i||i^HI>i
r .
^
La ' ^u 'f^:-^
t "'• ' . ■*' '■'• "S, *■ *^
öefcbicbten
ber Bettina
Rrnim
von
A
A
AA
ooo
D [^^^^^A^ D
D
DDD
D
o
0Li^l^DL^l^0
D
0©
Gefcbicbten
ber Bettina
von Arnim
O] ßerausgegeben (O
von
f^arl ßans 5trobl
unö
l^arl Wilb. f ritfcb
ßerlin
f. f ontane D Co.
1908
D
DDD
D
D
y
->
G
G
V"
\m/i Bettina von Rrnim
Die §reunöin Bettinas von Rrnim, bie
Dichterin f^oroline von Günberobe, er-
wähnt in einem öer Briefe, öie von
Bettina fpäter 3U bem Buch „Die Günberobe"
vereinigt würben, ein gan3 höftliches Gefchichtchen.
€ines Tages würbe Bettina auf einer öpasierfahrt
mit ihrer Gefellfchaft vom Gewitter überrascht,
piö^lich jprang einer ihrer Begleiter unter Donner
unb Bli^ währenb bes ftärkften Regenguffes aus
bem Wagen unb lief, feiner leichten f^leibung un-
geachtet, über Stoch unb Stein nach ßaus. Die
Gewitterangft hatte ihn feiner Befinnung beraubt.
Der Hame bes f5elben war €bel. Cbel war
Haturphilofoph, unb als man ihn wegen feiner
Rngft verfpottete, verteibigte er fich bamit, ha^
er blofe wegen Bettinas aus bem Wagen ge^
fprungen fei; benn, fagte er: „fie ift ein gan3
apartes Wefen, bas von ber Hatur 3U viel eleh^
trifchen Stoff mitbekommen; fie ift wie ein Bli^^
ableiter; wer ihr nahe ift beim Gewitter, ber
kann's empfinben." Unb er behauptete fteif unb
feft, bas Gewitter fei burch ihre elektrifche Hatur
ange3ogen worben unb ber eine Bli^fchlag fei fo
bicbt vor ben pferben niebergefahren, weil Bettina
in ihrer Begeifterung 3U viel €lektri3ität aus^
ftrömte.
VI
Diefes ßefcbicbtcben \\i für 3weierlei cbarak»
teriftijcb. €b beleuchtet öie 3eit unö eines ihrer
fonberbarften , anmutigsten unö launenhafteften
Rinöer. €in Strahl gebt von ihm auf bie ver*
worrene Haturphilofophie Öer Romantik, öie bas
winenfcbaftliche Denken fo mit phantafterei 3U
burchfet3en, öer exakten §orfcbung foviel Spehu»
lation beisumengen verftanb, bis enMicb ein 6e*
biet gefcbaffen war, auf öem |icb alle ODonbkälber
öer €inbilbung tummeln konnten. €in anöerer
Strahl trifft öie paffive ßelöin bes kleinen Rben=
teuers unb 3eigt, wie bie Umgebung Bettinas von
ihr bacbte. Das junge, ein wenig 3U übermütige
(Däbcben kam ^en braven Ceuten von Frankfurt
unb Umgebung immer geloben vor, gefpannt von
unbekannten unb aufeergewöhnlicben F^räften, bie
infofern mit ber eiektri3ität eine Verwanbtfcbaft
3U haben Schienen, als man bas Wefen beiber
nicht recht 3U ergrünben vermochte.
€s mag ein eigentümliches prickeln von ben
Worten unb ben ßanblungen Bettinas ausgegangen
fein, ein ameifenhaftes (Grabbeln unb f^ribbeln,
bas enblich in allen, bie mit ihr 3U tun hatten,
eine fich fteigernbe Hervofität hervorrief, ^a man
niemals wufete, was ber nächfte Rugenblick bringen
würbe. Unb ba Bettina ein rechtes Vergnügen
baran hatte, bie Ceute, insbefonbere aber bie Be*
bacbtfamen unb Befonnenen, 3U ärgern, mag fie,
fobalb fie fich einmal barüber klar war, wie bies
am heften gefchehen könnte, ihre aller Spiefe»
bürgerei abholben Heigungen noch mit Bewufet*
fein gefteigert unb bis 3ur Virtuofität entwickelt
VII
haben. Dafür räcbten ficb Öie Ceute wieöer, inbem
jie hinter ihrem Rüchen allerlei HacbreÖen auf«
brachten. Dafe fie an gänslichem (Dangel an
hiftorifchem Sinn unb an Cogih leibe, war noch
bas geringfte. Anbere propheseiten, bafe fie am
€nbe noch gan3 verrucht werben würbe, wenn
es fo weitergehe. Unb bas lange Regifter ihrer
Sünben würbe aufgesählt, biefe tollen Streiche,
wie fie einem armen jubenmäbel bie Gaffe aus«
kehren geholfen, wie fie im Stift, in bem fie er«
3ogen worben, auf bas Dach geklettert fei ober
vom Gartenhaus ober einem Baum herab ge*
prebigt habe.
Die 3eit, in ber Bettina jung war, war bie
Blüteseit ber beutfchen Romantik. (Dan hatte in
Deutfcblanb bie Doktrinen ber Rufklärung, bie
rytannei bes (Daterialismus fatt bekommen unb
verlangte nach einer Weltanfchauung, in ber bas
Gefühl über bie J^räfte bes Verftanbes bie f5err»
fchaft gewinnen follte. €ine Reihe von genialen
(Denfchen war an ber Rrbeit, biefe Weltanfchauung
3U verkünben, fofern man es Brbeit nennen kann,
in bunten Träumen 3u fchwelgen unb phantaftifche
Dekorationen für ein Busftattungsftück ber l^unft
unb bes Cebens 3U entwerfen. Diefer (Dangel
an Sormungskraft , an €nergie bes Geftaltens,
ber ficb ebenfofehr in ben Büchern ber roman»
tifcben (Denfchen als in ben Tatfachen ihrer
Lebensläufe 3eigt, trug ben Verfall in ficb, fo
ftol3 bie Romantiker gerabe auf ihre formale
Ungebunbenheit waren. Darum haben bie eigent«
liehen Romantiker keine ber Dichtungsgattungen
VHI ■ m
beberrfcbt, öie grofee Rnfor^erungen an bie Runft
bes Formens ftellen. Rus jenen Greifen ift weber
ein grofees epifcbes, noch ein grofees bramatifcbes
Runftwerk hervorgegangen. Die Cyrih, bie Runft
bes Gefühls, ber Wortmelobik hat aber unter
ihnen gan3 wunberfam geblüht. Darin war Bettina
ein getreues Rinb ihrer 3eit, t>a^ fie nichts von
ber Runft bes Öeftaltens wufete. Rber fie '\\i ben
gesamten Romantihem barin an folgericbtigkeit
überlegen, ^q\s fie burcbaus nichts von ihr wiffen
wollte. Sie lehnt es mit einer Rrt von Rb^cbeu
ab, wenn man ihr 3umutet, bichten 3U follen.
Wenn fie ihr Bruber Clemens Brentano immer
wieber ermuntert, bie bunten Einfälle 3U ver*
bichten, ihre öebanhen in Worte ein3ufangen, fo
verfucbt fie es wohl ihm 3uliebe, aber fie weife,
ba^ es nicht gelingen kann. Sie läfet bie Blätter
ihrer Blüten lieber in alle Winbe flattern, als fie
in ben f5erbarien ber Orbnung 3U preffen. Denn
fie kennt bie Un3ulänglichkeit ber Worte: „- ich
fage Dir, wenn ich gefchwiegen hab, fo ift bas,
weil mir bie Worte nicht wohltönenb genug vor^
Namen; ich feh mich im Geift um nach Rlang,
wenn ich etwas fagen will, ba finb ich keinen
Con, ber ftimmt; unb Du kannft mir's glauben,
manches lafe ich ungefagt, weil ich's nicht ebel ge*
nug aus3ufprecben vermag . . ." („Die Günberobe").
Unb barum ift es wirklich ihr €rnft, nicht anmutige
Cüge, wie vieles bei ihr, wenn fie fagt: „Rm
Dichten hinbert mich mein Ge^iffen; wenn ich
benk, wie viel reiner, tiefer Sinn ba3u gehört,
um fo weniger kann ich mir's 3utrauen ;" unb fie
IX
bat, wenn fie manchmal faft beöauern möcbte, bafe
es ihr vertagt fei, einen Croft bereit, vor öem
alle Verfucbe öec Dicbter f^lein erfcbeinen wollen.
„Ich bab wobl einen öunklen Begriff, warum icb
nicbt 5icbte; weil eben Öas tliefe, was micb ge=
waltig ergreift . . . etwas ift, was ficb in Öer
€mpfinöungswelt nicht legitimiert, oöer, um
fcbneller unb ohne Umweg mich aus3ubrüchen,
weil's Unf inn ift, was mir in ber Seele wogt . . .
weil's Unfinn ift, ber mich abnenö als böchftes
6efe^ ber Weisheit ergreift."
Unfinn alfo ift bie böchfte Weisheit. Vom
beute gebräuchlichen Begriff, ber ficb mit bem
Worte Unfinn verbinbet, mufe babei abgefeben
werben. Unfinn bebeutet Bettina bas, was mit
ben Sinnen nicht fafebar ift. Rlfo bas Gefühl.
Unb bamit fpricht Bettina bie wefentUche Rn^
fchauung ber Romantiher aus. Sie will heine
Dichterin fein. Cro^ibem, ober eben besbalb aber
ift in ihren Büchern ber Geift ber Romantil^ unb
bamit einer ber wichtigften 3üge in ber Seele ber
(Denfchheit beffer erfafet, als in ben Rbbanblungen
ober ben Werhen ihrer bichtenben 3eitgenoffen.
Wir verbanden ihr ohne 3weifel nicht nur - wie
man fagt - bas fchönfte Buch ber Romantik,
fonbern gan3 gewife eines ber fchönften Bücher
ber Deutfchen: ihr Buch „Goethes Briefwechfel
mit einem f^inbe".
Bettina Brentano würbe am 4. Rpril 1785 in
franhfurt am (Dain geboren. Ihr Vater war ber
aus Italien ftammenbe Raufmann Peter Rnton
Brentano, fpäter hurtrierfcber Rat unb Refibent.
Ihre (Dufter hatte in Goethes Ceben eine Rolle
gespielt. Sie war öie Tochter Öer öcbriftftellerin
Sophie Carocbe, jener (Daximiliane Carocbe, bie
Im „Werther" als fräulein B. eingeführt wirb.
Die Che öer eitern Bettinas war nicht geraöe
glücNUcb, benn (Daximiliane hatte ben Witwer
Brentano gegen ihre Heigung, auf Wunfcb ihrer
Samilie geheiratet. Als bas (Däbcben acht Jahre
alt war, ftarb bie (Dutter, vier Jahre fpäter ber
Vater. Die verwaifte Bettina würbe nun im f^lofter
Sri^lar er3ogen. ßier entwickelte ficb jene innige
Sreunbfchaft mit ber Hatur, bie bem Wefen bes
f^inbes einen ber liebenswürbigften 3üge ein*
prägte. „So hob ich allmählich 3uverficbt ge-
wonnen unb war vertraulich mit ber Hatur unb
hab 3um Sehers manche Prüfung beftanben. Sturm
unb Gewitter 30g mich hinaus, unb bas machte
mich freubig; bie heifee Sonne fcheue ich nicht,
ich legte mich ins Gras unter bie fcbwärmenben
Bienen mit Blüten3weigen im (Dunb, unb glaubte
feft, fie würben meine Cippen nicht ftecben, weil
ich \o befreunbet war mit ber Hatur; unb fo bot
ich allem Trot5, was anbere fürchteten, unb in ber
Dacht in fchauerlicben Wegen im finfteren Ge-
büfch, "öa lochte es mich hin, ba war's überall fo
heimlich unb nichts war 3U fürchten." Vom Jahre
1801 an lebte fie teils bei ber Grofemutter in
Offenbach bei Frankfurt, teils bei Verwanbten, fo
längere 3eit bei ber mit bem grofeen Juriften
Savigny verheirateten Scbwefter in (Darburg.
€in Wanberleben begann, beffen €inbrüche unb
€rlebniffe in bem „Briefwecbfel" niebergelegt finb.
XI
In Canbsbut, (Düneben unb Wien kam fie überall
mit bervorragenben (Dännern in Berübrung. für
ben Rufftanb in Drol begeistert, verfucbte fie ben
l^ronprinsen von Bayern für ibre öacbe ein=
3unebmen. Das war bie erfte ber kübnen unb
naiven Unternebmungen Bettinas, ber erfte jener
von ber Begeisterung eingegebenen Vorftöfee in
bas Öebiet ber Politik, bie fie fpäter 3U bem
I^önig von Preufeen in Be3iebungen bringen follte.
Von Wien aus vermittelte fie bie Bekanntfcbaft
Beetbovens mit Ooetbe, ben fie felbft im Jabre
1807 wäbrenb eines Rufentbaltes in Weimar
kennen gelernt batte. 3u ben bebeutenben
(Dännern aus bem l^reife ber Romantiker, 3U
benen fie burcb ibre Familie in Be5iebung trat,
geborte aucb ber freunb ibres Brubers Clemens
Brentano, ber (Ditberausgeber ber wunberbaren
Sammlung „Des Rnaben Wunberborn", Rcbim
von Rrnim. (Dit ibm vermäblte fie ficb in aller
ßeimlicbkeit am 20. (Där3 1811. Seltfamerweife
fcbweigt Bettina gerabe über bie öefcbicbte biefer
Ciebe, obgleicb fie bocb fonft allen ibren wicb*
tigeren €rlebniffen literarifcbe Denkmäler er^
ricbtete. €s ift, als wollte fie bas Scbönfte unb
Innigfte, was ibr bas Ceben bracbte, in aller Stille
für ficb bewabren. 6cbon bie Rrt, wie biefer
€bebunb gefcbloffen würbe, 3eigt von ber Sart-
beit bes €mpfinbens biefer Srau. Das Wenige,
was wir bavon wiffen, erfabren wir nicbt von
Bettina, fonbern aus einem Briefe Rebims an
feinen 5reunb Görres. In (Denfcben, bie fo fein=
füblig finb wie Rrnim unb feine Braut, ift eine
XII
ungemeine Rngft vor öen lauten feierlicbheiten
einer ßocbseit. Die unvermeiMicben Scber3e, öie
bebeutfamen ßliche ber öäfte, bas gan-^e Um unb
Ruf ber 3eremonie im Rngeficbt einer gaffenben
(Denge verlet5t unb ftört bas [cböne Geheimnis.
Den Rbficbten ber beiben erlefenen (Denfcben
ftanben viele ßinberni^fe im Wege. Rrnim wohnte
3immer an 3immer mit Clemens Brentano unb
Bettina in einem 3immercben bei Savignys. Zroi^^
bem gelang ber Plan - „wie in taufenb f^omöbien,"
fagt Rrnim - mit ßilfe einer Rammerjungfer.
Hacbbem bie beiben morgens heimlich auf bem
3immer eines acbtsigjährigen Prebigers getraut
worben waren, ham Rrnim abenbs wie immer
3u öavignys, nahm bann Rbfchieb unb ging unter
Cärm bie treppe hinab, um an ber f5austür um-
3uKehren unb leife 3U Bettina 3U fcbleichen. Ihr
3immercben war mit Rofen unb Jasmin gefchmücht,
unb Bettina wartete bes Geliebten. Hiemanb von
allen Bekannten ahnte etwas von biefer heim=
lieben Vermählung, bis es bie Gatten felbft nacb
fünf Tagen ihrer Che an Clemens unb öavignys
ausplauberten.
Rlle auf ihr Verhältnis 3U Rrnim unb auf
ihre Vermählung be3üglicben Stellen hat Bettina
aus ihrem Briefwecbfel mit Goethe ausgefcbieben.
Von bem inneren Grunb bafür würbe fcbon ge=
fprocben; bie äufeeren Crwägungen, bie 3U ihm
hin3uKamen, werben noch 3U erwähnen fein.
In bem Jahre ihrer Vermählung erfolgte ber
Bruch ihrer innigen Be3iehungen 3U Goethe.
Bettina trug bie öcbulb an biefer Rataftropbe.
XIII
Sie hatte ficb, von Coetbe nacbficbtig urib Hebens*
würöig aufgenommen unb ermutigt, mit ber 3eit
einen öi^i an jeiner Seite erträumt, fühlte ficb \o
fehr als feine erkorene Gefährtin, ^a^ fie es nicbt
ertragen konnte, Goethe mit einer Srau verbunben
3U feben, ber fie ficb in jebem Belang überlegen
fühlte. Chriftiane Vulpius, mit ber Goethe fcbon
vermählt war, als ihn Bettina kennen lernte, unb
bie fcbon bamals von eiferfücbtigen Rnwanblungen
gegen bas fcbwärmerifcbe (Däbcben geplagt war,
3eigte ficb aber nicht gefonnen, vor Bettina 3urüch=
3utreten. €s kam 3U einem [Konflikt 3wifcben ben
frauen. Spärlich floffen von l>a an bie Briefe
Bettinas, unb bie antworten Goethes hören
gan3 auf.
So würbe ein Verhältnis beenbet, bas 3U ben
wunberbarften 5rauenerlebniffen unb 3U ben
fcbönften Kapiteln ber beutfcben Geiftesgefcbicbte
gehört. €s begann für Bettina tief unten in
l>en Tagen ber l^inbbeit unb beberrfcbte ihre €r=
innerung bis an ihr Cebensenbe. In einem Briefe
an ben Rönig §riebricb Wilhelm IV. vom 29. Juli
1849 fpricbt fie von biefer Ciebe. „(Deine Ciebe
3U Goethe war nicht, weil icb mir ihn als grofeen
(Dann bacbte, fie entfprang baher, weil er vor
mir verleumbet warb ... Ich war bamals brei3ehn
Jahre alt . . . bis man . . . weiter er3ählte, er
habe ein böfes I5er3, er fei gan3 bäfelicb geworben
unb habe ein gemeines Rusfehen ... Da fagte
icb 3u mir felber : es ift nicbt wahr, was bie bort
fagen! - Von ber 3eit an war er ber Gegen*
ftanb meiner heimlichen Betrachtungen." Rls
XIV - m
Bettina 3wan3ig jabre alt war, erlebte fie öie
erfte fcbwere Crfcbütterung ibrer Seele. Seit
Jabren verbanö fie eine innige freunöfcbaft mit
öer fecbs jabre älteren Caroline von Günberoöe.
Beiber Haturen ergänsten ficb vortrefflicb, inöem
bie ßünöerobe mit ibrem beroifcben €rnft ber
beiteren Cebbaftigl^eit Bettinas bas öleicbgewicbt
hielt, ßeroifcb war aucb ber ^ob ber freunbin.
Sie erbolcbte ficb aus unglüchlicber Ciebe 3U
Winl^el im Rbeingau. Diefe entfe^licbe ^at
brachte Bettina in Verwirrung unb Versweiflung.
Ihr Glüch führte [le gerabe 3U biefer 3eit mit
Goethes (Dutter 3ufammen. (Dan weife, welchen
glücklichen €influfe bie unvergleichliche $rau Rat
auf ihre Umgebung hatte. (Dilbernb unb be^
fänftigenb wirhte fie auch auf Bettinas Schmers.
Unb inbem bas (Däbcben 3U ihren Jüfeen fafe
unb ben €r3ählungen ber frau Rat, ben kleinen
Gefchichtchen aus ber jugenb Wolfgangs laufchte,
wuchs bie frühe Ciebe 3U Goethe immer voller
ins Cicbt. Sie hat alle biefe Gefchichten treu be=
wahrt, unb als Goethe fpäter währenb ber Rrbeit
an „Wahrheit unb Dichtung" um (Ditteilungen
aus feiner f^inbheit bat, bie ihm feine in3wifchen
verftorbene (Dutter nicht mehr machen konnte,
wufete Bettina eine (Denge aus ibrem Gebächtnis
3U berichten. Ihren Dank für biefe freunbfchaft^
liebe 3uneigung beseugte Bettina ber Srau Rat
burch Briefe über ihr 3ufammentreffen mit Goethe.
(Dit Savigny unb ber Schwefter kam fie 3um
erften (Dale nach Weimar. €s war gerabe
(Dittags3eit , bie anberen afeen unb legten fich
XV
auf 5as 6ofa, öenn man hatte örei Häcbte nicht
gefcblafen. Bettina aber l^onnte weöer effen,
noch ruhen. Sie ftanö am Senfter unö fah nach
ber turmuhr, in grofeer Bangigkeit, ob Goethe
ihr nicht ftol3 begegnen werbe. Als es brei Uhr
fchlug, war es ihr, als riefe er fie. 5ie lief auf
bie etrafee unb besuchte 3uerft Wielanb, ber ihr
ein 3ettelcben an Goethe als Calisman mitgab.
ODit biefem 3ettelcben ging fie hin. „Ich ham bie
einfache treppe hinauf, in ber (Dauer ftehen
Statuen von Gips, fie gebieten Stille. 3um
wenigsten ich l^önnte nicht laut werben auf biefem
heiligen ßausflur. Blies ift freunblich unb boch
feierlich. In ben 3immern ift bie höcbfte einfach^
heit 3U ßaufe, ach fo einlabenb! fürchte Dich
nicht: fagten bie befcheibenen Wänbe, er wirb
hommen unb wirb fein unb nicht mehr fein
wollen wie Du -". Da ging bie Züx auf, unb
Goethe ftanb ha unb fah Bettina ernft unb un=
verwanbt an, bafe fie erfchrah unb 3U wanhen
begann. Goethe fing fie auf unb führte fie 3um
Sofa. „Rrmes l^inb, hob ich Sie erfchrecht,"
waren feine erften Worte. Blies, was bamals
gefchah, fteht in befonberer l^larheit vor ihrer
Crinnerung. Blle biefe hleinen Bufmerkfamkeiten
unb 3örtlichkeiten, mit benen Goethe bie ßulbi^
gungen bes jungen Gefchöpfes entgegennahm.
Wie er ein Blatt von ben Reben brach, bie an
feinem fenfter hinaufwucbfen , unb es an ihre
Wange legte unb ba3u fprach: „Das Blatt unb
Deine Wange finb beibe wollig." Unb jebes
onbere Wort, bas er gefprochen, jeber Blich unb
XVI
jebe Bewegung. Der erjte Brief Bettinas an
öoetbe ift aus Caffel vom 15. (Dai 1807. Cr ift
noch bas Stammeln eines beglüchten l^inöes.
Rber von ba an fteigert ficb bie Glut ber Briefe,
fie werben immer brängenber, begebrenber, leiben»
fcbaftUcber. Rber es ift heine Ceibenfcbaft bes
Ceibes, Jonbern bes öeiftes. „Gebirnfinnlicbheit"
bat ber Graf püchler ^ (Duskau biefe Crfcbeinung
mit einem borten, aber treffenben Wort be3eicbnet.
Cs ift eine vergeiftigte Ciebe, bie 3ur €hftafe unb
3ur Religion wirb. €ine Rnbetung, bie friebricb
Wilbelm IV. einmal ftreng unb abweifenb „Goetbo*
latrie" genannt bat. (Dänabenbaft raft ibre Be»
geifterung babin unb siebt alles in ibren Bereicb.
Haturftimmungen , €rlebniffe, Gebanken unb
Gefüble webt Bettina in ibren Briefen 3ufammen.
Sie will Goetbe nicbts verbeimlicben , wie man
vor Gott nicbts verbeimlicben kann. Sie bringt
ficb felbft, ibr ganses Sein 3um Opfer. Unb ein
betäubenber Duft fteigt aus biefem Opfer auf,
ein Woblgerucb ebelfter Rrt, ber trunken macbt
unb verwirrt. (Dancbmal klingt es wie Ge*
3witfcber eines kleinen Vogels, wie Geftammel
eines l^inbes. Dann wieber, bymnifcb gefteigert,
eine Sympbonie von granbiofem Scbwung, in ber
ficb alle Stimmen ber Crbe unb bes ßimmels
offenbaren. Dann fcblagen bie Wogen ber Be*
geifterung über ber Scbreiberin 3ufammen. Sie
verliert ficb felbft, verirrt ficb in ben Cabyrintben
ibrer eigenen pbantafie. Baccbantifcber Taumel,
eine Orgie ber Ver3ückung beginnt. Wie in einem
3aubergarten wacbfen abenteuerliche Blüten auf
OB - XVII
fcbwanhen Stielen, ihre ÜberfcbwengUcbheiten
arten ins Inbifcbe, fabelhafte, Öroteshe aus, an
mancben Stellen bricbt Me öötteröämmerung öer
vollkommenen I^onfufion ein.
(Dan mufe ficb vorftellen können, wie Coetbe
öiefem oft ins Spukhafte verftiegenen Treiben
gegenüberftanb. €r, Öer feine Weltanfcbauung
unb feinen formenfinn an Öer klaren, ruhigen
fDeiterkeit ber Antike gebildet hatte, mufete ficb
oft genug von ben Buswücbfen biefer wilben
Begeifterung abgeftofeen fühlen. (Dit aller väter^
lieben (Dilbe, wie von Bergesböhen herab ricbtet
er feinen läuternben Strahl auf biefes Chaos.
Immer wieber verfucbt er Bettina absulenken unb
auf jenes Oebiet 3U befcbränken, wo fie ihm fo
gut gefiel: 3ur kinblicb einfachen Vertraulichkeit.
€r wollte nicbts von ihr, als ihr Oeplauber hören.
Um bas Verhältnis swifcben bem Dichter unb
Bettina richtig 3U beurteilen, barf man nicht ver^
geffen, ^a^ Goethe 3ur 3eit, als bie erfte Be=
gegnung ftattfanb, acbtunbfünf3ig Jahre unb Bet»
tina 3weiunb3wan3ig Jahre alt war. (Dit bem
Blick bes Ricbters über bie (Denfcben fieht er
ihr bis in bas ßer3. Wie über alle €rlebniffe
feines Weges fucbt er ficb aucb über Bettina klar
3U werben, inbem er fie in eine Dichtung proji3iert.
Wir bürfen annehmen, ^q^ bie Charakter3eicbnung
ber Cuciane in ben „Wahlverwanbtfcbaften" nach
bem Vorbilb Bettinas gemacht fei. €r vergleicht
fie mit einem brennenben l^ometkern, ber einen
langen Scbweif nach ficb 3ieht. Diefes mutwillige,
tänbelnbe unb geiftvoUe (Döbcben fcbeint ben
Sritfcb-Strobl. II
XVIII -^- 0
plan 3U haben, „(Dänner, 5ie etwas vorftellen,
Rang, Rn^eben, Rubm oöer fonft etwas Be^
öeutenbes vor ficb hatten, für ficb 3U gewinnen,
Weisheit unö Befonnenheit 3ufcbanöen 3U macben
unö ihrem wilben, wunöerlicben Wefen felbft bei
öer Bebäcbtlicbkeit Öunft 3U erwerben".
„Goethes Briefwecbfel mit einem Rinöe" ift
Nein geschriebenes, fonöern ein erlebtes Buch.
Der ßauptteil enthält öen Briefwechsel mit Goethe.
Voran gehen Briefe an unb von Goethes (Dutter,
unb ben 6cblufe bilben ein ergän3enbes Tage*
buch unb einige gan3 wunberfame Rnrufungen
bes €in3igen, bie wie Gebete klingen, reiner unb
weniger verworren als bie feurigen €hftaSen vom
Gipfel ber Begeifterung. €in leifes (Doli fcbleicbt
fich ein, unb wie ein wehmütiges Trauerlieb ift
ber Rushlang, bie I^lage über Goethes Tob. (Dan
hat Bettina einen Vorwurf baraus gemacht, ba^
fie bie hiftorifche Wahrheit in bem Briefwecbfel
vergewaltigt habe, bafe fie Goethes Briefe unb
ihre eigenen veränbert habe, um ben 3wechen
ihres Buches beffer 3U bienen. Befonbers beutet
man barauf bin, t>a^ Bettina eine Sälfcbung ver=
fucht habe, inbem fie Sonette Goethes in Profa
auflöfte unb in ben Cext ihrer Briefe verwob, um
fo ben Rnfchein 5u erwechen, als habe umgehehrt
Goethe jene Sonette aus ihren Briefen ge3ogen.
es ift klar, Bettina verftanb, wie feiten jemanb,
bie Runft 3U lügen, unb Oscar Wilbe, ber Cob^
rebner bes Cügens, hätte feine freube an ihr
haben bürfen. Rber Bettina ift eine naive Cüg=
nerin. Sie lügt nur, um bie Dinge hübfcher 3U
XIX
macben. Unö fie fagt es öen Ceuten in ihrem
allerliebften frankfurter Dialekt ja auch immer
felbft: „Sie muffe mir nicbt alles glaube, icb bin
fo verlege." 3uöem verfährt fie bei ber ßeraus^
gäbe 5es Briefwecbfels - tro^ ihrer früheren
Rbwehr - gan3 als Dichterin, inbem fie wegläfet,
was ben künftlerifcben CinÖruck fcbwäcben könnte,
unb hervorhebt, was ihn unterftü^t. Sie will ja
keine Sammlung literarbiftorifcber Dokumente,
fonbern ein Werk geben, in bem etwas von ben
Seelen eines gans grofeen (Dannes unb eines
gan3 feltenen Weibes 3u erfahren ift. So naiv
fie fcbeinen möchte, fo mangelt ihr boch nicht eine
tecbnifche Begabung, bie fie benutst. Cro^bem
fie nirgenbs bie Flüchtigkeit bes erften Gefühls,
ben Rei3 ber Cingebung verwifcht, fo komponiert
fie boch. Sie geftaltet nicht um, aber fie orbnet.
Unb aus Orünben ber Rompofition würben vieU
leicht auch bie Crwähnungen ihres Verhöltniffes
3u Rrnim ausgefchieben. Der Cinbruck ber völligen
Eingabe an ben €inen follte nicht geftört werben.
Der ßriefwechfel hatte einen ungeheuren Cr*
folg. 6an3 Deutfcblanb war voll bavon, unb ihr
Hame war an ben Goethes hinangewacbfen , fo
wie fie es immer in poetifchen Bilbern ausgemalt
hatte, wie eine 3arte Scblingpflan3e an ben mäcb=
tigen Baum. 3ur 3eit biefes Crfolges (1835) war
Bettina fünf3ig Jahre alt, lebte fcbon lange in
Berlin unb hatte nach glücklicher €he ben Gatten
verloren. Rufeer geliebten l^inbern hatte er ihr
bie Pflicht hinterlaffen, für bie ßerausgabe feiner
Werke 3u forgen. Hachbem fie fo lange ge-
il*
XX
fcbwiegen hatte, folgten nun bintereinanber eine
Rn3Qbl von Bücbern, in benen fie in Briefen an
freunde öie fcböne Sülle unb Sreuöigkeit ihrer
]ugenb 3eigt. Dem Rnbenhen ber Günöerobe
gilt bas unter öeren Hamen erfcbienene Buch
(1840), öann bem Bruöer „Clemens Brentanos
Srühlingsh?ran3" (1844). Bettina von Rrnim ge»
hörte 3u ben Srauen, bie nicht altern. Sie war
noch immer öiefelbe, voie in tollfter (Däbcben3eit.
Unb bas fonberbare Verhältnis, in bas fie 3um
f^önig von preufeen trat, erinnert in allen Stüchen
an ben Beginn unb Verlauf ihrer Besiehungen
3U Goethe. Bettina, bie niemals 3eitungen las
unb fich im allgemeinen um ben Cauf ber Welt=
begebenheiten wenig kümmerte, greift nun in bie
Politik ein. Sie wirb Politiherin aus Gefühl.
Um ihr Intereffe 3U erwecken, war immer eine
perfönlicbkeit notwenbig, ein lebenbiger (Denfcb,
womöglich ein (Denfcb, bem fie glaubte in irgenb-
einer Besiebung helfen 3U können. Diefe Perfön=
liebkeit, 3U ber fich Bettina unwiberftehlich hin=
gesogen fühlte, war ber f^önig von preufeen, bem
fie fcbon innerlich näher trat, als er noch Rron^
prin3 war. Sriebricb Wilhelm IV. war eine reiche
Hatur, voll ber mannigfacfaften Intereffen unb
ohne 3weifel ein bebeutenber Geift, freilich in
feinem Wollen wenig klar unb ohne Sinn für
Realitäten. Sein Unglück war, ^a^ er nicht in
feine 3eit pafete. Diefe ftürmifche Cpoche, in bie
er bineingeftellt war, erforberte (Dänner von
klarem Willen unb fefter f5anb. (Dan hat Sriebricb
Wilhelm ben Romantiker auf bem Chrone ge=
XXI
nannt. Von Öem Gottesgnabentum Öer f^önige
überseugt, folgte er bem 3uge aller Romantiher
in öie Vergangenheit 3urüch unb wollte bas
(Dünbigwerben bes Volt?es verbinbern. €s ift
nun fayt rübrenb an3ufeben, wie ßettina, bie bem
f^önig fo wefensverwanbt ift, ibm 3U belfen ver^
fucbt. Bis es immer beutUcber würbe, ba^ ber
f^önig bie von ben Ciberalen gebegten Hoffnungen
nicht erfüllen werbe, unb als er fich immer mehr
ber feubalen ßofpartei 3uneigte, fagte Bettina 3U
ihren freunben; „Wir muffen ben [^önig retten."
Das ift bie gan3e Bettina: hinbliches Vertrauen
in bie (Dacht bes Gefühls unb bes Wortes. Unb
bas in einer 3eit, bie nach nichts anberem als
Taten verlangte. Die Bemühungen Bettinas, ben
f^önig auf ben richtigen Weg 3U bringen, finb
wie bie ßilfe, bie ein Blinber bem anberen leiften
will. €s ift verwunberlich, ba^ in bem Buch, bas
fie bem f^önig wibmete, fo viel richtige unb ge^
funbe Öebanl^en 3U finben finb, wenn man fich
bie (Dübe nimmt, in bem grofeen Rubbelmubbel
3U ftöbern. Aber auch bas ift wie bei Blinben:
biefe Öebanhen finb nicht aus einer klaren Rn^
fchauung gel^ommen, fonbern aus bem ßefübl.
es ift wirklich viel Richtunggebenbes in biefem
Buch. Abolf 9tabr nennt es mit einer freunb^
fchaftlichen Übertreibung: „öeiftesbibel ber 3u^
kunft". Unb ODori^ Carriere ftellt fie 3U allen
übrigen Romantikern in Gegenfa^, als Vertreterin
einer „Romantik ber 3ukunft" gegenüber ben
Vertretern ber „Romantik ber Vergangenheit".
Sie „erbaut aus ben Rhnungen bes eigenen
XXII - m
Ber3ens ... als heiteren Cempelöienft öes leben^
öigen öcbönen" eine „Scbwebereligion", bei ber
es ber (Denfcbbeit wieöer wohl werben foll.
Bettinas Buch hatte öen Citel: „Dies Buch
gehört bem f^önige." Der f^önig nahm es aucb
anfangs wohlwollenö auf unö rettete es burcb
allerlei 3enfurfährlicbheiten , foll ficb aber fpäter
fehr abfällig geäufeert haben, namentlich als
ötahr bie revolutionären öeöanhen aus bem 6e=
ranh ber Worte Bettinas loslöfte unb als eigene
Broschüre erfcbeinen liefe. Crotsbem ent3og ihr
Sriebrich Wilhelm, in bem eine tiefe Chrfurcbt
vor allem geiftig Bebeutenben eingewurselt war,
feine ßunft nicht. Hoch einmal hält er feine ßanb
über fie, als bie 3enfur auch bei ber f5eraus=
gäbe bes nächjten Buches („Clemens Brentanos
Srühlingsl^rans" 1844) Schwierigheiten machte.
Die wichtigften Rngelegenheiten , bie Bettina
immer von neuem 3um Rönig führten, waren
für bitten für Verfolgte, ihr erster Bri^f an ben
f^ronprin3en vom Rpril 1840 enthält bie Bitte um
Intereffe für bie Brüber Grimm, bie in ber be*
kannten Angelegenheit ber „Göttinger Sieben"
ihrer Profeffur entfe^t worben waren. Der
nächfte, für ben fich bie Bettina verwenbet, ift
ber fchlefifche 5abriNbefit3er Schlöffel, ber in gan3
lächerlicher Weife von ber poli3ei 3U einer wich:=
tigen unb gefährlichen Perfon gemacht worben
wer. Ruhige Bebachtfamkeit , Überlegung, Rh*
fchä^ung ber Realitäten, kaltblütige €rwägung,
ob ber in Schut3 Genommene auch beffen wert
fei, waren Bettina fremb. €s genügte, ^q^ jemanb
es — XXIII
in Hot war, bie frage nacb feiner Scbulö wuröe
niemals aufgeworfen, niemals l^am Bettina bas
Bedenken, Öafe fie ficb Öurcb ihre für bitte Öie
Öunft öes Königs verfcbersen könnte. 60 fe^te
fie f icb im ]abre 1 847 für Öen polnif eben Revolutionär
(Dieroslawski ein, weil feine öcbwefter fie Öarum
anflehte. Der l^önig, Öer ibre Beweggründe gan3
gut burcbfcbaute, fcbreibt ibr: „bafe ein intrigantes
Weib Sie besaubert, weil fie febr unglüchlicb
ift, begreife icb." Docb einmal wirb fie Öurcb
eine unglückliebe frau bewogen, ben f^önig um
eine önabe ansufleben. 'Johanna l^inkel wanbte
ficb, als ibr Gatte 6ottfrieb f^inkel im Jahre 1849
auf bie fcbwerften Bnfcbulbigungen bin gefangen
genommen worben war, an Bettina. Der f^önig,
burcb bie Vorgänge ber Revolution gereist, be*
barrte nocb ftrenger als bisher auf feiner Bn*
fcbauung vom Wefen bes f^önigtums. l^inkel war
ba3U nicht blofe ein politifcber Verbrecher, fonbern
aucb ein ßottlofer. 3wifchen bem Rönig unb
Bettina entfpinnt ficb nun über Kinkel eine lang*
wierige l^orrefponbens. Der I^önig ftellt entebrenbe
Bebingungen für bie Begnabigung unb behauptet,
ficb felbft bei beren Erfüllung nicht für bie Rettung
[Kinkels verbürgen 3U können. Ruf feiner Seite
wirb ber ^on bes Briefwecbfels immer fchärfer,
unmutiger, auf Seite Bettinas immer kühner unb
freier. Diefe let3ten Briefe ber Vierunbfech3ig=
jährigen an ben l^önig gehören 3U "ben gröfeten
Stücken in ihrem Cebenswerk. Hie ift einem
F5errfcber mit größerer Offenheit entgegnet worben,
nie bat ein Untertan feine (Deinung mit folcbem
XXIV — a
f reimut 3U verteibigen gewagt. (Dan weife nicbt,
ob Bettinas Da3wifcbentreten öas öcbichfal Rinhels
beeinflußt bat. €r würbe vom Rriegsgericbt in
Raftatt 3U lebenslänglicber feftungsftrafe ver=
urteilt; ^riebricb Wilhelm wandelte öas Urteil in
Gefängnis um. Docb würbe f^inhel fcbon im
Rovember 1850 burcb f^arl 5cbur3 befreit.
Wenn öas Ceben Bettinas mit bie^em legten
großen Buftritt, bei bem fie einen Rönig als
partner hatte, gefcbloffen hätte, fo wäre man ver^
[ucbt, von einem vollenbeten Scbauf piel 3U fprecben.
Rber ber ftarhe Crieb 3um Ceben erhielt fie nocb
3ehn Jahre länger, bis 3U jener bunkeln unb
fcbwermütigen Hacbt vom 19. auf ben 20. Januar
1859, ba fie in Berlin ftarb.
Bettina war eine ber merkwürbigften f rauen
ber Romantik, fcbeinbar losgelöft von allen Be=
benhlicbkeiten ihres Öefcblecbtes unb bocb auch
wieber fo vollkommen §rau, ^a^ fie alle Dinge
biefer Welt nach ben €ingebungen ihres Gefühls
beurteilte, ein Rinb, bas verlangenb nach bem
(Donbe greift, unb eine Prophetin, ber ficb bie
3uhunft in Rhnungen ankünbigte. Unb bas war
bas Größte an ihr, ba\s fie ihre fehler - unb beren
waren viele - mit ber gleichen Selbftverftänblicb^
keit bekannte, wie fie ihre Vor3Üge ohne falfcbe
Befcbeibenheit an bas Cicbt ftellte.
I^arl föans Strobl.
ai^ni^Di^Di^ni^D
Jn ben Briefbücbern Öer Bettina von Rrnim
finb öie im Ranhenwerh ihres tropifcben
Stils wie fruchte fi^enöen Oefchicbtchen
nicht 3U überfeben.
Wir wiffen, was wir von ben Büchern Öer
Bettina 3U halten haben, wie fich in ihnen Wahr*
heit un5 Dichtung feltfam begegnen unb mifcben.
Was von öen Briefen im allgemeinen gilt, gilt
befonöers von öen Öefchichten.
Von bebeutenben Perfönlichheiten treten in bie=
f en kleinen 6ef chichten auf : Goethe, öie f rau Rat,
f5erber, Jacobi, ber alte Stabion, Beethoven. Dürfen
wir bie Geschichten, bie Bettina von ihnen 3U ersählen
weife, als Beiträge 3U ihrer PJvchologie anfehen ?
Die Bettina war in ihrer elektrischen unb elek^
trifierenben Cigenart, mit ihrer Rnlage 3U phanta*
ftifchen Spielen nicht geschaffen, um ber hiftori^
fcben Cbrlichkeit willen auf eine ihr beffer paffen^
be, Schalkhaftere ober liebenswürbigere Wenbung
ihrer eigenen Crfinbung 3U ver3ichten.
Aber eben bie Rnmut ihrer €rfinbungsgabe
wirb nirgenbs beutlicber unb ftrahlenber als in
biefen kleinen Geschichten, Ski33en unb Hovellen-
fragmenten. f5ier hat ihre Phantasie bie höcbfte
Brillan3, ihr fSumor bie luftigsten Rügen.
Dem CeSer nun eine Reihe ber Schönsten Ge^
Schiebten aus bem gansen umfangreichen ODaterial
XXVI
au53UWQblen unb in abgefcfoloffener §orm öem
inneren 3ufammenbange nacb georbnet 3u bieten,
war unfere Bbficbt. Diefes Bucb wenbet ficb an
ben Öeniefeenben, ber ficb an bem feinfübligen
Ceben ber Romantih unb an ben Reisen anmutiger
Crsäblungshunft 3U erfreuen verftebt.
(Dag bie ber Romantik nacbfolgenbe 3eit bes
CDaterialismus in ibrem nücbternen Beftreben,
unter allen Umftänben nur nachte Wabrbeit wiffen
3U wollen , bie bilberreicben Briefe ber Bettina
von vornberein als nur erbicbtet gewertet baben,
fo liegt bocb gerabe barin, wie bier Tatfäcblicbes
unb €rbacbtes burcbeinanbergeflocbten ift, ibr
Rei3. Die ungestüme (Dunterl^eit unb Ceicbtigkeit,
mit ber fie ersäblt; bie Virtuofität, mit ber fie,
obne vorbringlicb 3U werben, ibre Pointen an*
bringt; bie Sicberbeit, mit ber ein Öefcbicbtcben
oft bramatifcb aufgebaut ift: alles bies gibt eine
ent3Üchenbe (Difcbung von Haivität unb l^oketterie,
von Unbefangenbeit unb Bewufetbeit, cbarahte-
rifiert aber aucb bie Bettina felbft.
€s gibt gan3 ibyllifcbe 6timmung5fhi33en in
biefer Buswabl ; fatirifcbe 5cber3e, barmlofe 5cbä*
kereien unb aucb feltfam bewegte 63enen. Der
f5auptrei3 aber ftrablt immer von ber öcbreiberin
felbft aus. €s ift ber Sauber einer poetifcben Inbivi»
bualität. Die Bettina verftebt 3U ersäblen, poetifcb
3U er3äblen. Im I^omponieren, f^onbenfieren, Buf=
bauen ift fie gleicb ftark ; fie verftebt es 3ufammen*
3U3ieben unb aus3ufpinnen, Haturvorgänge färben*
fatt 3U fcbilbern, perfonen 3U cbaraMerifieren
unb ^Q3 (Dilieu fcbarf 3U hontflrieren unb ab*
BS - XXVII
3ufcbattieren. Deshalb bilben biefe Gefcbicbtcben,
wo immer wir fie in öen Briefen vorfinden, einen
ßöbepunkt (Dag es fonft mancbmal fcbwer
werben, ficb in bem Irrgarten pbilofopbifcber,
Uterarifcber, l^unjthritifcber Ibeen ber Bettina 3Us
recbt3uf inben , in ihrer romantifcb verworrenen
Gefühls^ unb Vorftellungswelt feften Sufe 3U faffen,
in ben er3ählungen haben wir Plattformen bes
Rusruhens, von wo bem Blich fcböne Höhen unb
klare fernen eins werben. (Dit Behagen halten
wir Rusfchau über ein Canb', bas uns heute oft
fo weit entrücht erfcbeint, unb nach bem uns f^inber
einer aufgeregteren, nervöfen 3eit 3arte Säbcn ber
Sehnfucbt immer wieber hin3iehen, als juchten wir
Ruhe bort in jenem Canbe, bas eine milbere öonne
überftrahlt, ^e\\en Höcbte ein traulicher (Donb*
fcbein überriefelt, unb unter beffen (Denfchen wir
unfere jagenben Pulfe ruhiger werben fühlen.
Unfer Buch ift für ^en öeniefeenben beftimmt.
Wir haben baher bie ausgewählten Gefcbicbtcben
nach Gruppen 3ufammengeftellt. Selbftverftänb«
lieb «rgab ficb bie Hotwenbigheit einer 3ufammen=
3iehung ein3elner €r3ählungen, fowie bie not=
wenbigkeit, ihnen eigene t:itel 3U geben. Unb ^a
ficb bas Bucb an bie Geniefeenben wenbet, untere
liefeen wir es auch, eine Rrt erhlärenben Regifters,
etwa burcb nähere Be3eichnung ber in ben €r*
3ählungen vorhommenben perfonen unb €reigs
niffe, an3ufügen. Soweit perfönlicbheiten wie
Goethe, ßerber u. a. in Betracht kommen, waren
ja wohl bergleicben Hoten überhaupt nicht nötig,
unb follte ber Cefer Zia unb bort ihm unbekannte
XXVin — ea
Perfonen finöen, fo wirb ihm bies ben Öenufe
an ben in Stimmungegebalt unb Scbreibweife
gleicbrei3enben €r3äblungen bocb haum verberben.
Das fprubelnbe er3äblertalent ber Bettina, ibre
frifcbe muntere Rrt wirb wobl über berartige Be*
benhen, benen ab3ubelfen binreicbenb anbere
Werl^e 3ur Verfügung fteben, leicht binwegbelfen.
Unfere Sammlung will ja kein literarifcbes ßanb*
buch fein.
Wir wollen in einer neuen form ber Bettina
Briefe, in benen Öoetbe „ein gan3es Bilberbucb
berrlicber, allerliebfter Vorftellungen" fanb, Deut*
fcbe lefen laffen. ßatte Wilbelm Scberer mit ber
Behauptung recht, ba^ ber Germane einen eigenen
Rei3 an bem Charakteriftifchen finbe, bann bürfte
bie Bettina ben beutfchen Cejerinnen ein wilU
l^ommener Öaft fein.
Heben ben öefchichtchen, bie ficb in ben bem
beutfchen publil^um leichter 3ugänglichen Büchern
ber Bettina („Briefwechfel Ooetbes mit einem
Rinbe" bei Reclam unb neueftens bei Cugen
Dieberichs, 3 Bänbe, unb „Die Oünberobe", .eine
neue Busgabe von Paul Crnft im Infel = Verlag,
2 Bänbe) finben, ift auch eine grofee Rn3abl von
folchen aus ben nicht wieber aufgelegten Werl^en
aufgenommen worben. Vor allen bat „Clemens
Brentanos f rüblingshran3" eine Rn3abl en^üchen-
ber poetifcher Rleinobe geliefert, fluch aus „)lins
Pampbilius unb bie flmbrofia" unb bem „f^önigs*
buch" finb öefchichten in bie Sammlung ein--
gegangen.
föatten wir bei ben 3ugänglicheren Büchern
sa ==============^====== XXIX
ber Bettina blofe bie Cefcbicbtcben aus bem
Ranhenwerk los3ulöfen, fo wirö mit Öen anbern
bem Cefer 3ugleicfo aucb Öae Scbönfte aus Bücbern
geboten, bie nocb im Staube ber Bibliotheken
auf ihre Ruferftebung warten.
(Deine einbegleitenben Worte fcbliefeenb, füge
icb nocb bei, bafe wir uns binficbtlicb ber Rechte
fcbreibung an bie je^t geltenben Regeln hielten,
was uns, um bem Bucbe €inbeitlicbkeit 3U geben,
notwenbig erfcbien. Die Recbtfcbreibungen ber
verfcbiebenen Werke, bie wir benu^ten, weicben
von einanber bebeutenb ab, fo lia^ ein f eftbalten
an ben Originalen vielleicht ftörenb gewirkt hätte.
Hur in ber €r3ählung „Die €hrenkette" blieb bie
urfprünglicbe Schreibart unveränbert, ^a bort
bialektifche formen auftreten, bie bem Öefchicht*
eben eine eigenartige Präge geben unb bie burcb
(Dobernifierung ber Rechtfcbreibung verwifcht
worben wären.
Brunn, Jänner i907.
I^arl Wilhelm f ritfcb.
D
AVAV } n b a l t VA VA
a^
D
A A A
A A A
Perfönlicbheiten
Reife 3U Goethe unb Befucb in Weimar (aus „Ooetbes
Driefwecbfeb)
Befucb im ßotel (aus ^öoetbes Driefwecbfel") .
(Dit Goetbe im Part^ (aus „Ooetbes Briefwecbfel") .
]n öer Hacbt (aus „Goetbes Briefwecbfel") .
Von einer berübmten 5rau (a. „Goetbes Briefwecbfel")
erfte Begegnung mit ber Günberobe (aus ber
„Günberobe")
]n ber flacbt auf bem Rbein (aus ber „Günberobe")
Die Günberobe (aus „Goetbes Briefwecbfel'')
Jacobi (aus „Goetbes Briefwecbfel") ....
Befucb bei Beethoven (aus „Goetbes Briefwecbfel")
Die ebrenJ^ette (aus bem „f^önigsbucb") .
Goetbes ODutter unb Rarl VII. (aus „Goetbes Brief
wecbfel")
Vom alten Stabion (aus ber „Günberobe") .
Ran3ler unb Rurfürft (aus ber „Günberobe") .
Rus höheren Schichten
fäofluft (aus ber „Günberobe")
CDr. fjaife aus ber „Günberobe")
f5ocb3eit m föaufe (aus „Brentanos Srühlingshrans")
Seft am Heujahrstag (aus „Brentanos Srüblings»
hran3")
Die emigranten (aus ber „Günberobe") ....
Seite
3
10
12
14
17
20
22
24
36
40
42
67
74
77
83
89
93
%
101
Romantik bes föersens unb ber Welt
Blumen im Rlofter (aus „Goethes Briefwecbfel") . 105
Rus bem Rlofter (aus „Goetbes Briefwecbfel") . 108
€ine Geiftergefcbicbte in Goetbes Samilie (aus
„Goetbes Briefwecbfel") 112
ea - XXXI
Seite
Gute Oeifter (aus „Goethes ßriefwecbfel") . . 114
Der Scbäfer von Bingen (aus „Goethes Driefwecbfel"
Stau öe Gacbet (aus „Brentanos Srühlingskrans"
Die arme Srau (aus ber „Günberoöe") .
Der ]ube (aus ber „Günberobe") ....
Das Jubenmäbcben (a. „Brentanos ffrühlingsl^rans"
ein Ausflug in bie Wilbnis (aus „Goethes Brief
wecbfel")
Sonntagsmorgen (aus ber „Günberobe")
Eisgang (aus „Goethes Briefwecbjel")
Auf ber (Dainterraffe (aus ber „Günberobe")
Gebanhen auf ber Pappel (aus ber „Günberobe
Die Hacbtigall (aus „Goethes Briefwechsel") .
Baumfrevel (aus ber „Günberobe") .
€in Ball (aus „Brentanos 5rühlingst?ran3") .
Tonkünjte (aus „Brentanos Srühlingskrans")
phantaftifcbe Spiele (aus ber „Günberobe")
149
153
159
162
164
167
171
175
179
132
Ciebesgefcbicbten
Die brei f^üjfe (aus „Goethes Briefwedifel") . . 187
Die Silberbirhe (aus ber „Günberobe") .... 201
Rbf<±)ieb (aus ber „Günberobe") 207
Der Gärtner (aus ber „Günberobe") 211
Die ODarburger Stubenten (aus ber „Günberobe") 222
Der €nglänber (aus „Goethes Briefwecbfel") . . 225
Unter Sreunbinnen (a. „Brentanos Jrüblingskrans") 229
Der tiroler (aus ber „Günberobe") 234
Reifeabenteuer
Rbenteuer am Rhein (aus „Goethes Briefwecbfel") 237
Das eicbhörncben unb bie Scbwimmtour im fOain
(aus „Goethes Briefwecbfel") 240
Die wunberlicbe Kofehur (aus „Jlius pampbilius") . 245
Die Wunbernacbt (aus ber „Günberobe") ... 254
öonberbare [^QU3e
Raritäten (aus „Brentanos Srühlingskranj") . . 263
XXXII ===============================^^ 0
Seite
Ceonbaröi (aus „Brentanos SrübUngskrans") . 267
Der (Dann mit ber Slugmafcbine (aus „Brentanos
Srüblingshrans") 270
6treicbe unb 6cbwänke
Scbabernack (aus „Goetbes Briefwecbfel")
Auf ?cbmaler Brüche (aus „Ooetbes Briefwectofel")
€in Bab (aus öer „öünberobe") . . . . •
Die ejelspartie (aus öer ^Günberoöe") .
Vom Rberlaffen (aus ber „Günberobe") .
Srau ßocbs Hacbtgebet (aus ber „Günberobe") .
Das Wetterbacb unb fäerr flrenswalb (aus ber
„Günberobe")
Beim Primas (aus ber „Günberobe")
Stubentenl^omöbie (aus ber „Günberobe") ,
Der 3auberring (aus „Brentanos Jrüblingshrans")
Seuer in ber Blaufärberei (aus „Brentanos Srüb
lingshrans")
(Dännewei (aus „Brentanos Srüblingshrans") .
275
278
280
283
288
290
293
298
300
303
307
310
C=3
j_j
C=J
=3
,_,
J_3
1 !_,
ca II =3
ca
ca
o
o
o
o
o
o
o
o
o
o
o
g
o
g
o
=3
o
C=I
o
ca
o
ca
o
ca
o
ca
o
=3
g
t=3
,_,
cn
C=I
,_,
C3
ca
ca
o
o
o
o
o
o
o
1 o
o
o^
^o
o
o
o
o
t=a
C=3
C=l
ca
o
o
o
o
o
o
g
o
o
C=3
o
Perfönlicbheiten
o
ca
o
o
o
o
g
ca
o
o
o
o
r Rr^ b'°
ca
o
o
o
l=>
r^^^
=3
o
1=3-
o
o
O 1 o
o
"o
o
o
o
o
o
o
o
o
g
g
o
g
o
o
g
1=3
1=1
C3
ca
ca
"^
ca
r—,
r-.
r— 1
1—1
=3
ca
1 — ,
r— 1
ca
; ,
C=a
o
o
o
o
o
o
o
o
o
/s
o
o
o
o
o
o
g
g
g
o
6
o
l^'
1=3
■=■
ca
ca
ca
C3
C3
C=I
CZ3
1=]
1 ca
ca
cz,
ca
ca
C3
o
o
o
o
o
o
o
o
o
o
o
o
o
g
o
o
g
o
g
g
g
g
C=J
C=l
=
c=)
ca
C=]
, — ,
1—1
r— 1
CZl
__,
r-.
ca
ca
ca
ca
o
o
o
o
o
o
o
o
o
o
o
o
o
g
o
g
g
o
g
o
o
o
1=1
ca
ca
ca
ca
C3
C3
[=3
C=3
C3
=
ca
ca
ca
i_j
ca
o
o
o
o
o
o
o
o
o
o
o
o
g
o
o
o
o
g
o
g
g
g
•^
=■
•^
=
ca
CID 1
<— ,
t=J
r— 1
ca
ca
ca
ca
ca
r— ,
1 — ,
o
o
o
o
o
o
o
o
o
o
o
o
g
o
g
o
o
o
g
o
g
g
C3
1=3
C=I
ca
ca
ca
1=3
1 — 1
1—1
j_j
1=3
r—,
ca
r-i
r-.
ca
ca
o
o
oj
o
o
o
o
o
o
o
o
o
o
o
g
o
g
g
g
g
o
o
C3
•=3
c=3
C=3
ca
ca
C3
C=]
ca
C3
ca
ca
ca
C3
C3
c-,
ca
o
o
o
o
o
o
o
o
o
o
o
o
C3
o
=3
g
o
1=3
g
g
o
ca
g
2
o
2
ca
CD
j-,
c-,
C=3
ca
ca
ca i
o ;
o
o
o
o 1
o
o
o 1
o 1
o ;
o
o i
o
o
o
O i
o
o
o
o
o i
o
C= ,; =, 1
C3
= c= 11 c=, II c= 1
c=3 1 ca II
= 1 = 1
fritfcb'StrobI
0
I I
D O
eife 3U Goethe unb ßefucb
in Weimar o o o o
D DI
Icb lieg fcbon eine Weile im Bett, unb ba treibt
micb's heraus, bafe ich Ibr alles fcbreib von
unferer Reife. — leb bab Ibr ja gefcbrieben, öafe
wir in männlicber l^leiöung Öurcb bie Rrmeen
paffierten. Gleicb vorm Zox liefe uns ber öcbwager
aussteigen ; er wollte feben wie bie f^leibung uns
ftebe. Die Cullu*) \ab febr gut aus, benn fie ift
prächtig gewachfen, unb bie f^leibung war febr
paffenb gemacht; mir war aber alles 3U weit unb
3U lang, als ob icb's auf bem 6rempelmarht er«
l^auft hätte. Der Schwager lachte über mich unb
fagte, ich fäbe aus wie ein Savovarbenbube, ich
l^önnte gute Dienfte leiften. Der l^utfcher hatte
uns vom Wege abgefahren burch einen Walb, unb
wie ein f^reu3weg kam, ^a wufet er nicht wo
hinaus ; obfchon es nur ber Rnfang war von ber
gan3en vier Wochen langen Reife, fo batt ich
boch Bngft, wir könnten uns verirren unb kämen
bann 3U fpät nach Weimar; ich klettert auf
bie höchste tianne, unb ha fah ich halb, wo bie
Cbaufjee lag. Die gan3e Reife bab ich auf bem
Bock gemacht; ich hatte eine (Düt5e auf von
§uchspel3. Der f uchsfchwan3 hing hinten herunter.
Wenn wir auf bie Station kamen, fchirrte ich bie
•DDD-
') Bettinas Scbwefter, bie Gattin Savignys.
1*
pferbe ab unb half auch wieber anspannen. (Dit
öen Poftillions fpracb icb gebrochen Deutfcb, als
wenn icb ^ronsofe war. Im Bnfang war fcbön
Wetter, als wollt es Frühling werben, balb wurb
es gan3 halter Winter; wir harnen burcb einen
Walb von ungeheuren Siebten unb Tannen, alles
bereift, untabelbaft; nicht eine (Denfchenfeele war
bes Weges gefahren, ber gan3 weife war ; noch oben:=
brein fehlen ber (Donb in biefes veröbete 6ilber=
parabies, eine TTotenftille - nur bie Räber pfiffen
von ber Rälte. Ich fafe auf bem Rutfcherfit5 unb
hatte gar nicht halt ; bie Winterhält fchlägt f unhen
aus mir; - wie's nah an bie (Ditternacht rüchte,
i>CL hörten wir pfeifen im Walbe ; mein Schwager
reichte mir ein piftol aus bem Wagen unb fragte,
ob icb (Dut habe los3ufchiefeen , wenn bie 5pit3=
buben hommen; ich fagte ja; er fagte: „öchiefeen
Sie nur nicht 3U früh." Die Cullu hatte grofee
Rngft im Wagen; ich aber unter freiem ßimmel,
mit ber gespannten piftole, ben Säbel umgeschnallt,
un3ählige funhelnbe Sterne über mir, bie blit5enben
Bäume, bie ihren Riejenfchatten auf ben breiten
monbbefchienenen Weg warfen - bas alles machte
mich hühn auf meinem erhabenen Si^e. - Da
bacht ich an ihn, wenn ber mich in feinen 3ugenb=
jähren fo begegnet hätte , ob bas nicht einen
poetifchen €inbruch auf ihn gemacht haben würbe,
^a^ er Cieber auf mich gemacht hätte unb mich
nimmermehr vergeffen. Je^t mag er anbers benhen
- er wirb erhaben fein über einen magifchen
Cinbruch; höhere €igenfchaften (wie foll ich bie
erwerben?) werben ein Recht über ihn behaupten.
tZi
Wenn nicbt treue - ewige, an feine Schwelle
gebannt, mir enölicb ihn erwirbt! So war ich in
jener halten, bellen Winternacbt geftimm^, in öer
icb keine Öelegenbeit fanö, mein Gewehr los3U:=
fcbiefeen; erft wie ber Zag anbradD, erhielt ich
€rlaubnis los3Uörüchen. Der Wagen hielt, unb
ich lief in ben WMlö unb fchofe in bie bichte €in=
famheit Ihrem Sohn 3U €hren mutig los ; inbeffen
war bie Rchfe gebrochen ; wir fällten einen Baum
mit bem Beil, bas wir bei uns hatten, unb hnebeU
ten ihn mit Strichen fest; ha fanb benn ber
Schwager, ha^ ich fehr anftellig war, unb lobte
mich. So ging's fort bis (Dagbeburg; prä3is
7 Uhr abenbs wirb bie feftung gefperrt; wir hamen
eine (Dinute nachher unb mufeten bis ben anbern
(Dorgen um fieben halten ; es war nicht fehr halt,
bie beiben im Wagen fchliefen. In ber Hacht
fing's an 3U fchneien; ich hatte ben (Dantel über
ben f^opf genommen unb blieb ruhig fit3en auf
meinem freien Sit3e; am (Dorgen guchten fie aus
bem Wagen, ha hatte ich mich in einen Schnee*
mann verwanbelt; aber noch eh fie recht er=
fchrechen honnten, warf ich ben (Dantel ab, unter
bem ich recht warm gefeffen hatte. In Berlin war
ich wie ein Blinber unter vielen (Denfchen, unb
auch geiftesabwefenb war ich, an nichts honnt
ich teilnehmen; ich fehnte mich nur immer nach
bem Dunhel, um von nichts 3erftreut 3U fein, um
an bie 3uhunft benhen 3U hönnen, bie fo nah
gerücht war. Reh, wie oft fchlug es ba Rlarm! -
plöt5lich, unverfehens, mitten in bie ftille Ruhe,
icb wufete nicht von was. Schneller, als ich's
benhen konnte, hatte mich ein füfeer Scbrechen
erfafet. O (Dutter, (Dutter! Denk Sie an Ihren
öohn ! Wenn 5ie wüfete, Sie follte ihn in hur3er
3eit fehen, Sie war auch wie ein Bli^ableiter, in
ben alle Gewitter einfchlügen. Wie wir nur noch
wenige (Deilen von Weimar waren, ba jagte mein
Schwager, er wünjche nicht ben Umweg über
Weimar 3U machen unb lieber eine anöere Strafee
3U fahren. Ich fchwieg ftille, aber bie Cullu litt
es nicht; fie jagte, einmal war mir's versprochen,
unb er müfete mir Wort halten. Fid:) (Dutter! -
Das Schwert hing an einem ßaar über meinem
ßaupte, aber ich ham glücklich brunter weg.
In Weimar kamen wir um 3wölf Uhr an ; wir
afeen 3U (Dittag, ich aber nicht. Die beiben legten
jich aufs Sofa unb jchliefen; brei Dächte hatten
wir burchwacht. „Ich rate Ihnen", jagte mein
Schwager, „auch aus3uruhen; ber Goethe wirb
jich nicht viel braus machen, ob Sie 3U ihm kommen
ober nicht, unb was Bejonberes wirb auch nicht
an ihm 3U jehen jein." f^ann Sie benken, "öa^ mir
bieje Rebe allen (Dut benahm? - Reh, ich wufete
nicht, was ich tun jollte, ich war gans allein in
ber fremben Stabt; idD hatte mich anbers an=
gekleibet, ich jtanb am fenjter unb jah nach ber
Turmuhr; eben jchlug es halb brei. - 6s war
mir jo, als ob jich Goethe nichts braus machen
werbe, mich 3U jehen; es fiel mir ein, ^a^ ihn
bie Ceute jtol3 nennen; ich brückte mein ßer3 fejt
3ujammen, ba^ es nicht begehren Jolle, - auf
einmal jchlug es brei Uhr. Unb ^a war's boch
auch gerab, als hätte er mich gerufen; ich lief
hinunter nacb Öem Cobnbeöienten , Nein Wagen
war öa. eine Portecbaife? Hein, fagt icb, bas
ift eine Cquipage fürs Casarett. Wir gingen 3U
Sufe. €s war ein wahrer Scbol^olaÖenbrei auf
öer Strafe; über öen öichften (Doraft mufete icb
mich tragen lajfen, unö fo harn icb 3U Wielanb,
nicht 3U Ihrem 6obne. Den Wielanb hatte icb nie
gef eben ; icb tat, als fei icb eine alte Bekanntfchaft
von ihm, er bejann fich hin unö her unb fagte:
„Ja, ein lieber bekannter €ngel finö 6ie gewife,
aber ich hann mich nur nicht beginnen, wann unb
wo ich 5ie gefehen habe." Ich fcber3te mit ihm
unö fagte: ,Je^t hab ich 's herausgekriegt, bafe
Sie von mir träumen, benn anberswo können Sie
mich unmöglich gegeben haben." Von ihm liefe
icb mir ein Billett an Ihren 6ohn geben, icb
hab es mir nachher mitgenommen unb 3um Rn=
benhen aufbewahrt; unb hier fchreib ich's Ihr ab.
„Bettina Brentano, öophiens
öcbwefter, (Daximilianens Tochter,
Sophie Ca Rochens €nkelin wünfcht
Dich 3U fehen, l. Br., unb gibt vor, fie fürchte
ficb vor bir, unb ein 3ettelcben, bas icb ihr
mitgebe, würbe ein Talisman feyn, ber ihr
(Dut gäbe. Wiewohl icb 3iemlicb gewife
bin, ^a^ fie nur ihren 5pafe mit mir treibt,
fo mufe icb boch thun, was fie haben will,
unb es foll mich wunbern, wenn Dir's nicht
ebenfo wie mir geht.
Den 23. Rpril 1807. W."
8
(Dit öiefem Billett ging ich bin, bas ßaus liegt
bem Brunnen gegenüber; wie raufd^te mir öas
Waffer fo betäubend ich kam bie einfache treppe
hinauf, in öer (Dauer ftehen Statuen von Gips;
fie gebieten Stille. - 3um wenigften ich hönnte
nicht laut weröen auf öiefem heiligen föausflur.
Rlles ift freundlich unb boch feierlich. In öen
3immern ift bie höchfte Cinfachheit 3U ßaufe, ach
fo einlabenb! fürchte bich nicht, fagten mir bie
befcheibenen Wänbe, er wirb l^ommen unb wirb
fein unb nicht mehr fein wollen wie bu - unb
^a ging bie Züv auf, unb ^a ftanb er feierlich
ernft unb fah mich unverwanbten Bliches an ; ich
ftrechte bie ßänbe nach ihm, glaub ich - halb
wufet ich nichts mehr, Öoetbe fing mich rafch auf
an fein ßer3. „Rrmes f^inb, bab ichSie er-
f ehr eckt," bas waren bie erften Worte, mit benen
feine Stimme mir ins f5er3 brang; er führte mich
in fein 3immer unb fet3te mich auf bas Sofa fich
gegenüber. Da waren wir beibe ftumm; enblich
unterbrach er bas Schweigen: „Sie haben wohl
in ber 3eitung gelefen, ^a^ wir einen grofeen Ver=
luft vor wenig Tagen erlitten haben burch ben
tob ber f5er3ogin Bmalie." „Reh!" fagt ich, „ich lefe
bie 3eitung nicht." — „So! - ich habe geglaubt,
alles intereffiere Sie, was in Weimar vorgehe." -
„Hein, nichts intereffiert mich, als nur Sie, unb ^a
bin ich viel 3U ungebulbig, in ber 3eitung 3U
blättern." — „Sie finb ein freunbliches f^inb." -
Cange paufe - ich auf bas fatale Sofa gebannt,
fo ängftlich. Sie weife, ha^ es mir unmöglich ift,
fo wobler3ogen ba3ufi^en. - Reh (Dutter! f^ann
man ficb felbfi fo überspringen ? - leb fagte plö^l^
lieb: „löier auf 5em 5ofa l^ann icb nicbt bleiben,"
unö Sprang auf. - „Hun!" fagte er, „macben Sie
ficb's bequem;" nun flog icb ibm an ben ßals, er
30g micb aufs f^nie unb fcblofe micb ans ßer3. -
6tiU, gan3 füll war's, alles verging. Icb batte fo
lange nicbt gefcblafen; Jabre waren vergangen
in öebnfucbt nacb ibm — icb fcblief an feiner
Bruft ein ; unb öa icb auf gewacbt war, begann ein
neues Ceben. Unö mebr will icb Ibr öiesmal
nicbt fcbreiben.
0 0 0
efucb im föotel o o o o j
0O=OD DO=OD GO=O0 Ool
rzannft Du Dir keinen Begriff machen, mit
■ 'S welchem ]ubel Me (Dutter mich aufnahm?
So wie ich hereinkam, jagte fie alle fort, öie bei
ihr waren. „Hun ihr ßerren," fagte fie, „hier
kommt jemanö, öer mit mir 3U fprechen hat," unb
\o mufeten alle 3um tiempel hinaus. Wie wir
allein waren, follte ich er3ählen, - öa wufet ich
nichts. Rber wie war's, wie Du ankamft? —
6an3 mijerabel Wetter. - Vom Wetter will ich
nidDts wiffen; - vom Wolfgang; wie war's, wie
Du hereinkamst ? 1 ch kam nicht ; e r kam ; - nun
wohin ? - in öen Clefanten, um (Ditternacht, örei
Treppen hoch ; alles fchlief jchon feft, öie Campen
auf öem flur ausgelöscht, öas Tor verfchloffen,
unb öer Wirt hatte Öen Schlüffel fchon unterm
Ropfkiffen unb fchnarchte tüchtig. - Dun, wie kam
er benn öa herein? - Cr klingelte 3weimal, unb
wie er 3um drittenmal recht lang an ber Rlingel
30g, ba machten fie ihm auf. - Unb Du? - Ich
in meiner Dachftube merkte nichts bavon ; (Deline
lag fchon lange unb fchlief im Blkoven mit vor=
gesogenen Vorhängen; ich lag auf bem 5ofa unb
hatte bie ßänbe überm f^opf gefaltet unb fah,
wie ber Schein ber Hachtlampe wie ein großer
runber (Donb an ber Decke fpielte; 1>Q hört ich's
rafcheln an ber tür, unb mein Iöer3 war gleich
S29 =: = 11
auf bem flech; es hlopfte wäbrenb ich laufcbie,
aber weil ee bocb 90113 unmöglicb war in öiefer
jpäten 5tunöe, unÖ weil es gan3 ftiU war, fo bort
icb nicbt auf mein abnenöes ßers; - unb batrat
er berein, verbüllt bis ans Rinn im (Dantel, unb
macbte leife Öie tlür binter ficb 3U unö fab jicb
um, wo er micb finben follte ; icb lag in ber Gehe
bes Sofas gan3 in finfternis eingebaut unb
fcbwieg; "bo, nabm er feinen ßut ab, unb wie icb
bie Stirne leucbten fab unb ben fucbenben Blich,
unb wie ber (Dunb fragte : Hun, wo bi jt Du benn ?
