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Full text of "Geschichte Nieder- und Oberösterreichs"

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ALLGEMlilNE  STAATENGESCHICHTE 

Herausgegeben   von  KARL  LAMPRECHT. 
I.  ABTEILUNG:    GESCHICHTE  DER  EUROPÄISCHEN  STAATEN  —  II.  ABTEILUNG:   GE- 
SCHICHTE DER  AUSZEREUROPÄISCHEN    STAATEN   —   III.  ABTEILUNG:  DEUTSCHE 
LANDESGESCHICHTEN 


Dritte  Abteilung: 

DEUTSCHE  LAIDESeiSCHICHTEN. 

Herausg"eg"eben 

von 

ARMIN   TILLE. 


Sechstes  "Werk: 
VANCSA,  GESCHICHTE  NIEDER-  UND  OBERÖSTERREICHS. 

Erster  Band. 


GOTHA    1905. 
FRIEDRICH  ANDREAS  PERTHES 

AKTIENGESELLSCHAFT. 


DEUTSCHE  LANDESGESCHICHTEN. 

Herausgegeben  von  ARMIN  TILLE. 
Sechstes  Werk. 


GESCHICHTE 

NIEDER-  DND  OBERÖSTERREICHS 

VON 

MAX   VANCSA. 


Erster   Band. 

Bis  1383. 


GOTHA  1905. 
FRIEDRICH  ANDREAS  PERTHES 

AKTIENGESELLSCHAFT. 


985713 


Oswald  Redlich 


in   Verehrung- 


^"  o  11    seinem    dankbaren    Schüler. 


Vorwort  des  Herausgebers. 

Das  Wesen  der  „Deutschen  Landesgeschichten"  und  die  Ge- 
sichtspunkte, die  für  Verlag  und  Herausgeber  bei  Einrichtung 
dieser  dritten  Abteilung  der  „Allgemeinen  Staatengeschichte"  mafs- 
gebend  waren,  sind  im  Vorwort  zum  Fünften  Werke:  Wehrmann, 
Geschichte  von  Pommern,  Erster  Band  (1904)  S.  V — IX  dargelegt 
worden,  und  darauf  sei  an  dieser  Stelle  verwiesen. 

Jede  Landschaft  des  deutschen  Sprachgebietes  soll  allmählich 
in  dieser  Sammlung  eine  geschichtliche  Darstellung  finden,  und 
hiermit  wird  die  erste  Landschaft  der  Osterreichischen  Monarchie  — 
einige  andere  Kronländer  werden  bald  folgen  —  der  Öffentlichkeit 
übergeben.  Für  Preufsen,  Braunschweig  und  Hannover,  die  Provinz 
Sachsen,  Schlesien  und  Pommern  liegen  bis  jetzt,  wenn  auch  zum 
Teil  noch  unvollständig,  Landesgeschichten  vor,  aber  alle  um- 
schlingt ein  gemeinsames  geistiges  Band,  und  so  wird  jedes  neue 
Werk  auch  im  Kreise  derer,  die  der  bestimmten  Landschaft  ferner 
stehen,  auf  Teilnahme  und  Beachtung  rechnen  dürfen. 

Leipzig,  im  Februar  1905. 

Dr.  Armin  Tille. 


Vorwort  des  Verfassers. 


Eine  Darstellung  der  Geschichte  Niederösterreichs,  des  Stamm- 
landes der  österreichisch-ungarischen  Monarchie,  hat  es  —  von 
kurzen  Übersichten  abgesehen  —  bis  jetzt  nicht  gegeben;  eine 
„Geschichte  Oberösterreichs"  ist  seit  dem  Jahre  1847  nicht  mehr 
zu  schreiben  versucht  worden !  Dafür  hat  sich  im  Laufe  der  Jahre 
eine  stattliche,  schier  unübersehbare  Reihe  von  Quellenpublikationen 
und  Einzeluntersuchungen  zur  Landesgeschichfe  angehäuft,  die 
dringend  einer  Sichtung,  Verwertung  und  Zusammenfassung  bedürfen. 
In  jüngster  Zeit  hat  ja  die  Geschichtswissenschaft  immer  mehr  die 
Landesgeschichte  in  ihrem  Werte  und  ihrer  Bedeutung  gewürdigt 
in  der  richtigen  Erkenntnis,  dafs  die  Durchforschung  der  kleineren 
Einheit  beendet  sein  und  in  ihren  Ergebnissen  klar  vorliegen 
mufs,  ehe  man  an  die  höheren  Einheiten  herantreten  kann,  an  die 
Staaten-,  Völker-  und  Weltgeschichte. 

Bei  dem  Umstände,  dafs  für  eine  „Geschichte  Nieder-  und 
Oberösterreichs"  eine  gesicherte  Grundlage  bisher  überhaupt  nicht 
vorhanden  war  und  dafs  es  gerade  deshalb  auch  einem  all- 
gemeinen Bedürfnis  entsprach,  wenn  die  zahlreichen,  oft  weit 
verstreuten  Quellen  und  die  nicht  minder  verstreute  Literatur  ge- 
sammelt und  aufgearbeitet  wurden,  schien  es  geboten,  den  tatsäch- 
lichen Verhältnissen  ein  Zugeständnis  zu  machen  und  in  der  Mit- 
teilung der  Quellen  und  Literatur  etwas  weiter  zu  gehen  als  es 
der  den  „Deutschen  Landesgeschichten"  zugrunde  liegende  Plan 
vorschreibt.  Hoffentlich  hat  darunter  die  Absicht,  die  jenem  Unter- 
nehmen innewohnt,  „weiteren  gebildeten  Kreisen  eine  lesbare  ab- 
gerundete Darstellung  zu  bieten",  nicht  gehtten. 

Die  „Deutschen  Landesgeschichten"  wollen  aber  auch  nicht 
durchweg   neue    selbständige    Forschungen    bringen,    sondern   zu- 


Vorwort  des  Verfassers.  ix 

sammenfassen  und  ausgleichen.  In  Verfolgung  dieses  Zweckes 
ist  zwar  die  Selbständigkeit  des  Urteils  und  der  Darstellung  durch- 
weg gewahrt,  aber  gute  Einzeldarstellungen  sind,  wo  sie  vorhanden 
waren,  unbedenklich  zugrunde  gelegt  worden.  Viele  Einzelheiten 
erhielten  erst  durch  die  Verwendung  in  bestimmtem  Zusammen- 
hang ihren  Wert  für  die  Geschichte  des  Landes,  und  manche  von 
anderen  festgestellte  Tatsache  erschien  im  Rahmen  des  Ganzen  in 
neuem  Lichte.  Trotzdem  sind  noch  Lücken  genug  offen  und  Streit- 
fragen in  Menge  ungelöst  geblieben,  und  gerade  mit  Hinblick  auf  die 
schwebenden  Probleme  der  Forschung,  die  mit  möglichster  Deutlich- 
keit klargelegt  wurden,  werden  die  Verweise  aufQuellen  und  Literatur 
den  selbständigen  Arbeitern  auf  dem  Felde  der  Landesgeschichte 
gute  Dienste  leisten.  Hier  wird  ein  jeder  von  ihnen  —  mag  er  sich 
nun  mit  der  Landesgeschichte  als  Ganzem,  einzelnen  Problemen  oder 
beschränkten  Gebieten  genauer  beschäftigen  —  leicht  einen  Über- 
blick gewinnen  über  das,  was  bisher  geleistet  worden  ist,  hier 
wird  er  die  Grundlage  finden,  auf  der  er  weiter  bauen  kann. 

Im  Gegensatz  zu  den  älteren  Geschichtsdarstellungen,  die  den 
äufseren  Vorgängen  der  politischen  Geschichte  die  ausschliefsliche 
oder  zum  mindesten  die  Hauptbedeutung  beilegten,  tritt  in  neuester 
Zeit  immer  mehr  die  Verfassungs-  und  Verwaltungsgeschichte,  die 
Kultur-  und  Wirtschaftsgeschichte  in  den  Vordergrund  des  Interesses. 
Gerade  eine  Landesgeschichte,  die  doch  in  erster  Linie  die  Zu- 
stände des  Landes  und  ihre  Entwicklung  schildern  soll,  wird 
um  so  mehr  diesem  Zuge  der  Zeit  folgen  müssen.  Ich  habe  im 
vorliegenden  Werke  zum  ersten  Male  den  Versuch  unternommen, 
nicht,  wie  das  sonst  üblich  ist,  Verfassungs-,  Verwaltungs-,  Wirt- 
schafts-,  Kulturgeschichte  usw.  in  gesonderten  Kapiteln  der  Dar- 
stellung der  politischen  Geschichte  anzuhängen ,  sondern  die  Ent- 
wickelung  des  Landes  innerhalb  einer  bestimmten  Zeitperiode 
gleichzeitig  nach  allen  Richtungen  hin  zu  verfolgen,  wobei  sich 
von  selbst  leitende  Gesichtspunkte  ergaben,  die  das  eine  oder  das 
andere  Moment  mehr  in  den  Vordergrund  rückten.  Auf  diese 
Weise  glaube  ich  einheitlichere,  geschlossenere  und  zugleich 
charakteristisch  sich  voneinander  abhebende  Bilder  der  einzelnen 
Entwickelungsperioden  des  Landes  gewonnen  zu  haben.  Aller- 
dings waren  bei  dieser  Behandlungsweise  manche  Wiederholungen 


X  Vorwort  des  Verfassers. 

nicht  zu  vermeiden,  manche  fernerhegende  Verhältnisse  und  Ent- 
wickelungslbrmen  fügten  sich  etwas  widerwilHg  ein.  Doch  dürften 
dies  im  Vergleich  zu  dem  Gewinn  geringe  Nachteile  sein. 

Ein  Umstand  bedarf"  für  den  mit  den  österreichischen  Ver- 
hältnissen weniger  vertrauten  Leser  eine  Erklärung:  das  starke 
Überwiegen  Nieder  Österreichs.  Dies  hat  seine  doppelte  Ursache. 
Einerseits  beansprucht  Niederösterreich  als  die  eigentliche  Mark, 
die  wechselvollen  Schicksalen  unterworfen  war  und  sich  unter 
eigentümlichen  Verhältnissen  entwickelte,  weit  eingehendere  Behand- 
lung und  erhöhteres  Interesse  als  das  gesicherte,  geringeren  Wand- 
lungen ausgesetzte,  einheitlicher  gestaltete  Hinterland.  Andrerseits 
Hegen  für  Niederösterreich  ganz  unverhältnismäfsig  mehr  Quellen- 
publikationen und  Vorarbeiten  vor  als  für  Oberösterreich,  wo  die 
Geschichtsforschertätigkeit  nach  lebhaften  Anläufen  in  den  dreifsiger 
und  vierziger  Jahren  des  19.  Jahrhunderts  ziemlich  verflaut  ist. 

Einen  Verlegenheitsausweg  in  bezug  auf  die  Bezeichnung  des 
Landes  und  der  Landesteile  wird  man  mir  zugute  halten.  Eine 
einheitliche  Benennung  gibt  es  für  die  in  diesem  ersten  Bande 
behandelte  Zeit  nicht.  Ich  wende  daher  immer  die  allerdings  erst 
spät  aufgekommenen  Bezeichnungen  an,  und  bediene  mich  aufser- 
dem  zur  genaueren  Orientierung  der  Einteilung  der  beiden  Länder 
in  vier  Viertel  (Niederösterreich  in  Viertel  ober  und  unter  dem 
Wiener  Wald,  ober  und  unter  dem  Manhartsberg;  Oberösterreich 
in  die  beiden  Mühl  viertel,  in  das  Hausruck-  und  Traun  viertel)^ 
obwohl  diese  Einteilung  offiziell  bereits  seit  dem  Jahre  1848  auf- 
gegeben ist.  Sie  ist  aber  noch  heute  jedem  Österreicher  geläufig 
und  auch  für  den  NichtÖsterreicher  leicht  verständlich. 

Als  schwersten  Übelstand  habe  ich  es  empfunden  und  als 
solcher  wird  es  auch  dem  künftigen  Benutzer  erscheinen,  dafs  ich 
die  Geschichte  der  Babenberger  Zeit,  die  in  diesem  ersten  Bande 
den  gröfsten  Raum  einnimmt,  schreiben  mufste,  ehe  das  geplante 
Babenberger  Urkundenbuch  vorlag.  Es  ist  leider  bis  jetzt  noch 
nicht  über  Vorarbeiten  hinausgediehen,  die  mir  allerdings  Herr 
Baron  Dr.  Oskar  v.  Mitis,  der  vom  Verein  für  Landeskunde 
von  Niederösterreich  mit  der  Herausgabe  betraut  ist,  in  liebens- 
würdiger Weise  zur  Verfügung  stellte. 

Auch  aus  den  Arbeiten  für  den  „Historischen  Atlas  der  öster- 


Vorwort  des  Verfassers.  xi 

reichischen  Alpenländer"  (herausgegeben  von  der  kaiserlichen  Aka- 
demie der  Wissenschaften)  konnte  ich  nur  teilweise  und  zwar  soweit 
Oberösterreich  in  Betracht  kam,  einigen  Vorteil  ziehen.  Der  Re- 
dakteur, Herr  Professor  Eduard  Richter  in  Graz,  der  uns  soeben 
durch  den  Tod  entrissen  wurde,  und  der  Bearbeiter,  Herr  Ober- 
landesgerichtsrat Julius  Strnadt,  gewährten  mir  zuvorkommend 
die  Einsichtnahme. 

Sehr  dankbar  bin  ich  Herrn  Professor  Dr.  Alfons  Dop  seh, 
dafs  er  mir  die  von  ihm  im  Auftrag  der  kaiserlichen  Akademie 
der  Wissenschaften  neu  herausgegebenen,  allerdings  nunmehr  vor 
meinem  Werke  erschienenen  „Landesfürstlichen  Urbare",  ins- 
besondere die  für  die  mittelalterliche  Wirtschaftsgeschichte  unserer 
Länder  so  hochwichtige  Einleitung  schon  während  des  Druckes 
zur  Durchsicht  überliefs. 

Zwei  bemerkenswerte  Dissertationen,  die  noch  nicht  im  Druck 
vorliegen,  „Die  Entwickelung  der  Landeshoheit  im  Bistum  Passau" 
von  Franz  Straufs  und  „Siedelungs-  und  Wirtschaftsgeschichte 
des  Wald  vierteis  im  Mittelalter"  von  Franz  Heilsberg,  konnte 
ich  infolge  des  freundlichen  Entgegenkommens  der  Herren  Ver- 
fasser im  Manuskript  benutzen.  Herr  Staatsarchivar  Dr.  Josef 
L  a  m  p  e  1  gestattete  mir,  die  Korrekturbogen  der  Fortsetzung  seiner 
Abhandlung  über  „Die  Babenbergische  Ostmark  und  ihre  Tres 
Comitatus"  mitzulesen. 

Für  verschiedenartige  Förderungen  und  eine  Reihe  von  Mit- 
teilungen und  Ratschlägen  bin  ich  den  Herren  Professor  Dr.  Oswald 
Redlich,  Landesarchivar  Dr.  Anton  Mayer,  Herrn  Geh.  Regie- 
rungsrat Dr.  August  Meitzen,  Stiftsarchivar  P.  Benedikt  Hammerl 
und  Ingenieur  Anton  Dachler  zum  Danke  verpflichtet.  Für  kleinere 
Mitteilungen  spreche  ich  meinen  Dankam  betreffenden  Orte  aus. 

Insbesondere  gilt  noch  überdies  mein  herzlicher  Dank  allen 
jenen  Herren,  die  sich  der  unangenehmen  Mühe  unterzogen  haben, 
die  Korrekturen  gröfserer  oder  kleinerer  Partien  mitzulesen,  und 
bei  dieser  Gelegenheit  vielfach  verbessernd  und  ergänzend  ein- 
griffen: vor  allen  anderen  dem  unermüdHchen  Redakteur  dieser 
Sammlung  „Deutscher  Landesgeschichten",  Herrn  Dr.  Armin  Tille, 
der  mir  bei  seiner  reichen  redaktionellen  Erfahrung  und  seiner 
Kenntnis  auf  dem  Gebiete  der  deutschen  Territorialgeschichte  mit 


xn  Vorwort  des  Vorfassors. 

Rat  und  Tat  zur  Seite  stand,  ferner  Herrn  Regierungsrat  Dr. 
IMatthäus  Much,  Herrn  Regierungsrat  Professor  Dr.  Wilhelm 
Kubitscbek,  Herrn  Oberlandesgerichtsrat  Julius  Strnadt, 
Herrn  Archivsekretär  Dr.  Karl  Giannoni  und  Herrn  Archiv- 
konzipisten  Dr.  Franz  Wilhelm. 

Einen  grofsen  Dienst  bat  mir  Herr  stud.  pbil.  Karl  Beer  durch 
Bearbeitung  des  Registers  geleistet. 

Zum  Schlüsse  drängt  es  mich,  schmerzlich  bewegt  des  Mannes 
zu  gedenken,  der  in  mir  den  Grund  gelegt  hat,  um  mich  zur  Über- 
nahme einer  so  grofsen  und  schwierigen  Aufgabe  zu  befähigen, 
und  der  meine  Arbeit  mit  aufserordentlich  regem  Interesse  auf 
Schritt  und  Tritt  verfolgte,  meines  hochverehrten  Lehrers  Engel- 
bert Mühlbacher.  Leider  ist  es  mir  nicht  mehr  vergönnt,  diesen 
Band,  dessen  Erscheinen  er,  wie  er  mich  wiederholt  versicherte, 
mit  Spannung  entgegensah,  in  seine  Hände  zu  legen.  Anderthalb 
Jahre  ist  es  her,  da  stand  ich  an  der  Bahre  des  der  Wissenschaft 
und  unserer  Liebe  viel  zu  früh  Entrissenen. 

So  sei  denn  dieses  Werk  dem  jüngeren  Lehrer  gewidmet, 
dessen  erster  Schüler  an  der  Wiener  Hochschule  ich  gewesen  zu 
sein  mich  berühmen  kann,  und  dem  ich  nächst  Mühlbacher  am 
meisten  verdanke:  Oswald  Redlich. 

W^ien,  im  Februar  1905. 

Max  Vancsa. 


Inhalt. 

Seite 

Vorwort yii 

Einleitung-.  Die  historischen  Quellen  bis  gegen  Ende  des  13.  Jahr- 
hunderts und  die  neuere  landeskundliche  Literatur 1 

Erstes  Kapitel.     Vorröraische  Kulturperioden 26 

Zweites  Kapitel.     Die  römische  Militärgrenze  an  der  Donau      ....  48 
Drittes  Kapitel.     Kulturaustausch   zwischen  Eömern   und   Gennanen.  — 

Das  Ende  der  Eömerherrschaft  an  der  Donau 74 

Viertes  Kapitel.     Germanische,   slawische  und  awarische  Wanderungen  .  102 

Fünftes  Kapitel.     Die  deutsche  Kolonisation  im  Zeitalter  der  Karolinger  .  133 

Sechstes  Kapitel.     Die  karolingische  Ostmark 160 

Siebeutes   Kapitel.      Die  Ungarnepisode   und   die   Wiedererrichtung   der 

Mark  unter  den  Ottonen 182 

Achtes  Kapitel.     Die  zweite  deutsche  Kolonisation  in  der  Ostmark     .     .  205 
Neuntes  Kapitel.    Errichtung  zweier  Marken  im  Osten.  —  Weiterentwicke- 

luDg  der  Besitzverhältnisse  während  des  11.  Jahrhunderts     .     .     .  243 

Zehutes  Kapitel.    Die  kirchliche  Bewegung  und  ihr  Einüufs  auf  Österreich  265 
Elftes  Kapitel.     Ein  halbes  Jahrhundert  Babenbergischer  Politik  bis  zur 

Erhebung  Österreichs  zum  Herzogtum 295 

Zwölftes    Kapitel.      Der    Zustand    des    Landes    bei    der    Erhebung    zum 

Herzogtum 313 

Dreizehntes  Kapitel.  Streben  der  Babenberger  nach  politischer  und  wirt- 
schaftlicher Unabhängigkeit  ihres  Herzogtums 340 

Vierzehutes  Kapitel.     Die  Entwickelung   der  Landesteile  aufserhalb   der 

Grenzen  der  Mark 354 

Fünfzehntes  Kapitel.     Der  Herzog  von  Österreich  als  Landesherr      .     .     374 

Sechzehutes  Kapitel.  Das  Aufblühen  der  Städte.  —  Der  Plan  der  Er- 
richtung eines  Bistumes  in  Wien  und  der  Konkurrenzkampf  zwischen 
den  Herzögen  von  Österreich  und  den  Bischöfen  von  Passau       .     .     396 


XIV  Inhalt. 

Seite 

Siebzehntes  Kapitel.  Die  Bauornsihaft  und  das  Wirtschaftsleben.  — 
Die  letzte  kolonisatorische  Bowe-^ung  und  die  Besitzvoränderungen 
im  ersten  Drittel  des  13.  Jahrhunderts 417 

Aelitzehntes  Kapitel.     Überhebung   der   herzoglichen   Maciit   unter  dem 

letzten  Babcnberger 442 

Neunzehntes  Kapitel.     Das  Gegenspiel  der  anderen  Machtfaktoren      .     .     457 

Zwanzigstes  Kapitel.     Österreich   im   Kampfe   gegen   äufsere   Femde.  — 

Untergang  Herzog  Friedrichs  des  Streitbaren 472 

Einundzwanzigstes  Kapitel.     Der  österreichische  Erbfolgestreit     ...     482 

ZweiundzM-anzigstes  Kapitel.    Österreich  als  Teil  des  böhmischen  Reiches 

Przemysl  Ottokars 501 

Dreiundzwanzigstes   Kapitel.      Der  Sieg   des  Landesfürstentums   unter 

König  Ottokar 524 

Tierundzwanzigstes  Kapitel.     Österreich  als  wiedergewonnenes  deutsches 

Reichsland 538 

Namen-  und  Sachregister 575 

Berichtigungen  und  Nachträge ^^^ 


Einleitiiug. 


Die  historischen  Quellen  bis  gegen  Ende  des  15.  Jahr- 
hunderts und  die  neuere  landeskundliche  Literatur. 

Die  zuverlässigsten  Quellen  l'ür  die  frühgeschichtliche  und 
für  die  römische  Periode  sind  die  Funde  aus  jenen  Zeiten.  Ihre 
Kenntnis  ist  bei  uns  erst  jungen  Datums;  besonders  die  systematische 
Urgeschichtsforschung  reicht  nur  wenig  über  fünfzig  Jahre  zu- 
rück. Sie  begann  mit  der  Entdeckung  des  grofsartigen  Gräberfeldes 
zu  Hallstatt  im  äufsersten  Südwesten  unserer  Länder  im  Jahre  1847  ^). 
Später  folgte  die  Auffindung  der  Pfahlbauten  in  den  oberöster- 
reichischen Seen,  erst  seit  den  siebziger  Jahren  des  19.  Jahr- 
hunderts wurde  Niederösterreich  durchforscht.  Im  wesentlichen 
sind  die  Ergebnisse  hier  und  zum  grofsen  Teil  in  Oberösterreich 
die  Arbeit  eines  einzigen  Mannes,  Matthäus  Much^). 


1)  Die  kleine  Anzahl  zuerst  aufgedeckter  Gräber  (58)  beschrieb  Gaisberger, 
Die  Gräber  bei  Hallstatt  (Linz  1848);  spätere  Fundberichte  im  Archiv  lür  Kunde 
österreichischer  Geschichtsquellen,  Bd.  IV,  und  im  Notizenblatt  der  k.  Akademie 
der  Wissenschaften  (1858).  Eine  grofse  Untersuchung  über  die  gesamten  Funde 
schrieb  Sacken,  Das  Grabfeld  von  Hallstatt  in  Oberösterreich  und  seine  Alter- 
tümer (Wien  1868).  Seitdem  sind  allerdings  zahlreiche  weitere  Ausgrabungen 
gemacht  worden. 

2)  An  zusammenfassenden  Arbeiten  über  die  vorrömische  Geschichte  Nieder- 
und  Oberösterreichs  sind  zu  nennen:  Sacken,  Über  Ansiedelungen  und  Funde 
aus  heidnischer  Zeit  in  Niederösterreieh  (Sitzungsber.  der  Wiener  Akademie,  Phil.- 
hist.  Kl.  LXXIV,  1873)  und  im  Kapitel  über  Kunst  und  Altertum  im  1  Bande 
der  ,, Topographie  von  Niederösterreich"  (Wien  1877);  Much,  Niederösterreich 
in  der  Urgeschichte  (Ber.  u.  Mitteilungen  des  Altertumsvereines  XIX,  113  f.,  1880). 
Über  die  Zeit  des  Mammut  im  Allgemeinen  und  über  einige  Lagerplätze  von 
Mammutjägern  in  Niederösterreich  (Mitteil,  der  anthropol.  Gesellsch.  XI ,  18, 
1881),  Älteste  Besiedelung  der  Länder  der  österreichischen  Monarchie  durch  die 

Vancsa,  Geschichte  Nieder-  u.  Oberösterreichs.  1 


3  p]ink'iliing. 

Aus  der  Köm  er  zeit  *)  waren  manche  Baureste  und  Bildwerke 
schon  von  altersher  bekannt.  Nach  den  Schätzen  im  Schofse  der 
Erde  wurde  jedoch  auch  nicht  früher  als  bis  in  den  dreifsiger 
oder  vierziger  Jahren  des  verflossenen  Jahrhunderts  gegraben  ''). 
Weltruf  erlangte  das  aufgedeckte  grofse  Legionslager  in  Carnuntum 
zwischen  Deutch- Altenburg  und  Petronell  ^).    Nicht  minder  wichtig 

Menschen  und  deren  Knlturentwickclung  (Österr.  Jahrbuch  VIII,  40,  1884),  und 
in  Kürze  neuerdings  im  Monatsblatt  d.  Ver.  f.  Landesk.  I,  105,  1Ü02;  ferner  die 
populär  gehaltenen,  aber  gut  orientierenden  Abschnitte  über  die  Urgeschichte  in 
der  „Österreich-ungarischen  Monarchie  in  Wort  und  Bild"  und  zwar  Niederöster- 
reich (1888)  vom  Grafen  Gundakar  "Wurmbrand  und  Matth.  Much  und  Ober- 
österreich (1889)  vom  Grafen  Wurmbrand;  Wang,  Die  Ergebnisse  der  Ur- 
geschichtsforschung  in  Österreich-Ungarn  (Österr. -ung.  Revue  N.  F.  IV,  95, 
1887/88);  Hoernes,  dessen  „Urgeschichte  des  Menschen"  auch  zu  vergleichen 
ist,  im  1.  Kapitel  von  Ilgs  „Kunstgeschichtlichen  Charakterbildern  aus  Österreich- 
Ungarn"  (Wien,  Prag,  Leipzig  1893);  endlich  jetzt  Pichler,  Austria  Eomana  I 
(2.  Heft  der  Quellen  und  Forschungen  zur  alten  Geographie  und  Geschichte, 
herausgegeben  von  Sieglin)  (Leipzig  1902),  welches  auch  die  Urgeschichte  ein- 
bezieht; eine  Sammlung  von  Abbildungen  vor-  und  frühgeschichtlicher  Funde 
(hgg.  von  M.  Much)'  bildet  den  2.  Band  des  Kunsthistorischen  Atlas  der 
k.  k.  Zentralkommission  für  Kunst-  und  historische  Denkmale  (Wien  1889). 

1)  Aufser  jenen  umfassenderen  Werken,  welche  ich  im  Texte  unter  den 
Darstellungen  besprechen  werde,  seien  noch  folgende  Spezialarbeiteu  über  die 
Eömerzeit  genannt:  Kenner,  Noricum  und  Pannouien  (Ber.  u.  Mitteil.  d.  Alter- 
tumsver.  XI,  1870,  und  separat),  aus  welchem  sein  Beitrag  in  der  „Österreich- 
ungarischen Monarchie  in  Wort  und  Bild"  ein  guter  populärer  Auszug  ist;  Jung, 
Eömer  und  Romanen  in  den  Donauländern  (Innsbruck  1877,  2.  Aufl.  1887),  woraus 
die  Ergebnisse  in  sein  gröfseres  Werk:  Die  romanischen  Landschaften  des  römi- 
schen Reiches  (Innsbruck  1881)  übergegangen  sind.  Speziell  für  Oberösterreich 
vgl.  Widmann,  Das  Land  ob  der  Enns  unter  der  Herrschaft  der  Römer 
(XI.  Jahresber.  der  k.  k.  Staatsoberrealschule  zu  Steyer.  1881).  Mommsen  be- 
handelt die  Donauprovinzen  nur  kurz  im  1.  und  6.  Kapitel  des  5.  Bandes  seiner 
„Römischen  Geschichte".   Zur  Topographie  siehe  jetzt  Pich  1er,  Austria  Romana  I. 

2)  Die  Fundberichte  suche  man  in  den  Sitzungsberichten  der  Wiener 
Akademie;  in  den  Mitteilungen  der  Zentralkommission;  in  den  archäologisch- 
epigraphischen  Mitteilungen  aus  Österreich ;  in  den  Jahresheften  des  österreichisch, 
archäologischen  Institutes;  ferner  die  oberösterreichischen  in  den  Berichten  des 
Museum  Francisco  -  Carolinum ,  die  niederösterreichischen  in  den  Berichten  und 
Mitteilungen  des  Altertumsvereines.  Die  Münzenfunde  siehe  aufserdem  in  der 
Numismatischen  Zeitschrift  und  im  Monatsbl.  der  Numismatischen  Gesellsch. 

3)  Kubitschek  und  Frankfurter,  Führer  durch  Carnuntum  (Wien 
1891,  2.  Aufl.  1893),  Berichte  des  Vereines  „Carnuntum"  1885 ff. ;  auch  die 
bisher   erschienenen   vier   Hefte   des    ,, Römischen   Limes    in    Österreich"   (Wien 


Einleitung.  3 

wurde  die  Aufdeckung  des  Legionslagers  in  Vindobona  (Wien)  '). 
Die  römischen  Inschriften  aus  unseren  Gegenden  sind  im  dritten 
Bande  des  ,,  Corpus  inscriptionum  Latinarum"  (abgekürzt  C.  I.  L.) 
und  seinen  Supplementen  vereinigt.  In  zweiter  Linie  stehen  die 
römischen  Schriftsteller,  welche  gelegentlich  und  zwar  zumeist  nur 
hinsichtlich  der  kriegerischen  Ereignisse  auf  unsere  Gegenden  zu 
sprechen  kommen.  Es  sind  dies  hauptsächlich  in  chronologischer 
Reihenfolge:  Strabo  (15 — 20  n.  Chr.),  der  ältere  Plinius  (70—77), 
Tacitus  (98),  Ptolemaeus  (160),  Dio  Cassius  (nach  200)  später 
die  Scriptores  historiae  Augustae  (4.  Jahrhundert)  Aurelius  Victor 
(360),  Ammianus  Marcellinus  (370)  und  in  der  Völkerwanderungs- 
zeit Paulus  Diaconus,  Jornandes  (Jordanis)  und  die  Origo  gentis 
Langobardorum.  Die  einzige  Quelle,  welche  sich  ausschliefslich 
mit  den  Zuständen  und  Schicksalen  Ufernoricums  noch  dazu  in 
der  zuverlässigsten  Weise  beschäftigt,  stammt  aus  dem  Ende  der 
Römerzeit:  es  ist  die  Vita  Severini,  die  Lebensbeschreibung 
des  heiligen  Severin,  verfafst  von  seinem  Schüler  Eugippius  (ca. 
511).  Sie  entrollt  ein  grofsartiges,  fast  ergreifendes  Bild  unseres 
Landes  zur  Zeit  des  Unterganges  der  Römerherrschaft,  welches 
durchaus  den  Eindruck  des  schlicht  Wahrhaftigen,  des  Selbst- 
erlebten und  Selbstgeschauten  macht  '). 

1900  ff.)  behandeln  vorläufig  nur  Carnuntum  und  die  nächste  Umgebung.  Ku- 
bitschek,  Bilderatlas  der  Carnuntinischen  Altertümer  (Wien  1900). 

1)  Kubitschek,  Vindobona  in  Serta  Harteliana  1893,  Kenner  in  der 
Geschichte  Wiens ,  hgg.  vom  Altertumsverein  I.  und  Eömische  Funde  in  Wien 
1896-1900  (Wien  1900). 

2)  Älteste  Ausgabe  von  Wels  er  in  Augsburg  1595  zugleich  nach  der 
ältesten  Handschrift  in  Deutschland  (St.  Emmeram) ;  Acta  Sanctorum ,  Januar 
I,  484;  Migne,  Patrol.  62;  nach  österreichischen  Handschriften  Pez  Scriptores 
I,  64  und  Muchar,  Das  römische  Noricum  II,  152  mit  Kommentar;  nach  dem 
Lateran.  Kodex  Kerschbaumer,  Scaphus  1862;  nach  Münchener  Handschriften 
Friedrich,  Kirchengeschichte  Deutschlands  I,  431,  1867;  weiter  Sauppe, 
Mon.  Germ.  Auct.  ant.  I,  2;  Knöll  im  Wiener  Corpus  Script,  eccles.  VIII,  2 
und  Mommsen  in  den  Scriptores  rerum  Germanicarum  in  usum  scholarura  . . . 
recusi  (Berlin  1898);  Übersetzungen  von  Eitter  (Linz  1853),  Eodenberg 
(Berlin  1878,  in  Geschichtschreiber  der  deutschen  Vorzeit;  Urzeit)  und  Brunner 
(Wien  1879).  Über  die  Quelle  siehe  aufser  den  Ausgaben  und  historischen  Dar- 
stellungen Wattenbach,  Deutschlands  Geschichtsquelleu  I,  50  (7.  Aufl.); 
So  mm  er  lad.  Die  Lebensbeschreibung  Severins  als  kulturgeschichtliche  Quelle 
(2.  Heft  der  Wirtschaftsgesch.  Untersuchungen)  (Leipzig  1903). 

1* 


4  Einleitung. 

Die  Geschichte  eines  anderen  Heihgen,  die  Legende  des  hei- 
ligen Florian,  eines  römischen  Soldaten,  welcher  auf  das  Edikt 
Diokletians  gegen  die  Christen  im  Jahre  304  zu  Laureacum  in 
die  Fluten  der  Enns  gestürzt  worden  sein  soll,  also  anscheinend 
gleichfalls  für  tmsere  Gebiete  von  Wichtigkeit,  kann  jetzt  nach 
der  epochemachenden  Entdeckung  Kruschs  ^),  dafs  diese  Passio 
St.  Floriani  auf  Grund  der  Passio  des  heiligen  Irenäus  gefälscht 
worden  ist,  nicht  mehr  als  Geschichtsquelle  dienen. 

Für  die  Kenntnis  der  Römerorte  in  unseren  Ländern,  be- 
sonders der  kleineren,  sind  wir  fast  ausschliefslich  auf  zwei  Quellen 
des  4.  Jahrhunderts  angewiesen,  auf  das  Itinerarium  Antonini  2), 
das  zur  Zeit  Diokletians,  und  eine  Landkarte,  welche  ganz  will- 
kürlich Tabula  Theodosiana  oder  Weltkarte  des  Castorius  genannt 
wurde,  bekannter  unter  dem  Namen  ihres  einstigen  Besitzers 
als  Tabula  Peutingeriana,  welche  um  das  Jahr  366  ent- 
standen ist  2).  Früher  setzte  man  beide  irrigerweise  in  die  erste 
Hälfte  des  3.  Jahrhunderts.  Sie  gehen  auf  offizielle  Strafsenkarten 
zurück,  wie  sie  seit  Augustus  im  römischen  Reiche  üblich  waren  ''=), 
speziell  auf  eine  monumentale  Weltkarte  aus  der  Zeit  des  Sep- 
timius  Severus  oder  Caracalla,  aus  "welcher  um  270  eine  buch- 
mäfsige  Ausgabe  redigiert  wurde,  doch  sind  zwischen  dieser  und 
der  Tabula  zwei  vom  Itinerar  unabhängige  Zwischenglieder  an- 
zunehmen. Dazu  tritt  für  die  spätere  Zeit  die  Notitia  dignitatum 
imperii,  eine  Art  Staatsschematisraus  aus  der  Zeit  nach  Theodosius 
(um  400)  ^).  Was  die  Verwertung  dieser  Quellen  zu  einem  wahren 
Schmerzenskinde  der  Forschung  macht,  ist  der  Ubelstand,  dafs 
sich  Itinerar  und  Tabula  weder  in  den  Ortsnamen,  noch  in  der 
Reihenfolge  der  Örtlichkeiten,  noch  in  der  beigefügten  Bezeichnung 


1)  Script,  rer.  Merov.  III,  1896.  Vgl.  dazu  S  t  r  n  a  d  t ,  Die  Passio  St.  Floriani 
und  die  mit  ihr  zusammenhängenden  Urkundenfälschungen  (Archival.  Zeitschr. 
N.  F.  VIII  u.  IX)  (Kontroverse  gegen  Sepps  Angriff  auf  Krusch). 

2)  Herausgegeben  von  Parthey  und  Pinder. 

3)  Jetzt  am  bequemsten  zu  benutzen  die  Ausgabe  von  Miller  (Eavens- 
burg  1887). 

4)  Vgl.  Kubitschek,  Eine  römische  Strafsenkarte  (Jahreshefte  des  österr. 
archäo!    Institutes  V,  20  f.,  1902). 

5)  Herausgegeben  von  Böckin g  in  3  Bänden  1849—1853,  verbessert  von 
Seeck  1876. 


Einleitung.  5 

der  Meilenabstände  decken.  Die  Hauptursache  dieser  Abweichungen 
dürfte  weniger  in  einigen  tatsächlichen  Veränderungen  als  vielmehr 
in  der  schlechten  Überlieferung  beider  Quellen  zu  suchen  sein  ^). 

Auch  das  frühe  Mittelalter  nach  der  Völkerwanderungs- 
periode brachte  noch  keine  spezifisch  österreichische  darstellende 
Quelle  hervor;  das  liegt  in  der  Natur  der  Länder  als  Kolonialgebiet, 
welches  erst  langsam  und  mit  mannigfachen  Unterbrechungen  der 
Kultur  gewonnen  werden  mufste.  Für  die  kriegerischen  Ereignisse, 
die  sich  auf  unserem  Boden  abspielen,  müssen  die  Reichsannalen 
als  Quellen  dienen,  welche  also  streng  genommen  nicht  in  den 
Rahmen  dieser  Übersicht  fallen  ^) :  für  die  Karolingerzeit  die 
Lorscher  Annalen  (Annales  Laureshamenses,  Annales  Laurissenses 
maiores  et  minores),  welche  sowohl  mit  den  Fuldaer  Annalen, 
als  auch  mit  Einhards  Geschichtswerken  zusammenhängen,  die 
Annales  Salisburgenses  maiores  und  minores  (die  Fortsetzung  als 
Annales  S.  Rudberti),  wozu  für  die  Salzburger  Besitzverhältnisse 
(auch  in  Oberösterreich)  der  Indiculus  Arnonis  und  die  Breves 
notitiae  Salisburgenses^)  hinzukommen,  die  St.  Gallener,  Reiche- 
nauer  und  Hersfelder  Annalen  und  Regino  von  Prüm,  die  Ala- 
mannischen  Annalen  und  eine  Reihe  kleinerer  annalistischer  Auf- 
zeichnungen ;  für  die  Babenberger  Zeit  aufser  den  Fortsetzungen 
dieser  Annalen  (Hermannus  Contractus  von  Reichenau,  Lambert 
von  Hersfeld  u.  a.)  vor  allem  die  Altaicher,  später  der  hervoi'- 
ragendste  Geschichtschreiber  des  Mittelalters  Otto  von  Freysing, 
welcher  ja  selbst  aus  dem  österreichischen  Herrschergeschlechte 
entsprossen  war,  und  seine  Fortsetzer,  im  13.  Jahrhundert  Hermann 
von  Altaich,  die  Annales  Colonienses,  die  Annalen  und  das  Chronikon 
von  Kolmar  und  viele  andere  kleinere  Quellen,  die  gelegentliche 
Daten  bringen,  deren  Aufzählung  jedoch  hier  zu  weit  führen 
würde.     Nach  Osterreich    hinüber   leitet  uns    die  Chronik   des  am 


1)  Die  Tabula  ist  gar  erst  zu  Ende  des  13.  Jahrhunderts  von  einem  Kolmarer 
Mönch  abgeschrieben  worden,  wahrscheinlich  aus  einem  beschädigten  oder  schwer 
leserlichen  Original.     Da  sind  denn  Fehler  leicht  begreiflich. 

2)  Die  Annalen  sind  in  den  verschiedenen  Bänden  der  grofsen  Ausgabe  der 
Mon.  Germ.  Scriptnres  herausgegeben  (I,  III,  XI,  XVI,  XVII,  XX).  Vgl. 
Wattenbach,  Geschichtsquellen. 

3)  Aufser  der  Ausgabe  von  Wattenbach  im  XI.  Bande  der  Mon.  Germ, 
jetzt  Hauthaler,  Salzburger  Urkundenbuch  I. 


0  Einleitung. 

Inn   gelegenen   Klosters  Reichersberg,    welche  zunächst   bis    1167 
reicht  und  vom  Priester  Magnus  bis  1195  fortgesetzt  wurde  ^). 

Osterreich  erhielt  erst  in  den  zwanziger  Jahren  des  12.  Jahr- 
hunderts eine  selbständige  Geschichtschreibung  ^)  und  zwar  zu- 
nächst in  den  blühenden  Benediktiner-  und  Chorherrenklöstern  an 
der  Donau,  also  zu  einer  Zeit,  da  im  übrigen  Süddeutschland  die 
Annalistik  bereits  wieder  im  Niedergang  begriffen  war. 

Zunächst  waren  es  die  Lebensbeschreibungen  frommer  Kloster- 
gründer und  Heiliger,  welche  aufgezeichnet  wurden.  In  Göttweig, 
der  Lieblingsstiftung  Bischofs  Altmann  von  Passau,  entstand  unter 
Abt  Cadalhoh  (1125—1141)  die  Vita  Altmanni  ^),  in  Melk  an  der 
Ruhestätte  des  heiligen  Goloman  die  Vita  Colomani  ^)  unter  Abt 
Erchanfrid  (1121  — 1163),  während  die  Vita  des  Propstes  Hartmann 
von  Klosterneuburg  nicht,  wie  man  früher  annahm,  in  diesem 
Kloster,  sondern  wahrscheinlich  in  Brixen,  wo  er  nachher  Bischof 
war,  verfafst  worden  ist  ^). 

Von  hervorragender  Bedeutung  wurde  jedoch  die  Annalistik. 
Unter  dem  eben  erwähnten  kunstsinnigen  Abt  Erchanfried  von  Melk 
wurden  im  Jahre  1123  Jährliche  Aufzeichnungen  der  wichtigsten 
Geschehnisse,  die  Melker  Annalen,  begonnen  und  als  Einleitung 
ein  Auszug  aus  der  Chronik  des  Hermannus  Contractus  von  Reiche- 
nau  vorausgeschickt.  Dieses  Unternehmen,  das  in  Melk  selbst  bis 
zum  Jahre  1564  fortgesetzt  wurde,  hatte  in  den  österreichischen 
Ländern  einen  geradezu  beispiellosen  Erfolg.  Im  Verlaufe  der 
nächsten  hundert  Jahre  wurden  in  fast  allen  Klöstern  Österreichs 
unter  und  ob  der  Enns,  ja  selbst  in  Obersteiermark  und  Salzburg 


1)  Mon.  Germ.  SS.  XVII,  443. 

2)  Sämtliclie  österreichische  Annalen  sind  im  IX.  Bande  der  Mon.  Germ. 
SS.  von  Wattenbach  herausgegeben.  (Eine  Schulausgabe  von  ühlirz  steht 
bevor.)  —  Die  eingehendste  und  beste  Untersuchung  lieferte  Redlich,  Die 
österreiclüsche  Annalistik  bis  zum  Ausgang  des  13.  Jahrhunderts  (Mitteil.  d. 
Inst.  f.  österr.  Gesch.  III,  497,  1882).  —  Über  den  Zusammenhang  mit  der 
Kulturentwickelung  siehe  meine  Darstellung  im  13.  Kapitel. 

3)  In  zwei  Bearbeitungen  erhalten,  von  denen  die  zweite  erheblieh  später 
und  schwächer  ist  (M.  G.  SS.  XII,  226). 

4)  Gleichfalls  in  zwei  Bearbeitungen  überliefert  (M.  G.  SS.  IV,  674). 

5)  Zeifsberg,  Zur  Kritik  der  Vita  Hartmanni  (Archiv  f.  österr.  Gesch. 
LVI,  447j. 


Einleitung.  7 

ähnliche  Aufzeichnungen  in  Angriff  genommen  und  ihnen  allen 
die  Melker  Annalen  zugrunde  gelegt.  Den  Anfang  machte  Krems- 
münster im  Jahre  1139  (Continuatio  Ci'eraifanensis),  von  wo  man 
die  Aufzeichnungen  im  Jahre  1197  im  Kloster  Lambach  über- 
nahm (Continuatio  Lambacensis),  schon  1140  folgte  Klosterneuburg 
(Continuatio  Claustroneoburgensis  I,  1075 — 1193;  II,  1142  bis 
1224;  III,  1142—1233  ')  und  VI,  1267—128.8),  nicht  viel  später 
wohl  auch  Göttweig.  Die  letzteren  Jahrbücher  und  die  erste  Kloster- 
rieuburger  Fortsetzung  sind  zwar  nicht  mehr  im  Original  erhalten, 
lassen  sich  aber  aus  Kopien  und  Ableitungen  rekonstruieren; 
namentlich  die  Klosterneuburger  gewann  selbst  wieder  grofse  Be- 
liebtheit und  Verbreitung.  Im  Jahre  1159  wurden  sogar  im  Kloster 
Zwettl,  entgegen  den  sonst  in  den  Zisterzienserklöstern  der  da- 
mahgen  Zeit  herrschenden  Grundsätzen  Jahrbücher  auf  Grund 
der  Melker  Annalen  begonnen  (Contin.  Zwettlensis  I,  1140 — 1170; 
II,  1170  —  1189;  III,  1241—1330).  Noch  im  12.  Jahrhundert 
wurde  in  Admont  und  dann  in  Garsten  eine  Salzburger  Kompi- 
lation mit  den  Melker  Annalen  verbunden  und  dann  entsprechend 
fortgesetzt  (Cont.  Admunt.  1140 — 1250;  Cont.  Garstensis  1182  bis 
1256). 

Erst  im  13.  Jahrhundert  wurden  im  Wiener  Schottenkloster 
die  Klosterneuburger  Annalen  zu  einer  Fortsetzung  bis  zum  Jahre 
1233  (Cont.  Scotorum  1225  — 1233)  benutzt,  welche  wieder  ihrer- 
seits der  ersten  Heiligenkreuzer  Fortsetzung  (Cont.  Sancruc.  I, 
1225 — 1233)  zugrunde  liegen,  während  die  zweite  Heiligenkreuzer 
Fortsetzung  (Cont.  Sancruc.  II,  1234 — 1266)  selbständiger  ist  und 
eine  der  wichtigsten  Quellen  der  Periode  bildet. 

Selbständige  Quellen  des  13.  Jahrhunderts  sind:  die  Historia 
annorum  1264 — 1279,  auf  welcher,  wenn  auch  indirekt,  die  vierte 
Klosterneuburger  (Cont.  Claustron.  IV)  und  die  dritte  Zwettler 
Fortsetzung  (Cont.  Zwettl.  III)  beruhen,  dann  die  Cont.  Vindo- 
bonensis  (1267 — 1302),  die  Annalen  des  Dominikanerklosters  in 
Wien  (Cont.  Praedicatorum  Vindobon.)  und  die  Annalen  Heinrichs 
V.  Hainburg  (bis  1300),  späteren  Pfarrers  von  Gmünd  ^),  eines 
besonderen  Günstlings  König  Otakars  von  Böhmen. 

1)  Über  die  Contin.  IV  siehe  unten. 

2)  Die  letztgenannte  Quelle  M.  G.  SS.  XVII,  711. 


8  Einleitung. 

Alle  diese  Annalen  sind  ausnahmslos  in  Klöstern  entstanden 
oder  doch  wenigstens  von  Geistlichen  geschrieben.  Auifallend  im 
Vergleiche  mit  den  Verhältnissen  im  übrigen  Deutschland  ist  der 
Mangel  an  städtischen  Chroniken.  Das  hängt  allerdings,  wie 
wir  noch  sehen  werden,  mit  der  späten  Entwickelung  des  Städte- 
wesens in  unseren  Gegenden,  beziehungsweise  mit  der  späten  Aus- 
bildung eines  Stadtschreiberamtes  zusammen  ^). 

Seitdem  sich  herausgestellt  hat,  dafs  die  Historia  annorum 
1264—1279  vermutlich  in  Heiligenkreuz  entstanden  ist^),  die 
Continuatio  Vindobonensis  aber  wahrscheinlich  in  Klosterneuburg 
und  nicht,  wie  man  früher  annahm,  das  Werk  des  Wiener  Bürgers 
Paltram  Vatzo  ist  2) ,  bleibt  als  einziger  Geschichtschreiber  aus 
bürgerlichen  Kreisen  für  die  im  vorliegenden  Bande  behandelte 
Periode  Jans  übrig,  welcher,  soweit  die  dürftigen  Anhaltspunkte 
ergeben,  wenn  man  sich  nicht  in  müfsige  Hypothesen  einlassen 
will,  in  der  Otakarischen  Zeit  in  Wien  gelebt  haben  dürfte  und 
eine  Weltchronik  und  ein  Fürstenbuch  schrieb  *). 

Bezüglich  des  Schlusses  unserer  Periode  kommt  noch  ins- 
besondere für  jene  Partien,  in  welchen  der  Verfasser  als  Augen- 
zeuge oder  den  Ereignissen  Nahestehender  schreibt,  jene  Reim- 
chronik in  Betracht,  welche  allerdings  nicht  auf  dem  Boden  unseres 
Heimatlandes  entstand,  sondern  in  der  benachbarten  Steiermark. 
Man  verband  sie  später  mit  dem  Namen  Ottokar  v.  Horneck.    Der 

1)  Darüber  siehe  jetzt  Uhlirz  in  der  vom  Wiener  Altertums  vereine  her- 
ausgegebenen Geschichte  der  Stadt  Wien  II,  35  ff. 

2)  Von  Eedlich  a.  a.  0.  517. 

3)  Uhlirz,  Die  Continuatio  Vindobonensis  (Blätter  d.  Ver.  f.  Landesk. 
XXIX,  3  f.,  1895). 

4)  Über  Jans  oder,  wie  man  ihn  früher  zu  nennen  pflegte,  Jans  Enikel 
oder  Enenkel,  eine  blofse  Verwandtschaftsbezeichnung,  ist  viel  gefabelt  worden; 
auch  wurde  er  in  eine  etwas  spätere  Zeit  versetzt.  Jetzt  siehe  die  zusammen- 
fassende Untersuchung  von  Strauch  in  der  Zeitschrift  für  deutsches  Altertum 
XXVni,  85,  1884,  mit  einem  Verzeichnis  der  ziemlich  zahlreichen  älteren  Literatur 
und  im  Vorwort  zu  seiner  Ausgabe  von  Jans'  Werken  (M.  G.,  Deutsche  Chro- 
niken III),  sowie  noch  schärfer  und  kritischer  gefafst  Uhlirz  in  dem  oben  zitierten 
Kapitel  der  „Geschichte  der  Stadt  Wien"  11*,  57 f.  Das  für  die  österreichische 
Territorialgeschichte  wichtige  Fürstenbuch  hat  Lampel  im  angeführten  Bande  der 
M.  G.  herausgegeben,  der  schon  früher  eine  eingehende  Untersuchung:  ,,Die  Ein- 
leitung zu  Jans  Eneukels  Fürstenbuch"  (Wien  1883)  lieferte. 


Einleitung.  9 

Verfasser,  der  sich  vielfach  poetische  Freiheiten  und  willkürliche 
Arrangements  erlaubt,  ist  wohl  ein  steierischer  Ministeriale  oder 
Ritter,  jedoch  läfst  sich  sein  Name  nicht  feststellen  ^).  Für  die 
Otakarische  Herrschaft  in  Osterreich  sind  natürlich  auch  die 
böhmischen  Quellen,  insbesondere  die  stark  parteiischen  Annales 
Ottakariani  -)  heranzuziehen. 

Fast  noch  wichtiger  als  die  erzählenden  Quellen  sind  für 
jede  mittelalterliche  Geschichte  die  urkundlichen.  In  der 
Herausgabe  der  Urkunden  zur  österreichischen  Landesgescbichte 
zeigen  die  beiden  Länder  Nieder-  und  Oberösterreich  einen  eigen- 
tümhchen  Unterschied,  den  wir  in  ähnhcher  Weise  auch  bei  den 
Geschichtsdarstellungen  wiederfinden  werden.  In  Oberösterreich 
strebte  die  Forschung  frühzeitig  nach  Zentralisation,  in  Nieder- 
österreich war  seit  jeher  dezentralisiertes  Vorgehen  beliebt.  So 
kam  in  Oberösterreich  schon  in  den  fünfziger  Jahren  des  19.  Jahr- 
hunderts (1852)  ein  zusammenfassendes  „Urkundenbuch  des  Landes 
ob  der  Enns"  zustande,  welches  im  ersten  Bande  einige  der 
ältesten  Traditionscodices  enthält,  in  seinen  bis  jetzt  erschienenen 
weiteren  sieben  Bänden  die  chronologische  Reihenfolge  der  Ur- 
kunden bis  zum  Jahre  1375  bringt.  Allerdings  läfst  die  kritische 
Ausgabe  manches  zu  wünschen  übrig.  Nur  ein  einziges  Kloster 
hat  neben  diesem  allgemeinen  Urkundenbuch  noch  ein  gesondertes 
herausgegeben,  nämlich  Kremsmünster  ^). 

Ganz  anders  in  Niederösterreich,  wo  zunächst  jedes  der  Klöster 
des  Landes  seine  Urkunden  separat  veröffentlichte  und  zwar  haupt- 
sächKch  in  der  von  der  Akademie  der  Wissenschaften  heraus- 
gegebenen Sammlung:  Fontes  rerum  Austriacarum ,  deren  zweite 
Abteilung   „Diplomata   et  acta''   umfafst  *).      Selbständig   erschien 

!)•  Jetzt  in  ausgezeichneter  Weise  herausgegeben  von  Seemüller  (M.  G., 
Deutsche  Chroniken  V,  1.  und  2.  Abt.).  Ygl.  Hub  er,  Die  steirische  Eeim- 
chronik  und  das  österreichische  Interregnum  (Mitt.  d.  Inst.  f.  österr.  Geschichtsf. 
IV,  41);  Bussen,  Beiträge  zur  Kritik  der  steirischen  Eeimchronik  und  zur 
Keichsgeschichte  im  13.  und  14.  Jahrhundert  (Wiener  Sitzungsber.  CXI,  CXIV, 
CXVIl). 

2)  M.  G.  SS.  IX,  187. 

3)  Herausgegeben  von  Hagn  (Wien  1852). 

4)  Es  sind  folgende  Bände:  III.  Liber  fundat.  Zwettlensis  (hgg.  von  Fräst); 
IV.  Liber  fundat.  Claustroueoburg.  (hgg.  von  Fischer);   VIII.  Cod.  trad.  Gott- 


10  Einleitung. 

das  Urkundcnbucli  des  Chorherrenstiftes  lierzogenburg,  heraus- 
gegeben von  Faigl  (AV'ien  1886).  Aber  auch  als  der  Verein  für 
Landeskunde  daranging,  ein  ,,Urkundenbuch  von  Niederösterreich" 
zu  veröfFentHchen ,  kam  keine  zusammenfassende  Edition  des  ge- 
samten Urkundenmaterials  zustande,  sondern  es  wurden  Gruppen 
einzelner  archivalischer  Bestände  ganz  nach  Analogie  der  Fontes 
ins  Auge  genommen  und  zuerst  ein  Urkundenbuch  des  aufgehobenen 
Chorherrenstiftes  St.  Polten  herausgegeben  (von  Felgel  und  Lampel 
in  zwei  Bänden,  Wien  1891  — 1901).  Erst  jetzt  steht  wenigstens 
für  das  frühere  Mittelalter  eine  wichtige  zusammenfas'sende  Ur- 
kundenpublikation des  genannten  Vereines  in  Aussicht  in  dem 
geplanten  und  in  Vorbereitung  befindlichen  Babenberger  Urkunden- 
buch (Herausgeber  Oswald  Redlich  und  Oskar  Freiherr  v.  Mitis). 
Bis  zu  dessen  Erscheinen  müssen  als  allerdings  ganz  vorzüglicher 
Behelf  Meillers  Regesten  zur  Geschichte  der  Markgrafen  und 
Herzoge  Österreichs  aus  dem  Hause  Babenberg  (Wien  1850) 
dienen.  —  Auch  für  die  Stadt  Wien,  deren  Urkunden  begreif- 
licherweise für  die  Geschichte  des  ganzen  Landes  gleichfalls  von 
Wichtigkeit  sind,  ist  kein  einheitliches  Urkundenbuch  zustande 
gekommen.  Zu  Ende  der  siebziger  .Jahre  wurde  eine  Ausgabe 
von  „Geschichtsquellen  der  Stadt  Wien"  (herausgegeben  von  Karl 
Weifs)  in  Angriff  genommen,  von  welcher  jedoch  nur  die  „Rechte 
und  Freiheiten  der  Stadt  Wien"  (herausgegeben  von  Tomaschek 
in  zwei  Bänden,  Wien  1877  f.)  erschienen,  womit  das  Unternehmen 
abgebrochen  wurde.  Ln  Jahre  1895  begann  dann  der  Altertums- 
verein in  Wien  „Quellen  zur  Geschichte  der  Stadt  Wien"  und 
zwar  bisher  ausschliefslich  urkundliche  Quellen  in  ausführlicher 
Regestenform,  aber  auch  nicht  eine  Zusammenfassung  des  gesamten 
Materials,  sondern  nach  archivalischen  Beständen  zersplittert.  Bis 
jetzt  wurden  drei  Abteilungen  eröffnet:  1.  Regesten  aus  verschiedenen 


wicens.  (hgg.  von  Karlin);  X.  und  XXVIII.  Urkundenbuch  von  Klosterneuburg 
(hgg.  von  Zeil  ig);  XI.  und  XVI.  Urkundenbuch  von  Heiligenkreuz  (hgg.  von 
Weifs);  XVIII.  des  Schottenklosters  in  Wien  (hgg.  von  H  a  u  s  w  i  r  t  h) ;  XXI, 
des  Stiftes  Altenburg  (hgg.  von  Burger);  XXXIII.  von  Seitenstetten  (hgg.  von 
Eaab);  LI.,  LH.  und  LV.  von  Göttweig  (hgg.  von  Fuchs).  —  Dazu  kommen 
noch  Uikunden  von  Geras  im  2.  Bande  des  Archivs  für  Kunde  österreichischer 
Geschichtsquellen  und  von  St.  Georgen  (ebenda  IX.  Band). 


Einleitung.  11 

Archiven  aufser  dem  Stadtarchiv  ^) ;  2.  aus  dem  Wiener  Stadt- 
archiv (bis  1904  drei  Bände);  3.  Kauf-  und  Grundbücher  (ein 
Band). 

Nicht  minder  von  Bedeutung  sind  die  Urkunden  der  in  Ober- 
und  Niederösterreich  begüterten  Bistümer  und  auswärtigen  Klöster, 
bei  denen  man  allerdings  leider  zumeist  auf  die  unkritischen  Aus- 
gaben in  den  Monumenta  Boica  angewiesen  ist  ^).  Endlich  müssen 
noch  die  Urkunden-  und  Regestenwerke  der  Nachbarländer  ^)  und 
zur  Geschichte  des  deutschen  Reiches  *)  benutzt  werden. 

Die  Hauptquellen  zur  Wirtschaftsgeschichte,  die  Urbarien  ^), 
fliefsen  in  Osterreich  in  frühmittelalterlicher  Zeit  noch  ziemlich 
dürftig.  Aus  den  Klöstern,  wo  allerdings  die  Traditionscodices 
oder   Saalbücher    ähnlichen   Zwecken    dienten,    besitzen    wir   nur 


1)  Die  von  dieser  Abteilung  erschienenen  vier  Bände  enthalten  Eegesten  aus 
den  Archiven  von :  1)  München,  Kom,  Schottenstift,  Heiligenkreuz,  Zwettl,  Lilien- 
feld, der  niederösterreichischen  Statthalterei ;  2)  des  Ministeriums  des  Innern,  Staats- 
-archivs  (Klosterurkunden),  Linz,  Admont,  Göttweig;  3)  St.  Dorothea,  Schotten- 
stift, Staatsarchiv  (Forts.);  4)  Metropolitankapitel  und  Dompropstei  St.  Stephan, 
Steierisches  Landesarchiv  und  Staatsarchiv  (Forts.). 

2)  XXVIIL  bis  XXXL  Band  Passau;  VI.  Tegernsee;  XI.  Altaich.  — 
Ferner  Freysing  in  Meichelbeck,  Hist.  Frising  (hgg.  1724 — 1729)  und  in  den 
Bänden  XXXI,  XXXV  und  XXXVI  der  Font.  rer.  Austr. ;  Eegensburg  in  Ried, 
Cod.  dipl.  Ratisb.  (Eegensburg  1816,  2  Bände). 

3)  Salzburg:  Klein mayrn,  Juvavia  (Salzburg  1784);  Hauthaler,  Salz- 
burger Urkundenbuch  I.  Band,  1. — 5.  Heft  (Salzburg  1898 f.);  Steiermark:  Zahn, 
Urkundenbuch  des  Herzogtums  Steiermark,  3  Bände  (Graz  1875  ff.) ;  Böhmen  und 
Mähren:  Erben-Emier,  Regesta  Bohemiae  et  Moraviae  (1855  ff),  für  Mähren 
speziell:  Codex  dipl.  et  epistolaris ,  herausgegeben  von  Boczek  und  Bretholz 
15  Bände  (Olmütz  und  Brunn  1836 ff.);  Ungarn:  Fejer,  Codex  diplom.  Hungariae 
(1829—1844). 

4)  Es  kommen  hier  hauptsächlich  die  Eegesten  des  Kaiserreiches  von  Böhmer 
und  ihre  Neubearbeitungen  in  Betracht  und  zwar  der  Karolinger  durch  Mühl- 
bacher  (Innsbruck  1880—1890),  2.  Aufl.  1.  Hälfte  (Innsbruck  1899),  2.  Hälfte 
soll  demnächst  erscheinen  ;  919—1024  von  0 1 1  e  n  t  h  al  (ebenda  1893) ;  1198—1272 
von  Ficker  und  Winkelmann  (ebenda  1881—1892)  und  1273—1313  von 
Redlich,  I.  Band:  Rudolf  von  Habsburg  (ebenda  1898).  Aufserdem  die  Diploraata- 
Ausgabe  der  Mon.  Germ,  (erschienen:  Karolinger  bis  814;  Ottonen;  Heinrich  IL). 

5)  Vgl.  Susta,  Zur  Geschichte  und  Kritik  der  Urbarialaufzeichnungen 
(Sitzungsber.  der  Wiener  Akademie,  Phil.-hist.  Kl.  CXXXVIII,  1898);  jetzt  Dopsch 
in  der  Einleitung  zum  I.  Bande  der  Urbarausgabe  der  Akademie  der  Wissen- 
schaften. 


12  Einleitunj^. 

einige  wenige  Fragmente  ^).  Besser  ist  es  mit  den  Bistümern  wie 
Passaii  und  Freysing  bestellt  ^).  Am  wichtigsten  sind  jedoch  die 
landesiurstlichen  Urbare,  früher  nicht  zutreffend  Rationarien  ge- 
nannt ^).  Schon  die  letzten  Babenberger,  Leopold  VI.  und  Fried- 
rich II.  legten  sie  an,  Otakar  von  Böhmen  baute  auf  dieser  Grund- 
lage Aveiter  •*). 

Das  interessanteste  Rechtsdenkmal,  dessen  Entstehung  zugleich 
zu  den  am  meisten  behandelten  Streitfragen  der  österreichischen  Ge- 
schichtsforschung zählt,  ist  das  österreichische  Landrecht,  das 
uns  in  zwei  Redaktionen  in  einer  Reihe  von  Handschriften,  die 
jedoch   nicht   über    das    15.  Jahrhundert  zurückgehen,   vorliegt^). 


1)  Einige  kleine  Urbarfragmente  oberösterreiclii scher  Klöster ,  welche  ins 
12.  Jahrhundert  zurückgehen  und  Kremsmünster,  Baumgartenberg  und  Mondsee 
betreffen,  hat  Schiffmann  herausgegeben  (Studien  und  Mitteil,  des  Zisterzienser- 
und  Benediktinerordens  XX,  161,  1899 ;  Archiv  f.  österr.  Gesch.  LXXXVII,  566- 
und  LXXXIX.  355). 

2)  Die  Passauer  Urbare  sind  meist  mit  den  Traditionscodicos  gemischt  in 
den  oben  zitierten  Bänden  der  Mon.  Boic.  Siehe  speziell  Urbare  aus  dem  13.  Jahr- 
hundert XXVIII b,  188  und  455  und  XXIXb,  216;  Fragment  eines  Urbars  des 
Passauer  Domkaj^itels  aus  dem  Ende  des  12.  Jahrhunderts  XXIXb,  264  und  von 
ca.  1130,  herausgegeben  von  Winter  im  Archiv  für  österreichische  Geschichte 
LIII,  259.  —  Ein  Freysinger  urbar  von  ca.  1160  in  Font.  rer.  Austr.  2.  Abt. 
XXXVI,  12.  Vgl.  Zahn,  Die  Freysingischen  Saal-,  Kopial-  und  Urbar bücher 
in  ihren  Beziehungen  zu  Österreich  (Archiv  XXVII,  191);  auch  Meiller  über 
Passau  und  Freysing  im  Archiv  XI,  75  ff. 

3)  Ältere  Ausgaben  sind  die  des  Otakarischen  Urbars  von  Chmel  im 
Notizenblatt  der  Akademie  V,  die  des  Habsburgischen  von  Eauch  in  seinen 
Scriptores  rer.  Austr.  IL  ;  jetzt  die  ausgezeichnete  kritische  Ausgabe  von  Dopsch  , 
Die  landesfürstlichen  Urbare  Nieder-  und  Oberösterreichs  aus  dem  13.  und  14.  Jahr- 
hundert (I.  Band  der  1.  Abt.  der  „Österr.  Urbare",  hgg.  von  der  Akad.  der 
Wissensch.)  (Wien  und  Leipzig  1904). 

4)  Dies  stellte  Erben,  Zur  Entstehung  des  sogen.  Eationarium  Austriacum 
(Mitt.  d.  Inst.  f.  österr.  Gesch.  XVI,  97  f.,  1895)  fest  gegen  Dopsch,  Beiträge 
zur  Finanzverwaltung  Österreichs  im  13.  Jahrhundert  I  (ebenda  XIV,  449),  der 
das  ganze  Urbar  der  Otakarischen  Zeit  zuwies.  Vgl.  dazu  noch  Dopschs 
Entgegnung  a.  a.  0.  XVI,  382,  jetzt  insbesondere  die  Einleitung  zur  Urbar- 
ausgabe. 

5)  Ausgabe  von  Hasenöhr  1  (Wien  1867),  nach  den  älteren  von  Lude- 
wig  1722  und  Senckenberg  1765.  —  Jetzt  bietet  Dopsch,  Entstehung 
und  Charakter  des  österreichischen  Landrechtes  (Archiv  f.  österr.  Gesch.  LXXIX, 
Iff.,  1892),  eine  treffliche  Übersicht  über  die  älteren  Hypothesen. 


Einleitung.  13 

Altere  kritiklose  Ansätze  schwankten  vom  Ende  des  12.  bis  Ende 
des  14.  Jahrhunderts.  Nachdem  zuerst  Zieglauer  ^)  eine  festere 
Basis  für  weitere  Untersuchungen  geschaffen,  hat  Meiller  ^)  die 
zwei  Redaktionen  streng  geschieden  und  Siegel^)  die  chronologische 
Frage  einer  ersten  vorläufigen  Lösung  zugeführt,  indem  er  die 
Fassung  I  (L  R  I)  für  einen  Entwurf  zur  Fassung  II  (L  R  II) 
erklärte  und  beide  in  das  Jahr  1237  verlegte,  in  die  Zeit  der  An- 
wesenheit Kaiser  Friedrichs  II.  in  Wien,  da  dieser,  um  die  öster- 
reichischen Ministerialen  gegen  ihren  Herzog  zu  gewinnen,  ihnen 
ähnlich  wie  den  steierischen  eine  Handfeste  ihrer  Rechte  verleiten 
wollte.  Verwirrend  wirkte  Hasenöhrl*),  welcher  die  zwei  Fassungen 
als  Privatarbeiten  ansah  und  zwischen  1276  und  1311  (resp.  1330) 
ansetzte.  Demgegenüber  hat  Luschin,  indem  er  nur  für  L  R  I 
den  Zeitansatz  Siegels  gelten  liefs,  L  R  II,  einem  Gedanken  Röfslers 
nahekommend,  in  die  Zeit  Herzog  Albrechts  I.,  ungefähr  in  das 
Jahr  1298  verlegt  ^).  Die  Streitfrage  ruhte  dann  längere  Zeit, 
bis  Dop  seh  *^)  eine  neue  Lösung  entdeckte,  indem  er  die  Regierung 
Otakars  von  Böhmen  als  Herzogs  von  Österreich,  speziell  den  Be- 
ginn des  Jahres  1266  als  Entstehungszeit  von  L  R  II  annahm. 
Nach  ihm  hat  noch  Ju ritsch  ^)  für  L  R  I  eine  kleine  Modifikation 
der  Siegeischen  Hypothese  versucht,  indem  er  nicht  den  Aufent- 
halt des  Kaisers  als  Entstehungsursache  gelten  lassen  wollte,  sondern 
die  Wiederübernahme  der  Regierung  durch  Herzog  Friedrich.  Da 
hat  in  jüngster  Zeit  ein  slavischer  Rechtshistoriker,  Miloslav  Stie- 
ber ^),    der   Frage    eine    ganz    überraschende    Wendung    gegeben. 


1)  Wiener  Sitzungsber.  XXI,  71  f.,  1856. 

2)  Ebenda  XXI,  137;  in  seiner  Ausgabe  machte  er  den  Zeitansatz  LEI: 
ca.  1246;  LEU:  ca.  1280. 

3)  Ebenda  XXXV,  109  und  LV,  5. 

4)  Archiv  f.  österr.  Gesch.  XXXVI,  291  und  in  seiner  Ausgabe. 

5)  Die  Entstehungszeit  des  österreichischen  Landrechtes  (Festschrift  der 
Universität  Graz  1872). 

6)  Archiv  f.  österr.  Gesch.  LXXIX,  If. 

7)  Geschichte  der  Babenberger  (Innsbruck  1894),  S.  585  f. 

8)  In  seinem  Werke :  K  vyvoji  sprcävy.  Vliv  ceskych  zülu  na  sprävu  v 
Dolnich  a  Hornich  Eakovsich  a  jeji  vyznam  pro  rakousky  exekucni  process. 
[Zur  Entwickelung  der  Gewähre.  Der  Einflufs  der  böhmischen  Elemente  auf 
dieselbe    in    Österreich    unter    und    ob    der  Enns ,    sowie   deren  Bedeutung  für 


14  Eiuleitung. 

indem  er  den  Nachweis  erbrachte,  dafs  die  bisher  als  L  R  I  be- 
zeichnete Rechtsaufzeichnungj  nicht  früher,  sondern  später  als  L  R  11 
und  zwar  in  der  ersten  flabsburger  Zeit  entstanden  sei.  Bezüg- 
lich L  R  II,  jetzt  also  eigentlich  L  R  I,  schliefst  er  sich  Dopscb 
an  und  weist  auf  interessante  Zusammenhänge  mit  dem  gleich- 
zeitigen böhmischen  Rechte  hin. 

Die  ältesten  Stadtrechturkunden  ')  aus  der  Babenberger  Zeit 
hat  Meiller  (Archiv  f.  österr.  Gesch.  X.)  herausgegeben,  Nachträge 
und  Fortsetzungen  bietet  Winter,  Urkundliche  Beiträge  zur  Rechts- 
geschichte ober-   und  niederösterreichischer  Städte  (Wien   1877). 

Wenn  wir  uns  nunmehr  nach  dieser  Übersicht  der  Quellen 
zu  den  Geschichts  dar  Stellungen  wenden,  so  fällt  dabei  vor 
allem  ein  eigentümlicher  Umstand  ins  Gewicht.  Das  Land  ob 
und  unter  der  Enns,  namenthch  das  letztere  ist  das  Stammland 
der  österreichisch  -  ungarischen  Monarchie,  um  welches  sich  alle 
anderen  Kronländer  dieses  Staates  langsam  herumkristallisiert 
haben  und  welches  dem  ganzen  Staate  den  Namen  gegeben  hat. 
Die  ältere  Geschichte  Österreichs  ist  daher  im  wesentHchen  die 
Geschichte  dieses  Landes  an  der  Enns,  demzufolge  fallen  gerade 
für  den  hier  behandelten  ältesten  Zeitraum  die  allgemeinen  Dar- 
stellungen der  österreichischen  Geschichte  mehr  oder  weniger  mit 
der  engeren  „Landesgeschichte"  zusammen.  Wie  anderwärts,  so 
gehen  auch  in  Österreich  die  Darstellungen  der  Geschichte  des 
Gesamtreiches  denen  der  engeren  Landesgeschichte  voraus,  aber 
auch  jene  sind  verhältnismäfsig  jungen  Datums,  da  sich  der  spezi- 


den  österreichischen  Exekutivjjrozel's.]  (Abhandlungen  der  böhm.  k.  Franz  Josefs- 
Akademie  1.  Kl.  1901.)  Seine  Ausführungen  über  das  österreichische  Landrecht 
sind  vorläufig  nur  durch  zwei  eingehende  Besprechungen  (von  Öebesta  im 
Monatsbl.  des  Ter.  f.  Landesk.  von  Niederösterr.  II,  157,  1903  und  namentlich 
von  Riege r  in  Mitt.  d.  Inst.  f.  österr.  Gesch.  XXIV,  148,  1903)  allgemein  zu- 
gänglich geworden,  doch  ist  eine  Übersetzung  für  die  „Forschungen  zur  inneren 
Geschichte  Österreichs"  geplant.  Jedenfalls  verspricht  die  für  diese  Sammlung 
angekündigte  Arbeit  von  Dop  seh,  Das  sogenannte  Babenbergische  Landrecht 
und  die  soziale  Entwickelung  Österreichs  im  13.  Jahrhundert,  noch  einmal  eine 
zusammenfassende,  gründliche  Untersuchung  des  Gegenstandes,  die  hoffentlich 
manchen  bis  jetzt  noch  dunklen  Punkt  klären  wird. 

1)  Ältere  Literatur  verzeichnet  bei  Bischoff,  Österreichische  Stadtrechto 
und  Privilegien  (Wien  1857). 


Einleitung.  15' 

fisch  österreichische  StaatsbegrifF  losgelöst  von  dem  allgemein 
deutschen  nur  langsam  Geltung  verschaflfte.  Einen  schwachen  Er- 
satz bilden  daneben  die  älteren  zumeist  genealogischen  Darstel- 
lungen des  Herrscherhauses. 

Der  erste  eigentliche  Versuch  einer  österreichischen  Geschichte 
sind  des  Jesuiten  C alles  „Annales  Austriae"  (zwei  Bände  1756 
bis  1758),  welche  jedoch  nur  bis  1285  reichen.  Ferdinand 
V.  Sehr  Otters  „Osterreichische  Geschichte^'  (1775)  kam  nur  bis 
zum  Jahre  1156,  deren  Fortsetzung  durch  Adrian  Rauch  (zu- 
sammen drei  Bände,  Wien  1779  —  1781)  bis  1283,  ein  anderer  Ver- 
such von  Dischendorfer  (Wien  1783)  nur  bis  zum  6.  Jahrhundert. 
Joh.  Christ.  Herchenhahn  ')  und  Konst.  Franz  v.  Khauz  ^). 
beschränkten  sich  überhaupt  auf  eine  Darstellung  der  Babenberger 
Zeit.     Andere  sind  unbedeutend  '^). 

Erst  das  19.  Jahrhundert  brachte  umfassendere  Werke  über 
die  österreichische  Gesamtgeschichte,  so  vom  Grafen  Johann 
Majläth  ^)  und  von  Hermann  Günther  Meynert  ^),  die  aber 
heute  veraltet  sind  und  kaum  mehr  benutzt  werden  '').  Zum  ersten 
Male  eine  grofs  angelegte,  quellenmäfsige  und  kritische  Geschichte 
Österreichs  im  modernen  Geiste  begonnen  zu  haben,  ist  das  un- 
vergängliche Verdienst  Bü dingers.  Leider  hat  er  nur  einen  ein- 
zigen Band  des  Werkes,  der  bis  zum  Jahre  1056  reicht,  vollendet 
(Leipzig  1858),  der  wertvolle  Torso  ist  aber  noch  heute  nach 
45  Jahren  in  den  Hauptpunkten    nicht   veraltet,    hervorragend  in 

1)  Geschichte  der  Österreicher  unter  den  Babenbergern  (Leipzig  1784). 

2)  Die  pragmatische  Geschichte  des  Markgrafentums  Österreich  von  Anfang 
des  Landes  (!)  bis  zum  angehenden  Herzogtum.    Zwei  Bände  (Wien  1788— 1792). 

3)  Ich  nenne  anmerkungsweise  die  heute  verschollenen  Arbeiten  von  Geusau. 
(2  Bde.,  1800—1801),  Keifser  (2  Bde.,  1801),  Janitsch  (9  Bde.,  1805  bis 
1807),  Gretzmiller  (4  Bde.,  1810—1824),  Gener  sich  (8  Bde.,  1815)  und 
Galetti  (Leipzig  1810). 

4)  Geschichte  des  österreichischen  Kaiserstaates  (5  Bde.  als  10.,  12.,  19., 
23.  Teil  der  Heeren-Ukertschen  Staatengeschichte,  Hamburg  1834 — 1854). 
Yon  diesem  Werke  existiert  auch  ein  kurzer  Grundrils  in  einem  Bande  (Wien  1851)* 

5)  Geschichte  Österreichs  6  Bde.  (Wien  1842—1850). 

6)  Nebenbei  seien  noch  genannt  die  Geschichtsdarstellungen  von  Poelitz 
(1.  Aufl.  Leipzig  1817;  3.  Aufl.  1876);  Schneller  (4  Bde.,  Graz  1817-1819); 
Schels  (10  Bde.,  1819—1828);  Hohler  (1823);  Jos.  v.  Ar neth  (Wien  1827) ; 
Beidtel  (Wien  1840—1842);  Hafsler  (Wien  1842);  M.  Koch  (1846). 


16  Eiiileitun<,'. 

der  Darstellung-  und  dient  den  neueren  Arbeiten  als  sichere  Grund- 
lage. 

Ein  sehr  verdienstvolles,  gleichfalls  noch  heute  sehr  brauch- 
bares und  in  fünf  Bänden  zum  Abschlufs  gediehenes  Werk  ist 
■das  „Handbuch  der  Geschichte  Österreichs  von  der  ältesten  bis 
neuesten  Zeit'^  von  Franz  v.  Krones  (Berlin  1876—1879)^), 
(charakterisiert  durch  den  Titelzusatz  „mit  besonderer  Rücksicht 
auf  Länder-,  Völker-  und  Kulturgeschichte"),  welcher  bereits  1863 
eine  namhafte  Vorarbeit  „Umrisse  des  Geschichtslebens  der  deutsch- 
österreichischen LändergrujDpe  in  seinen  staatlichen  Grundlagen 
vom  10. — 16.  Jahrhundert"  geleistet  und  zwei  Jahre  später,  1881, 
den  aufserordentlich  reichen  bibliographischen  Apparat  seines  Ge- 
schichtswerkes, das  leider  ohne  Quellenangaben  erschienen  ist,  mit 
kurzem  verbindendem  Text  und  übersichtlicher  Ghederung  als 
„Grundrifs  der  österreichischen  Geschichte  mit  besonderer  Rück- 
sicht auf  Quellen-  und  Literaturkunde"  (Wien  1881)  in  einem 
Bande  herausgab. 

Der  letzte  grofse  Versuch  einer  Gesamtdarstellung  der  öster- 
reichischen Geschichte  wurde  von  Alfons  Huber  im  Rahmen  der 
„Geschichte  der  europäischen  Staaten"," jetzt  „Allgemeinen  Staaten- 
geschichte" im  Jahre  1885  begonnen.  Mit  gewissenhaftester  Be- 
nutzung und  klarer  Sichtung  des  Quellenmaterials  und  der  Spezial- 
literatur  verfafst,  bildet  dieses  Werk  den  letzten  bedeutsamen 
Markstein  in  der  Historiographie  unseres  Reiches.  Leider  war  es 
Huber  nicht  vergönnt,  es  zu  Ende  zu  führen.  Bis  zu  seinem 
Tode  im  Jahre  1896  lagen  fünf  Bände  vor,  welche  bis  zum  West- 
fälischen Frieden  reichen.  Die  Wahl  seines  Nachfolgers,  Oswald 
Redlich ,  bietet  indes  die  sichere  Gewähr  für  eine  gründliche  und 
gedeihliche  Fortsetzung  des  Werkes. 

Nicht  unerwähnt  mögen  schliefslich  zwei  mehr  populären 
Zwecken  dienende  Geschichtswerke  bleiben:  die  „Osterreichische 
Geschichte  für  das  Volk",  herausgegeben  im  Auftrage  des  Vereines 
zur  Verbreitung  von  Druckschriften  für  Volksbildung  von  Alexander 


1)  Ist  ursprünglich  in  der  Griebenschen  Bibliothek  für  "Wissenschaft  und 
Literatur  erschienen.  In  jüngster  Zeit  veröffentlichte  Krones  auch  in  der  be- 
kannten Göschenschen  Sammlung  eine  kurze  österreichische  Geschichte  in  zwei 
-Bändchen. 


Einleitung.  17 

Freiherr  v.  Helfert  (17  Bändchen,  Wien  1863 ff.)  ^)  und  Ferdinand 
Martin  Mayers  „Geschichte  Österreichs  mit  besonderer  Rück- 
sicht auf  Kulturgeschichte",  welche  in  zwei  Bänden  1874,  in  neuer 
Auflage  1901  erschienen  ist  und  besonders  dem  kulturgeschicht- 
lichen Moment  Rechnung  trägt. 

Im  letzten  Jahrzehnt   trat  zu  den   angeführten  Darstellungen 
der   Gesamtgeschichte    Österreichs,    in   welchen  die    politische  Ge- 
schichte   im    Vordergrund    steht,    ergänzend   eine    Reihe    von    so- 
genannten „österreichischen  Reichs-  und  Rechtsgeschichten",  welche 
die  rechtsgeschichtliche  (verfassungs-  und  verwaltungsgeschichthche) 
Entwickeiung   vorführen.      Sie    wurden    durch    den    Umstand   ins 
Leben  geraten,  dafs  an  den  österreichischen  Universitäten  im  Jahre 
1893  die  österreichische  Reichs-  und  Rechtsgeschichte  („Geschichte 
der    Staatsbildung    und    des    öffentlichen    Rechtes")    als    obligater 
Lehrgegenstand  eingeführt  wurde.     Die   erwähnten  Werke   tragen 
daher     durchweg     den    Charakter    von    Lehrbüchern    und    über- 
schreiten   das  Mafs   eines  Bandes   nicht.     Der  erste,    der   auf  den 
Plan  trat,  war  Alfons  Huber  (Wien,  Prag  und  Leipzig  1895; 
jetzt  in  zweiter  umgearbeiteter  Auflage  von  Dop  seh,  ebenda  1901), 
ihm  folgte  Luschin  (Bamberg  1896,  zwei  Jahre  später  unter  Hin- 
weglassung  der  Quellen-  und  Literaturangaben  als  „Leitfaden"  neu 
herausgegeben),,    dann   Bach  mann  (Prag  1896)  und  Werunsky 
(Wien  seit  1894,  noch  nicht  abgeschlossen).     Das  letzte  Werk  ist 
für   die  Territorialgeschichte   insofern    sehr   gut  verwendbar,   weil 
es   keine   Gesamtdarstellung   bietet,    sondern  jedes   Kronland    für 
sich  behandelt  (Niederösterreich  L.  1—3,  Oberösterreich  L.  3—4). 

Für  den  hier  behandelten  Zeitraum  sind  noch  einige  Arbeiten 
über  gröfsere  Abschnitte  der  mittelalterlichen  Geschichte  Öster- 
reichs von  besonderer  Wichtigkeit.  Die  Grundlage  der  für  unsere 
Länder  so  hoch  bedeutsamen  Siedelungsgeschichte  bildet  noch 
heute  Otto  Kämmeis  „Anfänge  deutschen  Lebens  in  Österreich 
bis  zum  Ausgang  der  Karolingerzeit"  (Leipzig  1879),  welches  als 
der  erste  Band  eines  gröfseren  Werkes  „Die  Entstehung  des  öster- 

1)  Für  die  hier  behandelte  Periode  kommen  in  Betracht:  1.  Bändchen: 
Becker,  Älteste  Geschichte  bis  476;  2.  Bändchen:  Jirecek,  Entstehen  christ- 
licher Keiche  500—1000;  3.  Bändchen:  Zeifsberg,  Blüte  der  nationalen  Dy- 
nastien 1000—1276. 

Vancsa,  Geschichte  Nieder-  n.  Oberösterreichs.  ^ 


18  Eiiileitunjj:. 

reichischen  Deutschtumes"  geplant  war,  das  aber  leider  nicht  mehr 
fortgesetzt  wurde.  Wenn  man  bedenkt,  dals  der  Verfasser  eigent- 
lich landesunkundig  war  und  dafs  zur  Zeit  des  Erscheinens  des 
Werkes  die  Kultur-  und  Wirtschaftsgeschichte  noch  weitaus  nicht 
die  Entwickelung  genommen  hatte,  die  sie  namentlich  durch  die 
Anregungen  Lamprechts  heute  erreicht  hat,  so  mufs  man  ihm  volle 
Bewunderung  zollen,  denn  es  ist  heute  kaum  in  Einzelheiten,  ge- 
schweige denn  in  den  Hauptergebnissen  und  Hauptgrundsätzen 
überholt.  Weitschichtiger  in  der  Anlage  und  prätentiöser  im  Auf- 
treten, aber  nur  im  Detail  Kämmel  ergänzend  und  weiterführend 
ist  St rakosch- Grafs raanns  „Geschichte  der  Deutschen  in 
Osterreich",  deren  bisher  erschienener  erster  Band  (Wien  1895) 
bis  zur  Schlacht  am  Lechfelde  reicht. 

Neue  Gesichtspunkte  der  Siedelungsgeschichte  eröffnete  erst 
kürzlich  Grund  in  seinen  „Veränderungen  der  Topographie  des 
Wiener  Waldes  und  Wiener  Beckens"  (Leipzig  1902)  ^).  —  Eine 
Geschichte  der  Babenberger  schrieb  in  neuester  Zeit  Juritsc h 
(Innsbruck  1894),  eine  fleifsige  Arbeit,  welche  nur  unter  veralteter 
Methode  und  Anordnung  —  sie  bedient  sich  der  annalistischen 
Form!  —  leidet,  aber  namentlich  bezüglich  der  kirchlichen  Ver- 
hältnisse manches  Treffliche  bietet. 

Ich  mufste  so  lange  bei  den  Gesamtdarstellungen  der  öster- 
reichischen Geschichte  verweilen,  weil  sie  einerseits,  wie  schon 
erwähnt,  sich  in  der  frühen  Periode  vielfach  mit  der  engeren 
Landesgeschichte  der  beiden  Erzherzogtümer  decken,  andererseits 
weil  es  mit  Darstellungen  der  eigentlichen  Territorialgeschichte 
gar  so  spärlich  bestellt  ist.  Wie  anderswo,  so  begann  auch  bei 
uns  die  landeskundliche  Forschung  so  recht  eigentlich  und  syste- 
matisch erst  mit  der  Begründung  der  historischen  oder  Altertums- 
vereine, welche  die  Frucht  des  Zeitalters  der  Romantik  sind.  Nun 
wurde  es  für  die  Geschichtsforschung  und  Geschichtsdarstellung 
in  beiden  Ländern  bedeutsam,  dafs  in  Oberösterreich  ziemlich 
bald,  im  Jahre  1833,  der  Musealverein  des  Landes  ob  der  Enns 
zustande  kam,  in  Niederösterreich  dagegen,  trotz  der  Bemühungen 


1)  Als   1.    Heft   des   VII.   Bandes    der   „Geographischen    Abhandlungen", 
herausgegeben  von  A.  Penck. 


Einleitung.  '  19 

der  Stände  selbst,  einen  ähnlichen  Verein  ins  Leben  zu  rufen, 
dies  nicht  gelang  ^).  Die  Folge  davon  war,  dafs  sich  in  Ober- 
österreich Geschichtsforschung  und  Geschichtsdarstellungen  schon 
frühzeitig  konzentrierten.  Wir  haben  schon  gesehen,  dafs  hier 
ein  grofses  einheitliches  Urkundenbuch  begonnen  wurde.  Hier 
versuchte  man  auch  frühzeitig  Gesamtdarstellungen  der  Landes- 
geschichte. Pillweins  „Geschichte,  Geographie  und  Statistik  des 
Erzherzogtums  Osterreich  ob  der  Enns  und  des  Herzogtums 
Salzburg''  (in  zehn  Bänden,  Linz  1827 — 1839)  gehört  eigentlich 
mehr  in  die  Kategorie  der  noch  weiter  unten  zu  besprechenden 
Topographien.  Dagegen  besitzen  wir  in  der  „Geschichte  des 
Landes  ob  der  Enns"  von  Franz  Xaver  Pritz  (zwei  Bände, 
Linz  1846)  eigentlich  die  einzige  oberösterreichische  Landes- 
geschichte, wenn  auch  in  knappem  Umrifs  und  wenn  sie  auch 
heute  bereits  veraltet  ist.  In  neuerer  Zeit  hat  dann  noch  Edl- 
b  a  c  h  e  r  für  Schulzwecke  eine  kurz  gefafste ,  recht  geschickt 
gearbeitete  ,, Landeskunde  von  Oberösterreich"  (zweite  Auflage, 
Linz  1883)  herausgegeben,  und  Strnadt  hat  für  das  Werk  „Die 
österreichisch-ungarische  Monarchie  in  Wort  und  Bild"  die  kleine 
Übersicht  über  die  Landesgeschichte  Oberösterreichs  (1889)  ge- 
schrieben. 

Niederösterreich  kann  merkwürdigerweise  nicht  einmal  diese 
Versuche  aufweisen.  In  älterer  Zeit  wurde  aus  den  erwähnten 
Gründen  gar  kein  solcher  gemacht,  aus  neuerer  Zeit  stammen  nur 
ein  paar  kurze  Übersichten  der  Landesgeschichte,  so  von  Hasel- 
bach  im  ersten  Bande  der  „Topographie  von  Niederösterreich" 
(1877)  und  von  Anton  Mayer  in  der  „Österreichisch- ungarischen 
Monarchie  in  Wort  und  Bild"  (1888). 

Als  Ersatz  für  die  mangelnden  Geschichtsdarstellungen  können 
die  topographischen  Werke  gelten,  deren  es  für  beide  Länder  eine 
nicht  unbeträchtliche  Anzahl  gibt  ^).    „Topographien"  tauchen  seit 


1)  Vgl.  darüber  Anton  Mayer,  Die  historisch-topographischen  Bestrebungen 
der  niederösterreichischen  Stände  in  den  Jahren  1791 — 1834  (Bl.  d.  Ver.  f. 
Landesk.  von  Niederösterreich  XXIV,  Iff.,  1890). 

2)  Über  das  Folgende  siehe  Vancsa,  Historische  Topographie  mit  beson- 
derer Berücksichtigung  Niederösterreichs  (Deutsche  Geschichtsblätter  III,  97 
und  129,  1902). 

2* 


20  Einleitung. 

dem  Anfang  des  17.  Jahrhunderts  auf,  namentlich  seit  dem  grofsen 
derartigen  Unternehmen  Martin  Zeillers,  das  in  mehreren  Abtei- 
lungen ganz  Mitteleuropa  umfafste  und  zu  welchem  Matthäus 
Merian  die  Kupferstiche  lieferte,  weshalb  das  Werk  zumeist  unter 
seinem  Namen  geht,  der  auch  allein  auf  dem  Titelblatte  genannt  ist. 
Der  auf  Osterreich  bezügliche  Teil  erschien  im  Jahre  1649  als 
„Topographia  provinciarum  Austriacarum  Austi;iae,  Styriae,  Carin- 
thiae,  Carniolae,  Tyrolis  etc."  Nach  diesem  Muster  bestellten 
die  Landstände  Österreichs  ob  und  unter  der  Enns,  sowie  Steier- 
marks  bei  dem  Pfarrer  von  Leonstein  in  Oberösterreich,  Georg 
Matthäus  Vi  sc  her,  einem  gebürtigen  Tiroler,  eingehendere  Land- 
aufnahmen. 1672  vollendete  dieser  seine  „Topographia  Austriae 
inferioris",  1674  die  „Topographia  Austriae  superioris".  Doch 
sind  diese  älteren  Topographien  lediglich  Bildwerke.  Erst  später 
treten  mehr  oder  weniger  ausführliche  geographisch-historische  Be- 
schreibungen hinzu  oder  werden  auch  ohne  Bilder  herausgegeben  ^). 
Die  meisten  enthalten  nur  eine  Auslese  der  gröfseren  Orte.  Einen 
wesentlichen  Fortschritt  gegenüber  diesen  älteren  Versuchen  be- 
deutet die  „Topographie  von  Niederösterreich"  von  Friedrich 
Wilhelm  Weifskern  (Wien  1767—1770  in  drei  Bänden),  welche 
bereits  eine  gewisse  Vollständigkeit  anstrebt,  die  Ortsbeschreibungen 
alphabetisch  ordnet  und  in  den  Angaben  modernere  Gesichtspunkte 
walten  läfst. 

Gegen  Ende  des  18.  Jahrhunderts  nahmen  aach  die  nieder- 
österreichischen Landstände  ihre  Bestrebungen  zur  Herausgabe 
einer  erschöpfenden  Landesbeschreibung  wieder  auf  und  leiteten 
umfassende  Vorarbeiten  ein,  welche  nach  der  Unterbrechung  der 
Napoleonischen  Kriege  fortgesetzt  wurden,  aber  leider  zu  keinem 
Ergebnis  führten.  Die  Vorarbeiten  benutzte  teilweise  ein  gewisser 
Franz  Schweickhardt,  der  sich  unberechtigterweise  das  Adels- 
prädikat „von  Sickingen"  beilegte,  zu  einem  Spekulationsunter- 
nehmen   „Darstellung    des    Erzherzogtums    Osterreich    unter    der 

1)  Es  wären  zu  nennen:  Eeiffenstuel,  Germania  Austriaca  seu  Topo- 
graphia Austriae,  Styriae  etc.  (Wien  1701);  Granelli,  Germania  Austriaca 
(Wien  1752,  2.  Aufl.  von  Brabeck,  1759);  Insprugger,  Austria  mappis 
geographicis  distincta  (Wien  1727).  Andere  bieten  kaum  mehr  als  Ortsverzeich- 
nisse mit  gelegentlichen  Daten. 


Einleitung.  31 

Enns"  (Wien  1837—1840  in  37  Bänden)  i),  welches  trotz  des 
höchst  ungleichmäfsigen  Wertes,  trotz  der  Flüchtigkeit  und  Un- 
genauigkeit  sehr  grofse  Verbreitung  fand  und  noch  heute  in  Er- 
mangelung neuerer  Ortsbeschreibungen  vielfach  benutzt  wird. 

Fast  gleichzeitig  war  ein  anderes  grofses  Unternehmen  be- 
gonnen worden,  welches  ganz  Osterreich  umfassen,  aber  insbesondere 
die  kirchHchen  Gründungen^),  geordnet  nach  Dekanaten,  dar- 
stellen sollte.  Es  ist  dies  die  „Historisch- topographische  Darstel- 
lung der  Pfarren,  Stifter  und  Klöster",  bekannter  unter  der  kürzeren 
Bezeichnung  „Kirchliche  Topographie",  von  welcher  in  den  Jahren 
1824 — 1840  18  Bände  erschienen,  von  denen  13  Nieder-,  einer 
Oberösterreich  behandeln  ^).  Das  Werk  ist  jedoch  Torso  geblieben. 
In  neuerer  Zeit  fand  es  in  einem  gewissen  Grade  eine  Fortsetzung 
in  den  „Geschichtlichen  Beilagen  zu  den  Konsistorialkurrenden 
der  Diözese  St.  Polten"  (seit  dem  sechsten  Band  „zum  St.  Pöltener 
Diözesanblatt")  *)  (sieben  Bände  seit  1876),  welche  in  zwangloser 
Reihe  die  Geschichte  der  Pfarren  der  Diözese  St.  Polten  bringen. 
Für  die  Wiener  Erzdiözese  bieten  die  Pfarrregesten ,  welche  seit 
1894  in  alphabetischer  Reihenfolge  im  „Wiener  Diözesanblatt" 
veröffentlicht  werden  und  gegenwärtig  bis  „Ebersdorf"  geführt 
sind,  einen  schwachen  Ersatz. 

In  ein  ganz  neues  Stadium  trat  die  topographische  For- 
schung in  Niederösterreich  erst  mit  der  Gründung  des  Vereines 
für  Landeskunde  von  Niederösterreich  (1864),  welcher  an  die 
älteren  Bestrebungen  der   niederösterreichischen  Stände  direkt   an- 


1)  Es  ist  nach  den  vier  Vierteln  des  Landes  gegliedert.  Die  Ortsbeschrei- 
bungen der  Viertel  unter  Wiener  Wald  und  unter  Manhartsberg  sind  alphabetisch, 
der  beiden  anderen  Viertel  nach  Herrschaftsgebieten  geordnet.  Das  Viertel  ober 
Manhartsberg  ist  nicht  ganz  beendet. 

2)  Ein  Vorläufer  ist  Marian  (Fiedler),  Austria  Sacra  oder  Geschichte  der 
österreichischen  Klerisey  (Wien  1780—1788  in  9  Bänden). 

3)  Für  Niederösterreich  kommen  in  Betracht:  Band  1  und  2:  Dekanat 
Klosterneuburg;  3:  Dek.  Laa  am  Wienorberge;  4:  Dek.  Baden;  5:  Dek.  Poten- 
stein;  6:  Dek.  Wilhelmsburg;  7:  Dek.  St.  Polten;  9:  Dek.  Michaelsberg;  11:  Dek, 
Pülichdorf;  12  und  13:  Dek.  Wiener  Neustadt;  15:  Eossau;  16:  Dek.  Gerungs. 
Von  Oberösterreich  erschien  nur  Kremsmünster  als  Band  10. 

4)  Diesen  war  die  Zeitschrift  „Hippolytus"  (1858 — 1864)  vorausgegangen 
mit  Beiträgen  zur  Pfarrgeschichte  der  Diözese. 


33  Einleitung. 

knüpfte  1)  uuJ  sofort  die  Herausgabe  eines  topograpliisehen  Werkes 
in  Aussicht  nahm.  Im  Jahre  lö7l  erschien  das  erste  Heft  der 
„Topographie  von  Niederösterreich*',  von  welcher  bis  heute  fünf 
Bände  und  ein  Teil  des  sechsten  Bandes  vorliegen.  Der  erste  Band 
bietet  eine  allgemeine  Landeskunde.  Vom  zweiten  Bande  an  be- 
ginnt die  alphabetische  Reihenfolge  der  Ortsbeschreibungen  —  (nur 
Wien  ist  an  die  Spitze  gestellt)  — ,  welche  gegenwärtig  bis  zum 
Artikel  „Melk"  gelangt  ist.  Da  das  Werk  anfangs  nur  als  ein 
knappes  Handbuch  gedacht  war,  sind  die  ersten  Artikel  nur 
kurz  und  dürftig,  auch  vielfach  nach  älteren  Grundsätzen  ab- 
gefafst,  später  wurden  die  Artikel  immer  mehr  zu  möglichst  er- 
schöpfenden Ortsgeschichten  auf  Grundlage  der  gedruckten  und 
ungedruckten  Quellen  und  der  Literatur.  Ebenso  wurden  allmäh- 
lich immer  mehr  die  Gesichtspunkte  der  modernen  landeskund- 
lichen Forschung,  die  sich  bekanntlich  so  ungemein  erweitert  haben, 
berücksichtigt  ^). 

Oberösterreich  hat  leider  nichts  Ähnhches  aufzuweisen.  Von 
älteren  Werken  sind  zu  nennen  „Topographisch -historische  Be- 
schreibung aller  Städte,  Märkte,  Schlösser,  Pfarren  usw.  des 
Landes  Osterreich  ob  der  Enns  bis  zum  Wiener  Friedensschlufs" 
von  Gielge  (drei  Bände,  Wels  1809  und  1814)  und  von  dem- 
selben Verfasser  „Historisch  -  topographische  Beschreibung  des 
Landes  Österreich  ob  der  Enns"  (drei  Bände,  Wels  1814  bis 
1815),  insbesondere  aber  das  schon  oben  genannte  Werk  von 
Pill  wein,  „Geschichte,  Geographie  und  Statistik  des  Erzherzog- 
tums Osterreich  ob  der  Enns  und  des  Herzogtums  Salzburg" 
(sechs  Bände,  Linz,  1827 — 1839),  welches  noch  heute  das  einzige 
Handbuch  dieser  Art  für  Oberösterreich  ist.  Die  „Historisch-topo- 
graphische Matrikel  des  Landes  ob  der  Enns"  von  Joh.  E.  Lamp- 
recht (Wien  1863)  ist  nur  eine  Erläuterung  zu  des  Verfassers  histo- 

1)  Anton  Mayer,  Der  Verein  f.  Landesk.  von  Niederösterreich  während 
der  ersten  25  Jahre  seines  Bestandes  (Festgabe  in  den  Bl.  d.  Ver.  f.  L.  1890). 

2)  Den  allgemeinen  Band  und  die  Bearbeitung  der  Ortsreihe  bis  zum  Ar- 
tikel „Freydegg"  redigierte  Moriz  Becker,  vom  Buchstaben  G  bis  J  (3.  u.  4.  Bd.) 
Anton  Mayer,  K  bis  L  (5.  Band)  Albert  Starzer,  die  Fortsetzung  liegt  in  meinen 
Händen.  Vgl.  meinen  oben  erveähnten  Aufsatz  in  den  „Deutschen  Geschichts- 
blättern". 


Eiuleitung.  33 

riscber  Karte  von  Oberösterreich  und  behandelt  nur  die  vom  8.  bis 
12.  Jahrhundert  nachweisbaren  OrtKchkeiten  des  Landes. 

Ein  ausgezeichnetes  Hilfsmittel  für  beide  Länder  wird  man  in 
dem  „Historischen  Atlas  der  österreichischen  Alpenländer",  welcher 
von  der  Akademie  der  Wissenschaften  vorbereitet  wird,  gewinnen. 

Bei  der  weittragenden  Bedeutung  und  dem  Einflufs,  welchen 
die  Stadt  Wien  frühzeitig  auf  das  ganze  Land  gewonnen ,  dürfen 
fiuch  die  Darstellungen  der  Geschichte  dieser  Stadt  Wien  nicht 
unberücksichtigt  bleiben.  Schon  Hormayrs,  Wiens  Geschichte  und 
seine  Denkwürdigkeiten  (neun  Bände,  Wien  1823 — 1825),  greift 
stellenweise  über  den  Rahmen  der  Stadtgeschichte  hinaus;  weniger 
Karl  Weifs'  Geschichte  der  Stadt  Wien  (1872;  zweite  Auflage 
in  zwei  Bänden,  1881).  Ganz  insbesondere  bringt  aber  die  um- 
fassende „Geschichte  der  Stadt  Wien",  welche  seit  dem  Jahre 
1897  der  Altertunisverein  herausgibt,  und  von  welcher  bisher  zwei 
Bände  (erster  und  die  erste  Abteilung  vom  zweiten  Bande ;  bis 
zum  Jahre  1526  reichend)  erschienen  sind,  und  in  welcher  die 
einzelnen  Abschnitte  von  namhaften  Spezialforschern  verfafst  sind, 
auch  für  die  Landesgeschichte  wertvolle  Beiträge. 

Die  zahlreichen  Hilfsgebiete  der  Geschichte  haben  in  beiden 
Ländern  noch  keinerlei  zusammenfassende  Bearbeitung  erfahren. 
Nur  Anton  Mayers  Geschichte  der  geistigen  Kultur  in  Nieder- 
österreich (Wien  1878)  ^),  von  welcher  allerdings  nur  ein  erster 
Band  erschienen  ist,  welcher  sich  nicht  auf  alle  Zweige  des  Kultur- 
lebens erstreckt,  ist  eine  sorgfältige  und  fleifsige  Materialiensamm- 
lung. In  jüngster  Zeit  machte  hinsichtlich  der  territorialen  Lite- 
ratur Nagl-Zeidlers  „Deutsch-österreichische  Literaturgeschichte" 
(erster  Band  bis  Maria  Theresia,  Wien  1900),  welche  gerade  auch 
auf  das  kulturgeschichthche  Moment  Gewicht  legt,  einen  im  ganzen 
wohlgelungenen  Versuch. 

Was  im  letzten  halben  Jahrhundert  an  Spezialforschungen 
und  Spezialarbeiten  zur  Landesgeschichte  von  Nieder-  und  Ober- 
österreich geleistet  worden  ist,  ist  aufgespeichert  in  den  Publi- 
kationen der  landeskundlichen  Vereine.    Auch  in  dieser  Beziehung 


1)  Erweiterte   Bearbeitung   des   Abschnittes  über   die  geistige   Kultur  im 
I.  Bande  der  „Topographie  von  Niederösterreich". 


24  Einleitung. 

ist  Ober  Österreich,  wo  diese  Publikationen  um  25  Jahre  früher 
begannen  —  seit  dem  Jahre  183G  erscheinen  die  Berichte  des 
Museum  Francisco-Carohnum,  die  dann  1839  mit  den  „Beiträgen 
zur  Landeskunde  von  Österreich  ob  der  Enns"  vereinigt  wurden, 
neben  welchen  1843  vorübergehend  eine  Zeitschrift  herauskam,  — 
von  Niederösterreich,  wo  die  „Blätter  des  Vereines  für  Landes- 
kunde von  Niederösterreich"  im  Jahre  18G5  begannen  '),  weit 
überflügelt.  Der  Grund  liegt  darin,  dafs  die  oberösterreichische 
Publikation  im  Jahre  durchschnittlich  nur  einen  einzigen  Aufsatz 
bringt,  und  selbst  dieser  nicht  immer  den  historischen  Disziplinen 
angehört,  während  die  „Blätter  des  Vereines  für  Landeskunde 
von  Niederösterreich"  alljährlich  eine  reiche  Auslese  landeskund- 
licher Arbeiten  enthalten.  Neben  den  „Blättern"  gab  der  Verein 
für  Landeskunde  von  Niederösterreich  in  den  Jahren  1868  und 
1869  ein  „Jahrbuch  für  Landeskunde  von  Niederösterreich"  heraus, 
welches  dann  in  neuer  Folge  im  Jahre  1902  die  mit  diesem  Jahre 
aufgelassenen  „Blätter"  ableiste.  Daneben  erscheint  jetzt  ein 
„Monatsblatt"  für  kleinere  Mitteilungen.  Schon  seit  dem  Jahre 
1856  gab  auch  der  Altertumsverein  zu  Wien  eine  periodische 
Zeitschrift  „Berichte  und  Mitteilungen"  heraus,  welche  sich  haupt- 
sächlich mit  der  Kunsttopographie  von  Wien,  in  zweiter  Linie 
aber  des  ganzen  Landes  Niederösterreich  beschäftigen  ^).  Auch 
der  Altertumsverein  besitzt  ein  Monatsblatt. 

Zum  Schlüsse  noch  ein  Wort  über  die  bibhograj'hischen  Hilfs- 
mittel zur  Landesgeschichte.  Im  allgemeinen  sind  ja  natürlich  immer 
Wattenbachs  „Deutschlands  Geschichtsquellen  im  Mittelalter  bis 
zur  Mitte  des  13.  Jahrhunderts"  (in  zwei  Bänden),  von  welchen  so- 
eben der  erste  Band  in  siebenter  Auflage,  bearbeitet  von  Du  mm  1er, 

1)  Eegister  1865—1880  separat  und  1880—1885  im  Jahrgang  1893. 

2)  Daneben  enthalten  viele  Abhandlungen  zur  Landesgeschichte :  die  Sitzungs- 
berichte der  k.  Akademie  der  Wissenschaften.  Phüosophisch  -  historische  Klasse 
(zitiert :  Wiener  Sitzungsberichte) ;  Archiv  für  Kunde  österreichischer  Geschichts- 
quellen, seit  1849,  vom  34.  Bande  an  unter  dem  Titel:  Archiv  für  österreichische 
Geschichte  (zitiert:  Archiv);  das  Notizenblatt,  herausgegeben  von  der  historischen 
Kommission  der  k.  Akademie  der  Wissenschaften  (9  Bde.,  1851—1859);  die 
„Mitteilungen  des  Institutes  für  österreichische  Geschichtsforschung"  und  speziell 
zur  Kunsttopographie  die  „Mitteilungen  der  k.  k.  Zentralkommission  für  Kunst- 
und  historische  Denkmale'-  (seit  1856). 


Einleitung.  SS- 

erschienen  ist,  und  Dahlmann-Waitz'  „Quellenkunde  zur  deutsehen 
Geschichte"  (sechste  Auflage,  herausgegeben  von  Steindorff,  Göt- 
tingen 1894)  zu  vergleichen.  Die  beste  gesamtösterreichische  Biblio- 
graphie bietet  der  schon  erwähnte  „Grundrifs  der  österreichischen 
Geschichte"  von  Krone s.  Zu  einer  zusammenfassenden  Bibliographie 
der  Landeskunde  hat  es  nur  Ober  Österreich  gebracht.  In  den 
Jahrgängen  der  Berichte  des  Museums  Francisco-Carolinum,  43.  bis 
49.  Band  (1885 — 1890),  erschien  eine  solche  von  Commenda  (Ma- 
terialien zur  landeskundlichen  Bibliographie  Oberösterreichs).  Dafür 
veröffentlicht  der  Verein  für  Landeskunde  von  Niederösterreich 
seit  dem  Jahre  1884  in  den  „Blättern"  (seit  1902  im  Monatsblatt) 
alljährlich  eine  Jahresübersicht  der  landeskundlichen  Literatur  ^). 


Der  Zustand  der  landesgeschichtlichen  Literatur  in  Ober-  und 
Niederösterreich  ist,  wie  wir  sehen,  ein  wesentlich  anderer  als  in 
den  meisten  übrigen  deutschen  Landschaften,  insofern  Werke,  die 
zusammenfassend  die  Landesgeschichte  als  solche  oder  wenigstens 
gröfsere  Teile  davon  darzustellen  versuchen,  in  älterer  und  neuerer 
Zeit  so  gut  wie  völlig  mangeln.  Der  Geschichte  unserer  Land- 
schaft fehlt  deshalb  das  Rückgrat,  das  andere  Gebiete,  wenn  auch 
oft  in  ungenügender  Form,  immerhin  besitzen;  und  nicht  um  eine 
kritische,  dem  jetzigen  Stand  der  Forschung  entsprechende  Nach- 
prüfung und  Ergänzung  älterer  Darstellungen,  sondern  um  eine 
völlige  Neuschöpfung  auf  Grund  der  ersten  Quellen  handelt  es 
sich  deshalb  im  vorliegenden  Falle.  Diesem  Umstände  mufste  auch 
äufserlich  Rechnung  getragen  werden:  sollte  nicht  der  wesentliche 
Zweck,  die  einheimische  Forschung  zu  weiterer  Arbeit  anzuregen 
und  ihr  eine  sichere  Grundlage  zu  geben,  von  vornherein  vereitelt 
werden,  so  durften  Hinweise  auf  die  Quellen  nicht  fehlen.     Aber 


1)  1884— 1895  von  Haas,  1896  von  Donabaum,  1897— 1902  von  Vancsa, 
seit  1902  von  Thiel.  Seit  1900  veröffentlicht  Vancsa  auch  in  den  ,, Mitteilungen 
des  Institutes  für  österreichische  Geschichtsf. "  kurze  Besprechungen  der  Jahres- 
literatur zur  Landeskunde  von  Nieder-  und  Oberösterreich.  Zu  vergleichen  wäre 
auch  die  kleine  Zusammenstellung  „Übersicht  über  die  allgemeinere  Literatur 
sowie  die  gedruckten  imd  ungedruckten  Quellen  für  den  historischen  Teil  der 
Topographie  von  Niederösterreich"  von  Vancsa  (Wien  1902). 


"26  Einloitunpf. 

indem  solche  gegeben  wurden,  drohte  die  Gefahr,  die  Arbeit 
könne  den  Charakter  verlieren,  der  ihr  als  einer  der  „deutschen 
Landesgeschichten"  anhalten  soll,  denn  in  dieser  Serie  sollen 
möglichst  glatte  Darstellungen  geboten  werden.  Beiden  Anforde- 
rungen liefs  sich  gerecht  werden,  wenn  die  Hinweise  auf  die 
Quellen  auf  das  notwendigste  beschränkt  und  der  Text  so  ein- 
gerichtet wurde,  dafs  der  Leser  nie  gezwungen  ist,  vom  Inhalte 
der  Anmerkungen  Kenntnis  zu  nehmen,  ohne  sachlich  etwas  zu 
verlieren.  Die  Anmerkungen  sind  lediglich  für  den  Forscher 
bestimmt,  falls  er  in  einzelnen  Fragen  von  dem  Gedankengange 
Kenntnis  nehmen  will,  der  den  Verfasser  zu  der  Darstellung  ge- 
führt hat,  die  er  gibt. 


Erstes   Kapitel. 
Vorrömische  Kulturperioden  ^). 


In  den  Löfsablagerungen  der  Diluvialschicht  finden  sich  an 
verschiedenen  Punkten  der  Erde  neben  den  Überbleibseln  der 
grofsen  seitdem  ausgestorbenen  Säugetiere,  des  Mammuts,  des 
Riesenhirsches,  des  Höhlenbären,  des  Ur  und  Bison,  und  einer 
Keihe  anderer  Tiere,  welche,  jetzt  weit  voneinander  in  der  tro- 
pischen und  der  polaren  Zone  getrennt,  damals  noch  vereint  hausten, 
Aschenreste  und  roh  bearbeitete  Steine  und  Knochen.  Das  sind 
die  ältesten  Spuren  des  Menschen,  welcher  damals,  unter  wesent- 
lich von  den  jetzigen  verschiedenen  klimatischen  Verhältnissen, 
neben  der  gewaltigen  Tierwelt  nur  eine  ganz  untergeordnete  Rolle 
spielte.  Die  gefundenen  Artefakte  zeigen  keinerlei  individuelle 
oder  lokal  bestimmte  Physiognomie,  sie  konnten  kaum  zu  An- 
grifFswaffen  gegen  jene  grofsen  Säugetiere  dienen,  kaum  recht  zum 
Eierlegen  der  vielleicht  in  Fallen  gefangenen  Beute.     Wild  umher- 


1)  Die  Geringschätzung  der  Historiker,  womit  sie  die  ganze  menschliche 
Entwickelung  vor  einer  geschichtlichen  Aufzeichnung  als  Vorgeschichte  oder 
Vorzeit,  so  widersprechend  diese  Bezeichnungen  sind,  aus  dem  Eahmen  einer 
Oeschichtsdarstellung  verwiesen,  dürfte  immer  mehr  zu  den  überwundenen  Stand- 
punkten gerechnet  werden.  Freilich  hatte  diese  Mifsachtung  leider  zur  Folge, 
dafs  die  Forschungen  auf  diesem  Gebiete  jahrzehntelang  ein  Tummelplatz  dilet- 
tantischer Pfuscherei  und  phantastischer  Hirngespinste  gewesen.  Als  festbegrün- 
dete  Wissenschaft  ist  die  Anthropologie  erst  jungen  und  jüngsten  Datums.  Auf 
alle  ihre  Hypothesen  und  Kontroversen  bezüglich  der  österreichischen  Länder 
und  deren  Bewohner  einzugehen,  halte  ich  im  Eahmen  dieses  ersten  Versuches, 
auch  die  frühgeschichtliche  Zeit  anzugliedern,  für  überflüssig.  Ich  lasse  mich 
bei  meiner  Darstellung  von  den  neueren  Ergebnissen  der  Forschung  und  der 
Vergleichung  mit  verwandten  Entwickelungen  leiten. 


38  Erstes  Kapitel. 

schweifend,  soweit  ihn  nicht  Gebirge  und  Wälder  hinderten, 
höchstens  mit  den  rohen  Fellen  der  erlegten  Tiere  bekleidet,  suchte 
der  Mensch  nur  vorübergehend  an  geschützten  Orten  einen  Lager- 
platz, doch  gern  wieder  zur  selben  Stätte  zurückkehrend.  Erst 
später,  als  die  reiche  Vegetation  in  der  Ebene  einer  steppenähn- 
lichen Flora  gewichen,  die  grofsen  Säugetiere  bereits  ausgestorben 
und  auch  in  der  gemäfsigten  Zone  eine  mehr  nordische  Tierwelt, 
besonders  das  Renntier  und  verwandte  Gattungen  lebten,  wählten 
die  Menschen  Höhlen  zur  Zufluchtsstätte,  und  die  darin  gefundenen 
Bearbeitungen  von  Stein  und  Renntierknochen  zeigen  den  er- 
wachenden Kunstsinn  in  primitiven  Figuren  und  Ornamenten  *). 
Unser  engeres  Heimatland  kann  sich  berühmen,  besonders  beim 
Durchbruch  der  Donau  durch  den  Südrand  der  böhmischen  Masse 
und  in  jenem  nordöstlichen  Teile,  bis  zu  welchem  sich  die  Alpen- 
gletscher der  Eiszeit  nicht  erstreckt  haben  dürften,  in  welchem 
das  Mittelgebirge  sich  langsam  zur  Ebene  abflacht  und  welcher 
schon  in  früher  Zeit  nicht  allzu  dicht  bewaldet  gewesen  sein 
wird  —  bekannt  ist  dieser  Teil  unter  der  Bezeichnung  Viertel 
unter  Manhartsberg  — ,  eine  Reihe  Fundstätten  mit  den  geschil- 
derten Spuren  des  Menschen  aus  der  Mammut-  ^)  und  Renntier- 
periode ^)  zu  besitzen,  ohne  dafs  diese  Funde  lokale  Besonderheiten 
aufwiesen. 

In  jener    ältesten    Zeit   menschlichen    Daseins    scheinen    noch 


1)  Schon  diese  fortgeschrittenere  Bearbeitung  der  Renntierknochen  dürfte 
doch  ein  Beweis  für  die  Posteriorität  der  Periode  sein.  Auch  das  wurde  von 
selten  einiger  Gelehrten  angezweifelt.  Jetzt  werden  nach  dem  Vorgange  Gabriels 
de  Mortület  In  der  Eegel  drei  paläollthische  Stufen  angenommen.  (Vgl.  im 
allgemeinen  Wurmbrand,  Über  die  Anwesenh.  d.  Menschen  z.  Zelt  der  Löfs- 
bildung,  Denksc.hr.  d.  nat. -math.  Kl.  d.  Ak.  d.  Wissensch.  XXXIX,  1879; 
Hoernes,  Der  diluviale  Mensch  In  Europa  [Braunschwelg  1902],  bes.  S.  112 f., 
149  f.  u.  218  f.) 

2)  Zu  Zelselberg,  Gösing,  der  Hundssteig  bei  Krems,  Aggsbach, 
Wösendorf,  Stillfried  (bearb.  Mammutknochen  und  Feuersteine)  und  be- 
sonders Willendorf  (Serpen tiustelne).  (Mltt.  d.  anthrop.  Gesellsch.  XIV,  35; 
XXVI,  13  und  Mitt.  d.  Zentralkommission,  XVIII,  138.) 

3)  Hervorragendste  Fundstätte:  Die  Gudenushöhle  bei  der  Ruine  Har- 
tenstein Im  Kremstal,  entdeckt  1884  (siehe  den  Bericht  Leopold  Hackers 
in  den  Mitt.  d.  anthropol.  Gesellsch.  XIV,  145,  1884). 


Yorröniische  Kulturperiodeu.  29 

gröfsere  Wandlungen  der  Bodengestaltung  vor  sich  gegangen  zu 
sein,  seitdem  steht  das  Charakterbild  des  Bodens  *),  der  Land- 
schaft und  ihrer  Lebensbedingungen  im  wesentlichen  fest,  und  es 
haben  sich  —  zum  Teile  unter  tätiger  Mithilfe  der  Menschen- 
hand —  nur  allmähliche  geringere  Übergänge  vollzogen.  Zwei 
Momente  waren  und  blieben  für  die  Geschicke  von  Ober-  und 
Niederösterreich  von  höchster  Bedeutung:  die  Alpen  und  die  Donau. 
Die  hohe  Bergkette  der  Alpen  bildete  eine  natürliche  Grenze  im 
Süden,  einen  Öchutzwall  einerseits,  aber  auch  ein  Hemmnis  anderer- 
seits, im  Inneren  reichen  Bergsegen  hegend.  Angriffe  vom  Süden 
mufsten  sich  auf  die  offene  Südostecke  des  Landes  richten.  Das 
Wiener  Becken  bis  zum  Tullnerfeld,  ein  Binnenmeer  der  Eis- 
zeit und  gegen  Wiener  Neustadt  und  die  Leitha  vermutlich  noch 
in  historischer  Zeit  mehr  oder  minder  stark  versumpft,  sowie 
das  weite  Marchfeld  jenseits  der  Donau,  sind  der  historische 
Boden  Österreichs,  auf  welchem  von  altersher  die  Entscheidungs- 
kämpfe des  Landes,  ja  der  ganzen  Monarchie  ausgefochten  wurden. 
Die  Donau,  welche  die  Mitte  der  Länder  durchströmt,  werden 
wir  erst  später  in  ihrer  wachsenden  kulturellen  Bedeutung  ver- 
folgen können.  Als  die  natürlichste  Verkehrsstrafse  stellt  sie  die 
Verbindung  mit  dem  Osten  her  und  lenkt  in  diese  Richtung  Be- 
siedelung  und  Entwickelung,  findet  aber  in  dem  Nachteile,  dafs 
sie  in  ein  enges  Binnenmeer  mündet,  ihre  Beschränkung.  In  der 
ältesten  Zeit  bis  zum  Beginn  des  Mittelalters  ist  sie  übrigens  mit 
ihren  vielen,  zum  Teil  sehr  gefürchteten  Flufsengen  und  Strom- 
schnellen (dem  so  berüchtigten  Wirbel  und  Strudel  bei"  Grein)  weniger 
Handelsweg,  als  vielmehr  trennende  und  schirmende  Grenze  ge- 
wesen. In  Niederösterreich  kreuzte  sich  aber  auch  mit  der  Haupt- 
verkehrsstrafse  nach  dem  Orient  die  Strafse,  die  in  alter  Zeit  — 
hier  die  March  und  Leitha  entlang  —  den  Norden  Europas  mit 
dem  Adriatischen  Meere  verband.  Für  die  früheste  Besiedelung 
waren  die  geschützten  Alpentäler  an  den  Seen  im  Südwesten  und 
an  den  Zuflüssen  der  Donau,  am  meisten  aber  die  Ausläufer  des 


1)  Über  die  Bodenbeschaifenheit  gibt  jetzt  am  besten  Aufschlufs:  Diemer, 
E,ud.  Hoernes,  Frz.  Suefs,  Uhlig,  Bau  und  Bild  Österreichs  (Wien  u. 
Leipzig  1903),  wo  auch  die  Spezialliteratur  angeführt  ist. 


30  Erstes  Kapitel. 

Mittelgebirges  im  Nordosten ,  welche  allmählich  in  die  fruchtbare 
Ebene  an  der  March  übergehen,  am  günstigsten.  Dagegen  haben 
mehr  als  Berg  und  Flufs  dichte  Urwälder  sich  der  Niederlassung 
des  Menschen  feindlich  und  hemmend  erwiesen.  Im  Süden  der 
Donau,  wo  sich  noch  heute  vom  Kobernauser  Wald  am  rechten 
Ufer  des  Inn  bis  zu  den  Ausläufern  des  Wiener  Waldes  recht 
bedeutende  Reste  alter  Forste  finden,  scheinen  sie  doch  nicht  so 
ununterbrochen  und  unzugänglich  gewesen  zu  sein ,  dagegen  ist 
das  Land  im  Norden  der  Donau  von  der  Hz  bis  über  den  Kamp, 
vom  Uferrand  der  Donau  bis  nach  Böhmen  hinein  vom  Urwald 
bedeckt,  dem  berühmten  Nordwald  (Nortica  silva),  der  hier  bis 
tief  in  das  Mittelalter  kulturellen  Fortschritt  und  geschichtliches 
Leben  unterband  ').  Aber  im  allgemeinen  erweist  sich  das  Land 
als  eine  glückliche  Vereinigung  aller  Arten  von  Kulturbedingungen. 
Die  ausgedehnten  Waldungen  hegen  einen  schier  unerschöpflichen 
Holzbestand  und  massenhaftes  Jagdwild,  der  Hauptstrom  mit  seinen 
vielen  Nebenflüssen  und  die  Alpenseen  sind  durch  ihren  Fischreich- 
tum berühmt,  fruchtbare  Gefilde,  namentlich  im  Osten  begünstigen 
einen  blühenden  Ackei'bau,  w^ährend  die  Alpengegenden  der  Vieh- 
zucht üppige  Weideplätze  bieten  und  die  sanft  abfallenden  Ge- 
hänge der  Donau,  des  W^ienerwaldes  und  des  Mauhartsgebirges 
edle  Trauben  reifen  lassen.  Das  Hochgebirge  im  Süden  des  Landes 
schliefst  reiche  Erz-  und  Salzlager  ein  und  endlich  ermöglicht  die 
glückliche  Lage  des  Landes  im  Herzen  Europas  den  Absatz  dieser 
Naturprodukte  nach  allen  Richtungen.  Kein  Wunder,  dafs  diesem 
Land  die  Völker  zustrebten ,  und  dafs  es  der  Mittelpunkt  eines 
mächtigen  Staatswesens  wurde! 

Die  regelmäfsige  und  ununterbrochene  menschliche  Entwicke- 
lung  setzt  erst  nach  der  diluvialen  Zeit  ein.  Ja  selbst  eine  Rassen- 
verschiebuug  scheint  nicht  mehr  eingetreten  zu  sein,  denn  die 
wissenschaftlichen  Untersuchungen,  namentlich  die  Sprachforschung, 
welche  die  ursprünglichen  Kulturelemente  aus  den  Grundformen 
des  Sprachschatzes  zutage  fördert,  machen  es  immer  wahrschein- 
hcher,  dafs  der  Ursitz  oder  zum  mindesten  die  älteste  Heimstätte 

1)  Noch  im  13.  Jahrhundert  konnten  die  Urwälder  als  Siidgrenze  Böhmens 
bezeichnet  werden.  Der  Nordwald  (Nortica  silva)  erscheint  bis  ins  12.  Jahr- 
hundert wiederholt  in  Urkunden.     (Darüber  später.) 


Yorrömische  Kulturperioden.  31 

der    ludogermanen    Europa    gewesen  ').      Die    Bewohner    unserer 
Gegenden  scheinen  dem  Stamme  der  lUyrier  angehört  zu  haben. 

Man  hat  sich  gewöhnt,  diese  erste  Stufe  der  Kulturentwicke- 
lung nach  dem  Material  der  Werkzeuge  und  Waffen,  wie  es  uns 
die  Funde  erschlossen,  als  ,, jüngere  Steinzeit  oder  neolithische  Pe- 
riode^' zu  bezeichnen.  Der  bedeutsamste  Unterschied  von  der 
Diluvialzeit  liegt  jedoch  darin ,  dafs  dem  Menschen  nunmehr  die 
Feldfrüchte:  eine  kleine  Art  Weizen,  die  sechszeilige  Gerste,  die 
Hirse  und  der  Lein  sowie  ihre  Pflege  und  Benutzung  und  die 
Züchtung  gewisser  Tierarten:  einer  kleinen  Rinderrasse,  des  Schafes, 
der  Ziege,  des  Schweines  und  des  Hundes  -)  bekannt  war.  Das 
bedingte  ihre  Lebensweise,  da  der  Ackerbau  keinen  Wechsel  des 
Wohnsitzes  mehr  zuläfst,  nur  scheinen  die  wilden  Tiere  noch 
immer  dem  Menschen  durch  ihr  massenhaftes  Auftreten  und  ihre 
Überlegenheit  grofse  Furcht  und  Unsicherheit  eingeflöfst  zu  haben, 
denn  er  legte  seine  Siedelungen  an  möglichst  schwer  zugänglichen 
Orten  an,  auf  Höhenrücken  (Höhensiedelungen,  von  welchen  die  Gegend 
östlich  vom  Kamp  in  Niederösterreich  im  Bereich  des  Manharts- 
gebirges  in  dem  Vitusberg  bei  Eggenburg  und  in  der  Heidenstatt; 
bei  Limberg  zwei  hervorragende  Fundstätten  besitzt,  welche  aber 
auch  sonst  im  östlichen,  besonders  nordöstlichen  Niederösterreich 
nicht  selten    sind)  ^)  oder  gar   in   den    Seen,    indem    sie    vielleicht; 


1)  Penka,  Herkunft  der  Arier  (Wien  u.  Teschen  1886);  Origines  Ariacae 
(ebenda  1883).  Siehe  jetzt  das  zusammenfassende  Werk  von  Much,  Die  Heimat 
der  Indogermaneu  im  Lichte  der  urgeschichtlichen  Forschung  (Berlin  1902,  2.  Aufl.. 
1904).  Der  neue  Gedanke  nahm  seinen  Ausgangspunkt  von  demEngländer  La- 
tham,  welcher  (ca.  1860)  Südlitauen  als  Heimat  der  ludogermanen  bezeichnet. 
Direkt  Deutschland  nennt  Geiger.  Am  bedeutendsten  wurden  die  sprach- 
geschichtlichen Forschungen  Schraders  („Sprachvergleichung  und  Urgeschichte", 
2.  Aufl.,  Jena  1890),  obwohl  sie  natürlich  nicht  die  alleinige  Grundlage  bilden 
dürfen  (vgl.  Kos  sin  na,  Die  vorgeschichtliche  Ausbreitung  der  Germanen  in 
Deutschland  [Zeitschr.  d.  Ver.  f.  Volkskunde  VI,  1  f.,  Berlin  1896]  und  Kretsch- 
mer,  Grundzüge  einer  Gesch.  der  griech.  Sprache  1896). 

2)  Es  fehlen  die  Katze  und  das  Geflügel,  zum  mindesten  in  den  Pfahlbauten 
auch  das  Pferd. 

3)  Man  zählt  etwa  50  neolithische  Fundstätten  in  der  bezeichneten  Gegend. 
Siehe  aufser  den  genannten  allgemeinen  Werken  noch:  Suefs,  Über  die  Nach- 
weisung zahlreicher  Niederlassungen  einer  vorchristlichen  Völkerschaft  in  Nieder- 
österreich   (hauptsächlich    die  Funde   um  Eggenburg  und   Stockern  behandelnd),. 


33  Erstes  Kapitel. 

den  Biber  nachahmend  auf  eingerammte  Pfähle  ihre  Hütten  bauten, 
die  berühmten  Pl'ahlbauten,  unter  denen  neben  den  Schweizer  die 
der  oberösterreichischen  Seen  (Traun-  oder  Gmundener-,  Atter- 
und  besonders  Mondsee)  hervorragen. 

Dieses  enge  Zusammensiedeln  angesichts  gemeinsamer  Gefahr 
setzt  unbedingt  auch  bereits  eine    organisierte  Gesellschaft  voraus, 
wenn  auch  wohl  zunächst  nur  als  Aneinanderschlufs  von  Faraihen 
unter  Ältesten  und  auf  kommunistischer  Grundlage,  während  der, 
wie  es  scheint,  friedliche  Charakter  dieser  Bevölkerung  eines  Heer- 
führers  nicht   bedurfte.      Die  Siedelungsform   war   aber   auch  der 
Entwickelung  einer  Kultur  günstig,  welche  weit  höher  gewesen  ist, 
als  man  früher  bei  der  ausschliefslichen  Wertschätzung  der  Kultur 
des  klassischen  Bodens  anzunehmen    geneigt    war  und   welche   so- 
.gar  überraschende  Ähnlichkeiten  mit  der  des  vorhomerischen  Troja 
aufweist.    Die  Beigaben  von  Waffen  und  Schmuck  in  den  Gräbern 
deuten  nicht  nur  auf  zartere  Pietät,   sondern  direkt  auf  transzen- 
dentale Vorstellungen  von  der  Unsterblichkeit  der  Seele,  ja  gewisse 
symbolische   Zeichen   an   diesen  Beigaben   auf  den   Sonnenkultus, 
der  allen  Völkern  auf  primitiver  Kulturstufe  gemeinsam  ist. 

Reich  entfaltete  sich  die  Hausindustrie.  Zahlreiche  Steinarten 
wurden  zu  den  mannigfachsten  Geräten,  vom  Hammer,  Messer 
und  der  Axt  angefangen  bis  zur  Pfeilspitze,  von  der  Säge  bis  zur 
Wirtel  oder  gar  zur  Schmuckperle  verarbeitet;  man  hatte  auch 
Handmühleb  zur  Herstellung  von  Schrotmehl.  Dagegen  zeugt  das 
Fehlen  des  Schwertes  von  dem  unkriegerischen  Charakter  dieser 
Bevölkerung,  deren  Waffen  nur  gegen  die  wilden  Tiere  dienten. 
Der  Fortschritt  in  der  Bearbeitung  des  Steinmaterials  gegenüber 
■der  älteren  Steinzeit  bekundet  sich  in  der  Bohrung  und  Polierung. 
Daneben  wurde  die  Weberei  und  Töpferei  schwunghaft  betrieben. 
Aber  schon  war  das  Hergestellte  nicht  mehr  ausschliefslich  zum 
praktischen  Gebrauche:  zur  Versorgung  mit  der  täglichen  Nahrung 
durch  Jagd,  Fischerei,  Viehzucht  und  Bestellung  des  Feldes,  zur 
Aufbewahrung  der  Speisen  und  zum  Kochen,  zum  Anfertigen  der 

(Sitzungsbericht  d.  math.-naturw.  Kl.  d.  k.  Akademie  d.  W.  LI,  1,  S.  215,  1865). 
M.  Mu^ch,  Über  die  lirgeschichtlichen  Ansiedelungen  am  Manhartsgebirge  (Mitt. 
<i."  anthropolog.  Gesellsch.  I,  II,  1871,  1872).  Südlich  der  Donau  kommt  be- 
sonders Malleiten  bei  Wiener  Neustadt  in  Betracht. 


Vorrömische  Kulturperiodea.  33 

Kleidung,  zum  Betriebe  des  Handwerkes  geschaffen,  sondern  es 
diente  auch  zum  Schmuck,  und  selbst  die  Gebrauchsgegenstände 
und  die  Kleidung  wurden  mit  einfacher  linearer  Ornamentik  ver- 
ziert, an  den  schwärzlich  oder  rötlich  gestrichenen  Töpfen  wurde 
sie  vertieft  und  mit  weifser  Kreide  eingerieben. 

Endlich  läfst  sich  schon  für  diese  Zeit  Tauschhandel  inner- 
halb gewisser  Bezirke  feststellen,  denn  die  Fundstätten  zeigen  oft 
ortsfremde,  aus  fernem  Gebirge  stammende  Gesteinsarten,  und  manche 
der  späteren  Verkehrswege,  selbst  durch  die  Urwälder  nördlich 
der  Donau  ^),  dürften  schon  damals  gebahnt  worden  sein. 

Wie  lange  in  unseren  Gegenden  die  Kultur  der  Pfahlbauten 
und  Höhenansiedelungen  gedauert,  läfst  sich  nicht  einmal  beiläufig 
aus  der  Dicke  der  Ablagerungen  in  den  oberösterreichischen  Seen, 
der  sogenannten  „  Kulturschichte  ^',  sondern  nur  aus  der  Aufeinander- 
folge typischer  Geräte  und  Töpferware  bestimmen;  sie  währte 
gewifs  viele  Jahrhunderte  lang,  und  wir  müssen  sie  uns  in  lang- 
samer, aber  stetig  aufsteigender  Entwickelung  denken,  einer  Ent- 
wickelung,  welche  derjenigen  anderer  Länder  und  Völker,  soweit 
sie  durch  Ausgrabungen  festgestellt  wurde,  analog  ist  ^). 

Die  Gebirgsbewohner,  welche  die  schönen  und  zur  Bearbeitung 
besonders  tauglichen  Gesteinsarten  brachen,  kamen  schliefslich 
irgendwie  auch  zur  Kenntnis  der  Metalle,  zunächst  des  zuweilen 
in  seinen  Erzen  zutage  liegenden  und  leicht  schmelzbaren  Kupfers. 
Für  unsere  Gegenden  wurde  der  kupferreiche  Mitterberg  und  die 
Kelchalpe  bei  Kitzbichel  von  Bedeutung.    Eine  Siedeluug  am  nahen 

1)  Loserth,  Die  böhmisclien  Straiseu  uüd  Saumwege  im  Mittelalter  (Mitt. 
d.  Ver.  f.  Gesch.  d.  Deutschen  iu  Böhmen  XXI,  188,  1883) ;  Eichly,  Prähistorische 
und  frühgpschichtliche  Verbindungen  zwischen  dem  südlichen  Böhmen  und  der  Donau 
(Mitt.  d.  anthrop.  Gesellseh.  XXIX,  85,  1899  und  Österr.  Jahrb.  XXVII,  20  f., 
1903).  Er  nimmt  für  die  jüngere  Steinzeit  das  Bestehen  der  Wege  von  Znaim 
nach  Czaslau  und  von  Stocterau  über  HoUabrunn,  Eggenburg,  Hörn,  St.  Leon- 
hard,  Strogen,  St.  Marein  und  Eibenstein  nach  Böhmen  an. 

2)  Es  sei  hier  nachdrücklich  darauf  hingewiesen,  dafs  die  moderne  Anthro- 
pologie ebenso  wie  die  Naturwissenschaft  keine  plötzlichen  Übergänge  und  Sprünge 
mehr  annimmt.  Man  kann  also  auch  nicht  mehr  wie  früher  von  scharf  ab- 
gegrenzten Perioden  (dem  Stein-,  Bronze-,  Eiseuzeitalter)  sprechen,  von  welchen 
die  eine  die  andere  ablöst,  sondern  die  eine  Entwickeluugsstufe  geht  allmählich 
in  die  andere  über,  sie  bestehen  oft  längere  Zeit  nebeneinander  und  Anfang  und 
Ende  ist  in  verschiedenen  Gegenden  verschieden. 

Vaucsa,  Geschickte  Nieder-  u.  Oberösterreichs.  3 


$4  Erstes  Kapitel. 

Gütschenberg  vermittelte  das  Metall  den  Bewohnern  der  Pfahl- 
bauten im  Mond-  und  Attersee,  und  die  chemische  Untersuchung 
der  hier  gefundenen  Kupfergegenstände  hat  die  Herkunft  ihres 
Materials  aus  dem  ]\Iitterberge  noch  klarer  erwiesen  ^).  Die  Gegen- 
stände sind  durchwegs  gegossen. 

Die  Verwendung  des  Kupfers  allein  war  aber  wohl  nur  ein 
Übergangsstadium  von  gei'inger  Dauer  -),  denn  sehr  bald  scheint 
man  darauf  gekommen  zu  sein,  dafs  durch  Beimengung  von  etwa 
zehn  Teilen  Zinn  das  Material  erhöhte  Festigkeit  und  helleren 
Glanz  gewinnt,  und  gelangte  so  zum  Bronzegufs.  Die  Bronzezeit 
ist  allerdings  bis  jetzt  in  unseren  Gegenden  nicht  so  bedeutend 
belegt  wie  anderwärts,  doch  sind  immerliin  die  Funde  von  der 
langen  Wand  bei  Wiener  Neustadt  und  in  Stockerau  bemerkenswert. 

Es  ist  nur  die  Frage  entstanden,  ob  nicht  doch  der  Anstofs  zu 
diesem  gewaltigen  Kulturfortschritt  von  aufsen,  von  den  höher  ent- 
wickelten Völkern  des  Südens  und  Ostens  gekommen  ^).  Tatsache  ist, 
dafs  jenseits  der  Alpen,  ja  wahrscheinhch  bis  tief  in  dieselben  hinein^ 
ein  Volk  wohnte,  das,  wieder  seinerseits  im  Zusammenhang  mit 
den  Mittelmeerländern  und  Asien  stehend,  bereits  viele  Jahrhunderte 
vor  Christus  eine  blühende  Metallindustrie  besafs  und  namentlich 
in  der  Bronzetechnik  Meisterhaftes  leistete :   die   Italiker  ^).     Dafs 


1)  Über  die  Kupferzeit  im  allgemeinen  und  das  Kupferbergwerk  in  Mitter- 
berg im  besonderen  siehe  M.  Much  in  den  ,,Mitt.  der  k.  k.  Zentralkommission 
für  Kunst-  und  historische  Denkmale"  1878,  1886  und  1887. 

2)  Es  dürfte  nicht  unbedeutsam  sein ,  dafs  sie  in  ihren  Formen  sich  an 
die  Steingeräte  anschliefsen ,  während  das  Bronzezeitalter  einen  neuen  Formen- 
schatz mit  sich  bringt. 

3)  Zuerst  hat  diese  Frage  angeregt  Lindenschmitt,  Die  Altertümer 
unserer  heidnischen  Vorzeit,  3  Bände  (Mainz  1858 — 1873).  Die  energischsten 
Verfechter  der  etruskischen  Herkunft  aller  mittel-  und  nordeuropäischen  Bronzen 
sind  Genthe,  Über  den  etruskischen  Tauschhandel  nach  dem  Norden  (Prank- 
furt a.  M.  1874),  Sadowsky,  Die  Handelstrafsen  der  Griechen  und  Eömer 
durch  das  Flufsgebiet  der  Oder,  Weichsel,  des  Dnjepr  und  Niemen  an  die  Ge- 
stade des  baltischen  Meeres  (zuerst  in  polnischer  Sprache  in  den  „Annalen  der 
Akademie  der  Wissenschaften  in  Krakau "  erschienen ,  dann  übersetzt  und  mit 
vielen  Zusätzen  bereichert  von  Albin  Kohn,  1877)  und  Goofs,  Skizzen  zur 
vorrömischen  Kulturgeschichte  der  mittleren  Donaugegenden  (Archiv  des  Vereins 
für  siebenbürg.  Landeskunde  Xni.,  XIV.,  407,  1876—1877). 

4)  So  jetzt  besser  statt  der  früher  meist  genannten  Etrusker. 


Vorrömische  Kulturperioden.  35 

später,  am  Beginn  des  ersten  vorchristlichen  Jahrtausends  ein 
äufserst  reger  Handel  nach  dem  Norden  betrieben  wurde,  steht 
ebenfalls  aufser  Zweifel.  Es  liegt  also  sehr  nahe,  dessen  lebhaften 
Aufschwung  in  die  Zeit  vom  Ende  des  6.  Jahrhunderts  an  zu 
setzen.  Ein  Handelsweg  scheint  über  den  Brenner  zur  Donau  und 
durch  das  Inntal  geführt  und  dabei  Hallstatt  berührt  zu  haben, 
ein  anderer  ging  von  der  Adria  über  Laibach,  Judenburg,  Leoben, 
Brück  durch  das  Leithatal  bis  Hainburg  -  Petronell  und  von  da 
über  die  Donau  längs  der  March  weiter  nach  dem  Norden.  Des 
war  die  berühmte  Bernsteinstrafse  ^).  Von  den  Bewohnern  der 
Alpenländer  nahmen  die  Italiker  auch  aufser  Sklaven  Vieh,  Felle, 
Wolle,  Honig,  Käse,  Harz,  Pech  und  dergleichen,  später  wohl 
auch  Metalle  (das  norische  Eisen)  und  insbesondere  Salz.  Es  ist 
zweifellos,  dafs  vom  Süden  her  eine  bedeutende  Einwirkung  auf 
die  industrielle  und  künstlerische  Entwickelung  des  Nordens  statt- 
gefunden hat,  aber  es  hiefse  wohl  zu  weit  gehen,  wollte  man  alle 
die  zahllosen  Metallobjekte  ausschliefslich  für  fremde  Tauschware 
ansehen.  Das  Richtige  wird  wohl  auch  hier  in  der  Mitte  liegen. 
Nicht  etwa  mit  dem  europäischen  Handel  zu  den  wilden  Stämmen 
Afrikas,  sondern  mit  dem  Import  einer  hoch  entwickelten  Industrie 
in  ein  zurückgebliebeneres  Absatzgebiet,  dem  aber  gleichwohl  Be- 
fähigung und  Material  für  die  selbständige  Verarbeitung  zu  Gebote 
steht,  ist  dieser  Handel  zu  vergleichen.  Die  eingeführten  Gegenstände 
dienen  den  massenhaften  heimischen  Nachahmungen  zum  Muster  ^). 
Diese  Frage  kreuzt  sich  für  unsere  Länder  mit  einer  zweiten, 
welche  womögHch  noch  schwieriger  ist,  da  der  Historiker  mit  der 
kaum  ganz  aufzuhellenden  chronologischen  Verworrenheit  der 
Überlieferung  zu  kämpfen  hat  und  die  Anthropologie  sie  vorläufig 
leider  nicht  systematisch  untersucht  hat  ^),  das  ist  die  Frage  nach 

1)  Über  die  Bernsteinstrafse  siehe  aufser  den  vorher  genannten  Arbeiten 
noch  Lanz  in  den  Bl.  d.  Ver.  f.  Landesk.  XXX,  157. 

2)  Dafs  man  selbst  die  vielen  gefundenen  „Gufskerne"  nicht  für  einen 
Beweis  der  einheimischen  Produktion  gelten  lassen  wollte,  sondern  lieber  annahm, 
die  etruskischen  Händler  hätten  sie  mit  sich  geschleppt,  ist  doch  mindestens 
sehr  gezwungen.  —  Der  heftigste  Gegner  der  Importhypothese  war  Hochstätter, 
welcher  auf  Grund  der  Krainerischen  Funde  geradezu  einen  Export  nach  Italien 
annehmen  wollte. 

3)  Dafür   hat   sie    sich   jahrzehntelang    herumgestritten,    ob    Kelten   und 


36  Erstes  Kapitel. 

der  Zeit  der  keltischen  Einwanderung.  Livius  überliefert  eine 
Stammsage,  wonach  um  das  Jahr  GOO  die  beiden  Brüder  Bello- 
vesus  und  Sigovesus  von  Gallien  aufgebrochen ,  um  der  eine  mit 
seinen  Scharen  nach  Italien,  der  andere  über  den  Rhein  zu  ziehen  ^). 
Als  charakteristisch  sei  nebenbei  erwähnt,  dafs  bereits  hier  die 
„Landnot",  d.  h.  der  Mangel  an  ernährendem  Boden  als  Grund  ge- 
nannt wird,  dem  wir  später  bei  den  grofsen  germanischen  Wande- 
rungen immer  wieder  begegnen.  Aber  von  einem  Galliereinfall 
in  Italien  weifs  man  vor  dem  Jahre  388  nichts,  und  weder  Hero- 
dot  (um  400)  ''') ,  noch  der  etwas  spätere  Sylax  kennt  in  den 
Alpengegenden  Kelten  ^).  Trotzdem  scheint  die  Keltenwande- 
rung über  den  Rhein  schon  früher  erfolgt  zu  sein*),  und  mit 
dieser,  nicht  aber  erst  mit  den  aus  Italien  zurückgeschlagenen 
Galliern  dürfte  auch  die  keltische  Besiedelung  der  Alpenländer 
zusammenhängen. 

Von  den  Kämpfen  bei  der  Besitzergreifung  blieb  allerdings 
keine  Kunde  erhalten,  aber  es  ist  wohl  selbstverständlich,  dafs  sie 
sich  nicht  friedlich  vollzog,  und  die  Brandspuren  in  den  Ansiede- 
lungen scheinen  die  Annahme  der  gewaltsamen  Zerstörung  zu 
bestätigen.  Der  Rest  der  Bevölkerung,  ging  spurlos  in  die  Über- 
winder    auf,    ihre  Stammesart   erlosch,    keine  Überheferung ,    kein 


Germanen  identisch  seien  oder  nicht.  Da  dieselbe  für  die  ernste  Forschung 
heute  abgetan  sein  dürfte ,  so  kann  ich  mir  es  wohl  ersparen ,  die  zahlreiche 
Literatur  anzuführen.  Dafs  slavische  Gelehrte  in  nationalem  Chauvinismus  so 
weit  gingen,  die  Urbevölkerung  der  Älpenländer  für  Slaveu  zu  erklären,  und 
dafs  sich  richtig  auch  einige  „unparteiische"  Deutsche  fanden,  die  sich  ihnen 
anschlössen ,  wird  den  nicht  wundernehmen ,  der  österreichische  Verhältnisse 
kennt. 

1)  Livius  V,  34. 

2)  V,  9.  —  Für  das  Folgende  vgl.  Eamsauer.  Die  Alpenkunde  im  Alter- 
tum (Zeitschr.  d.  deutschen  u.  österr.  Aipenvereines  XXXII,  46,  1901). 

3)  Schon  Niebuhr  und  Zeufs  haben  den  Zeitansatz  des  Livius  be- 
stritten, die  eingehendste  Kritik  der  ganzen  Nachricht  übte  Müllenhoff, 
Deutsche  Altertumskunde,  IL  Bd.  (1887).  —  Ob  dem  Argumentum  ex  silentio 
bezüglich  Herodots  und  Sylax"  wirklich  Beweiskraft  zuzusprechen  sei,  möge  dahin- 
gesteUt  bleiben.  Herodot  nennt  die  Alpen  und  zwar  als  Flufs,  deren  Name 
demnach  nicht  keltisch  sein  könnte,  wie  gemeinhin  angenommen  wird. 

4)  Es  scheinen  sogar  an  dem  Zuge  gegen  Italien  Völkerschaften  vom  Ehein 
sich  beteihgt  zu  haben  wie  die  Bojer. 


Vorrömische  Kulturperioden.  37 

Name  kam  auf  die  Nachwelt,  ihre  Kulturerrungenschaften  waren 
für  die  folgende  Entwickelung  ohne  Bedeutung  mehr. 

Dennoch  dürften  die  Einwanderer  nur  mit  dem  absolut  Fremden, 
wie  insbesondere  der  Siedelungsform,  ganz  gebrochen,  an  anderes, 
ihnen  Verwandtes  dagegen  angeknüpft  haben.  Der  begonnene 
Bergbau  war  ihnen  hochwillkommen  und  bald  von  ihnen  zur 
Blüte  und  zur  Grundlage  ihres  Wohlstandes  gebracht,  der  Handel 
mit  dem  Süden,  der  durch  den  Oalliereinfall  in  Italien  eine  Unter- 
brechung erlitten  haben  mochte,  bald  wieder  lebhafter  denn  je 
betrieben.  So  können  wir  uns  das  grofsartige  Emporblühen  von 
Hallstatt  erklären,  wo  ohne  Zweifel  schon  vor  der  Keltenzeit 
bei  den  salz-  und  metallreichen  Bergen  in  geschützter  Lage 
am  See  eine  Niederlassung  gegründet  worden  war,  welche  nun- 
mehr, durch  den  Handelsverkehr  mit  dem  Süden  und  Norden 
verbunden,  gewissermafsen  ein  Kulturzentrum  der  ersten  Kelten- 
zeit wurde  '). 

Über  6000  Fundgegenstände  aus  nahezu  2000  Gräbern,  welche 
teils  als  Flach-,  teils  als  Hügelgräber  nebeneinander  drei  Be- 
stattungsformen: Beerdigung,  Verbrennung  und  Halb  Verbrennung 
zeigen  ^),  geben  so  überreichen  Aufschlufs  über  die  Kultur  jener 
Periode,  dafs  man  sie  nach  diesem  Hauptfundort  die  Hallstatt- 
periode nennt  ^).     Zur  Bronze,   welche,   wie   aus   den  Funden  in 


1)  Vgl.  auch  Rein  ecke,  Brandgräber  vom  Beginn  der  Hallstätter  Zeit 
aus  den  östlichen  Alpenlän  lern  und  die  Chronologie  des  Grabfeldes  von  Hall- 
statt  (Älitt.  d.  anthrop.  Gesellsch.  XXX,  44,  1900),  welcher  sechs  Typen  (Perioden) 
unterscheidet  und  den  Beginn  mit  ca.  1100  oder  1000  v.  Chr.  ansetzt. 

2)  Die  neuere  Forschung  ist  davon  abgekommen,  aus  der  Bestattuogsform 
besondere  Schlüsse  zu  ziehen.  Die  Beerdigung  ist  wohl  gegenüber  der  Ver- 
brennung die  ältere,  aber  sie  wurde  in  Hallstatt  gleichzeitig  angewendet;  aucli 
kann  man  die  erstere  nicht  etwa  für  das  unterworfene  Volk  in  Anspruch  nehmen, 
denn  auch  die  Beerdigten  haben  oft  reichen  Schmuck  und  Waffen ,  sowie  um- 
gekehrt. Wenn  man  also  schon  von  dem  Vorkommen  beider  Bestattungsformeu 
(und  einer  charakteristischen  Mischform)  auf  eine  Mischbevölkerung  schliei'seu 
will ,  so  mufs  man  eben  ein  solches  Durchdringen  der  Volksart  annehmen ,  dafs 
Eigenes  und  Fremdes  gleich  galt  und  von  beiden  Völkern  geübt  wurde  (vgl. 
Much,  Kupferzeit  a.  a.  0.) 

3)  An  zahlreichen  Orten  Ober-  und  Niederösterreichs  (Kleedorf,  Stockerau, 
Mahrersdorf,  Wolfstal,  Gemeinlebarn  und  besonders  Ötillfried),  sowie  der  übrigen 
Alpenländer,    namentlich    in  Krain,  fanden    sich   Gegenstände,    welche   mit   den 


38  Erstes  Kapitel. 

den  Seen  ersichtlich,  schon  in  der  letzten  Pfahlbauzeit  bekannt 
war,  tritt  hier  das  Eisen  hinzu  und  mit  ihm  als  neue  Kultur- 
errungenschaft die  Kunst  des  Schmiedens  ').  Material  und  Formen 
weisen  noch  mehr,  als  dies  in  der  früheren  Zeit  der  Fall  war, 
auf  den  lebhaften  Handel  von  Norden  und  Süden  hin.  Doch  wäre 
es,  wie  schon  oben  gesagt,  verfehlt,  die  einheimische  Industrie  gar 
nicht  gelten  lassen  zu  wollen.  Unter  den  Gegenständen  treten 
jetzt  Schwert  und  Sichel  als  neue  wichtige  und  bedeutsame  Er- 
rungenschaften auf,  unter  den  Gebrauchsgegenständen  sind  die 
Situlae  (Eimer),  unter  den  Schmucksachen  die  Fibeln  charakte- 
ristisch ;  die  Ornamentik,  in  der  noch  der  Kreis  und  die  Zickzack- 
linie überwiegen,  zeigt  in  einzelnen,  allerdings  vielleicht  gerade 
importierten  Stücken  schon  den  Fortschritt  zur  Nachahmung  der 
Menschen-  und  Tiergestalt,  während  merkwürdigerweise  das  Pflanzen- 
ornament fehlt. 

Aufser  dem  Eisen  kannten  die  Kelten  auch  gröfsere  und 
bessere  Rinder-  und  Hunderassen,  das  zahme  Pferd  und  bessere 
Arten  des  Getreides,  wie  denn  überhaupt  der  Ackerbau,  wahr- 
scheinlich auch  die  Almwirtschaft  intensiver  betrieben  wurde.  Die 
Quelle  des  National  Wohlstand  es,  welche  zugleich  die  Kelten  den 
Italern  und  später  den  Römern  als  nicht  zu  unterschätzende 
Handelsfreunde  erscheinen  liefs,  war  der  Bergbau,  vor  allem  nach 
dem  vielbegehrten  Salz  ^).  In  Hallstatt  und  seiner  Umgebung 
(so   am  Dürnberg   bei   Hallein)   wurden   Salzbergwerke   in   grofs- 


Hallstätter  Ausgrabungen  nahe  Verwandtschaft  zeigen,  ohne  deshalb  gerade  aus 
Hallstatt  zu  stammen.  Wie  gleichmäfsig  sich  die  Bronzekultur  damals  ver- 
breitet, beweist  der  Umstand,  dafs  Weihgeschenke  in  Olympia  gleichfalls  den 
Charakter  der  Hallstätter  Periode  tragen. 

1)  Auch  jene  Anthropologen ,  die  überhaupt  einen  chronologischen  Ansatz 
wagen,  differieren  darin  sehr,  z.B.  Montelius,  Chronologie  der  ältesten  Bronzen 
in  Norddeutschland,  nimmt  für  Süddeutschland  das  Bronzezeitalter  zwischen 
2500  und  2000  an,  Naue,  Bronzezeitalter  in  Oberbayern,  den  Beginn  mit  ca. 
1400.  Das  sind  natürlich  nur  beiläufige  Vermutungen.  Über  die  Eisenzeit  vgl. 
besonders  Beck,  Geschichte  des  Eisens  in  technischer  und  kulturgeschichtlicher 
Beziehung  I.  Bd.  2.  Aufl.,  Braunschweig  1889  (bes.  S.  500  f.  u.  585  f.). 

2)  Über  den  keltischen  Bergbau  in  den  österreichischen  Alpenländern  siehe 
das  I.  Kapitel  von  Chlingensperg-Berg,  Das  Gräberfeld  von  Eeichenhall 
(Eeichenhall  1890). 


Vorrömische  Kulturperioden.  39 

artigem  Mafsstabe  betrieben  '),  am  Mitterberg  mag  wohl  noch  das 
alte  Kupferwerk  ausgebeutet  worden  sein,  in  den  Tauern  wurde 
mit  Erfolg  nach  Gold  geschürft,  bald  jedoch  überholte  alle  anderen 
das  Eisenbergwerk  zu  Noreja  in  Steiermark,  zu  welchem  später 
wohl  auch  die  Werke  in  der  niederösterreichischen  „Eizenwurzen" 
in  der  Gegend  des  heutigen  Ips  gekommen  sein  dürften.  Bald 
genofs  das  norische  Eisen  Weltruf  ^).  So  vollzog  sich  in  den 
Alpenländern  der  Übergang  aus  der  älteren  Bronzezeit  und  der 
Mischkultur  von  Hallstatt  zur  reinen  Eisenzeit^)  in  den  letzten 
Jahrhunderten  vor  der  Geburt  Christi  ziemlich  schnell. 

Kein  Wunder,  dafs  Handel  und  Verkehr,  besonders  mit  dem 
höher  entwickelten  Süden,  dessen  gesteigerte  Bedürfnisse  aus  der 
Fremde  befriedigt  werden  mufsten,  immer  mehr  sich  hoben.  Aus 
den  Händen  der  Italer  gingen  sie  nach  den  punischen  Kriegen 
in  die  der  Römer  über.  Die  Märe  von  dem  Goldreichtum  der 
norischen  Alpen  lockte  so  viel  Abenteurer  aus  Italien  an,  dafs  die 
Taurisker  die  Zuwanderung  verbieten  mufsten  *).  Nicht  minder 
stand  das  norische  Eisen  bei  den  Römern  in  hohem  Wert.  Aber 
auch  mit  Griechenland  müssen  lebhafte  Handelsbeziehungen  unter- 
halten worden  sein,  denn  unter  römischem  und  griechischem  Ein- 
flufs  entwickelte  sich  schliefslich  aus  dem  Tauschhandel  ein  wenn 


1)  Die  aufgedeckten  Anlagen  und  Einrichtungen  erinnern  vielfach  direkt 
an  die  modernen.  Siehe  Hochstätter,  Über  einen  alten  keltischen  Bergbau 
im  Salzberg  von  Hallstatt  (Mitt.  d.  anthropol.  Gesellsch.  1881). 

2)  Siehe  zahlreiche  Belegstellen  bei  den  römischen  Schriftstellern :  0  v  i  d , 
Metam.  64,  17;  Horatius,  Od.  51,  16,  17;  Petronius,  Fragm.  70;  Eu- 
tilius,  Nom.  Itin.  L,  I,  V,  351,  352;  Martial,  IV,  55,  12;  Plinius, 
1.  34,  14  etc. 

8)  Die  für  die  gallischen  Kelten  charakteristischen  Formen  der  sogenannten 
La-Tene-Periode  oder  älteren  Eisenzeit  scheinen  in  unseren  Gegenden  nicht  zahl- 
reich zu  sein  oder  wurden  wenigstens  von  den  Gelehrten  nicht  durchweg  an- 
erkannt. Vgl.  Hörnes,  La-Tene-Funde  in  Niederösterreich  (Mitt.  d.  anthropol. 
Gesellsch.  S.  65,  1889).  Vieles  von  den  Eisenfunden  gehört  wohl  den  Germanen 
an ,  weshalb  ich  auf  die  Änderung  in  der  Form  in  anderem  Zusammenhang  zu- 
rückkommen werde.  —  Auch  hier  wäre  eine  fachmännische  Untersuchung  über 
die  unterscheidenden  Merkmale  des  Keltischen  und  Germanischen  mit  sorgfältiger 
Berücksichtigung  der  geschichtliehen  Entwickelung  dringend  erwünscht. 

4)  Der  Wert  des  Goldes  soll  dadurch  in  Italien  um  -j^  gesunken  sein 
(Polybios  bei  Strabon  IV,  6,  S.  208). 


40  Erstes  Kapitel. 

auch  vielleicht  beschränkter  Geldhandel.  Es  wurden  Silberraünzen 
nach  griechischem  Gewichte  und  nach  römischer  Prägung  mit 
lateinischer  Schrift  geschlagen  ').  Daneben  gab  es  auch  kleine 
primitive  Goldmünzen  ohne  Schrift  ^)  und  später  in  der  kurzen 
Übergangszeit,  da  die  Beziehungen  zu  Rom  gespannte  waren,  selb- 
ständige Prägungen  ^).  Sie  dienten  dem  einheimischen  Verkehr 
und  dem  mit  den  germanischen  Nachbarn,  wie  sie  sich  denn  auch 
im  Gewichte  den  markomannischen  Münzen  anschlössen.  Anderer- 
seits finden  sich  in  unseren  Gegenden  makedonische,  griechische, 
sizilische  und  römische,  ja  sogar  ägyptische  Münzen,  welche  bis 
ins  3.  Jahrhundert  v.  Chr.  zurückreichen  ^). 

Dem  grofsen  materiellen  Wohlstand  und  der  nicht  unbedeu- 
tenden künstlerischen  Ausbildung  entsprach  gewifs  auch  die  soziale 
und  politische  Entwickelung  ^). 

Eine  einflufsreiche  Sonderstellung'  mögen  wie   in  Gallien  die 


1)  Das  Gewicht  der  griechischen  Tridrachme,  später  der  makedonischen 
Tetradrachme  und  das  Gepräge  des  römischen  Denars.  Momrasen,  Geschichte 
des  römischen  Miinzwesens  (Breshiu  1860),  S.  694 ff.  Kenner,  Keltische  Münzen 
in  Niederösterreich  (Monatsbl.  d.  Numismat.  G^sellsch.  Nr.  152—155,  1896). 

2)  Diese  unscheinbaren  kleinen  Münzen  sind  unter  der  poetischen  Bezeich- 
nung „Eegenbogen schüsselchen"  bekannt,  weil  die  gefundenen  Stücke  von  dem 
Volke  mit  der  alten  Sage,  dafs  die  Streifen  des  Eegenbogens  durch  Engel  mit 
Goldschüsselchen  gestützt  werden,  in  Verbindung  gebracht  wurden  (Streber, 
Über  die Eegenbogenschüsselchen,  München  1861—1862;  Beck,  im  Thüringischen 
Hausfreund,  19Ü3). 

3)  Am  interessantesten  ist  in  dieser  Hinsicht  der  Simmeringer  Fund  aus 
dem  Jahre  1895,  auf  den  ich  utiteu  nochmals  zurückkommen  mufs. 

4)  Fundstätten  in  Niederösterreich  Carnuntum  und  Eichenbrunn,  in  Ober- 
österreich Linz  und  St.  Floiian.     Vgl.  auch  Kämmel,  S.  28. 

5)  Die  in  den  Geschichtsdarstellungen  regelmäfsig  angeführte  Charakteristik 
der  Kelten  nach  den  Berichten  der  römischen  Historiker  (besonders  nach  Diodor, 
Bibl.  bist.  SXVni— XXXH)  möchte  ich  doch  nur  anmerkungsweise  erwähnen,  da 
sie  sich  eigentlich  auf  die  Gallier  bezieht.  Sie  dürfte  zwar  in  manchen  Punkten 
auch  für  unsere  Gegenden  stimmen  (welche  ausgezeichnete  Illustration  der  „Prunk- 
sucht und  Eitelkeit "  sind  die  glänzenden  Schmuckgegenstäude  aus  den  Gräbern 
von  Hallstatt!),  aber  die  Lebensbedingungen  in  den  AlpcnJändern  und  wohl  auch 
die  Durchsetzung  mit  anderen  Volkseiemeuten  dürften  doch  bedeutende  Unter- 
schiede bewirkt  haben.  Insbesondere  die  „zügellose  Tapferkeit"  gehört  nicht 
zu  den  hervorstechenden  Eigenschaften  der  Alpenkelteu ,  welche  wir  im  wesent- 
lichen als  sefshaf; -friedliches  Handels-  und  Industrie volk  kennen. 


Vorrümische  Kulturperioden.  41 

in  einer  Kaste  abgeschlossenen  Priester  genossen  haben  ^).  In 
ihren  Händen  lag  der  Kult  der  Götter,  unter  denen  der  Sonnen- 
gott BelenuSj  der  auch  Schutzgott  der  norischen  Bergwerke  war^ 
die  höchste  Stelle  einnahm.  Aus  der  Römerzeit ,  da  sich  aller- 
dings die  heimische  Religion  mit  fremden  Elementen  vermischt 
hatte,  sind  für  die  Alpengegenden  auch  noch  der  Kriegsgott  Tu- 
tates,  der  Frühlingsgott  Jarmogius,  die  Göttin  des  Ackerbaues 
Sirona  und  viele  kleinere  Lokalgottheiten  und  Genien  bezeugt  ^). 

Die  Gräber  weisen  grofse  Verschiedenheiten  des  Besitzes  auf^ 
welche  vielleicht  mit  dem  Gegensatz  eines  herrschenden  und  eines 
unterworfenen  Volkes  zusammenhängen  und  gewifs  auch  starke 
soziale  Unterschiede  bedingten.  Die  Gliederung,  namentlich  nach 
gallischem  Muster  mit  einer  ausgebildeten  Aristokratie,  fand  in 
einem  König  ihren  Abschlufs  '^). 

Könige  beherrschten  die  vielen  grofsen  und  kleinen  Stämme, 
doch  zerfielen  diese  wohl  noch  in  Gaue,  denen  Teilfürsten  vor- 
standen ,  die  sogar  eigene  Münzen  prägten  *).  Der  gröfste  und 
wichtigste  Stamm  im  heutigen  Osterreich  war  der  der  Taurisker, 
mit  welchem  auch  die  Römer  am  frühesten  in  Berührung  kamen. 
Ihre  Wohnsitze  dehnten  sich  vermutlich  von  der  Drau  bis  ins 
Salzkammergut  und  ins  südliche  Niederösterreich  aus  '').  Ursprüng- 
lich ein  Gau  derselben  scheinen  die  Noriker  gewesen  zu  sein  ^), 


1)  Ein  charakteristischer  Unterschied  vou  den  Germanen. 

2)  Siehe  die  Zusammenstellr.ng  bei  Kämniel,  a.  a.  0.,  S.  38. 

3)  Siehe  unten. 

4)  Nur  so  erklärt  es  sich,  dafs  auf  den  Münzen  aus  der  Zeit  um  Christi 
Geburt,  welche  im  südöstlichen  Niederösterreich  und  den  benachbarten  Gegenden 
Ungarns,  also  auf  sehr  engbegrenztem  Gebiet,  sich  fanden,  nicht  weniger  als  zwölf 
Namen  vorkommen  (siehe  unten). 

5)  An  der  Drau  stiefsen  115  v.  Chr.  die  Eömer  auf  sie,  denn  die  Caurisci 
bei  Anon.  de  vir.  ill.  72  können  wohl  nur  die  Taurisker  sein ;  im  Norden  er- 
innert der  Name  der  Tauern  an  sie,  und  die  ihnen  zugehörigen  Noriker  hatten 
wohl  aufser  Noreja  alle  die  Eisenbergwerke  des  südlichen  Niederösterreich  in  Besitz. 

6)  Ein  Versuch  (Kohu,  Dio  römische  Heerstrafse  von  Virunum  nach  Ovi- 
lava,  Sitzuügsber.  d.  k.  Akad.  d.  Wissensch.,  phil.-hist.  Kl.  LXXX,  402,  1875), 
entgegen  der  von  Zeufs  ausgehenden  allgemeinen  Annahme,  die  Taurisker  als 
einen  Teil  der  Noriker  nachzuweisen,  erscheint  mir  nicht  überzeugend,  wenn 
auch  die  Angaben  der  römischen  Schriftsteller  au  Klarheit  vieles  zu  wünschen 
übrig  lassen. 


48  Erstes  Kapitel. 

welche  jedoch  infolge  ihres  reichen  Besitzes  um  die  Eisenwerke 
von  Noreja  aUmählich  ein  solches  Übergewicht  erlangten,  dafs 
ihr  Name  den  des  Hauptstammes  verdrängte,  welcher  als  „Berg- 
bewohner^' gedeutet  wird,  und  später  von  den  Römern  auf  die 
ganze  grofse  Provinz,  welche  sie  in  den  Ostalpen  zwischen  Donau 
und  Drau  errichteten,  übertragen  wui-de.  Aufserdem  sind  uns 
einige  Gaue  oder  kleinere  Stämme  blofs  dem  Namen  nach  über- 
liefert, ohne  dafs  sich  ihre  Sitze  mit  Bestimmtheit  feststellen  Hefsen. 
Davon  dürften  die  A 1  a  u  n  e  r  an  der  unteren  und  mittleren  Salzach, 
die  Sevaker  oder  Sevater  zwischen  Inn  und  Enns,  die  Aza- 
lier  um  Vindobona  und  Carnuntum  gewohnt  haben  *). 

Im  Norden  der  Donau  waren  die  Bojer  der  keltische  Haupt- 
stamm, welche  ihren  Sitz  in  Böhmen  hatten,  das  von  ihnen 
den  Namen  —  im  Altertume  Boiohaemum  —  empfing.  Ostlich 
davon  nennt  Cäsar  die  Volker-Tektosagen,  welche  demnach  in 
Mähren  und  möglicherweise  bis  ins  nordöstliche  Niederösterreich 
herein  gewohnt  haben  dürften,  während  im  Süden  von  Boiohaemum 
sich  bis  zur  Donau  die  unwirtlichen  Urwälder  erstreckten  ^). 

Für  die  Besiedelung  der  Alpengegenden  wurde  die  den  Kelten 
charakteristische  Siedelungsform  des  Einzelgehöftes  von  dauernder 
Bedeutung.  Von  ihr  nahm  auch  die  Almwirtschaft  im  Gebirge 
ihren   Ausgang  ^).      Die   Kelten   sind    aber   auch   andererseits   die 

1)  Ptolemäus,  II,  13 f. 

2)  Bachmann,  Die  Kelten  im  Norden  der  Donau  (Zeitschr.  f.  österr. 
Oymnasien  S.  81,  1879).  Gegen  Müllenhoff,  der  die  Sitze  der  Volker-Tecto- 
sagen  in  Böhmen  (nach  den  Bojern)  oder  noch  westHcher  suchte,  verteidigt  die 
ältere  Ansicht  Eudolf  Much  in  den  Beiträgen  zur  Geschichte  der  deutschen 
Sprache  und  Literatur  XVII,  10.  Die  vielen  Stämme,  welche  Ptolemäos  im 
Norden  der  Donau  nennt,  dürften,  soweit  sie  überhaupt  nicht  etwa  aus  Irr- 
tümern konstruiert  sind,  Germanen  sein,  da  ja  zu  seiner  Zeit  (erste  Hälfte  des 
2.  Jahrhunderts  n.  Chr.)  in  diesen  Gegenden  keine  Kelten  mehr  wohnten.  Ich 
komme  daher  au  einer  späteren  Stelle  darauf  zurück.  Gute  kartographische 
Darstellungen  siehe  jetzt:  Erckert,  Wanderungen  und  Siedelungen  der  germa- 
nischen Stämme  in  Mitteleuropa  von  der  ältesten  Zeit  bis  auf  Karl  den  Grofsen, 
auf  12  Kartenblättern  dargestellt  (Berhn  1901). 

3)  Siehe  Meitzen,  Siedelung  und  Agrarwesen  der  Westgermanen  und 
Ostgermanen,  der  Kelten,  Kömer,  Finnen  und  Slaven  (1.  Abteilung:  Wanderungen, 
Anbau  und  Agrarrecht  der  Völker  Europas  nördlich  der  Alpen),  Berlin  1895 f.; 
besonders  I,  224. 


Vorrömische  Kulturperioden.  43 

«Gründer  der  ersten  Städte  in  unseren  Gebieten  ^).  Nicht  nur  alle 
Römerstädte  gehen  auf  keltische  zurück,  sondern  gar  manche  er- 
hielten sich  für  alle  Folgezeit  bis  heute.  Noreja,  der  Hauptort  der 
Alpenkelten,  liegt  aufserhalb  der  Grenzen  unserer  Erblande,  Hall- 
statt, dessen  keltischer  Name  in  seinem  ersten  Bestandteil  erhalten 
ist,  fand  unter  den  Römern  eine  zweite  Blüte,  von  hervorragender 
Wichtigkeit  wurde  jedoch  Carnuntum,  das  an  einem  Knotenpunkt 
der  Bernsteinstrafse  gelegen  und  dessen  vorrömische  Existenz  aus- 
drückHch  bezeugt  ist  '^).  Aber  auch  die  nachmaligen  bedeutenderen 
Römerorte  wie  Ovilava,  Lauriacum,  Vindobona  und  viele  kleinere 
waren  gewifs  schon  in  der  Keltenzeit  besiedelt.  Haben  sich  die 
Städtenamen  nur  während  der  Römerherrschaft  erhalten  und  sind 
sie  später  durch  deutsche  abgelöst  worden,  so  haben  die  hervor- 
ragenden Bodenerhebungen  und  namentlich  die  gröfseren  Flufs- 
läufe  das  Andenken  der  Kelten  als  ihrer  ersten  Namensgeber  bis 
auf  die  lebendige  Gegenwart  bewahrt:  die  Alpen,  die  Donau,  der 
Inn,  die  Traun,  die  Ischl,  die  Albe,  die  Enns,  die  Ips,  die  Erlaf, 
der  Kamp,  die  Traisen,  die  Tulln  ^). 

Mit  den  Kelten  treten  endlich  unsere  Länder  aus  dem  Dunkel 
der  Frühzeit,  welches  nach  mehrtausendjähriger  Undurchdringlich- 
keit erst  durch  eine  vorgeschrittene  Forschung  der  Gegenwart 
einigermafsen    erhellt   worden,    die   mühsam  aus  den  in  der  Erde 

1)  Auch  darin  zeigt  sich  der  Gegensatz  zu  den  Germanen,  welche  städtischen 
Ansiedelungen  abhold  waren. 

2)  Vellejus  Paterculus  11,  109  nennt  Carnuntum  schon  zur  Zeit  des 
Tiberius  einen  locus  regni  Norici.  Die  nicht  römische  Herkunft  des  Namens 
bezeugt  auch  die  übliche  Schreibweise  Karnuntum.  Die  Münzfunde  reichen  hier 
bis  ins  3.  Jahrhundert  vor  Christus  zurück. 

3)  Siehe  aufser  verstreut  in  den  später  noch  anzuführenden  Werken  von 
Zeufs,  Müllenhofif  u.  a.  F icke r,  Die  Lokalnamen  der  Kelten  (Mitt.  d.  k.  k. 
geograph.  Gesellsch.  in  Wien  1861)  und  Müller,  Altdeutsche  Ortsnamenkunde 
(Bl.  d.  Ver.  f.  Landesk.  XX,  1886  f.).  Es  gab  eine  Zeit  vor  etwa  30—40  Jahren, 
da  man  mit  den  keltischen  Etymologien  viel  Unfug  trieb  und  fast  alle  alter- 
tümlich oder  unverständlich  klingenden  Lokalnamen  der  Alpenländar  für  keltisch 
erklärte  (ich  erinnere  für  Niederösterreich  an  die  Arbeiten  von  Vincenz  Göhlert). 
Später  ist  man  in  das  entgegengesetzte  Extrem  verfallen.  Ich  sehe  aber  nicht 
■ein,  warum  man  nicht  jene  Stämme,  welche  sich  weder  aus  dem  Deutschen, 
aoch  aus  dem  Slavischen  erklären  lassen,  den  Bewohnern  vor  diesen  beiden 
Völkerschaften,  also  den  Kelten  zuschreiben  soU. 


44  Erstes  Kapitel. 

Schofs  glücklieli  verwahrt  gebliebenen  Übei-resten  auf  indirektem 
Wege  ein  beiläufiges  Bild  des  Einst  konstruieren  mufs,  hervor  in 
das  hellere  Licht  der  historisch  -  politischen  Entwickelung,  welche 
schon  seit  Jahrhunderten  die  Mittelmeerländer  miteinander  ver- 
bunden hatte  und  durch  die  Geschichtschreiber  Grriechenlands  und 
Roms  der  Nachwelt  überliefert  worden  ist. 

Nachdem  die  Kelten  die  nicht  immer  angenehme  Bekannt- 
schaft der  römischen  Kaufleute  und  Spekulanten  gemacht,  gerieten 
sie  allmählich  auch  in  den  Bannkreis  der  römischen  Eroberungs- 
politik, welche  seit  dem  Jahre  183  v.  Chr.  durch  die  Gründung 
von  Aquileja  einen  Stützpunkt  für  alle  Operationen  nördlich  der 
Alpen  gewonnen  hatte.  Die  illyrischen  lapoden  und  die  Karner 
wurden  in  der  Zeit  von  129  —  115  v.  Chr.  unterworfen  und  wahr- 
scheinlich schon  damals  mit  den  nunmehr  benachbarten  Norikern 
ein  Freundschaftsbund  in  der  Form  des  publicum  Hospitium  ge- 
schlossen ').  Ein  unerwartetes  Ereignis  schien  bald  darauf  eine 
willkommene  Handhabe  für  die  Einmischung  der  Römer  in  die 
norischen  Angelegenheiten  zu  bieten.  Ein  germanischer  Stamm, 
die  Kimbern ,  vermutlich  durch  ein  Naturereignis  (Sturmflut)  aus 
ihrer  Heimat  in  Jütland  vertrieben,  war  nach  dem  Süden  auf- 
gebrochen, um  sich  neue  Wohnsitze  zu  suchen.  Er  stiefs  zuerst 
auf  die  Bojer  in  Böhmen,  welche  sich  jedoch  des  Durchzuges  zu 
erwehren  vermochten.  Gegen  Osten  abgedrängt,  zogen  die  Kimbern 
nunmehr  die  Bernsteinstrafse  entlang,  übersetzten  die  Donau  und 
fielen  in  norisches  Gebiet  ein.  In  ihrer  Not  wendeten  sich  die 
Noriker  an  ihre  neuen  ., Gastfreunde",  welche  ihnen  auch  in  der 
Tat  den  Prokonsul  Gn.  Papirius  Carbo  zu  Hilfe  schickten.  Bei 
Noreja  kam  es  im  Jahre  113  v.  Chr.  zu  einer  Schlacht,  in  welcher 
die  vereinigten  Kelten  und  Römer  zum  ersten  Male  durch  das 
vordem  unbekannte  Volk  der  Germanen ,  durch  die  nordischen 
Barbaren,  besiegt  wurden.  Allerdings  änderten  die  Kimbern,  welche 
mit  Familie  und  Habe  wandernd  offenbar  eine  friedliche  Land- 
nahme ersehnten,  infolge  des  Widerstandes  abermals  die  Richtung 
ihres  Zuges   und    wandten    sich  gegen  Nordwesten,   umgingen  die 


1)  Appiau  Celt.  13  bezeichnet  die  Noriker  zur  Zeit,  da  ihnen  Gn.  Papirius- 
Car'Uo  zu  Hilfe  kam,  ausdriicklicli  als  ,,'Pww«/'oji'  ^i'vovg  övrag". 


Vorrömische  Kulturperiodeu.  45 

Alpen  und  versuchten  erst  nach  Vereinigung  mit  den  Teutonen 
am  Rhein  einen  neuen  Vorstofs  gegen  Süden  die  Rhone  entlang. 

Die  Noriker  waren  dadurch  nicht  nur  von  der  germanischen 
Invasion  befreit ,  sondern  auch  die  Römer  durch  die  folgenden 
Ereignisse  auf  lange  Zeit  von  ihren  Absichten  auf  die  Alpenländer 
abgelenkt.  Dafür  machte  die  innere  Zersetzung  der  keltischen 
Reiche  während  dieser  Zeit  rasche  Fortschritte.  Der  heftige  An- 
prall der  germanischen  Völkerwoge  scheint  die  kriegsentwöhnten 
Keltenstaaten  in  ihren  Grundfesten  unterwaschen  zu  haben.  Ver- 
mutlich kamen  die  durch  die  Durchwanderung  der  Kimbern  in 
ihren  Sitzen  aufgestörten  germanischen  Stämme  an  der  nördlichen 
Grenze  auch  nach  deren  Abzüge  nicht  zur  Ruhe,  und  die  Bojer 
fühlten  sich  in  ihrem  Lande  nicht  mehr  sicher.  So  verliefsen  sie 
denn,  wahrscheinlich  nicht  mit  einem  Male,  sondern  in  mehreren 
Abteilungen  im  Laufe  der  letzten  sechziger  Jahre  vor  Christi  Ge- 
burt ihre  Heimat  und  nahmen  die  Richtung  gegen  Süden.  Wieder 
waren  die  Noriker  die  zunächst  Bedrohten,  Noreja  kam  zum  zweiten 
Male  in  Gefahr.  Nur  mit  Mühe  vermochte  man  sich  der  Land- 
suchenden zu  erwehren.  Ein  Teil  wurde  nach  dem  Westen  ab- 
gedrängt, wo  er  sich  in  der  Stärke  von  32  000  Mann  mit  den 
Helvetiern  unter  Orgetorix  verband  und  mit  diesen  von  Cäsar  im 
Jahre  59  v.  Chr.  bei  Bibracte  besiegt  wurde.  Andere  Bojer  sie- 
delten sich  östlich  von  Noricum  am  Plattensee  an,  wurden  aber 
wenige  Jahre  später  (bald  nach  57  v.  Chr.)  von  den  Dakern  und 
Pannoniern,  welche  sie  wohl  auch  nur  als  unliebsame  Eindring- 
linge betrachteten,  unter  dem  König  Boerbistes  gänzlich  vernichtet, 
so  dafs  dieses  Gebiet  noch  bis  in  die  Römerzeit  den  Namen 
„Bojer wüste''  behielt  '). 

Die  Noriker,  welche  damals  König  Critasirus  beherrschte, 
wurden  bei  dieser  Niederlage  der  Bojer,  denen  sie  im  Augenblicke 
der   Gefahr   freundnachbarliche    Hilfe   geleistet,    abermals    in    Mit- 


1)  Es  soll  hier  nicht  verschwiegen  werden,  dafs  die  Geschichte  der  Bojer- 
wanderiing  keineswegs  klar  ist.  Ich  schliefse  mich  im  wesentlichen  an  Bach- 
mann,  Die  Kelten  im  Norden  der  Donau  (siehe  oben)  und  Geschichte  Böhmens  I. 
(Gotha  1899)  au,  welcher  die  spärlichen  Nachrichten  am  eingehendsten  unter- 
sucht und  die  Ereignisse  möglichst  plausibel  miteinander  zu  verbinden  ge- 
wufst  hat. 


46  Erstes  Kapitel. 

leidenschaft  gezogen.  Alle  diese  schweren  Schädigungen  seit  dem 
Kimberneinfall  dürften  auch  einen  wirtschaftlichen  Niedergang  be- 
wirkt haben;  das  einst  so  blühende  liallstatt  hatte  in  dieser  Zeit 
seine  Bedeutung  verloren. 

Die  freundlichen  Beziehungen  Noricums  zu  Rom  blieben  wohl 
noch  immer  aufrecht  —  König  Voccio  *),  dessen  Tochter  die  zweite 
Gemahlin  Ariovists  war,  sendete  im  Jahre  49  v.  Chr.  Cäsar  300 
Reiter  zur  Verstärkung  — ,  aber  der  Handel  ging,  vermutlich 
wegen  der  gefährdeten  Handelsstrafsen ,  vielleicht  auch  weil  die 
Römer  sich  unterdessen  so  viele  andere  Gebiete  erschlossen  hatten, 
wohl  schon  damals  sehr  zurück  ^).  So  war  es  nur  mehr  eine 
Frage  der  Zeit,  wann  die  erschöpften  Alpenländer  den  über- 
mächtigen Nachbarn  zur  Beute  werden  würden.  Diese  Zeit  kam, 
als  Octavianus  nach  blutiger  Beendigung  der  langwierigen  Bürger- 
kriege nun  endlich  die  Eroberungspolitik  Cäsars  wieder  aufnehmen 
konnte. 

Schon  im  Jahre  .35  hatte  er  durch  die  definitive  Unterwerfung 
Illyriens  und  der  Gebiete  an  der  unteren  Donau  die  Operations- 
basis für  die  folgenden  Unternehmungen  im  Norden  der  Apenninen- 
halbinsel  gewonnen.  Die  Alpenvölker  sahen  ihr  Verderben  vor 
Augen,  wenn  sie  die  Ausbreitung  der  römischen  Macht  noch  länger 
untätig  vor  sich  gehen  liefsen.  Im  Jahre  16  v.  Chr.  brachen 
die  Existenzkämpfe  in  Istrien  aus,  das  P.  Silius  jedoch  bald  er- 
obert hatte.  Im  folgenden  Jahre  erlagen  einem  kombinierten  Feld- 
zug der  Stiefsöhne   Oktavians,    Tiberius'  und  Drusus',   die  Alpen- 


1)  Es  ist  für  die  Chronologie  durchaus  nicht  nötig,  mit  Jung,  Die  roma- 
nischen Landschaften  des  römischen  Reiches ,  zwei  Könige  gleichen  Namens  an- 
zunehmen. Die  Familienverbindung  mit  Äriovist  wurde  nach  einer  ansprechenden 
Vermutung  Bachmanns  (Gesch.  Böhmens  I)  zum  Zwecke  der  Abwehr  der  Bojer 
geschlossen. 

2)  Zur  Zeit  des  Kaisers  Nero  wurde  ein  römischer  Eitter  ausgesendet,  um 
die  Handelsgelegenheiten  im  germanischen  Norden  an  der  alten  Bernsteinstrafse 
zu  erforschen.  Das  beweist  eine  Unterbrechung  derselben  seit  Menschengedenken, 
so  dafs  eben  nur  eine  Kenntnis  vom  Hörensagen  übrig  geblieben.  —  Auch  dafs 
die  Eömer  sich  zuerst  nach  Gallien  und  an  den  Rhein  wendeten  und  dann  ge- 
wissermafsen  aus  taktischer  Notwendigkeit  die  Alpenländer  annektierten,  scheint 
darauf  hinzudeuten ,  dafs  deren  Besitz  nicht  mehr  so  verlockend  wie  ehedem 
erschien. 


Vorrömische  Kulturperioden.  47 

kelten,  welche  von  zwei  Seiten  umklammert  wurden.  Nur  die 
Rhätier  scheinen  einen  hartnäckigeren  Widerstand  geleistet  zu 
haben  ^),  alle  übrigen  streckten  die  Waffen  und  opferten  ruhm- 
los ihre  Selbständigkeit,  um  in  dem  römischen  Weltreich  auf- 
zugehen ^). 


1)  Die  Darstellung  bei  Horaz,  Oden  I,  16,  9  im  Lichte  eines  Helden- 
kampfes ist  wohl  nur  eine  liebedienerische  Übertreibung  des  Hofpoeten.  Die 
Historiker  wissen  davon  nichts.  —  In  der  Inschrift  des  Triumphbogens,  welche^- 
im  Jahre  7  v.  Chr.  nach  den  Kämpfen  zu  Torbia  (Seealpen)  errichtet  wurde, 
fehlen  unter  den  besiegten  Völkern  die  Noriker  mit  Ausnahme  der  Ambisontier, 
woraus  man  gleichfalls  darauf  schliefsen  kann ,  dafs  sie  keinen  Widerstand  ge- 
leistet (Plinius  III,  20,  136). 

2)  Über  die  Keltenzeit  in  den  österreichischen  Ländern  siehe  auch  B  ü  - 
dinger,  Krones,  Huber,  Strakosch-Grafsmann.  Die  beste  und  ein- 
gehendste Darstellung  bei  Kämmel  a.  a.  0.,  S.  7 — 39.  Aufserdem  sind  die 
bereits  angeführten  Einzeluntersuchungen,  besonders  Bachraann,  und  der  noch 
immer  im  grofsen  und  ganzen  nicht  überholte  Zeufs,  Die  Deutschen  und  ihre 
Nachbarstämme  (München  1837)  heranzuziehen.  Vgl.  auch  Jirecek,  Unser 
Reich  vor  2000  Jahren  (Wien  1893)  und :  Unser  Reich  zur  Zeit  der  Geburt  Christi 
(Wien  1896). 


Zweites   KapiteL 
Die  römische  Militärgrenze  an  der  Donau. 


Die  Gewinnung   der  Alpenländer  war    für    die  Römer  haupt- 
sächlich  eine   unabweisliche    strategische  Forderung.     Wollten   sie 
die  reichen  Gefilde  Galliens  behaupten,  wollten  sie  die  gefährlichen 
Völkerschaften  Gerraaniens   auf  die  Dauer    im  Zaume    halten,   so 
mufsten  sie  in  der  Flanke    gedeckt  sein.     Das  hatte    schon  Cäsar 
ins  Auge  gefafst^),  das  mufste  Augustus  durchführen,    als  er  die 
Eroberungspläne    seines    grofsen  Oheims  wieder  aufnahm.     Durch 
die    Annexion    der    Alpenländer    war    mit    der    Donau    eine    aus- 
gezeichnete natürliche  Grenze  erreicht,  aber  Augustus'  Politik  war 
damals    noch    viel    weiter    ausblickend,    als   dafs   ihm    dies  genügt 
hätte.    Seit  dem  Jahre  12  v.  Chr.  hatte  seine  Herrschaft  am  Rhein 
und  an    der  Weser    festen  Fufs   gefafst,    aber    östlich    davon    und 
zugleich  nun    im  Süden  in    unmittelbarer  Grenznachbarschaft   der 
Römer  an  der  Donau  war  ein  neues  Reich  entstanden,  an  dessen 
Spitze  ein  Mann  stand,  welcher,  in  Rom  erzogen  und  mit  römischer 
Staatskunst    vertraut,    ihm    eine    staatliche   Organisation    gegeben, 
die  bisher  den   germanischen  Stämmen    fremd  gewesen  ^).     Dieser 
Mann  war  Marbod,  welcher  die  Markomannen,  den  am  weitesten 
nach  Süden    vorgeschobenen    Stamm    der  Germanen  3),    aus   ihren 
bisherigen,    aber   nunmehr   stark   bedrohten   Sitzen    am    Main   im 

1)  Caesar  de  heUo  Gall.  II,  35;  III,  7. 

2)  Sogar  eine  Art  Armee  hatte  sich  Marbod  gebildet  und  gegen  germa- 
nische Gewohnheit  eine  befestigte  Stadt  gegründet,  welche  nach  Strabo  Bouiamon, 
nach  Ptolemäus  Maroboudon  hiefs. 

3)  Daher  ihr  Name  Mark- mannen  =  Grenzmaunen. 


Die  römische  Militärgrenze  an  der  Donau.  49 

Jahre  9  v.  Chr.  in  das  entvölkerte  Boierheira  geführt  hatte.  Das 
von  ihm  eingerichtete  Staatsgebilde  wieder  zu  brechen,  schien  in 
zweifacher  Hinsicht  im  Interesse  der  römischen  Politik  gelegen. 
Einerseits  konnte  gerade  die  so  unmittelbare  Nachbarschaft  eines 
zwischen  die  römische  Donau-  und  Rheinlinie  eingeschobenen 
mächtigeren  Staatswesens  leicht  gefährlich  werden,  andererseits 
wäre  die  Besetzung  Böhmens  die  beste  dauernde  Deckung  für  die 
llheinlande,  ein  weiterer  Vorstofs  gegen  die  Macht  der  unruhigen 
und  immer  wieder  zu  fürchtenden  Germanen  gewesen.  Wieder 
sollte  ein  kombinierter  Angriff  vom  Westen  und  Süden  an  das 
Ziel  führen,  die  Elbe  als  Reichsgrenze  zu  gewinnen.  Schon  hatte 
im  Jahre  6  n.  Chr.  Tiberius  bei  Carnuntum  die  Donau  über- 
schritten, als  in  seinem  Rücken  die  Pannonier  und  Dalmater  sich 
erhoben.  Der  Aufstand  war  diesmal  umfangreicher  und  besser 
organisiert  wie  die  früheren.  Vermutlich  hatte  Marbod  ihn  ins 
Werk  gesetzt,  um  den  Vernichtungsstreich  von  seinem  Reiche  ab- 
zuwenden, jedenfalls  war  es  jetzt  gerettet,  denn  Tiberius  mufste 
an  die  Save  eilen,  um  das  bedrohte,  von  Truppen  entblöfste  Italien 
zu  schirmen.  Freilich  erwies  sich  Marbod  in  diesem  Augenblick 
als  ebenso  kurzsichtiger,  unentschlossener  Politiker,  dem  die  Gabe 
der  kühnen  Tat  mangelte,  wie  einige  Jahre  später  bei  der  Er- 
hebung der  Cherusker  unter  Arminius.  Er  begnügte  sich  damit, 
die  Gefahr  abgewendet  zu  haben,  und  schlofs  mit  den  Römern 
Frieden,  statt  im  Vereine  mit  Pannoniern  und  Kelten  die  Herr- 
schaft der  Römer  in  den  Alpen-  und  Donauländern  unmöghch  zu 
machen.  Die  Kämpfe  der  Germanen  vor  der  Landsuche  der 
Völkerwanderung  sind  eben  blofse  Abwehrkämpfe,  denen  die  Ab- 
sicht, fremdes  Gebiet  zu  erobern,  ferne  lag. 

Auch  die  Alpenkelten  spielten  dieselbe  unrühmliche  Rolle  wie 
bei  ihren  eigenen  Existenzkämpfen.  Die  Noriker  waren  den  Römern 
■eigentlich  verpflichtet,  denn  diese  hatten  ihr  Gebiet  nicht  zur  Pro- 
vinz gemacht,  sondern  ihnen  als  Erkenntlichkeit  für  ihre  wider- 
standslose Unterwerfung  eine  gewisse  Schattenselbständigkeit  ge- 
lassen. Das  „Königreich  Noricum"  und  seine  Gaufürsten  blieben 
•vorläufig  bestehen  ^).     Wohl   hatte  Marbod  und  die   pannonischen 

1)  Römische  Schriftsteller  bedienen  sich  selbst  nach  der  Einverleibung  des 
iiaudes  in   das  Imperium   noch   bis  in    den  Anfang   des    2.  Jahrhunderts   neben 

Vancsa,  Geschichte  Nieder-  u.  Oberösterreichs.  4 


50  Zweites  Kapitel. 

Rebellen  auch  mit  den  nächstwohnenden  norischen  Gauen  im 
Wiener  Becken  Fühlung  gewonnen,  unter  denen  besonders  Fürst 
Biatec  eine  hervorragendere  Stellung  eingenommen  zu  haben  scheint  ^), 
aber  zu  einer  wirklichen  Erhebung  vermochten  sich  die  Noriker 
nicht  aufzuraffen,  so  günstig  auch  die  Aussichten  dafür  stehen 
mochten. 

Die  Römer  konnten  also  ungestört  ihre  ganze  Macht  der 
Niederwerfung  des  pannonischen  Aufstandes  .zuwenden,  welche 
trotzdem  erst  nach  nahezu  vierjährigem  blutigen  Ringen,  das  man 
in  Rom  den  punischen  Kriegen  zur  Seite  stellte,  gelang.  Den  Er- 
oberern, denen  vor  wenigen  Jahren  die  keltischen  Alpenländer  so 
mühelos  in  den  Schofs  gefallen,  lag  der  Schrecken  in  allen  Gliedern, 
der  noch  wuchs,  als  dasselbe  Jahr  9  n.  Chr.,  in  welchem  endhch 
dieser  erbitterte  Krieg  beigelegt  war,  die  Erhebungen  in  Deutsch- 
land unter  dem  kühnen  Arminius  und  als  tiefste  Erniedrigung  die 
Niederlage  des  Varus  bescherte.  Alle  diese  schHmmen  Erfahrungen 
bestimmten  die  Römer,  ihrer  Eroberungspolitik  auf  germanischem 
Boden  ein  Ziel  zu  setzen  —  es  sollte  für  immer  sein!  Aber  im 
Besitze  des  Gewonnenen  behaupteten  sie  sich  trotz  mancher  Stürme 
noch  vier  Jahrhunderte.  Das  verdankten  sie  ihrer  ausgebildeten 
mihtärischen  Organisation,  die  aus  den  Donau-  und  Alpenländern 
ein  festes  Bollwerk  gegen  Norden  schuf  Mit  seinem  Zusammen- 
bruche stürzte  auch  das  Römerreich. 

In  der  nächsten  Zeit  nach  dem  pannonischen  Aufstande  war 
man  nicht  nur  von  allen  Eroberungsplänen  abgekommen,  sondern 


der  Bezeichnung  Provincia  der  alten  Benennung    „regnum  Noricum".     (Velleju^ 
Paterculus  und  Sueton). 

1)  Diese  Annahme  gründet  sich  freilich  nur  auf  Miinzfunde.  Immerhin 
hat  Kenner,  Der  Münzfund  von  Siramering  (Numismatische  Zeitschr.  XXVII, 
57,  1895),  es  ziemlich  wahrscheinlich  zu  machen  gewufst,  dafs  diese  Münzen, 
welche  die  Namen  von  zwölf  keltischen  Fürsten  überliefern ,  unter  denen  Biatec- 
eine  gewisse  Oberstellung  eingenommen  haben  dürfte,  da  sie  nur  zwischen  48 
vor  und  20  nach  Chr.  entstanden  sein  können  und  ganz  abweichend  von  den 
älteren  keltischen  Münzen  keinerlei  Berührung  mit  den  damals  gangbaren  römi- 
schen zeigen,  dafür  aber  im  Gewichte  mit  den  germanischen,  und  da  auch  im. 
benachbarten  Pannonien  derlei  Stücke  sich  finden,  nur  zu  einer  Zeit  geprägt 
worden  sein  können,  als  man  mit  den  Eomern  auf  feindlichem  Fufse  stand,  da- 
gegen nahe  Beziehungen  zu  den  Germanen  und  Pannoniern  unterhielt. 


Die  römische  Militärgrenze  an  der  Donau.  51 

nützte  auch  das  Gewonnene  nur  wenig  aus,  um  nicht  durch  allzu 
grofse  Zersplitterung  der  Kräfte  abermals  ähnliche  Gefahren  wie 
im  Jahre  6  heraufzubeschwören.  So  viel  hatte  man  aus  dem 
Verlaufe  des  Aufstandes  ersehen,  dafs  man  von  den  Norikern  nichts 
zu  fürchten  hatte,  und  dafs  auch  die  Germanen  kaum  eine  Offen- 
sive über  die  Donau  unternehmen  würden.  Ja,  die  Ereignisse 
der  nächsten  Jahre  gestalteten  sich  im  Norden  der  Donau  so  günstig 
für  die  Römer,  dafs  selbst  der  Schatten  einer  solchen  Gefahr, 
deren  man  sich  von  einem  Manne  wie  Marbod  hätte  noch  immer- 
hin versehen  können,  schwand.  Schon  seine  zweideutige  und 
unentschlossene  Haltung  bei  der  germanischen  Erhebung  unter 
Arminius  hatte  sein  Ansehen  in  seinem  Reiche  stark  untergraben. 
Vielleicht  wühlten  auch  die  Römer  unter  dem  Volke  gegen  ihn. 
So  gelang  es  einem  jungen  Gothen  Catualda,  den  persönliches 
Rachegefühl  leitete,  ihn  zu  stürzen  (19  n.  Chr.).  Marbod  überlieferte 
sich  den  Römern,  um  nach  seinem  nationalen  Herrschertraum  in 
dem  Lande,  dem  er  einst  seine  politische  Erziehung  verdankte, 
in  ehrenvoller  Gefangenschaft  seine  Tage  zu  beschliefsen.  übrigens 
genofs  Catualda  die  Früchte  seiner  Usurpation  nur  kurze  Zeit. 
Von  dem  Hermundurenfürsten  Vibellius  verjagt  floh  er  gleichfalls 
zu  den  Römern;  seine  Gefolgsleute  wurden  zusammen  mit  jenen 
des  Marbod  von  den  Römern  im  Osten  der  March  bis  zum  Cusus  ^) 


1)  Dieser  Flufs  hat  bei  den  Historikern  zahlreiche  Erklärungen  gefunden. 
Früher  hielt  man  ihn  für  die  Gran,  worunter  jetzt  Eudolf  Much  (Beitr.  z.  Gesch. 
d.  deutsch.  Spraclie  u.  Lit.  XVII,  132)  die  Duria  versteht;  Zeufs,  dem  auch 
Bachmann  folgt,  deutet  ihn  als  Waag,  Müllenhoff,  welcher  die  Waag  mit 
der  Duria  identifiziert,  erklärt  ihn  für  die  Eipel,  Kralicek,  Die  Donauvölker 
Altgermaniens  (.Jahresb.  der  deutschen  Ober-Eealschule  in  Brunn  1896/97),  stellt 
die  Vermutung  auf,  dafs  beide  Namen,  Cusus  und  Duria,  ein  und  denselben 
Flufs,  nämlich  die  Waag  bezeichnen  und  weist  darauf  hin,  dafs  noch  heute  ein 
Zuflufs  derselben  Kysuca,  ein  anderer  Thuraz  (Diminutiva  von  Kysa  und  Tur) 
heilst;  Mommsen  glaubt  ihn  in  der  heutigen  oberösterreichischen  Gusen  wieder- 
zufinden und  begegnet  sich  damit  merkwürdigerweise  mit  dem  älteren  Pritz,  (Ge- 
schichte des  Landes  ob  der  Enns  I),  vermutlich  ohne  diesen  zu  kennen.  Diese  Ab- 
leitung ist  jedoch,  wie  Richard  M ü  1 1  e  r  (Blätter  des  Ver.  f.  Landesk.  XXII,  53, 1888), 
der  sich  im  übrigen  an  Müllenhoff  anschliefst,  zeigte,  aus  sprachliclien  Gründen 
unmöglich  und  auch  topographisch  kaum  haltbar.  Dagegen  hat  in  neuester  Zeit 
Domaszewski  (Petersen,  Domaszewski,  Calderini,  Die  Markussäule 
auf  Piazza   Colonna  in  Rom,   München  1896  105 f.)    den   Gedanken  Mommsens, 

4* 


58  Zweites  Kapitel. 

im  Anschlufs  an  das  Quadenreich  und  unter  Oberherrschaft  des- 
selben angesiedelt,  das  indessen  in  Mähren  und  im  nördlichen 
Niederösterreich  entstanden  war  und  unter  Vannius,  wie  es  scheint, 
bereits  —  vielleicht  schon  als  Tiberius  den  Angriff  gegen  Marbod 
plante  — in  freundschaftlichere  Beziehungen  zu  den  Römern  getreten 
war.  Es  hatte  sich  hier  ein  römischer  Klientelstaat  gebildet,  und 
als  Vannius  nach  SOjähriger  Regierung  im  Jahre  50  durch  seine 
Neffen  Sido  und  Vangio  gestürzt  wurde,  teilten  die  Römer  sein 
Reich  zwischen  diesen  beiden.  So  waren  unter  der  Einwirkung 
römischer  Politik  die  germanischen  Stämme  im  Norden  der  Donau, 
wo  noch  vor  einem  halben  Jahrhundert  das  konsoHdierte  Reich 
Marbods  gefahrdrohend  sich  ausdehnte,  zersplittert  und  in  Ab- 
hängigkeit von  Rom  geraten  ^). 

Ganz  anders  lagen  die  Dinge  in  Pannonien.  Dessen  Stämme, 
welche  schon  im  Jahrhundert  vor  Christi  Geburt  den  Römern 
wiederholt  zu  schaffen  gemacht  und  im  Aufstande  der  Jahre  6 
bis  9  n.  Chr.  sich  so  schwer  überwindlich  gezeigt  hatten,  schienen 
weit  mehr  zu  fürchten  als  Kelten  und  Germanen.  Diese  Sachlage 
bestimmte  die  Römer,' zunächst  die  Donauländer  aufser  acht  zu 
lassen  und  dafür  alles  an  die  Befestigung  der  für  die  Beherr- 
schung der  mittleren  und  unteren  Donau  so  wichtigen  Savelinie 
zu  wenden. 

Erst  unter  Kaiser  Claudius  (41—54)  wurde  das  Imperium 
wieder  bis  zur  Donaugrenze  ausgedehnt.  Vielleicht  gab  die  Bewegung 
in  den  bis  dahin  ruhigen  germanischen  Klientelstaaten  —  die  Usur- 
pation des  Sido  und  Vangio,  obwohl  sie  von  den  Römern  nach- 
träglich zu   ihren  Gunsten  gewendet   wurde,   war  ja   doch   gegen 


den  Casus  nicht  im  Osten  von  der  March  zu  suchen,  wieder  aufgegriffen  und 
nimmt  die  Thaya  dafür  in  Anspruch.  Ich  glaube  aber,  dafs  es  mit  den  späteren 
Ereignissen  schwer  vereinbar  ist,  dafs  die  Sueben  der  Gefolgschaft  Marbods  und 
Catualdas  zwischen  den  Markomannen  und  Quaden  einer-  und  der  Donau  anderer- 
seits gesessen  wären.  Über  die  Quaden  und  andere  am  linken  Donauufer  ge- 
nannte Stämme  siehe  das  nächste  Kapitel. 

1)  Die  Germanen  des  Klientelstaates  scheinen  speziell  mit  dem  Namen 
Suevi  bezeichnet  worden  zu  sein.  DieAbhängigkeit  bezog  sich  in  erster  Linie  auf 
die  Oktroierung  der  Könige  und  auf  die  Heeresfolge.  Sueben  leisteten  Kaiser 
Nero  sogar  im  spanischen  Kriege  Hilfe. 


Die  römische  Militärgrenze  an  der  Donau.  53 

einen  Getreuen  des  Römerreiches  gerichtet  —  den  Anstofs  dazu  ^). 
Es  war  eigentHch  selbstverständlich,  dafs  man  zum  militärischen 
Stützpunkt  Carnuntum  wählte,  das  nicht  nur  den  wichtigen  Donau- 
übergang an  der  alten  Bernsteinstrafse,  sondern  auch  die  sich 
gegen  Osten  öffnende  Ebene  beherrschte,  und  dessen  hohe  Be- 
deutung schon  wiederholt  klar  zutage  getreten  war.  Durch  Grün- 
dung oder  Befestigung  der  wichtigen  Orte  Emona  (Laibach),  Celeja 
(Cilli),  Poetovio  (Pettau),  Sabaria  (Stein amanger)  und  Scarabantia 
(Odenburg)  sicherte  man  ferner  nicht  nur  die  Verbindung  der 
nördlichen  Donau  mit  der  Save,  sondern  hielt  auch  die  Seitentäler 
in  Schach.  Endlich  wurde  nach  der  Regel  der  römischen  Be- 
festigungskunst in  der  Nähe  der  Festung  Carnuntum  in  Vindobona 
ein  Kastell  zur  Deckung  der  Flanke  errichtet  ^)  und  damals  zum 
ersten  Male  der  Strom  durch  eine  Flotte  geschützt  ^). 

