils von » 


Großgriechenland unmwiederbringlich verlohren gingen *). 


- Nur eiſt alsdann, wenn man erkant hat, daß 
bie Pythagoreer am Ruder vieler maͤchtigen Städte ſaßen, 


und daß vom Munde des Pythagoras in Krotsn Ent⸗ 


würfe uud Rathſchlaͤge, wie Bötterfprüche, über ganz 


Großgriechenland ausgingen, nur alsdann erfl fann man’ 


es fidy recht erklären, warum bie Pythagoreer eine fo uns 
gewoͤhnliche Froͤmmigkeit, einen fo hervorſtechenden Ei. 
fer für den reinften Dienft der Götter, und eine fo große 
Erſahrenheit in allen Theilen der Volksreliglon, und felbft 
in folchen Kuͤnſten affectirten, die fonft nur von Gauflern 
und Drieftern getrieben wurden. Alle diefe Dinge fchei 
nen, sole Ihre Geheimniffe und Symbola, lauter Raͤth. 
fel oder Ungereimtheiten, fo lange man den wahren 


Zweck der Gefelfhaft verfehlt. — Pprhagoras harte es , " 


am meiften in Aegypten bemerft, daß Arzneykunde, fo 
unbedeutend fie auch war, ferner ein reines heiliges Leben, 
die angebliche Gabe zü meißagen , und den Willen der 
Goͤtter aus willführlichen Zeichen zu erfahren, befonders 
“aber der vertraute Umgang mit Goͤttern gleichfam bie 
Saͤulen des Anfehens, und der faft gränzenlofen weltli, 


chen Macht der Prieſter diefes Landes waren. “ihrem . 


Beyſpiele alfo zu Folge, ſuchte er feinen Orden nicht nur 


auf Tugend und Wohlthaͤtlgtelt zu gründen, ſondern ihn. 
auch 








#) Siehe die Beplage am Ende diefes Kapitels, 





\. 





N 


Y - 


489 Drittes Buche 


auch durch alles / was die Arzneyfunde und Nefigien hel- 


naes und ehrwuͤrdiges hatten, dem Aberglauben und den 


Vorurtheilen des großen Haufens zu empfehlen, Die 
erſtere wird, mie die Geſchichte, nicht nur der Griechen, 
ſondern audy aller übrigen Voͤlker lehrt, nie für eme 


göttlichere Kunſt, und Diejenigen, die fie beſizen, wie für 
goͤttlichere Männer gehalten, als ſo lange fie noch mit 
der Religlon und Zauberfunft, als ein Theil derſelbigen 
von Prieſtern oder Jongleurs verbunden wird, und hoͤch⸗ 
ſtens in einer duͤrftigen Sammlung einzelner Erfahrungen 
"oder Beobachtungen über die Hellfräfte einfacher Mittel 
beſteht. In diefem Zuftande befand fid Die Heilkunde 
der Griechen, als Pythagoras nach Itallen kam. Sie 

war noch keine Wiſſenſchaft, ſondern, wie man glaubte, 

ein Geheimniß der Goͤtter und ihrer Diener. Es gab 

noch keine andere Aerzte als Prieſter oder heilige Gaufter, 
dergleichen Ariftäus und Epimenides.woren. So wie 
man Krankheiten und Seuchen: für Schickungen ber 
Götter hielt; fo glaubte man’, daß fie auch nur durch den 
Raih der Goͤtter, oder durch Luſtrationen und Entſuͤndigun⸗ 
gen göttlicher Männer vertrieben werden Pönnten. - Py⸗ 
thageras handelte daher fehr welfe und zweckmaͤßig, wenn 
| ‘er feine Kenntniffe in der. Heilung von Kranfpeiten.fonol 
ols Wunden *), die er ſich auf feinen Reifen, und 
durch eigene Verſuche erworben harte, und die gewiß die 


Kenntniffe aller Griechiſchen Priefter übertrafen, auszu. 


üben arfing, - und Die Arzneykunſt zu einer Dienerinn 


und Gehülfinn: ber Staatskunſt und der Sefezgebenden 


Welisheit machte. Wahrſcheinlich erhielten durch ihn 
| — | _ * die 


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#) Dios. VIII 2. Diog, ap. Jambl, 63. or Porp 


_ ‚Ss 33. 


skin . 








J 


Gelhihte der Pothahoreiſchen Bepitäaf, 481 


Die Aerzte von Kroton einen fo großen Kuf , bo fie für 
Die erften in ganz. Griechenfand gehalten wurden ; und 
allem Bermuthen nach war der Krotoniate Demofebes, 
Der den König der Perfer heilte, entweder vom Pytha⸗ 
gras, oder einem feiner. Schüler gebildet worden *), 
Gewiß aber waren, wenn man bem Apollonius bey⸗ 
ſtimmt **), die glücklichen Euren der Pythagoreer, wo⸗ 


Durch fie einer Dienge won Perfonen Gefundheit und Seben 


wieder gegeben hatten, eine Haupturſache ihrer Zurüde 
Berufung. 
Pythagoras und feine Freunde verbanden aber mit 
den Heilmitteln, bie fie Kranken gaben, noch die Zau⸗ 


- berkraft der Muſtk und geheimnißvoller Befchwärungen, | 


ohne welche alle Völker vor der Vervollkommnung bee 
Mebicin glaubten, daß Arzeneyen nicht wirkſam feyh 
Fönuten, Beyde waren im Zeitalter des Pythagoras 
eben fo nochwendig, einem Kranken Zuperficht zu ſei⸗ 
nem Aczte eluzuflößen, als es ijo nur die unfchufe 
digften Künfte großer Aerzte feyn Finnen, Wenn die 


teztern nicht mehr muficiren oder beſchwoͤren, fo rührt . 


dies bloß daher, weil ihre Kranke: andere Vorurtheile, 
als die aͤltern Griechen haben. 

In eben der Abſicht, in welcher Pythagoras ſeine 
Freunde mit dem Zaubermantel des Arztes und Beſchwoͤ⸗ 
rers bekleidete, umgab er ſie auch mit der Heiligkeit, 
und den Kuͤnſten von Prieſtern und Goͤtterdienern. Die 

Pythagoreer wickelten ſich oe nicht in äppige, aber in 
| | reine, 











“) HL 129. 131. Herod, n— you | 
°) 264 5, Jambl. . 


— 


N 


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d 
7 


m Drittes Bub 


reine, und gottgefällige SGewänder ein 2); fie enthielten 
ſich von alten Speifen, die den Einzumeihenden verboten 
waren: fie lehrten und wohnten faſt in Tempeln und hei 
gen Hälnen, und naheten fich häufig in Andacht 
und Anbetung den Bildniffen.und Altären der Bieter, 
weil man einer Betrachtung des Pythagoras zu folge ihre 
feierlichen Size nie in guter Abficht befuchen koͤnne, ohne 
fie beſſer zu verlaſſen, als man fie betreten habe **). 
Sie unterredeten ſich beſtaͤndig über die Verehrung der 
Götter, und fangen alle Tage tleder zu ihrem Lobe ab ***), 
Sie nahmen fein Abendmaͤhl ein, vor und nach welchem 
fie nicht zu Ehren der Götter Wein ausgegoffen; abet 
Weihrauch gebrannt hätten. Zwar brachten fie feltener 
blutige, und auch nicht fo koſtbare Opfer, als die übri« 
gen Griethen +) dar; allein weit entfernt, daß diefes der 
‚guten Meynung von ihrer Heiligkeit geſchadet hätte, ber 
ſtaͤrkte fie dieſelbe vielmehr. Auch bie gemeinen Griechen 
wuſten, daß die heiligften Altaͤre ihrer Goͤtter -unblutig 
‚waren, und baß Reinigkeit, oder feltene Befleckung der 
Haͤnde mit dem Blute oder durch die Eemürgung von 
Thleren ein are eines erfabenern Gösterdienftes ſey. 
Dr Er 
2 565. Exe, Diog. et Atiſt. 1, «, | 


ae) Plut, VI. 627.-Ed. Reisk. 
“4%, Ariſtox. 98. 149.. 


7) Diog. ap. Porph. S. 36. Bvwy Te deæ —E— 
m, aADdıras Te xdı nordvm nacı Adavora u 
puegw Tas Jess eEiasncnivos, auuxos de 
NKISc: AN ET UN WOTE RÄLKTOLIOH au ray 

vXoeuv Tois amarlmroros. Diogenes nahm biefe 
Vachricht hoͤchſt wahrſcheinlich aus dem Arifkotenus. 
Man ſehe auch den Diogenes von Laerte Vilh, 20. 





„t / 








| Sefhicte ber Pythagereiſchen Geſellſchaft. 483 | 


Durch biefe Sparſamkeit in ber Opferung von Thleren 
zewann Pythagoras noch zwey andere große Vortheile: 
er beugte erſtlich der Schwelgerey vor, bie faſt immer 
nit reichen Schlachtopſern verbunden war, und lehrte 
iberdem die Orlechen durch fein und feiner Schuͤler 
Beyſpiel, daß nicht Pracht und Koſtbarkeit der Opfer, 
ondern Keinigkeit des Herzens und Ber Hände des Opferins 
en Die Gnade dee Götter verſchaffe *). — Die Pytha⸗ 
‚oreet ruͤhmten fi) der genaueften Vertraulichkeit mit 
‚örtlichen Naturen, und wunderten ſich, wenn jemand 
agte, daß er noch niemals einen Dämon in ſichtbarer 
Beftalt angefehauet habe **), Sie hatten (oder gaben‘ 
8 wenigftens vor) Erſcheinungen abgefchlebener Sees 
em ***), and fonnten es an geroiffen Zeichen erkennen, 
b die Schatten, bie in Träumen vor ihrer Einbilbungsa 
raft vorüber ſchwebten, Seelen von lebenden ober vera 
torbenen Menfchen ſeyen. Um die Gräber ihrer Brüs 
er war ein gewiſſes Heilige verbreitet, woran fie es 
nerkten, ob ihnen alle gebuͤhrende Ehre wäre erzeige 
yorden, oder nicht? Sie: riefen die Geifter abgefchies 
enet Freunde aus. ifren dunklen Wohnungen hervor, und 
drten Stimmen derfelßen aus Ihren Ruheſtaͤtten erſchal⸗ 
nt). Als greunde ber Götter endlich wogten-fie es, 

» 2 = beri 


% 


[ 
. 
REES 


*) Diod, 

EN Apul, Ko p, Ai tele erthugorliok mirari öppide 
folleos, fi Auls fe dencgäret unqusm vidiile Daemos 
sem, ut reor, Idönsus auctot oſt Ariſloteles. 

wa) Plut. Op; T. viñ. de Gen. Ss«. 305. 

33 Ich bin zwar igo überzeugt, woran ich fonft zweifelte, 
daß die Abhandlung über den Genius bes —— 

mw 





v 


* 
x — 
y 5 


4. Drittes Buch, 


den Wien berfelbigen, und die Zukunft aus allen Arta 
won Zeichen gu entraͤthſeln, bie unter den Griechen nur 
bedeutend waren. Sie weißagten daher aus dem älugt 
und Geſchrey ber Vögel, aus Träumen, Stimmen ind 
endlich aus. gluͤcklichen oder ungluͤcklichen Vorbeden 
tungen *)J. | | | 
Ich unterſtehe mich nicht zu entſcheiden, wie vi 
von diefer In die Augen fallenden. Gottesſurcht und.sröns 
migteit ber Pythagoreer wirklicher Eenſt, und wie old 
nur mögliche, Höhere Abſichten befördernde Verftelun 
war. Wenn man bedenke, daß Sofrates, und ref 
alle übrige Griechifche Weltweifen an Eingebungen , Er 
ſcheinungen und Warnungen von Goͤttern, an ordern 
tungen und Borberfagungen der Zufunft, endlich an Traͤ⸗ 
me und Wunder glaubten; fo kann man freylich nic 
fangfam und vorfichrig genug den Ausfpruch thun, bi 
Mepnungen und Hantlungen großer Männer des Orle 
chiſchen Alterchums, die uns grober Aberglauben zu je, 
ober dergleichen zu verrathen fcheinen, nicht Im Ernit 
von ihnen angenommen und ausgeübt-feyn koͤnnen. 
Ueberlegt man aber auf der andern Seite, da} W 
Rellglon des Pythagoras, wie alle feine übrige Of 
und Einrichtungen , ouf das vollkommenſte dahin pi 
meienſtimmten, ihn und feine Schüler zu ehrmürbigendib 
0 Ä | | rent 





⸗ 


vom Plutarch ſelbſt ſey, allein ich Bin ungewis, 4 
‚ man dag, was er ben Theanor fagen und thun laͤßt, 
alteſten Pythagoreern zuſchreiben koͤnne, und ob N 
Plutarch vielleicht den Aberglauben der Pprhagert 
u nt Seit auf die Freunde des Pythagoras uͤbergenv 
gen habe. EEE 
13% 148. | aB 9 





I . 





Geſchichte der Pythagoreiſchen Geſellſchaft. 485 


rern und Reglerern von Voͤlkern und Staaten zu machen; 


fo fann man fich nicht des Gedankens erwehren, daß Pye 
tbagoras weniger aberglaͤubiſch, als glücklicher Verſteller | 


. 


war *). 
In fpätern Zeiten, da man im Pythagoras nicht 


mehr das Haupt einer erlauchten Geſellſchaft von Staates 


männern, Seerführern und Geſezgebern ſah, fondern ihn 
als einen Wunderrhäter und Goͤtterfreund, als einen 
Weißager und Befchwörer verehrte, und alles das, und 
noch weit mehr im Ernft that und glaubte, was er und 
feine Freunde nur zum Scheine angenommen unb geglaubt 


hatten, in fpätern Zeiten alfo gab man vor, daß Prtha- 


geras feine Wiſſenſchaft göttlicher Dinge nit rur von 


den Prieftern vieler Völker, fogar von Sallifchen und’ 


Epanifchen Druiden, von denen er. vielleicht nie etwas 
gehöre hatte, und nicht bloß aus Geheimniffen, in die er 
2. 263 





— — ec — — — 1 
*) Euſebius e. XI. in Hieron. 438. 439. laͤugnet ſchlechter⸗ 
dings, daß Pythagoras jemals, wie Apollonius, vor⸗ 
gegeben habe, mit Goͤttern oder Daͤmonen umzugehen: 

und zwar aus dem Grunde, weil es weder dem Archp⸗ 

tas, noch Philolaus, noch Plato eingefallen ſey, auf 
einen ſolchen Vorzug Anſpruch zu machen. Allein die⸗ 

ſem Raͤſonnement des Euſebius ſteht das ausdruͤckliche 
vorher angeführte Zeugniß des Ariſtoteles entgegen, 

das auch durch die vom erſtern angeführsen Benfniele 
gar nicht geſchwaͤcht wird. Denn wenn Plato, Archyr 

tas und Philolaus fich weder übermenfchlicher Verbin⸗ 
dungen, noch uͤbernatuͤrlicher Gaben ruͤhmten; fo bes 
weift dies nur, daß fie ſolche Anſpruͤche nicht brauchten, 

oder daß diefe auch in ihrem Zeitalter Feine Wirkung 
mehr gerhan haben wärben‘; nicht aber daß die Älteften 





Pythagoreer dergleichen nicht mit vielem Gluͤcke gemacht 


haben ſollten. 


- 
nie 
D 


Pr 


a Dritte Bud, 


“niemals eingeweißet werben war *), . fonbern werziglid 


ons den Orphiſchen Gedichten und Mipfterien empfangen 


babe **). Es gab eine Schrift, unter dem Titel das 


heilige Wort ***), In welchem Pythagoras alles dieſes 
felbft eingeſtand, und zugleich dem Orpheus den Gedan⸗ 


‘fen zufchrieb,, daß das ewige Wefen ber Zahl die weifefie 


Urfache des Himmels, ber Erde, und aller in ihnen ent- 


- > haltenen Dinge fen. Ja man eignete ihm eine Menge 


pon Regeln und Gebräuchen zu, die man vielleiche vor 


‚mals in, den Orphiſchen Myſterien gegeben nd beobach⸗ 


get hatte, und weiche Die fpätern Pythagoreer als bie Haupt: 


artikel ihres‘ Blqubens, und eines heiligen Sort gefäll« | 


gen Wandels anfaben, Zu dieſen rechne ich +) bie 


Beltimmung der Dpfertage verfchledener Götter, nad 


den Yehnlichkeiten,, die fie mit gewiſſen Zahlen gemein 


harten; ferner die laͤcherlichen Vorſchriften, daß, wenn 
man im, Tempel unvarſeſlich mit Blut befleckt werde, 


man ſich mit Gold oder im Meere reinigen müffes daß es 
nicht erlaube ſey, in einem Gotteshaufe zu gebaͤhren, oder 


die unfterblihe Seele an. ben fterblichen Leib zu feffen; 


- 


daß man in Tempeln Fein Ungesiefer tödten; hingegen, 
wenn es Donnere, die Erde mit der Hand berühren, end. 


lich in heilige Derter won der rechten Seite: hinein geben 


müffe, = Man beſchimpft das Andenken. bes Pythago⸗ 
ras, wenn man mur einen Augenblick glaubt, daß ber 


greoße Geſezgeber Italiens und Siciliens in forche aber: 


gachſce Raferepn hätte fallen Finnen; er der ſich ſa 


— 











) yer, 56. ap, Tabl, - 
.®*) Ib. & % 145. 146; 


RER) 3. 146. 


) *. i52. u. f. 


en “ 
s 


Gelcbichte der Vythagoreiſchen Geſellſchaft. 487 


weit uͤber den allgemeinen Aberglauben der Griechen er⸗ 
hob, daß er ſagte: eine Frau, die ihrem Manne bey⸗ 
gewohnt habe, koͤnne ſogleich, und ohne Furcht von Un⸗ 
reinigbeit aus Ihrem Ehebette in den Tempel gehen: hin« 
gegen fey und bleibe fie unrein , wenn fie in den Armen. 
eines Ehebrechers geruht habe, und nachher auch durch 
alle got esdienftliche Waſchungen und Reinigungen bie 
Befleckung ihres: Leibes zu tilgen ſuche *). 

ch komme izo zu den Geheimniffen und Symbo⸗ 
len der Pythagoreer, die, wenn fie fo befchaffen- gewe⸗ 
fen wären, als die neuern Verehrer des Pythagoras fie 
vorftellen, ihn in den Augen aller nernünftigen Menfchen 
eben fo lächerlich und veraͤchtlich machen würden, alg 
unverftändige Männer ihn deßwegen lobgepriefen haben. ' 
Die Pythagoreer und Platonifer nach Chriſti Geburt . 
glaubten und fagten allgemein, daß Pythagoras alle feine 
$ehren und Mepnungen deßwegen in Mopfterlen vermana 
delt, und feinen Schülern erſt nach langwierigen Drös 
fungen,, und einem fünfjährigen Stillſchweigen, unter 
der Bedingung einer eroigen Perſchloſſenheit mitgetheilt 
babe, weil er es für ein eben fo großes Verbrechen 
gehalten, feine Offenbahrungen einer nicht genug vorbe⸗ 
reiteten gereinigten Bruft anzuvertrquen, als bie heiligen 
Myſterien der Geres zu Eleufis zu entweihen und auszug. 
breiten **). Man gab ferner vor, daß Porhagoras feine. 
erhabene Delspelt in unverftänbliche kurze Eprüce, dDeta . 

b 4 gleichen | 


— jmR 





— — —— — — 


%) Diesesrch. S. 5$. ap. Porphys, 
as, Siehe Nieom. 254. Jambl. und ven erdichteten Brief:. 
des Lpſis an ben Hipparchus 8. 75. ap. eund, ferner ib, , 
104. 161. 63. Pretrept, c. 21. p. 137, & Gyrald, de. 
ſymboli⸗ eytbe. 


x " ‘ mn 
“ 


8. Dit Bud. ©" - 


"gleichen bie Äbriagebliebenen Symbola feyen, eingeſchloſſen 
habe, um In feinen Anhängern, während ber Pruͤfungs⸗ 
zeit, ein ſehnſuchtsvolles Verlangen nach ihrer Entraͤth⸗ 
| -felung zu erwecken. Endlich nannte man.bald den Epi« 
— darmus, bald den Empedofies, bald den Hipparchus *), 
boald den Hippafüs **), bald den Philolaus ***), und 
bald deſſen Erben, als den, oder diejenigen, wodurch bie 
bis dahin mit einem undurchdringlichen Schleier umzo⸗ 
genen Ppthagsreifhen Geheimniffe befannt gemacht 
worden. Von den erftern fagt man, daß fie ber Ent⸗ 
weihung ber Pythagoreiſchen Geheimniſſe wegen, aus 
dem Sande ausgeſtoßen worden, und vom Hippaſus wird 
gar erzaͤhlt, daß er zur Strafe für feine Untreue eleudig⸗ 
Mh im Meere umgekommen ſeee. 
Wenn man diefe gemeine Vorſtellung der Gehelm⸗ 
+ niffe und Symbolen bes Pythagoras annimmt, fo ber 
hauptet man etwas, was nicht nur gar fein einziges zu⸗ 
verlaͤſſiges Factum für fi) hat, fondern was auch wider 
alle Geſchichte, und ich ſeſe bhagu, was nicht einmal ges 
denkbar iſt. — Kein alter glaubwürdiger Schriftſteller 
Bar je gefage, daß Pythagoras Mepnungen derſteckt zu 
halten: gefucht habe. Dikaͤarch und andere bezeugen 
‚vielmehr, daß er häufig zu allen Ständen und Geſchlech⸗ 
tern in Kroton über ihre gegenfeitige Pflichten redete. 
Ferner meldet ein gewiffer Prhagoreer Lykus beyfi Por⸗ 
phyr +), daß feine geometrijchen und afttonomifchen Er. 
on findun« 


N 











#) loco modo eltate, 
x) Sembl.'8g. 
N “) VIII. 15. on 
m) 6. 7. 46 , no 


* 








/ 


Gefchichte der Pythagoreiſchen Gefelfchaft. 489 . 
findungen befannt geworden, weil fie in vielm Schriften 
aufgezeichnet gemefen. Auch Apollonius erzähle, Daß 
Pythagoras feine mathematifhe Wiffenfhaft in Games. 
gemeinnüzig babe machen wollen, daß er aber nur einen 
einzigen: Siebhaber gefunden habe, dem er nod) dazu die 
©eduld ihn anzuhören, durch Geld abfaufen müffen *). 


Endlich iſt es eine allgemeine Sage, daß er den Mufen 


ein öffentliches Danfopfer gebracht habe, als er feinen 
berühmten. Lehrſaz entdeckt Harte, Wenn wir aber auch 
alles biefes nicht wuͤſten; fo muͤſte es doch einem jeben 
unglaublich_vorfommen, daß ein Mann, wie Pythago⸗ 
ras, der flets nach Grundfägen handelte, entweder one 
alle Bewegungsgründe ‚ oder aus foldyen, aus welchen e6 
nur bie elendeſten Marktſchreyer zu fenn pflegen ,. geheime . 

nißeoll war, und daß er unser dem Vorwande der Hei 
ligkeit feiner Lehren, wirklich aber in der Abficht, ſich 
felbft ein defto größeres Anfehen zu geben, und feinen 
Schülern eine deſto lebhaftere Sehnſucht nach den zuruͤck 


‚gehaltenen Kenntniffen einzufloͤßen, ſich unterſtanden habe, 


die erſten und angeſehenſten Männer, In einer der reich⸗ 
ften Städte Italiens, drey oder fünf Jahre lang mit . 
der Auswendigfernung vorfezlich "verfinfterter Raͤthſel 
zu quäfen, um burd deren Ausſchließung ihre erfchöpfte 
Geduld zu belohnen. Ich Iäugne nicht, daß Pothagoras 
mit gewiffen Kenntniffen, deren Beſiz und. Ausübung 


| Ruhm und Vortheile verfchafte (und folche waren zum 


Beyſpiel feine mebicinifchen) gegen Perfonen, mit;denen- 
er nicht-genau verbunden war, zurückgehalten ,. und zwar 
in der Abſicht zurüdigehalten habe, um diejenigen, bie 

| er 1: Se .. fe 











) S. 20. 21. ap. Jambl. 


490 Drittes Buch, \ 


t 


Re erwerben wollten ‚ zu noͤthigen in feinen Orden zu tre⸗ 


ten; allein wenn man dieſes auch zugiebt, was nicht ein⸗ 
mal durch gültige Zeugniſſe bewieſen werden kann, fo 
bleibt es doch. immer unerflärlih, ‚warum. er alle feine 
übrigen Kenntniſſe auch geheim gehalten, warum er feine 
Bünftigen Schüler fo lange, und nicht bloß ihre Fähigkeit, 
fondern auch ihre Gemuͤthsart geprüft, warum er in ih⸗ 
ser Wahl fa ſehr auf Vetſchwiegenheit gedrungen, und 
Maͤnner von reifem Verſtande, und meiſtens in hohen 
Wuͤrden Jahre lang mit dunkeln Spruͤchen gemartert 
habe? Pothagoras Hatte. gar nicht noͤthig, aus der Ur⸗ 
ſache geheimnißvoll zu ſeyn, qus welcher die Brahminen, 
und andere Prieſter morgenlaͤndiſcher Voͤlker ihre heiligen 
Schriften fo ſorgfaͤltig verbergen; weil nämlich die Mey⸗ 
nungen, die er vortrug, mit der öffentlichen Religion 
ſtreitend waren, und ihm, wenn er fie unvorſichtig ent- 
meber einem falfchen oder leichtfinnigen Freunde mitges 
theilt hätte, Verfolgung Hätte zuziehen Finnen. eine 
ganze Lehre ſtimmte mit den Hauptbegriffen des Griechi⸗ 
ſchen Glaubens überein; wuͤrde aber auch, wenn fie die⸗ 


" fem ſchnurſtracks widerfprochen hätte, ihn doch nicht zue 


Zuruͤckhaltung bewogen haben, weil zu feiner Zeit der 
Unterfchied unter rechtgläubigen und unrechtglaͤubigen 
Mepnungen in Griechenland noch nicht bekannt, und bas 
Berbrechen bes Unglaubens, das nachher Dem, Sofrates 
und andern Weltweifen Tob oder Berweifung zuzoq, noch 
unerhärt war. Er würde daher, gleich dem Eenophanes 
und deffen Nachfolgern, neue ber Volksreligion entgegen. 
ſtehende Behaupturigen öffentlich baben vortragen, und 
die alten görtlichen Dichter, oder dem herrfchenden Aber. 
glauben laͤcherlich machen konner, ohre deßwegen im ge 
| ringſten 





Geſchichte der Pythagoreiſchen Geſellſchaft. 491 . 


ringfien angefochten zu werben. Auch kann man wicht 
fagen, daß Pythagoras aus dem Grunde fo verfchlofen 
war, aus. welchem es die Jongleurs und Priefter unteg 
den berühmteften alten, und unter allga noch fortdauren« 
ben barbarifchen Völkern waren, und find, weil fein, 

ganzes Anfehen fi auf gewiſſe Heilige Künfte und. Ta. 
ſchenſpielere yen gründete, die auf einmal ihre Wirkung 
verlohren hätten, menn Ihre wahre Beſchaffenheit allges 


mein befannt geworben ware. Dies war der Fall beym 


Pythagoras nicht ; allein wenn er es auch zum Theil ges 
wefen wäre, fo würde man alsdenn doch Biefes zugeben 
muͤſſen, baß er diejenigen wiffenfchäftlichen Unterſuchun⸗ 
gen, von denen man vorzuͤglich glaubt, daß er fie feinen 
Juͤngern lange vorenthalten babe, nicht: zu verſtecken 
„gebraucht hatte, DE | u 
Man fällt alſo unvermeidlich in bie gräbften Un, 
gereimitheiten,, oder auch in Widerfprüche, fo lange man 
in der Meynung behorrtz daß die Geheimniſſe dev Pi, 
thagoreer bloße Meynungen und Seren, und ihre Syn 
hola gleichſam deren undurchfichrige Huͤlſen waren. 
Gleichwohl iſt es unläugbar, daß P.thagoras gewiffe - 
Geheimniffe hatte: daß er fein Talent und Beine Tugend 
von feinen Freunden fo fehr forderte, als Verſchwiegen- 
beit *); daß bie Pprhagoreen ferner fehr geheimnißvoll 
| | waren, 











-%) Higwzav ev uy en ro Auuaren vv hameigen 
toxome⸗ & —R exyesuudeıv (TErFo yarg da 
Ka EIKENTO. TA OYOHATI) Kal wnIewen , & Mœv- 
Gavovres, dom ev aRBomaır, 00 TE MIT Tia- - 
Zar Ko daduÄarrew „ EWOIEITE TE TÄLIYE 
anscu Tg arm, NZ Ta Aare 

⸗ = . J 


« 


a5 | . Deines Bud. 


waren, und es als einen Grundſaz ihrer Säule beobakh«. 


teten , DAB man nicht allen alles fagen muͤſſe; daß endli 
ipr Stiüfhmeigen die Haupturfache war, warm man in 
den folgenden Zeitaltern nicht mehr wufte, was Pytha⸗ 
goras feinen Freunden mitzurhellen pflegte *). Da nun 
Vernunft und Gefchichte dawider zeugen , daB die Ge⸗ 
beimniffe des Pythagoras in bloßen Sehren beftanden ha⸗ 
ben, und daß er nur, um dieſe Uneingeweihten zu ent. 
‚ziehen, fo fehr auf Verſchwiegenheit gedrungen, und feine 
Scüler fo lange geprüft habe, fo bleibt feine andre als 
biefe Vermuthung übrig, daß bie Myſterien der. Pyrha- 
goreer vorzüglich Staatsgeheimniffe waren , Die nicht ohne 
bie gröften Nachtheile und Gefahren des ganzen Bundes 
hätten befannt gemacht werben Finnen. Die Pythago⸗ 
reer machten, wie ich aus den glaubmürbigften Geſchicht⸗ 
ſchreibern gezeigt habe, einen mächtigen politifcyen Orden | 
aus, beffen Hauptſtamm zwar in Ktoton gegründet war, 
deſſen Zmeige aber fich über die bluͤhendſten Städte Ita⸗ 
fiens und Siciliens, ja gar bis ing eigentliche Griechen, 
fand, und über die Griechiſchen Inſeln ausbreiteten. 
Diefe verfchiebenen Pythagoreiſchen Geſellſchaften waren 
alle unter einander verbunden, und hatten in einem jeben 
Staate die wichtigſten öffentlichen Gefchäfte In ihren 
Händen , oder wenigftens bie Abſ cht ſ ich allmaͤlich Mei⸗ 
ſter 








— ——— 


” Arifoz, ep. Diog. VII, 15. Aeyo⸗ re rc Fr AA 

| udayogeısı „MM Mas Moos TAVTES TOT 
enra, as Pnaw Agısofeos av denarn Tasdeu- 
TINWy VOL. Dieaoarch, p. Porph. 85.9. A uev 

8V eAsye-Tois auvscı ade Eis exe Denon Beßer- 

WS, KL YaR Ed N TUXECH NV BE AVTaus EwTl. 


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Geſchichte der YotSagrefgen est, 493 


ſter davon zu machen. Es konnte alſo niche fehlen, 
baß nicht im geheimen und hoͤchſten Rathe zu Kroten tägs 
Lich wichtige Nachrichten eingelaufen;, geheime Einwürfe 
gemacht, und in Ueberfegung genenimen, geheime Bes 
tarhfchlagungen über Die Befiegung und Unterdrädung 


von Feinden und Schwierigkeiten, über die Annehmlich⸗ 


feit von neuen Freunden, über die Gebung neuer Geſeze, 
und andere den 'ganzen Bund angehende Dinge angeftelle 
worden wären. Alle diefe Nachrichten, Entroürfe und 
Berathſchlagungen nun, bie ſich fo fehr.anhäuften, daß 
fie nad) dem eben angeführten Zeugniffe des Ariftorenus, 
den Pythagoreern den größten Theil des Tages megnaße 
men, 'muften nothwendig geheim gehalten werden, wenn 
nicht Pythagoras ſich und feine Freunde den Widerſachern 
Preis geben, die größten Plane ſcheltern, und alle Bes 


rathſchlagungen fruchtlos machen wollte. Er durfte fie 


daher auch nur feinen alten geprüften Bertrauten mitthele 


N 


fen, auf deren Treue und. Ergebenheit er ſich verlaſſen 
konnte, und es war alfo nicht nur weiße, ſondern auch 
unumgänglich nothwendig, daß er fange vorficytig forfchre, 
bis er, jemanden in die ausermäßlte Zahl feiner Freunde, . 


“und zu allen den Geheimniffen zuließ, von denen das 


Wohl und bie, Sicherheit des ganzen Bundes abhing. 
Auf diefe Art laſſen fich bie Geheimniſſe des Pythagoras, 
die Nothwendigkeit der Eintheilung feiner Freunde in 


zwo Claſſen, die Veeſchwiegendeit der einen, und die 


Pruͤſungen der andern, ohne Charlatanerie, dle des Py⸗ 
thagoras unwuͤrdig iſt, aus eben der großen Menſchen⸗ 
kenntniß und Klugheit, die aus der ganzen übrigen Ein 
richtung feiner: Geſellſchaften bervorleuchtet, begreiflich 


machen. 


De 


' 


94. Dritte Buch. 


’ ’ - 


"Be Shmbola des Pythag ta walen wenn man 
fie recht verfteht, eben fo unentbehrlich, als feine Geheim⸗ 


nüffe, oder doch eben fü heilſam, als irgend eine andre 


Sajung feines Ordens. Sie beftanden nicht in bunfeln, 
derdrehten, Ihres Sinnes fomohl als ihrer Gründe be⸗ 


raubten Sprüchen; auch war ihre Abſicht nicht, junge 
Freunde zu marterh, oder der Faſſungsfaͤhigkeit ber Altern 
zu Hülfe zu kommen *), ſondern fie. waren entweder kurze 


bündige den ratis Sententiis des Epifur , odet den 
praeceptis der Stoiker ähnliche Sprüche **), melde 
die Pflichten des Menſchen, und-der Teilnehmer des 
Bundes, in after ober eigenthümlicher Dichterfpradhe aus: 


druͤckten: oder fie waren auch eine gaheime Sprache und 


— 


, 
Para 2 J . Te wur 
. . 
r . 


Schrift, vermoͤge deren die Phthagoreer ſich gegenwaͤrtig 
vder abweſend ihre Gedanken mitthellen konnten, ohne 
in Gefahr zu forhmen, von andern verſtanden zu werben; 
oder fie beftanden endlich in gewiſſen geheimen andern un. 
bemerfbaren Zeichen, woraͤn fie ſich gegenfeitig erfennin, 
undeihre Eingemeihrheit offenbaren konnten, 





— — 
9) 5. 88. ap. JubSbl. er 
#0) Die Epikurer lernten bie Kugıas dofes ihres Meifers 
—nuswendig. Quit enim veftrum (heißt es beym Cicers 
de Pin, 1,6.) non edidieit Epicurl gueins dofas; 
1d ef, quali maxime ratas? quis gravilimäe funt ad 
+. beste vivendum breviter enunciatae fontentiae, Auch 
die Stoiker unterſchieden doyare , deereta;; leits, 
plicita von praeceptis (Sen, Ep. 94. & 95. Tie. Ae. 
er IV. 9.) ind Yon diefen ſagt Senech ! Non enim 
- ‚repofits illa effs deber, (ed in psomptu, Quaeceun, 
qus fälutaris fuat, Iaepo-sgitari debent, facpe ver- 
farl: ut, non tantum note Hat nobis, Sad etlan 
parata, «“ 








Geſchichte der Pythagoreiſchen Geſellſchaft. 405 
Daß Pychagoras die wichtigſten Sebensregefn, bie 

er von feinen Freunden beobachtet wiſſen wollte, ‚in kur⸗ 
zen Sprüchen, die ſich leicht behatten und wiederholen 
ließen, zufammengefaßt habe, iſt nidjt nur wahrfeheins 
lich, fondern wird audy durch das Zeugniß des Ariſtexe⸗ 
nus bewaͤhrt *). Diefe Sprüche waren nicht in heile 
bilderlofe Profe eingefleider (denn eins ſolche gab es 
Damals nody nicht) fondern fie waren in damals gemöhn. 
liche und verftändliche dichteriſche Bilder und Allegerien 
geduͤllt, an.benen die Einbildungskraft des Pythagoras 
ſehr fruchtbar war **). Diefe Eprücdye wurden wahr⸗ 
ſcheinlich nicht im Zeitalter des Pshagoras, fondern erſt 
in fpätern Zeiten ihrer Einkleldung wegen Symbola ges 
nannt, Fuͤr dergleichen halte ich Diejenigen, die beym 
Porphyr im zwey und vierzigften Abſchnitt ſtehen, und 
die meinem jezigen Urtheile nad) entweder aus dem Ati⸗ 
ftoteles oder Ariftorenus genommen find, ferner die erfien 
beym Jamblich ***) und die beym Diogenes +). Diefe 
Symbola find nicht alle gleich dichteriſch ausgedruͤckt, und 
fo viel man davon verftehen ann, Gemeinpläge, die dazu 
beſtimmt waren, alle Pythagoreer an ihre Pflichten zu 
erinnern, nicht aber um ben geprüften Schülern ben ib: - 


rer "Einweihung ie LE werden ff). Für die - 
Rich⸗ 





#) S. 100. ap. Jambl. 
*#) Ariſtot. ap Porph. 41. 
###) in protreptice, 


4) VI. 17. 
In diefer Bedeutung habe ich ihr Atterthum fonft ge⸗ 

m). - fäugnet, und laͤugne es noch izo. Siehe Hi, dos . 
Äriase de vero Deo, p. 290. 


’ 


4 


40 Drittes Buch. 
Richtigkeit aller Auslegungen dieſer erſten Art von — 
thagoreiſchen Symbolen, die man in ben Schrifftellen 


nach Chriſti Geburt finder, möchte: ich nicht einftehen: 
(ſogar ein neuerer Schriftſteller war überzeugt, daß diefe 


Auslegungen weiter nichts, ats ſehr unfichere Vermu— 
thungen wären *): allein wenn ich boch Deutungen ders 
ſelben annehmen follte, fo würde ich viei eher die gar 

. ungelünftelten beym Porphyr**), wodurch ſie in ſchlichte 
Tujgendlehren verwandelt worden, als bie gezwungenen 
und oft ungereimten Auslegungen des Plutarch und des 


Schriftſtellers beym Jamblich wählen ***), nach welden 
fie. fich alle auf Bott und göttliche Dinge beziehen, und 
den Pythagoreern ein beftänbiges Himmel Anßreben be 


fohlen haben ſollen. Die falſchen Verehrer des Phytha— 
goras erdichteten nicht nur myſtiſche Auslegungen von 
- Symbolen +), ˖ſondern auch Symbola ſelbſt, die durch 
Ihre Albernheit, durch den laͤcherlichen darinn enthaltenen 


Aber 


Ba . 
GERD 





®) Ap. Jambl, 8. 86. 
es) 8. 42. 
nur). g. g2. vit. pyth. ©. 134. und f. in Protrept. 


- H Von dieſen feltfamen Auslegungen will ich nur einige 


Beyſpiele anführen: das Spibolum: MaAuvses 
OBEN. XIvıwv Yag esı Bewy beutet der Schrift 
ſteller bepym Jamblich p. 139. Pratrept. auf folgend, 
Art: Man muͤſſe den Einfluͤſſen ber Geſtirne wiberfe 
hen, ſich von aller Gemeinſchaft mit der Materie los⸗ 
zumachen, und ſich mit den unkoͤrperlichen Goͤttern zu ver⸗ 
kinden ſuchen. — Das Symbolum daxruXioy an Oꝛos 
ſo: philoſophire aufrichtig, und loͤſe die Bande ab, 
mit denen du gefeſſelt biſt p. 154. Endblich ind 
xaadıev um TEmye auf folgende Art: zerreiße und 
zerfiöre die Verbindung und die Zufammenfkimmung 
des Sanzen nicht. j | Ze 


* 


Seſchichte der Pothagoreiſchen Gefellſchaft. 497 


Aberglauben, und durch den Widerſpruch , worinn ſie mit 


den ſicherſten Factis der Pythagoreiſchen Geſchichte ſtehen, 
unverkenbar find *). 

2 Eigeneliche Symbola aber, welhe bie Phthago⸗ 
reer felbjt fo nannten, waren ihre geheime Sprache und 
Schrift, und die Kennzeichen des Ordens. Die beyden 


erſtern brauchten fie gleich allen großen Stastsmännern a 


ber alten und neuern Zeit, und ihre Einführung wird 
durch die Zeugniffe mehrerer Scheiftfteller bewieſen. — he 
rer Verfchwiegenheit wegen, heißt es bey einem aiten 


Schriftfteller, **) wurden ihre. Seheimniſſe nicht bekannt: - 


und wenn fie mit. Scemben und Uneingeweihten in Geſell⸗ 
ſchaſt waren, fo deuteten fie ſich ihre Meynungen durch 
räthfelhafte Symbole an. — Die Pythagoreer, fagt Arie 
ftörenus***);, übten Freundſchaft gegen einen jeden aus, 

| | von 











*, Dergfeichen m folgende. Symb, XI, Ps: 232. | 


Eis ev uroonow Toy defıov mode mwagexe. Eis 
E WOoooviRTEov ToV Evayuaoy. Ferner XV. Tlgos 
NAiov Tergmmevos un Bgei. Symb, XVII, Aick- 


Feuovos TEeDE ur, un Yvs de. nun Yae_ x 


. NA —XRC Symb, XXI AuxsuAsov un Degsı 
und das folgende, dag diefem offenbar mwiderfpricht : 


Oes Turov un Es yAußde danrurım. AXIV, Tleeos. 


Auyvor un awomeıle. XXV, Ilse Iewv under 
Hauuasav ARISE, KNIE REgı —R — R 
XXvViI. Vægo Juasav en svunıle. XXXII. Axo 
NEPUETEV 0 KO OETOVONITHBTON KETATITUR, 


| 


Xxxvmn. Kumwov' mes. KRXX, Epyuyar 


>  MWENE 
RR), 5,227. ap, Jembl. u 
wt) S. 237. ap. Jambl. Dlos. VAL ıG, 


— 


⸗ 


\ 


_ 


18 Drittes Buch. 


yon dem fie nur hörten oder wahrnahmen, daß er ein 


Theilnehmer ihrer Geheimniſſe ſey. Er beweiſt dleſes 
durch die Geſchichte eines armen Pythagoreers, der un⸗ 


das er ihm oͤffentlich an einem den Voruͤberreiſenden ſicht⸗ 


ter Weges krank wurde, und kurz vor feinem Tode felnem 
gutherzigen Wirthe, der ihn ohne alle. Hofnuhg von Ber 
geltung forgfältig gewartet harte, ein Täfelchen gab, 


baren Ort feftzuheften befahl. Auf dies Täfelchen war 


nacy.dem Ariftorenus ein Symbolum gefehrieben, das 
bai bemerkt würde, und dem edlen Verpfleger des ver⸗ 
ftorbenen Pythagoreers eine reichliche "Belohnung vis 
ſchafte. Aus biefer Erzählung fieht man, daß die | 


Symbolum entweber eine nur. Pythagoreern verſtaͤndliche 


Folge von Wörtern, ober auch ein ihnen eigenthuͤmliches 


- 


Symboliſches Schriftzeichen geweſen ſeyn muͤſſe. 


Vielleicht waren die Wörter der geheimen Sprache, 


und bie Hlerogipphen der geheimen Schrift, wodurch fi 
ſich gegenwärtig ober abmefend unterredeten, einerley mit 
den Zeichen, an welchen fie fich einander erkannten, viel 
leicht aber auch, (denn wer mag biefes beſtimmen ?) davon 


unterſchieden. Als eins von den Zeichen oder Symbolen, 
weran ein Pythagoreer den andern erfannt hätte, nennt 


Lucian das dreyfache in ſich ſelbſt verfchlungene Dreyfch, 


aus welchem fünf andere Dreyecke und ein Pentagon ent 


. . rem J 
, © I. 729. pro lapſu inter Salt. Ka Toye remne | 
\ auros Terywvor, 70 diarAnaan, TOTHITOYpan 
MV, @ cuußoAw eos TES öuodofas EXEewTen 


ſtaͤnden *). Wahrſcheinlich trugen ſie dieſe Figur in Mi 
+ gall, oder einer andern hatten dauerhaften Materie field 
- J ve ». ' ber | 


+ 
— A n 
u 











Urea meos Kurwv alouiafere. 


‘ N 


“ 





/ | J a 

Geſchichte der Pythagoreiſchen Geſellſchaft. 499 

bey ſich: denn ſolche kuͤnſtliche gearbeltete Zeichen der Eine 

weihung wurden unter den übrigen Griechen und Römern 

Symbola genannt‘, und allen denjenigen als Kennzeichen 

ober Urkunden mitgerheilt , bie fi in Myſterien Hatten 
einweihen saffen *). 

Nachdem ich izo bie Geſchichte der ganzen Ein⸗ 
richtung der Pythagoreiſchen Geſellſchaft vorgetragen 
habe; ſo will ich dieſen Abſchnitt mit einigen Betrach« 
eungen über die Schickſale und Ausartung der fpätern Ps. 
thagoreer, und uͤber Die angeblichen Wunder bes Pytha⸗ 
goras ſchließen. 

Durch die Empoͤrungen des Volks in allen Staͤd⸗ 
ten, wider die Potbagorelfchen Geſellſchaften, und durch 
bie Erwuͤrgung oder Austreibung ber vornehmſten Mit⸗ 
glieder derfelben ,. wurbe der Bund, den Pythagoras 
geftiftet hatte, auf ewig zerflört. . Es blieben freylich 
viele Pythagoreer uͤbrig: und dieſe gingen entweder nach 
Griechenland und Sicillen, oder ſammleten fi) auch in 
Rhegium; oder fie wurden endlich nach dem Apollonius 
mieder in ihre Vaterſtaͤdte aufgenommen, aflein fie ver 
einigten fi), wie Arifiopenus ausdruͤcklich meldet **), 

Ji2 | nie 


J / 














*) Apul. Apol. I. 34. £4. Colvii. Vin dicam , cujus- 
meodi illas res in fudario obvolutes, Laribus Pon- 
tiaſsl sömmendarim? Mos tibl gerstur. Sacrorum 
‚pleraque initia in Graecia participavi. Eorum quae- 
dem Üügne & monumenta tredita mihi a faserdati. 
bus fedulo eonfervo. Nihil iInfelitum,. nibil iseol- 
gnitum dice, vel unius Libari patris ſymmiſtac, qui 


sdeftis, feitis, quid demi eonditum seletis & & abıque 


omnibus profauis taeite voneremini. 


*5 —— Key EVTo. var * Ko re⸗ — 
Innere, 


— 


— 


* 
“ 


500 Dritte Buch. — 


nie wieber in einen mächtigen heerſchenden Orden, un 
geachtet fie, ſo viel ſie konnten, ihre Lebensart und Grund 
füge beyzubehalten, und auf andere fortzupflangen ſuchten. 
Mit dem Untetgange ihres Bundes hörte Ihr Einfluß nn 
die Regierung ven Staaten auf: ihre Geheimniffe vet 
ſchwanden, und ihre Symbola wurden unnöz und abs 
ſichtlos. Sie fanden nicht mehr unter einem gemein 
fchaftlichen Oberhaupt, weren nicht mehr durch Ordens⸗ 
‚gefege gebunden, ergösten fid) nicht, arbeiteten, und 
fpeiften nicht mehr fo gemeinfchaftlich und an beſtimmten 
Orten, und waren alfs wahrſcheinlich mehr durch eine 
gerolffe. Aufklärung, Rechtſchaffenheit und Denkart, als 
durch ein uͤbereinſiimmendes Aeußere, und eine im bie 
- Augen fallende Sebensart, die von neuem Argwohn und 
- Machſtellungen hätten erregen Fönnen, von ihren Mits 
Bürgern unterſchieden. Wenn man den wenigen, Winken 
‘folge, bie man in alten Schriftſtellern über das Berragen 
der Nachfolger der aͤlteſten Pyrhagoreer vom Bunde: findet; 
fo muß man glauben, daß Diejenigen, bie ſich nach ber 
achtzigſten Olympiade in Itallen und Sicilien Pythago. 
reer nannten, ihren großen Vorgängern aͤhnlicher geblie⸗ 
ben ſeyen, als ihre Brüder. die ſich nach eben dieſem 
Zeitpuncte Im eigentlichen, Öriechenlande aufgehalten ha- 
‚ ben. Archytas, Timaͤus, Eudorus, und andere, bie im 
Zeitalter des Plato ſebten, eiferten dem Pythageras 
darinn nach, daß ſie, ein jeder um ſein Vaterland, ſich 


4 


als Heeelůhree oder Staatsmaͤnner oder Gefejgeber ver⸗ 


. dient 





dauern, KARITD enAeımeine Ts œigęe- 
Mens. EWE EUYELWS "Dancdncav TWTEHNEI 
Agısogevos Imyerran. ajl. pin Jımbl, | 


Y 














= 


— ! | 
Geſchichte ber Pothagoreifchen Geſellſchaft. 501 


dient machten. Eben fo beweiſt die Geſchichte bes Ph⸗ 
thias und Damon, beren Freundſchafr Dionys von Sy 
eilien auf die Probe flellte, daß einzelne Porhagoreer in 
großen Städten nody immer durch eben fo heilige und 
unzertrennliche Bande, als welche ihre ältern Brüder. 
zufammengefnüpft hatten, vereinigt waren. In derfele 
bigen Zeit aber, In welches dieſe edle Männer, wahr 
fcheinlich die festen Verehrer bes Pythagoras, in ben 
Gegenden, in welchen feine Oeſellſchaft vorzüglich geblüs . 
bet hatte, dem Namen, den fie trugen, Ehre machten, 
fanden fi) im elgenrlichen Grlechenlande auch fogenante -- 
Pythagoreer, die aber ihren großen Vorfahren faft gang 
uoähnlich waren, Denn wenn man nicht den übereins, 
flimmenden Schilderungen der Dichter der alten, mittlern 
und nguern Komöble und *) den Zeugniffen bes Iſokrates 
allen Glauben abfprechen will; fo fuchten fie fich zwar 
Durch eine firengere $ebensart, als die ältern Pythagoreer 
geführt hatten, und burch eine affectirte Verſchwiegenheit, 
Ehrfurcht zu erwerben; allein fie waren zugleich veraͤcht⸗ 
tih arm, ekelhaft ſchmuzig, und mit elenden Lumpen 
behangen. Sie aßen gar fein Fleiſch, tranken gar kei⸗ 
nen Wein, und ſchienen durch Ihr muͤrriſches ſinſteres We⸗ 
fen aller Freuden des Lebens zu fpotten. Ungeachtet es 
$hnen gelang, die Aufmerkſamkeit des Päbels auf ſich zu 
ziehen; fo biendeten fie doch die Echarfjichtigerni nicht. 
Iſokrates nennt baher die Porhagereer feiner Zeit nur 
foiche, die fich file Schüler des Pythagoras ausgaben **): 
und Ariftopgon, ein gleichzeitiger Dichter, gibt ihnen 
En En: 5 5 Be den 
*) Ath, IV. ı7. ib. Diog. VIII. 3% 
«#) Il, 167. 





— 


- 500 u Deites Buch. 


— 


—8 
“ 


- 


’ 


. — — — —— 


nie wieder in cinen mächtigen berrſchenden Hiten, un⸗ 
geachtet fie, fo viel fie konnten, ihre Lebensart und Grund 
fäze beyzubehalten, und auf andere fortsupflanzen fuchten. 
Mit dem Untergange ihres Bundes hörte ihr Einfinf’in 
die Regierung von Staaten auf: ihre Geheimniſ⸗ bit 
ſchwanden, und ihre Symbola wurden unndz und ab 
ſichtlos. Sie fanden nicht mehr unter. einem gemein 
fchaftlichen Oberhaupt, weren nicht mehr durch Ortes 
‚gefege gebunden, ergözten fid) nicht, arbeiteten, un 
fpeiften nicht mehr fo gemeinfchaftlich und an beftimmte 
Orten, und waren alfs wahrſcheinlich mehr durch dt 
gerolffe Aufklärung, Rechifchaffenheit und Denfart, dt 
durch ein übereinftimmendes Aeußere, und eine in di 


» Augen fallende Lebensart, die von neuem Argwohn un 


Nachſtellungen haͤtten erregen koͤnnen, von ihren Mb 
buͤrgern unterſchieden. Wenn man den wenigen inf 
“ folgt, die man in alten Schriftſtellern über das Betrage 
der Nachfolger der aͤlteſten Pythagoreer vom Bunde finde, 
fo muß man glauben, daß Diejenigen, bie fich nach Mr 
achrjigften Olympiade in Itallen und Gicitien Pythago 
reer nannten, Ihren. großen Vorgängern ähnlicher geblie 
ben feyen, als ihre Brüder, . die fich nach eben diefm 
Zeitpuncte im eigentlichen, Öriechenlande aufgehalten fe 
ben. Archytas, Timaͤus, Eudorus, und andere, bieim 
Zeitalter bes Plato lebten, eiferten dem Pythageret 
"darinn nach, daß fie, ein jeder um fein Vaterland, fü 
als Heesführer oder Staatemänner oder Geſezgeber m 

dient 





Inuura, ‚wırdı enAeımaans TAS mil 
Mens. eWS Euyeras Mdancdncar, Taura un 8 
Agısofevor Önyerra 2. apud Jembl, 


} 


j ws | 
Sefchichte ber Pythagoreiſchen Geſellſchaft. ser 
dient machten. - Eben fo bereeift bie Geſchichte bes Py. 


thias und Damon, deren Freundſchafr Dionys von Sy 


cilien auf die Probe ſtellte, daß einzelne Phthagoreer In 
großen. Städter noch immer durch eben fo heilige ind 
ungertrennliche Bande, als welche ihre ältern Brüder, 
zufammengefnüpft hatten, vereinigt waren. In derfel« 


bigen Zeit aber, in welcher dieſe edle Männer, wahre 


fcheinlich die lezten Verehrer des Pythagoras, in ben 
Gegenden „ in welchen feine Oeſellſchaft vorzüglich geblüs 
‚bet hatte, dem Namen, den fie trugen, Ehre machten, 
fanden ſich im eigentlichen Griechenlande auch fogenante - 
Ppihagoreer, bie aber ihren großen Vorfahren faft gang 
unaͤhnlich waren. Denn wenn man nicht den übereins, 
flimmenden Schilderungen der Dichter der alten, mittlern 
und neuern Komödie und *) den Zeugniffen bes Iſokrates 
allen Glauben abſprechen will; ſo ſuchten ſie ſich zwar 
durch eine ſtrengere Lebensart, als die ältern Pythagoreer 
geführt hatten, und durch eine affectirte Verſchwiegenheit, 
Ehrfurcht zu erwerben; afleln fie waren zugleich veraͤcht⸗ 
Ulch arm, ekelhaft fhmusig, und mit elenden Lumpen 
behangen. Sie aßen gar fein Fleiſch, teanfen gar kel⸗ 
nen Wein, und ſchlenen durch Ihr mürrifches finfteres We⸗ 
fen aller Freuden des $ebens zu fpotten. Ungeachtet es 
ihnen gelang, die Aufmerkſamkelt des Poͤbels auf ſich zu 
ziehen; fo biendeten fie doch die Scharfſichtigern nicht. 
Iſokrates nennt daher die Porhagereer feiner Zeit nur 
ſolche, die ſich für Schüler des Pythagoras ausgaben **): 
und Atiſtehen ein gleichzeitiger Dichter, gibt ihnen 
| gi 3 den 
®) Ath. IV, 17. 18. Diog. vn. ze. | . 
«*) I, 167. 





za, Drittes Buch. 


den Namen ber Neuern, mit dem Zufage, daß Ihre Un: 


reinlichfeit gar nicht auszuhalten fen”). Einer der leyten 
und thörichteften diefer ausgearteten Schüler des Saml— 
ſchen Weifen, Diodor von Aspendos, verwandelte enblic 
die Pythagoreiſche Sebensart in die Kyniſche, und wurde, 
wie Hermipp, Timäus und Sofi Prates bemerkten **), 
gerade das Widerfpiel von bem großen Manne, für def 
ſen Nacheiferer er fü ſi ch ausgab. 





Da nun die Pythagoreer, bie ſich in Griechenland 
aufhielten, in Anſehung ihrer ganzen Art zu leben, ſ— 


fehe von ihren Vorbildern abwichen; fo läßt ſich zum vor⸗ 
aus vermuthen, baß fie biefen auch in Anfehung Ihre 
Meynungen eben fo wenig getreu geblieben feyen, Nach 
ben Fragmenten zu urtheilen, die man aus Ihren Schill 
ten aufbewahrer hat, behielten fie zwar ben Hauptgedan⸗ 
Pen der äiteften Dychagoreer bey; aber fie erweiterten 
und verfchönerten, befonders bie Lehre von ben Zah—⸗ 
fen, wie ich gleich in. dem nächften Capitel zeigen 
werde. 


Die lezten Weltweiſen dieſer Schule waren Zeit⸗ 


genoffen des Ariftopenus und Heraflides, und flachen 
alſo ohngefaͤhr gegen bie i30 Olympiade aus, Ihe 
Name 

*) Sie erwarben fi. ihren Eimmerlichen Unterhalt durch 
Unterriht, den wahrſcheinlich wenige fuchten, weil 
bamals ſchon Sokrates, und deffen große Juͤnger in 


Athen und andern Stibten Griechenlandes lehrten. 
Alexis ap. Athen. IV. 14. 161. p. 


IIvIayogıs — xos Aoyoı 
‚AUTTO 5 Fir peNeunen ve Prod Tee 
Dee exewas. 
"N WV. Ath, 17. 18. 














Geſchichte der Pythagoreiſchen Gefellfchaft. 503 . 
Name fann aber, wie ich oben erinnerte, nicht viel über 
hundert Jahre gefchlafin haben, weil fich ſchon vor und 
im Zeitalter des Cicero und Auguff .fo wohl unter den - 
Moͤmern ats Griechen Männer hervorthaten, bie fich den 
Titel von Pythagoreern anmaften. Die Veranlaffungen 
der Wiederaufweckung ber Pythagoreiſchen Schule ließen 
ſich allerdings durch wahrſcheinliche Vermuthungen be- 
ſtimmen; allein dieſe würden mich zu weit von meinem 
Zwecke abführen. - Ich beziehe mid daher auf dag, 
was ich unter den Abfıhnitten, Apollonius, Modera- 
tus, und Nikomachus von dieſen Schwarmern ı und, 
Derrügern beygebracht babe - 


. Bon ben Wunden des Pythagoras vil ich nicht 
in der Abſicht reden, um darzuthun, daß ſie falſch ſind, 
ſondern nur, in fo ferne ich dazu im Stande bin, zu 
beftimmen, ob Pythagoras und feine älteften Schüler 
zur Ausbreitung derfelbigen Anlaß gegeben, und warn 
und von welchen fie vorzüglich erdichtet worden. Die 
meiften Schriftftellee der neuern Zelt machen ſich, wenn 
fie von-den angeblichen Wundern des Pythagoras hans 
Dein, . eines Widerfpruchs und einer doppelten Ungerech⸗ 
tigkeit ſchuldig; fie fehelten zuerft den Pythagoras felbft 
einen Berrüger, ‘der durch angebliche Wunder abergläus- 
bige Menſchen bethoͤrt habe, und. dann, menn fie auf 
ihre lezten Erzähler, die neuern Platoniker, kommen, 
beſchuldigen fie diefe wiederum, daß fie durch bie Erfin⸗ 
dung ber Wunder des Pyhthagoras und Apollonius das 


Anfehen der großen Thaten bes Stifters, und ber erſten | 


Lehrer der chriſtlichen Religlon hätten ſchwaͤchen wollen, 
gi B Wenn 


a. 


504 u J Drittes Bud, \ a 


Wenn man weiß, daß unter allen Voͤlkern alle be⸗ 
ruͤhmte Männer vor einem gewiſſen Grade der. Aufklaͤ— 
rung in Wundermänner find verwandelt worden, daß bie | 
Griedyen befonders von den meiften alten Dichtern und 
Weiſen, ſowohl vor als nach bem Pythagoras, ſelbſt von 
foichen, die gar nicht Anſpruch darauf mochten, nament⸗ 
lich vom Amphion, Drpheus, Arion, Thales, Epime 








nides, Ariſtaͤus, Pherekydes, Anaxagoras, Demokrit, 


und Empedokles Wunder erzaͤhlt, daß endlich eben diefe 


Grriechen unter allen Kunſten und Wiſſenſchaften am we⸗ 


nigſten diejenigen verſtanden haben, welche auch in neuere - 
Zeiten am ſpaͤteſten iſt verarbeitet worden, ich meyne die 
Kunſt, wahrſcheinllche und inwahrſcheinliche, glaube | 
wuͤrdige und unglaubwuͤrdige Dinge zu beurtheilen; fo 


kann es niemanden befremdend vorkommen, daß man 





vom Pythagoras mehr, als von irgend einem andern, 
wunderbare Thaten und Begebenheiten erzaͤhlt habe. 
Pythagoras war berühmter, als irgend einer der übel 
gen Wundermänner Griechenlandes, wurde ſchon bey 
ſeinem Leben von den Krotoniaten als ein Gott, und von 


u feinen Freunden als ein götelicher außerordentlicher Mann 


verehret, und gab durch feine Lehren ſowohl, ats durch 
ſein uͤbriges Betragen, zu dieſen Mepnungen und gu Et 
zaͤlungen von feinen uͤbermenſchlichen Vollkommenheiten 
vorſezlich Anlaß. Seine priefterliche Kleidung, fein 
beiliges enthaltſames Leben, feine Inbrünftigen Lobgeſaͤnge, 
ſein andaͤchtiges Deren und. Beſuchen der Tempel, feine 
häufigen Reinigungen, Wafchungen, und meifteng un. 
blutige Opfer, feine Welßogungen aus Träumen, ' aus 
dem Fluge und Geſchrey der Vögel, die Geſichter und 
| Erſcheinungen, die er zu haben vorgab, , endlich die Er⸗ 

zaͤb⸗ 


ı» 


Geſchichte der Pythagoreiſchen Geſellſchaft. 503 
zaͤhlung won ben verſchiedenen Perſonen, in welchen er 
ſich geoffenbahrt habe”), muſten nothwendig unter ſe 
nen Zeitgenoſſen den Glauben hervorbringen, daß er als 
ein Lebling und Vertrauter der Goͤtter, durch die Gnade 
und Hälfe ber leztern, vieles wiſſen und thun könne, 
was die Kräfte anderer Menſchen überfteige. In Dies 
fem günftigen Vorurtheil wurden bie Griechen noch durch 
die größern Renntniffe des Pythagoras beftärfe, die fie 
wahrſcheinlich nicht für eigene oder geſammlete Beobach⸗ 
tungen und Betrachtungen, fondern für gäftliche- Einges 
bungen Hielten, und denen fie um befto mehr zutrauten, 
je weniger fie feibft ihren Werth und Umfang zu ermeffen 
im Stande waren, Uuter ſolchen Umfländen war alfo 
nichts natürlicher, als daB man im Pyibagoras entweder 
einen göttlichen Mann , ober einen in menfchliche Geſtalt 
gekleideten Gott ſah, der künftige Begebenheiten vorher 
verfündigen, wilde Ihlere bezaͤhmen, die Sprache dee 
Woͤgel auslegen, Seuchen ımd Krankheiten burch goͤtt⸗ 
liche Macht abwehren, oder heilen, an mehrern Orten 
zugleich ſeyn, verfchminden und erfcheinen Pänne, warn 

und’ mo er wolle, der endlich In einer goldenen Hüfte 
die deuttichfien Spuren eines göttlichen Urfprungs an ſich 
trage *). 1 4 


v 


sis j - "Med 


. 





—— ⸗ — —— — 
*) Dies Maͤhrchen findet ſich in fo vielen und glanubwuͤrdi⸗ 
gen Schriftitellern, daß man kaum zweifein kann, bafl 
es nicht vom Pythagoras ſelbſt herruͤhre. Vid. Gell, 
IV. ıı, Diog. VII, 4. ot ib, Menag, Apoll, sp. 
Phil, I. 1. nes non Ariftox, Eubulid. Hippobor, et 
Nornthem'sp. Auflorem Tray BerAoyausay TuS 
w Agıdpenriuns p- 41: Ed, Par. 1542. 0 | 
08) 5, 23. u. f. ap. Parphyr, 60 et134. apud Jambl, it, ” 
Men. ad 36, VIII, Diog, et Diog, ep, Porph. 8. 11. 





n 


. 
n 


sv 


506 : Drittes Buch, 


Mehrere von biefen Wundern find fo plump, daß 

man unmoͤglich glauben kann, daß Pythagoras ſie von 
ſich ſelbſt, oder die Phchagereer von ihrem Meiſter er 
zähle haben. Dir erfiere war viel zu fein, um nidt 
einzufehen, daß es vlel ficherer ſey, andern zum Glauben 
und zur Erfindung von Wundern Anlaß zu geben, als 
dergleichen geradezu von fich felbft zu ruͤhmen. Mir iſt 
es hoͤchſt wahrſcheinlich, daß alle, oder doch die meiſten 
Wunder des Pythagoras ſchon bey deffen Jebgeiten ge 
glaubt, und daß die Geſchichtſchreiber dieſes Welswelfen 
fie in ber Folge nur erweitert -und verfihönert haben, 
Wenigſtens iſt dieſes gewiß, daß ſich Spuren ſeiner 
Wunder ſchon vor dem Zeitalter feiner aͤlteſten Geſchicht⸗ 
ſchreiber finden *); daß ferner mehrere ber erfien Ge⸗ 
fehichtfchreiber des Pythagoras, befonders Heraklides, 
Hermipp und Timäus, die Wunder des Pythagoras vol: 
ftändig gefammiet **), und aus diefen erſt Mpollonius, 


Mikomachus und Diogenes,. und aus.den leztern endlich 


Vorphyr und Jamblich. J 
Aus dieſen Bemerkungen folge num, daß man be 


Pythagoras viel eher des Vorſazes, für einen Wunder 


mann gefalten werden iu wollen, als die neuern Plate⸗ 
| ' niker 











4 


*) Man leſe bie Erzählung bes Andron von Epheſus, der 


nicht lange vor der 100 Otympiade ſchrieb, im einem 
Sragmien! des Porphyrs beym Eufebius. Praep. Evan 
‚ge 


3. 
°)S. ‚3. Posphyr, S. 60, Jambl, Ei de des Rıseuw Tu 


“ isuenewch WEL aUTE, morAdsess de 801 was ali0- 
Aoyoıs. S. 23. Porph. Ehen biefe Worte fteben beym 
Jambl. S. bo, 





( 


Geſchichte der Pothagorelſhen Cefaftaf. 507 


nifer der Erdichtung beſchuldigen konne d. Es wuͤrbe 
aber Schwaͤche des Verſtandes, Mangel von Kenntniß 

der Zeiten, in welchen Pythagoras lebte, und endlich 
Unwiſſenhelt der Geſchichte der größten Männer der altay 
Voͤlker verrathen, wenn man ˖ den Pprbagoras deßwegen 
einen elenden Betrüger nennen wollte. Pythagoras that 
eben das, mas bie beruͤhmteſten Geſezgeber, Staats⸗ 
männer, Heerführer und Weltweiſe vor ‚und nach ihm 
gethan haben, und thaten: er fuchte aus Vorurtheilen, 


die er nicht ausrotten Ponnte, ‚alle nur mögliche Wore '- 


theile zu ziehen und. machte Aberglauben und Seichtgläus - 
bigkelt zu heilfonien Werkzeugen der Befoͤrderung feines 
Anfehens, und der Gluͤckſeligkeit feines Nebenmenſchen. 
Mur alsdenn würde man dem Pythagoras alle bie gehaͤ⸗ 
figen Namen geben fönnen, womit man je Berführer 
und Verderber des Volks belegt bat, wenn er durch 
kuͤnſtliche Vorfpiegelungen von Wundern zuerft bie Gries - 
chen beruͤckt hätte, um fie nachher befto bequemer plüns 
dern, und ſich mit ‚feinen Schülern bienftbar machen | 
zu koͤnnen. 


| Behylage zu S. 47. 


Dem Polyblus.zu Folge ſchraͤnkten fich die Wertreißun. 
gen und Ermordungen der Pychagoreer nur allein auf die 








| Staͤdte 
* Wenn an pi Pythagorag mit dem Lncian (in Alexan- 
dro Oper. T. II. p. 211. Ed. Reisii.) von aller Schuld 


von undererbichtung frey fprechen will; fo muß man 
diefes Urtheil doch immer dahin einfchränßen, daß man 
ſagt: Pythagoras habe den größten Theil der Wunder, 
* die von ihm, in fpätern Zeiten herumgefragen wurden, 
nicht felbft erfunden und ausgebreitet, oder auch dur 
feine Sreunde ausbreiten laſſen, | 





— 


m 


Ä «8 u Drites Er 


- Städte In Italien ein, und bie Bora entflandenen JZer⸗ 
ruͤttungen endigten fich zulezt altenthalben mit ber Ein: 


führung einer Demokratiſchen Kegierungsforns , unter 


welcher befonders-Tarent fich *) in der. Folge enapor hob. 


Wenn man aber die Nachrichten aller übrigen alten und 
glaubwürdigen Schriftſteller zufammenbäft; fo kann man 


faſt nichts anders als glauben, daß die Wirkungen der 


Werſchwoͤrungen wider die Pythagoreer fich auch über bie 
großen Städte Siciliens verbreiteten, . Auffallend iſt es 


wenigſtens, daß micht lange nad) dem Untergange det 


Pprhggereifchen Geſellſchaften ſich in allen Griechiſchen 
Staͤdten in Sieilien Tyrannen aufwarfen,, und zu herr⸗ 
ſchen anfiengen **), Der Weisheit, Tapferkeit und 
Milde diefer fogenannten Tyrannen aber hatten die Fuͤr⸗ 
flinnen unter den Siciliſchen Staͤdten, Syrakus und 


Agrigent, ‚allein ihre Größe, ihren Reichthum, die 
praͤchtigſten Kunſtwerke ***) und die Beſteyung von einem 
Joche zu danken, das wenigſtens fa hart geworben waͤrt, 
als dasjenige war, unter welchem de Afiatiſchen Grie⸗ 
chen ſchon beynahe ein Jahrhundert ſeufzten, und unter 
welches ipre Drider im eigentlichen Oriechenlande 1 


fallen 











ep un 


*) Strab.l.e,  - 


©) Arift. V, 12. de Civ. Hered. VII. 154. Diodor. A 41% | 


4,6. Ed. Weſſel. 


wer) Wie hoc) die Kunſt unter den Negierungen der erſten bs | 
nige in Syrakus und Ngrigent flieg oder geftiegen mar, 


kann man aus den herrlichen: Werken fehließen, die 
noch zu ben Zeiten des Verres und Cicero uͤbrig wa⸗ 


ren, und die zu den ebelften Denfmälern- des. Alter | 


thums gerechnet wurden May fehe Cie, in Versen 
_ iv. beſonders 33. t 35. 











— 


„ı . 
s . 


* 


Seſchichte der Vothagorelſchen Seſilſchaft. sog . 
fallen in Gefahr waren, Ohngefaͤhr um dieſelbige Zeit 


erlangte Gelon in Syrakus und theron in Agrigent die 
Alleinhertſchaft u) 


Der erftere diefer beyben großen Minner ſchlug, | 


mit Hülfe des leztern, und der Übrigen verbündeten Sici⸗ 
Vier, an eben dem Tage **), an welchem $eonidas bey 
Thtzermopylaͤ fiel, ein Heer von 100000 Karthaginienfern 
aufs Haupt, und teilte die Beute und Gefangenen vers 


Hälmigmäßig unter Me Eieger aus. Die Agrigentiner 


brauchten die ihnen gugefaflenen Sclaven dazu ***), die 


herrlichſten Werke in und außer ber Stadt aufjufähren, 


die noch viele Menfchenalter nachher als die Denkmäler 
ihren erſtaunlichen Groͤße fertdaureten +): und eben fo 
wendete Gelon die eroberten Schaͤze und ben Tribut von 
zweytauſend Talenten, den bie Karthaginienfer bezahlen 


mußten, zur Berfchönerung von Syrakus uud andern. 


Städten Siciliens an ++). Die Macht diefes Königs 
erhielt durch den Sieg über die Karthaginienſer auf eins 
mol einen fo erfiaunfichen Zuwachs, daß er im Kriege 


wider den Zerris af eben fo viel an Reuterey, Fußvolk 


und 














Nach dem Diodor ſtarb Theron 74 DI. 1. nach einer Re⸗ 


gierung von 16 Jahren, deren Anfang alſo in 73. 1. 
faͤllt. Nun herrſchten nach dem Ariſtoteles (V. 12. do 
Civ.) Gelon, Hiero und Traſybulus eben ſo lange, 
oder auch nicht länger als Theron; und Belon wuͤrde 
alſo auch um die 73 DJ. 1. zu. regieren angefangen 


. hinauf. 
se) Ol, 75 1. 
#2) Diod. XI, 433 
+). Ueber ihre — — diodor. xmi. 607. 610. 
+ Diad, | ib, 0 ©. 424. 


haben. Andere ruͤcken biefen Zeitpunet ü in Ol. 72. 3x, 


st Drittes Buch. 

und Eifen ı zu liefern verſprach, als das ganze uͤbrige 
verbundene Griechenland zuſammengebracht hatte, wenn 
man ihn zum Anfuͤhrer der Griechen, oder nur zum Be⸗ 
fehlshaber ihrer Flotte ernennen wollte *). Merkwuͤr- 
dig iſt es, daß die Sicilianifhen Griechen faſt um eben 
die Zeil die Rarthaginienfer überwanden, in welcher die 
Bewohner des eigentlichen Griechenlandes über die Per 
‚ fer fiegen, und daß dieſe Siege die Haupturfache ber 
Macht und des Reichthums von beyden wurden: baf 
ferner Agrigent und Syrakus faſt zu gleicher Zeit die un⸗ 
wuͤrdigen Nachfolger ihrer erſten Beherrſcher ausftießen *"), 

und eine demofratifche Verfaſſung einführten: daß de 
Sprafufaner die unterdruͤckten Städte Siciliens ***) nur 
einige fahre fpäter in Freyheit festen, als bie Athenien⸗ 
fer die Griechiſchen Städte in Afien }), daß endlid 
In der achtzigften Olympiade, in welcher Ephialtes die 
Negierungsform von Arhen in eine Demofratifche ver⸗ 
wandelte tt), alle griechifche Staaten (Eparta ausge 
nommen) in Afien und Eurepa in Demokratien uͤberge⸗ 
gangen waren. 


“) VII. 154-158. Herodot. 
we), Agrigent den Sohn des Kherom Ol, 77. 1. oder 2. 
Dioa. © ©. 444 und Spratus ben Thraſybulus 78 Ol, 3. 
456. 
um) ©. 461. 
#) 77 Ol 2. Died, 499. 50. 
11) Diod. ©. Lie | 











N — 


DE nmel * 


1 


Vier⸗ 





Geſchichte der Pythagoreiſchen Geſellſchaft. sur 


Viertes Kapitel. 