"bOi tat icb einen leifen Scbrei bes entyet3ens über
meine öeligheit, unb "bOi bat er micb aucb gleicb
gefunben.
Die (Dutter meinte, bas würbe eine fcböne
Gefcbicbte gewoi'ben fein in Weimar. Der ßerr
COinifter um (Ditternacbt im €lefanten brei Treppen
bocb eine Vijite gemacbt! - 3a, wobl ift bie 6e=
jcbicbte fcbön; je^t, wo icb fie bier überlefe, bin
icb ent3Ücht, überrafcbt, bingeriffen, "bo!^ mir bies
all' begegnet ift, unb icb frag Dieb : Welcbe ötunbe
wii*b fo fpät fein in Deinem Ceben, "bo!^ es nicbt
Dein ßer3 nocb rubren follte? - Wie Du in ber
Wiege lagft, Xid l^onnte hein (Denfcb abnen, was
aus Dir werben würbe, unb wie i cb in ber Wiege
lag, "ho. bat mir's l^einer gefungen, "bo!^ icb Dieb
einft küffen würbe.
lEl □ El D ^
it Goethe im Park o o
Das, woran ein freunö teilgenommen, bafe
man ficb auf feinen Rrm geftütst, auf feiner
ödDulter geruht bat, bies einsige ät5t tief jeöe
Cinie ber Gegenftönbe ins f5er3; fo weife ich jeben
Baum öes Parhes noch, an öem wir vorüber^:
gegangen, unb wie Du bie Afte ber 3ucherplatane
nieberbogft unb 3eigteft mir bie rötliche Wolle
unter ben jungen Blättern unb fagteft, bie Jugenb
fei wollig ; unb bann bie runbe, grüne Quelle, an
ber wir ftanben, bie fo ewig über fich fprubelt,
bul, bul, unb Du fagteft, ich rufe ber Hacbtigall,
unb bie Caube mit ber fteinernen Bank, wo eine
f^ugel an ber Wanb liegt, ^a haben wir eine
(Dinute gefeffen, unb Du fagteft: „6et3e Didj näher,
bamit bie f^ugel nicht in Schatten homme, benn
fie ift eine Sonnenuhr," unb ich war einen Rugen:=
blich fo bumm, 3U glauben, bie Sonnenuhr hönne
aus bem Gange hommen, wenn bie Sonne nicht
auf fie fcheine, unb ha hab ich gewünfcht, nur
einen frühling mit Dir 3U fein; haft Du mich aus=
gelacht. Da fragt ich, ob Dir bies 3U lange fei.
„€i nein", fagteft Du, „aber bort hömmt einer ge^
gangen, ber wirb gleich bem Spafee ein €nbe
machen." Das war ber ßer3og, ber gerabe auf
uns 3ul^am ; ich wollte mich verftechen. Du warfft
beinen Überrock auf mich, ich fah burch ben langen
13
Ärmel, wie ber ßer3og immer naher ham, ich fab
auf feinem Öeficbt, öafe er was merkte. €r blieb
an ber Caube fteben; was er fagte, verftanb icb
nicht, \o grofee Rngft hatte ich unter Deinem Über*
roch, fo hlopfte mir öas f5er3. Du winhteft mit
ber ßanö, Öas fah ich Öurch meinen Rochärmel;
ber ßer3og lachte unb blieb fteben ; er nahm kleine
öanbfteinchen unb warf nach mir, unb bann ging
er weiter. Da haben wir nachher noch lange ge-
plaubert miteinanber, was war's boch? - nicht
viel Weisheit, benn Du verglichft mich bamals
mit ber weisheitsvollen Göttin, bie ben 6ohrates
über bie Ciebe belehrte, unb fagteft: „f^ein ge=
fcheites Wort bringft Du vor, aber Deine Harrheit
belehrt beffer wie ihre Weisheit." - Unb warum
waren wir ba beibe fo tief bewegt? - Dafe Du
von mir verlangteft mit ben einfachen Worten:
„Cieb mich immer," unb ich fagte: „Ja." — Unb
eine gan3e Weile brauf, ^a nahmft Du eine Spinn*
webe von bem Gitter ber Caube unb hingft mir's
aufs Geficht unb fagteft: „Bleib verfchleiert vor
jebermann unb 3eige niemanb, was Du mir bift." —
Reh! Goethe, ich hab Dir keinen €ib ber I^reue
getan mit ben Cippen, bie ^a 3uchten vor heftiger
Bewegung unb heine Worte hannten ; icb erinnere
mich gar nicht, ba^ ich mit Selbftbewufetfein Dir
bie treue 3ugefagt hätte; es ift alles mächtiger
in mir wie ich, ich hann nicht regieren, ich hann
nicht wollen, ich mufe alles gefchehen laffen.
Dczia
dHd d dHd d dMd
n ber Hacbt o o o
CT eute cr3äble icb Dir, wie Du micb in bunkler
I J Hacbt unbehannte Wege fübrteft, öas war in
Weimar auf bem (Darkte, als wir an eine Creppe
harnen unb Du 3uerft nieberftiegft unb, als icb
unpcber 3U folgen verfucbte, micb in Deinen (Daniel
gebullt babin trugst; ßerr! ift es wabr? - baft
micb in beiben Rrmen fcbwebenb getragen; wie
fcbön warft Du ^a, wie grofe unb ebel, wie leucb=
tete Dein burcbbringenber Blich bunhel im 6lan3
ber Sterne micb an. Da oben mit beiben Rrmen
Dieb umfcblingenb, wie war icb feiig! Wie
läcbelteft Du, t>Q^ icb fo feiig war, wie freute es
Dieb, 1>Q^ Du micb batteft, über Dir fcbwebenb
micb trugft, wie freute icb micb; unb bann fcbwang
icb micb binüber auf bie recbte Scbulter, um bie
linhe nicbt 3U ermüben. Du liefeeft micb burcb
bie erleucbteten fenfter feben, eine Reibe frieb=
lieber Rbenbe von alt unb jung, bei Campenfcbein
ober bei bellem l^ücbenfeuer ; aucb ber kleine f5unb
unb bas f^ät5cben waren babei. Du fagteft: „Ist
bas nicbt eine allerliebfte Bilbergallerie?" - 60
hamen wir von einer Wobnung 3ur anbern, aus
ben finfteren 6trafeen bervor unter bie boben
Bäume; icb reicbte an bie Afte, ^a raufcbten bie
Vögel auf, ^a freuten wir uns, wir beibe! -
ßinber icb unb Du. Unb nun? - Du ein Oeift,
15
aufgefahren 3U ben ßimmeln, unb ich? - Un=
erleucbtet, unerfüllt, unerwartet, unverftanöen,
ungeliebt; ja, fie hönnten micb fragen: wer bift
Du unö was willft Du? Unö wenn ich Antwort
gäbe, würben fie fagen : wir verstehen bicb nid^t.
Du aber erkanntest micb unb öffnetest mir bie
Brme unb bas f5er3, unb jebe S^rage war gelöft
unb jeber 6cbmer3 befcbwicbtigt. - Dort im Park
3U Weimar gingen wir föanb in ßanb unter ben
bicbtbelaubten ßäumen, bas (Donblicbt fiel ein.
Du gabjt mir viele füfee Hamen; es klingt noch
in meinen Obren: „Cieb f5er3! (Dein artig
f^inb!" Wie war idD erfreut, 3U wiffen, wie \dy
Dir beifee; bann führtest Du midD an bie Quelle;
fie kam mitten aus bem Rafen bervor, wie eine
grüne, kriftallene f^ugel; ^a ftanben wir eine Weile
unb borten ibrem Getön 3U. „Sie ruft ber TladD^
tigall," fagteft Du, „benn fie beifet auf perfifd3
Bulbul; fie ruft DidD, Du bift meine HaäDtigall,
ber id3 gern 3uböre." Dann gingen wir nado
ßaufe, id) fafe an Deiner Seite, ^a war's fo ftille,
nabe an Deinem ßer3en; 'idb borte es klopfen,
idD borte Dido atmen, ^a laufd)te idD unb batte
keine öebanken, als blofe Deinem Ceben 3U3U=
boren. - O Du! - ßier lange nadb (Ditternad)t,
allein mit Dir im Rngebenken jener Stunbe vor
vielen }abren, burdDbrungen von Deiner Ciebe,
ha^ meine Tränen fliefeen; unb Du! nid>t auf
€rben, jenfeits! - wo id) Did) nid)t mebr er*
reid)e. - Ja, Tränen! - alles umfonft. - So ver=
ging bie 3eit an Deiner Bruft, keine Bbnung, ba^
fie verging, es war alles für bie €wigkeit ein*
16
gericbtet. Dämmerung - bie Campe warf einen
ungewiffen Schein an h\e Deche, bie flamme
hnijterte unö leuchtete auf, bae wechte Dich aus
Deinem tiefen Sinnen. - Du wenöetejt Dich nach
mir unb fahft mich lange an, öann lehnteft Du
mich fanft aus Deinen Rrmen unb fagteft: „Ich
will gehen ; fieh, wie unficher bas Hachtlicht brennt,
wie beweglich bie flamme an ber Deche fpielt;
grabe fo unficher brennt eine Stamme in meiner
Bruft, ich bin ihrer nicht gewife, ob jie nicht auf»
lobere unb Dich unb mich ver3ehre." Du brüchteft
meine föänbe, Du gingjt, ohne mich 3U hü^en.
Ich blieb allein; erft, wie es fonberbar mit Cieben*
ben ift, war ich ruhig; ich fühlte mich von 6lan3
umgeben unb von 6lan3 erfüllt, aber plöt3lich
burchbrang mich ber 5chmer3, ha^ Du gegangen
warft. Wem follte ich's hlagen, ^a^ ich Dich nicht
mehr hatte? IdD trat vor ben Spiegel, ^a fab
mein blaffes Rntli^ heraus; fo fchmer3lich fah bas
Rüge mich an, ^a^ ich vor (Ditleib gegen mich
felbft in Tränen ausbrach.
1^
^a H ^s
V
on einer berübmten frau
o O o^OPi
Diesmal bat Sie mir's nicbt recbt gemacht, frau
Rat. Warum fcbicht 9ie mir Goethes Brief
nicht? — Ich hab feit öem 13. fiuguft nichts von
ihm, unb je^t haben wir fchon Busgang öeptember.
Die Stael mag ihm bie 3eit verhürst haben, Öa
hat er nicht an mich gebacht. eine berühmte frau
ift was f^uriofes, heine anbre kann fich mit ihr
meffen ; fie ift wie t3ranntwein, mit bem hann fich
bas f^orn auch nicht vergleichen, aus bem er ge=
macht ift. So Branntwein hi^elt auf ber 3ung
unb fteigt in ben f^opf, bas tut eine berühmte
frau auch, aber ber reine Wei3en ift mir boch
lieber ; ben fäet ber öäemann in bie gelöcherte €rb,
bie liebe 6onne unb ber fruchtbare Gewitterregen
lochen ihn wieber heraus, unb bann übergrünt er
bie Völher, unb trägt golbene Ähren, ^a gibt's
3ule^t noch ein luftig Crntefeft ; ich will boch lieber
ein einfaches Weisenhorn fein als eine berühmte
frau, unb ich will auch lieber, ^a^ er mich als
tägliches Brot breche, als ba^ ich ihm wie ein
Schnaps burch ben Ropf fahre. - je^t will ich
Ihr nur fagen, öa^ ich geftern mit ber Stael 3U
Dacht gegeffen hab in (T)ain3; heine frau wollt
neben ihr fit3en bei ^ifch, ba hab ich mich neben
fie gefet3t; es war unbequem genug, bie ßerren
ftanben um ben Tifch unb hatten fich alle hinter
Sriticb^Strobl. 2
18
uns 9epflan3t, unö einer örüchte auf öen anbern,
um mit ihr 3U jprecben unb ihr ins Geficbt 3U
feben; jie bogen ficb weit über micb; icb fagte:
„Vos adorateurs me suffoquent"; [xe lacbte. -
Sie fagte, Goetbe babe mit ibr von mir gefprocben ;
icb blieb gern jit3en, benn icb hätte gern gewußt,
was er gefagt bat, unb bocb war mir's unrecht,
benn ich wollt lieber, er fpräch mit niemanb von
mir ; unb ich glaub's auch nicht - fie mag nur fo
gejagt haben; es hamen 3ule^t fo viele, bie alle
über mich hinaus mit ihr Sprechen wollten, ^a^
ich's gar nicht länger honnte aushalten: ich fagt
ihr: „Vos lauriers me pesent trop fort sur les
epaules." Unb ich ftanb auf unb brängt micb
3wijcben ^en Ciebhabern burch; ^a ham ber
öismonbi, ibr Begleiter, unb hüfet mir bie föanb
unb fagte, icb hätte viel Geift, unb fagt's ben
anbern, unb [\e repetierten es wohl 3wan3igmal,
als wenn ich ein Prin3 war; von benen finbet
man auch immer alles fo gescheit, wenn es auch
bas Gewöhnlichste war. - nachher hört ich ibr
3U, wie fie von Goetbe jprach; jie fagte, fie habe
erwartet, einen 3weiten Werther 3U finben, allein
fie habe fich geirrt, fowobl fein Benehmen wie
auch feine f igur paffe nicht ba3u, unb fie bebauerte
febr, ^a\s er ihn gan3 verfehle. S^rau \^ai, icb
wurb 3ornig über biefe Reben („Das war über=
flüffig," wirb Sie fagen), ich wenb' micb an Schlegel
unb fagt ihm auf beutfcb: „Die Srau Stael hat
fich boppelt geirrt, einmal in ber Erwartung unb
bann in ber (Deinung; wir Deutfchen erwarten,
^a^ Goetbe 3wan3ig föelben aus bem Ärmel
19
fcbütteln Nann, öie öen fran3ofen fo imponieren;
wir meinen, bafe er felbft aber nocb ein gan3
anörer ßelö ijt." - Der Schlegel bat unrecht,
bafe er ihr heinen heueren Verftanö hierüber bei=
gebracht hat. Sie warf ein Corbeerblatt , womit
fie gefpielt hatte, auf öie €rbe ; ich trat Öarauf unö
fchubfte es mit bem f ufee auf öie Seite unb ging
fort. - Das war bie ßefchichte mit ber berühmten
Svau; hab Sie l^eine Hot mit Ihrem fran3Öfifch,
fprech Sie bie Fingersprache mit ihr unb mache
Sie ben l^ommentar ba3u mit Ihren grofeen Rügen,
bas wirb imponieren; bie Stael hat ja einen gan3en
Rmeifenhaufen Gebanl^en im l^opf, was foll man
ihr noch 3U fagen haben? Balb homm id? nach
franl^furt, ^q hönnen wir's be|fer befprechen.
2*
rfte Begegnung mit ber
Oünberobe o o o o
O D
Das Oeifeblatt, öqs öa berobfcbwanht über bie
Catten, blüht bies jabr viel üppiger. Weifet
Du, ÖQS war un[er erft Worl; ich fagte 3U Dir:
„€s war ein recht halter Winter bies ]ahr, ber
ßahnenfufe hat feine meiften 3weige erfroren, bie
Caube gibt wenig Schatten"; ba fagteft Du: „Die
6onne gibt unb bie Caube nimmt; was [\e nicht
faffen hann vom Cicht, bas mufe fie burchlajfen
3U uns," unb bann fagtejt Du, biefe pflanse fei
fchöner benannt Oeifeblatt als ßabnenfufe, weil
man babei eine fchöne 3iege fich benhe, bie mit
Rnmut gewür3ige Blumen freffe, unb bafe bie
Datur für jebes ßefchöpf ein ibealifch Ceben bar*
biete. — Unb wie bie Elemente in ungeftörter
Wirl^ung bas Ceben erseugen, tragen, nähren unb
voUenben, fo bereite fich im Genufe einer un=
geftörten €ntwichlung abermals ein Clement, in
bem bas Ibeal bes Geiftes blühen, gebeihen unb
fich voUenben könne. - Unb bann fagteft Du, ich
folle mich boch weife hleiben ber Hatur 3uliebe, bie
runb um uns her fo herrliche Blumen auffpriefee;
babei ein l^leib tragen 3U wollen mit gebrückten
Blumen, bas fei gefchmachlos, unb man muffe im
€inhlang leben wollen mit ber Datur, fonft hönne
bie l^nofpe bes (Denfchengeiftes nicht aufblühen. -
Ich bachte ein Weilchen über Deine Reben, fo
aa
21
waren wir beiöe ftill - bie Antwort war an mir -
ich getraute micb gar nicht, Du l^amft mir fo weis*
beitsvoll vor, es fcbien mir Dein Denken wirhlicb
mit öer Hatur übereinsuftimmen , unö Dein Geift
rage über bie (Denfcben hinaus, wie öie Wipfel
voll buftiger Blüten im öonnenfchein, im Regen
unö WinÖ, Hacht unÖ Zag immer fortstreben in
bie Cüfte. Ja, Du Uamft mir vor wie ein hoher
Baum, von ben naturgeijtern bewohnt unb ge=
nährt. Unb wie ich meine ötimme hörte, bie Dir
antworten wollte, ^a fcbämte ich mich, als fei ihr
Zon nicht ebel genug für Dich. - ich l^onnt's nicht
heraussagen. Du wolltft mir helfen unb fagteft
„Der öeift ftrömt in bie €mpfinbung, unb bie geht
aus allem hervor, was bie Hatur erseugt, ber
(Denfch habe Ehrfurcht vor ber Hatur, weil fie bie
(Dutter ift, bie ben Geift nährt mit bem, was fie
ihm 3U empfinben gibt." - Wie fehr hab ich an
Dich gebacbt unb Deine Worte unb an Deine
fchwarsen Rugenwimpern , bie Dein blau Rüg
becUen, wie ich Dich gefehen hatt 3um allererften==
mal, unb Dein freunblicb (Dienenfpiel unb Deine
ßanb, bie mein ßaar ftreichelte. Ich fchrieb auf:
ßeut hab ich bie Günöerobe gefehen, es war ein
Gefehen k von Gott. -
d[]d d[]d d[]d d[]d d[]d d[]d
]
n öer Hacbt auf bem Rhein [
D ■ D= Di!
Du bafi mich verwöhnt mit Deinen l^leinen
Briefen aus öem Rbeingau, ich henne ja
öocb Deine grofee Rübe, in Öie Du manchmal fo
fchweigfam verfunhen warft, bafe ich oft ftunöen=
lang mit Dir war, unö Du jprachjt nicht; fo wirb's
je^t auch fein - ber Hachball Deiner ftillen ße^
geifterung ijt's, ober es wieberbolen ficb tiefe
(Delobien Deiner Seele in Dir, benen borcbft Du
3U. 3a! wie's in jener bimmlifchen 3auberbaften
nacht war, auf öem Rhein, wo wir 3ufammen
unter ber blübenöen Orangerie auf öem Verbech
fafeen. - Wie fchön war's boch, bafe bie gerabe
von f^öln nach (T)ain3 fuhr, unb ha^ wir beibe
auf bem Schiff bie ein3igen waren, bie in ber
nacht ^a oben blieben , bie anbern fürchteten bie
halte nachtluft, bas war ein rechtes Ölüch. Wir
freuten uns, als ber let5te hinabgeflücbtet war,
unb wir waren gan3 allein, unb blofe ber Steuer*
mann unb bie Ruber unb bie grofee Stille, - unb
meinen Pel3 warf ich um Dich unb fafe 3U Deinen
S^üfeen, unb ber bechte mich auch noch, unb wie
fchön war bie CDonbnacbt, es follte nicht ein
Wölkchen am ßimmel fein, ber unermeßliche Cuft*
03ean, in bem allein ber (Donb fchwamm. - Da
warft Du auch fo ftille, unb wenn ich ein Wort
fagte, fo verlor fich's gleich im tiefen Schweigen -
ez9
23
öafe icb auch nicbt mehr reben mochte aus €br*
furcbt vor öer ftillen Verfunl^enbeit bev gansen
Hafur ! - Unb wer h?ann'9 je vergeffen, Öer in fo
beller tlacbt auf bem Rbein fcbifft, wenn beibe
Ufer ficb im 0Donbglan3 baben; - unb bann l^am
ber Winb unb raujcbte erft leife in ben [fronen,
unb bann ftärl^er, unb es fielen Blüten auf Dieb
unb mich, unb ^a fab icb micb um nacb Dir, binauf
3u Dir, ba läcbelteft Du, weil es 3U fcbön war,
vwas uns ba wiberfubr, aber wir beibe jcbwiegen
ftill, um nicbt 3U ftören alles, was ficb an 6cbön^
beit runb um uns ausbreitete, unb wir fubren um
bie ftillen Infein unb hamen näber ans Ufer, "öa^
bie Weiben berüberbingen, unb verwichelten ibre
3weige in unfere Bäume, unb fcbüttelten über Dir
bie l^rone, ^a\s fie all ibre Blüten Dir in ben
6cbofe warf; ba warft Du erfcbrochen aufgewacht,
benn Du warft eingefcblafen gerabe - einen Rugen=
blich. - Ja, icb aucb fcblaf gern, wo es gerab
mir am feligften ift; Z>a ift immer bie Rübe über
mir, als wäre Seligkeit nur eine Wiege unb
fcbauhelte bie öeele unb wiegte fie aus einem
ZIraum in ben anbern bin unb ber, wo es fcbön
unb fcböner war. - leb baebte ba, es war ein
köftlieb Woblgefübl in mir unb betete es vor Gott,
icb wollte nicbt glüchlicber fein in ber gan3en fülle
ber Welt, als fo, wie es uns beiben ba befebert
war, unb ich füblte micb fo geftärht unb knüpfte
micb getreuer an Dieb.
DCZDD
oQo O0O oQo oQo oQo
D"^
Günberobe o o o o
9ie er3äblte mir wenig von ihren fonjtigen Rn»
gelegenbeiten , icb wufete nicht, in welchen
Verbindungen fie noch aufeer mir war; fie hatte
mir 3WQr von Daub in föeiöelberg gesprochen unö
auch von l^reuser, aber ich wufete von l^einem,
ob er ihr lieber fei als öer anöere; einmal hatte
ich von andern öavon gehört, ich glaubte es nicht,
einmal harn fie mir freubig entgegen unö fagte:
„Öeftern hob ich einen Chirurg gesprochen, öer
hat mir gejagt, t>afe es fehr leicht ift, fich um3U=
bringen," fie öffnete haftig ihr l^leiö unb seigte
mir unter t>er fchönen Bruft öen Siech ; ihre Bugen
funkelten freubig ; ich ftarrte fie an ; es warö mir
3um erftenmal unheimlich; ich fragte: „Tlun! - unö
was foll ich Öenn tun, wenn Du tot bift?" -
„O," fagte fie, „bann ift Dir nichts mehr an mir
gelegen, bis bahin finö wir nicht mehr fo eng ver=
bunben, ich werb mich erft mit Dir ent3weien."
Ich wenbete mich nach bem Senfter, um meine
Tränen, mein vor 3orn hlopfenbes I5er3 3U ver*
bergen; fie hatte fich nach bem anbern Senfter
gewenbet unb fchwieg ; - ich fah fie von ber Seite
an, ihr Bug war gen ßimmel gewenbet, aber ber
Strahl war gebrochen, als ob fich fein gan3es
Seuer nach innen gewenbet habe; - nachbem ich fie
eine Weile beobachtet hatte, Könnt ich mich nicht
25
mehr faffen - icb bracb in lautes Scbreien aus;
icb fiel ihr um öen ßals unö rife fie nieber auf
Öen 6i^ unö fe^te mich auf ihre f^nie unb weinte
viel tränen unö hüfete fie 3um erstenmal an
ihren (Dunb unö rife ihr bas l^leib auf unö l^üfete
fie an bie Stelle, wo fie gelernt hatte bas ßer3
treffen ; unb ich bat mit fcbmer3licben tränen, t>Q^
fie ficb meiner erbarme, unb fiel ihr wieber um
^en ßals unb l^üfete ihre ßänbe; fie waren halt
unb 3itterten; unb ihre Cippen 3uchten, unb fie
war gan3 halt unb ftarr unb totenblafe unb honnte
bie Stimme nicht erheben; fie fagte gan3 leife:
„Bettine, brich mir bas [5er3 nicht." - Reh, ^a
wollte ich mich aufreihen unb wollte ihr nicht
weh tun; ich lächelte unb weinte unb fchlucbste
laut, ihr fehlen immer banger 3U werben ; fie legte
fich aufs Sofa; ba wollt ich fcher3en unb wollt
ihr beweifen, ba^ ich alles für Scher3 nehme;
ha fprachen wir von ihrem teftament; fie ver=
machte einem jeben etwas; mir vermachte fie einen
hleinen Rpoll unter einer Glasglocke, bem fie einen
Corbeerhran3 umgehängt hatte. Ich fchrieb alles
auf. Im Hachhaufegehen machte ich mir Vorwürfe,
ba^ ich fo aufgeregt gewefen war; ich fühlte, ^q^
es boch nur Sehers war ober auch phantafie,
bie in ein Reich gehört, welches nicht in
ber Wirhlichheit feine Wahrheit be =
hauptet; ich fühlte, ha^ ich unrecht gehabt
hatte unb nicht fie, bie ja oft auf biefe Weife
mit mir gefprochen hatte. Rm anbern tage führte
ich ihr einen jungen fran3Öfifchen ßufarenoffisier
3U mit hoher Bärenmüt3e; es war ber Wilhelm
26
von üürkbeim, ber fcbönfte aller }ünglinge, bas
wahre Rinö voll Rnmut unb 6cber3; er war un*
vermutet angekommen; ich fagte: „Da bab icb
Dir einen Ciebbaber gebracht, öer foU Dir öas
Ceben wieber lieb machen." Cr vertrieb uns allen
bie COelancholie ; wir fcher3ten unb machten Verfe,
unb ba ber jchöne Wilhelm bie fchönften gemacht
3U haben behauptete, fo wollte bie Günberobe,
ich folle ihm ben Corbeerhran3 fchenhen ; ich wollte
mein Erbteil nicht gefchmälert wiffen. Doch mufet
ich ihm enblicb bie ßälfte bes Rran3es laffen; fo
hob ich benn nur bie eine ßälfte. einmal l^am
ich 3U ihr, ba 3eigte jie mir einen Dolch mit
filbernem Griff, ben fie auf ber (Dejfe gehäuft
hatte ; fie freute fich über ben jchönen Stahl unb
über feine Schärfe; ich nahm bas ODeffer in bie
ßanb unb probte es am finger, ba flofe gleich
Blut; jie erfchrah. Ich fagte: „O Günberobe, Du
bift fo 3aghaft unb hannft kern Blut fehen unb
geheft immer mit einer Ibee um, bie ben höchften
(Dut vorausfe^t; ich hob boch noch bas Bewufet*
fein, ba^ icb eher vermögenb war, etwas 3U
wagen, obfchon ich mich nie umbringen würbe;
aber mich unb Dich in einer Gefahr 3U verteibigen,
ba3u hob ich (Dut; unb wenn ich jet3t mit bem
(Deffer auf Dich einbringe - fiehft Du, wie Du
Dich fürchteft?" - Sie 30g fich ängftlich 3urüch;
ber alte 3orn regte fich wieber in mir, unter ber
Deche bes glühenbften ODutwillens ; ich ging immer
ernftlicher auf fie ein, fie lief in ihr Schlaf3immer
hinter einen lebernen Seffel, um fich 3U fiebern;
ich ftach in ben Seffel, ich rife ihn mit vielen
B2S 27
öficben in 5tüd?e, bas Rofebaar flog hier* urib
öabin in öer Stube; fie ftanb flebenb binter öem
5effel unb bat, ibr nicbts 3U tun; - icb jagte:
„€b icb bulbe, bafe Du Dieb umbringet, tu icb's
lieber felbft." „(Dein armer Stubl!" rief fie; ,Ja
was, Dein 6tubl, ber foll ben Dolcb ftumpf
macben;" icb gab ibm obne 13armber3igheit öticb
auf Stieb, bas ganse 3immer würbe eine Staube
wölke; fo warf icb ^en Dolcb weit in bie Stube,
öafe er prajfelnb unter bas Sofa fubr; icb riabm
fie bei ber F5anb unb führte jie in ben Garten, in
bie Weinlaube; icb i'ife bie jungen Weinreben ab
unb warf fie ibr vor bie füfee; icb trat barauf unb
fagte: „So mifebanbelft Du unfere f reunbfebaft." -
leb 3eigte ibr bie Vögel auf ben 3weigen, unb
"ba^ wir wie jene fpielenb, aber treu gegeneinanber
bisber 3ufammen gelebt bätten; icb fagte: „Du
l^annft fieber auf mieb bauen; es ift heine Sünbe
in ber Hacbt, bie, wenn Du mir Deinen Willen
hunb tujt, mieb nur einen flugenblieh bejinnen
machte; - homm vor mein §enfter unb pfeif um
(Ditternaebt , unb ich geh ohne Vorbereitung mit
Dir um bie Weit. Unb was ich für mich nicht
wagte, bas wag ich für Dieb; - aber Du! -
was berechtigt Dich, mich auf3ugeben? - wie
hannft Du folche Treue verraten; unb versprich
mir, ^Q^ Du nicht mehr Deine 3agbafte Hatur
binter fo graufenbafte prablerifehe Ibeen ver=
fdDan3en willft." - leb fab fie an, fie war be^
fehämt unb fenhte ben l^opf unb jah auf bie Seite
unb war blafe; wir waren beibe ftill, lange 3eit.
„öünberobe," fagte ich, „wenn es ernft ift, bann
28
gib mir ein 3eicben;" - jie nichte. - Sie reifte
ins Rbeingau; von öort aus fcforieb fie mir ein
paarmal, wenige Seilen; - icb bab fie verloren,
fonft würbe icb fie bier einfcbalten. einmal fcbrieb
fie: „Ift man allein am Rbein, fo wirb man gan3
traurig, aber mit mebreren 3ufammen, ba finb
gerabe bie fcbauerlicbften piät3e am luftaufreisenb^
ften; mir aber ift bocb lieb, ben weiten, gebebnten
Purpurbimmel am Rbenb allein 3U begrüben; ba
bicbte icb im Wanbeln an einem (Därcben, bas
will icb Dir vorlefen; icb bin jeben Bbenb begierig,
wie es weitergebt; es wirb mancbmal recbt fcbaurig,
unb bann taud^t es wieber auf." Da fie wieber
3urüchham unb icb bas (Därcben lefen wollte, fagte
fie: „Cs ift fo traurig geworben, ^a^^ icb's nicbt
lefen hann ; icb barf nicbts mebr bavon boren, icb
hann es nicbt mebr weiter fcbreiben; icb werbe
Krank bavon. Unb fie legte ficb 3U Bett unb blieb
liegen mebrere ^age; ber Dolcb lag an ibrem
Bett; icb acbtete nicbt barauf, bie Hacbtlampe
ftanb babei; icb kam berein. „Bettina, mir ift vor
brei Wocben eine öcbwefter geftorben; fie war
jünger als icb. Du baft fie nie gefeben; fie ftarb
an ber fcbnellen Rus3ebrung." - „Warum fagft
Du mir bies beute erft?" fragte icb. - „Hun, was
könnte Dieb bies intereffieren ? Du baft fie nicbt
gekannt; icb mufe fo was allein tragen," fagte fie
mit trockenen Bugen. (Dir war bies bocb etwas
fonberbar; mir jungen Hatur waren alle 6e=
fcbwifter fo lieb, ba^ icb glaubte, icb würbe ver»
3weifeln muffen, wenn einer ftürbe, unb t>Q^ icb
mein Ceben für jeben gelaffen bätte. 6ie fubr
29
fort: „nun öenk: Vor bxe'i Häcbten ift mir biefe
6cbwefter erfcbienen; ich lag im Bett, unb Öie
Hacbtlampe brannte auf jenem Z\\db; [\e kam lang*
fam berein in weifeem Öewanb unb blieb an öem
Z\\db yteben; fie wendete ben f^opf nacb mir unb
fenhte ihn unö fab micb an ; erft war icb erfcbrocKen,
aber balö war icb gans rubig, icb fe^te micb im
ßett auf, um micb 3U überseugen, öafe icb nicbt
fcblafe. Icb fab fie aucb an, unb es war, als ob
fie etwas bejabenb nichte; unb fie nabm bort ben
Dolcb unb bob ibn gen ßimmel mit ber recbten
ßanb, als ob fie ibn mir 3eigen wolle, unb legte
ibn wieber fanft unb hlanglos bin, unb bann nabm
fie bie Hacbtlampe unb bob fie aucb in bie ßöbe
unb 3eigte fie mir, unb als ob fie mir beseigen
wolle, ba\^ icb fie verftebe, nichte fie fanft, fübrte
bie Campe 3U ibren Cippen unb baucbte fie aus.
Denh? nur," fagte fie voll Scbauber, „ausgeblafen.
- Unb im Dunl^el batte mein Rüg nocb bas Ge*
fübl von ibrer Geftalt; unb ba bat micb plö^licb
eine Rngft befallen, bie ärger fein mufe, als wenn
man mit bem Tobe ringt; ja, benn icb war lieber
geftorben, als nocb länger biefe Rngft 3U tragen."
€s vergingen vier3ebn Tage, ^a ham fri^
Scbloffer; er bat micb um ein paar 3eilen an bie
Öünberobe, weil er ins Rbeingau reifen werbe,
unb wolle gern ibre Bel^anntfcbaft macben. Icb
fagte, ^q\s icb mit ibr brouilliert fei, icb bäte ibn
aber, von mir 3U fprecben unb acbt3ugeben, was
es für einen Cinbruch auf fie macbe. „Wann
geben Sie bin," fagte icb; „morgen?" - „Hein, in
acbt Tagen." - „O, geben 6ie morgen, fonft
30 = ea
treffen Sie fie nicht mehr; - am Rhein ift's fo
melancholisch," fagte ich fcher3enö, „öa könnte fie
[ich ein Ceiös antun." - öchloffer fah mich ängft-
lieh an. „ja, ja," fagt' ich mutwillig, „fie ftür3t fich
ine Wajfer oöer erfticht fich aus blofeer Caune." -
„freveln 5ie nicht," fagte öchloffer; unb nun
frevelte ich erft recht: „Geben 6ie acht, öchloffer,
5ie finden fie nicht mehr, wenn Sie nach alter
Gewohnheit 3Ögern, unÖ ich fage Ihnen, geben
Sie beute lieber wie morgen, unö retten Sie fie
vor un3eitiger melancbolifcher Caune." - Unö im
Scher3 befchrieb idD fie, wie fie fich umbringen
weröe im roten F^leibe, mit aufgelöftem Schnür*
banö, Öicht unter ber Bruft bie Wunöe; öas nannte
man tollen Übermut von mir; es war aber bewufet»
lofer Überrei3, in öem ich bie Wahrheit volU
Kommen genau befchrieb. - Bm anbern ^age l^am
§ran3 unb fagte: „(Däbchen, wir wollen ins Rhein=
gau gehen, ^a hannft Du bie Günberobe be=
fuchen. - „Wann?" fragte ich. - „(Dorgen," fagte
er. - Reh, ich pachte mit Übereile ein, ich konnte
kaum erwarten, ^a^ wir gingen; alles, was mir
begegnete, fchob ich baftig aus bem Wege, aber
es vergingen mehrere üage, unb es warb bie
Reife immer verfchoben; enblich, ba war meine
Cuft 3ur Reife in tiefe I^rauer verwanbelt, unb
ich war lieber 3urückgeblieben. - Da wir in
Geifenbeim ankamen, wo wir übernachteten, lag
ich im fenfter unb fah ins monbbefpiegelte Waffer;
meine Schwägerin Toni fafe am fenfter; bie (Dagb,
bie ben tifch beckte, fagte: „Geftern hat fich auch
eine junge, fchöne Dame, bie fchon fecbs Wochen
Ba - = 31
ficb hier aufhielt, bei Winchel umgebracht; fie
ging am Rhein fpasieren gan3 lange, öann lief fie
nach ßaufe, holte ein ßanbtuch; am flbenö fuchte
man fie vergebens ; am anöern (Dorgen fanb man
fie am Ufer unter Weibenbüfchen ; fie hatte öas
ßanbtuch voll Steine gefammelt unÖ ficb um öen
ßals gebunden, wahrfcbeinlicb, weil fie ficb in ben
Rhein verfenh?en wollte; aber öa fie ficb ins ßers
ftach, fiel fie rückwärts, unb fo fanb fie ein Bauer
am Rhein liegen, unter öen Weiöen (xn einem Orte,
wo er am tiefften ift. €r rife ihr ben Dolch aus
öem f5er3en unö fcbleuöerte ihn voll Rbfcbeu weit
in ben Rhein; öie Schiffer fahen ihn fliegen - öa
l^amen fie herbei unÖ trugen fie in bie 6taöt." -
Ich hatte im Anfang nicht 3ugehört, aber 3ulet5t
hört icb's mit an unÖ rief : „Das ift bie öünberobe!"
(Dan rebete mir's aus unb fagte, es fei wohl eine
anbere, 'bo, fo viel frankfurter im Rheingau waren.
Ich liefe mir's gefallen unb bachte, gerabe was man
prophe3eie, fei gewöhnlich nicht wahr. - In ber
nacht träumte mir, fie käme mir auf einem mit
f^rän3en gefcbmückten Hacben entgegen, um ficb
mit mir 3U verföbnen; ich f prang aus bem Bett
in bes Brubers 3immer unb rief; „€s ift alles nicht
wahr, eben hat mir's lebhaft geträumt!" „Reh,"
fagte ber Bruber, „baue nicht auf Träume!" -
Ich träumte noch einmal, ich fei eilig in einem
f^abn über ben Rhein gefahren, um fie 3U fuchen;
"^Oi war bas Waffer trüb unb fchilfig, unb bie
Cuft war bunkel, unb es war fehr halt; — ich
lanbete an einem fumpfigen Ufer, 'i^a war ein
ßaus mit feucbten (Dauern ; aus bem fcbwebte fie
32
hervor unö fab micb ängfilicb an unö beutete mir,
bafe fie nicht fprechen könne. - Ich lief wieber
3um 6chlaf3immer öer Gefchwifter unb rief:
„Hein, es ift gewife wahr, benn mir hat geträumt,
ba^ ich fie gefehen habe, unb ich hab gefragt:
„Günberobe, warum haft Du mir bies getan ?" Unb
ba bat fie gefchwiegen unb bat ben Ropf gefenht
unb bat fich traurig nicht verantworten hönnen." -
nun überlegte ich im Bett alles unb begann mich,
t>Q^ fie mir früher gefagt hatte, fie wolle fich erft
mit mir ent3weien, eh fie biefen €ntfcblufe aus*
führen werbe; nun war mir unfere Trennung er*
klärt, auch ^a^ fie mir ein 3eichen geben werbe,
wenn ihr €ntfchlufe reif fei. - Das war alfo bie
Gefchichte von ihrer toten öcbwefter, bie fie mir
ein halb ]ahr früher mitteilte, ^a war ber €nt:=
fcblufe fchon gefafet. - O, ihr grofeen Seelen, biefes
Camm in feiner Unfcbulb, biefes junge, 3aghafte
I5er3, welche ungeheure Gewalt hat es bewogen,
fo 3U banbeln? - Rm anbern (Dorgen fuhren
wir bei früher 3eit auf bem Rhein weiter. -
§ran3 hatte befohlen, "öa^ bas Schiff jenfeits fich
halten folle, um 3U vermeiben, ha^ wir bem pia^
3U nahe kämen ; aber bort ftanb ber §ri^ Schloffer
am Ufer, unb ber Bauer, ber fie gefunben, 3eigte
ihm, wo ber l^opf gelegen hatte unb bie §üfee,
unb ba^ bas Gras noch nieberliege - unb ber
Schiffer lenkte unwillkürlich borthin, unb fran3,
bewustlos, fprach im Schiff alles bem Bauer nach,
was er in ber ferne verftehen konnte, unb "öa
mufet ich benn bie fchauberhaften Bruchftücke ber
€r3ählung vom roten f^leib mit anhören, bas
33
aufgefcbnürt war, unö ber Dolcb, öen icb fo gut
kannte, unö öas Cucb mit Steinen um ihren föals
unb bie breite Wunbe; - aber icb weinte nicht,
ich jchwieg. - Da l^am ber Bruber 3U mir unb
fagte: „5ei ftarl^, COäbchen." - Wir lanbeten in
Rübesbeim; überall er3ählte man fich bie 6e»
fchichte; ich lief in Winbesfchnelle an allen vor=
über, ben Oftein hinauf eine halbe ötunbe bergan,
ohne aus3uruhen; - oben war mir ber Rtem
vergangen, mein l^opf brannte, ich war ben anbern
weit vorausgeeilt. - Da lag ber herrliche Rhein
mit feinem fmaragbenen SchmucK ber Infein; ha
fah ich bie Ströme von allen Seiten bem Rhein
3ufliefeen, unb bie reichen, frieblichen Stäbte an
beiben Ufern unb bie gefegneten Gelönbe an
beiben Seiten; ^a fragte ich mich, ob mich bie
3eit über biefen Verluft befchwichtigen werbe,
unb ^a war auch ber Cntfchlufe gefafet, hühn mich
über ^en Jammer hinaus3ufchwingen , benn es
fehlen mir unwürbig, Jammer 3U äufeern, ben ich
einftens beherrfchen l^önne.
Öeftern waren wir in laubbeKrän3tem Hachen
ben Rhein hinabgefahren, um bie hunbertföltige
Sexev bes Weinfeftes an beiben Bergufern mit
an3ufehen ; auf unferem Schiff waren luftige Ceute,
fie fchrieben weinbegeifterte Cieber unb Sprüche,
ftechten fie in bie geleerten f lafchen unb liefen
biefe unter währenbem Schieben ben Rhein herab=
fchwimmen; auf allen Ruinen waren grofee Tannen
aufgepflan3t, bie bei einbrechenber Dämmerung
ange3ünbet würben. Auf bem (Däufeturm, mitten
im ftol3en Rhein, ragten 3wei mächtige Tannen
Srittcb = 9trobl. 3
34
empor; ihre flammenben, burcbbrannten Afte
fielen berab in öie 3ifcbenbe 5lut; von allen Seiten
donnerten fie unb warfen Raketen, unb fcböne
Btröufeer von Ceucbthugeln ftiegen jungfräuUcb in
öie Cüfte; unb auf öem Hacben jang man Cieöer,
unö im Vorbeifabren warf man ficb f^rän3e 3U
unö Crauben. Da wir nacb föaufe kamen, fo
war's jpät, aber öer GDonö leuchtete bell ; icb fab
3um §enfter binaus unö borte noch jenseits Öas
Zloben unb j^^cbS^" ^^^ f5eimkebrenben , unb
biesfeits nacb ber Seite, wo fie tot am Ufer ge=
legen batte, war alles ftill. leb bacbt, ba ift keiner
mebr, ber nacb ibr fragt, unb icb ging bin, nicht obne
Graufen; nein, mir war bang, wie icb von weitem
bie Hebel über ben Weibenbüfcben wogen fab, ba
war icb balb umgekehrt. Cs war mir, als jei fie
es felbft, bie ba fcbwebte unb wogte unb ficb
ausbehnte; icb ging bin, aber ich betete unter»
wegs, "ba^ mich 6ott boch fchüt3en möge; -
fcbüt5en? - vor was? Vor einem Geift, beffen
I5er3 voll liebenbem Willen gewesen war gegen
mich im Ceben; unb nun er bes irbifchen Ceibs
entlebigt ift, foll icb ihn fürchtenb fliehen ? - Reh,
fie bat vielleicht einen befferen Ze'ü ihres geistigen
Vermögens auf mich vererbt feit ihrem Tob. Ver-
erben boch bie Voreltern auf ihre nachkommen,
warum nicht bie freunbe? - ich weife nicht, wie
web mir ift! - Sie, bie freunblicb klare, bat
meinen Geift vielleicht befchenkt. Wie icb von
ihrem Grab 3urückkam, ba fanb ich Ceute, bie
nacb ihrer f^uh fuchten, bie ficb verlaufen hatte,
icb 9ing mit ihnen; fie ahnten 9leicb, ba^ ich von
35
bort berham. Sie wufeten viel von ber Günberobe
3U ersäblen, bie oft freunbUcb bei ibnen ein«
gefprocben unb ibnen fllmofen gegeben batte; fie
fagten, fo oft fie bort vorbeigeben, beten fie ein
Vaterunfer; icb bab aucb bort gebetet 3U unb
um ibre Seele, unb bab micb vom (Donblicbt
reinwafcben laufen unb bab es ibr laut gejagt,
^a\s icb micb nacb ibr febne, nacb jenen Stunben,
in benen wir Gefübl unb Gebanhen barmlos gegen*
einanber austaufcbten.
J
acobi 'o o o o
Diefe gan3e 3eit hob icb mit Jacobi beinah
alle Rbenöe 3ugebracbt; icb fcbät3e es immer
als ein Glüch, Öafe icb ihn feben unb fprecben
konnte; aber ba3U bin ich nicbt gekommen, -
aufrichtig gegen ibn 3U fein, unÖ bie Ciebe, bie
man feinem Wohlwollen fchulbig ift, ihm 3U be^
3eigen. Seine beiben Scbweftern verpalifabieren
ihn; es ift empfinblicb, burcb leere Cinwenbungen
von ihm abgehalten 3U werben. Cr ift bulbenb
bis 3ur Schwäche unb hat gar keinen Willen gegen
ein paar Wefen, bie €igenfinn unb ßerrfchfucbt
haben, wie bie Semiramis. Die f5errfchaft ber
brauen verfolgt ihn bis 3ur präfibentenftelle an
berRkabemie; fie wecken ihn, fie bekleiben ihn,
knöpfen ihm bie Unterwefte 3U, fie reichen ihm
(Debi3in; will er ausgehen, fo ift's 3U rauh, will
er 3u ßaufe bleiben, fo mufe er ficb Bewegung
machen. Geht er auf bie Rkabemie, fo wirb ber
nimbus gefchneu3t, bamit er recht hell leuchte.
Da 3iehen fie ihm ein ßemb von Batift an mit
frifcbem Jabot unb (Danfcbetten unb einen Pel3=
rock, mit prächtigem 3obel gefüttert, ber Wärm=
korb wirb vorangetragen; kommt er aus ber
Si^ung 3urück, fo mufe er ein bifecben fchlafen,
nicbt ob er will; fo geht's bis 3um Bbenb in fort*
währenbem Wiberfprucb, wo fie ihm bie TiadbU
37
müt5e über bie Obren sieben unb ihn 3U Bette
fübren.
HeuUcb fubr ich mit ibm, ben beiben öcbweftern
unb bem Grafen Wefterbolb nacb bem 9tarem=
berger 5ee. Wir afeen 3U (Dittag in einem Garten,
alles war mit Blumen unb blübenben 5träucbern
überfät, unb ha icb 3ur Unterhaltung ber gelehrten
öefellfcbaft nichts beitragen honnte, fo gammelte
icb beren fo viel, als mein Strohhut fafete. Im
Schiff, auf bem wir bei herannahenbem Bbenb
wohl anberthalb Stunben fahren mufeten, um bas
jenfeitige Ufer wieber 3U erreichen, machte icb
einen f^ran3. Die untergehenbe Sonne rötete bie
weifeen Spielen ber Blpenl^ette, unb Jacobi hatte
feine f reube bran, er beployierte alle 6ra3ie feiner
Jugenb ; Du felbft haft mir einmal ersählt, ha^ er
als Stubent nicht wenig eitel auf fein fchönes Bein
gewefen, unb bafe er in Ceip3ig mit Dir in einen
€ucblaben gegangen, bas Bein auf ben Cabentifcb
gelegt unb bort bie neuen Beinl^leibermufter brauf
probiert, blofe um bas Bein ber fehr artigen frau
im Caben 3U 3eigen; - in biefer Caune fehlen er
mir 3u fein; nachläffig hatte er fein Bein aus*
geftrecht, betrachtete es wohlgefällig, ftrich mit ber
f^anb brüber; bann, wenige Worte über ben
herrlichen flbenb flüfternb, beugte er fich 3U mir
herab, 1>q ich am Boben fafe unb ben Schofe voll
Blumen hatte, wo ich bie heften auslas 3um I^ran3,
unb fo befprachen wir uns einfilbig, aber 3ierlich
unb mit Genufe in Gebärben unb Worten, unb ich
wufete es ihm begreiflich 3U machen, ha^ ich ihn
liebenswürbig finbe, als auf einmal Ilante Cenens
38
vorforgenbe Bosbeitspflege ber feinen Oefübls»
kohetterie einen bö[en ötreicb fpielte; icb fcbäme
micb nocb, wenn icb bran öenke; fie bolle eine
weifee, langgeftrickte wollene 3ipfelmüt5e aus ibrer
Scbür3entafcbe , jcbob fie ineinander unb 30g fie
bem jacobi weit über bie Obren, weil bie Bbenb«
luft beginne raub 3U werben, gerabe in bem
Rugenblich, als icb ibm fagte: „ßeute verfteb
icb '6 recbt, ^q^ 6ie jcbön finb," unb er mir 3um
Danh bie Hofe in bie Bruft ftechte, bie icb ibm
gegeben batte. jacobi webrte ficb gegen bie
nacbtmüt3e, Zcxnie Cene bebauptete ben Sieg ; icb
mocbte nicbt wieber aufwärts feben, fo befcbämt
war icb. - „5ie finb recbt kokett," fagte ber Graf
Wefterbolb; icb flocbt ftill an meinem f^ran3, "öa
aber "Cante Cene unb Cotte einftimmenb mir gute
Cebren gaben, fprang icb plöt5licb auf unb trappelte
fo, ^Q^ ber f^abn beftig fcbwankte. „Um Gottes
willen, wir fallen!" fcbrie alles. „Ja, ja!" rief icb,
„wenn Sie nocb ein Wort weiter fagen über Dinge,
bie Sie nicbt verfteben." Icb fcbwankte weiter,
„ßaben Sie Rub, es wirb mir fcbwinblig." -
Wefterbolb wollte micb anrübren, aber "öa
fcbwankte icb fo, "öa^s er ficb nicbt vom piat5 ge=
traute, ber Scbiffer lacbte unb balf fcbwanken; icb
batte micb vor Jacobi geftellt, um ibn nicbt in ber
fatalen (Düt5e 3U feben; jet3t, wo icb fie alle in
ber Gewalt batte, wenbete icb micb nacb ibm,
nabm bie (T)üt5e beim 3ipfel unb fcbwenhte fie
weit binaus in bie Wellen. „Da bat ber Winb
bie (Dü^e weggewebt," fagte icb ; icb brückte ibm
meinen Rran3 auf ben f^opf, ber ibm wirklieb
39
fcbön ftanb; Cene wollte es nicbt leiöen, bie
frifcben Blätter hönnten ihm fcbaöen. „Cajfe ihn
mir bocb," fagte Jacobi fanft; icb legte Me ßanb
über ben l^rQn3. .Jacobi," fagte icb, „Ihre feinen
3üge leuchten im gebrocbnen Cicbt öiefer fcbönen
Blätter wie öie bes verklärten piato. Sie finb
fcbön, unö es bebarf nur eines f^ran3es, ben 6ie
fo wohl verdienen, um 6ie würbig ber Unfterb«
liebkeit bar3uftellen ;" icb war vor 3orn begeistert,
unb jacobi freute ficb; icb fe^te mich neben ihn
an bie Crbe unb hielt feine ßanb, bie er mir aucb
liefe, f^einer fagte etwas, fie wenbeten ficb alle
ab , um bie Rusficbt 3U betrachten, unb fprachen
unter fich, ^a lachte ich ihn heimlich an. Da wir
ans Ufer kamen, nahm ich ihm ben f^ran3 ab unb
reichte ihm ben f5ut. - Das war meine kleine
Ciebesgefchichte jenes fchönen ^ages, ohne welche
ber Zag nicbt fcbön gewefen fein würbe; nun
hängt ber (^ran3 verwelkt an meinem Spiegel,
ich bin feitbem nicht wieber hingegangen, benn
ich fürchte mich vor ßelenen, bie aus beleibigter
Würbe gan3 ftumm war unb mir nicht Bbieu
fagte; fo mag benn ]acobi freunblich meiner ge=
genken, wenn ich ihn nicht wieberfeben follte,
biefer Bbfchieb kann ihm keinen unangenehmen
€inbruck in ber Crinnerung laffen.
0C30
DDD ÖGD DDD ODD DGD DGD
efucb bei Beethoven o o l«
Oc=D(=X=DC=iC=>t 1 i=:z 0=3i
/"Y^an hatte mir gefagt, er fei gan3 menfcben»
VI/ fcbeu unö laffe ficb mit niemand in ein
Gejpräcb ein. (Dan fürchtete fich, mich 3U ihm
3U führen, ich mufete ihn allein aufsuchen; er hat
brei Wohnungen, in öenen er abwechfelnb jich
verftecht, eine auf bem CanÖe, eine in öer 5taöt
unb bie öritte auf öer Baftei, öa fanb ich ihn im
britten 6toch. Unangemelbet trat ich ein, er fafe
am f^lavier; ich nannte meinen Hamen, er war
fehr freundlich unb fragte, ob ich ein Cieb hören
wolle, was er eben homponiert habe? - Dann
fagte er jcharf unb fchneibenb, ^a^ bie Wehmut
auf ben ßörer 3urüchwirMe: „f^ennft Du bas
Canb - nicht wahr, es ift fchön?" fragte er be=
geiftert, „wunberfchön ! Ich will's noch einmal
fingen." Cr freute fich über meinen reichen Bei»
fall. „Die meiften (Denfchen finb gerührt über
etwas Gutes, bas finb aber keine f^ünftler»
naturen, f^ünftler finb feurig, bie weinen
nicht," fagte er. Dann fang er noch ein Cieb von
Dir, bas er auch in biefen Tagen h?omponiert
hatte: „Trochnet nicht Cränen ber ewigen
Ciebe." - Cr begleitete mich nach F5aufe, unb
unterwegs fprach er eben bas viele Schöne über
bie f^unft; babei fprach er fo laut unb blieb auf
ber Strafee ftehen, "öq^ (Dut ba3u gehörte, 3U3U»
41
boren ; er fpracb mit grofeer Ceiöenfcbaft unb viel
3U überrafcbenb, als bafe icb nicbt aucb bie Strafe
vergeffen hätte; man war febr verwunbert, ibn
mit mir in eine grofee Gefellfcbaft , bie bei uns
3um Diner war, eintreten 3U feben. Hacb Ofcb
fe^te er ficb unaufgeforbert ans Instrument unb
f pielte lange unb wunberbar, fein 6tol3 fermentierte
3ugleicb mit feinem Genie; in folcber Rufregung
er3eugt fein Geift bas Unbegreif liebe , unb feine
finger leiften bas Unmöglicbe. — Seitbem l^ommt
er alle üage, ober icb gebe 3U ibm. Darüber ver=
fäume icb Gefellfcbaften , Galerien, tbeater unb
fogar ben Stefansturm. Beetboven fagt: „Rcb,
was wollen 6ie ba feben! Icb werbe 6ie ab=
bolen, wir geben gegen flbenb burcb bie Rllee
von öcbönbrunn."
DDD DDD DDD
ie Cbrenkette o o o o /^p\;
m
Die §rau Rat er3äblt:
es war an einem recbt fommerlicben Tag; icb
benb? nacb, was aus öem lieben öonnenfcbein
all werben foll, ben icb ba fo mutterfeelenallein
in micb treffen mufe ; - es wirb (Dittag, bie Türmer
blafen berweil ben flblafe meiner öünben vom
f^atbarinenturm berunter. - In biefer Welt, wo
Böfes unb 6utes oft in fo ber3licber Umarmung
einanber am Bufen liegen, ha baben irbifcbe unb
bimmlifcbe Rngelegenbeiten gar einen l^ünftlicben
Verhebr; an fo einem melancbolifcben f eiertag, ha
verfcbmäbt ber Teufel aucb eine falfcbe Trompete
nicbt, um ben (Denfcben aus feinem gebulbigen
öeelenbeil beraus3ublafen. Opfere ben Verbrufe,
hQW Du bavon fpürft, Gott auf, unb bie l^reibe
von ber Recbnungstafel Deiner 5ünben ift berunter»
gewifcbt, benn lieber als bas öünbegeftöbn, was
falfcber klingt als bie Sünbe felber, will 6ott ben
Teufel falfcb blafen boren. Die Cangeweile ift
nun gan3 apart an einem Sonntag in ber Stabt
S'ranhfurt, aber gar an fo einem langen ftaubigen
öommertag, wo man ficb in bie Sonne ftellt unb
benW wie ein ange3ünb't Cicbt am bellen Tag:
„Vor was bift Du ba? - Blies l^ann befteben
ebne Dieb!" ober: „Alles gebt ja bocb honfus,"
tzä
43
unö mit bem 3weifel, ob ber blaue Dunft ba oben
wohl bocb öer ßimmel fein hönnt, jtrecht man ficb
am €nö feiner Crbentage aus öen Crbenforgen
heraus mit ben ßimmelsforgen auf bem f5er3en
unb bebenkt nicbt, ba^ alle Sorge Irrtum ift.
Rn fo einem langweiligen Zag alfo, wie ber
Ormer wirl^licb in einer ber (Dufih febr mife=
günftigen Stimmung in bie Stabt berunterblies -
ich meint, als wenn mir ber jung Wein nur nicbt
auf bem f afe jäuerlicb wirb - eine raube löalsarie
wie beut, unb bie Sonn fcbien mir auf bie Haf,
^Ci\5 icb niefeen mußt, unb bas Ciescben be=
komplimentiert micb barüber, "ba fcbellts. Icb
ruf: „6ucK einmal, wers ijt." „€i, es ift ber frau
Betbmann ihr Bebienter; ob Sie wollte beunt
Hacbmittag mit ins f^irfcbenwälbcben fabren?" -
Ci was? - €i freilieb! Was werb icb nicbt
wollen fabren an biefen ein3igen piäfierort, vor
allen fcbönen Orten in gan3 Deutfcblanb, wo bie
l^irfcben wie bie fcbönften Rubinen im fmaragbnen
Blätterfcbmuch an ben Bäumen bangen, wo bie
frankfurter Sonnenftrablen ein Golbne^ burcb=
wirken unb ber föimmel fein blaues 3elt mit
filbernen Wolken brüber fpannt.
Je^t fag icb: „Wir wollen prä3is 3wölf Ubr
effen, bann wirb alles 3urecbtgemacbt 3um Rbenb,
wann icb beimkomm ; ba wirb meine Wafferflafcbe
bingeftellt, bas Bett 3urecbtgemacbt , bamit mir
bie 3eit vergebt bis bie fücbfercben angetrabt
komme; bann fet3 icb meine ßaub auf, blofe bie
mit ben Spit5en." „£i, wollen Sie net bie mit ben
Sternblume auffegen, bie ftebt fcböner!" -
44
„Hein, 5ie will ich nicht aufje^en; man mufe
befdDeiöen fein in öer fcbönen Hatur unb fie nicbt
überftrablen wollen; es gelingt einem öocb nicbt.
Was meint 6ie benn, bafe fo ein fkvan-^ von
papierne Blume 3U fagen bätt ba braufeen auf
ber grünen Wief ? ei, ich fet5 ben 5all, icb könnt
ber ötabtberb begegnen, fo hönnt micb ja ber
ßrummelocbs mit einem ein3ige (Daul voll Dotter:=
blume, bie er vom Weibanger mit feiner langen
3ung in einem ßui 3ufammenrafft unb weg=
fcbnappt, in bie gröfet Befcbämung verfeme, ^>a^
er frifet unb verbaut, was bie Srau Rat in Papier
nacbgemacbt 3um put5 auf bem f^opfe tragt. -
3e^t ohne weiter ^eberlefen bie öpi^e'baub eweil
auf ber grünen Bouteille aufgepf lan3t , bann bie
filetbanbfcbub ohne Daumen, ba^ icb fie nicbt
braucb aus3U3ieben beim l^irfcbeneffen. Das
f^örbcben nehm icb mit, ^a^ icb l^ann f^irfcben
mitbringen - bie kleine fcbwar3e Salopp unb
ben Sonneparaplü, benn um bie jet3ig Sommer^
3eit kommt häufig fo ein klein erquicklich Regen*
fchauerchen mitten burch ben Sonnenfchein. Da
lachts unb flennts 3U gleicher 3eit am ßimmel. -
nun ift alles in Orbnung; fo wirb ber Ofch ge=
beckt unb aufgetragen, benn 3wölf Uhr ift fchon
vorbei. Was gibts beut?" „Brübfupp." „fort
mit, ich mag keine." - „Aber 5rau Rat, Ihne Ihr
COagen!" - „Rber ich will keine 5upp, fag ich;
komm 6ie mir nicht an fo einem fchöne Sommer*
tag mit ihren (Dagenforgen an, - was gibts
noch?" „ötockfifch, aufgewärmt von geftern, unb
Rartoffel." „Den ötockfifch lafe mir vor ber Hofe
«8^ -= 45
weg, öer pafet nit 3U meiner Stimmung; ich lafe
mir heinen Stochfifcbgerucb in öen Vorgefcbmach
Quföampfen, öen icb von bem Blumenöuft öraufe
auf ber Wief fcbon in ßeöanhen geniefe; aber
bie Rartoffel bring Sie, an öenen verunreinigt
man bie erhabenen Geöanhen nicht; bie l^önnt fo
ein inbifcber Priefter in feiner Ver3Üchung un=
geftört geniefee. - leb glaub gewife, Me finb aus
bem (Danna gewacbje, bas vom F5immel fiel, wie
bie 3uben in ber Wüft in ber ßungersnot waren ;
bas war fo ein ver3ettelter (Dannafame, aus bem
finb bann bie Rartoffeln gewacbfen, bie vor aller
ßungersnot bewahren. ]a, bamals hatten bie
}uben noch eine Wüft, wo fie fich nieberlaffen
honnten; jet3t ift l^eine Wüft mehr l>ay unb wann
bie närrifche föänf nicht fliegen lerne wie bie
Raubvögel, ^a^ fie als manchmal auf eine vorüber^
fahrenbe Segelftang fich könne fe^en wie bie
3ugvögel, fo weife ich nicht, wo fie werben bleiben.
In ber Wüfte waren fie nit fo gierig; hätten fie
bamals alles Verfehlungen, fo war l^ein himmlifcher
(Dannafamen übrig geblieben, unb ich wüfet nicht,
was ich heut effen follt, unb je^t geh ich nur
hünftig ohne Wiberreb allemal bem Betteljub
3wei Rreu3er, fo oft er kommt. Denn wir könne
^en Juben bas nicht genug Dank wiffen, ba^ wir
Rartoffeln effen." - Hun war bas €ffen noch nicht
all, es kam noch eine gebratne Zaub. —
Ich hatte Appetit, fliegt mir grab eine lebenbige
Zaub vors f enfter unb ruckfert mir lauter Vor=
würf ins I5er3. Ich fahr ins Rirfchenwölbchen,
unb bas arme Z\ev mit verfchrönkte flügel, mit
46
benen es ficb hätte hönnen in alle Weltfreube
fcbwingen, liegt in öer ßratpfann. Der Cbrift
jagt bie halb Hatur öurcb öen öcblunö, bamit er
auf öer Crb hann bleibe, um fein Seelenbeil 3U
beföröern, unb öann macht ers grab verkehrt. —
nun Kur3, öer Vorwurf von ber Zaub am f enfter
laftet mir auf bem ßersen ; ich Kann Keinen Bif fen
effen.
Die Taub wirb unberührt wieber in bie Speif^
Kammer geftellt; ich siehe mich berweil an, um
ber Ungebulb etwas weife 3U machen. Die Spit5e*
haub wirb von ber Bouteille heruntergenommen,
aufgefetjt unb bie Hachtmü^ wirb braufgeftülpt,
bamit ich \'ie heut abenb, wenn ich nach ßauf
Komm, gleich auswechsle Kann, noch eh Cicht
Kommt; bas ift \o meine alte Gewohnheit. Hun
fi^ ich ha mit meinem öonnenfchirm in ber ßanb,
im heften ßumor, unb lach bie Cieschen aus mit
ihrer Bngft wegen meinem leeren (Dagen. - Ich
gucK auf bie Uhr - ber Wagen Kommt gerappelt ;
ben alten Johann, ein gan3 gefcheiter f^erl, hör
ich fchon an feinem gewohnten Gange bie trepp
herauf Kommen. - „Cieschen, gefchwinb lauf Sie
hinaus auf ^en Vorplat3 an bie Or, ehs fcbellt."
Da fchellts fchon, bie Cieschen macht bie Cur
auf; ba fteht ein golbborbierter ßerr mit einem
breiecKigen But unb gucKt mir ins Geficht, unb
mein alter Johann Kommt hinten nach. - Ich fag
3U bem frembe Wunbertier : „Sie finb wohl einen
unrechten Weg gegangen!" - unb will midD an
ihm vorbeimachen; aber weil er fagt:' „Ich bin
gefchici^t von Ihro (Dajeftäl ber Sraxi Königin von
47
Preufeen an bie fr au Rätin Goethe," fo guch icb
ihn an, ob er wobl nicbt recht gefcbeit wäre. -
„Unb," fährt er fort, „bie königlich €quipage
werben um 3wei Uhr kommen, um bie S^rau Rätin
nach Darmftabt ab3uholen; mit Ihrer GDajejtät
follen Sie ben Zee trinken im öchlofegarten !" —
Ich fag: „Johann! ]e^t hör er einmal, was bas
vor Sachen finb! Wenn einem eine pomeran3
aus bem blauen ßimmel grab auf bie Haf fällt,
ba foll man gleich fein Verftanb bei ber ßanb
haben unb fie auffangen ; bas will viel heifeen ! —
€i, wem hatt icb benn bie f^ontenance 3U ver=
banken als blofe bem Johann ? Der ftellt fich an
bie Seite vor lauter Refpekt vor bem unvorher=
gesehenen Creignis unb guckt mich fo feierlich an,
t>a^ ich mich gleich befinn, was ich mir unb ber
€inlabung fchulbig bin; ich guck ihn mit einem
feuerblick an, ^a^ ber f^erl in fich geht, benn er
war nahe baran, 3U lachen. Ich fag: „(Dein föerr
Rammerherr, ober was Sie vor ein höflicher
Beamter fein mögen, rennen Sie nur wieber
fpornftreichs 3ur frau f^önigin unb melben, bie
frau Rat werben ihrerfeits bie £hre haben, bie
von ber f rau Königin ihr 3ugebachte Bus3eichnung
an3unehmen. Unb machen Sie nur, ^q\^ bie l^utfch
hübfch akkurat kommt, bamit ich auch nicht 3U
fpät komme, ha bas Warten unb Wartenlaffen
meine Sach nicht ift." - Dabei macht ich fo grofee
Rügen, ha^^ ber preufeifch ßoflakei gewife feine
Verwunbrung wirb gehabt haben über ben be=
fonberen Schlag (Dabamen aus ber freien Reichs=
ftabt Frankfurt. (Dan mufe feine 3uflucht nehmen
48
3U allerlei f^ünften, um feine WürÖe 3U behaupten.
Wer \^ann fonft Religion in bie (Denfcben bringen?
Dafe fo ein ßofjcbran3 Refpeht hätte vor einem
Bürger, öasu ift er einmal verdorben; ba mufe
man auf (Dittel benhe, wie er ben Ropf gan3
verliert unö nicht weife, was er ba3u fagen foll.
Da fiel mir öer türhlopper ein von unferm flber=
lafemänncben, bem ßerrn Unfer; bas ift fo ein
Cöwenfra^, wie fie an Salomon feinem Chron»
feffel 3ur Ver3ierung angebracht finb. Den mach
ich nach - bamit jag ich meinen föerolb in bie
flucht; er nimmt bie Bein an ben ßals unb rennt
bie "Crepp herunter. Ich blieb jtochftill ftehen,
bie Cieschen bleibt ftehen, ber Johann rührt fich
nicht vom flech, bis wir bie ßaustür 3umachen
hören. „?rau Rat," fagt ber Johann, „Sie werben
alfo jet3t unmöglich ins f^irfchenwölbchen fahren,
unb ba werb ich bann bestelle, warum Sie nicht
mit könne fahren?" „]a, lieber Johann, unb
beftell ers boch gleich im Vorbeigehen beim
Perüchenmacher ßeibenblut,ber foll gleich kommen
unb er3ähl ers unterwegs alle Ceut; fo was mufe
ftabtbekannt werben." - „Ja, bas ift gewife,"
fagt ber Johann, „unb wenn mir nur bas f5er3
nit berften wirb, bis ich herausgepla^t bin bermit" -
fort ift ber Johann. — Hun guch ich mein Cieschen
an ; bie fteht vor mir wie nicht recht gefcheit unb
3ittert an alle Glieber. „Ci Cieschen," fprech ich
voll Verwunberung, „wie hommt es, t>a^ ihr bie
f5aub hinberft ber vörberft fi^t, bas war boch
vorher nicht." - Unb ich weife nicht, wie bas
möglich war! €s ift boch wunberlich, wie bei
49
überrafcbenbe öelegenbeiten öie Spuhgeifter ficb
allerlei öcbabernach erlauben mit folcben Ceut,
Öie öer Sacb nicbt gewacbfen finÖ. Das war nun
mein CiesdDen wirl^Ucb nicht. 6ie Nonnts nicbt
finden, weöer 3wichelftrümpf noch Schub noch
fonft ein Rleibungsftüch; Kein Roch könnt fie
mir orbentlicb über ben f^opf werfen. Wenn ich
nun auch Öen Ropf verloren bätt, ich war nicht
fertig geworben. Je^t fag ich: „Bring fie mir ein=
mal bie gebratne Caub wieber berein, benn ich
verspür über bie königlich Gefchicht ein fchreienbe
fDunger. Unb nun fchmeife [xe bie Hachtbaub von
ber Bouteille herunter - ich werb auch noch
meiner 5eel ben gan3en Stochfifch b erunter f reffen,
nun fchenh fie mir ein 6las Wein ein; ich mufe
§euer in ben Rbern haben." Der Perüchenmacher
war gleich herbei; über bie unbegreifliche Hach*
rieht bat er in feinem ftumme €rftaune mich
aufgebonnert, unb nun mufet er mir bie ßaub
auffege mit t>en Sternblumen. €s war ein Reiben*
pläfier; fingerbiche Schmink bat er mir aufgelegt.
„Die frau Rat feben fuperb aus," fagt ber ßerr
ßeibenblut. Unb bie Cieschen ftanb wie eine Gans
vor mir, als ob fie mich nicht mehr kennte. -
Hu, wir verbringe noch fo ein 3eitchen vor bem
Spiegel, links bie Cieschen mit ber verkehrte
ßaub , benn bie bat fie noch nicht 3eit gehabt
berum3ukriegen , rechts ber ßerr ßeibenblut mit
bem f^amm hinterm Ohr, gan3 ver3Ückt in mein
Cockenbau; ich in ber §ront mit einem feuerfarbne
Scblepprock mit boppelte Slorfpi^en, Diamant*
bracelett, echte Perlen um ben ßals, ein Schlupp
Sritjcb.Strobl. 4
50
von Diamante vorgeftecht. Dun, es war 3um
GDalen, bie brei perfonagen ba aus öem Spiegel
berauslacben 3u feben. Wir wuröen gans luftig
unb bacbten nicht, wie bie 3uhunft mir auf ben
ßals gerücht hommt. Wenn ich bocb an all bie
cbarmante Wi^e vom ßeibenblut micb noch er=
innern hönnt; er mufet ficb binftellen, unb icb
macht mein Probekompliment vor ihm; er ver*
ftebts. €r frifiert ja bie allerböchfte Tbeater*
prin3ejje. - Da hommt's aber wie ein Sturm
angerennt unb hält ftill vor ber ßaustür. Rutfcb
- vier pferb unb 3wei Cahaie hinten brauf noch
ohne ben f^utfcher. - Je^it l^ommen fie herbei=
geftolpert, fafet mich ein jeber unterm Brm unb
tragen mich fchwebenb in bie f^utfcb. Schab,
^Q^ bie 5ahrt nicht mit meine vier pferb burch
bie Bochheimergajf geht, am ßaus vom ßerrn
Bürgermeister vorbei. - Rber bas Glüch befcherte
mir unfer ßerrgott noch, benn kaum biege wir
im volle tirab um bie €ch, jtofeen wir auf bie
Bürgermeijtershutfch mitfamt bem f5errn Bürger*
meifter von l5ol3haujen brin, mit feine 3wei
Cal^aien hinten brauf mit ihre alte abgelebte ßaar*
beutel — ich auch - aber meine ßaarbeutel waren
gan3 neu. In vollem Ranb fahren wir vorbei am
föerrn Bürgermeifter. Ich grüfe feierlich mit bem
fäcJDer unb hab bas piäfier, 3U fehn, ba^ mein
F5err von f5ol3haufen im Wagen fi^en, verfteinert,
unb fehn mich nicht mit ihre 6lot3augen ; er ftrecht
ben I^opf heraus, aber umfonft, wir flogen wie
ber Winb vorbei.