Die  Wiederbesetzung  Noricums  war  übrigens  diesmal  nicht 
lediglich  eine  militärische  Mafsregel,  sondern  vielmehr  eine  finan- 
zielle. Kaiser  Caligula  hatte  durch  seine  Verschwendungssucht 
die  Staatskassen  derart  erschöpft,  dafs  sein  Nachfolger  bestrebt 
sein  mufste,  neue  Einnahmequellen  zu  finden.  So  wurde  denn 
Noricum,  das  trotz  seines  Verfalls  noch  immer  gute  Ausbeute 
versprach,  für  eine  kaiserliche  Provinz  erklärt  und  unter  einen 
Prokurator,  einen  kaiserlichen  Beamten  von  ritterlichem  Range, 
weicher  in   erster  Linie  Finanzbeamter  war,   obwohl  er  auch  das 


1)  So  nach  der  ausprecheuden  Vermutung  Kenners  (Noricum  und  Pan- 
nonien  S.  14). 

2)  Über  das  rein  Historische  bezüglich  Vindobona  siehe  jetzt  am  besten 
Domaszewski  in  der  vom  Altertumsvereine  herausgegebenen  Geschichte  der 
Stadt  Wien  I,  37,  1897.  Über  das  Topographische,  auf  das  ich  aber  im  Eahmen 
der  allgemeinen  Darstellung  nicht  eingehen  kann,  Kenner  an  demselben  Orte 
S.  42,  welcher  die  älteren  Ansichten  Caraesinas  und  Hauslabs  kritisiert 
und  auf  Grund  der  zahlreichen  neuen  Funde  wesentlich  erweitert.  Übrigens 
gebührt  das  Verdienst,  zuerst  auf  dieser  Grundlage  Klarheit  in  die  Sache  ge- 
bracht zu  haben,  Kubitschek,  Vindobona  (Xenia  Austriaca,  Festgabe  zur 
42.  Versammlung  deutscher  Philologen  und  Schulmänner  1893).  Von  älteren 
Arbeiten  vgl.  noch  Kenner,  Vindobona  (Ber.  u.  Mitt.  d.  Altertumsver.  IX,  150, 
1865)  und  die  treffliche  Übersicht  von  Anton  Mayer,  Der  neueste  Stand  der 
Frage  über  die  räumliche  Entwickelung  Wiens  bis  zum  Schlufs  des  13.  Jahr- 
hunderts (BI.  d.  Ver.  f.  Landesk.  XI,  391,  1877;  XII,  211,  1878). 

3)  Tacitus  Annal.  XII,  29.  30. 


54  Zweites  Kapitel. 

Ricliteramt  und  den  Oberbefehl  über  die  Truppen  ausübte,  ge- 
stellt. Damit  waren  noch  immer  gar  manche  Begünstigungen 
für  die  Noriker,  die  sich  den  Ruf  braver  Untertanen  und  Steuer- 
zahler erwarben  *),  verbunden.  Militärisch  wurde  das  Land  west- 
hch  vom  Wiener  Becken  nur  mit  kleineren  Truppenkörpern  be- 
setzt, denn  die  benachbarten  Markomannen  schienen  nicht  gefahrlich 
und  die  Donaugrenze  durch  die  im  Norden  derselben  sich  aus- 
dehnenden Urwälder  und  die  steil  abfallenden  Ufer  genugsam 
geschützt  ^). 

Da  also  Noricum  vorwiegend  einen  nichtmilitärischen  Cha- 
rakter trug,  so  mufste  sich  alsbald  das  praktische  Bedürfnis  heraus- 
bilden, die  wichtige  Festung  Carnuntum  mit  ihrem  Kastell  Vindobona, 
welche  eigentlich  die  Fortsetzung  der  pannonischen  Ebene  be- 
herrschten, aus  dem  Machtbereich  des  kaiserlichen  Privatbeamten 
auszuscheiden  und  gleich  den  anderen  Festungen  der  Savelinie 
und  deren  Verbindung  mit  der  Donau,  wozu  sie  ja  gehörte,  unter 
das  Kommando  des  Legaten  von  Pannonien,  der  Militärprovinz 
VMT  tloyJ]v,  zu  stellen.  Den  Anstofs  gab  die  grofse  Unsicherheit, 
welche  besonders  nach  Neros  Tode  (68)  an  der  gesamten  Donau- 


1)  Strabo  IV,  206. 

2)  Über  die  militärischen  Verhältnisse  in  unseren  Gegenden  siehe  aufser 
den  eingangs  erwähnten  Hauptwerken,  welche  auch  darüber  das  Beste  ent- 
halten, folgende  Arbeiten  Aschbachs,  Die  britannischen  AuxiLartruppen  in  den 
römischen  Donauländeru  (Jahrb.  f.  vaterl.  Gesch.  I,  243,  1861);  Über  die  lömi- 
schen  Militärstationen  in  Ufernoricum  zwischen  Lauriacum  und  Vindobona,  nebst 
einer  Untersuchung  über  die  Lage  der  römischen  Stadt  Faviana  (Sitzungsber. 
d.  k.  Akademie  d.  Wissensch. ,  phü.-hist.  Kl.  XXXV,  If.)  und  Das  römische 
Heerwesen  in  Pannonien  (Ber.  u.  Mitt.  d.  Altertumsvereines  X,  200,  1869). 
Doch  kann  das,  was  er  über  eine  militärische  Ausnahmestellung  der  Noriker 
behauptet  hat  (Besetzung  des  Landes  mit  einheimischen  Soldaten,  Aufnahme 
der  Noriker  in  die  Prätorianergarde) ,  nach  den  seither  gewonnenen  Forschungs- 
ergebnissen über  die  Konskription  im  römischen  Reiche  (vgl.  Mommsen  im 
Hermes  XIX)  nicht  mehr  als  etwas  besonderes  gelten.  Die  augebUche  Gründung 
von  Arelape  oder  Arelate  als  Kolonie  von  Veteranen  der  in  Arles  liegenden 
VI.  Legion  durch  K.  Claudius  beruht  nur  auf  einer  früheren  unrichtigen  Lesung 
der  Inschrift  C  I  L.  III,  1,  Nr.  258,  siehe  Kubitschek  in  den  Nachträgen 
Nr.  13531;  immerhin  dürfte  dieser  Ort  zu  den  ältesten  ßömerorten  gehören. 
Aschbacü  schreibt  auch  die  Gründung  von  Joviacum  (Schlögen)  K.  Claudius  zu, 
ohne  es  jedoch  beweisen  zu  können. 


Die  römische  Militärgrecze  an  der  Donau.  55 

grenze  Platz  griff.  Die  Markomannen,  lazygier  und  Daker  be- 
nutzten die  folgenden  Bürgerkriege,  während  welcher  Pannonien 
fast  ganz  von  Truppen  entblöfst  wurde,  zu  verschiedenen  Ein- 
fällen in  römisches  Gebiet.  Sobald  daher  in  Vespasian  wieder  ein 
kräftiger  und  militärisch  hervorragend  geschulter  Kaiser  an  die 
Spitze  des  Reiches  trat,  war  seine  erste  Sorge,  an  der  Donau- 
grenze einmal  gründlich  Wandel  zu  schaffen.  Nachdem  schon 
vorher  zwei  Legionen  nach  Carnuntum  und  Vindobona  gelegt 
worden  waren,  nämlich  die  XV.  Apollinaris  und  die  XIII.  Ge- 
mina,  wurde  gleichzeitig  mit  einer  ausgiebigen  Befestigung  der 
mittleren  und  untei'en  Donau  gegen  die  Daker  das  Gebiet  von 
Nox'icum  östlich  einer  Linie,  ungefähr  von  der  Donau  oberhalb 
Klosterneuburg  beginnend  und  längs  des  Wiener  Waldes  verlaufend, 
zur  Provinz  Pannonien  geschlagen,  deren  Statthalter  nunmehr  seinen 
Sitz  in  Carnuntum  erhielt.  Vindobona  wurde  übrigens  noch  durch 
ein  Grenzkastell  oberhalb  des  heutigen  Klosterneuburg  (Asturis) 
gedeckt  und  einige  andere  Befestigungen  Ala  nova  (Schwechat), 
Villa  Gai  (Simmering  oder  Mannswörth)  und  Aequinoctium  (Fisch- 
amend)  zwischen  Vindobona  und  Carnuntum  angelegt,  endlich 
auch  die  Flotte  neu  organisiert  ^).  Die  Donaustrecke  Noricums 
dürfte  dafür,  wenn  auch  nicht  unter  Vespasian,  so  doch  in  der 
nächsteji  Folgezeit,  mit  einer  Reihe  kleinerer  Kastelle  oder  Posten, 
in  welche  die  verfügbaren  Auxilien  verlegt  wurden,  geschützt 
worden  sein  ^). 

Die  Entwickelung  der  Begebenheiten  in  den  nächsten  hundert 
Jahren  war  ganz  danach  angetan,  die  Wichtigkeit  auch  der  nörd- 
lichen Donaulinie  darzulegen  und  zu  beweisen,  dafs  die  germa- 
nische Frage  trotz  der  klugen  römischen  Politik  keineswegs  aus 
der  Welt  geschafft  war.     Schon   unter  Domitian   gab   es   um    das 


1)  Sie  hiefs  daher  ausdrüctlicli  Classis  Flavia.  Corp.  Inscr.  Latin.  III, 
Nr.  4025,  431Ü. 

2)  Kenner  (Noricum  und  Pannonien  22),  welcher  nahezu  alle  Kömerorte 
Ton  Vindobona  bis  Lentia  als  Gründungen  der  flanschen  Zeit  in  Anspruch 
nimmt,  dürfte  darin  wohl  viel  zu  weit  gehen.  Einige  sind  gewifs  erst  später 
entstanden.  Sichere  Nachrichten  über  ihre  Existenz  haben  wir  von  den  meisten 
leider  erst  aus  der  ersten  Hälfte  des  4.  Jahrhunderts  durch  die  noch  zu  er- 
wähnende Tabula  und  die  Itinerare. 


56  Zweites  Kajiitol. 

Jahr  8G  neue  Unruhen  im  Markomannen-  und  Quadenlande.  Die 
Germanen  baten  die  mächtigen  ,, Freunde"  um  Hilfe  gegen  die 
Lygier,  welciie  sie  im  Norden  bedrängten,  aber  Domitian  sandte 
nur  100  Reiter.  Sie  vergalten  daher  Gleiches  mit  Gleichem  und 
leisteten  dem  Kaiser  gegen  die  Daker  keinen  Zuzug.  Immerhin 
bekundeten  sie  durch  eine  zweimalige  Gesandtschaft  ihre  friedliche 
Gesinnung.  Domitian  hatte  jedoch  die  Unklugheit,  sie  durch  die 
Tötung  der  Gesandten  zu  reizen,  und  mufste  durch  die  Niederlage 
seines  Heeres  dafür  büfsen.  Mit  den  Dakern  vollauf  beschäftigt, 
vermochte  er  nichts  dagegen  zu  tun,  trotzdem  die  Markomannen 
die  Donau  überschritten,  sondern  war  im  Gegenteil  zu  einem  un- 
günstigen Frieden  genötigt  ').  Erst  Trajan  stellte  das  Ansehen 
des  Imperiums  durch  die  Vernichtung  des  Dakerreiches  wieder 
her.  Die  neue  Ausdehnung  der  Grenzen  und  die  Notwendigkeit 
ihrer  Sicherung  brachte  eine  militärische  Verschiebung  mit  sich. 
Pannonien  wurde  zwischen  102  und  107  in  zwei  Teile:  superior 
und  inferior  geteilt  und  nach  Carnuntum,  das  nunmehr  zu  Ober- 
pannonien  gehörte,  die  XIV.  Legion,  nach  Vindobona  die  X.  ge- 
mina  als  Besatzung  gelegt.  Kaiser  Hadrian  (117 — 138)  zeigte 
geringen  militärischen  Sinn  2),  war  aber  dafür  um  zivile  Grün- 
dungen bemüht  (die  sogenannten  älischen  Gründungen).  Unter 
ihm  wurden  Carnuntum  und  Aelium  Cetium  (St.  Polten)  ^)  Muni- 

1)  Noch  Haih-ian  mufste  einen  Tribut  zahlen  (Dio  Cassits  LXIX,  10). 

2)  Eine  Abberufung  der  XIV.  Legion  von  Carnuntum  nach  Fiexvim  (Un- 
garisch-Ältenburg) ,  die  man  ihm  früher  zur  Last  gelegt  hat,  scheint  allerdings 
nicht  stattgefunden  zu  haben,  denn  wir  besitzen  jetzt  auch  Carnuntinische  Funde 
aus  der  fraglichen  Periode,  während  in  Ungarisch- Altenburg  bisher  keine  Spur 
eines  Legionslagers  entdeckt  werden  konnte. 

3)  Die  Identifizierung  von  Aelium  Cetium  ist  eine  der  meist  umstrittenen 
Fragen  der  österreichischen  Topographie.  Am  häufigsten  wurde  es  als  Zeiscl- 
mauer  erklärt.  Aschbach,  dem  ursprünglich  auch  Kenner  folgte,  stellte  eine 
sehr  komplizierte  und  unwahrscheinliche  Hypothese  auf,  wonach  dieser  Ort  mehr- 
mals den  Namen  gewechselt  hätte.  Mommsen  hielt  ihn  für  Mautern.  Karamel 
(im  Anhang  S.  319)  hat  die  Erklärung:  St.  Polten  gut  begründet,  welche  schon 
ältere  Topographen  wie  Schönwiesner  und  Schaukegel  vermutet,  und  Konner  ist 
schliefslich  zu  derselben  Überzeugung  gelangt.  In  jüngster  Zeit  hat  endlich 
auch  Kubitschek  auf  Grund  neuer  Funde  dieser  Erklärung  eine  neue  Stütze 
gegeben  (Archäol.- epigraphische  Mitt.  aus  Öst.-Ungarn  XVII,  156,  1894).  Die 
Frage  dürfte  somit  zugunsten  St.  Pöltens  erledigt  sein. 


Die  römische  Militärgrenze  an  der  Donau.  57 

zipien,  letzteres  wahrscheinlich  überhaupt  erst  gegründet  i).  Mit 
den  Quaden  wurden  zwischen  140  und  143  von  Antoninus  Pius 
die  Klientelverträge  erneuert  ^).  So  schien  für  die  Folgezeit  kein 
Grund  zu  ernsteren  Besorgnissen  an  der  oberen  Donaugrenze  vor- 
handen zu  sein. 

Da  traten  ganz  unerwartete,  aufser  der  Berechnung  liegende 
Ereignisse  ein,  gegen  welche  sich  die  bisherigen  Verteidigungs- 
mafsregeln  der  Römer  als  zu  schwach  erwiesen,  und  welche  über 
zwei  Jahrzehnte  das  Reich  in  einen  der  aufreibendsten  Kriege 
verwickelten  ^).  Übervölkerung  d.  h.  die  Unmöglichkeit,  bei  dem 
damaligen  Betrieb  des  Ackerbaues  genügend  Nahrung  zu  finden, 
nötigte  die  germanischen  Stämme  im  Norden,  neuen  Nährboden  im 
Süden  zu  suchen,  von  welchem  wohl  die  Kunde  seiner  Reichtümer, 
seines  behaghchen  Lebens,  seines  blühenden  Anbaues  in  die  Ferne 

1)  Es  geht  doch  wohl  nicht  an,  mit  Hirsch feld  die  Verleihung  der 
Munizipalität  au  Vindobona  vor  die  an  Carnuntum ,  nämlich  unter  die  Flavier 
zu  verlegen.     Dagegen  auch  Domaszewski  a.  a.  0. 

2)  Kenner,  Noricum  und  Pannonien,  S.  43,  schliefst  dies  aus  Münzen  dieser 
Jahre,  welche  die  Aufschrift  „Rex  Quadis  datus"  tragen. 

3)  Über  die  nun  folgenden  sogenannten  Markomannenkriege,  bei  denen 
besonders  die  Aufeinanderfolge  der  Ereignisse  sehr  schwer  festzustellen  ist,  vgl. 
aufser  dem  älteren  Wittmann,  Älteste  Geschichte  der  Markomannen  (Abhand!. 
d.  bayr.  Akad.  d.  Wissensch.  1855)  und  Kenner,  Noricum  und  Pannonien,  S.  43 ff., 
sowie  einem  Prograramaufsatz  (Neu-Ptuppin  1889)  von  Conrad,  Mark  Aureis 
Markomannenkrieg,  insbesondere  Wietersheim,  Geschichte  der  Völkerwande- 
rung, 2.  Aufl.  bearbeitet  von  Dahn  (Leipzig  1880)  und  Dettmer,  Geschichte 
des  Markomannischen  Krieges  (B'orsch.  z.  deutschen  Gesch.  XII),  und  in  neuester 
Zeit  die  gediegene  kurze  Zusammenfassung  M  o  ra  m  s  e  n  s  als  Einleitung  zu  Petersen, 
Domaszewski,  Galderini,  Die  Markussäule  (siehe  oben),  der  ich  im  wesent- 
lichen gefolgt  bin.  Siehe  aufserdem  noch  S  w  o  b  o  d  a ,  Vermutungen  zur  Chronologie 
des  sogenannten  Markomannenkrieges  (XVI.  Jahresb.  d.  Realschule  in  Znaim  1887), 
Domaszewski,  Die  Chronologie  des  bellum  Germanicum  et  Sarmaticum  (Neue 
Heidelberger  Jahrbücher  V,  107,  1895)  und  Der  Völkerbund  des  Markoraannen- 
krieges  (Serta  Harteliana,  Wien  1896,  S.  8),  Hermann,  Politische  Beziehungen 
zwischen  Römern  und  Germanen  unter  Mark  Aurel  (Jahresb.  d.  Landesgymn.  in 
St.  Polten  1881/82).  —  Von  den  römischen  Schriftstellern  kommen  eigentlich 
nur  Dio  Cassius  LXXI  und  LXXII,  die  jedoch  nur  in  den  Auszügen  des  Xiplii- 
linus  überliefert  sind,  und  die  Scriptores  historiae  Augustae  (Vitae  Marci,  L.  Veri 
und  Pertinacis)  in  Betracht.  Dazu  noch  die  Vita  Commodi  und  die  Vita  Avidii 
Cassii.  —  Zur  Ergänzung  sind  die  Müuz'.-u  mit  ihren  Titeln  sehr  wichtig. 


58  Zweitos  Kapitel. 

gedrungen  sein  mochte.  Die  Bewegung  pflanzte  sich  naturgeraäfs 
fort,  rifs  die  Stämme  in  der  Richtung  des  Zuges  mit  und  schwoll 
lawinenartig  an.  Schon  im  Jahre  161  ')  begannen  einzelne  Trupps 
über  die  Donau  zu  setzen  und  römisches  Gebiet  mit  Plünderungen 
heimzusuchen.  Allmählich  waren  es  nicht  weniger  als  25  Völker- 
schaften, welche  an  den  Kriegszügen  teilnahmen.  Es  war  zum 
ersten  Male,  dafs  sich  germanische  Stämme  untereinander  und  zum 
Teil  mit  sarmatischen  zu  einem  Völkerbündnis  und  zu  einem  ein- 
heitlichen Angriffskriege  zusammenschlössen.  Der  Ansturm  war 
daher  ein  gewaltiger,  unaufhaltsamer. 

FreiUch  konnte  der  unvorhergesehene  Einbruch  kaum  zu  einem 
für  Rom  ungünstigeren  Zeitpunkt  erfolgen.  Man  war  vollauf  mit 
dem  Partherkrieg  beschäftigt,  in  Italien  heiTschten  Hungersnot  und 
Seuchen  und  infolgedessen  auch  eine  finanzielle  Krise;  die  Verteidi- 
gung war  nicht  nur  an  der  norischen  Uferstrecke  ganz  ungenügend, 
sondern  auch  an  der  pannonischen  durch  die  Dislokationen  unter 
Hadrian  geschwächt,  Reserven  waren  nicht  vorhanden.  So  konnten 
die  Germanen,  nachdem  sie  einmal  die  römischen  Legionen  unter 
Furius  Victorinus  in  Fannonien  besiegt  hatten,  bis  Aquileja  vor- 
dringen, ja  als  die  beiden  Kaiser  Mark  Aurel  und  L.  Verus, 
welche  nach  Beendigung  des  Partherkrieges  (166)  zur  Offensive 
übergehen  wollten,  infolge  der  Pest  vor  Aquileja  wieder  umkehren 
mufsten,  überschwemmten  sie  sogar  die  oberitalische  Ebene.  Die 
Gefahr  war  so  drohend,  der  Mangel  an  Mitteln  und  Mannschaften 
so  grofs,  dafs  Kaiser  Mark  Aurel  den  Kronschatz  versteigerte  und 
Gladiatoren  und  Räuber  als  Soldaten  verwendete,  um  nur  die 
Defensive  halten  zu  können. 

Ende  169  nach  dem  Tode  des  L.  Verus  übernahm  Mark  Aurel 
allein  den  Oberbefehl,  zwar  selbst  von  geringer  militärischer  Be- 
gabung, aber  ein  ruhiger,  klarer  Kopf  und  von  Claudius  Pompe- 
janus,  seinem  Schwiegersohne,  auf  das  beste  unterstützt.  Nach 
langen  Bemühungen ,  über  die  wir  im  einzelnen  nicht  unter- 
richtet sind,  gelang  es  ihm,  die  militärische  Ordnung  in  Pannonien 
wiederherzustellen  —  die  Donaulinie  dürfte  wohl  in  der  Zwischen- 
zeit ganz  preisgegeben  gewesen  sein  —  und  endlich  im  Jahre  171 

1)  Nach  einem  Fragment  des  Dio  Cassius  bei  Petrus  Patricius. 


Die  römische  Mi/itärgrenze  an  der  Donau.  50 

zur  Offensive  überzugehen,  indem  er  bei  Carnuntum  die  Donau 
überschritt  und  längs  der  March  vorrückend  die  Quaden  in  ihrem 
eigenen  Lande  auf  dem  Marchfelde  angriff  ').  Diese  haben  denn 
auch  zuerst  ihren  Frieden  mit  ihm  gemacht,  worauf  im  nächsten 
Jahre  die  Markomannen  besiegt  werden  konnten.  Die  Haupt- 
bedingungen des  Friedens  dürften  gewesen  sein :  Auslieferung  der 
massenhaften  Gefangenen,  Räumung  einer  bedeutenden  Strecke 
Landes  jenseits  der  Donau  und  Wiederherstellung  des  Klientel- 
verhältnisses  durch  Annahme  eines  von  den  Römern  eingesetzten 
Königs,  Furtius,  an  Stelle  ihres  erwählten,  Ariogäsus.  Man  er- 
füllte sie  jedoch  nicht,  und  bald  loderte  das  Feuer  des  Krieges 
wieder  empor.  Es  bedurfte  neuer  Kämpfe,  neuen  Blutvergiefsens, 
einer  schweren,  wie  durch  ein  Wunder  gewonnenen  Schlacht  (174)^), 
ehe  Quaden,  Markomannen  und  lazygen  wieder  besiegt  und  zu 
einem  zweiten  Frieden  gezwungen  wurden. 

Der  Friede  war  darauf  gerichtet,  die  drei  Völkerschaften  zu 


1)  Damit  beginnt  die  Eeliefdarstellung  der  Markussäule  in  Kora ,  welche, 
schon  wiederholt  zur  Ergänzung  der  historischen  Überlieferung  herangezogen, 
nunmehr  durch  das  schon  mehrfach  zitierte  Werk  von  Petersen,  Doma- 
szewski  und  Calderini  eine  eingehende  Untersuchung  erfahren  hat. 

2)  Bei  dieser  —  nur  Doraaszewski  will  es  ins  Jahr  171  zurückverlegen  — 
ereignete  sich  nämlich  das  berühmt  gewordene  „R<5f?enwunder",  d.  h.  dem  Wasser- 
mangel ,  unter  welchem  die  römischen  Soldaten  furchtbar  litten ,  wurde  durch 
einen  Platzregen  ein  Ende  bereitet  und  das  dadurch  gestärkte  Heer  errang  den 
Sieg.  Während  Dio  Cassius  LXXI,  8  das  Wunder  einem  ägyptischen  Wahrsager, 
die  Vita  des  Mark  Aurel  (c.  24)  dem  Jupiter  pluvius  zuschreibt,  brachte  es 
schon  TertuUiau  mit  der  aus  Christen  gebildeten  Legio  fulminata  in  Zusammen- 
hang, woraus  dann  in  der  Folge  weitere  Schlüsse  für  die  Verbreitung  des  Ciiristen- 
tums  gezogen  wurden.  Die  Unstichhaltigkeit  dieses  späten  Berichtes  und  der 
davon  abgeleiteten  Schlüsse  hat  bereits  Wietersheim  nachgewiesen.  Vgl.  Har- 
nack  (Sitzungsber.  d.  Berliner  Akademie  S.  835,  1894),  welcher  nochmals  den 
ganzen  Bericht  aufrechthalten  will;  Petersen  (Mitt.  d.  röm.  Institutes  IX,  78, 
1894);  Domaszewski  (Rheinisches  Museum  XLIX,  612,  1894),  welche  ihn 
beide  radikal  verwerfen,  und  endlich  wieder  vermittelnd  und  zusammenfassend 
Mommsen,  Das  Eegenwunder  der  Markussäule  (Hermes  XXX,  90,  1895). 
Siehe  jetzt  auch  Harnack,  Die  Mission  und  Ausbreitung  des  Christentumes 
in  den  ersten  drei  Jahrhunderten  (Leipzig  1903).  —  Bekannt  ist  auch  die 
Tatsache,  dafs  Mark  Aurel  im  Winterlager  des  Jahres  174  zu  Carnuntum  das 
zweite  Buch  seiner  berühmten  „Selbstbetrachtungen"  geschrieben  hat;  es  trägt 
die  Überschrift  „r«  Iv  Kaovovvtn". 


60  Zweites  Kiipitd. 

isolieren.  Die  Quadeu  durl'ten  weder  den  Markomannen  noch  den 
lazygen  Durchzug  durch  ihr  Land  gewähren.  Den  Handel  wollten 
die  Römer  aus  eigenem  Interesse  nicht  unterbinden,  achteten  aber 
sti'enge  darauf,  dafs  die  drei  Stämme  nicht  untereinander  Handel 
betrieben  oder  die  römischen  Marktplätze  gemeinsam  besuchten. 
Das  römische  Gebiet  durften  sie  nur  an  bestimmten  Orten  und  nach 
Ablegung  der  Waffen  betreten.  Den  Marktverkehr  beaufsichtigte 
ein  römischer  Zenturio.  Von  der  Donau  sollten  die  Barbaren  nun 
ganz  abgedrängt  werden,  die  lazygen  mufsten  ein  Gebiet  von 
zwei  Meilen  (76  Stadien),  die  Quaden  und  Markomannen  von 
einer  Meile  (der  Hälfte  des  im  ersten  Frieden  bedungenen)  abtreten, 
und  dieses  Gebiet  wurde  als  Festungsgürtel  mit  einer  Reihe  von 
Kastellen  versehen,  in  welche  20  000  Mann  als  Besatzung  gelegt 
wiu'den  M.  Welche  Verluste  der  Krieg  die  Römer  gekostet  hat, 
kann  man  schon  aus  dem  einzigen  Umstände  ersehen ,  dafs  die 
Quaden,  nachdem  sie  bereits  im  ersten  Frieden  13  000  Gefangene 
entlassen  hatten,  jetzt  noch  weitere  50  000,  die  lazygen  sogar 
1 00  000  auslieferten. 

Diese  Bedingungen  und  die  Bedrückungen,  welche  die  Be- 
satzung mit  sich  brachte,  empfanden  Namentlich  die  zunächst  be- 
troffenen Quaden  derart  schwer,  dafs  sie  nach  dem  Norden  aus- 
wandern wollten.  Mark  Aurel  liefs  ihnen  jedoch  den  Weg  ver- 
legen, denn  er  mochte  von  der  Ansicht  ausgehen,  dafs  es  besser 
sei,  wenn  in  dem  Lande,  das  jedenfalls  durch  seinen  frucht- 
baren Boden  für  die  römischen  Donauprovinzen  von  grofser  wirt- 
schafthcher  Bedeutung  war,  ein  durch  Verträge  gebundenes  Volk 
safs,  als  wenn  es  entvölkert  und  verödet  wurde,  was  schwer  zu 
verhindern  gewesen  wäre,  da  es  nach  dem  damaligen  Stande  der 
Dinge  vom  Römerreiche  aus  kaum  genügend  kolonisiert  Averden 
konnte. 

Auch  sonst  war  die  Gefahr  durch  den  Frieden  nur  schlecht 
beschwoi'en,  denn  kaum  hatte  sich  der  Kaiser  im  Jahre  176  dem 
Kriegsschauplatze  im  Orient  zugewendet,  als  auch  schon  wieder 
die   Völker   an   der   Donau   losbrachen,    so    dafs   der   Kaiser    zur 


1)  In  Niederösterreich   reichen  tatsächlich  die  Funde   römischer  Artefakte,. 

insbesondere  der  Logionsziege],  bis  Stillfried  und  bis  zum  Leifserberg. 


Die  römische  Militärgrenze  an  der  Donau.  61 

Rückkehr  eilte.  Doch  war  ihre  Kraft  bereits  erschöpft,  Nieder- 
lage um  Niederlage  brachte  sie  an  den  Rand  des  Unterganges. 
Ohne  Zweifel  fafste  damals  der  kluge  politische  Blick  Älark 
Aureis  die  Ausdehnung  der  Grenzen  des  Römerreiches  bis  an  die 
Elbe  noch  einmal  —  zum  letzten  Male  ins  Auge,  was  ja  schon 
die  früheren  Friedensschlüsse  angebahnt  hatten  ^).  Vielleicht  wäre 
dadurch  der  Bestand  der  Weltmonarchie  noch  um  Jahrhunderte 
verlängert  worden ;  aber  der  Tod  setzte  seinem  Leben  und  seinen 
Plänen  ein  Ziel,  am  17.  März  180  ereilte  er  den  Kaiser  in  Vindo- 
bona  ^). 

Obwohl   er   seinem  Sohne  Commodus    noch    auf  dem  Sterbe- 
bette die  Durchführung  seiner  Lebensaufgabe  empfohlen  hatte,  so 
zog  es  diesen  schlecht  gearteten  Spröfsling  eines  weisen  und  edlen 
Vaters  doch  zu  lebhaft  nach  den  Freuden  der  Hauptstadt,  um  in 
den  ungastlichen  Feldlagern  an  der  Donau  zu  verweilen.     Er  ge- 
währte daher  den  quadischen  und  markomannischen  Gesandten  im 
Jahre    180   einen   Frieden,   welcher   trotz   der   römischen    Erfolge 
eigentUch  eine  wesentliche  Erleichterung  der  früheren  Bedingungen 
bedeutete.     Die  Marktsperre  wurde  nicht   länger   aufrechterhalten, 
dagegen   die    übliche   Volksversammlung    der    Germanen    auf  ein 
Mal  im  Monat   in   einem   bestimmten  Orte   festgesetzt,    wobei  ein 
römischer   Zenturio   gewissermafsen    als    Regierungskommissar   zu- 
gegen   sein    sollte.      Auch    zur   Stellung   von  Hilfstruppen   wurden 
die  Germanen   verpflichtet,   wogegen   die   römischen    Besatzungen 
die   festgesetzte    Grenze   nicht    mehr    überschreiten    sollten:    somit 
war  der  status  quo  ante  wieder  hergestellt.     Immerhin  war  durch 
die  schweren  Verluste,  welche  man  den  Markomannen  und  Quaden 
beigebracht  hatte,    wenigstens  so  viel  erreicht,    dafs  diese  Völker- 
schaften in  den  nächsten  fünf  Jahrzehnten  nicht  mehr  die  Offensive 
zu  ergreifen  wagten^). 

Die  nun   folgende   sechzig  jährige  Friedenszeit  wurde   für  die 

1)  Scriptor.  bist.  Aug.  c.  22,  25,  21.  —  Er  soll  die  Al)sicht  gehabt  haben, 
zwei  neue  Provinzen,  Marcomannia  und  Sarmatia,  zu  bilden. 

2)  So  nach  Aurelius  Victor  c.  16.  —  TertuUian,  Apol.  25,  nennt  zwar 
Sirmium,  aber  die  ganze  Situation,  in  welcher  Commodus,  der  an  dem  Sterbe- 
lager des  Vaters  weilt,  sich  nach  den  Berichten  befand,  deutet  auf  Vindobona. 

3)  Der  Kampf  gegen  die  lazygen  dauerte  noch  bis  zum  Jahre  183. 


63  Zweites  Kapitel. 

erschöpften  Donauprovinzen  eine  Zeit  der  Stärkung  und  des  Ge- 
deihens. Früher  doch  nur  in  einem  loseren  Zusammenhang  mit  dem 
römischen  Reiche,  kam  das  Land  erst  jetzt  mit  der  engeren  Angliede- 
rung,  der  intensiveren  Besetzung  und  der  strafferen  Organisation  in 
den  Besitz  der  römischen  Kultur  und  ei'Iebte  eine  gewisse  Blüte. 

Einige  wichtige  militärische  Mafsnahmen  hatte  bereits  Mark 
Aurel  vollzogen.  Insbesondere  hatte  sich  die  ungenügende  Grenz- 
befestigung der  norischen  Uferstrecke  in  so  furchtbarer  Weise 
gerächt,  dafs  hier  so  rasch  wie  möglich  Abhilfe  geschaffen  werden 
mufste.  Die  Ergänzung  der  XIV.  Legion  in  Carnuntum,  das  zu- 
gleich zur  Kolonie  erhoben  wurde,  war  selbstverständlich.  Ihr 
folgte  die  Gründung  eines  Legionslagers  für  Noricum  zu  Laurea- 
cum  an  der  Mündung  der  Enns  in  die  Donau,  wo  vielleicht  schon 
vordem  ein  Auxiliarposten,  jedenfalls  aber  eine  keltische  Nieder- 
lassung bestand  und  wohin  jetzt  die  Legio  II  Italica  versetzt 
wurde  *).  Zugleich  wurde  die  Provinz  Noricum  in  militärischer 
Hinsicht  Oberpannonien  gleichgestellt,  indem  auch  hier  an  Stelle 
des  früheren  ritterlichen  Prokurators  ein  Legat  mit  Senatorenwürde 
eingesetzt  wurde. 

Die  Gründung  des  Legionslagers  in  Laureacum  und  eines 
weiteren  zu  Regensburg  in  Rhätien  hatte  ferner  zur  notwendigen 
Folge,  dafs  die  Strecke  zwischen  Laureacum  und  Vindobona  in 
Zwischenräumen  von  drei  bis  zu  acht  Marschstunden  auch  mit 
einer  Reihe  von  Kastellen  und  Wachtposten  versehen  wurde, 
deren  Errichtung  wohl  noch  zum  Teil  in  die  aurelische  Zeit, 
zum  Teil  in  die  folgenden  Jahrzehnte  fällt.  Einer  oder  der  an- 
dere dieser  Orte  war  möglicherweise  schon  vordem  besetzt;  be- 
zeugt ist  es  nur  bezüglich  Trigisamums  an  der  Mündung  der 
Traisen,  jetzt  Traismauer,  wo  unter  Antoninus  Pius  die  Ala  I. 
Augusta  Thracum  lag  ^).  Nun  wurden  hauptsächlich  die  Flufs- 
mündungen   befestigt   und   so   entstanden   von   Laureacum   strom- 

1)  Über  Laureacum  siehe  Gaisberger  in  Beiträge  zur  oberöster.  Landesk. 
5.  L.,  1864  und  Coti  im  30.  Jahresber.  d.  Mus.  Franc.  Carolinum. 

2)  CIL  III,  Nr.  5654.  Kämmel  a.  a.  0.,  55  nimmt  auch  die  Existenz 
von  Laous  felicis  vor  den  Markomannenkriegen  an,  doch  ist  der  Umstand,  dafs 
das  Kastell ,  wie  die  Ziegelfunde  zeigen ,  von  Soldaten  der  X.  und  XIV.  Legion 
erbaut  worden  ist  und  nicht  von  denen  der  II.,  allein  noch  nicht  überzeugend. 


Die  römische  Militärgrenze  an  der  Donau.  68 

abwärts  nach  dem  schon  früher  gegründeten  Arelape  an  der  Erlaf : 
ad  ponteni  Ises  an  der  Ips,  ad  Mauros  ^)  an  der  Pielach,  Piro  torto 
an  der  Perschling,  Comagena  an  der  Tulln;  etwas  weiter  vom 
Donauufer  entfernt,  wo,  wie  wir  noch  sehen  werden,  der  Limes 
verlief,  aufser  dem  älteren  Aelium  Cetium  Lacus  felicis  (Mauer- 
Oehling)  an  der  Url  ^).  Einzelne  Wachtposten  und  Wachttürme 
dürften  nach  gelegentlichen  Funden  auch  bei  Wallsee,  bei  Gött- 
weig,  bei  Mautern  (Faviana)  und  namentlich  bei  Zeiselmuuer 
(Citium)  gestanden  haben  ^}.    Die  westliche  Flanke  von  Laureacum 


1)  Auch  ad  Muros.  Das  Namare  der  Tabula  ist  vielleicht  damit  identisch 
und  nur  ein  Schreibfehler.     An  der  Stelle  des  heutigen  Melk. 

2)  So  nach  Analogie  mit  dem  gleichnamigen  Orte  bei  Pest.  Es  kommt 
jedoch  auch  die  Form  Locus  felicis  vor.  Dagegen  ist  die  Ergänzung  Locus 
Veneris  felicis  nur  ein  willkürlicher  Zusatz  Aschbachs.  (Dun gel  in  Mitt.  d. 
Zeutralkomm.  N.  F.  I,  70 f.). 

3)  Über  die  Quellen  zur  Kenntnis  der  Eömerorte  siehe  Einleitung  S.  4, 
wo  auch  bereits  auf  die  Widersprüche  zwischen  dem  Itinerarium  Antouini  und 
der  Tabula  Peutingeriana  hingewiesen  ist.  So  nennt  das  Itinerar  auf  der  Donau- 
uferstrecke  von  Vindobona  nach  Westen  die  Orte :  Comagenis ,  Cetio ,  Arlape, 
Loco  feücis,  Lauriaco,  Ovilatus,  Joviaco,  Stanaco,  Bojoduro;  die  Tabula:  Citium, 
Comngenis,  Pirotorto,  Trigisamo ,  Namare,  Arelate,  Ad  pontem  Ises,  Elegio,  BJa- 
barieiaco.  Die  meisten  Widersprüche  dürften  sich  am  leichtesten  als  Lesefehler 
erklären;  mit  einiger  Bestimmtheit  kann  man,  abgesehen  von  der  richtigeren 
Lesung  Cetium  für  Citium  und  Arelape  für  Arlate,  auch  noch  Namare  als  Ver- 
ballhornung von  Ad  Mauros,  Elegio  für  (wohl  abgekürztes)  Lac.  fei.  und  das 
monströse  Blabariciaco  für  Lauriacum  erklären.  Mit  der  herzhaften  Annahme 
solcher  und  ähnlicher  Fehler  der  Überlieferung  kommt  man  wohl  weiter  und 
der  Wahrheit  näher  als  mit  komplizierten  Hypothesen  wie  etwa  der  Aschbachs, 
wonach  das  Kastell  Trigisamum  viermal  den  Namen  gewechselt  hätte!  —  Das 
gröfste  Verdienst  um  die  Topographie  der  Eömerorte  in  unseren  Ländern  hat 
sich  Kenner  erworben.  Siehe  von  ihm  aufser  den  schon  erwähnten  noch  folgende 
Arbeiten :  Die  Eömerorte  in  Niederösterreich  (Jahrbuch  des  Vereins  f,  Landesk. 
V.  Niederösterr.  II,  119,  1869)  mit  Karte  und  alphabetischem  Verzeichnis;  dazu 
Ergänzungen  und  Verbesserungen :  Zur  Topographie  der  Eömerorte  in  Nieder- 
österreich (Ber.  u.  Mitt.  d.  Alterturasvereines  in  Wien  XVII,  277,  1877;  im 
Inhaltsverzeichnis  des  Bandes  nicht  angegeben).  Über  die  römische  Eeichsstrafse 
von  Virunum  nach  Ovilala  und  die  Ausgrabungen  in  Windisch  Garsten  (Sitzungsber. 
d.  k.  Akad.  d.  Wissensch.  LXXI ,  357 ;  LXXIV ,  421 ,  wozu  aber  die  scharfe 
Kritik  von  Nathan  Kohn,  ebend.  LXXX,  391  zu  vergleichen  ist).  Die  Eömer- 
orte zwischen  der  Traun  und  Inn  (ebend.  XCI,  539,  1878).  Jetzt  siehe  Pi ch- 
lor, Austria  Eomana  I.  —  Im  übrigen  hat  Karamel,  wie  in  so  vielen  Punkten, 


64  Zwei  tos  Kapitel. 

deckte  das  Kastell  Lentia  (Linz),  woran  sich  gegen  Westen  Mari- 
nianum,  Eborodununi  (ElVerding)  '),  Joviacum  (Schlügen),  Stana- 
cum  (Stainach)  und  Boiodurum  (Innstadt  bei  Passau)  anschlössen. 
Für  die  canze  Stromstrecke  von  Carnuntuin  bis  Passau  kann  man 
an  Legionssoldaten  und  Auxilien  eine  Truppenmacht  von  36  000 
Mann  annehmen.  Laureacum,  Arelape,  Comagenae  und  Carimn- 
tum  bildeten  aufserdem  auch  gegen  Ende  des  4.  Jahrhunderts  die 
Stationen  der  Donauflotille,  deren  Präfekte  hier  ihren  Sitz  hatten, 
die  Seesoldaten  ^^Liburnarii)  lagen  auch  zu  Joviacum,  Lentia  und 
Faviana. 

Neben  diesen  ausgedehnten  militärischen  Mafsnainiien  suchten 
die  Römer  auch  durch  SchafTung  von  Stadtgemeinden,  denen  nach 
römischem  Verwaltungsgebrauche  zugleich  ein  gröfseres  Terri- 
torium „attribuiert"  wurde,  die  Assimilation  der  Provinzen  zu 
fördern.  Allerdings  waren  im  Donaulande  bei  dessen  ausgesprochen 
militärischem  Charakter  diese  bürgerlichen  Gründungen  im  Ver- 
gleiche mit  den  inneralpinen  Ländern,  wo  das  städtische  Wesen 
sich  weit  reicher  entwickelte,  an  Zahl  nur  gering.  Mark  Aurel 
gründete  Ovilava,  das  heutige  Wels,  als  Kolonie,  Septimius  Severus 
erhob  Carnuntum  vom  LFunizipium  zur  Kolonie,  der  ersten  Klasse 
römischer  Städte^),  Caracalla  verlieh  Vindobona  das  Munizipal- 
recht; sonst  bestand  noch  das  alte  Aelium  Cetium  (St.  Polten) 
aus  der  Zeit  Hadrians.  An  der  Spitze  der  städtischen  Verwaltung 
und  Rechtspflege  standen  Duumviri  (jure  dicundo),  unter  ihnen 
zwei  Adilen,  welche  die  Polizeiaufsicht  und  Marktgerichtsbarkeit 
leiteten  und  mit  jenen  ein  Viermännerkollegium  bildeten.  Das 
Finanzwesen  verwalteten  Quästoren.  Aufserdem  gab  es  einen 
Stadtrat  (ordo  oder  curia)  von  100  Dekurionen.  Die  Bevölkerung 
war  in  drei  Klassen,  Ordo,  Possessores  (die  in  der  Stadt  lebenden 

auch  hierin  vielfach  den  Nagel  auf  den  Kopf  getroffen.  —  Spezialliteratur  über 
einzelne  wichtigere  Orte,  wie  Carnuntum  oder  das  einst  heifs  umstrittene  Favianis 
werde  ich  noch  im  folgenden  geben. 

1)  Schiffmann  im  Linzer  Volksblatt  vom  7.  Juni  1903. 

2)  Der  Unterschied  zwischen  Munizipium  und  Kolonie  war  ursprünglich 
ein  sehr  bedeutender.  Diese  Unterschiede  schwanden  aber  bereits  seit  dem 
1.  Jahrhundert  v.  Chr.  und  in  der  Kaiserzeit  mehr  und  mehr  und  kommen 
für  unsere  Gegenden  so  gut  wie  gar  nicht  in  Betracht,  so  dafs  es  sich  tatsäch- 
lich nur  um  eine  Art  Eangunterschied  handelte. 


Die  römische  Militärgrenze  an  der  Donau.  65 

ländlichen  Grundbesitzer)  und  Plebs,  gegliedert  ^).  Alljährlich 
dürften  sich  auch  bei  uns  die  Vertreter  der  Stadtgebiete  zu  einem 
Landtag  an  einem  bestimmten  Orte  versammelt  haben,  um  religiöse 
Übungen  vorzunehmen  und  über  administrativ-finanzielle  Angelegen- 
heiten zu  beraten.  Bei  den  Legionslagern,  welche  zunächst  grund- 
sätzlich nicht  in  Städte  verlegt  wurden,  siedelten  sich  die  Kauf- 
leute mit  ihren  Buden  (canabae)  und,  nachdem  schon  seit  dem 
2.  Jahrhundert  das  römische  Reich  nicht  mehr  imstande  war,  den 
Veteranen  die  ihnen  nach  ihrer  Verabschiedung  rechtlich  zustehende 
Abführung  in  eine  Kolonie  und  Zuweisung  von  Land  zu  gewähren, 
auch  die  Veteranen  an,  welche  dann  mit  jenen  korporativ  als 
„veterani  et  cives  Romani,  qui  consistunt  (oder  consistentes)  ad 
•canabas  legionis"  vereinigt  wurden  ^).  Ursprünglich  stand  der 
Korporation  ein  Kurator  vor,  später  ein  oder  zwei  Magistri,  ihnen 
zur  Seite  Dekurionen,  was  einerseits  eine  Nachbildung  der  städti- 
schen Duumvirn  war,  andrerseits  sich  mit  der  Organisation  der 
Dörfer,  der  vici  oder  pagi,  berührte,  an  deren  Spitze  gleichfalls 
Magistri  und  Adilen  standen;  dabei  ist  besonders  zu  betonen,  dafs 
■diese  Gemeinwesen  dadurch  nur  nach  der  religiösen  Seite  organisiert 
erscheinen,  denn  unter  Magistri  sind  Priester  zu  verstehen.  Die 
Legionslager  au  der  Donau  verwandelten  sich  übrigens,  wie  wir 
gesehen  haben,  ziemlich  bald  in  Städte,  nur  von  Laureacum  wissen 
wir  es  nicht. 

Zu  den  römischen  Gründungen  gehörte  als  notwendige  Er- 
gänzung die  Anlage  von  Heerstrafsen  mit  glänzender  Ausnutzung 
des  natürlichen  Terrains.  Auch  sie  hatten  in  erster  Linie  einen 
militärischen  Zweck,  wie  sie  denn  auch  von  den  Legionssoldaten 
und  Militäringenieuren  gebaut  wurden.  Sie  machten  das  grofs- 
.artige  Befestigungssystem  erst  zu  einem  lebendigen  Organismus, 
denn  sie  verbanden  alle  Städte,  Legionslager,  Kastelle  und  Wacht- 
posten untereinander  und  mit  dem  Innern  des  Reiches,  so  dafs  sich 
jederzeit  die  nötigen  Truppen  Verschiebungen ,  Verstärkungen  oder 

1)  Die  genannten  Behörden  sind  fast  ausnahmslos  auch  für  die  erwähnten 
Städte  unserer  Länder  inschriftlich  nachweisbar. 

2)  Über  die  Lagerstädte  vergleiche  Mommsen  im  Hermes  VIT,  1873.  — 
Ich  komme  auf  diese  wichtige  Ansiedelungsart  nochmals  in  anderem  Zusammen- 
hange zurück. 

Vancsa,  Geschichte  Nieder-  u.  Oberösterreichs.  O 


66  Zweites  Kapitel. 

etwaige  Rückwärtskonzentrierungen ,  sowie  alle  Verständigungen 
und  Verproviantierungen  vollziehen  konnten.  In  zweiter  Linie 
benutzte  sie  der  Staat  als  Poststrafsen  ^),  zu  welchem  Zwecke  an 
ihnen  regehnälsige  Stationen,  und  zwar  Pt'erdevvechsel  (rautationes) 
und  Herbergen  (raansiones),  letztere  in  der  Regel  im  Tale,  er- 
richtet wurden.  Die  umwohnende  Bevölkerung  mufste  Pferde  und 
Wagen  stellen.  Nach  je  1000  Doppelschritten  stand  ein  Meilen- 
stein. Selbstverständlich  kamen  aber  die  Heerstrafsen  doch  auch 
dem  privaten  Verkehr  und  dem  Handel  in  aufserordentlicher 
Weise  zugute.  Ihr  Bau  wird  noch  heute  von  den  Fachmännern 
als  technische  Meisterleistung  angestaunt.  Als  notwendige  Ergän- 
zung kamen  auch  noch  die  Brücken  iiinzu. 

Die  Zeit  der  ersten  Anlage  der  einzelnen  Strafsen  lälst  sich 
schwer  feststellen,  doch  steht  sie  jedenfalls  mit  den  jeweiHgen  Mafs- 
nahmen  zur  Befestigung  im  Zusammenhang  ^).  Am  frühesten  dürfte 
demnach  die  Verbind ungsstrafse  vom  Süden  —  Aquileja  bildete 
den  Ausgangspunkt  des  ganzen  Systems  —  zur  Donau  gebaut 
worden  sein,  welche  über  Celeja  (Cilli),  Poetovio  (Pettau),  Savaria 
(Steinamanger)  und  Scfarabantia  (Oedenburg)  nach  Carnuntum  und 
Vindobona  führte.  Diese  sowie  ein  Teil  -der  Donauuferstrecke,  etwa 
bis  Arelape  an  der  Erlafmündung,  vielleicht  sogar  bis  zur  Enns, 
bestanden  wohl  schon  zur  Zeit  des  Claudius.  Mit  der  Ausgestal- 
tung der  Donaubefestigungen  während  und  nach  den  Markomannen- 
kriegen wurde  dann  auch  die  Strafse  Carnuntum— Boiodurum 
(Innstadt  bei  Passau) ,  der  sogenannte  Donau-Limes  ^ j,  ausgebaut, 
welcher  jedoch  keineswegs  genau  dem  Flufsufer  folgte,  sondern 
im  Gegenteile  wiederholt  sehr  stark  davon  abweicht,  teils  um  den 
Weg  abzukürzen,   teils  um  das    stellenweise  bis  hart  an  das  Ufer 

1)  Noricum  bildete  mit  Paunonien  und  Mösieu  zusammen  einen  Postbezirk, 
dem  ein  Präfectus  vehicularius  vorstand. 

2)  Die  römischen  Strafsen  sind  nahezu  in  allen  Werken,  welche  die  Römer- 
zeit überhaupt  behandeln,  aufgezählt,  so  dafs  ich  mich  um  so  mehr  in  Kürze 
auf  jene  Strecken  beschränken  kann,  welche  durch  unsere  Länder  laufen.  Vgl. 
Kieperts  Karte  zur  Corpus  inscript.  latin.  III,  2. 

3)  Mommsen  hat  den  Begriff  Limes  in  einer  Sitzung  der  archäologischen 
Gesellschaft  in  Berlin  vom  2.  Dezember  1884  als  „befestigte  Querstrafse ",  welche 
dort  angelegt  wurde,  wo  ein  Flufslauf  nicht  genügend  Sicherheit  gewährte, 
präzisiert. 


Die  römische  Militärgrenze  au  der  Donau.  67 

herantretende  Gebirge,  das  ja  ohnehin  einen  natürhchen  Schutz 
bildete,  geschickt  zu  umgehen,  so  namentUch  die  Wachau  von 
der  Traisen  bis  zur  Pielach,  wo  die  Ötrafse  bis  St.  Polten,  oder 
den  Gebirgsstock  von  der  Ips  zur  Enns,  wo  sie  bis  Mauer  an 
der  Url  abbog.  In  der  Folgezeit  stellte  sich  die  Notwendigkeit 
heraus,  auch  das  neu  befestigte  nordwestliche  Noricum  mit  dem 
Süden  zu  verbinden.  Ovilava,  das  seinerseits  wieder  mit  der 
Donaustrecke  in  Verbindung  stand ,  wurde  hier  der  Knotenpunkt 
für  zwei  grofse  Alpenstrafsen,  von  welchen  die  eine,  die  wichtigere, 
über  Vettonianae,  Tutatio,  Ernolatia  und  Gabromagus  ^)  führte 
und  über  den  schon  zur  Keltenzeit  gangbaren  Pyhrnpafs  die  Alpen 
überschritt,  um  sich  in  Virunum  (bei  Klagenfurt)  mit  der  zweiten 
längeren  zu  vereinigen,  welche  von  Ovilava  über  Juvavum  (Salz- 
burg) zum  Übergang  der  Radstätter  Tauern  führte.  Neben  diesen 
vier  Haupt-Reichsstrafsen  gab  es  noch  eine  Reihe  kleinerer  Ver- 
bindungsstrafsen ,  so  von  Vindobona  über  Aquae  (Baden),  von 
Vindobona  über  Mutenum  (Eisenstadt  oder  Brodersdorfj  nach 
Scarabantia,  von  Carnuntum  über  Höflein  nach  Brück  a.  d.  Leitha, 
von  Steyr,  wo  sich  Spuren  eines  römischen  Kastells  finden,  nach 
Laureacum  und  durch  das  Steyrtal  nach  dem  Süden,  im  Salz- 
kammergut, von  Passau  nach  Salzburg  u.  a.,  und  nichtmilitärische, 
vermutlich  schon  von  alters  her  bestehende  Verbindungswege  im 
Innern  des  Landes.  Die  Donau  konnte  wegen  des  getahrlichen 
Wirbels  und  Strudels  nur  in  beschränktem  Mafse  als  Verkehrs- 
strafse  verwendet  werden  ^). 

Diese  ganze  grofse  zielbewufste  militärische  Organisation  der 
Donauprovinzen,  denen  gleichzeitig  auch  die  Kulturerrungenschaften 
des  Römerreiches  zugeführt  wurden,  brachte  ihnen  während  der 
friedlichen  Jahrzehnte  nach  den  Markomannenkriegen  eine  Zeit 
der  Blüte,   als  sich    bereits  die  Lebenskraft  des  Mutterreiches  er- 


1)  Auch  für  diese  Orte  hat  wegen  der  starken  Abweichungen  des  Itinerars 
und  der  Tabula  fast  jeder  Forscher  eine  andere  Deutung  aufgestellt.  Siehe  zu- 
sammenfassend die  beiden  oben  erwähnten  Aufsätze  von  Kenner  und  Kohn  in 
den  Sitzungsberichten,  LXXIV.  und  LXXX.  Einigermafsen  feststehen  dürfte  die 
Identifizierung   Gabromagus  —  Windisch  Garsten. 

2)  Die  Schiffe  pflegten  an  diesen  gefährlichen  Stellen  dem  Stromgotte  Münzen 
u.  a.  zu  opfern  (30.  Jahresb.  des  Mus.  Franc.  Carol.  1871). 

5* 


^^  Zweites  Kapitel. 

schöpit  hatte.  So  erlangten  sie  über  dieses  aucli  das  politische 
Übergewicht.  Was  die  ersten  Kaiser  glücklich  vermieden  hatten, 
die  Macht  der  Statthalter  allzusehr  anwachsen  zu  lassen,  das  war 
nun  doch  eingetreten,  und  unter  ihnen  wurde  bald  der  von  Pan- 
nouieu  der  mächtigste  und  auf  die  Geschicke  der  Hauptstadt  ein- 
äufsreichste,  denn  ihm  waren  nicht  nur  eine  der  blühendsten  Pro- 
vinzen und  die  bedeutendsten  Truppenkontingente  ^)  unterstellt, 
sondern  seine  Provinz  lag  auch  dem  Herzen  des  Reiches  so  nahe, 
dafs  er  vor  allen  anderen  es  am  schnellsten  erreichen  konnte. 

Schon  nach  Commodus'  Tode  im  Jahre  192  war  der  Legat 
von  Pannonien,  Helvius  Pertinax,  zum  Kaiser  ausgerufen  worden  ^), 
aber  noch  war  in  Rom  die  Prätorianergarde  allmächtig.  Von  ihr 
wurde  Pertinax  ermordet,  und  der  Senat  trug  dem  Legaten  von 
Syrien  Pescennius  Niger  die  Kaiserkrone  an.  Da  erstand  Pertinax 
in  seinem  Nachfolger  auf  dem  Statthalterposten,  in  Septiraius  Se- 
verus,  ein  Rächer,  der  den  entscheidenden  Augenbhck  glänzend 
zu  benutzen  wufste.  Li  Carnuntum  proklamierten  ihn  nach  einer 
zündenden  Ansprache  die  Legionen  zum  Kaiser  und,  nachdem  er 
auch  die  rheinischen,'  mösischen  und  dakischen  für  sich  gewonnen, 
marschierte  er  gegen  Rom,  löste  die  Prätorianergarde  auf  und  schuf 
eine  neue  Garde  aus  den  Armeen  der  Grenzländer,  wodurch  diesen 
dauernd  der  Einflufs  auf  die  Leitung  des  Reiches  gesichert  war; 
Pannonien  und  lUyrien  aber  behielten  in  der  Folgezeit  die  Vor- 
herrschaft ^). 

Seit  dem  3.  Jahrzehnt  des  3.  Jahrhunderts  war  es  jedoch  mit 
dem  Friedenszustand  der  Donauprovinzen  vorbei.  Während  Kaiser 
Alexander  Severus  in  den  Perserkrieg  verwickelt  war  und  zu 
diesem  Zwecke  Legionen  aus  den  Donaufestungen  gezogen  hatte, 
überschritten  plötzlich  wieder  feindliche  Völkerschaften  die  Grenze, 

1)  In  der  ersten  Kaiserzeit  lag  das  militärische  Übergewicht  am  Khein. 
Später  standen  jedoch  hier  nur  noch  4  Legionen  gegenüber  7—10  im  Orient 
imd  12  in  den  gesamten  Donauländern. 

2)  Für  dieses  und  die  folgenden  Ereignisse  ist  Herodian,  11.  Buch 
Hauptquelle. 

3)  Man  bezeichnet  die  Zeit  von  Septimius  Severus  bis  Diokletian  als  Periode 
der  illyrischen  Soldatenkaiser.  Mamertinus,  Paneg.  ad  Maximinianum  c.  2: 
„Wer  zweifelt,  dafs  Italien  zwar  durch  seine  ruhmvolle  Vergangenheit,  Panaoniea 
aber  durch  seine  Kriegsstärke  die  Beherrscherin  der  Völker  ist?". 


Die  römische  Militärgrenze  an  der  Donau.  69' 

darunter  auch  Markomannen  und  Quaden;  bald  darauf  zeigten 
sich  zum  ersten  Male  die  Goten  an  der  unteren  Donau,  nach- 
dem schon  früher  die  Alamannen  am  Rhein  und  am  Main  auf- 
getaucht waren,  die  gleichfalls  in  der  Folgezeit  immer  gefährlicher 
wurden.  Seitdem  kamen  die  Grenzgebiete  nicht  mehr  zur  Ruhe. 
In  gröfseren  und  kleineren  Zwischenräumen  und  mit  wechselnder 
Stärke  erneuten  sich  die  feindlichen  Stöfse  immer  wieder:  es  ist  das 
Wetterleuchten  vor  den  Stürmen  der  Völkerwanderung,  während 
die  Statthalter  der  verschiedenen  Provinzen  um  den  Kaiserthron 
haderten  und  nur  selten  einer  oder  der  andere  von  ihnen  die 
Macht  besafs,  um  vorübergehend  die  Bewegung  zum  Stillstande 
zu  bringen.  Wir  sind  leider  über  einzelne  Ereignisse  aus  unseren 
Gebieten  nicht  unterrichtet,  aber  aus  dem  Umstand,  dafs  bereits 
unter  Kaiser  Gallienus  (254  —  268),  unter  dem  es  angebhch  30 
Gegenkaiser  gegeben  hat  \),  Markomanneuscharen,  welche,  wie 
es  scheint,  aus  ihrer  Heimat  verdrängt  wurden,  über  Noricum  und 
Rhätien  bis  Ravenna  vordringen  konnten,  mufs  man  schliefsen, 
dafs  die  Befestigungen  an  der  Donau  durch  ihren  Ansturm  durch- 
brochen wurden  und  die  Besatzungen,  wahrscheinlich  durch  zahl- 
reiche Dislokationen  stark  reduziert,  zu  schwach  waren,  um  erfolg- 
reichen Widerstand  leisten  zu  können.  Schliefslich  gelang  es 
Gallienus  doch,  die  Raubscharen  bei  Mediolanum  zu  besiegen  und 
sich  in  einem  glimpflichen  Frieden  vom  Halse  zu  schaffen,  indem 
er  ihnen  einen  Strich  Landes  zwischen  Kahlenberg  und  Plattensee 
zu  Wohnsitzen  überliefs.  Ob  er  auch  die  Tochter  ihres  Königs 
Attalus,  Pipara,  zur  Frau  genommen  hat,  ist  zweifelhaft.  Erst 
Claudius  H.  (268—270)  und  Aurelianus  (270—275)  schufen 
wieder  einigermafsen  Ruhe  in  den  bedrohten  nördlichen  Provinzen, 
mufsten  sich  aber  zu  der  verhängnisvollen  Abtretung  Dakiens 
an  die  Goten  entschliefsen.  Daneben  tauchten  immer  neue  Völker- 
schaften aus  dem  Norden  auf,  so  fielen  im  Jahre  270  die  Ju- 
thungen  in  Noricum  ein  ^).  Alle  diese  Raubzüge  verwüsteten  das 
flache    Land,    zerstörten   wohl    auch   zum    Teile    die  Kastelle    und 


1)  Eigentlich  sind  nur  etwa  19  nachweisbar. 

2)  Die  in  manchen  Geschichtsdarstellungen  herumspukende  Verbindung  des 
niederösterreichischen  Jedenspeugen  mit  diesen  Juthungen  halte  ich  für  eine 
linguistische  Marotte. 


70  Zweites  Kapitel. 

Posten,  welche  die  schwachen  Garnisonen  nicht  halten  konnten, 
während  aulserdeni  die  tinanziellc  Mifswirtschat't  der  Pächter  das 
Land  aussaugte. 

Eine  neue  Ära  brach  für  die  Provinzen  wie  für  das  gesamte 
Reich  mit  der  Regierung  des  grofsen  Reformators  Diokletian  an. 
Bisher  war  die  Organisation  seit  Augustus  im  wesentlichen  un- 
verändert geblieben,  jetzt  wurde  der  Militärstaat  mit  seinen  ziemlich 
primitiven  Formen,  mit  dem  man  jedoch  im  letzten  Jahrhundert 
so  schlimme  Erfahrungen  gemacht  hatte,  in  einen  reich  gegliederten 
Beamtenstaat  umgewandelt.  Die  Älilitärgewalt  wurde  von  der 
Zivilgewalt  getrennt.  An  der  Spitze  der  letzteren  standen  die 
Präsides  oder  Rectores,  die  obersten  Verwaltungschefs,  die  auch 
die  Zi\'il-  und  Kriminnljustiz  ausübten.  Die  Autonomie  der  Städte 
wurde  vernichtet,  und  an  ihre  Stelle  eine  Bureaukratie ,  die  nun- 
mehr erblichen  Dekuriouen,  denen  allerdings  auch  sämtliche  Ge- 
meindelasten aufgebürdet  wurden,  eingesetzt.  Übrigens  verschwand 
jetzt  der  alte  Unterschied  zwischen  Munizipien  und  Kolonien,  und 
es  hiefs  von  nun  an  jeder  ummauerte  Ort  respublica  oder  civitas, 
jeder  offene  vicus  ohne  Rücksicht  auf  die  Gröfse.  Die  Militär- 
gouverneure waren  die  Duces,  denen  27  Präfekten  und  5  Tribunen 
imterstanden.  Statt  der  früher  bestehenden  Garnisonstruppen  — 
eine  eigentliche  Feldarmee  existierte  nicht  —  wurde  nunmehr  die 
gleichfalls  vermehrte  Heeresmacht  in  Garden  (palatini),  Linien- 
truppen unter  dem  direkten  Befehl  des  Kaisers  (praesentales  oder 
comitatenses)  und  Grenzsoldaten  (liniitanei  oder  ripenses)  eingeteilt. 
Unter  letztere  Kategorie  fielen  natürlich  auch  die  Besatzuugstruppeu 
Noricums  und  Pannoniens.  Diokletian  nahm  aber  auch  die  ver- 
derblichen Länderteilungen  vor,  welche  die  Auflösung  des  Welt- 
reiches beschleunigten;  zunächst  entstanden  zwei  cäsarische  und 
zwei  iraperatorische  Verwaltungsgebiete.  Ebenso  wurden  auch  die 
einzelnen  Provinzen  zersplittert.  Noricum  wurde  in  Ufer-  und 
Binnennoricum  (ripense  und  mediterraneum)  geteilt,  deren  Grenze 
ungefähr  der  heutigen  südlichen  Landesgrenze  der  beiden  Erz- 
herzogtümer entsprochen  haben  dürfte,  während  Pannonien  gar 
in  vier  Teile  (Pannonia  prima  und  secunda,  Valeria  und  Sa  via) 
zerfiel,  von  denen  unsere  östHchen  Gebietsteile  (mit  Vindobona  und 
Carnuntum)  zu  Pannonia  prima  gehörten.    Alle  zusammen   bilden 


Die  römische  Militärgrenze  an  der  Donau.  71 

mit  Dalmatien  die  illyrische  Diözese,  welche  als  Steuerbezirk  eigent- 
Jich  schon  vordem  bestanden  hatte  ^). 

Unter  Konstantin  dem  Grofsen  wurde  diese  Organisation  noch 
weiter  ausgestaltet.  Nun  wurde  statt  der  Vierherrschaft  im  In- 
terresse  der  monarchischen  Verfassung  eine  blofse  Teilung  in  vier 
Präfekturen  eingeführt  und  diese  in  Vikariate  gegliedert.  Unsere 
Länder  gehörten  zum  illyrischen  Vikariate  der  italischen  Präfektur, 
deren  Sitz  Sirmium  war.  Von  gröfserer  Bedeutung  waren  Kon- 
stantins Steuerreformen,  die  hier  besonders  insofern  Erwähnung 
verdienen,  als  sie  für  das  Mittelalter  vorbildlich  wurden.  Wir 
finden  bereits  unter  ihm  ein  ausgebildetes  Regalienwesen,  und 
eine  Reihe  von  Industriezweigen  und  Fabriken  (Seiden-  und  Leinen- 
manufaktur, Pürpurfärberei,  WafFenfabrik)  erscheint  als  Staats- 
monopol. An  direkten  Steuern  bestanden  die  Grundsteuer,  welche 
jedes  fünfzehnte  Jahr  nach  dem  Durchschnittserträgnis  neu  be- 
messen wurde,  eine  Gewerbesteuer  von  vier  zu  vier  Jahren  und 
eine  Kopfsteuer.  Rechnet  man  dazu  noch  die  aufserordentlichen 
Umlagen,  die  in  der  Form  einer  Art  Ehrengeschenke  an  den 
Kaiser  (aurum  coronarium)  von  Fall  zu  Fall  eingehoben  wurden, 
so  wird  es  begreiflich,  dafs  der  kleine  Grundbesitz  und  die  Ge- 
werbetreibenden unter  diesen  Lasten  fast  zusammenbrachen. 

Worin  Konstantins  politischer  Blick  weiter  reichte  als  der 
Diokletians,  das  war  das  Verhältnis  zum  Christen-  und  Germanen- 
tum.   Doch  darauf  komme  ich  in  anderem  Zusammenhang  zurück. 

Die  straffe  Neuorganisation  des  Reiches  und  die  Regierung 
einiger  hervorragender  Herrscher  brachte  noch  einmal  den  Auf- 
lösungsprozefs  im  Innern  des  Weltreiches  und  in  den  Provinzen 
zum  Stillstand.  Nach  Konstantin  dem  Grofsen  nahm  er  um  so 
unaufhaltsamer  seinen  Fortgang.  Ein  einziges  Mal  wurde  noch 
ein  Versuch  gemacht,  die  Militärgrenze  an  der  Donau  in  ihrer 
alten  Bedeutung  wieder  aufzurichten.  Kaiser  Valentinian  (364  bis 
375)  liefs  eine  Reihe  von  Kastellen  und  Brückenköpfen  neu,  be- 
ziehungsweise wieder  herstellen  ^)  und  die  Heerstrafsen  regulieren. 

1)  Für  die  diokletianisehe  Eeichseinteilung  auch  in  unseren  Ländern  ist 
das  sogenannte  „Veroneser  Verzeichnis"  von  Wichtigkeit  (hgg.  von  Mommsen 
in  den  Abhandlungen  der  Berliner  Akademie  1862,  S.  489). 

2)  Einen  direkten  Beleg  liefert  CIL.  III ,   5670 a ,    wonach   im  Jahre  370 


72  Zweites  Kapitel. 

^^'il•  sind  leider  über  die  Ereignisse  in  unseren  Ländern  seit  denn 
3.  Jahrhundert  ganz  ungenügend  unterrichtet ,  aber  gerade  aus 
den  Mafsuahmen  Valentinians  kann  man  schliefsen,  wie  sehr  hier 
alle  militärischen  Einrichtungen  und  Befestigungen  in  Verfall  ge- 
raten waren.  Nur  Laureacum  scheint  noch  als  Legionslager  be- 
standen zu  haben,  während  aus  Carnuntum  die  Truppen  wahr- 
scheinlich schon  früher  weggezogen  worden  und  seine  Befestigungen 
verfallen  oder  gar  zerstört  waren  ^).  Die  Quaden  wollten  jedoch 
die  Neuerrichtung  von  Kastellen  nicht  dulden  —  so  machtlos  war 
die  Röraerherrschaft  in  den  Grenzgebieten  geworden  —  und  machten 
im  Jahre  374,  nachdem  die  Römer  auch  ihren  König  Gabinius 
hintei'listig  ermordet  hatten,  einen  verheerenden  Einfall  in  Pannonien. 
Der  Kaiser  zog  selbst  gegen  sie  zu  Felde,  trieb  sie  über  die  Donau 
und  griff  sie  in  ihrem  eigenen  Lande  an,  indem  er  noch  einmal 
Carnuntum  neu  befestigen  liefs  und  zum  Stützpunkt  seiner  Ope- 
rationen machte.  Bei  den  Friedensverhandlungen,  die  daraufhin  die 
Quaden  einleiteten,  soll  er  über  die  kühne  Sprache  ihrer  Gesandten, 
die  rückhaltlos  die  römischen  Führer  für  den  Ki'ieg  verantworthch 
machten,  derart  in  Wut  geraten  sein,  dafs  eine  Ader  bai'st.  So 
starb  er  am  17.  November  375,  mit  ihm' der  letzte  römische  Kaiser, 
der  die  Donaugrenze  militärisch  zu  halten  gesucht  hat,  der  letzte 
römische  Feldherr,  der  in  unseren  Gegenden  den  alten  WafFen- 
glanz  der  Legionen  auffrischen  wollte  '■'). 

an  der  Mündung  der  Ips   durch  Auxiliartruppen  von  Laureacum  ein  Kastell  er- 
baut, beziehungsweise  also  wieder  erbaut  wurde. 

1)  Kubitschek,  Der  Schauplatz  des  Quadenkrieges  (Bl.  d.  Vereins  f. 
Landesk.  XXXI,  455,  1897),  hat  nachgewiesen,  dafs  der  Quadeneinfall  de.s  Jahres 
374  nur  aut  das  Saveland  gerichtet  war,  und  dafs  Carnuntum  nicht  erst  damals 
zerstört  worden  ist,  wie  mau  bisher  annahm,  sondern  bereits  in  Trümmern  lag. 
Noch  im  Jahre  307  war  Carnuntum  Schauplatz  eines  feierlichen  Ereignisses. 
Galerius  ernannte  hier  in  Gegenwart  der  Kaiser  Diokletian  und  Herculius  den 
Cäsar  Licinius  zum  Augustus.  In  der  ungefähr  um  400  entstandenen  Notitia 
dignitatum  erscheint  Vindobona  an  hervorragender  Stelle,  dagegen  ist  Carnuntum 
nicht  einmal  mehr  genannt.  —  Einzige  Quelle  für  diesen  Quadenkrieg  ist  Am- 
mianus  Marcellinus  XXIX. 

2)  Es  ist  sehr  bezeichnend,  dafs  in  unseren  Gegenden  die  Miinzfunde  be- 
reits fast  durchwegs  mit  Gratian  (383)  enden.  Nur  aus  Ovilava,  Laureacum  und 
Cetium  wurden  noch  ganz  vereinzelt  Münzen  bis  etwas  über  die  Mitte  des  5.  Jahr- 
hunderts gefunden. 


Die  römische  Militärgrenze  an  der  Donau.  78 

Noch  blieben  die  westliehen  Donauländer  etwa  hundert  Jahre 
formell  unter  römischer  Herrschaft,  aber  das  war  mehr  ein  Moment 
der  Trägheit,  das  so  lange  wirksam  blieb,  wie  die  auf  und  ab 
flutenden,  untereinander  nichts  weniger  als  einigen  Stämme  der 
Germanen  es  zuliefsen.  Für  das  Reich  waren  die  Lande  nur  noch 
von  untergeordneter  Bedeutung,  militärisch -poHtisch  ebenso  wie 
wirtschaftlich.  Man  besafs  auch  nicht  mehr  die  finanziellen  Mittel, 
um  für  ihre  militärische  Befestigung  etwas  tun  zu  können.  So 
vegetierten  die  Reste  der  ehemahgen  so  blühenden  Militärprovinz, 
von  der  Zentralgewalt  unbeachtet  und  aufgegeben,  bis  sich  ihr 
Schicksal  erfüllte. 


Drittes    Kapitel. 

Kulturaustausch  zwischen  Römern  und  Germanen.  — 
Das  Ende  der  Römerherrschaft  an  der  Donau. 


Dadurch,  dafs  die  Römer  die  Donaugrenze  während  nahezu 
fünf  Jahrhunderten  besetzt  hielten,  hatten  sie  die  vom  Norden 
gegen  den  Süden  gerichtete  germanische  Bewegung  trotz  der  zeit- 
weiligen mehr  oder  minder  heftigen  Überflutungen  zurückgedämmt 
und  die  Germanen,  namentlich  ihre  nächsten  Nachbarn,  zu  einer 
ruhigen  Siedelung  und  zu  einer  Konsolidierung  gezwungen,  wie  sie 
in  der  ältesten  Zeit  nicht  in  deren  Art  gelegen  hatte.  Gerade  bei 
den  Markomannen  und  Quaden  entwickelte  sich  teils  infolge  ihres 
Abwehrzustandes  gegenüber  der  politischen  und  militärischen  Über- 
legenheit der  Römer,  teils  unter  dem  Einflufs  des  reich  ausgebildeten 
römischen  Lebens  eine  ganz  eigenartige  Kultur,  die  wohl  von  der 
der  übrigen  Germanen  vielfach  abwich,  über  welche  wir  jedoch 
leider  nur  sehr  dürftig  und  von  einseitig  römischem  Standpunkte 
aus  unterrichtet  sind.  Was  uns  aber  aus  den  allerdings  sehr  zahl- 
reichen Ausgrabungsfunden  bekannt  geworden  ist,  das  läfst  sich  so 
schwer  chronologisch  fixieren,  dafs  wir  in  vielen  und  wichtigen 
Fragen  nicht  einmal  die  Scheidung  zwischen  vorgermanischer  und 
späterer  Besiedelung  mit  Erfolg  durchführen  können  und  dem- 
nach leider  auf  das  schlüpfrige  Gebiet  der  Vermutungen  und 
Kombinationen    gedrängt  sind  ^).     Andrerseits   wird    man    aus  den 


1)  Der  deutsche  Historiker  wird  sich  hüten  müssen,  in  den  an  den  anderen 
Nationen,  namentlich  den  Slawen  und  Ungarn,  mit  Recht  so  energisch  bekämpften 
Chauvinismus  zu  verlallen  und  sich  bei  der  Aufhellung  dieser  vergangenen  Zeiten 
von  einem   modernen  politischen  Nationalismus  leiten   zu   lassen.     Die   gröfsten 


Kulturaustausch  zwischen  Römern  und  Germanen,        •  75 

angeführten  Gründen  mit  voreiligen  Analogieschlüssen  nach  den 
Überlieferungen  über  die  anderen  germanischen  Stämme  zurück- 
halten müssen.  Ich  unterlasse  es  daher,  hier  eine  Schilderung  der 
Germanen  im  allgemeinen  zu  geben,  und  begnüge  mich  mit  dem, 
was  man  mit  einiger  Sicherheit  über  die  Donaugermanen  erschliefsen 
kann. 

Während  das  Land  zwischen  Hz  und  Kamp  wegen  der  dichten 
Urwälder  gar  nicht  oder  nur  stellenweise  spärlich  besiedelt  und 
höchstens  von  einigen  Saumwegen  durchbrochen  war,  auf  denen 
der  Kaufmann  seine  Waren  beförderte  und  gelegenthch  wohl  auch 


Verdienste  um  die  Durcliforschung  der  germanischen  Vorzeit  unseres  engeren 
Heimatlandes  hat  sich  Matthäus  Much  erworben.  Von  seinen  zahlreichen  Ab- 
handlungen führe  ich  aufser  den  schon  in  der  Einleitung  zitierten  Arbeiten  und 
aufser  kleineren  Einzeluntersuchungen,  deren  Aufzählung  hier  zu  weit  ablenken 
würde  (sie  erschienen  hauptsächlich  in  deu  Mitt.  d.  Zentralkommission  und  den 
Mitt.  d.  anthropologischen  Gesellschaft  in  Wien)  noch  au:  Germanische  Wohn- 
sitze und  Baudenkmale  in  Niederösterreich  (gleichzeitig  abgedruckt  in  den  Mitt. 
d.  anthropol.  Gesellsch.  V,  37  und  in  den  Bl.  d.  Ver.  f.  Landesk.  IX,  94,  1875), 
Andere  verlassen  nur  zu  sehr  deu  Bodon  strenger  Wissenschaftlichkeit,  wie  etwa 
der  Lokalforscher  Franz  Xaver  Kiefsling,  dessen  Buch  „Über  Besiedelungs- 
verhältnisse ,  sowie  völkische  und  glaubenstümliche  Zustände  Niederösterreichs 
mit  besonderer  Berücksichtigung  von  Vindobona-Wien  imd  dessen  Umgebung" 
(Wien  1899),  das  neben  vielen  kleineren  in  Lokalblättern  zerstreuten  Aufsätzen 
in  Öetracht  käme,  jedoch  nur  einige  Forschungsresultate  berühmter  Altertums- 
forscher und  Germanisten  in  tendenziöser  Gruppierung  enthält,  oder  Guido  List, 
der  in  seinen  „Deutscheu  mythologischen  Landschaftsbildern"  (Berlin  1891, 
2.  Aufl.  1898)  von  ähnlichem  Gesichtspunkte  aus  Dichtung  und  Wahrheit  ver- 
mengt. Die  Kulturzustände  der  Germanen  werden  auch  in  den  allgemeinen 
Werken  über  die  Völkerwanderung,  die  auch  für  die  in  diesem  Kapitel  ge- 
schilderten historischen  Ereignisse  zu  vergleichen  sind,  besprochen.  Ich  nenne 
hier:  Pahlmann,  Geschichte  der  Völkerwanderung  von  der  Gotenbekehrung 
bis  zum  Tode  Alarichs,  2  Bde.  Gotha  186H/64;  Wietersheim,  Geschichte  der 
Völkerwanderung,  2.  Aufl.  bearbeitet  von  Fehx  Dahn,  Leipzig  1882;  Dahn, 
Könige  der  Germanen,  6.  Abteilung  1861—1871;  Gutsche  und  Schnitze, 
Deutsche  Geschichte  von  der  Urzeit  bis  zu  den  Karolingern  (Bibliothek  deutscher 
Geschichte),  Stuttgart  1894.  Aufserdem  Waitz,  Deutsche  Verfassungsgeschichte 
L  Bd.,  3.  Aufl.  (Berlin  1880)  und  Inama-Sternegg,  Deutsche  Wirtschafts- 
geschichte I  (Leipzig  1879).  Ohne  Bedeutung  ist:  Nonneraann,  Die  Völker- 
wanderung und  die  Kultur  ihrer  Zeit,  2.  Aufl.,  Leipzig  1892.  —  Von  den  bereits 
genannten  allgemeinen  Werken  kommt  besonders  Strakosch-Grafsmann  in 
Betracht. 


76  Drittes  Kapitel. 

die  bewaffneten  Seharen  der  Markomannen  zum  Angriff  auf  den 
Donaulimes  auszogen,  spielte  sich  das  Leben  der  Germanen,  wie 
die  sehr  zahlreichen  Funde  beweisen,  um  so  intensiver  in  dem 
Lande  zwischen  Kamp  und  March,  also  auf  dem  Gebiete,  das 
zum   Reiche   der   Quaden,    eines    suebischen   Stammes  ^)   gehörte, 


1)  Eudolf  Much,  Die  Herkunft  der  Quaden  (Beiträge  zur  Geschichte  der 
deutschen  Sprache  XX,  20).  An  dieser  Stelle  will  icli  in  Kürze  auf  die  Angaben 
des  P 1 0 1  c  ni  ä  u  s  II ,  24.  25  über  die  Völkerschaften  im  Norden  der  Donau  zu 
sprechen  kommen.  Man  hat  in  ihnen  Keltcnstämme  finden  zu  können  geglaubt, 
es  ist  aber  doch  nicht  anzunehmen,  dafs  dieser  Geograph,  welcher  in  der  ersten 
Hälfte  des  2.  Jahrhunderts  nach  Christi  Geburt  lebte,  Kunde  von  keltischen 
Stämmen  in  jenen  Gegenden  erhalten  haben  konnte.  Eudolf  Much,  Die  Süd- 
mark der  Germanen  (Beiträge  zur  Gesch.  d.  deutschen  Sprache  und  Literatur 
XVII ,  1 ,  1893),  Germanische  Völkernamen  (Zeitschrift  für  deutsches  Altertum 
XXXIX,  20 f.,  1895),  und  insbesondere  Krälicek,  Die  Donauvölker  Alt- 
germaniens  (Jahresber.  d.  deutschen  Oberrealschule  in  Brunn  1896/97)  haben 
denn  auch  wohl  mit  Recht  die  Ansicht  vertreten,  dafs  die  Namen  germanische 
Stämme  bezeichnen  sollen.  Da  sich  nun  aber  diese  Namen  bei  keinem  anderen 
Schriftsteller  finden  und  ihre  Auslegung  geradezu  unlösbare  Rätsel  aufgibt,  so 
boten  sie  von  jeher  ein  beliebtes  Spiel  für  die  Dilettanten.  Ptolemäus  lebte 
fern  von  den  betreffenden  Gegenden  in  Alexandrien  und  schöpfte  seine  Weisheit 
teils  aus  dem  Munde  von  Soldaten  und  besonders  Kaufleuten,  teils  aus  Karten 
und  anderen  geographischen  Werken.  So  war  denn  ein  Verhören  und  Verlesen 
leicht.  Dazu  kommt,  dafs  er  sich  manche  Namen  willkürlich  selbst  gebildet  zu 
haben  scheint  auf  Grundlage  von  anderweitigen  —  für  unsere  Gegenden  vielfach 
keltischen  —  Lokalbezeichnungen.  Der  Nachweis  Kräliceks,  dafs  die  Völker- 
reihe:  Chattoi — Teuriochaimai — Bainochaimoi  identisch  ist  mit  der  westlich 
von  ihr  verlegten  Chaituoroi — Turonoi — Baimoi,  und  dafs  dies  die  Chatten,  Thü- 
ringer (Hermunduren)  und  Markomannen  (nach  Boihaemum)  seien ,  scheint  mir 
gelungen  zu  sein  und  es  ist  —  ohne  auf  seinen  komplizierten  Erklärungsversuch 
eingehen  zu  wollen  —  immerhin  auch  wahrscheinlich,  dafs  die  Parmai  —  und 
Adrabaikampoi ,  die  Kampanwohner ,  nur  aus  dem  keltischen  Flufsnamen  selbst- 
konstruierte Benennungen  der  Quaden  sind.  Die  Terakatriai  sind  demnach  auch 
nur  eine  arge  Verballhornung  einer  Lokalbezeichnung,  die  Ptolemäus  auf  einer 
Karte  fand.  Nur  die  Rakatai  scheinen  tatsäclilich  existiert  zu  haben  —  mög- 
licherweise noch  zur  Keltenzeit,  aus  der  sich  die  Überlieferung  erhielt.  Jeden- 
falls dürfte  mit  ihnen  der  mittelalterliche  Name  für  Raabs  Ragcz  und  die 
tschechische  Bezeichnung  für  ganz  Österreich  Rakous  zusammenhängen.  Zwar 
hat  Heinzel,  Über  die  ostgotische  Heldensage  (Sitzungsber.  d.  k.  Akad.  d. 
Wissensch.  phil.  -  bist.  Kl.  CXIX)  dies  geleugnet  und  die  Ableitung  von  den 
Hradagutans,  den  Goten  des  Radagais,  versucht,  aber  die  örtliche  Verbindung 
mit  diesen   Uefse   sich   wohl  noch   schwerer  herstellen.     Rudolf  Much  a.  a.  0. 


Kulturaustausch  zwischen  Körnern  und  Germanen.  'S! 

oder,  um  die  heutige  allgemein  verständliche  Bezeichnung  zu  wählen, 
im  Viertel  unter  Manhartsberg  ab.  Infolge  seiner  BodenbeschafFen- 
heit  und  seiner  grofsen  Fruchtbarkeit  erwies  sich  dieses  Gebiet 
für  die  Entwickelung  materieller  Kultur,  welche  fast  ausschliefslich 
auf  dem  Ackerbau  beruhte,  sehr  günstig. 

Das  gesegnete  Marchfeld  wurde  so  recht  eigentlich  die  Korn- 
kammer der  oberen  Donaugegenden,  welche  nicht  nur  die  germanische 
Bevölkerung  reichlich  nährte,  sondern  auch,  solange  der  quadische 
Klientelstaat  bestand,  die  Lebensbedürfnisse  der  Garnisonen  der 
römischen  Donaufestungen  Carnuntum,  Vindobona  und  ihrer,  Ka- 
stelle deckte  ^).  Was  die  Art  der  Bewirtschaftung  betrifft,  dürfte 
auch  hier,  wie  bei  den  übrigen  Germanen,  eine  sehr  extensive 
Feldgraswirtschaft  —  d.  h.  der  Boden  wurde  zuerst  als  Acker- 
land erschöpft  und  dann  bis  zur  abermaligen  Ertragsfähigkeit  als 
Viehweide  verwendet  —  geherrscht  und  sich  nur  sehr  spärlich  aus 
dem  Gesamteigentum  das  private  herausgebildet  haben  ^).  Grund- 
lage war  die  Familie,  die  möglichst  gleiche  Verteilung  des  Acker- 
landes entschied  wohl  auch  hier  das  Los.  Der  Hang  der  Germanen 
zu  Trunksucht  und  Spiel  begegnet  auch  bei  den  Quaden.  Sie 
brauten  Bier  und  Met  und  die  vielen  Prismen,  welche  sich  finden, 
weisen  auf  das  leidenschaftlich  betriebene  Brettspiel. 

Bei  den  Quaden  scheint  sich  auch  zuerst  eine  von  der  ur- 
sprüngKchen  und  bei  den  anderen  Germanen  üblichen  abweichende 

hat  sich  auch  gegen  seine  Anschauung  gewendet.  Die  Ausführungen  Miillen- 
hoffs,  Deutsche  Altertumskunde,  besonders  aber  die  Pniowers  im  Anhange 
dazu  sind  wenig  glücklich  und  durch  Much  überholt,  —  Wie  es  auch  um  die 
Yölkernamen  bei  Ptolemäus  stehen  mag,  sie  sind  so  zweifelhaft  und  schwer  zu 
erklären,  dafs  sie  für  eine  historische  Darstellung  kaum  zu  verwenden  sind. 
Diese  wird  sich  nach  wie  vor  an  die  wenigen  sicher  überlieferten  Hauptnameu 
halten  müssen. 

1)  Petrus  Patricius,  Fragm.  6. 

2)  Meitzen  a.  a.  0.  III,  584;  Much,  Über  den  Ackerbau  der  Germanen 
(Mitt.  d.  anthropol.  Gesellsch.  VIII,  203);  vgl.  auch  Gutsche-Schultze  a. 
a.  0. 266.  Dafs  in  dieser  ältesten  Zeit  bereits  Markgenossenschaften  bestanden  haben, 
wird  neuestens,  wie  ich  glaube,  mit  Kecht  angezweifelt.  (Sommerlad,  Die 
wirtschaftliche  Tätigkeit  der  Kirche,  I.  Bd.,  Leipzig  1900,  1.  Kapitel.)  Nebenbei 
gesagt  kommt  man  jetzt  auch  den  Angaben  des  Tacitus,  der  vermutlich  nur 
aus  Nachrichten  über  einzelne  Stämme  starke  Verallgemeinerungen  gemacht  hat, 
mit  gröfserem'  Mifstrauen  entgegen. 


■JS  Drittes  Kapitel. 

Siedelungsweise  entwickelt  zu  haben,  denn  die  ott'ene  Lage  iiires 
Landes  war  den  feindlichen  Angriffen  stets  ausgesetzt;  man  bedurfte 
also  statt  der  zerstreuten  Siedelung  eines  engeren  Zusammenschlusses 
der  Bevölkerung  und  einer  entsprechenden  Befestigung  der  Wohn- 
orte. Aus  den  Friedensschlüssen  der  Jahre  174  und  175  wissen 
wir  von  gröfseren  Ortsanlagen  —  die  römischen  Schriftsteller  be- 
zeichnen sie  sogar  als  Städte,  was  übrigens  nicht  irre  führen  darf — , 
wo  die  Quaden  und  Markomannen  ihre  Versammlungen  und  Märkte 
abzuhalten  pflegten.  Aber  aufserdem  kann  man  noch  heute  die  Reste 
gewaltiger  Umwallungen  und  Befestigungen  sehen,  welche  höchst 
wahrscheinlich  von  den  Gegenmafsregeln  der  Quaden  gegen  die 
Römer,  die  ihnen  wohl  zum  Teil  auch  Lehrmeister  sein  mochten, 
herrühren.  Namentlich  scheint  Stillfried,  wo  sich  an  der  alten 
Bernsteinstrafse  schon  in  vorgermanischer  Zeit  eine  Ansiedelung 
befunden  hat,  eine  ungewöhnlich  mächtige  Festung  der  Quaden 
gewesen  zu  sein  *),  die  selbst  in  friedlichen  Zeiten  reichlich  Raum 
für  2000  Menschen,  bei  Gefahr  in  Verzug  leicht  noch  für  weit 
mehr  geboten  hat,  vermutlich  um  gegen  die  Hauptfestung  der 
Römer,  Carnuntum,  eine  Deckung  zu  bilden.  Im  Markomannen- 
kriege erobert,  wurde  sie  von  den  Römern,  wie  die  gefundenen 
Ziegel  und  anderes  beweisen,  eine  Zeitlang  als  Kastell  benutzt. 
Eine  Stunde  nördlich  an  der  March  zwischen  Grub  und  Dürnkrut 
dürfte  ein  zweites  quadisches  Bollwerk  bestanden  haben.  Ebenso 
finden  sich  auf  dem  Scheibenberg  bei  Kronberg,  auf  dem  Stein- 
und  Leifserberg  ähnliche  Überreste  ^).  Auf  solche  stark  umwallte 
Höhen  zogen  sich  dann  wohl  auch  bei  nahender  Gefahr  die  Be- 
wohner der  Umgebung  zurück. 

Die  Wohnhäuser  der  Quaden  scheinen  im  übrigen  recht  pri- 
mitiv  und    wenig   widerstandsfähig   gewesen  zu    sein.     Es   waren, 


1)  Die  Anlage  soll  sehr  an  die  Beschreibung  der  Festung  der  Aduatuker 
bei  Cäsar,  De  bello  Gallieo  erinnern. 

2)  Freilich  fand  man  an  mehreren  dieser  Orte  auch  römische  Ziegel,  da 
die  Römer  kraft  der  Friedensschlüsse  von  174/75  den  Landstrich  bis  in  diese 
Gegenden  besetzten.  Much  will  auch  bei  Altenburg  („am  Stein")  und  auf  dem 
BraunsVerg  bei  Hainburg  germanische  Befestigungen  erkennen,  die  also  zu  einer 
Zeit,  als  Carnuntum  bereits  verfallen  war,  entstanden  sein  müfsten.  Dagegen 
allerdings  Groller,  Der  römische  Limes  I. 


Kulturaustausch  zwischen  Kömern  und  Germanen.  79 

vielleicht  im  Anschlufs  an  das  alte  keltische  jurtenähnliche  Haus, 
runde  Holzbauten  mit  meist  spitzem  Strohdach  und  Rauchloch  ^). 

Teils  aus  der  vorgermanischen,  teils  aus  der  germanischen 
Zeit  stammen  jene  über  das  ganze  Viertel  unter  Manhartsberg  ^) 
verstreuten  kegelförmigen  künstlichen  Erdhügel  (Tumuli)  —  man 
zählt  bis  jetzt  über  sechzig  — ,  die  im  Volksmunde  als  Leeberge, 
Hausberge,  Hutberge,  Burgstallberge,  nach  dem  Slawischen  auch 
als  Mugeln  bezeichnet  und  von  der  Volksphantasie  in  der  Regel 
mit  versunkenen  Schlössern  in  Verbindung  gebracht  werden.  Es 
sind  entweder  riesige  Fürstengräber  oder  umwallte  Opferstätten, 
welche  bei  Feindesgefahr  Hauptstützpunkte  der  Verteidigung  waren. 
Der  gewaltigste  unter  ihnen  ist  der  Hausberg  bei  Stronegg,  welcher 
eine  Fläche  von  12Ü0Ü  Quadratmeter  Raum  einnimmt.  Nach 
ihm  sind  der  Hornberg  bei  Grofs-Rufsbach  und  die  Tumuli  von 
Obergänserndorf,  Wultendorf  und  und  Geiselberg  zu  nennen  ^). 


1)  So  sind  sie  wenigstens  auf  der  Markussäule  abgebildet.  Ich  möchte 
jedoch  auf  diese  bildliche  Darstellung  nicht  jenes  Gewiclit  legen,  das  ihr  gerade 
in  jüngster  Zeit  Archäologen  beimessen,  denn  der  Künstler,  welcher  die  Säule 
in  Rom  arbeitete,  ist  wohl  kaum  an  Ort  und  Stelle  gewesen  und  hat  vermutlich 
nur  schematische  Figuren  für  Barbaren wohnstätten  liefern  wollen.  Vgl.  Stephani, 
Der  älteste  deutsche  Wohnbau  und  seine  Einrichtung  I,  108  (Leipzig  1902). 

2)  Nur  vier  finden  sich  im  Viertel  unter  dem  Wiener  Walde,  ähnliehe 
Erd werke  wohl  auch  in  Oberösterreich,  besonders  im  Innviertel.  Siehe  Alphons 
Müllner,  Prähistorische  Bauwerke  in  Oberösterreich  (Mitt.  d.  anthropol.  Ge- 
sellschaft XV,  72,  1885).  Sie  könnten  allenfalls  von  anderen  germanischen 
Stämmen  — jene  von  den  Goten,  diese  von  den  Alamannen  — herrühren.  Dafs  die 
doch  sicher  verwandten  Erscheinungen  bald  der  urzeitlichen  Bevölkerung,  bald 
den  Germanen  zugeschrieben  werden,  und  dafs  selbst  römische  Anlagen  damit 
vermengt  werden ,  zeigt  freilich ,  wie  wenig  systematisch  die  Ergebnisse  der 
Einzelforschung  noch  verwertet  worden  sind.  Immerhin  scheint  der  Umstand, 
dafs  wenigstens  in  den  niederösterreichischen  Tumuli  fast  ausschliefslich  Funde 
der  Eisenzeit  gemacht  werden,  die  germanische  Herkunft  zu  bestätigen. 

3)  Dafs  die  eigentümlichen  künstlichen  Höhlen,  welche  in  Nieder  Österreich 
nördlich  der  Donau  bis  nach  Mähren  hinein  als  sogenannte  „Erdställe"  un- 
gewöhnlich zahlreich,  vereinzelt  im  Viertel  unter  dem  Wiener  Wald  als  sogenannte 
„Hauslöcher"  sich  finden  und  auch  anderweitig  vorkommen,  aus  der  germanischen 
Zeit  stammen,  läfst  sich  bei  dem  völligen  Mangel  sicherer  Anhaltspunkte  nur 
vermuten.  Dafür  hat  sich  der  unermüdliche  Erforscher  dieser  Erdställe,  Pfarrer 
Larabert  Karner,  nachdem  er  seine  halbe  Lebenszeit  sich  mit  diesem  Gegen- 
stande beschäftigt  und  die  meisten  dieser  Höhlen  entdeckt  oder  doch  erst  genau 


80  Drittes  Knpitel. 

Über  besondere  Eigenheiten,  wodurch  sich  die  Rehgion  der 
Quaden  von  den  bekannten  mythologischen  Vorstellungen  der  an- 
deren Germanen  unterschied,  ist  nur  wenig  bekannt.  Doch  soll 
—  bezeichnend  für  das  streitbare  Grenzvolk  —  bei  den  Quaden 
das  Schwert  eine  hervorragende  göttliche  Verehrung  genossen 
haben.  Anderes  läfst  sich  vielleicht  aus  Überbleibseln  heidnischer 
Gebräuche  erschliefsen  *).  Eigentümlich  ist,  dafs  es  bei  den  Ger- 
manen eine  Priesterkaste  nicht  gab 

Den  einfachen  Lebensverhältnissen  entsprach  auch  eine  ein- 
fache soziale  Gliederung  und  Verfassung.  Die  Unfreien  besorgten 
die  Bestellung  des  Feldes,  die  Freien  führten  die  Waffen  im  Kriege 
und  auf  der  Jagd;  regelmäfsige  Versammlungen,  den  späteren 
„Dingen"  vergleichbar,  zur  Beratung  der  wichtigsten  Gerichts-, 
Gemeinde-  und  Kriegsangelegenheiten  waren  hier  wie  bei  den 
Kelten  üblich -j;  ein  König  —  eine  Würde,  die  bei  dem  suebi- 
schen  Stamme  zuerst  genannt  wird  —  war  oberster  Richter  und 
Heerführer,  nur  war  seine  freie  Wahl  bei  Markomannen  und 
Quaden  durch  die  Römer  stark  beschränkt  oder  ganz  aufgehoben. 

Diesen  primitiven,  sich  langsam,  aber  auf  gesunder  Grund- 
lage und  aus  unverbrauchter  Volkskraft  entwickelnden  Verhält- 
nissen stand  nun  in  der  römischen  Militärgrenze  eine  im  Vergleich 
dazu  reich  entfaltete  und  mannigfach  differenzierte  Kultur  gegenüber, 


durchsucht  hat,  nach  den  Vermutungen  Kicfslings  und  Muchs,  in  einem 
zusammenfassenden  Aufsatz  (Mitteihingen  der  Zentralkommission  XXV,  139, 
1899)  und  in  seinem  abschliefsenden  Werke  ,, Künstliche  Höhlen  aus  alter  Zeit" 
(Wien  1903)  entschieden.  Eine  Stütze  scheint  die  Stelle  Tacitus,  Germ.  16,  zu 
geben,  wo  von  religiösen  Übungen  in  unterirdischen  Höhlen  die  Rede  ist.  Auch 
P  a  u  s  a  n  i  a  s  berichtet  von  einer  Verehrung  des  Gottes  Tyr  in  Höhlen.  Zuüucht- 
stätten  für  Menschen  scheinen  die  Höhlen  nicht  gewesen  sein ,  viel  eher  könnte 
man  an  Verstecke  für  Eigentum ,  namentlich  für  Getreide  denken.  Über  die 
,. Hauslöcher"  im  Viertel  unter  dem  Wiener  Wald:  Riehl  in  Bl.  d.  Ver.  f. 
Landesk.  XIU,  431,  1879. 

1)  Z.  B.  die  sogenannten  „  Rofsgoschen "  über  der  Türe  der  Bauernhäuser. 
Peez,  Erlebt  —  erwandert  I  (Wien  1898).  Vgl.  auch  Plesser,  Heidnische 
Opfersteine  im  Waldviortel  (Bl.  d.  Ver.  f.  Landesk.  XXI,  43,  1887),  doch  scheinen 
die  für  Opfersteine  erklärten  ausgehöhlten  Felsensteine,  im  Volksmunde  Schalen- 
steine genannt,  eine  Naturbildung  zu  sein. 

2)  Das  ergibt  sich  gleichfalls  aus  den  Friedensschlüssen  nach  dem  Marko- 
mannenkrieg.  —  Vgl.  über  die  Rechtszustände  im  allgemeinen  Waitz  I. 


Kulturaustausch  zwischen  Eömern  und  Germanen.  81 

die  bereits  ihre  Blütezeit  überschritten  hatte  und  schon  die  Krank- 
heitserscheinungen des  inneren  Verfalles  zeigte.  Ihre  Träger  waren 
vornehmlich  die  Soldaten  der  Garnisonen,  besonders  die  Offiziere, 
dann  auch  die  Kauf  leute,  die  den  Legionslagern  folgten  und  sich  die 
grofsen  Heerstrafsen  zunutze  machten.  Es  herrschte  also  nicht  das 
feinsinnige  Leben  der  Hauptstadt,  nicht  ihre  wechselvolle  Üppigkeit, 
nicht  ihre  auserlesene  Kunst,  sondern  es  gab  ein  nüchternes  Garni- 
sonleben, minderwertige  Nachahmungen,  Provinzkunst,  Nützlichkeits- 
anlagen,  die  mehr  dem  praktischen  Bedürfnis  als  dem  Kunstsinn  ent- 
sprangen. Doch  waren  die  römischen  Offiziere  jedenfalls  bestrebt,  sich 
doch  wenigstens  mit  einem  Surrogat  jenes  Luxus  und  Wohllebens 
zu  umgeben,  das  sie  von  Rom  oder  anderen  Städten  des  klassischen 
Bodens  her  gewöhnt  waren.  Nach  den  in  den  Legionslagern,  be- 
sonders in  Carnuntum,  das  ja  den  Mittelpunkt  des  römischen  Lebens 
an  der  oberen  Donau  bildete  und  wo  uns  durch  jahrhundertelange 
Unberührtheit  die  bedeutendsten  und  charakteristischsten  Überreste 
bewahrt  geblieben  sind  ^),  zutage  geförderten  Trümmern  gab  es  dort 
zahlreiche,  sehr  imposante  öffentliche  und  private  Paläste  und 
Tempel,  im  Innern  mit  Mosaikfufsböden  und  Wandmalereien  ge- 
ziert.    Marmor-   und   Bronzestatuen   von    Gottheiten,    Lokalgenien 


1)  Es  kann  hier  nicht  meine  Aufgabe  sein,  die  Gesamtliteratur  der  Eömer- 
funde  in  Nieder-  und  Oberösterreich  zu  geben.  Ich  mufs  diesbezüglich  in  erster 
Linie  auf  die  „Mitteilungen  der  k.  k.  Zentralkommission"  verweisen,  wo  nicht 
nur  zusammenfassende  Aufsätze  zu  finden,  sondern  auch  die  jährlich  neu  auf- 
gedeckten Funde  fallweise  verzeichnet  sind.  Über  die  älteren  Funde  in  Ober- 
■österreich,  um  die  sich  Gaisberger  hervorragend  verdient  gemacht,  siehe 
die  ausgezeichnete,  allerdings  nur  bis  1866  reichende  Übersicht  von  Kenner, 
Archäologische  Funde  im  Lande  ob  der  Enus  (in  den  gen.  „Mitt."  1866).  Über 
Niederösterreich  aufser  den  schon  oben  angeführten  Arbeiten  in  Kürze  auch 
Sacken  in  dem  Abschnitt  „Kunst  und  Altertum"  im  L  Band  der  Topographie 
von  Niederösterreich.  Bezüglich  Carnuntums ,  das  vor  allen  anderen  in  Betracht 
kommt,  siehe  aufser  der  älteren  Arbeit  von  Sacken  (Sitzungsber.  d.  \V.  Ak. 
IX,  660,  1852,  dazu  Bl.  d.  Ver.  f.  Landesk.  X,  309,  1876),  die  Fundberichte  in 
■den  „Archäologisch- epigraphischen  Mitteilungen  aus  Österreich"  und  besonders 
die  seit  1885  erscheinenden  Jahresberichte  des  Vereines  „Carnuntum".  Vgl. 
^uch  die  Literatur  in  der  Einleitung.  ^  Die  besonders  in  jüngster  Zeit  sehr 
zahlreichen  Funde  in  Wien  fanden  eine  umfassende  Verwertung  durch  Kenner 
in  der  „Geschichte  der  Stadt  Wien"  I,  42,  und  in  seinem  Bericht  über  römische 
Funde  in  Wien  1896-1900  (Wien  1900). 

Vancsa,  Geschicbto  Nieder-  u.  Oberösterreichs.  6 


88  Drittes  Kapitel. 

und  Kaisern  schmückten  die  Heiligtümer  und  öflfentlichen  Plätze, 
Porträt-  und  mythologische  Reliefs  die  Grabsteine.  Aber  auch  die 
gewohnten  Genüsse  des  Lebens  wollte  man  in  der  fernen  Garnison 
nicht  missen.  Carnuntum  besafs  sogar  sein  Amphitheater  mit 
einem  Fassungsraum  für  8000  Personen,  wo  vor  dem  Statthalter 
Pannoniens  die  Gladiatoren-  und  Tierkämpfe  stattfanden  ').  Die 
nicht  nur  für  die  Pflege  des  Leibes,  sondern  auch  für  das  gesell- 
schaftliche Leben  der  Römer  so  wichtigen  Bäder  finden  wir  nicht 
nur  bei  Carnuntum,  sondern  auch  in  Vindobona  und  Arelape; 
einige  standen  in  Verbindung  mit  Heilquellen,  die  vermutlich 
von  den  Römern  zuerst  entdeckt  und  benutzt  wurden,  so  aufser 
bei  Carnuntum  (die  Thermen  von  Deutsch  -  Altenburg)  besonders 
zu  Aquae,  dem  heutigen  weltberühmten  Kurort  Baden,  und  zu 
Meidling  bei  Wien.  Den  Bädern  standen  eigene  Kuratoren  vor. 
Sehr  unangenehm  empfanden  die  verwöhnten  Südländer  das  Klima, 
welches  damals  gewifs  noch  bedeutend  rauher  war  als  heute  ^). 
Daher  brachten  sie  in  den  gröfseren  Gebäuden  Luftheizungen, 
sogenannte  Hypokau^ten  an  (Fundstätten :  Carnuntum,  Vindobona, 
Baden,  Enns).  Carnuntum  und  Vindobona  besafsen  auch  Wasser- 
leitungen, wie  solche  übrigens  auch  an  anderen  Orten  bestanden 
haben  dürften,  sowie  Kloaken  und  Kanalisation.  Sogar  das  für 
die  italische  Küche  so  unentbehrliche  Ol  wollten  die  römischen 
Soldaten  nicht  missen,  seine  regelmäfsige  Einfuhr  ist  bis  in- die 
allerletzte  Zeit  des  Bestandes  der  römischen  Herrschaft  bezeugt. 
Ebenso  bezog  man  die  feineren  Weine  aus  dem  Süden  ^).  Auf 
den  Import  war  man  übrigens  auch  bezüglich  der  besseren  Kunst- 
und  Industrieerzeugnisse  angewiesen. 

Im  übrigen  kamen  jedoch  die  Legionen  selbst  sowie  für  alle 


1)  Nach  gütiger  Mitteiluug  des  Herrn  Prof.  Kubitschek  glaubt  man 
jetzt  auch  Spuren  eines  Theaters  und  eines  kleinen  Zirkus  gefunden  zu  haben. 
Die  Existenz  von  Schauspieler-  und  Gladiatorentruppen  ist  aus  anderen  panno- 
nischen  und  binnennorischen  Orten  inschriftlich  bezeugt. 

2)  Wir  wissen,  dafs  Kaiser  Commodus  deshalb  die  Donauarmee  verliefs 
und  dafs  auch  der  Leibarzt  des  Kaisers,  Galenus,  das  Klima  für  zu  rauh  erklärte. 

3)  Bei  Dio  Cassius  49,  36  findet  sich  bezüglich  Pannoniens  die  charakte- 
ristische Stelle,  dafs  der  Gebrauch  des  Öles  und  das  Weintrinken  die  Leute  erst 
zu  wirklichen  Kömern  mache. 


Kulturaustausch  zwischen  Kömern  und  Germanen.  88 

nötigen  Bauten  und  Anlagen  —  die  Ziegel  mit  dem  Legionszeichen 
fehlen  fast  in  keinem  Römerorte  —  auch  für  alle  gewöhnlichen 
gewerblichen  und  industriellen  Arbeiten  nach  Mafsgabe  des  vor- 
handenen Materials  auf.  So  entstanden  eine  Waffenfabrik  zu  Car- 
nuntum,  eine  Schildfabrik  zu  Laureacum,  Töpfereien  zu  Ovilava, 
Joviacum  und  Carnuntum,  eine  Tuch-  und  Mantelfabrik  zu  Car- 
nuntum,  die  sich  sogar  über  die  Legionslager  hinaus  einen  Ruf 
verschafften.  Das  Hinterland  dieser  Römerorte  lieferte  ja  gutes 
und  reiches  Material  an  Eisen,  Wolle  und  dergleichen. 

Dazu  kam  eine  glückliche  Anknüpfung  an  die  einheimische 
Entwicklung.  Für  den  blühenden  Gewerbefleifs  der  Städte  geben 
die  genossenschaftlichen  Vereinigungen,  die  sogenannten  CoUegia, 
Zeugnis,  die  eine  merkwürdige  Ähnlichkeit  mit  den  im  späteren 
Mittelalter  natürlich  ohne  Kenntnis  der  römischen  Institution  und 
ganz  selbständig  entstehenden  Bruderschaften  sich  zum  Zwecke  re- 
ligiöser Übungen  besafsen.  So  sind  in  Cetium  und  Vindobona 
Collegia  der  Schmiede,  in  Carnuntum  ein  coUegium  veteranorum 
centonariorum  nachweisbar,  die  sich  beide  dem  Feuerlöschwesen 
widmeten. 

In  grofsem  Mafsstabe  wurden  die  älteren  Bergbaubetriebe  wieder 
aufgenommen:  einerseits  die  norischen  Eisenwerke,  andrerseits  die 
Hallstätter  Salzbergwerke  ^).  Auch  nach  Gold  soll  (im  Ariberg 
bei  Steg)  geschürft  worden  sein.  Endlich  wurde  auch  die  ein- 
heimische Landwirtschaft  nach  Kräften  ausgenutzt  sowohl  für  den 
Unterhalt  der  Legionen,  als  auch  für  den  Exporthandel.  Neben 
Viehzucht  und  Ackerbau  ragten  schon  damals  Obst-  und  Bienen- 
zucht hervor.  Den  Römern  kommt  das  hohe  Verdienst  zu,  die 
Weinrebe  an  die  Donau  verpflanzt  zu  haben  ^),  und  zwar  soll 
Kaiser  Probus  (276—282)  es  gewesen  sein,  dem  dieser  glück- 
liche Gedanke  kam  und  der  damit  den  Grund  legte  für  den 
Wohlstand  speziell  des  Landes  unter  der  Enns  im  Mittelalter.  Nur 
von  einer  Waldkultur  in  unserem  Sinne  war  zur  Römerzeit  noch 


1)  Vgl.  Kenner,  Die  römische  Niederlassung  in  Hallstatt  (Denkschr.  d. 
Akad.  d.  W.  XLVllI,  1902). 

2)  Für  den  Weinbau  in  unseren  Gegenden  zur  Eömerzeit  spricht  der  Ort 
Ad  Vineas  in  der  Vita  Severini,  ein  Sarkophag  mit  Winzerdarstellungen,  den 
man  bei  Parndorf  fand,  und  andere  mit  Abbüdungen  von  Weintrauben. 

6* 


84  Drittes  Kapitel. 

keine  Rede;  man  deckte  zwar  den  Bedarf  an  Bau-  und  Brenn- 
holz aus  den  ausgedehnten  und  dichten  Wäldern,  aber  an  syste- 
matische Rodungen  dachte  man  noch  nicht,  wie  sich  denn  über- 
haupt der  Römer  selbst  —  der  Soldat  und  auch  der  Veteran  — 
fast  ausschliefslich  in  den  Städten  und  Kastellen  an  den  Heer- 
strafsen  hielt,  im  Innern  des  Landes  sich  jedoch  nicht  ansiedelte 
und  hier  seine  Kräfte  nicht  betätigte,  sondern  dies  der  eingeborenen 
Bevölkerung  überliefs. 

Der  römische  Soldat  trug  mit  seinen  mannigfachen  Bedürf- 
nissen eine  neue  Kultur  ins  Keitenland  und  brachte  die  heimische 
durch  kluge  Ausnutzung  zu  hoher  Blüte.  Der  Händler,  sowohl 
der  Hausierer  als  auch  der  Grofslieferant,  der  den  Spuren  der 
Legionen  folgte,  gewann  einen  nicht  minder  bedeutenden  Einflufs, 
der  auch  noch  weit  über  die  Grenze  des  Reiches  bis  tief  in  das 
Germanenland  wirksam  wurde.  Zwar  der  Bernsteinhandel  auf 
der  alten  Strafse  scheint  nicht  mehr  jene  Bedeutung  gehabt  zu 
haben  wie  zur  Zeit  der  Etrusker  und  der  römischen  Republik. 
Nach  den  keltischen  und  pannonischen  Kriegen  und  nachdem 
die  Donauherrschaft  einigermafsen  gesichert  war,  hatte  man  sich 
allerdings  sofort  der  alten  einträglichen  Verbindungen  mit  dem 
germanischen  Norden  erinnert,  und  unter  Nero  wurde  ein  römischer 
Ritter  von  einem  Unternehmer,  namens  Julian,  zur  Auskund- 
schaftung der  alten  Handelsgelegenheit  entsandt,  und  bereiste  zu 
diesem  Zwecke  von  Carnuntum  aus  ganz  Germanien  bis  zum 
Kurischen  Haff  ^) ,  aber  das  Ergebnis  scheint  doch  ohne  weit- 
reichende Folgen  gewesen  zu  sein.  Der  Wert  des  einst  so  hoch- 
geschätzten Artikels  sank  auf  dem  römischen  Markte  immer 
mehr.  Dagegen  kaufte  mau  stets  gerne  Naturprodukte,  Vieh, 
Häute  und  Felle  und  auch  Sklaven  in  den  germanischen  Län- 
dern, und  die  Erzeugnisse  des  römischen  Kunstgewerbes,  besonders 
Schmuckgegenstände  fanden  bei  den  Germanen  reichlichen  Absatz. 
Nur  die  Ausfuhr  von  W^atFen  in  germanisches  Gebiet  wurde  von 
der  römischen  Regierung  zeitweilig  verboten.  Der  Handel  war 
übrigens  nicht  nur  Tauschhandel,  sondern  die  Germanen  lernten 
durch  die  Römer  auch  das  Münzgeld  kennen  und  schätzen.    So  finden 


1)  Plinius  XXX VIT,  3.  44. 


Kulturaustausch  zwischen  Eömern  und  Gerinansn.  85 

sicli  nicht  nur  römische  Münzen  bis  ziemhch  weit  nach  Norden, 
wohin  kein  römischer  Soldat,  sondern  blofs  der  Händler  vor- 
gedrungen ist,  also  auch  ziemlich  zahlreich  im  Quaden-  und  Marko- 
mannenland, sondern  es  sind  auch  germanische,  darunter  sogar 
speziell  quadische  Münzen  schon  aus  der  Zeit  des  Vannius  erhalten  *), 
die  zur  Erleichterung  des  Verkehrs  nach  römischem  Denarfufs  ge- 
prägt sind.  Doch  war  immerhin  der  Tauschhandel  ohne  Zweifel 
das  Vorheri'schende.  Wie  lebhaft  der  römisch-germanische  Handel 
an  der  Donau  war,  ersehen  wir  wieder  aus  den  Friedensschlüssen 
des  Jahres  174,  worin  die  Regelung  des  Marktverkehrs  unter  rö- 
mischer Aufsicht  einen  wichtigen  Platz  einnimmt.  Die  Zölle,  die  an 
bestimmten  Stationen  erhoben  wurden,  bildeten  eine  wichtige  Ein- 
nahmequelle für  den  Staat,  der  sie  vielfach  verpachtete. 

Bei  dem  Kulturaustausch,  welcher  sich  allmählich  an  der  Donau 
vollzog,  waren  jedenfalls  zunächst  und  in  manchen  Dingen  immer 
die  Kömcr  natürlich  die  Gebenden,  die  Germanen  und  Kelten  die 
Empfangenden.  Von  grofser  Wichtigkeit  wurde  für  diese  Völker  die 
Kenntnis  der  Töpferscheibe,  die  ihnen  erst  die  Römer  vermit- 
telten, wodurch  alsbald  eine  gewisse  Angleichung  an  die  römischen 
Vorbilder,  so  besonders  auch  in  der  Ornamentik  (W^ellenornament) 
stattfand.  Auch  die  lebhaft  betriebene  Weberei  —  die  Germanen 
liebten  schöne  Gewänder  —  wurde  von  den  Römern  beeinflufst. 
Dagegen  blieben  die  Eisenarbeiten  im  Vergleiche  zu  den  reich 
entwickelten  Formen  der  Hallstattperiode  sehr  einfach.  Besonders 
fehlen  die  zahlreichen  Nippgegenstände;  doch  ist  die  Schnalle, 
die  den  gegerbten  Ledergürtel  voraussetzt,  anstatt  der  Fibula 
der  Bronzezeit  charakteristisch.  Im  Schmiedehandwerk  leisteten 
die  Germanen  Vortreffliches,  selbst  in  feineren  Goldschmiede- 
arbeiten ^).  Endlich  geht  auch  die  Anlage  der  Wassermühlen  auf 
die  Römer  zurück,  während  man  früher  das  Getreide  auf  Hand- 
mühlen mahlte. 

Lernten  sonach  die  Germanen  von  den  Römern  eine  aus- 
gebildete Kriegs-  und  Verteidigungskunst,  die  Reize  und  Annehm- 
lichkeiten einer  vorgeschrittenen  Kultur   kennen,    so    war  den  rö- 


1)  Kenner  im  Monatsblatt  der  numismatischen  Gesellschaft  S.  357,  1896. 

2)  Vita  Severini  Kap.  8. 


g(  Drittes  Kapitel. 

mischen  Donauprovinzen  andrerseits  das  Germanenland  als  Korn- 
kammer, als  Absatzgebiet  für  den  Handel  und  als  Rekrutierungs- 
bezirk von  gröfster  Bedeutung,  so  dafs,  wie  wir  gesehen  haben, 
Mark  Aurel  den  geplanten  Abzug  der  Quaden  aus  ihrem  Lande 
mit  Gewalt  verhindern  zu  müssen  glaubte.  Von  den  beiden 
ersteren  Beziehungen  war  schon  die  Rede;  was  aber  die  Rekru- 
tierungen anbelangt,  so  traten  die  Germanen  mit  der  Zeit  immer 
zahlreicher  in  das  römische  Heer,  und  waren  bei  ihren  hervor- 
ragenden kriegerischen  Eigenschaften  und  bei  dem  im  Reiche 
stets  empfindlicher  werdenden  Mangel  an  Menschenmaterial  hoch- 
willkommen. 

Aber  die  Durchdringung  der  beiden  so  verschiedenartigen  Volks- 
elemente wurde  noch  mehr  gefördert  durch  die  eigentümliche  Er- 
scheinung der  Ansiedelung  von  Germanen,  die  man  später  Laeti 
oder  Gentiles  nannte,  auf  römischem  Gebiet.  Wie  wir  wissen, 
mufste  bei  der  Übervölkerung  der  germanischen  Lande  fortwäh- 
rend für  einen  Abflufs  gesorgt  werden.  Alle  Kriege  und  Wan- 
derungen haben  darin  ihren  Grund.  Den  Römei-n,  die  grö- 
fsere  Bewegungen  nach  Kräften  zurückzudämmen  suchten,  waren 
kleinere  Scharen,  die  sie  auf  friedlichem  Wege  durch  Zuweisung 
von  Ländereien  unschädlich,  ja  in  hohem  Grade  nutzbar  machen 
konnten,  nicht  unerwünscht,  denn  die  Bevölkerung  im  Reiche 
und  damit  die  notwendige  Bodenbestellung  ging  ia  der  Kaiserzeit 
rasch  zurück.  Viele  germanische  Abteilungen  wurden  in  Italien 
angesiedelt,  aber  auch  in  unseren  Gegenden,  zwar  nicht  in  dem 
ohnehin  gut  bevölkerten  Noricum,  aber  in  Pannonien,  wo  sogar 
noch  manche  Strecken  wüst  lagen.  Schon  Mark  Aurel  siedelte 
3000  Narisker  oder  Varistor  in  der  Gegend  von  Carnuntum  an  ^). 
Der  Rex  Germanorum  Aistomodius,  der  mit  seinen  Brüdern  Phi- 
lippus  und  Heliodorus  zu  Carnuntum  lebte  und  von  Septimius 
Severus  das  römische  Bürgerrecht  erhielt  ^) ,  gehört  vermutlich 
auch  in  die  Kategorie  dieser  friedHchen  germanischen  Auswanderer. 
Von  einem  Markomannenkönig  Ballomar  erfahren  wir,  dafs  er 
vergeblich   um  Sitze  im  Römerreich   nachsuchte,   dagegen  ist   die 


1)  CIL.  m,  4455. 

2)  Dio  Cassius  71,  21  und  CIL.  lU,  4500. 


Kulturaustausch  zwischen  Kömern  und  Germanen.  87 

Ansiedelung  des  heimatlosen  Markomannenkönigs  Attalus  mit 
seinen  Scharen,  deren  sich  Kaiser  Gallienus  bei  Mediolanum  nur 
mit  grofser  Mühe  erwehrte,  zwischen  dem  Kahlenberg  und  Platten- 
see die  umfangreichste  in  unseren  Gegenden.  Vermutlich  hängt 
es  damit  zusammen,  dafs  in  der  Notitia  dignitatum  zu  Vindo- 
bona  ein  Tribunus   gentis  Marcomannorum  genannt  wird. 

Das  Eindringen  des  germanischen  Elementes  in  die  sefshafte 
Bevölkerung  des  Römerreiches  war  übrigens  nur  einer,  wenn  auch 
der  historisch  bedeutsamste  der  Faktoren  jener  grofsartigen  Völker- 
mischung, die  sich  zwar  auch  in  den  anderen  Grenzprovinzen, 
aber  am  stärksten  an  der  Donau  vollzog.  Waren  doch  die  Ver- 
treter des  Römertums  selbst  zum  grofsen  Teil  nichts  weniger  als 
echte  Römer.  Nach  dem  militärischen  Grundsatz  der  Römer  lagen 
in  den  Donauprovinzen  die  Auxiliartruppen  entfernter  Gegenden: 
a,us  Britannien  und  Thrakien  (besonders  Reiterei),  aus  Spanien, 
Lusitanien  und  vor  allem  aus  dem  Orient.  Sie  alle  brachten 
merkwürdige  nationale  und  Rassengegensätze  in  unsere  Lande, 
freilich  gebändigt  und  aneinandergekittet  durch  die  strenge  militä- 
rische Disziplin,  durch  die  Einheitlichkeit  der  offiziellen  Sprache 
und  nicht  zum  wenigsten  durch  eine  uniformierende  Staatskultur. 
Vertreter  zahlreicher  anderer  fremder  Volkselemente  waren  die 
Händler,  die  sich,  wie  wir  gesehen  haben,  massenhaft  bei  den 
Legionslagern  niederliefsen. 

Ganz  eigentümlich  vollzog  sich  aber  der  Prozefs  der  Roraani- 
sierung,  wie  ihn  der  römische  Staat  durch  die  Truppen  bei  der 
heimischen  Bevölkerung  durchführen  liefs.  Ursprünglich  besafsen 
die  Legionen  kein  Recht  der  Eheschliefsung  (connubium)  mit  den 
Peregrinen,  was  aber  natürlich  zur  Folge  hatte,  dafs  neben  den 
Legionslagern  das  Konkubinat  blühte.  Daher  gestattete  Alexander 
Leverus,  nachdem  es  Septimius  Severus  bereits  angebahnt  hatte, 
das  Konkubinat  für  Auxiliaren  und  Legionäre  ganz  offiziell,  während 
legitime  Frauen  gar  nicht  im  Lager  geduldet  wurden.  Später  im 
Laufe  des  4.  Jahrhunderts  wurde  diese  Bestimmung  dahin  abgeändert, 
dafs  die  Soldaten  im  eigenen  Hause  aufserhalb  des  Lagers  eine 
Gattin  haben  durften.  Die  Auxiliaren  erhielten  bei  ihrem  Ab- 
schied für  sich,  sowie  für  ihr  Weib  und  ihre  Kinder  das  römische 
Bürgerrecht,  später  sogar  für  ihre  Konkubinen  und  deren  Kinder. 


88  Drittes  Knpitol. 

Die  eigentlichen,  gewissermafsen  privilegierten  Träger  der  Romani- 
sierimg  waren  jedoch  die  Veteranen,  die  sich,  wie  wir  gesehen 
haben,  regelmäfsig  bei  den  Lagern  ihrer  alten  Legion  ansiedelten. 
Besonders  wichtig  wurde  eine  von  Alexander  Severus  erlassene 
Verfügung,  wonach  denjenigen  Veteranen,  die  Kinder  hatten,  im 
Grenzgebiete  Land  (fundus),  allenlalls  sogar  Vieh  und  Sklaven  an- 
gewiesen wurden  unter  der  Bedingung,  dafs  sie  ihre  Söhne  wiederum 
dem  Militärdienste  widmeten.  So  sollte  nicht  nur  dem  immer 
empfindlicher  werdenden  Mangel  an  Rekrutierungsmaterial  abgeholfen 
werden,  sondern  es  wurde  auch  eine  eigenartige  Institution  geschaffen, 
die  grofse  Ähnlichkeit  mit  der  in  Osterreich  bis  ins  19.  Jahrhundert 
bestehenden  Militärgrenze  besafs. 

Nimmt  man  dazu  noch  die  freiwillige  Annahme  des  Römer- 
tums  durch  die  Eingeborenen  —  bei  Verleihung  des  Bürgerrechtes 
erhielten  sie  den  Familiennamen  des  jeweiligen  Kaisers  meist  unter 
Beibehaltung  ihres  früheren  Namens  — ,  die  nicht  nur  in  den 
Städten,  sondern  auch  durch  die  Angliederung  des  flachen  Landes 
an  das  Stadtgebiet  ge/ördert  wurde,  so  gewinnt  man  ein  Bild  des 
Romanisierungsprozesses  der  langsam,  aber  sicher  die  einheimische 
Bevölkerung  aufsog.  In  der  Regel  kann  man  ja  doch  annehmen, 
dafs  bei  Mischehen  schon  im  dritten  Grade  die  Romanisierung 
vollendet  hatte  ^),  und  man  darf  nicht  vergessen,  dafs  die  Römer- 
herrschaft in  unseren  Gegenden  fast  ein  halbes  Jahrtausend  ge- 
dauert hat.  Für  diese  Völkermischung  mit  römischer  Tendenz 
kam  seit  dem  dritten  Jahrhundert  die  auch  uns  geläufige  Bezeich- 
nung „Romani"  auf. 

Der  Prozefs  ging  übrigens  nicht  in  allen  Teilen  des  Landes 
gleich  rasch  vonstatten.  Wir  haben  ja  gesehen,  dafs  die  Römer 
am  Flufsufer,  an  den  Heerstrafsen ,  in  der  Niederung  sich  fest- 
setzten, dagegen  in  das  Innere  des  Landes,  in  die  Seitentäler  und 
das  Gebirge  nicht  vordrangen.  So  erklärt  es  sich  auch,  dafs  wir 
nur  dort  auf  zahlreiche  Römerfunde  stofsen,  im  Innern  des  Landes 
aber  nicht. 

Die    fremden    Religionen    gehörten    neben    Sitten    und    Ge- 


1)  Das  Militärdiplom   aus   der  Gegend   von  Petronell   aus   dem  Jalire  114 
(C  I  L.  III,  Dipl.  26)  ist  ein  gutes  Beispiel  für  diesen  Komanisierungsprozcfs. 


Kulturaustausch  zwischen  Römern  und  Germanen.  89 

brauchen,  sowie  dem  wirtschaftlichen  Leben  zu  jenen  Dingen,  in 
welche  die  uniformierende  römische  Staatsgewalt  nicht  einzugreifen 
pflegte.  Sie  suchte  sie  höchstens  mit  den  römischen  Einrichtungen 
zu  verbinden.  Die  fremden  Gottheiten  wurden  einfach  mit  un- 
gefähr entsprechenden  römischen  identifiziert  und  genossen  dann 
offizielle  Duldung.  Die  Kultusangelegenheifen  besorgten  nicht 
nur  die  Priester  (es  werden  Sacerdotes,  Flamines,  Augurn  und 
Pontifices  in  unseren  Gegenden  genannt),  sondern  auch  die  bereits 
erwähnten  Kollegien,  die  sich  besonders  des  Begräbniswesens 
annahmen  *).  Durch  die  Soldaten  wurden  Kulte  ferner  Lande, 
besonders  des  Orients,  an  die  Donau  verpflanzt:  Isis,  Serapis, 
Bai  (als  Jupiter  Baalbeck),  Jupiter  Dolichenus  und  insbesondere 
der  persische  Mithras.  Letzterem  waren  um  Carnuntum  allein 
fünf  grofse  Höhlen  geweiht,  und  noch  im  Jahre  307,  als  die  vier 
Monarchen  des  Römerreiches  hier  weilten,  liefsen  sie  das  Mithräum 
in  Carnuntum  neu  herstellen.  —  In  ähnlicher  Weise  erhielten  sich 
bei  den  Eingeborenen  die  alten  keltischen  Gottheiten  mit  leiser 
römischer  Umformung. 

Auch  sonst  bheb  immerhin  noch  ein  Rest  von  keltischem 
Volkstum  übrig,  das  bei  der  Gestaltung  der  Kultur  in  den  Donau- 
gegenden einen  gewissen  Einflufs  gewann.  Die  plumpen  barba- 
rischen Formen  der  Nachahmungen  römischer  Vorbilder  in  der 
Kunst,  die  ungelenke  Poesie  der  Grabinschriften  deuten  auf  hei- 
misches Fabrikat.  Endlich  wirkte  auch  die  Sprache,  obwoiil  sie 
allmählich  bis  auf  Namen  ausstarb,  auf  die  römische  Umgangs- 
sprache ein,  und  es  bildete  sich  ein  romanischer  Dialekt  heraus, 
der  sich  noch  in  den  späteren  Inschriften,  in  den  Ortsbezeichnungen 
der  Tabula  und  sogar  in  dem  Werke  des  Mönches  Eugippius,  der 
sich  viele  Jahre  in  unseren  Gegenden  aufgehalten  hatte,  der  Vita 
Severini,  erkennen  läfst  ^). 

Die  hochentwickelte  Kultur  der  Römer  waltete  segensreich, 
solange  sie  nicht  ausartete  und  solange  sie  ihre  Träger  nicht  ent- 

1)  Aufser  den  oben  (S.  83)  genannten  Kollegien  wären  hier  noch  CoUegia 
des  Hercules  und  der  Diana  zu  Cetium  und  ein  CoUegium  invenum  zu  Laureacura 
anzuführen. 

2)  Sogar  deutsche  Worte  dringen  ein  z.  B.  „habitaculum,  quod  burgus 
appelabatur"  (Vita  Severini). 


90  Drittes  Kapitel. 

nervt  hatte;  die  scharf  ausgeklügelten  römischen  Einrichtungen 
waren  mächtig,  solange  sie  eine  starke  und  weise  Zentralgewalt 
lenkte  und  zeitweilig  erneute  und  solange  sie  nicht  mifsbraucht 
wurden.  In  beiden  Richtungen  liefs  sich  jedoch  der  Verfall  trotz 
vorübergehender  Besserung  nicht  aufhalten.  Wir  sind  leider  über 
die  wirtschaftliche  Lage  der  Provinzen,  speziell  der  unseren,  nur 
sehr  unvollkommen  unterrichtet  *),  aber  gewifs  gab  es  auch  hier 
eine  soziale  Frage,  bildeten  sich  auch  hier  krasse  Gegensätze  der 
Bevölkerungsklassen  heraus.  Freilich  wissen  wir  über  den  Bauern- 
stand so  gut  wie  nichts,  aber  jedenfalls  war  er  auch  hier  ein 
Opfer  jenes  Ausbeutungssystems  grofser  Unternehmer,  das  wir  aus 
anderen  Gegenden  in  jener  Zeit  kennen.  Die  grofsen  Städte  gingen 
langsam  zugrunde,  nur  die  kleineren,  deren  Bewohner  zugleich 
Ackerbau  betrieben,  hielten  sich  noch  einige  Zeit.  Die  finanzielle 
Ausbeutung  der  Provinzen  begann  übrigens  schon  mit  Caracalla, 
der  im  Jahre  212  allen  Provinzialen  das  Bürgerrecht  verlieh, 
wodurch  ihnen  allen  die  gleichen  Lasten  der  römischen  Bürger, 
von  denen  sie  vordeüi  befreit  waren,  auferlegt  wurden.  Welch 
sinnreiches  Steuersystem  seit  Konstantin  ausgebildet  wurde,  haben 
wir  schon  oben  gesehen.  Der  Pauperismus  wurde  schliefslich  so 
grofs,  dafs  die  einzelnen  Gemeinden  selbst  umfassende  Vorkeh- 
rungen für  die  Armenpflege  treffen  mufsten,  um  nicht  die  Be- 
völkerung völlig  zugrunde  gehen  zu  lassen.  Dafs  unter  diesen 
Umständen  an  eine  Entwickelung  der  Kunst,  an  einen  Fortschritt 
der  materiellen  Kultur  nicht  mehr  zu  denken  war,  ist  selbst 
verständlich. 

Nun  vergleiche  man  mit  dieser  kläglichen  Dekadenz  die  un- 
gebrochene Kraft,  den  emporstrebenden  Entwickelungsgang  des  Ger- 
manentums! Die  einfachen  sozialen  und  wirtschaftlichen  Verhältnisse, 
die  bei  den  Germanen  herrschten,  hatten  noch  keinen  inneren  Zwie- 
spalt, keinen  tieferen  Gegensatz  zwischen  Herren  und  Unterdrückten, 
zwischen  Besitzenden  und  Besitzlosen  gezeitigt;  bei  ihrer  Bedürfnis- 
losigkeit und  ihren  patriarchalischen  Sitten  vermochten  sie  der 
entnervenden   und   demoralisierenden   Überkultur   ihrer   Nachbarn 


1)  Für  unsere  Gegenden  sind   wir  lediglich  auf  die  Vita  Severini  aus  der 
Schlufsperiode  der  Römerherrschaft  angewiesen. 


Das  Ende  der  Eömerherrschaft  an  der  Donau.  01 

zu  widerstehen ;  keine  Korruption,  keine  raffinierten  Laster  hatten 
die  gesunde  Kraft  des  Volkes  untergraben,  Körperstärke  und 
kriegerischer  Mut  machten  sie  den  schwächlichen  und  verweich- 
lichten Römern  weit  überlegen  und  endlich,  was  ganz  besonders 
ins  Gewicht  lallt,  die  Volkszahl  der  Germanen  war  in  rascher 
Zunahme  begriffen,  während  die  der  Römer  ebenso  rapid  zurück- 
ging. Es  ist  daher  kein  Wunder,  wenn  allmähhch  das  germanische 
Element  das  Dominierende,  das  Gebende  wurde  und  sich  der 
Kulturaustausch  und  das  Kräfteverhältnis  an  der  Donaugrenze 
im  Gegensatz  zu  der  Gestaltung  der  Dinge  in  den  ersten  Jahr- 
hunderten zuungunsten  der  Römer  verschob. 

Wenn  gleichwohl  das  Römertum  nicht  schneller,  als  es  ge- 
schehen ist,  durch  die  germanischen  Völkerfluten  hinweggeschwemmt 
wurde,  so  ist  der  Grund  dafür  vielleicht  weniger  in  der  römischen 
Politik  und  in  der  Nachwirkung  der  einst  so  ausgezeichneten  Organi- 
sation der  Grenzlande,  als  vielmehr  auf  Seiten  der  Germanen  selbst 
zu  suchen.  Die  Bewegung  der  Wanderungszeit  hatte  sie  einerseits 
aus  ihrer  fortschreitenden  Entwickelung  herausgerissen;  die  ein- 
zelnen Stämme,  unter  sich  uneins,  ja  vielfach  miteinander  ver- 
feindet, hemmten  sich  gegenseitig,  so  dafs  sie  keinen  entscheidenden 
Schlag  gegen  die  Römer  zu  führen  vermochten ;  andrerseits  waren 
sie  sich  ihrer  Ki'aft  keineswegs  bewufst  und  liefsen  sich  von  der 
überlegenen  Kultur  der  Römer  viel  zu  sehr  imponieren. 

Seit  Konstantin,  dessen  weitreichender  politischer  Blick  die 
Bedeutung  der  Germanen  voll  erkannt  haben  mochte  und  der 
sie  daher  unter  Benutzung  ihrer  Charaktereigenschaften  und  ihres 
Strebens  vielleicht  noch  auf  friedlichem  Wege  dem  Reiche  dienst- 
bar und  so  unschädlich  zu  machen  hoffte,  gewann  die  Aufnahme 
der  Germanen  nicht  nur  als  Truppen,  sondern  auch  in  die  leiten- 
den Stellen  als  Offiziere  und  höhere  Beamte  immer  gröfsere  Aus- 
dehnung, während  man  gleichzeitig  die  einzelnen  Stämme,  die 
eine  dauernde  Beunruhigung  der  Grenze  und  Gefährdung  des 
Reiches  bildeten,  durch  allerlei  Verträge  und  Landabtretungen  in 
Frieden  und  Freundschaft  zu  halten  suchte.  Das  Verbot  der 
Mischehen,  das  um  370  Kaiser  Theodosius  erliefs,  vermochte  den 
Prozefs  nicht  mehr  zu  verhindern  *). 

1)  Über  die  letzte  Phase  der  Beziehungen  zwischen  Germanen  und  Körnern 


93  Drittes  Kapitel. 

Was  nun  unsere  Gegenden  betrifft,  so  gingen  sie  kurz,  nach- 
dem hier,  wie  wir  gesehen  haben,  durch  Kaiser  Valentinians  Tod 
die  mihtärisclie  Herrschaft  ihr  P]nde  erreicht  hatte,  eigenthch  ganz, 
wenn  auch  zunächst  nur  vorübergehend,  für  das  Imperium  verloren 
oder  wurden  wenigstens  für  ungefähr  anderthalb  Jahrzehnte  von 
Italien  abgeschnitten  und  von  den  Scharen  der  Westgoten  besetzt. 
Nominell  gehörten  damals  Noricum  und  Pannonien  zu  dem  west- 
römischen Reiche,  das  seit  dem  Tode  des  Kaisers  Theodosius  (395) 
endgiltig  von  Ostrom  getrennt  war.  Die  Regierung  führte  tat- 
sächhch  nicht  der  unmündige  Sohn  des  Theodosius,  Honorius, 
sondern  Stilicho,  bezeichnenderweise  ein  Vandale  von  Geburt.  Er 
vermochte  die  Alpenländer  nicht  zu  behaupten,  sondern  mufste  alle 
Kräfte  aufbieten,  um  sich  während  der  Jahre  400  bis  405  des 
doppelten  Ansturmes  der  Westgoten  unter  Alarich  und  der  Ost- 
goten unter  Radagais  wenigstens  in  Italien  zu  erwehren.  Zu  einer 
formellen  Abtretung  von  Pannonien,  Noricum  und  Rhätien,  die 
Alarich  allen  Ernstes  forderte,  kam  es  jedoch  nicht. 

Dagegen  vollzog  'sich  im  Jahre  405  auch  im  Norden  der 
Donau  ein  Wechsel  der  Bevölkerung,  nachdem  die  germanischen 
Nachbarn  der  Römer  sich  durch  vier  Jahrhunderte  unter  mannig- 
fachen Schicksalen  behauptet  hatten.  Der  unerträgliche  Druck, 
den  die  nachrückenden  Völkerschaften  ausübten,  und  besonders 
die  Furcht  vor  den  übermächtigen  Goten  trieben  eine  Reihe  von 
Stämmen  dazu,  von  ihren  Sitzen  an  der  Donau  aufzubrechen  und^ 
als  Stilicho  zum  Zwecke  der  Verteidigung  Italiens  Gallien  von 
Truppen  entblöfste,  in  dieses  Land  einzufallen.  Den  Vandalen 
und  Alanen  schlössen  sich  auch  die  Quaden  an  ').  In  das  frei- 
gewordene Gebiet  der  letzteren  zogen  die  Rugier  ein,  die  vordem 
an  der  Ostsee  safsen. 

In  Noricum  jedoch  wurde  die  römische  Herrschaft  nach  Ala- 
richs  Tode  (410)  durch  den  energischen  Statthalter  Generidus 
noch  einmal  wiederhergestellt,   und  es  folgte  nochmals  eine  kurze 


in  den  Donaugegenden  vgl.  Jung,  Die  Germanen  an  der  Donau  und  das 
römische  Eeicli  (ZS.  f.  allg.  Geschichte,  Kultur-,  Literatur-  und  Kunstgesch. 
U,  481,  1885). 

1)  In    einem  Brief  des   heiligen   Hieronymus  aus  dem  Jahre  409    werden 
auch  ausdrücklich  die  Quaden  unter  den  Plünderern  Galliens  genannt. 


Das  Endo  der  Röuierlierrscbaft  an  der  Donau.  93 

Periode  des  Friedens,  der  letzte  Lichtblick  für  die  Romanen 
in  diesen  vielbedrohten  Grenzlanden.  Pannonien  wurde  im  Jahre 
427  von  dem  weströmischen  Kaiser  Valentinian  III.  an  Ostrom 
abgetreten. 

Doch  schon  stand  das  wilde  mongolische  Reitervolk  der 
Hunnen,  das  bereits  im  vierten  Jahrhundert  an  der  Wolga  er- 
schienen war  und  den  Anstofs  zur  beständigen  Völkerbewegung 
von  Osten  nach  Westen  gegeben  hatte,  drohend  in  der  Theifs- 
«bene,  und,  als  es  sich  am  434  mit  Heranziehung  anderer  kleiner 
und  schwacher  Völkerstämme  unter  Attila  konsolidierte,  war  Pan- 
nonien verloren,  und  mit  der  Ruhe  der  Nachbarprovinzen  war  es 
vorbei.  Mit  Attila  trat  der  kühne  und  zügellose  Ei'oberer  auf 
den  Plan,  der  für  zwei  Jahrzehnte  den  Schrecken  Mitteleuropas, 
das  doch  wahrlich  in  jenen  Zeitläuften  an  Schrecken  gewöhnt  war, 
bildete  und  für  alle  kommenden  Jahrhunderte  den  Namen  der 
Hunnen  zu  dem  Inbegriff  aller  Gräuel  der  Verwüstung  und  des 
Krieges  machte. 

Wir  sind  leider  bezüglich  der  Ereignisse  in  den  Alpenländern 
für  diesen  Zeitabschnitt  so  gut  wie  gar  nicht  unterrichtet,  so  dafs 
es  sich  nicht  einmal  feststellen  läfst,  welchen  Weg  Attila  im  Jahre 
451  bei  seinem  letzten  grofsen  Heereszug  nach  GalHen,  an  dem 
auch  viele  der  kleinen  germanischen  Stämme,  so  z.  B.  auch  die 
Rugier,  teilnahmen  und  wobei  auch  die  Markomannen  und  Quaden 
zum  letzten  Male  in  der  Geschichte  genannt  werden,  eingeschlagen 
hat.  Man  kann  nur  vermuten,  dafs  es  der  längs  der  Donau  ge- 
wesen ist,  und  dafs  Noricum  wohl  auch  in  Mitleidenschaft  gezogen 
wurde;  doch  dürften  die  Verheerungen  hier  nicht  allzu  schwer 
gewesen  sein,  da  wir  kurz  nachher  ungefähr  denselben  Bestand 
finden,  wie  ihn  um  die  Wende  des  Jahrhunderts  die  Notitia  digni- 
latum  gezeigt  hatte. 

Nach  dem  Zusammenbruch  des  liunnenreiches,  der  unmittel- 
bar nach  dem  plötzlichen  Tode  Attilas  im  Jahre  454  eintrat,  teilten 
sich  die  germanischen  Stämme  in  das  Erbe  und  zerbröckelten 
die  Reste  der  römischen  Provinzen,  die  von  den  Römern  zwar 
noch  nicht  geräumt,  aber  tatsächlich  aufgegeben  und  ihrem  Schick- 
sal überlassen  waren. 

Die    Ostgoten    liefsen    sich    um    457    Pannonien   von    Ostrom 


94  Drittes  Kapitel. 

förmlich  abtreten,  und  unsere  Gegenden  von  Asturis  oberhalb 
Vindobona  bis  zum  Plattensee  fielen  bei  der  Teilung,  welche  die 
drei  Sohne  des  Vandalari  untereinander  vornahmen,  dem  Thiudemer,. 
dem  Vater  Theoderichs  des  Grofsen,  zu. 

Im  ehemaligen  Quadenlande  zwischen  dem  Nordwalde  und 
der  Marcli  setzten  sich  die  Rugier,  als  deren  König  damals  Flac- 
citheus,  später  dessen  Sohn  Feletheus  mit  dem  Beinamen  Feva 
genannt  werden,  nunmehr  dauernd  fest.  Ihre  östlichen  Nachbarn 
waren  die  Heruler,  im  Westen  safsen  Sueben,  speziell  westÜch  vom 
y|  Inn  die  Alamannen,  nördlich  von  ihnen  die  Thüringer. 

Noricum  ')  hatte  durch  die  Auflösung  des  Hunnenreiches  nicht 
nur  nichts  gewonnen,  sondern,  immer  enger  von  den  germanischen 
Stämmen   eingeschlossen,    war   seine   Lage   schier   verzweifelt  ge- 
worden.   Wenn  die  romanische  Bevölkerung  hier  überhaupt  noch 
ausharrte,  so  geschah  dies,  abgesehen  von  der  Liebe  zur  Scholle, 
j  vielleicht   um  jener  Scheinfreiheit   willen,   die  sie  genossen,   denn 
1  auch  auf  die  Verwaltung  besafs  die  Zentralregierung  keinen  Ein- 
I  flufs  mehr  —  der  letzte  Statthalter  von  Noricum,  Primitus,   wird 
i  448   am   Hofe   Attilas   genannt  — ,  und    so   waren  die    Bewohner 
auch   von   dem   argen   Steuerdruck   befreit.      Der  Zusammenhang 
mit  dem  Imperium  wurde  lediglich  insofern  gewahrt,   als  sie  den 
jeweihgen  Kaiser  offiziell  anerkannten,  wie  wir  dies  bezüglich  Odo- 
akers  wissen.    Im  übrigen  waren  hier  aber  selbst  politische  Flücht- 
hnge  sicher.     Sold  an   die  Truppen   wurde   von  Italien   aus  nicht 
mehr  gezahlt,  das  bifschen  bewafi'nete  Macht,  die  hier  noch  stand, 
vermochte  kaum  dem  Räuber unwesen  zu  steuern.     Dagegen  blieb 
der  private  Verkehr  noch  aufrecht :  auf  den  Strafsen  konnten  noch 
Briefe  und  Waren,    besonders   das  für  die   verwöhnten  Südländer 


1)  Die  Schilderung  der  Zustände  Noricums  am  Ausgange  der  Römerzeit 
entnehme  ich  ausschliefslich  der  Vita  Severini  des  Eugippius  (siehe  Einleitung), 
die  ja  überhaupt  die  einzige  Quelle  für  die  österreichischen  Länder  in  jener 
Zeit  ist.  Ich  glaube  mir  daher  die  Zitate  zu  jedem  einzelnen  Satze  ersparen 
zu  dürfen.  Vgl.  dazu  Sommerlad,  Die  Lebensbeschreibung  Severins  als  kultur- 
geschichthche  Quelle  (Leipzig  1903).  Nicht  benutzt  habe  ich:  Sv  Severin,  apostol 
Norüa  a  rakouske  zme  podunajske  za  Theodoricha  ostrogotskeho  [Der  hl.  Severin, 
Apostel  von  Noricum,  und  die  österreichischen  Donauländer  zur  Zeit  Theoderichs 
des  Ostgoten]  (Progr.  d.  Staatsgj'ran.  za  Prerau  1901/2). 


Das  Ende  der  Kömerherrschaft  au  der  Donau.  95 

SO  unentbehrliche  Ol,  nach  wie  vor  befördert  werden  ^),  sogar 
Kranke  aus  dem  fernen  Italien  suchten  noch  Heilung  in  den  no- 
rischen  Thermen.  Freilich  die  wohlhabenden  Leute  waren  schon 
längst  von  hier  ausgewandert,,  nur  eine  arme  Kolonenbevölke- 
rung  war  zurückgeblieben  und  zog  sich,  um  nur  Deckung  vor 
den  feindlichen  Überfallen  zu  finden,  innerhalb  der  Stadtmauern 
zusammen.  Unter  dem  Schutze  der  Waffen,  durch  eigene  Späher 
von  dem  etwaigen  Anzug  der  Feinde  benachrichtigt,  mufsten  sie 
den  Boden  bestellen  und  ihren  Unterhalt  gewinnen.  Die  alten 
blühenden  Städte,  wie  Cetium  oder  Ovilava,  waren  schon  längst 
verfallen,  andere  kleine  Orte  waren  an  Stelle  der  früheren  Römer- 
kastelle zu  einer  bescheidenen  Bedeutung  gelangt,  so  namentlich 
Favianis  (Mautern)  ^)  an  der  Donau,  Asturis  und  Comagenae.  Eine 
gewisse  dominierende  Stellung  scheint  Laureacum,  seinerzeit  die 
letzte  der  grofsen  militärischen  Gründungen  Roms  an  der  Donau, 
eingenommen  zu  haben. 


1)  Die  letzten  römischen  Münzen  unserer  Gegenden  stammen  aus  dem  Jahre472. 

2)  Die  Frage  nach  der  Örtlichkeit  von  Favianis  gehörte  einst  zu  den  be- 
rühmtesten Streitfragen  der  österreichischen  Geschichte.  Auf  dem  Gewissen  hat 
sie  Otto  von  Freysing,  welcher  zu  einer  Zeit,  als  die  Errichtung  eines  Bistumes 
in  Wien  eifrig  erwogen  wurde ,  Favianis  mit  Wien  identifizierte ,  um  für  das 
Alter  der  Wiener  Kirche  einen  Beleg  zu  gewinnen.  Dann  brachte  man  den 
Ort  Sievering  mit  dem  heiligen  Severin  in  Verbindung,  trotzdem  die  uralte  Kirche 
dieses  Ortes  dem  heiligen  Johannes  geweiht  war,  und  nun  liefs  der  Lokalpatrio- 
tismus nicht  mehr  von  dieser  Legende  ab.  Erst  nach  der  Mitte  des  19.  Jahr- 
hunderts wurde  von  der  ernsten  Geschichtsforschung  trotz  '  einiger  eigensinniger 
Nachzügler  die  Identität  entschieden  zurückgewiesen.  Um  so  eifriger  entbrannte 
nun  der  Streit  über  die  Örtlichkeit.  Aschbach  trat  für  Traismauer,  Mommsen 
für  Mauer-Öhling  an  der  Url  ein.  Auf  Mautern  hat  zuerst  Alois  Hub  er,  Ge- 
schichte der  Einführung  und  der  Verbreitung  des  Christentumes  in  Südost- 
deutschland I  (1874),  hingewiesen,  freilich,  wie  dies  in  seiner  Art  lag,  mehr  in- 
tuitiv, als  wissenschaftlich  begründet.  Erst  Kämmel  hat  diese  Begründung 
versucht  (Anhang)  und  Kenner  hat  sie  in  seiner  Studie  „Favianis"  (Ber.  u. 
Mitt.  d.  Altertumsver.  XIX,  49,  1880),  welcher  1882  noch  eine  Polemik  gegen  den 
slawischen  Historiker  Sembera,  der  nochmals  die  alte  Hypothese  Favianis — 
Wien  aufwärmen  wollte,  ,, Favianis,  Wien  und  Mautern"  (Bl.  d.  Ver.  f.  Landesk. 
XVI,  3,  1882)  folgte,  in  umfassender  und  glücklicher  Weise  durchgeführt.  Seit- 
dem wird  an  der  Identität  Favianis — Mautern  von  niemandem  mehr  gezweifelt. 
Eine  nochmalige  Zusammenfassung  der  ganzen  Frage  und  ihrer  Schicksale  lieferte 
Kenner  in  der  „Geschichte  der  Stadt  Wien"  I,  152. 


96  Drittes  Kapitel. 

Die  Roinancu  lebten  gewissermalsen  von  der  Germanen  Gnaden, 
die  sich  in  gegenseitiger  Eifersucht  in  Schach  hielten,  aber  diese 
Lande,  obwohl  deren  Ergiebigkeit  bereits  sehr  gelitten  hatte,  als 
willkommenes  Brandschatzungsgebiet  betrachteten.  Wir  wissen 
von  einem  grofsen  Beutezug  des  Gotenkönigs  Thiudemer  donau- 
aufwärts  bis  zum  Inn ,  der  zugleich  dadurch  ein  gegen  ihn  ge- 
richtetes Bündnis  der  übrigen  Donaugermanen,  Sueben,  Skiren, 
Gepiden  und  Rugier,  brach.  Später  erfolgte  eine  Invasion  der 
Alamannen  in  umgekehrter  Richtung;  ihnen  unter  König  Huni- 
raund  fiel  auch  Passau  zum  Opfer,  worauf  die  Bewohner  die  ge- 
fährdete Grenzstadt  völlig  räumten  und  nach  Laureacum  aus- 
wanderten, nachdem  schon  früher  die  Bewohner  von  Quintanis 
(Künzing)  sich  nach  Passau  geflüchtet  hatten.  Auch  die  Thüringer, 
die  nördlichen  Nachbarn  der  Alamannen,  zählton  zu  den  Plün- 
derern. Die  Heruler  drangen  von  der  March  bis  Joviacum 
(Schlögen  in  Oberösterreich)  voi',  die  Rugier  zerstörten  Asturis  an 
der  pannonischen  Grenze. 

Ohne  genügenden  Truppenschutz,  vordem  nie  an  Selbständig- 
keit und  Selbstverteidigung  gewöhnt,  kamen  die  Romanen  Nori- 
cums  endlich  so  weit,  sich  unter  die  Schutzhoheit  eines  der 
Gerraanenstärarae  zu  stellen.  Sie  vertrauten  sich  den  Rusriern 
an,  die  am  wenigsten  gefürchtet  waren  und  sogar,  nachdem 
sie  sich  im  Norden  des  Landes  festgesetzt  hatten,  wonach  dieses 
Gebiet  in  gleichzeitigen  Quellen  als  Rugiland  bezeichnet  wurde  ^), 
freundnachbarliche  Beziehungen,  namentlich  einen  regen  Han- 
del, mit  ihnen  unterhielten.  Die  entarteten  Nachkommen  des 
einst  so  mächtigen  Herrschervolkes  der  Römer,  von  Germanen 
gegen  andere  Germanen  geschützt,  das  ist  eine  eigenartige  L'onie 
der  Weltgeschichte!  Die  Rugier  übernahmen  den  bewaffneten 
Schutz  gegen  Leistung  von  Abgaben.  Schliefslich  hielten  es  so- 
gar die  Bewohner  von  Laureacum  für  geraten,  sich  auf  Ein- 
ladung des  Rugierkönigs  Fava  unter  dessen  Schutz  nach  Favianis 
zu  begeben. 

In  diesen  Tagen  der  Not  und  der  Erniedrigung  fanden  die 
Romanen    nicht    nur    Trost,    sondern    auch    werktätige    Hilfe    im 


1)  M.  G.  SS.  rer.  Langob.  3,  8;  57,  221. 


Das  Ende  der  Eömerherrschaft  an  der  Donau.  07 

Christentum  ^).     Das  Christentum    ist    zuerst   durch  die   römischen 
Soldaten    aus    dem  Orient  in    die  Legionslager  an    der  Donau  ge- 
bracht worden,  spielte  aber  anfänglich  gegenüber  der  ausgedehnten 
Verehrung,  die  dem  semitischen  Bai  und  besonders  dem  persischen 
Mithras  zuteil  wurde,  eine  ganz  untergeordnete  Rolle,  so  dafs  sich 
aus  vorkonstantinischer  Zeit  hier  keine  christlichen  Denkmäler  mit 
Sicherheit    nachweisen    lassen.      Erst    die    umfassende   Verfolgung 
unter  Diokletian  förderte    auch    hier    die  Tatsache  zu  Tage,    da'^s 
das   Christentum    überall   im    weiten    Römerreiche   seine    Bekenner 
wählte.     Konstantin    der  Grofse  erst  war   weitbHckend  genug,  um 
auch   in    diesem  Punkte    das  Richtige    zu  erkennen   und   den  ent- 
gegengesetzten Weg  einzuschlagen,  indem  er  das  Christentum  zur 
ausschliefslich  anerkannten  Religion  erhob.     Nun  erst  kam  es  zur 
Gründung  von  Gemeinden  und  zu  ihrer  Einghederung  in  die  kirch- 
liche Organisation,    so    dafs    die  Kirchenprovinz  Noricum    auf  der 
Synode  von  Sardica  343 — 344  bereits  vertreten  sein  konnte.    Das 
Heidentum    war    aber    deshalb    noch    keineswegs    verdrängt;    im 
Gegenteil  wurden  während  des  4.  Jahrhunderts,  in  dessen  Verlaufe 
ja    auch    bei   der  Zentralgewalt    noch    Rückschläge    erfolgten,  die 
Heiligtümer  der  heidnischen  Götter  in   unseren    Gegenden  benutzt 
und  erneuert.     Erst  Theodosius   verbot   das  Heidentum,    und    erst 
nach   dieser  Mafsregel   verfielen    dessen  Heiligtümer,    doch    hat  es 
noch    immer    auch  in  der   folgenden  Zeit    seine  Anhänger  gehabt, 
und   selbst  in   den  Tagen  Severins,    als   die   romanischen  Donau- 
gegenden   schon    völlig   christianisiert  waren,    regte    sich  hier  und 
da,  z.  B.  zu  Cucullae,  noch  heidnische  Feindseligkeit. 


1)  Die  wenigen  Nachrichten,  die  wir  vor  der  Zeit  Severins  über  das  Christen- 
tum in  unseren  Gegenden  besitzen,  boten  für  Hypothesen  und  Legendenbildungen 
ein  weites  Feld.  Nach  der  trefflichen  Untersuchung  von  Glück,  Die  Bistümer 
JNoricums,  besonders  das  lorchische,  zur  Zeit  der  römischen  Herrschaft  (Sitzungsber. 
d.  k.  Akad.  d.  Wissensch.  XVH,  60 f.,  1855),  welche  sich  mit  den  älteren  Ar- 
"beiten  kritisch  auseinandersetzte,  hat  Alois  Huber  mit  seinem  oben  angeführten 
"Werke,  einem  phantastischen  Gebilde,  dem  gegenüber  man  grofse  Vorsicht  be- 
wahren mufs,  vielfach  verwirrend  gewirkt.  Die  Verhältnisse  vor  Konstantin  hat 
Xubitschek,  Zur  Frage  der  Ausbreitung  des  Christentumes  in  Pannonien  in 
•vorkonstantinischer  Zeit  (Bl.  d.  Ver.  f.  Landesk.  XXXI,  168,  1897),  in  scharf 
kritischer  Weise  klar  gestellt.  Dafs  die  Passio  S.  Floriani  jetzt  nicht  mehr 
iierangezogen  werden  kann,  darüber  siehe  oben  S.  4. 

Vancsa,  Geschichte  Nieder-  n.  Oberösterreichs.  « 


0g  Drittes  Kapitel. 

Der  politische  und  materielle  Verfall  der  Donauprovinzen  und 
ihre  gefährdete  Lage  schufen  für  die  Verbreitung  und  Entwicke- 
lung  des  Christentumes  einen  günstigen  Boden.  Verfallsepochen 
fördern  den  Hang  zum  Mystischen  und  zur  Askese;  wankt  die 
weltliche  Macht  und  gewährt  sie  dem  einzelnen  keinen  Schutz 
mehr,  so  wendet  er  sich  überirdischen  Gewalten  zu:  die  Unglück- 
lichen, die  Beraubten,  die  Armen  schliefsen  sich  zu  gemeinsamem 
Gebet  aneinander.  So  finden  wir  nach  der  Hunnenzeit,  da  wir 
durch  die  Vita  Severini  nach  langer  Unterbrechung  wieder  einen 
o-enauen  Einblick  in  die  Verhältnisse  Noricums  erhalten,  ein  sehr 
reich  entwickeltes  kirchliches  Leben.  Laureacum,  der  hervor- 
ragendste Ort  der  Donaugegend  zur  damaligen  Zeit,  war  zugleich 
Sitz  eines  Bischofs,  als  welcher  Constantius  genannt  wird  i).  Es 
gab  auch  in  vielen  Orten  Kirchen  und  Kapellen,  zu  Laureacum, 
wie  es  scheint ,  sogar  mehrere  ^).  Das  Mönchswesen  hatte  sich 
gleichfalls  hier  heimisch  gemacht,  selbst  Nonnen  werden  bereits 
erwähnt.  Der  Gottesdienst  wird  in  feierlicher  Weise  und  regel- 
mäfsig  gehalten,  Wallfahrten  werden  veranstaltet,  Priester  (Pres- 
byteri)  und  Diakonen  gibt  es  in  genügender  Zahl. 

Bekanntlich  hatten  sich  im  Laufe  dieser  ersten  Jahrhunderte 
der  christlichen  Kirche  eine  stattliche  Reihe  häretischer  Lehren 
ausgebildet,  die  einander  grimmig  befehdeten.  Der  Arianismus, 
der  überhaupt  die  weiteste  Verbreitung  darunter  gewann  und  der 
katholischen  Kirche  eine  Zeitlang  die  kräftigste  Konkurrenz  machte, 
hatte  auch  für  unsere  Gegenden  seine  Bedeutung,  da  er  der  Glaube 
der  den  Romanen  benachbarten  Germanen  war.  Das  Christentum 
gehörte   zu    jenen   Kulturmomenten,    mit    denen  die   Römer,   wie 

1)  Ob  Constantius  der  erste  Bischof  Laureacums  gewesen  ist,  gehört  zu  den 
beUebten  Streitfragen  aller  älteren  Forscher,  die  sich  mit  dem  Christentum 
im  römischen  Noricum  beschäftigten,  allerdings  zugleich  auch  zu  jenen,  die  sich 
aus  Mangel  an  Beweisen,  sofern  nicht  neue  Quellen  entdeckt  werden  sollten, 
niemals  entscheiden  lassen.  Sollen  jedoch  durchaus  Hypothesen  versucht  werden, 
so  möchte  ich  für  meinen  TeU  mich  dahin  äufsern,  dafs  bei  dem  guten  Zustand 
der  gesamten  Kirchenprovinz  zu  Severins  Zeiten  eine  bereits  längere  Existenz 
des  Bistumes  immerhin  wahrscheinlich  ist.  —  Das  zweite  Bistum  Noricums  lag 
im  Süden  zu  Tiburnia  an  der  Drau. 

2)  Das  scheint  wenigstens  aus  der  Stelle  der  Vita  Severini  c.  27  hervor- 
zugehen. 


Das  Ende  der  Eöraerherrschaft  au  der  Donau.  99 

schon  hervorgehoben  wurde,  den  Germanen  imponierten.  Die  ersten, 
die  es  annahmen,  waren  die  Goten.  Zufällig  traf  es  sich,  dafs 
zu  der  Zeit,  als  sie  aus  Landnot  dringend  Sitze  im  römischen 
Gebiete  heischten,  der  Kaiser  von  Ostrom,  Valens,  Arianer  war. 
So  traten  sie  aus  politischen  Gründen  zum  Arianismus  über,  obwohl 
sie  sich  zuerst  zum  katholischen  Glauben  bekehrt  hatten,  und  die 
Folge  davon  war,  dafs  nun  auch  alle  kleineren  germanischen 
Stämme,  darunter  auch  die  Rugier,  das  arianische  Bekenntnis 
annahmen.  Das  ergab  einen  neuen  Gegensatz  zwischen  Romanen 
und  Germanen. 

Für  die  Romanen  Noricums  wurde  das  Christentum  nicht 
nur  eine  Quelle  des  Trostes,  eine  Zuflucht  der  Herzen  in  den  Tagen 
der  Not,  sondern  es  gewann  auch  eine  eminent  praktische  Be- 
deutung, und  dies  war  vornehmlich  das  Werk  eines  seltsamen 
Mannes,  von  dem  man  nicht  wufste,  woher  er  kam,  und  der  selbst 
das  Dunkel  darüber  wahrte,  eines  Mannes,  der  aber  vermuthch 
aus  Afrika  stammte  ^),  der  mit  tiefem  Erfassen  der  Sachlage  sich 
die  grofse  Aufgabe  stellte,  den  Romanen  auf  ihrem  verlorenen 
Posten  in  den  bitteren  Stunden  des  gänzlichen  Zusammenbruches 
und  der  Auflösung  beizustehen,  dem  sterbenden  Römertume  so- 
zusagen die  letzte  Ölung  zu  geben,  das  Werk  des  heiligen 
Severin.  Seine  Tätigkeit  unterscheidet  sich  wesenthch  von  der 
gewöhnlichen  christlicher  Glaubensboten,  denn  sie  ist  keine  be- 
kehrende.  Er  ist  zwar  strenger  Verfechter  des  Katholizismus  gegen- 
über arianischen  Neigungen,  beispielsweise  den  arianischen  Bekeh- 
rungsversuchen der  Rugierkönigin  Gisa  gegenüber,  er  sorgt  jedoch 
vor  allem  allerorten  eifrig  für  die  Aufrechthaltung  der  kirchhchen 
Gebote,  für  die  Pflege  des  Gottesdienstes  und  für  die  Gründung 
von  Klöstern.  Aber  darin  liegt  nicht  die  eigentUche  Bedeutung 
seiner  Tätigkeit,  ja  er  selbst  betrachtete  dies  alles  mehr  als  Mittel 
zum  Zweck,  wie  er  denn  immer  der  einfache  Mönch  —  er  stand 
höchstens  dem  von  ihm  gegründeten  Kloster  bei  Favianis  vor  — 
zu  bleiben  wünschte  und  jede  höhere  kirchliche  Würde  zurückwies. 


1)  Sommerlad  a.  a.  0.  S.  64:f.  sucht  es  wahrscheinlich  zu  machen,  dafs 

Severin  identisch  mit  einem  im  Jahre  437  von  den  Arianem  vertriebenen  Bischof 

Severinianus  aus  Afrika  sei. 

7* 


100  Drittes  Kapitel. 

Von  gröfster  Wichtigkeit  war  sein  Wirken  in  sozialer  und  poli- 
tischer Hinsicht,  das  den  Geist  des  Augustinismus  atmet  und 
das  ihn  bereits  zu  einem  Vorläufer  mittelalterlicher  Entwickelung 
stempelt.  Um  die  krasse  materielle  Not  der  Bevölkerung  zu  lindern, 
leitete  er  auf  Grund  der  kirchlichen  Zehntengebote  eine  umfassende 
Armenpflege  ein  und  suchte  die  vielen  von  den  germanischen 
Raubscharen  als  Gefangene  fortgeschleppten  Romanen  durch  ge- 
sammelte Lösegelder  freizukaufen.  Von  grofser  politischer  Be- 
deutung war  es,  dafs  hauptsächlich  durch  seine  Bemühungen  das 
gute  Einvernehmen  mit  den  Rugiern  wiederhergestellt  und  deren 
Schutzhoheit  über  die  Romanen  aufgehoben  ward.  Als  er  seinen 
Tod  herannahen  fülilte,  nahm  er  noch  König  Feva  und  besonders 
dessen  Gemahlin  und  dessen  Bruder  Ferderuch  das  Versprechen 
ab,  die  romanische  Bevölkerung  fernerhin  nicht  weiter  zu  be- 
drücken. Seine  Autorität  nicht  nur  bei  seinen  Volksgenossen, 
sondern  auch  bei  den  Germanen  und  deren  Königsfamilie  war  so 
grofs,  dafs  seine  Stellung  in  einer  Zeit,  als  in  den  Donaugegenden 
keine  staatliche  Oberleitung  mehr  bestand,  in  Wirklichkeit  der 
eines  Herrschers  gleich  kam.  Er  ordnete  auch,  als  der  Westen 
nach  seiner  allerdings  resigniert  pessimistischen  Anschauung,  die 
gleichfalls  den  Orientalen  verrät,  nicht  mehr  ohne  Gefahr  zu  halten 
war,  die  Konzentrierung  der  romanischen  Bevölkerung  zuerst  nach 
Passau,  dann  nach  Laureacum  und  endlich  na  h  Favianis  an; 
er  mag  es  auch  gewesen  sein,  der  dem  Kaiser  Odoaker,  mit  dem 
er  gleichfalls  in  politische  Verbindung  getreten  war,  zur  gänzlichen 
Wegführung  der  Überreste  der  romanischen  Bevölkerung  aus  Ufer- 
noricum  geraten  hat  ^). 

Als  Severin  am  8.  Januar  482  gestorben  war,  hatten  die 
Romanen  an  der  Donau  tatsächlich  ihre  letzte  Stütze  verloren, 
und  es  war  für  sie  eine  erlösende  Tat,  die  sie  vor  der  völligen 
Vernichtung  oder  Unterjochung  durch  die  Germanen  rettete,  dafs 


1)  Noch  auf  seinem  Totenbette  hat  Severin  die  Abführung  der  Komanen 
nach  Italien  vorausgesagt.  —  Bei  seinen  Verbindungen  mit  Odoaker,  mit  dem 
er  ja  auch  persönlich  vor  dessen  Zug  nach  Italien  eine  lange  Unterredung 
hatte  und  später  im  Briefwechsel  stand ,  ist  es  höchst  wahrscheinlich ,  dafs  er 
ihm  diese  Erlösung  der  romanischen  Bevölkerung  ausdrücklich  ans  Herz  gelegt 
hat  und  daher  die  Erfüllung  dieses  Rates  so  bestimmt  erhoffen  konnte. 


Das  Ende  der  Eömerherrscbaft  an  der  Donau.  101 

sich  Odoaker  wirklich  dazu  entschlofs,  sie  durch  den  Grafen 
Pierius,  der  vielleicht  bis  dahin  einen  Beamtenposten  in  der  Pro- 
vinz bekleidet  hatte,  nach  Italien  abführen  zu  lassen.  Der  Leich- 
nam Severins  wanderte  als  teueres  Vermächtnis  der  alten  Heimat 
mit,  um  bald  danach  im  Kloster  Lucullanum  eine  würdige  Ruhe- 
stätte zu  finden.  So  endete  im  Jahre  487  ebenso  kämpf-  und 
ruhmlos  wie  einst  das  keltische  Königreich  Noricum,  und  nach- 
dem sie,  wie  dieses  von  allen  Seiten  untergraben,  unhaltbar  ge- 
worden, nach  nahezu  5  00 jährigem  Bestände  die  Römerherrschaft 
an  der  Donau. 


Viertes   Kapitel. 
Germanische,  slawische  und  awarische  Wanderungen. 


Man  sollte  nuu  meinen,  dafs  die  Germanen  ohne  weiteres  das 
Erbe  der  Römer  angetreten  hätten,  und  dafs  es  bereits  jetzt  zur 
Begründung  einer  dauernden  germanischen  Herrschaft  an  der  Donau 
gekommen  sei.  Dazu  aber  waren  die  germanischen  Stämme  zu 
sehr  zersplittert  und  zu  heftig  untereinander  verfeindet.  Die  Ost- 
goten, die  vermöge  ihrer  Stärke  und  ihres  Ansehens  am  ehesten 
dazu  berufen  gewesen  wären,  hatten  schon  vorher  bald  nach  475, 
als  Theoderich  ihr  König  geworden  war,  Pannonien  verlassen,  um 
nach  der  Balkanhalbinsel  zu  ziehen,  und  derjenige  Stamm,  der 
sich  als  der  sefshafteste  erwiesen  und  noch  während  des  Bestandes 
des  Romanentumes  in  Ufernoricum  eine  gewisse  Anghederung 
dieses  Gebietes  angestrebt  hatte,  der  der  Rugier,  wurde  sogar  in 
das  Ende  der  Römerherrschaft  verwickelt  und  gleichzeitig  mit 
vernichtet  ^). 

Ihr  Unheil  waren  Fehden  in  ihrem  Herrscherhaus,  vielleicht 
auch  der  Einflufs,  den  Ostrom  hier  gegen  Odoaker  zu  gewinnen 
suchte.  Wir  haben  schon  gesehen,  dafs  sie  zur  Zeit  Severins  von 
König   Fava   in    kluger   und  glücklicher   Weise    regiert    wurden. 

1)  Für  dieses  Kapitel  ist  aufser  den  allgemeiDen  Werken  und  Erckerts 
Kartenwerk  und  insbesondere  Kämmel  und  Strakosch  auch  noch  zu  ver- 
gleichen :  Bachmann,  Die  Völker  an  der  Donau  nach  Attilas  Tode  (Archiv 
f.  österr.  Gesch.  LXI ,  189).  Einiges  über  den  Untergang  des  Eugierreiches, 
über  die  Gotenherrschaft  und  über  die  Langobarden  bei  Hartmann,  Das 
Königreich  Italien  I  (Leipzig  1897),  II,  1900.  Quellen  dafür  aufser  der  Vita 
Severini:  Johannes  Antiochenus  (Fragm.  bist.  Graec.  IV,  213,  7);  italie- 
nische Chroniken  und  Cassiodor  ad  ann.  487;  für  das  Folgende:  Procopius, 
De  hello  Goth. 


Germanische,  slawische  uud  awarische  Wanderungen.  103 

Aber  schon  unter  ihm  hatte  sich  sein  Bruder  Ferderuch,  der  eine 
Art  Unterherrschaft  im  Gebiete  von  Favianis  ausübte,  manche 
Gewaltsamkeiten  erlaubt.  Ihm  fiel  auch  das  Kloster  Severins  Ad 
Vineas,  das  vermutlich  an  der  Stätte  des  heutigen  Klosters  Gött- 
weig  stand,  zum  Opfer.  Bald  nach  Severins  Tode  wurde  er  durch 
seinen  Neffen  Frederich  ermordet.  Da  wandte  sich  seine  Gefolg- 
schaft an  Odoaker,  der  ja  selbst  ein  Rugier  war,  und  dieser 
stellte  wie  im  Reiche  so  auch  hier  im  verlorenen  Grenzgebiete 
nochmals  das  gesunkene  Ansehen  Westroms  wieder  her,  indem 
er  die  Rugier  besiegte  und  König  Fava  und  dessen  Gemahlin  in 
die  Gefangenschaft  führte,  später  sogar  hinrichten  liefs.  Frederich 
aber  war  zu  Kaiser  Zeno  nach  Byzanz  geflohen,  der  das  leb- 
hafteste Interesse  an  der  Fortdauer  der  Kämpfe  gegen  Odoaker 
hatte,  und  bemächtigte  sich  dann  nochmals  der  Herrschaft  in 
Rugiland.  Nun  sandte  Odoaker  seinen  Bruder  Onulf  an  die  Donau, 
vind  dieser  vernichtete  im  Jahre  487  die  letzten  Reste  des  Rugier- 
reiches  und  führte  zugleich  die  Mission  der  Räumung  Ufernoi'icums 
durch,  da  Odoakers  Politik  überhaupt  darauf  gerichtet  war,  seine 
Herrschaft  auf  Italien  zu  konzentrieren. 

Frederich  mufste  zum  zweiten  Male  flüchten  und  begab  sich 
zu  dem  Ostgotenkönig  Theoderich,  der  damals  in  Mösien  stand, 
nach  neuen  Kriegs-  und  Raubzügen  und  nach  neuer  Länderbeute 
lüstern.  Byzanz,  dem  er  als  nächster  Nachbar  unbequem  war,  und 
das  zugleich  Odoakers  Machtentfaltung  eifersüchtig  zusah,  be- 
stärkte ihn  darin,  seine  Blicke  auf  Italien  zu  lenken.  So  machte 
denn  Theoderich  im  Jahre  488  dem  Reiche  Odoakers  ein  Ende, 
und  das  alte  Römerreich  schien  unter  germanischer  Vorherrschaft 
noch  einmal  in  einstiger  Gröfse  emporzublühen.  Noch  einmal 
gewann  es  den  Anschein,  als  sollten  auch  die  Länder  an  der  Donau 
in  einem  germanischen  Staate  aufgehen.  Während  der  fast  vierzig- 
jährigen Regierung  Theoderichs,  der  sich  den  Beinamen  des  Grofsen 
errungen  hat,  waltete  in  Itahen  und  in  den  Provinzen  Ruhe  und 
Ordnung,  und  die  benachbarten  kleineren  germanischen  Stämme 
suchten  die  Schutzhoheit  des  mächtigen  Gotenkönigs.  Noricum  frei- 
lich war  und  blieb  verödet  ^),  und  nur  die  zurückgebliebene  ärmere 


1)  Procopiüs  11,  14. 


104  Viertes  Kapitel. 

romanische    Kolonenbevtilkerung    bestellte    noch    du   und    dort  den 
Boden. 

Das  verlassene  Gebiet  der  Rugier  haben  sich  in  jener  Zeit 
ihre  östlichen  Nachbarn,  die  Heruler,  die  unter  allen  Germanen 
den  Ruf  des  barbarischsten  Stammes  genossen  und  gröfstenteils 
noch  Heiden  waren,  denen  selbst  Menschenopi'er  nicht  fremd  ge- 
wesen sein  sollen,  angeeignet  ').  Auch  sie  standen  unter  gotischem 
Schutze.  Aber  sie  erfreuten  sich  nicht  lange  des  neu  erworbenen 
Besitzes,  denn  ungefähr  um  510  rückten  von  der  unteren  Elbe 
die  Langobarden  unter  einem  König  Godeoch  gegen  die  Donau 
vor.  Zwar  schien  es  anfangs,  als  ob  die  Neuankömmlinge  im  alten 
Rugierlande  friedlich  neben  den  Herulern  siedeln  würden,  ja  sie 
wurden  diesen  zunächst  tributpflichtig;  aber  bald  (ca.  512)  kam 
es  zwischen  ihnen  zum  Kampfe,  der  mit  der  Vernichtung  der 
Heruler  unter  ihrem  König  Rudolf  durch  den  Langobardenkönig 
Tato  endete  '•^).  Die  Reste  des  Volkes  scheinen  in  die  alten  Stamm- 
sitze in  Skandinavien  zurückgewandert  zu  sein.  Ihr  König  Rudolf 
ist  das  Urbild  des  Markgrafen  Rüdiger  im  „Nibelungenlied"^). 

Als  nach  dem  Tode  Theoderichs  im  Jahre  526  das  Ostgoten- 
reich rasch  seiner  Auflösung  anheimfiel,  breiteten  sich  die  Lango- 

1)  Das  Land  scheint  sogar  vorübergehend  als  Herolia  bekannt  gewesen  zu 
sein  (bei  Paulus  Diaconus  M.  G.  SS.  rar.  Laugob.  59). 

2)  Die  Origo  gentis  Langobardorum  berichtet  von  einer  vertragsmäfsigen 
Abtretung  des  Rugilandes  und  des  „Feldes"  (vermutlich  die  ungarischen  Pufsten 
und  nicht  das  Marehfold)  durch  die  Heruler  an  die  Langobarden ,  welche  dann 
nach  dreijährigem  Besitz  mit  jenen  in  Kampf  geraten ,  \vähren<l  sie  nach  Proco- 
pius  überhaupt  erst  nach  der  Entscheidungsschlacht  Kugiland  besetzt  hätten» 
Hartraann  II \  9  vermutet,  dafs  die  nahezu  gleichzeitige  Erhebung  der  Lango- 
barden und  der  Vorstofs  der  Franken  gegen  das  Westgotenreich  kein  blofser 
Zufall  gewesen  ist,  denn  Theoderich,  der  sich  mit  sämtlichen  Goten  solidarisch 
erklärte,  hatte  mit  dem  Herulerkönig  ein  Bündnis  <:eschlossen. 

3)  Noch  in  der  ältesten  Fassung  der  Thidrekssaga  heifst  Rüdiger  voa 
Bechlarn  Eodulf.  Vgl.  Matthäi,  Eüdiger  von  ßechlaren  und  die  Harlungen- 
sage  (Zeitschr.  f.  deutsches  Altertum  XLIII,  305,  1899);  er  führt  auch  noch  di& 
Herilungoburg  und  das  Herüungofeld  bei  Pechlarn,  die  noch  im  9.  Jahrhundert 
erwähnt  werden ,  nach  älterer  Ansicht  auf  die  Heruler  zurück ,  was  aber  jetzt 
durch  die  Untersuchungen  von  Panzer,  Die  deutsche  Heldensage  im  Breisgau 
(Heidelberg  1904)  widerlegt  ist.  Panzer  weist  nach,  dafs  auch  anderweitig,  wa 
niemals  Heruler  gesessen  haben,  Örtlichkeiton  dieses  oder  ähnlichen  Namens  sick 
befinden,  welche  gleichbedeutend  mit  den  Venus-  oder  Hörseibergen  sind. 


GermaEisclie,  slawische  und  awarisciie  Wanderungen,  105 

barden  bald  über  die  Donau  aus,  und  im  Jahre  546  trat  ihnen 
der  oströmische  Kaiser  Justinian,  auf  den  nach  Besiegung  und 
Vernichtung  der  Ostgoten  wenigstens  der  Rechtstitel  auf  deren 
ganzen  Besitz  überging,  Noricum  und  Pannonien  formell  ab. 
Es  war  ihm  willkommen,  dafs  sie  Goten  und  Gepiden  in  Schach 
hielten. 

Aber  lange  genügten  die  ausgesogenen,  wenig  ergiebigen  Land- 
schaften auch  den  Langobarden  nicht.  Um  das  Jahr  568  ')  ver- 
liefsen  auch  sie,  unter  ihrem  ruhmreichen  König  Alboin,  die 
Donaugegenden,  um  die  gesegneten  Gefilde  Italiens  aufzusuchen  2). 
Damit  war  die  letzte  Gelegenheit  einer  germanischen  Besiedelung 
dieser  Landstriche  verschwunden  —  an  der  mittleren  und  unteren 
Donau  sollte  es  für  immer  sein,  im  alten  Noricum  doch  nur  für 
die  nächste  Zeit.  Die  Bevölkerung  war  bis  auf  geringe  Reste  aus- 
gestorben und  fortgezogen,  die  Wohustätten  lagen  in  Trümmern, 
der  kultivierte  Boden  verwilderte,  nur  die  Sagen  überlebten  merk- 
würdiger Aveise  diesen  Zusammenbruch  der  Kultur  und  rankten  sich 
hinüber  zur  neuen  deutschen  Besiedelung. 

Das  verwaiste  Erbe  der  Germanen  in  den  weiten  verödeten 
und  entvölkerten  Landstrichen  längs  der  Donau  traten  nun  wieder 
jene  mongolischen  Völker  an,  die  seit  Jahrhunderten  in  ihrem 
Rücken  nachdrängten  und  von  denen  die  Hunnen  bereits  vorüber- 
gehend die  Donauländer  innegehabt  hatten.  Jetzt  war  es  der  mit 
ihnen  nahe  verwandte  uralaltaische  Stamm  der  Awaren,  der  bereits 
als  Bundesgenosse  der  Langobarden  im  Kampfe  gegen  die  Gepiden 
sich  den  Löwenanteil  genommen  hatte,  indem  er  das  weite  Gebiet 
von  den  transsilvanischen  Karpathen  bis  zu  den  Alpen  besetzte, 
und  dem  nunmehr  die  abziehenden  Langobarden  auch  die  norischen 
Gegenden  vertragsmäfsig  überliefsen.  Auch  sie  waren  wie  die 
Hunnen    ein   wildes   Reitervolk;    auch    ihnen    ging    der    hunnische' 


1)  Der  Ausatz  schwankt  zwischen  508  und  509,  doch  sprechen  die  besseren 
Schriftsteller  Origo  5,  Cod.  Goth.  5,  Paul.  Diac.  II,  7  und  die  Gregorbriefe 
Eeg.  V,  39;  XIII,  41  für  das  erstgenannte  Jahr. 

2)  Über  den  Aufenthalt  der  Laugobarden  in  den  österreichischen  Ländern 
siehe  aufser  Büdiugerl:  Loserth,  Die  Herrschaft  der  Langobarden  in 
Böhmen,  Mähreu  und  Kugiland  (Mitt.  d.  Inst.  f.  österr.  Gesch.  II,  353,  1881) 
und  jetzt  Hartmann  a.  a.  0.  II \  1  ff . 


106  Viertos  Kapitel. 

Schrecken  voraus,  so  dafs  mau  sie  allgemein,  wie  aus  den  gleich- 
zeitigen Schriftstellern  hervorgeht,  mit  den  Hunnen  identifizierte; 
doch  auch  ihnen  fehlte  jede  Fähigkeit  der  Entwickelung  zu  einem 
Kulturvolk,  sie  waren  und  blieben  Nomaden,  die  es  zu  keiner 
Sefshaftigkeit  bi'ingen  konnten.  Sie  lebten  in  grofsen  Heerlagern, 
sogenannten  „Ringen",  die  sie  im  Umkreis  von  mehreren  Meilen 
mit  20  Fufs  hohen  und  dicken  Wällen  aus  Pfählen,  Steinen  und 
Lehm  umgaben,  unternahmen  von  diesen  aus  ihre  Raubzüge,  durch 
die  sie  im  wesentlichen  ihren  Lebensunterhalt  erwarben.  Es  sollen 
deren  im  ganzen  neun  gewesen  sein,  von  denen  zwei  im  alten 
Noricum  an  der  Mündung  des  Kampflusses  und  östlich  von  Tulln  bei 
Königstätten  lagen.  Sie  hielten  sich  mit  diesen  Ringen  längs  der 
grofsen  Heerstrafse  an  der  Donau,  während  sie  das  Innere  des 
Landes  mieden.  An  ihrer  Spitze  stand  ein  Khakan,  dem  später 
der  Jugur  fast  gleichberechtigt  war;  aufserdem  gab  es  aber  noch 
zahlreiche  Häuptlinge,  die  Tarkane. 

Dafs  sich  diese  Nomaden,  obwohl  sie  nicht  zur  Bodenkultur  fort- 
schritten,  dennoch  zwe^  Jahrhunderte  lang  im  Donaugebiete  halten 
konnten,  hatte  seine  Ursache  einerseits  in  •  der  Ohnmacht  der  Nach- 
barländer, welche  ihnen  widerstandslos  als  Brandschatzungsgebiet 
dienten,  andrerseits  aber,  und  noch  viel  mehr,  darin,  dafs  ein 
anderes  Volk  ihren  Spuren  folgte  und  sich  neben  ihren  Heerlagern 
niederliefs,  das  im  geraden  Gegensatz  zu  ihnen  wenig  kriegerisch, 
wenig  herrisch  gesinnt,  sich  ganz  der  Bodenbebauung  widmete 
und  willig  eine  Art  Knechtschaftsverhältnis  ertrug.  Durch  dieses 
Volk  gewannen  die  Awaren,  die  Herrschenden,  die  notwendigen 
Grundlagen  für  ihr  Dasein. 

Dieses  Volk  waren  die  Slawen.  Der  Stamm  der  Slovenen 
(Sclavenen)  oder  Winden  drang  vom  Süden,  wo  er  nach  der  Mitte 
des  6.  Jahrhunderts  die  Gegend  zwischen  Drau  und.  Sau  besetzt 
hatte,  langsam  und  friedlich  nach  dem  Norden  vor,  überschritt 
den  Pyhrn  und  den  Semmering  und  liefs  sich  in  den  Seitentälern 
der  Donauzuflüsse,  an  der  Traun,  an  der  Krems,  an  der  Steier, 
an  der  Enns,  an  der  Ips,  Erlaf,  Pielach,  Perschling  und  Traisen, 
stellenweise  auch  im  Wiener  Wald  und  im  Wiener  Becken  nieder, 
alles  Gegenden,  die  entvölkert  und  von  den  Awaren  gemieden  waren. 
Höher  ins  Gebirge  drangen  auch  sie  nicht  vor,  ebensowenig  in  die 


i 


Germanische,  slawische  und  awarische  Wanderungen.  107 

ungeschützte  Ebene  ^).  In  den  leicht  zugänglichen  Tälern  oder 
im  Hügelland,  wo  ihr  primitiver  Pflug  den  Boden  lockern  konnte, 
begannen  sie  den  Ackerbau;  sie  unternahmen  zum  ersten  Male 
Rodungen  und  gründeten  zahlreiche  Ansiedelungen,  selbst  den 
alten  Bergbau  im  Quellgebiete  der  Ips,  in  der  „Eisen würzen", 
scheinen  sie  wieder  aufgenommenzu  haben.  Die  Ortsnamen  sprechen 
eine  beredte  Sprache  und  gestatten  eine  Festlegung  des  slawischen 
Besiedelungsbezirkes    auch   dort,    wo    direkte   Zeugnisse   fehlen  ^). 

1)  Von  den  Slawen  ganz  frei  blieb  das  obere  Traisental,  die  Täler  der 
Schwarza ,  Gölsen ,  oberen  Piesting  und  Triesting ,  sowie  die  Täler  im  Wiener 
Becken.  Vgl.  Grund,  Die  Veränderungen  der  Topographie  im  Wiener  Wald 
und  Wiener  Becken  (Geograph.  Abhandlungen  VIII,  58). 

2)  Diesen  Gegenstand  hat  Karamel,  welcher  darin  zumeist  Miclosieh 
folgt,  so  eingehend  behandelt  —  wozu  noch  die  Ergänzungen  bei  Strakosch 
heranzuziehen  sind  — ,  dafs  ich  mich  wohl  kurz  auf  die  Ergebnisse  beschränken 
kann,  da  ich  ja  keine  Ortskunde  bieten  will.  Die  Ortsnamenforschungen  in  Öster- 
reich sind  viel  schwieriger  als  anderswo,  da  hier  nicht  nur  die  Sprachmischung, 
sondern  auch  die  vielen  unregelmäfsigeu  Bildungen,  welche  sich  daraus  erklären, 
<lafs  Österreich  dem  Zentrum  der  germanischen  Sprachentwickelung  weit  ent- 
Tii(!kt  war  (Müller,  Altösterreichisches  Leben  aus  Ortsnamen  iti  den  Bl.  d.  Ver. 
f.  Landesk.  1884),  in  Betracht  gezogen  werden  müssen.  Ein  zusammenfassendes 
Werk,  welches  freilich  nicht  nur  gründliche  Sprach-,  speziell  Dialektkenntnisse, 
sondern  auch  historisches  Wissen  voraussetzen  würde,  gibt  es  noch  nicht,  doch 
hat  Eichard  Müller  eben  eine  „Österreichische  Ortsnamenkunde"  abgeschlossen. 
Bemerkenswerte  Vorarbeiten  lieferte  Müller  bereits  in  den  Blättern  des  Vereins 
für  Landeskunde  XVIII -XXVII  und  XXXIV,  1884—1900,  die  jedoch  zu  sehr 
mit  der  grammatikalischen  Theorie  operieren  und  die  volkstümliche  Umformung 
zu  sehr  aufser  acht  lassen,  und  welche  dadurch  einiges  Mifstrauen  hervorrufen, 
dafs  sie  in  ihren  letzten  Abschnitten  zu  Anschauungen  gelangen,  die  den  ersten 
mit  dem  Aufgebot  des  philologischen  Apparates  entwickelten ,  gerade  entgegen- 
gesetzt sind.  Jedenfalls  sind  die  Berichtigungen,  die  Grienb erger  in  den 
Mitteilungen  des  Institutes  XIX,  520  und  Willibald  Na  gl  (verstreut  in  Zeitungen 
und  Zeitschriften)  geliefert  haben,  sehr  zu  beachten.  Kämme  1  und  Strakosch 
dürften  bei  der  Zurückführung  vieler  nieder-  und  oberösterreichischer  Ortsnamen 
auf  slawischen  Ursprung  doch  viel  zu  weit  gehen,  und  gar  mancher  derselben 
dürfte  sich  ohne  besondere  Gewaltsamkeit  auch  aus  dem  Deutschen  ableiten  lassen  — 
ich  erwähne  nur  Wien,  Dürnstein,  Thernberg,  Trübensee,  Gleifs,  AUand,  Mölln, 
Laussa  u.  a.  — ,  aber  es  wäre  ein  ganz  lächerlicher  nationaler  Chauvinismus,  wollte 
man  deshalb,  weil  die  Ortsnamenerklärung  sich  in  einer  Eeihe  von  Fällen  berichtigen 
läfst,  die  Tatsache  der  slawischen  Besiedelung,  die  auch  urkundüch  unumst-öfslich 
belegt  ist,  wegleugnen  oder  als  unbedeutend  hinstellen.  Ich  glaube,  man  kann 
die  historische  Tatsache  in  ihrem  ganzen  Umfange   aufrechthalten   und   braucht 


lOS  Vi.-rtcs  Kapitel. 

Die  vielen  Ableitungen  auf  -itz  und  -ing,  welche  auf  altes  -icha 
zurückgehen,  die  zahlreichen  Zusammensetzungen  mit  Winden  und 
Windisch  ')  weisen  auf  slawische  Entstehung,  aber  auch  viele 
Stammworte ,  die  Beziehungen  zum  Obstbau  ^) ,  zur  Siedelung 
im  Walde  oder  Rodung^),  ja  zum  Bergbau'^)  zeigen,  finden  sich 
in  den  genannten  Gegenden  ^).  Doch  besitzen  wir  auch  genug 
direkte  Nachrichten,  dafs  wir  uns  von  der  Ausbreitung  und  der 
Entwickelung  des  Slawentumes  in  unseren  Gegenden  ein  Bild 
machen  können.  Um  620  hat  bekanntlich  ein  Mann  fränkischer 
Abstammung,  Samos,  ein  slawisches  Reich  in  Böhmen  und  Mähren 
begründet,   und   seitdem   schoben   sich  auch  vom  Norden  her   die 

deshalb  doch  den  grunddeutschen  Charakter  des  Landes  nicht  zu  verneinen.  Ich 
hoffe  durch  meine  Darstellung  zu  zeigen,  welch  untergeordnete  Bedeutung  in 
dieser  Beziehung  der  slawischen  Episode  zukommt.  Vgl.  auch  üopsch  in  der 
Einleitung  zu  den  „Österreichischen  Urbaren"  S.  CXLV. 

1)  Winden  östlich  von  Vöklabruck,  Bergwindeu  bei  Wels,  Windisch-Garsten, 
Windischdorf  bei  Kirchberg  in  Oberösterreich,  Wiudischberg  bei  Linz,  zwei  Orte 
namens  Windischendorf  im'  Ipsgebiet,  Winden  bei  Herzogenburg;  m  den  landes- 
fürstlichen L'rbarcn  des  13.  Jahrhunderts  begegnen  coch  Windischmarkt  und 
Abwinden  (Dopsch  a.  a.  0.  91,  102,  144,  152,  156).  Diese  Namen  wurden 
natürlich  von  den  umwohnenden  Deutschen  gegeben.  Wien  ist  dagegen  wohl 
nicht  hierher  zu  ziehen,  so  heifs  umstritten  diese  Namensfrage  ist.  Der  Stadt- 
name dürfte  wie  so  man(^her  andere  von  dem  Flufsnamen  abzuleiten  sein. 
Siehe  jetzt  die  zusammenfassende  Darstellung  der  Frage  b-i  Müller  in  der 
Geschichte  der  Stadt  Wien  I,  161.  In  neuester  Zeit  hatNagl  die  ansprechende 
Ableitung  von  einem  dialektischen  Wean ,  Wan=Mulde  aufgestellt. 

2)  Burgschleinitz  (von  8livnica=Pflauraengarten),  Gablitz  und  Gaflenz  (von, 
jable=Apfel  und  jablonice=Apfelwäldchen). 

3)  Liesing  (lesu=Wald),  (Windisch-)  Garsten  und  Gresten  (hrvastu=Ge- 
strüpp),  Triesting  (trusti=Robr) ,  Glocknitz  (glogu=Wcifsdorn) ,  Jauerling  und 
Joanitzbach  (javoru= Ahorn),  Edlitz  (jedla=Tanne),  Semmering  (smreka=Fichte; 
die  Ableitung  Müllers  von  ceraeri=Gift  ist  doch  sehr  gezwungen).  Perschling 
(breza=Birke) ,  Sierning  (ziru=Weide) ,  Melk  und  Mödling  (metlika=Pflanze) ; 
dann  direkt  auf  die  Rodung  bezüglich :  Lassing  (laz^Rodung)  und  Zwettl  (svetlo= 
Lichtung).  Die  rodende  Tätigkeit  der  Slawen  ist  auch  ausdrücklich  bezeugt  in  der 
Stiftungsurkunde  von  Kremsmünster  aus  dem  Jahre  777  (ÜB.  d.  L.  o.  d.  EnnsII,  2). 

4)  Reudling  bei  Waidhofen  an  der  Ips,  ursprünglich  Rudniha  (rudnica= 
Bergwerk;  ruda=Erz). 

5)  Es  dürften  auch  noch  Döbling,  Lainz,  Währing,  Als,  Rodaun,  Nöstach, 
Pemitz,  Türnitz,  Preuwitz  (Priblico),  Pottschach,  Strelz,  Prosset  und  Göstritz. 
slawisch  sein. 


Gerir!aniscl;c,  slawische  und  awarisdie  Wanderungen.  109 

Slawen  der  Donau  zu.  Ja,  Samos  brachte  sogar  eine  Koalition 
aller  Slawen  bis  zur  Save  zustande,  doch  war  diese  Einigung  von 
Nord-  und  Südslawen  nicht  haltbar,  da  zwischen  ihnen  wie  ein 
Keil  die  A waren  safsen,  die  sie  nicht  zu  verdrängen  vermochten, 
]a  von  denen  im  Gegenteile  die  benachbarten  Stämme  stets  in  einer 
gewissen  Abhängigkeit  blieben.  Trotzdem  erstarkte  seit  der  Staaten- 
bildung im  Norden  auch  das  SlaAventum  der  Alpen-  und  Donau- 
länder. So  kommt  es,  dafs  im  9.  Jahrhundert  das  Gebiet  zwischen 
Enns  und  Steier  als  pars  Sclavanorum  bezeichnet  und  sogar  das 
ganze  Land,  welches  ungefähr  dem  heutigen  Niederösterreich  ent- 
spricht, Sclavinia,  Slawenland  oder  auch  Winidorum  marca  benannt 
werden  konnte  ').  Im  Lande  ob  der  Enns  sind  gut  organisierte 
slawische  Gemeinden  in  der  Gegend  von  Kremsmünster  um  777 
bezeugt  '-^j,  gröfserer  slawischer  Grundbesitz  im  Norden  der  Donau 
zwischen  830  und  850  ^),  unter  der  Enns  werden  Slawen  und  Wenden 
ausdrücklich  erwähnt  an  der  Erlaf,  Ips  und  Traisen  während  des 
9.  und  10.  Jahrhunderts  ^). 

Zu  einer  staatlichen  Organisation  waren  die  Vorbedingungen 
noch  wenig  ausgebildet.  Bei  den  Slawen  dieser  Gegenden  gab  es 
nur  Dorfgemeinschaften  auf  Familiengrundlage,  die  sich  in  Zupen 
unter  einem  Zupan  zusammenschlössen,  der  Heerführer,  Richter 
und  Priester  —  ein  eigener  Priesterstand  existierte  nicht  —  in 
«iner  Person  war.  Die  nächst  höhere  Einheit  war  im  Gegensatz 
zur  germanischen  Hundertschaft  die  Zehnerschaft  (Dekanie).  Es 
gab  Freie  und  Unfreie,  dagegen  keinen  Grofsgrundbesitz  ^),  ja 
überhaupt  kein  Privateigentum. 


1)  Mühlb acher,  Regesten  der  Karolinger  Nr.  55(j  (1.  Aufl.  öo?!,  1892 
<1841);  Klein mayrn,  Juvavia  88.  Hincmar  864. 

2)  ÜB.  d.  L,  0.  d.  Enns  II,  2.  3.  5.  G.  7  (Stiftuugsurkunde  von  Krems- 
münster  777,  respektive  Bestätigungen  durch  Karl  den  Grofsen  791  und  802.  — 
Es  ist  hier  sowohl  von  einer  decania  (herzoglichen  Zehntenschaft)  Sclavorum  als 
auch  von  einem  Jopan  (Zupan)  die  Eedc. 

3)  M  ü  h  1  b  a  c  h  e  r  1341  (1303) ,  Archiv  für  österreichische  Geschichte 
XXVIII,  258. 

4)  An  der  Erlaf  um  832:  Mühlbacher  1347  (1308),  Mon.  Boic.  XXVIIIb, 
22;  an  der  Ips  Mon.  Germ.  Dipl.  Ottonis  II,  204  und  Ottonis  IH,  540;  au  der 
Traisen  um  828:    Mühlbacher  850  (824). 

5)  Vgl.  Meitzen  II,  214 f.  —  Bezüglich  der  Zupen   siehe  oben  Aiim.  2, 


110  Viertes  Kapitel, 

Es  war  eine  ruhige  Bauernbevölkerung,  welche  trotz  ihrer 
Zahl  eine  untergeordnete  Rolle  spielte  und  zuerst  von  den  Awaren, 
später  von  den  Deutschen,  sobald  sie  mit  ihnen  in  Berührung  kam, 
in  Abhängigkeit  geriet.  Ihr  Charakter  war  die  Unterwürfigkeit, 
was  sich  deutlich  in  der  Identifizierung  ihres  Namens  Slavi  mit 
Sclavi  ausdrückt  ^) ;  kriegerischer  Sinn  war  ihr  fremd,  wir  hören 
nicht  einmal  von  passivem  Widerstand,  geschweige  denn  von  einer 
bewaffneten  Offensive.  Zu  einer  politischen  Einigung  der  Slawen 
ist  es  in  unseren  Gegenden  niemals  gekommen. 

Durch  den  Einzug  der  Awaren  und  die  friedliche  Einwande- 
rung der  Slawen  wurde  in  dem  Lande  von  der  Leitha  bis  zur 
Enns  und  zum  Teile  bis  zur  Traun  die  gleichmäfsige  Kulturentwicke- 
luno- die  durch  fünf  Jahrhunderte  hindurch  die  Römer,  selbst  die 
ältere  der  Kelten  fortsetzend,  gepflegt  hatten,  und  welche  nach  ihrem 
Abzug,  wie  es  den  Anschein  hatte,  von  den  Germanen  fortgeführt 
worden  wäre,  durch  zwei  Jahrhunderte  unterbrochen.  Hier  ist 
wohl  auch  das  romanische  Element  in  Wirklichkeit  ganz  ver- 
schwunden, denn,  währfend  es  sonst  Regel  ist,  dafs  neu  einwandernde 
Völker  die  Ortsnamen,  welche  sie  vorfinden,  beibehalten  und 
höchstens  sich  mundgerecht  machen,  konnten  die  Slawen,  wenn 
man  von  einigen  wenigen  Flufsnamen  absieht,  Flüsse  und  Berge 
neu  benennen  imd  zahlreiche  Ansiedelungen  gründen,  ohne  an 
schon  Bestehendes  anzuknüpfen.  Die  vereinzelte  Erwähnung  von 
ein  paar  Römerorten  an  der  Donau  in  den  KaroHngerannalen  — 
es  sind  Comagenae,  Trigisma  und  Carnuntum  —  beweist  kaum 
etwas  für  ihren  Fortbestand,  die  römischen  Namen  verschwinden 
im  Gegenteile   hier   spurlos  ^).     Noch  weniger    war  von  dem  ger- 

Zupan  hängt  nicht  mit  Paii  =  Herr  zusammen,  sondern  mit  zupa  =  gemeinsame 
Wohnstcätte,  Herdplatz.  Die  romanisierte  Form  ist  Jopan.  —  Dafs  kein  Grofsgrund- 
besitz  im  späteren  Sinne  bei  den  Slawen  bestand,  geht  auch  indirekt  aus  dem 
Umstand  hervor,  dafs  wir  keine  slawischen  Ortsnamen,  welche  von  Personennamen 
(Gründern  oder  Besitzern)  abgeleitet  sind,  aus  jener  Zeit  finden;  erst  unter  Ein- 
wirkung der  bayerischen  Kolonisation  tauchen  sehr  spät  einige  solcher  Namen 
auf,  so  Badegast  Getzt  Tradigist)  an  der  Pielach  1084,  Primizlasdorf  in  der 
obeiösterreichischen  Riedraark  IUI,  Ladislausdorf  bei  St.  Florian  1139,  Zwern- 
dorf  (Zuelanisdorf  von  Welan),  ebenso  Wöllersdorf  und  Tribuswinkel  von  Trewan. 

1)  Siehe  Meitzen  H,  149. 

2)  Die  direkten  Ableitungen   deutscher  Ortsnamen  aus   römischen,    welche 


Germanische,  slawisoho  und  awarische  Wanderuugen.  111 

manischen  Leben  übrig  geblieben.  —  Trotz  der  Einwanderung 
der  Slawen  und  ihrer  kulturellen  Tätigkeit  war  das  Land  nicht 
besonders  stark  besiedelt  und  in  wenig  blühendem  Zustand.  Noch 
zu  Beginn  des  8.  Jahrhunderts  war  das  Gebiet  an  der  Enns  ver- 
ödet und  wegen  der  reifsenden  Tiere,  welche  die  dichten  Wälder 
durchstreiften,  berüchtigt  ').  Natürlich  kann  unter  diesen  Umständen 
auch  nicht  von  dem  Fortbestand  eines  Bisturaes  in  Laureacura  die 
Rede  sein  ^). 

Unvergleichlich  günstiger  war  es  um  das  Land  westlich  von 
der  Enns,  beziehungsweise  von  der  Traun  bestellt.  Eine  Zeitlang 
nach  dem  Abzug  der  Romanen  hielten  es  vermutlich  die  Alamannen 
besetzt,   die  schon  bei  Lebzeiten  Severins  erobernd  über  den  Inn 

man  früher  hervorzuheben  pflegte,  lassen  sich  bei  näherer  Prüfung  nur  schwer 
aufrechterhalten.  Dafs  Kaumberg  nichts  mit  Comagenae  und  Traismauer  nichts 
mit  Trigisamum  zu  tun  hat,  ist  von  Müller  (Mons  Comagenus  und  Asnagahunc 
in  den  Bl.  d.  Ver.  f.  Landesk.  XXXI,  426,  1897  und  Ortsnamenkunde,  ebendas. 
XXII,  329,  1888)  nachgewiesen  worden,  und  dafs  der  Name  Wien  nicht  mit 
dem  römischen  Vindobona  oder  Yindomina  zusammenhängt,  ist  doch  endlich  einmal 
ein  gesichertes  Ergebnis  in  dieser  heifs  umstrittenen  Namensfrage,  welches  das 
Verdienst  Grienbergers  (Sitzungsber.  d.  k.  Akademie  d.  Wissensch.  Phil.- 
hist.  Kl.  CXXXI,  1894)  ist,  dem  sich  sowohl  Nagl  (s.  oben)  als  auch  Müller 
(Gesch.  d.  Stadt  Wien  I,  161)  trotz  ihrer  sonstigen  Gegnerschaft  angeschlossen 
haben.  Meitzen  II,  389  macht  übrigens  die  Beobachtung,  dafs  die  Slawen 
überlieferte  Namen  nicht  übernehmen,  sondern  durch  eigene  ersetzen,  während 
die  Germanen  sie  respektieren  und  höchstens  umformen ;  das  dürfte  der  Schlüssel 
zu  manchen  Erscheinungen  sein ,  namentlich  zur  Konservierung  der  slawischen 
Ortsnamen  auch  dort,  wo  das  Deutschtum  sonst  jede  Spur  slawischen  Wesens 
beseitigt  hat. 

1)  Vita  Emmerani,  Acta  Sanctor.  Sept.  VI,  475.  Der  Bericht,  der  hier 
dem  Herzog  Theodo  in  den  Mund  gelegt  wird,  um  Emmeram  von  der  be- 
absichtigten Keise  in  jene  Gegenden  abzuhalten,  scheint  absichtlich  übertrieben, 
dürfte  aber  doch  nicht  aus  der  Luft  gegriffen  sein. 