Von der Philoſophie des Pythagoras und der 


aͤlteſten Pythagoreer, und den Verdienſten 
dieſer Männer um die, übrigen Wiffen. 
(haften. | 


’ — ññmñwtt 


J eben dem Grade, In welchem die unglaubwürdige, 

ſowohl ältere als neuere Schriftfteller, ben Cha⸗ 
rafter bes Pythagoras, und die Abſichten ind Einriche 
tung feiner Geſellſchaft entſtelli Haben; in eben dem Grade 
haben fie, befonders Heraflides Pontifus, und nad) ihm 


am meiften Apollonius, Mederatus und Nikomachus, 


denen alle neuere Platoniker und Peripatetiker folgten, 
die Philoſophie der älteften Pythagoreer und ihre übrigen 
Erfindungen verfälfht. Dieſelbige Unmiffenheit.aber, 
und berfelbige mit Blödfinn verbundene Vorſaz, elles 
am Pythagoras und feinen Freunden zu erheben, brachte 
In der Verfaͤlſchung von beyden ganz entgegengeſezte Wirs 
fungen hervor. Anſtatt daß die bewundernde Dumme 
beit den Pythagoras und feine Geſellſchaft gänzlich ver 
unftaltete, verfit;önerte fie feine Philoſophie über alles 
Maaß und alle Wahrſcheinlichkelt, Ich bin daher, ges 


zwungen, wenn id) anders den großen Fuͤhrern, berem 


Leitung ich mich bisher uͤberlaſſen habe, nicht untreu 
werden will, mich in dieſem Abſchnitt eben ſo ſehr, als 
in dem leztern von den unbefugten Lobrednern des Pytha- 
goras zu entfernen, und. biefem Weltweifen eben fo viel 
von angedichteten nen Erfindungen und Wahrheiten 

_ ahzhu⸗ 


— 


I Bu 


x 
t 


a Drittes Buch. — 


abzuziehen, als lch ihm an wahrer Wuͤrde wledergegeben 
habe. So ſehr aber auch meine Schilderung des Pytha⸗ 
goreiſchen Lehrgebaͤudes von den gewoͤhnlichen abweichen 
wird; fo bin ich doch feſt aͤberzeugt, daß ich dem Py⸗ 
thagoras Fein Unrecht thue, und Daß alle vernünftige Leu 
fer es einſehen werben, wie falſch es gefchloffen fen, wenn 
: man. glaubt, daß. große Staatsmaͤnner und Gefezgeber 
der alten Zeit auch große Kenner der Natur und Welt, 
weife in der Bedeutung gewefen feyen, in welcher wir 

- Go diefe Wörter nehmen, W 


— 


Wenn Nlkomachus und ſeines Gleichen Slauben 
verdienten; fo erfanden und vervollkommneten Phthageras 
und feine Freunde nicht nur Arithmetik, Geometrie, 
Altronomie und Mußſik, ſondern auch alle Theile der 
Philoſophie, Dlaͤtetik, Phyſik und Ethik, fo ſehr, daß 
die ſpaͤtern Griechiſchen Weltweiſen zu denen ihnen von 
den Pythagoreern uͤbergebenen Wiſſenſchaften gar nichts, 
oder nichts betraͤchtliches hinzuſezen konnten ). Den 

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Gefchichte.der Ppthagoreiſchen Geſellſchaft. 513 
Ausſpruͤchen jener Männer nach, harten Plato und Ars 
ſtoteles Peine eigenthuͤmliche Verdienſte, etwa das bes 
Vortrages ausgenommen, fondern fie waren bloße Nach⸗ 
treter der Pythagoreer, ‘ober gar undanfbare Schüler 
derſelben, welche die Namen Ihrer Sehrer verſchwiegen, 
.obet fie auch beficktten, ‚um ſich dadurch deſto ge⸗ 
wiſſer von dem Verdachte heimlicher Raͤubereyen zu bes 
freyen, und ihren Gedanken einen deſto blendendern 
Schein von neuen eigenen Erfindungen zu geben *). 


Alle fpätere Pythagoreer und Platoniker glaubten es ben - | 


Heraklides Poͤntikus zu, daß Pythagoras zuerſt den Na⸗ 
men ber Philoſophle eingeführt, daß er fie eine Siebe oder 
Beglerde der Weishele genannt *)), und Weitheit ale 
R Don bie 


nn gun 











Ka FOS Komas IN ETsnäs, MOTER TUV 07ta: 
tmrium, Koi vny öpısinnv, Ka Tv dlıperiunm 
Rapedwne vos AIewzos.ete, Nieoni, ap, Janbl; 

— 0357: 161. | u 

or D. ’ 53. \ R on ⸗ 

* —8 ap. jembl. 159 8, id, P. 3: Aritb. et p. 3. up. 
Jambl. in ipſ. Ariihm. inpr. Heracl; S. 58, 59. ap. 
ambl. et ap. Cie; Tuſe. Quseſt. V. 3. Quen ( Pytha- 
wporam) ut ſeribit auditot Platonit, Herselides Pon⸗ 
meus, vie do&es in priuis, Phliunteit forums voniſſo, 
unique Leonte, prineipe Phlielorum, docte ct «o- 
piofe differuifle quaedam, Cujus ingenlum et_eld- 
quentiam eum admitatus eflet Loöün, guaefirifie cı 
60, dus maxime afte eonfidere, At illum arte 


e 


quidem fe felte nullam, fod efle phitofophum. Adı . 


mirgtum Leentem növitstemi seminis, qQuachifle, 
, Quiuam effent philefophi, et quid Inter eos ct rells 
qaot Intereflet * Pythagoras autem refpondifle, 
milem (bi videri vitanı homiauin et mioreatum dumm; 
qui haberetur maxiıno Iuderum spparatü totius Gran 
Ä 0 eis 
Kt | 


— 4 


314 | 
Me Wiffenfeft ewigen: unvergaͤngllcher Dinge er 


— 


v 


Drittes Buch. 


3 


Elärt 











lae celebritato. Nam ut illle alll corporibus exor- 


ettatis glorlam et mobilltstem coronae peterent: alil 


omendĩ aut vendendi’ quaefiu et luere ducerenturt 
eſſot autem quoddam. genus eorum, idque vel ma 
xime ingenuym , qui nes plaufum nes luesum quac- 


serent, led vifendi eaufa veuirent,, fludiofeque 
porfpieerent, quid ageretur, es quo modo: irem 


nos quafi in caereatus quandam eelchritatem ex utbo 


hllaua. Sie in hane vitem ex alla vita et natura pro- 
6e&os: alles glorise fervire, 'alios pecunise : raros 


eſſe quesdem, qui, eeteris omaibus pro nihile ha- 


bitie, rerum maturam Audiele intuerentur : hos fo 
appellare fapiöntiae fiudiofes, id eſt enim philofo- 
phost et ut illie liberslifimum effet, fpe&tare, ol 
bil Gbi aequirentem, fie in vita longe omnibus flu 


diis eontemplstionem rerum, cagaitlonemque prar- 


Aare, Mit diefen Worten des Kicero flimms der acht 
und funfzigfte Abſchnitt im Jamblich fo genau überein, 


‚daß ed unläugbar ift, daß Eicero aus. ben Heraklides 


überfezt, und Jamblich fein Fragment unveränbersaus 
eben diefem Schriftfieller genommen habe. Ich ſeze 


‚nur folgende Stelle her. eosnevas Yap ed m cıw 
ro Pior Tan avdenmav Tagodev To ei Tas 


MaynyuRes MBAyTmyTı 0MIÄ@. ds Yap Exsce 


Bayrodanol Quravres rem Tos » &AAos Kat 


WARS Xeeıav alınvaraı, © ev Kenuarıcus 
Te ao sedas ve anEumoAnaaı Ton Doeror 
ersiypumvos. & de do&ns Ävenon erıdeskopzevos nucı 
TI Poum TE COUETOS. 851 de Ko reıroy ide, 


0 To ye EAEUSELIWTATOy OU KALComEvoV, Tomar 


Geus Evene x Önnseynnarav xahav, xal 
&rerns eeyav na Aoymv. ote. Meinen Urtheile 
nach hat Heraklides dies Gleichniß fo aus dem Alexis, 
‚wie ‚anbere ind Ande Swoas vom Epikur auf ben 


Pptha⸗ 





a 
. 


Geſchichte der Pythagoreiſchen Geſellſchaft. zı5 


erklaͤrt habe *), deren Abſicht ſey, den unſterblichen 
Geiſt von allen Banden und Schlingen des Koͤrpers und 
thieriſcher Leidenſchaften Ioszumachen, ihn von der An⸗ 
nglichkel an dem Irdiſchen reinigen, und ihn der 
88 Gott⸗ 


t 





Pythagoras Äbergetragen. Man Iefe folgende Verſe 
bieſes Dichters beym Athenaͤus. (XI. 9. p. 463.) 
—— 
ente mavımdn Rayra.T ardeoroy Mus. 
—R —AA 
Carus —R eis Aνννανν TIvas 
" AQıyusvas, ex Ta Javars na TE EKOTaE - 
UST —R us To Ous Ta 189 op 
"Oemper. 
Mür folgende Anmendung ließ Leraklides n weg: 
sd av mAuısy vYerıon naı am xæ / Tns AOeoo- 
dırüs vr Aanre Tv Xeovev raærov, 0v Per. 
‚ra ai Tun Y zeave ros — — N 
dis samnıdev omade. 


=) Horsaelides ap. Jamb. S. 59. Karim pev wo av 
TEEUMTANTOS BEYER Jecev, na Toy ev aura Pops- 
pnov asega, eı vis nodogan ry Taf. Kurca 
METBTIEV MEY Tol TEREOTE Ks TE VonTa swb 
æuro ToiBTov. To da Tewrov N exeno, 7 Toy 
we Yiewy Te nun Aeyay Pbous, d’anayrav dıa- 
desoœ, xæ9 ES TR BUT TAUTR OUYTETERTOs 

Te eumeAus ; Ms KEKOCANTON —— - 
de, N To oT eXVSRIM ri, 9 reoi To 
KA WERTE, Kos Yen, Koh EHNEOETO » | Koch 

. EI KOT TO GUT NO WEUTOS ELOVTa EoXa- ' 
ABuEVM. ‚av pero ie To AA a) EMO TIs 

"Kor. 9 PiAovaQın de 7 J Tre Tomsurne 

Yewesas. 


4 











⸗ 
— 


u f) Opux nev Tns Auxas 070 Tay achAay erırud 


516 ; Drittes Buch. 


Soitheit nicht nur aͤhnlich gu machen , ſonbern auch mi 
jhr auf dqs innigſte zu verbinden *). Sie ſtimmten fer 


ner dem Heraklides darinn bey, daß Pythagoras dai 
zubige betrachtende Leben für dasjenige erklaͤrt Habe 
was des Menfchen am meiften würdig fey, und ihn fein 
hohe DBeflimmung am ficherfien erreichen . made 
koͤnne *). Aus.allen biefen zogen fie endlich den Schluß 
daß ber. Samifche Weife bie mathematiſchen Wiſſenſchaf 
ten gleichfam ‘als Brücken oder Stuffen gebrauchte habe, 
um ben Menfchen vom Siunlichen zum Geiftlichen , vom 
Körperlichen zum Unkoͤrperlichen, vom Irdiſchen zum 
Himmliſchen, und vom Vergaͤnglichen zum Ewigen und 
Unvergänglichen hinüber zu führen ***). Durch fie allen 


| ‚werde das Innere lang verfinfterte Seelenauge gleichſan 


von neuem belebt und geftärkt +); und ohne biefe würde, 
D j " " wen 


nn — een Senn — 





2 Ap. Porph. 46. Diroaodıar d sdireacdnee, # 
boxomos, gucaodaı var D wArufeewans var 
rouæb rTor EIEYAmY TE Koi GUVÖSSUmy Tov Karare 
Kwpisueron Nun van. Eben fo beym Jamblich 23} 
ferner ap. Jambl. 240, 
ws) Hera, on. — Ä 
‚#®#) Nieom, Arithm. p. 6. dnAoy o71 —XR Tr Rah 
Yedvenis scıne Tausa Ta uadnuare, di 
wlovra rnv diavomv Hpov,, aamro Tas oa der 
wacs doESav ERI TEE VONTC HELL ETFISNLOVIKEE. 
70 Toy aurrocdwr nv x eufeeDav vr 
 Gumdavy VAIKDV KO COUETIKMY, E77 Te cur 
. Hab eregoPuAu Reös Tas —XC Kos 20 
BEew@Tov Tay 89. KUTAIS VonTsKoy. 





[res 


„ »METOV TOTUDABKEVOV no. KOSTOEUTTOHE 


die TETav avalwmupe x aveyrıgır 
peg 7. 


— 


Geſchichte der. Pythagoreiſchen Geſellſchaft. 51) 
wenn es aus der Finſterniß ber Materien auf einmal gegen 
das Sicht ewiger Wahrheiten gefehre würde gleichſam 
geblendet werden. Ohne ihre Hülfe und Vorbereltung wuͤrde 
ber von feiner Geburt an in ſinnliche Verderbniß verſun⸗ 
kene Menſch an der Erreichung ſeiner wahren Gluͤckſeligkeit 
verzweiflen, und nicht einmal den Muth faſſen koͤnnen, die 
unermeßliche Kluft, bie Ihn noch vom Ziele feiner mahren 
DBeftimmung trennte, jemals überfpringen zu fönnen *), 


Ich habe, glaube ich, nicht mehr noͤthig, meinen 
Leſern nachzußelfen , um die Zeugniffe des Heraflides, 
Nikomachus, und ber neuern Platoniker über die Abfiche . 
und.das Weſen der Philofophie des Pythagoras zu bla - 
berlegen; denn eine ſchwache Erinnerung beffen , was 
ich über dag eben der Pythagoreer und die Einrichtung 
Ihrer Geſellſchaft gefage habe, iſt ſchon hinlaͤnglich einen 
jeden zu überführen, daß fie nicht zu den ſtets anfchaus 
enden Weltweifen des Alterthums gehörten, und daß 
Heraklides alfo, und afle Diejenigen , bie in feine Fuße 
Rapfen traten, irtten, wenn fie die Schwärmereyen bes 
In ven Schatten ber Afademie grübelnden Plato auf die 
Pythagoreer uͤbertrugen. Vielleicht aber ſcheint es man⸗ 
hen nicht unglaublich, daß Pythagoras durch eben die 
| Kt3 0. Kraft 


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ete. 46. 47. et Jambl. 228. Ä 


N 


% 


58 Drittes Buch. 


Kraft des Omiıs, womit er den Menſchen aberhaupe, 


und vorzüglich ſeine Zeitgenoſſen fo tief erforſcht, fie fo 


unwiderſtehlich ar fich zu zlehen, fo unzertrennlich zu ver⸗ 
binden, und ſo unumſchraͤnkt zu beherrſchen wuſte, auch 
in die Geheimniffe der Natur, und in die unbekannten 
- Belder menfchlicher. Kenntniffe fo tief eingebrungen fep, 
“als die neuern Pythagoreer und Platonifer vorgaben. 


Allein man darf nur einmaf ernſtlich daran denken, 
wann und nach welchen Maͤnnern Pythagoras gelebt, 
und wie feine Vorgaͤnger, Zeitgenoſſen, und feine unmit⸗ 
telbaren Nachfolger in den erften Zeugungen gedacht ha⸗ 
ben, um einzufehen, daß eine richtige Kenntniß und 
Beobachtung der Natur dem Menfchen unendlich ſchwe⸗ 
ver werde, als. eine richtige Kenntniß und Beobachtung 
des firtlichen Theils feiner ſelbſt, und daß es miche nur 


unndwahrſcheinlich, fondern ganz unmöglich geweſen fen 
daß Pythagoras fo viele Wahrheiten habe entdecken, und 


‚ ganze Wiffenfchaften fo fehr habe erweitern und vervol⸗ 
. fornmnen Pönnen, als einige ber alten Geſchichte gan; 
unkundige Schrifeſteller zuerſt vorgegeben, und um 
vorſichtige Gelehrte nachher geglaubt haben. Pythage 
ras blühte lange nach den gröften Geſezgebern Griechen 
Iandes, einem Lykurg und Solon, deren Geſeze gewiß 
fo viele Mrenfchenkenntniß verrathen, ats die Einrichtung 
‚des Pythagoreiſchen Bundes, und bach dachten dieſe 
großen Menſchenkenner eben fo wenig, als die Griechiſchen 
Weiſen baran, (einen einzigen ausgenommen) bie Na 
fur bee "Dinge zu erforfhen, “ober bie Elemente von 
Wiſſenſchaften zu erfinden. Er war ferner ein Zeitgenoß 
der Männer, die es in Griechenland zuerſt wagten, einen 


. 








Geſchichte der Pythagoreiſchen Geſellſchaft 19 
Blick auf die fie umgebende Natur zu werfen, bie Ent 
ftehung der Dinge zu erforfchen, und die bis dahin noch 


immer gebundene Sprache von den Feſſeln des Sylben⸗ 
maaßes zu befregen,. Da nun Pythagoras gleichſam mit 


der Griechiſchen Phllefophie und Proſe zugleich gebohren 


wurde; ſo muß es einem jeden eben ſo unmoͤglich vor⸗ 
kommen, daß er wie Plate und Ariſtoteles philoſophiret 
babe, als es unmöglidy ift, daß er, der nicht weniger 


als Pherefndes dichtete, bey einem gänzlihen Mangel 


aller eigentlichen und allgemeinen Ausdruͤcke auf einmal 


wie Plato hätte fhreiben, oder wie Demofipenes hätte 


geben Finnen. Nicht aber bloß die Geſchichte der Vor⸗ 
gänger und Zeitgenoffen, fondern auch ber Nachfolger 
bes Pythagoras zwingt den. aufmerkſamen Sorfcher zum 
SBefeuntnjffe, daß die Philofophie des leztern nicht viel 
/vollſtaͤndiger und richtiger geweſen ſeyn koͤnne, als die 
der aͤlteſten Joniker, und daß ſeine Erfindungen in allen 


übrigen Wiſſenſchaften feinen philoſophiſchen Behauptun⸗ | 


gen entfprechend, und nur unzuſammenhaͤngendes Stuͤck⸗ 
werk gewefen feyn müffen. Denn die Gedanken ber älteo 
(ten Eieatifer., ferner bie ‚des Heraklit, Leukipp und 


Empebokles über die Entſtehung ber Welt, und über bie 
Natur der Geſtirne und menſchlichen Seelen waren nie 


minder ſeltſam und ungluͤcklich, als die des Thales und 
Anaximander; und Ariftoteles ſagt, wie Die Folge die⸗ 
ſer Schrift lehren wird, voͤllig der Wahrheit gemaͤß, 


D 
— 


Daß die Weltweishelt der Griechen bis auf die Zeiten de - 


Anaragoras' nur geftammelt babe. Haͤtte Pythagoras 


das geleiſtet, was man einem einzigen Menſchen nicht 
gutrauen kann, und mas afle große Männer, bie zwi⸗ 


fen ihm und dem Plata und Ariſtoteles · lebten, kaum⸗ 
| Ps... | lei⸗ 


⸗ 


[ 


520Drittes Buß, 
leiſten Bonnten, und hätte er be Philoſophie und alle 
Wuiſſenſchaften fo (ehr bereichert, als man erdichtet Hat; 


J 


x gen und Verdienſte des Pprpageras. und feiner Freunde 


—W | 
x 


fo würden Sprache, und ein jeder Theil ber Phitofophie, 
nicht. fo langſam unter ben Griechen fortgerüdt fenn , als 
wirklich geſchehen iſt, und die nächiten Weltweiſen nad) 
ihm würden nicht in fo grobe Jerthuͤmer gefallen ſeyn, 
als die fie in der That vertheſdiget haben. 


| So hald man alſo ſich ben Npthagoras als einen 
Freund oder Zeitgenofien bes Thales, Anarimander, 
Pherekydes und Eenophanes, und als ben Vorgaͤnger des 


- Parmenives, Heraklit, Leuklpp und Empedokles denkt; 


fo muß man es für ganz unglaublich erflären, daß Py⸗ 
tbagoras allein mehr Wahrheiten follte erfinden, und 
mehr Entdeckungen gemacht haben, als alle feine Lehrer 
und Zeitgenoffen, und daß er. fogar alle feine Nachfolger 
bis auf ben Anaragoras und Gofrates an Kenntniſſen 
übertroffen habe. So fhlidern das Gebankenſoſtem des 
Pythagoras nur aflein die unglaubwuͤrdigſten Beſchreiber 
feines debens und feiner Lehre, Moderatus, Nikomachus, 
und-andere von noch geringerm Gewichte, die man aber 
bloher als die einzigen zunerläffigen Führer befolge Hat. 


Ibren Zeugniffen noch war die Philoſophle Des Pprhage: 


ras ein fat vollendetes Syſtem der erhabenſten Wahrhei. 
fen, und zwar meiſtens ſolcher Wahrheiten, kon Denen 
fich in den Gedanken ber nachfolgenden Naturforſcher 
bis anf den. Anopageräs feine Spur wleder finder, gleich 
als wenn mir dem Ppthagoras zugleich alle ſeine Erfin⸗ 
dangen unfergegangen wären. (ans anders. flellen uns 
die älteften und zuverlaͤſſigſten Schrifefteller die Mepnun, 


der. 


. 


/ 


I. 0 j .. 
 Gefchichte der Pythagoreiſchen Geſellſchaft. Zar 
bar. Wenn man Ihren Erzählungen folge, fo haben pie 
Pythagoreer nicht piel mehr Wahrheit erkannt, und niche 
weniger ſeltſame Meynungen vorgetragen, als Thales, 
Eenophanes und beren Machfolger, und mit Ihnen hat 
man: nicht nöthig etwas unmögliches angunehmen, daß 
Sprache, Weltweisheit und andere Wiffenfcyaften ; bie 
ſich, wie die alte und neuere Geſchichte lehrt, viel lanpg⸗ 
ſamer, als die Kuͤnſte, bilden und herſtellen, gleich nach 
ihrer Geburt ben hoͤchſten Grad Ihrer Volfommenpeit _ 
erreicht haben, dann gleich nach dem Pythagoras wieder 
verloren gegangen, und erſt einige Jahrhunderte nachher 


wieder gefunden find, ungeachtet Pyothagoreer bis nad 


den Zeiteri bes Plato und Arlſtoteles fortdauerten. 
ch) werde daher ohne weitere Bedenklichkeit die 


Geſchichte der Meynungen der aͤlteſten Pyihagoreer uͤher 


ben Urſprung ber Dinge vorzuͤglich nach dem Ariſtoteles 
erjaͤhlen, deſſen Nachrichten durch bas Anſehen, und die 
Slaubwuͤrdigkeit Ihres Verfaſſers, durch ihre innere 
Wahrſcheinlichkelt, und Durch die Beyſtimmung aller 


übrigen Männer, die nach ihm einigen Glauben verdie 


nen, die wiberfprechenben Zeugniffe eben fo fehr, als bie 
ausgemachtefte Wahrheit ben teichteften Irrihum, übers 
wiegen. Diefem großen Kenner, und unportheylſchen 
Richter des SGriechlſchen Alterthums zufolge, glaubten 
Pythagoras und deſſen Freunde, bie erſten, welche über: 


die Zahlen Unterſuchungen anſtellten, eine Menge von 


Aehnlichkelten und Beziehungen zwiſchen den Zahlen, 
und allen wirklichen Gegenſtaͤnden der Natur zu finden, . 
Um dieſer Berhältniffe willen, . fahen fie die erſtere, alz 
den Stoff und bie Urfache der leztern än, und erflärten 
ade Je Dinge in in ber Wet. Send, Erde, Seelen | 
Ks u⸗ 


ss u Drittel Su. 


Bugenden, kurz afles fi hrbare und unſichtbare fie Ber 
kungen und Eigenfchaften der Zahl oder der Zahlen. Nur 
wichen fie barlan.von einander ab, daß. einige bie Ele 
mente der Zahl oder Zahlen, bas Bleie und Ungleiche, 
wovon fie das erſtere endlich, das lejtere unendlich nann · 





ten, andere bie Einpeit allein, noch andere mehrere aber 


' bob e eine endliche Menge von Zahlen, und andere zuleg 
undbeſtimmte oder unendliche Zahlen, für die wirkende Ur⸗ 
ſache und die Grundmaterie aller. Wefen hielten. Sie 
behaupteten ferner, daß das hervorgebrachte vollkommner 
‚und vortreflicher, als Die hervorbringende Urſache fen, 
und erfiärten zugleich, für die vollkommenſte unter allen 
Wirkungen der Zahlen, und für das größte unter allen 
Weſen ein gewiſſes görtliches Feuer, dem fie ben Namen 
der Wache des Jupiters gaben, das in ber Mitte ver 
Melt wohne, und um welches bie Sonne, Geſtirne und 
Erde ſich herumbemegten..- Alles biefes fagten fie, mit 
Ariſtoteles an mehrern Orten ausdtuͤcklich verſichert, ohne 
den geringſten Bewels fie beſtimmten nicht, wie aus 
Dingen, bie weder Schwere noch Leben, weder Em 
pfindung noch Vernunft hätten, Körper mit fo wielen El⸗ 
genfchaften, in einer fo wortreflichen Ordnung, und nicht 
bloß lebloſe Körper ‚. fondern ‘auch lebende Wefen hervor: 
geben ‚önnten. Wenn fie von der Entſtehung der Welt 
und aller Dinge in der Welt aus Zahlen redeten; fo war et, 
wie Ariftoreles ſich ausdrüdt, ale wenn man in einen 


“andern Himmel perſezt wurde *). — 


8 on Frey 


—2 








und 


| — 
825 Die Stellen bes Stagiriten, in welchen die hier geordne⸗ 
ten Gedanfen gefunden werden, habe ich in einer am 
dern Schrift angezeigt. Hif. dodtr. de vero Deo p. j00- 


— z05. 








’ 


\ 


PEN der Pothagoreifchen Geſellſchaft. 323 


Zreylich iſt dieſe Zahlenlehre und Erklaͤrung des Ur: 
fprungs aller Dinge fo wunderbar, daß man mit Recht 
fragen Pann, wie. fie jemals In eines Menfchen Sinn fome 
men, und befonders,, wie fo große Männer, als die Py⸗ 
thagoreer waren, auf eine fo ungeheure Art. irren konn⸗ 
sen. Diefe Sonderbarkeit des alt. Pythagoreiſchen Sy⸗ 
ſtems fezt nicht bloß uns in Erftaunen, fondern fiel auch 
dem Ariftoteles, Cicero. und Gertus auf, und doch fiel. 
len bie leztern, und ‚Alerander Petnhiftor es eben fo 
wie Ariftoteles vor. Das Srillenhäfte in den Gedan⸗ 
Een ber Pythagoreer, über bie Macht und Wirkungen der 
Zahlen, wird weniger befremdend, wenn man fie mit. 
den Meynungen derjenigen Weltwelfen vergleicht, Die 
vor dem Pythagoras, oder auch gleich nach ihm lebten. 
Denn behaupten, baß alles aus Zahlen enıftanden fey, - 
iſt im Grunde nicht Sächerlicher, als fagen, daß nlle 
Dinge aus Waffer, oder aus einem gereiffen Unenblichen, _ 
oder aus Luft, oder aus Feuer und vier Etementen durch 
Zeindfchaft oder Freundſchaft, oder aus Atomen. durch 
Wirbel und Nothwendigkeit hervorgebracht worden, ober 
daß das ganze Univerfum nur eine einzig unbewegliche und 
unwandelbare Subftanz ausmache. Gelbft in ber Dhie 
loſophie des Plate und Arifteteles finden ſich viele Bes 
bauptungen, von denen man ſchlechterdings laͤugnen müßte, 
daß fie je von vernünftigen Männern vorgetragen worben, 
wenn e8 erlaubt wäre, alles als ungebacht zu verwerfen, 
‚was uns im hoͤchſten Grabe engel und felbft undenk« 
bar fcheint. | #.. 


Ich wundere mich viel weniger darüber, daß Pi 





thagoras und deſſen aͤlteſte Freunde hie Zahl, oder Zah: - . 


. Im 


524 Drittes Buch, 


len für die Grundſaͤze der Dinge hehalten haben, als daß 
bie Pothagoreer, die nach dem Sokrates, Plato und 
Ariſtoteles lebten, dieſe Lehre beybehalten, und fie nur ver 
ſchoͤnert, erläutert und in eirie mehr wiſſenſchaftliche Ge⸗ 
ſtalt eingeflelder haben. Dirfer Männer Anhänglichfeit 
an einer alten Grille hat nur allein bie Thorheit einiger 
neuern Myſtiker und Mathematiker neben ſich, die gleich⸗ 
falls alles aus Zahlen zu erklaͤren geſucht haben *), Auch 
ber ober bie Pyihagoreer, beffen oder deren Meynüngen 
Alerander Polyhiſtor, und aus biefem Diogenes von 
$aerte abfchrieb **), Yannten die Monas oder bie Ein⸗ 
heit, die Grundurfache aller Dinge, welche die. unbe 
ſtimmte Dyas oder Zwen hervorgebracht, und diefe als 
einen Urſtoff bearbeitet habe. Aus der Einheit und ber 
unbeflimmten Dyas feyen die übrigen Zahlen, aus den 
Zahlen Puncte, aus den Puncten finien, aus den Unlen Flaͤ⸗ 
chen, aus den Flaͤchen Solida, aus dieſen die vier Ele⸗ 
mente, euer, Waffer, Erde und Luft, und aus diefen 
endlich eine fohärifche, befeelte und verfländige Melt ent 
ſtanden, ‚Dis die Erde, gleichfalls von Pugelrunder Geftalt, 
in ihrer Miete habe, Der oder bie Verfaſſer der Schrif⸗ 
‚ ten, bie Alepander Polyhiſtor vor fich hatte, behaupteten 
ferner, daß Licht und Finſterniß, Wärme und Kälte, 
das Trockne und Feuchte ohngefaͤht gleichſoͤrmig, oder in 
gleicher Maffe durch die Welt, verbreitet fep, daß aber 
dab von biefen entgegengefezten Eigenfchaften bald die 
eine, bald die andere bie Oberhand gewinne, Durch das 
Uehergemicht ber Wärme werde ber Sommer, und pergegen 

durch 


RETTET SEE —— — — — —— — ⸗ — ⸗ꝰ — 


%) Biche bie Bepfage am Ende des Capitels. 
wy) VOL 25. n. f. 





J . fi , — 
| Gecſchichte der Pythagoreiſchen Geſellſchaft. 52 5 
durch das Uebergewicht ber Kälte der Winter, , und 
‚ durch Ihr Gleichgewicht die Schönfte. der Jahrszelten, der 
Fruͤhling hervorgebracht, der viel gefunder fey, als der 
Herbſt, wo dies Gleichgewicht von Wärme und Kälte 
wieder abnehme. Eben dieſes laſſe ſich von den verſchie⸗ 


denen Tageszeiten ſagen, unter welchen der Morgen benm 


Fruͤhlinge, und der Abend dem Herbſte ähnlich fen. Die 
£ufe, welche die Erde'umgebe, erklärten diefe Pythago⸗ 
reer_für faul, träge und ſtillſtehend, und daher fen allen, 
was In ihr athme ober von ihr umgeben werde, vers 
gänglich und fterblich 5 — die hoͤchſte Luft hingegen hielten ' 


ſie fuͤr rein, gefund und unaufhoͤrlich bewegt; und deß— 


wegen ſey alles, was ſie in ſich faſſe, unſterblich und 
goͤttlich. Der Sonne, dem Monde, der von ver Sonne 
erleuchtet werbe, und ben übrigen Geſtirnen gaben -fie 
den Namen von Göttern, weil in ihnen bie Wärme, bie 
Urfache des Lebens, das Uebergewicht habe, Selbſt bie 
traͤge Erdluft, die fie Palten Aether nannten, durchdringe 
ein Strahl ober Ausfluß der" Sonne und des warmen 
himmliſchen Aethers, wirke bis in die Tiefen des Meers 
und der Erde, und belebe ober: beſeele alle Pflanzen, 
Gemwachſe und Thiere. Alles in der Welt alſo haͤnge 
zuſammen, weil alles vom Aether durchdrungen und be⸗ 
wegt werde: Thiere ſeyen mit Menſchen, und Menſchen 
mit Göttern verwandt, indem fie alle Theilnehmer deffele 
bigen göttlichen Kethers ſeyn. Aus dieſer Verwandſchaft 
ſchloſſen fie, daß die Götter für die Menfchen, als für ihre 
Brüder forgten, bie mit ihnen einerley Natur und einer · 
ley Urfprung hätten. = —· | 
Ä Diefer Grunbriß des Pythagoreiſchen Syſtems, 
wie Abxander Pelyhiſtor es in Pychegoteiſcten Schriften 


fand, 


u Dritte Buch. 
*; fand, unterfcheiber fich von dem, ben ich aus bem Ari⸗ 


. floteles mitgetheilt habe, durch nichts, als durch eine 
. - umftändliche Befchreibung der Ordnung, in welcher alle 


Dinge aus der Monas, oder der Einheit entfprungen- 
ſehen, durch eine genauere Beſtimmung des goͤttlichen 
Aethers, und des Unterſchiedes deſſelben von der ſum⸗ 
pfigten, faulenden ober aufloͤſenden Erdluft, endlich 
durch bie Verruͤckung eben dieſes Aethers aus ben Mile 


telpuncte dee Welt, und die Hinſezung ber Erde an 


beffen Stelle. "Aus der fetern Abweichung ſchlleße ich am 
meiften, daß die Schriften, aus denen Alexander fchöpfte, 
von fpätern Pythagoreern hertuͤhren, als biejenigen mas 
ten, deren Meynungen Ariftoteles aufjelchnete, 

Diele Zeugniffe des Ariftoteles und Alerander Dos 
lyhiſtor werben wiederum durch Die bes, Sertus beſtä⸗ 
tige, der an drey Stellen, unter welchen bie lejte die 
ausführlichfte iſt, bie Grundlehren der Pythagoreer über 
den Urfprung der Dinge aus ben Zahlen vorgetragen 
bat *), Daß diefe Auszüge nicht aus den Merken der 
älteften Porhagoreer gemacht find, erhellt nicht, ſowohl 
aus ber fünftlichern Einfleidung der Saͤze und ber Des 
weiſe, womit jene begleitet find, als aus den Widerle- 
gungen des Anarageras, Demokrit und Epikur; die 
darinn vorfommen. Daß aber auch bie darinn enthaltes 
nen Bedanfen nicht irgend einem der fpäteften Pythago- 


reer im erſten oder zwehten Jahrhundert nach Chriſti Ges 


burt zugeeignet werden koͤnnen, muß einen jeden die 
VDergleicuvs berelben mit den Träumen des Moderatus 
und. 








. ©) Hypot. Pyrr. m. $, 151. & ſeq. Adrerſu⸗ Arlthmn I 
| & feq. adverſ. Phyf, $. 248. &feq. | 








% 





Sefchichte der Pythagoreiſchen Geſellſchaft. 527 
und Nikomachus lehren, von denen Ich ſogleich reden 
werde, — In allen diefen Stellen nun fagt Sextus, daß 
die Pythagoreer den Zahlen Außerordentliche Kräfte zuge⸗ 
ſchrieben, und fie nicht nur für den Geundſtoff, fordern 
auch für die erfte wirkende Urſache aller Dinge ausgegeben - 
hätten”). Aechte Naturforfcher (fo fingen diefe Pytha⸗ 
goreer an) müßten Den Sprachlehrern nachahmen. Go 
wie dieſe zuerft die Buchflaben als die Elemente der 
Wörter unterfuchten, dann zu den Sylben fortgingen, 
und endlich auf die Eigenfchaften ganzer Wörter ihre Auf⸗ 
merkſamkeit richteten; fo müffe auch der Naturforfcher, 
der die Natur des Ganzen ergründen wolle, bis zu dem . 
erften und einfachfden fortgehen,, worinn ſich alles auflöfen 
laſſe. Bon ber ſichtbaren Welt aber eine in die Sinne - 
fallende erfte Urfache annehmen zu wollen, ſey durchaus 
unphiloſophiſch, weil alles finnliche und fichtbare nur aus 
etwas unwahrnehmlichen und unfinnlichen entſtehen 
konne. Doch würde man mieberum übereilt ſchließen, 
wenn man alles, was fich unwahrnehmliches denken laffe, 
zur Grundurfache von Körpern machen wolle, Diejenigen 
affo, welche Hemolomerien, oder Atomen, oder fonft um 
ſichtbare Theilchen, zum erften Stoff Eörperlicher Sub» 
fangen gemadt, ‚hätten zwar von einge Seite die Wahr⸗ 
heit getroffen, indem fie etwas nicht finnliches zum 
Prineipio des finnlichen gemacht; allein darinn hätten fie 

geirrt, 








9 Beſondere adr. ehrt, 5 s, 248. Kos uadıo9' ori ei ei. 
SNUDVESATO) Toy Dusinawv Eros neyainv —XRX 
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5258 Drittes Buch. 


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"2 gehene daß fie noch Immer förperliche, wenn glei. im · 


ſichtbare Weſen, für bie Urſache der die Sinne ruͤhrenden 
Körper angefehen hätten. Denn ſo, wie bie gröbern Sub⸗ 
fangen aus feinern, nur gebenfbaren Beſtandtheilen zu⸗ 
fanımengefegt feyen, fo müßten vor biefen.wieberum uns 
koͤrperliche Dinge vorhergehen. Und.glelchwie die Ele- 
mente von Wörtern niche Wörter wären; fe koͤnne dag 
Urſtoff von Körpern nicht etwa koͤrperliches ſeyn. So 


| u bald man das leztere behaupte, fo muͤſſe man zugleich 


annehmen, daß Das, woraus und wodurch der Urſtoff 
entſtuͤnde, wieder etwas Pörperliches fey,, ‚und ſo ins uns 
endliche fort, woraus benn nothwendig folge, daß bie Koͤr⸗ 
perwelt ger Feine Urfache habe. Ferner fey nicht einmal 
alles unzufammengefegte, was man fich vor dem Zuſam⸗ 
mengeſezten vorſtellen koͤnne, die Urſache des lexern. 
Platoniſche Ideen, Solida, Flaͤchen, Unlen, Puncte 
lließen ſich alle vor dem Körper denken, und doch koͤnne 
man keine der erſtern zum Principio des leztern erheben. 
Eine jede Idee, Flaͤche, ein jeder Punct, und ein jedes 
Solidum, mache für ſich betrachtet ein einzelnes Ding, 
und wenn man ihrer mehrere zuſammennehme, eine graͤ⸗ 
‚Bere Zahl aus. Vor ihnen allen alfo koͤnne man, ih 
Zahlen vorftellen, und die fielen wieDerumi unter die Em 
heit zufammen. Daher habe Pythagoraz bie Mona 
vie Urſache, oder das Principlum aller Weſen genannt, 
weil ein jedes, nur in ſo ferne es an ihr Theil nehme, ein 
wirkliches für fich beftchendes Ding genannt werde. 
Wenn man diefe Einheit zu, fich felhft hinzufuͤge, fo ent 
fiehe daraus Die unbeftimmte Dyas oder Zwey, die man 
für den Grundſtoff alles deſſen, mas ſey, halten müffe. 
Daß nun die Monas und Dyas die einzigen und wahren 
7 EBGrund⸗ 


” 
N : - \ 








ER 


Geſchichte der Yhthagoreiſchen Geſellſchaft. 529 
Grundurſachen der Dinge ſehen, ſuchten die Pythagoreer 
(ſagt Sextus) auf mannigfaltige Arten, am meiſten aber 
dadurch zu beweiſen, daß fie alle Dinge erſt in drey große 
Gattungen eintheilten : In ſolche ‚die für ſich allein ges 
dacht werden koͤnnten, in entgegengefeste, und in ſolche, 
die ſich auf andre. bezoͤgen: daß ſie dieſe unter andere noch 
hoͤhere Gattungen brachten, und endlich zeigten, daß dieſe 
wiederum alle entweder der Einhelt oder der Dyas als 
den hoͤchſten Gattungen, untergeordnet, oder darunter. bes 
"griffen waͤren. Diefe Unterfuchungen über bie hoͤhern 
"und hoͤchſten Gattungen uͤberlaſſe ich Neugietigen zum 
Nachleſen, da fie gar nicht mit dem sufammenhängen ; 
was Ich aus dem Syſteme der-fpätern Pythagoreer beweis. 
fen will. Wenn diefe-Weltweifen nun bis an den Grunde . 
ſaz gekommen waren: daß die Einheit und Dyas die 

hoͤchſten Gattungen der Dinge feyen ‚- oder daß dieſe ſich 
‘vor allen übrigen Dingen denken ließen ;_fo fchritten fie 
zu dem Beweiſe fort, daß auch afle übrige Zahlen, und 
nicht bloß die Zahlen, fondern auch bie Weit, und alle 
Dinge in der Welt aus ihnen eniffanden, ‚und daß die 
Monas die wirkende Urfache, und die Öyas bei Stoff, 
‚oder Die Materie derfelben ſey *). Der Punet nämlich 
verhalte fich wie die Einheit, ober fen der Monas 
a aͤhn . 
2) 09 Daow w raıs œexeæis ræœuræi Foy nv 
i TE OayTOs @ITIR Aoyoy rege ray movada, Toy ' 
de ans maoysons une, vv dunda. Kainiv. 
rœomor var ef auTav Unogovras abıduss ums“ ' 
reAcocey, ET RI ToV KOTUOV N TOT TE 
Moonmo GuvssncarTe, 8. 277, . 
11 


> 
XXR 
> 








30 Pre Buch. 
ähnlich”) ; ‚weil er fich eben fo wenig als diefe cheilen 
laſſe. Und fo wie die Monas das Princıplum der Zah · 
len fen, fo fen Der Punct es von ben Linien. Auf eben 
die Art bewieſen fie, daß die Linie ſich wie die Dyas, die 
Flaͤche wie die Trias,, und und endlich bie Tetras wie Das 
Solidum, oder wie ein wirklicher Koͤrper verhalte. Denn 
wenn man über brey auf einer Fläche llegenden Puncten 
einen vierten.annehme, fo entſtehe ein pyramidali ſchet 
Solidum, das drey Dimenſionen: Hoͤhe, Breite und 
Tiefe, babe: So wuͤrden nun gleichſam unter der Leitung 
von Zahlen Solida, und.aus.biefen Erde, Waſſer, Luft 
und Feuer, und aus biefen endlich die Welt gebildet, bit 
nach harmoniſchen Verhältniffen zuſammengeſezt ſey und 
bewegt werde. Solcher Verhaͤltniſſe nahmen fie drey an: 
Diateſſeron, ader wie ſich acht zu ſechs: Diapente, wit 
ſich ſechs zu neun; "und Diapafen, wie “fs fee zu zwoͤlſ 
J vethalfe *8). J | 
W— Dieſe 


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*) 5. 278. EuSews yae ro enpesov NAT Toy TI 
povados Anyov Teruy Isa. "Ns yaen Aores 
u —V TI ES, ETW Kadı TO ONKEIOY. Ka— i⸗ 
reoꝝor n movoes KEXN TIs esın ev agıduos, aus 
‚Kai To OnKEIoVv KEXNTIS ES EV YVoRuMOIS. * 

To MEV ONusıov, Tov TNS uovodoc exe Aoyov. 1 
de Year KAT THY TNS dumdos ideoey e9ewesıtı. 
“) Hyp. Pyreh, ii. iss. Ka sro ro Caparıı x 
Anor Toy KoCoV aveid@Augascıy , , ov. To x 
—R Pası notes REROVIKBS Aoyas. Ta 
de dio TEOFREAV, 65 85V ERITEITOS (ws exe mes 
raœ — — To oxro. ) Kos. Toy dm Zerre, os zo. 
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Geſchichte der Pythagoreiſchen Gefelfihaft, sa 


Dieſe Pochagoreer nun, beren Raͤſonnements ich 
bisher aus dem Sextus ins kurze gezogen habe, ſtimmen, 
wena man Ausführlichfeit, Ordnung · und: Beweiſe abs . 
rechnet, vollfommen mit denen überein, Deren toßere 
Gedanken man vorher aus dem. Ariftoteles hat Fennen - 
lernen. Jene läffen naͤmlich eben wie dieſe aus der Mos 
nas die unbeflimmte Dyas, aus beyden als den Princi: 
pri aller Dinge die Zahlen, aus ˖ Zahlen Puncte, aus 
Puyeten ‚Linien, aus Linien Flächen, aus Flächen: So⸗ 
lida, aus Solidis die: vier koͤrperlichen Elemente, und 
aus Dielen endiich nach harmonifchen Werhältniffen die 
ganze. Welt, und alle Dinge in der Welt entſtehen *). 

Außer diefen Pythagoreern, welche die Monoe 
und Dias die Grundurſachen aller Dinge nannten, gab 
es neth.andete, die den Punct für das eifte und einzige 
Principlum aller Weſen hielten, Aus einem fließenden 
Pünete fageen dieje) ” entſtehe eine Linie ‚aus. elner 

11 2 fie 


— 











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AmieAısc. (de exer mes va EEE Te even) ai Toy 
‚x moerwv, ös 851 dimAacıes‘ (os eyei hpos-ro ” 
EE. Tu dudens) TaUrw Te 8 oveipemoäscı,. 
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*) 8. 282. ‚Im ET@ ev wmoreAarai To Tepsc 
. GWURTE — nyspeıav Tax. agıduay. aD'a Ası- 
ov Ko TE SELERx DUVISRTE, ‚ya Te va udae ; ’ 
. Rot ONE, Kai TUR, Kay 4aF.aAs 6 Koros, on Daeoıy 
#009. igmovicev dies Io, maAı exoprve Toy 
aeıIumn, &v Öis 7 Akoya sc) Tay ——— Ts 
Terug demovias. svuPavı@. 
S.281: Sext. _ Tives de &#0 vos enusıs Fo — 2* 
. Dosen —2R Tero yes To onneiev Euer: 
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Fr " Drtteb Du 0 
Aiefenben Sinde eine Fiache ‚aus einer nleberwärts fich 


bewegenden Fläche ein Solidum, und aus dieſem endlich 
Elemente, und mas aus Elementen zufanimengefügt 


ehy. | 
So gründlich und feleneififchfcheinend aber auch die Raͤ 
ſonnements diefer Pythagoreer waren; ſo konnte man ihnen 
doch immer noch den Vorwurf machen, den Ariftoreks 
ſchon ben aͤlteſten gemacht hate: daß fie durch einen fall | 
unbegreiflichen Fehlſchluß das einfachſte, was ſich vor 
allen Dinger denfen läßt, mit der Grundurſache derſelben 
verwechſelten, und daher die Monas, bie In Gedanken 
nur vor allen koͤrperlichen Subſtanzen hergeht, zur Shi 
pferinn der Welt verherrlihten., | 
Idbdh füge endlich den Beweisſtellen des Axiſtoteles, 
Alexyander und Sextus noch die lezte bes Hermias hinzu, 
ber entweder auch Schriften von Pythagoreern, die vor 
Chriſti Geburt lebten, oder doch Auszüge daraus in ai 
bern gelefen harte“), Dieſer Heidenſpoͤtter bezeugt nicht 
nur, baf die Pythagoreer die Monas das Principlum 

| | alle 





. Yen amoreiey' To de Yoruny EvEicat 
- aaımadev moiew. Tero de ew Bades xırnden, r2 
Cona Yayay TEAXN ÖeschTov. dia Degn de ı 
Foavın Tay IlvIayogssov saoıs TS Tav men 
regav. Exewos av yao en duow wexew, vns — 
‚pevador nos Tns aoeıs® dvados emaav Tas ag). 
pss. 7 en Toy aeıIumy Tor anmein, Kitas 

. VORHMRS , Ta Te eauxe OXNKETE x Fa St 

‚eos. 8roi.dd mo dvos ent 72 MOvTes TenTur 
VsSũoi. x. T. X. 


9 ‚Jußiot eliorumgue vatarım deßorum open. Tel 
Pe. 119 Pazil, 2030. 

















ĩ 


„Gecſchichte der Pythagoreiſchen Befelifchaft, 533 
aller Dinge genannt, und aus ihr die Zahlen, und 
aus den Zahlen ‚die Elemente Härten entſtehen laf⸗ 
fen; ſondern er gibt audi die Zahlen und Fe - 
guren an, wodurch Die Elemente, ſelbſt Feuer und Aether, ' 
bervorgebradht würden. Die Pythagoreer festen nämlich 


das Feuer aus vier und zwanzig, die Suft und Erde aus  . 


acht und vierzig, und das Wafler aus hundert und zwan⸗ 
zig rechtwinktichten Dreyecken, den Aether aber aus zwölf 
gleichfchenklichten Pentagonen zufammens ein Spielmerf, 
was Plato zum Theil in feinem Timaͤus angenoms 
men bat. 0 
Wenn man nun alle dieſe Zeugniffe mit dem Sim⸗ 
plicius *), und einem Pythagoreiſchen Fragment bey eben 
Diefem Austeger verbindet; iſt es denn noch möglich zu zwei· 
feln, daß nicht nur Pythagoras und feine dltefte Freunde, 
fondern auch viele feiner fpätern Nachfolger nor Chriſti 
Geburt bie Monas oder Zahl für die Mureer der Weit, 
der Götter und Menfchen gehalten haben? Und daß 
man ‘bie Pythagoreer nad) Eprifli Geburt für eben fe 
falſche Ausleger erklaͤren muͤſſe, als fie leichtgläubige und’ 
unzuverläflige Geſchichtſchreiber waren, wenn fie der Alt« 
Pythaqoreiſchen Zahlenlehre erſt die ganze Platoniſche 
Philoſophie unterlegten, und dann ben ganzen ungeheu⸗ 


ren Aberglauben ihrer Zeit, und faſt eben ſo wahnſinnige | 


Erdichtungen hinein trugen ? | 
| 43 Der 


. 





9— S. 253. ie phyſ. Auſeult. Ariſi. Ab⸗ or I TR 
Boeodovy me, m Tas Hludayoetiois anoAsdn, 








VER 


.-.— 


REXas Tray oyray Anyası Tas aoıdmBr. Koniun 


9 uudın »eı9us, Treree MAKOSEIV, ZOTSE un 
dEWV. Mau we Ium de TR WAVE ERsOIHKEV. 


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[4 


5 Drittes Buch. 

Der eiſte, der Platoulſche Begriffe in bie Pytha⸗ 
gereifce. Arithmeuk hinein erklaͤcte, war Moderatus; 
wenigſtens wird von den nachfelgenden Schriftſtellern 
kein älterer ſeyn wollender Pythagereer genannt, ber bie 
Zahlen auf eine. aͤhnliche Art ausgelegt haͤtte. Kr 
 gläubte *), daß die aͤlteſten Pythagoreer ſich der Zahlen 
bedient hätten, um dadurch ihre Gedanken über die. Grund⸗ 
urſachen und das Weſen ber Dinge, bie fie fünft nicht 
- hätten mittheilen fönnen, deutlich ausjudräden, So 
wenig alfo Lehrer ber Geometrie, wenn fte die Figur eines 
+. Zriargels zeichneten , durch das in die Augen fallende 
Bild das Weſen eines Dreyecks andeuten wollten; eben 
fo wenig hätten "Die Ppthagoreer, wenn fie die Zahlen 
die Elemente der Dinge genannt, fie für die Grundurs 
ſachen alles deſſen, was iſt, ausgeben wellen. Ihre 
AIbſicht fen nur dieſe gewefer. , fie als bequeme Zei⸗ 
hen der erften Principien der Welt zu brauchen. Sie 
Bären ‚daher die Natur des Unmanbelbaren, des ſich 
fetbft unveraͤnderlich Gleichen, der Grundurfache ber 
Erhaltung und Harmonle des Ganzen durch die Einheit 
bezeichnet , well fie zwiſchen diefem Symbil, und ber 
dadurch ausgebruͤrften Subftan; einige Aehnlichkeit ger 
‚Funden ” Bir dns Wandelbare hingegen, das ſich 

ſelbſt 


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NAsp. Porph, 48.525 u 
* Eben fo au Johannes Stobdus Eel phpl.Lib, et. 
9 3. Nicht weniger undcht find bie für Pothagoreifh 
ausgegebene Erklaͤrung der Zeit p. 19. und die Des 
hauptung der Emigfeit ber Welt, nicht der Zeit, ſon⸗ 
bern nur ber Varfiellung nad) p, 49.. In dee leztern 
wird. der Sainfun: des fünften Eiements (T8 
a | TER 


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S “ . 
J ) 


Geſchichte der Phthagoreiſchen Geſellſchaft. 535 


fet6ft Ungleiche und Theilbare, haͤtten ſie den Namen 
der: Dyas gewaͤhlt, weil’ein jedes Paar wirklicher Bes 
gerftände einander Immer unaͤhnlich, und ſtets wandelbar 
ſey. Mach ähnlichen Beziehur gen hätten fie durch bie 
übrigen Saplen andere Kräfte und Weſen ausgedruͤckt: 
“ Sg . 0.0.0 barch 


.1 wir... 





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BRSEEEEREEEESEEEEDGETEED 


5 


KEURTE Soryeıg) erwähnt. Wenn unter allen Mey⸗ 
nungen, die Stobäns dem Pythagoras aber ben Pytha⸗ 
goreern zufchreibt, irgend eine iſt, bie gewiffe Spus 
ten bed Alterthums an ſich trägt, fo iſt es folgende 
P. 39. ⸗ — exros Eye TE KOTUE Ki-- 
vov, BIS 0 avazve ° HOTAOS 5, xo ee 8  Diefe 

- Stelle nahm Stobäng gewißausdem Nriftoteles, welcher 
im vierten Buche feiner Phyſik von den Pythagoreern ſagt: 
aa d’ eDason xaı 0 TlvIayapsıpı xerov,. x068. 
ETUTIEVL EUTO To BLRYO Eu TE ATeIcE æveu- 
RAreSs, ws 0 RVOTEVEOVTL. — — 
—RR Tas Quoeis. ‘as o9ros TE HANS, X_- 
— Tvos Tav eDeens x TS —* Ka 
TET' ea MEWToV ev Teis KEIIMOIS. TO Ye Ke- 
yov Ciagıden nv, Dvcw auroy. Simpficing ad h. 1." 
fol, 192. b traßt die Meynung der Pythagoreer noch 
deutlicher vor, aber feine Erflärung berfelben ift, wie 
die faſt aller übrigen Lehren der aͤlteſten Philoſophen, 
gezwungen und ingereimt, fo richtig er faft immer den 
Ariftoteles auslegt. Eben diefe Bemerkung gilt vom 
Alezander, Philopon und andern Ansſlegern des Stagis 
rien. — Aus der angeführten Stelle des Simplicius 
ſchreibe ich nur diejenigen Worte ab, die zur Ge⸗ 
ſchichte der darinn enthaltenen Meynung gehören: 
ereyov Ya EHEIVOos To HEVon EREITIENOL TOroOuM, 
Ö10v RVamveovTı Hl EIOMVEOITI AUTO WIENER TIEU- 

"pa, ano Ta e&udev WELIKENUMEVE. XErIaV de 

Ä magexsedar,. gas To pn auvszen au Marta 
Saure aAANAsıs, os ö Akekavdeos æuse. 


— 


536 Drittes Buß, 


I 


nas war ihm das Symbol des Platonifchen Welrfeäpfet, 


* N 


. 


burch bie Deo, zum Beuſpiel alles, was 6 Mir, An 
fang und Ende habe, und durch die Zehn ben Snbegrif 
der hoͤchſten Wortreffiichkeit,, weil die Dekas die vol« 
Eommnenfte unter allen Zahlen ſch, diealle Beziehungen, 
Aehnlichkeiten und Eigenſchaften derſelben in A ver 
einige. 

Schon aus dieſem llelnen Fragment bes Med⸗ 
ralus, der elf Bücher über die Zahlen geſchrieben hatt, 
ninıme man ohne Anflrengung wahr, daß er über dk 
Zahlen ganz anders dachte, als die Älteften Pythagoren, 
und Deren Nachfolger, An flatt, daß: diefe die Zahlı 
wirklich für die Grundurfahen afler. Dinge erflärte, 
ſezte or fie auf bloße Zeichen derfkiben herab. Die Ms 


amd die Dyas das Zeichen der ewigen ‚rohen Materie 
aus. melcher altes hervorgebracht worden. Diefe Deutun 
gen fanden um befto mehr Benfall, ba fie mit dem ale 
gerifchen Geiſte ber erften Jahrhunderte nach Cpeifl 
Geburt und dem allgemeinen Blauben an die Heilige 





und Weisheit der-älteften Pythagoreer uͤbereinſtimmten, 


und von dem herrſchenden Vorurtheil begünftige wurden: 
‚daß Plato ein aͤchter Pythagoreer geweſen fe, und [et 


= Ange Philoſophle von ihnen empfangen habe, . 


Einen großen Theil der Gedanken bes Mtoberatus 
über die Kräfte der Zahlen, über den. vielfachen Gin, 
den die Pythagoreer ihnen gegeben haben ſollten, ud 


- über die Mamen ,. die Ihnen deßwegen bepgelege wurdm 


ann man aus dem Plutarch wiederherſtellen, der dot 


Werk dieſes Mannes geleſen hatte, mit feinen Nachfol⸗ 


gern und deren Grundſahen ſeht belauet wer, en and mens 
| R 








oo. - \ 
) ’ 
, 


. Sefchichte der Pothogoreiſchen Gehe llchaft. 537 


er von Pythagoreern redet, faſt immer den Moederotus 
und deſſen Schüler im Sinne hat *). Aus den. ange⸗ 


führten Stellen des Plutarch fieht man, daß die Pyrhar . - 


goreer feiner Zeit fo wohl Zahlen als geomerrifche 
Ziguren mit deu Namen von Göttern und Göttinnen, 
von Tugenden und felbft von gefellichafttichen Werbinduns 
gen belegten; daß fie gleichſam Geſchlechter unter ihnen, 
onnahmen, und eine jede um elgenthümlicher Kräfte und 
Tugenden willen für heilig und göttlich hielten. Am mel 
ſten verehrten fie bie Tetraktys, unter welcher fie fidh die 
Zahl 36 dachten, und bey weicher fie den Helligften Eid 
ſchworen. Don biefer vorzüglichen Heiligfeit oder Börte 
lichkeit der Tetraktys wuſten die älteflen Pythagoreer 
nichts; Arifioteles ſagt wenigfiens kein Wort davon, 
und ich vermuthe daher, daß fie ihr entweder von den 
lezten Pythagoreern, die Seitgenoffen des Ariſtoxenus wa⸗ 
ren, oder gar erſt von den Pythagoreern kurz vor, oder 
nach Chriſti Geburt verliehen werden. 


So unhiſtoriſch aber, und auf nichts gegründet 
das Auslegungsfuflem des Moberatus aud) war ; ‚fo muß 
man es doch immer noch für ein ſchoͤnes und fees Bes 
bäude gegen das des Nikomachus erflären, beffen Schrife 
ten von ben neuern Piatenifern und den gelehrteften Kir⸗ 
chenvaͤtern als ber Schluͤſſel zur geheimen Weisheit des 
| Pothagoras weckte, don en vorzüglich geleſen und - 
gl erlaͤu⸗ 








*) De Iflde ot Of, VII, soo. E, epud Delph. 922- 23, 
63133. Much Lucian ſtellt die Meynungen und Gas 
zungen ber Pothagoreer nach dem Apollonius, Mode⸗ 
ratus, und. den. berrfihenden Begriffen des zweyten 
Jahrhunderts vor.. Tom. I. 542, 45. in Vie, Au, 








. ‘ er 


538 Drittes Buch. 


laͤutert wurden, mid den nur allein Photlus ben Ole 
genheit des Auszugs feiner Theologumena Arithmetika 
richtig beurcheile hat, wegen’ welcher Schrift Ber Ber: 
faſſer eine der erften Piöge im „moftifben Narrenfef 
verdient *). “ 
Sn dleſem Buche bemuͤhte Nikomochus nd, wie 
Photlug wortrefflic, bemerkt, nicht feine Unterfuchungen 
der Erfahrung und der Natur der Dinge entfprechend zu 
machen; fondern er unterwarf und beugte fie vielmehr 
unter die ungeheuren Misgeburten feiner kranken Phans 
taſie. Er marterte, zerriß und flickte bald bie Zahlen, 
bald alle Arten ſichtbarer und unſichtbarer Dinge zuſam⸗ 
men, enfweder um die erſtern den leztern anpaſſend zu 
“machen, oder um die leztern an die erfteen hinanzuzmin- 
gen. Er entbecfte endlich (und dergleichen follte man 
nur von Raſenden vermuthen) zwifchen einer jeden Zahl, 
und den ungleichartigften, ja gar entgegengefesten Gegen. 
ſtaͤnden, die naͤchſten Verhaͤltniſſe und größten Aehnlich⸗ 
feiten, um derentwillen er die Venennungen der lejtern 
auf. die erſtern übertrug. 
Er nannte baher die Monas bald Verllend, und 
Gott: bald ein Zwitterweſen, und die Materle: dann 
‚wieder die Behaͤlterinn aller Dinge, das Chaos, vie 
Vermiſchung und Verwirrung der Weſen, das Achtloſe, 
die Finſterniß, den Schlund; ferner den Stop, din 


| ‚ unterirdifchen Abgrund, ben Lethe, .und doch auch Die 
. Sonne und den Apollo, So erhob, fest Photius hinzu, 


Nitkomachus die Nonas, u und beichimpfte j ie. dech auch. — 
Die 


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23 Cod. 18%. p. 237. FBoit. Hoeſehel. Graee. 


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x 1 


Geſcichte de Ppthagoteifchen: Gefellfchaft. 539 


Dir Dyas befchrieb er ale bas Peinciplum des Gleichen, 
und als ſich ſelbſt ungleich, als Ueberftuß und Mangel, 
als die Duelle: und Wurzel aller Harmönle, ungeachtet 
fie auch dos Principium afler Mis:dnigfeie ſty. Er 
nannte ſie die Gerechtigkeit, Iſt 8, Rhea, Natur, und 
haͤufte die Namen aller befannten Goͤttinnen aller Voͤl⸗ 
Fer auf ihr zufammen. Zuleze gab er ihr auch die Na⸗ 
men, :der- Unmwiffenheit, Unwahrheit, "Unbeftimmebeit; | 
Zwietracht, des Verpängniffes und Todes, E 


Auf eben biefe Art rafete er Die. übrigen. Zahlen. 
bis zur Zehn durch, bey welcher .er in einen ber laͤngſten: 
und heſtigſten Pargrismen fiel. Diefe Dekas befang, 
er als das Univerfum, als den übergöttlichen Sort, als 
den Gott der Götter, als — — — doc) ich will meine 
Leſer mit den übrigen Vollkommenheiten, die er in ihr 
fand, verfchonen, — Wenn nun das zweyte Jahrhun⸗ 
dert ſchon ſolche Narren trug, als Nikomachus war; fo 

darf men fie) nicht wundern, daß ſich im dritten und 
in ben folgenden Jahrhunderten andere fanden , die bie» 
fen Thoren für einen weifen Mann hielten, und in feine 
Sußftapfen traten, *), — Die eben mitgethellten Frag⸗ 
mente 


m“ 


*) Dan ſehe Jambl. in Nieom, Aritb. p, 14. ferner bie 
unftreitig untergefchobenen- Erklärungen ber Zahl vom 
Hippafus und Philolaus ib. p. 1. die Erklärung ber 
Gottheit, welche die Zahl ber Zahlen genannt wird, 

ap. Hioroc. ©. 166. aus bein angeblichen seem Asryar 
de 6 Pythagoras ‚ ferner Eudorum ap. Simpl, in Atiſt. 
Phyl. 39. fol.. wo die Erklärung und. Benennungen 
des 9 ganz in der Manier des Nikomachus iſt. Diefe 
| Stelle beweift zuzleich, daß Eutorus, den Simplicius 
und 














‚540 . Deite Bad, 


"mente bes Meberatus und Nikomachus habe ich gem. | 
faͤchlich in der Abficht angeführt, um ſolchen Leſern, die 
ſich unter der Monas bie Gottheit und unter der Dyas 
“eine rohe Materie zu denken gewoͤhnt haben, und fih 
yon. diefen Gedanken nicht ehne Mühe losmachen koͤnnen, 
um biefen auf eine nachdruͤckliche Are zu zeigen, was das 
‚für Köpfe waren, us benen diefe Auslegungen zuerſt 
entfprangen, was biefe fi) noch fonft beh diefen Aus 
| ‚drüden vorftellten, und welch eine Blindheit ober Wider 
ſpruch es war, bie Ungereimtheiten"diefer falſchen Pytha⸗ 
goreer, und derer die ihnen folgten, entweder nicht zu 
bemerken, bder, wehn man fie bemerfte‘, Ihnen dennoch 
immer als verflähdigen Auslegern und glaubiwürbige 


Geſchichtſchreibern au trauen. 


Ungeachtet bie. alteſten Pothagoreer den bimml— 
ſchen Aether aus den Zahlen, und alle goͤttlichen Naturen 
wiederum aus der Aetheriſchen Subſtanz entſtehen lleßen; 
fo that dlefe: Meynung und die gänzliche- Verkennung el. 
nes alles fihaffenden ober orbnenden Wefens ihrer Froͤm⸗ 

migkeit eben fo wenig Abbruch, als bie Gottesfurcht der 
- übrigen Griechen darunter litt, daß ſie die Gegenftände 
ihrer Anbetung entweder von andern ihrer Art, oder auch 
aus dem Chaos gebohten glaubten. Die Pythagoreer 











J | erkann⸗ 
., und Proklus häufig anfuͤhren, nach dem N Nikomachns 
gelebt haben muͤſſe. Jonſius war ungewiß in Anſe⸗ 
bung feines Zeitalters, aber dabey nicht ungeneigt, 
7 ihn für den Cuborus zu halten, deffen Strabo erwaͤhnt. 


Er war von Nlerandrien, und fohrieb ein hiſtoriſches 
Werk über die Philoſophie, dad Stobaͤus p. ı6«, Phyf, 
Ciel. anführt, der ibn u einen m * Philo⸗ 
berben neunt. 








\ . 


Geſchichte der Pothagoreiſchen Geſellſchaft. s4ı | 


erfannten nicht nur, wenn man Ihren Aether ausnimmt, 
dem ſie aber nicht die geringſte Ehre erwieſen zu haben 
ſcheinen, feine andere Götter, als die, welche von allen 
Griechiſchen Voͤlkern angebetet wurden, fondern fie cheile 
ten fie auch in diefelbigen Rangordnungen ab, und uns 
eerfchleden fi; von älteen Dichtern and Weltweilen nur - 
darinn, baß fie alle Arten übermenfchlicher Wefen niche 
aus dem Chass, oder aus Waſſer und fuft, oder aus 
dem Unendilchen, fondern aus einem göttlichen Feuer . 
beroorgehen ließen, Ihre Goͤtterlehre ſtimmte daher voͤl⸗ 
fig. mit den Begriffen des Volks und der beräßmteften 
Dichter überein, 


Die Pp:hagoreer beſahlen , die unſterblichen Goͤt⸗ 
ter am meiften, und vorzüglich vor andern göttlichen. 
Naturen zu verehren *). Unter biefen unfterblichen 
Göttern verftanden fie, allem Vermuthen nach, außer 
den Geſtirnen, noch diejenigen Götter, weiche Die Gries 
dien. Bötter vom erflen Range, oder oberfie Götter 
nannten, Mach biefen geborhen fie zunächft den Daͤmo⸗ 
men die größte Ehre ju erweilen, unter welchen fie wahre 
ſcheinlich, wie die übrigen Griechen, alle von den uns 
ſterblichen Göttern entweder mit Nymphen, oder mit 
Menfchenfindern erzeugte Halbgötter verſtanden **), da 
hingegen Heſiodus durd) das Wert Dämonen, was Ho⸗ 
mer noch als gleichgeltend mit Goͤttern brauchte, die abs 
sefäldenn Seelen der Wenſchen des gelbenen u und > fiber j 

nen - 


Te 


— —— — 
©) Carm, aur. V. ı, Arifiox. 100 8. ap. Jambl, et 195. op. 
Porph, 38. 6, Dieneasch, S. 37. ap. Jambl. Diog. 

VIII. 23. 


“) Vide Hit, dodtsig, de vero Des, P- 208. 





\ 


54a Diet Vich⸗ 


nen Beitalters bezeichnete die in Luft gefjeldet, an ber Zahl 
dreyßig tauſend ‚auf der: Erde herumfchmebten, und vom 
SJapjter gu Hütern des. menfhlichen Beflechtg beſtellt 
wären *). Auf diefe Daͤmenen ließen fie endlich, Der 
allgemeinen Meynung ihrer Zeitgenoſſen gemaͤß, die 
— folgen, unter welchem Namen. fie die abgeſchie⸗ 
‚ denen Seelen großer Männer anbeteten, die durch ihre 
außerordentliche Thaten fich nach igeem Tode einen Piaz 
unter den Goͤttern erworben, und ‚göttliche. ‚Verehrung 
verdient harten **) Mit den Dämonen und Heiden 
follen fie ***) Die ganze $uft angefühe geglaubt, und zus 
gleich behauptet haben, daß um. diefer willen. alle Keini, 
gungen, Waſchungen und Uebel abtreibende Mittel ein, 
gefegt, und von ihnen bedeutende Träume, und andere 
Vorzeichen fünftiger Begebenheiten, ſowohl Menſchen, 
als Thieren zugeſchickt würden}. 
Die Seelenlehre ber älteften. Pythagoreer iR eben 
fo dunkel, als die von den Dämonen ynd Göttern), und. 
. fo viel man davon verfteht, auch nicht ganz frey von 
| MWiderfprüchen, * Gewiß, ift fie eben fo dichteriſch, und 
- nicht weniger aus den Volksbegriffen der damaligen Zeit 
gefchöpft , als ihre Ausfprüche über die höhern Naturen. 
Auch bewelſt fie eben-fo fehr, mie wenig. die Philofophie 
‚der Pythagoreer fidy von den finnfichen Borftellungen der 
uteſten Voltsſanger enferute, ‚ und. über fie Hinaus bob, 
Nach 





2. —2 248. m 


ee, Dion, VIE. 32. 33. 
h Siche zweyte Siytze am Ende ‚dee Eapltelu. 











‘ ı 
t \ 


Seſchichte der Pothagoreiſhen G ſelſchaft. 543° 


Nach dem Alerander beym Diogenes *) glaubten fie, 
Daß die Seelen der Menſchen gleichſam abgeriſſene Städte 
ſowohl desmarmen feurigen, als des falten Aethers feyen, 
ober baß fie aus Beſtandtheilen von beyden gemiſcht waͤ 
ren. Einer Nachrticht des Ariftoteles. aber zu Folge wa⸗ 
ren fie in ihren Mepnungen über die. Natur ber See 
gerheilt. Einige hielten dafür, daß Ihre ganze Subftang 
luftig ſey, oder aus Luſttheilen beſtehe; andere hingegen, 
daß fie dem Weſen gleichartig fey, was bie Luft in de 
wegung ſeze **). Ariftoteles erzähle ferner, daß fie bes 
baupter hätten: alle Seeſen würben durch ein bloßes 
Ohngefaͤhr eine jede in einen gemiffen Körper. geführe***): 
ein Einfall, der nicht‘ weit. von, dem Gedanken des. Were 
faffers der Orphifchen Gedichte abwich, nach welchem die 
Seelen der Menfchen durch Winde in die Wohnungen 

| : des . 


— 
on 
1B 


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—— —p —0— 
"8.28. 30. zu. | 
 @8) Desaimal.2. ecıxe de uc To TAB Toy Ilv9&yogsı- 

av Agygouevov, TNYRUTNV EIGEN —R eDacay 
væe TWES MUTay, WUXW ea TE To weg 
Eusuara. 0 de, To TaUTr@ uwar, Johannes 
Philoxenus in feiner Anmerkung zu diefer Stede'gibt _ 
zu, baß dieſer —ã wenn man ihn woͤrtlich 
nehme, kindiſch und laͤcherlich ſey, daß man ihn aber, 
wie die Fabeln der alten Dichter, allegoriſch erklaͤren 
muͤſſe, Er glaubt daher, daß die Pythagoreer mit 
den angeführten Worten die Eigenſchaft der Seele hät: 
‚ ten andeuten wollen, wodurch fie die verſchiedenſten 
Dinge verbinde und zufaramenrüde, \ “ 
80) Ar. 1.3. de Anl. . meeı de Ta defoums gaumres,  - 
" 8dev erı meocdioglans @eree evdexonevoy Kara" 
. ras-IIvdayoonas nudas, TnV TUXeaay Yuxay ' 
US Ta TuXov 8V voor. Goch. Ä Er 


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sa Diitted Buch. 


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dad Sejbes-lneingetrieben wurden *). "Die Pythagereet 


nahmen in der menſchlichen Seele drey Kräfte, oder, 


wie die Alten fagten,. Theile an **), deren Bezeihnun 
gen ober unüberfezbar find. Zween von diefen Aus 


decken (Dewves, Yuuos) find alt und Homeriſch ***); 
allein fo wenig id, jemanden für fähig halte, die Beden 


tungen. derfelben , :und. ihre Abweichungen von yuxn und 
erdaAor genau zu beflimmen, fo wenig traue ich es mie 
oder einem andern zu, Din Sinn ber Pythagoreiſchen 
Ausdruͤcke für die drey Haupttheile der ‚Seele , und die, 


Merkmale, wodurch fie Seele und: Leben +) von einander 


un 








N — 
.) Tero de menovde ncı 6 e Tas oePikois uals- 
| pavois 87801 Aoyos. Pncı Yae ray du en TE 
AB eiGiEvds, AVamVEovT@v- Degopeyny UM Tal 
ven. : | | | un 
©) S. 30. rm de aydenzie bu diessseiedas ver 
N, EIS TE vEv na Düsvas ns Junor. Nach 
ben Jamblich beym Stobäus (©. 109. Eel. Phyl.) 
unterfhieden die Pythagoreer Theile und "Kräfte der 
Seele: benannten jene wie Plato, und dieſe ohnge⸗ 
fähr wie Arkftoteles, 0, de Keoı Hiaraovö, x 
 Aexuras, na 01 And Tudayogeioı vw 
KV TEIMEEN RKODaNOvTess dinsgeyräg: 25 Ar 
vanor, nos Super, x Ei duicy - = - dire 
peis de Ins buuns avaroyıdoras Dub Kai 
Ouuvreœouævr, aa dıIneiv, va dofar, Ka Kt 
TIRw Bouosrav Öyorav, nos ogekıy woche ua 
ayaday, Kos vnoeis. Man ſehe auch Prottop. 
2. 29. Ich darf wohl kaum einmal hinzu ſezen, daß 
—— die Pythagoreiſchen Schriften, aus denen Jamblich 
diieſe Gedanken entlehnte, untergeſchoben waren. 
#99) Vid. Mosh. ad Cudve. p. 1036. 5:2 + 8«. 
7) IE Fer | . ——— 


\ 











x 
AN 
t 


Geſchichte der Pythagoreiſchen Geſellſchaft. 545 
anterſchieden, richtig anzugeben. Nur fo viel kann man 
mie Gewißheit fagen, daß die Pythagoreer, wie Homer, 
den jenigen Theil des Menfchen, den fie Dewas namiten, 
für-den edelſten und görtlichften erkannt, und geglaubt | 
yaben, daß diefer von den übrigen abgefondert werde, 
and abgefondert fortdauren Pönne, wenn auch die übrigen 
Theile untergehen follten ). n 


Won den Kräften und Theilen ber Seele festen fie 
die beyden edlern ins Gehirn, den njedrigern hingegen 
ins Herz, ‚und diefen leztern mennten fie wahrſcheinlich 
allein, wenn fie fagten, daß bie Seele vom Blute er» 
nährt werbe**), Merven und Adern yannten fie Bande 

| * \ der 


x 














* — 


“) Ih zweifle aber fehr, ob die Pythagoreer einen gemiffen 
Aheil der menfchlihen Seele mit dem Namen var - 
belegt, und wenn fie dieſes gethan, ob fie dieſen 
sas wie den Jumos für ſterblich, und den Menſchen 
und übrigen Thieren gemeinfchaftlich gehalten haben. - 
Wenigftens widerfpriche fi entweder Alexander, ober 

‚ Diogenes, wenn er bald den yes und Iuuos für 
Theile ber menfchlichen Seele, die fich auch in den uͤbri⸗ 
gen Thieren fänden, ausgibt, nnd bald wiederum 
8. 28. den Thieren, wie den Pflanzen überhaupt, 

Seellen abſpricht. Diefer lezte Saz befonders reimt - 
ſich nicht gu: mit den Ausfpräden: daß Strahlen bee 
Aethers die ganze vegetabilifhe und tbierifhe Natur | 
Aurchbrängen: daß die Thiere Wohnungen von Wiens 
ſchenſeelen ſeyen: daß man alle lebende und empfins 
dende Weſen für gleichartig erkennen muͤſſe. Dieacarch, 
ap. Porpb, $. 219. . 