Sollte ich nun alle Oebanhen er3ählen, bie
ea
51
mir auf meiner Reif bis Darmftabt eingefallen
finö, fo müfet icb lügen, benn icb war fo3ufagen
auf einer Scbaul^el, bie fcblecbt in Scbwung ge«
bracht war. Balö flog icb bort hinaus, balb wieöer
nach ber anbern Seite, halb brebt fich alles mit
mir im Durmel herum; bann bacbt icb wieber,
wie ichs alles meinem Sohne wollt Schreiben,
unb ba fing mir bas ßers an 3U klopfen. Icb
konnts vor Ungebulb nicht behaglich finben in
ber l^utfcb - ich fing an bie f^aftanienbäum 3U
3äblen in ber RUee. Ich wollt probieren, ob ichs
hönnt bis hunbert bringe, aber icb bracht keine
3ehn Bäum 3ufammen, ba waren meine Gebanken
wieber wo anbers. einmal kam mir ein gescheiter
Öebanken. Ich bacbt, was hab ich bavon? Ift
mir bie Gefchicht angenehm? - Sollt fie mir
nur noch ein ein3ig (Dal wieber begegnen, ba
würb ich mich fchon befinne, ^cx^ fie mir lang-
weilig war. Was war bas beunt morgen vor
eine Romöbie, was ift mir vor eine I5it5 in ben
I^opf gejtiegen; unb nun fteck ich in einer 3weifeU
haften Unbequemlichkeit - wo ich Z>a hingeh 3U
frembe Ceut, bie gar nicht bran benke, wer ba
angerumpelt kommt. - - „Ohne Rurage kein
Genie," hat mein Sohn immer gesagt, unb will
ich ober nicht, fo mufe ich boch einmal bie höf*
liehe Schmach auf mich nehmen, mit gefunbem
(Dutterwi^i bort in bem f ürftenfaal vor einer ein=
gebilbeten Welt 3U parabieren unb blofe für eine
§abelerfcheinung mich betrachten 3U laffen. 3°»
bie Welt jteht auf einem 5ufe, wo keiner an bie
Wirklichkeit vom anbern glaubt unb fich boch
4*
52
felber vergnügt fühlt, wenn er nur von fo einem
Scbeinbeiligen befcbeinigt ift. Hun, alleweil harnen
wir wie ein öturmwinö angeraffelt, gan3 er=
fcbrochen darüber, bafe ich fcbon ba bin, wie icb
eben vor Ungeöulb mein, es wirb nie ba3u
hommen. icb fteig au3, bie Bebiente renne wie
ein Cauffeuer vor mir weg. Ci, icb hann ba nicht
wie eine Cercb mich ihnen nachfchwingen. Icb
feh t>en RugenblicK kommen, wo ich weber Be^
biente noch Weg mehr finben kann. Ich hatt
mich ein bifechen verfäumt gehabt, bie f^rumplen
aus meinem ötaatskleib heraus3ufchütteln , ^a
waren fie unterbeffen in einer Rllee verfchwunben
wie ein paar Irrlichter; wir waren auseinanber*
gekommen. Ich geh fo bem Gehör nach, immer
im Rreis ums ßofgeswitfcber herum, immer näher,
bis ich enblich aus meinem Schattenreich heraus
unter ben aufgepolfterte föoftrofe trete. Ich hielt
mich im ßintergrunb mit meinen Beobachtungs^
gaben, grab wie ein General bei einer pofition,
bie er bem feinbe abluchfen will. Denn über»
rafchen lafe ich mich nicht; (Dut hab ich, womit
ich ben Ceuten, wenn fie ben Ropf verlieren, ihn
oft wieber 3urecht gefegt hab. }a, bei Gelegen»
heiten, von benen eine Svau keinen Verftanb 3U
haben behauptet wirb, ^a fteht als bem (Dann
berfelbig ihm allein 3ugemeffene Verftanb ftill,
^Q^ er wehklagt: „Reh, was fangen wir an?" -
Da antwortet bie Svau unb fchlägt ^en Hagel auf
ben I^opf. - Die Welt wirb immer hinkenb bleiben,
wenn ber Verftanb auf bem (Dann feiner Seit
hinüberhinkt, mit bem er bie verrückte Welt*
53
angelegenbeiten fo fcbwermütig hinter ficb brein*
fcbleppt. Was batets öem grofee Weltgeift, bafe
er bas ebepnn3ip in ficb trägt, wenn Öer männ=
liebe Verftanb ein ßageftol3 bleibt. - Rlfo bie
erft Bemerkung , bie icb macb in bem micb um=
gebenben ßofsirl^el, ift bie, ba^ meine amarant«
farbne Scbleppe nicbt grab ein guter Paffepartout
ift, benn nicbt icb mit meinem Vierunb3vvan3ig=
pfünberblich , nicbt meine perfon wirb mit neu-
gierigen Flügen betracbt, nein, bie wirb über*
gefebn, aber meine ^albelas, meine üaille, meine
drangen. Von unten berauf, immer böber unb
böber werb icb fcbarf examiniert, bis fie enblicb
3ur §lorfontange hommen, wo bie Sternblumen
brauf gepflan3t waren. Da balten fie an unb
entbechen, ba^ aucb ein Geficbt mitkommen war ;
^a prallen fie wie ber Blit5 auseinanber unb melben
meine €rfcbeinung ber Srau [Königin. Die hommt
mit einem ebrfurcbtsvoll gebaltnen öcJDritt auf micb
los, icb gleicb falutiere mit einem feuerblich vom
erfte Kaliber, unb nun macbe alle Ceute pia^.
Unb bie Srau f^önigin, wie eine fcböne Götter*
nympb, führt micb an ihrer ßanb, unb ber Winb
fpielt in bem fcbneebagelweifee f altengewanb, unb
ein Cochenpaar, bas fpielt an auf jeben Tritt, l>en
fie tut, unb bie blenbenbe ötirn unb bie wunber*
fcbön blaferote S'arb von ihrem öeficbt, unb ber
freunblicbe (Dunb, ber gan3 voll allerlei Geflüfter
micb anfpricbt. Verftanben hob icbs nicbt, icb war
burmlicb von Vergnügen unb honnt oucId nichts
weiter hervorbringen als: „föocbgefcbät5ter Rügen«
blich unb liebwertefte Gegenwart unb wunberns«
54
wert vor Götter unb vor (Denjcben - unö wie
fie er^t bie f^ett vom ßals ficb losmacbt unö bangt
fie mir um, unö ber ganse ßofkreis trippelt unö
guckt. leb bab innerlicb ben Rpoll unb ben Jupiter
angerufen; biefe menfcbenbegreifenbe Götter follen
mir beiftebn, bofe icb vernünftig bleib unb nicbt
alles um micb ber für wunberlicbe Tiere balt,
benn alle biefe vornebmen ßofcbargen hamen mir
vor wie ein beralbifcber Tierhreis. Cöwen, Büffel,
Paviane, Greife; aber auf ein Geficbt, bas menjcb»
lieb fcbön 3U nennen war, befinn icb micb nicbt.
Das mag bavon bert?ommen, weil biefe (Denfcbem
gattung mehr eine Rrt politifcber Scbrauben ober
Habwerh? an ber ötaatsmafcbine unb heine recbte
(Denfcben finb. f5artbörig, bartbersig, hursficbtig,
ftol3 unb eigenfinnig Voll^, unb es gebort immer
ber 3ufall unb ein Verbienft um fie, abfonberlicb
aber ibre eigene Caune basu, unb nocb viel anbre
fünfte, um von ibnen bemerkt unb gebort 3U
werben. Scbreien unb Poltern ober gar recbt
baben bilft gar nicbts bei ibnen ; ja, befonbers bas
Recbt baben, bas kommt ber politifcbe Staats*
mafcbine ibrer bocbtragenben Haf immer in bie
Quer. „Was foll bas beifeen, ^a^ man
mit feinm Hecbt an bie wiberrenn tut?"
Sollte bas Scbickfal biefe Haf auserfeben baben,
^a^ fie bai'ouf falle, bas war kein Scbaben;
barum mufe man ibr piat3 macben. Ja, von
folcben ift kein cbriftlicb Gefinnung 3U erwarten,
bas ift übrig. (Dan foll feines Beftallungsbriefes
an bie Hatur ficb erinnern, wenn man was mit
ibne 3U verbanbeln bat, bamit man an ber boppeU
55
fcbneibig = weltbürgerlicbe Politur nicbt aucb mit
feinen eöleren Gesinnungen als ausglitfcbt. Das
fehlte nocb, öafe man wie ein Causl^erl vor ficb
jelber baftebt unö öarf nicbt in ben Spiegel guchen
vom eignen Gewiffen. -
Solcbe Gebanke hatte ich in bem Tierhreis,
wo bie Orbensbänber unb Stern unb golbbli^enbe
Staatsröch runb um mich herum blinherten wie
im I^raum. Unb wie im "Craum bacbt ich: wenn
ich Rönig war, hielt ich mir eine aparte Infel vor
bas heralbifcbe Hiervolk, ^a könnten fie fo fort*
leben bis fie fterben wollten; aber mir jeber3eit
unter ben füfeen herum 3U krabbeln, "öa^ man
alle Augenblicke über fie ftolpern müfet, bas litt
icb nicbt.
nun, währenb icb über ben Darmftäbter Tier-
kreis meine Gloffen mach, wovon ein nicht un=
bebeutenber Zeü mit befterntem Bauch, mit über*
einanberfchielenben Blicken unb Überlegenben
(Dienen bes (Denfchenwohls ^a unter ber ßerb
herumftolpern, fpür icb beutlich, ^a^ ich in bem
Verwunberungsftrubel bagefeffen hatte wie ein
Schaf. Ich fchäme mich, ba^ ich follte mit fo
einem unfcheinbare Rntli^ bie freie Reichsftabt
vertreten ; ich fuch mir eine anbere phyfiognomie
aus, ben frankfurter Rbler. Ho! - wie ber
Rbler, wenn er Donner unb Bliti bewacht, fo fi^
ich ba, unb bie lieb Sonn, ohne Urlaub 3U nemme,
fe^t fich auf ben Reifefufe unb ging hinter benen
fchöne Cinbe bergab fpa3ieren; unb ber (Donb
kam herauf, auf ben mit allerlei poetifche Spe-
kulatione angefpielt würbe, ich mufet lachen
56
über öie empfinbungsvolle Tonart, in welche bie
Gefellfcbaft ba überging. Run, icb hann nicht alles
aus bem Öebäcbtnis bervorhrame. Icb fcbvvieg
in meiner ftol3e Pofition ftill, benn kein (Denjcb
hatte mir ein Wort 3U fagen, feit bie parabe 53en
vorbei war. IcId macfjte baber meine olympifche
Rblersmiene ohne Unterbrechung fort, unb ^a
war auch nicht ein Rugenblich, wo ich mir nach-
gegeben bätt unb bätt meinem FllletagsgefidDt
auch nur erlaubt, burch3ublin3eln. - Ruf emal ! -
fcblögt mir ein tirompetegefchmetter burchs Ohr,
ich fahr aus einem tiefen Schlaf, in bem ich aller
föerrlicbheiten , bie um mich her vorgingen, ver=
geffen, träume bem f5errn ßeibenblut unb ber
Jungfer Cieschen meine erlebte Rbenteuer 3U er^
3äble, unb gan3 vergnügt bin, ^a^ alles über=
jtanbe ift. - Ja, ber vermeint Rbler bat ben
l^opf in feine öpitsehragen geftecht unb war
unbewußt feiner entfcblummert über bem viele
Gefchwärm von alle bebeutungsvolle (Domente,
bie mir ^a in einm föui ins Bütagsleben herein«
geftoben hamen, unb ich, als in ber (Deinung,
meinen olympifcben 6ötterglan3 fort3ubebaupten,
fall aus ber Roll heraus unb in Schlaf. (Dit
natürliche Dinge wars 3ugegangen; benl^ fich
einer bie verfchiebenen (Dotionen, bene ich vom
frühen (Dorgen an ausgefeilt gewefen war; es
war ja alles wie ein Traum. Wars ba ein
Wunber, ba^ ichs am €nb für ein Traum hielt
unb ruhig weiter fchlief? - Unb bie Hacht»
bämmerung - unb ich fafe ja ^a für gar keine
weitere Öefchäfte, als blofe Betrachtung an3ufteUe,
ta
57
was bocb öie Parse vor eigenfinnige Begeben»
beiten einem in öen Cebensfaben einspinne. Ho!
Rls icb mit einem öcbreche öurcb alle Cingeweiöe
aufwacb, bat ficb öie Ssen veränbert; öas 6e=
büfcb wirft keinen öcbatten mebr auf öen leeren
pia^, weil alles ^ageslicbt gewieben war. Der
TIrompetenftofe, ber micb von meinem tiefe Scblaf
auferwecht batte, war aus öem Tansfaal erfcballt,
wo belle kacheln brenne, wo bie ganse ßof=
nympbefcbar in einem fcbwebenöe ^an3 mit bene
beralöifdDe Cavaliere berumbüppe ; aus Öen unter»
irbifcbe Rellerbälf dampft ein höftlicber öpeife»
gerucb; in Öenen fiebt man bie ßerrn l^öcbe mit
weifeen 3ipfelmü^en munter unb allert fett in bas
feuer werfe, bafe es bell aufflackert; bie Cbam»
pagnerflafcbe bort man im piotonfeuer losknalle
unb bie Srau Hat, bie 3U biefem Göttermabl
feierlicbft eingebolt waren mit vier weifee Scbimmel,
bie fi^en unter einem Vogelkirfcbbäumcbe, welcbe
frucbt man bekanntlicb nicbt effe kann, unb
fpüren ßunger.
Die Hacbt war eingebrochen, unb icb, un=
bekannt mit ber ßofetikett, unb bocb mit einem
öcbicklicbkeitsgefübl, was vielleicbt grab aus
graber, berslicber flufricbtigkeit ben entgegen»
gefet5te Weg bätt eingejcblagen von bem, was
ftatuiert war, icb ftanb in ber l^lemm, wie icb
micb 3u verbalten bätt, aber icb würbe jebr halb
berausgeriffen. Die gute frau f^önigin bat mido
in all bem Trubel nicbt vergeffen. Wie fie ibren
erften ran3 ausgemacht bat, ^a jiebt fie ficb um
nach mir; unb wie fie micb nicbt finben kann, ba
58
gibt fie gleich Oröer. Das honnt icb burcb bie
§enyterfcbeiben bemerl^en; - haum hatte fie nach
mir gefragt, öa laufen Me l^ammerherren , öie
Cal^aien burch öen gan3en 6aal im [Kringel herum,
um mich 3U finben. Rber, bacht ich, fucht ihr
nur. - Wie fie mich nicht finben können, l>a fällt
ihnen boch ein, M\s ich vielleicht hönnt im Garten
geblieben fein. Hun kommen fie heraus unb ver*
teilen fich in alle Regionen; ich brück mich bicbt
bei ber Cur an bie Wanb, benn im Garten wollt
ich mich nicht finben laffen, ^a hätt ich mich 3U
fehr gejchämt. Hun bacht ich, je^t ift ber wichtige
(Doment, ^a mufe ich einen energischen Streich
machen unb mich auf gut Glück wieber ins (Deer
ftür3en, unter bie ßofwogen, unb mich ba um bie
Wett mit benen aufbauschen. Wie alfo ein ßof*
lakai wie ein Schüfe Pulver von ber Züv abbli^t
in ben Garten hinaus, um mich im Gebüfch 3U
fuchen, \o fahr ich an bem blinbe ßans vorbei,
grab in ben Saal herein, wo mir glücklicherweif
alle Ceut ben Rücken brehten. - Rchü - Gott
fei Dank!! - Denn bas ßer3klopfen, was ich
nach überftanbner Rataftropbe empfanb - nun,
wer fich bas benken kann? - bis ich mich fo
allmählich wieber beruhigte. - Denk fich einer,
wenn bie Winbbeutel, bie Rammerherren unb
J^ammerbiener, ba bie S'rau Rat unter bem VogeU
kirfchbäumchen gefunben hätten unb hätten mit
ihre Winblichter mir unter mein fchlafenb Bn=
geficht geleucht. Hein, ich frag alle gute f reunb,
ob einer fich bas gewünfcht hätt? - Rntwort:
Hein! - Rber was man fich nicht wünfcht, bas
59
foll man anbern nicbt gönnen. leb auch bab mirs
nicbt gewünfcbt unö bätts meinem feinö nicbt
gegönnt.
Wie icb micb etwas erleicbtert füblte, fo rüchte
icb allmäblicb binter ben vielen Ceuten bervor,
bie an ber Or ftanben, unb h?am fo gan3 nab
an bie Sxau F^önigin heran; bie winhte mir. Unb
nun i^ommen bie l^ammerjöger von ibrer jagb
burcbs Bufcbv^erb? 3urück unb wollen eben mein
Verfcbwinben melben, ba febn jie 3U ibrer Ver=
v^unbrung, wie icb eben mit benen Prin3en von
6otba, nocb ein paar gan3 jungen Bürfcbercber,
Bel^anntfcbaft macb. Die er3äblen von meinem
6obn, weil fie ibn febr gut l^enne vom Weimarer
ßof, unb icb er3äbl aucb mein Beftes, unb bas
war eine gan3 vergnügte balbe Stunb, wo icb
micb gan3 mit meinem Scbichfal wieber ausföbnte.
Rucb batte [xdb meine Verlegenheit nacb unb nacb
befcbwicJDtigt über meine Toilette, benn icb batte
mir gleich vorgenommen gehabt, nur in keinen
von benen großen bell erleuchtete Wanbfpiegel
3U guchen; bas war gar nicbt jo leicht. - Dafe,
wenn allenfalls was an mir in Unorbnung ge=
raten war, ^a^ ich nicht auch nocb ben Schrech
auf mein geprefet ßer3 laben müfet, weil aber
bie Cent all gan3 vernünftig mich anfehn unb
heiner eine 3um Cachen gestimmte (Diene macht,
ba wag ich's unb tu einen öeitenblich unb finbe
mich nicht nur gan3 menfdDlicb, fonbern ich gefalle
mir auch febr wohl mit meinem Uurafchierten Bug,
bas ba thront über alle verkehrte €ingebilbbeiten,
mit bem fie mich runb umher 3U überfchauen
60
meinten. leb jcbaute auf fie wieber berab, wie
ein Wetterbacb, bas fie in 6cbut3 genommen bat
gegen öen erfrifcbenöen Regen unö öen hüblenöen
Winb, bem fie ficb aus3ufet5en Bebenden tragen.
Un5 jo liefe icb fie micb umirren mit ihren nichts^
fagenöe Bliche, als blofe wie öürres Caub, was
im Winö öabinfliegt.
Die gute Srau l^önigin \ab mirs an, bafe es
3eit war, micb 3U entlaffen; fie nabm ba mein
Dank recbt freunblicb auf unb erinnert micb an
bie 3eiten, wo fie in meinem f5aus unter meinem
9cbut3 gewobnt batte unb taufenb luftige SpieU
ftunben in meinem l5of ficb gemacbt. -
Da icb nun entlaffen war, fo ham gleicb wieber
fo ein bienenber öeift von morgens früb unb
fragt micb, ob icb vielleicht ben Wagen beftellen
wollt laffen? - „Hicbts lieber wie bas," fag icb,
„befter S'reunb, verbienen Sie ficb einen Cobn im
ßimmel, unb helfen 6ie mir über bie höniglicb
Schwell hinüber in mein bürgerlich Dafein." Wie
ich nun wieber im Wagen fafe, wer war froher
wie ich? - Ich hatte vor allen überrafchenben
Verlegenheiten unb Sorgen gar nicht können an
meine golbne f^ett benhen; jet3t beguch ich fie
mir im (Donbfchein , unb fie machte mir boch
grofees piöfier.
Denn alle Bus3eicbnungen , bie mir werben,
bas weife ich, bie bab ich boch meinem Sohn 3U
banhen, unb wie foll bas eine (Dutter nicht
freuen? -
61
frankfurter Bürgertum ift ber beft
R b e l , öer ficb bis jet5t noch in alle 3eiten Refpeht
erworben bat. Welcber Staat kann ficb öes
rübmen? Hun, icb kann Cucb fagen, als icb in
öer Hacbt vors Cor harn, fo freut icb micb über
bie (Dafeen: „5ie müfjen öie Sperr be3ablen!"
„I^öniglicb Cquipage!" ruft ber Cahai vom Boch
herunter; Scbilöwacb ruft: „ßeraus!" - „€iwas!"
fag icb, „freilieb will icb bie Sperr be3ablen.
Stechen Sie Ibnen Ibr Seitengewehr ein, föerr
Ceutnant, icb bins nur unö fonft niemand!" -
„ei, um fo beffer, vor Ibnen präventiere mer bas
Gewehr mit Vergnüge." - Hun, als wir öurcb
ben Orl^us burcbgerumpelt waren unb enölicb vor
meinem ßaus ftillhalten, fo h?ommt mir ein gan3er
Trupp von Bafen unb Vettern entgegengeftür3t. -
leb fag: „€i, was wollt ihr bann? - €s ift nacht»
fcblafenbe 3eit!" - „Reh, Gott feis gebanht, ^>a^
wir Sie wieber vor unfern Bugen fehen, lieb
f rau Rat ; wir hatten gebacht, Sie wären arretiert !
Die Jungfer Ciescben bat uns in grofee Rngfte
3ujammengetrummelt. €s war eine Orber hommen
von Ihre {königliche (Dajejtät von Preufeen, grab
wie Sie hätten wollen ins f^irfcbenwälbcben fahren
mit ber frau Bethmann; unb l^aum ^a\^ Sie ficb
hätten was an3iehen können, fo wären Sie mit
€shorte von brei (Dann in einem 3uenen Wagen
mit vier pferb forttransportiert worben. Unb fo
fit3en wir hier fchon brei Stunb unb wiffen nicht,
was wir follen anfangen, unb eben wollten wirs
bem ßerrn Bürgermeifter melben, unb wir wären
Ibnen nachgeeilt. Rber bie Jungfer hatte ben
62
Ort vergeffen, wo 6ie waren bintransportiert
worden."
„nun, um Gottes willen! Was finb bas vor
Sacben! - Das Rät|el will ich Cucb morgen löfen;
beunt will icb Cucb nur eins jagen, Öafe bie Jungfer
Ciescben eine ßablgans ift. Unö icb feb wobl ein
jet3t, bafe ibr bie ßaub beunt morgen nicbt ver*
hebrt auf Öem Ropf gefeffen bat, bafe ibr aber
ber Ropf verkebrt unter öer P5aub fi^t, bavor
will icb Cucb ftebn. Icb bebanl^ micb übrigens
vor öie Teilnabme; unb wenn 6ie einmal arretiert
werbe follten , fo werb icb aucb mein Bestes tun,
6ie wieber ein3ubolen. Übrigens, wer meine
grofee Rbenteuer genauer will erfabren, ber
mufe morgen hommen; beunt finb bie Tore ge=
fperrt." -
nun, wie icb bie gute nacbbarn los war -
fo macb icb ber Ciescben erft Vorwurf, wie fie
fo bumm hönnt fein unb mir bie Ceut über ben
P5als trummelt.
nun nebm icb meine öternblumenbaub vom
f^opf berunter unb ftülp fie über bie Bouteille.
Die bat beunt was mit mir erlebt! leb eröffne
meine €nveloppe; bie Ciescben erftarrt von ber
golbnen Rett! - Sie macbt mir Vorwurf, ba^
icb nicbt gleicb bab vor ben nacbbarn, bie um
meine Rbwefenbeit waren in Sorgen gewejen,
meinen (Dantel aufgemacbt. „Unb," fagt fie, „bas
war einmal nicbts, ^a^ bie Svau V<a\ nicbt gleicb
es gefagt baben, unb morgen bei Zag wirb bas
lang fo kein Cffekt macben." - „nun!" fag icb,
„es ift nun emal gefcbeben, nun wollen wir uns
ez9
63
ins Tleglige werfen unb ins Bett legen unö von
öenen viele Strapa3en uns ausruhen!" -
nun hommts enÖUcb fo weit, bafe icb im Bett
liege. Die frau Betbmann haben einen Rorb
mit ben fcbönften f^irfcbe mitgebracht aus t)em
Rirfchenwälbchen , unb wenn mirs recht war, fo
wollte fie mir 3ulieb morgen noch einmal mit
mir hinfahren. €i, freilich ijt mir öas recht!
]et5t ftell 5ie mir öie treffliche ßersNirfchen an
mein Bett unb bie Wafferflafche babei, fo werb
ich wie eine Prinsefe mirs wohl fein laffen unb
bie gan3e Hacht f^irfchen freffen. -
Rber bie Cieschen bat heine Ruh, fie perfua-
biert mir noch über bie weife tlachtjach bie golbne
f^ett um ben ßals - unb nun bewunbert fie unb
bebauert, "öa^ es bie tlachbarn von rechts unb
linl^s unb gegenüber nicht gefebn haben! „Hun!"
fag ich, „fchweig 6ie mit ihrem Camento, es ift
emal vorbei; hätt ich ehnber bran gebacht, fo
hätt ichs freilich ihne 3eigen l^önnen; es würbe
fie im erften Rugenblich, wo fie noch ben öchrech
in alle ßlieber hatten über meine bewufete
Rrretierung, noch mehr gefreut unb überrafcht
haben!" - „Reh!" ruft bie Cieschen, „bie hob ich
gleich wieber beifammen, es ift ja nit weit hin!"
Unb eh ich ihr auf ihre Dummheit f^ontraorber
geben hann, Klappt fie mit ihre Pantoffel bie
trepp hinunter. Ich hör bie ßaustür gehen, ich
lieg i>a in ber Hachtjach im Bett mit meiner
golbne f^ett, mit meine f^irfchen. Ich benh?, was
foU bas werben; alle Cent liegen um ein Uhr in
ber Dacht im tiefften Schlaf; feit wieviel Jahr
64
bat ein gefunber frankfurter bie Stern am löimmel
um bie[e 3eit nicht gefebn: unb nun poltert mir
bie Ciescben bie COenfcben 3ufammen! - ]a,
richtig, ba kommen fie fcbon mit angepoltert! -
nun, morgen wirb bie gan3e ötabt fagen, ich war
nicht recht gescheit. - ]et3t, ber erjte Gefeil, ber
bie Tür aufmacht, fein ber ßerr Dr. Cebr. „€i,
um öottes Wille, wie kommen Sie baber?" -
„ei, wie ich eben in Wagen fteigen will bei ber
§rau Schahet, bie eben mit einem kleinen Sohn
niebergekommen finb, ba kommt Ihr ßausjungfer
Ciescben ßals über Ropf baber gerennt, unb im
Vorbeirenne fragt fie, ob ich nicht wollt bie fchöne
Rett feben, bie Ibne ber f^önig von preufeen mit
eigne ßänbe bat um ben ßals gehängt!" - Ci,
bie Ciescben ijt ja imftanb unb rebet bie gan3e
Stabt auf, um bie Rett 3U jehn; unb morgen
werben bie Ceut fagen, ich war nicht recht ge=
fcheit ! - nun, weil ber Doktor Cebr in Bewunbrung
über meine f^ette baftebn, fo kommen bie anbern
nachgepoltert, bie all von ber Ciescben unb ihrer
Deugierb wieber aus bene Betten getrummelt
waren, unb ich batt nicht weniger wie 3ebn
Perfonen im 3immer unb ein fürchterlich 6e=
fchnatter ! Ich fagt aber nichts unb liefe fie gucken
unb ßloffen machen unb afe ruhig meine l^irfchen
auf; unb mit ber le^ite Rirfch ha fagt ber Doktor
Cebr: „Dun werb ich meine Rinbbetterin, noch
eh ich nach ßaus fahr, befuchen, unb werb von
ber golberne Rett noch er3äblen!" - „O," fag
ich, „fchicke Sie mir nicht auch noch bie Stabt=
bebamm übern ßals!" - Jetjt, kaum war ber
65
Dohtor Cebr fort, fo empfehle ficb auch bie
Dacbbarsleut unb bebanKe ficb, unb ich macb
meine entfcbulbigungen , Z>a^ bie Cieecben ohne
mein Wille fie bat wieber aus ben Betten gebolt.
6ie gaben aber bem Ciescben gan3 recht! - Hun,
wie fie ber Tür braufe waren unb ich hör bie
ßaustür gehn, war ich froh, t>a^ ich enblich bei
mir allein war. Rber ^a l^niftert was an ber
Zuxl - (Dein öcbrechen! Ich benl^, bas ift am
Cnb heimlich ein öpi^bub bereingefchlichen ; ich
fchrei um ßilf. Ich will eben ans f enfter fpringen
unb bie Hachbarsleut wieber herbeirufen, bie
noch nicht weit fein hönne, ba ich bie Bbfä^ von
ihre Schuh beutlich in ber fern wiberhallen hör
auf bem 6trafeenpflafter. Rber ba hommt ja wahr^^
haftig bie frau Rhleber herein, bie ötabthebamm,
unb fagt, ber ßerr DoWor Cebr hätts ihr gefagt,
ich hätts erlaubt, ba\s fie noch bürft komme unb
bie golbern f^ett fehn! -
„Ja," fag ich, „frau Rhleber, fehe Sie nach
Gefallen, aber ich bitt Sie um Gottes willen, fagen
Sies beut niemanb wieber, bamit ich boch noch
einen Teil von ber Harbtrub geniefeen kann! -
nun, bie war auch bie let3t Dachtvifit, aber acht
Zag hintereinanber ftrömte alle Ceut 3U mir,
unb ich mufete viele alte Behanntfchafte erneuern
unb viel neue machen wegen ber l^ett unb mufet
meine Gefchicht von alle Seite ersäble, wo ich
bann unenblich viel Variation babei angebracht
hab unb hob benen befuchenbe neugierigen
einem jeben noch apart mit eingeflochten, was
ich meint, ha^ ihm not war 3U bebenden. Den
SritJcb'Strobl. 5
66
erften Zag war ich öurcbgewijcbt ins f^ir^cben*
wälbcben, öq finb fie mir ja oll nacbhommen 3u
fufe unb 3U Wagen, unb Öas ganse f^irfcben=
wälöcben war gestopft voll 3ubörer; unb öie
Gaffenbuben baben Spalier gemacbt um micb
herum, unö icb mufet eine Pracbter3äblung macben,
unb icb wärs beinab fatt geworben ; icb war frob,
wie ficb Öer erft Sturm gelegt batte. Hun, beunt
bab icb wieber einmal bie alt öefcbicbte mit be»
jonberm piöfier aufgewärmt, unb ich boffe, bofe
jie Cucb wirb eingeleuchtet baben.
o! lo O oCHo O Ol lo
oetbes (Dutter unb l^arl VII. ^^
Jbr Öeöäcbtnis*) war nicbt allein merl^würöig,
es war febr berrlicb. Der €inbruch mächtiger
Gefüble entwickelte ficb in feiner vollen Oewalt
bei ibren €rinnerungen, unb bier will ich Dir bie
Gefcbicbte, bie icb Dir fcbon in (Düneben mitteilen
wollte, unb bie fo wunberbar mit ibrem ^obe 3U=
fammenbing, als Beispiel ibres grofeen f5er3ens
binfcbreiben , fo einfacb, wie fie mir es felbft er:=
3äblt bat. €b icb ins Rbeingau reifte, Kam icb,
um Rbfcbieb 3U nebmen. 6ie fagte, inbem ficb
ein Poftborn auf ber Strafee boren liefe, ba^ ibr
biefer Zon immer noch bas f5er3 burcbfcbneibe,
wie in ibrem fiebsebnten Jabre. Damals war
f^arl VII., mit bem 3unamen ber Unglüchlicbe, in
Frankfurt; alles war voll Begeifterung über feine
grofee öcbönbeit. Rm Rarfreitag fab fie ibn im
langen, fcbwar3en OT/ontel 3U fufe mit vielen
ßerren unb fcbwar3gekleibeten Pagen bie l^ircben
befucben. ßimmel, was batte ber (Dann für
Rügen! Wie melancbolifcb blichte er unter ben
gefenUten Rugenwimpern bervor! - leb verliefe
ibn nicbt, folgte ihm in alle f^ircben. Überall
hniete er auf ber legten Bank unter ben Bettlern
-□□□ : □
•) Von Goethes ODutter.
68
unb legte fein ßaupt eine Weile in bie ßänöe.
Wenn er wieber empor fab, war mir's allemal
wie ein Donnerschlag in öer Bruft. Da icb nach
ßaufe ham, fanö icb micb nicbt mebr in öie alte
Cebensweife; es war, als ob Bett, 6tubl unb
Ofcb nicht mebr an öem gewohnten Orte ftänöen.
€s war Dacht geworben, man brachte Cicht berein ;
ich ging ans f enfter unb fab hinaus auf bie bunl^eln
Strafen. Unb wie ich bie in ber 6tube von bem
l^aifer fprecben hörte, l>a 3itterte ich wie Cfpen*
laub; am Rbenb, in meiner l^ammer, legt ich mich
vor meinem Bett auf bie f^nie unb hielt meinen
f^opf in ben ßänben wie er. Unb es war nicht
anbers, wie wenn ein grofees Tor in meiner Bruft
geöffnet war. (Deine öchwefter, bie ihn en=
thufiaftifcb pries, fuchte jebe Gelegenheit, ihn 3U
fehen; ich ging mit, ohne ^q\s einer ahnte, wie
tief es mir 3U ßer3en gebe. €inmal, ^a ber l^aifer
vorüberfuhr, fprang fie auf einen prellftein am
Wege unb rief ihm ein lautes Vivat 3U ; er fab heraus
unb winkte freunblich mit bem Schnupftuch. Sie
prahlte fich febr, ^a^ ber f^aifer ihr fo freunblich
gewinkt habe; ich war aber heimlich über3eugt,
^a^ ber Grufe mir gegolten habe, benn im Vorüber^
fahren fab er noch einmal rückwärts nach mir.
ja, beinah jeben Cag, wo ich Gelegenheit hatte,
ihn 3U fehen, ereignete fich etwas, was ich mir
als ein 3eichen feiner Gunft auslegen konnte.
Unb am Rbenb in meiner Schlaf kammer kniete
ich allemal vor meinem Bett unb hielt ben f^opf
in meinen ßänben, wie ich von ihm am f^arfreitag
in ber F^ircbe gefeben hatte; unb bann überlegte
69
ich, was mir alles mit ihm begegnet war. Unb
\o baute ficb ein geheimes Ciebeseinverftänönis
in meinem föersen auf, von bem mir unmöglich
war 3U glauben, bafe er nichts bavon ahnte; ich
glaubte gewife, er habe meine Wohnung erforfcht,
ba er je^t öfter burch unjre (5Q]\e fuhr wie fonft
unb allemal heraufjah nach ^en §enftern unb
mich grüfete. O, wie war ich ben vollen Zag fo
feiig, wo er mir am (Dorgen einen Grufe gefpenbet
hatte; ba hann ich wohl fagen, ^a^ ich weinte
vor Cuft. - Wie er einmal offene "Cafel hielt,
brängte ich mich burch bie Wachen unb kam in
ben 6aal, ftatt auf bie Gallerie. £s würbe in bie
Trompeten geftofeen; bei bem britten 5tofee er*
fehlen er in einem roten Samtmantel, ben ihm
3wei f^ammerherren abnahmen; er ging langfam
mit etwas gebeugtem ßaupt. Ich war ihm gan3
nahe unb bachte an nichts, ^a^ ich auf bem un=
rechten pia^ wäre. Ruf feine Gefunbheit würbe
von allen anwefenben grofeen f5errn getrunken,
unb bie Trompeten fchmetterten barein ; ba jauch3te
ich laut mit. Der l^aifer fah mich an; er nahm
ben Becher, um Befcheib 3U tun unb nichte mir.
]a, ba l^am mir's vor, als hätte er ben Becher
mir bringen wollen; unb ich mufe noch heute baran
glauben. €s würbe mir 3U viel l^often, wenn ich
biefen Gebanhen, bem ich fo viel Glüchstränen
geweint habe, aufgeben müfete; warum follte er
auch nicht; er mufete jawohlbiegrofeeBegeifterung
in meinen Rügen lefen. Damals im 5aal bei
bem Gefchmetter ber Pauken unb Trompeten, bie
ben Trunk, womit er ben fürften Befcheib tat,
70
begleiteten, warö icb gan3 elenb unb betäubt, fo
febr nabm icb mir öiefe eingebilöete ebre 3U
ßer3en. (Deine öcbwefter batte (Dübe, micb
binaus3ubringen an öie frifcbe Cuft; [\e fcbmälte
mit mir, öafe fie wegen meiner bes Vergnügens
verluftig war, öen f^aifer fpeifen 3U feben. 5ie
wollte aucb, nacböem id) am Röbrbrunnen Waffer
getrunken, verfucben, wieöer binein3ul^ommen,
aber eine gebeime Stimme fagte mir, öafe icb an
bem, was mir beute befcbert geworben, mir folle
genügen laffen, unb ging nicbt wieber mit. Hein,
icb fucbte meine einfame 6cblafl^ammer auf unb
fet3te micb auf ben Stubl am Bett unb weinte
bem l^aifer fcbmer3licb4üfee Tränen ber beifeeften
Ciebe; am anbern Hage reifte er ab. Icb lag früb*
morgens um vier Ubr in meinem Bett. Der Zag
fing eben an 3U grauen; es war am 17. flpril.
Da borte icb fünf poftbörner blafen, bas war er ;
icb fprang aus bem Bett. Vor übergroßer Cile
fiel icb in ber (Ditte ber Stube unb tat mir web ;
icb acbtete es nicbt unb fprang ans §enfter. In
bem Rugenblich fubr ber f^aifer vorbei; er fab
fcbon nacb meinem fenfter, nocb eb icb es auf=
geriffen batte; er warf mir Rufebänbe 3U unb
winkte mir mit bem Scbnupftucb, bis er bie Gaffe
binaus war. Von ber 3eit an bab icb kein
Poftborn blafen boren, obne biefes Rbfcbiebes 3U
gebenden, unb bis auf ben beutigen Zag, wo icb
ben Cebensftrom feiner gan3en Cänge nacb burcb*
fcbifft babe unb eben im Begriff 3U lanben, greift
micb fein weitfcballenber Ton nocb fcbmer3licb an,
unb wo fo vieles, worauf bie (Denfcben Wert
71
legen, runö um micb versunken ift, ohne öafe icb
Rummer barum habe. Soll man 5a nicbt wunber»
liebe Ölojfen macben, wenn man erleben mufe, bafe
eine Ceibenfcbaft , bie gleicb im €ntfteben eine
Cbimäre war, alles Wirhlicbe überöauert unb ficb
in einem ßersen behauptet, bem längft folcbe Rn*
fprücbe als Harrbeit verpönt finb. Icb bab auch
nie Cuft gehabt, bavon 3U Sprechen; es ift heute
bas erftemal. Bei bem §all, ^en icb bamals vor
übergroßer €ile tat, hatte icb mir bas Rnie ver=
wunbet; an einem grofeen Brettnagel, ber etwas
hoch aus ben Dielen hervorftanb, hatte icb mir
eine tiefe Wunbe über bem rechten l^nie ge*
fcblagen. Der fcbarfgefcblagene f^opf bes Hagels
bilbete bie Harbe als einen fehr feinen, regeU
mäßigen 6tern, ^en icb oft barauf anfah währenb
ben vier Wochen, in benen halb barauf ber tlob
bes l^aifers mit allen Glochen jeben nachmittag
eine gan3e 9tunbe eingeläutet würbe. Reh, was
bab ich ba für fcbmerslicbe ötunben gehabt, wenn
ber Dom anfing 3U läuten mit ber großen ßloche,
unb es l^amen erft fo einselne mächtige Schläge,
als wanke er trostlos hin unb her, nach unb nach
hlang bas Geläut ber kleineren Glochen unb ber
ferneren l^ircben mit. Cs war, als ob alle über
ben Crauerfall feufsten unb weinten, unb bie Cuft
war fo fcbauerlich, unb es war gleich bei 5onnen=
Untergang, ba hörte es wieber auf 3U läuten;
eine Gloche nach ber anbern jchwieg, bis ber
Dom, fo wie er angefangen hatte 3U klagen, auch
bie onerierten Cöne in bie Dachtbämmerung
feuf3te. Damals war bie Harbe über meinem
72
ea
Rnie noch gan3 frifcb; icb beiracbtete jie jeöen
Zag unö erinnerte mich babei an alles.
Deine (Dutter 3eigte mir ihr f^nie, über öem
bas (Dal in §orm eines febr öeutlicben, regeU
mäßigen Sternes ausgebildet war. 6ie reicbte
mir öie f5anö 3um Rbfcbieö unb jagte mir nocb
in ber üür, [\e babe niemals hiervon mit jemanö
gefprocben als nur mit mir. Wie icb haum im
Bbeingau war, fcbrieb icb mir aus öer Crinnerung
\o viel wie möglieb mit ihren eigenen Worten alles
auf, benn icb öacbte gleich, bafe Dich bies gewife
einmal intereffieren müfje. Tlun hat aber ber
(Dutter ^ob biefer l^inblicben Ciebesgefcbichte,
von ber ich mir benhen Uann, t>a^ fie kein ebles
männliches f5er3, viel weniger ben l^aijer un=
gerührt gelaufen haben würbe, eine herrliche f^rone
aufgefet5t unb fie 3U etwas vollenbet Schönem
gestempelt. - Im September würbe mir ins Rhein»
gau geschrieben, bie (Dutter fei nicht wohl; icb
beeilte meine Rüchkehr; mein erfter Gang war 3U
ihr. Der Rr3t war gerabe bei ihr; fie fah fehr
ernft aus; als er weg war, reicbte fie mir löchelnb
bas Be3ept hin unb fagte: „Da lies, welche Vor=
bebeutung mag bas haben, ein Umfchlag von
Wein, (Dyrrhen, Öl unb Corbeerblöttern, um mein
l^nie 3U ftärl^en, bas micjj feit biefem Sommer
anfing 3u fchmer3en; unb enblich hat fich Waffer
unter ber Darbe gefammelt. Du wirft aber fehen,
es wirb nichts helfen mit biefen haiferlidDen
Spe3ialien von Corbeer, Wein unb Öl, womit bie
f^aifer bei ber i^rönung gefalbt werben. Ich feh
bas fchon l^ommen, ba\s bas Waffer ficb nach
73
bem f5er3en sieben wirb, unb ba wirb es gleicb
aus fein." 5ie fagte mir Cebewobl, unb fie wolle
mir fagen laffen, wenn icb wieberl^ommen folle.
ein paar Zage barauf liefe fie micb rufen; fie
lag 3U Bett; fie fagte: „ßeute lieg icb wieber 3U
Bett wie bamals, als icb haum fecb3ebn Jabre
alt war, an berfelben Wunbe." Icb lacbte mit ibr
bierüber unb fagte ibr fcbersweife viel, was fie
rübrte unb erfreute. Da fab fie micb nocb einmal
recbt feurig an; fie brüchte mir bie ßanb unb
fagte: „Du bift fo recbt geeignet, um micb in biefer
Ceibens3eit aufrecbt 3U balten; benn icb weife
wobl, t>Q\^ es mit mir 3U Cnbe gebt." 5ie fpracb
nocb ein paar Worte von Dir, unb ^a^ icb nicbt
aufboren folle, Dieb 3U lieben; unb ibrem €nl^el
folle icb 3U Weibnacbten nocb einmal biegewobnten
3ucherwerhe in ibrem Hamen fenben. 3wei Hage
barauf, am flbenb, wo ein f^onsert in ibrer Habe
gegeben würbe, fagte fie: „Hun will icb im €in=
fcblafen an bie (Dufih benhen, bie micb balb im
ßimmel empfangen wirb." 5ie liefe ficb aucb nocb
ßaare abfcbneiben unb fagte, man folle fie mir
nacb ibrem Tobe geben, nebft einem familienbilb
von 9eeha^, worauf fie mit Deinem Vater, Deiner
9cbwefter unb Dir, als Scbäfer gehleibet, in an=
mutiger Gegenb abgemalt finb. Rm anbern
(Dorgen war fie nicbt mebr; fie war binüber=
gefcblummert.
I lol I dloCIIl CZDoIZII
u
om alten Stabion o o
=o — /i
rreute Qbenb mufet ich mit ber Grofemama
U fpa3ieren geben, am fkanal im (Donöfcbein.
Sie er3äblte mir aus ibrer ]ugenb3eit, wie fie
nocb mit bem Grofepapa in Wartbaufen beim
alten ötaöion wobnte, unö wie ber Öen Grofepapa
weit lieber gebabt als öie anöern 5öbne; unö
wie ber ibn er3ogen bat, gar wunöerlicb mit grofeer
Sorgfalt. Cr liefe ibn als Jüngling von nicbt acbt*
3ebn Jol'Jren fcbon eine grofee unÖ ausgebreitete
politifcbe f^orrefponben3 fübren; er gab ibm Briefe
von f^aifer unö f^önig, von allen Reicbsverwefern
unö Staatsbeamten aller Rrt 3U beantworten.
Cs hamen Verbanölungen über alle möglieben
Staatsangelegenbeiten vor, ßanöel, Scbiffabrt,
alte Bnrecbte, neue foröerungen, Cänöerteilung,
Verrätereien, Umtriebe, Gefangennebmung grofeer
Perfonen, (Döncbsfacben , l^löfterlicbe Stiftungen,
Gelbangelegenbeiten, hur3 alles, was einem
grofeen Staatsminifter obliegt 3U unterjucben unÖ
3U orbnen; öies alles bejpracb öer Stabion mit
ibm, liefe ibm feine (Deinung barüber barftellen -
Ruffä^e barüber machen. Dann mit eigenem Bei»
fügen von Bemerkungen liefe er biefe von ibm
ins Reine Schreiben, Briefe an verfcbiebene
Potentaten jcbreiben. Hamentlicb fübrte er bie
f^orrefponben3 von (Dario Tberefia, 3uvörberft
75
über tbronbefteigung, über (Ditregentfcbaft ibres
ßemabls, bann über bie leere Scba^hammer, bann
über bie ßeeresl^raft Öes Cannes, über (T)ife=
vergnügen bes Volles, über öie Rnfprücbe von
Bayern an öie öfterreicbifcben CrblanÖe, unö wie
bie f^urfürften wollten bie Erbfolge ber Tberefia
nicbt anerkennen, über ben f^rieg mit friebricb II.,
mit €nglanb, Bnträge um ßilfsgelber, Briefe an
einen fransöjifcben General Belle4sle, bann ein
Briefwecbfel mit f^arl von Cotbringen, mit bem
l^arbinal f leuri, mit bem öfterreicbifcben f elbberrn
f ürften Cobhowi^, bann enblicb einen Briefwecbfel
mit ber (Darquife be Pompabour, immer im
Interejfe ber Raiferin. Diefe let3te f^orrefponbens
war erft ins Galante unb enblido gan3 ins 3ärt»
liebe übergegangen ; es hamen Briefe mit (T)abri=
galen als Rntwort, worauf ber Grofepapa im
Hamen Stabions wieber in fran3Öfifcber Poefie
antworten mufete. Da babe ber Grofepapa mancbe
feber 5erkaut, unb ber ötabion babe ibm gelebrt,
bie Politil^ mit einfließen 3U lajfen, unb bat Rn=
fpielungen macben muffen auf Reise, auf blonbe
unb braune Cochen, - unb bem 6tabion iffs
bäufig nicbt 3ärtlicb genug gewefen. Die Rnt=
Worten finb bann mit großer ?reube vom ötabion
ibm mitgeteilt worben, befonbers wenn fie
€mpfinblicbheit für bes Großpapas Galanterien
batten fpüren laffen ; ^a bat ber ötabion fo gelacbt
unb ibn angewiefen, wie bie feinfte Delihateffe
3u beobachten fei. - Unb enblicb einmal, als nacb
ber rbronbefteigung ber (Dario ^berefia unb ihrer
f^rönung als f^aiferin bie Gratulationen abgefertigt
76
waren, an feinem einunbswansigften Geburtstage,
öa fcbenhte Stabion bem Carocbe einen Schreib^
tifcb, worin er alle feine Briefe, in örei Jahren
gefcbrieben, bie er über Canb unb COeer gegangen
wäbnte, noch versiegelt wiebergefunben, unb bie
Antworten, welche von Stabion jelbft erfunben
waren unb von verfchiebenen Sehretären ab*
gefcbrieben, ba3u; unb er fagte ihm, ^a^ er ihn
fo habe 3um Staatsmann bilben wollen. Dies
hat ben örofepapa erft fehr beftür3t gemacht
bann aber ihn tief gerührt, unb hat biefe Briefe
als ein heilig (Derhmal von Stabions großem,
liebevollem Geifte ficb aufbewahrt. Die Qvo^^
mama hat biefe Briefe noch alle unb will fie mir
fcbenhen. —
DioiD Ds:ziD at§:ziD
i^-
analer unb f^urfürft o o |
, \ii I II II II II II II II II II il
Die Grofemama war mir febr freunbUcb; fie
3eigte mir ein Wappen in Glas gemalt in
einem präcbtigen, filbernen Rahmen mit golöenem
€icbelhran3, worum in griecbifcber Scbrift ge^
fcbrieben ftebt: Alles aus Ciebe, fonft gebt
bie Welt unter. Cs ift Öem Grofepapa von
ber 6taM Trier gefcbenht worben, weil er als
I^an3ler in trierifcben Dienften ficb gegen ben
f^urfürften weigerte, eine Abgabe, bie er 3U
brüchenb fanb, bem Bauernftanb auf3ulegen. Als
er hein Gebor fanb, nabm er lieber feinen Rb=
fcbieb, als feinen Hamen unter eine unbillige
f orberung 3U fcbreiben. 9o l^amen ibm bie Bauern
mit Bürgerkronen entgegen in allen Orten, wo
er burcbl^am, unb in öpeier batten fie ein ßaus
von innen unb aufeen gefcbmücht unb illuminiert
3u feinem €mpfang. Die Grofemama er3äblte
noch fo viel vom Stabionfcben föaus, worin fie
fo lange mit bem Grofepapa lebte; wenn icb's nur
alles bebalten bätt. Doch vergefe ich bie Be=
fcbreibung ibrer Wafferfabrten nicbt auf bem See
von Cilien, wo immer ein Hacben vorausfubr, um
in bem Walbe von Wafferpflan3en eine Waffer=
ftrafee mit ber Senfe 3U mäben, wie l>a von beiben
Seiten bie Schilfe unb Blumen über ben Rabn
herfielen unb bie Schmetterlinge - unb alles weife
78
fie noch, als wenn es beut gefcbeben wäre. -
Der Pappeln wollt* icb nicht gebenhen ; Me Jammer^
volle Perfon bes Rrenswalö, öer fo munter unö
grün über jein €lenb binausfteigt ins freie, batte
mich aus ben Rngeln ber Cmpfinöfaml^eit ge=
hoben. Ich will wetten, jet5t, wo er Walöfcbnechen
treffen kann, öafe er noch viel mehr wagt; unb
wenn er nur fo viel bat, bafe er feine Beine reife-
fertig l^riegt, fo mufe bas anbere mit unb mufe
allerlei anbere Dinge noch ba3u treffen lernen.
Die örofemama fing aber von felbft von ben
Bäumen an, bei Gelegenheit bes Wappens; fie
er3äblte, ber Spruch fei bem ßrofevater wirklich
€rfat3 geworben, unb er habe oft bei ber ein=
fchränkung, in ber er fpäter leben mufete, gefagt:
„Beffer könnt ich mir's nicht wünfchen." - Das
Wappen hing über feinem Scbreibtifch , unb ^a
er bei Bauer unb Bürger in grofeem Rnfehen
ftanb, fo kamen fie oft 3U ihm in fchwierigen
Rngelegenheiten ; t>a hat er benn burch ben Spruch
vom Wappen manchen 3ur Gerechtigkeit ober 3ur
nachficht bewogen. Cr fei baburch fo im Rnfehen
geftiegen, ^a^ fein Urteil mehr wirkte wie alles
Rechtsverfahren; unb mancher, ber bem Buch=
ftaben bes 6efet3es nach fich burchfechten konnte,
bat, um nicht bas Urteil bes örofevaters gegen
fich 3U haben, fich verglichen. Unb ber Rurfürft
bat fich auch wieber mit ihm verföhnt unb ihm
vollkommen recht gegeben, aber ber örofevater
fchlug feine Rnftellung aus, bie ber F^urfürft ihm
wieber anbot; er fagte: „f5at mir Gott bas löemb
ausge3ogen unb gefällt's ihm, mich fchon auf
eas
79
€röen nacht unb blofe herumlaufen 3u feben, fo
will icb mir keine ötaatslivree als Feigenblatt für
ben menfcblicben €brgei3 vorhalten. Dem föerrn
f^urfürften ftehe icb 3U Dienjten in allen gerechten
Dingen, fo wie mich Gott geschaffen hat, unÖ öer
fich nicht vor ihm 3U fchämen braucht; ich mag
nicht au9 meinem paraöies heraus, benn ich mag
mich mit keinem Feigenblatt inkommodieren. Ich
bin Öer unverfchämtefte Rerl von ber Welt, unb
ber Rurfürft ift bie fittjamfte Jungfer, bie unter
ben geiftUchen Würben 3U treffen ift; er will
keinen feiner f reunbe nackt unb blofe herumlaufen
ober vor fein Rngeficht kommen laffen; aber mir
gefällt es beffer, gan3 nackenb mit feinen (Dummen=
fchan3ern herum3ufpringen, benn ba bah ich ben
Vorteil, ^a^ fie fich felbft nicht mehr kennen, benn
fie wiffen fo wenig, was bas ift, ein (Denfch fein,
ba^ einer, ber ohne Bemäntelung ihnen bie Hatur
eines (Denfchen, wie fie vor Gott beftehen kann,
barftellt, ihnen natürlich 3eigen mufe, ba^ fie felber
(Difegeburten finb."
In biefer Rrt hat ber Örofepapa auf bes Rur-
fürften Anträge geantwortet. -
DD
:51
V
V
V
V
t> <
> <
t> <j
0 <3
A
A
A
A
V
V
V
> <
0 <
^A<^
A
A
A
V
n
V
V
ten
V
A
^2§]!Z:§1^:SIZ:§1(0!I22§]IZ^22§]1Z
is böberen öcbicb
A
A
rr
0 <1
0
1 1
A
1
V
V
V
r^"^^
0 <
t> <1
t> <
t> <
A
A
A
A
V
V
V
> <]
t> <
> <]
A
A
A
V
V
V
V
0 <]
t> <
> <1
[> <!
A
A
A
A
V
V
V
0 <3
!> <1
t> <1
A
A
A
V
V
V
V
> <]
> <!
O O
> <1
A
A
A
A
V
V
V
t> <
t> <1
I> <1
A
A
A
V
V
V
V
0 <
O <
I> <1
O <
A
A
A
A
V
V
V
[> <3
I> <
> <3
A
A
A
V
V
V
V
t> <
I> <1
0 <
1> <3
A
A
A
A
V
V
V
> <]
t> <1
0> <
A
A
A
V
V
V
V
t> <1
o <
0 <
0 <
A
A
A
A
V
V
V
> <1
0 <1
O <1
A
A
A
V
V
V
V
t> <
> <3
> <
> <
A
A
A
A
V
V
V
0 <3
I> <1
> <3
A
A
A
Srittcb'Strobl.
cn
cz:
m
D
Den erften Tag, als wir anl^amen, war's fo
beife, öafe es mehr wie unerträglicb war;
wir warfen unfere nanhing^Reifejachen aus unö
legten uns in öen Unterhleibern, in ßemösärmeln
auf öem 6ang vor unferer 3immertür ins f enjter.
Von ba hann man, verftecht hinter Bäumen, auf
eine Cerraffe feben, wo ficb Öie ßefellfcbaft 3um
^ee bei ber f^urprin3effin von ßeffen versammelt,
bie geraöe unter uns wohnt. Das machte mir
Spafe; man konnte manches verstehen, unb ein
Wort aus ber ferne, wenn's auch an fich un*
bebeutenb ift, ift immer anregenb wie eine
f^omöbie. Doch bat bas Vergnügen baran nicht
lange gebauert; ein krebsroter f^ammerberr, ber
mir im Anfang Vergnügen machte 3U feben, wie er
hin unb wieber lief unb ben frauen allerlei in bie
Obren 3ifchelte, unb bann ein ßer3og von Gotha
mit langen Beinen, rotem f5aar unb febr melan*
cholifchen 6efichts3ügen unb ein grofees, weifees
Winbfpiel 3wifchen ben l^nien; ber trägt einen
leberfarbenen Roch. Dann viele Damen mit über=
flüjfigem Pu^, bie ßauben auf hatten, als wär's
bie flotte von Helfon mit aufgefchwellten Segeln.
Unb bann fran3Öfifche Schiffe; wenn fo 3wei mit»
einanber parlierten, bas war gerabe, als ob
ein3elne Schiffe hanbgemein würben. Balb brüftete
6*
84
ficb bas Schiff, öann thronte es wieber, bann
ftrechte es jeinen Schnabel in bie ßöbe, unb föerren
unb Damen von befonberer Flffektion gegen:=
einanber ; halb 3erftreuten [xe fich auf ber Prome^
nabe, unb plö^Ucb ftanb ber rote l^ammerberr
hinter uns auf bem Gange. Die Toni entfetste ficb
unb ging ins3immer; ich aber war gor nicht er=
fchrochen unb fragte, was er wünfche. Cr war
verlegen unb fagte, er wünsche ber Damen Be*
kanntfchaft 3U machen. Ich fragte: „Warum werben
Sie benn fo rot?" Cr warb noch roter unb wollte
mich bei ber ßanb nehmen; ich jagte: „Hein!"
unb ging ins 3immer. Cr brängte fich mir nach;
ich rief: „^oni, hilf mir i>en (Dann beswingen."
Sie war aber fo voll Rngft, bafe fie fich nicht vom
pia^ regte, benh Dir nur, unb ich lehnte mich
mit aller Gewalt wiber bie Hür unb ber rote
(Dann ba3wifchen, ber burcb wollte. Ich rief
„roni, 3ieh an ber Schelle," benn unfere Be
bienten waren alle noch am pachwagen befchäftigt
aber bie Zoni fanb ben Schellen3ug nicht. - Der
unartige (Dann; immer wollte er boch noch herein,
wo er boch fah, t>Q^ man ihn nicht wollte; ich
l^onnt gar nicht begreifen, was er wollte, ich
bachte einen flugenblich, er wolle uns umbringen;
ich erwifchte einen Sonnenfchirm, ber an ber Tür
ftanb, unb ftach mit bem nach feiner Cunge ober
Ceber, ich weife nicht - er 30g fich 3urüch unb
bie Zur fiel ins Schlofe. Da ftanb ich wie einer,
ber über Berg unb Tal gejagt war vor einem
Gefpenft; ich l^onnte eine Viertelftunbe deinen
Rtem hriegen; ich bachte wirklich, er fei ein
85
(Dörfer. leb hatte fcbon allerlei Bnfcbläge im
l^opfe, wie icb ihn erwürgen wollte. Die Zonx
lacbte unb fagte : „6eb bocb, ein l^ammerberr unö
ein (Dörber." Sie meinte, er fei nur ein bosbafter
unb gemeiner öcbelm, wie's beren am F5of bie
meisten feien. - Wir baben aber ben Bebienten
bie Hacbt vor ber 5cblaf3immertür fcblafen laffen
unb bie Cifette 3U uns ins 3immer genommen;
icb konnte aber bie ganse Hacbt nicbt fcblafen;
micb ftörte es, ba^s ber Diener vor ber Cur lag.
€s ift bocb 3um erftenmal in meinem Ceben, ha^
icb Bngft batte, aber benh? bocb nur, am anbern
Zage melbet uns ber Bebiente ben roten ßerrn;
er homme von ber frau I^urprin3effin mit einem
Ruftrag unb liefee febr bitten, ibn an3unebmen.
Icb rufe: „Hein! Wir wollen von keiner f^ur=
prin3effin was wiffen." Die tloni aber fagt, bas
gebt nicbt an, wir muffen ibn annehmen. Icb
bewaffnete micb mit bem 9onnenfcbirm , als er
eintrat unb uns 3ur frau I^urprin3effin 3um Zee
auf bie ^erraffe einlub. 3ugleicb machte er viele
Cntfcbulbigungen; er habe gar nicbt geahnt, wer
wir feien, weil wir in löembsärmeln im 5enfter
gelegen haben. Icb war ftill, aber icb war febr
ergrimmt über ben roten (Dann. Als wir bei
ber I^urprin3effin vorgeftellt waren, bie micb bei
ber ßanb nahm unb ins Geficbt hüfete, ba fafeen
wir alle in einem Rreis, unb ber Rote ftellte ficb
hinter micb, ^a^ icb feinen Rtem fühlte. Das
hränkte micb febr. Icb fagte: „Gehen Sie fort
hinter mir, Sie garftiger (Dann." Da lief er weg,
aber bie Zonx fab micb febr ernfthaft an, unb
86
wie wir wieber oben waren, ba fcbmälte fie, öafe
ich fo laut ge[procben habe. Das ijt mir aber
einerlei, ich hann ihn nicht in meiner Höbe leiben.
Was liegt mir baran, ob's bie Rurprin3effin merht.
Wenn fie fragt, fo fag ich, er bat uns wollen er*
morben in unferm 3immer. Unb bann kann er
ficb nacbber verteibigen, wenn's nicbt wabr ift,
unb kann fagen, warum er uns fo mörberifcber^
weife angefallen bat. Die Toni will auch nicbt,
1>CL^ ich abenbs allein fpasieren gebe; fie fagt, ber
l^ammerberr konnte mir begegnen. 60 mufe icb
immer einen binter mir brein laufen baben.
Rlle Zage finb wir auf ber ^erraffe ; ba gibt
balb bie eine Dame, balb bie anbere ein Gout^e, unb
bann wieber bie Prin3efe, aber ber f^rebs ift
immer wieber binter micb gekommen. Da bab
icb mir eine öcbawell aus unferm 3immer gebolt
unb bicbt neben bie f^urprin3efe geftellt unb micb
brauf gefegt; unb nun ift bas alle Zage mein piat5,
unb ^a barf er nicbt mebr an micb ftreifen. Unb
wenn wir nacb bem Zee fpa3ieren geben über
bie Bergrücken, Z>a nimmt mich bie I^urprin3efe
immer bei ber ßanb; fie bat ein klein Blonbcben,
weife unb rot, bem fliegen bie öonnenbaare fo
flammig um ben l^opf, bem lieben föeffenkinb.
leb könnt recht gut mit ihm fpielen; fie halten
micb ja boch für ein l^inb, weil ich keine 6efellfcbafts=
manieren hob; Ball werfen, um bie Wett laufen -
aber fo einem prin3efecben ift nicht bei3ukommen.
Da ift eine frau von Ounblach, bie führt bas
Regiment, unb bie f^ammerfrauen , bie begleiten
es. Dann ift mir's auch nicbt möglich, mit einem
87
f^inö Romööie 3U fpielen; ich mufe mit ihm fein
Können unter öottes 6cbu^, nicbt unter ODenfcben»
Qufficbt. - Prin3efecben in 6olö unö Silber arx'
getan, - 3U ihrer Geburt kommen gute feen,
bie fie befcbenhen - bae erfährt man in feen=
märchen. Was mögen fie öem feinen f^inb alles
gejcbenkt haben? — Gaben, bie es noch nicbt 3U
braueben weife; wer wirö's ihm lehren? -
Scheu! - aber heine fcbeinheilige, - ich hab
'ie vor allem f^inöerfcbichfal , unentfaltet noch in
fo füfeer f^nofpe verfcbloffen ; man hat auch Scheu,
eine junge f^nofpe 3U berühren, öie ber frühling
fchwellt. €in Wiegenhinbcben lallt \o berührfam
wie kein Gefpröch mit (Denfcben.
Weifet Du was, - heute hat ficb bas 3arte
f^inb in ber Hür ben finger fehr arg geklemmt,
unb bie l^urprinsefe war fehr erfchrochen unb
gan3 hinfällig geworben; benn es hat ihm fehr
arg weh getan. (Dich hat's auch geängftigt; es
hatte lieber. 3et5t liegt's im Bett unb fchläft. Rls
es beruhigt war, ging bie f^urprin3efe 3ur Cr^
holung fpa3ieren ; fie nahm mich mit. Ich lief von
ihrer Seite, um ihr Blumen 3U holen, bie ich in
ber ferne fah; bie nimmt fie mir immer freunblich
ab unb 3eigt mir wohl felbft, welche ich pflücken
foll; ich brach aber fo viele unb kletterte jebe
f teile Seite hinan. Die Damen wunberten ficb über
meine grofeen, weiten Sprünge unb fagten, ich
befcbwere bie löoheit mit ben vielen Blumen. Ich
banb einen Straufe mit meinem ßutbanb unb gab
ihn ihr 3U tragen. Ich fagte, er fei für's kranke
l^inb 3um Spielen, nicht ins Waffer 3U ftellen.
88
Sie trug ben grofeen Straufe unb wollte nicbt,
öafe man ihr ihn abnahm. Die Öefellfcbaft
wunberte ficb über meine naive Rrt, bamit
meinen fie Unart; ich merkte es. 5ie halten mich
für einen halben Wilben, weil ich wenig ober nie
mit ihnen Spreche, weil ich mich burchbränge, wo=
hin ich will, weil ich mich ohne Crlaubnis an ber
Prin3efe Seite fetse, als ob ich ben piat; gepachtet
habe, fagt 5rau von B. R., weil ich fo leife ge=
Schlichen Nomme, t>a^ mich heiner merkt, weil ich
bavon laufe unb nur bas Winbfpiel vom ßersog
von Gotha fich mit mir 3U fchaffen macht, bas
mir nachfe^t unb bellt, wenn ich ins Oebüfch
fpringe. Der C. ß. fagte mir, l>a^ man fich über
meine Unart aufgehalten, ben ßunb fo laut bellen
3U machen; er er3ählte mir aber nicht, was ich
von ber Toni hernach hörte, ba^ bie l^urprin3efe
fagte: „Sie ift ein liebes l^inb," unb ba\i ber
[5er3og von Gotha fagte: „€in allerliebstes l^inb." -
nun, ich gefalle mir felbft gut.
I^
i^i] o C^i^D o 0^
m
r. föaife o o o
a
Die €nglänber finb recht nörrifcbe paffagiere;
fie brachten mir einen Brief vom C'ange
mit, öer mich warnt, mich nicht in fie 3U ver^
lieben. - Der mit Öem gepuderten Raupte, (Dr.
ßaife, liefe fich geftern in einem Hanhing^
(Dorgenroch unb gelben Pantoffeln auf öer
Terraffe feben. Die ^oni fab 3um fenfter hinaus;
fie wollte nicht hinunter, fie fchämte fich vor ben
Ceuten, wenn er mit ihr fpreche, weil er fo ab*
fonöerlich ausfieht. - Ich fah aber, wie er herauf*
lugte nach unfern fenftern; unb wie er bie Zonx
erblichte, ba rief er fie an, bei bem herrlichen
Wetter herunter3uhommen. Ich mufete mit; er
fpannte einen grünen parapluie über ihr auf, um
fie vor ber 6onne 3U fchü^en. 60 mufete fie mit
ihm bie ^erraffe auf unb ab wanbeln; ich lief
herauf unb machte eine 3eichnung bavon, bie ich
ber tloni ins Rrbeitskäftchen legte, was fie
immer mitnimmt auf bie ^erraffe 3um tiee, unb
freute mich fchon auf bie Bewunberung, wenn es
erblicht würbe. Rber fie legte bas Papier fchnell
3ufammen unb wickelte 6eibe barauf; fie wollte
nachher fcbmälen, ich hatte ihr aber einen fo
90
fcbönen RrQn3 gemacbt von farnhraut, ber ihr
fo gut ftanb unö ihre Wunöerfcbönbeit nocb er*
böbte, Öafe wir gan3 l^ontent auf öcn Ball harnen,
ber beinahe aus fo viel l^arihaturen beftanb, als
(Denfcben ba waren. Der Clemens bat mir aus
Weimar gefcbrieben unb mich gewarnt vor bem
Verlieben, - überf lüffig ! Wäre er öocb auf
bem ßalle gewesen - böcbjtens ^a\^ man einem
Hippenjtofe ausgefegt ift, fonft ift heine Gefahr. -
C. fö. war auch i>a mit feinen öcbweftern; wirb
alle Zage blaufcbwärser von feinen Stablbäbern.
Sein extra weifeer Jabot unb ßalsbinbe machten
bies in bie Rügen fallenb. Cr war febr fein unb
elegant gehleibet; benn Öa er eine biplomatifcbe
Bmbition bat, fo verfäumt er heine Gelegenheit,
ficb ftanbesmäfeig aus3U3eicbnen. Solange wir am
Eingang fafeen, wo viele ODenfcben ficb brängten,
merhte heiner was; als C. F5. aber vortrat, um
irgenbwem fein [Kompliment 3U machen, entbechte
man nun §ran3, ber an meiner Geite fafe, 3uerft,
ha\s er ftatt eines Urachs einen Joppel an hatte
ohne Schöfeen, runb wie ein f leifcherwams. Dies
fah gar 3U närrifcb aus; mit fchwar3feibenen 13ein=
hleibern, weifefeibenen Strümpfen unb 8cbnallen:=
fcbuben, hur3 vollhommene föofetihette unb f eber=
claque unterm Rrm. - €r hatte, währenb bie
familie ficb 3um Ball fertig machte, ben Überroch
ange3ogen; bann lief er in fein 3immer, wo ihm
ber Winb bas Cicht auslöfchte, um ^en f räch an=
3U3iehen, unb ergriff ftatt beffen einen englifcben
ßalbroch, ben bie ßerren nach neuefter (Dobe
bei hübler Witterung über ben frach anjieben, -
91
Cr hatte ficb bis jet3t nocb nicht von hinten öem
grofeen Publikum präfentiert unb noch mit bem
Rüchen gegen uns gewendet; es würbe in Cile
f^on3ilium gehalten unö befchloffen ; 3wei Damen,
Cotti unö öie B., foUten ihn gefprächsweife janft
rückwärts fchreiten machen, ohne ihm bas ver=
fängliche Dilemma, in welchem er fich befinbe, 3U
entbechen , bis er gerettet fei ; babei follten "Coni,
§ran3 unb Voigt eine kleine ßintertruppe bilben,
um feinen Rüch3ug 3U bechen; ich würbe aus=
gemer3t von biefer Cxpebition, weil ich vor Cachen
über bie unerfchöpflichen Wi^e von fran3 un=
tauglich ba3U war. Der 3ug rückte aus unb
brängte fich fchon 3wifchen manchen verwunberten
Blick, ber auf bem fchöfelofen Rücken haftete;
fie fchlichen immer behutfamer heran, je näher
fie kamen; fo fchleicht man facht hinter einem
Vogel her, bem man Sal3 auf ben Schwan3
ftreuen will, um ihn fangen 3U können; aber er
fliegt weg, ehe man nahe genug kommt; fo kam
es auch hier; als fie fchon gan3 nahe waren unb
ihn eben 3U erhafcben meinten, wenbete er fich
plöt3lich um. Bch ! ich fprang hinter ben Vorhang
am §enfter unb wickelte mich hinein unb bife in
ben Vorhang vor Cachvergnügen unb ging nach=
her auch fort; benn mir war's 3U übermütig für
ben Gefellfchaftsfaal ; ber Voigt begleitete mich unb
er3ählte mir, ^a^^ bie Rrrieregarbe ihn habe burch=
paffieren laffen, fich bann bicht angefchloffen unb
ihn wie einen vornehmen Staatsgefangenen trans»
portiert bis 3um Cingang, bort habe er fich
niebergelaffen , wo man ihm feine äftbetifche
92
Fatalität mitteilte unö er ^icb, umgeben von feinen
Getreuen, 3urüch3og; jet5t würben fie wobl bie
gan3e Hacbt hein Rüge 3utun; öenn ba er bei
bem beffifcben ßof angeftellt fein möcbte, fo ift
ibm gewife bange, fein öcbichfal untergraben 3U
haben burcb Öen 3ipfellofen Buf3ug.