2)  Bekanntlich  wurde  dieser  vom  Bistum  Passau  behauptet,  welches,  um 
ein  hohes  Alter  in  Anspruch  nehmen  zu  können,  sich  als  Nachfolger  des  Lorcher 
Bistumes  bezeichnete.  Schon  Dümralers  Forschungen  über  die  Passauer 
Fälschungen  haben  dieser  Fabel  ein  Ende  gemacht.  Trotzdem  wurde  sie  immer 
wieder  aufgenommen,  zuletzt  noch  1898  von  Eatzinger  in  seinen  Forschungen 
zur  bayerischen  Geschichte  S.  325  (,,Lorch  als  Bischofsitz").  Demgegenüber 
hat  Strnadt  in  seiner  schon  mehrfach  zitierten  Abhandlung  in  der  ArchivaUschen 
Zeitschrift  N.  F.  VIII.  nochmals  die  Lorcher  Frage  einer  scharfen  Kritik  unter- 
zogen. 


113  Viertel  Kapitel. 

bis  Laureacum  vorgedrungen  waren.  Um  551  werden  jedoch  in 
der  Gebend  zwischen  Lech  und  Enns  mit  einem  Male  die  Baju- 
vareu  »)  erwähnt,  deren  Name  kurz  zuvor  in  der  sogenannten 
Ostertaiel  zwischen  510  und  524  zum  ersten  Male  auftaucht '0- 
Ihre  Herkunft,  wann  und  wie  sie  das  Land  besetzten,  ist  in  Dunkel 
"•ehüllt.  Doch  gehören  sie  vermutlicli  zur  suebischen  Völkerfamilie 
und  bestehen  ihrem  Hauptkern  nach  aus  den  Resten  der  Marko- 
mannen die  vor  dem  Awarenansturm  Böhmen  räumen  mufsten  — 
daher  auch  der  Name  Baioarii  nach  Baiohaemum  —  und  sich  der 
thüringischen  Völkervercinigung  anschlössen.  Da  die  Thüringer 
von  dem  Frankenkönige  Theodebert  I.  (534—547)  besiegt  und  in 
eine  gewisse  vertragsmäfsige  Unterordnung  gebracht  wurden,  so  er- 
klärt es  sich,  dafs  wir  die  Bayern  von  Anfang  an  in  Abhängigkeit 


1)  Über  die  gesamte  bnyerisclie  Periode  der  österreichischen  Länder  handelt 
am   ausführlichsteu  Riezler,    Geschichte   Baierns   I.  Band  (Gotha  1878).     Die 
Abstammungsfrage  hat   seit   dem  15.  und  16.  Jahrhundert   (Veit  Arnpeck   und 
Aventin)  gar  viele  Historiker  be?chäftigt.     Das  entscheidende  VVort:    Identifizie- 
rung mit  den  Markomannen  sprach  Zeufs  sowohl  in  seinem  bereits  des  öfteren 
erwähnten  Hauptwerk  als  auch  in  der  zwei  Jahre  später  Teröffentlichten  Sonder- 
untersuchuEg:    Die   Herkunft    der  Bayern    von    den   Markomannen   (1839)    aus. 
Trotzdem  später   besonders  Quitzmann,  Abstammung,  Ursprung  und   älteste 
Geschichte   der   Bayern   (München  1857)   nochmals   eine  Widerlegung   und  eine 
Ableitung  von   den  Quaden   versucht  bat,    so  haben   doch   fast   alle  namhaften 
Historiker    die    Zeufsische    Theorie    als    die    plausibelste    angenommen,    und    es 
kommen   höclistens   Abweichungen    hinsichtlich  der    beigemengten   anderen   Ele- 
mente vor.     Vgl.   die   kritische   Zusammenfassung  von   Bachmann,    Die  Ein- 
Tvanderung  der  Bayern  (Sitzungsber.  d.  k.  Akad.  phil.-hist.  Kl.  XCI,  815  f.,  1878), 
sowie  dessen  schon  oben  erwähnte  Abhandlung:  Die  Völker  au  der  Donau  nach 
Attilas  Tode,  worin  er  auch  die  Identifizierung  der  Alamannen  der  Vita  Severini 
mit  den  Bayern,    die   Eiezler   versucht   hatte,   bekämpft.     Es   wird  vermutet, 
dafs   die   fünf  Adelsfamilien,   welche   die  Lex  Baiuvarioriim  nennt,    ursprünglich 
die  Herrscherfamilien  der  im  Bayernvolke  aufgegangenen  Stämme  waren. 

2)  Müllenhoff,  Die  fränkische  Ostertafel  (Abhandl.  d.  Berl.  Akademie 
532,  1862).  Freilich  ist  deren  Entstehungszeit  sehr  ungewifs,  und  Bachmann 
a.  a.  0. ,  864,  Anmerkung  2  wendet  sich  entschieden  gegen  den  frühen  Ansatz, 
doch  ist  auch  die  merkwürdige  Stelle  der  Annales  Scti.  Radberti  (M.  G.  SS.  IX, 
766),  auf  die  zuerst  Eiezler  aufmerksam  gemacht  hat:  Ad  508.  Hoc  tem- 
pore gens  JSToricum  prius  expulsa  revertitur  ad  patrias  sedes  duce  Theodone,  La- 
tinis  eiectis,  nicht  ganz  aufser  acht  zu  lassen.  Die  völlig  gesicherten  Erwäh- 
nungen finden  sich  allerdings  erst  um  551  bei  Procopiiis  und  Jemandes. 


Germanische,  slawische  und  awarische  Wanderungen.  113 

von  den  Franken  finden,  daher  konnte  sich  Theodebert  rühmen, 
dafs  seine  Herrschaft  „bis  Pannonien"  reiche.  Die  Franken  be- 
safsen  jedoch  nur  auf  die  Einsetzung  der  bayerischen  Herzoge 
■einen  gewissen  Einflufs,  Tributpflichtigkeit  bestand  sicher  nicht. 
Für  die  Fernerstehenden,  vor  allem  für  Ostrom,  schien  durch  die 
Besetzung  des  Landstriches  durch  einen  germanischen  Stamm  eine 
gewisse  Kontinuität  hergestellt  zu  sein  und,  wie  man  fortfuhr,  das 
Land  Noricum  zu  nennen,  so  bezeichnete  man  jetzt  auch  die 
Bayern  als  Noriker^).  Mit  den  Langobarden  standen  sie  in  freund- 
nachbarlicher  Beziehung.  Nicht  nur,  dafs  der  erste  uns  bekannte 
Herzog  Garibald  mit  einer  langobardischen  Prinzessin  vermählt 
war,  sondern  seine  Tochter  Theodolinde  heiratete  den  Langobarden- 
könig Authari  und  war  das  Werkzeug  des  Papstes  Gregor  I.,  um 
die  Langobarden  vom  Arianismus  zum  Katholizismus  zu  bekehren. 
Aber  auch  von  den  Ostgoten  spannen  sich  noch  merkwürdige 
feine  Fäden  herüber  ^).  Deren  Heldensagen  von  den  Harlungen  ^), 
von  Etzel  und  Dietrich  fanden  bei  den  Bayern  treue  Erben  und 
selbst  deren  Kriegsgott  Eor  ging  an  sie  über. 

Der  grofse  Vorteil  für  das  Land  bestand  darin,  dafs  es  nun 
•endlich  nach  den  argen  Erschütterungen  und  dem  Zustand  der 
völhgen  Unsicherheit  in  den  letzten  zwei  Jahrhunderten  wieder 
in  ein  geordnetes  Staatswesen  eingefügt  wurde,  denn  nunmehr  war 
es  mit  den  unsteten  Wanderungen  und  Heerzügen  der  germanischen 
Stämme  zu  Ende,  und  es  folgte  die  Periode  der  Staatengründungen. 
Damit  war  auch  der  erste  Schritt  zu  einer  herrschenden  germa- 
nischen Kultur  getan.  Diese  neue  Phase,  in  die  wenigstens  ein 
Teil  des  Landes  jetzt  eintrat,  ist  von  um  so  gröfserer  Wichtig- 
keit, als  wir  hier  bereits  die  Hauptkeime  der  späteren  Entwicke- 
lung  finden,  die  sich  in  der  Folge  auch  über  das  ganze  Gebiet 
bis  zur  March  und  Leitha  erstrecken  sollte.    Auf  diese  Entwicke- 


1)  Pallhausen,  Wann  und  wie  lange  wurde  Bayern  Norikum  genannt? 
(Abhandl.  d.  bayer.  Akademie  1807). 

2)  Müller,  Der  österreichische  Stammescharakter  (Bl.  d.  Ver.  f.  Landesk. 
XXI,  309,  1887);  Nagl-Zeidler,  Deutsch-österreichische  Literaturgeschichte ; 
Muth,  Die  Abstammung  der  Bajuvaren  (25.  Jahresber.  d.  Landeslehrerseminars 
in  St.  Polten  1900).  —  Vielleicht  stammen  auch  Überreste  des  Duals  aus  dem 
Ostgotischen. 

3)  Siehe  oben  S.  104,  Anm.  3. 

Vancsa,  Gescliichte  Nieder-  n.  Oberösterreichs.  8 


J14  Viertes  Kapitel. 

lung  machen  sich,  abgesehen  von  den  oben  erwähnten  lango- 
bardischen  und  ostgotischen  Spuren,  gleich  von  Anbeginn  zweierlei 
Einflüsse  geltend:  der  romanische  und  der  fränkische. 

Im  Jahre  487  war  die  romanische  Bevölkerung  nur  aus  dem 
östlichen  Teile  des  Landes  abgeführt  worden,  während  sie  im  west- 
lichen Teile  schon  früher  in  eine  gewisse  Abhängigkeit  von  den  Ala- 
mannen  geraten  war  und  sich  in  das  Schicksal  untergebener  Bauern 
hineingefunden  hatte  ').  So  hatten  die  Bayern  sie  übernommen, 
und  auf  diese  Weise  blieben  nicht  nur  die  Römerorte,  die  in 
der  Verfallzeit  noch  bestanden  hatten,  zum  Teil  selbst  mit  ihrem 
Namen  erhalten,  wie  Ischl  (Iscala),  Linz  (Lentia)  und  Lorch  (Lau- 
reacum)  %  sondern  auch  besonders  die  Landwirtschaft  im  Innern 
des  Landes  bis  ins  Gebirge  hinein,  ja  sogar  der  Bergwerksbetrieb 
in  der  Hallstätter  Gegend.  Daher  kain  es,  dafs  diese  Überreste 
der  Jahrhunderte  alten  Kultur  ihren  Einflufs  auf  das  neu  ein- 
gewanderte Bayernvolk  äufserten.  Der  Bergbau,  die  Almwirtschaft, 
der  Weinbau  sind  spezifisch  römische  Elemente  in  der  bayerischen 
Kultur,  und  auch  dev  Ackerbau,  der  Hausbau  und  das  Gewerbe 
stehen  zum  Teil  unter  romanischer  Einwirkung,  die  sich  sogar 
in  der  Aufnahme   gewisser  Worte  ausprägt  ^).     Auch  die  Schrift- 

1)  Dies  abweichend  von  der  gewöhnlichen  Annahme,  wonach  in  ganz  Nori- 
cum  die  ärmere  Landbevölkerung  zurückgeblieben  ist.  Ich  kann  jedoch  nicht  finden^ 
dafs  sich  im  Lande  unter  der  Enns  irgendein  Fortbestand  der  romanischen  Bevölke- 
rung erweisen  läfst.  Die  Städte  sinken  in  Trümmer  und  verlieren  ihre  Namea 
(selbst  die  Wiedernenuung  von  Carnuntum  erweist  sich  nach  neuerer  Forschung- 
als  trügerisch;  siehe  Dachler  im  Monatsbl.  d.  Ver.  f.  Landesk.  von  Niederöster. 
Nr.  12,  1903),  die  Awaren  herrschen  an  der  Uferstrecke,  die  Slawen  besetzen  die- 
Seitentäler  und  nirgends  scheinen  sie  an  bestehende  romanische  Besiedelung- 
anzuknüpfen,  sondern  schaffen  neue  Gründungen.  Im  Lande  ob  der  Enns  sind 
dagegen  romanische  Kolonen  nachweisbar  und  es  blieben  auch,  wie  oben  gesagt, 
einzelne  Römerorte  mit  ihren  Namen  erhalten.  Dafs  man  aber  auch  hier  bei 
näherer  Betrachtung  auf  ein  recht  bescheidenes  Mafs  zurückkommt,  darüber  siehe- 
Strnadt,  Arch.  Zeitschr.  N.  F.  YIU,  43 f. 

2)  Dafs  der  Name  Wels  mit  dem  römischen  Ovilava  nichts  zu  tun  hat, 
betonte  schon  Krones,  Handbuch  der  österreichischen  Geschichte  I,  366,  siehe 
auch  Grienberger,  Beiträge  zur  Salzburger  Landeskunde,  XXV' I,  71,  1886. 

3)  In  diesen  Ausführungen  folge  ich  Riezler  I,  56 ff.  Aus  dem  Wort- 
schatze des  Baumeisters  sind  Mauer,  Turm,  Kalk,  Ziegel,  Mörtel,  Fenster,  Söller 
und  Kemenate  römisch,  aus  dem  der  Landwirtschaft  die  Worte :  Wein,  Schoten, 


Germanische,  slawische  und  awarische  Wanderungen.  115 

spräche  war  das  Lateinische,  in  ihr  waren  die  Gesetze  und  die 
Urkunden  abgefafst,  und  die  Vornehmen  waren  ihrer  kundig. 
Zahlreicher  blieb  die  romanische  Bevölkerung  im  Salzburgischen 
erhalten,  doch  auch  in  Oberösterreieh ,  im  Traun-  und  Attergau. 
Die  mit  Walch-  zusammengesetzten  Namen,  wie  sie  die  Bayern 
den  romanischen  Orten  gaben,  deuten  auf  sie  hin,  wie  Seewalchen, 
Strafswalchen ,  Walchhausen,  Walchegg,  Walchhof,  Walchofeld  ^). 
Diese  Romanen  wurden  in  ihrem  Kolonenverhältnis  belassen,  sie 
blieben  persönlich  frei,  waren  aber  an  Grund  und  Boden  gebunden. 
Sie  bildeten  —  wenigstens  ursprünglich  oder  zum  gröfsten  Teil  — 
jene  Klasse  der  Bevölkerung,  welche  als  die  der  Tributales,  Tribu- 
tarii  oder  mit  dem  deutschen  Namen  Parschalke  ^)  bezeichnet  wird. 
Der  weit  wichtigere  fränkische  Einflufs,  welcher  selbst  wieder 
von  römischen  Überlieferungen  genährt  wurde,  äufserte  sich  in  den 
sozialen  und  rechtlichen  Verhältnissen,  wie  sie  uns  in  der  grofsen 
Rechtssammlung,  der  Lex  Baiuvariorum,  entgegentreten,  welche  auf 
Grund  der  alten  Rechtsgebräuche,  die  vielleicht  bis  in  die  Marko- 
mannenzeit zurückreichen,  einerseits  und  der  unter  Herzog  Land- 
fried (f  730)  entstandenen  Lex  Alamannorum  andrerseits,  sowie 
unter  fränkischer  Einwirkung  unter  Herzog  Odilo  zwischen  740 
und  748  aufgezeichnet  worden  ist  ^).    An  der  Spitze  des  bayerischen 


die  Alpenkräuter  Speik,  Marbl  und  Madaun  und  wahrscheinlich  auch  Alm,  Senner 
und  Käser,  endlich  aus  dem  des  Handwerkes  das  Wort  Pfister.  —  Das  Haus 
der  mit  den  Komanen  in  Berührung  gekommenen  deutschen  Stämme,  der  Baju- 
varen,  Alamannen  und  Franken  ist  gegliedert,  das  der  Sachsen  ungegliedert. 

1)  Das  letztere  genannt  in  ÜB.  d.  L.  ob  d.  Eons  II,  18.  Ferner  werden 
in  den  Urbaren  der  Hoftnark  Steyer  aus  dem  13.  Jahrhundert  (Ausgabe  von 
Dop  seh,  S.  289,  807,  310)  die  jetzt  abgekommenen  Orte  Walchenberg,  Walchen- 
graben und  Walchgraben  und  Walchenbacb  genannt. 

2)  Sowohl  über  das  Wesen  der  Parschalken,  wie  über  den  ersten  Teil  des 
Wortes  ist  vielfach  gestritten  worden.  G  r  a  u  e  r  t  bringt  Par  in  Zusammenhang 
mit  baran  =  trgaen ,  wonach  das  Wort  „tragende  d.  i.  zinsbare  Knechte"  be- 
deuten würde.  An  sie  erinnert  noch  der  Ortsname  Parschalling  in  Oberösterreich, 
der  also  indirekt  ebenfalls  zu  den  obengenannten  Orten,  welche  die  ehe- 
malige romanische  Besiedelung  bezeugen,  gehört.  Von  Eomani  tributales  und 
tributarii  in  diesen  Gegenden  berichten  sowohl  der  Indiculus  Arnonis,  als  auch 
die  Breves  notitiae. 

3)  Hgg.  von  Merkel,  M.  G.  Leg.  IH.  —  Bezüglich  der  Entstehung  haben 
sich  die  Ansichten  der  Kechtshistoriker  mehrmals  geändert.   Eichhorn  und  die 

8* 


116  Viertes  Kapitel. 

Volkes  Hilden  wir  gleich,  nachdem  es  aus  dein  Dunkel  auftaucht, 
einen  Herzog  und  zwar  aus  dem  Hause  der  Agilolfinger.  Dafs 
er  in  einer  formellen  Abhängigkeit  vom  Frankenkönig  stand,  tat 
seiner  j\Iachtstellung  keinen  Eintrag.  Er  ist  Heerführer,  oberster 
Richter  und  Gesetzgeber,  er  ist  der  reichste  Grofsgrundbesitzer 
des  Landes,  und  ihm  gehören  nach  fränkischem  Rechte  alle  un- 
bebauten Landstriche  und  der  Nachlafs  ohne  Erben  verstorbener 
Personen,  sowie  nach  dem  Muster  der  römischen  Kaiserzeit  die 
Bergwerke,  Salinen,  Zölle  und  Strafgelder.  Sein  Eigentum  und 
seine  Person  geniefsen  besonderen  Schutz  ^).  Dem  Herzog  im 
Range  am  nächsten  steht  die  herzogliche  Familie,  dann  kommen 
die  altadeligen  Geschlechter,  fünf  an  Zahl.  Die  übrige  Bevölke- 
rung zerfällt  in  Freie  (liberi  oder,  nach  westgotischem  Brauch 
ingenui),  schon  äufserlich  durch  das  lange  Haar  kenntlich,  die 
allein  Eigentum  besitzen,  Waffen  tragen  und  an  den  Gerichts- 
versammlungen teilnehmen  dürfen.  Freigelassene  (liberti,  raanu- 
missi),  auch  mit  einein  von  den  Langobarden  übernommenen  Aus- 
druck Aldionen  genannt,  rechtsfähig,  aber  vom  Willen  des  Herrn 
abhängig,  und  Leibeigene  (mancipia,  servi),  denen  die  Kriegs- 
gefangenen zugezählt  werden,  unter  die  aber  auch  Freie  bei 
schweren  Verbrechen  oder  gänzlicher  Armut  geraten,  und  die  von 
ihrem  Herrn  wie  eine  Sache  oder  ein  Stück  Vieh  behandelt  werden 
können.  Die  Parschalken  oder  Halbfreien  werlen  in  der  Lex 
Baiuvariorum  nicht  aufgezählt.  Solche  gab  es  ihrer  Natur  nach  — 
Eigenbesitzer  und  in  Urkunden  unter  den  Freien  genannt,  aber 
zinspflichtig  wie  die  römischen  Kolonen  —  wohl  nur  in  jenem 
Teile  des  Landes,  wo  sich  bedeutendere  romanische  Überreste 
erhalten  hatten,  also  gerade  im  Südwesten  unseres  Landes  ob  der 


älteren  haben  eine  einmalige  und  einheitliche  Abfassung  angenommen,  dagegen 
hat  Eoth,  Die  Entstehung  der  Lex  Baiuwariorum  (Dissertation  1848),  drei  Teile 
unterschieden,  deren  frühester  im  6.  Jahrhundert  entstanden  wäre.  Die  gesamte 
Literatur  ist  zusammengestellt  bei  Ei e zier.  Über  die  Entstehungszeit  der  Lex 
Baiuwariorum  (Forschungen  zur  deutschen  Geschichte  XVI,  411).  Ihm  ist  man 
bis  in  die  jüngste  Zeit  gefolgt.  Grundlegend  für  die  jetzt  geltende  Ansicht, 
welche  wieder  auf  die  ältere  zurückgreift,  aber  Zeit  und  Quellen  genauer  bestimmt, 
ist  Brunn  er,  Deutsche  Rechtsgeschichte  I,  313. 

1)  Zur  älteren  bayerischen  Rechtsgeschichte  vgl.  jetzt  insbesondere  G eng- 
ler, Beiträge  zur  Rechtsgeschichte  Bayerns  I,  1889. 


Germanische,  slawische  und  awarische  Wanderungen.  117 

Enns.  Später,  namentlich  seit  der  Erneuerung  der  fränkischen 
Oberhoheit  unter  Karl  Martell  finden  wir  unter  fränkischem  Ein- 
flufö  auch  die  Anfänge  des  für  das  Mittelalter  so  wichtigen  Lehens- 
wesens, indem  Freie  sich  in  den  Watfendienst  des  Herzogs  stellten 
und  von  diesem  mit  Ländereien  begabt  wurden.  Ja,  Tassilo  ver- 
fügte sogar  die  Erblichkeit  der  Lehen. 

Die  staatliche  Organisation  stützte  sich  auf  die  altgermanische 
Einteilung  in  Gaue  und  Hundertschaften,  die  aus  der  Heeres- 
verfassung entsprungen  war,  und  auf  die  nunmehr  das  spezi- 
fisch fränkische  Beamtentum  gepfropft  wurde.  Da  war  zunächst 
der  Graf  (comes,  auch  praeses),  im  Kriege  der  Anführer  einer 
Heeresabteilung  aus  der  ihm  zugewiesenen  Grafschaft,  die  ur- 
sprünglich dem  Gau  entsprochen  haben  dürfte.  Er  war  zugleich 
ein  vom  Herzog  eingesetzter  und  wieder  absetzbarer  Verwaltungs- 
beamter zur  Eintreibung  der  Steuern  und  Einkünfte.  Die  Gau- 
einteilung gibt  uns  zugleich  ein  Bild  von  der  Besiedelung  des 
späteren  Landes  Osterreich  ob  der  Enns  ').  Das  Land  zwischen 
Inn  und  Enns  südlich  der  Donau  gehörte  drei  Gauen  an  ^).    Der 

1)  Die  Besiedelungsgeschichte  Oberösterreichs  liegt  leider  noch  ganz  im 
argen.  Weber,  Beiträge  zur  Vorgeschichte  von  Oberbayern  (Beiträge  zur  An- 
thropologie und  Urgeschichte  Bayerns  XIV,  6,  1903)  glaubt  den  Gang  der  ersten 
bayerischen  Siedelung  durch  eine  Zusammenstellung  der  Ortsnamen  auf  -ing 
auch  für  Oberösterreich  gewinnen  zu  können.  Mit  Recht  hat  dagegen  Schiff- 
mann (Linzer  Volksblatt,  7.  Juni  1903)  darauf  hingewiesen,  dafs  sehr  viele 
heutige  Ortsnamen  auf  -ing  ursprünglich  ganz  anders  ausgelautet  haben. 

2)  Die  Gaugrenzen  können,  wenn  auch  für  die  ältere  Zeit  nur  wenige  Be- 
lege vorhanden  sind,  dennoch  mit  ziemlicher  Sicherheit  festgestellt  werden,  weU 
sie  im  Laufe  der  Jahrhunderte  unverändert  blieben  und  später  für  die  Land- 
gerichte übernommen  wurden,  wie  neuerdings  die  Forschungen  für  den  Atlas 
der  österreichischen  Alpenländer  (siehe  oben  S.  23)  wieder  ganz  klar  bewiesen 
haben.  Über  die  obderennsischen  Gaue  siehe  von  älteren  Werken  Lang,  Bayerns 
Gaue  (Nürnberg  1830)  und  Spruner,  Bayerns  Gaue  (Bamberg  1831),  welche 
jedoch  von  der  irrigen  Voraussetzung  ausgehen ,  dafs  die  kirchlichen  Grenzen 
sich  an  die  Gaugrenzen  gehalten  hätten.  Eine  gute  Zusammenstellung  der  ge- 
samten älteren  Literatur  über  diesen  Gegenstand  von  Hundt  in  Abhandlungen 
der  historischen  Klasse  der  bayerischen  Akademie  der  Wissenschaften  XII  \  149, 
1874.  Die  erste  genauere  Bestimmung  rührt  von  Britz,  Geschichte  des  Landes 
ob  der  Enns  I,  173  her,  auf  welcher  so  ziemlich  alle  späteren  Werke  fufsen. 
Eine  eingehende  kritische  Feststellung  unternahm  Strnadt  in  seiner  „Geburt 
des  Landes   ob    der  Enns"   (Linz  1886)  S.  11  f.,   nachdem   er   schon  früher  in 


118  Viertes  Kapitel. 

umfangreichste  war  der  Traungau  ^),  welchen  im  Norden  die  Donau 
von  der  Enusmlindung  bis  zum  Jochenstein  oberhalb  Engelharts- 
zell  begrenzte.  Von  hier  bildete  die  Wasserseheide  zwischen  Inn 
und  Traun  bis  zum  Hausruck,  weiter  die  Ager  bis  zur  Einmün- 
dung des  Aurachbaches,  die  Wasserscheide  des  Höllengebirges, 
der  Leonsberg  bis  zur  Ischl,  dann  die  jetzige  Salzburger  Landes- 
grenze bis  zum  Rufsbergthörl  und  zum  Dachstein,  jedoch  mit  Aus- 
schlufs  des  Gosachtales  die  Westgrenze.  Die  Siidgrenze  stieg  zu- 
nächst nordöstlich  bis  zum  Toten  Gebirge,  wobei  das  Ausseer 
Ländchen  nicht  einzubeziehen  ist,  bis  zum  Wildensee,  über  den 
Pyhrn,  Pyrgas  und  ScheibHngstein.  Die  südöstliche  Grenze  ist 
sehr  unsicher,  hier  breitete  sich  eben  der  dichte  Ennswald  aus. 
Doch  scheint  sie  in  älterer  Zeit  keineswegs  der  heutigen  Landes- 
grenze entsprochen  zu  haben ,  sondern  von  der  Taufaralpe  zum 
Augustinkogel,  von  diesem  über  das  Hochscnseugebirge  an  das 
rechte  Ufer  der  Steyer  bis  zur  Mündung  in  die  Enns  beziehungs- 
weise bis  zur  Mündung  des  Ramingbaches  gegangen  zu  sein.  Die 
untere  Ennsgrenze  ist,  unbestritten.  Namen  von  Grafen  sind  erst 
aus  der  Karolingerzeit  überliefert. 

Im  Westen  grenzte  bis  zur  Pram  (Hausruckj  der  Mattiggau 
I  an  den  Traungau.  Die  Nordgi-enze  gelangte  von  der  Pram  nach 
Reichersperg  an  den  Inn,  dann  ging  es  südwestlich  den  Inn  auf- 
wärts bis  zur  Mündung  der  Salzach,  wobei  nur  die  Gebiete  von 
Heiming  und  Mokendorf  einzubeziehen  sind,  und  diese  hinauf  bis 
zur  alten  Einmündung   der  Mosach    in   die  Salzach   südlich  von 

„Peuerbach"  (27.  Ber.  über  das  Mus.  Francisco-Carolinum)  S.  49,  wo  auch  eine 
kartographische  Darstellung  geboten  wird,  dazu  den  Grund  legte.  Einigermafsen 
strittig  ist  nur  der  Ausschlufs  des  Gosachtales  (gegen  Lampel  in  den  Blättern 
des  Vereines  f.  Landesk.  XXI,  249),  des  Aussee-Ländchens  (gegen  Lampel  a. 
a.  0.,  S.  241  und  Felicetti  in  Beiträge  z.  Kunde  steierm.  Geschichtsqu.  X,  33) 
und  die  Südostgrenze  (gegen  Hasenöhrl,  im  Archiv  LXXXII,  479).  Ich 
schliefse  mich  der  Beweisführung  Strnadts  an.  Bezüglich  des  Gosachtales 
siehe  Erläuterungen  zum  historischen  Atlas  der  österreichischen  Alpenländer  Sektion 
Österreich  ob  der  Enns  (noch  ungedruckt,  aber  vom  Verfasser,  Herrn  Oberlandes- 
gerichtsrat Strnadt  in  liebenswürdiger  Weise  für  diesen  Abschnitt  zur  Ver- 
fügung gestellt). 

1)  Ganz    vereinzelt    in    ältester    Zeit    (Breves   notitiae   im   Salzburger  Ur- 
kundenb.  I,  20)  auch  pagus  Trunse  genannt. 


Germanisehe,  slawische  und  awarische  Wanderangen,  1 19 

Wildshut.  Im  Süden  lief  dann  die  Grenze  von  der  Mosach  bis 
zum  Pirgtürapfl  über  das  VVeitmoos  und  den  Hackenbucherersee 
um  den  Mattsee  *)  zum  Tannberg  und  schliefslich  die  spätere  Salz- 
burger Landesgrenze  entlang  bis  zum  Dracbenstein  und  über  die 
Hüttensteiner  Klause  zum  Schafberg.  Eingeschlossen  und  ebenfalls 
dem  Matiggau  angehörig  waren  die  heutigen  Pfarrorte  Ostermieting, 
St,  Pantaleon,  Haigermoos,  Tarsdorf  und  St.  Radegund  ^).  Der 
älteste,  dem  Namen  nach  bekannte  Graf  des  Mattiggaues  ist  Engil- 
bert  aus  dem  Jahre  789, 

Endlich  reichte  auch  der  bayerische  Rotgau  (Rotachgau),  der 
in  seiner  Hauptmasse  am  linken  Ufer  des  Inn  lag,  über  diesen  in 
das  heutige  Oberösterreich  herüber  und  umfafste  hier  das  Inn- 
viertel  zwischen  Inn,  Donau  und  Traungau  und  Mattiggau  (das 
spätere  Landgericht  Schärding). 

Ln  Norden  der  Donau  erstreckte  sich  der  Schweinachgau 
sicher  bis  zur  grofsen  Mühel,  wahrscheinlich  sogar  bis  zur  Rotel, 
während  das  Land  östlich  von  der  Rotel  unkultiviertes  und  in  die 
Verwaltung  nicht  einbezogenes  Waldland  war. 

Die  Gaue,  die  in  der  älteren  Zeit  mit  der  Grafschaft  iden- 
tisch waren,  zerfielen  in  Hundertschaften  (Zenten  oder  Vikarien), 
denen  ein  vom  Grafen  eingesetzter  Centurio,  Centenarius  oder  Vi- 
carius,  zu  deutsch  Schultheifs,  vorstand,  der  zugleich  auch  die 
Zivilgewalt  innehatte.  Auch  das  Gebiet  der  Hundertschaften, 
die   zumeist   auch  die  Bezeichnung  Gau  ^)  führten ,   läfst   sich  mit 

1)  Dafs  Mattsee  zum  Mattiggau  gehörte,  beweist  Strnadt,  Geburt  des 
Landes  ob  der  Enns  S.  25,  Anmerkung  41  gegen  Eicht  er,  Untersuchungen 
zur  historischen  Geographie  des  ehemaligen  Hochstiftes  Salzburg  und  seiner 
Nachbargebiete  (Mitt.  d.  Inst.  f.  österr.  Gesch.  I.  Erg.-Bd.  716,  1885). 

2)  Ostermieting  und  die  Umgebung  wird  in  der  Urkunde  vom  24.  April  1372, 
(U.-B.  d.  L.  0.  d.  E.  VIII,  588)  im  „gerichte  in  dem  Weilhart"  gelegen  bezeichnet, 
gehörte  daher  ursprünglich  zum  Mattiggau,  und  der  Beisatz  „in  pago,  Salzgove" 
bei  der  Örtlichkeit  Ostermieting  in  der  Königsurkunde  vom  14.  Mai  1041  (Frei- 
sing, Copialb,  sec.  XII  im  allg.  Eeichsarchiv  München,  Druck  Mon.  Boic  XXXI  a, 
219)  hat  dem  damaligen  Gebrauche  gemäfs  nur  die  Bedeutung  „in  pago  quem 
transit  fluvius  Salza".  Siehe  Erläuterung  zum  historischen  Atlas  der  öster- 
reichischen AlpenLänder. 

3)  Der  Ausdruck  Gau  scheint  ursprünglich  und  in  manchen  Gegenden  (z.  B, 
Tirol)  ganz  allgemein  für  einen  gerodeten  Landstrich  gebraucht  worden  zu  sein 
(Riezler  I,  841),  dürfte  sich  aber  in  unserer  Zeit  bereits  zur  Bezeichnung  eines 


120  Viertes  Knpitol. 

einiger  Sicherheit  feststellen,  da  aus  ihnen  die  späteren  Landgerichte 
hervorgegangen  sein  dürften  ').  Ihre  Namen  sind  nicht  alle  über- 
liefert, doch  ist  nach  dem  Gesagten  anzunehmen,  dafs  sowohl  der 
Traun-  als  auch  der  Mattiggau  aus  vier  Hundertschaften  bestand, 
entsprechend  den  Landgerichten  Donautal,  tStarhemberg  -  Schwans,. 
Schlierbach  und  dem  unbenannten  zwischen  Traun  und  Enns, 
das  von  Thalheim  an  der  Traun  bis  zum  Steinfeld  an  der  Steyr 
reichte,  einerseits  und  den  Landgerichten  Weilhart,  Ried,  Wilden- 
eck und  Kammer  andrerseits.  Letztere  Hundertschaft  hiefs  der 
Attergau  —  das  Mondseeland.  „Ul'gau  "  war  eine  rein  geographische 
volkstümliche  Benennung  des  südwestlichsten  Teiles  des  Traungaues 
ohne  jedweden  politischen  Inhalt  ^). 

Besonders  wichtig  ist  die  Gerichtsverfassung.  Oberster  Grund- 
satz war,  dafs  jeder  nur  von  seinesgleichen  gerichtet  werden 
durfte.  Jede  Hundertschaft  hatte  ihre  eigene  Gerichtsstätte  (Ding- 
stätte), an  welcher  sich  am  Beginn  jedes  Monates,  eventuell  auch 
aller  vierzehn  Tage  die  Freien  zum  Ding  (placitum)  oder  Urteil 
versammelten,  welchejn  der  Graf  vorsafs,  der  wieder  seinerseits 
einen  Richter  (Iudex)  als  Urteilsfinder  zur  Seite  hatte.  Die  Büttel 
waren  Unfreie.  Das  Gerichtsverfahren  beruhte  im  wesentlichen 
auf  dem  Zeugenbeweis,  in  zweiter  Linie  auf  dem  Eid  des  An- 
geklagten, der  durch  Eideshelfer  gestützt  werden  konnte,  endlich 
war  auch  für  den  Freien  der  Zweikampf  (Wehadink  oder  Kampf- 
wik),  für  den  Unfreien  die  Feuer-  oder  Wasserprobe  als  Ent- 
scheidung üblich.  Dem  Strafrechte  fehlte  wie  überhaupt  dem 
deutschen  Rechte  der  bei  anderen  Völkern  so  häufige  Begriff  der 
Talion.  Als  Strafe  wurde  über  Freie  nur  im  Falle  eines  An- 
schlages wider  das  Leben  des  Herzogs  oder  wegen  Landesverrates 
der  Tod  verhängt,  im  übrigen  standen  jedoch  selbst  auf  schwere 

gröfserea   oder   kleineren   Verwaltungsgebietes   (pagus  rnaior,    minor)  verdichtet 
haben. 

1)  Diese  Theorie  ist  zuerst  von  Sohra,  Die  fränkische  Reichs-  und  Gerichts- 
verfassung, 1871  aufgestellt  und  für  die  kleineren  Gaue  Bajuvariens  bewiesen 
worden,  wurde  dann  von  Strnadt  a.  a.  0.  auch  auf  Oberösterreich  angewendet 
und  ist  von  allen  neueren  Eechtshistorikern  angenommen  worden. 

2)  Über  den  Ufgau  Stütz  im  Notizenbl.  I,  347,  1851.  Die  Richtigstel- 
lung der  Ansicht  von  Stülz  ist  in  den  Erläuterungen  zum  historischen  Atlas  der 
österreichischen  Alpenländer,  Sektion  Österreich  ob  der  Enns,  erfolgt. 


Germauische,  slawische  uud  awarische  Wanderungen,  131 

Verbrechen  nur  Geldbufsen.  Es  war  das  sogenannte  Wergeid  (com- 
positio),  welches  dem  Beschädigten  oder,  im  Falle  der  Tötung, 
dessen  Verwandten  oder,  wenn  keine  vorhanden,  dem  Herzog, 
beziehungsweise  bei  Unfreien  dem  Herrn  zu  zahlen  war.  Seine 
Höhe  richtete  sich  in  diesem  Falle  nach  dem  Stande  des  Getöteten. 
Für  den  Freien  betrug  es  ursprünglich  80,  später  unter  fränkischem 
Einflufs  160  Schillinge  (ca.  14000  K.)  ^),  für  einen  Angehörigen  der 
herzoglichen  Familie  das  Vierfache,  für  einen  der  fünf  Adels- 
geschlechter das  Doppelte,  für  den  Freigelassenen  das  Viertel  und 
für  den  Leibeigenen  das  Achtel.  Überdies  mufste  sich  der  Verbrecher 
durch  ein  Friedensgeld  den  staatlichen  Schutz  wieder  zurückkaufen. 

Das  Privatrecht  baute  sich  auf  dem  Familienrecht  auf.  Der 
Gatte  war  der  Muntwalt  seines  Weibes,  der  Vater  der  seiner  Kinder, 
der  Herr  der  des  Freigelassenen  und  Leibeigenen.  Im  älteren 
deutschen  Recht  erwarb  diese  Muntschaft  der  Ehemann  durch  einen 
Kaufpreis,  den  Muntschatz,  von  den  Eltern  der  Braut.  In  der 
Lex  Baiuvariorum  erscheint  als  Nachklang  das  Wittum  oder  die 
Morgen  gäbe  (dos  legitima),  die  der  Gatte  in  die  Ehe  mitbringt.  Das 
Erbrecht  erstreckte  sich  bis  auf  das  siebente  Glied.  Die  Witwe 
erhielt  soviel  wie  der  Sohn,  doch  nur,  solange  sie  sich  nicht  wieder 
verheiratete.  Waren  keine  Kinder  vorhanden,  so  wurde  das  Ver- 
mögen zwischen  der  Witwe  und  den  anderen  Verwandten  geteilt. 
Kinder  verschiedener  Ehe  hatten  gleiches  Erbrecht  ^). 

Der  Freie  besafs  vollkommen  freies  Verfügungsrecht  über  seinen 
Grund  und  Boden  und  alles,  was  sich  darauf  befand,  —  die  so- 
genannte Gewere.  Eigentumsveräufserungen  erfolgten  in  drei  Ab- 
stufungen. Die  erste  war  die  Tradition,  wobei  dem  Käufer  ein 
Symbol  des  Gegenstandes  übergeben  wurde,  die  zweite  war  die 
Investitur,  die  persönUche  Besitzergreifung  meist  durch  das  drei- 
tägige Einlager,    endlich  die  Firmation,    die  öffentHche  und  feier- 

1)  Über  den  ursprünglichen  Ansatz  siehe  Brunn  er,  Deutsche  Rechts- 
geschichte I,  225.  Darüber,  dafs  die  Geldansätze  nicht  etwa  Preise,  sondern 
nur  Werte  sind,  siehe  Inama-Sternegg  I,  195  und  Jahrbücher  für  National- 
ökonomie XXX,  197. 

2)  Diese  spezifisch  bayerischen  erbrechtlichen  Grundsätze  behielten  in  Ober- 
österreich bis  in  die  Neuzeit  Geltung  und  gingen  im  Jahre  1729  in  die  Erb- 
rechtsordnung K.  Karls  "VI.  für  Oberösterreich  (Codex  Austriacus  III,  539)  über. 


138  Viertes  Kapitel. 

liehe  Vertragsverlautbarung,  sei  es  durch  Zeugen,  sei  es  durch 
eine  geschriebene  Urkunde.  Dafs  dabei  die  Zeugen  bei  den  Ohren 
gezogen  wurden  (testes  per  aures  tracti),  ist  eine  ganz  spezifische 
Eigentümlichkeit  des  bayerischen  Volksrechtes,  die  sich  auch  in 
Osterreich  wiederholt  findet. 

Der  Hauptbesitz  '),  in  allen  Teilen  und  Objekten  bis  herab 
zu  den  einzelnen  Balken  des  Hauses  durch  Bufssätze  geschützt, 
bestand  in  Grund  und  Boden.  Er  hiefs  für  den  einzelnen  nach 
der  ursprünglichen  Art  der  Besitznahme  Los  (sors),  Luz.  Die 
Hufe  oder  bayerisch  österreichisch  Hube  (mansus)  war  die  Einheit, 
nämlich  der  Komplex  von  Ackerland,  Hof  und  den  dazu  gehörigen 
Rechten,  welcher  die  Arbeit  des  Besitzers  mit  ein  oder  zwei  Knechten 
in  Anspruch  nimmt  und  eine  Familie  ausreichend  ernährt  ^).  Ihre 
Gröfse  war  unbestimmt;  das  Mafs  war  der  Morgen  (jugerum,  Joch) 
d.  i.  eine  Fläche,  welche  an  einem  Vormittag  gepflügt  werden 
konnte.  In  der  Regel  urafafste  die  Hufe  45  Joche  (etwas  über 
10  Hektare).  Allmählich  bildete  sich  schon  in  dieser  Periode 
gröfserer  Grundbesitz  aus.  Eine  spätere  Phase  der  Entwickelung 
ist  der  Zusammenschlufs  der  Hufenbesitzer  zu  einer  Markgenossen- 
schaft 2),  einer  rein  wirtschaftlichen,  nicht  politischen  Gemeinschaft, 
die  aufser  ihrem  Einzelbesitz  noch  einen  gemeinsamen  *),  die  „ge- 
meine Mark",  zumeist  Weide  und  Wald,  dann  auch  Wasser  und 
Wege  hatte,  und  deren  Gebiet  durch  eine  deutlich  sichtbare 
Grenze  (Marksteine,  Gräben  oder  auch  gekennzeichnete  Bäume) 
abgeschlossen  war.  Die  Ansiedelungen  selbst  erfolgten  hauptsäch- 
lich je  nach  der  Bodenbeschaffenheit,  doch  ist  die  charakteristische 
bayerische  Siedelungsform  der  Einzelhof  Das  Wohnhaus  war  noch 
aus  Holz  erbaut,  Wirtschaftsgebäude  (offene  und  gedeckte  Vieh- 
ställe [Scupfa  =  Schupfen],  Scheunen  [Mita],  Tennen  u.  a.),  Bad- 
haus, Backofen  waren    davon  getrennt  (sogenannte  Gruppenhöfe), 

1)  Zu  diesem  Teile  vgl.  insbesondere  Inama-Sternegg,  Deutsche  Wirt- 
schaftsgeschichte I,  (Leipzig  1879). 

2)  Diese  Definition  nach  Waitz.  Vgl.  jetzt  Caro,  Die  Hufe  (Deutsche 
Geschichtsblätter  IV,  257  f.,  1903). 

3)  Das  Einzelhofsystera  begünstigt  diese  Bildung  nicht  (vgl.  Tille,  Bäuer- 
liche Wirtschaftsverfassung  des  Vintschgaues,  1895). 

4)  Die  Bezeichnung  Almonde ,  welche  in  Südwestdeutschland  allgemein 
üblich  war,  findet  sich  in  Österreich  nicht. 


Germanische,  slawische  und  awarische  Wanderangen.  133 

der  Hofraum  von  einem  Zaun  (etter,  Gatter)  umgeben.  —  Auf  die 
sorgsame  Pflege  der  Viehzucht  (Pferde,  Grrofsvieh,  Schafe,  Schweine) 
deuten  mehrere  Stellen  des  Gesetzbuches,  andere,  die  von  den  ver- 
schiedenen Gattungen  der  Jagdhunde  und  Jagdfalken  und  den 
Bufssätzen  für  sie  handeln,  auf  den  eifrigen  Betrieb  der  Jagd  in 
den  Forsten,  wie  sie  sich  der  Herzog  und  einzelne  Grofsgrund- 
besitzer  aus  den  reichen  Waldungen  als  ihren  Privatbesitz  ab- 
gegrenzt hatten.  Endlich  wurde  die  Bienenzucht,  der  Obstbau 
(Apfel-  und  Birnbaumgärten)  und  der  Weinbau  ^)  gepflegt.  Honig 
spielte,  da  man  keinen  Zucker  kannte,  eine  grofse  Rolle.  Er 
wurde  auch  zur  Meterzeugung  verwendet,  das  Wachs  zur  Bereitung 
von  Kerzen  ^).  Aus  den  Äpfeln  und  Birnen  wird  hier  von  alters- 
her  bis  heute  in  reichlichem  Mafse  Obstmost  und  Obstwein  bereitet. 

Der  Ackerbau  ^)  stand  jedenfalls  in  erster  Reihe ,  doch  darf 
man  noch  nicht  an  einen  systematischen  Betrieb,  (z.  B.  war  nicht 
einmal  das  Düngen  üblich)  denken,  fast  ausschliefslich  war  der 
Bedarf  mafsgebend. 

Neben  der  Landwirtschaft  spielten  Handel  und  Gewerbe  nur 
eine  ganz  untergeordnete  Rolle.  Schmieden  und  Mühlen  für  den 
Eigenbedarf  werden  in  der  Lex  erwähnt.  Die  Errichtung  der 
Mühlen  war  von  der  Zustimmung  des  Herzoges  abhängig.  Nicht 
einmal  eigene  Münzen  prägte  man,  sondern  bediente  sich  entweder 
des  fränkischen  Goldsolidus  (Schilling),  später  auch  der  merowin- 
gischen  Silberdenare  und  der  langobardischen  Tremissen  oder  der 

1)  Schon  im  8.  Jahrhundert  ist  in  Oberösterreich  Weinbau  bei  Aschach 
und  ad  Eocotula  (Eotel?)  (in  der  Stiftungsurkunde  von  Kremsmünster,  ÜB.  d. 
L.  0.  d.  Enns  II,  4)  und  zu  Pachmaning  im  Salzburger  Besitz  bezeugt,  was  um 
80  bemerkenswerter  ist,  als  heute,  ja  schon  im  späteren  Mittelalter  der  Weinbau 
in  Oberösterreioh  gänzlich  ausstarb  (vgl.  Schmieder  in  Ber.  d.  Mus.  Francisco- 
Carol.  XXVI,  223). 

2)  Menzel,  Bienenzucht  und  Bienenrecht  im  Mittelalter  (Nördlingen  1865); 
Derselbe ,  Die  Biene  in  ihren  Beziehungen  zur  Kulturgeschichte  und  ihr  Leben 
im  Kreislauf  des  Jahres  (Zürich  1869);  Wagner,  Das  Zeidelwesen  und  seine 
Ordnung  im  Mittelalter  und  in  der  neueren  Zeit;  Witzgall,  Das  Buch  von 
der  Biene  S.  m  (Stuttgart  1899). 

3)  Anton,  Geschichte  der  teutschen  Landwirtschaft  (Görlitz  1799  und 
1802),  3  Bände;  Langethal,  Geschichte  der  teutschen  Landwirtschaft  (3.  Aufl., 
Berlin  1890);  Goltz,  Geschichte  der  deutschen  Landwirtschaft  I  (Stuttgart 
und  Leipzig  1902). 


124  Viertes  Kiipitol. 

byzantinischen  Goldsolidi  (sog.  IMancosi),  denn  der  Verkehr  donau- 
abwärts  wurde  trotz  der  Awarenherrsclmft  am  mittleren  Strome 
ziemlich  lebhaft  betrieben  ').  Im  übrigen  wurde  mit  Gegenständen, 
die  einen  konventionell  feststehenden  Geldwert  darstellten,  (zumeist 
mit  Vieh)  bezahlt. 

"Wir  sehen  also  in  den  Bayern  ein  bereits  entwickeltes  Kultur- 
volk, das  eine  treffliche  Staatsorganisation  und  ein  reichgegliedertes 
Recht  mit  gar  manchen  humanen  Grundsätzen  —  man  denke  an 
die  durch  doppelten  Bufssatz  geschützte  Stellung  der  Frau  und 
an  die  milden  Strafen  —  besafs,  wohl  auch  mit  ein  Beweis,  dafs 
wir  ein  seit  langem  sefshaftes  und  unter  günstiger  Kultureinwir- 
kung stehendes  Volk  und  nicht  etwa  aus  unbekannter  Ferne  her- 
gewanderte Nomaden  vor  uns  haben.  Kein  Wunder,  dafs  es 
auch  trefflich  versteht,  die  Kulturüberreste  aus  der  Römerzeit  in 
sich  aufzunehmen,  und  dafs  es  die  wenig  entwickelten  Slawen  ohne 
besondere  Gewaltanwendung  in  so  untergeordneter  Stellung  erhält, 
dafs  sie  später  spurlos  verschwinden.  Gegen  die  kämpf-  und  beute- 
gierigen wilden  Awaren  aber  bilden  sie  ein  festes  Bollwerk  und 
bewähren  sich  zum  ersten  Male  in  jener  für  das  Deutschtum  so 
wichtigen  Aufgabe,  die  der  bayerische  Stamm  der  Ostmark  bis 
zum  heutigen  Tage  getreulich  erfüllt  hat.  Aber  sie  waren  ein 
ruhiges  Volk  ohne  eigentliche  Initiative,  ohne  die  Energie  des 
Kolonisten  oder  gar  des  Eroberers. 

Diese  gewannen  sie  erst  unter  dem  Einflufs  der  Franken,  die 
sich  bereits  in  einem  wesentlich  vorgeschritteneren  Stadium  der 
Kultur  und  staatlichen  Organisation  befanden.  Zwar  machten  sich 
die  Bayern  nach  dem  Tode  des  Königs  Dagobert  I.  (638)  während 
der  merowingischen  Verfallzeit  selbständig,  aber  der  Majordomus 
Karl  Martell  unterwarf  sie  zwischen  725  und  728  wieder  der 
fränkischen  Oberhoheit,  die  trotz  mancher  Befreiungsversuche  auf- 
recht erhalten  blieb. 

Der   erste   Vorstofs   des   fränkischen   Elementes  gegen   Osten 

1)  In  Laureacnm  fanden  sich  Münzen  der  Kaiser  Tiberius  II.  (578 — 582) 
und  Heraclius  (610—641),  von  letzterem  sogar  im  Piestingtal  bei  Wiener  Neu- 
stadt (Gaisberger,  Laureacum  und  Archiv  für  österreichische  Geschichte 
XXIX,  195).  Vgl.  auch  Soetber,  Forschungen  zur  deutschen  Geschichte  11, 
359,  363. 


Geiraanisclie,  slawische  und  awarisdie  Wandenrngen.  135 

geschah  im  Zeichen  des  Christentumes,  das  ja  im  Mittelalter 
so  vielfach  die  Eroberungspolitik  inauguriert.  Es  nahm,  wie 
gesagt,  von  den  Franken  den  Ausgangspunkt,  obgleich  sich  unter 
den  romanischen  Überresten  im  Lande  das  Christentum  erhalten 
haben  mochte  und  obwohl  es  schon  früher  im  Ilerzogshause  ver- 
einzelte Proselyten  gemacht  hatte,  wie  wir  an  Theodolinde  sahen. 
Im  übrigen  waren  die  Bayern  Heiden,  deren  Götterkult  sich,  wie 
wir  trotz  des  Mangels  an  Nachrichten  annehmen  können,  von  dorn 
der  übrigen  germanischen  Stämme  nicht  wesentlich  unterschied. 
Nur  der  Kriegsgott  führte  den  Namen  Eor  statt  Thiu,  weshalb  im 
Bayerisch  -  Österreichischen  der  Dienstag  bis  auf  die  Gegenwart 
Eritag  heifst:  er  war,  wie  schon  oben  erwähnt,  von  den  Ostgoten 
übernommen  worden. 

Die  ersten  Glaubensboten  hatten  direkt  die  Absicht,  ihre 
Missionstätigkeit  über  die  Grenze  in  das  Awaren-  und  Slawenland 
auszudehnen.  Der  heilige  Rupert,  Bischof  von  Worms,  ein  Sprofs 
des  merowingischen  Königsgeschlechtes,  wollte  sich  im  Jahre  696  ^) 
in  Laureacum  niederlassen,  zog  es  aber  dann  vor,  in  den  roma- 
nischen Gegenden,  am  Waliersee  und  in  Juvavum,  wo  doch  bereits 
eine  Grundlage  vorhanden  war,  seinen  Sitz  aufzuschlagen.  Er 
war  es  auch,  welcher  den  Herzog  Theodo  und  seine  Familie  taufte. 
Ebenso  war  der  heilige  Emmeram  (Haimraban)  von  Poitiers  nach 
Ruperts  Tode  (um  712)  ursprünglich  als  Apostel  der  Awaren  an 
die  Donau  gekommen  und  wurde  nur  durch  Herzog  Theodo  zur 
Wirksamkeit  in  Regensburg  bewogen.  In  die  bayerische  Politik 
griff  erst  die  Kirche  ein,  als  die  fränkische  Oberhoheit  wieder  her- 
gestellt werden  sollte;  da  ging  das  Interesse  des  Frankenreiches 
Hand  in  Hand  mit  dem  der  römischen  Kirche.  Der  Mann, 
dem  Deutschland  überhaupt  seine  kirchliche  Organisation  ver- 
dankt, Winfried -Bonifacius,  errichtete  im  Jahre  739  in  Bayern 
vier   Bistümer:    Salzburg,    Regensburg,    Freising    und    Passau  2), 

1)  Der  Zeitpunkt  der  Tätigkeit  Ruperts  bildete  früher  merkwürdigerweise 
eine  historische  Streitfrage,  indeui  man  sie  unter  Childebert  IL  statt  III.  ver- 
legen wollte,  obwohl  der  Indiculus  Arnonis  und  das  Verbrüderungsbuch  von  St. 
Peter  keinen  Zweifel  aufkommen  lassen  sollten.  Seit  Wattenbach  (Archiv  f. 
österr.  Geschichtsquellen  V,  499 f.,  1850)  und  Blumb erger  (a.  a.  0.  X,  329 f., 
1853)  die  Frage  kritisch  erörtert  haben,  kann  sie  als  gelöst  betrachtet  werden. 

2)  Später   versuchten   bekanntlich   die   Bischöfe   von  Passau   den   Glauben 


136  Viertes  Kapitel. 

die  sämtlich  seinem  Erzbistum  Mainz  unterstellt  wurden  ').  Somit 
war  liavern  auch  in  kirchlicher  Beziehung  an  das  fränkische  Reich 
angegliedert. 

Besonders  wichtig  wurde  die  Einführung  des  Christentumes 
für  die  Kultivierung  des  Landes.  Die  Herzoge  statteten  die  Bis- 
tümer und  ihre  Kirchen  in  freigebiger  Weise  mit  Grund  und  Boden 
j^us  —  sie  hatten  ja  davon  genügend  zur  Verfügung  — ,  und  die 
kleineren  Grundbesitzer  ahmten  das  gegebene  Beispiel  nach  Kräften 
nach.  In  unserem  Oberösterreich  fiel  der  Löwenanteil  von  Anfang 
Salzburg  und  nicht  Passau  zu,  ein  Umstand,  der  auf  die  Ent- 
wickelung  der  Besitzverhältnisse  und  der  kirchlichen  Organisation 
in  der  Folgezeit  von  entscheidendem  Einflufs  wurde  und  mir  auch  ein 
Beweis  dafür  zu  sein  scheint,  dafs  ursprünglich  an  einen  Zusammen- 
hang des  Lorcher  und  des  Passauer  Bischofstuhles  gar  nicht  gedacht 
worden  ist.  Allerdings  sind  wir  über  die  Salzburger  Erwerbungen 
durch  die  gewissenhaften  Aufzeichnungen ,  die  Erzbischof  Arno 
gegen  Ende  des  8.  Jahrhunderts  veranlafste,  aufs  beste  unter- 
richtet -).     Im  Laufe   dieses  Jahrhunderts   gewann   das  Erzbistum 


zu  erwecken,  ihr  Bistum  sei  nur  die  Fortsetzung  des  nachweislich  schon  zur  Zeit 
Severins  bestehenden  Bistumes  Lorch  (vgl.  oben  S.  98)  und  demzufolge  weitaus  das 
älteste  im  ganzen  norischen  Gebiete.  Diese  Fiktion  ging  auch  in  die  Geschichtschrei- 
bung über,  und  man  glaubte  in  den  Bischöfen  Erchanfricd  und  Otgar  Vorgänger 
des  im  Jahre  739  zum  Bischof  von  Passau  bestimmten  Vivilo  gefunden  zu  haben. 
Diese  Ansicht,  die  noch  im  Jahre  1898  Eatzinger  in  seinen  Forschungen  zur 
bayerischen  Geschichte  zu  verteidigen  suchte,  hat  nunmehr  Strnadt  in  seiner 
bereits  erwähnten  Abhandlung  im  VIII.  Bande  der  Archivalischen  Zeitschrift 
dadurch  entkräftet,  dafs  er  nachwies,  dafs  die  genannten  Bischöfe  zu  Anfang 
des  9.  Jahrhunderts  Chorbischöfe  gewesen  sind.  Die  Lorcher  Fabel  hat  schon 
D  ü  m  m  1  e  r  (Pilgrim  von  Passau  und  das  Bistum  Lorch,  Leipzig  1854)  zerstört. 
Strnadt  kommt  darauf  nochmals  eingehend  zurück. 

1)  Der  übertriebene  Bericht 'des  Bonifacius  über  die  verkommenen  Zustände  in 
Bayern  an  Papst  Gregor  IL  (Jaffe,  Bibl.  III,  106)  entspringt  aus  der  Gegner- 
schaft seiner  römischen  Parteistellung  gegen  die  vor  ihm  in  Bayern  tätigen 
irischen  Glaubensboten. 

2)  Es  sind  dies  der  Indiculus  Arnonis  und  die  Breves  Notitiae,  jetzt  am 
besten  herausgegeben  von  Wülibald  Hauthaler,  Salzburger  Urkundenbuch  I, 
(Salzburg  1898).  —  Auf  Grund  dieser  Quellen  hatlnama-Sternegg,  Deutsche 
Wirtschaftsgeschichte  I  (Leipzig  1879),  Beü.  I,  497  eine  tabellarische  Übersicht 
über  die  Verteilung  des  bayerischen  Grundbesitzes  zu  geben  versucht. 


Geiniauische,  slawisclie  und  awarische  Wanderungen.  137 

stattliche  Güter  im  Mattig-  und  Attergau  (Ulting,  Atterhof,  am 
Attersee)  und  besonders  im  eigentlichen  Grenzgau ,  im  Traungau 
(Chroninpach  [Grünbach?]  bei  Pachmanning  „im  Ufgau",  um  Lam- 
bach,  bei  Ansfelden,  Wels  und  Schwanse).  Aufserdem  gehörten 
dem  Kloster  der  heiligen  Ehrentrud  auf  dem  Nonnberge  das 
Fischereirecht  auf  dem  Mond-  und  Abersee,  vereinzelte  Zinspflichtige 
im  Atter-,  Mattig-  und  Traungau,  dem  Kloster  St.  Maximihan 
Zinspflichtige  zu  Powang  im  Attergau. 

Die  eigentlichen  Pioniere  der  Kultur  wurden  jedoch  die  Bene- 
diktinerklöster, welche  die  Herzoge  seit  Theodo  allenthalben  in 
bayerischen  Landen  gründeten  und  zwar  mit  Vorliebe  in  ungero- 
deten  Gebieten,  wo  ihnen  meist  Land  ohne  bestimmte  Umgrenzung 
geschenkt  wurde,  das  sie  selbst  erst  bewohnbar  und  nutzbringend 
machen  mufsten.  Auf  österreichischem  Boden  liegt  eine  der  ältesten 
Agiiolfingergründungen,  das  Kloster  Mondsee  an  dem  gleichnamigen 
See,  wohin  Herzog  Otilo,  derselbe,  der  sich  vergeblich  von 
der  Oberhoheit  Karl  Martells  und  Pipins  frei  zu  machen  suchte 
(741 — 748),  Mönche  aus  Monte  Cassino  berief  ').  Die  Ufer  des 
Sees  verdanken  dieser  Gründung  eine  blühende  Kolonisation  bereits 
zu  früher  Zeit.  Zahlreiche  Dörfer  entstanden,  und  die  dem  Kloster 
zugewiesenen  Forste  zwischen  Salzburg-,  Mattig-  und  Attergau 
wurden  rasch  gelichtet.  Gegen  Ende  des  Jahrhunderts  vermehrte 
sich  der  Besitz  des  Klosters  durch  Schenkungen  im  Traungau,  um 
Rohrbach,  wo  auch  772  bereits  eine  Kirche  erwähnt  wird  ^).    So- 


1)  Otilo  wird  allerdings  erst  in  später  Überlieferung  —  in  den  deutschen 
Versen  des  Mönches  Luitold  im  12.  Jahrhundert  (ÜB.  d.  L.  o.  d.  Enns  I)  — 
als  der  Gründer  bezeichnet,  und  die  Urkunden  reichen  nicht  über  Tassilo  zurück. 
Da  aber  bereits  unter  seiner  Regierung  der  erste  Abt  nachweisbar  ist,  so  ist  an 
der  Eichtigkeit  der  Tradition  kaum  zu  zweifeln.  Auch  ist  sie  für  diese  Zeit 
wahrscheinlicher  als  die  Annahme  einer  Gründung  durch  einen  Grofsgrundbesitzer 
der  Umgegend,  wie  Krones  (Archiv  LXXXIV)  meint. 

2)  Über  den  Mondseer  Besitz  seit  Tassilos  Zeit  sind  wir  durch  den  nach 
Mitte  des  9.  Jahrhunderts  angelegten  Codex  traditionum  sehr  gut  unterrichtet 
(hgg.  als  I.  Band  des  ÜB.  d.  L.  o.  d.  Enns).  Als  Ergänzung  Hundt,  Über 
die  bayerischen  Urkunden  aus  der  Zeit  der  Agilolfinger  (Abhandlungen  der  bist. 
Kl.  d.  bayer.  Akademie  XII ',  145,  1874).  Eine  Übersicht  bei  Winkelhof  er, 
Die  Herrschaft  Attersee  (Zeitschr.  f.  Bayern  und  die  angrenzenden  Länder  II, 
und  III,  1817).    Vgl.   dazu   Hauthaler  in   den  Mitt.  d.  Inst.  f.   öst.  Gesch. 


188  Viertos  Kapitel. 

gar  wissenschaftlicher  Geist  regte  sich  frühzeitig  hier.  Die  unter 
dem  Namen  ]\Iondseer  Bruchstücke  bekannten  Übersetzungen  aus 
einem  Evangelium,  einer  Homilie,  einem  Traktate  und  einer  Predigt, 
wohl  die  ältesten  ihrer  Art,  sind  zwar  nicht  in  dem  Kloster  ent- 
standen, wurden  aber  vermutlich  von  Bischof  Hildibald  von  Köln 
hierher  gebracht  und  hier  mit  mundartlichen  Veränderungen  ab- 
geschrieben. 

Eine  noch  weit  bedeutendere  Kulturmission  fiel  dem  Münster 
(raonasterium)  an  der  Krems,  Kremsniüustcr,  zu,  welches  Otilos 
Sohn  Tassilo  im  Traungau  nahe  der  awarischen  Grenze  und  mitten 
im  Slawengebiet  im  Jahre  777  gründete.  Die  Mönche,  die 
aus  dem  älteren  bayerischen  Benediktiuerkloster  Niederaltaich  ge- 
nommen wurden,  sollten  nicht  nur  das  Land  roden  und  bebauen, 
zu  welchem  Zwecke  vierzig  leibeigene  Familien,  darunter  Hand- 
werker, Schmiede,  Käser,  Winzer  und  Zeidler,  bei  ihnen  angesiedelt 
wurden,  sondern  auch  die  heidnischen  Slawen  der  Gegend  bekehren 
und,  was  damit  aufs  engste  zusammenhing,  germanisieren;  deshalb 
wurden  ihnen  zunächst  die  herzoglichen  Slawendekanien  unter  ihrem 
Zupan  zur  Zinsleistung  zugewiesen.  Der  zugewiesene  Besitz  ver- 
teilte sich  fast  über  den  ganzen  Traungau  von  Aschach  und  Al- 
koven bei  Eferding  im  Nordwesten  bis  an  den  Albenbach,  Petten- 
bach  und  Eberstal  im  Südwesten  über  Sulzbach  und  Sirning  im 
Süden  bis  zur  Reichsgrenze  an  der  Enns,  wo  j-och  in  Dietach 
zum  Kloster  gehörige  Slawen  safsen;  der  Hauptbesitz  lag  zwischen 
den  beiden  Ipfbächen,  sogar  jenseits  der  Donau  an  der  Rotel 
erhielt  es  einen  Weingarten  ').     Aufser  den  Weingärten   hier  und 

VII,  223.  Über  Mondsee  im  allgemeinen  siehe  Otto  Schmidt,  Beiträge  zur 
Geschichte  des  ehemaligen  Benediktinerstiftes  Mondsee  in  Oberösterreich  (Studien 
u.  Mitt.  aus  dem  Zisterzienser-  und  Benediktinerorden  IIP,  129  ff.,  1882). 

1)  Die  Gründungsurkunde  im  ÜB.  d.  L.  o.  d.  Enns  II,  3.  Ich  halte  sie 
zum  Teü  durch  Interpolationen  für  verunechtet  (vgl.  meinen  Aufsatz :  Die  älteste 
Erwähnung  von  Melk  und  nochmals  der  Grunzwitigau  in  den  Blättern  des  Ver- 
eines für  Landeskunde  XXXI,  524  f,  1900).  Sie  ist  nämlich  nur  in  zwei  späten 
Kopien  überliefert.  Zur  Kontrolle  dient  die  Bestätigungsurkunde  Karls  des 
Grofsen  von  791,  I,  3  (ÜB.  d.  L.  o.  d.  Enns  II,  5).  —  Literatur  über  Kreras- 
münster  im  allgemeinen:  Hartenschneider,  Darstellung  des  Stiftes  Krems- 
münster, "Wien  1830  (X.  Band  der  „Kirchlichen  Topographie").  —  Urkuudenbuch, 
herausgegeben  von  Hagn  (Wien  1852). 


Germanische,  slawische  und  awarische  Wanderungen.  139 

in  Aschach  werden  Wiesen  und  Weiden,  Forste  und  zwei  Salinen 
(eine  kleine  am  Sulzbach  und  eine  gröfsere  nicht  näher  bezeichnete) 
genannt. 

Aus  den  zahlreichen  Schenkungen,  welche  die  Salzburger  und 
Mondseer  Traditionsbücher  ausweisen,  ersehen  wir  zugleich,  dafs 
auch  weltlicher  Grundbesitz  auf  oberösterreichischem  Boden  vielfach 
vorhanden  war;  das  meiste,  besonders  das  ungerodete  Land,  ge- 
hörte dem  Herzog. 

Herzog  Tassilo  war  es,  der  seinem  Reiche  noch  einmal 
zu  selbstherrlichem  Glänze  verhelfen  wollte.  Obwohl  er  als  der 
•erste  Bayernherzog  bei  erlangter  Mündigkeit  mit  seinen  Grofsen 
König  Pipin  den  Vasalleneid  hatte  schwören  müssen,  gebärdete 
er  sich  ganz  als  souveräner  Fürst  *) ,  verweigerte  die  Heeresfolge 
und  suchte  sich  sowohl  im  Innern  durch  die  Begünstigung  der 
Lehensleute,  indem  er  die  Lehen  erblich  machte,  und  der  Geist- 
lichkeit, als  auch  nach  aufsen  durch  die  Vermählung  mit  Liutberga, 
der  Tochter  des  ihm  im  Süden  benachbarten  Langobardenkönigs 
Desiderius,  feste  Stützen  zu  schaffen. 

Aber  Tassilo,  der  vielleicht  in  anderen  Zeitläuften  eine  segens- 
reiche Herrschaft  ausgeübt  hätte,  wurde  von  der  überragenden 
Persönlichkeit  des  Frankenkönigs  Karl  erdrückt  ^).  Der  mächtige 
Staatsorganismus,  der  die  Überlieferungen  des  Römerreiches  auf- 
nahm, konnte  eine  Sonderbildung  an  der  wichtigen  Ostgrenze 
nicht  dulden.  Schon  781  mufste  der  Bayernherzog  zu  Worms 
den  Lehnseid  erneuern.  Einige  Jahre  später,  während  deren 
sich  allerlei  Weiterungen  zwischen  dem  Frankenreich  und  dem 
bayerischen  Herzogtum  ergaben,  wandte  er  sich  durch  Bischof 
Arno  von  Salzburg  und  den  Abt  Hunrich  von  Mondsee  an 
Papst  Hadrian,  um  eine  Ordnung  seines  Verhältnisses  zu  Karl 
zu  erzielen.  Aber  bei  den  engen  politischen  Beziehungen ,  die 
schon  damals  das  fränkische  Königtum  und  die  Kirche  umschlossen, 
war  dies  ein  Schlag  ins  Wasser.    Karl  beharrte  bei  der  Aufrecht- 

1)  Er  nannte  sich  in  Urkunden  wie  der  Frankenkönig  illustrissimus,  vene- 
rabilis  dux,  summus  princeps. 

2)  Für  das  nun  folgende  Zeitalter  vgl.  besonders  Mühlbacher,  Deutsche 
•Geschichte  unter  den  Karolingern  (Bibliothek  deutscher  Geschichte).  Stutt- 
.gart  1896. 

Vancsa,  Geschichte  Nieder-  u.  Oberöaterreichs.  9 


180  Viertes  Kiq)itel. 

haltung  der  Vasullität,  und  der  Papst  unterstützte  diese  Forderung- 
mit  der  Androhung  d^s  Bannfluches.  Als  daher  Tassilo  sich  dem 
nicht  fügen  wollte,  rückten  drei  fränkische  Heerhaufen  im  Herbste 
787  an  die  bayerische  Grenze,  und  auch  die  Geistlichkeit  des 
Landes  nahm  gegen  den  Herzog  Stellung.  Abermals  mufste  Tassilo 
den  Lehnseid  erneuern  (auf  dem  Lechfelde  am  3.  Oktober  787), 
abermals  war  es  ihm  damit  nicht  Ernst.  Von  seiner  Gemahlin 
Liutberga  liefs  er  sich  zu  dem  unseligen  Schritt  verleiten,  die  Awaren 
zu  Hilfe  zu  rufen.  Dieser  gefürchtete  Name  übte  noch  immer  eine  so 
lähmende  Wirkung  aus,  dafs  nunmehr  auch  die  Getreuen  ihn  im 
Stiche  liefsen.  Auf  der  Reichsversammlung  von  Ingelheim  im  Juni 
oder  Juli  788  wurde  Tassilo  zum  Tode  verurteilt,  indem  man  ein 
schon  verjährtes  Vergehen,  nämlich  das  Verlassen  des  fränkischen 
Heeres  im  Jahre  763  („Herisliz"),  worauf  der  Tod  stand,  als  Grund 
des  Gerichtsverfahrens  hervorsuchte.  Kai'l  der  Grofse  begnadigte 
ihn,  steckte  ihn  aber  mit  seiner  ganzen  Familie  ins  Kloster  ^).  So 
endete  die  bayerische  Selbständigkeit,  die  trotz  der  fränkischen 
Oberhoheit  in  Wirklichkeit  doch  bisher  bestanden  hatte,  und  das 
Land  bis  zur  Enns  wurde  dem  strammen  Organismus  des  frän- 
kischen Staates  eingefügt. 

Die  von  Tassilo  zu  Hilfe  gerufenen  Awaren  fielen  noch  in 
demselben  Jahre  gleichzeitig  in  Bayern  und  in  Friaul  ein, 
wurden  jedoch  zurückgeworfen.  Die  über  die  Enns  vordringen- 
den Scharen  unterlagen  auf  dem  Rückzuge  den  Gewaltboten  des 
Königs  Grahamann  und  Audaker  auf  dem  Ipsfelde.  Für  Karl 
den  Grofsen  war  dieser  casus  belli  höchst  willkommen.  Seiner 
Eroberungspolitik  entsprach  es,  dem  Reiche  möghchst  feste  natür- 
liche Grenzen  zu  geben,  und  die  Awaren  galten  noch  immer  für 


I 


1)  Es  darf  freilich  nicht  aufser  acht  gelassen  werden ,  dafs  es  nur  die 
fränkischen  Annalen,  insbesondere  die  Lorscher,  sind,  die  über  diesen  Schlufs- 
akt  des  Agilolfingischen  Trauerspieles  berichten ,  also  die  offizielle  fränkische 
Hof-  und  Eeichshistoriographie.  Immerhin  scheint  der  unmittelbar  darauffolgende 
Awareneinfall  für  die  Beschuldigung  einen  Beweis  zu  liefern,  besonders  da  es  ja 
seit  den  Tagen  des  Eömerreiches  und  namentlich  von  selten  der  byzantinischen 
Kaiser  stets  üblich  war,  sich  der  wildschweifenden  Kaubvölker  gegen  den 
Feind  zu  bedienen.  Aber  selbst  wenn  die  Beschuldigung  falsch  gewesen  wäre, 
so  blieb  doch  die  Wirkung  dieselbe;  sie  genügte,  um  die  eingeschüchterten. 
Bayern  zum  Abfall  zu  bestimmen. 


Germanische,  slawische  und  awarische  Wanderungen.  131 

so  gefährlich,  dafs  man  sie  nicht  als  Nachbarn  in  ungebrochener 
Macht  lassen  konnte. 

Welch  übertriebene  Vorstellungen  man  sich  noch  immer  über 
dieses  Volk  machte,  zeigen  am  besten  die  umfassenden  Vorberei- 
tungen, die  Karl,  nachdem  er  die  Abgesandten  in  nutzlosen  Ver- 
handlungen hingehalten  hatte,  für  den  Krieg  traf  Drei  Heersäulen 
unternahmen  im  Jahre  791  den  Vorstofs  gegen  das  A warenreich, 
eine  unter  Pipin,  dem  Sohne  Karls,  in  Friaul,  eine  unter  K&rl 
selbst  am  rechten  und  eine  am  linken  Donauufer,  unterstützt  durch 
eine  Flotille.  Aber  selbst  als  bereits  die  Kunde  von  dem  sieg- 
reichen Vordringen  Pipins  bei  Karl  anlangte,  zögerte  er  noch  an 
der  Ennsgrenze  und  liefs  das  Heer  zu  Lorch  in  dreitägiger  kirch- 
licher Feier  die  Hilfe  des  Himmels  für  das  schwere  Unternehmen 
erflehen,  denn  auch  Karl  der  Grofse  wollte  seine  Eroberungsfeld- 
züge als  Glaubenskriege  geführt  wissen  ^). 

Die  Furcht  vor  den  einst  so  verderbenbringenden  Barbaren 
war  jedoch  unbegründet.  Seitdem  namentlich  die  Bayern  ihren 
frechen  Raubzügen  ein  Ziel  gesetzt  hatten,  war  ihnen  die  Lebens- 
bedingung genommen.  In  untätiger  Ruhe,  von  ihren  Sklaven,  nicht 
durch  eigene  Arbeit  ernährt,  siechten  sie  an  innerer  Fäulnis  bei 
einem  trägen  und  üppigen  Leben  inmitten  ihres  Reichtumes  dahin. 
Seit  dem  Khakan  der  lugur  zur  Seite  gestellt  worden  war,  war 
es  mit  der  einheitlichen  Führung  vorbei,  und  auch  die  kleineren 
Häuptlinge,  die  Tarkane,  suchten  sich  selbständig  zu  machen  und 
lagen  miteinander  in  Hader.  Endlich  war  durch  die  Gründung 
des  slawischen  Reiches  im  Norden  und  des  bulgarischen  im  Süden 
ihr  ehedem  so  ausgedehntes  Gebiet  stark  abgebröckelt.  So  kam  es, 
dafs  sie  nicht  einmal  den  Versuch  machten,  dem  wohlorganisierten 
fränkischen  Heere  standzuhalten.  Sie  räumten  nach  der  Ge- 
wohnheit undisziplinierter  Horden  das  Feld  und  wichen  bis  zur 
Raab  zurück.  Trotzdem  waren  sie  nicht  eigentlich  unterworfen, 
und  Karl  der  Grofse  konnte  zunächst  die  Früchte  des  so  leicht 
errungenen  Sieges  nicht  ernten,  denn  Seuchen  zwangen  sein  Heer 
zur  Umkehr  und  die  Vorbereitungen  zu  einem  neuen  Zuge  wurden 

1)  Hauptquellen  für  die  Awarenkriege  sind  die  Ann.  Lauriss.  maior,  und 
die  Ann.  Eiuhardi.  Kleinere  Notizen  bringen  auch  die  anderen  fränkischen 
Annalen  (Lauresh.,  Scti.  Amandi,  Alamann.,  Mosell.). 

9* 


132      Viertes  Kapitel.    Gerniauisoho,  slawische  und  aw.arisohe  Wandorungon. 

durch  Aufstünde  der  Sachsen  unterbrochen.  Doch  die  Awaron  waren 
zum  Untergange  reif.  Selbst  in  diesem  entscheidenden  Augenbhcke 
ruhten  die  inneren  Kämpfe  nicht,  und  die  beiden  Führer,  der 
Khakan  und  der  lugur,  verloren  dabei  ihr  Leben.  Der  Tudun 
schickte  Gesandte,  um  seine  Unterwerfung  anzubieten,  und  liefs 
sich  sogar  später  zu  Aachen  feierlich  taufen.  So  konnte  795  und 
im  darauffolgenden  Jahre  das  ganze  Land  bis  zur  östlichen  Donau, 
das  alte  Pannonien,  dem  Frankenreiche  unterworfen  und  der  Haupt- 
riug  der  Awaren  vollständig  zerstört  werden,  wo  man  die  jahr- 
hundertelang aufgespeicherten  Schätze  erbeutete  ').  Vielleicht  war 
man  jetzt  etwas  gar  zu  sorglos.  Es  kam  doch  noch  zu  einigen 
blutigen  Aufständen,  in  denen  sogar  799  der  Grenzgraf  Gerold, 
802  dessen  Nachfolger  Gotram  bei  Güns  fiel.  Aber  im  ganzen 
ging  der  vollständige  Auflösungsprozefs  in  dem  entarteten  Volke 
mit  grofser  Raschheit  vor  sich.  Die  einst  geknechteten  Slawen 
trugen  zum  Vernichtungswerk  bei  ^).  Nach  826  schon  verschwindet 
der  Name  der  Awaren  aus  der  Geschichte. 

In  Pannonien  waren  zunächst  die  Slawen  ihre  Nachfolger.  Dem 
deutschen  Element,  das  bisher  nur  imstande  gewesen  war,  seinen 
Besitzstand  zu  wahren,  gelang  es  erst  jetzt,  da  es  in  den  mächtigen 
Staatsorganismus  des  Frankenreiches  eingefügt  worden  war,  einen 
erfolgreichen  Vorstofs  gegen  Osten  —  die  Gegenbewegung  zu  der 
nach  Westen  flutenden  Völkerwanderung  —  auszuführen.  Es  hatte 
nach  den  Awarenkriegen  bereits  ungefähr  jene  Grenzen  erreicht, 
die  es,  die  Magyarenepisode  abgerechnet,  bis  zum  heutigen  Tage 
behauptet  hat.  Damit  beginnt  für  unsere  Lande  eine  neue  und 
in  ihren  Wirkungen  nachhaltigere  Periode. 


1)  Fünfzehn  Ochsenwagen  sollen  notwendig  gewesen  sein ,  um  die  Gold- 
und  Silberschätze,  den  sogenannten  „Hunnenschatz",  fortzuführen.  Dafs  jedoch 
dadurch  eine  Entwertung  der  Edelmetalle  im  fränkischen  Eeiche  und  damit  eine 
Preiserhöhung  um  ein  Drittel  in  den  nächsten  zehn  Jahren  eingetreten  wäre, 
hat  Soetbeer  (Forschungen  zur  deutschen  Geschichte  XII,  82)  widerlegt, 

2)  Die  Häuptlinge  suchen  Schutz  gegen  die  Slawen  bei  Karl. 


Fünftes    Kapitel. 
Die  deutsche  Kolonisation  im  Zeitalter  der  Karolinger'). 


Im  römischen  Reiche  gingen  die  noch  nicht .  befriedeten  Pro- 
vinzen, daher  auch  ursprüngHch  Noricum,  in  den  Privatbesitz  des 

1)  Quellen  siehe  Einleitung  S.  5  und  11.  An  Spezialwerken  führe  ich 
neben  der  allgemeinen  Literatur  und  den  Werken  über  Siedeluugsgeschichte,  die 
schon  in  der  Einleitung  genannt  sind,  noch  an:  Dümmler,  Über  die  südöst- 
lichen Marken  des  fränkischen  Kelches  unter  den  Karolingern  (Archiv  für  österr. 
Gesch.  X,  1853)  und  Ostfräukisches  Reich  (Berlin  1S62);  Simson  und  Abel, 
Jahrbücher  des  deutschen  Reiches  unter  Karl  dem  Grofsen,  2  Bände  (Leipzig 
1866—1883)  und  unter  Ludwig  dem  Froramen,  2  Bände  (Leipzig  1874—1876)  sowie 
Mühlbacher,  Deutsche  Geschichte  unter'  den  Karolingern  (Stuttgart  1896, 
Bibliothek  deutscher  Geschichte).  Auch  ein  paar  kleinere,  übrigens  durch 
Kämmel  überholte  Aufsätze  von  Bauer  sind  zu  nennen:  Die  Anfänge  der  Ost- 
mark (Blätter  d.  Ver.  f.  Landesk.  X,  1876);  Der  Fiscus  regius  unter  den  fränkischen 
Königen  mit  besonderer  Rücksicht  auf  Niederösterreich  (ebendas.  XII,  1878)  und 
Einleitung  zu  einer  Geschichte  der  Agrarverfassung  in  Niederösterreich  (ebendas. 
XIV,  1880),  ferner  von  Schober,  Die  Deutschen  in  Niederösterreich  (Wien 
und  Teschen  1881)  und  etwas  dilettantisch  der  3.  Band  von  Peez,  Erlebt  — 
erwandert  (Blicke  auf  die  Entstehung  der  Ostmark  und  Karl  der  Grofse  als 
Neubegründer  des  deutschen  Volkstammes)  (Wien  1902);  besondere  Aufmerk- 
samkeit verdienen  die  Arbeiten  vonlnama-Sternegg,  die,  obwohl  sie  die 
wirtschaftlichen  Verhältnisse  der  Zeit  im  allgemeinen  behandeln,  doch  das  Material 
unserer  Länder  mehr  berücksichtigen,  als  dies  von  selten  anderer  Schriftsteller 
geschehen  ist:  Untersuchungen  über  das  Hofsystem  im  Jlittelalter  mit  besonderer 
Beziehung  auf  deutsches  Alpenland  (Innsbruck  1872),  Die  Entwickelung  der 
deutschen  Alpendörfer  (Historisches  Taschenbuch  V.  Folge,  4.  Jahrg.,  S.  99 f., 
1874),  Die  Ausbildung  der  grofsen  Grundherrschaften  in  Deutschland  während 
der  Karolingerzeit  (Staats-  u.  sozialwissenschaftl.  Forschungen  I.  Bd.,  1.  Heft, 
Leipzig  1878),  Die  Ansiedelungsformeu  in  den  Alpen  (Mitt.  d.  k.  k.  geogr.  Ge- 


134  Fünftes  Kajjitel. 

Kaisers  über.  Nach  fränkischem  Rechte  gehörte  das  eroberte  herren- 
lose Land  dem  Köni<j,  worin  ihm,  wie  wir  gesehen  haben,  auch  das 
bayerische  lolgte.  Das  wurde  ähnhch  wie  in  der  spanischen  Mark 
aucli  für  unsere  Gebiete  entscheidend.  Dem  Könige  fehlte  freilich 
das  nötige  Betriebskapital  an  Mitteln  und  Menschen,  um  das  ganze 
weite  Land  ausschliefslich  in  eigenen  Besitz  zu  übernehmen,  auch 
an  eine  systematische  militärische  Befestigung  wie  zur  Römerzeit 
war  nicht  zu  denken,  doch  war  der  König  immerhin  der  bedeu- 
tendste Grofsgrundbesitzer,  wie  dies  der  Landesherr  bis  zum  heutigen 
Tage  gebhebeu  ist.  Privatbesitz  konnte  nur  durch  Schenkung 
oder  Belehnung  von  selten  des  Königs  gewonnen  werden.  Aufser- 
dem  erlaubte  der  König  auch  die  Niederlassung  und  Besitzergreifung 
gegen  nachträgliche  Bestätigung.  Das  überhob  ihn  der  weiteren 
Sorge  für  die  gewonnenen  Gebiete  und  war  doch  zugleich  das 
einzige  Mittel,  sie  unter  seiner  Oberhoheit  zu  erhalten. 

Damit  hängt  es  zusammen,  dafs  ganz  im  Gegensatz  zur  Be- 
siedelung  in  Nordostdeutschland  nicht  die  freien  Bauern  das  Land 
besetzen  und  besiedelü,  sondern  dafs  es  unter  einer  Reihe  von 
Grofsgrundbesitzern,  wie  sie  sich  im  letzten  Jahrhundert  ausgebildet 
hatten,  aufgeteilt  wird,  die  nun  ihre  Eigeuleute  hierher  versetzen. 
Auch  das  wurde  für  die  ganze  folgende  Entwickelung  der  Ver- 
hältnisse in  Osterreich  bis  in  die  Gegenwart  von  gröfster  Be- 
deutung, und  zwar  nicht  nur  für  die  wirtschaftliche,  sondern  auch 
für  die  soziale  und  damit  indirekt  für  die  politische  Organisation, 
und  man  wird  es  immer  im  Auge  behalten  müssen,  um  diese  Ent- 
wickelung zu  verstehen. 

Das  Unternehmerwesen  war  aber  zu  jener  Zeit  noch  nicht 
so  weit  ausgebildet,  dafs  die  fränkischen  Vasallen  des  Königs  hier 
etwa  Landerwerb  hätten  suchen  können;   kaum  der  König   selbst 

Bellschaft  XXVII,  1884),  endlich  seine  Deutsche  Wirtschaftsgeschichte  I,  (Leip- 
zig 1879).  Krone s,  Die  deutsche  Besiedelung  der  östlichen  Alpenländer, 
insbesondere  Steiermarks ,  Kärntens  und  Krains  nach  ihren  geschichtlichen  und 
örtlichen  Verhältnissen  (Forschungen  z.  deutschen  Landes-  und  Volkskunde  III, 
1889)  kommt  für  uns  nur  bezüglich  des  Traungaues  und  des  Püttener  Gebietes 
in  Betracht.  Zur  Topographie  siehe:  Meiller,  Verzeichnis  jener  Örtlichkeiten 
im  Lanae  Österreich  unter  der  Enns,  die  in  Urkunden  des  9. — 11.  Jahrhunderts 
erwähnt  werden  (Jahrbuch  für  Landeskunde  von  Niederösterreich  II ,  1867) ; 
Lamprecht,  Johann,  Matrikel  des  Landes  ob  der  Enns  (Wien  1863). 


Die  deutsche  Kolonisation  im  Zeitalter  der  Karolinger.  135 

konnte  seine  Domänen  im  Lande  aufrechterhalten.  Was  vergabt 
wurde,  empfingen  die  Gruudherren  der  nächsten  Nachbarschaft, 
die  einen  gewissen  Zusammenhang  mit  ihren  Stammgütern  be- 
wahren konnten:  es  waren  deshalb  fast  ausschliefslich  Bayern. 
Der  neue  Grofsgrundbesitz  war  demnach  nicht  etwas  organisch 
Gewordenes  wie  im  Stammlande,  sondern  der  Boden  wurde  okkupiert, 
die  Einrichtungen  übertragen.  Darum  zeigt  die  karolingische  Be- 
siedelung  nicht  das  Dorfsystem,  sondern  das  bajuwarische  Einzelhof- 
und  Hufensystem.  Es  war  ganz  natürlich,  dafs  sie  sich  zunächst 
der  leicht  zugänglichen  Flufstäler  und  Ebenen  bemächtigte.  Dafs 
sich  schon  manche  Teile  des  Landes  in  den  Händen  slawischer 
Ansiedler  befanden,  war  weiter  kein  Hindernis,  sondern  eine  Er- 
leichterung. Den  Slawen  dürfte  es,  obwohl  zur  Zeit  der  deutschen 
Volksrechte  diese  nur  die  Stammesangehörigen,  nicht  aber  die 
fremden  Nationen  schützten,  nicht  schlechter  ergangen  sein  als  unter 
der  Awarenherrschaft.  Es  blieb  ihnen  sogar  der  Besitz  und  die 
Freiheit,  wenigstens  in  der  ersten  Zeit,  nach  Tunlichkeit  gewahrt  ^), 
zumeist  aber  kamen  sie  eben  aus  der  awarischen  in  die  fränkisch- 
bayerische Hörigkeit,  so  dafs  sogar  in  den  fränkischen  Urkunden 
der  Name  Slawen  mit  Sklaven  identisch  gebraucht  wird,  und 
spielten  ebensowenig  wie  vordem  irgendeine  politische  Rolle.  So 
kann  es  nicht  wundernehmen,  wenn  sie  langsam  durch  das  über- 
legene deutsche  Element  aufgesogen  werden;  immerhin  erhalten  sie 
sich  in  manchen  Gegenden,  wie  wir  noch  sehen  werden,  bis  über 
den  Magyarensturm  hinaus.  Die  Namen  der  slawischen  Ansiede- 
lungen wurden  übernommen,  nur  machten  die  Deutschen  sie  sich 
mundgerecht.  Die  fortschreitende  Germanisierung  der  Slawen  kann 
man  auch  aus  dem  Eindringen  deutscher  Personennamen  bei  ihnen 
erkennen  ^).  Von  den  Awaren  dagegen  dürften  nur  spärliche  Reste 
übrig  geblieben  sein  ^),  selbst  die  Nachricht  über  Zuweisung  von 

1)  Charakteristisch  ist,  dafs  auch  die  freien  Slawen  iu  den  Zeugenreihen 
der  Urkunden  erst  nach  den  Deutschen  an  zweiter  Stelle  genannt  werden. 

2)  Im  Jahre  888  werden  ausdrücklich  ein  Wartmann  und  ein  Saxo  als 
Slawen  bezeichnet  (Mühlbacher,  Eegesten  Nr.  1786  [1738]). 

3)  Nur  in  der  Conversio  Baiuvariorum  et  Caranthanorum  S.  7  wird  auf 
zurückgebliebene  „Huni"  hingewiesen,  die  dem  König  tributpflichtig  geworden 
seien. 


136  Fünftes  Kiipilol. 

Land  bei  Carnuntum  wird  wühl  nur  aui"  einer  Verwechselung  mit 
Karantanien  beruhen  ^);  an  Arbeit  nicht  gewöhnt,  verschwinden 
sie  bald  darauf"  überhaupt  spurlos  aus  der  Geschichte  '^). 

Auch  an  die  in  Trünnner  liegenden  alten  Kölneransiedelungen 
knüpften  die  neuen  Kolonisten  wieder  an.  Diese  Neubesiedelungen 
sind  im  Namen  regelmäfsig  mit  Mauer  oder  Burg  bezeichnet,  wie 
Zeiselmauer,  Traismauer,  Eparesburg,  Hollenburg.  Ganz  neu 
kolonisiert  wurde  das  offene  Donautal,  das  Tullnerfeld  und  das 
"Wiener  Becken.  Aber  selbst  in  den  Widdern  jenseits  der  Donau 
schuf  die  Axt  der  bayerischen  Kolonisten  Lichtung,  Ackerboden 
und  Wohnstätteu.  Das  ging  natürlich  nicht  im  Fluge  und  im 
ersten  Anstürme.  Noch  während  des  9.  Jahrhunderts  liegen  weite 
Strecken  unbebaut  und  unbesiedelt,  aber  es  ist  immerhin  erstaun- 
lich, welch  Leben  sich  nunmehr  im  Lande  regte.  Auch  da» 
Gebiet  zwischen  Lm  und  Enns,  das  zwar  schon  seit  Jahr- 
hunderten unter  bayerischer  Herrschaft  stand,  aber  teils  gar 
nicht,  teils  nur  spärlich  von  deutschen  Kolonisten,  von  Romanen 
und  Slawen  besetzt  waV,  wurde  erst  jetzt  systematischer  kultiviert, 
und  besonders  das  Land  nördlich  der  Donau  suchte  man  jetzt 
zum  ersten  Male  für  die  Besiedelung  zu  gewinnen.  Die  weise 
Politik  Karls  des  Grofsen  ordnete  Rodung  und  Urbarmachung  auf 
dem  Wege  der  Gesetzgebung  —  durch  die  Kapitularien  —  an  ^). 
Durch  ihn  wurde  ein  systematischer  Wirtschaftsbetiieb  angebahnt. 
So  kam  es,  dafs  der  König  durch  Anlegung  von  grofsen  Muster- 
wirtschaften mit  dem  besten  Beispiel  voranging,  dem  dann  die 
anderen  Grundbesitzer  folgten.  Leider  wurde  in  der  späteren 
Karolingerzeit  diese  zielbewufste  Wirtschaftspohtik  nicht  weiter 
verfolgt,  und  ihre  Errungenschaften  gingen  allmählich  wieder 
verloren. 

Wollen  wir  uns    nun  im    einzelnen  ein  Bild   von  der  Koloni- 
sation machen,    welche    zwar  schon   unter  Karl  dem  Grofsen  ein- 


1)  Dachler,  Die  letzte  Erwähnung  des  Stadtnamens  Carnuntum  (Mouatsbl. 
d.  Ver.  f.  Landesk.  v.  Niederösterr.  S.  235,  1903). 

2)  Zum    letzten    Male    werden    die    Awaren    826    erwähnt.      (Einhard    ad 
a.  826). 

3)  Man  sehe  ganz   besonders  das  Capitulare  de  villis  c.  36  (M.  G.  LL.  I, 
183)  und  Cap.   Aquisgr.  813,  c.  19  (a.  a.  0.  189). 


Die  deutsche  Kolonisation  im  Zeitalter  der  Karolinger.  137 

setzte,  aber  sich  erst  im  VerJaufe  des  9.  Jahrhunderts  allmählich 
weiter  ausbreitete,  so  müssen  wir  mit  der  sehr  ungleichmäfsigen 
Überheferung  rechnen  ').  Während  Kirchen  und  Klöster  schon 
frühzeitig  über  ihre  Besitzerwerbungen  und  ihre  Einnahmen  Ur- 
kunden sammelten  und  Aufzeichnungen  führten,  während  sie  auf 
die  Aufbewahrung  dieser  Dokumente  grofse  Sorgfalt  verwendeten, 
legten  die  weltlichen  Grundherren  noch  wenig  Gewicht  darauf, 
und  die  Übertragungsurkunden  waren  leicht  dem  Zugrundegehen 
preisgegeben.  In  vielen  Fällen  scheinen  auch  die  Vergabungen 
ohne  eigene  Beurkundung  erfolgt  zu  sein,  denn  selbst  Stifter  und 
Klöster  liefsen  sich  oft  ihren  Besitz  erst  viele  Jahrzehnte  später 
bestätigen  "). 

Nach  dem  König  waren  die  Grafen  die  reichsten  unter  den 
welthchen  Grundbesitzern.  Sie  waren  meist  von  Haus  aus  schon 
begütert,  erhielten  zur  Erhöhung  ihres  Ansehens  und  zur  Belohnung 
ihrer  Dienste  vom  König  ausgedehnte  Ländereien,  verfügten  in- 
folge ihrer  Stellung  und  ihrer  Einkünfte  über  die  entsprechenden 
Mittel  und  Arbeitskräfte  und  scheinen  auch  ein  gewisses  Ver- 
fügungsrecht über  das  Königsgut  gehabt  zu  haben.  Graf  Wilhelm 
hatte  seinen  Hauptbesitz  westlich  der  Enns  bei  dem  seither  ver- 
schollenen Rosdorf,  das  zwischen  Passau  und  Linz  lag,  um  Linz 
selbst  und  jenseits   der  Donau  zwischen  Ait^t  und  Naarn  ^).     Von 

1)  Trotzdem  die  Einzelheiten  der  Karolingischen  Besiedelung-  in  muster- 
hafter Weise  bereits  von  Kämmel  zusammengestellt  worden  sind  und  nach  ihm 
auch  Strakosch,  Meitzen  und  Grund  den  Gegenstand  ziemlich  erschöpfend 
behandelt  haben,  so  kann  ich  doch  wegen  ihrer  hervorragenden  Wichtigkeit  eine 
abermalige  Darstellung  nicht  unterlassen.  Ich  habe  mich  bemüht,  die  nochmals 
gesichteten  und  ergänzten  Forschungsergebnisse  unter  einem  neuen  Gesichts- 
punkte zusammenfassen.  Dadurch,  dafs  ich  bei  den  Zitaten  die  Nummern  der 
Mühlbacherschen  Eegestcn  angeführt  habe  (die  Nummern  der  neuen  Auflage 
stehen  voran,  die  der  1.  in  Klammern),  hoffe  ich  dem  Benutzer  die  Orientierung 
wesentlich  zu  erleichtern. 

2)  Ludwig  der  Deutsche  stellt  830  und  831  den  Klöstern  Altaich  und 
Herrieden  Bestätigungen  ihrer  Erwerbungen  unter  Karl  dem  Grofsen  aus  mit 
dem  ausdrückUchen  Hinweis  darauf,  dafs  sie  darüber  keine  Urkunden  besitzen 
(Belege  siehe  unten);  Ficker,  Beiträge  zur  Urkundenlehre  I,  83  macht  darauf 
aufmerksam,  dafs  der  Urkundenbeweis  in  Italien  gröfsero  Bedeutung  hatte  als  in 
Deutschland,  wo  er  nur  durch  die  Berührung  mit  römischem  Eechte  Eingang  fand. 

3)  Mühlbacher   1404  (1363). 


138  Fünftes  Kapitel. 

ihm  rührt  eine  der  umfangreichsten  und  interessantesten  Schenkungen 
her,  worüber  wir  aus  der  damahgen  Zeit  erfahren.  Er  über- 
gibt dem  Kloster  St.  Emmeram  in  Regensburg  den  ganzen  Land- 
strich zwischen  Aist  und  Naarn  und  von  der  Donau  bis  zu  den 
Quellen  dieser  Flüsse  —  ein  Gebiet  von  etwa  20  Quadratraeilen  — 
zu  Lehen,  und  überdies  das  Land  bis  zum  Nordwald  „ohne  be- 
stimmte Grenze"  (sine  termini  conclusione),  also  ähnlich  wie  wir 
dies  in  älterer  Zeit  bei  Kremsmünster  gesehen  haben,  ein  freies 
Kodungsgebiet ,  wieviel  eben  das  Kloster  mit  den  ihm  zu  Gebote 
stehenden  Mitteln  für  sich  zu  gewinnen  und  zu  bewirtschaften  vermag, 
und  dies  wird  im  Jahre  853  von  Ludwig  dem  Deutschen  bestätigt  ^). 
Schon  vorher  um  834  hatte  er  demselben  Kloster  einen  Besitz  bei 
Perschling,  der  ein  Dorf  mit  Kirche  und  Wirtschaftsgebäuden, 
einen  Waldanteil  und  Hörige  umfafste,  geschenkt ''').  Und  trotz 
dieser  ausgiebigen  Veräufserungen  blieb  ihm  noch  ein  mächtiger 
Besitz  bei  Perschling  und  am  Kamp,  um  Eparesburg  und  Mautern, 
den  er  seinen  Söhnen  Wilhelm  und  Engelschalk  vererbte,  und 
der  diesen  wegen  ihrer  verräterischen  Haltung  aberkannt  und 
893  dem  Kloster  Kremsmünster  übertragen  wurde  ^).  Nicht  minder 
reich  erscheint  Graf  Radbod,  dessen  Güter  allerdings  bis  zum 
Plattensee  reichten,  der  aber  auch  um  Putten  und  um  Tulln 
grofsen  Besitz  hatte  *).  Er  stammte  aus  dem  mächtigen  altbaye- 
rischen Geschlecht  der  Huosier,  das  im  Mutterlande,  im  Huosigau, 
dann  im  Lande  ob  der  Enns  und  um  Putten  begütert  war.  Eine 
Enkelin,  Peretkunda,  die  den  Schleier  nahm,  konnte  im  Jahre 
869  ihren  ganzen  Besitz  um  Putten  an  Freising  schenken  und 
noch  aufserdem  40  Hufen  ihren  Brüdern  Manegold  und  Egino 
reservieren  ^).  Die  anderen  Grundbesitzer  verfügten  naturgemäfs 
über  weniger  ausgedehnte  Ländereien.  Darüber  erfahren  wir  nur 
aus  gelegentlichen  königlichen  Bestätigungen,  mehr  noch,  wenn 
ihre  Güter  in  kirchlichen  Besitz  übergehen.     Der  früheste  deutsche 

1)  ÜB.  d.  L.  0.  d.  Enns  II,  l(j. 

2)  P  e  z ,  Thesaurus  anecdot.  I,  3,  244. 

3)  Mühlbacher    1892  (1841),  ÜB.  von  Kremsmünster  23. 
4^  Mühlbacher  1360a  (1321a);  Pez,  Thes.  Ic,  245. 

5)  Hundt,  Die  Urkunden  des  Bistumes  Freising  aus  der  Zeit  der  Karo- 
linger (Abhandlungen  d.  bist.  Klasse  der  bayer.  Akademie  XIII,  1.  Abteil.  1875), 
wo  auch  einleitungsweise  über  Graf  Katbod  und  seine  Familie  gehandelt  wird. 


Die  deutsche  Kolonisation  im  Zeitalter  der  Karolinger.  139 

Ansiedler,  dessen  Namen  wir  auf  diese  Weise  kennen  lernen,  ist 
ein  srewisser  Elis,  der  zur  Zeit  Karls  des  Grofsen  Wolfsbach 
gründete,  das  im  Jahre  808  von  seinen  Söhnen  an  Altaich  ge- 
geben wurde  ^).  Interessant  ist  die  Erwähnung  eines  Ortes  Li- 
taha  (Leitha)  an  der  Quelle  Schönabrunn,  „wie  ihn  einst  Theode- 
rich innegehabt",  in  einer  Schenkung  Ludwigs  des  Deutschen 
an  Passau  vom  Jahre  833-),  da  wir  mit  diesem  Ort,  der  ohne 
Zweifel  an  dem  jetzigen  Flusse  dieses  Namens  gesucht  werden 
müfste,  wohl  die  östlichste  Ansiedelung  der  neuen  Grenzprovinz 
und  zwar  zu  früher  Zeit  vor  uns  haben.  Der  an  sich  nicht 
seltene  Name  Theodor  oder  Theoderich  begegnet  gerade  unter  den 
Grundbesitzern  unserer  Gegend  wiederholt.  Das  Passauer  Terri- 
torium bei  Kirchbach  südöstlich  von  TuUn  grenzte  an  den  Besitz 
eines  Theoter  (836)^),  und  892  schenkt  ein  Theoderich  sieben 
Herrenhufen  zu  Melk  aus  dem  Erbe  Altmanns  einem  Vasallen  des 
Salzburger  Erzbischofes  *).  Den  Hof  Grunzwita  empfing  Witigavo 
von  Karl  HI.  mit' 15  Hufen  (beurkundet  ca.  887)^),  und  seinem 
Sohne  Haimo  wird  auf  seinem  Eigenbesitz  im  „Gau  Grunzwiti" 
die  Gerichtsbarkeit  gegen  gewisse  Bedingungen,  namentlich  Bau 
einer  befestigten  Burg  im  Jahre  888  verheben  ^).  Ein  Vasall 
Zwentipolch  hat  fünf  Hufen  im  Tale  Oliupesburg  (Kirchdorf  süd- 
lich von  Kremsmünster)  und  das  Fischereirecht  in  der  Krems  im 

1)  Eied,  Cod.  dipl.  Katisbon.  I,  10;  Pez,  Thes.  Ic,  68.  Nach  Kämmel, 
S.  255  wird  dieser  Ort  meist  in  die  Nähe  von  Böheimkirchen  verlegt,  es  ist  aber 
doch  sehr  fraglieh ,  ob  zu  so  früher  Zeit  die  Besiedelung  bereits  so  weit  nach 
Osten  vorgedrungen  war.  Vielleicht  hat  Kerschbaumer,  Geschichte  der  Diözese 
St.  Polten  I,  147  recht,  wenn  er  es  in  der  Nähe  von  Seitenstetten  sucht  (vgl. 
auch  Grund  a.  a.  0.  60,  Anm.  2). 

2)  Mühlbacher  1350  (1311);  Mon.  Boic.  XXXI a,  70. 

3)  Mühlbacher  1358  (1319);  Mon.  Boic.  XXVIIIb,  29. 

4)  Mühlbacher  1870  (1819);  Juvavia  Anh.  107.  —  So  lautet  die  Ur- 
kunde; Altmann  heifst  nicht  der  Empfänger,  wie  in  einigen  Werken  fälschlich 
zitiert  wird. 

5)  Mühlbacher  1763  (1716);  Juvavia  62,  wo  die  unrichtige  Zuweisung 
zu  Karl  dem  Grofsen;  vgl.  über  den  chronologischen  Ansatz:  Sitzungsberichte 
der  Wiener  Akademie  XCII,  280. 

6)  Mühlbacher  1799  (1751);  Juvavia  118.  Auf  die  in  mehrfacher  Be- 
ziehung wichtigen  Urkunden,  sowie  auf  die  vielumstrittene  Lage  des  Grunzwiti- 
gaues  komme  ich  später  zurück. 


140  Fünftes  Knpitel. 

Jahre  903  '),  ein  Freier,  Darinc,  Güter  am  Naarn  ^).  Ein  könig- 
lieber Lehen strägcu-  zu  Drasdorf  im  Traismafeldgau,  Wizo,  und 
sein  Sohn  werden  vor  868  erwähnt  ^).  Das  sind  die  kümmerlichen 
Nachrichten,  die  sich  über  weltliche  Grundbesitzer  in  dem  neu- 
gewonnenen Lande  erhalten  haben. 

Viel  besser  sind  wir  über  den  kirchlichen  Besitz  unterrichtet, 
teils,  wie  schon  hervorgehoben  wurde,  infolge  des  weit  günstigeren 
Standes  der  Überlieferung,  teils  aber  auch,  weil  den  Stiftern  und 
Klöstern  wirklich  der  Löwenanteil  des  eroberten  Gebietes  zufiel. 
Die  Kirche  erkannte  mit  dem  ihr  eigenen  vorahnenden  politischen 
Blick  die  hohe  Bedeutung  der  kolonisatorischen  Tätigkeit  für  ihre 
künftige  Machtstellung.  So  überwand  sie  die  alte  Abneigung  der 
Germanen  gegen  die  schwere  Arbeit  des  Bauern.  Aufser  infolge 
der  allgemeinen  Erlaubnis  zur  Besitzergreifung  —  „in  augmentatione 
rerura  ecclesiarum  dei  in  Pannonia  carpere  ac  possidere  heredi- 
tatem"  ^)  — ,  der  Landzuweisung  durch  den  König  ging  auch, 
wie  man  aus  den  oben  angeführten  Beispielen  schon  entnehmen 
kann  und  wie  wir  noch  mehr  im  folgenden  sehen  werden,  viel 
Grund  und  Boden  aus  dem  Besitze  der  weltlichen  Grundherren 
durch  Schenkung  an  die  Stifter  und  Klöster  über,  deren  wirtschaft- 
liche Potenz  wir  erst  dann  richtig  schätzen,  wenn  wir  bedenken, 
wie  ausge4ehnt  ihr  Besitz  auch  in  anderen  Gegenden  war.  Wie 
konservativ  die  Verhältnisse  in  Osterreich  sind,  dafür  ist  ein  cha- 
rakteristisches Beispiel  der  Umstand,  dafs  viele  der  Stifter  und 
Klöster  diesen  ihren  ursprünglichen  Besitz  trotz  feindlicher  In- 
vasionen jahrhundertelang  bewahrten  haben. 

Am  frühesten  scheinen  sich  die  Klöster  Niederaltaich  und 
Herrieden  (ursprünglich  Hasenried)  im  Lande  festgesetzt  zu  haben,^ 
indem  sie  einfach  von  König  Karls  eingangs  erwähnter  Erlaubnis 

1)  Mühlbacher  2014  (1960);  ÜB.  d.  L.  o.  d.  Enns  II,  51  (allerdings 
verdächtige  Urkunde).  Die  Schenkung  der  Villa  Kronsdorf  an  der  Enns  an  einen 
gewissen  Patager  vom  Jahre  814  ist  Fälschung.  Mü hl b acher  556  (537);  Mon. 
Boic.  XI,  106. 

2)  Eied,  I,  80. 

3j  Mühlbacher  1468  (verdächtig!)  (1424);  Mon.  Boic.  XI,  427. 
4)  So  ausdrücklich  in   der  Urkunde  für   das   Kloster   Altaich,  Mon.  Boic. 
XI,  120. 


Die  deutsche  Kolonisation  im  Zeitalter  der  Karolinger.  141 

zur  Besitznahme   des   herrenlosen    Gutes   Gebrauch    machten    und 
sich  das  so  Gewonnene  später   durch  Ludwig  den  Deutschen  830 
und  8:31   bestätigen   liefsen  i).     Herrieden   hatte  Besitzungen  zu 
Pielach,  jNIelk   und  Grunzwita  (Grunavita),    unter   deren  Zubehör 
auch  Weingärten  genannt  werden  ''*).    P]s  war  das  einzige  Kloster, 
das   noch   im  Laufe    des  Jahrhunderts  aus   unbekannten  Gründen 
seinen  Besitz  in  der  Mark  wieder  aufgegeben  haben  mufs,  denn  es 
wird  hier  nicht  weiter  genannt,  und  an  den  erwähnten  Orten  finden 
wir  andere  Eigentümer.    Gleichfalls  an  der  Pielach  lagen  übrigens 
auch  die    vierzig  könighchen   Hafen,    die   das   bayerische   Kloster 
Niederaltaich   im  Jahre  811    von  Karl  dem  Grofsen    erhielt^). 
Früher  schon  hatte  es  in  der  Wachau  ein  Gebiet  von  ungefähr  einer 
Quadratmeile  besetzt,  das  es  sich  im  Jahre  830,  und  ein  anderes 
zwischen   Donau,    Ips  und   Url  von  Scalcobach  (Salaberg?)  *)   bis 
Cidalarisbach    (Zeillern)   mit  fünf  Hufen    zu    Biugin  (Persenbeug), 
das  es  sich   erst   im  Jahre    863    von  Ludwig   dem   Deutschen  be- 
stätigen liefs  •''). 

Zweifelsohne  hat  auch  das  der  awarischen  Mark  zunächst 
gelegene  Kloster,  Krerasmünster  im  Traungau,  zugegriffen,  als 
Karl  der  Grofse  die  Bewilligung  zur  Landnahme  erteilte.  Im 
Grunzwitigau,  westlich  von  der  Traisen,  nordwestlich  von  St.  Polten, 
kultivierte  es  Land,  baute  Höfe  und  errichtete  eine  Kirche,  hier 
nahm  es  auch  seine  ursprüngliche  Slawenmission  wieder  auf.  Als 
dann  nach  dem  Regierungsantritt  Ludwigs  des  Deutschen  eine 
bessere  Organisation  in  der  Mark  eintrat,  liefs  sich  Kremsmünster 
sein  Gebiet  von  den  Sendboten  des  Markgrafen  Gerold  vermessen  ~ 
€s  wurde  durch  den  Flinsbach,  durch  den  Suraerberg  bei  Mamau, 
durch  die  Traisen  und  durch  eine  Höhe  im  Südwesten,  das  hohe 


1)  Darüber  siehe  oben  S.  137. 

2)  Öfele,  Unedierte  Karolingerdiplonie  (Sitzungsber.  der  philos.-philolog. 
u.  bist.  Klasse  d.  k.  bayer.  Akademie  1892,  Heft  1,  125),  zwar  nur  in  zwei  sehr 
späten  Kopien  überliefert,  aber  unbedenklich.  Vgl.  meinen  Aufsatz:  Die  älteste 
Erwähnung  Melks  und  nochmals  der  Grunzwitigau  (Blätter  d.  Vereins  f.  Landesk. 
XXXI,  524  f.,  1900). 

3)  Mühlbacher  466  (452);  M.  B.  XXXI,  26;  M.  G.  DD.  Karol.  I,  283. 

4)  Mühlbacher  1340  (1302);  M.  B.  XXXI,  58. 

5)  Mühlbacher  1451  (1409);  M.  B.  XI,  120. 


143  Fünftes  Kapitel. 

Geplaike,  bestimmt  —  und  liels  sich  ebenso  wie  Altaich  und  Her- 
rieden diesen  Besitz  durch  Kaiser  Ludwig  den  Frommen  im  Jahre 
828  urkundlich  bestätigen  ').  Später,  im  Jahre  877,  finden  wir 
das  Kloster  bereits  seit  längerer  Zeit  in  Besitz  eines  ungenau  um- 
grenzten Eigens  an  der  Spratza  im  Püttener  Lande,  also  sehr 
weit  gegen  ()sten  vorgeschoben,  ferner  um  Schmida  von  der  Donau 
bis  zum  Wagrein  ^).  Den  reichsten  Zuwachs  gewann  es,  als  ihm 
8;t3  Arnulf  die  konfiszierten  Güter  der  Grafen  Wilhelm  und  Engel- 
schalk zu  Eparesburg,  am  Kamp  und  an  der  Perschling  mit  allen 
Kirchen ,  Hörigen  und  Zehnten  schenkte  ^).  In  der  Nähe  des 
Klosters  selbst  fielen  ihm  gleichfalls  unter  Arnulf  (888)  Güter  zu 
Neuhofen  und  zu  Nesselbach  an  der  Krems  zu  %  dann  vermutlich 
auch  der  Besitz  bei  Wels,  den  der  Kaplan  Zaczo  vom  Könige 
unter  der  Bedingung  auf  Lebenszeit  erhalten  hatte,  dafs  er  ihn 
bei  seinem  Tode  Kremsmünster  vermache  °). 

Eine  Reihe  anderer  Klöster  erwarb  —  und  zwar  erst  in  der 
zweiten  Hälfte  des  9.  Jahrhunderts  —  unterschiedlichen  kleineren 
Grundbesitz.  Metten  .erhielt  vielleicht  im  Jahre  868  von  Ludwig 
dem  Deutschen  Güter  in  Drasdorf  in  einem  Gau  Traismafeld  ^'). 
Mondsee,  das  übrigens  bereits  831  an  das  Bistum  Regensburg 
gekommen  war,  vermehrte  hauptsächlich  seinen  älteren  Besitz  im 
Mattig-,  Atter-  und  Traungau;  im  Markgebiet  gewann  es  879 
Lehen  an  der  Erlaf  ^).  Moos  bürg,  das  895  ati  das  Bistum 
Freising   fiel,   hatte  Güter   um  Hollenburg  ®)  und  zu  Puchenau  ^). 


1)  Mühlbacher  850  (824):  bester  Druck  ÜB.  von  Kremsmünster  9.  Vgl, 
darüber  und  insbesondere  über  die  lange  Zeit  strittige  Lage  dieses  Besitzes  meinen 
oben  zitierten  Aufsatz  in  den  Blättern  des  Vereines  für  Landeskunde  XXXI, 
526  ff.,  1000. 

2)  Mühlbacher  1522  (1480);  ÜB.  von  Kremsmünster  11. 

3)  Mühlbacher  1892  (1841);  ÜB.  von  Kremsmünster  23. 

4)  Mühlbacher  1772,  1773  (1724,  1725);  ÜB.  des  Landes  ob  der  Enns 
II,  39,  40. 

5)  Mühlbacher  1787  (1739);  a.  a.  0.  II,  32. 

6)  Mühlbacher  1468  (1424)-,  M.  B.  XI,  427.   Die  Urkunde  ist  verdächtig. 

7)  Mühlbacher  1539  (1497);  M.  B.  XXXI,  111. 

8)  Mühlbacher  1519c  (1477c);  Hundt  in  den  Abhandlungen  der  baye- 
rischen Akademie  XIII,  45. 

9)  Archiv  XXVII,  258. 


Die  deutsche  Kolonisation  im  Zeitalter  der  Karolinger.  143 

Für  das  nicht  viel  vor  888  gegründete  Kloster  St.  Florian  läfst 
sich  nur  um  Rohrbach  Besitz  mit  Sicherheit  nachweisen  '),  während 
die  anderen  angeblichen  grofsen  Schenkungen  im  Traungau  und 
jenseits  der  Donau  auf  Fälschungen  beruhen  ^).  Auch  die  zwanzig 
Königshufen  und  der  Ort  Sabariae  vadum  (Kirchschlag?),  die 
im  Jahre  860  das  Kloster  Mattsee  zwischen  Zobern  und  dem 
Spratzbach  empfing  ^),  können,  obwohl  im  äufsersten  Südosten  des 
heutigen  Kronlandes  gelegen,  noch  hierher  gerechnet  werden.  Später 
als  alle  die  genannten  Klöster  —  erst  gegen  Ende  der  Karolinger- 
zeit —  scheint  endlich  auch  Tegernsee  in  der  Mark  Besitz 
erlangt  zu  haben,  vermutlich  um  St.  Polten  und  Kroisbach.  Wir 
sind  zwar  erst  durch  spätere  Überlieferung  und  indirekt  davon 
unterrichtet,  doch  glaube  ich  an  der  Tatsache  nicht  zweifeln  zu 
sollen  *). 

Von  den  Bistümern  war  es  merkwürdigerweise  Regensburg 
bezw.  das  Stift  St.  E  mm  er  am,  welches  bekanntlich  mit  dem  Bis- 
tum auf  innigste  verknüpft  war,  das  vor  allen  anderen  in  der  Mark 
besitzerwerbend  auftrat.  Schon  im  Jahre  808  wurde  ihm  von  den 
Söhnen  des  bereits  oben  genannten  Ehs  dessen  Eigen  zu  Wolfsbach  im 
Wiener  Walde  geschenkt  ^).  Zu  imponierendem  Besitzstande  gelangte 
es  jedoch  erst  durch  die  Munifizenz  des  Grafen  Wilhelm.  Von  ihm 
erhielt  es  schon  zu  Beginn  der  dreifsiger  Jahre  einen  ausgedehnten 
Landstrich  von  dem  Orte,  wo  einst  die  Herilungoburg  gestanden  hatte, 
und  von  der  Mündung  der  Erlaf  längs  dieses  Flusses  bis  Erd- 
gastegi,    dann   östlich  bis  zur  Mitte  des  Berges,    welcher  von  der 


1)  Empfangen  von  König  Arnulf  892.     M.  B.  XXXI  a,  141. 

2)  Den  Beweis  dafür  liefert  Strnadt  in  seiner  schon  mehrfach  zitierten 
Abhandlung  in  der  Archival.  Zeitschr.  VIII,  69  ff. 

3)  Mühlbacher  1443  (1402);  Wiener  S.  B.  XXXIX,  158. 

4)  Ein  Verzeichnis  von  unter  dem  Bayernherzog  Arnulf  entfremdeten  Gütern 
stammt  aus  dem  11.,  das  Gedicht  des  Metellus  von  Tegernsee,  welcher  gleich- 
falls über  den  Verlust  Klage  führt,  aus  dem  12.  Jahrhundert  (M.  B.  VI,  162 
und  Canisius,  Antiquae  lectionea  I,  app.  89).  Der  Umstand,  dafs  das  Kloster 
sogleich  nach  der  Wiederherstellung  der  Ostmark  unter  den  Ottonen  unter  den 
Grofsgrundbesitzern  dieses  Gebietes  erscheint,  könnte  auf  früheren  Besitz  daselbst 
schlief sen  lassen.  Über  die  vermutliche  Gründung  des  Klosters  St.  Polten  siehe 
weiter  unten. 

5)  Pez,  Thes.  anecd.  I^  6,  8. 


J44  Fünltos  KnpitrI. 

windischeu  Bevölkerung;  Coloniezza  (Kollmitz)  genannt  wurde,  und 
von  da  nördlich   bis  zur  Donau  samt  allen  Slawen,    ferner  Güter 
zu  Rosdorf  und  an  der  Sierning  ^),  schliefslich  im  Jahre  85:5  unter 
Bestätigung  des  früheren  jenes  etwa  20  Quadratmeilen  umfassende 
Gebiet  zwischen  Aist  und  Naarn  mit  der  Erlaubnis  freier  Rodung 
im  Nordwald,  wovon  schon  oben  die  Rede  war  '•*).    Kirche,  Haus, 
Hof  und  Forst  an  der  Perschling  hatte  das  Bistum  auf  kurze  Zeit 
zum  Niefsbrauch,    da  sie  ihm  Graf  Wilhelm  und    seine  Gemahlin 
auf  Lebenszeit  überliefsen  und  nur  im  Falle  des  kinderlosen  Todes 
zusprachen.     Weil  ihnen  aber  noch  Söhne  erwuchsen,    so  fiel  der 
Besitz    an    diese    zurück  '^).     Eigen    bei  TuUn    erhielt  es  837  vom 
Grafen  Radbot  ^),    das  859    noch    um    die  Hälfte  des    königlichen 
Fiskus  vermehrt  wurde,    die    gleichfalls  Radbot   innegehabt  hatte, 
ihm  aber  wegen  Hochverrates  aberkannt  worden  war  ^).    Zu  Ende 
des  Jahrhunderts,  um  900,  erliihren  wir  von  einer  Schenkung  von 
sieben  Morgen  Land  am  Naarn  durch  den  Freien  Durinc  «). 

Auffallend  spät  erwerben  die  zunächst  interessierten  Bistümer 
Salzburg  und  Passau.  Güter  in  der  Mark.  In  bezug  auf  Pas  sau 
befand  man  sich  allerdings  bis  in  die  neueste  Zeit  in  arger  Täu- 
schung, indem  man  die  umfangreiche  Bestätigungsurkunde  Ludwigs 
des  Frommen  vom  Jahre  823  oder  doch  mindestens  eine  der 
beiden  Fassungen^),  worin  Güter  zu  Ried,  Aschbach,  am  Naarn, 
an  der  Erlaf,  Pielach,  in  der  Wachau,  zu  Wolfeswang  und  in 
Traisma,  je  zwei  Basiliken  zu  Ardagger  und  Saxen,  sowie  die 
Zelle  St.  Florian  und  Linz  (in  der  kürzeren  Fassung  statt  dieser 
beiden  die  Orte  Zeiselmauer  und  Litaha)  als  passauisch  aufgezählt 
werden,    für    echt    hielt »).      Seitdem    aber    eine    moderne    Kritik 

1)  Mühlbacher  1347  (1308);  M.  B.  XXVIII,  22. 

2)  Mühlbacher  1404  (1363);  ÜB.  il.  L.  ob  der  Enns  II,  16. 

3)  Pez,  Thes.  anecd.  1\  244. 

4)  Mühlbacher  1360a  (1321a);  Pez,  Thes.  an.  I^  245. 

5)  Mühlbacher  1438  (1397);  M.  B.  XXVIII,  50. 

6)  Ried,  Cod.  Ratisb.  1,  80. 

7)  Die  längere  Fassung  nach  dem  angeblichen  Original  in  M.  B.  XXXI  a, 
381;  die  kürzere,  nur  als  Kopie  im  Lonstorfer  Kodex  von  Passau  s.  XIII  er- 
halten, ÜB.  d.  L.  ob  der  Enns  II,  9;  Mühlbacher  778  (753). 

8)  Zuerst  wurde  von  Düramler,  Südöstliche  Marken  S.  76  und  Pilgrim 
von   Passau   die  Fälschung   nachgewiesen,   dann   von   Uhlirz  (Mitt.  d.  Inst.  f. 


Die  deutsche  Kolonisation  im  Zeitalter  der  Karolinger.  145 

beide  Fassungen  als  Fälschungen  einer  späteren  Zeit  nachgewiesen 
hat,  bleibt  nur  ein  sehr  kleiner  Teil  urkundlich  nachweisbaren 
Passauischen  Besitzes.  Die  meisten  der  genannten  Güter  sind 
während  des  9.  Jahrhunderts  in  ganz  anderen  Händen,  manches 
kam  erst  in  dessen  Verlaufe  an  das  Bistum;  St.  Florian  bestand 
vor  Mitte  des  Jahrhunderts  überhaupt  noch  nicht,  zwei  Kirchen 
in  Ardagger  und  Saxen  sind  erst  im  ausgehenden  12.  Jahrhundert 
nachweisbar!  Nur  in  Linz  erhielt  Passau  tatsächlich  schon  799 
die  Martinskapelle,  die  früher  der  Kaplan  Karls  des  Grofsen  Kod- 
land  zu  Lehen  gehabt  hatte  ^).  Was  die  Mark  selbst  betrifft,  so 
ist  wohl  Besitz  jenseits  der  Traisen  (etwa  bei  St.  Polten)  um  828 
ziemlich  sicher  anzunehmen  ^).  Die  erste  unzweifelhaft  echte  Pas- 
sauer Urkunde  stammt  aus  dem  Jahre  833,  womit  dem  Bistum 
der  Ort  Lithaha  an  der  Quelle  Schönabrunn,  den  früher  ein  Theodo- 
rich innegehabt  hatte,  übertragen  wird  3).  Dem  nächsten  Jahre 
gehört  die  Schenkung  der  Kirche  zu  Kirchbach  und  die  eines  Stückes 
Land  am  Kaumberg  (Curaeoberg)  an  *).  Zehn  Mausen  teils  zu  Nufs- 
bach  und  Ödenburg,  teils  zwischen  Kaumberg  und  Raab  erhielt  der 
Passauer  Chorbischof  Albrich  von  Ludwig  dem  Deutschen  im  Jahre 
859^),  und  diese  kamen  wahrscheinlich  auch  an  das  Bistum;  wenigstens 
ist  das  in  der  Fälschung  genannte  Wolfeswang  im  Jahre  903  zugleich 
mit  einem  Landstrich  zwischen  Url  und  Ennswald  und  Gütern  im 
Traungau,  jenseits  des  Wiener  Waldes  zu  Nominicha  (verschollen) 
und  zu  Mödling  und  in  Pannonien  zu  Lilienbrunn  aus  dem  Besitze 


österr.  Gesch.  III,  180),  dafs  die  längere  Fassung  von  demselben  Schreiber  der 
Kanzlei  König  Ottos  II.,  der  die  Fälschungen  Bischof  Pilgrims  verfertigte,  ge- 
schrieben ist.  Mühlbacher,  778  (753)  versucht  wenigstens  für  die  kürzere 
Fassung  einzutreten.  Dagegen  hat  Strnadt  (Archival.  Zeitschr.  VIII,  77  und 
IX,  280)  die  Unechtheit  beider  Fassungen  dargelegt  und  versetzt  die  Fälschungen 
ins  ausgehende  12.  oder  den  Beginn  des  13.  Jahrhunderts. 

1)  M.  B.  XXVIII  b,  36. 

2)  Das  geht  aus  der  oben  zitierten  Urkunde  für  Kremsmünster  hervor, 
dessen  Besitz  im  Grunzwitigau  an  den  Passauer  gegrenzt  haben  soll  (siehe  oben 
S.  142,  Äum.  1). 

3)  Mühlbacher  1350  (1311);  M.  B.  XXXI a,  70.    Vgl.  oben  S.  139. 

4)  Mühlbacher  1358  (1319);  M.  B.  XXVIII a,  29.  Die  Worte  „centura 
faciendum  et  plus"  stehen  auf  Easur,  sind  also  wohl  späterer  Zusatz. 

5)  Mühlbacher  1399;  M.  B.  XXXIa,  98. 

VauC3a,  Geschichte  Nieder-  u.  Oberösterreicha.  It) 


146  ,  Fünftes  Kapitel. 

des  Chorbischots  Madalwin,  der  diese  Güter  von  König  Arnulf 
empfangen  hatte,  an  Passau  übergegangen  ^). 

Auch  der  Salzbu  rger  Besitz  war  nicht  so  ausgedehnt,  wie 
eine  Fälschung,  datiert  vom  20.  November  890  ^),  glauben  machen 
will,  aber  er  ist  immerhin  nicht  unbedeutend,  wie  die  echte  Bestäti- 
gungsurkunde des  Besitzes  vom  Jahre  860  zeigt  ^).  Unter  24  Höfen 
werden  auch  Melk,  Traisma  (Traismauer),  Loiben,  Hollenburg  und 
Thernberg  mit  drei  benachbarten  Kirchen  (ecclesiae  Ellodis,  An- 
zonis,  Minigonis,  deren  Identität  sich  heute  nicht  mehr  feststellen 
läfst)  aufgezählt  *).  Die  früheste  Besitzerwerbung  in  der  Mark  fand 
erst  im  Jahre  837  statt,  als  Ludwig  der  Deutsche  dem  Erzbistum 
im  Orte  Ips  und  zu  beiden  Seiten  des  gleichnamigen  Flusses  Gut 
samt  einer  Kirche  schenkte  ^). 

Fr  ei  sing  dagegen  mufs  schon  um  830  in  der  Wachau  be- 
gütert gewesen  sein,  denn  in  der  schon  mehrfach  erwähnten  Ur- 
kunde Ludwigs  des  Deutschen  für  Altaich  aus  diesem  Jahre  wird 
auch  ein  Mansus  bezeichnet,  der,  wie  es  heifst,  durch  das  Gebiet 
Freisings  von  dem  übrigen  Besitze  Altaichs  in  der  Wachau  getrennt 
war  ^).  Leider  sind  wir  darüber  nicht  näher  unterrichtet.  Der 
Grund  zu  dem  späteren  Freisingschen  Besitz  in  Osterreich  unter 
der  Enns  wurde  jedoch  erst  869  durch  die  grofse  Schenkung  Peret- 
kundas  um  Putten  gelegt  '').  Als  es  dann  im  Jahre  895  die  Abtei 
Moosburg  erhielt,  fiel  ihm  auch  deren  Eigen  um  Hollenburg  bis  über 
die  Traisen  zu  **).  Freising  drang  auch  im  Norden  der  Donau  am 
weitesten  ins  Land  hinein,  indem  es  um  900  Besitz  in  Stiefern  am 
Kamp  erwarb,  den  bis  dahin  freie  Bauern  besessen  hatten  ^). 

1)  M.  B.  XXVIIIb,  200.  Siehe  jetzt  Jovanovic,  im  Jahresbericht  des 
Mödlinger  Gymnasiums  1903 — 4. 

2)  ÜB.  des  Landes  ob  der  Enns  II,  34. 

3)  Mühlbacher  1444  (1403);  Juvavia  Anh.  95;  Zahn,  ÜB.  der  Steier- 
mark I,  10. 

4)  Man  hat  auf  Lanzenkirchen,  Edlitz  und  Mönnichkirchen  geschlossen 
(Meiller  in  den  Wiener  Sitzungsberichten  XLVII,  482). 

5)  Mühlbacher  1365  (1326),  a.  a.  0.  S.  88. 

6)  Mühlbacher  1340  (1302);  M.  B.  XXXIa,  58. 

7)  Mühlbacher  1519c  (1477c);  Hundt  in  den  Abhandlungen  der 
bayerischen  Akademie  XIII,  45  und  46. 

8)  Hundt  a.  a.  0.,  S.  26. 

9)  Zahn,  Codex  Austriaco-Frisingensis  (Font.  rer.  Austr.  2.  Abt.  XXXI,  26). 


Die  deutsche  Kolonisation  im  Zeitalter  der  Karolinger.  147 

Aufser  dem  weltlichen  und  geistlichen  Grofsgrundbesitz,  von 
dem  wir,  soweit  das  noch  vorhandene  Urkundenmaterial  reicht, 
ein  Bild  zu  geben  suchten,  kommt  noch  das  ausgedehnte  Königs- 
gut in  Betracht,  selbst  wenn  wir  dabei  in  erster  Linie  nur  das  be- 
baute Land  ins  Auge  fassen  und  von  dem  unbebauten,  über  das  schon 
an  und  für  sich  dem  König  das  Verfügungsrecht  zustand,  absehen. 
Den  besten  Begriff  davon  gibt  der  Umstand,  dafs,  wie  wir  ge- 
sehen haben,  die  meisten  der  aufgezählten  Güter  Schenkungen 
oder  Lehen  des  Königs  sind:  man  konnte  noch  aus  dem  vollen 
schöpfen.  Aber  selbst  im  bayerischen  Hinterlande,  wo  Grund  und 
Boden  schon  vielfach  aufgeteilt  war,  gab  es  noch  ausgedehntes  Königs- 
gut (Domänen),  das  ehemals  den  Herzögen  von  Bayern  gehört  hatte, 
so  besonders  um  die  königlichen  Pfalzen  Ranshofen,  Mattighofen, 
Ostermiething  und  Attersee,  dann  um  Wels  ^),  um  Buchenau  '■^)  usw. 
Auch  in  der  Mark  gab  es  vielleicht  eine  königliche  Pfalz  zu 
Baden  ^),  und  Tulln  hatte  als  Fiskalgut  eine  gewisse  dominierende 
Stellung  über  die  Umgegend.  Auch  Nochilingen  und  Grunzwita 
sind  königliche  Höfe.  Bei  der  weitgehenden  Freigebigkeit  in 
Schenkungen  war  allerdings  das  Krongut  gegen  Ende  unserer 
Periode  bereits  stark  gelichtet.  Nur  das  Königsgut  und  zum  Teil 
der  Besitz  der  grofsen  Stifter  war  einigermafsen  zusammenhängend, 
die  übrigen  Besitzungen  lagen  stark  zerstreut.  Auch  dies  blieb 
ein  charakteristisches  Merkmal  der  späteren  Entwickelung. 

Überblicken  wir  nun  das,  was  ich  aus  der  Summe  von  über- 
lieferten Einzelheiten  für  die  Kenntnis  der  Besiedelung  im  all- 
gemeinen gewinnen  läfst!  Unter  Karl  dem  Grofsen  erfolgte  die 
Besiedelung  vereinzelt  in  geringer  Dichte  *),  aufs  Geratewohl  und 
gewissermafsen  auf  eigene  Faust.  Den  Höhepunkt  erreichte  die 
kolonisatorische  Tätigkeit  unter  Ludwig  dem  Deutschen,  der  um- 
fassende Schenkungen  und  Belehnungen  vollzog.    Gegen  das  Ende 


1)  Mühlbacher  1711  (1666),  1787  (1739). 

2)  Hier  hält  827  Graf  Wilhelm  ein  Placitum  (Hundt  a.  a.  0.  78). 

3)  Bauer,  War  das  heutige  Baden  eine  Pfalz  unter  den  Karolingern  ? 
(Bl.  d.  Ver.  für  Landek.  XI,  385,  1877)  versucht  allerdings  glaubhaft  zu  machen, 
dafs  es  sich  nur  um  ein  einmaliges  Placitum  handle. 

4)  Als  die  Söhne  Elis'  im  Jahre  808  die  Besitzungen  ihres  Vaters  um 
Wolfsbach  an  das  Kloster  Altaich  schenkten,  gehörte  ein  einziger  Untertan  dazu. 

10* 


148  Fünftes  Kapitel. 

des  Jahrhunderts  ist  der  Kolonisationsprozefs  im  wesentlichen  ab- 
geschlossen. Die  Urkunden  künden  last  nur  noch  von  Besitz- 
veränderungen, nur  selten  aber  von  Neuschöpfungen.  Der  Westen, 
die  Unterlaufe  der  Flüsse  Erlaf,  Pielach,  Traisen  und  Kamp, 
namentlich  aber  die  Wachau  und  das  TuUnerfeld  waren  am  dich- 
testen besiedelt,  denn  dort  lagen  die  Vei'hältnisse  für  den  Acker- 
bau günstig,  und  teils  hatte  die  römische  Kultur  vorgearbeitet  — 
die  römischen  Strafsen  waren  noch  gut  erhalten  ^)  — ,  teils  konnte 
man  an  die  slawischen  Niederlassungen  anknüpfen  ^).  Ostlich 
vom  Wiener  Wald  nach  Ungarn  hinein  wurde  die  Besiedelung 
immer  dünner  und  vereinzelter.  Auch  im  Norden  der  Donau 
hinderte  der  dichte  Nordwald  eine  intensivere  Kolonisation,  und 
diese  drang  nicht  weit  in  das  Land  hinein  ^).  Der  Name  der 
Riedmark,  der  schon  zu  Beginn  des  10.  Jahrhunderts  durch 
den  Namen  ihrer  Bewohner,  der  Reodarii,  bezeugt  ist  *) ,  und  die 
schon  erwähnte  Urkunde  für  St.  Emmeram  künden  uns  von  leb- 
haft betriebenen  Rodungen.  Die  Strecke,  in  der  das  Ufer  der 
Donau  zwischen  Grein  und  Persenbeug  steil  abfällt,  lag  völlig 
unberührt.  Was  aber  zwischen  Enns  und  Wiener  Wald  unbesiedelt 
blieb,  war  Wald-  und  Sumpfland  oder  höheres  Gebirge. 

Wie  die  Grundbesitzer  selbst  durchweg  aus  Bayern  stammten, 
so  doch  wohl  auch  ihre  Hörigen  und  die  wenigen  freien  Ansiedler. 
Das  bezeugen  auch  die  Ortsnamen,  von  denen  einige  sogar  direkt 
aus  der  bayerischen  Heimat  hierher  verpflanzt  worden  sind  ^).    Nur 

1)  Sie  sind  bis  heute  gekennzeichnet  durch  die  Namen :  Hoch-  oder  Heiden- 
strafse,  Eiesenweg,  steinerner  Weg  oder  Ochsenstrafse.  Eine  strata  publica 
bildete  die  Nordgrenze  des  Besitzes  von  Salzburg  an  der  Ips  im  Jahre  837 
(Mühlbacher  1365  [1326]),  eine  lapidea  platea  wird  um  890  am  Nuzbach  er- 
wähnt (Archiv  f,  Österreich.  Gesch.  XXVII,  259),  in  der  Raffelstättener  Zollord- 
nung  eine  strata  legitima  von  der  Enns  zur  Url.  Auch  die  Strafse  über  den 
Semmering  war  erhalten. 

2)  Namentlich  im  Norden  der  Donau  zwischen  Naarn  und  Aist,  an  der 
Pielach  und  an  der  Traisen.  Ich  habe  übrigens  oben  bei  den  einzelnen  Be- 
sitzungen hervorgehoben,  wenn  ausdrücklich  Slawen  genannt  sind. 

3)  Dafs  der  Uferrand  der  Donau  schon  zur  Zeit  der  karolingischen  Er- 
oberung nicht  mehr  dicht  bewaldet  und  unwegsam  war,  beweist  der  Umstand, 
dafs  hier  eine  Heeresabteilung  marschieren  konnte. 

4)  In  der  Raffelstätter  Zollordnung. 

5)  Eine  Zusammenstellung  der  aus   der  Karolingerzeit  überlieferten  Orts- 


Die  deutsche  Kolonisation  im  Zeitalter  der  Karolinger.  149 

auf  den  königlichen  Gütern  dürften  vielleicht  auch  Franken  gelebt 
haben.  Zwangsansiedelungen  aus  anderen  Teilen  des  Reiches,  wie 
sie  in  anderen  Gegenden  vorkommen,  sind  für  unsere  Länder  nicht 
bezeugt. 

Die  Bewirtschaftung  konnte  anfänghch  nur  sehr  wenig  inten- 
siv betrieben  werden.  Die  Flächen  waren  zu  grofs,  das  zu  Ge- 
bote stehende  Material  zu  gering.  Erst  allmählich  machte  sich  hier 
ein  Fortschritt  geltend,  und  dabei  trat  die  Überlegenheit  des  GroiV 
gnmdbesitzes  gegenüber  dem  kleineren  und  gegenüber  den  wenigen 
Ansiedelungen  freier  Bauern  (z.  B.  bei  Stiefern  am  Kamp)  klar 
zutage.  Ihm  standen  genügend  Arbeitskräfte  zur  Verfügung,  um 
extensive  und  intensive  Kulturarbeit  zu  leisten,  er  konnte  zur  Ar- 
beitsteilung fortschreiten,  und  schliefslich  auch  an  eine  Produktion 
über  den  täglichen  Bedarf  hinaus  zum  Zwecke  der  Vei'äufserung 
denken.  Gegen  Ende  des  9.  Jahrhunderts  finden  wir  bereits  Unter- 
teilungen des  Grofsgrundbesitzes,  kleinere  Lehnsträger  der  mächtigen 
Grundherren  und  Vikare  und  Vögte  in  den  entlegeneren  Gebieten  *). 

Das  Überwiegen  des  bayerischen  Grofsgrundbesitzes  bei  der  Be- 
siedelung  brachte  auch  das  ursprüngliche  Vorherrschen  des  Hof-  und 
Hufensystems  mit  sich  -).  Bei  den  systematischen  Schenkungen  der 
karolingischen  Herrscher  wurde  das  Land  in  den  grofsen  Königs- 
hufen (etwa  47,4  Hektare)  ausgetan,  für  die  der  Mafsstab  die 
Virga  regalis  (=  4,7  Meter)  war,  sonst  waren  Landhufen  von 
wechselnder   Gröfse,   meist   zwischen  30    und   45  Joch    (10,45  bis 

namen  gibt  Kämmel  S.  295.  Siehe  auch  die  oben  S.  134  genannten  Arbeiten 
von  Mein  er  und  Lamprecht.  Es  sind  darunter  nicht  viele  „sprechende" 
Namen,  aus  denen  man  Schlüsse  auf  die  Besiedelung  ziehen  könnte.  —  Auf  die 
Identität  einer  Keihe  derselben  mit  den  Ortsnamen  Bayerns  hat  Strakoscli 
S.  436  aufmerksam  gemacht.  Inama-Sternegg  I,  209,  222.  Der  Ort  Saxen, 
den  man  früher  als  sächsische  Ansiedelung  aas  der  Karolingerzeit  anführte,  wird 
nur  in  der  unechten  Passauer  Urkunde  erwähnt  und  hat  überdies  schwerlich 
seinen  Namen  von  dem  deutschen  Volksstamme ,  sondern  von  Althochdeutsch 
sahs  =  Stein  (Förstemann,  Altdeutsches  Namenbuch  II,  Ortsnamen  1275). 

1)  Man  sehe  namentlich  die  Verhältnisse  auf  den  Gütern  Hairaos  im  Grunz- 
witigau  (Mühlbacher  1799  [1751]).     Hier  auch  noch  freie  Dienstleute. 

2)  Aufserstande,  hier  eigene  umfassende  Forschungen  anzustellen,  kann  ich 
lediglich  auf  die  Ergebnisse  Meitzens  (II,  396)  verweisen,  obwohl  sie  mehr 
Ansätze,  als  eine  erschöpfende  Lösung  der  Frage  für  unsere  Gegenden  bieten. 
Hier  ist  für  künftige  Forschungen  noch  ein  dankbares  Feld. 


150  Fünftes  Kapitel. 

15,67  Hektare),  üblich.  Den  einzelnen  Hüfnern,  den  Eigenleuten 
der  Grursgrundbcöitzer,  wurde  in  ältester  Zeit  das  Ackerland  ohne 
bestinnntcs  Mals  zugewiesen,  daher  in  unregelmäfsen  Anteilen 
(Blocksystem).  Später  wurde  das  vorhandene  Ackerland  in  Ge- 
wanne geteilt,  Abschnitte  von  gleicher  Beschaffenheit,  Güte  und 
Lage,  an  denen  die  Höie  gleichmäfsig  partizipierten.  Das  er- 
gab also  Streulage  des  Besitzes  eines  jeden  Hofes  und  Gemenge- 
lage der  Acker  der  verschiedenen  Höfe  *).  Dieses  führte  aber 
auch  bei  dem  Maugel  an  Wegen  zwischen  den  einzelnen  Feldern 
zum  Flurzwang,  da  Bestellung,  Saat  und  Ernte  gleichzeitig  ge- 
schehen mufsten  und  dies  wieder  nur  beim  Anbau  gleicher  Frucht 
möglich  war.  Die  Bewirtschaftung  erfolgte  damals  bereits  all- 
gemein nach  dem  Dreifeldersystem  (Flur  oder  Zeige  für  Somraer- 
und  Wintersaat  und  Brache),  meist  schon  daraus  in  den  Urkunden 
ersichtlich,  dafs  die  Zahl  der  geschenkten  Joche  durch  drei  teilbar 
ist.  Ob  eine  bestimmte  Gröfse  der  Feldmark  eingehalten  wurde 
und  ob  man  diese  feststellen  kann ,  erscheint  mir  fraglich  ^). 
Die  Hüfner  der  Grofsgrundbesitzer  schlössen  sich  zu  Dörfern, 
beziehungsweise  Mai'kgenossenschaften  zusammen.  Wie  wir  dies 
schon  in  der  älteren  Zeit  der  Volksrechte  gesehen  haben,  waren 
Wald  und  Weide  —  die  gemeine  Mark  —  dem  gemeinsamen 
Kutzbrauch  überlassen  und,  weil  man  sie  für  unerschöpflich  hielt, 
nicht  weiter  verteilt,  desgleichen  Wege,  Stege  und  Brunnen. 

Die  Ausnahmestellung  des  Grundherren  brachte  es  später  mit 
sich,  dafs  Wald  und  Weide  in  ihr  Eigentum  übergingen.    Aufser  dem 


1)  Erst  in  neuester  Zeit  wird  der  Versucli  gemacht,  die  Nachteile  dieser 
aus  ältester  Zeit  bis  heute  bestehenden  Streulage  durch  Zusammenlegung  der 
Grundstücke  (Koramassation)  zu  entfernen.  Luschin,  Österreichische  Eeichs- 
geschichte  S.  62 ,  Anmerkung  15  weist  auf  den  Bericht  des  k.  k.  Ackerbau- 
ministeriums über  die  in  den  Gemeinden  Obersiebenbrunn  und  Eaasdorf  in  Nieder- 
österreich durchgeführten  Zusammenlegungen  (Wien  1892)  hin.  Es  stellte  sich 
heraus,  dafs  hier  die  Grundstücke  von  108  Besitzern  an  1926  Stellen  verstreut 
lagen.  Die  Länge  der  Streifen  schwankte  zwischen  70  und  2300  Metern,  die  Breite 
war  durchschnittlich  15,8  Meter. 

2)  Waitz  und  Meitzen  sprechen  sich  dafür  aus,  weichen  aber  in  der 
Bestimmung  des  Ausmafses  stark  voneinander  ab  (nach  Waitz  20—40,  nach 
Meitzen  50 — 100  Hufen).  Im  allgemeinen  kommt  Caro  (Deutsche  Geschichts- 
blätter 4.  Bd.,  S.  265  f.  1903)  zu  ähnlichen  Ergebnissen. 


Die  deutsche  Kolonisation  im  Zeitalter  der  Karolinger.  151 

Gewanrisystem  gab  es  in  den  gebirgigen  Teilen  oder  an  Gewässern, 
so  noch  heute  erkennbar  an  der  Erlaf  und  an  der  Pielach,  sowie 
auch  im  Tullnerfeld  (Drasdorf,  Königstätten),  eine  Anlage  in  langen 
und  schmalen  Parallelstreifen  von  der  Hofstätte  bis  zur  Flurgrenze, 
welche  keinen  Flurzwang  bedingte,  die  sogenannten  Wald-  oder 
Rotthufen.  Endlich  erhielt  sich  nach  wie  vor  bei  dem  Einzelhof- 
sjstem,  das  freiere  Hand  in  der  Bewirtschaftung  hatte,  vielfach 
noch  die  alte  Feldgraswirtschaft  (das  Egartensystem). 

Der  Einzelhof  war  entsprechend  dem  bayerischen  Charakter 
der  Besiedelung  fast  die  ausschhefsliche  Form  der  Ansiedelung. 
Die  Benennung  erfolgt  bezeichnenderweise  regelmäfsig  nach  einem 
Gewässer:  Nuzbach,  Kirchbach,  Horinginaltaha,  Wagreini,  Spuo- 
tinesgang  usw.  Das  Gut  wird  praedium,  die  Ansiedelung  locus 
genannt,  daneben  erscheinen  Meierhöfe  (curtes).  Als  Dorf  ist  nur 
Drasdorf  bezeugt.  Städte  oder  selbst  befestigte  Orte  gab  es  ur- 
sprünglich nicht,  denn  die  mit  Burg  oder  Mauer  zusammengesetzten 
Ortsnamen  deuten  lediglich  auf  römische  Überreste  hin.  Erst  im 
Jahre  888  wird  Haimo  ausdrücklich  befohlen,  auf  seinen  Gütern 
im  Grunzwitigau  gegen  die  mährischen  Einfälle  eine  Burg  auf- 
zuführen, und  um  das  Jahr  900  bei  der  drohenden  Magyaren- 
gefahr die  Ennsburg  gegründet. 

Die  Art  der  Ansiedelung  hatte  ihre  Grundlage  in  dem  Land- 
wirtschaftsbetrieb und  verfolgte  lediglich  agrarische  Zwecke.  Die 
Landwirtschaft  bildete  aber  auch  die  Grundlage  für  Recht  und 
Sitte,  Kultur  und  soziale  Gliederung.  Das  Recht  knüpfte  an  den 
Grundbesitz  an.  Selbst  die  Wehrpflicht  richtete  sich  jetzt  nach 
dem  Besitz,  indem  erst  das  Mindesteigen  von  vier  Hufen  sie  be- 
dingte. Die  unterste  Stufe  der  gesellschaftlichen  Ordnung  war 
der  Sklave,  der  Knecht  (mancipium,  sclavus,  servus,  mansus  ser- 
vilis),  der  Eigentum  seines  Herrn  war,  von  diesem  (meist  mit 
dem  Grundbesitz  selbst)  nach  dem  altdeutschen  Begriffe  der  Gewere 
vertauscht,  verkauft,  verheiratet,  gezüchtigt  und  getötet  werden 
konnte.  Er  war  rechts-  und  besitzlos.  Doch  begann  schon  in 
dieser  Zeit  eine  mildere  Auffassung,  wonach  auch  dem  Sklaven 
Land  zugewiesen  wurde.  Später  begaben  sich  auch  bei  der  weiteren 
Ausbildung  des  Vasallitätssystems,  wie  wir  sehen  werden,  um  der 
schweren  Kriegsdienstpflicht  zu  entgehen,   und   infolge   der  hohen 


152  Fünftes  Kapitol. 

Bufsgelder  Freie  mit  ihrem  Besitze  unter  die  Botniäfsigkeit  gröfserer 
Grundbesitzer,  besonders  der  Kirche  (Coloni,  Hberi,  mansi  ingenuiles). 

Schon  in  der  Karolingerzeit  kam  es  vor,  dais  Grofsgrund- 
besitzer,  namentlich  geistliche,  nur  den  Ilerrenhof  selbst  durch 
das  Hausgesinde  (raancipia  domestica,  non  casata)  bewirtschaften 
lielsen,  während  sie  die  anderen  Hufen  gegen  Zinsleistung  an  Freie, 
Halbfreie  oder  Sklaven  zur  rationelleren  Bewirtschaftung  überliefsen 
(mansi  ingenuiles,  lidiles,  serviles).  Eine  Hufe  ohne  Kolonen  hiefs 
mansus  absus.  In  diese  Richtung  geht  die  spätere  Entwickelung,. 
die  wir  noch  eingehender  kennen  lernen  werden. 

Diese  Verhältnisse  waren  übrigens  nur  eine  schärfere  Aus- 
prägung derjenigen,  die  im  ganzen  fränkischen  Reiche  bestanden, 
und  die  auch  eine  gewisse  Ähnlichkeit  mit  denen  im  ausgehenden 
Römerreiche  bewahrten.  Waren  doch  selbst  die  karolingischen  Hof- 
ämter, die  wir  später  auch  in  Deutschland  finden,  aus  dem  inner- 
halb der  Grundherrschaften  bestehender  Knechtsverhältnisse  hervor- 
gegangen ^). 

Gegen  Ende  unser.er  Periode  entwickelte  sich  aus  dem  Grofs- 
grundbesitz  in  Verbindung  mit  Immunität  imd  Benefizialwesen 
eine  regelrechte  Grundherrschaft.  Doch  diese,  sowie  die  aus 
der  fortschreitenden  Arbeitsteilung  entspringenden  Veränderungen 
im  Wirtschaftsbetrieb  sind  wichtiger  als  Grundlage  der  späteren 
Entwickelung,  die  erst  nach  dem  Älagyareneinfall  einsetzt,  weshalb 
sie  besser  später  in  anderem  Zusammenhange  behandelt  werden. 

Jedenfalls  ist  der  engere  Zusammenschlufs  der  Ansiedler  zu 
Dörfern  gegenüber  den  Einzelhöfen  ein  Fortschritt  nicht  nur  in 
wirtschafthcher ,  sondern  auch  in  pohtischer  und  kultureller  Be- 
ziehung. So  entstanden  erst  Gemeinwesen,  deren  Bewohner  durch 
gemeinsame  Interessen  verbunden  waren  und  auch  gemeinsame 
Interessen  mit  geeinter  Kraft  vertreten  konnten,  so  entstand  erst 
eine  gesellschaftliche  Verbindung,  welche  eine  höhere  geistige  Kultur 
begründen  konnte.  Diesen  Prozefs  wesentlich  gefördert  zu  haben^ 
ist  ein  Verdienst  der  Kirche,  die  durch  die  Erbauung  von 
Gotteshäusern  überall  da,  wo  solche  Dorfansiedelungen  gegründet 

1)  Über  diese  Verhältnisse  siehe  Grund  a.  a.  0.  S.  58 f. 

2)  Seneschall ,  senex  scalcus ,  der  Oberknecht ;  marscalcus ,  Pferdeknecht ; 
Kämmerer,  cammerarius,  Hausknecht. 


Die  deutsche  Kolonisation  im  Zeitalter  der  Karolinger.  153 

wurden,  einen  geistigen  Mittelpunkt  für  sie  schuf*).  Es  ist  cha- 
rakteristisch, dafs  auch  in  diesen  Gegenden,  wo  keine  ununterbrochene 
Tradition  bestand,  die  Kirche  bei  ihrer  gewohnten  Bedachtnahme 
auf  die  germanischen  Kultsitten  die  Gotteshäuser  gern  an  Stelle 
alter  geweihter  Stätten  (meist  auf  Anhöhen)  anlegte  und  auch  die 
Heihgen,  denen  diese  Kirchen  geweiht  wurden,  meist  in  Über- 
einstimmung mit  Gestalten  des  deutschen  Mythos  zu  bringen  suchte  2). 

Zu  Puchenau  bei  Linz  finden  wir  schon  811  eine  Kirche, 
Kremsmünster  stiftete  mehrere  auf  seinen  Besitzungen  im  Grunz- 
witigau,  bei  Eparesburg,  am  Kamp  und  an  der  Perschling  seit 
828;  an  der  letzteren  wird  im  Jahre  834  eine  Kirche  als  Eigen- 
tum des  Grafen  Wilhelm  genannt,  836  hören  wir  von  einer  im 
Passauischen  Kirchbach.  Eine  besonders  reiche  Tätigkeit  ent- 
faltete das  Erzbistum  Salzburg.  An  der  Ips  gründete  schon  Erz- 
bischof Adalram  (821 — 836)  ein  Gotteshaus,  im  Jahre  838  wurde 
der  Slawenfürst  Priwina  in  der  Salzburg  gehörigen  Martinskirche 
zu  Traismauer  getauft.  Salzburg  endlich  gehört  die  stattliche 
Anzahl  von  Kirchen,  die  865  in  der  Püttener  Gegend  genannt 
werden :  zu  Werth  (Paulskirche),  Thernberg  (Laurentiuskirche),  an 
der  Fischa  und  vier  weitere,  deren  Lage  sich  nicht  mehr  bestimmen 
läfst,  ecclesia  Anzonis,  Ellodis,  Minigonis  und  ad  Kensi. 

Ungleich  der  späteren  Übung  gehen  diese  Gründungen  zumeist 
auf  die  Initiative  der  Kirche  zurück,  die  in  solcher  Arbeit  einen  Teil 
ihrer  Missionstätigkeit  sah.  Von  königlichen  Gründungen  ist  nur 
im  äufsersten  Westen  Österreichs  die  Kirche  in  Ranshofeu  am 
Inn  zu  nennen,  die  Arnulf  898  in  der  königlichen  Pfalz  stiftete 
und  mit  umfänglichen  Schenkungen  bedachte  ^).  Merkwürdig  spät 
hören  wir  von  neuen  Klostergründungen.  Erst  um  880  hat  dag 
Bistum  Passau  im  Traungau  als  einen  gewissen  Stützpunkt  seiner, 
wie  es  scheint,  etwas  spät  aufgenommenen  Tätigkeit  das  Kollegiat- 


1)  Auf  der  Synode  von  Salzburg  im  Jahre  807  wurde  y^  des  Zehnten  für 
die  Armen,  V4  für  die  Erbauung  von  Kirchen  bestimmt. 

2)  Über  den  ersteren  Punkt  vgl.  M  u  c  h  ,  JMitteilungen  der  anthropologischen 
Gesellschaft  V,  190,  1875;  über  den  letzteren  Mayer,  Geistige  Kultur  in 
Niederösterreich  S.  7;  Michael,  Georg  und  Martin  wurden  in  Parallele  mit 
Wotan,  Donner  und  Ziu  gestellt,  Stephan  mit  Froh. 

3)  M.  B.  XXVIII  a,  121. 


154  Fünftes  Kapitel. 

Stift  St.  Florian  gegründet  ').  Ein  anderes  Kloster  im  Traungau, 
die  Abtei  Traunkirchen,  scheint  ausnahmsweise  eine  private  Stiftung 
gewesen  zu  sein  5  denn  aus  dem  Besitz  der  Brüder  Alpker  und 
Guudprecht  überträgt  sie  im  Jahre  909  König  Ludwig  das  Kind 
an  den  ehemaligen  Markgrafen  Aribo  unter  der  Bedingung  des 
Anfalls  an  Salzburg  nach  dessen  Tode  2).  In  der  Mark  selbst 
entstand  erst  am  Schlüsse  der  Karolingerepoche  ein  Kloster,  näm- 
Uch  St.  Polten  (Hippolyt),  eine  Gründung  Tegernsees,  deren  An- 
fänge leider  in  Dunkel  gehüllt  sind  ^). 

In  dem  geistlichen  Leben,  das  sich  um  die  wenigen  Klöster 
und  um  die  Gotteshäuser  konzentrierte,  haben  wir  eigentlich  auch 
für  diese  Zeit  das  gesamte  geistige  Leben  des  Koloniallandes  vor 
uns.  Die  anstrengende  Arbeit  des  Ansiedlers,  der  vielfach  ge- 
zwungen war,  den  Ackerboden  erst  dem  Urwalde  abzuringen, 
dessen  Herden  wilde  Tiere  bedrohten,  dessen  Niederlassungen 
selbst  anfangs  vor  den  Awaren,  später  vor  den  Slawen  und 
dann  vor  den  Magyaren  nicht  sicher  waren,  hefs  eine  höhere 
geistige  Kultur  noch  nicht  aufkommen.  Keine  Spur  von  Kunst  in 
Geräten,  Schmuck  oder  in  Bauwerken  ist  uns  .aus  jener  Zeit  er- 
halten *) ,  nicht  einmal  eine  Kunde  davon.  Möglich ,  dafs  die 
poetische  Kraft  des  bayerischen  Volksstammes  schon  damals  sich 
in  Sagenbildungen  äufserte ;  in  späteren  Dichtungen  lebt  wenigstens 
das  Andenken  an  den  heldenmütigen  ersten  Markgrafen  Gerold 
und  an  den  Tod  des   letzten    unter  den  Karolingern,  Aribos,  der 

1)  Vgl.  jetzt  die  eingehende  kritische  Untersuchung  von  Strnadt,  in  der 
Archivalischen  Zeitschrift  K  F.  VIII,  If.,  1899  und  IX,  1900,  welche  die 
alte  Fabel  von  dem  vorkarolingischen  Bestand  des  Klosters  nochmals  gründlich 
widerlegt. 

2)  Mühlbacher  2001  (2058);  vgl.  auch  Friefs  im  Archiv  für  öster- 
reichische Geschichte  LXXXII,  1. 

3)  Über  die  unsichere  Tegernseer  Tradition  siehe  oben.  Was  mich  schliefs- 
lich  doch  bestimmt,  ihr  Glauben  beizumessen,  ist  der  Umstand,  dafs  sich  bald 
nach  Wiederherstellung  der  Ostmark  unter  den  Ottonen  Bischof  Pilgrim  von 
Passau  den  Besitz  St.  Pöltens  zugleich  mit  dem  von  Kremsmünster  und  St.  Florian 
bestätigen  läfst,  und  dafs  doch  eine  Neugründung  dieses  Klosters  unmittelbar 
nach  der  Wiedererrichtung  der  Mark  sehr  unwahrscheinUch  ist,  während  eine 
Säkularisation  unter  Arnulf  nicht  auffallend  wäre. 

4)  Sowohl  der  Tassilokelch,  eine  Schenkung  des  letzten  Agilolfingers ,  als 
auch  der  Codex  millenarius  in  Kremsmünster  dürften  italienischen  Ursprunges  sein. 


Die  deutsche  Kolonisation  im  Zeitalter  der  Karolinger.  155 

auf  der  Jagd  von  einem  Wisent  getötet  wurde,  fort.  Vielleicht 
besang  man  sie  damals  schon  ^).  Es  ist  immerhin  auch  bemerkens- 
wert, dafs  eine  Salzburger  Synode  unter  Karl  dem  Grofsen  das 
Singen  weltlicher  Lieder  zur  Fastenzeit  verbieten  mufste.  Karl 
den  Grofsen  hat  besonders  die  kirchliche  Tradition  mit  dem  sagen- 
haften Ruhme  eines  Begründers  von  Kirchen  in  der  Mark,  darunter 
der  Rupertskirche  in  Wien(!)  umkleidet. 

Neben  dem  Ackerbau  als  sicherer  Grundlage  der  ganzen  Be- 
siedelung  und  den  Rodungen  des  Waldes  blühte  schon  damals  im 
Donautale  der  Weinbau,  ausdrücklich  bezeugt  um  Melk,  in  der 
Wachau,  um  Tulln  und  Hollenburg  und  im  Wiener  Wald  um 
Kirchbach  ^).  Die  Weingärten  wurden  nach  einem  kleinen  Flächen- 
mafs,  der  Pertica  (gegen  0,28  ar),  geraessen.  Anfänge  einer  syste- 
matischen Pflege  des  Forstes  und  der  Jagd  lassen  sich  in  den 
königlichen  Forsten  verfolgen  ^).  —  Aus  dem  ungepflegten  Weide- 
land entwickelten  sich  gar  bald  mit  besonderer  Rücksicht  auf  die 
Viehzucht  die  Wiesen.  Das  Mafs  war  die  Carrada,  die  Fuhre, 
eigentlich  ein  Hohlraafs  von  etwa  418  bis  544  Litern.  —  Nebenbei 
wurde  auch  die  Bienenzucht  betrieben  (im  Eunswald  und  Kamp- 
tal). Die  Ortsnamen  Gidalarisbach  (Zeillern)  im  Altaicher  Besitz 
und  Zeillernbach  (Cidelbach),  Zeitlham  und  Zeitling  in  Oberöster- 
reich sind  vom  Zeideln  abzuleiten.  Endlich  standen  die  uralten 
Salzbergwerke  in  Hallstatt  und  flallein  nach  wie  vor  in  Gebrauch, 
und  neue  im  Traungau  wurden  erschlossen. 

Im  Vergleiche  zur  Landwirtschaft  trat  alles  andere  zurück. 
Das  Gewerbe  war  lediglich  Hausgewerbe.  Die  Knechte  fertigten 
das  für  den  Bedarf  Nötige  an,  wie  dies  bezüglich  der  königlichen 
Höfe  durch  ein  Kapitulare  Karls  des  Grofsen  ausdrücklich  ver- 
fügt wurde.  —  Der  Handel  ^)  war  noch  im  Jahre  805,  wie  eben 

1)  So  nach  einem  ansprechenden  Gedanken  Kämm  eis  S.  292. 

2)  Vgl.  St  auf  er,  Materialien  zur  Geschichte  des  Weinbaues  in  Österreich 
-während  des  Mittelalters  [in  Eogestenform]  (Progr.  d.  Melker  Stiftsgymnasiums 
1873).     Bezüglich  Oberösterreichs  siehe  bereits  oben  S.  123. 

3)  Förster  und  Jäger  ausdrücklich  bezeugt  auf  den  Königsgiitcrn  um  Wels 
888  (Mühlbacher  1772  [1724]). 

4)  Kurz,  Österreichs  Handel  in  den  älteren  Zeiten  (Linz  1822);  Luschin, 
Die  Handelspolitik  der  österreichischen  Herrscher  im  Mittelalter  (Almanach  d. 
Akademie  d.  Wissensch.  1893  und  separat). 


156  Fünftes  Kapitel. 

in  einem  kaum  erst  eroberten  und  befriedeten  Lande  durch  strenge 
Verbote  der  Wafteneinl'uhr  unterbunden,  Lorch  der  einzige  Handels- 
platz im  östlichen  Bayern.  Grafen  überwachten  zu  Regensburg 
und  zu  Lorch  den  Donauhandel  ').  Später  nahm  er  einen  raschen 
Aufschwung,  zwar  war  er  noch  immer  mehr  Lnport  als  Export, 
doch  bildete  es  einen  bedeutsamen  Fortschritt,  dafs  unter  den 
Karolingern  zum  ersten  Male  die  Donau  nicht  mehr  trennende 
Grenze,  sondern  Verkehrstrafse  wurde.  Karl  der  Grofse  fafste  so- 
gar einmal  den  Plan,  die  schwäbische  Rezat  und  die  Altmühl  zu 
verbinden,  also  einen  Rhein-Donaukanal  herzustellen,  freilich  zu- 
nächst in  erster  Linie  zu  strategischen  Zwecken,  als  ihn  die  Awaren- 
kriege  beschäftigten.  Doch  scheint  er  allen  Ernstes  auch  daran 
gedacht  zu  haben,  den  Orienthandel  der  Donau  entlang  zu  leiten^ 
wie  seine  gleichzeitigen  Anknüpfungen  mit  Ostrom  zu  beweisen 
scheinen.  Die  Arbeit  des  Rhein-Donaukanales  wurde  sogar  im 
Herbst  793  tatsächlich  in  Angriff  genommen,  jedoch  durch  Regen- 
güsse und  Dammrutschungen  vereitelt.  Wenn  auch  dieses  kühne 
Projekt,  welches  vielleicht  die  Entwickelung  und  die  Geschichte 
Deutschlands  völlig  anders  gestaltet  hätte,  nicht  zur  Ausführung 
gelangte,  und  die  Handelstrafse  nach  dem  Orient  während  des 
9.  Jahrhunderts  durch  Slawen  und  Magyaren  verlegt  wurde,  so 
stand  doch  der  Donauhandel  zu  Ende  der  Karolingerzeit,  am  Be- 
ginne des  10.  Jahrhunderts,  bereits  in  Blüte  und  be-wegten  sich  in 
festen  Bahnen. 

Literessante  Aufschlüsse  darüber  bietet  uns  eine  Urkunde, 
die  durch  einen  merkwürdigen  Zufall  das  letzte  Kulturdenkmal 
unserer  Gegenden  unmittelbar  vor  dem  Magyareneinfall  ist  und 
wirklich  wie  ein  Schlufsstein  am  Ende  der  Karolingerperiode  steht, 
von  dem  aus  uns  ein  Bhck  über  die  Kulturerrungenschaften 
desselben  geboten  wird.  Es  ist  dies  die  Zollordnung,  die  zu 
Raffelstätten  zwischen  903  und  905  auf  die  Beschwerde  bayerischer 
Grofser  über  Zollbedrückungen  hin  von  dem  Markgrafen  Aribo  und 
seinen  Richtern  im  Beisein  dreier  königlicher  Machtboten,  des 
Erzbischofs  Theotmar  von  Salzburg,  des  Bischofs  Burkhard  von 
Passau   und   des   Grafen   Otakar,   festgesetzt   wurde  ^).      Es   wird 

1)  Capitulare  de  negotiatoribus.  M.  G.  LL.  I,  133. 

2)  M.  G.  LL.  III,   480  und  Capitularia  11,  250.    Jetzt  mit  Übersetzung- 


Die  deutsche  Kolonisation  im  Zeitalter  der  Karolinger.  157 

•darin  ausdrücklich  auf  die  Verhältnisse,  wie  sie  sich  seit  826  unter  den 
folgenden  Königen  gestaltet  haben,  als  Grundlage  Bezug  genommen. 
Als  Waren  des  Einfuhr-  oder  Durchfuhrhandels  von  Bayern 
einerseits  und  von  den  Slaven  in  Böhmen  oder  im  mährischen 
Reiche  ')  andererseits  werden  genannt  Salz,  Honig,  Wachs,  Lebens- 
mittel, Hausgeräte,  Pferde,  Ochsen  und  bemerkenswerterweise 
Sklaven.  Man  kann  daraus  schliefsen,  dafs  diese  Artikel,  obwohl 
sie  doch  nachweislich  auch  in  der  Mark  vorhanden  waren,  durch 
die  heimische  Produktion  noch  nicht  gedeckt  werden  konnten. 
Interessant  ist  auch,  dafs  als  Kaufleute  besonders  die  Juden  ge- 
nannt werden,  die  also  schon  damals  in  unseren  Gegenden  auf 
dem  Gebiete  des  Handels  ihre  Rolle  gespielt  haben.  Als  Markt- 
und  Zollstätten  werden  die  Orte  Rosdorf,  Linz,  Eparesburg  und 
Mautern,  alle  an  der  Donau,  genannt,  von  denen  der  erste  und 
dritte    seither   verschwunden    sind^),   der   letzte    direkt  von  seiner 


wieder  abgedruckt  bei  Lampel,  Untersuchungea  und  Beiträge  zum  historischeu 
Atlas  von  Niederösterreich  (I.  Jahrb.  für  Landesk.  von  Niederösterreich  1903, 
ä.  23),  dessen  verbesserter  Interpunktion  ich  unbedingt  zustimme,  und  in  Faksi- 
mile bei  Luschin  in  dem  Abschnitt  über  Handel  und  Verkehr  im  ersten  Band 
der  vom  Altertumsverein  herausgegebenen  Geschichte  der  Stadt  Wien,  S.  402  ff. 
mit  eingehender  Erörterung. 

1)  Ich  kann  mich  nicht  dazu  entschliefsen,  unter  den  Rugi  der  Zollordnuug 
Küssen  zu  verstehen ,  wie  dies  auf  eine  vage  Analogie  hin  (Adalbert  von  Prag 
wird  nämlich  in  Contin.  Regln.  M.  G.  SS.  I,  624  Rugorum  episcopus,  in  Thiet- 
mar  Chron.  II,  14;  M.  G.  SS.  III,  75  presul  Rusciae  genannt)  alle  neueren 
Historiker  seit  Waitz  und  Büdinger  tun.  Die  Zusammenstellung  ,,de  Rugis 
vel  de  Baemannis"  ist  denn  doch  zu  auffallend.  Warum  sollten  Kaufleute  aus 
Böhmen  und  nun  gar  aus  dem  fernen  Rufsland ,  das  damals  eben  erst  in  den 
Gesichtskreis  des  Abendlandes  trat  (im  Jahre  900  eroberten  die  Russen  Kiew), 
erwähnt  werden,  dagegen  aus  dem  nahen  mährischen  Reiche  nicht?  Es  liegt 
doch  nahe,  wenn  es  auch  nicht  anderweitig  bezeugt  ist,  dafs  sich  der  alte  Name 
Rugiland  für  das  Gebiet  östlich  vom  Kamp  und  nördlich  der  Donau,  in  welches 
das  mährische  Reich  gewifs  herabreichte,  erhalten  hat.  Büdinger  dachte  auch 
an  das  alte  Stammland  der  Rugier  an  der  Ostsee,  doch  auch  damit  schweift  er, 
wie  ich  glaube,  zu  sehr  in  die  Ferne. 

2)  Rosdorf  dürfte  vielleicht  in  der  Nähe  des  heutigen  Aschach  oder  Lands- 
hag gelegen  haben.  Eparesburg  suchte  man  früher,  irre  geleitet  du.rch  die  ge- 
fälschte Urkunde  von  c.  985—991  (M.  B.  XXVIII »,  87),  die  Eparesburg  mit  Mautern 
identifiziert,  stets  in  der  Nähe  Mauterns.  Ich  begrüfse  dagegen  die  Vermutung 
Luschin s  (Gesch.  der  Stadt  Wien  I,  404),   welcher  es   wahrscheinlich  macht. 


158  Fünftes  Kapitel. 

Ik'deutang  für  den  Donauhandel  seinen  Namen  erhalten  hat.  Das 
noch  iui  Jahre  805  blühende  Lorcli  scheint  seine  Wichtigkeit  ein- 
irebülst  zu  haben ;  es  wird  nicht  mehr  erwähnt.  Dazu  kommt 
noch  für  den  Landverkehr  auf  der  alten  Römerstrafse  eine  Zollstätte 
an  der  Url. 

Von  besonderem  Werte  sind  die  teils  in  Geld,  teils  in  W^aren- 
quoten  bestimmten  Zollansätze,  da  sie  uns  einerseits  über  die 
]\Iünz-,  andrerseits  über  die  Preisverhältnisse  unterrichten.  Eine 
Ausnahmestellung  unter  den  Produkten  nimmt  das  Salz  ein,  von 
welchem  auch  Einfuhrzoll  gezahlt  werden  mufs  und  zwar  in  Rosdorf 
eine  halbe  Drachme  oder  ein  Scoti  (Skat,  Schlagpfennig  =  1^ 
Denare  oder  Pfennige),  in  Linz  drei  Scheffel  Salz,  und  ebensoviel 
in  Eparesburg  sowie  in  Mautern.  Beim  Landverkehr,  der  sich  nicht 
ins  slawische  Land  erstrecken  konnte,  zahlt  der  Salzwagen  an  der 
Url  blofs  einen  Scheffel.  Slawen  aus  Böhmen  oder  Mähren,  die  an  den 
Marktplätzen  an  der  Donau  oder  in  der  Riedmark  im  Norden  der 
Donau  (dem  heutigen  Mühlviertel)  Handel  treiben  wollten,  mufstea 
eine  Marktabgabe  leisten.  Von  einer  Saumlast  Wachs  mufsten  sie 
zwei  Mäfsel  (massiola;  nach  der  Grazer  Glosse  zur  Lex  Bajuvariorum 
eine  mittlere  Mannesfaust,  .30  mal  gefüllt,  was  ungefähr  2g  Liter 
entspricht)  im  Werte  eines  Scoti,  von  einem  Hengst  oder  einer 
Sklavin  eine  Tremissa  (==  4  Denare),  von  einer  Stute  oder  einem 
Sklaven  jedoch  nur  eine  Saiga  (Säge,  nämlich  die  alte  Konsular- 
münze  mit  geprägtem  Rand  =  1  Denar),  also  nur  den  vierten 
Teil,  entrichten.  Endlich  betrug  der  Ausfuhrzoll  nach  Mähren  für 
die  Schiffsladung  einen  Solidus  (Schilling),  und  zwar  ist  dies  der 
Goldsolidus,  wie  er  in  Bayern,  wo  man  im  Gegensatz  zum  Franken- 
reiche Doppelwährung  hatte,  üblich  war,  zu  30  Denaren  (etwas 
über  7  Mark),   nicht   der   fränkische  Silberdenar  zu  12  Denaren. 

dafs  Eparesburg  entweder  Pechlarn  ist  oder  doch  in  dessen  Nähe  lag,  als  einen 
sehr  glücklichen  Ausweg ,  denn  es  wäre  doch  zu  sonderbar  gewesen ,  wenn  die 
beiden  Zollstätten  Eparesburg  und  Mautern  unmittelbar  beisammen  gelegen  hätten, 
während  eben  Pechlarn  so  ungefähr  in  der  Mitte  zwischen  Linz  und  Mautem 
liegen  würde.  Wie  es  scheint,  unabhängig  von  Luschin  kam  dann  auch  Uhlirz, 
Jahrbücher  des  deutschen  Kelches  unter  Otto  L  und  IL,  Exkurs  IV,  S.  234  auf 
eine  ganz  ähnliche  Lösung,  indem  er  Eparesburg  mit  Ebersdorf  zwischen  Weiten- 
egg und  Pechlarn  in  Zusammenhang  bringt. 


Die  deutsche  Kolonisation  im  Zeitalter  der  Karolinger.  159 

Von  jenem;  dem  „langen  Schilling",  gingen  nur  acht,  von  diesem, 
dem  „kurzen",  dagegen  zwanzig  auf  ein  Pfund.  Das  vom  Franken- 
reiche unabhängige,  auf  der  Goldwährung  beruhende  Münzwesen 
in  Bayern  und  Österreich  hatte  jedenfalls  seinen  Grund  in  den  Ver- 
bindungen mit  Byzanz,  wo  gleichfalls  die  Goldmünzen  herrschten  ^). 

Neben  den  revidierten  Handelsbestimmungen  interessiert  uns 
besonders  die  ganze  Tendenz  dieser  erneuten  Zollordnung,  die 
den  neuen  politischen  Verhältnissen  entspricht.  Behandelte  ncch 
das  Kapitulare  von  805  das  Gebiet  jenseits  der  Enns  wie  Feindes- 
land, so  war  die  Zollordnung  von  Raffelstätten  eigens  dazu  erlassen, 
um  die  Interessen  der  gesamten  Mark  von  Passau  bis  zum  Wiener 
Wald  zu  wahren  und  ihr  Gedeihen  zu  fördern,  und  zwar  ebenso 
gegenüber  dem  Mutterland  Bayern,  wie  ganz  besonders  gegen- 
über dem  mährischen  Reiche.  Während  das  Salz  aus  den  baye- 
rischen Salzstätten  (wohl  namentlich  Reichenhall)  ziemlich  hoch 
verzollt  werden  mufste,  wurde  für  das  einheimische  Salz  aus  dem 
Traungau,  das  man  mittels  Wagen  verfrachtete,  kein  Zoll  ver- 
langt, und  die  Ausfuhr  nach  Mähren  war  durch  erhöhten  Zoll 
erschwer-t.  Dagegen  konnten  die  Einheimischen,  sowohl  bayerische 
Ansiedler  wie  auch  Slawen,  ihren  Bedarf  an  den  oben  genannten 
Waren  ohne  jede  Abgabe  decken.  Überdies  wurde  der  Handels- 
verkehr im  Lande  gewissermafsen  von  der  Regierungsgewalt,  den 
Eingriffen  des  Grafen,  eximiert,  und  insbesondere  konnten  die  Preise 
von  Käufer  und  Verkäufer  frei  bestimmt  werden.  Aufser  der 
Donau  dienten  dem  Verkehre  auch  die  alten  Römerstrafsen,  die  sich, 
wie  wir  gesehen  haben,  noch  erhalten  hatten,  sowie  die  uralten 
Saumwege  nach  Böhmen  und  Mähren. 

In  so  gedeihlicher  Entwickelung  auf  den  meisten  Gebieten 
der  materiellen  Kultur  war  die  karolingische  Mark  im  Osten,  als 
der  Magyareneinfall  eine  jähe  Unterbrechung  herbeiführte. 

1)  Soetbeer  in  den  Forschungen  zur  deutschen  Geschichte  II,  338,  Lu- 
schin in  der  Numism.  Zeitschr.  11,  68  und  jetzt  ganz  insbesondere  Luschin 
im  I.  Bande  der  Geschichte  der  Stadt  Wien.  Über  die  Miinzansätze  im  all- 
gemeinen Tgl.  auch  H  i  11  i  g  e  r  in  der  Historischen  Vierteljahrschrift  III,  161, 1900. 


Sechstes    Kapitel. 
Die  karolingische  Ostmark. 


Das  rasche  Eniporblüheii  des  neuerworbenen  Landes  war  nur 
unter  der  straffen  und  gediegenen  Verwaltungsorganisation  möglich, 
die  die  politische  Einsicht  Karls  des  Grofsen  geschaffen  hatte.  Im 
alten  Bayernlande  bis  zur  Ennsgrenze,  wo  sich  bereits  die  An- 
fänge einer  solchen  trefflichen  Organisation  vorfanden,  knüpfte  er 
vielfach  an  Bestehendes  an,  damit  bewufst  oder  unbewufst  dem 
Verfahren  der  Römer  folgend.  Recht  und  Sitte  wurden  geschont, 
die  Gaueinteilung  übernommen,  die  Güter  des  Herzoges  gingen 
einfach  in  den  Besitz  des  Königs  über.  So  vollzog  sich  der  Wechsel 
in  der  Herrschaft  merkwürdig  glatt  und  ruhig. 

Andrerseits  unterliefs  es  Karl  der  Grofse  nicht,  das  Land 
fester  mit  seinem  Reiche  zu  verbinden.  Sein  Schwager,  Bruder 
seiner  verstorbenen  Gemahlin  Hildegardis,  Graf  Gerold  aus  Schwaben, 
erhielt  die  Oberleitung  des  Landes.  Bischof  Hildibald  von  Köln 
empfing  die  Abtei  Mondsee,  ein  königlicher  Kaplan  eine  Pfründe 
bei  Linz. 

Das  ganze  eroberte  Gebiet,  das  die  Alpenländer  und  einen  Streifen 
von  Ungarn  umfafste,  wurde  in  zwei  Verwaltungsgebiete,  sogenannte 
Grenzlande  oder  Marken,  zerlegt,  von  denen  das  südhche,  die  Mark 
Friaul  auch  Karantanien  (Kärnten  und  Steiermark)  und  von  dem 
heutigen  Niederösterreich  noch  den  südöstlichen  Teil,  das  Wiener- 
Neustädter  und  das  Püttener  Gebiet,  in  sich  schlofs  ^).   Das  nördlicher 


1")  Da  später,  seit  dem  10.  Jahrhundert,  die  Landesgrenze  mit  der  Diö- 
zesangrenze  zwischen  Salzburg  und  Passau  zusammenfiel  und  deren  Verlauf 
.sich  meist  am  festesten  erhalten  hat,  so  wird  man  wohl  mit  einiger  Sicherheit 


Die  karolingische  Ostmark.  161 

gelegene  Verwaltungsgebiet  besafs  weder  bestimmte  Grenzen,  noch 
einen  bestimmten  Namen.  Es  war,  kurz  gesagt,  das  den  Awaren 
abgenommene  Donaugebiet,  für  welches  nur  der  Ausgangspunkt, 
die  Westgrenze,  unverrückbar  feststand;  das  war,  nachdem  seit 
799  dem  Grafen  der  Ostmark  auch  der  Traungau  zugeteilt  worden 
war,  die  Grenze  zwischen  diesem,  dem  Salzburg-,  Atter-  und 
Mattiggau.  Im  Norden  galt  wohl  zunächst  die  Donau  als  Grenze, 
bald  gewann  man  jedoch  auch  jenseits  derselben  Land,  das  man 
zu  diesem  Verwaltungssprengel  rechnete.  Zunächst  im  Nordwesten, 
von  der  Rötel  angefangen  ^),  später  allmählich  an  mehreren  Stellen, 
soweit  der  dichte  Nordwald  es  zuliefs,  bis  zum  Kampflufs  im  Osten, 
wie  wir  gesehen  haben.  Natürlich  wurde  die  Nordgrenze  dadurch 
noch  unbestimmter,  und  jedes  Fortschreiten  der  Rodungen  konnte  sie 
verschieben.  Von  der  Mündung  des  Kamp  oder  wahrscheinlicher 
mit  Einschlufs  des  Tullner  Beckens  bis  gegen  Stockerau  bildete  die 
Donau  die  Grenze  gegen  das  mährische  Reich  ^).  Was  die  Ost- 
grenze südlich  der  Donau  betrifft,  so  hat  man  zu  unterscheiden 
zwischen  dem  gesicherten  und  dem  ungesicherten,  beziehungsweise 
dem   blofs   tributpflichtigen   Gebiet.     Das   letztere   erstreckte   sich 


diese  Grenze  auch  für  die  Karolingerzeit  annehmen  können,  obwohl  wir  keine 
sicheren  Zeugnisse  darüber  besitzen,  denn  die  Urkunde  Ludwigs  des  Deutschen  von 
ca.  829  oder  830  (Mühlbacher  1341  [1303]),  worin  der  Grenzstreit  zwischen 
Salzburg  und  Passau  geschlichtet  wurde,  ist  Fälschung,  deren  Zweck  eine  Ein- 
schränkung des  Salzburger  Bereiches  (bis  zu  den  Spratzbächen)  war  (Meiller, 
Über  die  Diözesangrenzregulierung  König  Ludwigs  des  Baiern  zwischen  Salzburg 
und  Passau  in  Wiener  Sitzungsberichten  XLVII,  459,  1864  und  Felieetti  von 
Liebenfels,  Steiermark  im  Zeitraum  vom  8. — 12.  Jahrhundert  in  den  Beiträgen 
z.  K.  steierm.  Geschichtsqu.  IX,  1,  1872).  Aus  diesen  Gründen  kann  ich  mich 
Lampeis  Verteidigung  der  Urkunde  König  Ludwigs  (Über  die  Mark  Putten  in 
Bl.  d.  Ver.  f.  Landesk.  XXII,  133,  1888)  nicht  anschliefsen.  Noch  weiter  geht 
Giannoni,  Paulinus  11.  Patriach  von  Aquileja  (Wien  1896)  S.  50 f.,  der  ganz 
Nord-Karantanien  bis  zur  Drau  für  die  Ostmark  in  Anspruch  nehmen  will. 

1)  Als  Beweis  kann  wohl  gelten ,  dafs  bereits  im  Jahre  827  der  Graf  der 
östlichen  Mark,  Wilhelm,  in  dem  benachbarten  Puchenau  ein  Placitum  hält. 

2)  Bei  dem  Kriegszug  des  Jahres  864  gegen  Eastislaw  von  Mähren  über- 
schritt das  fränkische  Heer  bei  Tulln  die  Donau,  um  in  das  feindliche  Gebiet 
einzufallen.  Im  Jahre  872  liefsen  die  Bayern  ihre  Schiffe  auf  der  Donau  zurück, 
um  sich  den  Eückzug  zu  sichern.  Ebenso  läfst  Kaiser  Constantinus  Porphyro- 
genitus   in    seiner   Schrift    „De   administrando   imperio"   aus   dem   Anfang   des 

Vancsa,  Goschichte  Nieder-  n.  Oberösterreiclis.  11 


163  Sechstos  Kapitel. 

bis  zur  Raab,  als  die  Grenze  des  ersteren  kann  ungefähr  der 
Wiener  Wald  gelten.  Bis  dahin  reichte  die  östliche  Mark  des 
Frankenreiches  im  engeren  Sinne.  Doch  war  dem  Grafen  auch 
das  erst  später  im  Laufe  des  Jahrhunderts  gesicherte  Land  bis 
zur  Leitha  und  das  Tributgebiet  der  Awaren,  später  der  Slawen 
untergeordnet.  An  diesem  Teile  haftete  die  alte  geographische  Be- 
zeichnung Pannonien,  sogar  in  der  römischen  Zweiteilung  als  Ober- 
und  Unterpannonien  *);  doch  nannte  man  gelegentlich  sogar  die 
Gegend  um  Tulln  Pannonien  '^).  Im  übrigen  hiefs  die  ganze  Mark  an- 
fanglich das  Awarenland,  Avaria,  Provincia  oder  Terra  Avarorum^), 
einmal  wird  sie  auch  regnum  Avarorum  vel  Hunnorum  *) ,  dann 
mehrfach,  aber  wohl  nur  dann,  wenn  es  sich  um  slawische  Gegenden 
handelte,  auch  Slawenland,  Sclavinia  °),  vereinzelt  Windische  Mark, 
marca  Winidorum  oder  marca  contra  Sclavos  ^)  genannt ,  endlich 
sind  auch  ganz  vage  Ausdrücke,  „der  Osten,  die  östliche  Gegend, 
Oriens,  orientalis  Plaga",  genauer  mit  dem  Zusatz:  Bayerns,  ter- 
minus  regni  Baioariorum  in  Oriente,  orientalis  pars  Bavariae,  zu- 
meist  bei   Schriftstellern    üblich  '^).      Gewöhnhch    aber   wurde    das 

10.  Jahrhunderts  das  Mährerreich  unmittelbar  an  der  Donau  beginnen.  Der 
schlagendste  Beweis  ist  die  Eaffel stättner  Zollordnung,  worin  Mautern  als  die 
letzte  Zollstation  erscheint,  bevor  die  Kaufleute  das  mährische  Reich  betreten. 

1)  Meine  Darstellung  weicht  hier  von  der  üblichen  ab,  aber  selbst  in 
Kämmeis  sonst  so  lichtvollen  Auseinandersetzungen  bleib+  die  Stellung  dieses 

Pannoniens"  ganz  unklar.  Ich  glaube  betonen  zu  müssen,  dafs  es  sich  hier  keines- 
wegs um  ein  getrenntes,  sondern  ein  angegliedertes  Verwaltungsgebiet  handelt, 
und  dafs  der  Name  lediglich  einen  geographischen  Begriff  bezeichnet.  —  Ganz 
unbegründet  ist  die  Annahme  Felicettis  a.  a.  0.,  dafs  Pannonien  zur  karan- 
tanischen  Mark  gehört  habe. 

2)  Mühlbacher  1438  (1397)  (a.  d.  J.  859). 

3)  Mühlbacher  466  (452)  (a.  d.  J.  811),  1347  (1308)  (J.  832),  1350 
(1311)  (J.  833),  1358  (1319)  (J.  836).  Über  836  hinaus  reicht  bezeichnender- 
weise kein  Beleg  für  diesen  Namen. 

4)  Fortsetzung  des  Ado  M.  G.  SS.  II,  234. 

5)  M ü hl b acher  1365  (1326)  (a.  d.  J.  837,  Gegend  an  der  Ips),  1892 
(1841)  (J.  893,  Krerasmünsterer  Besitz,  siehe  oben). 

6)  Hincmar,  Ann.  a.  864  (M.  G.  SS.  U,  325). 

7)  Ann.  Xant.  a.  896;  Ann.  Fuld.  a.  884,  893;  Convers.  Bagoar.  11; 
Mühlbacher  1799  (1751)  a.  d.  J.  888.  —  Der  Name  Marca  orientalis  (Ost- 
mark) kommt  in  gleichzeitigen  Quellen  nicht  vor;  in  dem  Auctarium  Garstense 
a.  856  (M.  G.  SS.  IX,  565)  ist  er  erst  in  späterer  Zeit  rückübertragen.    Ebenso- 


Die  karolinglsche  Ostmark.  163 

Land  mit  keinem  eigenen  Namen  genannt,  sondern  offiziell  nur 
als  die  Grafschaft  Wilhelms,  Ratbods  usw.  ^),  je  nachdem  der 
Jeweilige  Inhaber  hiefs,  bezeichnet  ^). 

Der  erste  Graf  der  Mark,  Gerold,  war  zugleich  auch  Prae- 
fectus  Baioariae.  Als  er  799  fiel,  wurden  diese  Würden  getrennt. 
Um  jedoch  dem  Grenzgrafen  die  nötigen  Mittel  zur  Kultivierung, 
namenthch  aber  zur  Verteidigung  des  neu  gewonnenen  und  in 
erster  Linie  feindlichen  Angriffen  ausgesetzten  Landes  in  die  Hand 
zu  geben,  wurde  ihm,  abgesehen  von  den  reichlichen  Schenkungen 
und  Belehnungen  mit  Grundbesitz,  als  Hinterland  der  bereits  er- 
tragsfähige Traungau  unterstellt. 

Im  alten  bayerischen  Gebiet  blieb  auch  unter  den  Karolingern 
die  frühere  Gaueinteilung  in  Mattig-,  Rot-  und  Traungau  bestehen, 
und  es  finden  sich  auch  in  den  beiden  ersteren  wiederholt  urkund- 
lich bezeugte  Grafen.  Im  eigentlichen  Markgebiet  begegnet  im 
Jahre  828  und  888  ein  Grunzwitigau  ^),  im  Jahre  868,  allerdings 

wenig  ist  Ostarrichi  belegt  (Mifsverständnis  Pritz",  Gesch.  d.  L.  o.  d.  Enns  I,  249, 
einer  Stelle  in  Otfrieds  Krist). 

1)  Gerade  in  den  Urkunden  am  häufigsten:  Mühlbacher  1468  (1424) 
a.  d.  J.  868;  1520  (1478)  a.  d.  J.  876;  1786  (1738)  a.  d.  J.  888;  1811  (1763) 
a.  d.  J.  889;  1870  (1819)  a.  d.  J.  892;  2014  (1960)  a.  d.  J.  903;  2015  a  (1961a) 
von  etwa  903-905. 

2)  Siehe  jetzt  über  die  verschiedenen  Bezeichnungen  Müller,  Der  Name 
Österreich  (Bl.  d.  Ver.  f.  Landesk.  XXXV,  402,  1901). 

3)  Der  Frage  nach  der  Lage  dieses  Gaues  widerfuhr  die  Ehre,  zu  einer 
Streitfrage  der  österreichischen  Geschichtsforschung  gemacht  zu  werden.  Die 
Hypothesen  zerfallen  im  wesentlichen  in  eine  bayerische  und  eine  niederöster- 
reichische. Die  erstere  nimmt  ihren  Ausgang  von  der  Kremsmünsterer  Über- 
lieferung bei  Beruardus  Noricus  und  wurde  zuerst  von  B  es  sei,  Chronicon  Gott- 
wicense  II,  617  begründet.  Ihre  Anhänger  verlegen  den  Gau  nach  Bayern  an 
die  böhmische  Grenze,  einige  lassen  ihn  aber  auch  über  das  Mühlviertel,  ja 
bis  zum  Kamp  sich  erstrecken.  Die  Vertreter  der  niederösterreichischen  Hypo- 
these, aufgestellt  von  Schrötter,  Versuch  einer  österreichischen  Staatsgeschichte 
(1771),  suchten  ihn  fast  in  allen  Gegenden  Niederösterreichs,  bis  Büdinger, 
Österreichische  Geschichte  I,  170  ihn,  einem  glücklichen  Gedanken  Heyren- 
bachs,  Beiträge  zu  verschiedenen  Wissenschaften  (1775),  folgend,  an  die 
Traisen  versetzte.  Eine  dritte,  ganz  verunglückte  Ansicht  wollte  in  jüngster  Zeit 
Guppenberger,  Der  Pagus  Grunzwiti  (I.  Jahresber.  d.  bischöfl.  Gymn.  am 
Coli.  Petrinum  in  Urfahr  1898)  verfechten,  wonach  der  Gau  westlich  der  Enns 
im  Traungau  zu  suchen  sei.     Daraufhin   habe   ich  selbst  die  ganze  Frage  noch- 

11* 


164  Sechstes  Kapitel. 

in  einer  verdächtigen  Urkunde  für  das  Kloster  Metten,  ein  Pagus 
Traisniat'eld  ^),  von  denen  der  erstere  westlich,  der  zweite  östlich 
der  Traisen  gelegen  haben  mufs.  Dennoch  werden  wir  annehmen 
dürfen,  dafs  die  Mark  einen  einheitlichen  Verwaltungskörper  ge- 
bildet hat  und  in  keine  weiteren  Grai'schaiten  zerüel.  Die  beiden 
genannten  Pagi  sind  vermutlich  nur  Gerichtsbezirke  oder  Vikarien 
(Zentenen).  Die  mehrfache  gleichzeitige  Nennung  zweier  Grafen 
in  der  Mark  zeigt  uns  ferner  die  sonst  nicht  übliche,  aber  bei 
den  schwierigen  Grenzverhältnissen  wohl  gerechtfertigte  Einrichtung 
einer  Doppelverwaltung,  wobei  der  eine  das  gesamte  Gebiet  inne- 
hatte, der  andere  nur  die  Mark  in  dem  oben  erwähnten  engeren 
Sinne,  also  jenem  untergeordnet  war  ^). 

Nach  Gerold  war  bis  zum  Jahre  802  Gotram  Graf  der  Mark. 


raals  kritisch  untersucht  (Die  älteste  Erwähnung  von  Melk  und  nochmals  der 
Grunzwitigau  in  den  Blättern  des  Vereines  für  Landeskunde  XXXIV,  524  f.,  1900) 
und  den  Gau  in  weiterer  Ausführung  der  Hey  re  n  b  ach- Büding  er  sehen 
Hypothese  westlich  der  Jraisen  festgelegt.  Siehe  hier  auch  die  gesarate  Lite- 
ratur über  diesen  Gegenstand.  Die  beiden  Belegstellen  für  den  Grunzwitigau 
sind  Mühlbacher  850  (824)  und  1799  (1751);  er  ist  nach  einem  Orte  Gruna- 
vita  oder  Grunzwita,  dem  heutigen  Grunds  im  Viertel  ober  dem  Wiener  Wald 
benannt,  welcher  in  Urkunden  des  9.  und  10.  Jahrhunderts  wiederholt  vorkommt 
(831  Sitzungsber.  der  bayerischen  Akademie  S.  121,  1892;  ca.  888  Mühlbacher 
1763  [1716];  890  Mühlbacher  1850  [1801];  987  Salzbnrger  Urkundenb.  I, 
253),  nur  die  älteste  Erwähnung  in  der  Kremsmünsterer  Stiftungsarkunde  von 
777  ist  später  interpoliert.  Vgl.  auch  noch  meinen  Nachtrag  zu  zitiertem  Auf- 
satz in  den  Blättern  des  Vereines  für  Landeskunde  XXXII,  91  f.,  1901  und 
Lampel  im  Jahrbuch  für  Landeskunde  von  Niederösterreich  I,  Iff. ,  1902  (das 
hier  zur  Namenerklärung  neu  Vorgebrachte  erklären  Sprachforscher  als  dilet- 
tantisch). 

1)  Mühlbacher  1468  (1424).  Die  früher  unbedenklich  hingenommene 
Urkunde  wird  jetzt  in  der  2.  Auflage  der  Mühlbacherschen  Eegesten  für  ver- 
dächtig erklärt. 

2)  Ich  folge  hier  ganz  der  Ansicht  D  ü  m  m  1  e  r  s ,  Südöstliche  Marken  S.  19 
und  Geschichte  des  ostfränkischen  Reiches  I,  37  (vor  ihm  sprach  den  Gedanken 
schon  Bu ebner,  Geschichte  von  Bayern  II,  164  aus),  da  dadurch  die  gleich- 
zeitige Nennung  mehrerer  Grafen  am  besten  erklärt  wird.  Jetzt  auch  Lampel, 
Untersuchungen  und  Beiträge  zum  historischen  Atlas  von  Niederösterreich  (Jahr- 
buch für  Landeskunde  von  Niederösterreich  I,  If.,  1902),  welcher  jedoch  nichts 
Neues  dafür  beibringt.  Die  Schrift  „De  convers.  Bagoariorum"  nennt  die  fünf 
ersten  Grafen  nacheinander  ohne  Hinweis  auf  eine  Nebenordnung. 


Die  karolingische  Ostmark.  165 

Schon  neben  ihm  erscheint  Graf  Werner,  welcher  vielleicht  nach 
Gotrams  Tode  in  der  Schlacht  bei  Güns  das  Gesamtgebiet  erhielt, 
während  gleichzeitig  ein  Graf  Alberich  und  ein  Graf  Gottfried 
genannt  werden.  Zwischen  811  und  828  begegnet  uns  Graf 
Gerold  II.  und  zwischen  830  und  855  Graf  Ratbod,  während  deren 
Amtstätigkeit  wieder  Graf  Wilhelm  auftritt  (zwischen  820  und 
853).  Nach  dessen  Tode  haben  seine  Söhne  Wilhelm  und  Engel- 
schalk die  Mark  inne,  doch  dürfte  unter  ihnen  eine  andere  Ein- 
teilung getroffen  worden  sein.  Einen  ihrer  Söhne,  Engelschalk, 
und  später  Liutpold  finden  wir  neben  Aribo,  dem  Grafen  der  öst- 
Hchen  Mark,  als  Grafen  von  Oberpannonien.  In  den  letzten  Jahren 
des  Bestandes  der  karolingischen  Mark  scheint  keine  Teilung  mehr 
vorgekommen  zu  sein. 

Es  ist  selbstverständlich,  dafs,  als  unter  Ludwig  dem  Deutschen 
im  Jahre  826  das  bayerische  Königreich  gegründet  wurde,  auch 
die  Grafen  der  östlichen  Mark  in  die  Reihe  der  bayerischen  Grafen 
traten  *).  Der  Graf  war  Beamter  des  Königs,  von  diesem  ein-  und 
absetzbar.  Er  übte  im  Namen  des  Königs  den  Heerbann,  den  Ge- 
richtsbann und  den  Schutz  und  besorgte  auch  die  Einhebung  der 
königlichen  Einkünfte.  Die  Grafen  der  Mark,  deren  Titel  übrigens 
auch  nicht  ganz  feststand  —  sie  hiefsen  anfangs  Avarici  limitis 
custodes,  Pannonici  limitis  praefecti  ^),  später  auch  comites  termi- 
nales, marchiones,  am  häufigsten  aber  schlechtweg  comites  — , 
nahmen  eine  bevorrechtete  Stellung  ein,  vielleicht  weniger  ihrer 
weiteren  Machtbefugnisse,  als  vielmehr  ihres  ausgedehnteren  Be- 
reiches und  ihrer  ansehnlicheren  Einnahme-  und  Hilfsquellen  wegen, 
was  für  die  spätere  Entwickelung  von  Bedeutung  wurde.  Den 
Heerbann  hatten  sie  nicht  nur  aufzubieten,  sondern  auch  in  der 
Grenzverteidigung  zu  befehhgen,  während  sich  der  König  den 
Offensivkrieg  und  die  Friedensschlüsse  vorbehielt.  In  dieser  seiner 
militärischen  Eigenschaft  lag  dem  Grenzgrafen  auch  die  Sorge  für 
die  Befestigungen,  Heerstrafsen ,  Brücken,  Fuhren  usw.  ob.  Der 
Graf  der   Mark   führt   auch    —    darin   den   gewöhnlichen   Grafen 


1)  Als  „Primates  Baiorios"   bezeichnen   die  Grafen  der  Ostmark  die  Ann. 
Fuld.  a.  898. 

2)  Einh.  Ann.  a.  826. 


IßG  Sechstes  Kapitel. 

gleich  —  den  Vorsitz  im  echten  und  im  gebotenen  Ding,  wofür 
sich  jetzt  der  tränkische  Ausdruck  malhim  pubUcum  einbürgert. 
Der  Unterschied  war  ein  sachlicher.  Im  echten  Ding,  das  in  jeder 
Vikarie  nur  etwa  dreimal  im  Jahre  abgehalten  zu  werden  brauchte, 
wurde  über  die  Causae  maiores  (Verbrechen  und  llechtsstreitigkeiten 
um  persönliche  Freiheit  und  unbewegliches  Gut)  entschieden,  während 
dem  gebotenen  Ding,  das  alle  14  Tage  in  den  einzelnen  Vikarien 
abwechselnd  stattfand,  nur  die  Causae  minores  (Schuldklagen  wegen 
beweglichen  Gutes  und  einfache  Vergehen)  übrig  blieben.  Nur 
im  gebotenen,  also  im  aufserordentlichen  Ding  konnte  der  Graf 
sich  auch  durch  seinen  Unterbeamten,  den  Schultheifsen,  Vicarius 
oder  Centenarius,  vertreten  lassen.  Eine  wichtige  Änderung  gegen- 
über der  agiloltingischen  Zeit  war  die  Einführung  des  Schöffen- 
gerichtes, das  an  die  Stelle  der  Vollversammlung  der  ganzen  Ge- 
meinde trat.  Es  war  ein  meist  siebengliedriger  Ausschufs  der 
Gemeinde,  dessen  Mitglieder  der  Graf  ernannte  und  der  das  Urteil 
vorschlug  und  dadurch  auch  die  altbayerische  Institution  des 
Richters  verdrängte  ^).  Die  übrigen  Dingpflichtigen,  der  „Um- 
stand", konnten  nur  gegen  das  Urteil  Einspruch  erheben  (das 
Urteil  „schelten").  Die  rechthche  Grundlage  bedeutet  eine  Weiter- 
bildung der  Lex  Baiuvariorum ;  aufserdem  aber  mufsten  An- 
gehörige anderer  Stämme  nach  ihrem  Volksrecht  behandelt  werden, 
wie  dies  dem  im  Frankenreiche  herrschenden  Personalitätsprinzip 
entsprach. 

Die  nach  dem  Mitgeteilten  sehr  weit  reichende  Gewalt  des 
Grafen  sowie  auch  des  Markgrafen  war  nur  durch  die  Königs- 
boten, die  Missi  dominici,  beschränkt:  dies  waren  Kontrollorgane 
des  Königs,  die  nach  Gutdünken  Versammlungen  einberufen  und 
Beschlüsse  des  Grafen  aufheben  konnten.  —  In  der  Mark  nahmen 
auch  die  Bewohner  eine  gewisse  Sonderstellung  ein,  waren  von 
vielen  Lasten  befreit  und  durften  nur  zur  Landesverteidigung  heran- 
gezogen werden. 

Zur  staatlichen  Verwaltung  sind  nach  Karls  des  Grofsen 
politischer  Anschauung  auch  die  Bestrebungen  um  die  Bekehrung 
der  neu   erworbenen  Provinzen   und    deren   kirchhche   Einteilung 

1)  Ich  folge  hier  den  eirgehenden  Untersuchungen  Kiezlers,  Geschichte 
Baierns  I,  266  f. 


Die  karoliügische  Ostmark.  167 

zu  rechnen.  Im  Jahre  796  entwarf  der  berühmte  Berater  des 
Frankenkönigs,  Alkuin,  in  Briefen  an  diesen,  an  den  Patriarchen 
PauHnus  von  Aquileja  und  den  Bischof  Arno  von  Salzburg, 
zwei  der  hervorragendsten,  geistig  hochstehenden  Kircheniürsten 
ihrer  Zeit,  die  Grundsätze  der  Heidenbekehrung  im  Awaren-  und 
Slawenlande.  NamentKch  sollte  von  der  Einhebung  des  Zehnten, 
womit  man  bei  den  Sachsen  so  schlimme  Erfahrunsjen  o:emacht 
hatte,  abgesehen,  auch  dafür  gesorgt  werden,  dafs  nur  Missionare 
von  musterhaftem  Lebenswandel,  entsprechender  Bildung  und 
erprobtem  Glaubenseifer  entsendet  würden.  Noch  im  Lager  des 
von  der  Besiegung  der  Awaren  heimkehrenden  Pipin  wurden  in  dem- 
selben Jahre  über  diese  Frage  Bischofskonferenzen  abgehalten,  in 
denen  man  im  wesentlichen  Alkuins  Ansichten  beipflichtete.  Zugleich 
wurde  Salzburg  der  nördliche  Teil  von  Unterpannonien  zwischen 
Raab,  Donau  und  Drau  zugewiesen,  während  das  Land  südlich  der 
Drau  Aquileja  zufiel,  was  810  und  819  aufs  neue  bestätigt  wurde  ^). 
Arno  zeigte  sich  seiner  Aufgabe  in  hervorragendem  Mafse  ge- 
wachsen. In  Anerkennung  seiner  Tätigkeit  und  zur  Stärkung 
seiner  Machtstellung  empfing  er  zwei  Jahre  später  798  vom  Papste 
in  Rom  die  erzbischöfliche  Würde  und  wurde  bei  seiner  Rückkehr 
nochmals  in  feierlicher  Weise  von  Karl  dem  Grofsen  mit  der  Be- 
kehrung im  Awarenlande  betraut,  nachdem  die  Wiedererhebung 
der  Awaren  im  Jahre  797  auf  kurze  Zeit  das  begonnene  Werk 
unterbrochen  hatte  "-).  Die  Erfolge  der  Kirche  in  diesen  Gebieten 
unter  ihm  und  seinen  Nachfolgern  näher  zu  beleuchten,  fallt 
nicht  in  den  Rahmen  dieser  Darstellung,  aber  bereits  oben  wurde 
gezeigt,  wie  zahlreiche  Kirchengründungen  im  Laufe  des  9.  Jahr- 
hunderts gerade  in  jenen  Teilen  der  östlichen  Mark,  die  in  den 
Besitz  Salzburgs  kamen,  also  namentlich  in  der  Püttener  Gegend 
stattfanden. 

Merkwürdig  lässig  scheint  dagegen  die  Tätigkeit  des  Bistums 


1)  De  convers.  Bagoar.  9.  —  Es  ist  freilich  nicht  zu  lenguen,  dafs  wir 
fast  ausschliefslich  nur  über  die  Tätigkeit  Salzburgs  unterrichtet  sind,  da 
nur  dieses  Hochstift  eine  offizielle  Darstellung  darüber,  eben  die  schon  oft  zitierte 
Schrift  „De  conversione  Bagoariorum  et  Caranthanorum",  anlegen  Hefs  (Über  die 
Abfassungszeit  und  die  Veranlassung  siehe  unten  S.  177). 

2)  De  convers.  Bagoar.  10  und  Kleinmayrn,  Juvavia  61,  76. 