*) S. 36. Tosdeodaı verm)uxmw ano ra ana. 
ros. tus de Aoyas, WUXHs aveuss ua. euro. 

Ä nn FR 

M m nr. 


* 
« 


77 Drtittes Buch. 

der Seele, fo wie Sedanken, Betrachtungen und Grund, 
füge, Winde derfelben; doch trugen fie den erftern bil, 
Hichen Ausdruc auch auf die leztern über, wenn fie ſich i 
einer Seele fänden, die ſich ganz in fich hinein gezogen, 
- und Ihre ganze Kraft in ſich felbft verſammlet habe, E 
; wiefie bie Seele fich als einen Ausflug des Aethers ver 
fieliten; fo nannten fie die Sinne wiederum Tropfu 
oder Ergießungen ber Seele, das Geſicht ben waͤrmſta 
Duft oder Aushauch derfelben, und bie Augen die Th 
zen ober Defnungen der Sonne *), 


Diefe Reihe von Bildern, bie ſich alle in cm, 
oder ein Paar auflöfen laſſen, befchloffen die Pyrpaga 
endlich mit einer ajgemein aufgenommenen Gabel, di 
man wie ihre übrigen finnlichen Worſtellungen faft mit 
allen Völkern, wenn gleich etwas veraͤndert, mb 

| | 5 — 


[3 








FE EWOL AUTNY nd TES AOYas. EmWes Koh 0 MN 
ROLAToS. dequn TE Ewaı vns YDuxas, Tas Orebsi 
KO TS ETNEINS HL TO veuges. Örasy de uoxı, 
na nad duruyyeromern ngapın deouos ywaoamı 
ENS TBS Aoyas nocı Too seyo. Nach dem Port 
glaubte Pythagoras, daß die Seelen in der Milhfuf 
verſammlet würden, und baß diefe daher ben Nauu 
befonamen hätte, weil fie, wenn fie mit den Kin! 
verbunden würden, (denn bies fagen bie Bart 
STay eis yaracıy Fesaaıw) mit Milch grnaͤhrt mis 

..  . ben. de antro Nymph. p. 127. Edit, Roman. 

a) Aus dem bisherigen würde man allein ſchließen Fünne: 
daß die Erflärung des angeblichen Hippaſus beym Et 
b&ws Lib. I. p. 107. untergeſchoben fe, wenn rite 

die Worte ſeibſt ihren falſchen Urſprung verriet" 
v⸗c de KEITINOY KOTUEEYE des opyever, Igmaos 
6 anscuaTtınas Toy Ilvdayogsmy, 
J | 





/ 


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\ 
* 


Seſchichte ber Pythagoreiſchen Geſelſchaft. 547 


der findet. Sie glaubten naͤmlich, daß die Seelen der | 


Mexſchen, gleich nach dem Tode der Selber, In der Lufe 
in Körperäßnlichen Geſtalten herumfchwärmten, daß ſie 


aber bald vom Hermes, dem Begleiter der Seelen, aus 
allen Euden der Erbe gefammlet, und bie reinen. alsdenn 


zum Aether hinauf gefüßte, oder in eine hoͤhere Elaffe ' 


von Weſen verfezt *),, die unteinen ‚bingegen mit unzer⸗ 


reißbaren Banden von den Furlen gefeſſeit würden"), ; 
Dieſe lezten Behauptungen der Pythagoreer hlelten 


Baple und andere für unvereinbar mit einer andern Sehre, 
welche das ganze Alterthum dem Pythagoras zueignet: daß 


naͤmlich die abgeloͤſten Seelen in die Leiber von Menſchen 


und Thieren einkehrten***). Nicht aber Pythagotas allein, 
Mu—— 


ſon⸗ 


— — — — — — 





XX 


©) Catm, sus, v. 70. J1. J 





Hv dismonenVass aus 85 adee: Anden 


aASns 


— 


Eosenı adavaros Yeos , wußeoros, ax er. 


—— vnTos. 
Das adavaros eos iſt an diefer Stelle ein kuͤh⸗ 
ner Ausdruck, den der Dichter gewiß nicht im derfelbis 
gen Bebentung genommen hat, im welcher er im An⸗ 
fange vorfömmt. Kein Pythagoreer, oder Platoniker, 
ober ſonſt rectgläubiger ‚Grieche konnte annehmen, 
daß auch bie befte ſchuldloſeſte Seele ſogleich über Da⸗ 


v 


tiger Wefen verfezt würde. 


monen und Kelden. weg in bie hödhfte Gaſſe vernuͤnf⸗ 


5,97. ' 


“ @4%) Konophen, ap, Diog. VII, 36. Herod, I. 81. Die 


eaeacch, ap, Porph, 5. 19. ap. Gell, IV, 11. ibi et Cie» 
areh, Horacl, VIIL ap, Dieg. 4. 5. Apoll. I, 1. und 


viele andere. In ben Festen Stellen werden auch die 


Wanderungen erzählte, Big Ppthagoras gemacht has 
ben fol. FE 


a 


848 u Dritte: Buch. * 


2 


federn auch Empedokles *) und Plato ja gange Wölfe, 


beſonders die Aegyptier und Indier Haben ſich dieſes an⸗ 


ſcheinenden Widerſpruchs ſchuldig gemacht, indem ſie | 
alle, neben ber Seelenwanderung, nad) Derter ber Freue 


den für reine, oder doch Oerter der Quaal und Strafen 


für unreine Seelen behaupteten. Allein eben dieſe Bey 
fpiele haͤtten die Vermuthung veranlaſſen muͤſſen, daß 


“man bie eine ober die andere vertheidigen koͤnne, oh. 
mit ſich felbft in Gegenfaz zu kemmen. Man fah nim 


tich die Wanderungen von Geelen als Zuflände der Pri 


ungen an, In welchen fie, entweder nach ausgefkandent 
EStrafe im Hades, von allen noch übrig gebliebenen Us 


reinigkeiten fo geläutert würben, daß fie endlich bis ji 


Ad 


J 


wen Soͤttern erhöht, ober auch mit dem Aether verbun 


den werben fönnten — oder In und durch welche anf 


Unverbefferlichkeit und unheilbare Verderbniß fo bare 


than und erfannt würde, daß dieſe nach einem fructe 


fen Gebrauch Bes Präftigften aller Heilmittel kranker od 


verwundeter Seelen ohne weitere Verſuche ber Herftelum 


= koͤnuten. 


0) ap. Steph. Poof: Phil, pr4. 25. 
20) 8,28. VIII. Dieg, .., 


ührer Geſundheit ewigen Quaalen uͤberantwortet werdet 


v 


Die älteften Pythagoreer wußken eben ſo wenlg al 


. "bie Stelker von einem vorhergehenden. koͤrperloſen dw 
ſtande der Seele, und behaupteten auch eben fo wenig a0 
, wiefe, daß bie Seele jur Strafe für Bergehungen , de | 


ren: fie fich in elnem beſſern Geiſterleben ſchuldig gemocht 
haͤtten, in den menſchlichen teib eingefchloffen worden fr 
Entweder lehrten fie **), daß Seelen, wie Körper, ind 
+ , _ “ ı- je 


ip 








” +‘ 











Geſchichte der Mihagoreiſchen Sefellfchaft. 549 
zugläich, mit Ihnen ergeuge würden, ober was man aus 
einer oben angeführten Stelle bes Arifisteles fchließen - 
Eönnte, daß bald nach der Empfängniß ober Geburt 
Die wefentlichen Beſtandtheile derſelben, aus Aether und 
$uft gemifcht , in den Grunbſtoff bes Körpers eindraͤngen, 
und fid> mit ihm auf das genaufte vereinigten. ' Unter | 
den Machfolgern des Pythagoras aber, bie nicht lange 
vor dem Plato, aber zugleich mit ihm blühren, glaubt 
mehrere, _baß Die mienfchlichen Seelen urfprünglich frey 
und rein von dem Drucke und ber Befledung der Materie 
ein goͤttergleiches Leben gelebte hätten, und nachher erfk 
um gewiſſer Sünden willen In das ®efängniß, oder Grab 
des Körpers binabgefloßen worden, aus melchen fie ſich 
nur allein durch unabläffiges. Streben, ber Gottheit aͤhn⸗ 
(ih zu werben, und durch eine unermüdere Ausübung 
aller Tugenden zur verlornen Seligkeit wieder emper 
ſchwingen koͤnnten. Bon ihnen entlehnte Euripides die 
Frage, die Plato aus ihm anführe *): wer weiß, ob 
bas, was wir Tob nennen, nicht Jeben, und ob das, 
was wir Seben nennen, nicht Tod fen, und ob wir alfe 
Ijo, da wir feben, nicht wirklich fterben? Sie waren 
die Weifen,. von denen Plato fagt,. bag fie den Körper 
ein Grab, ber ein Gefäß, und Behälter ber Seele gea 
Kanne Gärten , und Die aus dieſem Saze bie Folge zogen, 
daß es * Empörung wider die Gottheit ſey, wenn je⸗ 

M mg manb- 


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©) In Gerg. p. 320. _ 
9) sm, ndn TE eyayı neu myoe roy —E or 
yuv Apeıs re$vaue. “a Fo pev Tomas esıy Na 
En. us de Luxe TęærTo, ey — —— uch 


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Bar 177,7 


4 


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8 
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850 . . Drittes Buß. 


J mand obae den Aufruf ober: wider in Willen bes Herrn 

der Geifter aus feinem Gefaͤngniſſe heraus gehe, und 
Durch einen gewaltfamen Streich die Zeit des irdiſchen 
$ebens und ber Strafe, bie ibm zuerkannt worden, 
| Ba ”, 


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Fuyxaveı ayosv avameıdecIaı Kolı KETERIZETEN 
ME Hs KOT. X TETO RER Ti MuduAeyar 
xou\yos ang sows Zixedos Ts. n IrwÄınos Tragn- 
Yay To orouarı dım To mılavos zen Tressınov, 
wvouase 7ıIov. Plato zielt hier nicht auf die aͤlteſten 
Ppthagoreer, fondern auf den Philolaus, beffen er 
auch in Phaͤdo p. 23. 24. erwähnte, und aus. welchem 
Elemens von Alexandrien eine Stelle anfühtt Libe. Ul. 


Strom. 433. worinn der Bedankte, daß die Seelen te 


Menſchen zur Buͤßung gewiffer Verbrechen mit Koͤrpern 
verbunden worden, ſchon den aͤlteſten Dichtern und 
Theologen zugeſchrieben wird. Ich urtheile uͤber dies 
Fragment izo anders als ſonſt (Phil. Schriften dritter 


Theil S. 305.) und halte ed für einen Theil eines 


e . untergeſchobenen Werts. Wenn es aber auch nicht ift; 
. ſo enthält es unftreitig einen Irrthum. Denn weber 
im Homer noch im Heſiod noch in den ältern Bruchſtuͤ⸗ 

den der ſogenannten Orphiſchen Gedichte, noch in den 

‚ auverläffigften Quellen ber Philoſophie der älteften Py⸗ 
thagoreer trifft nıan eine Spur der Lehre an, bie der 
angeblihe Philolaus fo alt macht... Auch Plato wuͤrde 

in feinem Gorgias und Kratylus- beftimmter gerebet 
haben, anftatt daß er im leztern den Sokrates in einem 

faft ganz fherzhaften Tone fagen läßt, daß die Orphi⸗ 

ker vielleicht deßwegen hen Leib comc genannt hätten, 

weil er. gleihfam das Grab (oyue) ber Seele 


ey. 
9) Dan ſehe den Philolaus beym Plato in-Phaed. p. 27. 
und den Pythagoreer Eupitgens beym Athendus, I 





% 
{ 


Geſchichte Ber Pythagoreiſchen Geſellſchaft. st 
Ungeachtet man von der Seltſamkeit der Meynun⸗ 
gen des Pythagoras Über bie Natur und Entſtehung aller 
Dinge, und von ber Sinnlichkeit feiner Vorftellungen 
von der Seele nicht auf eine ähnliche Unvolllommenheit, 
und Unvollftändigkele feiner Ethik fchließen darf (denn bie 
erftere konnte ſchon fehr erweitert ſeyn, wenn bie erfiern 
Unterfuchungen noch fehr mangelhaft waren); fo kann 
man doch aus dem gänzlichen Stillfchweigen des Plato, 
ausben faft äberreinftimmenden Nachrichten der Alten, daß 
Sokrates bie Philofophie zuerft in die Städte und Woh⸗ 
nungen ber Menſchen eingeführet, endlid) aus einigen . 
Zeugniffen des Ariftoteles nicht anders vermuchen, als 
daß die wiffenfchaftliche Gittenlehre, die Phthagoras fels 
nen Freunden vortrug, doch immer noch fehr eingefchränft, 
und feinen übrigen $ieblingsideen entfprechenb gewefen fen. 
Der lezte große Schriftſteller nennt zwar den Pythagoras 
* Nm 5 ben 
bier dem Klearch folgte. (IV. 14. p. 187.) 
 Ev&ideos 0 Iludayoemos » Nix, os Qnei 
KXeaex.os 6 Ilseıgarnrınes sv deuraga Bıav eis- 
ver, evdedesIa To cayuarı naar To devem da 
ræœs amarray \Vuxas Tıumeias Yosaıy, Ne 
diesmaoIas Tov Ieov, os ei un KEVEEW ERITETAR 
das av Ina auras Auay wArscı ai Melon 
EUTIEBITaL Tore Auumicdw mavras suAu[de- 
peas u en Ooßeie9aı nd] Env dureg 
enfnvaı. . Wenn: Cicero dieſes Verbot des Selbſt⸗ 
mwmaordes bem Pythagoras felbft zuſchreibt; fo irrt er 
eben ſowohl, ale wenn er mit tem Philolaus beym 
Siemens die Lehre von der Begrabung der Seelen im 
den Körper für eine allgemeine Meynung ber älteften 
| Dt Halt, . Man fehe Ipfius fragım, p. 60. Edit, 
meh. —- . 











— - 


t 


552 Drittes Bach: 


den erſten Lehrer ber Ethlk; er (ei aber zugleich bin, 
daß dieſer alle feine Betrachtungen über Tugend u 
Gluͤckſeligkeit auf Zahlen zuruͤck gebracht babe*). * 
Nachricht des Ariſtoteles allein wäre ſchon. hinreichend, 
einen jeden von der Unächtheit ber meralifchen: Fragmen 
der Pythagoreer zu überzeugen, bie Oale aus dem St 
baus und Jamblich geſammlet, und aus denen Omi 
feine ungereimte Prrhagoreifche Sittenlehre zufammm 
gefezt hat. 
— Wenn man aber den Pythagoras als Menſche 
lehrer und Sittenverbeſſerer bewundern, und feine großa 
Verdienſte in ihrem ganzen Umfange kennen lernen wil; 
ſo muß man nicht fragen, ob er neue, und welche bi 
‚dahin unerhärte Meynungen er vorgetragen, fondern we 
che Grundfäge er und feine Schüler ausgeübt, und in kl 
liche Sebensregein und Gewohnheiten verwandelt habe 
Nihht die Erfindung eines ganz neuen Syſtems erhob in 
“ über alle feine Zeitgenoffen, und gab: ihm unſterbliche 
Ruhm, ſondetn die Bildung vieler vorweflicher Männer, 
durch. die Anwendung von Lehren, beren größten Til 
. man fon vor ihm für Wahrheiten. gehalten barte, di 
man ferner alle nad) feiner Zeit ſchoͤner und meitläuftige 
ausführte und bearbeitete, - die. aber niemand befler ge 
brauchte und treuer befolgte, als er und feine Fremde*) 
Die ganze Einrichtung feiner Geſellſchaft verrärh di 
reinſte und erhabenſte Sittenlehre, und wenn ich alfo m 
diefer noch umftändlicher reden wollte; fo würde Id di 
Geſchichte von jener nur wiederholen: müffen, y | 
di 














. 9 Megn. Mor. 1. 2. 
“ Siehe di bie dritte Veylage am Ende dieſes Kapitels. 


2 


Sacciu der Bohheborelhen Seſelſhaft. 553° 


Ale übrigen Wiffenfchaften ,. bie Pythageras ent· 
weder mit Beobachtungen, oder Demenftratienen, ober 


auch mit Vermuthungen beteicherte, waren zu feiner Zeif gu 


eben fo duͤrftig und unvollſtaͤndig, ats die Philoſophie, 
und man hafte eben fo menig baran gedacht, ‚jene von 
einander abzufondern, als.hiefe in ihre Theile. zu zerle⸗ 
gen Die meiſten Gattungen. von Kenntniſſen, die may 
nachher in einzelnen für ſich beſtehenden Wiſſenſchaften 
ſammlete, hatten entweder noch gar keine, oder doch 
nicht die Natchjen erhalten, die man ihnen in der Folge 
beylegte): und alle waren noch fo eingeſchraͤnkt, daß ein. 
einziger, nicht gemeiner Kopf, fie ohne Mühe umfpannen, 
und zu einer jeben noch etwas hinzuſezen konnte. Auch 
Pythagoras forfehte, nach bem Beyſpiele ber ätteften Dich“ 
ter und Weifen ſeines Volks, nach allem, was ih feinen 
Zeitafter tiffenswürdig war, und wandte es zum Nuzen 
und Gluͤck, oder doch zur Aufklaͤrung feiner Freunde und 
Zeitgenoffen an ”). Durch feine Erfahrenheit in ber 
Arznepfunde erwarb er ſich umd feiner Gefellfchaft ein 
großes Anſehen, wie ich oben gezeigt habe, und verbefs - 
ferte vieles: in der Diäterif überhaupt, befenders aber 
in ber für Kämpfer und Fechter. Schwerer aber, oder 
vielmehr unmöglich iſt es, die Heilmittel und die Heilart 
zu beflimmen, "deren fi die Pythagoreer in einer jeden 
| Mm s Krank«⸗ 


fe I 








9 So hieß zum Beyfpiel die Geometrie ssiogın, wie Strabs. 
und ein Ungenannter beym Jambl. S. 89. bezeugen. 
en) Der trübfinnige Heraklit warf dem Ppthagoras, Hefios 
bus, Hekataͤus und Kenophanes ihre Vielwifferey vor, u 
, und fagte; wohunadın voo⸗ & drdesaneı. ap. Dietx. 
Im 1. 





554 ° Drittes Buch, 

Krankheit bebient Haben. Es beruht nur allein auf 
nem verworrenen und verdaͤchtigen Fragment eines unbe: 
kannten Schriftftellers beym Jamblich *), daß Pprhas 
goras Pflafter viel Häufiger, innere Arzneyen aber‘, wie 
Zeuer und Meffer, viel’ weniger, als feine Vorgaͤnger 
gebraucht babe. Wahrſcheinlich iſt es unterdeffen aus 
bem Gange menfchlicher Kenneniffe In andern Zeitaltern, 
und unter anbern Völkern, daß bie Pythagoreer geſchich 
ter in der Heilung von Wunden und dußern Werlegungen, 
als In ber Ueberwindung beit im Imern wathender 
Uebel geweſen ſeyen. 


Die Regeln ber Arithmetit afanden bie P Parka 
goreer, ober bewieſen fie body zuerſt, und trugen fie In 
wiffenfchaftlicher Ordnung und Form ner **). Auch hier 
laͤßt es fich nicht mehr beſtimmen, welche und wie viel 
Derbienfte Pythagoras und beffen Schüler um diefe Bil 
- fenfchaft fich erworben, und in welcher Seſtalt fie fie 
Binterlaffen haben. Wenn es ausgemacht wäre, mas 
Ariſtoxenus verficherte ***), daß Pothagoras zuerſt rich⸗ 
tiges und uͤbereinſtimmendes Maaß und Gewicht In 
Griechenland. eingefuͤhrt habe; fo würde dieſe wichtige 


WVaerbeſſerung bes Handels und Wandels unſtreitig die 


“ wöglichfle unter allen Anwendungen ber Zahlenlehre gewe⸗ 
Inn). 





©) 16%. . Jambl. - 


%*) Ai. I. 5, Met, 
“#8, VIII. 14. Diog. 


. 


+) Na dem Diflard (ap. Jambl; 46.) und. Sicero nannte 


Ppthagoras die Erfinder und Erweiterer ber er Spiace 


Geſchichte der Pythagoreiſchen Geſellſchaft. 555 
Wenn man ben berühmten Pythagoreiſchen Sehr: 
faz ausnimmt ®), nach deſſen Erfindung Ppehagoras 
ben Mufen opferte ; ſo kann man aus alten und glaub» 
würdigen Schriftftellern Feine andere wichtige Entdeckung 
anfuͤhren, womit er die Geometrie bereicherterhaͤtte. 
Dieſe am wenigſten ſtreitige Erfindung des Pythagoras 
zeige aber, In welch einem Zuſtande nicht nur die Wiſ—⸗ 
fenfchaft, zu der fie gehörte, ſondern auch alle mit ihe 
verwandten Kenntniffe ſich im Zeitalter bes Porhagorss 
befanden, und wie unwiſſend diejenigen“ waren, welche 
behaupteten, daß Pythagoras, der gleichſem nur einen 
der erften Grunbfteine der Meßkunſt legte, zuglelch das 
ganze Gebäude derfelben vollendet habe **). 

Die Ueberbleibfel der Aftronomie ber ätteften 
Ppythagoreer beftehen entweder In Erfindungen, von bee 
nen es zweifelhaft ift, ob fie von ihnen, ober In ihrem 
Zeitalter gemächt worden, oder auch in kuͤhnen, undes 
wiefenen und grundlofen Vermuthungen, von denen eine 
jede unwiderſprechlich für die Kindheit dieſer Wiſſenſchaft 
im Zeitalter des Pythagoras zeugt. In die erſte Claſſe 
von Fragmenten der Sternfunde dieſes Weltweiſen ſeze 
ich die Entdeckung der Schlefe ber Ekliptik, die Denorle 
bes von Chios ihm entwandt haben foll***): und nicht 
weniger bie DVerfertigung einer Himmelskugel, . deren 

Um⸗ 

— — 

die weiſeſten unter den Sterblichen, und man kann da⸗ 

her mit Recht an der t Erzählung des Aelian (IV. 17. Var. 

HR.) zweifeln, daß er diefen noch die Erfinder von | 
Zahlen vorgezogen habe. 

6) Diog. VII. 12. 


®%) Timeeus ap. Diog. 1. e. 
es8) Steb, Bel, Phyf. p. 53. 














, - NL 


559; | HDrittes Buch. a 7331 
Unmdrehung ben Bewegungen der himmliſchen Koͤeper ent⸗ 
ſorochen hätten ), und daß ber Hesperus vom Phos 
phorus nicht verſchieden ſey **). Wahrfcheinlich alt und 
aͤcht Pythagoreiſch, aber von einer ganz andern Art, alt 
bie verhergehenben Bedanfen, , find folgende: daß ale 
| Geftirne und .felbit die Erde fi ch entweder um ein im 
 Mittelpunete der Welt ruhendes Feuer, ober baf auf 
die Sterne allein ſich um die ruhende Erde herumbeweg 
ten *), daß ferner ein jebes Geſtirn eine eigene Welt 
| gusmace }), daß es außer den neun Kreifen oder Sphaͤ 
ren. „bimmlifcger Körper, von welchen die Griechen glaub 
ten,. daß die Sinne ſelbſt fie uns offenbarten, noch einen 
zehnten Himmel oder. Erde gebe, den die Pythagoreer, 
wie Ariſtoteles ſagt, bloß um der vollkommenen Zahl 
Zehn willen annahmen t}), daß bald dieſer Antichten, 
- bald die Erde die Urfache der Miondfinfterräffe-feytzt), daß 
0 en nn ve 











— 


20) Hagefianez, ep. Athene, XII. 8. p. 599. 
9°) Dieg. VIII. 14. Stob. p. 54. Apellodor. ap, eund, p.$f. 
2) Diog. VIII. 25. I, de Coela. Ariſt. 13. Pbilel, p. 51. 
ap. Stob, Eel. Phyſ. Auch Altındon glaubte, daß all 
himmiſche Körper, Sonue, Mond und Sterne in ei⸗ 
ner unaufhörlichen Bewegung wären; (de Anim. 1.2.) 
und er alfo ſowohl, als die fibrigen Pythagoreer wa 
zen fehr weit von bet Vermuthung entfernt, daß alle 
Planeten fih um bie Sonne herum bewegten. Die 
fen Gedanken hegte, na dem Zeugniffe des Then 
‚phrafts, Niketas von Syrakus zu allererft unter den 
| Griechen, (Acad. Quscll, IV, 39.) der ihn vber nicht 
ſehr wahrſcheinlich gemacht haben muß, weil keiner der 
ſpaͤtern Griechiſchen Aſtronomen ihn angenommen 
at. 
‚D Ap. Steb. 53. | 
4) Mel L 5. de Coslo. u. 13. 
rt) Ariſt. et Heraal, Pont, 7 s: ob. p. &. 





— 


8 


Seſchiht ber Phehadeteſthen Geſlllchaft 557 


die Kometen, oder vielmehr der Komet denn fie ſchei. 
nen hur einen einzigen angenommen zu haben) ein res 
Stern ſey, der aber nur felten ſichtbar werbe*): daß man 
die Milchſtraße für nichts anders,‘ als für einen wirkli⸗ 
chen Wen balten koͤnne, der entweder durch einen aus 
feinem Kreiſe gefallenen Stern, oder auch durch die 
Sonne, bie ſich bismellen dorthin bewege, entzündet 
worden: und daß endlich die Sterne durch ihre Bewe⸗ 
gungen eine vollfommene Harmonie machten **). Ih 
nen ſchien es unmöglich, daß fo viele Himmlifche Körper 
ſich fo ſchnell heruzsmälgen‘, und gar einen Laut hervors 
bringen follten; und fie ſuchten daher aus erdichteten 
Entfernungen derſelben, die man beym Plinius angege» 
ben finder ***), zu beweiſen, daß fie die herrlichfte Muſik 
erzeugten, bie wir nur deßwegen überbörten,, weil fie bes 
ftändig fortdaure, und unfere Ohren gleichfam durch fie 
betäube und unempfindlich geworden feyen +, Mit 
Recht warf Ariftoteles den Verrheidigern ſolcher Meynun⸗ 
gen vor; daß fie nicht von forgfältig' angeftellten Beob⸗ 
achtungen uwüsgegangen feyen, und daß fie ihre Raͤſon⸗ 
nements niche nach wirklichen Erfcheinungen zu berichtis 
gen , ſondern unläugbare Erfcheinungen durch willkuͤhr⸗ 
ich angenommene Säje zu verdrehen gefucht hätten +f). 
Sterns 
— 
“) Arift. Meleoral. I, 6. 
“0, de Coelo II, 9. 
‚ *“#) 1], 21. 
+) Ari. 1, ©, Somn, Selp. 0, 5. Plin, II. 32. 
+t) Ari. de Coelo ll. 13. vasrios co ee ıyv Iradıay, 
“run ds IuIayseuoı. Arysow. 851 MEY ‘Yoco 
. T8 








rn 





N 
„ 


5588 Drittes Bud, 
Strrnkunde und Tonkunſt hielten bie Pythagoreer | 
far genau verwandt , und nannten fie daher Schweflen, 
oder verſchwiſterte Wiffenfihaften *).| Ungeachtet Pr 
thagoras weder der erſte noch der einzige unter ben Griechen 
war, ber die Mache der Muſik über einzelne Perfonen, 
und den Einfluß derfelben auf die Bieten ganzer Voͤlker be 
‘merkte, der ferner bie Tonkunft zur Heilung von Krank: 
heiten ſowohl, als zur Erregung oder Beruhigung von 
beidenſchaſten brauchte; ſo war er doch, einer faſt allge— 
mein fuͤr wahr anerkannten Ueberlieferung zu folge, da 
erſte, der fie auf gewiſſe Regeln zu bringen ſuchte, und 
der die nach ihm gewoͤhnlichen und. ſtets beybehaltenen 
Kunſtwoͤrter einfuͤhrte. Ueber dieſe vom Pythagoras 
‚ erfunbene Theorie der Muſik ſchwelge ich ganz, meil ats 
I dere ſchon genug davon geredet haben, und ich ſelbſt nur 
ein Bewunderer, aber kein Kenner dieſer Kunſt „bin | 


Man braucht aber das lite ahht zu fepn, um einzuſe 
| | | ben, 
| ”._ — — — 
78 eos Tue an Dacı. rw de vum, don 
re 77173 7777 xunAm Degonevnv TeQı To nero, 
— vuxr TE KO NEEEV TROIEN. er Evavrıav al 
Any reœurn —2 ym, m avrıydan 
ovopeœ KaAacıy. 8 eos To Dawonsva Tas Aoyss 
Kos TE ITIOS CHTEVTEs, AA eos Tıvas de 
u Zus xars Aoyas- auren-wa Daıvomevos meer 
- res, RO MEIGOMEVO SUYKoouen.otMetaph.]. 5.“ 
| TuQı be TETOV 89, TETOv ameDmayTo Tor Tr . 
Tv naı Reg TE Tı eg nofavrd per Aayenı a 
—R ——⏑— —⏑—⏑—⏑ —o— — 

— 

9 VII.p. 104. de Repahl. Plat. Ed, Malle. 





\ 


Gecchichte der Pythagoreiſchen Geſellſchaft. 559 


hen, daß vieie von den Wundern, bie Pythag otas und 


ſeine Freunde durch Di verrichtet beben ſollen, adich⸗ 


tet find, *). 


Erſte Beyle, zu S. 524. 


Kr führe Hier nur das einzige Benfpiel eines fonft ver⸗ 


dienten Mathematifers, Erhard Weigels, an, den 
Leibniz in Jena hörte, und gegen ben er, während feines 


ganzen Lebens, unter allen feinen Lehrern Die größte Hochs . 


achtung behielt. Dieſer fcharffinnige Kopf fliftete eine 
eigene Pythagoreiſche Gefellfchaft, die an gewiſſen Tagen 


zuſammen fam, und ihre Entdeckungen über die wun⸗ 


bervoflen Eigenfchaften ber Zahlen vorlas und prüfte. Er 


ſelbſt gab eine Arithmetifche Befchreibung der Mo: 
ralweisheit von Perfonen und Sachen, worauf . 


das gemeine Weſen beſtehet, nach der Pythagorei⸗ 
ſchen Kreuzzahl in lauter tetractyfche Glieder einges 
theilet, 1674 zu Jena heraus, in welcher er alle haͤus⸗ 


liche und bürgerliche Verhaͤltniſſe, alle Stände, Befchäfs 


figungen und Pflichten kleiner oder t größerer Geſellſchaf⸗ 
ten 








9 Dan ſehe bie Scriftfteller ap. Porpb, 30 - ‚93. °p- 
. 64. 110-112. 163. 195. 224. Die ältern 
Shriftfeller ber Griechen find über das Inſtrument, 

‚ was bie Ppthagoreer allein, oder vorzüglich geliebt has 








ben follen, nicht einig. Mehrere fagen, baß fie die. 
Floͤte verworfen, und nur bie Leyer beybehalten hätten; 


beym Athendäus hingegen heißt es, daß Euphranor 
und Archptas fiber die Floͤte gefihrieben hätten, Ath. 


UIV. ep. ult, welche verlohrne Werke ich aber geneigt 


bin fuͤr untergeſchoben zu halten. 


J 


es 


5660. Drittes Buch. 
ten aus den. Zahlen erflärte, und auf Zahlen grän 
dete. Ich will nur einige Stellen auszeichnen, Wie 


bie Zahlen (heißt es ©. 11.) Ihrer Progreffion nach, von 
kleinern zu größern forsfchreiten, und zwar alfo, daß 


u zwar die Fleinfte Zahl, Eins, gewiß befannt, die groͤ⸗ 


Bßeſte aber nicht zu benennen ift, aufer nur refpedtive, 
als vier: ‚dahin auch vier Ausfprehungsfluffen „als 
nach der dekadiſchen und Zehnerart, Eins, zehen, hun- 
„Bert, tauſend ; oder nach der tetraktyſchen und Wler⸗ 
lings oder Kreuzart, Eins, Vier, Sechzehn, Schock 
(vier und ſechzig) gezogen werben koͤnnen; alſs gehen bie 
Menſchen Ihrem Alter nach von der Pleinften Kindheit an 
immer weiter fort‘, body auch alſo, daß der ältefte 
Menſch eben fo menig, als die größefte Zah zu benennen: 
als nur relpedtive, dahin gleicher Geſtalt die vier en 
dentlichen Alterfiuffen zielen, da der Menfch if, 
1. ein Kind, 2. ein Juͤngling, 3. ein: Mann, 4. ein 
Greis (©. 14.). Ebenermaßen gleichwie ber Menſch, 
jeder vor ſich, der untheilbare Grund, und die ſchlechteſte 
Wurzel der moraliſchen Verſammlungen und Vielheit iſt, 
fo ſich ſelbſt weber in fich, noch in mehr andere Menſchen 
zertheilen läßt; noch vor fich allein, ſich multipliciren 


kann; alſo giebt Mann und Weib den Urſprung nicht 
allein aller Vergleichungen im gemeinen Weſen, ah 
unter fonft fremden Famllien, weil das Weib dem 


- Manne gleich, je mit. ihm gar Eins‘, und dadurch eine 
Familie mit der anbern. vereinigt wird; ſondern auch der 


Brunnquell aller Fortpflanzung und Multiplichrung des | 


menfchlichen Geſchlechts: Mann, Weib und Knecht 
aber hält in fich den Anfang alles Ueberfluſſes und ber 


Ungtiapel, weil der Koecht außer der damit, mr 
Ä Ge⸗ 





GSeſchichte der Vhthooielſchel Eehiſhaft 361 


eſchiechtsgeſellſchaft faͤle, und geringer ale Here unb. 
Frau su achten. Wenn aber zu dem Mann, Weib 
und Knecht auch das. Mind von Bott beſcheret wird, ſo 
gibt es eine vellkommene häusliche Gefellſchaft ©. 17. 
Sim Krieg, da man die Zahlen einzelner Perfonen, ber 
benöthigten durchgehenden Stellung wegen, nicht alle 
role zu Friedenszelten im gemeinen Weſen, oben Gin, 
und überhaupt, ſondern jede vor ſich genau beobachten 
muß, fieher man augenfcheinlich, - wie gleichſam Geiſt 
und Kraft, fo wohl zum Streit als zum. Commando, 
von den Zahlen, und von den Figuren, Darinn fie ſich 
ſchicken, herkommen. Wie dann Die Kriegsführung 
deßwegen ganz und gar nad) der Rechenkunſt, und nad) 


den Eigenichaften der Zahlen eingerichtet worden. Und  - 


mie wohl die nach richtiger Zahlenmanier geordneten Sol⸗ 
datenhaufen, wie die bisher uͤbliche Praxis ausweiſet, 
ſchon ziemlich nahe ſich in ſpecie nach der Vierung 
richten; fü würde doch, meines unmaßgeblichen 
Erachtens , noch ein größerer Vortheil daben fegn, wenn 
man im Krieg die, vor allen Zahlen fo vortrefliche Biere 
noch genauer beobachtete, und durchgehends verordnete, 
dag vier Soldaten ein Glied ober Motte machten, und 
dahero 16 eine Corporalſchaft 64 das iſt ein Schock, 
eine Compagnie, ‚ bier ſolcher Schock eine Majorfhaft won 
256 Mann, ſechs Schock ein Regiment von 1824 Mann, - 
ein Schock mal Schod eine Genetalmajorſchaft von 4096 
Mann, vier Sche mal Schock eine gemeine Armee . 
don 16384 Mann, fehs Schock mal. Schock eine 
Hauptarmee von 65536 Mann, welches, was es dor 
einen ſonderlichen Vortheil habe, zu anderer Zeit weiter 
ausgeführet werben fol, — Endlich S. 88. 39. Dieſe 

mn (die 


— 63ODrittes Buch. 


(die negativen Zahlen) werben zwar mit eben ſolchen 
Ziffern bezeichnet, aber fie haben dabey glelchſam einen 
Fieck an ſich, wie die Juden, newlich das Zeichen (-) 
welches fie allezeit vor fich tragen, damit man fid vor 
ihnen vorfeen kann, als — 4 — 6. Das ift eine Miß 
Vier, eine After Sechſe. Dahingegen die gültigen ZI 
fern entweder "gar fein Zeichen ben ſich haben, ober ſi 
tragen das Zeichen eines aufrichtigen Kreuzes ver fih, 
als 4. 6. u. ſ. w. Eben alfo kommen bey vu 
politiſchen Rechnung nicht lauter gültige Perſonen vor, 
ſondern auch mißguͤltige, mißhandelnde Miſſethaͤter, un 


"year entweder ganz Mißguͤltige, ober nur zum Thel. 


Decrer gzanz mißguͤltigen werben etliche beym Staat gr 
gnaͤdig angeſehen, und nur vor Nichts gerechnet, di, 
mit einer bloßen Nulla bezeichnet, fo lange in der Gr 
.  meinde ale natürliche Perfonen gelitten werben, dergle— 
cen find, bie inlames, bie Unehelichen, denen alı 
Aechtbarkelt und Geltung abgeſprochen, nur daß fie det 
natürliche-Seben noch behalten: zu welchem bie zum mb, 
gen Gefängniß verdammte gar nahe treten, u. ſ. m. 
Beylage zu S,54& 

I diefem Abſaze habe ich die Sehre der älteren Pytha⸗ 
goreer wor göttlichen Naturen fo vorgeſtellt, als ich ft 
nach den meiften mit. einander vereinbaren Erzählung 
alter Schriftſteller gefunden habe. Ich will aber doch 

“auch die wichtigen ihnen entgegenſtehenden Zeugniſſe nich 
verſchweigen, die einem’ jeden In dieſer Unterſuchung 
wenigftens einen entfcheidenden Ton unterfagen mil 

BBB | Ein 


— 











Geſchichte der Pythagoreiſchen Gefelfchaft. 363 


iner Nachricht des Arifloteles nach *) nahmen bie Py⸗ 
jagoreer zwifchen den unfterblichen Göttern und den 
Renfchen nicht zwo Claſſen übermenfchlicher Maruren, 
ndern nur eine einzige an, entweber bie der Dämonen, 
yer die der Helden, und in. dieſe Claſſe fezten fie den 
Ipthägeras. — Das goldene Gedicht erwähnt zwar 
"7 Dämonen ſowohl, als der Helden; allein es laͤßte 
e leztern gleich auf die Goͤtter folgen, und vor. den Dis 
onen vorhergehen **): eine Rangordnung, die nicht 
ar wider die herrſchenden Volksbegriffe, und die Ste. 
n der alteften Dichter ***), fondern auch wider alle 
eugniffe der glaubmürdigften Geſchichtſchreiber Prtha⸗ 
oreiſcher Meynungen laͤuft. — So wie man ferner durch 
as Wort: Seelen, oft die Daͤmonen ſowohl, als bie 
jeden ausdruckte; fo fcheint man auch biewsilen, wie . 
lato, "die Seele durch Auıuav bejeichnet zu Haben, wis 
| folgenden Verſe des goldenen Geihsev. 6. 
Es mucıw deifaıc, co To dasmavs Keawrat. 
Denn man endlich voraus fest, daß die Pythagoreer 
e Dämonen für folche Naturen gehalten, als id) fie 
ich dem Ariſtoxenus und Ariftoteles befchrieben, und 
(6 fie fie aus Dem göttlichen Aether entfprungen.geglaube 
den; fo ift es ſchwer zu erflärem, wie fie nicht nur 








te, ſondern auch böfe Dämenen annehmen, und zur . _ 


bwendung ober Befänftigung ihres Zorns gettesdienft« 

h Handlungen und Gebräuche erfinden konnten }). 
Ne Auch 

— —— — 

—3 * ar. .r Jambl, 


YAM u v. 158. 








“ 


64 Drrittes Buch, 


Auch Plutard *) nennt den Pythagoras uf 
denen, welche Die Dämonen in gute-und. böfe eingethell 
hätten ; allein er verdient hier. eben. fo wenig Glauben 
als wenn er dem Plato dieſelbige Meynung, aber dm 
eben ‚genannten Philofophen bie Lehre von zweyen enig 
gengefezten Principlis zueignet er), Mir kommt es im 
mer ſehr unwahrfchelnlich vor, daß die älteften Paris 
doreer, welche fagten, daß man bie Gnade der Gi 
nicht; durch reiche Opfer und Geſchenke, ſondern dur 
ein reines Herz gewinnen koͤnne, und zu gewinnen fu 
muͤſſe, bösartige, menfchenfeindliche Dämonen, derak 

chen weder die Griechen im hohen Alterthum, noch cu 

- Homer und Hefiobug kannten, gefürchtet haben folts 
Noch unglaublicher aber iſt es, daß fie aus elendem Alt 
glauben ſich von fa vielen Dingen enthalten hätten, # 
beym Diogenes ***) verzeichnet ſtehen. Hingegen et 
ich folgende Lehren, bie ihnen zugeſchrieben werden, ſt 
aͤcht: daß die Goͤtter und Dämonen bie Schicjalt | 
Menſchen regierten, daß fie fo wohl das Gute, als W 
Widrige, was .diefen begegne, veranftalteten, dah mi 
daher feinen Willen dem Willen diefer höhern und mi 
fern Naturen unterwerfen, und felbft alle unangenehr 
Zufaͤlle mit Geduld und Ergebung annehmen und er 


gen müffe *), 
| GE W 


°) VII, 423. de If, et Of. 
j — pP. 460. ib. W 
ss) $, 33. , >. " ur . 
4) xenuura d @NAore nev uracden QaAnı, 
AMor oAsadar. > | 
| bocœrs dasmoryaı Tuxass „ (dgoros ænyi na. 
7 — u N 








\ 





Ertöihe der Pothehorcihen Geſellſchaft. 565 
Beylage zu ©. 552; 


Dan wichtlaſten Fragmente, aus denen ich die Grund⸗ 
ſaͤze der älteften Pythagoreer geſchoͤpft habe, und bie man 
meinem Urtheile nach als aͤchte Ueberbleibfel der Pytha⸗ 
goreiſchen Ethik anfehen fann, find des des Dikaͤarch 


beym Jamblich“), die des Ariftorenus**), ferner mans : 


che Stellen in. dem langen Abfchnitte des FJamblich***), 
in welchem von der Tugendlehre der Pothagoreer gehans 
beit wird, und bdeffen gröfter Theil aus dem Ariftorenus 
entlehnt if, endlich. der drey und zwanzigſte, und bie 


Hälfte des vorhergehenden Paragraphen Im achten Buche, 


bes Diogenes, welche, wie bie meiften Lehren im Dies 
dor +), entweder aus dem zulezt genannten Schriftſteller, 
oder auch aus dem Dikaͤarch entlehnt ſind. Vorzuͤglich 
merkwuͤrdig iſt das Fragment des Dikaͤarch, das die 
Lehren und Ermahnungen enthält, die Pythagoras bey 
feiner Ankunft in Kroton den ünglingen,. Knaben, 


Frauen und dem regierenden Rath in diefer Stade gege⸗ 


ben Hat, oder haben fol. Diefe Reden find nicht nue 


bes Pythagoras würdig, und feiner und feiner Sreunde 


Denkungsart gemäß 2 fondern auch bem Geiſte der Zeit, 


Anz — und 


av y noıgav eyns, meaus Deer, und" ævavæura. 
DasIaı de.mermeı naudonov duvn. ade de Dexgev 
s manu'tus ayadus TErav MoAuneX dıdman. 


v. 8 Carm. Aur, vid. Jambl, 174 217. 145-148. 
5 8. 





Porph‘, 39. 8. 
so 5,167. et lg. ze 
)) Ex. 554. et ſq. 


-_ 


7-58. 
*#) iv 100 - 102, Stob, X, XL, 6. 97% Serm. m. 


und dm Behkıfälfen ber Zubirer fo vollkommen ange 
‚meffen, daß man nicht anders glauben kann, als bei 
> Dikdards alte Denfmäler, ober unverfälfchte Urkunde 
— vor ſich hatte, als er. fie niederſchrieb. Denn alle Var. 
fhriften und Gedanken, wodurch Pothageras die ven 
ſchledenen Stände, Geſchlechter und Alter in Kroton je 
Tugend aufjumuntern ſuchte, werben entweder durch Tho 
ten und Beyſpiele von Göttern und Helden, ober durh 
bie Austegungen von befannten Stellen von Dichten, 
oder endlich durch glückliche Anwendungen von eigenthin 
lichen ‚Sebräuchen und heiligen Sagen der Krotoniota 
bewiefen, die Difdardy allein nur aus ältern E chrifte 
. wiffen konnte. Zu den Bruchftücken der alt» Porhag 
reiſchen Sittenlehre gehört auch die Erklärung deſſe, 
was Gerecht ſey, welches fie nach beim Ariſtoteles in ein 
ganz genaue Bergeltung fowohl des Guten, als des Bu 
fen fejten, was man empfangen babe.- Aoxe/ de Tiei 
wo To avrınamovdos ewoı mins dinassov weil 
& Tlv9eyogricı Dacay. V. . Nic. lib. I. M. M. 
34. IV. Eodem c. 3. 
Wenn man das —E—— » ſo beftimmt, MM 
ich izo gethan habe, fo war der Begriff ber Pythageren 
som Gerechten, glaube ich, gegen alle Einwendungen 
. fiber... Behaupteten fie hingegen, wie Ariſtoteles ih 
| Mepnung auslegte, daß die Gerechtigkeit darinn beftcht, 
einem jeben gerade das und fo viel zu geben, als man 
halten habe, und ihn genau eben fo, und auch fo wi 
leiden gu taffen, . als er Unrecht gethan; fo lehrten die 
Pothagoreer nicht nur eine bis zur Ungerelmtheit pünd 
liche, ſondern auch eine im unzähligen Fällen gar nidt 
aus fuͤhrbare Vodarvergelus. Ich van I 





Gelbiche der Potbageeien Seſelſchaft. 567 


baß Ariftoteles fie misverftanden habe; boch möchte ich 
nicht gleich mit bem Omeis und andern ſagen*), daß er 
ihnen vorſezlich eine laͤcherliche Meynung angebichtet. 
Mehrere Geſchichtſchreiber erzaͤhlen ferner**), daß 
Pythagoras ſeinen Freunden verbothen habe, bey den 
Göttern zu ſchwoͤren, und daß dieſe alſo entweder nie⸗ 
mals oder doch nur auf den Namen des Pythagoras und 
auf die heilige Tetraktys einen Eid abgelegt haͤtten. 
Eine ſolche Unterſagung von Eiden aber, die im buͤrger⸗ 
lichen Leben alleln dafuͤr galten, laͤßt ſich ben ſolchen 
Männern, als bie Pythagoreer waren, eben fo wenig 
als die Vertheidigung einer ganz genauen Wiedervergel⸗ 
tung denfen. Wie wiſſen überbem aus dem geldenen 
Gedichte ***) und aus dem Zeugniffe bes Diodor }), daß 
Pyothagoras über den Gebrauch des Eides nicht anders 
dachte, als alle vernünftige Menfchen In allen Zeitaltern 
gedacht haben, und als alle Richter und Staatsmaͤnner 
denken folten. Er rierh nämlich in allen feinen Reden 
wahrhaftig zu feyn, damit man der feperlichen Berhen 
rung der Wahrheit durch einen Eid nur felten nöthighabe: 
wenn man aber zur Exhärtung feines Worts die Götter 
zu Zeugen aufrufe ; fo muͤſſe man alsdenn feinen Eid uns 
verbeüchlich halten, und ihn eben fo heilig als einen Nuss 
fpruch oder Befehl der Bätter verehren. Zulezt will ich - 
noch eine Erklaͤrung ber Gluͤckſeligkeit anführen‘, bie Ps 
thagoras gegeben haben fol, und die Clemens aus dem 
Mau 4 Hera⸗ 


——« — —— 











°) p. 53. s. Bthie. Pythag. 
ee) Dean fehe Jabl, 144. 156, Diog. VI, 33. 
W209 
D 555. p. Exe, Eben fo muß auch bie Stelle des Ditlarg 
5.47. r Jambk, verſtanden werden. 


366 —_ Drittes Buch, 

Heraklibes anfuͤhrt *). Dieſem Schriftfieller zu Folge, 
nannte .er fie eine Wiſſenſchaft der Vollkommenheit Ber 
Tugenden der menſchlichen Seele, Biel deutlicher druͤckte 
ſich Heraklides im den oben angejogenen Stellen aus, mo 
er ſagte, daß Pythagoras die hoͤchſte Gluͤckſeligkeit und 
Beſtimmung des Menſchen in ein beſchauliches Leben ge 
ſezt Habe. Je oͤſter ich aber. der Weranlaffung dieſes Irt⸗ 
thums nachdenke, deſto wahrſcheinlicher wird es mir, 
daß Heraklides durch die Ausſpruͤche des Philolaus und 
anderer Pythagoreer über den Zufland der Seelen vor if 
rer Einfehriin die irrdifchen $eiber, und über Das menſchliche 
geben, ats einen Zuftand der Strofe, verführt werden fen. 
Diefe Lehren eignete ſich Plato zu, und zog entweder mit 
ihren Erfindern **), oder auch zuerſt aus ihnen die Folge⸗ 

rung; daß man aur durch beſtaͤndige Betrachtung der 
Wahrheit der Gottheit ähnlich werden, ſich von ben 
Feſſeln des Seibes ablöfen, und der einft genoſſenen reinen 
Geligkeit wieder theilhaftig machen koͤnne. Heraklides 
nun, und alle, die nachher in ſeine Fußſtapfen traten, 
‚glaubten, daß Pythagoras und deſſen aͤlteſte Freunde 
eben fo gedacht haͤtten, als Philolaus und Euxitheus, 
und daß fie ons denſelbigen Vorderſaͤzen dieſelbigen 
Schluͤſſe abgeleitet Hätten, bie Piato doraus abgeleit 
batte, 
— —— — 
8) Ste, 11, | . 
wr. Wir e Born u 2 249. ap. Stob, Ed. Phyf, 











up 


4 nen —— 


Seſhhichte der Pythagoteiſchen Geſelſchaft. 569 
Fuͤnftes Kapitel. 


Unterſuchnng des Alterthums und des Werths der 


wichtigſten Schriften ud Fragmente, die Pytha⸗ 


oorelſchen Weltweiſen jugefehrieben werden, | 








yf babe de Unterfuchung über das Anfehen und das 

)Aliterthum pothagoreiſcher Werke oder Ueberbleib. 
fel mit Fleiß bis hieher aufgefcheben, um mir Die unan⸗ 
genehme Mühe zu erfparen, dieſelbigen Sachen entweder 


zwepmal, oder auch am untechten Orte zu fagen. Denn 


— 


haͤtte ich die Fragmente der Pythagoreer fruͤher beurtheilt, 


fo wuͤrde Ich mir entweder ſelbſt haben vorgreifen, und 
manche Data und Facta, als einzelne aus der Kette der 


ganzen Geſchichte herausgeriſſene Glieder an foldje Eich . | 


len hinmerfen müffen, wo ich fie nicht gehörig beroelfen _ 


konnte; — oder ich würde auch gezwungen gewefen ſeyn, 


viele wichtige Punete in ber. Würdigung alter Denkmaͤler 
zmerdrtert zu laſſen. Jje hingegen, ‚nachdem id): bie 
wahre Einrichtung ber Pptbagereifchen Geſellſchaft, und 
die Beſchaffenheit ihrer Philoſophle vorgetragen habe, 
ſind die Gemuͤther der Leſer zu der Pruͤfung, die ich vorneh⸗ 
men werde, gehoͤrig geſtimmt, ſo wie auch die meiſten 
Zeugniſſe und Gruͤnde, worauf fie ſich flügen wird, ab⸗ 
gemogen und gefchäzt find. Es wird niemanden unglaubs 
lich oder befremdend mehr vorkommen, daß man dem 
Pythagoras und feinen Schülern falfche Schriften, gleich 
ſelſchen Banden, re babe, und daß Männer, 


$ Die 





570Drittes Buch, 


die die ungereimteſten Fabeln vom Pythagoras annah 
men, und die gaͤnzliche Verkehrung feiner Phllofe 
vhle nicht merkten, baß eben biefe auch nadjläffig in der 
Pruͤfung, und leichtfinnig im der Anerfennung unterge 
ſchobener Scheiften waren. 

Man wird vielmehr nach dem, was man. gefefen 
hat, geneigt ſeyn, mir Beyfall zu geben, wenn ich fage, 
daß man die Aechtheit von Schriften eben fo firenge, als 
die Glaubwürdigkeit dee Geſchichtſchreilber, und die Zu 

verläffigfeit einzelner Nachrichten vom Pythagoras un 
terſuchen müfle. 

Wenn man bie Bere der rischen und Möwer, 
vorzüglich diejenigen, die nach Chriſti Geburt fin 
geſchrieben worden, nicht bloß flüchtig nachgefchlagen 
und eingefehen, ſondern aufmerffam durchgelefen hat, fo 
follte man faft glauben, daß den berühmteften alten Did 

. tern, Weltweiſen und Rednern, eben fo viele falfce 
7 Schriften untergefchoben worden, als fie aͤchte hinterlaf 
fen haben. Die Zeiten aber, In denen man Buͤcher In 
GSriechenland erdichtet hat, find eben fo verfhieden, als 
Die Ürfachen diefer Betroͤgereyen, von denen ſich nur. 
Ä nige angeben ober errarhen laffen, andere aber ganz un 
-  erflärtich find. . Vielleicht wurben ſchon vor, oder doch 
gleich nach der Entſtehung ber Weltwelsheit, unter bem 
Mamen alter-Dichter oder Dichterinnen, falfche Werke | 
befannt gemacht, don denen man. einige fogteich ats um 
achte Waare verwarf, Die meiften hingegen ale ehe 
würdige Ueberbleibfel des Alterthums auerfannte und 
aufnahm. Alter Wahrfcheinlichfeie nach waren bie Vor⸗ 
„Reber und Einweiher In die Orphiſchen Geheimniffe noch 
vor dem » Beltalter ber fieben Weiſen bie erften in Grit 
chenland, 


x 





⁊* 





4 


GEececſchichte der Phthagoreiſchen Gefellfchaft. 571 
chenland, die Ihre eigene Probucte unter einem entlehn⸗ 
ten großen Namen verkauften, und angebliche Gefänge 


bes Orpheus, Mufäus und anderer, mit dem übrigen 


Pomp und Zubehör ihrer geheimen Fe pedlichkeiten in allen 
Staͤdten *) herumtrugen. Diefe Gaukler hatten fo viel. 
HR, oder die Griechen fo viel Aberglauben, daß fie ihren 
Geſaͤngen das Anfehen heiliger Offenbarungen, ımd ſich 


ſelbſt einen großen Theil der Verehrung berfchaften, bie_ ‘ 


man den alten Goͤttermaͤnnern erwies, für deren ächte 


Schuͤler fie ſich ausgaben. Miet: weniger’ glüdlicdh war 


Onemakritus, ber die Weißagungen des Mufdus ver« 
fälfchte, aber ertappt,, und diefes Verbrechens wegen 
vom Hipparch ans Arhen’verjagt wurde. Diefer Etrafe 
ungeachtet hatte Onomakritus viele Nachahmer, und zwar 


unter den erften Staatsniaͤnnern vom Griechenland, Denn 


wenn ein DVelfsführer feine Mitbürger zu irgend einer 


Unternehmurig anreisen oder davon abhalten wollte, fo 


fchob er einem alten Weißager oder einer Prophetin ; in 
deren Orakeln der allgemeinen Meynung nadı die Schick⸗ 
fale der Griechifchen Staaten verfünbige waren, Verſe 
von einem ſolchen Inhalt unter, die feine Abſichten bes 
günftigten, und Muth oder Niedergeſchlagenheit unter 


Biefer Art wurbe Peine ‚befannter, und-fam feine den 


‚Dem Volke hervorbrachten. Unter allen Berrägereyen 


Arhenienfern fo hoch zu ſtehen, als die vom Alkibiades. 


erdichteten Weifagungen ; worinn den Athenienfern bie 
Eroberung von Sicilien verfprochen wurde. Ein alter 
Did, Yon von Epios, befihulbigte ſelbſt den Potha· 


goras, 








Schift Hifteria dodtrinse de vere Deo, 


N 


-% Man fehe das legte Sapitel des zweyten Xheils meiner 


} 


- 8 


7a on Drittes Buch. 


etas, bob er feine eigene Gedichte dem Orpheus juge 
ſchrieben babe, und wenn dieſer Vorwurf Feine Verlaͤum 
- bung wäre; fo würde Pythagoras in der Folge durch die 
Andichtungen von Buͤchern nur das wieder gelitten haben, 


was er an andern verſchuldet hatte: freylich immer mit 


dem großen Unterfcheide, daß Orpheus wahrſcheinlich Daben 


‚ gewann, wenn Pythagoras Ihm Gedichte zueignete, und 


Diefer Hingegen immer. verlohr, wenn elenbe jüngere 
Schriſtſteller ihre: Arbeiten unter feinem Namen heraus: 
gaben. Se wenig wir aber im Stande find, die Gruͤnde zube 
flimmen, die ben Pythagoras bewogen haben fönnten, bem 


Orpheus feine Werke unterzufchieben; 


eben fo menig 


laͤßt es fech errathen, warum ſchon vor dem Zeitalter det 


erſten Gefchichtfchreiber des Pythagoras mehrere be 


_ rühmte Männer ſich Die Mühe gegeben haben, dem Epi 
charmus, einem alten Komiker ,..der für einen Schüle 
bes Pythagoras gehalten wurde, ” ihre Gedichte zuju 
eignen *). Wollte man- fagea, daß die Erdichter- vie 
leicht won eben dem Muthwillen getrieben wurten, bır 


den Dionys, und wahrſcheinlich auch 


den Heraklides 


reiste, Trauerfpiele, die fie felbft verfertige hatten, für 


Werke des Euripides auszugeben, um ſeyn wollende Ken 
ner Dadurch zu hintergeben ; fo muß ich geftehen, daß felbit 
biefer Muthwille mir ein Rächfel iſt, oder mir wenigſtens 


feine hinreichende Urſache zu fern ſcheinet, warum we 
den Zeiten bes Ariftorenus ſchon fo viele unaͤchte Schrif: 
ten einem einzigen Dichter, ber: viele andere Weitwellt 


und Dichter über fich hatte, untergefchoben wurden, Die 
| | De 








X 





) ariſtoxen. .p. Ath. XIV. ib, 648. p. 


— — 


t, . 
N Ä | ' 
{ h u 


t 


u Geſchichte der Pythagoreiſchen Geſellſchaft. 573 


Bewegungsgruͤnde aber mögen gewefen ſeyn, welche fie 
wollen; fo erhellt body. diefes wenigſtens aus ben von mir 
angejühetten Beyſpielen, daß Unterfehiebungen oder Ver⸗ 
fälfchungen von Schriften in viel ältere Zeiten fallen, 
als man fich gemeiniglich vorflelie, und daß bende auch 
im fernen Alterthum nicht felten waren. Zugleich iſt es 
wahrſcheinlich, daß man nicht bloß dem Epichatmus, 
ſondern auch andern aͤltern Pythagoreern ſchon vor dem 
Axiſtoxenus Buͤcher angedichtet habe; doch läßt ſich die⸗ 
ſes nicht durch ausdruͤckliche Zeugniſſe glaubwürbiger 
Schriftſteller erhaͤrten. | 
Alle falfche oder verfätfchte Schriften aber, bie 
vor dem dritten Jahrhunderte vor unferer Zeitrechnung 

in Griechenland verbreitet wurden, bedeuten nichts gegen 
die ungeheure Zahl ähnlicher Producte, die zwiſchen dem 
dritten Jahrhunderte vor Chriſti Geburt und dem erfien 
nad Chriſti Geburt erdichtet wurden, In diefem Zeite . 
raume gaben meiftens elende Schriftſteller, vorzüglich 
aus drey Urſachen, ihre Arbeiten für ächte Werke alter bes 
rühmter Männer und Völker aus. Die erfte Urfachewar 
Hofnung des Gewinns, den man zu erhafdyen dachte, 
wenn man angebliche Denfmäler bes Alterchums in die 
Bäaͤcherſammlungen zu Pergamus. und Alerantriin ver. 
Faufen Fonnte. So waren zum Beyfpiel nach dem Zeugs. 
niffe des Ammonius Hunger und Dürftigkeie die Triebe 
federn, welche die Verfaſſer Der vielen undchten Schriften 
des Ariftotefes in Bewegung ſezten, die in Alerandrien 
gefauft worden waren *). Eben fie waren allem Ver— 
u | Ä muthen 








— —— ⸗ ———— — 
*) Ammon, ad Ariſt. Categociasen, Mensg, sd DiogeniiLLib. 

vii. 9.35. IIroNopassor Toy | Pırader Por LAT 

. LEHE- 


SZ | Drutes Buch. 
muthen nach die Muſen, von denen dlejenigen begeiſtert 
wurden, welche faſt allen alten Hednern *) und Weliwei⸗ 


fen, und unter biefen auch dem Pythageras, oder ben 


Pythagoreern falſche Werfe andishteten**), Eine zweyte 
a U 


E 








— —— ze Ta: Ausereiliu owy- 
veæcnportæ, Ds Ka WEO Ta AUT Kosı XENKE- 
To dıdevas Teis NeoaDeascıy auto BıBras TE 
Direeods. dev Fu es Xennarısacdai Bsroue- 
vo, EnsYeaDorres vyyozupata, TO TB Di 
A000Dde ovouaTı Reoonyov. apaAnı, Das ey 1 
peyamn BıßAsoInen evenodon, AvaAvrızar 
pe, rscouganovre BıldAas. Karıyogiov de, 
dvo. &c. Wenn dem Uriftoteles gleich nach feinem 
Tode, da feine größten Zuhörer noch lebten, ſchon fo 
viele Bücher untergefhoben wurden, fo kann man fih 
sorftellen, wie unverſchaͤmt biefelbige, ober ähnliche 
Betrüger gegen die Ältere Weltweifen, befonders den 
Pythagoras gewefen feyen. Nirgends kommen mehr 
‚angebliche Sragmente bes Pythagoras vor, als beym 
Stobaͤus, der auch dad goldene Gedicht dieſem Welts 
weifen zueignete Serm, p. 36. Baf. 1549. Da ich fie 
aungemerkt habe, ſo wiil id für einige Leſer, die fie 
‚.. vielleicht ohne vieles Nachſchlagen einmal leſen moͤchten, 
„die Seiten anzeigen, wo fie fie finden Binnen. Sie 
’ ftehen S. 3. 37. 58. 8I. 82. 140. 747. 149. 168, 573. 
Drie meiſten diefer Sprüche find fo allgemein ausgedruͤckt, 
| daß jie ein jeder Weltweifer gefchrieben haben, und man 
ſie alfo aus inmeru Merkmalen- auch keinem einzigen 
abſprechen fann. nn 
“), Man febe die Ursheile bes Dionys von Halikarnaß, Über 
die Griehifhen Redner, in denen er-die Achten Werke 
derfeiben von den untergeſchobenen durch gewifle 
Merkmale zu unterſcheiden fycht.. 
, #4) Dergleichen waren bie vielen erdichteten Schriften, der 


sen ſchon Sotion und Hetaklides, Serapions Sohn, 
\ erwaͤhn/ 





—;X 


Geſchichte der Pythagoreiſchen Sefellfchaft. 575. --. 
Urfache der Buͤchererdichtung in ber vorhin angezeigten 
Deriode war die Begierde gräcifitter Barbaren, ihre | 
Nationen in ein fabelhaftes Alterthum und zu Sehrerinnen 
ber Griechen zu erheben. In diefer Abficht erdichtete - 

man nicht nur angebliche alte Geſchichten und wiflenfchafte 
liche Werke, in benen die Kenntniſſe der Griechen von 
fremden Völkern abgeleitet wurden, fondern man ſchob fogar 
berühmten Griechiſchen Schriftftelleen Bücher unter , in 
benen fie entweder von fich felbf ober. von ihren Sehrern das 
Belenntniß ablegten, daß fie Ihre Weisheit auslaͤndiſchen 
Prieftern und Ppitofeppen zu banfen hätten. Ich will 
bier ‚nicht die Beyſpiele wiederholen, womit ich die lege 
‚tere Behauptung oben bewiefen babe: aber ich fannes - 
nicht unbemerft laſſen, baß bie angebliche Schrift bes : 
Pythagoras, bie heiliges Wort *) überfchrieben, aber - 
von den Büchern gleichen Titels, bie Diobdor, Diogenes 
und Apollenius**) anführen, verfchieven war, wahre 
ſcheinlich deßwegen erbichtet wurde, um die Griechen durd) 
das Zeugniß des Pythagoras felbft zu überführen, daß 
er feine Kenntniſſe in den Oeheimniſſen ber Thracler und 
anderer Nationen empfangen habe. | 


Die 








» 
am _ 
s 


erwaͤhnten, und von beren einigen die Titel angegeben, 

. werben VI, 7. ap. Diog. ferner der seeos Aovos 

beym Diodor 1. 110. p. Ed. Weſſ. der mit dem beym 

. Diogenes wahrfcheinlich dinerley war, endlich der Brief, 

* den Neanthes für untergefhoben'erklärte VIH. 55. ap. 

. Diog. und die vielen falfchen Pythagoreifhen Bücher, 
über welche Apollonius tlagte ap. Jambl, S, 1. 


Jambl, e. 28. 5 7 F | 
MS, 254° Ä ZZ vv 








"576° Drittes Buch. 
1 Die dritte Haupturfache der Blcherunter ſchichent 


⸗ 


unter den Griechen war der nach dem Alexander in Orie⸗ 
chenland, und bald darauf in Itollen uͤberhand nehmande 
Glaube an Sterndeuterey, Beſchwoͤrungen, und ale 
übrige Theile der Magie, die anfangs nur von Ehaldälr 
ſchen, Perſiſchen und Aegyptiſchen Ebentheurern, fpäter 
aber aud) von gebehrnen Griechen gelehrt und ausgeübt 
wurden. Diefe Betrüger ſuchten das Anſehen Irer 


eiteln Kunſt dadurch zu erhöhen, daß fie fie für eine 9% 


heime Wiffenfchaft der älteften Voͤlker, und die berühm 
teften Männer Griechenlandes für ihre Bewunderer au 


gaben, die in alle Gehelmniſſe derfelben eingeweiht, und ' 


dadurch In Stand. gefezt werden, außerordentliche Ih 
ten zu verrichten. Man. dichtete - Daher ſowohl Chal⸗ 
diern, Juden und Perfern, beſonders dem Zoroafht 


und Hofthanes, als dem Orpheus, Pythageras, Dıms 
Ekrit und andern, magifche Schriften an, die man in der 


Folge fuͤr ächt hielc, und bie auch Plinlus baufi als (sicht 
anführe *). 
Zu dieſen Urſachen von Bacherunterſchlebuagen ka⸗ 


men nach Chriſti Geburt noch neue hinzu, und die Zehl 


von falſchen Werken wuchs daher mit jedem Zeitalter [ 
fehr, daß die größten Denkmäler des Alcerchums da⸗ 
durch verdraͤngt wurden. — Unter ben Cheiſten entflat 
den viele Spaltungen und Sekten, die meiſtens Ihe 
Irrthuͤmer durch falfche ‚Öffenbarungen und Werke m 
rechtfertigen ſich bemühten, , Unter dieſen Partheyen über 


trafen die Gnoflifer ale übrigen an Unverſchaͤmtheit, wi 


man aus einem einzigen Zeugniſſe des porher Im Seben 
| feines 


5 Plin. KKV. 2. XXX | 2 


| —— 





\ 


| Geſchichte ber Pythagoreiſchen Geſellſchaft. 577 
feines Lehrers abnehmen kann *). Selbſt die Rechtgläus 


bigen aber ſcheuten ſich nicht, dieſe Betrügereyn von 
Kejern nachzuahmen **), und auch fie verbreiteten. Daher in 


man⸗ 

















ICXRXRXYAR —— 
” 


.*) P.10. yeyamcı de narautov Tay Yeısıvav 


Boos MeV Kaas AAO AIgETIKE de 3“ TNS T- 
Acices DiAocoQıas ayıymevoi, ci wees Tov Ader- 
Owov naı anuÄwer. 6 To Arsfavdes T8& Arßuos, 
ns Dircnmus, na Anueoseats, na Auds auy= 
Yonuusro BASE wanıyueva, aneraiudes 
va npoofegovres Zupouses notı Zwspievg N 
vırodes, xl @AAE YavBs Kol Mesh, Kocı aM 


- Amy TOBTOV, TOANES EENRATEN. nn der, 


duros (oTlAurıvos) uev WoAABS eAeyXas Fois- 
pevos ey Tas awäcmis, Yeaılas' de na [Bi 
‚Bro ‚omee MOOS TES YYOSIKnBs eneyeclauev, 
Au Ta Ama newew noaraheäcızev. Porphyr 
fest hinzu, daß er bie Unaͤchtheit der angeblichen 
Schriften des Zoroafters berviefen, und daß Amelius 
vieräig Bücher wiber die des Zoſtriauus geſchrieben 


habe. 
%#) Ueber die Denkungsart der Chriſten in dieſem Puncte 


will ich nur eine kurze Stelle aus dem 105. Briefe des 


Syneſius abfchreiben, welder, ungeachtet er nur ein 
halb Ehrift war, doch gewiß: fo edel dachte, als alle 
rechtglaͤnbige Lehrer feiner Zeit: vas uev &v QiAoco- 
Dos swonTns av TaAnIES;, OvyXweii Tn Xeeıce 
vu \Veudas. avaAoyov Yale. 251 Das Tees @Ay- 
Semv, nıı ou Inne, 86 oDIaAuos a5 xu- 
Kov av amohmuseev amAnse Daros. N Teis oD- 


r Sanyo TO ONOTOSADEeANU@TELOV, TAUTNKRITE 


„eudos eDeros wa TıIeuaı Inne, nacı BAde- 
gov TV aAndemv ToIs an IXUBTW VATEICar- 
ægos rm Tv oyTov ÄndEv. 

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— - 7 


Dit. 


mancherled frommen Abſichten eine Menge falſcher Schrif⸗ 
- gen, wodurch bald nachher Feinde und Sreunde hintergan⸗ 
gen murden. Zulezt darf man, wenn man ben Urſachen 


72 per Düchererdichtungen nachſpuͤrt, auch bie Schwaͤrmer 


“und Beiruͤger unter den Vertheldigern der Griechiſchen 
und anderer alten Religionen nicht vergeffen. Auch dleſe 
ſchoben vermuthlich dem Hermes, Orpheus, Zoroaſter 
und ben Sibyllen viele Schriften unter, um die Goͤttlich⸗ 
elt und Urbereinftimmung ber Religionen aller Voͤller 
darzuthun. a Fe 
| "Da man alſo den Pythagoreern fo früh, und in f 
17 gerfchiebenen Zeitaltern fo vieles untergefchoben Bat; ſe 
kann man allerdings auch beym goldenen Gedichte fre⸗ 
gen; ob es ein ächtes Pythagoreiſches Werk ſey? — 
Diefe Frage fann man, glaube, ich mie‘ großen 
Zuverſicht mit Ja beantworten, indem alle Schrififteler, 
die dieſes Gedichte Erwaͤhnung thun, und unter dieſen 
die gelehrteſten und ſcharfſinnigſten des ganzen Alterthumt, 
ECbdryſipp, Galen, und Sexrxtus, es als ein für Pythage⸗ 
reer und von einem Pythagoreer gefchriebenes Gedicht an: 
ſahen. — Die aͤchte Pythagorelſche Abkunft deſſelbe⸗ 
beweiſt ferner ber ganze Inhalt, Inden es, wie bie Ba 
gleichung einen jeden lehren muß, afle diejenigen Grund⸗ 
Säge im ſich faßt, mach welchen ich gezeigt habe, daß di 
Ppthagoreer lebten und handelten. Zwar ſindet ſich nichts 
von Zahlen, von Aether, und andern eigenthuͤmlichen Pr 
thagereifhen Behauptungen darinn, allein derglelchen 
kann man a ich nicht in einem kurzen Gedichte erwarten, 
das offendar nicht zur Ermelterung von Kenntniffen,, fon 
= bern zur Selbftprüfung, Herzensbefferung, und zur Stirn 
Kung Im Outen beflimmt war. ur | 
\ on N kl 





Geſchichte der Pythagoreiſchen Geſelſchaft. Pr Bi 


Biel ſchwerer zu beantwortende Fragen aber ſind 


lefe: Von wem, und in welchem Zeitalter das goldene 
Hedicht verfertige worben, und ob es wollftändig und un - 


erfälfeht zu uns gekommen fey? 

Es iſt bekannt, daß einige den Pythageras ſelbſt, 
ndere ben Ipfis, andere ben Empedokles, andere noch an⸗ 
ere fuͤr die Verfaſſer des goldenen Gedichts gehalten ha⸗ 
en, ohne ſich auf etwas anders, als bloße unbewieſene 
zermuthungen, oder unglaubwuͤrdige Zeugniffe zu ſtuͤ⸗ 
n. Die neueſte, aber auch die unwahrſcheinlichſte Ver⸗ 


uthung über den Verfaffer oder vielmehr das Alterthum 


s Gedichts iſt Die des legten Herausgebers, als weicher 
'rmuthete, daß es älter als. Pythagoras, aus den Eleu⸗ 
ıifchen Geheimniſſen gefchöpft, vom Pythagoras anges 


mmen, und beßwegen für ein Porpagoreifäes, Werk J 


halten worden fig *).. - 
Meinem Urtheile nach if bas goldene Gedicht von 


nem ber ältern Pythagoreer, bie vor dem Plato_und - _ 


iftoteles lebten, ſondern von einen ber legten Welt, 
ifen diefes Namens, mit denen Aciftorenus und He⸗ 


Jides umgingen. Ich fchließe biefes nicht aus dem - 


iMfchweigen des Iſokrates, Plato und Ariftoteles, 
nn ungeachtet biefe Schriftfteler häufig Verſe aus 
omifern anführsen, fo haben fie doch mehr Werke ala 
Lehrdichter ungenannt gelaffen, als fie angezogen ha⸗ 


;) ich dringe auch nicht darauf, daß der legte Vers  - 


ganz aus einem Fragment des Empedokles entlehnt 


Dos2 U iſt, 


U} —— 











Ich habe dieſe —* meirtäuftigert in einer Recenfior 
der Glandorfifchen ˖ Ansgabe dieſes Gedichtes geprüft, die 
im zweyten Bande ber neuen’ yhiloleziſchen Bibliothek 


(71. u. “on ſteht. 