''^'^ocb3eit im F5aufe o <
i[ ^CJ^ f nHf >»rV 1^^
es ift aus mit ben Blumen; öie legten Ojter=
fträufee waren bie, womit wir in voriger
Wocbe bie Blumenurnen fcbmüchten, unb bie
wegen ber Batterie vor bie Züv gefegt würben.
Geftern haben wir ben let3ten ßerbft gemacbt;
nur nocb bie Winterbirnen hängen, von benen
meint bie Örofemama, wir wollten fie hängen
laffen, bis erft Heif hommt, ber war heute nacht,
unb nun frag ich: „Wollen wir heute bie Birnen
ab machen; es war heute nacht Reif." Örofeer
öchrechen ber Grofemama; fie hatte fo in ben
Zag hinein gelebt unb gemeint, es fei noch lange
nicht Winter. Unb wie fehen bie Blumen aus?
Wir muffen heute noch l^ränse haben ; es ift eine
f5och3eit hier im f5aufe. Um brei Uhr v;irb ber
Pfarrer hier fein unb ein ebles Paar 3ufammen*
geben. Cieber demente! Was boch alles hier
im närrifchen, einfamen ßaufe paffiert! Rber wir
brei Gefchwifter ahnten gleich bie Gefchichte. Ich
fprang mit Slügeln bie Treppe hinauf; wir kriegten
uns alle brei um ben f5als unb tan3ten eine Ronbe,
ba^ bie Wänbe 3itterten. Ruf einmal erfcheint
bie Tante im Heglige, halb frifiert. Was bas für
ein unanftänbiger Spektakel fei? — Unb was
bie ßofbame benken folle, bie feit acht Tagen im
Saale unter uns wohnt, t>Q^ wir ihr fo auf bem
94
f^opfe berumtan3en. ünb öer Cansmeifter wartet
fcbon eine Viertelftunbe. Wir lernen nämlicb
fcbon feit viersebn Tagen bei einem fransöfifcben
Ballettmeifter einen figurierten Zcxn-^y an öem follen
wir fortexer3ieren bis 3um Heujabrstag ; öa joUen
alle Hationen hommen, bem fürft Yfenburg
gratulieren. Die 5ran3ofen baben Öa3u (Dabri»
gale gemacbt. „Avec la pointe cachee," fagt
Cbateaubour, ber ßauptbicbter. leb ftelle eine
Spanierin vor, blau unb jilbern. Unb ebenso mein
Tän3er, ber Prin3 neun3ebner, ber gar nicbt vom
pia^e 3U bringen ift, allemal recbts umbrebt, es
fei linhs ober recbts. 5o bat ber ran3meifter
beswegen bie figur umgeänbert, bamit er nun
recbts aucb auf ben recbten piat5 homme; unb
nun läuft er wieber allemal links. Wir lacbten
fo toll in ber probe; wir waren fo ausgeladen.
Wir wufeten, ba\5 bie Tante nicbt hommen konnte,
weil fie Toilette macbte; wir fprangen auf Tifcbe
unb ötüble; ßerr Baleri mit feiner poebette in
einer Staubwolke. Die alte Coufine, bie berein*
kam mit einem Befebl von ber Großmutter, fet3ten
wir auf ibren lebernen Seffel unb trugen fie auf
ben [köpfen; fie fcbrie, bie anbern fangen, unb
Baleri fpielte einen (Darfcb. - Die ßrofemama
liefe uns in ben Garten beorbern. Rlle Blumen
vom Reif verborben! - Wir mußten uns an bie
F5agebutten unb bie berbftlicb^rote Jungfrauenrebe
balten. Da3U Tannen unb Cfeu. Wir waren febr
luftig bei biefem Dekorationsfeft; wir macbten's
wie bie Braut unb gaben ben balb verblübten
Bftern mit farbigem Papier ein Bnfeben. Diefe
95
ßeirat ift ein Werk öer Grofemama. Vor !^ur3er
3eit lernte biefe ßoföame von (Deiningen bei ihr
ben föerrn von Drais kennen, wie er gerade vor
unferm ßaufe eine Draifine probierte, eine Bank
mit Häbern, Öie ßerr von Drais öarauf fi^enö mit
ßänöen unb füfeen fortbewegt. Die ßofbame
fab ihn baber gerollt kommen; binter ibm brein,
alles was Beine batte. - Hacbbem [xe getraut
waren, bielt bie Orofemama eine beweglicbe Rebe.
Wir fpielten abenbs ein öpricbwort, worin bie
Draifine eine ßauptrolle batte. - ßeute werben
nun bie Birnen abgemacbt. Da freue icb micb
barauf. Das ßocbseitspaar ift nämlicb gestern
fpät nocb fortgereift unb alles wieber im ftillen
öeleife.
cm
V
ejt am Reujahrstag
Cieber Clemens! Rm Heujahrstag hoben wir
unjer Ballett aufgeführt; es ift holöer bie
polter öurcbeinanöer gegangen, es ift alles verkehrt
gegangen. (Dein Deunsehner war ein Bitter, bem
nichts haften wollte; wir mußten mehrere Proben
halten im i^ojtüm, balö fiel ihm öer Pan3er,
balö öie Schienen ab. Unb enblich am Tage ber
Bufführung war eine grofee Hot; alles rannte
burcheinanber, einer rief nach Schminke, ber
anbere nach Strumpfbänbern, ber britte hatte ben
3wichelbart verloren. Wir (Däbchen 3ogen uns
aus bem Gebränge 3urüch auf bie Cifcbe unb
f^anapees. Unb "bo. warteten wir ruhig bis bie
flut ficb gelegt hatte unb bie €bbe eintrat, wo
wir alle, an Blumenguirlanben gefcbnürt, von
unferm Ballettmeifter hinübergeleitet würben, bem
ber Schweife von ber Stirne rann, bis er uns in
Orbnung hatte. Der Vorhang würbe hinweg*
gesogen; unb wir tansten vor alten föofmasken
unb Perücken einen trefflichen mimifchen Hans,
ber allerlei bebeuten follte. Cs ging paf^abel,
bis wo wir einen Ringeltans um bas Yfenburgifcbe
Wappen tansten, an bas wir unfere f^ränse auf*
hängen Rollten. (Dein neun3ehner fiel unb rife mit
feinem f^rans bas Wappen herunter; bas fiel
auf ihn, unb alle l^ränse flogen im Saale herum.
k
97
leb ricbtete gefcbwinb öas Wappen vvieber auf,
öamit es nicht follte für ein bös Omen ausgelegt
werben. Dann tan3ten wir nacb ben Rränsen,
als bätt es nur fo fein muffen, unö teilten öiefe
ben ßerrfcbaften aus; bies Impromptu ging beffer
als bas eingeübte. Die Damen traten vor ben
Spiegel unb probierten fie auf, unb mancher ftanb
ber f^ran3 recht fchön. - Unterbeffen verwanbelten
wir uns in Bauern, bas ging auch febr gefcbwinb;
wir (Dä?^chen fchürsten bie Röche hoch, sogen
bie föembörmel hervor unb einen Bruftla^ vor;
ebenfo fchnell hatten bie Bitter fich verwanbelt,
bie als Bauern fchon im Pappenbechelpanser
ftahen. Blumen, Bänber, S'rüchte, Obft in Körbchen
ftanben fchon bereit. €h man brei 3ählen honnte,
waren wir in Orbnung auf marfchiert , ein €rnte^
3ug, vorauf bie (Dufihanten unb Bahnen ber
Canbleute, alles mit Silber* unb Golbpapier
behoriert. €in junger (Denfch, Bühes, führte bie
Dorfmufihanten ; er fpielte auf bem ßaberrohr,
er hatte fchon fo viel Wii^e gemacht, er fchnitt fo
närrifche 6efichter, ba^ ich haum konnte meine
Verfe beklamieren. Da ftolperte ber Heunsehner
hinter mir unb läfet feinen l^orb mit Äpfeln über
mich hinaus rollen ; es erfchallte ein grofe Cachen,
hein (Denfch benht mehr an bie Verfe von
Chateaubour. Der Dichter, ber fich fo viel l5off=
nung gemacht hatte, quel effet que cela fera. —
Die fchönen, sirUelrunben Borsborfer waren be=
ftimmt gewefen, in einem Rkt in unferm Bauer*
tan3, nach ber Bebe, in ber ich unterbrochen
warb, 3u figurieren. Wir follten im Zan-^ einanber
SritJcb.Strobl. 7
98
gegenüber 3u fteben hommen unb nocb ber (Dufik
mit öiefen Äpfeln ein Ballfpiel aufführen. Unb
bies hatten wir nun wochenlang eingeübt fo ficher
wie bie heften Bombardiere. ~ Sollte nun öies
befte f^unftftüch burchfallen ? - Wir rafften fchnell
bie Apfel auf unb ftellten uns in Orbnung auf.
Die Rohrpfeife wollte nun bie 3wifchenmufiN
überspringen unb bie (Dufih 3um ßallfpiel ein*
leiten ober aufpfeifen. Rber bie Geigen verftanben
bas nicht unb l^amen ihm nicht nach, fie blieben
auf bem alten Sa^; es gab ein Charivari. Die
jungen prin3lichen unb gräflichen ßerrfchaften,
bie bies Spiel nicht 3um Ballett gehörig glaubten,
hatten fich breingemifcht unb warfen mit Äpfeln
um fich her; mancher mag ba getroffen worben
fein, ber nicht gemeint war. Doch es fing an,
menfchlich 3u werben unter ihnen; fie probierten
ihre i^rän3e auf, wie fie nach ihrer (Deinung
ihnen recht gut ftanben. 60 ging man behrän3t
herum, unb als ob baburch bie f^laufur ber €tihette
aufgehoben fei, lief alles untereinanber, ftiefe fich
mit ben €llenbogen unb ftolperte ohne weitere
€ntfchulbigungen. Bül^es mit feiner Pansflöte
führte einen 5atYrtan3 auf aus eignem Ingenium
unb fpielte felbft ba3U auf; er enbigte bies
Impromptu mit einer Ohe von Ovib, bie er lang*
fam unb beutlich mit allen möglichen (Dobulationen,
halb mit Donnerftimme, halb mit fanftem f lüftern
behlamierte unb ba3wifchen mit ber pansflöte
Interme330S fpielte. - €r würbe bewunbert.
(Dehrere, bie fich als Cateiner wollten 3eigen,
gaben ihm bas befte Cob, was er mit grofeem
99
piäfier anhörte, weil er allerlei lateinifcbes, finn=
lojes 3eug 3ujammengewürfelt baue, was gan3
ohne allen 3ufammenbang gewesen war.
Geftern, lieber Clemens, bab icb bis bierber
gefcbrieben. Vielleicht langweilt Dicb's, es ift aber
gleich aus. - Die behränsten ßerrfcbaften festen
ficb 3ur Tafel; fogar bie alte Prinsefe Rotbenburg
hatte einen f^ran3 von Wachbolber, mit perlen
burchf lochten, auf ihre altmoöifcbe BlonÖencoiffure
gefegt, bie öaburch febr verfchönert warb. Tannen,,
(Dyrte, Orangen, Oleanöer unÖ Corbeer l^rän3te
manchen alten Ropf, beffen grofee ßaNennafe
unter Öem Rran3[chatten fich fehr vorteilhaft aus-
nahm. Die ODufih bauerte währenb bem Cffen
fort, bas t3allett auffübrenbe Personal tan3te ba3u
auf eigne fauft allerlei groteske Sprünge. Blle
Rugenbliche würbe Tufcb geblafen, W03U wir im
föintergrunb bas Vivat verjtärhten. Um (Ditter-
nacht war gegenseitiges Umarmen, ba3u tan3ten
wir bie Bonbe, alle an einem blaufeibenen Banb
uns baltenb, auf bem Verje gebrückt waren auf
alle hoben Perjonen. Im Zan^ machten wir ßalt
unb fchür3ten bas Banb mit bem Vers über ben,
an ben es gerichtet war; fo beham jeber feinen
Vers 3u lefen. Dun kam eine grofee Pajtete;
ber Dechel würbe abgehoben, ^a fprang ein Weines
ßünbchen heraus, aber gan3 hlein. Der föersog
hatte es, ich weife nicht woher, aus bem füblicben
Frankreich verfchreiben laffen 3um tleujabrs^
gefchenk für bie fürftin von Vfenburg. Dies
piäfier war gan3 apart ; kaum befann es fich ein
wenig, fo bellte es bie gan3e öefellfcbaft an.
7*
100
Hocb 3wei anbre hleine ßunbe würben herbei»
geholt, um Behanntjcbaft 3U machen, bie waren
aber nicht fo hlein. Das Gebell ber brei Kleinen
ßünbchen übertönte alles unb vermittelte bie
gegenseitigen Lebensarten unb ölüchwünfchungen.
Das Cob bie^es f eftes läutet wie ein wohltönenb
Glochenfpiel hier in ber gansen Umgegenb unfern
Buhm aus; man will es noch einmal wieberholt
haben. €inmal ijt heinmal, aber noch einmal,
bas ift 3U viel.
00 — 00 — 0©
ie Cmigranten o o o
DIZI1DCZDDIZDDCZ3DCZD
Bei öer Grofemama w?irÖ je^t abends allerlei
Politifcbes unter ben Cmigranten verbanöelt,
öa wirö öie Umwäl3ung öes großen Welthürbis
von allen Seiten verfucbt, er beucbt ibnen an=
gefault. Bufeer Cboifeil, Ducailas, D'flllaris, öie
immer öas Wort führen, hamen geftern nocb ein
ßerr von (Darcelange unö Varicourt, biefer
le^tere befonöers jcbön, von eöler f5altung, ritter=
lieb; icb hönnt l^einen flugenblich glauben, bafe
ihm je etwas Unebenes in Öen Sinn homme. €r
wenbete jicb immer 3U mir, als ob er um meinen
Beifall werbe - ai-je raison? Seine Reben
macbten mir Cinbruch. €r war in Begleitung
einer l5er3ogin von Bouillon (föeffen^Rotenburg)
unb einer Prinsefe Biron, bie mittags auch bie
Örofemama befucbt hatten, burcb franhfurt ge*
l^ommen. €in 6raf Catälan bat ihn 3ur 6rofe=
mama geführt, bie litt nicht, ba^ bie €migranten
wie gewöhnlich Politil^ fpracben, weil fie meiftens
geteilter Gefinnung finb. Später er3ählte fie, iia^
fein Bruber jener Varicourt fei, ber als garde
du roi am 6. Oktober 1790 in Verfailles an ber
üür ber f^önigin ermorbet würbe, als er ihr 3U»
rief: „f^önigin, retten 6ie ficb, es ift ber leiste
Dienft, ^en icb ihnen leifte." Die Örofemama er=
3ählte mir von feiner (Dutter, bie fie l^ur3 nachher
102
in öer 6cbwei3 auf einem verfallenen Canbfi^ bei
Hyon getroffen hatte in einer öüftern, grofeen
Vorballe, öie 3ugleicb J^ücbe war, mit alten,
wollenen Capeten fo faltig bebangen, ein altes
Rubebett, auf bem ber f5ut ibres öobnes mit
weifeer f^oharbe lag, ein paar ötrobftüblcben, ein
ungeheuer grofeer l^amin mit einem kleinen f euer
von einigen Hebenreifern , wo ein f^efjelcben mit
reewajjer für bie kranhe, alte §rau hocbte, eine
fcblafenöe f^at3e 3U ibren §üfeen, ein ein3iges
tcbmales, bobes fenfter in öiefem 3erfallenen
■Wobnfit5 einer ausgeftorbenen familie. Da babe
bie §rau ibr ben ßut ge3eigt unb gefagt, es war
eine 3eit, wo bas weifee ßanb gan3 Frankreich
3um Öeborfam für feinen f^önig aufrief ufw. -
Ich hörte ber Großmutter gern 3U, \o lange fie
bies er3ählte, babei brachte fie aber noch fo
manches anbere vor, was keinen 3ufammenbang
bamit hatte. 60 fprach fie von einer ßerbe
mehrerer bunbert f^übe, bie man bamals an
einem Ort 3ufammengetrieben, wo fie wegen einer
Seuche alle totgefchoffen würben; - fie jammerten
unb tobten bei ben erften öchüffen, als aber ber
Bulle niebergefchoffen war, hat keine Ruh ficb
mehr gewehrt, alle haben ruhig ben Tob er*
wartet; vergleiche: Emigranten unb ihren l^önig.
DCZia
^ ijf ^ f ^ß^ ^' llf f >]( llf
Romantik bes
ßersens unb ber
Welt
ii
Ikl
"9
[oroQ O^O^O D^D^[
le Blumen im f^lofter o
aaD==DDD=DDD==DDDI
Rlle Blumen bab icb geliebt, eine jebe in ihrer
Rrt, wie icb fie nacbeinanber kennen lernte,
unb heiner bin icb untreu geworben, unb wie icb
ihre (Duskelkraft entbechte: Das Cöwenmäulcben,
wie es mir 3um erstenmal bie 3unge aus feinem
famtnen Racben entgegenftreckte, als icb es 3U
kräftig anfafete. - leb will jie nicbt alle nennen,
mit benen icb \o innig vertraut würbe, wie fie mir
jet3t im Gebäcbtnis erwacben; nur eines ein3igen
gebenk icb, eines (Dyrtenbaums, t>en eine junge
Honne bort pflegte. 6ie batte ibn Winters unb
Sommers in ibrer 3elle, fie richtete ficb in allem
nacb ihm, fie gab ibm nacbts wie tags bie Cuft,
unb nur fo viel Wärme erhielt er im Winter, als
ibm not tat. Wie fühlte fie fich belohnt, lia er
mit f^nofpen bebeckt war! 6ie 3eigte mir fie,
fcbon, wie fie kaum angefet3t hatten; icb half ihn
pflegen; alle (Dorgen füllte icb ben f^rug mit
Waffer am (Dablenenbrünncben. Die Rnofpen
wucbfen unb röteten ficb, enblicb brachen fie auf;
am vierten Tage ftanb er in voller Blüte, eine
weifee Seile jebe Blüte, mit taufenb ötrablenpfeilen
in ihrer (Ditte, beren jeber auf feiner 6pit5e eine
Perle barreicht. €r ftanb im offenen f enfter, bie
Bienen begrüßten ihn. - ]et5t erft weife icb, ba\s
biefer Baum ber Ciebe geweiht ift; bamals wufet
106
icb's nicht, unö jet5t verftebe ich ihn. - Sag,
Kann öie Ciebe füfeer gepflegt weröen als biefer
Baum? - Unö kann eine 3ärtlicbe pflege füfeer
belohnt werben als öurch eine fo volle Blüte? -
Reh, bie liebe Donne mit halb verblühten Rofen
auf öen Wangen, in Weife verhüllt, unb ber
jchvvar3e f lorfchleier, ber ihren raschen, 3ierlichen
Gang umfchwebte; wie aus bem weiten Ärmel
bes fchwarsen, wollenen öewanbes bie fchöne
föan^ hervorreichte, um bie Blumen 3U begießen!
einmal ftechtejie ein hleines, jchwar3es Böhnchen
in bie €rbe; fie fchenWe mir's unb fagte, ich folle
es pflegen ; ich werbe ein fchönes Wunber baran
erleben. Balb heimte es unb 3eigte Blätter wie
ber f^lee; es 30g fich an einem ötöchchen in bie
f5öh wie bie Wiche mit kleinen, geringelten ßahen;
bann bracht es fparfame, gelbe Blüten hervor,
aus benen wuchs jo grofe wie eine ßafelnufe ein
grünes eichen, bas fich in Reifen bräunte. Die
Honne brach es ab unb 30g es am Stiel aus^
einanber in eine Rette von 3ierlich georbneten
Stacheln, 3wifchen benen ber Same von kleinen
Bohnen gereift war. Sie flocht baraus eine
F^rone, fet3te fie ihrem elfenbeinernen Chriftus am
J^ru3ifix 3U f üfeen unb fagte mir, man nennt biefe
Pflan3e Corona Christi.
Wir glauben an Gott unb an Chriftus, ba^
er Gott war, ber fich ans Rreu3 fchlagen liefe;
wir fingen ihm Citaneien unb fchwenhen ihm ben
Weihrauch; wir versprechen, heilig 3U werben, unb
beten unb empfinben's nicht. Wenn wir aber
fehen, wie bie Hatur fpielt, unb in biefem Spiel
107
eine Sprache ber Weisheit hinMicb ausörücht,
wenn fie auf Blumenblätter 5euf3er malt, ein O
unb Reh, wenn bie {kleinen Räfer öas Rreu3 auf
ihren §lügelbechen gemalt haben, unb biefe kleine
Pflanse eben, fo unfcheinbar, eine mit Sorgfalt
gehegte, künftlicbe Dornenl^rone trägt, wenn wir
Raupen unb Schmetterlinge mit bem Geheimnis
ber Dreifaltigl^eit beseicbnet fehen: bann fchaubert
uns, unb wir fühlen, bie Gottheit felber nimmt
ewigen Rnteil an biefen Geheimniffen; bann glaub
ich immer, ba^ Religion alles er3eugt hat, ja ba\s
fie felber ber finnliche ^rieb 3um Ceben in jebem
Gewächs unb jebem Tier ift. - Die Schönheit
erl^ennen in allem Gefchaffenen , unb fich ihrer
freuen, bas ift Weisheit unb fromm; wir beibe
"Waren fromm, ich unb bie Honne; es werben
wohl 3ehn Jahre fein, ^a^ ich im f^lofter war.
Voriges Jahr hob ich's im Vorüberreifen wieber
befucht. (Deine Honne war pdorin geworben,
fie führte mich in ihren Garten, - fie mufete an
einer Rrüche gehen, fie war lahm geworben, —
ihr CHyrtenbaum ftanb in voller Blüte. Sie fragte
mich, ob ich ihn noch henne; er war fehr ge=
wachfen; umher ftanben Feigenbäume mit reifen
fruchten unb grofee Hellten. Sie brach ab, was
blühte un^ was reif war, unb fchenhte mir alles,
nur bie (Dyrte fchonte fie; bas wufete ich auch
fchon im voraus. Den Straufe befeftigte ich im
Reifewagen; ich war wieber einmal fo glüchlicb,
ich betete, wie ich im Rlofter gebetet hatte; ja,
feiig fein macht beten!
0 DDG Q DDG Q
Hus be
US bem f^lofter o o o DOs
o==o==o o^ oJ
ein nönncben würbe eingel^leiöet, eine anöere
haben wir begraben wäbrenb öen brei Jahren,
als icb im f^lofter war; ber einen hob icb Öen
3Ypreffenl^ran3 auf ben Sarg gelegt, fie war bie
Gärtnerin unb hatte lange Jahre ben Hosmarin
gepflegt, ben man ihr aufs Grab pflan3te. Sie
war acbtsig Jahre alt unb ber Tob berührte fie
fanft, währenb fie Rbjenker von ihren Cieblings=
nelhen machte ; "^Oi hochte fie am Boben unb hielt
bie pflansen in ber ßanb, bie fie eben einfet3en
wollte, leb war ber Vollftrecher ihres Teftaments,
benn icb nahm bie pflansen aus ber erftarrten
ßanb unb fe^te jie in bie frifch aufgewühlte €rbe,
icb begofe fie mit bem let3ten l^rüglein Waffer, was
fie am (Dablenenbrünnchen geholt hatte, bie gute
öcbwefter ODonil^a! Wie fcbön wucbfen biefe
Helhen! Dunkelrot waren fie unb grofe. - Da
mich fpäter ber, ber mich liebt unb kennt,
mit einer bunklen Heike verglicb, "ba bacbte icb
an bie Blumen, bie icb junges f^inb aus ber er^
ftorbenen f5anb bes hohen Biters entnommen unb
eingepflan3t hatte, unb ob es wohl fo kommen
werbe, 'bo!'^ auch mich ber Tob beim pflansen ber
Blumen überrafcbe, ber Tob, ber triumphierenbe
ßerolb bes Cebens, ber Befreier von irbifcber
Scbwere.
»
109
Rber jene anöere Honne, jung unb fcbön,
öeren lange, golbne flecbten ich auf golönem
Opferteller 3um Rltar trug; — icb bab nicbt ge*
weint, ba man bie alte Gärtnerin 3U Grabe trug,
obfcbon fie meine f reunbin gewefen war unb mir
manche Gartenhunft gelehrt hatte. €s kam mir fo
natürlich vor unb fo behaglich, ^a^ ich nicht einmal
barüber verwunbert war; aber bamals, als ich im
Chorhembchen mit einem I^ran3 von Rofen auf bem
F^opf, mit brennenber Rerse als Geleitengel unter
bem Geläute aller Glochen vor ber in alle üppige
Pracht gel^leibeten jugenblichen Braut Chrifti ein*
berfchritt; ba wir an bas Gitter hamen, vor welchem
ber ßifchof ftanb, ber ihr bie Gelübbe abnahm,
unb er fragte, ob fie fich Chrifto vermählen wolle,
unb man ihr auf ihr Bejahen bie mit perlen unb
Bänbern burchflochtenen ßaare abschnitt, welche
ich auf einem golbenen tieller empfing, l>a fielen
meine Tränen auf biefe föaare, unb ba ich bin
3um Bltar trat, um fie bem Bifchof 3U überreichen,
ba fchluch3te ich laut, unb bas Voll^ weinte mit.
Die junge Braut legte fich an bie Crbe, es
würbe ein Ceichentuch über fie gebreitet, bie
Donnen wallten von allen Seiten herbei, je 3U
3wei Blumenkörbe tragenb. ich ftreute bie Blumen
auf bas Ceichentuch, währenb ein Requiem ge=
fungen würbe. Sie würbe als Tote eingefegnet
unb Gebete über fie gefprochen; bas irbifche
Ceben war beenbet, ich hob als Ruferftehungs*
engel bie üotenbeche auf. Das himmlifche Ceben
beginnt, bie Honnen umringen fie ; in ihrer (Ditte
wirb fie vom weltlichen Staat enthleibet, Orbens*
110
ea
k\e\b, (Daniel unb öcbleier vveröen ihr angelegt,
worauf fie in öie ßänbe bes Bifcbofs bie Öelübbe
bes Öeborfams, ber f^eufcbbeit unb ber Rrmut
ablegt. Rcb, wie war icb behlommen, ba ber
Bifcbof ibr bas Rru3ifix reicbte, um es als ibren
Bräutigam 3U küfjen. Icb wicb nicbt von ibrer
Seite; am Rbenb, ba bie Honne allein in ibrer
3elle fafe, hniete icb nocb vor ibr, mit meinem
verweihten Rofenhran3 auf bem f^opf; fie war
eine §ran3Öfin, eine Gräfin b'flntelot. „Mon
enfant," fragte fie, „mon eher ange gardien, pour-
quoi as tu pleure ce matin lorsqu'on ma coupe
les cheveux?" Icb fcbwieg eine Weile ftill, aber
bann fragte icb leife: „Madame, est-ce que Jesus
Christ a aussi une barbe noire?"
Die jcböne Svau war mit vielen anbern boben
Damen unb Rittern, bie Orbensbänber unb Sterne
batten unb aus franhreicb vertrieben waren, in
unfer l^lofter gekommen; biefe 3ogen alle weiter,
fie allein blieb 3urüch. Sie wanbelte viel im
Garten ; fie batte einen bli^enben Ring am f inger,
ben fie hüfete, wenn fie in ber bunhlen Rllee
allein war. Da las fie ibre Briefe mit leifer
Stimme, unb mit einem feinen, weifeen Zudbe
trochnete fie bie weinenben Rügen. Icb belaufcbte
fie, icb liebte fie unb weinte beimlicb mit. einmal
trat ein fcböner (Dann in glän3enber Uniform mit
ibr in ben Garten. Sie fpracben 3ärtlicb mit^
einanber. Der (Dann batte einen fcbwar3en Bart,
er war gröfeer als fie, er bielt fie in feinen Rrmen
unb fab auf fie berab, unb feine glän3enben
tränen blieben in feinem fcbwar3en Bart bangen;
I
111
öas fab icb, benn ich fafe in Öer bunheln Caube,
an beren €ingang fie ftanben. €r feufste tief
unö laut, er brückte fie ans ßer3, unö fie hüfete
öie glänsenben Tränen im fcbwar3en Bart auf.
Hocb oft wandelte bie fcböne frau in biefen
einfamen Rlleen, nocb oft fab icb fie weinenb
unter bem Baum, wo er Rbfcbieb genommen
batte, unb enblicb nabm fie ben öcbleier.
g czD g 1=1 g
eine Geiftergefcbicbte in o p^^
o o Goethes S'amilie r^ll^
no =00 QO OD ^IS
Deine Grofemutter ham einft nacb (Ditternacbt
in öie Scblafftube ber Töchter unb blieb ba
bis am (Dorgen, weil ihr etwas begegnet war,
was fie vor Rngft ficb nicbt 3U fagen getraute;
am anöern (Dorgen er3äblte fie, öafe etwas im
3immer gerafcbelt habe wie Papier; in öer
(Deinung, bas Senfter fei offen unb öer Winö
jage bie Papiere von bes Vaters Scbreibpult im
anftofeenben 6cblaf3immer umber, fei fie auf*
geftanben; aber bie Senfter feien gefcbloffen ge*
wefen. Da fie wieber im Bett lag, raufcbte es
immer näher unb näher heran mit ängftlichem
3ufammenhnittern von Papier; enblich feuf3te es
tief auf unb noch einmal bicht an ihrem Rngeficht,
Z>a\s es fie kalt anwehte. Darauf ift fie vor flngft
3U ben l^inbern gelaufen. f^ur3 hiernach liefe fich
ein frember melben ; t)cx biefer nun auf bie f5aus=
frau 3uging unb ein gan3 3erhnittertes Papier
ihr barreichte, wanbelte fie eine Ohnmacht an.
€in freunb von ihr, ber in jener Dacht feinen
herannahenben Tob verfpürte, hatte nach Papier
verlangt, um ber f reunbin in einer wichtigen Rn*
gelegenheit 3U fchreiben; aber noch ehe er fertig
war, hatte er, vom Tobest^rampf ergriffen, bas
Papier gepocht, 3erknittert unb bamit auf ber
Bettbeche hin unb her gefahren, enblich 3weimal
113
tief Qufgefeuf3t, unb bann war er verfcbieöen.
Obfcbon nun öas, was auf bem Papier gejcbrieben
war, nicbts €ntfcbeiben5es besagte, fo konnte ficb
bie §reunöin bocb vorstellen, was feine le^te Bitte
gewesen. Dein eMer Örofevater nahm ficb einer
kleinen Waife jenes freunbes, bie keine recbt=
lieben Rnfprücbe an fein Crbe hatte, an, warb ihr
Vormunö, legte eine Summe aus eignen (Ditteln
für fie an, öie Deine 6rofemut1er mit mancbem
kleinen €rfparnis mehrte.
Sritfcb'Strobl.
DMD O DMD O DHU
Ute Geifter
iD
einmal fcbon im l^lofter hatten micb bie Öeifter
bewogen, mich ihnen 3u gesellen; in ben
hellen (Donönäcbten lochten fie micb. Ich öurcb-
wanberte wunberlicbe, öunhle Gänge, in benen
ich bie Waffer raufeben hörte ; icb folgte behlemmt.
Bis 3um Springbrunnen ham icb; ber (Donb
fehlen in fein bewegtes Waffer unb gewanbete
bie Geifter, bie auf feinem wogenben Spiegel ficb
mir 3eigten, in Silberglan3. - Sie kamen, fie be*
beuteten mein fragenbes f5er3 unb verfehwanben
wieber; es kamen anbere, fie legten Geheimniffe
auf meine 3unge, berührten alle Cebenskeime in
meiner Bruft, be3eiebneten micb mit ihrem Siegel;
fie verhüllten meinen Willen, meine Heigungen
unb bie I^raft, bie von ihnen auf mieb aus*
gegangen war.
Wie war bas? - Wie berieten fie mieb? -
Durch welche Sprache gab ficb ihre Cehre kunb ?
- Unb wie foll icb Dir barlegen, t>a^ es fo
war? - unb was fie mir lehrten?
Die (Donbnacht bechte mich im füfeen, tiefen
f^inbesfcblaf ; bann trat fie aus ficb felbft hervor
unb berührte mich an meinen Rügen, ba^ fie
ihrem Ciebt erwachten, unb fenhte ficb mit mag*
netifcber Gewalt in meine Bruft, "öa^ icb alle
furcht be3wang, auf Wegen, bie nicht geheuer
115
waren, forteilte in tiefer, regungslofer Hacbt, bis
icb 3um Springbrunnen ham 3wifcben Blumen»
beeten, wo jebe Blume, jebes f^raut in taufcbenber
Dämmerung ein Traumgeficbt ausbrüchte, wo fie
buhlten unÖ ftritten mit öer pbantafie. Dort ftanö
icb urib fab, wie ber von öen Cüften bewegte
Wajferftrabl binüber= unb berüberfcbwanWe un5
wie bie (Donbesftrablen Öas bewegte Waffer
burcbwebten unb wie ber Bli^ mit 3üngelnber
eile filberne ßieroglypben in bie wogenben Greife
fcbrieb. Da i^niete icb in ben feucbten 5anb unb
beugte micb über bies fcbwinbelnbe Cicbtweben
unb laufcbte mit allen Sinnen, unb mein ßers
hielt ftill, unb icb nahm es an, als ob mir biefe
fcbwinbelnben Strahlensüge etwas hinfcbrieben,
unb mein ßer3 war freubig, als ob icb fie ver=
ftanben hätte, M^ ihr Inhalt mir Glüch anbeute.
Ich ging 3urüch burcb bie langen, bunhlen laby*
rintbifcben Gänge, vorüber an Bilbern von wunber*
lieben f5eiligen in gelaffener Ruhe, bis 3U meinem
Betteben, bas im Crher am fenfter eingeklemmt
war. Da öffnete icb leife bas f enfter bem (Donb=
liebt unb liefe es meine Bruft anftrablen; - ja,
micb umarmte in jenen glüchlicben, glüchbringenben
(Domenten ein freubegeiftiges Gefühl, grofe, a\U
umfaffenb; es umarmte von aufeen mein I5er3.
(Dein ßer3 fühlte ficb umfafet von einer liebenben
Gewalt, ber es ficb anfcbmiegte im Scblummer,
ber von biefer Gewalt aus über micb Uam. Wie
foll icb biefe Gewalt nennen? - Cebensgeift?
Icb weife es nicht, icb weife nicht, was ich erfahren
hatte, aber ein Begegnis war es mir, ein wichtiges
8*
116 = ea
Creignis, unb icb war im ßersen als wie öer
l^eim, öer aus erfter Verhüllung ans Cicbt hervor*
bricht; ich faugte Cicht mit bem öeift unb fah mit
biefem, was ich vorher mit leiblichem fluge nicht
gefehen haben würbe. Blies, was bie Datur mir
fpielenb barbot, gab mir eine Erinnerung an ein
Verborgenes in mir; in Farben unb formen ber
Pflansenwelt jah ich mit tiefem, geniefeenbem,
versehrenbem ßlich, burch t>en bie Hahrung in
meinen Öeift übergehe.
Reh, wir wollen fchweigen, wir wollen leifen
Hebelflor über bies Geheimnis sieben, burch ben
uns fein Inhalt ahnungsweife burchfchimmert ; ja,
wir wollen fchweigen, freunb! Wir Uönnen's ja
boch nicht in Worten enthüllen.
^
^ D □ D ^m
er Scbäfer von Bingen o
/*v^^^" erfter Gang war hier berauf*), wo icb
\ i / Dir ben legten Brief fcbrieb, eb wir reiften.
Icb wollte feben, ob mein Tintenfafe nocb öa jei
unb meine kleine COappe mit Papier. Blies nocb
an Ort unb Stelle; acb Goetbe, icb babe Deine
Briefe fo lieb, icb babe fie eingebüllt in ein feiönes
Zudby mit bunten Blumen unö golbnem 3ierat
gefticht. Rm legten Zqq vor unserer Rbeinreife,
ba wufete icb nicbt wobin mit; mitnebmen wollte
icb fie nicbt, öa wir allefamt nur einen (Dantel*
fach batten. In meinem 3immercben, öas icb nicbt
verfcbliefeen konnte, weil es gebraucbt wuröe,
mocbte icb fie aucb nicbt laffen; icb bacbte, öer
Hacben könnte verfinken unÖ icb erfaufen, unÖ
öann würben bie Briefe, beren einer um ben
anbern an meinem ßer3en gelegen bat, in frembe
löanb kommen. €rft wollte icb fie ben Donnen
in Vollratbs aufsubeben geben; - es finb Bern«
barbinerinnen , bie, aus bem I^lofter vertrieben,
jet3t bort wobnen, - nacbber bab icb's anbers
überlegt. Das le^temal babe icb bier auf bem
Berg einen Ort gefunben: unter bem Beicbtftubl
ber Rocbuskapelle , ber nocb ftebt, in bem icb
aucb immer meine öcbreibereien verwabre, bab
□ □□□ ^— D
•) Ruf ben Rocbusberg.
118
icb eine hleine ßöble gegraben unö hob fie in«
wenöig mit (Dufcbeln vom Rhein unb wunöer^
fcbönen kleinen Riefeljteincben ausgemauert, bie
icb auf öem ßerge fanb. Da bab icb fie in ibrer
jeiönen Umbüllung hineingelegt unb eine Diftel
vor bie Stelle gepflanst, beren Wursel icb forg*
fältig mitsamt ber €rbe ausgeftocben. Unterwegs
war mir oft bange; welcher Schlag hätte mich
getroffen, hätte ich fie nicht wiebergefunben; mir
fteht bas I5er3 ftill. - Sieben Tag war fcblecbt
Wetter nach unferer ßeimkebr; es war nicht mög*
lieb hinüber3ukommen ; ber Rhein ift um brei
fufe geftiegen unb gan3 veröbet von Hacben;
ach, wie bab icb's verwünfcht, ^a^ ich fie ^a oben
hingebracht hatte, f^einem mocht icb's fagen, aber
bie Ungebulb, hinüber3ukommen ; ich hatte
Sieber aus flngft um meine Briefe, ich konnte
mir ja erwarten, ber Regen würbe irgenbwo
burcbgebrungen fein unb fie verberben. Reh, fie
haben auch ein bifechen Waffernot gelitten, aber
nur gan3 wenig; icb war fo froh, wie ich von
weitem bie Diftel blühen fah, l>a bab icb benn
fie ausgegraben unb in bie Sonne gelegt; fie finb
gleich trocken unb ich nehm fie mit. Die Diftel
bab ich 3um ewigen Rnbenken wieber feft*
gepflan3t. - Dun mufe ich Dir auch er3äblen,
was ich hier oben für eine neue €inricbtung ge*
funben, nämlich oben im Beicbtftuhl ein Brett
befeftigt unb barauf einen kleinen, viereckigen
Bienenkorb. Die Bienen waren gan3 matt unb
fafeen auf bem Bretteben unb an bem f^orb. Hun
mufe icb Dir aus bem Rlofter er3ählen. Da war
119
eine Honne, bie biefe man Mere celatriee, Öie
hatte micb an ficb gewöhnt, öafe ich ihr alle 6e«
fcbäfte besorgen half, hatten wir öen Wein im
Reller gepflegt, fo faben wir nach ben Bienen;
benn fie war Bienenmutter, unb bas war ein gan3
bebeutenbes Rmt. Im Winter würben fie von ihr
gefüttert, bie Bienen faugten aus ihrer ßanb füfees
Bier; im Sommer hingen fie ficb an ihren Schleier,
wenn fie im Garten ging, unb fie behauptete, von
ihnen gekannt unb geliebt 3U fein. Damals hatte
ich grofee Heigung 3U biefen Tierchen. Die Mere
celatriee fagte, vor allem muffe man bie furcht
überwinben, unb wenn eine ftechen wolle, fo muffe
man nicht suchen, bann würben fie nie ftark
ftechen. Das hat mich grofee Überwinbung ge*
hoftet; nachbem ich ben feften Vorfa^ gefafet
hatte, mitten unter ben fchwärmenben Bienen
ruhig 3U fein> befiel mich bie S^urcht; ich lief unb
ber gan3e Schwärm mir nach. €nblich hob icb's
bocb gelernt, es hat mir taufenb freub gemacht;
oft hob ich ihnen einen Befuch gemacht unb einen
buftenben Strauß hingehalten, auf ben fie ficb
fe^iten. Den kleinen Bienengarten hab ich ge*
pflegt, unb bie gewürsigen bunklen Tlelhen be*
fonbers hob ich hineingepflanst. Die alte Honne
tat mir auch ^en Gefallen, 3U behaupten, bafe
man alle Blumen, bie ich gepflanst hatte, aus
bem ßonig herausfchmeche. So lehrte fie micb
auch, ^a^j wenn bie Bienen erftarrt waren,
fie wieber beleben. Sie rieb fich bie ßanb mit
Heffeln unb mit einem buftenben f^räutcben,
welches man f^a^enftieg nennt, machte ben großen
120
Scbieber bes Bienenbaufes auf unb ftechte bie
ßanb hinein. Da jetsten fie ficb alle auf bie ßanb
unö wärmten ficb, öas bab ich oft auch mit*
gemacbt; ba ftechte bie kleine ßanb unb bie
grofee ßanb im Bienenkorb, je^t wollt icb's aucb
probieren , aber ich batte nicht mehr bas f5er3 ;
fiehft Du, fo verliert man feine Unfchulb unb bie
hoben Gaben, bie man burcb fie hat.
Balb bab icb aucb ben Cigentümer bes l^orbs
kennen gelernt; inbem icb am mitten Berg lag,
um im Schatten ein wenig 3U faulensen, hört icb
ein Getrappel im Traumfcblummer; bas war bie
Binger öcbafberbe nebft ßunb unb öchäfer. €r
fah auch, gleich nach feinem Bienenkorb; er fagte
mir, Z>Q^ er noch eine Weile hier weibe, l>a bab
ihm ber volle blühenbe Thymian unb bas warme,
fonnige piät5cben fo Wohlgefallen, 1>q^ er ^en
Schwärm junger Bienen hier herauf gepflanst
habe, bamit fie fich recht wohl befinben, unb
wenn fie fich bann mehren follten unb ben gan3en
gegitterten Beichtftuhl einnehmen, wenn er übers
3ahr wieberkäme, fo folle es ihm recht lieb fein.
Der Schäfer ift ein alter (Dann ; er hat einen
langen, grauen Schnurrbart, er war Solbat unb
er3ählte mir allerlei von ben I^riegsf3enen unb
von ber früheren 3eit; babei pfiff er feinem ßunb,
ber ihm bie ßerbe regierte. Von verfchiebenen
Burggeiftern er3ählte er auch, bas glaube er alles
nicht; aber auf ber Ingelheimer ßöhe, wo nocb
Ruinen von bem grofeen l^aiferfaal ftehen, ba fei
es nicht geheuer. €r fei felbft auf ber ßeibe im
(Donbfcbein einem (Dann begegnet, gan3 in Stahl
121
gehleibet, bem fei ein Cöwe gefolgt; unb ba ber
Cöwe (Denfcben gewittert, fo habe er fürcbterlicb
gebeult. Da habe ber Ritter ficb umgehebrt, mit
bem Finger gebrobt unb gerufen: „Bis ftille,
freveliger ßunb!" - Da jei ber Cöwe verftummt
unb habe bem (Dann bie §üfee gelecht. Der
Scbäfer ersäblte mir bies mit befonberem Schauer,
unb icb jcbauberte 3um piäfier ein bifecben mit;
icb fagte: „leb glaube wobl, ^a^ ein frommer
Scbäfer ficb vor bem löüter eines Cöwen fürcbten
mufe." „Was?" fagte er, „icb war bamals hein
Scbäfer, fonbern öolbat unb aucb gar nicbt be=
fonbers fromm; icb freite um ein Scbä^cben unb
war berübergegangen nacb Ingelheim um (Ditter=
nacbt, um Tür unb Riegel 3U 3wingen; aber in
ber Hacbt ging icb nicbt weiter, icb hebrte um." —
„nun," fragt icb, „€uer Scbä^cben, bas bat wobl
umfonft auf Cucb gewartet?" - „la," fagte er,
„wo Geifter ficb einmifcben, l>a mufe ber (Denfcb
babinten bleiben." - leb meinte, wenn man liebe,
brauche man ficb vor Geiftern nicht 3U fürchten,
unb könne ficb gerabe bann für ihresgleichen
achten; benn bie Hacbt ift 3 war keines (Denfcben
Sreunb, aber bes Ciebenben Sreunb ift fie.
Icb fragte ben Schäfer, wie er ficb bei feinem
einfamen öefchäft bie 3eit vertreibe in ben langen
Cagen; - er ging ben Berg hinauf, bie gan3e
ßerbe nahm wieber keinen Umweg. Cr 3eigte
mir eine fchöne Schalmei - fo nannte er ein
fDoutbois mit filbernen f^lappen unb €lfenbein
3ierlicb eingelegt; er fagte: „Die hat mir ein
§ran3ofe gefchenkt, barauf kann ich blafen, ba^
122
ezB
man es eine ötunöe weit bort ; wenn icb hier auf
öer fDöbe weiöe unö feb ein öcbiffcben mit luftigen
Ceuten brüben, ba blas icb. In öer Seme nimmt
ficb öie öcbalmei wunberfcbön aus, befonbers
wenn bas Waffer fo ftill unb fonnig ift wie beute ;
bas Blafen ift mir lieber wie €ffen unb Trinhen."
Cr fet5te an unb wenbete ficb nacb bem Tal, um
bas Ccbo boren 3U laffen; nun blies er bas Cieb
bes weisfagenben Tempell^naben aus Rxur von
Ormus mit Variationen eigner Eingebung. Die
feierlicbe Stille, bie aus biefen Tönen bervor»
bricbt unb ficb mitten im leeren Raum ausbebnt,
beweift wobl, ba^ bie ßeifter aucb in ber finn»
lieben Welt einen piat3 einnebmen ; 3um wenigften
warb alles anbers: Cuft unb Oebirge, Walb unb
Seme, unb ber siebenbe Strom mit ben gleitenben
Hacben waren von ber n7elobie beberrfcbt unb
atmeten ibren weisfagenben Geift. — Die ßerbe
batte ficb 3um Buben gelagert; ber ßunb lag 3U
bes Scbäfers Süfeen, ber von mir entfernt auf ber
ßöbe ftanb unb bie Begeiftrung eines Virtuofen
empfanb, ber ficb felbft überbietet, weil er füblt,
er werbe gan3 genoffen unb verftanben. €r liefe
bas €cbo eine febr feine Rolle barin fpielen; bier
unb l>a liefe er es in eine Cüche einfcbmel3en; bann
wieberbolte er bie let5te figur 3ärtlicber, ein*
bringenber; - bas €cbo wieber! - er warb nocb
feuriger unb fcbmacbtenber. Unb fo lebrte er ben
Wiberball, wie bocb er's treiben könne, unb bann
enbigte er in einer brillanten Sermate, bie alle
Oler unb Scblucbten bes Donnersberges unb
f5unsrüchs wiberballen macbte. Cr 30g blafenb
123
mit öer ßerbe um ben ßerg. - leb pachte meine
5cbreibereien auf, ba öie €infamheit bocb hier
oben aufgehoben ift, un5 fcblenöerte noch eine
Weile bei gewaltigem Rbenörot, mit öem Schäfer
in weifen Reben begriffen, hinter ber weifeen
ßerbe brein ; er entliefe mich mit bem f^ompliment,
ich fei gescheiter ale alle COenfchen, bie er kenne.
Dies war mir was gan3 Heues, benn bisher hob
ich von gescheiten Ceuten gehört, ich fei gän3lich
unklug; ich kann aber boch bem Schäfer nicht
unrecht geben; ich bin auch gefcheit unb habe
fcharfe Sinne.
SS SS m la
y
rau be Gacbet o
DDD==D==D=
E
Geliebter Clemens! Was ift öocb alles wiöer*
fahren in öiefen Tagen, öer, bie Du Bettina
nennft! - Gin Süöwinö auf brennenden Sohlen
in einer Wirbelwolhe von Staub wehte mir ins
Geficbt. Von einem Zag 3um anbern hat bie
Welt hier in Offenbacb einen Pur3elbaum ge»
fcblagen. Denn erftens las ich im grünen 3immer
auf ber fenfterbanl^ vor bem f5er3og von
Bremberg über bie Volhsmajeftät ein fran»
3Öfijcbes RWenftüch, v^7orüber ich Unenbliches
hätte ben ßer3og 3U fragen gehabt, ber fcblief
aber; ich wollte nur allmählich aufhören 3U lejen,
bamit er nicht wach werbe; ich fing jchon an,
gan3 ftille 3U werben, ich hatte ausprobiert, l>a^
er feft fcblief. Siebe, Z>a kam im Sturm baher*
gebrauft ein Kabriolett wie ein abgefchofener Pfeil
vor bie ßaustür; herab fpringt ber Wagenlenher,
ein jugenblicb voller, fchöner CDannjüngling mit
hlirrenben Sporen; 3wei Reiter, bie ihn be=
gleiten, treten mit ihm ein. Ich war, ich weife nicht
wie, nicht warum, von Schrecken burcbgriffen, ^a^
ich vergafe 3U reben, unb begann mich nicht, bie
Grofemama 3U rufen, bie im Garten war. Der
f5er3og fragte, wer ba fei ; ich beutete ben f remben
an, er fei blinb, unb fagte: „C'est une jeune
Cavalier Monseigneur avec deux Messieurs." „Au
125
contraire, c'est une femme," ^agte öer Jüngling unö
näherte jicb. Der ßersog wufete gleich, wer jie
war, benn er ergriff ihre ßanö unö äufeerte ein
fehr warmes Intere^e. Ich lief in Öen Garten, öie
Crofemama 3U holen. Die jagte gleich von (Daöame
b e 6 a ch e t , einer Prin3efe aus öer Venöee, unb
bis wir ins iöaus eintraten, fchwinbelte ihr ber
f^opf vor Begeiftrung. Ich befann mich unterbef Jen
unb wollte gern unbefangner 3ufcbauer fein.
f5inter ber Or vor ber ßrofemama ihrem Schreib*
3immer blieb ich ftehen, wo ich einftens fchon
f5erber, Boonftebten, frieberihe Brunn,
bie J^ r ü b n e r unb anbre närrifche Crfcheinungen
berühmter Ceute angeftaunt hatte. €s war ein
Verbeugen unb Helgen ber beiben brauen unb
ein Beteuern, unb ich hätt gern alles behalten,
um bies 3U er3ählen; es war ein 3u grofe Öe*
fchwirr von lauten Stimmen. Ich konnte nur ben
f5er3og verftehen, ber 3U ihr jagte: „Vous etes
la plus respectable des enemies de la france;" fie
nannte bie assemblee nationale le depot de la
confience de tout un peuple, unb rebete, als ob
fie bie Welt erneuere. „Le peuple n'est plus livre
aux intrigues de cour ni aux incertitudes mini-
sterielles," unb meinte, bamit fei ihr gan3es
tragifches Schichfal ausgewe^it; unb bann fprachen
fie über Rrieg 3U Waffer unb 3U Canb, von
Vaisseaux de guerre unb f^avallerie unb Infanterie,
unb fie rebete bavon, als war fie bei allen
Schlachten mit gewefen.
— 3e^t fchreib ich gleich weiter von allem, was
ich über Deine Warnungsforgen vergeffen hatte.
126
Diefe Svau bat mich in einem fortwabrenben
öcbauerriefel erbalten, unb öenhe Dir, wäbrenö
icb an öie Cure gelebnt fie anfab, verftummte jie
oft mitten in ibrer Reöe unt> fab ficb nacb mir
um; keine ßolbfrucbt winht lochenöer aus Öem
öunhlen Grün als ibr läcbelnöer Blich nacb mir;
icb füblte micb befcbämt. Bei ber f5eimfabrt nabm
ber eine ibrer Begleiter ben piat3 im Wbishi ein ,
fie jcbwang ficb mit felbftgefälliger Rnmut aufs
Pferb. Sie grüfete micb, als wolle jie mir jagen :
fcbwing bicb aucb aufs Rofe, aus allem beraus,
was Dieb beengt; komm, vertrau mir, icb will
Dir bie ßanb reicben. - Unb fort war fie, unb
icb lief in ben Garten unb ftieg auf bie Pappel;
wo bätt icb bingefoUt, fo febnfücbtig in bie
Weite? - Auf bem Gaul bie Rbenblüfte burcb=
faufen im Galopp! - Unb bätt icb bas gekonnt,
mein gans Glüch würb icb barin finben unb mufe
Dir alles fagen, was icb bierbei benke.
(Dan mufe bocb wobl wijfen, was bas Gegen*
teil ift von aller Verkebrtbeit, benn nur in biefes
binüber kann man ficb von ibr f lücbten ; unb bocb,
wenn fie micb wie Cüge unb Gefpenfterwefen
anfcbauberte , unb icb glaubte ibr Gegenteil, bie
Wabrbeit 3U empfinben, fo war keine Gewalt in
mir ba3u. Die erfte (Delancbolie, bie erfte Cräne,
bie wie eine frage mir ins Gewiffen fiel, war
berart. leb ging einmal in fo unklarer Stimmung
über ben ßübnermarkt in Frankfurt; auf einmal
befanb icb micb wie im Craum, aus einem Welten*
räum in ^en anbern bineingeriffen, aus ber kalten,
mit fpa3ierengebenben pbiliftern befetsten Strafee
127
unter bie befieberten, alfo 3ur Freiheit gefcbaffnen
Tiere. Die tauben, bie man im Rbenbfcbein in
föeröen öie Sonne vergoldeten Wetterfahnen ber
f^ircbtürme umfcbwingen fiebt, waren hier in
fcbmu^ige f^örbe eingefperrt, wo fie ihr reines
Gefieber befubelten bei hargem futter. Unb
morgen follten fie von ber f5anb unb für ^en
(Dagen eben biefer Philister gefcblacbtet werben,
in ^enen nie ein Haturgefübl ^en Cebensrei3 er»
höbt batte. - €s machte micb traurig, ich fühlte
micb hier bejfer unb weniger befcbämt als unter
ben (Denfchen. Diefe Hiere finb ein Ciebreis ber
Hatur; jie haben (Dut, fie fcbwingen ben wollen*
bringenben Winben ficb nacb in bie Cüfte, unb
alle Cebensgeifter in ihnen finb angefacht. 5o
wie ich mich fehnte bamals, mit ben Tauben unter
Gewittern bie Türme 3U umgreifen, fo hätte ich
geftern auf bem Gaul im Galopp bem gewohnten
öchlenbrian mich entreißen mögen. Ich hab es
fehr beutlich gefühlt, was biefe Brau voraus hat
baburch, ^a\5 fie fo einem Rei3 l^ann genügen.
Freiheit fühlt fie in allen Gliebern auf bem pferb,
bas fie 3U lenhen verfteht, unb wenn es ficb
bäumt unb fteigt, unb fie läfet fo ruhig es ge=
währen ; benn fie weife, es wirb ficb gleich fügen,
unb je^t ift fie aufgeregt burch einen Gebanhen,
fo fet3t fie bem Gaul bie öporen in bie öeite,
unb er fliegt wie ihr Geift mit ihr 3ugleich bem
entgegen, was fie erringen möchte. Beb, wie mufe
bas bie f^raft förbern bes Ceibes unb ber Seele,
wie mufe bas ^en Getränken treiben, ^a^ er ge^
pan3ert bervorfpringt gleich unb brein fchlägt in
128
ben Begriff, unb wie mufe es Öas föer3 beben,
öas Reiten? - Hur eölen Haturen gebort öqs
pferö; kein Vorfat5 konnte micb bewegen, aucb
keine Vorftellung, keine Belebrung, keine cbrift^
liebe (Doral irgend micb felber im 3aum 3U balten,
bas Gute 3U tun, öas Böfe 3U laffen. Rber auf
einem pferb, 5q würöe icb 3U jeber kübnen Zq\
aucb nocb im let5ten Rugenblick berangefprengt
kommen, benn öas würöe genievolle Begeiftrung
in mir anregen.
- demente, fie ift öa gewesen; wie ift öocb
alles burcbeinanöergegangen. - Hacb bem gan3en
Abenteuer baben öie §ran3ofen im Garten einen
fürcbterlicben Apfelkrieg gefübrt; icb kann Dir's
beute nicbt mebr fcbreiben, icb mufe erft nocb eine
Hacbt brauf fcblafen. Rber morgen kommt jie
wieöer, fie bat mir's im Vorübergeben ins Obr
geflüftert; fie ift bes Ileufels. Icb will keine
Jreunbfcbaft mit ibr, icb bin 3U jung. War icb
fcbon fo, wie es in mir werben will, bann ritt icb
ftebenb auf 3wei Gäulen unb fpränge ba3U burcb
ben Reif. (Dit f^unftftreicben unb Übermut wollt
icb ibren kübnen Ritt ausparieren.
Cieber Clemens! föeut am (Dontag er3äbl
icb fort vom Samstag unb Sonntag; biesmal
gingen bexenmäfeige, bie Grofemama in böcbfter
Spannung baltenbe Dinge vor, eine galvanifcbe! -
Der kleine rotwangige Bpotbeker Bucb trug
Blumenkörbe unb Urnen binaus auf ben ßausflur.
(Dit Sal3waffer in einer grofeen irbnen
Scbüffel würbe ein grofe Geplätfcber gemacbt,
runbe fil3lappen unb ^aler unb f^upferplatten
129
aufeinanöer gelegt; viele Stimmen unö föänbe
gingen öurcbeinanber bei bem Aufbau öer Säule.
Der ßer3og im föintergrunÖ hielt micb bei öer
f5anb, icb mufete ihm ersäblen, was vorgebe.
Hacbbem bie Säule unter Öen P5änben ber 6e=
lehrten mehr wie einmal umgeftürst war, baute
bie Venbeerin fie felbft auf, unb fie blieb ftehen ;
es würben negative unb positive Verbuche ge=
macht; bavon hann icb nichts fagen, als ba^ es
nicht gan3 fo ausfiel, wie man wollte. Die be
6 ach et verlangte feingefponnene Glasfäben; bie
Srau Wrebe uns gegenüber hat eine Sultans^
feber von gefponnenem Glas. Sie jagte mir, ba^
[le ben Sultan bem CDagnetifeur gefcbenl^t habe,
ber ihn auch 3U feinen Verbuchen braucht. Icb
hlingelte an feiner ßaustür; wie ich ben Schall
ber Gloche hörte, mufete ich mich fürchten, aber
ich war fchon im ßaus bie Treppe hinauf unb
ftanb fchon vor ihm unb wufete nicht, wie ich's
ihm fagen folle. Cr ham mir aber 3UVor, wie ich
von gefponnenem Glas anfing, unb gab mir ben
Sultan in bie ßanb ; ba f ah er an meinem f inger
ben Ring aus bem lebernen Schuh, ben Stein
nach inwenbig mit roter Seibe umwichelt unb mit
ßar3 verklebt. Ich fchämte mich, ich wickelte ben
Saben los unb reichte ihm ben Ring; er befah
ihn unb fagte: „€in Talisman!" - unb fteckt
ihn mir wieber an ben Finger. Das war alles,
was er mit mir fprach, mit bem ich boch manches
fchon gefprochen hatte über bie Gartenwanb. Ich
nahm mir auch vor, gleich ben Rbenb noch auf
bie Gartenbanh 3U fteigen unb mit ihm 3U fprechen ;
Jritfcb.Strobl. 9
130
icb vveröe Dir gleicb er3äblen, wie bas aber nicbt
gegangen ift. Crft wuröen mit Öen Glasfäöen
Scbmel3verfucbe gemacht, bie nicht gelungen finb,
brum follte bie Säule ein paar Tage unberührt
fteben unb fich verftärhen; öie örofemama war
in grofeer Rngft, es hönne öaran geftofeen werben,
unb liefe, nachbem bie be 6 ach et fort war,
niemanb ins 3immer. Die fran3Öfifchen ßerren
hatten fich im Garten versammelt. Cs war fchon
bämmerig, ich kam ba3u; fie fprangen wie toll
herum, machten grofee 5ät3e über bie Blumen*
beete, riffen bie Stäbe von ben Pflan3en los unb
fchlugen aufeinanber unb riefen vom Spalier bie
ge3ählten, noch unreifen Apfel 3um Bombarbieren.
— Ich war ja wie verfteinert. Denh, fie hatten
ihre Röche ausge3ogen unb auf bie Sträucher
gehängt, bie waren hrumm gebogen von ber Caft;
ber gan3e Garten war verwanbelt. Ich konnte
heinen erwifchen, fo war er gleich hinter einem
anbern brein, unb wollt ich ben wieber um Gottes*
willen bitten, fo hatte er eins, 3wei, brei Apfel
abgeriffen unb fetste über bie Rabatten hinaus,
um einen 3U treffen. Sie waren wie toll geworbne
Geijter, fie flüfterten unb kicherten unb gaben
keinen Caut von fich; in ber Ver3weiflung rief
ich: „Grand -Mama vient," ba warfen fie ihre
(Dunition auf gut Glück bem nächften an ben Ropf,
unb waren mit ihren Röcken wie ber Winb 3ur
Gartentür hinaus. Verwunbert, ba^ biefe alten
ßerren mit ihrem Pobagra*Bfthma fo ungeheure
Bockfprünge machen konnten, nahm ich ben
Rechen unb harkte bie Wege ; ich fteckte bie weg*
131
geworfenen Blumenftäbe wieöer in bie Sträucber.
es war fcbon Öunkel, öa fucbte icb nocb öie ab-
geriffenen Apfel sufammen unb legte fie an bie
€rÖe, als wären fie von felbft abgefallen, vielleicbt
vom Winb. im föof bes COagnetifeurs fab icb bie
Ceute bei einem Packwagen befcbäftigt, unb benk
Dir, er ift fort beute morgen, nocb ebe bie 5onne
aufging. Das ganse f5aus öbe! - es fiebt fo
traurig aus ; ber Winb fpielt mit ben Dacbluken. —
leb bab ibn alfo 3um le^tenmal gefeben, wie er
mir bie ölasfäben gab. - Wie leib tut mir bas ! -
Die be Gacbet war aucb nocb am Sonntag
nacbmittag bier; hein (Denfcb batte fie erwartet
unb icb aucb nicbt, obfcbon fie mir es 3ugeflüftert
batte; fo war icb ein Weilcben allein mit ibr.
Wie ängftlicb war mir bas! - Rcb Clemens,
lafe uns lieber allein alles vertrauen, alles mit=
einanber erleben unb nicbt mit anbern. Diefer
grofee planet, bie be öacbet, erfcbüttert micb
3u febr, wenn er mir fo nab rücht. - 6ie rebete
von ben f5immelsl^örpern , ibrem fubtilen Rus=
ftrömen unb von wecbfelfeitiger Bnsiebung ber
Planeten in ibre Greife unb vom innerlicben Sinrt
im Osean ber öefüble, unb icb war gan3 betäubt.
Wie homme icb ibr vor, ba^ fie mir fo was
fagt! - 6ie bielt micb feft in ibren Rrmen, icb
hätte bes Teufels werben mögen; icb fcbämte
micb, ba^ icb ibr 3ubören mufete, gefangen in
ibren Brmen, unb nicbts verftanb. 6ie liefe micb
los, wie bie Grofemama bereinham; icb, wie ein
entwifcbter Vogel, fprang in ben Garten auf bie
Bank unb fab recbt febnfücbtig in ben verlaffenen
9*
132
Garten vom (Dognetifeur. Da war er aber bocfo
nicht fort, er wanöelte noch gan3 allein unö kam
gleich an bie Oartenwanö; er fagte mir, feine
Ceute feien fchon feit geftern fort, er reife in öer
nacht mit ihnen nach. Ich habe ihm rechte Vor-
würfe gemacht, öafe er fo fortgehe, ohne mir öavon
3U fagen. Da fing er an 3U lachen unb fagte,
ich hätte ihm ja Reifegelb gefchicht; ich lachte
auch, weil ich mich fchämte 3U weinen. Reh, biefer
(Dann war mein befter freunb. €r hat mir nie
gute Cehren gegeben, aber er hat mich belehrt.
Bch Clemens, leb wohl; jet5t ift's aus mit ber
6 ach et, benn fie fagte ber Örofemama, bafe fie
an ben Rhein wieber geht.
ddg D°n ddd d°d gdd
ie arme 5rau
Oc=Oc
Je^t will icb Dir auch nocb auf Deine le^te Srage
antworten von öer gemeinen Srau. Das war
hur3 ehe icb von Frankfurt hier berausham, öa
war icb allein von Öem Bochenbeimer Cor aus
öem Garten, wo bie Zloni wobnt, bineingegangen
in bie 9tabt. Da begegnete mir eine frau, öer
war öas Banö aufgegangen am Scbub, unö fie
l^onnte jicb nicbt buchen, benn fie ging mit einem
RinÖe unb feufste febr unter ibrer Caft. Icb liefe
fie ibren fufe auf meine J^nie ftellen, um bas
Scbubbanb ibr 3U3ubinben, bann aber fübrte icb
fie nacb ibrer Wobnung, weil fie fo febr jammerte
über Scbmer3en. €s war fcbon bämmerig, als
wir in ble ötabt kamen; lia begegnete mir eben
aucb bie 5rau €uler, welcbe unfer beiber böfer
Dämon 3U fein fcbeint; icb macbte ibr eine tiefe
Verbeugung 3U meinem piäfier unb fcbleppte bie
frau weiter. Die fing aber an, mir bang 3U
macben, benn fie feuf3te fo fcbwer unb warb fo
blafe, unb ber Scbweife trat ibr auf bie Stirn ; ^a
kam ber gute Doktor Deville, bem übergab icb
bie Sxau. Unb als icb auf ben Rofemarkt kam,
^Q begegnete mir ber (Dori^; ber fagte: „Rcb,
134
wie blafe feben 6ie aus, es fehlt Ihnen was."
„leb habe fo großen ßunger," fagte ich - unö
es war auch wahr; bie Rngft mit ber Svau hatte
mir ßunger gemacht. Der COor'xi^ griff in bie
^afcbe, bie hatte er voll getrod^neter Oliven, bie
ejfe ich gern; er leerte feine Cafcbe in meinen
ßanbfcbuh aus, öen ich ausgesogen hatte, um
fie hinein3ufüllen. Da führt ber f^uchuch bie Cotte
vorbei; ber (Dori^ ging, bie Cotte l^am an mich
heran unb fragte: „Wie kannft Du nur auf offener
6trafee mit bem (Dori^ ßanb in ßanb ftehen."
Das ärgerte mich, ich ging ins 6tift 3U Dir herein,
■wo ich meine Oliven fpeifte unb bie Rerne alle
in eine Reihe legte aufs Jenfterbrett ; Du ftanbft
neben mir unb warft gan3 ftill verfunhen in bie
Dämmerung ....
flm Bbenb hatte mir ber §ran3 noch ein paar
freunbliche, aber bocb mahnenbe Worte barüber
gefagt, ^a\s ich mit bem (Dori^ auf ber Strafe ge^
ftanben hatte unb geplaubert; - bie Cotte hatte
es ber Schwägerin gefagt. - Ich antwortete ihm
nicht barauf, benn verteibigen fehlen mir nicht
paffenb, wie benn bas meiner Seele ohnebem
nicht einverleibt ift, ^a^ ich folche Irrtümer auf*
klären möchte, unb am €nbe fehlen mir ber (Dori^
bocb wert, bafs nian freunblich mit ihm ßanb in
f5anb ftehe, obfcbon er mir bei jener Vermahnung
fehr fchwar3 gemacht würbe. €r begegnete mir
am anbern (Dorgen auf bem Vorplat5, unb ich
fah mich um, ob niemanb mich erfpähen hönne,
unb 30g ihn in bie Cche, wo bie Wenbeltreppe
hinaufführt 3U meinem 3immer. Da küfete ich
135
ihn auf feinen (DunÖ 3wei», öreimal, nur Öafe er
meine Tränen auf feinem Geficbt fühlte, öenn er
vvifcbte fie mit öer ßanö ab unb fagte: „Was ift
bas? - Was fehlt Dir, f^inö, was ift Dir?" Ich
rife mich los unö fprang hinauf auf öen Rltan
hinter bie Bohnen — unö war fehr fcbnell oben,
öafe er's nicht fah; er glaubte mich in feinem
3immer unb kam herauf unb Klopfte an, unb
weil er keine Bntwort bekam, fo machte er leife
auf unb weilte einen Rugenblick im 3immer. Rls
er herauskam, fah er nach bem Rltan; mir war
recht bang, er würbe mein weife ßleib erblicken,
benn bas fchimmerte burch bas bünne Bohnen*
laub. Ich weife nicht, ob er mich fah, mein Ver=
bergen achtete, aber ich glaub's, unb bas gefiel
mir fo wohl von ihm; als ich ins 3immer kam,
fanb ich auf meinem t^ifch im f^abinett am Bett
ein fläfchchen in 3ierlichem Brafilienhol3 mit
Rofenöl. - Rm Rbenb auf bem Ball bei feiner
(Dutter fprach er nichts 3U mir — wie fonft -
aber er kam in meine Höhe, unb weil bas
Släfchchen fo füfe buftete hinter bem ötraufe von
Rfchenkraut unb Höfen, ^a lächelte er mich an,
unb ich lächelte mit; aber ich fühlte, ^a\s gleich
mir bie Cränen kommen wollten. Ich mufete mich
abwenben; er merkte es unb ging 3urück unb
ftellte ficb unter bie anbern. Cr mufete auch
tan3en mit ben prin3effinnen unb hatte viel 6e*
fchäfte unb mufete eine Weile mit bem F^önig
von Preufeen fprechen; aber ich fah boch, ba^
er mich im Rüg behielt ben gan3en Rbenb, unb
felbft, währenb er mit bem I^önig fprach, fah er
136
herüber, febr ernftbaft immer, leb war beimlicb
vergnügt, aber öocb bätt icb jeöen Rugenblich
weinen mögen; als wir weggingen, flüfterte er
mir ins Obr: „Du gleichet öer öopbie." Was war
bas alles, was mir burcb öie 6eele ging? - leb
weife es niebt. Rm anbern tiag, wo ieb niebt wie
gewöbnlieb 3U Dir ham, öa batte (Doritj am
(Dorgen feinen Gärtner gefcbicht mit einem Wagen
voll feböner, feltner Blumen. Die ftellte er obne
mein Wiffen binter öer Bobnenwanö auf - unö
als icb fie fab, war icb erft gar erfebrochen unö
verftanö niebt, wie öie Blumen baber gekommen
waren. Rber balb verftanö icb, er müfete mich
boeb wobl gefeben baben binter öer Bobnen»
wanb am vorigen Zag. - Reb, icb war wäbrenb
öiefen ötunöen fo wunöerlicb bewegt gewesen:
von Dir, von f^ränhungen, von (Ditleib, bafe er
verleumdet war; von feinem feinen Wefen 3U
mir, unö bann, bafe er mir gefagt batte fo leife:
„Du gleicbft ber öopbie," bie ibm bocb geftorben
war, - bafe ieb niebt mebr wufete, was ieb wollte.