168  Sechstes  Kapitel. 

Passau  gewesen  zu  sein  ^).  Seine  Vorsteher  traten  in  der  geistigen 
Bewegung  nirgends  hervor,  sie  standen  als  SufFragane  der  Salz- 
burger Erzdiözese  im  Hintergrund,  ohne  dafs  diesen  Männern  die 
weitti-agende  Bedeutung  des  neuerworbenen  Koloniallandes  für  die 
Machtstellung  der  Kirche  völlig  klar  geworden  wäre.  Wie  nach 
der  obigen  Darstellung  der  Besiedelung  Passauer  Besitz  nicht  vor 
833  in  der  östlichen  Mark  mit  Sicherheit  nachweisbar  ist,  so 
scheint  auch  die  Bekehrungstätigkeit  des  Bistums  nicht  früher 
begonnen  zu  haben.  Immerhin  hat  wohl  Salzburg,  dem  die 
gewaltige  Aufgabe  in  Anbetracht  des  weit  ausgedehnten  Gebietes 
über  die  Kräfte  gegangen  sein  dürfte,  schon  frühzeitig  Passau  das 
natürliche  Hinterland,  die  östliche  Mark  an  der  Donau,  überlassen 
und  das  Bistum  dafür  einen  eigenen  Chor-  oder  Landbischof  ohne 
bestimmten  Sitz  bestellt  ^).  Es  wurde  dann  auch  die  Grenze  der 
beiden  Diözesen  gemäfs  der  politischen  Grenze  festgesetzt  —  ob 
schon  durch  Ludwig  den  Deutschen  im  Jahre  829,  ist  zweifelhaft  — 
und  zwar  so,  dafs  sie  wie  auch  in  der  späteren  Zeit  der  Spratzbach 
bei  Wiesmath  und  die  Rabnitz  bis  zur  Vereinigung  mit  der  Raab 
bilden  sollte  ^).  Erst  in  der  zweiten  Hälfte  des  Jahrhunderts  jedoch 
sind  sich  die  Bischöfe  von  Passau  der  Gröfse  der  ganzen  Frage  be- 
wufst  geworden,  und  nun  warfen  sie  sich  mit  Macht  darauf,  das 
Versäumte  nachzuholen,  ein  wenig  spät  freilich,  weshalb  sie 
bestrebt  waren,  ihre  Rechte  aus  der  VergangCxiheit  abzuleiten, 
wenn  das  auch  nicht  immer  ohne  frommen  Betrug  gehen  wollte. 
Damals  tauchte  die  Florianslegende  auf,  um  mit  den  Reliquien 
des  angeblich  ältesten  Märtyrers  in  Noricum  das  reiche  Kloster 
Kremsmünster  in  den  Schatten  zu  stellen,  damals  dürfte  damit  im 
Zusammenhang  auch  bereits  die  Fiktion  von  dem  Fortbestande 
der  Stadt  Lorch  (Laureacum)  und  des  dortigen  Bischofsitzes  in 
nachrömischer  Zeit  verbreitet  worden  sein  *).    Diese  Bestrebungen 


1)  Für  das  Folgende  ist  besonders  wichtig  die  schon  oft  zitierte  Arbeit 
von  Strnadt  in  der  Archivalischen  Zeitschrift  N.  F.  VIII,  1899. 

2)  Strnadt  a.  a.  0.  stellte  eine  ziemlich  ununterbrochene  Liste  derselben 
seit  Beginn  des  9.  Jahrhunderts  her:  Erchanfried,  seit  813  Otgar,  833  Arno, 
860  Alberich,  gegen  Ende  des  Jahrhunderts  Madalwin. 

3)  Siehe  oben  S.  160  und  Anm.  1. 

4)  Das  geht  aus  der  Urkunde  des  Grafen  Günther  zwischen  899  und  903 


Die  karolingische  Ostmark.  1(>9 

Passaus  fanden,  wie  es  scheint,  ohne  besonderen  Widerstand  ziem- 
lich bald  allgemeine  Anerkennung  auch  in  kirchlichen  Kreisen, 
denn  in  dem  geharnischten  Protest,  den  in  der  ersten  Hälfte  des 
Jahres  900  Erzbischof  Theotmar  von  Salzburg  und  seine  Suffragane 
von  Freising,  Eichstätt,  Regensburg,  Sähen  und  Passau  gegen  die 
Wiederaufrichtung  einer  mährischen  Sonderkirche  beim  Papste  Jo- 
hann IX.  erhoben  ^),  wird  sogar  die  Behauptung  aufgestellt,  dafs 
Mähren  zum  Passauer  Sprengel  gehört  habe,  was  ebenso  unbegründet 
war  wie  die  weitere,  dafs  die  Grafen  der  Mark  im  mährischen 
Reiche  ihre  Amtsgewalt  ausgeübt  hätten.  —  Dennoch  genügte  diese 
Jahrzehnte  lang  fortgesetzte  rührige  Kraftanstrengung  nicht,  um 
das  Kirchenwesen  des  Passauischen  Gebietes  auf  die  gleich  hohe 
Stufe  zu  bringen  wie  im  Salzburgischen,  was  besonders  die  viel 
geringere  Anzahl  der  Kirchengründungen  zeigt. 

Überblicken  wir  noch  einmal  die  ganze  Verwaltungsorganisation 
des  neu  eroberten  Gebietes,  die  uns  besonders  noch  im  ersten 
Drittel  des  9.  Jahrhunderts  rein  entgegentritt,  so  kann  man  wohl 
sagen,  dafs  sie  in  einem  gefestigten  Reiche  mit  starker  Zentralgewalt, 
wie  es  das  Frankenreich  unter  Karl  dem  Grofsen  gewesen  war,  ihre 
Aufgabe  erfüllt  hätte.  Aber  es  ist  ja  bekannt,  wie  unter  den 
energielosen  und  unfähigen  Nachfolgern  des  grofsen  Kaisers  die 
zentrifugalen  Kräfte  mächtig  wurden  und  das  Weltreich  in  kleine 
Teilreiche  zerfiel.  Schon  wenige  Jahre  nach  seinem  Tode,  im  Jahre 
817,  teilte  Ludwig  der  Fromme  das  weite  Gebiet  unter  seine  drei 
Söhne,  und  der  Begabteste  unter  ihnen,  Ludwig,  erhielt  als  König- 
reich Bayern  mit  seinen  östlichen  Marken,  Kärnten  und  die  awarische 
und  slawische  Mark.  Dieser  nahm  seinen  Anteil  nicht  vor  825  in 
tatsächlichen  Besitz,  konnte  sich  aber  doch  erst  darin  sicher  fühlen, 
als  der  Kampf,  der  nach  seines  Vaters  Ableben  (840)  zwischen 
ihm  und  seinen  Brüdern  entbrannte,  durch  den  Vertrag  von  Verdun 
im  Jahre  843  entschieden  wurde  und  ihm  das  Gebiet  östlich  vom 


hervor,  worin  dieser  einige  Güter  „an  S.  Lauren tium,  dessen  Eeliquien  in  Lorch 
ruhen,"  verleiht  (Mon.  Boic.  XXVIII  b,  32).  Dieser  Lorcher  Lauren tius  war  ein 
erdichteter  Doppelgänger  des  römischen  Märtyrers.  —  Das  Kloster  St.  Florian 
wurde,  wie  schon  erwähnt,  nicht  vor  880  gegründet. 

1)  Cod.  dipl.  Moraviae  I,  60.     Vgl.  auch  Dümmler,  Südöstliche  Marken 
(Archiv  X,  58  f.). 


170  Sechstos  Kapitol. 

Rhein  —  das  ostfränkische  Reich  —  anheimfiel.  Aber  schon  im 
Jahre  856  nahm  auch  er  wieder  eine  Losti-ennung  vor,  indem  er 
seinem  ältesten  Sohne  Karlraann  die  östlichen  Marken  übertrug, 
der  jedoch  mit  einer  blofsen  Statthalterschaft  keineswegs  zufrieden 
war  und  sich  alsbald  mit  Hilfe  der  Mähren  unabhängig  zu  machen 
suchte.  Nur  durch  den  Verrat  seines  Heerführers,  des  Grafen 
Gundakar,  der  den  Semmeringübergang  hatte  verteidigen  sollen, 
wurde  er  zur  Unterwerfung  gezwungen.  Dennoch  blieb  er  in 
seiner  Stellung  ziemlich  selbständig  und  behielt  nach  seines  Vaters 
Tode  (876)  durch  dessen  letztwillige  Verfügung  Bayern  und  die 
Marken,  während  das  übrige  Ostfranken  unter  seine  beiden  Brüder 
noch  weiter  geteilt  wurde.  Erst  im  Jahre  882,  nachdem  880 
Karlmann  und  zwei  Jahre  später  sein  zweiter  Bruder  Ludwig  HI. 
gestorben  waren ,  wurde  das  Reich  Ludwigs  des  Deutschen  wieder 
in  der  Hand  des  jüngsten  seiner  Söhne,  Karls  IH.,  des  Dicken, 
vereinigt.  Wieder  erwuchs  ihm  und  seiner  unfähigen  Regierung 
der  Widerstand  aus  den  Marken,  wo  Karlmanns  unehelicher  Sohn 
Arnulf  als  Herzog  vou  Karantanien  und  Pannonien  sich  allgemeine 
Achtung  und  Bedeutung  verschafft  hatte  und  schhefslich  887  nach 
Karls  in.  Absetzung  zum  König  gewählt  wurde. 

Bei  dieser  andauernden  Schwächung  der  Reichsgewalt  durch 
Teilungen,  DezentraHsation  und  Abtrennungsversuche  wucherten 
alsbald  die  staatszersetzenden  Keime,  die  in  der  fränkischen  Ver- 
fassung ruhten,  verderblich  empor.  Der  bedeutendste  unter  ihnen, 
der  allmählich  den  ganzen  Staatsorganismus  durchdrang  und  zer- 
sprengte, war  das  Lehnswesen.  Immer  mehr  wurde  es  üblich, 
sich  in  ein  Abhängigkeitsverhältnis  von  einem  Mächtigeren  (Senior) 
zu  begeben  und  von  diesem  Schutz  und  Lebensbedingungen  — 
in  dem  ausgesprochenen  Agrarstaate  natürlich  in  erster  Linie  Grund 
und  Boden  —  als  Lehen  zu  gewinnen.  Diese  eigentümliche  Ein- 
richtung, die  das  ganze  Mittelalter  hindurch  das  Staatswesen  Europas 
beherrschte,  äufserte  nach  zwei  Richtungen  hin  ihren  verderblichen 
Einflufs.  Einerseits  wurde  der  Stand  der  Vollfreien  immer  mehr 
vermindert,  insbesondere  die  unterste  Stufe,  die  freien  Bauern 
verschwanden,  um  einem  im  wesentlichen  unkriegerischen  Stand 
der  Hörigen  Platz  zu  machen,  denn  gerade  die  Kosten  und 
schweren  Anforderungen  der  Wehrpflicht  trieben  die  wenigen  Ver- 


Die  karolingiscbe  Ostmark.  171 

treter  der  Freien  in  das  Untertanenverhältnis.  Andrerseits  wurde 
aber  auch  der  Staat  oder  die  ihn  repräsentierende  Königsgewalt 
geschwächt  und  die  Fiktion,  die  man  erfand,  dafs  der  König  der 
Lehnsträger  Gottes  sei,  ist  sehr  bezeichnend.  Indem  der  König 
Land  und  Leute  und  die  Funktionen  des  Staates,  soweit  sie  da- 
mals überhaupt  ausgebildet  waren,  Heerführerschaft ,  Schutz,  Ge- 
richtsbann und  Abgaben  seinen  Lehnsträgern  überliefs,  verlor  er 
selbst  jeden  Einflufs  auf  die  Untertanen. 

Die  Immunität,  die  diese  Lehnsherren  auf  diese  Weise  er- 
langten, war  nur  eine  natürliche  Begleiterscheinung.  Der  Grofs- 
grundbesitzer,  der  territoriale  Lehnsherr,  erwirkte  für  sein  Gebiet 
Freiheit  von  Abgaben  und  Kriegslasten;  der  König  und  seine 
Beamten  durften  das  immune  Gebiet  weder  betreten,  noch  irgend- 
welche Amtshandlungen  in  demselben  vornehmen.  Alle  Befugnisse 
des  Staates  übernahm,  wie  gesagt,  der  Grundherr.  So  bildeten 
diese  territorialen  Machthaber,  je  reicher  sie  selbst  als  Lehnsherren 
waren,  Staaten  im  Staate. 

Auch  in  der  neu  eroberten  Mark  an  der  Donau  finden  sich 
im  Laufe  des  neunten  Jahrhunderts  zahlreiche  exemte  Gebiete,  und 
zwar  dem  Charakter  der  Besiedelung  nach  sind  es  besonders  die 
der  Kirche  gehörigen,  wie  etwa  die  Besitzungen  Salzburgs  und 
Passaus  oder  des  Klosters  St.  Emmeram  ^).  Aber  auch  von  welt- 
lichen Grundherren  in  exemter  Stellung  hören  wir  gelegentlich, 
so  wird  dem  bekannten  Haimo  für  seinen  Besitz  im  Grunzwitigau 
die  Gerichtsbarkeit  verliehen,  lediglich  unter  Vorbehalt  der  Appel- 
lation an  das  Grafengericht  ^). 

Besonders  stiegen  jedoch  die  Grafen  selbst,  zumal  die,  wie 
wir  gesehen  haben,  so  reich  begüterten  und  mit  Machtvollkommen- 
heit ausgestatteten  Grenzgrafen  in  ihrer  territorialen  Macht,  denn  — 
und  das  ist  ein  weiteres  beachtenswertes  Moment  der  Entwicke- 
lung  —  auch  die  königlichen  Amter  wurden  schliefslich  zu  Lehen. 
Der  Beamtenstaat,  wie  er  sich  unter  Karl  dem  Grofsen  bereits  in 
so  verheifsungsvoller  Weise  bei  straffer  Zentralisation  der  Ver- 
waltung auszubilden  begonnen  hatte,  löste  sich  völlig  in  den  Lehns- 
staat auf. 

1)  Mühlbacher  606  (586),  1404  (1363),  1738  (1691). 

2)  Mühlbacher  1799  (1751). 


173  Se(-listcs  Kajiitel. 

Es  ist  kein  Zufall,  wenn  wir  im  Verlaufe  des  9.  Jahrhunderts 
immer  wieder  von  hochverräterischen  Plänen  in  den  Marken  hören. 
Der  Bestrebungen  des  königlichen  Prinzen  Karlmann  geschah  schon 
Erwähnung,  aber  namentlich  waren  es  die  Grafen,  die  sich  eine 
noch  unabhängigere  und  selbständigere  Stellung  schaffen  wollten. 
So  wurde  um  das  Jahr  859  Ratbod  wegen  Hochverrates  abgesetzt  ^); 
in  eine  Erhebung  Ludwigs  des  Jüngeren,  des  zweiten  Sohnes  Lud- 
wigs des  Deutschen,  war  auch  ein  Graf  Werner,  vermutlich  der 
Graf  von  Oberpannonien ,  verwickelt'^),  der  im  Jahre  865  seines 
Amtes  verlustig  ging;  auch  die  Söhne  der  im  Kampfe  gegen  die 
Mährer  gefallenen  Grafen  Wilhelm  und  Engelschalk  versuchten, 
sich  im  Jahre  882  gewaltsam  der  östlichen  Mark  zu  bemächtigen, 
und  vertrieben  den  vom  Könige  eingesetzten  Markgrafen  Aribo  ^). 
Letzterer  wandte  sich  unbedenklich  an  den  Reichsfeind,  den  Mährer- 
herzog Swatopluk,  dem  er  sogar  seinen  Sohn  Isanrich  als  Geisel 
übergab,  ersterer  an  Herzog  Arnulf  von  Kärnten  um  Hilfe.  Der 
Usurpationsversuch  scheiterte  jedoch,  ein  Sohn  und  ein  Verwandter 
Engelschalks,  Wernher  und  Vezzilo,  wurden  gefangen  genommen 
und  verstümmelt,  die  zwei  ältesten  Brüder,  Megingoz  und  Papo, 
geschlagen  und  ertranken  bei  der  Verfolgung  in  der  Raab.  Nur 
der  jüngste  gleichnamige  Sohn  des  Grafen  Engelschalk  erlangte 
tatsächlich  unter  König  Arnulf,  trotzdem  er  dessen  uneheliche 
Tochter  entführt  hatte,  wenigstens  einen  Teil  des  väterlichen  Erbes 
—  wohl  Pannonien  — ,  fiel  jedoch  später  in  Ungnade  und  wurde 
im  Jahre  893  geblendet;  von  seinen  Vettern  Wilhelm  und  Rud- 
bert,  die  sich  beide  an  Swatopluk  wandten,  wurde  jener  wegen 
Hochverrates  hingerichtet,  dieser  fiel  als  Opfer  der  slawischen 
Treulosigkeit.  Ihre  Güter  wurden  konfisziert  und  dem  Kloster 
Kremsmünster  geschenkt  *).  Endlich  wurde  auch  Markgraf  Aribo 
abgesetzt,  als  er,  wie  es  scheint,  die  mährischen  Wirren  nach 
Swatopluks  Tode  zu  seinem  Vorteil  ausnutzen  wollte,  und  sein 
Sohn  Isaurich,  der  sich  hierauf  eines  Teiles  der  Mark  bemächtigte, 


1)  Nach    der   Urkunde    Ludwigs    des    Deutschen   von  859   V.  1  (Mühl- 
bacher 1438  [1397]);  Mon.  Boic.  XXVIII,  50). 

2)  Ann.  Fuld.  865,  8Ö6. 

3)  Ann.  Fuld.  885. 

4)  a.  a.  0.  893. 


Die  karoliagische  Ostmark.  173 

wurde  von  König  Arnulf  selbst  in  Mautern  belagert  und  gefangen 
genommen.  Es  gelang  ihm  aber,  wieder  zu  entkommen,  und  mit 
Hilfe  der  Mährer  sich  abermals  in  den  Besitz  eines  Teiles  der 
Ostmark  zu  setzen.  Erst  König  Ludwig  nahm  ihn  bei  dem  Frieden 
mit  Mähren  im  Jahre  901   wieder  in  Gnaden  auf  i). 

Die  beiden  letzten  Fälle,  besonders  das  Unternehmen  der 
Söhne  Wilhelms  und  Engelschalks  zeigten  übrigens  noch  ein  anderes 
Moment  von  Wichtigkeit.  Gegen  Ende  des  Jahrhunderts  ist  das 
Streben  der  Vasallen  allerorts  darauf  gerichtet,  die  Erblichkeit 
der  Lehen  durchzusetzen.  Dieses  Verlangen  ist  auch  das  treibende 
Motiv  bei  dem  Unternehmen  der  Söhne  der  Grafen  Wilhelm  und 
Engelschalk:  sie  erheben  Ansprüche  auf  das  Amt  ihrer  Väter  als 
ein  ihnen  gebührendes  Erbe. 

Die  starke,  innerlich  gefestigte  Reichsgewalt  unter  Karl  dem 
Grofsen  war  imstande  gewesen,  erobernd  aufzutreten  und  die 
Grenzen  zu  erweitern.  In  dem  Augenblicke  jedoch,  als  das  Reich 
in  einzelne  Teile  zerfiel  und  im  Inneren  der  Zerbröckelungsprozefs 
begann,  war  es  mit  der  Eroberungspolitik  vorbei.  Man  mufste 
zufrieden  sein,  die  Grenzmarken  im  guten  Verteidigungszustande 
zu  erhalten.  Aber  in  dem  Mafse,  wie  sich  Abfallsbestrebungen 
und  Sonderinteressen  auch  hier  geltend  machten,  schwand  das  An- 
sehen gegen  aufsen  und  wurden  feindseligen  Nachbarn  Blöfsen 
geboten. 

Zwar  die  einst  gefürchteten  Awaren  kamen  seit  dem  zweiten 
Jahrzehnt  des  Jahrhunderts  nicht  mehr  in  Betracht.  Desto  gefähr- 
licher wurden  allmählich  die  Slawen,  die  gerade  damals  in  ihr 
staatenbildendes  Zeitalter  eintraten  ^).  Bei  den  andauernden  inneren 
Wirren  in  den  fränkischen  Marken  konnte  sich  dieser  Prozefs,  der 
für  die  ganze  Zukunft  nachwirkte,  ungestört  vollziehen.  Mit  den 
Südslawen  lag  das  Frankenreich  schon  seit  819  im  Kampf.  Von 
weit  gröfseren  pohtischen  Folgen  war  jedoch  die  Gründung  eines 
eigenen  slawischen  Staates  in  Mähren.    Diese  Mährer  d.  i.  March- 


1)  a.  a.  0.  898,  899  und  Herimannus  Äugiensis  901. 

2)  Für  das  Folgende  wäre  noch  zu  vergleichen:  Palacky,  Geschichte 
Böhmens  I,  jetzt  Bachmann,  Geschichte  Böhmens  I  (Gotha  1899);  Dudik, 
Geschichte  Mährens  I  (Brunn  18ß0),  jetzt  Bretholz,  Geschichte  Mährens  I 
(Brunn  1893). 


174  SechstcB  Kapitel. 

anwohner  waren  noch  im  Jahre  822,  da  sie  zum  ersten  Male 
genannt  werden ,  den  Franken  tributpflichtig  ^).  Aber  kaum  ein 
Jahrzehnt  später  begegnet  unter  ihnen  ein  Herrscher  Moimir,  der 
die  fränkische  Oberherrschaft  abzuschütteln  und  auch  benachbarte 
Slawenstämme  seinem  Reiche,  das  sich  wohl  ziemlich  sicher  auch 
über  den  nordöstlichen  Teil  des  heutigen  Niederösterreich  bis  zur 
Donau  erstreckt  haben  dürfte  2),  einzuverleiben  strebte.  Als  Gegen- 
mafsregel  suchten  die  Franken  an  der  Grenze  slawische  Lehns- 
staaten als  Stofsballen  einzuschieben,  die  an  die  römischen  Klientel- 
staaten erinnern.  So  wies  Ludwig  der  Deutsche  dem  Slawenfürsten 
Priwina,  der  von  Moimir  aus  seinem  ursprünglichen  Sitz  bei  Neitra 
vertrieben,  sich  zum  Markgrafen  Ratbod  geflüchtet  hatte  und  sich 
im  Jahre  830  zu  Traismauer  niederliefs,  etwa  zehn  Jahre  danach 
Land  um  den  Plattensee  in  Unterpannonien  an,  das  später  wesent- 
lich erweitert,  sogar  zum  Herzogtum  erhoben  wurde.  Dort  ent- 
wickelte er  eine  bemerkenswerte  Kulturtätigkeit  und  gründete 
namenthch  unter  Salzburgs  Ägide  zahlreiche  Kirchen. 

Dagegen  mifsglückten  Ludwigs  des  Deutschen  Bemühungen, 
Mähren  zu  einem  ähnlichen  Lehnstaate  um-zugestalten  ^).  Zwar 
gelang  es  ihm  im  Jahre  846,  als  er  persönlich  nach  Mähren  zur 
Ordnung  der  Dinge  zog,  Moimir  abzusetzen  und  an  seine  SteUe 
dessen  Neffen  Rastislaw  zum  Herzog  zu  machen,  aber  dieser  selbst 
erhob  sich  853  gegen  die  Franken,  nachdem  sie  einige  Jahre  zuvor 
in  Böhmen  empfindliche  Niederlagen  erhtten  hatten,  und  in  der  Folge- 
zeit sehen  wir  immer  wieder,  wie  die  Abfallsbestrebungen  in  der 
Mark  seit  Karlmann  an  dem  Mährerreich  ihre  Stütze  finden.  Ver- 
geblich unternahmen  König  Ludwig  im  Jahre  864,  seine  Söhne 
Karl  und  Karlmann  869  Heereszüge  gegen  Rastislaw.  In  seinen 
Festungen,  von  denen  eine  mit  dem  Namen  Dewin  bezeichnet 
wird  *),  hielt  er  sich,  wenn  auch  das  flache  Land  verwüstet  wurde. 


1)  Einh.  Ann.  a.  822. 

2)  Vgl.  oben  S.  161,  Anm.  2. 

3)  Quellen  für  die  Kämpfe  mit  den  Mähren  sind  Euod.  Fuld.  und  die 
Annales  Fuld.     Dazu  Ann.  Hincmari  Rem.  und  Ann.  Xant. 

4)  Nach  der  gewöhnlichen  Annahme  Theben  bei  Prefsburg.  Jedoch  hat 
schon  Düramler  (Ostfräukisches  Reich  II,  86)  eingewendet,  dafs  es  in  diesem 
Falle  doch  sehr  auffallend  sei  und  unnötig  gewesen  wäre,   dafs   das   fränkische 


Die  karolingische  Ostmark.  175 

Allerdings  wurde  auch  er  von  seinem  Neffen  Swatopluk  (ger- 
manisiert Zwentibold),  der  ein  Teilreich  beherrschte  und  im  Jahre 
870  Karlmann  gehuldigt  hatte,  gestürzt,  gefangen  genommen  und 
König  Ludwig  ausgeliefert,  der  ihn  blenden  und  in  ein  Kloster 
stecken  liefs.  Schon  hatte  es  den  Anschein,  als  sollte  das  Franken- 
reich einen  mächtigen  Gebietszuwachs  erhalten,  der  jedenfalls  für 
die  geschichtliche  Entwickelung  von  grofser  Bedeutung  geworden 
wäre,  und  das  Land  wurde  tatsächlich  den  beiden  Grenzgrafen 
Wilhelm  und  Engelschalk  unterstellt.  Aber  wie  Swatopluk  seinen 
Oheim  durch  Verrat  um  den  Thron  gebracht  hatte,  so  zögerte  er 
auch  nicht,  durch  Verrat  an  den  Frauken  an  das  Ziel  seines  Ehr- 
geizes zu  gelangen.  „Nach  slawischer  Sitte  brach  Zwentibold  so- 
fort die  geschworene  Treue",  heifst  es  in  den  Annalen  von  Fulda  ^). 
Als  sich  ein  Jahr  später  die  Mährer  selbst  gegen  die  Franken 
empörten  und  einen  Verwandten  ihrer  Fürstenfamilie  Sklagamar, 
einen  Priester,  zwangen,  ihr  Führer  zu  sein,  stellte  Karlmann  in 
merkwürdiger  Kurzsichtigkeit  Swatopluk  sogar  an  die  Spitze  des 
bayerischen  Heeres,  das  er  gegen  die  Aufständischen  entsandte, 
Swatopluk  ergriff  natürlich  diese  ausgezeichnete  Gelegenheit,  ging 
zu  seinem  Volke  über  und  vernichtete  das  ganze  bayerische  Heer, 
darunter  auch  die  Grafen  Wilhelm  und  Engelschalk. 

Seitdem  war  und  blieb  das  mährische  Reich  unter  seiner 
Herrschaft  selbständig,  obwohl  er  sich  im  Jahre  874  trotz  eines 
abermaligen  Sieges  über  die  Bayern  an  der  Donau,  wahrscheinlich 
unter  dem  Drucke  der  Erfolge,  die  gleichzeitig  die  Franken  in 
dem  mit  ihm  verbündeten  Böhmen,  also  an  der  Westseite  seines 
Reiches,  ernteten,  dazu  herbeiliefs,  zu  Forchheim  König  Ludwig 
Treue  zu  schwören  und  sich  zu  einer  Tributleistung  zu  verpflichten. 

Dieser  Vertrag  hatte  um  so  mehr  den  Charakter  einer  jener 
formellen  Verpflichtungen,  deren  Bruch  einem  Swatopluk  wenig 
Skrupel  verursachte,  als  es  damals  gerade  den  Anschein  gewann, 
als  sollte   sich    eine   noch    weit   gründlichere  Scheidung   und  Ver- 


Heer,  wie  die  Ann.  Fiild.  melden,  schon  bei  Tulln  die  Donau  überschritten  hat, 
um  es  anzugreifen.  B retholz  a.  a.  0.  38,  Anm.  I  gibt  eine  neue  Erklärung. 
Da  Dewin  zu  Deutsch  Mädchen  heifst,  so  denkt  er  an  das  deutsche  Maidburg 
bei  Nikolsburg. 

1)  M.  G.  SS.  I,  399. 


17C  Sechstes  Kapitel. 

selbständigung   vollzielien,    nämlich   auf  kirchlichem  Gebiete,    das 
ja  mit  dem  politischen  auts  innigste  zusammenhing. 

Den  genialen  Gedanken,  auf  diesem  Wege  eine  völlige  Selb- 
ständigkeit zu  erlangen,  hatte  Rastislaw  gefafst.  Er  wandte  seinen 
Blick  nach  Ustrom,  das  damals  ja  noch  immer  als  ein  ernster  Rivale 
des  Frankenreiches  gelten  konnte.  Von  Kaiser  Michael  erbat  er 
sich  im  Jahre  863  Missionare,  die  es  verstünden,  den  Mährern  in 
ihrer  Sprache  das  Christentum  zu  predigen,  und  dieser  sandte 
ihm  die  Brüder  Konstantin  und  Methodios,  die  aus  der  slawischen 
Gegend  um  Thessalonika  stammten,  und  die  sich  bereits  als  Glaubens- 
boten mehrfach  bewährt  hatten.  Sie  lösten  ihre  Aufgabe  glänzend. 
Konstantin  übersetzte  die  Bibel  und  die  Liturgie  ins  Slawische, 
erfand  sich  selbst  eine  Schrift  und  erzielte  im  Vereine  mit  Metho- 
dios durch  den  Gottesdienst  auf  nationaler  Grundlage  natürlich 
grofse  Erfolge,  die  auch  die  Anerkennung  der  Päpste  fanden.  Auch 
in  dem  pannonischen  Slawenreiche,  das  Priwina  begründet  hatte 
und  das  jetzt  sein  Sohn  Kozel  beherrschte,  fafsten  sie  festen  Fufs, 
so  dafs  Papst  Hadrian  nach  dem  Tode  Konstantins,  der  später 
den  Mönchnamen  Kyrillos  angenommen  hatte,,  im  Jahre  869  Metho- 
dios zum  Erzbischof  von  Sirmium  ernannte  und  ihm  Mähren  und 
Pannonien  unterstellte. 

Es  ist  ofifenbar  wieder  ein  Zeichen  für   die   geringe  Tatkraft 
des  Passauer  Bistumes   bis   zum   letzten  Drittel   c'es  Jahrhunderts,        , 
dafs   die    Bischöfe    den    hochwichtigen    Ereignissen,    die    doch   in      I 
erster  Linie  ihr  Bereich  berührten,   ruhig  zusahen.     Aber  in  dem       ^ 
Augenblicke,  als  die  Slawenapostel  auf  Pannonien  übergriffen,  regte 
sich  sofort  Erzbischof  Adalwin  von  Salzburg,  dem  das  Land  bis- 
her unterstanden  hatte,  und  als  gar  ein  slawisches  Erzbistum  Sir- 
mium gegründet  wurde,  da  zögerte  er  nicht  länger,  energisch  da- 
gegen Einspruch  zu  erheben.    Im  November  870  ^)  berief  er  seine 
Suffragane   zu   einer  Synode,    die   in  Gegenwart  König   Ludwigs 
stattfand,    und   zu  der    auch  Methodios   geladen  war.     Da  er  den 
Mut   hatte   zu   erscheinen,    machte   man   mit   ihm  kurzen  Prozefs. 
Wegen   unbefugten   Eingriffes   in   eine   fremde   Diözese   wurde  er 


1)  Über  den  Zeitansatz  dieser  Synode   siehe  Hub  er,  Österreichische  Ge- 
schichte I,  106,  Anm.  1. 


Die  iarolingische  Ostmark.  177 

unter  schimpflicher  Mifshandlung  seiner  Würde  entsetzt  und  in 
Ketten  gelegt.  Sodann  wurde  eine  Denkschrift  über  das  Wirken 
der  Salzburger  Kirche  als  Protest  gegen  die  Errichtung  eines 
mährischen  Erzbistumes  verfafst  und  König  Ludwig  überreicht  ^). 

Aber   wider   Erwarten   stellte   sich   auch   der   Nachfolger  des 
Papstes   Hadrian,  Johann  VIII.,   auf  Seite   des  Methodios.     Erz- 
bischof Adalwin  sah  sich    gezwungen,    ihn    nach   dritthalbjähriger 
Gefangenschaft  frei  zu  lassen,  und  mufste  ihm  seine  Würde  wieder 
verleihen;    der   Bischof  Ermanrich    von  Passau,    der    ihn   auf  der 
Synode  geohrfeigt  haben  soll,  wurde  sogar  suspendiert.    Allerdings 
war  Pannonien  nicht  länger  zu  behaupten,  nachdem  Kozel  im  Jahre 
873    gestorben    war   und    das  Land   nunmehr   wieder   bayerischen 
Grafen  unterstellt  wurde.     Dafür  war  jetzt  in  Mähren  gerade  der 
rechte  Augenblick  gekommen,  da  Swatopluk  das  Erbe  Rastislaws  an- 
trat und  aufs  neue  dessen  staatliche  und  kirchliche  Pläne  wieder  auf- 
nahm.   Er  vertrieb  sämtliche  deutschen  Geistlichen  aus  seinem  Reiche 
und  berief  Methodios  aufs  neue.    Aus  abermaligen  Anklagen  in  Rom 
ging  dieser  durch   persönliche  Rechtfertigung  vor  dem   Papst    mit 
gesteigertem    Ansehen   hervor   und    erhielt   sogar   in    dem    Bischot 
Wiching  von  Neitra  —  allerdings  einem  Deutschen  —  einen  Suffragan. 
Gleichzeitig   wuchs    auch    die   Machtstellung   Swatopluks   un- 
geachtet seiner  formellen  Abhängigkeit  vom  Frankenreich.    Böhmen 
und  die  nördlich  angrenzenden  Gebiete  gerieten  unter  seine  Ober- 
hoheit, und  bis  tief  nach  Ungarn  in  die  Theifsebene  erstreckte  sich 
seine  Macht.      Doch   bildete   sein   Bündnis   mit   dem   Grenzgrafen 
Aribo  und  seine  verheerenden  Züge   gegen  die  Söhne  der  Grafen 
Wilhelm   und  Engelschalk,   sowie   deren   Bundesgenossen   Herzog 
Arnulf  von  Kärnten   in    den    Jahren  882—884,    die    schon    oben 
erwähnt   wurden,    einen    Wendepunkt  in    seinen   Erfolgen.     Zwar 
bheben  seine  Einfälle  in  deutsches  Land  ungerächt,   er  selbst  un- 
besiegt, aber  er  mufste  sich  doch  im  Herbste  884  zu  Königstätten, 
wo  er  eine  persönliche  Zusammenkunft  mit  Kaiser  Karl  III.  hatte, 
zur    Anerkennung    der    fränkischen    Lehenshoheit    bequemen    und 
sich   verpflichten,   bei   Lebzeiten  Karls   dessen   Reich   nicht   mehr 
anzugreifen.     Als  dann   im  Jahre  888    nach  Karls  IIL  Absetzung 


1)  Die  Conversio  Bagoariorum  et  Caranthanorum  (M.  G.  SS.  XI,  1). 


Vancsa,  Geschichte  Nieder-  u.  Oberöstetreichs. 


12 


178  Sec-listos  Kapitel. 

Arnulf  die  Regierung  übernahm,  stand  Swatopluk  doch  ein  anderer 
entschieden  bedeutenderer  Gegner  gegenüber.  Dieser  setzte  zu- 
nächst, eingedenk  der  letzten  Verwüstungszüge,  den  dem  Mährer- 
reiche unmittelbar  benachbarten  Grenzstrich  an  der  Donau  und 
Traisen,  den  Grunzwitigau  in  guten  Verteidigungszustand,  indem 
er,  wie  wir  gesehen  haben,  den  mächtigsten  Grofsgrundbesitzer 
dieser  Gegend  Haimo  gegen  wichtige  Begünstigungen  zum  Bau 
von  Befestigungen  anhielt.  Im  Jahre  892,  nachdem  er  Deutsch- 
land von  den  Normanneneinfällen  befreit  hatte,  wandte  er  sich 
gegen  Swatopluk  und  forderte  ihn  auf,  persönlich  bei  ihm  zu  er- 
scheinen. Als  dieser  jedoch  der  Aufforderung  nicht  Folge  leistete, 
ging  Arnulf  zur  Offensive  über  und  verwüstete  Mähren  vier  Wochen 
lang,  wobei  sich  ihm  eine  Abteilung  eines  eben  damals  zum  ersten 
Male  von  Osten  längs  der  Donau  auftauchenden  wilden  uralaltaischen 
Reitervolkes,  der  Magyaren,  anschlofs.  Einen  nachhaltigen  Erfolg 
über  Swatopluk  davonzutragen,  war  allerdings  auch  ihm  nicht 
beschieden.  Auf  einem  zweiten  Feldzug  im  Jahre  893  rettete  er 
sein  Heer  sogar  nur  mühsam  vor  Vernichtung. 

Aber  Swatopluks  Machtstellung  war  doch-  erschüttert,  besonders 
da  er  sich  unbegreiflicherweise  im  Innern  des  Reiches  selbst 
seiner  festesten  Stütze  beraubte.  Er  war  zwar  ein  grausamer, 
rücksichtsloser  und  verschlagener  Despot,  aber  es  fehlte  ihm  der 
tiefe  politische  Blick,  der  seinen  Oheim  Rastiskw  ausgezeichnet 
hatte.  Er  liefs  dem  Plane  des  Methodios,  der  Schöpfung  einer 
eigenen  slawischen  Kirche  auf  rein  nationaler  Grundlage,  keine 
rechte  Unterstützung  angedeihen,  und,  als  Methodios  am  6.  April 
885  starb,  hatte  der  Bischof  von  Neitra,  Wiching,  dessen  früherer 
Suffragan,  leichtes  Spiel,  das  dem  deutschen  Klerus  mit  Recht 
verhafste  Werk  zu  zerstören.  Um  die  Einsetzung  des  von  Methodios 
selbst  empfohlenen  Slawen  Gorazd  zu  hintertreiben,  reiste  er  nach 
Rom  und  erwirkte  von  Papst  Stephan  V.  tatsächlich  ein  Schreiben, 
wodurch  die  slawische  Liturgie  verurteilt  und  er  als  Nachfolger 
des  JMethodios  vorgeschlagen  wurde.  Swatopluk  war  kurzsichtig 
genug,  daraufhin  die  slawischen  Priester  in  den  Kerker  zu  werfen 
und  die  lateinische  Liturgie  durch  deutsche  Priester  wieder  her- 
zustellen. 

Nach  seinem  Tode  im  Jahre  894  ging  es    auch  politisch  mit 


Die  karolingische  Ostmark.  179 

seinem  Reiche  bald  bergab,  da  er  es  nicht  einmal  als  Ganzes  zu 
erhalten  gesucht,  sondern  es  unter  seine  drei  Söhne  geteilt  hatte. 
Die  botmäfsigen  Slawenstämme  fielen  ab,  unter  den  Söhnen  brachen 
Zwistigkeiten  aus,  und  Swatopluk  der  Jüngere  rief  die  Bayern  zu 
Hilfe,  die  in  den  Jahren  898  und  899  verheerende  Einfälle  in 
Mähren  unternahmen.  Doch  verhinderten  die  Empörung  des  Isanrich 
in  der  Ostmark  und  die  zunehmende  Krankheit  und  körperliche 
Schwäche  König  Arnulfs  nachhaltige  Erfolge  der  Deutschen,  und 
Swatopluk  mufste  froh  sein,  von  seinen  Verbündeten  herausgehauen 
und  nach  Bayern  mitgenommen  zu  werden. 

Moimir  IL  machte  hierauf  nochmals  den  Versuch,  seinem 
allerdings  jetzt  stark  verkleinerten  Reiche  die  staatliche  und  kirch- 
liche Unabhängigkeit  zu  verschaffen.  Wiching  war  schon  längst 
der  Boden  zu  heifs  geworden  und  er  hatte  es  vorgezogen,  sich 
an  den  Hof  König  Arnulfs  zu  begeben,  wo  er  die  Kanzler- 
würde übernahm.  So  war  die  mährische  Diözese  verwaist,  und 
Herzog  Moimir  daher  berechtigt,  beim  Papste  Johann  IX.  um 
Wiederbesetzung  des  erzbischöflichen  Stuhles  nachzusuchen,  und 
dieser  bewilhgte  nicht  nur  einen  Erzbischof,  sondern  sogar  drei 
Suffraganbischöfe.  Die  bayerischen  Kirchenfürsten,  die  sich  wieder 
um  den  ganzen  Erfolg  der  Aktion  nach  Methodios'  Tode  gebracht 
sahen,  waren  erbittert.  In  der  ersten  Hälfte  des  Jahres  900  be- 
rief Erzbischof  Theotmar  von  Salzburg  seine  SufFragane  zu  einer 
Synode,  die  einen  in  unerhört  kühner  und  scharfer  Sprache  ab- 
gefafsten  Protest  an  den  Papst  richtete.  Papst  Johann  IX.  starb 
jedoch  um  die  Mitte  Juli,  und  ehe  sein  Nachfolger  zu  der  An- 
gelegenheit Stellung  nehmen  konnte,  traten  Ereignisse  ein,  die 
Deutsche  und  Slawen  dazu  zwangen,  ihren  jahrzehntelangen  Kampf 
angesichts  einer  neuen  gemeinsamen  Gefahr  einzustellen. 

Jenes  wilde  Nomaden-  und  Reitervolk,  das  sich  selbst  Magyaren 
nannte,  sonst  auch  den  Namen  Ugren  oder  nach  slawischer  Aus- 
sprache Ungarn  führte  ^),  und  das  seit  dem  Jahre  862  in  ver- 
einzelten  Trupps   gelegentlich   an   der   Ostgrenze   des   fränkischen 


1)  Über  den  Ursprung  der  Magyaren  handelt  grundlegend  Hunfalvy, 
Ethnographie  von  Ungarn,  deutsch  von  Sehwicker  (Pest  1877),  und  Die  Un- 
gern oder  Magyaren  (5.  Bd.  von  „Die  Völker  Österreich- Ungarns",  Teschen  1881). 

12  * 


180  Sechstes  Kapitel. 

Reiches  auftauchte  '),  war  um  das  Jahr  895  in  seiner  Gesamtheit 
in  die  Tiefebenen  der  Donau  und  Theifs  eingewandert  und  hatte 
sich  dem  Abendlande  zum  ersten  Male  durch  einen  verheerenden 
Einfall  in  Italien  im  Jahre  899  furchtbar  erwiesen. 

Unglücklicherweise  starb  gerade  in  diesen  gefahrdrohenden 
Zeitläuften  König  Arnulf  am  8.  Dezember  899  und  hinterliefs  das 
ßeich  seinem  siebenjährigen  Söhnchen  Ludwig.  Seitdem  blieben 
die  Grenzlande  so  ziemlich  sich  selbst  überlassen.  Dies  benutzten 
die  Magyaren  zu  einem  Einfall  in  die  östliche  Mark  und  drangen 
bis  über  die  Enns.  Allerdings  ergriffen  die  Scharen  die  Flucht,  als 
Markgraf  Liutpold  von  Kärnten  und  im  Donaugau,  der  damals  eine 
fast  herzogliche  Macht  in  seinen  Händen  vereinigte  und,  wie  es 
scheint,  auch  in  Oberpannonien  militärisch  befehHgte,  vereint  mit 
Bischof  Richar  von  Passau  heranrückte;  ihr  Nachtrab  wurde  von 
den  Bayern  am  linken  Donauufer  auf  ungenannter  Walstatt,  etwa 
im  November  900,  vernichtet  2).  Zum  Schutze  gegen  neuerliche 
Einfälle  wurde  sodann  an  der  Ennsmündung  in  der  Nähe  des  alten 
Laureacum  eine  Festung,  die  Ennsburg  angelegt,  wie  man  also 
sieht,  um  das  Reich  zu  bewahren,  während  das  Land  östlich  der 
Enns  noch  immer  als  Kolonialland  und  aufserhalb  der  Grenzen 
des  Reiches  liegend  angesehen  wurde  ^).  Gleichfalls  unter  diesem 
äufseren  Druck  wurde  auch  mit  den  Mährern  Friede  geschlossen, 
und  die  Bayern  suchten  in  den  nächsten  Jahren  mit  ihnen  an- 
gesichts der  gemeinsamen  Gefahr  ein  engeres  Bündnis,  worauf  man 
wohl  aus  der  Aufrichtung  der  schon  oben  besprochenen  Zollordnung 
von  Raffelstätten  903  oder  904  schliefsen  kann. 

Zugleich  zeigt  allerdings  diese  Regelung  des  Handelsverkehrs 


1)  Die  wiederholt  aufgestellte  Behauptung,  Kastislaw  oder  Swatopluk  hätte 
die  Magyaren  gegen  die  Deutschen,  Arnulf  hinwiederum  gegen  die  Slawen  herbei- 
gerufen, ist  in  dieser  Form  gewifs  unrichtig.  Es  kann  sich  höchstens  um  gelegent- 
liche Zuhilfenahme  plündernd  umherschweifender  Abteilungen  gehandelt  haben,  wie 
wir  ähnliche  Verwendungen  barbarischer  Völkerstämme  seit  den  Römerzeiten  wieder- 
holt in  Übung  finden  und  selbst  schon  darauf  zu  verweisen  Gelegenheit  hatten. 

2)  Über  den  Zeitansatz  Huber  in  Böhmers  Fontes  IV,  587,  3.  —  Ann. 
Fuld.  und  Herim.  Aug.  ad  900. 

b)  Ann.  Fuld.  ad  900.  —  Die  Vergabung  der  Ennsburg  an  das  Kloster 
St.  Florian  durch  Ludwig  das  Kind  im  Jahre  900  oder  901  (Mühlbacher 
1994  [1942])  ist  eine  Fälschung. 


Die  karolingische  Ostmark.  181 

auf  der  Donau,  die  für  die  Zukunft  friedliche  Zustände  voraussetzte, 
dafs  man  noch  immer  die  Gröfse  der  Gefahr  unterschätzte.  Nicht 
auf  friedliche  Verbindungen  kam  es  mehr  an,  zu  gemeinsamen 
Taten  hätte  man  sich  verbinden  sollen.  Die  Nachrichten  über  die 
Ereignisse  der  nächsten  Jahre  sind  unsicher,  aber  in  Mähren  und  an 
der  Grenze  scheinen  Kämpfe  gegen  die  Magyaren  mit  wechselndem 
Glück  geführt  worden  zu  sein  ^).  Noch  im  Jahre  904  begingen 
die  Bayern  die  Unbesonnenheit,  einen  Führer  der  Magyaren,  Chussa.1, 
bei  einem  Gastmahl,  zu  dem  sie  ihn  geladen,  meuchlings  zu  er- 
morden. Im  Jahre  905  oder  906  aber  mufs  das  Reich  Moimirs 
dem  Anstürme  der  feindUchen  Barbaren  zum  Opfer  gefallen  sein. 

Jetzt  erst  ging  auch  den  Deutschen  die  volle  Erkenntnis  von 
der  Gröfse  der  Gefahr  auf  Man  rüstete  ein  ansehnhches  Heer 
und  zog  im  Jahre  907  unter  der  Leitung  des  bewährten,  tapferen 
Markgrafen  Liutpold  gegen  die  Magyaren  über  die  Enns,  um 
deren  Angriff  zuvorzukommen.  Wieder  ist  uns  der  Ort  des  Zu- 
sammenstofses  nicht  bekannt,  der  Tag  dürfte  der  5.  Juli  gewesen 
sein.  Das  Heer  der  Bayern  wurde  vollständig  aufgerieben.  Mark- 
graf Liutpold  selbst,  Erzbischof  Theotmar  von  Salzburg,  Bischof 
Uto  von  Freising  und  Bischof  Zacharias  von  Sähen  deckten  die 
Walstatt,  nur  wenige  entkamen  ^). 

Nach  dieser  verhängnisvollen  Niederlage  bheb  den  Bayern 
nichts  anderes  übrig,  als  das  fruchtbare  Kolonialgebiet  jenseits  der 
Enns,  die  Errungenschaft  Karls  des  Grofsen,  die  man  durch  ein 
Jahrhundert  segensreicher  Tätigkeit  zu  einer  bemerkenswerten 
materiellen  Blüte  gebracht  hatte,  preiszugeben. 

1)  Dafür  Hauptquelle  die  Annales  Alamann.  (M.  G.  SS.  I). 

2)  Die  meisten  Annaleu  bringen  die  Nachricht  über  dieses  weittragende 
Ereignis.  Die  Hauptvarianten  sind :  Ann.  Alaman.  (M.  G.  SS.  I,  54),  Ann.  Aug. 
(a.  a.  0.  I,  68),  Ann.  Corv.  (a.  a.  0.  HI,  4),  Ann.  Hildesh  (a.  a.  0.  IH,  52), 
Ann.  Laub.  (a.  a.  0.  I,  54),  Reginonis  Contin.  (a.  a.  0.  I,  614),  Ann.  Juvav. 
(a.  a.  0.  IX,  771).  —  Sämtliche  Belegstellen,  auch  die  abgeleiteten,  bei  Dümmler, 
Ostfränk.  Reich  H,  544  mit  Nachtrag  in  Forsch,  z.  deutsch.  Gesch.  XV,  164, 
sowie  bei  Meiller  in  seiner  gleich  noch  näher  zu  betrachtenden  Abhandlung 
in  den  Denkschr.  d.  k.  Akad.  d.  W.  XVEI,  65.  Gegen  dessen  Annahme,  dafs 
die  Schlacht  bei  Mensö  an  der  Raab  stattgefunden,  Riezler  I,  257  und  Huber 
I,  125.  —  Über  das  Datum:  Quellen  und  Erörterungen  VH,  451. 


Siebentes    Kapitel. 

Die  Ungarnepisode  und  die  Wiedererrichtung  der 
Mark  unter  den  Ottonen. 


Zu  einer  vertragsmäfsigen  Abtretung  ist  es  indessen  niemals 
gekommen,  und  die  Magyaren  waren  ebensowenig,  wie  vordem  die 
Hunnen  und  Awaren,  imstande,  feste  Sitze  einzunehmen  und  regel- 
rechte Besiedelungsarbeit  zu  leisten,  dazu  auch  wohl  nicht  zahlreich 
genug,  denn  eigentlich  war  ihnen  bereits  mehr  als  das  heutige 
Ungarn  zugefallen  und  der  Kern  der  Bevölkerung  befand  sich 
beständig  auf  weit  ausgedehnten  und  in  die  verschiedensten  Rich- 
tungen auseinanderlaufenden  Kriegs-  und  Beutezügen.  Nicht  um 
Landnahme  und  neue  Sitze  war  es  ihnen  zu  tun,  sondern  um 
Wegschleppung  von  Beute  und  Menschen,  die  sie  zu  Sklaven 
machten.  Die  bisherige  Mark  war  lediglich  als  Verwaltungsgebiet 
aufgegeben  worden.  Sie  blieb  in  den  nächsten  Jahrzehnten  das 
stets  gefährdete,  wiederholt  verwüstete  Einfällsgebiet  der  Magyaren 
bei  ihren  Zügen  gegen  den  Westen,  denn  die  alten  Römerstrafsen 
längs  der  Donau  und  die  Strafse  von  Odenburg  durch  das  Tristing- 
und  Traisental  boten  hier  bequeme  Wege.  Selbst  diesseits  der 
Enns  bis  zur  Krems  herrschte  grofse  Unsicherheit.  Tatsache  ist, 
dafs  wir  aus  der  Mark  und  aus  dem  östlichen  Teil  des  Traun- 
gaues  nunmehr  sechzig  Jahre  lang  nicht  eine  einzige  Nachricht 
besitzen.  Das  ganze  reiche  Leben,  das  wir  in  der  Karolingerzeit 
sich  entfalten  sahen,  scheint  ausgestorben,  die  staatliche  Leitung 
fehlt,  die  Beurkundung  der  Rechtsgeschäfte  hört  als  überflüssig 
auf;  dafs  das  Land  arg  verwüstet,  dafs  seine  materielle  Kultur  dahin 
war,  ist  bei  diesen  Verhältnissen  selbstverständlich.    Dennoch  wird 


Die  Ungurnepisode  und  die  Wiedererrichtung  der  Mark  unter  den  Ottonen.  183 

man  wohl  nicht  fehlgehen,  wenn  man  annimmt,  dafs  von  den 
deutschen  Besiedlern  keineswegs  alle  Errungenschaften  aufgegeben 
Avurden.  Die  kleineren  Kolonisten  mögen  dem  Anstürme  nicht 
widerstanden  haben,  die  gröfseren  Grundbesitzer  hielten  ihr  Eigen 
i'echt  und  schlecht  fest.  Darum  konnte  auch  die  spätere  Besiede- 
lung  so  rasch  und  unmittelbar  an  den  alten  Besitz  wieder  an- 
knüpfen ^). 

Dafs  wir  während  des  Zeitraumes  von  der  Niederlage  des  Jahres 
907  bis  in  die  zweite  Hälfte  des  Jahrhunderts  nahezu  gar  keine 
direkten  Nachrichten  über  dieses  Gebiet  besitzen,  wird  bei  der  Lage 
der  Dinge  nicht  wundernehmen  können.  Dennoch  geht  aus  verschie- 
denen Belegstellen  mit  ziemlicher  Sicherheit  hervor,  dafs  wenigstens 
das  Land  bis  zum  Wiener  Wald  von  den  früheren  Besitzern  nicht 
ganz  geräumt  worden  ist,  zum  mindesten  kann  von  einer  Besetzung 
oder  gar  Besiedelung  seitens  der  Ungarn  gar  nicht  die  Rede  sein. 
Bischof  Drakolf  von  Freising  verunglückte  im  Jahre  926  auf  der 
Reise  im  Donaustrudel  -).  Diese  Reise  kann  nur  den  Freisinger  Be- 
sitzungen im  Osten  der  Enns  gegolten  haben.  Dafs  Tegernsee 
und  Niederaltaich  ihre  Güter  in  der  alten  Mark  über  das  Jahr  907 
hinaus  bewahrten  und  erst  durch  die  Säkularisationen  Herzog  Arnulfs 
von  Bayern  verloren,  werden  wir  noch  unten  des  näheren  erfahren. 
Wenn  sie  in  der  Gewalt  der  Magyaren  gewesen  wären,  hätte  der 
Bayernherzog  doch  gewifs  nicht  die  Hand  danach  ausgestreckt. 
Von  Orientalen,  Bewohnern  dieser  östlichen  Gegenden,  die  ungefähr 


1)  Über  diesen  Zeitraum  vgl.  Büdinger  I,  23Üf.  und  Kiezler  I,  313f., 
sowie  Hasenöhrl,  Deutschlands  südöstliche  Marken  im  10.,  11.  und  12.  Jahr- 
hundert (Archiv  f.  österr.  Gesch.  LXXXII,  419  f.).  Eine  bemerkenswerte  Spezial- 
untersuchung dieses  Zeitraumes  lieferte  Meiller,  Über  das  von  Anselm  Schramb 
und  Hieronymus  Petz  veröffentlichte  Breve  Chronicon  Austriacum  autore  Conrado 
de  Wizzenberg  abbate  Mellicense  (Denkschr.  d.  k.  Akademie  der  W.  XVIII,  1, 
1869),  die  merkwürdig  wenig  bekannt  geworden  ist.  Nur  Lorenz,  Öster- 
reichische Sagengeschichte  vom  12. — 14.  Jahrhundert  (Drei  Bücher  Geschichte 
und  Politik  S  615)  hat  daran  eine  überscharfe  Kritik  geübt,  die  sich  allerdings 
im  wesentlichen  gegen  einen  Punkt  richtet,  auf  den  ich  noch  zurückkommen 
werde.  Trotz  Lorenz  lege  ich  Meillers  Arbeit  meinen  Untersuchungen  in  diesem 
Kapitel  vielfach  zugrunde,  obwohl  ich  selbst  seine  Annahmen  mehrmals  modi- 
fiziere und  ergänze. 

2)  Chunradus  Sacrista  (M.  G.  SS.  XXIV,  316). 


1S4  Siebentes  Kapitel, 

950  die  Hilfe  der  bayerischen  Grofsen  gegen  neuerliche  Überfälle 
der  Ungarn  anrufen,  berichtet  Dietmar  von  Merseburg  *). 

Vielleiclit   wäre   übrigens   die   alte  Karolingerniark   gar  nicht 
in  Verfall  geraten,  wären  nicht  gleichzeitig  mit  den  Ungarneinfällen 
Verhältnisse  eingetreten,  die  einen  allgemeinen  Niedergang  im  Süd- 
osten des  Reiches  mit   sich  brachten.     Die   königliche  Macht  war 
unter   dem  Kinde  Ludwig   zum  Schatten    geworden,    damit   hörte 
für  die  Grenzgebiete   jede  Organisation,  also    auch   die  Markgraf- 
schaft auf;  man  hatte  weder  die  Gewalt,  noch  das  Interesse,   die 
bedrohten  Gebiete  zu  halten,  und  opferte  lieber  das  Unsichere,  um 
den  Kern  des  Reiches  wenigstens  halbwegs  zu  sichern.    Da  benutzten 
denn  energische  Männer  diese  Schwäche  des  Königtums,  dieses  un- 
tätige Geschehenlassen,  um  sich  eine  Sonderstellung  zu  schaffen.    Es 
kam  die  Zeit,  wo  die  alten  germanischen  Stämme,  die  Sachsen,  die 
Franken,   die  Alamannen,   die  Bayern,  die  einst  Karl  der  Grofse 
mit  starker  Faust  unter  sein  Kaiserszepter  gezwungen  hatte,  sich 
unter  nationalen  Herzögen  wieder  unabhängig  zu  machen  suchten 
und  den  Grund  legten  zu  jenem  unseligen  Partikularismus,  der  bis 
heute  wie  ein  Fluch  auf  Deutschland  lastet ;  denn  in  der  Tat  waren 
noch  immer  die  Stämme  die  Träger  des  nationalen  Lehens,  nur  der 
starke  Wille  Kaiser  Karls  hatte  noch  einige  Zeit  nachwirkend  eine 
künstliche   Vereinigung    hergestellt.      Der    erste,    der    diese   Bahn 
betrat,  war  der  jugendliche  Sohn  des  in  der  Magyarenschlacht  von 
907    gefallenen  Liutpold,    der   bereits   eine   ungewöhnliche  Macht- 
stellung   innegehabt    hatte,    Arnulf,    Graf  in    Bayern.      Er    legte 
sich  in  freier  Nachbildung  des  königlichen  Titels  und  anknüpfend 
an    die    agilolfingischen    Überlieferungen    den    Titel   „Von    Gottes 
Gnaden  Herzog  der  Bayern  und    der   angrenzenden  Länder"  bei, 
was    uns    bestätigt,    dafs    die    angrenzenden    Länder    —    gemeint 
können  doch  wohl  nur  die  östlichen  sein,  da  alle  anderen  sich  in 
fester   Hand   befanden   —   ein    unsicherer   Besitz    waren,    auf  die 
Arnulf  jedoch   seinen   nominellen  Rechtsanspruch   offiziell  wahren 
wollte.      Auch   im   übrigen    ahmte   er   die   königlichen   Urkunden 
nach,    liefs   eigene  Münzen    prägen   und   übte  königliche   Gewalt 


1)  M.  G.  SS.  m,  752.    Vgl.  dazu  Meiller  a.  a.  0.  80,  der  die  undatierte 
Nachricht  mit  grofser  Wahrscheinlichkeit  auf  das  Jahr  950  bestimmt. 


Die  Ungarnepisode  und  die  Wiedererrichtung  der  Mark  unter  den  Ottonen.  185 

durch  seine  Sendboten,  die  sonst  nur  königlichen  Missi  dominici, 
aus.    Das  herzogliche  Gericht  trat  an  die  Stelle  des  königlichen. 

Dafs  dieser  Mann  so  mutig  zur  Selbsthilfe  griff,  mufs  noch 
als  ein  wahres  Glück  für  das  Reich  bezeichnet  werden,  so  sehr 
er  auch  das  königliche  Ansehen  erschütterte:  er  verhütete  wenigstens, 
dafs  auch  Bayern,  dessen  beste  Männer  im  Kampfe  gegen  die 
Magyaren  gefallen  waren,  eine  Beute  dieser  wilden  Scharen 
wurde  ^).  Freilich  führte  er  nur  Abwehrkämpfe  mit  abwechseln- 
dem Glücke.  Immerhin  trat  in  den  nahezu  jährHchen  Eintallen 
in  Bayern  seit  ihrem  grofsen  Siege  (909,  910,  912,  913)  nach 
Arnulfs  Erfolg  in  den  Jahren  910  und  besonders  913  doch  eine 
längere  Pause  ein,  während  welcher  Arnulf  sogar  in  sehr  freund- 
schaftliche Beziehungen  zu  den  Magyaren  getreten  zu  sein  scheint  ^), 
und  erst  925  und  926  erneuerten  sie  sich  mit  gröfserer  Heftigkeit, 
worauf  927  ein  Friede  oder  ein  Abkommen  zustande  kam.  Natür- 
lich verfügte  Herzog  Arnulf  nicht  über  genügende  Kräfte,  um  die 
grofsen  Raubzüge,  die  sich  ja  durch  ganz  Süddeutschland  bis  zum 
Rhein  und  bis  nach  Frankreich  erstreckten,  zu  verhindern;  noch 
viel  weniger  war  eine  Offensive  ohne  Reichshilfe  möglich.  Gerade 
das  Streben  nach  Sicherung  seiner  Stellung  bedingte  Konzentration, 
sie  erklärt  aber  auch  seine  kirchenfeindliche  Politik,  die  zwar  auch 
die  anderen  Stammesherzöge  der  Zeit  einschlugen,  keiner  aber  so 
konsequent  und  energisch  wie  er,  denn  die  Geistlichkeit  stand  wie 
ein  Mann  auf  Seite  König  Konrads,  der  im  Jahre  911  das  karo- 
lingische  Erbe  angetreten  hatte. 

So  blieben  der  Natur  der  Sache  nach  die  heimischen  Grofsen, 
die  den  neuen  Adel  bildeten,  seine  einzige  Stütze.  Doch  um  sie 
in  der  Zeit  des  aufblühenden  Lehnswesens  als  Vasallen  an  den 
Herzog  zu  knüpfen,  mangelte  es  bereits  damals,  nachdem  die  noch 
wenig   besiedelte   Mark   gröfstenteils   verloren   gegangen   und   ihre 

1)  Über  die  Heer-  und  Kaubzüge  der  Magyaren  von  ihrem  ersten  Auftreten 
bis  zur  Schlacht  auf  dem  Lechfelde  unterrichtet  man  sich  am  besten  aus  Meillers 
oben  zitiertem  Aufsatz,  wo  im  Anhang  190  Nachrichten  nach  430  Quellenstellen 
zusammengestellt  sind. 

2)  In  diese  Zeit  fällt  Arnulfs  Flucht  zu  den  Ungarn,  auf  die  ich  noch  unten 
zurückkomme.  Spätere  Quellen  behaupten  sogar,  dafs  er  und  sein  Bruder  Bertold 
zwei  ungarische  Prinzessinnen  geheiratet  hätten,  vgl.  auch  darüber  Meiller 
a.  a.  0.  20. 


186  Siebentes  Kajjitol. 

Liindcreien  entwertet  waren,  an  Grund  und  Boden,  der  ihnen 
hätte  als  Lehen  geboten  werden  können.  So  nahm  Herzog  Arnulf, 
•wie  einst  Karl  ]\Iartell  und  Pippin  bei  ihrer  Auflehnung  gegen 
die  Merowinger,  seine  Zuflucht  zur  Säkularisation  des  Kirchen- 
gutes, und  gewann  so  zugleich  die  Mittel  zum  Widerstand  gegen 
den  König.  Die  Hochstifte  waren  bereits  zu  mächtig  und  hatten 
einen  zu  starken  Rückhalt  an  dem  König,  um  ihnen  etwas  Er- 
hebliches anhaben  zu  können.  Dagegen  schienen  die  Klöster,  die 
ohnehin  durch  die  Plünderungen  der  Magyaren  zuerst  getroffen 
und  geschwächt  waren  und  nirgends  Schutz  fanden,  so  recht  zur 
Beute  geeignet.  Viele  Klöster  Bayerns,  darunter  Schönau,  das 
vermutlich  in  Oberösterreich  gelegen  war,  verschwanden  gänzlich, 
d.  h.  sie  wurden,  wenn  auch  vielleicht  durch  die  Feinde  zerstört, 
bei  der  Ungunst  der  Zeit  nicht  mehr  aufgebaut,  andere,  wie  etwa 
Traunsee,  Kremsmünster,  St.  Florian,  Mondsee,  fristeten  ein  kläg- 
liches Dasein  oder  gingen  zeitweise  ganz  ein,  die  reicheren,  wie 
Niederaltaich ,  Tegernsee,  verloren  viel  von  ihrem  Besitz.  Dafs 
Niederaltaich  und  TegQrnsee  ')  gerade  auch  den  Verlust  ihrer  Güter 
in  der  ehemaHgen  Mark  beklagten,  kann,  wie  schon  oben  erwähnt 
wurde,  mit  als  ein  Beweis  dafür  gelten,  dafs  die  Magyaren  die 
Besitzverhältnisse  in  diesem  Gebiete  nicht  allein  zerstört  haben, 
und  dafs  Herzog  Arnulf  nach  wie  vor  seine  Gerechtsame  ausüben 
konnte.      Indem    er    wohl   auch    diese    unsicheren   P»esitzungen   an 


1)  FreUich  stammen  die  Berichte  aus  diesen  beiden  Klöstern  und  die  An- 
schuldigungen gegen  Herzog  Arnulf  aus  so  später  Zeit,  dafs  man  sie  mit  grofser 
Vorsicht  aufnehmen  mufs,  wenngleich  sie  im  Zusammenhang  mit  den  gleich- 
zeitigen Säkularisationen  anderer  Klöster  die  Wahrscheinlichkeit  für  sich  haben. 
Bezüglich  Niederaltaichs  kennen  wir  ja  seinen  reichen  Besitz  in  der  Mark  zur 
Karolingerzeit,  so  dafs  wir  den  Klagen  Hermanns  von  Niederaltaich  CM.  G.  SS. 
XVII,  370),  obwohl  er  erst  im  13.  Jahrhundert  lebte,  Glauben  schenken  können. 
Fraglicher  steht  die  Sache  in  betreff  des  Klosters  Tegernsee,  da  wir  keine  ur- 
kundlichen Beweise  dafür  besitzen,  dafs  es  gleichfalls  in  der  Mark  begütert  ge- 
wesen ist.  Doch  werden  solche  sowohl  in  dem  Verzeichnis  der  dem  Kloster 
angeblich  entfremdeten  Besitzungen  (Mon.  Boic.  VI,  162  und  Günthner, 
Gesch.  d.  literar.  Anstalten  in  Bayern  I,  142),  als  auch  in  dem  Gedichte  des 
Metellus  von  Tegernsee  (Canisius,  Antiquae  lectiones  I,  app.  89),  die  jedoch  aus 
dem  11.,  bezw.  12.  Jahrhundert  stammen,  erwähnt.  Im  ganzen  soll  der  Besitz 
des  Klosters  von  11 152  Hufen  auf  114  reduziert  worden  sein,  was  wohl  ziemlich 
unglaublich  klingt. 


Die  UngarnepisoJe  und  die  Wiedererrichtung  der  Mark  unter  den  Ottonen.  187 

seine  Vasallen  verteilte,  mochte  er  vielleicht  hoffen,  sie  mehr  für 
die  Abwehr  der  Feinde  zu  interessieren.  Fast  schien  es,  als  sollte 
da^  Mönchtum  in  Bayern  ganz  aussterben  ');  auf  einer  Synode  in 
Regensburg  im  Jahre  932  war  nur  ein  einziger  Vertreter  der  Klöster 
und  zwar  der  von  Niederaltaich  zugegen.  Die  Klosterannalen 
nennen  Arnulf  den  „Bösen"  oder  den  „Unmenschlichen"  ^). 

Die  übrige  Geistlichkeit,  insbesondere  die  Bischöfe,  traten 
zunächst  für  die  bedrängten  Klöster  dadurch  ein,  dafs  sie  auf 
einer  Synode  in  Hohenaltheim  im  Jahre  916,  die  König  Konrad 
zustande  gebracht  hatte,  und  die  in  ungewöhnlich  leidenschaftlicher 
Weise  gegen  die  Usurpatoren  in  den  einzelnen  Herzogtümern  Stel- 
lung nahm,  auch  alle  Eingriffe  in  Kirchengut  verdammte.  Später 
trugen  allerdings  einzelne  Bistümer,  vor  allen  anderen  Passau, 
nicht  die  geringste  Scheu,  sich  die  hilflose  Lage  der  Klöster  zu- 
nutze zu  machen  und  diese  selbst  mit  allem  Besitz  in  ihre  Gewalt 
zu  bringen  ^).  So  ging  in  dieser  Periode  Ki-emsmünster  und  St. 
Florian  in  die  Hände  Passaus  über,  so  hat  sich  vielleicht  auch 
Salzburg  des  alten  Klosters  Traunsee  bemächtigt.  Es  darf  übrigens 
nicht  wundernehmen,  dafs  die  Folge  aller  dieser  ungünstigen  Ver- 
hältnisse ein  starker  Niedergang  der  wirtschaftlichen  Betriebe  so- 
wie des  Handels  war.  Selbst  in  den  grofsen  Stiftern  hören  die 
Aufzeichnungen  über  den  Besitzstand  zeitweise  ganz  auf 

Was  nun  Herzog  Arnulf  und  die  gemeinsame  Aktion  des 
Königs  und  der  Kirche  gegen  ihn  betrifft,  so  behauptete  er  sich 
mit  weit  besserem  Erfolg  als  die  anderen  Stammesherzöge.  Zwar 
im  Jahre  914  wurde  er  in  den  Sturz  der  Brüder  Erchanger  und 
Berchtold  von  Schwaben,  seiner  Oheime,  verwickelt  ^)  und  mufste 
vor  der  Heeresmacht  des  siegreichen  Königs  die  Flucht  ergreifen  — 


1)  So  behauptet  mit  Übertreibung  die  Gründungsgeschiehte  von  Tegernsee 
(Pez,  Thes.  III,  496). 

2)  De  institutione  monasterii  Altahensis  (Archiv  f.  Kunde  österr.  Geschichts- 
quellen I,  14).  Vgl.  auch  Ann.  S.  Rudberti  Salisb.  a.  937  (M.  G.  SS.  IX,  771) 
und  namentlich  die  spätere  Tradition. 

3)  Siehe  Näheres  bei  Büdinger  I,  244. 

4)  So  ausdrücklich  bezeugt  in  den  Ann.  S.  Kudberti  a.  a.  0.  und  in  Auct, 
Garst,  ebenda  565.  Wenn  Dümmler  II,  594  die  Flucht  ins  Jahr  916  setzt, 
um  sie  mit  dem  Siege  Konrads  in  Verbindung  zu  bringen ,  so  ist  das  ganz  will- 
kürliche Kombination. 


li>S  '  Siebentes  Kapitel. 

es  ist  tur  ihn  und  für  die  Sachlage  bezeichnend,  dafs  er  sich  zu 
den  Magyaren  wandte  ')  — ,  aber  kaum  war  der  König  abgezogen, 
so  kehrte  er  nach  etwa  zweijähriger  Abwesenheit  wieder  zurück 
und  hielt  sich  allen  Angriffen  zum  Trotz,  selbst  als  nochmals  das 
Waflfenglück  für  Konrad  entschied.  Dieser  mufste  aus  dem  Leben 
scheiden,  ohne  dafs  er  seinen  Widersacher  bezwungen  hatte,  und 
der  Sachse  Heinrich,  der  ihm  im  Jahre  919  in  der  Reichsregierung 
folgte,  fand  es  angezeigter,  Arnulfs  in  seinem  Volke  festgewurzelte 
Sonderstellung,  die,  wie  sich  gezeigt  hatte,  selbst  bei  den  Reichs- 
feinden einen  Rückhalt  finden  konnte,  stillschweigend  zu  dulden, 
wenn  er  sie  auch  nicht  offiziell  anerkannte.  Damit  fuhren  beide 
am  besten;  Herzog  Arnulf  leistete  dem  Könige  Kriegsdienste  und 
dieser  liefs  ihm  dafür  in  den  Bistümern  freie  Hand.  So  blieb  die 
Lage,  solange  Arnulf  lebte.  Unterdessen  arbeitete  König  Heinrich 
unablässig  an  der  Stärkung  des  in  Verfall  geratenen  Königtumes  und 
an  der  Hebung  der  Kräfte  des  Gesamtreiches  nach  aufsen  und  innen. 
Im  Jahre  933  fühlte  er  sich  endlich  stark  genug,  den  Kreuz-  und 
Querzügen  der  Magyaren  ein  Ziel  zu  setzen.  Die  Schlacht  bei  Riade 
an  der  Unstrut  bedeutet  einen  entscheidenden  Wendepunkt  ^). 

Vier  Jahre  später  starb  Arnulf  von  Bayern,  und  nun  erachtete 
König  Otto  L,  der  936  seinem  Vater  auf  dem  deutschen  Königs- 
thron gefolgt  war  und  den  Reichsgedanken  gegenüber  den  parti- 
kularistischen  Gelüsten  noch  höher  hielt  als  Heinrich,  die  Zeit  für 
gekommen,  mit  den  allzuweit  gehenden  Sonderrechten  dieses  Reichs- 
teiles aufzuräumen.  Dem  Streben  nach  Ausbildung  eines  erblichen 
Herzogtumes  wurde  ein  Ende  gemacht,  indem  der  Sohn  Arnulfs, 
Eberhard,  der  sich  selbst  die  Herzogsgewalt  anmafste,  mit  den 
Waffen  aus  dem  Lande  getrieben  wurde,  dagegen  dem  Stammes- 
gefühl der  Bayern  zunächst  dadurch  Rechnung  getragen,  dafs  die 
Herzogswürde  Arnulfs  Bruder  Bertold  erhielt.    Ein  Jahrzehnt  tat- 

1)  Yermutlich  spiegelt  sich  dieses  Ereignis  in  der  Sage,  dafs  Dieterich, 
der  ja  der  eigentliche  bayerische  Nationalheld  ist,  zu  König  Etzel  geflohen  ist. 
(Nagl-Zeidler,  Deutsch- österr.  Literaturgeschichte  I,  83). 

2)  Ich  brauche  wohl  nicht  besonders  hervorzuheben,  dafs  im  allgemeinen 
auch  die  gröfseren  Werke  zur  deutscheu  Eeichsgeschichte,  wie  Giesebrechtl^; 
Waitz,  Jahrbücher  des  deutschen  Reiches  unter  Heinrich  I. ;  Diimmler, 
Otto  der  Grofse,  zu  vergleichen  sind. 


Die  Ungarnepisode  und  die  Wiedererrichtung  der  Mark  unter  den  Ottonen.  189 

kräftiger  Regierung  Ottos  I.  genügte,  um  eine  ganz  neue  Sachlage 
im  deutschen  Reiche  zu  schaffen.  In  konsequenter  Durchführung 
seiner  Königsidee  besetzte  er  die  Herzogtümer  mit  seinen  Verwandten, 
um  dadurch  eine  neuerliche  Zentralisation  anzubahnen.  So  verlieh 
er  auch  Bayern  mit  Kärnten   nach   dem  Tode  Bertolds   im  Jahre 

947  seinem  eigenen  Bruder  Heinrich,  den  er  den  Bayern  dadurch 
immerhin  genehm  zu  machen  suchte,  dafs  er  ihn  mit  Arnulfs 
Tochter  Judith  verheiratete. 

Jetzt  erst  konnte  man  endlich  auch  an  eine  Offensive  gegen 
die  Magyaren  denken.  Schon  im  Jahre  943  oder  944  hatte  Herzog 
Bertold  bei  Wels  über   sie   einen  Sieg   erfochten.     In  den  Jahren 

948  und  949  wurde  von  Herzog  Heinrich  vermutlich  noch  auf 
bayerischem  Boden  gegen  sie  mit  wechselndem  Glück  gekämpft  '). 
Aber  im  Jahre  950  oder  951  konnte  Herzog  Heinrich  endlich  die 
deutschen  Waffen  in  Feindesland  tragen  ^)  und  die  Ennsgrenze 
durch  Erneuerung  der  Befestigungen  sichern  ^).  Wenige  Jahre 
später,  nachdem  die  Magyaren,  den  Aufstand  von  Ottos  I.  Sohn 
Liutpold  und  Konrad  von  Lothringen  sich  zunutze  machend,  noch- 
mals einen  grofsen  Raubzug  durch  Süddeutschland,  Frankreich 
und  Italien  unternommen  hatten,  wurde  am  9.  August  955  durch 
den  glorreichen  Sieg  des  Kaisers  auf  dem  Lechfelde  ihren  Einfällen 
für  immer  ein  Ziel  gesetzt.  Wie  gewaltig  und  nachhaltig  die 
Wirkung  dieser  Schlacht  gewesen  ist,  kann  man  am  besten  daraus 

1)  Die  örtlichkeiten  sind  entweder  nicht  genannt  oder  nicht  zu  bestimmen. 
948  ad  Vlozzen  (so  nacn  V/aitz,  Verfassungsgesch.  VIII,  173,  Anm.  4  statt 
ad  Norcum,  wie  der  Druck  der  Ann.  S.  Eramerami  in  den  M.  G.  SS.  I,  94  fälsch- 
lich hat),  949  ad  Lova.  Mit  dieser  Emendation  ist  auch  der  Vermutung  Meil- 
lers, dafs  die  beiden  Orte  das  heutige  Nöhring  und  Lovo  im  Ödenburger  Komi- 
tat sind,  der  Boden  entzogen.  Ich  glaube  überhaupt  nicht,  dafs  Meiller  darin 
recht  hat,  die  Kämpfe  möglichst  weit  nach  Ungarn  zu  verlegen.  Die  Ver- 
hältnisse waren  doch  derart,  dafs  eher  an  Abwehrkämpfe,  als  an  Offensive  zu 
denken  ist. 

2)  „Ticinum  transnatavit",  wie  Widukind  II,  36  sagt,  was  aber  doch 
unmöglich  die  Theifs  sein  kann,  die  manche  Historiker  darunter  verstanden  haben, 
vielleicht  ist  es  irgendeine  verballhornte  Form  für  Traisen. 

3)  Herzog  Heinrich  tauschte  von  Bischof  Adalbert  von  Passau  das  prae- 
dium  Anesaburch  (Ennsburg)  ein,  wie  aus  der  allerdings  verfälschten  Urkunde 
vom  5.  Oktober  977  hervorgeht  (M.  G.  DD.  II ,  45).  Ich  vermute ,  aus  strate- 
gischen Gründen. 


190  Siobcntcs  Kapitel. 

erkennen,  dafs  die  Ma^^yareu  nicht  einmal  die  Grenze  mehr  zu 
überschreiten  wagten,  obwohl  Kaiser  Otto  durch  andere  Angelegen- 
heiten seines  ausgedehnten  Reiches  an  einer  weiteren  Aktion  gegen 
sie  verhindert  wurde,  und  obwohl  nach  dem  noch  im  selben  Jahre 
erfolgten  Tode  Herzog  Heinrichs  dessen  vierjähriger  Sohn  Hein- 
rich H.  unter  der  Regentschalt  seiner  Mutter  Judith  das  Herzog- 
tum Bayern  erhielt. 

Wenn  wir  an  diesem  entscheidenden  Wendepunkt  nochmals 
einen  Rückblick  auf  das  halbe  Jahrhundert  seit  dem  Aussterben 
der  Karolinger  werfen,  so  bietet  sich  ein  recht  unerquickliches 
Bild.  Über  wenige  Perioden  des  Mittelalters  besitzen  wir  dürftigere 
Nachrichten :  die  Klöster ,  aus  denen  in  diesen  frühen  Zeiten  so 
ziemlich  ausschliefslich  die  Quellen  unserer  historischen  Kenntnisse 
fliefsen ,  waren  zugrunde  gegangen  oder  dem  Ruine  nahe ;  selbst 
in  den  Stiftern  wurden  damals  die  Traditionskodexe  nicht  mehr 
regelmäfsig  geführt.  Es  herrschte  ein  Niedergang  auf  allen  Gebieten, 
die  Folge  der  unsicheren  Zustände  und  der  partikularistischen 
Bestrebungen.  Die  äufserlichen  Geschehnisse,  die  politischen  Er- 
eignisse und  Konstellationen  gewannen  allein  Geltung.  Wie  die 
Verfassung  des  deutschen  Reiches  sich  damals  in  Sondergebilden 
auflöste,  so  ging  auch  die  staatliche  Verwaltungsorganisation  während 
dieser  Zeit  aus  den  Fugen,  und  in  dieser  negativen  Gestaltung  liegt 
einzig  und  allein  die  Bedeutung  der  ersten  Hallte  des  10.  Jahr- 
hunderts für  die  weitere  Entwickelung. 

Die  alte  Gauverfassuug,  so  lange  die  feste  Grundlage  einer 
geordneten  Verwaltung,  war  in  voller  Auflösung.  Bald  war  der 
Gau  nichts  mehr  als  ein  geographischer  Begriff.  Ihr  Gebiet,  früher 
identisch  mit  der  Grafschaft,  zerfällt  nun  in  mehrere  Grafschaften, 
deren  ursprünglicher  Amtscharakter  sich  völlig  verliert.  Der  karo- 
lingische  Beamtenstaat,  dessen  Einrichtungen  im  ganzen  9.  Jahrhundert 
erhalten  geblieben  waren,  war  untergegangen,  und  nun  schofs  das 
Lehnswesen,  durch  die  Stammesherzöge,  die  sich  in  den  Vasallen  eine 
Stütze  schaffen  mufsten,  begünstigt,  üppig  in  die  Halme.  Schon  kam 
.  es  auf,  dafs  nicht  nur  Güter  und  Einkünfte  zu  Lehen  gegeben  wurden, 
sondern  auch  Gerechtsame,  wie  das  früher  mit  dem  Grafenamt 
verbundene  Richteramt.  Gegenüber  dem  alten,  aus  wenigen  Ge- 
schlechtern bestehenden  Adel  der  Volksrechte   war  nun  ein  neuer 


Die  Ungarnepisode  und  die  Wiedererrichtung  der  Mark  unter  den  Ottonen.  191 

Adel,  der  Lehnsadel  entstanden.  Die  Kluft  zwischen  den  oberen  und 
unteren  Ständen  erweiterte  sich  im  10.  Jahrhundert  noch  mehr, 
indem  die  freien  Bauern  ganz  verschwanden,  die  sich  in  der  Not  der 
Zeiten  gegen  einen  geringen  Jahreszins  (zumeist  5  Denare)  als  Zen- 
sualen  unter  den  Schutz  der  Grofsgrundbesitzer  begaben  und  sich  da- 
durch von  der  Heerespflicht  und  den  hohen  Bufsgelderu  beireiten. 

Unter  den  dürftigen  Nachrichten  über  das  Land  westlich  der 
Enns  finden  wir  auch  einen  Grafen  Meginhard  930  im  Traungau 
genannt  ^),  doch  er  hat  nicht  mehr  den  ganzen  Gau  in  Besitz. 
Von  ihm  stammen  vielleicht  die  späteren  Herren  in  dieser  Gegend, 
die  Lambacher,  ab.  Im  Jahre  940  erscheint  im  kleinen  üfgau 
ein  Graf  Marquard  ^). 

Nach  der  Lechfeldschlacht  hat,  wie  oben  erwähnt,  die  staat- 
liche Gewalt,  durch  andere  Interessen  weit  abgezogen,  zunächst 
nichts  getan,  um  den  Sieg  gegen  die  Ungarn  auszunutzen,  dafür 
wird  man  nicht  fehlgehen,  wenn  man  trotz  des  Mangels  an  Nach- 
richten annimmt,  dafs  die  Grofsgrundbesitzer,  namentlich  diejenigen, 
die  bereits  irgendeinen  Rechtstitel  auf  Gebiet  jenseits  der  Enns 
innehatten,  den  panischen  Schrecken  der  Magyaren  benutzten,  um 
die  alten  deutschen  Niederlassungen,  die  nur  zum  Teile  zerstört, 
zum  Teile  aber  blofs  verfallen  waren,  aufs  neue  zu  beleben,  zu 
bevölkern,  zu  kolonisieren.  Passau  dürfte  sich  beeilt  haben,  das 
Erbe  der  Klöster,  die  es  in  der  Zwischenzeit  unter  seine  Botmäfsig- 
keit  zu  bringen  gewufst  hatte,  anzutreten;  denn  die  umfassenden 
Privilegien  und  Besitzbestätigungen,  die  zwei  Jahrzehnte  später 
Bischof  Pilgrim  beim  Kaiser  durchsetzte,  bezogen  sich  wohl  auf 
den  Status  quo.  Salzburg,  wo  allerdings  nach  der  regen  Tätig- 
keit und  sorgfältigen  Buchführung  des  Erzbischofs  Odalbert  (923  bis 
935)  die  Traditionsaufzeichnungen  wieder  eingegangen  waren,  finden 
wir  im  dauernden  Besitz  seiner  zur  Karolingerzeit  erworbenen 
Güter  zu  Arnsdorf,  Hollenburg,  Traismauer,  wenn  wir  auch  keine 
ausdrücklichen  Nachrichten  über  die  Wiederaufnahme  der  koloni- 
satorischen Tätigkeit  erhalten. 

1)  Juvavia  Anh.  142  mit  der  bezeichnenden  Wendung:  „in  Traungave  V 
hobas  . . .  in  comitatu  Meginhardi",  die  die  geographische  Benennung  von  Megiu- 
hards  Grafschaft  trennt. 

2)  ÜB.  d.  L.  0.  d.  E.  II,  57.  —  M.  G.  DD.  I,  119. 


193  Sioboiites  Kaintcl. 

Schon  Herzog  Heinrich  scheint  seinen  siegreichen  Zug  über 
die  Enns  in  Feindesland  zur  Veranlassung  genommen  zu  haben, 
die  alte  Markgratenwürde  nominell  wiederherzustellen  und  sich 
selbst  beizulegen  ^).  Nach  seinem  Tode  wurde  seinem  Sohne  „du- 
catus  et  marca"  übertragen  ^). 

Der  erfreuliche  Fortgang  der  Neukolonisierung ,  die  auch 
durch  das  Vasallitätsverhültnis ,  in  das  die  Böhmenherzöge  ge- 
rieten, eine  Sicherung  im  Rücken  erhielt,  bestimmte  sodann  Kaiser 
Otto  I.  —  vielleicht,  als  er  im  Jahre  960  das  Weihnachtsfest  in 
Bayern  feierte,  —  zum  Schutze  der  Kolonien  und  zur  Abwehr  der 
Magyaren  über  diese  Gebiete  sowie  über  die  südlichen  in  Kärnten 
wieder  eigene  Markgrafen  einzusetzen,  vermutlich  zunächst  nur 
mit  militärischer  Funktion  und  mit  nicht  bestimmt  abgegrenztem 
Bezirk.  An  der  Donau  war  es  Burkhard,  dem  diese  Würde  über- 
tragen wurde  ^).  Es  ist  vermutlich  jener  Burkhard,  Burggraf  von 
Regensburg  —  die  Grafen  in  Regensburg  hatten,  wenigstens  in 
älterer  Zeit,  wie  wir  sahen,  die  Aufsicht  über  den  Donauhandel 
nach  dem  Osten  -— ,  der  als  ein  besonders  treuer  Freund  Herzog 
Heinrichs  I.  gerühmt  wird,  dessen  Schwester  Judith  zur  Frau  hatte 
und  auch  bei  König  Otto  I.  und  IL  in  Ansehen  stand  *).  Wir 
wissen  von  seiner  Tätigkeit  als  Markgraf  fast  nichts,  aber  wer 
könnte  sagen,  in  wieviel  kleinen  Kämpfen  die  neuen  Ansiedelungen 
verteidigt  werden  mufsten,  von  denen  uns  keine  Chronik  Kunde 
gibt,  welcher  beharrlichen  Energie  es  bedurfte,  um  in  dem  durch 
ein  halbes  Jahrhundert  verwahrlosten  und  verwilderten  Land  wieder 
neues  Leben  zu  erwecken! 

Jedenfalls  scheinen  die  Magyaren,  nachdem  die  erste  Nachwirkung 


1)  Ruotgeri  vita  Brunonis  17  (M.  G.  SS.  IV,  254). 

2)  Contin.  Reginonis  a.  955  (M.  G.  SS.  I,  614). 

3)  A.n  zwei  Stellen  als  Markgraf  urkundlich  genannt.  Die  eine  (Mon.  Boic. 
XXV] IIb,  209)  versetzt  ihn  im  allgemeinen  in  die  Regierungszeit  Bischofs  Adal- 
berts  von  Passau  (945—971),  die  andere  ist  genau  datiert  mit  972  (Mon.  Boic. 
XXVnia,  192). 

4)  So  nach  Meillers  ansprechender  Hypothese  (a.  a.  0.  11).  Die  Be- 
legstellen sind  besonders  Widukind  (M.  G.  SS.  III,  448),  dann  Gerhard  von 
Augsburg  (a.  a.  0.  IV,  415),  sowie  Arnold  und  Othlo  von  Regensburg  (a.  a.  0. 
IV,  553,  531).  Auch  Riezler  I,  356  kommt  auf  dieselbe  Vermutung,  ohne, 
wie  es  scheint,  Meillers  Ausführungen  zu  kennen. 


Die  Ungarnepisode  und  die  Wiedererrichtung  der  Mark  unter  den  Ottonen.  193 

der  Lechfeldschlacht  vorüberwar,  wenn  sie  sich  auch  nicht  mehr 
zu  einem  gröfseren  Angriffskriege  aufzuraffen  vermochten,  desto 
hartnäckiger  in  der  Verteidigung  und  in  Überfallen  auf  schutzloses 
Eigen  gewesen  zu  sein  ^).  Bis  zum  Jahre  972  war  es  Burkhard 
gelungen,  sein  Verwaltungsgebiet  längs  der  Donau  über  die  Wachau 
hinaus  und  im  Südosten  bis  St.  Polten  auszudehnen  ^).  Um  diese 
Zeit  scheint  sogar  eine  gewisse  Waffenruhe  eingetreten  zu  sein, 
weil  damals  der  heilige  Wolfgang  eine  Missionsreise  zu  den  Ungarn 
unternehmen  konnte. 

Diese  Epoche  des  Grenzlandes  im  Osten  des  deutschen  Reiches, 
die  in  Dunkel  gehüllt  ist,  da  sie  die  Annalistik  gar  nicht  beachtete, 
und  die  doch  erfüllt  war  von  den  Heldentaten  der  Pioniere  der 
deutschen  Kultur  im  Kampfe  mit  den  gefürchteten  Barbaren  und 
in  der  harten  Arbeit  des  Kolonisten,  war  so  recht  geeignet,  das 
Zeitalter  der  nationalen  Sagenbildung  zu  werden. 

Ein  höchst  merkwürdiger  Mann  voll  weitausschauender  Pro- 
jekte und  ausschweifender  Phantasie,  selbst  eine  Art  dichterisches 
Genie,  den  das  Schicksal  zum  Bischof  gemacht  hatte,  Pilgrim  von 
Passau,  gab  die  Anregung  und  den  Auftrag  —  wie  es  heifst,  dem 
Kleriker  Konrad  —  zur  Gestaltung  und  lateinischen  Niederschrift 
jener  grofsartigen  Umformung  der  germanischen  Sagen,  aus  der 
später   das  Nibelungenlied   entstand  ^).     Wir   haben  ja   selbst   ge- 

1)  Möglich,  dafs  die  Schlappe,  die  nach  Thietmar  752  Bischof  Michael 
von  Eegensburg  gegen  die  Ungarn  erlitt  und  der  er  selbst  nur  mühsam  entrann, 
in  die  Zeit  nach  der  Lechfeldschlacht  und  in  unsere  Gegenden  gehört,  wie  Bü- 
dinger  und  Kiez  1er  (gegen  Dum  ml  er)  annehmen. 

2)  So  nach  den  beiden  oben  zitierten  Urkunden.  Dafs  das  Nibelungenlied 
in  seinen  nur  sehr  beiläufigen  Angaben  zur  Bestimmung  der  Grenze  kaum  heran- 
gezogen werden  kann,  wie  Zarncke,  Beiträge  zur  Geschichte  und  Erklärung 
des  Nibelungenliedes  (Berichte  über  die  Verhandlungen  der  kgl.  sächs.  Gesellsch. 
d.  Wissensch.  phil.-hist.  Kl.  VIII,  168 f.,  1856)  nachweisen  will,  hat  Hasen- 
öhrl  a.  a.  0.  453  bereits  betont.  Da  St.  Polten  in  Burkhards  Besitz  erscheint, 
so  wäre  es  immerhin  möglich,  dafs  die  Traisengrenze  erreicht  war,  wie  gleichfalls 
Hasenöhrl  annimmt. 

3)  Dumm  1er,  Pilgrim  von  Passau  S.  85ff. ;  Za'rncke  a.  a.  0.  168 f.; 
Wattenbach,  Deutschlands  Geschichtsquellen  375  und  Nagl- Zeidler, 
Deutsch-österreichische  Literaturgeschichte  75  f. ,  mit  deren  weitgehenden  An- 
nahmen ich  mich  jedoch  nicht  ganz  befreunden  kann.  Siehe  jetzt  John,  Das 
lateinische  Nibelungenlied  (Jahresb.  d.  grofsherzogl.  GjTun.  z.  Wertheim  1898/99). 

Vancsa,  Geschichte  Nieder-  u.  Oberösterreichs.  13 


194  Siebentes  Kapitel. 

sehen,  wie  sich  im  Donaulande  gewisse  gescluchtliche  Vorgänge 
wiederholten,  was  lag  näher,  als  jene  Sagen,  die  an  die  Ereignisse 
im  Zeitalter  der  Völkerwanderung  anknüpften,  und  die  die  Bayern 
einst  von  den  Goten  übernommen  hatten  ^)  —  die  Sagen  vom 
Hunnenköuig  Etzel  (Attila),  von  Dietrich  von  Bern  (Theoderich) 
und  all  den  Völkerkämpten  vom  Rhein  bis  zur  unteren  Donau  — , 
nunmehr  mit  der  lebendigen  Gegenwart,  die  so  viele  Analogien 
bot,  mit  dem  mutigen  Vordringen  der  Deutschen  längs  der  Donau 
gegen  Osten  und  den  hartnäckigen  Kämpfen  gegen  die  den  Hunnen 
stamm-  und  charakterverwandten  Magyaren  zu  verbinden!  So 
linden  wir  denn  eine  Markgrafschaft  östlich  der  Enns,  so  reicht 
deren  Grenze  bis  zur  Traisen,  wie  die  Grenze,  die  Burkhard  im 
Jahre  972  gesichert  hatte,  so  werden  die  hervorragenden  Orte  der 
neuen  Mark  genannt,  so  wird  endlich  auch  Markgraf  Burkhard 
selbst  als  Markgraf  Rüdeger  von  Pechlarn  eingeführt  und  gefeiert : 
es  ist  im  höchsten  Grade  wahrscheinlich,  dafs  er  als  früherer 
Burggraf  von  Regensburg  Pechlarn,  das  zum  Besitz  der  Regens- 
burger Kirche   gehörte ,    zu   seinem  Sitz  erwählt  hat  -).     Welchen 

1)  Nagl-Zeidler  a.  a.  0.  69.  Über  die  sagenhafte  gotische  Tradition 
in  Österreich  vgl.  Matthäi  in  Zeitschr.  f.  d.  Altertum  XLIII,  315. 

2)  Seit  Müllen  ho  ff  (Zeitschr.  f.  deutsches  Altertum  X,  162;  III,  237; 
vgl.  auch  Lachmann,  Kritik  338)  hatte  man  sich  gewöhnt,  die  Gestalten  der 
Heldensage,  also  auch  Eüdeger  rein  mythisch  zu  erklären.  Siehe  auch  Muth, 
Sitzungsberichte  der  W.  Akademie  LXXXV,  265;  von  Historikern  vgl.  noch  Lorenz, 
Österreichische  Sagen  geschieh  te  vom  12.  — 14.  Jahrhundert  in:  Drei  Bücher  Ge- 
schi(!hte  und  Pohtik  (2  Aufl.,  Berlin  1879);  Heller  in:  Blätter  des  Vereines  für 
Landeskunde  VII,  151,  1873.  Demgegenüber  greifen  Meiller  a.  a.  0.  und  Nagl- 
Zeidler  in  jüngster  Zeit-  wieder  auf  die  frühere  historische  Auffassung  zurück,  und 
diese  gehen  sogar  so  weit,  nach  den  Angaben  des  erfindungsreichen  Aventin  und 
des  Auct.  Cremifan.  aus  dem  Endedes  13.  Jahrhunderts  (also  aus  einer  Zeit,  da 
das  Nibelungenlied  bereits  allgemeine  Verbreitung  gefunden  hatte)  das  Jahr  920 
als  Todesjahr  Rüdegers  anzunehmen.  Das  sind  vage  Vermutungen,  die  durch 
keine  historische  Nachricht  zu  stützen  sind.  Im  Gegenteil  scheint  der  Gang 
der  Entwickelung  folgender  zu  sein :  Auflassung  der  Mark  zur  Zeit  der  gröfsten 
Ungarnnot,  Annahme  des  Markgrafen  titeis  durch  die  Herzöge  von  Bayern  nach 
dem  ersten  siegreichen  Kriegszug  in  Feindesland,  und  endlich  Bestellung  eines 
neuen  eigenen  Mark<jrafen  nach  der  Wiederaufnahme  der  Kolonisation  östlich  der 
Enns.  Ich  bin  der  Ansicht,  dafs  die  Hofliteraten  des  Bischofs  Pilgrim,  die 
in  seinem  Auftrag  und  nach  seinen  Angaben  den  alten  Sagenstoff  in  tenden- 
ziöser Weise  modernisierten ,   ebenso  wie  sie  alle  Verhältnisse  der  jüngsten  Ver- 


Die  Ungarnepisode  und  die  "Wiedererrichtung  der  Mark  unter  den  Ottonen.  195 

Apparat  Bischof  Pilgrim  weiter  in  Szene  setzte,  um  die  Ansprüche 
der  Passauer  Kirche  so  hoch  als  möghch  zu  spannen  und  zur 
Anerkennung  zu  bringen,  werden  wir  noch  sehen. 

Was  Markgraf  Burkhard  betrifft,  so  vermochte  er  sein  hoff- 
nungsvoll begonnenes  Werk  nicht  zu  Ende  zu  führen,  denn  aller 
Wahrscheinlichkeit  nach  wurde  er  in  die  Anschläge  verwickelt, 
die  Herzog  Heinrich  H.  von  Bayern,  der  Zänker,  der  auch  im 
Nibelungenliede  bezeichnenderweise  unter  dem  gleichbedeutenden 
Namen  Gelpfart  eine  wenig  sympathische  Rolle  spielt,  gegen  seinen 
kaiserlichen  Vetter  Otto  H.  bald  nach  dessen  Regierungsantritt 
unternahm  ^).  An  der  Isar  und  an  der  Ostgrenze  an  der  Donau  — 
also  in  Burkhards  Markgrafschaft  —  wurde  im  Jahre  974  in 
blutigen  Kämpfen  um  die  deutsche  Kaiserkrone  gerungen.  Otto  II. 
bheb  Sieger  und  setzte,  wenn  auch  nur  vorübergehend,  im  Jahre 
976  Heinrich  IL  als  Herzog  von  Bayern  ab  ^). 

Es  ist  nun  doch  wohl  kein  blofser  Zufall,  wenn  gleichzeitig 
in  der  östhchen  Mark  Liutpold,  bisher  Graf  im  Donaugau  ^),  als 

gangenheit  zur  Milieuschilderung  verwendeten ,  so  auch  einfach  die  Figur  des 
Markgrafen  Burkhard,  der  ja  auch  wahrscheinlich  wirklich  zu  Pechlarn  seinen 
Sitz  gehabt  hat,  verwendeten.  Sie  konnten  dies  wohl  um  so  ungezwungener  tun, 
als  einerseits  die  Kämpfe  und  Gefahren,  umkleidet  mit  dem  alten  Huimenschrecken, 
gewifs  die  Phantasie  der  Bewohner  des  bayerischen  Mutterlandes  vielfach  be- 
schäftigten, andrerseits  aber  in  ihren  Einzelheiten  wenig  bekannt  geworden  sein 
dürften.  So  wurde  die  alte  Sagenfigur  des  Herulerkönigs  Eodulf  nach  dem  Vor- 
bilde Burkhards  zu  einem  Markgrafen  Eudiger  umgestaltet  (vgl.  Matthäi 
in  Zeitschr.  f.  deutsches  Altertum  XLIII,  305,  1899).  Dafs  nicht  auch  der  Name 
des  Markgrafen  Burkhard  ohne  weiteres  übernommen  wurde,  ist  begreiflich;  so 
weit  mufste  doch  wohl  das  Historische,  damals  noch  allgemein  Bekannte  ins 
Sagenhafte  gerückt  werden.  So  wird  ja  auch  z.  B.  Herzog  Heinrich  II.  von  Bayern 
im  Nibelungenlied  unter  dem  Namen  Gelpfrat  (Zänker)  eingeführt  (John,  Das 
lateinische  Nibelungenlied).  Übrigens  wollte  Pilgrim  auch  noch  die  Fiktion  her- 
vorrufen, als  stamme  er  von  den  Markgrafen  in  Pechlarn  ab;  da  konnte  er  nicht 
direkt  Burkhard  nennen,  der  vielleicht  obendrein  noch  kaiserfeindlich  war. 

1)  Dies  nehmen  an  Wittmann,  Die  Burggrafen  von 'Regen  sburg  (Äbh.  d. 
hißt.  Kl.  d.  Münchener  Akad.  VII,  370,  1855),  Huber  I,  139  und  Juritsch, 
S.  12.  Dagegen  Uhlirz,  Jahrbücher  d.  deutschen  Eoiches  I,  78,  Anm,  17.  — 
Ein  bestimmter  Beweis  läfst  sich  weder  für  das  eine,  noch  das  andere  erbringen. 

2)  Ann.  Juvav.  maior.     M.  G.  SS.  I,  88. 

3)  Bis  zum  Erscheinen  des  Babenberger  Urkundenbuches  bilden  Meillers 
Babenberger  Eegesten  die  Hauptgrundlage  für  die  Darstellung  der  Geschichte  des 

13* 


196  Siebentes  Kapitel. 

Markgr<af  auftaucht  *).  Die  Familie  ist  nicht  weiter  zu  verfolgen. 
Die  Behauptung,  dafs  Liutpold  ein  Nachkomme  Adalberts  von 
Bamberg  gewesen  sei,  der  unter  Ludwig  dem  Kind  wegen  Hoch- 
verrates geköpft  wurde,  hat  der  Familienhistoriker  des  Geschlechtes, 
Otto  von  Freising,  in  die  Welt  gesetzt.  Der  Zusammenhang  läfst  sich 
nicht  beweisen,  und  so  scheinen  seine  Angaben  eine  der  behebten 
Ahnenkoustruktionen  zu  sein.  Doch  bei  dem  bisherigen  Stand  unserer 
Kenntnisse  lassen  sich  kaum  mehr  als  V/ermutungen  aussprechen  ^). 

folgenden  Zeitraumes  (Siehe  Einleitung  S.  10).  Nachträge  dazu  von  Wen- 
drinskv  (Bl.  d.  Ver.  f.  Landesk.  XIII,  103 f.,  336 f.,  1879).  Eine  zusammen- 
fassende Darstellung  bietet  Juritsch,  Geschichte  der  Babenberger  und  ihrer 
Länder  (Innsbruck  1894)  (vgl.  Einleitung  S.  18).  —  Für  das  zunächst  Folgende 
vgl.  jetzt  Uhlirz,  Jahrbücher  d.  deutschen  Reiches  unter  Otto  IL  und  Otto  III. 
1.  Bd.  (Leipzig  1902).  Ganz  wertlos  ist  Josef  Mayr,  Die  Veranlassung  zur 
Gründung  der  Babenbergischen  Ostmark.  Ihre  Stellung  zum  deutschen  Reiche 
(XX.  Progr.  d.  k.  k.  Staatsgymn.  in  Salzburg  1870). 

1)  Zum  ersten  Male  als  Markgraf  in  der  Urkunde  Ottos  IL  für  das  Kloster 
Metten  vom  21.  Juli  976  (M.  G.  DD.  II,  149). 

2)  An  Otto  von  Ffeising  schlössen  sich  von  den  neueren  Historikern  an 
Giesebrecht,  Jahrb.  Ottos  IL,  137;  Büdinger-,  271;  Hirsch,  Jahrb. 
Heinrichs!.,  I.  Bd.  16;  üümmler,  Jahrb.  des  ostfränk.  Reiches  III,  542, 
sowie  die  Spezialuntersuchung  von  Ambros.  Heller,  Die  Herkunft  der  Baben- 
berger (Bl.  d.  Ver.  f.  Landesk.  X,  19,  143,  297,  1876;  XI,  1,  81,  1877).  Da- 
gegen nur  Lorenz  in  der  Zeitschr.  f.  österr.  Gymn.  VIII,  3.  u.  4.  H.  —  Einen 
Versuch,  das  Geschlecht  für  Bayern  zu  reklamieren,  machte  schon  Aventin.  Er 
gab  den  Anstofs  zu  einer  wunderlichen,  ganz  unbegründeten  Phantasie  von 
Schmitz,  Österreichs  Scheyern  -  Witteisbacher  oder  die  Dynastie  der  Baben- 
berger (München  1880),  die  Witteisbacher  und  Babenberger  identifizierte.  Selt- 
samerweise hat  sie  S  e  p  p  (Augsburger  Postzeitung  1894,  Beil.  22)  mit  souveräner 
Ignorierung  der  Widerlegung  Hubers  abermals  aufgewärmt.  Auch  Riezler  I, 
360  spricht  sich  für  die  bayerische  Herkunft  aus,  weil  Liutpold  und  Bertold  als 
Zeugen  nach  bayerischem  Volksrecht  an  den  Ohren  gezogen  wurden.  Gegen 
Schmitz,  wie  auch  gegen  Riezler  hat  sich,  abgesehen  von  Giesebrecht 
15,  XXIV,  insbesondere  Hub  er.  Zur  Herkunft  der  Markgrafen  von  Österreich 
(Mitt.  d.  Inst.  f.  österr.  Geschichtsf.  II,  374)  in  überzeugender  Weise  gewendet. 
Er  selbst  glaubt  die  ursprüngliche  Heimat  des  Geschlechtes  in  Schwaben  suchen 
zu  sollen,  gestützt  auf  eine  Urkunde  von  1156  V.  4.  (Meiller,  Reg.  222,  Nr. 
197),  wonach  Julita,  Tochter  Leopolds  IH.  von  Österreich  und  Gemahlin  des 
Markgrafen  Wilhelm  von  Montferrat,  erklärt,  nach  der  Lex  Alemannorum  zu 
leben.  Im  übrigen  nimmt  er  doch  Einwanderung  in  Franken  an  und  pflichtet 
im  wesentlichen  Stein  bei,  der  die  Frage  in  besonders  gründlicher  Weise  unter- 
sucht hat  (Forschungen  z.  deutschen  Gesch.  XH,  115,   1872  und  XXIV,   136, 


Die  Ungarnepisode  und  die  Wiedererrichtung  der  Mark  unter  den  Ottonen.  197 

Soviel  steht  fest,  dafs  das  Geschlecht  zur  Zeit,  als  es  ans  Licht 
tritt,  ausgedehnte  Besitzungen  im  östlichen  Franken  innegehabt  hat, 
und  dafs  die  Brüder  Liutpold  und  Bertold  in  hervorragenderweise 
die  Gnade  des  Kaisers  genossen.  Jener  war,  wie  schon  erwähnt, 
Graf  im  Donaugau,  dieser  im  Nordgau.  Die  Demütigung  des 
Bayernherzogs  brachte  ihnen  neue  Ehren.  Das  bayerische  Herzog- 
tum erlitt  dagegen  aufserordentliche  Einbufsen.  So,  wie  Kärnten 
und  die  Mark  Verona  davon  abgetrennt  und  als  Herzogtum  dem 
Sohne  des  früheren  Bayernherzogs  Bertold,  Heinrich,  übertragen 
wurden,  so  erhielt  jetzt  auch  Graf  Bertold  im  Nordgau  die  Mark- 
grafschaft gegen  Böhmen  und  Graf  Liutpold  im  Donaugau  die 
Markgrafschaft  im  Osten  gegen  die  Ungarn.  So  ist  denn  die 
Ausgestaltung  dieser  Mark  nicht  so  sehr  als  Verwaltungsorgani- 
sation wie  zur  Zeit  der  Karolinger  aufzufassen,  als  vielmehr  als 
politische  Mafsregel,  um  das  bayerische  Herzogtum  zu  schwächen. 
Möglicherweise  mufste  Liutpold  seine  Mark  erst  mit  be- 
waffneter Faust  der  bayerischen  Partei  und  dem  Anhang  des  Mark- 
grafen Burkhard  entreifsen  ^). 

1884)  und  die  österreichischen  Markgrafen  zwar  nicht  von  den  Babenbergern, 
aber  von  einem  anderen  ostfränkischen,  um  Schweinfurt  reich  begüterten  Geschlecht 
abstammen  läfst.  Diese  Hypothese  erfreute  sich  seitdem  bei  den  Historikern  all- 
gemeiner Zustimmung.  Juritsch,  der  eigentlich  verpflichtet  gewesen  wäre,  die 
Frage  zu  revidieren,  begnügte  sich  (S.  12)  damit,  in  dürftiger  Kürze  und  geringer 
Klarheit  die  Steinsche  Hypothese  zu  wiederholen.  In  jüngster  Zeit  hat  dagegen 
Uhlirz,  Untersuchungen  zur  Geschichte  König  Ottos  H.  (VI.  Erg.-Bd.  Mitt. 
d.  Inst.  f.  österr.  Gesch.  57)  diese  Ansicht  kritisch  beleuchtet  und  deren  geringe 
Stichhaltigkeit  nachgewiesen  (nochmals  speziell  gegen  Sepp  in  den  Jahrb.  d. 
deutschen  Keiches  I,  228,  Exk.  III).  Auch  der  Professio  iuris  der  Julita  kann 
nach  den  neueren  Anschauungen  der  Eechtshistoriker  (siehe  ebenfalls  Uhlirz 
S.  68)  kein  besonderes  Gewicht  beigelegt  werden.  Ganz  richtig  bemerkt  Uhlirz 
(S.  58,  Anm.  1),  dafs,  wenn  überhaupt,  höchstens  noch  von  einer  systematischen 
Durcharbeitung  der  bayerischen  und  fränkischen  Traditionsbücher  und  Privat- 
urkunden neue  Aufschlüsse  erwartet  werden  könnten.  Vielleicht  führt  auch  eine 
heraldische  Untersuchung  in  der  Art,  wie  sie  beispielsweise  von  Siegenfeld  für  das 
Landeswappen  von  Steiermark  mit  so  überraschendem  Erfolge  angestellt  wurde, 
zu  Ergebnissen. 

1)  Meiller  in  der  oft  zitierten  Abhandlung  scheint  mir  trotz  Lorenz' 
Widerspruch  (siehe  oben)  den  Beweis  erbracht  zu  haben,  dafs  die  Stelle  bei 
Konrad  von  Wizzenberg,  die  von  der  Eroberung  der  Feste  Melk,  die  sich  in  den 
Händen  Gisos  befunden  habe,  durch  Markgraf  Liutpold  berichtet,  erst  seit  Eben- 


198  •  Siebentes  Kapitel. 

Der  bayerische  Autstand  scheint  den  Ung<arn  Mut  zu  neuen 
Einfällen  in  die  Mark  gegeben  zu  haben,  denn  bis  in  die  Zeiten 
Ottos  III.  wiederholen  sich  die  Klagen  über  ihre  verheerenden 
Moidbrennereien  \),  und  Bischof  Woli'gang  von  Regensburg  raufs 
vom  Kaiser  die  Erlaubnis  erbitten,  an  dem  Zusamraenflufs  der 
kleinen  und  grofsen  Erlaf  eine  Burg,  namens  Wieselburg,  zum 
Schutze  seiner  Kolonisten  zu  Steinakirchen  an  der  kleinen  Erlaf 
erbauen  zu  dürfen  2).    Auch  andere  befestigte  Plätze  dürften  damals 

dorfer,  der  die  späteren  Historiker  bis  auf  den  heutigen  Tag  irreführte,  dahin 
gedeutet  worden  ist,  Melk  sei  eine  Festung  der  Ungarn  gewesen  und  Giso  wäre  iden- 
tisch mit  dem  Herzog  Geisa,  während  die  Stelle  in  Wahrheit  gar  nicht  von  den 
Ungarn  spricht  und  Giso  nur  einen  homo  potentissimus  nennt.  Dagegen  scheint 
es  mir  nicht  konsequent  zu  sein,  wenn  Meiller  vermutet,  Giso  sei  ein  Vor- 
nehmer in  Rheinfranken,  der  bald  nach  dem  Auftreten  Liutpolds  in  der  Ost- 
mark vom  Kaiser  in  Franken  reich  beschenkt  wird,  woraus  Meiller  weiter  schliefst, 
er  sei  vielleicht  vom  Kaiser  nach  dem  Sturze  Burkhards  zum  Markgrafen  ein- 
gesetzt gewesen  und  hätte  dann  Liutpold  weichen  müssen ,  wofür  er  durch  jene 
Schenkungen  entschädigt  worden  wäre.  Das  heifst  doch  zuviele  Unwahrschein- 
licbkeiten  häufen.  Logischer  ist  die  Annalime,  Giso  sei  ein  Anhänger  Burk- 
hards gewesen  und  habe  Hutpold  in  Melk  Widerstand  geleistet.  Dafs  Liutpold 
erst  den  Anhang  der  bayerischen  Partei  besiegen  mufste,  ist  ja  auch  nach  der 
oben  zitierten  Stelle  der  Ann.  Juvav.  maior. ,  die  ausdrücklich  von  Kämpfen  im 
Osten  spricht,  ziemlich  sicher.  —  Die  Bezeichnung  Melks  als  Eisenburg  ist  eine 
Erfindung  Ebendorfers,  wahrscheinlich  in  mifs  verständlicher  Auffassung  der  Stelle 
des  Breve  Ghronicon.  Dafs  Melk  eine  ungarische  Festung  gewesen  wäre,  ist  gänz- 
lich ausgeschlossen,  besonders  zur  Zeit  Liutpolds,  nachdem  doch  schon  Burkhards 
Mark  bis  zur  Wachau  und  an  die  Traisen  gereicht  hat.  Siehe  jetzt  insbesondere 
Uhlirz  in  den  Jahrbüchern  des  deutschen  Reiches  S.  237  (Exkurs  V),  der  sich 
mit  einigen  Modifikationen  an  Lorenz  anschliefst.  Aufserdem  vgl.  darüber  und 
über  die  Uugarnkämpfe  noch  Keiblinger,  Geschichte  des  Benediktinerstiftes 
Melk  I.  Band  (Wien  1851),  die  auch  für  die  allgemeine  Geschichte  der  Mark 
viel  Treffliches  bietet,  und  Heller,  Melk  und  die  Mark  der  Babenberger  in 
ihrer  Gründung  und  ursprünglichen  Abgrenzung  (XX.  Jahresber.  d.  Gymn.  in 
Melk  1870),  der  jedoch  nur  geringe  Kritik  an  den  Quellen  übt. 

1)  So  nach  den  Klagen  Pilgrims  von  Passau  in  der  Urkunde  Ottos  HL 
vom  30.  September  985  (M.  G.  DD.  II,  419),  worin  der  Kaiser  ausdrücklich 
betont,  dafs  die  Ereignisse  in  die  Zeit  seiner  Regierung  fielen.  Über  frühere 
gelegentliche  Einfälle  in  das  neue  Markgebiet  vgl.  Wilmans,  Jahrbuch  des 
deutschen  Reiches  unter  Otto  HL,  IIb,  17. 

2)  Urkunde  vom  14.  Oktober  979  (M.  G.  DD.  II,  231).  Dafs  jedoch  dieses 
Datum  einem  früheren  Aktum  (etwa  976)  entspricht,  darauf  hat  Ficker,  Bei- 
träge zur  Urkundenlehre  I,  197;  H,  124,  458  hingewiesen. 


Die  Ungaruepisode  und  die  Wiedererrichtung  der  Mark  unter  den  Ottonen.  199 

gegründet  worden  sein,  so  vielleicht  die  Ipsburg  der  Grafen  von 
Sempt- Ebersberg,  etwas  später  die  Traisenburg. 

Doch  war  Markgraf  Liutpolds  Wirksamkeit  von  Erfolg  ge- 
krönt; er  setzte  diesen  regellosen  Raubeinfällen  ein  Ziel  und  dehnte 
die  Grenze  der  Mark  bis  zum  Wiener  Walde  aus,  ja  scheint  auch 
im  Norden  der  Donau  vermutKch  die  dem  entsprechende  Kamp- 
grenze erreicht  zu  haben  ^). 

Von  der  allergröfsten  Bedeutung  für  die  gedeihliche  Entwicke- 
lung  der  neugegründeten  Mark  wurde  es,  dafs  im  Jahre  994,  als 
Liutpold  an  den  Folgen  der  Verwundung  durch  einen  Pfeilschufs, 
den  ein  Meuchelmörder  seinem  Neffen  Heinrich  zugedacht  hatte, 
starb,  die  Markgrafschaft  an  seinen  ältesten  Sohn  Heinrich  als 
Lehen  überging,  obwohl  damals  die  Erblichkeit  der  Lehen  noch 
nicht  üblich  war,  und  dafs  sie  auch  fernerhin  bei  seiner  Familie 
verblieb.  Seit  dem  Jahre  996  hat  die  Mark  auch  einen  fest- 
stehenden Namen :  Ostarrichi,  Osterreich  ^). 

Nicht  minder  von  Bedeutung  wurde  es,  dafs  auch  in  kirch- 
licher Beziehung  gleich  von  Anfang  an  eine  nahezu  völlig  einheit- 
liche Ausgestaltung  erfolgte.  Dies  war  dem  Einflüsse  der  gewaltigen 
Persönlichkeit  Pilgrims  von  Passau  zu  danken.  Dafs  er  in  den 
Mitteln,  um  seinem  Bistum  eine  mächtige  und  herrschende  Stellung 
zu  verschaffen,  nicht  immer  wählerisch  war,  dürfen  wir  nicht  nach 
unseren  sittlichen  Anschauungen  beurteilen.  Vielleicht  mehr  noch 
als  in  jenen  späteren  Jahrhunderten,  da  es  Leitspruch  wurde,  heiligte 
damals  der  Zweck  die  Mittel.  Noch  waltete  im  Zeitalter  der  Koloni- 
sation und  Mission  das  Recht  des  Stärkeren,  und  war  es  nicht 
die  Stärke  der  Faust,  so  war  es  die  des  Geistes,  welche  entschied.  Die 
Gelegenheit  war  aufserordentlich  günstig:  ein  schlechter  Diener  seiner 

1)  Urkunde  von  ca.  987:  „usque  in  cacuruen  montis  Comageni"  und  „ultra 
Danubium  usque  ad  Marevinos  termiuos"  (Urkundenbuch  von  Niederösterreich  I,  4). 
Dafs  die  Wiener  Waldgrenze  erreicht  war,  geht  auch  aus  den  noch  näher  zu 
besprechenden  Bestimmungen  über  das  Passauer  Gebiet  hervor.  Mon.  Boic. 
XXVnib,  243. 

2)  Font.  rer.  Austr.  2.  Abt.  XXXI,  51.  Dafs  die  allgemeinen  Ausdrücke 
wie  Orientalis  regio,  provincia,  plaga  etc.  nicht  mehr  wie  zur  Karolingerzeit 
die  östliche  Mark  an  der  Donau,  sondern  überhaupt  Land  im  Osten,  also  auch 
im  Südosten,  in  der  Kärntnermark,  bedeuten  können,  hat  Hasenöhrl  a.  a.  0. 
442  nachgewiesen. 


300  Siebentes  Kapitel. 

Kirche,  der  sie  nicht  nach  besten  Kräften  nützte.  Sollte  Passaii 
wieder  wie  vor  hundertundfünfzig  Jahren  dabei  den  kürzeren  ziehen, 
sollte  es  wieder  gerade  der  es  am  nächsten  berührenden  Macht-  und 
Interessensphäre  verlustig  gehen?  Pilgrim  erfafste  seine  Aufgabe  und 
die  Gunst  des  Augenblickes  in  bewunderungswürdiger  Weise,  klein- 
liche Gewissensskrupel  hegen,  hiefs  da  seine  höhere  Pflicht  versäumen. 
So  wagte  Pilgrim  das  hohe  Spiel  und  gewann  es  nahezu  auf  der 
ganzen  Linie.  Seinem  Bistum  sicherte  er  dadurch  eine  hervorragende 
Stellung,  die  es  bis  in  die  neuere  Zeit  behielt.  Es  ist  ein  ungemein 
eigenartiger  Apparat,  den  Pilgrim  für  seine  Zwecke  in  Bewegung 
setzte,  um  die  beiden  höchsten  und  ausschlaggebenden  Faktoren, 
den  Papst  und  den  Kaiser,  zu  gewinnen.  Urkundenfälschungen 
wurden  ja  auch  anderwärts  mehr  oder  minder  sinnreich  betrieben, 
um  gewisse  Rechtstitel  schriftlich  nachzuweisen ,  aber  selten  ist 
wohl  in  so  genialer  Weise  unsichere  historische  Überlieferung  und 
nationale  Sage  im  Dienste  einer  bestimmten  Tendenz  verwendet 
worden.  Die  aus  römisch- christlicher  Zeit  herüberklingende  Nach- 
richt von  dem  nur  kurze  Zeit  blühenden  Bistume  in  Laureacura, 
dem  späteren  Lorch,  von  einer  Überführung  der  Bevölkerung  aus 
Passau  nach  Laureacum,  was  leicht  verdreht  werden  konnte,  hatte 
schon  vordem  in  Passau  die  Fiktion  entstehen  lassen,  dafs  das 
Bistum  nur  die  Fortsetzung  des  Lorcher  sei.  Bereits  im  Jahre  948 
nannte  sich  Pilgrims  Vorgänger  Adalbert,  der  in  manchen  Dingen 
auch  der  Vorläufer  seiner  Bestrebungen  war,  auf  dem  Konzil  von 
Ingelheim  Bischof  von  Lorch.  Jetzt  wurden  dafür  die  entsprechenden 
Belege  erfunden  und  davon  nicht  nur  der  Anspruch  auf  umfäng- 
liche Besitzungen,  wie  wir  noch  später  sehen  werden,  sondern  auch 
auf  die  Diözesangewalt  im  alten  Noricum  und  Pannonien  abgeleitet. 
Auf  diese  gründete  sodann  Bischof  Pilgrim  seinen  weit  ausschauen- 
den Plan  der  Christianisierung  der  Ungarn. 

Er  bot  alle  Mittel  auf,  um  nach  dieser  Richtung  sich  die  Vor- 
hand zu  wahren  und  gesicherte  Tatsachen  zu  schaffen.  Im  Jahre 
972  begann  der  heilige  Wolfgang  aus  Schwaben  eine  missionarische 
Tätigkeit  bei  den  Magyaren,  aber  schon  nach  wenigen  Monaten 
bereitete  ihr  Pilgrim  auf  ebenso  kluge  als  entschiedene  Art  ein  Ende. 
Er  zitierte  Wolfgang  zunächst  nach  Passau  unter  dem  formellen 
Vorwand,    erst   seine   Befähigung   zum   Glaubensboten   prüfen   zu 


Die  Ungarnepisode  und  die  Wiedererrichtung  der  Mark  unter  den  Ottonen.  301 

müssen,  und  als  eben  das  Bistum  Regensburg  erledigt  wurde,  setzte 
er  seine  Wahl  zum  Bischof  daselbst  durch.  Einem  einfachen  Geist- 
lichen vermochte  man  ja  leicht  beizukommen.  Schwerer  war  der 
Kampf  mit  Salzburg,  dem  in  Wirklichkeit  das  alleinige  kirchliche 
Oberhoheitsrecht  in  den  ehedem  norischen  und  pannonischen  Ge- 
bieten zustand  und  dem  der  Bischof  von  Passau  als  Suffragan 
untergeordnet  war.  Hier  mufste  bis  zur  obersten  Instanz,  bis  zum 
heihgen  Vater  in  Rom,  gegangen  werden.  Bischof  Pilgrim  sandte 
also  zunächst  einen  den  Tatsachen  keineswegs  entsprechenden,  aufser- 
ordentlich  günstig  gefärbten  Bericht  über  den  Fortgang  der  Heiden- 
bekehrung unter  den  Ungarn  —  es  ist  darin  von  5000  Getauften 
die  Rede,  abgesehen  von  den  vielen  kriegsgefangenen  Christen,  und 
von  den  friedlichsten  Beziehungen  zwischen  Deutschen  und  Un- 
garn —  an  Papst  Benedikt  VH.  ^),  und  schliefslich  wagte  er  es 
sogar,  diesem  den  Entwurf  einer  Bulle  zu  unterbreiten,  durch  die 
unter  Anerkennung  der  historischen  Fiktion  von  einem  Zusammen- 
hang zwischen  Lorch  und  Passau  dieses  Bistum  jedem  Einflüsse 
Salzburgs  entrückt  und  zum  Erzbistume  mit  der  Diözesangewalt 
über  Unterpannonien,  Awarien  und  Mähren  erhoben  werden  sollte  ^). 
Dieser  kühne  Anschlag  und  somit  die  angestrebte  Krönung  des 
kunstreich  aufgeführten  Gebäudes  scheiterte  jedoch  an  dem  W^ider- 
stand  der  Kurie,  die  die  Fälschungen  durchschaute  und  verwarf; 
Papst  Benedikt  VH.  erliefs  vielmehr  an  den  Erzbischof  von  Salz- 
burg und  seine  Suffragane  eine  Bulle,  worin  er  mit  scharfer  Zu- 
rückweisung der  passauischen  Ansprüche  Salzburg  als  Metropole 
Noricums  und  Pannoniens  neuerdings  bestätigte  ^). 

1)  Ludwig,  SS.  rer.  Germanicarum  II,  365.  —  Dafs  die  Angaben  dieses 
Schreibens  den  Tatsachen  nicht  entsprachen,  geht  aus  dem  Umstände  hervor, 
dafs  noch  im  Jahre  983  der  heilige  Adalbert  von  Prag,  als  er  die  Ungarn 
bekehren  wollte,  nur  sehr  bescheidene  Erfolge  zu  erzielen  vermochte  (Vita  Adal- 
berti  von  Bruno,  c.  16  und  23).     Vgl.  auch  Dümmler,  Pilgrim  S.  40. 

2)  Über  die  Art  und  Weise  dieser  Fälschungen  gibt  gründlichen  Aufschlufs 
die  diplomatisch  - paläographische  Untersuchung  von  Uhlirz,  Die  Urkunden- 
fälschungen zu  Passau  im  10.  Jahrhundert  (Mitt.  d.  Inst.  f.  österr.  Gesch.  III, 
177,  1882),  wo  auch  die  Literatur  für  und  wider  die  Annahme  Pilgrims  als 
Fälscher  angeführt  ist. 

3)  Spätere  Passauer  und  von  Passau  beeinflufste  Quellen  lassen  es  sich 
nicht  nehmen ,  Pilgrim  als  Erzbischof  zu  bezeichnen ,  so  die  Series  episcoporum 
Patav.  M.  G.  SS.  XV,  1310  und  die  Ann.  Cremif.  SS.  IX,  452. 


303  Siebentes  Kapitel. 

Blieb  nun  zwar  der  letzte  und  höchste  Wunsch  Pilgrims  un- 
erlüllt,  so  hatte  er  sich  doch  bereits  eine  so  feste  Stellung  in  dem 
wiedereroberten  Markgebiete  geschaffen,  dafs  er  hier  nahezu  un- 
umschränkte kirchliche  Gewalt  ausübte  und  ihrer  formellen  An- 
erkennung fast  entraten  konnte.  Auch  war  es  doch  seiner  Wirk- 
samkeit zuzuschreiben,  wenn  der  Ungarnkönig  Geisa  und  seine 
Gemahlin  Sarolta  das  Christentum  annahmen ,  und  wenn  es  dann 
später  ihr  Sohn  Stephan  zur  offiziellen  Religion  erhob  und  auf 
dessen  Grundlage  erst  einen  ungarischen  Staat  aufbaute.  Dies 
war  der  ideale  Erfolg  von  Pilgrims  Tätigkeit,  obwohl  mit  der 
Begründung  einer  selbständigen  ungarischen  Kirchenprovinz  diese 
Gebiete  tatsächlich  ebenso  dauernd  verloren  gingen,  wie  die  sla- 
wischen durch  die  Gründung  des  Bistums  Prag. 

Allerdings  trug  zu  den  Erfolgen  Pilgrims  wesentlich  der  Um- 
stand bei,  dafs  es  ihm  gelang,  wenigstens  den  zweiten  Machtfaktor, 
den  Kaiser,  für  sich  zu  gewinnen.  Der  Bischof  verfolgte  stets 
eine  zielbewufste,  kaisertreue  Politik  und  scheute  sich  nicht,  selbst 
auf  eigene  Gefahr  hin,>sich  in  ausgesprochenen  Gegensatz  zu  Bayern 
zu  setzen.  Im  Jahre  977  bestand  er  die  Feuerprobe,  als  Herzog 
Heinrich  von  Kärnten  mit  Heeresmacht  Passau  einnahm  und  zer- 
störte und  sich  mit  dem  geächteten  Heinrich  dem  Zänker  von 
Bayern,  den  ein  neuerlicher  bayerischer  Aufstand  wieder  als  Herzog 
herstellen  wollte,  vereinigte.  Auch  diesmal  vermochte  Kaiser 
Otto  n.,  der  fern  in  Böhmen  geweilt  hatte,  der  Empörung  Herr 
zu  werden,  und  seit  dieser  Zeit  stand  Bischof  Pilgrim,  der  be- 
rechtigten Anspruch  auf  Entschädigung  hatte,  in  höchster  Gunst. 
Dem  Kaiser  konnte  es  im  Grunde  genommen  nur  erwünscht  sein, 
in  den  umfassenden  Urkundenfälschungen  Passaus  Vorlagen  fiir 
seine  Gnadenbeweise  zu  haben.  Er  erfüllte  unbedenklich  Pilgrims 
Wünsche.  Wie  auf  diese  Weise  Passau  schon  vorher  die  Klöster 
Kremsmünster,  St.  Florian  und  St.  Pölten  mit  allen  ihren  Rechten 
und  Besitzungen  gewonnen  hatte,  so  erhielt  es  jetzt  ausgedehnte 
Güter  im  Traungau  und  in  der  Mark  bis  zum  Wiener  Wald, 
worauf  wir  noch  in  anderem  Zusammenhang  zurückkommen  werden. 
Zur  Popularisierung  dieser  ganzen  Politik  sollten  die  nationalen 
Sagen  von  den  Kämpfen  der  Burgunden  mit  den  Hunnen,  die 
Bischof  Pilgrim    von    seinen    findigen    Schreibern    in    lateinischer 


Die  Ungarnepisode  und  die  Wiedererrichtung  der  Mark  unter  den  Ottonen.  303 

Sprache  aufzeichnen  liefs,  und  die  später  in  deutschem  Gewände 
als  NibelungenHed  ihre  Wiedergeburt  feierten,  beitragen.  Hier 
tritt  Pilgrim  selbst  als  mächtiger  Kirchenfiirst  in  der  Donaugegend 
auf,  als  Verwandter  des  Markgrafen  Rüdeger  von  Pechlarn  einer- 
seits, als  Bruder  der  rheinischen  Königin  andrerseits;  Orte  des 
passauischen  Besitzes  geben  vielfach  den  Schauplatz  ab ;  die  Bayern 
erscheinen  als  Raubgesellen,  Herzog  Heinrich  der  Zänker  wird  als 
Gelpfart  in  schlechtes  Licht  gerückt.  Bischof  Pilgrim  setzte  den 
sinnreichen  Apparat  nicht  erfolglos  in  Bewegung.  Auf  drei  grofsen 
Synoden,  die  er  abhielt,  zog  er  aus  dem  gewonnenen  Ansehen  die 
praktischen  Vorteile.  Zu  Lorch  und  zu  Mautern  bezeugten  die 
versammelten  Umwohner  eidlich,  im  Gebiete  zwischen  Enns  und 
Wiener  Wald  seien  vor  den  letzten  Einfällen  der  Barbaren  alle 
Zehnten  mit  Ausnahme  derjenigen  von  den  Besitzungen  anderer 
Kirchen  Eigentum  Passaus  gewesen  ^j.  Auf  der  dritten  Synode 
zu  Mistelbach  in  Oberösterreich  wurden  die  kirchlichen  Verhältnisse 
im  östlichen  Bayern,  dem  Lande  ob  der  Enns,  wo  schon  eine  statt- 
liche Anzahl  von  Kirchen  vorhanden  war,  in  ähnUcher  Weise  ge- 
regelt ^).  Die  Abgrenzung  der  Diözese  gegen  Salzburg  dürfte  zunächst 
nach  dem  Stande  der  späteren  KaroUngerzeit  erneut  worden  sein. 
Aufserdem  verlieh  der  Kaiser  im  Jahre  985  am  30.  September 
Passau  das  Vorrecht,  dafs  alle  Freien  und  Hörigen  des  Stiftes  in 
der  Mark  von  den  Leistungen  an  das  Reich,  der  Kriegsdienst- 
pflicht und  der  richterlichen  Macht  des  Markgrafen  befreit  sein 
sollten  ^).  Gegenüber  solchen  Erfolgen  fiel  es  nicht  ins  Gewicht, 
dafs  auch  der  Kaiser  in  Rücksicht  auf  die  Entscheidung  des  Papstes 
die  Fiktion  des  Lorcher  Bistumes  nicht  anerkannte  *). 

Manche  Früchte  von  Pilgrims  Bemühungen  ernteten  auch  erst 


1)  Mon.  Boic.  XXVHIb,  206. 

2)  M.  B.  XXVIII a,  88.  —  Es  ist  unzweifelhaft,  dafs  sie  im  oberöster- 
reichischen Mistelbach  stattfand,  denn  erstens  war  die  Gegend  der  niederöster- 
reichischen Stadt  gleichen  Namens  damals  noch  lange  nicht  in  deutschen  Händen, 
und  zweitens  bezieht  sie  sich  ausschUefslich  auf  oberösterreichische  oder  doch  der 
Grenze  in  der  Mark  nahe  gelegene  Orte.  —  Die  Gegengründe  Strnadts,  Ge- 
burt d.  L.  0.  d.  Enns  S.  45,  scheinen  mir  nicht  stichhaltig.  Freilich  stammt 
die  Aufzeichnung  erst  aus  dem  11.  Jahrhundert. 

3)  M.  G.  DD.  n,  419. 

4)  Vgl.  Dümmler,  Pilgrim  von  Passau  60 f. 


304      Siebentes  Kapitel.     Die  Unf^arncpisodo  u.  die  Wiedererric^ht.  d.  Mark  usw. 

seine  Nachfolger,  unter  denen  die  Machtstellung  Passaus  noch 
immer  wuchs.  Exemtion  von  allen  Diensten  gegen  „die  Herzöge 
(von  Bayern)  und  andere  mächtige  Personen"  erlangte  Bischof 
Christian  am  6.  Februar  99;i  ').  Als  ihm  dann  wenige  Jahre 
später  (am  3.  Januar  999)  auch  noch  das  Münz-,  Gewichts-, 
Zoll-  und  Marktrecht  verhehen  wurde  '•'),  besafs  der  Bischof  von 
Passau  fast  souveräne  Gewalt.  Daneben  nehmen  die  ausgedehnten 
Gütererwerbungen,  mit  denen  wir  uns  noch  beschäftigen  müssen, 
und  die  Verleihung  kleinerer  Sonderrechte,  wie  etwa  des  Jagd- 
und  Forstrechtes  auf  den  Besitzungen  am  Sarmingbach  ^) ,  ihren 
Fortgang.  Es  war  bereits  eine  Selbstverständlichkeit,  dafs  bei  der 
weiteren  Besiedelung  des  Landes  am  linken  Donauufer  (im  heutigen 
Waldviertel)  auch  hier,  wie  schon  vorher  am  rechten  Ufer,  Passau 
den  Zehnten  erhielt  *).  Für  die  weitere  Ausgestaltung  der  kirchlichen 
Organisation  wurde  endlich  die  Urkunde  vom  5.  Juli  1014  von 
entscheidender  Bedeutung,  worin  dem  Bistum  Passau  an  fünf  Orten 
in  Osterreich,  zu  Krems,  Herzogenburg,  Tulln,  Sigmarswörth  und 
Outcinesewe,  Grund -und  Boden  zur  Errichtung  von  Kirchen  zu- 
gewiesen wurde  ^).  So  waren  durch  Liutpold-  die  weltlichen,  durch 
Pilgrim  die  kirchhchen  Grundlagen  der  Ostmark  gelegt,  auf  denen 
ihre  Nachfolger  rasch  weiter  bauen  konnten. 


1)  M.  G.  DD.  II,  526. 

2)  A.  a.  0.  733. 

3)  Uß.  d.  L.  0.  d.  Enns  II,  85. 

4)  Mon.  Boic.  XXIX  a,  18. 

5)  Mon.  Boic.  XXVIII  b,  478.  —  Sigmarswörth  und  Outcinesewe  bestehen 
heute  nicht  mehr,  und  auch  ihre  einstige  Lage  ist  unsicher.  „ Sigemareswerd " 
ist  vielleicht  Altenwörth,  Outcinessewe  vielleicht  Jedlersee. 


Achtes   Kapitel. 
Die  zweite  deutsche  Kolonisation  in  der  Ostmark. 


Bevor  wir  uns  der  kolonisatorischen  Tätigkeit  der  Deutschen 
in  der  wiedererrichteten  Mark  zuwenden,  wollen  wir  einen  Bück 
auf  das  Land  zwischen  Inn  und  Enns,  das  heutige  Oberösterreich, 
gewissem) afsen  das  gesicherte  Hinterland  der  Mark,  werfen,  da 
seine  Entwickelung  nicht  ohne  Einflufs  auf  die  Mark  geblieben 
ist  und  mit  dieser  manche  Berührungspunkte  zeigt  ^).  Eine  ge- 
wisse Stetigkeit  der  Besitzverhältnisse  war  hier  allerdings  durch 
den  Umstand  erzielt,  dafs  dieses  Gebiet  dem  Deutschtum  im  all- 
gemeinen, den  Bayernherzogen  im  besonderen  niemals  verloren 
gegangen  war,  dennoch  hatte  das  10.  Jahrhundert  auch  hier  grofse 
Umwälzungen  mit  sich  gebracht,  von  denen  wir  es  nur  lebhaft 
bedauern  müssen,  dafs  wir  bei  dem  Mangel  an  Urkunden  und 
sonstigen  Nachrichten  —  ich  habe  schon  oben  auf  diese  merk- 
würdige Tatsache  hingewiesen  —  sie  nicht  mehr  im  einzelnen  zu 
verfolgen  imstande  sind.  Die  zahlreichen  Raubzüge  der  Magyaren, 
die  dadurch  hervorgerufene  Lahmlegung  der  Kulturentwickelung 
und  die  Unsicherheit  des  Besitzes,  die  Säkularisation  der  Klöster 
und  ihr  Verfall,  endlich  die  Krisen  im  bayerischen  Herzogtume 
selbst  haben  einerseits  die  alten  Verhältnisse  aufgelöst,  andrerseits 
die  Dokumente  dieses  Prozesses  zerstört,  die  Spuren  verwischt. 

1)  Über  die  Besitzverhältnisse  in  Oberösterreich  während  des  10.  und 
11.  Jahrhunderts  siehe  aufser  Pritz  I,  316,  Büdinger  S.  252,  444,  Edl- 
bacher S.  100;  Johann  Lamprecht,  Historisch- topographische  Matrikel  des 
Landes  ob  der  Enns  (Wien  1863)  und  besonders  Strnadt,  Die  Geburt  des 
Landes  ob  der  Enns  (Linz  1886).  —  Vgl.  auch  Werunsky,  Österreichische 
Keichs-  und  Eechtsgeschichte  S.  222  mit  guter  Literaturübersicht. 


206  Adites  Kapitel. 

Das  wichtigste  Moment  ist,  dafs  bei  dem  Verfall  der  Ver- 
waltungsürganisation  auch  die  alte,  aus  der  Zeit  der  Volksrechte 
stammende  Gauvert'assung  zugrunde  ging.  Wie  es  nun  keine  Grafen 
als  Verwaltungsbeamte,  Richter  und  Heerführer  mehr  gab,  so  hörte 
auch  der  Begriff  Grafschaft  oder  Gau  im  alten  Sinne  auf.  Schon 
während  der  Karolingerzeit  war  an  Stelle  des  alten  bayerischen 
Uradels  ein  Besitz-  und  Lehnsadel  getreten,  der  jetzt  erst  zu  seiner 
wahren  Bedeutung  und  Machtstellung  gelangen  konnte,  nachdem  der 
Lehnsbesitz  erblich  zu  werden  begann.  Jetzt  wurde  nicht  nur  Besitz, 
sondern  auch  manches  Gerechtsam  als  Lehen  vergabt,  und  wer  in 
seinem  Besitz  auch  die  richterliche  Gewalt  ausüben  durfte,  erhielt 
den  alten  Titel  Graf.  Die  Zersplitterung  der  alten  Grafschaften 
oder  Gaue  in  kleinere  Gerichtsbezirke  erfolgte  innerhalb  der  alten 
Grenzen,  zunächst  wohl  in  die  ehemaligen  Untergaue  oder  Zentenen, 
später  (als  Afterlehen)  in  noch  kleinere  Bezirke  (Landgerichte)  ^). 
Auch  die  wachsenden  Imraunitätsgebiete  trugen  zur  Zersprengung 
des  alten  Gauverbandes  bei.  Der  Begriff  Gau  (pagus)  trennte 
sich  jetzt  vollständig  von  dem  der  Grafschaft.  Er  blieb  zum  Teil 
gewohnheitsmäfsig  an  den  alten  Gaugebieten  haften,  wie  man  auch 
fernerhin  von  einem  Traungau,  Attergau,  Rotachgau  usw.  spricht. 
Er  wurde  aber  auch  auf  das  gröfsere  Verwaltungsgebiet  übertragen, 
so  dafs  auch  beispielsweise  die  Mark  „pagus  Ostarrichi"  genannt 
wurde  ^),  wobei  es  nicht  ausgeschlossen  ist,  dafs  man  einen  ur- 
sprünglich nur  für  den  östlichen  Teil  des  Landes  gebrauchten  Namen 
verallgemeinerte.  Aber  andrerseits  wurde  der  Ausdruck  auch  ganz 
vage  und  unbestimmt  zur  Bezeichnung  einer  Gegend,  eines  kleineren 
Landstriches  verwendet  ^).  Der  Besitz  eines  Grafengeschlechtes  blieb 
nun  nicht  mehr  auf  einen  Gau  beschränkt,  sondern  die  Familien 
erwarben  vielfach  weit  auseinanderliegende  unzusammenhängende 
Güter,  so  dafs  es  nicht  selten  vorkommt,  dafs  ein  bayerisches 
Geschlecht  zugleich  im  Mutterlande,  in  Oberösterreich,  in  Salzburg 
und  in  den  Marken  begütert  ist. 

1)  Über  diesen  Entwiekclungsprozefs  am  besten  Strnadt,  Peuerbach 
(27.  Ber.  d.  Museums  Fram-isco-Carolinum  1868,  §  7). 

2)  M.  B.  XXVIII a,  271  (a.  998),  457  (a.  1015),  XXIX  a,  lOG  (1051)  usw. 
8)  So  beifst  1043  eine  Gegend  an  der  Pielacb  „pagus  Pielahe"  (Fi  sc  ber, 

Gösch.  V.  Klosterneuburg  II,  115).     Über   die  Wandlungen   des   Begriffes   siehe 
Hasenöbrl  im  Archiv  für  österreichische  Geschichte  LXXXU,  419,  §  2. 


Die  zweite  deutsche  Kolonisation  in  der  Ostmark.  307 

Wir  haben  oben  gesehen,  dafs  bereits  in  der  ersten  Hälfte 
des  10.  Jahrhunderts  im  Traungau  kleinere  Grrafschaften  bestanden. 
Vielleicht  ist  wirklich  der  930  genannte  Graf  Meginhard  ein  Vor- 
fahre der  Grafen  von  Wels  und  Lambach,  die  nunmehr  während 
des  11.  Jahrhunderts  zu  einem  mächtigen,  besitzreichen  Geschlechte 
heranwachsen  und  die  wegen  ihrer  ausgedehnten  Güter  in  dieser 
Gegend  um  Wels,  Lambach  und  im  Salzkammergut  zuweilen  auch 
als  Traungauer  bezeichnet  werden  ^).  Der  erste  urkundlich  fest- 
stehende Vertreter  ist  Arnold  (I.),  der  993  genannt  wird  ^).  Ihr 
Besitz  erstreckte  sich  über  das  Salzkaramergut,  die  Gegend  um 
Wels  und  das  Hausruckviertel. 

Neben  diesem  mächtigsten  Traungauer  Geschlecht  finden  wir 
im  südöstlichen  Teile,  im  Pagus  Oliupestal  oder  Ulstal  einen  Grafen 
Rapoto  ^),  der  möglicherweise  der  Familie  der  später  hier  begüterten 
bayerischen  Grafen  von  Wolfrathshausen  ^)  angehört,  die  wieder 
ihrerseits  mit  den  Andechsern  zusammenhängen.  Dafs  an  der 
oberen  Traun  die  Grafen  von  Raschenberg  (um  Reichenhall)  an- 
sässig waren,  wie  jüngst  vermutet  wurde  ^),  entbehrt  jedes  urkund- 
lichen Anhaltspunktes.  Ebenso  ist  unwahrscheinlich,  dafs  schon  im 
10.  Jahrhundert  Vorfahren  der  Eppensteiner  hier  (im  üfgau)  safsen  ^). 

1)  Siehe  besonders  Strnadt  a.  a.  0.  §  9,  der  nicht  nur  Meginhard  als 
nachweisbaren  Ahnherrn  annimmt,  sondern  zwischen  ihm  und  dem  feststehenden 
Arnold  I.  Ulrich  von  Formbach  als  Sohn  Mef^inhards  einschiebt.  Von  älteren 
Arbeiten  sei  Moritz,  Kurze  Geschichte  der  Grafen  von  Formbach,  Lambach  und 
Putten  (Neue  bist.  Abhandlungen  der  bayer.  Akademie  der  Wissensch.  I,  1804, 
mit  Nachträgen  in  den  Bayerischen  Annalen  I.  Liter.  Abt. ,  243)  genannt, 
der  das  Geschlecht  bis  in  die  erste  Karolingerzeit  zuriickzuverfolgeh  suclit.  — 
Sonderbarerweise  sind  fast  alle  älteren  auf  dieses  Geschlecht  bezüglichen  Ur- 
kunden Fälschungen.  Vgl.  über  die  Familie  aufser  S  t  r  n  a  d  t  a.  a.  0.  in  neuester 
Zeit  noch  Krones,  Die  Markgrafen  von  Steier  (Archiv  für  Österreich.  Gesch. 
LXXXII,  170). 

2j  Kremsmünster  Uß.  27,  Nr.  18. 

3)  M.  G.  DD.  III,  148.  Schenkungsurkunde  König  Heinrichs  II.  vom  5.  De- 
zember 1005. 

4)  Strnadt,  Geburt  des  Landes  ob  der  Enns  S.  45 f. 

5)  Strnadt  gegen  Friefs  im  Archiv  für  österreichische  Geschichte 
LXXXII,  195. 

6)  So  nach  Krones,  Die  Markgrafen  von  Steier  (Archiv  f.  österr.  Gesch. 
LXXXIV,  225),  welcher  Aufsatz  überhaupt  für  die  genealogischen  und  Besitzverhält- 
nisse  im  Traungau   zu   vergleichen   ist.      Auch   M.    G.  DD.  I    vertraten    schon 


208  Achtes  Kapitel. 

Endlich  reichte  anfänglich  auch  der  Besitz  der  Markgrafen  im 
Osten  über  die  Enns  hinüber,  wo  sie  speziell  die  Gegend  um  die 
Ennsburg  besafsen  '),  vielleicht  ein  Nachklang  der  einstigen  Zu- 
gehörigkeit des  ganzen  Traungaues  zur  Karolingermark,  vielleicht 
waren  auch  strategische  Gründe  dafür  entscheidend. 

Im  Mattiggau  waren  die  Grafen  von  Plein  im  östlichen  Atter- 
gau,  dann  die  Grafen  von  Burghausen,  deren  Stammburg  am  Inn 
lag,  an  der  Salzach  und  vermutlich  um  Kammer  stark  begütert. 
Andere  Grafengeschlechter  werden  wir  noch  im  weiteren  Verlaufe 
der  Babenbergerperiode  auftauchen  sehen. 

Wenden  wir  uns  nunmehr  zu  den  kirchhchen  Besitzverhält- 
nissen, so  ergibt  sich,  dafs  nach  dem  Stillstand  und  teilweisen 
Rückgang  in  den  unsicheren  Zeiten  während  der  ersten  Hälfte  des 
10.  Jahrhunderts  jetzt,  da  sich  die  allgemeine  Lage  besserte  und 
festigte,  wieder  lebhafter  nach  Besitzerwerb  gestrebt  wird.  Allen 
voran  von  Passau  -),  das  auch  in  dieser  Hinsicht  seine  Versäumnisse 

vorher  diese  Ansicht,  da -der  Index  diesen  Marchward  in  Verbindung  bringt  mit 
dem  970  genannten  Markgrafen  Marchward  von  Karanthanien.  Aber  der  Fuchte- 
bach der  Königsurkunde  vom  10.  Juli  940  ist  jedenfalls  im  bayerischen  Ufgau 
zu  suchen,  da  der  traungauische  auf  die  oberste  Gegend  um  Schwanenstadt  be- 
schränkt war  (siehe  S.  120)  und  daselbst  ein  solcher  Bach  nicht  existiert. 

1)  Nach  der  Urkunde  vom  5.  Oktober  977  (in  zwei  Ausfertigungen  M.  G. 
DD.  II,  189).  Dafs  mit  dieser  Urkunde  keine  Oberhoheit  dos  Markgrafen  Liut- 
pold  über  den  ganzen  Traungau  bewiesen  wird,  geht  wohl  aus  dem  über  die  Be- 
sitzverhältnisse daselbst  Gesagten  hervor  und  ist  von  Strnadt,  Geburt  des 
Landes  ob  der  Enns  35  f.  gegen  die  ältere  Ansicht  überzeugend  festgestellt  worden. 
Bach  mann  in  seiner  ziemlich  verunglückten  Kritik  über  Strnadts  Werk  (Zeit- 
schr.  f.  österr.  Gymnasien  551,  1887)  müht  sich  vergeblich,  ihn  zu  widerlegen. 

2)  Über  die  Passauer  Besitzfragen  siehe  aufser  den  schon  wiederholt  ge- 
nannten Arbeiten  Dümmlers  und  Uhlirz'  über  die  Fälschungen  des  Bischofs 
Pilgrim  jetzt  namentlich  Strnadts  gleichfalls  schon  des  öfteren  zitierte  Ab- 
handlung im  VIII.  und  IX.  Bande  der  „ Archivalischen  Zeitschrift".  Die  ver- 
dienstliche Arbeit  Edlbachers,  Die  Entwickelung  des  Besitzstandes  der  bischöf- 
lichen Kirche  von  Passau  in  Österreich  ob  und  unter  der  Enns  vom  8.  bis  zum 
11.  Jahrhundert  (29.  Ber.  d.  Museum  Francisco- Carolinum)  berücksichtigt,  wie  ich 
schon  hervorhob,  die  Fälschungsfrage  zu  wenig.  Eine  Wiener  Dissertation  „Das 
weltliche  Fürstentum  der  Bischöfe  von  Passau"  von  Franz  Straufs,  die  demnächst 
in  den  Mitteilungen  des  Institutes  für  österreichische  Geschichtsforschung  ver- 
öffentlicht werden  soll,  wurde  mir  von  dem  Verfasser  in  zuvorkommender  Weise 
zur  Verfügung  gestellt  und  wird  im  folgenden  von  mir  mehrfach  zitiert  werden. 


Die  zweite  deutsche  Kolonisation  in  der  Ostmark.  209 

in  der  Karolingerzeit  nachzuholen  suchte.  Wir  haben  bereits 
gesehen,  dafs  es  die  Zeit  des  Klosterverialles  benutzte,  um  sich 
Kremsmünster  zu  annektieren.  Nun  liefs  sich  Bischof  Pilgrim  nicht 
nur  am  21.  Juni  975  dieses  '),  sondern  auch  St.  Florian  vom  Könige 
mit  einer  Urkunde  vom  22.  Juli  976  als  Eigen  übertragen  ^). 
Zugleich  erlangte  es  für  die  Klöster  weitgehende  Immunität  und 
die  Abgaben ,  die  sonst  von  Kirchengütern  dem  Fiskus  entrichtet 
werden  mufsten.  Natürlich  kam  es  dadurch  in  den  Niefsnu^z 
der  Klosterbesitzungen  und  bemühte  sich,  sie  auch  zu  vermehren 
oder  wiederherzustellen,  wie  im  Jahre  993,  da  Bischof  Christian  den 
Grafen  Arnold  von  Wels  veranlafste,  Kremsmünster  Grundstücke 
zu  Steinfeld,  das  Fischereirecht  im  Almsee  und  mehrere  Wälder 
im  Traungau,  besonders  am  Sippbach,  die  sich  dessen  Geschlecht 
widerrechtlich  angeeignet  hatte,  zurückzustellen  ^).  Allerdings 
scheute  sich  das  Bistum  nicht,  andere  Güter,  Pettenbach,  Eber- 
stallzell  (Cotprehtescella)  und  Geroltsdorf  selbst  dem  Kloster  zu 
entfremden  *),  wie  denn  Stimmen  aus  Kremsmünster  laut  werden, 
die  über  die  Eingriffe  Passaus  in  das  Eigen  und  die  Rechte  des 
Hauses  lebhafte  Klage  führen  ^).  Noch  schhmmer  erging  es  dem 
Kloster  St.  Florian,  das  durch  das  Ausbeutungssystem  Passaus 
derart  in  Not  geriet,  dafs  König  Heinrich  H.  den  Klerikern  auf 
ihre  Bitte  1002  zum  Unterhalte  eine  Hube  an  der  Ipf  schenkte  ^). 
Aufser  den  genannten  Klöstern  gewann  Passau  das  Gut  Enns- 
burg ,  das  Bischof  Adalbert  im  Tauschwege  Herzog  Heinrich  von 
Bayern  überlassen  hatte,  jetzt  im  Jahre  977  am  5.  Oktober  ver- 
mehrt um  20  Königshufen  wieder  zurück  ').  Dazu  kamen  kleinere 
Erwerbungen  im  Rottach-,  Isen-,  Traun-  und  Mattiggau. 

Von  besonderer  Bedeutung  für  das  Hochstift  wurde  es  auch, 
wie  wir  noch  später  sehen  werden,  dafs  ihm  Otto  II.  im  Jahre  976 


1)  M.  G.  DD.  n,  124. 

2)  A.  a.  0.  151. 

3)  ÜB.  d.  L.  0.  d.  Enns  II,  69  und  718. 

4)  Geht  aus  der  Urkunde  König  Heinrichs  IV.  vom  30.  April  1099  (a.  a. 
0.  II,  122)  hervor. 

5)  Vgl.  Bernardus  Noricus  M.  G.  SS.  XXV,  638,  648. 

6)  M.  G.  DD.  III,  8. 

7)  M.  G.  DD.  II,  189. 

V  a  n  c  8  a ,  Geschichte  Nieder-  n.  Oberösterreichs.  14 


210  Achtes  Kapitel. 

das  Fraueukloster  Niedernburg  zu  Passau  zusprach  ^).  Dieses 
Kloster  hatte  sich  —  mögHcherweise  wegen  verwandtschaftlicher 
Beziehungen  der  Äbtissin  Eilika  zum  Kaiser  '^)  —  der  glänzenden 
Munitizenz  des  Kaisers  Heinrich  II.  zu  erfreuen.  Im  Jahre  1010 
erhielt  es  von  ihm  aufser  bedeutenden  Vorrechten,  die  es  zum 
Teil  wieder  von  der  Oberhoheit  Passaus  befreiten,  und  mehreren 
Gütern  in  Bayern  meist  unbebautes  Gebiet  im  Nordwald  zwischen 
11z  und  grofser  JMühel  bis  zur  böhmischen  Grenze  3),  das  in  der 
Folge  deshalb  den  Namen  „das  Abteiland"  führte. 

Das  Erzbistum  Salzburg  bheb  in  seinem  Besitz  im  Atter-  und 
Mattiggau ,  sowie  im  südlichen  Traungau  (im  Ulstale)  ^)  ziemlich 
unverändert  und  liefs  sich  über  diese  und  andere  Guter  im  Jahre 
977  am  1.  Oktober  eine  umfassende  kaiserliche  Bestätigungsurkunde 
ausstellen  ^). 

Regensburg  behauptete  sich  in  seinen  alten  Besitzungen  zwischen 
Aist  und  Naaru,  die  es  seit  der  KaroHngerzeit  ununterbrochen 
innegehabt  hatte. 

Freising  erwarb  nur  an  der  Inngrenze  um  Ranshofen  Güter 
und  den  Forst  Weilhart  durch  die  Schenkung  der  Kaiserin  Kuni- 
gunde  im  Jahre  1025,  jedoch  nur  auf  Lebenszeit  der  letzteren  ^). 

In  den  alten  Gauen  südlich  der  Donau  gab  es  auch  noch 
statthchen  Herzogsbesitz,  den  während  der  bayerischen  Wirren  die 
deutschen  Könige  an  sich  zogen  und  später  zu  ihren  wahrhaft  könig- 
lichen Schenkungen  an  ihre  kirchlichen  Stiftungen  verwendeten. 
Auf  diese  Weise  gesellte  sich  zu  den  angeführten  geistlichen  Grofs- 
grundbesitzern  im  Lande  ob  der  Enns  das  von  Kaiser  Heinrich  IL 
im  Jahre  1007  gegründete  Bistum  Bamberg  als  neuer  und  be- 
deutender Faktor.  Es  erhielt  von  seinem  Stifter  noch  im  nämhchen 
Jahre   Mattighofen    im    Mattiggau  ^)    und    Atterhof  (Attersee)    im 

1)  M.  B.  XXVnib,  219. 

2)  So  nach  Hirsch,  Jahrb.  des  deutschen  Keiches  unter  Heinrich  II.,  S.  247. 

3)  M.  G.  DD.  in,  253.     Die  Begrenzung  bis  zur  Kotel  ist  unverbürgt. 

4)  Hier  erhielt  es  von  König  Heinrich  II.  im  Jahre  1005  das  königliche 
Gut  Schlierbach  (ebendas.  II,  71).  Dasselbe  gedieh  nicht  lange  darauf  an  das 
neue  Bistum  Bamberg. 

5)  M.  G.  DD.  II,  185. 

tj)  Font.  rer.  Austr.  2.  Abt.  XXXI,  63. 
7)  M.  G.  DD.  m,  188. 


Die  zweite  deutsche  Kolonisatioa  in  der  Ostmark.  311 

Attergau^),  wozu  1014  noch  einige  Lehnsgüter  des  Grafen  Geb- 
hard  im  Mattiggau  ^)  und  1018  das  Gut  Antiesen  (Münzsteuer)  ^) 
kamen,  so  dafs  der  Bamberger  Besitz  den  ganzen  Landstrich  vom 
Höhnhart  und  Kobernauserwald  bis  Unterach  und  Attersee  umfafste. 

Die  meisten  der  genannten  Grofsgrundbesitzer,  sowie  auch  der 
König  gaben  übrigens  einzelne  Güter  als  Lehen  weiter,  wodurch 
sich  die  Machtverhältnisse  vielfach  verschoben  und  spätere  Besitz- 
veränderungen angebahnt  wurden.  Südlich  der  Donau  kam  der 
Grundbesitz,  nachdem  das  Königsgut  nach  und  nach  aufgeteilt 
war,  zu  ziemlicher  Stetigkeit,  und  veränderte  sich  nur  durch  Vei'- 
sippungen  und  Vererbungen  in  den  Adelsfamihen.  Auch  auf  die 
Siedelung  hatten  die  Veränderungen  im  Besitzstande  wenig  Einflufs, 
da  das  Land  bereits  ziemlich  gut  kultiviert  und  ziemlich  dicht  be- 
wohnt war  und  seit  der  Niederlassung  der  Bayern  seine  Bevölke- 
rung nicht  mehr  gewechselt  hatte.  Nur  im  Attergau  gab  es  auch, 
wahrscheinlich  durch  das  Bistum  Bamberg  hierher  verpflanzt,  frän- 
kische Ansiedler,  wie  die  Ortsnamen  Frankenburg,  Frankenmarkt 
und  St.  Georgen  bezeugen,  ebenso  um  Wels  auf  den  Würzburger 
Besitzungen  ^).  Umfangreichere  Kulturarbeit  war  noch  im  Norden 
der  Donau  zu  leisten,  wo  der  dichte  Nordwald  noch  für  Jahr- 
hunderte hinaus  zu  schaffen  machte.  Aber  auch  hier  schritt  die 
Arbeit,  namentlich  von  den  Stiftern  und  Klöstern  betrieben,  rüstig 
fort  5). 

Interessanter  gestalteten  sich  die  Verhältnisse  bei  der  Neu- 
besiedelung  der  Ostmark  '').     Auch  hier  war  man  allerdings ,    wie 

1)  A.  a.  0.  III,  176. 

2)  A.  a.  0.  III,  395. 

3)  A.  a.  0.  II,  486. 

4)  Dafs  auch  der  Ortsname  St.  Georgen  für  fränkische  Ansiedelung  charak- 
teristisch ist,  darüber  vgl.  Nagl-Zeidler,  Deutsch-österreichische  Literatur- 
geschichte S.  69.  —  Des  weiteren  über  die  Ortsnamen  siehe  unten  S.  225  ff. 

5)  In  der  erwähnten  Urkunde  für  das  Kloster  Niedernburg  heilst  es  aus- 
drücklich, dafs  das  Gebiet  geschenkt  würde  „cum  silvis  exstirpatis  vel  adhuc 
stirpandis".  —  Vgl.  jetzt  als  einzige  bisherige  siedelungsgeschichtliche  Arbeit, 
Oberüsterreich  betreffend:  Ha  ekel,  Die  Besiedelungsverhältnisse  des  oberöster- 
reichischen Mühlviertels  in  ihrer  Abhängigkeit  von  natürlichen  und  geschicht- 
lichen Bedingungen  (Forschungen  zur  deutschen  Landes-  und  Volkskunde  VII.  Bd. 
1.  Heft)  (Stuttgart  1902). 

6)  Eine  zusammenfassende  Untersuchung  fehlt.    Für  den  Wiener  Wald  und 

14* 


313  Af'litos  Kapitel. 

wir  zum  Teil  schon  gesehen  haben,  bestrebt,  unmittelbar  an 
die  Zustände  M-ährend  der  Karolingerzeit  anzuknüpfen  und  die 
Ungarnperiode  durchaus  als  vorübergehende  Episode,  nicht  als 
eigentliche  Unterbrechung  dieser  Zustände  zu  behandeln,  wobei 
natürlich  die  grofsen  Stifter  und  Klöster,  die  an  keine  Kontinuität 
der  Personen  gebunden  waren,  einen  grofsen  Vorteil  gegenüber 
den  weltlichen  Grofsgrundbesitzern  besafsen,  von  denen  sich  kaum 
eine  Familie  seit  der  Karolingerzeit  erhalten  hatte. 

Wir  haben  schon  gesehen,  dafs  sich  die  Besitzergreifung  von 
Grund  und  Boden  von  selten  der  Stifter  und  Klöster  wenigstens 
in  dem  Lande  bis  etwa  zum  Wiener  Wald,  wo  die  Ungarninvasion 
die  deutschen  Ansiedelungen  nicht  ganz  zerstört  hatte,  auf  Grund- 
lage der  alten  Besitztitel  ziemlich  rasch  vollzog.  Wenn  man  es 
dabei  mit  den  Rechtsansprüchen  nicht  sehr  genau  nahm  und  die 
alten  Besitzungen  nach  Tunlichkeit  arrondierte  und  vergröfserte, 
so  hat  dies  weiter  nichts  auffallendes.  Wo  die  urkundlichen  Beweis- 
mittel nicht  zu  erbringen  waren,  half  man  sich  mit  Fälschungen, 
die  man  sich  nötigenfalls  vom  Könige  bestätigen  liefs. 

das  Wiener  Becken  besitzen  wir  jetzt  die  vorzügliche  Monographie  von  Gruml 
im  VII.  Bande  von  Pencks  „Geographischen  Abhandlungen".  Im  übrigen  ist 
man  noch  immer  auf  Meillers  Eegesten  angewiesen,  wobei  besonders  die  reichen 
Anmerkungen  zu  benutzen  sind,  dann  siehe  die  gute  Übersicht  bei  Büdinger 
S.  444 ff. ,  worauf  sich  alle  Folgenden  stützen.  In  Kürze  a  ich  Karamel,  Zur 
Entwickelungsgeschichte  der  weltlichen  Grundherrschaften  in  den  deutschen  Süd- 
ostmarken während  des  10.  und  11.  Jahrhunderts  (Historische  Untersuchungen, 
E.  Förstemann  zum  50jährigen  Doktorjubiläum  gewidmet  v.  d.  bist.  Gesellsch. 
in  Dresden,  Leipzig  1894,  S.  57)  und  die  leider  unvollendete  Arbeit  von  Wen- 
drinsky,  Besitzverhältnisse  zur  Babenbergerzeit  (Bl.  d.  Ver.  f.  Landesk.  XVI, 
1882).  Nachdem  es  heutzutage  jedermann  klar  ist,  von  welch  grundlegender 
Wichtigkeit  gerade  in  diesem  Lande  die  Besitzverhältnisse  für  die  Entwickelung 
nach  jeder  Eichtung  geworden  sind,  mufs  es  als  ein  Kuriosum  angeführt  werden, 
dafs  Juritsch  ün  Vorwort  zu  seiner  erst  1894  erschienenen  „Geschichte  der 
Babenberger"  den  leitenden  Satz  ausspricht,  er  schildere  die  Verhältnisse,  „ohne 
hier  auf  kleinliche  Erörterungen  über  etwaige  Besitzstandverhältnisse  .  .  .  näher 
einzugehen".  —  Über  einzelne  Fragen  gibt  wohl  auch  die  seit  dem  Jahre  1876 
vom  Verein  für  Landeskunde  von  Niederösterreich  herausgegebene  „Topographie 
von  Niederösterreich"  (bisher  5  Bände,  die  bis  zum  Buchstaben  M  reichen) 
Auf&cnlufs,  die  jedoch  bei  dem  Mangel  eines  einheitlichen  Planes,  dem  erst  in 
jüngster  Zeit  einigermafsen  Abhilfe  geschaffen  wurde,  in  bezug  auf  die  Siede- 
lungsgeschichte  manchmal  zu  wünschen  übrig  läfst. 


Die  zweite  deutsche  Kolonisation  in  der  Ostmark.  313 

Salzburg  zog  jedenfalls  seine  alten  Besitzungen  zu  Melk, 
Traismauer,  Loiben,  Hollenburg  an  der  Donau  und  Thernberg  im 
Püttener  Gebiet,  dazu  noch  einige  andere  wie  Arnsdorf  und  Grunz- 
wita  (Grunds)  ^)  wieder  an  sich,  und  legte  dann  eine  auf  Grund 
der  echten  Urkunde  von  860  angefertigte  angebliche  Urkunde 
König  Arnulfs  von  890  vor,  der  König  Otto  II.  im  Jahre  977  am 
1.  Oktober  unbedenklich  seine  Bestätigung  gab  ^),  obwohl  in  diesem 
Jahre  die  Wiedereroberung  der  Mark  noch  gar  nicht  zum  Püttenn' 
Gebiet  oder  gar  nach  Pannonien  hinein,  in  dem  gleichfalls  Salz- 
burgische Güter  bestätigt  wurden,  vorgeschritten  war  ^). 

Passau,  das,  wie  wir  sahen,  in  der  Karolingerzeit  nur  ge- 
ringen Besitz  westlich  des  Wiener  Waldes  oder  vielmehr  west- 
lich der  Traisen  in  dem  Gebiete,  das  zunächst  für  die  Neubesiede- 
lung  in  Betracht  kam,  innehatte,  beeilte  sich,  wenigstens  in  jener 
Gegend  an  der  Traisen,  wo  sein  Besitz  nachweisbar  war,  festen 
Fufs  zu  fassen,  und  Bischof  Pilgrim  liefs  sich  daher  zugleich  mit 
den  Klöstern  Kremsmünster  und  St.  Florian  auch  das  einzige 
Kloster  der  Mark,  St.  Polten,  —  eigentlich,  wie  es  scheint,  eine 
Gründung  Tegernsees  —  mit  der  Urkunde  vom  22.  Juli  976  ^) 
übertragen.  Auf  der  Synode  von  Mistelbach,  auf  die  ich  noch  in 
anderem  Zusammenhang  zurückkommen  mufs,  zwischen  983  und 
991  wird  aufser  Suammara  (St.  Marien  am  Sommareinbache  nord- 
östlich von  Neuhofen?)  auch  Wolfeswang  (Wolfsbach  nördlich  von 
St.  Peter  in  der  Au),  das  bekanntlich  schon  im  Jahre  903  an 
Passau  kam,  als  passauisch  bezeichnet  ^).    Im  Jahre  972  liefs  sich 

1)  Schon  978  im  Traditionsbuch  des  Klosters  St.  Peter  erwähnt  (Salzburger 
ÜB.  I,  253). 

2)  M.  G.  DD.  II,  185. 

3)  Ob  die  Schenkung  König  Konrads  II.  von  6  Hufen  in  „capite  fluminis 
Viscaha"  an  Salzburg  im  Jahre  1020  (Juv.  216)  auf  die  niederösterreichische 
Fischa  zu  beziehen  ist,  wie  man  früher  annahm,  oder  auf  die  Fischach,  den 
Ausflufs  des  Wallersees,  wie  Lampel,  Die  Mark  Putten  (Bl.  d.  Ver.  f.  Landesk. 
XXII,  166,  1888)  meint  (die  ältere  Annahme  wurde  schon  von  Becker  in  der 
„Topographie  von  Niederösterreich"  U,  122  angezweifelt),  läfst  sich  wohl  nicht 
mit  Sicherheit  erweisen ,  doch  neige  auch  ich  mich  zur  Ansicht  Lampeis ,  da 
Salzburg  lange  Zeit,  wie  es  scheint,  nichts  getan  hat,  um  in  der  Ostmark  neuen 
Besitz  zu  erwerben  (vgl,  auch  Hasenöhrl  a.  a.  0.  39,  Nr,  34). 

4)  Siehe  oben  ÜB,  d,  L.  o.  d.  Enns  U,  63. 

5)  M.  B.  XVmb,  Nr.  6. 


214  Achtes  Kapitel. 

das  Bistum  Weingärten  in  der  Wachau,  die  es  seinerzeit  von 
Ludwig  dem  Froramen  erhalten  hatte,  bestätigen  *).  Kirchbach 
und  die  Besitzungen  um  den  Kaumberg,  die  zu  den  allerältesten 
des  Stiftes  in  der  Mark  gehören,  finden  sich  allerdings  erst  in  der 
Bestätigung  König  Heinrichs  III.  vom  20.  Juli  1052  ^),  werden 
aber  wohl  schon  einige  Jahrzehnte  früher,  nachdem  sich  die  neue 
Mark  über  die  Traisen  ausgedehnt  hatte,  von  Passau  wieder  ein- 
frenommen  worden  sein.    So  hielt  sich  denn  auch  Passau  trotz  der 

o 

Skrupellosigkeit  eines  Mannes,  wie  es  Bischof  Pilgrim  war,  so  ziemhch 
innerhalb  der  alten  Ansprüche  ^).  Wesentliche  Erweiterungen  traten 
erst  unter  seinen  Nachfolgern  durch  reichliche  Schenkungen  ein. 
Im  Jahre  1007  erhielt  Bischof  Christian  auf  dem  Tauschweg  Albern 
und  Ernstdorf  östlich  der  Enns  *).  Bedeutend  war  jedoch  erst  die 
schon  oben  erwähnte  Erwerbung  der  Orte  Herzogenburg,  Krems, 
Tulln,  Sigemareswert  und  Uteinessee,  die  Kaiser  Heinrich  II.  um 
1014  dem  Bistume  mit  der  ausdrückhchen  Bestimmung,  dort 
Kirchen  zu  erbauen,  übergab  ^).     Von  grofser  Wichtigkeit  wurde 


1)  M.  G.  DD.  I,  577  (auch  H,  36). 

2)  ÜB.  d.  L.  0.  d.  Enns  II,  87. 

3)  Entgegen  der  seit  Dümmler  herrschenden,  durch  Uhlirz  (Mitt.  d. 
Inst.  f.  österr.  Gesch.  III,  181)  auf  diplomatischem  Wege  bekräftigten  Ansicht, 
dafs  die  Urkunde  über  den  Besitzstand  Passaus  vom  28.  Juni  823  in  ihrer 
doppelten  Fassung  eine  Fälschung  Bischof  Pilgrims  sei,  hat  Strnadt  in  seinem 
oft  zitierten  Aufsatz  in  der  Archivalischen  Zeitschrift  IX,  282  aus  inneren  Gründen, 
namentlich  auf  Grundlage  der  urkundlich  nachweisbaren  Besitzverhältnisse  es 
wahrscheinlich  zu  machen  gesucht,  dafs  die  Fälschung  in  der  längeren  Fassung 
nicht  vor  dem  12.,  die  kürzere  nicht  vor  Beginn  des  13.  Jahrhunderts  entstanden 
sein  dürfte.  Ich  glaube  allerdings,  dafs  in  der  Sache  noch  nicht  das  letzte  "Wort 
gesprochen  ist,  denn  die  diplomatische  Seite  miifste  mit  nochmaliger  Berück- 
sichtigung der  von  Uhlirz  gewonnenen  Ergebnisse  neuerdings  untersucht  werden. 
Fast  erscheint  es  auffallend,  dafs  Bischof  Pügrim,  der  rücksichtslose  Falsifikator, 
der  so  viele  Rechte  auf  Grundlage  gefälschter  Dokumente  in  Anspruch  nahm, 
nicht  auch  mit  ähnlichen  Mitteln  sich  in  den  Besitz  von  Grund  und  Boden  ge- 
setzt haben  sollte. 

4)  M.  B.  XXVinb,  327.  —  Das  dafür  hingegebene  Trevina  ist  nicht  Tre- 
bins  an  der  böhmisch-mährischen  Grenze,  wie  Hirsch,  Jahrbücher  des  deutschen 
Kelches  unter  Heinrich  H.,  Bd.  II,  248  erklären  will,  denn  wie  käme  Passau 
um  dj-vse  Zeit  zu  so  weit  entlegenem  Besitz,  sondern  befindet  sich  in  Kärnten 
(Ankershofen,  Gesch.  Kärntens  II',  85). 

5)  M.  G.  DD.  m,  397.    Siehe  auch  oben  S.  204. 


Die  zweite  deutsche  Kolonisation  in  der  Ostmark.  215 

auch  die  kaiserliche  Schenkung  des  Zehnten  in  dem  ganzen  Gebiete 
nördlich  der  Donau  vom  Jahre  1025,  wodurch  dem  Bistume  domi- 
nierender Einflufs  in  dieser  Hälfte  der  Mark  gesichert  wurde  i). 
Und  schon  im  Jahre  1045  empfängt  Bischof  Berengar  (1013  bis 
1045)  vom  Grafen  Rapoto  und  seiner  Gemahhn  Mathilde  dessen 
Gut  Ernstbrunn,  das  schon  bis  nahe  gegen  die  Marchgrenze  vor- 
geschoben lag  ^).  Die  rasche  Vermehrung  des  Passauer  Besitzes 
im  Viertel  unter  dem  Manhartsberg  werden  wir  in  einem  späteren 
Abschnitte  kennen  lernen,  hier  handelt  es  sich  zunächst  nur  um 
die  erste  Besitzergreifung  im  Lande. 

Besonders  grofsartig  und  für  das  Fortschreiten  der  Kolonisation 
in  der  Mark  interessant  waren  die  Erwerbungen  des  ßistumes 
Freising,  dem  gerade  zur  entscheidenden  Zeit  energische  und  ein- 
flufsreiche  Männer  —  so  von  1006  bis  1039  Egilbert,  der  für  König 
Konrads  IL  Sohn  Heinrich  das  Herzogtum  Bayern  verweste,  — 
vorstanden.  Auch  Freising  besetzte  jedenfalls  zunächst  seine  alten 
Güter  in  der  Wachau  (bei  Krems)  ^).  Im  Jahre  995  vertauschte 
es  sie  jedoch  teilweise  gegen  sechs  Königshufen  an  der  Ips  im 
Ulmerfeld  (Zudemaresfeld)  *),  in  dessen  Nähe  es  schon  um  980 
Mauer  bei  Öhling  erworben  hatte  ^).  Später  dehnte  es  diese  Be- 
sitzungen in  zweckmäfsiger  Weise  aup,  indem  es  nicht  nur  den 
Hof  Neuhofen  mit  30  Königshufen  von  Otto  III.  erhielt  •^),  sondern 
auch  nördlich  Ardagger  an  der  Donau  und  südhch  das  Gebiet 
„usque  ad  montan a  Carinthie  respicientia"  ^)  an  sich  brachte  und 
sich  1034,  bezw.  1049  vom  Kaiser  bestätigen  liefs  ^).  Freising 
ist  auch  das  erste   der  grofsen  Stifter,   das  sich  noch  vor  Passau 


1)  M.  B.  XXIX  a,  18.    Ebendas. 

2)  M.  B.  XXVIII  a,  211. 

3)  972  urkundlich  bezeugt,  indem  nach  dem  Diplom  Ottos  I.  für  Passau 
(M.  G.  DD.  I,  577)  die  Weingärten  dieses  Bistumes  in  der  Wachau  im  Osten 
an  den  Freisinger  Besitz  grenzen. 

4)  Fontes  rer.  Austr.  2.  Abt.  XXXI,  47.  —  M.  G.  DD.  II,  581. 

5)  Ebendas.  42. 

6)  1.  November  996.     Ebendas.  50.     M.  G.  DD.  II,  647. 

7)  Büdingerl,  454  vermutet  darunter  die  Höhe  des  Hoch-Pj-raberges.  — 
Die  nähere  Begrenzung  sucht  M  ei  Her,  Babenberger  Eegesten  195,  Anm.  30 
zu  bestimmen. 

8)  Font.  rer.  Austr.  2.  XXXI,  75  und  78. 


216  Äphtes  Kapitel. 

um  1030  im  Älarchteld  festsetzt  und  hier  ausgedehnte  Güter  von 
Lobau  an  der  Donau  (Insel  Sachsengang)  bis  nach  Orth  und  dem 
Hartwalde  erwirbt  ').  Im  Jahre  1033  erhielt  es  von  Kaiser  Kon- 
rad  II.  den  Hof  Alarum  '-'). 

Hinter  den  grofsen  Erwerbungen  Passaus,  Salzburgs  und  Frei- 
sings  stand  Regensburg  einigermafsen  zurück.  Wir  haben  zwar 
gesehen,  dafs  es  gleichfalls  sofort  bei  Wiederherstellung  der  Mark 
Gebiet  an  den  beiden  Erlaf  um  Steinakirchen  und  Wieselburg 
besetzte,  aber  dieses  gehörte  eigentlich  der  Abtei  Mondsee,  die 
ihr  nur  neu  zugewiesen  war.  Es  scheint  auch  hier  mit  Urkunden- 
fälschung gearbeitet  worden  zu  sein  ^),  und  zu  Beginn  des  1 2.  Jahr- 
hunderts wurde  das  Bistum  auch  in  der  Tat  genötigt,  das  unrecht- 
mäfsig  angeeignete  Gut  herauszugeben  *).  Nur  die  Besitzungen  an 
der  Erlafmündung,  die  schon  in  der  Karolingerzeit  regensburgisch 
gewesen  waren,  verblieben  ihm  ^).  Hier  war  Pechlarn  schon  zur 
Zeit  des  Markgrafen  Burkhard  in  seiner  Gewalt.  In  der  Nähe 
von  Wien  erhielt  Regensburg  1028  das  Gut  Simmering  durch 
private  Schenkung  ^).- 

Vorübergehend  während  des  11.  Jahrhunderts  gewann  auch 
das  Bistum  Eichstätt  Besitz  in  der  Mark  und  zwar  schenkte  ihm 
Kaiser  Konrad  II.  im  Jahre  1033  am  21.  Juli  zwanzig  Königs- 
hufen zwischen   dem  Kaumberg  und  der  Liesing  '') ,   also  in  dem 


1)  Ebendas.  69. 

2)  Ebendas.  73.  Gegen  die  gewöhnliche  Identifizierung  mit  Ollern  bei  Tulln 
Meiller,  Babenberger  Regesten  195,  Anm.  27,  weil  Freisinger  Besitz  hier  nicht 
weiter  nachweisbar  ist.  Er  verlegt  es  in  die  Nähe  der  genannten  Güter  bei  Sachsen- 
gang und  glaubt,  dafs  es  entweder  verschollen  oder  das  heutige  Albern  ist. 

3)  Die  Urkunde  Ottos  II.  von  979  (M.  G.  DD.  II,  231)  ist  zum  mindesten 
interpoliert  und  weist  starke  Rasuren  auf. 

4)  Siehe  die  Urkunde  König  Heinrichs  IV.  vom  27.  Februar  1104  (ÜB.  d. 
L.  0.  d.  Enns  II,  105).  Im  Jahre  1107  gibt  Bischof  Hartwig  die  Kirchen  von 
Wieselburg  und  Steinakirchen  tatsächlich  dem  Kloster  zurück  (a.  a.  0.  127). 

5)  M.  B.  XX Villa,  21. 

6)  M.  B.  IV,  160. 

7)  Ö  f e  1  e ,  Vermifste  Kaiser-  und  Königsurkunden  des  Hochstiftes  Eichstätt 
(Sitzungsber.  der  Münchener  Akademie,  philos.-philol.-histor.  Klasse  1893,  197. 
Nr.  V>).  Offenbar  ist  dies  derselbe  Eichstättische  Besitz,  an  den  die  grofse 
Schenkung  für  den  Markgrafen  Siegfried  im  Jahre  1043  angrenzte.  Durch  die 
Kenntnis  dieser  wichtigen  Urkunde,  von  der  leider  nur  noch  ein  Auszug  in  den 


Die  zweite  deutsche  Kolonisation  in  der  Ostmark.  317 

vorgeschobenen  Gebiete  an  der  damaligen  Grenze,  das  sich  um 
diese  Zeit  noch  wenig  der  gütererwerbenden  Grofsgrundbesitzer 
und  Ansiedler  erfreute.  Im  Jahre  1055  am  27.  März  kam  dann 
noch  die  Pottenburg  hinzu,  vermutlich  aus  dem  konfiszierten  Eigen 
Bothos,  eines  Bruders  des  Pfalzgrafen  Aribo,  der  in  den  Aufstand 
des  Bayernherzogs  Konrad  verwickelt  war  '). 

Die  mühevollere  kolonisatorische  Tätigkeit  im  Kleinen  über- 
nahmen zum  Teil  Mönche,  die  durch  die  Säkularisation  und  die 
Übergriffe  der  Bistümer  aus  ihrem  alten  Besitz  verdrängt  worden 
waren.  Allerdings  waren  nur  noch  zwei  bayerische  Klöster  lebens- 
kräftig genug  dazu:  Tegernsee  und  Niederaltaich ,  die  übrigens 
gerade  damals  unter  dem  energischen  Abt  Godehard  (997  — 1022), 
dem  Heiligen,  späteren  Bischof  von  Hildesheim,  in  einer  Hand 
vereinigt  waren. 

Tegernsee  gewann  nicht  nur  im  Jahre  1002  am  12.  November 
Güter  zu  Unterloiben  zwischen  Dürnstein  und  Stein  in  der  Wachau 
am  linken  Donauufer  ^),  sondern  auch  im  Jahre  1020  am  29.  Mai 
fünf  Königshufen  zwischen  Piesting  und  Triesting  3),  also  bereits 
südlich  über  den  Wiener  Wald  hinaus.  Vielleicht  auf  den  älteren 
Besitz  des  Klosters  gingen  dessen  Güter  bei  BLroisbach  zurück, 
zu  dem  ihm  am  18.  Juni  1011  sechzig  Königshufen  südlich  davon 
im  Ennswald  geschenkt  wurden  *). 

Niederaltaich,  das  zunächst  um  970  seinen  alten  Besitz  in  der 
Wachau  wiedereingenommen  hatte  ^),  finden  wir  schon  um  1011 
auf  vorgeschobenem  Posten  im  Viertel  unter  Manhartsberg ,  wo 
es  eine  Ansiedelung  gründete,  die  es  Abtsdorf  nannte  und  die  es 

alten  Kepertorien  vorhanden  ist,  während  das  Original  verloren  ging,  dürfte 
wohl  auch  die  ältere  Ansieht  Büdingers  (I,  456),  diese  Eichstättischen  Güter 
hätten  vielleicht  im  südöstlichen  Marchfeld  bei  Orth  und  Sachsengang  gelegen, 
berichtigt  sein. 

1)  A.  a.  0.  Nr.  16. 

2)  Mein  er  3,  6.  M.  G.  DD.  III,  228  (eigentlich  nur  die  Neuausfertigung 
von  ca.  1009  erhalten,  vgl.  Neues  Archiv  XX,  153 f.),  erneuert  9.  Januar  1019 
(M.  G.  DD.  III,  510). 

3)  Meiller  4,  2.     M.  G.  DD.  III,  552. 

4)  Mein  er  3,  7.  M.  G.  DD.  Ill,  268.  —  Tegernsee  blieb  im  Besitze 
aller  dieser  Güter  bis  zum  Jahre  1806. 

5)  Nach  der  schon  mehrfach  zitierten  Urkunde  für  Passau ,  dessen  Besitz 
in  der  Wachau  972  westlich  an  den  Niederaltaichs  grenzte  (M.  G.  DD.  I,  577). 


218  Achtes  Kiipitel. 

um  K^  Königsliufen  bis  Grafenwörth  längs  des  Wagrein  an  der 
Donau  vermehrte  '),  wozu  es  1019  noch  die  Donauinsel  erhielt^). 

In  der  Nähe  hatte  1021  das  Kloster  Weihenstephan  den  Land- 
strich von  der  Insel  Sachsengang  bis  Orth  von  Kaiser  Heinrich  III. 
erhalten^),  den  es  aber,  wie  oben  erwähnt,  schon  um  1030  an 
Freising  abtrat. 

Im  grofsen  und  ganzen  kann  man  sagen,  dafs  von  den  Stiftern 
und  Klöstern  bei  dieser  zweiten  Kolonisation  der  Mark  wieder 
dieselben  bayerischen  auftreten,  die  bei-eits  in  der  Karolingerzeit 
hier  Besitz  erworben  hatten,  und  dafs  sie  sich  nach  Möglichkeit 
bemühen,  ihren  alten  Besitzstand  wieder  zu  gewinnen.  Andere 
Stifter  und  Klöster  beteihgten  sich  nur  wenige  und  in  geringem 
Mafse  an  der  kolonisatorischen  Tätigkeit,  selbst  die  grofse  Lieblings- 
stiftung Kaiser  Heinrichs  II.,  das  Bistum  Bamberg,  erhielt  in  der 
Mark  keine  Güter,  denn  eine  Schenkung  von  dreifsig  Königshufen 
in  Gottinesfeld,  vermutlich  bei  Perchtoldsdorf,  an  den  Dompropst 
Poppe  im  Jahre  1015  *)  bezieht  sich  eben  nur  auf  die  Person  des 
letzteren,  der  der  Bruder  des  Markgrafen  Adalbert  war,  und  nicht 
auf  das  Bistum. 

Liegen  die  kirchlichen  Besitzverhältnisse  ziemlich  klar,  so  ist 
es  weit  schwieriger,  über  den  weltlichen  Grofsgrundbesitz  einen 
entsprechenden  Überblick  zu  gewinnen.  Das  urkundliche  Material  ist 
sehr  lückenhaft  erhalten,  die  Zusammenhänge  sind  für  diese  frühe 
Zeit,  da  noch  keine  Geschlechternamen  existieren  oder,  wenn  sie 
(seit  dem  11.  Jahrhundert)  auftreten,  schon  in  der  nächsten  Gene- 
ration, ja  selbst  mit  der  blofsen  Besitzveränderung  wechseln,  nur 
mit  grofser  Schwierigkeit  herzustellen,  und  jene  Wissenschaft,  die 
hier  den  Geschichtsforscher  unterstützen  sollte,  die  Genealogie, 
wurde  ganz  ähnlich  wie  seinerzeit  die  Prähistorie  lange  Zeit  so 
dilettantenhaft  betrieben,  dafs  sie  vielfach  mehr  verwirrend  als 
aufhellend  gewirkt  hat  ^).     Neben   den  Grafengeschlechtern  treten 

1)  Meiller  3,  8.     M.  G.  DD.  III,  265. 

2)  M.  G.  DD.  III,  518. 

3)  Meiller  5,  3.     Font.  rer.  Austr.  XXXI,  62.  —  M.  G.  DD.  III,  581. 

4)  Meiller  4,  10.  M.  G.  DD.  III,  398.  Über  die  vermutliche  Lage 
Grund  a.  a.  0.  S.  112. 

5)  Ein  typisches  Beispiel  ist  der  vielschreibende  Koch-Sternfeld,  der 
auf  beiden  Gebieten  wahrhaft  verheerend  gewirkt  hat. 


Die  zweite  deutsche  Kolonisation  in  der  Ostmark.  319 

Herrengeschlechter  auf,  die  zwar  gleichfalls  zu  dem  freien  Grofs- 
grundbesitz  gehören,  aber  ein  Grafenamt  nachweislich  nie  be- 
kleideten. Manchmal  sind  es  nicht  mehr  als  leere  Namen,  die 
^^ns  durch  die  Urkunden  überliefert  werden  und  mit  denen  wir 
beim  besten  Willen  nichts  anfangen  können,  in  anderen  Fällen 
läfst  sich  der  ungefähre  Zusammenhang  durch  Kombination  ver- 
muten, so  wenn  wir  beispielsweise  hören,  dafs  König  Otto  III. 
am  29.  April  998  einem  gewissen  Engilrich  seinen  Besitz  zwischen 
Tullner  und  Anzbach  ^),  oder  dafs  Kaiser  Heinrich  II.  am  1.  Juli 
1002  seinem  miles  Pilgrim  ein  Lehen  zu  Uwizinesdorf  (Enzers- 
dorf)  und  100  Mausen  aus  dem  in  der  Nähe  liegenden  Walde 
schenkt  2).  Im  ersteren  Falle  dürfte  man  es  mit  dem  Ahnherrn 
der  vermutlich  aus  Ob  er  Österreich  stammenden  Herren  von  Traisen 
zu  tun  haben,  die  später  ihren  Besitz  das  Traisental  aufwärts 
vergröfserten,  und  in  deren  Gebiet  die  Festen  Waldek,  nach  dem 
sich  ein  Zweig  benannte,  Starhemberg,  Rothengrub,  Schratten- 
stein und  Stolzen wörth,  sowie  die  Ortschaften  Dreistätten,  Geras- 
dorf, Willendorf,  Wopfing  und  Stellz  entstanden  ^).  Im  anderen 
Falle  haben  wir  vermutlich  ein  Mitglied  des  Hauses  Formbach 
vor  uns,  das  später  um  den  Bisamberg  stark  begütert  erscheint. 
Die  bayerischen  Geschlechter  setzten  sich  zuerst  im  Viertel  ober 
dem  Wiener  Walde  fest,  wie  die  Grafen  von  Peilstein,  Bogen, 
Piain  usw.,  die  erst  langsam  auch  über  die  Donau  ausgriffen. 
Persenbeug  scheint  um  970  dem  Geschlecht  der  bayerischen  Grafen 
Sempt- Ebersberg  gehört  zu  haben,  die  schon  um  die  Mitte  des 
11.  Jahrhunderts  ausstarben,   worauf  der  Besitz   an  ihr  Familien- 

1)  M.  G.  DD.  II,  711. 

2)  Meiller  3,  4.  M.  G.  DD.  III,  2.  —  Die  Erklärung  des  Ortsnamens 
für  Enzersdorf,  wie  sie  Bü  ding  er  I,  473  und  Hirsch,  Jahrb.  I,  284  ver- 
suchten, stützt  sich  auf  die  irrige  Lesart  Unvizinesdorf.  Das  Original  hat  aber 
ü u vizinesdorf,  wobei  „izi"  auf  Kasur  steht.  Eine  alte  Eandglosse  will  daher 
auch  erklären:  „Winesdorf".  Meiller  in  der  Anmerkung  zum  Regesten  verlegt 
es  ins  Viertel  ob  dem  Wiener  Wald.  —  Ebenso  fraghch  ist  der  Personenname, 
von  dem  nur  der  erste  Buchstabe  völlig  gesichert  ist,  während  „iligrimus"  gleich- 
falls auf  Easur  steht. 

3)  Über  diese  vgl.  Newald,  Geschichte  von  Guttenstein  (Wien  1870)  und 
Die  Grenze  zwischen  Steiermark  und  Österreich  (Bl.  d.  Ver.  f.  Landesk.  HI,  46, 
1869).    Was  dieser  von  ihrer  reichsunmittelbaren  Stellung  behauptet,  ist  sehr  vage. 


220  Achtes  Kapitel. 

kloster  Ebersberg  fiel  '),  aufserdem  Eisbach,  Asperhofen  und  Leng- 
bach. Endlich  haben  auch  die  Traungauer  Grafen,  die  wir  im 
Lande  jenseits  der  Enus  so  mächtig  aut  blühen  sahen,  in  der  Ost- 
mark in  dieser  frühen  Zeit  bereits  Besitz  erlangt.  Im  Jahre  1025 
am  11.  Mai  schenkte  Kaiser  Konrad  II.  dem  Grafen  Arnold,  seiner 
Gemahlin  Reginlinde  und  seinen  Söhnen  5ü  Mansen  in  Pfraraa 
zwischen  Donau  und  March  -).  Auch  bei  Wieselburg  an  der  Er- 
laf  sind  sie  begütert  ^). 

Und  doch  herrscht  die  Wahrscheinlichkeit,  dafs  wir  wenigstens 
in  einem  Falle  bei  dem  weltlichen  Grofsgrundbesitz  eine  Konti- 
nuität sogar  von  der  Karolingerzeit  her  nachweisen  können.  Ein 
mächtiges  Geschlecht  der  alten  Karolingermark  hatte  den  Magyaren- 
sturm überdauert,  da  es  beizeiten  über  die  Enns  ins  Mutterland 
zurückgegangen  war:  es  war  das  Geschlecht  des  Markgrafen  Aribo, 
das  in  mehreren  Linien  blühte  und  gedieh  *). 

Aus  den  späteren  Besitzverhältnissen,  die  uns  noch  näher  be- 
schäftigen werden,  können  wir  trotz  des  Mangels  an  urkundlichen 
Nachrichten  aus  älterer  Zeit  mit  ziemlicher  Sicherheit  zurück- 
schliefsen,  dafs  jener  Zweig  des  Geschlechtes,  der  die  Grafschaft 
Salzburggau  und  Chiemgau  innehatte,  bei  der  Neubesiedelung  des 
Markgebietes  gerade  in  dem  weniger  begehrten,  weil  noch  gröfsten- 
teils  dicht  bewaldeten  und  daher  mühsam  zu  kultivierenden  Gebiete 
im  Norden  der  Donau,  auf  dem  auch  von  der  Karolingerzeit  her 
nur  wenige  Besitztitel  ruhten,  wo  aber  möglicherweise  eben  Mark- 
graf Aribo  bei  seinen  Beziehungen  zu  dem  Mährerreich  bereits  sich 
festgesetzt  hatte,  zahlreiche  Güter  erworben  hat,  deren  Ausdehnung 


1)  Chartular  v.  Ebersberg  (Abhandlungen  d.  bayer.  Akad.  III.  Kl.  XIV, 
138)  und  Chron.  Ebersberg  (M.  G.  SS.  XX,  14). 

2)  Meiller  5,  4.     Mon.  Boic.  XXIX a,  12. 

3)  Nach  der  Vita  Adalberonis  c.  10. 

4)  Auch  in  dieser  Genealogie  ist  man  vielfach  zu  weit  gegangen,  und  noch 
im  Jahre  1897  konnte  Alois  Egger  eine  Untersuchung  (Das  Aribonenhaus)  ver- 
öfiFentlichen  (Archiv  f.  österr.  Gesch.  LXXXIII,  385),  worin  so  ziemlich  alle  da- 
maligen Adelsgeschlechter  mit  dieser  Familie  in  Zusammenhang  gebracht  werden.  — 
Ich  glaube  mich  mit  gewisser  Vorsicht  gegenüber  einigen  zu  weit  ausgreifenden  Hypo- 
thesen den  Ergebnissen  der  gründlichen  Arbeit  Heinrich  Wittes,  Genealogische 
Untersuchungen  zur  Eeichsgeschichte  unter  den  salischen  Kaisern,  II.  Kapitel, 
(Mitt.  d.  Inst.  f.  österr.  Gesch.  V.  Erg.-Bd..  371)  anschliefsen  zu  können. 


Die  zweite  deutsche  Kolonisation  in  der  Ostmark.  331 

wahrscheinlich  selbst  die  Erwerbungen  der  neuen  Markgrafen  ur- 
sprünglich übertrofFen  haben  dürften.  Diese  Güter  erstreckten  sich 
später  von  der  Grafschaft  Litschau  über  Neukirchen  am  Ostrong, 
Kavelsbach,  Meifsau,  St.  Leonhard  am  Forst  bis  herab  zur  Donau 
bei  Grafenwörth  einerseits  und  bis  in  die  Ernstbrunner  Gegend 
und  das  Marchfeld  im  Osten  andrerseits  *) ,  umfafsten  also  einen 
grofsen  Teil  der  beiden  Manhartsbergviertel.  Vielleicht  vereinigte 
schon  Sieghart  IV.  gegen  die  Mitte  des  11.  Jahrhunderts  diesen 
weitläufigen  Besitz  in  seiner  Hand,  worauf  die  zahlreichen  mit 
Siegharts-  zusammengesetzten  Ortsnamen  hinzuweisen  scheinen. 

Auffallend  ist  es,  dafs  Güter vergabungen  an  die  Markgrafen 
selbst  erst  verhältnismäfsig  spät  und  wenige  vorkommen ;  allerdings 
wählten  die  Könige  zu  diesem  Zwecke  absichtlich  die  Grenzgebiete 
gegen  Ungarn  und  das  polnische  (später  böhmische)  Reich  in 
Mähren  aus,  um  die  Interessen  der  Reichspolitik  mit  dem  privaten 
Interesse  der  Markgrafen  zu  verbinden.  Erst  am  1.  November  1002 
schenkte  Kaiser  Heinrich  IL  dem  Markgrafen  Heinrich  22  Hufen, 
die  sich  dieser  nach  freiem  Ermessen  zwischen  Kamp  und  March 
aussuchen  konnte,  und  das  Gebiet  zwischen  der  dürren  Liesing 
und  Triesting,  das  etwa  18  Quadratmeilen  umfafste  ^).  Und  erst 
33  Jahre  später,  am  10.  Juni  1035,  hören  wir  wieder  von  einer 
königlichen  Schenkung  in  derselben  Gegend:  50  Hufen  zwischen 
Piesting  und  Triesting  ^).  Der  Grund  liegt  wohl  in  dem  Wechsel 
der  Dynastie  auf  dem  Kaiserthrone.  Denn  Kaiser  Konrad  II.  wollte 
die  Macht  seines  eigenen  Hauses  in  Süddeutschland  fester  begründen, 
indem  er  nach  dem  Tode  des  Bayern herzoges  Heinrich  Bayern 
seinem  eigenen  10jährigen  Sohne  Heinrich  zusprechen  liefs  und 
dafür   die   bereits    bedenklich    angewachsene    Macht    der    Baben- 

1)  Dafs  bei  Ladendorf  nicht  grofser  Besitz  der  Herren  von  Schala- Burg- 
hausen lag,  wie  Witte  und  vor  ihm  schon  Filz,  Geschichte  von  Michelbauern 
II,  301  und  701  glauben,  hat  Lampel  (Bl.  d.  Ver.  f.  Landesk.  XXXV,  94,  1901) 
gezeigt,  indem  er  nachweist,  dafs  unter  dem  Ladestorf  der  Freisinger  Traditions- 
bücher nicht  Ladendorf,  sondern  Loosdorf  zu  verstehen  ist. 

2)  M  ei  Her  3,  5.  M.  G.  DD.  III,  25.  —  Welches  Gebiet  sie  zwischen 
Kamp  und  March  wählten,  ist  nicht  festzustellen,  da  später  die  Markgrafen  hier 
vielfach  begütert  waren.  Möglicherweise  ging  dieser  erste  Besitz  in  den  Wirren 
der  nächsten  Jahrzehnte  ihnen  zunächst  wieder  verloren. 

3)  Meiller  5,  8. 


338  Achtes  Kapitel. 

berger  —  sie  hatten  Schwaben  und  die  Markgrafschaft  von  Turin 
an  sich  gezogen  —  einzudämmen  suchte.  Er  begünstigte  daher 
in  der  Ostmark  ihnen  gegenüber  andere  Adelsgeschlechter  wie  die 
Burghausen  oder  die  Formbacher.  Erst  gegen  Ende  seiner  Re- 
gierung nach  der  Erhebung  Adalberos  von  Kärnten  besserten  sich 
seine  Beziehungen  zu  den  Babenbergern. 

Dagegen  raufs  es  als  sehr  bezeichnend  und  für  die  Entwicke- 
lung  der  Mark  bedeutsam  festgehalten  werden,  dafs  der  Herzog 
von  Bayern  keinerlei  Besitzungen  im  eigentlichen  Markgebiet 
gewann.  Die  einzige  Schenkung  an  Herzog  Heinrich  von  Bayern^ 
die  Güter  auf  österreichischem  Boden  betrifft,  ist  die  Urkunde 
Kaiser  Ottos  HI.  von  998,  worin  jenem  ein  Gut  bei  Nöchling  über- 
tragen wurde  ^\  und  dieses  NöchHng  liegt  im  Mühlkreis  Oberöster- 
reichs, also  in  dem  nordwestlichen  Hinterland  der  eigentlichen 
Ostmark. 

Werfen  wir  nun  nochmals  einen  kurzen  Rückblick  auf  die 
urkundlichen  Nachrichten  über  die  Neubesiedelung  der  Ostmark, 
so  haben  wir  zunächst  zwei  Etappen  zu  unterscheiden:  die  eine, 
gegen  das  Jahr  1000  abgeschlossen,  ist  die  Wiederbesetzung  der 
alten  Karolingermark  im  Süden  der  Donau  und  bis  über  den  Wiener 
Wald  hinaus,  die  zweite  bringt  dann  den  Vorstofs  zunächst  im 
Südosten  zur  Leithagrenze ,  dann  über  die  Donau  hinüber  nord- 
östlich zur  Marchgrenze.  In  dem  Gebiet  zwischen  Er  us  und  Traisen, 
das  im  wesentlichen  das  ursprüngliche  Markgebiet  ausmachte,  wie 
es  Burkhard  verwaltete,  wurden  einfach  die  Besitzverhältnisse 
der  Karolingerzeit,  die  ja  vermutlich  auch  während  der  Ungarn- 
episode, so  gut  es  eben  bei  dem  Mangel  einer  geordneten  Ver- 
waltung und  unter  den  fortwährenden  Durchzügen  der  Magyaren 
ging,  aufrechterhalten  wurden,  wiederhergestellt,  die  Rechtstitel  er- 
neuert, der  Bewirtschaftung,  die  in  der  Zwischenzeit  wohl  im  argen 
gelegen  hatte,  neue  frische  Kräfte  zugeführt.  Es  war  das  Gebiet 
der  grofsen  bayerischen  Bistümer  Salzburg,  Regensburg,  Passau 
und  Freising,  von  denen  die  beiden  letzteren  auch  noch  darüber 
hinaus  strebten.  Neben  ihnen  gelang  es  einigen  bayerischen  Grafen- 
geschlechtern,    hier    vereinzelte    Besitzungen    zu    erwerben.      Den 

1)  M.  G.  DD.  n,  710. 


Die  zweite  deutsche  Kolonisation  in  der  Ostmark.  323 

Klöstern,  die  hier  zur  Karolingerzeit  begütert  waren,  liefsen  sie 
keinen  Raum,  auch  waren  die  meisten  derselben  unterdessen  in 
Verfall  geraten.  Nur  zwei,  Niederaltaich  und  das  am  Ende  der 
Karolingerzeit  in  der  Mark  auftretende  Kloster  Tegernsee  ver- 
mochten eine  kolonisatorische  Tätigkeit  aufzunehmen,  doch  waren 
sie  genötigt  in  die  gefährdeten  Grenzgegenden  vorzurücken.  Diese 
Grenzgegenden  und  das  Waldgebiet  im  Norden  der  Donau  blieb 
auch  den  weltlichen  Grofsgrundbesitzern  überlassen.  Unter  ihnen 
nehmen  zwei  Famihen,  offenbar  von  den  Königen  aus  militärischen 
Gründen  besonders  begünstigt,  alsbald  eine  hervorragende  Stellung 
ein:  das  Geschlecht  der  Markgrafen  selbst,  das  recht  eigentlich 
die  Grenzwacht  übernehmen  mufs,  und  das  Geschlecht  der  Grafen 
im  Salzburggau,  der  späteren  Burghausen-Schala ,  das  möglicher- 
weise an  altes  aribonisches  Familienerbe  anknüpfend,  im  Norden 
der  Donau  ausgedehnte  Besitzungen  erwarb.  Im  übrigen  sind  es 
Lehnsträger  des  Königs  und  des  Markgrafen,  die  hier  Land  ge- 
wannen. 

Aufser  den  Urkunden  bieten  noch  die  Ortsnamen  und  ge- 
wisse Siedelungsformen,  wie  Flureinteilung,  Dorfanlage,  Hausbau, 
so  weit  sie  heute  nach  mancherlei  Umwandlungen  noch  die  ur- 
sprüngliche Gestaltung  erkennen  lassen,  endlich  vielleicht  Dialekt, 
Sitten  und  Gebräuche  einige  Anhaltspunkte  für  die  Kolonisation 
und  ihr  Wesen.  Freilich  hat  selbst  die  Ortsnamenforschung,  die 
verhältnismäfsig  noch  am  weitesten  gediehen  ist,  noch  immer  zu 
wenig  feste  Grundlagen,  um  gesicherte  Ergebnisse  zu  liefern  und 
alle  Widersprüche  zu  lösen.  Auf  den  anderen  Gebieten  ist  erst  für 
einen  kleinen  Teil  des  Landes  ein  verheifsungsvoller  Anfang  ge- 
macht ^),  eine  systematische,  alle  Gesichtspunkte  zusammenfassende 
Untersuchung    über   das    ganze    Land   fehlt:    es    wäre   gewifs    ein 

1)  Es  ist  die  schon  mehrfach  erwähnte  ausgezeichnete  Untersuchung  von 
Grund,  Die  Veränderungen  der  Topographie  im  Wiener  Wald  und  Wiener 
Becken,  die  ganz  neue  Perspektiven  eröffnet  hat.  Nebenbei  behandelt  wird  die 
Besiedelungsgeschichte  auch  bei  Krebs,  Die  nördlichen  Alpen  zwischen  Eons, 
Traisen  und  Mürz  (Leipzig  1903;  in  derselben  Sammlung  VIII,  2).  Eine  Eeihe 
anderer  ähnlicher  Untersuchungen  sind  im  Zuge.  Ich  verweise  hier  insbesondere 
auf  eine  Dissertation  von  Heilsberg,  Siedelungs-  und  Wirtschaftsgeschichte 
des  Waldviertels,  die  noch  ungedruckt  ist,  mir  aber  vom  Verfasser  in  zuvor- 
kommender Weise  zur  Verfügung  gestellt  wurde. 


VH  Achtes  Kapitel. 

mühevolles  und  an  Enttäuschungen  reiches  Beginnen,  aber  es 
mufs  endlich  in  Angriff  genommen  werden.  Bei  diesem  Stande 
der  Forschung  möge  man  es  mir  zugute  halten,  wenn  ich  mich 
auf  wenige  Andeutungen  beschränke,  die  möglicherweise  später 
einmal  widerlegt,  gewifs  im  einzelnen  korrigiert  Averden,  die  aber 
auch  möglicherweise  einer  künftigen  Forschung  wertvolle  Finger- 
zeige bieten.  Die  Ausführungen,  namentlich  aber,  wie  schon  ge- 
sagt, die  Beispiele  beziehen  sich  selbstverständlich  auf  die  ganze 
Folgezeit,  ich  glaube  sie  aber  gerade  hier  am  Beginn  der  Ent- 
wickelung  am  besten  einreihen  zu  können.  Wir  werden  sie  für 
das  Spätere  im  Auge  behalten  müssen. 