— Sure 
— — — — —. 


“der vier und ſechzigſte nach dem Demokrit, und der ſi 


380 — | Drittes vid 


fi”), (dem man fönnte dieſen Beweis umkehren un 


ſagen, daß Empedokles vielleicht der Entwender geweſ 
ſey;) allein Inhalt und Sprache des Gediches fchein 
mir beyde meine Bermurhung zu begünftigen. Denn m 
lich läßt es ſich kaum ablaͤugnen, daß der fieben und ad 
and dreyßigſge Vers nach dem Sokrates und Arifkotelt 





ben bis neun und ſechzigſte Vers nach ben Plato 9 
ſchrieben ſeyn müffen, oder baß doch die lezten nicht 
einem alten Mitgliede der Pythagoreiſchen Geſellſch 
herruͤhren Finnen **), — Unbeſonnene Verſchwendung 
geſchmackloſen Aufwand tadelte man gewiß allenthal 


umd auch in Griechenland, fo bald die eine. ober ber an 


nur bemerkt wurden; aflein nach allem, wae wir wife 

waren Sofrates und feine Schuͤler bie erſten, bie be 

eine Unwiſſenheit des wahren Schönen, und bie Thoren, 
u bief 


— — — 
®) Carın. aur. v. JI. 


‚Eoseaı asaares Ye, außeoves . 8x 
res. 








Einped. ep. Dieg, VIII. 62. 
Kr) Pro » 6 EYE su Karo — Ar 
Yavros 

N er ungm Moleas, en —* 


 Xasger'eyadü — * beos aufbere. ex erı Jam 

. LloAsuuai. &c. 
My — mars Kaıcov, dm mar 
ledunkuv 

Mrd av8 Anudshos ‚9. v. 37. 38- 

"Os irem re Quass — 

v. 64. und endl mich AR 





ai 7 


| Seſchichte der Pothagoreiſchen Geſellſſhaft. —E— 


liefen Fehlern ergeben waren, amegexurus nannten, 


peiche fie den zaAus w'ayadaus entgegenfesten. Auch 
ft wahrſcheinlich das Wort,⸗ womit in dieſem Gebichte 
chmuzige filsige Geizhaͤſſe belegt werden, vor dem 
Sofrates und Ariftoreles nicht gebraucht worden. Mie 


och größerer Gewißheit aber kann man behaupten, daß - 


nan vor dem Seufipp und Demokrit die Natur nicht, 
Is ein ſchaffendes Weſen, und als eine Goͤttinn gefchlls 
ert, ober den Ausdruck Heilige Natur gefanne habe. — 
ndlich find ber Gedanke von der Ablöfung des Geiſtes 


om Körper, und von der Bernmift als einer Fuͤhrerim 


es Menfchen entweder durchaus Platoniſch, oder doch 
en Schren ber Alteften Pythagoreer gaͤnzlich mwiderfpre 
end; und man muß daher aus allen biefen Beobachtun⸗ 


en nothwendig bie Solgerung ableiten, daß bas golbene 


jedicht won keinem Pythagoreer des Bundes und wahr 
heinlich erft nach Dem Plato fey werfertigt werben *). . 


.. Go wähßrfcheintich ed mir num verfammt, daß 


16 goldene Gedicht jünger, als Plate, und vielleiche 
ich als Arifteteles fen; für fo-gewiß halte ich es, daß 
ir es weder vollftändig .nody unverborben haben. Dis 
jerftümmelung des Gedichts erhellt erftlich aus der Une 
Oo 3 aoedbnuung 








nnd 


| Am siey8 Beurov, av aımoner W r⸗ 17. 


Yapnos,. 

Ev re Auası' Duyns zenar. x Deal 

. “ . ECHO , er 

Hymeoy yyaum sneos natumseIev Inasc. 

© Der lezte Herausgeber führt zum neun und fechzigften 
Vers ein Fragment bes Linus als eine Parallelftelle an, 
in welcher fich fchon eben. diefe Allegorie finde. Allein diefe 
‚angeblichen Verſe des Linus find gewiß untergefchoben, 


DU |) R 


\) 


je» 17 5:77 Se 


ordnung und. dem Mangel: won’ Zafammenhange, ba 
‚man an mehrern Stellen bemerkt, So ſteht der fu 
zehnte Ders mit dem vierzehnten, "der ſechs und ſiebe 
gigſte mit dem zunaͤchſt vorhergehenden, der drey mi 
funfzigſte mit dem zwey und funfzigſten, und endlich de 
fünf imd fechzigfte mit dem vier und fechigfken fo we 
- $a Verbindung; daß man nicht anders vermuthen Fam, 
als daß mehrere Verſe heraus gefallen ſeyen, und en 
badurch der Zuſammenhang aufgehoben werben. D 
Anvollſtaͤndigkeit des Gedichts aber ſieht man aus de 
Verweiſung auf Vorſchriften von Enthaltfamkeit, ber 
_Ber-fieben und fechsigfte- Ders erwaͤhnt, und die man i 
sangen Gedichte, fo wie es in allen Ausgaben abgehruf 
zu werben pflegt, vergeblich ſucht. Am meiſter a 
seled die Mängelhaftigfeit biefes Werkchens dark di 
Fragmente bewieſen, die andere Schriffſteller darauf 
anfuͤhren, und die fi nicht mehr: darinn finden. Dei 
gieichen ſind · die beyben Verſe, die beym Porphyt ſiche 
and zu ben Zeiten bes Diogenes. gewiß zum goldenen O⸗ 
bicht gehörten *). Wahrſcheinlich iſt wach. ein ander 
‚Bus, den Sextus aufbehalten hat **), aus dem ga 
Zu un iu en ⸗ 


N 











„ mn 
Ap. borꝑh. S. 40. 
Ileo de vns —R enewe⸗. 
Nevor«o nev * vævoio pieds Gewos PR 
‚ Eu MaAa HOEyEUNV ; „os av nur agyaT! 
AMæves. | 


— —— Q 





adv. Mach. m, ‚128. 
Evdev xa naerev oͤre⸗ Ta —E er 
9a Tav aubux@v „ Kos 'ooafßew eOudoxor TE 
.eYewzus. Amyey egarruus non St 
Mac Yyevası. \ 





N 


oo. on | 

Geſchichte be Pothagoreiſchen Geſellſchaft. 383 
nen Gebichte genommen, und ich vermuthe faſt, daß 
bieſer leztere ein Weberblelbfel bes verlornen Abſchniets 
ſey, in welchem die Beiege ber Dlaͤtetik gegeben . 
wurden. u 

Es laͤßt ſis ferner beechun, daß ins geldene Ge⸗ 

dicht Verſe aus andern Pythagoreiſchen Gedichten, die 
aber wahrſcheinlich viel juͤnger waren, hineingeſchoben 
worden find. Es gab namlich, wie die Verſe, oder 
Stüde von Berfen, die Gertus und Spmpliclus *) ans . 
führen, zeigen, außer dem goldenen, nach andere Pytha- 
goreifche uns jest unbefaunte Gedichte, Aus folchen 
find unläugbar die. benden verflümmelten Verſe o) ent. 
lehnt, die mit ben vorhergehenden eben fa wenig, als mit 
ben nachfolgenden zuſammen hängen, in einem ganz an⸗ 
bern Diolekt gefchrieben find, und. node. dazu beym 
Sertus ***) und Nikomachus +) anders gelefea werben. 
Huch vermuthe ih, daß aus folchen Einfchaltungen bie 
pielen Wiederholungen berfelbigen Regeln ſowohl in ver⸗ 
khiedenen als uͤbereinſtimmenden Worten ensftanden find, 
in welche man gar nicht woraus fegen kann, baß der ‘Ber. 
jaffer eines Gedichte, .deffen erſte Tugend moͤglichſte 
Rürze war, verfallen ſey. Go enthält der fieben und 
wanzigſte Vers nur mie andern Ausbrüden eben das, 
vas im wierzehnten ſchon gefagt war, und 06 Brauche 
che viel Scharffinns, um zu bemerken, daß ber 32 
alt den 10, ferner ber 38 mit bem 34, der 39 mit dem 








Oo 4 14ten 
8) adv. Acith. S. 1. & ihl Fabrie. 


v. 47. 48. 
se... 2. . 


7) &p. Porph, S, 20. 


4 


2 De 


z4ten- unb arten, und endlich der 67 nie ben ui * 
chen oder doch ſehr aͤhnlichen Inhalts ſind *). | 
verbächtigen Wiederholungen würde man gewiß ebene * | 
deckt und gerügt haben, wenn man das goldene Gedicht 
‚weniger bewundert, und auf die übrigen, aber fpätern. 
Pythagoreiſchen Gedichte, aus weichen es verfälfcht wor⸗ 
den, einige Rücficht genommen hätte, | 
Ueber die angebliche Schrift des Okellus Lukanus 

Habe Ich ſchon an einem andern Orte mein Urthell gefaͤllet, 
‚und wie; ich glaube, mit unmwiberleglichen Brünben dar⸗ 
gethan, baß dies Buch nicht von einem alten Zdpchage 
reer herruͤhren koͤnne *"), Ich will daher bier nur noch 
nachholen ‚ was ich Damals ber Kürze wegen uͤbergehen 
muſte: 


9 V. % 10. Keæren — — var de 
 Tusgos HaV TERTISE, Ko UTEVR, Ak 
yvemsre 
v. 32. ed: arms: Tas Reg 2773 u 
— > xen 
V. 33. wu nereo m Bao age 
ferner v. 14. 











Ä Mad aNeyısws vaurov Nen FE Ur 
/ 8 edlen 
v 27% Barıus * 700 eye —8 un uoęa 
MEINTE. | 
v. 39. Tleneos de Tau’ & oe un Baal 
Asyısaı de} eo so ys. | 
‚ent v. 35. —2 da dısırasy age —R& u⸗ 
Ieurrov 2, 
V 67. AAN eigye Bearav, av EIKOUEY, U TI 
7 nadargmaus. - 
eu) Hiß, dear. de vero Dao P. IL p. 312. & fa. 


‘ 











l . s , ! ⸗ 


Beſchichte der Pothagoreiſchen Geſellſchaft. 585 


muſte: nämlich bie Anzeige von Kunflmörtern, aus wel⸗ 
chen man fiebt, daB dies Werk nach dem Plato und 
Ariſtoteles geſchrieben ſeyn muͤſſe. 
Von dieſer Art find erſtlich bie Woͤrter, in welchen 
Der Verfaſſer die Unwandelbarkeit des ganzen Unlver⸗ 
ſums anbeutet *), von denen bie eine Hälfte dem Piato, 
die Andere den Eleatifern eigenchämlich waren, welche 
leztern aber Plato ſich gleichfalls zueignete. Noch neuer 
iſt ein Wort, das gleich aufder folgenden Seite vorkommt, 
und von den Stoifern, wahrfcheinlich von Chryſipp, zuerſt 
in diefer Bedentung iſt gebraucht worden **). — Py⸗ 
thagoreiſch iſt ferner zwar der Saz, daß unterm Monde 
alles vergaͤnglich und in unaufhoͤrlichen Werwandelungen 
fey, allein die Einkleidung ift unldugbar anders woher, 
und nicht von Zeitgenoffen der älteften Pythagoteer ent⸗ 
lehnt **x). Endlich kann man nicht zweifeln, daß die 
Bezeichnung dee Anordnung ber Welt durch den Anaxa⸗ 
gorifhen Austrud , und bie Ableitung bes Worte 
Goͤttlich von der beſtaͤndigen Bewegung der himm⸗ 
liſchen Körper , von einem Manne herruͤhre, ber. 
| Do5 > die 


[N — XXVX 








—e mn Em a ann 








©) Ocellus; Lue. p. 507. In Galii opufeulis Mythologiels, 
J Amftelod. 1688. in Svo; AA wei narı ræuro, 
no deaurois diesrereı xœs 00V Kadı en uure 
daurs. 
©#) Ib, p. 508. Es yae TI esıv, 9 To BayTı 85ı, Noch 
ou TETW TOT, N SUV TETO TO WOITE EXE, 
Fo HEN WS MEON, To de as sy ıyevınnure. 
ses) Ib, p. 516. To de umonaro weAnys, veınde 
was Ducemas. To uev yap esw u aury —E 
Auıyn Yeyororay, To de Yascıs ezoyeyworen. 


%“ 


J 58868 ‚Drittes Buch. 


bie- Schriften bes Ansrageas und Plato gelefen 


hatte *). 
Außer bem Okellas iR Epicharmus der einzige, 


deſſen Fragmente fuͤr alt Pythagoreiſch gehalten werden 


koͤnnten, wenn es nur gewiß waͤre, daß er in den Bund 
des Pythagoras aufgenammen mworben‘,; welches aber 


. zweifelhaft ift. Ich ſage aber hier nichts weiter von ſei⸗ 
nen Bruchſtuͤcken, weil ich an eben ben Orte, wo id) 


die Aechtheit des Buchs über die Natur des. Ganzen ges. 
prüft, mich auch über-jene erklärt habe. Die übrigen 
Schriften und Ueberbleibfel alle, die Pythagoreern zuge⸗ 
eignet werben, tragen entweder den Namen ſolcher Py⸗ 
thagpreer, die Zeitgenoffen des Plato waren, und an⸗ 
‚berthalb hundert Fahre nach dem Pythagoras lebten, oder 


| ‚auch felcher,, deren Zeitalter unbekannt, oder von benen 


es gar ungereiß iſt, ob fie jemals gelebt haben. "Nun 
babe ich im vorhergehenden Abſchnitte gezeigt, daß bie 


: fpätern Nachfolger des Samifchen Weltweifen nicht nur 


in Anſehung ‚Ihrer Lebensart, fonbern auch ihrer Mey⸗ 


- nungen und Brundfäge vielfältig won ihrem Meifter abe 
gewichen ſeyen; und hieraus folgt unmittelbar, daß, wenn 

ihre Werke auch ächt wären‘, fie doch nicht zum Grunde 
gelegt werben Ponnten, wenn man Die Gedanken der aͤlte⸗ 
ſten Pythagoreer, bie vor den Eleatikern, dem Heraklit, 


Lukipp, Demokrit, Empebokles und Anaxageras bluͤhten, 
aus einanber ſezen will. Man verwechſelt daher die ver⸗ 


. | _ ſchie⸗ 











—— —— 
v *) Ib. p. 527. Kadors 7 N Ta rævros diaxse PR 


dis, 058 emæi Ev @UTy To A moißy, To de Fu- 

xwv———T de e£ —* œuro, 

18 mev wer Jeovros Yeia ra de an Kera- 
| Banoros vears, kones wen es. 











\ 


Geſhchte der Pythagoteiſchen Geſellſchaft. 587 
ſchlebdenſten Zeiten, wenn man glaube, daß die vermeynt. 


lichen Schriften und Ueberbleibſel eines Timaͤus, Archy⸗ 
tas und Philolaus, und anderer, für Die Geſchichte den 


älteften Prehagereifchen Philoſophle fehr wichtig feyen, 


oder daß von ber Frage: ob fie aͤcht oder untergeſcho⸗ 
Ben ſind? die ganze Vorſtellung der leztern, und dag 
Zeitalter. der merkwuͤrdigſten Behauptungen der Griehie . 
Ehen Weltweiſen abhänge. Unterdeffen will ich doch hier, 
weeil ieh in der Folge keinen bequemern Pia; für diefe. Uns 
. serfuchungen finden moͤchte, Dasjenige kurz sufammenfafe 
ſen, was ich won der Abhandlung des Timdus Lokrus 
von der Weltfeele, und den Reſten ber übrigen Dyrbagas - 
. xeer. halte, Die Plato in Italien beſuchte, uud van Bine 
„0x unfteeitig verſchiedenes angenommen hat. 
. ESchon vor mehrern Jahren trug ich meine Ben 
| Denfiichfeiten wider. bie Aechtheit der Schrift bes Timäus 
vor *), -und ich wuͤrde auch ige meine Leſer auf dieſen 
Auffaz Hinmelfen, wenn nicht ein Gelehrter im deutſchen 


Mufeum*”) meine Gruͤnde gu widerlegen, und die Nebtn 


heit des. angefochtenen Buchs zu behaupten gefucht haͤtte. 
Ich bin daher genoͤthigt, zue Bertheidigung meiner Dieys, 
mung: daß die Schrift von der Weltſeele dem Dimaͤus 
erſt nach den Zeiten des Plate angedichtet worten, und 
! aus dem Timäus bes leztern ausgezogen ſey, mich hier. 
etwas weitlaͤuſtiger au@zubreiten ‚als ich ſonſt wuͤrde u 
— than haben. . 
Sch läugne nie, daß Plato, wie von allen dbrl. 
gen ältern Weltweiſen, fo auch von den Pythagoreern 
| on manches 


— — — — — 


. 9 Phil. Bist ıter. Band Seo 304.1. f ©. 
mr) Anguft 1778. 





« 


uen Ariſtoteles der merkwuͤrdigſte iſt *). Auch gebe ich 


J Eines ſo groben, ſo gefaͤhrlichen , ſo gar wicht abzuläugs 


. und zugleich eine Unverfhämtheit und ¶Unbeſonnenheit 
njzutrauen; wogegen alle feine Schriften, und die glaube 


| J Ihm eigenthümlidy, oder von Ihm erfunden anfehen, und 





* 


588 | | | Dettes Bud. 


5 — | * entlehnet habe. Dies ſagen alle zuverlaͤffige 
Schriftſteller der Griechen ſowohl als Römer, unter des 


gu, daß Plate fich viele Gedanken vorhergehender Philoſo⸗ 
phen jugtelgnet habe, © ohne ed zu Kun: ober nur mer⸗ 
ken zu laffen, daß er fie andern ſchulbig fen **): allein 
ich läuigne es fdjlechterdings, und erklaͤre es für unglaubs 
lich, daß Plato es gewagt habe, eine ganze Abhandlung 
‚ mit allen Hauptgebanfen, und meiftens auch mit beufel« 
Bigen Worten nicht einem ältern ‚ wenig bekannten, ober 
fehon wieber vergeffenen Schriftſteller, fonbern "einem 
felner berühmteften Zeitgenoffen zu ſtehlen, deſſen Werk 

In! vier Händen ſevn muſte, und das alſo den Entwen⸗ 
Der der unvermelblichen Gefahr ausfegte, als ein ges 
lehrter Raͤuber ertappt und überführe zu werben, 





nenden Diebſtals Pann man den Plato nicht befehulbigen, 
ohne ihm eine Schwäche und Unfruchtbarkeit des Geiſtes, 





würbigften Nachrichten von. feinem Charakter zeugen. — 
Won dieſer eben fo unflugen als ſchaͤndlichen That fpres 
- hen ben Plato ferner bie Urtheile und das Stillſchweigen 
ber gelebrteften und zumerläffigften Schriftſteller des Als 
terthums frey, bie alle Hauptfäge In feinem Timaͤus als 


gar 








—— 
.@) Motap. A, cap. 5. p. 10. Ed. Sylb. 
‚ #4) Selbf einer feiner größten Bewunderer glaubte, daß er 
vieles aus einer Schrift bes Protagoras über das Ze 
liche oder. das Wefen der Dinge entwandt babe. X, 3. 
Prasp. ovang. . 





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Seſchichte de Pychagoreiſchen Geſelſchaft. 589 
gar nichts von · einer Schrift; oder nur von Altern Welt 
zoeifen roiffen, in welcher oder von welchem diefelbigen 


Gedanken ſchon vor dem Plato ans einander gefegt 
worden. i [er 


Ariſtoteles, ber fo vieles über bie Pythagoreer, 
und auch wider fie gefchrieben hatte, der ferner feinen 
Lehrer fo freymuͤthig tadelte, daß man Ihm deßwegen ein. 
ner ungerechten Feindſeligkeit befchuldigte, würde. ohne 
allen Zweifel die. Schrift des Timäus, wenn es eine fole 
che gegeben hätte, gekannt; ober bod) Davon gehört, und 
den wahren Urheber der Lehren, die Plate in feinem Ti⸗ 
mins geäußert hatte, irgendwo angegeben haben. Er 
ſchweigt aber nicht nur von dem Buche, das Piato aba 


gefchrieben haben folk, fondern er eignet ihm an mebrern -. | 


- Stellen die Im Timäus enthaltenen Gedanken als beffen 
- Erfindungen zu. An der kurz vorher angeführten Stelle") 
zeigt er ausfuͤhrlich, aus weichen Quellen Plato gefhöpft 

habe; er redet von ben Aehnlichkeiten fowohl als Unter. 

ſchieben ber Platonifchen und Pythagorelſchen Begriffe 

und Mennungen; allein er fagt ausdruͤcklich, daß er die 

$ehre won den Ideen zuerſt eingefüpre habe **). Eben 

| | 1 die⸗ 


— 3 . ' 
0 Git. A. 5. Metä. 16. .. ”. 
"ty Gerade die Begriffe, die Ariſtoteles dem Plato als eigens ⸗ 

thuͤmlich, und ihn von den Pythagoreern unterfcheidend 
angibt‘, finden fi in einem Fragment des Archptas 
beym Stobaͤus I. p. 92. Bel. Ehyſ. das ber vorhergee 
nannte Vertheidiger des angeblichen Werks des Timaͤus 
für aͤcht hält, und ich ohne Bedenken für untergefchos 
ben erfläre, weil Ariftoreles die Werke bes Arhyıae 
genau kannte, und wider ihn gefchrieben hatte, —* N 
0 ... nichts 











N 


90 DSDrittes Buch. 


dleſes nimmt er in allen übrigen Stellen an, wo er bie 
Ideen des Plato verwirft und widerlegt.*), Eben fo 
entſcheidend verfichert er an einem andern Orte, daß 
Plato zuerſt die Zeit für entftänden gehalten habe.**); 
. eine Meynung, die eben mie die Ideen in der angeblichen 
Schrift des Timäus vorfommen ***).: Eben diefe Säge, 
‚bie Ariftoteles als dem Plate ganz elgenthuͤmlich betrach⸗ 
tete, hielten auch Clcero, der den Timäns überfezte, 
und "Piutarh , der bie Weltſeele des Plato erläuterte, 
für folche, die niemand vor Ihm behauptet habe, und 
auch fie hatten eben fo wenig, als Galen und Sertus, 
von einer Schrift des Timaͤus gehöre, in weicher "bie 
‚ Plaronifchen Begriffe zwar -fürger, aber deutlicher als 
‚ dm Piato felbft vorgetragen werben 1), Aus allem die: 
- | fen 


*. 








ey 7 0) 


nichts wundere ich mich ſo ſehr, als daß es dieſem Kunſt⸗ 
— richter fo befremdend vorkoͤmmt, daß man fo unverſchaͤmt 
habe ſeyn koͤnnen, den Pythagoreern Mepnungen zus 
zueignen, die wirklich dem Plato zugehoͤrten. Noch 
ſonderbarer aber ſcheint es mir, daß dieſer Gelehrte von 
einer ſolchen Uebertragung von Meynungen keinen an⸗ 
- dern Grund finden konnte als dieſen: weil man dem 
Plato eine allgemein zuerfannte Erfindang habe 
fireitig machen wollen ©. 158. 
$) Met. 1, 5. & gu. cap..e. P- 219. 
*e) Vill. 2. Phyf. Aufe, ° 
ww, Wenn Ariftoteles an einem Orte ſagt: de anim. 1.% 
⸗ Tınoos QucsoAoye, TV Yuxm nıvav To 
—T ſo kuͤrzt er hier ſeine Aufuͤhrung eben ſo ab, 
wie er oft in ſeinen Buͤchern Weg HoAıtesas thut, 
wo er bey vielen Gebaufen ben Sofrates nennt, und 
den Plato verſteht, ver fie in feinen Gefprächen blrh 
den Mund bes Sokrates geaͤußert hatte. 
| » Man fehe befonders Plutarch uͤber die Platoniſche Welt 
‚ feele ib, vu, de Virt, Mor. 7 37. Ed. Reiskii, 





% 


* 





m .” nn ” 5 
’ ’ 
. f \ 


Gecſchichte der Pythagoreiſchen Geſellſchaft. 591 
| \ *5 

ſen muß man nothwendig den Schluß ziehen, daß die 
groͤßten Kenner der Griechiſchen Philoſophie die Abhanb⸗ 
lung des Timäus, die man bisher für aͤcht gehalten har, 
nicht nur nicht gelefen, fondern ihrer-auch in feinem an 
bern glaubwürbigen Gihriftfieller erwaͤhnt gefunden: 
hatten *). —. 
Ich Halte es nicht für unmöglich, daß einzelne 
Pothagoreer die Lehre von der Geelenwanderung, und 
die Fabeln von den Wohnungen und Strafen abgeſchiede⸗ 
ner Seelen verworfen haben; auch ſtreite ich nicht dawi⸗ 
der, daß einer ober der andere biefer Weltweiſen man -· 
hen Artikeln der Volksreligion widerfprechen konnten, 
‚ohne ſich deßwegen Verfolgung zuzuzlehen; aber ich er. 
Eläre es noch Immer für hoͤchſt unwahrſcheinlich, daß ein ° 
Nachfolger des Pythagoras, ber die Volksrefigion nid 
nur in Schuz nahm, ſondern ben größten Theil feiner 
Nation, und bie eigenthümlichen Behauptungen feines 


(ED u 


#) Nllediefe von mir angeführten Weltweifen, die dem Pla⸗ 
to einflimmig die Meynung von den Ideen zufchreiben, 
und zu welchen man noch den Seneca hinzufügen kann, 
hatten auch ben Epicharmus gelefen, fanden aber bas 
nicht barinn, was ein gemwiffer Alkimus, ber wahr⸗ 
ſcheinlich erſt nach Chriſti Geburt Iebte, weil Achendäus 
feiner zuerft Erwähnung thut, darinn gefunden. zu has’ 
‚ ben glaubte, umd was auch jezo Fein vermänftiger 
Kunftrichter und Ausleger in ben Fragmenten des Si- 
cilianiſchen Dichters entdecken wird Dieg. III. 10. 14. 
17. Hätte .diefer Alfimns, der die Ideen des Plato fo. 
gern zu einer Pythagoreiſchen Erfindung, und den Plato 
zu 'einem gelehrten Diebe machen wellte, die Schrift 
des Timaͤus gefannt, oder nur davon gehört, fo wuͤrde 
er fi nicht auf zmepbeutige Verſe des Epicharmus, . 
ſondern auf die deutlichen Ausſpruͤche des Timaͤus bee 
. . . : e 











sufen haben. 


/ B 


Pr 


Mei: 


R 


VVVVVv0 | 
02. | Drittes Bud. _ 
Meiſters, und deſſen alteſter Schaler ſo wenig ſollte ges 
ſchont Haben, daß er beyde öffentlich angefochten, und 
den Hades ſowohl, als die Seelenwanderung für nuͤzliche 
Erpichtungen ausgegeben hätte, womit man biejenigen, 


bie ſi ſich nicht durch Vorſchriften der Tugend im Zaume 
halten lleßen, bändigen Eönne *). Ä 


1 Sch weiß niche, was mein Freund 8* bey den 
Geheimniſſen der Pythagoreer und bey Eingeweihten ge⸗ 
dacht habe, wenn er glaubte, Daß es zu den Zeiten bes 
Timaͤus noch Beheimniffe gegeben, und daß diefer Ph⸗ 
thagoreer nur für Eingeweihte gefchrieben habe. In 
diefen aller Geſchichte entgegenftehenden Behauptungen 
ſcheint eine andere zu liegen, die nicht weniger geſchicht⸗ 
/videls its dieſe „mi, daß bie ächten Sun des 

Pytha⸗ 





— — — — 
) p. . 565: 66. ap. Gel. 2i.de x& ris exAagos —* aAæen- 
Ins, Term d 8 m10Im KoAacCıS, & T 6% Tan 
vonov Kay & ex Toy Avyar Euro ET Yolcc 
 ÖBIMETEE TE EmEOHIa no Ts Kost’ ei dam, OTI ne- 
105 BmsguTn Tor aronevroy 

TRLOIT Hay TRANS 60a ereıvan Toy lmvızov mom 
Toy, In MAÄNIUE MesuyvTa Tas Eva yens. os 

Tu GOnuTa voradedı Ton Üyınfoues, EInE A 
EICH TOis UYIEVOTRTOS. SF TOS Yuxas —R 
Yones Weudess Aoyoıs, 2128 um avynraæ/ AN 
‚Jeoı. Aryonre 0 avasynaıas 20 Tınsgioy Eevay, 
as erey duonevov ray \luxar, ray u de- 
Asov, 815 YUVEIKES CKOVER , m ußev endido- 
neves' vor de nuuDorar, aoduean mmaris, 
BOT WOADRTH. 1er de ECTUNV N REBEL 
nme. MT. | Von 











Geſchichte der PYhthagoreiſchen Geſellſchaft. 593 


Pythagoras weder an Beſtrafungen der Ruchloſen In ei- 
nem andern Leben, noch auch an Seelenwanderung ge⸗ 
glaubt haͤtten *). ” 

Die bisher von. mie vorgebrochten Gründe wider 
die Aechtheit der Schrift des Timaͤus ſind, glaube ich, ſchon 
bon einem ſolchen Gewichte, daß dch ben lezten ganz ver⸗ 
ſchweigen koͤnnte, ohne In unparthehiſchen Richtetn eine 
ſchwaͤchete Ueberzeugung zu bewirken. Dieſen Grund 
muß ein jeder In dem Stillſchweigen entdecken, welches 
der verkappte Timaͤus aber die Eneftehung aller Dinge 
aus den Zahlen beobachtet. Dieſe Mehnung.wertheidige 
ten, mie ich 'oben gezeigt habe, alle Pythagoreer, bis 
auf die Zeitgenoffen des Ariſtoxenus, und oßne fie kannte. 
hiemand In Anfehung feines Spfiems ein aͤchter Ppehas 
göreer ſeyn. 

Mit diefen Zeugniffen und Beweiſen nun halte 
man Die Zeugniffe derjenigen Schriſtſteller zuſammen, 
welche an die Aechtheit der Timälfchen Abhandlung ges 
jlaube ‚Haben, und deren Stellen Sale feiner Ausgabe 
yorgefest hat: und man wird, denke ich, Beinen Au⸗ 
jenblick mehr zweifeln, baß die leztern mit ben erfleen 
ar nicht einmal in Vegleichans zu fielen find, "in 

Kir⸗ 


m 


) Auch ſehe ich ein, was sn * —* went 
bie Rebensart vinmgsoy, Eevay durch ungewöhnliche, 
nit aber durch ausländifche Strafen aber Schreckbilder 
uͤberſezt witd. Die legte Erklärung ſcheint deßwegen 
bie natuͤrlichſte, weil die Lehre von der Seelenwande 
rung wirklich auslaͤndiſch, Und nach der aͤlteſten Ge⸗ 
ſchichtſchteiber Zeugniſſen vomPpthasoras aus aagypten | 
nach Griechenlane gebracht wat, 


Pp 








I\ 


594 . Drittes Buch. | 


Kirchenvaͤter, und einige neuere Platoniker find die 
Männer, deren gar nicht geltende Urtheile man für das 
Alterthum des Buchs anführen ann, Zween der lejten, 
Jamblich, und aus diefem Proklus, ziehen einige Verſe 
des Sillographen Timon an *), die Herr Tiedemann I 
auslegt, als wenn der Dichter in ihnen auf die Exrif 
des Timäus gezielt, und ben Plato befchuldige hätte, deß 
er aus dem Werke des Timäus fein Geſpraͤch gleiches 
Namens ausgefchrieben Habe. Diefe Auslegung iſt aber 
offenbar. gewaltfam , dern wenn der Epötter aller altı 
Weiſen die Schrife.des Timäus namentlich erwähnt hätte, 
fo würden die ältern Schriftfteller, befonders Piytard, 
diefen Vorwurf auch bemerft haben, und aufmerkſam 
darauf geworden ſeyn. — Aus ben Verſen des Time 
kann man alfo weiter nichts ſchließen, "als baß ihr Im 
faffer eine zu feinen Zeiten fhon ziemlich allgemeine My 
nung, als wenn Piato alles dem Pythagoras, fo nk 
biefer den Barbaren zu verdanfen hätte, in einen Sm 
murf von Diebftal verwandelt habe. Die neuern Pi 
toniker, die den Plato mit einer eben fo feiten Ueberzeu 
gung für einen achten Nachfolger des Pythagoras, wi 
diefen für einen Schüler ber Aegyptier hielten, wandten 
die Berfe des Timons auf die untergefchabene Schrift dt 
Timãus an, auf welche Deutung man aber eben fo wenig 
als auf viele andere eben fo grundloſe, die von ihnen her. 
kamen, etwas bauen kann. Man fee aber voraus, 
was gar nicht wahrfcheinlich if, daß Timpn in einem 
Spottgedicht, werinn er alle Phileſophen zwar mit 





ö — a — 


7) noAAav P —E —W —WW 
—8 — ——— — 


— — — 








Geſchichte der Pothgorell hen Oefelfehaf 595 


en und übertriebenen., - aber doch immer kurzen Zügen 
icherlich machte, einer einzelnen Schrift, die Plato 
eraubt haben follte, erwähnt, und ‚daß feiner von den 
elebrteften Alten vor dem Siemens diefes wahrgenom- 
nen habe ; |fo kann man doch das Zeugniß eines ſolchen 
Dichters, der gerade in dem Zeitalter lebte, in welchem 
ie meiften Bücher erdichtet wurden, und alfo auch Die 
es Timäus ſchon untergefchoben feyn Fonnte, gar nicht 
en Zeugniffen des ältern,, gelehrtern und unparthepifchern 
(riftoteles vorziehen , der die Hauptfäze des Platontfchen 
:imäus feinem andern, als feinen Lehrer zueignet, und 
abey nicht den geringften Wink von einem Werke gibt, 
oelchem Plato gefolgt fen, und das ihm ſchwerlich hatte 
‚erborgen bleiben koͤnnen *). 


NY Nach 








— — — il 


4), Wider die irrige Meynung des Jamblich und Proklus, 
ale wenn Plato vorzuͤglich eine Schrift des Timaͤus 
benuzt und aus ihr Kenntniß ber Pothagoreiſchen Philos 
fophie erhalten habe, will ih nicht einmal die Erzähluns 
den anführen, daß Plato ober Dionys für den Plärd 
entweder vor Philblaus vder deifen Erben ein Werk 

des leztern um einen hohen Preis gefauft, und dar⸗ 

, nus die Pythagoreiſche Weltweisheit gelernt Habe, 
Gell. IT, 17. Diog, VI, 84.84. Ich halte namlich 
biefe Nachrichten für eben fo falſch, ala fie mit einander 

r freitend find, und firnicht weniger erbichtet, als dad 

| Verzeichniß ber Weltweiſen, won denen es heißt, daß 

. fie die Geheimniffe der Pythagoreer zuerſt äudgebreite \ 

hätten. Zwar it ed nieht unglaublich, daß Plato aber . 
Dionys Pythagoreiſche Schriften theuer esfauft Haben t 
(denn alle Werke von einigen Werthe wurden damals 
um einen ungeheuren Preis gekauft) allein falſch iff eg, 
daẽsſ bie Lehren der Pythagoreer damals nach Gehelm⸗ 

| niſe und daß die Buͤcher des Philolaus die ode Ä 

ytha⸗ 








. 596 Bu . Drittes, Buch, en 


Nah ben jegt geprüften untergefehobenen Ehrltn 


"des Öfellus und Timäus verdienen die moraliſchen drog 


mente die meifte Aufmerkſamkeit, die Gale aus dım 
Jamblich und Stobaͤus geſammlet Hat, und die de 


= Weberfcheift nach meiſtens ſolchen Prthagoreern zugfr 


ven, von denen es ungewißift, ob fie je gelebt, ede 


doch wann fie gelebt haben. Alle Biefe Bruchſtuͤcke In, 


“meinem Urthelle nach, eben fo wenig Acht, als die de 
‚Hermes Trismegiſtus, und wahrſcheinlich viel frür 


erdichtet, als die dem Okellus und Timäus antergeſh 


benen Abhandlungen. Wenigſtens kann man mit ds 


verficht behaupten, daß bie erftern nicht von Parka 
reern gefchrieben find, Die älter als Arifkoreles waten 


„Dies erhellt erſtlich daraus, daß in einem jeden N 


Hauptbegriffe ber Ariſtoteliſchen Ethik vorkommen, M 

denen ſich feine Spur weder im Plato noch in andern & 
ten Werben findet, die kein glaubwuͤrdiger Schriftfilt 
den Pothagoreern zugeeignet, ober dem Ariſtoteles a 
fprochen Hat, ja deren Erfindung nicht einmal ohne W 
äußerfte Ungereimtheit dem Stagiriten ftreitig gemafl 
werden ann. Dergleichen find die Begriffe und Grm) 
fäge von Gluͤckſeligkeit, und der Dem Menſchen untet — 


U len Thieren elgenthuͤmlichen Sehen sin u fen" 
| fm 


——— — EEE 
7 mn — — —— 


Pythagsreiſchen geweſen ſeyen, bie Öffentlich bekam 
geworben. Archytas machte alle feine Werke gem 
nüzig, fo wie er audy öffentlich lehrte, Achenseus Tl 
12. exArik; und bie Geheimniſſe der Pythagoreer be 
ten ſchon anderthalb hundert Jahre vor dem Pi 
„eugehlin 

p 61. Ex Hippei, « 665, Bx Burypb. 1J 
Ex areb. 673 676% - > 3 * 








PR = N 
- 0 


1 X 


Seſchichte der Potfyagoreifchen Gefellſchaft. | 597 


ferner die Einthellungen der Guͤter, nach welcher fie ent‘ 


weder um ihrer felbft willen zu waͤhlen find, ober nicht, 


und beyde wiederum entweber Güter der Seele, oder des Köre 
pers, oder des Gluͤcks find *): nlcht weniger die Er, 
flärung von Weisheit, Wiſſenſchaft, und Ber Kräfte oder 


Theile der Seele **); endlich die berüchtigte Lehre, daß 
die Tugend in einer gewiſſen Mittelmaͤßigkelt, oder in 


einem von zweyen ſchaͤdlichen Ertremis gleich weit ent. 
fernren Mittel beftche***). Ung @plich iſt es, daß Arte 


ftoteles, ber die Pothagoreer, und befonders ben Archytas, 


befiriee, die Grundlagen feiner: Sittenlehre aus. ihren 
Werfen follte entlehnt, und eben fo unglaublich, daß 


Peiner vor dem Ariſtoteles die Gedanken und Schriften 


der erſtern ſollte erwaͤhnt, und keiner nach ihm feine 
Raͤubereyen bemerkt haben. Wenn nur ein einziger als 
ter Porhagoreer in einem Werke, das fo viel gelefen, 
und fo oft abgefchrieben worden wäre, daß es bis auf die 
Zeiten des Stobaͤus fortdauren Ponnte, folche Gedanken 
vorgetragen. hätte, als fich in Diefen Fragmenten finden, 


und. don Denen das ganze Alterthum glaubte, daß Ariftoe 


[4 


teles fie zuerft gelehrt habe; fo würde es ſchon merflär.. 
lich ſeyn, wie feiner der gelehrteſten Griechen und Ro. 
mer eine ſolche Schrift, und die Uebereinftimmung ihres 
Inhalts mit ber Ariftorelifchen Sirtenlehre entdeckt haͤtte. 


Um wie viel unwahrſcheinlicher iſt es alſo, daß fo viele 


PpP 3 Werke, 
*) 674. 7%. ex Arch, | 
©) 677. p. ex Arch, . Ä | 
“se, p 693. In bem leztern Fragmente kommen noch bie erſt 
> na dem Ariſtoteles erfundene Wörter ya den | 
und Mereanadesai vor. oo. 


_ 


\ 


— U — 





Diogenes ib. 


des Metopus. ©. 7, 





‘ 


5 Deie Buch 


Merfe, als Stobaͤus und andere vor fi gehabt ha 
den *), feinem andern als dem Ariſtoteles, und Dann eiſt 


nad 


nl 


#) Thomas Sale hat bey weiten nicht alle ſeyn follente 
. Kragmente der Pythagoreer gefammlet, und ich wil 
wenigſtens die Stellen, wo man fie finden Faun, am 
führen. Aus, diefem Verzeichuiffe wird man fehen, daß 
‚zu des Stobaͤng Zeifen Werfe von neunzehn bis zwar 
313 Pythagoreern, und Pythagoreerinnen herumgingen, 
von denen einige mehrere Buͤcher gefchrieben haben fob 
‚ten. Geltfam ift es, daß bie Fragmente und Briefe, 
bie Ppthagoreiſchen Frauen zjugeeignet werben, ſchoͤnet 
und mehr im Geifte des Bundes geſchrieben find, all 
alle Weberbleibfel der beruͤhmteſten Pythagoreer. | 
Man fehe alfo die Fragmiente des 
Onatus beym Stob. Eel, Phyſ. IE . 
Eur yſus p. 16, 


a) 
\ 














— 


Okellus ꝑ. 3I33. J 
- Pbilolane. p. 44. 40. 51. Dieſe beyden leztern für 
‚nen mir aͤcht p. 56. Jambl, in Nie. p 7. 11. 10%. 
ap, Phil, zeaı zoruozrouus vid. Menag, ad 3. 84 
vH Di 
Archytas Stab, Eel. Phyf, h. gi, 82. 92. 158. Gern, 
-. P. 15. 16. 314. ep. Simpl. in Phyf, Aufe. fol. 108 
& 186, a. ap. Phil. Vic, Apell. WI. 31. Jambl, & 
vlt, Prth. S. 160. Protr. e, 3. Nicem, Arith. p.5 
vide.& Mas, ad, f. 8o. VIIi. Diog. 
des Oreſas p. 105. Eel. Stob. 
der Periklions ib. fer, p, 6: 447: 487: 





N 


ragen. S. 10. — 
es Sippodamus, ©. 248, 535, 453. 
Diptogenes, ©. 251, 367, 5 
Stenidas. ©. 23%, 
ins, S. 408. u 
der Pbynuys, ©. 44% | 
des Pımpelas, S. 466. = 


we 





Geſchichte der Borfagereikgen Geſelſchaft. 599 


nach vielen Jahehunderten dem elendeſten ber Griechi⸗ 
ſchen Compilatoren bekannt geworden ſeyen. 


Verglelcht man ferner die Fragmente mehrerer ſehn 
ſollenden Pythagoreer unter einander, oder die, welche 
einerley Namen führen, mit ſich ſelbſt; ſo findet man, 
daß die erſtern in Anſehung ber Gedanken und Sprache 
zu aͤhnlich ſind, als daß ſie von ſo vielen verſchiedenen 
Verfaſſern herruͤhren koͤnnen, und daß wiederum die lege 
tern, befonbers die. des Archytqtz, die beym Stobäus, 
Samblih *) und Nikomachus **) gefunden werden, 
einander zu widerfprechend find, als daß man fie einem 
und eben demfelben Weicweiſen jueignen koͤnnte. So 
find z. B. die beyden Erklaͤrungen der Weitheit, bie eine 
beim Stobaͤus »*o), und die andere beym Nikomachus }), 
einander ſchnurſtrocks entgegengefezt; und nice weniger - 
ftreitend find die Eintheilungen ber Dinge, oder die Zu⸗ 
 rücfbringung aller Dinge unter gemiffe höchfte Gattungen, 
die man in mehrern angeblichen Fragmenten des Archy⸗ 
tas findet, Beym Jamblich erkläre Archytas denjeni⸗ 
gen Ni. den welſeſten, ber alles unter eine einzige Gate 
Pr 4. 000 tung 

— 








Ballifratides. ©. 484 

Euripbamus. ©. 50$.° 
Hippaſus p. ı1. Jembl. in Nie. Arlth. | 

9) best. 3. 0. & Gale 73. side & Stoh, Eel. p. 92. 

*) n. 5. Arithm. 

*s) Gale 677. p. Aryo de ERIJA LAY , coDdıan ev 
rov Inav, xy — DR Deovasıy de TOy av. | 
Iguomwav no Ta megı Ton Biov. 

np 733. 34. 2p. Gal. & vo & — Tı &Dweioue- 
vov 89T TOI EOVTON, RAN AmAmS megı BayTa _ 
TO EOVTE. | 


f 





. \ . 
600. Dritted Buch. 2 


tung ober Princiyium zueüczufügren wife”). Beym 
Nikomachus nimmt er zwey Prinripia an, und ſcheint 
barunter Sinien und Zahlen zu verfiehen *), Beym 
Stobaͤus hingegen theilt er alle Dinge in.yier Hauptgat- 
tungen ab : in finnliche, muthmaßliche, wiffenfchaftliche, und 

F gerftändliche ***), und endlich in einer E chrift von der Na 
tur des Banzen +) follen alle wirkliche und mögliche Dinge 
unter zehn hoͤchſte Battungen oder Präbicamente gebracht 
werden tt). Unmoͤglich Eönnen alle diefe Fragmente ächt, 
2 | und 











* er 0 " i 


M) oSIs av ovaAuach dies TE Evrı MAYTE Ta Yarıa 
UTO IOY TE KO TO aUTay nEyav, no mare 
auyIeva; Te u awanıdunsucdey, Sros done 

Ya no GOdaratos NueV ao av KAmdesares. 

S. 734. ep. Gal. 

er) 5. p. AMo u Agxuras 0 Tagarıras wpxo- 
uevos TE SEUOVME, TO AUTO STO Haus Arya' 
Karus 4 dexsvtı Te Tacı TE aInuwTına, 
hayvanıay» ua adıv aromas wuras oedas, 
pls evTi,.FeOı FugB Deaven. . ec Yae Tas 
ray ÖAwv. Duaiog umAwg dımyrovfes , euer 
no ME Toy KOT MEROS, os EVTI, KuAms 
| orhereIy are Ti dn Tas Yewmereisas va 
-, AUDRRTIRaE Tregadauay am, 06Dn diesyvo- 
or. EX. Ns de Ku Fee METIRaV. Taura .de 
70 padnpara . denari —X rdeADra. 
ge Yo adeAden Ta Tu.mTes ments du 
eos avasgedan EXe. . 
ve) 0,92. For yag esı Tape aiadarı;, Too da do- 
v5, 7 d MISATE, Ta de vedra. 
T) Tleeı 78 gavros Quriws, die 1571 zu Venedig ger 
rue it, die ich aber nicht gefehen habe, 
109] Men. ad f. go. VIll, Diog, | 








\ 


Seſchichte der Pothagoreiſchen Geſellſchaft. 601 J 


und aus Echriften bes Archytas genemmen ſeyn. Am 
wenigfien verdächtig ſcheint mir das beym Nikomachus, | 
weil es mit einer oben angeführten Stelle des Plate, wors 
inn er von den Porhagoreern redet, fehr zufammenftimmt, 

Die übrigen Fragmente hingegen find zuverläffi iq erbichter, | 
fo wie das Buch über bie Natur des Banzen, wenn anders 
die zehn Kategorien darinnen vorgetragen find. Diefe 
eignen alle Alte, fo gar Porphyr, bem Ariſtoteles als 
ihrem Erfinder zu; und überdem kann man es ad hoͤchſt 
mahrfcheinlich annehmen, daß bie Pythagoreer, deren 
Mennungen über die hoͤchſten Gattungen id) oben ausge, 
zogen babe, ihre Lehre gegen die zehn Prädicamente wuͤr⸗ 
Den vertaufcht haben, wenn fie diefe in einer Schrift des 
Ard;y:as gefunden hätten, 
,&owohl alfo aus den Wiberfprächen von Frag» 
menten, bie bemfelbigen Pythagoreer von verſchledenen 
Schriftſtellern zugeeignet worden, als aus der beyſpiel⸗ 
loſen Gleichhelt der Sprache und Ideen, in den Um 
berbleibſeln beym Stobaͤus, die verſchiedene Pythagoreer 





zu Verfaſſern haben ſollen, muß man ſchließen, daß 


ſie alle (nur das eben erwaͤhnte beym Stobaͤus, und el. 
nige des Philolaus ausgenommen) untergeſchoben ſind. 
Die Zeit, wann ſie erdichtet worden, laͤßt ſich zwar nicht 
mit Gewißheit beſtimmen; ded halte Ich dafuͤr, daß 
einige derſelben im dritten, die meiſten aber zwiſchen dem 
vierten und ſiebenten Fahrhunderte von einer einzigen 
Sand, oder von wenigen Männern gefchrieben worden 
find. In diefem Zeitraume hatte die Ariftotelifche Phi« 
loſophie viele Verehrer, von denen fie aber mit der Platoni: 
fchen und verdorbenen Pyihagoreifchen zuſammen geſchmol ˖ 
zen wurde. Hoͤher, als ich geihan babe, f ann man bie mei- 

Pps- Pen 


., 


l 


a Dit 
fen Fragmente beym Stobaͤus nicht wohl hinauftuͤcken, 


"weit fie von feinem Pfatoniker oder Pythagoreer ber vier 
erſten Jahrhunderte angeführt worden *). 


—— — — 








495 Seltſam iſt es, daß in einem Fragmente, das dem Hip⸗ 
parch zugehoͤren ſoll, did Sterblichkeit der Seele be 
hauptet wird, wenn man anders die Merbefferung von | 
ale annimmt, ohne welche dieſe Stelle gar Feine 

dSinn har. 673. S. Oi yag avdeamoı va moin 

— —— as 8% 8 Cav nere To 
Tas (zus xeoev (sn wvaroyıgaray, era 8 
varo 8x) efeodı yavsoday, xenoaneIe Trage 
cıav rav ayalav, eu de vas DiAosoQsas xd- 
Auv nor aeuvov Ke. Dieſen Irrthum Fonnte fein 
Pythagoreer, aber wohl ein Ariſtoteliker lehren, der 


rn bie Meynungen feines Meiſters, oder doch der beruͤhm⸗ 


teſten Ausleger derſelben nicht vorfihtig genug einem 
Pythagoreer unterſchob. J 





— J | - 603% 


Ü 
1 * 
\ 


Bu 
i 


Viertes Bud. 


ætuorhanes Parmenides, Leutipy und 
| OHrratut. 7 








$ m ‚Zeitalter. des Pythagoras und ber aͤlteſten Py⸗ 
thagereer lebten noch vier andere berühmte 


Wahrheits⸗ und Naturforſcher, ZRenophanes aus Kolo⸗ 


phon, Parmenides aus Elea, Leukipp entweder aus eben 
dieſer Stadt, oder, was ich fuͤr wahrſcheinlicher halte, aus 
Abdera, und endlich Heraklit aus Epheſus. Mit dies 
fen Männern muß man, glaube ich, das Chor der alten 


Weiſen Griechenlandes befchließen: denn mit dem Mes. 


lis und Zeno, dem Anopagoras, Demokrit, Empedo⸗ 
fles, und ben älteflen Sophiſten, fängt ſich eine ganz 
neue Periode, ſowohl der griechifchen Sprache, als der 
Weltweisheit und übrigen Wiſſenſchaften an. 
Der aͤlteſte unter dieſen Weltweiſen, Eenopbanes, 
wurde allem Vermuthen nach eben fo früh gebohren, als 


Pythagoras, überlebte ihn aber, weil er ein fehr hohes 


Alter erreichte, Er verließ feine Vaterſtadt als ein jun, 
ger Mann, entweder weil feine Mitbürger ihn verjagten, 
oder weil er die Herrſchaft der Perſer eben ſo wenig, als 


. 
- 
. 
* 
[1] 
. 


Sn 


Porpageras di die des Polikrates ertragen konnte, und ging 


ous 


— 


604 or Wertes Bud. BE 


aus eben ben Urſachen, aus welchen Pehageras biefe 
Gegenden waͤhlte, nach Sicilien und Großgriechenland, 
wo er den groͤßten Theil ſeines Lebens meiſtens in Slea 
zubrachte; und der Lehrer des Parnienites, und ber Stif— 
ter der fo genannten Eleatiſchen Schule wurde*). Die 
drey übrigen, Parmenides, Leukipp und Heraklit, bluͤh⸗ 
ten ohngefaͤhr um die Zeit, als der. Pyihagoreiſche Bund 
serflöret wurde, und farben wahrſcheinlich alle vor der 
80 Olpmpiade , vielleicht den einzigen Parmenides AUßs 
genommen. 
Alle diefe Phyſiker, ol bie Griechen fie ie nannfen, 
wurden zwar mit ben Gedanken ber Joniker und Pytha- 
. goreer. befannt; allein’ein jeder von ihnen war doch fo 
eigenthuͤmlich in fie Behauptungen **), daß man dar⸗ 
-" aus, unmöglich die Meynungen ihrer Vorgänger oder Zeit: 
.. ‚genoffen errarhen Pönnte, Auch hatte Peiner außer bem 
— Parmenides einen Lehrer, in ber gemößntichen Bedeu: 
fung. dieſes Worte BL ſondern ein jeder ſachte vielmehr 








. neue 
7 VIN Diog. 18. 9. In einem Fragmente, das Dioges 


nes anführt, fagt Kenopbanes felbft,, daß fein Ruhm 
damals ſchon fieben und fechzig Jahre durch Griechen⸗ 
laud erſchollen, und daß er, als er angefangen habe, 
berühmt. zu werben, fünf und zwanzig Sabre alt ges 

weſen fey. 
+) Mur muß man den Parmenides ausnehmen, der aber 
auch nicht ganz mit dem Renophanes zuſammenſtimmte. 
a war) Einige Griechiſche Schriftfteller hielten den Leufipp für 
einen Schüler des Zeno von Elena; allein diefe wuͤrden 
etmas, was fich beffer verrheidigen ließe, gefagt haben, 
wenn fie den Zeno zu einem Zuhörer Leukipps gemacht 
hätten; denn der leztere biähte nach dem Diogenes 
um die 69 DI. umd hatte den Demofrit zum Nachfol⸗ 
ger, ber zwar. ein Seitgenoß bes Zeno,. aber, bochälter, 
als biefer war. 











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A - 


Kenophane, Parmenides, Lenkippu. Heraklit. 60 s 


neue Wege, bie von benen, welche man vorher ggbahnt 
hatte, ganz verſchieden, oder ihnen gar entgegengefegt 
waren, Ferner haben ihre Gedanken, befonders die 
des Zenophanes, beym erften Anblick einen Schein von 
Gruͤndlichkeit, Ordnung und Zufemmeuhang,, der ihnen 
auf eine Zeitlang einen großen Vorzug vor den Lehren der 
Joniker und Pythagoreer gibt; allein genauer unterſucht, 
iſt ihre Phlloſophie eben ſo eitel, als die der vorhergehen⸗ 
den Weltweiſen, nicht mehr auf Erfahrung gegründet, 
und nice weniger reid an Beyſpielen von feirfamen 
Eprüngen im Schließen, oder von Werwechſelungen der 
verſchledenſten Begriffe. Benophanes unb.Parmenides 
faßten ihre Lehren noch in Verfenz . Leuklpp und Heraklit 
hingegen ſchrieben in ungebundener Rebe, die aber noch 
unverftändlicher, oder Doch eben fo unverſtaͤndlich, als 
jener ihre Poeſie war. Bon allen vieren find Fragmente 
übrig, und zwar bie melften vom Parmenides, Die we. 
nigften von $eufipp, aus welchen Arlſtoteles und Dioges 
nes nur einige Meynungen mit beffen eigenen Worten 
anführen. . Die Aechtheit biefer Bruchftürfe muß man, 
wie die Richtigkeit der wiberfprechenden Nachrichten des 
Diogenes, bes falfchen Origenes und Plutarchs aus den 
Zeugniffen des Ariftoteles beurtheiten. Ä 
om Tenophanes und Parmenides iſt es gewiß, 
daß fie unter den Buͤrgern von Elea in großem Anſehen 
ſtanden, und in wichtigen. Angelegenhelten um Rath ges 
fragt wurden. Parmenides gab feiner Vaterftadt fogar 
Geſeze, welche ihr fo‘ heuer waren, daß alle obrigfeit. 
liche Perfonen einen fenerlichen Eid ablegen mußten, fie 
unverbruchlich zu beobachten . Vom Heraklit zeigen 
theite 


I 
um use 








®) wid. Plut. adv, Cole, , 


606 J Viertes Buch. 

theils ſeine Freundſchaft mit dem Hermodorus, theils die 
Fluͤche, die er uͤber den unbaͤndigen Poͤbel in Epheſus 
ausſprach, daß er nicht ſtets in Betrachtungen vergraben, 
und um Öffentliche Gefchäfte unbefümmert gewefen ſeh *). 
Won $eufipp kann man zwar nichts dergleichen mit eini⸗ 
‚ger Gewißheit behaupten: allein über dies Stillſchweigen 
ber Alten darf man ſich nicht wundern, indem Leukipp 
diel weniger Aufmerkſamkeit als bie übrigen erregte. 
Schon .unter den Griechen war es zweifelhaft, ob er In 
Europa oder in Afien gebohren worden L und ob er etwas 
gefchrieben habe oder nich? 


-  Genophanes und Parmenldes ſümmen beyde 
darinn uͤberein, daß es nur eine einzige, ewige. unwandel⸗ 
bare, unbewegliche, ſich ſtets gleiche Subftanz gebe, In 
welcher weder Vervollkommnung noch Verſchlimmerung, 
weder Schmerzen noch Krankheit noch Untergang flatt 
finde, und dieſe ſowohl mit Empfindung als Vernunſt 
begabt ſey »e). Die Beweife, die fie für dleſen ihren 
erften Grundfaz anführten, waren eben fo ſeltſam, als 

der 


— — — — — 





#) Diog. ix. 2. —B — a⸗ x. Toy Edesws, 
en To Toy eraigev enBaicıy Eeuodwper. ev eis 
" Onsw; Adıev. EOesios nlndev erodavem a0 
Koy Tois arnfaıs nv oν xaraiızen‘, oirwes 
Eouoſogos reouro övnisov — Myovres. 
Husov- unde eis ‚nos es. A de TIs TOIST Ss, 
ann Ts aa ner ce Acov. Hergklit follte ihnen, ſezt 
Diogenes hinzu, Geſeze geben; allein er ſchlug es ab, 
weil der Staat der Epheſet fon zu ſehr verdorben 
war. 
“ Man fee Hiſt, doßriase de vero Deo P- 321. uf. 


we 


. 
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2* 
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— *— -- 


FE enophanes, Parmenides, £eufipp u, Heraklit. 607 


der Grundfaz ſelbſt ‚wider alle Vernunft und Erſah⸗ 
rung lief. 

Wenn etwas ift, fagte Lenophanes, fo muß biefes 
nothwendig ewig feyu, weil es weder aus nichts, neh . 2 
aus etwas wirklichem, das vorher ſchon da war, entſtan⸗ 

Den ſeyn kann. Aus nichts, fagte er, koͤnne unmöglich 
etwas entfliehen, dies fen ganz undenkbar; aus Dingen, 

Die vorher da ſeyn, aud nicht, weil etwas, was ſchon | 
eriftire, nicht erſt anfangen koͤnne zu ſeyn. Da nun nie. 
mals etwas entweber aus Nichts, ober auch aus ermas 
wirklichem entftanden fey und entſtehen könne; fo müffe 
man annehmen, Daß alles, was exiſtire, ewig und un⸗ 
endlich ſey, da es weder Anfang noch Ente gehabt habe, 

noch haben werde. Aus dem Begriff des Unendlichen 

folge nothwendig, daß alles, was wirklich fen, nur eine 
einzige unbegrängte Subſtanz ausmache. Denn, wenn 

man mehrere unendliche unbegrängte Wefen annehme, fo 

bebe man durch diefe Mehrheit Die Unendlichkeit eines je- 

den auf, indein eins das andere begrängen, und beffen 
Unendlichkeit zerftören würde — Nach dem Porphyr 
brauchte Parmenides einen andern Beweis für die Ein: 

heit einer unendlichen alles: in ſich faffenden Subftanz, . 

den aber hoͤchſt wahrſcheinlich Zeno zuerſt vorgetragen, 
und Porphyr, durch eine Bermechfelung von Namen, def. 

fen Sehrer zugefchrieber hat *). 

Man theile (fo foll Parmenides gefchloffen haben) 
das wirfliche, wenn es theilbar ift, in zwo gleiche Hälften, 
biefe wieder in andere, und fo immer fort: und man 

wird 


⸗ 
— ——— — — — 


*) Simplie. ad Phyf. Aufe, fol, ‚30. P« t. 





. 


GB Diertes Buch, 


wird entweder auf kleinſte, unthellbare, ber Zahl. nah 


unendlihe Elemente fommen, oder man wird aud ſo 
lange theilen, bis gar nichts übrig.bieibt, Das Iejtere 
fey undenkbar, well alsdenn das wirkliche aus nichts ent, 
ftanden feyn müffe; das erftere hlelt er audy für unmöglid, 
ohne daß wir den Grund wiffen, warum es ihm fo vor. 
kam. — Aus der Einheit der unendlichen Weltſubſtan 
folgerten Ernophanes und Parmenides weiter *), daß fie 
ſich flets und allenthalben gleich ſey, weil Ungleichheit 
oder Verſchiedenheit nicht ohne Vielheit von Theilen oder 


Subſtanzen moͤglich fen; und aus dieſer Gleichheit leite⸗ 


ten ſie endlich Unbeweglichkeit und Unwandelbarkeit ab, 
vermoͤge deren feine Veraͤnderungen oder Verſezungen 
von Theilen, keine Vermehrungen oder Verminderungen, 
keine Verbeſſerungen oder Verſchlimmerungen, keine Ab⸗ 
nahme oder Vernichtung in der einzigen Subſtanz gedacht 
werden koͤnne. Die Unbeweglichkeit füchte Eenophanet 
noch dadurch zu beweifen, weil das Ganze weder in dı 
den leeren, noch in eineh won andern Koͤrpern befejtn 


Raum hinelntreten koͤnne. In einen leeren Raum deh⸗ 


wegen nicht, weil dieſer ein Unding fey: in einen befegem 


eben fo wenig, well e8 außer-bem einzigen Ganzen feint 
andere Körper gebe, und wenn bergleichen auch eriftirten, 


- der mit ihnen ausgefüllte Raum die einzige Subften) 


Sn 


nicht empfangen oder aufnehmen koͤnne. 


Dieſet einzigen Subſtanz gab Eenophanes, auf 
den fehon erwaͤhnten göttlichen Vorzuͤgen, fo viel mi 





ie 
— —— 


wiſſen, ohne alle Gründe no Empfindlichkeit und Ber 


nunft, * 





is 


®) Siehe Parm. ad, Simpl. 17. fol. 1 & fol, 31, 
—— 








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—— . 


“ [ . F V 
Io 8. 


Renophanes, Pormenides Leulippu Herabit. — 


unft, bachte fie ſich in ſphaͤriſcher Form, und nannte ſie 
Sottheit, deren Daſeyn er. nur durch einen Blick auf“ 
as unermeßlide Gewölbe des Himmels bewies, . Par 
nemides unterfchieb fich von feinem Lehrer hauptſaͤchlich 
arinn, daß er das Weltganjze nicht für unendlich), fone’, 
ern für endlich erftärte, und in der Abſicht feine $ehren mit j 
er Erfahrung, und ben gemeinen Begriffen der übe 
Nenſchen weniger flreitend zu machen, außer der einzigen | 
Subftanz, deren Einheit und Unwandelbarkeit er nicht auf« 
ob, noch zwo andere Grundurſachen annahm, wovon die eine 
Ues hervorgebracht Habe und hervorbringe, und aus der 
indern alles hervorgebracht worden ſey, und hervorgebracht 
perde. Dieſe beyden Principia nannte er mit verfchiebenen 
Namen: das wirkende, entweder Heuer oder Licht und 
E3ärme, und das leidende entweder Finfterniß oder Kälte, 
Auch fcheint er das erftere noch mit dem Namen: Krone, 
Benus und Norhmenbigfeit, belegt zu haben, | 
"Wenn man bey dieſer Reihe von Begriffen und \ 
Saͤjen einige Augenblicke vermeilt: ſo wird man fich viele 
eicht noch) eher mic ben Zahlen des Pythagoras, als mie 
en abgejogenen Träumen bes Tenophanes und Parmes 
ides ausfößnen. Die Pythagoreer lehrten frenlich et⸗ 
306, was weder bie Erfahrung beſtaͤtigte, noch die Were 
unft begreifen kann: allein fie empärten ſich doch nicht 
nit einem ſolchen Troge, als Eenophanes, wider die Zeuge 
iffe aller Sinne; und fäugneten nicht folche Erfcheinune 
en, von deren Wirklichkeit ung jede in und außer ung 
orgebende Veränderung überzeugt. Parmenides fuchte 
war zwiſchen Nachdenken und Erfahrung, zwifchen Vera 
tanb und Sinnen, Die Eenophanes bis zur unverföhne \ 
ichften Seindfdjaft gegen einander aufgebracht hatte, 
’ OD Ä Friede 
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646 ve tertes 0 


- Friebe zu fliften: und er gab daher Entſtehung und Auſ⸗ 
oͤſung, Veränderung und Bewegung der Dinge zu; ds 
lein diefer Friede Eonnte unmöglich aufrichtig und baue 
baft ſeyn, fo lange er zugleich Die Einheit und Unwandel 

- barkeit einer einzigen untheilbaren Subſtanz vertheidigle. 
Es war nicht Fächerlicher, die Entſtehung der Welt eu 
Zahlen zu behaupten, als die Entftehung wirklicher Dinge 
aus andern wirklichen zu laͤugnen, oder als Unenblichtet 
von Zeit mit Unendlichkeit dem Raume nach zu verwech 
ſeln; (und dies thaten die meiften Eleatiker, deren I 
endliches allemal mit eroig gleich bedeutend iſt) oder mi 
lich aus unbegrängter Dauer eines Weſens Einheit dei 

‚ felben, und aus Einheit wiederum Unwandelbarkeit j 
ſchließen, gleich als wenn Mehrheit ewiger Weſen dt 
Widerſpruch wäre, oder als wenn Veraͤnderung in nit 
Uchen Dingen nicht ohne Spaltung. derſelben in mehr 
und verfehlebene Subftanzen ftart fände. 
Dieſe Grundlehran des Eenephanes und Parmak 
bes ſtritten fo fehr wider allen finnlichen Schein, und 
der alles, was andere auch fonft nody fa verſchieden ir 
kende Menfchen für Wahrheit hielten, daß man ſich nid 
wundern barf, wenn bende für die erften Behaupter M 
Unbegreiflichfeit aller Dinge, und der Unfähigkeit dea 
Menſchen, Wahrheit von Irrthum zu unterſcheiden, # 
halten worben find ). Fenophanes konnte zwar nl 


z 





| >. — oe. J 
x) Man ſehe Sotion beym Diogenes IX. 20, Cleet. 
Quaeft. IV, 23. Pfeudo Orig, p. 94. Sertu ei 

Math. VII. 49:52. Sextus a er bieist ſich ſelbſt nik 
gleich, und legt dieſelbigen Verſe des RXenophanes u 
verſchiedenen Stellen auf eine ganz verſchiedene Ara 





— 








Lu 
Pu " ' \ 
, >. 


Renophanes Parmenides £eukipp und Heraklit. on 


alles menfchliche Wiſſen für fchwanfend und ungewiß er. 
klaͤren, weil er fonft darch biefen Ausfpruch alle feine Mey 
nungen übern Haufen gemorfen.härte yvielmehr hielt er alle 
vorher mitgetheilte Saͤje für wiffenfchaftliche Kenntniſſe, 
oder wie wir zu ſagen pflegen, fuͤr unumſtoͤßliche Vers 
nunftwahrheiten. Zugleich aber erklaͤrte er mit allen 
alten Philoſophen **), die zwiſchen dem Pythagoras und 
Sokrates lebten, unfere finnliche Erkenntniß für trügli. 
chen Schein, für biendende Taͤuſchungen, wodurch die 
wahre Natur der Dinge entſtellt und verſteckt würde; und 
bie Sinne felbft für falfche unaufrichtige Zeugen , -denen 
man, wenn fie ben durch eblere Kräfte entdeckten Wahre 
Deiten widerſpraͤchen, Stillſchweigen auflegen. muͤſſe. 
Eben ſo dachte Parmenides, wenn anders Sertus 
ben Sinn des von ihm angeführten dunfeln Fragmente 
richtig getroffen har"), Fan ging auch diefer Eleati— 
| | 24 2 


ſche 





VII.49 & 110. An der erſtern ſtimmt er denen bey, 
weile glaubten, daß Kenophanes die Unerforſchlichkeit 

ber Wahrheit gelehrt habe. An der andern hingegen 

—  fagt er, daß eben dieſer Weltweiſe nur an einer wifs 
ſenſchaftlichen unwandeldaren Kenntniß der Wahrheit, 
nicht aber an der Erreichung wahrfcheinlicher Kenntniffe 
verzweifelthabe. Beyde Auslegungen find meiner Meys 
nung nad) eben fo unrichtig, alg fie einander entgegen⸗ 
geſetzt ſind. — 

*) Hievon ſteht auch gar nichts in dem Verſen des Kolopho⸗ 
niſchen Dichters ,; in welchen nur allein die gewoͤhnli⸗ 
chen Begriffe der Menſchen von Göttern, irriger Wahn 
genannt, und die Unfaͤhigkeit des Menfhen, die Pas 
tur der Gottheit zu ergründen, eingeprägt wird. 

m) Man fehe Sertus und Cicero an den angeführten Orten 
und Ariſtoteles Met. y. sp. 8. p. 67. | 

en VII. IU, a. f. | v 








FT 


q 


‚62 ' . Viertes Buch. 

(che Philoſoph, wie Heraklit, Empebokles, und Deme 
krit, ſehr oft in Klagen und Ausrufungen uͤber die Unge⸗ 
wißheit und Widerſpruͤche aller menſchlichen Meynungen 
uͤber, und ſagte, daß der Sinn des Menſchen nach den 
verſchiedenen Miſchungen der Beſtandtcheile ſeiner Natu 
verſchieden ſey und ſich abaͤndere, und daß dahzer wegen 
der fo ſehr abweichenden koͤrperlichen Diſpoſitionen ber cin 
biefes , der andere jenes. für wahr halte, und berfelbig 
Menſch zu verfchiedenen Zeiten ganz entgegengefetm 
Mennungen anbange*), Außer der einzigen Lehre, vom 
| — 5 eg 


| me un GE 











— —— 
*, Man ſehe Ariſtoteles Met, p. 63. und Thoopb. m. 
Steph. Poeſ. phil. p. 46. Wenn nicht zuverläfie 
Schriftſteller, und unverwerfliche Bruchſt uͤcke es bewi⸗ 
fen; fo müßte man es für unglaublich halten, Kl 
man. in Griechenland fo allgemein und fo früh, M 
man durch Vernunft und forſchenden Verfland noch fat 
gar nichts an reiner Wahrheit gewonnen hatte, Ki 
Sinnen, und ber Erfahrung den Krieg angekündigt, 
und alle Kenntniffe, bie wir ihnen ſchuldig find, für 
eiitel Zand gehalten habe. , Denn nicht nur die en 
Eleatitet und Ältefte Sophiften, fondern auch Heraklit, 
Zeufipp, Demokrit und Empebofles waren alte Auklb 

ger der Sinne, und mistrauifch gegen die einzigen Fih 
rer, wodurch fie in den Tempel der Wahrheit, ben ft 
alle fuchten, bey bem fie aber alle auf werfchienn 
Wegen vorbeyirrten, hätten eingeführt werben koͤnnen. 

In eben diefe Claffe gehört auch Keniades von Korinth, 
deſſen Meynungen Sertus VII. 53 wahrſcheinlich au 
dem Demofrit, nicht aber aus übrig gebliebenen Schiſ 
ten anführe. Wenn Sertus nit den Demokrit, ml 
Demofrit niht den Keniades misverfianden hat; few 
haupfete ber leztere, daß allevon außen herkommende 
Einpfindungen falſch, und die darauf gebauten Ohr 
Irrthuͤmer feyen. Auch lehrte er wider bie übereinfim 
mende Grundfäze aller übrigen alten Poitofophen, 

. ’ / 


Eenophanes, Parmenides, Leulipp n. Heraklit. 613 


Begenſaͤze der ſinnlichen und abgezogenen Erkenntniß, der | 
ußern Sinne, und der Vernunft oder des Verſtandes 
nd nurnoch wenige zuverläffige und deutliche Reſte von 
en Gedanken des Eenophanes und Parmenides über bie 
Subflanz und Kräfte der Seele übrig. Einer Theo 
braftifchen Auslegung gewiſſer Berfe des Parmenides zu 
Hige*), folk der leztere Empfindungsvermögen-und Denk⸗ 

" 243 | kraft 


U ar 














alles, was entſtehe, aus etwas entſtehe, was vorher 
nicht da fey, und daß alles, was untergehe, in nichts; 
ober in etwas verfhwinde, was mit dem, was eine 
Sache vorher war, ganz ungleichartig fey. — So bes 
fremdend es aber auch ift, daß die ältern Phifofophen 
Griechenlandes ſich gleichfam wider die Sinne verſchwo⸗ 
ren hatten, und alle finnfiche Kenntniß verdächtig zur 
machen fuchten ; fo ift diefes bey den Meynungen, die 
. fie vertheidigten, und die meiſtens Durch augenfcheinliche 
Erfahrungen widerlegt wurden, boch immer noch leichs 
ter zu erflären, als die Veranlaffungen und Wege 
auszufinden find, durch und auf welchen die meiften, 
- befonders Kenophanes, zu ben ihnen eigenthümlichen 
Behauptungen hingelangten. — Das Zeitalter des 
Reniades, den ich Furz vorher genannt habe, iſt unbe⸗ 
Pannt; er gehört aber, wie Buto von Athen, zu den 
ätteften Weltweifen Griechenlandes, deren nur ſelten 
j Erwähnung gefpieht, weiß fie eine Schüler gebildet, 
und Feine Werke oder Nachfolger binterlaffen haben. 
Buto wurde vou einigen für den Lehrer bes Kenophas 
nes ausgegeben (Dieg. IX. 27.) _ -. 
®) Poef, phil. Steph. 46. p. Ilagpeviöns pEVv Yae eAms 
8dev eDwgınev, 06 ovov 071 duosv ovram_Sor 
Kesoı, nero To vreefBu.ov es N Yyacıs. ech 
voe ünsecxsien To Jepnev n To'uxeor, adıy 
ywecdey Tv dievanı' Berrıw de zu netaen- 
Tepgav, Tv die To Jspnov' 8 unv ko Ko Tarun 
vv dei Tvos ouumerpms. 5 | 
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Be 7 Beertes Buch. 