Rm Hacbmittag ham Cbriftian öebloffer, vom
Heville gefcbieht, ber ber Svau beigeftanben batte
bei ber Geburt von einem kleinen (Däbcben,
benn bas war gleieb in ber Stunbe auf bie Welt
gekommen. Der liefe mieb fragen, ob icb nicht
wolle 3ur armen frau kommen, bie fei fehr
krank unb auch bas f^inbehen; unb ieb folle es
aus ber tauf beben, ber Cbriftian öebloffer wolle
mit Taufseuge fein. Ich ging mit; "öa war ber
Pfarrer, ber taufte bas f^inb, unb bie frau war
fehr krank. Wie ber Pfarrer weg war, fo nahm
l
137
öie Wartfrau öas f^inbcben auf öen Rrm unb
fagte: „€6 wirö gleich fterben;" ba war mir fo
bang. leb hatte niemals jemand fterben fehen,
unb bie hranhe f rau im Bett weinte fo jehr ums
f^inb. Die föebamme fagte: „6ben ftirbt's," unb
fcbüttelte es; ^a war's plö^licb tot.
ana üDd gDü
D
er Jube o o o
Weifet Du benn, wer meine erfte ßehannt^
fcbaft i[t, öie ich hier gemacbt bab? -
Gin "jubl Rber was für einer? - Der fcbönfte
(Dann! - €in weifeer Bart von einer balben €lle,
grofee, braune Rügen, fo fcböne einfache Öeftalt,
öie rubigfte 5tirn, prächtige, majeftätifcbe Ha^e,
Rebnerlippen, aber von benen bie Weisheit füfe
hervortönen mufe. Unfer ßauswirt, ber profeffor
Weife, rief mich unb fagte: „Wollen Sie einen
fchönen Juben fehen, fo kommen Sie in meiner
frau ihr 3immer, fie verhanbelt ihm eben ihr
föochseitskleib." - Die (Deline wollte nicht mit^
gehen unb war verwunbert, ^a^ Weife uns ein*
lub, einem ßanbelsjub bie Bufwartung 3u machen ;
ich hab's aber nicht bereut, es war ein Bilb 3um
(Dalen. Cr fafe in einem fehr reinen Rabbiner*
ober Öelehrtengewanb am ^ifch, feine ßanb guchte
aus bem fchwarsen, weiten Ärmel, unb bas
flbenbrot leuchtete burch bie Scheiben; bie frau
Profefforin ftanb vor ihm unb hielt ihren ßochseits*
hontufch, ober war's ber von ihrer (Dutter, benn
es fchien fehr altertümlicher Stoff, an beiben
Armein ausgebreitet. Ihre f^inber ftanben 3U
beiben Seiten unb hielten bie Schleppe aus*
einanber; es war ein orangenfarbener Stoff mit
filbernen Sträufeen unb granatfarbenen ßlumen
139
burcbwirht, was febr fcbön mit bem ftarl^en Bbenö^
rot kontraftierte ; es war öas fcbönfte Bilb, unb
gern bätt icb bie (Deline gerufen, es mit an3ufeben,
wenn nicbt eine Scbeu, um nicbt 3u fagen €br=
furcbt, micb auf bem pia^ gebalten bätt, icb bätte
biefen (Dann nicbt mögen als Gegenftanb ber
Heugierbe bebanbeln. - Cs batte mir aucb was
gan3 Rätfelbaftes , bie Ceute mit fo großer Cbr*
furcbt vor ibm fteben 3U feben unb rubig feinen
Rusfprucb mit einem f5anbel ab3uwarten. - 9ie
fpracben über eine Summe, W03U nocb mebrere
anbre altertümlicbe Stoffe geborten, bie auf bem
üifcb lagen. - leb tat, als fei icb begierig, fie 3U
f eben, blofe um mit Rnftanb nocb bleiben 3U können ;
benn je länger icb ibn anfab, je mebr füblte icb micb
ange3ogen unb bocb fcbücbtern, unb ber Weife bätt
micb gewife nicbt ber Zm binaus gebracbt, fo
lang er ba war. Der Jube liefe mir von feinem
Cnhelfobn, ber binter ibm ftanb, bie Stoffe aus*
breiten ; icb tat, als war icb böcblicb erfreut über
bas Vert de pomme-f^leib mit Bpfelblüte, unb
mein Riter fab micb unterbes von ber Seite an,
bas merWe icb, bas macbte mir beimlicb f reub. -
Der Profeffor Weife fagte: „Hun, Cpbraim, muffen
wir erft ein Glas Wein 3ufammen trinken; unb
Sie trinken aucb mit," fagte er 3U mir. Cr fcbenkte
bem ]uben 3uerft ein, ber aber reicbte mir fein
Glas; icb fagte, ba^ icb keinen Wein trinke.
„Rber nippen können Sie bocb wobl," fagte er;
icb nabm's ibm ab unb fcbluckte ein wenig bavon.
€r bankte mir unb trank es auf ber Stelle aus,
bann fab er micb läcbelnb an, als wollt er fagen:
140
Sreut's Dieb, öafe icb Dir fo viel Rcbtung be=
3eige? - leb läcbelte mit ihm, unb icb war gQn3
rot geworben vor Vergnügen. Weife fpracb nocb
allerlei mit ibm, was bewies, bafe er ihn febr in
flcbtung bält. - Weife fagte von mir: „Was
meint ibr, €pbraim, öafe wir je^t \o allerliebste
ötubenten baben; bier wirb bas erfte öemefter
gebalten, unb icb werb €ucb bei fo feinen
Stubenten empfeblen. Das war Cucb wobl ein
grofe Vergnügen, biefem kleinen 6tubenten Unter»
riebt 3u geben?" Cs war ein fo liebenswürbiger
Abel in allem, was er jagte, unb wie er ben gut*
bersigen 6eber3en bes Weife eine feine Wenbung
gab, t>a^ fie micb nicbt verleben follten, ba^ ieb
gan3 eingenommen von ibm war unb mieb wirk=
lieb febr in aebt nabm, ibm folebe Antworten 3U
geben, bie ibm Intereffe jollten für micb geben.
3wei Stunb bab ieb fo mit ibm geplaubert, unb
icb bacbt fcbon brauf, wie icb's maeben wollt, ba^
icb ibn öfter feben hönnt; fo fagt ieb, wie er weg-
ging an unferer Tür vorbei, ba^ ieb ba eine
Scbwefter nocb babe, unb ieb wünfcbte gar febr,
ba^ fie aueb feine Behanntfebaft maeben möcbte.
€r verfpracb mir, ba^y wenn er wieber häme, fo
wolle er bei mir anl^lopfen. leb freu micb recbt
brauf.
- ßababa! - Das beifet: ieb lacb!^ - über
was? - bQ\^ ber Savigny niebts weife von meiner
3ärtlicben Ileigung für ben 3ub', - unb wie icb
alle vornebme Ceut nicbt leiben hann, weil fie
mir 3U gemein finb, unb weil kein CDenfcb im
ßaus weife, warum icb als übermütig bin; unb
141
öas ift beut einmal wieber, weil ich ein befonöers
angenehm Rbenteuer hatte. leb war im Garten,
öer am Berg liegt, un5 guchte über öie (Dauer
unö fah öen €pbraim öen Weg heraufhommen.
Ich lehnt mich über Öie (Dauer unö liefe mein
Sachtucb im Winb fliegen, öafe er mich febn follt;
unb wie er herauf l^am, fpracb ich mit ihm ein
gan3 Weilchen, - aber nicht wie gewöhnlich bie
(Denfchen Sprechen. Ich fagte ihm, bafe es mir
freube mache, ihn wieber 3U fehen, unb auch
^arum, weil mir fein Wefen einen Haturmoment
vergegenwärtige, mit bem fich mein Oeficht unb
mein Gemüt näher verwanbt fühle als mit jebem
anbern ; ich fagt ihm, bas fei bie Dämmerung am
Bbenb, fo komme mir fein Blich unb fein gan3
Wefen vor — wie Dämmerung, bie über einer
erhabnen Datur ausgebreitet fei; in folcher ötunbe
ift mein Geficbt fchärfer unb mein Gefühl fehr
3um Vertrauen geneigt. - Du hannft wohl benhen,
^Q^ es ber (Dühe wert ift, mit ihm 3U reben, benn
fonft war ich barauf nicht gekommen, ihm fowas
3U fagen. Cr fagte: „Die fichtbare Welt ift trüb,
aber mit hellem Blick braucht einer nicht lang 3U
forfchen, in wenig 3ügen erkennt er, was ihm
verwanbt ift." Ich fagte: „Rber wie erlangt man
einen fo hellen Blick?" - „(Dan mufe allein bie
Hatur anfcbauen unb kein Vorurteil 3ulaffen, bas
gibt einen hellen Blick." - Ich frag: „Uraut Ihr
mir bas 3U, ZiQ^ ich bie Hatur mit hellem Blick
anfchau unb ohne Vorurteil?" „la!" fagt er, „unb
ich weife, ba^ ich nicht irre - unb ba^ 6ie fcharf-
fichtig finb." - „60 hab ich alfo recht, wenn ich
142
in €ucb einen begeifteden (Dann erkenne?" -
„3um wenigften finö 6ie öem Wabren näber als
anbre, bie ben ]uben für einen geörüchten (Dann
balten; innerlicb quillt bie Jreibeit, unö ein tropfen
ift genug über alle Verachtung uns 3U beben." -
leb borte Ceute ben einfamen Weg beraufl^ommen
unb brach ab, weil mir bas Gebeimnis fcbon 3U
lieb war mit ibm. leb fagte: „Ceb wobl, }ube,
benh an unfer (3efpräcb, unb wenn Du von Deiner
Reife beimkebrft, homm 3U mir."
(Dein Cebrer in ber (Datbematik ift mein
alter ßerbft^jub. (Dorgens, in einem fcbwarsen
f^leib, weifeem Rragen unb ber Bart fpiegelglatt,
ftanb er an meiner Tür unb fragte um Crlaubnis,
micb 3U befucben; icb freute micb über ibn, er
fiebt fo viel ebler aus als bie anbern (Denfcben,
mit benen man täglich verkehrt, bie man in grofeen
Verfammlungen fiebt. Ich bab im öcbaufpielbaus
mich oft vergeblich nach einem erhabnen Geficht
umgefeben. €r fe^te fich auch gleich in anftänbiger
Bequemlichkeit an ben Tifch, ben Brm brauf
legenb, merkte meine Verwunberung über feine
Angenehmbeit, lächelte mich an unb fab aus wie
ein Surft. - Ich fragte: „Wo finb 5ie benn fo
lange gewefen?" - „Hun!" fagte er, „was reben
Sie boch fo fremb, bin ich nicht noch ber fllte? -
föeife ich nicht mehr: lieber Jub?" - Ich mufet ibm
bie ßanb reichen, ich fagte: „3a!" - f5ätteft Du
nur bie ironifche (Diene gefeben in bem erhabnen
Geficht unb bas milbe, berablaffenbe Cächeln 3U
mir; - er fagte: „Dicht aus jebem (Dunb gefällt
einem bas Ihr ober Du, mit bem ber Jube fich
143
mufe anreöen laffen, aber Ihrem laffe icb's nicbt
gern abgewöhnen." - Dir hätte öer (Dann fo viel
freub gemacht, öünöerob; er ersählte nur 6e=
wohnliches aus feinem Ceben, von feinen fiebsehn
€nheln, wie bie fich gefreut haben, ihn wieber
3U fehen. Ich frug nach allen, wie alt fie finö,
wie fie ausgehen; öa finÖ ihm bocb Me fünf, bie
Vater unb ODutter verloren haben, bie liebften;
von benen fagt er: „Der ältefte, ber gleicht mir,
man erhennt ihn fchon von weitem für meinen
enhel." - „Unb ber 3weite?" - „Der fchlägt
gan3 nach mir, ber hat für nichts Sinn wie für
bie (Dathematih? unb hält fich fo apart." - „Wie
ift benn ber Dritte, gleicht ber €ucb auch?" -
„Der ift noch ein hlein Jüngelchen, aber er ver=
leugnet ben Grofevater nicht, unb bie Cöcbter finb
fchon fo hilfreich; bie eine ift brei3ehn unb bie
anbre elf Jahr, aber fie forgen fürs iöaus unb
für bie f^leibung." - Das waren alles gewöhn*
liehe Beben, aber wie erfüllt von f5er3licbkeit -
gan3 wie bie Hatur, mit €nthufiasmus Sorg unb
piage tragenb. - €r war früher blofe Cehrer ber
(Dathematil^ unb lehrte in Giefeen, in ODarburg
bie 5tubenten, unb in ber 5erien3eit ging er nach
ßaus 3U ben Seinen. — 3wei Söhne unb eine
Tochter verheiratet; feine Tochter ftarb, nachbem
fie ihren (Dann begraben hatte, ben fie fehr liebte,
unb liefe bie fünf l^inber 3urüch. - Der alte
€phraim honnt keinen anbern €rwerbs3weig er*
greifen, fie 3U ernähren, als an ben er von Jugenb
gewohnt war, ber feine Ceibenfcbaft ift - worüber
er fo manches Schmer3liche hat vergeffen, fagte
144
er - fo i^t er benn auf bem ßeimweg in ben
ferien in öen nächsten Orten berumgefcblenöert
unö bat alte f^leiber eingebanöelt, um öie feinen
€nheln mit3ubringen , öenn fie neu 3U bleiben,
ba3u wollte fein Crwerb nicbt binreicben. Dacb
unb nacb bat ficb ber ßanbel erweitert; alte
ßocb3eitBhleiber aus bem vorigen jabrbunbert,
verlegne, altmobifcbe Spit3en, bie bie Raufleute
nicbt mebr abfet5en, verbanbelte er jet5t nacb
Polen, - fo war er biesmal in Ceip3ig - unb bat
ein febr gut Öefcbäft gemacbt. - Du börft, icb
bab einen gan3 haufmännifcben Stil - icb möcbt
mit bem Riten f^ompanie macben unb bie Cnkel
ernäbren belfen. Weil aber bas bocb 6cbwierig=
heit bat, fo bab icb einftweilen matbematifcbe
Stunbe bei ibm; bas macbt icb gan3 kur3, icb
fagt ibm: „Da komm nur bie Wocb aucb 3weimal
3U mir, benn icb mufe (Datbematih lernen." €r
lacbte unb wollt's nicbt glauben, icb bolte ibm
ober meine matbematifcben Bücber bervor, bie
Cbriftian mir bier gelaffen, unb mein föeft, was
icb bei bem Cbriftian gefcbrieben. Das gefiel ibm
febr, benn es war meift alles vom Cbriftian
biktiert, ber wobl ber fcbarffinnigfte (Denfcb von
ber Welt ift. - 3et3t bab icb fcbon brei ötunben
ausgebalten unb aucb allemal feine Rufgaben
richtig gemacbt, benn icb bab RefpeM vor bem
Riten, icb möcbt um alles nicbt bie Ibee geben,
als fei icb ein flatterbafter öcbufebartel, wie micb
bie anbern nennen, woran mir gar nicbts liegt.
Rber an ibm liegt mir, weil er fo gan3 obne
Überfpannung bocb nicbt an meinem Crnft 3weifelt,
ezs ===========================^^ 145
er öie für gering acbten mufe, öie öas nicbt mit»
fühlen. Unb meine Du was Du willft; aber Du
wirft mir recbt geben, öafe unter folcbem Druch,
unter fo ernieörigenöen Bedingungen öer Röel
bes Cebens \o frei unb untabelbaft bewahrt, bafe
fie nicbt einmal burcb bas niebrigfte Gefcbäft ficb
gebeugt fühlt, für eine hohe 6eele fpricbt; ba^
fie um fo mehr recbt hat auf unfere feierliche
Rcbtung, als fie vielleicht bem Aufeeren nach ber
(Difebeutung, ber Verachtung ausgefegt ift.
Sritfcb.Strobl. 10
00 oo 00 oo (30
as Jubenmäbcben o o
' M " 'D' — II 1 »□! II -r—
Das junge (Daneben, was uns fliehen lehrt, ift
eine ]übin, fie beifet Veilchen; es ift ein
recht liebhofenber Home, unb ich fanb let3t bas
erfte öträufechen ihrer Hamensvettern sufammen.
Da ging ich gan3 früh 3U ihr, um fie öamit 3U
überrafchen; ich fanb fie auf ber tireppe mit öem
Befen in ber ßanb, fie war befchämt, ich aber
gleich nahm ihr öen aus ber ßanb unö fagte:
„Reh, laffen 6ie mich auch ein bifechen hehren."
Da harn fo früh fchon, benn es war noch nicht
fieben Uhr, Öer föofrneifter vom Cöuarb Beth*
mann vorbei, ber mufete es ber Cante gefagt
haben, Öafe er mich vor ber ßaustür eines ]uöen
auf offener Strafee hehrenb fanö. - ich mufe jet5t
lachen, benn es ift auch recht lächerlich - ich
will Dir Öie berbften Ausbrüche von ber Tante
ihrer (Dercuriale erfparen ; fie meinte nur, ich fei
verloren, für ein befferes Dafein verloren, ich
habe mich gänslich weggeworfen! Vous n'avez
point de pudeur, point de respect humain, on vous
trouve balayer la rue main en main avec une juive !
Ich mufete lachen! Hein, ich honnte nicht anbers.
Du weifet, ich fürchte bie Tante unb mag fie nicht
gerne beleibigen ober reisen! Cachez vous devant
le monde, qu'on ne Ilse point sur votre front les
des honorants signes de votre effronterie. Reh,
ea
147
ich mufete noch einmal lachen, öie Tante ging
hinaus; ich hätte fie gern wieöer gut gemacht,
l^eine (Döglichheit , ich fühlte, öafe ich mich nicht
ernfthaft ftimmen konnte. Die ßahn war plötjUch
gebrochen, ich glaube, ich weröe nie wieber ba3u
kommen, ihre flnftanbsregeln 3U respektieren. -
Reh, unb wenn Du wüfetejt, wie hübfch es bei
bem lieben Veilchen war! - Da war alles fchon
jo fauber im ötübchen; ein kleiner f^aminberö,
auf bem brannte ein feuerchen, babei kochte öas
frühftüd^ für ben Grofevater, her fafe öabei unb
ftrich feinen langen, weifeen Bart öurch bie
f inger. V e i l ch e n ftickt ein Golbmufter fehr fchön
in einen rofiw^Qrbenen Sammet, fo nennt fie
ein fanftes Braunrot in ihrer Jubenfprache. Die
Rrbeit \\i bestellt unb fie bekommt bann viel 6elb,
wenn es fertig fein wirb. Sie ernährt ihren Crofe*
vater unb 3wei feiner Urenkel, bie Waifen von
bem geftorbnen Bruber, benen ift bie Veilchen
gan3 wie eine (Dutter; ich half ihr fticken, es
warb recht gut, benn ich hob Bugenmafe unb
mache bie ötiche fehr egal. Blies was mit bem
Öelb angefangen werben foll! - 20 Couisbor! -
Da ift fo viel 3U beftreiten in ber iöausbaltung,
vom ßemb bis auf bie Schuhe unb Schüffelchen
unb Zlöpfchen, unb ber ßerb, ber eingefallen ift,
unb bie Ofenplatte geplagt; bas mufe geflickt
werben unb bas Wobn3immerchen frifch geweifet,
wo bie Ceute eintreten, um bie Rrbeit 3U beftellen.
V e i l ch e n ift von ber Gattung (Däbchen, bie einen
Helkentopf vor ihrem Senfter pflegen unb Rh*
fenker machen unb enblich einen gan3en flor
10*
148
daraus sieben, bie auch wobl ein (DYrten=
bäumeben 3ur ßlüte bringen, aber hein l^ränscben
öaraus winöen. „Cs wäre aucb fcbabe,"
meinte fie beut morgen unb läcbelte. - Wir
waren fo vergnügt 3ujammen beim Stichen, icb
fabelte bie Slittern unb Oolbbouillon auf einen
langen faben, ba ging bie Rrbeit viel gefcbwinber;
wenn fie jolcbe föilfe bätte, meinte fie, bann
würben bie Sorgen ibr nicbt fo leicbt über ben
J^opf wacbfen. Icb bat fie, ^)a^ [\e micb alle f rüb«
morgen mit foll ftichen laffen, bann wirb's gewife
acbt Zage früber fertig. Svüb um vier Ubr gebt
fcbon bie Sonne auf, ^a Uann icb ftichen bis acbt
Ubr, bann mufe icb 3ur Örofemama 3um früb=
ftüch - je^t wirb's aber bie Tante nicbt erlauben,
benn weil icb bie Qa^ gehebrt bab - unb follt
icb's beimlicb tun, bas wirft Du mir nicbt erlauben,
unb follt icb's gar unterlaffen ? Das will icb nicbt.
(Dein Wort brecben, einem (Däbcben, was feinen
Orofevater ernäbrt unb feine Gefcbwifterl^inber ? -
Sie weife nicbts bavon, 3um Zan-^e 3U geben ober
fcbön gepult in Kleibern auf l>en dreier 3U warten.
Unb icb wollte ba ein kleines, unfcbulbiges Sab-
eben anfpinnen ins Gewebe ber Welt, ein ein3ig
klein fäbcben, unb - nein, icb foU's abreißen,
weil ficb's nicbt fcbicht. Rcb! wo foll icb in ber
ereignisvollen Welt meinen faben anknüpfen,
wenn bas Cinfacbfte gegen ben Rnftanb ift! -
Wer bat biefe Cügen gemacbt? - Denn bas finb
wirkliebe Cügen, nacb benen icb micb niemals
richten werbe!
]=D ° D=D ° D=[
in Rusflug in bie Wilbnis
Den gestrigen Zag wollen wir 3um Scblufe nocb
hierher malen, öenn er war fcbön. Wir
gingen mit einem irreführenden Wegweifer öurch
eine Talfchlucbt einem f lufe entlang, ben man öie
Wifper nennt, wahrfcheinlich wegen öem Raufeben
öes Waffers, bas über lauter platte felsfteine
ficb winbet unb in ben Cüchen fcbäumt unö flüftert.
Auf beiben Seiten gehen hohe helfen her, auf
benen 3erfallene Burgen ftehen, mit alten €icben
umwacbfen. Das ^al wirb enblicb fo enge, bafe
man genötigt ift, im flufe 3U gehen. Da hann
man nicht beffer tun, als barfufe unb etwas hoch*
gefcbür3t von Stein 3U Stein 3U fpringen, halb
hüben, halb brühen am Ufer ficb fort 3U helfen,
es wirb immer enger unb enger hoch über uns;
bie felfen unb Berge umklammern ficb enblicb;
bie Sonne kann nur noch bie löölfte ber Berge
beleuchten, bie fcbwar3en Scblagfchatten ber über=
gebogenen f elsftüche burchfcbneiben ihre Strahlen ;
aus ber Wifper, bie l^ein gan3 unbebeutenber
Slufe ift - fie raufcbt mit 3iemlicber Gewalt -
ftehen erhöhte felsplatten wie harte, halte, heilige
Betten hervor, leb legte micb auf eins, um ein
150
wenig QUS3uruben; ich lag mit bem glübenben
Öeficbt auf bem feudDten Stein; öas ftürsenbe
Waffer beregnete mich fein, bie Sonnen jtrablen
harnen sans rime et raison quer burcb bie 5els*
fcbicbten, um micb unb mein Bett 3U vergolben;
über mir war finfternis; meinen ötrobbut, ben
icb fcbon längft mit Raturmerhwürbigheiten an«
gefüllt batte, liefe icb fcbwimmen, um bie Wur3eln
ber pflan3en 3U tränken. - Wie wir weiter
kamen , brängten bie Berge ficb nefterweife an=
einanber, bie nur bann unb wann von jcbroffen
helfen gefcbieben würben. Icb war gar 3U gern
binauf geklettert, um 3U feben, wo man war; es
war 3U fcbroff, bie 3eit erlaubte es nicbt; bem
gefcbeiten Wegweifer waren alle Sorgen auf bem
öeficbte gemalt, er verfieberte jebocb, ba^ er keine
am f5er3en bege. €s würbe kübl in unferer
engen Scblucbt, fo kübl war's mir aucb innerlicb;
wir trippelten immer vorwärts.
Das 3iel unferer Reife war ein Sauerbrunnen
binter Weifeentburn, ber in einer wüften Wilbnis
liegt. Wir batten alle Umwege ber Wifper ge=
macbt; ber kluge Wegweifer bacbte, wenn wir
uns von ber nicbt entfernen, müfeten wir enblicb
bas 3iel erreicben, ^a bie Wifper an bem Brunnen
vorüberfübrt, unb fo batte er uns einen Weg ge-
fübrt, ber wobl feiten von (Denfcben betreten
wirb. Da wir bort ankamen, erleicbterte er feine
Bruft burcb ein ßeer von Seuf3ern. Icb glaub,
ber fürcbtete ficb nicbt allein vor bem Teufel,
fonbern vor Gott unb allen ßeiligen, baf^ fie ibn
würben 3ur Recbenfcbaft 3ieben, weil er uns ins
BZS == 151
Veröerben geftürst habe; - haum waren wir
angehommen , fo fcblug Me l^uchuchsubr in ber
einfamen ßütte bei bem Brunnen unb mahnte an
ben RücNweg. Cs war acht Ubr! 3u effen war
nichts, auch hein Brot, nur Salat mit Sal3 ohne
€ffig unb Öl. €ine Sxau mit 3wei f^inbern wohnte
t>a; ich frug, von was fie lebe, fie beutete mir
in bie §erne auf l>en Bachofen, ber 3wifcben vier
majeftätifchen €icben auf einem freien pia^ in
voller 6lut ftanb. Ihr hleines ööhncben fchleppte
eben ein Reiferbünbel hinter ficb heran; fein
ßembcben hatte noch Ärmel, bie ßinterwanb unb
ben f^nopf am f^ragenbunb, mit bem es befestigt
war, vorne war es weggeriffen ; feine 6chwefter=
pfyche wiegte fich quer über einem Bloch auf
einem langen Bachfchieber, auf bem als 6egen=
gewicht bie 3U bachenben Brote lagen. Ihr 6e=
wanb beftanb auch aus einem ßemb unb aus
einer Schür3e, bie fie um ben I^opf befeftigt
hatte, um bie ßaare vor bem Verbrennen 3U be=
wahren, wenn fie in ben Ofen guchte unb frug,
wieviel es war. Da fahen wir, ba^ es nicht in
unferer (Dacht war, fie 3U befchenhen, benn fie
war 3ufrieben unb wufete nicht, ba^ man mehr
brauchen hönne, als man bebürfe.
Ich marfchierte alfo wieber linhs um, ohne
aus3uruhen, unb ham nachts um 1 Uhr 3U ßaufe
an; in allem war ich 3wölf ötunben unterwegs
gewefen unb burchaus nicht ermübet. Ich ftieg
in ein Bab, bas mir bereitet war, unb fe^te eine
Slafche Rheinwein an, unb liefe es fo lange
heruntergluchen, bis ich ben Boben fah. Die
152
3ofe fcbrie unb bacbte, es könne mir fcbaben im
beifeen Bab, allein ich liefe mir nicbt wehren; fie
mufete micb ins Bett tragen, icb fcblief fanft, bis
icb am GDorgen burcb ein wohlbekanntes f^räben
unö Dacbabmen eines gansen ßübnerbofs vor
meiner Züv gewecht würbe.
mm
onntagsmorgen
D
rr ier ift aucb eine Rapelle unb eine hleine Orgel,
R bie bangt an ber WanÖ; bie l^apelle ijt
runb, ein mäcbtiger flltar nimmt faft ben gansen
pia^ ein, ein grofeer golbener Pelil^an Krönt ihn,
ber einem Du^enb Jungen fein Blut 3U trinken
gibt. Das €nbe ber prebigt borte icb aue, als
icb bineinkam; icb weife nicbt, war's ber golbne
Pelihan, bie mit vielen Spinnweben überflorten
3ieraten unb f^ränse von Öolbbrabt, bie frifcben
öträufeer baneben von Rofen unb gelben Cilien
unb bie büfteren öcbeiben, wo oben grab über
bem Pelil^an bie bunl^elroten unb gelben öcbeiben
bie öonnenftrablen färben. Der Öeiftlicbe war
ein f ransiskaner aus bem f^lofter bei Rauental.
„Wenn icb je^t von Unglück fprecben bore, fo
fallen mir immer bie Worte Jefu ein, ber 3U
einem Jüngling jagte, ber unter feine Jünger
wollte aufgenommen werben: ,Die fücbfe haben
Gruben, bie Vögel bes ßimmels baben ihre Hefter,
aber bes (Denfcben öobn bat keinen Stein, ^a
er fein ßaupt binlege.* - leb frage eucb, ob burcb
biefe Worte allein nicht fchon alles Unglück ge»
bannt ift? - €r hatte keinen Stein, um aus»
154
3uruben, viel weniger einen Gefährten, ^er ihm
fein iröifcb Ceben beimatlicb gemacbt hätte, unb
bocb wollen wir Klagen, wenn uns ein geliebter
freunö verloren gebt, wollen uns nicht wieber
Qufricbten, finben es nicht öer (Dübe wert, ins
Ceben uns 3U wagen, werben matt wie ein Schlafe
trunkener. Sollten wir nicht gern öie Gefährten
Jefu fein wollen, wenn bie Hot uns trifft ? Sollten
wir nicht ßelben fein wollen neben biefem grofeen
Überwinber, ber ein fo weiches f5er3 hatte, bafe
er aus liebenbem ßersen bie l^inber 3U fich be^
rief, l>a\^ er ben Johannes an feiner Bruft liegen
hiefe? €r war menfchlich, wie wir menfchlich finb;
was uns 3U höheren Wefen bilbet, nämlich bas
Bebürfnis ber Ciebe, unb 3U felbftverleugnenben
Opfern befähigt, bas war bie Grunblage feiner
göttlichen Hatur ; er liebte unb wollte geliebt fein,
beburfte ber Ciebe. Weil nun bie Ciebe auf Crben
nicht 3U föaufe war, fo fanb er heinen Stein, ^a
er fein ßaupt ruhen konnte; ba verwanbelte fich
biefes reine Bebürfnis ber Ciebe in bas göttliche
f euer ber Selbftverleugnung. Cr brachte fich bar,
ein Opfer für bie geliebte (Denfchheit; fein Geift
ftrahlte wieber himmelwärts, von wo er in feine
Seele eingeboren war, wie bie Opferflamme
hinauffteigt ein Gebet für ben Geliebten, unb bies
Gebet ift erhört worben; benn wir fühlen uns
all3umal burch biefe Ciebe geläutert. Unb wenn
wir uns ihrer Betrachtungen weihen, fo werben
wir göttlich burch ihr feuer, unb biefes ift wie
ber Obem Gottes, ber alles ins Ceben ruft, jeben
J^eim bes Frühlings; fo auch ruft nun bie Ciebe
155
Jefu, bie auf €rben nicht begnügt unö beglücht
konnte weröen, 3U ficb alle, öie mübfelig unö be*
laöen finb. 6ie finb verfcbloffene, tränenfcbwere
f^nofpen ; öie mächtige Sonne ber göttlichen Ciebe
wirb fie 3um ewigen Ceben öer Ciebe wechen,
benn Öies ift alles Cebens, alles ötrebens 3iel
auf erben. Bmen." Diefe fchönen Worte waren
bie einsigen, welche ich von ber prebigt hörte,
aber fie waren mir genügenb, um mich ben gansen
Zqq 3U begleiten; fie klangen wie ein bimmlifch
Geläut in mein Ohr, wie ein fchöner 9onntag=
morgen. Rls alles 3um Tempel hinaus war, ging
ich von ber €mporkirche herab in bie runbe
l^apelle; ein anbrer Priefter hatte eben bie (Deffe
gelefen. Cs ham ein alt (Dütterchen, bie löfchte
bie f^ersen unb räumte auf; ich frug, ob fie
Sakriftan fei; fie fagte, ihr Sohn fei l^üfter, aber
ber fei heut über Canb. Ich frug, wo fie bie
vielen Blumen hernehme, ^a ich boch nirgenb
einen Blumengarten gefehen; fie fagte: „Die
Blumen finb aus unferem Garten, mein Sohn
pflegt fie alle." Ich hatte eine rechte Cuft, mit in
ben Garten 3U gehen, bas war fie 3ufrieben; bas
ift ein Garten, fo grofe wie ber ßof von unferm
baus; an ber weifeen Wanb bes ßaufes wachfen
Trauben, unb ein paar hohe Bofenbüfche finb
ba3wifchen verflochten. Rofen unb Trauben, ich
hann mir keine fchönere Vermählung benken,
Rriabne unb Bacchus. Gin hölsern Bänkchen
war ha an ber CDauer, ich fe^te mich gan3 ans
Cnb unb bie Svau neben mich; es war kaum
grofe genug, ba^ wir piat3 hatten, ich mufete recht
156
bicbt an bie §rau beranrüchen. Ich legte meine
ßanö in ihre auf ihren Scbofe, fie hatte eine fo
harte ßanö; [ie fagt, bas finb Schwielen vom
Graben im Canb, öenn hier ift ein felfiger ßoben.
Du glaubft nicht, wie fchön ber Garten in ber
Sonne lag, benn jet5t ift grabe bie reichste Blumen*
3eit, alles ift boch fo jcbön; wenn bie Hatur mit
Orbnung bebient wirb, gleich iffs ein Cempel,
wo ihre Öefchöpfe als Gebete auffteigen, gleich
ift's ein Rltar, ber voll hinblicher Opfergefchenl^e
belaben ift. - So ijt bas Gärtchen mit feinen
reinlichen Rieswegen unb buchsbaumnen felber=
teilchen ; ber Buchsbaum ift fo ein rechter Cebens*
freunb, von Jahr 3U Jahr umfafet unb fchüt5t er,
was ber frühling bringt; es keimt unb welkt in
feiner Umsäunung, unb er bleibt immer ber grüne
Treue, auch unterm Schnee; bas fagt ich ber alten
§rau. Die fagte: „Ja, bas ift wohl wahr, ber
Buchsbaum mufe alles Schickfal mitmachen." -
Aber ftell Dir boch bas hübfche Gärtchen vor,
links vom traubenbewachfenen ßaus bie (Dauer
mit Jasmin; gegenüber im Schatten eine recht
bichte Caube von Geifeblatt, ber Cingang 3um
ßaus von beiben Seiten mit hohen Cilien befetst.
So viel Cevkojen, fo viel Ranunkeln, fo viel
ehrenpreis unb Ritterfporn unb Cavenbel, ein
Beet mit Heiken, ein (Daulbeerbaum in ber einen
ecke unb in ber anbern, gefchütst gegen bie kalten
Winbe, 3wei Feigenbäume mit ihren lieben, rein
gefalteten Blättern. Ich war gan3 erfreut, f^ame*
raben von meinem Baum 3U finben ; unter benen
fpringt ein Quellchen hervor in einen Steintrog,
157
ba hann öie §rau gleich ihre Blumen begiefeen,
unö in öen offnen fenftern hing ein f^äfig mit
f^anarienvögeln , bie fcbmetierten fo laut. Beb,
es war recbt Sonntagswetter unb öonntagslaune
in öer Cuft unö öonntagsgefübl in meinem ßersen.
leb bitte Dieb, forg öafe mein Baum von ber
Cisbetb niebt verfäumt weröe, er mufe balb reife
frucbt haben, wenn er fo weit ift wie öie im
l^üftergärteben, bie breeh ieh Dir ab. - Die frau
febüttelte mir (Daulbeeren ab, öie fammelte ieb
auf einem Blatt, unb einen Straufe von Heiken
unb €hrenpreis unb Rittersporn hatte ieb mir
aueb gepflüeht; unb wie ieb fo bafteh gan3 ftill
in ber Sonn, ^a hommt ber geiftliebe I5err aus
ber Or, er hatte ba fein S'rühftüeh genoffen, was
bie f^üfterfrau immer naeb ber f^irehe bereit hält. -
Der Geiftliebe ift ein fcböner, gan3 ftiller f^opf,
bat fanfte Rügen unb ift noeb jung. (Dieb ftrahlten
bie febönen Worte, bie ieb von ihm gehört hatte,
noeb einmal aus feinem Öefiebt an; ieb konnte
aueb aus Chrfurebt ihm niebts fagen, er fah mieb
aber freunblieb an unb fagte: „Ci wie! Sebon
reife (Daulbeeren." leb reichte ihm bie (DauU
beeren, er nahm auch welche bavon, unb ben
Straufe nahm er mir auch ab unb fteehte ihn in
feinen Ärmel, benn ieb war fo überrafcht, als ich
ihn kommen fah, ^a^ ieb nid^t wufete, was ieb
tat, unb ihm beibe ßänbe entgegenftreehte. \db
wufete gar nicht, ^a^ ieb ihm ben Straufe ge=
boten hatte, unb erft als er mir ihn mit einem
Dank abnahm, merkte ieb's. Run ging er weg,
unb ich blieb betäubt ftehen, ber Spi^hunb aber
158
begleitete ihn febr böflicb vor bie Gartentür;
icb borte ibn nocb vor ber Tür freunölicb mit
öem ßunb fprecben. „6eb nocb F3aus, Celaps,"
fagte er. - leb war recbt vergnügt, unb mehr
als all bie Zqq über auf ber ^erraffe, mit meinem
öonntagmorgen.
DCIDG DIZHD DCZia
f 5^.
^ isgang o o o o o o
/-v^Veine veröbete ßircbe ftanb öiesfeits an ber
VI/ ßöbe einer (Dauer, bie tief hinabging,
einen Bleicbpla^ umfcblofe, öer jenfeits vom (Dain*
flufe begren3t war. Während mir vor Öer Böbe
biefer (Dauer fcbwinbelte unb ich furcbtfam aus*
weichen wollte, hatte ich mich unwillhürlich hinüber*
gefcbwungen, unb \o fanb ich im nächtlichen Dunl^el
hleine Spalten in ber (Dauer, in bie ich ßänbe
unb f üfee einklemmte, unb hervorragenbe Steine,
auf benen ich mir hinabhalf. Ohne 3u bebenden,
ob unb wie ich wieber hinaufkommen werbe, hatte
ich ben Boben erreicht; eine Wanne, bie wohl
im 6ommer 3um Bleichen gebient hatte unb im
ßerbft war vergeben worben, rollte ich bis 3um
Ufer, ftellte fie "bo. auf unb fetste mich hinein unö
fah bem €isgang 3U. €3 war mir eine behagliche,
befriebigenbe £mpfinbung, \o als eingerahmtes
Bilb ber erhabenen Winternatur ins Bntlit5 3U
fchauen. Cs war, als habe ich einer geheimen
Rnforberung Genüge geleistet. - im ßinaufhlettern
fanb ich ebenfo hleine Cüchen unb Steine unter
PDönben unb f üfeen, wie ich fie brauchte. - Von
nun an konnte kein Wetter, kein 3ufall mich ab*
halten, ich überwanb alle Schwierigkeiten; ohne
3U wiffen wie, fanb ich mich an meiner Öeifter*
mauer, an ber ich jeben Rbenb hinabkletterte unb
160
in meiner Wanne fit3enö öem treiben ber €is-
fcbollen 3ufQb. Cine ftiefe ans Ufer, ich fträubte
micb nicbt mebr gegen bie bämonifcben Cin^
gebungen, 3uverficbtlicb fprang icb örauf unb liefe
micb eine Weile forttreiben. Dann fprang icb
auf bie näcbfte, bis icb enblicb in ber (Ditte bes
Stromes babinjegelte. - 6s war eine wunber=
bare Hacbt! Warum? - Jeber Haturmoment ift
wunberbar, ift ungeheuer, wo er in feiner f reibeit
waltet über ben (Denfcbengeift ; icb babe micb ibm
preisgegeben, unb fo wirkte es als böcbftes Cr*
eignis. - Rm fernen f5ori3ont fcbimmerte ein
bunl^les Rot, ein trübes Gelb, unb milberte bie
f infternis 3ur Dämmerung, bas Cicbt, gefeffelt in
ben Umarmungen ber Hacbt; babin fcbaute icb,
babin trug micb mein eifiger Seelenverkäufer, unb
ber Winb, ber ficb haum über bie fSöbe bes
Sluffes hob, fpielte unb klatfcbte 3U meinen f üfeen
mit ben falten meiner f^leiber. Hoch beute bebt
micb bie Erinnerung ber fcbmeicbelnben Winbe
3U meinen füfeen, nocb beute burcbglübt micb
bie Begeifterung jener hübnen näcbtlicben fahrt,
als wenn es nicbt vor fecbs Jahren, fonbern in
biefer kalten Winternacbt war, in ber ich hier
fi^e, um Dir 3U lieb unb 3um Gebäcbtnis meiner
Ciebe alles auf3ufclDreiben. eine gute Strecke hatte
icb micb babin treiben laffen, ba war icb ebenfo
willenlos, als icb ben flufe hinabgefcbwommen
war, wieber umgekehrt; ich fcbritt ruhig von einer
nacbkommenben Cisfcbolle 3ur anbern, bis icb
mich glücklieb am Ufer befanb. 3u föaus im Bett
überlegte icb, wo mich wohl nocb biefe Wege
G25
161
binfübren möcbten; es abnete mir wie ein Weg,
ber immer weiter*, aber nicbt 3urüchfübren weröe,
unb icb war neugierig auf öas Abenteuer öer
näcbften Hacbt. Arn anbern Zag unterbracb eine
3ufällige Reife in bie ötabt meine näcbtlicben
Geifterwanberungen. Da icb nacb örei Wocben
3urüchhebrte , war biefer mäcbtige Reis auf»
geboben, unb nicbts bätte micb bewegen können,
fie aus eigner Willkür 3U wagen. - 6ie lenkten
freilieb einen Weg, Öiefe freunblicben Hacbtgeifter,
ber nicbt wieöer umlenkt; jie belebrten micb,
wollten micb lebren ber Oefe, bem €rnft, ber
Weisbeit meines Glückes nacb3ugeben unb feine
Befeligung nur als feinen Rbglan3 3U betracbten.
60 macben es bie COenfcben; wöbrenb ibr Ge=
fcbick ibnen einen vorübergebenben Genufe bar=
bietet, wollen fie ewig babei verweilen unb ver-
fäumen fo, ficb ibrem Glück, bas vorwärtsfcbreitet,
3U vertrauen, unb abnen nicbt, ^q\5 fie ^en Genufe
verlaffen muffen, um bem Glück nacb3ugeben unb
es nicbt aus ben Rügen 3U laffen.
DD
Sritfdj.Strobl. 11
D DOOD D D GOOD D D DOOD D
R
uf ber GDainterra{fe o o
o =o=o=oIq]'
Drei Ubr morgens! - ßier bin icb - auf ber
terraf fe am (Dain ; icb wollt als immer ein»
mal bergebn in ber Srüb, wenn ber Zag nocb
nicbt auf ben Beinen \\i unb Cärm macht. Rm
Zag bin icb 3erftreut, was mir immer wie öünbe
beucbt, ^a^ icb Anteil nehm an was mich nicbts
angebt. - Rber in ber §rüb, ^a bab icb ein gan3
lauter ßer3 unb fcbäm micb nicbt, bie Hatur 3U
fragen, unb icb verfteb fie auch, ßeftern abenb
war mir ]o wobl hier, wie Bernbarbs Schiff mit
ber ßarmonie bin unb ber fuhr auf bem (Dain;
bie meiften Ceut waren nachgefahren auf bem
flachen, wir blieben am Ufer. Ich batt micb gan3
in bie €che gefegt, ^a ftebt ein grofeer 3itronen=
bäum; es war Wetterleuchten, aber bie ßit3 war
boch nicht abgehühlt, unb bie Blüten vom Baum
wetterleuchteten auch, ober follt ich mich getäufcht
haben? - Denn ich war eingeschlafen über ber
(Dufih, unb wie ich aufwachte, ba fah ich gan3
verwunbert, wie ber 3itronenbaum flammen
bauchte aus ben Blüten. - Ich hann's boch nicht
geträumt haben? - Denn icb guchte eine gan3e
Weile 3U, bis ein leifer Regen ham, ba gingen
wir nach löaus. Wer weife, was boch alles vor*
geht in ber Hatur, was fie uns verbirgt. Der
(Denfch bat ja auch als Oefüble, bie er nimmer
aa — = 163
wollt belaufcbt haben. Dafe aber öer Baum über
mir fortleucbtete , wie ich mich befann unb ihm
3ufcbaute, bas ift mir fo lieb, - icb honnt nicht
fchlafen im Bett, es war mir 3U wohl bort geftern,
wo ich ben ßersfchlag ber Hatur fühlte unb wo
fie mit ihren Blumen mich anflammte. Im Dunhel
haucht man bie Cieb aus unb jchämt fich nicht
vor bem 5chat3, weil's bunkel ift. - Hun bin ich
mit 3agen hergejchlichen , heimlich, ha^ es nicht
gewufet fei, wie auch jenes Ceuchten nicht gewußt
ift. - €rft greinte bie ßoftür, aber heut abenb
will ich fie falben, wie ber proper3, wenn er
einen Ciebesweg vor hat; bann i^rachte bie Garten*
tür, bann fchurrte ber l^ies unter ben 5üfeen. (Dan
fcheut bas Gebüfch 3U wecken, fo ftill ift alles mit
Ruh gebecht. Die verfchlafnen febernelhen
fchuchern 3ufammen im frühen Tau, unb mich
fchauert auch bas ftille Wirken ber Hatur, hier
über ber fchlafenben Welt, obfchon ber Winb nicht
fo fcharf ift, ber ben Zag heraufweht, ßeut ift
boch gan3 milbe, geftern abenb war ber ßimmel
grün unb mifchte fich mit bem Hot, bas vom Untere
gang herauf 30g ; unten waren Purpurftreifen unb
violett mit Seuev umräumt, bann kam bie Dacht
herauf. - ßeut früh fchlagen bie (Dorgenwolken
ihre feuerflügel um €uern fchwar3en Dom; man
benkt als, fie wollten ihn in ber Glut ver3ehren;
ba3u fchmettern bie Hachtigallen , unb bas blaue
Gebirg brühen, fo ftol3 unb kühl! - Das alles
freut mich beffer als Weisheit, hier unter bem
3itronenbaum, ber geftern flammen unb heut
Tränen über mich fchüttelt.
11*
tO) D (§321 toi D tO) ^:Z1 D t§32)
G
ebanhen auf ber Pappel
oc=o
Der Clemens meint, icb foll alles fcbreiben, was
mir öurcb ben f^opf gebt, er öenht, es war
COavUi öa. Cr fcbreibt, icb foll aus bem f^lofter
alles auf^cbreiben ; aber nun les nur erft bie
bummen Gebanken, bie in meinem Bucb fteben,
ob man ha was Vernünftiges bran fcbreiben hann,
unb bab's nocb ba3u auf ben Dechel inwenbig
geschrieben, weil icb meint, icb wollt's recht voll
fcbreiben. Ja, bat ficb was, icb bin fcbon über
vier Wochen noch immer am Dechel. Da ftebt
erftens obenan:
„Ob tugenb nicht auch Genialität fein
möchte, unb ob wir vielleicht nur beswegen
fo mübfelig binanhlettern 3um Erhabenen,
weil wir Kein Genie haben."
Das war auf ber Pappel, an ber ich fo bequem
hinaufklettern kann. Ich fab bie Vögel geflogen
kommen unb bacht in mir, bu baft kein Genie,
bu mufet mübfelig 3U allem binanklettern , unb
bann kannft bu bich nicht oben erbalten, mufet
immer wieber hinunter. - Unb ha fühlt ich recht
in mir, wie alles in mir fchwankt, nichts erreichen
kann, wie ein Steuer in mir brauft, jebe l^unft
Hegt in mir fo nah; ich mein, ich hätte fie fchon
in mir; bie Wangen glübn mir gleich fo hoch, fie
brennen mir, wenn ich nur in bie ferne benk, ha
I
165
liegen mir golbne Berge. leb fteb ba, als bätt
icb nur ben 3auberftab in öer ßanb, alles in*
wenbig im Öeift; aber wenn's beraus foll, ba
bleib icb beim Bucbbechel unb mufe mübfelig
5anbl^örncben für Sanbl^örncben 3ufammentragen.
Wie icb von ber Pappel herunter, ber Trepp berauf
war unb bat! meinen erften papiernen Öebanhen
aufgefcbrieben , ber micb nocb immer anlacbte —
fo wollt icb bocb nocb ein bifecben im Rbenbfcbein
micb wiegen, benn beim Wiegen kommen mir
GebanUen. Raum war icb ber balben Pappel
binaufgeklettert, fo fiel mir fcbon wieber was ein,
icb klettert alfo gleich wieber herunter unb wieber
bie Trepp hinauf unb fcbrieb auf:
„Der gan3e (Denfcb mufe in ficb einver=
ftanben fein, nämlich ßer3 unb Ropf unb
ßanb unb COunb."
Da ftanb icb nocb fo eine Weile vor bem
6ebanhen ftill unb bacht, vor bem bätt icb immer
auf ber Pappel können fi^en bleiben, unb es tat
mir fcbon leib, ba^ ich bas Buch mit beklechft
hatte, aber weil ber Clemens gefagt hatte, icb foll
alles fchreiben, was mir burch ben f^opf geht, fo
wollt icb's burcbfet3en. ]et5t gefällt mir aber bocb
etwas in bem Gebanhen, icb kann ihn ja 3U was
Grofeem machen, wenn ich einen großen Sinn
hineinlege, unb wenn icb alles, was icb fo fchreib,
ohne 3U wiffen warum, mit Gewalt wahr mache. -
]a, icb fühl, es hängt mit bem erften Gebanken
3ufammen ; es ift bie Genialität ber Hugenb, wenn
ber gan3e (Denfcb in fich einverftanben ift, unb
es ift gewife, was bie meiften nicht tun. fleh, nun
166
kommt mir gar bie (Doral in Weg, lafe mich nur
lieber bie Gebanhen weiter abfcbreiben, bann
hieb icb ben Dechel 3U vom Bucb, bafe ich fie
nicbt mehr feb. - Dann fallen mir vielleicbt beffere
Soeben ein, bie nicbt fo fteifftellig finb. Icb bin
olfo wieber auf meine Pappel geklettert, benn es
i^t mir gerab, als hämen mir nur l>a oben 6e*
banden; aber kaum war icb broben, fo mufet icb
aucb fcbon wieber herunter, unb ber kam mir
gan3 begei jternb vor, fo ba^ icb mit großen §reuben
meine brei Treppen beraufgefprungen kam:
„Den Geift nähren, bas ift Religion."
Ja, wenn icb bas könnt, bacbt icb, wie icb
wieber auf meiner Pappel fafe unb jet5t nicht mehr
herunter wollt; benn es war fo fchön geworben,
ber gan3e föimmel, Rbenbrot unb ber Cuftkriftalle
unenblicb viele, bie fcbnell im Purpur anfchoffen;
was hob ich alles gefehen von färben unb von
wogenben Wipfeln, bie ficb einfcbmel3enben färben
unb Cicbtglan3 in ber ferne. Unb wie war bie
Datur fo gütig gegen mich, gerab als ob ich fie
nicbt verleugnet hätt gehabt mit meinem Rberwit5
auf bem Papier.
^3
0O0O0O0O0
ie Hacbtigall o
D
Die Hacbtigall war anders gegen mich gefinnt
wie Du; fie ftieg berab von Rft 3U Rft unb
kam immer nöber, fie bing ficb an öen äufeerften
3weig, um micb 3U feben; icb wendete leife micb
3U ibr, um fie nicbt 3U jcbeucben, unö fiebe öa!
flug in nacbügallenaug, wir blichten uns an unb
bielten's aus. Da trugen bie Winbe bie Töne
einer fernen (Dufil^ herüber, beren allumfaffenbe
ßarmonie wie ein in ficb abgefcbloffenes 6eifter=
univerfum erl^lang, wo jeber Geijt alle öeifter
burcbbringt, unb alle jebem ficb fügen; volll^ommen
fcbön war bies Ereignis , bies erfte Rnnäbern
3weier gleicb unbewußten, unfcbulbigen Haturen,
bie nocb nicbt erfahren hatten, t>Q^ aus Ciebes-
burft, aus Ciebesluft bas ßer3 im Bufen ftärl^er
unb ftärher hlopft. Gewife, icb war freunblicb unb
gerührt burcb bies Rnnäbern ber HachtigaU, wie
icb mir benKe, ba^ Du allenfalls freunblicb bewegt
werben hönnteft burcb meine Ciebe; aber was
bat bie Hacbtigall bewogen, mir nacb3ugehen,
warum ham fie herab vom hoben ßaum unb fe^te
ficb mir fo nah, t>Q\5 icb fie mit ber f5anb hätte
hafcben hönnen, warum fab fie mich an unb 3war
mir ins Buge? - Das Rüg fpricht mit uns, es
antwortet auf ^en Blich ; bie Hacbtigall wollte mit
mir fprecben, fie hatte ein Gefühl, einen Gebanhen
168
mit mir aus3utaufcben. (Gefühl ift ber Reim bes
öeöankens), unö wenn ee \o ift, welchen tiefen,
gewaltigen Blich läfet uns hier bie Ratur in ihre
WerUftatt tun, wie bereitet fie ihre Steigerungen
vor, wie tief legt fie ihre l^eime, wie weit ift es
noch von ber Hachtigall bis 3U bem Bewufetfein
3wifcben 3wei Ciebenben, bie ihre Inbrunft fo
beutlicb im Cieb ber Hachtigall gefteigertempfinben,
ba\^ fie glauben muffen, ihre (Delobien feien ber
wahre Rusbruch ihrer Cmpfinbungen.
Rm anbern Zag kam fie wieber, bie Hachtigall,
ich auch ; mir ahnte, fie würbe kommen, ich hatte
bie öuitarre mitgenommen, ich wollte ihr was
vorfpielen; an ber pappelwanb war's, ber wilben
Hofenheche gegenüber, bie ihre langen, fchwanhen=
ben 3weige über bie (Dauer bes Hachbargartens
hereinftrechte unb mit ihren Blüten beinah bis
wieber an ben Boben reichte. Da fafe fie unb
ftrechte ihr ßälschen, fah mir 3U, wie ich mit bem
6anb fpielte. Hachtigallen finb neugierig, fagen
bie Ceute, bei uns ift's ein Sprichwort: Du bift
fo neugierig wie eine Hachtigall; aber warum ift
fie benn neugierig auf ben CDenfcben, ber fchein*
bar gar keine Be3iehung auf fie hat? - Was
wirb einftens aus biefer Heugierbe fich er=
3eugen? - O, nichts umfonft, alles braucht bie
Hatur 3U ihrem raftlofen Wirken, es will unb
mufe weiter gehen in ihren Crlöfungen. Ich ftieg
auf eine hohe Pappel, beren Rfte von unten auf
3U einer bequemen treppe runb um ben Stamm
gebilbet waren; ^a oben in bem fchlanhen Wipfel
banb ich mich feft an bie 3weige mit ber Schnur,
CZl
169
an ber ich bie Guitarre mir nacbge3ogen hatte;
es war fcbwül, nun regten ficb öie Cüfte ftärher
unb trieben ein ßeer von Wollten über uns 3U=
fammen. - Die Rofenbeche würbe bodDgeboben
vom Winb unb wieber niebergebeugt , aber ber
Vogel fafe feft; je braufenber ber 6turm, je
fcbmetternber ihr Gefang, bie l^leine Reble ftrömte
jubelnb ihr ganses Ceben in bie aufgeregte Hatur,
ber fallenbe Regen bebinberte fie nicbt, bie
braufenben Bäume, ber Donner übertäubte unb
fdDrechte fie nicbt, unb icb auch auf meiner fcblanl^en
Pappel wogte im Sturmwinb nieber auf bie Rofen^
beche, wenn fie ficb hob, unb ftreifte über bie
Saiten, um ben ]ubel ber l^leinen Sängerin burcb
ben ZaU\ 3U möfeigen. Wie ftill war's nacb bem
Gewitter! Welche beilige Rübe folgte biefer Be*
geiftrung im Sturm! (Dit ihr breitete bie
Dämmerung ficb über bie weiten Gefilbe, meine
kleine Sängerin fcbwieg, fie war mübe geworben.
Beb, wenn ber Genius aufleuchtet in uns unb
unfere gefamten l^räfte aufregt, ha^ fie ihm bienen,
wenn ber ganse (Denfch nichts mehr ift, als nur
bienenb bem Gewaltigen, bem ßöheren als er
felbft, unb bie Ruhe folgt auf folche Rnftrengung,
wie milb ift es ^Qy wie finb ba alle Rnfprüche,
felbft etwas 3U fein, aufgelöft in ßingebung an
ben Genius! So ift Hatur, wenn fie ruht vom
^agewerh: fie fchläft, unb im Schlaf gibt es Gott
ben Seinen. So ift ber (Denfch, ber unterworfen
ift bem Genius ber f^unft, bem bas eleWrifche
feuer ber Poefie bie flbern burchftrömt, ben
prophetifche Gabe burchleuchtet , ober ber wie
170
Beethoven eine Spracbe führt, bie nicht auf Crben,
fonöern im Äther (Dutterfprache ift. Wenn folche
ruhen von begeisterter Rnftrengung, bann ift es
fo milb, fo hühl, wie es heute nach bem Oewitter
war in öer gQn3en Hatur, unb mehr noch in ber
Bruft ber kleinen Dacbtigall, benn bie fcblief
WQhrfcbeinlicb heute noch tiefer als alle anbern
Vögel, unb um fo Kräftiger unb um fo inniger
wirb ihr ber Genius, ber es ben Seinen im Schlaf
gibt, vergolten haben. Ich aber ftieg nach ein»
geatmeter Rbenbftille von meinem Baum herab,
unb, burchbrungen von ben hohen €reigniffen bes
eben erlebten, fah ich unwillkürlich bie (Denfchen
über bie Rchfel an.
mm mm mm
aumfrevel o o o o o
n n— n^n
H
Jcb war beut braus be! öer ßrofemama, fie war
allein, ben gan3en Hacbmittag, unb wir fpracben
erft von Dir; öie Grofemama war einen Bugen^
blich befcbäftigt, fo lief icb in ben Garten, um ibn
nacb langer 3eit wieber 3U feben, aber wie war
icb ba erfcbrochen, wie icb auf bie ßoftreppe harn,
icb erhannte ben Garten nicbt wieber. Denhe! —
bie bobe, fcbwanhenbe pappelwanb, bie bimmeU
anfteigenben "Treppen, bie icb alle wie oft binan»
gestiegen bin, um ber Sonne nacbsufeben, um bie
Gewitter 3U begrüfeen, burcbgefcbnitten ! - 3wei
Drittel bavon In geraber Cinie abgefägt! - leb
wufete nicbt, wie mir gefcbab, unb alles will icb gern
begreifen unb lernen, was foll mir bas fcbaben;
aber biefe Pappeln, biefe 3eugen meiner frübften
6pielftunben , bie micb als f^inb von brei ^abren
mit ibren Blüten beregneten, in bie icb binauf*
ftaunte, als ob ibre ßöbe in ben ßimmel reicbe.
Beb, was foll icb ba3u fagen, ba^ bie als
Stumpfe, mit wenig Aften nocb vergeben, neben»
einanber jteben, gemeinfamen Scbimpf unb Ceib
tragenb. - Rcb, ibr Baumfeelen, wer honnte eucb
bas tun? - nun 3ieben alle früben Rinbbeitss
morgen an mir vorüber, wo icb ibre Wipfel von
weitem im Golb glän3en jab, unb ^a^ fie mir
winhten, icb foU micb eilen unb hommen, unb wie
172
bab icb oft ibre jungen Blätteben betrachtet unb
heine abgebrocben je! - Beb, es fcbneiöet mir
ins f5er3 - es war, als könnten fie nicbt mebr
fprecben, als fei ibnen öie 3unge genommen, benn
fie Können ja nicbt mebr raufeben. So war ibr
Stummfein eine bittere l^lage 3U mir, bie icb ewig
mit mir berumtragen werbe unb Keinem fagen
als nur Dir. Du weifet, wie Du oft fagteft, wenn
wir ^Q gingen, ^a^ ibr Raufeben mitfpreebe unb
wie fie uns abfonberten von ber gan3en Welt,
unb wie fie einen Dom über uns bauten; unb
gegenüber bie bobe Rofenbeche, bie über bie
Wanb vom BosKett bereinfebwanKte, bie ftebt
jet5t aucb obne Sebu^, unb bie Haebtigallen , bie
bas beilige DunKel gewobnt waren, wie wirb's
l>a fein, wenn bie im f rübjabr wieberhommen. -
Reb, icb bin betrübt barüber. - Die f^inbertage,
wo icb bort mit bem reinlicben f^ies fpielte unb
mit rofenfarbnen Steineben unb fcbwarsen unb
gelben bunte Heiben um ibre Stämme legte. -
Unb konnte fo verfteeht binüberklettern ins Bos»
kett; wie kann einem bocb bas parabies, wo bie
Seele all ibren 3auber einpflanst, fo jämmerlicb
3erftört werben? - Rber bebaure Du mich nur
nicbt, benn bör nur: als icb 3urückkam 3ur
Grofemuiter, fab icb blafe unb 3erftört aus, unb
fie fab wobl bie Spuren von meinen Tränen. -
Sie fab micb ein Weilcben unb fagte: „Du warft
im Garten?" - Da reiebte fie mir bie ßanb. -
Was follt icb fagen ? Icb febwieg unb fie aucb. -
Sie fagte: „leb werb wobl nicbt mebr lang
leben!" - leb wagte niebts 3U fagen - aber balb
173
barauf macbte fie öas neben3immer auf, von wo
man nacb öem Garten fiebt, unb fagte: „Das
Haufeben im Rbenbwinö war meine 5reube; icb
werb's nicbt mebr wieber boren. Icb bätt mir's
laffen gefallen, wenn icb unter ibrem Raufeben
am legten Bbenb war eingefcblafen ! 5ie bätten
mir biefen feierlicben Dienft geleistet, bie lieben
freunbe, bie icb jeben t^ag befucbte, bie icb mit
grofeer 5reube bocb über mir fab; - Du baft fie
aucb geliebt, es war Dein liebfter Rufentbalt. —
leb bab Dieb oft vom §enfter feben in ibren Wipfel
abenbs fteigen unb glaubteft, es feb es niemanb -
nimm meinen Segen, liebes Rinb, icb bab an Dieb
gebaebt, wie man fie tro^ ber fcbmerslicben Ver=
let3ung meiner öefüble verftümmelte." - leb wagte
nicbt 3U fragen, wer bie Scbulb trüge, benn bas
war 3U kränkenb für bie Örofemama gewefen,
unb icb wufete aucb gleicb, ^a^ nur aus graufen*
baftem pbilifterfinn folebe Untat gefebeben l^onnt;
benn ber abnt nicbt bie tiefften Wunben, ber bält
alles für Cmpfinbelei, was mit ben gebeimften
geiftigen Bebürfniffen 3ufammenbängt. — Wie
l^önnte ber eine wabrbafte Ciebe benhen 3U
einem leblofen Ding ; benn jo nennt ber pbilifter
bie pflan3en, bie Bäume, bie gan3e Hatur. -
Wie hönnte ber abnen, ^a^ ein böcbft geiftiger
Umgang mit ibren febönen, untabeligen er3eug*
niffen ftattfinben l^önne? - €in Wecbfeltaufcb
von €mpfinbungen , ber eine reine Ceibenfebaft
3U ibr näbrt unb beglückt - wie könnte benn
je begreiflieb werben, M^ ein innerlidDes Dafein
ficb in fie überträgt, unb ba^y wäbrenb bie gan3e
174
Welt vergeblicb unter (Ditge^cböpfen berum=
fcbwärmt, von Ciebe, von freunbfcbaft fafelt, öer
beglüchte Befit3er eines Baumes, ber vor feiner
Züv ftebt, in ibm öen Sreunb gefunden bat. -
Die alte, bunöertjäbrige Bas kam mir vor
ber Züv aucb bamit entgegen: „Ift's nicbt bar=
barijcb - unb bafe öie örofemama ftillfcbweigt
ba3u, - warft Du nur bier gevvefen, es v^är nicbt
gefcbeben." -
0 0 s s s
Rls wir eintraten in öen Saal, ba jtanb ein
gan3er trupp langer, öünner, kurser, öicher,
breiter, alle fcbwarsgehleibeter ^ansberrn in öer
niitte, öie fo viel Raum 3um tan3 liefeen 3wijcben
ficb unb ben Wänben, an benen bie jungen
ODäbcben 3wifcben (Damas aufgereibt waren wie
allerlei COarhtfrücbte , worunter öcboten, Hüben
unb 3wiebeln nicbt bie wenigsten waren, bier unb
"öa ein angenehmer BlumenKobl, nur feiten ein
Borsborfer Rpfel, worunter icb 3U 3äblen; je^t
bolten bie ßerrn biefe Rübeben, 3wiebelcben unb
5cboten*Bukettcben 3um Tons. Rlle batten Ubr=
hetten mit allerlei ßerlochen, manche 3wei aus
ber Tafcbe bangen; biefe Berlochen machten ein
Ölochenfpiel wie eine ßerbe. Ich fafe ^a bicht am
(Dufil^antenbalhon unb vertrieb mir bie 3eit, mit
beiben ßänben meine Obren 3U3ubalten, um nichts
von ber (Dufik 3U hören. Dabei fab ich mir bie
(Denfchen an, bie ba berumhüpften , unb hatte
bie €mpfinbung, als ob fie alle toll feien, unb
enblich mufete ich lachen; ich liefe bie ßänbe los,
ha braufte mir ber Walser feinen vollen Strom
ins Gehör! - Dann machte ich ein sweites Cx'
periment; ich hlappte bie Obren auf unb bann
wieber 3U, fo h^am ich ftüchweis 3U einer gan3
aparten GDufil^, bie ich mir aneinanberf lichte wie
176
eine löarlehinjache ! - \o vertrieb ich mir öie Seit
€nMicb kam Öruneiius, ber Cange, unö tan3te
einen Walser mit mir, ich aber nicht mit ihm;
benn er hielt mich fchwebenb, unb ich harn nicht
ba3u, eine §ufefpit3e auf bie Crbe 3U fet3en. 3u
biefem J^unftftüch mit mir, wie mit einer Porsellan*
urne herum3utan3en, brauchte er alle f^neifgewalt
feiner langen Finger, bie er wie l^rallen in mich
einfchlug; benn war ich heruntergefallen, fo konnte
ich ben F5als brechen; l>a hätte man ihm vielleicht
Vorwürfe machen können. Wer war froher als
ich, ^Q ich wieber an meinem piat5 war; nun
fchob ich mich gan3 unter ben Balkon, hinter
einen löaufen 5chals unb flore; ich lehnte mich
in ein €chchen unb hatte ein heimatliches Gefühl.
Hoch ein Weilchen konnte ich mit (Dühe mich
wach erhalten, aber wie es kam, ^a^ ich bem
Drang 3U fchlafen nachgab, weife ich nicht 3U
fagen; genug, ber f^ampf war kur3, ber Schlaf
fiegte, aber als ebler §einb; benn nie hab ich
füfeer gefchlafen. Die (Dufik war wie Golbfrüchte,
bie ein buftenber Winb von ben 3weigen löfte
^a oben auf bem ßerg unb mir alle in ben Scbofe
rollte; alle bie Cichter waren Sterne am F5immel.
Ruf einmal erwache ich 3U meinem €rftaunen Z>a
3u fein, wo ich bin; ftatt bem Berg, mit Orangen*
bäumen befet3t, lauter närrifche öefichter, bie im
Schweife ihres Rngefichts Bafegeige unb fiebel
streichen ober mit aufgeblafenen Backen trom--
peten! - Statt bem klaren Hachthimmel mit
Sternen, Staubwolken, bie fich mit ber Crleuchtung
um ben erften pia^ ftreiten. - €ine Paufe
177
tritt ein, toute la masse des mächoires en mouve-
ment, mehrere €rfrifcbungen 3U verhauen. €s
machte öiefe Bewegung, bie immer 3wifchen ben
f^innlaöen unb öen öd^läfen horrefponbierte, einen
fo fatalen Cinbrud^ auf midD, ba^ mir fd^winbelte,
unb xdb fühlte, ^a^ xcb eine Art mal au coeur be=
ham! - Rcb Clemens, hann man fo phylifd? un=
glüd^lidD werben, wie id? in biefem Rugenblid^
war? - Rd3, hätte idD bod? in jenem flugenblid?
in OffenbadD in unferm ßof können meinen Ropf
unter bie Pumpe halten, wo xdb mir fdoon mandD*
mal ähnlid)es Weh vertrieb, wenn midD ein €kel
überham über irgenb etwas, bas mir unerträglidD
war. - Rd) Gott! - Rd) lieber Gott, bu haft
fo viele geflügelte Boten, fdDid^ mir bodD einen,
ber midD hier wegträgt auf mein Ropfhiffen in
bie öanbgaffe. - Das war mein inneres 6tofe=
gebet; id) wagte nidDt ben l^opf umsubrehen unb
nad) bem €ngel um3ufd)auen aus f urd)t vor bem
ödDwinbel. Da fteht plö^lid? ber fran3 Chameau
vor mir, ob id) ben f^ehraus wolle tan3en? —
Da id) als vierjähriges l^inb oft mit ihm gefpielt
hatte, wo wir uns oft einanber ben Wall herunter
geftofeen hatten, fo mad)te \db biesmal heine
(Komplimente mit ihm unb fagte: „Ad?, gehen 6ie,
€fel, unb mad)en 6ie mir nid>t fd)winblig mit
Ihren Uhrketten." Diefe Worte können höd)ftens
bas gewefen fein, was idD in bem Zag hinein
gerebet foll haben; mehr ift mir nid)t bewufet,
ben gan3en Ball hinburdD gefprod)en 3U haben,
ben idD nodD verwünfd^e! - Ich mufe fort, idD mufe
wieber nad) Offenbad), in bie bunkle, reine HadDt^
Sritfcb-Strobl. 12
178
luft öort meine Seufser verbaueben. Die weifeen
Wänöe meines ötübcbens mit ben gelben Streifen,
bie Diele von ßol3, öer grau ongeftricbene Cifcb
unö öcbranl^! - acb, icb jebne micb babin! -
Qcb, icb kann bie Ceppicbe nicbt leiben! Die
rotfeibenen Vorhänge raufeben micb nocb gan3
krank - unb icb kann jetjt nicbt fortfcbreiben, weil
icb gan3 übel bin, blofe von ber Crinnerung. —
rir?
onl^ünfte o o o o o
o o — ■
nocb eine vergnüglicbe Stunbe mufe icb vor
Bbgang bes Briefes Dir melöen. föeute
(Dorgen, als icb ben ßrief fcbon 3ugemacbt hatte
unö wollte ihn eben bem Juben ßirfcb in feinen
öcbnappfach werfen in ber (Deinung, er fei es,
ber an ber Tür l^lingelt, fo war es ber freunb^
liebe Pfarrer Scb . . . 3 , ber bie ßrofemutter unb
aucb micb befucben wollte, fo fagte er mir
wenigftens; icb bab's geglaubt, obfcbon es mir
was Heues war, ba^ micb jemanb befucben wollte,
unb nun nocb ba3U aus ber ferne. Will ein fo
gelehrter (Dann bis nach Offenbacb gekommen
fein, um mir weife 3U machen, ba^ er vor3üglicb
gekommen fei, mich 3U fehen! So ein Pfarrer
kann lügen! - er hat micb geküfet auf bie linke
Wange unb bat mir verfiebert, es fei wahr. -
Unb Du habeft ihm fcbon lange meine Bekannt^
fcbaft machen laffen burch Deine Öefpräche über
micb! - leb wufete nicht, was ich ba3U fagen
foUte. - demente! Der Pfarrer ift ein guter f^erl,
aber er ift, glaub ich gewife, ein Ruffebneiber. -
€r kann wohl nichts bavor, er mufe ja Sonntags
immer bimmeln. - Unb er hielt mir auch eine
allerliebfte 3auberrebe, bie etwas Hachweben
von Rirchenbuft hatte. Hein, demente, bie Rebe
war wirklieb fcbön. - Reh, er war ja gar 3U gut,
12*
180
Öer (Dann; wie Kann ich öocb bumm von ihm
reben; er bat mich fpäter aucb auf bie rechte
Wange gehüfet unb bat mir gesagt, wie fcbön
unö ebel - icb weife es gar nicbt mebr, was er
gefagt bat, öenn ich war 3erftreut , benn icb mufete
an einen alten Töpfer benKen, ber gleicht ihm.