Neben  den  geringen  Teilen  des  Landes,  die  in  festen  Händen 
geblieben  waren  oder  doch  wenigstens  rasch  wieder  an  die  alten 
Besitzer  zurückgelangten,  und  die  recht  und  schlecht,  wenn  auch  bei 
den  drangvollen  Verhältnissen  in  recht  dürftiger  Weise  bewirtschaftet 
wurden,  und  neben  dem  früheren  Kulturlande,  das  zwar  über  ein 
halbes  Jahrhundert  verwildert  war,  aber  das  doch  die  Neukultivie- 
rung erleichterte,  gab  es  in  Osterreich  noch  immer  ungemein  aus- 
gedehntes, zusammenhängendes  und  dichtes  Waldgebiet,  das  noch 
auf  Jahrhunderte  hinaus  reichliche  Gelegenheit  zu  Rodungen  und 
zur  Gewinnung  von  neuem  Ackerland  bot.  Im  Lande  ob  der 
Enns  zog  sich  der  Passauer  Wald  bis  Aschach,  aufserdem  finden 
wir  südhch  der  Donau  noch  den  Weilhart  und  Höhnhart,  den  Haus- 
ruck, den  Kobernauserwald,  den  Kefslerwald  und  den  Kremswald, 
östlich  von  der  Enns  den  noch  immer  sehr  bedeutenden  Ennswald, 
woran  sich  der  Wiener  Wald  schlofs,  der  noch  heute  einen  grofsen 
Teil  der  beiden  Viertel  ob  und  unter  dem  Wiener  Wald  erfüllt. 
An  der  Traisen  gegen  Steiermark  wird  der  Houperg  als  Wald 
genannt.  Das  Püttener  Gebiet  hiefs  ebenso  Waldmark  wie  das 
Grenzland  gegen  Böhmen  ^).  Im  Norden  der  Donau  war  der  Nord- 
wald, der  riesige  Komplex  zwischen  Rotel  und  Kamp,  erst  ganz 
dürftig  gelichtet  und  besiedelt  ^).  Im  Viertel  unter  Manhartsberg 
dürfte  der  Mailberger   und   der  Ernstbrunner  Wald   damals  noch 


1)  Siehe  Lampel,   Über  die  Mark  Putten  (Bl.  d.  Ver,  f.  Landesk.  XXII, 
133,  1888). 

2)  Einzelne  Teile  hatten   eigene  Benennungen,   so  der  Raabser  Wald,  das 
„desertum  ad  Grie"  u.  a.  m. 


Die  zweite  deutsche  Kolonisation  in  der  Ostmark.  335 

bedeutende  Ausdehnung  gehabt  haben.  Selbst  im  Marchfeld  wird 
eine  Silva  Hart  erwähnt.  Ebenso  mufste  das  Sumpfland  um  Wiener 
Neustadt  und  an  der  Leitha  erst  langsam  der  Bewirtschaftung 
gewonnen  werden.  Im  allgemeinen  kann  man  sagen,  dafs  sich  die 
Neubesiedelung  in  den  ersten  Jahrzehnten  in  der  Ebene  fortbewegte 
und  noch  nicht  ins  Gebirgs-  und  dichtere  Waldland  vordrang  ^). 
Wie  häufig  bei  Kolonisationen  erkannten  die  Ansiedler  nicht  immer 
auf  den  ersten  Blick  die  günstigen  Siedelungsplätze  und  die  Ertrag- 
fähigkeit des  Bodens.  Das  hatte  die  für  die  ferneren  Schicksale 
des  Landes  so  schwerwiegende  Folge,  dafs  sich  viele  ursprüngliche 
Ansiedelungen  später  nicht  mehr  halten  liefsen  und  früher  oder 
später  wieder  aufgegeben  werden  mufsten. 

Auch  jetzt  erscheint  der  König  wie  in  der  Karolingerzeit  als 
oberster  Eigentümer  der  neuerworbenen  Läudereien.  Bis  zur  Mitte 
des  11.  Jahrhunderts  dauern  die  massenhaften  und  reichlichen 
Schenkungen  an  welthche  und  geistliche  Grofse,  wobei  Heinrich  H. 
und  wohl  auch  sein  Nachfolger  Konrad  H.  die  Kirche  bevorzugen, 
während  Heinrich  HI.  mehr  den  weltlichen  Grundbesitz  vermehrte. 
Der  Grund  und  Boden  wurde  nach  wie  vor  in  Königshufen  aus- 
getan, jedoch  zumeist  in  so  grofsen  Komplexen,  dafs  bei  der  Be- 
siedelung  eine  möglichst  gleichmäfsige  Flurverteilung  erfolgen  konnte: 
Acker,  Wiese  und  Wald  in  langen  Streifen  bis  zur  Flurgrenze. 
Die  Gemengelage  der  Parzellen  findet  sich  im  wesenthchen  im 
Viertel  ob  dem  Wiener  Wald,  wo  sich  die  alte  Flureinteilung 
aus  der  Karolingerzeit  erhalten  hat  ^). 

Ich  will   nun   zu  den  Ortsnamen  ^)   übergehen,   weil   sie   uns 

1)  Zu  diesem  Ergebnis  kommt  Grund  a.  a.  0.  65. 

2)  Inama-Sternegg,  Deutsche  "Wirtschaftsgeschichte  II  (Leipzig  1891), 
bes.  S.  9  ff.  Nach  seiner  Berechnung  sind  zwischen  Enns  und  Leitha  während 
<les  Zeitraumes  von  ca.  950 — 1058  an  500  Königshufen  verteilt  worden.  Als 
Beispiel  einer  ganz  neuartigen  gleichmäfsigen  Fluranlage  kann  Tallesbrunn  gelton 
(Inama-Sternegg  in  den  Mitt.  d.  anthropol.  Gesellsch.  1896).  Vgl.  dazu 
Meitzen  a.  a.  0.  II,  390. 

3)  Das  bahnbrechende  Werk  für  die  neuere  Ortsnameuforschung  in  Deutsch- 
land ist  bekanntlich  Arnold,  Ansiedelungen  und  Wanderungen  germanischer 
Stämme  hauptsächlich  in  hessischen  Ortsnamen  (1875),  dessen  Ergebnisse  aller- 
dings in  jüngster  Zeit  stark  angefochten  werden  (siehe  unten  S.  231).  Für  Nieder- 
österreich hat  Richard  Müller  mit  seinen  „Vorarbeiten  zur  altösterreichischeu 

Yancsa,  Geschichte  Nieder-  u.  Oberösterreichs.  lu 


ooß  Achtes  Kapitel. 

einen  allgemeinen  Überblick  über  die  kolonisatorische  Tätigkeit 
geben  und  zugleich  vom  Allgemeinen  zu  Besonderheiten  hinüberleiten. 
Zunächst  heftet  sich  der  Name  an  die  Bodengestaltung  und  den 
natüi'lichen  Bestand.  Ich  sehe  von  den  allgemein  verbreiteten  Be- 
zeichnungen (Berg,  Bach  u.  dergl.)  ab;  charakteristischer,  weil  lokaler 
gebraucht,  sind  schon  die  Bezeichnungen  Hag,  Brühl,  Bühel  in  der 
Form  Bichel  oder  Pichel,  Kogel,  Leiten  (Abhang).  Auf  die  aus- 
gedehnten Wälder,  die  die  neuen  Ansiedler,  namentlich  im  Lande 
nördlich  der  Donau,  fanden,  und  die  zum  Teil  noch  von  reifsen- 
den Tieren  bevölkert  waren,  deuten  die  vielen  Waldbezeichnungen, 
Baum-  und  Wildnamen  in  Zusammensetzungen  mit  Eich  (Aich), 
Buch,  Birk  (Pirken,  auch  Pyrha,  Pyrawarth,  Pürnstein),  Ahorn, 
Eiben,  Tann  (Thann),  Fichte,  Kien,  Linden,  Eschen,  Hasel,  Kra- 
nabet^),  dann  Wild:  Hirschen,  Hinde  (Hintberg),  Reh,  Hasen, 
Dachs,  Aar,  Igel,  Geier,  Kranich,  Sperber  2),   Dohle  3),  Rabe  ^), 

Namenkiimde"  (siebe  oben  S.  107 ,  Änm.  2)  eine  tüchtige  Grundlage  geschaffen, 
obwohl  er  mit  etwas  einseitiger  Anwendung  des  grammatikalischen  Prinzipes  sich 
vielfach  verrannte  und  gar  manches  unentschieden  lassen  mufste,  und  obwohl  hier 
die  Nutzanwendung  auf  die  Siedeluugsgeschichte  und  diq  letzten  wichtigen  Fragen 
nicht    gezogen    ist.     Wie  schon   erwähnt,    steht   das  Erscheinen   eines    „Öster- 
reichischen  Ortsnamenbuches"   von   ihm  bevor.     Für  Oberösterreich    ist   bisher 
noch   nicht  einmal   ein    erster  Versuch  einer  Ortsnamenforschung   unternommen 
worden.  —  Sehr   zutreffende   allgemeine  Gesichtspunkte  im  Kahmen  eines  kurzen 
Aufsatzes  gab  Ked lieh,  Über  Ortsnamen  der  östlichen  Aipenländer  und   ihre 
Bedeutung  (Zeitschr.  d.  deutsch,    u.   österr.   Alpenvereines  XXVIII,    72,  1897). 
Siehe  auch  Dop  seh  in  der  Einleitung  zur  Ausgabe  der  Österreichischen  Urbare 
S.  CXXVII  und   besonders  CXLVff.     Für  einen  Teü   des  Landes  (Wiener  Wald 
und  Wiener  Becken)  hat  jetzt  Grund  a.  a.  0.  106  eine  eingehende  Untersuchung 
angestellt,  auf  die  hier  nachdrücklich  verwiesen  werden  soll.    Da  es  mich  zu  weit 
geführt  hätte,  in  derselben  Weise  das  ganze  Land  zu  durchforschen,  so  schlage 
ich  einen  anderen  mehr  allgemeinen  Weg  ein,  der,  wie  ich  gerne  zugebe,  nicht 
80  gründlich  ist,   aber  im   aUgemeinen   orientieren    dürfte.     Meine   Darlegungen 
gelten,  wenn  nichts  ausdrücklich  bemerkt  ist,  sowohl  für  Nieder-  als  auch  für  Ober- 
österreich.   Übrigens  mufs  betont  werden,  dafs  eine  ganz  aufserordentlich  grofse 
Anzahl  von  Ortsnamen  in  beiden  Ländern  übereinstimmen  oder  doch  auf  dieselben 
Grundworte  zurückgehen,  was  aUerdings  bei  den  nahen  Beziehungen  beider  Länder 
namentlich  hinsichtlich  der  grundbesitzenden  Adelsfamüien  weniger  auffäUt. 

1)  Wacholder. 

2)  Nach  Müller  in  Sparbach,  ursprünglich  Sparwaersbach. 

3)  In  der  Form  Dahe  in  Tachenstein. 

4)  Aufser  in  der  jetzigen  Form  auch  in  der  Form  Kam  (Ramsau)  aus  Hraban. 


Die  zweite  deutsche  Kolonisation  in  der  Ostmark.  237 

Falken,  besonders  Wolf,  Fuchs,  Eber,  Bären  (Bern)  ^).  In  die 
Niederungen  gegen  die  Donau  (Tullnerfeld),  die  Thaya,  das  March- 
feld  und  die  Leithagegend ,  die  damals  noch  vielfach  von  aus- 
gedehnten Sümpfen  bedeckt  waren,  führen  die  Namen  Laa,  Lach, 
Laken  (spez.  niederösterreichisch),  See,  Wasser,  Moos,  Koth,  Rohr, 
Au,  Teich,  Weiher,  Wörth,  Gries,  Schutt,  Wagrein  (Wagram), 
beziehungsweise  Sarasdorf  =*) ,  Hollabrunn  2),  Felber  (Velm,  Fella- 
brunn-^)),  Erlen,  Zeina(ch)  •'),  Weiden,  Weidach  u.  dgl.,  die  zum 
Teil  nur  spezifisch  österreichisch  sind.  Bei  vielen  dieser  Orte  findet 
sich  heute  keine  Spur  mehr  von  Wald,  Wasserläufen,  Sümpfen  oder 
dergleichen. 

Interessant  werden  die  Ortsnamen,  wenn  sie  uns  direkt  über 
die  Tätigkeit  des  Ansiedlers  unterrichten.  Da  haben  wir  vor  allem 
die  zahlreichen  Rodungen:  Schlag,  Holz,  Reith  (Reut,  Greith, 
Kreith),  Stock  (Stockerau,  Stockach,  Gstockert),  Zagel(au)  *^),  Axt  ^j, 
Gschwendt  (Gschwandt)  ^),  Brand.  Dann  die  Anpflanzungen  selbst: 
Wies,  Wiesmath,  Anger,  Waasen,  Mais  (Jungwald),  die  Teilung 
von  Grund  und  Boden  im  Landwirtschaftsbetrieb :  Parz ,  Ried, 
Rüsten,  Bruch,  Point,  Wang,  Hub  und  Lehen  ^)  und  die  Ortsnamen 
nach  den  Kulturpflanzen  in  Zusammensetzungen  mit:  Hafer  in  der 
österreichischen  Form  Haber,  Weizen,  Korn,  Flachs,  Hanf  (Hanef ), 
Roggen ,  Linsen ,  Erbsen  (in  der  Form  Arbes  oder  Arbers),  Kohl, 
Klee,  Heu,  in  Oberösterreich  auch  Hopf,  speziell  Obstbäume:  Apfel 
(Apfaltern),  Biernbaum,  Weichsel  (Weixel),  Dirndeln  ^^),  Nufsbaum, 


1)  Freilich  sind  verschiedene  dieser  Tiernamen  auch  als  Personennamen  in 
Gebrauch  gekommen. 

2)  Sarach  =  Röhricht. 

3)  Nach  Müller  aus  der  österreichisch-bayerischen  Form  für  HoUunder  — 
Holler,  wovon  er  selbst  Hollenstein  ableitet. 

4)  Die  drei   letzteren  aus  Felber,  einer  österreichischen   Bezeichnung   der 
Uferweide. 

5)  Röhricht. 

6)  Stocken,  Ausholzen;  die  liegen  gelassenen  Äste  heifsen  Zagel. 

7)  In:  Aggsbach. 

8)  Dieser  wie  der  folgende  Ausdruck  deutet  auf  die  Holzungen  durch  Aus- 
brennen. * 

9)  Point  und  Wang  sind  eingehegte  Grundstücke. 

10)  Die  Kornelkirsche ;  nach  Müller  auch  in  Thernberg  und  Dümstein. 

15* 


328  Aditos  Kapitel. 

Kirschen  (bayer.  österr.  Kersch),  Kietzen  '),  auch  allgemein  Baum- 
garten, endlich  ^^■cin  (^^'einzierl,  Weinzettel,  Weinberg,  Weingarten), 
und  damit  in  Verbindung  Maisch,  KufFarn  iKufe).  Auf  die  rege 
Viehzucht  -weisen  die  Zusammensetzungen  mit:  Hirten,  Vieh,  Küh, 
Kälber,  Ochsen,  Gais,  Bock,  Schaf,  Hammel,  Schwein,  Sau,  Gans 
(Gänsern),  Enten,  Hahn,  Henne,  Esel,  Hengst,  Stute  ^),  Füllen,  auch 
Hund  und  Katzen  (Katzel),  auf  die  schwunghaft  betriebene  Bienen- 
zucht: Bienen,  Immen,  Honig  (in  der  spez.  öster.  Form  Honig), 
Zeideln  (Zeillern).  Endlich  sei  noch  der  Zusammensetzungen  mit 
Fisch,  Fischer,  Krois  (Krebs),  mit  Mühl,  Müller,  Mehl,  mit  Stadl 
(Scheune),  Schober,  Käse  (in  der  österr.  Form  Kas)  und  der  vielen 
mit  Maier  (Meier,  Mayer)  gedacht.  Die  Art  der  Ansiedelung  betonen 
die  Bezeichnungen  Hof,  Burg,  Dorf,  Markt,  später  Stadt,  wobei 
sich  ein  interessanter  entwickelungsgeschichtlicher  Rückblick  ergibt, 
wenn  Orte,  die  den  Namen  Hof  (Höflein),  Hofstätten  führen,  heute 
ansehnliche  Dörfer  und  Märkte  sind.  Auch  nähere  Bestimmungen 
wie:  Kaiser-,  König-,  Herzog-,  Grafen-,  Herren-,  Knecht-,  Frohn-, 
Frei-,  ferner  Pfaffen-,-  Pfarr-,  Nonn-,  Mönchs-,  Kloster-,  Abts  ,  sind 
vielfach  von  Bedeutung.  Später  gesellen  sich  noch  Handvverker- 
bezeichnungen  hinzu:  Bäcker-,  Schreiner-,  Schuster-,  Wagner-, 
Weber-,  Schmied-,  Wirt-.  Der  Bergbau  in  Oberösterreich  drückt 
sich  in  den  Zusammensetzungen  mit  Eisen  und  Hall  (Salz)  aus. 
Die  zunehmende  Besiedelung  und  die  Abzweigung  der  Siedelungen 
bringt  dann  auch  die  Doppelbezeichnungen  mit  den  so  mannig- 
faltigen entscheidenden  Zusätzen  wie  Alt  und  Neu,  Klein  und 
Grofs,  Ober  und  Nieder  oder  Unter,  Mitter,  Aufser  und  Inner  usw. 

Alle  diese  Ortsnamen  gehören  zu  der  grofsen  Gruppe,  die 
ich  als  die  „redenden"  bezeichnen  möchte.  Eine  andere  Gruppe, 
auf  die  sogleich  näher  einzugehen  ist,  bilden  die  von  Personennamen 
abgeleiteten,  von  den  Namen  der  Begründer  der  Ansiedelung,  der 
Führer  der  Kolonen,  der  weltlichen  Grofsgrundbesitzer.  Sie  zerfallen 
wieder  in  solche  mit  Zusammensetzungen  und  in  solche,  die  reine 
Genetivformen  mit  zu  ergänzendem  Bestimmungswort  zeigen. 

Eine  kleine  Anzahl  von  Ortsnamen  bietet  eine  direkte  Angabe 
über    die,  Stammeszugehörigkeit    der    Ansiedler.      Wir   haben   in 

1)  Getrocknete  Pflaumen. 

2)  Stopfenreith  soll  von  Stut-(Ge8tüt)  pferrich(pferch)  abzuleiten  sein. 


Die  zweite  deutsche  Kolonisation  in  der  Ostmark.  339 

Niederösterreich  sechs  Orte,  die  nach  Bayern  benannt  sind  (Payer- 
bach;  Bayerdorf,  Bayerhof,  Bayerhofstatt,  Bayermühle,  Payerstetten), 
fünf  nach  Franken  (Frankenfels,  Frankenhof,  zwei  Frankenreith, 
Frankaslehen),  sieben  nach  Schwaben  (Schwabenleithen,  Schwaben- 
dörfel,  Schwabenhof,  Schwabenöd,  Schwabenreith,  zwei  Schwadorf), 
fünf  nach  Sachsen  (zwei  Sachsendorf,  Sachsenbrunn,  Sachsengang, 
Saxenödt)  und  zwei  nach  Hessen  (zwei  Hessendorf)  ^) ;  allerdings 
sind  sie  gröfstenteils  erst  viel  später  urkundlich  nachweisbar. 
Die  Ansiedelungen  von  Hessen,  Sachsen  und  Schwaben  scheinen 
vereinzelte  Unternehmungen  geblieben  zu  sein,  die  vermutlich  mit 
den  grofsen  Kriegszügen  der  deutschen  Könige,  namentlich  Hein- 
richs HI.  und  IV.  zusammenhängen.  Stammeseigentümlichkeiten 
haben  sich  nicht  erhalten  ^).  Diese  Namen  setzen  voraus,  dafs 
die  so  benannten  Orte  einst  stammesfremde  Enklaven  in  einheit- 
lichen Bezirken  bildeten. 

Anders  steht  die  Sache  in  bezug  auf  Bayern  und  Franken, 
und  hier  tritt  denn  in  neuester  Zeit  zur  Ortsnamenforschung  fördernd 
und  aufklärend  die  Siedelungs- ,  speziell  die  Hausbauforschung  ^). 
Diese  lehrt  uns  —  ich  nehme  gleich  das  Hauptergebnis  vorweg  — ; 
dafs  die  zweite  deutsche  Kolonisation  des  Landes  unter  der  Enns 
nicht  mehr  überwiegend  bayerisches,  sondern  weit  mehr  fränkisches 
Gepräge  trägt.  Die  bajuwarische  Hausform  findet  sich  nur  im 
Süden  der  Donau,  während  der  nördliche  Teil  des  Landes,  einen 
schmalen  Streifen  an  der  oberösterreichischen  Grenze  ausgenommen, 
dem  fränkischen  System  angehört,  ja  noch  mehr:  dieses  erstreckt 
sich  auch  über  die  Donau  bis  zu  einer  Linie,  die  etwa  von  Melk 
in  gerader  Richtung  bis  zum  Ostabhang  des  Wiener  Waldes  ge- 
zogen werden    kann    und   längs    dieses  Abhanges   nach  Süden  bis 


1)  Vgl.  auch  Nagl-Zeidler,  Deutsch-österr.  Literaturgeschichte  I,  53. 

2)  Die  Spuren  der  sächsischen  Ortsanlage  von  Sachsengang  sucht  Lanz, 
Geschichte  des  Schlosses  Sachseugang  (Bl.  d.  Ver.  f.  Landesk.  XXX,  152,  1896) 
nachzuweisen. 

3)  Den  ersten  Versuch  für  die  Alpenländer  machte  Gustav  B  a  n  c  a  1  a  r  i , 
von  dem  aufser  kleineren  Aufsätzen:  Die  Hausforschung  und  ihre  Ergebnisse  in 
den  Ostalpen  (Zeitschr.  des  deutschen  u.  österr.  Alpenvereiues  144 f.,  1893  und 
separat)  in  Betracht  kommt.  Grundlegend  ist  die  Untersuchung  von  Dachler, 
Das  Bauernhaus  in  Niederösterreich  und  sein  Ursprung  (Bl.  d.  Ver.  f.  Landesk. 
XXXI,  115,  1897),  der  sich  Grund  a.  a.  0.  84  im  wesentlichen  anschliefst. 


230  Achtes  Kapitel. 

zum  Püttcner  Gebiete  verläuft  ').  Allerding^s  herrscht  im  Süden 
der  Donau  starke  Gemengesiedelung.  Für  die  Grenzzone  sind  die 
Weiler  (Rotten)  charakteristisch.  Das  Unterscheidende  zwischen 
fränkischem  und  bajuwarischem  Gehöft  besteht  darin,  dafs  bei  der 
einfachsten  Form  des  ersteren  unmittelbar  an  das  Wohnhaus,  das 
nur  zwei  Räume  (Stube  und  Vorhaus  mit  Küche)  enthält  (zwei- 
teiliges Haus),  in  einer  Linie  der  Stall  anstöfst,  während  bei  letzterem 
der  Stall  vom  Wohngebäude,  das  durch  ein  Vorhaus  in  zwei  Teile 
zerlegt  wird,  getrennt  und  zwar  vielfach  in  einem  rechten  Winkel 
dazu  gebaut  ist  (dreiteihges  Haus)  '■').  Bei  dem  streng  konservativen 
Sinn  des  Bauern  und  dem  geringen  Einflufs,  den  späte  Zuwande- 
rungen auf  bestehende  Hausformen  zu  nehmen  pflegen,  unterliegt 
es  keinem  Zweifel,  dafs  wir  in  der  primitivsten  Form  auch  zugleich 
die  ursprüngliche  aus  der  Zeit  der  Kolonisation  vor  uns  haben. 
In  diesem  Gebiete  finden  wir  auch  das  fränkische  Strafsendorf 
(besonders  als  Reihendorf),  das  sich  sehr  gut  zur  Verteidigung 
gegen  Angrifife  eignete:  die  Häuser  möglichst  nahe  aneinander 
gerückt,  nur  zwei  Dorfeingänge.  Ebenso  kommt  die  Fluranlage 
in  langen  Streifen  (siehe  oben)  den  Franken  zu. 

Wii-ft  man  einen  Blick  auf  eine  Spezialkarte  oder  auch  nur 
in  das  Ortsrepertorium  ^),  so  ersieht  man  gleichfalls,  dafs  in  den 
Bezirkshauptmannschaften  Amstetten,  Scheibbs,  Neunkirchen,  Wiener 
Neustadt  und  zum  Teil  St.  Polten  der  spezifisch  bayerische  Einzel- 
hof vorherrscht.  Verbindet  man  die  Ortsnamenforschung  mit  den 
vorläufigen  Ergebnissen  der  Hausforschung,  so  ergibt  sich,  dafs  in 
dem  bayerischen  Siedelungsgebiet  die  redenden  Ortsnamen,  in  dem 
fränkischen  die  von  Personennamen  abgeleiteten,  sei  es  in  Zusammen- 
setzungen, sei  es  in  Genetivbildungen,  überwiegen.  Weniger  ergebnis- 

1)  Vgl.  die  Karte,  die  der  Arbeit  von  Dach  1er  beigegeben  ist. 

2)  Über  die  weiteren  vorkommenden  Entwickelungsformen  siehe  Dachler 
a.  a.  0.  und  Grund  a.  a.  0. 

3)  Als  Karte  für  derlei  Forschungen  zieht  man  wohl  am  besten  die  vom 
Verein  für  Landeskunde  herausgegebene  Administrativkarte  zu  Rate,  die  zwar 
kein  Terrain,  aber  die  genauesten  Lokalbezeichnungen,  Begrenzungen  und  aufser- 
dem  auch  die  Flurnamen  enthält.  —  Ortsrepertorien  gibt  die  k.  k.  statistische 
Zentralkommission  alle  zehn  Jahre  nach  dem  jeweiligen  Stand  der  Volkszählung 
seit  1870  heraus;  da^  letzte  nach  der  Zählung  vom  31.  Dezember  1900  erschien 
als  Gemeindelexikon  von  Niederösterreich  1904. 


Die  zweite  deutsche  Kolonisation  in  der  Ostmark.  331 

reich  ist  ein  Vergleich  der  österreichischen  mit  den  zahh'eichen  gleich- 
lautenden Ortsnamen  auf  fränkischem  und  bayerischem  Boden.  Die 
Wiederholungen  scheinen  mir  wenig  charakteristisch.  Immerhin 
kann  man  sagen,  dafs  im  Norden  der  Donau,  speziell  im  Viertel 
ober  Manhartsberg,  die  Namen  aus  der  Oberpfalz  besonders  stark 
vertreten  sind  ^).  Bei  systematischerer  Forschung  und  Vergleichung 
der  verschiedenen  Kriterien  dürfte  man  wohl  auch  noch  zu  feineren 
Unterscheidungen  kommen.  Früher  hat  man  nach  Arnolds  An- 
schauungen Ortsnamen  auf  „ing"  ^)  für  bayerisch  (ebenso  wie  die 
auf  „wang"  im  Traungau  und  dem  nordöstlichen  Viertel  ober  Wiener 
Wald  ursprünglich  alamannisch)  angenommen,  aufserdem  Zusammen- 
setzungen mit  „stetten",  während  die  entsprechende  fränkische  En-* 
düng  „statt"  lautet,  „heim"  (hara)  für  fränkisch.  In  jüngster  Zeit 
will  man  an  Stelle  dieser  Hypothese  eine  wirtschaftsgeschichtliche 
setzen  und  die  Verschiedenheiten  der  Benennung  aus  den  Ver- 
schiedenheiten des  Wirtschaftsbetriebes  und  der  damit  zusammen- 
hängenden Siedelungsformen  erklären.  Doch  ist  man  darin  noch 
zu  keinen  einheitlichen  Ergebnissen  gelangt  ^).  In  Osterreich,  wo 
sich  allerdings  vielfach  die  Siedelungsunterschiede  mit  den  Stammes- 
unterschieden decken,  fehlen  noch  diesbezügliche  Untersuchungen. 
Die  vielen  Bildungen  mit  „dorf"  dürften  sich  hauptsächlich  im 
fränkischen  Gebiet  finden,  während  sie  im  Gebiet  des  bayerischen 


1)  Herr  Ingenieur  D  a  c  h  1  e  r  hatte  die  Güte,  mir  eine  fleifsige  Zusammen- 
stellung österreichischer,  bayerischer,  oh  erpfälzischer  und  fränkischer  Ortsnamen 
zur  Verfügung  zu  überlassen.  Doch  lieferte  sie  für  die  springenden  Punkte  keine 
sonderlichen  Ergebnisse.  Es  überwiegen  auch  zu  sehr  die  rein  allgemeinen  Ähn- 
lichkeiten, wie  sie  in  allen  deutschen  Landen  zu  finden  sind. 

2)  Bei  Alois  Hub  er,  Geschichte  des  Christentumes  IV,  326  findet  sich 
eine  Zusammenstellung  von  nicht  weniger  als  151  dieser  Ortsnamen.  Ich  füge 
hinzu,  dafs  Huber,  soviel  mir  scheint,  der  erste  ist,  der  auf  die  Scheidung  des 
bayerischen  und  fränkischen  Siedelungselementes  hinwies.  A.  a.  0.  findet  sich 
auch  sonst  manche  brauchbare  Bemerkung. 

3)  Die  Ersten,  die  diese  neue  Hypothese  hauptsächlich  auf  Grund  von 
Untersuchungen  im  Elsafs  verfochten,  waren  Hans  Witte  und  Schieber.  Die 
Literatur  ist  zusammengestellt  in  Deutsche  Geschichtsblätter  I,  153,  1900  und 
III,  153,  1902.  Während  jedoch  Schieber  Orte  auf  „ingen"  für  Bauern  — , 
Orte  auf  „heim"  für  Herrensiedelungen  hält,  kommt  Witte  (Ortsnameuforschung 
u.  Wirtschaftsgesch,  in  Deutsch.  Geschichtsbl.  III,  153  f.)  zu  entgegengesetzten 
Anschauungen. 


233  Achtes  Kapitel. 

Einzelhofes  fehlen  oder  auf  spätere  Gründung;  deuten ;  ferner  ist 
es  gewifs  kein  blofser  Zufall,  dafs  gerade  im  Viertel  ober  Man- 
bartsberg  und  zwar  fast  ausschliefslieh  nur  hier  die  Genetive  von 
Personennamen  ohne  Zusatz  als  Ortsnamen  verwendet  werden  wie 
Heinreichs,  Siegharts,  Mainhards,  Kudmanns,  Gerungs  u.  v.  a.  m. 
Zu  ergänzen  ist  hier  Hof  oder  Dorf.  Deutlicher  heifst  es  in  zwei 
Fällen  „Bei  Reingers"  und  „Bei  Artolz"  ^).  Auffallend  ist,  dafs 
ähnliche  Bildungen  in  Schwaben,  im  Algäu  und  in  der  Gegend 
von  Fulda  wiederkehren.  Der  Zusammenhang  wäre  noch  aufzu- 
klären ^).  Endlich  sind  auch  Namengebungen  nach  Heiligennamen 
für  die  Frage  nach  der  Abstammung  der  Siedler  von  Wert,  wie 
'denn  überhaupt  die  verschiedenen  Stämme  verschiedene  Kirchen- 
patrone bevorzugen.  Georg  und  Martin  (sowie  der  zwar  nicht  in 
Ortsnamen,  wohl  aber  als  Kirchenpatron  vorkommende  Dionys) 
sollen  auf  fränkische  Siedelungen  weisen.  Nun  wäre  es  noch  von 
höchster  Wichtigkeit,  neben  den  Ortsnamen  die  Flurnamen  in 
gleicher  Weise  heranzuziehen,  von  denen  nicht  minder  bedeutende 
Aufschlüsse  zu  gewinnen  wären.  Leider  ist  in  dieser  Beziehung 
sowohl  in  Nieder-,  als  auch  in  Oberösterreich  bisher  nicht  einmal 
ein  leiser  Versuch  gemacht  worden !  Man  mufs  also  auf  diese 
wertvolle  Ei-gänzung  vorläufig  gänzlich  verzichten. 

Für  die  Teilung  des  Landes  in  ein  bayerisches  und  ein  frän- 
kisches Siedeluugsgebiet  gewinnen  wir  noch  eine  weitere  bedeutende 
Stütze  an  dem  Dialekt.  Selbst  einem  wenig  geübten  Ohre  werden 
starke  Verschiedenheiten  zwischen  dem  Dialekt,  den  die  Bewohner 
der  beiden  Manhartsbergviertel  sprechen,  und  dem,  der  südlich  der 
Donau  bis  gegen  die  ungarische  Grenze  hin  in  Übung  ist,  auf- 
fallen. Dagegen  ist  in  vieler  Hinsicht  sowohl  in  der  Aussprache 
(z.  B.  ui  für  u),  als  auch  in  vielen  speziellen  Ausdrücken  die 
Ähnlichkeit  mit  der  Mundart  der  gewifs  fränkischen  Heanzen  im 
Ödenburger  und  Eisenburger  Komitat  in  Ungarn  auffallend  ^).  Selbst 

1)  Es  würde  zu  weit  gehen,  wollte  ich  hier  auch  eine  Verteilung  der  ver- 
schiedenen Ortsnaraenformen  auf  einzelne  Teile  des  Landes  versuchen,  wie  sie 
Grund  für  sein  Gebiet  gegeben  hat. 

2)  Gleichfalls  bereits  von  Alois  Hub  er  angeregt.  Vgl.  Müllner  in  der 
Zeitschrift  „Argo"  Vn,  180,  1899  und  VIII,  16,  1900. 

3)  Einen   ersten  Versuch   auf  diesem   schwierigen   Gebiete   machte  —  ich 


Die  zweite  deutsclie  Kolonisation  in  der  Ostmark.  233 

im  Charakter  der  Bevölkerung  treten  noch  heute  gewisse  Differen- 
zierungen hervor.  Es  ist  zu  erwarten,  dafs  die  im  letzten  Jahrzehnt 
stetig  sich  entwickelnde  Volkskunde  weitere  Unterschiede  und  Belege 
für  die  zweifache  Besiedelung  des  Landes  zutage  fordern  wird  ^). 

Kehren  wir  nach  dieser  Abschweifung  nun  zu  den  historischen 
Grundlagen  der  geschilderten  Verhältnisse  zurück,  so  sehen  wir, 
dafs  sie  sich  ganz  wohl  mit  dem  urkundlich  beglaubigten  Gang 
der  Besiedelung,  wie  wir  ihn  in  diesem  Kapitel  kennen  gelernt 
haben,  in  Einklang  bringen  lassen.  Man  kann  sagen,  dafs  die 
ursprüngliche  Mark  Burkhards,  die  zugleich  auch  jenes  Gebiet  ist, 
in  der  die  Kolonisation  die  Magyarenstürrae  überdauert  haben 
dürfte,  den  Grundstock  der  baj u warischen  Besiedelung  bildet.  Dazu 
ist  der  Süden  des  Landes  zu  rechnen,  der,  wie  wir  noch  sehen 
werden,  lange  Zeit  zur  Kärntner,  später  zur  steirischen  Mark  ge- 
hörte. Die  fränkische  Periode  der  Besiedelung  begann  erst  mit 
dem  Auftreten  der  fränkischen  Babenberger,  die  nicht  nur  ihre 
zahlreichen  Kriegsvasallen,  sondern  auch  Massen  von  Kolonen  aus 
ihrer  Heimat  nach  sich  zogen.  Auch  darf  man  nicht  übersehen, 
dafs  gerade  die  deutschen  Könige,  die  sich  zur  entscheidenden  Zeit 
dieses  Grenzgebietes  besonders  annahmen,  gleichfalls  aus  Franken 
stammten.  Möglicherweise  war  auch  der  Bevölkerungsüberschufs 
aus  Bayern  bereits  erschöpft.  In  diese  Periode  fallt  dann  eben 
erst  die  Erweiterung:  der  östlichen  Grenze  bis  zur  Leitha  und  die 


darf  wohl  sagen:  auf  meine  Anregung  Lin  —  Dachler,  Beziehungen  zwischen 
den  niederösterreichischen,  bayerischen  und  fränkischen  Mundarten  und  Bewohnern 
(Zeitschr.  f.  österr.  Volkskunde  VIII,  81  f..  1902).  Besonders  charakteristisch  ist 
das  für  das  neuhochdeutsche  „u"  gebräuchliche  „ui"  anstatt  des  bayerischen  „ua" 
(z.  B.  Muider  statt  Muader  =  Mutter),  „ea"  für  „i"  und  die  Endung  ,,ing" 
statt  „ung".  Es  steht  zu  erwarten,  dafs  durch  das  Wörterbuch  der  nieder- 
österreichischen  Mundart,  für  das  der  Verein  für  Landeskunde  von  Niederöster- 
reich im  Jahre  1903  einen  Preis  mit  dreijährigem  Termin  ausgeschrieben  hat, 
diese  Dialektforschungen  eine  gesicherte  Grundlage  gewinnen  und  weitere  An- 
regung geben  werden. 

1)  Z.  B.  die  solenne  Feier  des  „Kirtags"  (Kirchweihfestes)  mit  Gelage  und 
Tanz  findet  sich  nur  in  den  Manhartsbergvierteln  und  im  Mühlviertel,  während 
er  im  Süden  nur  sehr  bescheiden  gefeiert  wird.  —  Einiges  wenige  siehe  auch 
bei  Dach  1er  a.  a.  0.  —  Erwähnenswert  ist  auch,  dafs  in  Österreich  bei  wichtigen 
Terminen  nach  den  fränkischen  Heiligentagen  St.  Georg  und  St.  Martin  (Winter- 
anfang) gerechnet  wird. 


234  Achtos  Kapitel. 

Besitzergreifung  des  Landes  im  Norden  der  Donau.  Wir  haben 
ferner  gesehen,  dafs  in  den  beiden  Vierteln  am  Manhartsberge  und 
im  Südosten  des  Landes  die  kolonisatorische  Arbeit  in  erster  Linie 
von  weltlichen  Grofsunternehmern  geleistet  wurde,  während  sich 
das  Gebiet  der  Mark  Burkhards  noch  von  der  Karolingerzeit  her 
in  den  festen  Händen  der  gröfseren  Stifter  befand.  Daher  kommt 
es  auch,  dafs  in  jenen  Gegenden  die  von  Personennamen  abgeleiteten 
Ortsnamen  so  massenhaft  auftreten.  Es  ist  auch  ferner  ziemlich 
natürlich,  dafs  sich  im  Norden  der  Donau  das  fränkische  Element 
bis  auf  die  Gegenwart  reiner  erhalten  hat,  als  im  Süden  des  Stromes, 
wo  auch  in  den  fränkisch  besiedelten  Gegenden  im  Laufe  der  Zeit 
eine  gewisse  Angleichung  an  das  Bayerische,  namentlich  in  der 
Mundart,  eingetreten  ist. 

Zum  Schlufs  noch  ein  Wort  über  die  slawischen  Ansiedelungen, 
die  in  der  Karolingerzeit  geduldet  waren  und  sich  wohl  auch 
zumeist  bei  der  Botmäfsigkeit  und  Schmiegsamkeit  des  slawischen 
Volkscharakters  über  die  Ungarnperiode  erhalten  haben  dürften. 
Sie  bestehen  auch  in>der  neuen  Siedelungsperiode  bis  ins  12.  Jahr- 
hundert hinein,  befinden  sich  aber  in  Abhängigkeit  von  den  deutschen 
Grundherren  ^).  Möglich  ist  es,  dafs  ganz  vereinzelt  auch  noch 
Slawen  zuwanderten  ^).  Später  werden  sie  vom  deutschen  Elemente 
vollständig  aufgesogen,  so  dafs  lediglich  die  alten  slawischen  Orts- 
namen ^),  denen  wir  ja  schon  in  der  KaroHngerzeit  begegnet  sind. 


1)  An  der  Ips  wurde  am  Ende  des  10.  Jahrhunderts  slawisch  gesprochen. 
M.  G.  DD.  Otto  II.,  204,  III.,  540.  Slawische  Niederlassungen  an  der  Persch- 
ling zur  selben  Zeit:  M.  B.  XXVIIIa,  87.  Bei  Mautern  war  das  slawische 
Grundmafs,  die  hoba  slavinisca,  in  Gebrauch  (Archiv  XXVII,  259).  Slawische 
porige  der  Herrantsteiner  noch  um  1170.  Im  Waldviertel  wird  noch  im  12.  Jahr- 
hundert in  Eassingdorf  ein  Slawe  genannt,  zu  Globnitz  noch  1205  (Fontes  rer. 
Austr.  III,  30,  109). 

2)  Einem  Zwentibold  werden  zwischen  1030  und  1040  an  der  Schwechat 
fünf  Hüben  gegeben  (M.  B.  IV,  21). 

3)  Zu  den  rein  slawischen  oder  vom  Slawischen  abgeleiteten  Namen  kommen 
noch  die  den  slawischen  Ansiedelungen  von  den  Deutschen  gegebenen  Namen 
hinzu:  Böheimkirchen,  Böhmischkrut,  Böhmstorf,  Böhmzeil,  Abwinden,  Wimpassing 
und  Windpassing,  Windberg,  Windhag,  Winden,  Windhof,  Windischendorf,  Win- 
dischhütten,  Windischmarkt  (siehe  oben  S.  108).  Vgl.  aufserdem  Kämmel,  Die 
slawischen  Ortsnamen  im  nordöstlichen  Teile  Niederösterreichs  (Archiv  f.  slaw. 
Philologie  Yil,  256  f.,  1884). 


Die  zweite  deutsche  Kolonisation  in  der  Ostmark.  235 

noch  heute  auf  sie  hinweisen,  während  sich  weder  sprachHche,  noch 
volkstümliche  Kulturspuren  in  späterer  Zeit  finden. 

]\Ian  wird  übrigens  annehmen  dürfen,  dafs  gerade  in  der 
ersten  Zeit  der  Kolonisation  in  der  Mark,  wo  so  viele  Völker 
einander  ablösten  und  auch  die  siegreiche  deutsche  Nation  durch 
die  verschiedensten  Stämme  vertreten  war,  sich  eine  gewisse  Kultur- 
mischung, namentlich  in  der  Sprache  zeigte,  die  sich  zwar  später 
mehr  ausglich  und  die  fremden  Elemente  abstiefs  oder  verarbeitete, 
in  einigen  EigentümHchkeiten  aber  doch  selbst  heute  noch  zu  finden 
ist.  Gerade  in  diesem  Verarbeitungsprozefs  hat  das  Deutsche  die 
volle  Überlegenheit  bewiesen. 

Es  liegt  in  der  Natur  der  Sache,  dafs  die  Besiedelung  im  süd- 
westlichen Teile  am  dichtesten  war,  gegen  Osten  aber  immer  spär- 
licher wurde  und  besonders  im  Norden  der  Donau  während  der 
ersten  Hälfte  des  1 1 .  Jahrhunderts  nur  erst  dürftige  Ansätze  zeigte. 
Das  beweisen  Angaben  wie  die  der  Urkunde  von  1002  für  Markgraf 
Heinrich,  wonach  sich  dieser  zwischen  Kamp  und  March  an  be- 
liebigem Ort  22  Hufen  aussuchen  konnte,  oder  die  Erzählung  von 
der  Ermordung  des  heiligen  Kolomann,  der  im  Jahre  1012  nach 
Palästina  pilgern  wollte,  in  diesen  Grenzgebieten  bei  Stockerau 
jedoch  von  den  Leuten  für  einen  feindlichen  (ungarischen  oder 
böhmischen)  Spion  gehalten  und  gehenkt  wurde,  ein  Zeugnis  für 
die  Unsicherheit  und  Gefährdung  dieser  Siedelungen.  —  Auf  die 
soziale  und  wirtschaftliche  Lage  der  Ansiedler  in  der  Ostmark 
komme  ich  später  noch  in  anderem  Zusammenhang  zurück. 

Es  erübrigt  nun  nur  noch,  den  Umfang  der  Ostmark  und  ihre 
Grenzen  klar  zu  stellen  ^),  die  sich  freiUch  zumeist  nur  aus  späteren 
Belegen  und  Quellen,  besonders  der  Einleitung  des  Fürstenbuches 
von  Enenkel   aus   der    ersten  Hälfte   des    13.  Jahrhunderts  2) ,  er- 


1)  Jetzt  am  besten  bei  Hasenöhrl,  Südöstliche  Marken  4G5  (47) f.  Be- 
züglich der  südlichen  Grenze  vgl.  Feiice tti,  Steiermark  im  Zeitraum  vom 
8. — 12.  Jahrhundert  (Beitrcäge  zur  Landeskunde  von  Steiermark  IX,  Iff.,  1872). 
Vieles  bietet  Strnadt,  Geburt  des  Landes  ob  der  Enns.  Eine  sorgfältige 
Detailuntersuchung  nach  Enenkels  Fürstenbuch  lieferte  Lampe  1  in  seiner 
übrigens  noch  nicht  abgeschlossenen  Arbeit:  Das  Gemärke  des  Landbuches  (Bl. 
d.  Ver.  f.  Landesk.  XX,  267,  1886;  XXI,  228,  1887;  XXX,  301,  1896;  XXXIII, 
371,  1899). 

2)  Hgg.  von  Lampel,  M.  G.  Deutsche  Chroniken  V. 


236  Achtes  Kai)itol. 

schliessen  läfst.  Bei  der  Neuerrichtung  der  Mark  knüpfte  man 
auch  in  bezug^  auf  die  Zuteiknig  des  gesicherten  Hinterhindes 
an  den  Zustand  zur  Karolingerzeit  an.  Dies  stiefs  nur  hinsicht- 
lich des  Traungaues  auf  ISchwierigkeiten,  denn  erstens  gab  es  gar 
kein  gescldossenes  Gaugebiet  im  alten  Sinne  mehr,  und  zweitens 
dominierte  hier  vermutlieh  sclion  damals,  wie  wir  gesehen  haben, 
das  Geschlecht  der  Traungauer  oder  Wels-Lambacher.  Mindestens 
sprechen  alle  urkundlichen  Belege  in  der  Folgezeit  nicht  nur  nicht 
für  eine  Oberhoheit  der  Markgrafen  von  Osterreich  über  den  Traun- 
gau,  sondern  sogar  direkt  gegen  eine  solche  '),  und  wenn  im  Jahre 
977  Enns  als  iu  der  Grafschaft  Liutpolds  gelegen  bezeichnet  wird  '^)y 
so  ist  die  Echtheit  der  Urkunde  oder  dieser  Stelle  durchaus  niciit 
über  alle  Zweifel  erhaben,  und,  wenn  sie  es  wäre,  könnte  man 
annehmen,  dafs  vielleicht  ein  Teil  des  ehemaligen  Traungaues  mit 
Enns  für  kurze  Zeit  zur  Mark  gehört  habe,  denn  später  liegt 
Enns  sicher  nicht  mehr  in  der  Mark  ^). 

Dagegen  stand  der  Zuweisung  eines  Hinterlandes  im  Norden 
der  Donau,  wie  es  schon  zur  KaroHngerzeit  bestanden  hatte,  nichts 
im  Wege,  da  hier  das  Land  noch  wenig  urbar  gemacht  war,  und 
sich  hier  noch  keine  bestimmten  grundherrhchenHobeitsrechte  heraus- 
gebildet hatten.  Es  Avaren  jene  Gebiete  des  heutigen  Osterreich  ob 
der  Enns,  die  seit  dem  12.  Jahrhundert  unter  dem  Namen  Riedmark 
und  Machland  *)  bekannt  sind.    Die  Westgrenze  vei  lief  demnach  im 

1)  Darüber  vgl.  die  Untersuchungen  Strnadts,  Geburt  35 ff. 

2)  M.  G.  DD.  II,  189,  in  zwei  Fassungen  überliefert,  von  denen  die  längere 
sicher  gefälscht,  die  zweite  wenigstens  nach  Uhlirz  unbedenklich  ist. 

3)  Die  Enns  bildete  auch  damals  nur  in  ilirem  Unterlauf  die  Westgrenze 
der  Mark,  die  übrige  Westgrenze  hält  Hasenöhrl  a.  a.  0.  479  für  identisch 
mit  der  heutigen,  Strnadt  a.  a.  0.  21  nimmt  an,  dafs  sie  vom  Scheiblingstein 
bis  zum  Sengsengebirge,  von  diesem  zur  Steyer  bis  zur  Mündung  der  Enns  verlief. 

4)  In  bezug  auf  Einzelheiten  mufs  ich  auf  die  Arbeiten  von  Hasenöhrl^ 
Larapel,  Strnadt  usw.  verweisen.  —  Gegen  einen  Versuch  Hasenöhrls 
(a.  a.  0.  443 f.),  die  Eiedmark  als  eine  selbständige  Mark  aufserhalb  der  Ost- 
mark nachzuweisen,  siehe  die  Widerlegung  von  Strnadt  in  der  Linzer  Zeitung 
7.,  8.  und  10.  Dezember  1895,  die  auch  bezüglich  der  Westgrenze  sowie  der 
Eiedmark  und  des  Machlandes  überhaupt  zu  vergleichen  ist.  Jetzt  siehe  auch 
seine  Erläuterungen  zum  historischen  Atlas.  Der  Name  Eiedmark  kommt  zum 
ersten  Male  in  einer  Urkunde  von  1115  vor  (ÜB.  d.  L.  o.  d.  Enns  II,  149). 
1130  heilst  das  Gebiet  auch  einmal  Waldmark  (ÜB.  von  Steiermark  I,  142).    Die 


Die  zweite  deutsche  Kolonisation  in  der  Ostmark.  237 

Norden  der  Donau  von  der  Mündung  des  Haselbaches  dem  Hasel- 
graben entlang. 

Schwer  ist  die  Nordgrenze  anzugeben,  die  jedenfalls  im  10. 
und  11.  Jahrhundert  nichts  weniger  als  feststehend  war,  im  wesent- 
lichen von  der  fortschreitenden  Rodung  des  in  weitester  Ausdehnung 
von  der  Hz  bis  zum  Kamp  und  von  der  Donau  bis  tief  nach 
Böhmen  sich  hinziehenden  Nordwaldes  bestimmt  wurde  und  sich 
nur  allmählich  gegen  Norden  vorwärtsschob,  ebenso  wie  —  aller- 
dings wohl  in  geringerem  Mafse  —  die  Besiedelung  in  Böhmen 
nach  Süden.  Immerhin  war  schon  in  der  zweiten  Hälfte  des 
11.  Jahrhunderts  die  Thaya  und  das  Gebiet  von  Raabs  erreicht. 

Merkwürdig  dunkel  liegen  die  Grenzverhältnisse  auch  östlich 
vom  Kamp  im  Viertel  unter  Manhartsberg  in  der  ersten  Zeit  der 
Neukolonisation  *).  Wir  wissen,  dafs  sich  im  9.  Jahrhundert  das 
mährische  Reich  in  seiner  gröfsten  Ausdehnung  und  Älachtstellung 
auch  über  diesen  Teil  des  heutigen  Niederösterreich  erstreckte.  Die 
Besiedelung  scheint  nie  besonders  dicht  gewesen  zu  sein ;  jedenfalls 
muis  die  Vernichtung  des  mährischen  Reiches  durch  die  Magyaren 
im  ersten  gewaltigen  Anstofs  gründlich  und  nachhaltig  gewesen 
sein.  Fast  noch  dichteres  und  jedenfalls  weit  länger  anhaltendes 
Dunkel,  wie  über  der  Ostmark,  lagert  über  diesem  Lande  ^), 
obwohl  man  annehmen  kann,  dafs  die  Magyaren  gezwungen  waren, 
sich  auch  von  Mähren  zurückzuziehen,  sobald  die  Mark  an  der 
Donau  unter  Liutpold  und  Heinrich  sich  gegen  die  Leitha  und 
March  vorschob  und  festigte.  Nach  Norden  ging  man  aber  wohl 
kaum  über  den  ßisamberg  d.  h.  also  über  die  alte  karolingische 
Grenze   hinaus  ^).      Um    die   Jahrhundertwende   wurde    das   Land 

Bezeichnung  Machland  trägt  zuerst  im  12.  Jahrhundert  ein  Ministerialengeschlecht, 
als  geographischer  Begriff  erscheint  es  erst  im  13.  Jahrhundert  (Die  Urk.  von 
1074,  ÜB.  d.  L.  0.  d.  Enns  II,  113,  wo  es  anscheinend  zuerst  genannt  wird,  ist 
unecht). 

1)  Darüber  siehe  Kämmel,  Die  slawischen  Ortsnamen  im  nordöstlichen 
Teile  Niederösterreichs  (Archiv  f.  slawische  Philologie  VII,  25G,  1884). 

2)  Entgegen  den  verschiedenen  Angaben  über  die  mälirische  Geschichte 
während  des  10.  Jahrhunderts  siehe  jetzt  die  kritische  Sonderung  des  Erweis- 
baren  bei  Bretholz,  Geschichte  Mährens  I,  123 ff. 

3)  Der  heilige  Kolomann  wird  1012  bei  Stockerau  ,,in  Bavariorum  confinio 
atque  Moravenum"  erschlagen  (M.  B.  XI,  140).     Auch  das   allerdings  unzuver- 


238  Achtes  Kapitel. 

eine  Beute  des  autstrebenden  Polenreiches  unter  Boleslav  Chrobry  i), 
und  in  diesem  Augenblick  erwuchs  der  Mark,  die  bisher  nur  als 
Bollwerk  gegen  die  Ungarn  im  Süden  der  Donau  diente,  auch 
im  Norden  des  Stromes  eine  hervorragende  politische  Aufgabe,  und 
es  ist  bedeutsam,  dafs  Kaiser  Heinrich  II.,  wie  wir  gesehen  haben, 
im  Jahre  1002  dem  Markgrafen  Heinrich  ausgedehntes  Gebiet 
sowohl  an  der  Südostgrenze  zwischen  Liesing  und  Triesting,  als 
auch  im  Norden  der  Donau  zwischen  Kamp  und  March  über- 
trug ^).  Hier  im  Viertel  unter  Mauhartsberg,  das  jetzt  erst  zur 
Mark  hinzugeschlagen  wurde,  fanden  dann  in  den  Jahren  1015 
imd  1017  siegreiche  Kämpfe  des  Markgrafen  Heinrich  gegen 
die  Polen  statt,  die  der  Kaiser  damals  in  Verbindung  mit  dem 
Bühmenherzog  bekriegte  ^).  Unter  Markgraf  Adalbert,  der  seinem 
Bruder  Heinrich  *)  im  Jahre  1018  beinahe  um  dieselbe  Zeit  nach- 
folgte, da  auch  in  dem  anderen  Babenbergischen  Zweige  der  Mark- 
graf im  Nordgau  Otto  seinen  Vater,  der  gleichfalls  Heinrich 
hiefs,  beerbte,  war  dann  die  March-  und  Leithagrenze  ^)  bereits 
vöUig  gesichert,  und  >es  finden  hier  zwischen  1018  und  1025  zahl- 
reiche Gütervergabungen  statt.  Vielleicht  wurde  im  Frieden  von 
Regensbui'g  zwischen  Kaiser  Heinrich  III.  und  Herzog  Bretislaw 
im  Oktober  1041  auch  die  Thayagrenze  definitiv  festgesetzt.  Wie 
die  Polen  und  Mährer  aus  dem  Viertel  unter  Manhartsberg  ver- 
drängt wurden,  so  hatten  die  Ungarn  im  Südeu  der  Donau  die 
ja  schon  vordem  von  Deutschen  besiedelten  Gebiete,  in  denen  sich 
übrigens    das    magyarische  Element   nur    wenig    festgesetzt   haben 


lässige  Placitum    des  Herzogs  Heinrich    setzt   eine   slawische   Grenze   nahe   der 
Donau  voraus. 

1)  Über  den  Zeitpunkt  B retholz  a.  a.  0.  165. 

2)  Siehe  des  näheren  unten.  —  Meli  1er,  Eegesten  3,  5. 

3)  Thietmar  Chron.  VH,  42,  44.  —  Vgl.  dazu  Zeifsberg,  Die  Kriege 
Heinrichs  IL  mit  Boleslaw  I.  von  Polen  (Sitzungsber.  d.  W.  Akademie  LYII,  406). 

4)  Über  Markgraf  Heinrich  hat  Ambros  Heller  in  den  Blättern  des  Ver- 
eines für  Landeskunde  VII,  283,  1873  einen  —  übrigens  unbedeutenden  —  Auf- 
satz veröffentlicht. 

5)  Es  ist  nur  natürlich,  dafs  auch  damals  nicht  der  ganze  Unterlauf  der 
Leitha  die  Grenze  gebildet,  sondern  etwa  von  Gattendorf  an  vielleicht  sumpfige 
Nebenarme  der  Donau  (vgl.  Lampel,  Die  Mark  Putten  in  den  Bl.  d.  Ver.  f. 
Landesk.  XXH,  133 f.,  1888,  und  Hasenöhrl  a.  a.  0.  472). 


Die  zweite  deutsche  Kolonisation  in  der  Ostmark.  339 

mochte  —  es  blieben  wenigstens  keine  Spuren  zurück  ^)  — ,  ohne 
Kampf  geräumt. 

Wenden  wir  uns  endlich  der  Südgrenze  ^)  der  Mark  zu ,  so 
sehen  wir,  dafs  der  alte  Grenzzug  der  Karolingermark,  der  auch 
durch  die  Diözesangrenzen  zwischen  Salzburg  und  Passau  gegeben 
war,  wieder  aufgenommen  wurde.  Erst  um  1058  wurde  das 
Püttener  Gebiet  definitiv  mit  der  Kärntener  Mark  vereinigt.  Die 
Grenze  verliefs  dann  die  Leitha  beim  Einflufs  der  kleinen  Fischa, 
erreichte  in  kürzester  Entfernung  die  Piesting  bei  Wöllersdorf, 
verlief  längs  der  Piesting  und  der  Grenze  des  Landgerichtes  Guten- 
stein bis  zum  Unternberg,  endHch  über  den  hohen  Göller  zum 
Erlafsee,  worauf  sie  ungefähr  in  der  Richtung  der  heutigen  Landes- 
grenze weiterging  ^).  Es  gehörte  demzufolge  das  Wiener  Neu- 
städter und  Püttener  Gebiet  zur  Kärntner  Mark. 

Während  die  übrigen  Grenzen  der  Mark  Osterreich  durch 
das  ganze  11.  und  12.  Jahrhundert  so  ziemlich  unverändert  blieben, 
gab  es  an  der  Ostgrenze  noch  einmal  einen  Rückschlag.  Im  Jahre 
1030  brachen  plötzhch  wieder  Feindseligkeiten  mit  den  Ungarn 
aus.  Die  Gründe  sind  unbekannt,  angeblich  waren  die  Bayern 
die  Veranlassung  *) ;  inwiefern,  ist  unklar.  Möglicherweise  fürchtete 
König  Stephan  die  engeren  Beziehungen  zwischen  dem  deutschen 
und  dem  oströmischen  Reiche,  die  gerade  damals  durch  eine 
Heirat  von  Kaiser  Konrads  Sohn  mit  einer  Tochter  des  Kaisers 
Konstantin  IX.  angebahnt  werden  sollten  ^).  Auch  dürfte  ihm 
die  rasch   nach  Osten   vorwärtsschreitende  Kolonisierung  für  sein 

1)  Nur  die  Ortsbezeichnungen  Ungarstein,  Ungarbach  (zweimal)  und  Unger- 
berg  im  Südosten,  wo  auch  von  einer  Marca  Hungarica  (siehe  Lampel,  Über 
die  Mark  Putten)  die  Eede  ist,  erinnern  daran.  Ein  Ungerndorf  findet  sich 
auch  im  Viertel  unter  Manhartsberg. 

2)  Zu  der  bereits  oben  angeführten  Literatur  tritt  für  die  Südgrenze  noch 
hinzu  der  schon  öfter  zitierte  Aufsatz  von  Pelicetti  v.  Lieben fels  im  9.  Bande 
der  „Beiträge  z.  Kunde  steierm.  Geschichtsquellen"  und  Newald,  Die  Grenze 
zwischen  Steiermark  und  Österreich  in  der  südlichen  Hälfte  des  Viertels  unter 
Wiener  Wald  (Bl.  d.  Ver.  f.  Landesk.  III,  46,  1869)  und  besonders  der  eben 
genannte  Aufsatz  Lampeis  über  die  Mark  Putten. 

3)  Das  Hauptverdienst,  Enenkels  Angaben  im  einzelnen  festgestellt  zu 
haben,  gebührt  Lampel. 

4)  Dies  behauptet  Wipo,  Gesta  Chuonradi  imp.  c.  26  (M.  G.  SS.  XI,  268). 

5)  So  nach  Huber  I,  18L 


240  Achtos  Kapitel. 

neuorganisiertes  Reich  bedrohlich  erschienen  sein.  Genug,  im  ge- 
nannten Jahre  kam  es  zu  Streit-  und  Plünderungszügen;  die  Heer- 
fahrt Kaiser  Konrads  bis  zur  Kaab  mil'sgUickte  jedoch,  das  Heer 
mulste  unter  Hunger  und  Strapazen  den  Rückzug  antreten  und  wurde 
bei  Wien,  das  damals  zum  ersten  Male  genannt  wird,  aufgerieben  '). 
Auffallen  mufs  es,  dafs  von  einer  Hilfe  des  Markgrafen  Adalbert 
gar  nichts  verlautet.  Es  scheint,  als  ob  er  für  die  Mifsgunst  des 
Königs  Vergeltung  geübt  habe.  Schliefslich  mufste  Kaiser  Konrad 
froh  sein,  dafs  Stephan  selbst  den  Frieden  anbot.  Der  junge  Herzog 
Heinrich  von  Bayern,  Konrads  Sohn,  nahm  ihn  an,  indem  er  das 
Gebiet  bis  zur  Fischa  und  einen  entsprechenden  Streifen  Landes 
im  Norden  der  Donau  etwa  von  der  Fischamündung  bis  Tracht 
an  der  Thaya  den  Ungarn  abtrat  ^).  Der  Hausbesitz  der  Baben- 
berger  blieb  dadurch  unberührt,  wurde  aber  wieder  wie  bei  der 
ersten  Verleihung  zum  eigentlichen  Grenzland. 

Nachdem  sich,  wie  wir  gesehen  haben,  das  Verhältnis  zwischen 
König  und  Markgraf  in  den  letzten  Jahren  der  Regierung  Konrads 
etwas  gebessert  hatte,  finden  wir  Adalbert  wieder  getreu  auf  Seite 
des  Königs,  als  im  Jahre  1039  der  junge  Heinrich  IH.  den  Thron 
bestieg.  Der  Markgraf  dürfte  eingelenkt  haben,  da  damals  der 
Höhepunkt  der  Machtstellung  des  babenbergischen  Gesamthauses 
bereits  entschieden  überschritten  war,  denn  1038  hatte  Kaiser 
Konrad  nach  dem  kinderlosen  Tode  Hermanns  vou  Schwaben  dieses 
seinem  Sohne  Heinrich  übertragen,  und,  da  nun  bald  nach  des 
Königs  Tode  auch  der  Herzog  Konrad  von  Kärnten  staz*b  und 
Heinrich  IH.  dessen  Land  gleichfalls  einzog,  so  besafs  dieser  in 
Süddeutschland  ein  gewaltiges  Übergewicht.  Andrerseits  hatten 
sich  auch  die  Verhältnisse  zu  beiden  Nachbarreichen  der  Mark, 
die  miteinander  ein  Bündnis  geschlossen  hatten,  zu  Böhmen  unter 
Bretislaw,  der  1029  mit  seinem  Vater  auch  Mähren  erobert  hatte, 
und  zu  Ungarn  unter  Peter  —  dies  war  eigentlich  ein  Sohn  des 
Dogen  von  Venedig,  Otto  Urseoli,  und   der   Schwester   Stephans, 


1)  Ann.  Altah.  ad  1030  (M.  G.  SS.  XX ,  791).  Die  Stelle  ist  nicht  ganz 
klar;  es  könnte  sowohl  eine  Niederlage  des  Heeres  bei  Wien,  als  auch  eine  Er- 
oberung Wiens  gemeint  sein.  Doch  ist  die  Form  Wieuui  wohl  ein  Lokativ. 
Ygl.  Müller  in  den  Blättern  des  Vereins  für  Landeskunde  XXIII,  14,  1889. 

2)  Kann  aus  der  Eückgabe  im  Jahre  1043  geschlossen  werden. 


Die  zweite  deutsche  Kolonisation  in  der  Ostmark.  341 

den  letzterer  bei  seinem  kinderlosen  Tode  im  Jahre  1038  zum 
Erben  eingesetzt  hatte,  —  gefahrdrohend  gestaltet.  Obwohl  Adalbert 
zu  beiden  Fürsten  in  verwandtschaftlichen  Beziehungen  stand  — 
Bretislaw  hatte  die  Tochter  des  babeiibergischen  Markgrafen  Heinrich 
vom  Nordgau,  Judith,  entführt  und  Adalbert  selbst  hatte  die 
Schwester  Peters,  Frowila,  zur  Frau  — •,  zögerte  er  doch  nicht,  sein 
Schwert  in  den  Dienst  des  deutschen  Königs  zu  stellen.  Im  Jahre 
1040,  während  Kaiser  Heinrich  IH.  in  harten  Kampf  mit  Bretis- 
law verwickelt  war,  zog  Peter  von  Ungarn  durch  einen  Einfall  in 
die  Mark  den  Markgrafen  ab;  im  Jahre  1041  gelang  es  aber  diesem 
mit  seinem  Sohne  Liutpold,  eine  nicht  näher  zu  bestimmende  Stadt 
an  der  Grenze  des  böhmischen  Reiches  (wahrscheinlich  Mährens), 
die  ihm  der  Herzog  früher  weggenommen  hatte,  zu  erobern 
und  nach  dem  Gewinn  reicher  Beute  zu  zerstören  ^).  Brestislaw 
wurde  von  Kaiser  Heinrich  bezwungen  und  zur  Anerkennung  der 
deutschen  Oberherrlichkeit  genötigt.  Um  so  schlimmere  Verwicke- 
lungen drohten  von  Ungarn,  wo  im  Jahre  1041  Peter  von  der 
nationalen  Partei  gestürzt  worden  war.  Er  floh  zu  seinem  Schwager 
Adalbert.  Der  neue  König  Aba  fiel  jedoch  zu  Beginn  1042  mit 
zwei  Heerhaufen  nördlich  und  südlich  der  Donau  in  die  Mark 
ein.  Der  letztere  unter  seiner  eigenen  Führung  gelangte  durch 
die  Wälder  bis  zur  Traisen  (15.  Februar),  zog  sich  dann  auf 
Tulln  zurück,  dessen  Umgebung  einen  Tag  hindurch  ausgeplündert 
und  verheert  wurde,  und  konnte  dann  ungehindert  heimkehren. 
Dagegen  wurde  das  Nordheer  durch  Markgraf  Adalbert  und  seinen 
Sohn  Liutpold,  obwohl  ihnen  nur  wenige  hundert  Mann  zur  Ver- 
fügung standen,  geschlagen  und  bis  zur  March  verfolgt.  Auch  ein 
drittes  ungarisches  Heer,  das  gleichzeitig  die  Kärntner  Mark  an- 
gegriffen hatte,  wui'de  vom  Markgrafen  Gottfried  und  zwar  ver- 
mutlich bei  Putten  besiegt  ^). 

Kaiser  Heinrich  IH.  konnte  dann  in  drei  Feldzügen  im  Sep- 

1)  Ann.  Altah.  ad  1041  (M.  G.  SS.  XX,  796).  Büdinger  I,  475  meint, 
es  sei  Znaim  gewesen;  dagegen  spricht  sich  Perlbach,  Die  Kriege  Hein- 
richs ni.  gegen  Böhmen  (Forschungen  z.  deutschen  Gesch.  X,  461)  für  Baum- 
garten aus. 

2)  Lampel,  Die  Mark  Putten,  sucht  es  wahrscheinlich  zu  machen,  dafs 
-die  Schlacht  nicht  bei  Pettau,  sondern  bei  Putten  stattgefunden  hat. 

VancBa,  Geschichte  Nieder-  u.  Oherösterreichs.  16 


242      Achtes  Kapitel.     Die  zweite  deutsche  Kolonisation  in  der  Ostmark. 

tember  1042,  im  August  1043  und  Sommer  1044,  welch  letzterer 
ihm  den  blutigen  Sieg  bei  Memfö  brachte,  bis  an  die  Raab  vor- 
dringen, die  Ungarn  demütigen  und  König  Peter,  der  Deutschland 
den  Vasalleneid  leisten  mufste,  wieder  einsetzen.  Das  war  der 
Höhepunkt  des  deutschen  Einflusses  auf  den  Osten. 

Schon  nach  dem  zweiten  Feldzug  im  Jahre  1043  mufste  König 
Aba  das  Land  bis  zur  Leitha  und  March  herausgeben.  Seitdem 
steht  auch  diese  Grenze  bis  zum  heutigen  Tage  fest.  Freihch  war 
durch  die  zeitweise  Entfremdung  dieses  Gebietes,  sowie  durch  die 
verheerenden  Grenzkriege  in  diesem  östlichen  Teile  der  Mark  die 
Kolonisationsarbeit  wieder  vielfach  vernichtet  worden  und  mufste 
nun  aufs  neue  beginnen  ^). 

1)  Grund  a.  a.  0.  67  weist  nach,  dafs  einzelne  vorher  hier  genannte  Orte, 
wie  Bobsona,  Zeismannstetten ,  Egelstetten  und  Lilienhofen  im  TuUnerfeld  und 
Wiener  Becken  seither  völlig  verschwinden,  andere  wie  Chunihohesdorf  unter 
anderen  Namen  (Königstetten)  wieder  auftauchen.  —  Tegernsee  gab  seinen  Be- 
sitz an  der  Schwechat,  der  ihm  jedenfalls  gefährdet  schien,  in  dieser  Zeit  aus 
der  Hand  (M.  B.  IV,  21). 


Neuntes    Kapitel. 

Errichtung  zweier  Marken  im  Osten. 

Weiterentwickelung   der  Besitzverhältnisse   während 

des  11.  Jahrhunderts. 


Während  die  Ottonen  der  wiederhergestellten  Mark  im  Osten 
an  der  Donau  nur  zeitweilig  ihre  Aufmerksamkeit  geschenkt  hatten, 
verlegten  die  deutsehen  Könige  aus  dem  fränkischen  Hause,  nament- 
lich Heinrich  IH.  das  Schwergewicht  ihrer  Politik  hierher  und 
gaben  ihr  auch  durch  persönliches  Eingreifen  den  nötigen  Nach- 
druck. Sie  begnügten  sich  nicht  damit,  das  Ansehen  der  Reichs- 
gewalt bei  den  slawischen  und  magyarischen  Nachbarn  zu  erhalten, 
sie  waren  vielmehr  bestrebt,  gegen  beide  die  Grenzen  des  Reiches 
erobernd  vorzuschieben  Als  daher  im  Jahre  1043  die  Ungarn 
zur  Abtretung  des  erwähnten  Gebietes  an  der  March  und  Leitha 
gezwungen  wurden,  fafste  Heinrich  HL  einen  grofsen  weitausschauen- 
den Plan. 

Er  vereinigte  diesen  zurückgewonnenen  Landstrich  nicht  mehr 
mit  der  Mark  Österreich,  sondern  bildete  daraus  eine  eigene  neue 
Mark  ^).    Zunächst  gedachte  er  vielleicht,  sie  wenigstens  in  einem 


1)  Darüber  verbreitete  zum  ersten  Male  Licht  die  eingehende  Untersuchung 
Thausings,  Die  Neumark  Österreich  und  das  PrivUegium  Heinricianum  1043  bis 
1058  (Forschungen  z.  deutschen  Gesch.  IV,  355  ff. ,  1864),  doch  ist  der  Name 
,, Neumark"  nicht  quellenmäfsig  belegt,  sondern  eine  Erfindung  des  Verfassers. 
Vgl.  aufser  Hub  er  I,  188  und  Hasenöhrl  a.  a.  0.  459  f.  jetzt  insbesondere 
Witte  in  den  Mitt.  d.  Inst.  f.  österr.  Gesch.  V.  Erg.-Bd.,  S.  372.  —  Wie  die 
Ungamkämpfe  unter  Heinrich  III.  und  IV.,  so  scheint  sich  auch  diese  Zwei- 
teUung  der  Mark  im  Nibelungenliede  widerzuspiegeln ,  denn  zwischen  der  Mark 
Küdegers  von  Pechlarn  und  dem  Hunnenreich  befindet  sich  ein  Zwischenland, 
das  Osterland. 

16* 


244  Neuntos  Kapitel. 

gewissen  Zusammenhange  mit  dem  Hause  der  Babenberger  zu 
lassen,  indem  er  damit  gelegentlich  seiner  Vermählung  mit  Agnes 
von  Poitou  zu  Ingelheim  anfangs  Dezember  1043  den  Sohn  des 
Markgrafen  Adalbert  von  Osterreich,  den  im  Feldzuge  gegen  die 
Slawen  so  verdienten  jungen  Liutpold  belehnte  ').  Da  dieser  aber 
bereits  wenige  Tage  später  starb,  so  ging  König  Heinrich  noch 
einen  Schritt  weiter  und  verlieh  die  neu  gegründete  Mark  einem 
gewissen  Siegfried  ^),  den  er,  um  ihm  ein  entsprechendes  Vermögen 
zu  verschaffen  und  ihn  an  Machtfülle  hinter  Markgraf  Adalbert 
nicht  zu  sehr  zurückstehen  zu  lassen,  in  den  folgenden  Jahren 
mit  reichen  Schenkungen  ausstattete.  Am  7.  März  1045  gab  er 
ihm  150  königliche  Hufen  zwischen  March,  Fischa  und  Leitha  ^) 
und  am  15.  Juli  1045  sehr  ausgedehnte  Ländereien  —  nicht  weniger 
als  265  Hufen  —  einerseits  östlich  von  dem  zwischen  Kaumberg 
und  Liesing  sich  erstreckenden  Eichstätter  Besitz  längs  der  Donau, 
andrerseits  zwischen  March,  Suiza  und  Zaya  um  Stillfried  im  nord- 
östHchen  Teile  ^). 

Der  ganze  Vorgang  dieser  Neugründung  entsprach  einem 
eigentümlichen  Zuge  der  inneren  Politik  Heinrichs  IH. ,  welcher 
der  Anhäufung  von  Territorien  in  einer  Hand  abhold  war.  So 
verlieh  er  schon  1042  Bayern  an  Heinrich  aus  dem  Hause  Lützel- 
burg,  später  1047  Kärnten  an  den  Grafen  Weif.  Aber  es  war 
zugleich  auch  ein  kluger  Schritt  der  äufseren  PoUtik. 

Es  erscheint  mir   durchaus  nicht  zufällig,    dafs  wenige  Jahre 


1)  Dafs  die  Mark,  mit  der  Liutpold  belehnt  wurde  (nach  Herrn.  Ang.  in 
M.  G.  SS.  V,  124),  gerade  die  neugegründete  Mark  gewesen  ist,  steht  durchaus 
nicht  vollkommen  fest;  es  wäre  nicht  ausgeschlossen,  dafs  ihm,  um  ihm  das 
Erbrecht  zu  sichern ,  schon  im  voraus  die  Mark  Österreich  übertragen  worden 
wäre,  nicht  unmöglich  auch,  dafs  doch  schon  damals  sein  Ende  bevorstand  und 
dafs  die  Belehnung  eine  letzte  Ehrung  ohne  weitere  politische  Verpflichtung  war. 

2)  Taucht  allerdings  erst  etwa  1^  Jahre  später  auf,  was  aber  frühere  Be- 
lehnung nicht  ausschliefsen  würde. 

3)  Wendrinsky,  Nachträge  zu  den  Babenberger  Kegesten  (Bl.  d.  Ver. 
f.  Landesk.  XIII,  1879)  Nr.  13.     Stumpf  2272;  Böhmer  1525. 

4)  Wendrinsky  16;  Stumpf  2279;  Böhmer  1530.  —  Über  die  Lage 
dieser  Besitzungen  siehe  Witte  a.  a.  0.  372.  Es  ist  nicht  unwahrscheinlich, 
dafs  Markgrafneusiedel,  das  gerade  im  Mittelpunkt  dieser  Besitzungen  liegt,  da- 
mals gegründet  worden  ist. 


Errichtung  zweier  Marken  im  Osten.  345 

nach  Errichtung  der  neuen  Mark  Markgraf  Adalbert  von  Oster- 
reich, der  schon,  wie  wir  gesehen  haben,  im  Jahre  1041  in  her- 
vorragender Weise  im  Kampfe  gegen  die  Böhmen  verwendet  wui'de, 
am  21.  April  1048  eine  grofse  Schenkung  von  30  Königshufen 
am  Zusammenflusse  der  beiden  Thaya,  also  an  der  böhmischen 
Grenze^),  und  am  12.  November  1051  von  weiteren  30  Hufen 
zu  Grafenberg  bei  Eggenburg,  gleichfalls  im  Wald  viertel  2) ,  vom 
König  empfing.  Etwas  später,  am  1.  Oktober  1058,  kamen  noch 
20  Königshufen  zu  Rotweinsdoi'f  (Ortwinesdorf)  und  Pyrha  hinzu, 
welche  die  Markgräfin-Witwe  Frowiza  von  König  Heinrich  IV. 
erhielt  3),  und  am  22.  März  1074,  bezw.  am  27.  Juh  1075  wurde 
der  babenbergische  Besitz  in  diesem  Grenzgebiet  gegen  Böhmen 
durch  die  Schenkung  von  40  Hufen  im  Walde  Rogacs  (Raabs) 
und  60  Untertanen  daselbst  abgerundet  *).  Bezeichnend  ist  es 
auch,  dafs  im  Jahre  1055  die  Mark  Adalberts  ausdrückhch  „böh- 
mische Mark"  genannt  wird  ^).  Aus  dem  allen  scheint  mir  hervor- 
zugehen, dafs  der  Plan  bestanden  hat,  sich  auf  die  Mark  Österreich 
bei  den  weiteren  Kämpfen  gegen  die  Böhmen  und  Mährer  zu 
stützen,  während  die  neu  gegründete  Mark  an  der  March  und 
Leitha  die  Operationsbasis  für  die  Eroberungskriege  gegen  Ungarn 
bilden  sollte.  Was  nun  den  Markgrafen  der  neuen  Mark,  Siegfried, [ 
betrifft,  so  wird  er  im  Jahre  1045  noch  zweimal  genannt  ^),  ver- 
schwindet dann  aber  wieder  spurlos.  Wer  er  eigentlich  gewesen 
ist  und  woher  er  stammte,  ist  eine  bis  heute  ungelöste  und  nach 
dem  dürftigen  Stand  der  Quellen  auch  kaum  zu  lösende  Frage. 
Dafs  er  ein  Babenberger  war,  wie  hier  und  da  vermutet  wurde, 
dürfte  wohl   nicht   richtig  sein,   da  der  Name  Siegfried  in  diesem 

1)  Meiller  6,  11;  M.  G.  DD.  I,  59,  187.  —  In  der  Urkunde  steht  irr- 
tümlich Zaya,  wie  Meiller  nachgewiesen  hat.    Zwei  Zaya  giht  es  überhaupt  nicht. 

2)  Meiller  7,  16. 

3)  a.  a.  0.  8,  3. 

4)  a.  a.  0.  9.  10  und  Wendrinsky  a.  a.  0.  25.  —  Font.  rer.  Austr. 
2.  Abt.  IV,  187.  —  Vielleicht  gehörte  auch  Litschau  und  Heidenreichstein  zu 
dieser  Schenkung  (Gef.  Mitteilung  des  Herrn  P.  Hammerl  nach  Zwettler 
Urkunden). 

5)  Meiller  7,  17. 

6)  Urkunde  vom  3.  Juni  für  Niederaltaich.  M.  B.XXIXa,  83;  Böhmer  1527 
und  von  demselben  Datum  für  den  Getreuen  Eeginold  a.  a.  0.  81;  Böhmer  1528. 


246  Neuntes  Kapitel. 

Geschlechte  nicht  vorkommt  und  das  Schweigen  der  österreichischen 
Annalistik  und  babenbergischen  Genealogie  schwer  erklärlich  wäre. 
Man  muls  also  die  Blicke  auf  eine  andere  und  zwar,  wenn  man 
nicht  die  unwahrscheinliche  Berufung  einer  landfremden  Familie, 
die  darauf  wieder  aus  Osterreich  verschwunden  sein  müfste,  an- 
nehmen will,  auf  eine  bereits  damals  in  der  Ostmark  ansässige 
Familie  lenken  ^),  und  da  gerät  man  unwillkürlich  auf  die  Grafen 
von  Burghausen  -  Schala ,  die  sich  rühmen  konnten ,  von  dem 
einstigen  Markgrafen  Aribo  abzustammen,  und  die,  worauf  ich 
schon  hingewiesen  habe,  wohl  bereits  damals  nördhch  der  Donau 
ausgedehnte  Besitzungen  an  sich  gebracht  hatten.  Freilich  stöfst 
man  dabei  auf  das  Hindernis,  dafs  sich  auch  in  dieser  Familie 
kein  Glied  namens  Siegfried  findet.  Aber  es  wäre  nicht  aus- 
geschlossen, dafs  man  in  der  königlichen  Kanzlei,  aus  der  unsere 
Urkunden  stammen,  eine  Abkürzung  oder  eine  im  Sprachgebrauch 
vorkommende  Diminutivl'orm  mifsverstanden  habe,  und  dafs  Sieg- 
fried statt  Sigehard  (Diminutiv  Sizo)  geschrieben  wurde  ^).  Tat- 
sächlich gab  es  zur  Z>eit  Heinrichs  HL  zwei  Sigeharde  aus  diesem 
Geschlecht,  von  denen  der  eine  in  der  Schlacht  bei  Menfö  fiel. 
Vermutlich  wäre  es  dessen  Vetter,  dem  Heinrich  HI.  die  neue 
Mark  übertrug. 

Der  Umstand,  dafs  der  Hauptbesitz  der  von  dieser  Familie 
abstammenden  Peilsteine  gerade  in  der  Neumark  lag  und  gröfsten- 
teils  mit  den  dem  Markgrafen  Siegfried  geschenkten  Gütern  über- 

1)  Hansiz,  Äustria  sacra  I,  24ß  und  Call  es  I,  342  sind  bereits  auf  der 
richtigen  Fährte,  wenn  sie  ihn  wegen  des  Umstandes,  dafs  hier  später  die  Grafen 
von  Plaien  reich  begütert  waren,  zu  den  Plaien  rechnen.  Sie  übersahen  nur, 
dafs  dieses  Geschlecht  im  11.  Jahrhundert  hier  noch  nicht  ansässig  war  und 
seinen  Besitz  in  Niederösterreich  erst  durch  seine  Verwandtschaft  mit  den  Peil- 
steinern erwarb.  Meiller  neigt  noch  der  Ansicht  zu,  dafs  Siegfried  doch  mit 
den  Babenbergern  verwandt  sei,  und  Wendrinsky  rechnet  ihn  direkt  zu  diesem 
Geschlecht. 

2)  Darauf  hat  zuerst  Filz  in  seiner  Geschichte  von  Michaelbeuern  I,  69 f. 
hingewiesen.  Ob  Sigehard,  der  Gemahl  Pilehilds,  oder  Sigehard,  der  Gemahl 
Judiths,  der  Markgraf  gewesen,  ist  nicht  genau  festzustellen.  Der  eine  fiel  in 
der  Schlacht  bei  Menfö  (Necrologium  S.  Kudberti  [M.  G.  NN.  11,  148]).  Filz 
folgte  Z  i  1 1  n  e  r  in  den  Mitteilungen  der  Gesellschaft  für  Salzburger  Landeskunde 
XXIII,  247,  1883  und  mit  neuen  Beweismitteln  Witte,  der  besonders  die 
wichtige  Besitzfrage  einer  eingehenden  Untersuchung  unterzog. 


Errichtung  zweier  Marken  im.  Osten.  347 

einstimmt,  ist  jedenfalls  danach  angetan,  die  Wahrscheinlichkeit 
der  Annahme  beträchtlich  zu  erhöhen.  Da  ferner  Graf  Sigehard 
noch  vor  dem  Jahre  1048  aus  dem  Leben  geschieden  sein  mufs  ^), 
so  würde  es  sich  erklären,  dafs  Markgraf  Siegfried  sich  nicht 
unter  den  Kommissären  befindet,  die  im  Jahre  1050  zum  Zwecke 
des  Wiederaufbaues  von  Hainburg,  das  ja  in  seiner  Mark  lag, 
genannt  werden  -). 

Auch  in  kirchlicher  Beziehung  stand  die  neue  Mark  aufser- 
halb  des  Verbandes  der  Ostmark,  denn  während  in  dieser  aus- 
schliefslich  Passau  das  Zehntenrecht  besafs,  wurde  im  Jahre  1051 
der  Zehnte  in  der  neuen  Mark  der  Propstei  Hainburg  zugewiesen  ^). 

Nach  dem  Tode  Sigehards  oder  vSiegfrieds  scheint  die  Stelle 
des  Markgrafen  nicht  mehr  besetzt  worden  zu  sein  *).  Vielleicht 
hängt  dies  mit  den  höchst  gefährlichen  Zeitläuften  zusammen,  die 
unterdessen  wieder  über  diese  deutschen  Grenzgebiete  hereingebrochen 
waren  '").     Schon   im  Jahre  1046    war   König  Peter   von   Ungarn 


1)  Nach  Juvavia  II,  233  sind  nämlich  Judith  und  Pilihild  im  Jahre  1048 
bereits  Witwen. 

2)  Herrn.  Aug.  1050  (M.  G.  SS.  V,  129)  und  Ann.  Altah.  (M.  G.  SS. 
XX,  805). 

3)  M.  B.  XXIX  a,  103. 

4)  lu  der  genannten  Urkunde  ist  ein  Raum  leer  gelassen  für  den  Namen 
des  Markgrafen.  —  Wollte  man  sich  auf  das  Gebiet  der  Vermutungerf  begeben, 
so  könnte  man  allenfalls  auf  den  Gedanken  geraten,  dafs  dem  Markgrafen  Sieg- 
fried—Sigehard  dessen  Verwandter  aus  dem  Geschlechte  der  Aribonen  Botho 
gefolgt  sei.  Eine  Stütze  dafür  könnte  man  in  dem  Umstände  finden,  dafs  in 
-dem  Gebiete  der  Neumark  eine  Eeihe  von  Orten  von  diesem  Namen  abgeleitet 
werden  können  (Pottendorf,  Pottenstein,  Pottenburg),  und  dafs  die  Pottenburg 
gerade  im  Jahre  1053,  als  Botho  in  den  Sturz  des  Herzogs  Konrad  verwickelt 
worden  war,  von  Kaiser  Heinrich  dem  Bistum  Eichstätt  geschenkt  wurde.  (0  f e  1  e 
in  S.-B.  d.  bayer.  Akad.  I.  Bd.  XVI,  1893).  Freilich  will  Witte  wieder  um- 
gekehrt den  Grund  für  den  Anschlufs  Bothos  und  Aribos  an  den  aufständischen 
Bayernherzog  darin  sehen,  dafs  der  aribonischen  Familie  die  Markgrafschaft  nicht 
weiter  verliehen  wurde.  T  h  a  u  s  i  n  g  glaubt  allenfalls  einen  rätselhaften  Marchio 
Otto,  dessen  Güter  gleichfalls  nach  Konrads  Sturz  konfisziert  und  dem  Bistum 
Freising  geschenkt  (Stumpf  2487)  wurden,  mit  der  Neuraark  in  Verbindung 
bringen  zu  können.     Sollte  hier  vielleicht  statt  Otto  Boto  zu  lesen  sein? 

5)  Für  die  ganze  folgende  Periode  der  Ungarnkriege  sind  Hermann  von 
Eeichenau  und  die  Altaicher  Annalen  (M.  G.  SS.  V  und  XX)  die  hauptsächUchen 
und  fast  ausschliefslichen  Quellen.     Zur  Literatur   sei  noch  im  allgemeinen  ver- 


248  Neuntes  Kapitel. 

durch  die  nationale  Partei,  welche  die  Enkel  König  Stephans  ins 
Land  rief,  wieder  gestürzt,  gefangengenonnnen  und  geblendet  und  an 
seiner  Statt  Andreas,  der  älteste  unter  Stephans  Enkehi,  zum  König 
erhoben  worden.  Kaiser  Heinrich  III.  lehnte  dessen  Bemühungen 
um  einen  friedlichen  Ausgleich  ab,  war  aber  andrerseits  durch 
Unruhen  im  Reiche  verhindert,  für  Peters  Entthronung  Hache  zu 
üben.  So  entbrannte  in  den  nächsten  Jahren  der  Plünderungs- 
und Verwüstunjrskrieg  in  den  Grenzgebieten  von  neuem.  1050 
wurde  wahrscheinlich  die  wichtige  Festung  der  neuen  Mark  Hain- 
burg, deren  Errichtung  offenbar  mit  der  Gründung  der  neuen 
Mark  zusammenhängt,  iür  die  sie  den  befestigten  Mittelpunkt  bilden 
sollte,  zerstört.  Sie  galt  es  vor  allem  wiederherzustellen,  und  des- 
halb wurde  auf  einem  Reichstag  von  Nürnberg  Herzog  Kourad 
von  Bayern,  Markgraf  Adalbert  von  Österreich  und  Bischof  Geb- 
hard  von  Regensburg  mit  dieser  Aufgabe  betraut,  deren  Durch- 
führung trotz  der  wiederholten  Angriffe  der  Ungarn  auch  gelang. 
Dagegen  war  der  Heereszug  des  deutschen  Königs  selbst,  obwohl 
mit  grofsem  Aufgebot  unternommen  und  von  Bretislaw  von  Böhmen 
im  Norden  der  Donau  unterstützt,  von  Mifserfolgen  begleitet,  und 
nachdem  er  vergeblich  von  Kärnten  aus  vorzudringen  gesucht 
hatte,  mufste  er  froh  sein,  endlich  mit  den  Resten  seines  Heeres 
nach  Hainburg  zurückzugelangen. 

Markgraf  Adalbert,  dessen  Gebiet  in  erster  Linie  gefährdet 
war,  zog  es  vor,  auf  eigene  Faust  einen  Waffenstillstand  zu  schliefsen,. 
während  Kaiser  Heinrich  HI.  trotz  der  Friedensgeneigtheit  des 
Königs  Andreas  den  Erfolg  erzwingen  v>'olite.  Vergebens,  denn 
Prefsburg,  das  im  Jahre  1052  durch  zwei  Monate  hindurch  be- 
lagert Avurde,  widerstand,  und  als  im  nächsten  Jahre  dennoch  auf 
Betreiben  des  Papstes  ein  billiger  Friede  zustande  kommen  zu 
wollen  schien,  vereitelte  ihn  Konrad  von  Bayern,  der  wegen  Land- 
friedensbruches seiner  Herzogswürde  entsetzt  worden  und  nun  zu 
den  Ungarn  entflohen  war,  die  er  gegen  den  Kaiser  aufhetzte. 
So    sah   das   Jahr  1054    neue    LTngarneinfälle ,    Plünderungen    und 

merkt:  Steindorf  f,  Jahrbücher  des  deutschen  Eeiclies  unter  Kaiser  Heinrich  III., 
M  e  3  n  d  t ,  Beiträge  zur  Geschichte  der  älteren  Beziehungen  zwischen  Deutschland 
und  Ungarn  (Leipzig  1870)  und  Heinrich  III.  und  König  Andrejis  von  Ungarn 
(Leipziger  Diss.  1870). 


Errichtung  zweier  Marken  im  Osten.  24k9 

Verwüstungen  in  den  Grenzgegenden.  Da  der  Kaiser  wieder 
anderweitig  in  Anspruch  genommen  war,  so  war  Markgraf  Adalbert 
auf  sich  allein  angewiesen  und  brachte  wenigstens  den  abziehenden 
Raubscharen  eine  Schlappe  bei. 

Diesen  unleidlichen  Verhältnissen,  in  denen  wohl  die  neue  Mark 
das  stets  gefährdete  Einfalls-  und  Durchzugsgebiet  bildete,  so  dafs  sie 
kaum  zu  geordneten  Zuständen  kommen  konnte,  setzte  unerwarteter- 
weise im  Jahre  1055  eine  Reihe  von  rasch  aufeinanderfolgenden 
Ereignissen  ein  Ziel.  Zunächst  starb  Herzog  Konrad  von  Bayern, 
der  Haupturheber  der  Fortdauer  des  Raub-  und  Grenzkrieges,  während 
seine  Anhänger  Bischof  Gebhard  von  Regensburg  und  Herzog  Weif 
von  Bayern  vom  Kaiser  bezwungen  wurden.  Am  26.  Mai  schlofs 
der  greise  Markgraf  Adalbert  die  Augen,  und  sein  energischer  Sohn 
Ernst  folgte  ihm  in  der  Mark.  Und  am  5.  Oktober  starb  auch 
Kaiser  Heinrich  IH.  und  hinterhefs  das  Reich  seinem  gleichnamigen 
Sohne,  der  erst  sechs  Jahre  zählte  und  für  den  seine  Mutter, 
Kaiserin  Agnes,  die  Regentschaft  übernahm. 

Diese  Ereignisse  waren  denn  auch  von  wichtigen  Folgen  be- 
gleitet. Die  Ungarn  stellten  nun  die  Angriffe  auf  die  i\larken 
ein,  die  Kaiserin  beeilte  sich  aber  den  angebotenen  Frieden  ein- 
zugehen, da  eine  Weiterführung  des  Krieges  unter  den  gegebenen 
Verhältnissen  unmöglich  schien.  Mitte  September  1058  begab  sich 
Kaiserin  Agnes  auf  Einladung  des  Ungarnkönigs  persönlich  in 
die  Grenzlande,  wo  auf  dem  Marchfelde  der  Friede  beiderseits 
beschworen  und  durch  die  Verlobung  der  deutschen  Prinzessin 
Judith  (als  Königin  von  Ungarn  später  Sophia)  mit  dem  fünf- 
jährigen Sohne  des  Königs  Andreas,  Salomon,  feierlich  befestigt 
wurde.  Damit  war  die  Unabhängigkeit  Ungarns  vom  deutschen 
Reich  anerkannt. 

Immerhin  gab  es  bereits  wenige  Jahre  später  wieder  einen 
ungarischen  Feldzug,  der  jedoch  lediglich  durch  neuerliche  Thron- 
wirren in  Ungarn  hervorgerufen   wurde  ^).     Auch  König  Andreas 


1)  Hauptquelle  für  das  Folgende  noch  immer  die  Altaicher  Annalen;  dazu 
Berthold  (M.  G.  SS.  V,  271)  imd  Lambert  von  Hcrsfeld  (ebendas.  V,  161) 
nicht  ohne  starke  Abweichungen.  Die  späten  ungarischen  Quellen  sind  sehr 
unzuverlässig.  Zur  Literatur:  Büdinger,  Ein  Buch  ungarischer  Geschichte 
(Leipzig  1866),  Eademacher,  Ungarn  und  das  deutsche  Eeich  unter  Heinrich IV. 


250  Neuntes  Kapitel. 

hatte  nämlich  im  Laude  Gegner  gefunden ;  ihr  Haupt  war  sein 
jüngerer  Bruder  Behi,  der  selbst  nach  der  Krone  strebte.  Um 
seinem  Sturze  vorzubeugen,  wandte  er  sich  an  Kaiserin  Agnes 
mit  der  Bitte  um  bewaffnete  Unterstützung,  und  diese  bot  tatsäch- 
lich im  Jahre  lOGO  Markgraf  Ernst  von  Osterreich,  Wilhelm  von 
Meifsen,  Bischof  Eppo  von  Naumburg  und  Herzog  Spitignew  von 
Böhmen  für  ihn  auf  Sie  kamen  eben  noch  zurecht,  um  seine 
und  seiner  Familie  Flucht  zu  decken,  wobei  das  deutsche  Heer 
fast  aufgerieben  wurde,  viele  Edle  in  Gefangenschaft  fielen  und 
Andreas  selbst  umkam.  Seine  Gemahlin  sowie  sein  Sohn  mit  seiner 
Braut  retteten  sich  mit  ihren  Kostbarkeiten  nach  Melk. 

Obwohl  sich  die  Verhältnisse  im  deutschen  Reich  für  eine 
grofse  Aktion  noch  ungünstiger  gestalteten,  seitdem  Anno  von  Köln 
und  der  neue  Bayernherzog  Otto  von  Nordheim  den  jungen  Prinzen 
Heinrich  in  ihre  Gewalt  gebracht  und  die  Kaiserin- Witwe  von  der 
Regentschaft  entfernt  hatten,  so  beschlofs  der  Reichstag  von  Mainz 
im  Frühjahr  1063  doch  eine  Heerfahrt  gegen  Ungarn  zugunsten 
Salomons.  Bela  hatte  zwar  starke  Grenzbefestigungen  anlegen 
lassen.  Das  deutsche  Heer  umging  sie  jedoch,  nahm  die  Feste 
Wieselburg  mit  Sturm  und  geleitete  Salomon  nach  der  ungarischen 
Krönungsstadt  Stuhlweifsenburg,  wo  er,  nachdem  König  Bela  plötz- 
lich gestorben  war,  seine  Hochzeit  mit  Judith  (Sophia)  beging. 

Dies  war  der  letzte  grofse  Erfolg  Deutschlands  gegen  Ungarn. 
Aber  es  hatte  sich  bei  diesen  Feldzügen  nicht  mehr  um  die  Unter- 
werfung des  Landes  unter  deutsche  Oberhoheit  oder  um  Erobe- 
rungskriege gehandelt,  sondern  lediglich  um  Familienkämpfe  der 
Herrscherhäuser.  Unter  den  veränderten  Verhältnissen  war  es 
nur  selbstverständlich,  dafs  die  von  Heinrich  HL  gegründete  neue 
Mark,  die  ihre  Bedeutung  verloren  hatte  und  in  den  letzten 
Jahren  verwaist  war,  nunmehr  wieder  mit  Osterreich  vereinigt 
wurde  ^).     In  einer  Urkunde  vom  25.  Oktober  1063  wird  bereits 


(Merseburger Programm  1885)  und  Mejerv.  Knonau,  Jahrbüeher  des  deutschen 
Eeiches  unter  Kaiser  Heinrich  IV.  —  Unbedeutend  ist  Heller,  Die  Ostmark 
zur  Zeit  Heinrichs  IV.  (Bl.  d.  Ver.  f.  Landesk.  VIII,  280,  1874). 

1)  Th  au  sing  a.  a.  0.  375  vermutet,  dafs  es  schon  im  Jahre  1058  ge- 
schehen sei,  als  Kaiserin  Agnes  auf  dem  Boden  der  Neumark  weilte.  Ihm  folgt 
Ju ritsch  S.  74.    Dagegen  Hasenöhrl  a.  a.  0.  464.    Jedenfalls  ist  vor  1063 


Errichtung  zweier  Marken  im  Osten.  251 

eine  Reihe  von  Orten,  die  früher  in  der  neuen  Mark  gelegen  waren, 
als  „in  comitatu  Ernusti  marchionis  sita"  bezeichnet  ^). 

Zehn  Jahre  später,  im  Jahre  1074,  kam  es  noch  einmal  zu 
einer  Intervention  Kaiser  Heinrichs  IV.  zugunsten  seines  Schwagers 
in  Ungarn,  als  diesem  nämlich  Belas  Sohn  Geisa  den  Thron 
streitig  machte.  Obwohl  der  Heereszug  keinen  kriegerischen  Erfolg 
brachte,  trat  doch  Geisa,  der  damals  die  Macht  im  Lande  hatte, 
in  einem  Frieden  einen  Landstrich  mit  Wieselburg  an  Heinrich 
ab,  den  dieser  an  verschiedene  Getreue,  insbesondere  den  Bischof 
von  Freising  vergabte,  ohne  ihn  etwa  der  Mark  anzugliedern. 
Doch  scheint  dieser  deutsche  Besitz  nicht  lange  zu  halten  gewesen 
zu  sein.  Unterdessen  war  der  Investiturstreit  auf  der  ganzen  Linie 
entbrannt,  ganz  Deutschland  stand  in  heller  Empörung,  da  war 
an  eine  Anteilnahme  an  auswärtigen  Angelegenheiten  nicht  mehr 
zu  denken. 

Die  Politik  der  Kaiser  Konrad  II.  und  Heinrich  III.  sowie 
die  grofse  kirchliche  Bewegung,  welche  die  Klosterreform,  den 
Investiturstreit  und  die  Kreuzzüge  einleitete,  war  für  das  Auf- 
kommen und  Erstarken  verschiedener  weltlicher  und  geistlicher 
Territorien  günstig.  Die  grofsen  Güter,  welche  Markgraf  Siegfried 
vom  Kaiser  erhalten  hatte,  finden  wir  in  der  Folgezeit  im  Besitz 
der  Burghausen -Schala- Peilstein,  was  mit  für  die  Zugehörigkeit 
des  Markgrafen  zu  dieser  Familie  spricht  ^).  Friedrich  I.  von 
Tenglingen,  vielleicht  der  Sohn  des  Markgrafen  Siegfried  oder  Sige- 
hard,  der  sich  auch  nach  Peilstein  nannte,  tritt  uns  zuerst  im 
Jahre  1080  entgegen  ^);  möglicherweise  war  er  Graf  im  sogenannten 
Pielachgau  *).    Von  den  Nachkommen  nennen  sich  die  einen  Grafen 

kein  urkundlicher  Beleg  vorhanden,  und  auch  die  Ereignisse  dieses  Jahres  können 
ganz  gut  dazu  geführt  haben. 

1)  Meiller  8,  7. 

2)  Ich  verweise  nochmals  auf  Wittes  Aufsatz  im  V.  Erg.-Bd.  d.  Mitteil. 
<i.  Inst.  f.  österr.  Geschieh tsf.  Dadurch  wird  der  ältere  Aufsatz  von  Wend- 
rinsky,  Die  Grafen  von  Feüstein,  Burghausen  und  Schala  (Bl.  d.  Ver.  f.  Landesk. 
XV,  1,  1881)  vielfach  berichtigt  und  überholt.  —  Über  spätere  Zustände  und 
besonders  den  Bericht  über  den  Peilsteinschen  Besitz  in  Enenkels  Landbuch  vgl. 
Lampel,  Die  Macht  der  Grafen  von  Peilstein  in  Niederösterreich  (ebendas. 
XXXII,  103,  1898). 

3)  ÜB.  d.  L.  0.  d.  Enns  II,  119. 

4)  Sein  Bruder,  der  Patriarch  Sigehard,  nennt  sich  Graf  von  „Bielakt". 


252  Neuntes  Kapitel. 

von  Burghausen  (sein  Sohn  Sigeharcl  II.  und  dessen  Sohn  Gebhard), 
die  anderen  Graten  von  Schala  (Heinrich  von  Schala,  der  zweite 
Sohn  Sigehards  L),  noch  andere  Graten  von  Peilstein  (aufser  Fried- 
rich selbst,  sein  Sohn  Friedrich  II.  und  dessen  Sohn  Konrad). 
Aufser  dem  erwähnten  Stammbesitz  (Peilstein  und  Schalaburg)  im 
Viertel  ober  Wiener  Wald  und  vereinzelten  Gütern  im  Viertel 
unter  Wiener  Wald,  wie  Sarasdorf  an  der  Leitha,  Sierning,  ein- 
zelnes zu  Wien  an  der  Als  und  in  Dornbach  und  das  Urfahr  zu 
Nufsdorf  gehörte  ihnen  im  11.  und  12.  Jahrhundert  ausgedehnter 
Besitz  im  Norden  der  Donau :  die  Grafschaft  Riedenburg  mit  Hörn 
und  Pöllan,  Stetteldorf,  Ravelsbach,  Grafenwörth,  Thal  und  Ruhrs- 
dorf, Schwarzach,  Münichreut,  Neukirchen  am  Ostrong,  Sebarn, 
Ebersdorf  bei  Persenbeug,  Mampasberg,  Hart,  Tremegg  u.  a.  m. 
Ihre  Besitzungen  dehnten  sich  demnach  über  die  ganze  Mark  Oster- 
reich aus  und  stellten  den  Besitz  der  Markgrafen  selbst  w^eit  in 
den  Schatten.  Unter  den  fränkisch -nordgauischen  Geschlechtern, 
die  erst  in  der  Zeit  der  fränkischen  Besiedelung  ins  Land  kamen, 
sind  die  Grafen  von'Voburg,  welche  auch  Passauer  Lehensträger 
waren,  zwischen  Fischa  und  Leitha  ^)  und  die  Grafen  von  Sulz- 
bach, die  Hainburg,  Pottendorf,  Landegg,  Kalksburg  und  Liesing 
besafsen  ^),  zu  nennen. 

Manche  der  damals  mit  königlichen  Schenkungen  bedachten 
Edlen  —  zum  Teil  königliche  Dienstmanuen,  meist  gleichfalls 
Franken,  —  sind  später  nicht  weiter  nachweisbar  oder  wenigstens  läfst 
sich  ihr  Zusammenhang  mit  einer  der  österreichischen  Adelsfamilien 
nicht  feststellen,  z.  B.  der  Getreue  Reginold,  der  im  Jahre  1045 
zehn  Hufen  zwischen  Leitha  und  Fischa  und  das  Gut  Riesenburg 
in  der  Markgrafschaft  Siegfrieds  erhielt  ^),  oder  ein  gleichzeitig  er- 
wähnter Riziman,  oder  der  königliche  Dienstmann  Sigboto,  der  um 
1078  Besitz  zu  Frigendorf  (Freindorf  bei  Tulln)  empfängt  *).  Letzterer 
gehört  vielleicht  dem  Geschlechte  der  Falkenstein-Herrenstein  an  ■''), 
die  in  der  zweiten  Hälfte  des  11.  Jahrhunderts  in  die  Mark  kamen. 

1)  Font.  rer.  Austr.  2,  XIII,  43  und  46. 

2)  M.  B.  XXIX  b,  314. 

3)  Stumpf,  Eegesten  2276.     M.  B.  XXIX a,  81. 

4)  Meiller,  ßegesten  10,  1.     M.  B.  XXXI a,  361. 

5)  Wie  Meiller  vermutet.  Über  die  Herrensteiner  Zahn  in  Beckers- 
Hernstein  III,  2,  30  f. 


Errichtung  zweier  Marken  im  Osten.  353 

Diesem  Geschlechte  gehörte  Herrand  an,  der  die  Burg  Herrandstein 
(jetzt  Hernstein)  gründete.  Mit  etwas  mehr  Sicherheit  kann  man 
jenen  Haderich,  dem  1055  Heinrich  IV.  drei  Hufen  zwischen  Mail- 
berg und  Pulkau  schenkt  ^),  zu  den  Grafen  von  Schwarzburg- 
Nöstach  rechnen,  die  im  Triestingtal  ihre  Stammburg  Nöstach  be- 
safsen  und  später  das  Kloster  Klein-Mariazell  gründeten  ^),  und  in 
jenem  Azzo,  der  um  1057  drei  Hufen  zu  Hetzmannswiesen  und 
Krumau  am  Kamp  erhält  ^) ,  den  Stammvater  der  später  so  be- 
rühmten Kuenringer  sehen  *). 

Besonders  mächtig  wurde  jedoch  zu  Beginn  des  12.  Jahr- 
hunderts das  Geschlecht  der  Grafen  von  Piuge,  Beugen,  Beigen, 
Bogen  (nach  dem  Sitz  Böigen  bei  Hörn).  Seine  Besitzungen  lagen 
zunächst  auf  oberösterreichischem  Boden  um  Rebgau,  Aurach  und 
Wankheim.  Zur  erwähnten  Zeit  finden  wir  jedoch  auch  in  der 
Ostmark  Hörn,  Altenburg,  Neukirchen,  Rombach,  Riedenburg,  Molt, 
Strogen,  Hohen  wart,  St.  Marein  in  ihren  Händen  —  ein  Besitz, 
so  statthch,  dafs  man  ihn  das  „Boigreich''  zu  nennen  pflegte,  dann 
aber  auch  Güter  um  Göttweig  und  Mautern:  Fhnsbach,  Mauer, 
Honindorf  und  Hoheneck  •'>).  Möglich,  dafs  schon  jener  Graf  Karl, 
welcher  um  1049  die  Kirche  in  Hörn  gründete  ^),  diesem  Geschlechte 

1)  Meiller  7,  17. 

2)  Über  die  Grafen  von  Schwarzburg-Nöstach  siehe  Wendrinsky  (BI.  d. 
Ver.  f.  Landesk.  XI,  78,  1877). 

3)  Meiller  8,  2.     Wendrinsky,  Eegesten  21. 

4)  Hetzmannswiese  hält  M  e  i  1 1  e  r  für  Hetzmannsdorf,  Priefs  für  das  spätere 
Kuenring;  vgl.  Friefs,  Die  Herren  von  Kuenring  (Wien  1874).  Das  Prädikat 
Azzos  „von  Gobatsburg"  ist  nur  in  der  gefälschten  Urkunde  des  Markgrafen 
Ernst  für  Melk  belegt. 

5)  Über  die  drei  folgenden  im  Hausruckviertel  begüterten  Geschlechter  der 
Eebgau-Piugen,  der  Formbacher  mit  ihren  Nebenlinien  und  der  Stille-Heft  handelt 
Strnadt,  Peuerbach  (27.  Ber.  d.  Mus.  Francisco- Carolinum  103  ff.  und  117  ff.). 
Dafs  er  die  Windberg  mit  den  Piugen,  die  Eatelnburg  mit  den  Eaabs  identi- 
fizieren will,  bleibt  fragliche  Hypothese.  Überhaupt  sind  fast  alle  die  Adels- 
geschlechter, welche  ich  zu  nennen  habe,  von  den  Genealogen  miteinander  iu 
Verwandtschaft  gebracht  worden.  Da,  wie  ich  schon  oben  erwähnte,  im  10.  und 
11.  Jahrhundert  die  Familiennamen  noch  sehr  selten  zur  Anwendung  kommen 
und  sehr  leicht  gewechselt  werden,  herrscht  grofse  Unsicherheit,  und  man  wird 
gut  tun,  möglichste  Vorsicht  walten  zu  lassen.  Speziell  über  die  Grafen  von 
Eebgau-Piugen  siehe  Wendrinsky  (Bl.  d.  Ver.  f.  Landesk.  XIV,  181,  1880). 

6)  Mon.  Boic.  XXVIII  b,  120. 


354  Neuntes  Kapitel. 

angehörte.  Ein  Zweig  derselben  nannte  sich  nach  den  oberöster- 
reichischen Gütern  Graten  von  llebgau,  ein  anderer  Grafen  von 
Hoheneck. 

Im  Lande  ob  der  Enns  waren  die  Grafen  von  Pormbach 
ihre  Nachbarn,  welche,  als  im  Jahre  1090  das  mächtige  Geschlecht 
der  Traungauer  oder  Wels-Lambacher  mit  dem  Bischof  Adalbero 
von  Wlirzburg  ausstarb,  durch  deren  Erbtochter  Mathilde,  die  mit 
dem  Graten  Ekbert  I.  von  Formbach  vermählt  war,  fast  alle  ihre 
Besitzungen  erbten.  Ursprünglich  am  Inn  um  Formbach  und  Neu- 
burg begütert,  wonach  sie  sich  nannten,  erstreckte  sich  später  ihr 
Eigen  über  das  Landgericht  Schärding,  Erlach,  Peuerbach  und 
das  Donautal  bis  Linz  *).  In  der  Ostmark  treten,  wenn  wir  zu- 
nächst von  dem  Püttener  Gebiet,  von  dem  noch  im  besonderen 
die  Kede  sein  mufs,  absehen,  Glieder  der  Familie  zunächst  um 
,  Göttweig  als  Grafen  von  Rateinberg  (Ulrich  um  1097)  und  Wind- 
1  berg  (Hermann,  beides  Söhne  des  Grafen  Meginhard  von  Formbach), 
'  später  in  einer  Seitenlinie,  den  Grafen  von  Fichtenstein  (um  1097), 
welche  sich  in  Niederösterreich  nach  ihrer  Burg  Kreuzenstein  an 
der  Donau  nennen,  hervor. 

Den  Formbachern  und  Rebgauern  war  im  oberösterreichischen 

Hausruckviertel  noch  eine  dritte  kleinere  Familie  benachbart,  die 

I  Herren   von  Stille -Heft  in   der   Pfarre   Gaspoldshofen.      Auch    sie 

'  gewannen  um  die  Wende  des  Jahrhunderts  Güter  in  der  Ostmark 

um  Seitenstetten  und  Tulbing  ^). 

Im  Hinterland  der  Ostmark  tauchen  zur  selben  Zeit  die  Herren 
von  Perge  ^)  auf,  reich  begütert  um  Klausen,  Klingenberg,  Ruten- 
stein und  Blasenstein,  von  denen  sich  ein  Zweig  seit  1122  die 
Herren  von  Machland,  eine  Bezeichnung,  die  sich  später  auf  den 
ganzen  Landstrich  überträgt,  ein  anderer  Grafen  von  Klamm 
nennt. 

Ein   spezifisch   ostmärkisches   Geschlecht   dürften   die    Grafen 


1)  M  0  r  i  z ,  Kurze  Geschichte  der  Grafen  von  Formbach  und  Lambach. 
Strnadt  a.  a.  0.  117 f.;  Krones,  Die  Markgrafen  von  Steier  (Archiv  f. 
österr.  Gesch.  LXXXIV,  bes.  177  flF.). 

2)  Strnadt  a.  a.  0.  124fF. 

3)  Stülz,  Die  Vögte  vonPerg  (Geschichtsfreund  II,  260,  1841  und  Notizen- 
blatt Vn,  198,  213,  1857). 


Errichtung  zweier  Marken  im  Osten.  355 

von  Raabs  sein  *),  welche  vermutlich  mit  den  Babenbergern  zusammen- 
hängen, da  sie  zu  Beginn  des  12.  Jahrhunderts  gerade  in  jener 
Gegend  auftreten,  wo,  wie  wir  gesehen  haben,  die  Babenberger 
im  Laufe  des  11.  Jahrhunderts  reichlichen  Besitz  erhalten  hatten. 
Interessant  ist  es,  wie  dann  gerade  dieses  Geschlecht  wieder  in 
die  alte  fränkische  Heimat  zurückgreift,  wenn  wirklich  Kaiser 
Heinrich  IV.  den  Brüdern  Gottfried  und  Konrad  von  Ragaz  (Raabs) 
im  Jahre  1104  die  Burggrafschaft  von  Nürnberg  verliehen  hat  ^). 
Am  rechten  Ufer  der  Ips  um  Gleufs  safsen  vermutlich  schon  da- 
mals die  Grafen  von  Seeburg,  eigentlich  eine  Familie  aus  dem 
Mansfeldischen ,  die  durch  Heirat  wahrscheinlich  ein  älteres  Ge- 
schlecht von  Gleufs  beerbt  hatte  ^).  Neben  den  alten  Grafen- 
geschlechtern tauchen  in  den  Urkunden  immer  mehr  kleinere  Adels- 
geschlechter mit  bescheidenerem  Grundbesitz  auf 

Es  erübrigt  uns  noch,  einen  Blick  auf  jene  Teile  der  Lande 
ob  und  unter  der  Enns  zu  werfen,  die  weder  beim  bayerischen 
Mutterlande  verblieben,  noch  auch  mit  der  Mark  vereinigt  wurden, 
sondern  der  karantanischen  Mark  zufielen.  Nach  dem  Sturze 
des  Markgrafen  Adalbero  von  Eppenstein  im  Februar  1036  kam 
diese  Mark  an  das  mächtige  Geschlecht  der  Traungauer,  denen 
zuliebe  bereits,  wie  wir  gesehen  haben,  der  Traungau  nicht  mehr 
mit  der  wiedererrichteten  Ostmark  vereinigt  wurde.  Arnolds  II. 
Sohn  Gottfried,  der  Graf  im  Ennstal  war  und  der  seit  1042  neben 
seinem  Vater  als  Markgraf  genannt  wird,  erhielt  auch  für  seinen 
Sieg   über   die    Ungarn    eine    Grafschaft    um    Putten  *),    zwischen 

1)  Wendrinsky,  Die  Grafen  von  Raabs  (Bl.  des  Ver.  für  Landeskunde 
XII,  97  f.,  1878). 

2)  Meiller  hat  schon  darauf  hingewiesen,  dafs  Cosmas  in  seiner  böh- 
mischen Chronik  (Menken  SS.  I,  2081  und  UI,  1690)  um  jene  Zeit  hier  einen 
Markgrafen  Gottfried  nennt,  der  vielleicht  ein  Sohn  des  Markgrafen  Ernst  war, 
und  dafs  die  Babenberger  die  Grafen  von  Eaabs  als  ihre  consanguinei  bezeichnen. 
Die  Verleihung  des  Burggrafenamtes  von  Nürnberg  meldet  allerdings  erst  die 
spätere  Nürnberger  Chronik  des  Meisterlin. 

3)  Die  Genealogie  dieser  Familie  ist  dunkel.  Vgl.  über  sie  Koch-Stern- 
feld im  Archiv  für  Kunde  österreichischer  Geschichtsquellen  I,  1848  und 
Fechner,  Erzbischof  Wichmann  von  Magdeburg  (Forschungen  zur  deutschen 
Geschichte  V,  417,  1865). 

4)  Lampel,  Über  die  Mark  Putten  (Bl.  d.  Ver.  f.  Landesk.  XXII,  133, 
1888);   Felicetti  in   den   Beiträgen    zur  K.    steir.    Geschichtsquellen  X,    64, 


356  Neuntes  Kapitel. 

Wiener  Wald,  Piesting,  Ungarngrenze  und  Semraering,  die  zu- 
nächst vielleicht  ähnlich  wie  die  Uiedniark  zur  Ostmark  in  einem 
losen  Verband  mit  der  Kärntnermark  stand  und  ähnlich  wie  die 
Nexiraark  als  Schutz-  und  AngrifFsland  gegen  Ungarn  gedacht  war. 
Der  Name  Mark  kommt  jedoch  für  dieses  Gebiet  urkundlich  nicht 
vor,  das  nur  in  späteren  Quellen  talschlich  .so  bezeichnet  wurde. 
,  Vereinzelt  ündet  sich  später  der  Name  Waldmark. 

Als  dann  Gottiried  zwischen  1048  und  1055  und  sein  Vater 
Arnold  nach  ihm  starb,  kamen  die  Püttener  Besitzungen  durch 
seine  Tochter  Mathilde  mit  den  oben  genannten  im  Hausruckviertel 
an  ihren  Gemahl,  den  Grafen  Ekbert  von  Formbach  und  Neuburg. 
In  dieser  Gegend  erhielt  1058  Pfalzgraf  Kuno  von  Roth  zehn 
Königshufen  zu  Guzbretesdorf ')  bei  Neunkirchen,  später  noch 
andere  Güter  in  der  sogenannten  „Buckligen  Welt'^ 

Die  Grafschaft  der  Wels-Lambacher  im  Traungau  und  ver- 
einzelte Güter  im  Norden  der  Donau  (Haselbach  u.  a.)  erbte  ein 
hauptsächlich  im  Chiemgau,  dann  aber  auch  im  Salzburg-,  Sunder- 
und Isengau  reich  begütertes  Geschlecht,  das  man  nach  dem  bei 
ihm  ununterbrochen  gebräuchlichen  Namen  Otakar  die  Otakare 
zu  nennen  pflegt  '^).    Sie  müssen  mit  den  Traungauern  enge  verwandt 

1873);   Hasenöhrl  a.  a.  0.  70;    Krones,    Verfassung    und  Verwaltung    der 
Mark  und  des  Herzogtums  Steier  (Graz  1897),  S.  74  f, 

1)  M.  B.  I,  354. 

2)  Die  Frage  nach  der  Herkunft  des  Geschlechtes  ist  erst  in  neuerer  Zeit 
zur  Streitfrage  geworden.  loh  berühre  sie  nur  in  aller  Kürze,  da  sie  eigentlich 
die  steirische  Landesgeschichte  betrifft.  Die  frühere  Ansicht,  die  sich  aus 
den  Genealogien  der  älteren  Schriftsteller  (P  u  s  c  h ,  Frö  lieh  u.a.)  und  auf  Grund 
-einer  Stammtafel  des  Klosters  Vorau  aus  dem  14.  Jahrhundert  herausgebUdet 
hatte  und  von  Pritz  (Beiträge  z.  Landesk.  von  Oberösterreich  und  Salzburg 
1846  und  daraus  in  seine  anderen  Hauptwerke  übernommen)  abschliefsend  for- 
muliert wurde,  ging  dahin,  dafs  die  Ottokare  von  dem  karolingischen  Markgrafen 
Aribo  und  dessen  angeblichem  Sohn  abstammen  und  bereits  seit  jener  Zeit  im 
Traungau  gesessen  sind,  weshalb  man  sie  auch  als  „Traungauer"  bezeichnet  hat 
Die  ersten  Zweifel  daran  sprach  Hirsch  in  den  Jahrbüchern  des  deutschen 
Eeiches  unter  Kaiser  Heinrich  II.  I,  37,  Anmerkung  2  aus.  Davon  ausgehend 
hat  dann  Strnadt  in  seinem  „Peuerbach"  und  später  in  seiner  „Geburt  des 
Landes  obderEnns"  den  Zusammenhang  mit  Aribo  widerlegt  und  nachgewiesen, 
dafs  die  Glieder  dieser  Familie  bis  zu  ihrem  Auftreten  als  Erben  der  Traungauer 
nur  Grafen  im  Chiemgau  waren  und  daher  eigentlich  nur  richtig  als  Chiemgauer 


"Weiterentwickelung  der  Besitz  Verhältnisse  während  des  11.  Jahrhunderts.     257 

gewesen  sein,  wahrscheinlich  auch  mit  den  Grafen  von  Raschenburg 
im  oberen  TraungaU;  die  sie  ebenfalls  nach  deren  Aussterben  um 
1060  beerbt  haben.  Ihre  Verwandtschaft  mit  den  Traungauern 
und  ihr  Besitz  im  Traungau  liefs  sie  auch  besonders  für  die  Nachfolge 
als  Markgrafen  von  Kärnten  berufen  erscheinen,  das  ihnen  König 
Heinrich  verliehen  hat,  denn  1056  tritt  uns  Ottokar  als  Markgraf 
entgegen.  Ihrer  Mark  wurde  auch  das  Püttener  Gebiet  definitiv 
untergeordnet,  dessen  selbständige  Bedeutung  ebenso  wie  die  der 
sogenannten  Neumark  mit  dem  Aufgeben  der  Eroberungspolitik 
der  deutschen  Könige  gegenüber  den  Ungarn  verschwand. 

Nach  dem  Tode  des  ersten  Markgrafen  Ottokar,  der  bald  nach 
dessen  Auftreten  eingetreten  sein  dürfte,  und  in  den  nachfolgenden 
Kämpfen  während  des  Investiturstreites,  der  die  deutschen  Fürsten 
in  zwei  feindliche  Lager  spaltete,  ging  die  Markgrafschaft  der 
Familie  vorübergehend  wieder  verloren,  und  sie  blieb  durch 
mehrere  Jahrzehnte  auf  die  Grafschaft  im  Ennstal  beschränkt. 
Von  dieser  Zeit  her  nannten  sie  sich  nach  der  mächtigsten  Burg 
der  Gegend,  der  Styraburg,  die  vermutlich  noch  die  Traungauer 
Grafen  erbaut  hatten,  „de  Styria^',  eine  Benennung,  die  später, 
als  die  Ottokare  durch  friedliche  Übereinkunft  mit  den  Eppensteinern 
wieder  in  den  Besitz  der  Mark  gelangt  waren,  auf  diese  überging*). 


bezeichnet  werden  könnten.  Ihm  schlofs  sich  Hub  er  I,  216  und  wohl  auch 
Zahn  (Festschr.  z.  TOOjähr.  Feier  d.  Erh.  d.  Steierm.  zum  Herzogtum,  Graz 
1880)  an.  Dagegen  hat  Krones,  der  schon  früher  (Grundrifs  d.  österr.  Gesch. 
207)  die  ältere  Ansicht  vertreten  hat,  in  dem  oben  zitierten  Aufsatz  im  Archiv 
für  österreichische  Geschichte  LXXXIV  sich  wieder  für  diese  in  eingehender  Weise 
eingesetzt.  Ich  kann  seine  Gründe  nicht  stichhaltig  finden;  der  Graf  Ottokar 
der  Eaffelstättener  Zollordnung  ist  Sendbote  des  Königs ,  braucht  also  keineswegs 
aus  jenem  Gebiete  zu  stammen ;  dafs  die  Abtei  Traunkirchen  gerade  die  Ahnen- 
reihe  der  Ottokare  besonders  aufzeichnete  ,  beweist  nicht  viel,  denn  die  vermut- 
lichen Gründer,  die  Kaschenberger,  starben  eben  aus  und  die  Ottokare  übernahmen 
ihr  Erbe;  dafs  sich  die  Ottokare  „de  Styria"  nannten,  setzt  gewifs  nicht  un- 
bedingt voraus,  dafs  diese  Burg  ihre  Stammburg  gewesen  ist,  denn  fast  in  allen 
Fällen,  wo  der  Zweig  einer  Familie  sich  in  entfernterer  Gegend  ansässig  macht, 
nennt  er  sich  nach  dem  neuen  Sitz,  der  aber  keineswegs  von  ihm  gegründet  zu 
sein  braucht,  sondern  beispielsweise  auch  ererbt  sein  kann. 

1)  Ich  folge  in  dieser  kurzen  Darstellung  den  Annahmen  Strnadts,  die 
mir  ziemlich  plausibel  zu  sein  scheinen.  Näher  darauf  einzugehen,  ist  hier  nicht 
der  Ort. 

Vancsa,  Geschiclite  Nieder-  u.  Oberösterroiclia.  i« 


258  Neuntes  Kapitel. 

Alis  der  Zeit  des  Zurückweichens  auf  das  engere  Grafschaftsgebiet 
mufs  auch  die  Abliängigkeit  vom   Herzogtum  Bayern  datieren. 

So  sehen  wir,  dafs  die  zweite  Hälfte  des  11.  Jahrhunderts 
liir  die  grofsen  ältesten  österreichischen  Geschlechter  die  Zeit  des 
Emporblühens  und  die  der  Begründung  ihres  zum  Teile  mächtigen 
Besitzes  gewesen  ist.  Die  Bistümer  haben  ihr  Eigen  dagegen  nur 
noch  wenig  vermehrt.  Nur  Passau  gelang  es  noch,  in  weiterer 
Verfolgung  seiner  oben  berührten  Tendenzen  sich  im  Viertel  unter 
Manhartsberg  durch  königliche  Schenkungen  auszudehnen.  Immer- 
hin ist  es  bezeichnend,  dafs  auch  hier  nicht  mehr  allzu  viel  Grund 
und  Boden  für  den  König  frei  verfügbar  war,  und  dafs  hier  schon 
der  Zufall  der  Erledigung  abgewartet  werden  raufste,  wie  z.  B. 
im  Falle  der  Schenkung  von  Gowacisbrunnen  und  Chrubat  (Ketlas- 
brunn  und  Böhmisch-Krut)  14.  Dezember  1055:  diese  Güter  hatte 
König  Heinrich  HI.  von  ihrem  früheren  Besitzer  Richwin  eingezogen, 
nachdem  dieser  wegen  Hochverrates  —  wahrscheinlich  als  Partei- 
gänger des  Bayernherzogs  —  verurteilt  worden  war  ').  Übrigens 
wurde  auch  hier  dem  Bistum  ausdrücklich  die  Aufgabe  der  Urbar- 
machung zuteil. 

In  einem  anderen  Falle,  bei  Übertragung  des  Gutes  Paum- 
garten  (Herren-Baumgarten),  10.  Juli  1056,  handelte  es  sich  wieder 
um  Grenzgut  gegen  die  unsichere  böhmisch-mährische  Grenze,  und 
der  König  sprach  dem  Bistum  alle  Nutzungen  zu,  die  nur  immer 
den  Feinden  abgenommen  werden  konnten  '^).  Zur  Abrundung 
dieses  Besitzes  erhielt  dann  Bischof  Altmann  am  6.  März  1067 
das  Krongut  Disinfurt  (verschollen)  mit  dem  Übergang  über  die 
March,  sowie  50  Hufen  um  Baumgarten,  Stopfenreuth  und  Modzi- 
dala  (Matzneusiedel)  ^).  Es  war  die  letzte  königliche  Schenkung 
an  Passau,  denn  auch  da  führte  der  Investiturstreit  und  die  heraus- 
fordernde Haltung  Bischof  Altmanns  einen  völligen  Umschwung  herbei. 

Salzburg,   Bamberg   und   Regensburg   behielten   ihren   Besitz 


1)  M.  B.  XXIX  a,  125;  129. 

2)  Meiller,  Eegesten  8,7.  —  Bestätigt  zugleich  auch  den  älteren  Be- 
sitz um  Kirchbach  und  Kaumberg. 

3)  Meiller,  Eegesten  9,  9.  M.  B.  XXIXa,  172.  —  Daneben  liefen  Be- 
stätigungen der  Immunität  vom  25.  Oktober  1063  und  des  Besitzes  (Böhmer, 
Kegesten  88). 


WeiterentwickeluHg  der  Besitzverhältnisse  während  des  11.  Jahrhunderts.    359 

ziemlich  unverändert  ').  Freising  hatte  noch  1074,  wie  wir  gesehen 
hahen,  Güter  in  Ungarn  erhalten,  dazu  diesseits  der  Leithagrenze 
100  Mausen  um  Brück  und  Haslau  ^).  Neu  trat  das  Bistum  Würz- 
burg auf  den  Plan  und  zwar  unter  den  Grofsgrundbesitzern  auf 
oberösterreichischem  Boden,  indem  ihm  nach  dem  Tode  des  Bischofs 
Adalbero,  eines  Sohnes  des  Traungauer  Grafen  Arnold  (f  1090), 
ein  grofser  Teil  des  Traungauer  Erbes  zufiel.  Es  war  ein  sehr 
zerstreuter  Besitz  — nach  späterer  Angabe  123  Höfe  in  17  Pfarren  — , 
dessen  Mittelpunkt  Wels  bildete  ^). 

Einen  neuen  Aufschwung  nahmen  nur  die  Besitzerwerbungen 
der  Klöster  gleichzeitig  mit  den  zahlreichen  Neugründungen  und 
der  grofsen  Klosterreform.  Sie  werden  uns  im  nächsten  Kapitel 
eingehend  beschäftigen. 

Bei  dem  engen  Zusammenhang  des  Grundbesitzes  mit  der 
Ausgestaltung  der  sozialen  Verhältnisse  wollen  wir  noch  einen  Blick 
auf  diese  werfen^),  obwohl  das  10.  und  11.  Jahrhundert  nur  eine 
Übergangszeit  zu  den  Zuständen  bildete,  wie  sie  sich  in- der  Folge- 
zeit gefestigt  haben.  Für  die  Siedelung,  das  wirtschaftliche  Leben 
und  die  gesellschafthche  Abstufung  war  der  Grofsgrundbesitz  mafs- 
gebend,  der  sich  in  den  Händen  der  Grafen,  die  jetzt  nur  noch 
der  mächtigste  Besitzadel  waren,  aber  keine  richterlichen  oder 
administrativen  Funktionen  mehr  ausübten,  und  der  Edlen  (nobiles, 
ingenui)  befanden.  Das  Lehnswesen  beherrschte  immer  weitere 
Kreise  mit  seiner  naiven  Anerkennung  des  Rechtes  des  Stärkeren 
und  der  freiwilhgen  Unterwerfung  des  Schwächeren.  Es  äufserte 
sich  am  meisten  bei  der  Ausbildung  des  Bauernstandes. 

1)  Kleinere  Erwerbungen  wie  z.  B.  von  einigen  Mausen  im  Ennswald  durch 
Salzburg  1049 ,  sowie  die  ziemlich  regelmäfsigen  allgemeinen  Besitz-  und  Privi- 
legienbestätigungen zu  Beginn  der  Regierung  eines  neuen  Herrschers  kommen 
für  uns  nicht  weiter  in  Betracht. 

2)  Font.  rer.  Austr.  2.  XXXI,  90. 

3)  Man  mufs  die  Erbschaft  zurückerschliefsen  aus  dem  Rationarium  Austriae 
des  13.  Jahrhunderts  (hgg.  von  Dop  seh,  Österr.  Urbare).  Vgl.  dazu  Strnadt, 
Geburt  d.  L.  o.  d.  Enns  S.  49. 

4)  Siehe  für  das  Folgende  insbesondere  Grund,  Die  Veränderungen  der 
Topographie  usw.  S.  62ff. ;  Inama-Sternegg,  Deutsche  Wirtschaftsgeschichte  II 
(Leipzig  1891),  sowie  dessen  kleinere  Abhandlungen  (siehe  oben  S.  133);  We- 
runsky,  Österreichische  Reichs-  und  Rechtsgeschichte  S.  34—47. 

17* 


360  Neuntes  Kaiiitol. 

Die  lockenden  Vorteile  im  Falle  der  Unterwerfung  unter  die 
Grundherrschaft  waren  zu  grofs.  Die  lästige  Heerbannpfiicht  mit 
ihrer  teueren  Ausrüstung,  das  hohe  Bufsgeld  und  den  drückenden 
Kirchenzchnten  schaffte  man  sich  vom  Halse  und  gewaim  dafür 
sicheren  Schutz  und  ausgiebigen  Erwerb.  Auch  war  in  dieser 
ersten  Periode  des  Lehnswesens  das  Verhältnis  gewifs  nicht  hart, 
sentimentale  Erwägungen  kamen  nicht  auf.  ISo  kann  es  nicht 
wundernehmen,  dafs  die  freien  Bauern  rasch  verschwanden.  Zu- 
nächst verfügten  auch  die  Grofsgruudbesitzer  durch  die  fortgesetzten 
Rodungen  und  infolge  der  Neubrüche  über  genügend  viel  Land, 
um  alle,  die  sich  ihnen  kommendierten,  unterzubringen.  Sie  ver- 
slanden es  auch  durch  das  Anerbieten  gewisser  Vorteile  Kolonisten 
aus  dem  Mutterlande  in  die  Mark  zu  ziehen. 

In  bezug  auf  das  Hochstift  Passau  wissen  wir,  dafs  in  der 
ersten  Zeit  der  Neukolonisierung  der  Ostmark  wegen  Mangels  von 
Eigenleuten  freie  Bauern  gegen  entsprechende  Vorteile  auf  die 
Güter  des  Bistums  zur  Arbeitsleistung  berufen  werden  mufsten. 
Aber  schon  in  diesem,  Falle  handelt  es  sich  keineswegs  um  völlig 
unabhängige  Ansiedler,  sondern  um  zwar  freigeborene,  aber  zins- 
pflichtige Kolonen,  die  ihre  Abgaben  statt  an  den  Markgrafen  und 
den  Fiskus  an  das  Bistum  und  seine  Beamten  zu  entrichten  hatten  ^). 
Die  Bezeichnungen  für  diese  und  die  anderen  Klassen  der  Be- 
völkerung sind  durchaus  nicht  stets  die  gleichen,  sie  wechseln,  je 
nachdem  man  mehr  Gewicht  auf  das  Moment  der  freien  Geburt  oder 
ihres  Verhältnisses  zum  Herren  legte,  und  manchmal  schwimmen  sie 
irreführend  ineinander.  Die  erwähnte  oberste  Klasse  der  abhängigen 
Bauern  waren  die  Mansionarii  ingenuales,  liberi  oder  censuales.  Sie 
blieben  nämlich  gegen  einen  geringen  Jahreszins  (etwa  5  Denare) 
in  Naturalien,  seltener  oder  erst  später  in  Geld,  allenfalls  auch 
gegen  Frondienste  im  lebenslänglichen,  nicht  selten  sogar  erblichen 
Besitz  des  ihnen  zugewiesenen  Grund  und  Bodens. 

Wesentlich  die  Freiheit  ihrer  Abstammung  unterschied  sie 
von  den  behausten  Knechten,  Eigenleuten  oder  Hörigen  (homines 
proprii,  mansi  serviles,  servi  casati,  manentes),  die  gleichfalls  Grund 
und  Boden  gegen  Zins  oder  Fronden  bewirtschafteten.    Die  Natural- 


1)  M.  B.  XXVIII  b,  243. 


Weiterentwickeluug  der  Besitzverliältnisse  während  des  11.  Jahrhunderts.    361 

zinse  bestanden  entweder  in  Abgaben  an  Getreide,  Wein  (auch 
„Bergrecht"  genannt),  Hülsenfrüchten,  Mohn,  Flachs  u.  dergl,  das 
war  der  „gröfsere  Zins",  oder  in  Abgaben  an  Schweinen,  Lämmern, 
Hühnern,  Eiern  und  Käse,  der  „kleinere  Zins",  später  wohl  auch  an 
gewerbhchen  Erzeugnissen  (Tuch,  Schuhen,  Schüsseln  u.  dergl.). 
Die  Fronden  waren  in  erster  Linie  Ackerfronden,  dann  aber  auch 
Erntedienste,  Wiesenfronden,  Fronfuhren,  Baufronden,  Weinberg- 
und  Weinlesefronden,  Wald-  und  Fischereifronden.  Dieser  Zins 
bildete  dann  die  eigentliche  Bodenrente  des  Grundherrn,  die  etwa 
bis  ins  12.  Jahrhundert  hinein  ziemhch  gleich  blieb.  Aufserdem 
gab  es  aber  auch  noch  Eigenleute  ohne  Grund  und  Boden  (man- 
cipia  infra  curtem  morantia),  die  sich  von  den  Sklaven  früherer 
Jahrhunderte  kaum  unterschieden.  Die  behausten  Knechte  konnten 
nur  mit  dem  Grund  und  Boden  veräufsert  werden,  die  letzteren 
in  jedem  Fall. 

Die  Untertanen  hatten  weder  das  Recht  der  Freizügigkeit  noch 
das  des  Heiratens  aufserhalb  der  Hofgenossenschaft;  ebensowenig 
durften  sie  ihr  Hab  und  Gut  in  irgendeiner  Weise  veräufsern. 
In  allen  Causae  minores  unterstanden  sie  der  Gerichtsbarkeit  ihres 
Herrn,  nur  die  Blutgerichtsbarkeit  übte  das  Grafengericht.  Die 
grofsen  Bistümer  Passau  und  Freising  erwarben  aber  für  ihre  Unter- 
tanen auch  den  Blutbann. 

Während  die  kleineren  freien  Leute,  die  sich  kommendierten, 
ihren  Besitz  an  Grund  und  Boden  aufgaben,  behielten  die  Grofs- 
grundbesitzer  einen  bestimmten  Bodenbesitz  zurück,  den  sie  nicht 
weiter  vergaben,  das  ,,Handgemal",  wie  es  in  den  Salzburger  Ur- 
kunden regelmäfsig  heifst,  das  „Ansedel"  oder  den  „Sedelhof", 
wie  es  im  Bayerisch  -  Österreichischen  genannt  wird,  das  Salland. 
des  allgemeinen  deutschen  Rechtes.  Sein  Besitz  wird  geradezu 
Bedingung  für  den  Vollfreien  ^). 

Das  die  Großgrundbesitzer  nicht  nur  über  den  Boden,  sondern 
auch  über  die  genügenden  Arbeitskräfte  frei  verfügten,  kam  dem 
Fortschritt  der  Kultivierung  aufserordentlich  zustatten.  Es  konnte 
dadurch    eine    weit   gröfsere   Intensität    der  Bewirtschaftung   Platz 


1)  Siegmund  Adler,   Zur  Eechtsgeschichte  des  adeligen  Grundbesitzes  in 
Österreich  (Leipzig  1902). 


2«3  Neuntes  Kapitel. 

grcilen,  als  dies  der  einzelne  hätte  leisten  können.  Ackerbau  und 
Viehzucht  und  in  der  Folge  auch  das  Gewerbe,  das  auf  den  Höfen 
der  Gutsherren  betrieben  wurde,  um  die  Bedürfnisse  der  Herr- 
schaft und  der  Hintersassen  zu  decken,  nahmen  einen  raschen  Auf- 
schwung. Besonders  blühte  schon  damals  der  Weinbau  namentlich 
in  der  Wachau  von  Schönbüchel  bis  Krems,  vereinzelt  auch  im 
Südosten  des  Landes  (Pottschach,  Wirflach),  später  mit  Beginn 
des  12.  Jahrhunderts  um  Wien  ^).  Die  Weitläufigkeit  und  Mannig- 
faltigkeit des  Wirtschaftsbetriebes  und  das  stete  Anwachsen  der 
Volkszahl  bedingte  eine  immer  zunehmende  Arbeitsteilung.  Die 
Grundbesitzer  vergabten  das  Land  an  die  Untertanen  nicht  mehr 
im  alten  herkömmlichen  Ausmafs,  sondern  in  immer  kleineren 
Teilen,  in  halben  Hufen  (den  sogenannten  „Bauernlehen",  laneus), 
Viertel-  und  Achtelhufen  -).  Auch  kleinere  Gehöfte  (curtes,  curtilia) 
ohne  das  volle  Ausmafs  der  einer  Hufe  zugewiesenen  Grundstücke 
kamen  besonders  in  den  Weingegenden  vor.  So  wurde  das  Hufen- 
system und  der  Flurzwang  allmählich  gelockert.  Die  Mannigfaltigkeit 
der  Kultivierung,  die  dadurch  angebahnt  wurde,  zeigt  sich  am  besten 
in  der  Verschiedenheit  der  Abgaben,  die  wir  oben  kennen  gelernt 
haben.  Auch  die  Bauernlelien  selbst  tragen  die  verschiedenartigsten 
Bezeichnungen:  Feuerlehen,  Korn-,  Kammer-,  Wachslehen  usw. 
Diese  Teilungen  und  der  oft  weit  zerstreute  Besitz  eines  Grundherrn 
machte  auch  eine  Teilung  der  Beaufsichtigung  und  Verwaltung 
notwendig.  Es  entstanden  die  Meiereibezirke  (villicationes),  in 
deren  Mittelpunkt  der  Meier  oder  Scbaffer  auf  dem  Meierhofe 
safs.  Er  nahm  die  Zinse  ein,  beaufsichtigte  die  Fronden  und  hatte 
auch  die  richterliche  Gewalt  über  die  Untertanen  seines  Bezirkes. 
Die  etwas  abweichenden  Verhältnisse  auf  den  kirchlichen  Grund- 
herrschaften wollen  wir  später  betrachten. 

Neben  dieser  Entwickelung  zur  Arbeitsteilung  brachte  der 
Grofsgrundbesitz  auch  eine  Bewegung  der  Konzentration  hervor. 
Die  isolierten  landwirtschaftlichen  Betriebe  wurden  immer  mehr 
aufgegeben,   ein  Zusammenschlufs  zu  Dörfern,    besonders    um  die 


1)  Vgl.  S  tauf  er  im  Melker  Programm  1873. 

2j  Zu  vgl.  Caro,  Die  Hufe  (Deutsche  Geschichtsbl.  IV,  257,  1903)  und 
Dop  seh  in  der  Einleitung  zur  Ausgabe  der  „Österreichischen  Urbare",  wo 
allerdings  mehr  die  spätere  Entwickelung  erörtert  wird. 


Weiterentwickelung  der  Besitzverhältnisse  während  des  11.  Jahrhunderts.    363 

Fronhöfe  und  um  die  Burgen,  die  damals  besonders  au  militärisch 
wichtigen  Punkten  allenthalben  im  Lande  von  den  Grofsgrund- 
besitzern  erbaut  wurden,  immer  mehr  angestrebt.  Nur  traten  jetzt 
an  Stelle  der  alten  Markgenossenschaften  die  hofrechtlichen  Ge- 
nossenschaften. Aufser  dem  wirtschaftlichen  Vorteil  gab  es  dann 
vielfach  auch  ein  ethisches  Moment :  die  Kirche,  die  für  die  Gläubigen 
den  Mittelpunkt  bildete.  Der  Zusammeuschlufs  aber  hatte  wieder 
auf  das  soziale  Leben  seine  Rückwirkung.  Um  die  Pfarrkirchen 
entstand  —  zumeist  an  den  Kirchenfesten  —  auch  ein  Markt- 
verkehr. Für  die  Besucher  des  Marktes  gab  es  dann  einen  be- 
sonderen Schutz,  um  die  Märkte  wurden  Befestigungen  angelegt, 
und  die  Umwohnenden  fanden  hier  bei  Gefahr  im  Verzuge  ihre 
natürliche  Zuflucht.  So  wurde  seit  dem  11.  Jahrhundert  bereits 
die  spätere  Entwickelung  der  Dörfer  zu  Märkten,  der  Märkte  zu 
Städten  angebahnt.  Das  älteste  Beispiel  einer  förmlichen  Markt- 
rechtverleihung in  Osterreich  ist  St.  Polten,  wo  am  2.  Oktober  1058 
das  Chorherrnstift  dieses  Recht  von  Kaiser  Heinrich  IV.  erhielt  ^). 
Doch  gab  es  daneben  schon  sehr  bedeutende  Orte,  die  in  dem 
oben  angedeuteten  Sinne  ausgestaltet  bereits  städtischen  Charakter 
trugen  und  auch  bereits  civitas  genannt  wurden,  so  Wels,  Linz, 
TuUn,  Krems. 

Überblicken  wir  diese  wirtschaftlichen  und  sozialen  Verhält- 
nisse, so  sehen  wir  zunächst  allenthalben  ein  Anknüpfen  an  die 
Verhältnisse  der  Karolingerzeit  und  eine  konsequente  Weiterbildung 
derselben,  wie  sie  ja  auch  im  deutschen  Mutterlande  stattfand. 
Doch  ist  auch  da  bereits  jenes  retardierende  Moment  bemerkbar, 
das  man  in  der  Folgezeit  immer  in  bezug  auf  die  kulturelle  Ent- 
wickelung des  Ostens  gegenüber  dem  Westen  beobachten  kann. 
Nur  dafs  es  hier  zunächst  im  günstigen  Sinne  beeinflufst  war.  Es 
hing  dies  wohl  damit  zusammen,  dafs  hier  noch  auf  lange  Zeit 
genügend  Grund  und  Boden  zur  Neubesiedelung  und  Weiterver- 
gabung vorhanden  war.  So  brauchte  man  noch  nicht  zu  vielen 
und  weitgehenden  Unterteilungen  mit  allen  ihren  Konsequenzen  auf 
die  sozialen  Verhältnisse  der  untertänigen  Leute  zu  schreiten,  wie 
in  den    bereits    dicht   besiedelten    westdeutschen  Ländern.     Hatten 


1)  Bl.  d.  Ver.  f.  Landesk.  XXI,  2,  1886. 


264        Neuntes  Kapitel.     Woitcrentwickt-limf:  der  J?>'sitzverhältnisao  usw. 

die  Kolonen  von  vornherein,  wie  wir  oben  im  Falle  Passau  sahen,, 
eine  bevorzugtere  Stellung,  so  war  auch  noch  nicht  jene  rück- 
bildende Bewegung  zur  liebung  der  Zinsbauern  auf  Kosten  der 
Grof!?grundbesitzer  nötig,  und  diese  hielten  sich  noch  immer  auf 
der  vollen  Höhe  ihres  dominierenden  Einflusses  —  sehr  zum  Vor- 
teile des  Landes,  das  in  wirtschaftlicher  Beziehung  durch  systema- 
tischere Bodenkultur  aufzublühen  begann,  in  dem  sich  auch,  hervor- 
gerufen von  den  grofscn  Grundherrschaften,  Gewerbebetriebe,  wie 
Mühlen,  Backöfen,  Weinkeltern,  Brauereien,  Schmieden,  Kalk- 
brennereien, Gewandhäuser  und  Gerätemacherei  entwickelten,  daran 
anknüpfend  bald  auch  ein,  wenn  auch  zunächst  auf  den  kleinen 
Markt  beschränkter  Verkehr.  Dies  alles  hatte  ein  bereits  ziemUch 
reich  bewegtes  Leben  zur  Folge.  Alle  Verpflichtungen  zum  all- 
gemeinen Wohl,  die  zur  Römerzeit  dem  Staate  oblagen  und  noch 
unter  den  Karolingern  zum  gröfsten  Teil  der  Grafengewalt  zukamen,, 
waren  jetzt  Sache  der  grofsen  Grundherrschaften,  die  sich  ihrer 
im  eigenen  Interesse  unterzogen.  Nicht  nur  für  die  Untertanen, 
ihren  Unterhalt,  ihre,  Krankenpflege  sorgten  sie  —  namentlich  die 
geistlichen  Herrschaften  — ,  sondern  auch  für  Anlage  und  Erhaltung 
von  Burgfesten,  Strafsen  und  Brücken. 

Aber  andrerseits  bereiteten  sich  doch  auch  in  Osterreich  neue 
Formen  des  wirtschattHchen  und  sozialen  Lebens  vor,  und  die 
zweite  Hälfte  des  11.  Jahrhunderts  bildete  hier  einen  entscheidenden 
Wendepunkt,  der  mehr  als  anderswo  im  Zusammenhang  mit  der 
Ausbildung  der  Territorialmacht  einerseits,  der  kirchlichen  Grund- 
herrschaiten  andrerseits  steht,  die  wieder  selbst  durch  den  grofsen 
Kirchenkampf  bedingt  werden. 


Z  e  li  n  t  e  s   Kapitel. 

Die  kircliliche  Bewegung  und  ihr  Einflufs  auf 
Österreich. 


Die  Stellung  des  Markgrafen  von  Österreich  dürfte  von  vorn- 
herein noch  keine  allzu  bedeutende  und  selbständige  gewesen  sein  ^). 
Wir  haben  gesehen,  wie  die  Ostmark,  während  der  ersten  Hälfte 
des  10.  Jahrhunderts  wenigstens  nominell  mit  Bayern  vereint,  bei 
ihrer  Wiederherstellung  unter  Burkhard,  vermutlich  dem  Burg- 
grafen von  Regensburg,  mit  Bayern  in  engem  Zusammenhang  blieb, 
und  obwohl  Liutpold  in  einem  ausgesprochenen  Gegensatz  zu  dem 
aufrührerischen  Herzog  Heinrich  von  Bayern  vom  Kaiser  berufen 
und  ebenso  wie  sein  Bruder  auf  Kosten  Bayerns  begünstigt  wurde, 
so  scheint  doch  in  der  Folgezeit  die  Oberhoheit  des  Herzogtums 
über  die  Markgrafschaft  ^) ,    die    vielleicht   auch  die  Tradition  aus 

1)  Wenn  die  Historiker  von  der  exemten  Stellung  der  Markgrafen  von  Oster- 
reich ganz  im  allgemeinen  sprechen,  so  nehmen  sie  nach  meiner  Meinung  zu 
wenig  auf  die  einzelnen  Stadien  der  Entwickelung  Kücksicht ,  und  haben  fast 
immer  nur  die  Periode  vom  Ausgang  des  11.  Jahrhunderts  im  Auge,  die  zum 
Privilegium  minus  überleitet. 

2)  Die  Abhängigkeit  Österreichs  von  Bayern  ist  eine  geschichtliche  Streit- 
frage geworden,  seitdem  im  Jahre  1763  von  der  bayerischen  Akademie  dafür  ein 
Preis  ausgeschrieben  wurde.  Zum  ersten  Male  hat  Schrötter  in  seinen  Ab- 
handlungen aus  dem  österreichischen  Staatsrecht  I  (Wien  1762),  S.  9  die  Ab- 
hängigkeit augefochten.  Ilim  folgte  H  o  r  m  a  y  r ,  Das  grofse  österreichische  Haus- 
privilog  und  das  Archivweseu  in  Bayern  (München  1832)  und  später  Jäger, 
Beiträge  zur  österreichischen  Geschichte  (Wien  1855).  In  neuerer  Zeit  liat  sich 
besonders  Waitz,  Deutsche  Vorfassungsgeschichte  VII,  149 f.  entschieden  da- 
gegen ausgesprochen.  Aber  weitaus  die  Mehrzahl  der  Historiker  und  Eechts- 
historiker  haben  sich,  zum  Teil  mit  gewissen  Modifikationen,  dafür  erklärt,  so 
Eichhorn  §  238;  Ficker,  Über  die  Echtheit  der  österreichischen  Freiheits- 
briefe S.  23:    Lorenz,  Die  Erwerbung  Österreichs  durch  Ottokar  von  Böhmen 


2fi6  Zehntes  Kapitel. 

der  Karolino;erzeit  stützte,  nie  förmlich  aufgelioben  worden  zu  sein. 
Zwar  die  Urkunde  über  das  Placitum,  das  Herzog  Heinrich  von 
Bayern  zwischen  983  und  991  in  der  Ostmark  gehalten  haben 
soll,  ist  in  der  überlieferten  Form  sicher  Fälschung  und  enthält 
zu  viele  höchst  verdächtige  und  unwahrscheinliche  Angaben,  um 
irgendwie  beweiskräftig  zu  sein  ^),  immerhin  läge  die  Tatsache 
selbst  im  Bereiche  der  Möglichkeit,  besonders  wenn  man  eine  wenig 
beachtete  Nachricht,  dafs  derselbe  Herzog  im  Jahre  991  einen  Sieg 
über  die  Ungarn  gewann  -),  der  doch  wohl  an  der  damaligen 
Markgrenze  erfochten  worden  sein  dürfte,  heranzieht.  Hier  tritt 
also  der  Bayernherzog  auch  als  Heerführer  in  der  Mark  auf  und, 
was  allenfalls  die  Tatsache  eines  Placitums  stützen  könnte,  sogar 
um  die  fragliche  Zeit.  Osterreich  wird  auch  im  Laufe  des  11.  Jahr- 
hundertswiederholtals Marcha  Bajoarica,  limes  Bajoaricus  bezeichnet^), 
die  Grenze  Böhmens  gegen  die  Markgrafschaft  als  Grenze  gegen 
Bayern'*),    und   bei    sehr   vielen    Königsurkunden,    die    die  Mark 


S.  15;  Berchtold,  Die  Landeshoheit  Österreichs  S.  12;  Hirsch,  Jahrbücher 
des  deutschen  Keiches  unter  Heinrich  K.  I,  142;  Usinger,  Das  deutsche  Staats- 
gebiet bis  gegen  Ende  des  11.  Jahrhunderts  (Histor.  Zeitschr.  XXVII,  1872) 
S.  398;  Heigel  und  Eiezler,  Das  Herzogtum  Bayern  S.  199;  Kiezler, 
Geschichte  Baierns  I,  744;  Huber,  Geschichte  Österreichs  I,  176  und  Öster- 
reichische Keichsgeschichte  2.  Auflage,  S.  33;  Werunsky,  Österreichische 
Eeichs-  und  Eechtsgeschichte  S.  47;  Bach  mann.  Österreichische  Eeichs-  und 
Kechtsgeschichte  S.  83;  Luschin,  Älteres  Gerichtswesen  S.  12  und  Eeichs- 
geschichte  S.  148;  Lampel,  Die  Babenbergische  Ostmark  und  ihre  tres  comi- 
tatus  (UI.  Jahrbuch  des  Ver.  f.  Landesk.  1  f.,  1904). 

1)  M.  B.  XXVIII b,  208.  —  Die  Urkunde,  die  bereits  von  Meiller,  Ee- 
gesten  S.  190  angezweifelt  wurde,  ist  von  Büdinger,  Österreichische  Geschichte 
S.  491  in  gründlicher  Weise  als  Fälschung  nachgewiesen  worden.  Ihm  folgten 
Edelbacher  (Ber.  d.  Mus.  Francisco-Carolinum  XXIX,  73);  Waitz  VII,  150 
und  in  Kürze  fast  alle  neueren  Historiker.  Dagegen  haben  H  u  b  e  r ,  Geschichte 
Österreichs  I,  178  und  die  Herausgeber  des  Niederösterreichisehen  Urkunden- 
buches,  Felge  1  und  Lampel,  die  die  Urkunde  neuerlich  abdrucken  (I,  3),  sie 
zu  retten  gesucht.  Daraufhin  hat  in  jüngster  Zeit  Strnadt  in  der  Archiva- 
lischen  Zeitschrift  IX,  291  nochmals  eine  ausführli<;he  Widerlegung  unternommen. 

2)  Ann.  Salisb.  M.  G.  SS.  IX,  771  und  Ann.  Garst,  a.  a.  0.  567.  VgL 
auch  Meiller  in  seiner  Abhandlung  in  den  Denkschriften  der  Akademie  XVUI. 

3^  Ann.  Quedl.  994;    Ann.  Saxo  993;    Ann.  Hildesh.  1018;    Ann.  Altah. 
1041,  1042,  1060;  Lamb.  1075;  Beruh.  Coust.  1079. 
4)  Ann.  Altah.  1041. 


Die  kirchliche  Bewegung  und  ihr  Einflufs  auf  Österreich.  367 

betreffen ,  erscheint  der  Herzog  von  Bayern  als  Intervenient  ^). 
Das  Kloster  Tegernsee  erwartet  daher  auch  die  Rückgabe  seiner 
ihm  in  der  Ostmark  entfremdeten  Güter  von  Herzog  Heinrich  IV.  ^). 
Dafs  der  Wiederaufbau  der  Feste  Hainburg  im  Jahre  1050  als 
eine  Angelegenheit  Gesamtbayerns  erscheint  und  der  Bayernherzog, 
der  Markgraf  von  Österreich  und  andere  bayerische  Fürsten  zu 
Kommissären  bestimmt  wurden  ^),  kann  nur  nebenher  und  indirekt 
als  Beweis  gelten,  da  Hainburg  damals  in  der  neuen  Mark  lag. 
Als  aber  dann  im  Jahre  1156  Osterreich  zum  Herzogtume  erhoben 
wurde,  mufste  der  Herzog  von  Bayern  —  freilich,  wie  nicht  ver- 
schwiegen werden  soll,  unter  wesentlich  geänderten  politischen  Ver- 
hältnissen, die  wir  ja  noch  kennen  lernen  werden  — ■  auf  Osterreich 
verzichten  und  zwar  unter  der  Formalität  der  Lehnsabtretung,  näm- 
lich unter  Zurückstellung  von  zwei  Fahnen.  Demnach  bezeichneten 
auch  schon  mittelalterhche  Schriftsteller  Osterreich  als  Lehen  des 
Herzogtums  Bayern  *). 

Allerdings  ist  eine  Einsetzung  des  Markgrafen  durch  den  Herzog 
von  Bayern  niemals  vorgekommen  und  niemals  hören  wir  von 
einer  förmlichen  Belehnung.  Eher  dürfte  eine  Verpflichtung  für 
den  Markgrafen  bestanden  haben,  die  bayerischen  Hoftage  zu  be- 
suchen, der  er  hier  und  da  einmal  nachkam  ^).  Auch  das  ist  zu 
berücksichtigen,  dafs  die  Babenberger  unzweifelhaft  aufserhalb  der 
Mark  andei'e  Güter  von  den  Herzögen  von  Bayern  zu  Lehen 
trugen  und  schon  deshalb  ihnen  gegenüber  manche  Verpflichtungen 
hatten.  Noch  Adalbert  dürfte  Graf  im  Schweinach-  und  Ilzgau 
gewesen  sein  *"),  auch  um  Deggendorf  hatten  die  Babenberger  Lehns- 
besitz "').  Immerhin  werden  wir  annehmen  dürfen ,  dafs  gewifs 
zwischen  der  Theorie  und  der  Praxis  ein  grofser  Unterschied  zu 
finden  war.  Stand  auch  formell,  wie  gesagt,  die  Oberhoheit  Bayerns 
fest,  so  dürfte  sich  der  Markgraf,  der  sich  wohl  schon  frühzeitig 


1)  Stumpf,  Regesten  1042,  1097,  3027,  3031,  3228. 

2)  Pez  Via,  130. 

8)  Siehe  oben  S.  247. 

4)  Otto  San  blas.  c.  6,  S.  306.  —  Chron.  August. 

5)  Böhmer,  Font.  rer.  Germ.  11,  487. 

6)  Stumpf,  Eegesten  1530,  1531. 

7)  Siehe  die  Urkunde  vom  23.  Oktober  1181  (Mon.  Boic.  XI,  464). 


268  Zehntes  Kajiitel. 

in  seiner  Stellung;  zu  fühlen  begann,  möglichst  wenig  daran  gekehrt 
haben,  zuuial  die  Herzogsgewalt  bis  zum  12.  Jahrhundert  ziemUch 
rasch  von  einer  Hand  in  die  andere  wanderte  ^)  und  die  sächsischen 
Könige  eifrig  bestrebt  waren,  diese  Herzogsgewalt  einzuschränken. 

Weit  mehr  als  die  bayerischen  Herzöge  griflen  bis  über  die 
Mitte  des  11.  Jahrhunderts  die  deutschen  Könige  selbst  in  die 
Geschicke  der  Mark  ein,  was  zunächst  für  die  Ausbildung  der 
Machtstellung  des  IVIarkgrafen  durchaus  nicht  förderlich  gewesen 
sein  dürfte.  Wir  haben  gesehen,  dafs  die  Markgrafen  in  der  ersten 
Zeit  nicht  einmal  zu  den  hervorragendsten  Grundbesitzern  des 
Landes  zu  rechnen  waren,  sondern  nur  über  verhältnismäfsig  be- 
scheidene Güter  verfügten.  Die  Markgrafen  werden  auch  bis  1048 
sehr  häufig  nur  als  Grafen  bezeichnet  ^).  Inwieweit  die  Besitzungen 
der  anderen  Grafengeschlechter  in  der  Mark  reichsunmittelbar  ge- 
wesen sind,  können  wir  nach  dem  bisherigen  Stand  der  Quellen  nicht 
entscheiden;  es  scheint,  als  ob  die  Markgrafen  in  ihrem  Lande  durch- 
weg die  Grafengewalt  ausgeübt  hätten,  doch  gab  es  immerhin  Exem- 
tionen, wie  jene  Passaus,  die  wir  schon  kennen  gelernt  haben.  Die 
Eroberungspolitik  der  deutschen  Kaiser  legte  noch  Gewicht  auf  diese 
Grenzlande,  und  die  Kaiser  weilten  vielfach  hier,  verfügten  über 
Grund  und  Boden,  erteilten  Vorrechte,  trafen  Verwaltungsmafsregeln 
und  leiteten  vor  allem  die  Landesverteidigung  oder  den  Angrifis- 
krieg  selbst.  So  spielten  die  Markgrafen  neben  ihnen  nur  eine 
ziemlich  untergeordnete  Rolle,  und  wir  erfahren  auch  tatsächlich 
noch  wenig  von  selbständigen  Unternehmungen  und  Verfügungen. 

Die  Sachlage  änderte  sich  aber  rasch,  als  nach  dem  Tode  Kaiser 
Heinrichs  HI.  die  Reichspolitik  ganz  andere  Wege  einschlug.  Noch 
führte  Heinrich  IV.,  Avie  wir  sahen,  einige  Male  sein  Schwert  gegen 
die  Ungarn  zur  Wahrung  von  Familieninteressen,  aber  bald  nahm 
die  römische  Frage  seine  volle  Kraft  in  Anspruch.  Nun  erst  war 
die  Mark  sich  selbst  überlassen,  der  Markgraf  freier  in  seinen  Ent- 
schliefsungen,  unabhängiger  in  seiner  Stellung,  die  er  auch  bald  nach 
aufsen  hin  zu  heben  wufste.  Bisher  hatten  die  österreichischen  Baben- 
berger  auf  ihrem  isolierten  und  doch  wieder  vom  Könige  behüteten 

1)  Wiederholt  befand  sie  sich  übrigens  auch  im  Besitze  eines  Gliedes  der 
königlichen  Familie. 

2)  H a s en ö  h  r  1 ,  Südöstliche  Marken  (Archiv  f.  üsterr.  Gesch.  LXXXU,  431). 


Die  kirchliche  Bewegung  und  ihr  Einflufs  auf  Österreich.  369 

Posten  in  allen  Wechselfällen  treu  beim  Könige  ausgeharrt;  auch 
Markgraf  Ernst,  der  dem  Könige  einen  starken  Zuwachs  an  Besitz 
verdankte,  blieb  noch  in  den  Traditionen  seines  Hauses.  Er  brachte 
Heinrich  IV.  sogar  sein  Leben  zum  Opfer,  denn  am  9.  Juni  1075 
fiel  er  in  der  Schlacht  bei  Hohenburg  gegen  die  Sachsen. 

Aber  schon  sein  Sohn  und  Nachfolger  Leopold  IL  ^)  hielt  sich 
nicht  mehr  lange  an  diese  überlieferte  Königstreue  der  Babenberger, 
denn  er  fand  bereits  eine  völlig  veränderte  politische  Situation  vor  •^). 

Seit  dem  Jahre  1073  safs  Gregor  VII.  auf  dem  päpstUchen 
Stuhle,  eine  jener  seltenen  machtvollen  Persönlichkeiten,  die  dem 
Laufe  der  Weltgeschichte  neue  Bahnen  weisen.  Seit  Karl  dem 
Grofsen  waren  Kaisertum  und  Papsttum  Hand  in  Hand  gegangen ; 
noch  immer  hatte  man  an  dem  Bibelworte:  „Mein  Reich  ist  nicht 
von  dieser  Welt"  festgehalten,  noch  war  der  Papst  hauptsächlich 
der  oberste  Seelenhirte  und  bedurfte  der  Macht  des  Kaisers  zu 
Schutz  und  Schirm.  Dieser  konnte  daher  einen  Papst  nach  seinem 
Willen  einsetzen,  wie  er  auch  alle  Bischöfe  einsetzte.  Aber  diese 
inferiore  Stellung  der  Kirche  hatte  nicht  nur  allmählich  die  Päpste 
zum  Spielball  mächtiger  Kaiser  gemacht,  sondern  auch  den  Geist 
des  Klerus,  namentlich  in  den  romanischen  Ländern,  stark  demo- 
rahsiert.  Die  Laieninvestitur  hatte  den  Stellenkauf,  die  Simonie, 
die  arge  Verweltlichung,  unerlaubten  Umgang  mit  Frauen,  den 
Nikolaisraus,  gezeitigt.  Da  wurden  denn  endlich  gegen  die  Mitte 
des  11.  Jahrhunderts  namentlich  im  Kloster  zu  Clugny,  dann  auch  zu 

1)  Ältere  Historiker  zählten  in  derReihe  der  Markgrafen  auch  jenen  bereits 
oben  erwähnten  blofsen  Titularmarkgrafen  Leopold,  einen  Sohn  Adalberts,  dem 
Kaiser  Heinrich  IH.  als  Auszeichnung  für  seine  Dienste  gegen  die  Ungarn  Ende 
November  1043,  also  zu  Lebzeiten  seines  Vaters,  die  Markgrafenwürde  verlieh, 
die  er  jedoch  nur  etwa  14  Tage  innehatte,  da  er  am  9.  Dezember  starb.  Danach 
wäre  der  Sohn  Ernsts  Leopold  IIL,  dessen  Sohn  der  IV.  usw.  Seit  M ei  11  er 
(Reg.  S.  205)  ist  es  aber  allgemein  üblich  geworden ,  den  Sohn  Adalberts  nicht 
mehr  in  der  Reihe  der  Markgrafen  anzuführen.  Sonst  müfste  auch  konsequenter- 
weise z.  B.  Leopolds  HL  Sohn  Adalbert,  der  in  manchen  Urkunden  als  Marchio 
bezeichnet  wird,  aber  tatsächlich  niemals  die  "Würde  ausgeübt  hat,  auch  mit- 
gezählt werden. 

2)  Über  das  Folgende  siehe  insbesondere  die  vortreffliche  Einzeluntersuchung 
von  F.  M.  Mayer,  Die  östlichen  Alpenländer  im  Investiturstreite  (Innsbruck 
1883).  Aufserdem:  Huber  I,  221;  Juritsch  S.  94;  Giesebrecht,  Ge- 
schichte der  deutschen  Kaiserzeit  IH,  1. 


370  Zehntes  Kapitel. 

Oanialdula  Stimmen  laut,  die  immer  dringender  nach  einer  Reform 
der  Kirche,  zunächst  hinsichtUch  der  Klöster  verlangten. 

Durch  Gregor  VII.,  der  schon  als  Prior  von  Clugny  den 
Päpsten  Gregor  VI.  und  Leo  IX.  als  Spiritus  rector  zur  Seite 
gestanden  hatte,  wurden  diese  Reforraideen  erst  ins  Universelle 
erhoben  und  ihrer  Verwirklichung  zugeführt.  Er  legte  die  Axt 
an  die  Wurzeln  der  Übel.  Im  Jahre  1074  erging  das  Gesetz 
des  Zölibates  und  das  Verbot  der  Laieninvestitur  unter  Androhung 
des  Kirchenbannes. 

Kaiser  Heinrich  IV.  unterschätzte  seinen  Gegner  anfangs  gründ- 
lich, wenn  er  dachte,  durch  einen  Anschlag  auf  ihn  und  durch 
eine  Synode  in  Worms,  auf  der  die  deutschen  Bischöfe  Gregor 
für  abgesetzt  erklären  mufsten,  ihn  unschädlich  zu  machen.  Der 
Papst  antwortete  mit  dem  Bannstrahl,  und  die  Wirkung  dieses  bis 
dahin  noch  niemals  gegen  den  Kaiser  angewendeten  Mittels  war 
eine  tiefgehende.  In  dem  Augenblick,  wo  der  Glanz  der  höchsten 
weltlichen  Gewalt  vor  einer  höheren,  gewissermafsen  übersinnlichen 
Macht  erblich,  war  auch  das  Gebäude  des  Reiches  in  allen  Fugen 
erschüttert,  und  der  V/iderstand  erhob  allenthalben  ungescheut  sein 
Haupt.  Die  Bestrebungen  der  salischen  Kaiser  zur  Unterdrückung 
der  nationalen  Herzogtümer  begannen  sich  jetzt  zu  rächen.  Die 
Stammesherzöge  machten  gemeinsame  Sache  mit  jenen  Bischöfen, 
die  dem  Rufe  des  Kirchenoberhauptes  folgten  Sie  traten  am 
16.  Oktober  1076  in  Tribur  zusammen  und  beschlossen  den  Kaiser 
abzusetzen,  falls  er  die  Lösung  aus  dem  Banne  nicht  bis  zum 
Februar  erlange. 

Unter  diesen  Fürsten  und  Bischöfen  standen  gerade  die  süd- 
deutschen obenan:  Bertold  von  Zähringen,  der  Herzog  von  Kärnten, 
Rudolf  von  Schwaben,  Weif  von  Bayern ,  Erzbischof  Gebhard  von 
Salzburg,  Bischof  Altmann  von  Passau  und  der  Traungauer  Adal- 
bero  von  Würzburg.  Waren  es  aber  bei  den  Herzögen  politische 
Gründe,  die  ihnen  einen  Anschlufs  an  die  päpstliche  Partei  will- 
kommen erscheinen  liefsen,  so  war  namentlich  in  Altmann  von 
Passau  der  echte  gregorianische  Geist  wirksam  ^). 

1)  Hauptquelle  ist  die  Vita  Altmanni,  herausgegeben  von  Wattenbach, 
M.  G.  SS.  XXII,  226,  die  freilich  auch  manches  Legendäre  enthält.  Siehe  femer 
Stülz,  Das  Leben  des  Bischofs  Altmann  von  Passau  (Denkschriften  d,  k.  Aka- 


Die  kirchliche  Bewegung  und  ihr  Einflufs  auf  Österreich.  371 

Aus  Westfalen  stammend  war  er  ursprünglich  Domherr  in 
Paderborn.  Als  Propst  von  Aachen  gelangte  er  an  den  königlichen 
Hof,  wo  er  das  Amt  eines  Hofkaplanes  bekleidete  und  sich  der 
besonderen  Gunst  der  Kaiserin  Agnes  erfreute.  Dieser  verdankte 
er  auch  seine  Erhebung  auf  den  Bischofstuhl  im  Jahre  1065.  Auch 
er  fand  in  seiner  Diözese  eine  arge  Verweltlichung,  ja  Verwilde- 
rung des  Klerus,  der  Ausschweifungen  jeglicher  Art  und  auch  dem 
Wucher  ergeben  war,  und  er  säumte  nicht,  die  bestehenden  Klöster 
ganz  im  Sinne  der  Kluniazenser  zu  regulieren  und  neue  zu  gründen. 
So  inaugurierte  er  für  Osterreich  eine  neue  Epoche,  die  in  ihren 
Folgen  sowohl  auf  politischem,  als  auch  auf  wirtschaftlich-sozialem 
und  kulturellem  Gebiete  von  Bedeutung  wurde. 

Schon  vor  ihm,  um  dfe  Mitte  des  Jahrhunderts,  hatte  allerdings 
der  Zug  der  Zeit  zu  einigen  frommen  Stiftungen  in  unseren  Gegenden 
geführt.  Kaiser  Heinrich  IH.  schenkte  am  7.  Januar  1049  seinen 
Besitz  zwischen  Enns  und  Ips  dem  Bistum  Freising  unter  der 
Bedingung,  dafs  zu  Ardagger  ein  Stift  für  Säkularkleriker  gegründet 
werde  ^).  Bereits  in  engerem  Zusammenhang  mit  der  neuen  Strö- 
mung steht  die  Gründung  des  Stiftes  Lambach  durch  die  Traun- 
gauer  um  1056,  wovon  weiter  unten  die  Rede  sein  wird.  Dafs 
die  Stiftung  des  Nonnenklosters  Erla  durch  Otto  von  Machland 
in  Niederösterreich  bereits  in  diese  Zeit  fällt,  wie  die  erhaltene 
Kopie  des  Stiftsbriefes  glauben  machen  will,  erscheint  mir  mehr 
als  zweifelhaft  ^). 

Die  erste  Neugründung  Bischof  Altmanns  war  das  Chorherren- 
stift St.  Nikolaus   im    Jahre  1067  (Urkunde  1075)  ^).     Nicht  viel 

demie  IV,  1853),  Wiedemann,  Altmann  von  Passau  (Augsburg  1851)  und 
Mayer  a.  a.  0.  68  f.  Über  die  hier  nicht  weiter  in  Betracht  kommende  publi- 
zistische Tätigkeit  Altmanns  siehe  Sdralek,  Die  Streitschriften  Altmanns  von 
Passau  und  Wigilos  von  Köln  (Paderborn  1890). 

1)  Font.  rer.  Austr.  XXXI,  7G.  Friefs,  Geschichte  des  KoUegiatstiftes 
Ardagger  (Archiv  f.  österr.  Gesch.  XLVI). 

2)  ÜB.  d.  L.  0.  d.  Enns  II,  86.  Für  die  Echtheit  der  Urkunde  Keib- 
linger,  Geschichte  Melks  I,  251,  der  sich  dabei  auf  die  Totenbücher  Melks 
und  St.  Peters  beruft,  die  aber  doch  nicht  mehr  beweisen,  als  dafs  das  Kloster 
vor  seiner  zweiten  urkundlichen  Erwähnung  im  Jahre  1125  schon  bestand.  — 
Hayret,  Zur  Geschichte  des  Erlaklosters  (Ber.  u.  Mitteü.  d.  Altertumsvereins 
XX,  103). 

3)  ÜB.  d.  L.  0.  d.  Enns  II,  99  und  103.     Nur  in   zwei  Kopien   erhalten, 


273  Zehntes  Kapitel. 

später  wurde  in  der  Ostmark  auf  einem  weit  sichtbaren  Punkt 
an  der  Donau  bei  J\ lautern  mit  dem  Bau  des  Stiftes  Göttweig 
begonnen  *).  Das  arg  herabgekommene  St.  Florian  ^)  und  St. 
Polten  2)  wurden  reformiert  und  an  Stelle  der  Kleriker  regulierte 
Chorherren  berufen. 

Aber  auch  hier  wie  anderwärts  stiefsen  die  Reformversuche 
auf  den  heftigen  Widerstand  des  Klerus  selbst.  Als  Altraann  am 
26.  Dezember  1074  von  der  Kanzel  der  Domkirche  in  Passau 
die  päpstliche  Bulle  über  den  Zölibat  verkündete,  brach  ein  förm- 
Hcher  Tumult  aus,  so  dafs  der  Bischof  nur  mit  Mühe  unter  dem 
Schutz  seiner  Ministerialen  Tätlichkeiten  entging. 

Von  der  Bannung  Heinrichs  machte  die  Königin-Mutter  Agnes, 
die  seit  ihrem  Sturze  als  Nonne  in  Rom  lebte,  ihrem  Günstling 
selbst  Mitteilung  '').  Aber  bei  deren  Verkündigung  regte  sich  aber- 
mals die  Opposition  des  Passauer  Klerus,  an  dessen  Spitze  der 
Propst  Eigilbert,  der  nachmalige  Erzbischof  von  Trier  stand.  Alt- 
mann befand  sich  auch ,  wie  schon  erwähnt ,  auf  dem  Tage  zu 
Tribur.  Es  folgte  Heinrichs  IV.  heimliche  Reise  nach  Italien  und 
die  Erniedrigung  von  Kanossa  —  sie  war  vergeblich,  denn  die 
deutsche  Opposition  nahm  diesen  eigenmächtigen  Schritt  zum  An- 
lafs,  den  König  abzusetzen  und  am  15.  März  1077  zu  Forchheim 
Rudolf  von  Schwaben  zum  Könige  zu  wählen.  Obwohl  der  Papst 
nach  Heinrichs  reumütiger  Unterwerfung  dieser  Wendung  der  Dinge 
entschieden  widerstrebte,  waren  doch  auch  Gebhard  von  Salzburg 
und  Altmann  von  Passau,  die  sich  jedenfalls  politisch  schon  zu  weit 
eingelassen  hatten,  unter  den  Wählern  des  Gegenkönigs. 


von  denen  die  zweite  gefälscht  ist.    Über  die  Datierung  gegen  Meillers  (Keg. 
206)  Ansatz  zu  1081  Edlbacher  (Ben  d.  Mus.  Franc.-Carol.  XXIX,  100). 

1)  Vita  Altmanni  c.  29.  Der  Altar  soll  von  Altmann  1072  geweiht 
worden  sein. 

2)  ÜB.  d.  L.  0.  d.  E.  II,  95.  —  Über  die  Unechtheit  des  Stiftsbriefes  vom 
25.  Juni  1071  siehe  Strnadt  in  der  Archivalischeu  Zeitschrift  VIII,  75 f. 

3)  Vita  Altmanni  c.  9.  Es  ist  zweifelhaft,  ob  diese  Klosterreform  vor 
oder  nach  der  Flucht  Altmanns  fällt.  Wenn  man  aber  eine  Tätigkeit  Altmanns 
zu  Göttweig  schon  um  1072  annehmen  kann,  so  ist  die  Verlegung  der  Eeform 
St.  Pöltens  auf  das  Jahr  1081,  wie  sie  Hansiz,  Germ,  sacra  I,  269  und  Mayer 
a.  a.  0.  77,  ansetzen,  keine  zwingende  Notwendigkeit. 

4)  Hugonis  Chron.     M.  G.  SS.  VIII,  435. 


Die  lilrdiliche  Bewoguug  uiui  ilir  Einflufs  auf  Österreich.  373 

Sie  traf  denn  auch  Heinrichs  Vergeltung,  als  er  vom  Süden 
her  den  Rachezug  gegen  seine  Feinde  begann.  Der  getreue  Pa- 
triarch Sigehard  von  Aquileja,  wie  wir  gesehen  haben,  ein  Sprofs 
des  Hauses  Burghausen- Schala,  wurde  mit  den  Grafschaften  Friaul 
und  Istrien  und  der  Markgrafschaft  Krain  belohnt,  Liutold  von 
Eppenstein  mit  dem  Herzogtum  Kärnten.  Anfangs  Mai  stand  der 
König  bereits  zu  Regensburg.  Weder  Gebhard  noch  Altmann 
wagte  es,  Widerstand  zu  leisten.  Jener  floh  nach  Schwaben,  dieser 
mit  Rudolf  nach  Sachsen;  auch  Arnold  von  Würzburg  mufste  sein 
Bistum  verlassen.  So  konnte  der  König  nur  an  Ekbert  von  Form- 
bach ein  Exempel  statuieren,  dessen  Besitzungen  am  Inn  er  zu 
Beginn  des  Jahres  1078  verwüstete,  während  Ekbert  selbst  mit 
den  Seinen  zu  König  Ladislaus  von  Ungarn,  zu  dem  er  durch 
seine  Güter  im  Püttener  Gebiete  freundnachbarliche  Beziehungen 
haben  mochte,  entwich  ^). 

Bald  danach  trat  der  Abfall  des  Markgrafen  Leopold  von 
Osterreich  ein,  der  sich  bis  dahin  zwar  nicht  als  tatkräftiger  An- 
hänger des  Königs  gezeigt,  sich  aber  wenigstens  ruhig  verhalten 
hatte.  Leider  läfst  uns  die  Dürftigkeit  der  Quellen  über  seine 
Beweggründe  im  unklaren.  Jedenfalls  hatte  der  Markgraf  lange 
genug  gezögert,  ehe  er  sich  einer  Koalition  anschlofs,  in  der  sein 
natürlicher  Gegner,  der  Herzog  von  Bayern,  und  überhaupt  die 
Herzogspartei  die  führende  Rolle  spielte.  Aber  die  Zeit,  wo  die 
Grafen  und  Markgrafen  von  den  Königen  Vorteil  ziehen  konnten, 
war  vorbei.  Ich  nehme  auch  an,  dafs  Altmann  von  Passau,  den 
ja,  wie  wir  gesehen  haben,  schon  Anfang  der  siebziger  Jahre 
seine  reformatorische  Tätigkeit  in  die  Mark  geführt  hatte,  durch 
die  Macht  seiner  Persönlichkeit  und  seiner  Überzeugung  bereits 
in  dieser  Zeit  einen  Einflufs  auf  Leopold  gewonnen  hatte.  Die 
schwere  Mafsregelung  Ekberts  von  Formbach,  dessen  Güter  im 
Süden  der  Mark  lagen,  und  die  offene  Stellungnahme  des  Ungarn- 
königs, der  im  Mai  1078  eine  Gesandtschaft  an  Rudolf  von 
Schwaben  schickte,  mögen  dann  den  nächsten  Anstofs  zu  Leopolds 
Entscheidung  gegeben  haben.  Zu  Pfingsten  begab  er  sich  nochmals 
auf  den  Hoftag  nach  Regensburg;  vielleicht  wollte  er  persönlich  auf 


1)  Hauptquelle  ist  Bertold  M.  G.  SS.  V,  294  ff. 

Vancsa,  Geschichte  Nieder-  u.  Oberösterreichs.  18 


g^l  Zelintos  Kapitel. 

den  König  einen  Druck  ausüben,  um  ihn  zu  Konzessionen  zu 
beweisen.  In  der  Tat  schied  er  als  sein  Gegner  ^).  Um  jene  Zeit 
dürfte  sich  auch  König  Ladislaus  von  Ungarn  mit  Rudolfs  von 
Schwaben  Tochter  vermählt  haben  -). 

Aber  Leopold  war  zu  isoliert  und  fand  bei  Ladislaus,  wie  es 
scheint,  keine  Unterstützung  So  vermochte  er  keinen  erheblichen 
Widerstand  zu  leisten,  als  König  Heinrich  im  nächsten  Jahre  die 
Mark  mit  Krieg  überzog  und  bis  nach  Ungarn  vordrang  ^).  Er 
mufste  sich  wohl  oder  übel  unterwerfen. 

Heinrich  IV.  hatte  leider  das  tragische  Schicksal,  dafs  alle 
seine  grofsen  Entschlüsse,  alle  seine  Siege,  statt  den  Erfolg  nach 
sich  zu  ziehen,  sich  in  Mifserfolge  verwandelten.  Am  15.  Ok- 
tober 1G80  lieferte  er  der  Gegenpartei  eine  blutige  Schlacht  an 
der  Elster,  in  der  Rudolf  von  Schwaben  fiel.  Heinrich  glaubte 
seine  Feinde  in  Deutschland  zu  Boden  geworfen  zu  haben  und 
nun  sich  gegen  den  Papst  wenden  zu  können.  Kaum  hatte  er 
aber  die  Alpen  überschritten,  da  wurde  Hermann  von  Salm  aus 
dem  Hause  Luxemburg  zum  Gegenkönig  gewählt,  und  seine  Gegner 
erhoben  kühner  denn  zuvor  ihr  Haupt. 

Nun  war  auch  für  Altmann  die  Zeit  wieder  gekommen.  Im 
letzten  Jahre  hatte  er  zu  Rom  in  vertrautem  Umgang  mit  Gre- 
gor VII.  geweilt;  jetzt  kehrte  er  als  päpstlicher  Legat  in  seine 
Diözese  zurück  und  wandte  sich,  da  sein  Bischcfsitz  noch  immer 
von  seinem  Gegner  besetzt  gehalten  wurde,  nach  Osterreich.  Er 
hatte  vom  Papste  die  Mission  erhalten,  die  Anhänger  Heinrichs 
auf  den  rechten  Weg  zu  bringen  und  alle  Reuigen  in  Gnaden 
aufzunehmen  ^). 

Es  war  ein  Triumph  seiner  politischen  Kunst,  dafs  sich  Mark- 
graf Leopold  in  feierlicher  Weise  von  der  Sache  des  Königs  lossagte. 
Nach  TuUn  berief  dieser  eine  Versammlung  seiner  Ministerialen, 
kündigte  dem  König  den  Gehorsam  und  erklärte  alle  Anhänger 
des  Papstes  in  Schutz  nehmen  zu  wollen  —  vermutlich  in  Gegen- 


1)  Bertold  a.  a.  0.  311  mit  der  naiven  Motivierung,  dafs  er  vom  Küaige 
beleidigt  worden  sei. 

2)  Der  Zeitpunkt  ist  imsicher;  jedenfalls  vor  Kudolfs  Tod. 

3)  Bertold  319,  Ann.  Angustani  M.  G.  SS.  III,  129.    Vgl.  Huber  I,  230. 

4)  Jaffe,  Keg.  Pontif.  2517. 


Die  kirchliche  Bewegung  und  ihr  Einflufs  auf  Österreich.  375 

wart  Altmanns,  den  er  auf  das  höchste  auszeichnete  ^).  Getreu 
dieser  Erklärung  entfaltete  nun  der  Markgraf  eine  rege  Tätigkeit, 
verfolgte  die  Anhänger  des  Königs,  führte  wahrscheinlich  auch 
Altmann  auf  seinen  bischöflichen  Sitz  zurück  und  leistete  Gegen- 
könig Hermann  Hilfe  bei  der  Belagerung  von  Augsburg. 

Da  führte  Heinrich  IV.  aus  der  Ferne  einen  starken  Schlag 
gegen  ihn :  er  belehnte  Wratislaw  von  Böhmen  zum  Dank  für  die 
ihm  bewiesene  Treue  mit  Osterreich.  Daraufhin  fiel  Herzog  Wra- 
tislaw im  Vereine  mit  seinen  Brüdern  Konrad  und  Otto  von 
Mähren,  die  schon  vorher  in  Grenzfehde  mit  Leopold  gelegen 
hatten,  mit  einem  grofsen  Heere  anfangs  Mai  1082  in  die  Ost- 
mark ein.  Selbst  Bayern  fochten  in  seinem  Heere,  die  der 
königstreue  Bischof  von  Regensburg  gestellt  hatte,  und  es  ist 
nicht  unwahrscheinlich,  dafs  auch  die  mächtigen  Nebenbuhler  der 
Babenberger  in  Österreich,  die  Grafen  von  Burghausen  -  Peilstein 
auf  seiner  Seite  gestanden  haben,  denn  Hildegard  von  Burghausen 
war  mit  Konrad  von  Mähren  vermählt  und  ihr  Bruder,  der  Bischof 
Heinrich  von  Freising,  der  im  Norden  der  Donau  reichen  Besitz 
hatte,  war  ein  eifriger  Anhänger  Kaiser  Heinrichs  IV.  ^).  Jeden- 
falls war  Leopold  zu  schwach,  um  standzuhalten,  und  wurde 
am  12.  Mai  1082  bei  Mailberg  (damals  Mauerberg)  gänzlich  ge- 
schlagen, worauf  das  Land  nördlich  der  Donau  den  Verwüstungen 
der  Böhmen  zum  Opfer  fiel  ^),  so  dafs  eine  Hungersnot  ausbrach, 
während  welcher  Altmann  als  "„Vater  der  Armen"  in  Göttweig 
waltete. 

Über  die  Donau  vermochten  die  Böhmen  allerdings  nicht  vor- 
zudringen und  hatten  somit  keine  weiteren  Erfolge  zu  verzeichnen; 

1)  Die  Versammlung  mufs  vor  August  1081  stattgefunden  haben.  Vita 
Altmanni  c.  25;  Ann.  Mellic.  M.  G.  SS.  IX,  500.  Über  Leopolds  Anteünahme 
an  der  Belagerung  Augsburgs  Ann.  August.  M.  G.  SS.  III,  129  ad  1081. 

2)  So  nach  einer  ansprechenden  Vermutung  Wittes  in  den  Mitteilungen 
des  Institutes  für  österreichische  Geschichte  V.  Erg.-Bd.  403.  —  Über  die  mährisch- 
österreichischen Grenzfehden  Cosmas  II,  35. 

3)  Vita  Altmanni  c.  25;  Chron.  Mellic.  (Pez,  SS.  I,  226).  Dazu  noch 
zu  vergleichen  Necrol.  Claustroneoburg.  (Archiv  f.  österr,  Gesch.  VII,  284)  und 
St.  Floriani  (ebendas.  LVI,  309) ;  Font.  rer.  Austr.  2.  Abt.  VUI,  33.  Ein  darauf 
folgender  Sieg  der  Österreicher  unter  Azzo  von  Gobatsburg  ist  eine  blofse  Er- 
findung Hauthalers  (Ortilo). 

18* 


27C  Zelintos  Kiipitol. 

als  aber  im  Sommer  1084  Heinrich  IV.,  nachdem  er  sich  in  Rom 
von  seinem  Gegenpapste  hatte  zum  Kaiser  krönen  lassen,  selbst 
mit  licercsmaoht  heranzog,  blieb  Leopold  doch  nichts  anderes  übrig, 
als  sich  neuerdings  zu  unterwerfen  ').  Uncrklärhch  ist  es  nur, 
warum  der  Kaiser  ihn  im  Besitze  der  Markgrafenwürde  beliefs, 
während  der  getreue  Böhmenherzog  durch  den  Königstitel  ent- 
schädigt wurde. 

Geniafsregelt  wurden  nur  die  gregorianischen  Bisehöfe.  Geb- 
hard  von  Salzburg  verlor  sein  Bistum  an  Bertold  von  Moosburg, 
Altmann  von  Passau  an  Hermann  aus  dem  kaisertreuen  Ge- 
schlechte der  Eppensteiner.  Der  Tod  des  Papstes  Gregor  VII.  am 
25.  Mai  1085  brachte  keine  Änderung  im  Widerstreite  der  Parteien, 
aber  es  trat  doch  allmählich  eine  gewisse  Ruhe  ein.  Gebhard  von 
Salzburg  konnte  sogar  1086  auf  seinen  Bischofsitz  zurückkehren. 
Altmann  von  Passau  wirkte  ungestört  unter  dem  Schutze  Leopolds 
von  Osterreich  und  Ottokars  von  Steyer. 

Nicht  lange  aber  überlebten  die  unentwegten  Parteigänger  der 
gregorianischen  Ideen  ihren  grofsen  Führer.  Sie  starben  rasch 
aufeinander:  zuerst  Gebhard  von  Salzburg  am  15.  oder  16.  Juni 
1088  zu  Werfen,  dann  Adalbero  von  Würzburg  am  6.  Oktober 
1090,  zurückgezogen  in  seiner  Farailienstiftung  Lambach,  endlich 
Altmann  von  Passau  am  8.  August  1091  auf  dem  Passauischen 
Gute  Zeiselmauer  in  der  Mark.  Sie  konnten  mit  der  beruhigenden 
Überzeugung  ins  Grab  steigen,  dafs  sie  nicht  umsonst  gelebt  und 
dafs  ihr  Wirken,  wenn  auch  der  politische  Kampf  noch  weiter 
währte,  den  festen  Grund  zu  einer  Neugestaltung  der  Verhältnisse 
in  den  Alpenländern  gelegt  hatte. 

Für  unsere  Lande  kommt  hauptsächlich  die  Tätigkeit  Alt- 
manns von  Passau,  der  wohl  auch  der  Bedeutendste  von  ihnen 
war,  in  Betracht.  Wie  er  schon  vor  Gregors  VII.  Stuhlbesteigung 
im  Sinne  der  kluniazensischen  Klosterreform  gewirkt  hat,  wurde 
bereits  gezeigt.  Seine  Haupttätigkeit  fällt  jedoch  in  das  letzte  Jahr- 
zehnt seines  Lebens,  da  er,  von  seinem  Bischofstuhle  vertrieben, 
in  Österreich  eine  sichere  Stätte  gefunden  hatte,  und  nun  in  einer 


1)  Ann.  Patherbninn. ,  hgg.   von  Scheffer-Boic hörst,   S.  99  ad  1084 
und  Ann.  Tburg.     M.  G.  SS.  XVI,  438. 


Die  kirchliche  Bewegung  und  ihr  Einflufs  auf  Österreich.  277 

ganz  eigengearteten  Stellung  nicht  nur  als  Berater,  sondern  auch 
als  Lenker  des  Markgrafen  von  Osterreich  frei  schalten  und  walten 
und  seine  Ideen  verwirklichen  konnte. 

Im  Jahre  1083  konnte  für  seine  Lieblingstiftung  Göttweig 
die  Stiftungsurkunde  ausgefertigt  werden;  die  reichliche  Begabung, 
die  sie  aufwies,  werden  Avir  noch  kennen  lernen.  Regulierte 
Augustiner  -  Chorherren  unter  dem  Propst  Otto  bezogen  das 
Stift  *).  Daneben  entstand,  wie  dies  damals  üblich  war,  auch  ein 
Nonnenstift. 

Die  Reform  von  St.  Florian  ^)  und  St.  Polten  ^) ,  obwohl 
früher  in  Angriff  genommen,  erfuhr  jedenfalls  erst  jetzt  ihre  weitere 
Ausgestaltung.  Ersteres  übernahmen  regulierte  Kanoniker  unter 
dem  Propst  Hartmann,  letzteres  Augustiner-Chorherren  unter  Propst 
Engelbert.  Auch  Kremsmünster  *) ,  wo  besonders  skandalöse  Zu- 
stände geherrscht  haben  sollen  und  das  die  Kleriker  zuletzt,  um 
nicht  zu  strengerem  Leben  gezwungen  zu  werden,  angeblich  sogar 
anzündeten,  kam  nun  an  die  Reihe.  1082  wurde  das  Kloster  neu 
aufgebaut,  und  Mönche  aus  dem  Kloster  Gorze  bei  Metz  ^)  unter 
Abt  Dietrich  zogen  daselbst  ein. 

Verdanken   diese  Klöster   ihre  Entstehung   oder  Regeneration 


1)  Von  neueren  Darstelhingen  der  Geschichte  dieses  Klosters  ist  lediglich 
der  Artikel  in  der  „Topographie  von  Niederösterreich"  (von  Dun  gel)  zu  nennen. 
Die  Ausgaben  des  Salbuches  und  der  Urkunden  siehe  in  meiner  Einleitung.  Die 
Gründungsurkunde  Font.  rer.  Austr.  L,  Nr.  5.  —  Vgl.  auch  noch  Kämmel, 
Aus  dem  Salbuch  eines  österreichischen  Klosters  (Zeitschr.  f.  allgem.  Gesch., 
Kultur-,  Literatur-  und  Kunstgeschichte  III,  233,  1886). 

2)  Über  St.  Florian  vgl.  Kurz,  Beiträge  zur  Geschichte  des  Landes  ob 
der  Enns  III.  Bd.  (Linz  1808) ;  S  t  ü  1  z ,  Geschichte  des  regulierten  Chorherren- 
stiftes St.  Florian  (Linz  1835).  Zur  Kritik  die  oft  zitierte  Abhandlung  von 
Strnadt  in  der  Archivalischen  Zeitschrift  VIII  und  IX. 

3)  Felgel-Lampel,  Urkundenbuch  des  Chorherrenstiftes  St.  Polten 
(I.  und  IL  Band  des  Niederösterr.  Urkundenbuches,  Wien  1891  und  1901). 

4)  Siehe  oben  S.  90.  Aufserdem  Loserth,  Die  Geschichtsquellen  von 
Kremsmünster  im  13.  und  14.  Jahrhundert  (Wien  1872). 

5)  So  nach  der  gewöhnlichen  Annahme.  Doch  sei  hier  einer  sehr  an- 
sprechenden Vermutung  von  Friefs  gedacht,  der  (Studien  über  das  Wirken  der 
Benediktiner  II,  24,  Anm.  63)  meint,  dafs  unter  „Goize"  das  Kloster  Gosek 
bei  Naumburg  zu  verstehen  ist ,  das  damals  der  strengen  Regel  der  Hirschauer 
angehörte. 


378  Zolintes  Kapitel. 

direkt  Altmann  von  Passau,  so  ist  eine  andere  bedeutende  Stiftung, 
das  Kloster  Lambach,  mit  der  Person  Adalberos  von  Würzburg  ') 
verknüpft.  Sein  Vater  Arnold  IL  von  Wels-Lambach  verwandelte 
schon  um  1056  nach  dem  Tode  seines  Sohnes  Gottfried  sein  Schlofs 
Lambach  in  ein  Kloster.  Bischof  Adalbero  ersetzte  dann  die  Welt- 
priester durch  Benediktiner,  deren  Herkunft  leider  nicht  bekannt 
Ist,  nahm  dann  am  14.  September  1089  gemeinsam  mit  dem  Diö- 
zesan  Altmann  die  Einweihung  vor  und  beschlofs  hier  auch  seine 
Tage. 

Diese  klostergründende  Tätigkeit  blieb  nicht  ohne  Wirkung 
auf  die  verschiedenen  weltlichen  Grofsen,  die  in  kirchlichem  Sinn 
und  frommem  Eifer  nicht  zurückstehen  wohten.  Die  Babenberger 
hatten  in  ihrer  ersten  Residenz  zu  Melk  entweder  gegen  Ende  des 
10.  Jahrhunderts  oder  wahrscheinlicher  nach  1015  ^)  ein  Kloster  ge- 
gründet, das  aber  jedenfalls  ebensowenig  wie  die  anderen  Stifter 
während  der  zwei  ersten  Drittel  des  11.  Jahrhunderts  dem  Ver- 
falle entging.  Markgraf  Leopold  sorgte  für  eine  Reform  im  Geiste 
seines  Gewissensberaters  Altmann  und  verpflanzte  im  Jahre  1089 
Benediktiner  unter  dem  iVbte  Sigebold  angeblich  aus  Lambach 
hierher  ^). 

Unter  Altmanns  Einflufs  vollzog  sich  auch  die  Klostergründung 
Ottokars  V.  von  Steyer.  Dieser  erwarb  durch  Tausch  von  Passau 
eine  alte  Kirche  in  der  Nähe  der  Styraburg  zu  Garsten  und  ver- 

1)  Über  ihn  Juri t seh,  Adalbero  Graf  von  Wels  und  Lambach,  Bischof 
von  Würzburg  und  Gründer  des  Benediktinerstiftes  Lambach  in  Oberösterreich 
(Braunschweig  1887).  Über  das  Kloster:  Schmied  er,  Breve  Chronicon  mona- 
sterii  b.  Mariae  virg.  Lambacensis  (Linz  1865). 

2)  Die  Existenz  eines  Klosters  zu  Melk  vor  diesem  Jahre,  insbesondere 
dessen  angebliche  Gründung  durch  Markgraf  Liutpold,  wie  sie  das  Breve  chronicon 
behauptet,  läfst  sich  durch  nichts  beweisen.  Dagegen  wissen  wir,  dafs  im  Jahre 
1015  der  Leichnam  des  ermordeten  Glaubensboten  Kolomann  von  Stockerau  feier- 
lieh hierher  überführt  und  die  Kirche  zu  seinen  Ehren  geweiht  wurde.  Vielleicht 
wurde  erst  damals  das  Stift  begründet  (Meiller  in  den  Denkschr.  d.  Akademie 
XI  und  Uhlirz,  Jahrbücher  d.  deutschen  Kelches  unter  Otto  IL  I,  237  [Ex- 
kurs V]);  Jan it seh,  Geschichte  des  Benediktinerstiftes  Melk  (Wien  1819); 
Keiblinger,  Geschichte  des  Benediktinerstiftes  Melk,  3  Bände  (Wien  1847, 
1868 f.);  Katschthaler  im  VI.  Bande  der  „Topographie  von  Nioderösterreich " 
S.  370  f. 

3)  So  nach  Keiblinger  I,  196,  doch  steht  die  Sache  keineswegs  fest. 


Die  kircliliche  Bewegung  und  ihr  Einfliifs  auf  Österreich.  379 

wandelte  sie  1080  oder  1082  in  ein  Kloster  für  Kleriker  ^),  und 
unternahm  dann  selbst  eine  Pilgerfahrt  nach  Rom. 

Endlich  erfolgte  1084  die  Gründung  von  Keichersberg  durch 
den  Grafen  Wernher  von  Plaien,  das  zwar  nicht  mehr  streng 
genommen  in  unser  Gebiet  fällt,  aber  wegen  seiner  Bedeutung  für 
die  obderennsischen  Lande  erwähnt  werden  mufs. 

Neben  diesen  Klostergründungen  ging  jedenfalls  noch  eine 
zweite  Art  der  Betätigung  des  kirchlichen  Sinnes,  über  die  wir  aber 
nicht  in  gleicher  Weise  gut  unterrichtet  sind,  die  Gründung  von 
Kirchen.  Allerdings  fand  Altmann  im  Lande  ob  und  unter  der 
Enns  schon  eine  sehr  stattliche  Zahl  von  Kirchen  und  Pfarreien 
vor  ■^) ,  doch  ist  auch  eine  Reihe  von  Neugründungen  bezeugt  ^). 
Für  das  Fortschreiten  der  Kolonisation  ist  es  charakteristisch,  dafs 
die  Neusiedelungen  zunächst  stets  zur  Mutterpfarre  gehörten  und 
erst,  wenn  sie  einen  bedeutenden  Umfang  erreichten,  Filialkirchen 
erhielten,  die  allenfalls  ihrerseits  dann  wieder  Mutterpfarren  wurden*). 
Die  Babenberger  gründeten  im  Zeitraum  bis  etwa  1135  in  dem 
relativ  noch  sehr  dürftig  besiedelten  Gebiet  nördlich  der  Donau 
nicht  weniger  als  13  Pfarren  ^).  Gerade  die  Gründung  und  Be- 
stiftung  von  Kirchen  —  gewöhnhch  genügte  dazu  ein  Mansus  — 

1)  Pritz,  Geschichte  der  Benediktiuerklöster  Garsten  und  Gleink  (Liuz 
1841);  Priefs,  Geschichte  des  Benediktinerstiftes  Garsten  (Studien  u.  Mitt. 
a.  d.  Benediktiner-  u.  Cistercienserorden  I  bis  III). 

2)  Nach  Wiedemanns  im  einzelnen  nicht  unanfechtbarer  Zusammen- 
stellung (Altmarm  von  Passau  102 f.),  die  aber  im  allgemeinen  ein  gutes  Büd 
gibt,  bestanden  im  Lande  ob  und  unter  der  Eons  58  Pfarrkirchen  und  32  Kirchen 
ohne  Pfarreirechte. 

3)  Er  weihte  1070  die  Pfarrkirche  in  Thalheim,  1074  zu  Stadel kirchen  und 
1082  zu  Wartberg  in  Oberösterreich  und  errichtete  in  Niederösterreich  eine  neue 
Kirche  zu  Traiskirchen.  Ein  Verzeichnis  der  zwischen  1000  und  1100  in  Österreich 
gegründeten  Pfarren  gibt  Mayer,  Geschichte  der  geistigen  Kultur  in  Nieder- 
österreich 1,5.  Es  sind  deren  60  und  zwar  9  im  Viertel  unter  Wiener  Wald, 
20  im  Viertel  ob  Wiener  Wald,  15  im  Viertel  unter  Manhartsberg ,  16  im 
Viertel  ober  Manhartsberg.  In  bezug  auf  das  Viertel  unter  Wiener  Wald  vgl. 
auch  Grund  a.  a.  0.  68. 

4)  Grund  a.  a.  0.  75. 

5)  Eggendorf  am  Walde,  Gars,  Hollabrunn,  Leis,  Meifsling,  Mistelbach  a.  d, 
Zaya,  Alt-Pölla,  Pulkau,  Eufsbach ,  Walkenstein,  Wiederfeld,  Älland,  Kloster- 
neuburg (Mon.  Boic.  XX,  Nr.  52). 


280  Zolintrs  Kapit.-l. 

war  jedentalls  die  Art  und  Weise,  wie  die  zalilroichen  kleinen 
Adels-  und  ]\Iinisterialengeschlechter,  die  nicht  über  die  nötigen 
INIittcl  zu  einer  Klostergründung  veriiigten,  ihren  kirchlichen  Sinn 
betätigten. 

Die  fromme  Übung,  die  Altmann  und  seine  Mitstreiter  als 
Mittel  zu  ihren  Zwecken  eingeleitet  hatten,  starb  mit  ihrem  Tode 
keineswegs  aus.  Auch  die  Folgezeit  erwies  sich  dafür  sehr  günstig. 
Und  immer  mehr  übernahmen  die  reichen  weltliclien  Grundherren 
die  Aufgaben  der  Kirche.  Fast  jede  der  vornehmen  Familien  des 
Landes  schuf  sich  eine  Art  Hauskloster,  das  zugleich  Begräbnis- 
Stätte  war,  wo  man  gegen  gewisse  Abgaben  für  das  Seelenheil 
der  Verstorbenen  betete  und  wo  jüngere  Söhne,  allenfalls  auch 
unverheii'atete  Töchter  eintreten  konnten. 

Des  Markgrafen  Liutpolds  gleichnamiger  Sohn,  obwohl  wieder 
sich  der  kaiserlichen  Partei  zuwendend,  blieb  trotzdem  dem  Zuge 
der  neuen  Zeit  getreu.  Er  gründete  um  1107  in  der  Nähe  seiner 
neuen  Burg  auf  dem  Kahlenberg  ein  neues  Familienstift:  das  nach 
dieser  neuen  Burg  benannte  Kloster  Neuburg  ^),  und  berief  dorthin 
Kanoniker. 

Zwei  Jahre  später  gründeten  Udalschalk  aus  dem  Geschlecht 
der  Stille-Heft  und  sein  Stiefbruder  Reginbert  von  Hagenau  Seiten- 
stetten  als  Chorherrenstift  ^) ,  1112  Altmanns  Nachfolger  Bischof 
Udalrich  von  Passau  das  Chorherrenstift  St.  Georgen  an  der 
Traisen^),    das   spätere    Herzogenburg.     Aber   auch   in    den    ueu- 


1)  Fischer,  Merkwürdigere  Schicksale  des  Stiftes  und  der  Stadt  Kloster- 
neuburg (Wien  1815)  2Bde. ;  Kirchliche  Topographie  I.  Band ;  vgl.  auch  Starzer, 
Geschichte  der  Stadt  Klosterneuburg  (Klosterneuburg  1900),  S.  305  und  dessen 
Artikel  in  der  „Topographie  von  Niederösterreich"  V,  193.  —  Codex  traditionum, 
hgg.  von  Fischer  (Font.  rer.  Austr.  2.  Abt.  IV)  und  Urkumlenbuch  der  Stadt 
Klosterneuburg,  hgg.  von  Zeibig  (a.  a.  0.,  2.  Abt.  X.  und  XXVIII.  Band). 

2)  Urkundenbuch  des  Benediktinerstiftes  Seitenstetten ,  hgg.  von  Eaab 
(Font.  rer.  Austr.  2.  Abt.  XXXII);  Ältestes  Urbar,  hgg.  von  Chmel  (1290  bis 
1308)  (Archiv  f.  österr.  Gesch.  I,  5,  3).  —  Gegen  die  vage  Annahme  Koch- 
Sternfelds  (Archiv  f.  österr.  Gesch.  1848,  4.  H.),  dafs  die  Gründer  die  Grafen 
von  Seeburg  gewesen  seien,  worin  ihm  Fe  ebner  (Forschungen  V)  folgte,  Mayer, 
Einige  Bemerkungen  über  die  Familie  der  Stifter  von  Seitenstetten  (Archiv  f. 
österr.  Gesch.  XXI,  351). 

3)  Die  ältesten  Urkunden  des  Kanonikerstiftes  St.  Georgen,  hgg.  von  B i  el  s ky 


Die  kirchliche  Bewegung  und  ihr  Einflufs  auf  Österreich.  381 

gegründeten  Klöstern  löste  vielfach  die  strengere  Regel  die  mildere 
ab.  Benediktiner  aus  St.  Blasien  im  Schwarzwalde  ersetzten  die  Chor- 
herren in  Göttweig,  von  wo  aus  wieder  im  Jahre  1107  oder  1108 
das  Chorherrenstift  Garsten,  wenige  Jahre  später  das  zu  Seiten- 
stetten  in  Benedektinerklöster  umgewandelt  wurden,  um  1136 
Augustiner-Chorherren  die  Kanoniker  in  Klosterneuburg.  So  wird 
man  hinübergeleitet  zum  Wormser  Konkordat  des  Jahres  1122, 
wodurch  Kaiser  und  Papst  vorläufig  Frieden  schlössen,  so  gelangen 
wir  zu  dem  Auftreten  der  Zisterzienser,  die  eine  neue  Etappe  in 
der  Kolonisation  des  Landes  bilden. 