‚Er zertrat aber nicht bloß, wie man von ihm fagte, de 
"Homer, fonbern auch ben "heiligen Unfinn bes ganyı 
Griechifchen Volks. Er nannte diejenigen gottlos, wei 
che glaubten, daß Götter gebohren werben ober flerke 
koͤnnten *), und achte über die Aeghptier, daß fie wird 
‚liche Götter beweinten , oder ofen ‚ vie beweint y 
‚ werben verdienten, für Götter hielten"), Aus dieſa 
 Sefinaungen floß - bie fregmürßige Antwort auf die An 
frage der Bewohner von Elea: 'ob fie die Leukothea but 
Thraͤnen und Wehklagen ehren follten ? Wenn ik, 
fagte er, bie Leukothea für eine Gaͤttinn halter, fo bemei 
ſie nicht; und’ wenn ihr fie beflagen wolle , fo bei 
fie nicht als eine Gottinn an. - Die Geſtalt, woruntt 
die Griechen ſich ihre Goͤtter dachten, und die Künftier f 
vorſtellten, hielt er für eine bloße Erfindung der menſh 
lichen Eitelkeit, und erklaͤrte darauf, daß, wenn tie: 

oder Loͤwen menſchliche Hände hätten, und Gemälde ode 
VBildſaͤulen verfertigen Pönnten, 'fie die Götter gen 
"und mit eben fo vielem Grunde als Loͤwen und Griet 
darftelen würden, als: womit bie Menfchen-fie in ein 
ihnen abellchen Geſtalt ausdrůckten ) Er war F 
fü 


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. Kraren R — TEs KON BÄNHABS AT 
. TEUSSN. ] 








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ur LACH —E — aIepısın eg) 
Kratev neigen Te, no dLnAas an 
Tivesv. 
%) Arlß. Rhet, I. 24,  - 
.. ©®) Plut, de If. Of. VII, op. 491. Relık, 
“r) p. 36. Steph. Poef. "phil, 
AR ara xeta⸗ Ye Boss an 


' 


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Eenophanes, Parinerribes, Leukipp ft, Heraklit. 517 


faſt der einzige unter ben Griechiſchen Weltwelſen, ber 
alle Arten von Welbagungen als Aberglauben oder Ber 
truͤgerey verwarf *), | 


Die wenigen Meynungen und sehen, ‚vie dem 
Zenophanes und Parmenides noch mit einiger Zuverficht 
augefchrieben werden Finnen, find ben bisher erzählten 
entweder fehr ähnlich, oder bemeifen auch, daß man zu 
einer Zeit, mo man die Natur faſt gar nicht kannte, den 
noch bisweilen ſehr kuͤhn und gluͤcklich rathen konnte. Nach 
dem Ariftoteles hielt Renophanes, wie die meiften alten’ 
Philoſophen, die Erde für unbeweglich, wuſte aber von 
dem Nichtfinfen ‚ und ber Unbeweglichkeit derfelben Fels 
nen andern Grund anzugeben, als daß ſie gleichſam bis 
ins Unendliche eingewurzelt oder befeftige ſey**). Gluͤck 
licher war die Bermuthung,. die aber dem Cicero gang 
ungrjener borfam; ; ‚daß der Mond eine der unfrigen - 











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H yanılım xeigeosı xce⸗ yc vera, ame 
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Iano uw $ imması, Hoes de ve Buew 
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| Ku x⸗ Iaav dene eygaper , x ame 
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Tomvd’ olo⸗ zu x uva deucis: sv 
Opener. 


"Cie, de Dir. i. 3. 
on) De Coelo ll. 13. ol um Vœeg hie ræuræ "umeicoile | 
KAT TNS.YNS evoy Gacw,. eE ameeory ævr n 
ILS Aryosses,. arzeg Zevodayas 0 10. 


Aodovıos Ivo un mexynær exgwen OArarres 
Fr HTIAY. ö 


Ss: : Wicked: Buch. era 


ößnliche Geweßnte Erbe fer , auf weicher:ſich kele Ei 
und Berge fänden *), 

Alle übrige Gehanfen, ‚ bie matt gemeiniglich dem 
Zenophanes und Parmenides zueignet, reiten entweder 
ſſehr nie den erſten Grundſaͤzen dieſer Weltweiſen, und 

den Nachrichten der aͤlteſten und glaubwuͤrdigſten Schrift⸗ 
ſteller, oder werden auch von ſo ſpaͤten unzuverlaͤſſigen, 
und ſich ſelbſt widerſprechenden Gefchichtfchreibern ange⸗ 
führe, daß ich ſie nicht für aͤcht auszugeben wage, we 
Aigflins die Vertheidigung ihrer Aechtheit nice uͤberneh 
wien: möchte ꝰe). Fuͤr offenbar. untergeſchoben halte ih 
die angeblichen Behauptungen des Tenophanes beym Did 
genes: daß ẽs vier Elemente und unzählige unwandelbare 
Welten gebe, und Daß alles, was entftehe, dem Unter⸗ 
gange unterworfen. fey: benn. beyde Säze find mit dem 
reſten Principio dieſes Männes unvereinbar. Sehr ver 
daͤchtig, und meiſtens vom: Heraklit auf den Senophanes 


dubergetragen, ſcheinen nie die übrigen Ausſpruͤche, die 


man im Diogenes, und den übrigen van mir amgejoge 


nen Schriftftellern findet: daß bie Seele ein. Hauch, un 
ber Verſtand, oder bie Denkkraſt das vortrefflichfte unter 


allen Vermögen ſey: daß es eben fo viefe Sonnen und 
Monde, als Erbftriche gebe; baf bie erftern täglich aus 
feurigen Ausbünflungen enrftänden, und wieber untergin 

J gen, 


i ed .. . . .“ . . 9— 
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ERREAEREEDEEREND> — — nn nn nn Ge 


®) Cie, Ae. Quaefi, IV. 39. Habitar alt: :Kenopkaner in 
.,., Juns, esmqueeffe terram multarum Meblum, Kup 

" 7 tum porteutä videntur.  — 

* Man ſehe Plütarch, ap. Euſ. Praep. Evang. J. 8. Diog. 
73%, 19, Pleado Origen:‘p. 94 - 100. Pfeudo Plot. I. 


::» 304 24. 25. de Blaeitie Phil, und aus: ihm mit denſel⸗ 


bigen Worten Bteb, Eal, Phyſ. p. 53-64, .. - 


— 








Pr 


Renophanes, Varmenides, Leufipp u. Heraklit. 610 


gen, und daß auß einem äßnfichen Verſchwinden ·des le 


tern Mondfinſterniſſe entſtuͤnden: daß die Sonne eine 
feurige, und der Mond eine verdichte. Welke fen: daß bie 
Erde ehemals Waſſer, ober doch mic Waſſer uͤberdeckt 
geweſen, welches aus ben Werfleinerungen erhelle, bie: 
allenthalben gefunden wuͤrden:*). Wahrfcheinlich- fink 
Diefe Behauptungen aus eben den untergefchobenen Ges 
Dichten abgefchrieben, aus welchen Sertus bie beyden 
Verſe nahm, in deren einem es heißt, daß alles aus 
Erbe entſtanden ſey, und mwieberum in Erde: werde aufs 
gelöfee werden, und im andern, baß wir alte aus Wafı 
fer und Erbe gebohren oder zufammengefezt ſeyen **%, 
Wollte aber jemand den Tenophanes lieber eines Wihers 


ſpruchs beſchuldigen, als die Erzaͤhlungen ber neuern Schriftft· 


ſteller, und die Gedichte, aus denen fie entlehnt warden; 
verwerfen; fo würde dadurch mein Urtheil über das Maaß 
und den Werth ber Kenntniſſe der erſten Eleatiker, und 


aber den Zuſtand der Wiſſenſchaſten in re m Zu cite 


noch mehr beftätigt werben. 
Penn bie Gragmente ber älteften Eleatiker auch.atle | 
verloren gegangen wären; ſo wuͤrde man doch au den 
"Meberbleldfeln ‘des Heraklit, und aus den Urthzllen der 
Alten über dieſen Weltweiſen, :und feine Schrift, zwr 
nicht die eingenen Meynungen, & aber doch den Zuftand 
“ Fuͤr ‚eben ſo unaͤcht Halte ih vie Meynungen des Parme⸗ 
mides, die Stobaͤus anfuͤhrt: p. 53.56. Bel. Phyf, dag 








bie Sterne Feuerklumpen feyen, die Aus irbifihen Muds . 


dinſtungen entſtuͤnden: und baß Sonne und Mond 
ſich von der Milchſtraße abfanderten. . 
p.'s6: poeſ. phil. und möine Hier, dor, de vor 
Deo. am angeführten Orte. | 


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der Griechiſchen Wiffenfchaften und Sprache, ums bie Zeit 
bes Unterganges der Pythagoreiſchen Schule, zu beſtimmen 
im Stande ſeyn. Heraklit war nad) dem Pherekydes ber 
erſte oder eigentlich der erfie wirkliche Naturforſcher in Bries 
chenland, der in ungebundener Rede ſchrieb. Die Sprache war 
gur Zelt dieſes Philoſophen noch ſo arm, und feine Schreib⸗ 
. art aus eben dieſem Grunde fo dichteriſch und dunkel, daß 
er daher ben Namen des finftern erhielt, und in fpätern 
Zeiten, wo man ſich ber urfprünglichen Dürftigfeit der 
Griechiſchen Sprache nicht mehr erinnerte , bie allgemein 
Mehnung entfland ,. als wenn Heraklit mit Fleiß fein 
Sedanken in. Zinfterniß gehuͤllt hätte, uni eine deſto gti 
Gere Begierde darnadı in lernbegierigen Suchern zu exe 
gen *). Die Urfache der Unverſtaͤndlichkeit bes Herakllt 
lag aber nicht bloß im raͤthſelhaften bilberreichen Aus 


drucke, fondern im Mangel aller nterpunctionen **), 
und hieraus muß man alſo ſchließen, DaB man gegen bie 


ſiebenzigſte Olympiade noch feine Zeichen in Griechenland 
erfunden hatte, wodurch die Fürzern ober längern Paufen, 


in einer an einander hängenden Reihe von Gedanken, und 
bie verfchiedenen Theile der Rede getrennt werden. - 
ahrſcheimich war die Dunkelheit des Geraflitl 


fehen Werks am meiſten Schuld daran, daß es wenig 











6) IX. 6. Diog. Cie. de Fin. Il. 5. Et tsmen vide, ne- 
fit allqua eulpa ejus, qui Ita loquatur, ut non ie 


telligstur. Quod duobus modie fine reprehenfione 


fit: G aut de induftria faelss,, ut Heraelitus, cogeeo- 
mente qul oxoreivos perbibetur, quia de nature al 
mis ebfeurs memossvit te. 
..08) Ariſt. Rhet, III, ” ven falſchen Dem, Phel, p. 126. 
\ de isterp, . 
r 


befannt wurde, und alfo auch nicht viel zur Aufklärung ber 
©riechen, und zur Aysbreitung nuͤzlicher Kenntniſſe beya 


trug. Heraklit legte es als ein Heiligthum, ober als 


einen Öffentlichen Schaz im Tempel der Diana ‚nieder, 
und hier muͤſſen nur wenige Abfchriften davon genommen 
worden fen, weil bie Sriechiſchen Gelehrten ſowohl über 


ben Titel, als über den Hauptinhalt deſſelben verfchiedes , 


ner Mepnungen waren *). Vielleicht gehoͤret es alfo 
mit zu der großen Zahl alter, vor dem Plato gefehriebener 
Werke, von denen Porphyr fagt, daß fie fhon zu feiner 
Zeit. untergegangen wären **), und wenn dies wahr ſeyn 
ſollte; fo müfte man annehmen, daß die Schriftſteller 
aus den drey erfien Jahrhunderten nach Chriſti Geburt, 


bie viele und große Stellen aus dem Heraklit anführen, 
diefe Stellen nicht aus dem Buche felbft, ſondern aus 


andern entlehnt haben, wo fie fie abgefchrieben fanden ***), 
Nach ven Keften der. Heraklitiſchen Schrift zu urtheilen, 
enthielt fie nicht bloß Unterfuchungen über den Urfprung 


dee Dinge , über die Natur und Größe der himmliſchen 


Körper, und über die Urfachen metkwuͤrdiger Erſcheinun⸗ 


gen; ſondern auch Beobachtungen uͤber den Menſchen, | 
und über die Verwaltung von Staaten und öffentlichen 


Geſchaͤften, heftige Ausfälle auf Dichter, Weltweife und 


Gefchichtfchreiber, muͤrriſchen Tadel und Werwünfchungen 


feiner Mirbürger, bi alle "große Männer als Feinde und 


°) Dieg. IX. 12 & ı5. 
**) ap, Euf, Praep. Euang. X. 3. 
"re, Heraklit hatte Nachfolger, die fich von ihm nannten 8. 


3 








6. 1X. Diog. und bis auf den Plato fortdauerten. Allein . 
unter diefen Herakliteern hat fi Feiner durch Lehren’ 


aber Schriften vorzůslich ausgezeichnet. 


11 on —*8 


Renophanes, Parmenides, keukipp u. Heraklit. Sa | 


‘ 


Nach⸗ . 


7 ’ 
. \ 


ea > Biete Pe 
. | —X ihrer Grepfeit entfernten, enblich Enpfehtm: 


gen ber Tugend und Vorfchriften der Klugheit. Der 
ethiſche und politiſche Theil war unſtreitig verſtaͤndlicher 
und lehrreicher*), als der phyſiſche, der lauter unbewie⸗ 
ſene Vehauptungen und wunderbare Traͤume in ſich 


faßte. 


Heraklit Irre, fo viel wir wiſſn, ohne den ge⸗ 
ringſten Beweis dafuͤr beyzubringen, daß das Feuer die 
Grundurſache, und der ewige unvergaͤngliche Urſtoff der 
Welt ſey, aus welchem nad) zwenen Geſezen Der Noth⸗ 


wendigkeit alles entftanden fen, und In welches auch alle 
"Dinge wiederum zuruͤck Eehren wuͤrden **), Das Belt 


der Entſtehung nannte er Feindſchaft, und fagte, daß 


‚ durch diefe Schöpferinn aller Dinge das Feuer in Luft, 


$ufe in Waſſer, Waſſer in Erde verwandelt werde; bas 
Geſez des Unterganges aber Freundſchaft, oder Eintracht, 
nach welchem umgekehrt Erde in Waller, Waſſer In 
Luft, und Luft endlich in Feuer aufgeloͤſt werde | 

| les 


| U) 





Man fehe bef. Plat. in Hipp. 348. Poef. Phil. p. 132. 
unten p. 134 ex Dieg. 136 und 137. 138. 

#4) Die Beweisftellen finden fi in meiner Hifioela dofrl« 
nae de vero Deo p. 347 u. f. Es ift unftreitig eine 
unrichtige, und auf Stoifhe Begriffe. fich. gruͤndende 
Auslegung der Heraklitifchen Meynung, wenn es beym 

. Stobäus p- ra. Eel. Phyf. heißt: sovay Euoreuans 

. "@zoDamwero Aoyov Tov di Baıas TE moyros üf 
wovro eben fo ungichtig, Als bem Heraklit To audt- 
Quov GW, OTFIEMOS TNS TE TERVTOS YaracEws, Kl 
7regıoda ‚MaTgov Terosyueyns unbefannt war. 


, Plut, do & spud Delph, Tom, vi 5 341. 


Eenophanes— Varmenden Ennfiöp u. Heraklit, 623 


Dies Feuer hielt er für bie einzige bleibende Grundlage . 


des Ganzen, und fuͤr die einzige Subſtanz, die allen 
Umkehrungen in andere Naturen ungeachtet, unvergänge 
lich und undberaͤndert bleibe, die gleichſam unzaͤhlige mal 
ſterben koͤnne, ohne im Tode, und duch Verwandelung 
Das geringfe zu: nerlieren. Zwar verſchwinde oder gehe 
Das Feuer in Luſt, wie Luft in Waſſer, und Waſſer in 
Erbe über; allein am Ende werde doch immer durch ges 
wiſſe periodifche Ummälzungen bie ganze Welt in die Nas ı 
tur, woraus fie entfprungen fey, zurügfgetrieben. Die - 
Entftehungen aller Dinge aus dem Feuer, und ihre Wera 
ſchwindungen in eben diefen Urftoff ſchienen ihm fo reis 
end und fchnell, daß er fagte: alle Wefen ſeyen in ei⸗ 
nem beftändigen Fluſſe, und fo wenig man zweymal in 
benfelbigen Fluß hineinſteigen koͤnne, eben fo wenig koͤnne 
man in zween auf einander folgenden Xugenblicken denfels 
bigen unveränderten Gegenſtand berühren. Tod folge . 
fo ſchnell auf Geburt, und ein Alter fterbe fo geſchwiud 
in das andere, Vergnuͤgen in Schmerz, Wachen in 
Schlaf, Größe in Kleinheit und Niedrigfeit ab, daß 
man feine Örängen und Unterfchiede zwifchen ihnen bemers 
ken oder angehen fönne ). So richtig der Bebanfe 
war, daß alle uns bekannte Weſen ſich unaufhoͤrlich ver⸗ 
aͤndern; ſo irrig, und der Erfahrung widerſprechend, 
war die Behauptung ſolcher ſchleunigen zerſtoͤhrenden 
Verwandlungen, wodurch die entfernteſten Gegenſtaͤnde 
in einem Punct oder Augenblick zuſammengeruͤckt, und 
die ungleichartigſten oder entgegengeſezteſten einander 

gleich 








©) Man ſehe beſ. Plus, Vi. Conful, ad Apoll, 405. p. VII. 
. 5 ap. Beiph. 540. 41. Luc. vis. Audi, 1. 554. 


A 1} 


a Wie 


gleich aemacht werben, Judem Heraklit biefes lehrte, 
derte er nicht weniger als Tenophanes, welcher glaubte, 
daß alles ſtehe, ober umbeweglich ſey. | 


Noch feltfamer waren felne "Begriffe von ber ung. 
umgebenden Natur, von dem Weſen der menſchlichen 
Seele, und von Wahrheit und JIrrthum. Heraklit 


nahm zweherley Arten von Ausbänftungeh an, feurige und 


Helle, die aus der Erbe aufftiegen, und feuchte, die 


- fich vom Waſſer ablöften *). Mit. jenen glaubte er die 
Raͤume der Himmel ausgefüllt, und mit bem-legtern 
wahrſcheinlich (doch fo, daß fie einen Zuſaz ber erflern 
* hätten) den ung umgebenden Dunſtkreis. Nach bem 


| \ - Diogenes erklärte er fich nicht über die Natur der uns 


> umgebenden $uft **), nad) dem Gertus hingegen fagte 


er, daß fie Empfindung und Verftand befige***). Wen 


diefer luftigen aus ungfeichartigen Dünften gemifchten 
Subſtanz floffen Teiner Meynung nad bie menfehlichen 
Seelen aus, die er felbft Ausbünftungen, und zwar 
wenn Kleanth ihn recht verfianden hat, feuchte 

Ausdünftungen nannte t). Er glaubte. ferner, dahß 








| Bas 
®) IX. 9. Dieg. | 
nr l. © r _ 


os.) vil. 126. N 
+ Man fehe Cleanth. ap. Euf. In Praep. Evang. I. 
20, Himit ſtimmt ein Fragment des Heraklits beym 
Porphyr uͤberein, de anutro Nymph. p. 112. Ed. Ro- 
‚man, worinn e8 heißt, daß es ben Seelen nit Tel, 
fondern Wonne fey, feucht zu werden, und daß er un 

ter Wonne ihre Eniſtebung verſtanden habe. 

Ich weiß nicht, wie er mil biefem Auß 
fpruche einen andern vereinigte, daß die trodenfe 
Seeele bie weifefte ſepy. klut. VII 703 * 


1 








Eenophanes, Parmenides, Leukipp u. Heraklit. 625 
Vernunft und Faͤhigkeit, Wohrheit zu erkennen, von der in. 
nigften Verbindung der Secle mit der gemifchten Subſtanz, 
us welcher fie entftanden fey,, abhange. Unſere Sinne 
ſeyen gleichfam: die Thüren oder Defnungen, wodurch Die 
unferee Geele verwandte Materie in uns- eindringe, 
oder eingezogen werbe, und ſich alsdenn mit ihr vermifche, 
Wir hätten daher nur Verſtand und Erinnetungskraft, fe 
lange während des Wachens die Sinne geöfnet wären, und 
die Verbindung ber Seele mit der vernünftigen, in fie eine 
firömenden Natur ungeftört. bllebe: wir verlören hinge⸗ 
gen beyde, wenn durd) den Schlaf diefe Gemeinſchaft aufs 
gehoben , und die Seelenöfnungen gefchleffen würden. 
| Aus dieſen Saͤzen zog er den Schluß: daß wir 
alle nur fo lange, als wir wachten, eine einzige gemeinfhafts 
liche Welt hätten: und daß ein jeder im Schlaf und 
Traume gleihfam in feine eigene Welt einfehre *), daß 
ferner nur das wahr ſey, mas mit der allgemeinen Ver 
nunft, und worinn alle Menfchen übereinftimmten, und 
das falfch , was nur dem Berftanbe einzelner Menfchen 
vr [heine * Er ober ſ ſich ſelbſt, indem er 
die 


Reisk, Porph. I. e. p. 113, und daß fie, wenn fie 
feucht werde, wie die der trunkenen Ihre Vorzuͤge vers 
liere. Stepb, Poeſ. Pbil, p. 137. Er glaubte, daß 
die Seelen, wie alle übrige Subflangen, in beftändigen 
. Werwanblungen feyen, daß’ dieſe Verwandlungen für 
fie Ruhe, und das Fortdauren in einerley Zuſtande hins 
gegen ihnen fhmerzhaftfey. Jambl. sp. Stob. Ecl, Phyf, 
113. 114. Die neuern Platonifer iegten ihn nach ihrer 
Weife aus. Man fehe nady Plot, p.468, . 
-®) VI. Plut, 634. . 
0) gext. l. Bent Heratlit feinen erften Grundfäzen 
gemäß hätte räfonniren wollen; fo baͤtt⸗ er entweder 


alles ' 
Ar | 














66 - u Vlertes Buch. 


die Augen und Ofren, ober die Sinne rohet anausge 
bildeter Menſchen, als unzuverläffige Zeugen verwarf, 
und würde ſich noch mehr widerſprochen haben, wenn er, 
wie Sertus ; meinem Urtheile nach, oßne Grund glaubte, 
die Sinne überhaupt , oder alle fi nnliche Erkenntniß ohne 
Ausnahme verworfen hätte *). 

Wenn bie Nachrichten und Fragmente beym Die 
genes und Plutarch **) wahr und aͤcht find; fo dachte er 
über Goͤtter und Dämonen, wie die Joniſchen und Pr 
thagoreiſchen Philoſophen, tadelte aber verfchiedenes in 
der Art , mie man fie verehrte, ohne daß wir fagen Fön 
nen, sole viel ihm in dem öffentlichen Götterdienfte der 
Griechen gefalten habe oder nicht, "Er glaubte, daß 
die Luft mit Dämonen ***) und Seelen angefuͤllt ſey, und 
war von der Wahrhaftigkeit des Apoll zu Delphi, und 
ber alten Sibyllen überzeugt; fand aber doch Die Anrı 
fung codter gefühllofer Bilder laͤcherlich, und fägte, daß an fie 

feine Wünfche und Gebete zu richten eben fo viel ſey, als 
| wenn 5 man nf ich mit Häufern unterhalten wolle n- 
’ Ä Faſt 


— — 


alles— fuͤr wahr ertennen muͤſſen, was ein jeder wachender 

Meenfch dafuͤr haͤlt; oder er haͤtte auch alles fuͤr wahr, ober 

alles für falſch halten muͤſſen, denn das eine oder das andere 

folgte-aus feiner Behauptung: daß alle Dinge auf eis 

u ne gewiſſe Art ſeyen und auch nicht ſeyen. Ari. Met, 

1.6. P. 68. 

*) Sext. VIL 126. Steph, Pr 137, ex Stob, 
®®) Diog. IX, 7. Plut. ap. Stepb. 138. p: 

"rt, Er nannte Gie Menſchen ſterbliche Götter, und die@it 

- ter unfterbliche Menſchen. Lue. 1. 533, vide & Herakl, 

ap. Stephan. p. 13%. £ 

7) p. 132, ap. Steph, Wenn man dem Eutraͤthsler der 

Aegpptiſchen Geheimniſſe trauen koͤnnte; ; fo nannte 

Hera⸗ 
























4 
\ı 


Kemopfane, Varmended, keutipp u. Herallt 647. 


Faſt über allen Glauben fonderbar waren feine 
Morftelungen von. der Natur der himmliſchen Körper, 
und feine Erklärungen ber Tags 3 und ahrszeiten, Diefe 
zeigen vorzüglich, wie unendlich ſchwer es dern Menſchen 
wurde, Größe, Ordnung, Echönhele und Regelmäßige 
keit auch da zu entdecken, wo wir jezt glauben ,; baß fie 
unüberfehbar find, und daß fie fidy audy ben ungeübreften 
Sinnen offenbaren müften. — Heraklit war in ber Mey⸗ 
nung, daß die feurigen Duͤnſte, die aus der Erde auf⸗ 
ſtiegen, ſich in gewiſſen ausgehoͤhlten Gefäßen ober Trich⸗ 
tern, deren Beſchaffenheit er aber nicht erklaͤrte, ſamm⸗ 


leten, und daß aus dieſen Klumpen feuriger Danſte 
die Sterne entſtuͤnden. Er glaubte ferner, daß in dee j 
Soane bie reinſte Flamme brenne, und daß eben fie ſich 


‚auch in dem reinften Raume bes Himmels herumwaͤlze? 


daß die übrigen Geſtirne weiter, als fie, von ber Erde: - 
entfernt wären ,, bet Mond hingegen ber lesten am nädy 


ften ſey. Sonnen. und Monbfinfterniffen erklaͤrte er aud 
den Umdtehungen det Gefäße, in denen Ihr Licht eingen 
ſchloſſen ſey, oder aus Abmendungen dar offenen Seiten 
Der Sonnen » und Mönbtrichter. Die Sonne ließ er 
an jebem Morgen nicht aufgehen, fonbern ganz von 
neuen entfieben, und an jedem Abend nicht bloß unter⸗ 
gehen, fondern gänzlich verfchwinden, und Piato fagte 
baher von etwas, was geſchwind unterging, daß es noch 
Rr4 ſchnel⸗ 


U om 








Heraklit die Öpfer deswegen area, ‚teil fie den Mens 


fchen reinigten, und pries die heiſtigen. Opfer am mei⸗ 
ſten an, die aber nur von wenigen duserwählten Maͤn⸗ 


tern dargebracht wurben. de yn. Aezypi. I: ti. 


v. u 


* 4 


U 
. 


Br lichen leeren m Raum, den er für e etwas wirkliches, und 


. 


628 Vienet Bis: 


Ichneller als 
Dieſen Begriffen. zu Folge lehrte Heraklic,“ der * 
anbreche, wenn ſich feurige Duͤnſte genug zu einer Som 
 nenmaffe gefammiet bätten; und daß er fi endige, 
. wenn dieſer Klumpe gluͤhender Ausdünftungen durch ent 
gegengeſezte wäfferigte vertilgt werde. Auf eine aͤhnliche 
Art erfäurerte er die Abwedhslungen der Fahrszeiten, 
Wenn nämlic) die Zeuercheite und die Wärme Die Ober, 
hand gewönnen, fa erhielten wir Sommer; und wenn 
hingegen bie Feuchtigkeit das Uebergewicht erlange, ſo 











„ ſtelle ſich der Winter ein **). 


Die meiften Weltweiſen, von denen ich bisher ge. 


eedet habe, wichen eirier von dem andern, und alle wie 


derum gleich weit von Wahrheit. und Erfahrung ab. 
Eben bdiefes kann man auch vom Seufipp behaupten, 
deſſen Meynungen ich als das lezte Benfpiel des Zufton 
des der Wiffenfchaften in Griechenland vor der fiebenzig: 
ſten Olympiade, und als die feste Befldtigung meines 
Urtheils über die Joniſche, Pythagoreiſche und Eleatiſche 
Philoſophie anfuͤhren will. 

teufipp feste ſich zwar allen feinen Vorgängern, 
aber keinem fo abfichtlich und fehnurgerade entgegen , alt 
den Eenophaned, Dieſer laͤugnete Bewegung und le 
ven Raum, und hielt afles für eine einzige ungecheilte 
Sobſtanz: Leukipp hingegen-behauptete nicht nur unend 
lich viele ewige, untheilbare, und’unzerftörhare Element, 
. bie er zuerſt Atomen nannte, fondern auch einen unend 





\ | > eben 
— en 


de Rep. Vi, p. * NMaſſey. 
20) bios. ıX, 9. 10, Steb, Eel, Phyf. 53 & s6. p. 


2 im! . 
—ñßf— —e 








Ze} 


\ 





[4 
' 
. N 


Renophanes, Parmenides, Leukipp u. Heraklit. 629 | 


eben ſowohl als die Atomen, für ein für fich beſtehendes 
Weſen anfah *). Dieſe Atomen (fuhr er fort) ſeyen in 
unaufbörlichen Bewegungen, und aus ihnen und Dem 
leeren Raume ſeyen alle Dinge nach gewiſſen Gefegen ber 
Morhmwenbigfeir entftanden. Die Verſchiedenheiten der 
zufammengefejten Subſtanzen rührten alfo ganz allein 
von der verfchiedenen Figur, Ordnung und Sage der Atos 
men her. — Ya diefen Saͤzen glaubte Leukipp nach der 
Bemerkung eines großen Weltweiſen eben fo viele Wahre 
Heiten gefunden zu haben, vie der Erfahrung beffer ent⸗ 
ſpraͤchen, als die Meynungen des Zenophanes **); allein 
eben diefer Philofooh urtheilt an einem andern Orte, daß 
Der Lehrer bes Demofrit die Urfache der Bewegung eben 
ſo wenig angegeben und erklaͤrt habe, als alle die übri- 
gen, Die vor ihm über den Urfprung ber Dinge geforfcht: 
haͤtten ***), Wie richtig dieſes Urtheil fen, zeigen bie 
nur halb verftändlichen Auszüge oder Fragmente beym 
Diogenes, aus welchen ich nur Purz bag, was zuverläfe - 
fig vom Leukipp behanptet, und vom Demokrit angenom« 
men wurbe, mittheilen will, 

Deer erſtere lehrte alfo, daß von ber unendlichen 
Zahl der im unbegrängten leeren Raume berumfliegende 
‚Atomen einige in einander geariffen, ſich mit einander 
verbunden, und einen feften Riumpen oder Maffe gebil«- 


ber hätten, und daß biefe Maſſe hurch die in der Nähe 
vorbenftreichenden Koͤperchen allmaͤlich vermehrt, und 


in eine Preisförmige Bewegung gefezt worden. Diele 
Ä Kr 3 Ar 
®) Arift. Met. 1. 4. de Coelo III, 7. Simpl, fol. y. ı. ia 
| Phyf. Ari. Dio, IX. 30-34. 
- 8) Ariſt. * Gener, & Int. I. B. 
u LEE SE nn - 


| 630 Viertes Buch. 


Ktomenmaffen ſeyen anfangs feucht gemefen, durch bie 
ſchnelle Bewegung allmälich ausgetrodnet, und endlid) 
in Geſtirne ausgebraunt worden.,Auf dieſe Art, dachte 
er, waͤren unzaͤhlige Welten entſtanden, und wieder 
untergegangen, und wuͤrden auch noch in der Zukunft 
unzählige Welten entſtehen, und wieder untergehen, 

Wenn man nun nicht annehmen will, daß alt 
Fragmoènte der erfien Philofophen Oriehenlänbes erdich⸗ 
et, und alle Zeugniſſe der alten Schriſtſteller von ihnen 
unglaubwürdig find, ober daß auch afle Geſchichtſchrei⸗ 
ber oder Erhalter ihrer Gebanfen und Veberbleibfel fih 
gleichfam verabredet haben, nur. bie größten Lingereimts 
beiten aus ihren Werfen auszuheben, und den Machkom⸗ 
men zu überliefern; fo muß man auch zugeben, daß bie 
erſten Eleatiker, ferner Heraklit und Leuklpp, faſt nichts 
merkwuͤrdiges zur Erweiterung der Kenntniß ber Matur 
und menſchlichen Seele bepgetragen, daß fie alle mehr 
gerathen, als beobachtet haben, daß alſo auch die Wil: 
ſenſchaften in Griechenland. um und nad Der 7often 
Olympiade nody Immer in ihrer Kindheit, und endlih 
Die Joniſche und Pothagoreifche Philofophie nicht vollſtaͤn⸗ 
biger und gichtiger gewefen ſeyn koͤnne, als Ich ſie geſchib 
bert babe, 





Fuͤnftes Bud, 
Befchichteder Griechifchen Weltweisheit zwi⸗ 


ſchen der ſiebenzigſten, und achtzigſten 
Olympiade. 


Empedokles, Anaxagoras, Demokrit, Zeno und 
| Mieliffus.: | 


kn die bluͤhendſten Griechiſchen Stäbte in 
Afien durch Sittenverderbriß und wiederholte 


Berheerungen,, und die mächtigften Staaten in Große . 


riechenland durch bie Ausröttungeg’ oder Vertreibungen 
‚er Pythagoreiſchen Sefellfhaften unbeilbare Wunden 
mpfangen batten; fo Fonnte doch ber Saame wiffenfchafte 
icher Kenntniffe, ber an fo vielen Enden ausgeftreuf 
var, nicht auf einmal erſtickt, und ber ſorſchende Geiſt, 
yer in fo manchen Gegenden rege geworden war, nicht 
uf einmal unterdruͤckt werden. Das Schwerdt 
yer Perfer hatte in Afien eben fo menig allgemein, un 
nie gleicher Grauſamkeit gewuͤrgt, als die Zerrüttungen 


ind Aufrüßre, die aus ben Vertilgungen ber Pythagorer 


ntftanden, dem ganzen Griechiſchen Italien und. Sicie 
ien in gleichem Maaße verderblich geworden waren. 


Anter ben Aftarifchen Pflanzſtaͤdten buͤßten viele, beſon⸗ 
Rr 4 ders 


1 ” 2 


632 FFFüuͤnftes Buch. | 


ders biejenigen, die am Helle pont und (dwarzen Mer 


gelegen waren, außer ibrer Unabhängigkeit, oder einem 
alten Herrn, deſſen Mitde ihnen ihre Knechtſchaft erträg: 


- Sich gemadht hatte, faſt nichts weder an Bürgern, noch 


an ihren alten Rechten und Gazungen ein; und felbft I 
Diejenigen, welche die Rache bes erzürnten Siegers gäny 
fi umgeworfen hatte, kehrte mit mwieberhergeftelte 
Ruhe ein” großer Theil ihres ehemaligen Handels un 
Gewerbes, und mit dieſen Reichthuͤmer und öffenrlide 
Gluͤckſeligkeit zurück. Auch die Großgriechiſchen Städt, 
nachdem fie alle Uebel erduldet hatten, welche der Da: 
luft ihrer Häupter, und die hieraus erfolgte Geſezloſigkel 
mur hervorbringen fonnie, gemanntn mit dem Frieden un 
der bürgerlichen Ordnung, welche fie aus den Händen de 
Achaͤer empfingen, zwar nicht alle, aber doch viele u 


den Kräften wieder, "bie ihnen wilde Zwietracht gerauk 


hatte. Die Sicilienifhen Städte befonders erreicht 
in dem Zeitalter, zu melchem ich jezo fortgehe, unter de 
Herrſchaft von Tprarfhen ‚ oder vielmehr durch bie Daft 


hungen und Tugenden von. Männern , . die wenigſtens 


eben fo Vaterland liebend als ehrgelzig, und für v1 
Wohl derer, die fie fich unterworfen hatten, nicht werd 


wer, als für die Befefligung ihrer eigenen Gewalt beforx 


waren, den böchften Gipfel von Mache, Anfehen, Woh 
habenheit und Aufklaͤrung, den fie jemals erfliegen babe 
Unter foldyen Umfländen wäre es eine Abweichung de 
Natur von ihren eigenen Geſezen gewefen, wenn bt 


J Schaz von Kenntniſſen, den aluͤcklichere Vorfahren m 


daß die leztern das, was ihre Vaͤter ihnen Hinterlaſſu 


worben hatten, von den ſorgloſen Nachkommen ganz ms 
‚ren vernacklüffige worden: man muß vielmehr erwartin, 


| 


- 








' ı 


Gedichte der Suchſſhen Wermetchet 633 


hatten, noch in vermehren gefucht haben. In dem gan⸗ 
zen Umfange von Griechenland, wie es ſich von feinem 
urfprünglichen Size nach Often und Welten ausgebreitet _ 
hatte‘, blieben nach allen den gewaltſamen Ummälzungen, 
won denen ich geredet habe, nodı immer viele blühende 
Staͤdte übrig, und in diefen Städten wurden ned) im⸗ 
mer Männer gebohren, welche Natur und Gluͤck mit 
eben den Gaben und Vorteilen zur Bereicherung und 
Vervolllommung von Wiffenfchaften ausrüfteten, womit 
benyde, die älteften Soniker und Pythagoreer zur Erfins 
bung derfelben befchenfe Hatten. Solche Männer waren. 
Empebofles von Agrigent, Anaragoras von Klazomene, 
‚Demofrit von Abdera, Zens von Elea, und endlich Mes 
liffus von Samos”), deren Verdienfte ich im gegenmwärs 
tigen Abſchnitte unserfuchen werde, ie waren alle Zeite 
‚genoffen von einander, und unmittelbare Nachfolger des 
Porhagoras, Zenophanes, Leuklpp, Heraklit und Para 
nıenides. Man fann fie daber als das dritte, ober vie 
mehr als das vierte Gefchlecht von Maturforfchern anfee - 
ben, die in Griechenland aufſtanden. Die Namen if. 
rer Waterflädte zeigen, daß bie Weltweisheit nod) immer. 
in eben. ben Gegenden verweilte, in welchen fie zuerft 
mar gebohren,, oder wohin fi e zunaͤchſt war veroflanf. 
worden. 

In der Geſchichte dieſer Männer hat man nech 
eben ſo ſehr, als in der Geſchichte ihrer Vorgaͤnger, Ur 
fache darüber zu Plagen, daß auch nicht die Werke eines 
einzigen gerettet erben, daß ber übrig gebliebenen Frag⸗ 
mente nur wenige, und biefe wenigen Fragmente mei⸗ 
Ä R es Ä ftens 


\ 
a - 











IXX 


#) Siehe erſte Beylage ain Ende des Abſchnitts. 


N 


\ 634 - er PP | u 


ſtens bunt, unb in einer Menge non Schrifeftellern, 
pon denen fie auf ganz verfchiedene Arten gedeutet wer⸗ 
den, zerſtreuet ſind, daß man ferner auch ihnen Gedan⸗ 
ken und Schriften untergeſchoben hat, und. daß endlich 
die fehren und Erfindungen, die ihnen zugeſchtleben wer⸗ 
‘den, fich eben fp fehr, dig die Nachrichten und Sagen 
aus Ältern Zelten wiherfprehen. So wahr aber Dieies 
ift; fo muß man dach zugleich geftehen, wenn man ſich 
anders nicht die Ehre, größere Schwierigfeiten, als 
man mirklich zu befämpfen hatte, überwunden zu haben 
anmaßen will, daß man in den Ueberbfeibfeln aus dies 
ſem Zeitalter viel leichter, als in den Erzaͤhlungen aus 
feühern Peripden Das Wahre vom Falſchen unterfeheiden, 
Ynd daß man auch aus den Bruchſtuͤcken, die zu Uns ge⸗ 
kommen ſind, die Verdienſte eines jeden Denkers, und 
ben Zuftand ber Wiſſenſchaften viel juverfäffiger beurthei 
- fen kann, als ich in den vorhergehenden Buͤchern zu thun 
im Stande war, wiewohl man au in dem gegenmärtle 
gen noch nichts vollſtaͤndiges erwarten kann. 
Ä Wenn man bie prachtigftien $abfprüche lieſt, wel⸗ 
he bie größten Männer Rome und Griechenlandes dem 


Anepagpat unb deſſen Zeitgenoſſen artheit haben *), 
und 





— — — *— 
9 Ich vailln nur e bie wichtigſten dieſer Bobfprüche anführen. 
Vom Anaxagoras fagt Cicero: de or. II, 34, At hune 
(Periclem),. non elamator aliquis ad clepfydram Jatrare 
‚dosuerat, fed ut dceepimus, Clazomenius. ille Ans 
Xagoras, vis ſummus ia meximarum rerum fcientia 
Sertus nennt ihn Toy Qusinwerarey Avafayopav 
(VII, 90, adverſ. Matth,) Vom Empedofles jingt Lucre; 
u in folgenden Verfen, ungeachtet er die Grundſaͤze defr 
ſelken wiberfegte: \ 
| Quo- 








3 


Ecbr der Stiehſſhen Woit weleheit. 63 | 


und alebahn zu ungemöbnlichen Erwartungen geftinme 
nachforfeht, um mie viel dieſe Weltweiſe die Graͤnzen 
der menſchlichen Erkenntniß nach allen Selten bin erwei— 
tert haben; fo erſtaunt man, wenn man bemerkt, daß 
bie erhabenften Geifter fa geringe Fortgänge im Zelte 
Der Wiſſenſchaften gemacht, und ſich um fo wenige 
Schritte mehr ols ihre Vorlaͤufer den Gehelmniffen ber 


Matur und der Wahrheit genäheret haben. _ Noch immer 


ſcheint es, al wenn der menſchliche Or mehr aim 


um 


Bass Kern Tr FAR ru "RZ 
J Quorum Acragantlaus euprigis Empedockes ef: 
InTula In quem Triquetsls t torrarum gell in oris$ 





Anne cum magna modis, multie micanda videtüg 
Geotibus humania zegio, vifendaque fertur, 
Rebus opima bonis, multa muuita virum vi: 

* tamen hoe habuiſſo viro praeelarjus in fe, 

Nee fandum magis, & mirum, earumque sidetun, 
seh ‚qui etiam divini pectoris ejug . 
‚' Voelferantur ,„» & exponunt pragclara reperia; 
-; U vi human videgtur Rirpe ereatug, 
1. 717 &e, v. 





Eben fo ſehr würde Demokrit vom Ariſtoteles und Ei⸗ 


cero bemundert. Ariſt. de gen. & corr. L. L. €. 2. 


ms da mac To EMMOANS Kell gdevos das 


EREINEEY , een, Annoxars SToS d' Eoıne Man Mepı, 
Amavra Ceavriae, ndy de ev TO RS dt Deger 
Cic. Ar . Quasi. W237, Quid loquar de Demoerito 
quem eum eo conferre peffumus non mode Ingeniä. 
magnitudine, led .otlam animi 2 qui Ita aufun fit ar« 


— 


dir, Haec loquor de univerßs, Nihil exsipit, dq, 


Ä quo” non profiteatur, Quid onim eſſo poteft extrg, 
univorfa ? quis hune phllofophum non anteponig 
Cleanthi, Chryfippe, religuisgue infgrioris agtatia$ 
“qui aihi um ille eollsti, quintae claflis videnturg 


Die yorsheilhaften Urrbeile der Alten tiber den eng 


werde ich in ber folgenden N Note enfäbten 


— —— 


x 
. x 


J. 


ſcheinliche Ungereimtheiten an. 


| 636 | | inf: Bach. 


‚und gefabelt, afs nachgedacht und ernftlich geforfcht hätte, 
Moch Immer trifft man unter den Meynungen der weile 
ſten Männer gegen eine einzige wichtige Wahrheit und 
Beobachtung zehn grundlofe Vermuthungen und augen 
Und endlich iſt dk 
Summe ihrer Gedanken noch immer fo Elein, daß ein 
einziger nicht elnmal vielfaffender Kopf die Elemente alle 

Wiſſenſchaften opne Mühe umfpannen konnte. Die ® 
schichte derfelben beweiſt unwiderſprechlich, daß bie 96 
woͤhnliche Schilderung der Pythagoreiſchen Philoſophit 
eitel Traͤumereh, und der Glaube an bie Verpflatzunm 


aller Wiſſenſchaften aus Aegypten und Aſien nach re 


(henland eine ungegrünbere Erdichtung fen. 

Ungeachtet aber die Weltweifen, die poifihen be 
fiebenjigften und achtzigften Olympiade bluͤhten, wicht vid 
‚weiter als diejenigen, beren Fußſtapfen fie folgten, von 
ruͤckten; ſo unterſchieden ſie ſi ch doch von ben leztern auf 
mehrere vortheilhafte Arten, die man nickduͤberſehen o « 


verſchwelgen darf, wenn man ihnen Gerechtigkeit mieden 


fahren laffen will. Sie fingen doch an, die Natur ge 
nauer ju beobachten, und ihre Räfonnements mehr auf 
Erfahrungen zu gründen, als ihre Väter gethan hatten 
Sie richteten ihre Aufmerkfamfeit auf eine ungleich gti 
ßere Anzahl von Gegenftänden, als diefe, und ihr Ge 
ſichtskreis erweiterte fi, wenn fie auch gleich nicht im: 
mer fanden, was fie ſuchten. Sie erheben ſich, ode 

vielmehr Anaragorag allein, dem auch die beyden erflern 
Berdienfte faft ganz allein eigenthuͤmlich find, von de 


« Erde und über die Himmel. in welchen man Schoͤnheit, 


Ordnung und Kegelmäßigkeit wahrzunehmen anfing, pı 


Ä 


‚ dem unbegreifichen Urheber und Reglerer des Car, | 
; be. 


— 


2 


Seſchichte der Griechiſchen Weltweisheit. 637 


deſſen Majeſtaͤt man bis dahin eben fo ſehr, als, die 
Vortrefflichfeit feiner Werbe verfannt hatte, — ‚Eben, 
fo groß, oder auch größer , als irgend eins ber jegt 
erwähnten Verdienfte, ift die. Ausbildung , welche die 
Profe, und befonders die philofophifche Sprache der 
Griechen durch die Arbeiten der Weltweifen dieſes Zeite 
alters (den Empedokles ausgenommen) erhielt, Wir 
find zwar nach dem Verluſte ihrer und ihrer Worgänger 
Werke nicht mehr im Stande zu beflimmen, wie viel ein 
jeder zur Bereicherung und Verfchönerung feinen Mutter⸗ 
fprache beugetragen habe; allein wir können doch immer 
aus den günftigen Ureheilen, die gültige Richter über 
bie Schreibart bes Demofrit und Zeno gefälle haben *), 
| ‚ nicht 


⏑ GEBEN ————— 


Die Schreibart ober Sprache des Demokrit wurde mit 
der Stimme des Jupiter verglichen. VII. 265, Sext, 
adr. Mathem. Cicero urtheilt folgender Geſtalt über 
fie: Quamobrem fi ornate loevtus eft, fieut fortur 
& mihi viderur, phyfieus ilie Democritus, materles 
illa fuit phyfiel, de qua dixiti oroatus vero ipfe 
verborum , otsterie putaddus ed. de orat. 1. 11, und 
in ofator. cap. 20. Itaqus video vilum efle nonnul- 
Ns , Platonis &-Demeeriti locutionem, erfi sbfis 
a verfu, temen, qued incktatius feratur, & clarifüi- 
mis verborum luminibus utstur, porius poems pu- 
tandum, quam eomicorum pottarum &e, Vom Ze⸗ 
no heißt es beym Apelejns (Apul I, p. 300. Ed. Col- 
vii) item Zesonem illum antiquum Velia erlundum, 
qui primus omatum dictionem folertiffimo artificio 
amdiferiam diffolueret. Selbſt die Echreibart des 
Anazagoras beurtheilt Diogenes, aber gewiß nad) eis 
. nem andern, wie er ſtets zu thun pflegt, auf folgen⸗ 
de ginfige Art: "aefaevos ETW TE auyygap- 
Acœros, h sy dews no neyahoQ@govas ECM» 
veunevov, Il. 9. 








\ 


⁊ 


v3zß FJuͤnftes Buch. 


a. 


hicht wenfger aus ben Seaginenten des Anaxagoras und 
Meliſſus ſchließen, daß die beyden erſtern Meiſter in der 
Runſt zu ſchreiben waren, und daß die leztern alle bie geſuch 
ten und ſchwerfaͤlligen Verzierungen verachteten, wodurd 
ihte Lehrer ihre Gedanken öfter verdunkelt oder verkehtt 
als erhoben hatten, und Durch deren unmaͤßigen Gebrauch 


die ihnen folgende Sophiſten zwar die Bewunderung if 
ver Zeitgenoſſen, aber den Tadel befferer und aufgeflän 


terer Nachkommen verdienten, — Ich wuͤrde auch noch 


die Dialektik, deren Erfindung Ariſtoteles dem Zenv zu 


ſchreidt ), unter ben wichtigen Entdeckungen ber erſten 


Hälfte des fünften Jahrhunderts vor Chriſti Geburt uf 
zählen, wenn man hicht diefe verderbfiche, und in der 
“Folge nur zu fehr geliebte und blühende Kunſt vielmehe 
für eine Ausartung oder einen ſchaͤdllchen Auswuchs, al 
Für eine Erweiterung der Pbiloſophie halten muͤſte. 


Wenn bie Wiffenſchaften in dem Zeitraume, den 
dleſer Abfchnitt umfaßt, einen viel größpen Sprung ge 
macht hätten, als wir finden, daß fie wirklich gemadt 
"haben; fo würde man fich darüber niche wundern koͤnnen, 
weil die beyden größten Männer, Die darinn Bervorge 


bracht wurden, ganz wider die Mufter der aͤltern Weiſen 


Griechenlandes, ſich öffentlichen Gefchäften ‚entgogen, und 
fo gar ihre häuslichen Angelegenheiten vernachläffigten, 
vder doch ihren Freunden übergaben tk), um beſto unge⸗ 

me 


/ 





' . in R -.4 ar ur welt 
. [m 


" %*) Sekt, VII. 7. j 
8) Siehe Bsylo Art, Abakspore Not. A, bef. Cie, Tufe, 
Quaeſt. V. citer inem. Quid ergo aut Homera ad de 
leciatlonem animi & roluptatem, aut eyiquam doeh 

| defu- 











N 


R \ 
\ . 
l , | 
‚ 


Geſchichte der Griechiſchen Weltweisheit, 639 
ſtotter und ununterbrochener ber Erforſchung der Wahk-· 


heit obllegen zu koͤnnen. Empedokles und Meltffus his 
gegen wandten einen Theil Ihrer Zeit und Kräfte im 


Dienfte ihrer Vaterſtaͤdte an’; und Zeno, ungeachtet er 
der erſte eigentliche Weltweife in Oriechenland war, deb 
öffentlich leßtte, und fich feinen Untetricht bezahlen ließ, 


verlor fein Leben unter dein edlen Beſtrebungen, ſeine Min 
bürger von einem Unterdtücer zu beftenen, der die Allain- 
herrſchaft In Elea an ſich geriſſen hatte: 

Maddenkende deſer werden in der Geſchichte die— 
ſer Weltweiſen, wie in einer jeden andern, auf Raͤthſel 
ſtoßen, die ihnen eben fo nnaufloͤslich ſehn werden, als 
fie es mir find. Bald werden fie darüber erſtaunen, 


daß eben ber Mann , der die ſchwerſten Wahtheiten 


gluͤcklich entdeckte, und die feinften Beobachtungen ohite 
Beyſplel und Vorbild änftelite, in Irrthuͤmer fallen konnte, 
die alle gefunde Vernunft empören-, indem fie wider bie 
gemeinften Erfahrungen und alle Analogie der Natur 


fireiten, Bald wird es ihnen unerklaͤrlich fcheinen, daB 
Männer ,. wie Demofrit, Meliffus und Zeno, foldie 
Meynungen, dergleichen Ihre erfien Grundſaͤze water, 
noch immier nach der Öffenbarung ber Wahrheit burdy - 
den Anaxagotas vertheldigen, und Beyfall und Schüler 
finden konnten, Endlich werden fie nicht Begreifen koͤn⸗ 
nen, wie es Iuging, daß in der Weltweisheit Verderb⸗ 


1; 


D 
' 
l L; rn re PH r r 4 TIL EL en 
7 


defuifle unquam arblirsmür An ni ita Tei te he: 
‚ beret, Ansxagorss; aut hie ipfe Demöeritus, agras 
'& patrimonia fua reliquiffent , hule dilcendi quas- 





_ rendigus divisse deledtstioni tatö. [6 asimo de | 


dilfent i 
4 


N 


— 


6410 Fuͤnftes Buch. 


niß und Ausartung ſo ſchael auf ihre Kindheit und Yu 
gend folgten, und fich ſchon da einſtellten, als fie erft 
- einige wenige reife und beilfame Fruͤchte für den Geiſt und 
‚noch faft gar feine für das Herz der Menſchen getragen 
atte. 
L Der erfte unter den Weltweiſen, ven denen Ih 
reden werde, iſt Empedokles, der zwar einige Jahre {pr 
ter als Anaxagoras gebohren wurde, aber ſich frühe 


als Schriftſteller zeigt Die tiefe Ehrfurcht gegen 
den Pythagoras, weiche der Agrigentifche Weltweit 


nicht nur in feinen Werfen aͤußerte, fondern auch durch 


Nachahmung im Leben und Handeln ausdrücte, fein 


Bekanntſchaft mit einigen Pythagoreern, die bamals noch 
über alle große Städte Itallens und Siciliens gerftenn 


“ waren, und die Bertheidigung mehrerer Säge, die den 


Sreunden und Nachfolgern des Samiſchen Philcſophn 
eigenthuͤmlich waren, wurden vermuthſich die Weranlaf 
fungen der falſchen Sagen, daß Empedokles ein Va— 


trauter des Porhagoras gewefen, und-in feinen Bund | 
“aufgenommen, aber wegen der untreuen oder Leichtfinnk 


gen Ausbreitung gewiffer Geheimniſſe als ein unwuͤrdiget 
‚Mitglieb herausgeworfen worden fen *). mpedofid 
blühte gerade in dem glängendften Zeitpimcte feiner Va— 
terftadt, nicht fange nachher , als bie Agrigentiner ihre 
Tyrannen vertrieben, und die größten Werke der Kunſ 


errichtet barten —8 Er war eilt weniger als Pythag⸗ 
ww 


⸗ 


ui —— 








rs , " 

©) Diog. VIII. 55. 

#*) Man fehe das, was ih Äber ben Zuftand ber Siciliſchen 
Städte um Ende des dritten Eapitels des dritten Buhl 


geſagt habe. Eine neue Beſtͤtiguns meiner Bemer 
kun⸗ 


— — —— — — 











*.- 


Seſchichte der Griechtſchen Weltweisheit. nñ 


as ein Feind der Unterdruͤkung, ober einer beſchlimpfen⸗ 
»en Ungleichheit *). Er zuͤchtigte diejenigen, die ſich 
eibft:oder andere uͤbermuͤthiger oder niedertraͤchtiger Weiſe 
u erheben ſuchten: ſchlug ſogar die Koͤnigskrone aus, die 
nan ihm anbot, und vermochte bie Agrigentiner dahin, 
aß fie (und hierinn verließ er Die Brundfäge des Muſters, 
as er ſich zur Nachahmung vorgefest hatte) den regieren. 
‚en Rath von faufenden aufheben, und eine Demofrati 
che Verfaſſung einführten, nach welcher Damals vie Ein. 
oohner aller Griechiſchen Städte ſtrebten **), Diefes 
Sifers fuͤr bürgerliche &teichheit ungeachtet: unterſchied 
ich Empedokles im Aeußern eben ſo ſehr, oder noch mehr 
ils Pythagoras von ſeinen Zeitgenoſſen. Er kleidete ſich 
ME . nicht 
kung iſt der Spruch, den, man dein Empedekles zu⸗ 
ſchreibt: daß die Agrigentiner wohllebten, als wenn 
ſte an jedem folgenden‘ Tage ſterben müßten: und bins 
gegen. Gebäude aufführten, als wenn fie nie zu leben 
aufhören wuͤrden. ap. Diog. 63. 1. — 
) Dnos Guroy no Agısoreäns eAsudegoy Yeyoı 
TV, HE TTRONE KENNS ROTE, 6 Ye Tny 
Baosreir aurw ddoneviv KaönTnoaTe, (a9x- 
weg Zaydos ev Tois Tel auTE Asyes) Tnv Arro-. 
Fnro (beffer svosnre) dnAovorı mAsoy ayarıeas ' 
_,, Diog. 65. 6. EEE .. 
“*) “Yaopov EumsdonAns nos Fo Toy Yırmy 
aIenısun KureAuce GUVEesWwS EWI ETN TOIR, ass 
8 dovov yv Toy WÄBTIEV, aA Ka Tay Ti d-. 
porn Deovsırov. Dieg, 66. f. Ewredoniys 
de ras Te newTres Ton molstasy vBerlovras no 
diee@desvras (vielleicht bes dIesgovrus) Ta none - 
efereyfas &e, Blut. adv, Col, A, 628, 


os 





44 Zunft Bu 

nicht bloß reinlich , ſondern prächtig „. ımb trug Gendn 
der und Schmuck, die man damals als Zeichen der koͤnigli 
her Würde, ober ‚einer göttlichen : Heiligfeit aͤnſeh 
Seine Micbürger verabrten in ihm nicht nur den Wieda 
herſteller, Vater und Befchüger ihrer Freyheit, den ob 
‚gemeinen Wohlthaͤter, ‚ber. fein großes Wermögen ps 
Verbeſſerung ber Stadt, aber zur Ausflattung arm 
Mitbürgeriunen anwandte, ben beruͤhmten Dichter, dm 
mächtigen Redner *), ben großen erfahrnen Arzt, [ar 
dern fie bewunderten in ihm auch (md bier ſtimmte de 
ganze übrige Sicilien bey) den Vertrauen ber Gdtte, 
den Vorſteher und Weißager der Zukunft, endlich du 
munderthätigen Beſchwoͤrer, der. den. Lauf der Mat 
hemmen, und ſelbſt dem Tode gebieten koͤnne *). 


Empeddokles ſchrieb nicht, wie Pherekydes, Hei 
Me, und vielleicht auch Anaximander und Leuklpp vor Ihe 
gethan hatten, in Profe, ſondern in Verſen, zum dt 
weife , wie leicht und natürlich es damals ſcheinen mußt, 
feine Gedanken in gebundener, und wie ſchwer un 
Ä | | nat 


* ODno de LEæruegos ov Tas Bias dr mus are 
nos eNTwE weises. -Topyıoy yay rov Acornm 
teurs 12277 —RVVI —* omegexora⸗ 

en regnn, Ka Texıv ameAEAoımere. sp. Dip 

Ä 8. VIII, vide Arin. teftimonlum u. 595. 
Ye) Man fehe Dieg. I. e & I, 59.60. 61. 70. 73. it 
Euren und Wunder werben voni Diogeries nach dem he 
raklides Pontikus and Timdus in eitzer abgefhmattt 
Legenden Sprache erzaͤhlt. —** als Timdus 

(Diög. 60.) erzählt es Plutarch, Wi Empedokles nit 
geroiffe Gegend in Sicilien, bi gefägtliäen Erde | 
pnterworfen war, geſund gernacht hube. ade. Colt 

a 5 ZZ 









| Geſchichte der Seiehifgen Welwelchet. 63 


tatürlich in ungebundener Rede enszubräden. & hin 


erließ Gedichte von ganz verſchiedenem Inhalte *), von 


yenen zwar Feines unverſtuͤmmelt, aber body mehr Bruch⸗ 


tuͤcke, ‚als von irgend einem andern alten philoſophiſchen 
Dichter, u uns gekommen find, Das ganze Briechi« 


he Alterthum fegte ben Empedokles den größten Dichten 
ın die Seite **), und Ariſtoteles ugeeälte, daß in feinen 
Berken ein Homerifcher Geiſt mebe, und daß er befons 
ers in Anſehung der Bilderfprache.undaller übrigen Were 


ierungen ber Poefie wenige feines Öfeichen, und vielleicht 


einen über ſich habe. Allein ehen diefe Zierrarhen, an . 


enen feine üppige Einblidungskraft nur gu fruchtbar war, 
ınd bie er nicht immer nach den Geſezen der Dichterifchen 
Sparfamfelt austheilte, raubten feinen Werken: einen: 
Borzug, ber ben älteften und größten Dichter Oriechens 
andes. zugleich zum feichteften und. anziehendften Schrifta 
teller ſelbſt für Anfänger macht: ich meyne die Klarhelt, 
nd die nirgends aufhaltende und verwirrende Helligkeit 
8 Homertfchen Geſangs. Ex. redet oft eine fa eigen 
hamlche Sprache, und Fr fo kuͤhne Bilder und fo. 


bunfle: | 











*) Dan FE das Merzeichniß berfelben beym Diogenes 





Br Er I To mei memrav Onsw (AeısorsAne) ers 
us Onegixos 0 Eumedonäns, nos desios zegı ruv 
-Veoaoıv yeyovE, MEraDogınas TEMV, KO TOIS OOA- 
Aoıs TOIs ME6L.TFOINTIENV STITEUYaCı YpmLevos 
Dieg. 57. 1. Theophraft urtheilte, daß er ein Nachah⸗ 

mier bed Parmenides gewefen fen, und feine Manier 
zu erreichen gefucht habe ©. 55. Hermippus glaubte fos 


gar, daß er mit dem Xenophanes bekannt gersefen 


Mer m und feiner: Art zu dichten fich zu nähern bemthet 
habe. 36. I 


! 
\ 


/ 








f 


In 





544. en Be Buch. 


dunkle: Allegerlen,/ daß die größten Kunſtrichter und 


Sorachverſtaͤndige alcht fetten Ihren Schar fſinn vergebens 
m denfelben verfucht, ober fie doch auf die verſchiedenſte 


Art ausgelegt haben. Uebrigens aber Mingen bie für 


girn Feagmente, die wir noch haben, fo voll und fu praͤch 
ag, und haben einen fo reichen Wohllaut, dergleichen 
man nar iin den. heftige Geſaͤugen des Homer, und aufe 


dieſem In feinen andern: @riechifchen Dichter antrift, 
. So ſehzr aber · auch Empebofles den Tenophanet, 


Parmenides, und deren Zeitgenoſſen an dichterl ſchem Feuc 
. and. vielleicht. an Mannigfaltigkeit von Kenntniſſen uͤben 
treffen haben mag; ſo wenig war er ihnen als Forſche 
md Ausleger der Natur und feiner ſelbſt überlege. 
„Beine Gevanfen ſtritten zwar nicht fo offenbar mit da 
Zeugniſſen der Sinne, als die der erſten Eleatiker; alen 
„it: waren nicht weniger falſch, und wvch mebr mit Wi 
derſpruͤchen angefuͤllt. 
"= Empedofles nahm zuerſt Bier unwanbeibar. Er 
mente, Feuer, Waſſer, Erde und bLuft, als den eff 
a0. ans. welchem alle Dinge hervorgabracht worden, w 
in melden alle Dinge: zurocklehren wuͤrden *). & 
De läugnet, 





en Die Beweisſtellen für dieſen göſchnitt findet man in ut 
her Hiſt. doct de’vero deo p. 354. eine einzige wich 

. tige, nämlich das Zeugniß des Plutarch beym Euſebius 
Ausgenommen in Praep, Ev.-E. 8 Wenn Plukird 

. den Empedobles nicht unrecht verſtanden hat; fo glaubt 

' dieſer, ‚daß die viet ewigen Elemente urſprungio mi 
. einander verunfdr, und ohne alte Beivegung waren, 
daß aber Bernegung i in ber Folge BAER entſtanden fep, 
weil das Feuer mir uͤberwiegender Koaft auf dieübrigen 

Ä Beunseirenn auswirken. anpefangen Yabe, ha J 
— ſteht 





Selhichte der Griechiſchen Weltweicheit. 645 ° 


äugnete.,- wie alle übrige Grlechiſche Weltwelſe, bie 
nehr als eine leidende Grundurſache behaupteten, eigent⸗ 
iche Entſtehung und wirklichen Untergang. Was man 
Entſtehung nenne, ſey Zuſammenſezung von Theilen, die 
yorber ſchon da gemefen, ‚und eben ſo Untergang oder Tod 
Auſtoͤſung von Thellen, bie bisher vereinigt waren. 
Nichts alfo werde geboßren ober zerſtoͤrt, fondern alles 
verde nur verwandelt *), Die wirfenden:Lirfgchen, oder 
‚le Befeze und. lebendigen Kräfte; durch und nach wel⸗ 
hen alles aus den vier Hauptgattungen von Brundförpern - 
‚ervorgebracht, ober barinn zuruͤckgetrieben werde, belegte " 
r mie denfelbigen Nomen, mit weichen fie Heraklit ber 
egt hatte; nur kehrte er oder tauſchte er ihre Geſchaͤfte 
ind Wirffamfeit um. Er erklärte nämlich bie Freund⸗ 
chaft oder Liebe für diejenige Kraft, die alle Wefen aus 
en verfchiedenen Elementen zufammenfüge, -unb die 
seindfchaft hingegen. für die Urfache der Aufldfung der 
Dinge in ben Urftoff, aus welchem fie‘ entſtanden 
Yen, ' 


N 


E73 7 Unter 





r 
J 





ſtehe ich wenigſtens folgende Worte des Plutarch: 
any de dexm Tits unmaens qumßmn ame we 

rTETVXMXEYcA KAT Toy agesıa iv, arıBascove. 
ros TE Tuocc. Aus dieſem Chaotiſchen Zuſtande der 
Elemente habe ſich, dachte Empedokles ferner, die 
Luft zuerſt abgeſondert oder hervorgewickelt, und ſich 

um die übrige Maſſe kreisfoͤrmig ber verbreitet: Nach 
ber Luft fey das Feuer hervorgekominen, und durch die 
Kaͤlte der erſtern in die Hoͤhe getrieben worden. 


Ariſt. de Gen. & Corrupt. I. 1. & Empedoelis feggment, 
ap Plut, adv. Colotam Xp. n 579. 380. , 





u 


646 . ° Fünftes Buch 
Unter biefen erften Hauptgedanken des Empedo 
„Bes ift feiner, den er nicht felbft durch mehrere entgegen. 
" :gefegte Ausfprüche ‚aufgehoben hätte, Er redete. biswel⸗ 
Jen: nicht nur von den Elementen, als von wandelbaren 
Naturen *), fondern wankte auch in ihrer Zahl. Dem 
batd fahe er das Feuer als das eine, und Waſſer, Erbe 
und. $uft als das zweyte Element an, aus welchen alle 
entfprungen fen; bald brachte er gat alle Elemente auf da 
gewiſſes Eins , oder eine gewiſſe Einheit zurück, dera 
Weſen und Eigenſchaften er niemals anzugeben oder za 
beſtimmen fuchte “), Eben fo unbefländig war eris 
feinen Behauptungen über vie wirkenden Urfachen eder 
Kräfte, ° Oft flimmte.er dem Heraklit bey, welcher fagtt, 
| bob die Feindſchaſt oder Zletracht ve Schöpferinn, und 
die 


+ 














2) Man fehe befonders die Fragınente des Empedokles beyn 
‚Simplicius fol. 34. I. in Phyf. Auſe. Ariſtot. Jq 
. führe nur das kuͤrzeſte an: or⸗de as ANA pero 
. Bane, fagt Simplicius —R Asyav, 


Be Er de peges nenrescs WEQIRÄOMEYOIO Kunst 


Kay pe es ana, no auferoy ey pi. 
eaes œions. | 
‚“) Man ſehe Eimped: Prag. sp. Ariſt. VIII. 1. Phyſ. & 
- ibi Ari. ferner de Gen, & corrupt. I. 1. Eumib- 
HANS KEV EV EOIKEV EVLvTIOb Aryev, 8% Zoc Ta 
Desvoneve , we 708 quroy AUTOS. era pe 
ya 8 Draw Eregov e& Ersen YırecIcy Ton 5 

say Bde, Rn Ta WAYTO EL TETaV, au 

ray guvayayn sw Ev.Tw imacer Du, 

am TE venus, €un Ta dvos Yıyyacday za 
inæsoy. Man fe auch Mat, RB d. PB 4% | 





⸗ 


Geſchichte der Griechiſchen Weltweishett. 647 
bie Eintracht die Zerſtoͤhrerinn aller Dinge ſey *), An 
andern Stellen ſah er Die Freundſchaft felbft als ein Ele⸗ 
ment an,, bas aus der Einheit entftanden fey, und gab 
Die Feinbſchaft für die einzige Kraft aus, die dieſer Ein. 
heit ihren Urfprung nicht zu verdanken habe. Zulezt er. 
Pläcte er in einem abermafigen Widerfpruche mit ſich ſelbſt, 


Daß auch die Frindſchaft aus der Einheit entſtanden ſey, | 


und nannte bald das Glüf, bald die Nothmwendigfele, 
bald die Natur als thaͤtige Kräfte, wodurch eben ſowohl 
als durch Freundſchaft und Feindſchaft unzaͤhlige Koͤrper 
zuſammenſezt und aufgelöft, und die wichtigſten Erſchei⸗ 
nungen und Veraͤnderungen in der ganzen Welt erzeugt 
wurden. | | Ä 
Unter ben ältern Weltweiſen iſt nicht leicht jemand, 
von dem man menigere Mennungen über bie allgemeinften 
Eigenfchaften ver Dinge und Über die Natur Himmilfchen 
Körper angeführt hätte, ober deſſen Meynungen weniger 
befolgt worden wären, als die des Empebofles. Er fo 
wohl als Anoxagotas läugneten zwar mit ben: älteften 
Eieatifern das Dafenn eines leeren Raums, allein fie 
fagten beyde nichts von ben Urfachen der verfchiebenen 
Diehtigkeit ober Lockerheit, und der verfchiebenen. Leich⸗ 
tigkeit oder Schwere von Körpern bey gleicher -Maffe 
und Umfenge *%). Er tadelte den Zenophanes.in ben 
bitterften Ausdruͤcken, daß er Die Erde deßwegen für une - 
beweglich gehalten habe, weil fie ins Unenbliche eingewurzelt 
— Ss 4 ſey. 


v ν— m on rr wr 


*) Die Beweisftellen foͤr dieſen, und die folgenden Sie 
findet man im meiner hiſt. do&, de veto deo p, 


354. 55 ' 
##) Ari, IV. 2. de Coole, 


63 Fuͤnftes Buch. 
ſey, und brachte fuͤr den Saz, den Tenophanes ſeinen 
Urtheile nach fo ſchlecht bewies, einen andern Grund veh 
ber nicht weniger feltſam und eingebildet war. Kr glaubt 
nämlich , daß die erftaunlich fchnele Bewegung bes Hin 
mels, ber die Erbe umgebe oder umfaſſe, den Fel 
oder die Ummälzung der Erde eben fo hindere, wie dit 
. Ausfließen des Waſſers durch das frhnelle Herumſchwi 
‚gen eines Keffels zurückgehalten werde *), den Kimml 


ſelbſt hielt er für eine chruftaflene fefte Maffe, und di 
Sonne nicht für Feuer, fondern für einen‘ Abglan; di 


göttlichen ichts **), ober für den Ruͤckſchein einer anden 


Sonne, die Berjenigen, bie wir fähen, entgegengell 
fey, und die Räume der Himmel mit hellem Glanje tı 
fülle ***), Er redete von zwoen Halbfugeln , die fih be 
ftändig um bie Erde bewegten: einer feurigen ober lich⸗ 
vollen, und einer andern, die größtentheils aus Luſt, un 
aus einem kleinen Zufage von euer beficher Die 
leztere nannte er Nacht, und hiele. fie für einen dem 
Monde ähnlichen Körper, ber feiner Meynung nad) ausw 
vom Feuer verlaffenen $uft gleihfam zufammengefrorn 
fen, und ſein Licht von der Sonne empfange +). Un 
ber die Natur des Lichts und des Sehens brückte er fid 
nicht Immer auf dieſelbige Art aus. . Bisweilen de 
bauptete er, daß bas Licht, mas ung bie äußern Gege—⸗ 

ftäne ſichtbar made ‚ aus ben Augen. wie aus Feuer 
J Quel⸗ 





*) II. 7 de Coclo. | | 
. #*) Stob. p. 53. Plutarch, de Pyth. or, VI, g75. id. ıp 
Euf, ie 8.” 











###) de Plac. II. 20, Stob, Etl. Phyf. p. 56, 
1) Plutageb, ap, Euf, Praop, Br. 1. 8. 


, 


— 





N 


\ > 


Geſchichte der Sriechiſchen Weltweisheit. 649 | _ 


| Quelten ausfllehe *), An andern Stellen hingegen bes 


fehrieb er das Sicht, als eine von ber Sehfraft gänzlih 


verfchiedene feurige Subftanz, die ſich In den Räumen’ 


zwiſchen Himmel und Erde verbreiten fönne, ohne daß 
wir fie wahrnähmen **), Ich ſehe nicht ein, wie er mit 


diefen unter einander ftreitenden Ausfprüchen einen dritten 
vereinigte, den uns Plato aufbehalten hac***), Diefem 
Weltweifen zufolge lehrte Empebofles, daß fid von allen 
Gegenftänden gewiſſe Theile ablöften, und daß fich wies 


berum in allen Körpern Deffnungen fanden, in und dur 


.6$5 welche 


*) So verſtehe ich wenigſtens folgende Stelle beym Ariſto⸗ 
teles (de ſenſu & fenfiblli e. 2.) Enc eye Venv, 
—ED Eumedoräns Onot, noy ev Ta Tino 











u 
, 


VEyERTT a a ouvelßuzıve To oenv afiovros woTeg. 


en ARURTNEOS TE. Dwros, daerı 8 KU EU Ta OH@- 

zes Ewen cos m orbısz In dem Fragment des Empe⸗ 
dokles ſelbſt aber, was Ariſtoteles anführt, ſcheint die 

. andere Meynung beſtaͤtigt zu werben. | . 

e0) Aritt. I, 7. do Anim. Kay se oodws Eumedonäns, 
80 8 Ts as ETws ionnevs os Degoue ra 
Daros, u Yıyvonevs more meraufu Tng Yns hop 


TE MEBIEX.OVTOS , NOS de Auvdavras. 
s*®) Plat. ia Meno p. 336. 8x8v (frägt Sofrates) Aryere 


semogeoas Tas Tav ovram marıs EumedonAsa ; 


— a Podens Ye (antroortet Menon) — Koy WOLBS 
es 85 RO wv wi MToplony Mopsvovroy; — 
man Ye. — Kay Toy amogponvras MeV Kguor- 
TEv eviois T@VWOLnV, TS de eAuTrES 1 nafss 
en: — esi TaUTa — BKEV ν noAesr 


Yo, ehr Hwdargos. 854 YEEKLOL KTrogeon OXM- 
perav orbes- aumpergos uy motyuhs. - 


er x 


* 


J 


.' 