Von öem Töpfer will ich Dir was er3äblen, was
febr ßübfches; icb bab feine Behanntfchaft auf
bem let3ten Weihnachtsmarkt gemacht. Cr hatte
einen gan3en f^orb voll Tiere gebachen unb bunt
glafiert, bie bot er 3um Verkauf fürs l^inbervolk,
bas feinen f^orb umringte unb mebr banach ver«
langte als nach allen anberen öpielfachen. - €s
war auch nicht von ohne. 3um Beifpiel einen
Schlitten bat er gemacht, ber einen Schwan vor=
ftellt, weife glafiert, mit fchwar3em Schnabel, ein
(Dohr ftebt hinten brauf, fcbwar3braun glafiert,
mit einem grünen Rittel. Diefes l^unftwerh be-
fi^e ich felbft, es ftebt in meiner l^unftkammer,
bas helfet unter meinem Bett. - Dem Töpfer
hatte ich bamals feinen gan3en Tonkunftvorrat
abgekauft für bie Rinber; jebes ging mit einem
Camm ober §uchs ober Wolf, Bär, Cöwe ufw.
ab, ich behielt bas ßauptftüch, ben Schlitten; er
wollte nun eiligft wieber neues anfertigen, unb
ich wollte gern mit anfeben, wie er bamit fertig
werbe. Unb, liebfter demente, ich bab brei
flbenbe bei bem (Dann 3ugebracht; frau unb
Rinber fafeen bei ber Campe unb machten Tiere,
bie 6ott nachträglich noch fchaffen mufe, wenn er
gerecht fein will, ober feine Unenblichkeit bleibt
unerwiefen ; benn was bie pbantafie ber Töpfers-
181
hinöer erfunden bat, ift nocb nicbt im naturreicb
gefcbaffen. Dem Vater war alles recbt, er gab
öiefen Oefcböpfen einen öcbneller unö einen
Drucher unb fe^te jie auf Poftamente; fie wuröen
angemalt von einem (Mittel mit einem breiten
6cblappbut als Ropf, er fafe in ber €che beim
§euer am ßerb unö warf einen mächtigen Schatten.
Wie icb nun fab, bafe alles fo fix ging, bafe l^einer
3agte, jeine f^unftwerKe 3U föröern, wie Neiner
eine l^ritik übte, wie alles recbt war, was ba
entftanb, ^a fcbämte icb micb meiner 6cbücbtern=
beit. Icb fafe nun auch am Tifcb unb machte ^on*
hünfte; ins "Cierreich wollte icb mich nicht wagen,
ich machte einen Baum, auf feinen 3weigen fi^en
Vögel , jo recht antih mit wenig Blättern , hannft
Du benhen. - Raum fing er an 3U werben, fo
hatte ber 5chlappbut eine Schlange brumgeringelt
unb ber Töpfer Rbam unb €va brunter geftellt. -
1^
00 o EjlS o 23^3
bantajtijcbe 5piele o o
Oc=.Oc=30t='0«=>0«==30
Befinn Dieb bocb auf unfere Reifeabenteuer, bie
wir ben Winter miteinander öurcbmacbten ;
keiner von uns batte eine trübe (Dinute, ben
gansen Winter nicbt, Deine Sebnfucbt ins Innere
von Rfien binein bracbte uns immer unter bie
wilben Tiere. Tiger unb Cöwen unb Clefanten
baben uns 5cbabernach gespielt. Was baben
wir für 6onnenbit5 ausgeftanben mitten im Cis;
erft fpäter merkte icb, wie febr wir uns in bies
Ceben vertieft batten, i>Q alle Ceute biefen Winter
als einen ber hälteften burcbgebuftet baben. Weifet
Du, am Heujabrstag kam icb 5U Dir! Blle Räber
pfiffen an ben vielen Staatswagen; bie gepuberten
f^utfcber mit ben rotgefrorenen Geficbtern! - Da
ham icb 3U Dir in bie Stube berein unb fagte:
„Gott, es ift fo beife bier in Rfien, bafe wir nur
fo binfcbmacbten, unb braufe vor ber Tür in f ranh»
fürt, ^a bangen bem l^utfcber bie Cissapfen am
f^nebelbart." - Was baben wir gelacbt,6ünberobe;
- unb baben unter 3immetbäumcben eine Taffe
Scbokolabe getrunl^en, bie wir in Deinem Öfcben
l^ocbten mit woblriecbenbem Sanbelbol3; unb ba
kam ein Salamanber ins §euer unb färbte ficb
ba in allerlei färben unb warf bie Schoholaben*
hanne um. Unb wir melkten bie weifee Elefantin,
bie ibr Junges in unferer Höbe fäugte, unb macbten
183
eiefantenbutter; ich wollt als immer Cöwenbutter
macben, bas littest Du nicht, benn Du warft febr
vorficbtig ; Du meinteft, es fei 3U viel Öefabr ba»
bei, öie Cöwin hönne mir einmal wilb werben
über bem (Delhen. - Unb bie €rlebniffe am
Öanges unb Inbus, bie fcbönen l^naben, bie uns
t>a begegneten, wo wir uns verftechten unb faben
fie vorübergeben unb ficb wafcben in ben beiligen
fluten unb Gebete tun ; ba fagteft Du, es muffen
wobl Tempelhnaben fein, wir muffen nacb bem
tempel bier in ber öegenb fucben. Da fübre
eine Rllee von grofeen Tulipanen bin, bie bab icb
entbecht; wir brachten ftunbenlang bin mit ber
Bewunbrung ber Blumen, unb ^a waren ßolb*
frucbtbäume unb t^rauben unb (Delonen; alles
bas wuchs in fchönfter fülle runb um bie Säulen
ber Tempel, 3U benen wir frembe Völherftämme
binwallen faben. Da fagteft Du einen ßymnus
ber, ben hätten fie gefungen beim Sonnenaufgang :
Atberwüfte! - fo fing Dein ßymnus an, unb ich
machte eine (Delobie brauf; bie liefeeft Du bir
vorfingen 3ur 3itber von mir, unb Du börteft 3U,
fo ftill, als war es inbifcber Tempelgefang. Rbenbs
im (Donbfchein, bas war unfre hefte 3eit, wo wir
pbantafierten, unb hielten uns einanber bei ben
löänben, wenn wir bie Berge hinanftiegen , unb
ruhten unter Dattelbäumen aus. Du machteft
immer bie Reiferoute, weil Du bie l^enntniffe bes
Canbes hatteft, unb t>a ftiegen wir auf einen
Berg, ber biefe Bogbo; von ba aus, fagteft Du,
hönne man alle Öebirgsketten überfehen. Da
eilte ich mich, voran 3U hommen, um 3uerft oben
184
3U fein, unb bo fcbrie ich Dir entgegen, icb fäbe
bas rote f^orallenmeer mit ber Tobespforte. Da
hatte icb mich aber geirrt, benn Du bewiefeft mir,
^a^ man es von ^a aus nicbt feben könne, ba
es an ber 6ren3e von Rfril^a liege, unb ber Bogbo
liege in ber (Ditte von ßocbafien. - Wir waren
bocb fo glüchlicb; wie fcbwärmte mein f^opf von
brennenben Sarben ber Blütenwelt, wie waren
wir ent3Ücht vom Duft, ber uns umwallte! - Das
bauerte ben gan3en Winter, unb hein (Denfcb
wufete, ^Q^ wir in einer füblicben Welt lebten;
wir gingen gerabe in ben Gärten von Damaskus
fpa3ieren, gan3 ent3Ücht von bem Blumenparabies
unb trunken von ihrem Duft, ^a kam ber alte
föerr von ßohenfelb unb brachte Dir bas erfte
Veilchen, was er auf feinem Spa3iergang im Stabt*
graben gefunben hatte. Reh, ba verliefeen wir
Damaskus unb liefeen uns von f5ohenfelb hinaus^
führen, wo er bas Veilchen gefunben hatte, unb
fuchten noch mehrere; unb von ba an war ber
3auber aufgehoben, unb wir lachten recht, ba^^
uns bas Veilchen fo fchnell aus Rfien herüber*
ge3aubert hatte nach Frankfurt auf bie alten
Seftungswälle , benn wir gingen von nun an in
ben fchönen Frühlingstagen jeben (Dittag hinaus
unb machten uns l^rän3e, bie ftanben Dir fo fchön.
60 war bie geringfte Wirklichkeit fchon wieber
ein parabies für uns.
DCZDD
-^ -^ -f -f
-f -^ -^
DDP DDP
CiebesgejdDicbten
D DD
D D D
D D D -<[>- D D D
^ ^ ^ -^
-^ ^ -^
^ ^ ^ ^
^ ^ -^
^ ^ -f >
-i- -f -f
^ ^ ^ ^
^ -^ ^
^ ^ ^ ^
0>>A<0.
3\
ie brei f^üffe o o o o ^^
I.
60 war bas öommerleben , bas plö^licb burcb
bie rüchl^ebrenöen ßriegsf3enen unterbrochen
warb. Da war an l^ein flüchten 3U benhen; am
(Dorgen, ^q wir erwachten, biefe es: „ßinab in
"öen f^eller! Die Stabt wirb befcboffen, bie f ran=
3ofen haben jich bereingeworfen , bie Rotmäntel
unb bie Totenhöpfe fprengen von allen Seiten
heran, um fie beraus3u jagen!" Da war ein 3u=
fammenlaufen auf ^en Strafeen, l>a er3ählte man
jich von ben Rotmänteln, ba^ bie keinen parbon
geben, alles 3ufammenbauen, ^a^ fie fürchterliche
Schnurrbarte haben, roUenbe Rügen, blutrote
(Daniel, bamit bas vergojfene Blut nicht fo leicht
3U bemerken fei. Bllmäblich würben bie f enfter=
laben gefchloffen, bie Strafen leer ; bei ber erften
l^ugel, bie burch bie Strafen flog, eilte alles in
bie Heller, auch wir, örofemutter, Tante, eine alte
Coufine von acht3ig "jähren y bie f^öchin, bie
f^ammerjungfer, ein männlicher f5ausgenoffe. Da
fafeen wir, bie 3eit würbe uns lang, wir laufchten, -
eine Bombe flog in unfern löof, fie plat5te. Das
war boch eine Diverfion; aber nun ftanb 3U er^
warten, ^a^ Seuev ausbrechen könne. Rllerlei,
was meiner Örofemutter unenblich wichtig war
188
von Bücbern, von Bilöern, fiel ihr ein, fie hätte
es gern in Öen f^eller gerettet. Der männliche
fOQUsgenoffe öemonftrierte, wie es eine Unmöglich*
kexi fei, öen heiligen Johannes, ein Bil5, was öie
wunderbare Cigenfchaft hatte, öie Säbel geltenÖ
3U machen, er fei ein Raphael, jet5t aus öem oberen
Saal berunter3ufchaffen, inöem es viel 3U fchwer
fei; ich entfernte mich leife, ftieg 3um Saal, hob
bas fchwere Bilb ab, nahm es an ber Schnur
über ben Rüchen, unö fo ham ich, noch eh bie
Verhandlung beendigt war, 3um Crftaunen aller
unb 3ur grofeen Sreube ber Großmutter 3ur f^eller*
treppe herabgepoltert, ich melbete noch, wie ich
aus bem Saalfenfter gefehen unb alles ftill fei;
ich beham bie Crlaubnis, noch mehr 3U retten, ich
beham bie Schlüffel 3ur Bibliothek, um f^upfer*
werhe 3U holen. (Dit freubiger Cile fprang ich
bie Creppe hinauf; in bie Bibliothek hätt ich
längft gern mich eingeftohlen, ^a war eine Samm=
lung prachtvoller (Dufcheln, wunberbarer Steine,
getrockneter pflan3en, ba hingen Straufeeneier an
ben Wänben, f^okosnüffe, ba lagen alte Waffen,
ein (Dagnetftein, an bem alle näh= unb Strick*
nabeln hängen blieben, ba ftanben Schachteln
voll Brieffchaften , Toiletten mit wunberlichem
altem Gefchirr unb Gefchmeib, 3itternabeln mit
Sternen von bunten Steinen. O, ich freute mich,
ben Schlüffel 3U haben, ich holte herunter, was
man verlangte, 30g ben Schlüffel ab, ohne ab*
3ufchliefeen, unb bachte mir eine ftille, einfame
nacht, in ber ich, alles burchfuchenb unb be*
trachtenb, fchwelgen wolle. Das Schiefeen hatte
189
wieöer angefangen, ein3elne Heiter borte man in
geftrechtem Galopp öie furchtbare Stille öer Strafee
unterbrechen; öie furcht im f^eller ftieg, man
bachte jeboch nicht Öaran, öafe i ch verletst werben
hönne, unb ich auch nicht; ich fprach nicht aus,
bafe ich mich nicht fürchte, unb fühlte auch nicht,
^a\S ich Gefahr lief, unb fo überkam mich bas
fchöne Rmt, alle 3u bebienen, für alle Bebürfniffe
3U forgen. Ich hörte verfchiebentlich bie Reiter
vorüberfpringen. „Das mag ein Rotmantel fein!"
bachte ich, lief eilig ans fenfter bes unteren Ge=
fchoffes, rife ben Caben auf, - fiehe, ha hielt er
in ber (Ditte ber ötrafee mit ge3ogenem Säbel,
langem, fliegenbem Schnurrbart, bichen, fchwar3en,
geflochtenen ßaar3Öpfen, bie unter ber roten
Pel3mü^e hervorbingen; ber rote (Dantel fchwebte
in ben Cüften, wie er bie Strafe hinabflog, -
alles wieber totenftill! - Gin junger (Denfch in
ßembärmeln, blofeem f^opf, totenblafe, blutbefpri^t,
rennt ver3weiflungsvoll hin unb wieber, raffelt an
ben ßaustüren, klopft an ben Cäben. f^einer tut
fich auf, mir klopft bas ßer3, ich winke - er
fiebt es nicht. Je^t eilt er auf mich 3U, bittenb, -
ba ertönt ber Schall eines pferbes; er fchmiegt
fich in bie Vertiefung bes ßoftors; ber Reiter,
ber ihn fuchenb verfolgt, fprengt an ihm vorbei,
hält einen Rugenblick, fpöbt in bie ferne, wenbet
um unb - fort. O, jeber Blick, jebe Bewegung
bes Reiters unb bes pferbes haben fich tief in
mein Gehirn geprägt, unb ber arme RngfterfüUte
eilte hervor unb fchwingt fich am fchwachen l^inber*
arm berein in bie rettenben Wänbe. Rber kaum -
190
ba ijt ber Heiter fcbon wieber, er fprengt an
mich heran, ich rühr mich nicht vom Senfter, er
verlangt Waffer, - ich eile in öie fauche, es ihm
3U holen; nachöem er getrunhen unb nachbem ich
ihn bie ötrafee hinabreiten gefehen erft, mache
ich meinen Caben 3U, unb nun fehe ich mich nach
meiner geretteten Beute um. ßötte ficb ber Rot»
mantel auf feinem pferbe in bie Steigbügel ge*
ftellt, fo hätte er meinen Geretteten entbecht.
Diefer hüfete mir sitternb bie ßänbe unb fagte
mit leifer Stimme : „O mon dieu, mon dieu !" Ich
lachte vor freuben, aber bann brach ich in Tränen
aus, benn es rührte mich, ber Retter eines
(Denfchen geworben 3U fein, fo ohne mich 3U be=
f innen, fo ohne 3U wiffen wie. - Unb Du auch! -
Rührt es Dich nicht? - freut es Dich nicht, ba^
es mir gelungen ift? - mehr als alle SchmeicheU
reben, bie ich Dir fagen könnte? - „Sauvez-moi!
cachez moi!" fagte er, „mon pere et ma mere
prieront pour vous!" Ich fafete ihn bei ber ßanb
unb führte ihn fchweigenb leife über ben ßof nach
bem f5ol3ftall. Dort unterfuchte ich feine Wunbe,
bas Blut abwafchen konnte ich nicht, ich hatte
kein Waffer, holen mochte ich auch keins; ber
Hachbar Bnbree, beffen Du Dich auch erinnern
mufet, war mit mehreren freunben auf fein
Obfervatorium geftiegen, um bas I^riegswefen 3U
beobachten, er konnte mich bemerken. €in ein3ig
(Dittel hatte ich erfunben : ich leckte ihm bas Blut
ab, - benn es ihm fo mit Speichel ab3uwafchen,
fehlen mir 3U unbefcheiben. Cr liefe mich ge»
währen, ich 30g leife unb fanft bie anklebenben
191
löaare 3urüch, - ba flog ein ßubn mit grofeem
öefcbrei vom oberen f5ol3 herunter; wir hatten
es verfcbeucht von öem Ort, wo es feine €ier 3U
legen pflegte. Ich kletterte hinauf, um bas €i 3U
holen; bie innere weifee ßaut legte ich über bie
Wunöe - es mag wohl geheilt haben, ich will's
hoffen! - Hun eilte ich wieöer in öen f^eller; bie
eine öcbwefter fcblief, bie anöere betete vor Rngft,
öie Großmutter fcbrieb an einem kleinen Xüifcb
bei Cicbt ihr Cejtament, bie Tante hatte öen Zee
bereitet; icb bekam öie öcblüffel 3ur Speife*
kammer, um Wein unb kalte öpeifen 3u holen.
Da bachte ich auch an ben (Dagen meines armen
Gefangenen, icb bracbte ihm Wein unb Brot. 9o
ging ber Zag vorüber unb bie Gefahr ; ber f^eller
würbe verlaufen, mein Geheimnis fing an, mich
3U beklemmen; icb beobachtete jeben Schritt ber
ßausgenoffen , ber Röcbin half icb in ber Rüche,
icb holte ihr Waffer unb ßol3 unter bem Vor*
wanb, ha^ es bocb noch gefährlich fein könne
unter freiem ßimmel; fie liefe fich's gefallen. -
€nblich unb enblicb kam bie Hacbt; ber Hacbbar
hatte Rapport gebracht, M^ nichts 3U fürcbten
fei vor ber ßanb, unb fo legte man ficb 3ur Ruhe,
beren man fo fehr beburfte. Icb hatte meine
Schlafftätte im Hebensimmer ber Grofemutter, von
^Q konnte icb ben ßol3ftall, ber vom (Donb be=
fcbienen war, beobachten ; icb orbnete nun meinen
plan : fürs erfte mußten Rleiber gefcbafft werben,
bie ben öolbaten verleugneten. Wie gut, l>a[i ich
bie Bibliothek offen gelaffen! Da oben hing ein
]agbkleib unb (Dü^e - von welcbem Schnitt, ob
192
0
alt» ober neumobifcb - wufet icb nicbt. Wie ein
Ceift fcblicb icb auf blofeen Strümpfen an öer
^ante 3immer vorbei, fcbwebenb trug icb's her*
unter, Mmit bie metallnen f^nöpfe nicbt raffelten ;
er 30g es an, es fafe wie angegoffen - öott
bat es ibm angepafet! unb bie jagbmütje ba3u!
Icb batte bas Gelb, was man mir fcbenMe, immer
in bas f^iffen eines lebernen Seffels geftecht, weil
icb heine ßelegenbeit batte, es 3U braueben, "jei^i
burcbfucbte icb ^en Seffel, unb es fanb ficb eine
3iemlicbe Barfcbaft 3ufammen, bie icb meinem
Geretteten als 3ebrpfennig einbänbigte. Hun
fübrte icb ibn burcb "öen monbbefcbienenen, blüte=
buftenben Garten. Wir gingen langfamen öcbrittes
ßanb in föanb bis binter bie pappelwanb an bie
(Dauer, wo alle ]abr bie Hacbtigall in ber Rofen=
beche ibr Heft baute; es war grabe bie 3eit, was
balf s - bies Jabr mufete fie geftört werben. Da
wollte er mir banhen, ^a nahm er micb auf feine
Rrme unb bob micb bocb; er warf bie (Dütse ab
unb legte ben verbunbenen f^opf auf meine Bruft,
was batte icb 3U tun? Icb batte bie Rrme frei,
icb faltete fie über feinem I^opf 3um Gebet; er
l^üfete micb, ftieg über bie Bofenbechenmauer in
einen Garten, ber 3um (Dain fübrte, ^>a konnte er
ficb überfe^en, benn es waren Tlacben am Ufer.
II.
nun will icb Dir aucb gleicb bie Gefcbicbte
meines 3weiten l^uffes er3äblen ; er folgte beinab
unmittelbar auf ben erften, unb was benhft Du
193
von Deinem (Daneben, öafe es fo leicbtfertig ge=
werben! ^Q, diesmal würbe ich leicht fertig, unb
3war mit einem ?reunb von Dir. - €5 t^Ungelt;
bärtig Springe icb an bie ßauetür, um 3U öffnen;
ein (Dann in fcbwarser Rleibung, ernften Rn=
febens, etwas erbieten Bugen, tritt ein, - nocb
ebe er feinen Hamen genannt ober gefagt, was
fein Verlangen ift, hüfet er micb; nocb ebe id)
micb befinnen konnte, geb icb ibm eine Obrfeige,
unb bann erft feb icb ibm ergrimmt ins Rntli^
unb erkenne ein freunblicbes Geficbt, bas gar nicht
erfchreckt unb nicht erbittert über mein Verfahren
3U fein fcheint. Um meiner Verlegenheit 3U ent=
geben - benn icb wufete nicht, ob ich recht ober
unrecht getan hatte - öffne ich ibm rafch bie
Zm 3U l>en 3immern ber Großmutter. Da war
nun meine Überrafchung halb in öchrechen um=
gewanbelt, t>a biefe mit ber böchften Begeiftrung
ausrief, einmal über bas anbre: „Ift es möglich?
föerber, mein föerber! Dafe Cuer Weg Cuch 3U
biefer Grillenbütte führt? - 6eib taufenbmal
umarmt!" Unb hier folgten biefe taufenb Um*
armungen, wöbrenb benen ich mich leife bavon=
fchlich unb wünfchte, es möge in biefem Schwall
von Ciebhofungen bie eine untergeben, bie ibm
mit einer Obrfeige war beantwortet worben.
Rllein, bem war nicht fo; er vergafe weber f^ufe noch
Obrfeige, er fchielte an bas f5er3 ber Großmutter,
von ihren umfaffenben Rrmen gefeffelt, über ihre
Rchfel hinaus nach ber Cnkelin unb machte ihr
einen bittenben Vorwurf. Ich verftanb ihn fogleich
unb machte mich ibm auch verftönblicb ; er folle
Sritfcb'Strobl. 13
194
micb nicht verklagen, fonft wolle ich micb rächen,
unb jchlich hinter öie Vorsimmer. Rllein ßeröer
hatte keine Rnöacht mehr für bie Örofemutter,
für ihre fchönen Erinnerungen aus ber 6chwei3,
für ihre (Ditteilungen aus Öen Briefen von ]ulie
Bonbeli, für ihre Schmeichelreben unb begeisterten
Cobfprüche, für ihre Beben von gelehrten Dingen.
€r fragte, ob fie ihm nicht ihre €nkelhinber wolle
3eigen. 60 würben wir ihm benn alle brei feier»
lieh vorgeführt unb von ber Großmutter 3ugleich
belehrt, wie glücklich wir feien, ihn 3U jehen unb
von ihm gesegnet 3U fein. Cr war auch gar nicht
faul, ging rafch auf mich 3U, legte mir bie föanb
auf ben f^opf, unter welcher ich ihn brohenb an*
fah, unb fagte langfam unb feierlich: „Diefe ba
fcheint fehr felbftänbig; wenn 6ott ihr biefe Gabe
als eine Waffe für ihr Glück 3ugeteilt hat, jo
möge fie fich ihrer ungefährbet bebienen, ba^ alle
fich ihrem kühnen Willen fügen unb niemanb ihren
Sinn 3U brechen gebenke." 3iemlich verwunbert
war bie Großmutter über biefen wunberlichen
Segen, noch mehr aber, Z)a^ er bie Schweftern
nicht fegnete, bie boch ihre Cieblinge waren. Wir
würben entlaffen unb gingen in ben Garten; -
wir trugen bamals breite Schärpen von blau unb
weife geflammter Selbe; auf bem Rücken waren
fie in Schleifen gebunben, bie in ber vollen Breite,
welche wohl eine eile betrug, ausgebreitet waren,
fo Z>a^ fie gleichfam Schmetterlingsflügel bilbeten.
Währenb ich in meinem Blumenbeet arbeitete,
hafchte mich einer an biefen f lügein; es war
ßerber. „Siehft Du, kleine Pfyche," fagte er,
ea
195
„mii öen flügeln geniefet man wobl öie Freiheit,
wenn man fie 3U rechter 3eii 3U braueben weife,
aber an ben klügeln wirö man auch gefangen,
unb was gibjt Du, bafe icb Dieb wieber los=
laffe?" - €r verlangte einen f^ufe, icb verneigte
micb unb l^üfete ihn, ohne bas Öeringfte ein=
3uwenben.
Der l^ufe bes geretteten f ransofen war gan3
im €inverftänbnis meiner €mpfinbung; icb l^am
ihm auf balbem Weg entgegen, unb bocb war er
unmittelbar barauf vergeffen, unb je^t erft, naeb
fecbs jabren, tauebte er aus meiner Erinnerung
auf als eine neue Crfebeinung. ßerbers l^ufe war
von meiner Seite gan3 willenlos ober eher un^
willig angenommen, unb boeb bab icb ibn nicbt
vergeffen; icb honnte in erfter 3eit ben Einbruch
nicbt verwinben; er verfolgte micb im träum.
Balb war mir's, als babe icb wiber meinen Willen
etwas weggefcbenht , balb überrafcbte es micb,
ha^ biefer grofee, bebeutenbe (Dann micb fo
bringenb aufgeforbert batte, ibn 3U hüj^en; bies
war mir eine rätfelbafte Erfabrung. ßerber fab
micb fo feierlicb an, nacbbem er micb gehüfet batte,
ba^ micb ein öcbauer befiel; ber rätfelbafte Dame
Pfycbe, beffen Bebeutung icb nicbt verftanb, ver=
föbnte micb einigermaßen mit ibm, unb wie benn
mancbes3ufällige, was vielen unfcbeinbar vorüber-
fcbweift, einen tief rübrt unb eine wäbrenbe 13e=
beutung für ibn gewinnt, fo war mir bies un^
begriffene Wort Pfycbe ein Talisman, ber micb
einer unficbtbaren Welt 3ufübrte, in ber icb micb
unter biefem Hamen begriffen bacbte.
13*
196 =^-^.==-.
III.
Der blinöe f5er3og von Rremberg, ber fcböne,
beffen 3ügen bie geheiligte Würbe ber Cegitimität
aufgeprägt war, wollte gegen meinen Willen mir
biefen f^ufe geben; ich aber war bie fcbwankenbe
Blume im Winbe, bie ber Schmetterling vergeblich
umtanst. Cafe Dir's ersäblen unb ausmalen mit
biefen bunten färben aus bem (Dufchell^aften bes
f^inbes, mit benen ich bamals noch meine Welt
ausmalte unb fie verftanb, unb Du wirft fie auch
verjtehen unb Dich freuen, bafe Du mit mir in ^en
Spiegel fiebft, in bem ich mich erkenne unb ben
Genius, ber mich 3U Dir lenkt.
£r war fchön, ber löer3og! - fchön für bas
grofegewölbte f^inberauge,bas noch kein (Denfchen*
antlit3 erblickt hatte, beffen 3üge Geift ausströmten.
Wenn er ftunbenlang bei ber Grofemutter fafe unb
fich von ihr ersäblen liefe, ftanb ich neben ihm
unb ftarrte ihn an ; ich war in Betrachtung biefer
reinen, erhabenen 3üge versunken, bie bem ge^
wohnlichen (Denfchen nie gefchenkt werben.
Die reine, ftarke Stirn, beren (Ditte eine
Seuerftelle hatte für ben göttlichen Branb bes
3orns, biefe Hafe, höber, kühner, trot3bietenber
als fein fchauerliches Schickfal, biefe feinen,
feuchten Cippen, bie mehr als alles anbre Befehl
unb f5errfcherwürbe ausfprachen, bie Cuft tranken
unb au6feuf3ten bie tieffte (Delancholie, biefe feinen
Schläfen, fich an ben Wangen nieberfchmiegenb
3um aufgeworfenen f^inn, wie ber metallne ßelm
ber (Dinerva! - Ca\i mich malen, Goethe, aus
197
meinem l^leinen (Du jcbelhaften ; es wirb fo fcbön I
Sieb [\e an, öie grellen, abftecbenben Starben, öie
ber pbilofopbifcbe (Daler vermeiöet, aber icb, bas
Rinb, icb male f o ; unb Du, ber bem l^inbe läcbelt
wie ben Sternen, unb in beffen Begeijtrung [^inber=
einfalt ficb mifcbt mit bem Seberblich bes Weifen,
freue Dieb ber grellen bunten Farben meiner
pbantafie.
So war er, ber fcböne, blinbe ßersog, fo ift
er nocb jet3t in bem 3auberfpiegel ber Crinnerung,
ber alle Bilber meiner l^inbbeit gefeffelt bält, ber
fie in perlen reibt unb Dir als Opfer 3U füfeen
legt; fo war feine Geftalt oft niebergebeugt im
Scbmer3 um bie erblinbete Jugenb, bann ftol3 er-
ftrecht, ficb aufricbtenb, beiter ironifcb läcbelnb,
wenn er bie tief verfunhnen Rugenfterne gegen
bas Cicbt wenbete. Da ftanb icb unb ftarrte ibn
an, wie ber Scbäferknabe , tief vergeffen feiner
f5erbe unb feines ßunbes, ben an ben einfamen
Seifen gefcbmiebeten, von ber abgewenbeten Welt
unbehlagten prometbeus anftarrt; ba ftanb icb
unb faugte ben reinen Zau, ben bie tragifcbe
(Dufe aus ibrer Urne fprengt, um ben Staub ber
Öemeinbeit 3U bämpfen, inbem icb in tiefer, be=
wufetlofer Betracbtung über ibn verfunhen war. -
Cs war in feinem 3wan3igften Jabr, im tollen,
glübenben Übermut ber Jugenb, im öefübl feiner
Überwiegenben Scbönbeit unb im gebeimen Be=
wufetfein alles beffen, was biefer 3U Gebote ftanb,
ba^ er am Zage ber Jagb über bie gebechte Tafel
fprang, mit feinem Sporn bas Cifcb3eug mit
Service unb Pracbtauffat3 auf bie Crbe rife unb
198
am Boöen 3erfcbmetterte , um feinem Uebften
Sreunö an ben föals 3U fpringen, 3U umarmen,
mit ihm taufenö Rbenteuer 3U befprecben. Sie
teilten ficb auf ber ]agö, unö öer erfte öcbufe,
ben ber freunb tat, war in beibe Rugenfterne
bes ßer3ogs.
leb habe ben ßer3og nie bebauert, icb bin
nie 3um Bewufetfein über fein Unglüd^ gel^ommen;
fowie icb ihn fab, erfcbien er mir gan3 3U ficb
unb feinem Scbichfal ficb verbaltenb, ohne (Dangel.
Wenn icb anbere borte fagen: „Wie fcbabe, wie
traurig, ba^ ber löer3og blinb ift!" fo füblte icb's
nicbt mit; im Gegenteil bacbte icb: wie fcbabe,
ba^ ibr nicbt alle blinb feib, um bie Öemeinbeit
eurer 3üge nicbt mit biefen vergleicben 3U bürfen.
3a, Öoetbe! 5cbönbeit ift ja bas febenbe Rüg
Gottes; Gottes Rüge, auf welcbem Gegenftanb
es mit Woblgefallen rubt, er3iebt bie öcbönbeit,
unb ob ber f5er3og aucb nicbt gefeben babe, -
er war bem göttlicben Cicbt vermäblt burcb bie
öcbönbeit, unb bies war allemal nicbt bas bitterfte
öcbickfal.
Wenn icb fo neben ibm ftanb unb in Gebanhen
verfunl^en mit ibm feuf3te, t>Q fragte er: „Qui est
lä? Bettine! Amie viens que je touche tes traits,
pour les apprendre par coeur!" Unb fo nabm er
micb auf ben öcbofe unb fubr mit bem 3eigefinger
über meine Stirn, Hafe unb Cippen unb fagte
mir Scbönes über meine 3üge, über bas feuer
meiner Rügen, als ob er fie feben könne. €inmal
fubr icb mit ibm von franl^furt nacb Offenbacb
3ur Großmutter; icb faß neben ibm. Cr fragte, ob
ea
199
wir noch in öer StaM feien, ob ßäufer ba feien
unb (Denfcben? - leb verneinte es; wir waren
auf bem Canb. Da verwandelte ficb plö^licb fein
Geficbt, er griff nacb mir, er wollte micb ans
Ber3 sieben, icb erfcbrah?; fcbnell wie ber BU^,
batte icb micb ben Scblingen feiner Brme ent=
3ogen unb buchte nieber in ber Gehe bes Wagens.
€r fucbte micb, icb lacbte beimlicb, ^cx^ er micb
nicbt fanb; ^a fagte er: „Ton coeur est-il si mechant
pour mepriser, pour se jouerd'un pauvre aveugle?"
Da fürcbtete icb micb ber öünbe meines (Dut=
willens ; icb fe^te micb wieber an feine öeite unb
liefe ibn gewäbren, micb an ficb 3U 3ieben, micb
beftig an fein f5er3 brücken ; nur mit bem Geficbt
beugte idD aus unb gab ihm bie Wange, wenn
er nacb bem (Dunbe fucbte. Cr fragte, ob icb
einen Beicbtvater babe ? — ob icb biefem ersäblen
werbe, ^q^ er micb gehüfet habe. Icb fagt naiv*
fcbalhbaft, wenn er glaube, 'öa^ bies bem Beicbt*
vater Vergnügen macben werbe, fo wolle icb's
ibm er3äblen. „Non, mon amie, cela ne lui plaira
pas, il n'en faut rien dire, cela ne lui plaira absolu-
ment pas, n'en dites rien ä personne." In Offen»
bacb er3äblte icb's ber Großmutter, bie fab micb
an unb fagte: „(Dein f^inb! €in blinber (Dann,
ein armer (Dann!" - Im Hacbbaufef obren fragte
er, ob icb ber Großmutter gefagt babe, ba\5 er
micb gehüfet babe; icb fagte: „Ja." - „Hun, war
bie Grofemutter bös?" - „Hein." - „Eh bien?
est-ce qu'elle n'a rien dit?" — „Oui!" — „Et
quoi?" - „€in blinber (Dann, ein armer (Dann!"
„O oui," rief er, „eile a bien raison! €in blinber
200
(Dann, ein armer (Dann!" Unö fo rief er einmal
ums anöre : „Gin blinöer (Dann, ein armer (Dann!",
bis er enblicb in einen Schrei Öer f^lage ausbrach,
ber mir wie ein Schwert öurchs ßer3 örang; aber
meine Rügen blieben trochen, wäbrenö feinen
erftorbenen tränen entfielen. Dem ßersog ift feit»
bem ein feierliches (Donument in meinem löersen
errichtet.
lEi o 13 o la
ie 5ilberbirhe o
D D
3wei=, öreimal 3wifcben €icben unö Bucben unb
jungem, licbtem Öebüfcb, bergauf, bergab -
ba hommt man an einen §el5, glatte glänsenöe
ßafaltfläcbe, bie bie Sonnenftrablen wie ein bunl^ler
3auberfpiegel auffängt, ba3wifcben grüne ODoos»
ji^ie. f5eute morgen war icb hierher gegangen;
es ift mein gewöhnlicher Spasiergang, wenn ich
allein bin, nicht 3U weit unb boch verftecht. — Da
fah ich noch ben Hebel wie jungen f laum 3wifchen
^en S^elsfpalten hin unb her fchwimmen, unb über
mir warb's immer golbner. Die (Dorgenfchatten
3ogen ab, bie 6onne hrönte mich ; fie prallte fcharf
vom fchwar3en Stein 3urüch, fie brannte fehr ftarh,
\\e brüchte boch nicht meine 6tirn ; ich wollte eine
Rrone fchon tragen, wenn fie nicht fchärfer brücht
als bie heifee Ruguftfonne. So fafe ich unb fang
gegen bie 5elfen hin unb hörte aufs €cho, unb
bie Regierungsgebanken ftiegen mir in ben ßopf.
So nach Grunbfä^en bie Welt regieren, bie in
innerfter Werkftötte meiner Cmpfinbung er3eugt
wären, unb alles philiftertum um unb um ftofeen,
bas finb folche Wünfche, bie an einem fo heifeen
Sommermorgen mir in ben f^opf fteigen, unb
W03U Voigts Sternengefpräche einen ftarhen Rei3
geben. €r fagte, alles Gefühl, aller Begriff werbe
3U einem Vermögen; es 3iehe fich wohl 3urüch,
202
aber 3ur unerwarteten ötunbe trete es wieber
hervor - unö ha fe^;e ich mich an einfame Orte
unb fimuliere fo ins Blaue hinein unb komme 3U
nichts, 3U keinem hellen Rugenblich ; nur öafe mir
oft öas ßer3 unbänöig klopft, wenn ich bran
benke, öafe ich bas Gefchrei ber Philister, bie bes
Öeiftes Stimme mit 6runbjät3en bebrängen, burcb
bas blofee Regiment meiner €mpfinbung ersticken
wolle; ja, es war eine himmlifche Satisfaktion
für bie Rutenftreiche , womit fie blinb alle Be*
geiftrung verfolgen. Günberobe, ich wollt, Du
warft ein regierenber ßerr unb ich Dein Robolb,
bas war meine Sach, ha weife ich gewife, ha^ ich
gefcheut würbe vor lauter Cebensflamme. Rber
fo! - Ift es ein Wunber, ha^ man bumm ift? -
Unb fo war ich halb im Sonnenbranb gan3
träumerijch verfunken unb jagte im Traum auf
einem Renner wie ber Winb nach allen Welt«
gegenben unb richtete mit hober, übertragner Be=
geiftrung von Dir bie Welt ein unb kommanbierte
wohl auch hier unb ba mit einem ^ufetritt, mit
einem fluch ba3wifchen, bamit es gefchwinb
gehe; - aber Dein Dramolett 3U lefen, was ich
mitgenommen hatte, mich recht binein3uftubieren,
bas hob ich verfäumt burch bie vielen heftigen
Bewegungen meiner Seele. Ich mufete mich be*
fchwichtigen mit Schlafen, was mich befällt, wenn
mir bie Schläfe fo brennen vor beifeem €ifer in
bie 3ukunft. O Seelenbecher, wie kunftreich unb
göttlich begabt ift Dein Ranb geformt, ha^^ er bie
braufenben Cebensfluten fafet, wie unrettbar war
ich fonft über Dich hinausgebrauft. - (Dein f reunb,
203
öas Winbfpiel, hatte micb aufgespürt; es wechte
micb mit feinem Bellen unb Nvollte mit mir fpielen ;
es bellte, bafe alle helfen bröbnten unb ecboten,
es war, als wenn eine ganse ]agö los war. leb
mufete jaucb3en vor Vergnügen unb Cuft mit bem
Cier; es batte mir meinen ötrobbut apportiert,
ben icb l>en jteilen f eis binabgeworfen batte, mit
fo 3ierlicben, langbalfigen Sprüngen - fo ijt's,
wenn man einem gut ift, ^a mifet man nicbt bie
Öefabr bes flbgrunbs ; man vertraut in bie eignen
(Gräfte unb es gelingt. - Rcb, Öünberobe, es war
viel, wenn ber (Denfcb nur erft fo weit war, feinem
eignen Genie 3U trauen wie fo ein Winbfpiel.
6s legte mir feine Pfoten um t>en ßals, wie es
mir meinen löut gebracht hatte, ohne ihn 3U ver*
berben; ich nannte es 3um Scher3 €robion unb
bacbte, fo muffe ber an ber Göttin Immortalita
hinaufgefehen haben; benn es ift fo ebel unb
fchön unb hühn, unb (Denfchen fehen nicht leicht
fo einfach grofe unb ungeftört aus in ihrer Weife,
wie nere es oft finb. Der ßer3og war bem
Bellen feines f5unbes nachgegangen unb ham
hinter ben Bäumen hervor; er fragte, warum icb
ben f5unb fo nenne, ben er Cales ruft, unb fagte,
es fei ber Dame eines Wagenführers vor "Croja,
ben ber Diomebes erfchlagen. Ich 3eigte ihm Dein
Gebicht, um 3U erklären, wo mir ber Dame Crobion
herkomme; er fet3te fich auf ben fels unb las es
teilweis laut unb machte mit bem Bleiftift Be=
merhungen, bie fenb ich Dir. Du fiehft, er hat
es mit Sammlung gelefen unb bann fogar mit
Ciebe. Ich weife nicht, wie oft Dich ber 3ufall
204
begünftigen wirö bie feineren Saiten ber Seele
3U rubren, \o wirb's Dieb freuen. - Cr fragte micb,
ob icb benn bas öejcbäft verftebe? - leb fagte:
Hein! aber icb lefe es gern, weil Du meine freunbin
feieft unb micb er3iebft. €v fagte, eine f^nofpe
ift biejes kleine, forgfam vor jeber fremben Cin^
Wirkung geycbüt3te €r3eugnis, bie bie grofee Seele
ber freunbin umjcbliefet, unb in biefen fanft ge»
falteten l^eimen einer nocb unentwickelten Spracbe
fcblummern Hiefenkräfte. Die Infpiration ber
Wiebergeburt bebe abnungsvoll bie Scbwingen
in Dir; unb weil bie Welt 3U fcbmut5ig fei für fo
kinblicb reine Verfucbe, Deine Rbnungen aus»
3ufprecben, fo werbe fie biegen anfprucbslofen
Scbleier, ber Deine weit ausgreifenbe pbantafie
unb Deinen boben, pbilofopbifcben ßeift um=
fcblinge, nicbt entfalten. - leb liefe mir biefes Cob
verwunbert gefallen; er begleitete micb; icb mufete
ibm auf bem Weg von Dir er3äblen, von unferm
Umgang, von Deinem Wefen, von Deiner Geftalt;
i>a bab icb micb 3um erftenmal begonnen, wie
febön Du bift. Wir faben eine vollfaftige, weifee
Silberbirke in ber ferne mit bängenben 3weigen,
bie mitten am f eis aus einer Spalte aufgewacbfen
ift unb, vom Winb fanft bewegt, gegen bas Tal
ficb neigt. Unwillkürlicb beutete icb bin, wie icb
von Deinem Öeift fpracb unb aucb von Deiner
Geftalt. Der f5er3og fragte, bie freunbin werbe
wobl jener Birke gleicb fein, auf bie icb bin*
weife? - leb fagte: „Ja." So wollte er mit mir
3ufammen bin unb Dieb von nabem befebauen;
aber es war fo glatt unb fteil ba binan ; icb meinte
205
nicbt, bafe wir binkommen würben, - er vertraute
auf ben Cales, ber werbe uns fcbon einen Weg
ausfinben. „Was bat fie benn für löaar?" -
„öcbwärslicb glänsenb braunes föaar, bas in
freien, weicben CocKen, wie fie wollen, ficb um
ibre öcbultern legt." - „Was für Rügen?" -
„Pallasaugen, blau von färbe, gan3 voll feuer,
aber fcbwimmenb auch unb rubig." — „Unb bie
Stirn?" - „Sanft unb weife wie €lfenbein, ftarh
gewölbt unb frei, bocb klein, aber breit wie
piatons Stirn; Wimpern, bie jicb läcbelnb l^räufeln.
Brauen wie 3wei fcbwarse Dracben, bie mit
fcbarfem Blich ficb meffenb, nicbt jicb fajfenb unb
nicbt laffenb, ibre (Däbnen tro^ig fträuben, bocb
aus furcbt fie wieber glätten. So bewacbet jebe
Braue, aufgeregt in Tro^ unb 3agbeit, ibres
Ruges fanfte Bliche." - „Unb bie Hafe, unb bie
Wange?" - „Stols ein wenig unb veräcbtlicb
wirft man ibrer Hofe vor; bocb bas ift, weil alle
Regung gleicb in ibren Hüftern bebet, weil ben
Rtem fie haum bänbigt, wenn Gebanhen aufwärts
fteigen von ber Cippe, bie ficb wölbet frifcb unb
hräftig, überbacbt unb fanft gebänbigt von ber
feinen Oberlippe." - Rucb bas f^inn mufet icb
befcbreiben, wabrlicb, icb bab nicbt vergeffen, ba^
€robion bort gefeffen unb ein Dellcben brin ge=
laffen, bas ber 5 inger eingebrücht, wäbrenb weis=
beitsvolle Dicbtung füllet ibres Öeiftes Räume;
unb bie Birhe ftanb fo präcbtig, fo burcbgolbet,
fo burcblifpelt von ber Sonne, von ben Cüftcben,
war fo willig, ficb 3U beugen bolb bem Strom ber
ODorgenwinbe, wogte ibre grünen Wellen freubig
206
in ben blauen foimmel, bafe icb nicht entfcbeiben
konnte, was noch 3wifcben beiden liege, jenem
3ukömmt unb bem anbern nicbt. - Cales fanb
mit manchen Sprüngen erft ben Weg 3ur BirUe,
bann ber föer3og. Ich blieb 3urüch; ich hätte leicht
nachkommen können, aber ich wollte nicht in feiner
Gegenwart. €r fchnitt bort Buchstaben in bie
Rinbe gan3 unten am fufe unb fagte, er wolle,
[xe folle bie freunbfdDaftebirke heifeen, unb er
wolle auch unfer f reunb fein. Ich war bereitwillig
ba3u. Reh, lafe ihn, er kommt ben Winter nach
Frankfurt. €rftlich vergibt ein Prin3 leicht fo was
über vielen anbern 3erftreuungen, benn ber glaubt
gar nicht, bafs es möglich war, ba^y wenn man
fich gan3 an etwas hingäbe, ^a^ baburch gerabe
allein ber Scharfblick bie Wägungskraft ber RIU
feitigkeit entfpringe, nach ber fie alle jagen unb
fich brin verflattern, unb bann ift er auch krank
unb hat wenig gefunbe "Cage; einem folchen mufe
man alle beilenben Quellen 3uftrömen.
CD
CD
CD
CD
CD
CD
CD
CD
Lr — ^ bfcbieb o
Die I^urpinn3efe verlangte beut morgen, icb
jollte ihr noch ein Cieb fingen 3ur Gitarre,
bas fie als 3uweilen vom ?enfter gebort babe.
Das erfcbrechte micb febr, öenn ber ßer3og ftanb
babei unb 30g öen (Dunb fo hurios 3ufammen
unb fagte, er bab aucb meine Stimme gebort,
fie fei febr fcbön. Icb bätt gern ausgewicben,
aber icb füblte, bafe es unfcbichlicb war, icb bolte
alfo meine Gitarre, unb unterwegs be3wang icb
meine Rngft vor bem f5er3og, vor ber Prin3efe
bätt icb micb aucb nicbt gefürcbt, benn icb batte
fcbon oft bie Rbenbe in bem Caubgang vor ibrem
fenfter allerlei (Delobien improvifiert , weil micb
einmal eine gebeime Deigung 3U ibr anregte,
"bo^Q icb als recbt 3ärtlicbe (Delobien erfanb. Vor
bem f5er3og bätt icb micb aucb nicbt gefürcbt,
aber weil icb ben (Dorgen im Bab gefungen batte,
fo bacbt icb, er bätt's gebort unb möcbt wobl gar
bavon anfangen, unb an ben 3ettel bacbt icb
aucb. - Rber "inoi Kam mir mit einmal ein Ge*
banhe, ber balf mir brüber binaus, icb nabm
Dein Dartbulagebicbt aus meiner Brieftafcbe mit
unb fang braus, was icb "bo, oben Dir bingefcbrieben
aus bem f^opf in eine (Delobie binein. im Rnfang
war's ein wenig fteif, aber balb ging's recbt, wie
icb mancbmal felbft überrafcbt bin unb tief er»
208
fcbüttert, wie bie (DeloÖie fo viel gewaltiger aus»
brücht unb erft bas f5er3 empfinben lehrt; unb
ich wieberbolte es, ba war's fo fcbön. Rcb, wenn
icb's bocb noch einmal fo fingen Uönnt vor Dir! -
Der ßersog verlangte, ich follte noch fortfingen;
ba war icb nicht mehr bang, ich fang gleich:
«Cah sehntaujenö Schwerter ti* empören,
Usnotb follt von meiner Slucbt nicht hören,
flrban! fag ihm, rühmlich war mein Sali.
Winbe! warum brausen eure Slügel?
Wogen! warum raufcht ihr fo bahin? -
Wellen! Stürme! 6enht ihr mich 3U halten?
Hein, ihr hönnt's nicht, ftürmijche Gewalten!
(Deine Seele läfjt mich nicht entfliehn.
Wenn bes ßerbftes Schatten wieberhehren,
(Döbchen, unb Du bift in Sicherheit,
Dann versammle um Dich ethas Schönen.
Ca^ für Hathos Deine ßarfe tönen,
(Deinem Ruhme ?ei Dein Cieb geweiht." -
Unb bies 3weitemal fang ich noch beffer, mit
tieferer Stimme, unb war felbftfühliger; es finb
bie 3wei Stellen, bie ich aus Deinem Cieb aus^
wenbig weife, weil Du fie in meiner Gegenwart
gemacht haft, im Dunhel, unb fagteft 3U mir;
„Bebalt es auswenbig, bis Cicht Kommt, ich will
unterbefe weiter bichten." Unb ich wieberbolte
immer vier Verfe, bis noch vier ba3U fertig waren,
bie Du auch meinem öebächtnis vertrauteft unb
immer weiter fchiffteft im 03ean, Öünberobe. Wie
fchön war bocb bas? - Wie werb icb je Schönres
erleben als mit Dir? - Dem ßer3og hob ich
Dein ßebicht gegeben unb gefagt, es fei von Dir,
unb auch ben Don ]uan bab ich ihm gefchenht;
er lag babei; ich bacht. Du gibft mir's wieber.
Ich wollt ihm es fo gern geben, weil ich fab, ba^
209
er grofee freube bran hatte; Du gibft mir's
wieöer. - Die Rurprin3efe verlangte, ich foU ihr
bie (Delobie abfcforeiben laffen von bem Cieb, icb
fagte ja, aber wo ift bie bin? Icb weife nicht
mehr. 6ie hat mich auch noch herslich gehüfet
auf beibe Wangen, unb ber Conie fagte fie fehr
freunblich, wenn fie es erlaube, fo wolle fie ben
Straufe aus ber Bnanas mitnehmen unb 3um
Rnbenhen in ihrem Treibhaus pflan3en laffen. -
Gelt, bas war \o freunblich, unb ich will Dir*s
nur geftehen, ^a^ mir heimlich recht leib getan
hat, wie fie fort war, unb alles ham mir fo leer
vor, ba\5 ich boch brüber weinen mufete, obfchon
ich nicht wollt; ich hielt mich auch gar nicht babei
auf, eben weil ich an Dich bachte unb Dir I^eine
Untreue wollte begehen. - Wir begleiteten fie
bis 3um Wagen, unb fie fagte mir noch, wo ich
fie begegnete, ba follte ich immer 3U ihr kommen;
ich hüfete ihre ßanb unb ging 3urüct?, benn ber
f5er3og fprach noch mit ihr. — 5ein Wagen war
auch vorgefahren; er legte mir bie f5an^ auf ben
Ropf unb fagte: „Ruf Wieberfehen!" - unb lachte
mich an, unb ich bachte: Reh Gott, am Cnb hat
er ben 3ettel bem Cipps gegeben. Cr ftieg in
ben Wagen im leberfarbnen Roch, unb wie bas
Winbfpiel nachfprang unb fich 3U feinen füfeen
legte, ^a fah ich wohl fo etwas auf bem Rüchfi^
liegen wie einen weifeen (Dantel, ber hellblau
gefüttert war, aber er fah boch nicht gan3 weife
aus, fonbern mehr hellgrau; aber bie graue (Dü^e
fah ich, wie mich beucht, auch. - 3°» ich fah fie
gewife, ich wollt fie nur nicht erkennen, weil ich
Srltfdj.Strobl. 14
210
micb fcbämte; ober bas öauerte nocb eine Weile,
bafe icb micb gar nicbt tröffen konnte, uriö \o oft
mir's einfällt, werö icb auf's neue rot vor mir
felber. - Rber icb öenk nur immer, ein Prins
bat hein lang ßebäcbtnis, er wirb's balö ver*
geffen.
Rcb, wenn er's nur recbt balb vergäfee! -
Gute nocbt!
oXo
D
oxo
oxo
D
er Gärtner
Der t3ernbarbs Gärtner ift ein junger, fcblanher
(Dann; er bat eine feingebogene Hafe, blaue
Rügen, fcb\x7ar3e Wimpern, fcbwar3e föaare unÖ
bat eine fanfte Stimme - 3um wenigsten gegen
micb; benn wie er le^t Öen ßunb wollt 3urüch=
balten, öer micb anbellte, öa batte er eine febr
kräftige Stimme. - Dem (Dorit; wirb öas wunber=
lieb vorkommen, aber mir ift es keine Scbeiöe*
wanb, weil er von ber gebildeten l^laffe überfeben
wirb. €in (Denfcb von Bajfe müfete feine Raffe
aucb unter ber 6klaventracbt wittern, aber bas
ift bie Unecbtbeit bee Rbele; benn gewife ift, ^a^
bas ecbte Blut 3erftreut ift in ber Welt unb viel
ungeftempelt berumläuft, unb bocb will man nur
bas gelten laffen, was geftempelt ift. Rber bas
fag icb Dir, icb balte alle (Denfcben für unabelig,
bie ibre Raffe nicbt erkennen, aucb im f^ittel. -
Der Oärtner alfo, ber mir immer Rrbeit gibt
morgens früb. Du weifet, - icb bab ibm bie ab=
geblübten febernelken von Rabatten gefcbnitten,
icb bab bie €rbbeeren umgefe^t, icb bab bie
Reben ausgelaubt, icb bab bas Öeifeblatt binben
belfen, icb bab bie pfirficb fpaliert, icb bab bie
Heiken geftengelt, icb bab bie (Delonenräuber
ausgebrocben, unb nocb mancberlei anbers bab
icb immer morgens früb tun belfen, wenn icb in
14*
212
ber Srüb 3um (Dainufer lief, weil icb fcbreiben
wollt oöer bicbten für öen Clemens, unb es wollt
nicbt gebn, weil mir nichts einfiel, weil bie Hatur
311 grofe ift, als bafe man in ihrer Gegenwart ficb
erlaubte 3U öenUen; ba bab ich benn mit bem
Oärtner lieber €rbfen gepflücht, als auf Öer Cauer
nach grofeen Geöanhen - ba bat mir ber Gärtner
als immer einen Straufe verehrt, erft recht fchön
voll unb feltne Blumen, bann weniger unb ein*
facher. ich benk, weil ich alle tag ham, es war
ihm 3U viel, aber 3ulet3t - es war gerab am Tag,
wo ich 3uchererbfen brach, ^a gab er mir blofe
eine Rofe unb Da bab ich fo nachgebacht
unb bin brüber eingefchlafen. - Die Rofe bab
icb mit ins Bett genommen. ~ Was joll fie im
Glas langsam welken - überall follt man ein
ßeiligtum ber Hatur mit herumtragen, bas frei
macht vom Böfen. Wer hann in Gegenwart einer
Rofe nicht mit eblen Gebanhen erfüllt fein? Ich
hab's lieb, bas Röschen, mit bem ich gefchlafen
bab, - es war matt, nun bab ich's ins Wafjer
geftellt; es erholt fich. - Ich bin fo bumm, ich
fchreib fo einfältig 3eug - ber arme Gärtner. -
Ich war beut morgen braus unb hob mir ben
Bfchenhran3 3um Ball beftellt - wie Du's gefagt
baft. - Bber gelt, ber (Dori^ bat Dir's gefagt,
ich foll ^>en Rran3 auffegen? - Ich kam bin 3um
Gärtner ; er ftanb 3wifchen ber tür vom Boskett
unb bem Blumengarten gelehnt; gewife, er hat
auf mich gewartet, benn ich war fchon 3wei tage
nicht ^a gewefen. Rber geftern abenb, wie ich
fchlafen ging, Z>a hatt ich mir feft vorgenommen,
213
icb wollt gewife heinen (Denfcben unglüchlicb
macben, oöer beffer, icb wollt gewife jeöem geben
an Glüch, was icb l^ann. - Unb mir joll nicbts
3U gering fein, unb was ift ebrenber, als wenn
Du mit einem Blich ober Wort wobltun l^annjt. -
nun bör nur mein lieb Gefpräcb mit bem Oärtner
an. - Weil icb kam, fo fagt icb: „leb bätt wobl
eine Bitte an ben Rnton." (Denn icb rebe ibn
nicbt anbers an, benn icb mag ibn nicbt ,er' nennen.)
„Icb geb auf l>en Ball beut, unb t>a möcbt icb einen
f^ran3, unb weil icb gar nicbt vergnügt bin, ^a^
icb 3um Zan-^ foll geben, fo wollt icb einen
traurigen f^rans gern baben von Rfcbenhraut,
unb heine Blumen wollt icb gar nicbt. Ift wobl
fo viel Bfcbenhraut ^a^ ba^ wir einen Rran3
hönnen macben, obne bie Büfcbe 3U verberben ? -
Da ging er voran unb bracb mir eins nacb bem
anbern, unb icb banb's am Drabt feft. €r batte
mir bocb nocb kern Wort gefagt unb legte mir
bie Sproffen nacbeinanber auf ben öcbofe; icb
fafe auf ber Blumenbanl^ am üreibbaus. €r rüchte
bie Blumen über mir unb um micb ber 3ufammen,
wäbrenb icb meinen [^ran3 flocbt, unb bolte nocb
mebrere aus bem treibbaus, "öa^s icb wobl merh?t,
icb war gan3 eingerabmt, unb ba war eine grofee
purpurrote Paffionsblume, bie bing berab an
meiner Seite. €v fcbnitt fie ab unb legte fie
fcbweigenb an bas Öeflecbt; icb banb fie aucb
fcbweigenb mit ein, icb probierte ibn auf, er war
weit genug; er nabm ibn mir aus ber ßanb, ftreifte
ficb ben Ärmel auf, mafe am Rrm bie Cänge vom
Rran3 unb banb ibn felber feft, fcbnitt bie über«
214
flüffigen Stiele unö Blätter ab unb gab ihn mir.
Das alles war fcbweigenb gefcbeben. „Cs i^t beut
fo fcbönes Wetter," fagte icb; „finb icb Cucb morgen
im Garten - wenn icb früb homme?" - „O, bas
werben 5ie wobl verfcblafen, weil 6ie bie Hacbt
burcbtansen." „O nein, um balber 3wölf fabr icb
fcbon wieber 3urüch, unb Ibr könnt micb beim*
fabren boren an Curer Wobnung vorbei; - icb
fabr im f^abriolett, nur mit einem pferb bier
vorbei, ha könnt Ibr boren, ob icb Cucb nicbt
Wort balt. Da! icb geb Cucb meine ßanb brauf." -
Cr warb rot, ber Gärtner, als icb ibm bie f5anb
reicbte unb's Scbnupftucb fallen liefe, bas er mit
ber anbern fianb auffing unb mir reicbte; icb fab
es an, nabm's ibm aber nicbt ab. — leb jagte:
„Der ßran3 ift unbe3ablbar, Ibr babt ibn aus
ber (Ditte von jebem Bufcb gefcbnitten; - wie
werb icb's €ucb lobnen? leb werb ibn €ucb
wiebergeben muffen!" - „]a," fagt er plö^licb, -
„ber I^ran3 gebort mein." „Hun," fagt icb, „ver=
lafet €ucb brauf, icb bring ibn wieber."
Geftern um balb acbt Ubr fubr icb mit ber
Tonie auf ben Ball; auf bem Weg nacb bem
f orftbaus waren bie Ceute vom (Doritj mit fachein
3U pferb unb begleiteten bie Wagen. Von weitem
war's ergö^licb, all bie fachein galoppierenb
burcb ben bocbftämmigen Weg im Walb. Das
Wälbcben war mit bunten Campen erleucbtet.
Rcb, wie fcbön war's! - Unb ba3u läcbelten bie
unenblicben öterne. - Der (Dorit3 empfing uns;
icb fagte: „Rcb, wie fcbön ift's bier!" - „ja? -
gefällt Dir's? - Du bift aucb fcbön!" - Unb fo
GS
215
ging er wieber. — Beb, ich war fo vergnügt —
icb mufete läcbeln mit mir, - es wed^te micb aus
öem Traum, als icb tan3en mufete, unb ber Traum
war fo fcbmeicbelig felbjtvergejfen - mitten im
Getümmel ein Wonnegrab. Da Kamen öie Grabes*
fcbauer mir nacbgeflogen unÖ wechten Gebanhen»
feelen, in ber Bruft begraben, bie gaul^elten über
mir im Blauen, unb ber Zag beut Spiegelt bie
Hacbt unb bie Hacbt wieber ben Tag; bie ift fo
bellglänsenb , "ba^ bie Sterne erblaffen, unb ber
Tag fo fcbattig, fo hübl, t>a^ bie Sonne nicbts
vermag. - Beim Hacbteffen l^am ber (TDori^; wir
fafeen an kleinen Tifcben, icb am onerierten mit
ber pauline Cbameau unb Willig. Der (Dori^
fe^te ficb neben micb; er fragte: „Wer bat beut
Ibre Toilette beforgt, fo einfacb, fo originell! -
bie blaue Scbärpe! was bebeuten bie blauen
Bänber? - unb ber graue Rransl - wer bat
ben afcbgrauen [^ran3 beforgt?" - leb fagte:
„Der Wiberball." - „Gris de cendre, joyeux et
tendre, fo mufe benn ber Wiberball freubiger
3ärtlicbl^eit an Ibr Obr gefcblagen baben?" -
Cr ging. - So ein Ciebesgefpräcb , mitten an
offener Tafel, von keinem verftanben, nur von
mir, fo leicbt, fo luftig - wie nimmft Du's? -
Ift's nicbt Blütenftaub, vom lauen Weftwinb Dir
ins Geficbt gewebt! - ]a, alles muffen wir ber
Hatur vergleicben, was voll heiteren €nt3üchens
uns burcbbringt, nicbts anbers hann's ausfprecben
noch wiebergeben im Bilb. Will icb mir von jenen
Worten bie Regung im ßer3en lebbaft wieber in
bie Sinne rufen, fo mufe icb bocb an Blütenbäume
216
öenhen, öie ihre Öejcbenhe öem (Dorgenwinb auf
bie flügel laben für micb, unb bann fcbauert's
mich jo früblingsmöfeig, wenn ich bas benke. -
Bis wir alle wegführen, bie öcbwägerinnen im
Stabtwagen 3uerft, unb ich ins bobe, luftige Gig
vom Oeorge, l>a liefe ber (T)orit5 feinen (Dantel
bolen, mir auf bie Süfee 3U werfen, weil's Nübl
fei; er fragte, ob ich frob gewefen fei? - ,Ja!"
fagte icb, „alles war fcbön unb ftimmte ineinanber,
ber Rafenteppicb unb bie bunten Cicbter unb bie
Sterne am ßimmel, raufcbenbe Bäume unb bie
(DufiK ber Geigen unb flöten, unb auch bie ber
füfeen Reben." - €r brüchte mich an ficb unb
fagte: „Du warft bie Königin vom S^eft, Dir bab
icb bie Cicbter ange3Ünbet unb bie flöten rufen
laffen; es fcbmeicbelt mir unenblicb, l>a^ Du 6e=
fallen batteft bran, unb fcbenh mir was 3um Cobn
unb 3ur Erinnerung ber fcbönen Hacbt." - „leb
bab nicbts. Was foll icb Ibnen geben?" - „Der
I^ran3 ftebt Dir 3U gut, ben will icb nicbt; gib
mir bie blaue Schärpe, ich will fie beut nacht
um ben ßals fcblingen." Ich gab fie ihm; - er
hob micb ins 6ig, warf mir feinen (Dantel über,
vier Reiter jagten mit fachein burch ben Walb.
Wie war mir's boch? €in 3auber - fo fcbnell
bie Schatten ber Bäume - im flammenfchein
verfchwinbenb, - unb wieber ^a gleich im ftillen
Hachtbimmel; ich freute mich - es bauerte fo
eine Weile, liQ\s bie Sterne mit ben fachein um
bie Wette mich auffingen, unb als wir vor ben
Walb hamen, l>a war ber (Donb aufgegangen.
Da waren bie Reiter ebenfo fcbnell wieber in ben
217
Walb 3urüch unb jagten \X7ie bie Pfeile; icb fab
ihnen nach, mein Blich war gan3 trunken vom
f lammenwinö, ber Öa öurcbbraufte. Schreib bies
ins f5er3, fagt icb mir beimlicb, bas ift bein Ceben.
Wie ein fliegenber §euerbracbe ift Dein Geift ; er
leuchtet bie beilige Hatur an, ihre bunhlen Räume ;
mit beifeer, burftiger 3unge lecht er an ihr hinauf,
aber vermehrt fie nicht. — Der Drache ift nicht
wilb unb giftig, nein! 3abm unb fanft auch; er
fchwingt fich in 3ärtlicber Unruh im l^reis unb
jtrömt feine f euer in fanften Caven in bie Bäche
am Weg, unb fein glübenber Rtem erlifcbt in ben
nachtnebeln, ^a, ber Drache ift 3ärtlich unb
liebenb auch, nicht giftig unb tötenb; nur will ihn
heiner verftebn, unb alle fürchten fich vor ihm,
aber nicht Du, meine öünberobe. Du fcheuft ^en
Drachen nicht, Du hofeft ihm unb legft feinen
§lammenrachen 3ärtlich in Deinen öchofe. - ]e^t
war idj aufgewacht aus meinen träumen; ich
nahm bem Reitknecht an meiner Seite bie 3ügel
unb jagte burch bie breite €bene, gan3 im (Donbs
licht fchwimmenb. - Ach, wie luftig! - allerlei
Ölüchsempfinbung! - (Dit Dir bab ich ben pinbar
gelefen. Du baft auf Deinen Cippen bie Begeiftrung
aufgefangen unb mir auf bie Seele geträufelt.
Wenn ber Sänger mit faufenben Schwingen babin=
flog, an uns vorüber! - Weifet Du's noch? —
„Dabin rafte ber beifebraufenbe ßymnenfturm
Catonens Sohn 3um preis!" - Weifet Du's,
Günberobe, noch ? - Das Cicht war ausgebrannt,
Du lagft auf bem Bett, bie Seele voll Rlang,
unb wieberbolteft bie Verfe in fefterprägenben
218
RbYtbmen, wo ich bas Versmafe finken Hefe, unb
bei öer Dacbtlampe las icb weiter:
ßört mich, ihr Söhne ftolser Beiben unb ber Oötter! -
Denn icb verhünbe biefem meergepeiticbten Canb,
einft werbe Cpapbus Tochter eine Stäbtewursel pflansen
Ruf bes Bammoniers Boben, ben Sterblicben 3ur Wonne,
Die hursbefieberten Delpbine vertaufcben alsbann
(Dit ^cbnellen Rojfen >werben fie, bie Ruber mit 3ügeln, -
Unb jagen auf fturmfüfeigen Wagen babin.
leb nabm biefe let5ten 3eilen 3wifcben bie
Cippen von 3eit 3U 3eit unö ftiefe fie im Gefang
binausrufenb in öie weit fcblafenbe, einfame Weite,
unö öer (Donb eilte mit binter leicbtem Oewöll^
bervor. „ßörft Du aucb wieber bie alten ßymnen,
Catone, Deinen ööbnen gelungen," rief icb. -
Unb fo füllten ficb allmäblicb meine Sinne unb
raufcbten auf, als feien fie von einem Warfen*
rubrer er jcbüttert mit golbnem piehtron unb jugenb*
braufenbem (Dut. - Glüchlicbe Hacbt, wo bie
Gebanl^en wie ßlüten im öübwinb ficb auftun,
fröblicber ßoffnung voll, - unb ein Gefübl beitern
Gefcbiches wie glän3enbe Strahlen aus ben
feurigen 13lit3en ficb ergiefet, bie ber Dracbe in
bie l^üblen ODonblüfte fpie!
So kamen wir nach Offenbacb; icb wenbete
linhs ab, ftatt in bie Domftrafee 3U fabren; ber
Reithnecbt wollt mir in bie 3ügel greifen, weil
icb ben Weg verfeble; icb webrte ibm, unb fo
fuhr icb rafcb am Boskett vorüber, wo bie Pappeln
fo anmutig ficb neigten, fo fcbücbtern raufcbten,
als wollten fie micb grüfeen. Icb lenhte in ben
engen Weg nacb bes Gärtners ßaus, icb batte
gefagt um balb 3wölf Ubr, es war brei Ubr in
S29 ==^-- 219
Öer Hacbt, öer Zag war im Rufwacben ; ber Gärtner
ftanb vor feiner Züv unb nahm bie (Dü^e ab, als
er micb kommen borte. „Guten (Dorgen," fagte
icb, „beut werb icb nicbt in öen Garten kommen,
icb will ausfcblafen; öa ift €uer f^ran3," unb lenkte
wieöer um, voll Vergnügen, öafe icb's burcbgefübrt
batt mit Öem Rran3, öenn icb war unterwegs voll
3weifel, ob icb's tun folle ober nicbt. - Dem
(T)orit3 ben Gürtel, bem Gärtner ben ßranj, fagte
icb mir immer; aber eine innere Stimme fagte
mir, warum foll ber Gärtner ben f^ran3 entbebren;
er gebort bocb fein, unb er war ibm früber ver»
fprocben. Unb bann füblt icb, wie web es ibm
tun werbe, wenn xdb mein Verfprecben nicbt
balten würbe, unb wie bas obne Cüge nicbt ab=
geben könne; icb muffe ibm fagen, ber fkran^
fei verloren ober 3erriffen, unb bas war eine
boppelte Unacbtfamkeit unb muffe ibn boppelt
verletsen; nein, icb mufet ibn ibm geben. (Deine
Seele war orbentUcb leicbt, als er bingeworfen
war unb er ibn mit ber ßanb auffing ; er errötete
fo freunblicb, grab mit ber (Dorgenröte, bie auf=
ftieg. - Dem ODori^ ^en Gürtel, ibm ben f^rans!
3a, beiben gebört's. - Denn beibe finb freunblicb
gefanbt vom Dicbtergenius , ber in ber lautlofen
Stille, wenn's von (Denfcben nicbt gewufet ober
nicbt bebad^t, mir burcbs Cabyrintb ber Bruft
fcbweifet in bie Hacbt. -
So bab icb gefcblafen bis (Dittag ; ba bracbten
fie mir einen Straufe, ber war mir aus bem
Boskett gefcbickt worben. - ßör nur, was bas
für ein Straufe war unb wie wi^ig ber Gärtner
220
ift; unb wie gebunben, unö was bas bebeuten
mag. - In ber (Ditte eine (Doosrofenhnofpe, ^a
herum Vergifemeinnicbt unb ßeibehraut, bie einen
Rran3 bilben; bann runb herum höher herauf
Wacbbolber3weige unb Tleffeln; bie fcbirmt wieber
allerlei Dornwerk unb Caub, was höber fteigt,
fo 3ierlicb gebunben wie ein Reich, in beffen tiefster
(Ditte bie (Doosrofe glüht. Das lefe ich fo: Die
(Doosrofe ift mein Gejcbenh, ber f^rans; bas ßeibe*
kraut, was bie Roje fchirmt, bas ift ber befcheibne
Gärtner, eine Blume, wie fie unsählig fich auf
bem Selb ausbreitet, bie Vergifemeinnicbt, bas ift
bas ewige Rnbenhen. €r wirb's nimmer ver*
geffen, ba^ ich ihm ben Rran3 gefchenht hab;
ber Wacbholber ift ber fchlichte Weihrauch, ben
er meiner Gabe als Opferrauch buftet; bie Heffeln
bebeuten, ba\5 es ihm im ßersen brennt unb
fchmerst; bas Dornwerk unb bas Caub, was runb^
um in l^elchform auffteigt, bie Rofe 3u verbergen,
bie fagen, ba^ es in feinem f5er3en foll geheim
bleiben, unb ba^s er es im ßer3enskelcb vor aller
Rügen ftill bewahren wolle.