Alle  diese  Stifter  und  Klöster  waren  sehr  reich  ausgestattet, 
aber  jetzt  war  nicht  mehr  frei  verfügbarer  Grund  und  Boden  vor- 
handen, der  in  Königshufen  ausgetan  werden  konnte,  jetzt  wurde 
kein  unbestimmtes  Rodeland  mehr  zugewiesen.  Nicht  mehr  der 
König  war  der  Begründer,  sondern  der  Bischof  oder  noch  häufiger 
einer  der  reichen  Grofsgrundbesitzer.  Besitz,  der  sich  schon  in 
festen  Händen  befand,  entweder  dem  Bistum,  häufiger  noch  den 
Grafenfamilien  gehörte,  mufste  den  neuen  Gründungen  zugeteilt 
werden.     An  einigen  Beispielen  können  wir  es  verfolgen. 

Das  Kloster  St.  Nikolaus  erhielt  von  der  Kaiserin  Agnes  den 
neunten  Teil  ihres  Besitzes  zu  Persenbeug  und  Ipsburg,  dann  aber 
von  Bischof  Altmann  Zehnte  im  liönhart  und  in  den  Pfarreien 
Eberschwang,  Schiltarn,  Aspach,  Vöklamarkt,  ferner  die  Pfarr- 
kirchen Grieskirchen  und  Alkofen  in  Oberösterreich,  Zehnte  za 
Rust  und  Eizendorf  in  Niederösterreich,  Viertel  ober  Wiener  Wald 
und  eine  Reihe  anderer  im  Poigreiche,  Fischereirechte  zu  Seebach, 
im  Mattsee  und  Inn,  Weingärten  zu  Seebach,  Aschach  und  in  der 
Wachau  bis  Mautern  '). 

Noch  reicher  mit  Passauer  Besitz  wurde  Göttweig  bedacht. 
Die  Pfarren  Mautern,  Mühlbach,  Nalb,  Höflein,  Küib,  Pyrha,  die 


(Archiv  f.  österr.  Gesch.  IX,  235  mit  Nachträgen  im  Notizenblatt  I);  als  Fort- 
setzung: TJrkundenbuch  des  regulierten  Chorherrenstiftes  Herzogenburg,  hgg.  von 
Faigl  (Wien  1886).  —  Vgl.  den  Artikel  in  der  „Topographie  von  Niederöster- 
reich" IV,  209. 

1)  Siehe  oben;  die  Kopien  des  Stiftsbriefes  scheinen  allerdings  mehr  oder 
weniger  verunechtet.  Fälschung  ist  der  Stiftsbrief  für  St.  Florian ,  weshalb  ich 
ihn  hier  nicht  weiter  benutze. 


283  Zehutes  Kapitel. 

Kirchen  llainburg,  Brück  an  der  Leitha,  fast  durchweg  mit  Zehnten, 
dann  Gründe  und  Zehnte  zu  Loimersdorf  und  Wetzelsdort"  im 
Mai'chleld,  die  nebenbei  gesagt  aus  dem  Besitz  der  Burghausen- 
Schala  (Sieghards  von  Aquileja)  in  den  Passaus  übergegangen  waren, 
fielen  ihm  zu.  Auch  Privatbesitz  Altmanns,  den  er  möglicherweise 
als  Hol'kaplan  erworben  hatte,  kam  so  an  das  Stift  ^).  Nimmt  man 
dazu  die  massenhaften  Belehnungen  der  Babenberger  mit  Passauer 
Besitz  und  Einkünften  und  die  sonstigen  Begünstigungen,  so  kann 
es  nicht  wundernehmen,  wenn  Altmann  ob  solcher  Verschwendung 
des  bischöflichen  Eigens  der  Ruf  übers  Grab  nachfolgte,  er  habe 
sein  Bistum  zugrunde  gerichtet  -). 

Bezeichnend  ist  es  auch,  dafs  die  Passauer  Ministerialen  ihre 
Rechte  durchaus  nicht  immer  gutwillig  aufgeben  wollen.  In  einem 
Falle,  wo  es  sich  um  Güter  zu  Heuberg  handelt,  die  an  Göttweig 
gegeben  werden  sollten,  liefsen  sie  es  bis  auf  ein  Gottesurteil  an- 
kommen. Aber  auch  die  Feuerprobe  entschied  zugunsten  des 
glücklichen  Klosters  ^). 

Passauer  Besitz  war  eigentlich  auch  jener,  der  zur  Ausstattung 
von  Garsten  verwendet  wurde,  denn  Altmann  trat,  um  dem  Mark- 
grafen Ottokar  die  Klostergründung  zu  erleichtern,  diesem  im  Tausch- 
wege die  sehr  umfangreiche  Pfarre  Garsten  mit  allen  Rechten  ab  ^). 

Abermals  w^urde  Passauer  Besitz  entfremdet,  als  Bischof  Udal- 
rich  seiner  Gründung  St.  Georgen  an  der  Traisen  die  Kirche  zu 
St.  Georgen,  die  Pfarren  Herzogenburg  und  Traisenburg,  Güter 
zu  Sebarn,  Perschling,  Pötzleinsdorf,  Kamp,  Engelmannsbrunn, 
Gumperding,  KufFarn,  Egelsee,  Inzersdorf  an  der  Traisen,  Hunds- 
heim, Mautern,  Stein,  Weinzierl  und  Plechingen,  das  Dorf  Streit- 
hofen  und  Zehnte  zu  Pernegg,  Rabs,  Theras  und  Metzleinswerde 
schenkte  ^). 

Über  die  Dotation  von  Klosterneuburg  sind  wir  leider  nicht 
unterrichtet,    doch  nennt  die  Bestätigungsurkunde  von  1136  ^)  an 


1)  Vgl.  Mayer,  Investiturstreit  S.  76. 

2)  Hist.  episc.  Patav.  SS.  XXV,  621,  624. 

3)  Font.  rer.  Äustr.  2.  Abt.  VlII,  27. 

4)  ÜB.  d.  L.  0.  d.  Enns  U,  116. 

5)  Mayer ,  Spicilegium  (Arch.  f.öster.  Gesch.  VI,  273)  u.  Notizenbl.  144,  1851. 

6)  Pez,  Thesaurus  anecdot.  VI,  316. 


Die  kirchliche  Bewegung  und  ihr  EinfluTs  auf  Österreich.  388 

Babenbergschen  Gütern  solche  zu  Rückersdorf,  Bierbaum  und  Lupan 
(Laab??)  und  Weingärten  zu  Baden.  —  Auch  Melk  erhielt  eine 
neue  Babenberger  Schenkung  in  den  fünf  Pfarren  Mödling,  Trais- 
kirchen,  Ravelsbach,  Wullersdorf  und  Weikendorf  ^). 

Besonders  bemerkenswert  sind  jedoch  die  Gründungen  der 
kleineren  Grafengeschlechter  und  ihre  Ausstattungen,  wie  z.  B.  die 
Seitenstettens.  Die  Stille-Heft  und  die  Seeburger,  die  neben  jenen  \ 
als  Hauptdonatoren  erschienen,  verloren  innerhalb  der  nächsten 
Jahrzehnte  allmählich  ihren  ganzen  Besitz  in  Niederösterreich  an 
das  Kloster. 

Überhaupt  sehen  wir  nunmehr  in  bedeutendem  Mafsstabe  Teile 
des  grofsen  weltlichen  Grundbesitzes,  nicht  selten  den  ganzen  kleinen 
Grundbesitz  der  Nobiles  und  Ministerialen  an  die  Klöster  kommen  ^). 
Jüngere  Sprossen  der  Adelsfamilien,  namentlich  Töchter  oder  auch 
Witwen  traten  in  die  Klöster  ein,  zum  mindesten  als  Laien- 
brüder und  Laienschwestern,  welch  letztere  damals  auch  einem 
Männerkloster  angehören  konnten  ^),  und  brachten  ihre  Güter  dem 
Kloster  zu. 

Weit  gröfser  und  allgemeiner  war  jedoch  der  Zuwachs  an 
Klostergut  durch  die  zahlreichen  frommen  Stiftungen,  zum  Teil, 
um  Ablafs  von  Sünden  zu  gewinnen,  in  der  Regel,  um  eine  Be- 
gräbnisstätte im  Frieden  des  Klosters  zu  finden  oder  überhaupt 
das  ewige  Seelenheil  zu  erlangen.  Die  übliche  Form  dieser  Über- 
tragung war  die,  dafs  sich  die  Stifter  den  Fruchtgenufs  der  ge- 
stifteten Güter  Zeit  ihres  Lebens  vorbehielten,  während  diese  Güter 
nach  ihrem  Tode  vollständig  in  den  Besitz  des  Klosters  übergingen. 
Sehr  häufig  ist  die  Veranlassung  dieser  Seelgerätstiftungen  eine  jener 
Kriegsfahrten,  wie  sie  ja  in  jenen  bewegten  Zeiten  an  der  Tages- 
ordnung waren.  In  Schwung  gebracht  wurden  sie  durch  die  Kreuz- 
züge, jene  einzig    dastehende  grofsartige  Bewegung,    die  aus  den 

1)  M.  B.  Xlir,  12. 

2)  Äufser  den  mehrfach  erwähnten  rechts-  und  wirtschaftsgeschichtlichen 
Werken  vgl.  für  das  Folgende  besonders  Kämmel,  Aus  dem  Salbuch  eines  öster- 
reichischen Klosters  (siehe  oben),  der  vom  Einzelfalle  zu  wertvollen  allgemeinen 
Betrachtungen  gelangt. 

3)  Als  charakteristisches  Beispiel  sei  erwähnt,  dafs  im  Jahre  1142  zu 
Göttweig  eine  Schwester  Leopolds  III.  und  verwitwete  böhmische  Herzogin,  Ge- 
mahlin Boriwoys,  Gerberga,  als  Nonne  starb. 


284-  Zehntos  Kapitel. 

Ideen  der  gregorianischen  Zeit  geboren ,  den  Kämpfen  zwischen 
Papst  und  Kaiser  parallel  ging.  Sie  sind  für  Österreich  von  ein- 
schneidender Bedeutung  geworden,  denn  die  Donaustrafse  war  ur- 
sprünglich der  Heerweg.  So  wurde  diese  Gegend  mit  der  Glaubens- 
bejreisteruns:  der  Durchziehenden  befruchtet,  so  wurde  den  Be- 
wohnern  ein  weiter  Gesichtskreis  erschlossen,  so  kam  sie  mit  dem 
bunten  Völkerschwarme  in  Berührung,  zog  ihren  Vorteil  aus  Be- 
herbergung und  Markt  verkehr,  hier  wurde  der  Strom  der  Kultur- 
eindrücke und  der  Produkte  des  fernen  Orients,  der  sich  über  das 
Abendland  ergofs,  zum  gröfsten  Teile  vorübergeleitet. 

Schon  vor  den  Kreuzzügen  wanderten  fromme  Pilger  längs 
der  Donau  ins  Gelobte  Land,  zuerst  einzelne,  wie  etwa  jener  Kolo- 
mann,  von  dessen  traurigem  Ende  in  der  Ostmark  wir  schon  ver- 
nommen haben,  oder  um  1056  der  Abt  Theoderich  von  Jumieyes, 
der  in  Melk  zu  Gast  war  *),  später,  als  die  Propaganda  der  Klu- 
niazenser  wirksam  zu  werden  begann,  immer  gröfsere  Pilgerscharen. 

Schon  im  Jahre  1064  wallfahrteten  angeblich  nicht  weniger  als 
7000  Pilger,  an  ihrer  Spitze  die  Bischöfe  von  Mainz,  Bamberg,  Regens- 
burg und  Utrecht,  ferner  auch  Altmann,  der  damals  noch  Ilofkaplan 
war,  die  Donau  entlang  gen  Palästina,  da  das  Osterfest  auf  den 
27.  März  fiel  und  demnach  allgemein  der  Untergang  der  Welt 
befürchtet  wurde  ^).    Kleinere  Züge  folgten  in  den  nächsten  Jahren. 

Mit  dem  Beginn  der  eigentlichen  Kreuzzüge  im  Jahre  1096 
machte  man  allerdings  zunächst  wenig  günstige  Erfahrungen.  Be- 
kanntlich bildeten  Raubgesindel  und  Strauchritter,  Herabgekommene 
und  Abenteurer  die  Vorhut,  die  unter  Peter  von  Amiens  die  Donau- 
strafse zog  und  den  Weg  durch  Plünderungen  bezeichnete.  Aber 
die  Siegesnachrichten,  die  dann  vom  Hauptheere  einliefen,  nament- 
lich die  Kunde  von  der  Einnahme  Jerusalems  verwischte  diesen 
üblen  Eindruck  rasch,  der  alsbald  einer  allgemeinen  Begeisterung 
wich,  die  kaum  irgendwo  in  Deutschland  so  mächtig  emporschlug, 
wie  hier,  denn  gerade  in  Österreich  hatten  eben  das  Wirken 
eines  Altmann,  eines  Gebhard  und  Adalbero,  und  die  zahlreichen 
kirchlichen  Gründungen  den  Boden  in  gehöriger  Weise  vorbereitet. 

1)  Vgl.  Eö bricht,  Pilgerfahrten  nach  dem  heiligen  Lande  vor  den  Kreuz- 
zügen (Raumers  hist.  Taschenb.,  5.  F.  V,  345). 

2)  Ännal.  Altah.  und  Vita  Altmanni  c.  3. 


Die  kirchliche  Bewegung  und  ihr  Eiuflufs  auf  Österreich.  385 

Als  dann  gar  um  das  Jalu'  1 1 00  in  Bayern  und  den  angrenzenden 
Ländern  eine  verheerende  Seuche  wütete^),  kam  im  Jahre  1101 
ein  spezifisch  bayerisch  -  österreichischer  Kreuzzug  unter  Führung 
des  Herzogs  Weif  von  Bayern  zustande,  der  selbst  politische  Gegner 
vereinigte  und  dessen  Hauptteilnehraer  die  alte  Markgräfin  Ita  von 
Österreich,  die  Mutter  Leopolds  III.,  Erzbischof  Thierao  von  Salz- 
burg, Bischof  Udalrich  von  Passau,  Graf  Friedrich  I.  von  Pogen 
u.  a.  m.  waren.  Leider  nahm  diese  Expedition  einen  recht  traurig«-n 
Verlauf.  Nur  Bischof  Udalrich  kehrte  in  die  Heimat  zurück, 
während  alle  anderen  hervorragenden  Teilnehmer  den  Tod  fanden 
oder  verschollen  blieben  ^).  Wohl  hatte  nun  Markgraf  Leopold 
die  Absicht,  selbst  ins  Gelobte  Land  zu  ziehen,  und  liefs  sich  zu 
Melk  von  Bischof  Udalrich  das  Kreuz  anheften  ^) ,  der  Zug  kam 
aber,  wahrscheinlich  infolge  der  politischen  Ereignisse,  nicht  mehr 
zur  Ausführung. 

Die  das  Kreuz  nahmen,  widmeten  nun  vielfach  ihren  Besitz 
für  den  Todfall  der  Kirche;  sehr  oft  schlössen  sie  jedoch  auch  mit 
den  Klöstern  ein  förmliches  Geschäft  ab.  Diese,  die  in  einer  Zeit 
überwiegender  Naturalwirtschaft  fast  die  einzigen  waren,  die  über 
bewegliches  Vermögen  verfügten,  streckten  den  Kreuzfahrern  gegen 
Einantwortung  von  Gütern  Geld  zur  kriegerischen  Ausstattung 
vor  und  zwar,  da  die  Kirche  das  Zinsennehmen  verbot,  als  zins- 
freies Darlehen.  Wie  wenige  aber  von  allen  den  tausenden ,  die 
da  auszogen ,  kehrten  wieder  zurück !  Es  stellte  sich  sogar  wohl 
als  Folge  davon  ein  Sinken  der  Bodenpreise  ein. 

So  wuchs  der  Klosterbesitz  durch  hunderte  von  «kleinen  Stif- 
tungen an,  deren  Objekte  weit  und  breit  im  Lande  verstreut  lagen  — 
nicht  nur  einzelne  Hufen,  sondern  Hufenteile  in  entfernten  Gauen. 
Da  drängt  sich  unwillkürlich  die  Frage  auf,  wie  war  denn  nur 
bei  einem  so  gearteten  Streubesitz  eine  rationelle  und  wirklich 
ertragsfähige  Verwaltung  und  Bewirtschaftung  möglich? 

Zunächst  kommt  eine  wichtige  Institution  in  Betracht,  die, 
obwohl    schon    seit   langem    bestehend,    erst  jetzt   in   der  Zeit  der 

1)  Ekkeh.  Chron.  M.  G.  öS.  VI,  218;  Anual.  Würzeb.  a.  a.  0.  SS.  II, 
246;  Ann.  Eeichersberg.    a.  a.  0.  XVII,  450. 

2)  Vgl.  Hie  zier  in  Forschungen  zur  deutschen  Geschichte  XVIII,  552. 

3)  Cont.  Claustroneob.     M.  G.  SS.  IX,  609. 


•>*»6  Zehntes  Kapitel. 

überwiegenden  Kirehlichkeit  und  der  grolsen  Klostergründungen 
ihre  rechte  Bedeutung  gewann.  Nach  deutsch-rechtlichem  Grund- 
satz durften  die  kirchlichen  Korporationen  Rechtsstreitigkeiten  und 
Rechtso-eschäfte  nicht  selbst  austragen,  sondern  mufsten  sich  durch 
einen  weltlichen  Vogt  (Advocatus)  vertreten  lassen  ^).  Die  Immuni- 
tätsherren bedurften  aufserdem  den  Vogt  als  Richter  über  ihre  von 
der  Grafengewalt  eximierten  Untertanen.  Das  nächstliegende  war, 
als  Vogt  ein  Glied  aus  der  Familie  der  Stifter  zu  wählen,  wie  dies  bei 
Lambach,  dessen  Vogtei  nach  dem  Aussterben  der  Traungauer  an  die 
Ottokare  überging,  und  Garsten  der  Fall  war,  wenn  nicht  die  Kloster- 
iT-ründer  sich  die  Vogtei  ausdrückhch  ausbeduugen  hatten.  Auch  über 
Melk  und  Klosterneuburg  gewannen  die  Babenberger  die  Vogtei. 
Die  Stifter  behielten  sich  die  Vogtei  oder  doch  die  Wahl  des  Vogtes 
meistens  selbst  vor.  Anders  stand  die  Sache  bei  den  Klöstern,  die 
von  geistlichen  Stiftern  begründet  wurden,  wie  z.  B.  bei  den  Grün- 
dungen Altmanns  von  Passau.  Über  St.  Polten  und  St.  Florian 
wurden  die  Herren  von  Perg  ^) ,  über  Göttweig  die  Grafen  von 
Rateinburg  gesetzt ;  für  das  Passauer  Kloster  St.  Nikolaus,  dessen 
Besitz  von  Bayern  bis  zur  Leitha  zerstreut  lag,  mufsten  zwei  Vögte 
bestellt  werden:  für  die  bayerischen  Besitzungen  die  Grafen  von 
Formbach,  für  die  österreichischen  die  Babenberger.  Überhaupt 
kam  es  später  immer  mehr  vor,  dafs  über  die  verschiedenen  Besitz- 
ungen der  Hochstifter  und  Klöster  verschiedene  Vögte  walteten.  Von 
Bedeutung  wurde  es,  dafs  die  Babenberger  mehr  und  mehr  Vogteien 
an  sich  zogen.  Darin  begegneten  sie  sich  mit  dem  Streben  der 
Klöster  nach  Entvogtung,  das  im  12.  Jahrhundert  immer  mehr  hervor- 
trat, so  dafs  diese  später  entweder  unmittelbar  unter  das  Reich  oder 
doch  unter  die  Landesfürsten  gestellt  wurden.  So  gelangten  Teile 
der  Vogtei  von  Göttweig  an  sie,  so  1150  die  Vogtei  über  St.  Polten. 
Dieser  grofse  Prozefs  hatte  seine  weittragenden  Folgen.    Nur 

1)  Vgl.  im  allgemeinen  Kraut,  Die  Vormundschaft  nach  den  Grundsätzen 
des  deutschen  Kechtes  I;  im  besonderen  Brunn  er,  Das  Exemtionsrecht  der 
Babenberger  (Sitzungsber.  d.  W.  Akad.  XLVII,  338).     Siehe  auch  Eiezler  I. 

2)  So  nach  Meiller,  Eegesten  224,  Anm.  200  und  dem  ÜB.  v.  St.  Polten 
I,  9;  Juritsch,  Geschichte  der  Babenberger  S.  192  erklärt:  „Offenbar  war 
Adalbert  aus  dem  Gesehlechte  der  Grafen  von  Bogen",  führt  aber  nicht  den 
geringsten'  Beweisgrund  dafür  an. 


Die  kirchliche  Bewegung  und  ihr  Einflufs  auf  Österreich.  387 

SO  gewannen  die  grofsen  Grundbesitzerfamilien,  in  erster  Linie  die 
Markgrafen  eine  Kompensation  für  die  einstigen  grofsen  Land- 
schenkungen der  Könige,  die  nun  für  immer  dahin  waren.  Auf 
diese  Weise  erlangte  man  auch  den  Fruchtgenufs  für  jene  Güter 
zurück,  die  man  als  fromme  Stiftungen  vergabte.  Denn  der  Vogt 
erhielt  nicht  nur  gewissermafsen  als  Entlohnung  für  seine  Mühe- 
waltung ein  Drittel  der  Gerichtsgefälle,  die  Verpflegung  zur  Zeit 
der  Gerichtssitzungen,  eine  Vogtsteuer  der  Untertanen,  sondern  es 
wurde  ihm  auch  zumeist  eine  Reihe  von  Lehen  übertragen.  So 
ging  der  ausgedehnte  Passauer  Besitz  in  Österreich  als  Lehen  an 
die  Markgrafen  über.  Aufserdem  erlangten  sie  eine  grofse  Reihe 
Passauische  Zehnten  ^).  Es  darf  daher  nicht  wundernehmen,  wenn 
schon  Leopold  IL,  der  doch  keinerlei  Gunst  vom  Kaiser  erfuhr 
und  wiederholt  durch  Kriegsnot  heimgesucht  wurde,  von  Zeit- 
genossen als  „sehr  reich"  bezeichnet  wird  '^).  Und  damals  begann 
erst  das  Aufblühen  seines  Hauses,  wie  es  sich  uns  im  12.  Jahr- 
hundert darstellt. 

Die  Vögte  liefsen  sich  meistens  durch  Untervögte  vertreten  ^). 
Als  Verwaltungsbeamte  fungierten  jedoch  die  Meier,  die  auf  den 
Fronhöfen  safsen,  die  für  die  Güter  eines  gewissen  Bezirkes  den 
Mittelpunkt  bildeten,  und  woraus  im  späteren  Verlauf  des  Mittel- 
alters die  „Amter"  (officia)  entstanden.  Von  Bedeutung  für  die 
soziale  Gestaltung  in  Osterreich  wurde  es  auch,  dafs  die  Lage  der 
Untertanen  dieser  geistlichen  Grundherrschaften  eine  sehr  günstige 
war.  Kam  es  doch  vor,  dafs  eine  Freigelassene  des  Klosters 
Göttweig,  der  die  Wahl  ihrer  künftigen  Stellung  anheimgestellt 
wurde,  auf  die  Freiheit  verzichtete  und  mit  Zustimmung  ihrer  An- 
gehörigen lieber  die  Zinspflichtigkeit  wählte  *).  So  strebten  nicht 
selten  Hörige  weltlicher  Grundherren  die  Übertragung  an  die  Kirche 
an,   um    ihre  Stellung   zu    verbessern.     Sie    heifsen    nach    der  Art 


1)  Leopokl  III.  verzichtet  im  Jahre  1135  auf  den  Zehuten  von  13  Pfarren, 
den  sein  Yater  erhalten  (Meiller  20,  52).  Manche  andere  mögen  ihm  ver- 
bliehen sein. 

2)  Bernold,  Chron.     M.  G.  SS.  V,  463. 

3)  Vgl.  z.  B.  Meiller,  Eegesten  14,  17  (1115),  wo  neben  dem  Markgrafen 
Leopold  ein  Untervogt  Eudolf  für  Melk  erscheint. 

4)  Salbuch  von  Göttweig  (Font.  rer.  Äustr.  2.  Abt.  VIII,  189). 


288  Zoluitos  Kapitel. 

ihrer  Abgaben  Wachszinsige  (Wachs  für  die  Kerzen  beim  Gottes- 
dienst). 

Für  die  soziale  Gliederung  wurden  auch  die  eigentümlichen 
Verhältnisse  während  des  Investiturstreites  folgenreich.  Bei  der 
Isolierung  vom  Reich  sahen  sich  die  grofsen  Grafengeschlechter,  also 
in  erster  Linie  die  Babenberger,  dann  aber  auch  insbesondere  die 
Kirche  und  die  geistlichen  Stiftungen  zur  Stärkung  ihrer  militärischen 
Macht,  die  in  den  bewegten  Zeiten  uncrläfslich  war,  dazu  gezwungen, 
recht  viele  Vasallen  anzunehmen  und  aus  der  Masse  der  Hörigen  die 
Kriegstüchtigen,  statt  sie  für  die  Bewirtschaftung  zu  verwenden,  als 
bewaffnete  Dienstmannen  an  sich  zu  ziehen,  sie  zu  sogenannten 
]\Iinisterialen  zu  machen.  Auch  für  sie  sind  ursprünglich  die  Bezeich- 
nungen keineswegs  feststehend,  sondern  mannigfaltig,  nicht  selten  so- 
gar irreführend.  Es  finden  sich  Ausdrücke  wie  servientes,  familiäres, 
officiales,  curiales,  domestici,  clientes.  Ein  Blick  auf  die  Urkunden 
zeigt  ims  nach  Mitte  des  Jahrhunderts  das  plötzliche  Anwachsen 
der  früher  vereinzelten  Erscheinung  in  den  Zeugenreihen.  All- 
mählich gewinnen  d^e  Ministerialen  grofse  Macht  und  P^influfs, 
denn  sie  sind  der  persönliche  Schutz  ihres  Herren  und  ihre  Be- 
rater ;  ihnen  fallen  einträgliche  Lehen  und  sonstige  Begünstigungen, 
auch  die  Hofämter  und  die  Meierschaften  zu. 

Sahen  wir  vordem  ein  stetes  Sinken  vom  Stande  der  Freiheit 
in  die  Abhängigkeit,  in  die  Zinspflichtigkeit  und  in  die  rechtlose 
Hörigkeit,  so  beginnt  nun  seit  der  zweiten  Hälfte  des  1 1 .  Jahrhunderts 
neben  dieser  abwärtsgehenden  Bewegung,  die  noch  nachwirkt,  all- 
mählich eine  aufsteigende  Bewegung:  von  der  völligen  Unfreiheit  zur 
blofsen  Zinspflichtigkeit  und  zur  waffenfähigen  und  einfiufsreichen 
Ministerialität,  deren  Glieder  sich  später  kaum  noch  von  denen  des 
kleinen  herabgekommenen  Lehnsadels  unterschieden.  Auf  wirtschaft- 
lichem Gebiete  äufserte  sich  dieser  Prozefs  darin,  dafs  sich  der  Betrieb 
immer  mehr  auf  die  unteren  Gewalten  stützte,  dezentralisierte,  während 
der  Eigenbetrieb  des  ganzen  Besitzes  durch  den  Grundherrn  selbst, 
der  sich  nur  auf  die  Einziehung  einer  Rente  beschränkte,  immer 
mehr  abnahm. 

Der  ganze  Zeitraum  war  derart  von  den  Klosterstiftungen, 
Klosterreformationen  und  Kirchengründungen  beherrscht,  dafs  daneben 
der  Besitzerwerb  der  grofsen  Bistümer  gering  erscheint.    Ein  oder  der 


Die  kirchliche  Bewegung  und  ihr  Einflufs  auf  Österreich.  389 

andere  ging  einfach  auf  Erbfall  infolge  zufälliger  Familienverbindung 
einzelner  Bischöfe  zurück.  So  hatte  das  reiche  Freising  noch  das 
besondere  Glück  in  Bischof  Heinrich  einen  Sprossen  des  in  Oster- 
reich vielfach  begüterten  Geschlechtes  der  Barghausen  -  Schala  zu 
gewinnen,  und  dieser  brachte  um  1115  dem  Bistum  Ebersdorf  bei 
Persenbeug  und  den  Wald  „im  Grie",  20  Hufen  zu  Mampasberg, 
Hart,  Tremegg,  Schwarza,  Pröbring  und  Grestig  zu  ^).  —  Dagegen 
wurde  nunmehr  eine  Schwächung  des  Besitzes  der  Bistümer  da- 
durch angebahnt,  dafs  immer  mehr  Güter  als  Lehen  besonders  an 
die  Vögte  weitergegeben  wurden.  Sache  der  klugen  Politik  der 
grofsen  Adelsfamilien ,  vor  allen  anderen  der  Babenberger  war  es, 
recht  viele  solcher  Lehen  in  ihrer  Hand  zu  vereinigen  und  dauernd 
zu  erhalten. 

Neben  den  Stiftungs-  und  Belehnungsurkunden  finden  sich  von 
nun  an  auch  Tauschverträge  in  grofser  Zahl.  Bei  dem  weitläufigen 
Streubesitz  der  geistlichen,  wie  auch  der  weltlichen  Grundherren 
machte  sich  häufig  das  Bedürfnis  nach  Abrundung  und  Anschlufs 
der  durch  anderen  Besitz  unterbrochenen  Güter  geltend.  Auch 
kleinere  Grundtausche  waren  an  der  Tagesordnung.  Hier  handelte 
es  sich  meist  darum,  die  Gemengelage  der  alten  Fluren  durch  eine 
günstigere  Gestaltung  zu  ersetzen.  —  Besonders  glücklich  waren 
auch  nach  dieser  Richtung  hin  die  Babenberger,  denen  es  seit  der 
zweiten  Hälfte  des  11.  Jahrhunderts  gelang,  ihren  ursprünghch,  wie 
wir  gesehen  haben,  durchaus  nicht  imponierenden  und  gleichfalls 
ziemlich  zerstreuten  Familienbesitz  zu  einheitlichen  und  grofsen  Kom- 
plexen zusammenzuschliefsen  und  dadurch  endgültig  das  Übergewicht 
über  alle  anderen  Grofsgrundbesitzer  Österreichs  zu  gewinnen. 

Und  nun  nach  dem  Zeitalter  der  Kolonisierung  und  der  Kämpfe 
mit  feindseligen  Nachbarn  und  einer  widerspenstigen  Natur  begann 
im  Zeichen  der  Bewegung  der  Geister,  die  alle  Schichten  der  Be- 
völkerung durchdrang,  und  bei  den  so  gänzlich  veränderten  poli- 
tischen und  wirtschaftlichen  Zuständen  auch  für  das  geistige  Leben 
eine  Periode  des  Erwachens  ^).    Die  Mönche,  namentlich  die  Bene- 

1)  Font.  rer.  Austr.  2.  XXXI,  93,  94. 

2)  Mayer,  Geschichte  der  geistigen  Kultur  in  Niederösterreich  I  (Wien 
1878).  —  Friefs,  Studien  über  das  Wirken  der  Benediktiner  in  Österreich  für 
Xultur,  Wissenschaft  und  Kunst  11.  Teil  (Programm  des  Gymnasiums  zu  Seiten- 

Vancsa,  Gescbicbte  Nieder-  u.  Oberösterreichs.  U 


290  Zelintes  Kapitel. 

diktiner,  waren  auch  hier  wie  anderwärts  die  Träger  und  Ver- 
breiter der  Kultur,  die  neugegründeten  oder  reformierten  Klöster 
die  Mittelpunkte  ihrer  segenbringenden  Tätigkeit. 

Eines  fügt  sich  da  im  natürlichen  Entwickelungsgang  ins 
andere.  Bisher  waren  Kirchen  und  Klostergebäude  nur  dem  rein 
praktischen  Bedürfnisse  gewidmet.  Dem  Kolonisten  genügte  ein 
roher  Holzbau  zur  Ausübung  seiner  einfältigen  Andacht;  jetzt 
führte  die  tiefere  Auffassung  des  Glaubens  zur  gröfseren  Sorgfalt 
für  die  kirchlichen  Bauten.  Göttweig  Avurde  auch  hier  das  Vorbild 
für  alle  übrigen.  Das  Kloster  mit  seinen  acht  Kirchen  und  Kapellen 
auf  hohem  Fels  über  der  Donau  weit  in  die  Lande  schauend  er- 
regte die  Bewunderung  aller  Zeitgenossen  *).  Unter  Abt  Hartmann 
wurden  die  Bauten  mit  Älalereien  und  Skulpturen  ausgeschmückt  ^)f 
und  es  ist  kaum  ein  Zweifel,  dafs  die  Mönche  ihre  eigenen  Archi- 
tekten, Bildhauer  und  Maler  gewesen  sind,  denn  Kunst  und  Ge- 
lehrsamkeit konzentrierten  sich  damals  noch  in  den  Klöstern  und^ 
wie  so  oft  in  der  Folgezeit,  flutete  die  Kunst  von  Westen,  woher 
diese  Mönche  fast  durchweg  berufen  wurden,  in  unser  Land.  Nach 
dem  Muster  der  Klosterbauten  und  Klosterkirchen  entstanden  dann 
bereits  unter  Altmann  rings  in  der  Umgegend  schöner  gestaltete 
und  geschmückte  Steinkirchen  ^) ,  daneben  meist  kleinere  Rund- 
kapellen: Tauf-  und  Totenkapellen  (die  sogenannten  Karner,  lat. 
„carnarium",  Beinhäuser,  vielleicht  ursprünglich  „ granarium ")^ 
umsreben  von  den  Friedhöfen.  Primitiver  waren  die  zahlreichen 
Betkirchen  und  Betkapellen,  die  nicht  Sitz  einer  Pfarre  waren. 
Auch  ihre  geistige  Nahrung,  ihre  Bücherschätze,  schufen  sich  die 
Mönche  selbst  und  schmückten  sie  in  ausdauerndem  Fleifs  mit 
Miniaturen.  Es  waren  keineswegs  blofse  Erbauungsbücher.  Werden 
die  verlotterten  Kleriker  der  Passauer  Diözese  als  roh  und  un- 
gebildet geschildert,  so  verfügten  die  neu  einwandernden  Chorherren 
und  Benediktiner  über  eine  nicht  unbedeutende  Bildung  und  geistige 
Regsamkeit.     Manche    kostbare  Handschrift   mögen   sie   auch   aus 

stetten  1869).  —  Czerny,  Kunst  und  Kunstgewerbe  im  Stifte  St.  Florian 
(Linz  1886). 

1)  Vita  Altmanni  c.  27. 

2)  A.  a.  0. 

3)  A.  a.  0.  c.  17. 


Die  kirchliche  Bewegung  und  ihr  Einflufs  auf  Österreich.  391 

ihrem  Mutterkloster  mitgebracht  haben,  andere  wurden  entliehen 
und  abgeschrieben,  und  so  entstand  in  jedem  Kloster  eine  BibHothek  ^). 
Noch  verwahrt  Göttweig  einen  Physiologus,  eine  Naturkunde,  in 
deutscher  Sprache  mit  Miniaturen  und  einen  Pentateuch,  Melk  einen 
Boetius,  die  dem  11.  Jahrhundert  angehören.  In  St.  Florian  stammen 
zwei  Miniaturencodices  aus  dem  11.  Jahrhundert^).  In  Kloster- 
neuburg entstand  das  Psalterium  des  heiligen  Leopold,  und  der 
Stifter  kaufte  von  dem  Kloster  St.  Nikolaus  gegen  jährliche  zoll- 
freie Einfuhr  einer  Schiffsladung  ein  Missale  und  eine  Bibel  in 
drei  Bänden  ^). 

Bald  wurden  die  Klöster  auch  der  Sammelplatz  anderer  Kost- 
barkeiten an  Kirchengewändern,  Geräten  und  Einrichtungsgegen- 
ständen, wie  sie  eben  von  frommen  Wohltätern  gestiftet  wurden. 
Überwog  auch  dabei  der  Wert  des  Materials,  so  übte  sich  doch 
auch  schon  die  Kunst  an  diesen  Votivgaben,  und  wenn  sie  auch 
zunächst  nicht  im  Lande  selbst  entstanden  sein  mögen,  so  wirkten 
sie  doch  vorbildlich  auf  heimisches  Kunstschaffen.  Mit  der  straffen 
geistlichen  Organisation  verband  sich  auch  musterhafte  Ordnung 
auf  anderen  Gebieten.  So  entstanden  wieder  jene  Aufzeichnungen, 
wie  sie  bereits  die  Karolingerzeit  kannte,  die  später  aber  ganz 
abhanden  gekommen  waren.  Um  die  vielen  Mefs-  und  Seelenheil- 
stiftungen in  Evidenz  zu  halten,  wurden  eigene  Kaiendarien  und 
Nekrologien  geführt^),  nicht  minder  sorgfältig  gebucht  wurden 
die  Schenkungen  und  sonstigen  geschäftlichen  Abmachungen.  So 
wurden  die  Sal- ,  Kopial-  oder  Traditionsbücher  angelegt  ^).     Aus 

1)  Den  ältesten  Bibliothekskatalog  besitzt  Heiligenkreuz  und  zwar  aus  dem 
12.  Jahrhundert  (herausgegeben  von  Gsell  in  Xenia  Bernardina  IH,  111). 

2)  Czerny,  Die  Bibliothek  des  Chorherrenstiftes  St.  Florian  (Linz  1874). 

3)  Mon.  Boic.  IV,  310. 

4)  Ein  Bruchstück  von  Kremsmünster  gehört  wohl  noch  dem  11.  Jahrhundert 
an,  ein  Nekrologium  von  Melk  dem  Anfang  des  12.  Jahrhunderts  (Pez,  SS.  I, 
314),  ebenso  eines  von  St.  Florian  (auszugsweise  bei  Stülz,  Geschichte  von 
St.  Florian).  Siehe  Hirsch,  Über  Diptychen,  Nekrologien,  Martyrologien  und 
Verbindungsbücher  im  Mittelalter  mit  besonderer  Rücksicht  auf  die  Kronländer 
Österreichs  (Programm  des  k.  k.  Gymnasiums  in  Graz  1865).  Mehr  allgemein: 
Zappert,  Über  sogenannte  Verbrüderungsbücher  und  Nekrologien  im  Mittelalter 
(Sitzungsber.  der  W.  Akad.  X,  417,  1853). 

5)  Vgl.  Redlich,  Über  bayerische  Trationsbücher  und  Traditionen  (Mit- 
teüungen  des  Inst.  f.  österr.  Geschichtsf.  V,  1,  1884)  und  Über  Traditionsbücher 

19* 


292  Z.elintes  Kapitel. 

iilmlk'hcn  praktischen  Gründen  wurden  allmählich  auch  die  wich- 
tigsten Ereignisse  des  Jahres  aufgezeichnet. 

Für  die  Gesamtheit  segensreich  wurde  diese  geistige  Kultui*, 
die  in  den  Klöstern  eraporblühte,  durch  die  vielseitigen  Beziehungen, 
in  die  sie  zu  der  Bevölkerung  trat;  denn  selten  durchdrangen  sich 
kirchliches  und  weltliches  Leben  so  innig  wie  in  dieser  Zeit.  Wie 
sehr  die  grofsen  kirchlichen  Ideen  auch  die  Laien  weit  beherrschten, 
haben  wir  aus  deren  leidenschaftlicher  Anteilnahme  an  den  Kämpfen 
zwischen  Kaiser  und  Papst,  aus  den  massenhaften  frommen  Stiftungen 
und  aus  der  Kreuzzugsbegeisterung  gesehen.  Und  für  die  Geringen 
und  Tiefstehenden  war  die  Kirche  erst  recht  die  einzige  Stätte  der  Er- 
hebung; hier  emplingen  sie  auch  die  einzigen  geistigen  und  künstle- 
rischen Eindrücke.  Die  kirchlichen  Feste  mit  ihren  Schaustellungen 
und  ihrem  Gepränge  bildeten  Anziehungspunkte,  bei  ihnen  ent- 
faltete sich  ein  bewegtes  gesellschaftliches  Leben.  In  der  Zeit  der 
Pilgerfahrten  und  Kreuzzüge  erlangten  die  österreichischen  an  der 
Heerstrafse  liegenden  Klöster  auch  eine  hervorragende  Bedeutung 
als  Herbergen  und  Hqspizien.  Der  Beherbergung  und  Bewirtung 
der  Fremden,  sowie  der  Pflege  der  Kranken  widmeten  sich  ja  da- 
mals fast  ausschliefslich  die  Mönche. 

Andrerseits  standen  auch  die  Klöster  vielfach  mitten  im  Getriebe 
der  Welt,  nahmen  teil  au  ihren  Kämpfen,  wobei  sie  wieder  auf 
ihre  weltlichen  Vasallen  und  Ministerialen  angewiesen  waren,  traten 
als  Grofsgrundbesitzer,  als  Geldverleiher,  als  Handelsleute  mit  den 
übrigen  in  Konkurrenz.  So  stand  man  sich  auch  im  Fühlen  und 
Denken  näher.  Die  Mönche  waren  die  Träger  der  nationalen 
Kultur,  wenn  auch  damals  noch  die  Sprache  der  Gebildeten,  selbst 
die  Sprache  der  Predigten  das  Lateinische  war. 

Neben  den  mannigfaltigen  Aufzeichnungen  zu  praktischen 
Zwecken,  neben  den  Werken  der  theologischen  Wissenschaft, 
namentlich  der  Asketik,  und  neben  dem  Kopieren  wertvoller  Hand- 

(Deutsclie  Geschichtsblätter  I,  89,  1900).  In  Göttweig  und  in  Klosterneuburg 
■R-iurden  solche  Salbücher  bald  nach  der  Gründung  angelegt.  Das  erstere  hat 
Karl  in,  Fontes  rer.  Austr.  2.  Ylll,  das  zweite  in  leider  sehr  mangelhafter  Weise 
Fischer,  ebendas.  IV,  herausgegeben.  Eine  Neuausgabe  von  Starzer  steht 
bevor.  Auch  das  Göttweiger  Traditionsbuch  wird  von  Fuchs  neu  herausgegeben 
werden. 


Die  kirchliche  Bewegung  und  ihr  Einflufs  auf  Österreich.  393 

Schriften,  wie  dies  alles  von  den  Fratres  liberati  betrieben  wiu-de, 
entstanden  in  den  Klöstern  auch  volkstümliche  Dichtungen  in  deutscher 
Sprache,  die  wohl  für  die  Laien  berechnet  waren  und  ohne  Zweifel 
auch  tatsächlich  ihre  Wirkung  ausübten  ^). 

Vielleicht  schon  zu  Beginn  des  12.  Jahrhunderts  entstand  das 
Melker  Marienlied  ^),  und  der  Umstand,  dafs  es  von  Ezzos  von  Bam- 
berg Gesang  von  den  Wunden  Christi  beeinflufst  ist,  zeigt  den 
nahen  Zusammenhang  mit  der  süddeutschen  Entwickelung,  während 
Innerösterreich  davon  ausgeschaltet  war.  Um  dieselbe  Zeit  dichtete 
die  luclusa  Ava  zu  Melk,  gestorben  1127,  ein  Leben  Jesu,  einen 
Antichrist  und  ein  jüngstes  Gericht  ^),  und  auch  Abt  Hartmann  von 
Göttweig,  dem  kunsthebenden ,  wird  ein  Gedicht  „Vom  Glauben" 
zugeschrieben  ^).  Aus  Klosterneuburg  stammt  ein  Gebet  in  deutscher 
gebundener  Sprache.    In  diesen  Klosterdichtungen  finden  wir  nicht 

1)  Viele  der  erhaltenen  Literaturdenkmäler  und  Überreste  lassen  sich  frei- 
lich nicht  lokalisieren  und  auch  zeitlich  nur  schwer  genauer  fixieren.  Man  hat 
früher  —  namentlich  Diemer  in  den  „Österreichischen  Blättern  für  Literatur 
und  Kunst"  1854  und  in  der  Einleitung  zu  „Deutsche  Gedichte  des  11.  und 
12,  Jahrhunderts"  —  jedenfalls  viel  zu  sehr  kombiniert,  um  schöne  Hypothesen 
aufstellen  zu  können.  In  das  entgegengesetzte  Extrem  scheint  mir  Kelle,  Ge- 
schichte der  deutschen  Literatur,  2  Bde.  (Berlin  1892,  1896)  zu  verfallen,  dem 
dann  Nagl-Zeidler,  Deutsch  -  österreichische  Literaturgeschichte  S.  134  ff, 
blindlings  gefolgt  ist.  —  Vgl.  auch  Sc  her  er,  Geschichte  der  deutschen  Dichtung 
im  11.  und  12.  Jahrhundert  (Quellen  und  Forschungen  zur  Sprache  und  Kultur- 
geschichte der  Germanen  XII;  vgl.  auch  VIL  Bd.);  Eichard  Müller,  Eutwicke- 

ungsgeschichte  des  österreichischen  Stammescharakters  (Bl.  d.  Ver.  f.  Landesk. 
XXI,  389,  1887);  Ebner,  Oberösterreichs  Anteil  an  der  Literatur  des  12.  Jahr- 
hunderts (41.  Ber.  über  das  Mus.  Franc.  Carol.  1883). 

2)  Hgg.  in  MüUenhoff-Scherers  Denkmälern  Nr.  39.  Es  wird  jetzt 
auch  tiefer  ins  12.  Jahrhundert  herabgerückt.  Die  deutschen  Verse  sind  noch 
vielfach  mit  Latein  vermischt. 

3)  Nach  Kelle  a.  a.  0.  wäre  die  Dichterin  nicht  die  Melker  Inclusa.  Ihm 
folgen  natürlich  Nagl-Zeidler  S.  152,  doch  scheint  mir  der  blofse  Umstand, 
dafs  die  Vorauer  Genesis,  die  nach  1117  entstanden  sein  mufs,  benutzt  ist,  noch 
kein  Beweis.  Die  Melker  Ava  starb  ja  erst  1127.  Das  Melker  Marienlied  und 
der  später  hervorragende  Satiriker  Heinrich  von  Melk  lassen  auch  auf  eine  gewisse 
anhaltende  Tradition  schliefsen. 

4)  Dafs  Hartmann  und  Heinrich  von  Melk  Söhne  der  Frau  Ava  gewesen 
seien,  ist  eine  der  vielen  schönen  Hypothesen  Diemers,  die  er  aus  einer  Stelle 
des  „jüngsten  Gerichtes"  ableitet,  die  sich  jedoch  durch  nichts  beweisen  läfst, 
und  in  bezug  auf  Heinrich  unzweifelhaft  falsch  ist. 


294     Zflintes  Kapitol.    Die  kirdiliche  Bewegung  und  ihr  Einflufs  auf  Österreich. 

nur  den  Dreireim,  der  in  Österreich  beliebt  blieb,  sondern  auch 
den  spezirisch  österreichischen  Dialekt. 

Die  Mönche  dienten  den  Fürsten-  und  Adeisfamilien  nicht 
nur  viellach  als  Berater  in  geisthchen  vind  weltlichen  Dingen, 
sondern  die  Schreibkünstler  unter  ihnen  auch  als  Verfasser  und 
Vert'ertiger  der  Urkunden  ^). 

Am  unmittelbarsten  wurde  jedoch  der  Einflufs  der  Kloster- 
schulen, der  scholae  externae  für  Laien,  wie  sie  schon  in  dieser 
frühen  Zeit  neben  den  scholae  internae,  wo  die  Konventualen 
oder  die  Oblati,  die  für  das  Noviziat  erzogen  werden  sollten, 
unterrichtet  wurden,  zu  St.  Florian,  etwas  später  auch  zu  Krems- 
münster, Göttweig,  Klosterneuburg  und  Melk  bezeugt  sind  ^).  In 
der  Tat  hob  sich  auch  das  Bildungsniveau  des  Adels,  dessen  Ge- 
sichtskreis übrigens  durch  die  Kreuzzüge  bedeutend  erweitert  wurde, 
sehr  rasch. 

So  sehen  wir  auf  allen  Gebieten  der  materiellen  und  geistigen 
Kultur  in  den  letzten  Dezennien  des  11.  Jahrhunderts  verheifsungs- 
voUe  Keime  sich  regen^  die  sich  im  folgenden  Jahrhundert  zu  den 
schönsten  Blüten  und  Früchten  entwickelten,     . 


1)  Leider  hat  die  heimische  Diplomatik  dieses  Thema  noch  gar  nicht  unter- 
sucht.   Viele  Anzeichen  und  anderweitige  Analogien  scheinen  mir  dafür  zu  sprechen. 

2)  Über  das  Schulwesen  siehe  aufser  Friefs  a.  a.  0.  II,  50  und  Mayer, 
Geschichte  der  geistigen  Kultur  S.  81  f.  besonders  Schiffmunn,  Das  Schul- 
wesen im  Lande  ob  der  Enns  bis  zum  Ende  des  17.  Jahrhunderts  (59.  Jahresber. 
des  Mus.  Franc.  Carol.  1901)  und  die  Spezialstudien  Czerny,  Die  Schule  von 
St.  Florian  (Linz  1873)  und  Bertold  [Czernik],  Die  Wissenschaft  und  das  Chor- 
herrnstift Klostemeuburg  (Wien  1900). 


Elftes  Kapitel. 

Ein  halbes  Jahrhundert  Babenbergischer  Politik  bis  zur 
Erhebung  Österreichs  zum  Herzogtum  *). 

Unter  Leopold  IL  war  zum  ersten  Male  der  Markgraf  von 
Österreich  zu  gröfserer  Selbständigkeit  gelangt.  Bisher  ein  ge- 
treuer Vasall  des  Kaisers,  machte  er  nun  zum  ersten  Male  eigene 
Politik,  die  sich  sogar  gegen  den  Kaiser  richtete,  ohne  dafs  dieser 
ihn  die  ganze  Strenge  hätte  fühlen  lassen  ^),  Mit  Leopolds  gleich- 
namigem und  berühmterem  Sohne  trat  dann  eine  klug  berechnende 
Persönlichkeit  auf  den  Plan,  die  zeit  ihres  Lebens  eine  eigentüm- 
liche Schaukelpolitik  betrieb,  zu  keiner  Frage,  zu  keiner  Partei 
eine  irgendwie  verbindliche  Stellung  einnahm  und  den  kühnen 
Entschlüssen  abhold  war,  aber  bei  der  eigentümlichen  Entwicke- 
lung  der  Dinge  gerade  durch  diese  Haltung  ihre  Macht  festigte 
und  erweiterte,  ihr  Haus  bereicherte  ^). 

Zu  Beginn  der  Regierung  Leopolds  HI.  war  die  Konstellation  für 
Kaiser  Heinrich  IV.  günstig.  Nach  Ladislaus'  Tode  (1095)  betrieb 
in  Ungarn  dessen  Neffe  Almus  kaiserfreundliche  Politik,  und  auch 
eine  vorübergehende  Aussöhnung  mit  den  Weifen  in  Bayern  kam 
zustande.     Gründe  genug,  dafs  auch  Osterreich  dieselben  Bahnen 

1)  Zu  diesem  Kapitel  vgl.  Huber  I,  235—252;  Juritsch  117—217; 
Giesebrecht,  Geschichte  der  deutschen  Kaiserzeit  IV,  2  (Braunschweig  1874); 
Ei e zier  I,  565—665. 

2)  Charakteristisch  für  die  eigentümliche  Übergangstellung  Leopolds  II. 
scheint  mir  der  Umstand,  dafs  von  ihm  trotz  langer  Eegierung  fast  keine  selb- 
ständige Urkunde  erhalten  ist.  Rechtsgültige  Verfügungen  galten  noch  immer 
als  Prärogativ  der  Krone. 

3)  Vgl,  in  anderer  Auffassung  Kralik,  Leopold  der  Heüige  (Wien  1904). 


296  Elftes  Kiiiiitol. 

einschlug*).  Als  es  aber  im  September  1105  zur  Entscheidung 
zwischen  dem  alten  Kaiser  und  seinem  aufrührerischen,  von  der 
Gegenpartei  aufgehetzten  Sohn  Heinrich  (V.)  kommen  sollte,  und 
sich  die  feindlichen  Heere  am  Regen  in  Nordbayern  schlachtbcreit 
gegenüberstanden,  spielte  Leopold  von  Osterreich  —  nicht  etwa 
die  Rolle  des  Verräters,  nein,  die  des  „ehrlichen  Maklers'',  der 
zusammen  mit  seinem  Schwager  Bofiwoy  von  Böhmen  den  Weg 
der  Unterhandlungen  betrat  und  so  die  Entscheidung  vereitelte, 
denn  schon  winkte  der  gewaltige  Vorteil  einer  Familienverbindung 
mit  dem  Herrscherhause  '^).  Man  wird  nicht  fehlgehen,  wenn  man 
seine  bald  darauf  erfolgte  Vermählung  mit  der  damals  seit  kurzem 
verwitweten  Schwester  Heinrichs  V.,  die  in  erster  Ehe  mit  dem 
Herzog  Friedrich  dem  Alteren  von  Schwaben  verbunden  war,  mit 
seiner  Haltung  in  Zusammenhang  bringt. 

So  war  der  Markgraf  von  Osterreich  mit  einem  Male  ein 
naher  Verwandter  des  deutschen  Königs  geworden,  denn  Heinrich 
gewann  ein  Jahr  später  die  Krone,  nachdem  sein  Vater,  von  aller 
Welt  verlassen,  gestorben  war. 

Diese  Verwandtschaft  legte  Leopold  auch  politische  Pflichten 
auf.  Er  zählte  fortan  zur  königlichen  Partei,'  obwohl  Heinrich  V. 
entgegen  seinen  Anfängen,  sobald  er  zur  Macht  gelangt  war,  in 
bezug  auf  die  grofse  kirchenpolitische  Frage  ganz  in  die  Fufs- 
tapfen  seines  Vaters  trat.  Von  einem  werktätigen  Eintreten  Leopolds 
für  die  Interessen  des  Königs  erfahren  wir  jedoch  gar  nichts :  nie 
hat  er  an  einer  Heerfahrt  des  Königs  aufser  Landes  teilgenommen. 
Wohl  aber  konnte  es  ihm  nur  sehr  erwünscht  sein,  dafs  im  Jahre  1108 
König  Heinrich  auszog,  um  selbst  die  ungarischen  Wirren  beizulegen, 
die  gelegentlich  des  Bruderzwistes  zwischen  König  Koloman  und 
Almus  ausgebrochen  waren,  und  die  wieder  einmal  für  die  deutschen 
Grenzlande  gefährlich  zu  werden  drohten.  Angriffe  der  Ungarn 
auf  die  Kreuzfahrer  und  ein  Hilfsgesuch  Almus'  boten  die    recht- 


1)  Leopold  III.  ist  ira  April  1099  auf  einem  Hoftag  in  Eegensburg  an- 
wesend, wo  er  sich  einem  Schiedssprucli  des  Kaisers  unterwarf  (ÜB.  d.  L.  o.  d. 
Enns  II,  122). 

2)  Ekkehard  228;  Vita  Heinrici  c.  9;  Otto  v.  Freising  VII,  c.  9;  Ann. 
Hüdesh.  III,  109;  Cosmas  III,  18,  der  zu  berichten  weifs,  dafs  Leopold  in  der 
Nacht  heimlich  mit  seinen  Streitkräften  abgezogen  sei. 


Ein  halbes  Jahrhundert  Babenbergischer  Politik.  39? 

liehe  Begründung.  König  Heinrich  führte  sein  Heer  im  September 
über  Tulln  gegen  Prefsburg,  das  er  im  Vereine  mit  Markgraf 
Leopold  belagerte,  aber  ohne  Erfolg.  Andere  Ereignisse  riefen 
den  König  ab  ^),  und  so  verlief  auch  diese  Aktion  des  Reiches 
gegen  Ungarn  wieder  im  Sande,  aber  für  die  Mark  mag  die  mili- 
tärische Demonstration  doch  nicht  ohne  den  Vorteil  der  gröfseren 
Grenzsicherung  geblieben  sein. 

Im  übrigen  war  die  Entwickelung  im  Reiche,  die  den  König 
vollauf  in  Anspruch  nahm,  dem  Markgrafen  gerade  recht,  denn 
so  beherrschte  er  sein  Land  mit  ungestörter  Selbständigkeit  und 
trieb  Politik  auf  eigene  Faust.  Als  zehn  Jahre  später  Kolomans 
Nachfolger,  Stephan  H.  von  Ungarn,  einen  Beutezug  über  die 
Grenze  machen  zu  können  glaubte,  griff  Leopold  zur  Selbsthilfe, 
fiel  mit  einem  Heere,  verstärkt  durch  böhmische  Bewaffnete,  in 
ungarisches  Gebiet  ein  und  brachte  sich  durch  die  Erstürmung 
des  befestigten  Eisenstadt  und  durch  die  Verwüstung  der  Um- 
gebung in  die  entsprechende  Achtung  ^).  Immer  mehr  übernahm 
der  Markgraf  von  Osterreich  selbständig  die  Vertretung  der  deutschen 
Macht  gegen  die  östlichen  Nachbarn.  Am  besten  scheint  mir  die 
Entwickelung  dieser  bedeutsamen  Stellung  des  Markgrafen  durch 
das  allmähliche  Weiterrücken  der  Residenz  gegen  die  Ostgrenze 
und  an  die  strategische  Einfallstrafse  gekennzeichnet  zu  sein.  Der 
erste  Markgraf  Burkhard  dürfte  seinen  Sitz  auf  Regensburger  Ge- 
biet in  Pechlarn  gehabt  haben,  Liutpold  wählte  das  befestigte  Melk, 
das  er  vermutlich  rühmlich  eroberte,  und  hier  residierten  die  Baben- 
berger,  solange  sie  noch  in  untergeordneter  Stellung  waren.  Auch 
war  Melk  ein  geeigneter  Mittelpunkt,  solange  die  Grenzen  der  Mark 
nicht  weit  über  den  Wiener  Wald  hinausgeschoben  waren,  und 
dann  erst  recht,  als  durch  die  Gründung  der  neuen  Mark  die  Auf- 
gaben der  Ostmark  in  eine  andere  Richtung  gedrängt  zu  werden 
schienen  ^).     Das  änderte  sich  mit   der  neuen  politischen  Konstel- 

1)  „Wegen  Untreue  der  Fürsten"  sagen  die  Ann.  St.  Disibod.  M.  G.  SS. 
XVII,  20.  Sollte  auch  hier  Leopold  sich  mehr  diplomatisch  als  getreu  ver- 
halten Laben? 

2)  Ann.  Mellic.  501,  irrtümlich  zum  Jahre  1112;  Cont.  Zwettl;  Otto  v.  Frei- 
sing VIT,  15. 

3)  Noch   1061    flüchtete,    wie    wir   oben    gesehen    haben,    die    ungarische 


298  Elftes  Kapitel. 

lation  unter  Leopold  II.  Er  scheint  sich  hauptsächUch  in  TuUn 
aut""-ohalten  zu  haben.  Dieser  Ort  war  im  Laufe  des  11.  Jahr- 
hundcrts  in  den  ersten  Abwehrkämpt'en  der  Mark  zu  jijrofser  Be- 
deutung gehangt,  denn  einerseits  war  es  der  bequemste  Übergangs- 
punkt  über  die  Donau  für  die  nördHchen  Gebiete,  andrerseits  traf 
die  Einfallslinie  der  Ungarn,  die  von  Üdenburg  oder  Wiselburg 
meist  das  Piestingtal  entlang  gegen  Nordwesten  zur  Donau  führte, 
wie  uns  die  verschiedenen  Züge  der  Ungarn  in  jener  Zeit  bereits 
gezeigt  haben,  gerade  auf  diesen  Punkt,  der  zugleich  den  Abschlufs 
des  offenen  Tullnerbeckens  bildete  und  deshalb  einer  besonderen 
Befestigung  bedurfte  ').  Schon  1014  als  Civitas  (d.  i.  befestigter  Ort) 
genannt,  wurde  es  später  eine  der  drei  Gerichtsstätten  des  Landes. 
Leopold  III.  nun  erbaute  sich  eine  Burg  auf  dem  Kahlenberg,  dem 
heutigen  Leopoldsberg,  an  dessen  Fufs  seine  Liebhngstiftung  Kloster- 
neuburg lag,  das  seinen  Namen  vermuthch  nach  dieser  neuen  Burg 
erhalten  hatte.  Diese  Burg  beherrschte  nicht  nur  die  immer  mehr 
an  Bedeutung  gewinnende  Donaustrafse,  sondern  auch  weit  besser 
als  Tulln  die  Angriffslinie  vom  Südosten,  seitdem  der  Wiener  Wald 
genugsam  gesichert  war  ^). 

Gerade  in  der  Hauptsache,  in  der  Haltung  gegenüber  der 
Kirche,  nahm  übrigens  Markgraf  Leopold  III.  einen  geradezu  ent- 
gegengesetzten Standpunkt  ein  wie  sein  königlicher  Schwager,  und 
es  war  eben  sein  Geschick  oder  sein  Glück  und  das  Glück  seines 


Königiu-Witwe  mit  dem  jungen  Stephan   und   dessen  Braut   sowie  ihren    Kost- 
barkeiten nach  Melk. 

1)  Nicht  umsonst  weifs  das  Nibelungenlied  davon  zu  melden,  dafs  die 
burgundische  Prinzessin  in  Tulln  empfangen  wurde.  Es  blieb  bis  in  die 
neuere  Zeit  Sitte,  dafs  die  österreichischen  Herrscher  bis  hierher  ihren  Bräuten 
entgegen  zogen.  Vgl.  Zarncke  im  Bericht  über  die  Verhandlungen  der  königl. 
Sachs.  Gesellsch.  der  Wissensch.  Phil.-histor.  Kl.  VIII,  1856.  Wenn  Jans  En- 
enkel  Tulln  noch  zu  seiner  Zeit,  also  um  die  Mitte  des  13.  Jahrhunderts  als 
„Hauptstadt  des  Landes"  bezeichnet  (Fürstenbuch  V,  35,  Mon.  Germ.  Deutsche 
Chron.  III,  599),  so  scheint  dies  nach  dem  Charakter  der  ganzen  Stelle  nur  eine 
aufgewärmte  archaistische  Eeminiszenz  zu  sein.  —  Eine  Geschichte  der  Stadt 
Tulln  verfafste  Kerschbaumer  1874,  2.  Aufl.  1901. 

2)  Über  diese  strategische  Bedeutung  der  Lage  Wiens,  die  ja  im  wesent- 
lichen damit  identisch  ist,  siehe  jetzt  Böheim  in  der  Geschichte  der  Stadt 
Wien,  hgg.  vom  Altertumsvereine  I,  262 f.  Vgl.  aufserdem  K.  Müller  ebenda- 
selbst S.  231  f. 


Ein  halbes  Jahrhundert  Babenbergischer  Politik.  399 

Landes,  dafs  er  sich  trotzdem  die  dauernde  Gunst  des  Königs 
erhielt  ^)  und  andrerseits  alle  materiellen  und  kulturellen  Vorteile 
genofs,  die  die  kirchliche  Macht  bieten  konnte.  Es  entsprach  diese 
Politik  gewifs  auch  seinem  innersten  Wesen,  denn  nicht  umsonst 
war  er  in  dem  Zeitalter  Bischof  Altmanns  aufgewachsen,  der  wieder 
andrerseits  einen  so  bestimmenden  Einflufs  auf  seinen  Vater  aus- 
geübt hatte.  Auch  seine  Ratgeber  waren  Kirchenfürsten  Süd- 
deutschlands, die  die  strengere  kirchliche  Richtung  verfochten,  v/ie 
Erzbischof  Konrad  von  Salzburg  und  Bischof  Udalrich,  später 
Bischof  Reginmar  von  Passau  und  Roman  von  Gurk.  Besonders 
bezeichnend  ist  es  und  wurde,  wie  wir  noch  sehen  werden,  auch 
von  politischer  Bedeutung,  dafs  von  seinen  sechs  Söhnen  zwei  in 
den  geistlichen  Stand  traten:  Otto  und  Konrad.  Namenthch  ersterer 
ist  zugleich  ein  glänzendes  Beispiel  dafür,  wie  die  grofsen  Zeit- 
fragen und  Bewegungen,  die  damals  Abend-  und  Morgenland  er- 
füllten, die  Menschen  aus  der  früheren  Enge  ihres  Wirkungskreises 
hinausführten  und  zur  Universalität  erhoben.  Sein  Vater  schickte 
ihn  auf  die  hohe  Schule  nach  Paris,  und  so  gewann  er  den  weiten 
BHck  und  die  umfassende  Bildung,  die  ihn  befähigten,  späterhin  der 
erste  deutsche  Universalhistoriker  des  Mittelalters  zu  werden.  Für 
die  Ostmark  erlangte  er  noch  in  einer  speziellen  Hinsicht  eine 
Bedeutung.  Als  er  aus  Paris  in  die  Heimat  zurückkehren  wollte, 
trat  er  in  das  Kloster  Morimund,  das  auf  seiner  Strafse  lag.  Hier 
hatte  eben  damals  der  heilige  Bernhard  den  strengen  Orden  der 
Zisterzienser  ins  Leben  gerufen,  der  seinen  Siegeszug  durch  Europa 
begann  und  bald  den  früheren  Orden  allenthalben  Konkurrenz 
machte,  vor  allem  auch  in  Österreich,  wo  der  junge  Prinz  Otto 
nach   dem  Tode   des   ersten  Propstes  von  Klosterneuburg   an   die 

1)  Ein  sehr  charakteristischer  Eechtsfall  zeigt  so  recht  deutlich  die  eigen- 
tümliche politische  Zwitterstellung,  in  der  sich  die  österreichischen  Länder  be- 
fanden. Das  Kloster  Kremsmünster  glaubte  im  .Jahre  1099  bei  den  versöhnlichen 
Beziehungen  des  Bayernherzoges  und  des  Markgrafen  zum  Kaiser  dessen  Beistand 
zur  Erlangung  von  entfremdeten  Gütern  zu  Pettenbach,  Gotprechtszelle  und 
Geroldsdorf,  die  sich  Passau  angeeignet  hatte  und  die  sich  im  Lehnsbesitz  teUs 
der  Babenberger,  teils  verschiedener  Grafen  sich  befanden,  anrufen  zu  sollen, 
statt  sich  an  ihren  Diözesan  zu  wenden,  freilich  mit  schlechtem  Erfolg,  denn 
Kaiser  Heinrich  entschied  zwar  zugunsten  des  Klosters ,  aber  Bischof  Ulrich  er- 
kannte den  Schiedsspruch  nicht  an  und  zog  Pettenbach  dann  selbst  ein. 


300  Elftes  Kapitel. 

Spitze  dieser  Stiftunf^j  seines  Hauses  trat.  Er  war  es  auch,  der 
seinen  Vater  im  Jahre  1135  bewog,  im  waldigen  südöstlichen  Teile 
des  Landes  ein  Zisterzienserkloster  zu  gründen,  das  wie  alle  Klöster 
dieses  Ordens  der  heiligen  Maria  geweiht  war  „in  valle  nemorosa", 
aber  nach  einer  Kreuzpartikel,  die  Otto  von  Freising  aus  Palä- 
stina mitgebracht  hatte  und  ihm  schenkte,  Heiligenkreuz  genannt 
wurde  *). 

Doch  auch  eine  Benediktinerstiftung  kam  um  dieselbe  Zeit 
(1136)  zustande,  die  von  den  Brüdern  Heinrich  und  Rapoto  von 
Schwarzburg-Nöstach  geplant  war,  aber  vom  Markgrafen  erst  tat- 
sächlich ausgeführt  wurde ;  das  Kloster  Klein-Mariazell  2) ,  dessen 
Mönche  wahrscheinlich  aus  Altaich  kamen.  Klosterneuburg  wurde 
unter  Propst  Otto  aus  der  markgräflichen  Familie  nicht  nur  aus- 
gebaut, sondern  mannigfach  beschenkt  und  dem  päpstlichen  Schutze 
unterstellt  ^ ) ,  das  ältere  Hauskloster  Melk  schon  1 1 1  ö  von  der 
bischöflichen  Gewalt  Passaus  eximiert  *).  St.  Florian  erhielt  in 
der  Babenbergischen  Riedmark  im  Jahre  1115  Abgabenfreiheit'') 
und   noch   so   manch^es   andere    österreichische  ^)   und   aufseröster- 

1)  Nach  Klostertradition  schon  1133.  Siehe  darüber  die  Belege  bei  Ju- 
ritsch  a.  a.  0.  149.  —  Eine  Geschichte  des  Stiftes  bietet  Feil  in  Heider, 
Eitelberger  und  Hieser,  Mittelalterliche  Kunstdenkmäler  des  österreichischen 
Kaiserstaates  I  (Wien  1856).  Kleinere  Geschichtsabrisse  über  dieses  Stift  in 
Xenia  Bernardina  III,  35  (Gsell)  und  in  der  Topographie  von  Niederösterreich 
IV,  152  (Lanz).  —  Urkundenbuch  von  Heiligenkreuz,  hgg.  von  Weis  (Font. 
rer.  Austr.  2.  Abt.  XL  und  XVI).  —  Gsell,  Das  Gülteubuch  des  Zisterzienser- 
stiftes Heiligenkreuz  (Wien  1866).  —  Über  die  Zisterzienserklöster  ist  aufserdem 
regelmäfsig  zu  vergleichen  Janauschek,  Origines  Cisterz.  (Wien  1877). 

2)  M  e  i  11  e  r  21 ,  56.  Die  Stiftungsurkunde  wurde  auf  Landtaidingen 
zu  TuUn  und  St.  Polten  nochmals  feierlich  bestätigt.  —  Eigner,  Geschichte 
des  aufgehobenen  Benediktinerstiftes  Klein-Mariazell  (Wien  1900)  nach  einem 
Manuskripte  Keiblingers,  von  dem  der  kurze  Abrifs  in  der  Kirchlichen  Topo- 
graphie V.  Bd.  (1826)  herrührt. 

3)  Meiller,  Eegesten  13,  9.  10.  11;  16,  21.  27;  18,  37.  38.  40.  41; 
21,  53;  23,  60  (Roukerisdorf  [Riekersdorf?] ,  Pyrha,  Haltmarisdorf,  Jedungs- 
peugen  ,  Bierbaum,  Loupan,  Weingärten  bei  Baden,  die  Pfarre  Falkenstein  u.  a.).  — 
Die  päpstliche  Schutzurkunde  von  1134  verzeichnet  Meiller,  Regesten  20,  51. 

4)  Jaffe,  Regesten  6263. 

5)  ÜB.  d.  L.  0.  d.  Enns  II,  149. 

6)  Besonders  Göttweig  und  Melk.  Letzteres  erhielt  1113  (Meiller  13,  12) 
fünf  Pfarrkirchen  (Mödling,  Traiskirchen,  Ravelsbach,  WuUersdorf,  Weikerdorf). 


Ein  halbes  Jahrhundert  Babenbergischer  Politik.  301 

reichische  ^)  Kloster  erfuhr  gleichfalls  die  Gnade  des  Markgrafen 
Leopold.  In  mehr  als  vierzigjähriger  Regierung  hatte  er  so  er- 
reicht, was  im  übrigen  Deutschland  schier  unerreichbar  geworden 
war:  eine  für  sein  Land  gedeihliche  Verschmelzung  der  kirchlichen 
und  weltlichen  Interessen,  und  als  Frucht  besafs  er  nun  ein  in  sich 
gefestigtes  Gebiet.  Als  er  am  15.  November  1136  starb,  wurde  er  in 
seiner  Lieblingstiftung  Klosterneuburg  bestattet.  Kein  Wunder,  dafs 
dieser  tief  innerlich  fromme  Fürst,  der  in  seinem  Lande  die  Macht 
der  Kirche  für  Jahrhunderte  begründete,  dreieinhalb  Jahrhunderte 
später  (1484)  heilig  gesprochen  wurde.  Kein  Wunder  aber  auch, 
dafs  er  bei  den  Fürsten  des  deutschen  Reiches  in  einem  Ansehen 
stand,  das  über  seine  staatsrechtliche  Stellung  hinausging. 

So  konnte  das  für  jene  Zeit  gewifs  ganz  ungewöhnliche  Er- 
eignis eintreten,  dafs  bei  der  grofsen  Reichswahlversammlung,  die 
im  August  1125  zu  Mainz  stattfand,  unter  den  Thronkandidaten 
auch  sein  Name  —  er  war  doch  auch  der  Schwager  des  ver- 
storbenen Königs!  —  genannt  wurde.  Auch  auf  diesem  Höhe- 
punkt seines  Lebens  liefs  er  sich  nicht  zu  einem  kühnen  Wage- 
stück verleiten,  sondern  verleugnete  auch  da  nicht  den  klugen 
und  besonnenen  Kopf.  Er  lehnte  die  Wahl  ab  unter  Hinweis  auf 
sein  Alter  und  die  grofse  Zahl  seiner  Söhne,  durch  die  leicht 
Zwistigkeit  hervorgerufen  werden  könnte  ^),  in  Wirklichkeit  wohl 
deshalb,  weil  er  recht  gut  wufste,  dafs  nur  eine  Minorität  seine 
Kandidatur  unterstützte,  und  er  es  daher  vorzog,  einen  ehrenvollen 
Rückzug  anzutreten,  statt  es  auf  eine  beschämende  Niederlage 
ankommen  zu  lassen  oder  ein  gewagtes  Spiel  um  die  Kaiserkrone 
zu  beginnen.  Gewählt  wurde  bekanntlich  Lothar  von  Sachsen,  und 
die  Staufer,  vor  allem  sein  Gegenkandidat  Friedrich  von  Schwaben, 

1)  Passau,  Bamberg,  Aldersbach,  St.  Nikolaus,  St.  Peter  in  Salzburg, 
Berchtesgaden ,  Formbach.  Die  genannten  Klöster  erhielten  damals  Besitz  in 
der  Mark  und  zwar  St.  Peter  an  der  Als  bei  Wien ,  Formbach  am  Bisamberg, 
Berchtesgaden  bei  Krems,  St.  Nikolaus  bei  Ips  und  Persenbeug,  Aldersbach 
Weingärten  bei  Krems  (Meiller,  Eegesten  19,  47.   43;  20,  48.  49;  21,  55). 

2)  Sj-meonis  Dunelmensis  Hist.  Contin.  (Publ.  of  the  Surtess  Society  LI, 
125),  zur  Ergänzung  der  Narratio  de  electione  Lotharii  (M.  G.  SS.  XII,  510). 
Vgl.  im  allgemeinen  über  diese  und  die  übrigen  politischen  Verhältnisse  dieser 
Periode:  Bernhardi,  Lothar  von  Supplinburg  (Jahrbücher  d.  deutschen  Eeiches), 
Leipzig  1879. 


303  Elftes  Kapitel. 

wurden  dadurch  in  die  Opposition  gedrängt.  Markgraf  Leopold 
als  dessen  Stiefvater  mufste  sich  vom  Kaiser  fernhalten,  aber  seine 
Ge^-nerschaft  war  ziemlich  platonisch  und  tat  nicht  wehe.  Nur  in 
einem  Falle,  als  gegen  den  Willen  des  neuen  Herzogs  Heinrich  von 
Bayern,  eines  Schwiegersohnes  des  Königs,  die  Wahl  des  Grafen 
Heinrich  von  Wolfrathshausen ,  der  übrigens  aufserdera  ein  Neffe 
Leopolds  war,  zum  Bischof  von  Regensburg  durchgesetzt  werden 
sollte  (1133),  unternahm  der  Markgraf  eine  Heerfahrt,  aber  ehe 
ein  Tropfen  Blut  geflossen  war,  ging  er  auf  einen  billigen  Aus- 
gleich ein  ^). 

Die  eigenartig  unabhängige  Stellung,  die  sich  Leopold  HL 
trotz  poHtischer  Parteizugehörigkeit  auch  König  und  Keich  gegen- 
über zu  erringen  wufste,  zeigt  sich  deutlich  in  der  eigenmächtigen 
Art,  wie  die  Nachfolge  in  der  Markgrafschaft  geregelt  wurde  2). 
Wieder  sein  ältester,  wie  es  scheint  kränkhcher  Sohn  Adalbert, 
noch  sein  Zweitältester,  dem  Vater  nicht  sympathischer  Sohn  Hein- 
rich folgte  ihm,  sondern  trotz  des  offenen  Widerstandes  Adalberts, 
der  erst  durch  die  Intervention  der  Markgräfin-Mutter  Agnes  und 
der  Grofsen  des  Landes  gebrochen  werden  mufste  ^) ,  sein  dritter 
Sohn  Leopold,  von  dem  er  überzeugt  sein  mochte,  dafs  er  der 
berufenste  sei,  um  das  von  ihm  klug  begonnene  Werk  mit  Tat- 
kraft weiter  auszubauen.  So  wohnte  in  dem  gottesfürchtigen  Mark- 
grafen das  feste  Vertrauen  auf  die  Zukunft  seinem  Hauses. 

In  der  Tat  traten  nun  die  Babenberger  in  ihr  heroisches  Zeit- 
alter ein.  Es  bedurfte  jetzt  nicht  mehr  der  berechnend  durch 
aUe  politischen  Kombinationen  durchlavierenden  Politik,  sie  konnten 
jetzt  direkt  auf  ihre  höheren  Ziele  losgehen.    Markgraf  Leopold  IV. 

1)  Hist.  Weif,  c    22. 

2)  Cont.  Claustroneob.  610  f.  Ich  schliefse  aus  der  Urkunde  für  Kloster- 
neuburg vom  Jahre  1125  (Meiller  18,  36),  in  der  ausdrücklich  „Liupoldus 
iuvenis"  mit  dem  Zusatz  „marchio"  seinem  älteren  Bruder  Adalbertus,  der  nur 
als  „advocatus"  bezeichnet  wird,  in  der  Zeugenreihe  vorangeht  (vgl.  dazu 
Meiller  213)  und  aus  den  Bemerkungen  der  Cont.  Claustron.  über  die  Söhne, 
dafs  Leopold  m.  selbst  die  Nachfolge  bestimmte,  was  auch  ganz  seiner  Aus- 
nahmestellung entsprechen  würde.  Das  Alter  seiner  Söhne  untersuchte  Hub  er 
in  Mitteilungen  des  Institutes  für  österreichische  Geschichtsf.  II,  382. 

3)  Auf  einer  Versammlung  zu  Tulln,  Meli  1er  24,  1.  —  Gegen  Bern- 
hardi  618,  Anm.  67   Hub  er,  Österreichische  Geschichte  I,  243,  Anm.  1. 


Ein  halbes  Jahrhundert  Babenbergischer  Politik.  303 

war  der  richtige  Mann  der  Tat.  Allerdings  kam  ihm  aber  auch 
die  Entwickelung  der  Dinge  im  Reiche  auf  halbem  Wege  entgegen. 
Denn  ein  Jahr  nach  dem  Tode  seines  Vaters  starb  auch  Kaiser 
Lothar  am  3.  Dezember  1137,  und  die  deutsche  Krone  ging  nun 
an  Leopolds  Stiefbruder,  den  Staufer  Konrad  über,  im  direkten 
Gegensatze  zu  dem  Bayernherzog  Heinrich  dem  Weifen,  dem 
Schwiegersohne  Lothars,  dem  dieser  auf  dem  Sterbebette  die  Reichs- 
insignien  übeigeben  hatte  ^).  Konrad  zögerte  auch  nicht,  bei  der 
erstbesten  Gelegenheit  den  Rivalen  ins  Mark  zu  treffen.  Zuerst 
wurde  ihm  das  Herzogtum  Sachsen  und,  als  er  Widerstand  leisten 
wollte,  auch  das  Herzogtum  Bayern  abgesprochen  und  er  in  Acht 
und  Bann  getan.  Teils  infolge  der  nahen  Verwandtschaft,  teils 
dem  natürlichen  Gang  der  politischen  Entwickelung  nachgebend, 
verlieh  König  Konrad  das  Herzogtum  Bayern  im  Frühjahre  1139 
dem  Markgrafen  Leopold  IV.  von  Osterreich.  So  war  der  Mark- 
graf von  Osterreich,  nachdem  er  seit  anderthalb  Jahrhunderten 
eine  stille  Opposition  gegen  die  ursprüngliche  Oberhoheit  des 
Herzogs  von  Bayern  geführt  hatte,  selbst  zum  Herzog  empor- 
gestiegen, freilich  war  dadurch  staatsrechtlich  zunächst  abermals 
die  Mark  stärker  mit  dem  Mutterlande  verkettet,  aber  sie  wurde 
doch  auch  wieder  andrerseits  aus  der  abgesonderten  Stellung  der 
letzten  Jahrzehnte  in  ein  näheres  Verhältnis  zu  den  gröfseren  poli- 
tischen Strömungen  im  Reiche  gebracht.  Damals  sind  auch  zum 
ersten  Male  die  Lande  ob  und  unter  der  Enns  in  einer  Hand  ver- 
einigt worden.  Freilich  brachte  es  die  Beteiligung  Leopolds  an  der 
Reichspolitik  mit  sich,  dafs  er  sich  seinen  Stammlanden  weit  weniger 
widmete  wie  sein  Vater. 

Leopold  IV.  wurde  übrigens  auch  fernerhin  vom  Glücke  be- 
günstigt. Für  die  Festigung  seiner  Macht  im  neuen  Herzogtum 
war  es  von  unschätzbarem  Wert,  dafs  kurz  vor  seiner  Erhebung 
sein  Bruder  Otto  zum  Bischof  von  Freising  gewählt,  und  in  demselben 
Jahre  (1138)  auch   ein   ihm   ergebener  Mann,  Regimbert  aus  der 

1)  Ygl.  aufser  den  bereits  am  Eingang  des  Kapitels  zitierten  Werken  für 
diesen  Zeitabschnitt  noch  besonders  Jaffe,  Geschichte  des  deutschen  Eeiches 
unter  Kaiser  Konrad  III.  (Hannover  1845)  und  Bernhardi,  Konrad  III.  (Jahr- 
bücher d.  deutschen  Reiches)  2  Bde.  (Leipzig  1883).  Eine  Hauptquelle  ist  Ottos 
V.  Freising  Geschichtswerk. 


304  l''lftcs  Kapitel. 

auch  in  der  Mark   begüterten  Familie   der  Herren   von  Hagenau, 
Bischof  von  Passau  geworden  war:  in  beiden  fand  Leopold  sichere 
Stützi)unkte.     Seine  Schwester  Berta    war   mit  einem    bayerischen 
(  Grofsen,  dem  Burggrafen  Heinrich  von  Regensburg  vermählt.    Aufser- 
deni  starb  im  Oktober  1139  der  angestammte  Bayernherzog  Heinrich 
der  \\'elfe.    Allerdings  versuchte  dessen  Bruder  Weif  den  Wider- 
stand in  Bayern  anzufachen,  aber  seine  anfanglichen  Erfolge  wurden 
bald  durch  Leopold  mit  Hilfe  des  Kaisers  vereitelt.    Leider  sollte 
es    diesem    nicht   vergönnt    sein,    sein    grofses   Lebenswerk    weiter 
r  durchzuführen,    denn    plötzhch    starb  er  am   18.  Oktober  1141  in 
{    dem  blühenden  Alter  von  dreifsig  Jahren. 

Da  er  keine  Kinder  hinterliefs,  so  hatte  die  nächste  Anwart- 
schaft auf  die  Nachfolge  sein  älterer  Bruder  Heinrich.    Auch  diesen 
hatte  bereits    sein    königlicher  Stiefbruder   durch  die  Übertragung 
/eines  Fürstentums  ausgezeichnet,  indem  er  ihm  im  Frühjahr  1140 
]  die  Pfalzgrafschaft  am  Rheine  verliehen  hatte.    Nun  nach  dem  Tode 
\  Leopolds  belehnte  er  ihn  auch  ohne  weiteres  mit  der  Mark,  während 
/  er   sich    das  Herzogtum    Bayern    zunächst   noch    selbst   vorbehielt. 
Halten  wir  diese  Verfügung  mit  der  Entscheidung  seines  Vaters  über 
die  Nachfolge  zusammen,  so  gewinnt  es  den  Anschein,  als  hätte  die 
PersönUchkeit  und  die  Fähigkeiten  Heinrichs  aUgemein  wenig  Ver- 
trauen   eingeflöfst.     Allerdings   war   er   auch    wirklich    kein  Mann 
des  Schwertes  und  der    kühnen  Tat,   sondern   hatte  vielmehr  von 
seinem  Vater  die  zögernde  Besonnenheit  geerbt.    Immerhin  scheint 
er  einer  jener  Menschen  gewesen  zu  sein,    die  mit  ihren    höheren 
Zwecken  wachsen. 

König  Konrad,  dem  jetzt  der  starke  Arm  Leopolds  in  Bayern 
fehlte,  suchte  nun  auf  friedHchem  Wege  durch  eine  Versöhnung 
mit  den  W^elfen  die  Verhältnisse  zu  ebnen,  und  in  der  Tat  gelang 
ihm  der  grofse  politische  Schachzug,  die  Witwe  Herzog  Heinrichs 
von  Bayern  und  Tochter  Kaiser  Lothars  Gertrud  mit  seinem  Stief- 
bruder Anfang  Mai  1142  zu  vermählen,  wogegen  er  ihrem  Sohn 
Heinrich,  bekannt  unter  dem  Beinamen  „der  Löwe",  das  Herzog- 
tum Sachsen  überliefs.  Der  Erfolg  war  freilich  nur  halb,  denn 
Heinrich  der  Jüngere  verzichtete  wohl  zu  Anfang  des  Jahres  1143 
förmhch  auf  Bayern,  aber  sein  Oheim,  Graf  Weif,  hielt  die  An- 
sprüche   seines   Hauses    darauf  aufrecht.      Immerhin    vollzog   nun 


Ein  halbes  Jahrhundert  Babenbergtscher  Politik.  305 

König  Konrad  die  selbstverständlich  gewordene  Belehnung  Heinrichs 
von  Österreich  mit  dem  Herzogtum  Bayern. 

Da  traf  mit  einem  Male  die  staufisch-babenbergische  Politik 
ein  ganz  unerwarteter  schwerer  Schlag,  der  das  klug  aufgebaute 
Gebäude  über  den  Haufen  warf.  Am  18.  April  1143  starb  Her- 
zogin Gertrud  im  Wochenbette.  Seitdem  ballten  sich  von  allen 
Seiten  dunkle  Wolken  zusammen,  wenn  auch  der  Sturm  noch  nicht 
sogleich  losbrach.  Zunächst  entspann  sich  aus  nicht  näher  be- 
kannten Gründen,  die  aber  vielleicht  doch  mit  der  allgemeinen 
pohtischen  Lage  zusammenhingen,  eine  Fehde  mit  dem  Bischof 
Heinrich  von  Regensburg  und  zog  merkwürdig  weite  Kreise.  Auf 
der  Seite  des  Herzogs  stand  sein  Schwager  Wladislaw  von  Böhmen, 
und  die  Kriegsleute  beider  verwüsteten  das  Regensburger  Gebiet, 
während  andrerseits  der  Bischof  in  dem  Markgrafen  Ottokar  IH. 
von  Steier,  mütterlicherseits  mit  den  Weifen  verwandt,  einen  Bundes- 
genossen gefunden  zu  haben  scheint,  denn  ungefähr  zur  selben  Zeit 
unternehmen  dessen  Dienstmannen  einen  verheerenden  Zug  nach 
Österreich  ^).  Bischof  Heinrich  erwirkte  sogar  beim  Papst  den 
Bann  gegen  Herzog  Heinrich,  Wladislaw  von  Böhmen  und  deren 
Verbündete. 

Kaum  waren  diese  Fehden  beigelegt,  so  gab  es  zum  Über- 
flufs  Verwickelungen  im  Osten,  an  denen  Herzog  Heinrich,  dessen 
Haus  in  der  letzten  Zeit  gute  Beziehungen  zu  Ungarn  unterhalten 
hatte  2),  eigentlich  unschudig  war,  die  ihn  aber  dennoch  in  arge 
Mitleidenschaft  zogen.  Schon  seit  dem  Regierungsantritte  Belas  II. 
(1131)  erhob  ein  Sohn  König  Kolomans  aus  zweiter  Ehe,  Borics, 
Ansprüche  auf  die  Krone.  Nachdem  schon  verschiedene  Versuche 
fehlgeschlagen  waren,  gewann  er  die  Unterstützung  einiger  öster- 
reichischer Grafen,  insbesondere  Hermanns  von  Poigen  und  Liutolds 


1)  Otto  V.  Freising  I,  29.  Contin.  Claustroneob.  (M.  G.  SS.  IX,  614).  Gründe 
und  Zusammenhänge  dieser  Fehden  sind  allerdings  nicht  klar.  Vgl.  jedoch  die 
Kombinationen  bei  Giesebrecht  IV,  218;  Riezler  I,  639;  Bernhardi  480 
und  Huber  I,  246.  —  Nebenbei  mache  ich  nochmals  darauf  aufmerksam,  dafs 
der  Burggraf  von  Eegensburg  der  Schwager  Heinrichs  von  Österreich  war.  Zwischen 
ihm  und  dem  Bischof  können  sich  leicht  Reibungen  ergeben  haben. 

2)  Im  Jahre  1132  hatte  Heinrichs  Bruder,  Adalbert,  König  Bela  mit  einem 
Heere  gegen  Borics,  der  damals  vom  Polenherzog  Hilfe  gewann,  unterstützt. 

Vancsa,  Oeschiclite  Kieder-  u.  Oberösterreichs.  '^'J 


306  Elftes  Kapitel. 

von  Piain,  die,  wie  es  scheint,  gegen  Geld  und  auf  eigene  Faust, 
•während  ihr  Herzog  in  der  Ferne  weilte,  im  Frühjahre  114G  Prefs- 
burg  überlielen  und  einnahmen.  Gleichzeitig  war  es  Borics  ge- 
glückt, in  Wladislaw  von  ]5öhmen  einen  tatkräftigen  Förderer  zu 
linden,  der  König  Konrad  111.  zu  einer  unüberlegten  Zusage  von 
Hilfe  zu  bestimmen  wufste.  Der  König  konnte  seine  Zusage  nicht 
halten,  aber  König  Geisa  von  Ungarn  eröffnete  die  Feindseligkeiten 
gegen  die  Mark.  Die  Grafen  von  Piain  und  Poigen  zögerten 
nicht,  Prefsburg,  wie  sie  es  um  Geld  erobert,  auch  um  Geld  — 
3000  Mark  —  wieder  auszuliefern.  Darauf  verwüstete  Geisa  die 
Donauufer.  Nun  eilte  freilich  Herzog  Heinrich  zur  Verteidigung 
seiner  Mark  herbei,  aber  am  11.  September  1146  erhtt  er  zwischen 
Fischa  und  Leitha  eine  vernichtende  Niederlage  *). 

Damit  nicht  genug,  schien  nun  auch  die  wichtige  Erbfrage 
in  Bayern  in  ein  neues  verhängnisvolles  Stadium  zu  treten,  als 
am  19.  März  1147  Herzog  Heinrich  von  Sachsen  auf  dem  Hoftag 
zu  Frankfurt  seine  Ansprüche  wieder  geltend  machte.  Da  kam 
eine  fast  überirdische  Rettung,  die  dem  Lauf  der  Ereignisse  ein 
mächtiges  Halt  gebot  und  auf  einige  Zeit  alle  Personen  des  poli- 
tischen Theaters  ganz  anderen  Zielen  zutrieb.  Die  Kunde  von 
dem  Falle  Edes.sas  (Ende  1144)  hatte  in  Europa  eine  neue  mächtige 
Kreuzzugsbewegung  entfesselt,  deren  Apostel  diesmal  Bernhard 
von  Clairvaux  war.  Ihm  gelang  es,  zuerst  den  Grafen  Weif  und 
dann  zu  Weihnachten  1146  auch  König  Konrad  III.  für  den  Zug 
ins  Gelobte  Land  zu  gewinnen.  Der  Hoftag  zu  Regensburg  im 
Februar  des  nächsten  Jahres  wurde  dann  entscheidend.  Alle  An- 
wesenden und  später  noch  eine  grofse  Reihe  anderer  deutscher  Fürsten, 
Grafen  und  Ministerialen  nahmen  das  Kreuz,  darunter  vor  allem  auch 
Herzog  Heinrich  von  Bayern- Österreich,  Bischof  Otto  von  Freising, 
Reginbert  von  Passau,  Markgraf  Ottokar  von  Steier,  Graf  Konrad 
von  Peilstein,  Friedrich  von  Poigen,  Rudolf  von  Machland  u.  v.  a.  '^). 
Angebhch  70  000  Mann  stark  schlug  das  Kreuzheer  um  Pfingsten  des 
Jahres  denselben  Weg  ein  wie  die  früheren  Züge :  längs  der  Donau 


1)  Hauptquelle  Otto  v.  Freising,  Gesta  Frid.  I,  30,  32.  —  Vgl.  die  aus- 
führliche Darstellung  bei  Ei e zier  I,  641  f. 

2)  Siehe  den  schon  oben  erwähnten  Aufsatz  von  E  i  e  z  1  e  r  in  den  Forschungen 
zur  deutschen  Geschichte  XVIII,  553. 


Ein  halbes  Jahrhundert  Babenbergischer  Politik.  307 

durch  Österreich;  etwas  später  folgte  das  französische  Aufgebot 
unter  der  persönlichen  Führung  König  Ludwigs  VII. 

Leider  verlief  auch  diesmal  der  Kreuzzug  kläglich.  Von 
den  deutschen  Fürsten  trug  Heinrich  von  Österreich  die  meisten 
Vorteile  davon.  Es  verrät  einen  weitreichenden  politischen  Blick, 
dafs  er  sich  dazu  entschlofs,  die  Nichte  des  oströmischen  Kaisers 
Emanuel,  Theodora,  als  Gattin  heimzuführen.  Er  erkannte,  welchen 
Nutzen  bei  der  herrschenden  Zeitströmung  für  sein  Land,  (las 
natürliche  Bindeglied  zwischen  West  und  Ost,  eine  engere  Ver- 
bindung mit  Byzanz  mit  sich  bringen  mufste.  Möglich,  dafs 
auch  der  Kaiser  seine  Hand  dabei  im  Spiele  hatte,  der  sich 
Vorteile  für  seine  süditalienische  Politik  daraus  erhoffte.  Freilich 
für  die  eigentliche  Lebensfrage  des  Baben bergischen  Hauses,  die 
jetzt  nach  dem  Scheitern  der  orientalischen  Expedition  wieder  in 
den  Vordergrund  trat,  vermochte  diese  Verbindung  nicht  die  ge- 
ringste Förderung  zu  bieten.  Wohl  aber  erwuchs  aus  dem  Kreuz- 
zuge noch  ein  nicht  unbedeutender  Gewinn  für  die  Babenberger. 
Keginbert  von  Passau  starb  im  Gelobten  Lande,  und  an  seiner  Stelle 
wurde  der  Bruder  Herzog  Heinrichs,  Konrad,  bisher  Propst  von 
Utrecht  und  Hildesheim,  zum  Bischof  gewählt,  so  dafs  nunmehr 
auch  die  kirchliche  Gewalt  in  der  Mark  sich  in  den  Händen  der 
markgräflicheu  Familie  befand  und  der  Einflufs  in  Bayern  aber- 
mals eine  wesentliche  Stärkung  erfuhr. 

Es  unterliegt  kaum  einem  Zweifel,  dafs  Heinrich  von  Öster- 
reich das  Herzogtum  Bayern  gegen  die  Ansprüche  der  Weifen 
trotz  deren  fortgesetzter  Feindseligkeiten  behauptet  hätte,  wenn 
nicht  zu  seinem  Unglück  sein  königlicher  Stiefbruder  am  15.  Fe- 
bruar 1152  gestorben  und  diesem,  da  sein  Sohn  erst  acht  Jahre 
zählte,  nicht  sein  Neffe  Friedrich  von  Schwaben  auf  dem  Königs- 
throne gefolgt  wäre.  Letzteren  banden  eben  nicht  die  engen  ver- 
wandtschaftlichen Beziehungen  an  den  Babenberger,  weit  eher  an 
die  Weifen,  da  seine  Mutter  eine  Schwester  des  Grafen  Weif 
gewesen  war,  deshalb  glaubte  er,  eine  andere  Richtung  in  der  so 
wichtigen  innerpolitischen  Streitfrage  einschlagen  zu  sollen.  Auch 
hierfür  mögen  in  letzter  Linie  persönhche  Erwägungen  mafsgebend 
gewesen  sein.  Jedenfalls  versprach  sich  Friedrich  mehr  von  dem 
jungen  tatkräftigen,  in  mancherlei  Verbindungen  stehenden  Heinrich 

20* 


308  Kll'tes  Kapitel. 

dem  Löwen  und  seiner  Freundschaft,  als  von  dem  bedächtigen, 
im  Felde  wenig  glückÜchen,  im  Keiche  selbst  noch  wenig  ein- 
gelebten  Grafen  des  östlichen  Grenzlandes,  zumal  er  dann  jenen 
zimi  mächtigen  Feinde  gehabt  hätte.  So  sehen  wir  denn  von  An- 
beginn seiner  Regierung  den  jungen  Sachsenherzog  stets  an  seinem 
Hofe.  Dennoch  dachte  der  König  an  keine  gewaltsame  Lösung  der 
Frage  und  war  redlich  bemüht,  einen  gütlichen  Vergleich  der  beiden 
Parteien  zustande  zu  bringen.  Aber  Heinrich  von  Osterreich  nahm 
eine  schroff  ablehnende  Haltung  ein.  Vielleicht  hoffte  er  auf  die 
Unterstützung  anderer  Unzufriedener,  wie  des  Markgrafen  Albrecht 
von  Brandenburg,  der  sich  in  einer  der  seinen  ahnHchen  Lage  befand, 
da  er  auch  seinerzeit  zugunsten  Heinrichs  des  Löwen  seinen  An- 
sprüchen auf  Sachsen  hatte  entsagen  müssen,  oder  seines  Schwagers 
Wladislaw  von  Böhmen,  des  Pfalzgrafen  Hermann  am  Rhein  und 
des  Erzbischofs  Hartwig  von  Bremen.  Erst  als  er  zwei  Hoftage, 
zu  denen  ihn  der  König  geladen  hatte,  zu  Worms  im  Juni  und 
zu  Speyer  im  Dezember  1153,  nicht  besucht  hatte  und  als  auch 
eine  persönliche  Besprechung  zu  Bamberg  im  Februar  des  nächsten 
Jahres  ohne  Erfolg  geblieben  war,  griff  Friedrich  zu  stärkeren 
Mitteln  und  hefs  Heinrich  von  Österreich  auf  dem  Reichstag  zu 
Goslar  im  Juni  1154  von  den  anwesenden  Fürsten  des  Herzog- 
tumes  Bayern  für  verlustig  erklären  und  es  Herzog  Heinrich  dem 
Löwen  zuerkennen.  Aber  auch  jetzt  zögerte  der  König,  daraus 
die  Konsequenzen  zu  ziehen  und  den  Löwen  auch  tatsächlich  in 
den  Besitz  Bayerns  zu  setzen.  Die  rechtliche  Grundlage  des  Fürsten- 
spruches stand  auch  wohl  auf  gar  zu  schwachen  Füfsen,  er  sollte 
wohl  vielmehr  als  Schreckschufs  wirken.  Überdies  drängte  es 
Friedlich,  seine  Romfahrt  anzutreten. 

Nach  wie  vor  bheb  Heinrich  von  Österreich  im  Osten  des 
Herzogtums  anerkannt  und  führte  in  Urkunden  den  Titel  eines 
Herzogs  von  Bayern  ^).  An  dem  Römerzuge  beteiligte  er  sich 
selbstverständlich    nicht.     Aber   er  täuschte  sich,  wenn  er  gehofft 

1)  Meiller,  Kegesten  36,  37,  Nr.  29,  30.  —  Am  Hofe  Heinrichs  fand 
sich  noch  eine  Reihe  von  bayerischen  Grafen  zusammen ,  zumeist  solche ,  die 
auch  in  Österreich  begütert  waren :  Eapoto  von  Ortenburg,  Gebhard  von  Reichen- 
hall, Heinrich  von  Schala,  Ekbert  von  Putten,  Gebhard  von  Burghausen,  Liutold 
von  Piain,  sogar  Ottokar  von  Steier. 


Ein  lialbes  Jahrhundert  Babenhergisdier  Politik.  300 

hatte,  während  der  Abwesenheit  des  Königs  eine  Koalition  gegen 
ihn  zustande  zu  bringen,  um  seine  Ansprüche  auf  das  Herzogtum 
durchzusetzen.  Als  König  Friedrich  und  flerzog  Heinrich  der 
Löwe  im  Oktober  1155  aus  Itahen  zurückkehrten,  war  es  gleich 
die  erste  Sorge  des  Königs,  die  bayerische  Frage  weiter  zu  ver- 
folgen, und  da  der  Babenberger  fortgesetzt  im  stillen  Trotze  ver- 
harrte, der  selbst  durch  zwei  persönliche  Unterredungen  und  selbst 
durch  den  Zuspruch  seines  Bruders  Otto  von  Freising  nicht  ge- 
mildert werden  konnte,  tat  er  nunmehr  einen  entscheidenden  Schritt 
weiter,  um  Heinrich  den  Löwen  in  den  tatsächlichen  Besitz  Bayerns 
zu  bringen :  er  liefs  auf  dem  Hoftage  zu  Regensburg  Mitte  Oktober 
die  Gi'ofsen  des  Landes  dem  neuen  Herzog  den  Lehns-  und  Treueid 
schwören  und  verpflichtete  die  Bürger  von  Regensburg,  deren  man 
wohl  nicht  recht  sicher  sein  mochte,  durch  Geiseln  zur  Treue. 

Seiner  Herzogswürde  durch  die  Macht  des  Königs  und  der 
Reichsfürsten  beraubt,  von  seinen  erhofften  Bundesgenossen  voll- 
kommen im  Stiche  gelassen,  allein  zu  wenig  mächtig  und  zu  wenig 
wagemutig,  um  ferneren  Widerstand  leisten  zu  können,  war  Hein- 
rich, der  Markgraf  von  Osterreich,  endlich  zur  Nachgiebigkeit  geneigt 
und  er  fuhr  damit  ganz  überraschend  besser,  als  er  bisher  stets 
geglaubt  hatte,  denn  König  Friedrich  benahm  sich  gegen  seinen 
Oheim  mit  wahrhaft  königlicher  Grofsmut.  Mitte  September  1156 
fand  zu  Regensburg  der  entscheidende  Reichstag  statt.  Aufserhalb 
der  Stadt,  um  seine  ehemalige  Residenz  nicht  mehr  zu  betreten, 
lagerte  der  Markgraf  auf  der  Wiese  bei  Barbing  (Parbling),  und 
der  König  zog  ihm  bis  dahin  entgegen.  Hier  wurde  dann  ein 
seltener  Staatsakt  in  feierlicher  Weise  vollzogen.  Heinrich  von 
Osterreich  verzichtete  auf  das  Herzogtum,  indem  er  als  Symbol 
sieben  Fahnen  dem  Kaiser  übergab,  die  dieser  Heinrich  dem  Löwen 
zuerkannte.  Dafür  stellte  Heinrich  von  Bayern  zwei  Fahnen  — 
Symbole  der  Mark  Osterreich  —  zurück,  wodurch  er  sich  aller 
von  alters  her  bestehenden  Ansprüche  der  bayerischen  Herzöge  auf 
die  Mark  begab.  Wladislaw  von  Böhmen  verkündete  sodann  den 
wohldurchdachten  Hofgerichtsspruch  ^),  dem  alle  Fürsten  zustimmten. 

1)  Der  Kaiser  scheint  schon  von  Beginn  seiner  Eegierung  in  gerechter 
Weise  daran  gedacht  zu  haben ,  seinen  Oheim  für  den  Verhist  Bayerns  ent- 
sprechend zu  entschädigen.    Möglicherweise  hat  Rie zier  I,  654  recht,  wenn  er 


310  Elftes  Kiipitel. 

Die  JMarkgralscliaft  Österreich  mit  ihren  von  alters  her  sogenannten 
drei    Grafschaften  ')    wurde    zu    einem     selbständigen    Herzogtum 

die  Vermutung  ausspricht,  tlal's  tlor  Plan  eines  ungarischen  Foldzugos,  den  Friedrich 
schon  auf  dem  ersten  Tag  in  Regensburg  1152  gefafst  hatte,  mit  dieser  Absicht, 
Heiuricli  von  Österreidi  eine  Entschädigung  zu  verschaffen,  zusammenhängt. 

1)  Otto  V.  Freising,  Gesta  Friderici  II,  55  gebraucht  den  Ausdruck  „comi- 
tatus,  quos  tres  dicunt",  scheint  also  damit  eine  unsichere  Überlieferung  an- 
deuten zu  wollen.  Die  Frage,  was  es  mit  diesen  tres  comitatus  für  eine  Be- 
wandtnis habe,  wurde  wiederholt  untersucht  und  ist  noch  heute  zu  keiner 
sichercu  Entscheidung  gekommen.  Zunächst  erklärte  man  die  tres  comitatus  für 
einen  Gebietszuwachs,  den  man  natürlich  in  Oberösterreich  suchen  mufste.  Gegen 
die  ältere  Annahme,  dafs  ganz  Oberösterreich  darunter  zu  verstehen  sei,  ist 
schon  Heigel  (in  Heigel-Riezler,  Das  Herzogtum  Bayern  zur  Zeit  Heinrichs 
des  Löwen  und  Ottos  I.  von  Witteisbach,  München  18G7,  S.  217)  und  Hub  er 
(Wiener  Sitzungsberichte  XXXIV,  17,  1857)  aufgetreten;  dann  hat  letzterer,  dem 
auch  Juritsch  folgte,  in  seiner  Geschichte  Österreichs  und  in  seiner  Eeichs- 
geschichte  (1.  Aufl. ,  S.  7)  die  Grafschaft  zwischen  Traungau  und  Passauerwald, 
Bachmann,  Lehrbuch  der  österreichischen  Reichsgescliichte  I,  34  den  Traun- 
gau, den  östlichen  Schweinachgau  und  das  Machland  unter  den  tres  comitatus 
verstanden,  und  in  jüngster  Zeit  hat  Uhlirz,  Jahrbücher  des  deutschen  Reiches 
unter  Otto  II,  und  IIL,  Exkurs  IV,  S.  232  gleichfalls  das  Machland  und  die 
Riedmark,  allenfalls  mit  dem  Traungau  dafür  angesprocTien.  Eine  vollständig 
entgegengesetzte  Hypothese  stellte  Strnadt,  Geburt  des  Landes  ob  der  Enns, 
S.  66 f.  auf,  wonach  1156  kein  Gebietszuwachs  erfolgt  wäre,  sondern  wonach 
die  tres  comitatus  nichts  anderes  wären  als  die  drei  Gerichtssprengol  der  Ost- 
mark selbst,  wie  sie  sich  in  den  drei  Malstätten  des  Landes  ausprägen.  Diese 
Hypothese  fand  grofsen  Anklang.  Haseuöhrl  (Archiv  f.  öster.  Gesch.  LXXXII, 
436)  war  der  erste,  der  sich  ihm  anschlofs,  aber  doch  den  Begriff  der  Grafschaft 
festhalten  wollte,  während  Dop  seh  (Mitt.  d.  Inst.  f.  österr.  Gesch.  XVII,  296) 
den  Begriff  comitatus  überhaupt  nicht  territorial,  sondern  als  „Grafenberechtigung" 
fassen  will.  Strnadt  schliefst  sich  auch  Werunsky.  Reichsgeschichte  S.  230 
an.  Vgl.  auch  meinen  Aufsatz  in  Blätter  des  Vereines  für  Landeskunde  XXXV,  91 
(1901)  worin  ich  auf  die  tres  comitatus  der  Raffelstättener  Zollurkunde  aufmerksam 
gemacht  habe.  In  jüngster  Zeit  hat  Lampel,  Die  Babenbergische  Ostmark 
und  ihre  tres  comitatus  (Jahrbuch  für  Landesk.  von  Niederösterreich  II  und  III, 
1903  und  1904),  wo  man  sich  über  den  Stand  der  Frage  gut  orientieren  kann, 
eine  neue  Erklärung  versucht.  Er  denkt  an  die  Peilsteioer  Grafschaften  im 
Süden  der  Donau  und  fafst  also  die  tres  comitatus  rein  territorial,  betrachtet 
sie  jedoch  als  in  der  Ostmark  gelegen ,  und  läfst  den  Begriff  des  Landgerichtes 
auTser  Betracht.  Bei  dem  jetzigen  Stand  der  Frage  gelüstet  es  mich  nicht,  den 
schon  vorhandenen  Hypothesen  eine  neue  hinzuzufügen,  glaube  aber  allerdings, 
dafs  die  einfachste  Erklärung  die  wäre,  unter  den  „comitatus  quos  tres  dicunt" 
jene  Gebietsteile  zu  verstehen,  die  von  alters  her  mit  der  Mark  vereinigt  waren, 
nämlich  die  Riedmark  und  das  Machland. 


Ein  halbes  Jahrhundert  Babenbergischer  Politik.  311 

erhoben,  und  dem  Babenberger  Heinrich  und  seiner  Gemahlin 
Theodora  als  Lehen  übergeben,  und  zwar  als  erbliches  Manns- 
und Weiberlehen  ').  Der  uns  überlieferte  Text  der  Urkunde  weist 
noch  eine  weitere  Reihe  von  Verfügungen  auf:  dem  Herzog  sollte, 
falls  er  kinderlos  blieb,  ein  Vorschlagsrecht  hinsichtlich  der  Person 
des  Nachfolgers  zustehen  („ius  affectandi"),  der  Herzog  sollte  zur 
Heeresfolge  nur  bei  Reichskriegen  in  benachbarten  Ländern  und 
zum  Besuch  der  Hoftage  nur  in  Bayern  verpflichtet  sein,  endlich 
sollte  das  neue  Herzogtum  von  jeder  fremden  Gerichtsbarkeit  exi- 
miert  sein.  Ob  diese  Bestimmungen  bereits  in  der  Originalurkunde 
enthalten  waren,  steht  nur  hinsichtlich  der  letztgenannten  unzweifel- 
haft fest  -).  Die  feierliche  Urkunde,  die  alle  diese  Rechte  verbriefte, 
wurde  am  17.  September  1156  ausgestellt.  Es  ist  das  sogenannte 
Privilegium  minus  ^).    Damit  war  Osterreich  aus  einem  vom  Reiche 

1)  Gegen  die  .ältere  Ansicht  von  Chmel  und  Berchtold  (siehe  unten 
Anra.  3),  dafs  darunter  eine  Gesamtbelehnung  des  Hauses  Babenberg,  womit  also 
auch  eine  Kollateralenerbfolge  eingetreten  wäre,  zu  verstehen  sei,  eine  Ansicht, 
die  in  jüngster  Zeit  nochmals  Turba,  Geschichte  des  Thronfolgerechtes  in  allen 
habsburgischen  Ländern  bis  zur  pragmatischen  Sanktion  Kaiser  Karls  VI., 
115G — 1732  (Wien  und  Leipzig  1903)  energisch  verfocht,  haben  sich  alle  nam- 
haften Historiker  und  Eechtshistoriker ,  zuletzt  die  Kezensenten  des  Turbaschen 
Buches  ausgesprochen. 

2)  Hinsichtlich  der  drei  erstgenannten  hat  Erben,  Das  Privilegium  Fried- 
richs für  das  Herzogtum  Österreich  (Wien  1902)  den  Nachweis  versucht ,  dafs 
sie  spätere  Interpolationen  sind.  Die  diplomatische  Untersuchung  hat  unleugbar 
etwas  Bestechendes,  obwohl  die  objektive  Fassung  der  verdächtigen  Stellen  nicht 
ganz  einzig  dasteht  und  vermutlich  aus  dem  Hofgerichtsurteil  übernommen  wurde. 
Weniger  überzeugend  sind  die  anderen  Argumente  Erbens,  auf  die  ich  noch  zu- 
rückkomme. Vgl.  Simonsfeld  in  der  „Deutschen  Literaturzeitung"  XXV,  990, 
1904.  —  Zur  richtigen  Auffassung  der  Stelle  über  die  Gerichtsbarkeit  siehe 
B  r  u  n  n  e  r  ,  Das  Exemtionsrecht  der  Babenberger  (Wiener  Sitzungsberichte 
XLVII,  355). 

3)  Die  wichtige  Urkunde  ist  nicht  mehr  im  Original,  sondern  nur  noch  in 
mehreren  Kopien  aus  dem  13.  Jahrhundert  erhalten.  Abgedruckt  in  den  M.  G. 
SS.  XVII,  383,  im  Archiv  für  österreichische  Geschichte  VIII,  110  (Watten- 
tach), bei  Schwind-Dopsch,  Ausgewählte  Urkunden  zur  österreichischen 
Verfassungsgeschichte  (Innsbruck  1895)  S.  8  und  bei  Erben  a.  a.  0.  im  Anhang. 
Als  Zeugen  erscheinen  verschiedene  Fürsten  und  Grafen  des  deutschen  Reiches, 
ferner  die  Brüder  des  neuen  Herzogs  Otto  von  Freising  und  Konrad  von  Passau, 
aus  den  an  Österreich  angrenzenden  Gebieten  aufser  Wladislaw  von  Böhmen 
noch  der  Graf  von  Putten ,  endlich  einige  auch  in  Österreich  begüterte  Grafen : 


313        Elftes  Kapitel.     Ein  halbes  Jahrhundert  ßabenbergiseher  Politik. 

völlig  abhängigen,  von  einem  Markgrafen  verwalteten  Grenzlande 
zu  einem  fast  selbständigen  fürstlichen  Territorium  geworden,  das 
den  alten  Herzogtümern  an  Rechten  nicht  nur  gleichstand,  sondern 
sie  zum  Teile  sogar  übertraf.  So  ist  dieser  17.  September  1156 
der  Geburtstag  nicht  nur  des  Herzogtums  ()sterreich  geworden, 
sondern  auch  des  grofsen  Staatswesens,  auf  das  später  der  Name 
überging. 

Gebhard  von  Sulzbach,  Gebhard  von  Burghausen  und  der  Graf  von  Peilstein.  — 
Das  angebliche  Original  der  Urkunde,  das  im  Staatsarchiv  in  Wien  aufbewahrt 
wird,  ist  eine  Fälschung  aus  der  Zeit  Herzog  Kudolfs  IV.,  das  sogenannte  Privi- 
legium malus.  Sonderbarerweise  waren  die  Historiker  eine  Zeitlang  umgekehrter 
Ansicht.  So  verwarf  Hormayer  das  Privilegium  minus  (siehe  besonders  „Das 
grofse  österreichische  Hausprivileg  und  die  bayerischen  Archive",  München  1832), 
und  selbst  Forscher  wie  Zöpfl,  Gengier  und  Pertz  schlössen  sich  ihm  an 
trotz  des  Widerspruches  von  Moritz  u.  a.  Nachdem  Waitz  (Berliner  Jahr- 
bücher für  wissenschaftliche  Kritik  S.  81 ,  1838)  abermals  Bedenken  geäufsert 
hatte,  war  dann  Böhmer  in  seinen  Kegesten  des  Kaiserreiches  der  erste,  der  — 
allerdings  ohne  weitere  Begründung  —  das  Privilegium  malus  verwarf  und  das 
minus  für  ein  Machwerk  des  14.  Jahrhunderts  erklärte.  Die  nähere  wissenschaft- 
liche Begründung  gab  dann  in  ausführlicher  Weise  Wattenbach,  Die  öster- 
reichischen Freüieitsbriefe  (Archiv  f.  österr.  Gesch.  VIII,  77,  1852),  der  überdies 
die  Fälschung  genauer  in  die  Zeit  Herzog  Eudolfs  IV.  verlegte.  Aber  die  Wahr- 
heit fand  keineswegs  sogleich  überall  Zustimmung,  namentlich  die  österreichischen 
Historiker  sträubten  sich  noch  lange  dagegen.  In  erster  Linie  Chmel,  der 
beide  Privilegien  verdächtigte  und  sie  bald  in  die  Zeit  König  Ottokars,  bald 
Herzog  Leopolds  des  Glorreichen  versetzen  wollte  (Wiener  Sitzungsber.  VIII,  IX, 
1852,  XI,  1853,  XXIH,  1857,  XXVIII,  1858;  Mon.  Habsburg.  12).  Selbst 
Lorenz,  Die  Erwerbung  Österreichs  durch  Ottokar,  war  noch  nicht  von  der 
Echtheit  des  Privilegium  minus  überzeugt.  Erst  Ficker,  Über  die  Echtheit  des 
kleinen  österreichischen  Freiheitsbriefes  (Wiener  Sitzungsber.  XXIH,  489,  1857) 
und  Huber,  Über  die  Entstehungszeit  der  österreichischen  Freiheitsbriefe  (eben- 
daselbst XXXIV,  17,  1860)  setzten  das  Verhältnis  der  beiden  Urkunden  und  die 
Zeit  der  Fälschung  endgültig  fest  und  rechtfertigten  dabei  Wattenbachs  An- 
schauungen. Vgl.  dazu  noch  Berchtold,  Die  Landeshoheit  Österreichs  nach 
den  echten  und  unechten  Freiheitsbriefen  (München  1862)  und  Erben  a.  a.  0. 
Auf  das  Privilegium  malus  werde  ich  im  zweiten  Baude  noch  zurückkommen. 


Zwölftes   Kapitel. 

Der  Zustand  des  Landes  bei  der  Erhebung  zum 
Herzogtum. 


Es  wäre  falsch,  wollte  man  in  dem  österreichischen  Freiheits- 
brief lediglich  den  Ausflufs  einer  aufserordentlichen  Gnade  des 
Kaisers  erblicken.  Er  war  vielmehr  ein  Produkt  gegebener  Ver- 
hältnisse und  ein  unumgängliches  Gebot  der  Staatsklugheit.  Der 
ganze  Vorgang  durfte  nicht  den  Charakter  einer  Strafe  an  sich 
tragen.  Der  Kaiser  war  sich  jedenfalls  darüber  klar,  dafs  er  sich, 
wenn  er  Heinrich  von  Osterreich,  der  noch  dazu  sein  Oheim  war, 
sein  Herzogtum  nehmen  wollte,  nachdem  dieser  und  sein  verstorbener 
Bruder  Kaiser  und  Reich  die  treuesten  Dienste  geleistet  hatten, 
einer  Ungerechtigkeit  schuldig  machen  würde,  einer  Ungerechtig- 
keit, die  nicht  nur  seinem  Sinn  widerstreben  mochte,  sondern  die 
auch  politisch  unklug  gewesen  wäre,  da  sie  ihm  gewifs  viele  Reichs- 
fürsten, auf  deren  Hilfe  er  bei  seinen  weitausschauenden  anderen 
Plänen  angewiesen  war,  entfremdet  hätte.  Demnach  konnte  an 
eine  Schmälerung  der  bisherigen  "Würde  Heinrichs  gar  nicht  ge- 
dacht werden,  und  ein  solches  Verfahren  hätte  auch  durchaus  dem 
Herkommen  im  Reiche  widersprochen,  das  eine  Degradation  nicht 
kannte.  Durch  eine  blofse  Gleichstellung  Österreichs  mit  den 
anderen  Herzogtümern  des  Reiches  und  speziell  mit  Bayern  war 
aber  Heinrich  auch  nicht  gedient,  denn  trotz  der  bisherigen  unter- 
geordneten Stellung  der  österreichischen  Markgrafen  unter  den 
Reichsfürsten  hatten  sie  doch  infolge  der  eigentümlichen  Verhältnisse 
im  Grenzlande,  die  wir  schon  kennen  gelernt  haben,  so  manche 
Vorteile  gewonnen,  die  ihnen  einen  Vorzug  gegenüber  den  alten 
Stammesherzögen   gewährten    und  ihnen    doch    nicht  gut  entzogen 


314  Zwölftes  Kapitel. 

werden  konnten.  Da  war  vor  allem  die  Erblichkeit  der  Würde.  In 
den  Herzogtümern,  besonders  auch  in  Bayern  hatten  die  deutschen 
Könige  bisher  aus  poUtischen  Gründen  die  Erblichkeit  immer  wieder 
zu  durchkreuzen  gewufst.  Kaum,  dafs  hier  und  da  der  Sohn  dem 
Vater  folgte,  der  Enkel  kam  nicht  mehr  zur  Regierung.  Gerade 
im  Gegensatz  dazu,  namentlich  gegen  Bayern  hatten  die  Könige 
aber  die  Erblichkeit  der  Markgrai'enwürde  im  Geschlechte  der 
Babenberger  seit  nahezu  zweihundert  Jahren  begünstigt,  selbst  zu 
Zeiten,  da  ihre  Treue  sehr  zweifelhaft  war.  Diese  Erblichkeit  der 
Würde  konnte  ihnen  also  nicht  geschmälert  werden.  Dafs  auch  die 
weibliche  Deszendenz  als  erbberechtigt  erklärt  wurde,  bedeutet  aller- 
dings eine  weitgehende  Begünstigung.  Immerhin  ist  auch  in  dieser 
Hinsicht  auf  gewisse  Bevorzugungen  des  weiblichen  Geschlechtes, 
wie  sie  in  Österreich  und  bei  den  Babenbergern  üblich  waren, 
hinzuweisen;  z.  B.  pflegten  die  Töchter  bei  der  Heirat  mit  Land 
ausgestattet  zu  werden. 

Auch  durch  die  Verfügung  über  die  Gerichtsbarkeit  ^)  wurde 
dem  neuen  Herzog  keineswegs  eine  unerhörte  Gnade  verliehen, 
sondern  lediglich  die  dem  Markgrafen  ohnehin-  schon  zustehende 
Gewalt  fixiert  und  mit  der  herzoglichen  vereinigt.  Schon  vorher 
teilte  der  Markgraf  die  richterliche  Gewalt  mit  keinem  Grafen, 
wie  dies  in  den  Herzogtümern  der  Fall  war,  sondern  vereinigte 
sie  in  seiner  Hand.  Aber  auch  exemte  Gebiete  gab  os  im  Vergleich 
zu  den  Verhältnissen  in  anderen  Ländern,  wo  grofse  bischöfliche 
Territorien  bestanden,  kaum,  und  in  bezug  auf  die  meisten  Klöster, 
die  in  Österreich  Besitz  hatten,  übten  die  Babenberger  die  Gerichts- 
barkeit als  Vögte  aus.  Das  Privilegium  sollte  mit  seiner  Bestim- 
mung nur  neue  gerichtliche  Exemtionen  hintanhalten.  Der  Herzog 
konnte  die  richterliche  Gewalt  auch  weiter  verleihen.  Die  bisher 
bestehenden  Immunitäten  und  die  feudale   niedere  Gerichtsbarkeit 


1)  Über  die  Auffassung  des  diesbezüglichen  Passus  im  Privilegium  minus 
siehe  besonders  Brunner,  Das  gerichtliche  Exemtion sreclit  der  Babenberger 
(Wiener  Sitzungsber.  XL"VII,  343)  gegen  Berchtold,Die  österreichische  Landes- 
hoheit (München  1862),  der  annahm,  dafs  der  Königsbann  nunmehr  an  den  Herzog 
übergegangen  sei,  d.  h.  dafs  jegliche  richterliche  Gewalt,  auch  die  niedrige,  vom 
Herzog  verliehen  werden  mufste.  Siehe  aufserdem  Luschin,  Geschichte  des 
älteren  Gerichtswesens  in  Österreich  ob  und  unter  der  Enns  (Weimar  1879). 


Der  Zustand  des  Landes  bei  der  Erhebung  zum  Herzogtum.  315 

wurden  nicht  berührt,  ebensowenig  das  Appellationsrecht  an  den 
König  und  dessen  oberste  Gerichtsbarkeit  '). 

Es  bleiben  also  noch  die  Bestimmungen  des  Privilegiums  über 
die  Verpflichtungen  des  Herzogs  von  Österreich  gegen  das  Reich 
hinsichtlich  des  Besuches  der  Hoftage  und  der  Heereszüge  und  über 
das  Jus  affectandi,  d.  h.  das  Verfügungsrecht  über  die  Nachfolge 
im  Falle  der  Kinderlosigkeit.  Es  wäre  nicht  ausgeschlossen,  dafs 
sie  etwa  neunzig  Jahre  später  in  die  Urkunde  interpoliert  worden 
sind  2).  In  der  Tat  begegnen  wir  in  der  ganzen  Folgezeit  den 
österreichischen  Herzögen  sowohl  auf  aufserbayerischen  Hoftagen, 
als  auch  bei  Reichskriegen  fern  von  den  Grenzen  ihres  Landes, 
z.  B.  war  Herzog  Heinrich  sogar  bereits  im  Jahre  1158  wieder  in 
Mailand.  Aber  schliefslich  konnten  sie  ja  auch,  wenn  sie  wollten, 
die  Begünstigungen  unbenutzt  lassen.  Auch  darf  man  bei  allen 
Begünstigungen  des  österreichischen  Herzogs  nicht  aus  dem  Auge 
verlieren,  dafs  sie  nur  so  lange  Geltung  hatten,  als  die  Herzöge 
dem  Kaiser  Treue  hielten. 

Man  hat  die  eigentümhche  Verquickung  der  herzoglichen  und 
markgräflichen  Gewalt,  wie  sie  sich  im  Privilegium  minus  aus- 
drückt, nicht  unzutreffend  als  Markherzogtum  bezeichnet.  Es  stand 
in  der  Mitte  zwischen  den  alten  Stammesherzogtümern  und  den 
dem  Reiche  mit  Waffengewalt  angegliederten  nichtdeutschen  Terri- 
torien wie  insbesondere  Böhmen. 

Wir  haben  gesehen,  wie  die  Babenberger  im  letzten  Jahr- 
hundert stetig  an  der  Erlangung  einer  gröfseren  Selbständigkeit 
zuerst  gegenüber  dem  Herzogtum  Bayern,  dann  gegenüber  dem 
Reiche   gearbeitet   hatten  ^) ,   wie   ihre  Stellung   allmählich   in   die 

1)  Luschin  a.  a.  0.  17. 

2)  Dies  hat  Erben  a.  a.  0.  aus  diplomatischen  und  aus  politisch-recht- 
lichen Gründen  nachzuweisen  gesucht.  Die  Argumentation,  dafs  durch  die  Be- 
stimmungen über  Heerfahrt  und  Besuch  der  Hoftage  der  Herzog  von  der  Anteil- 
nahme an  den  Eeichsangelegenheiten  ausgeschlossen  worden  wäre,  ist  mir  nicht 
recht  verständlich.  Heerfahrt  und  Besuch  der  Hoftage  war  eine  Pflicht  der 
Eeichsfürsten  und  wurde  sicher  auch  als  Last  empfunden.  Die  Bestimmungen 
■waren  Begünstigungen,  büdeten  aber  keinen  Zwang.  Auch  werden  wir  noch  sehen, 
dafs  im  Georgenberger  Vertrage  den  steirischen  Ministerialen  dieselben  Begünsti- 
gungen in  dieser  Hinsicht  wie  den  österreichischen  verliehen  worden  sind. 

3)  Vielleicht  hängt  es  damit  auch  zusammen,    dafs  Leopold  IH,  im  Jahre 


31«  Zwölftes  Kapitel. 

neue  Würde,  die  scliliefslich  ihre  ßeniühungen  krönte,  hinein- 
gewachsen war.  Aber  auch  das  Land,  die  Mark  selbst,  hatte 
sich  unter  ihnen  allmählich  aus  einem  wenig  kultivierten,  vielfach 
geiahrdeten  Grenzland,  das  durch  tausend  Fäden  mit  dem  Mutter- 
lande verbunden  war  und  alle  Kräfte  der  Bevölkerung,  der  ma- 
teriellen und  geistigen  Kultur  daraus  bezog,  zu  einem  wohlhaben- 
den ,  blühenden ,  selbständigen  Gebiete  mit  eigenem  Leben  und 
eigener  Kultur  entwickelt. 

Dem  verwöhnten  Sohne  eines  alten  Kulturlandes  konnte  frei- 
lich die  Mark  noch  immer  einen  etwas  unwirtlichen  Eindruck 
machen,  wie  dies  der  Hofkaplan  König  Ludwigs  VIL  von  Frank- 
reich, Odo  von  Deuil,  äufserte,  der  im  Jahre  1147  hier  die  Strafse 
ins  Gelobte  Land  fuhr  ^),  aber  dennoch  war  ohne  Zweifel  die  Summe 
des  Geleisteten  erstaunlich.  Wie  rasch  damals  die  Kolonisation 
des  Landes  vorwärtsschritt,  läfst  sich  an  einigen  Beispielen  er- 
kennen: Fucha,  noch  1083  ein  desertum,  ist  1162  eine  Ortschaft, 
Mauerberg  (Mailberg),  ursprünglich  der  Name  eines  AValdes  (noch 
1055),  1082  ein  Ort;>  in  silva  Houperg  wurde  1083  eine  grofse 
Pfarre  gegründet,  schon  zwischen  1121  und  1138  kann  Michelbach 
als  neue  Pfarre  davon  getrennt  werden,  und  1162  werden  schon 
wieder  zwei  neue  Kirchen  Hainfeld  und  St.  Veit  genannt.  Es  war 
auch  die  Zeit,  in  der  das  Waldviertel  in  Nieder-,  das  Mühlviertel 
in  Oberösterreich  so  recht  eigentlich  erst  der  Ansiedelung  er- 
schlossen wurden.  Die  Kolonisation  des  Landes  war  nun  fast 
ganz  beendet.  Die  letzte  grofse  Etappe  der  Rodungen  und  Land- 
gewinnungen, der  dann  allerdings  noch,  wie  wir  sehen  werden, 
einige  kleinere  Nachzügler  folgten,  wird  durch  das  Auftreten  der 
Zisterzienser  bezeichnet,  denn  dieser  Orden,  der,  wie  bereits  er- 
wähnt, um  die  Mitte  der  dreifsiger  Jahre  des  12.  Jahrhunderts 
auch  in  Osterreich  seinen  Einzug  hielt,  verschmähte  den  arbeits- 
losen Besitz  und  sah  die  Erfüllung  der  strengen  Regel  des  heiligen 

1136  auch  für  sein  Land  eine  neue  offizielle  Bezeichnung  erfand,  nämlich  Austria 
(zum  ersten  Male  angewendet  in  der  Gründungsurkunde  vom  Heiligenkreuz,  Font, 
rer.  Austr.  XI,  1),  wahrscheinlich  um  den  durch  die  frühere  Bezeichnung  Marcha 
orientahs  leicht  erweckten  Anschein,  als  handele  es  sich  um  den  östlichen  Teü 
eines  auderen  Landes,  etwa  Bayerns,  zu  verwischen  (Vgl.  Müller,  Der  Name 
Österreich  in  Bl.  d.  Ver.  f.  Landesk.  XXXV,  402,  1901). 
1)  M.  G.  SS.  XXVI,  62. 


Der  Zustand  des  Landes  bei  dor  Erhebung  zum  Herzogtum.  317 

Benedikt  nur  in  der  Arbeit.  Er  entwickelte  wie  in  ganz  Deutsch- 
land so  auch  in  Osterreich  eine  hervorragende  kolonisatorische 
Tätigkeit.  Die  erste  Zisterziensergründung  Heiligenkreuz  (1135) 
lag  allerdings  nicht  völlig  in  unbebautem  oder  unbewohntem  Ge- 
biet, wenn  auch  noch  heute  die  Wälder  der  Umgegend  auf  die 
Bestände  der  damahgen  Zeit  einen  Schlufs  gestatten.  Dennoch 
war  der  Ort  für  die  Anlage  des  Klosters  ausgezeichnet  gewählt, 
denn  dieser  Teil  von  Österreich  besafs  noch  keinen  derartigen 
Mittelpunkt  der  Kultur. 

Eine  noch  weit  bedeutendere  Kulturmission  liel  dem  Kloster 
Zwettl  ^)  zu,  das  zwei  Jahre  später  mitten  im  dichten  Nordwalde 
in  halb  slawischem  Gebiet  gegen  die  böhmische  Grenze  zu  — 
auch  der  Name  stammt  aus  dem  Slawischen  (Svetlo=Lichtung)  — 
der  Ministeriale  Hadmar  von  Kuenring  mit  Zustimmung  seines 
Lehnsherrn,  des  Markgrafen  Leopold  IV.,  gründete,  indem  er 
Mönche  aus  Heiligenkreuz  dahin  berief.  Es  wurde  von  seinem 
Stifter  und  vom  Markgrafen  reichlich  ausgestattet,  und  seine  Be- 
deutung durch  einen  Bestätigungsbrief  des  Königs  (1139)  betont, 
der  es  darin  ausdrücklich  als  „Weihgeschenk  für  des  Reiches  Be- 
stand" bezeichnet^).  Ebenso  erhielt  auch  Heiligenkreuz  einen 
königlichen  Schutzbrief  und  beide  den  Schutz  und  Zehntbefreiung 
des  Papstes  ^). 

Damit  im  Zusammenhang  steht  eine  weitere  Zisterziensergrün- 
dung an  den  Ausläufern  des  Nordwaldes  gegen  das  Donauufer,  das 
Kloster   Baumgartenberg '^),    wohin  Otto  von  Machland   im    Jahre 


1)  Fräst,  Geschichte  des  Stiftes  Zwettl  (Kircbl.  Topogr.  XVI.  Bd.).  — 
Liber  fund.  Zwettl.  (Font.  rer.  Austr.  2.  Abt.  III.)  —  T  a  n  g  1 ,  Studien  über  das 
Stiftungsbuch  des  Klosters  Zwettl  (Archiv  f.  öst.  Gesch.  LXXVI,  261,  1890)  mit 
wichtigen  Untersuchungen  über  die  leider  noch  unedierten  ältesten  Zwettler  Ur- 
kunden. Ein  Urkundenbuch  bereitet  P.  Benedikt  Hammerl  vor.  Das  genaue 
Datum  der  Gründung  ist  der  31.  Dezember  1137.  —  Vgl.  auch  Friefs,  Die 
Herren  von  Kuenring  (Wien  1874). 

2)  M  ei  Her  26,  29.  Abgedruckt  bei  Tan  gl  a.  a.  0.  347  und  seine  Aus- 
führungen darüber  S.  327. 

3)  Jaffe,  Eeg.  Pont.  8079,  8080. 

4)  Über  Baumgartenberg  siehe  Pritz  im  Archiv  für  österreichische  Ge- 
schichte XII,  1,  1854.  —  Urkunden  bei  Kurz,  Beiträge  zur  Geschichte  des 
Landes  ob  der  Enns,  IH.  Band. 


318  Zwölftes  Kapitel. 

1141  ^leichi'alls  Zisterzienser  aus  Heiligenkreuz  berief.  Dagegen 
\vurde  ein  viertes  Zisterzienserstitt,  an  der  Donau  stromaufwärts 
gelegen,  das  Kloster  Wilhering  '),  aus  Rein  in  Steiermark  besiedelt, 
und  zwar  im  Jahre  1146  auf  Veranlassung  der  Brüder  Ulrich  und 
Cholo  von  Wilheririg-Waxenberg. 

Mit  den  gi'ofsen  Rodungen  und  Siedelungen,  die  von  diesen 
Kulturstätten  ausgingen  und  allerdings  noch  viele  Jahrzehnte  lang 
sich  fortsetzten,  war  im  wesentlichen  die  Besiedelung  der  Ostmark 
abgeschlossen.  Der  weiteren  Rodung  der  Waldgebiete  setzten  die 
Babenberger  auch  absichthch  ein  Ziel,  da  sie  sich  einen  aus- 
gedehnten Jagdbann  bewahren  wollten  ^).  Wenn  man  in  Betracht 
zieht,  wie  viele  Orte  im  Laufe  der  Jahrhunderte  wieder  abgekommen 
sind,  so  wird  man  sagen  können,  dafs  in  den  meisten  Gegenden 
des  Landes  bereits  im  12.  Jahrhundert  die  heutige  Anzahl  der 
Wohnstätten  und  Ortschaften  nicht  nur  erreicht  war,  sondern  in 
manchen  Teilen  des  Landes  sogar  übertrofFen  wurde  ^).  Die  Ent- 
wdckelung  innerhalb  150  Jahren  war  eine  gewaltige  und  rasche 
gewesen.  Das  war  wahrlich  ein  anderes  Land  als  das  unkulti- 
vierte Grenzgebiet,  über  das  einst  ein  Markgraf  Liutpold  oder 
Adalbert  geboten  und  in  dem  noch  sozusagen  alles  zu  tun  war. 
Auch  das  mufs  man  sich  vor  Augen  halten,  will  man  die  ver- 
änderte Stellung  des  Markgrafen  richtig  beurteilen. 

Wie  die  Markgrafen  von  Osterreich  allmählicli  auch  zu  den 
hervorragendsten  Grofsgrundbesitzern  des  Landes  zählten,  haben 
wir  bereits  früher  gesehen.    Die  letzten  bedeutenden  Schenkungen 

1)  Über  Wilhering:  Stülz,  Geschichte  des  Zisterzienserstiftes  Wilhering 
(Linz  1840);  Xenia  Bernardina  lU. ;  Grillnberger,  Die  Anfänge  des  Zister- 
zienserstiftes Wilhering  (Studien  u.  Mitt.  aus  dem  Benediktiner-  u.  Zisterzienser- 
orden XXIV,  92) ;  Urkunden  in  Kurz,  Beiträge  IV ;  Das  älteste  Urbar,  heraus- 
gegeben von  Grillnberger  (54.  Jahresber.  d.  Mus.  Francisco-Carolinum). 

2)  Ein  Beispiel  dafür  ist  die  Schenkung  an  Heiligenkreuz  vom  Jahre  1188 
(Font.  rer.  Austr.  2.  IX ,  24) ,  worin  ausdrücklich  der  Fortbestand  des  Waldes 
ausbedungen  wird.     Vgl.  Grund  a.  a.  0.  76. 

3)  Grund  a.  a.  0.  114  ff.  hat  für  die  verschiedenen  Teile  des  von  ihm 
untersuchten  Gebietes  (Wiener  Wald  und  Wiener  Becken)  die  Ortschaftsdichte 
im  Mittelalter  bestimmt.  Danach  kommen  in  einem  gewissen  Kaum  heute  auf 
100  Quadratkilometer  11^  Ortschaften  gegen  13  im  Mittelalter;  im  nördlichen 
Wiener  Becken  ist  die  Anzahl  der  Orte  von  220  auf  179  herabgesunken;  im 
Tullnerfeld  von  66  (oder  69)  auf  54  usw. 


Der  Zustand  dos  Landes  bei  der  Erhebung  zum  Herzogtum.  319 

der  deutschen  Könige  um  die  Mitte  des  11.  Jahrhunderts  wurden 
nach  und  nach  durch  vorteilhafte  Tauschgeschäfte  abgerundet. 
Ausgedehnter  Lehnsbesitz,  namentiich  Passauischer,  kam  dazu  und 
stellte  die  für  eine  erträgnisreiche  Bewirtschaftung  notwendige  Ver- 
bindung her.  Endlich  sind  noch  die  reichen  Einkünfte  aus  den 
Vogteien  der  meisten  in  Österreich  gelegenen  oder  begüterten  Klöster, 
wie  Melk,  Klosterneuburg,  St.  Polten,  St.  Nikolaus  und  zum  Teil 
Göttweig  hinzuzuzählen.  Bezeichnend  ist,  dafs  Markgraf  Leopold  IIL, 
als  er  1136  seinem  Sohne  die  Nachfolge  sichern  wollte,  ihm  vor  allem 
die  Vogtei  über  die  Kirchen  und  Klöster  übertrug  ^).  Dagegen 
gaben  die  Babenberger  immer  weniger  Besitz  aus  der  Hand,  denn 
seit  Leopold  IV.  liefsen  die  unter  seinen  beiden  Vorgängern  so 
freigebig  geübten  Schenkungen  an  die  Klöster  ziemlich  stark  nach. 
Besitz  in  Österreich,  namenthch  kostbarer  Weingartenbesitz 
wurde  von  selten  der  Klöster  immer  mehr  gesucht,  und  eine 
Reihe  auswärtiger  Stifter  wurde  gerade  in  dieser  Zeit  teils  durch 
Schenkungen  adehger  Geschlechter,  teils  durch  Tausch  in  Oster- 
reich landansässig.  St.  Peter  in  Salzburg  erhielt  an  der  Als  und 
in  Dornbach  bei  Wien,  Formbach  am  Bisamberg,  Ebersberg  und 
St.  Nikolai  bei  Persenbeug,  Berchtesgaden  und  Aldersbach  bei 
Krems,  Reichersberg  und  Mallersbach  am  Kamp  Güter  ^).  Ebenso 
vermehrte  sich  der  Besitz  der  österreichischen  Klöster  durch  Schen- 
kungen der  Adeligen  und  Seelgerätstiftungen  noch  immer  beträcht- 
lich. Selbst  der  Strahl  königlicher  Gnaden  fiel  noch  einmal  unter 
Leopolds  IV.  Halbbruder  König  Konrad  vorübergehend  auf  sie. 
Der  Periode  der  grofsen  Klosterreform  unter  Bischof  Altmann  war 
schon  längst  wieder  eine  Zeit  der  Verweltlichung  gefolgt.  Die  Art, 
wie  den  Klöstern  die  Güter  mühelos  in  den  Schofs  zu  fallen  pflegten, 
hatte  eine  wahre  Gier  nach  Besitzerwerb  und  den  damit  verbundenen 
Vorteilen  hervorgerufen.  Langandauernde  Besitzstreitigkeiten  kamen 
allmählich  an  die  Tagesordnung,  so  zwischen  Baumgartenberg  und 
Waldhausen  um  das  Erbe  ihres  Stifters  Otto  von  Machland  "'), 
zwischen    Göttweig   und   Rott   wegen  Güter   an   der   Schwarza  ^). 

1)  Cont.  Claustron.  I  (M.  G.  SS.  IX,  610). 

2)  Siehe  oben  S.  301. 

3)  Kurz,  Beiträge  zur  Geschichte  des  Landes  ob  der  Enns  III,  588, 

4)  Font.  rer.  Austr.  2.  Abt.  Vm,  270. 


330  Zwölftes  Kapitel. 

Damit  ging  Hand  in  Hand  das  Streben  der  Klöster,  sich  von  den 
zuweilen  drückenden  Fesseln  der  weltlichen  Macht  frei  zu  machen, 
das  Streben  nach  Entvogtung.  Aber  auch  von  der  Diözesangewalt 
und  deren  Übergriffen  suchten  sie  sich  zu  befreien.  Wie  Kloster- 
neuburg Befreiung  von  der  Abgabe  des  Marchfutters  erlangte  ^), 
so  erwarb  Melk  1110  Eximierung  von  der  Passauer  Diözese,  die 
neugegründeten  Zisterzienserklöster  Zehntbefreiung  ^).  Als  den  Gött- 
weigern  trotz  ihrer  privilegierten  freien  Abtswahl  vom  Bischof 
Konrad  von  Passau  aus  dem  Hause  der  Markgrafen  in  der  Person 
Werners  ein  fremder  Abt  aufgenötigt  wurde ,  fand  man  diesen  eines 
schönen  Tages  ermordet  auf  -).  Im  grofsen  und  ganzen  wird  man 
indessen  auch  in  bezug  auf  die  Klöster  sagen  können,  dafs  die 
Babenberger  ihre  Selbständigkeitsgelüste  mehr  zu  unterdrücken, 
ihren  eigenen  Einflufs  auf  sie  mehr  geltend  zu  machen  wufsten, 
als  dies  anderswo  von  selten  der  Landestürsten  der  Fall  war.  In 
der  Tat  spielten  die  österreichischen  Klöster  im  früheren  Mittel- 
alter fast  gar  keine  politische  Rolle. 

W^as  den  weltlichen  Grofsgrundbesitz  betrifft,  so  war  hier  alles 
bedingt  von  dem  grofsen  sozialen  Umschwung,  der  sich  in  unserer 
Periode  vollzog,  vielleicht  einem  der  gröfsten,  den  die  mittelalter- 
liche Welt  durchgemacht  hat.  Die  bisherige  germanische  Gesell- 
schaftsordnung beruhte  einzig  und  allein  auf  der  Unterscheidung 
von  persönhcher  Freiheit  und  Unfreiheit.  Im  12.  Jahrhundert 
verwischte  sich  dieses  Moment  mehr  und  mehr  und  an  seiner  Statt 
begann  Gleichheit  oder  Verschiedenheit  der  Lebensbedingungen 
und  der  Lebenstellung  für  die  Bildung  neuer  Gesellschaftsgruppen 
entscheidend  zu  werden.  So  entsteht  eine  neue,  eine  ständische 
Gliederung.  Eines  der  Hauptkriterien  war  jetzt  die  Wehrhaftig- 
keit,  die  Rittermäfsigkeit,  in  der  Folge  die  Ritterbürtigkeit,  ohne 
dafs  länger  persönliche  Unfreiheit  ein  Hindernis  gewesen   wäre  *), 


1)  Stumpf,  E.  3524. 

2)  Siehe  oben  S.  317. 

3)  Vita  Altmanni  c.  44.     (M.  G.  SS.  XII,  243). 

4)  Die  ursprüngliche  Unfreiheit  der  Dienstmannen  wird  jetzt  von  fast  allen 
namhaften  Forschern  angenommen.  Dagegen  wendet  sich  in  neuester  Zeit  nur 
Ernst  Mayer,  Deutsche  und  französische  Verfassungsgeschichte  vom  9.  bis 
14.  Jahrhundert  n,  201. 


Der  Zustand  des  Landes  bei  der  Erhebung  zum  Herzogtum.  331 

obwohl  natürlich  die  alten  Unterschiede  nicht  mit  einem  Male  ver- 
wischt werden  konnten. 

Noch  blühten  die  meisten  der  alten  Grafen-  und  Freien- 
geschlechter, aber  neue  wuchsen  in  unserer  Periode  kaum  mehr 
hinzu,  höchstens  dafs  durch  Filiation  und  Heirat  neue  Zweige  ent- 
standen. Die  Grafen  von  Neuburg-Falkenstein,  von  denen  Herrand 
die  Burg  Herrantesstein  (jetzt  Hörnstein  oder  Hernstein)  an  der 
Leithagrenze ,  Hademar  die  Burg  Hammerstein  gründete^),  und 
die  Grafen  von  Pernegg,  die  hauptsächHch  um  Drosendorf,  Geras 
und  Pernegg  begütert  waren,  aber  vermutlich  nur  einen  Zweig  der 
Grafen  von  Raabs  bildeten  '^) ,  tauchen  so  ziemHch  als  letzte  neue 
Grafengeschlechter  im  Lande  während  des  12.  Jahrhunderts  auf.  Et- 
was zahlreicher  waren  die  kleinen  Herrengeschlechter,  die  Ende  des 
11.,  Anfang  des  12.  Jahrhunderts  hervortreten  und  sich  nach  ihren 
Burgen,  um  die  ihr  zumeist  nicht  umfangreicher  Besitz  lag,  nennen. 
Sie  waren  in  der  Regel  Lehnsleute  der  Markgrafen.  So  finden 
wir  im  Süden  des  Landes  die  Herren  von  Traisen,  Kuffarn,  Lengen- 
bach, Griesbach,  im  Norden  die  Herren  von  Kamp,  Grie,  Ranna, 
Schleunz,  Nalb  u.  a.  m. 

Da  wurde  es  denn  von  weittragender  Bedeutung,  dafs  nun 
eine  neue  ebenfalls  waffenfähige,  also  nach  dem  sich  ausbildenden 
neuen  Begriff  ebenfalls  rittermäfsige  Klasse  aus  unfreiem  Ursprung 
emporkam  und  sich  einen  Platz  an  der  Seite  der  altfreien  Ge- 
schlechter zu  erringen  suchte  3).  Seit  etwa  1130  tauchen  diese 
Dienstmannen  oder  Ministerialen  zahlreich  in  den  Urkunden  der 
Markgrafen  auf,  von  denen  hier  nur  einige  genannt  werden  sollen, 
die  eine  hervorragendere  Rolle  spielten  oder  deren  Namen  noch  heute 
an  Örtlichkeiten  haften,  so  vor  allem  die  Kuenring,  die  Gründer 

1)  Becker,  Falkenstein  und  die  Falkensteiner  (Bl.  d.  Ver.  f.  Landesk, 
XIX,  420,  1885)  und  Herrenstein  (Wien  1882—1888),  von  welchem  umfang- 
reichen Werke  hier  der  HI.  (histor.)  Teü  von  Zahn  in  Betracht  kommt. 

2)  Über  die  Grafen  von  Pernegg  gibt  am  besten  Äufschlufs  die  Arbeit 
von  Zak  über  das  Prämonstratenserstift  gleichen  Namens  (Bl.  d.  Ver.  f.  Landesk. 
XXXIV,  XXXV,  1900,  1901). 

3)  Siegel,  Die  rechtliche  Stellung  der  Dienstmannen  in  Österreich  im 
12.  und  13.  Jahrhundert  (Sitzungsberichte  d.  Wiener  Akademie  CH,  235 ,  1883), 
Zallinger,  Ministeriales  und  Milites  (Innsbruck  1878)  und  Die  Eechtsgeschichte 
des  Kitterstandes  und  das  Nibelungenlied  (Jahrbuch  der  Leogesellschaft  XXXII,  1899). 

Vancsa,  Geschichte  Nieder-  u.  Oberösterreichs.  ^I 


333  Zwölftes  Kapitel. 

Ton  Zwettl,  die  Zelking,  die  Traun,  Julbach,  Pottenbrunn,  Sulz, 
Katzelsdort',  Kirchling,  Kranichberg,  Als,  Mistelbaeh,  Ort,  Kilb, 
Winkel,  Topel,  Zebingen,  Hintberg  (Himberg),  Simmering,  Tul- 
bingen,  Schönberg,  Wilhering  u.  v.  a.  m. 

Diese  Dienstmannen  hatten  keinen  eigenen  Besitz,  sondern 
zunächst  nur  ein  Dienstlehen  zu  ihrem  Lohn  und  Unterhalt,  er- 
langten aber  im  Laufe  des  12.  Jahrhunderts  die  passive  und  aktive 
Lehnbarkeit,  d.  h.  sie  konnten  mit  beliebig  vielen  Lehen  aus- 
gestattet werden  und  durften  ihre  Lehen  weiter  verleihen ;  ja  manch- 
mal wurden  ihnen  auch  ausdrücklich  Schenkungen  gestattet  ^). 
Von  den  Abgaben  der  Hörigen  waren  sie  befreit.  Wie  die  Freien 
können  sie  Zeugnis  ablegen  —  sie  werden  in  den  Urkunden  hinter 
jenen  genannt  — ,  sich  mit  Eideshelfern  rechtfertigen  und  Gerichts- 
beisitzer werden.  Da  sie  ihren  Herren  zunächst  in  persönlichen 
Dienstleistungen  zur  Seite  standen,  gewannen  sie  als  Waffenträger 
und  dann  als  Berater  einen  ganz  hervorragenden  Einflufs.  Sie 
repräsentierten  die  Wehrmacht  der  Markgrafen.  Darum  stützten 
sich  diese  ganz  besoqders  auf  sie  und  bevorzugten  sie  gegenüber 
den  anderen  Grofsen  des  Landes,  weil  eben  die  Ministerialen  der 
Natur  der  Sache  nach  ihnen  mehr  verpflichtet  und  ihre  Interessen 
viel  enger  mit  denen  der  Babenberger  verknüpft  waren.  Daher 
begegnen  jetzt  häufig  ehrende  Bezeichnungen  für  sie :  optimi,  nobiles, 
summi,  primi,  maiores,  viri  illustres. 

Aber  nicht  nur  die  Markgrafen,  auch  die  Grafen  und  Freien 
des  Landes,  sowie  die  Klöster,  ja  später  sogar  die  mächtigeren 
Ministerialen  selbst  hielten  sich  bewaffnete  Mannen,  von  denen 
wenigstens  einzelne  von  Grafen  und  Klöstern  abhängige  gleichfalls 
Ministerialen  genannt  wurden  und  eine  ähnliche  Stellung  einnahmen  2), 
in  der  Regel  aber  viel  tiefer  standen,  da  sie  nur  den  Waffendienst, 
nicht  aber  den  Hofdienst  ausübten  und  blofs  das  passive  Lehns- 
recht besafsen.  Es  sind  die  Milites  oder  Ritter,  in  bezug  auf  ihre 
Stellung  im  Heerbann  „einschildige"  Ritter  genannt  ^). 

1)  Z.  B.  in  dem  Privileg  für  das  Kloster  Keichersberg  vom  Jahre  1142. 

2)  So  werden  Ministerialen  der  Grafen  von  Hohenburg,  Peüstein,  Kaabs, 
Pernegg,  Schaumberg  usw.,  der  Klöster  Kremsmünster  und  Göttweig  genannt. 
Vgl.  Sie  gl  a.  a.  0.  237. 

3)  Strnadt,  Die  einschildigen  Ritter  im  13.  Jahrhundert  um  Krems- 
münster (Linzer  Zeitung  vom  7.,  14.  und  21.  Juli  1895). 


Der  Zustand  des  Landes  bei  der  Erhebung  zum  Herzogtum.  333 

Die  grofse  soziale  Umwertung  liefs  endlich  auch  die  unteren 
Klassen  nicht  unberührt.  Auch  hier  verblafste  das  Moment  der 
persönhchen  Unfreiheit  nach  und  nach,  und  die  WafFenunfähigkeit 
einerseits,  die  Beschäftigung  mit  dem  landwirtschaftlichen  Betrieb 
andrerseits  bildeten  jetzt  das  Kriterium:  jetzt  erst  kann  man  von 
einem  Bauernstand  sprechen.  Wie  scharf  dann  wieder  die  einzelnen 
neugebildeten  Klassen  und  Stände  voneinander  getrennt  waren, 
geht  daraus  hervor,  dafs  der  Landfrieden  von  1156  und  die  Kon- 
stitution Kaiser  Friedrichs  I.  von  1187  Bauernsöhne  überhaupt 
vom  ritterlichen  Leben  ausschlössen. 

Waren  solchermafsen  die  Dienstmannen  in  Osterreich  schon 
frühzeitig  zu  einer  bemerkenswerten  Selbständigkeit  gelangt,  so 
war  doch  andrerseits  der  Markgraf  darauf  bedacht,  sie  durch  Dienste 
und  Abgaben  möglichst  auszunutzen  und  an  sich  zu  fesseln.  Be- 
sonders Abgaben  lasteten  auf  dem  weltlichen  und  geistlichen  Grund- 
besitz der  Mark  viele  und  mannigfaltige  ^),  die  aus  den  Befugnissen 
des  Markgrafen  als  Heerführers,  beziehungsweise  Leiters  der  Grenz- 
verteidigung und  als  obersten  Richters  entsprangen  und  daher  als 
vom  Reiche  lehnsrührig  angesehen  wurden  ^). 

Da  war  vor  allem  eine  ganz  spezifisch  märkische  Abgabe, 
das  Marchfutter  (Marchdienst  oder  Marchmutte,  annona  marchialis, 
iustitia  marchiae),  die  sich  allerdings  nur  auf  die  vom  Kriegsdienst 
Befreiten,  also  hauptsächlich  die  geistlichen  Grundbesitzer  erstreckte, 
die  das  Futter  (Hafer)  für  die  Pferde  (Märe,  Marc)  liefern  mufsten 3).  — 

1)  Siehe  Dopsch,  Beiträge  zur  Geschichte  der  Finanzverwaltung  Öster- 
reichs im  13.  Jahrhundert  (Mitt.  des  Inst.  f.  österr.  Gesch.  XVIII,  232  und 
Einleitung  zu  den  Österr.  Urbaren  I).  —  Den  besten  Einblick  gewährt  die  Ur- 
kunde für  die  Propstei  Neustift  aus  dem  Jahre  1164  (Meiller,  Keg.  46,  63). 

2)  So  noch  in  den  kaiserlichen  Urkunden  von  1189  (Font.  rer.  Austr. 
XXXI,  121)  und  1217  (Meiller,  Keg.  121,  147). 

3)  Vgl.  Brunners  Erklärung  in  den  Sitzungsberichten  der  Wiener  Aka- 
demie XLVII,  843.  Dagegen  allerdings  Waitz,  Verfassungsgeschichte  VIII, 
392  Nr.  2.  —  Gegen  Schröders  (Deutsche  Kechtsgesch.  432,  4.  Aufl.)  An- 
sicht, das  Marchfutter  wäre  eine  Abgabe  von  allen  Neukulturen,  siehe  Dopsch 
a.  a.  0.  238.  Vgl.  ferner  Wretschko,  Das  österreichische  Marschallamt  im 
Mittelalter  38  (Wien  1897).  —  Zu  trennen  von  dieser  ursprünglichen  Bedeutung 
des  Marchfutters  ist  die  spätere  (seit  Ende  des  13.  Jahrhunderts),  die  sich  mit 
Vogtrecht  und  Vogthafer  vermengt.  Auch  die  Marchsteuer  ist  davon  zu  unter- 
scheiden. 

21* 


334  Zwölftes  Kapitel. 

Eine  andere  Leistung  war  das  Burgwerk,  das  entweder  in  tätiger 
Älithilte  an  der  Aufführung  und  Erhaltung  der  für  die  Mark  not- 
wendigen Befestigungen  (MateriaUieferung,  Fuhren  usw.)  oder  einer 
entsprechenden  Geldleistung  bestand. 

Bezogen  sich  diese  Leistungen  auf  Krieg  und  Landesverteidi- 
gung, so  hingen  andere  mit  dem  markgräf liehen  Gerichtswesen 
zusammen.  Die  Bufs-  und  Sühnegelder  gehörten  dem  Markgrafen. 
Die  Richter  und  die  Gerichtsboten  mufsten  von  der  Bevölkerung 
verköstigt,  ihnen  Pferde  und  Nachtquartier  gestellt  werden  (die 
Nachtseide)  usw.  Aufserdem  legte  die  Landgerichtsfolge  den  ein- 
zelnen gar  manche  Beschwerde  und  Auslage  auf.  Doch  konnte 
man  sich  später  auch  von  ihr  durch  eine  Geldabgabe,  die  so- 
genannten Landpfennige,  loskaufen.  Zu  diesen  landesfürstlichen 
Abgaben  kamen  dann  noch  die  Vogteiabgaben  und  die  Zehnten. 

In  letzter  Linie  bildete  die  gedeihliche  Entwickelung  des  Landes, 
der  blühende  Zustand  der  wirtschaftlichen  Verhältnisse  ^)  die  sichere 
Grundlage,  auf  der  alle  diese  weltlichen  und  geistlichen  Kräfte 
und  die  Macht  des  Markgrafen  emporwuchsen. 

Man  darf  natürlich,  wie  bei  jeder  reichen  Entwickelung,  nicht 
blofs  eine  Bewegung  nach  einer  einzigen  Richtung  hin  annehmen; 
es  regen  sich  vielmehr  gleichzeitig  verschiedenartige  Kräfte,  die 
eine  Zeitlang  parallel  wirken,  dann  wieder  sich  kreuzen. 

Die  Grundherren  übten  auch  über  ihre  Hinteisassen  die  Ge- 
richtsbarkeit in  den  causae  minores,  d.  h.  die  niedere  Gerichtsbarkeit, 
aus,  und  schon  strebte  man  allerorts  danach,  ein  eigenes  Hofrecht 
auszubilden.  Dafs  der  Grundholde  keine  Freizügigkeit,  kein  Recht 
an  Grund  und  Boden  besafs,  war  selbstverständlich  und,  wie  wir 
wissen,  seit  alters  feststehend.  Aber  auch  die  Verheiratung  hing 
ganz  vom  Grundherrn  ab,  und  dieser  besafs  auch  das  Erbrecht 
auf  den  Nachlafs.  Später  trat  für  diese  Rechte  die  mildere  Form 
der  Abgaben  ein.  Im  Todesfall  erhielt  der  Grundherr  das  sogenannte 
Besthaupt  (das  beste  oder  zweitbeste  Stück  Vieh),  auch  Mortuarium, 
Todrecht,  genannt.  Der  Zwang  des  Grundherrn  erstreckte  sich  auch 
auf  die  Abnahme  von  Lebensmitteln  und  Gewerbeprodukten.    Die 


1)  Für  das  12.  Jahrhundert   sind  wir  mangels  an  Quellen  leider  sehr  un- 
vollkommen darüber  unterrichtet. 


Der  Zustand  des  Landes  bei  der  Erhebung  zum  Herz-^gtum.  335 

Grundholden  mufsten  ihren  Wein,  ihr  Bier,  ihr  Mehl,  ihre  Kleidung, 
ihre  Hausgeräte  aus  den  herrschaftlichen  Weinschenken,  Brauereien, 
Mühlen  und  von  den  Handwerkern  des  Hofes  beziehen. 

Neben  diesen  Entwickelungsmomenten ,  die  noch  immer  dem 
Grofsgrundbesitz  neue  Kräfte  zuführten,  machte  sich  aber  bereits 
eine  Bewegung  geltend,  die  später  die  alte  straffe  Organisation  der 
Grundherrschaft  lockerte  und  schwächte.  Dieselbe  hängt  mit  der 
immer  mehr  zunehmenden  Unmöglichkeit  zusammen,  bei  dem  An- 
wachsen einzelner  Gutskörper  einerseits,  bei  der  verstreuten  Lage 
der  Gutsteile  andrerseits  die  Zentralisation  und  den  Eigenbetrieb 
aufrechtzuerhalten.  Die  Grundherren  waren  genötigt,  entlegenere 
Gebiete  von  ihren  Dienstmannen  und  Lehnsleuten  als  sogenannte 
Meier  oder  Schaffer  bewirtschaften  zu  lassen.  Die  Klöster  halfen 
sich  hier  und  da  damit,  dafs  sie  Klosterbrüder  in  kleinen  Wirt- 
schaften, Obedienzen  oder  Propsteien,  bei  den  Zisterziensern  Grangien 
genannt,  exponierten,  z.  B.  Garsten,  Göttweig  (Propstei  Unternalb), 
Öeitenstetten  (Propstei  auf  dem  Sonntagberg),  Niederaltaich  (Propstei 
Spitz)  und  Formbach  (Propstei  Gloggnitz).  Die  meisten  Hoch- 
stifter und  Klöster,  von  ihren  österreichischen  Besitzungen  weit 
entfernt,  errichteten  Fi'onhöfe,  auf  denen  ihre  Meier  safsen.  Aber 
auch  bei  Nahbesitz  und  verhältnismäfsiger  Zentralisation  pflegten 
die  Grundbesitzer  immer  weniger  den  ganzen  Betrieb  allein  dui'ch- 
zuführen,  sondern  sich  nur  ein  kleines  Gebiet  oder  gewisse  Arten 
des  Betriebes  (Mühlen,  Backhaus,  Brauereien,  Weinkelter  und 
Weinschank)  vorzubehalten,  den  sogenannten  Herrschaftsbann.  Die 
übrigen  Hufen,  Hofstätten  und  Curtiha,  ja  Ackergründe  wurden 
Zinsbauern  überlassen,  wie  denn  auch  der  Meier  bei  ausgedehnterem 
Besitz  genötigt  war,  das  gleiche  mit  dem  ihm  zugewiesenen  Gutsteil 
zu  tun.  So  wuchs  auch  die  Stellung  der  Zinsbauern,  und  ihre 
Lage  besserte  sich  zusehends.  Sie  wurden  selbständiger,  fast 
könnte  mau  sagen  freier  und  gewannen  Anteil  an  der  Über- 
produktion, dadurch  auch  gröfseres  Interesse  an  der  Bewirtschaf- 
tung der  ihnen  zugewiesenen  Hufen  und  Hufenteile,  und  aus 
diesem  Interesse  zog  wieder  die  Bewirtschaftung  selbst  ihren  Vor- 
teil. Ohne  Zweifel  haben  sich  anfangs,  also  im  12.  Jahrhundert, 
die  geschilderten  eigentlich  einander  feindlichen  Strömungen  noch 
nicht  gekreuzt,   sondern    sie   gingen  noch    nebeneinander    her,    sie 


S26  Zwölftes  Kapitel. 

gereichten  gerade  in  Osterreich  zunächst  dem  Grofsgrundbesitz 
zum  Vorteil,  lorderten  die  Kultur  des  Landes  und  hoben  die  Lage 
der  Gesamtbevölkerung. 

Von  den  landwirtschaftlichen  Betrieben  ')  nahm  ohne  Zweifel 
der  Weinbau  den  gröfsten  und  raschesten  Aufschwung,  so  dafs 
Osterreich  unter  der  Enns  allmählich  ganz  vornehmlich  ein  Wein- 
land wurde.  Von  den  Rebenhügeln  der  Wachau,  wo  der  Wein- 
bau, wie  wir  wissen,  schon  in  der  Karolingerzeit  blühte,  zog  er  sich 
nun  tief  in  die  Seitentäler  der  Donau :  an  die  Pielach ,  an  die 
Traisen,  an  den  Kamp,  an  die  Perschhng,  ins  Tullnerfeld.  Die 
Umgebung  von  Wien  wurde  nunmehr  ein  neues  Zentrum,  die 
sanft  abfallenden  Höhen  des  Kahlengebirges  waren  von  Weingärten 
überdeckt,  und  im  weiteren  Verlaufe  des  12.  Jahrhunderts  zählte 
das  Stift  Klosterneuburg  allein  bereits  deren  53  in  seinem  Besitz. 
Aber  auch  im  Viertel  unter  Manhartsberg  werden  bereits  die  Wein- 
pflanzungen von  Retz  und  Markersdorf  bis  Schweinbarth,  ja  bis 
Stillfried  genannt,  und  im  Südosten  breitete  sich  der  goldene  Segen 
imi  Baden  und  Vöslau  ,aus,  so  dafs  Heiligenkreuz  um  1149  schon 
21  Weingärten  besafs.  Bald  erlangten  die  österreichischen  Weine 
weitverbreiteten  Ruf,  und  die  süddeutschen  Klöster  aus  weinarmen 
Gegenden  suchten  durch  Tausch  oder  Kauf  in  Osterreich  Wein- 
gärten zu  gewinnen.  Bald  war  der  Wein  ein  hervorragender  Artikel 
des  Ausfuhrhandels.  Dafs  gerade  der  Weinbau  au.h  eine  starke 
Änderung  in  der  Wirtschaftsorganisation  nach  sich  zog,  darauf 
wurde  schon  hingewiesen.  Wo  Weingärten  waren,  konnte  der 
Flurzwang  nicht  mehr  aufrechterhalten  bleiben,  doch  auch  eine 
Hufeneinteilung  war  nicht  möglich;  das  Weingut  konnte  vielmehr 
nur  einer  kleinen  Hofstatt  gleichgesetzt  werden,  denn  es  reichte  zum 
Unterhalt  einer  Familie  nicht  aus.  Dagegen  suchten  die  Wein- 
bauern, die  Hauer  und  Winzer,  einen  genossenschaftlichen  Zu- 
sammenschlufs ,  der  sich  zunächst  in  einem  sich  entwickelnden 
besonderen  Bergrecht  ausdrückt.  Beim  Weinbau  endlich  finden 
wir  bereits  um  die  Mitte  des  12.  Jahrhunderts  eine  besondere 
Form  der  Besitz  Verleihung  in  Gebrauch,    die   später   immer  mehr 


1)  Auch  darüber  siehe  eingehend  Dopsch  in  der  Einleitung  zu  den  „Öster- 
reichischen Urbaren"  S.  CLXxvf. 


Der  Zustand  des  Landes  bei  der  Erhebung  zum  Herzogtum.  337 

Geltung  gewann,  die  freie  Erbleihe,  die  sogenannte  Leihe  zu  Burg- 
recht  ^). 

Im  Feldbau  ^)  stand  der  Hafer,  der  nicht  nur  zur  Nahrung 
verarbeitet  wurde,  sondern  auch  als  Viehfutter  namentlich  für  die 
Pferde  und  zur  Malzbereitung  diente,  in  erster  Linie,  nach  ihm 
der  Roggen,  weniger  der  Weizen  (wesentUch  nur  im  Marchfeld 
und  Waldviertel),  sehr  selten  Gerste,  daneben  insbesondere  Mohn, 
dann  Hülsenfrüchte  und  Gemüse,  Lein  und  Hanf,  auch  Hopfen. 
Obstbau,  in  Niederösterreich  noch  wenig  betrieben,  entwickelte 
sich  vielfach  im  Zusammenhang  mit  der  Weingartenkultur,  z.  B. 
im  Tullnerfeld. 

Was  die  Viehzucht  betrifft,  so  bheb  die  Züchtung  des  Grofs- 
viehes  (Pferde,  Rindvieh)  im  Domanialbetrieb,  während  das  Klein- 
vieh (Schafe,  Ziegen,  Schweine),  das  Geflügel  und  die  Bienen 
(wichtig  wegen  des  Honigs  als  Zucker  und  des  Wachses  zur 
Kerzenbereitung)  den  Zinsbauern  überlassen  wurden.  Den  ersten 
Rang  nimmt  die  Schweine-  und  Geflügel-  (besonders  Gans-)  zucht 
ein.  Mit  der  Viehzucht  in  Verbindung  steht  einerseits  die  Wiesen- 
kultur, die  schon  im  11.  Jahrhundert  in  den  Flufstälern  der  Donau, 
Url,  Ips  und  Pielach  bezeugt  ist,  aber  in  der  ersten  Zeit  spärlich 
bleibt,  andrerseits  die  Waldmast,  besonders  für  die  Schweine,  aber 
in  Österreich  auch  für  Schafe  (Forstschafe),  denn  bei  der  Drei- 
felderwirtschaft war  eine  Stallfütterung  ausgeschlossen.  Aufserdem 
bot  der  Wald  natürlich  noch  immer  unerschöpflichen  Jagdgrund 
und  Holzschlag.  Ihn  suchte  der  Landesfürst  in  der  Hand  zu  be- 
halten. 

Auch  der  Fischfang  in  der  Donau  und  ihren  Alpenzuflüssen 
war  sehr  erträgnisreich.  Sogar  Hausen  (Störe)  kamen  damals  noch 
die  Donau  aufwärts  bis  nach  Osterreich  ^) ,  wie  denn  unter  den 
Abgaben  auch  „Hausenpfennige"  erwähnt  werden.    Günstige  Stellen 


1)  Um  Krems  (ÜB.  d.  L.  o.  d.  Enns  I,  165). 

2)  Einen  guten  Beleg  bietet  das  Einkünfteverzeichnis  des  Bistums  Freising 
aus  der  Mitte  des  12.  Jahrhunderts  (Inama-Stern egg,  Deutsche  Wirtschafts- 
geschichte II,  476  Beil.  I).  Ebenso  sind  gerade  hier  die  Ortsnamen  zur  näheren 
Erkenntnis  heranzuziehen  (siehe  oben  S.  227). 

3)  Abt  Gozbert  von  Tegernsee  (982—1001)  suchte  sie  aus  Österreich  durch 
wahre  Bittgesuche  zu  beziehen. 


328  Zwölftes  Kapitel. 

für  den  Fischfang  werden  als  „arichstetti"  eigens  vergabt.  Es  ist 
sogar  nicht  ausgeschlossen,  dafs  in  der  Donau  und  anderwärts 
Versuclie  mit  der  Goldwäscherei  gemacht  worden  sind,  wenigstens 
würden  die  Ortsnamen  Goldwörth  bei  Linz,  Goldarn  im  Mühl- 
kreis, Goldruns  im  Marchfeld  und  Goldarn  bei  Sieghartskirchen, 
die  zumeist  bereits  im  12.  Jahrhundert  belegt  sind,  darauf  hindeuten. 

Von  den  herrschaftlichen  Gewerbebetrieben  war  schon  die 
Rede.  Neben  den  Mühlen,  Backhäusern,  Brauereien,  Schmieden, 
Kalköfen  und  Pechsiedereien  ward  namentlich  auch  die  Gewandstube 
des  Herrenhofes  wichtig,  wo,  zumeist  von  der  weiblichen  Dienerschaft, 
die  Kleider  und  alles  vorbereitende  Zubehör  verfertigt  wurden. 
Bei  den  grofsen  Herrschaften,  besonders  den  Klöstern,  waren  die 
Gewerbe  organisiert  und  den  verschiedenen  alten  Hofämtern  zu- 
gewiesen. Tuchwalkereien  (Stampfen)  sind  besonders  in  Ober- 
österreich mehrfach  bezeugt  ^),  das  Tuch  von  Wels  besafs  schon 
um  die  Mitte  des  12.  Jahrhunderts  einen  Ruf-).  Von  den  Klöstern 
haben  die  Zisterzienserklöster  auch  auf  dem  Gebiete  des  Gewerbes 
hervorragende  Verdienste  sich  erworben.  In  ihnen  wurden  die 
Gewerbe  als  Hausindustrie  betrieben.  Heihgenkreuz  erhielt  1149 
von  Herzog  Heinrich  das  Gut  Münchendorf  zu  dem  Zwecke,  dafs 
es  von  dem  Erträgnis  Werkstätten  errichten  könne  ^).  —  Von  den 
Zinsbauern  wurde  wohl  gleichfalls  die  Plausindustrie  gepflegt. 

Landwirtschaft,  insbesondere  Weinbau,  und  einige  der  gröfseren 
Gewerbebetriebe  ergaben  eine  Überproduktion,  die  auf  dem  Markte 
abgesetzt  wurde  und  schon  damals  einen  gewissen,  wenn  auch 
noch  nicht  hervorragenden  Ausfuhrhandel  zur  Folge  hatte,  der, 
durch  die  Kreuzzüge  begünstigt,  sich  Donau  abwärts  nach  dem 
Orient  bewegte,  von  wo  wieder  andrerseits  \^^aren,  namentlich 
Stoffe,  Gewürze  u.  dgl.  eingeführt  wurden.  Aber  auch  gegen 
Süden  ging  der  Handelsverkehr:  jedenfalls  wurde  Eisen  und  Salz 
aus  den  nordsteierischen  Gebirgen  bezogen  ^). 


1)  Urbar   der  Hofmark   Steyr  (Österr.  Urbare  260).     Vgl.    dazu  Dopscb 
in  der  Einleitung  S.  clxxxis. 

2)  Studien  und  Mitteilungen  aus  dem  Benediktiner-  und  Zisterzienserorden 
XX,  161. 

3j  Font.  rer.  Äustr.  2.  Abt.  XI,  6. 

4)  Siehe  jetzt  insbesondere  Luschin   in   der   „Geschichte  Wiens",  hgg. 


Der  Zustand  des  Landes  bei  der  Erhebung  zum  Herzogtum.  331> 

So  flofs  der  Reichtum  des  Landes  aus  hundert  Quellen,  so  blühte 
das  Land,  so  wuchs  die  materielle  Kultur,  so  lebten  die  Bewohner 
im  Wohlstande.  Auch  die  Bevölkerungszahl  mag,  wie  man  aus 
der  Dichtigkeit  der  Besiedelung  und  der  Vergröfserung  der  Wohn- 
plätze schliefsen  kann,  sehr  rasch  gestiegen  sein.  Die  günstigen 
Lebensbedingungen  verringerten  die  Sterblichkeit  und  lockten  noch 
immer  neuen  Zuzug  aus  dem  Westen  an. 

Aber  auch  die  geistige  Kultur,  vordem  unter  der  Gefährdung 
des  Grenzlandes  und  den  schweren  Mühen  des  Kolonisten  stark 
in  den  Hintergrund  gedrängt,  hatte  sich  in  den  letzten  fünfzig 
Jahren  aus  den  Keimen,  die  das  Zeitalter  Altmanns  gelegt  hatte, 
überraschend  reich  entwickelt.  Allerdings  waren  die  Kreuzzüge 
für  diese  Entwickelung  ganz  aufserordentlich  günstig.  Die  grofse 
kirchenreformatorische  Bewegung,  die  in  Osterreich  einen  so  frucht- 
baren Boden  fand,  spann  geistige  Fäden  hinüber  nach  dem  Westen, 
vor  allem  nach  Frankreich,  dem  Geburtslande  dieser  Bewegung. 
Der  Prinz  des  Babenbergischen  Hauses,  Bischof  Otto  von  Freising, 
vordem  Konventuale  von  Morinmnd  und  Propst  von  Klosterneuburg, 
ist  uns  bereits  als  edle  Verkörperung  dieses  Kulturaustausches  ent- 
gegengetreten. Französische  Wissenschaft  —  Theologie  in  der  Form 
der  Scholastik  —  und  französische  Bildung  gelangten  so  in  die  Donau- 
lande, aber  auch  französische  Sitten.  Schon  1125  wurde  an  dem 
Sohne  Markgraf  Leopolds  HL  Adalbert  mit  noch  120  anderen  Söhnen 
adeliger  Häuser  der  feierliche  Ritterschlag  vorgenommen  ^).  Später 
drangen  mit  anderen  ritterlichen  Gebräuchen  insbesondere  die  Turniere 
aus  Frankreich  ein.  Die  Kreuzzüge,  namentlich  der  des  Jahres  1 147, 
bei  dem,  wie  wir  bereits  wissen,  auch  das  französische  Heer  längs 
der  Donau  durch  Österreich  zog  und  hier  lagerte,  ja  französische 
Priester  sogar  österreichische  Kirchen  weihten  —  Bischof  Heinrich 
von  Troyes  weihte  die  Kirche  von  Werd  bei  Melk  — ,  steigerten 

vom  Altertumsvereine  1 ,  397  f.  (mit  einer  Karte  der  Verkehrswege).  Vgl.  auch 
Schreiber,  Der  Donauverkehr  von  den  ältesten  Zeiten  bis  zum  Ausgange  des 
Mittelalters  (V.  Jahrosber.  der  Handelsschule  in  Bozen  1895)  und  Newald, 
Ein  Beitrag  zur  Kenntnis  der  alten  Strafseuverbindungen  des  Wiener  Beckens 
mit  den  obersteierischen  Eisenbergwerken  und  Salinen  (Bl.  d.  Ver.  f.  Landesk. 
IV,  282,  1870). 

1)  Contin.  Claustroneob.  I.     M.  G.  SS.  IX,  613. 


330  Zwölftes  Kapitel. 

diese  Eintlüsse.  Vor  allem  aber  brachte  der  betriebsame  Orden 
der  Zisterzienser  wichtige  Kulturelemente  aus  Frankreich  nach 
Österreich.  Gewerbe,  Kunstgewerbe  und  Kleinkünste,  besonders 
aber  die  Architektur  nahm  durch  ihre  an  französische  Vorbilder 
anknüpfenden  Arbeiten  einen  gewaltigen  und  für  die  Folgezeit 
bestimmenden  Aufschwung  ').  Die  ältesten,  bis  auf  die  Gegenwart 
erhaltenen  Baureste  des  Mittelalters  in  Niederösterreich  führen  uns 
in  die  neugegrüudeten  Zisterzienserklöster,  in  erster  Linie  nach 
Heiligenkreuz,  und  zeigen  bereits  den  schön  ausgebildeten  roma- 
nischen Stil  nach  französischen  Mustern,  besonders  Citeaux  2). 
Wenige  Jahrzehnte  später  (um  1181)  schuf  ein  französischer 
Meister,  Nikolaus  von  Verdun,  von  dem  auch  der  Marienschrein 
in  Tournai  stammen  dürfte,  für  Klosterneuburg,  das  ja  auch  eine 
Zeitlang  von  dem  französischen  Zisterziensersitz  Morimund  be- 
einflufst  war,  jenes  herrliche  Werk  der  Emailtechnik,  das  ursprüng- 
lich Verkleidung  einer  Kanzel  war,  im  Jahre  1318  aber  nach  einem 
Brande  zu  einem  Altarwerke  umgewandelt  wurde  und  noch  heute 
als  Verduner  Tafeln  weltberühmt  ist  ^). 

Frankreich  übte  wohl  die  stärkste,  aber  durchaus  nicht  die 
einzige  Einwirkung  aus.  Wie  gewaltig  mufs  die  Phantasie  des 
Volkes  durch  die  Kreuzzüge  ins  ferne,  sagenumsponnene  Gelobte 
Land  angeregt  worden  sein!  Die  Heimkehrenden  erzählten  von 
den  Wundern  des  Orients,  von  den  Kämpfen  mit  den  Ungläubigen 
und  brachten  fremdartige,  verlockende  Schätze  mit.  Für  Osterreich 
wurden  die  Kreuzzüge  von  ganz  besonderer  Bedeutung  dadurch, 
dafs  einerseits,  wie  wir  sahen,  die  natürUche  Heerstrafse  durch 
das  Land  führte,  und  dafs  andrerseits  durch  sie  eine  direkte  Ver- 
bindung  angeknüpft   wurde,   die  sich  in  der  Vermählung  Herzog 

l)Strygowski  in  Ilgs  Kunstgesohichtl.  Charakterbildern  aus  Öster- 
leich  (Prag,  Wien,  Leipzig  1893);  Sacken  in  der  Topographie  von  Nieder- 
österreich I,  662. 

2)  Neuwirth,  Zisterzienserkunst  in  Österreich  während  des  Mittelalters 
(Kektoratsrede  an  der  technischen  Hochschule  in  Wien,  Wien  1903). 

3)  Über  die  Kunst  in  Klosterneuburg  siehe  Drexler,  Das  Stift  Kloster- 
neuburg. Eine  kunsthistorische  Studie  (Wien  1894).  —  Über  den  Verduner 
Altar  schrieb  zuerst  Heider  in  den  Berichten  und  Mitteüungen  des  Altertums- 
vereines zu  Wien  IV,  1860  eine  eingehende  Monographie;  jetzt  Drexler,  Der 
Verduner  Altar  (Wien  1903). 


Der  Zustand  des  Landes  bei  der  Erhebung  zum  Herzogtum.  331 

Heinrichs  mit  der  griechischen  Prinzessin  Theodora  gewissermafsen 
verkörperte.  So  kam  an  den  Wiener  Hof,  der  kurz  zuvor  franzö- 
sischen Sitten  Eingang  gewährt  hatte,  auch  orientahsches  Wesen  ^). 
Auf  die  engen  Beziehungen  zum  heiUgen  Lande  ist  es  auch  zurück- 
zuführen, dafs  im  Jahre  1156  der  dort  gegründete  Ritterorden 
der  Johanniter  ein  Gut  in  Osterreich,  nämhch  zu  Mailberg,  er- 
hielt ^) ,  wo  später  eine  eigene  Johanniterkommende  entstand. 

Die  kriegerischen,  abenteuerreichen  Zeiten,  in  denen  so  mancher 
die  heimatliche  Scholle  verliefs,  um  im  fernen  Osten  in  wilden 
Kämpfen  seinen  Mut  zu  versuchen,  weckten  aber  auch  aufs  neue 
den  Sinn  für  die  Heldendichtung. 

Namentlich  jene  alten  Sagen  und  Heldenlieder,  die  in  so 
wundersamer  Weise  die  Elemente  des  germanischen  Mythos,  die 
Erinnerung  an  den  gewaltigen  Zusamraenprall  der  germanischen 
Völkerschaften  mit  den  Hunnen  in  den  Donauländern  zur  Völker- 
wanderungszeit und  die  dichterische  Ausgestaltung  und  Verklärung 
der  Kämpfe  mit  den  Ungarn  im  10.  Jahrhundert  in  getreuer 
Widerspiegelung  der  Verhältnisse,  Personen  und  Ortlichkeiten 
vereinigten,  und  die  beiden  Hauptelemente  des  österreichischen 
Stammes,  das  fränkische  und  das  bayerische,  in  den  spezifisch 
fränkischen  und  bayerischen  Nationalhelden  Siegfried  und  Dietrich 
miteinander  in  Verbindung  bringt,  der  Sagenkreis  von  den  Nibe- 
lungen ^) ,  lebte  in  diesen  für  die  österreichischen  Lande  so  reich 
bewegten  Zeitläuften,  in  denen  man  die  neugewonnene  Bedeutung 


1)  Der  alte  österreichische  Kinderschlafspruch  „Haidi  pupaidi,  haidi  pupai" 
scheint  tatsächlich  dem  griechischen  „ivd^  jxov  naiSiov,  tvSi  fxov  nat"  nach- 
gebildet zu  sein  und  stammt  vielleicht  aus  der  Babenberger  Zeit.  Wie  wir  noch 
sehen  werden,  wiederholte  sich  übrigens  die  Verbindung  mit  Byzanz.  Vgl.  Seng- 
schmitt, Über  den  Zusammenhang  der  österreichischen  Volkssprache  mit  den 
drei  ältesten  deutschen  Mundarten  (Programm  d.  Schottengymnasiums  in  Wien 
1852).  Für  Wien  wurde  eine  Zeitlang  in  herzoglichen  Urkunden  die  griechische 
Form  Windopolis  gebraucht  (Meiller,  Eegesten  42,  45,  47,  56). 

2)  Meiller,  Regesten  37,  31. 

3)  Siehe  bereits  oben  S.  193.  Da  es  hier  nicht  meine  Aufgabe  sein  kann, 
die  gesamte  Literatur  über  das  Nibelungenlied  anzuführen,  so  verweise  ich  dies- 
bezüglich auf  Gödekes  Grundrifs  I,  178 ff.  und  führe  als  dort  noch  nicht  be- 
rücksichtigtes Werk  aufser  Nagl-Zeidler  S.  75 ff.  noch  an  Kettner,  Die 
österreichische  Nibelungendichtung  (Berlin  1897). 


333  Zwölftos  Kapitel. 

durch  (las  Zurückgreiten  auf  eine  ruhmreiche  Vergangenheit  zu 
stützen  suchte,  wieder  auf:  damals  erzählte  Otto  von  Freising 
die  Babenbergische  Stanimsage  und  suchte  Wien  in  dem  alten 
Favianis  der  Völkerwanderungszeit  wiedcrzutindeii.  Möglich,  dafs 
sich  neben  der  lateinischen  Fassung,  wie  sie  auf  Veranlassung 
des  Bischofs  Pilgrim  von  Passau  aufgezeichnet  worden  war,  auch 
deutsche  Versionen  im  Volke  erhalten  hatten  ') ;  jedenfalls  wurden 
ietzt  um  die  Mitte  des  12.  Jahrhunderts  die  einzelnen  Teile  der 
Nibelungendichtung  künstlerisch  zusammengefafst  und  im  Geiste  der 
Zeit  mit  gröfserer  Betonung  des  Ritterlichen  und  in  der,  wie  es 
scheint,  damals  gerade  beliebten  Vers-  und  Strophenform  2)  in 
deutscher  Sprache  umgedichtet  ^).  Später,  bis  in  den  Beginn  des 
13.  Jahrhunderts,  wurde  noch  an  dieser  Gestaltung  vielfach  ge- 
ändert. Indem  so  das  NibelungenUed  die  heroische  Energie  unseres 
Landes  in  mehr  als  sieben  Jahrhunderten  widerspiegelt  und  in- 
dem es  viele  Elemente  seiner  Bewohner,  insbesondere  der  Bayern 
imd  Franken  in  sich  aufnahm,  ist  es  so  recht  eigentlich  wie  kein 
anderes  das  österreichische  Epos  geworden  ^). 

Spielleute  trugeü  singend  '->)  und  sagend  die  Heldengedichte 
von  Burg  zu  Burg,  von  Kloster  zu  Kloster,  von  Dorfplatz  zu 
Dorfplatz;   ein   Spielmann   wird   auch   die   alten   Bestandteile   der 


1)  Darauf  deuten  die  Scblufsverse  der  „Klage"  hin.  Vgl.  auch  die  Ver- 
mutung bei  Nagl-Zeidler  S.  76.  Lach  mann  hat  bei  sei-ier  Theorie  von  der 
Zusammensetzung  des  Nibelungenliedes  aus  einzelnen  „Liedern"  ein  derartiger 
im  Prinzipe  wohl  kaum  von  der  Hand  zu  weisender  Gedanke  vorgeschwebt,  nur 
darf  man  diese  Theorie  nicht  auf  die  uns  jetzt  vorliegende  Gestalt  der  Dichtung 
anwenden. 

2)  Die  Nibelungenstrophe  wurde  bekanntlich  auch  von  dem  gleich  zu  er- 
wähnenden Minnesänger  Kürnberger  angewendet  und  findet  sich  auch  noch  ander- 
weitig. Auch  die  Gudrunstrophe  ist  ihr  nahe  verwandt.  Ebenso  die  Strophen 
einer  Reihe  anderer  kleinerer  Epen. 

3)  Man  nimmt  jetzt  allgemein  ein  oder  zwei  verlorengegangene  Fassungen 
des  Nibelungenliedes  zwischen  1140  und  1170  an,  auf  welche  Zeit  auch  im  grofsen 
und  ganzen  der  Charakter  der  Dichtung  weist. 

4)  Siehe  Kralik,  Österreich  im  Nibelungenlied  in  „An  Siegen  und  an 
Ehren  reich"  (Wien  1905). 

5)  Mau  glaubt  in  gewissen  oberösterreichischen  Tanzweisen  (dem  sogenannten 
Doppeitauz),  die  im  wesentlichen  die  Form  der  Nibelungenstrophe  zeigen,  solche 
Spielmannsweisen  zu  erkennen  (Nagl-Zeidler  S.  114). 


Der  Zustand  des  Landes  bei  der  Erhebung  zum  Herzogtum.  333 

Nibelungensage  verschmolzen  und  einheitlich  umgedichtet  haben. 
Darum  wird  auch  im  Nibelungenlied  den  Spielleuten  eine  so  wichtige 
und  geachtete  Rolle  zuteil.  Wie  sehr  die  nationale  Heldendichtung 
ins  Volk  gedrungen  ist,  davon  geben  die  österreichischen  Urkunden 
des  12.  Jahrhunderts  Zeugnis,  in  denen  man  oft  und  oft  den  Namen 
aus  diesen  Dichtungen  begegnet:  Siegfried,  Dietrich,  Rüdiger, 
Günther,  Gernot,  Hagen,  Hildebrand,  Etzel,  auch  aus  der  steie- 
rischen Gudrunsage  und  den  anderen  Heldensagen:  Hettel,  Horand, 
Hartmut,  Herwig,  Ortwin,  Wolfram,  Walter,  Albrich,  Dietmar, 
Marquard  u.  a.  m.  Auch  in  Ortsnamen  finden  sich,  wenn  auch 
später  vielfach  entstellt,  Zusammensetzungen  mit  Etzel  (Atzelsdorf, 
Atzgersdorf),  Gunter  (Guntersdorf),  Krierahild  (Gramatneusiedl 
aus  Chreimhiltneusidl  ?),  Hettel  (Hettmannsdorf)  u.  a.  '). 

Neben  dem  Volksepos,  dessen  Schöpfer  und  Verbreiter  unschein- 
bare und  namenlose  fahrende  Spielleute  waren,  trat  aber  schon 
damals  in  Österreich  eine  neue  Erscheinung  hervor,  eine  weltliche, 
speziell  ritterliche  Lyrik,  die  noch  in  den  Vorstellungen  und  in 
der  Form  viele  Berührungen  mit  dem  Volksepos  zeigt  und  noch 
wenig  von  den  galanten  Formen  des  aus  dem  Westen  importierten 
Minnesanges  beeinflufst  ist.  Einen  der  ältesten  Vertreter  der  Gat- 
tung im  Donaulande,  den  Kürnberger  —  der  Sitz  dieses  ritterlichen 
Geschlechtes  lag  oberhalb  Linz  in  der  Nähe  des  Klosters  Wil- 
hering  —  aus  der  ersten  Hälfte  des  12.  Jahrhunderts  hat  man  sogar 
wegen  der  formellen  und  stofflichen  Verwandtschaft  seiner  Gedichte 
mit  dem  Nibelungenliede  für  den  Verfasser  dieses  Epos  gehalten  ^), 
bis  man  eben  bemerkte,  dafs  diese  Verwandtschaft  sich  auch  ander- 
weitig, z.  B.  noch  ausgeprägter  bei  den  Gedichten  des  sogenannten 
Meinloh  ^) ,  findet.  Gleichfalls  nach  Österreich  gehörten  Diet- 
mar von  Aist  (gestorben  um  1170),  unter  dessen  Namen  übrigens 


1)  Siehe  Nagl-Zeidler  S.  72  und  124;  Kämmel  in  der  Zeitschrift 
für  allgemeine  Geschichte,  Kultur-  und  Literaturgeschichte  III,  233 ff. ,  1886; 
Müller  in  den  Blättern  des  Vereins  für  Landeskunde  XXIII,  35 f.,  1889,  und  jetzt 
die  Spezialarbeit  von  Friefs,  Die  Personen-  oder  Taufnamen  des  Erzherzogtums 
Österreich  unter  der  Enns  in  historischer  Entwickelung  (Progr.  Seitenstetten  1902). 

2)  Pfeiffer,  Der  Dichter  des  Nibelungenliedes  (Wien  1862).  Dagegen 
Vollmöller,  Kürenberg  und  die  Nibelungen  (Stuttgart  1874). 

3)  Kettner  a.  a.  0.  S.  58. 


334  Zwölftes  Kapitel. 

verschiedene  dem  Stile  nach  zeithch  ziemUch  weit  auseinander- 
liegende Gedichte  zusammengefafst  werden,  und  Alram  (oder  Walt- 
ram) von  Grasten  ^). 

Der  Hauptsitz  der  Kuustdichtung  und  der  wissenschaftlichen 
Literatur  waren  jedoch  noch  immer  nach  wie  vor  die  Klöster, 
insbesondere  die  Benediktiner-  und  Chorherrenklöster,  deren  Zahl 
noch  immer  wuchs,  obwohl  der  Zug  der  Zeit  mehr  die  Zisterzienser 
und  andere  strengere  Orden  begünstigte.  Die  Gräfin  Hildeburg 
von  Rebegau-Peugen  gründete  mit  ihrem  Sohne  Hermann  im  Jahre 
1144  ein  Benediktinerstift  zu  Altenburg,  das  ad  St.  Lambertum 
genannt  wurde,  da  die  Mönche  dem  steierischen  Kloster  St.  Lambert 
angehörten^).  Im  Jahre  1156  berief  Herzog  Heinrich  von  Öster- 
reich aus  Regensburg,  seiner  früheren  bayerischen  Residenz,  schot- 
tische Benediktiner  des  Klosters  St.  Jakob  in  seine  neue  öster- 
reichische Residenz  Wien,  wo  das  Schottenkloster  (Beatae  Mariae 
ad  Scotos)  entstand^).  Ein  Chorherrenstift  wurde  um  1150  von 
Walther  von  Traisma  zu  St.  Andrä  an  der  Traisen  errichtet  *). 
Endlich  wurde  der  1120  gegründete  Orden  der  Prämonstratenser, 
der  etwas  später  als  die  Zisterzienser  Verbreitung  fand,  zum  Unter- 
schied von  diesen,  den  schwarzen  Mönchen,  die  weifsen  Mönche 
genannt,  in  Osterreich  zuerst  um  1150  durch  den  Grafen  Ulrich 
von  Pernegg  eingeführt,  der  ihnen  zu  Geras  eine  Niederlassung 
gewährte  ^). 

In  den  Klöstern  der  Zisterzienser,  die  wie  gesagt  der  Hände 
Arbeit  bevorzugten,  gab  es  zunächst  keine  literarische  Betätigung. 
Mehr   noch    als    bei    den    Benediktinern,    bei    denen    ursprünglich 


1)  Wackernagel,  Kürenbergii  et  Airami  Gerstensis . . .  carmina  (Berlin 
1827). 

2)  B  u  r  g  e  r ,  Geschichtliche  Darstellung  der  Gründung  und  der  Schicksale 
des  Benediktinerstiftes  St.  Lambert  zu  Altenburg  (Wien  1862).  —  Burger, 
Urkundenbuch  1144—1522  (Font.  rer.  Austr.  2.  Abt.  XXI). 

3)  Hauswirth,  Abrifs  einer  Geschichte  der  Benediktinerabtei  zu  den 
Schotten  in  Wien  (Wien  1858).  —  Derselbe,  Urkundenbuch  (Fontes  rer.  Austr, 
2.  Abt.  XVin).  —  Goldhann,  Gültenbuch  des  Schottenklosters  vom  Jahre 
1314  (Quellen  u.  Forsch,  z.  vaterl.  Gesch.  u.  Kunst  1849). 

4)  Ees  St.  Andreanae  in  Duellii  Mise.  IH,  368  (1724).  —  Vgl.  auch  Archiv 
für  österreichische  Geschichte  IX,  259,  1853. 

5)  Urkunden  von  Th.  Mayer  (Arch.  f.  österr.  Gesch.  II,  3,  1849). 


Der  Zustand  des  Landes  bei  der  Erhebung  zum  Herzogtum.  33» 

eine  ähnliche  Vorschrift  bestand,  wurde  darauf  geachtet,  dafs  nur 
so  viele  Bücher  vorhanden  waren,  wie  von  den  Mönchen  zur  Fasten- 
zeit gelesen  werden  konnten,  zumeist  Mefs-  und  Erbauungsbücher. 
Selbst  Schreibtafel  und  Griffel  sollten  ihnen  verwehrt  sein.  Da- 
gegen wurden  in  dieser  Zeit  die  mächtigen  Benediktinerklöster  an 
der  Donau,  an  denen  gewissermafsen  die  Weltgeschichte  vorbei- 
flutete, die  Geburtsstätten  der  österreichischen  Geschichtschreibung. 
In  Melk,  der  alten  Hausstiftung  der  Babenberger,  wurde  man  zu- 
erst von  den  gewaltigen  Impulsen  der  aufstrebenden  Politik  der 
Markgrafen  und  der  grofsen  Weltereignisse  zu  schriftlichen  Auf- 
zeichnungen angeregt,  was  um  so  bemerkenswerter  ist,  als  zur 
gleichen  Zeit  im  übrigen  Süddeutschland  die  Annalistik  bereits 
wieder  im  Niedergang  begriffen  war.  Unter  Abt  Erchanfried 
(1121 — 1163)  wurden  im  Jahre  1123  jene  jährlichen  Aufzeich- 
nungen der  wichtigsten  Geschehnisse,  die  Melker  Annalen,  begonnen, 
die  dann  von  fast  allen  österreichischen  Klöstern  übernommen  und 
fortgesetzt  worden  sind  ^). 

Eine  andere  Art  historischer  Aufzeichnungen  waren  die  Lebens- 
beschreibungen frommer  Klostergründer  und  Heiliger,  wie  sie  da- 
mals in  Göttweig  (Vita  Altmanni)  und  Melk  (Passio  St.  Colomanni) 
entstanden  ^). 

Und  schon  hatte  auch  die  geistliche  Dichtung,  deren  ersten 
Spuren  wir  in  Melk  und  Göttweig  in  den  fromm -beschauHchen 
Werken  Hartmanns  und  Frau  Avas  begegnet  sind,  einen  grofsen 
Schritt  nach  vorwärts  getan.  Da  und  dort  taucht  bereits  in  den 
Klöstern  die  weltliche  Lust  auf,  gewisse  Kirchenfeierlichkeiten  den 
Gläubigen  dramatisch  dargestellt  vor  Augen  zu  führen  und  solcher- 
gestalt auf  deren  Sinne  zu  wirken.  Namentlich  entwickelte  sich 
aus  der  Feier  am  Ostermorgen  ein  Dialog  (oder  Wechselgesang) 
zwischen  den  drei  Marien  und  den  Engeln  am  Grabe  des  Herrn, 
wie  er  uns  in  einem  österreichischen  Brevier  des  12.  Jahrhunderts 
überhefert  ist,  und  daraus  dann  förmliche  Osterspiele,  wie  ein 
solches  für  Klosterneuburg  aus  derselben  Zeit  sicher  bezeugt  ist. 
Gewifs  haben  schon  damals  die  jungen  Klosterschüler  die  einzelnen 


1)  Siehe  Einleitung  S.  6. 

2)  Siehe  ebendaselbst. 


;J3(i  Zwr.irtos  Kapitel. 

Rollen    gci^pielt;    au    der  Bühne,    an    der    Kostümierung   und    der 
mimischen  Darstellung  wird  es  nicht  gefehlt  haben  '). 

Nichts  zeigt  mehr,  wie  sehr  sich  überall  in  Osterreich  der  Wohl- 
stand gehoben,  wie  sehr  er  ein  sorgloses,  genufsfreudiges  Leben 
nach  sich  gezogen  hatte,  wie  sehr  die  Sitten  aller  Stände  freier 
und  ungebundener  geworden  waren,  als  dafs  auch  bereits  Eiferer, 
die  gegen  das  Getriebe  ihre  mahnende  Stimme  laut  werden  liefsen, 
und  Satiriker,  die  die  Torheiten  und  Schlechtigkeiten  dieser  Welt 
geifselten,  erstanden.  —  Kaum  ein  halbes  Jahrhundert,  nachdem 
sittenstrenge  Männer  wie  Gebhard,  Altmann  und  Adalbero  in  den 
österreichischen  Landen  die  Kirchenreform  durchgeführt  hatten, 
war  die  Verweltlichung  der  Geistlichkeit  bei  den  aufserordentlich 
günstigen  Lebensbedingungen  bereits  wieder  so  weit  gediehen,  dafs 
in  dem  Propste  Gerhoch  von  Reichersberg  (1133—1169)  ein  Straf- 
prediger auftreten  konnte,  der  allen  Grund  zu  seinen  flammenden 
Philippiken  fand  ^j.  Waren  Altmann  und  seine  Freunde  Männer 
der  Tat  mit  weitem  Blick,  so  trat  in  Gerhoch  mehr  der  Zelotismus 
des  Wortes  hervor.  Besonders  der  Weltklerus  und  der  ritterliche 
Adel  waren  das  Ziel  seiner  eifernden  Angriffe.  Nicht  nur  das 
Sündenleben  selbst  war  ihm  ein  Greuel,  sondern  auch  jede  weltHche 
Lustbarkeit,  jeder  Schmuck  des  Lebens,  der  ihm  zur  Sünde  zu 
verführen  schien.  Selbst  die  geisthchen  Spiele  („spectacula  theatrica 
in  ecclesia  exhibita"),  die,  wie  wir  eben  sahen,  damals  in  den 
Klöstern  aufkamen,  fanden  in  ihm  einen  Gegner.  Die  Macht  seiner 
Beredsamkeit  und  seiner  Persönlichkeit  war  gewaltig,  und  in  ganz 
Süddeutschland  äufserte  sich  der  Einflufs  seiner  Anschauungen. 


1)  Nagl-Zeidler,  Deutsch  -  österreichische  Literaturgeschichte  S.  134, 
wo  auch  Belege  und  die  erhaltenen  ältesten  Texte  mitgeteilt  sind. 

2)  Stülz,  Propst  Gerhoch  von  Keichersberg  (Denkschr.  d.  Ak.  d.  W.  1, 1859); 
Bach,  Propst  Gerhoch  von  Keichersberg,  ein  deutscher  Keformator  des  12.  Jahr- 
hunderts (Österr.  Vierteljahrschr.  f.  kath.  Theol.  1865);  Dilloo,  De  Gerhocho 
de  K.  (Berliner  Dissert.  1867);  Nobbe,  Gerhoch  von  Keichersberg  (Leipzig 
1881).  —  Speziell  das  oben  berührte  Thema  behandelt  Sturmbö  fei,  Gerhoch 
von  Reichersberg  über  die  Sittenzustände  der  zeitgenössischen  Geistlichkeit  (Leip- 
ziger Dissertation  1888).  Vgl.  auch  noch  Ribbeck,  Gerhoch  von  Reichersberg 
und  seine  Ideen  über  das  Verhältnis  des  Staates  zur  Kirche  (Forschungen  zur 
deutschen  Gesch.  XXIV,  15)  und  Büdinger,  Verhältnis  Ottos  von  Freising 
zu  Gorhoch  (Sitzungsber.  d.  W.  Akad.  XCVUI,  346). 


Der  Zustand  des  Landes  bei  der  Erhebung  zum  Herzogtum.  337 

Unter  ihrem  Banne  steht  vielfach  die  Klosterliteratur  jener 
Zeit  —  auch  die  Vita  Altmanni  und  die  Vita  Adalberonis  wenden 
sich  gegen  den  Verfall  des  Klerus  — ,  unter  ihrem  Banne  steht 
auch  der  Dichter,  der  unter  dem  kunstliebenden  Abte  Erchanfried 
in  Melk  schrieb.  Es  war  ein  Laienbruder  aus  ritterlichem  Ge- 
schlechte, namens  Heinrich  de  Piela  ^).  „Von  des  Todes  Gehügede" 
(„Erinnerung  an  den  Tod")  nennt  er  sein  lehrhaftes  Gedicht;  mög- 
licherweise rührt  auch  ein  zweites,  das  „Priesterleben",  das  in 
Sprache  und  Gedanken  grofse  Ähnlichkeit  mit  jenem  besitzt,  von 
ihm  her.  Wie  Gerhoch  von  Reichersberg  wettert  er  gegen  die 
Verweltlichung  des  Klerus,  namentlich  der  Seelsorgegeistlichkeit. 
Es  ist  die  alte,  auch  später  immer  wieder  laut  werdende  Klage, 
<lafs  sie  dem  Trunk,  dem  Spiel  und  den  Weibern  ergeben  sei. 
Von  den  Klostergeistlichen  bekommen  die  Zisterzienser,  die  den 
Benediktinern  ein  Dorn  im  Auge  waren,  einen  Hieb  ab.  Nach 
den  Geistlichen  ist  es  die  ritterliche  Gesellschaft  mit  ihren  neuen 
Sitten  oder  nach  seiner  Auffassung  Unsitten,  die  er  geifselt.  Be- 
gann doch  damals  bereits  der  Minnedienst!  Die  Beispiele,  die  der 
Dichter  wählt,  die  Szenen,  die  er  schildert,  machen  den  Eindruck 
des  Selbsterlebten,  entsprechen  also  wohl  der  Wahrheit.  War  es 
doch  dieselbe  Zeit,  in  der  Graf  Ulrich  von  Pernegg  sich  nicht 
weniger  als  zwölf  Kebsweiber  hielt  ^) ! 

Im  grofsen  und  ganzen  werden  wir  jedoch  annehmen  können, 
dafs  auch  damals  die  Eiferer  und  Satiriker,  wie  ja  meistens,  weit 
über  ihr  Ziel  hinausschössen.  Wir  können  dies  an  den  recht 
unschuldigen  Dingen  ermessen,  die  sie  schon  verdammen  zu  müssen 
glauben.  Es  war  gewifs  nichts  weniger  als  ein  Zeitalter  des 
Verfalles  und  des  Niederganges.  Das  Land  kam  zu  Wohlstand 
und  Ansehen,  und  überall  regten  sich  neue  lebensvolle  Kräfte; 
selten  ist  die  Kulturentwickelung  so  rasch  vorwärts  geschritten. 
Dafs  dieses  rasche  Wachstum  manche  Auswüchse  zeitigte,  dafs 
vor  allem  neben  den  Früchten  der  Kultur  Spuren  krasser  Unkultur 


1)  Heinzel,  Heinrich  von  Melk  (Berlin  1867);  Kolle,  Geschichte  der 
■deutschen  Literatur  bis  zum  13.  Jahrhundert  11,  84£F.  —  Nagl-Zeidl  er, 
S.  170.  Das  Melker  Totenbueh  nennt  zwei  Laienbrüder,  namens  Heinrich;  aller 
Wahrscheinlichkeit  nach  ist  der  ritterbürtige  von  beiden  der  Dichter. 

2)  Gegen  ihn  eiferte  Bertold  von  Garsten  (Vita  Bertoldi  c.  34). 
Vancsa,  Geschichte  Nieder-  u.  Oberösterreichs.  ^2s 


33S  Zwölftes  Kapitel. 

zu  liiulen  sind,  kann  bei  solchen  Übergangsperioden  nicht  wunder- 
nehmen. 

Gerade  in  den  Klöstern,  den  Stätten  dieser  Kultur,  begegnen 
uns  neben  den  schwersten  Körperstrafen  ^)  Beispiele  grausamer 
Gottesurteile,  vor  allem  das  Ordal  des  glühenden  Eisens  ^).  Unter 
den  adeligen  Familien  war  die  Blutrache  noch  gang  und  gäbe, 
Mord  und  Totschlag  nichts  Seltenes  ^). 