650 Fünf Buch. 


“welche fie ein⸗ und ausgehen koͤnnten. Mach blefen Be 
"griffen erfläcte er das Sehen felbft .und den Anblick ober 
die Unterfcheidung won Karben, als das Einbringen ges 
wiffer von äußern Dbjecten abfließender Theile, die den 
Deffnungen des Auges entfprächen, und zugleich wahrs 
nehmlich wären. Eben fo falfch, und feinen erfien 
Greundfäzen nicht weniger wiberfprechend war die Mey⸗ 
yung, daß das Waſſer ein Gemifche, ober ein Inbegtiff 
aller Arten von Säften und Geſchmacks ſey, bie wegen 
ihrer Feinheit oder Werbünnmg unmerklich wären, und Daß 
daher die Säfte und Salze aller Pflanzen und Früchte 
aus verfchiedenen Theilen des Waſſers abgeſondert wür- 
den *). Diefer Gedanke paßte nur in das Spftem bes 
Anaragoras, ber. die vier Elemente nicht für die einfachſten 
Principien der Körper, fondern für Mifhungen aus un. 
zähligen. Homoiomerien. hie, Empedokles arg. 
wohnte eben fo wenig, als alle übrige aͤltere Weltwelle, 


einen über alle Gedanken erhabenen maͤchtigen, weilen 
und güeigen Urheber ver Wet, fondern er ließ ale Goͤtter 


gleich Menſchen und Thieren , aus ewigen Grundförpern 


hurch blinde Kräfte, beren Natur er eben fo wenig, als 


ihce Art zu wirken erfärte, zuſammengeſezt und wieder 








%, Hieruͤber ſehe man bie Betrachtungen bes Ariftoteles de 
Goner. & Corrupt, I. i. Ich will hier noch kurz ein 
paar Ausſpruͤche des Empedokles anführen, die beym 
Ariſtoteles in feinen wereweoroymos feehen, Er 
nannte (HM, 3.) das Meer den Schweiß der Erde: recht 
Hut, fagt Ariftoteles, für einen Dichter, aber ganz um 
verſtaͤndlich für einen Naturforiher. Empedobles 
glaubte ferner (IL. 8.) daß der Bliz aus dem Feuer 
entjiehe, was die Wolfen aus den Sonnenſtrahlen 
ſammleten. 


} 








auf | 








Srfsicre dev Saehlben  eitmeisel. 61 


aufgelöft werben J Von dieſem allgemeinen Geſeze 
der Entſtehung nahm er nicht einmal das luſtige oder gels 
ftige Weſen aus **), wovon er, wie die Pythagoreer von 
ihrem göttlichen Feuer, und Heraklit von der göttlichen 
ums umgebenden $uft, ‚glaubte, daß es die Urſache des 
$ebens, Empfindens und Denfens aller Naturen, und 


die Urquelle aller Götter, Dämonen und Seelen (ey. er 


hielt bie Götter zwar für größere Maffen oder Theite des 
geiftigen Wefens, als die Seelen der Menfchen, Thiere 
und Gewaͤchſe; übrigens aber glaubte er doch, daß fie : 
mit den leztern verwandt, und von gleicher Natur ſeyen **). 
Er tadelte mit dem Kenophanes ben allgemeinen Irrthum 
ſeines Volks, welches ſich bie Goͤtter in menfhenägnliche | 
. / te 





mr 








-®) Dan fehe Hiſt. dei. de vero deo. p. 357. Die widtige 
fen Zeugniſſe fliehen beym Ari, de Gen. & sarzupt, 
1, 7. Meuph. A. dp. 5 

“) Dan ſehe Sext. VI. 127. f. (Die Stelle felbft habe ich 
in meiner Hi. do&, p. 958. abgeſchrieben) und Am- 
monil, Comment, in ariſt. Lib. zegs Eouiveus Pr 
94. dic Tauro 6 Angayosvriwos 00Dos ERIELO- 
aılov Tas neu Jeav ws avIeamosduv avray 
ARE, TOIs Montes Asyonsvas MUIas, 8A 
væave BENYEHEIaE EV MeQi ATOMVOE, 7EBO 
8 nv AUTw BLOSS EXLWS & AoYos, Korte de Tov au. 
Tov TEOMOy, Ac Tee TI NS KavyTos ETÄRE 
sshoPovouevos , ETE Yo ordeouen KEDaAT n- 

rœ Yu mensch, 8 ME Eranarmy YE dum 
xrxdeo wiege, & modss, & Zack yara, 84 
eu Ausxınevra, a Denv legt, xy aa: | 
oDaros ERAETToV aavov, Poorrics Ko ner 12.27 


rœæ 7.727.7777 77.” Ionen 
0.) gert.|.e 


„i 


GB fee Buch. 
| Geſtalt badıfe, flimmte aber-darinn mit ben Griechen 


überein, daß er mehrere Elaffen uͤbermenſchlicher Wefen, 


naͤmlich Götter und Dämonen annahm , melche leztere 


er von ben erftern Durch geringere Vorzüge und befonders 
burch Fehlbarkeit ober Suͤndbarkeit unterſchied. Er 
war allem Vermuthen nach unter den Griechen der erſte, 
der dieſe Begriffe von den Dämonen vortrug, der ferner 
lehrte, daß folhe Dämonen um gewiffer Bergehungen 
willen auf die Erde oder in die Materie gemorfen *), und 
Durch ein ewiges Beleg des Werhängniffes oder einen uns 
abänderlichen Rathfchluß der Bötter gegmungen wuͤrden, 
während eines beffimmten faft unermeßlichen Zeitraums 
alle Arten von Körpern zu befeben **). Er fagte ferner 
wahrfcheinfich zuerft, daß die Seelen den Menſchen feibft 
gefallene Dämonen feyen, bie ſchon sin befferes Leben ges 
lebe hätten, und nad) ber Auswanderung aus bem menſch⸗ 


| lichen Leibe noch viele Prüfungen,und Wanderungen durch. 


gehen und vollenden müßten, bis fie ſich zu ihrer urſpruͤng⸗ 
chen verfornen Seligkeit ‚wieder empor heben, koͤnnten. 


Von ihm ruͤhrt endlich allem Anſehen nach der Gedanke 


her, den die mittlern Pythagoreer und Piato, und aus 
dem 


. ———— — — —— — — — — — 


*) Man ſehe Plot, Runesd. p. 468. u. Plut. de IL & 
Of, ap, Steph, Reef. phil, B 24. & 28. ‚blquo allud 
fragment. ex end, , 

“) Er ſelbſt fagte von ſich: 

Hon yae mor' eyo- yevound xsonre Koeos Te 
Oauvos FT omvos Te, noy ev KA eBLomos 
1x 9us ap. Biog. VI, 78. 
Andere Stellen ap. —* IX, 128. 129. Arifl. Pher I, 
| A 3. die man beym Stephanug P- 24. |. l, e. beyſaumen 
findet. 


2 





r 


Geſchichte der Briefe arwedhen a; 


dem Plato nachher alle neuere Platoniker annohmen, baß 
unſer zerbrechliche Leib ein Grab der Seele, unſer irdia 


ſches Leben ein Zuſtand der Pruͤfung, oder vielmehr ein 


geiſtiger Ted, und der Ted des Körpers, ober Die gaͤnz 
liche Abldfung der Seele von aller Materie der Anfang 

eines neuen Lebens, und gleichfam die Wiedergeburt eineb 
lange verwieſenen Daͤmons ſey *). | 
Mie diefen Gedanken des Empeboftes über bie 
Abſtammung menfchlicher Seelen find feine Behauptuu— 
gen über ihre Natur und ihre wefenttichfien Kräfte eutwe⸗ 
der ganz unvereinbar, oder doch fd wenig zuſammenhaͤn⸗ 
gend, daß man ſchwerlich die feinen Faͤden entdecken 
wird; wodurch Re in. dem Kopfe ihres Erfinders zuſam⸗ 
men gefponnen waren, Er glaubte nad) einem Grunbs 
faze, ber faft alten ältern Natımforfchern gemein war; 
und nach weichem’ mur gleiche Dinge einander erfennen 
und angiegen rm: deß die Seele der r Meiſch aus al 
oo les 





— — — — 
* Auf ihn zielt Plato, wenn er in feinem Gorgias fast: 
| (p. 320. Ed. Baf, Ge.) 8 yue To Iaunafo' av, 
66 —XR rn ev Tois de Asyes, Aeyav, Ts 
8 oder, ro Cu MeV. ES ns Fuven, To narIa-. 
ven de m; Kos NUEIS. To OrTI 10WwS Fedranen. 
omee non TE eywye. Ku nraca Tray oder, og 
vuy ums Tedvanev: nu To. ev qono egn Nun 
" Enna. vns de Yoxns 12.2. 7°8:120.,7.°7 2. 7%.297777.9977 
FUuyKaver ov oloy dvaneadecIer HU METETI zlev 
ava Ks Kar. Ks TETO en Tıs MuSoAeyay 
Kounbos ne, iows Eineros Ta, n IrteAngs, 
Jœgœydv To OVORKTI, did: To miYovov Ku res- 
 Sinov, avouace mio. ke. Man fehe noch Fraͤgm. 

Empedoclis up, Hiexotlom im rarmen aureuiit pP. 130, 

un Ed, Necdh, . 


— — —— — 0 —— 


Wenn man allein nach den Ueberbleibſeln des Ems 
pedokles ſchließt; fo hat er Die Thiere und Gewaͤchſe ſerg⸗ 


Faͤltiger unterſucht und umſtaͤndlicher abgehandelt, als 
den Menſchen und die himmliſchen Körper. . Allein auf 
Hefe feine Meynungen über die Entſtehung aller Thiere 


und Gewaͤchſe, über Zeugung und. Fortoflanzung, un 


 gndere merkwuͤrdige Eigenfchaften derſelben find noch Im 
= mer den Begriffen des gemeinen Mannes, und der älte 


Am Dieter ugter allen Voͤlkern aͤhnlich, und fie entpab 


 gen:nur einen einzigen oder einige richtige Gedanken, die 
aber vielleicht mehr Vermuthungen, als genaue Beobach 
rungen waren. I 


Empebelles ſah das Ohugefaͤhr oder Das Gluͤd 
als:die einzige oder doch hauptſaͤchliche Schoͤpferinn aller 


Dyflanzen und Thiere, befonders ber leztern au). & 
. glanhte, daß das Ohngefähr. unzählige ungluͤckliche Ver⸗ 
Fache und Zuſammenſezungen gemacht habe, bis es foldt 


Tdiere und Geſchoͤnfe her vorgebracht, hie ſortdauren, ud 


wadern ihnen aͤhnlichen Weſen das Daſehn geben könnten 


Er. redete von Ungeheuern allerley Art, Die vor. der Et 
Hebung vollkommner Thiere vorhergegangen ſeyen, vo⸗ 
Menlchen mit doppelten Gliedern und -Gefrnhssen ; ede 


auden 








- D 2i * 
—ü— — “ — | 


ze #)_Phyf, At. U 4 Ks Tœ Mogiaco Tov Caasv 0 Tr 





2 ns yerzadım Ta mAeisa Doz. vide & de Pat, 
s Anim. 1.1. & Emped, frsg. sp. Sinipf; in Phyl. Ark 
226,86. b. weiches Fragment Simplicius äufeine ſonderbate 

Arrt nuslegt. Eenſorin ſagt: e. 4. prime memhra isguls 
"2 gX tert quafi praegnante pafllor edira; deisde eoliſſe 
Inn efocifle. (atidi heminis matorlam, Igni Gmul a 

. "  humese permiktam, | 


\ 








Geſchichte ber Griechiſchen Weltweisheit. 657 


andern thleriſchen Körpern vereinigt geweſen )Y. Ihm 
ſchienen aber nicht bloß ganze Geſchlechter von empfinden» . 
Den Naturen „fondern auch einzelne Theile derfeiben durch 
bloße Zufälle entftanden zu feyn. So leitete er die Ah. 
füge und Gelenke bes Ruͤckgrades **) aus Brücken. ab, 
Die bey der Bildung deffelben von Obngefähr entftanben 
ſe yen. . Auf eine ähnliche Art erflärte er die Höhlen des 
Bauchs und der Eingeweide aus gemältfamen Durch⸗ 
Brüchen des Waſſers durch den Leib, da er eben gebildet | 
worden, und bie Nafenlöcher aus heftigen Strömen und 
Bewegungen ‚der Luft, die ſich an gemiffen Theilen’des 
Geſichts Defnungen gemacht habe. Nur bisweilen ,. 
fagt Ariftoteles +), nannte er von ber E Wohbrhelt und 








zu \ Er—- 
94 Torre ne anPımgorwne nos wuldısigren 
Oueodcœe, | 
J Bayon, avgomenges, Ta d' euzurw sfava- 
TEAMv 
Avdgopu , Bunguvos KeurYuEeVO TA Key um. - 


avdoav , 
Tn de vvrcuxo Oun THIELLIS NCHNMEVO Yvioıs. 
Emped. sp. Acl. de nat. animal, Lib, xvi. e. 29. 
en) Ds part. A Anim. l.1.p.9: » 

) Evi de n8 urn xou Eumedonäne FeamımTe, 
euyomevos UM avins Tas aÄndeids, nes Tu 
Bay nos Tmv Ducw mvasyualercy Dosvau Tov 
Aoyov emo ,„ CV 0589 amd FI es 
De Pat. anim. 1.1. p. 8. Das Fragment, worauf Aris 
ſtoteles am Ende diefer Stelle zielt, ficht de Aal, I, $. 


8 Yag OTWmSs EV EXovTo@ Sorge TETWVy Enossov, 
ara Anyw rırı neu ouv$eosi, naareg Pre: w 
E77 Epzebonrns To 058. 0 

J * 


EB. Fünftes Bud, 


u ‚Erfahrung gezwungen , nicht das Glauͤck ober bas Ohng⸗ 
faͤhr, fondern eine zwedmäßige Miſchung und Werhält 


” 


1 etlam Lib, A, ©: 


j FE \ 





niß der Elemente, als die Urfache des Urſprungs und de 


'eigenthümtichen Natur. von Tieren und ihren Gl 
maaßen. | 


Dieſen Gedanken des Empebofies über bie Ext 
fiehung der Thiere Find. die von der Zeugung und dat 


pflanzung berfelben genau entfprechend, Er behaupte, 


da weder der Vater allein, noch auch die Mutter alli 


deſn ganzen Stoff des Eünftigen Menſchen ergebe ei 


enthalte *) ; denn wenn biefes wäre, warum Weiber al 


‚dann nidyt ohne bie Hülfe ober Vermiſchung mit Mis 
‚nern Kinder erzeugten? Seiner Meynung nad), würd 
die Beſtandtheile des Embryo ſowohl. aus dem Kür 


der Mutter, als des Vaters geſammlet und zuſamme 


‚gefegt, und die Gliedmaaßen enthieiten Die Form ii 


einen oder des andern Geſchlechts, je nachdem die Grun 
lage derfelben entweber-vom Vater ober. von der Mut 


herruͤhre. Das Geſchlecht und bie Zeugungstheile m 


Kindern oder Jungen wuͤrden, glaubte er, alleln vwd 
| | | u 


— —— — 








1 0) no 


Ü de Io emeos Ey BoSeeyoıs Xoceroo T& du 
TV OKNTW Moëiæv Age unsudos cuyAns Tegcuge 
0 nDaıscoo. To d 058% Alunayerovro. | 
©) De Gen. Anim. A. ap. m » 177. 178. Onsi yapı 
To Reg KU To SrÄsı 009 oumfdoAor enau 
oAov "an 8 7e68 amıevan Ada dieo mas 
MeAecv Ducss, n pev &v avdeos; dir; Yap a 
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TE TE amEXerH, no 8er vzodoxm; ıh 
" | 


f 


‘ 
' * 


Geſchichte der Griechiſchen Weltweisheit. 659 


ie Wärme oder Kälte ber Mutter beftimme*). Falle ' 
aͤmlich der Saame in einen warmen heißen Schooß, fo | 
neftehe ein männliches, und ip gegengefezten Falle ein 
seibliches Geſchoͤpf. Die Wärme und Kälte der Mut 
er aber richte ſich wiederum nach ber Pleinern oder grös 
ern Entfernung. ber Zelt des Beyſchlaſs von der monate 
Ichen Reinigung. Er wollte naͤmlich bemerkt haben, 
aß das andere Geſchlecht um deſto mehr oder weniger 
‚egierig nach dem Benfchlafe ſey, je kuͤrzer oder laͤnger 
s fen, daß es die periodifche Veränderung feiner Natur 
ıberftanden habe. — Mautefel Hielt er deßwegen für uns 
ruchtbar und unfählg zur Zeugung, weil ihr ‚flüffiger 
‚der weicher Saame ſich durch die Vermiſchung verhärte, . . 
vie Eifen, wenn es mit Zinn zufammengefchmofzen werde, 
Den Grund, den er von biefer Erfcheinung angab, war 
‚ben fo feltfam, als ber Ausſpruch, daß bie Milch der 
Säugthiere verborbenes Blut fey **). Die Verhärtung 
es Saamens von Maulthieren entſtehe nämlich daher, . 
yaf die dichten Theile. deg männlichen Saamens genau 
n Zwifchenräume des weiblichen paßten, und eben das 
vurch einen feften Körper bildeten. Glaͤcklicher beobach⸗ 
ete und rieth er }), wenn er gegen den Parmenibes be⸗ 
yauptefe, daß das männliche Gefchlecht feuriger oder: 
07 Tt 2 | wärmer 


— 











*) N. 0. p. 269. Anders aber falſch ſtellt Cenſorin pie 
Meynung des Empedokles vor e, 6. de die Nat, 
In eben diefem Sapitel werden noch andere Muthma⸗ 
Bungen diefes Weltweifen angeführt, bie ich nicht wies 
berhole, weil ih nicht gewiß bin, ob fie aͤcht find, 
20) De Gener, Abim. p. 299, Lib. A, 


+) De part, Anim. B. t. B. p. at. J Re ZZ 


y 





660 anf Bud. 


Ä waͤrmer als dag ‘weibliche fen, und daß in unfern und an 

dern thierifchen Körpern das Blur fich herum, oder sid 
mehr. auf und niederwaͤrts bewege *). Selbſt aber de 
Erklärung dieſes Phänomens zeige, daß Empedokle 


gang falfche Vorftellungen davon gehabt, und nicht fr 


eben biefe.Deffnungen aber werde die $uft wieder heran 


Weltweiſen ift vielleicht feine, beren Veranlaſſunga 
ſich weniger errachen laffen, und die den meiften Leſen 


wohl beobachtet, als vermuthet habe. Er hiett di 
Adern für durchlöcherte Gefäße und Schläuche, Die nid! 
ganz mit Blut ausgefüllt wären, und deren Deffinungn 
zwar Pleiner als die Partifeln des Bluts, aber body grr 
" ger als. die Lufttheilchen feyen. Durch diefe Deffnunga 
nun dringe die $uft herein, wenn das Blut ſich niede: 
wärts bewege, und daher entftehe Das Einathmen: burd 


- getrieben, wenn bas Blut in die obern Theile des K 
pers zurück trete, und eben badurch werde das Ausha⸗ 
hen verurfacht, | | 


Unter allen ſeltſamen Behauptungen der alten 


mehr auffallend fern wird, als die Meynung, die den 
‚Empebofles mit feinen größfen Zeitgenoffen gemein wat, 
und die alſo ohne die richtigern Kenntniſſe fpäterer ak 
‚hunderte fehr wahrſcheinlich ſeyn mußte, daß naͤmlid 
alle Pflanzen und Gewaͤchſe der Erde nicht bloß lebendt 
‚und empfiadende Geſchoͤpfe ſeyen, ſondern daß fie Be 
glerden und: Verabſcheuungen, und ſelbſt Vernunft unt 
Verſtand, kurz alle die Vorzüge befüßen, von benen d 
ſcet, daß man ſie von jeher als dem Menſchen eig 

thuͤmlich 
— —— an 


9 Dr tefpis 17 . 








N 





TE | — — — 


Geſchichte der Griechiſchen Weltweisheit. 661 


thͤmlich haͤtte anfehen müffen *). Aufgeflärten Volkern 
iſt es ſchon faſt unbegreiflih, mie man nur jemals den 


— i 


Menſchen mit den übrigen Thieren, bie ihm am ähnliche 


ſten ſind, habe vermechfeln, und biefen menſchenaͤhn⸗ 
liche Sprache und Denkkraft zueignen koͤnnen. Um 
wie viel befrembender alfo muß es feyn, daß bie 


größten Naturforfcher, die ſchon mehrere Gefchlechter 


von Weltweilen vor ſich hatten, und in dem ‚Zeitalter 
ber Voltendung faft aller Künfte, oder doch nahe daran leb⸗ 


ten, daß diefe die unterfcheidenden Vortrefflichfelten ihrer 


eigenen Natur fo fehr haben verfennen, oder Wefen, 
die um fo viele Stuffen unter. ihnen flanden, fo 
ſehr haben erhöhen Pönnen, daß fie diefeiben, als 
mit ſich felbft „gleichartige Geſchoͤpfe betrachteten. 
Diefer Irrthum war. nicht eine nothwendige Folge eines 
andern: daß nämlich) ein gewiſſes belebendes ober geiftiges 


Weſen durch das ganze Univerfum ausgebreitet fey; denn 


Demofrit läugnete das Daſeyn einer ſolchen Kraft ober 
Subſtanz, und glaubte nichts deflo weniger an das Em⸗ 
pfindungsvermögen und bie Vernunft von Pflanzen und 
Gewaͤchſen. Die Pythagoreer, Platoniker und Stolker 
hingegen gaben zwar einen alles durchdringenden und um⸗ 
faſſenden Aether oder Seele zu; allein fie verwechſelten 
deßwegen nicht weſentlich verſchiedene Gattungen von 
Dingen. Mau muß alfo immer geſtehen, daß 


iz ze es 


— — — — — —— — — 

8) Ariſt. de Plant. I. T. Avafaryogas nev av neu Eu- 
aeoräns, #7 Yunıa Taur& nueıc9hes Asyaaw, 
acdaveoIn ve aan Aumsic9n, x NderIens 
dießsßuwvron. = — id de Ayafuyoeas, 
no 0 Annongivos, nu Q Eumedonins, x var 
u Yvaon exew une Ta'fura. Ib. 


— — — — — — 





ae De 


— — 


..- — — = 
. 


664°: Fünfted Buch. - 


gebrauchs veranlaßte indem er Ausdeude, die man nur 


von’ Thieren und ihren Kräften braucht, auf Pflanzen 


ünd Gewaͤchſe übertrug, . Er nannte den Saamen derſel⸗ 


ben Eyer, und fie ſelbſt energebährend *). - Zarte 


noch nicht ausgemachfene Pflanzen und Bäume belegte er 
nit dem Namen von Jungen, und ſagte, daß fie .nod 
nicht zeugen koͤnnten, weil fie erft in ihrem reifſten Alter 
GSaamen erhielten en), Er glaubte ‚daß bie Gewaͤchſe 


- ber Erde ſich dadurch am meiſten von den uͤbrigen Thie⸗ 


ken unterfehleden, daß in ihnen bepde Geſchlechter ver⸗ 
miſcht oder verbunden. wären : eine Beobachtung „ bie 


Ariſtoteles an einem Orte billigte, und an einem andern 


Site als anrkchtig verwarf ***), 


Ein Zeitgenoß des Empedokles war Anaxagoras, 
—* Namen Liebhaber der Weisheit nie anders, als 


mit einer gewiſſen Ehrſurcht denken und nennen ſoll⸗ 
ten, Im ganzen Griechiſchen Alterthum wird man nur 
wenige finden, die Ihm an älter, ungekuͤnſtelter, wenn 

| — gleich 





DU; 











X 


De Gener. Anim, Ari. A, cap, ult. Ka rsro xaeAos 


Asysı EuwedonAns TANTE. ET d woroxss pi- 
neo devdgen Trewrov BAsıcas. To de yue mov, nu 


ı pa esıw. &e. Er fagte auch, baß die Blätter an den | 
Pflanzen und Baͤumen eben das feyen, was die Haare 
an den Menfhen, die Zebern an pen Vögeln, und die 


Schuppen an den Fiſchen find, Meteor. A. 69. 
Tour Terges non QvAm, nu oimvay ren 
nuxyc, 

Kau Aszıdec yıyvoras er sıßagası 


am.. . 
“ Arii. de Plant, I. 2. it, de Gener; Anlın, p. 196. 4, 
— Ariſ. de Gen, Aular, H. p. 196. de Plant. 1. 3, 








Geſchichte der Griechiſchen Weltweisheit. 665 
gleich nur ſtitler Graße der Seele, an wahrer matärlichen | 


Güte des Herzens, an Erhabenheit über die Vorurtheilia 


feines Volks, und an brennendem Eifer für die Erfor⸗ 

ſchung der Wahrheit, gleich gekommen wären, und viel-· 
leicht keinen, der ihn übertroffen härte *). Sein Durſ 
nad) neuen und noͤzlichen Kenntniſſen war fo groß, daß 
er in eine unabläffige Erforfhung der Natur, und eine - 
freue unabhängige Muße feine hoͤchſte Gluͤckſetigkeit 
ſezte **), und alle Me Vortheile und Ehrenflellen ver⸗ 
achtete, die ihm feine edle Geburt, fein großes Vermoͤ⸗ 
gen, feine feltenen Gaben, und ſeine vertraute Befannte 
ſchaft mit: dem Perikles hätten. verſchaffen koͤnnen. Er 
verließ ſeine Vaterſtadt nicht lange nachher, als das Eu⸗ 
ropaͤiſche Grlechenland ſich ſelbſt, und feine: Pflanzſtaͤdte 
in Aſien vom Joche der Perſer befreht hatte. Athen 
waͤhlte er wahrſcheinlich dehwegen zu feinem Aufenthalte, 
weil dieſe Stadt eben damals bie größten Helden und 
Etaatsmänner beſaß, die fie je hervorgebracht hat, und 
weil fie nach ihren glerreichen. Siegen über bie Feinde 
des Grlechiſchen Namens der Mitcelpunct des Handels, - 
des Reichthums und der Künfte, und der Sammelplag 
aller weiſer oder außerordentlicher Maͤnner wurde, die 
aus allen Gegenden dahin zuſammen kamen. Anaxago⸗ 
ras ſuchte aber nicht ſowohl, wie viele andere, zu gläns 

2 DE zen, 

— — 
*) Die Facta und Nachrichten, von welchen dieft fe Lobſpru⸗ 


he das Refultar find, findet man in den Noten zum 
Artikel Anaxagoras in Baylens Woͤrterbuch. 


#%) Man ſehe Ariſt. Eudem. ], 4. und Clem. Alex. Strom, u. 
p- 416. Tny Iewgıav Davas ra Bis TeÄos anas 
Kos THV Bo TOsUTHs eAeudapiar. 











3 
I 
l \ 
J ⸗ 


668 Funftes Buch. 


Kräfte und Eigenſchaften beſaßen, jdie wir jezo in ben 
Gegenſtaͤnden der Koͤrperwelt entdecken; fo waren doch 
in ihnen weder Farbe, noch Wärme, noch Kälte, noch 
andere Beſchaffenhelten bemerkbar, meil fie durch die 
unendliche Kleinheit und Bermifchung der Grundiheile ſelbſt 
gleichſam verſchwanden, oder ſich allen Sinnen entzogen *), 
Es waren ihrer aber eben fo viele Oattungen, als es jezo Oat⸗ 
füngen ungleichartiger Körper gibt : denn wenn man nic! 


für eine jede Körperart eigene Elemente, für Gold, Knochen 


und Fleiſch unzgerflörbare ihnen ‚gleichagtige Grundtheil⸗ 
chen annähme; fo müfle man. glaubte Anarageras, 
behaupten. daß Dinge aus nichts entflanden ſeyen, und 
in Nichts watergingen #*), Wegen diefer Gleichheit. oder 
GSleichartigkeit der Elemente mic den Körpern, die aus 
übuen- zufammengefegt ſeyen, nannte er die erftern Hu 


moiomerien *°*), und lehete zugleich, dab das, was man 


Entſtehung und Untergang, Geburt und Tod nenne, 
nur Zufammenfügung oder Auflöfung von Rörpern in Ihre 
ewigen underaͤnderlichen Beſtandtheile m de 








—— — — 


7 ib, ev de Bro Onsı 1, mayrav Öua em 


Far, ade. xeom sudnAos NV sderm. EERERnÄU 
Ya yauumifıs marTav Konmar, TE re dere 
ui FB Enes» was TE Iequs, na Fa Yuxe, 
0: KOTEÄRUTER u TE CoDegE » na yas wohn 
BVEBTNG, KO MELHETOV TEEIRON mAnges adn 
. LONOT@V SARNALIS. i 
“) Man fehe Ariſt. de coelo III. 7, Luer, I. 830. dePlse, 
Pbil. I. 3. Stob, Eel, pbyſ. p. 26. 
#n#) Auf. modo eit. 
» Anazıg. ap. Simpl. l. e. Anaxagoras redet hieweilen von 
einer Einheit (To Ev) und verſteht darunter den gan: 
0 Ä zen 


! » 
\ / 


Die 


I) 
— 


* ⸗ 


Geſchichte der Griechiſchen Welt weisheit. 669. 
Diefen unendlichen Haufen ruhender und in ein 


ander gemifchter Homoiomerien näherte ſich (fo fuhr 
Ä " | ' Anaxago⸗ 


J 











zen Inbegriff aller Somoiomerien, bevor fie aus einan⸗ 
der gefondert, und im Körper von einer beffimmten 
Art zufammen gefügt waren. Anazag. fragmenta ap, 
Simpl. fol. 8. 4. & 33, b. rarav de &tws eXovrans . 
en donsiv Ev was MONA TE Ha mavre, 8v 
TOT TOIS GUYKEINOMEVOIS, Kol OMELUETO TFAY- 

. Toy XEMGATGV. Kos ıdeus TAVTOIUS" ENLOVT 
Kosı Xeoıos, nos ndovoos. Ariſtoteles legt das dv 
des Anaragoras durch To oy aus, und verficht darun⸗ 
ter die Fähigkeit ber ewigen vermifdgten Elemente, ale 
les aus ſich herworbringen zu laffen. Metepb. X. 2. 

p. 196. An den eben angeführten Stellen fpriht Una 
ragoras noch von einer andern dianonpnaus-, ale dis 

jenige war, wodurch die gegenwärtige Welt aus dem 

einigen Chaos hervorgebracht wurde., Sch bin aber: . 

. ‚nicht im Stande zu fagen, was er ſich dabey gedacht | 
habe. Simplicius deuter fie auf die Schöpfung einer ! 
verftändlihen Welt. Ich will die Hauptwarte herſezen: 
Kos. avdenras ye guumaynvas, x Ta @AAcs 
Cum, ooa bu. exe, eRaYeı, nos Tas yravı 

.. Iewrrasıw ewasnas ceAyvm, u T am WoTeR, 
ae nu. Kos Tnv Vnv autos Due, TeAA 
—E— 
pevor eis ν omınaw Keavrcı. —--Nicht bloß 
dunkel, fondern felbft widerfprechend mit feinem Grunds , 
faze von der urfprünglichen Vermiſchung aller Elemens 
te fheint die Behauptung zu ſeyn: daß die Luft und 
der Nether die ganze Maffe der Homoiomerien vor der 
Scheidung und Anordnung berfelben umfaßt hätten 
und daß fie beyde unendlich wären. Kas mayran öps 
sovrav adey sudnAov NV UTO GHINLOTNTOS. TAYTOs 
ya ame va na wine naTeigev, au Dorepe 
come #0v7a. Ap. Simpl, fol. 33. b. Gleich * 
u | | er 


—— 


j ® 


— 


J * 


: 
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\ \ 


672 Fuͤnftes Zub. 


x zige Urſoche der Bewegung , Ordnung und Schoͤnheit 
der Welt; fie allein Habe aus dem Schooße des todten 


Chaos alle Theile des unermeßlichen Ganzen hervorgem 
: gen, und fo geordnet, daß nicht die geringfte Werande 


rung im Univerfo vorgehe, die fie wicht vorhergeſehen 


" und befchleffen habe. Das ganze Alterthum rief daher 


auch den Anaxagoras als den erften Priefter des wahren 
Gortes und als den erfien Berfündiger des Vaters und 


Necgierers ber Welt aus *). 


. Eine nothwendige Folge aus der Lehre bes Anaxa⸗ 


goras von den Homoiomerien oder der Entſtehung aller 


Koͤrper aus gewiſſen ihnen gleichartigen Beſtandtheilen 


‚war dieſe, daß die Gottheit zwar alles aus einander ge 
ſondert, geordnet und in Bewegung gefezt, aber in dem 
Weſen berfelben nichts geändert, zu ihren Kräften und 
Eigenſchaften nichts hinzugefügt, oder davon weggenom⸗ 


men habe, Er erwähnte daher der Gottheit nur alsdenn, 


wenn er Erfcheinungen erklärte, die er für Wirkungen be 
Ordnung, Bewegung und Schönheit von Körpern hielt; 
er ſchwieg hingegen von dieſer Beltfhöpferian, wenn 
vn 





‚wiefen wird, daß Anaxagoras ſi ch die Gottheit zwar 





als eine reine, unvermiſchte, aber doch als eine Sub⸗ 
ſtanz gedacht habe, welche die ganze Welt durchdringe: | 


Plat, in Cratylo p. 88. dıyaı de To dınassev, 6 Ae- 
yaı Avafayogus , var Eidoı TETE, MUTORESTon 
Ya orro KUTOV, Hoi BÜRVE MEWIYMEVOV, TFT 
Oncıv æuro⸗ KOTKEI- Ti MER YMRTO, duα Tav- 
Toy 10T. 
*7 Men fehe die Beugnife der Alten in Hiſt. doct. de vero 
Deo p. 253. ' 








‘ 
v “ J W 
v 
| 


Geſchichte der Griechiſchen Weltweishen. 673 


bon ſoichen Phänomenen tebere, bie nur and ber Dat; 
bem Weſen, den. innern unverlierbaren Kräften det Bes 
ſtandtheile aller Dinge abgeleitet werben konniten. 


Diefe Urſache feines off Tängen Schill igenẽ 
son Gott, den er doch den Herrn ünd Regierer aller 
Dinge nannte, ſcheinen Plato und Ariſtoteles nicht bes 
merke iu Haben *); indem beyde Weltweiſe ihm vorwar⸗ 
'en, daß er die wichtigſten Veraͤnderungen in der Natur 
richt aus den Volikommenheiten und weiſen Ab ſichten der 

Bottheit, fordern aus dem Wefen »e) des Aethers, des 
Feuers, ber Luft, End anderer Dinge erläutert, und 
yaß er den Namen der Borcheit nur alsdann genannt 
abe, wenn er alle andere Urſachen oder Naturkräfte 
imnzulaͤnglich gefunden häre, Diefe Beſchüldigüngen 
vuͤrden nur alsdenn den Anopagoras treffen, wenn er 
vie Gottheit anfangs für bie Urſache alles deſſen, was 
le Dinge find und befij tjen, äusgeöeben, und nachher die 
kigenſchaften, Kräfte and Beränderungeh derſelben niche 

fe 


..% 


ee . ren na —- Ti ren 


u (ua 


.o- — re nm 


*, Siehe Pist, ia Phacd, p. 39. Aiũ. I. ‚4 Meraphyf; 
Avafaryogi ve yap in Noernj xentœr To von 
eoos Tnv xecuomoiad, Ka 6 oräv roman, di 
FW arrıcv ee aræ ynns esi, vore EAKEI aurov. 
ey de rois ads TAVTO HaAdor wiricreı Tor 

2 Yıranerays N VEV. . 

“r, Dies Werfen oder ben ganzen Inbesriff aller urfprängfis 

chen Kräfte und Eigenfchaften ber Homoiomerien, nann ⸗· 
te er Nothwendigkeit⸗ wie ſelbſt die Worte des Ariſto⸗ 
teles an der Stelle zeigen, wo er dem Anaxagoras mit 
aunter dicienigen Weltweiſen ſezt, bie ihr vieles sus 
eignet haͤtten. Acili. ur 8. Phyf, ‚Ale, . N 
0 











\. , 
. ' ' 


u . lem überfehen zu haben ſcheint **) ; ſo zwangen oder verlk 


— 


670 Fünfte Bud, 
für Wirkungen der Gotthelt, ſondern des Weſens de 
Dinge oder der Nothwendigkeit erkläre härte*), 
Ungeachtet Anaxagoras fehr.viele ungereimte je 
gen ‚und unauflösliche Schwierigfelsen feiner Lehre mm 
der Enrfiehung aller Dinge aus gleichartigen Beftandıit 


teten ihn doch einige Einmürfe, die er bemerkte, gu neun 
. Behauptungen, die er wahrſcheinlich als bie flärfila 
Erügen feines Syſtems anfah, die ihn aber, wenn H 
pothefenerfinder anders unbefangen feyn könnten, hat 
bewegen follen , feine Sieblipgsmeynung  aufzugeh 
. Weil Anoragoras nicht läugnen konnte, "daß die Dinz 
womit Menſchen, There und Pflanzen ernährt werte 
feine fichtbare Aehnlichfeit oder Verwandſchaft mit W 
Matur ber leztern haben, und daß befonders durch bi 
‚ bigen Nahrungsmittel, zum Beyſpiel Brodt, ganj u 
gleichartige Theile des Körpers, Knochen, Fleiſt 
Blut, Haare, Nägel, u. ſ. w. ergänzt werden, fo mi 
er fagen ‚ daß in den Nahrungsmitteln der Mena 
und Thiere Beſtandtheile enchalten fenen, bie den m 

- u. 








*) Indem aber Anaragoras das, was ben Homoiomerienn 
Ä Ewigkeit ber weſentlich und eigenthuͤmlich war, von! 
Mivkungen ber Oortheit auf fe uiterſchied; fo fü 

er feinen Orundſaͤzen gemaͤß, wenn er nicht alled a 
dem leztern erklärte. Allein das hätte man ihm " 

- werfen koͤnnen, daß er nicht, wie Bewegung, I 
mung und Schönheit, ſo auch alle uͤbrige Kräften 
Eigenſchaften aller Naturen von der Gottheit her 
gebracht geglaubt babe, | . Ä 

a) Diefe Aolgerungen und Schivierigkeiten findet man ber 


Ariſtoteles I 4. Phyſ. Auſc. Luer, Li 0, und Bayladı 
. "Wels Adazagoro, Note . | 





” 


W > 


Geſchichte der Griechifehen Weltweisheit. 675 
hiedenen Theilen ihrer Körper, die daburch erſezt wuͤr⸗ 


en, aͤhnlich wären, und die man nur wegen ihrer une 


ndlichen Kleinheit nicht wahrnehmen Fönnte *). Eine 
olche Vermiſchung ber ungleichartigften Homolomerien 
onnte Anaxagoras aber uicht bloß auf die Nahrungsmittel 


on empfindenden und lebenden Geſchoͤpfen infchränfen, 
venn er fich nicht offenbar verrathen wollte; et war alfe - 


jenöchige, zu behaupten, daß alles in allem ſeh, das 


lles aus allem abgeſondett werde, und daß auch Indem 
leinſten Theile jufammengefegter Materie. eine Unenbliche 
et weſertlich verſchledener Elemente eingeſchloſſen fen **), 


Un 2 och 


v 








no . —EX Fed - > 2 A ..n - 





„! 


9 via⸗ Ari. Phyl, 8. 4. de Genet. Ani. A; “ap: uf; 


p. 179. de Plse. 1.7. Simpl.. fol, 106. . Kar de, — * u Bu 


(fagt der leztere vom Nriftoteles) ori 8 Koyoy To Aov 


 YIYUS TE Bob rauen To peye9ei Asyeaıv æuro, J 


— —R To oA 
Hayra byssav ssumaexoroa, na 8 de —A 
Nevon, RAN nr areıgatıs use. EAN 1 
pev Tyv TÖÜRUTNI eyvoiav 0 Avafoyogas ae, 
Nyanevos yundev IK TE UN ovros yıraddas Kaı TR 


UR0 TE — reeDeodaı. (2 &v Tr en Have. 


ros ywoperev, ana un auedas ANA Kaereb 
rag, os yar ex Muocs RN; Wo ee Kepos 


Übng, aa er Überros Yıiy nass er mE Adosy 


a ar Aı9g may Tue , Ka veoldns dernsaurng 


A000 Degonermd, Ojov BgTE, MoAAR nos wvönade 
vnerœi, dugnes, 03d, Oxeßrs veupe, Tor 
Xes, ovuxęs, aa RT, er gTe tuxo⸗ no 


eeœre &e. 
%) Bayle beſchulkigte baher ſeine vehte mit Recht, daß ſie 


dns night leiſte, wozu fie erfunben worden: fie — | 





ul — —— — — — 


676 | 
Doch nahm Anoragéras biefe Ueberblelbſel Case 


— 


Küuͤnftes Buch. 


Vermiſchungen nicht deßwegen an, weil er bie Gar 


‚ für zu ſchwach hielt, alle ungleichartige Element ui 
einauder zu fondern, oder Körper aus lauter gleicartign 
Elementen zufammenzufezen, fondern um feine Hypothe 
mit der Erfahrung überelnftimmend zu machen”). Y 
ben übrigen Sedanken des Anapagoras über bie Natur 

himmliſchen Körper, über bie wichtigften Erſchenmg a 





. \ i | 
. em. . ’> ä 1 [4 - \ “ — ” FE 





naͤmlich noch immer eine unbegraͤnzte Verwitrurß 


der Welt übrig, ba fie doch erklaͤren ſolle, wie 
‚ewiger Unordnung Ordnung entſtanden ſey. | 


* Heinius in ben Säriften der Berlinifchen Akabemie 


Wiſſenſchäften vom Jahre 1753 laͤugnet es (Alk 
bdings (S. 373.), daB Anaxagoras alle Körper x 


eimt, als daß ein fü großer Mann, dergleichen Anz; 


_ 


ragoras bie Meynung zu, die der eden genannte & 


BE aus kleinen Eingeweiden, fondern aus Elemenic, 


nı 


fucht. Wenn man aber au) annehmen wollte, N 


ser Meynung des Anaxagores etwas vermindert mn 
‘den, allein die unbeantwortlihften Einwuͤrfe mir 


gleichartigen Theilen, Fleiſch aus Partikeln von Zleik 
Knochen aus kleinen Knochen m f. w. entftanden 4 
Hldubt habe. Eine folde Behauptung fey zu um 


goras war, darauf hätte verfallen koͤnnen. Wenn ti 
Art zu fchließen gölte, ſo wuͤrde man, wie ich ſer 
anderswo bemerkt babe, Sen größten Weltweiſen ki 
Alterthums den größten oder doch einen großen Ve 
ihrer Meynungen abfprechen muͤſſen. Zaft alle Ed’ 
feller, bie ich bisher angeführt habe, eigtien dem ir! 


Ichzte aus dem Syitem diefes Philofepben zu vertil:d 


Anaragoras nicht geſagt habe: Knochen entfiintmul 
Beinen Knochen, Augen aus Fleinen Augen, Eingere 





bie: diefen Körpern gleichartig wären; und aus 
fie nur allein gehilver werben koͤnnten; ſo wuͤrde du 
Biefe Auslegung zwar die augenſcheinliche Ungereimtki 


roh immer ungeſchwoͤcht bleiben; 


——— ’ 


. .. 





Geſchichte der Griechiſchen Weltweisheit. 4677 
Himmel und auf der Erbe, endlich über das Weſen ber 
Menſchen, Thiere und Gewaͤchſe, find Wahrheit und 
Jerthum, Boch immer mit einem Uebergewicht des lez⸗ 


ern, eben fo, wie in feinen Wermuthungen über die 
Enutſtehung aller Dinge vermiſcht, und allem Anfehen 


sach miderfprad er ſich eben fo oft, alg bie Schriftfieller, 


Yie uns feine Beobachtungen und Mepnungen aufgezeich- 
et haben. Er ſagte nichts von ben Urfachen ber verſchie⸗ 
yenen Schwere und Leichtigkeit der Körper %), und fuchte 


yagegen ben Grund auf, worinn das ımenbliche Ganze _ 
dicht ſinke, fondern feſt und unbemeglic bleibe. Er 


'and ihn darinn, daß fid) das Univerfum felbft flüge, 
der auf ſich ſelbſt gegrändet fey *%). euer und Aether 
chienen ihm einerley Subſtanz, und die Raͤume der Him⸗ 
mel mit Feuertheilchen angefuͤllt zu ſeyn, als welche bey 
ver Weltfchöpfung und der Abfenderung aller Dinge aus 
yem Chaos fich in die Höhe gehoben hätten ***), Zugleich 
ıber glaubte er, daß in ben hoͤchſten Gegenten des As, 
vohin nur die.feinften und flüchtigften Theile hätten bins 
ufftelgen Binnen, die Sonne und übrigen Geflirne atf 
eurige Steine, oder glühende fleinigte Maffen herum.’ 
chwoͤmmen ). Spaͤtere Schriftſteller eignen ihm ſogar 


He Meynung zu: daß bie Sterne urſhruͤnglich Steine 


jewefen ſeyen, bie won der Erbe durch gewiſſe Wirbef 
‚der Sturmwinde Irteefübe, und endlich zu Geftirnen 
Uu 3 — Außer 


san u i nn 
ns or. Ze % se 0 IE er de Vene Ze Pr Zr 











*) IV, 2. de Coel, 
*) Phyf, Arift. ME, 5 
xt) De eoel. 13, Metoog. 1. ‚8.1. .beſ. If. fagm,38. folk b, 
ep. SimpL 
+) Man febe die Zeuguiffe des Plato, Xenophon und and 
derer begin Baple Art. Anszıgare Note B. 


4 


. 
* — 
PER 

x 





u... 
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| 


638 " Gnfeb Buch, 
| 


| ausgebrannt worden *3 und eine noch größere Zahl un 
Geſchichtſchreibern erzähle‘, daß er die Ausloͤſchung dieln 
gluͤhenden ſteinigten Maſſen, und den Seurz bderfebn 
auf unſere Erde geglaubt, und den Wunderſtein ke 
"Argos Potaͤmos, den man noch zu Mutarchs und Piri 
Zelten verehrte, entweber für das Bruchſtuͤck eines Ste! 
- ber auch für einen ausgeloſchenen himmtläfchen Kür 
gehalten, und deſſen Fall viele Wochen vorher ber 
:bigt habe **). | 
Unter allen feinen Behauptungen sog ihm 
anbere einen bittern Tadel größerer Männer , und en 
beftigern Hab des gemeinen Haufens zu, als eben bi 
jerüge, wodurch er bie Some i und übrigen Geſtirne 
gü 


\’ - . a 
% B 
[3 











\ 
En 2 1 ” —— * 


*) Nlog. io ejus vita Lib, IL, 10,12, De Pla, pl IL 3 
und mehrerer Kirchenvaͤter. 


t Man ſehe den Diogenes I. e. & ibl Comment, vor allı 

j andern aber ben Plutarch im Leben bes Lyfanr 

. Man kann aber meinem Urtheile nach mit Recht zwi 

fein, ob Anaxagoras biefe Ungereimtheiten behaupte 

und gefagt habe, ungeachtet für einen andern Lebeui 

umſtand, und für Beine andere Meynung dieſes Wein 

| weifen fo uiele Zeugen als für feine Weißagung ki 

2... Falls des berüchtigten Steins bey Aegos Potamos a 

j geführt wetkden kuͤnnen. Hätte Anaragoras gelehrt, Il 

‚bie Sterne vonder Erde me eparriffene Steine, und daß da 

Stein bey Aegos Potaqmos ein Stuͤck der Senne obere 

erloſchenes Geſlirn ſey; ſo wuͤrden Plato und Xenopher 

| “an den Orten, mp fie von der Meynung des Anapıyc 

J gas über die Natur der himmliſchen Körper, als cn 

en fo ungereiniten als gottloſen Grille reden, und 

Ariſtoteles in feinen metegrologifchen Buͤchern, beſen 

ders da, Ivo er des Steins und feines Kalle aus u 

Luft erwähnt (Meteor. 1. 7,), rin a u id 
Anaxagoras niqht verfamiegen haben. 


us - 
» 


⸗ 


Geſchichte der Griechiſchen Weltweisheit. 679 


glũhende Steine erkluͤrte, und fie alle ihrer Gottheit ent⸗ 
fegte *). „ Anaxagoras machte dadurch alle Unterfuchuns 
gen über die Natur und Veränderungen himmliſcher Köre 
per fo verdächtig, daß man fich fogar feine Lehre über 
Die Natur und Verfinfterung des Mondes bis auf. bie 
Zeiten des Plato als ein wahres, aber auch als ein ges 
fährliches Geheimniß anvertraute **x). Er war der 
erfte***), der ſich unferftand, öffentlich in feinen Schrif⸗ 
ten den Mord nicht eine Göttinn, ſondern eine Erde zu 
nennen, bie der unfrigen ähnlich „fen, und Ihr Siche von 
Ber Sonne erhalte. Er war. zuerft fo gluͤcklich und kuͤhn, 
Die Abnahme, Zunahme, und die Verfinfterungen des _ 
Mondes aus den wahren natürlichen Urfachen zu erfläs 
ren }), Wenn aber Ansragoras die. Größe ber Eonne 
mit dem Umfange bes. Peloponnes verglich, und, hinzu 
fezte, daß die erfte viel größer, als der leztere fen 11); 

—— ‚Uu 4 0. fü 





i —W —— ————— ————— — 


n) Die Stellen des Renophon, Plato und anderer findet 
man beym Bayle Art, Anazagose Not. B, 
**) 117. 393. in Nie. Plut. | . 
“tt, jb, p. 60. Stoh..Phyf, Eel. nn 
+) Plato InCrat. p. 87. zweifelte, ob Unaragoras zuerſt ges 
(ehrt habe, daß der Mond fein Licht von ber Sonne 
erhalte. Allein er zweifelte nur, weil er dem Anaxago⸗ 
ras nicht guͤnſtig war. Selbſt die Art, wie er diefe Ber 
merkung vortraͤgt, zeigt, daß man ſte in feinem Zeit⸗ 
alter allgemein fuͤr neu gehalten, und dem Anaxagoras 
zugeſchrieben habe. — Uebrigens iſt es merkwuͤrdig, 





daß lezterer den Mond für einen Koͤrper von ganz ar⸗ 


derer Natur, als bie uͤbrigen Sterne gehalten habo. 

Aus der Erklaͤrung des Weſchs des Mondes entſtand 

wahrſcheinlich die irrige Meynung eines neuern Schrift⸗ 

ſtellers, daß Anaxagoras alle Sterne fuͤr irdiſche oder 

unſerer Erde ähnliche Körper gehalten habe Dlog. 1. e,. 
, +1) Diog. 11.9. II, 21. de Plse, Phil, ' | 


t 


[2 


. 





Be 


fo war er ber Wahrhelt nicht näher, als wenn « die 86 


mmeten für Gefcheinungen pielt, die aus der Wereinigun 


oder Zufammentücung ‘von Planeten entftünden *) 
Vioͤck icher war feine Vermutkung, daß die Millchfrat 
das eigentliche Licht gewiſſer Sterne fep, melde di 
Sonne nicht anblide **), oder zolſchen welchen und da 








. Bonne bie Erde ſtebe tr), 


Seine Betrachtungen ‚über bie Erde zeigen, deh 
gs dem Menfdien ſchwerer würde, fich von feinem Bft 
fie richtige Begriffe gu madsen, ats über die Niu 
und Bewegungen der himmliſchen Körper wahrſcheinlce 
Berripungen au hegen. ” Er hlelt die Erde mit vım 

narimenes und Demofcle für platt }), und glaubt, 
daß fie anfangs gang ſchwammigt und ſumpfigt gemefn, 
baß abet endlich der obere Theil, den wir bemohnten, 
durdy Beftänbige Regen Jufammengeptefe und dichter gr 


" worden ſey +). "Ihre platte Geſtalt ſchlen ihm dr 


Grund Ifrer Unbemeglichfelt zu ſeyn ; denn dadurch werde 
bie Luft, welche fie trage oder Ihre Gtüge fen, ſo elig⸗ 


füllen, BöB'fe mitgendd einen Ausgang firden, ud 


fig) der auf ſe druckenden Saft entjiepen fönne 111), Di 
EEE En Bi SE ze 





“ 
Er 





) . 13. 

d, W.’7. 'Meteorol, Arift, 

HDIEr 1. Nach dem Verfaſſet deg Buds m 
7 über Weiten foit ven geil 

En ERRENTESHEDGRESSHERE 





- 


3 


Gehchichte der Brise Woarweiheit —2— 


Erdbeben erklaͤrte er aus einem Herabſtrahlen ober Herabr 
fenfeh des Aethers, der in die Hoͤhlen ber untern lockern 
Seite der Erde eindringe, und die Erde von unten bis 
oben durch alle Ihre Gewoͤlbe erfchürtere 

Daß dte $uft ihrer Felnheit und Unfichtbarfeit un. 
geachtet ein wirflicher Körper fen, ber anbern Wibere 
ftand thun koͤnne, ſchloß er aus der Kraft, die man 
anwenden muͤſſe, um Blaſen/ die mit ihr angefuͤllt | 


feyen, zuſammenzudruͤcken, und aus den Eefcheinugen 


ein Mafchine, die allen Griechen befannt. war "N | 
Eine jebe Bewegung der $uft nannte er Wind ***), un 
erflärte ihn für eine Wirkung der Sonnenſtrahlen, wodurch 
bie Luſt perdünne und bewegt werbe 4). Den Blig hielt, 
er tl) für eine eihite Erſchelnung einer von oben here 
| Nuss ab 











— 


und der Heroorbringung aller Thiere fh ein wenig na 
Mittag geſenkt Habe,“ damit einige Theile derſelben bei 

wohnbar, atidere hingegen unbewohnbar wärden (IL. 8.). 
VWon biefer Meynung des Anaragoias , deren Grunt 
mir. ein Raͤthſel iſt, finder fi kein Wink im Ariſto⸗ 
jet, und man muß fi ſie alſo um deſto mehr für erbichs 
et, oder fuͤr die Wirkung eines Mißverſtaͤndniſſes hal⸗ 

ten, weil ſie den Beweis umwirft, den Anaragoras für 

die Unberveglichfeit der Erbe vorbrachte. Denn wen 
die Ehde nicht ſenkrecht, fondern nach einem fchiefen 
Winkel auf der ihr unterfiegenden Lüft ruhte; ſo wirs 

be bie, legte mehrere Deffnungen finden, worurd fig 
ervorbringen und die Ent du Sinken bringen 

onnte, nu 

N. 7. “Meteorol, Aıif. | 

se) Phyf. Ärif, 1, 6. oblewit. 6.16. p. 125. Dieſe 
Besbadtungen 1 leit eten a ihn unkteicis ar die oa 


. eb) 11.4 „ Metel ass Ze En zn en 


% 
+4) Diog.' di 10° 
he il, 9. Meterch, 





| 683 oh ginftes Zi, 


abgeftiegenen Aethermaſſe, Deren Austäfdung den Do⸗ | 
ner verurſache. Eben deßwegen alfo, weil ſolche Feuet— 
Pumpen eher fichtbar würden, ols fie erflürben ober aus 
gelöfcht würden, fähe man auch den Bliz früher, alsma 
"den Donner höre, Seine Oedanken über die Entſtehung 
des Hagels fann man aus. einer zu kurzen Erelle dt 
Ariftoteles nicht ganz errathen *). Dieſem Zeugnift 
nach glaubte Anaxagoras, daß Hagel alsdann entſteht, 
wenn Feuchtigkeiten in die kalte obere Luft emporfliegei | 





Der dunkelſſe und am wenigften ousgearbeit | 
Theil feiner Philofophie fcheint feine Seelenlehre gemein | 
Yu fon, benn über diefe widerfprechen fich die Griechiſchen 

hriftfteller am meiſten, oder brücfen ſich doch am um 
beflimmteften aus. Bald redete er fo, als wenn er das 
J Weſen der Gottheit von Seele oder Weltſeele unterſchie⸗ 

den haͤtte; wenigſtens belegte er nur bie Urſache be 
Ordnung, Schönheit, und Bewegung aller Dinge mit 
bem Worte Berftand (var), und von ihr fagte er es aud 
vorzüglich, daß fie mie affen übrigen Subſtanzen under: 


wiſſcht fep**). An andern Stelen hingegen brauchte a 


Die Wörter Verſtand und Seele, als glelchgeltende Aus 
druͤcke, für das Principlum aller Bewegung, alles Eu 
pfindens und Denkens, und fagte, daß der Verſtaud 
alles durchdringe***), ‚alles umfaffe und regiere +), washe 


rei u und vap er ſich in allen Thleren, in kleinen wie 
N 


» — 
nr . y 


— — — 
I 6) L, 12. Meteorol,. 
#*%) Ar, 1, 2. Rlato p, 58, Anıx p. 33. Kal. 2. ep. Simp!, 
WR) Blat p. 59, 
t) fal. 33. p 2. | 





— 








J 


Geſchichte der Griechiſchen Weltweisheit. 663 
in großen, in verworfenen, wie in dem ebelften finde *), 
Wenn män bie Bruchflüce zufommennimmt, und mit 
einem andern Zeugniffe des Plato vergleicht *); ſo kann 
man kaum zweifeln ***), daß Anaragoras von der görflis 
chen Subftanz felbft geglaubt habe, daß fie durch bie 
‚ganze Welt: verbreitet, und allenthalben die Urfache des 
Eimpfimdens und Denkens fey f). Allein wie er dieſe 
alles durchdringende und befeelenbe ortheit doch immer 
noch rein und unvermifcht nennen Ponnte, und welchem 
bekannten Koͤrper er Ihre und aller Seelen Subftanz ſich am 
ähnlichften gebacht Habe, wage ich nicht zu beflimmen, 
da er fie zwar bie feinſte und geläutertfte aller Subſtanzen 
nennt, aber fomohl von Luft als von Aether unterfchels 
det +4). Zuverläffig falſch aber ift es, daß er die Seel⸗ 
für. eine aus $uft beſtehende aber zufammengefeste Natur 
gehalten habe, ‚mie der angebliche Plutarch +++) und Theo⸗ 
doret +rt?) verfichert, Wahrſcheinlich hingegen, wag eben 
diefe Männer berichten, daß er. bie Seelen für unver⸗ 
gänglich, den Schlaf für eine bloße Veränderung Fi 

| | 0 " RKoͤre 








J u 
® Ar,T, 2, de Anim. J 

*tæe) p. 53. 

we ie ich an einem andern Orte gethan habe, 


1) Ich nehme auch Hier die Bemerkung zuruͤck, daß Ariftoa 


teles in den beyden Stellen im zweyten Gapitel ſeines 
erften Buchs won der Seele fich eines Widerſprucht 


ſchuldig gemacht habe. Ariſtoteles ſtimmt vollfommen 


mit fich felbſt, mit dem Plato, und mit dem angeführse 
ten Fragment des Anaragoras überein. —— 
44) Man ſehe die Fragmente beym Simplicius fol. 33. b. 
abgeſchrieben habe ich dieſe Stellen in der hin. der, 
| de Deo. TE 
4H) v3. 
tr) 1 Ser. p. 545. 


} 


6% Gänfre Bu. 


| Körgert, ‚ nicht der Seele, und den Tod fär eine dem 
nung bes denkenden elſtes vom ſterblichen gelbe gehalten 
babe f). 
Ä ” Ueber die Zahl won Kräften, bie er in ber Gede 
annahm, wiſſen wir faſt nichts heftimmtes, als ba e 
olſlen Thieren **) Leben, Empfindſichkeit, Begehrunge 
vermögen and Denkkraft zugeeignet, daß er ferner die 
Srepheit ber Seele behauptet, und unnermeibliches Ver: 
bängniß, ader zwingende Merhwendigfelt für finnier 
.Mamen erklärt habe 2”). - Mac dem Ariſteteles 
glaubte er, daß ber Menſch Feine andere Var 
güge- vor den .Thleren, als feine- Hände befize }), 
welche allein ihn zum vernüdftigfien unser allen empfis 
denden Weſen machten. Nach dein Plutarch hingegen, 


ber als. Geſchichtſchreiber ber Meynungen alter Weltwei⸗ 


fen ſehr elef unter dem Stagiriten ſteht, lehrfe Anapagores, 


daß ber Menſch an Beobachtungsgeiſt, an Umfang des 
Gedaͤchtniſſes, an Kunft oder Geſchicklichkelten, endlich 
on Weisheit alle übrige Thiere, ahne alle Bergleichung 
uͤbertreffe, und daß eben dieſe Worzüge es ſeyn, wodurch 
der Menſch alle Thiere ſich unterthan mache, und warum 
er ihre Arbeiten und. Kräfte nach ſeinem Wohlgefallen 
brauche tt) 

Viei aberelnſtlmmender mie feinen übrigen Grund, 
fügen, alg dieſer Tejte Ausfpruch, geweſen fenn mürde, 
waren feine Big | über bie Schwäche und Dunfelpeit 

der 


— — —— —————— 


) de Plae. V. 25. J— 

6X) I, 1. de Plant. Kılkot, 
, wee) Alexand. do.fato C. 2 

+) de Plant, I. 1. de Part.’ Anlım, A. 1. p. 106, . 
f) VI. de ſortun⸗ 33-©. 











* 


Geſchichte der Griechiſchen Welmelheit 685 


dee Sinne *). Angragotas muſte nochwendig die 


Kenniniſſe, welche die Sinne uns von den äußern Ges 
genftänderi geben , für fehr unzulänglich, ober gar untlch⸗ 
tig Halten, weil ſie uns nichts von der unendlichen Theile 
barkeit der Körper, und ber unendlichen Kleinpeit und 
Vermiſchung der Homolomerien fagen. Als ein auffal⸗ 


lendes Beyſplel der Unfaͤhlgkeit der Sinne; bie wahre: ., 


Weichaffenheit von Körpern zn entdecken, führre er die 
Beobachtung an! daß, wenn man Feuchtigkelten von 
verſchledenen Farben nehme, und die eine fropfenivelfe fh 
Die andere fallen laſſe, man aldbenn niemals bie allmaͤh— 
lige Berwanblung und Vermiſchung don Farben ſo ſtuf⸗ 


fenweiſe, als fie ſich in der Natur eraͤugne, bemerken 


koͤnne **). Aus dieſen Erfahrungen und Vorderſaͤzen 
konnte Anaxagoras allerdings ſchließen, daß die Sinne 
unglaubwuͤrdig, die Empfindungen und Vorſtellungen, 
die rdie durch fie erhalten, teüglich und mangelhaft, und 
daß alſo der ſorſchende Verſtand det einzige Richter ind 


V 


Erforſchet der Wahrheit, oder der wahren Natur dee‘ 


Dinge fe, Auch könnte er behaupten, daß alle finnfiche 
Gegenflände , und alſo auch det Schnee nicht diejenige 
Farbe wirklich babe, bie er zu haben ſcheine, allein 


wenn er ſagte, daß der Schnee ſchwarz ſey, und ziar . 


deßwegen ſchwarz ſey, well er and ſchwarzem Woſſer 
ent. 


— —S) Sext, adr. „. Mathens. v vi, 5. 1. an o8y Burnarae 
ros Avdfayogeis. os aaleveis deaßa Ay Tas 





äcdncas, und dPavpöriras dur Duni. 


duveoreii ec idey weni. Fairer. UND) de Fe 
Ev auTay Ti ATI, rav orget Kukgov Tor 
Keauariy efahayı). — 


®°) Sext. ı. Hyp. Pyrrb.33 & Ibi Fabrik, der die Zeugniffe | 


bes Cicero, Lactanz And Galen Anführt. 


\.J 


686 Fuͤnftes Buch, 
entſtehe, oder gar daß ihm ber Schnee nicht einmal weiß 
fcheine*); fo ſagte er wicht nur etwas ungergimites, fon 
bern auch etwas, mas mit. jelnen eigenen Mehnungen 
ſtritt 9, So fehe Demofeit auch die Bemerkung det 
Anaragoras rühmte ***), daß man bie unbekannten Eigen 
ſchaften der Dinge aus den bekannten ober aus fenuliden 
Erſcheinungen erklären 'müffe; ſo war fie body mit det 
Lehre von dee Schwäche ber Sinne nicht weniger under 
einbar, als zween Gedanken, die Ariftoteles ung in fer 








| | ne 
Acad. Qual, IV. 31, Cie, Man ſehe abet doch auch 
oo e 23. 0 | 


ä) Kein Skeptiker hat je behauptet, und Fein vernuͤnftiget 
Menſch, der einer ſolchen Ekpfindung, als diejenige ifl, 
‚welche bie weiße Zarbe verfhafft, fähig tft, Panfı es be 

haupten, daß der Schnee ihm niche weiß ſcheine; und ich 
g3glaube daher, daß Cicero au der einen Stelle den Se 
Banken bes Anaragsras übertrieben habe, Wenn ber 
leztere aber behauptete, daß der Schnee nicht weiß, fon 
bern ſchwarz ſey, weil er aus Waſſer entſtehe; fo konn⸗ 
te man ihn fragen, warum er glaube, daß feine Sinne 
ihm bie Karbe des Waſſers richtiger ald bie bes Schnee 
angaͤben, und warum er unter ben unzähligen Farben, 
bie das Waſſer zu haben ſcheint, vor allen andern die 
ſchwarze wähle? Man konnte ihm-endlich einen Trug 
ſchluß entgegen ſezen, der aber ganz nach feinem Miu 
fter gebildet ift: daß naͤmlich alles Vaſſer, wenigſtent 
alles Schneewaſſet weiß fey, weil es aus weißen Schnee 
entfiehe. . Die Art, wie Hr. Heinius die Meynung des 
‚Unaragatas zu rechtfertigen fucht, ſcheint mir eben d 
ſeltſam, als die Meynung ſelbſt zu ſeyn, dr qu’ lol 

a heigs paroit bisuche ſons Norte efledivement: 

gu’ oe faut pas le fer 3 cette coulaurz qu'elle u’ 

‚utile à quoigue ce foit: & Aue celul — In fe tıom- 
perolt beaucoup, qui ewployeroit la netge A blauchir 
on des babils, oo. 

MR) VII. 240; Sezt. adv. Mathens, 





Geſchichte der Griechiſchen Weltweisheit. :657 


ner Methaphyſik aufbehalten har, es mit der Behauptung 
find, daß der Verſtand oder die Vernunft das Kriterium 
der Wahrheit ſey. Anaxagoras erflärte erfilich feinen 
Freunden, daß, alle Dinge fo befchaffen feyen, als fie ih⸗ 
nen fchienen *), und dann glaubte er, daß es zwiſchen 


Seyn und Nichtſeyn, oder zwiſchen zween widerſpre⸗ 


chenden Saͤzen noch ein gewiſſes Mittel gebe"). Denn 
wenn man etwas gutes und ſchlechtes zuſammenmiſche, ſo 
ſey dieſe Miſchung weder das eine noch das andere. 
Unter ben Gedanken des Anaragoras über bie Nds 
eur und Entfteßung von Menſchen, Thieren und Pflanzen 
trifft man gleich merkwuͤrdige Beyſpiele von feinen und 
richtigen Beobachtungen, und von ungeheuren Vermu⸗ 
thungen und Fehlſchluͤſſen an. Er lehrte, daß Menſchen 
(und waͤhrſcheinlich auch die übrigen Thiere) aus dem 
Saamen der Vaͤtek entſtuͤnden, und daß die Mutter nur 
den Piaz hagebe, worinn der Embryo gebildet werde 7— 
le 


- 





E 


H Arif. Metoph. Ye. p. 63. Avufayoge de Kur Obtde 
PIeyua Hinpoveverey Tgos Tavy Ermugan Tılas, 
ori —ñ— æuros est To OVFl die 9 UM0s 


—RRX 
®) ib Y. L. P. 68. Avaayogk, enæ ti nerudu 
uns avrıdasens‘ wos Tavros \baudn. orey Yog 
HIXIn, 88 ayadıv , Ere un ayador To Mryuas 
#77) adev ET, arndss. 
ur) de Ges. Anim. A.a, p. 269. Eenſorinus zhlt alſo 
falſchlich den Anaxagotas unter denen auf, die geglaubt 








tten, daß der Menſch ſowohl aus dem Saamen der 


utter als des Vaters entſtehe, und eben ſo wenig 
kann Anaragoras gejagt haben, Laß die Kinder derjeni⸗ 
gen Perfon ähnlich würden, die am meiſten Guam. 

| kergegeban haͤtte. e. 6. u \ 


t 


688 Zinftes Buch · 
Die Urſache , woduich der Saume zu nein leb enden Or 
ſchoͤpfe ausgebildet werde, überging er nicht mit Exil: 
ſchweigen, wie die meiſten alten Weltweifen; auch 
. Handre er fe nicht Zufall oder Ohngefaͤhr, fondern ein 
aͤtheriſche Wärme, oder eine göttliche bildende Kraft; 
wodurch der Saame organifi ir, belebt, und allmäßtig in 
ein mit allen Gliedmaßen verfehenes Gefchöpf ausgrarbil 
tet werde #, € hielt den Saamen fuͤr einen Au⸗fluß 
bes Marks, oder für eine Feuchtigkeit, die ſich aus dem 
Mark abfondere, ünd ber Stoff des Fleiſches ſowohl ol 
des Fettes von Thieren ſeh. Zum Beweiſe berief er ſich 
ivie Alfmäon von Kroton, und Demokrit von Abdera 
äuf die Erfayöpfung oder den Verluft von Mark ſowoſl | 
* als von Feit und Flelſch ‚ ben alle Thiere nach einem 
pſt wiederholten Bepfglaf lieten. Das Geſchlecht künftige 
Thiere werde, ſeiner Mehtung nad) *3, vorzüglich Badurd 
beftinimt, o6 ber moͤnnliche Saame von der rechten oder 
iinken Seite hberkomme. Im erſten Falle werde ein 
maͤnnliched, im entgegengeſezten Falle ein welbliches ul 
bit gebifder. Auch In ber. Bärmutter ‚habe die tet | 
elte den Börzig, daß fie die Aufbewahrerinn min 
licher Geburten ſey, da weibliche Embtyhonen bie linke 
Seite einnaͤhmen ur), Anoragoros lehrte feruet, baß | 
das Haupt over das Gehlrn, als der edelfie Theil des 
enſchuchen Körpers; als det Si alet Empfindlichten 
ünd 


Ev u) 


e.V nn Ze er 37 Zu Ze 2 Zu zu N Re er ze we 2 re . nennen 
u nn 











&) Ceufer, de die Ast, e. ‘6. Änakngoras. auto omalı ſu- 
dieavit igerefcere eerebrum, ‚unde, omnes ſunt ſen- 
fus. — funt, qui.aetherlum colörem inefls arbitrei- 

* tur, qui membsa difponst, —— kick, 

*) N. co. p. 269, de Gen: Anis 

* Ari, — 


7, 
/ 











⸗ 


J 
X 


Geſcichte der Griechiſchen Weitweisheit. 669 


nd die Urtquelle aller Sinne zuerſt vollendet, und baß . 
a8 angefangene Thler durch ben Nabel ernährt werde*), 


Diefe Beobachtungen hatte Anoragoras wahrſcheln. 
ch eberi der Zergliederungsfunft ju danken, wodurch er 


ie Monftroficät eines Kopfs, aus welchem ber Zeichen 


euter Lampon In Arhen eine große Staatsveraͤnderung 
yeißägte, auf natürliche Urſachen zurückführte **), \ 
Wenn man biefe Bemerkungen eben gelefen har: 


> muß mar notbwenbig erflaunen, wenn man ferner lieſt, 


aß der Urheber berfelben geglaubt Habe, daß die Kaze durch 


as Maul gebäßre, und daß Kaben und Ibiſſe fih mie 


pren Schnäbeln vermifchten und dadurch empfingen ***), 
Nicht minder ſelt ſam ‚ und des Anaxagoras unwürbig war 
er Einfall, daß die Pflanzen und Gewächfe der Erbe 


Jirkliche Thlere ſeyen, daß fie gleich ben Menſchen lebten, - 


nd daß fie eben ſowohl Wergnägen und Echmerg ems' 
faͤnden, bächten, begeßrten und verabſcheuten f). 
lnoyagoras ging noch weiter. als Empedofles uns Des 


nofeit, indem er fagte, daß. Pflanzen und Gewächfe \ 


leich allen übrigen Thleren athmeten, oder Luft ein: und 
ushauchten ff). Ihre Empfindlichkelt gegen Vergnügen 


nd Schmerz ſchloß er aus dem Ausbrechen und Abfallen 
er Blaͤtter, die er wahrſcheinlich, wie Empebofies, 


mit 





#) 8,6, Cenſ. de die nat. 
**) Plut. in vita Periel. \ 
‚6, Y. 5. p. 253. Ari, de Gensr, Ania, 

+) de Plant. I. 8, Arifl, 


ſes von allen Zifhen behaupteten; Asifk, de zefpicet,. 


l. 2. — 


| .. \ 


- „ter ,.und. bie Sonne den gemeinfchaftlichen Water alt 


U / 


| 690 u | dinſtet Buß; 


mit ahellchen Erſcheiaungen in chleriſchen Körpen 
verglich*). Wenn er bie Erde bie gemeinſchaftliche Mu: 


Pflanzen und Bewächfe nannte; fo flimmten biefe Vie 
‚mit dem Sprachgebrauch, wenigftens dem dichteriſcha 
Sprachgebrauch faſt aller Voͤlker überein **), 
a Ein Zeitgenoß des Anaxagoras war Demobkrit do 
Abdera, ein Schuͤler ober Freund des Leukipp. Na— 
ben außerorbentlicyen Sobfprüchen „ womit bie größte 
“ Männer den Demokrit erhoben haben, follte man ii 
für eins der allgemeinften und erfinberifchften Genies hol 
ten , welche Griechenland hervorgebracht Hat. . Un 
„Pacht man hingegen bie Fragmente unb Gedanken dirk 
Weliweiſen unpartheyiſch; fe wird man genelgt zu glan 
ben, daß er In den Zeiten des Urfprungg ber win 
ſchaftlichen Kenntniſſe unter den Griechen, nice ode 
wald mit dem Anopagmcas gelebt, und erſt nach If 
ge 
— — — — — 
LE b. 
de Plaet. 23 Anaxagoras ſtellte, wie die meifen d 
ten Weltweifen, Betradtungen über die Natur und Ber 
haͤltniſſe von Größen, und Über die Urfachen von Kran 
_ beiten an, welche leztere bie erften. Unterſuchet de 
Wahrheit und Natur, als bie merkwuͤrdigſten Erfär 
Aungen anfehen muften. Bon biefen mediciniſchen at 
und geometrifchen Renntniffen haben fich, ſo viel id 
weiß, nur zwey Pruchſtuͤcke erhalten: die Meynum 
nämlich, daß die Galle die Urſache hiziger Krankheim 
fep, (Ari. de part. anim. O. p. ð4.) und dann du 
eugniß des Plutarch: daß Unszanoras im Seſinuin 
Hber die Quadratur des Zirkels geſchrieben habe. Beat 
dieſe Nachricht richtig nräre; fo müßte die Orden 


‚ Ichre-von Pythagoras big an ben An agerad (net 
bortzanse sung haben. t u se 











Dee 


7 


Geſchichte der Giechiſchen Weltweicheit. gr,‘ 


ſchrieben habe. Wenn man ben Pochagetas Auße 
mt, ſo iſt unser dem ältern Weltweiſen Feiner (und 
em dieſes iſt der ficherfte Beweis. bes allgemeinen 


uhms, ben er im ganzen Alterthume gehabt har) weichem 


in fo viele große und wunderbare Thaten zugetraut unb 
zeeignet, dem man aber auch unter und neben biefen Wun⸗ 


nn (0 viele Narrheiten und ungereimte Schriften ange⸗ 


htet hat, als dem Demoktit. Man ließ ihn, wie 


Pythagoras, unter bie entfernteſten Wölfen Afrikens 


d Aſiens reiſen, und ſogar von ſich ſelbſt ſagen, daß 
achtzig Jahre in fremden Laͤndern zugebracht habe *). 
an machte Ihn, wie den Pythagoras, mit den verborgen 


—— ¶ 


4 


n Kräften der Dinge befanne, und rühmee die. Wun⸗ | 


', Die er vermöge bidfer. Vertraulichkeit mit den Ges 
mniſſen der Natur verrichtet, und bie Welßagungen, 
durch er ſeine Zeitgenoſſen in Erſtaunen geſezt, und 
ſelbſt das Anſehen eines goͤttlichen Mannes ermorben 
he. Man erzählte, daß er fein ganzes Leben mit ber 
terfuchung von Kräutern, Steinen und andern natürlie 

s : Era . hen 











‘ \ . u 
®) pp, Clem. Alex. Strom. 1. p. 304. eya de ray xar 


Suaurov arIewrav yıv aAaSnV VERÄRYNERNN, . 


igoçecy TR HUT, U ERS TE N Yans 
wrersas eidoy, no Aoyımy ayIeumay Asa 


eonnEoo. Nö Yprmmeov Gurdeciss mer mon 


deidios ads xo na zaenufev, sd el Aryu- 
zrov aheonevo Agmadov array. au Tas ld arı 
mas en are oydancırz dxı Fans eryevındun, 
Die Beweisftellen für bie übrigen Behauptungen biefes 
Abſazes kann man im Leben bes Demokrit von Brur 


der, unh in Baylens Wörterbuch Article Demoerite 


finden. ’ 


N 


X 


von aller menſchlichen Geſellſchaft in die Wohnungen I 


Finſternlß würden bedeckt haben, und daß eben dl 


u 
“ 


692 Fuͤnftes Buch. 
chen Körpern zugebracht und daß er, um dleſen Una 
ſuchungen deſto ungeſtoͤrter nachhängen zu koͤnnen, H 





Todten zuruͤckgezogen habe, Zugleich: aber fagte m 
auch (und anfangs gewiß in der Abſicht, ben Namende 
Demofrit zu erhöhen, und ohne zu bemerken, def mi 
etwas wiberfprechenbes vorbrachte) daß biefer unermitk 
Beobachter der Natur unſinnig genug gewefen fep, I 
ſeibſt die Augen auszureißen, mit beren Berlufte d 
Weſen, deren Kräften er nachfpürte, ſich mit nit 


feherliche einfiedlerifche Weife, der aus den WBerfamnia 
gen der Menſchen in die ruhigen Werfftäte der tom 
Natur floh, ſich die Mühe gegeben habe, die Thorkril 
ber Menschen beftänbig. zu belachen, wie Heraklit fie Il 
beweint haben. : Alle dieſe mit einander ſtreitende Mih 
hen”) werben von den größten Schriftſtellern der En 
hen und Römer geglaubt, ober doch angeführt, und 
Bann es daher dem Pöbel im Zeitalter des Plinlus 
Apulejus nicht übel nehmen, wenn er den Demokit 

| . | ei 





#) Zu biefen Maͤhrchen gehört auch die Sage, da tie" 
gen ihres Blödfinns berüchtigten Abderiten den Deut 
krit eben deßwegen, weil er. ganz andere lebte und il 
beite ald fie, für. verrät gehalten, und den Hippoft 
tes gerufen hätten, um ihren Mitbürger zu hei 
daß aber Hippofrates die Weisheit des Demofrit M 
erkannt, und die Krankheit, deren man ihn geargwoht 
hatte ‚ ben Abberiten vorgeworfen habe. Biefe Er! 
‘ -füing verdient eben fo wenig als die Übrigen eine eun 
liche Wiberlegung , weil fie’gleich den Briefen, die?! 
motrit und Hippofrätes gewechſelt haben jolan, 1 
- gar nicht zu verkennende Spuren der Erdichtung an if 
trage. | 

A \ 





) 


Geſchichte der Suehiſchen Weltweisheit. 693 


en ber erſten hielt, ber uͤbernatuͤrliche oder magifche 


aͤnſte ‚auf feinen langwierigen Reifen gelernt, und-fie 


geroiffen Schriften andern zum Nuzen vorgetragen 
be. 