Von Frankfurt hob ich Rbfchieb genommen,
wie ein ßas übers befchneite Se\b jagt ; man fieht
kaum feine pfötchen im Schnee, unb es war auch
kein yogev bQy ber mich gern gefchoffen hött.
Beim Primas war ich fehr luftig auf ber f aften»
mahl3eit; wie ich Rbfchieb nahm, fagte er: „Ich
freu mich auf Ihre Wieberkunft," unb nahm mich
bei ber ßanb unb begleitete mich burcbs Vor»
3immer. In Offenbach hob ich alles mit ber Grofe»
mutter befprochen, aber in ben Garten, ber nicht
C2I
221
mehr raufcbt, honnt icb nicbt geben, um RbfcbieÖ
3U nehmen, fo gern icb gewollt bätt, unb lieber,
als von allen anbern, öenn icb war vertrauter
mit ibm; bann war icb aucb beim Gärtner unb
fragte, ob er meine Bäume ins Winterquartier
wollt nebmen, unb wenn Du aus bem Rbeingau
kämft, fo würbeft Du ben (Kanarienvogel abbolen.
er fragte, ob icb ben nicbt bei ibm wollt laffen;
icb verfpracb ibm, ^>Q^y wenn Du einwilUgft, fo
barf er ibn bebalten. Unb einer kleinen IKoketterie
macbte icb micb aufs pläjierlicbfte fcbulbig: icb
nabm ^en Vogel aus bem f^äfig, hüfet ibn auf
fein hlein Scbnäbelcben unb fagt: „Rbieu, lieber
Gärtner." Bis icb 3ur Örofemutter 3urüchkam,
war's fcbon balb Hacbt, bie (Deline unb tonie
wollten 3urüchfabren; icb bat fie, nocb eine Viertel
ftunb 3U bleiben, unb wie es fcbon gan3 Hacbt
war, ^a bab icb micb bocb in ^en Garten ge=
fcblicben unb bab bie Rügen 3ugemacbt, bis icb
an ben Pappeln war, unb bab fie alle getröft mit
Worten ; benn icb bacbt, wer weife, wie mir's gebt,
ob icb nicbt aucb einmal fo troftlos bafteb. Sollt
ficb ba mein Sreunb vor mir fcbeuen, weil's ibm
3U traurig ift? -
[^
o=o _ OgO „ OgO
ie GDarburger 6tubenten
O O O'
pz eut morgen bin icb aus bem Bett gefprungen,
U um Öas eis mit meinem ßaucb 3U fcbmelsen.
Um halb ocbt hamen ötubenten ben Berg beraub
gejubelt; es war nocb öämmerig unö öer Hebel
fo öicbt, bafe fie wie öcbatten blofe burcb»
fcbimmerten. Die (Deline unö icb feben jeöen
(Dorgen mit grofeem Gaubium, wie fie 3U unferm
Profeffor Weife ins Rolleg marfcbieren; - fie
können uns nicbt feben, öenn unfre fenfter finb
bart gefroren; wir fteigen auf öen Ofcb unb
baueben an öer oberften Scbeibe ein Cöcbelcben
ins €is, wo geraö ein Rüg burcbfeben kann. €in
jeber bat ein verfcbiebnes Rbseicben, treiben ficb
immer eine Viertelftunbe berum, bis fie im Gang
nacb bem l^olleg verfcbwinben, ben ber profeffor
Weife prä3is acbt Ubr auffcbliefet ; inbeffen treiben
fie lauter Übermut. Wir bacbten fcbon, ba^ fie
vielleicbt uns 3U €bren bie grofeen 5ät3e macben
von einer Trepp 3ur anbern, einer über bes anbern
Ropf weg ; fie können uns 3war nicbt feben, weil
223
bie f enfter verhängt finb unb je^t aucb gefroren,
fo leuchten ihnen Öoch unfre grünen Vorhänge
gan3 myftifch in bie Rügen. Uns macht's taufenb
Spafe; bie Ciebfchoft mit bem gan3en l^olleg ift
im heften Gang ; wir haben fie geteilt. Die (Deline
fagt: „Der ift mein," unb ich: „Der ift mein." 60
haben wir 3wei Regimenter, unb ihre Balgereien
werben mit grofeer freube unb Triumph belacht.
]ebe Partei hat einen löauptmann; ber eine mit
ber roten (Dü^e, bie er nie auf bem l^opf hat,
fonbern immer auf einem bichen 6toch (ber ötubent
nennt ihn „3iegenhainer") herumfchwenht , ift
meiner, er ift immer ber erfte auf bem pia^.
Die anbern verfammeln ficb um ihn unb hören
3U, was er fagt; er mag wohl bas ßaupt einer
Burfchenfchaft fein. €r ift fo jung unb fchön, er
ift ber gröfete von allen; wenn er ben (Dunb auf=
tut, l^ommt eine grofee Dunftwolhe heraus, bie
fe^t fich gleich als Reif an feinen l^leinen Bart,
mit bem er fehr grofe tut, benn er 3ieht ihn alle
Rugenblich burch bie Finger. Wir nennen ihn
ben Blonben, er hat braunes ßaar, er hat aber
ein fo blonb^fonnig Öeficht, bas mit feinen roten
Bachen fo freunblich burch ben (Dorgennebel
lacht, unb bann hat er auch einen hellen Roch.
Der (Deline ihrer helfet ber Braune, ber ift gan3
blonb, aber er hat einen braunen Roch; biefer
trägt eine blaue ODütse mit einer Quafte, bie ihm
auf ber Hafe herumfpielt. Cr fitst gelaffen auf
ber (Dauer unb fieht 3U, wenn bie anbern ficb
mit Schneebällen werfen, ringen, übereinanber
wegfpringen, ba3u ringelt er fich feine blonbe.
224
ftrablenbe pböbuslochen über öie Singer. leb
beneib ibn oft ber COeline unb wollt ibn mit
einem Rnfebnlicben aus meinem Regiment um=
taufcben, aber jie will ibn nur gegen meinen
General, ben Blonben, herausgeben; bas will
ich nicbt.
ofloQo oö^D^ o[]o|Jo
Vorgefiern waren wir im „£gmont"; fie riefen
alle: „ßerrlicb!" Wir gingen noch nacb bem
Scbaufpiel unter öen monbbefcbienenen Cinben
auf unö ab, wie es frankfurter Sitte ift, öa hört
icb taufenbfacfoen Wiberball. — Der kleine DaU
berg war mit uns; er hatte Deine (Dutter im
Scbaufpiel gefeben unb verlangte, icb folle ihn
3U ibr bringen. Sie war eben im Begriff, Dacbt*
toilette 3u machen, öa fie aber borte, er komme
vom Primas, jo liefe fie ibn ein; fie war fcbon
in Öer weifeen Hegligejacke , aber fie batte ibren
l^opfput3 nocb auf. Der liebenswürbige , feine
Dalberg fagte ibr, fein Onkel babe von oben
herüber ihre freuöeglänsenöen Rügen gefehen
währenb ber Vorftellung, unb er wünfcbe fie vor
feiner flbreife noch 3U fprechen, unb möchte fie
boch am anbern Zag bei ihm 3U (Dittag effen.
Die (Dutter war fehr gepult bei biefem Diner,
bas mit allerlei fürftlichkeiten unb fonft merk=
würbigen perfonen befe^t war, benen 3ulieb bie
(Dutter wabrfcheinlich invitiert war; benn alle
brängten ficb an fie heran, um fie 3U feben unb
mit ibr 3U fprechen. Sie war fehr heiter unb
berebfam, unb nur von mir fucbte fie fich 3U ent=
fernen. Sie fagte mir nachher, fie habe Bngft
gehabt, ich möge fie in Verlegenheit bringen ; ich
Sriticb-Strobl. 15
226
glaube aber, fie bat mir einen Streich gefpielt,
benn öer Primas fagte mir febr wunöerlicbe
Sachen über Dich, unb öafe Deine (Dutter ihm
gefagt habe, ich habe einen erhabenen öftbetifchen
Sinn. Da nahm er einen fchÖnen €nglänöer bei
ber ßanb, einen Schwager öes Coro Helfen, unö
fagte: „Diefer feine (Dann mit öer ßabichtsnafe,
öer joU Sie 3U Z\\cb führen; er ift ber fchönfte
von öer gansen Gefellfchaft ; nehmen Sie vorlieb."
Der englänber lächelte; er verftanb aber nichts
bavon. Bei Tifch wechselte er mein Glas, aus
öem ich getrunl^en hatte, unö bat mich um €r*
laubnis, öaraus 3U trinl^en, öer Wein würbe ihm
fonft nicht fchmechen ; öas liefe ich geschehen, unb
alle Weine, öie ihm vorgefe^t würben, bie gofe
er in bies 6las unb trank fie mit begeisterten
Blichen aus. €s war eine wunberliche Tifcb*
Unterhaltung; halb rüchte er feinen Sufe bicht an
ben meinigen unb fragte mich, was meine liebfte
Unterhaltung fei; ich fagte: „Ich tanse lieber als
ich gehe unb fliege lieber als ich tanse," unb
babei 30g ich meinen fufe 3urüch. Ich hatte
meinen kleinen Straufe, ben ich vorgeftecht hatte,
ins Wafferglas geftellt, bamit er nicht fo halb
weihen folle, um ihn nach tifch wieber vor*
3uftechen. Cr frug: „Will you give me this?"
Ich nichte ihm, er nahm ihn, baran 3U riechen,
unb hüfete ihn; er ftechte ihn in ben Bufen unb
hnöpfte bie Wefte brüber 3U unb feuf3te, unb
^>a fab er, 1>q^ ich rot warb. - Sein Geficht über«
gofe fich mit einem Schmel3 von Sreunblichheit ;
er wenbete es 3U mir, ohne bie Flügen auf»
227
3ufcblagen, als wolle er micb aufforöern, feine
wohlgefällige Bilbung 3U beacbten; fein fufe
fucbte wieöer öen meinen, unb mit leifer Stimme
jagte er: „Be good, fine girl." - leb honnte ihm
nicbt unfreunblicb fein, unb öocb wollte icb gern
meine Cbre retten. Da 30g icb Öas eine €nö
meines langen Gürtels um fein Bein unö banb
es gefcbicht an bem tifcbbein feft, gan3 beimlicb,
bafe es niemanö fab; er liefe es gefcbeben. Icb
fagte: „Be good, fine boy." — Unb nun waren
wir voll 5cber3 unb Wi^ bis 3um €nb ber Tafel,
unb es war wirhlicb eine 3ärtlicbe Cuft 3wifcben
uns, unb icb liefe ihn febr gern meine iöanb an
fein f5er3 3ieben, wie er fie l^üfete.
Der Primas bat micb aucb einlaben laffen,
wie er borte, "öa^ icb von Weimar homme; icb
follte ihm von Dir er3äblen. Da bab icb ibm
allerlei gefagt, was ibm freube macben l?onnte.
Dein (Däbcben batte ficb geput5t; es wollte Dir
€bre macben. Ja, icb wollte fcbön fein, weil icb
Dieb liebe, unb weil es bie Ceute wiffen, bafe Du
mir gut bift. Cin rofa Rtlasl?leib mit fcbwar3en
öamtärmeln unb fcbwar3em Bruftftüch, unb ein
fcböner ötraufe buftete an meinem ßersen, unb
golbne Spangen bielten meine fcbwar3en Cochen
3urüch. Du baft micb nocb nie geputst gefeben;
icb hann Dir fagen, mein Spiegel ift freunblicb
bei folcber Öelegenbeit, unb bas macbt micb febr
vergnügt, fo M\s icb gepult immer febr luftig
bin. Der Primas fanb micb aucb bübfcb unb
nannte bie färben meines l^leibes prejuge vaincu.
^Hein," fagte icb, „Marlborough s'en va-t-en guerre,
15*
228
qui sait quand il reviendra." - „Le voila de
retour," fagte er unb 30g meinen €nglänber her*
vor, öer vor brei Wod^en mit mir bei ihm 3U
(Dittag gegeffen hatte. Hun mufete \db wieber
neben ihm [xi^en beim Souper, unb er fagte mir
aud^ englijdD allerlei Särtlidoheiten , bie xdb nid^t
verfteben wollte, unb worauf \db ihm verkehrte
antworten gab. 60 war idD fehr luftig. Wie id>
fpöt nacb f5aufe Kam, ^a buftete mein SdDlaf*
3tmmer von Woblgerud?, unb ba war eine hohe
Blume, bie biefen Duft ausftrömte, bie '\db nodj
nie gefehen hatte, eine l^önigin ber Had^t; ein
frember Bebienter, ber nidDt beutfdD fpredjen
konnte, hatte fie für midD gebradDt. Das war
alfo ein freunblid^es Öefd^enk vom €nglänber,
ber in biefer HadDt nodD abgereift war. \db ftanb
vor meiner Blume allein unb beleudDtete fie, unb
ihr Duft fdDien mir wie ein ^empelbuft. - Der
Cnglänber hat's verftanben, mir 3U gefallen.
SDä ° sua ° SOS
Unter freunbinnen o o c ^^^^
= DOOO = DOOD == OOOO ^§5
Der Rrnim harn 3U uns ins Stift unö fragte,
ob man bei öem berrlicben Rbenb nicbt wolle
hinaus nacb öer grünen Burg ; fo wanberten wir
bei Bbenbfcbein bie ftillen SelÖwege. leb lief
immer voraus, wenbete um unb fab bie beiben,
vom Untergebenben Zag mit einem Hymbus um=
fangen, fcbreiten, mebr fcbweben - optifcbe
Wirkung bes Cicbtes, bas feinen öonnenbarnifcb
abgelegt batte! - Das Cicbt, wenn es nicbt tbront,
\\i milb, einfach, befcbeiben, kinblicb unb wohl
gar wie ein f^inb 3um Spielen geneigt. - So
auch ber Weltberrfcher ; im Sonnenfeuer feiner
(Dacht burchglübt er alles mit Geiftesfeuer , ihm
mufe werben, was feines Willens ift; aber wenn
er ficb enthleibet biefer Gewalt, ift er wie ein
f^inb! - Der Arnim fiebt boch königlich aus!
Die Günberobe auch. Der Brnim ift nicht in ber
Welt 3um 3weitenmal, bie Günberobe auch nicht.
Die beiben geben ^a nebeneinanber an biefem
fchönen, heitern Rbenb. Bber bort kommt ein
Gewitter! Die Winbe hehren vor uns ben Weg;
wir muffen eilen! Wir fangen an 3U traben, wir
wollen eben in Galopp uns fe^en, ergiefet bas
fchwar3e Gewölk ficb über uns; unten bli^t es,
bie Donner fchlagen ihre Wirbel. Wir erreichen
einen bichtlaubigen l^aftanienbaum ; bie Regen=
230
flut läuft an feinen breiten, bängenben Aften
binab; öicbt am Stamm ift's trochen. Der Rrnim
breitet feinen grünen (Dantel um uns; bie
Günberobe bat mit bem fragen ben Ropf ge«
fcbüt5t; icb konnte es aber nicbt brunter ausbauen,
icb mufete feben, was am ßimmel paffiert. Da
3ogen bie Regenfcbicbten nacbeinanber vorüber,
es war ein Öewübl. 6an3 fo ftell icb mir bas
Wetter vor unter ber Crbe, wenn ^a ein Poftament
von Wolhen war, auf bem fie tbronte. - I^ur3,
es war entweber bas unterste Raturgeftell , was
mit bem Öewanb ibrer färben unb öcbönbeits«
fcbmel3 verbecht ift, unb fie batte bies ein bifecben
3U bocb gefcbür3t, ober es war bie f^ebrfeite ber
RuUffen, binter bie man wirft, was nicbt foU an ^en
Zag kommen. Rber Hacbt unb Dunkel kommt
ja aucb an ben Zag; um fo beller ber leucbtet,
um fo bunkler fie uns brobt. - €in Weilcben
gefiel mir bies böfe R benteuer. Arnims wunber*
f cböne Jugenbnäbe elektrifierte micb ; icb opponierte
bem Gewitter mit allerlei vom 3aun gebrocbner
pbilofopbie, bie nicbt ßanb unb füfee batte unb
naffe Slügel, bie liefe fie bangen. - Wir gingen
weiter ; jet3t, wo ber Winb bie Wolken ins Gebet
nabm, riffen fie aus. Die Günberobe würbe ins
Bett gefteckt; wir follten bie Hacbt bableiben. Wer
war frober wie icb. €ine fcböne 6ommernacbt
unter einem Dacb mit bem Rrnim, mit Günberöb*
eben burcbplaubert; - bocb baben wir uns ge*
3ankt. Wir ftiegen bie Ceiter ber Begeiftrung
binan in unferm Hacbtgefpräcb , eins überbüpfte
bas anbere, oben 3ankten wir einanber, ba^ wir
231
nicbt in ihn verliebt feien; bann sanhfen wir
einander, bafe wir hein Vertrauen hätten, uriö
wollten's nicht geftehen, bafe wir ihn boch liebten.
Dann rechtfertigten wir uns, bafe wir es nicht
täten, weil jebe geglaubt hatte, ^a^ bie anbre
ihn liebe; bann verföhnten wir uns, bann wollten
wir grofemütig einanber ihn abtreten, bann sanMen
wir wieber, ba^ jebe aus Örofemut fo eigenfinnig
war, ihn nicht haben 3U wollen. €s fehlen €rnft
3U werben, benn ich fprang auf unb wollte mein
Bett von bem ihrigen wegrüchen aus lauter 3orn,
ba^ fie ben Rrnim nicht wollte. Ruf einmal hörten
wir huften unb fich tief räufpern. fleh, ber Brnim
war burch eine bünne Wanb nur von uns ge-
fchieben; er l^onnte beutlich alles vernehmen. €r
mufete es gehört haben; ich fprang ins Bett unb
bechte mich bis über bie Ohren 3U. Uns klopfte
bas Iöer3 wohl eine halbe Stunbe, keins muckfte
mehr bie gan3e flacht. - Rrti anbern (Dorgen
früh um fechs Uhr fah ich 3um fenfter hinaus
ben Rrnim fchon unter ben Cinben fpa3ieren
geben. Je^t wollten wir boch probieren, ob er
uns gehört könne haben. Ich ging ins Heben*
3immer, bie öünberobe fprach ungefähr basfelbe
unb ebenfo laut wie am Rbenb. Ich legte mein
Ohr an bie Wanb unb hörte teilweis, aber nicht
alles; als ich aber fah, ba^ fein Bett grabe an
ber Züv ftanb unb bas öchlüffelloch mit bem
t^opfkiffen auf gleicher ßöhe ftanb, unb ba^ man
ba alles beutlich hören konnte - wie 3wei marobe
Schiffer, bie eben gefcheitert finb an ber 5anb*
bank, bie fie fo lange ängftlich umfchifft hatten
232
guchten wir uns an. Wir mufeten 3um 5rübs
fiüch! — Wir festen uns mit bem Buchen gegen
öie ZüTy um ihn nicht gleicb feben 3U muffen.
Was half öer eine flugenblid^; wir mufeten ihm
ja bocb bie Sträufecben abnehmen, öie er eben
aus öem Selb mitbrachte: Vergißmeinnicht! -
Reh, nun war's gewife, bafe er's gehört hatte.
Reh, demente, es war recht wunöerlich! - Das
war gewiß fo ein Gefühl, was man Verlegenheit
nennt! — Ich nahm bie Gitarre von Gunöa unö
fang: „Das fchmerst mich fehr, bas hränhet mich,
bafe ich nicht genug hann lieben Dich." Der
Rrnim gab mir feinen ßanöfchuh unö bat, ben
3erriffenen Daumen 3U fliehen. — Ich hab's getan,
demente! Reh, aller Rnfang ift fehwer; ber
ßanbfehuh buftete fo fein, fo vornehm. - Cin
grauer ßanbfchuh von Gemsleber, ich habe ihn
mit ßexenftichen benäht; er 30g ihn gleich an,
ben linhen ßanbfchuh aber liefe er liegen unb
promenierte mit feinem 5toch neben uns. Ich
warf feinen vergeffnen f5anbfehuh unter ben täfch.
Ich baehte: ba mag er liegen; wenn er ihn 3urüeh*
läßt, bann heb ich ihn 3um Rnbenhen auf, benn
er geht ja morgen fort. „Wirb nicht wieber hommen,
wirb nicht wieberhommen , bas tut mir web." -
Ich hab ihm biefes alte Volhslieb vorgefungen;
es hat ihm fehr gefallen. -
Der Rrnim ift fort! - £r hat ben f5anbfehub
3urüchgelaffen. Geftern nahm er Rbfehieb unb
geftern leuchteten noch bie Sterne uns beim ßeim=
geben; er fuchte einen Stern aus, ben wir alle
brei wollten fehen, wenn wir aus ber ferne an-
233
einanber bäcbten. Rcb Gott, icb bab öen Stern
vergeffen; er bat's fo beutlicb expH3iert, un5 nun
haum war er fort, wufet icb's nicbt mebr. IdD
fragte Öie GünÖerobe, Öenn öie ift fternhunbig,
aber bie necht micb unb nimmt öies als einen
Beweis, öafe icb gewife in ibn verliebt fei! €s
ift aber bocb nur, weil mir's fo leib tut, bafe er
vielleicbt treu unb reblicb feinen mit uns aus^
gemachten Stern anfiebt, in Öer (Deinung, wir
guchen aucb, unb nun guchen wir beibe wie bie
ßablgänfe baneben! —
i
l
D
Dn Dg[
D
er tiroler o
DD
Rm anbern (Dorgen ging öie Toni 3um tliroler,
unö icb ging mit, um mir fein Rntli^ ein»
3uprägen. Icb dachte, wenn man ficb was tief in
bie 9eel fcbreibt, fo blüht's am €nb mit einem
auf, unb weil bie ^oni ßanbjcbub ausfucbte, fe^te
ficb ein öcbmetterling , ber vom (Dain berüber»
geflogen harn, auf ben Straufe an feinem ßut.
„Beb, guch t>en Scbmetterling, ben baben bie
Blumen an Deinem ßut berbeigelocht!" — Der
Tiroler fragte: „Was ift bas für ein Ding, ein
Schmetterling?" unb fieht ihn fliegen unb ruft:
„ei was, bas ift ja ein pfeilmuter unb hein
Schmetterling; bu bift ein Schmetterling!" unb
kriegt mich um ben f5als unb hüfet mich auf ^en
(Dunb. Die Zonx macht ein bös Geficht unb häuft
gleich keine ßanbfchuh mehr bei ihm unb gebt
fort. „Ha," ruft er ihr nach, „nehm Sie's nit
übel, bas (Dabei nimmt's ja auch nit übel auf,"
unb bie Toni mufet lachen unb bie f5anbfchub
kaufen. Die Cefchicht wollt ich als immer auf*
fchreiben, weil fie mir gefällt, aber 3U einem ßuch
pafet fie nicht, benn fie ift ja gleich aus, unb was
foll bann weiter paffieren? -
OCDO
D D
D D
D D
D D
d
D l=J □] 1
1
•
Reifeabenteuer
D D
D D
^ (75)
3
D D
D D
DD
( t
DE
DG
Kl o 13 o Kl
ß
benteuer am Rhein o o
Öeftern Abenb ging icb nocb fpät an öen Rhein;
icb wagte micb auf einen fcbmalen Damm,
Öer mitten in öen §lufe führt, an beffen Spi^e
von Wellen umbraufte felsklippen hervorragen,
leb erreichte mit einigen gewagten Sprüngen öen
allervoröerften , ber geraöe \o viel Raum bietet,
um trochnen ^ufees örauf 3U ftehen. Die Hebel
umtan3ten mich; ßeere von Raben flogen über
mir ; jie örehten ficb im f^reis, als wollten fie fich
aus öer Cuft herablaffen ; ich wehrte mich bagegen
mit einem Tuche, bas ich über meinem Ropf
fchwenkte, aber icb wagte nicht über mich 3U
fehen, aus furcht, ins Waffer 3U fallen. Wie ich
umkehren wollte, Öa war guter Rat teuer; ich
Konnte Kaum begreifen, wie ich hingekommen
war. €s fuhr ein Kleiner SeelenverKäufer vor«
über, Öem winKte ich, mich mit3unehmen. Der
Schiffer wollte 3U ber weifeen öeftalt, bie er
trocKnen f ufees mitten auf bem f luffe ftehen fah,
unb bie bie Raben für ihre Beute erKlärten, Kein
3utrauen faffen. €nblich lernte er begreifen, wie
ich bahin geKommen war, unb nahm mich an
Borb feines Dreiborbs. Da lag ich auf fchmalem
Brett, ßimmel unb Sterne über mir; wir fuhren
noch eine halbe Stunbe abwärts bis wo feine
He^e am Ufer hingen. Wir Konnten von weitem
238
jeben, wie bie Ceute bei bellem f euer Zeex hocbten
unb ibr fQbr3eug anftricben.
Wie leibenfcbaftslos wirb man, wenn man ^o
frei unö einfam ficb befindet, wie icb im l^abn;
wie ergiefet ficb Rub burcb olle Ölieöer, fie er*
tränhi einen mit ficb felbften, fie trägt öie Seele
fo ftill unb fanft wie ber Rbein mein hleines
fabr3eug, unter bem man aucb nicbt eine Welle
plätfcbern borte. Da febnte icb micb nicbt wie fonft,
meine Öebanhen vor Dir aus3ufprecben, ^Q\i fie
gleicb ben Wellen an ber T3ranbung anfcblagen
unb belebter weiter ftrömen. Icb feufste nicbt
nacb jenen Hegungen im Innern, von benen icb
wobl weife, ba^ fie Öebeimniffe wechen unb bem
glübenben Jugenbgeift Werhftätte unb üempel
öffnen. (Dein öcbiffer mit ber roten ODütse, in
ßembsärmeln, batte fein pfeifeben ange3Ünbt;
icb fagte: „ßerr öcbiffshapitän , Ibr febt ja aus,
als bätt bie Sonn €ucb 3um ßarnifcb ausglüben
wollen." - „Ja," fagte er, „je^t fit3 icb im f^üblen;
aber icb fabre nun fcbon vier Jabre alle Reifenben
bei Bingen über ben Rbein, unb ba ift keiner fo
weit bergehommen wie icb. Icb war in Inbien;
ba fab icb gan3 anbers aus, t>a wucbfen mir bie
ßaare fo lang — unb war in Spanien, ba ift bie
fb'xt^e nicbt fo bequem, unb icb bab Strapa3en
ausgeftanben. Da fielen mir bie ßaare aus, unb
icb hriegte einen fcbwar3en l^rauskopf. - Unb
bier am Rbein wirb's wieber anbers: ba wirb
mein I^opf gar weife. In ber f rembe batt icb Hot
unb Brbeit, wie es ein (Denfcb kaum erträgt, unb
wenn icb 3eit batte, honnte icb vierunb3wan3ig
(0
239
Stunöen bintereinanber fcblafen - ba mocbt es
regnen unö bli^en - unter freiem ßimmel. f5ier
fcblaf icb nacbts keine Stunbe; wer's einmal ge=
fcbmecht bat auf offener See, bem hann's nicbt
gefallen, bier alle polen unt> rotbaarige ßollänöer
über öie Öoffe 3U fabren, - unb follt icb ben
gan3en Rbein binunterfcbwimmen auf meinen
bünnen Rippen, fo mufe icb fort aus einem Ort,
wo's nicbts 3U lacben gibt unb nicbts 3U feuf3en." -
„€i, wo möcbtet Ibr benn bin?" - „Da, wo icb
am meiften ausgeftanben babe, bas war in
Spanien; - ha möcbt icb wieber fein, unb wenn's
nocb einmal fo bart berging!" - „Was bat Cucb
benn "ba \o glüchlicb gemacbt?" — €r lacbte unb
fcbwieg, - wir lanbeten. Icb beftellte ibn 3U mir,
"ÖQ^ er ficb ein ^rinkgelb bei mir bole, weil icb
nicbts bei mir batte; er wollte aber nicbts nebmen.
Im Hacbbaufegeben überlegte icb, wie mein Ölüch
gan3 von Dir ausgebt; wenn Du nicbt warft im
langweiligften Deutfcblanb, fo möcbt icb wabr*
baftig aucb auf meinen bünnen Rippen ben un*
enblicben Rbein binabfcbwimmen.
DD
i
0101 0fö] &q}
D
QS Cicbbörncben unö bie
5dDwimmtour im GDain
QO OD QO OD
Jcb habe bas £icbbörncben , was Sie mir mit*
gab, im grofeen €icbenwalö ins freie gefetst,
es war 3eit. - Die fünf (Deilen, öie es im Wagen
fuhr, bat es grofeen Scbaöen gemacbt, unb im
Widsbaus bat es über Hacbt bem Bürgermeister
öie Pantoffel 3erfreffen. leb weife gar nicbt, wie
6ie es gemacbt bat, bafe es Ibr nicbt alle Gläfer
umgeworfen, alle (Döbel angenagt unb alle f5auben
unb lochen befcbmu^t bat. (Dieb bat's gebiffen,
aber im Rnbenhen an ben fcbönen, ftolsen f ran*
3ofen, ber es auf feinem ßelm vom füblicben
SranKreicb bis Frankfurt in Ibr ßaus gebracbt
bat, bab icb ibm versieben. Im Walb fe^ite icb's
auf bie €rbe; wie icb wegging, f prang es wieber
auf meine Scbulter unb wollte von ber freibeit
nicbts profitieren, unb icb bätt's gern wieber mit*
genommen, weil micb's lieber batte als bie fcbönen
grünen €icbbäume. Wie icb aber in ben Wagen
l^am, macbten bie anbern fo großen Cärm unb
fcbimpften fo febr auf unfern lieben Stuben-
hameraben, ^a\s icb's in ben Walb tragen mufete.
Icb liefe bafür aucb lange warten; icb fucbte mir
ben fcbönften Cicbbaum im gansen Walbe unb
kletterte binauf. Da oben liefe icb's aus feinem
Beutel - es fprang gleicb luftig von Rft 3U Flft
unb macbte ficb an bie Cicbeln ; unterbeffen hletterte
k
241
ich herunter. Wie icb unten anham, hatte ich bie
Richtung nach öem Wagen verloren, unb obfchon
ich nach mir rufen hörte, konnte ich gar nicht
unter jcheiben , wo bie Stimmen herkamen. Ich
blieb ftehen, bis fie herbeikamen, um mich 3U
holen; fie 3ankten alle auf mich; ich fchvvieg ftill,
legte mich im Wagen auf brei öelterskrüge unten
am Boöen unb fchlief einen herrlichen Schlaf bis
bei (Donbfchein, wo ber Wagen umfiel, ganj
fanft, Öafe niemand befchäbigt warb. €ine nufe*
braune l^ammerjungfer flog vom Boch unb legte
fich am flachen (Dainufer in romantischer Un=
orbnung grabe vor bas (Donbantli^ in Ohnmacht.
3wei Schachteln mit Blonben unb Bänbern flogen
etwas weiter unb fchwammen gan3 anftänbig l>en
ODain hinab. Ich lief nach, immer im Waffer, bas
je^t bei ber grofeen ßi^e fehr flach ift. Blies
rief mir nach, ob ich toll fei - ich hörte nicht unb
ich glaub, ich war in Frankfurt wieber mitfamt
ben Schachteln angefchwommen , wenn nicht ein
flachen hervorgeragt hätte, an bem fie f5alt
machten. Ich packte fie unter beibe Brme unb
fpasierte in ben klaren Wellen wieber 3urück.
Der Bruber fran3 fagte: „Du bift unfinnig,
COöbchen," unb wollte mit feiner fanften Stimme
immer 3anken; ich 30g bie naffen Rleiber aus,
würbe in einen weichen (Dantel gewickelt unb in
ben 3ugemachten Wagen gepackt.
In Rfchaffenburg legte man mich mit Gewalt
ins Bett unb kochte mir f^amillentee. Um ihn
nicht 3u trinken, tat ich, als ob ich feft fchlafe.
Da würbe von meinen Verbienften verhanbelt,
Sritfd3 = Strobl. 16
242
wie ich bocb gar ein 3U gutes f5er3 habe, bafe ich
voll Öefälligheit fei unö mich felber nie bedenke,
wie ich gleich ben Scbacbteln nacbgefcbwommen,
unö wenn ich bie nicht wiebergefifcht hätte, fo
würbe man morgen nicht haben mit ber Toilette
fertig werben Können, um beim Surft Primas 3U
(Dittag 3U effen. Reh! fie wufeten nid^t, was ich
wufete - ^a^ nämlich unter bem Wuft von faljchen
Cochen, von golbnen flammen, Blonben, in rot^
famtner Tafche ein 6cha^ verborgen war, um
ben ich beibe Schachteln ins Waffer geworfen
haben würbe mit allem, was mein unb nicht mein
gehörte, unb ba^, wenn biefe nicht brin gewefen
war, fo würbe ich mich über bie Rüchfahrt ber
Schachteln gefreut haben. In biefer Cafche liegt
verborgen ein Veilchenftraufe, ben Ihr ßerr Sohn
in Weimar in Gefellfchaft bei Wielanb mir heim-
lich im Vorübergeben 3uwarf. - Sxau (Dutter,
bamals war ich eiferfüchtig auf ben Wolfgang unb
glaubte, bie Veilchen feien ihm von Srauenhanb
gefchenht; er aber fagte: „I^annft Du nicht 3U«
frieben fein, bafe ich fie Dir gebe?" - Ich nahm
heimlich feine ßanb unb 30g fie an mein I5er3;
er tranh aus feinem Glas unb ftellte es vor mich,
l>a^ ich auch braus trinken folle. Ich nahm es
mit ber linhen föanb unb trank unb lachte ihn
aus, benn ich wufete, ba^ er es hier hingeftellt
hatte, bamit ich feine ßanb loslaffen follte. €r
fagte: „löaft Du folche Cift, fo wirft Du auch wohl
mich 3U feffeln wiffen mein Ceben lang." Ich fag
Ihr, mach Sie fich nicht breit, ha^ ich Ihr mein
beimlichftes f5er3 vertraue; - ich mufe wohl
243
jemanb haben, bem icb's mitteile. Wer ein fcbön
ßeficbt bat, Öer will es im Spiegel feben. Sie
ift ber Spiegel meines ölüchs, unb ö a s ift grabe
je^t in feiner fcbönften Blüte, unö öa mufe es
benn ber Spiegel oft in ficb aufnehmen. leb bitt
Sie, hlatfcb Sie Ibrem föerrn Sobn im näcbften
Brief, ben Sie gleich morgen fchreiben hann unb
nicht erft eine Gelegenheit ab3uwarten braucht,
Z>Q^ ich bem Veilcbenftraufe in ber Schachtel in
hübler (Donbnacht nachgeschwommen bin, wohl
eine Viertelftunbe lang — fo lang war es aber
nicht - , unb ba^ bie Wellen mich wie eine Waffer^
göttin babingetragen haben; - es waren aber
heine Wellen, es war nur feichtes Waffer, bas
kaum bie Schachteln hob, unb ba^ mein Öewanb
aufgebaufcht war um mich ber wie ein Ballon.
Was finb benn bie Reifröche feiner Jugenb*
liebfcbaften alle gegen mein baherfcbwimmenbes
Gewanb; fag Sie boch nicht, Ihr ßerr Sobn fei
3U gut für mich, um einen Veilchenftraufe folcbe
Cebensgefabr 3U laufen! Ich fchliefe mich an bie
€pocbe ber empfinbfamen Romane unb homme
glüchlich im Wertber an, wo ich benn gleich bie
Cotte 3ur Tür hinauswerfen möchte. Ihr ßerr
Sobn bat einen fcblechten Öefchmach an bem
weisen l^leibe mit Rofafchleifen. Ich will gewife
in meinem Ceben hein weifees Öewanb ansieben;
grün, grün finb alle meine Rleiber.
Rpropos! Guch Sie boch einmal hinter Ihren
Ofenfchirm, wo Sie immer bie fcbön bemalte Seite
gegen bie Wanb ftellt, bamit bie Sonne ihn nicht
ausbleicht; "öa wirb Sie entbechen, ba^ bas Cich»
16*
244
börncfoen ber Ofengöttin grofeen Scbaben getan
bat, unö öafe es ihr bas gan3e Rngeficbt blafe
gemacbt bat. leb wollt Ibr nicbts fagen, weil icb
öocb öas Cicbbörncben gegen Ibren Befebl an öen
Ofenfcbirm gebunden batte, unö ba fürcbtete icb,
Sie könnte bös werben. Drum beb icb's Ibr
fcbreiben wollen, öamit 6ie in meiner Rbwefenbeit
Ibren 3orn kann austoben laffen.
■DO- Hfl'
D
ie wunberlicbe Rofehur o
0=0=0= ' o
Wie lang ift's her? — vielleicbt fieben, viel«
leicbt acbt "jähre — öa reifte icb von
franhfurt ab. €s war am €nöe tlovember; halt
geworben, fr. warf mir beim Rbfcbieb feine
Pel3banbfcbub in Öen Wagen, in bem icb gan3
allein fafe mit ber versagten f^ammerjungfer. Die
Hacbt batte ficb uns vorgebrängt. Bis icb Öurcb
bie erleuchteten Strafen ßanaus fubr, borte icb
in ber Vorballe eines großen Öaftbaufes eine
Stimme, von einer Orgel begleitet, fingen, fo
mäcbtig, fo rein, fo treu, fo obne Beigabe von
gelerntem Beigefübl, fo auftönenb, fo bewustlos
in riefe unb ßöbe fteigenb, als war fie ber €icb«
bäum, in beffen 3weigen ber Sturmwinb feine
gewaltigen fitticbe fpielenb verfängt unb fo auf*
unb nieberbraufenb all feine Inftrumente von ber
Pauhe bis 3ur Pfeife in bes Baumes Wogen in
ßefang ficb auflöft. - Scbon inbem wir in f5anau
einfuhren, batte icb's ertönen boren. Icb liefe
langfam fahren, halb fchien bie Stimme ferner,
halb näher unb enblicb immer näher; ich liefe vor
bem Öaftbaus halten. Der Rellner berichtete mir,
es fei ein (Däbchen, bie ihr Brot bamit verbiene,
in ben öaftbäufern 3U fingen; icb fagte: „Die füllt
aber gan3 F5anau aus." .Ja," meinte er, „ßanau
ift gan3 leer, brum ift's fo ftill." „Ift's benn nicbt
246
\o füll, weil alles laufcbt auf öie Sängerin?" „O
Gott bewahre, man ift's gewohnt unö gibt gern
einen Grofcben, bamit bie WänÖe nicht bröhnen
unb man fein eigen Wort hören kann." - Das war
meine Unterhaltung mit bem f^ellner; ich liefe
langfam weiter fahren unb hörte, wie biefer 6e»
fang mit mir fpracb. O, was fagte er mir! leb,
bie nie eine Ciebeserl^lörung empfangen hatte,
wie fehnenb bat er micb, 3u lieben, ihn 3U lieben,
ber aus biefem öefang 3U mir fpracb: „60 möcbtig,
fo ftol3 wie ich bin, lieg ich 3U Deinen Jüfeen,
unb Du l^annft ja nicht anbers! - Du mufet -
fo gewaltig, fo weit ausbehnenb, fo tonumfaffenb
icb bin, - Du mufet burcb micb burch, wohin Du
auch willft, meine 6ren3e 3ieht fich um Dich, unb
weil ich liebenb bin, umbräng ich Dich, fo weit
ich mich auch behne. Ich fcbmel3e vor Dir 3U*
fammen, befchömt, weil Du mich begreifft, unb icb
erhebe mich vor Dir, fo gewaltig, weil bie Ciebe
3U biefem Deinem Begreifen mich boppelt auf*
regt; glaub an mich, ^>a^ ich ton alles bin, was
bie Weisheit ber Ciebe, ihre f^unft, ihr Genie,
ihr Glüch Dir lehren kann. - Sieh bie Welt, bie
mich unbegriffen vertonen löfet, was ift fie? Ift
fie nicht tot? Wenbe Dich nicht an fie, in ber
Du Dich felbft mifeverftehft unb fünbigft. - O,
Du hörft mich! - unb bift gefchaffen für mich,
mich 3U begreifen; weil Du mich forttragen follft
in Deinem Bufen, forttragen 3wifchen bem Ge»
braus aller unbegriffenen lionwellen, foll ich allein
in Dir hinübergetragen werben in ben Geift, in
ben Begriff, ber Deine Umarmung ift. Das ift
247
bie Ciebe, bie icb fucbe unb öie im Vorüber*
fcbreiten Du mir fcbenhft. - Hein! im Verballen
an Deinem Obr - icb fübl's - birgfi Du micb -
im Oeift - Dein Öeift leitet lieblicb öie l5ocb3eits
feier ein — icb verberge micb — icb vertone —
benn icb füble micb geborgen - in Deinem
Bufen -."
Unb fo hatte er micb gefangen, ber ^on bes
Cefangs in bem ftillen ßanau, bas nicbt ftill war,
weil es laufcbte - fonbern weil es leer war, wie
ber f^ellner mir verfieberte. - leb aber war tief
bewegt, von bem ßöttlicben fo in Rnfprucb ge*
nommen worben 3U fein, ^a^ es um micb geflebt
batte bemütig, wie ber Bettler am Wege ; unb fo
war's als wir ins §reie l^amen, immer nocb Tränen
weibenb, Gelübbe ausfeufsenb biefem öenius, ber
im €on micb erringen wollte. -
Ruf bolperigem Weg erreichten wir 6 . Inb . . f . n,
bie f^aiferburg, bie im gefprengten fels einer
wunberbaren pflanse Habrung gibt, - bem Rot=
bart bes l^aifers, ber burcb ben fteinernen Ofcb
wäcbft. - Die Spi^buben baben bort alle eine
lange Gaffe gebilbet von lauter Wirtsbäufern ; eb
man 3um engen i:or berein hömmt, bätte man
fcbon vor Rngft, ^>en ßals 3U brechen, lien Öeift
aufgeben können, wenn man nicbt, wie icb, im Rrm
bes Bräutigams gefangen lag unb fo ber Crbe
vergeffen, wenn fie auch unter uns bröhnte, lieber
alles Gefcbich ertragen, als es mit erleben. -
Diefe fangnefter von Wirtsbäufern finb fo, ^>a^
bie näcbften am Tor ben Vorteil ballen, benen
vom Schrechen ber Bbgrunbswege gan3 3abm ge-
248
wordenen Reifenden als Crlöfungs« unö Rettungs*
an^talten böcbft willkommen 3u fein, unb fcbwer*
lieb wirö einer, ber mit öen Rettungshrachen
enblicb in ben Port hommt, bei vorgerüchter Hacbt
baran öenhen, nocb weiter 3U wollen, wenn nicbt
bas fufpi3iofe Gejicbt bes Wirts ihm fcbnell eine
Räuberfsene vormalt, unö ber ficb fträubenöe
Poftillion, weiter3ufQbren, ibm Öie Gefcbicbte feines
Untergangs nocb wabrfcbeinlicber macbte. €s
3wingt ibn bie Ver3weiflung , weiter3ufabren , -
öa bleibt öas Rab im Cocb ftechen vor bem
3weiten f5aus, ber Wirt bat ibn gefangen; bie
Scbmiebe, bie ibm auf ber Hafe bod^t unb ewig
ibr feuer auf bie ötrafee fpeit, fpeit aucb ibre
föämmer, 3angen, Bobrer, Hagel beraus, womit
fie Dir ben Wagen malabe macben, eb Du Dicb's
verfiebft, unb bann mufet Du auf ber Strafee
liegen bleiben ober ins Wirtsbaus. - (Dir aber
nicbt fo! - „ßerr Wirt!" fage icb, „icb macbe Sie
verantwortlicb bafür, ^a^ mir ber öcbmieb vom
Wagen bleibe unb aucb ber ötellmacber baneben,
ber wie eine Spinne fein net5 auffpannt, bis ber
Scbmieb beim Hacbfeben aucb für ibn etwas
3erbrocben bat." Der Wirt fagt: „So, fo, aber
obnvorgreiflicb mufe icb bemerken, ^q\s mir ber
Poftknecbt fagt, alle Reife geben von ben Räbern,
unb fie werben bis nacbts um ein Ubr nicbt mit
ber Rrbeit fertig " - leb leibe es nicbt tro^ bem
angftvollen Stöbnen ber f^ammerjungfer ; ber Zee
wirb gemacbt; auf bem Cifcb liegt bie 3eitung.
Der Wirt bemerkt uns eine fcbauerlicbe Spi^*
bubengefcbicbte , bie brin befcbrieben ift; fie ift
62S 249
vor Örei Wocben in biefiger Gegenb 3wifcben
(Dünfter unö Scblücbtern arriviert — gerabe wo
wir hinwollen. Cs ift 3ebn, in einer halben ötunbe
geht ber (Donb auf. - Der Wirt gebt hinaus,
weil er uns am Teetifcb weife; ich traue ihm nicht,
gehe ans ?enfter, nach Öem Wagen 3U fehen.
er öffnet ihn, holt eine kleine Blendlaterne unter
bem Roch hervor. - „ ßerr Wirt ! - Was machen
Sie ba; ich glaub, Sie wollen ben öpi^buben
3wifcben (Dünfter unb 6chiüchtern 3uvorhommen!"
Gleich fe^ ich mich in ben Wagen, laffe ^en Zee
unberührt - bis bie pferbe hommen. Die
Rammerjungfer mufe mit in bie öchrechensnad^t,
fo will es ihr Geschieh. - €s geht bergauf, berg=
ab - es ftuchert, es kracht, es feuf3t, es pfeift
alles am Wagen ; halb liegt bie Jungfer mit bem
f^opf auf ber Crbe, halb 3um Schlag heraus. Wir
finb enblich in ber €bene; ber (Donb gebt auf.
nun fe^t er fich in Crott, - es pfeift - noch
einmal - es läuft ein (Denjch neben bem Wagen,
ber hat gepfiffen. Der Pofthnecht gibt ihm einen
ßieb ; ich fchlafe ein unb erwache auf ber Station.
Der (Donb hat ßimmel unb Crbe eingenommen -
freier Weg, herrliche Gauen. - Der Walb kommt
uns gemächlich entgegen, benn bie pferbe gehen
unter häufigem Rntreiben einen fehr faulen
Pafe. - - leb erwache, weil ber Wagen ftill
jtebt. - „Was gibt's, Schwager?" - „Dafe alle
Teufel breingefabren finb - mein f5anbgaul \\i
gefallen!" - Die f^ammerjungfer : „Caffen Sie
ihn boch wieber auffteben!" - „Der bat's Auf»
fteben vergeffen für immer." - Ich: „Schwager,
250
fe^e Dieb auf öas anbre pferb unb reite auf bie
näcbfte Station, um pferbe 3U beftellen!" - „Das
hält ber anbre nicht aus, ber ift auch marobe." -
„Wie weit ift es nocb?" - „Hocb anbertbalb
(Deilen; wir finb gerabe auf ber mitten Station." -
Der Poftknecbt pacht bas öefcbirr ber pferbe auf
t>en Rüchen, läfet bas eine liegen, bas anbre frei
laufen, unb fo marjcbiert er ab. €s ift gerabe
3wei Ubr in ber Dacht; wir finb in bem allmächtig
grofeen Walb auf einem grofeen freien piat3, ber
wohl eine Stunbe im Umfang bat, gan3 mit Walb
umgeben. Cange noch boren wir bie f^urierftiefel
bes Pofthnecbts hlirren mit bem Gefchirr, was
ihm nachfchleppt; enblicb ift's gan3 ftill. - 3wei
brauen im Winter nachts 3wei Ubr mitten auf
ber Cbauffee baltenb mit abgefpanntem Wagen. -
Ich lachte fo, ^a\s ^^e f^ammerjungfer nicht weinen
konnte; fie laufcbte 3um fenfter hinaus. - Da
hör ich was - aib - Paufe - abb - iah -
Paufe. - „Reh, ^a bringt man jemanb um im
Walb!" - Sie laufcbt. „f5aa - eben bat's ben
Geift aufgegeben." - leb fteige aus bem Wagen,
unterfuche bas pferb, hole eine 5lafche (Dabeira
aus bem Wagen. Die ^""9^^^ fo^l *^"^ ^^"
Rachen aufhalten - fie will nicht; nun, fo foll
fie ben Wein ihm eingießen. Ich halte ihm bas
(Daul auf, fie giefet alles baneben; ich nehme ein
(Dilchbrot aus bem Wagen, höhle es aus, ftech's
ihm in ben Rachen. €s fchlucht ; ich giefee nach -
bis bie gan3e Jlafcbe brin ift. - Wir fe^en uns
in ben Wagen - bas pferb ift gan3 ftill. - Ich
fteige aus, befühle es; es febwi^t. Ich nehme mein
251
grünfeiönes piumeau aus bem Wagen, beche ihm
ben Ceib mit 3U, mit einem f^opfkiffen öeche icb
ihm bas ßinterteil, mit bem 3weiten bie Bruft
3U. - Die Jungfer wunbert ficb, l>a\s icb bem
Gaul 3ulieb frieren will ; icb friere aber gar nicbt -
icb lacbe micb warm vor Vergnügen über bie
bübfcbe Gefcbicbte. - Jreilicb benk icb barüber
nacb, was auf biefer berücbtigten Canb^trafee mir
alles wiberfabren kann ; aber weil alles bocb von
Stimmung abhängt unb bie Gewalt bes "Cons aus
ßanau micb nicbt verlaffen hatte, fo bin icb auf
alles gefafet, ober vielmehr: es ift mir alles
einerlei. — Die f^ammerjungfer erlaufcbt einen
fernen Ton; fie benht ficb bas Scblimmfte. „Ge«
wife, gnäbige Srau, je^t l^ommen fie." - „Wer?" -
„Die 5pit5buben !'* - leb höre es auch; nun, fo
wollen wir unfer Ceben teuer verkaufen, einen
braunen Reifemantel (bem ähnlich am Rhein),
worin man micb für einen f^naben hält, eine eben»
folcbe (Dü^ie fetse icb auf. Ich ftelle micb auf ben
Chauffeeftein, um recht grofe 3U fcbeinen, brapiere
micb im (Dantel; bie grofeen Pel3hanbfcbuh
machen mir eine grofee 5auft, in bie nehme icb
bie leere (Dabeiraflafcbe als piftole. - „Wie feb
ich aus?" - „Recht fraiferlicb," fagt bie Jungfer.
„Jetit feben Sie mal, was ber Gaul macht." -
„€r fcbwi^t." - „Decken Sie ihn recht 3U, ftopfen
Sie ihm bas Seberbett unter ben Bauch ein. Hun
fet3en Sie ficb in ben Wagen; ich will Sie ver«
teibigen." - Die f^ammerjungfer hatte kein gut
3utrauen; fie fagte nur: „Reh, wären wir bei ben
Spit3buben in G... häufen geblieben, bie hätten
252
bocb vielleicbt nur unfer Gelö genommen, unö
hier werben wir unfer Ceben laffen muffen." -
Die Jungfer im Wagen, ich auf öem Cbauffeeftein
borten öen Cärm immer näber hommen ; es waren
beinah 3ebn (Dinuten vergangen; wir konnten
nicht unterf cbeiben , was es war. - Bber wobl
öer tote Gaul, benn er fprang plöt5licb 3U meinem
viel größeren Scbrechen, als wenn eine ganse
6pitibubenbanöe auf mich eingedrungen war
(öenn auf bie war ich gefafet), in öie f5öbe, warf
feöerbett unö f^opfl^iffen in ben Graben unö
fprang hinüber, gan3 langfam unb frieöUcb öie
Kleinen Gräfer unter öem ftarken Reif hervor*
fuchenb. - Cr hatte gemerht, bafe biefer Cärm
bie öcbnellpoft fei, unb ba^ er ihr im Weg ge^»
legen haben würbe, was von einem poftgaul
poftwibrig fein würbe, ba er wohl weife, wenn
er in ihr eingefpannt ift, bafe er ficb nicht im
Graben legen barf. - Die öcbnellpoft l^am auch
halb angefahren unb hielt wiber alle Gewohnheit
vor Crftaunen über biefe troftlofe €quipagenf3ene
fo lang ftill, bis ich von meinem prellftein herab
mit ber Bouteille in ber bepel3ten ßanb bas
Rbenteuer berichtet hatte, worauf fie mit Cile
abfuhr, eine 6tunbe barauf ben Pofthnecbt über=
holt hatte unb mir pferbe fchichte.
Der Poftmeifter n..l.r, bem bie Gefchichte
berichtet würbe, banMe mir, "öa^ ich ihm ben
Gaul mit meinem Reifewein gerettet hatte, frau
von n..l.r frug mich, was ich mit bem grün-
f eibnen f eberbette angefangen habe ? - leb fagte,
ich fcblafe täglich einen gefunben Sdjlaf brunter.
253
Im Rnfang rocb fie ein bifecben nacb pferbefcbweife,
ba träumte ich nacbts febr angenehm, als fei icb
ein Braber mit meinem eölen pferb in ber Wüfte,
bas micb glüchlicb burcb alle Gefahren bringt,
bas micb liebt unb versteht; aber feit bie Deche
nicbt mehr riecht nach bem Poftgaul, ba hab icb
niemanb mehr, ber mich verfteht. - „Ol leb ver=
fteh Sie, Sie finb ein Oenie, Sie hönnen alles
vertragen."
mm ßjia m^:
D
ie Wunbernacbt o
I » Ol K iQl M Qc
Wir waren am nachmittag 3um weiten Spa3ier»
gang fortgewanbert unb wufeten wobl
nicbt genau bie 3eit, bie fpäter war, als wir
glaubten, unb weil überall ber pfab an etwas
neugierigem ficb binsog, balb ein braufenb I3äcb=
lein 3wifcben f^lippen, balb fonnenbelles Grün
unb ßügel unb Gemäuer unb bann ein Walb mit
mäcbtigen f^ronen, ba kamen nocb Scharen von
Vögeln über uns bingesogen, benen wir nach*
faben. Da war's balb gar aus; wir wufeten
nicht, wo wir hergekommen waren, unb wo wir
bin wollten. Gern wären wir wieber umgewenbet,
wenn wir nur ahnen konnten, wo ber ßeimweg
war. Wir machten einanber (Dut, burch ben
Walb auf einem breitern Weg, ber quer lief, her»
3uwanbern; weil frifche Spuren ^a waren, fo
mufete er bort 3U COenfchen führen, noch hielten
wir ben Winb, bie allmählich finkenbe ßelle für
vorüber3iehenbe Wolken, aber es war ber Rbenb=
winb, ber bas Caub vor uns herwehte. Wir
jagten es einanber nicht, aber merkten es halb,
Schritten immer fort unb faben halb 3wifchen ben
hohen Wipfeln burch ben roten ßimmel glän3en,
unb wie ber fich ver3og in ein bämmernbes
Golb, aber ohne Scbein , unb enblich ein Blau;
fcbweigenbe Sternchen gli^erten, unb ber pfab
255
lief immerfort im Walb, unb öie Sterne faben
bocb berab, unö l^eins wagte öie Stille 3u unter»
brecben; fcbweigenö, ein I^ritt nacb öem anöern
rafcbelte öurcbs Caub. - „Beb," fagt icb, „lafe
uns einen Rugenblich ausruben, Du wirft feben,
bann wirö ber Walb auf einmal ficb auftun."
„Rcb," fagte bie Zonx leife, „was wirb bas
werben, wo kommen wir bin ?" - Statt 3U klagen,
mufete icb laut lacben. - „Um Gotteswillen, wie
hannft Du fo fcbaurig lacben, fcbweig ftill, es
können Ceute in ber Höbe fein, bie uns boren."
Icb meint aber, wenn wir fo facbt rebeten unb
wanberten, bas könnt nocb viel geföbrlicber fein,
unb bie Toni liefe ficb Überreben, bafe icb ein
Cieb fang. - Das fcballte! - Das macbte micb
fo glücklieb, unb ber fcbweigenbe Walb, — unb
bann icb wieber unb bann er wieber. Die Toni
batte ficb auf bem pfab fo gefegt, um bie Ricbtung
nicbt 3U verlieren, ber wir fcbon bie gan3e 3eit
gefolgt waren, icb aber lag rückwärts unb fab in
bie ßöb ; auf einmal entbeckte icb, ba^s ber Walb
links licbter warb unb t>a^ ber ßimmel gan3 frei
war. Icb fagte: „Dort muffen wir bin, ^a finb
wir gleicb aus bem Walb." „Um Gottes willen,
verlafe ben pfab nicbt, benn fo im Dickicbt berum*
3uftolpern in ber Hacbt, Z>q können wir in Gruben
fallen; lafe uns rubig auf bem Weg fortgeben."
Icb war aber fcbon vorwärts gefcbritten unb
ftolperte wirklieb unb raffte micb auf unb fiel
wieber unb kletterte über Stock unb Stein, unb
bie Toni rief von 3eit 3u 3eit. Icb antwortete,
unb ^a war icb plö^licb im freien auf ber fööbe,
256
b'ie ficb abflQcbte in eine weite ebene, bie ich nicbt
ermef [en honnt ; aber gan3 in ber 5erne fab icb's
glän3en. Ich rief: „f5ier fteb ich unb feb öen
Rbein, Du mufet aus Öem Walö beraus, benn
auf bem Walbpfab l^annft Du nocb ftunbenlang
unnü^ fortwanbern." Wir kamen uns entgegen
mit Rufen burcb bie Hacbt; bocb rücht ich nicht
weit berein, aus Furcht, ben Weg 3U verlieren.
€nblich reichten wir einanber bie f5anb, unb nun
30g ich fie hinter mir her. €s ift ein bumm hlein
Rbenteuercben, aber es machte mich bocb fo froh,
fo aus bem finftern Walb berausgefunben 3U
haben. Da ftanben wir unb guchten uns um -
ob bas bort ein Dorf ift, ober bort, ob bas ein
Cicht ift? - Wir fehlten uns am Walbranb bin
unb lugten; es liefe fich nichts hören, l^ein Vögel»
eben; es war gewife fchon fpöt, vielleicht halb
elf Uhr, unb ^a brannte auch l^ein Cicht mehr in
ben Örtern, brum konnten wir jie in ber ferne
nicht feben. Wir ruhten gelaufen ein Weilchen,
unb t>a war es fo grofe um uns ber, unb bas tat
fo wohl, unb bann warb es beller. Der (Donb
mufete halb kommen ; ^a wufeten wir, ^a^ es um
elf Uhr war. - 3et5t fab bie Toni einen Ort
für gan3 gewife, fie fab bas l^irchbach beutlich
glän3en ; wir fchlenberten, rutfchten, kletterten unb
kamen in bie ebene. Die Toni behielt bas f^irch-
bach im Bug ; ich war 3U kur3fichtig, aber ich lief
voran, benn einen Weg 3U bahnen, bas kann ich
beffer. - „Cinks! - rechts! -" rief fie, unb fo
ging's über abgemähte Selber enblich an einen
Graben mit Waffer, ben wir glücklich überfprangen.
I
257
^ann über 3äune, Öann Wiefen, bann Gärten,
unb ber (DonÖ war auf, beleucbtet einen breiten
Weg, ber nacb bem Ort führt. Aber ein grofees
feftes "Cor fcbliefet biefe verwünfcbte Stobt, bie in
ihrem (Donbfcbein in Totenftille verjüngen liegt,
"ÖQ^ nicht ein ßunb bellt, nicht eine f^a^ maust.
Da ftehen wir mit unfern Stechen in ber iöanb
unb gucken bas Zor an, bas war mir fchon fehr
lächerlich; ich fag: „Ob ich verfuch, hinüber»
3uhlettern?" - Denn es war oben offen, aber
unmöglich, benn es war fehr hoch, von eichnen
Bohlen in ein paar glatte, biche pfähle bie Rngeln
eingefügt. „Da feh mal," fagt bie ^onie, y,t>a ift
3wifchen bem pfähl unb ber Stabtmauer ein
Ri^ - hanbbreit." - „Wenn ich bie Oberh?leiber
abwerf unb ^en Rtem anhält, fo hann ich burch,"
unb nun gefchwinb alles, was mich hinberte, an
bie Crb geworfen, unb burch war ich. Da fetjte
ich mich aber erft auf ^en Cchftein am "Cor unb
lachte, unb bas fchallte bie Strafe hinab unb fanb
ein €cho unb fchallte wieber herauf. - „Reh, ich
bitte bich, lach nicht, öu wechft alle Ceute auf,
unb bie können uns wer weife was tun," flehte
fie burch ben Rit5. - Ich nahm mich 3ufammen,
befichtigte bas Tor, fanb, "öa^ es mit 3wei ftarken
eifernen Riegeln 3ugebummft war, nahm einen
Stein unb klopfte bie Riegel 3urück. „(Dach keinen
Cärm, poltere nicht fo," - aber bas half nicht, ich
war im heifeen €ifer, bas Zox mufete weichen.
Ruf einmal gingen beibe f lügel auseinanber, unb
ha ftanb fie vor mir unb hielt ihren Cinsug. Je^t
wanberten wir fchweigenb burch bie Strafeen unb
Sriticb-Strobl. 17
258
musterten bie ßäufer; wir klopften an ben Oren,
an öen Caben, hein Caut gab Rntwort, enblicb
öffnete jicb ein Giebelfenftercben. Gin (Dänncben
gucht heraus, mit einem brennenben Rienfpan in
bie Cuft leucbtenb, bei beffen S^lamme wir ein be-
bartetes f^inn entbechen unb alfo auf ein un=
getauftes (Ditglieb ber (Denfcbbeit fcbliefeen,
welcbes feine Stimme aucb nicht leugnet. „Wir
jinb Rurgäfte aus öchlangenbab, bie fich verirrt
haben, unb hätten gern einen Führer." - Cr be=
beutet, ^a^ gegenüber ber Torwächter wohnt.
Wir hlopfen an, - eine Weile bauert es, auf
einmal tut jich ein Coch am Boben auf, unb unter
ber erbe hommt herauf ein in braunen Pel3 ein*
gehüllter Riefe mit einem Baum in ber ßanb; ein
6toch war's nicht, ba3u war's 3U grofe. Cr fe^t
fich in Zrab unb treibt uns vor fich her 3um Tor
hinaus, immer 3U, ben pfab am Berg hinauf, -
halb aber fagte mir bie "Conie ins Ohr: „Wenn
ber gewaltige (Dann bahinten uns mit feinem
f^olben einen Schlag gäbe, es ift mir recht bang." -
nun, wir laffen ben (Dann vor uns gehen, t>Q
fehen wir boch, wenn er uns was tun will. 60
marfchierte benn ber Goliath vor uns her; ach,
wie raufchten bie Birken neben uns her unb
malten ihren Schatten uns unter bie §üfee, wie
quoll bas Dunhel aus bem Walb bem (Donblicht
entgegen, unb bie kleinen Wäffer raufchten von
ben Bergen nieber unb wallten 3wifchen Weiben
fort. Unb an manchem fchlafenben Dorf ging's
vorüber, unb bann auf ber ßöh; noch einmal
mufet ich mich noch umfehen nach bem Silber*
259
ftreifen bes Rheins im (Donbglan3, unb Berge
in ber 5erne fanden unb ftiegen, aber am meijten
war bocb bas Regen in ber Cuft, was umber-
fcbwirrte unb flüfterte in ben 3weigen, unb Hräume,
hinbifcbe, bie mir bas föers beben machten, unb
bunkle Bilber, bie aus bem Walb nebenan bervor=
■traten. Das hielt mir bie Seele wach, unb boch
war's, als fchlummre ich forglos unb wanble nur
im Traum, unb bie ßimmelsfterne erblafeten alU
mählich - unb bie ein3elnen ßütten im Za\ waren
noch unbewußt bes tags, ber fich ahnen liefe,
ober bie Wachteln fchlugen im Selb unb t^ünbeten
ihn an; ba fahen wir öchlangenbab. Wer war
froher wie wir, ich aber über alles; mich freut
bie herrliche Hacht. Die Schatten am Weg, bie
unfern beleuchteten Weg ftill umjtanben, unb ber
Bbfchieb ber Hacht, wie fie noch einmal bie Wipfel
Schüttelte, bas alles ift mir lieb ; es i jt ein Gejchenk
von ben Göttern, wie fo manche anbre Stunben,
wo's war, als wollten fie mich befchenl^en mit
füfeem, fchwärmerifchem Gefühl von innerlicher
f^raft bes Cntsüchens. - Das war's, was ich Dir
er3ählen wollt unb was viel fchöner ift wie alles
Denken unb Urteilen: fich bem Ceben ber Hatur
nahen unb ftill unb ftumm ihre Vorbereitungen
mit anfehen unb wie fie weiht unb reinigt in
feierlicher nachtftille.
17
©
I
0)
0>>A<0.
r ^
./cT ^(cT UcT
usr ucT usr
innnnnnnDnnanDDDDDDD:
öonberbare Räu3e
^ p^ — FHB — i^g
CS)
JcT .XcT UcT
<2> (2) C§) <2) C§) Ö) (2)
.y(cr USr UcT
./er UcT .XcT
(S) (S> <s> <s>
.ycsr jcT j(sr
ucT ./er jsr
^ CS) c2) (2) (S) (2) c§)
./er ./er ./er
CS) ./er ./er CS) ./er ./er <s> usr^^csr <s>
s/cr ./er jQT
(2) c2) cS) cS) C2) C2) CS)
T II i
QiBaa
T
aritäten o o o o o
D K7A DDG EJA DDG K/A DDG
ebel \\\ ein naturforjcbenber (Diftfinl^e ; aber
Deine Grofemama gebt gan3 Öarüber hinweg,
bafe er immer ein fcbmu^iges ßemb an bat unö
fcbvvarse Hagel, unb tat folgenden merh?würbigen
Busfprucb: „(Dein f^inb! - Die Reinlicbl^eit ift
3war bie ebelfte Tugenb unb ift ver^cbwiftert mit
ber fittlicben Reinbeit. Selbft ein lafterbafter
(Denfcb erbebt ficb aus feinem 6ünbenpfubl, wenn
er ficb wäfcbt unb ein reines föemb anlegt, bie
Würbe bes (DenfdDen füblt ficb baburcb neu be=
lebt. - Aber -" fagte fie unb bielt ein, benn
ber (Diftfinhe, ber einen Bugenblich abwefenb
gewefen war, trat berein unb brachte ber Örofe*
mama allerlei Bbfall von ber Hatur, ben fie
follte in ihr Haturalienhabinett aufnehmen. Unter
anbern ein Stück Ceinwanb von flsbeft, was un*
verbrennlicb fei. — (Doofe, welche auf ber böchften
5pit3e ber Spi^berge wachfen, unb purpurrot! —
5t. pierre unb Büffon würbe geholt, um über
öchnechen unb (Dufcbelfamen, wovon €bel eine
gan3e Bonbonbüte voll mitgebracht hatte, 3U be*
fragen; fie blieben bie Bntwort fchulbig! - €bel
er3äblte alfo, "i^oS^ biefer aus bem Grunb bes
5cbwar3en (Deeres ihm von einem Jreunb 3ur
Unterfuchung mit vielen (Düben unb Unhoften
gefenbete (Dufcbelfamen bie wunberbarften €r*
264
fcbeinungen enthalte; mit einem Vergröfeerungs*
glas betrachtet weröe man öie ausgebilöetften
formen Irinnen finben, bie fo hlein feien, bafe
man fie für SanbUörncben halte. - Die 6rofe=
mama war begeistert für biefe (Derhwürbigkeits^
trechelchen, aus benen bie Welt 3ufammengebachen
ift, unb bie €bel mit Cebensgefahr unter einer
Tauchergloche von einem hühnen Taucher wollte
erhalten haben, ein paketchen braus gemacht unb
mit Hoten vergehen in ein f^äftchen gepocht, worin
noch anbre Seltenheiten ber Rrt liegen. - Das
war nun, was er in ber rechten Rochtafche mit=
gebracht hatte. Hun griff er in bie linke Roch*
tafche. Das erfte pächchen enthielt ein Stüch
Spinnweb von ber Riefenfpinne - er konnte es
orbentlich auseinanberfalten , ohne es 3U 3er*
reifeen, es fiel babei fehr viel Staub heraus. Die
Grofemama hätte bies Chemifett ber Arachne
gewife gern unter ihren taufenb Wunbern ber
Welt befeffen, allein Cbel wickelte es jorgfältig
wieber ein unb fteckte es in bie Weftentafche ! -
leb glaub, er hat's irgenb im Winkel auf bem
Boben entbeckt unb hat ihm bie Reife aus Inbien
erfpart! - Dafür entfchäbigte er fie mit einem
Stück Brot von ber Brotbaumfrucbt in Otaiti. —
Dies war eine grofee Galanterie, benn bekannt*
lieh ift ihr Ciebling unter allen ihren Werken
biefer Roman, ber auf Otaiti vorgeht; fie war
alfo burch bies Brot fo ent3ückt, ^0^5 ihr bie
Tränen herabrannen! - „O f^inber," fagte fie,
„wieviel Schönes harret noch eurer, wenn ihr
euer Intereffe an ber Hatur aushübet, glaubt
ea
265
mir, nicht allein bas, W03U bie Hatur etwas ge=
fcbaffen 3U haben fcbeint, hängt mit öiefem €twas
3ufammen unö ift barauf angewiesen. Hein, es
führt alles eine Sprache mit öem Ceift. Diefer
aber ift wie ein Rinö ; öie grofee Rebnerin Hatur
Spricht nur liebhofenöe Worte 3U ihm, ja jie ahmt
fein Callen nach, nur um ihm fich verftänblich 3U
machen. Bber es mufe einftens öahin kommen,
bafe fie bie höchfte Begeiftrung 3U ihm ausjpreche,
unb bafe er ihr Rntwort darauf geben hönne."
„Ja," fagt ich, „liebe Grofemama. Wenn bie Hatur
erft mit bem (Denfchen fpricht wie ODirabeau 3U
ber Hation, bann werben lauter freiheitshelben
geboren werben! - €bel! - Nreu3igt fich immer
vor mir, er ijt mehr noch als ßafe! - Jebe Ibee,
bie ich ausfpreche, beucht ihm ein piftolenfcbufe ;
bas Geringste, was ich fage, hält er für eine Crbfe,
bie ich ihm mit einem Blaferohr in bie Perüche
3iele. — Cs hommt ihm immer vor, als erfchüttre
ich bas Weltall mit meinen Behauptungen. - 6r
laufcbt manchmal, ob er's nicht brachen hört. -
Cr gucht nach bem Wetter unb behauptet, bie
Wolhen, bie l>a herankommen, feien gewitterhaft
von meiner elehtrifchen Hatur 3ufammenge3ogen,
unb er mag burchaus nicht in meiner Höhe ver-
weilen bei fchwüler Cuft; er fürchtet für fein
gefchätstes Dafein, bas Gewitter hönne in ihn
einfchlagen unb feine Seele ungewafchen unb un=
gehämmt vor ben Richterftuhl Gottes bringen ! -
Der ßer3og von Gotha war babei, als er bies
einmal fagte, unb hatie feine Verwunbrung über
ben gelehrten Haturforf eher ; er fragte ihn, ob er
266
öenn an ein let5fes Geriebt glaube, ob er an bie
ßöUe glaube? - Da kam es heraus, öafe er an
noch mehr glaubt, nämlicb an einen großen RMen=
fcbranh, worin alle Cebenspro3effe aller (Denfcben
örinnen in böcbjter Orönung aufgestapelt finb.