Das  Wichtigste  für  unsere  Betrachtung  ist,  dafs  sich  die  alte 
Ostmark  in  dem  Jahrhundert  von  Kaiser  Heinrichs  III.  Tode  bis 
zum  Jahre  1156  auch  innerlich  nach  allen  Richtungen  hin  zu 
einem  selbständigen  und  eigenartigen  staatlichen  Gebilde  ent- 
wickelt hat:  politisch,  indem  der  Markgraf  aus  einem  wenig 
vermögenden,  vom  Kaiser  nach  Bedarf  verwendeten  Grenzgrafen 
zu  einem  reichen  Territorialfürsten  geworden  war,  der  auf  eigene 
Faust  PoHtik  trieb  und  zwar,  wenn  es  sein  Vorteil  mit  sich 
brachte,  allenfalls  auch  gegen  den  Kaiser,  und  der  allmählich  so 
mächtig  wurde,  dafs  ihn  die  Reichsfürsten  umwarben,  ja  endlich,, 
indem  er  selbst  die  Herzogswürde  in  Bayern  erlangte,  auch  das 
formelle  Untertänigkeitsverhältnis  Österreichs  zu  Bayern  von  Grund, 
aus  änderte;  national,  indem  die  eingewanderten  Bayern  und 
Franken  untereinander  und  mit  den  anderen  Volkselementen  und 
Volksresten  zu  einem  neuen  Volksstamm  verschmolzen,  dem  öster- 
reichischen, der  eine  eigene  Mundart,  einen  eigenen  Volkscharakter 
ausbildete;  wirtschaftlich,  indem  aus  dem  ursprünglichen  Ko- 
loniallaud,  das  vielfach  auf  die  Zufuhr  neuer  Kräfte  und  Pro- 
dukte aus  dem  Mutterlande  angewiesen  war  und  dem  noch  so 
vieles  völlig  mangelte,  ein  blühendes,  reichbesiedeltes  Land  mit 
selbständiger,  zum  Teil  ganz  spezifischer  Produktion  geworden  war; 

1)  Darüber  vgl.  Juritsch,  S.  140.  Ein  Beispiel  aus  Garsten  (Vita  Ber- 
toldi  c.  2). 

2)  Cod.  trad.  Gottwic.  (Font.  rer.  Austr.  2.  Abt.  VIII,  27)  zwischen  1065 
und  1091  und  zwei  Beispiele  zwischen  1136  und  1168  im  Cod.  trad.  Claustroneob. 
(a.  a.  0.  IV,  61). 

3)  Es  ist  ein  Brief  von  Sigboto  von  Ealkenstein  erhalten,  worin  er  seinen 
Dienstmann  Ortwin  von  Merkenstein  (Burg  bei  Baden)  beauftragt,  den  Rudolf 
von  Piesnich,  seinen  Feind,  gegen  entsprechenden  Lohn  heimlich  zu  ermorden 
oder  wenigstens  die  Augen  auszustechen  (Mon.  Boic.  VII,  503).  —  Vgl.  dazu 
E  i  e  z  1  e  r ,  Geschichte  Baierns  I,  758. 


Der  Zustand  des  Landes  bei  der  Erhebung  zum  Herzogtum.  339 

sozial,  indem  aus  den  fremden  Grundherren  allmählich  ein  ein- 
heimischer erbgesessener  Adel  erwuchs,  indem  sich  unter  besonders 
gearteten  Verhältnissen  auch  eine,  wenn  auch  der  in  Süddeutschland, 
namentlich  in  Bayern  bezeugten  verwandte  Differenzierung  der  ein- 
zelnen Stände  entwickelte  (markgräfliche  Dienstmannen  —  besser 
situierte  Zinsbauern),  die  wieder  ihre  eigenen  Sitten  und  Gebräuche 
besafsen;  endlich  kulturell,  indem  in  dem  Lande,  in  welchem 
anfangs  die  Existenzkämpfe  und  die  harte  Arbeit  der  Urbarmachung 
das  geistige  Leben  in  den  Hintergrund  gedrängt  hatten,  nunmehr 
auch  eine  zum  Teil  bodenständige,  zum  Teil  unter  spezifischen 
Einflüssen  (französisch,  byzantinisch)  stehende  Kultur  erblühte,  die 
Wissenschaft  und  Literatur,  Baukunst  und  Kleinkünste  umfafste. 

Dadurch,  dafs  Osterreich  durch  das  Privilegium  minus  im 
Jahre  1156  zum  Herzogtum  erhoben  wurde  und  die  verhältnis- 
mäfsig  sehr  freie  Stellung  der  grofsen  Reichsfürstentümer  erhielt, 
wurde  nur  den  bereits  bestehenden  Tatsachen  Rechnung  getragen 
und  der  gröfseren  Selbständigkeit  des  Landes  die  Sanktion  des 
Reiches  erteilt. 


22  = 


Dreizehntes    Kapitel. 

Streben  der  Babenberger  nach  politischer   und  wirt- 
schaftlicher Unabhängigkeit  ihres  Herzogtums. 


Herzog  Heinrich  von  Österreich  erfafste  seine  neue  Aufgabe 
mit  sicherem  Blick  und  fester  Hand.  Er  richtete  sein  Streben 
einerseits  darauf,  die  engen  Bande,  die  sein  Land  mit  dem  Mutter- 
lande noch  verknüpften,  zu  lösen  oder  doch  zu  lockern,  und 
andrerseits  seine  Autorität  nach  allen  Richtungen  hin  zu  befestigen. 
Meist  ging  das  eine  Hand  in  Hand  mit  dem  anderen. 

Das  Nächstliegende  waj,  das  wirtschaftliche  Übergewicht  Bayerns 
zu  brechen  ^).  Die  Metropole  war  damals  Regensburg,  das  den 
ganzen  Donauhandel  beherrschte  und  dessen  Münze,  die  Regens- 
bur;4er  Pfennige,  auch  auf  dem  österreichischen  Markte  alleinige 
Geltung  hatten.  Heinrich  hatte  selbst  als  Herzog  von  Bayern  viel 
dazu  beigetragen,  Regensburgs  dominierende  Stellung  zu  stärken. 
Jetzt  zögerte  er  keinen  Augenblick,  sie  zu  untergraben,  weil  er 
nur  dadurch  sein  Land  wirtschaftlich  selbständig  machen,  den 
Donauhandel  in  seine  Gewalt  bringen  konnte.  Schon  im  Jahre 
1157  ist  eine  österreichische  Münzstätte  in  Krems  ^)  nachweisbar, 
das  damals  die  hervorragendste  Handelstadt  im  Lande  unter  der  Enns 


1)  Ich  folge  hier  zum  Teil  den  ausgezeichneten  Ausführungen  L  u  s  c  h  i  n  s , 
Die  Handelspolitik  der  österreichischen  Herrscher  im  Mittelalter  (Almanach  der 
k.  Akad.  der  Wissensch.  1893  und  als  Sonderdruck). 

2)  Siehe  Luschin,  Wiener  Pfennige  (Numismatische  Zeitschr.  Vin,  254). 
Der  Schlufs,  dafs  Herzog  Heinrich  seine  Rosidenz  hierher  verlegen  wollte,  scheint 
mir  hei  dem  Mangel  anderer  Beweise  nicht  zwingend.  Ich  nehme  nur  an,  dafs 
Krems  ehen  der  hervorragendste  Handelsplatz  war. 


streben  nach  politischer  und  wirtschaftlicher  Unabhängigkeit.         341 

—  schon  1137  sind  dort  mehrere  Marktplätze  vorhanden  ^)  — , 
gewesen  zu  sein  scheint.  Das  war  jedoch  nur  eine  Übergangs- 
verfügung. Weit  wichtiger  wurde  die  grofse  Sorgfalt,  die  Herzog 
Heinrich  Wien  zuwandte,  wohin  er  seine  Residenz  verlegte  ^). 

Das  hängt  mit  einer  der  folgenreichsten  Erscheinungen  des 
Zeitalters  zusammen:  mit  dem  Emporkommen  der  Städte  überhaupt. 
Wir  haben  gesehen,  wie  schon  im  11.  Jahrhundert  um  viele  Pfarr- 
kirchen ein  Markt  entstand,  wie  diese  Orte  mit  einer  Befestigu'ig 
umgeben  wurden  und  einige  zuweilen  sogar  schon  den  Namen  eivitas 
oder  urbs  führten.  Doch  das  eigenthche  Wesen  der  Städte  bildete 
sich  doch  erst  im  12.  Jahrhundert  aus,  und  erst  jetzt  traten  die 
Städte  als  ein  wichtiger  Faktor  im  öfFenthchen  Leben  hervor.  Zu 
den  Vorteilen  des  Schutzes  und  des  Marktes  kamen  für  die  Be- 
wohner, die  nach  dem  befestigten  Mittelpunkt,  der  Burg  Burgenses, 
Bürger  genannt  wurden,  bereits  gewisse  Vorrechte  hinzu,  ins- 
besondere die  Exemtion  von  der  Gerichtsbarkeit,  dann  auch  Be- 
freiung vom  Kopfzins  und  anderen  bäuerlichen  Abgaben,  obwohl 
der  ersten  Phase  der  Entwickelung  entsprechend  die  Bewohner 
der  Stadt  ursprünghch  auch  Ackergründe  und  (namentlich  in  Wien) 
auch  Weingärten  zur  Bewirtschaftung  innehatten  und,  da  der 
Grund  und  Boden  einzelnen  Grofsgrundbesitzern  gehörte,  auf  der 
Stufe  der  Kolonen  standen.  Dafür  hatten  sie  einen  Grundzins 
von  ihren  Häusern  an  den  Herrn  des  Bodens  zu  entrichten.  Das 
Gewerbe  war  ursprünglich  auch  in  der  Stadt  Hausgewerbe,  aus 
dem  zunächst  ein  Lohngewerbe  und  erst  dann  ein  Handwerker- 
stand herauswuchs.  Aufserdem  bildeten  die  Kaufleute  ein  wichtiges 
Element.  Verlockt  durch  mancherlei  Vorteile  strömte  ein  gi-ofser  Teil 
der  ländlichen  Bevölkerung  den  Städten  zu,  freilich  —  und  das  er- 
klärt so  manche  Folgeerscheinungen  —  in  vielen  Fällen  gerade  der 
untüchtige  Teil,  Leute,  die  die  beschwerliche  Feldarbeit  nicht  leisten 
konnten  oder  wollten,  jüngere  Söhne,  die  keinen  Anteil  am  Grund 
und  Boden  mehr   bekommen  konnten,    endlich  sogar   allerlei  Ge- 


1)  Meiller  25,  5. 

2)  Es  ist  ungenieiü  charakteristisch ,  dais  der  Araber  Idrisi ,  der  um  die- 
selbe Zeit  im  Auttrage  des  Königs  Eoger  von  Sizilien  ein  geographisches  Werk 
verfafste,  als  Städte  in  unseren  Gegenden  gerade  Wien  und  Kreuis  (Biena  und 
Ghermesia)  nennt  (Sitzungsber.  der  Wiener  Akademie  CXIII,  286,  292). 


;J42  Dreizehntes  Kapitel. 

sindel,  sogeuanntes  „lediges  Volk",  Bettler,  Erwerbsunfähige,  Gaukler, 
Bresthalte,  deren  Hervortreten  auch  gewisse  Zeitströmungen,  nicht 
zum  wenigsten  die  Kreuzzüge  begünstigten.  Endlich  gehörten  zur 
Bevölkerung  der  Städte  noch  ritterliche  Ministerialen,  die  die  mili- 
tärische Bedeckung  ausmachten,  die  sogenannten  Burgmannen. 

Die  Orte  des  Landes,  die  am  frühesten,  wenn  auch  nicht 
ständig,  als  civitas  bezeichnet  wurden,  haben  wir  schon  kennen 
gelernt:  Krems,  Tulln,  St.  Polten,  Hainburg.  Sie  alle  überflügelte 
nun  Wien,  das  1137  zum  ersten  Male  als  civitas  genannt  wird  ^). 
Es  ist  sehr  bezeichnend,  dafs  der  neue  Herzog  von  Osterreich, 
nachdem  noch  seine  unmittelbaren  Vorgänger  nicht  anders  wie 
irgendeiner  der  Grafen  des  Landes  auf  einem  Bergschlosse  (auf 
dem  Kahlenberge)  ihren  Sitz  hatten,  nunmehr  herabstieg  in  die 
aufblühende  Handelstadt  und  hier  seine  neue  Burg  auf  dem  Boden 
der  alten  römischen  Militärstadt,  von  der  noch  Überreste  vorhanden 
sein  mochten,  erbaute  ^).  Auch  in  diesem  Punkte  erfafste  er  den 
Zug  einer  neuen  Zeit  mit  sicherem  Blick.  In  den  Urkunden  ver- 
suchte er  die  gelehrte  Fiktion  durchzusetzen,  dafs  Wien  das  römische 
Faviauis  sei. 

Die  Lage  dieser  herzoglichen  Residenz  war  eine  überaus 
glückliche  ^).  In  militärischer  Beziehung,  die  für  die  damaligen 
Städte,  —  sie  waren  ja  zugleich  Festungen  — ,  in  erster  Linie 
mafsgebend  war,  beherrschte  sie  die  Donaustrafse,  war  aber  auch 
ein  sicheres  Bollwerk  gegen  Einfälle  von  Norden  und  Osten,  die 
sich  in  der  Regel  der  Bodenformation  des  Landes  gemäfs  in  der 
Richtung  nach  ihr  hin  bewegten.  Der  vorbeifliefsende  Strom,  der 
sich  immer  mehr  zu  einer  Hauptverkehrsader  nach  dem  Orient 
entwickelte,  sowie  die  Nähe  der  ungarischen  Grenze  machten  sie 
zu  dem  letzten  grofsen  Handelsstapelplatz  auf  deutschem  Gebiete. 
Der  reiche  Weinbergssegen  rings  um  die  Stadt  schuf  endlich  für 
die  Bewohner  die  Grundlage  eines  ganz  bedeutenden  Wohlstandes, 
indem  der  Wein  bald  einen  wichtigen  Ausfuhrartikel  bildete.    Von 


1)  Mon.  Boic.  XXVIII  b,  102. 

2)  Nach  1147  sind  die  meisten  Urkunden  Heinrichs  bereits  in  Wien  aus- 
gestellt. Die  Burg  wurde  zunächst  ,,am  Hof"  erbaut,  erst  einige  Jahrzehnte 
später  wurde  sie  an  jene  Stelle  verlegt,  wo  sie  noch  heute  steht. 

b)  Über  die  Lage  vgl.  oben  S.  298. 


streben  nach  politischer  und  wirtschaftlicher  Unabhängigkeit.         348 

dem  Augenblicke  an,  da  Herzog  Heinrich  die  Stadt  Wien  zu  seiner 
Residenz  und  somit  zum  Mittelpunkt  des  neuen  Herzogtums  machte, 
überflügelte  dieser  verhältmäfsig  junge  und  bis  dahin  wenig  be- 
deutende Ort  bald  alle  anderen  Märkte  und  Städte  Österreichs  ^) 
und  wurde  eine  mächtige  Rivalin  Regensburgs,  das  vordem  im 
Südosten  des  Reiches  unbeschränkt  dominiert  hatte.  Die  Kreuz- 
züge und  die  Famihenverbindung  der  Babenberger  mit  Byzanz 
trugen  viel  dazu  bei,  Handel  und  Verkehr  rasch  in  Blüte  zu  bringen. 
Aber  Österreich  war  auch  zugleich  das  richtige  Mittelglied  zwischen 
dem  betriebsamen  Westen  und  dem  an  Naturprodukten  reichen 
Osten.  Vielleicht  schwebte  auch  schon  Herzog  Pleinrich  der  Ge- 
danke einer  kirchlichen  Loslösung  Österreichs  von  Passau  vor,  denn 
er  berief  aus  Regensburg,  wo  die  Benediktiner  den  Bischofstuhl 
innehatten,  die  Schottenmönche,  die  bei  der  nachdrückhchen  Be- 
günstigung durch  die  Herzöge  bald  in  einen  entschiedenen  Gegen- 
satz zu  den  Passauer  Archidiakonen  und  zu  der  Hauptpfarrkirche 
von  St.  Stephan  gerieten. 

Aufser  den  Städten  waren  es  die  Ministerialen,  auf  die  sich 
der  Herzog  stützte.  Sie  wurden  zwar  formell  auch  in  der  Folge- 
zeit noch  immer  als  dem  Reiche  zugehörig  betrachtet  ^),  in  der 
Tat  aber  bildeten  sie  die  getreue  Waffenmacht  des  Herzogs,  und 
die  aufsergewöhnliche  Stellung,  zu  der  sie  gerade  in  Österreich 
bereits  im  13.  Jahrhundert  gelangten,  und  welche  der  der  alten 
Grafeugeschlechter  vielfach  fast  gleichkam,  ist  offenbar  auf  die 
grofsen  Begünstigungen  von  selten  der  Herzöge  zurückzuführen, 
die  ihnen  seit  der  Mitte  des  12.  Jahrhunderts  zuteil  wurden. 

Damit  stehen  wir  bereits  bei  den  Mafsnahmen,  die  Herzog 
Heinrich  zur  Befestigung  seiner  neuen  Machtstellung  traf.    Hatten 

1)  Schilderungen  des  Landes  zwischen  Passau  und  Ungarn  erwähnen  vor 
der  Mitte  des  12.  Jahrhunderts  Wien  mit  keiner  Silbe  (z.  B.  die  Descriptio 
itineris  in  terram  sanctam  in  Eccardi  corp.  bist.  med.  aev.  II,  1345  oder  Odo 
de  Deogilo  M.  G.  SS.  XXVI,  60).  Als  wichtige  letzte  Station  vor  Ungarn  wird 
in  der  Regel  Hainburg  genannt  (auch  im  Nibelungenlied).  Erst  nachdem  Wien 
Eesidenz  geworden,  trafen  hier  die  verschiedenen  bedeutenden  Momente  zusammen, 
und  1172  bezeichnet  Arnold  von  Lübeck  (M.  G.  SS.  XXI,  110,  171)  Wien  als 
metropolitana,  im  Jahre  1189  als  ,,quae  maior  est  in  terra". 

2)  Vgl.  darüber  besonders  Siegl  in  seinem  schon  zitierten  Aufsatz  in  den 
Sitzungsberichten  CII,  238. 


344  Drcizelintcs  Kapitel. 

Leopold  11.  uikI  111.  iin  Gegensatz  zur  lleichspolitik  die  Hoch- 
stit'ter  und  die  Klöster  durch  Schenkungen  und  sonstige  Gunst- 
bezeugungen hervorragend  gefördert,  so  verlangte  jetzt  das  Interesse 
des  Herzogs,  deren  Macht  nicht  weiter  auf  Kosten  der  eigenen 
anwachsen  zu  lassen.  Die  frühere  Freigebigkeit  gegen  sie  schmolz 
jetzt  auf  ein  Minimum  zusammen.  Ja  noch  mehr,  die  Klöster 
hatten  nicht  selten  ihren  Besitzstand  gegen  den  Herzog  zu  ver- 
teidigen. Wie  er  schon  als  Herzog  von  Bayern  gegen  das  Kloster 
Tegernsee  dessen  Vogt,  den  Grafen  Heinrich  von  Wolfrathshausen, 
in  seinen  Schutz  nahm  *),  so  suchte  er  Admont  und  Zwettl  an 
Aveiteren  Erwerbungen  zu  hindern  ''*).  Besonders  bezeichnend  ist 
es,  dafs  der  Herzog  von  Osterreich  das  sonst  allgemein  anerkannte 
Vogteirecht  des  Königs  über  die  Zisterzienserklöster  nicht  berück- 
sichtigte, sondern  selbst  auszuüben  beanspruchte. 

Aber  zu  viel  ärgeren  und  weitere  Kreise  ziehenden  Konflikten 
kam  es  mit  den  Hochstiften,  und  es  verschlug  Heinrich  nicht  das 
mindeste,  dafs  er  dadurch  gegen  seine  leiblichen  Brüder  ankämpfen 
muföte.  Über  die  Gründe  sind  wir  leider  nicht  ganz  klar  unter- 
richtet, doch  scheint  es  sich  in  allen  Fällen  hauptsächlich  um  die 
dem  Herzog  durch  das  Privilegium  minus  zuerkannten  Gerechtsame 
(iusticia)  gehandelt  zu  haben,  d.  h.  die  herzoglichen  Richter  suchten 
auch  auf  bischöflichem  Grund  und  Boden  ihre  Befugnisse  durch- 
zusetzen, während  die  Bistümer  dies  als  Eingriffe  in  ihre  alten 
Rechte  ansahen;  in  zweiter  Linie  mögen  vielleicht  auch  Ansprüche 
auf  Besitz  und  Abgaben  in  Betracht  gekommen  sein.  Die  Weite- 
rungen mit  Freising,  die  im  Jahre  1158  ausbrachen  ^),  spitzten 
sich  dank  der  vez-söhnlichen  Haltung  der  Bischöfe  nicht  zum 
Aufsersten  zu.  Zwischen  den  beiden  Brüdern  führte  der  Kaiser 
auf  dem  Reichstag  zu  Regensburg  vor  seinem  Zuge  nach  Italien 
eine   persönliche   Versöhnung   herbei,    und,    nachdem    Otto,    noch 


1)  Meiller,  Kegesten  39,  37. 

2)  Wichner,  Urkundenbuch  des  Stiftes  Admont  1,  118  (wegen  einer  Mühle 
bei  Krems).     Font.  rer.  Austr.,  2.  Abt.  Vlil,  53  (wegen  Krumau). 

3)  Eagewin  in  seiner  Fortsetzung  von  Otto  von  Freising,  Gesta  Friderici 
III,  13  und  Font.  rer.  Austr.  2.  Abt.  XXXI,  105  (Schreiben  B.  Adalberts),  das 
Zahn  wohl  mit  Unrecht  ins  Jahr  1158  setzt;  Meiller,  Kegesten  46,  63,  G4  — 
vieUeicht  etwas  allzu  spät  —  ins  Jahr  1164. 


streben  nach  politischer  und  wirtschaftlicher  Unabhängigkeit.         345 

während  Herzog  Heinrich  in  Italien  weilte,  gestorben  war  (22.  Sep- 
tember 1158),  beeilte  sich  sein  Nachfolger  Adalbert,  die  Grundlage 
des  Streites  aus  dem  Wege  zu  räumen  und  zwar  unter  ziemlich 
ungünstigen  Bedingungen,  denn  er  erlangte  für  den  Freisingschen 
Besitz  in  Österreich  zwar  Befreiung  von  der  herzoglichen  Gerichts- 
barkeit, aber  nur  für  seine  Lebenszeit  mit  Vorbehalt  der  jedes- 
maligen Erneuerung  für  seine  Nachfolger  und  gegen  Zahlung  einer 
Abgabe  ^). 

Viel  heftiger  war  der  Konflikt  mit  Konrad  von  Passau  und 
ist  dadurch  bemerkenswert,  dafs  er  schliefslich  in  das  Fahrwasser 
der  grofsen  allgemeinen  Politik  hineingeriet.  Auch  seine  Ursachen 
und  Anfange  liegen  im  Dunkel  =').  Konrad  hatte  eine  ganze  Reihe 
österreichischer  Prälaten,  so  die  von  Zwettl,  St.  Polten,  St.  Georgen, 
Ardagger  und  Klosterneuburg,  auf  seiner  Seite  ^)  und  dürfte  den 
Herzog  in  seiner  Selbstherrlichkeit  nicht  unempfindHch  getroffen 
haben,  als  er  am  3.  Mai  1159  St.  Polten  ein  Stadtrecht  verheb 
und  dadurch  mitten  in  herzoglichen  Landen  eine  bischöfliche  Stadt 
gewissermafsen  in  Konkurrenz  zu  den  damals  so  sehr  begünstigten 
herzoghchen  Städten  ins  Leben  rief*).  Endlich  versuchte  der 
Kaiser  auf  den  Wunsch  der  Reichsversammlung  von  Parma  (März 
1164)°)  selbst  einzugreifen,  indem  er  den  Erzbischof  Eberhard 
von  Salzburg  und  die  Bischöfe  von  Brixen  und  Gurk,  allenfalls 
auch  Ottokar  V.  von  Steiermark  zu  Vermittlern  bestimmte.  Leider 
starb  Erzbischof  Eberhard,  ehe  er  seine  Mission  ausführen  konnte 
(22.  Juni  1164),  und  nun  traten  Ereignisse  ein,  die  den  Zwiespalt 
zwischen  den  Babenbergischen  Brüdern  von  untergeordneten  Kom- 
petenzfragen in  die  Sphäre  der  grofsen  Politik  erhoben. 


1)  Vgl.  die  vorige  Anmerkung. 

2)  M.  G.  LL.  n,  116;  Vita  Eberhardi  c.  10  (M.  G.  SS.  XI,  82). 

'S)  Diese  zeigt  eine  Urkunde  B.  Konrads  für  Zwettl  vom  11.  April  1160 
(Font.  rar.  Austr.  2.  Abt.  lU,  54).  Zwettl  wurde  besonders  von  ihm  ausgezeichnet 
(Chron.  Zwettl.  M.  G.  SS.  IX,  699). 

4)  Meiller,  Österreichische  Stadtrechte  und  Satzungen  (Archiv  f.  osterr, 
Gesch.  X,  92). 

5)  Siehe  oben  Anm.  3.  In  den  Mon.  Germ.,  von  Stumpf,  Eegesten  3863 
und  Ju ritsch  S.  230  in  den  August  1159  gesetzt,  dagegen  von  Giesebrecht 
Vi,  392  und  Hub  er  I,  253  woiil  richtiger  zum  März  1164,  da  1159  keine 
Eeichsversammlung  in  Parma  nachweisbar  ist. 


1540  Droizolintcs  Kapitol. 

Nach  dem  Tode  des  Papstes  Hadrian  IV.  am  1.  September 
1159  war  es  zu  einem  grofsen  Schisma  gekommen,  wodurch  der 
bisherige  Kampf  zwischen  Kaisertum  und  Papsttum  nur  verschärft 
wurde.  Viktor  IV.  war  der  Papst  der  kaiseHichen,  Alexander  111. 
der  Papst  der  kirchlichen  Partei.  Dieser  schleuderte  zwar  zu 
Ostern  llGü  den  Bann  gegen  den  Kaiser,  was  jedoch  ziemlich 
wirkungslos  blieb,  da  sich  die  meisten  deutschen  Bischöfe  schon 
vorher  auf  einer  Synode  zu  Pavia  im  Februar  des  Jahres  für 
Viktor  IV.  verpflichtet  hatten.  Zu  den  wenigen,  die  sich  in 
Deutschland  für  Alexander  zu  erklären  wagten,  gehörte  der  ge- 
nannte Erzbischof  Eberhard  von  Salzburg. 

Als  er  nun  Mitte  1164  aus  dem  Leben  schied,  war  die  un- 
erlässliche  Bedingung ,  die  das  Domkapitel  an  die  Wahl  seines 
Nachfolgers  knüpfte,  das  Festhalten  an  Alexander  III.  Indem  die 
Wahl  auf  den  Babenberger  Konrad  von  Passau  fiel,  von  dem  man 
wohl  einen  gewissen  Einflufs  auf  seinen  kaiserlichen  Neffen  er- 
hoffte, war  dieser  gezwungen,  in  klarerer  Weise  als  bisher  Stellung 
zu  nehmen.  Bislang  hatten  sich  nämlich  die  Babenberger  dem 
Kirchenstreite  möglichst  ferngehalten.  Herzog  Heinrich,  den  die 
Tradition  seines  Hauses  und  wohl  auch  innere  Neigung  auf  die 
Seite  der  römisch-kirchlichen  Partei  führen  mochte,  hatte  seit  dem 
Jahre  1156  allen  Grund,  dem  Kaiser  treu  ergeben  zu  bleiben,  und  ver- 
mied daher  lieber  jede  schärfere  Stellungnahme.  Aber  auch  Konrad, 
obwohl  dem  Kaiser  nicht  in  gleicher  Weise  verpflichtet  und  wahr- 
scheinlich überzeugter  Anhänger  Alexanders,  war  mit  seinen  Gesinn- 
ungen bisher  nicht  hervorgetreten.  Hatte  doch  selbst  Eberhard  von 
Salzburg  es  für  klug  gefunden,  möglichst  lange  nach  aufsen  hin  ein 
Doppelspiel  zu  treiben!  So  kam  es,  dafs  Osterreich  durch  das 
Schisma  nicht  so  wie  andere  Länder  in  feindliche  Lager  gespalten 
wurde;  sogar  die  Zisterzienser,  im  übrigen  Deutschland  die  eifrigsten 
Parteigänger  Alexanders  III.,  enthielten  sich  in  Osterreich  der 
Agitation. 

Die  Lage  des  neuen  Erzbischofes  von  Salzburg  war  sehr 
schwierig,  denn  fast  gleichzeitig  mit  seiner  Wahl  hatte  sich  der 
kirchenpolitische  Konflikt  noch  mehr  zugespitzt,  indem  am  20.  April 
des  Jahres  Viktor  IV.  gestorben  und  nun  von  der  kaiserlichen 
Partei  Paschalis  IL  ganz  wider   afles  Recht  zum  Papst   eingesetzt 


streben  nach  politischer  und  wirtschaftlicher  Unabhängigkeit.         347 

worden  war.  In  feierlicher  Weise  schwur  der  Kaiser  auf  einem 
Reichstag  (1166),  ihm  Treue  zu  halten,  dagegen  weder  Alexander 
noch  einen  von  dessen  Partei  gewählten  Papst  jemals  anzuerkennen, 
und  zwang  zugleich  die  anwesenden  weltlichen  und  geistlichen 
Fürsten  diesem  Schwur  beizutreten,  während  an  die  abwesenden 
eine  schriftliche  Aufforderung,  sich  anzuschliefsen,  mit  einem  Termin 
von  sechs  Wochen  erging. 

Unter  denen,  die  dem  kaiserlichen  Befehl  nicht  Folge  leisteten, 
befand  sich  in  erster  Linie  Konrad  von  Salzburg,  der  schon  vor- 
her ganz  vergeblich  zum  Kaiser  nach  Italien,  dann  zu  einem  Hof- 
tag in  Bamberg  gereist  war,  um  die  Belehnung  zu  erlangen.  Da 
er  geraäfs  seinem  bei  der  Wahl  abgegebenen  Versprechen  an 
Alexander  festhielt,  hatte  ihm  der  Kaiser  die  Anerkennung  ver- 
weigert. Jetzt,  wo  er  auch  dem  Würzburger  Eide  Widerstand 
entgegensetzte,  leitete  der  Kaiser  ein  eigenes  Gerichtsverfahren  gegen 
ihn  ein.  Er  erschien  zwar  endlich  beim  dritten  Termin  vor  dem 
Hofgericht,  aber,  da  er  unbeugsam  blieb,  so  wurde  er  auf  dem 
Tage  zu  Laufen  am  29.  März  1166  samt  allen  seinen  Anhängern 
und  allen  Klöstern  der  Erzdiözese  in  die  Reichsacht  erklärt ;  seine 
Salzburgischen  Güter  aber  wurden  konfisziert  und  an  Laien  vergabt. 

Konrad  stand  jetzt  nahezu  isoliert.  Sein  Bruder  war  zwar  dem 
Würzburger  Reichstag  fern  geblieben,  wagte  aber  keinen  Wider- 
stand, als  der  Kaiser  persönlich  nach  Wien  kam,  um  ihm  den 
Würzburger  Eid  abzunehmen  ^).  Auch  Heinrichs  Schwager,  Herzog 
Wladislaw  von  Böhmen,  und  der  neue  Ungarnkönig  Stephan  III.  — 
sein  Vorgänger  Geisa  war  ein  Anhänger  Eberhards  von  Salzburg  — 
erklärten  sich  für  Paschalis.  Endlich  war  auch  Konrads  früherer 
Bischofstuhl  Passau  mit  einem  Schismatiker,  Rupert,  besetzt 
worden. 

Über  die  Haltung  der  österreichischen  und  ostbayerischen 
Klöster  sind  wir  leider  nicht  recht  unterrichtet.  Der  Umstand, 
dafs  die  meisten  Klosterannalen  auf  Heinrich  schlecht  zu  sprechen 
sind,  deutet  darauf  hin,  dafs  sie  ihrem  Metropoliten  folgten.  Nur 
St.  Polten  und  St.  Florian   waren   kaiserhch   gesinnt  ^).     Dagegen 


1)  Niederösterreichisches  Urkundenbuch  I,  Nr.  10. 

2)  Ännal.  Eeichersberg.  472. 


348  Dreizehntes  Kapitel. 

wissen  wir  von  Reichersberg,  wo  Gerhoch  nach  wie  vor  das  Banner 
der  römischen  Partei  hoch  hielt,  und  von  Klosterneuburg,  wo  sein 
Bruder  Marquard  Propst  war,  dals  sie  treu  zu  Konrad  standen 
und  ihrer  Überzeugung  auch  Ausdruck  verliehen  ^).  Statt  die 
Kleriker  von  dem  schismatischen  Bischof  von  Passau  weihen  zu 
lassen,  schickte  sie  der  Propst  von  Klosterneuburg  lieber  nach 
Friesach,  wohin  sich  Konrad  von  Salzburg  notgedrungen  zurück- 
gezogen hatte  ■'^).  Die  verschiedenen  weltlichen  Nachbarn  Salzburgs, 
die  Grafen  von  Piain,  Mittersill  usw.  hatten  sich  nämlich  beeilt,  die 
Reichsacht  zu  vollstrecken,  und  hatten  sogar  Salzburg  niedergebrannt. 
Reichersberg  wurde  wiederholt  geplündert,  Abt  Bernhard  von  Lam- 
bach  erschlagen.  In  Osterreich  scheint  es  jedoch  nicht  zu  Ein- 
griffe in  Salzburger  Besitz  gekommen  zu  sein  ^). 

Die  Situation  wurde  noch  schlechter,  als  Konrad  am  28.  Sep- 
tember 1168  starb  und  man  in  Salzburg  wieder  einen  Anhänger 
Alexanders,  den  Sohn  Herzog  Wladislaws  von  Böhmen  und  Neffen 
Heinrichs  und  Konrads  von  Osterreich,  Adalbert,  wählte,  der  jedoch 
bei  seiner  Jugend  und  bisherigen  klösterlichen  Erziehung  weder  die 
Erfahrung  und  politische  Klugheit  noch  die  Autorität  seines  Vor- 
gängers besafs.  Ganz  unnötigerweise  forderte  er  den  Kaiser  da- 
durch heraus,  dafs  er  sich  gegen  die  Bestimmungen  des  Wormser 
Konkordates  von  Ulrich  von  Aquileja  weihen  liefs  und  ohne 
Zustimmung  des  Kaisers  seine  lehnsherrlichen  Rechte  ausübte. 
Darum  brach  Kaiser  Friedrich  mit  einem  Heere,  bei  dem  sich 
auch  Heinrieh  von  Österreich  befand,  gegen  Salzburg  auf.  Bevor 
es  zum  Aufsersteu  kam,  überredete  der  Herzog  seinen  Neffen  zur 
Nachgiebigkeit  *),  und  Adalbert  gab  sein  Erzbistum  auf,  doch  ver- 
mochte der  Kaiser  nicht,  eine  Neuwahl  bei  der  Salzburger  Geist- 
lichkeit zu  erzwingen.  Erst  auf  dem  Reichstag  zu  Regensburg 
im  Juni  1174  wurde  Adalbert  feierlich  abgesetzt,  und  aus  der 
nun  folgenden  Wahl  ging  Propst  Heinrich  von  Berchtesgaden  her- 


1)  Gerhoch   von  Keichersberg   entfaltete   eine   publizistische  Tätigkeit  für 
Konrad.     De  quarta  vigilia  noctis  (Migne,  Patrol.  Bd.  194,  593). 

2)  Cont.  Claustron.  I,  611. 

3)  Die  Darstellung  Heinrichs  bei  Prutz,  Friedrich  I.,  III,  '24  und  Eiez- 
1er  1,  701  als  entschiedenen  Anhängers  Alexanders  ist  ganz  unbegründet. 

4)  Chron.  Magn.  Presb.  (M.  G.  ÖS.  XYU,  490). 


streben  nach  politischer  und  wirtschaftlicher  Unabhängigkeit.         349 

>-or,  der,  obwohl  gleichfalls  Anhänger  Alexanders,  vom  Kaiser 
doch  die  Regalien  erhielt,  da  es  diesen  drängte,  zur  Entscheidung 
awi  den  lombardischen  Kriegsschauplatz  zu  kommen.  Bei  dem 
Gerichtsverfahren  war  Ad  albert  persönlich  zugegen,  und  Herzog 
Heinrich  vertrat  allein  seine  Sache,  vielleicht  nur  in  formeller  Weise 
als  dessen  Anwalt  ^). 

Leider  täuschte  sich  der  Kaiser,  wenn  er  hoffte,  den  Salzburger 
Kirchenstreit  beigelegt  zu  haben.  Obwohl  Heinrich  sich  zu  Alexan- 
der ni.  bekannte,  hielt  dieser  aus  Gegnerschaft  gegen  den  Kaiser 
an  dem  abgesetzten  Adalbert  fest,  den  deshalb  wenigstens  ein  Teil 
der  Klostergeistlichkeit  als  rechtmäfsigen  Erzbischof  betrachtete. 
Klosterneuburg,  das  nach  wie  vor  seine  Kleriker  bei  Adalbert 
weihen  liefs  2),  Heiligenkreuz,  Zwettl,  Göttweig  und  Garsten  standen 
von  den  österreichisch -bayerischen  Klöstern  auf  seiner  Seite.  Sie 
sind  es  auch,  die  sich  auf  einem  Konvent  einfanden,  den  der  Legat 
Alexanders  IIL,  Walter  von  Albano,  einberief.  Bezeichnenderweise 
mufste  die  Versammlung  in  Ungarn  abgehalten  werden,  da  der 
Legat  bei  Herzog  Heinrich  keine  Unterstützung  fand,  ja  nicht 
einmal  Geleite  erhielt  ^). 

Im  übrigen  erlebte  Herzog  Heinrich,  der  durch  seine  kluge 
und  mafsvoUe  Politik  mitten  unter  den  schwierigsten  Verhältnissen 
seinem  Lande  den  Frieden  erhalten  und  so  dessen  gedeihliche  Ent- 
wickelung  gefördert  hatte,  noch  den  Schmerz,  in  blutige  Kämpfe 
mit  seinen  Nachbarn  verwickelt  zu  werden,  die  Österreich  mit 
Plünderung  und  Verwüstung  heimsuchten  ^).  Der  Grund  zu  Grenz- 
streitigkeiten  mit   Böhmen   war   gegeben,    seit    die    Rodungen    im 

1)  So  nach  der  ansprechenden  Vermutung  von  Juritsch  S.  273. 

2)  Cont.  Claustron.  III,  630  ad  a.  1170. 

3)  Vgl.  dessen  Bericht  Magn.  Presb.  Ann.  (M.  G.  SS.  XVII,  501). 

4)  Über  diese  Kämpfe  ist  uns  in  keiner  unserer  Quellen  ein  zusammen- 
hängender Bericht  überliefert.  Wir  sind  auf  vereinzelte  und  verstreute  Angaben 
angewiesen  und  müssen  ursächliche  Zusammenhänge  und  Gesamtverlauf  daraus 
kombinieren.  Aufser  den  verschiedenen  österreichischen  Klosterannalen  kommt 
Magnus  Keichersperg.  M.  G.  SS.  XVII ,  501  und  besonders  Gerhoch  von  Mühl- 
hausen (Fontes  rer.  Bohem.  II,  470  f.)  in  Betracht.  Vgl.  Bach  mann,  Ge- 
schichte Böhmens  I,  256  f.  Auch  beziehen  sich  wahrscheinlich  einige  der  von 
Loserth  in  den  Beiträgen  zur  Kunde  steiermärkischer  Geschichtsquellen  XXVI, 
25  f.  mitgeteilten  Formeln  auf  diese  Konflikte. 


:{r>0  Dreizehntes  Kapitel. 

Kordwalde   mit   der    Gründung   des   Klosters   Zwettl    einen    festen 
Älittelpunkt  erhalten  hatten  und  gegen  Nordwesten  lebhafter  betrieben 
wurden.    Böhmen,  dessen  Gebiet  sieh  damals  über  Weitra  hinaus  bis 
in  das  heutige  Niedcrösterreieh  erstreckte,  und  wohl  auch  durch  Ro- 
dungen   neuen  Kulturboden    zu   gewinnen  suchte,    sah    sich    darin 
bedroht   und    machte    seine   Ansprüche    geltend  ').      Doch    hätten 
diese  Grenzfehden  allein  kaum  so  grofse  Dimensionen  angenommen^ 
wenn  nicht  gewisse  Ereignisse  und  Beziehungen  in  den  Herrscher- 
häusern zusammen  mit   den   allgemeinen   politischen  Verhältnissen 
eine  Art  Koalitionskrieg  hervorgerufen  hätten,  der  allerdings,  wie 
erwähnt,    nur   zu   einer  Reihe   von  Raub-    und  Verwüstungszügen 
führte.     Den   nächsten  Anstofs   gab  ein  Bruderzwist  in   der  arpa- 
dischen  Königsfamihe.    König  Stephan  III.  war  schon  1172  plötzhch 
gestorben,  wie  es  hiefs,  von  seinem  Bruder  Bela  ermordet.    Herzog 
Heinrich  von  Österreich,    der  Schwiegervater  Stephans,  hatte  die 
Schreckenskunde    vernommen,    eben  als  er  Herzog  Heinrich   dem 
Löwen,  der  über  Österreich  nach  dem  Gelobten  Lande  zog,  nach 
grofsen  Feierlichkeiten    in    Klosterneuburg    und  Wien   das  Geleite 
bis  Gran  gab.      Mit    seiner   plötzlich   verwitweten    Tochter   Agnes 
kehrte    er   nach    der  Heimat   zurück.     Aber   auch    seines   zweiten 
Bruders,    Geisa,    suchte    sich    der    herrschsüchtige    Bela    zu    ent- 
ledigen,   indem    er   ihn   ins  Gefängnis    werfen   liefs.     Doch    dieser 
entwich,    und    suchte   bei    seinem   Schwager   Leopold    von    Oster- 
reich,   dem  Sohne  Herzog  Heinrichs,    Zuflucht.     Bela   versicherte 
sich   dagegen    der    Freundschaft   Herzog   Sobeslaws    von   Böhmen, 
der    eben,    wie    schon    erwähnt,    mit   Osterreich    wegen    der    be- 
drohlichen   Ausdehnung    der   deutschen  Kolonisation   gegen    Nord- 
westen in  einen  Konflikt  geraten  war,   der  nach  irgendeiner  Ent- 
scheidung   drängte.     Ähnliche  Reibungen  an   der  Grenze  scheinen 
den   Markgrafen    Ottokar    von    Steier    dazu    bestimmt    zu    haben, 
mit  den  Gegnern  Heinrichs  von  Österreich   gemeinsame  Sache  zu 
machen,    während    dieser    seinerseits    Unterstützung    bei    Herzog 
Hermann  von  Kärnten  fand.      Weitere  Bundesgenossenschaft   ver- 
mochte  er   nicht   zu  gewinnen,    obwohl  er,   wie   es    scheint,    sich 
auch  mit  Herzog  Heinrich   dem  Löwen  in  Verbindung  zu  setzen 


1)  Siehe  die  interessante  Darstellung  bei  Ger  lach  a.  a.  0. 


Streben  nach  politischer  und  wirtschaftlicher  Unabhängigkeit.         351 

suchte  ^).  Da  damals  die  Salzburger  Kircbenfrage  für  alle  Ak- 
tionen die  Richtschnur  bot,  so  drückt  sich  in  der  Koalition  auch 
in  dieser  Hinsicht  die  Parteistellung  der  einzelnen  Teilnehmer  aus. 
Österreich  und  Kärnten,  kaiserlich  gesinnt,  standen  den  päpst- 
lichen Parteigängern,  dem  König  von  Ungarn  und  dem  Mark- 
grafen von  Steier,  gegenüber  -).  Nur  bei  Sobeslaw,  der  im  Jahre 
1173  vom  Kaiser  an  Stelle  des  erbberechtigten  Sohnes  Wladislaws, 
Friedrichs,  des  Bruders  Adalberts  von  Salzburg,  zum  Herzog  -in- 
gesetzt worden  war,  spielten  die  erwähnten  anderen  Gründe  mit, 
und  er  brachte  sich  um  ihretwillen  mit  dem  Kaiser  in  Wider- 
spruch. 

Gegen  den  Markgrafen  von  Steier,  der,  wie  es  scheint,  anfangs 
von  seinen  mächtigeren  Verbündeten  nicht  genügend  unterstützt 
wurde,  errang  Herzog  Heinrich  im  Jahre  1175  einige  nicht  un- 
beträchtliche Erfolge.  Sowohl  Fischau  am  Steinfelde,  als  auch 
die  Stadt  Enns  im  Traungau  wurden  von  den  österreichischen 
Scharen  niedergebrannt,  die  Umgebung  geplündert.  Dafür  wurde 
im  Sommer  1176  durch  böhmische,  mährische,  polnische  und 
ungarische  Scharen  der  nördliche  Teil  Österreichs  in  schreckhcher 
Weise  verheert.  Zu  einer  Besetzung  des  Gebietes  kam  es  jedoch 
nicht,  sondern  nach  dem  Brauch  des  Kleinkrieges  damaliger  Zeit 
kehrte  das  Heer  nach  vollbrachtem  Streifzug  über  die  Grenze  zu- 
rück, und  Herzog  Heinrich,  der  von  den  Grafen  von  Peilstein- 
Schala-Hohenburg,  denen  bei  ihrem  ausgedehnten  Besitz  im  Norden 
der  Donau  an  der  Vertreibung  der  Feinde  in  erster  Linie  ge- 
legen war,  unterstützt  wurde,  konnte  sie  mit  seinen  Söhnen 
Leopold  und  Heinrich  bis  an  die  Thaya  verfolgen  und  durch 
Verwüstung  des  mährischen  Gebietes  um  Znaim  Vergeltung  üben. 
Da  hatte  Herzog  Heinrich  am  29.  November  das  Unglück,  auf 
einer   Holzbrücke    mit    dem   Pferde    zu    stürzen    und    sich    einen 


1)  Dafs  die  Absicht  bestand,  kann  man  wohl  aus  dem  Umstand  sehliefsen, 
dafs  um  die  kritische  Zeit  (Mitte  März  1176)  eine  grofse  Versammlung  der  beiden 
Herzöge  und  vieler  bayerischer  und  österreichischer  Grafen  zu  Enns  stattfand 
(ÜB.  d.  L.  0.  d.  Enns  I,  347). 

2)  In  welchem  Mafse  hier  von  einigen  Geschichtschreibern,  namentlich  von 
P  r  u  t  z  III,  24  und  ü  u  d  i  k ,  Geschichte  Mährens  IV,  18,  die  Tatsachen  verdreht 
■worden  sind,  hat  bereits  Hub  er  I,  263,  Anm.  3  nachgewiesen. 


353  Dreizehntes  Kapitel. 

kichenkelbi'uch  zuzuziehen,  an  dem  er  anderthalb  Monate  später 
am   13.  Januar  1177   starb. 

Die  Katastrophe  hatte  vermutlich  das  österreichische  Heer  auf- 
gelöst, denn  im  Dezember  konnte  Herzog  Sobeslaw  abermals  in 
Osterreich  eindringen,  Zwettl  niederbrennen  und  die  Umgebung 
durch  zehn  Tage  verwüsten.  Herzog  Heinrichs  Nachfolger,  sein 
ältester  Sohn  Leopold  V.,  verdrängte  ihn  aus  Mähren  nach  Böhmen, 
und  der  Kaiser,  der  die  Schwenkung  der  böhmischen  Politik  nicht 
ungestraft  lassen  wollte  und  allen  Grund  hatte,  sich  dem  Baben- 
berger  erkenntlich  zu  zeigen,  setzte  ihn  ab.  An  seine  Stelle  trat 
nun  doch  Wladislaws  Sohn  und  Erbe  Friedrich,  und  der  Kaiser 
vermittelte  zwischen  diesem  und  Herzog  Leopold  auf  einem  Reichs- 
tage zu  Eger  am  1.  Juli  1J79  einen  Vergleich  über  die  strittige 
Grenzfrage.  Die  Grenze  sollte  fortan  vom  Hochberg  bis  Gmünd 
und  von  da  bis  zur  Quelle  des  Gestitzbaches  verlaufen  ').  Sechs 
Jahre  später  belehnte  dann  der  Herzog  von  Böhmen  den  öster- 
reichischen Ministerialen  Hadmar  von  Kuenring  mit  Weitra  und 
dem  umliegenden  Walde,  wodurch  die  Einverleibung  auch  dieses 
Gebietes  in  Österreich  angebahnt  wurde  ^). 

Herzog  Leopold  V.  trug  gleich  vom  Anfang  an  seine  treue 
Anhängerschaft  an  den  Kaiser  ostentativ  zur  Schau,  indem  er, 
obwohl  bereits  zu  Lebzeiten  seines  Vaters  auf  dem  Reichstag  zu 
Regensburg  im  Jahre  1174  vom  Kaiser  mit  Österreich  belehnt, 
sofort  nach  des  Vaters  Tode  nach  Italien  zum  Kaiser  eilte,  um 
sich  aufs  neue  belehnen  zu  lassen.  Auch  während  der  nächsten 
Zeit,  in  der  sich  wichtige  Ereignisse  abspielten,  weilte  er  an  des 
Kaisers  Seite  in  Italien. 

Nicht  nur  in  dem  böhmischen  Grenzkriege,  sondern  auch  in 
der  grofsen  kirchenpolitischen  Frage  erlebte  nicht  mehr  Herzog 
Heinrich,  sondern  erst  sein  Sohn  die  Lösung.  Persönlich  konnte 
er  Zeuge  sein  des  Friedensschlusses  zwischen  Kaiser  Friedrich  und 
Papst  Alexander  HL  zu  Venedig  am  22.  Juli  1177,  der  auch  den 
Salzburger  Erzbistumsstreit  beilegte,  indem  der  Papst  Adalbert 
fallen  liefs.    Doch  bewahrten  einzelne  bayerische  und  österreichische 


1)  Meiller,  Eegesten  56,  8  und  234. 

2)  Cod.  dipl.  Moraviae  I,  316. 


Streben  nach  politischer  und  wirtschaftlicher  Unabhängigkeit.         358 

Klöster,  wie  Reichersberg,  Garsten  und  Klosterneuburg,  Adalbert 
auch  ferner  ihre  Sympathien^),  und  im  Jahre  1183  konnte  dieser 
sosar  auf  seinen  erzbischöflichen  Sitz  zurückkehren. 

Endlich  erfolgte  nun  auch  der  Sturz  des  früheren  Neben- 
buhlers der  Babenberger,  Heinrichs  des  Löwen,  der  im  Jahre  1180 
auf  dem  Tage  in  Würzburg  geächtet  und  seiner  Herzogtümer, 
Besitzungen  und  Lehen  entsetzt  wurde.  Freilich  berührte  jetzt 
dieses  Ereignis  Osterreich  nicht  mehr. 

Dagegen  erlangte  unter  Leopold  V.  Osterreich  einen  aufser- 
ordentlichen  Machtzuwachs,  indem  es  Ottokar  IV.  von  Steiermark, 
das  seit  1180  zum  Herzogtum  erhoben  war,  beerbte.  Ehe  wir 
ims  diesem  Ereignis  und  den  weiteren  Folgen  zuwenden,  müssen 
wir  einen  Blick  auf  die  Entwickelung  im  Lande  westlich  der  Enns 
und  im  südlichen,  steierischen  Teile  des  Landes  werfen,  die  sich 
bei  der  schärferen  territorialen  Abgrenzung  und  der  Ausbildung 
der  kleineren  Fürstentümer  seit  dem  12.  Jahrhundert  mehrfach 
abweichend  von  der  in  Osterreich  gestaltet  hatte. 

1)  Die  Annalen  des  Magnus  Keichersp.  {M..  G.  SS.  IX,  504),  die  Cont. 
Carstens,  (a.  a.  0.  594)  und  die  Cont.  Oaustron.  III  (a.  a.  0.  631)  bezeichnen 
alle  die  Entscheidung  mehr  oder  weniger  deutlich  als  ungerecht. 


Tancsa,  Geschieht«  Nieder-  u.  OberSsterreichs.  *«> 


Vierzehntes   Kapitel. 

Die  Entwickelung  der  Landesteile  aufserhalb  der 
Grenzen  der  Mark. 


Die  ehemalige  Kärntnermark,  deren  Markgrafen  sich  im  Ver- 
laufe des  12.  Jahrhunderts  nach  ihrer  Stammfeste,  der  Styraburg^ 
Markgrafen  von  Steier  nannten  ^),  hatte  im  letzten  Jahrhundert 
eine  ganz  ähnhche  Entwicklung  genommen  wie  die  Ostmark  2). 
Für  unsere  Darstellung  kommt  sie  in  zweifacher  Richtung  in  Be- 
tracht, denn,  wie  schon  hervorgehoben  wurde,  umfafste  diese 
Markgrafschaft  den  ganzen  Traungau  bis  zum  Hausruck  und 
Polhamer  Wald,  einschliefslich  des  Salzkammergutes,  und  den 
ganzen  südlichen  Teil  des  Landes  unter  der  Enns,  das  Püttener,. 
Neustädter  und  Gutensteiner  Gebiet.  Auch  dieser  Markgraf  war 
von  Bayern  abhängig  und  mufste  die  bayerischen  Hoftage  besuchen 

1)  Die  früher  stets  angeführten  Beispiele  für  das  V'orkommen  dieser  Be- 
nennung schon  zu  Ende  des  11.  Jahrhunderts  sind  entweder  späte  Zusätze  oder 
Fälschungen  (die  Garstener  Traditionen). 

2)  Ich  hebe  hier  selbstverständlich  nur  einige  Momente  hervor,  die  für  den 
Zusammenhang  mit  unserer  Landesgeschichte  von  Bedeutung  sind,  und  verweise 
für  das  Folgende  in  Kürze  aufser  auf  Hub  er  I,  267  und  Strnadt,  Geburt  des 
Landes  ob  der  Enns,  noch  besonders  auf  Zahn  in  der  Festschrift  zur  Feier  der 
vor  700  Jahren  stattgefundenen  Erhebung  zum  Herzogtum  (Graz  1880),  S.  10 
und  in  der  Literaturbeilage  der  Wiener  Montags- Kevue  1881  Nr.  21—23.  Wann 
Steiermark  entstand  (Styriaca  1894) ;  Krone s,  Verfassung  und  Verwaltung  der 
Mark  und  des  Herzogtums  Steier  (I.  Band  der  Forschungen  zur  Verfassungs-  und 
Verwaltungsgesch.  der  Steiermark,  Graz  1897),  den  allerdings  eine  demnächst 
erscheinende  gröfsere  Untersuchung  Strnadts  vielfach  berichtigen  dürfte;  end- 
lich auch  die  kleine  „Geschichte  der  Steiermark  mit  besonderer  Eücksicht  auf  das 
Kulturleben"  von  Fr.  M.  Mayer  (Graz  1898).  Vgl.  auch  Ilwof  in  Deutsche 
Geschichtsblätter  IV,  288,  1903. 


Die  Entwickelung  der  Lar.desteile  aufserhalb  der  Grenzen  der  Mark.      355 

und  zwar  hauptsächlich  deswegen  weil  der  Herzog  von  Bayern 
sein  Lehnsherr  im  Traun gau  war.  Was  ihm  eine  aufserge wohn- 
liche Machtfülle  verlieh,  war  sein  ausgedehnter  Besitz  sowohl  an 
Eigengütern  als  an  Lehen.  Früher  als  die  Babenberger  hatten 
die  Ottokare  von  Steier  das  Glück,  durch  günstige  Heiraten  und 
reiche  Erbschaften  diesen  Besitz  zu  mehren.  Wie  ihre  Anfänge 
im  östlichen  Alpenland  auf  die  Beerbung  der  Lambacher  zu- 
rückgehen, haben  wir  schon  gesehen.  Sie  erlangten  hier  Allo^^e 
sowie  bayerische  und  passauische  Lehen ;  etwas  später  kam  die 
Grafschaft  im  Ennstal  als  salzburgisches  Lehen  dazu.  Markgraf 
Ottokar  H.  (bis  1122)  knüpfte  Verbindungen  mit  den  grofsen 
benachbarten  Territorialherren  an  und  verheiratete  sich  mit  Elisa- 
beth, der  Tochter  des  Markgrafen  Leopold  IL  von  Österreich, 
die  ihm  als  Mitgift  das  Gebiet  zwischen  der  Piesting,  Steinabrückl 
und  Wilhelmsburg  zubrachte  ^)  und  durch  die  er  zugleich  Schwager 
Herzog  Heinrichs  von  Kärnten,  des  Gemahles  ihrer  Schwester 
Sophie,  wurde;  dieser  war  aber  der  letzte  aus  dem  Hause  der  Eppen- 
steiner  und  vermachte  ihm  bei  seinem  Tode  einen  ausgedehnten 
Besitz  in  der  Steiermark.  Weitere  Gebietsvermehrungen  erfolgten 
unter  Ottokars  H.  Enkel,  Ottokar  HL  (1129—1164),  an  den  1148 
durch  den  Tod  des  Sponheimer  Grafen  Bernhard,  seines  Oheims, 
die  Mark  an  der  Drau  oder  die  Pettauer  Mark  und  im  Jahre  1158, 
als  Graf  Ekbert  H.  von  Formbach-Pütten  in  ItaHen  fiel,  auch 
dessen  ganzer  Besitz  im  heutigen  Niederösterreich,  der  politisch 
schon  seit  längerer  Zeit  zur  Kärntnermark  gehörte,  kam  ^).  Schliefs- 
lich  mufs  bemerkt  werden,  dafs  die  steierischen  Markgrafen  wahr- 
scheinUch  schon  als  Erben  der  Wels  -  Lambacher  auf  dem  Boden 
des  heutigen  Oberösterreich  im  Norden  der  Donau  in  Haselbach 
und  Winkel,  also  im  Amtsbereiche  der  Babenberger  begütert 
waren  ^). 

In  kirchlicher  Beziehung  gehörte  das  weite  Gebiet  mit  Aus- 


1)  Darüber  gibt  die  Einleitung  zu  Enenkels  Fürstenbucli  (Mon.  Germ. 
Deutsche  Chron.  m)  Aufschlufs.  Vgl.  Mon.  Boic.  XXIXb,  311.  Kelchdorf  dürfte 
nicht  Kalladorf  im  Viertel  unter  Manhartsberg  sein,  sondern  einer  der  vielen 
abgekommenen  Orte  gleichen  Namens. 

2)  Darüber  vgl.  besonders  Krön  es  a.  a.  0.  74 ff. 

3)  Belege  bei  Strnadt,  Peuerbach  118,  147. 

23* 


37)0  Vierzehntes  Kapitel. 

nähme  des  Traungaues  zur  Erzdiözese  Salzburg,  und  mehr  noch 
als  die  Babenberger  standen  die  Ottokare  unter  dem  Einflüsse 
ihrer  Diözesane.  Bei  der  prononzierten  Stellung,  die  diese  von 
Gebhard  bis  Eberhard  und  Konrad  in  dem  grofsen  Kampfe 
zwischen  Kaiser  und  Papst  einnahmen,  war  daher  auch  die  Po- 
litik der  Markgrafen  in  höherem  Mafse,  als  dies  bei  den  vielfach 
lavierenden  und  zurückhaltenden  Babenbergern  der  Fall  war, 
ausgesprochen  kirchlich.  Zweimal  kam  es  infolgedessen,  wie  wir 
gesehen  haben,  sogar  zu  Feindseligkeiten  zwischen  den  beiden 
Nachbarländern. 

In  der  Zeit   der   grofsen  Klostergründungen    wetteiferten   die 
Ottokare    mit    den    Babenbergern   in    glänzenden    Stiftungen.      In 
unseren  Gegenden  verdankte  ihnen  das  Benediktinerkloster  Garsten 
seine  Entstehung,   das  Nonnenkloster  Traunkirchen  seine  Erneue- 
rung >).    Besonders  das  erstere,  eine  Lieblingsstiftung  der  Ottokare, 
machte   sich   nach    seiner  Reformierung  von  Göttweig   aus  (1108) 
unter   dem   tatkräftigen  Abt  Bertold  (1111  —  1142)  um  die  Kulti- 
vierung  des   unteren   Ennstales   aufserordentlich    verdient,    indem 
von  hier  kleine  Mönchskolonien  (Obedienzen)  nach  Gaflenz,  Weyer, 
Losenstein  u.  a.  ausgesendet   wurden.      Ganz    im    Sinne  Gerhochs 
von  Reichersberg  hielt  Bertold  strenge  Klosterzucht,  die  in  Askese 
und   schweren  Körperstrafen   gipfelte.     Aber   auch   auf  die  Laien 
übte   er   grofsen   Einflufs,  ja   hielt    sogar   seine   schützende  Hand 
über  Verbrecher,  die  sich  vor  der  irdischen  Gerechtigkeit  in  sein 
Kloster  flüchteten  ^). 

Nicht  weit  von  der  Stammburg  der  Ottokare  und  ihrem  Haus- 
kloster Garsten  gründete  um  1122  ihr  Ministeriale  Arnhalm  von 
Gleink  ein  anderes  Benediktinerkloster,  indem  er  in  übHcher  Weise 
seinen  Familiensitz  zum  Kloster  umwandelte  ^).  Das  Geschlecht 
erbaute   sich   sodann   eine   neue  Burg  Volkenstorf  bei  St.  Florian 


1)  Die  Literatur  über  Garsten  siehe  oben  S.  279,  Anm.  1.  —  Über  Traun- 
kirchen: Friefs  im  Archiv  für  österreichische  Geschichte  LXXXII  (1895). 

2)  Die  Vita  Bertoldi  bietet  ein  anschauliches  Bild  des  Klosterlebens  (Pez, 

SS.  11,  80). 

3)  Pritz,  Geschichte  der  Benediktiuerklöster  Garsten  und  Gleink  (1841). 
Urkunden  bei  Kurz,  Beiträge  zur  Geschichte  des  Landes  ob  der  Enns  III  und 
Stülz  (Archiv  f.  K.  österr.  Geschichtsquelleu  lU). 


Die  Entwickelung  der  Landosteile  aufserhalb  der  Grenzen  der  Mark.      357 

und  führte  fortan  von  dieser  Feste  den  Namen.    Auch  das  Kloster 
Gleink  wurde  von  den  Markgrafen  von  Steier  reich  begabt. 

Einige  Klostergründungen  im  Territorium  dieser  Markgrafen 
sind  dadurch   von    eigentümlicher   Bedeutung,    dafs    sie    mit   einer 
Seite  der  Kulturentwickeking  zusammenhängen,   die  im   12.  Jahr- 
hundert besonders  gefördert  wurde.    Es  wurde  schon  hervorgehoben, 
dafs  in    dieser  Zeit    der  Pilgerfahrten    und  Kreuzzüge    die  Klöster 
an  den  Heerstrafsen  als  Herbergen  eine    höchst    segensreiche  Auf- 
gabe zu  erfüllen  hatten.    Mehr  noch  als  in  der  dichter  besiedelten 
Ebene,  wo  allmählich  die  Städte  Unterkunft  bieten  konnten,  wurden 
diese    klösterlichen    Herbergen,    Hospiz    oder   Spital    genannt,   im 
Gebirge,  an  den  gefährlichen  und  einsamen  Alpenübergängen  von 
hervorragender  Wichtigkeit,    zumal   da    im    weiteren  Verlaufe  des 
Jahrhunderts  der  Handel  nach  dem  Süden  über  die  Alpenpässe  ein 
regerer  wurde,  ja  sogar  die  Kreuzfahrer  über  sie  ihren  Weg  nahmen, 
um   zur  See  nach    dem  Gelobten  Lande   zu   gelangen.     Im  Jahre 
1166    gründete    Ottokar  HI.  (V.)    das  Spital    am  Semmering  oder 
Cerwald,  dem  später  so  berühmten  Übergang  von  Niederösterreich 
nach  Steiermark.    Einige  Jahrzehnte  später  (1190)  gründete  Bischof 
Otto  II.  von  Bamberg  ein  ähnliches  Hospiz  an  dem  Alpenübergang 
vom  Lande  ob  der  Enns  ins  obere  Ennstal,  das  Spital  am  Pyhrn, 
das  gleichfalls  von  Ottokar  von  Steiermark  mit  Gütern  ausgestattet 
wurde  ^). 

Wie  in  der  Ostmark  die  Babenberger,  so  hatten  die  Ottokare 
auch  in  ihrem  Territorium  die  einflufsreiche  und  einträgliche  Vogtei 
über  die  Klöster  erlangt,  so  über  Garsten,  Gleink,  Traunkirchen, 
Lambach  und  das  Spital  am  Semmering.  Wenn  wir  von  dem  aus- 
gedehnten Besitz  dieser  und  der  Klöster  Kremsmünster  und  St.  Florian 
absehen,  so  kommt  von  den  geistlichen  Territorialherren  für  den 
Traungau  noch  Bamberg,  das  bereits  seit  dem  11.  Jahrhundert, 
wie  wir  gesehen  haben,  im  Besitz  der  Herrschaften  Mattighofen, 
Friedburg,  Attersee,  Kogl  und  Frankenburg  sowie  auch  von 
Wiudischgarsten  war,  und  Salzburg,  das  im  1 2.  Jahrhundert  Güter 
in  den  Pfarren  Puchkirchen,  Aupfelwang  und  Neukirchen  erwarb, 
in  Betracht,   für  das  Püttener  Gebiet,    das  ziemlich  bunte  Besitz- 

1)  ÜB.  d.  L    0.  d.  Enns  II,  424. 


358  Vierzehntes  Kapitel. 

vei'hUltuisse  aufwies,  gleichi'alls  Salzburg,  dann  Freising,  dessen 
Güter  wir  schon  kennen  gelernt  haben,  von  denen  aber  einiges 
Salzburger  Eigen  an  Admont  kam,  ferner  das  Formbacher  Haus- 
kloster Formbach,  das  hier  einen  Oberhof,  die  Propstei  Gloggnitz, 
besafs,  das  Kloster  Reichersberg,  das  durch  die  besondere  Gunst 
Erzbischofs  Konrad  von  Salzburg  die  Pfarren  Putten  und  Brom- 
berg erhielt,  später  noch  Edlitz,  HoUenthon,  Scheiblingkirchen, 
Thernberg,  Walpersbach;  das  (1072  gegründete)  Bistum  Gurk  und 
endlich  die  Propsteien  Voran  und  Seckau,  letzteres  eine  Stiftung 
Adalrams  von  Waldeck  aus  dem  Geschlecht  der  altfreien  Herren 
von  Traisen,  der  die  Vogtei  über  das  Kloster  1146  an  den  Mark- 
grafen Ottokar  von  Steier  übertrug.  Aufser  den  Klostervogteien 
bildeten  auch  noch  zahlreiche  Lehen,  namentlich  Passauer  und 
Salzburger,  Grundlagen  für  den  Reichtum  der  Ottokare  '). 

Wenden  wir  uns  dem  weltlichen  Grofsgrundbesitz  in  dem 
nordsteierischen  Gebiete  zu,  so  finden  wir  der  freien  Herren  nur 
wenige.  Im  Traungau  war  das  Ulstal  aus  dem  Besitze  des  Grafen- 
geschlechtes, das  sich  danach  benannte,  an  die  stammverwandten 
Grafen  von  Wolfrathshausen  und  von  diesea  an  die  steierischen 
Ottokare  gekommen,  die  es  an  die  Herren  von  Ort  weiterliehen. 
Die  Grafen  von  Andechs  hatten  eine  Reihe  von  Bambergischen 
Lehen  im  Garstentale  inne.  Im  Südwesten,  ungefähr  im  Bezirke 
der  heutigen  Pfarren  Regau  und  Aurach,  safsen  die  Grafen  von 
Rebegau-Piugen.  Noch  weniger  sind  aus  dem  Püttener  Gebiet  be- 
kannt; gelegentlich  werden  nur  freie  Herren  von  Flatz  (bei  Neun- 
kirchen) genannt  ^).  Eine  eigentümhche  Doppelstellung  nahmen 
die  Herren  von  der  Traisen  ein,  deren  ausgedehnte  Besitzungen 
auf  österreichischem  und  steierischem  Boden  lagen,  und  die  dem- 
nach auch  vielfach  in  den  Urkunden  der  steierischen  Markgrafen 
erscheinen. 

Sehr  zahlreich  sind  dagegen  in  beiden  Gebieten  die  Dienst- 
mannen   der  Ottokare  ^).      Im  Traungau    dürften    zu    den    ältesten 


1)  Über  die  Besitzverhältnisse  im  Traungau  vgl.  hauptsächlich  Strnadt, 
Geburt  des  Landes  ob  der  Euns  S.  46 f.,  im  Püttener  Gebiet  Krones  a.  a.  0.  S.  77. 

2)  In  der  Keuner  Stiftungsurkunde  von  1138  (Zahn,  Steier.  ÜB.  I,  175). 

3)  Über   die   Dienstmannen   der    steierischen   Markgrafen   siehe   gleichfalls 
Strnadt  S.  62  und  Krones  S.  39fF. 


Die  Entwickelung  der  Lan  desteile  aufserbalb  der  Grenzen  der  Mark.    359 

jene  gehören,  die  sich  nach  der  Stammburg  der  Markgrafen  nannten. 
Es  sind  dieselben,  die  später  als  Herren  von  Steinbach  erscheinen 
und  in  der  neueren  österreichischen  Geschichte  als  Starhemberger 
eine  hervorragende  Rolle  spielen.  Nicht  minder  berühmt  und  zum 
Teil  bis  auf  den  heutigen  Tag  blühend  sind  die  Herren  von  der 
Traun,  die  Polheime,  die  Gleink-Volkenstorfe,  dazu  die  Herren 
von  Kapellen,  Wartenburg,  Schlierbach,  Ort  und  viele  andere. 
Aus  dem  Püttener  Gebiete  sind  die  Herren  von  Hohenstaff  (Hoheu- 
stauf)- Alten  bürg,  bekannter  unter  dem  Namen  Hohenberg,  von 
Prosset,  Ahnherrn  der  späteren  Emmerberge,  die  Herren  von 
Maiersdorf,  Dachenstein,  Scheuchenstein,  Fronberg,  Puchberg, 
Losenheim,  Stolzenwörth,  Dunkelstein,  Wolfstein,  Mutmannsdorf, 
Lanzenkirchen,  Neunkirchen,  Weikersdorf  und  andere  zu  nennen, 
die  zum  Teil  erst  nach  1158  aus  den  oberösterreichischen  und 
steierischen  Landen  der  Ottokare  hier  einwanderten  ^).  —  In  ähn- 
licher Entwickelung  wie  in  Osterreich  war  die  Macht  der  Dienst- 
mannen unter  der  Begünstigung  der  Markgrafen  sehr  gestiegen, 
sie  waren  nicht  einmal  zu  Abgaben  verpflichtet  wie  die  öster- 
reichischen ''). 

Auch  dem  Aufkommen  der  Städte  schenkten  die  steierischen 
Markgrafen  ihre  Beachtung.  Um  ihre  Stammburg  Steyr  hatte  sich 
ein  Markt  gebildet,  der  um  1170  als  civitas  bezeichnet  wird.  Später 
begünstigten  sie  mehr  Enns,  um  sich  auch  einen  Anteil  an  dem 
immer  mehr  aufblühenden  Donauhandel  zu  sichern.  Es  erhielt 
sogar  von  Ottokar  VI.  im  Jahre  1190  ein  Privilegium  mit  Stapel- 
recht und  Jahrmarktsbewilligung,  in  dem  auch  die  Rechte  der 
fremden  Kaufleute  aus  Köln,  Aachen,  Regensburg  und  Ulm  fest- 
gesetzt sind,  ein  Privileg,  das  als  Vorbild  für  die  späteren  öster- 
reichischen Stadtrechte  von  höchster  Wichtigkeit  wurde  ^).  Enns 
ist  auch  bereits  1185  als  Münzstätte  der  Ottokare  bezeugt*).    Im 


1)  So  die  Hohenstaff  aus  Oberösterreich  (Bl.  d.  Ver.  f.  Landesk.  VIII,  69, 
1873);  die  Prosset  von  der  gleichnamigen  Feste  in  Steiermark  usw. 

2)  Geht  aus  der  Georgenberger  Handfeste  hervor.     Ich  werde  auf  die  ein- 
zelnen diesbezüglichen  Bestimmungen  unten  noch  näher  zurückkommen. 

3)  Oberleitner,  Die  Stadt  Enns  im  Mittelalter  (Archiv  f.  österr.  Gesch. 
XXVII,  62).     Die  Urkunde:  Archiv  X,  92. 

4)  Zahn,  Steierisches  Urkundenbuch  I,  619. 


360  Vierzehntes  Kapitel. 

Püttener  Gebiete  gab  es  bereits  um  1140  eine  Münzstätte  zu 
Neunkii"chen.  Die  Urkunde  König  Konrads  III.  über  Münze  und 
Marktrecht  dieser  Stadt  ist  das  älteste  uns  erhaltene  derartige 
Instrument  in  den  altösterreichischen  Landen  ').  In  demselben 
Gebiete  entstand  dann  um  11G6  eine  Münzstätte  der  Ottokare  zu 
Fiscbau  ^).  Es  gab  in  diesen  Städten  landesfürstliche  Münzer, 
Wirtschaftsverwalter  (Rentraeister)  und  Geldwechsler  (Monetarii^ 
dispensatores,  commutatores). 

Die  Gründe  für  diese  Einrichtungen  und  Verfügungen  sind 
in  zwei  Richtungen  zu  suchen.  Einerseits  strebten  die  steierischen 
Markgrafen  von  dem  Augenblicke  an,  da  die  Macht  der  Baben- 
berger  selbständiger  wurde,  besonders  seit  dem  Jahre  1156,  viel- 
leicht aber  schon,  als  diese  die  Herzogswürde  von  Bayern  erlangt 
hatten  und  dadurch  vorübergehend  ihre  Lehnsherren  geworden 
waren,  danach,  eine  ähnlich  selbständige  Stellung  zu  gewinnen, 
und  mufsten  daher  auch  eine  ähnlich  Wirtschaftspolitik  einschlagen, 
um  ihr  Land  von  der  Abhängigkeit  von  Bayern  zu  befreien  und 
sich  von  Österreich  nicht  ganz  überflügeln  zu  lassen.  So  errichteten 
sie  ihre  Handelsplätze  und  Münzstätten,  wie  in  Osterreich  die 
Babenberger  Krems  und  Wien. 

Andrerseits  entsprach  ihre  Tätigkeit  doch  wohl  auch  einem  Be- 
dürfnis, das  die  Verhältnisse  der  Gegenden  gerade  damals  schufen. 
Im  12.  Jahrhundert  begannen  nämlich  der  Bergbau  und  die  mit 
ihm  zusammenhängenden  Industrien  in  den  österreichisch  -  steie- 
rischen Alpen  aufzublühen  und  ebenso  der  Handel  nach  Süden, 
der  seit  der  Römerzeit  erloschen  war,  über  die  Alpenpässe  sich  zu 
entwickeln.  Die  urkundlichen  Nachrichten  für  den  Eisenbergwerks- 
und Salinenbetrieb  in  Obersteier  (Ennstal,  am  Erzberg,  um  Maria- 
zeil), für  die  Salzgewinnung  im  Salzkammergut  (Aussee)  sind  zwar 
zunächst  für  das  12.  Jahrhundert  noch  dürftig  und  unbestimmt,  aber 
sie  genügen  vollkommen,  um  die  Anfange  der  späteren  Entwicke- 
lung    verfolgen    zu    können  ^).      Dabei    mufs   als   aufserordentlich 


1)  Meiller,  Regesten  28,  22. 

2)  Steierisches  ürkundenbuch  I,  462. 

3)  Salzgewinnung  schon  1025  im  Aflenztal  (Steier.  ÜB.  I,  53),  Salinen  und 
Erzbau  ebendas.  1103  (a.  a.  0.  S.  112). —  Siehe  jetzt  am  besten  bei  Bittner, 
Das  Eisenwesen  in  Innerberg  -  Eisenerz   (Archiv  f.  österr.  Gesch.  LXXXIX,  451, 


Die  Entwickelung  der  Landesteile  aufserhalb  der  Grenzen  der  Mark.     361 

wichtiges  Moment  hervorgehoben  werden,  dafs  die  Markgrafen 
von  Steier  bereits  das  Hoheitsrecht  darüber  besafsen  ^),  was  gleich- 
falls zur  Erhöhung  ihres  Reichtunis  beitrug. 

Natürlich  hatte  das  Aufkommen  dieser  Bergwerksbetriebe  auch 
einen  neuen  Verkehr  und  die  Belebung  der  alten  Handelswege 
zur  Folge.  In  Niederösterreich  führte  die  Strafse  über  Fischau, 
wo  ja  auch,  wie  wir  gesehen  haben,  eine  Münzstätte  entstand, 
durch  das  Buchberger  Tal  2).  Die  Gründung  des  Spitals  am  Semrae- 
ring  im  Jahre  1166  weist  bereits  auf  einen  regen  Verkehr  über 
diesen  Alpenpafs,  denn  Österreich  war  bei  dem  Mangel  an  eigenem 
Bergsegen  auf  den  Bezug  von  Salz  und  Eisen  angewiesen,  während 
es  hinwiederum  Körnerfrüchte  und  Wein  an  die  Alpenländer 
abgab. 

Ebenso  steht  die  Errichtung  der  Münzstätte  zu  Enns  und  die 
Verleihung  des  Markt-  und  Stapelrechtes  an  diese  Stadt,  sowie 
die  Begründung  des  Spitals  am  Pyhrn  in  der  Zeit  um  1190  mit 
dem  Aufschwung  des  Handelsverkehres  von  der  Donau  durch  das 
Ennstal  nach  dem  Süden  und  dieser  wohl  auch  mit  dem  Auf- 
blühen des  Erzbergbaues  und  Salinenbetriebes  im  Salzkammergut 
und  oberen  Ennstal  im  Zusammenhang.  Aus  der  Ennser  Stapel- 
ordnung von  1190  geht  sogar  hervor,  dafs  Lastschiffe  von  der 
Donau  ab-  und  in  die  Enns  einbogen  und  flufsaufwärts  fuhren. 
Es  kann  daher  nicht  wundernehmen,  wenn  in  dieser  Zeit  auch 
bereits  die  Kreuzfahrer  nicht  mehr  ausschliefshch  den  Donauweg 
wählen,  sondern  über  die  genannten  Alpenpässe  zum  Adriatischen 
Meere  ihre  Strafse  nehmen,  um  dann  auf  dem  Seewege  ins  Ge- 
lobte Land  zu  gelangen.  Für  einen  weiter  reichenden  Handel 
nach  dem  Süden,  über  die  Alpenländer  hinaus,  nach  Itahen  ist  im 
12.  Jahrhundert  noch  kein  direktes  Zeugnis  vorhanden.     Möglich 

[1901]).  Über  die  Salinen :  I  n  a  m  a  -  S  t  e  r  n  e  g  g ,  Zur  Verfassungsgeschichte  der 
deutschen  Salinen  im  Mittelalter  (Sitzungsber,  d.  Akad.  d.  Wissensch.,  phil.-hist. 
Kl.  CXI,  569,  1886);  Aigner,  Die  Salinen  der  Alpen  in  ihrer  geschichtlichen 
Entwickelung  (Zeitschrift  f.  Berg-  und  Hüttenwesen  XXXVI,  551  ff.,  1888). 

1)  Geht  aus  der  Urkunde  Ottokars  VI.  für  Seckau  vom  29.  November  1182 
hervor  (Zahn,  Steier.  ÜB.  I,  586). 

2)  Newald,  Ein  Beitrag  zur  Kenntnis  der  alten  Strafsen Verbindungen 
des  Wiener  Beckens  mit  den  obersteierischen  Eisenbergwerkeu  und  Salinen  (Bl. 
d.  Ver.  f.  Landesk.  von  Niederösterr.  IV,  282,  1870). 


362  Vierzehntes  Kapitel. 

aber,  dafs  gewisse  in  jener  Zeit  auftretende  Beinamen  in  Oster- 
reich, wie  rienricus  Roraanus,  Otto  Romaer,  Rudeger  cognomento 
Paveiare  u.  a.  ^)  auf  bereits  bestehende  Handelsbeziehungen  zu 
Italien  hindeuten. 

Es  sei  gestattet,  an  dieser  Stelle  noch  einen  Blick  auf  das 
nachbarliche  Grenzgebiet  Bayerns  zu  werfen,  das  in  nicht  gar 
ferner  Zeit  mit  dem  Lande  östhch  der  Traun  verschmelzen  sollte, 
und  in  der  Entwickelung  bei  der  nahen  Berührung  grofse  Ver- 
wandtschaft zeigt.  Die  Besitzverhältnisse  in  diesem  bayerischen 
Gebiete  liegen  sehr  im  dunkeln  -).  Im  wesentHchen  scheint  es 
nach  wie  vor  in  der  Hand  einiger  weniger  grofser  Geschlechter 
gewesen  zu  sein:  die  späteren  Landgerichte  Ried  und  Schärding 
am  Inn  im  Besitze  der  Grafen  von  Formbach  und  Neuburg,  das 
Landgericht  Kammer  in  dem  der  Grafen  von  Burghausen,  von 
denen  es  nach  deren  Aussterben  (1164)  wie  die  meisten  anderen 
Güter  an  die  Grafen  von  Plaien  kam. 

Den  Bischöfen  von  Würzburg  gehörte  aus  dem  alten  Lam- 
bacher  Erbe  Wels,  das  unter  ihnen  im  12.  Jahrhundert,  gleichfalls 
durch  den  Verkehr  nach  dem  Süden  und  ins  Salzkammergut  be- 
günstigt, der  daran  vorüberführte,  einen  bedeutenden  Aufschwung 
nahm,  obwohl  es  sich  herausgestellt  hat,  dafs  die  frühere  Annahme, 
Wels  habe  bereits  im  Jahre  1128  eine  städtische  Verfassung  ge- 
habt und  sei  demnach  das  älteste  österreichische  städtische  Gemein- 
wesen, auf  einer  verunechteten  Urkunde  beruht  ^j.  Grofses  Ge- 
wicht legten  die  Bischöfe  auf  die  Erhaltung  der  Traunb rücke.  — 
Linz,  Passauisches  Lehen,  wird  um  1140  als  civitas  genannt. 

Das  geistige  Leben  konzentrierte  sich  auch  im  Lande  ob  der 

1)  Im  Klosterneuburger  Salbuch  (Font.  rer.  Austr.  2.  Abt.  IV,  106,  447; 
XI,  17).  —  Vgl.  darüber  auch  Kichard  Müller  in  der  Geschichte  der  Stadt 
Wien,  hgg.  vom  Altertumsvereine  I,  165. 

2)  Strnadt,  Geburt  d.  L.  o.  d.  Enns  S.  47f.  und  Peuerbach  (27.  Jahres- 
bericht d.  Mus.  Franc.-Carol.). 

3)  Simonsfeld,  Historisch-diplomatische  Forschungen  zur  Geschichte  des 
Mittelalters  (Sitzungsber.  d.  philos.-philol.  u.  histor.  Klasse  d.  bayer.  Akademie 
S  391.  1898)  bat  nicht  nur  nachgewiesen,  dafs  die  Urkunde  über  die  Erhaltung 
der  Traunbrücke  zu  Wels,  die  von  einem  Stadtrichter  und  einem  Ausschufs  von 
vier  angesehenen  Bürgern  spricht,  nicht  ins  Jahr  1128,  sondern  1138  gehöre, 
sondern  auch,  dafs  dieser  Absatz  eine  spätere  Verunechtung  ist. 


Die  Entwickelung  der  Landesteile  aufserhalb  der  Grenzen  der  Mark.    363 

Enns  in  den  Klöstern,  besonders  in  den  alten  Stiftern  Mondsee, 
Kremsmünster,  St.  Florian,  denen  die  neuen  Gründungen  Reichers- 
berg, Garsten,  Gleink,  Wilhering  eifrig  nachstrebten.  Welchen 
Bann  Persönlichkeit  und  Schriften  Gerhochs  von  Reichersberg 
auf  die  Klöster  der  Alpenländer  und  weit  über  die  Klostermauern 
hinaus  ausübte,  haben  wir  ja  schon  gesehen.  Er  spiegelt  sich 
auch  in  den  asketischen  Werken  Liutolds  und  Eberhards  von  Mond- 
see. In  Gleink  entstand  vermuthch  im  Laufe  des  Jahrhunderts 
eine  Dichtung,  die  einen  beUebten  Stoff  der  kluniazensischen  Geistes- 
richtung, den  „Antichrist",  behandelte  ^).  Eine  Umarbeitung  einer 
Kärntner  Litanei  liefs  Abt  Engelbert  von  St.  Florian  (1172  -  1203) 
vornehmen,  worin  ausdrücklich  der  heihge  Koloman  eingefügt 
wurde. 

Wie  sehr  der  neue  Geist  auf  das  Laienvolk  hinübergriff,  geht 
daraus  hervor,  dafs  sich  Gerhoch  von  Reichersberg  einmal  ganz 
befriedigt  darüber  äufsert,  dafs  jetzt  niemand  mehr  wage,  un- 
anständige Lieder  zu  singen,  sondern  überall  Lobgesänge  Gottes 
in  Aufaahme  kämen;  zugleich  ein  Zeugnis  für  die  Volkspoesie 
jener  Zeit.  —  Die  Klosterschulen  trugen  das  Ihre  dazu  bei  ^). 
Aufser  der  älteren  Schule  von  St.  Florian  sind  zwischen  1111 — 1142 
Schulen  in  Kremsmünster  und  Garsten  ^) ,  unter  Gerhoch  eine  in 
Reichersberg,  zu  Mondsee  wenigstens  gegen  Ende  des  Jahrhunderts 
eine  solche  nachweisbar. 

Der  rege  wissenschaftliche  Sinn  der  Klostergeisthchkeit  prägt 
sich  schon  in  den  seit  dem  11.  Jahrhundert  bestehenden  und 
immer  mehr  anwachsenden  Bibliotheken  der  Stifter  aus,  die  unter- 
einander einen  lebhaften  Ausleiheverkehr  unterhielten.  Interessante 
alte  Verzeichnisse  stammen  aus  Kremsmünster  und  St.  Florian  *). 
Wie  die  Melker  Annalen  auch  in  Lambach,  Kremsmünster  und 
Garsten    Eingang    und    Fortsetzung   gefunden,    sahen    wir   bereits. 


1)  Es  ist  allerdings  auch  möglich,  dafs  das  Gedicht  selbst  in  Bamberg 
entstanden  ist  (Nagl-Zeidler  S.  158). 

2)  Literatur  siehe  oben  S.  294,  Anm.  2. 

3)  Nach  der  Vita  Bertoldi. 

4)  Hagn,  Das  Wirken  der  Benediktinerabtei  Kremsmünster  S.  26;  Czerny, 
Die  Bibliothek  des  Stiftes  St.  Florian  (Linz  1874).  wo  auch  (S.  37)  ein  erhaltener 
Ausleihkatalog  aus  dem  12.  Jahrhundert  mitgeteüt  ist. 


364  Vierzehntes  Kapitel. 

Aber  auch  andere  bedeutende  historisclie  Aufzeichnungen  entstanden 
in  den  obderennsischen  Klöstern.  Liutold  von  Mondsee  schrieb 
die  Gründungsgeschichte  seines  Klosters  in  Versen  i),  das  Leben 
des  Abtes  Bertold  von  Garsten  wurde  bald  nach  dessen  Tode 
(1142)  in  seinem  Stifte  beschrieben,  gegen  Ende  des  Jahrhunderts- 
in  Lambach  das  Leben  des  Bischofs  Adalbero  von  Würzburg.  — 
Fratres  literati,  Mönche,  die  sich  ausschhefsHch  mit  der  Wissen- 
schaft beschäftigen,  werden  in  Kremsmünster  erwähnt. 

Doch  auch  die  Künste  erfreuten  sich  bereits  einer  nicht  un- 
bedeutenden Pflege  2).  Miniaturmalerei  wurde  im  12.  Jahrhundert 
in  Lambach  (Bruder  Gottschalk),  Mondsee  (Liutold),  Reichersberg, 
Kremsmüuster  (Gerung)  und  St.  Florian,  Glasmalerei  besonders 
in  Kremsmünster  (Bruder  Hertwig)  betrieben.  In  Kremsmünster 
wurden  dem  Abte  Ehrenbert  und  dem  Bischof  Engelbert  von  Passau 
Denkmäler  errichtet.  —  Aufserhalb  der  Klostermauern  gibt  das 
romanische  Portal  der  Pfarrkirche  der  Bischofstadt  Wels  noch 
heute  von  der  aufblühenden  Baukunst  des  12.  Jahrhunderts  Kunde. — 
Die  Musik  wurde  als  Kirchengesang  schon  damals  in  den  Klöstern 
gepflegt.  Als  im  Jahre  1160  Limbert  aus  Admont  als  Abt  nach 
Kremsmünster  berufen  werden  sollte,  vermochte  der  Kirchengesang 
dieses  Stiftes  mit  dem  Admonts  nicht  in  Einklang  gebracht  zu 
werden  '^).  Auch  für  St.  Florian  ist  Musikpflege  schon  für  diese 
Zeit  überliefert  *). 

Im  Wettstreite  mit  Österreich,  zum  Teil  in  lebhaften  Wechsel- 
beziehungen war  also  auch  Steiermark  im  12.  Jahrhundert  rascK 
aufgeblüht,  der  Markgraf  zu  einer  bedeutenden  Machtstellung  ge- 
langt, an  Grundbesitz  sogar  reicher  als  der  Herzog  von  Kärnten 
und  der  neue  Herzog  von  Osterreich.  Die  Entwicklung  drängte 
dazu,  dafs  auch  diese  Markgrafen  unter  die  Reichsfürsten  auf- 
genommen wurden.  Die  Gelegenheit  dazu  fand  sich,  als  im  Jahre  1180 
Heinrich   der  Löwe  in   des   Reiches   Acht   und  Bann   verfiel   und 

1)  ÜB.  d.  L.  0.  (1.  Enns  I,  102.  —  Vgl.  Staufer,  Mondseer  Gelehrte 
(Melker  Programm  1864,  1865). 

2)  Friefs  im  Programm  voa  Seitenstetten  1869.  —  Hagn  a.  a.  0.  — 
Czerny,  Kunst  und  Kunstgewerbe  im  Stifte  St.  Florian  (Linz  1886). 

3)  H  a  n  s  i  z ,  Germ,  sacra  I,  318. 

4)  Czerny  a.  a.  Ö. 


Die  EntwickeluDg  der  Landesteile  aufserhalb  der  Grenzen  der  Mark.     365 

seiner  Herzogtümer  verlustig  ging.  Da  übertrug  der  Kaiser  Bayern 
zwar  an  die  Witteisbacher,  suchte  aber  einem  Ubermächtigwerden 
dadurch  vorzubeugen,  dafs  er  den  bisher  von  Bayern  lehens- 
rührigen Besitz  der  Ottokare  im  Lande  ob  der  Enns  von  dem 
baverischen  Herzogtum  loslöste  und  die  ganze  steierische  Mark 
z\x  einem  eigenen  Herzogtum  erhob  ^).  Leider  hat  sich  über  diesen 
Vorgang  keine  Urkunde  erhalten,  und,  da  kurze  Zeit  später  die 
Selbständigkeit  des  neuen  Herzogtums  wieder  aufhörte,  so  läfst 
sich  die  staatsrechtliche  Stellung  des  steierischen  Herzogs  und  ihre 
Verschiedenheit  von  der  des  österreichischen  nicht  mehr  genau 
erkennen  ^). 

Es  traten  nämhch  nun  Verhältnisse  ein,  wie  sie  zu  den  be- 
stimmenden Zufälligkeiten  der  Weltgeschichte  gehören.  Währenti 
das  Geschlecht  der  Babenberger  noch  blühte,  stand  das  Geschlecht 
der  Traungauschen  Ottokare  auf  zwei  Augen,  eben  jenen  des  ersten 
steierischen  Herzogs,  Ottokars  IV. ,  und  dieser  war  aufserdem  mit 
Aussatz  behaltet.  Er  sah  sich  daher  vor  die  Notwendigkeit  ge- 
stellt, über  seine  Erbschaft  und  über  die  Nachfolge  in  der  Re- 
gierung des  Landes  eine  Verfügung  zu  treffen,  und  vermutlich 
stand  ihm  das  Recht  zu  dieser  Verfügung  zu,  ähnlich  wie  es  den 
Babenbergern  durch  das  Privilegium  minus  gewährleistet  worden 
war.  Unter  den  wenigen  MögUchkeiten  mufste  eine  Vereinigung 
mit  dem  mächtig  aufstrebenden  Osterreich,  das  so  viele  gemein- 
same Interessen  besafs,  am  vorteilhaftesten  erscheinen. 

Durch  die  bereits  oben  erwähnten  Familienverbindungen  waren 
zudem  die  Babenberger  seine  nächsten  Anverwandten  geworden. 
Möglich,  dafs  Ottokar  zunächst  eine  kaufweise  Veräufserung  vor- 
schwebte ^).  Er  führte  auch  Verhandlungen  mit  den  Baben- 
bergern und  natürlich  auch  mit  dem  Kaiser,  der  gegen  einen 
Anfall  der  Steiermark  an  Österreich  keinen  Einwand  erhoben  zu 
haben  scheint.     Für  alle  Fälle  verfügte  er  vorläufig  über  seinen 


1)  Darüber  siehe  Krön  es  a.  a.  0.  S.  50 — 54. 

2)  Auch  Krones  läfat  ein  näheres  Eingehen  auf  diesen  Punkt  vermissen. 
Dennoch  würde  sich  wohl  eine  Untersuchung  desselben  verlohnen. 

3)  Allerdings  nur  von  Fälschungen  (Vorauer  Urkunde  von  1184,  Zahn, 
Steier.  ÜB.  I,  603)  und  späten  Schriftstellern  (Enenkel,  Hagen,  Cuspi- 
nian)  bezeugt.    Vgl.  darüber  und  über  das  Folgende  Krones  a,  a.  0.  S.  54 ff. 


;i66  Vierzehntes  Kapitel. 

Eigenbesitz  in  Österreich,  der  einst  die  Mitgift  der  Babenbergerin 
Elisabeth  ausgemacht  hatte,  indem  er  Gumpoldskirclien  an  Heinrich 
den  Jüngeren,  den  Bruder  Herzog  Leopolds,  Rappoltenkirchen, 
Kelchdort'  und  Sitzenberg  an  den  Domvogt  Otto  von  Regensburg, 
einen  Verwandten  der  Babenberger,  und  Ossarn  an  Lutwin  von 
Sonnberg  übergab  '). 

Bezüglich  des  Landes  wagte  er  jedoch  keine  Entschliefsung 
ohne  Zustimmung  der  adeligen  Herren  und  Ministerialen  der  Steier- 
mark, obwohl  ihm  im  Grunde  genommen  hinsichtlich  seiner  Dienst- 
manuen  das  Recht  zugestanden  hätte,  sie  ohne  weiteres  zu  ver- 
äufsern.  So  bedeutend  war  im  Laufe  der  letzten  hundert  Jahre 
ihr  Einflufs  geworden !  Zu  diesem  Zwecke  fanden  zu  Beginn  der 
achziger  Jahre  wiederholt  gröfsere  Versammlungen  statt.  Woran 
den  Adeligen  hauptsächlich  gelegen  sein  mufste,  war,  dafs  ihnen 
keines  ihrer  Rechte  von  dem  neuen  Landesherrn  entzogen  und 
keine  neue  Verpflichtung  auferlegt  würde. 

Als  daher  endlich  am  17.  August  1186  auf  dem  Georgen- 
berge im  W^eichbilde  der  herzoglich  steierischen  Stadt  Enns  der 
wichtige  Erbvertrag  zustande  kam,  wodurch  Herzog  Ottokar  den 
Herzog  Leopold  von  Österreich  und  dessen  ältesten  Sohn  Friedrich 
und  in  weiterer  Folge  immer  denjenigen  Nachkommen,  der  Österreich 
innehaben  würde,  zu  Erben  von  Land,  Ministerialen  und  Rittern 
(provinciales  oder  conprovinciales)  einsetzte,  mufste  in  die  Ur- 
kunde auch  eine  Verbriefung  der  Rechte  und  Pflichten  der  Dienst- 
mannen —  die  erste  ihrer  Art  —  aufgenommen  werden  ^).  Charakte- 
ristisch ist,  dafs  sie  nicht  nur  dadurch  ihre  bisherigen  Rechte  be- 
halten, die  sich  im  allgemeinen,  wie  es  scheint,  mit  denen  der 
österreichischen  Ministerialen  deckten,  sondern  auch  von  gewissen 
drückenden  Verpflichtungen  der  österreichischen  befreit  sein  sollten, 
wie  namentlich  von  den  Abgaben  und  Belästigungen,   die   diesen 


1)  Einleitung  zu  Enenkels  Fürstenbuch  (hgg.  von  Lampel,  M.  G. 
Deutsche  Chroniken  III). 

2)  Der  eigentliche  Vertrag  ist  nicht  erhalten,  wohl  aber  dessen  Kund- 
machung, vermehrt  durch  zwei  spätere  Zusätze,  und  eine  Mitteilung  an  die  Klöster 
(auch  die  kleine  Georgenberger  Urkunde  genannt).  Zahn,  Steier.  ÜB.  I,  651  f. 
Vgl.  auiser  Krön  es  a.  a.  0.  S.  58.  Luschin,  Die  steierischen  Landhandfesten 
(Beitr.  z.  Kunde  steierm.  Geschichtsquellen  IX,  119,  1872). 


Die  Eni  Wickelung  der  Landesteile  aufserbiilb  der  Grenzen  der  Mark.    367 

die  Gerichtsbarkeit  auferlegte  ^) ,  von  dem  Gerichtsbeweis  durch 
den  Zweikampf,  an  dessen  Stelle  in  Steiermark  einzig  und  allein 
die  Zeugenaussage  zu  gelten  habe,  und  von  dem  Anfallsrecht  der 
Herzöge  bei  erledigten  Lehen,  statt  dessen  den  Steiermärkern  freie 
Verfügbarkeit  über  ihr  Erbe,  sogar  Erbrecht  der  Töchter  zu- 
gestanden wurde.  Dagegen  wurden  ihnen  einige  besondere  Be- 
günstigungen des  österreichischen  Adels  nunmehr  ebenfalls  zuteil. 
So  sollten  nunmehr  auch  für  die  steierischen  Truchsesse,  Mund- 
schenke, Kämmerer  und  Marschälle  in  bezug  auf  den  Besuch  der 
kaiserlichen  Hoftage  und  die  Reichskriege  alle  den  Österreichern 
durch  das  Privilegium  minus  gewährleisteten  Vorrechte  Geltung 
haben. 

Inwieweit  die  übrigen  lehens-,  Vermögens-  und  erbrechtlichen 
Bestimmungen  des  Georgenberger  Vertrages  (Anerkennung  der 
von  den  Ministerialen  im  Lande  besessenen  Lehen  fremder  Herren, 
Erbrecht  der  Blutsverwandten,  Recht,  Eigen  an  Landesgenossen 
oder  Landesklöster  und  -kirchen  zu  verkaufen  oder  zu  verschenken) 
spezifisch  steierische  Rechte  sind  oder  auch  den  Österreichern  zu- 
kommen, läfst  sich  zwar  nicht  mit  Sicherheit  entscheiden,  aber  ich 
glaube  mich  auf  Grund  der  späteren  Entwickelung  ^)  für  das 
letztere  aussprechen  zu  sollen.  Sicher  ist  wohl,  dafs  das  den  Steier- 
märkern für  strittige  Fälle  zuerkannte  Recht  der  Appellation  an 
den  Kaiser  auch  die  Österreicher  besafsen,  da  die  Fiktion  auf- 
rechterhalten blieb,  dafs  die  Ministerialen  eigentlich  dem  Reiche 
gehörten. 

Eine  neue  Bestimmung  war  die  natürliche  Folge  der  Ver- 
einigung beider  Länder:  die  territoriale  Abgeschlossenheit  der 
Ministerialen  wurde  zwischen  Österreich  und  Steiermark  aufgehoben 
und  Heiraten  zwischen  Österreichern  und  Steiermärkern  gestattet, 
zugleich  wurde  statt  der  üblichen  Personalität  des  Rechtes  der 
Grundsatz  ausgesprochen,  dafs  die  Eheleute  das  Recht  ihres  Wohn- 
sitzes geniefsen  sollten. 

Für  unsere  Geschichtsdarstellung  ist  zu  betonen,  dafs  sich  zu- 
nächst die  neuen  adeligen  Untertanen  des  Herzogs  von  Österreich  im 
alten  Traungau  und  im  Püttener-Neustädter-Guttensteiner   Gebiete 

1)  Über  die  Abgaben  und  Leistungen  in  der  Mark  siehe  oben  S.  323. 

2)  Vgl.  Siegel  in  den  Sitzungsberichten  der  Wiener  Akademie  CII. 


368  Vierzolmtos  Kapitel. 

in  günstigerer  Lage  befanden  als  die  altösterreichischen,  und  dafs 
sie  besonders  die  Verbrietung  des  Rechtes  vor  diesen  voraus  hatten. 
Die  Landesklöster  wurden  von  den  Georgenberger  Beschlüssen, 
durch  die  den  Babenbergern  auch  die  Vogtei  über  sie  und  das 
Patronat  über  die  Pfarrkirchen  übertragen  worden  war,  verständigt 
und  ihnen  nicht  nur  Wahrung  ihres  Besitzes,  sondern  auch  Wieder- 
herstellung des  allenfalls  entfremdeten  versprochen  ^). 

Die  Bestimmungen  des  Georgenberger  Vertrages  bezogen  sich 
auf  das  Eigengut,  die  Ministerialen  und  die  Hausklöster  der 
Ottokare;  vielleicht  war  aber  auch  bezüglich  der  Herzogswürde 
und  des  Landes  dem  Herzog  ein  gewisses  Vorschlagsrecht  zu- 
gestanden worden,  auch  hatte  man  sich  wohl  schon  durch  die 
Verhandlungen  mit  dem  Kaiser  seiner  Zustimmung  versichert, 
und  dieser  hatte,  obwohl  sonst  grundsätzlich  mehr  auf  die  Tei- 
lung der  grofsen  Reichslehen  bedacht,  Jamals  allen  Grund,  die 
mächtigen  Herzöge  von  Osterreich  und  Steiermark  durch  Gunst- 
beweise für  seine  Politik  zu  gewinnen,  da  er  ja  gei'ade  wieder 
mit  dem  Papste  (Urban  IL)  in  Konflikt  geraten  war.  Bei  dem 
ausgedehnten  Grundb^esitz  des  steierischen  Herzogs  im  Lande  und 
seinen  vielen  Ministerialen  und  Untertanen  wäre  es  übrigens  auch 
schwer  möglich  gewesen,  einen  anderen  als  Herzog  durchzusetzen 
als  den  Erben  dieses  Besitzes.  Wirklich  hat  Kaiser  Friedrich 
nicht  nur  keinen  Einwand  erhoben,  sondern  die  vollzogene  Tat- 
sache anerkannt.  So  vermittelte  er  beispielsweise  iswischen  Herzog 
Leopold  und  König  Bela  HI.  von  Ungarn  wegen  der  strittigen  steie- 
rischen Grenze  im  Jahre  1188  ^).  Als  dann  am  8.  oder  9.  Mai  1192 
der  Tod  den  noch  jungen  (kaum  dreifsigjährigen)  letzten  Chiem- 
gauer  von  seinem  unheilbaren  Leiden  erlöste,  stand  auch  der  neue 
deutsche  König,  Heinrich  VI.,  nicht  an,  Herzog  Leopold  von  Oster- 
reich und  seinen  Sohn  Friedrich  noch  in  demselben  Monate  (am 
24.  Mai)  mit  dem  Herzogtum  Steiermark  zu  belehnen,  worauf 
Leopold  auch  die  steierischen  Dienstmannen  in  Graz  huldigten  ^). 


1)  Es  ist  nur   noch   das   für  Voran   bestimmte  Exemplar   erhalten  (Steier. 
ÜB.  I,  654). 

2)  Cont.  Zwettl.  S.  544. 

3)  Dafs  die  Annahme  Jägers  (Beiträge  z.  österr.  Gesch.  II,  79),  der  sich 
auch  noch  Luschin  anschliefst,  als  habe  Kaiser  Heinrich  VI.  die  Vereinigung 


Die  Entwickelung  der  Landesteile  aufserhalb  der  Grenzen  der  Mark.    369 

Immerhin  bleibt  es  auffallend  und  wird  leider  durch  die 
Überlieferung  unserer  Quellen  nicht  genügend  erklärt,  warum 
wenige  Jahre  später,  als  Herzog  Leopold  V.  von  Österreich  und 
Steiermark  auf  gleiche  Weise  wie  sein  Vater,  nämlich  durch  einen 
Schenkelbruch  bei  einem  Sturz  vom  Pferde,  in  Graz  am  31.  De- 
zember 1194  ums  Leben  kam,  entgegen  der  ausdrücklichen  Be- 
stimmung des  Georgenberger  Erbvertrages  —  dieser  verfügte  ja: 
beide  Länder  sollten  für  immer  vereint  bleiben  —  Österreich  an 
seinen  ältesten  Sohn  Friedrich,  der  doch  schon  mit  Steiermark 
belehnt  war,  dieses  jedoch  an  den  jüngeren  Leopold  fiel  und  so 
abermals  eine  Trennung  eintrat.  Es  scheint,  als  ob  sich  bei  den 
Babenbergern  gewissermafsen  der  Grundsatz  herausgebildet  hätte, 
den  jüngeren  Prinzen  ganz  bedeutende  Apanagen  zuzuweisen.  Schon 
Leopolds  IIL  ältester  Sohn  Adalbert  führte  zu  Lebzeiten  seines  Vaters 
den  Titel  Markgraf  und  war  Vogt  der  Babenbergischen  Familien- 
klöster. Leopolds  IV.  Bruder,  Heinrich  (Jasomirgott) ,  hatte  ur- 
sprünglich die  Pfalzgrafschaft  am  Rhein,  allerdings  durch  seinen 
Stiefbruder,  den  König  Konrad,  erlangt.  Leopold  V.  hatte  seinem 
Bruder  Heinrich  einen  reichen  Güterkomplex  um  Jedlersee,  Wolf- 
passing  und  Reisenberg,  sowie  um  Mödhng  überlassen.  Dieser 
legte  sich  den  Titel  Herzog  bei  und  hielt  auf  Burg  Mödling  einen 
eigenen  Hofstaat  ^).  Es  ist  möglich ,  dafs  Herzog  Leopold  durch 
die  Länderteilung,  die  er  vielleicht  in  seinen  letzten  Willen  verfügte, 
für  seinen  jüngeren  Sohn  sorgen  wollte,  indem  er  so  in  etwas  kurz- 
sichtiger Weise  die  Familienpolitik  höher  stellte,  als  den  Vorteil  des 
ungeteilten  Besitzes  ^).    Gewifs  kam  er  darin  auch  einem  Wunsche 

Österreichs  und  Steiermarks  nur  für  die  Lebenszeit  Leopolds  V.  bestätigt,  während 
nach  dessen  Tode  die  Länder  wieder  unter  dessen  beide  Söhne  geteilt  werden 
sollten,  auf  einer  unrichtigen  Auffassung  der  urkundlichen  Nachrichten  beruht, 
liat  bereits  Hub  er,  Österreichische  Geschichte  I,  273  bewiesen. 

1)  Sava,  Die  Herzüge  von  Mödling  (Der  österr.  Geschichtsforscher  II,  476). 
Lampel,  Die  Einleitung  zu  Jans  Euenkels  Fürstenbuch  S.  30,  (Wien  1883). 

2)  Von  einer  letztwilligen  Verfügung  berichtet  Enenkels  Weltchronik  (hgg. 
von  Strauch  in  Mon.  Germ.  SS,  in  vern.  lingua  IH,^  545).  Von  den  neueren 
Historikern  glaubt  nur  Jäger  darin  eine  Mafsregel  des  Kaisers  sehen  zu  können. 
Krones  a.  a.  0.  S.  119  bringt  noch  einige  Anhaltspunkte  bei,  die  vermuten 
lassen,  dafs  die  Trennung  schon  zu  Lebzeiten  Leopolds  V.  beschlossene  Sache 
war.  —  Zu  vergleichen  ist  auch  Töche,  Jahrbücher  des  deutschen  Kelches  unter 
Heinrich  VI.,  S.  408. 

Yancsa,  Geschichte  Nieder-  u.  Oborösterreichs.  ^4 


S70  Viorzohntos  Kaj)itel. 

der  beiden  sonst  noch  interessierten  Hauptfaktoren  nach :  des  Kaisers 
und  der  Landesministerialen.  König  Heinrich  VI.  —  Friedrich 
Barbarossa  war  unterdessen  am  10.  JuU  11  DU  auf  dem  Kreuzzuge 
im  Fhisse  Kalykadnus  ertrunken  —  hielt  an  der  bisherigen  stau- 
lischen  PoUtik  der  Zersphtterung  der  Herzogtümer  fest  und  konnte 
die  Trennung  der  beiden  Länder  nur  zustimmend  begrüfsen.  Aber 
auch  die  Ministerialen  mochten  sich  an  die  neuen  Verhältnisse 
noch  nicht  recht  gewöhnt  haben,  vielleicht  doch  Übergriffe  der 
neuen  Herren  fürchten  und  daher  eine  eigene  Landesregierung 
vorziehen.  Jedenfalls  müssen  auch  sie  der  so  hochwichtigen  Mafs- 
regel  zugestimmt  haben. 

Dennoch  war  es  für  die  Entwickelung  Österreichs  zweifellos 
ein  Glück,  dafs  abermals  ein  Zufall  eingriff,  um  schon  nach  wenigen 
Jahren  eine  Wiedervereinigung  der  beiden  Länder  herbeizuführen, 
die  seitdem  nie  wieder  völhg  aufgehoben  worden  ist.  Am  16.  April 
1198  erlag  Herzog  Friedrich  von  Osterreich  auf  einem  Kreuzzuge 
in  Palästina  einer  kurzen  schweren  Krankheit.  Einige  Monate 
vorher  war  auch  Kaiser  Heinrich  VL  am  28.  September  1197 
gestorben  und  hatte  aiur  einen  erst  dreijährigen  Sohn  Friedrich 
hinterlassen.  Bei  der  Unmöghchkeit,  diesem  Kinde  die  Krone  zu 
verschaffen,  hatte  die  Stauferpartei  am  9.  März  1198  die  Wahl 
des  Bruders  Heinrichs  VI.,  Philipps  von  Schwaben,  zum  deutschen 
König  durchgesetzt,  während  die  Weifen  in  dem  Sohne  Heinrich» 
des  Löwen,  Otto,  im  Juni  einen  Gegenkönig  aufstellten  ^).  Bei 
dieser  Spaltung  im  Reiche  war  an  ein  Einschreiten  der  königlichen 
IVIacht  gegen  die  Herzogtümer  kaum  zu  denken,  im  Gegenteile  bot 
König  Philipp  alles  auf,  um  die  mächtigen  Babenberger  zu  ge- 
winnen. Auch  die  Ministerialen  scheinen  keinen  Widerstand  ge- 
leistet zu  haben,  denn  einen  ganz  neuen  Herzog  zu  berufen  wäre 
wohl  noch  mifslicher  gewesen,  und  ein  anderer  Babenberger  Sprofs 
war  nicht  mehr  vorhanden.  So  war  es  am  vorteilhaftesten,  an 
dem  Georgenberger  Vertrag  festzuhalten,  und  Leopold  ergriff  tat- 
sächlich   ohne   weiteres   die  Herrschaft    beider  Herzogtümer.     Am 

1)  Vgl.  über  die  Beziehungen  zum  Eeich  auch  Abel,  Philipp  der  Hohen- 
staufe  (Berlin  1852),  sowie  Otto  IV.  und  Kaiser  Friedrich  II.  (Berlin  1856)  und 
Winkelmann,  Jahrbücher  des  deutschen  Eeiches  unter  Philipp  von  Schwaben 
und  Otto  IV.  (Berlin  1873,  1878). 


Die  Entwickelung  der  Landesteile  auf  serhalb  der  Grenzen  der  Mark.    37  t 

17.  August  nennt  er  sich  bereits  offiziell  in  Urkunden  Herzog  von 
Österreich  und  Steiermark  ^).  Er  schlofs  sich  wie  die  anderen 
süddeutschen  Fürsten  an  König  Philipp  an  und  erschien  in  der 
ersten  Zeit  wiederholt  auf  dessen  Hoftagen  ^). 

Die  Babenberger  waren  aber  nicht  nur  nach  dem  Ausgang  der 
Traungauer  die  lachenden  Erben.  Schon  bei  der  Zersplitterung  des 
bayerischen  Herzogtums  im  Jahre  1180  scheint  ihnen  der  Strich 
Landes  zwischen  Haselgraben  und  grofser  Mühel  zugefallen  zu 
sein  ^).  Aber  auch  die  alten  Grafengeschlechter  Österreichs  be- 
gannen gerade  damals  langsam  auszusterben,  und  ihre  Güter 
kamen,  sofern  keine  nahen  Verwandten  Ansprüche  hatten,  an  den 
Herzog.  Die  ersten,  die  noch  vor  den  Ottokaren  in  den  letzten 
achziger  Jahren  des  12.  Jahrhunderts  erloschen,  waren  die  Grafen 
von  Rebgau-Piugen.  Die  beiden  letzten  Sprossen  ihres  Stammes, 
die  Grafen  Gebhard  und  Adalbert,  vermachten  den  Babenbergern 
ihre  umfangreichen  Güter  im  Lande  unter  der  Enns  um  Hörn 
und  im  Lande  ob  der  Enns  um  Vöklabruck  ^).  Nur  wenige  Jahre 
später ,  etwa  um  1191,  war  mit  den  Grafen  Sieghard  IH.  und 
Heinrich  das  Geschlecht  der  Grafen  von  Schala  ausgestorben.  Da 
fiel  wenigstens  die  Mitgift,  welche  die  Babenbergerin  Sophia,  die 
in  erster  Ehe  mit  Heinrich  von  Kärnten  vermählt  gewesen  war, 
ihrem  zweiten  Gemahl  Sieghard  H.  von  Schala  zugebracht  hatte, 
an  den  Herzog  zurück.  Die  anderen  Familiengüter  allerdings, 
namentlich  die  Schalaburg,  kamen  an  die  Peilsteiner,  von  denen 
sie    wieder    bei    deren    Aussterben    (1208)    an    die    Grafen    von 


1)  Meiller,  Eegesten  81,  Nr.  5.  6, 

2)  Bei  dessen  Krönung  in  Mainz  am  8.  September  ist  er  zwar  nicht  ur- 
kundlich nachweisbar,  da  er  aber  am  17.  und  18.  August  in  Plattling  bei  Passau 
urkundet,  so  befand  er  sich  wahrscheinlich  auf  der  Eeise  dahin. 

3)  Geht  aus  der  Urkunde  vom  24.  Februar  1187  hervor,  womit  Herzog 
Leopold  im  Auftrage  des  Kaisers  die  Besitzungen  des  Zisterzienserklosters  WU- 
hering  in  dem  genannten  Landstrich  in  Schutz  nimmt,  was  voraussetzt,  dafs  er 
in  diesem  Gebiete  Landesfürst  war  (ÜB.  von  Kremsmünster  S,  59).  Vgl.  dazu 
Strnadt,  Geburt  des  Landes  ob  der  Enns  S.  92. 

4)  ÜB.  des  Landes  ob  der  Enns  11,  414  vom  4.  Januar  1189,  zu  welcher 
Zeit  beide  Grafen  schon  längere  Zeit  tot  waren.  Die  Übertragung  mufs  nach 
der  Tradition  des  Klosters  Aspach  (Mon.  Boic,  V,  132)  um  das  Jahr  1186  er- 
folgt sein. 

24* 


;{72  Vierzehntes  Kapitel. 

Flain  —  Ida  von  Burghausen  -  Schala  war  mit  einem  Graten  von 
Piain  verheiratet  —  übergingen,  zum  Teil  vielleicht  auch  an 
die  Grafen  von  Zollern,  da  eine  Tochter  Sophias  von  Schala 
Gemahlin  des  Burggrafen  von  Nürnberg  gewesen  zu  sein  scheint. 
So  würde  sich  einigermafsen  die  auffallende  Tatsache  erklären 
lassen,  dafs  nun  plötzlich  Besitz  der  Zollern  in  Osterreich  auf- 
taucht *).  Die  Zollern  beerbten  aber  auch  aufserdem  um  1190 
die  Grafen  von  Raabs.  Von  ihnen  kaufte  die  Grafschaft  Herzog 
Leopold  VI.  '^).  Endlich  fiel  im  Jahre  1191  nach  dem  Tode  des 
Hochfreien  Friedrich  von  Perge  dessen  grofser  Besitz  um  Perg  in 
der  Riedmark  an  den  Herzog,  der  östliche  Teil  durch  die  Erbtochter 
Walchuns  von  Macliland,  Beatrix,  an  die  Grafen  von  Velburg, 
die  aber  gleichfalls  bald  ausstarben,  worauf  auch  diese  Güter  (die 
Burgen  Klamm,  Klingenberg,  Rutenstein,  Plasenstein,  sowie  die 
Märkte  Münzbach  und  Grein)  an  die  Herzöge  von  Österreich  fielen^). 
Die  Güter  der  gleichfalls  gegen  Ende  des  12.  Jahrhunderts  aus- 
sterbenden reichen  Herren  von  Traisen  kamen  dagegen  zunächst 
an  die  Grafen  von  Hohenberg.  Angekauft  dürften  die  Herzöge 
um  1193  Wels  von  dem  Bistum  Würzburg  haben*). 

Der  Zuwachs  an  Besitzungen  und  Einkünften,  den  solcher- 
mafsen  die  Babenberger  im  letzten  Jahrzehnt  des  Jahrhunderts  zu 
verzeichnen  hatten,  war  ganz  aufserordentlich,  nicht  minder  grofs 
aber  der  an  Macht  und  Ansehen,  den  ihnen  namentlich  der  Anfall 
der  Steiermark  brachte  ^).  Die  Babenberger  bekamen  erst  dadurch 
die  Mittel  an  die  Hand,  um  die  staatsrechtlichen  Möglichkeiten,  die 
ihnen  das  Privilegium  des  Jahres  1156   eingeräumt  hatte,   in   die 

1)  Die  ganze  Frage  der  Erbschaft  der  Schala,  insbesondere  sowohl  der 
Heimfall  der  Babenbergischen  Mitgift,  als  auch  die  Verwandtschaft  mit  den 
Zollern,  hat  in  neuerer  Zeit  Witte  in  dem  mehrfach  erwähnten  Aufsatz  im 
V.  Ergänzungsband  der  Mitteilungen  des  Instituts  S.  387  ff. ,  in  ein  ganz  neues 
Licht  gerückt. 

2)  Vgl.  Wendrinsky,  Die  Grafen  von  Eaabs  (Bl.  d.  Ver.  f.  Landesk. 
Xn,  97  ff.,  1878). 

3)  Strnadt  in  der  Linzer  Zeitung  vom  7.  Dezember  1895. 

4)  So  wenigstens  nach  Lampel,  Die  Einleitung  zu  Jans  Enenkels  Fiirsten- 
buch  S.  32. 

5)  Leopold  V.  stellt  im  Titel  sogar  Steiermark  Österreich  voran  (Meiller, 
Eegesten  69). 


Die  Entwickelung  der  Landesteile  aufserbalb  der  Grenzen  der  Mark.    373 

Wirklichkeit  umzusetzen  ^).  Das  mufste  denn  auch  auf  die  ganze 
äufsere  und  innere  Gestaltung  Österreichs  von  weittragender  Rück- 
wirkung werden. 


1)  Eine  noch  nicht  beachtete  Frage,  die  der  Untersuchung  wert  wäre,  ist 
die,  inwieweit  die  staatsrechthche  Stellung  der  Babenberger  durch  die  Übernahme 
der  steierischen  Herzogswürde  berührt  wurde.  Hatten  sie  jetzt  nicht  wieder 
eine  Eeihe  von  Verpflichtungen,  von  denen  sie  durch  das  Privilegium  minus  be- 
freit waren?  Man  darf  auch  nicht  übersehen,  dafs  sie  von  jetzt  an  ein  rechtlich 
vielfach  ganz  heterogenes  Gebiet  besafsen. 


Fünfzehntes   Kapitel. 
Der  Herzog  von  Österreich  als  Landesherr. 

Ein  Ereignis  der  allgemeinen  Politik,  das  gerade  damals  die 
Aufmerksamkeit  Europas  auf  Österreich  und  Wien  lenkte,  zeigt 
recht  deutlich  die  veränderte  Machtstellung  des  Herzogs  von  Öster- 
reich. 

Am  3.  Oktober  1187  war  Jerusalem  von  den  Ungläubigen 
unter  Sultan  Saladin  wieder  zurückerobert  worden,  und  dieser 
schwere  Schlag  hatte  die  bereits  stark  verrauchte  Kreuzzugsbegeiste- 
rung aufs  neue  entflammt  ').  Der  greise  Kaiser  Friedrich  stellte 
sich  selbst  an  die  Spitze  der  Bewegung  und  führte  im  Mai  1189 
ein  starkes  Heer  die  gewohnte  Strafse  durch  Österreich  nach  Pa- 
lästina, wobei  wie  gewöhnlich  in  Wien  grofse  Rast  und  Heerschau 
gehalten  wurde.  Herzog  Leopold  konnte  sich  aber  dem  Zuge  noch 
nicht  anschliefsen ,  da  sich  der  bereits  oben  erwähnte  Grenzstreit 
mit  Ungarn   nicht   schlichten  liefs.     Auch   v/ar  es  dem  Kaiser  er- 

1)  Hauptquelle  für  den  Kreuzzug  ist  Ansberts  Historia  de  expeditione 
Friderici  imp.  (Font.  rer.  Austr.  1.  Abt.  V).  Dazu  Chroustim  Neuen  Archiv 
der  Gesellschaft  für  ältere  deutsche  Geschichtskunde  XVI,  518,  1891.  —  Siehe 
Eiezle  r.  Der  Kreuzzug  Kaiser  Friedrichs I.  (Forschungen  z.  d.  Gesch.  X,  1869); 
K.  Fischer,  Geschichte  des  Kreuzzuges  Kaiser  Friedrichs  I.  (Leipzig  1870;; 
Eöhricht,  Die  Eüstungen  des  Abendlandes  zum  dritten  Kreuzzug  (Sybels 
Eist.  Zeitschr.  XXXIV,  3,  1875)  und  speziell  Wallnöfer,  Der  Anteü  des  Baben- 
bergers  Leopold  V.  an  dem  sogen,  dritten  Kreuzzug  (Programm  d.  kath.  Gymn.  zu 
Teschen  1861),  auch  Töche,  Jahrbücher  des  deutschen  Eeiches  unter  Heinrich  VI. 
(Leipzig  1887).  Jäger,  Über  die  Gründe  der  Gefaugennehmung  des  Königs 
Eichard  von  England  durch  den  Herzog  Leopold  VI.  von  Österreich  (Zeitschr. 
f.  österr.  Gymn.  1856),  wollte  die  Beleidigung  Leopolds  durch  König  Eichard  ins 
Gebiet  der  Fabel  verweisen,  was  aber  entschieden  irrig  ist. 


Der  Herzog  von  Österreicli  als  Landesherr.  375 

wünscht,  einen  besonderen  Vertrauensmann  daheim  zu  wissen,  der 
in  der  sizilianischen  Erbschaftsfrage,  die  eben  damals  akut  wurde, 
bei  der  Kurie  zugunsten  seines  Sohnes  Heinrichs  VI.  vermitteln 
konnte  ^).  Schliefslich  entsandte  jedoch  Leopold  seinen  Bruder 
Heinrich  (von  Mödling)  nach  Italien  und  trat  dann  selbst  am 
15.  August  1190  die  Kreuzfahrt  an,  und  zwar  auf  der  neuen 
Heerstrafse  über  Steiermark.  Er  traf,  geraume  Zeit  durch  Stürme 
in  der  Adria  festgehalten,  zu  einer  höchst  kritischen  Zeit  im 
heiligen  Lande  ein:  Kaiser  Friedrich  und  sein  Sohn  Friedrich 
von  Schwaben,  der  nach  seinem  Vater  den  Oberbefehl  geführt 
hatte,  waren  dem  Heere  durch  den  Tod  entrissen  worden,  und 
dieses  selbst  hatte  durch  verheerende  Seuchen  die  schwersten 
Verluste  erlitten.  Obwohl  wir  nichts  von  einer  eigentlichen  Über- 
nahme des  Kommandos  über  das  deutsche  Heer  durch  Herzog  Leo- 
pold erfahren,  hat  er  ohne  Zweifel  nun  die  hervorragendste  Rolle 
gespielt  und  suchte  diese  auch  den  Königen  von  Frankreich  und 
England  gegenüber,  die  im  Vereine  mit  den  Deutschen  in  lang- 
wieriger Belagerung  vor  Akkon  lagen,  durchzusetzen.  Sie  scheinen 
ihn  aber  nicht  als  gleichwertig  anerkannt  zu  haben,  und  als  die 
Feste  am  12.  Juli  1191  endlich  erstürmt  wurde  und  Leopold  auch 
sein  Banner  auf  dem  Wall  aufrichtete,  liefs  es  König  Richard 
Löwenherz  von  England  herunterreifsen.  Der  Herzog  vermochte 
für  den  Schimpf  zunächst  keine  Genugtuung  zu  erlangen,  verliefs 
jedoch  das  Kreuzheer  ebenso  wie  König  Philipp  August  von  Frank- 
reich, der  sich  gleichfalls  mit  dem  Engländer  verfeindet  hatte. 

Richard  Löwenherz  kam  nun  bei  den  damaligen  Verkehrs- 
wegen in  eine  eigentümhcbe  Verlegenheit.  Es  standen  ihm  für 
die  Rückkehr  in  die  Heimat  nur  zwei  Wege  offen,  durch  Deutsch- 
land und  durch  Frankreich,  beide  führten  ihn  aber  durch  feind- 
liches Gebiet,  denn  auch  Kaiser  Heinrich  VI.  war  gegen  ihn 
erbittert,  nicht  nur  weil  er  als  Schwager  Heinrichs  des  Löwen 
diesen  unterstützte,  sondern  auch  weil  er  mit  seinem  Gegner  im 
sizilianischen  Königreiche,  Tankred  von  Lecce,  ein  Bündnis  ge- 
schlossen hatte.  Als  daher  Richard,  den  Stürme  an  die  Küste 
Istriens   verschlugen,    sich    entschlofs,    lieber   durch   Deutschland, 


1)  Vgl.  dazu  JuritschS.  312. 


370  Fünfzehntes  Kapitel. 

wenn  auch  verkleidet,  seinen  Weg  zu  nelimcn,  Avar  sein  Ver- 
hängnis schon  besiegelt,  denn  Heinrich  VI.  und  Philipp  August 
waren  in  Oberitalien  miteinander  zusammeugetrofFen  und  hatten 
vermutlich  seine  Gefangennahme  vereinbart.  Dem  Kaiser  war 
eben  daran  gelegen,  um  jeden  Preis  den  Anschlufs  des  englischen 
Königs  an  die  Koalition  zu  verhindern,  die  sich  damals  mit  dem 
Papste  an  der  Spitze  gegen  ihn  gebildet  hatte.  Die  Reichsfürsten 
scheinen  in  demselben  Sinne  instruiert  worden  zu  sein  '),  denn  von 
allen  Seiten  wurde  auf  den  König  Jagd  gemacht,  erst  vom  Grafen 
von  Görz,  dann  von  Salzburger  Ministerialen  in  Friesach.  Den- 
noch gelangte  Richard  auf  seiner  abenteuerlichen  Fahrt  bis  Wien. 
Ein  fast  romanhafter  Zufall  liefs  ihn  hier  jedoch,  als  er  im  nahen 
Dorfe  Erdberg  nächtigte,  erkannt  werden  und  gerade  in  die  Hände 
dessen  fallen,  der  einen  alten  Schimpf  an  ihm  zu  rächen  hatte 
(20./21.  Dezember  1192)-). 

Wie  sehr  sich  Leopold  fühlte,  zeigt  sich  darin,  dafs  er  den 
Gefangenen  keineswegs  an  den  Kaiser  auslieferte,  sondern  sich 
die  Gelegenheit  nicht  entgehen  hefs,  aus  dem  unerhörten  Glücks- 
fall, der  bei  der  ganzen  Christenheit  das  gröfste  Aufsehen  hervor- 
rief, soviel  Kapital  als  möglich  zu  schlagen.  Als  der  Kaiser  auf 
dem  Reichstag  zu  Regensburg  am  6.  Januar  1193  seine  Bedin- 
gungen nicht  annahm,  liefs  er  König  Richard  auf  dem  Schlosse 
seines  Ministerialen  Hadmar  von  Kuenring,  Dürnstein,  festsetzen.  • — 
Erst  neuerliche  Verhandlungen  führten  am  14.  Februar  zu  einem 
Abkommen  in  Würzburg,  wonach  das  Lösegeld  von  100  000  Mark 
Silbers,  das  für  die  Freigabe  Richards  bestimmt  wurde,  zwischen 
dem  Kaiser  und  dem  Herzog  gleichmäfsig  geteilt  werden  solle, 
der   Anteil    des    letzteren    unter    dem    Titel    einer    Aussteuer    für 

1)  So  nach  dem  Chrouicon  Eichardi  Divisiensis,  ed.  Stevenson  S.  75  (Lon- 
don 1838),  was  auch  durch  die  Jagd,  die  von  den  Fürsten  auf  Richard  gemacht 
wurde,  bestätigt  wird. 

2)  AuTser  den  obengenannten  Arbeiten  vgl.  noch  speziell:  Hormayr, 
Über  Richards  Gefangennehmung  in  Österreich  (Archiv  f.  Gesch.  etc.  1811); 
Lohmeyer,  De  Richarde  J.  Angliae  rege  cum  in  Sicilia  commorante  tum  in 
Germania  detento  (Königsberger  Diss.  1857) ;  K  i  n  d  t ,  Gründe  der  Gefangenschaft 
Richards  I.  von  England  (Hallenser  Diss.  1892)  und  jetzt  am  besten  Kn eller, 
Des  Richard  Löwenherz  deutsche  Gefangenschaft  (Ergänzungshefte  zu  d.  „Stimmen 
aus  Maria  Laach"  Nr.  59,  Freiburg  i.  Br.  1893). 


Der  Herzog  von  Österreich  als  Landesherr.  377 

die  Nichte  Richards,  Eleonore  von  Bretagne,  die  bis  zum  ersten 
Zahlungsterrain,  dem  29-  September  (der  zweite  war  der  23.  Fe- 
bruar), einen  Sohn  Leopolds  heiraten  sollte:  dieses  Projekt  sollte 
vermutlich  eine  Vergeltung  Richards  hintanhalten.  Die  Freilas- 
sung des  Königs  sollte  erst  dann  erfolgen,  bis  Kaiser  Isaak  von 
Cypern  und  seine  Tochter,  die  mit  Herzog  Leopold  durch  seine 
Mutter  Theodora  verwandt  waren,  der  enghschen  Haft  entlassen 
sein  würden.  Für  die  Erfüllung  des  Vertrages  waren  200  Geiseln 
zu  stellen,  die  nicht  eher  freigegeben  werden  sollten,  bis  Richard 
beim  Papste  die  Lösung  Leopolds  vom  Banne  durchgesetzt  haben 
würde  'j. 

Durch  diesen  letzten  Punkt  des  Vertrages  erfahren  wir  zum 
ersten  Male  von  einer  Bannung  des  Herzogs.  Es  ist  jedoch  eine 
noch  ungelöste  Streitfrage,  ob  sie  auch  tatsächlich  schon  erfolgt 
war,  oder  ob  nicht  diese  Bestimmung  eine  kluge  Präventivmafs- 
regel  gegen  das  nach  aller  Voraussicht  unausbleibliche  Interdikt 
gewesen  ist;  erst  am  6.  Juni  1194  wird  Leopold  als  gebannt 
bezeichnet,  und  alle  Umstände  deuten  darauf,  dafs  eine  Bannung 
vorher  nicht  erfolgt  ist  ^).  Wie  dem  auch  sei,  jedenfalls  ist  es 
sehr  bezeichnend,  dafs  Herzog  Leopold  im  vollen  Bewufstsein 
der  schweren  kirchlichen  Folgen  gehandelt  hat.  Auch  in  diesem 
Punkte  ist  also  eine  Änderung  der  früher  so  vorsichtigen  Baben- 
bergischen  Politik  gegenüber  der  Kurie  im  Sinne  eines  gesteigerten 
Machtbewufstseins  eingetreten. 

Richard  Löwenherz  war  auf  Grund  des  Würzburger  Vertrages 
am  23.  März  dem  Kaiser  ausgeliefert  und  von  diesem  noch  nahezu 
ein  Jahr  lang  in  Gewahrsam  gehalten  worden.  Als  er  endlich  am 
4.  Februar  1194  in  der  Reichsversammlung  zu  Mainz  in  feierlicher 
Weise  freigegeben  wurde,  kam  es  auch  zu  einer  formellen  Aus- 
söhnung zwischen  ihm  und  Herzog  Leopold,  und  dieser  versprach 
sogar  Hilfeleistung  bei  einem  etwaigen  englisch  -  französischen 
Kriege,  wofür  er  von  König  Richard  ein  nicht  weiter  genanntes 
Lehen  empfing.  Aber  diesem  war  es,  wie  mit  allen  seinen  in  der 
Zwangslage  gegebenen  Versprechungen,  auch  mit  dieser  Versöhnung 


1)  Ansbert  a.  a.  0.  S.  80.     Separat  abgedruckt  bei  Kneller  S.  123. 

2)  Vgl.  die  diesbezüglichen  Ausführungen  Knellers  S.  106 ff. 


378  Fünfzohntos  Kapitel. 

nicht  ernst.  Im  Gegenteile  wandte  sich  sein  Rachegelüst,  ebenso 
wie  die  Erbitterung  des  englischen  Volkes,  dessen  Stimmung  sich 
deutlich  in  den  gleichzeitigen  englischen  Quellen  widerspiegelt,  die 
voll  Beschimpfungen  und  Verwünschungen  gegen  Leopold  sind 
und  vor  den  gröbsten  Entstellungen  und  Übertreibungen  nicht  zu- 
rückschrecken, gerade  gegen  den  Österreicher.  Es  scheinen  tat- 
sächlich erst  Richards  heftige  Anklagen  bei  der  Kurie  den  greisen, 
in  der  ganzen  Frage  lange  merkwürdig  zurückhaltenden  Papst 
Cölestin  dazu  bewogen  zu  haben,  den  Bann  über  Herzog  Leopold 
auszusprechen,  von  dem  er  nur  gelöst  werden  sollte,  wenn  er  der 
römischen  Kirche  in  allen  Punkten  Gehorsam  geschworen,  alle 
Geiseln  freigelassen,  das  bereits  gezahlte  Lösegeld  zurückgestellt, 
König  Richard  aller  weiteren  Verpflichtungen  ledig  gesprochen  und 
eine  neue  Kreuzfahrt  gelobt  hätte. 

Herzog  Leopold  bewahrte  auch  dem  vollzogenen  Bannfluche 
gegenüber  seinen  Gleichmut,  ja  selbst  der  österreichische  Metropolit 
und  Diözesan  scheinen  ihn  ignoriert  zu  haben  ').  Da  traf  ihn 
das  Unglück  bei  dem  Grazer  Turnier  vom  26.  Dezember  1194; 
auf  dem  Sterbebette  dachte  er  nur  noch  an  sein  ewiges  Seelenheil 
und  unterwarf  sich  dem  päpstlichen  Spruche,  um  die  Lösung 
vom  Banne  zu  erlangen.  Der  Erzbischof  von  Salzburg  erteilte 
ihm  daraufhin  in  feierlicher  Weise  die  Absolution,  und  sein 
Leichnam  wurde  vom  Bischof  von  Passau  in  Heiligenkreuz  be- 
stattet. Vor  dem  Begräbnis  mufste  aber  noch  sein  Sohn  Friedrich, 
der  neue  Pierzog,  mit  zwölf  Vornehmen  das  eidliche  Versprechen 
wiederholen  -). 

Dennoch  ist  uns  ein  Schreiben  des  Papstes  vom  30.  Mai  1198 
erhalten,  worin  er  nach  dem  Tode  Herzog  Friedrichs  sofort  dessen 
Nachfolger  unter  Androhung  des  Bannes  auffordert,  das  Geld  end- 
lich zurückzuzahlen  ^).    Es  ist  möglich,  dafs  der  Herzog  gezwungen 

1)  Der  Papst  hatte  merkwürdigerweise  den  Patriarchen  von  Aquileja  mit 
der  Verkündigung  des  Bannes  beauftragt;  deshalb  beseh werte  sieh  der  Erzbischof 
von  Salzburg,  dafs  er  von  dem  Banne  gar  nichts  wisse,  und  Bischof  Wolfger 
von  Passau  Tat  gleichfalls  so,  als  habe  er  davon  keine  Kenntnis.  Vgl.  K neiler 
a.  a.  0.  S.  110. 

2)  Hauptquelle  ist  der  Brief  des  Erzbischofes  Adalbert  selbst  (Magn. 
Presb.  S.  522). 

3)  Meiller  80,  14;  Böhmer-Ficker-Winkelmann,  Regesten  5639. 


Der  Herzog  von  Österreich  als  Landesherr.  379 

werden  sollte,  das  gesamte  Lösegeld,  auch  das  schon  verwendete, 
zurück  zuerstatten;  möglich,  ja  wahrscheinlich  aber  auch,  dafs 
die  österreichischen  Herzöge  diese  Bedingung  nie  erfüllt  hatten. 

Diese  ganze  selbstherrliche  Haltung,  wie  sie  Herzog  Leopold  V. 
im  Gegensatze  zu  seinen  Vorgängern  gelegentlich  der  Gefangennahme 
des  Königs  von  England  gegen  Kaiser  und  Papst  einnahm,  war 
nur  eine  natürliche  Folge  der  geänderten  Stellung  und  Machtfülle, 
die  er  in  seinem  Lande  selbst  erlangt  hatte.  Es  ist  kaum  ein 
Zufall,  dafs  derselbe  Herzog  zur  gleichen  Zeit  (1192)  sich  bereits 
in  Urkunden  als  „Dominus  terrae",  als  Landesherr,  Osterreich  als 
„unser  Land"  bezeichnet^);  seine  Nachfolger  nennen  sich  etwas 
später  ziemlich  häufig  „princeps  terrae",  auch  „caput  terrae",  Landes- 
fürst, ihr  Land  „principatus",  nachdem  schon  Herzog  Ottokar  in  dem 
Oeorgenberger  Vertrag  den  Ausdruck  „princeps"  gebraucht  hat  ^). 
Charakteristisch  ist  auch,  dafs  unter  Leopold  VL  die  herzoglichen 
Hofämter  als  Landesämter  erscheinen,  z.  B.  ,,Marscalcus  Austriae", 
und  dafs  dieser  Herzog  ein  Siegel  mit  einer  deutschen  Legende,  damals 
eine  unerhörte  Neuerung,  einführen  wollte  ^).  In  Worten  driickt  sich 
hier  nur  eine  Macht  aus,  wie  sie  ein  Fürst,  der  über  zwei  grofse  und 
reiche  Herzogtümer  gebot,  der  eine  privilegierte  Sonderstellung  genofs, 
eben  tatsächlich  besafs.  Andererseits  ist  diese  Erscheinung  wieder 
nur  ein  natürliches  Glied  in  dem  Prozesse,  der  sich  allenthalben  an 
den  Grenzen  des  Reiches  vollzog.  Schon  mehrere  Jahrzehnte  vor- 
her nennen  sich  die  Pierzöge  von  Niederlothringen  „domini  patriae", 
und  auch  in  der  Moselgegend  kommen  ähnliche  Bezeichnungen 
vor.  Einen  mächtigen  Antrieb  für  den  Herzog  von  Osterreich 
bildete  dann  die  Erhebung  des  benachbarten  Böhmenherzogs  zum 
König  im  Jahre  1198.  —  In  Osterreich  war  ja  auch  wirklich  ein 
geschlossenes  Territorium  vorhanden;  weder  der  Kaiser,  noch  ein 


1)  Tomaschek,  Rechte  und  Freiheiten  der  Stadt  Wien  I,  1. 

2)  Vgl.  Ficker,  Vom  Reichsfürstenstande  S.  55  (Innsbruck  1861),  wo 
die  Stellen  angeführt  sind. 

3)  An  einer  Heiligenkreuzer  Urkunde  vom  9.  Dezember  1197  (Sava,  Die 
Siegel  der  österr.  Regenten  I,  253).  Vgl.  Siegen feld,  Das  steierische  Landes- 
wappen S.  146  (Graz  1900).  Dem  Beispiele  des  Herzogs  folgten  österreichische 
und  steierische  Grafen  und  Ministerialen,  wie  die  Kuenringer,  Ortenburger,  Pettauer, 
Auersperge  usw. 


380  Fünfzehntos  Kapitel. 

anderer  Reiclisturst  hatte  hier  Besitzungen,  es  gab  kein  reichs- 
unmittelbares  Bistum  oder  Kloster,  keine  Reichsstädte,  während 
beispielsweise  gerade  das  benachbarte  Bayern  den  entgegengesetzten 
AnbUck  bot  ^).  Dieses  neue  Zeitalter  scheint  mir  im  Vergleich  zu 
dem  vorhergegangenen,  das  uns  ein  durch  die  Verhältnisse  be- 
stimmtes organisches  Werden  zeigte,  dadurch  gekennzeichnet,  dafs 
nun  von  seiten  der  Landesherren,  die  sich  als  solche  auch  neuer 
Pflichten  dunkel  bewufst  wurden,  die  ersten  Versuche  einer  organi- 
satorischen Tätigkeit  unternommen  wurden.  In  einem  oder  dem 
anderen  Punkte  mögen  bereits  besser  geordnete  Zustände  in  der 
Steiermark  zum  Vorbild  oder  zum  Ausgangspunkt  gedient  haben. 
Begünstigt  aber  wurde  diese  selbstherrliche  Entwicklung  des  öster- 
reichischen Herzogtums  durch  die  gerade  damals  eingetretene  Doppel- 
herrschaft im  Reiche. 

Das  wichtigste  Moment  ist  ohne  Zweifel,  dafs  sich  die  öster- 
reichischen Herzöge  auf  Grund  ihres  Privilegiums  als  oberste  Ge- 
richtsherren durchzusetzen  wufsten,  und  damit  steht  eine  straffere  Ge- 
richtsorganisation im,  Lande  in  Zusammenhang.  In  anderen  Ländern 
suchte  der  König  die  Bannleihe,  beziehungsweise  die  Exemtion  von 
der  Gerichtsbarkeit  noch  weiter  in  der  Hand  zu  behalten  ^).  Die 
Herzogtümer  waren  und  wurden  auch  noch  ferner  durch  exemte 
Gebiete  zersplittert.  In  Österreich  ^)  hatte  schon  vordem  die  Mark- 
verfassung das  Aufkommen  von  Immunitäten  hintangehalten  5  jetzt 
wufsten  es  die  Herzöge  zunächst  auf  Grund  des  Privilegium  minus 
zu  verhindern,  dafs  neue  Immunitäten  ohne  ihre  Zustimmung  ver- 

1)  Über  die  Entwiokelung  der  Landeshoheit  in  Österreich  siehe  aufser 
Ficker,  Huber  I,  479  und  den  mehrfach  zitierten  Handbüchern  der  öster- 
reichischen Reichs-  und  Rechtsgeschichte:  Berchtold,  Die  Landeshoheit  Öster- 
reichs nach  dc'K echten  und  unechten  Freiheitsbriefen  (München  1862);  Seidler, 
Studien  zur  Geschichte  und  Dogmatik  des  österreichischen  Staatsrechtes  (Wien 
1864)  und  Wretschko,  Das  österreichische  Marschallamt  im  Mittelalter  (Wien 
1897),  Einleitung. 

2)  Meyer,  Die  Verleihung  des  Königsbannes  und  das  Dingen  bei  mark- 
gräflicher Huld  (Jena  1881);  Zallinger,  Über  den  Königsbann  (Mitt.  d.  Inst, 
f.  österr.  Gesch.  III,  539)  und  Zur  Geschichte  der  Bannleihe  (ebendas.  X,  224), 
wodurch  Meyer  vielfach  berichtigt  wird. 

3)  Dem  Folgenden  liegt  die  ausgezeichnete  Untersuchung  von  Brunner, 
Das  gerichtliche  Exemtionsrccht  der  Babenberger  (Sitzungsber.  d.  k.  Akad.  d. 
Wissensch.  in  Wien,  phil  -bist.  Kl.  XLVII,  315,  1864)  zugrunde. 


Der  Herzog  von  Österreich  als  Landesherr.  381 

liehen  wurden,  und  selbst  bei  diesem  so  wesentlich  erschwerten 
Modus  vermochten  nur  noch  zwei  Immunitäten  durchgesetzt  zu 
werden.  Die  erste  erwarb  Freising  1189,  nachdem  Bischof  Adalbert 
eine  Exemtion  der  Besitzungen  des  Bistums  1164  auf  Lebenszeit 
erlangt  hatte,  und  zwar  auf  Fürsprache  des  Kaisers  in  den  Formen 
des  Lehnsrechtes,  indem  nämlich  der  Herzog  seine  Gerechtsame, 
das  jVIarchfutter,  das  Burgwerk  und  das  Landgericht,  dem  Kaiser 
als  Lehen  auflieis  und  dieser  sie  an  das  Hochstift  übertrug  ').  Die 
zweite  kam  Passau  zugute  (1215);  hier  ist  die  Verleihung  der 
Immunität  in  die  Form  eines  Vergleiches  über  dieselben  Gerechtsame 
eingekleidet  ^).  Aber  diese  beiden  Fälle  hatten  einen  ganz  besonderen 
Grund,  nämhch  den,  dafs  die  geistlichen  Fürsten  von  den  welt- 
lichen keine  Lehen  empfangen  konnten,  sondern  nur  vom  König. 

Im  übrigen  konnten  sich  wohl  auch  die  Herzöge  von  Oster- 
reich der  Übung  der  Zeit  nicht  ganz  entziehen,  den  mächtigen 
Klöstern  des  Landes  Immunitäten  zu  verleihen,  aber  diese  Immuni- 
täten verliehen  sie  aus  eigener  Machtvollkommenheit,  diese  Immuni- 
täten waren  herzogliche  Immunitäten,  so  für  Zwettl  1168  ^),  Kloster- 
neuburg 1179  ^),  für  die  Schotten  in  Wien  1181  °),  Heiligenkreuz 
1187  %  Göttweig  1195  ''),  Lilienfeld  1209  ^)  usw.  In  den  meisten 
Fällen  genügte  ein  Mandat  an  den  herzoglichen  Landrichter.  Dazu 
kam  noch  ein  Umstand :  die  Laudesklöster  standen  entweder  unter 
der  Vogtei  der  Herzöge,  oder,  soweit  sie  eine  Befreiung  von  der 
herzoglichen  Gerichtsbarkeit  erlangten,  suchten  sie  merkwürdiger- 
weise selbst,  um  der  gefürchteten  Bevogtung  zu  entgehen,  nur  eine 
Exemtion  von  der  niederen  Gerichtsbarkeit,  während  der  Blutbann, 
für  dessen  Ausübung  sie  eines  Vogtes  bedurft  hätten,  dem  Herzog 
oder  dessen  Landrichter  vorbehalten  blieb. 

Anders   stand  die  Sache  in    den  bayerischen   und  den  steie- 

1)  Meiller,  Eegesten  66,  43;  Mon.  Boic.  XXXI a,  438. 

2)  Meiller,  Eegesten  115,  122;  Mon.  Boic.  XXX a,  26. 

3)  Meiller  47,  70;  Link,  Ann.  Zwettlens.  I,  187.  Allerdings  die  gericht- 
liche Exemtion  nicht  ganz  sicher. 

4)  Meiller  58,  12.     Vielleicht  nur  temporäre  Exemtion. 

5)  Meiller  59,  15.    Font.  rer.  Austr.  2.  Abt.  XVm,  10. 

6)  Meiller  64,  34.     Font.  rer.  Austr.  2.  Abt.  XI,  16. 

7)  Meiller  77,  1.     Font.  rer.  Austr.  2.  Abt.  VIII,  279. 

8)  Meiller  101,  75. 


382  Fünfzehntes  Kapitel, 

rischen  Teilen  des  Landes  ob  der  Enns.  Im  Nordwesten  hatte 
Passau  zu  Beginn  des  13.  Jahrhunderts  über  das  Abteiland  eine 
Art  Landeshoheit  ausgebildet,  und  dieses  Gebiet  inufs  danach  als 
ein  ganz  eigenartiges,  von  der  Entwickelung  des  übrigen  Landes 
völlig  gesondertes  Gebilde  betrachtet  werden  *). 

Li  dem  steierischen  Teil  des  Landes  ob  der  Enns,  der  durch 
den  Georgenberger  Vertrag  an  die  Babenberger  übergegangen  war, 
konnten  diese  keineswegs  über  die  Gerichtsbarkeit  so  frei  verfügen. 
Hier  war  bis  zum  Jahre  1180  der  Herzog  von  Bayern  Gerichts- 
herr, wie  denn  Heinrich  der  Löwe  noch  am  14.  März  1176  zu 
Enns  Gerichtsversammlung  hielt  ^j.  So  herrschte  auch  hier  die 
Übung,  die  sich  in  den  Stammesherzogtüniern  aus  der  alten  Graf- 
schaftsverfassung entwickelt  hatte,  nämlich  die,  die  Gerichtsbarkeit 
an  adelige  Herren  und  Grafen  „an  die  dritte  Hand"  weiter  zu  ver- 
leihen. Wollten  daher  die  österreichischen  Herzöge  von  der  Gerichts- 
gewalt eximieren,  so  mufsten  diese  Gerichtsvasallen  ihre  Zustim- 
mung geben,  beziehungsweise  für  den  Entgarig  des  Gerichtslehns 
anderweitig  entschädigt  werden.  Schon  in  den  Exemtionsurkunden 
für  Garsten^)  und  Gleink  *)  von  1192  ist  von  herzoglichen  und 
fremden  Richtern  die  Rede,  und  aus  der  Bestätigung  Kaiser  Fried- 
richs H.  von  etwa  1233  geht  hervor,  dafs  den  Herren  von  Volkers- 
torf in  diesem  Falle  die  Gerichtsbarkeit  zugestanden  hat.  Klar 
Hegt  das  Verhältnis  im  Falle  der  Exemtion  St.  Florians  1212  — 1213, 
auf  dessen  Besitzungen  gleichfalls  die  Volkerstorfer  die  Gerichtsbarkeit 
ausübten,  so  dafs  sie  ihnen  erst  durch  ausgedehnte  Transaktionen 
abgelöst  werden  mufste  ^).  Nur  für  die  Güter  am  Windberge 
nördhch  der  Donau,  also  auf  herzoglich  österreichischem  Ge- 
biete gelegen,  genügt  sehr  bezeichnenderweise  das  Mandat  an  den 
herzoglichen  Landrichter  ^).    Endlich  wird  den  Volkerstorfern  auch 


1)  Darüber  noch   später.      Vgl.  Strnadt  im   20.  Bericht   des   Museums 
Francisco- Carolinum. 

2)  ÜB.  d.  L.  0.  d.  Enns  I,  347. 

3)  Meiller  69,  53.     ÜB.  d.  L.  o.  d.  Enns  II,  434. 

4)  Meiller  71,  56.     ÜB.  d.  L.  o.  d.  Enns  U,  438. 

5)  Meiller  110—112,  103—109.    Vgl.  über  den  ganzen  Urkundenkomplex 
Brunner  a.  a.  0.  S.  559f. 

6)  Meiller  103,  82.     ÜB.  d.  L.  o.  d.  Enns  H,  511. 


Der  Herzog  von  Österreich  als  Landesherr.  38^ 

die  Gerichtsbarkeit  über  Kremsmünster  1217  abgekauft  ^).  — 
Auch  der  Umstand  ist  für  diese  Exemtionen  des  Landes  ob  der 
Enns  charakteristisch,  dafs  in  fast  allen  Fällen  noch  eine  nach- 
trägliche königliche  Bestätigung  eingeholt  wurde. 

Im  Lande  ob  der  Enns  gab  es  auch  weltliche  Immunitäts- 
gebiete, wie  das  der  Schaumberge,  die  während  des  13.  Jahrhunderts 
zu  einer  Art  Landeshoheit  gelangten  -). 

In  Österreich,  auf  dem  Boden  der  alten  Mark,  wurde  nunmehr 
in  einer  Zeit,  in  der  alle  Verhältnisse  —  auch  diejenigen,  die  vordem 
schon  tatsächlich  bestanden  —  systematischer  organisiert  wurden, 
auch  das  Gerichtswesen  fester  geregelt  ^).  Seit  dem  Ende  des 
11.  Jahrhunderts  wurden  in  Österreich  Landtage  unter  Vorsitz 
des  Markgrafen,  später  des  Herzogs  (und  zwar  in  der  Baben- 
bergerzeit  noch  ausschliefslich)  abgehalten,  die  Landtaidinge,  welche 
zugleich  die  oberste  Gerichtsbarkeit  über  die  Grafen  und  voll- 
freien Herren  ausübten.  Schon  im  Laufe  des  12.  Jahrhunderts 
waren  zu  diesen  auch  die  Ministerialen  getreten,  d.  h.  zunächst 
noch  unter  Wahrung  des  deutschen  Rechtsgrundsatzes,  dafs  das 
Urteil  nur  von  Standesgenossen  oder  Übergenossen  gefällt  werden 
konnte,  also  den  Grafen  und  Vollfreien  zunächst  untergeordnet,  so 
dafs  diese  wohl  über  sie,  sie  aber  nicht  über  die  Grafen  urteilen 
konnten,  sondern  nur  über  Dienstmannen  oder  über  Ritter.  Die 
Gerichtsbank  wurde  übrigens  aus  den  Versammelten  des  Land- 
taidings  von  Fall  zu  Fall  und  in  ganz  behebiger  Zahl  gebildet  *j. 

Die  Malstätten  oder  Gerichtsstätten    waren    bis   ins  13.  Jahr- 


1)  Meiller  119,  141.     ÜB.  d.  L.  o.  d.  Enns  U,  589. 

2)  Vgl.  Strnadt,  Peuerbach  (27.  Ber.  d.  Mus.  Franc-Carolin.  1868). 

3)  Für  das  Folgende  siehe  Luschin,  Geschichte  des  älteren  Gerichts- 
wesens in  Österreich  ob  und  unter  der  Enns  (Weimar  1879). 

4)  Wir  sind  über  alle  diese  Verhältnisse  nur  ziemlich  mangelhaft  unter- 
richtet. Früher  hat  man  viel  zu  sehr  die  Verhältnisse,  wie  sie  die  beiden  öster- 
reichischen Landrechte  im  13.  Jahrhundert  schufen,  auch  bereits  auf  die  Zustände 
im  12.  Jahrhundert  übertragen.  Man  wird  jetzt,  da  die  Entstehungszeit  dieser 
Landrechte  durch  die  Forschung  immer  weiter  ins  13.  Jahrhundert  herabgerückt 
wird  (siehe  Einleitung  S.  12),  damit  sehr  vorsichtig  sein  müssen.  So  scheinen 
beispielsweise  die  drei  Malstätten  nicht  eine  uralte  Überlieferung,  die  etwa  auf 
drei  Grafschaften  zurückgehen  könnte,  sondern  im  Gegenteil  eine  späte  Fixierung 
und  Vereinfachung  zu  sein! 


384  Fünfzehntes  Kapitel. 

hundert  noch  an  keinen  bestimmten  Ort  gebunden  und  wechselten 
zwischen  TuHn,  Mautern,  Krems,  St.  Polten  imd  Korneuburg.  Im 
steierischen  Gebiet  werden  genannt  Enns,  Steier,  Wels,  im  Pütteuer 
Lande  Aspang  und  Fischau. 

Neben  den  oberen  Landgerichten  für  die  höheren  Stände  des 
Landes  gab  es  aber  auch  noch  untere  Landgerichte  (jjlacita  pro- 
vincialia),  die  die  Gerichtsbarkeit  über  die  gesamte  niciit  ritter- 
mälsige  Bevölkerung  ausübten  und  auf  die  alten  karolingischen 
Zente  oder  Vikarien  zurückgehen  dürften.  Dies  mufste  im  Gebiete 
der  alten  Gauverfassung,  im  Laude  ob  der  Enns,  schärfer  aus- 
geprägt bleiben,  wo  sich  einerseits,  wie  wir  gesehen  haben,  die 
Gerichtsleihe  zu  dritter  Hand  an  hervorragende  Adelsgeschlechter 
erhielt,  andererseits  eine  gewisse  dvircli  die  Überlieferung  aus  den 
Tagen  der  Gau-  und  Zentverfassung  bestimmte  Umgrenzung,  ge- 
wisse zusammenhängende  Landstriche  als  gerichtliche  Einheit  fort- 
bestanden, obwohl  auch  hier  bereits  eine  gröfsere  Zerstückelung 
wahrnehmbar  ist  als  in  Bayern. 

Viel  komplizierter  liegen  die  Dinge  in  der  alten  Mark,  wo 
diese  Vorbedingungen  nicht  vorhanden  waren  und  sich  daher  die 
Landgerichte  aus  den  verschiedensten  Rechtstiteln  heraus  entwickelt 
haben.  Ahnlich  wie  wir  es  bei  der  sozialen  Neugestaltung  schon 
beobachten  konnten,  dürfte  auch  da  eine  niedergehende  Bewegung 
einer  aufsteigenden  begegnet  sein.  Einerseits  war  noch  die  Auf- 
fassung des  Richteramtes  als  eingesetzter  Bean.tung  - —  in  der 
Mark  nicht  des  Grafen,  sondern  des  Vikars  —  lebendig.  In  der 
Babenberger  Zeit  begegnen  noch  regelmäfsig  die  vom  Herzog  ein- 
gesetzten Landrichter  (judex  provincialis).  Andrerseits  war  aus 
dem  ursprünglich  unumschränkten  Recht  jedes  Grundherrn  über 
seine  Untertanen  allmählich  unter  den  günstigeren  Verhältnissen 
dieser  Untertanen  ein  Hofrecht  und  aus  diesem  eine  grundherrliche 
Gerichtsbarkeit  herausgewachsen,  die  allerdings  zunächst  nur  pri- 
vater Natur  war  und  sich  lediglich  auf  das  Verhältnis  zwischen 
Grundherrn  und  Untertanen  bezog,  aber  allmählich  von  den  Grund- 
herren durch  Erwerbung  des  Blutbannes  (auch  Halsgericht  oder 
Stock  und  Galgen  genannt)  zu  erweitern  gesucht  wurde.  Die 
Immunitätsgerichtsbarkeit  bildete  zwischen  beiden  Entwickelungen 
das  Mittelglied.    Die  Immunität  der  Klöster  bezog  sich  freihch  in 


Der  Herzog  von  Österreich  als  Landesherr.  385 

den  meisten  Fällen  nur  auf  die  Vogteigerichtsbarkeit,  da  aber  der 
Herzog  fast  durchweg  die  Landrichter  zu  seinen  Untervögten  er- 
nannt hatte,  so  war  die  von  vielen  Klöstern  angestrebte  Entvogtung 
auch  zugleich  eine  Erlangung  der  Gerichtsbarkeit  und  zwar,  wie 
ich  schon  erwähnt  habe,  der  niederen.  Endlich  erhielten  schon 
seit  Ende  des  12.  Jahrhunderts  Städte  ihre  eigene  Gerichtsbarkeit, 
wo  der  bisher  vom  Herzog  eingesetzte  Stadtrichter  fungierte.  Auch 
aus  dem  Burgbann  entwickelte  sich  eine  eigene  Gerichtsbarkeit 
(Burgfried).  Da,  wie  wir  wissen,  der  weltliche  und  geistliche  Grund- 
besitz in  Osterreich  ungemein  zerstreut  war,  so  trat  hier  später 
in  dem  Mafse,  als  die  Grundherren  mehr  und  mehr  aus  dem  blofsen 
ßesitztitel  die  Landgerichtsbarkeit  ableiteten  und  frei  vererbten 
und  verkauften,  eine  aufserordentliche  Zersplitterung  der  Land- 
gerichte ein  ^). 

Die  Kompetenz  der  niederen  Landgerichte  erstreckte  sich  auf 
alle  causae  maiores  der  unteren  Volksgenossen,  sowie  auf  Klagen, 
in  denen  es  sich  um  PVeiheit  oder  Eigentum  handelte.  Es  wurde 
schon  darauf  hingewiesen,  dafs  die  Landgerichte  für  den  Herzog 
«inen  nicht  unbeträchtlichen  Teil  von  Einkünften,  Gerichtsabgaben, 
fahrende  Habe  der  Verurteilten  und  die  Strafgelder  („Wandel"), 
abwarfen.  Auch  der  Landrichter,  der  keineswegs  eine  feste  Besol- 
dung hatte,  bekam  einen  Anteil  an  den  Strafgeldern.  Das  Vollzugs- 
organ des  Landrichters  war  der  Fronbote  (praeco),  im  Mühlviertel 
auch  Waldbote  genannt,  der  gewisse  Taxen  und  Sportein  einzog. 

Aufserdem  besafs  jeder  Grundherr  die  niedere  Gerichtsbarkeit 
über  seine  Grundholden  und  jedes  Dorf  oder  jede  Landgemeinde 
die  Agrargerichtsbarkeit  hinsichtlich  Feld-  und  Markfi-evel,  schlechtes 
Mafs  und  Gewicht  u.  dgl.  m.  ^). 

Die  Ausbildung  der  Landeshoheit  brachte  aber  auch  ein  zweites 
Moment:  die  Ausgestaltung  der  landesfürstlichen  Einkünfte  als  einen 


1)  Wie  komplizierte  Verhältnisse  in  Österreich  unter  der  Enns  dadurch 
geschaffen  wurden ,  das  zeigte  sich  erst  in  neuerer  Zeit ,  als  hier  mit  den  Vor- 
arbeiten zu  dem  historischen  Atlas  der  Alpenländer  (hgg.  von  der  Akademie  d. 
Wissensch.)  begonnen  wurde.  Vgl.  den  Vorbericht  Giannonis  in  den  Blättern 
des  Vereins  für  Landeskunde  XXXIII,  475,  1899. 

2)  Allerdings  Letzteres  strittig.  Vgl.  Tille,  Wirtschaftsverfassung  des 
Vintschgaues  S.  231. 

Van  CS  a,  Geschichte  Nieder-  u.  Oberösterreichs.  25 


SSG  Fünfzehntes  Kapitel. 

wenn  auch  bescheidenen  Anfang  einer  landesfürsthchen  Finanz- 
verwaltung mit  sich  ^).  Die  regehnäfsigen  Einkünfte  des  Mark- 
grafen und  des  Herzogs,  die  aus  der  ihm  obHegenden  Fürsorge  für 
Landesverteidigung  und  Kriegfüluning  (Burgwerk  und  Marchfutter) 
und  für  die  Gerichtspflege  (Strafgelder  und  Landpfennige)  abzuleiten 
sind,  haben  wir  bereits,  da  sie  schon  in  einem  früheren  Zeitraum 
entwickelt  wurden,  kennen  gelernt. 

Dazu  kam  aber,  insbesondere  seitdem  Osterreich  Herzogtum 
geworden  war,  eine  Reihe  von  Regalien,  d.  h.  Einkünfte,  die,  wie 
schon  der  Name  besagt,  ursprünglich  dem  König  vorbehalten  waren. 
Vor  allem  das  bei  dem  aufblühenden  Handel  und  bei  der  Bedeutung 
Österreichs  als  Durchzugsland  immer  mehr  an  Wichtigkeit  gewinnende 
Maut-  und  Zollregal.  Der  Herzog  errichtete  ohne  besonderes  Privi- 
legium Maut-  und  Zollstätten,  namentlich  an  der  Donau,  lange 
bevor  der  König,  wie  wir  noch  sehen  werden,  das  Strafsen-  und 
Wasserregal  den  Landesfürsten  freigab ,  um  so  seine  landesherr- 
Hchen  Rechte  auch  allen  Fremden  fühlbar  zu  machen.  Dafs  die 
Könige  anfangs  noch  das  angemafste  Recht  zu  brechen  versuchten, 
beweist  die  Zerstörung  der  Zollstätte  Mauthausen  durch  Kaiser 
Friedrich  I.  im  Jahre  1189  wegen  Bedrückung  der  durchziehenden 
Kreuzfahrer  ^).  Aufser  diesem  Orte  sind  für  die  erstere  Zeit  als 
Zollstätten  Gmunden,  Linz,  Ipsburg,  Melk,  Krems,  Stein,  Kloster- 
neuburg, Enzersdorf,  Wiener  Neustadt  u.  a.  m.  bezeugt. 

Eines  der  ersten  Regalien,  das  sich  die  Babenberger  sofort 
nach  Erlangung  der  Herzogswürde  ohne  eigentliches  Privilegium 
anmafsten,  war  das  Münzregal,  das  sich  in  der  Folge  zu  einer  der 
stärksten  Einkunftsquellen,  aber  auch  zu  einem  der  wirtschafthch 
verderbhchsten  Ausbeutungsmittel  entwickelte.  Edelmetall  durfte 
im  Lande  nur  an  die  herzoghche  Münzstätte  verkauft  werden  und 
zwar  nur  um  einen  bestimmten  Preis,  fremdes  Geld  mufste  und 
konnte  nur  hier  umgewechselt  werden  (Münzbann).  Der  Herzog 
verfügte  ganz  willkürlich  nicht  nur  eine  eigene  Prägung,  sondern 
sowohl  das  Gewicht  (Schrot),   als  auch  die  Legierung  (Korn)  der 

1)  Vgl.  für  das  Folgende  den  schon  erwähnten  Aufsatz  von  Dopsch, 
Beiträge  zur  Geschichte  der  Finanzverwaltung  Österreichs  im  13.  Jahrhundert 
(Mitt.  d.  Inst.  f.  österr.  Gesch.  XVEI,  232). 

2)  Hist.  de  exped.  13;  Cont.  Zwettl.  M.  G.  SS.  IX,  543. 


Der  Herzog  vou  Österreich  als  Landesherr.  387 

Münze.  Endlich  erhob  er  einen  Anteil  am  Gewinn  bei  der  Münz- 
prägung (Schlagschatz),  später  auch  an  der  Münz  Verschlechterung, 
von  der  mir  aus  der  ersten  Herzogszeit  der  Babenberger  kein  Beispiel 
bekannt  ist,  von  der  aber  noch  später  die  Rede  sein  soll  ^).  An 
der  Spitze  der  Münzverwaltung  stand  ein  eigener  Münzmeister, 
und  für  dieses  Amt  wurden  in  der  Regel  kapitalkräftige  Personen 
gewählt,  die  zugleich  als  Bankiers  tätig  sein  konnten.  Es  ist  in 
dieser  Beziehung  bezeichnend,  dafs  um  das  Jahr  1196  bereits  ein 
Jude  (Schlom)  herzoglicher  Münzmeister  ist^). 

?»Iit  dem  Aufblühen  des  Handels  und  der  Städte  erlangte 
auch  das  Marktregal,  wonach  der  Herzog  für  seinen  Schutz  Stand- 
gelder und  Verkaufsabgaben  erhob  ^),  Wichtigkeit.  Sogar  eine 
Art  Gewerbesteuer  scheint  schon  bestanden  zu  haben  ^).  Mit  dem 
Handel  steht  auch  das  Judenregal  in  Zusammenhang.  Juden  sind 
in  Österreich  seit  den  Tagen  der  Raffelstättener  Zollordnung  nach- 
weisbar. Sie  mehrten  sich  unter  den  Babenbergern  mit  den  zu- 
nehmenden günstigen  Handelsbedingungen  und  waren  insbesondere 
als  Geldwechsler  und  als  die  einzigen  Geldverleiher  (da  bekannt- 
lich nach  den  Kirchengeboten  den  Christen  das  Zinsennehmen  ver- 
boten war)  unentbehrlich.  In  Krems,  St.  Polten,  Wien  und  Wiener 
Neustadt  gab  es  ziemhch  grofse  Judengemeinden  ^)  andere  auch 
neben   den  Städten,   wie  Judenau   bei  Tulln  1155  ^).     Ein  Zuzug 

1)  Auf  die  Münze,  Münzwerte,  Münzstätten  und  dergleichen  wird  unten 
in  anderem  Zusammenhange  eingegangen  werden. 

2)  Mon.  Boic.  IV,  85. 

3)  Vgl.  das  Mandat  Leopolds  VI.  von  etwa  1200  (Zahn,  Steier.  ÜB.  II,  64; 
bei  Wichner,  Geschichte  von  Admont  II,  263  zum  Jahre  1202). 

4)  Dop  seh  a.  a.  0.  S.  243  glaubt  dies  aus  einer  Eintragung  in  dem 
landesfürstlichen  Eationar  (Chmel  im  Notizenbl.  V,  356)  schliefsen  zu  können. 

5)  Siehe  darüber  Mayer,  Der  neueste  Stand  der  Frage  über  die  räum- 
liche Entwickelung  Wiens  bis  zum  Schlufs  des  13.  Jahrhunderts  (El.  d.  Ver.  f. 
Landesk.  XII,  228,  1878)  und  J.  E.  Scher^r,  Beiträge  zur  Geschichte  des 
Judenrechtes  im  Mittelalter  I,  118.  Das  Rechtsverhältnis  der  Juden  in  den 
deutsch-österreichischen  Ländern  (Leipzig  1901).  Ich  halte  gegenüber  Scherers 
Polemik  Mayers  Ansicht  von  dem  höheren  Alter  der  Judengemoinde  in  Krems 
im  Vergleiche  zu  der  in  Wien  aufrecht,  weU  Krems  der  weit  ältere  Handelsplatz 
des  Landes  ist. 

6)  Dafs  die  mit  „Juden-"  zusammengesetzten  Ortsnamen  tatsächlich  auf 
Judengemeinden  weisen  und  nicht,  wie  Fürst emann,  Altdeutsches  Namenbuch 

25* 


3S8  Fünfzehntes  Kapitel. 

düi'lte  1098  erfolgt  sein,  in  welchem  Jahre  in  Böhmen  unter  Wra- 
tislaw  II.  eine  Judenverfolgung  stattfand.  Dafs  zu  Ende  des  12.  Jahr- 
hunderts Juden  sich  bereits  in  einflufsreichen  Stellungen  befanden, 
habe  ich  oben  erwähnt.  Wie  im  Falle  der  anderen  Regalien,  war 
auch  das  Judenregal  zuerst  eine  Sache  des  Königs,  die  Juden 
galten  als  Reichsjuden.  Seit  Beginn  des  13.  Jahrhunderts  unter- 
standen sie  jedoch  der  herzoglichen  Kammer. 

Schliefslich  sei  noch  des  Berg-  und  Salzregals  Erwähnung 
getan,  das  vermutlich  erst  durch  die  Vei'einigung  Österreichs  mit 
Steiermark  an  Bedeutung  gewann.  Noch  im  Jahre  1187  bestätigt 
der  Kaiser  dem  Kloster  Seitenstetten  das  Recht  der  Eisen-  und 
Salzgewinnung  ^).  Ebenso  besafs  der  Herzog  in  den  ausgedehnten 
Wäldern  das  Forstregal. 

Zu  den  Abgaben  und  Regalien  kamen  aufserdem  noch  die 
schon  mehrfach  erwähnten  aufserordentlich  reichen  Einkünfte  aus 
den  herzoglichen  Domänen  und  aus  den  Vogteirechten. 

Was  nun  die  Verwaltung  aller  dieser  mannigfaltigen  Einnahme- 
quellen betrifft,  so  mangelte  es  zunächst  noch  an  einer  zentralen 
Organisation ,  wohl "  aber  waren  für  jeden  einzelnen  Zweig  der 
Einnahmen  besondere  Verwaltungsbeamte  eingesetzt.  Sie  hiefsen 
in  der  Regel  Amtsleute  (officiales),  die  Domänen  waren  sogar  in 
Amter  (ofticia)  eingeteilt,  die  meist  nach  dem  Amtssitz,  zuweilen 
aber  auch  nach  dem  Amtmann  genannt  wurden.  Für  die  Mauten 
und  Zölle  waren  die  mutarii  und  thelonearii,  als  Forstbeamte  die 
forestarii  oder  magistri  silvae  bestellt,  die  Münze  verwaltete  der 
Münzmeister  (magister  monetae,  monetarius),  das  Gerichtsgefälle 
unterstand  den  Landrichtern,  die  Vogteigelder  den  Untervögten. 

Aufserdem  gab  es  schon  damals  eine  herzogliche  Kammer 
und  einen  Kämmerer.  Das  war  aber  im  Gegensatz  zur  späteren 
Entwickelung  nicht  etwa  eine  Landesstelle,  am  wenigsten  ein 
Zentralorgan,  sondern  ein  blofses  Hofamt,  für  die  Hofhaltung  des 
Herzogs  bestimmt,  mit  dem  Ministerialenfamilien  belehnt  wurden  ^} : 


annimmt,  von  dem  Persoaenuamen  Jud  abzuleiten  sind,  hat  Seh  er  er,  wie  ich 
glaube,  überzeugend  nachgewiesen. 

1)  Font.  rer.  Austr.  2.  Abt.  XXXIII,  22. 

2)  Im  Jahre  1233  wird  Konrad  von  Himberg  damit  belehnt,  dessen  Famüie, 
die  späteren  Herren  von  Ebersdorf,  das  Amt  auch  später  (mit  einer  kurzen  Unter- 


Der  Herzog  von  Österreich  als  Landesherr.  389 

nur  gewisse  Abgaben  flössen  ihr  direkt  zu,  so  die  Einkünfte  aus 
der  Münze  und  aus  dem  Judenregal,  sowie  von  einigen  Märkten 
des  Landes  *).  Die  Verzeichnung  und  Verrechnung  der  Einkünfte 
des  Herzogs  scheint  der  Schreiber,  der  Scriba  Austriae,  besorgt 
zu  haben,  der  zum  ersten  Male  im  Jahre  1216  nachweisbar  ist  und 
der  zugleich  auch  der  herzoglichen  Kanzlei  angehörte  ^). 

Wichtig  ist  übrigens,  dafs  sich  an  den  Abgaben  und  Ein- 
künften der  Übergang  von  der  Natural-  zur  Geld  Wirtschaft  be- 
obachten läfst,  der  sich  seit  der  zweiten  Hälfte  des  12.  Jahrhunderts 
vollzog.  Waren  die  älteren  Abgaben  an  den  Markgrafen,  die  wir 
in  einem  früheren  Abschnitte  kurz  betrachtet  haben,  durchweg 
Naturallieferungen  und  Dienstleistungen,  waren  die  Zinse  der  Ko- 
lonen  an  ihre  Grundherren  durchweg  Naturalzinse ,  so  wird  es 
jetzt  immer  mehr  und  mehr  üblich,  all  dies  in  Geldleistungen 
umzuwandeln. 

Auf  allen  Gebieten  sehen  wir  also  den  Herzog  ohne  ausdrück- 
liche Verleihung,  nur  gestützt  auf  seine  landesfürstliche  Würde, 
die  Stelle  des  Königs  einnehmen.  Als  besonderen  Beweis  seiner 
Gnade  erteilte  er  daher  auch  die  Befreiungen  von  diesen  Ver- 
pflichtungen und  Abgaben.  Gerichtsexemtionen ,  Entvogtungen, 
Befreiungen  vom  Marchfutter  und  Burgwerk,  Maut-  und  Zoll- 
befreiungen werden  jetzt  die  gewöhnlichen  Verleihungen  des  Her- 
zogs, die  namentlich  von  den  Kirchen  und  Klöstern  eifrig  angestrebt 
werden,  und  die  nun  die  früheren  Landschenkungen  ersetzen  müssen. 
Das  Wichtige  daran  war,  dafs  alle  diese  privilegierten  geistlichen 
oder  weltlichen  Grundbesitzer  bei  aller  weitgehenden  Begünstigung 
doch  immer  vom  Herzog,  vom  Landesfürsten  abhängig  blieben, 
aber  nicht  rei'chsunmittelbar  wurden. 

Noch  einige  andere  Fälle  sind  zu  nennen,  die  beweisen,  wie 
souverän    sich   bereits   die  Herzöge  von  Österreich   zu   fühlen  be- 

brechung)  erblich  bekleidet  hat  (Schwind-Dopsch,  Urkunden  z.  Verfassungs- 
geschichte Nr.  33). 

1)  Schwind-Dopsch  a.  a.  0.  Nr.  55. 

2)  Der  erste  Scriba  Austrie  ist  der  Passauer  Kanoniker  Heinrich,  Pfarrer 
von  Propstdorf  (Meiller,  Eegesten  119,  138).  Der  Schreiber  erscheint  regel- 
mäfsig  als  Zeuge  in  landesfürstlichen  Urkunden  über  Besitzveränderungen  und 
über  Einkünfte  und  Ausgaben.  Über  die  ganze  Frage  hat  Dopsch  in  den 
Mitteilungen  des  Institutes  XVHI,  247  f.  ausführlich  gehandelt. 


31)0  P^ünfzehntes  Kapitel. 

gannen.  Dafs  sie  das  Privilegium  der  Zisterzienser,  von  jeder 
anderen  ^'ügtei  aulser  der  des  Kaisers  beireit  zu  sein,  nicht  an- 
erkannten und  ausdrücklich  an  dessen  Statt  ein  entsprechendes 
herzogliches  Recht  substituierten,  vv^urde  bereits  hervorgehoben  '). 
Noch  wichtiger  war  es,  dafs  sie  nun  auch  auf  Grund  ihrer  landes- 
herrlichen Rechte  nach  deutschrechtlichem  Brauche  das  ?Icimfalls- 
recht  bei  Mangel  von  befugten  Erben  beanspruchten.  Zum  ersten 
Male  zog  Leopold  VI.  im  Jahre  1210  beim  Aussterben  der  Hohen- 
berge  ihre  Hinterlassenschaft  nach  diesem  Grundsatze  ein  '^). 

Ein  Ausdruck  des  gesteigerten  Machtgefühles  der  Babenbergcr, 
das  sie  doch  auch  nach  aufsen  zu  dokumentieren  suchten ,  ist  es 
auch,  dafs  in  dieser  Zeit  zum  ersten  Male  die  Anfänge  einer  eigenen 
herzoglichen  Kanzlei  zu  verfolgen  sind  ^). 

Diesem  neuen  Ideale  eines  Landesfürstentums  entsprach  aber 
auch  die  fürstliche  Hofhaltung.  Ganz  im  Geiste  der  Zeit,  den 
Leopold  V.  bei  seinen  Heerfahrten  an  den  Rhein,  nach  Italien 
und  ins  Gelobte  Land  und  im  Umgange  mit  den  französischen  und 
englischen  Fürsten  kennen  zu  lernen  Gelegenheit  hatte,  bürgerten 
sich  nun  auch  am  österreichischen  Hofe  die  galanten  Formen  des 
französischen  Ritterwesens  und  des  Minnedienstes  ein.  Mit  König: 
Artus'  Hofe  vergleicht  den  österreichischen  einmal  Walter  von  der 
Vogelweide.  Die  durch  die  Gunst  der  Herzöge  emporblühenden 
Stände  der  Ministerialen  und  Ritter  bildeten  den  glänzenden  Hof- 
staat und  ahmten  auf  ihren  Burgen,  die  sich  allenthalben  im 
Lande  erhoben,  im  kleinen  die  höfischen  Sitten  nach.  Eine  neue 
Gesellschaft  und  neue  Gesellschaftsformen  entstanden  unter  den 
neuen  poHtischen  Verhältnissen.  Prächtige  Turniere  wurden  ge- 
feiert, die  Frauen  traten  in  ungewöhnHcher  Weise  in  den  Vorder- 

1)  Entscheidend  ist  die  Stelle  in  der  Urkunde  Leopolds  VI  für  Baumgarten- 
berg vom  31.  Januar  1209:  ,,  .  .  .  omnes  cisterciensis  ordinis  monachos  tale  ius 
ex  antiquo  habere  ut  nee  ipsi  nee  ipsorum  praedia  uUi  advocato  quicquam  sol- 
vere  debeant,  sed  neque  advocatum  eis  habere  liceat  nisi  defensorem  principem 
ipsum,  qui  caput  est  terrae,  in  qua  quique  eorum  degunt"  (Sehwind- 
Dopsch,  Ausg.  Urk.  38). 

2)  Font.  rer.  Austr.  2.  Abt.  XXI,  4,  5. 

3)  Siehe  Lampel  in  den  Blättern  des  Vereines  für  Landeskunde  XXI,  283, 
1887,  Näheren  Aufschlufs  wird  darüber  eine  bisher  noch  nicht  veröffentlichte 
Arbeit  von  Mitis,  Die  Urkunden  der  Babenberger,  geben. 


Der  Herzog  von  Österreich  als  Landesherr.  391 

grund:  um  ihre  Gunst  warb  man,  für  sie  führte  man  die  Waffen, 
sie  besang  man  in  minniglicher  Weise;  neben  den  vielen  namen- 
losen Spielleuten,  die  für  das  tägliche  Vergnügungsbedürfnis  sorgten, 
setzten  nun  auch  die  Babenberger,  wie  der  Kaiser  und  andere 
kleinere  Fürsten  einen  Stolz  darein,  Dichter  von  Ruf,  die  meist 
dem  ritterlichen  Stande  angehörten,  an  ihren  Hof  zu  ziehen. 

Im  Mittelpunkt  stand  Reinmar  von  Hagenau,  den  man  zum 
Unterschied  von  einem  gleichnamigen  späteren  Minnesänger  Reinmar 
den  Alten  zu  nennen  pflegt  ^).  Man  nimmt  in  der  Regel  an,  dafs 
er  aus  Hagenau  im  Elsafs  stamme,  und  er  scheint  auch  ziemlich 
unmittelbar  von  den  französischen  Troubadours  beeinflufst  zu  sein; 
aber  dennoch  ist  es  wahrscheinlicher,  dafs  er  dem  österreichischen 
Geschlechte  von  Hagenau  angehört  hat  oder  doch  wenigstens  in 
einem  der  vielen  österreichischen  Orte  dieses  Namens  —  zwei  in 
Oberösterreich,  vier  in  Niederösterreich  —  geboren  ist.  Obwohl 
eine  ziemlich  weibische  Natur,  die  wegen  ihrer  Spezialität  im 
Klagen  vielfach  den  Spott  herausforderte  ") ,  scheint  er  doch  bei 
dem  ritterlichen  Leopold  V.  sehr  behebt  gewesen  zu  sein  und  diesen 
auch  ins  heilige  Land  begleitet  zu  haben.  Darum  findet  er  auch 
ergreifende  Worte  des  Schmerzes,  als  der  Herzog  vom  Tode  da- 
hingerafft wurde. 

Er  hat  den  Ruhm,  der  Lehrmeister  eines  Gröfseren  geworden 
zu  sein,  des  gröfsten  deutschen  Lyrikers  des  Mittelalters,  Walters 
von  der  Vogelweide  ^).     Über  Walters    Heimat   ist    viel   gestritten 

1)  Über  ihn  und  das  Folgende  vgl.  aufser  Nagl-Zeidler  a.  a.  0.  S.  236 
Erich  Schmidt,  Keinmar  und  Eugge  (Qu.  u.  Forsch.  IV,  79);  Jauker,  Das 
Verhältnis  Walters  zu  Reinmar  (Programm,  Hörn  1875);  Burdach,  Reinmar  der 
Alte  und  Walter  von  der  Vogelweide  (Zeitschr.  f.  deutsches  Altertum  XXVII,  343, 
1880);  Schönbach  in  d.  Gesch.  d.  Stadt  Wien,  hgg.  vom  Altertumsvereine  I,  526. 

2)  von  der  Hagen,  Minnesinger  (Leipzig  1838)  I,  185;  ebenso  Walters 
Oedicht  (Lachmannsche  Ausg.  111,  23). 

3)  Literatur  siehe  G  ö  d  e  k  e  s  Grundrifs  I,  146  f. ;  N  a  g  1  -  Z  e  i  d  1  e  r  S.  237  f. ; 
Wilmanns,  Leben  und  Dichten  Walters  von  der  Vogelweide  (Bonn  1882); 
Schönbach,  Walter  von  der  Vogelweide  (Dresden  1890,  2.  Aufl.  1895)  und  in 
der  Gesch.  d.  Stadt  Wien  I,  531 ;  W.  Leo ,  Die  gesamte  Literatur  Walters  von  der 
Vogelweide  (Wien  1880);  Burdach  aufser  in  der  Allgemeinen  Deutschen  Bio- 
graphie XLI,  35  auch  Walter  von  der  Vogelweide  I  (Leipzig  1900)  mit  Bibliograpliie 
S.  118  f.  Zur  Heimatfrage  noch  im  besonderen  Redlich  (Mitt.  d.  Inst.  XIII, 
160);    Hall  wich  (Mitt.   d.  Ver.    f.  Gesch.    d.  Deutschen  in   Böhmen   XXXIII, 


392  Fünfzehntes  Kapitel. 

worden;  wo  nur  Ürtliclikeiten  des  Namens  Vogclweide  sich  vor- 
tinden,  in  Franken,  Oberbayern,  Tirol,  Nieder-  und  Oberösterroich, 
Ja  in  Böiimeu  suchte  mau  sie.  Aber  gerade  bei  ihrer  Anzahl  und 
dem  Fehlen  jedes  weiteren  direkten  Anhaltspunktes  *)  läfst  sich 
der  Frage  nur  mit  inneren  Gründen  beikommen,  und  da  mufs  man 
wohl  sagen,  dafs  sich  die  unbezwingliche  Sehnsucht,  mit  der  es^ 
"Walter  zeit  seines  Lebens  und  trotz  trauriger  Erfahrung  stets 
wieder  nach  Österreich  zog,  kaum  anders  erklären  läfst,  als  dafs 
er  tatsächlich  auch  hier  seine  Pleimat  gehabt  hat.  Dafs  er  in 
Osterreich  „singen  und  sagen  lernte",  bekennt  er  selbst;  um  1190 
mag  er,  der  wohl  dem  niederen  und  ärmeren  Ritterstande  angehörte, 
am  Hofe  Leopolds  V.  aufgetaucht  sein.  Wie  dieser  Reinmar  den 
Alten  begünstigte,  so  dürfte  sich  der  junge  Herzog  Friedrich  und 
mit  ihm  ein  Teil  der  Hofgesellschaft  dem  aufgehenden  neuen  Ge- 
stirn zugewandt  haben  ^) ;  darum  brach  eine  Zeit  des  Glückes 
für  den  Dichter  an,  als  Friedrich  zur  Regierung  gelangle.  Um 
so  schwerer  mag  es  ihn  getroffen  haben,  als  dieser  nach  so  kurzer 
Frist  starb,  denn  sein  Nachfolger  Leopold,  mehr  praktischer  Poli- 
tiker, scheint  einem  so  prunkvollen,  durch  Frauendienst  und  Minne- 
sang verschönten  Hof  leben,  wie  es  sein  Vater  und  sein  Bruder  ge- 
liebt hatten  und  wie  es  im  kleinen  auch  an  dem  Hofe  der  Baben- 
bergischen  Sekundogenitur  in  Mödling  herrschte,  nicht  sonderhch 
zugetan  gewesen  zu  sein  ^)  oder  doch  nicht  mehr,  als  es  die  Re- 
präsentation etwa  aus  politischen  Gründen  verlangte.  Vielleicht 
hatte  er  schon  vorher  nicht  zu  den  Bewunderern  Walters  gehört, 
sonst  würden  wir  diesem  während  der  steierischen  Regierung  Leopolds 
wohl  auch  am  Grazer  Hof  begegnen.    Leopold  scheint  vielmehr,  wie 

95,  1893);  Lampel  (Blätter  d.  Ver.  f.  Landesk.  von  Niederösterreicb  XXVI, 
5,  244,  1892;  XXVII,  110:  XXVIII,  44;  XXXV,  439);  D omanig,  Der  Klo- 
senaere  Walter  von  der  Vogel  weide  (Paderborn  1889);  Anzoletti,  Walter 
von  der  Vogelweide  und  der  Innervogel weiderhof  oberhalb  Klausen  (Bozen  1889); 
Wackernell,  Walter  von  der  Vogelweide  in  Österreich  (Innsbruck  1877). 

1)  Später  nennt  er  einmal  Herzog  Leopold  VI.  „unser  heimischen  fürsten". 

2)  Dafs  der  Herzogshof  in  verschiedene  Lager  gespalten  war,  geht  sowohl 
aus  Reiuraars  und  Walters  oberwähnten  Gedichten  als  auch  aus  Walters  Klage 
über  Eeinmars  Tod  hervor. 

3)  Dies  bezeugt  ganz  ausdrücklich  Ulrich  von  Liechtenstein,  Frauendienst 
77,  17. 


Der  Herzog  von  Österreich  als  Landesherr.  393 

seine  spätere  Vorliebe  für  Neidhard  von  Reuental  zeigt,  eine  rea- 
listischere Richtung  der  Dichtung  bevorzugt  haben.  Es  kommt 
auch  noch  eines,  vielleicht  das  Entscheidende  hinzu:  das  war  die 
politische  Seite.  Unter  Leopold  V.  und  Friedrich  herrschte  in 
Österreich  eine  stark  antipäpstliche  Strömung,  die  selbst  dem 
Kirchenbanne  standhielt.  Das  war  der  Boden,  aus  dem  später 
Walters  freiheithche  politische  Spruchdichtung  emporwuchs.  Leo- 
pold VI.  dagegen  schlug,  wenn  auch  nicht  sofort  bei  seinem  Re- 
gierungsantritte, so  doch  allmählich  in  der  Politik  eine  neue  Rich- 
tung ein.  Ihm  mochte  wohl  schon  damals  der  kecke  Ton  der 
Hofpoeten  nicht  passen.  Überdies  entfaltete  Walter  eine  —  fast 
möchte  man  sagen,  agitatorische  —  Tätigkeit  für  die  imperiali- 
stische Idee  der  Staufer.  Auch  das  konnte  dem  Herzog  von  Oster- 
reich, der  bei  aller  Parteinahme  für  die  Staufer  doch  den  Gedanken 
des  selbständigen  Territorialfürstentums  verfolgte,  nicht  genehm 
sein.  So  mufste  denn  —  etwa  um  das  Jahr  1198  oder  1199  — 
Deutschlands  hervorragendster  Dichter  von  Wien  weichen  ^).  Seine 
Reife  gewann  er  aufserhalb  Österreichs,  aber  es  zog  ihn,  wie  gesagt, 
auch  später  immer  wieder  nach  dem  schönen  Donaulande  zurück. 
Charakteristisch  ist  es,  dafs  er  sich  zunächst  zu  Bischof  Wolfger 
von  Passau  wandte,  einem  Gesinnungsgenossen  der  Babenberger 
Leopolds  V.  und  Friedrichs,  ebenso  staufisch  und  antipäpstlich, 
ebenso  weltfreudig  wie  diese.  Mit  ihm  kam  er  im  Jahre  1203 
abermals  nach  Österreich  -) ,  wahrscheinlich  zur  Hochzeit  Herzog 
Leopolds  VI.,  der  sich  mit  der  byzantinischen  Prinzessin  Theodora  ver- 
mählte.   Doch  vermochte  er  hier  nicht  wieder  festen  Fufs  zu  fassen^). 


1)  Zur  Chronologie  siehe  jetzt  hauptsächlich  Burdach  a.  a.  0. 

2)  Aus  diesem  Jahre  (10.  November)  stammt  die  berühmte  einzige  urkund- 
liche Erwähnung  Walthers  von  der  Vogelweide  in  den  Eeiserechnungen  des 
Bischofs  von  Passau,  der  dem  Dichter  zu  Zeiselmauer  einen  Pelz  schenkte 
(Zingerlo,  Die  Eeiserechnungen  des  Bischofs  Wolfger  von  Ellenbrechtskirchen, 
Heilbronn  1877).  Vgl.  Zarncke,  Zur  Walterfrage  (Ber.  d.  sächs.  Gesellsch.  d. 
Wissensch.  S.  32f.,  1878);  Kalkoff,  Wolfger  von  Passau  (Weimar  1882); 
Nagele,  Nochmals  die  Eeiserechnungen  Wolfgers  von  Ellenbrechtskirchen  (Pro- 
gramm, Marburg  in  Steierm.  1888)  und  abschliefsend  Höfer,  Die  Eeiserech- 
nungen des  Bischofs  Wolfger  von  Passau  (Beitr.  z.  Gesch.  der  deutschen  Sprache 
XVII,  441,  1893). 

3)  Dafs  er  hier  gar  die  Stellung  eines  Prinzenerziehers  bekleidet  hätte  und 


394  Fiinr/olintos  Kapitel. 

In  don  nächsten  Jahren  finden  wir  ihn  bei  Markgraf"  Dietrich 
von  jMeilsen,  vermutHch  ebenfalls,  um  durch  dessen  Fürsprache 
wieder  Leopolds  Gunst  zu  gewinnen,  denn,  wie  wir  noch  sehen 
werden,  war  Dietrich  mit  den  Babenbergern  verwandt  und  gerade 
damals  von  Leopold  zu  einer  Art  Stellvertreter  in  Osterreich 
während  seiner  Abwesenheit  ausersehen.  Auch  von  dem  kunst- 
Hebenden  Hofe  Hermanns  von  Thüringen  aus,  der  einen  Mittelpunkt 
geistigen  Lebens  im  damaligen  Deutschland  bildete,  richtete  Walter 
seine  Blicke  sehnsüchtig  nach  Wien  und  noch  einmal  kommt  er  nach 
Österreich  zurück,  um  den  vom  Kreuzzug  heimkehrenden  Herzog  zu 
begrüfsen.  Wahrlich,  ist  Osterreich  nicht  Walters  Heimat,  so  be- 
zeugt all  dies  wenigstens,  in  welchem  Ansehen,  in  welcher  Blüte 
damals  Osterreich  stand,  um  von  gefeierten  Dichtern  allen  anderen 
Aufenthaltsorten  vorgezogen  zu  werden !  Freilich  wehte  schon  am 
Hofe  Herzog  Leopolds  VL  eine  andere  Luft,  und  die  höfische  Kunst 
wandte  sich  mehr  nach  Thüringen.  Herzog  Leopold  VL  bevorzugte, 
wie  schon  gesagt,  eine  andere  Richtung  der  Poesie.  W^ahrschein- 
lich  hatte  der  derbe  Spötter  Neidhart  von  Reuental  mit  seinen 
realistisch- satirischen  Dichtungen,  auf  die  wir  noch  zurückkommen 
Averden,  bereits  zu  ihm  Beziehungen  und  machte  den  Kreuzzug  in 
seinem  Gefolge  mit.  Besonders  behebt  waren  jedoch  die  Spielleute 
(ioculatores)  niederer  Sorte  bei  ihm.  Ein  Meister  Stolle  trat  direkt 
feindlich  gegen  Walter  von  der  Vogelweide  auf  ^),  ein  Spruchdichter 
Bruder  Wernher  findet  sich  gleichfalls  unter  dem  Gefolge  des 
Herzogs  auf  dem  Kreuzzug  1-217 — 1219  ^),  ein  gewisser  Eberhard, 
Spielmann  des  Herzogs,  ist  aus  einer  Urkunde,  worin  er  dem 
Schottenkloster  ein  rotes  Tuch  schenkt,  bekannt,  ein  anderer, 
Wolfger,  schenkt  demselben  Kloster  einen  Liber  theutonicus,  also 

Lehrmeister  des  späteren  Herzogs  Friedrich  gewesen  wäre,  wie  zuerst  Karajan 
(Wiener  Sitzungsber,  VII,  359,  1851)  behaupten  wollte,  ist  denn  doch  zu  wenig 
aus  dem  dort  angeführten  Spruche  Walters  gesichert  und  ist  mir  mehr  als 
unwahrscheinlich.  Mindestens  wäre  der  Schüler  in  jeder  Beziehung  aus  der  Art 
geschlagen  (vgl.  auch  Ficker  in  den  Mitt.  d.  Inst.  f.  österr.  Gesch.  I,  303,  1880). 

1)  Siehe  Walters  Gedicht,  Lachmannsche  Ausg.  .32,  7.  —Vgl.  Burdach 
a.  a.  0.  98  und  297,  wo  sich  Burdach  gegen  die  Interpretation  in  der  Zeit- 
schrift für  deutsches  Altertum  XXII,  338,  1896  wendet,  und  Lampel  in  den 
Blätteru  des  Vereines  f.  Landeskunde  XXVI,  261  und  XXVII,  111. 

2)  Nagl-Zeidler  S.  276. 


Der  Herzog  von  Österreich  als  Landesherr.  395 

vielleicht  eine  deutsche  Liedersammlung  *).  So  kam  es,  dafs  in 
Österreich  die  Nachahmung  des  französischen  höfischen  Wesens 
nicht  so  sehr  um  sich  griff  wie  in  anderen  Teilen  Deutschlands, 
und  dafs  sich  auch  der  französische  Ritterroman  nicht  eigentlich 
einbürgerte  '''). 

Aber  aus  dem  Kreise  dieser  Spielleute  ging  um  diese  Zeit 
nochmals  eine  grofse  dichterische  Tat  hervor:  die  letzte  Redaktion 
des  Nibelungenliedes,  die  deuthch  die  ritterliche  Gesellschaft,  ihre 
ständische  Ghederung  und  ihre  Sitten  widerspiegelt  ^). 

So  kann  man  wohl  sagen,  dafs  Österreich  zu  Ende  des  12. 
und  zu  Beginn  des  13.  Jahrhunderts  in  der  deutschen  Literatur 
eine  führende  Rolle  gespielt  hat,  wie  es  sie  leider  in  allen  folgenden 
sieben  Jahrhunderten  niemals  mehr  zu  erringen  imstande  war! 


1)  Kettner  a.  a.  0.  S.  287. 

2)  Hier  fehlen  die  Namen  des  Eitterepos  (vgl.  Friefs  in  dem  erwähnten 
Programmaufsatz  von  Seitenstetten  1902).  Vielleicht  ist  der  Ortsname  Anschau 
eine  Keminiszenz  an  das  Anjoie  des  „Parsifal"  (R.  Müller  in  den  Bl.  d.  Ver. 
f.  Landest.  XVIH,  119,  1884). 

3)  Kettner,  Die  österreichische  Nibelungendichtung,  namentlich  S.  285 ff. 
und  Zallinger,  Die  Eechtsgeschichte  des  Eitterstandes  und  das  Nibelungen- 
lied (Jahrbuch  der  Leogesellschaft  S.  32  f.,  1899). 


Sechzehntes   Kapitel. 

Das  Aufblühen  der  Städte.  — 

Der  Plan  der  Errichtung  eines  Bistums  in  Wien  und 

der   Konkurrenzkampf    zwischen    den   Herzögen    von 

Österreich  und  den  Bischöfen  von  Passau. 


In  dem  Mafse,  wie  sich  der  Herzog  von  Österreich  als  Herr 
und  Haupt  des  Landes  zu  fühlen  begann  und  seine  Stellung  eine 
unabhängigere  wurde,  in  dem  Mafse  liefs  er  auch  dem  Wohle  des 
Landes  seine  Sorge  angedeihen ;  denn  auch  diese  Aufgaben ,  die 
früher  dem  Könige  zufielen,  hatte  er  jetzt  übernommen.  Natürlich 
darf  man  sich  diese  Sorge  nicht  in  der  Art  und  Weise  der  späteren 
staatlichen  Fürsorge  vorstellen ;  für  die  bescheidenen  geistigen  Be- 
dürfnisse sorgte  die  Kirche,  die  Pflege  des  wirtschaftlichen  Lebens 
im  weitesten  Sinne  lag  in  den  Händen  der  Grofsgrundbesitzer,  zum 
Teil  der  Städte,  denn  eine  Territorialwirtschaft  gibt  es  noch  nicht ; 
alle  wirtschaftlichen  Fragen  wurden  im  engeren  örtlichen  Rahmen, 
und  selbst  die  Anlage  von  Strafsen,  d.  i.  Errichtung  von  Brücken 
und  Nutzbauten  und  ihre  Erhaltung  bleibt  dem  ihnen  zunächst 
Wohnenden  überlassen.  Der  Landesfürst  erblickte  noch  immer 
wie  der  König  der  älteren  Zeit  seine  Hauptaufgabe  in  erster  Linie 
in  der  Sorge  für  eine  entsprechende  Landesverteidigung. 

Auch  in  dieser  Beziehung  bedeutet  die  Episode  Richard  Löwen- 
herz einen  Wendepunkt,  an  dem  uns  diese  Fürsorge  des  Landes- 
fürsten zum  ersten  Male  klar  vor  Augen  tritt.  Herzog  Leopold  V. 
hatte  im  Gelobten  Lande,  namentlich  bei  Akkon,  das  Befestigungs- 
und Belagerungswesen  gründhch  zu  studieren  Gelegenheit  gehabt  ^). 

1)  Für  die  folgenden  Ausführungen  siehe  besonders  Boeheim,  Neuere 
Forschungen  zur  Baugeschichte  von  Wiener  Neustadt  (Bl.  d.  Ver.  f.  Landesk. 
XXII,  355,  1888),  die  allerdings  teilweise  zu  sehr  die  Phantasie  walten  lassen. 


Das  Aufblühen  der  Städte.  397 

Er,  von  dem  wir  ja  wissen,  dafs  er  sich  zuerst  unter  den  Baben- 
bergern  als  Landesfürst  bezeichnet  hat,  mochte  wohl  schon  damals 
den  Plan  gefafst  haben,  auch  sein  Land  durch  ähnhche  Festungs- 
werke gegen  verheerende  Einfälle  von  Ost  und  Nord,  wie  sie 
noch  unter  seinem  Vater  vorkamen,  zu  schützen.  Nun  geschah 
€s,  dafs  er  durch  das  Lösegeld  für  Richard  Löwenherz  ganz  enorme 
Summen  bar  in  die  Hand  bekam,  und  er  glaubte  sie  nicht  besser 
verwenden  zu  können,  als  dafs  er  damit  seine  militärischen  Pläne 
verwirklichte  '). 

Vor  allem  anderen  galt  es  die  durch  die  Vereinigung  von 
Osterreich  und  Steiermark  so  ungeheuer  wichtig  gewordene  Ver- 
bindungsstrafse  beider  Länder,  die  von  Wien  aus  direkt  nach  dem 
Süden  führte,  aber  nach  Osten  hin  gänzlich  schutzlos  dalag  und 
gerade  durch  das  gefährlichste  Angriffsgebiet  ging,  zu  sichern.  So 
wurde  von  Herzog  Leopold  V.  im  Norden  der  Steiermark,  nahe 
der  ungarischen  Grenze,  auf  dem  damals  vermutlich  noch  stark 
versumpften  Boden  des  Steinfeldes  eine  befestigte  Stadt  angelegt, 
die  man  die  neue  Stadt  nannte,  später  auch,  da  sie  die  Wiener 
Strafse  beherrschte.  Wienerisch  Neustadt,  Wiener  Neustadt.  Der 
Herzog  sorgte  aber  nicht  nur  für  die  notwendige  Befestigung, 
sondern,  was  für  ihr  rasches  Aufblühen  nicht  minder  wichtig  war, 
auch  für  ihren  Handel.  Da  die  ältere  Strafse  nach  Steiermark 
über  Neunkirchen  an  Bedeutung  verloren  hatte  und  damit  die 
neue  Stadt  nicht  gleich  in  ihren  Anfängen  durch  die  Konkurrenz 
des  nahen  Neunkirchen  unterbunden  würde,  so  übertrug  Herzog 
Leopold  V.  auf  einer  Versammlung  zu  Fischau  im  Jahre  1192 
das  Marktrecht  von  Neunkirchen,  das  er  dem  Besitzer,  dem  Kloster 
Formbach,  abkaufte ,  auf  die  Neustadt  ^) ;  gleichzeitig  wurde  wohl 
auch  eine  Münzstätte  hier  errichtet  oder  die  Fischauer  hierher  ver- 
legt, denn  Neustädter  Pfennige  finden  sich  schon  bald  danach. 

Aufser  für  die  Befestigung  der  Neustadt  wurde  das  von  Richard 
Löwenherz    gezahlte    Lösegeld   für    die    Befestigungen    von    Wien, 

1)  Diese  Verwendung  des  Lösegeldes  ist  mehrfach  bezeugt,  so  durch  die 
Cont.  Praed.  Vind.  (M.  G.  SS.  IX,  726);  Österreichische  Chronik  (Archiv  IX, 
356);  Enenkel,  Fiirstenbuch  und  Weltchronik  (M.  G.  Deutsche  Chron.  ITT,  545). 

2)  Leider  fehlt  darüber  eine  Urkunde.  Die  Nachricht  bezeugt  Enenkels 
Landbuch  (M.  G.  Deutsche  Chron.  lU,  711). 


898  Sechzehntes  Kapitel. 

Enns  und  llainburg  verwendet.  Herzog  Leopold  VI.  setzte  später 
den  Plan  seines  Vaters,  das  Land  durch  starke  Festungen  zu 
schirmen,  fort,  und  es  entstanden  unter  ihm  jenseits  der  Donau 
die  belästigten  Städte  Drosendorf,  Eggenburg  und  Laa  gegen  die 
Nordgrenze  zu.  Die  noch  im  19.  Jahrhundert  vielfach,  zum  Teile 
sogar  noch  heute  erhaltenen  Befestigungen  der  genannten  Städte 
weisen  deutlich  auf  die  Wende  des  12.  und  13.  Jahrhunderts  als 
Entstehungszeit  hin  und  haben  alle  das  gemeinsam,  dafs  sie  an 
italienische  Vorbilder  erinnern.  Es  scheint,  als  ob  die  beiden  Baben- 
berger  Leopolde  von  ihren  Zügen  ins  Gelobte  Land  und  nach  Italien 
italienische  Baumeister,  die  damals  im  Festungsbau  berühmt  waren, 
nach  Österreich  mitgebracht  hätten  *). 

Aber  auch  in  anderer  Hinsicht  liefsen  es  sich  die  Herzöge 
angelegen  sein,  die  Entwickelung  der  Städte  zu  fördern,  und  mehr 
als  zumeist  in  Deutschland,  wo  sich  die  Verhältnisse  in  den  Städten 
selbständiger  weiterbildeten,  griffen  in  Osterreich  die  Landesfürsten 
in  diese  Entwickelung  ein  ^).  Ganz  besonders  haben  sie  alles  getan, 
um  ihre  Residenz  Wien ,  die  früher  hinter  anderen  österreichischen 
Städten  wie  Krems,  Tulln  und  Hainburg  zurückgeblieben  war, 
in  jeder  Weise  rasch  emporzubringen  ^).  Wir  haben  schon  früher 
gesehen,  dafs  ja  Wien  hauptsächlich  eine  Handelsniederlassung  war, 
darum  bezogen  sich  auch  die  Begünstigungen  stets  in  erster  Linie 
auf  den  Handel.  Handelspolitik  der  damaligen  Zeit  darf  man 
nicht  vom  modernen  Standpunkt  aus  beurteilen.  Wje  auf  anderen 
Gebieten,  wurden  auch  hier  die  einzelnen  Interessen  durch  Privi- 


1)  Vgl.  aufser  dem  oben  zitierten  Aufsatz  von  Böheim  auch  noch  den- 
selben in  den  Mitteilungen  der  k.  k.  Zentralkommission  N.  F.  XIII,  S.  CLXl. 

2)  Bischoff,  österreichische  Stadtrechte  (Wien  1857);  Meiller,  Öster- 
reichische Stadtrechte  und  Satzungen  aus  der  Zeit  der  Babenberger  (Archiv  f. 
österr.  Gesch.  X,  87);  Winter,  Urkundliche  Beiträge  zur  Eechtsgeschichte 
ober-  und  niederösterreichischer  Städte  (Innsbruck  1877);  Lorenz,  Über  den 
Unterschied  von  Eeichsstädten  und  Landstädten  mit  besonderer  Berücksichtigung 
von  Wien  (Wiener  Sitzungsberichte  LXXXIS,  17,  1878);  Luschin,  Geschichte 
des  älteren  Gerichtswesens  in  Österreich  ob  und  unter  der  Enns  S.  199  If. 

3)  Vgl.  aufser  der  schon  erwähnten  Arbeit  L  u  s  c  h  i  n  s  über  die  Handels- 
politik der  österreichischen  Herrscher  im  Mittelalter  jetzt  insbesondere  den  von 
ihm  herr-lhrenden  Abschnitt  über  den  Handel  in  der  vom  Altertumsvereine  her- 
ausgegebenen Geschichte  der  Stadt  Wien  I,  398  f. 