Demokrit, Zeno, Melifus, und Hippokrates fi My 
wende Benfpiele, daß der Gedanke eines einzigen Welt 
nenden und regierenden vernünftigen Weſens nicht nur 
r fchmer zu finden, fonbern auch ſchwer zu faffen und 


verbreiten war, und daß er den größten: Geiftern ans " 


igs nicht einmal wahrſcheinlich geweſen ſey. Wer 
kaunt nicht, wenn er findet, daß Demokrit, der mit 
n Werfen des Anoragoras bekannt, und nicht allein 
dt feindfellg gegen ihn gefinnt war, ſondern mehrere 
ner Gedanken lobte und annahm, daß diefer die vom 
varagoras verfünbigeen Wahrheiten gegen bie wilden 
undloſen Träume-bes Leukipp verworfen habe? Des 
okrit behauptete, mie fein Lehrer, daß ein unendlich 
sgefpannter leerer Raum, und eine unendliche Menge 


theilbarer Subſtanzen von verfchledenen Figuren und. 


rößen die Principla vder Grundurſachen feyen, aus 
(chen alle Dinge entweder durchs Döner ‚ ober 


rch bie emigen Geſeze ber Bewegung und Nothwendig⸗ 


t, ober durch die abfichtiofen Wirkungen einer blinden 
atur hervorgebracht worden *). Fr eignete beyden auch 
 Er3. . bie» 











H Man feheDieg. IX. 45. Aritt. Phyſ. II, 4. Metaph. 1. 4. 


- Plat, ap. Euſ. ‚Prasp. Evang. 1. 8, Plato hatte uns 
ftreitig auch im zehnten Buche feiner Geſeze den 
Demokrit, dem er unhold mar, im Siuue, wenn 


er fagte: p. 605. Edit. Bil. Gen — — — 
. wue vn udag we ynv na magıg, Qusas FarTe 


Esꝛ c⸗ 


— 


694 


* 
IE 


. 
4 . 





dieſelbigen Eigenfchaften zu, die Leukipp ihnen bang 
hatte: dem einen Faͤhlgkeit ich nach allen Seiten br 
Bringen zu laffen, den andern unüberwinbliche Zeftighi 
oder Undurchdringlichkeit *). Er ſagte ferner mit 
$eufipp, daß nur diefe allein wirkliche, für fich beftıhel 
Dinge, die Körper hingegen, wie ihre Eigenfchaft 
bloße Erfpeinungen ſeyen, die aus der Zufammenfin 


von Atomen, und. von Thellchen bes leeren Raums a 


mm menschen te 


 avreims oyray erbugen. vum de Depun 
Tn ıns duvaspens Engesas Enoszuv , 9 Zumal 


- 


" Facan 8% TETay Yevouevor. ade dis var Qu 
ade die wıvos Isov 3 ade die Tex , 1.91: 


®) Er nannte den leeren Raum off andey, die Aone In 


‘ 


wweiſe an, daß unmöglich etwas aus nichts entf 
konne. Plut, adv. eol, X, p, sör. und als einen * 
weis, baß nicht alles entſtanden ſep, führte er d 
Beyſpiel ver Zeit an, welche graͤnzenlos ober ewig 


aArift. & Plus, 1. eu, | 


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E104.00 TuXn Dacı, Texvn de ade rare. 
Ts METER ROVT VOTE Vn Fe nun 
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n Snon eos Uyec, nos maAmexnoe zreos · 
Kos BOVTo OHbTa Tn Tav ELAITImy nee M 
FO TUXmw af avayuns Suynangeeadn. Taurıı 
KT TAUTE BTW YEYENVNNEYOE Toy Te apa" 
eAay, mus (was av nal Dur Fuumanre u 


Vpnæv, Yusar Kos TURN TEE de ugegnt 0 
FETON USLAy. Yavopeımy den. Iunrav er Sir 
For. x. TV. A. Demofrit nahm wie ale alte ® 


Ariſt. Phyſ. Aufe, VII, 2. ° 


sder ıdews. P. 961. 69. X. ade. Colot nud gl 
den gleiche Realität und Unwandelbarkeit der Sud 


. 7 





8 


Geſchichte der Griechiſchen Weitweicheit. "695 


ſtuͤnden *), und mit deren Trennung auch wieder unter⸗ 
gingen. Endlich flimmte er feinem Meiſter bey, wenn: 
er, lehrte, daß die Verſchiedenheit der Kräfte und Eigen. 
fchaften von Körpern aus der verfchiedenen Geſtalt, Sage, 
und Ordnung der Atomen entftünden, und daß aus bie: 
fen Grundkoͤrpern unzählige laͤngſt untergegangene Wel⸗ 
ten zuſammengewitbelt worden, und eben ſo viele in der 
Zukunft noch gufammengefezt werden whrden de). Wenn 
Demofelt in allen diefen Puncten vom Seufipp etwas abs 
wich, fo war es in der feltfamen Einbilbung, daß unter 
den unenhlich vielen Welten, die aus den Atomen entftans 
Den wären und entſtehen wuͤrden, ſehr vlele ***) einander 
vollkommen gleiche gewefen -[enen, und‘ fen würden. 
Erg we Indem 








— — — — / 
*) 30 Metaph. 1. 4. & Sext. VII, 155. —R 
ev Tois 8019 Uraeyes TO TOMAS BIVOL, Kobk 


* vouw Yap Dos YAuku, Kos von TEINEOVy | 


vouw Iepuav, vouw Luxeon, vanar Xeom. rap 
R — Kos KEVAY. LETEEE vopsleras EV να 
xc⸗ —RXR& To fννα, 88.86 ds. KAT 
 aAnIeau TAUTa. ERS Tb Tops Kovap Kol ra 
xcvoy. 
es, Diog.l. «. 
we) IV. Acad, quuB, Ele. 40. Si age verecundius, & 
me atcuſas, men quod tuls ratlonibus nom aflentiar, 
6ed quod nullis: vinesm enimum: eulqus dfcntlar 
deligaw. Quem potilimum? quem? Demoeritum ? 


N‘ 


fewper enim, ut leitis, Audlofus nobilitatis iul. Ut-. 


gebor jam omniem vefirum convisio, Tune sut Inahe 
quidquam pates «flo — — — & alles ejusdem- 
modi mıundos eflo ? & ut nos nune fumus ad Baulos, 
Puteolosque videmus, fie Innumersbiles paribus In le. 
eis eff:, cledem sominibus, honoribun, rebus gefls, 


Ingenlis, 5; eotqiibus, uisdom‘ de sebus uedlige, | 


voten | 


N 


% 


696. Zünftes Buch. 

Indem Demofrit dieſe ſeiner Landesleute mehr, 
als feiner ſelbſt würdige Gedanken mit einer Nachläffig 
„Reit hinwarf, als wenn eben der Zufall, ben er für den 
- Schöpfer der Walt hielt, fie Ihm zugefüßre, haͤtte; ſa 
dachte er ſo wenig daran, fie zu beweiſen, daͤß er es 
plelmeht als einen Brundfaz feftfegtes daß man von dem, 
was erolg, ober was befländig gefcheben ſey, gar nicht 
die Urfachen zu wiſſen verlangen müffe. Dies ſey eben 
fo lächerlich ,. als wenn man dem Anfang der Emwigfelt 
oder bie Graͤnzen des Unenblichen erforfchen wolle *). 
Ariſtoteles fchreibt Ihm zwar bie Ehre zu, den erſten An- 
fang, Begriffe und Ausdruͤcke zu erflären, gemacht zu 
haben **); er meldet aber. body zugleich, daß Demofrit 
faſt immer nur gefagt habe, daß etwas fey, oder wie er 
fi) etwas vorflelle; niemals oder felten- aber, warum 
etwas ſo fen, oder aus welchen Orinden er ne Sachen 
- fo und nicht anders denke er) | 
Mi or nt Die | 
— — — — — 

> Ariß, de Geparat, Anim. B. 5 p · 322, we —E ds 
. Aeysow = daoı Aryasıy, 0Tı ETws es ymera. 
na TeLurv era vonigacn PX Aura, wem 

Anpoxgiros ⸗ AßBbnorrus, STE TI MEY RER 
u wmage 8x tw woxm. Tode harı, ex. To 

. 2 de ze, amescov, Be To eeuTe, go deerı, aeXn; 
To de aTeigpv. sg To 10wTav „To HMTı, ze 
vor Foarey Fir, vo Garen vo Puas 74 
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E de part, Anim. I, I, P- 8 
Bu) do Gen, Auim, E: 1.p. 395, Anuergiros de, vo 
8 — wpes Any, zarra aiwyer ols Xom 
704 U Dvsis, Bayer Togrars & ur, ad dr 
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En ed 





4 


Geſchichte bes Erifge Warwethet 697° 


. Diefer roßen und allen. Sefegen der gefunden Wire 
unft jumiberlaufenden Methode entfprecyen vollfommen 
Te. übrige Mepnungen über Gegenftände und Erſchel⸗ 
ungen der Natur, fo viel man uns deren aufbehalten 


at. Wenn er auch nicht, mie Ansragoras, die Sonne, , 


sr eine gluͤhende fleinigte Maſſe Hielt *); ſo 
ahm er doch vom Weltweifen von Klazomene wenigfteng 
ie Erflärung der Milchſtraße an **), Die Kometen ° 
ber hiett er nicht bloß für Erfiheinungen, fondern für 
immliſche Körper, die zu Firſternen ausgebrannt müre 
en, ‚indem fi) nadı der Verſchwindung von Kometen 
fe neue Geſtirne zeigten ***), Auch ſcheint er wies 
erum bie Verwandelung von Sirfternen in Kometen ger. 
laubt zu haben +): wenigftens behauptete er, daß bey 
Bermwanblungen oder dem Untergange yon "Welten und 
immliſchen Koͤrpern gewiſſe Bruchſtuͤcke oder Theile in 
inſern Dunſtkreis hereingeſchleudert, und eben dadurch 
eltene epidemiſche Krankheiten hervorgebracht wuͤrden }}). 
Fr vermuthete, daß es außer. den bekannten Planes. 
en noch mehrere Irrſterne gebe; er gab aber weber ihre 
Zahl noch ihre Namen an. Geneca, der uns biefes 
yerichtet, ſezt hinzu, daß gu den ‚Zelten biefes ſcharf⸗ 
Er 5 Sie 
— — — — — — — 
*) Wie Stobäus het, P. 56. Eel, phyf. Nach dem Plu- 
tarch beym Euedius glaubte er, daß fie urfprünglid 
unfrer Ede älhfih, und ohne allen Glanz umd Licht 
geweſen ſey, dB fie aber in der Folge ſich vergrößert, 
— in f id aufgenommen habe. ap. Euf, Prasp, 


@®) Meteor. Aril. 1. 8, 
) ib, 1.6. 9 3. 


Br ) va, 9 ebt. ore⸗ p· 9; = 


J 


! 


ad. 


fe u 


finnigfien after alten Weltwelſen der Sauf unb bie Bew 
gungen der Planeten noch nicht befannt oder berechnt 
gewefen ſehen *). 

Die Erbbeben leitete Demokrit aus ter Gewil 
und den Wirfungen des Waſſers, oder der Luft, ode 
, auch beyder Elemente her **), Er ftellte ſich die Erde 
als einen loͤcherichten, mie vielen Höhlen durchbrochenen 
Körper vor, der alfo erfchürtere werben könne, . wen 
Waſſermaſſen, bie fih in gewiſſen Höhlen gefammit 
Bärten, entweder den Boden ermeichten oder durchbtoͤ 
hen , ober! wenn- ber Wind große Säulen von Welle 
hinanwerfe, oder wenn endlich die eingefhloffene &uft, 
‚Bie von allen Seiten hineindringe, einen Ausgang find 
konne. Ariſtoteles werwirft biefe Erflärung des Erbe 
bens eben fo wohl, als eine andere Meynung bes De 
mofrit; daß das Meer ſich vermindern, und zulezt gan) 


u verſchwinben werbe ***). Diefe Vermutung, fagt Ar 


floteleg, iſt der Aeſopiſchen Erbichtung ähnlich, nach 
welcher die Charybdes burch einen einzigen Schluck oder 
Zug die Berge, durch einen zweyten die Jaſeln fichtbar 
machte, und durch einen dritten Das ganze Meer vn 

fihlingen, und alles fefle Sand. trochen machen wirb. 
WVUeber die Natur der Seele irstr er auf eine ihm 
ganz eigenthuͤmliche, aber doch nur fes Leukipp feine 
ähnliche Ar. Er glaubte, daß die Seelen der Mur 
ſchen mit dem Feuer von. gleicher Dur, ober aus dei 
ſoh 


Y 








—XR . Nat. oeen. 

9) ß, @ 7. Mateor, Ariß, . Gi. Sins, Nat, ‚Qui, 
VI. 20. 

Ye) Moteor. ß. “xP4% 1 


Soeſhicht der Griechiſchen Watwechet * | 


ſelbigen Beftandehellen nämlich ſoh ariſthen Atomen zu⸗ 
ſammengeſezt ſeyen, die wegen ihrer Kleinheit und Se - 

ſtalt Die größte Beweglichkeit hätten”). Solche ſphaͤri⸗ 
ſche Grundkoͤrperchen ſeyen in unzaͤhliger Mengee durch 
die Luft zerſtreut, welchen er eben den Namen gab, wos 
mit er dm ganzen Inbegriff menſchlicher Erkenntniß⸗ 
Eräfte **), oder richtiger , womit er die ganze Subſtanz 
menſchlicher Seelen ausdrüchte, Er hielt nicht, wie bie. 
meiſten Griechiſchen Weltweiſen, gewiffe Kräfte und 
Theile der Serle für Böhern Urfprungs ober erhabnerer 


Natur, als andere; fondern fezte alle Seelen aus gleiche , 


“artigen Elementen zuſammen, und leitete ihre Faͤhigkei⸗ 
ten aus den urfprünglichen Vewegungen dieſer Atomen ob, 
Bu > on. 


®) Arik, de Anlıma 1.0, 0Jevs ANMongıTos mr, ZUR 
Ko Sogjaov Day aurnv vor. TRergay Yore u 
. Toy OXNMATROI, AO TORE, Tob ae u. 
U me no \yuxmv Aeye = Anmoxgıros da ko: 
YinDvenreeus sıennsv amöOnvakeros dis Tu 
Tara Enuregov. \yuymv may yap way TaUTe 
Kay vv. TETE de av en Tay Raaray yo adıc- 
eærom anuarav. Kırmrınev da, din ningouspesun 

KU To OXnu. Tay de DXNHATOY FUKIINTOTE-. 
“TV, Te eDaneoades Ay. rAaror de va ver 
Ta vor 80 Ta Ave. Philopan fügt in feinem 
Commentar Über diefe Stelle: "Haß bie Wörter 
eusnos , badmyn, und Teen, woburd Demos 
krit die Zisur, Drönung und Lage ber Atomen aus« 

drückte, Abderitifde Wörter geweſen ſeyen. 

ib, & de reſpltat. ©. 1. - var Ta ee Wohuv 
cæbid Ao Evo TV FU8Tay, 6 nuÄeH ENevos VE - 
Ka Poxm. | 











‚ 
N ' - 


700. - ’ Finftes Bud. 

‚von welchen er meiter keinen Grund angab. Die Seele) 
bewege ben Koͤrper, weil und wie fie ſelbſi beweget werde: 
und ihre Beſtandtheile ſeyen in einer beſtaͤndigen Bewe⸗ 
gung, weil dieſe, vermäge Ihrer Natur, nicht ruhen 
könnten, Bey Anführung diefer Meynung kann Ariſto⸗ 
teles ſich einer Spötterey nicht enthalten, weiches ihm 
fenft nur felten begegnet. Demokrit, ſagt er, bewegt 
den Menſchen durch feine ſphaͤriſchen Atomen, wie der 
Komikar Philipp ſagte, daß Daͤbalus eine hölgerne Ve⸗ 
Rus durch Queckſilber beweglich). gemacht habe **), 


©o wie er bie Bewegungen ber Seele burch 
eigenmächtig angenommene Kräfte ber Atomen entſtehen 
und auf einander folgen lleß; fo ſuchte er auch die Er: 
haltung und den Untergang der Seele aus Wirkungen 
don Atomen zu erflären, die gänzlich erdichtet waren, 
die man mit eben fo virlem Grunde abläugnen fonnte, 
als er. fie vorausfezte, und yon welchen er auch nicht ein. 
mal fagte, daß die Natur fie bervorzubringen die Abſicht 
gehabt babe, Unſerm Körper, glaubte Demofrit, ſey 
ein gewiſſer Teil von ſphaͤriſchen Atomen eingewebt, 

welche die Seele ausmachten. Diefe Beftandtheile ber 
| Seele würden aber durch die von allen Seiten auf ben 
Körper drückende Suft bald gänzlich herausgeprefit werden, 
wenn nicht bie in ber Atmosphaͤre verbreiteten, der Seele 
eefboißerten Atomen Y 5 Hölfe eilten. Zudem wir 
| | dieſe 


* 














2) 3. 3. de Anim, Aria. 

‚9%,.jb,, Daß Demofrit dem Menſchen alle Freyheit des 
Willens abſprach, würde man allein ſchon aus dieſen 
Saͤzen ſchließen Finnen, wenn au wicht Eisero de fato 
e,17. es befärigte. 


/ 


- “ 


Beſchichte der Griechiſchen Weltweiheit. 7a 


Diefe durch das Einathmen an uns zögen, verhinderten 


fie, daß nicht die Seelentheile vom Körper abgeloͤſt oder 


berausgetrieben würden. Auf Ein: und Aushauchen ber 
Luft beruhe Seben und Tod, und ber Menſch müßte noth⸗ 
wendig flerben, wenn die gange Subſtanz ber "Seele 


Durch die Einwirkungen der ung umgebenden Suft aus . 


dem Körper herausgedruͤckt und zerfireut worden *), 
Wunderbar mürbe es feyn, daß Lben der Mann, der die 


Serien der Menfcyen allmaͤhlig zufammmenfchreinden und 


ver⸗ 











©). do Reſpir. 1. Ariſt. Annoxerros. d', ori po er Tue u 


avanvons auußaıc Tı Tas mramvascı Arye, 


Oœduov naAuesv eu9ABerdy rm bug‘ & mer’ 


' Pol s TETE Yakıına Bamsas av Faro Tv Du- 
6, eier werner: ADS Yap TTER Ks ei acı 
Ououxor, us Brob adev dmrerm Tns Towurns. 


mrics. Auyar dcs ı urn ns To Sogpov raus . 


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KEWOHEYOV BY OUTRY UMO TE TERIEYOVTOS ande 


Bevros, Bongec» ymeo de⸗ Tv sazysonv Dans: 
ev yap Tw aegı MoAuv waıduov em Toy Toise 
Toy, 06 mades axesvos yav na luxav: evazvaov- 
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x wveeyevra,ru SAnlw, xaAves ru evadar 
To (weis —XR Vu. ou dis T8T0 ev Ta 


DOVOLTEVERV ROLE EKEVeRV Eıvas To 'CHV Ks To TO. 


Fınanav. OTay Yao Xeurnro MepieXev Oui- 
- Haıßor, as unmatı vo Iuendev ecıov 8 düs 


vro⸗ avEıg Ye, Mil —RX OVOTUEN, TO TE. 


suußawer vov Jararov, Tos los. zıyas Yag 
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T8 oMATosS —8R Een TIS TE DE Xorros 
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702 Fuͤnftes Vu. ° 

werfliegen lleß, fi und andere. mit ber Hoffnung ſchmei⸗ 
chelte, daß man dereinft wieder aufleben, oder daß all 
Theile, die vormals eine Perſen ausmochten , la 
ber Zukunft auf eben bie Art, wie im erſten Leben zu. 
: fammengefügt werben fönnten*) — wenn nicht eben dies 
fer Mann geglaubt hätte, daß ganze und noch dazu Su 
zählige Welten einander vollkommen gleich wären, und 
gewefen fin). « - 








*) vH. SS. pP iss, u 
wu) Ich ſehe nit ein, mit welchem Grunde Tufe, Qusefl. 
"2. 34. Epitur dem Demofrit vormerfen fonnte, daß 
er bern Menfchen noch nad) dein Tode des Körpers ewis 
ges Gefuͤhl übrig laffe. Aber recht gut kann man es 
aus der angeführten Stelle bes Ariſtoteles erflären, wos 
ber die falfhen Auslegungen ber Mepnung des Demo⸗ 
Erit entfianden ſeyen, nach welchen er eine Gottheit 
von fenriger Suhflanz behauptet, (de Plar.1.7.Yoder au 
bie Natur, aus welcher diefe Seelen und die göttlichen 
Bilder entfprüngen, für. göttliche Wefen gehalten, und 
endlich den Atomen eine gewiffe lebende Kraft zugeeigner 
haben foll. de Nat. Deor. Cisas, I, 12. Tufc. Quacſt. 
1.0.18. Demsokrit nannte die Tphärifiken Atomen, wel⸗ 
he die Beſtandtheile des Feuers wie der Seele ſeyen, 
‚vos nd un: daher der Irtthum, daß er. einen 
göttlichen yes, eim göttliches verfiändiged Weſen von 
-  feuriger Subftanz behauptet habe. Er glaubte, daß 
"aus der Bereinigung gewiffer Atomen feuer, Leben und 
: Seelen entftünden, daher der falfıhe allgemeine Saz: 
| daß er allen Atomen eine gewiffe lebende Kraft zuges 
ſchrieben Habe, — Endlich ſprach er von gewiſſen gätts 
7 Ken Bildern „. die et wie dig Seelen aus ſphaͤriſchen 
- Asomen entfichen ließ, und hieraus ſchloß man, dag 
er die leztern auch für göttlich gehalten Habe. So ger 
waltfam dieſer Schluß war, ſo gänzlich falſch war die 
2.0 Wefpub 








. . x ‘ N + " 
a nr oo» * 
v 


Geſchichte der Griechſchen Weltweicheit. 703 


— Ben aber Demokrit gleich die ganze Seele aue 
Jenfelbigen Elementen zuſammenſezte, und Ausdruͤcke 
als gleichgeltend brauchte, womit andere ganz ungleiche. 


artige Thelte und Kräfte ber Seele bezeichneten; fo unters 


ſchied er doch Empfindungsvermoͤgen von Denffcaft ‚oder 


Verſtand, und eignete ber fejtern, wenigſtens an mans 
hen Orten Vorzüge zu, bie er ben Sinnen gaͤnzlich abe, 


ſprach. Er verwarf die Ieztern, als ganz unzulaͤnglich 


zur Erkenntnis der Wahrheit, indem wir durch fie das⸗ 
jenige, mas allein wirklich fen, das Leere und die Atos 
men gar nicht wahrnäßmen, und nur allein Begenflände 
und Eigenfchaften empfänden, Die bas nicht wären, was 


- 


fie ſchienen. Alle Kenntniffe, die wir duech fie erlang⸗ 


ten, ſeyn dunkel, und nur diejenigen rein und aͤcht, die 


wir unſerer Vernunft und unſerm Verſtande zu verdanken 
Hätten”), In der Behauptung dieſes Vorzugs bes 
ee Bere 











[U U’ 


Beſchuldigung bes Eprkurers Vellejus, ben Cicero ſo 
viele unrichtige Nachrichten, und ungegruͤndeten Tadel 


vortragen laͤßt, daß Demokrit die Seelen der Menſchen 
fuͤr Goͤtter angeſehen habe. de Nat, Deor. 1, 12. 


8) Man ſehe Sext. adv. Math. VII. 135. 136. beſ. aber 138. ſ. 


ey de rois Mavocı,. duo Daaıy eva Yımaess. vv 
ne dis Tay aioIycewv, Tav de dies Tns dıavoas. 
wy 7ny EV di. rns dicvoius Vnomv xærœves 
BebaLueTUpay AuTN To mıSoV as aAnIesas xp 

ai. de din ram is Inaesy ano ovoncsles, 


wDaspsievos BUTNS TO Eos —R TE AN- 


Ges uramves, Myes da noro Ask. yauns' de 
dvuo ey — 7 Bey Yıncım N de rorm.- “cd 
oxorins MeV Ta de suunesra,adıs, nen, odum, 
yeuoıs.4 \yeugis, n de aan, WTOKERgUM EM 
. ) TRUTH. oo | 


. 


4 


Pr 


704. Fuͤnftes Bud, 
Verſtandes vor den Sinnen beharrte Demokrlt en 
fo wenig, als viele andere Ältere Weltweifen, Er Elaptt 
baß wir Im Grunde nichts richtig und zuverläffig erkem 
sen; daß unfere Dieyannigen gaͤnzlich von den Zuflin 
ven unfers Körpers abhängig fegen, und daß endlich di 
Wahrheit gleichſam In einem tiefen Brunnen vergraben Is 
ge, aus welchem fie durch Seine menfchliche Kraft pr 
vorgezogen werben koͤnne *), u 

Faͤſt alle Ueberbieißfel dee Demokritiſchen Dlatw 
lehre enchalten kaum gedenfbare Ungereimtheiten, un 
ſchildern den Zuftand dee Wiſſenſchaften kur, vor dem 
Sokrates eben fo lebhaft als die Denkungs art des Mu 
‚nes, von dem fie herrühten. Seine fehre von im 
. Blivern zeigt vorzüglich, vole wenig er die Matur Eanntt, 
da er Ihe noch fo etwas anrichten konnte; und men 
Epikur In. der Folge diefe Bilder vom Demoktlt ab 
nahm; fo gab ee dadurch einen fichern Beweis, di 
nichts ſo ſeltſames geträumet werden koͤnne, was nich 
feine Vettheldiger und Bewunderet fände, und daß 
bie Matur nicht genauer als Demokrit erforſcht hal 
tejterer glaubte, daß gewiſſe feine Bilder ſich zu ala 
Zeiten von allen Körpera, vorzüglich vom thietiſchen ab 
töften, und diefen nicht nur ähnlich fenn, ſondern auf 
‘ihre ganze Den?» und Gemüchsart ausdrädten, wi 
an ſich hätten, wenn fie anders vollſtaͤndig und 2 


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- EEE EHRE — 
6) Diog. IX. 137. Cleer. Ae. Quaeft, IV, 10. Sext. ViL 17, 
ev de To Kegı ıdewy Yıyymene TE Xen, Pie, 
avgenmov To de Ta naverı, öri arens ann 

Toy. nei Farm, OnAcı mer In nor Sres 6 Ani, 
m eren zdev samey Tees Bdevos: aA; aripn 
 Enasoiei u dokisı way arı, Kautol InAov um 

ren oloy ekasov Yiyvmeneiv'z ev iscyAw MM. 
Arittot, Metsph, Y. e: p. 63. dio Anuoxęiroc ehr 

Ev, mros aber away aAnIeH, nam Y daran. 


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Seſchichte der Griechifchen Welttveiäßeit, 705 
ammelt blieben ®). Unverſehrt aber erhielten, ſie ſich 


am meiften In einer reinen und heflen kufe, da hingegen 


sine dicke, ungleiche, und fich oft: verändernde kuft bie 
Bilder auf mancherley Arc ſchwaͤche und verunftalte, 
Er Sehauptere ferner, daß dieſe Beftalten ſich um deſto 
häufiger ablöften, und beflo ausdrucksvoller, und Ihren 
Ur bildern ähnlicher würden, je feuriger und lebhaftee 
die Körper wären, von denen fie nbflöffen. Sle ſeyen 
es, welche vurch bie feinen. Deffaungen ber Haut und 
bes Körpers durchdraͤngen, die Seelen der Traͤumenden 
berührten, und in ihnen die Gefichter aller der Gegens ° 
fände hervorbraͤchten, die fie wirklich zu fehen glaub⸗ 
ten **). Außer diefen Simulacris , die fi) von wirk⸗ 
lichen Gegenftänden Mennten,, nahm Demokrit noch anı 
bere an, bie fich von ohngefaͤhr aus dem In. der luft, 
oder In dem unendlichen leeren Raume herumfliegenden 
Atomen bildeten. Dieſe Geſtalten ſeyen fo wohl gute . . 
DE " als 


— — —— — — XXXXXCV 7 





©) Sox4, IX, 19. Anmovxgνασ de eulo Aa Ta Onou ap 
meralev Tas RVIewMos. X TETay TE Men ' 
wo ayaloron; To de nanemom. ne was 
uxeres evAoyay TuXyev udmAmy. eva da vaulos 
peyams Te nos umeg neyedn, nu dordIuerm 
pev,'' an aDIaera de, TEOCNURNEN TE: To 
neMovro Tas avdgnmos Jswesusve, Kol Ou- 
: vos air. 09V TETay auray Davranıcy 
Außovras oi Badia, vumevoneav ae Beov 
undevos RAS Tag Taura- ovros Gu, Te 
" sDIuerov Duow axovros ſ. 42. rm da sidwAcs 
aıvo EV To. MeQieyovrı vmeedun, og avSewzre 
, sıdeis MoeDas exyovra &e, vide & Vellej. ap. Cie, - 
1. 12. de Nat, Deorum, | 
0°) Sympef, VIII. 10. Plut, p. 930. 31. Edit, Reiskll, 


9 


v . 


JeßsZuͤnftes Buch. 





als boͤsartig, von ungeheurer Groͤße, und fangbaute, 
“ober nicht unvergaͤnglich. Sie naͤherten ſich bisweln 
‚dem Menfchen, und zeigten ihm durch Bewegunze 
and Stimmen die Zukunft an *). Ihre Erfchelnm 
gen hätten In. den erfien Sterblichen Begriffe von Ei 
. tern, ober von Weſen, vom denen fie felbft an Moh 
and Wiffenfchaft ſehr weit überteoffen wärben, Bervorp 
bracht **), Er hielt es aber doch auch für wahrſchein 
ih, daß ungewöhnliche Erfchelinungen am Hmm 
wie Sonnen » und Mondfinfterniffen ober andere furdt 
bare Phänomene.der tuft, In den Menfchen den &eantu 
von höhern mächtigern Maturen veranlagt Hätten’) 
Er ſelbſt wünfchte inbrünftig, daß Ihm niemals anden, 
als wohlthaͤtige göttliche Bilder aufſtoßen möchten, un 
laͤugnete zugleich, daß es außer ihnen noch andere 10 
ſterͤliche goͤttliche Naturen gebe. So feltſam es at 
klingt, daß ein Mann, der das Daſeyn ber Gott 
oder der Goͤtter laͤugnete, ſich vor einer Art von Ön 
ſpenſtern oder Hirngeſpinſten fuͤrchtete; fo wenig fire 
send war. biefe Furcht mit feinem Snfteme, oder fo we 
nig-fonnte er diefe Furcht durch Grundſaͤze feines Er 
ſtems wegräumen. Denn wenn bad Ohngefaͤhr aum 
| = J 10 

) Demokrit glaubte nicht, bloß, daß, große menfehenäin 
2 liche Simulacra die Zukunft vorher verfündigten, fir 
dern daß man au) viele Pünftige Begebenheiten aus ia 
Eingeweiden der Thiere vorherfehen koͤnne. Demorr 
tus autem cemfet, ſapienter inkituifle vweterer, « 
"hoftlerum immolatarum infpicerentur exta, quorus 
ex habitu atquie selore tum fslubritatie tum peflle 
tie figna pereipl; sonnunguam etlam, quse ſit rl 
fterilitstis agrorum, vel fertilitatis futura. Cie, de 
Birinat. L. 57. Cicero rechnet daher den Demokrit mil 
unter diejenigen Philofophen, die am Divination glan 














, ten. 1 % Il. 13. ib,, 
“+, IX, Sext, 19, 42%. — 
ur) ib, f, 34, 





l 


Geſchichte der Griechiſchen Weltweisheit. 707 


ſtomen Welten, und gute und boͤſe Menſchen hervor⸗ 
ingen konnte; warum nicht auch Weſen, die dem 
Renfchen an Macht überlegen wären , ‚und die ihm nad 
rer verfchledenen Gemuͤths art eben fo wohl fehaden als 
igen fonnten? en | 

Auch In ven Unterfuchungen des Demokrit über die 
neftepung und Fortpflanzung der Menfchen und Thiere 
abet fich faſt keine einzige richtige Beobachtung, und 
n feiner Naturlehre alfo kann man mic Recht fagen, 
iß fie, fo weit wir fie Eennen, aus bloßen Irrthuͤmern 
ft ohne alle Berfegung von Wahrheit beitanden habe, 
3enn man einan Schriftſteller gauen dürfte, der aber 
ei öfter falfch, als wahr erzählt; fo glaubte Demos 
fe, daß ‘die Menfchen aus Waſſer und einem fetten. 
zchlamme entſtanden wären ®). Eben biefem Samm⸗ 
» zufolge ſtimmte er zwar dem Anaxagoras über den 
rfprung des Saamens, aber nicht über bie Bildung von _ 
mbryonen, und über die Ürfache ihres Geſchlechts bey, 
r behauptete nämlich, daß zuerſt die äußern Theile, be⸗ 
nber& das Haupt und der Bauch, und dann erſt Die Ins - 
en Theile entwicelt würden **), und daß das Geſchleche 
erdender Menfchen, fo wie die Aehnlichkeit derſelben 
it Vater oder Mutter durch bie größere Kraft oder 
jtärke des Saamens et werde")? LUngehenze 

| 92% .  &s 














+) Color. 3. » . _ Ä 
#*) De Gener; Anim, P. Ap. 216. Conſos. «, 6. de-iie 
Nat. 
ovo) A. ↄ. de Gen. Auim. 269. 271. 272. Cenſorin ſagt 
e. 6; daß nach dem Demokrit das Geſchlecht von Kin⸗ 
“dern davon abhaͤnge, ob der Saame bes Waters oder dx 
Mutter zuerſt an den Plaz komme, wo das Kind ge⸗ 
bilbdet werden ſoll. Welcher von ben beyden zeugenden 
Perſonen Saame bet andern ihrem zuvorkomme, der 
mache das Kind entweder zu einem Maͤnnlein oder 


— 
— 


yos 


. erklaͤrte er aus einer wlederholten Erglefung des © 


mens, 


V 


\. s I 


Funftes Buch. 





worinn der ſpaͤtere ſich mit dem erſtern vermi 


fche, und dadurch Aus » oder Zufammenmwachfen du 
Embryonen verutfache *). So wie er die Thiere um 
ihre Seelen aus einerley Elementen mit der Menſchen 
. Ihren entfliehen ſleß; ſo eignete er Ihnen auch dieſelbigen 
SFriebe und Kräfte, . felbft Vernunft und Berfon! 

zu °*). Außer dieſer Behauptung finde ich nur ned 
drey Mennungen des Demokrit über die Thiere, die abe 

den eben angeführten über die Menfchen uͤhnlich irn. 

Er glaubte, daß alle blutloſe Thiere Eingeweide hätten, 
die nur ihrer Kleinheit wegen: unfichtbaf wären ; daß W 
Unfruchtbarkeit der Mauleſel aus einer Verderbung Ni 
Zeugungs glieder entſtehe, die wlederum in der Ungleich 
artigkeit derer ihrer Erzeuger ihren Grund habe: do; 


 Sendlich jungen Thieren die Zähne deßwegen ausfielen, 
well fie durch den Genuß det Milch vor ber Zelt heraus 
getrieben würden T). et 


wu = . . , 
.®) Do Gen, Anim, A..d. p. 283. Ari, 
us L, E. u J 

7Do Part, Anim. V. d. p. 8. de Gen. Anim. B.ı 

233. E. n. p. 344. Nach dem Poſibonius war Te 


[2 


— 


Pe 


—— Ui 











mofrit der Erfinder von Gewoͤlben, der Kunſt, das 
fenbein zu pöfiren, und eine große fleinigte Mafle I 
Smaragden zu verwandeln. Sem. er 90. Allein tut 
Erfindungen find wahrſcheinlich nt tweniger dicht, 
als die Entdelungen, die eben diefer Weltweiſe ka 
Anacharfis zueignete, ober. als die idealiſchen Sail 
sungen, die an der angezogenen Stelle aus ihn ww 


_ geführt werden. Pofidonius war zwar einer der p 


lehrteften Stoifer, aber auch, wie ich oben. fehen ır 


gendwo erinnert habe, einer von denen, deſſen hiſtor⸗ 
be Nachrichten am wenigſten Glauben verdienen, m 


häufig aus Tabeln und Anekdotenſammlungen geuc® 
men waren, Nana 


» 
! 





Gecſchichte der Griechiſchen Weltweisheit. 7og ° , ' 
Wenn man die Urcheile des Cicero über bie Ders . 

lenſte des Demokrit um die Größen » und Tugendlehre 
ale den Sragmenten von beyden vergleicht; fo etſtaunt | 
sarı über.das fonderbare Spiel, welches Zeit und u . | 
all mit den Werfen und dem Ruhm großer Schriftfteller 
reiben, . In ber Geometrie nennt Cicero den Demos 
ric einen Meifter, und dennoch wiflen.wir von den mas 
hematiſchen Kenntniſſen und Entdeckungen defleiben nur” 
tiefes: daß er die. Sonne nicht, wie nachher Epifur, 
de ſo klein, als fie uns ſcheint, fondern für einen gros 
jen Körper gehalten habe *). Ueber die Tugend hin⸗ 
‚egen fchrieb Demokrit nach dem Zeugnifle eben dieſes gros 
jers Mannes nur ſehr wenig, und dies wenige weder 
con, ned; in einer lichtvellen Ordnung **): Und 
ade aus diefen nadhläffigften und unbedeutendſten Ar⸗ 
yeiten des Demofrit find die meiften und auch die beften 
Bedanken gerettet. worden, bie wie von ihm beſizen. 
Inter dieſen moralifhen Fragmenten finde ich keins, 
vas entweder um ber Sprache oder des Inhalts willen 
yes Demokrit unwürdig wäre, Viele derſelben fchels 
aen mir befonders wegen des ältlichen und etwas frem⸗ Ä 
sen Ausdrucks eben’ fo aͤcht, als fie ſchoͤn ſind. Une N 
augbar aber iſt ein Theil derſelben aus untergefchobenen 
Werken entiehnt, fo ſchwer es auch iſt, allgemeine 
Merkmale iprer Aechtheit oder Unaͤchthelt anzugeben-T); 


993 En 
. . — x . - j 
*) Cicer, de Pia, 1.6. Allem Vermuthen nad glaubte N 
Demotrit, daß die zmwifchen bem Nuge und zwiſchen | 
entfernte Gegenſtaͤnden befindliche Luft bie fichtbaren 
Körper verfleinere, denn wir. würden, fagte er, eine 
Ameiſe am Himmel fehen-Pönnen, wenn der Zwiſchen⸗ 
raum ganz leer wäre, De Anim, Arifi, II. 7, — 








L 





. 


et) V, 29. de Fin. 
+) Siche Beylage am Ende bes Abſchnitts. 


— 


io Fünfte Buch, 
Ein Zeitgenog der Männer, von benen ich In bie 

fem Buche geredet habe, und ein Zuhörer und Freund, 
ober role Plato ſagt, &ellebter des Parmenides. war Ze 
no von Elea, ber. weber feinen lehrer, noch fonnft jemem 
unter den vorhergehenden NBeltweifen an Große un 
SBortreflichkeic feiner Geiſtesgaben, und an Adel us 
“ Stärke der Seele etwas nachgab. Wenn auch die Er 
säblungen von den fürchterlichen Todesarten, bie er erlit‘ 
- ten, und von ber faft äbermenfchlichen Standhaftigkelt, 
- womit er bie unleldlichften Martern geduldet Haben fol, 
übertrieben, oder von andern Diännern auf (re übertra 
gen worben find; fofann man.doch daran nicht zweifeln, 
daß er nicht fein teben Im’ Dienfte feines Vaterlande 
verloren habe »). Nichts iſt mehr zu verwundern, 
als daß ein Mann, der alles für feine Mitbuͤrger aufs 
zuopfern bereit war, darauf verfallen Founse, fein 
Beitgenoffen nicht aufklären, fondern verwirren, mic 
‚beffeen, ſondern bloß über eine eitte Kunft flaunen mu 
chen ju wollen, die mehr ſchaͤdlich als unnuͤze und gleich 
unwuͤrdig war, bon Zeno ausgeübt, und von bemebeh 
fin. Sriedyen fo fehr. und fo lange bewundert a 
werden °), Cr war, wo nicht der erſte Exfin 
| — dr 





mM.Die Zeugniſſe über ben gewaltſamen Tod des; Zeno fuͤh⸗ 
ren Bagyle und Bruder an. Ich begnuͤge mich damit, 
folgende Worte bes Cicero herzufezen, weil daraus ei 
bellt, baß man nicht, wie einige geglaubt haben, die 

. Marter, unter denen Anaxarch in ChHhpern flarb, aus 
Perfehen auch vom Zeno erzählt habe,-. Ansxarchum 

.. Demoeritum a Cyprio tyranno exestnificatum accepl- 
mus; Zenonem Elene in tormentis nceatum, . III, de 
Nat. Deore. 33. | 


5 \ - w) Ich will hier nur die wichtigſt en Zeugniſſe über die Div 


% 


lektik, oder wie Ariftoteles fie nemmt, Sophiſtik, an 
führen, . indem ich unter dem Abſchnitte von . Se⸗ 
rn phijten 


/ 
\ . 


- 





0 N 
ö N 


Gefchichte der Griechiſchen Weltwelsheit. zum 


x *), doch gewiß unter den Männern, welchedie Griechen 
Zeltweife oder Maturforfcher nannten, der erfte tehree 
>» Ausuͤber der Kunft: alles, ſelbft entgegengefeste Säge 
sanniccelbar Hinter einander zu verthelbigen und zu bes 
reiten die unläugbarften Wahrheiten ungewiß, und 
e größten Ungereimtheiten wahrfcheinlich zu machen, 
Dlich andere durch beftändige Fragen In die laͤcherlich⸗ 
ers WWlderfpräche zu verwickeln, ober auch durch Fünfte 
Se und ihnen unauflösliche Teugfehläffe zu verwirren, 
H felbft Hingegen Bucch ähnliche Sophismen umübers 
implich machen zu fünnen **), Er verrheidigte bie 
Nennung bes Xenophanes und Parmienides über bie Eins 
sic nicht im Ernte, ſondern um feinen Scharffinn zu 
ügen; jo ee erweiterte und übertrieb die Gedanken fels 
ee Vorgaͤnger, um die Behauptung berfelben deſto 

9a | ſchwe⸗ 
phiſten wieder darauf zuruͤck kommen werde. Man ſe⸗ 
be alſo Iſoer. II. p. 115. & ſeq. is Helenae Eneomios . 
eontra Cophiſtat p. 327. & ſq. Edit. Battle, Arifietel, 
Metsph, V. ßR. p. 52, beſonders Plat. in Pormenide 
p- 139. 140. Edit. Baſ. Ge, Ariſtoteles gicht an deu 
angezogenen Stelle bie Unterfähtebe der Sophiſtik von 
‚ber Dialektik feiner Zeit an, und auch Plato fonderte 
fie von der Kunft, richtig zu denken und zu reden, oder 
heſchickt zu fragen und zu antworten, (diAexrınm 
ezisyun)'ab. in Sophift. Pan 


©, Dies wollte Ariſtoteles VIE, 7, Sext. adv. Math, & Ib? 
Pabr, Das Zeugniß bes Ifofrates hingegen und die 
Geſchichte ver Sophiſten, die ich in der Folge vortra⸗ 
gen werde, bemeifen, daß ſchon andere vor dem Zena 
eben diefe Kunft trieben. ' 


r 











"x, Phavorinus hatte Unrechs Diog. IX. 29. wenn er den 
Trugſchluß Achilles dem Parnienides zuſchrieb:: denn, 
Ariftgtefes eignet ihn Phyf. Aulc, VE, 14. den Zus 
ausdruͤcklich zu. 


* 


* 


Erw | Fuͤnftes Buch. 
ſchwerer aber auch deſto glotreicher iu wachen ®) 


Unter den eigentlichen Weltweiſen, info fern man fe 
Yon den Sophiften unterfcheiden muß'*"), war er be 
erfte vorfezliche Verderber ner Weltweisheit, wer ſie von 
der. Blidung der Herzen, und der Erforſchung der Tu 


| tur auf fehwere, bürre, und unnuͤze Spijfindigkeicen eb⸗ 


leitete, und anftatt ihren noch. ſchwachen Stamm y 
mähren und ju pflegen, ihn gefährlich zu verlegen um 
zu untergraben,, anfing. Wenn -man bey. der Zuſam 
menfuchung der Spizfindigkeiten und Trugſchluͤſſe de 


Zeno erſtaunt, dag ein Gelft, wie der feinige, gegen di 


nur In einem Griechen gedenkbare Eitelkeit, durch fein 
Zrugfchlüffe andere zu.quälen, ben eben fo leiche zum 
werbenden gründlichern Ruhm, nuͤzliche Wiſſenſchafie 


LU KK 














(EEE Gm— 


-.®) Plut, in Poslel, Anusse de IleemAus wors Zuvars 
TB Mœh?pſtau, MOwYuRTEeVoueve Tag (Ducw as 
Tlaguevıdas. eAsYarıunv de Tuce, Kb , —3— eva 
FioAoyıas eis Kmogidv 
[ .ewrros if. wozee nas Tıewv 6 PAsawsos zıenn 
| 16 TETwV . — on 
AuDdwrego YAucco TE MEYB OIevos ax urn 
70.2.2. TNADV. 
Znvavos TENTROV EWIÄNKTOLOS. 5 | 
Unrichtig urtheilte eben dieſer Plutarch, wene 
voom Zeno fagte: ap. Euſ. Praep. Evang: I, 3. 
. .  Znvay de o FAsatys sdhov_ MER adev e£eIerı N dr 
, zoense de Bell TETWV erni As. 

“Er, Iſokrates zählt den Zeno mit zu den Sophiſten; alle 
eben diefer rechnet auch den Meliffus darunter: um 
beyde mit eben fo vielem Grunde, ald womit Xefchind 
ben Anaragoras und Sokrates Sophiften nannte. Ma 
fehe Ioe. Ene. Helen, 11. 115. Die äfteften Soptv 

—fien waren alle Dialeftifer, aber nicht bloß Dialekt 
- Bi fondern aud Redner und Lehrer der Beredſam⸗ 
eit. N 9 


1» 


\ 





Schhichte der Briehihen Weltweiheit. 733 


zu erfinden, ober w erweitern, vertouſchte, ſo muß 
man auf der andern Seite nicht vergeſſen, daß ſelbſt 
unter den wunderlichſten Spielwerken des Scharfſinnes 
dieſes Mannes ſich mehrere Irtihuͤmer und Wahrheiten 
finden, die aus kelnem geringern Kopfe, als dem des 
Zeno fommen konnten. Bedauren wuͤrde ih es, daß 
ein Mann wie Zeno ſich ſelbſt fo ſehr verkehrte, und 
Lieber andern beſchwerlich als nüzlich werden wollte, 
wenn nicht alle Ältere Sophiſten und visle dee Moga⸗ 
eifchen Weltweiſen gleiche Talente auf eine, ähnliche Act 
gemißbraucht hätten, . 

Bey diefer Lehrart yes Zeno faun man niche fi 
gen, mas er felbft geglaubt, fondern wie er gelehrt, 
und Säge vertheidigt oder angefochten habe. Ald Proben 
“feinen. Methode woil ich nicht feine Sophiſmen wider bie 
Bewegung, die man ſchon aus Baylen's Wörterbuche 
Eennt, oder fennen lernen kann, nicht die Trugſchluͤſſe, 
welche Piato in feinem Parmenides *) fo wohl den Zeno 
ale deſſen tehrer vortragen läßt, fondern feine Austprü, 
che über die Einheit und deren Eigenſchaften anführen, 


bie Ariitoteles in einem befonbern Eleinen Auffage zuſam⸗ 


mengefaßt hat *). 

Wenn etwas iſt, ſagte der Eleatiſche Diolektiker, | 
fo kann diefes unmöglich entſtanden feyn: und dieſer 
Saj gilt daher auch von der Gottheit, auf welche er ihq 
ſo gleich anwandte. Wenn das Wirkliche entſtanden 
ſeyn ſollte, ſo muͤßte es entweder aus etwas ihm aͤhnll⸗ 
chen, oder auch aus etwas umgleichen hervorgegangen 
ſeyn. Das erftere laͤßt ſich gar nicht denfen, weil fein 
Grund da iſt, warum ein Bleiches das andere eher er⸗ 
zeugen, als Davon erzeugt werden follte, Indem in dem 
einen alles, wie in dem andern iſt. Der andere m | 

| - 95 | iſt 


maps — — — — —— —— — ———— 


w, Siehe Beylage am Ende des Abſchitu. 
Ft De Zenone, 


[2 


\ 


14: Fünftes Buch, 
tft eben fo wenig moͤglich. Denn wenn das Ungleiche 
aus dem Ungleichen entſtanden feyn follte; fo mäßte ent‘ 
weder das Mächtigere aus dem Schwächern, und bat 
Vellkommnere aus dem Unvollkommnern, oder auch ums 
gekehrt entſtanden ſeyn. So wohl das eine als Das am 
dere {ft unmöglich, - weil In-beyden Borausfezungen et⸗ 
was entweder aus Nichts entflanden, oder in Michts 
verſchwunden ſeyn muͤßte, welches wir uns gar nicht ein⸗ 
mal vorſtellen koͤnnen. Aus dieſen Gruͤnden muß man 
alſo annehmen, daß die Gottheit ewig fen. Eben dleſe 
Gottheit kann nicht anders, als einzig ſeyn, wenn fie 
anders das vollkommenſte und maͤchtigſte Weſen iſt. 
Denn man mag zween ober, mehrere Götter von ai 
chen oder ungleichen Bortreflichkeiten annehmen; fo hd 
ren fie immer auf, Gott, die vollkommenſte und maͤch⸗ 
tigfte Natur, zu ſeyn. Denke man fich mehrere Goͤt⸗ 
ter von gleicher Mache und Pollkommenheit; fo Ifi felr 
ner unter Ihnen das mächtlgfte und beſte Weſen, well 
ein jeder eben fo volllommene Natuten, als er felbft iſt, 
neben ſich hat. Mimmt man Hingegen mehrere Götter, 
von ungleicher Macht und Guͤte an; fo find diejenigen 
feine Götter, die eine mächtigere, und vollkommnete 
Subſtanz über fi) Haben. Da alfo nur eine einzige 
Sdottheit möglich it; fo muß man ferner behaupten, 
. baß diefe ſich ſelbſt allenthalben. gleich fey, daß fie allent⸗ 
Balben ſehe, Höre, und bie übrigen Sinne äußere; 
bdenn fonft wuͤrde man etwas ungerelmtes fagen müffen: 
daß gerwiffe Theile dee Gottheit die übrigen beftegten und 
überträfen, oder bon Ihnen beſſegt und, übertroffen mürs 
ben. Daraus nun, daß bie Sorcheit fich ſelbſt allent⸗ 
halben gleich fen, folgerte Zeno , daß fie notwendig ei⸗ 
ne fphärifche Sigur haben müfle *), ben diefer a | 


/ 
——— — ——— — — — v 


'*) Er nannte die ic Gottheit einen Korper, ſagt Arien | 


J 





! \ 


Seſchichte der Griechiſchen Weltweisheit. BT | 


ſich ſtets gleiche und ſphaͤriſche Gott, koͤnne weder un 
endlich noch endlich, weder unbegränge noch begrängt 
feyn. . Unendlich fey nur allein das Nichts oder Unwirk⸗ 
liche, indem dieſes weder Anfang, noch Mittel, och 
Ente, noch fonft Theile Habe. Die Sottheit, oder eins 
zige Subſtanz fen aber vesder dem Michts, noch. auch 
einer Menge ‚oder Mehrhelt von Subftänzen ähnlich, 
und fönne daher nicht, wie jenes, unbegrängt, ober 
wie diefed , ‘durch andere befchränfr werden. Eben fo wer 
mig fonne man fie unbeweglich ober bewegt nennen; 
Unbeweglich fey nur allein das Nichts, well in dieſes 
weder etwas anders kommen , noch es ſelbſt ſich etwas am 
derm naͤhern koͤnnte. Beweglich koͤnne die Gottheit 
aber deßwegen nicht ſeyn , weil Bewegung nicht ohne 
Veraͤnderung ſtatt finde, und durch jede Beränderung 


Die einzige Subſtanz aufhören wuͤrde einzig zu ſeyn ). 


Die Gottheit fey alfo (fo ſchloß er endlich) ein einziges, 
ewiges, fich ſtets gleiches und fohärifches Weſen, das 
weder endlich noch unendlich, weder unbeweglich noch 
in Bewegung ) | | 


Ungee 


[U | 7 | [U] U} —— 
J 


(de Zenen, e. 3.) Er mag nun unter Gottheit bie 
Welt oder etwas-anders verftanden haben. . 

® & muß man bie dunfeln und gewiß verborbenen Worte 
bed Ariſtoteles verfichen. areıgov yae To un eıvos 
muß wReigoy movov Ton ov eıvosheißen. Nur mis 


diefer Verbefferung iſt diefe Stelle und alles folgende 
verſtaͤndlich. 





—0 Zeno ſchrieb als ein junger Mann ein Wer, in welchem 
er zu beweifen fuchte, daß aus der Meynung: baß es 


mehrere Subftanzen gebe , weit mehr Ungereimtheiten 

folgten, als aus dem Grundſaze bes Parmenides, den 

.. er gegen Spötter und Widerfacher zu rerten ſuchte: daß 

alles nur eine einzige Subftanz ausmache. -Plat, ia 
Kar, p. 139. Simpl, in Phyf, Aufe, Ari, fol, ” a. 


* 
— — — — — — — —— 


Br Ze Dintes Vuch. 


Ungeachtet aber Zeno nur eine einzige Subſtan 
annahm, und auch diefer Einheit mehrere Eigenfchaften 
queignete und abfprach *); fo befannte er doch telederum, 
daß ihre Matur ihm unerforfchlich ſey. Wenn er fie 
aber erfennen konnte; fo würde er,. glaubte er, alle 
Uebrige leicht erklären fonnen **),. 

Der lezte große Mann, deffen ich in diefem Bude 
kurz erwähnen werde, iſt Meliſſus, ber Befehlshaber 
der Samiſchen Flotte, und der Ueberwinder ber Athe⸗ 
nienfer zu einer Zeit, als fie glaubten, daß fie unuͤber⸗ 
windlich wären ***), Ungeachtet er ein Zeltgenoß des Zeno 
mar; fo näherte ee fich doc) dlefem und. feinem febrer 
viel weniger, als dem Renophanes, mit weichen er die 
Unendlichkeit und Einheit. der einzigen Subflang ohne 
alle Einfchränfung wider den Parmenides behauptete, 
- und alle Entſtehung, - Beränberung, Untergang um 
Bewegung fchlecjterdings verwarf 7). Ariftoteles vers 
bindet Ihn daher flet6 mir dem Xenophanes, fcheint aber 
gegen beyde eingenommen geweſen zu feyn, weil er fie 
feichte und ungrünbliche Räfonneurs nennt, ba doch die 
PVergleihung der Fragmente diefer Männer mit denen 
des Parmenides lehrt, daß fie, wo nicht richtig, doch 
u Zu mit 
— — — 
m Er nannte ſie einen Körper, und laͤugnete, daß ſie et⸗ 
was untheilbares ſey. Was zu einem Dinge hinzuge⸗ 

than, es nicht vergroͤßere, und weggenommen, nicht 
vermindere, ſey gar nichts‘ wirkliches. Meteor. 











B. d. p. 45. 

40) Simpl. j. «. fol, 30. a. ex Eudeme. Unterdeffen laͤuz⸗ 
nete ober beziweifelte er boy, daß ‚alle wirkliche Dinge 
ſich an einem gewiſſen Drte fänden oder finden müßten. 
Denn alddenn müffe jeder Ort wieder in einem Orte 
kon, a" dieſes ins Unendliche fort. Ari, Phyf. Aule, 


‚een. Fr in Periel, I. 640- 647. dr. ‚Col, 629. p. X 
n Atiſt. Met. I, 5. Phyf, l. 23: +1 


Geſchichte der Griechiſchen Weltweisheit. 77 


mit fich ſelbſt viel überelnfiimmender , als der Geſezge⸗ 


ber von Elena ſchloſſen. Simplicius iſt der einzige, 


Der ums beträchtliche Stellen aus den Werfen des Mer 


Affus *) erhalten har, aus welchen Stellen erhellt, _ 


daß dieſer Weltweiſe die Lehhre von einer- einzigen Sub⸗ 


ſtanz vielleicht deutlicher, ordentlicher‘, und ſcheinharer 


als irgend einer vor ihm entwickelt habe, daß er aber 
durch eben dleſe Schriften nicht vieles zur wahren Auf⸗ 
klaͤrung Griechenlandes beytragen Fonnte *20). Weil er 
das Dafenn einer einzigen Subftanz in einer eben fo we⸗ 
nig gemilcerten und eingefchränften Bedeutung, ale Te⸗ 
nopbanes lehrte, fo mufte er eben wie Biefer die Zeugs 
niffe der Sinne verwerfen, die er vorzüglich deßwegen 
für unzuverläffig hielt, weil fie uns diefelbigen Gegen⸗ 
flände nicht zu allen Zeiten auf diefelbige Art, und mie 
benfelöigen Eigenfchaften zeigten f). 

Machdem ich nun die Geſchichte der ganzen alten 
Philoſobi⸗ der Griechen vollſtaͤndig vorgetragen habe; 
fo will ih ned) zum Schluffe die wichtigften Reſultate 


[ 
» 


meiner biöherigen Unterfuchungen Eürzlich unter. einem 


Geſichtspunkte verfammien,, um meine fefer deſto mehr 


in Stand gu fegen, den währen" Zuftand der Wiſſen⸗ 


fchaften in dem Zeitalter, wo ic) jego abbreche, beurchels 
‚fen zu koͤnnen. 


Wenn man bie Bemüßungen ber größten Geiſter | 


©riechenlandes ‚don denen ic) bisher gereder habe, mit 


einem allgemeinen Blicke uͤberſchaut; fo bemerkt man’ - 


zuerft mic Bermunderung, daß mehr. al anderchalb 
Jahrhunderte erfordert wurden, ben wahren Schöpfer 


. der. 











-#) Cr führt zwey Vuͤcher: eines mepı Qugews n Tegı TE 
ovros, fol. 15, b. und eins 22 fol. b. eg Yers- 
vews nous DIogas au. ' 

ww) Siehe Beylage am Ende. des Abſchnitts. 
+) Siehe Beplage. 





118 Fuͤnftes Bud: 
ber Welt zu entdecken. Alle Weltweiſen vor bem Ana⸗ 
xagoras irrten mic ihren Gedanken In der ganzen Matur, 
wie in einer unbefannten büftern Wildniß umher, ohne 
Irgendwo Spuren einer fchaffenden oder ordnenden Sott⸗ 
heit zu finden, die wir jezo ihren größten, wie ihren 
Bleinften Werfen eingedruckt finden. Die ältern Wahr⸗ 
heitsforſcher nahmen entweder eine einzige ever mehrere 
Grundurfachen der Dinge, und die einzige entweder um 
beweglich, oder auch in einer aunaufhoͤrlichen Bewegung 
an *y. Man mochte aber einen einzigen, oder einen 
wielfachen Brundftoff behaupten; fo lleß man Daraus ent, 
weber durch Gluͤck, Zufall und Ohngefähr, oder. durch 
eine mehr vorauögefeste, als erklärte ſelbſtſtaͤndige bewe⸗ 
. gende Kraft, oder durch mehrere entgegengefejte wirkende 
Urſachen, bie man eben deßwegen, weil man von ihnen 
Leine Rechenſchaft geben konnte, mic vichterifchen Pas 
‘men belegte, ober durch eine blinde Mothwendigkeit, 
oder endlich burch eine vernunftlofe ‚Natur; die ganze 
- Welt, und alle Thlere, Menfchen, und Götter eutſte⸗ 
ben-**), Selbſt nachdem Anoragoras den wahren Gott 
verfändigt hatte; verfannten ihn noch Immer alle feine 
Zeitgenoffen (den Diogenes -von Apollonia. ausgenom⸗ 
men , der aber doch das verftändige fchaffende Weſen, 
nicht wie Anaxagoras von der Grundmaterie, ans wels 
cher er alles entftanden glaubte, abfonderte,) und rede⸗ 
ten gleich den erften Phyſikern von Nothwendigkeit, 
Sit, Marur und Wirbeln, als den Schöpfern der 
Welt. Eben fo wenig, oder noch weniger, ale bie 
Mache, Güte und Weisheit des Urhebers des Ganzen, 
erkannte man die Majeftäo und Vortreflichkeit feiner er⸗ 
babenften Werke, Die wahre Größe, Entfernungen 
| und 


%) Ariſt. A. Met, Y .d. Sext. X. 310. 
an) Arifl, Il, ec. Pit. Aufe, ul, * 8. Hi, doß, de rero 


‚ Dev p. 243. 29: 


Geſchichte der Griechiſchen Weltweisheit. | 212 u 


und Bewegungen der himmlifchen Körper waren allen alten 
GSriechlſchen Weltwelfen gänzlich unbekannt, Man hielt 
fie entweder für Eleine follde glühende Maffen, oder fär. 
kurzdaurende feurige Exfcheinungen, die an jedem Mor: 
gen entfländen‘, und mit jevem Abend wieder unters 
Bingen. 

Anaxagoras fiel zwar auf bie wahren Urſachen bie 
Berfinfterungen der, Sonne und des Mondes; aber er 
argwohnte eben fü wenig,. als feine Vorgänger und Zeitge 
noffen, die Bewegungen der Planeten um die Sonne 
und bie wahre Geſtalt ber. Eede, auf weicher er wohnte. 
Auch war er nicht mehr als diefe im Stande, die tänge 


bes Sonnenjahrs zu beftimmen, und die Zeitrechnung 


ber Öriechen zu verbeſſern. Ueber bie Urſachen der merk, 
würbigften Deränderungen der Luft, und auf ber (Erde 
riech man nicht Zlüdtlicher,, als über das Wefen und bie 
Kräfte der Seele. Man dachte fich die leztere als ein 
gewiſſes bewegendea und beiebendes Weſen, das fich 
aber im Menfchen nicht mehr als In den übrigen Thleren, 
und in den Plangen, ober gar in allen leblos fcheinen«. 
den Körpern finde, Man verwechfelte allgemeines Ems 
pfindungsvermögen und Denkkraft, und harte für: die 
verſchiedenen Aeußerungen der leztern eben ſo wenig 
Wörter erfunden, als man fie ſelbſt beobachtet und ums. 
terfchieden hatte. Die rohen Begriffe von der Zeugung 
der Menfchen und Thiere, die ich angeführt habe, zeis 
gen, daß man kaum angefangen hatte, die innere Eins 
richtung dee thleriichen Nature mit Huͤlfe der Zergliedes. 
rungsfunft auszuſpaͤhen. Wahre Arzeneykunde, ſamt 
allen mit ihr verwandten, oder von ihr abhaͤngenden 
Wiſſenſchaften waren noch gar nicht, und von der 
Sroͤßen⸗ und Zahlenlehre nicht viel mehr, als. die erſten 
Anfangsgruͤnde erfunden. 
Die älterten Griechiſchen Weltwelfen .wichen fait ' 
alle von einander ab, weil ſie nicht der - ein; 
ſoon ⸗ 


- 


nf 


/ 


u 720 Fuͤnftes Bud; — 


un} 


2 


⸗ 


N 


fondern ihren eigenen unbrwleſenen Vermuthungen folge 
ten, Unterdeſſen ſtimmten. ſie doch bey allen dieſen Wi⸗ 


derſpruͤchen in vielen Meynungen zuſammen, die nicht 


nur deßwegen Aufmetfjamfelt verdienen, weil fie uns 
jeigen, wie man anfangs ſich ſelbſt, und die Natur 
'anfah, und von welchen Grundſaͤzen man: ausging, 
fondeen auch, wie eingefchränft die wiffenfchaftlichen 
Kenutniſſe ver Griechen bis über die achtzigfte Olympiade 


‚hinaus blieben, - Diefe Grundfäze nun, welche alle, 


oder. Doch ein großer Theil der ältern Weltweiſen als um 
läugbare Wahrheiten feſtſezten, waren, vorzüglich fol 
gende: daß unmoͤglich etwasjaus Michts entſtehen, ober 


| „to Nichts untergehen fönne *), daß die Zelt ewig fen, 


"aß aber alles, was In der Zeit entſtanden ſey, auch 


wiederum werde aufgelöft werden **): daß alles in um 


- aufhörlichen Verwandlungen oder in einem beſtaͤndigen 


Stuffe fen *"*): dab Thiere, Menfchen und Götter aus 
gefühl » und vernunftlofen Principlis hervorgebracht wor 
den: daß alle Weſen befeeit, und Pflanzen eben ſowohl 


.. als Thiere und Menſchen mir empfindenden und ver 
nuͤnftigen Seelen begabt fegen: daß es gar Feine Frey⸗ 


heis der Seele gebe,- fordern daß der Menfch in allen 
feinen Entfchließungen und Handlungen durch eine zwin 
gende unwiderſtehliche Nothwendigkelt getrieben werdet): 


daß das Gleiche das Glelche anziehe, und durchs Siei⸗ 


\ 


I} 


— 


ſtirne nur kurzdaurende Erſcheinungen ſeyn, oder daß 


che erkannt werde: daß Empfindungsvermoͤgen von 
Denkkraft nicht verſchieden ſey, und daß man-den Zeugs 
uiſſen dee Sinne nicht trauen koͤnne: endlich daß Die Ge⸗ 


fie 


1. Pbyf,.Arif. 4. Metsph, K. 5. p. 181. 
se). Pbyf, Ariſt. VIII. 52. 


ses) De Coelo Ill, 2. Plat. Theset. © | 
+) Cie, VI. de Fato, 2 B· 


? 











Geſchichte der Griechiſchen Welttveiöfeit. 7a 
se alle um die Erde, als ben Mittelpunct ber Wele, 
yeruingewälje wuͤrden ). = | 


Erſſe Beylage zu S.633. 


Leber die Zeitrechnung des Empedokles, Anaxagoras, 
| Demokrit, Zeno und Meliſſus. 


Din ich dieſe fünf Weltweiſen zwiſchen die fiebens 
igſte und achtzigſte Olymplade ſeze; fo will, Ich damit 
weiter nichts fagen > als Daß fie nach den Pythagoreern 
and Älteften Eleatikern, und vor den alten Sophiſten, 
wenigſtens dem gröften Thelle derſelben bluͤhten, daß fie 
rernerjalle in, oder nicht lange nach der fiebenzigften 
Diymplade gebohren murben, und daß endlich einige von 
hnen wahrſcheinlich ſchon vor der achtzigften, und bie. 
itbrigen glei) nach der achtzigften Olympiade entweder 
als Schriftſteller ober als Lehrer der Weltweisheit bes 
ruͤhmt geworben find. Uebrigens weiß Ich ſehr wohl, 
und werde es auch foglelch felbft bewelſen, daß ale Phl⸗ 
loſophen, deren Zeitrechnung ich jezo unterſuche, weit 
ͤber die achtzigſte Olympiade hinauslebten, und daß eini⸗ 
ge von ihnen kurz vor, und andere kurz nach der neun⸗ 
zigſten Olympiade ſtarben. J 
Auch In der Zeitrechnung dieſer lezten unter den als 
ten Grlechiſchen Weltweiſen, finder fich noch immer eine 


Menge von gar nicht zu hebenden Dunkelbelten, und J 


won ſchwer zu vereinigenden Widerſpruͤchen ber beruͤhm⸗ 
teſten Chronologen und Geſchichtſchrelber. Man muß 
en BE ſich 
*) Ich habe es nicht für nöthig geachtet, bey einem jeben 
Saze bie Beweisſtellen anzuführen, ba man .fie unter 
. ben vorhergehenden Abſchnitten finden wird, - 


j 3 N) 
. R . 
\ . . x 
t 
. * 
J 











722 Fuͤnftes Buch. 


ſich Hier, wie ben Ihren Dorgängern, öfter damit ie 
gmuͤgen, zu wiſſen, mic ober vor und nach welchen Min 
nern jemand gelebt Bat, als man angeben kann, in wi 

chem Jahre einer gebohren worden, ober geftorben iſt. 
Vergebens fucht man: in ven alten Schriftſtellen 
nach einem zuverläffigen und. entfcheldenden Dato, ned 
welchem fich dad Zeitalter bes Empedokles geman beflim 
men lleße. Wir wiflen zwar aus dem Ariftoteles, d 
er, ungeachtet er jünger, und zwar wie Simplicic 
fagt *), ‚nur etwas jünger als Anaragoras war, dei 
früher Schrififteller wurde, alö biefer ”*), daß er Im 
ſechzigſten Jahre feines Alters ftarb***), wie Heralili, 
und daß fein Großvater nody in der ein und fiebenzigiim 
Olympiade bey Olympla ſiegte 7). Allein aus aflen bie 
fen Datis kann man freglich die Zeiten, in melden a 
lebte , aber nicht genau die Jahre feiner Geburt und fh 
nes Todes heraus bringen. Eben fo unbeftimme iſt di 
Machricht beym Diogenes, deren SBerfafler niche befanm 
ift, daß Empedokles um die 84 Olympiade geblüht har 
be ff), und bie Erzählungen des Theopkraft, Alkivamat, 
Satyrus, Glaukus und Simplicius, daß er ein. Zuße 
zer und Nachahmer des Parmenivdes, und ein Lehret 
Des Gorgias gewefen 777): endlich dag er nach Thurlum, 
welche Stadt furz vorher gegründer worden, gegangen 
ſey. So viel kann man aber bed) aus den angeführten 
. Zeugniffen fchliegen, daß Empebofles nad) dem Anaro⸗ 
goras gebohren, aber vor dieſem Weltweifen berühmt ge 
worden, und geflorben fey. 0 4 











"In Phyl, Ariſt. 6.6. 

"t) ‚Met, l, 3. 
9%), Ap. Diög, VIII 53, . 
Ib 51. | 

+) S. 74. VII, > 

tt Siapl.lLe _ 





—. 


Geſchichte ber Griechiſchen Weltweisheit. 723 


Iu der Chronologie bes Empebofles find die Data 
war nicht beſtimmt, aber doch zufammenftimmenb. 
ir der bes Anaxagoras hingegen trifft man zwar fehr be 
kimmte, , aber durchaus fid) widerfprechende Nachrichten 

n ©), Fuͤr die glaubwuͤrdigſten unter allen Z>ugniffen, 
uf welche man vie Zeitrechnung bes Aaaragoros grün: 
en kann, halte ic) mit den eben angeführten Gelehrten 
tejenigen;, die fich Im ſechſten Abſchnitt des zweyten 
Buche bed Diogenes von Laerte finden. Hier Helft es 
rſtlich, daß der gemeinen Meynung nach Anaxagoras 
ur Zeit des Einfalls des Retxes in Grlechenland **) 
wanzig Jahre alt gewefen fen, und daß er zwen und 
sebenzig Jahre gelebt habe. An eben diefer Stelle ſejt 
Apollodor die Geburt dieſes Weltweiſen in Die ſiebenzigſte, 
ınd feinen Tod in die acht und achtzigfte Olhmpiade **"); 
Mit diefen Angaben flimmer die des unbekannten Verfaſ⸗ 
ers der Beſchreibung ber Olympladen überein, nach wel⸗ 
her Anaxagoras im erften Jahre der fi ebenyigfken Olym⸗ 
ziade gebohren wurde. 