Diefer Rhtenfcbranh ift jebr leicbt beweglich, auf
einen Winh fliegt er auf unb präfentiert grabe
bie Rkten, bie 3um Pro3efe bes Cebensverflofenen
bie nötigen, Überweifenben finb, benn hein (Denfch
wirb verurteilt, er werbe benn von ber Gerechtig*
heit bes Richterfpruchs überseugt, - bamit er
fich bie ßöllenpein nicht burch ben Crojt erleichtere,
er fei ungerecht verbammt, - benn Gott hann
nicht ungerecht fein," fetst ebel hin3U. „O f5irn=
gefpinft, o Scheufal, o Gefpenft, o Cmpufa," fagte
ber ßer3og, unb feitbem trägt Cbel ben Hamen
„Cmpufa". Cr wirb auch nicht mehr masl^uliniert,
fonbern mufe weiblich paffieren, was ihn ärgert,
mich aber auch. Genug von ber Cmpufa; als fie
geflohen war, fo wollte bie Grofemama bas Wort
für ihn nehmen unb meinte, es fei boch gut von
ihm, biefe §reube ihr 3U machen. Ich holte Cicht
unb bat bie Grofemama fo febr, fie möge boch
bie Rsbeftleinwanb ins Cicht halten. Rber ach,
fie brannte ab. - Bbieu Ceinwanb! Rbieu Cbel,
Du bift l^ein fcbarmanter Cbel mehr! -
Dcma
OOÜ DOO O OOD DOO
eonbarbi o o o o o |S][Ü]
6eftern am Sonntag fuhren wir nacb Öem
Träges. - öcbon um fteben Ubr waren bie
Wagen vorgefabren ; alles was mitfubr batte ficb
im Saal verfammelt, alles war eingestiegen, unb
als alles eingestiegen war, ba war hein piat5
mebr für micb! - Da biefe es, ber Ceonbarbi
Kommt gleich vorgefabren mit f rau von Barhbaufen,
mit benen fährt bie Bettina. — Der Ceonharbi
kam erft gegen sehn Ubr ! - Reine §rau von Bark«
häufen mit! (Dan war unficber, ob ich allein mit
ihm über felb fahren könne; unterbeffen ftieg icb
ein unb fagte: „Sabr 3U, f^utfcber!" unb halb war
icb mit meinem Ceonharbi in bie Sommerlichen
Selber entflohen. - Je^t lafe Dir er3äblen unb
glaub es nicht; bas kann mich nur überseugen,
^a^ es Dir 3U toll vorkommt. Cr klappte einen
Z\\db auf, barauf legte er einen Folianten, ben er
mitgenommen hatte; einen Rrug Geilsbeimer
Waffer, ben er mit einer Schlinge ans §enfter
befeftigte, pla3ierte er auch barauf, - unb nun
legte er fich mit beiben €llbogen auf feinen Ufch
unb fing an, in ber Chronik 3U ftubieren unb
€x3erpte 3U machen. - Hachbem ich eine Weile
eine grofee War3e unb eine kleinere War3e auf
feinem Backen betrachtet hatte, fo fing ich an 3U
pfeifen. — Das war ihm verbriefelich ; er bat micb,
268
ytille 3U fein, benn er habe öa was febr €rn|te3
vor unö ficb es 3um 6efet3 gemacbt, nie 3eii 3U
verlieren! - leb fcbwieg recbt gern, aber icb fang
in Öebanhen unö vergafe bas öcbweigen unb
fang wieöer laut. - Das ftörte ibn febr; er macbte
mir Vorwürfe, öafe icb keinen Rugenblich Rübe
baben hönne! - Rls wir an einer Scbenhe bielten,
um öie Pferde 3U füttern, fet3te icb micb auf ben
Bock unb liefe ben Ceonbarbi mit feiner alten
Cbronih im Wagen! - Hur einmal liefe icb balten,
weil eine wunberfcböne Blume am Weg ftanb,
bie wollt icb pflüchen; ba macbte ber Ceonbarbi
einen fürcbterlicben Cärm, icb batte aber meine
Blume. O blübte fie bocb ewig! - €s ift mir lieb,
^Q^ bis jet5t mir nocb niemanb gefagt bat, wer
fie ift, benn bann fet3t man gewöbnlicb aucb bin3u,
fie ift gan3 gewöbnlicb unb wäcbft ^a unb ba febr
bäufig! - Dun lafe Dir nur er3äblen, wie fcbrech?*
lieb bös icb ben Ceonbarbi gemacbt bab. Icb wollte
nämlicb ein bifecben fabren, unb icb l^ann es aucb
recbt gut; ba bat mir ber f^utfcber bie 3ügel ge*
geben. Der Ceonbarbi, ber alle Rugenblich aus
feiner Cbronik berausgucht, fiebt bas, ruft, icb
foll's fein laffen, bie pferbe fcbeuen leicbt. Der
l^utfcber fagt, icb hönnte getroft fabren; - icb
fcbnal3te mit ber 3unge unb werfe ben pferben
bie 3ügel ein bifecben auf ben ßals. Sie werben
fcbarmant mutig, unb es gebt nocb einmal fo
rafcb! - Der Ceonbarbi hriegt Rngft, fcbrechlicb,
bie pferbe feien ausgeriffen, ftecht eilig ben
Ropf burcbs offne fenfter, wirft ben l^rug um.
Der pfropfen gebt beraus, unb bas Geilsbeimer
269
Waffer fUefet über b'xe Cbronil^. - Cs mufete ge^
wifcbt unb getupft weröen öen gan3en Weg! -
Bber je^t hommt was febr Cäcberlicbes. €r bolte
einen gansen pach alter 3eitungen aus öer ZTafcbe,
„obne öie er nie reift," fagte er, - unb nun würben
bie naffen ötellen bepflaftert. Das ging fo fort,
bis wir in öen Walb l^amen, wo Öer Weg 3u
fcblecbt ift, um 3U lefen oöer 3U pflaftern. - Wir
harnen an, wie eben bie Rrebfe auf ben Ofcb
getragen würben, - ungebeuer grofee l^erle aus
bem öolbweiber. Der Ceonbarbi 3anhte nocb
nacbträglicb auf micb, ^a^ icb allein am fpäten
frommen fcbulb fei. - leb bätte alle Bugenblich
eine Blume abbrecben wollen, icb bätte bas 6e*
fcbirr an ben pferben in Unorbnung gebracbt,
icb bätte bie pferbe wilb gemacbt. - Cs waren
mebrere f5ahennafen aus öavignys f amilie ^a. —
€s war ein 3iemlicb beifeer Hacbmittag, mit ver*
brannten Hafen hamen wir vom f5abnenhamm
3urüch. Savignv war über bie (Dafeen freunbUcb
unb fcblofe alle Scbleufen feines parabiefes auf
unb fcbien bennocb fo einfam unter uns allen, als
wären wir wie eine ßorbe Räuber bei ibm ein*
gefallen. Die 3eit kam 3um Bufbrucb; auf ber
ßeimfabrt war icb nicbt in Ceonbarbis f^utfcben^
verliefe eingefperrt; er batte bagegen appelliert.
D DD
er GDann mit ber ?lug= ,
majcbine o o o o
o =o!
es ift vor ein paar Zagen ein (Dann hier burcb=
gel^ommen mit einer f lugmafcbine. €r wollte
yicb bamit jeben laffen, aber Ceonbaröi, ber nocb
3wei ötablbäber 3U nebmen bat, wovon er gan3
ftablblau wirb, wollte burcbaus nicht, bafe ber
(Dann fliegen folle; ber (Dann wollte uns auf
ber üerrajfe ein flugftüchcben machen, für einen
t:aler wollt er's tun. Ceonbarbi jagte: „Der
(Denfcb fällt gewife unb bricht ßals unb Bein;
bann haben wir bie ßeilhoften, ben DoMor, ben
Rpotbeher, ben Chirurg, ben Rufwärter, bas Cffen,
bie Hachtwache, bie Wartfrau unb 3ulet3t vielleicht
gar bie 13egräbnish?often famt Pfarrer unb Rüfter
auf bem ßals; 3U fo wenig ßabegäften, als wir
noch finb, l^ann fich bas jehr hoch belaufen."
Alles war von Ceonbarbis Weltweisbeit ein»
genommen, ber noch vorbrachte, er fäh es bem
f^erl an, ber fei exprefe gekommen, ein Unglüd^
an3urichten. Vom (Danne hatte ich erfahren, ^afs
er heine brei Ba^en habe, benn er hatte auch
fchon gestern heine mehr gehabt unb fich burch^
betteln muffen. Ceonbarbi behauptete, bes (Dannes
Rügen feien auf feine Tafche gerichtet gewefen,
er fei ein Dieb. - Ich brachte bie Hachricht, ber
(Dann wolle mit Gewalt fliegen. „Da feht ihr,"
fagte Ceonbarbi, „er will uns einen Streich fpielen."
271
leb würbe alfo wieder 3U bem (Dann gefcbicht,
ob er nicbt gutwillig geben weröe, wenn man ibm
ein Douceur gebe. leb bracbte bie Hacbricbt, ber
(Dann wolle abjolut fliegen unö labe bie GefelU
fcbaft bei (Donbfcbein auf bie ^erraffe. „Beb,"
fagte Ceonbarbi, „in bem (Denfcben fi^t bie Ver=
3weiflung; bas ift eine bumme Gefcbicbte in ber
einfamen ßegenb, wo keine orbentUebe Poli3ei
ift. — „Dem (Dann verbieten 3U fliegen, babe er
keinen Befebl, meint ber poli3eimann, fagt ber
Babepeter," er3äblte icb. - Der gute, invalibe
Poli3eifolbat mufete kommen; ber fagte: „Caffen
6ie ibn, ber wirb niebt weit fliegen. Der ift aueb
Invalibe; es kann niebt jeber nacbtwäcbter in
Seblangenbab fein, um fein Brot 3U verbienen." -
Da baben wir's! - €in 3erfebofener Rerl will ^a
noeb ungeheure l^unftftücke maeben! - Rlles war
aufgeregt, jeber laebte barüber, aber man wollte
ibn lo5 fein. - „(Dit 3ebn Gulben gebt er ab,"
rief icb. Die 3ebn Gulben waren gleicb beifammen
unb noeb mehr, jeber fteuerte unge3äblt bei. -
leb lief mit bem Gelb 3um (Dann, ber gar niebts
bavon wufete, aueb fo viel Gelb feit lange nicbt
gefeben batte. Icb konnte ibm fcbwer begreiflieb
maeben, ha^ es fein gebore, wenn er niebt fliegen
wolle. Dies let3te begriff er vollenbs gar nicbt,
benn er liefe fieb burd^aus niebt vom fliegen ab=
halten; was er vorher eigentlich nicbt im Sinne
hatte, es mufete jetst gefcheben! Ich lief auf bie
^erraffe unb rief: „Der (Dann kommt, er will
boch mit aller Gewalt fliegen!" - Cin grofeer
Spektakel war ba los, ber (Dann 30g aus einem
272
Papphaften 3wei öcbläucbe, blies Cuft hinein ; es
wuröen 3wei pferöcben braus, ein weifees unö
eirr f cbwarses, \o grofe wie Winbbunöe, angefpannt
an einen Cuftballon, in Öem öer Rmor fafe. Das
ging in öie f5öbe an einem langen ßinbfaöen
unö fcbwebte 3ebn 5ufe über uns. Cr hielt babei
eine Rebe über bas fchwar3e unb weifee pferb
am Ciebeswagen. Voigt fagt, biefe Rebe fei aus
bem piato. Bis ber pbaeton vom Rbenbwinb
eine Weile herumgetrieben war, wickelte ber (Dann
ben Binbfaben wieber auf, entliefe bie Cuft aus
ben Gäulen unb nahm mit taufenb Danhfagungen
Bbfcbieb. - Wir alle waren fehr luftig über bie
Gefcbicbte unb gönnten es bem guten (Dann, ber
burcb feine Gutmütigheit ben heften Einbruch ge=
macht hatte.
^ 0 ♦ ♦ ♦ ♦
♦ / ♦.♦ ♦ ♦ ♦ ♦ ♦ ♦ M
<
<
<
> <
>
0 <
^
<
^^ ] ^t§:zi^32itoit§:zii§:zits:zitoiio ^^^
V
►
<
^
cx
)0 ooo
A °^
I streiche unb äS5 ,
>
»*
V
^
5d)wänke ^
Y
<
A
ö!0-TT-M-ap
A
♦
♦ ♦
<>
D
D
D
D
<
>
1
0 ♦
1
^^ 1
♦ ♦ ♦♦
A
<
1
] ♦
1
^
P f
<
> <
♦
^
^ 0
♦ ♦ ♦♦ ♦ ♦ ♦ ♦ «^ <>'0 1
<
> <
^ <
>
>
♦ ♦
<
<
<
^
>
< 6
♦ ^♦^ ♦♦♦♦ {>«^0
(
^ 0 ♦
> 0 \
>
^
♦ ♦ <
> <>
>
♦,<^ ♦ 0 ♦ ♦ ♦ ♦ ^■<> <)'^ 1
<
> ^ <
■
>
♦ <
>
<
6 <
> <
)
<> <
^
M ♦,♦ ♦ ^ ♦ ♦ *■* ♦'^ 1
i
<
>
>
♦ ♦
1
1
^ {
>
^
6 6
M ♦♦ ♦^ ^<> ^'^ o'.^
♦ ♦ ♦ 0 <> ♦
Sritfcb.Strobl.
18
CDEDCDnD
D(g)D uQn a(g)D
cbabernack o o o o
OO' — w — ^ — '« — " « ■' — « *—
Wir führen f^rieg, icb unÖ bie ODutter, unb
nun ift's fo weit gehommen, Öafe icb hapi»
tulieren mufe; bie harte Bedingung ift, bofe ich
felbft Ihnen alles erschien foll, womit icb's ver*
fcbulöet habe, unb ben bie gute (Dutter fo heiter
unb launig ertragen hat. Sie hat eine Gefcbicbte
baraus 3ufammengefponnen , bie fie mit taufenb
piäfier ersäblt. Sie könnte es alfo felbft viel
beffer fcbreiben, bas will fie nicht; icb foU's 3U
meiner Strafe ersählen, unb ^a fühl ich mich
gan3 befchämt.
Ich follte ihr ^en Gall bringen unb führte ihr
unter feinem Hamen ben Tiech 3U. Sie warf
gleich ihre f^opfbebechung ab, fe^te ficb unb ver*
langte, Gall folle ihren Schäbel unterfuchen, ob
bie großen €igenfchaften ihres Sohnes nicht burch
fie auf ihn übergegangen fein möchten. Zxeck
war in grofeer Verlegenheit, benn ich liefe ihm
l^einen (Doment, um ber ODutter ^en Irrtum 3U
benehmen. 6ie war gleich in heftigem Streit mit
mir unb verlangte, ich folle gan3 ftill fchweigen
unb bem Call nicht auf bie Sprünge helfen; ba
18*
276
kam Gall felbft unö nannte ficb. Die ODutter
vvufete nicht, 3U welchem fie ficb bekehren folle,
befonbers öa ich ftarh gegen Öen rechten pro^
teftierte. jeboch hat er endlich öen Sieg bavon^
getragen, inbem er ihr eine \ebv fchöne Rbhanö*
lung über bie grofeen €igenfchaften ihres f^opfes
hielt, unö ich hab Ver3eihung erhalten unb mufete
verfprechen, fie nicht wieber 3U betrügen. €in
paar Tage jpäter ham eine gar 3U fchöne 6e*
legenheit, mich 3U rächen. Ich führte ihr einen
jungen (Dann aus Strafeburg 3U, ber l^ur3 vor-
her bei Ihnen gewesen war; fie fragte höflich
nach feinem Hamen. Hoch eh er fich nennen
konnte, fagte ich : „Der ßerr helfet Schneegans,
hat Ihren ßerrn Sohn in Weimar befucht unb
bringt Ihr viele Grüfee von ihm." Sie fah mich
verächtlich an unb fragte: „Darf ich um Ihren
werten Hamen bitten?" Bber noch ehe er fich
legitimieren konnte, hatte ich fchon wieber ben
famöfen Hamen Schneegans ausgefprochen.
6an3 ergrimmt über mein grobes Verfahren, ben
fremben löerrn eine Schneegans 3U fchimpfen,
bat fie ihn um Ver3eihung, unb ba^ mein (T)ut=
Wille keine 6ren3en habe unb manchmal fogar
ins Rlberne fpiele. Ich fagte: „Der ßerr helfet
aber boch Schneegans." „O fchweig," rief fie,
„wo kann ein vernünftiger (Denfdj Schneegans
heifeen!" Wie nun ber ßerr enblich 3U Wort
kam unb bekannte, ba\s er wirklich bie fatalität
habe, fo 3U heifeen, ^a war es febr ergö^lich,
bie Cntfchulbigungen unb Beteuerungen von ßoch^
achtung gegenfeitig an3uhören. Sie amüfierten
277
ficb vortrefflicb miteinander, als hätten fie ficb
jahrelang gel^annt, unÖ beim flbfcbieb fagte Me
(Dutter mit einem heroifcben finlauf: „Ceben Sie
recht wohl, ßerr von Scbneegans. ßätte ich's
boch nimmermehr geglaubt, Öafe ich's über bie
3unge bringen könne!"
00 00 00
Ruf fcbmaler ßrücke o o
Or ,Of ,Of ^U-^
Die Ifar ift ein wunöerlicber flufe. pfeilfcbnell
ftürsen öie jungen Quellen von ben Berg-
hlippen berab, fammeln ficb unten im felfigen
Bett in einen reifeenöen Strom. Wie ein fcbäumen*
ber Dracbe mit aufgefperrtem Racben brauft er
büben unt> brüben über bervorragenbe Selsftüche
verfcblingenb ber; feine grauen, Öunl^len Wellen
brecben ficb taufenöfacb am Geftein, unö fcbäumenb
jagen fie binab. 6ie feuf3en, fie lallen, fie ftöbnen,
fie braufen gewaltig. Die ODöwen fliegen 3U
Zlaufenben über öen Wafferftur3 unb netsen bie
Spieen ibrer fcbarfen Flügel; - unb in fo l^arger
Gegenb, fcbauberbaft an3ufeben, ein fcbmaler Steg
von 3wei Brettern, eine Viertelftunbe lang, fcbräg
in bie Cänge bes fluffes. - Hun, wir gingen,
heine Öefabr abnenb, brüber bin; bie Wellen
brachen ficb in fcbwinbelnber eile auf bem Webr
unter bem 3itternben Steg. Rufeer ba^ bie Bretter
mit meiner Ceicbtigheit bin unb ber fcbwanhten
unb Rumobrs fufe 3weimal burcbbracb, waren
wir fcbon 3iemlicb weit gekommen. Gin bicher
Bürger, mit ber Verbienftmebaille auf ber Bruft,
Nam von ber anbern Seite; keiner batte ben
anbern bemerkt. Rneinanber vorbei3uhommen
war nicht, einer mufete umbreben. Rumobr fagte :
„Wir muffen erft erfahren, für was er bie (Debaille
279
bat, borauf foU's ankommen, wer umkehrt."
Wahrhaftig, ich fürchtete mich, mir war fcbon
fcbwinöUg. ßätten wir umhehren muffen, fo war
ich voran, währenb bie lofen Bretter unter meinen
füfeen fcbwanhten. Wir erkundigten uns ehr»
erbietigft nach ber Urfacbe feines VerÖienftes : —
er hatte einen Dieb gefangen. Rumohr fagte:
„Dies Verbienft weife ich nicht 3U fchä^en, benn
ich bin kein Dieb, alfo bitt ich umsukehren." Der
verwunderte bicke (Dann liefe ficb mit Rumohrs
Beihilfe umkehren unb machte ben Weg 3urück.
i
\^ü o l^i^ o km
mit ber einen ßanb bab icb meinen ßrief
bem Bot gereicht, mit öer anbern Deinen
genommen. Wir f^amen eben von unferm Sonnen*
Qufgang 3urüch, \o fab icb ben Bot überm Za\
am Berg berfteigen ; icb wollt mit ibm 3ufammen
anl^ommen, icb lief, öie anbern wufeten nicbt
warum. Sie riefen mir nacb, icb galoppierte als
an ber Bergwanb bin unb fcblug mit bem Stechen
an bie Aft, bas regnete im beifeen Cauf hüblen
Zau auf micb. Dann fcbofe icb bergab ins Zal
unb honnt nicbt einbalten; ber gut Bot jtellte ficb
gegenüber unb fing micb auf. Oben ftanb bie
gan3 Gefellfcbaft, ein Ropf über bem anbern, ber
(Dftr. ßaife in ber (Ditt unb gucht burcbs Perfpehtiv ;
icb legt micb ins Gras unb fcbnaufte aus. - Po^=
taufenb, wieviel ßämmercben pocbten in meinem
l^opf, lauter Öolbfcbmieb, unb ber grofee ßammer
in meiner Bruft, bas war ein Örobfcbmieb. Die
anbern hamen berbei; wie icb im hoben Gras
verfcbwanb, glaubten fie, icb fei ohnmächtig ober
fonft was. Der Voigt fchrie: „Solche Cinbilbungen
hat jie nicht;" ich guchte aus bem Gras hervor
unb lachte fie aus, aber "öa fchrie alles, ich hätt
können ben ßals abftürsen, ich hätt können Firm
unb Bein brechen, micb hätt können ber Schlag
rühren; unvorfichtig , tollkühn, finnlos fchrien
281
fie. - Was l^uchuch, icb wollt's nicbt mehr boren,
icb fe^t micb wieöer in Galopp. Der Babepeter
hatte gerab bie Bäber angelaffen; icb rief ibm
3u: „öagt nicbt, wo icb geblieben bin," unb Sprang
ins Waffer mit öcbub unb Strumpf unb allen
f^leibern. Da unterm Waffer warf icb bie f^leiber
ab unb bacbt nicbt gleicb, ^q^ icb Deinen Brief
im Bufen ftechen batt, bis er auf bem Waffer
fcbwamm. Icb bab ibn gleicb auseinanber gelegt
unb an bem Strich feftgemacbt in ber (Ditte vom
Babegewölb, womit man bie Rlapp aufsiebt,
wenn's 3U beife ift. Cr flatterte im Cuft3ug über
mir unb brebte ficb bin unb ber. Icb bin ibm
immer nacbgefcbwommen , Unhs unb recbts, unb
bab ibn bucbftabiert, bier ein Teil unb bort wieber,
wie ber Winb bas Blatt brebte. Das bat micb
ergoßt, unb aucb bab icb micb gefreut, wenn icb
aus bem Bab ham, ibn 3U lefen, unb bann ftimmt
icb an: „O, Du ber Götter ßöcbfter, ber über
Olympia möcbtiglicb waltet, lafe beim Caufe ber
flur günftige Winbe in ben Scbläfe befcbattenben
Rränsen mir weben." - Da wußten fie auf ein=
mal, wo icb geblieben war, benn alles war in
ben Bäbern, unb meine Stimme fcballte laut am
Gewölb, unb ^a bort icb fie rufen : „La voilä !" —
unb: „Wieber eine Tollbeit, fo erbit3t ins Waffer
3U fpringen." - Wollt icb nicbt von allen Seiten
fcbreien boren, fo mufet icb wieber fingen: „C^^
o Jupiter, mit leicbten S'üfeen micb bingleiten, bem
fcbnellfüfeigen Zage 3uvor, ber micb fieggehrönt
am Rbenb begrübe mit ber Unfterblicbheit füfe
ballenbem Ruf." - Da ham bie Cifett als Ge*
282
fonötfcbaft von öen anöern. Was war Me ver«
wunbert, als fie bie l^leiöer unter Waffer fab unb
bie Schub auf ber unterften treppe, 3wei volle
Becber. - leb fab ihr bie Beftürsung an, fie
glaubte, icb fei toll geworben. Sie reicbte mir
verftummt ein 3ettelcben, barauf ftanb: „Woblan,
Süllenbänbiger, opfere einen feften Stier ber Roffe»
besäbmerin Pallas Rtbene, unb ibren golb*
gewirWen 3ügel wirf fcbnell um ben jungfräulichen
ßals." - Ich frag, wer ihr ben 3ettel gab, fie fagt,
ber Babpeter ; icb frag l>en Babpeter, ber fagt, fein
Sobn Cipps; ich frag ben Cipps, ber fagt, am
Röbrbrünncben ein ßerr in Scblappfcbuben, eine
3igarre im (Dunb. - Was hatte er an, wie fab
er aus ? — Weifeer (Dantel, graue Sammetmütse. -
Ich hielt fürs befte, 3U fchweigen unb niemanb
was vom 3ettel 3U fagen; t>en 3ettel legt ich 3U
meiner merkwürbigen Haturalienfammlung.
00 a E2l§3
D:
Cfelspartie
Von öer €felspQrtie geftern nacb Haubental,
fie ift 3U Waffer geworden, aber erft am
€nb. €s harn ein ungebeurer pia^regen, wie wir
nocb eine balbe Stunbe von öer f5eimkebr ent^
fernt waren; bas 3ufammenlaufenbe Waffer von
öen Bergen berab ins Za\ gab oröentUcb Seen,
bie ber Winb wellig hräufelte. — Unb wie bie
€fel mitten burcbs Waffer patfcbten mit uns, kam
ein ungebeurer Donnerfcblag. Die meiften fcbrien
auf, bie €fel fcbrien nicbt, aber fie warfen uns
alle mit einemmal berunter in bie pfütsen unb
^a honnt keiner ficb balten; nur ber Cnglänber
wollte es 3wingen mit feinen langen Beinen, ber
€fel warf ficb nieber unb bäumte ficb. Unb fo
galoppierten alle €fel fort, ^a^ fie im Hu aus
ben Bugen waren, bie €feltreiber binterbrein,
benen nacbgerufen würbe, uns Caternen 3U fcbicKen.
Der gan3e ßaufe honfultierte in ber pfüt3e, fe^te
ficb nacb wieber erlangter Befinnung in Bewegung,
auf bas verwirrte Untereinanberfcbreien folgte
balb Stille. Der Weg war 3U befcbwerlicb , als
^a^ man auf etwas anbers benhen konnte, als
nur, wie man ben Sufe mitfamt bem öcbub wieber
284 ~8a
aus bem (Dorajt beben wolle, Öies aber war
nicbt möglidD. Die meisten Bcbube blieben ftechen,
Me Caternen harnen uns balb entgegen, bie be-
jcbwicbtigten Cfel würben wieber herangeführt,
unb \o harnen wir 3war beritten an, aber in
welchem 3uftanb? - Rlle Strohhüte hatten in
COoraft gelegen. Die Schuhe fehlten, bie Damen=
gewänber fo nafe, als follten fie 3U Statuen (Dobell
ftehen, unb bie ßerren nicht minber; man ver^
fügte fich in bie Bäber unb kam neugeboren unb
neugeftrählt heraus. €in Oejamtabenbtee in
Pantoffel unb Schlafröchen unb pubermäntel ein*
genommen, machte ben Bejchlufe; alles befehde
bes Unfalls Jammer unb lachte fich halb tot
brüber. (Dftr. ßaife, beffen natürliche f5aarfarbe
jetit 3U Zag kam , war nicht mehr 3U erhennen,
aber feine Schönheit würbe allgemein bewunbert.
Sein braunrotes F5aar ftanb ihm fo viel fchöner als
ber puber, womit er's hatte verbergen wollen,
^a^ man fchrie, jetst hönne er erft intereffieren,
was man vorher für unmöglich hielt. Wer war
vergnügter wie er, ber feierlich ben puber ab*
fchwor unb mit himmlifcher Selbft3ufriebenheit
bei ben brauen herumfpa3ierte, fich bewunbern
3U laffen. — Ich unb bie Cifett haben noch bis
(Ditternacht bie Strohhüte renoviert. Ich fchlug
fie alle auf ber einen Seite mit einer I^oharbe
auf; wenn man nun im Schatten fein will, fo fet3t
man bie Schippe nach vornen ; wo bie Sonn nicht
fcheint, breht man fie herum. Die Verwanblung
fanb allgemeinen Beifall unb fieht nach Voigt
malerifch aus.
285
f5eut morgen harnen bie Cfeltreiber mit ben
verlorenen Schüben auf ihren Stechen in Pro3effion
angerücht; fie hofften ein Unnhgelö, es mufete
auch besahlt werben, obfchon bie Schuhe bef^er
wären geblieben, wo fie begraben waren. (Dan
war ärgerlich, ba^ fie bie befchmu^iten Schuhe
fo öffentlich 3ur Schau trugen. Das war bie
geftrige Gefchichte. Voigt hatte fchon lange brum
gebeten, bie ganse Gefellfchaft 3U €fel in fein
Shi33enbuch 3eichnen 3U bürfen. ßeut morgen
war ein fchöner heller föimmel unb boch war's
abgehühlt vom Gewitter. Wir machten uns fo
malerifch wie möglich, liefen Bänber flattern,
Schleier wehen; bie ßerren ftechten Sträucher
auf ben f5ut, gaben fich nachläffige Pofituren,
fchauhelten mit ben Beinen. So ging's langfam
vorwärts; Voigt war voran mit feinem (Dalhaften,
hatte bie Palette aufgefegt, fafe auf einem 3elt=
ftuhl vor ber ßöhe, wo wir herabhamen, unb
beobachtete ben 3ug mit bem Fernglas. Ruf ein^
mal rief er; „ßalt!" Ich war voran mit einer
grünfeibenen fahne, bie ich mir gemacht hatte;
bie ftemmt ich in bie Seite unb hielt recht feier*
lieh ftill, bie Gitarre hing auch am Sattel. Voigt
malte eifrig auf ein Stüch Wachsleinwanb , bas
auf ein Brett genagelt war. €s bauerte ein
Weilchen, bie €fel hingen bie Ohren unb waren
eingefchlafen , bie Sonne brannte, bie (Düchen
ftachen, bie Schleier unb Bänber hingen fchlaff;
fie glaubten alle, fie hönnten's nicht länger aus*
halten. Ich hätte boch bem guten Voigt fo gern
bas piäfier gegönnt, ^a^ feine Shi33e fertig
286
würbe; icb nahm meine Gitarre unö ftimmte ben
Rofiusho an. Crotbwitb begleitete micb auf öem
Flageolett, mebrere (Daultrommeln ber Cjeltreiber^
jungen fielen ein, es erbob bie Stimme Bafe unb
Dishant, anbere pfiffen, ßaife neben mir an gab
einen Hon von ficb, mit bem er eine paul^e nach-
macbte, bie mit einer Rute unb einem f^löppel
gefcblagen wirb, pfitfcb pfitfcb, bum bum. Die Cfel
wacbten auf unb fpit3ten bie Obren wieber, bie
Cüftcben regten ficb wieber in ben flatternben
Bänbern, alles war begeiftert, unb Voigt malte
fcbneller als eine Winbmüble, in bie ber Sturm*
winb bläft. Die €feljungen batten ficb aucb in
nacbläffigen Stellungen poftiert, balb war's fo
weit, ta^ wir umwenben konnten; Voigt bejtieg
feinen Cfel, unb wir sogen vergnügt unb fingenb
3urücN. Die Sl^i33e ift allerliebft kräftig, er will
fie 3U Frankfurt fertig malen ; warft Du bocb aucb
babei gewefen. — Im Hacbbaufegeben fab icb bie
Birke von fern, bie fo leife webte, in ber icb obne
baran 3U benken wie eine Vifion Dein Bilb ge=
feben batte. Icb bacbte baran, ob icb's bocb ver=
fucben wollte, Dieb bier 3U befucben. Wenn man
allein ift, l>a kann man viel beffer klettern, unb
wie beut nacbmittag alles Siefta bielt, bin icb
bierber gekommen unb bab gefeben, was ber
f5er3og für Bucbftaben in ben Baum gefcbnitten
bat : Z D F unb feinen Hamen brunter. Icb weife
was es beifet, gerabe was er unter Dein (Danuf kript
von ber Immortalita gefcbrieben bat. - Der Voigt
fagt mir, fein Bucb fei febr wicbtig, unb bat mir
nocb mancbes Scböne ersäblt von ibm unb aucb
287
öonberbares. — Das Bucb muffen wir 3ufammen
lefen öen Winter, ßeut nacbmittag war alles
verfammelt beim Zee auf ber Herraffe. Die Cuft
auf weite Partien ift gebämpft. Wir fpielten
§eberball unb machten Seifenblafen , b\e flogen
3wifcben öie Bäum unb balb hier ober bort bin,
aucb eine auf bem ßaife feine Has, glaub icb.
Uom Rberlaffen o o o ^^|
Rcb, laffe bocb ja nicbt 3ur Aber, aus taujenö
Örünben, öenn (vielleicbt): wenn einer nur
einmal 3ur flöer geladen bat, fo hann er hein
5olbat mehr fein, Kein föelM (Dan Kann gar
nicbt wiffen, was fo ein eingriff in bie Hatur
für Veränbrung im menfcblicben Öeift macbt unb
W03U er als bie fäbigkeit verlieren hann. leb
bitte Dieb, laffe niebt 3ur Rber. Im f^lofter, ba,
wenn ber Zag ham, wo bas Rberlafemänneben
im l^alenber ftebt, icb glaub, es war gerab in ber
beifeen 3eit wie jet3t, ba liefeen bie Honnen alle
am linhen fufe 3ur Rber. Da ham ein Cbirurg,
ieb war immer im Rnftaunen feiner ßäfelicbheit
verloren, er biefe föerr föas. - Cine alte Honne
fagte einmal, man Könne in feine Pochengruben,
in benen febr viel erbiger Sebmut5 war, f^reffe
fäen, fo würbe er einen grünen Bart behommen.
leb bielt alfo immer [treffe bereit unb pafete auf
bie Gelegenbeit, ibm ben Samen ein3uftreuen,
unb babe aueb einen Rugenblich, wo er über bem
Warten auf bie Donnen eingefcblafen war, be=
nu^t, unb Du magft glauben ober nicbt, bie f^reffe
batte einen febr günftigen Boben, fie begann mit
(Daebt empor3ufcbiefeen. (Dan braucbte ibn nur
mit effig unb Öl ein3ufeifen, fo batte man ben
trefflicbften Salat von feinem Bartfcbabfel. Rber
289
gelt, Du gläubeft nicbt? - Rber bör, öa fällt
mir ein: effe bocb eine recbt tücbtige öcbüffel voll
Salat, hcL5 l^üblt Öas Blut ab. Rber wenn Du
bei einer €nt3ünÖung nocb Blut verlierft, fo wirb
natürlicb öiefe verftärht; öenn wenn Du ein Dippen
mit Waffer hocbenb baft unö fcbüttft einen Cell
bavon weg, fo hocbt's viel ftärher.
Sritfdj'Strobl. 19
□nf=J f=='nc=' 1=^11^=1
[zdUczi cdUczi (zziUczi
^^ rau föocbs Hachtgebet
Jcb fragte: Was ift öas, ein Rntli^? - Du be*
lebrteft mich, öas fei noch aus öer 5orm
Gottes, nach feinem €benbilö gefcbaffen; aber
Geficbter, öie feien nur fo nacbgepoltert , wo bie
Hatur nicbt bat wollen mit öabei fein un5 öie
Pbilifter allein ficb erseugen laffen. Unö ba bab
icb Dieb gefragt: „f5ab ich ein Bntlit3?" - Da
baft Du gelacbt unö gefagt: „€s ftecht nocb 3U
tief in ber f^nofpe; icb hann's nicbt erkennen."
Hocb an jenem Rbenb bab icb micb vor ben
Spiegel gefteUt unb gebetet, Gott foll micb öocb
aus öer f^nofpe berauslaffen mit einem Rntlit5
unb nicbt mit einem Geficbt; benn wenn icb Kein
Rntlit5 bab, wie kann icb öa einem Rntlit5 ge-
fallen ? Hocb an jenem RbenÖ fragte icb bie §rau
ßocb, weil Wartefrauen von Sd^önbeitsmitteln
mancbes wiffen; fie meinte, wenn man keine
Sünbe tue, fo könne man nicbt unfcbön werben,
unb wenn es barauf ankomme, fo werbe icb ge^
wife micb vor allen Sünben büten. Wie aber bie
§rau f5ocb braus war, um bem f^inbcben bie Suppe
3u kocben, ^a kletterte icb vors fenfter auf bas
Blumenbrett unb bockte micb gan3 klein 3U-
fammen. Wie fie wieber bereinkam, war's gan3
291
ftill; es war bunl^el unö noch hein Cicbt an^
ge3ünöet, öa meinte bie föocb, fie war allein unö
wollte ihr Rbenögebet hersagen, weil öas Rinb=
eben nocb fcblief. - „Je^t geh icb ins ewige
Ceben, fpracb er mit freudiger Seele, neigte öas
f5Qupt unö erbleicbte." Das borte icb auf öem
Blumenbrett vom Gebet öer frau ßocb. Icb
öacbte, ob es wobl unrecbt ^ein möge, fie 3U be=
laufeben, unö öa fiel mir meine RntU^hnofpe ein,
ob öie vom (Deltau ber Sünbe bierburcb hönne
angegriffen werben; benn fo gefcbeit war icb wobl,
Z>a^ bies heine f^apitalfünbe fei. Rber weil icb
abfolut wollt wunberfcbön fein unb obne ben ge*
ringften Tabel, fo bielt icb mir bie Obren mit
beiben ßönben 3U, um nicbts 3U boren, ba liefe
icb bie Stange los vom Brett unb war fcbier in
ben ßof gefallen. Icb honnt mir bie Obren nicbt
verfperren, wenn icb nicbt fallen wollt, unb ba
bort icb fie nocb fingen:
Wenn 5er gülöne CDorgen blinht,
Der 3U biefer ßocbseit wlnl^t,
Wo bie reinen Serapbinen
Bei ber hoben Tafel bienen. -
Da fang icb bie 3weite Stimme. Die ßocb
fiebt ficb in allen Gehen um, bolt Cicbt, fucbt oben
auf bem Ofen, auf bem Vorbanggeftell unb überall
unb kann micb nicbt finben. Icb pflüchte eine
Helhe vom Stock unb ftellte micb in ben fenfter^
rabmen; ben ftiefe icb auf unb reicbte ibr bie
Heike. Da ftanb fie mit ibrem kleinen Wacbs*
ftock unb beleucbtet micb unb meint, icb war
eine Crfcbeinung. Icb bin ibr aber um ben ßals
19*
292
gefallen, benn icb bab bie Srau febr lieb. leb
fragte, ob's eine Sünbe fei, ba^ icb ibr 3ugebört
bab; fie fagte: „Das ift gerab heine Sünbe, aber
Sie bätten können in ben ßof fallen, unb t>a
wollen wir lieber ein Danhlieb fingen, ha^ Sie
nicbt gefallen finb".
^ =- i;^ =-■ 1^
D
as VVetterbacb unb foerr
Rrenswalbo o o o
=Q =Q 0='
rreut morgen vvacb icb auf vom Rufen öer
I J Italiener, öie Parapluies feiltragen, bie wahre
Cochftimme für mich, - unwiberfteblicb ; icb öenl^
gleich, öer Italiener mag Regen wittern, öenn
fonft gehn fie nicht fo früh herum. Ich lafe öie
Cisbeth öen (Dann heraufholen unö lauf 3ur
(Deline - bie liegt noch im Bett -, ob wir nicht
einen parapluie wollen häufen mit3unebmen nach
CDarburg ? Die (Deline kriegt einen öchrechen -
fie glaubt, icb habs lieber, bafe icb nach einem
parapluie frag. Unterbeffen war il signor Paglia^
ruggi vor ber Tür unb ein grünfeibner Regen*
fcbirm gekauft, ben ich auch gleich probieren
wollt. So ging ich vors Zor in bie (Defe am (Dain,
unb fo blieb ich bei ben l^licherfäffern fteben unb
kauft cxn breifeig Rlicker, einer fchöner wie ber
anbre, von Rchat unb (Darmor unb I^rijtall. Damit
ging ich hinunter am (Dain, wo bie Steiner*
gefchirrleut halten, unb befuchte bie in ihren
ftrohernen ßütten unb bie efel, bie mit herslichem
Gefcbrei mich begrüßten, unb bie kleinen f5emb*
lofen, bie ba herumlaufen unb klettern, - unb
teilt ihnen meine f^licker aus. Sie hatten keine
Tafchen, weil fie nackenb laufen; fo mufet ich
ihnen meine ßanbfchub geben, i>a^ fie bie l^licker
konnten aufheben; bie banben fie fich mit Binb*
294
faben um ben Ceib feft. Dos war Kaum gefcbeben,
fo rief micb ein öcbiffer an, ob icb nicbt wollt
überfahren; - icb frag: „€s wirö wobl regnen?"
„nun, was fcbab's, Sie haben ja ein Wetterbacb
bei ficb." Wie icb brüben war, fo benh icb, icb
will nacb Oberraib geben 3ur Örofemama ihrer
(Dilcbfrau unb 1>q (Dilcb trinken. Wie ich an ber
(Dilcbfrau ihr f5aus komm, fo fagen bie Ceut:
„Rlleweil ift bie Annemarie fort mit ber (Dilcb
nacb ber Öerbermübl." Wie icb auf bie 6erber=
mübl l^omm, fo läuft mir bie Rnnemarie fcbon
fort nacb Offenbacb mit ber (Dilcb; ich fag, ich
will mit ihr geben. Sie bat ihre 3wan3ig Öemüs»
körb auf bem l^opf unb ihre (Dilcbhann am Rrm,
unb fo fcblenbert ber grofe ßemüsturm unb ich
als bintereinanber burcb bie ßechen. Sagt bie
Rnnemarie: „Cs fängt fcbon an 3U trepele, es
werb gleich e bichtiger Scbitel komme; warte Se,
ich will Ihne ans von bene klene f^örbercben
gebe, bes könne Se uf ben F^op fe^e, bo kommt
Ihne ken Rege an." - Hun fällt mir ein, ^a^ ich
boch bas Wetterbacb, bas parapluie mitgenommen
hob, wo ift ber geblieben? Cntweber ich mufe
ihn haben bei ben nackigen Bübercben laffen
ftehn, ober ich hob ihn im Schiff liegen laffen;
beibes ift gleich möglich, ich könnt ihn alfo bie
Wafferprob nicht halten laffen, fo fet3t ich ber
(Dilcbfrau ihr runbes, flaches Gemüskörbchen mit
Blumenkohl auf ben f^opf. Sie fagt: „Sie fehen
fo fchön brunter aus wie bie fchönft parifer
(Dabam." - €s war recht luftig; es begegneten
mir allerlei Ceut, bie bachten, ich wollt balancieren
295
lernen. Der Regen batie halb wieber aufgebort,
fo war ich ohne Öran 3U benhen bis Offenbacb
gelaufen; an Öer Raftanienallee nabm icb ben
Rorb ab. In öer 6taM war recbt öonntagswetter,
alles voll Sonnenfcbein, unb in ber Domftrafe lag
auf jeber f5austrepp vor ber Cur ein ^olie mit
bem blaufeibnen ßalsbanb. Alle ]olies brennen
micb; fie harnen an micb berangebellt, unb ba
harnen bie 6pi^e aucb, bie Bommer, unb enblicb
aucb bem Bnion Rnbree feine englifcbe Dogge
mit fiebsebn Jungen, bie fcbon 3iemlicb ber3baft
bellen. Die (Dilcbfrau blieb ein paarmal fteben,
um bas öpringen unb Toben ber ßunbe 3U feben,
unb aucb aus f urcbt, jie möcbten ibr ben 6emüs=
türm aus ber Balance bringen. „€i," fagte fie,
„ber türhifcb f^aifer hann nicbt fcböner begrüfet
werben, bie bleiben ja in einem Vivatrufen." —
60 klingelten wir an ber ßaustür; bie Coujine
melbete, ba^ bie Grofemama nocb fcblief. In ben
Garten wollt icb nicbt geben; icb blieb vor ber
Tür jteben bei ben ßunben; ba kam mein guter
ßerr Rrenswalb vorbei. Cr nabm ben f5ut ab;
icb fagte ibm nicbt, ba^s er ibn wieber auffegen
folle, benn icb baite gefebn, ba^ ein Cocb brin
war unb wollte biefe Wiffenfcbaft gern vor ibm
verbergen. Cr er3äblte mir, er habe biefen
Sommer eine Reife nacb ber 6cbwei3 gemacbt,
weil er feinem Drang, bie Hatur bort 3U be»
tracbten, nicbt habe wiberfteben Können; er
bereue es aucb gar nicbt, obfcbon es ibm viel
gehoftet, ja, er glaube, es fei fein le^ter ßeller
braufgegangen. Icb war etwas befcbämt unb
296
wollte ihm bei bieder vertrauten (Ditteilung nicht
geraö ins Öeficbt feben. (Deine Rügen fielen auf
feine Stiefel; ba präventierte ficb gan3 ungerufen
öer kleine Scbelm, feine grofee 3ebe, welchen
Rrenswalö burcbaus nicht bei ber Ruöiens öulben
wollte, benn er brüchte ihn unter ben Rbfat5
vom anöern Stiefel, öer leiber wie ein fchlecht
gefchlofener Caben vom Winb auffuhr. Wo foUt
ich meine Rügen hinrichten? - Ich fab auf feinen
Bauch, ba fehlten alle l^nöpfe, unb bie Wefte war
mit ßaarnabeln 3ugeklemmt; wo er bie mag her
erwifcht haben, benn er trägt einen Caligula,
welches bel^anntlich bie höcbft geniale Verwirrung
im ßaarfvftem ift, W03U man weber pomabe noch
f^amm noch ßaarnabel braucht, fonbern nur Staub
unb Stroh, bamit bie Schwalben unb Sperlinge
immer (Daterial für ihre Bauten ha finben. Unter*
bes ersäblte er mir, es fei ihm in ber Schwei3
was Sonberbares gefchehen. (Dan habe ihm
nämlich er3ählt, t>a^ es in walbigen Berggegenben
eine Rrt Schnechen gab, bie fehr fchmechen, unb
ba^ auf bem Weg von Cu3ern irgenbwohin auf
einem Berg fehr viel folcher fchmechenben
Schnechen gibt. €r habe folche auch in (Daffe
im Walbe angetroffen unb einen fo ftarken Rppetit
banach bekommen, ba^ er ihrer mehrere gegeffen
unb gan3 fatt bavon geworben fei. Rls er ins
Wirtshaus 3urüchkam, verbat er fich fein (Dittag^
effen, weil er 3U viel von ben fo gut fchmechenben
Schnechen gefunben unb habe fie mit fo grofeem
Rppetit ver3ehrt, l>a^ er unmöglich noch was
genießen Könne. „Wie?" fagte ber Wirt, „Sie
297
haben öie fcbmechenben öcbnechen gegeffen?" —
„nun ja, warum nicht? Sagten Sie nicht felbft,
bafe öie Schnecken fehr wohl fchmechen unb öafe bie
Ceute gewaltig banach her finb, fie 3U fammeln?" -
„Ja! ,Sehr fchmechen* hab ich gejagt, aber
nicht jWohU' - Schmecken heifet bei uns
ftinken, unb bie Ceute fammeln fie für bie
Gerber, um bas Ceber einsufchmieren." - „So
hab ich alfo biefes Oerbermittel gefpeift unb mich
fehr wohl babei befunben," ersählte ßerr Rrens-
walb, währenb ich fehr errötet in bie Cuft gud^te;
benn es war kein anbrer pia^ bOy ohne auf eine
grobe Sünbe bes gän3lichen (Dangels 3u ftofeen.
ISI KI Kl !E1 Kl
eim Primas
a
Beim Primas gestern grofee parabe; alle alt*
abeligen flaggen webten. - Über bie fünf
eilen lange öcbleppe mufeten bie ßerren mit
bocberbobnen Beinen binausfteigen. Der Primas
fübrte micb ins F^abinett, wo bie Blumen fteben,
unb liefe 3wei Sträufee binben für mich unb bie
(Deline. Dies war als eine bobe Russeicbnung
bemerk worben ; man batte grofeen Hefpekt, ber
ficb nocb febr steigerte, als mir ber Primas beim
Rbfcbieb ein Pahet gab, febr fauber in Papier ein*
gefiegelt. Rlle glaubten, es fei ein fürftlicb Präfent,
vielleicht ein 6cbnupftabaksbofen»f^abinettftüch.
I^ein (Denfcb bebacbte, ^a^ ber Primas 3u wit3ig
ift, um mir eine folcbe Rlbernbeit an3utun. Dur
wunberte man ficb, tia^s icb mein Gefcbenk fo
obne Umftänbe, obne micb 3U bebanh?en, unter
ben Rrm gehlemmt babe; icb batte taufenb öpafe,
bie vielen Gloffen 3U boren, unb honnte am €nb
vor Vergnügen über bie Heugierbe nicht umbin,
im Vor3immer 3U tan3en, wäbrenb micb alles
umringte mit Bitten, es 3U öffnen, W03U icb micb
nicht bewegen liefe, fonft war ber öpafe aus
gewefen. Befonbers quälte bie Heugierbe ben
(Dori^ im grünen Sammetroch, ber ben gan3en
Rbenb alle Spiegel mit ber eignen Bewunberung
feiner Perfon befe^t hielt. Sowie er bie Über*
299
reicbung biefes mYftifcben Pakets gewahr warb,
lief er mir nacb; Öem bätt icb's aber geraö nicht
gefagt. Im Paket war nichts, als was Du wobl
fchon öenken hannft : ein paar alte JuÖenjournale
unb bie Drufenfamilie für bie Crofemama; ich
foirs lefen, was mir eine harte Hufe ift. - Sagt
ich's, fo würbe man ben Primas wobl eher für
einen Harren halten, i>a^ er auf mein Urteil einen
Wert legt, als mich für gescheit genug, biefer Bus=
3eichnung €bre 3U machen; fo mag*s benn bie
Ceut mir im Refpekt halten; wüfeten fie, es jei
nur Papier unb heine Dofe, hielten fie mich 3um
Harren gehalten vom Primas.
Geftern war fchon wieber Cour beim Primas,
ich war's fo fatt, ^a\s ich mich verfteckte beim
Wegfabren; fie fuchten mich überall. Ich war in
meinem Bett verftecht, unb ber Sran-^ war bös,
aber um ihn wieber gut 3U machen, hab ich mir
eine befonbere Cift erfonnen. Ich fanb in ber
Zorn ihrem f^üchenrevier einen grofeen I^orb mit
weifeen Rüben, ben bab ich vorgenommen mit ben
Ceuten, fie gan3 bünn abgefchält unb ausgehöhlt
inwenbig, in jebe ein Wachslicht gefteckt unb fo
bie gan3e treppe illuminiert unb ben Vorplat5. -
Ich hob bis nach (Ditternacht mit 3U tun gehabt,
es war recht bumm; es war beffer gewefen, ich
war mitgegangen, benn ber Primas liefe mir fagen,
weil ich nicht mitgekommen war, fo foll ich f reitag
mit ihm unb bem Weihbifchof 3U (Dittag fpeifen
unb Safttag halten.
DEIIID
§§0 ° o2o ° o2o
tubentenkomööie o o o
a
rzeut bab icb Dir was Cuftiges 3U ersäblen.
U €s war ötuöentenl^omöbie, unö wir waren
örin unter öem Scbu^ von einer grofeen Be^
gleitung. Das 5tüch war eine öelbfterfinbung
bev Stubenten, worin örei Duelle vorl^amen von
öcbufe, 6ticb unb ßieb. Wie öer 6cbufe vorl^am,
war öer (Deline fcbon nicbt wobl 3umut, wie ber
6ticb vorl^am, warö uns grün unö blau vor öen
Rügen, wie aber öer ßieb ham, gab's ein Cärm
unö Gepolter, unb man fprang übers Orcbefter
hinüber, über bie Öllampen weg hinauf aufs
Theater. Die Öllampen gingen 3um Teil aus,
unb aus ber bisherigen Dämmerung entwickelte
ficb f infternis. Unfre Begleitung umstellte uns auf
ben Bänken unb hielt uns in ihrer (Ditte, um
uns vor jebem Unfall 3U fcbü^en, bis wir wagen
konnten, aus biefer J^onfu^ion unb ben Ölqualen
heraus3uhommen unb auf freier Strafe wieber
Cuft fcböpften. Die Verwirrung war baher ent>
ftanben, bafe ber pebell bem Rektor, ber inmitten
bes Saals auf einem €hrenfeffel 3ufah, fted^te,
bas Duell mit bem ßieber fei ein wirkliches; er
wollte es erlaufcht haben; auch fab es fehr ge--
fährlich aus in ihrer Stubentenarmatur. Der
Rektor hielt es für feine Pflicht, in geraber Cinie
auf bies Wagnis los3ufchreiten ; er bahnte ficb
301
einen Weg öurcb Öie (Ditte Öes Orcbefters, wo
öie Bafegeige angelehnt war, vor bem Rektor
umfiel unÖ einen fcbauerlicben Zon von ficb gab.
Die Öefellfcbaft fcbrechte auf; Öer Dehan unb wie
bie Univerfitätscbargen alle beifeen, brängten ficb
über alle f5inÖerniffe weg ihrem Rektor nach,
wo öenn öen Pauken unb Bafe noch mancber
unwillkürliche Ton entlockt würbe. - Viel lautes
ßin* unb ßerreben unter ^en Damen, bie halb
bas Unglück verhüten, halb es nicbt mit anfehen
wollten, viel 6elächter unter ben Stubenten, bie
ihre freube an ber Verwirrung hatten; am
intereffanteften war bie ösene auf bem Theater.
Der Rektor mit Beiftanb uns en face gan3 feier^
lieh; ein Stubent, ber eine Dame vorgejtellt mit
langer Schleppe unb fchon früher beim Sticbbuell
bie ßälfte bavon verloren hatte, wenbete jetst,
wahrfcbeinlich aus (Dutwill, bem Publikum ^>en
Rücken. (Dan fah grofee f^anonenftiefel , einen
lieber an ber Seite, ber bie halbe Schleppe
trug, unb einen grofeen Slorfcbleier, ber ben Rücken
hinabwallte unb mit jeber Bewegung halb bie
paar Campen 3U erlöfcben, halb jicb 3u ent3ünben
brohte, fo ^a^ mehrere Stimmen riefen: „Der
Schleier brennt." - €r war halb ausgemacht,
alles fei nur blinber Cärm gewefen, inbeffen
konnte bas Stück nicht weiterfpielen. Die Campen
waren aus unb bie ßonorationen fort ; eine ODaffe
Strafeengefinbel hatte ficb ber Bänke bemächtigt,
um 3u fehen, was es gab. Rm anbern Zag
hörten wir von unferm Profeffor Weife ben Bus*
gang ber Tragikomöbie ; es fei in Dubio geblieben,
302
ob wirhlicb ein ernftlicb Duell habe fein follen.
Die Stuöenten haben es geleugnet, ber peöell
aber befcbworen, öafe er ihre Unterredung auf
öem Gang mit angehört habe, unö bafe ber eine,
öer Me Dame vorstellte, öer eine öel^unbant unb
mein getreuer Hauptmann ber anbre fein follte,
unb ba^ fie vor ber Or ihre f^lingen gemeffen,
unb ^Q^ er gehört habe, auf wieviel Gänge, unb
wie fie ihre ßalsbinben, ihre Stürmer unb ihre
fauftbinben befichtigt hätten. Die ötubenten
blieben babei, fie hätten nur ihre Rollen repetiert,
unb bas habe alles follen auf bem Theater vor«
geftellt werben. Cs war nichts 3U machen, man
mufete fie laufen laffen; fie gaben bem ReWor
ihr €hrenwort, keine ßänbel an3ufangen, hielten
noch einen l^ommers unb jubelten bis fpät in bie
nacht. - Der Gang bes Stüchs hatte noch hein
Cicbt auf feinen Inhalt geworfen. Die eigentliche
Pointe bes Creigniffes war, bafe fie bie mangelnbe
Rataftrophe besfelben erfetjen wollten unb baber
in Gegenwart bes Pebells, ben fie nicht 3U be^^
merhen fcbienen, unb ber fich hinter einen Schrank
verftecht hatte, bie ganse Gefcbichte ihm weife
machten. Sie hatten ihm fchon früher Rrgwohn
beigebracht unb liefeen fo bie ganse Verfammlung
mitfpielen, bie fich babei auch höchlich amüfiert
hatte, unb gewife hat fich jung unb alt noch eine
Weile von allem f^omifchen 3U er3ählen, was
babei vorfiel.
DDDa
D©ö Q©0 fl©0
Du frägft mich fo viel in Deinem Rbfcbieös^
fcbreiben, Du belebrft micb, Du 3anNft micb
verborgen unter beimlicber Deche, unö nocb fo
viel fragen wechft Du mir im ßewiffen; - unö
voll ift bie Bruft von öer fülle, bie Du mir all
in Deinem Brief fpenöeft, öafe icb auch wie öie
Rofenhnofpen angefcbwellt bin unb möcbte auf=
brechen bem Cicbt unb gar keine anbre Rechen^
fcbaft mehr geben als ben Duft, hen gleich ber
Rofe meine 6eele ausbaucht, weil Du fie wie bie
Sonne wärmft unb reiseft. - Rber boch wenb
ich 3ur einfachften frage mich, „was ich mit
meinem Gelb anfange," unb gebe Dir bie bümmfte
Antwort, wo Du gleich meinen wir[t, ich war
närrifch. Ich habe bas Gelb verfcha^^
gräbert! - }a, demente, ich bab's in ein
hlein leinenes Beutelchen geftecht, worauf ich mit
Golbfaben unb roter öeibe meinen Hamen ge-
fticht hob unb noch allerlei habaliftifche 3eichen.
Ich bab's 3ugeyiegelt mit einem fchwar3en Siegel,
einem grünen unb einem roten, bann hab ich ein
Coch gegraben 3wifchen ben 3wei ftarken Wur3eln
ber Pappel an ber Bojenwanb. Da hab ich's in
304
einen leöernen öcbub bineingefcboben unö einen
Zopf mit einem Bajilil^umftraucb Örauf geftelU,
unb allemal, wenn icb Gelb hriegte, wecbfelte icb
Öavon in öolö um, unb allemal, wenn ber (Donb
fcbien, ging icb mit öem Spi^ bin unb legte es
basu, unb öabei bab icb Öas ÖelübÖe getan, icb
wollte es verfcbweigen , unb weil Du mir bas
öcbweigen fo febr anempfieblft, fo ersäble icb
Dir bas einsige Gebeimnis, was icb bätte ver*
fcbweigen l^önnen, unb nun \\i alles leer an Ce-
beimnis, unb icb hann alfo nicbts mebr ver*
fcbweigen! - Denn fonft, - mit bem Or)unb blofe
nicbt reben, bas ift*s bocb nicbt, was Du meinft, ha
bie Tante ficb alle (Dübe gibt, mir absugewöbnen,
ha^ icb nicbt wie ein ftummer Ölgötse ben Ceuten
in ben (Dunb guche, bie micb etwas fragen. -
3a, mit meiner Scba^vergrabung, bavon will icb
Dir nocb fortersäblen , weil icb's nun bocb fcbon
gefagt bab. Icb babe bies Gelb ber Selene
gewibmet, ber ßimmelsfcbwefter bes ßefperus;
biefe beiben finb unfre Scbu^patrone; ber Stern
ift ber meinige als ßruber, ber micb abenbs
immer befucbte, ber (Donb ift ber Deine, ber Dein
Rnbenken oft mit feinem 6cbein in mir erbellt.
nun bab icb aber biefes Opfer bocb ber Selene
wieber geraubt, mit 3agen 3war - icb babe bas
Gelb eilig am Rbenb ausgegraben unb bab's
über bie Gartenmauer geworfen in ben Garten
vom (Dagnetifeur nebenan. Icb borte es hlingeln,
wie's binabfiel, unb icb rief basu fo laut als icb
konnte, obne tia^ man's im ßaus bätte boren
hönnen: „Da ift Reifegelb!" Unb bann war
829 = 305
mir auch, als hörte icb Öas Gelb rappeln beim
Aufbeben, aber icb lief fort - Denn bie ^ante
hatte am Zag vorher bei tlifcb ersählt, öer
COagnetifeur möcbte gern abreifen, aber es fehle
ihm am Reifegelb. Bber er ift bocb noch ba,
benn icb feb ihn alle Bbenb noch im Garten
geben unb beobachte ihn vom ßoffenfter. Icb
fcbäme micb fo fehr unb traue mich gar nicht mehr
in ben Garten, wo wir fonft als über bie Wanb
allerlei (Derkwürbiges verhanbelten. Rber nun
kommt was Schrechlicbes , was ^a paffiert ift,
mir iff s paffiert - Denk Dir, ber alte Schub, in
ben ich mein Gelb hineingefteckt hatte, um ^en
fchönen Beutel 3U fchü^en, war eigentlich ein
neuer Schuh; fein l^ompagnon ftanb gans ver*
gnügt in bem kleinen f^aften bei l>en anbern
Schuhen. Ich foll abgeholt werben nach franko
fürt morgen früh. Die ^ante fragt: „Wo ift benn
ber anbre neue Schuh ? Das ift grofee Schlamperei
von bir, einen Schuh 3U verlieren; icb mufe bicb
fehr bitten, ftrenge bicb an, ihn 3U finben." Ich
lief in t)en Garten, ich holte meinen Schub unter
ber Pappel hervor; icb wollt ihn ein bifecben
reinigen an ber Pumpe unb verfuchte ihm ein
finfehen 3U geben, ha fällt was heraus, bas
glän3t in ber Dämmerung : ein Ring. Icb lafe ben
Schuh ftehen, ein bunkler Stein, ber funkelt fo
näcbtlich fchwar3 wie ber Bli^ bes Räubers ober
wie (Dirabeaus Auge vielleicht, unb inwenbig
im Schilb ftanb ein fchwar3es M.
Wir geben morgen auf bie grüne Burg 3U
ben Gefchwiftern, acht Zage bleiben wir bort; bie
Srit^cb = Strobl. 20
306
Oötterlebre nehm ich mit unö öen Ring. Wo
foll ich ihn laufen? leb glaub, er ift ein Talisman;
icb bab fcbon allerlei fragen unÖ Befeble um
(Ditternacbt an ibn ergeben laffen, aber 5er Geift
ift nicbt erfcbienen, Öer mir vielleicbt beifteben
wollte, bumme Streiche 3U machen.
Dr-,D n ^rP n ^rP
Y
euer in öer ßlaufärberei
Den wollt icb Dir wobl fcbreiben, ben fcbönen,
langen, biftorifcben Brief, wenn nur was
vorgeben wollte! - leb babe 3war gar keine
Heigung, öafe etwas vorgeben foll, aber öocb,
wie le^t in öer Blaufärberei am i^anal feuer
ausbracb, macbte mir öas ein unenölicbes Ver-
gnügen; Öamit ftimmte Öas Volh mit feinem
Scbaufpielertalent überein. - €ine Versweiflungs*
unb 3Q"i"^ergefcbreihomööie, gewürst mit ben
ausgelaffenften öcbersen; bas gan3e war un*
wiöerfteblicb; icb bebauerte, bafe es nicbt fcbich=
lieb war, mit3ufpielen, fonbern nur 3U3ubören. -
Gegenüber vom f euersbrunfttbeater im freien §elb
ftebt bas grofee f5aus, worin Bernarbs blafenbe
inftrumentiften alle wobnen, bie mancbmal fieb
bas piäfier macben, aus allen §enftern beraus
naeb ben vier Weltgegenben bin ibre Paffagen 3U
exer3ieren ; biefe waren bureb bie ausfeblagenben
flammen in Begeiftrung verfemt. - Sie bliefen
Cufcb, wenn ein 6tüeh Daeb einfiel ober (Dauer! -
Was einem boeb gleieb Cebensübermut bureb»
ftrömt, wenn bie (Denfcbbeit niebt fo ängftlieb am
Befi^tum klebt! — Wenn man bort ODitleibs»
quellen riefeln über bas ein3ige bifeeben ßabe,
was ben Rrmen nun verloren ift, - bas maebt
fo malabe; es ftebt einem ber Verftanb ftill, ba
20*
300
öocb gewife jeber genug hätte, wenn jeöer wüfete,
was er mit bem feinen anfangen foU. - Der
Blaufärber hatte öie grofemütigfte Gleichgültigkeit
bei biefem Verafchen feiner Cinbläuung. Unb es
harnen öie närrifcbften Wit5e vor bei ber Juben^
fpri^e, bei welcher ber t3laufärber felber ftanb
unb fie fortwährenb birigierte gegen bie 3wei
uralten Cinben in feinem f5of, bie fein Ururgrofe-
vater, ber auch Blaufärber war, gepflanst hatte,
unter benen ber Färber feine l5och3eit gehalten. -
„Wenn ihr mir bie erhaltet," fagte er 3U ben
3uben, Jo fcbenh ich euch 3wan3ig Caler." -
nun würben bie Juben fo feurig, lauter arme
Cumpen! - Cs gab ein 6e3änh mit ber poli3ei;
fie wollte auf bie unnü^ien Cinben Nein Waffer
verwenbet haben. Die }uben fchrien mörberlich,
als man ihnen ^en Schlauch entrife, nach bem
Blaufärber; ber ham herbei unb mufete ihn wieber
erobern. „Was folle bie alte Bääm," fagt ber
ßerr poli3ei. - „Wie, ßerr Poli3ei! Sie fchmähen
bie alten Cinben, bas Wahr3eichen von Offen*
hoch? - €i, bo hönnt gan3 Offenbach abbrenne
unb bie Wahr3eiche bliebe alleen ftehn. Die
könnten boch bas (Daul nicht uftun unb er3ähle,
ba^ Offen bach ba geftann hat." - Die Cinben
würben übrigens gerettet, benn bie juben liefeen
f ich nicht 3U nah kommen ! - Die ßorniften, ßaut-
boiften, Rlarinettiften unb Jagottiften fchmetterten
ihre Paffagen ba3wifchen wie freie Oötterföhne
in bes (Donbes blauem Cicht, ber über ihrer
Wohnung thronte unb nichts von feinem Ölan3
verlor burch bie gegenüber aufqualmenbe feuer*
309
faule, 5ie ficb oft vom Raucb nieber mufete örüchen
laffen. - Der (Donö bat Cbarahter, Öie Geftirne
haben Cbarakter; ber ßimmel, öer fie trägt wie
ein Baum Öie Apfel, Öer ift 5er Cbarakterbaum. -
Die (Denfcbenfeele ift ein hleiner, fUegenber
öamenftaub, öer einen guten BoÖen fucbt, um
Qucb CbaraNter 3u weröen. Das WerÖen - öas
grofee Weröen - ift unb foll fein ber ein3ige
Genufe, fagt bie Günberoöe ; ber wirb aber nicht,
ber nicht göttlich wirb, fagt bie Günberobe auch
noch. - für beut bab ich genug gefchrieben; nun
wünfch ich, ^a^ morgen wieber was vorfallen
möge, einsig, um meinen biftorifchen Brief fort^
fe^en 3U können. -
m^ - SS = aa
männewei o o o o
tZDDCIDDIIZlDCIIlDilDDEZDD
nein, beute ift nicbts weiter vorgefallen, was
icb biftorifcb nennen könnte; ber Zqq ift
total vorbei ! unb nicbts, was nur ben ßunb bätte
3um Bellen gebracht. - Dur eine hleine elegifcbe
63ene. Die Grofemama bat mancbmal einen Ver*
brufe an fo einem Sebervieb; wenn es in ibre
ßausorbnung ficb nicbt fügt, fo mufe es gefcblacbtet
werben. Diesmal traf bas traurige Cos ber ßin*
ricbtung ein impertinentes f5ubn, was immer mit
grofeer öefcbwinbigNeit bie Weisenhörner, welcbe
fie für alle ftreut als Deffert 3um ßaber, für ficb
allein erfcbnappte. Das ßubn war von (Deline
in Rffehtion genommen, gleicb als es aushrocb,
beifet (Dännewei, von ODannweibcben , weil es
lang unentfcbieben blieb, ob bas Z\ev ein ßabn
ober f3ubn fei, ^a es einen fo roten, ftol3en,
boppelten f^amm unb einen fcbönen roten Bart
bat. f^ur3, icb homme grabe an ber f^ücbe vor»
bei, wie bie taube Rgnes auf bem 5cbemel fi^t,
bas ßubn 3wifcben ben l^nien, bas (Deffer
we^t. - leb fpringe bin3U, 3ieb Z>en öcbemel
unter ibr weg, fie fällt auf bie Hafe, bas f5ubn
unter bem (Deffer weg flattert mit grofeem Oe*
fcbrei burcbs f^ücbenfenfter. €s war bie 3eit,
wo bie anbern f5übner fcbon alle im ßübnerftall
mit ibrem ßabn ber golbnen Rübe geniefeen.
311
f^aum borten \\e aber öas Hotgefcbrei Öer ßenne,
als alle loslegten mit Gachern! leb war voll
Scbrech über meine Rübnbeit, Öie ßinricbtung 3U
verbinöern. leb jagte bas ßubn öureb öen Garten ;
gan3 am Cnb Öer Pappelallee fing icb's erft ein.
Wo follte ieb mit bin? Bracbt ieb's 3urüeh, fo
würbe es Öennoeb abgetan; aber mir fcbauöerte/
eine Suppe von öiefem ßubn 3U effen. - leb
marfcbierte 3um Gärtner im Bosl^ett. - Der
nimmt es unter feine Obbut, bis beffere Seiten
hommen. - Wie hann man aueb 'Ciere, öie täg=
lieb unter uns berumlaufen, uns trauen, einem
niebt aus öem Weg geben, plö^licb, was fie gar
nicbt gewärtig finb, überfallen unö freffen. Die
taube Rgnes ift febr erfebroehen, Öafe 5er Polter*
geift öie Scbawell unter ibr wegge3ogen bat.
Sie er3äblt nocb mebrere Sälle von biefem Spuhe=
Öing; - einmal war es mit ibrer ßaube aus*
geriffen, - fie war aber am Senfterriegel bangen
geblieben. - Diesmal mit Öer föenne; Neiner
glaubt ibr öas, aber jeber wunöert fieb, bafe es
verfcbwunben ift unb niebt wieöer erfcbeint. -
„Unb enblieb," meint bie Agnes, „werben wir's
bocb einfeben, bafe es fpuht." Die alte Rorbel
fe^te fieb mit bem Räbeben berbei, bie Rgnes
er3äblte lauter Gefcbicbten vom Rüebenteufel, eine
gan3 aparte f^laffe; wollt ieb aueb je^t fagen,
ba\i ieb bas ßubn weggefcbleppt babe, heiner
würbe es glauben. - Rbenbs beim Sternen*
fcbimmer, wo ieb ben l^opf weit aus unferm
(Danfarbfenfter ftrechte, um reebt viele Sterne 3U
3eugen meines feierlicben Sebwures an3urufen,
312
tat icb ÖQS Gelübbe, alles l>xQn 3U wagen, wenn
icb einen (Denfcben in Gefahr jebe, unö wenn
aucb felbft öas ODefjer fcbon über feinem ßaupie
fcbwebi — €in rafcber Cntfcblufe vermag viel,
aber 3agen ifi bas Veröerben aller Örofetaten!
f5ätt icb nur einen Rugenblich micb begonnen, fo
lebte je^t l^ein (Dännewei mehr! — Unb mit fo
einem Hier ift's eine befonöere öacbe ; man weife
nicbt, ob es ein ^enfeits bat, bocb lebt es gern,
bocb bat es mebr mit ber Hatur 3U fcbaffen wie
wir, bocb gebort ibm bie Welt, jeben Bugenbli<*?
es örauf verweilt. Ja, es ift ber (Dübe wert, ein
Ceben 3U retten, fei, es welcbes es wolle. Rcb,
bie öcbwäne fallen mir bier ein, bie ibr fcbnee»
weife Cefieber im eignen Blute mufeten baben,
bie ßelben ber Oironbe! -
flltenburg
Piererfcbe f5(Jfbucböru*erei
Stephan öeibel & Co.