Wenn man dieſe Data gelten laͤßt; fo iſt es un 
vohrfcheintich, daß Anaragoras den Anaximenes gehört 
yabe, wie meßrere Schrifrfteler verſichern 7). Denn 
venn man auch mit dieſem tebensbefchreiber des Anaxa⸗ 
3ora6 annehmen wollte, daß Anarimenes um die Zeit dee 
Eroberung von Sardes gebohren werden; fo würde marı 
doch dleſem Freunde des en ein unwahrſchein⸗ 

| 2 lich 


— — —— — 


e) Man ſehe Bayle Artiele Archalgus, unb Helalus: vie 
d’Anaxsgere. Memot. do l’Ac,' des Sciences de Ser- 
He As. 1752. | 

es) LXXV, Ol, 1. 

un) Denn diefe Zahl muß, wie bie größten Ausieger geurs 
theiler haben, und bie ganze Übrige Zeitrechnung des 
Anaxqgoras beweift, ſtatt der aahl 74 geſetzt werden. 

+) Siehe Heinius p. 325. 





— 





LT B riefter Bud. 


lich Hohes Alter geben müffen, wenn  Unarageras jelnen 
Unterricht noch hätte genießen folen. Unwaprfeheinid 
iſt ed ferner, was Demetrius PHalerius beym Dieze 
nes ®) verfichert, daß Anarageras im zwanzigſten Jahn, 
. gerade zu der Zeit, als Zerreö Griechenland mic Aria 
überzog.und Athen zerſtoͤhrte, nach dieſer Stadt gefom 
men ſey, und Philoſophie gelehrt habe ”"). Viel wahr 
ſcheinlicher Hingegen iſt es, daß er unter dem Kallias, 
den auch Demerrius Phaleteus nannte , und ber In de 
gıten Olympiade: Aechen war, in einem Alter von 45 
Jahren, Das wieder aufblüßende Achın zu feinem Wohn 
fine gerählt- Habe, Doch umwahefeheinlidger .aber, ai 
alles. worhergehende iſt dieſes, daß er vierzig Jahre Alter, 
als Demokrit, und dag er ein Lehrer des Sokrates pe 
wefen fey. Das lejtere kann man mit Baylen aus meh 
ern Gruͤnden für. falfch erklären, weil Sokrates alsdenn 
ben Anaxagoras nicht ſo heftig, und auch nicht · bloß nad) 
dem, was er in feinen Büchern geleſen hatte, wuoͤrde 
angeklagt, und bie Feinde des Soktates ihm diefe De 
kanntſchaft wuͤrden vorgeworfen haben. Ganz unglaub⸗ 
lich endlich iſt es, was Diogenes erzaͤhlt ꝰ), dab Anaro 
goras bey dem Anblid des Grabmals, welches Artem⸗ 
ſia den Mauſolus hatte errichten laffen, die Betrech 
ung gemacht habe: daß biefes Fofibare Werk das vr 
mal großer In Steine verwandelter Schaͤze ſey. 
Erdichter dieſes des Anaragoras unwuͤrdigen Ya 
bedachte nicht, daß biefer Weltweiſe meift zwanzig Olym 
piaden vor der Vollendung des Orabmals bes Mauſo 
lus— geſtorben ſey. — Die Anklage des —— 
feje lodor in das ate Iahe. ber Site »Dlmplabe, 5, 3 


2) | 
-©8) Baylo l, “ 
ve) 11, 


7) 107. ol. r " BEN 





RE 
1 





Geſchichte ber Griechlſchen Weltweisheit. 725 


ur | 
weicher Erzählung Heinius die Machricht des Diogenes 
von bem breufigjährigen Aufenthalt deffelben in Achen 
auf eine.glücliche Art vereinige"). Unter allen Schwie⸗ 
rigfeiten, welch Bayle und Bruder wider den langen 
Aufenthalt des Anaxagorqs in Achen gemacht haben, 
fcheint mir feine von Bedeutung, als diefe, woher es 
Fam, bag Sofrates nicht ven Anaxagoras, wie alle 
übrigen berühmten Männer feiner Zeit, gehört ober kennen 
zu lernen gefucht habe, wenn biefer bis in die Mitte ver 

grten Diymplade in Achen verweilte. | | 
Noch weis vermorrener, als bie Zeitrechnung bes 
Anaragoras iſt die des Demofrit **). Wenn die benben 
Data, die Diogenes an der bemerften Stelle aus Wer 
Een des Demofele anführe, wirklich aus. ächten Schrif⸗ 
ten diefes Weltweiſen genommen wären; fo würbe es 
nicht ſchwer werden, die Zeit, mann er gebohren wors 
den, genau zu beftimmen, Demokrit fell naͤmlich ſelbſt 
gelagt haben, daß er vierzig Jahre jünger ale Anoragos 
ras gewefen fen, und daß er feinen uuxeos dioswonues 
730 Jahre nach der Zerftögrung von Troja, oder gegen 
das Ende der achtzigften Olympiade vollender Gabe. Die 
erfte Nachricht ſtimmt wolllommen mit bee Angabe des 
Apollodor zufammen, der die Geburt des Anaxagoras 
in die 70 ‚ und bie des Demokrit in bie achtzigfte Olym⸗ 
piade ſezt. Allein fie Ift wieberum mit dem zweyten 
Dato, und mit den Zeugniffen aller übrigen Schrifte 
ftellee unvereinbar. Denn wenn Depipfrie erft In der 
achtzigften Olympiade geboßren wurde, fo Fonnte er une 
möglich "730 Jahre nady. der Zerftöhrung. von Troja 
eine feiner wichtigften Schriften verfertigen. Wollte 
man aber die Zeitrechnung des Ansragoras, und die 
| 313 Nach⸗ 








S, 345. 46. on, an 
**) Man fehe Diog. IX, 40. & ibi Menag. Bayla Artiele 
Demossite Net. D, Weſſol. ad Diod. XIV. 647. . 


7 


26, Fuͤnftes Buch. 


Machrichten des Apollodor und anderer Über bie Zeit de 
Geburt dieſes Weltweifen verwerfen; fotönniee man zwun 
‚bie angeblichen Nachrichten des Demokrit von füch feihl 
mit einander vereinigen, allein alsdann würde Anoxoge 
296 wider olle Geſchichte und Wahrſcheinlichkeit Aber 
fein Zeitalter hinauf geſchoben werden, Bar nämlich 
Demofric vierzig Jahr jünger als Anaragoras, um 
„fchrieb doc, eins feiner Werke in der achtzigſten Dim 
piade; ſo, wuͤrde Die Geburt des Anaxagoras im oder naht 
an die fechzigfte Olympiade gefege werben muͤſſen, burd 
weiches Datum alles, was wir von der. Zeitrechnung 
des Anoragoras und Empedokles gewiß.oder wahrſchein⸗ 
I wiflen, ungewiß gemacht, oder umgeflogen werben 
würde, ' nn 
Da alfo bende Data, welche Diogenes aus dem 
Demokrlt anführe, nicht wahr fenn koͤnnen, fo frägt 
ſich's, welches von Ihnen erdichtet oder dem Weltweiſen 
‘von Abdera Fälfchlidy zugeſchrieben worden if. Alm 
Vermuthen nach muß man bies lejtere von dem ange 
lichen Seftändniffe glauben, nach weldiem Demokrit vier 
| a Jahre jünger als. Anoragoras geweſen ſeyn fol, 
en einzigen Apollodor ausgenommen, laffen alle übrige 
Schrifiſteller den Demokrit früßer ald den Gofratd 
‚gebobren werden. &ellius *) fagre. daß Demofrit Sl 
ter als Sofrates war? Traſyllus **) fezte feine Geburt 
ins dritte Jahr der 7ıren Olympiade, und Euſeblus läßt 
ihn gar ſchon im Anfange der Toten Oiympiade bluͤhen, 
und erft im 2ten Jahre der Yzten ſterben, welche Ange⸗ 
ben aber ’unftreitig uncichtig find. Die annehmllchſte 
unter. allen diefen Machrichten iſt die nes Diodor, nah 
welcher Demokrit etwas jünger als Anapagpras, und 
um fo viel älter als Sokrates war, daß er der Lehret 
| 0 | | des 








95) xvn. 21. 
*0) IX, 41. Diog, 








Geſchichte der Griechiſchen Weltweisheit. 727 


‚es Hippofrates wenigftens durch ſeine Schriften wer⸗ 
ven konnte. 

- Döngefähe um dleſelbige Zeit mit bem Demokrit 
vurd⸗ Zeno von Elea gebohren. Denn wenn er, wie 
Diogenes fagt *), um die 79te Olympiade bluͤhte, und 
vie Plato bezeugt, ein Alter von vierzig Jahren erreicht 
yatte, als Sokrates ned) fehr jung war, fo kann feine 
Seburt nicht viel früher aber fpäter als in das Ende der 
yıten, ober ben Anfang der 72ten Olhympiade Fallen, 
Ohne Grund ſchloß Bayle **) aus ber Zeit des Todes 
des Perikles, der in der 87ten Olympiade flarb, daß 
Zeno fein Lehrer um die 76te Olympiade gebluͤht Haben 
muͤſſe. Wenn man auch annimmt, daß ber junge So⸗ 
krates damals, als er den Zeno hörte, nicht älter als 
15 oder 16 Jahre war; fo ann man dach die Beburt 
bes Zeno nicht früher als In das dritte oder wierte Jahr 
ber 7: , unb bie.Zeit feiner Bluͤthe nicht feßer als im 
bie 79te Diyımplade ſezen. 

Ueber das Zeitalter des Meliſſus finde ich nur eine 
einzige Nachricht in den Griechiſchen Schriftſtellern. 
Apollodor nämlich bezeust, dag Meliſſus um bie 84te 
Dinmplade g:blüht habe, oder arm berühmteften geweien 
fen ***).. Wahrſcheinlich alfo wurde Meliſſus zwifchen - 
dem Demokrit oder Zene und dem. Sokrates geboren, 


weldyes leztern Geburt In das gte Jahr ber ſieben und 


febengigften Olympiade fiel, 


Zweyte Beylage zu ©, 709; 


ach dem Eiceto de Fin. V. 29, feite Demokrit das 
hoͤchſte Gut oder die wahre Gluͤckſellgkeit in eine geroiffe 
3, 4 — euden 


— — —— — — 





*) IX, 29. 
"4, Art, Zenon Not, C, 
er) ap, Diog, IX, 24. 


> 





‘ 


78. Fünfte Wu. 


wduwe, ober «Iuußın. Auf diefes Zeugniß seftäg, 


kann man mit zlemiidyer Sicherheit diejenigen Fragmente 
für ächt Halten, in welchen von dieſer euSugusus und 
adaulın ‚gerebet wird. Dergleichen iſt befonders das‘ 
herrliche Bruchſtuͤck, welches Stephanus *) aus bem 
Stobaͤus anfuͤhrt. Aus diefen Fragmenten ſieht man, 
daß Cicero dieſe eudunse und aIaußıe nicht durch 
animum terrore liberum, ſondern durch animum 
oOmnibus turbidis motibus liberum hatte uͤberſezes 


ſollen. Demokrit verſtand unter dieſem Worte faſt eben 


das, was die Stolker ſich bey ihrer ara Iera dachten: 
eine -beftäudige Gleichheit, Gelbfigenügfamfeit und 
Ruhe, oder vielmehr Unerfchätterlichkeie des Semuͤthe 
bermöge deren man feine meiften und groͤßten Freuden 
aus fich ſelbſt ſchoͤpft, äußere Guͤter und finnliche Deu 


gnuͤgungen niche fehnlich begehrte, nur nach dem trachtet, 


was mar mit feinen Kräften erreichen kann, und end 
lich mit dem Gegenwärtigen ſtets zufeleven iſt, indem 


man fich nicht mit denen vergleiche, bie mehr, ſondern 


mit denen, bie weniger, als wir befigen und genießen. 


Demokritiſch iſt ferner die Sentenz: Zwaoe, ame 


+‘ 


wingm uixen. efercuraı yag wvIewnrros 2E av $ewme. 
Denn Plinus XXVIII. 6. fage: Venerem damns- 
vit Demacritus, ut in qua homo alius exiliret 
ex homine, echt iſt alſo auch **) das Fragment, 
in welchem Demokrit aller der Gefahren und Befchwer 
lichkeiten wegen, vie mit ber. Erziehung und Zeugung 
eigener Kinder verbunden find, dem Weiſen, dem feine 


Ruhe lieb fey, anraͤth, lieber Kinder von andern, die 
. ge prüfen und wählen koͤnne, zu abopriren, . als ſelbſt 


Dater zu werden. Man ann ferner alle übrige Frag 
| 0 | Ä mente, 

9 P, 161..Poef. phil, 
“YP. 174. op. Stepb, 











j \ 


\ oo. a 


*r Geſchichte der Griechiſchen Weltweisheit. 729 


mente, bie unmittelbare Folgerungen ber jest angefuͤhr⸗ 
ten Grundfäze des Demokrit enthalten, ober ihnen doch 
fehr entſprechen, endlich ſolche, die viel Sinn haben, 
und in einer alten durch Ausdruf und Wortfügung 
fegerlichen Sprache gefchrieben ſind, mic Grunde für 
Demofritifch annehmen. Außer biefen finde. ich aber 
unter den moralifchen Ueberbleibfeln beym Stobäus und 
Clemens von Alerandrien, manche, die entweder wegen . 
der Gedanken, oder wegen der Einkleidung nit vom _ 
Weltweiſen aus Abdera zu fenn ſcheinen. Für offenbar 
falſch Halte ich. das Fragment beym Siemens ®), in 
weichem Demofrit ſagt, daß ef unter allen feimen Zeits 
genoffen die meiſten fremden Laͤnder beſucht, die meiften ' 
weiſen Maͤner geſehen und gehoͤrt, daß er alle, mit de⸗ 
nen er bekannt geworden, ſelbſt die Aegyptiſchen ˖ Arpe⸗ 
donapten an geometriſchen Kenntniſſen übertroffen , und 
fich achtzig Fahre außer feinem Baterlande aufgehalten 
babe. - Ein jeder fieht, daß der Erdichter diefes Frage 
ments ſich nicht einmal die Mühe gegeben habe, 
mic einiger Wahrſcheinlichkeit zu erbichten. Ver⸗ 
dächtig find mir ferner folgende Gentenzen **): 
Agısov avdenmn vov Bıev diayem as AAsıza eufuum- 
Herr, nu axısa avındarı. Taro day em Fıs 
an ei rois Jyyrassı Tas ndovas mooro”**). Fernet 
ibi p. 265. mavos JeoßiAres, svoıs eX,Ieov To adı-. 
xıew 7). Nicht weniger ib, p. 168. osıs cuux Ie- 
337 | e%- 








2 a 
. #) ‚Strom, I. 304. op. Steph. p. 160, 
“*) Ap. Stepb, p. 164. 
ae, Weil Demofrit gar nicht von unvergänglicden Guͤtern re⸗ 
den Fonnte, und diejenigen verlachte, bie ſich ihrer 
‚Sterblichkeit nicht bewußt, vor ben erdichteten Mars 
tern des Tartarus fürchteten. p. 178. 
4) Weil er an Gottgefälligfeit wahrfcheinlich eben fo wenig, 
ale an Bott glaubte, | -, 


\ 


— 


| 70 . Fuͤnftes Bus, 


Gæmevei, To æuru, 8X, Euro —E O æu 
venuæaræ, 39 iaurov, are ru EBUTE, EAX er m 
TopewTepuv TaV' laurs. ). Endlih ib; Bupw ne 
Yeodaı pev Xaremov und oRc ToAumaSees von 
"8x syyscı, weil Ariftoteles V. 6. de civirare den eı 
fin, und Diogenes ben andern (1X. L) dem He 
raklit zufchreibe. Aus einem ähnlichen Grunde zweılle 
ich an ber Aechtbeit des Fragments 99) Avdasaopu 
Rocca ‘yy Bern. Yuxns yue dayagns mare 0 xoo- 
pes und eined andern **®) undıv Tı pallov U. f. w. 
wæeil der erſte Gedanke von mehrern alten Schriftſtellern 
dem Anaxagoras, und der andere den Pythagoreern zu⸗ 
geeignet wird: wiewohl Demokrit ſich dieſe Bemerkun⸗ 
gen auch zugeeignet haben koͤnnee. Das Bruchſtuͤck 
P. 177. rov zuduunco9aı vedorrx yon un Bol“ 
MEXcTEev unTs sms une xown, &c. wuͤrde ich für 
ächt erkennen, weil es mit ven Begriffen bes Demokrit 
von der menfchlichen Gluͤckſeligkeit zut zuſammenſtimmt, 
wenn es mir nicht auf der andern Seite mit einer Lob⸗ 
rede dieſes Weltwelfen auf das geſchaͤftige Leben und auf 
die Tapferkeilt zu ſtreiten ſchlene „die Piutarch aufbehal⸗ 


ten hat D 
on .. Drit⸗ 





—ß mn EEE 








*) Diefer Gedanke paßt nur in dem Munde eines Sokre 
tes und Plato, nicht aber eines Demorrit. 

“4, P. 170, | 

wo, P. 172. 

—————— NaroÄreics, Kal DiAes Bæcunov, 
ED wv TE Meyaro nei eis v Bıov ywacdas 
On Anpoxasros (op. X. orı ade Ca. sw & 

p. 526.) und contra Colotem ib. p. 628. wv Anpo- 
—8* ev Korpoewes Tnv Te BoAapinnv TEXyn uE- 
vignv TON endhidanneaIan, ua Tas Moras dia- 
zw, aD av Ta MEYER ME —— rorra⸗ 
rois MVIeumus. | 


‘ 


Seſchichte der Sriechiſchen Weltweisheit. 731 
Dritte Beylage zu S. 713. 


Di⸗ ganze. Kette von wiberfprechenden Schluͤſſen, 
ie Plato durch den Parmenides vorsragen laͤßt, und 
ie man obne Edel und Kopfichmerzen kaum bis ans 
Ende ‚verfolgen fann, gehört eben fo wenig dieſem Welt⸗ 
veifen, ober dem Zeno, oder irgend einem ältern Philos 
ophen zu, als Sefrates bie.tehre von den Ideen, die 
r ihn in eben biefem Grſpraͤche aus einander fegen läßt, 
emals vertheibigt hat. Plato feste diefe Reihe von mis 
derſprechenden Schlüffen wahrſcheinlich entweder im ber 
Abſicht zufammen, um bie febrart der Dialektiker 
Durch Webertrelbung lächerlich zu machen, ober um ju 
jeigen, daß er.eben fo gut, als diefe Sophiſmen auf " 
Sophifmen häufen koͤnnen, wenn er ſich nur bie Mühe 
geben wollte. — Für Parmenidelſch kann men bie 
Raͤſonnements Im Geſpraͤche des Plato nicht anfehen, - 
weil weber Ariſtoteles, noch fonft ein alter glaubwuͤrdi⸗ 
ger Schriftſteller dem Freunde des Z-nophanes ſolche 
Sophiftereyen zugefchrieben,, ober Proben davon aufbes 
halten hat. Sein erſter Grundfaz von einer einzigen - 


Subſtanz, den Zene fo eifrig verfocht, nicht weniger 


feine Ausfprüche über die Matur und Eigenfchaften dies 
fee Einheit ſtreiten mit den Trugfehläffen, mit denen 


Plato Ihn als einen Greis von fünf und ſechzig Jahren 


fpielen laͤßt. Nicht mahrfcheinticher iſt es, daß Zeno 
wirklich ſo, wle Parmenides beym Plato raͤſonniret, 
und daß der leztere nur die Gedanken des Juͤngers auf 
den Meifter uͤbergetragen habe. Denn die Raͤſonne⸗ 
ments, die Ariſtoteles, ein ungleich glaubwuͤrdigerer Ges 
ſchichtſchreider, als Piato, Für Zenoniſch ausgibt, 
find denen im Parmenides zwar in einigen Puncten aͤhn⸗ 
lich, aber von ihnen auch In mehrern Stuͤcken verfchies. 
den, wie die Dergleichung einen jeben lehren wird. 


Dan 


\ v 


— 


? 


6“ 


7233 Fünftes Vuch. | 


WMan kann aber doch immer ben Yarmenides bes Plate 
als eine lehrreiche Urfunde anführen, sie die Methode 
der Dialektiker befchaffen geweſen fey, und eben deßwe⸗ 
gen will ich einige Bruchſtuͤcke und Reſultate daraus mit 
isgellen, ba das ganze Geſpraͤch nur ſehr wenigen Sefern 
ausſtehbar fen, und auch nur etwas flärfer, als be 
Auszug beweifen würde, daß Plato mit der Phantafı 
eines. Sehers den Scharffiin, und bie Spisfindigtet 
eines Scholaſtikers verbunden habe, . 

Wenn es eine Einheit oder einzige Subſtanz gibt 

Cſagt Parmenives) fo kann diefe weder Theile - Haben 
noch ein Ganzes fen, well in jedem Falle die Einheit 
der Subſtanz verſchwinden würde, Wenn fie aber nick 
‚ aus Thellen befteht, fo hat fie auch keinen Anfang, feh 
ne Mitte, kein Ende, tell diefe Theile eines Ganım 

- find. Hat fie feinen Anfang, Mitte, und Ende, fo 
iſt fie auch unendlich, und ohne alle Figur, weder rund 
noch vlerecklgt, u, E w. well eine jede-beftimmte Su 
ftale eine Mehrheit von Thellen voraus fezen wuͤrde. 
Die Einheit kan ferner unmöglich Irgendwo, weder In 
ſich ſelbſt, noch in einem andern Weſen fen: nicht in 
einem andern, denn in biefem Falle müßte fie das, wo⸗ 

= Yon fie eingefchleffen wäre, an mehrern Stellen beruͤh⸗ 
‚ren, auch nicht In fich ſelbſt, denn alddann würde bie 
Einheit, die-einfchlöffe,. von der Einheit, die umfaßt 
würde, werfchleven werden, und aufhören, eine einzig 
Subſtanz gu ſeyn. Endlich kann die Einheit weder 
verwandelt, noch von einem Drte zum andern bewegt 
werden, weil Bermanblung fo wohl ald Bervegurig ohne 
eine Berfegung von mehrern Thellen nicht gebenkhar 
it. — Durdy ähnliche Schläffe fucht Parmenldes in 
ber Folge zu beweilen: daß die Einheit weder unbemg: | 
‚Nich fen, noch bewegt werbe, weder fich ſelbſt gleich: oder 
ungleich, noch von fich ſelbſt oder andern verfchieben ſey: | 
daß fiernicht in einer gewiſſen Zeit eriftire, alfo nie war, | 


. 





/ X nn 


Sefchichte der. Griechiſchen Weltweisheit. 733 


icht iſt, und nie ſeyn wird: daß man fie alſo weder 


npfinden noch begtelfen noch benennen koͤnne: daß fie 
ns und viele, ein Oanzes und Theile, endlich und un⸗ 


mblich ſey: daß fie ſowohl in fich feibft als in einer ame 


ern Matur eriftire, fo wohl fich ſelbſt, ale andere ber 
ühre: daß die Einheit weder Größe, noch Kleinheit 
‚abe, und mweber größer noch Meiner als andere Dinge : 


ind Doch auch zugleid, größer und Fleiner als eben dieſe 
ey: daß es endlich *) weber eine einzige noch viele 


Dubftangen gebe, daß fie weder aus einander gefons 
Jert, noch mit einander vermifcht wuͤrde, noch aus dem 
Bleichen ins Lingleiche, aus dem Großen Ind Kleine, 
oder umgekehrt übergingen: und daß auch weber etwas 
Kleines noch Großes, weder etwas Gleiches noch Un⸗ 


gleiches, weder Dergrößerung noch Verkleinerung wirk⸗ 


lich ſey. 


Vierte Beylage zu ©. 717. 


ie wichtigſten Fragmente ſtehe 
‚In feinem Commentar, über die Phyſik des Ariſtoteles 
fol. 9. a..und fol. 22. b. welches ich in meiner hiſto- 





ria doctrinae de vero Deo, p. 335 angeführe habe, 


ferner fol, 23. b. und fol, 24. a. Die legtere will ich hier 
aͤberſezen, weil die Eigehfchaften dee Eleatiſchen Einhelt 
hirgends fo kurz und fo deutlich angegeben find, als In. 
diefen Worten des Mellffus: Das ganze Ift daher ewig, 
unendlich, einzig, und fich ſtets ſelbſt gleich, Es kann 


roeber leiden noch untergehen, weder verwandelt noch 
vergrößerte noch auch. nur gefränke werden. Denn 


wenn Ihn fo-etwag wiederfuͤhre; -fo würde es aufhören, 
eine einzige Subſtanz zu ſeyn. Wuͤrde es nämlich ver⸗ 
udert 


) P, 150, Ed, Baſ. Gr, , 


h 


m Simpllelug⸗ 


7234. Zuͤnftes Buch. 
ändert ober verwandelt; fo koͤnnte es ſich nicht gleqq 
bleiben; fonbern das, was vorher da war, wuͤrde au 
tergehen, und etwas, Das border nicht da mar, mürk 
gebohren werden. Wenn die Welt in zehntauſende 
von Fahren nur um ein einziges Haar verändert win 
de; fo müßte fie in einer grängenlofen: Zeis nothwendi 
- untergehen. Es iſt aber niche möglich, daß fie auch 
nur umgebllber werde. Die Welt, die vormals da 
war , iſt nicht untergegangen, und es wird auch keine, 
die jezo noch nicht iſt, entſtehen. Wenn nichts von 
neuem hinzukdmmt, nichts vernichtet oder veraͤnden 
wich, wie kann denn etwas umgeformt werben, da Din 
ge nur alsdenn umgebildet werben, wenn ſie anbır 
werden, als fie vorher waren? — Das Ganze leidet 
auch keine Schmerzen , weil fich ein leidendes Unlven 
fum eben fo wenig, als eine ewig leldende Subſtanz dew 
Ben läßt )). Wenn das ganze Schmerzen ausgeftj! 
wäre, fo würde es entweber baräber, daß ihm ermal 
abginge, oder daß ihm etwas zugefest wuͤrde, leiden, 
.. und in beyden Jällen ſich nicht gleich. bleiben, Auch 
kann das Befunde,fo lange es gefund ifi, Feine Schmer⸗ 
zen empfinden. Denn alsdenn würde die Geſundhelt 
und dag Wirfliche untergehen, und das, was nicht wich 
lich war, von felbft entfliehen. — Auch glbt es Fi 
nen leeren Raum : denn leerer Raum iſt nichts oder ein 
Unding, und ein Unding kann nicht wirklich ſem. 
Auch wird das Ganze nicht bewegt. Denn es fann nie 
gends wohin weichen, da alles angefüllt iſt, und fich fein 
leerer Maum finder, melchen es einnehmen Fünnte. 
U Eben 


GEBE 








*) Hier kommen einige Worte vor, beren Bebentung if 
nicht verſtehe, oder vielmehr deren Zuſammenhang m 
dem vorhergehenden ich nicht einfehe: adey exu (m 
0) ion duvapıy Ta vyırn 


Geſchichte der Griechiſchen Weltweisheit. 735 


Eben ſo wenig kann es dicht oder locker ſeyn. Das 
ockere kann naͤmlich nicht auf eine ſolche Art voll, als 
as Dichte ſeyn: ſondern iſt leerer als das leztere. Ob 
twas doll oder nicht angefuͤllt fen, muß man auf fol- 
jende Art beutthellen. Wenn ein Gegenftand einem 
indern weicht oder Ihn aufnimmt, ſo iſt er nicht voll, 

Wenn er weder das eine noch das andere thut; foifter . 
anzefuͤllt. Nothwendig alſo muß das Unlverſum voll 
eyn, da fein leeres iſt. Und wenn es voll iſt; fe findet 
eine Bewegung ſtatt. — Die Werte: Eben fo we⸗ 
nig kann es dicht oder locfer ſeyn: find mir ſelbſt 
nicht recht verfländlich ; und ıch will daher das Griechi⸗ 
che herſezen, wenn etwa ein anderer einen beffern Sinn 
yarinn finden koͤnnte: Truxvov de xou wen 8 av em“ 
Fo yag mugeiov æx er usov nAeay yo OMOIWS Tw TFUNV®. 

—R — To œæeœæior Ye: KEVERTELOV YIvETcy TE RUE. 

Wegen diefer Pehauptungen rechnete Iſokrates den Mes 
iſſus unter die Sophiſten. Allein werm dies richtig ge 
arthellet wäre; fo müßte man den Kenophanes auch einen 
Boppiften nennen, — Ueber die Matur der Görter 
wagte Meliffus nicht, einen entfcheidenden Ausfpruch zu 
thun, well wie. von Ihnen feine veiribigende Begriffe 
halten tönnten IX. 24. Diog, 


aäͤnfte Behlage zu ©. 717. 


M user den Männern, deren Berdienfte und Gedan⸗ 
ten. ich In diefem Buche erzähle Habe, lebten in demſel⸗ 


digen Zeitraume noch andere, die zwar ‚weniger merk⸗ 


würdig find, aber doc) eine kurze Erwähnung verdienen. 
Einige davon waren Pythagoreer, oder wurden doch da 
für gehalten : andere waren tehrer oder Schüler dee 
Weltweiſen, von denen ich gereder habe; und vor, noch 
andern wiflen wir gar nit, ob ſie ie von einem der aͤl⸗ 


S tern 
Y ’ " N 
j & | . 
’ 1 
» \ 
‘ 


l_ 


730 Fu 


tern Phlloſophen geblldet worden. Ja wie wiſſen felbf 

nicht einmal genau, wann fie gelebt haben. 
Ä Die benden älteflen find Alkmaͤon von Kroton, 
und Hippaſus, die gemeiniglic, für Pythagoreer gehalten 
werden. Allein Ariſtoteles unterſcheldet den erſtern 
beſtaͤndig von’ ben Sreunden bes Samiſchen Weltweiſen, 
und iſt zweifelhaft, 06 bie Pythagoreer eine gewiſſe 
Meynung von ihm, ober er von den Pyrhagoreern ange 
nommen habe”), Er lebte in den lesen Zeiten bei 
Pythagoras, und hinterließ In einem Werke Beobach⸗ 
tungen und Gedanken über allerley Gegenſtaͤnde, von 
welchen Ariitoteles und Cenſorin folgende aufbehalten 
haben, Er rebete don entgegengefesten Principiis bee 
Dinge, wie die Pythagoreer, aber auf eine folche ver: 
wortene Art, daß Arlfieteles feine wahre Meynung 
nicht errachen Eonnte**). Die Seele hlelt er für unſterb⸗ 
lich, weil fie mic den Himmlifchen Körpern von aͤhnll⸗ 
eher oder gleicher Natur ſey, und fich wie Sonne, 
Mond und der ganze Himmel unaufhoͤrlich bewege), 
oder ein felbfiftändiges Principlum eigener innerer Bewe⸗ 
gung befize. Leber die Natur und Entſtehung des Sau 
mens Bachte er, twie Anaragoras und Demokrit; üser 
die Urſache bes Geſchlechts in Kindern aber wi 
. r . . . ° _ nel 











EEE 





*%) AMetaph. Ep. 13... | 

. 90) Ib, ov. weg Tgomov eoıne not AARasımy 2 Keoraysaras 

 vmoraßenw. nos gro STos Korg. ENEWOV, Hexer 

yo nes Tara maeeNaßer ‘vov Acyov TETON 

Ka, 'yap-eryavare Fam nAsnıav AAKUEISN ER Ye- 

cevr Iludayoon, amspmare de FapamAncım 

rxvrois. Onoi yag eıyos duo Tax ToAK Tay ar 

.Iewmivav, Aeyay Tas SVAVTIOTNTES, 8X, O0EH 
810 Öwgisuevas, am Tas TUXBCHE. 

210) I, 2. de Anim, — — 





0 


Seſchichte der Griechiſchen Welttoriäßeit, y37- 


jeren ab, Er glaubte, daß Mädchen erzeugt würden, - 
yenn die Muster, und Kaaben, wehn ver Date am, ' 
neiften Saamen Kergäbe "), Ariſtoteles tadelte Ihn 
zie Recht, wenn er fich einbildete, daß bie Ziegen durch 
ie Ohren Athem holten **), allein ohne Grund ging 
e von {gm ab, wenn er das Weiße im Ey für die 
Milch, oder für die Nahrung der Küchleins hielt **"),- 
Die Menſchen, fagte er, rennen nur deßwegen ins Ver⸗ 
erben, well fie bey ihren Handlungen. niche ſtets den 
Knfang mit dem Ausgange verbinden , ober nicht im⸗ 
ner das Ende Ihrer Unternehmungen reiflich uͤberle⸗ 
en”), Andere Fragmente von Meynungen ſtehen 
eym angeblichen Plutarch, bie ich aber nicht anführe, 
veil es zweifelhaft iſt, ob fie ihm zugehoͤren 7). 
Wahrſcheinlich um dieſelbige Jeit mir dem Alkmaͤen 
ebte Hippaſas von Metapontum, den Diogenes 77) 
ınd bie Lebensbeſchrelber des Pythagoras ſtets als el⸗ 
sen Schuͤler des leztern anſehen TFT), Ariſtoteles und 
Bertus hingegen vom ihnen unterſcheiden 7777). (Eben 
yiefe Schriffteller fagen, daß er das Zeuer für den Ur⸗ 
toff und die Gcundurfache aller Dinge, ungewiß, ob, 
oo Ä vor 


8) C. 5. Cenf, de die nat, | 

°) if, Anim, A. a. p. 15, x 

nee) De Gen. Anl. V. B. aas. Ä 

ses) Ari. Probl, . V. 120. . | 

+) DePla«, Phil, IV. 16. 17. 18. V. 3. 14. 26. 17.23.30. 

+4) VIIl, 84. ug u u 

+tH) Jambl. 81. ſ. An diefer Stelle wird er fogar für denje⸗ 
nigen attögegeben, der dad Wort Afusmatifer erfunden, 
und die Klaffe von Zuhörern, die dadurch ausgedruͤckt 
wurde, zuerſt eingeführt habe, oo | 

+19 Met, A. y. und Sext, Hyp. Pyrrh. III. 30, & ibl Fabt. 
IX, 361. advusf, Math, | 








Aaa 


%ı 


ng hf Bud, 


5 wor ober nach dem Heraklit, gehalten Babe *). Uecbe 


ben Epicharmus, ber wahrſchelnllch um die 75 Olpmpiche 
bluͤhte, breite ich mich hier nicht weiter aus, ſondern ke 
eüife mich auf das, mas Ich von feinen Fragmenten is 
meiner Hiforia Dodttinae de vero Deo p. 310, 1. 
geſagt Habe. Auf einige derſelben werde ich unter dem 
"Artikel von ber Platonijchen Päliofophle guräcktom 
men. 

Sehr oft. habe ich mich darüber gewundert, of 
von dem Lehrer des Anoragoras, von weichem dieſe 
- Yen Grdanken des einzigen wahren Gottes, ober ein 
verfländigen Lirhebers der Welt erhlelt, oder erhalten 
haben fol, fich vicht mehrere Machrichten in de 
Schriftſtellern der Alten finden, und daß man fo gat 
ſeinen Mamen auf fo ganz verſchledene Arten gefchrieben 
Gar, Ariſtoteles **), Plinius **") Alerander Aphrodb 
fäus F) und andere nennen Ihn Hermotimus, Em 
tus, der fich auf ben Ariſtoteles beruft, Hermotimon If), 
Plutarch, Hermoror, und Valerlus Moximu 

dingegen Hermipp ). Wenn Hormotimus ſich ante 
ben Sriechen zuerſt zu dem Begriff eines weifen Daw 
meiſters der Welt erhob; fo muſie er nothwendig viel 

andere neue und wichtige Betrachtungen anflellen, von 
denen es faft unbegrelflich iſt, daß gar nichts zu unt 
gekommen If, Eben fo ſeltſam iſt es, daß alle Schrifo 
ſteller, ſelbſt diejenigen, die des Hermotimus ermäß 
nen, dennoch an denſelbigen oder au andern Steller 
— den 


— — che nen aiindinhsniundue Sn —— 


%) Siche nad Praep. Er. Euf, XIV, 14. Stob. Eel, Phyl, 
* 13. da Plac. 1. 13. D 2 vul. 84. 
weh Ay, Met. PR | 
m, Vils | 
2-Ap. Simpl, in Ari, Phyf. Aufe, Ri, 331: | 
tt) IK. 7. odrerf. Muhem. . | 
ith babr ad Sext. l. e. & Pint, ad rin, I. c. 





I: 


Geſchichte der. Griechiſchen Weltweisheit. v». 


‚en Unafagsras bas Derbienft der erſten Berkänbigung 
and Entdeckung der wahren Gottheit zusiguen. Noll -- 
e man fagen, daß Hermotimus bewegen wenig bes. 
annt geroorden ſey, weil er twahrfcheinlich nichts ges 
chrieben Habe; fo könnte man fagen, und es mis den . 
Beyſpielen des Thales, Pothagoras und anderer bewei⸗ 
en, daß Schriften In Griechenland weder nothwendig 
waren berühmt zu werden, nach um Gedanken und Er⸗ 
findungen auf fpätere fcheififellerifche Nachkommen fort⸗ 
zupflanzen. Das Andenken dieſes Mannes hätte, 
scheint es, Inden Denkmaͤlern der Öriechen um defla 
länger. blühen müflen, da er bey feinem Leben für einen - 
göcclichen Welßager,, und einen Dertrauten der Götter 
gehalten, und nach feinem Tode von feiner Vaterſtabt 
in einem Tempel verehrt wurde, Hermotimus fiel 
häufig in Entzuͤckungen, in weichen er des Bewuſtſeyns 
feiner felbft ; und fein teib aller Empßadlichkeit beraubt 
murde %% In diefen Ekſtaſen, glaubte mar, daß feine 
Seele in den entfernteften Gegenden herumſchwebe, 
weil er, wenn er wieder zu ſich ſelbſt Fam, Dinge offen: 
barte, von Denen man fich vorſtellte, daß er fie nie hät: 
te erfahren koͤnnen, wenn nicht fein befferer Thell fich an 
ganz andern Orten aufgehalten haͤtte, als mo fein. ger. 
fuͤhlloſer Körper. lag. — Being Frau beging an ihm 
die Verrächeren, daß ſie feinen leib zu einer Zeit, da 
die Serle Ihn eben. berlaffert. hatte, "feinen Feinden ben 
Kanthariven überlieferte, die Ihn verbrannten, And ven 
wiederkommenden Geiſt hinderten, in feinen ehemaligen . 
Wohnſiz, oder wie Plinius fagt, in feine Scheide zuruͤck⸗ 
zukehten. — Daß man.einen folchen Jongleur Tem 
pel erbanete, iſt weniger wunderbar, als Daß er zuerſt 
ben wahren Gott erkannt, und ben Anapagoras ge 
m = YUa3 © lehrt 


— — ——————— —⸗ 


*, Plin, van. 92. & ibl Interpreten . 


, ) 


- 749 .. Fuͤnftes Buch. 


lehet hat. Wilelleicht aber kommt dieſes manchem uk 
widerſprechender vor, als daß man dem leztern In km 
pſakus einen oder mehrere Altaͤre errichtete, da man ix 
in Athen als einen Feind der Götter und Mellglon w 
Flagte. | u 
‚Ungeachtet Anaragoras Feine Sekte fliftete, un 
Keime Nachfolger Hinterließ, bie fich vom’ ihm genau 
haͤtten; fo harte er doch, um mit den Griechen zum 
den, mehrere ‚berühmte Schüler, die alle, ober deq 
viele von feinen Grundſaͤzen annahmen, und unter % 
- wen einige, befonders Diogenes vorn Apollonia und & 
chelaus von Athen, philoſophiſche Schrififteller, ei 
tehrer der Weltweishelt wurden *), Vom Arche 
wiffen wie fo wenig, und dies wenige fo ungewiß, ti 
ich es nicht der Muͤhe werth achte, Die ftreltenden un 
dabey gleich unzuverläffigen Zeugniffe neuerer Geſchich⸗ 
ſchrelber einzeln zu prüfen und anzufuͤhren?*). V 
Diogenes von Apollonia würden wir nicht viel 
glaubwuͤrdiges als vom Aechelaus wiffen, wenn nid 
Simplicius und verfchledene Fragmente aufbehalten did 
ce, bie man bisher gar nicht genuzt hat ***), Die 
nes hatte mehrere Werke geſchrieben, die der eben ge 
nannte Ausleger des Ariſtoteles auch nennt; von denel 
aber nur das einzige üder. die Natur bis auf die Zeit 
des Simplicius gefommen war 7). Jener glautı 
daß alle Dinge in der Welt aus demſelbigen u 


u et Guusngpp 





Ey Eben dieſes kann man auch vom Metrodor von Lanrfı 
kus ſagen. Vide Diog, Il, ır. 
| * Dan fehe Bayls arsiele Arshelaus, Diog. II. 16. fir 
er Fe 
un, Man ſehe Beyle Artiele Diegens,- - 
t) Fol. 6. x. 32. db. .,.;: | 


>® ’ 
a 





ii 7 


Seſchichte der Griechiſchen Weltweisheit. 741 


fuͤnden, oder daß fie aus der ſelblgen Subſtanz abgeſon⸗ 
ert und hervorgebracht wuͤrden ®), 

, Denn wenn es mehrere gan; von einander ver⸗ 
chiedene unwandelbare Grundſubſtanzen oder Elemente 
zebe, aus welchen alle Dinge zufammengrfrzt würden; 
© wärde nicht altes fo mannigfaltig in einander uͤberge⸗ 
zen ; nicht fo Häufig verwandelt, und mit einander ders - 
mifche werden, auch nicht auf eine folche Arc wirken 
und leiden , und fich gegenfeitig fo nuͤzen und fchaden, als 
wir erführen, daß jezo geſchehe. Selbſt das Hervor⸗ 
machfen von Pflanzen, Gefträuchen und Bäumen aus 
der Erde, bie Entſtehung, Ernaͤhrung und dee Uns . 
tergang ber Thlere beweiſe, daß der Stoff aller Dinze 
derſelbe, oder völlig gleichartig fen, und ˖daß alles auch 
in diefelbige Grundmaterie zuruͤckkehre. Diefen Stoff 
nun, aus welchem durch Verduͤnnung oder Berbidung 
alles entſtehhe, und in welchen durch eben biefe Berwam⸗ 

Aaa3 . +" blume 


” % 
LU} ——— 











®,. Man fehe Ari. de Genen. & earrupt. I. 6. & ipfum 
Dieg. ap. Simpl. 33.b, Epos de doxss To. mev Fun- 
Ay BIKE BAVTE Ta OT 0610 TE FAUTE ETE- 
coukoOcu, Kos To quro end, Ras Faro sudnAor. 
a yap Ta ev. Tode To Kocuw EoyTos vuy ’yn x⸗ 
ddo was T' @AA On Dauvarıu ev Tads Tu n0c- 
Ad Ta, Ei TETay Tı ro regor TE Eros 
äreeov ov rn idee Ducati, Ku UN To AUTO Es E= . 
FERIBTE TONNaXws 9 nreaseos 8T0, sdaun gr. 
pioryeodcu, aAAnAas nduvure, are wDernaus 
ro Ereow, ara BAudn. ad’ av are Durov an us 
yus Duvas, are (muy, Bre wAAdyeveoIas &dev, 
UN ET UNISATO WIE TAUTe sıyas. MAAM Trocy« 
ræ Tœuro EN TE MUTE Ereugoispueva, aAAota 
AAO "YIVETOU, KO EIS TO KUTO RYRXMPB. 


ı 


— 


X 


rs 0 Hünftes Buch. 


delungen alles uniengehe, nannte er buft *), weil er ſr 
für dasjenige Element hielt, was am meiſten gefd;id: 


— % 
.. 


ſey, In andere Masuren überzugehen **, Dieſer kuit 


eignete er Verſtand zu, oder hleit fe für ein verfis 
Diges Weſen, well man ohne diefe Vollkommenheit ſich 
‚gar nicht vorftellen fonne, role alle Dinge in ver Wer 

- „fo herrlich und zweckmäßig eingerichtet , und wie beſon 
berö die Tags „und Zahrs zeiten und alle Veraͤnderungen 
der Witterung fo ordentlich abgethellt fenen und auf einan 
der folgten, Er nannte fie ferner mächtig und greß ; un) 
ſagte, daß fie allein ewig und unwergänglich ‚alle übrige 
Dinge hingegen, bie aus Ihe enıfiünden,, ver Aufloͤſurz 
unterworfen ſeyen *"*), Es: eriftire nichts, was nidı 
an ige Tell nehme, ober aus ie hervorgebracht wer: 

| | En 

». 9% Simpl, ib, sDafus de deifas, STI8HIev TH SseyN 
vœurn vonois TON, 8 ya av Ancıy sro dedæo du 
. 010y TE UV AVEU Voyaios, WSE KATY METER EYE, 
Xxæmamos Tau JERBS, KOCH VORTES Moss Npepas, 

Kos ÜBTE Koh EIVELLMV, Nois Eur, Mrs Tas Aid 

- u vis Barerın averıodas, dveiono ar üro die 
MEILEN; WS AVUSON MAAS, BTEBEYEL, OTI N 
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rœurn's, NT TTV EHE, Koss [4 wars \buzege Ay 
Koss voꝝꝶe iu. 





N 
“, Fol, 6. 3. Simpl. Der berähinte Peripatetiker Nikol⸗ 


us von Damaskus glaubte, daß Divgenes nicht hie 
Luft, fondern ein gewiſſes Mittelweſen zwifchen dem 
- Seuer und ber Luft für die Grundurſache aller Dinge 
gehalten babe. Ap. Simpl. l. e. Diefe Meynun 
aM aber die Beugniffe aller Miten, die des Diogenes 


arwaͤhnen, und die Bruchſtuͤcke des leztern felbit wi 
nn. > 


- 


—W 








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— E 


Geicihe be Suechiſchen Watweudet 743 


se *); unterdeſſen ſey doch die buft ſich ſeibſt ſehr unglelch, 
indem bie eine wärmer ober kaͤlter, trockner ober feuch⸗ 
ter, träger oder berveglicher , ald die andere, und auch 
ſonſt ned) von vielen Seiten verſchieden fen. "Nach. ben 
Verhaͤltniſſe dieſer Berfchledenhele des Urſtoffs ſyyen 
nun auch alle. Maturen fu. Anſehung ihrer Geſtalt und 
ihrer Vollkommenhelten von einander verſchieden. Man 
muͤſſe die vuft aber nicht bloß als die Grundurſache des 
Daſeyns, ſondern auch. des lebens, Empfindens und 
Denfens aller Wefen auſehen. Durch fie lebten, em⸗ 
pfänden und daͤchten Dienfchen und Thlere, deren See⸗ 
ten alle aus gleichartiger Luft. beflünden, die waͤrmer 


als die äußere, ober Fälter als diejenige fey, aus wechen 


die Sonne beftehe **). Der Menich denke, wenn die 

Luft mit dem Blute durch die Abern den ganzen Körper 

durchbeinde *°*), und er fierbe, wenn das Athemho⸗ 

fen aufgöre, und bie Beſtandtheile von Suft, wodurch 

‚er bewegt, belebt, und regieret werben, von Ihm abge 
fonders würden. _ Ungeachtet aber die Secten aller Thie. 
ve gleichartig ,-.umd aus einer wärmern fuft zufammens 

geſeit legen 7), ſo feyen fie ſich doch auch nicht wie⸗ 
Haag derum 

— —— — —— — . 
) Kuası unde dv, orapın HEregu Tara. HETRXAL de 

| 8de dv oncıms To Eragov To ETEOW. GAM&u FAN 
TOM HEU MUTE TE @egos KOM TNE vonsios sup. 

esı vage wohurgnnes. Kas Jeguoragos neu yuxge- . 

rTegos, nou EnpoTages, Kos UYEOTEPOS, Ka FRTIHE- 

Tecęos, Wal OZUTEROV KIUHTIV EIGV Mor aA moAAca 
—XE ovng nel Ygoims meipoi. 

) Der Saame des Menſchen felbft fey von geiffiger und 

(uftiger Natur, 


0) Simplicius fagt, daß Diogenes genaue anatomiſche Bu 
ſchreibungen von ben Adern mitgetheilt habe. 


PK. marrorn ray kur | n. Yuxn Ta Aura ss, 
| un Iuguoregos un re 2. PR un, Ta ken. 
| 50%» 








2 77 Sünftes Buch. 


. berum alle gleich; und aus dieſer Ungleichheit der Grabe 
ber Wärme, weiche ſich in den Beſtandthzeilen der Exe 
fe fuͤnden, müßten bie Berfchlevenheiten der Sinne und 

| Kräfte verfchlevener Menfchen und Thiere erflärt me 
den ”). J 
Es waͤre wiber meine Abſicht, wenn Ich ale übrige 

: Zeugnifle Griechlfcher Schriftſteller über den Dlogens 
eben fo ausführlich als die Fragmente diefes Manne 

aus einander ſezen wollte. Ich begnäge mich daher du 
mit, nur noch über einige berfelben eine oder bie andere 
Betrachtung anzuſtellen. Piutarch ®®). Gefchreibt dk 
Entſtehung ber: Welt nach bem Diogenes, wo nicht un 
richtig, doch auf eine fo dunkle und verworrene Art, 
dag man nach feinen Worten dem Diogenes nochwen 
big falſche Meynungen zueignen muß, wenn man fih 

nicht fehen vorher mit den wahren kehren deſſelben bu 
Eannt gemacht Hat. Nachdem das Banze (fo foll Die 
genes gedacht haben) In Bewegung geſezt worben, und 
die Luft fich Hin und wieder verbänne, an andern Stel 

‚fen aber verbicht hatte; fd geriech zuerft das Dichte und 

nachher alles übrige In einen Wirbel, es bildeten füchun 
zaͤhlige Welten , die leichteften Beftandchelle fliegen am 
höchften , und aus biefen entſtand der Sonnen Körper, — 

Bayle ***) konnte nicht begreifen, wie Diogenes noch Ay 


“N . 








To Tea To NA WoANev Vuxgorsges. dus 

8 TuT0 To Jeguov Edevos Tav funy ag, au 
ads var ayIEmra MWAANAus. are diesQrm 
piye ner 8, aA ase KagRTAnTI ana, — 
Hera argsnewus Ye no Ya = — ara 
KONUTEORE EVBENS TS Öreaoimarcs , RoAyTEOHN 
no va los. nur maria. Kaı ade Ideas air 
or Aus Bomera, STE ÖijFor, ETE vonaın re, 
‘#9, Man ſehe auch do anim. Ariſt. 1. 2. 

Beym Eufebins I. 8. Praep; Evang, 

@%6) Ast. Diogene N, B. u 


" — 
I 





49* 


Gäecſchichte der Sriechifchen Weltweidheit. 745 
Verduͤnnungen der fuft reden konnte, Ba er fie doch für. 
die feinfte aller Subſtanzen erklärt Härte, Allein diefe 
Schwierigkeit Härte ſich der berühmtefte unter allen 
Mörterbuchfchreiberm leiche auflöfen kͤnnen, wern ee 
nur bie Fragmente gelefen hätte, in welchen Diogenes 
ſelbſt ſagt, Daß es zwar nur eine einzlae Grundſubſtanz, 
bie Luft, gebe, daß aber dieſe ihrer Gielchartigkeit uns 
geachtet fich nicht durchgehends gleich, fondern bald duͤn⸗ 
ner, bald dichter fen, - Mit mehrerm Grunde kann men 
ben Plutarch tadeln, daß er bie Miennung des. Diogenes 
fo vorftelle, ald wenn er mit dem Heſiodus ober den aͤl⸗ 
teften Weltwelfen geglaubt Hätte, daß entweder das 
Dhngefähr oder eine blinde Kraft den Grundſtoff aller 
Dinge in Bewegung gefet habe, da doch Diogenes dis 
Luft für das ſelbſtſtaͤndige Prinelplum Ihrer eignen Bewe⸗ 
gung und der Bewegungen aller aud ihr entflandenen 
Dinge hlielt. Die Ausfprüche viefes Weltweiſen von 
unzähligen Welten und von Wirbeln, wodurch fie here 
vorgebracht worden, waren hoͤchſt wahrfcheintich Die Urs 
fache, warum &implielus fagte, daß er bie kehren des 
. $eukipp und Anaragoras (und man kann nach hinzufezen 
des Anarimenes) mit einander verbunden habe *). 
Beoanſe war ungewiß ; ob der Derfaffer bed Buchs 
‚von den Meynungen ber Weltweiſen allenthalben, wo er 
vom Diogenes ſchlechthin ohne weitere Beſtimmung 
redet, den Diogenes von Apollonla, oder auch andere 
Weltwelfen diefes Namens verftanden gabe, oder nicht ? 
Allein meinem Urcheite nach. kann man gar nicht zwei⸗ 
fein, bag dieſer Schriftſteller, wie fein Ausfchreiber 
Stobäus , nicht an allen Stellen, die Bayle anfuͤhrt **), . 
ben Schüler des Anaxagoras im Sinne gehabt habe. _. 
Baple ift aber nicht wolliiändig in der Angabe der Ab 
| daas. ſchnuit⸗ 


). ec. fal. 6. h. 
*. N c 








F 
\ 


146 Zuͤnftes Buch, 


ſchnitte, wo Meynungen des Diogenes von Apollonia 
gefunden werden, und. ich will fie Daher zur großen Bar 


quemlichfeic neugieriger Leſer berichtigen *), Weg eine 


tchärfern Unterfuchung einer jeden einzelnen Stelle des 


falſchen Plutarch wuͤrde man aber, glaube ich, oft 
finden, daß er die Gedanken des Diogenes bisweilen 
‚warichtig gefaßt, umd befchrieben habe. Zur‘. Probe 





waͤhle Ich nur das Capitel, worinn er von den Seelen 
der Thiere redet, V. 20. Movornc 3» METEXEN eV UT 


TU YONTR HI EOOS 5 Om de TE MEY TUNVETNTER Ta de 
mreovacuor (10 ſchreibe ich. mit Reisken) zus vyeasics, 


‚ante diavosoycı, unre miodaveoda,, meoaQrews d’au- 
ra dianssadas TOIs meumvooı, BALERTAINOTOE TE NY 


poviws. Wenn mar es auch gar nicht einmal rügen 
wil, daß an diefer Stelle das verftändige Weſen und 


"De luft als verfchievdene Naturen angefehen werben, | 


ſo kann man es doch zuverſichtlich für falſch erklären, 
daß Diogenes den Thieren, denen er an mehrere Stel⸗ 
len feiner Fragmente dleſelbigen Grundkraͤfte mic dem 
Menſchen zuſchrieb?), glle Empfindung ſollie abgefpro, 
chen haben. Wenn er fie auch mit Wahnſinnlgen und 
Mafenden verglich; fo Fonnte er ihnen doch deßwegen 
nicht das Vermögen durch die äußern Sinne Gegen 
* fände wahrzunehmen, und. von ihnen angenehme und 
unangenehme Einprüde zu erhalten, fireltig machen. 
| Die lejte. Anmerkung über ben Diogenes von Apol⸗ 
tonla beteife feine Zeitrechnung ‚ in welcher fein gleich⸗ 
namigter Lebens beſchreiber mehrere grobe Fehler gemacht 
W f 


, 9 LEI I. 8. 13.23.32. IM, 2.15. IV, 5. 16.18. V. 
u 15.20. 23. Hiemlit verbinde man - Ari. Hill. eniı, 
my, ß@. de Refp. I! Cliem, Paedasgog. I, 105. Ceufos, 


a7 


. 5. u. , 
*) Samy, Puxy KO VON. BE 
4 1 


\,- 








Pd 


N 
° J 


Seäcecſchichte der. Griechiſchen Weltweiheit. 747 
bat ®). Diefer nämlich nennt jenen erſtlich einen Scha⸗ 


fer des Anaximenes, und einen Zeitgenoſſen des Anaxa⸗ 


goras, und gleich) nachher einen tehrer des Anayarch, 
welchen den Alexander auf feinem Zuge nach Aſſen beglel⸗ 


tete, amd ohngefähr hundert und jwainig Jahre ſpaͤter, 


als Anayagoras blühte, — Diogenes war gewiß fein 
Schäfer des Anopimenes: benn er lebte nach dem Ana⸗ 


xagoras, von welchem es fich nicht einmal mit einiger 


MWahrfcheinfichkeit behaupten läßt, daß er mic dem Anas 
rimenes perfänlich befannt geworben ſey. Mit dieſer 
Bemerkung ſtimmt das Urtheil des Simplicius zuſam⸗ 


men, welcher ſagt, daß Diogenes faſt ber juͤngſte unter 


allen denjenigen geweſen fen, welche unter den Griechen 
vorzugs weiſe Phoſiter der Natutforſcher genannt wor⸗ 
”), 


j ben“ 


‚Demötelt war gläcticher ald Auoxagoras. Er en 
hielt, wenn man dies anders ein Gluͤck nennen kann, 
Schoͤler, die ſich von Ihm nannten, bie aber nur bie . 
ins Zeitalter des Epifur fortdauerten, als-Durch weichen . 
fie gänzlich verdrängt, wurden, Der berühmtefle unter 


dieſen war Metrodor von Chlos, ber ein Werf hinter 


lteß, dem er eben. den Titel gab, ben bie aͤlteſten Welt⸗ 


weifen faft allen ihren Werken überfchrieben hatten #*®), . 


Sie größten Gefchichtfchreiber der Grlechlſchen Philoſo⸗ 
phie, Ariſtoteles, Sextus und Cicero erwähnen biefes 
Weltweiſen hoͤchſt ſelten; und was wir alſo von feinen 


Saat noch Abrig baden; i Ru faſt alles in einem . 


. pi 
\ 
er ——— — 


“) Diog, IX, $ 
7 * —* 7. 


—9 "Cie, de. Quao-IV. 2}. — — - tenebrieufon, fic enim 
appellat acer, (fenfus) is, qui bume maxime eſt ad» 
mirstus, Chius Metsodorus initio Jibri, qui eſt de 
oarura, Auch Naufiphanes der echrer des Epitur, 
war ein Demakriteer, de Nat. Rear. l. 26. 


—*8— 4 


748 Fuͤnftes Buch. 
Puracchifchen Fragmente, und In den Büchern bes 


Verfaſſers von den Meynungen der Weltweiſen. Nach 


dieſen Bruchſtuͤcken zu urtheiten, nahm Mesrobor die 


erfien Grundfäge feines Meifters alle an. Er behau⸗ 
ptete mit thm eine unendliche Menge von Atomen, einen 


“unendlichen leeren Raum, unendlich viele Welten, ums 
Dunkeiheit ‚oder Unguperläffigkeit dee Sinne, . Auch re 





dete er ganz mit ben Worten und Graͤnden ber aͤlteſten 
Eiealiker, von ber Unmöglichkeit der Entſtehung wirkli⸗ 
cher Dinge, von der Ewigkeit, Unenvlichkelt und Unbe⸗ 


weglichkeic oder Unmanbelbarfeit bes Ganzen *), „Seine 
Meynung über die merkwuͤrdigſten Erſcheinungen bee 


4zuft und dee Erde ſtehen begin angeblichen Plutarch und 
beyun Seneca **), Wenn man neue Beweife von ber 


Nachloͤſſigkeit des erſtern Haben will; fo leſe man bie 


Art, wie er bie Hypotheſe des Metrodor über das Erde 


‚beben in dem zulezt genannten Copitel vorſtellt, und ver 


‚gleiche. fie mit der Erzählung bes Eenca, “Ron fehe, 


in wie einem. falfchen Sichte ber eben 'getabelte Schrift⸗ 
ſteller die Sehnde fezt, womit Metrodor die Unendlich 
kelt von Welten bewies **®), orı dameyos nur To 
Aaandos INA ER TE AWEER TA TI uva Ei UN 
Ye 6 Koonos Memsemoueves, Ta darin at“ 
. amrign, ef av Ode 6 nonnes Yeyıvar avayıy reg 
sa. Um eben dieſer widerlichen Nachlaͤſſigkeit willen, 


“und weil er nirgends bemerkt, ob ee Meynungen des 


Metrodor von Chlos, ober des Schülers des Epifur 


anfuͤhrt, zeige ich nur Eurz die übrigen Stellen au, wo 


‚eines Metrodor Erwähnung geſchieht T). Die Mey 
2 nn nung 
: : — —— — —— — 
=) Plut. sp. Euſ. 1. 8. keraep. Ekr..— 
#2) III. 1. 3. 4. 5. 779.13. Sog. Nat, Quact. VI. 19. 
%) I. 3. £ ü u | nn — 
) De las, 1. 5 18. n. 15. 17. 18. 2% .. 








'& 








Seſchichte der Griechiſchen Weltweisheit. | 249 


aung über die Unendlichkeit oder unendliche. Zahl von 
Welten) eignet. Stobäus dem Epikureer Meer, 
ber un ) | 


Wenn n man ben Zeno ich; ja den Sorhiſten 8 
net, fo iſt er der erſte Oriechiſche Weltwelfe, der gleich 
ben leztern ums Geld lehrte. Ihn hörten Perikles, 
Pythodor und Kailias, unter welchen die beyden leztern 
ihm feinen Unterricht mit hundert Minen belohnten ©**), 
Pythodor lehrte wiederum in Athen, wie man aus dem 
Parmenlves des Plato ſieht 7), und Hatte mehrere 

Schuͤler, unter welchen auch ein Antiphon bemerkt 
wird FF), der wahrſcheinlich mir dem Antiphon einerley 
iſt, deſſen Meynung uͤber die Urſache ver Sobrigkeit des 
Meerwaſſers der angebliche Plutarch anführt-+4+), und 
der auch vom Johannes Stobaͤus in feinen bwſiſchen 

Excerpten einige male genannt wird. Ä Ä 


Maprfcheinlich gehoͤrt In den testen Abſchnitt der erſten 
Periode der Griechlſchen Philofophle ein gewiſſer Hlppon, 
den Sertus 41 einen Rhegler, andere einen Meta⸗ 
pontiner , und Acıtorenus einen Samier nannıe 4). 
Atiſtoteles führer feinen Ilamen zwar .mic in dem Vers 
zeichniſp der Maͤnner an, die über bie Grundurſachen 


9) 1.5. 

. #0) Eelog, Phyf..p. 52. 

as®) Plut, p. 281. in Ale, L. 

+4) p. 138. 

4) HE 16. ' 
+4+}) Hyp. Pyırh. M. 4. ade. Math. IX, gor. 
4444) Hypot. Pyerh. 111. 4. adverf, Maihem. ıX, 360. 
44444) Cenfor. da die Nat. .. 


— 


DO. Fünfte Buhl 
der Dinge Unterfangen angeſtellt hätten ®), allein 
er hält es nicht der Mühe werth, feinee Sebanken ju 
- erwähnen, weil feine Borftellungsare gar zu roh und 
“ einfältig fen *°),. Sextus fage.*"*), dag Hippen das 


Steuer und das Waͤſſer als: die-Principia aler Weſen 
angenommen habe. Mach dem Alerander von. Achrodi⸗ 


ſa ****) hingegen hielt er. eine gewiſſe Feuchtigkeit für 





‚den Urſtoff der Welt, ohne zu beſtimmen, ob er untet 
diefee Feuchtigkeit tuft oder Waſſer verſtehe. Endlich 
gab er einem allegorijitenden Ausleger des Hefi (0b zu 
folge, ber den Hippon einen Atheiſten nennt, die Erbe 
‚ für- die urſproͤnaliche Materie aus, aus welcher. afles 
eniſtanden fen +). Aus der Meynung dieſes Weltwei⸗ 
fen über die Natur der Seele muß man ſchließen, daß 
Alexander feine tehre von der Grundurſache am ridjtig ⸗· 
ſten vorgeftelle babe. Hippon gehörte nämlich zu den 
ſtumpfſinnigen Philoſophen, welche die Subſtanz der 
Seele ſich ald feucht dachten, wahrſcheinlich —— 
ſezt Arlftoteles hinzu. weil der Saame aller Thiere eine 
gewiſſe Feuchtigkeit iſt Hp). Mehr Wahrhelt finder. fi) 
in den Beobachtungen, vie Centorin 1P), und ber an⸗ 
gebliche Plutatch rm dleſen? Mantie aneignen, und in 
. denen 


eniusfintenlite Grüssen: ABS ÄTEELEn DU’ 





f | NN U 





” Met, a, %. 


v, inKavn uev Yirp ax or vis fımosıe —E neru 
7er, da Te. eureAnar are 7m Ts Au 
yoross. _ 

ses) il. te Bu .« 

..n I. p. 1a In Met, ain. 

). Fobr. ad Soxt. Hyp. IN, 4 

77) De Anton, |, 2. | 
+4DC5.67. 

+49 V. y. dePflae 





Geſchichte der Griechiſchen Welt weisheit. 75. 
denen ich weder Widerſpruch mit ſeiner Hypotheſe über 
das Weſen ber Seele, noch auch andere puren. von 


Erdichtung antreffe. Diefem Schriftſteller zufolge‘ 
glaubte er, daß der Saame von Marke abgefonders 


werde, und berief fich, wenn Cer ſorin ihn recht verſtan⸗ 


den hat, auf die Erfahrung: daß man in Thleren, die 
man gleich nach der Vermiſchung toͤdte, das Mark gar 
nicht erfchöpfe finde. einer Mennung nach würden 
Kinder ganz allein aus dem Saamen des Vaters, und 
zwar aus dem Flärkern Knaben, aus dem fchwächern 
Mädchen gezeugt: der Saame der Murter hisgegen 
trage nichts zur Zeudung bey, weil er ganz verſchuͤttet, 
und oft von Weibern, befonders, von Witwen ohne 
Zuthun eines Mannes weggelaſſen werde. Seltſam 
iſt es, daß er das Haupt für den Si; der Seele hielt, 
da igm die Seele ſelbſt eine Zeuchilztet zu ſeyn 
ſchlen ). | 


Außer lefen Männern ie Ariſtoteles noch fuͤnf 
andere an, bie allem Vermuthen nach zwiſchen ber ſieben⸗ 
zigſten und achtzigften Olympiade bluͤhten. Die beyden 
erftern. find Hippofrateb yon Chios, und deſſen Sc:üter 
Aeſchylus, deren Erflärung von den Kometen den Be: 
“griffen der Pythagoreer ähnlich war "*). Auf diefe fol... 
gen Kleidanus und teophanes , von melchen benden 
gleichfalls nichts zu uns aefommen iſt, als die Erklaͤrung 
bed Blins vom erftern *"*), und bie Meynung des fejtern 
über die urſeqe der Erruguns von Kindern beyderley Be 

ſchlechts | 


” . 
\ 


— ö— — —— nn — ⸗ 


cC, 7. Cenf. 


an) Man ſehe Metoot..l. 6. und Helalu⸗ difiertation. fur 
Oenepidar P. 412. 


) Met. B. «8. pP Tle 


7 Zhnfted Buch. 


ſchlechts ®), Der lezte If Denoplbes von Chlos, der 
ein Zeitgenoß des Demofrit war **), und über weichen 
Helnius die wihrigften Stellen der Alten geſammlet 
1°"), ‚Den Diogenes von Melos rechnet man zwar 
ge —* au den Ei⸗ atiſchen Philoſophen, allein er war 
nicht ſowohl ein Weltweifer, als ein unjinnig ſchwaͤrme · 
riſcher Wlderſacher der Goͤtter und Neligion feine Bär 
ter... Mein Urtheil über ihn findet man in der Hifto- 
ria doctrinae de vero Deo B 346. 
* Aslot. ap. a8, libr, de Plıe, eul. v. 7. 
eey IX, 4x. Diog., 
sce) Memolres de l’Academia de Berlin de Panude 1746. 
“pe 401. 


Ende des erſten Bandes. 


zerbeſſerungen zum erſten Theil des Hm. 
of: Meiners Gefchichte des: Urſprungs, 
 Sortgange und Verfalls der Wiſſen · 
| ſchaften. 
ngeachtet ich mein Manuſcelpt Kluft einigemale ſorg⸗ 


faͤltig durchgeſeben, und nachdem es ſauber abgeſchrie⸗ 
ben war, von einigen Freunden babe nachſeben laſ⸗ 


ſen 3 fo fihd doch folgende Schreib; und Deudfeblee 


ſteben geblieben, weiche ı man zu verdiſſern bittet, 


« .. 1 
P _ _ 7 _7 0, 
ie din sie 


5.6. gell y für hofter, ige —*— and: or m 
len Stelen fär ſamlen — fanumlen... Ser 
3. In der Note für Herodots 23 
2 7. 3. 11. für gemeinſchaftuich — —E 
und fo in allen Worten, die von ſchaffen Derfommmmm. 
5, 8. 3. 16, binter geblieben, fee waren. 
> 3, 20, für auf das — auf’. . . 
. 10, 3, 18, für in einem * in einen. Bu 
. 11. 3. 3. für Verzweifelung = Verzweyfelung. & 
durchgehends für weifeln — zweyfeln. 
5. 13. B. Ior.für, deewegen — deßwegen. So In ber 
Falge alevthalben. 
3. 15. 3. 10. "für vortraflichen — vortrefflichen, 
3.16 3. 26. für beivafaeten — bewaffneten 
5, 19. 3. 1. ſtatt aus ihren — aus feinem, 
3, 20. 3, 13. hinter geſtorben del. ſeyn. 
3, 21. 3. 5. Matt Kolonien == Eoroaten, und ie Re: 
per — Edrper. Ä 
b. 3. ar. für Drlgena = Yegina, | 
8. 23. 3. 10, rät dens = dan, | Ä 
u | ©. 24, 


#9 


- 


/ 


‚Beudfeblen 5 


S. 26. in ber Nöte für. Dampbilien - — Hampbotlen. 


ib. in der erſten Note für Neon Telhos — Neon Teiches 

S. 26. für. gricchiſch foniſch Haar. Souifh, 
„x: und fo In ahnlthen Faͤllen. 

©. 37. 3. 10. fr Etaatdförper — Branche. 

©. 32; 312, für -Öfneten" — oͤfneten* 


| 


ib, 3. 9. für ſchiften — Kläfften. ° 


©. 33. 3. 2. für a 

ib. Rot. 2. vor 1, 14. 19. füge ‚Herold. .. 
S. 37. 3. 14. für ’ feit . un | 
©. 41. In der Mote Reh für Bularchii — Balarcti. | 
©. 46. in ber. Rote für Soſwides — Sofladee. | 
©. 48. 2. 1. bluter gelangt, fege war. 





. 8.53. 3, 26. für Herakſſß Herafilt, 


©. 55, Net. a, feje hinu Strab, 
— DE RG Juͤr 11:12 al." en 

©. 58.3. 4. fuͤrdie ⸗ wich N 
©. 60, 3 31% fir berlobr = verlor 


83.3. NE fa = ea = 


Ibt 3% Ts; fir Rato — Gate, Ä 
©. 70. 3.7. für Heſtod — Mllod.. 
. 74: 3. 3. für welchen — weichen. | 
8. 75. 3 3% ‚binter auch; fee noch. 
©. 76.3. 2. hinter entflanden , fee: waren. 
ib. 3. 23. für maren wären. 
&. 30, 3: 1. In ber Note für juveni — inveni. 
©. 83. 3. 3. in der etſten Note für Teöpns— — — 
und für eugy — Xpuen. 
©. 85- 3: 20. für verjagen — verfagtens 
©. 36, 3. 6. für dieſer — bil, | 
©. 87. 3. 9. für den kokebaͤmonier — den Lakebamonſen | 
ib. 3. 13. für veißreitite — verbreiteten. u 





-Ib, 3. 16, für babe — haben. 


S, 90, in der legten 3. fit ſen — Rab; 


S. ↄ33. 3. 28. . fü Darm — pin —J 








Drudfecblers 


S. 96. 3.1. für de Könige der Ringe. 
©. 105. 3. 8. für die — der 
S. Lin, unten fir grurnen - —REE und In ber beit, 
-ten Rote. für Lib. V. — Lib: VL | u 
©.11a. ungen ia Ber Rote für am 79 devuæ — m. 
Tydsuud. 
©. 128.3. 11. für Batylus — Barbndut, | . 
, &. 134. In der zweyten Note, Rast Aut. — Auct. 
"ib. in .der dritien Note für Pıttitus — Pittakus. 
©. 136. 37.24, dinter Maͤßiakeit, fere in der Folge: 
©, 140, In ber. Mate deleatur der Iejte Abfay: : im unſe. 
bung des Erſtern u. ſ. w. 
S. 148. fücoiesirren — berieren. | 
ib, in ber Note für ya — yalıc. 
-&. 152.3.9: für Lichtskreiſes — kichtkrelſes. 
x &, 161. 3. ı2, für vorausfaben — vorausſehen. 
©. 163. 3. 7. hinter angeboten , fee worden. 
68, 167. 3. 3. hinter kennen, fege lernen. 
©. 177.3. 2. für großen — größten. 
©. 186. 3. 1. für felgern, fpätern — frühere — fpli 
tere, - 
S. 199, 3.10. für Aleant = glearch. | 
S. 197. unten in der Mote, fir die — In, 
©, 198.3. 26, für hatten — hatte, 
,@. 208. 3.8. für fie — und | 
&. 210. 3. 10, für zugeſtanden — juacfand. 
ib. 3. 21, für hat hatte. j 
©, 223. 3 13. für einmal — elü einziges mal, 
©. 230. 3. 19, für alUgemeinen — allgemein, 
©. 233. 3. 18. für frug — fragte, 
©, 253. 3. 7. für falle — fi. 
©. 261. 3. 15, für Wann — Won, 
©, 233. 3.21. für aus — mit, 
©. 292. 3. 2 für daß — dat. 
©. 295. In der zwepten More für I, 416, IL 41. £ 
\ © 303, 


Dru &fiblen 


©. 303. 3 für Hippobolus — Hlppobotus. 
&, 311. 3. 11. für denen = ben, 
8 321, 3. 14. hiater Potbageras, fege vom Noms; 
33 in der Note fuͤr veyen Pora⸗ — veyeadore 
ib. für Memeoyuareonevoy - WERE 00 
. Ib. für a9 - ur. 
©. 324. in der Note für surfeyvan —2* 
ib. fuͤt Omumuædes  OAummiadon. 
©, 334.93. 126, für Hermehanap — grmpancn 
©. 344 für ſtimmen — fimatn, 
S. 362. In der Rote 3.5. fuͤt fe — don. 
©. 363.3. 5, für Edunte = konnte | 
©. 333 ß 17, für ehſpticher — abfragen. 








Drutfihlen 


©. 303. 3, > für Hppobolus — Hlppobotus. 

©, 311. 3. 11. für denen — den, 

©, 321. 3. 1. biarer Pyihagoras, fege dom Roms; 
S. 323. In der Note für yeysadoraı = Yeypaderen 
Ä ib, für MEwgosyuareouevoy - FERLRYHRTEUKEM. 
‚Ib. für sa9o A xade 

S. 324. In der Note für ufeyyar — nrexvas. 

ib. für OAnuriades  OAuumiades. 

©. 334.3. 26, für Hetmehanap — Hermehanap, 
©. 344. für ſtimmen — flimmtn, 

S. 362. In der Rote 3. 5. für. fe — ſchon. 

©. 363. 3. 5. für Edinte = konnte 

©. 333. 3. 17. für abſprechen — abſprachen. 














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We © —