Das  Aufblühen  der  Städte. 

legien  gewahrt.  Aber  auch  da  trat  gerade  gegen  das  Ende  des 
12.  Jahrhunderts  ein  merklicher  Wandel  ein.  In  der  Zeit,  da  im 
Lande  selbst  noch  keine  eigentlichen  Handelszentren,  kein  eigener 
Kaufmannsstand  existierte,  wurde  die  Handelsfreiheit  als  das  Vor- 
teilhafteste erachtet,  lediglich  durch  Mauten  und  Zölle  einigermafsen 
eingeschränkt.  Die  Kaufleute  einzelner  auswärtiger  JStädte,  die 
ganz  besonders  mächtig  waren,  suchten  dann  durch  Privilegien  ein 
Handelsrecht  oder  Begünstigungen  zu  erlangen.  Von  dieser  Art 
ist  das  schon  erwähnte  Ennser  Privileg  des  letzten  steierischen 
Ottokars  vom  Jahre  11^91,  in  dem  den  Regensburger,  Passauer, 
Salzburger,  Ulmer,  Aachener,  Kölner  und  Maastrichter  Kaufleuten, 
die  namenthch  die  niederländischen  Gewänder  und  Tücher  ver- 
mittelten, sowie  auch  den  Russen,  die  Pelzwerk  einführten,  ihr 
Vorrecht  bestätigt  wurde  ^).  Und  ein  Jahr  später  (1192)  erlangten 
die  Regensburger,  die  wohl  am  meisten  von  dem  Wandel  der  Ver- 
hältnisse in  Österreich  befürchten  mochten,  von  Herzog  Leopold  V. 
ein  Privileg  für  den  Wiener  Markt,  aber  schon  hier  müssen  sie 
sich  eine  wesentliche  Einschränkung  gefallen  lassen,  um  die  W^iener 
Münze  nicht  zu  beeinträchtigen:  sie  dürfen  kein  Silber  ausführen  '■^). 
Schon  hier  geht  neben  dem  Strafrecht  das  Handelsrecht;  Mauten 
und  Zölle  werden  festgesetzt;  als  Handelsartikel  werden  genannt: 
Tücher  aus  Köln,  farbiges  Gewand,  Leder  und  Pelzwerk,  Wachs, 
Kupfer,  Zinn,  Glockenspeise,  Heringe  und  gesalzene  Fische.  Der 
Handel  erstreckt  sich  bis  Rufsland. 

Jetzt  trat  aber  eine  gründliche  Umwälzung  ein,  und  die  öster- 
reichischen Herzöge  schlugen  eine  neue  Handelspolitik  ein.  Nun- 
mehr sollte  Wien  selbst  ein  Handelszentrum  mit  einem  selbständigen 
Kaufmannsstand  werden;  es  sollte  nicht  nur  den  Donauhandel 
nach  dem  Osten  beherrschen,  sondern  auch  die  gerade  damals  zur 
Wichtigkeit  gelangende  Verbindung  mit  dem  Süden,  mit  Venedig 
anbahnen.  Nicht  umsonst  waren  die  Babenberger  in  den  Besitz 
der  bedeutendsten  Strafsen  nach  dem  Süden  gekommen.  Des- 
halb galt  es  jetzt  die  ausländische  Konkurrenz  hintanzuhalten 
oder  unschädlich  zu  machen.     Man  hat  früher  mit  ziemlicher  Be- 


1)  ÜB.  d.  L.  0.  d.  Enns  II,  431;  Meiller,  Eegesten  10,  92. 

2)  Tomaschek,  Rechte  und  Freiheiten  der  Stadt  Wien  I,  1. 


400  Sechzehntes  Kapitel. 

stimmtheit  angenommen  ^) ,  dafs  Herzog  Leopold  VI.  Wien  schon 
im  Jahre  1198  ein  Stadtrecht  erteilt  habe,  in  dem  die  Bestimmungen 
über  den  Handel,  wie  sie  uns  in  dem  späteren  Stadtrecht  von  1221 
entgegentreten,  vorhanden  waren.  Eine  Urkunde  oder  auch  nur 
eine  sichere  gleichzeitige  Nachricht  ist  jedoch  nicht  erhalten.  So 
wird  man  denn  nicht  über  vage  Vermutungen  hinausgehen  können'-), 
obschon  schwer  einzusehen  ist,  warum  Herzog  Leopold  nicht 
tatsächlich  für  seine  Residenz  durch  ein  geschriebenes  Gesetz  ge- 
sorgt und  der  Stadt  Enns  vor  Wien  ein  Privileg  erteilt  haben 
sollte.  Immerhin  dürfte  sich  die  Behauptung  verteidigen  lassen, 
dafs  Herzog  Leopold  VI.,  auch  wenn  er  den  Wienern  kein  geschrie- 
benes zusammenfassendes  Stadtrecht  verlieh,  dennoch  bereits  so 
manche  Begünstigung,  die  in  dem  späteren  Stadtrecht  festgelegt 
wurde,  vordem  gewährt  hat.  Gerade  die  Sperrung  des  ungarischen 
Marktes  für  die  fremden  Kaufleute  dürfte  bald  nach  der  Privilegie- 
rung der  Wiener  Münzherren  eingetreten  sein,  da  in  Ungarn  in 
der  Folgezeit  die  fremden  Münzen  nahezu  gänzlich  verschwanden 
und  fast  ausschliefslich  die  Erzeugnisse  der  Wiener  Münze  Ver- 
wendung fanden  '^).  >Der  Wiener  Pfennig,  der  sich  ursprünglich 
durch  seinen  Silbergehalt  auszeichnete  (116  Gr.schwer),  verdrängte 
auch  in  dem  österreichischen  Gebiet  den  Kremser  und  Neustädter 
Pfennig  vollständig. 

Wichtig  und  grundlegend  für  die  ganze  weitere  Entwickelung 
des  Wiener  Handels  war  die  einschneidende  Rc;form,  die  noch 
Herzog  Leopold  V.  in  seinen  letzten  Regierungsjahren  der  Wiener 
Münze  angedeihen  liefs.  Durch  die  Kreuzzüge  war  ein  starker 
Abflufs  an  Bargeld  eingetreten,  der  in  Österreich  durch  keine 
Edelmetallproduktion  gedeckt  werden  konnte.  Da  mufste  Abhilfe 
geschaffen  werden.  Nun  war  aber  der  landesfürstliche  Verwaltungs- 
organismus nicht  weit  genug  ausgebildet,  um  grofse  Unternehmungen 


1)  Den  Ausgangspunkt  bildete  eine  Notiz  bei  Lazius.  Vgl.  die  Einleitung 
zu  Tomaschek,  Eechte  und  Freiheiten  der  Stadt  Wien  I. 

2)  Den  Bestand  eines  Wiener  Stadtrechtes  vor  1221  hat  in  jüngster  Zeit 
Heinrich  Schuster  in  der  Geschichte  der  Stadt  Wien,  hgg.  vom  Altertums- 
vereine I,  293  f.  auf  das  entschiedenste  bestritten. 

3)  Vgl.  aufser  den  beiden  schon  genannten  Arbeiten  Luschin s  noch  seine 
Abhandlung  über  die  Wiener  Pfennige  (Numismatische  Zeitschr.  VIII,  254,  1876). 


Das  Aufblühen  der  Städte.  401 

in  eigener  Regie  ins  Werk  zu  setzen.  Wie  gewisse  öffentliche 
Bauten  und  Anlagen  (Strafsen,  Brücken  u.  dgl.)  noch  immer  den 
Orofsgrundbesitzern  überlassen  werden  mufsten,  so  überlieferte 
Herzog  Leopold  V.  auch  den  Münzbetrieb  Privathänden  und  zwar 
einem  Kapitalistenkonsortiura ;  dessen  Mitglieder  werden,  da  sie 
ein  gemeinsames  Münzhaus  besafsen,  tatsächlich  Consortes,  zu 
deutsch  Hausgenossen,  genannt  ^).  Vielleicht  hängt  damit  auch  eine 
nicht  ganz  verbürgte  Nachricht  zusammen,  nach  der  Herzog  Leo- 
pold V.  Wiener  Bürgern  bedeutende  Geldvorschüsse  (30  000  Maik) 
gewährt  und  die  Ritter  zur  Begleichung  ihrer  Schulden  bei  den 
Bürgern  angehalten  habe  '^).  Unter  demselben  Gesichtswinkel  mufs 
auch  die  Sefshaftmachung  Flandrischer  Färber  unter  Herzog  Leo- 
pold VI.,  der  ihnen  im  Jahre  1208  wichtige  Vorrechte  gab  3), 
betrachtet  werden.  Da  es  den  Babenbergern  darauf  ankam,  ihre 
Residenz  rasch  zu  einem  Zentrum  zu  machen  und  auf  die  Höhe 
der  alten  Reichsstädte  zu  bringen,  so  mufsten  künstliche  Mittel 
angewendet  werden.  Die  Hausgenossen  der  Münze,  die  Flandrer, 
denen  sich  bald  auch  die  Tuchhändler  oder  Handschneider,  später 
bekannt  als  Laubenherren  nach  ihren  Verkaufsläden  unter  den 
Lauben  *),  anreihten,  bildeten  den  Grundstock  der  Wiener  Patrizier 
und  diese  mit  ihrer  Kapitalkraft  auch  zugleich  die  lebendige  Trieb- 
kraft für  das  Emporblühen  der  jungen  Stadt. 

Wien  war  übrigens  nicht  die  einzige  Stadt,  die  von  den 
Babenbergern  begünstigt  wurde,  wenn  sie  auch  vor  allen  anderen 
Städten  den  Vorzug  genofs.  Vom  Transitzoll  und  den  Mauten 
des  Landesfürsten  waren  die  Städte  in  der  Regel  befreit.  Aber 
manche  Stadt  suchte  darüber  hinaus  noch  besondere  Erleichterungen 
für  den  Handel  zu  Wasser  und  zu  Lande  zu  gewinnen,  wie  Krems 
und  Zwettl^). 


1)  Die  Urkunde   selbst  ist   zwar  nicht  vorhanden,   wird   aber  in  der  Be- 
stätigung Rudolfs  von  Habsburg  vom  Jahre  1277  vorausgesetzt. 

2)  So  Enenkel  in  seinem  Fürstenbuch  (M.  G.  Deutsche  Chron.  III,  631). 
Ich  halte  dies  keineswegs  für  so  unwahrscheinlich  wie  z.  B.  Juritsch  S.  365. 

3)  Tomaschekl,  4.    Jetzt  mit  Faksimile  der  Urkunde  in  der  Geschichte 
der  Stadt  Wien  I,  300. 

4)  Noch  heute  heifst  jene  Strafse  ,,die  Tuchlauben". 

5)  Meiller,  Kegesten  84,  19. 

Vancsa,  Geschichte  Nieder-  u.  Oberösterreich».  26 


402  Sechzehntes  Kapitel. 

So  konnte  sich  eine  eigene  Stadtwirtschaft  entwickeln.  In  letzter 
Linie  ainffcn  wohl  alle  diese  Erscheinungen  auf  das  in  diesem  Zeit- 
iüter  sieh  vollziehende  Aufkommen  der  Geldwirtschaft  an  Stelle  der 
alten  Naturalwirtschaft  und  auf  das  Anwachsen  des  Verkehres  zu- 
rück. Erst  unter  diesen  geänderten  Verhältnissen  konnte  ein  ein- 
heimischer Kaufmannstand  entstehen,  der  die  fremden  Kaufleute 
allmählich  verdrängte,  sich  scharf  vom  Bauern-  und  Handwei'ker- 
stande  sonderte  und  zu  einem  gewissen  Übergewicht  gelangte. 

Etwas  später  als  der  Handel  entwickelten  sich  in  den  Städten 
die  Gewerbe.  Doch  war  es  selbstverständlich,  dafs  diese  dem 
Bedarfe  folgten,  sich  vom  flachen  Lande  in  die  Städte  zogen,  den 
Absatz  des  JMarktes,  die  Gelegenheit  der  leichten  Materialgewinnung 
aufsuchten.  Die  verschiedenen  Wiener  Urkunden  aus  dem  Anfang 
des  13.  Jahrhunderts,  namentlich  die  Stiftungsurkunde  für  die 
St.  Ulrichkirche  in  Zaisraannsbrunn  unmittelbar  vor  den  Toren 
Wiens,  das  später  zu  dessen  Vorstädten,  dem  heutigen  Bezirke 
Neubau,  gehörte,  vom  Jahre  1200  —  die  Kirche  wurde  bezeichnender- 
weise bereits  von  einem  reichen  Bürger  namens  Dietrich  gestiftet ')  — 
und  das  Privileg  für  die  Flandrer  aus  dem  Jahre  1208  nennen 
bereits  eine  Reihe  von  Handwerkern:  Schuster,  Fleischer,  dann 
Goldschmiede,  Färber  (eben  die  Flandrer).  Letztere  haben  sogar 
eine  gewisse  Organisation. 

Die  Mehrzahl  der  Bewohner  der  österreichischen  Städte  ist 
wie  anderwärts  ursprünglich  unfrei,  von  weltlichen  oder  geistlichen 
Grundherren  abhängig  ^),  dem  Hofrecht  unterstehend  —  noch  war 
weder  Gewerbe  noch  Handel  vom  Grundbesitz  losgelöst,  noch 
wurde  von  den  Bürgern  allgemein  Landwirtschaft,  in  Wien  vor- 
zugsweise Weinbau  betrieben;  auch  Mihtes  zur  Bedeckung  oder 
zur  Herstellung  der  Befestigungen  gab  es  da,  namentlich  in 
Wien,  wo  der  Herzogshof  die  Dienstmannen  und  Ritter  versammelte, 
zu  denen  sich  dann   allerdings  auch  freie  Elemente,   besonders  in 


1)  Font.  rer.  Austr.  2.  Abt.  XVIII,  21. 

2)  Enns  stand  auf  dem  Boden  von  St.  Florian,  Wels  auf  dem  von  Wiirz- 
burg,  Wien  teilweise  auf  passauischem  Boden ;  St.  Polten  war  eine  ausgesprochene 
Bischofstadt  (Passauisch) ;  auch  TuUn  scheint  auf  kirchlichem  Boden  z\i  stehen, 
da  noch  im  13.  Jahrhundert  hier  ein  Vogtding  besteht.  Nur  Krems  scheint 
eine  freiere  Stellung  gehabt  zu  haben.    Siehe  ganz  besonders  Lorenz  a.  a.  0.  S.  55. 


Das  Aufblühen  der  Städte,  403 

den  Kaufleuten,  sowie  andrerseits  ein  Pöbel,  das  ledige  Volk, 
hinzugesellte.  Auch  blofse  „incoiae"  gab  es,  die  die  gleichen  Lasten, 
aber  nicht  die  gleichen  Rechte  wie  die  Bürger  hatten.  Bald  ver- 
mochte die  befestigte  Stadt  die  Masse  der  Zuströmenden  nicht 
mehr  zu  fassen,  und  spätere  Ansiedler  mufsten  sich  aufserhalb  der 
Mauer  in  den  suburbia  niederlassen.  Das  Zusammenleben  in  der 
Stadt  übte  aber  allmählich  einen  nivellierenden  Einflufs  aus,  auch 
hier  verblafste  der  Unterschied  zwischen  frei  und  unfrei.  Viel 
trug  dazu  bei,  dafs  sich  in  den  Städten  eine  eigene  Form  des 
Grundbesitzes  entwickelte,  die  dem  freien  Eigen  ziemlich  nahe  kam, 
d.  h.  es  wurden  den  Bürgern  ohne  persönliche  Abhängigkeit  Bau- 
gründe gegen  einen  jährlichen  Pacht  zu  vererbhchem  und  ver- 
äufserlichem  Gebrauchsrecht  überlassen.  Es  war  das  ius  civile 
oder  urbanum,  das  Burgrecht  (Baurecht,  Kaufrecht),  auch  ius  here- 
ditatis,  Erbrecht,  Erbleihe,  Erbpacht  genannt.  Erst  wer  „Eigen 
zu  Burgrecht"  besafs,  w^ar  in  dieser  ersten  Periode  des  Städte- 
wesens ein  Bürger  (Burgensis). 

Endlich  kam  aber  zum  Wesen  der  Stadt  noch  ein  wichtiges 
Moment  hinzu :  die  Exemtion  von  der  Landgerichtsbarkeit  und  die 
Unterstellung  unter  einen  eigenen  Stadtrichter.  In  dem  oben  er- 
wähnten Privileg  für  die  Regensburger  vom  Jahre  1192  treten 
uns  zum  ersten  Male  Stadtrichter  in  Wien,  St.  Polten,  TuUn  und 
Melk  entgegen.  Das  Stadtrecht  hat  sich  aber  aus  dem  Landrecht 
entwickelt  ^) ,  und  in  der  ersten  Periode  hatte  dieses  auch  noch 
vielfach  in  den  Städten  Geltung  ^). 

Das  beste  Bild  vom  Wesen,  den  Verhältnissen  und  Ein- 
richtungen österreichischer  Städte  zu  Beginn  des  13.  Jahrhunderts 
gewinnen  wir  aus  den  beiden  ersten  uns  erhaltenen  umfangreichen 
Stadtrechten,  aus  dem  Ennser  vom  Jahre  1212  und  aus  dem 
Wiener  vom  Jahre  1221  ^),   die  sehr  nahe  Verwandtschaft  zeigen 


1)  Viele  Punkte  des  Ennser  und  Wiener  Stadtrechtes  stimmen  mit  dem 
österreichischen  Landrecht  überein.  Siehe  die  treffliche  Zusammenstellung  bei 
Tomaschek  a.  a.  0.  S.  V. 

2)  Dies  betont  besonders  Heinrich  Schuster  a.  a.  0.  S.  300 f.  Die 
Frage  ist  jedoch  unter  den  Eechtshistorikern  strittig. 

3)  Das  Wiener  bei  Tomaschek  a.  a.  0.  I,  8;  das  Ennser  bei  Schwind- 
Dopsch,  Ausgew.  Urkunden  S.  42. 

26* 


404  Sechzehntes  Kapitel. 

und  wahrscheinlich  auf  ein  gemeinsames  älteres  Mutterrecht,  ver- 
mutlich eben  das  verlorengegangene  Wiener  Stadtrecht  des  Herzogs 
Leopold  V.,  zurückgehen.  Das  Wiener  Stadtrecht  von  1221  ent- 
hält sogar,  wie  gleich  zu  erwähnen  sein  wird,  einige  ältere  Ele- 
mente, nur  ist  es  entsprechend  den  grofsartigeren  Verhältnissen 
der  herzoglichen  Residenz  im  einzelnen  umgeformt  und  erweitert: 
CS  besitzt  um  i;5  Bestimmungen  mehr  als  das  Ennser,  das  aller- 
dii!<Ts  auch  zwei  im  Wiener  Recht  nicht  vorkommende  aufweist. 
Diese  beiden  grofsen  Privilegien,  vornehmUch  das  Wiener,  sind 
dann  die  Grundlage  für  die  folgenden  österreichischen  Stadtrechte 
geworden.  Sie  beziehen  sich  auf  fast  alle  Seiten  des  Rechtes*  auf 
Straf-  und  Privatrecht,  Polizei-,  Markt-  und  (besonders  in  Wien) 
Handelsrecht,  Verfassung,  Verwaltung  und  öffentliches  Recht.  Als 
Verbrechen  und  Vergehen  werden  angeführt:  Totschlag,  Körper- 
verletzungen, Schläge,  Beschimpfungen,  Hausfriedensbruch  (Heim- 
suche), Schändung,  im  Wiener  Recht  ferner  Gotteslästerung,  falscher 
Eid,  falsches  Mafs  und  Gewicht.  Als  Strafen  sind  festgesetzt: 
Todesstrafe,  bei  Körperverletzungen  Talion,  bei  Gotteslästerung 
und  falschem  Eid  Ausreifsen  der  Zunge,  ferner  noch  Acht  (Stadt- 
verweisung) und  Geldstrafen.  Eine  der  rückständigen  Bestimmungen 
des  Wiener  Rechtes  ist  die  Zulassung  des  Gottesurteiles  des  glühen- 
den Eisens  als  Zeugnis  im  Falle  Totschlages,  während  das  Ennser 
bereits  die  Reinigung  durch  Eideshelfer  zuläfst.  Für  die  Beurtei- 
lung des  Verbrechens  oder  Vergehens  bildete  es  eiaen  wesentlichen 
Unterschied,  ob  es  aus  Notwehr  erfolgt  und  ob  es  im  Umkreise 
(Weichbild)  der  Stadt  oder  aufserhalb  geschehen  war.  Es  wurde 
aber  auch  in  bezug  auf  die  Geltung  des  Rechtes,  die  Anwendung 
der  Strafe  und  die  Gültigkeit  des  Zeugnisses  ein  Unterschied 
zwischen  den  Bürgern,  Fremden  (hospites)  und  Knechten  gemacht, 
ja  hinsichtlich  der  ersteren  auch  zwischen  den  Bemittelten  und 
Minderbemittelten.  Wer  in  Wien  50,  in  Enns  30  Pfund  besafs, 
blieb  selbst  im  Falle  eines  Totschlages  auf  freiem  Fufs.  Jedes 
Haus  eines  Bürgers  war  eine  Freistatt  und  genofs  besonderen 
Schutz,  weshalb  der  Hausfriedensbruch  schwerer  Strafe  unterstand 
(auch  hier  war  das  Gottesurteil  des  glühenden  Eisens  und  der 
Wasserprobe  zulässig).  Überhaupt  tritt,  wie  in  anderen  öster- 
reichischen Rechtsdenkmälern,  auch  hier  das  Moment  der  Standes- 


Das  Aufblüben  der  Stallte.  405 

oder  Hausgenossenschaft  stark  hervor.  Der  Fremde  steht  rechtlich 
hmter  dem  Bürger  zurück;  er  kann  gegen  diesen  kein  Zeugnis 
ablegen.  Vor  allem  richteten  sich  gewisse  Bestimmungen  (im  Wiener 
Rechte)  gegen  die  Fremden  als  Handelsleute,  deren  Konkurrenz 
möglichst  beschränkt  werden  sollte.  Kein  Schwabe  —  gemeint 
waren  wohl  die  Kaufleute  aus  Ulm  und  Augsburg  — ,  kein 
Regensburger  und  kein  Passauer  —  jene  aus  der  noch  immer 
gefürchteten  alten  Handelsmetropole  für  den  Donauhandel,  diese 
aus  der  Stadt  der  Bischöfe  von  Passau,  die,  wie  wir  noch  sehen 
werden,  gerade  damals  in  hartnäckigem  Konkurrenzkampfe  mit 
den  Herzögen  von  Österreich  lagen  — ,  durfte  seine  Waren  nach 
Ungarn  führen ;  nur  zwei  Monate  durften  sie  sich  in  der  Stadt  auf- 
halten und  während  dieser  Zeit  nur  an  die  Bürger,  nicht  an  Aus- 
wärtige verkaufen,  vor  allem  aber  Avegen  des  Münzmonopols  des 
Herzogs  Aveder  Gold,  noch  Silber  einkaufen.  Waffen  durften  sie 
nicht  mit  in  die  Stadt  nehmen. 

Was  das  Privatrecht  betrifft,  so  ist  die  Stellung  der  Frau 
günstig.  Witwen,  Töchter  oder  Enkelinnen  von  Bürgern  haben 
freie  Verfügung  über  ihre  Hand  und  sind  bereits  von  dem  alten 
Heiratszwang  des  Grundherrn,  beziehungsweise  des  Herzogs  befreit 
und  zwar  im  Ennser  Recht  ganz,  im  Wiener  ausgenommen  den 
Fall,  dafs  sie  einen  Ritter  heiraten;  dann  ist  ihre  Habe  der  Gnade 
des  Herzogs  anheimgestellt.  Auch  ihr  Erbrecht  ist  gewahrt.  Im 
übrigen  ist  die  Oberhoheit  des  Herzogs  in  einer  Reihe  von  Be- 
stimmungen ausdrücklich  festgesetzt.  Ihm  fällt  nach  einer  offenbar 
älteren  Bestimmuno;  des  Wiener  Rechtes  die  Erbschaft,  die  für 
einen  Fremden  testiert  ist  oder  auf  die  keine  Ansprüche  erhoben 
werden,  ganz  zu,  nach  dem  Ennser  Recht  zur  Hälfte.  Die  Auf- 
nahme Fremder  in  die  Bürgerschaft  findet  in  seiner  Gegenwart 
statt.  Das  Wichtigste  aber  war,  dafs  er  den  Stadtrichter  einsetzte, 
dem  das  Strafgeld  zufiel,  der  aber  keineswegs  nur  Justizbeamter 
war,  sondern  auch  auf  die  Verwaltung  der  Stadt  Einflufs  ausübte. 
Die  eigentliche  Verwaltungsbehörde,  zunächst  in  erster  Linie  für 
Marktzwecke,  war  ein  Ausschufs  von  geeigneten  Bürgern,  vier- 
undzwanzig in  Wien,  sechs  in  Enns  (Geschworene,  iurati,  von 
ihrem  Amtseid;  auch  consules  genannt),  aus  dem  sich  der  innere 
Rat   und    damit   die    Grundlage  der  Selbstverwaltung   entwickelte. 


400  Sechzehntes  Kapitel. 

In  Wien  mufste  aufserdera  bei  allen  Geschäften,  deren  Objekt  über 
drei  Pfund  Pfennige  betrug,  ein  Ausschufs  von  hundert  Bürgern 
aus  den  vier  Vierteln  der  Stadt  herangezogen  werden.  Sie  bildeten 
später  den  äulscren  Rat  oder  „die  Genannten". 

Bemerkenswert  ist,  dafs  diese  österreichischen  Stadtrechte  Ein- 
flüsse der  flandrischen  sogenannten  Keuren  aufweisen  ').  Gerade 
in  der  zweiten  Hälfte  des  12,  Jahrhunderts  war  ja  die  grofse 
Welle  niederländischer  Kolonisten  über  ganz  Mitteleuropa  hin- 
gegangen, und  wir  haben  schon  gesehen,  welche  bedeutende  Stellung 
die  Flandrer  innerhalb  der  Wiener  Bürgerschaft  einnahmen. 

So  waren  denn  seit  dem  letzten  Jahrzehnt  des  12.  Jahrhunderts 
alle  Bedingungen  gegeben,  um  nun  auch  in  Osterreich  das  Städte- 
wesen emporblühen  zu  lassen,  und  die  klugen  Babenberger  Herzöge 
förderten  diese  Bedingungen  in  jeder  Weise.  Im  Jahre  1207 
konnte  bereits  die  Behauptung  aufgestellt  werden,  dafs  Wien  nach 
Köln  eine  der  bedeutendsten  deutschen  Städte  sei  ^). 

Diese  Stelle  befindet  sich  in  einem  Schreiben  Leopolds  VI. 
an  Papst  Innozenz  HL,  worin  er  ihn  um  die  Errichtung  eines 
Bistums  in  Wien  bittet,  und  sie  gehört  zu  der  Reihe  jener  Gründe, 
die  das  Gesuch  unterstützen  sollen.  Damit  stehen  wir  bei  einer 
weitereu  grofsen  Aktion  des  Herzogs.  Auch  sie  lag  auf  der  Bahn 
jener  zielbewufsten  Babenbergischen  Politik,  die  die  Loslösung 
Österreichs  von  dem  Mutterlande  und  eine  durchweg  selbständige 
landesfürstliche  Macht  anstrebte.  Die  staatsrechtliche  und  wirt- 
schaftliche Trennung  war  bereits  durchgeführt,  nun  sollte  die  kirch- 
liche, vielleicht  auch  schon  von  Heinrich  Jasomirgott  ins  Auge 
gefafst  ^) ,  das  Werk  krönen.  Sie  war  allerdings  die  schwierigste 
und  heikelste  Aufgabe,  und  wir  werden  es  begreiflich  finden,  dafs 
Herzog  Leopold  mit  Vorsicht  zu  Werke  ging  und  alles  daran 
setzte,  um  sein  Ziel  zu  erreichen  *). 

1)  Auch  gegen  diesen  Nachweis  Tomascheks  spricht  sich  Schuster 
a.  a.  0.  S.  313  aus.  Ich  kann  jedoch  seinen  Gegenargumenten  nicht  zustimmen, 
da  die  Tatsachen  Tomaschek  recht  gehen. 

2)  Potthast,  Keg.  Pont.  3085.  —  Man  darf  natürlich  nicht  übersehen, 
dafs  hier  der  Herzog  von  Österreich  pro  domo  spricht  und  alles  aufbietet,  um 
die  Bedeutung  seiner  Hauptstadt  ins  beste  Licht  zu  setzen. 

.;.)  Siehe  oben  S.  343. 

4)  Vgl.  aufser  der  allgemeinen  Literatur  noch  im  besonderen  Anton  Mayer 


Der  Plan  der  Errichtung  eines  Bistums  in  Wien.  407 

Der  Zeitpunkt  schien  nicht  ungünstig.  Der  Plan  war  bereits 
einige  Jahre  zuvor,  etwa  1197,  bei  der  Kurie  angeregt  worden  und 
zwar  merkwürdigerweise  von  dem  Bischof  von  Passau  Wolfger  von 
Ellenbrechtskirchen  selbst  ^) ;  freilich  aller  Wahrscheinlichkeit  nach 
aus  einem  anderen  Beweggrund,  vermutlich  um  das  Pallium  zu 
gewinnen  und  in  diesem  Falle  die  nötigen  SufFragane  zu  besitzen. 
Seit  dem  Jahre  1204  arbeitete  König  Ottokar  I.  von  Böhmen  daran, 
die  Bistümer  Prag  und  Olmütz  aus  dem  Metropolitanverbande 
von  Mainz  zu  lösen,  und  die  Gründung  von  neuen  Bistümern 
innerhalb  der  alten  Diözesen  lag  entschieden  in  dem  Zuge  der  Zeit, 
denn  bald  darauf  entstanden  ja  rasch  hintereinander  die  Bistümer 
Ohiemsee  (1215),  Seckau  (1218)  und  Lavant  (1224).  Ebenso 
entsprach  es  einem  Zuge  der  Zeit,  an  Stelle  der  vom  König  und 
Reich  abhängigen  Bistümer  Landesbistümer  zu  schaffen,  und  nament- 
lich die  Territorialherren  in  den  östlichen  Marken,  wo  die  Bischöfe 
überhaupt  niemals  zu  der  Macht  der  Bischöfe  im  alten  Reichslande 
gelangt  waren,  in  den  von  Heinrich  dem  Löwen  gewonnenen  sla- 
wischen Gebieten  (den  Bistümern  Altenburg,  Mecklenburg  und 
Ratzeburg)  und,  was  für  Österreich  besonders  mafsgebend  sein 
mochte,  in  Böhmen  hatten  dies  mehr  oder  minder  glückhch  bereits 
zustande  gebracht. 

Als  Herzog  Leopold  VI.  nach  der  Ernennung  Bischof  Wolfgers 
zum  Patriarchen  von  Aquileja  (1205),  dessen  Metropolitangelüste 
zu  fordern  er  wohl  keine  Lust  gehabt  hatte,  daran  ging,  den  Plan 
der  Errichtung  eines  Bistumes  in  Wien  weiterzuverfolgen ,  suchte 
er  zunächst  Wolfgers  Nachfolger  für  die  Sache  günstig  zu  stimmen. 
Es  war  der  bisherige  Abt  von  Kremsmünster  und  Tegernsee,  Man- 
gold. Zunächst  wurde  ihm  die  Gunst  zuteil,  dafs  er  auch  als 
Bischof  die   Prälatenwürde   beibehalten    durfte  ^).      Schon   vorher, 

in  der  Geschichte  der  Stadt  Wien  I,  470;  Ratzinger,  Forschungen  zur  baye- 
rischen Geschichte  S.  383  (Kempten  1898);  Krabbo,  Die  Versuche  der  Baben- 
berger  zur  Gründung  einer  Landeskirche  in  Österreich  (Archiv  f.  österr.  Gesch. 
XCni,  Iff.);  Srbik,  Die  Beziehungen  von  Staat  und  Kirche  in  Österreich  während 
des  Mittelalters  (Forschungen  z.  inneren  Gesch.  Österreichs  I,  Innsbruck  1904). 

1)  Geht  aus  dem  erwähnten  Schreiben  Leopolds  VI.  hervor.  Über  Wolfger 
vgL  Kalkoff,  Wolfger  von  Passau  (Weimar  1882). 

2)  Bernh.  de  orig.  et  ruina  mon.  Cremifan.  M.  G.  SS.  XV,  650,  658; 
Eist.  Cremif.  a.  a.  0.  S.  634. 


408  Sech  zolin  tos  Kapitel. 

1204,  hatte  Herzog  Leopold  VI.  seiner  Abtei  Tegernsee  für  deren 
Besitzungen  in  Österreich  zu  Loibeu,  Kroisbach,  in  der  Wuchau, 
zwischen  Piesting  und  Triesting,  sowie  zwischen  Erlaf  und  Persch- 
hng  das  Vorschhigsrecht  für  die  Richter  gewährt  ^).  So  mochte 
Leopold  auch  von  dem  neuen  Bischof  freundschaftliche  Gesinnung 
erhoffen. 

Nun  entschlofs  er  sich  zu  dem  entscheidenden  Schritt  bei  der 
Kurie.  Ende  1206  oder  anfangs  1207  schickte  er  eine  Gesandt- 
schaft nach  Rom,  um  dem  Papste  die  Bitte  um  Errichtung  eines 
Bistumes  in  Wien  unterbreiten  zu  lassen  und  in  einem  ausführ- 
hchen  Memorandum  die  Gründe  dafür  auseinanderzusetzen  -). 
Dieses  Memorandum  ist  zugleich  ein  wichtiges  Dokument  für  die 
Österreichischen  Verhältnisse  überhaupt.  Mit  Recht  wird  auf  die 
grofse  Ausdehnung  der  Passauer  Diözese  hingewiesen.  Das  Land 
war  allerdings  in  Dekanate  und  Archidiakonate  eingeteilt,  und  der 
Dechant  von  Krems  vertrat  häutig  den  Bischof  2).  Der  Bischof 
selbst  aber  konnte  nicht  einmal  seiner  Verpflichtung  in  bezug  auf 
die  Einweihung  neuer  Kirchen  und  Altäre,  auf  Firmung  und  Priester- 
weihe, nachkommen,"  so  dafs  man  genötigt  wai',  die  Hilfe  fremder 
durchreisender  Bischöfe  in  Anspruch  zu  nehmen  *).  Auch  das 
Auftauchen  und  Überhandnehmen  von  Ketzern,  auf  welche  Tatsache 
ich  gleich  zu  sprechen  kommen  werde,  brachte  der  Herzog  damit  in 
Zusammenhang.  Zum  Sitz  des  neuen  Bistumes  schlug  der  Herzog 
selbstverständlich  seine  Residenz  Wien  vor,  die  er  dem  Papste  als 
eine  der  gröfsten,  volkreichsten  Städte  von  besonders  günstiger  Lage 
schilderte,  und  vergafs  auch  nicht  die  von  seinem  Vorfahren  Otto 
von  Freising  erfundene  Identifizierung  Wiens  mit  dem  Faviana 
Severins  aufzuwärmen,  um  darauf  hinzuweisen,  dafs  hier  schon  von 
alters  her  ein  Bistum  bestanden  habe.     Endlich   stellte   er  die  tür 


1)  Meiller,  Eegesten  93,  51. 

2)  Ist  im  Originale  uicht  mehr  vorhanden,  aber  aus  der  Anzeige  des  Papstes 
an  den  Erzbisehof  von  Salzburg  und  den  Bisehof  von  Passau  (Potthast,  Eeg. 
Pont.  3085)  zu  entnehmen. 

3)  Der  Südosten  des  Landes  gehörte,  wie  schon  erwähnt,  zur  Erzdiözese 
Salzburg  und  bildete  den  Archidiaconatus  ultra  montem,  in  dem  Gloggnitz  und 
Paverbach  passauische  Enklaven  waren. 

4)  So  weihte  im  Jahre  1147  Bischof  Heinrich  von  Troyes  eine  Kirche  in 
"Ward  (in  der  Nähe  von  Mauer  bei  Melk,  heute  verschollen)  (Mon.  Boic.  XXIX,  215). 


Der  Plan  der  Errichtung  eines  Bistums  in  Wien.  400 

damalige  Verhältnisse  bedeutende  Dotation  von  jährlich  1000  Mark 
für  das  Bistum  in  Aussicht  und  gab  die  beruhigende  Versicherung, 
dafs  das  Bistum  Passau  so  wenig  als  möghch  geschädigt  würde,  da 
nur  ein  Drittel  oder  Viertel  von  Österreich  das  neue  Bistum  bilden 
solle,  dem  Herzoge  nur  die  Oberhoheit  über  die  Pfarren  zustehen, 
dagegen  Passau  auch  in  diesem  Gebiete  nach  wie  vor  alle  Be- 
sitzungen und  Einkünfte  behalten  würde. 

Die  Gründe  waren  wohl  alle  überzeugend,  und  Papst  Inno- 
zenz III.  war  auch  tatsächlich  der  Sache  günstig  gestimmt,  zumal 
er  hoffen  mochte,  Herzog  Leopold  von  Osterreich  dadurch  von  der 
staufischen  Partei  abzuziehen.  P>  wollte  nur  den  formell  korrekten 
Weg  einschlagen.  Deshalb  zeigte  er  am  14.  April  1207  dem 
Bischof  Mangold  von  Passau  die  Vorschläge  des  Herzogs  an  und 
beauftragte  gleichzeitig  den  Metropoliten  Erzbischof  Eberhard  IL 
von  Salzburg  mit  der  Erstattung  eines  Gutachtens  ^).  Aber  die 
Entscheidung  zog  sich  in  die  Länge. 

Im  Jahre  1208  erklärte  sich  Leopold  zu  einem  Kreuzzug  be- 
reit 2).  Indem  er  vor  der  Heerfahrt  abermals  eine  Gesandtschaft 
nach  Rom  schickte,  hoffte  er  die  Angelegenheit  beschleunigen  zu 
können.  Er  machte  jetzt  hinsichtlich  der  Dotation  genauere  Vor- 
schläge, die  allerdings  hinter  den  ersten  beträchtlich  zurückblieben. 
Für  eine  zu  errichtende  Dompropstei  sollten  die  Einkünfte  der 
Pfarre  Wien  und  das  Erträgnis  eines  Gutes  in  Krems  verwendet 
werden.  Der  Sitz  des  Bischofes  sollte  das  Schottenkloster  werden, 
während  die  Schottenmönche  anderweitige  Unterkunft  erhalten 
würden.  Merkwürdigerweise  ging  diesmal  Leopold  in  bezug  auf 
die  Gröfse  des  zukünftigen  Bistums  weiter  wie  in  dem  ersten  Vor- 
schlag: es  sollte  die  Hälfte  Österreichs  und  auch  noch  einen  Teil 
der  Steiermark  umfassen  ^).  Aus  der  letzten  Zeit  lag  sogar  ein 
neuer  Fall  vor,  dafs  man  sich  eines  fremden  Bischofs  zur  Kon- 
sekration hatte  bedienen  müssen.  Bischof  Malachias  von  Irland 
hatte  der  Wahl  des  Schottenabtes  Markus  präsidiert  und  in  Zwettl 
Kleriker  geweiht  *). 

1)  Potthast,  Eeg.  Pont.  3085. 

2)  Cont.  Claustron.  621 ;  Ann.  Meli.  506. 

3)  Potthast,  Keg.  Pont.  3427. 

4)  Cont.  Claustroneob.  III,  634;  Cont.  Zwettl.  607. 


410  Sechzehntes  Kapitel. 

Doch  gerade  die  neuen,  von  den  früheren  abweichenden  Vor- 
schläge Herzog  Leopolds  boten  Handhaben  zu  schwerwiegenden 
Bedenken.  Dafs  auch  kirchliche  Einkünfte  zur  Dotation  heran- 
gezogen werden  sollten,  machte  die  Kurie  stutzig;  Bischof  Mangold 
sah  den  Umfang  seiner  Diözese  noch  mehr  gefährdet;  der  Erz- 
bischof von  Salzburg  war  durch  den  steierischen  Anteil  in  seiner 
Machtsphäre  berührt,  und  auch  die  Schottenmönche  in  Wien  waren 
keineswegs  gesonnen,  ihr  sehr  günstig  gelegenes  Kloster  ohne 
weiteres  aufzugeben.  Sie  beeilten  sich,  vom  Papste  eine  Bestäti- 
gung ihres  Gesamtbesitzes  zu  erwirken  ^). 

So  kam  es,  dafs  der  Papst  abermals  keine  Entscheidung  traf, 
sondern  die  beiden  Legaten  Hugo  von  Ostia  und  Leo  von  St.  Croce 
mit  Untersuchung  und  Entscheidung  betraute  ^). 

Da  erfolgte  am  21.  Juni  1208  die  Ermordung  Philipps  von 
Schwaben,  und  wenige  Monate  später,  am  11.  November,  wurde 
Otto,  sein  bisheriger  Widersacher,  von  den  deutschen  Fürsten  als 
deutscher  König  anerkannt.  Auch  die  früheren  Parteigänger  des 
Staufers,  darunter  Herzog  Leopold  von  Osterreich,  traten  auf  seine 
Seite,  und  so  war  mit  einem  Male  die  politische  Gegnerschaft 
zwischen  Osterreich  und  Rom  beseitigt. 

Nun  entfaltete  Leopold  VI.  eine  fieberhafte  Tätigkeit,  um  die 
neue  Konstellation  zu  Erreichung  seines  Zieles  auszunützen.  Zu- 
nächst wandte  er  sich,  vermutlich  durch  seinen  Leibarzt  Meister 
Gerhard,  Pfarrer  von  Felling  an  der  Piesting,  den  er  zu  diplo- 
matischen Missionen  zu  verwenden  pflegte,  abermals  an  die  Kurie 
ohne  jedoch  mehr  als  die  neuerliche  Vertröstung  auf  den  Spruch 
der  beiden  Legaten  erlangen  zu  können  ^). 

Einen  Beweis  seiner  kirchlichen  Gesinnung  glaubte  er  nun  mit 
der  Gründung  eines  neuen  Klosters  in  Osterreich  erbringen  zu  können. 
Schon  im  Jahre  1202,  als  die  Bistumsfrage  bereits  bei  der  Kurie, 
angeregt  war,  hatte  er  den  Entschlufs  gefafst.  Seitdem  wurde  im 
schönen  Waldtale  auf  dem  Boden  der  Ministerialen  von  Lilienfeld 
rüstig  an  einem  romanischen  Prachtbau  gearbeitet.  Am  7.  April  1209 
wurde  zu  Klosterneuburg  in  feierlicher  Versammlung  der  Ministe- 

1)  Potthast,  Reg.  Pont.  3365;  Font.  rer.  Austr.  XVIII,  17. 

2)  Potthast,  Eeg.  Pont.  3427. 

3)  Ebendas.  3549. 


Der  Plan  der  Errichtung  eines  Bistums  in  Wien.  411 

rialen  die  Stiftungsurkunde  für  das  Zisterzienserkloster  Lilienfeld 
ausgestellt  ^),  das  in  damals  üblicher  Weise  Befreiung  von  Gerichts- 
barkeit, Maut  und  Zoll  verbriefte.  Ein  Konflikt  mit  den  Brüdern 
Konrad  und  Leuthold  von  Altenburg,  der  vermutlich  wegen  der 
Besitzungen  entstanden  war,  wurde  kurz  darauf  (13.  April)  bei- 
gelegt ^).  Nicht  ohne  Grund  wurde  das  neue  Kloster  für  Zister- 
zienser gestiftet,  denn  dieser  strengere  Orden  war  gerade  damals 
sehr  beliebt,  auch  von  Kaiser  Otto  entschieden  bevorzugt,  und,  wie 
wir  bereits  gesehen  haben,  erkannte  der  Herzog  von  Osterreich 
ihre  reichsunmittelbare  Stellung  nicht  an,  sondern  beanspruchte 
als  Territorialherr  auch  die  Vogtei  über  Zisterzienserklöster. 

Doch  gab  es  noch  im  nämhchen  Jahre  einen  fatalen  Zwischen- 
fall. Als  Bischof  Ekbert  von  Bamberg  nach  Ungarn  floh,  da  man 
ihn  der  Mitschuld  an  der  Ermordung  Phüipps  von  Schwaben  ver- 
dächtigte —  er  hatte  dem  Mörder  Otto  von  Witteisbach  mindestens 
zur  Flucht  aus  Bamberg,  wo  die  Ermordung  erfolgte,  verhelfen  — , 
glaubte  sich  Herzog  Leopold  dazu  berechtigt,  die  Bambergischen 
Güter  in  Österreich  einzuziehen;  dies  war  ein  entschiedener  Über- 
griff des  Landesfürsten,  der  sofort  den  energischen  Einspruch  des 
Papstes  hervorrief  Sogar  Bann  und  Interdikt  schwebte  mit  einem 
Male  über  dem  Haupte  des  Babenbergers  ^). 

Er  war  daher  genötigt,  neue  Anstrengungen  zu  machen,  um 
sich  bei  der  Kurie  wieder  in  Gunst  zu  setzen,  und  er  glaubte 
dies  am  besten  durch  eine  grofse  Aktion  gegen  die  Ketzer  in 
Österreich  tun   zu  können*).     War  das  11.  Jahrhundert   die  Zeit 

1)  Hanthaler,  Fasti  Campililienses  I,  593.  —  Als  Literatur  über  Lilien- 
feld vgl.  Tobner,  Geschichte  von  Lilienfeld  (Xenia  Bernardina  III,  253)  und 
Derselbe  in  der  Topographie  von  Niederösterreich  V,  843  (davon  auch  eine  illu- 
strierte Sonderausgabe  als  Festschrift  zur  Feier  des  700jährigen  Jubiläums 
[Wien  1902]). 

2)  Hanthaler  a.  a.  0.  S.  593. 

3)  Potthast,  Reg.  Pont.  3840. 

4)  Siehe  aufser  Hahn,  Geschichte  der  Ketzer  im  Mittelalter  (1846—1850) 
und  Müller,  Die  Waldesier  und  ihre  einzelnen  Gruppen  während  des  Mittel- 
alters (Theolog.  Studien  und  Kritiken  1886/87)  insbesondere  Friefs,  Patarener, 
Begharden  und  Waldenser  in  Österreich  während  des  Mittelalters  (österr.  Viertel- 
jahrschrift f.  kath.  Theologie  XI,  209,  1872);  Juritsch  S.  400 ff.  und  Haupt, 
Waldensertum  und  Inquisition  im  südöstlichen  Deutschland  bis  zur  Mitte  des 
14.  Jahrhunderts  (Deutsche  Zeitschr.  f.  Geschichtswisscnsch.  I,  285  f.,  1889). 


413  Söch zehntes  Kapitel. 

der  grofsen  Kirchenreform,  beherrscht  von  den  Kluniazensern  und 
Hildebrand,  dem  späteren  Papste  Gregor  VII.,  so  bemächtigte  sich 
im  12.  Jahrhundert  der  Geister  zum  ersten  Male  seit  den  Tagen 
der  Kirchenväter  und  der  ersten  Konzilien  eine  häretische  Be- 
wegung, die  gleichwohl  denselben  Triebfedern  wie  jene  Reform- 
bewegung entsprang,  nämlich  der  Forderung  nach  evangelischer 
Reinheit  der  Kirche  und  nach  strenger  Sittlichkeit  des  Klerus. 
Aber  was  ein  Jahrhundert  vorher  die  Sanktion  des  Papstes  erhalten 
hatte,  das  wurde  jetzt  als  ketzerisch  verworfen.  Arnold  von  Brescia, 
der  als  erster  seine  Stimme  erhoben  hatte,  erlitt  im  Jahre  1155 
den  Feuertod,  aber  die  Keime  der  Bewegung  waren  bereits  in 
alle  Winde  verstreut  und  trieben  an  den  verschiedensten  Orten 
mit  einem  Male  üppige  Blüten,  zunächst  in  Italien  und  Südfrank- 
reich. Päpstliche  Bullen  des  Jahres  1184  zählen  als  Häretiker 
auf:  die  Katharer,  Patarener,  Humiliaten,  Waldenser,  Passagianer, 
Josephiner  und  Arnoldisten  ^).  Die  Unterschiede  waren  gering  und 
bezogen  sich  meist  nur  auf  einzelne  Forderungen,  die  Sekten  ver- 
schmolzen sogar  vielfach  untereinander.  Einige  Jahrzehnte  später 
verbreiteten  sich  die  Häresien,  in  erster  Linie  die  der  Katharer, 
nach  Deutschland  und  nach  Österreich,  wo  die  romfeindliche  Poli- 
tik der  Staufer  und  die  oppositionelle  Stellung,  die  auch  Herzog 
Leopold  V.  und  Friedrich  I.  einnahmen,  ihnen  Vorschub  oder  doch 
wenigstens  keinen  Widerstand  geleistet  haben  dürfte.  So  kam  es, 
dafs  Herzog  Leopold  VI.,  wie  wir  gesehen  haben,  in  seinem  be- 
rühmten Schreiben  an  Papst  Innozenz  HI.  wegen  Errichtung  eines 
Bistumes  in  Wien  aus  dem  Jahre  1206  das  Überhandnehmen  der 
Ketzerei  als  wichtigen  Faktor  anführen  konnte.  Jetzt  im  Jahre  1210 
veranstaltete  er  eine  grofse  Ketzerverfolgung  und  liefs  viele  Schuldige 
hinrichten,    wie   es  scheint,    hauptsächlich    durch    den  Feuertod"). 

1)  Jaffe,  Eo},'.  Pont,  15 108 ff. 

2)  Contin.  Claustroneob.  (M.  G.  SS.  IX,  621,  625).  Im  „Welschen  Gast" 
des  Tlioraasin  von  Zirkläre  (hgg.  von  Rücke rt  12 683 ff.)  heifst  es:  „Laraparten 
waere  seiden  riebe  —  Hiet  si  den  Herrn  von  Osterriche  —  Der  die  Ketzer 
sieden  kann.  —  Er  vand  ain  schoene  geriht  daran  —  Er  wil  niht,  daz  der  va- 
lant  —  zebreche  sin  zeude  zehant  —  swenner  si  ezze,  davon  heizzet  er  —  Si 
siden  unde  braten  er."  Vgl.  Friefs  a.  a.  0.  und  Ficker,  Die  gesetzliche 
Einführung  der  Todesstrafe  für  Ketzer  im  Mittelalter  (Mitt.  d.  Inst.  f.  österr. 
Geschichtsf.  I,  181). 


Der  F!an  der  Errichtung  eines  Bistums  in  Wien.  413 

Zwei  Jahre  später  unternahm  er  sogar  einen  höchst  abenteuerlichen 
Kreuzzug  gegen  die  Albigenser  in  Südfrankreich  *),  kam  aber  zu 
spät,  nämlich  gerade  in  dem  Augenblicke,  als  Innozenz  III  zur 
Beilegung  des  Kampfes  eine  Synode  angeordnet  hatte.  Um  seine 
Kampflust  zu  befriedigen,  wandte  sich  Leopold  VI.  nun  gegen  die 
Ungläubigen  in  Spanien,  wo  er  bis  Calatrava  vordrang,  um  aber 
zu  Ende  des  Jahres  1-212  den  Rückzug  anzutreten  2). 

Trotz  aller  dieser  Taten  im  Dienste  der  Kirche  und  obwohl 
er  auch  in  bezug  auf  die  deutsche  PoHtik  getreulich  den  Intentionen 
Innozenz'  III  folgte,  indem  er  nach  der  Bannung  Ottos  IV.  für 
den  päpstlichen  Kandidaten,  den  jungen  Staufer  Friedrich,  ein- 
trat ^),  vermochte  er  die  Wiederaufnahme  der  Verhandlungen  über 
die  Errichtung  eines  Bistumes  in  Wien  nicht  mehr  zu  erreichen. 
Mangolds  von  Passau  Einflufs  scheint  bei  der  Kurie  den  Sieg 
davon  getragen  zu  haben.  Das  kam  auch  zum  Ausdruck  bei 
einem  nochmaligen  Vorstofs,  den  Herzog  Leopold  gegen  den 
Bischof  um  das  Jahr  1215  unternahm.  Er  erhob  mit  einem 
Male  Ansprüche  auf  das  Patronat  über  die  Pfarre  in  Wien,  auf 
die  Vogtei  über  St.  Polten  und  auf  die  Gerichtsbarkeit  über  eine 
Reihe  von  Passauischen  Gütern.  Worauf  er  das  Patronatsrecht 
stützte,  ist  nicht  recht  klar.  Es  scheint  darüber  nur  eine  un- 
verbürgte  Tradition    geherrscht   zu    haben  ^).      Die   Vogtei    über 

1)  Ann.  Marb.  (M.  G.  SS.  XVII,  172);  Anna].  Colon,  max.  826. 

2)  Cont.  Gotwic.  (M.  G.  SS.  IX,  602);  Cont.  Claustroneob.  II  (a.  a.  0. 
S.  622);  Cont.  Admont.  (a.  a.  0.  S.  592);  Cbron.  reg.  Col.  Cont.  III,  233.  Am 
14.  Februar  1213  ist  Herzog  Leopold  wieder  in  Kegensburg  (Böhme r-Ficker, 
Regesten  688). 

3)  Anfangs  schien  Leopold  allerdings  zwischen  den  beiden  deutschen  Königen 
lavieren  zu  wollen.  Im  September  1211  erklärte  er  sich  auf  dem  Fürstentag  zu 
Nürnberg  für  Friedrich,  am  20.  Mai  1212  weilt  er  ebendaselbst  im  Gefolge  Ottos  IV. 

4)  Die  einzige  Urkunde,  die  sich  mit  der  Wiener  Pfarre  beschäftigt  und 
die  auch  tatsächlich  öfter  zur  Begründung  der  Ansprüche  des  österreichischen 
Herzogs  herangezogen  wird,  ist  ein  Übereinkommen  des  Markgrafen  Leopold  IV. 
mit  Bischof  Reginmar  von  Passau  aus  dem  Jahre  1137 ,  doch  ist  hier  nur  von 
einer  Unterordnung  der  Kirche  St.  Peter  und  der  anderen  Betkirchen  in  Wien 
unter  St.  Stephan,  nicht  aber  von  einem  Patronatsrecht  des  Markgrafen  die  Rede 
(Urkunde  wiederholt  gedruckt,  so  Mon.  Boic.  XXVIII b,  102;  jetzt  auch  mit 
Faksimile  bei  Mayer  in  der  Geschichte  Wiens,  hgg.  vom  Altertumsvereine  I, 
464,  wo  auch  die  Rechtsfrage  behandelt  wird). 


414  Sechzehntes  Kapitel. 

St.  Polten  konnte  als  österreichisches  Lehen  gelten,  da,  wie  wir 
wissen,  Heinrich  Jasomirgott  seinen  Bruder  Bischof  Konrad  von 
Passau  damit  belehnt  hatte.  Die  Gerichtsbarkeit  konnte  krat't  des 
Privilegiums  von  1156  beansprucht  werden  und  war  ja  schon  ein- 
mal zwischen  dem  österreichischen  Herzog  und  dem  Bischof  von 
Passau  strittig  gewesen.  Obwohl  also  Herzog  Leopolds  VL  Forde- 
rungen zum  Teil  nicht  unberechtigt  waren,  vermochte  er  dennoch 
damit  nicht  durchzudringen.  Im  April  1215  entschied  Kaiser 
Friedrich  II.  auf  einem  Hoftage  zu  Augsburg  gegen  ihn,  und 
lediglich  eine  Konzession  wurde  ihm  gemacht,  indem  blofs  das 
Passauische  Gut  Schwadorf  von  Landgericht  und  Marchfutter 
befreit  wurde  *). 

Ein  anderer  Versuch  Leopolds,  Einflufs  auf  die  Besetzung  der 
Pfründen  und  der  Lehen  in  der  Erzdiözese  Salzburg  zu  erlangen, 
der  möglicherweise  auch  mit  der  Aktion  gegen  Passau  zusammen- 
hängt, kam  noch,  ehe  er  greifbare  Gestalt  angenommen  hatte,  dem 
Papste  zu  Ohren  und  wurde  selbstverständlich  von  Innozenz  III. 
aus  prinzipiellen  Gründen  energisch  hintangehalten  ^). 

Wohl  gelang  es,  nach  dem  Tode  Bischof  Mangolds  einen 
herzoglichen  Beamten ,  den  bisherigen  Notar  (Kanzleichef)  Leo- 
polds VI.,  Ulrich,  Pfarrer  von  Falkenstein,  später  von  Fischau, 
als  Bischof  durchzusetzen,  doch  starb  dieser  schon  nach  sechs  Jahren 
am  31.  Oktober  122],  ohne  die  Babenbergische  Politik  wesentlich 
gefördert  zu  haben. 

Der  Kampf  zwischen  den  Bischöfen  von  Passau  und  den 
Herzögen  von  Osterreich  wurde  übrigens  nicht  nur  auf  politischem, 
sondern  auch  auf  wirtschaftlichem  Gebiete  geführt.  Passau,  das 
durch  das  Emporblühen  und  die  zunehmende  Selbständigkeit  Öster- 
reichs auch  vom  Donauhandel  ausgeschaltet  zu  werden  fürchtete  ^), 

1)  Mon.  Boic.  XXXb,  26;  Böhmer-Fieker,  Regesten  790. 

2)  "Wir  sind  über  die  Angelegenheit  nur  durch  das  Schreiben  des  Papstes 
an  den  Erzbischof  vom  18.  Mai  1215  in  nicht  ganz  klarer  Weise  unterrichtet 
(Potthast,  Reg.  Pont.  4980;  Meiller,  Salzburger  Reg.  525,  Anm.  69). 

3)  "Vgl.  für  das  Folgende  aufser  Hackeis  schon  oben  zitierter  Arbeit 
(S.  211,  Anm.  5)  Maade,  Freistadts  Handelsgeschichte  und  Handelsleben 
(XI.  Jahresber.  d.  Staatsgymn.  zu  Freistadt  1881).  Sehr  aufschlufsreich  ist  die 
demnächst  erscheinende  Arbeit  ron  Franz  Straufs,  Das  weltliche  Fürstentum 
der  Bischöfe  von  Passau. 


Konkurrenzkampf  zwischen  Passau  und  den  österreichischen  Herzögen,  415 

suchte    sich    bereits   seit   der    zweiten  Hälfte  des  12.  Jahrhunderts 
ein  neues  Handelsgebiet  in  Böhmen   zu  erschliefsen ,    was  ihm  da- 
durch erleichtert   zu   werden  schien,   dafs    es    sich   im  Besitze  der 
zwei  wichtigsten  Verkehrsstrafsen    nach  Böhmen    befand,    nämlich 
des  alten  sogenannten   goldenen  Steiges  und  der  neuen,  seit  1142^ 
erwähnten  Via  regia  von  Linz  über  Ottensheim,  St.  Martin,  Alten- 
felden   und   über    den    Oswalder   Sattel  ').      Einen    Vorstofs   gegen 
Österreich  führten  dann  die  Bischöfe  durch  den  Ankauf  von  Wild- 
berg im  Haselgraben  1198,  wodurch  sie  die  einzige  Handelsstrafse 
auf  österreichischem  Gebiete,  die  durch  den  Haselgraben  ging,  zu 
sperren  oder  doch  wenigstens  durch  hohe  Mauten  den  Kauf  leuten 
zu  verleiden  hofften.    Auch  Waxenberg  und  den  Meranischen  Be- 
sitz an  der  Mühl   brachten    die  Bischöfe  von  Passau  bald    darauf 
an  sich.    Herzog  Leopold  war  jedoch  nicht  der  Mann,  dies  ruhig 
mit  anzusehen.     Um   1211    kaufte   er  von  Gottschalk  von  Hauns- 
berg  Linz  und  gewann  damit   einen   wichtigen  Knotenpunkt,    um 
den  Donauhandel  mit  dem  Norden  zu  verbinden.    Von  hier  führte 
sodann  eine  neue  Strafse  über  Gallneukirchen  und  Neumarkt  durch 
die  Feidaistsenke  einerseits  zur  Moldau,  andererseits   zur  Maltsch. 
Den    Schlufsstein   zu   dieser  glücklichen   Babenbergischen   Gegen- 
aktion   bildete    der  Ankauf   von   Freistadt,    das   an    dieser  Strafse 
lag,  von  Ulrich  von  Klamm  um  1213  und  die  Ausgestaltung  dieser 
Neugründung  zur  Zentrale  des  ganzen  Mühlviertels.    Etwas  später 
(1228)  erhielt  der  Markt  Ottensheim  Maut-  und  Zollbegünstigungen 2). 
Dafür    stattete   der   Bischof  von  Passau   im   Jahre  1222    Eferding 
mit  einem  Stadtrecht   aus.     Und    rings    auf  den  Passauischen  Be- 
sitzungen   werden  jetzt  Burgen  erbaut:    in  Mattsee,  Ellenbrechts- 
kirchen, Obernberg,  Orth,   Gleifs  u.  a.     Sehr  bezeichnend  ist  es, 
dafs  unter  den   zahlreichen  Begünstigungen   für   fremde  Kaufleute 
in  den  österreichischen  Städten  die  Passauer  nicht  genannt  werden, 
ia  noch  mehr:  einige  Bestimmungen  des  Wiener  Stadtrechtes  vom 
Jahre  1221  wenden  sich  direkt  gegen  die  Passauer. 

Trotz    aller   Bemühungen   Herzog   Leopolds  VI.   und  obwohl 
er  eigentlich  zeit    seines  Lebens  ein    treuer  Anhänger  des  Papstes 

1)  Loserth,  Die  böhmischen  Strafsen  und  Saumwege  im  Mittelalter  (Mitt.. 
d.  Ver.  f.  Gesch.  d.  Deutschen  in  Böhmen  XXI,  188,  1883). 

2)  Meiller,  Eegesten  144,  238. 


416         Sechzehntes  Kapitel.     Konkurrenzkampf  zwischen  Passau  usw. 

blieb,  wurde  die  für  Österreich  so  wichtige  Wiener  Bistumsfrage 
unter  seiner  Regierung  nicht  mehr  in  Fhifs  gebracht.  Der  günstige 
Zeitpunkt  war  versäumt,  die  Angelegenheiten  der  grolsen  PoHtik 
und  die  letzten  grofsen  Anstrengungen,  nochmals  einen  Kreuzzug 
zustande  zu  bringen,  scheinen  in  den  raafsgebenden  Kreisen  alles 
andere  zurückgedrängt  zu  haben. 

Jedenfalls  erlitten  die  Babenberger  in  der  Wiener  Bistumsfrage 
den  ersten  Mifserfolg  bei  ihrer  auf  die  Schaffung  eines  unabhängigen 
Territorialfürstentumes  gerichteten  Politik. 


Siebzehntes    Kapitel. 

Die  Bauernschaft  und  das  Wirtschaftsleben.  — 
Die  letzte  kolonisatorische  Bewegung  und  die  Besitz- 
veränderungen im  ersten  Drittel  des  13.  Jahrhunderts. 


Hatte  das  Emporkommen  der  Städte  mit  allen  ihren  neuen 
Lebensbedingungen  und  Lebensregungen  die  wirtschaftlichen  und 
sozialen,  ja  zum  Teil  auch  die  politischen  Verhältnisse  des  Landes 
vielfach  umgestaltet,  so  war  auch  in  der  Lage  des  Grundbesitzes 
und  seiner  Elemente  ein  bedeutender  Umschwung  eingetreten  ^). 
Es  war  dies  eine  Folge  des  Zersetzungs-  und  Zerbröckelungs- 
prozesses,  den,  wie  wir  schon  gesehen  haben,  der  Grofsgrundbesitz 
im  12.  Jahrhundert  durchzumachen  hatte.  Der  Eigenbetrieb  (Sal- 
landbetrieb)  hatte  nahezu  völlig  aufgehört.  Nur  einige  Zweige, 
wie  die  Pferdezucht,  der  Gartenbau,  zum  Teil  der  Weinbau  und 
besonders  manche  ländliche  Gewerbebetriebe  wie  die  Mühlen, 
Brauereien  u.  dgl.,  blieben  im  Eigenbetrieb.  Von  allen  Grofsgrund- 
besitzern  waren  es  nur  die  Klöster  und  unter  ihnen  insbesondere 
die  Zisterzienserklöster,  die  daran  am  längsten  festhielten  ^). 

1)  Vgl.  für  das  Folgende  aufser  Inama-Sternegg  III^,  36  und  Lam- 
precht. Deutsches  Wirtschaftsleben,  deren  Ergebnisse  jedoch  für  die  öster- 
reichischen Verhältnisse  mit  grofser  Vorsicht  zu  gebrauchen  sind ,  L  u  s  c  h  i  n , 
Eeichsgeschichte  S.  251 ;  Huber-Dopsch,  Reichsgeschichte  S.59;  Werunsky, 
Eeichs-  und  Rechtsgeschichte  S.  38;  Michael,  Geschichte  des  deutschen  Volkes 
im  13.  Jahrhundert  I  (Freiburg  i.  Br.  1897);  Hasenöhrl,  Österreichisches 
Landrecht  S.  88.;  Friefs,  Der  Aufstand  der  Bauern  in  Niederösterreich  (Ein- 
leitung; Blätter  d.  Ver.  f.  Landesk.  von  Niederösterr.  XXXI,  3,  1897)  und  jetzt 
ganz  insbesondere  mit  ganz  neuen  umfassenden  Aufschlüssen  Dopsch  in  der 
Einleitung  zur  Ausgabe  der  Österreichischen  Urbare. 

2)  Siehe  Inama-Sternegg  II,  153,  433;  Giseke,  Über  den  Gegensatz 
■der  Kluniazenser  und  Zisterzienser  (Magdeburger  Programm  1886)  und  besonders 

Vancsa,  Geschichte  Nieder-  u.  Oberösterreichs.  27 


418  Siebzehntes  Kapitel. 

Aber  während  im  12.  Jahrhundert  an  Stelle  des  Eigenbetriebes 
die  Meiereibewirtschaftung  getreten  war,  befand  sich  jetzt  auch 
die  Villikationsverfassung  in  voller  Auflösung,  und  Grund  und 
Boden  ging  immer  mehr  in  die  Hände  der  Zinsbauern  über.  Die 
Formen  dieses  bäuerlichen  Besitzes  sind  je  nach  der  Siedelungs- 
form  verschieden.  Die  Erinnerung  an  die  alte  Hufenverfassung 
ist  im  Gebiete  der  Einzel hofsiedelung,  in  der  ßiedmark,  im  Traun- 
gau,  zum  Teil  auch  im  Viertel  ober  dem  Wiener  Wald  noch  auf- 
recht, meist  nur  eine  Hube  (Mansus)  an  einem  Ort,  wenn  auch 
diese  Hüben  nicht  mehr  die  alte  Gröfse  haben.  Daneben  ist  die 
Zahl  der  Neurisse  und  Öden  (Wüstungen)  auffallend.  Besonders 
das  Auftreten  der  letzteren  schon  zu  so  früher  Zeit  deutet  darauf 
hin,  wie  tastend  und  unsicher  die  Kolonisation  vorgegangen  war, 
wie  wenig  sie  sogleich  auf  den  ersten  Schlag  den  günstigen  Grund 
und  Boden  ausfindig  gemacht  hatte.  Dagegen  ist  im  Gebiete  der 
Dorfsiedelung,  also  im  Viertel  unter  dem  Wiener  Wald  und  den 
beiden  Manhartsbergvierteln,  sogar  die  alte  Bezeichnung  Hufe  ver- 
schwunden. An  ihrer  Statt  finden  wir  hier  grofse  Bauerngüter  (bene- 
ficia,  auch  feoda  oder  lanei),  von  denen  im  Marchfelde  20  bis  30, 
ja  sogar  60  bis  70  an  einem  Orte  angeführt  werden,  im  Waldviertel 
5,  höchstens  10  bis  20.  Kommt  ein  Hof  hinzu,  so  heifsen  die 
Bauerngüter  auch  area,  curtis  oder  curtile.  Die  Meierhöfe,  ihrer 
Natui"  nach  ziemlich  verschieden,  sind  keine  Amtszentren  mehr, 
sondern  befinden  sich  gleichfalls  schon  im  Besitz  der  Zinsbauern. 
Die  Teilung  der  Zinslehen  schreitet  immer  mehr  fort.  Überland- 
und  Reutäcker  werden  aus  neu  einbezogenem  und  neu  gerodetem 
Land  gewonnen. 

Die  Grundbesitzer  verwandelten  die  Abhängigkeit  allmählich 
direkt  in  einen  Pachtvertrag  (Erb-  oder  Zeitpacht)  und  sicherten 
sich  so  einen  Gewinn,  der  bei  Zeitpacht  sogar  nach  dem  Boden- 
erträgnis allmählich  gesteigert  werden  konnte.  Für  die  neuen  wirt- 
schaftlichen Verhältnisse  ist  nichts  bezeichnender,  als  dafs  in  dieser 
Beziehung  bereits  die  Entwickelung  in  den  Städten  auf  die  länd- 
lichen Besitzverhältnisse  ihre  Rückwirkung  äufserte.    Denn  die  Ver- 

Uhlhorn,  Der  Einflufs  der  wirtschaftlichen  Verhältnisse  auf  die  Entwickelung' 
des  Mönchtums  im  i\Iittelalter  (Zeitschr.  f.  Kirchengesch.  XIV,  S.  347  ff.,  1893). 
Danach  Juritsch  S.  473 f. 


Die  Bauernschaft  und  das  Wirtschaftsleben.  419 

Pachtung,  die  sogenannte  Burgrechtsleihe  (geradezu  ius  civile  oder 
urbanum  genannt)  kam  speziell  in  den  Städten  auf  und  wurde  hier 
schwunghaft  betrieben  als  ein  Mittel,  um  die  strengen  kirchlichen 
Gebote  gegen  das  Zinsennehmeu  von  entliehenem  Kapital  zu  um- 
gehen. Bei  der  Übertragung  auf  die  ländlichen  Verhältnisse,  zu- 
nächst auf  den  Weinbergbetrieb,  wurde  sogar  der  Name  beibehalten. 
Allmählich  verwandelten  sich  so  die  Grundbesitzer  in  blofse  Grund- 
rentenbesitzer. Doch  überwog  in  der  ersten  Hälfte  des  13.  Jahr- 
hunderts noch  die  hofrechtliche  Gebundenheit  der  Bauern.  Die 
Zeitleihe  (Freistift  oder  Baumannsrecht),  die  Leihe  auf  Lebenszeit 
(ius  precarium,  personale,  leibgeding)  bildete  den  Übergang. 

Im  übrigen  Deutschland,  besonders  in  den  Rheinlanden  hatte 
ein  älmlicher  Entwickelungsgaug  dem  Grofsgrundbesitz  schwere 
Schädigung  zugefügt.  In  Osterreich,  wo  die  Kolonenwirtschaft 
nicht  im  Gegensatze  zu  den  Grofsgrundbesitzern  emporgekommen 
war,  sondern  von  diesen  in  ihrem  eigenen  Interesse  zur  intensiveren 
Ausnütz ung  des  Besitzes  systematisch  gefördert  worden  war,  blieb 
der  Grofsgrundbesitz  auch  im  13.  Jahrhundert  noch  in  günstigen 
Verhältnissen.  Grundherren  und  Bauernstand  gediehen  hier  gleich- 
zeitig nebeneinander  zur  Blüte.  Die  Lage  der  Bauern  hob  sich 
auch  abgesehen  von  der  eben  geschilderten  günstigeren  Stellung 
dadurch,  dafs  ja  durch  die  fortschreitende  Kultivierung  des  Landes 
und  die  verbesserten  Betriebsmittel  allmählich  auch  der  Bodenertrag 
vom  9.  bis  13.  Jahrhundert  ungefähr  um  das  Siebzehnfache  ge- 
stiegen, die  Abgaben  aber  so  ziemlich  dieselben  gebheben  waren  ^). 
Allerdings  waren  die  Zinse,  auch  innerhalb  einer  Grundherrschaft, 
sehr  ungleich:  relativ  am  höchsten  auf  den  Gütern  des  Landes- 
fürsten ^) ,  bedeutend  geringer  auf  denen  der  Stifter  und  Klöster ; 
am  wenigsten  werden  die  weltlichen  Grofsgrundbesitzer  die  Zinse 
gesteigert  haben,  um  sich  ihre  Arbeitskräfte  zu  erhalten.  Nur  trat 
nun  immer  mehr  an  Stelle  der  Naturalabgaben  eine  Umwandlung 
in  Geldzins,  ein  Prozefs,  der  sich  in  Niederösterreich  früher  voll- 
zog als  in  Oberösterreich. 

1)  Über  die  Art  der  Zinse  und  Abgaben  siehe  oben  S.  261  und  323. 

2)  Beispielsweise  wurde  von  einer  Hube  gezinst:  vier  Scheffel  Korn,  eine 
Mut  (etwa  1900  Liter)  Hafer,  ein  Schwein  zu  30  Denaren,  Bohnen,  sechs  Käse 
im  Werte  von  je  2  Denaren,  vier  Hühner  und  dreifsig  Eier. 

27* 


430  Siebzehntes  Kapitel. 

Die  Zinsbauern,  immer  unabhängiger  vom  Grundherrn,  wurden 
reicher  und  erfreuten  sich  günstiger  Lebensbedingungen,  wenn 
auch  nicht  allerorts  in  gleicher  Weise  und  wenn  auch  gerade  sie 
von  äufseren  Zufälligkeiten  und  Umständen  jederzeit  am  meisten 
abhängig  blieben.  Im  allgemeinen  herrschte  Wohlleben  unter  den 
Bauern,  stellen-  und  zeitweise  sogar  Üppigkeit  und  Ausschweifung  '). 
Die  Folge  war  eine  mafslose  Überhebung,  die  sich  des  Bauern- 
volkes bemächtigte,  Grofsmannssucht,  Protzerei  und  Prahlerei.  Nicht 
nur  urwüchsige  Fröhlichkeit,  Musik,  Tanz  und  Gesang  waren  unter 
der  Dorflinde  in  Schwang,  wo  die  fahrenden  Spielleute  aufspielten 
und  Volks-  und  Schelmenlieder  entstanden,  die  häufigen  Festlich- 
keiten arteten  auch  in  Völlerei  und  Trunkenheit,  in  wilde  Rauf- 
händel aus.  Auf  kostbare  Gewänder,  übertriebene  Zier  verschwen- 
deten die  Bauern  das  Geld  und,  indem  sie  sogar  Waffen  trugen 
und  in  ihrem  Gebaren  die  höfischen  Sitten  nachzuahmen  suchten, 
wollten  sie  es  in   allen  Aufserhchkeiten  den  Rittern  gleichtun. 

Gewifs  hängt  dies  alles  mit  der  kolossalen  sozialen  Umwälzung 
des  12.  Jahrhunderts  zusammen,  die  den  alten  Mafsstab  der  Frei- 
heit und  Unfreiheit  mit  >dem  neuen  der  Waffenfahigkeit  und  Nicbt- 
waffeniahigkeit  vertauschte,  ja  erst  nach  dieser  neuen  ständischen 


1)  Für  das  Folgende  vgl.  aufser  der  obeu  augefiihrten  Literatur  noch  speziell: 
Weiuhold,  Züge  aus  dem  Leben  der  süddeutschen  Bauern  des  13.  und  14.  Jahr- 
hunderts (Zeitschr.  für  deutsche  Kulturgesch. ,  hgg.  von  Müller  und  Falke, 
IL  Bd.);  Manlik,  Leben  und  Treiben  der  Bauern  Südostdeutschlands  im  13.  und 
14.  Jahrhundert  (Programm  Mährisch- Weifskirchen  1888);  Hagelstange,  Süd- 
deutsches Bauernleben  im  Mittelalter  (Leipzig  1898);  Grupp,  Über  die  Lage 
der  Bauern  im  13.  Jahrhundert  (Histor.  Jahrb.  der  Görresgesellsch.  XIX,  336); 
Goette,  Die  süddeutschen  Bauern  im  späteren  Mittelalter  (Zeitschr.  f.  Kultur- 
geschichte VII,  200,  1900).  —  Es  haben  sich  jetzt  zwei  gegnerische  Ansichten 
herausgebildet.  Die  eine,  deren  extremster  Vertreter  Michael  ist,  dem  sich  auch 
besonders  Hagelstange  anschliefst,  sieht  in  dem  13.  Jahrhundert  eine  Art 
goldenes  Zeitalter,  während  andere,  z.  B.  Redlich  (in  seiner  ausführlichen  Be- 
sprechung von  Michaels  Werk  in  den  Mitt.  d.  Inst.  f.  österr.  Gesch.  XX,  313) 
und  Goette  a.  a.  0.  sich  dagegen  wenden.  Das  Richtige  dürfte  auch  hier  in 
der  Mitte  liegen.  Im  grofsen  und  ganzen  wird  man  kaum  leugnen  können,  dafs 
die  Lage  des  Bauernstandes  um  diese  Zeit  eine  relativ  ungewöhnlich  günstige 
war,  wenn  sie  auch  in  verschiedenen  Gegenden  und  unter  verschiedenen  Herren 
verschieden  war,  vielfach  nicht  lange  dauerte  und  vielen  gewaltsamen  Unter- 
brechungen ausgesetzt  war. 


Die  Bauernscliaft  und  das  Wirtschaftsleben.  421 

Gliederung  kann  von  einem  eigenen  Bauernstände  gesprochen  werden. 
Aber  wenn  die  Bauern,  kühn  und  übermütig  gemacht  durch  die 
wirtschaftliche  Bedeutung  und  Wohlhabenheit,  zu  der  die  früher 
mifsachteten,  unterdrückten,  persönlich  unfreien  Elemente  der  Be- 
völkerung gelangt  waren,  wähnten,  es  würde  ihnen  möglich  sein, 
auch  die  letzten  Unterschiede  zwischen  sich  und  den  wirtschaftlich 
zurückgegangenen ,  vielfach  sogar  herabgekommenen  ritterlichen 
Ständen,  namentlich  den  ja  auch  vor  gar  nicht  langer  Zeit  noch 
unfreien  IMinisterialen  und  Rittern  zu  beseitigen,  so  irrten  sie  ganz 
gewaltig.  Gerade  die  Bewertung  nach  dem  Stande  eröffnete  nun 
eine  ganz  neue  tiefe  Kluft,  die  abermals  den  letzten  Stand,  den 
Bauernstand,  der  gesellschaftlichen  Mifsachtung  preisgab.  Und  es 
ist  psychologisch  ganz  natürlich,  dafs  gerade  der  den  Bauern  nächst- 
stehende Stand ,  der  selbst  erst  im  Laufe  des  Jahrhunderts  aus 
denselben  Verhältnissen  der  Unfreiheit  emporgekommen  war,  ja,  der 
vielfach  sich  in  einer  persönlich  weit  abhängigeren,  wirtschaftlich 
weit  ungünstigeren  Lage  befand  und  deshalb  sie  auch  mit  nicht 
geringem  Neide  betrachtete,  der  Stand  der  Ritter,  sie  am  meisten 
mit  seinem  Hafs,  seinem  Spott,  seiner  Verachtung  verfolgte.  Und 
da  gerade  die  Literatur  damals  zumeist  in  den  Händen  dieser 
niederen  Ritterschaft  lag,  deswegen  spiegelt  sich  eben  dieser  Spott, 
diese  Verachtung,  dieser  Neid  über  das  üppige  Leben,  die  lächer- 
liche Überhebung  der  Bauern  in  den  Dichtungen  der  Zeit  wieder. 
Zuerst  in  Bayern,  dann  in  Osterreich  sang  Neidhardt  von  Reuen- 
tal seine  satirischen  Lieder  von  dem  Leben  der  Dörper  und  fand 
den  Beifall  der  Hof  kreise,  Wernher  der  Gärtner  schrieb  in  Ost- 
bayern oder  in  Oberösterreich  ^)  seine  Bauerndichtung  „Meier 
Helmbrecht",  und  viele  andere  folgten  ihren  Spuren.  Es  ist  klar, 
dafs  sie  uns  ein  vielfach  übertriebenes  und  verzerrtes  Bild  geben, 
aber  in  so  manchem  mögen  sie  nicht  so  unrecht  haben,  nicht 
selten  vielleicht  den  Nagel  auf  den  Kopf  treffen. 

Verwalten  liefsen  die  Grundherren  ihre  Güter  durch  Amtsleute 
(officiales)  —  meist  Ritter  oder  Bürger  — ,  aber  nicht  mehr  durch 

1)  Der  Dichter,  bezw.  der  Schauplatz  seines  Gedichtes  wird  bald  ins  Inn- 
viertel,  bald  in  den  Traunkreis  zwischen  Wels  und  Kremsmünster  versetzt  (vgl. 
Schlickinger  im  51.  Jahresbericht  des  Museum  Francisco  -  Carolinum  und 
Nagl-Zeidler,  Literaturgeschichte  S.  198). 


433  Siebzehntes  Kapitel. 

die  Meier:  sie  nahmen  die  Abgaben  ein,  verrechneten  sie  und 
wahrten  überhaupt  die  Rechte  ihres  Herrn,  weshalb  sie  auch  die 
Jm-isdiktion  ausübten.  Dafür  erhielten  sie  entweder  den  Nutzgenufs 
eines  Gutes  oder  Abgabenfreiheit  für  ihr  Zinsgut.  Für  Wald- und 
Wein'-'üter,  sowie  Fischereien  gab  es  eigene  Verwaltungsorgane:  vena- 
tores  und  forestarii,  vinitores  und  vindemiarii,  sowie  piscatores. 

Da  die  Zinsleute  sich  immer  mehr  ihren  Verpflichtungen  und 
Verbindlichkeiten  zu  entziehen  suchten,  so  blieb  den  Grundherren 
nichts  anderes  übrig,  als  genaue  Verzeichnisse  über  ihre  Einkünfte, 
sogenannte  Urbare,  anlegen  zu  lassen  '),  wobei  man  in  den  Fällen, 
wo  keine  alten  Aufzeichnungen  darüber  vorhanden  waren,  auf  die 
Angaben  der  Zinsbauern   selbst   angewiesen  war.     Da  hierbei  be- 
greiflicherweise mannigfache  Hinterziehungen  vorkamen,  so  suchte 
man  wohl  auch  hier  und  da  den  Tatbestand  durch  eidliche  Aus- 
sage der  Umwohner  festzustellen.    Allen  voran  waren  die  Landes- 
Fürsten ,  die  ja  auch  den  ausgedehntesten  Besitz  hatten,  der  nicht 
selten  von  den  belehnten  Ministerialen   entfremdet  wurde,  auf  die 
Anlage  solcher  Urbare  bedacht.     Es  ist  nicht  ausgeschlossen,  dafs 
bereits  Herzog   Leopold  V.    (1177—1194)   einen   derartigen    Ver- 
such gemacht  hat.     Jedenfalls   liefs  jedoch   Leopold  VL  zwischen 
1220    und    1230    seinen    Besitz   und    seine    Einkünfte   aufnehmen. 
Bei  den  Stiftern  und  Klöstern ,   bei  denen  seit  jeher  eine  straffere 
wirtschafthche  Ordnung  geherrscht  hatte,  sind  Spuren  solcher  ur- 
barialer    Aufzeichnungen,    abgesehen    von    den   Traditionsbüchern, 
die    man    als   ihre  Vorläufer    ansehen   kann,    schon    im  12.  Jahr- 
hundert   zu   finden  ^).     Von    den   Urbarien    des    welthchen    Grofs- 
grundbesitzes,  von    denen    allerdings   viele   verlorengegangen    sein 
dürften,    ist    für    unsere    Gegenden    das   Besitz-    und    Einkünfte- 

1)  Siehe  über  die  Urbare  Einleitung  S.  11  ff. 

2)  Siehe  Einleitung  S.  12,  Anm.  1  und  2.  Die  meisten  dieser  Urbare  der 
Stifter  und  Klöster  stammen  aus  der  zweiten  Hälfte  des  13.  oder  aus  dem  Anfang 
des  14.  Jahrhunderts,  sie  gehen  jedoch  vielfach  auf  ältere  Aufzeichnungen  zurück, 
so  die  Urbare  von  Zwettl  und  Göttweig,  während  das  früher  ins  Jahr  1258 
gesetzte  Urbar  von  Klosterneuburg  (Font.  rer.  Austr.  XXVIII)  jünger  sein  dürito. 
Eiu  Pfarrurbar  von  Heiligenstadt  bei  Wien  gehört  dem  Jahre  1256  an  (Handsclir. 
910  des  Wiener  Staatsarchivs,  fol.  42).  Vgl.  auch  noch  Inama-Sternegg, 
Über  die  Quellen  der  deutschen  Wirtschaftsgeschichte  (Sitzungsber.  d.  AViener 
Akademie  LXXXIV,  185,  1876). 


Die  Bauernschaft  und  dag  Wirtschaftsleben.  433 

Verzeichnis  der  bayerischen  Grafen  von  Falkenstein-Neuburg,  die 
in  Niederösterreich  speziell  zu  und  um  Herrenstein  begütert  waren, 
das  älteste  und  bedeutendste  ').  Ein  wichtiger  grundherrlicher 
Anspruch  war  der  auf  die  Aloiende  und  der  auf  den  Wald.  Be- 
züglich der  ersteren  zeigt  sich  in  unserer  Periode  bereits  das  Be- 
streben der  Grundherren,  sie  sich  anzueignen.  Dem  Walde,  dessen 
Nutzung  früher  als  unerschöpflich  und  daher  frei  galt,  wurde  jetzt 
immer  mehr  Aufmerksamkeit  und  Schutz  zugewandt,  denn  schon 
machte  sich  hier  und  da  Holzmangel  fühlbar,  z.  B.  in  Melk  ^) 

Dennoch  gab  es  in  Osterreich  noch  immer  grofses  zusammen- 
hängendes dichtes  Waldland,  das  noch  in  der  zweiten  Hälfte  des  12. 
und  zu  Anfang  des  13.  Jahrhunderts  eine  letzte  grofse  Rodungs-  und 
Besiedelungsperiode  gestattete;  das  war  der  Nordwald  jenseits  der 
Donau  •').  Der  leichter  zugängliche  Teil  des  Mühlviertels  ist  aller- 
dings, sofern  sich  hier  nicht  schon  noch  weiter  zurückreichende 
Siedelungen  vorfanden,  bereits  in  der  ersten  Hälfte  des  12.  Jahr- 
hunderts kolonisiert  worden,  und  zwar  einerseits  im  bayerisch- 
passauischen  Gebiete  zwischen  Grofser  Mühl  und  Rottel,  wo  aber 
merkwürdigerweise  nicht  Passau  selbst,  sondern  der  Reichsfreie 
Eppo  von  Windberg  und  nach  ihm  die  Wilhering-Waxenberger, 
die  Herren  auf  Falkenstein,  Blankenberg-Schönheringen  und  Gries- 
bach  die  Initiative  führten,  andrerseits  im  österreichischen  Gebiet  die 
Nebenflüsse  Waldaist,  Feistritz,  kleine  und  grofse  Gusen  aufwärts  bis 
zu  den  Orten  Gutau,  Lasberg,  St.  Oswald,  Hirschbach,  Reichenau. 
Hier  überwiegt  die  ausgesprochen  bayerische  Siedelung,  der  baju- 
varische  Einzelhof,  die  Ortsnamen  nach  Personennamen  mit  der 
Endung  -ing,  oder  ganz  direkt  auf  Bayern  weisende  Ortsnamen, 
wie  Oberbairing,  Freising,  Landshut.  Die  grofse  Schenkung,  von 
400  Mausen  „in  unserem  Wald,  der  Riedmark  genannt  wird,"  vom 

1)  Mon.  Boic.  VII,  433. 

2)  Keiblinger,  Geschichte  von  Melk  I,  313. 

3)  Für  das  Mühlviertcl  hat  jetzt  Hacke  1,  Die  Besiedelungsverhältnisse 
<les  oberösterreichischen  Mühlviertels  in  ihrer  Abhängigkeit  von  natürlichen  und 
geschichtlichen  Bedingungen  (Kirchhoffs  Forschungen  z.  deutschen  Landes- 
und Volkskunde  XIV,  1.  H. ,  Stuttgart  1902)  eine  wertvolle  Untersuchung  ge- 
liefert, während  das  niederösterreichische  Waldviertel  (Viertel  ober  dem  Manharts- 
berg)  seit  jeher  von  der  Forschung  merkwürdig  vernachlässigt  geblieben  ist.  Erst 
jetzt  steht  eine  Arbeit  von  Franz  Heilsberg  (siehe  Vorwort)  zu  erwarten. 


4tJ4  Siebzehntes  Kapitel, 

Flusse  Jaunitz  bis  zur  Aist  und  von  da  bis  zur  slawischen  Grenze  ^), 
die  Konrad  III.  im  Jahre  1142  dem  Kloster  Garsten  machte,  blieb 
gänzlich  unausgenützt,  da  wahrscheinlich  die  böhmischen  Grenz- 
fehden für  eine  Kolonisation  ungünstig  waren. 

Nach  einer  längeren  Pause  begann  dann  gegen  das  Ende 
des  12.  und  zu  Beginn  des  13.  Jalu-hunderts  die  letzte  gröfsere 
Kolonisationsperiode.  Den  Anstofs  dazu  scheint  der  Umstand  ge- 
geben zu  haben,  dafs  Passau  im  Jahre  1193  von  Kaiser  Hein- 
rich VI.  in  seinem  Gebiet  die  Landeshoheit  erhalten  hatte.  Im 
Nordosten  des  Passauer  Besitzes  im  oberen  Mühlviertel  gründete 
dann  ein  gewisser  Chalhoch,  Richter  und  Burgsasse  der  Besitzer 
der  Feste  Falkenstein,  im  Jahre  1198  mitten  im  Walde  ein  Kloster, 
wohin  er  Zisterzienser  aus  Langheim  in  —  man  beachte  wohl !  — 
Franken  berief.  Es  ist  nun  für  die  Verhältnisse  und  Lebens- 
bedingungen, die  damals  noch  in  jener  Gegend  herrschten,  aufser- 
ordentlich  bezeichnend,  dafs  die  Mönche  es  hier  unter  den  ärgsten 
Entbehrungen  nur  7J  Jahre  auszuhalten  vermochten  und  endUch 
wieder  in  ihr  Mutterkloster  zurückkehrten,  nachdem  der  Abt  und 
ein  Bruder  vor  Hunger  und  Kälte  gestorben  waren!  Chalhoch 
gab  jedoch  seinen  Plan  nicht  auf;  an  einem  etwas  besser  gelegenen 
Orte  gründete  er  1209  ein  neues  Kloster,  das  den  bezeichnenden 
Namen  Maria  Schlag,  später  einfach  Schlägl,  erhielt  und  in  das  er 
Mönche  aus  dem  eben  zu  Ansehen  gelangenden  Orden  der  Prä- 
monstratenser  vom  Kloster  Osterhofen  in  Bayern  berief  ^),  die  das 
begonnene  Rodungswerk  wacker  fortsetzten. 

Im  13.  Jahrhundert  wurde  dann  der  Wald  bis  zur  Moldau  2) 
und  Maltsch  urbar  gemacht.    Als  letzte  Siedelungsausläufer  können 

1)  So  nach  Strnadts  Erläuterungen  zum  historischen  Atlas  der  Alpen- 
länder, Oberösterreich.  Nach  ihm  wäre  Falkenstein  eine  Gründung  der  Herren 
von  Perge  und  durch  Heirat  zuerst  an  Chalhoch  von  Kirchberg  (um  1158)  und 
später  (nach  1215)  an  die  böhmischen  Wittigonen  gekommen. 

2)  Über  Schlägl  vgl.:  Hormayrs  Archiv  für  Geschichte  1826;  Pröll, 
•Geschichte  des  Prämonstratenserstiftes  Schlägl  (Linz  1877).  Schon  125(3  be- 
ginnen die  Bestrebungen,  Mutterkloster  und  Diözese  zu  ändern,  und  man  behauptete 
seitdem,  dafs  die  ersten  Mönche  dem  böhmischen  Präraonstratenserkloster  Mühl- 
hausen (Milewsk)  angehört  hätten. 

3)  Die  Grenze  reichte  1208  bis  zur  Moldau  (ÜB.  d.  L.  o.  d.  Enns  II,  512) 
und  wurde  erst  unter  König  Ottokar  II.  zurückgeschoben. 


Die  letzte  iolonisatorische  Bewegung  und  die  Besitz  Veränderungen.      425 

gelten:  Haslach  1227,  Markt  Aigen  1242,  der  an  der  Stelle  ent- 
standen war,  wo  der  Klosterwald  von  Schlägl  gerodet  worden  war, 
Rohrbach  1256. 

Diese  Besiedelung,  die  sich  über  die  Höhe  des  Plateaus  er- 
streckte, zeigt  ausgesprochen  fränkischen  Charakter.  Hier  herr- 
schen die  Waldhufendörfer.  Ihre  Namen  sind  redende,  sie  lassen 
durchweg  die  Rodungsarbeit  erkennen,  indem  sie  auf  -schlag  und 
-reit,  auch  rein  fränkisch  -rad  oder  -reut,  ferner  -gschwend  oder 
-gschwand  endigen.  Letzteres  deutet  wie  der  Name  Asang  (von 
absengen)  auf  Anwendung  des  Feuers  bei  der  Rodung.  Frän- 
kisch sind  auch  die  Orte,  die  nach  dem  fränkischen  Schutzpatron 
St.  Georg  genannt  sind  (St.  Georgen  an  der  Gusen  und  am 
Wald).  In  der  Nähe  findet  sich  ferner  ein  Frankenberg  (1170). 
Fränkische  Besiedelung  zeigt  auch  der  um  dieselbe  Zeit  kolonisierte 
Passauer  Wald  im  Süden  der  Donau. 

So  kann  es  nicht  wundernehmen,  dafs  der  Dialekt  des  nörd- 
lichen und  nordöstlichen  Mühlviertels  noch  heute  fränkische  Ele- 
mente enthält,  namentlich  das  charakteristische  oi  und  ui  anstatt 
bayerisch  oa  und  ua,  nar  für  nur  u.  m.  a. 

Doch  nicht  nur  im  Mühlviertel,  sondern  auch  in  der  östlichen 
Fortsetzung  des  Nordwaldes,  im  niederösterreichischen  Waldviertel 
(Viertel  ober  dem  Manhartsberg)  brachte  erst  die  zweite  Hälfte 
des  12.  und  der  Beginn  des  13.  Jahrhunderts  den  Abschlufs  der 
grofsen  Rodungen  und  letzten  gröfseren  Kolonisationen,  über  die  wir 
allerdings  nicht  in  vielen  Einzelheiten  unterrichtet  sind  ^).  Hier 
war,  wie  wir  wissen,  das  Zisterzienserstift  Zwettl,  dessen  Name 
(von  slaw.  swetla  ;=  Lichtung)  bezeichnend  genug  ist,  als  Mittel- 
punkt einer  neuen  Rodungs-  und  Kolonisierungsaktion  im  Jahre 
1138  gegründet  worden.  Aufserdem  waren  es  die  alten  Grafen- 
und  Freiengeschlechter   des  Viertels  ober  dem  Wiener  Wald   aus 

1)  Über  dieses  Gebiet  fehlen  sogar  die  Urkundenpublikationen ;  das  Urkunden- 
buch  von  Zwettl  wird  jetzt  von  P.  Benedikt  H  a  m  m  e  r  1  zur  Ausgabe  vorbereitet, 
das  aus  dem  Beginn  des  14.  Jahrhunderts  stammende  Stiftungsbuch  ist  sehr  un- 
kritisch ediert  (Font.  rer.  Austr.  2,  Abt.  III).  Vgl.  darüber  Tangl  im  Archiv  für 
österreichische  Geschichte  LXXVI,  1890.  —  Für  das  Folgende  ist  eine  allerdings 
zum  Teil  veraltete  und  der  quellenmäfsigen  Belege  entbehrende  Arbeit  von  Prökl, 
Das  böhmische  Weitragebiet,  seine  Germanisierung  und  seine  weiteren  Geschicke 
(Mitt,  d.  Ter.  f.  Gesch.  d.  Deutschen  in  Böhmen  XIV,  77  f.,  1876)  zu  vergleichen. 


43 G  Siebzehntes  Kapitel. 

der  bayerischen  Besiedelungsperiode  des  Landes,  die,  nachdem 
ihnen  die  Ausbreitung  gegen  Osten  und  Nordosten  versperrt  war, 
im  12.  Jahrhundert  über  die  Donau  herübergrifFen  und  im  Wald- 
viertel kolonisierend  vordrangen:  so  die  Grafen  von  Sempt-Ebers- 
berg,  die  Grafen  von  Tenglingen- Peilstein,  die  Burggrafen  von 
Regensburg,  die  Grafen  von  Rebgau-Piugen,  die  Grafen  von  Hohen- 
burg,  die  sich  hier  nach  der  Burg  Wildberg  nannten,  die  freien 
Herren  von  Grie,  Ranna,  Werd,  Lengbach  und  Pernegg  u.  a.  m. 
Die  meisten  von  ihnen  starben  gegen  Ende  des  12.  und  zu  Beginn 
des  13.  Jahrhunderts  aus,  und  ihr  Erbe  traten  entweder  der  Landes- 
fürst oder  die  zahlreichen  Ministerialengeschlechter  an  ').  Die 
Hauptarbeit  leistete  unter  ihnen  das  tatkräftige  Ministerialengeschlecht 
der  Kuenringe  ^) ,  das  zwar  schon  im  11.  Jahrhundert  ins  Land 
gekommen  war  ^)  und  zunächst  in  der  Horner  Gegend,  am  Kamp 
und  an  der  Donau  Besitzungen  erworben  hatte,  aber  nun  erst 
tiefer  in  den  Nordwald  eindrang  und  den  gröfsten  Teil  des  Gebietes 
an  sich  brachte. 

So  vereinigte  dieses  Geschlecht,  nachdem  Hadmar  von  Kuen- 
ring  nach  den  langwierigen  böhmisch- österreichischen  Grenzfehden 
im  Jahre  1185  mit  dem  eigentümlichen  Zwischengebiete  Weitra 
belehnt  worden  war,  wo  übrigens  schon  um  1150  ein  deutsches 
Geschlecht  „von  Weitrah"  ansässig  war,  im  Norden  der  Donau 
einen  Besitz  von  geradezu  seltener  Ausdehnung,  welcher  Weitra, 
Gmünd,  Litschau,  Zwettl,  Rapotenstein,  Schweigers,  Hadmarstein, 
Ottenschlag,  Eggenburg  im  Waldviertel,  dann  das  Donautal  hinab 
bis  zum  Marchfeld  Dürnstein  mit  der  Wachau,  Aggstein,  Aggs- 
bach,  Spitz,  Grabern,  Walpersdorf,  endhch  Zistersdorf  und  Dürn- 

1)  Heilsberg  nimmt  für  unsere  Periode  eine  vom  Lindesfiirsten  syste- 
matisch eingeleitete  Ministerialenbesiedelung  an,  für  die  er  zwar  einige  Beispiele 
vorbringt,  die  mir  aber  nicht  wahrscheinlich  zu  sein  scheint. 

2)  Friefs,  Die  Herreu  von  Kueiiring  (zuerst  Bl.  d.  Vor.  f.  Laudesk.  VII, 
1873,  VIII,  1874  dann  erweiterte  Sonderausgabe  Wien  1874).  Dieses  vortreff- 
liche Werk  beschäftigt  sich  leider  mit  der  Besiedelungsfrage  rieht. 

3)  Nach  der  sagenhaften,  aber  nicht  uncharakteristischen  Familientradition, 
die  das  Zwettler  Stiftungsbuch  überliefert,  sollen  sie  als  Dienstmannen  des 
Babenbergers,  Erzbischofs  Poppe  von  Trier,  von  diesem  mit  anderen  Hilfskräften 
dem  Markgrafen  Adalbert  nach  Österreich  zugesandt  worden  sein;  doch  hat 
Friefs  die  Unhaltbarkeit  dieser  Überlieferung  nachgewiesen. 


Die  letzte  kolonisatorische  Bewegung  und  die  Bositzveränderungen.      437 

krut  umfafste,  ja  welcher  ins  Land  ob  der  Enns  nach  Windek, 
Seisenegg  und  Steyregg  hinübergriff.  Überall  erhoben  sich  mäch- 
tige feste  Burgen,  deren  massige  Ruinen  zum  Teil  noch  heute  von 
den  Höhen  trotzig  ins  Land  hineinblicken  ^),  überall  scharten  sich 
wieder  Dienstmannen  und  Ritter  um  das  reiche  Geschlecht, 

Neben  den  Kuenringern  hatten  hauptsächlich  nur  noch  die 
Babenberger  selbst  gröfseren  Besitz  im  Viertel  ober  dem  Man- 
hartsberg,  um  Raabs,  das,  eine  Zeitlang  durch  Heirat  ihnen  ent- 
fremdet, um  1191  wieder  zurückgekauft  worden  war,  vielleicht 
auch  um  Litschau  und  Heidenreichstein  und  nach  dem  Aussterben 
der  Grafen  von  Rebgau  -  Fingen  in  der  Horner  Gegend;  später 
erwarben  sie  auch  das  Pernegger  Erbe. 

Eine  ganz  vereinzelte  Erscheinung  ist  das  Vorhandensein 
einer  freien  Bauerngemeinde  in  Raxendorf.  Auch  im  Viertel  ober 
dem  Manhartsberg  haben  wir  die  charakteristischen  Merkmale  der 
fränkischen  Siedelung  sowohl  in  Dorfanlage  und  Hausbau,  vielleicht 
teilweise  beeinflufst  vom  fränkischen  Waldhufendorf  in  Böhmen  % 
als  auch  in  der  Namengebung  auf  -dorf,  -schlag,  -reit,  -reut,  sogar 
-raad  und  -heim  '^),  allerdings  hier  auch  die  schon  früher  besprochene 
ganz  spezifische  Verwendung  der  Genetive  der  Personennamen  als 
Ortsnamen;  doch  findet  sich  letztere  Erscheinung  nicht  vor  dem 
12.  Jahrhundert.  Auch  in  diesem  Gebiete  ist  die  Kolonisation  um 
1250  im  wesentlichen  abgeschlossen. 

In  unsere  Periode  fällt  aber  auch  die  letzte  Ausgestaltung  der 
Besiedelung  des  Viertels  unter  Manhartsberg,  das  ja  früher  ziem- 
lich vernachlässigt  worden  war.  Es  ist  möglich,  dafs  damals  die 
letzten  Ausläufer  der  ganz  sonderbaren  Besiedelungswoge  herein- 
fluteten*), die  um  1110  von  den  flämischen  Gegenden  am  Rhein 

1)  Vgl.  Cori,  Über  Burgenbau  mit  besonderer  Eücksicht  auf  Oberösterreich 
(2.  Aufl.  Darmstadt  1899);  Piper,  Österreichische  Burgen  (Wien  1902 f.). 

2)  Ohne  Zweifel  safsen  in  den  Grenzgebieten  zahlreiche  Slawen.  Schon 
der  Name  Zwettl  deutet  darauf.  In  Zwettler  Traditionen  des  12.  Jahrhunderts 
wird  ein  Eatinc  slavus  genannt  (Font.  rer.  Austr.  III,  109). 

3)  Einige  fränkische  Ortsnamen  wurden  direkt  übernommen,  so  Drosendorf, 
Eetz,  Hardegg  u.  a. 

4)  Über  diese  interessante  Bewegung  handelte  bereits  Langethal,  Ge- 
schichte der  teutschen  Landwirtschaft  II,  74 ff.  eingehend;  in  neuester  Zeit 
Meitzen,   Zur  Agrargeschichte  Norddeutschlands  (Berlin  1901;  Sonderabdruck 


438  Siobzolmtes  Kapitel. 

anhob  und  über  Norddeutschland,  Schlesien,  Mähren,  hauptsächlich, 
in  den  slawischen  Gegenden  bis  nach  Ungarn  und  Siebenbürgen 
verlief.  Sie  brachte  eigene  Rechte,  die  mit  zur  ireieren  Stellung 
des  Bauernstandes  beitrugen,  aber  auch  besonders  eine  ganz  eigen- 
tümliche Fluranlage  in  ungewöhnlich  langen  und  schmalen  Parallel- 
streifen  mit  sich,  und  gerade  diese  ist  es,  die  sich  in  Niederöster- 
reich nördhch  der  Donau,  speziell  im  Viertel  unter  dem  Manharts- 
berg  und  den  angrenzenden  Teilen  stellenweise  sehr  deutlich  nach- 
weisen läfst,  so  z.  B.  in  der  Gegend  um  Retz  und  Retzbach.  Die 
Siedelung  selbst  erweist  sich  als  eine  Abart  der  fränkischen,  be- 
sonders rheinfränkischen.  Die  ganze  Bewegung  dauerte  nur  knapp 
ein  Jahrhundert.  Zu  Beginn  des  13.  Jahrhunderts  ziehen  sich  diese 
flämischen  Siedler  überall  als  Gewerbetreibende,  namentlich  Färber, 
Tuchmacher  und  dgl.,  vom  flachen  Land  in  die  Städte,  wie  wir 
denn  auch  die  Niederlassung  der  flandrischen  Färber  in  Wien 
bereits  kennen  gelernt  haben. 

In  den  seit  langem  und  bereits  dicht  besiedelten  Teilen  des 
Landes  im  Süden  dßr  Donau  kamen  in  unserer  Periode  nur  Neu- 
gründungen einiger  Orte  an  der  seit  dem  Anfafl  der  Steiermark. 
besonders  wichtig  gewordenen  Verbindungsstrafse  vor,  die  zugleich 
die  Handelsstrafse  nach  Venedig  wurde.  Bezeichnenderweise  wurden 
ihre  Namen  nach  dem  bereits  so  wesentlich  aufblühenden  Wien  ge- 
bildet, nämlich  Wiener  Neustadt  (1192)  und  Schott wien  (1220). 

Im  grofsen  und  ganzen  kann  man  sagen,  dafs  diese  Periode 
den  Abschlufs  der  Siedelung  in  den  schwerer  zugänglichen  be- 
waldeten Teilen  des  Landes  brachte,  aber  insbesondere  die  Aus- 
gestaltung der  Siedelung  durch  die  Begründung  der  Städte,  Märkte 
und  befestigten  Orte. 

Einige,  wenn  auch  nicht  tief  eingreifende  Veränderungen  in 
der  Siedelung  bewirkte  noch  die  Natur.  Im  Wiener  Neustädter 
Gebiet  wurde  Terrain   durch   das  Austrocknen  der   alten  Sümpfe 


aus:  Der  Boden  und  die  wirtschaftlichen  Verhältnisse  des  preufsischen  Staates, 
VI.  Bd.).  Vgl.  auch  sein  schon  zitiertes  Werk:  Siedelungs-  und  Agrarwesen  usw. 
II,  343  f.  Den  EiLflufs  auf  Österreich  gedenkt  Meitzen  in  einem  eigenen  Werke 
zu  untersuchen,  zu  dem  er  bereits  umfassende  Vorstudien  gemacht  hat.  Einige 
der  oben  angeführten  Beobachtungen  verdanke  ich  seiner  gütigen  mündlichen 
Mitteilung. 


Die  letzte  kolonisatorische  Bewegung  und  die  Besitzveränderungcn.      429 

p-ewonnen.  Umgekehrt  blieb  die  Donau  eine  stete  Gefahr  für  die 
Ufersiedelungen.  Ihr  Bett  verschob  sich  bald  nach  rechts,  bald 
nach  links,  meist  gegen  Süden.  Gegen  Ende  des  12.  Jahrhunderts 
mufsten  zwei  Orte  in  der  Nähe  Wiens,  der  Markt  Neuburg  (das 
spätere  Korneuburg)  und  das  später  ganz  verschwundene  Muckerau, 
wegen  der  anhaltenden  Überschwemmungsgefahr  vom  rechten  auf 
das  linke  Ufer  verlegt  werden  ^).  Nach  1180  wurde  die  Traisenburg, 
um  1244  das  Stift  St.  Georgen,  beide  an  der  Traisenmündung 
i^elegen,  weggeschwemmt  und  demzufolge  das  Chorherrenstift  nach 
Herzogenburg  verlegt  ^). 

Überblicken  wir  die  Besitzverhältnisse  der  damaligen  Periode, 
so  sehen  wir,  dafs  sich  der  geisthche  Grofsgrundbesitz,  von  gewissen 
Verschiebungen  durch  Tausch  zum  Zwecke  der  Arrondierung  und 
von  kleineren  Schenkungen  abgesehen,  ziemlich  gleich  bheb,  dafs 
der  Besitz  der  alten  Grafen-  und  Herrengeschlechter  durch  deren 
Erlöschen  entweder  den  Landesfürsten  zufiel  oder  sich  unter  ver- 
schiedene Erben  zersplitterte,  dafs  aber  dafür  der  Besitz  kleinerer 
Altfreier  und  ganz  insbesondere  der  Ministerialen  rasch  und  stark 
zunahm. 

Im  Viertel  unter  Manhartsberg,  wo  merkwürdigerweise  keine 
einzige  geistliche  Gründung  erfolgt  ist,  gab  es  gleichwohl  ausgedehnten 
geistlichen  Besitz.  Der  sogenannte  Passauer  Luz  ^)  (Los,  Anteil)  er- 
streckte sich  von  Stockerau  bis  an  die  Thaya,  während  der  alte 
Besitz  der  Diözese,  wie  wir  wissen,  hauptsächlich  längs  der  Donau 
in  der  Wachau  lag.  Aber  auch  Freising  hatte  neben  seinen  älteren 
Besitzungen  an  der  Donau  in  der  Nachbarschaft  der  Passauer  und 


1)  Starzer,  Geschichte  d.  1.  f.  Stadt  Korneuburg  (Korneuburg  1899). 

2)  Grund,  Veränderungen  der  Topographie  usw.  S.  35. 

3)  Wir  besitzen  aufser  den  Urbaren  nur  noch  einen  einzigen  gleichzeitigen 
Versuch  einer  Übersicht  speziell  des  landesfürstlichen  Besitzes  mit  der  wichtigen 
Angabe  seiner  Provenienz  in  der  Einleitung  zu  Jans  Enenkels  Fürstenbuch  (siehe 
Einleitung  S.  8)  die  vermutlich  auf  Grund  der  offiziellen  Quellen  (Urbare)  zusammen- 
gestellt wurde,  aber  gleichfalls  weder  stark  ins  Detail  geht,  noch  in  diesen 
Detailangaben  von  wünschenswerter  Klarheit  ist.  Vgl.  auch  L  a  m  p  e  1 ,  Die  Ein- 
leitung zu  Jans  Enenkels  Fürstenbuch  (Wien  1883).  Eine  genauere  Bestim- 
mung der  sehr  unklar  begrenzten  Luze  von  Passau  und  Kegensburg  im  Viertel 
unter  Manhartsberg  versuchte  derselbe  in  seiner  Arbeit:  Wo  lag  Mochinle? 
(Blätter  des  Ver.  f.  Landesk.  XXX,  46  f.,  1896). 


430  Siebzehntes  Kapitel. 

neben  seinen  Erwerbungen  von  selten  der  Peilsteine  im  Viertel 
ober  I\Ianhartsberg  auch  unter  dem  Manhartsberg  Güter,  deren 
•Mittelpunkt  das  Amt  Enzersdorf  war,  dem  etwa  25  Dörfer  un- 
terstanden. Drei  getrennte  Luze  waren  dem  Bistum  Regensburg 
zu  eigen:  zwischen  Naarn  und  Aist,  sein  ältester  Besitz,  an  der 
Ips  und  zwischen  Thaya,  Rusbach  und  March.  Salzburg,  dessen 
Hauptbesitz  allerdings  mehr  im  Süden  des  Landes  lag,  war  an 
der  Traisen  und  um  Wien  reich  begütert.  Von  auswärtigen 
Klöstern  hatte  Nieder -Altaich  und  Waldhausen  im  Viertel  unter 
Manhartsberg,  Garsten,  Lambach,  Baumgartenberg,  Mallersbach  im 
Wald  viertel  Besitzungen,  von  einheimischen  Göttweig,  Melk  (im 
Marchfeld),  Klosterneuburg  und  das  Wiener  Schottenkloster.  Auch 
der  Johanniterorden  hatte  sich,  wie  wir  wissen,  hier  niedergelassen. 
An  den  gesegneten  Gehängen  der  Donau  (besonders  in  der  Wachau) 
lagen  noch  Güter  der  auswärtigen  Klöster  Altaich,  Tegernsee,  Alders- 
bach, Michelbeuern,  das  auch  bei  Wien  begütert  war,  St.  Nikolaus 
und  noch  1240  erwarben  neuen  Besitz  Prüfing  (um  Persenbeug 
von  dem  Burggrafen  von  Regensburg  '))  und  Wilhering,  während 
Reichersberg,  Seck^u,  Admont  und  das  Bistum  Gurk  und  seit 
1163  Voran  im  Süden  und  Südosten  Grundherren  waren. 

Abgesehen  von  diesem  eigentlich  steierischen  Teil  des  Landes 
zeigte  das  Land  südlich  der  Donau,  namenthch  weiter  weg  von 
den  Donauufern,  weniger  geistlichen  Besitzstand  als  das  Viertel 
unter  Älanhartsberg.  Nur  die  hier  sich  befindenden  einheimischen 
Klöster  Heiligenkreuz,  Mariazeli,  Lihenfeld,  St.  Georgen  an  der 
Traisen  (nach  1241  Herzogenburg),  Göttweig,  Melk  und  Seiten- 
stetten  waren  in  ihrer  Umgegend  reicher  begütert.  Sonst  wäre 
aufser  dem  bereits  erwähnten  Regensburger  Luz  nur  noch  der 
Tegernseer  Besitz  zwischen  Triesting  und  Piesting  zu  nennen. 

Was  den  weltlichen  Grofsgrundbesitz  der  alten  Grafen-  und 
Herrengeschlechter  anbelangt,  so  haben  wir  ja  bereits  gesehen,  dafs 
eine  ganze  Reihe  von  ihnen  um  die  Wende  des  12.  und  13.  Jahr- 
hunderts ausstarb  ^).  So  die  Grafen  von  Rebgau-Piugen,  dann  die 
Grafen  von  Schala,  die  Peilsteiner,  beide  im  Viertel  ober  dem  Wiener 
Wald  reich  begütert,  die  Grafen  von  Raabs,  die  Herren  von  Perge 

1)  Meiller,  Babenberger  Eegesteu  164,  72. 

2)  Siehe  oben  S.  371. 


Die  letzte  tolonisatorisclie  Bewegung  und  die  Besitzverändeiuugen.      431 

und  die  Grafen  von  Velburg  und  Klamm  im  Machlande,  die  auf 
gemeinschaftlichen  Ursprung  zurückgehende  Linie  der  Traisen-Wal- 
deck,  der  Anzenbach  und  etwas  später  dann  (1235)  der  Lengbach- 
Kechberg,  Domvögte  von  Regensburg,  ferner  die  Hohenberge  an  der 
Traisen,  die  Grafen  von  Sulzbach,  die  im  Viertel  ober  Manharts- 
berg  und  zu  Hainburg  safsen,  endlich  im  eigentlichen  Oberöster- 
reich die  Herren  von  Stille  und  Heft.  Der  gröfste  Teil  aller 
dieser  Besitzungen  fiel  den  Landesfürsten  zu.  Von  dem  sehr  be- 
deutenden Peilsteiner  Erbe  '),  das  sich  durch  alle  Viertel  des 
Landes  ausdehnte,  kam  der  Hauptteil,  namentlich  im  Viertel  unter 
Manhartsberg  (um  Kadolz-Seefeld  und  Ernstbrunn),  an  die  Grafen 
von  Plaien-Hardegg ,  ein  Teil  an  die  Burggrafen  von  Nürnberg, 
woher  dann  die  später  immer  mehr  anwachsenden,  ganz  eigentüm- 
lich gestellten  reichsunmittelbaren  ZoUernschen  oder  in  der  Folge 
sogenannten  Brandenburger  Lehen  in  Niederösterreich  ihren  Aus- 
gang genommen  haben.  Die  Grafschaft  Litschau  ging  an  die  Dom- 
vögte von  Eichstädt  über,  die  sich  ursprünglich  Grafen  von  Kregling 
und  Tollenstein,  später  Grafen  von  Hirschberg  nannten 

Im  Lande  ob  der  Enns  ^)  waren  die  Besitzverhältnisse  nicht 
so  kompliziert,  das  Eigen  nicht  so  zersplittert  wie  in  der  Mark. 
Salzburgs  Besitz  dehnte  sich  nach  wie  vor  im  Hausruckgebiete 
von  Mondsee  bis  Breitenau  aus,  Bamberg  war  im  Traungau, 
Würzburg  noch  bis  zum  Beginne  des  13.  Jahrhunderts  in  Wels 
und  Umgebung  begütert.  Der  mächtigste  Grundbesitzer  des  Landes 
war  jedoch  der  Bischof  von  Passau,  der  nicht  nur  im  Süden  der 


1)  Auch  über  den  Peilsteiner  Besitz  gibt  Jans  Enenkel  Aufschlufs.  Vgl. 
dazu  Lam  p  el ,  Die  Macht  der  Peilsteine  (Bl.  d.  Ver.  f.  Landesk.  XXXII,  103,  1898), 
sowie  auch  Witte  im  V.  Erg. -Bd.  der  Mitteilungen  dos  Institutes  für  öster- 
reichische Geschichte  und  Siegenfold,  Das  Landeswappen  der  Steiermark 
S,  267. 

2)  In  Betracht  kommen  fast  ausschliefslich  die  bereits  wiederholt  zitierten 
Arbeiten  Strnadts  im  XVII.  Band  des  Archivs  für  österreichische  Geschichte 
(Windeck  und  Schwertberg)  und  in  dem  Bericht  des  Museum  Francisco-Carolinura  XX 
(Pass.  Herrsch,  im  Mühlviertel)  und  XXI  (Peuerbach),  abgesehen  von  seiner  Geburt 
dos  Landes  ob  der  Enns ;  jetzt  auch  seine  Erläuterungen  zum  historischen  Atlas 
der  Alpenländer  (Abt.  Oberösterreich)  und  die  demnächst  erscheinende  Abhandlung 
„Das  Land  im  Norden  der  Donau".  In  bezug  auf  Passau  wird  die  in  der  Vorrede 
genannte  Arbeit  von  Franz  Straufs  manchen  Aufschlufs  gewähren. 


43v  Siobzohntcs  Kapitel. 

Donau  im  Muttig-  und  Traungau  reich  begütert  war,  sondern 
auch  im  Nordwesten  durch  die  Zuweisung  des  Klosters  Niedein- 
burg  im  Jahre  llGl  hier  dessen  weitgehende  Besitzansprüche  im 
sogenannten  Abteiland  gewonnen  hatte  ').  Allerdings  zunächst, 
wie  gesagt,  nur  dessen  Besitzansprüche,  denn  im  Laufe  des  11. 
und  12.  Jahrhunderts  hatten  sich  in  den  Besitz  mehrere  weltliche 
Grundherren  wie  Keile  eingeschoben:  Eppo  von  Windberg  östlich 
der  grofsen  Mühl,  die  Wilhering  -  Waxenberge  zwischen  Gusen 
und  grofser  Mühl,  vom  Kürnberg  bis  zum  Böhraerwald,  die  mit 
ihnen  verwandten  Blankenberge,  die  Herren  von  Falkenstein-Perge 
am  Windberg,  sowie  zwischen  Ranna  und  grofser  Mühl  und  die 
Herren  von  Griesbach.  Diese  grofsen  Geschlechter  hatten  frühzeitig 
grofse  Teile  des  Nordwaldes  kolonisiert;  Engerldorf  (Ortschaft 
Kasten)  über  der  böhmischen  Mühl  ist  schon  um  1130  in  den 
Händen  der  Herren  von  Perge.  Jetzt  war  das  ganze  Streben  der 
Bischöfe  von  Passau  daraufgerichtet,  das  Verlorene  wiederzugewinnen 
und  so  ein  grofses  geschlossenes  Territorium  zu  schaffen.  Die  Wil- 
hering -  Waxenberger  starben  um  die  Mitte  des  12.  Jahrhunderts 
aus  und  ihre  Güter  fielen  an  die  Griesbacher.  Den  Hochfreien  von 
Haunsberg  gehörte  das  Gebiet  den  Haselgraberi  hindurch  bis  zum 
Sternstein  an  der  heutigen  böhmischen  Grenze,  es  kam  mit  der 
Schwester  des  Letzten,  Gottschalk,  Adelheid  an  deren  Gatten,  den 
Dienstmann  Gundacker  von  Starhemberg,  als  Lehen  von  Passau, 
während  Linz  mit  dem  Streubesitz  bis  zum  Riedel  holz  hinauf  um 
1211  an  Herzog  Leopold  veräufsert  wurde.  Was  die  alten  Adels- 
geschlechter betrifi"t,  so  starben  aufser  den  ebengenannten  Waxen- 
bergern,  Griesbachern  und  Haunsbergern  die  Rebgauer  und  Stille- 
Heft  noch  im  12.,  die  Klamm- Velburger  zu  Beginn  des  13.  Jahr- 
hunderts aus. 

Vorher,  im  Jahre  1207,  hatte  Passau  Grafschaft  und  Feste 
Windberg  gekauft,  mufste  sie  aber  den  Grafen  von  Bogen,  die 
darauf  Anspruch  erhoben,  als  Lehen  überlassen,  von  denen  sie 
bei  ihrem  Aussterben  um  1230  als  Lehen  an  die  Herzöge  von 
Bayern  kam.  Auch  die  Grafschaft  im  Ilzgau,  die  Passau  im 
Jahre  1217  vom  Kaiser   zu  Lehen   erhalten   hatte,   mufste   es   an 


1)  Siehe  oben  S.  382. 


Die  letzte  kolonisatorische  Bewegung  und  die  Besitzveränderungen.      43S 

den  Herzog  von  Bayern  weiter  übertragen,  kaufte  diesem  aber  im 
Jahre  1220  seine  Rechte  ab.  Endlich  fiel  mit  dem  Aussterben 
der  Griesbacher  (um  1223)  das  Schlofs  Griesbach  und  der  Markt 
Velden  an  Passau,  so  dafs  jetzt  nur  der  Falkensteiner  Besitz,  der 
an  die  böhmischen  Wittigonen  überging,  eine  vöHige  Konsolidierung 
des  Passauer  Besitzes  verhinderte.  Jedenfalls  waren  die  Bischöfe 
von  Passau  nunmehr  als  Territorialherren  die  unmittelbaren  mäch- 
tigen Nachbarn  der  Herzöge  von  Osterreich  geworden,  die,  wie 
wir  gesehen  haben,  gerade  damals  in  erbitterten  Konkurrenzkampf 
mit  ihnen  traten  und  auch  ihrerseits  darauf  bedacht  waren,  hier 
neuen  Besitz  gewinnen. 

An  freien  Geschlechtern  waren  die  Schaun berge  im  Hausruck 
seit  ungefähr  1160  neu  hinzugekommen,  die  allerdings  mit  den  älteren 
Julbachern  zusammenhingen.  Durch  Erbschaft  von  den  Form- 
bachern und  Plaien  im  Attergau  und  von  den  Griesbach- Waxen- 
bergern  am  Windberg  erwarben  sie  ausgedehnten  und  gröfstenteils 
zusammenhängenden  Besitz  und  gelangten  rasch  zu  einer  aufser- 
gewöhnlichen  Machtstellung  im  Grenzgebiete  zwischen  Osterreich 
und  Bayern.  —  Im  Traungau  besafsen  die  Volkensdorfer  das  Land- 
gericht als  Afterlehen  von  den  Domvögten  von  Lengenbach,  die 
es  wieder  vom  Landesfürsten  hatten,  ein  zweites  Landgericht  war 
in  den  Händen  der  Herren  von  Ort. 

Von  landfremden  Klöstern  waren  hier  verhältnismäfsig  sehr 
wenige  begütert,  österreichische  überhaupt  niemals,  von  bayerischen 
Niederaltaich  (bei  Schönhering)  und  Reichersberg  (Viehbach),  von 
steierischen  Admont  (im  Hausruck  und  im  Kremstal).  Die  ein- 
heimischen im  Süden  der  Donau  —  von  denen  im  Norden  war 
schon  früher  die  Rede  —  hatten  ziemlich  geschlossenen  Besitz  in 
ihrer  Umgebung,  so  St.  Florian,  Kremsmünster,  Garsten  und  Gleink. 
Neu  hinzugekommen  war  nur  das  Zisterzienserkloster  Wilhering, 
eine  Stiftung  der  Wilhering -Waxenberger  (1146),  und  schon  früher 
in  dem  noch  bayerischen  Teil  des  Landes  Ranshofen  (1125)  sowie 
endlich  1190  das  Spital  am  Pyhrn. 

Im  übrigen  war  das  ganze  Land  ob  und  unter  der  Enns, 
sowie  ja  auch  Steiermark  aufgelöst  in  lauter  kleinen  Lehenbesitz. 
Die  Ministerialen  des  Herzogs  mehren  sich  seit  Mitte  des  12.  Jahr- 
hunderts ins  Ungemessene,  wie  ein  blofser  Blick  auf  die  Urkunden 

Vancsa,  Geschichte  Nieder-  u.  Oberösterreichs.  28 


434  Siebzehntes  Kapitel. 

beweist.  Aber  gerade  da  ist  es  fast  unmöglich,  sich  ein  auch  nur 
annähernd  richtiges  Bild  von  der  Verteilung  des  Besitzes  und  den 
zugrunde  liegenden  Verhältnissen  zu  machen.  In  der  Regel  können 
wir  landesi'ürstliche  Ministerialität  annehmen,  aber  auch  bischöf- 
liche oder  klösterliche  ist  häufig,  ja  auch  doppeltes  Abhängigkeits- 
verhältnis ist  nichts  Seltenes,  selbst  Keichsfreiheit  neben  teilweisem 
Lehenbesitz  kommt  vor;  endlich  sind  die  Ritter  und  Afterlehen- 
träo-er  der  Ministerialen  vielfach  von  den  Ministerialen  nicht  zu 
unterscheiden.  Der  Name  gibt  gleichfalls  nur  einen  relativen  An- 
haltspunkt. In  der  Regel  bezeichnet  er  den  Haupt-  oder  den  ur- 
sprünglichen Besitz,  wo  auch  die  Stammburg  stand.  Später  treten 
aber  häufig  Verschiebungen  ein,  so  dafs  die  Geschlechter  oft  ganz 
anderswo  ihre  Besitzungen  haben,  als  wohin  der  Name  weist.  Noch 
immer  ist  es  in  unserer  Zeit  üblich,  dafs  bei  Spaltungen  die  ver- 
schiedenen Zweige  der  Familie  verschiedene  Namen  annehmen, 
wodurch  die  Zusammenhänge  verwischt  werden;  aber  auch  ein 
und  derselbe  Vertreter  nennt  sich  nach  einer  Besitzverschiebung  oft 
anders.  Andererseits  kommt  auch  irreführende  Namensgleichheit 
vor  und  nicht  selten' nennen  sich  Ministerialen  nach  ihren  Herren^ 
z.  B.  die  von  Steyr  oder  auch  die  Ministerialengeschlechter  von 
Bogen,  Falkenstein  u.  a.,  wobei  auch  die  Wappen  oder  doch 
Wappenteile  überommen  wurden. 

Bekanntlich  gehen  mehrere  der  hervorragendsten  österreichi- 
schen Adelsfamilien  der  Gegenwart  auf  Ministerialengeschlechter 
der  Babenberger  Zeit  zurück. 

Die  älteren  dieser  österreichischen  Ministerialengeschlechter 
habe  ich  schon  früher  namhaft  gemacht.  Von  den  neu  hinzu- 
gekommenen erlangten  in  der  Folgezeit  hervorragende  Bedeutung  ^)  : 
die  Sonnberg  2),   die  Hintberg-(Himberg)Ebersdorfe  •),   die  Chey- 

1)  Die  meisten  dieser  alten  niederösterreichischen  Ministerialengeschlechter 
findet  man  behandelt  inWif  sgrill,  Schauplatz  des  niederösterr.  landständischen 
Adels.  5  Bände  (A— L)  (Wien  1794—1824).  Fortsetzung  (von  König)  in  der 
Zeitschrift  der  genealogisch-heraldischen  Gesellschaft  „Adler"  1872  und  im  Jahrbuch 
derselben  Gesellschaft  1874,  1876,  1883,  1887  und  1889  (reicht  bis  „Pucheim"). 

2)  Pröll,  Die  Herren  von  Sonnberg  (Programm  des.  Gymn.  in  Oberholla- 
brunn 1884). 

iJ)  Meiller,  Die  Herren  von  Himberg  (Denk sehr,  der  k.  Akademie  der 
Wissensch.  VHI,  49,  1857). 


Die  letzte  kolonisatorische  Bewegung  und  die  Besitzveränderungen.     435 

awer  (Kiauer),  Puchheime,  Piliclisdorfer,  Emmerberge,  Perchtolds- 
dorfe,  Brunn,  Karnabrunner,  Pottendorfe,  Kranichberge,  Ernst- 
brunner,  Grimmenstein,  Haidenreichstein,  Traiskirchen,  Stuchs  (von 
Trauttmansdorff)  ^)  und  Truchs,  Mainburg,  Lachsendorfe  (Laxen- 
burg) ,  Zelking  und  Zekking  (Zagging) ;  in  Oberösterreich  ^)  die 
Volkensdorfer,  Polheime,  Kapeller,  Wesen,  die  wir  zum  Teil  bereits 
als  Ministerialen  der  steierischen  Ottokare  kennen  gelernt  haben.  Die 
Burgmannen  der  alten  Markgrafen  von  Steier,  die  Herren  von  Steier, 
zerfielen  im  13.  Jahrhundert  in  drei  Linien:  die  Starhemberge,  die 
Losensteiner  und  die  Pernecker  ^).  Sie  führten  den  steierischen 
Panther  im  Wappen  ebenso  wie  die  Herren  von  Hohenberg  in  Nieder- 
österreich, dürften  aber  ebensowenig  wie  diese  in  verwandtschaft- 
licher Beziehung  zu  den  steierischen  Ottokaren  gestanden  haben, 
wie  man  früher  annahm  *).  Die  Hohenberge  nannten  sich  ur- 
sprünglich nach  der  Stammburg  Hohenstaff  (Hohenstauf)  und 
waren  vielleicht  mit  den  Wilhelmsburgern  identisch;  ebenso  sind 
die  Ochsenburger,  Altenburger  und  ßabensteiner  stammesgleich. 
Im  späteren  13.  Jahrhundert  gingen  sie  in  die  Pilichdorfer ,  Wil- 
decker und  Weifsenberger  über.  Sie  gehören  zu  jenen  Geschlechtern, 
von  denen  es  nicht  einmal  feststeht,  ob  sie  nicht  doch  freie  Herren 
waren.  Manche  steierische  Ministerialen  hatten  übrigens  bereits 
gröfseren  Besitz  in  Osterreich  erworben,  wie  z.  B.  die  Liechten- 
steine  um  Feldsberg  oder  etwas  später  bei  Mödling,  wo  die  alte 
Engelschalkesburg  von  ihnen  den  Namen  Liechtenstein   erhielt. 

Den  Haupt  vorteil  aus  den  grofsen  Umwälzungen  des  Besitzes, 
namentlich  aus  dem  Absterben  der  alten  Grafen-  und  Freien- 
geschlechter zog  der  Landesfürst.  Gerade  während  der  mehr  als 
dreifsigjährigen  Regierung  Herzog  Leopolds  VI.  steigerte  sich  der 
Besitzzuwachs  in  geradezu  glänzender  Weise.     Was   nicht  infolge 

1)  Trauttmansdorff,  Beitrag  zur  niederöst.  Landesgesch.  (Wien  1904). 

2)  Für  Oberösterreich  entspricht  der  Arbeit  von  Wifs grill  die  ältere 
Genealogie  der  oberösterreichischen  Stände  vonFreiherrv.  Hohen  eck,  Die  Stände 
des  Erzherzogtums  Österreich  ob  der  Enns,  3  Bände  (Passau  1727 — 1732). 

3)  Schwerdling,  Geschichte  des  Hauses  Starhemberg (1830).  —  Stammtafel 
auch  beiHandl-Mazzetti  im  Jahresbericht  des  Mus.  Francisco-Carolinum  1899. 

4)  Vgl.  jetzt  besonders  Siegen feld,  Das  Landeswappen  der  Steiermark 
205  und  224  (Graz  1900).  Über  die  Hohenberger  im  besonderen  noch  Newald 
(Bl.  d.  Ver.  f.  Landesk.  VH,  69,  1873). 

28* 


436  Siebzehntes  Kapitel. 

der  ausgebreiteten  Farailienverbindungen  den  Babenbergern  als  Erbe 
anfiel,  das  erwarb  Leopold  durch  Kauf  oder  zog  es  nach  erben- 
losem Tode  der  Besitzer  nunmehr  kraft  seines  landesfürstlichen 
Hoheitsrechtes  an  sich  0-  ^^m  ersten  Male  brachte  Herzog  Leo- 
pold VL  diesen  Rechtstitel  zur  Anwendung  nach  dem  Tode  des 
\  Grafen  Friedrich  von  Hohenburg  im  Jahre  1210  ^).  Ebenso  nahm 
1  er  das  Pernegger  Erbe  weg,  als  sich  der  Sohn  des  Grafen  Ulrich 
I  geistesgestört  zeigte  (um  1219).  Von  den  Familienerbschaften  ist 
zuerst  Ips  und  Persenbeug  zu  nennen,  die  einst  Berta  von  Steffaning, 
die  Tochter  des  Markgrafen  Leopold  III.,  ihrem  Gemahl,  dem  Burg- 
grafen Heinrich  von  Regensburg,  zugebracht  hatte  und  die  jetzt 
wieder  zurückfielen,  dann  mit  dem  Tode  Herzog  Heinrichs  des 
Jüngeren  von  Mödling  im  Jahre  1223  der  ganze  Besitz  der  Sekundo- 
genitur,  der  selbst  wieder  durch  die  Übergabe  der  Güter  derselben 
Berta  vermehrt  worden  war,  Mödling,  Traiskirchen,  Sollenau,  Neu- 
dorf, Gumpoldskirchen,  Wallersdorf,  Reifsenberg  und  Wiesen.  Schon 
um  1205  hatte  dem  Herzog  Berta  von  Aspern-Falkenberg  die 
Güter  Aspern,  Wolfstal  bei  Hainburg,  Wampersdorf  a.  d.  Leitha 
und  Walterskirchen  vermacht,  1217  Graf  Ulrich  von  Klamm  sein 
Eigen  im  Machland.  Dazu  kam  noch  eine  ganze  Reihe  von  be- 
deutenden Ankäufen.  So  Lambach  vom  Bischof  von  Würzburg, 
dann  insbesondere  aufser  einigen  Gütern  zwischen  Linz  und  Engel- 
hartszell,  in  dem  für  den  Konkurrenzkampf  mit  Passau  so  wich- 
tigen oberösterreichischen  Gebiete  im  Norden  der  Donau,  Linz 
selbst  von  Gottschalk  von  Haunsberg  um  1211,  endlich  um  1220 
die  Herrschaft  Waxenberg  mit  Grammatstetten  und  Ottensheim 
I    von  Otto  von  Schleunz. 

Was  der  Landesfürst  nicht  in  seinen  tatsächhchen  Besitz 
bringen  konnte,  davon  setzte  er  sich  wenigstens  in  Nutzgenufs. 
Seit  den  Tagen  Markgraf  Leopolds  IL  hatten  die  Babenberger 
von  den  grofsen  geistUchen  Stiftern  und  Klöstern,  den  einzigen  Grofs- 
grundbesitzern,  die  sich  mit  ihnen  messen  konnten,  Lehen,  Vogteien 
und  Patronate  übernommen.     So  waren   sie  Lehensleute   des  Erz- 


1)  Auch  für  das  Folgende  ist  die  Einleitung  zu  Jans  Enenkels  Fürsten- 
buch Hauptquelle. 

2)  Font.  rer.  Austr.  2.  Abt,  XXI,  4. 


Die  letzte  kolonisatorische  Bewegun«^  uud  die  Besitzveränderungeu.     437 

bistums  Salzburg  ^),  der  Bistümer  Passau  ^),  Regensburg  und  Frei- 
sing ^),  Vögte  über  die  österreichischen  Klöster,  über  die  von  Steier- 
mark übernommenen  und  über  die  in  Osterreich  gelegenen  Güter 
der  meisten  auswärtigen  Klöster,  Patrone  der  reichsten  Pfarren 
und  Kirchen  des  Landes  geworden.  Aus  allen  diesen  Titeln  zogen 
sie  ungeheuren  Gewinn,  reichliche  Einkünfte,  bedeutende  Gerecht- 
same. Nicht  übersehen  werden  darf  der  nicht  minder  grofse  Besitz 
aufserhalb  Österreichs :  in  Steiermark  und  Kärnten,  in  Krain  und 
Friaul  (Portenau),  selbst  in  Tirol  (im  oberen  Etschtal).  Sie  gaben 
allerdings  die  Güter  und  übrigen  Rechte  an  ihre  immer  mehr 
anwachsenden  Ministerialen  und  an  ihre  Untervögte  weiter,  aber 
die  Einkünfte  flössen  doch  ihnen  zu,  die  Rechte  übten  doch  sie 
aus  ^). 

Die  Kaufsummen,  die  für  einzelne  Gütererwerbungen  über- 
liefert sind,  geben  einen  Mafsstab  für  die  Vermögensverhältnisse 
des  Herzogs  von  Österreich.  Die  Wels-Lambacher  Besitzungen 
kosteten  1500  Mark  (1300  sogleich  bezahlt,  200  später  auf  Rekla- 
mation des  Domkapitels),  die  Grafschaft  Raabs  2000  Mark,  die 
Freisingischen  Güter  in  Krain  1650  Mark;  aufserdem  wurden 
dem  Bischof  Ulrich  von  Passau  600  Mark  Silber,  80  Mark  Gold 
und  dann  nochmals  600  Pfund  vorgestreckt  ^).  Gleichzeitig  ver- 
mochte Herzog  Leopold  VI.  bedeutende  Heereszüge  zu  bestreiten.. 
Einer  deutschen  Stadtchronik  der  damaligen  Zeit  ^)  verdanken  wir 
eine  interessante  Zusammenstellung  über  die  jährhchen  Einkünfte 
einiger  deutschen  Fürsten.  Da  steht  der  Herzog  von  Österreich 
mit  60  000  Mark  an  zweiter  Stelle,  nur  übertrofFen  von  dem  König 
von  Böhmen  mit  100  000  Mark,  während  Brandenburg  und  Köln 


1)  Dafür  vgl.  besonders  das  Lehnsbekenntnis  vom  Jahre  1242  (Meiller, 
Keg.  98,  170)  und  dazu  die  Patronatsübertragungen  von  1211  (Meiller  a.  a.  0.). 

2)  Vgl.  aufser  Enenkel  das  sogenannte  Testament  Herzog  Friedrichs,  das 
allerdings  als  Fälschung  nur  mit  Vorsicht  zu  benutzen  ist.  Ich  komme  auf 
dasselbe  später  zurück. 

3)  Darüber  Enenkel. 

4)  Den  besten  Überblick  über  den  landesfürstlichen  Besitz  geben  jetzt  die 
der  Ausgabe  der  Österreichischen  Urbare  I  beigegebenen  Karten. 

5)  Mon.  Boic.  XXIX  b,  336. 

6)  Chronicou  Colmariense  (Böhmer,  Fontes  11,  p.  Xu).  Vgl.  dazu  I n  am  a - 
Sternegg,  Wirtschaftsgeschichte  III ^  151  und  162,  Anm,  2, 


4S8  Siebzehntes  Kapitel. 

mit  50000,  Bayern  und  Salzburg  mit  20  000  Mark  usw.  dahinter 
zurückbleiben.  Das  ist  natürlich  nur  eine  beiläufige  subjektive 
Schätzung.  Näher  kommt  man  bei  einer  Zusammenstellung  der 
Einkünfte  aus  dem  Grundbesitz,  der  an  2200  Güter,  170  Meier- 
höfe mit  388  Hufen,  842  Hofstätten  und  53  Mühlen  betrug,  aus 
den  Regalien  (Münze,  Zoll  und  Gericht)  und  aus  den  Steuern. 
Danach  dürfte  das  jährliche  Einkommen  der  letzten  Babenberger 
etwa  35  000  Pfund  Wiener  Pfennige  betragen  haben  *).  Kein 
Wunder,  dafs  Ulrich  von  Liechtenstein  Herzog  Leopold  VL  den 
„Reichen"  nennt  2),  kein  Wunder  auch,  dafs  das  Land  für  die 
deutsche  Reichspolitik  eine  so  wichtige  Rolle  spielte. 

Dem  Herzog  von  Osterreich  kamen  übrigens  nicht  nur  die 
günstigen  Verhältnisse,  die  sich  in  seinem  Lande  herausgebildet 
hatten,  sondern  auch  die  allgemeine  Entwickelung  im  Reiche  zu- 
gute. Diese  trieb  immer  mehr  zur  Auflösung  der  Einheitlichkeit 
und  zum  Siege  des  Partikularismus;  die  Teilherzoge  mafsten  sich 
nicht  nur  in  Osterreich,  sondern  allerorten  immer  gröfsere  Selb- 
ständigkeit an,  und  der  Kaiser,  stets  mit  der  italienischen  Politik 
beschäftigt  und  für  Deutschland  nicht  vom  besten  Verständnis, 
machte  eine  Konzession  nach  der  anderen.  Mit  den  Reichsgesetzen 
der  zwanziger  und  der  beginnenden  dreifsiger  Jahre  des  13.  Jahr- 
hunderts begab  er  sich  fast  aller  wichtigen  Gerechtsame  in  bezug 
auf  die  einzelnen  Territorien^).  In  den  Jahren  1231,  1232  und 
1234  verzichteten  Kaiser  Friedrich  H.  und  sein  Sohn,  König 
Heinrich,  der  damals  die  Regierung  in  Deutschland  führte,  auf 
das  Recht,  neue  Märkte  und  Münzstätten  zu  errichten,  neue  Zölle 
oder  Zollbefreiungen  ohne  Zustimmung  der  betreffenden  Landes- 
fürsten festzusetzen  und  befreite  diese  dadurch  von  jeder  Kon- 
kurrenz. Dazu  kam  noch  die  Auslieferung  des  wichtigen  Geleits- 
regals für  den  Schutz  durchreisender  Persönlichkeiten  (1231).  Das 
Reichsgesetz  von  1232  „Statutum  in  favorem  principum"  entliefs 
aufserdem  überhaupt  die  Territorien  aus  der  königlichen  Bann- 
leihe, Landfriedensgerechtsamkeit ,   Steuerhoheit  und  den  Regalien 

1)  So  nach  Dopsch,  Einleitung  zur  Ausgabe  der  Österreichischen  Urbare 
S.  CCXXIIff. ;  siehe  die  statistischen  Tafeln  dazu. 

2)  Vrouwen  dienest,  hgg.  von  Lachmaun  S.  64. 

3)  Die  Keichsgesetze  siehe  in  M.  G.  Legg.  Constitut.  II,  211,  418fF.  u.  434. 


Die  letzte  kolonisatorische  Bewegung  und  die  Besitzveränderungen.     439 

im  allgemeinen.  So  bemächtigten  sich  die  Herzöge  von  Osterreich 
ohne  besondere  Verleihung  auch  des  Forstbannes  und  Fischerei- 
rechtes, der  Verfügung  über  die  Wasserstrafsen  und  des  Berg- 
und  Salzregales. 

In  Verbindung  mit  den  besonders  günstigen  Verhältnissen  in 
Österreich,  die  dem  Herzog  auch  eine  souveräne  und  ungeteilte 
Machtstellung  in  seinem  eigenen  Lande  gewährten,  während  in 
den  alten  Herzogtümern  bereits  so  viele  Nebengewalten  aus- 
gebildet waren,  dafs  den  Landesfürsten  vielfach  die  Hände  ge- 
bunden waren  und  sie  keineswegs  allen  Nutzen  aus  ihrem  Terri- 
torium ziehen  konnten,  verschaffte  die  Gunst  der  Zeiten  Herzog 
Leopold  VI.  auch  eine  Macht  unter  den  Reichsfürsten,  die  ihn  be- 
fähigte, eine  hervorragende  politische  Rolle  zu  spielen  ^).  Seine 
Politik  griff  vielfach  wieder  auf  die  seines  klugen  Vorfahren,  des 
Markgrafen  Leopold  III.  zurück.  Während  die  späteren  Baben- 
berger  sich  zum  König  oder  zum  Papst  in  Opposition  setzten,  suchte 
sich  Herzog  Leopold  wieder  mit  beiden  auf  guten  Fufs  zu  stellen. 
Die  inzwischen  eingetretene  Steigerung  der  babenbergischen  Macht 
drückt  sich  jedoch  darin  aus,  dafs  nunmehr  Papst  und  Kaiser 
ihn  umwarben  und  er  sich  sogar  zum  Vermittler  zwischen  ihnen 
aufwerfen  konnte.  Wie  einst  Leopold  HL,  so  erzielte  auch  Leo- 
pold VI.  wieder  eine  Verbindung  mit  der  deutschen  Königsfamilie, 
und  auch  diese  Angelegenheit  nahm  einen  um  so  rühmlicheren  Ver- 
lauf, als  es  ihm  gelang,  drei  mächtige  Nebenbuhler,  die  Könige 
von  Ungarn ,  Böhmen  und  England ,  die  alle  drei  eine  Ver- 
mählung des  ältesten  Sohnes  des  Kaisers,  Heinrich,  mit  ihren 
Töchtern  anstrebten,  aus  dem  Felde  zu  schlagen.  Die  Geschichte 
dieser  Brautkonkurrenz  ist  leider  ganz  in  Dunkel  gehüllt,  aber 
es  ist  doch  sehr  bedeutsam,  dafs  schliefslich  dem  Kaiser  die  Ver- 
bindung mit  dem  Herzog  von  Osterreich  am  vorteilhaftesten  er- 
schien und  dafs  am  29.  November  1225  die  Vermählung  Heinrichs, 
der  damals  bereits  deutscher  König  und  Stellvertreter  seines  Vaters 
in  Deutschland  war,  mit  Margarete  von  Osterreich  vollzogen  wurde, 
nachdem    auch    der   Papst    bereitwilligst    wegen    ihrer    verwandt- 


1)  Hier  ist  nicht  der  Platz,    darauf  näher  einzugehen.     Man  vgl.  Hub  er 
I,  397  und  Juritsch  S.  488. 


440  Siebzehntes  Kapitel, 

schaftlichen  Beziehungen  Dispens  erteilt  hatte.  Fünf  Jahre  später 
finden  wir  dann  Herzog  Leopold  VI.  in  der  hochwichtigen  Ver- 
trauensstellung eines  Vermittlers  in  dem  Kampfe  zwischen  Kaiser 
und  Papst.  Der  Friede  von  San  Germano  war  so  recht  eigentlich 
sein  Werk,  er  war  zugleich  auch  die  Krönung  seines  tatenreichen 
Lebens,  denn  ehe  noch  der  Friede  beurkundet  wurde,  raffte  ihn 
plötzhch  am  28.  Juli  1230  der  Tod  hinweg,  und  ganz  allgemein 
wurde  er  betrauert  ^). 

Man  wird  sich  wohl  kaum  einer  Übertreibung  schuldig  machen, 
wenn  man  behauptet,  dafs  das  Zeitalter  Herzog  Leopolds  VL  für 
Osterreich  die  glücklichste  Zeit  gewesen  ist.  Es  war  ein  seltenes 
Zusammentreffen  von  günstigen  Umständen  und  durchaus  nicht 
etwa  blofs  die  Persönlichkeit  des  Fürsten,  die  dem  Lande  zu  einer 
rein  äufserlichen  Machtstellung  verholfen  hatte,  die  mifsliche  innere 
Zustände  verdeckte.  Nein,  das  Land  selbst  war  emporgekommen, 
und  seine  glückhche  Lage  hatte  auch  Macht  und  Ansehen  seiner 
Fürsten  gehoben.  Die  wirtschafthche  Entwickelung  der  letzten 
hundert  Jahre  und  die  damit  verbundene  gesellschaftliche  Neu- 
ordnung war  bis  zu  einem  Höhepunkte  vorgeschritten,  der  noch 
wenig  Schattenseiten  hervortreten  liefs.  Die  neuen  Kräfte,  die 
sich  mit  dem  Städtewesen  und  dem  Handel  regten,  trieben  die 
ersten  Blüten.  Das  Land  war  nahezu  in  allen  Teilen  in  einer 
Dichte  besiedelt,  die  die  heutige  übertraf  ^),  und  infolge  der  Wand- 
lung von  der  Eigenwirtschaft  des  Grofsgrundbesitzts  zum  Meier- 
hof, und  von  diesem  zum  Zinsbauernbetrieb  gut  bewirtschaftet. 
Ein  reicher  Bauernstand  safs  in  den  Dörfern,  eine  an  Einflufs  er- 
starkende Ritterschaft  in  den  zahlreichen  Burgen  und  Schlössern, 
beide  glücklich  und  zufrieden ;  das  Alltagsleben  war  nur  zu  häufig 
von  Festlichkeiten  unterbrochen,  zur  Üppigkeit  und  zur  Überhebung 
war  man  geneigt.  Ein  handeltreibendes,  gewerbefleifsiges  Bürger- 
tum in  den  Städten  suchte  ihnen  bereits  nachzueifern.  Und  noch 
waren  die  Klöster  im  Besitze  alter  Schätze,  wirtschaftlich  gut  situiert 
und  die  Hauptstätten  der  geistigen  Kultur.    Die  schönsten  Baudenk- 

1)  Vgl.  die  Belegstellen  bei  Ju ritsch  S.  515.  —  Am  ehrenvollsten  die 
Stelle  in  den  Papstbriefen  (M,  G.  Epp.  s.  XIII,  Nr.  595)  und  im  Baumgartner 
Formelbu'^.h  (Font.  rer.  Austr.  2.  Abt.  XXV,  139). 

2)  Vgl,  die  oft  zitierte  Arbeit  von  Grund. 


Die  letzte  kolonisatorische  Bewegung  und  die  Besitzveränderungen.     441 

male  des  romanischen  Stiles,  deren  Reste  noch  heute  von  ent- 
schwundener Pracht  und  Herrhchkeit  zeugen,  gehen  in  diese  Zeit 
zurück,  wie  das  Stift  Heihgenkreuz,  das  Stift  Zwettl,  das  Stift  Lilien- 
feld, die  Stadtpfarrkirche  in  Wels,  die  Kirche  zu  Schöngrabern  in 
Niederösterreich  u.  a.  m.  Und  alle  diese  lebendig  wirksamen 
Kräfte  strebten  nicht  feindselig  auseinander,  sie  wurden  konzen- 
triert und  nutzbar  gemacht  durch  eine  landesfürstliche  Gewalt, 
die  viel  straffer  war  als  in  anderen  Herzogtümern.  Schon  machten 
sich  die  Anfange  einer  geordneten  Verwaltung  in  heilsamer  Weise 
geltend.  Und  riefen  die  genannten  einzelnen  Faktoren,  die  an 
der  Gestaltung  der  Verhältnisse  des  Landes  mitwirkten,  jeder  seine 
eigene  Kultur  hervor  und  trug  in  seiner  Art  zur  allgemeinen  bei, 
so  bildete  doch  der  reiche  und  hochangesehene  Herzogshof  den 
natürlichen  Mittelpunkt. 


Achtzehntes   Kapitel. 
Überhebung  der  herzoglichen  Macht. 


Diese  unter  Herzog  Leopold  VI.  glücklich  geeinten  Kräfte 
begannen  sogleich  nach  seinem  Tode  sich  voneinander  zu  lösen 
und  eigene  Richtungen  einzuschlagen  oder  sich  gegenseitig  zu  be- 
fehden. Sie  verloren  das  Gleichgewicht,  das  bei  so  heterogenen 
Strömungen  und  Entwickelungen  zu  halten  überhaupt  nur  die 
Möglichkeit  einer  besonders  günstigen  und  kurz  währenden  Kon- 
stellation sein  konnte.  So  bewegten  sich  die  absteigenden  Ent- 
wickelungsphasen  rasch  dem  Verfalle  zu,  die  aufsteigenden  zeigten 
bereits  allerlei  Spuren  von  Entartung  und  Ausschreitung,  wie  sie 
Übergangszeiten  eigen  zu  sein  pflegen. 

Der  Anstofs  war  auch  hier,  wie  so  oft,  ein  äufserer,  eben  der 
Tod  des  poHtisch  klugen  Leopold,  beziehungsweise  der  Regierungs- 
antritt seines  kaum  erst  zwanzigjährigen  Sohnes  Friedrich  ^),  der 
gleich  so  manchem  letzten  Sprossen  alter  Geschlechter  einen  aus- 
gesprochenen Zug  der  Entartung  an  sich  trug  und  der  die  landes- 
fürstliche Politik  der  Babenberger  bis  in  ihr  Extrem  verfolgte. 

Sein  Vater,  der  nahen  Anschlufs  an  das  staufische  Herrscher- 
haus gesucht  hatte,  war  stets  regelmäfsig  auf  den  Hoftagen  er- 
schienen und  hatte  den  Kaiser  wiederholt  nach  ItaUen  begleitet, 
ohne   von   den   Begünstigungen   des   Privilegium   minus  Gebrauch 

1)  Über  ihn  zwei  Monographien:  Hirn,  Kritische  Geschichte  Friedrichs, 
des  letzten  Babenbergera,  mit  besonderer  Berücksichtigung  seines  Verhältnisses 
zu  Papst,  Kaiser  und  Eeich  (4.  Jahresbor.  d.  k.  k.  Oberrealschule  in  Salzburg 
187 n  und  Adolf  Ficker,  Herzog  Friedrich  II.  der  letzte  Babenberger  (Inns- 
bruck 1884).  Dann  auch  Juritsch  S.  517  ff.  Jetzt  in  Kürze  Dop  seh  in  dem 
Werke  „An  Siegen  und  Ehren  reich''. 


Überhebung  der  herzoglicheu  Macht.  443 

ZU  machen.  Der  junge  Friedrich  glaubte  die  Politik  der  Nach- 
o-iebigkeit  nicht  mehr  nötig  zu  haben  und  seine  Macht  nunmehr  durch 
das  Pochen  auf  sein  Recht  noch  mehr  erhöhen  zu  können  0-  Er 
scheint  nicht  einmal  um  die  Belehnung  nachgesucht  zu  haben, 
mindestens  leistete  er  den  Einladungen  des  Kaisers  zum  Reichs- 
tage von  Ravenna  (1.  November  1231)  und  zu  dem  von  Aquileja 
(Frühjahr  1232)  keine  Folge. 

Persönliches  trug  auch  noch  dazu  bei,  zwischen  den  Baben- 
bergern  und  Staufern  eine  gewisse  Spannung  hervorzurufen,  denn 
der  junge  König  Heinrich  ging  mit  dem  Gedanken  um,  sich  von 
der  Babenbergerin  Margarete  scheiden  zu  lassen;  freilich  hatte 
Herzog  Friedrich  in  seiner  bedrängten  Lage  es  bisher  noch  immer  ver- 
absäumt, die  Mitgift  seiner  Schwester  auszubezahlen.  Dem  Kaiser 
war  aber  viel  daran  gelegen,  jetzt  jeden  Konflikt  mit  Osterreich 
zu  meiden,  und  drückte  daher  trotz  der  Überhebungen  des  Herzogs 
lieber  ein  Auge  zu.  Er  begab  sich  deshalb  Mitte  Mai  1232  eigens 
auf  Babenbergischen  Besitz  nach  Pordenone,  um  hier  in  einer  Zu- 
sammenkunft mit  Friedrich  die  strittigen  Punkte  ins  reine  zu 
bringen.  Er  ging  sogar  so  weit,  dafs  er  das  Anerbieten  machte, 
aus  Eigenem  einen  Teil  der  Mitgift,  8000  Mark  Silber ,  bestreiten 
zu  wollen. 

Trotzdem  vermochte  er  Herzog  Friedrich  nicht  zu  innigem 
und  verläfslichem  Anschlufs  zu  bringen.  Als  zwei  Jahre  später 
sich  des  Kaisers  Sohn  gegen  seinen  Vater  empörte,  gehörte  der 
Österreicher  zu  den  wenigen,  die  sich  nicht  offen  für  den  Kaiser 
erklärten.  Seine  Haltung  blieb  zweideutig  ^).  In  dem  Augenblicke 
jedoch,  da  der  Kaiser,  seine  Kreuzfahrt  unterbrechend,  von  der 
friaulischen  Küste  herbeieilte,  um  die  Empörung  zu  Boden  zu  werfen, 
holte  ihn  der  Herzog  gleich  an  der  österreichischen  Grenze,  zu 
Neumarkt  in  Kärnten  ein,  wie  es  scheint  in  der  Absicht,  die  Eile 
des  Kaisers  zu  weiteren  Konzessionen  zu  mifsbrauchen.    Er  forderte 

1)  Einzige  Quelle  ist  ein  von  Petrus  de  Vineis  verfafstes  Schreiben  des 
Kaisers  an  den  Böhmenkönig  vom  Juli  oder  August  1236  (Böhmer-Ficker, 
Eeg.  2175,  abgedruckt  Huillard-Breholles  IV,  852  und  Zahn,  ÜB.  von 
Steiermark  II,  442),  dessen  Angaben  jedoch  durchaus  glaubwürdig  erscheinen. 

2)  Von  späteren  Schriftstellern  wurde  er  auch  direkt  der  Bundesgenossen- 
achaft  mit  König  Heinrich  beschuldigt,  doch  ohne  dafs  sich  dafür  ein  Anhalts- 
punkt finden  liefse.   Vgl.  die  treffliche  Quellenkritik  bei  Ficker  a.a.O.  S.  35£F. 


444  Achtzehntes  Kapitel. 

2000  Mark  Öilber  als  Beitrag  zu  einem  Feldzuge  gegen  Ungarn  und 
Böhmen.  Er  mochte  vielleicht  auf  eine  Berücksichtigung  seiner  Bitte 
schon  deshalb  hoffen,  weil  unzufriedene  ungarische  Magnaten  dem 
Kaiser  durch  seine  Vennittelung  die  ungarische  Krone  angeboten 
hatten  ^).  Dieser  lehnte  jedoch  ab,  da  er  einer  Komplikation  im 
jetzigen  Zeitpunkt  aus  dem  Wege  gehen  und  einen  friedlichen 
Vergleich  anstreben  wollte.  Es  scheint  darauf  zu  einer  ziemlich 
heftigen  Auseinandersetzung  gekommen  zu  sein.  Der  Herzog  ver- 
liefs  den  Kaiser  im  Zorn  und  leistete  einer  Einladung  zu  dem 
Reichstage  in  Mainz,  den  Kaiser  Friedrich  nach  der  Unterwerfung 
seines  Sohnes  zur  Ordnung  der  Verhältnisse  für  den  15.  August 
ausgeschrieben  hatte,  abermals  keine  Folge. 

Aber  gerade  auf  diesem  Mainzer  Tage  zog  sich  in  seiner 
Abwesenheit  der  vielseitige  Groll  über  seine  Willkürhchkeiten  zu 
einem  bedrohlichen  Gewitter  zusammen.  Ich  werde  später  noch 
darauf  zurückkommen,  wie  Herzog  Friedrich  in  seiner  beständigen 
Geldverlegenheit,  um  die  Kriege  gegen  seine  Nachbarn  führen  zu 
können,  Grenzsperren  anordnete  und  allgemeine  Steuern  ausschrieb, 
wodurch  die  auswärtigen  Stifter  und  Klöster  nicht  nur  in  dem  Be- 
zug ihrer  Einkünfte  aus  ihren  österreichischen  Besitzungen  ge- 
schmälert, sondern  auch  deren  Untertanen  arg  bedrückt  wurden. 
So  wird  man  die  Klagen  des  Erzbischofs  von  Salzburg  und  der 
Bischöfe  von  Passau,  Regensburg,  Freising  und  Bamberg  begreiflich 
finden;  ihnen  schlössen  sich  der  König  von  Böhmen,  der  Markgraf 
von  Mähren  und  der  Herzog  von  Bayern,  die  mit  dem  (jsterreicher 
in  Fehde  lebten,  endlich  die  Ministerialen  Österreichs  und  Steier- 
marks,  von  deren  Unzufriedenheit  wir  gleichfalls  noch  hören  werden, 
an.  Viel  Persönliches  lief  dabei  mit  unter.  So  war  neben  den 
Rechtsverletzungen  auch  von  Verfolgungen  die  Rede,  die  Frauen 
und  Töchter  zu  erleiden  hatten. 

Nach  dem  üblichen  Rechtsgange  raufste  auf  diese  Klagen  hin 
eine  Vorladung  des  Geklagten  zum  nächsten  Hoftag  (in  Augs- 
burg, Ende  Oktober)  erfolgen,  und  da  Friedrich  auf  seiner  Wider- 

1)  So  nach  dem  Carmen  miserabUe  des  Eoger  (Mon.  Arpad.  261).  In  der 
Auffassung  der  —  übrigens  durchaus  nicht  unklaren  —  Stelle  schliefse  ich  mich 
ganz  Hub  er  S.  409  an.  Dafs  Friedrich  von  Österreich  selbst  die  ungarische 
Krone  angeboten  worden  wäre,  davon  ist  nirgends  die  Eede. 


Überhebung  der  herzoglichen  Maclit.  445 

setzlichkeit  verharrte,  erging  noch  eine  zweite  (zum  Hoftag  in  Ha- 
genau,  Januar  1236)  und  sogar  eine  dritte  Ladung  (zum  Tag  in  Augs- 
burg, Juni).  Der  Kaiser,  dessen  Sinnen  und  Trachten  nur  auf  den 
Zug  gegen  die  lombardischen  Städte  gerichtet  war,  wollte  kein  Mittel 
unversucht  lassen,  um  das  Aufserste  zu  vermeiden.  Auch  Erz- 
bischof Eberhard  von  Salzburg  und  Bischof  Konrad  von  Freising, 
obwohl  selbst  unter  den  Klageführenden,  suchten  zu  vermitteln. 
Vergebens!  Der  Herzog  tat  nicht  nur  nichts,  um  sich  zu  recht- 
fertigen und  die  dargebotene  Versöhnung  anzunehmen,  sondern  im 
Gegenteil  alles,  um  den  Kaiser  durch  offene  und  versteckte  Feind- 
sehgkeiten  zum  Aufsersten  zu  reizen.  Wir  können  nicht  mehr 
feststellen,  wie  viele  von  den  Beschuldigungen,  die  später  der 
Kaiser  zur  Begründung  seines  Vorgehens  gegen  den  Herzog  aus- 
sprach, auf  Wahrheit  beruhen.  Vielleicht  wurde  ihm  auch  manches 
von  den  Feinden  Friedrichs,  die  den  Zwiespalt  auf  die  Spitze  zu 
treiben  ein  Interesse  hatten,  wie  dem  König  von  Böhmen  und  dem 
Herzog  von  Bayern,  nach  unsicherem  Gerede  hinterbracht  oder 
übertrieben  dargestellt.  So  soll  Herzog  Friedrich  mit  den  Mai- 
ländern, mit  dem  Papste,  ja  selbst  mit  dem  Alten  vom  Berge  Ver- 
bindungen gegen  den  Kaiser  angeknüpft,  dem  letzteren  sogar 
Geld  angeboten  haben,  damit  er  einen  Assassinen  gegen  den  Kaiser 
dinge ;  ferner  soll  er  Geschenke  eines  russischen  Grofsfürsten  an  den 
Kaiser  aufgefangen  haben.  Sind  diese  Beschuldigungen  recht  vager 
Natur  ')  und  läfst  sich  auch  für  einen  weiteren  Anklagepunkt,  dafs 
nämlich  der  Herzog  nach  der  Hochzeit  seiner  Schwester  Konstanze 
mit  dem  Markgrafen  Heinrich  von  Meifsen  die  Neuvermählten  über- 
fallen habe,  um  sie  zum  Verzicht  auf  die  Mitgift  zu  zwingen, 
keinerlei  Anhalt  gewinnen,  da  im  Gegenteil  diese  Hochzeit,  die 
am  1.  Mai  1234  in  Stadlau  bei  Wien  mit  unerhörtem  Gepränge 
gefeiert  worden  war,  von  allen  —  auch  den  Meifsenschen  —  Chronisten 
als  ein  friedlich  verlaufenes  Freudenfest  geschildert  wird  *),  so  mufste 
es  um  so  mehr  ins  Gewicht   fallen,    dafs   er   seine    eigene  Mutter 


1)  Ficker  a.  a.  0.  S.  51,  Anm.  1  führt  mit  Eecht  an,  dafs  die  Beschul- 
digung der  Verbindung  mit  den  unheimlich  -  rätselhaften  Assassinen  und  ihrem 
Oberhaupte  in  jener  Zeit  wiederholt  erhoben  worden  ist,  u.  a.  auch  gegen  den 
Kaiser  selbst  von  Papst  Gregor  IX.  in  bezug  auf  den  Tod  Ludwigs  von  Bayern. 

2)  Juritsch  denkt  an  einen  Hochzeitsscherz  S.  542. 


440  Achtzehntes  Kapitel. 

Theodora  so  schlecht  behandelt  hatte,  dafs  sie  aus  Furcht  vor  ihm 
zum  Könige  von  Böhmen  geflohen  war  ').  Auch  das  scheint  auf 
\\'ahrheit  zu  beruhen,  dals  Herzog  PViedrich  nach  dem  Tode  Ottos 
von  Lengenbach,  des  Domvogtes  von  Regensburg,  im  Jahre  1235 
dessen  Güter,  die  eigentlich  dem  Reiche  heimfallen  sollten,  wider- 
rechtlich eingezogen  hat.  Endlich  hatte  der  Herzog  auch  einen 
der  geächteten  Anhänger  des  rebellischen  Königs  Heinrich,  Anselm 
von  Justingen,  bei  sich  aufgenommen  ^). 

Kurz,  dem  Kaiser  blieb  tatsächlich  nichts  anderes  übrig,  als 
Ende  Juni  1236  über  den  unbotmäfsigen  Herzog  von  Österreich 
des  Reiches  Acht  auszusprechen.  Da  er  selbst  jedoch  nicht  von 
dem  Feldzug  gegen  die  lombardischen  Städte  lassen  wollte,  so  be- 
auftragte er  den  König  von  Böhmen,  den  Herzog  von  Bayern, 
den  Markgrafen  von  Brandenburg  und  die  Bischöfe  von  Passau 
und  Bamberg  mit  der  Führung  des  Reichskrieges  gegen  ihn.  Ohne 
hier  den  Verlauf  des  Krieges,  der  uns  noch  später  beschäftigen 
wird,  weiter  zu  verfolgen,  sei  nur  hervorgehoben,  dafs  er, 
obwohl  anfangs  die  Lage  des  Herzogs  eine  verzweifelte  war,  da 
auch  die  UntertancA  in  offener  Empörung  gegen  ihn  standen, 
dennoch  für  ihn  überraschend  günstig  ausging.  Hier  interessiert 
uns  zunächst  die  Beziehung  zum  Kaiser. 

Den  Vollmachtträgern  des  Reiches  gelang  es,  die  Hauptstadt 
des  Landes  zu  gewinnen  und  hier  eine  Art  Statthalter  des  Kaisers, 
den  Burggrafen  Konrad  von  Nürnberg,  zur  Verwaltung  des  öster- 
reichischen Herzogtums  einzusetzen,  dem  bald  darauf  Bischof  Ek- 
bert  von  Bamberg  und,  als  dieser  am  5.  Juni  starb,  Graf  Eber- 
hard von  Eberstein  folgten.  Für  das  Gebiet  zwischen  Hausruck 
und  Enns  wurde  Albero  von  Polheim  mit  dem  Titel  Landrichter 
(iudex  provincialis)  als  kaiserlicher  Machthaber  ernannt  ^).  Der 
Kaiser,  der  im  Januar  1237  gleichfalls  auf  dem  Schauplatze 
erschien  ,     suchte     die     Niederwerfung     des     Herzogs     zu     voll- 


1)  Dieser  eine  Punkt  ist  auch  durch  eine  andere  gleichzeitige  Quelle,  die 
Cont.  Sancruc.  11,  638  bezeugt. 

2)  Befindet   sich  unter  den  Zeugen   der  Urkunde  Herzog  Friedrichs   vom 
11.  November  1286  (Meiller,  Eeg.  156,  40). 

3)  Urkundenbuch  d.  L.  o.   d.  Enns  lU,  47,  49;   vgl.   über   diesen  Punkt 
Strnadt,  Geburt  des  Landes  ob  der  Enns  S.  115  f. 


Überhebung  der  herzoglichen  Macht.  447 

enden,  indem  er  sowohl  seine  Herzogtümer,  als  auch  die  Stadt 
Wien  für  reichsunmittelbar  erklärte  *);  zum  mindesten  wollte  er 
Steiermark  nicht  mehr  einem  Herzog  von  Osterreich  verleihen. 
Den  steierischen  Dienstmannen  bestätigte  er  ihre  Freiheiten.  End- 
lich hoffte  er  dem  herzoglichen  Besitz  empfindlichen  Abbruch  zu 
tun,  indem  er  sich  von  dem  Bischof  von  Passau  die  Lehen  in 
Osterreich,  wie  sie  einst  Herzog  Leopold  VI.  besessen  hatte,  um 
1400  Mark  Silber  verpfänden  liefs. 

Aber  wie  sehr  bereits  die  Reichsmacht  geschwächt  war,  er- 
sieht man  daraus,  dafs  es  dem  Kaiser  trotz  der  nicht  unbeträcht- 
lichen Waffenerfolge,  trotzdem  dafs  er  den  gröfsten  Teil  des 
Landes  in  Händen  hatte  und  trotz  der  genannten  Mafsregeln,  nicht 
gelingen  wollte,  aus  all  dem  den  gewünschten  Erfolg  zu  ziehen 
und  den  schon  halb  matt  gesetzten  Herzog  auf  die  Dauer  seiner 
kaiserHchen  Gewalt  und  Hoheit  wieder  zu  unterwerfen.  Er  war 
im  April  1237  kaum  aufser  Landes,  als  Herzog  Friedrich  auch 
schon  Herr  der  Situation  war.  Der  Statthalter  des  Kaisers  führte 
in  Wien  eine  Scheinregierung. 

Mehr  noch  als  die  Halbheit  des  Kaisers,  die  ihn  die  deutschen 
Angelegenheiten  nur  als  Nebensache  behandeln  liefs  und  ihn  gerade 
immer  zur  ungelegensten  Zeit  nach  Italien  trieb,  kam  dem  Herzog 
der  allgemeine  Umschwung  der  Politik  zustatten,  der  eben  damals 
eintrat.  Papst  Gregor  IX.  machte  nämlich  damals  den  Versuch,  die 
Macht  des  Kaisers  in  seinem  eigenen  Reiche  zu  untergraben,  und 
fand  gerade  jetzt,  da  dieser  nach  dem  Siege  über  die  lombardischen 
Städte  auf  dem  Höhepunkt  stand,  bei  vielen  deutschen  Fürsten, 
die  nicht  mehr  einen  übermächtigen  Kaiser  haben  wollten,  geneigtes 
Ohr.  So  einigte  dieser  neue  politische  Gesichtspunkt  die  noch  vor 
kurzem  so  erbitterten  Feinde,  den  König  von  Böhmen,  den  Herzog 
von  Bayern  und  den  Herzog  von  Osterreich.  Die  Vermittlung 
des  Papstes  tat  das  übrige.  Am  20.  März  1239  sprach  sodann 
der  Papst  über  den  Kaiser  den  Bann  aus  und  entband  alle  Unter- 
tanen des  Eides  der  Treue. 

Sei  es  durch  die  bedungene  Unterstützung  seiner  neuen  Bundes- 
genossen, sei  es  durch  den  Druck  dieser  Verhältnisse,   gelang   es 


1)  Chron.  reg.  Colon.  271. 


448  Achtzehntes  Kapitel. 

dem  Herzog,  sich  wieder  in  den  Besitz  seines  ganzen  Landes  zu 
setzen,  doch  hatte  er  sich  in  diese  Bündnisse  nur  aus  Opportuni- 
tiitsrücksichten  eingelassen,  nicht  aus  Überzeugung;  zu  schwer 
waren  auch  die  Bedingungen  des  Bundes.  Er  hielt  es  für  weit 
vorteilhafter,  dem  Kaiser  jetzt  in  dessen  bedrängter  Lage  seine 
Treue  so  teuer  wie  möglich  zu  verkaufen;  er  hoffte  wohl  auch 
wie  sein  Vater  wieder  die  Vermittlerrolle  zwischen  Kaiser  und 
Papst  spielen  und  so  den  Lohn  ernten  zu  können,  um  den  diesen 
der  Tod  gebracht  hatte.  Seine  Berechnung  täuschte  ihn  auch  nicht. 
Einen  Augenblick  stand  er,  der  Herzog  von  Österreich,  auf  der 
Höhe  der  ganzen  Situation  und  hielt  die  Fäden  der  grofsen  Politik 
in  seiner  Hand. 

Der  Kaiser  griff  sofort  zu,  als  der  Herzog  anfangs  Oktober 
Boten  an  ihn  entsandte,  und  beantwortete  das  Anerbieten  seiner 
Unterwerfung  mit  einem  sehr  zuvorkommenden  Schreiben  ').  Die 
endgültige  Aussöhnung  zwischen  ihnen  wurde  am  Weihnachtsfeste 
des  Jahres  1239  zu  Wien  gefeiert.  Friedrich  konnte  nunmehr 
sogar  die  ihm  vom  päpstlichen  Legaten  in  Aussicht  gestellte 
römische  Königskrone  -') ,  ein  unter  den  gegebenen  Verhältnissen 
mehr  als  problematisches  Angebot,  ausschlaget,  denn  schon  winkte 
ihm  ein  weit  müheloseres  Ziel  seines  Ehrgeizes.  Eine  Unter- 
brechung in  der  Verfolgung  seiner  weitausschauenden  Pläne  erlitt 
er  allerdings  durch  den  Mongoleneinfall,  der  in  der  nächsten  Zeit 
alle  Kräfte  in  Anspruch  nahm.  Als  aber  die  G-jfahr  abgewendet 
war  und  er  sich  im  Jahre  1244  wieder  intensiver  mit  der  all- 
gemeinen PoHtik  beschäftigen  konnte,  fand  er  die  Sachlage  in  dem 
Masse,  wie  sie  sich  für  den  Kaiser  verschlechtert  hatte,  für  sich 
günstiger,  denn  der  Kaiser  hatte  seine  Hilfe  jetzt  nötiger  denn  je. 

Der  Gedanke,  Osterreich  in  ein  Königreich  zu  verwandeln, 
scheint  vom  Kaiser  ausgegangen  zu   sein  ^) ;   als   eine  Art  Sicher- 


1)  Huillard-Breholles  V,  1006. 

2)  Vgl.  die  Konzeptsbücher  Albert  Behaims,  des  päpstlichen  Legaten,  heraus- 
gegeben von  Höfler  (Bibliothek  des  Uterar.  Vereines  in  Stuttgart  XVI,  22; 
dazu  Fragmente  bei  Oefele,  SS.  rer.  Boic.  I,  787).  Es  war  sogar  in  der 
Schwebe  gelassen,  ob  Friedrich  selbst  oder  ein  Neffe  seines  Schwagers,  Heinrich 
Kaspe  von  Thüringen,  die  Krone  erhalten  würde, 

3)  Vielleicht  war  die  Erhebung  schon  in  Aussicht  genommen,  als  im  Jahre 


Überhebung  der  herzoglichen  Macht.  449 

Stellung  verlangte  er  gleichzeitig  die  Hand  der  Nichte  des  Herzogs, 
Oertrud,  da  diese  im  Falle,  dafs  er  kinderlos  sterben  würde,  erbberech- 
tigt schien.  Selbst  jetzt  bei  dem  ungeheuren  Entgegenkommen  des 
Kaisers  vergafs  Herzog  Friedrich  nicht,  sich  zunächst  —  wahr- 
scheinlich auch  mifstrauisch  —  auf  den  Standpunkt  des  öster- 
reichischen Privilegs  zu  stellen,  indem  er  zu  Anfang  des  Jahres 
1245  den  Kaiser  zu  einer  Besprechung  nach  Villach  einlud  ^).  So 
mufste  denn  der  Kaiser  noch  einen  Schritt  weiter  tun. 

Er  sandte  im  Mai  den  Bischof  Heinrich  von  Bamberg  nach 
"Wien,  um  dem  Herzog  ein  Abzeichen  der  königlichen  Würde,  den 
Königsreif,  feierlich  überreichen  zu  lassen.  Der  Herzog  war  sich 
der  Wichtigkeit  des  Augenblickes  wohl  bewufst,  denn  er  veran- 
staltete ein  grofses  Fest,  bei  dem  144  edlen  Jünglingen  der  Ritter- 
schlag zuteil  wurde  ^).  Freilich  war  die  Übersendung  der  Krone 
€irst  eine  einleitende  Formaütät,  und  Bischof  Heinrich  dürfte  dem 
Herzog  zugleich  die  Einladung  überbracht  haben,  sich  zur  end- 
gültigen Regelung  der  Angelegenheit  nach  Verona  zu  begeben  ^). 

Diesmal  leistete  der  Herzog,  so  nahe  am  Ziele,  Folge  und 
traf  bereits  am  29.  Juni  in  Verona  ein.  Schon  lag  der  von  der 
kaiserlichen  Kanzlei  angefertigte  Entwurf  der  Erhebungsurkunde 
vor^),  kraft  der  Österreich  und  Steiermark  zusammen  in  ein 
Königreich  umgewandelt  werden  sollten.  Nicht  etwa  durch  Wahl 
der  Prälaten,  Herzöge  und  Grafen  sollten  die  Nachfolger  bestimmt 
werden,  sondern  der  jeweilige  Älteste  der  Königsfamilie  sollte  die 
Würde  erben.  Nur  vom  Kaiser  oder  dessen  Bevollmächtigten 
sollte  der  König  von  Österreich  Krone  und  Weihe  empfangen. 
Die  jungen  Söhne  sollten  vom  Kaiser  ausgestattet  werden.  Einige 
andere  Bestimmungen  bezogen  sich  auf  die  Gerichtsbarkeit.    Dem 

1240  sich  das  Gerücht  verbreitet  hatte,  die  Kurie  habe  Herzog  Friedrich  die 
römische  Königskrone  angeboten,  dieser  sie  aber  abgelehnt  (Böhmer-Ficker, 
Eeg.  3126;  vgl.  die  vorige  Anmerkung). 

1)  Geht  aus  dem  Schreiben  des  Kaisers  vom  Mai  (siehe  unten  Anm.  3) 
hervor. 

2j  Cont.  Garst.  (M.  G.  SS.  IX,  597).  Vgl.  Tanhuser  (Hagen,  Minne- 
singer HI). 

3)  Huillard-Breholles  VI,  273. 

4)  a.  a.  0.  VI,  300.  —  Vgl.  Böhmer-Ficker,  Regesten  Nr.  3478  hia 
-3484,  speziell  die  Anmerkung  zu  3484. 

Yancsa,  Geschichte  Nieder-  u.  Oberosterreichs.  ^^9 


450  Achtzehntes  Kapitel. 

König  sollte  die  volle  Gerichtsbarkeit  in  seinem  Reiche  zustehen, 
(vermutlich  dadurch  jede  Appellation  an  das  Reich  wegfallen),  das 
Hoigericht  kompetente  Instanz  für  die  Vergehen  der  Grafen,  Edlen 
und  ]\Iinisterialen  sein.  Endlich  sollte  Krain  in  ein  von  Oster- 
reich abhängiges  Herzogtum  umgestaltet  und  einem  Verwandten, 
einem  natürlichen  Sohn  des  Patriarchen  Bertold  von  Aquileja, 
Anselinus,  verliehen  werden. 

Auffallen  mag,  dafs  hier  von  einer  Nachfolge  der  weibhchen 
Deszendenz  und  von  der  Begünstigung  beim  Besuch  der  lioftage 
und  bei  den  Reichskriegen  nicht  mehr  die  Rede  ist.  Der  Kaiser 
mochte  nicht  ohne  Gegenkonzessionen  jenes  grofse  Gnadengeschenk 
verleihen  wollen.  Es  sollte  aber  gar  nicht  zur  Verleihung 
kommen,  denn  die  Hauptbedingung  konnte  nicht  erfüllt  werden, 
da  sich  Friedrichs  Nichte  Gertrud,  vielleicht  nicht  ohne  Einwirkung 
der  päpstlichen  Partei,  weigerte,  den  Kaiser,  solange  er  sich  im 
Banne  befände,  zu  ehelichen  ^). 

So  mufste  denn  vorläufig  das  ganze  Projekt  aufgeschoben 
werden,  und  der  Herzog  reiste  unverrichteter  Dinge  von  Verona 
ab,  nicht  ohne  sich  ^vorher  wenigstens  das  Privileg  von  1156  vom 
Kaiser  bestätigen  zu  lassen  2).  Aufgehoben  wären  darum  die  Pläne 
nicht,  die  Verhandlungen  wurden  im  Gegenteil  weitergeführt ") 
und  wären  vermutlich  doch  in  veränderter  Form  zum  Ziele  gelangt, 
wenn  nicht  der  Tod  den  jungen  Herzog  mitten  aus  seinen  ehr- 
geizigen Bestrebungen  herausgerissen  hätte.  Ja  selbst  wenn  die  anti- 
staufisch-päpsthche  Politik  in  Deutschland  siegreich  gewesen  wäre, 
so  hätte  Herzog  Friedrich  Aussicht  auf  Verwirklichung  seiner  Pläne 
gehabt,  denn  der  1245  zum  Gegenkönig  gewählte  Heinrich  Raspe 
von  Thüringen  war  sein  Schwager,  da  er  sich  1238  mit  seiner 
freiUch  mittlerweile  verstorbenen  Schwester  Gertrud  vermählt  hatte. 


1)  Matthaeus  Parisius,  Eist,  major.  S.  450  (hgg.  von  Watts,  Lon- 
don 1684). 

2)  Huillard-Breholles  VI,  291.  —  Erben,  Das  Privilegium  Fried- 
richs I.  für  das  Herzogtum  Österreich  S,  123  nimmt  an,  dafs  dieses  Privileg 
kurz  zuvor  zwischen  1243  und  1245  von  Herzog  Friedrieh  durch  die  Zusätze 
über  den  Besuch  der  Hoftage  und  die  Heeresfolge,  sowie  über  das  Verfügungs- 
recht des  Herzogs  hinsiciitlich  der  Nachfolge  gefälscht  worden  sei. 

3)  Böhmer-Ficker,  Eegesten  3500. 


Überbebuiig  der  lierzogliclien  Macht.  451 

Es  hätte  dann  in  der  Tat  die  intransigente  Politik  des  stolzen, 
selbstbewufsten  und  kühnen  Herzogs  das  Gebäude,  an  dem  seine 
Vorfahren  weise  und  bedächtig  gebaut  hatten,  gekrönt! 

Merkwürdigerweise  fehlte  auch  nicht  viel  daran  und  er  hätte 
auch  in  kirchlicher  Beziehung  die  gleichfalls  bereits  von  seinen 
Vorfahren  angestrebte  selbständige  Stellung  Österreichs  erreicht 
Das  führt  uns  zur  Betrachtung  des  Verhältnisses  Friedrichs  zum 
Papst  und  zur  Kirche  im  allgemeinen.  Auch  da  hatte  sich  in 
dieser  letzten  Babenbergischen  Periode  ein  Umschwung  voU- 
zoo-en.  Herzog  Friedrich,  nicht  umsonst  ein  Kind  des  Zeitalters 
des  aufklärerischen  Kaisers  Friedrich  H.,  war  eigentlich  weder 
kirchlich  noch  kirchenfreundlich  gesinnt.  Dennoch  war  seine  Macht 
so  grofs,  seine  Haltung  so  ausschlaggebend,  dafs  er  fast  stets  auch 
von  der  Kirche  umbuhlt  war. 

Gleich  zu  Beginn  seiner  Regierung,  als  Herzog  Friedrich  einen 
sehr  gefährlichen  Adelsaufstand  zu  überwinden  hatte,  finden  wir 
die  Stifter  und  Klöster,  von  den  Ritterorden  namentlich  die  Jo- 
hanniter auf  seiner  Seite,  teils  nach  der  Tradition  aus  der  Zeit 
seines  Vaters,  teils  um  ihres  Vorteils  willen,  da  ihnen  die  Mini- 
sterialen feindselig  gesinnt  waren.  Sie  verschafften  ihm  im  Vereine 
mit  den  Städten  die  materiellen  Mittel,  um  des  Aufstandes  Herr 
zu  werden;  deshalb  wurde  ihr  vielfach  beeinträchtigter  Besitz 
von  dem  Herzoge  wiederhergestellt  und  durch  Schenkungen  ihr 
Schaden  wieder  gutgemacht  ^).  Aber  bald  bekamen  sie  seine 
rücksichtslose  Hand  zu  spüren.  Um  die  andauernden  Kriege  gegen 
seine  Nachbarn  führen,  um  insbesondere  dem  grofsen  Reichskrieg 
standhalten  zu  können,  bedurfte  er  ganz  aufserordentlicher  Mittel, 
die  ihm  nur  seine  Untertanen  liefern  konnten,  wenn  er  alles  zur 
Kontribution  heranzog  ''^).    Das  Kirchengut,  als  das  bedeutendste  im 

1)  Eestitutionen  erhielt  Göttweig  1231  und  1233,  dazu  eine  herzogliche 
Schenkung  1232  (Font.  rer.  Austr.  VIII,  295,  309;  Meiller,  Eeg.  149,  7); 
Schenkungen  Melk  am  2.  November  1231  (Meiller  149,  5);  Lilienfeld  am 
28.  April  (a.  a.  0.  149,  8);  Mariazeil  am  22.  Juli  (a.  a.  0.  150,  11);  Lambaeh 
am  26.  September  1232  (a.  a.  0.  150,  13);  die  Johanniter  wenigstens  eine 
SchenkuDgsbestätigung  (a.  a.  0.  149,  4).  Sie  alle  dürften  vermutlich  den  Herzog 
unterstützt  haben. 

2)  Cont.  Sancruc.  11  (Mon.  Germ.  SS.  IX,  638).  Ich  komme  darauf  noch 
zurück. 

29* 


453  Achtzehntes  Kapitel. 

Lande,  hatte  aucli  am  meisten  unter  diesen  Steuerforderungen  zu 
leiden.  Die  grolsen  Bistümer,  die  in  Osterreich  begütert  waren, 
Salzburg,  Passaii,  Bamberg,  Freisiug  und  Regensburg,  wurden 
aulserdem,  wie  wir  gesehen  haben,  durch  eine  Grenzsperre,  die 
die  Getreideausfuhr  aus  dem  Lande  und  wohl  auch  aus  Ungarn 
verhindern  sollte,  schwer  geschädigt.  Noch  viel  brutaler  ging  der 
Herzog  vor,  als  der  Reichskrieg  drohte.  Mit  Gewalt  wurde  an 
einem  festgesetzten  Tage  alles  Bargeld  der  Klöster,  gleichgültig  ob 
Eigentum  oder  Deposit,  mit  Beschlag  belegt  '). 

Erblickten  die  grolsen  Kirchenfürsten,  wie  Eberhard  von  Salz- 
burg und  Konrad  von  Freising,  trotzdem  anfangs  noch  immer  in 
einem  Zusammengehen  mit  Österreich  die  richtige  Politik  und 
suchten  sie  trotz  des  für  den  Herzog  so  verhängnisvollen  Mainzer 
Reichstages  ganz  im  Sinne  des  Kaisers  zu  vermitteln,  so  war  es 
andrerseits  nur  ganz  natürlich,  dafs  infolge  der  geschilderten  Ge- 
walttätigkeiten die  Stimmung  in  den  österreichischen  Klöstern  in 
eine  feindselige  umschlug,  die  sich  auch  in  der  Tat  in  den  Kloster- 
annalen  der  Zeit,  mit  Ausnahme  der  Melker,  sehr  deutlich  wider- 
spiegelt. 

Ihr  Vorteil  schien  sie  nun  auf  die  Seite  des  Kaisers  zu  führen. 
Als  dieser  in  Wien  siegreich  einzog,  beeilten  sie  sich,  die  Bestäti- 
gung ihrer  Privilegien  von  ihm  zu  erlangen,  da  ja  von  jetzt  an 
die  Herzogtümer  reichsunmittelbar  sein  sollten  ^).  Und  in  ihrer 
Haltung  trat  keine  Änderung  ein,  als  der  Kaiser  dem  Kirchen- 
banne verfiel.  Wie  die  süddeutschen  Kirchenfürsten  blieben  auch 
sie  staufisch  und  standen  auf  diese  Art  abermals  in  Gegnerschaft 
zu  ihrem  Landesfürsten,  der  im  Jahre  1238  offen  zur  päpstlichen 
Partei  übergetreten  war;  das  war  das  Ergebnis  der  diplomatischen 
Bemühungen  des  Legaten  Albert  Behaim  von  Kager,  noch  mehr  der 
persönlichen  Verwendung  des  Papstes  selbst,  sowie  der  vermitteln- 
den Bischöfe  von  Passau  und  Freising  ^).    Aber  die  AVandlung  in 

1)  Vgl.  auch  das  viel  zietierte  Anklageschreiben  des  Kaisers. 

2)  Erhalten  sind  die  Bestätigungen  für  Passau,  die  Schotten  in  Wien, 
Göttweig,  Seitenstetten,  Heihgenkreuz,  Lambach,  St.  Florian,  Erla,  Waldhausen, 
Wilhering,  Reichersberg,  St.  Peter  in  Salzburg,  Raitenhaslach,  Metten,  St.  Niko- 
laus, Aldersbach  und  den  deutschen  Eitterorden  (Böhmer- Ficker,  Eegesten 
Nr.  2210-2216,  2219—2224,  2226-2235,  2239—2242). 

3)  Alberts  Konzeptbiicher  siehe  oben;  an  Literatur  über  ihn  vgl.  Schirr- 


ÜberhebuDg  der  herzoglichen  Macht.  453 

der  Politik  des  Herzogs,  die  nur  aus  Opportunitätsgriinden  erfolgt 
war,  hatte  keine  lange  Dauer.  Nicht  viel  später  als  nach  einem 
Jahre  nahm  der  Herzog  das  Opfer  seiner  Überzeugung  zurück 
und  suchte  lieber  sein  Heil  im  Anschlufs  an  den  Kaiser. 

Jetzt,  da  er  wieder  Herr  in  seinem  Lande  geworden  war, 
konnte  auch  seine  Stellung  zu  den  Klöstern  eine  andere  werden. 
Er  stand  ihnen  jetzt  wieder  als  Landesfürst  gegenüber,  und  sein 
Interesse  lag  nun,  da  er  sich  in  den  Dienst  der  kaiserlichen 
Politik  zu  stellen  gesonnen  war,  darin,  mit  seinen  Untertanen  — 
und  als  diese  betrachtete  er  wohl  auch  die  Klöster  —  in  Frieden 
zu  leben.  Er  mufste  ihnen  jedoch  auch  Ersatz  für  die  Vorteile 
bieten,  die  sie  von  der  vorübergehenden  Reichsunmittelbarkeit  mit 
Recht  hoffen  konnten.  Als  wieder  erstandener  Landesfürst  bereiste 
er  nunmehr  seine  Länder,  um  gewissermafsen  persönlich  seine  Gnaden 
auszuteilen.  So  bestätigte  er  am  24.  Januar  1240  in  Wels  dem 
Kloster  Kremsmünster  die  Entvogtung  von  Heinrich  von  Grafen- 
stein und  machte  ihm  eine  kleine  Schenkung  von  drei  Hufen  in 
Grafenberg;  am  31.  Januar  erhielt  das  Kloster  Waldhausen  eine 
umfangreiche  Immunitätsurkunde  für  seine  Besitzungen  im  Mach- 
lande und  Niederösterreich  (um  Laa)  und  das  Kloster  Wilhering 
die  Pfarre  Gramatstetten ;  am  20.  Februar  übertrug  er  dem  Kloster 
Zwettl  das  Gut  Radenreutte;  am  16.  März  empfing  Seitenstetten 
eine  Schenkung;  am  27.  Klosterneuburg  die  Bestätigung  einer 
Schenkung  seines  Vaters,  und  am  9.  August  das  Kloster  Garsten 
die  Bestätigung  der  Bevogtung  durch  den  Herzog  von  Österreich; 
aufserdem  wurden  Maut-  und  Zollbefreiungen  für  Wein  und  Lebens- 
mittel dem  Domkapitel  von  Salzburg  am  15.  Juli,  den  Klöstern 
St.  Nikolaus  in  Passau  und  Raitenhaslach  am  24.  September, 
Reichersberg  am  13.  Oktober,  Niederaltaich  und  Osterhofen  am 
28.  Februar  1241,  Tegernsee  am  1.,  Formbach  am  2.  März  und 
Baumberg  am  27.  Mai  verliehen  ^). 

macher,  Albert  von  Possemünster  (1871);  Lerchenfeld-Aham  (Histor.-pol. 
Blätter  S.  352,  1874);  Eatzinger  (ebendas.  LXXXIV,  105,  LXXXV,  195); 
Winkelmann  (Histor.  Zeitschr.  XXVII,  157). 

1)  Moiller,  Regesten  159,  51;  160,  52—57;  162,  61,  62;  163—166, 
65,  66,  70,  76—80  und  84;  Hagn,  Urkundenbuch  von  Kremsmünster  S.  85,  86; 
Urkundenbuch  d.  L.  o.  d.  Euns  III,  77,  78,  81;  Font.  rer.  Austr.  2.  Abt.  HI, 
119;  XXXIII,  45. 


454  Achtzehntes  Kapitel. 

So  waren  wieder  bessere  Beziehungen  zwischen  Landesfürsten 
und  Klöstern  angebahnt,  die  sich  auch  in  den  Annalen  erkennen 
lassen  *)  und  die  auch  nicht  getrübt  wurden,  als  der  Herzog  zu- 
sammen mit  den  süddeutschen  Bischöfen  wegen  ihrer  Parteinahme 
für  den  gebannten  Kaiser  gleichfalls  dem  Banne  verfiel. 

Wir  sehen  also  mehr  denn  je  zuvor  die  kirchUchen  Ver- 
hältnisse abhängig  von  jeweiligen  politischen  Konstellationen.  Der 
kirchliche  Sinn  der  früheren  Epoche  war  bei  den  Fürsten  er- 
loschen. Die  Klöster  selbst  hatten  den  Höhepunkt  ihrer  Macht- 
stellung für  längere  Zeit  überschritten.  Aufser  den  gleich  zu 
nennenden  Mendikantenniederlassungen  wurden  in  dem  ganzen 
Zeiträume,  ja  noch  länger  keine  neuen  Klöster  in  Österreich  ge- 
gründet, die  alten  Klöster  etwa  mit  Ausnahme  der  materiell 
blühenden  Zisterzienzer  stagnierten  trotz  einzelner  Begünstigungen 
oder  gingen  sowohl  wirtschaftlich  als  auch  sogar  hinsichthch  der 
geistigen  Kultur  zurück. 

Es  hing  dies  mit  dem  Zuge  der  Zeit  und  auch  mit  den  spe- 
ziellen Verhältnissen  in  Österreich  zusammen.  Ein  aufklärerischer 
Geist,  wie  er  sich  am^  deutlichsten  in  der  Person  des  Kaisers  ver- 
körpert und  wie  er  auch  dem  Herzog  Friedrich  zu  eigen  war, 
ging  durch  die  Lande.  Der  Adel  betrachtete,  wie  wir  noch  sehen 
werden,  die  Klöster  neidisch  und  mifsgünstig  und  bedrängte  sie 
mit  seinen  Gewalttätigkeiten.  Es  war  überhaupt  wieder  einmal 
eine  Zeit,  in  der  sich  die  einzelnen  Stände  im  beginnenden 
Konkurrenzkampfe  gegenüberstanden  und  demzufolge  mit  ihrem 
Hasse  verfolgten.  Fälle  von  Demoralisation  beim  Klerus  wurden 
von  den  Gegnern  ausgebeutet  und  aufgebauscht  -).  Die  wirtschaft- 
liche Entwickelung  war  der  Klosterherrschaft  älteren  Stiles  nicht 
eben  günstig.  Das  Emporblühen  der  Städte  endlich  schuf  auch 
im  Mönchswesen  Wandelung  und  brachte  zu  Beginn  des  13.  Jahr- 
hunderts eine  ganz  neue  Kategorie  hervor,  die  nicht  mehr  in  der 
Landwirtschaft,  sondern  in  der  Geldwirtschaft  ihre  Grundlage  be- 
safs,   die  Bettelorden  ^).     Mit   erstaunhcher  Raschheit  verbreiteten 

1)  Besonders  die  Ann.  Sancrac.     (M.  G.  SS.  IX,  627  f.) 

2)  Heinrich  der  Teichner  hebt  hervor,  wie  wenig  geachtet  der  Klerus  in 
Österreich  sei. 

3)  Siehe  Uhlhorn  in  der  Zeitschrift  für  Kirchengeschichte  XIV,  347, 1894. 


Überhebung  der  herzoglichen  Macht.  455 

sie  sich,  getragen  von  der  Gunst  der  Verhältnisse,  von  ihrem  Ge- 
burtslande Italien  über  Deutschland  und  erfreuten  sich  bald  auch 
in  den  österi'eichischen  Städten  —  denn,  wie  gesagt,  waren  es 
diese,  in  denen  sie  sich  sefshaft  machten,  nicht  das  flache  Land  — 
ungewöhnlicher  Beliebtheit  ^).  Um  1230  liefsen  sich  Dominikaner 
und  Minoriten  in  Wien  nieder  "),  dem  innerhalb  eines  Jahrzehntes 
bald  andere  Klöster  zu  Stein,  Wiener  Neustadt,  Laa,  Tulln  u.  a. 
folgten,  1236  entstand  ein  Franziskanerkloster  in  Linz, 

Gerade  das  niedere  Volk,  dem  sie  in  ihrer  Bedürfnislosigkeit 
nahe  standen  und  an  das  sie  sich  in  erster  Linie  wandten,  strömte 
ihnen  zu.  Ihre  Predigten,  die  sich  gröfstenteils  der  Volkssprache 
bedienten,  fanden  massenhaften  Zulauf  und  waren  doppelt  not- 
wendig in  einer  Zeit,  in  der  sich  die  Sitten  lockerten  '^)  und  allent- 
halben ketzerische  Meinungen  fruchtbaren  Boden  fanden.  Die  Hä- 
resien, die  Herzog  Leopold  VI.  mit  eiserner  Hand  ausgerottet 
hatte,  hoben  jetzt  wieder  ihr  Haupt,  und  niemand  war  mehr, 
wenigstens  in  Osterreich,  der  ihnen  mit  gleicher  Strenge  entgegen- 
treten wäre  ^).  Die  Dominikaner  und  Minoriten  waren  aber  geradezu 
die  Träger  der  Inquisition  gegen  die  Ketzer  und  wurden  für  diese 
und  ähnliche  Aufgaben  von  der  Kurie  verwendet  ^). 

Doch  scheint  die  grofse  Razzia,  die  man  1231  —  1233  in 
Deutschland,  namentlich  am  Rheine  gegen  die  Waldenser  hielt,  in 
Osterreich  nur  wenig  Nachwirkung  gehabt  zu  haben,  wo  die  ver- 

1)  Die  Zeit  der  Gründung  ihrer  Klöster  ist  leider  in  keinem  Falle  mehr 
mit  voller  Sicherheit  festzustellen,  da  die  spätere  Ordenschronik  alles  aufgeboten 
hat,  um  die  Gründungsjahre  möglichst  hoch  hinaufzurücken.  Vgl.  für  das  Folgende : 
Priefs,  Geschichte  der  österreichischen  Minoritenprovinz  (Archiv  für  österr. 
Oesch.  LXIV,  79  f.). 

2)  Anton  Mayer,  Das  kirchliche  Leben  (in  der  vom  Altertumsvereine 
herausgegebenen  Geschichte  der  Stadt  Wien  I,  455). 

3)  Gerade  zu  jener  Zeit  wird  allgemein  über  die  wachsende  Unzucht,  ge- 
schlechtliche Laster  und  Vergehen  wider  die  Natur  geklagt,  allerdings  zumeist 
den  Häretikern  in  die  Schuhe  geschoben.  Vgl.  aufser  der  Literatur  über  die 
Häretiker  auch  Juritsch  a.  a.  0. 

4)  Die  Literatur  über  die  Häretiker  in  Österreich  während  des  Mittelalters 
siehe  oben  S.  411,  Anm,  2. 

5)  Später,  im  Jahre  1250,  wurden  die  Minoriten  Österreichs  beauftragt,  gegen 
den  gebannten  Kaiser  und  seinen  Anhang  das  Kreuz  zu  predigen  (abgedr.  bei 
Friefs  a.  a.  0.  S.  185,  Beil.  XV). 


45 C  Achtzehntes  Kapitel. 

worrenen  inneren  Verhältnisse  die  Verbreitung  des  Sektenwesens 
begünstigten.  Am  3.  September  1232  wurde  den  österreichischen 
Dominikanern  noch  besonders  eingeschärft,  gegen  die  angebUch 
von  den  Ketzern  verbreitete  widernatürHche  Unzucht  einzuschreiten  '). 
Dafs  aber  zahh'eiche  Häretiker,  wie  es  heifst,  Patarener  in  Öster- 
reich, namentlich  in  Wien  und  Wiener  Neustadt,  lebten,  geht  aus 
einem  Schreiben  hervor,  das  der  französische  Kleriker  Ivo  von 
Narbonne,  der  damals  von  Oberitalien  bis  in  unsere  Lande  zog, 
im  Jahre  1242  an  den  Erzbischof  von  Bordeaux  richtete  ^j.  Ja, 
es  war  sogar  das  Gerede  verbreitet,  dafs  der  Herzog  zu  den 
Häretikern  Beziehungen  unterhalte  ^). 

Das  mag  dahingestellt  bleiben,  aber  jedenfalls  war  der  Herzog 
nichts  weniger  als  kirchlich  gesinnt  und  stand  nach  kurzem 
vorübergehendem  Stellungswechsel  nun,  da  er  sich  ganz  offen  dem 
gebannten  Kaiser  angeschlossen  hatte,  ganz  im  Lager  der  anti- 
päpstlichen Partei. 

Es  zeugt  aber  von  der  Machtstellung  des  Herzogs  von  Oster- 
reich, dafs  der  neue  Papst,  Innozenz  IV.,  nachdem  er  nach  Lyon 
geflohen  war  (1244),  trotzdem  jener  noch  immer  nicht  vom  Banne 
gelöst  war,  wieder  seine  Freundschaft  suchte,  und  wenn  Herzog 
Friedlich  sich  nunmehr  mit  der  Kurie  in  neuerliche  Verhandlungen 
einliefs,  so  mochte  ihm  die  Vermittlerrolle  seines  Vaters  und  ak 
Preis  dafür  die  kirchliche  Selbständigkeit  seines  Landes  vor- 
geschwebt haben. 

Die  Gründung  eines  Wiener  Bistums  *),  einst  das  heifserstrebte 


1)  M.  G.  Epp.  s.  XIU.  I,  388. 

2)  Matthäus  Parisius,  Chron.  mai.  (M.  G.  SS.  XXVIII,  230);  auch  bei 
Friefs  in  der  Österreichischen  "Vierteljahrschrift  für  Tlieologie  XI,  250,  1872 
als  Beilage  II  abgedruckt. 

3)  David  von  Augsburg  spricht  allerdings  nur  von  einem  Reichsfürsten  der 
staufischen  Partei  (bei  P reger  in  den  Abhandlungen  der  hist.  Kl.  der  Münchener 
Akademie  XIII,  1.  Abt.,  219,  der  diese  Stelle  S.  227  auf  Friedrich  von  Öster- 
reich bezieht);  Riezler,  Geschichte  Baierns  11,  227  denkt  an  Herzog  Otto  II. 
von  Bayern. 

4)  Die  Literatur  siehe  oben  S.  406,  Anm.  3.  Die  schwache  Arbeit  Krab- 
bos  sucht  für  diesen  Abschnitt  den  Mangel  an  neuen  Materialien  und  Gesichts- 
punkten durch  eine  Kette  vager  Vermutungen  zu  verdecken,  u.  a.  finde  ich  keinen 
Beweis  dafür  erbracht,  dafs  Herzog  Friedrich  mehrere  Bistümer  gründen  wollte. 


Überhebung  der  herzoglichen  Macht.  457 

Ziel  seines  Vaters,  aber  seit  dreifsig  Jahren  in  den  Hintergrund  ge- 
drängt, tauchte  mit  einem  Male  wieder  auf.  Zunächst  sollte  Oster- 
reich seinen  speziellen  Landesheiligen  erhalten.  Zu  diesem  Behüte 
sollte  der  erste  Märtyrer  der  Babenbergischen  Ostmark,  dessen  Reli- 
quien in  Melk,  dem  Babenbergischen  Hauskloster,  aufbewahrt  waren, 
kanonisiert  und  die  Feier  seines  Gedächtnistages  in  ganz  Oster- 
reich und  „den  angrenzenden  Provinzen"  (gemeint  sind  natürlich 
die  Babenbergischen  Lande)  angeordnet  werden  ').  Die  Reliquien 
des  neuen  Landesheiligen  sollten  dann  an  den  Sitz  des  zu  er- 
richtenden österreichischen  Bistums  —  dafür  konnte  doch  wohl 
nur  Wien  in  Betracht  kommen  —  überführt  werden.  Darüber 
wurde  das  Gutachten  der  Prälaten  der  österreichischen  Herzog- 
tümer eingeholt  ').  Ja  es  scheint  sogar  bereits  der  Protonotar  des 
Herzogs,  der  Pfarrer  von  Wien,  Leopold,  als  Bischof  ausei'sehen 
gewesen  zu  sein. 

So  weit  war  die  Angelegenheit  gediehen,  als  Herzog  Fried- 
rich durch  das  Anerbieten  einer  österreichischen  Königskrone  von 
selten  des  Kaisers  mit  einem  Male  in  ein  anderes  Fahrwasser 
gelenkt  wurde.  In  dem  Mafse,  wie  er  sich  dem  neuen  Projekte 
mit  Feuereifer  zuwandte,  mufste  der  Papst  seine  Bereitwilligkeit 
in  der  Bistumsfrage  zurücknehmen.  Auch  da  traf  den  Herzog 
der  Tod,  ehe  er  zum  nahen  Ziel  gelangt  war,  denn  hätte  er 
weiter  gelebt,  wären  wohl  auch  die  Verhandlungen  im  geeigneteren 
Augenblicke  wieder  aufgenommen  worden. 

1)  Schreiben  des  Papstes  Innozenz  IV.  vom  10.  Mai  1244  an  den  Bischof 
von  Passau  (Meiller,  Eeg.  178,  132).  Vgl.  auch  Urwalek,  Der  königliche 
Pilger  Coloman  (Progr.  d.  n.  ö.  Landes-Realgynin.  in  Stockerau  1880).  Ich  ver- 
mute, dafs  um  diese  Zeit  auch  die  Kolomanskirclie  in  Wien  gegründet  worden  ist. 

2)  Erhalten  ist  das  Schreiben  des  Papstes  an  die  Äbte  von  Heiligenkreuz, 
Zwettl  und  Reun  vom  8.  März  1245  (a.  a.  0.  S.  180,  144). 


Neunzehntes    K  a  j)  i  t  e  1. 
Das  Gegenspiel  der  anderen  Machlfaktoren. 


Das  schöne  Gleichgewicht  der  Kräi^te,  das  unter  Leopold  VI. 
in  Osterreich  geherrscht  hatte,  störten  also  schon  die  Überhebung 
und  die  ehrgeizigen  Bestrebungen  des  Landesfürsten  nach  völliger 
Souveränität;  aber  auch  die  anderen  Kräfte  regten  sich,  um  für 
sich  neue  günstige  Positionen  zu  erringen. 

Die  ersten,  die  den  günstigen  Zeitpunkt  beim  Regierungs- 
antritte des  jugendlichen  Herzogs  benutzen  zu  müssen  glaubten,  um 
ihre  Stellung  zu  verbessern,  waren  die  Ministerialen.  Bei  ihnen 
machte  sich  nämlich  tatsächlich  das  Mifs Verhältnis  zwischen  ihren 
ursprünglichen  geringen  Rechten,  ihrer  historischen  Stellung,  die  noch 
immer  für  ihre  rechtliche  Behandlung  mafsgebend  war,  einerseits  und 
ihrer  Macht,  ihrem  Einflüsse,  den  sie  im  Laufe  der  letzten  fünfzig  bis 
sechzig  Jahre  erlangt  hatten,  andererseits  am  empfindlichsten  fühlbar^). 
Noch  konnten  Ministerialen  verschenkt,  vertauscht  und  sonst  ver- 
gabt werden  ^).  Die  Kinder  blieben  ebenso  unfrei ;  bei  Mischehen 
mit  Grafen  oder  Freien  folgten  sie  dem  niederen  Stande  und  waren 
für  die  Güter  der  Grafen  nicht  erbberechtigt  ^) ;  bei  Ehen  zwischen 
Ministerialen  verschiedener  Grundherren  wurden  die  Kinder  zwischen 


1)  Vgl.  Siegels  schon  zitierte  Abhandlung  im  102.  Band  der  Wiener 
Sitzungsberichte  und  Hasenöhrl,  Österreichisches  Landrecht  im  13.  und 
14.  Jahrhundert  S.  67  (Wien  1867);  auch  Juritsch  S.  518 ff.  und  die  oben 
genannten  Monographien  über  Friedrich. 

2)  Mon.  Boic.  XXVnib,  343  (1217);  Font.  rer.  Austr.  YIII,  49,  80,  88; 
ÜB.  von  Kremsmünster  S.  63  (1206);  Meichelbeck,  Hist.  Frising.  II ^  51 
u.  a.  m. 

3)  Font.  rer.  Austr.  XXXI,  267;  Archiv  f.  österr.  Gesch.  XXYII,  271. 


Das  Gegenspiel  der  anderen  Maclitfaktoren.  459 

letzteren  geteilt  ^).  Schenkungen ,  Verkauf  oder  Tausch  von 
Ministerialengütern  unterlag  der  Zustimmung  ihres  Herrn  ^). 

Andererseits  war  das  Ansehen  der  Dienstmannen  in  Osterreich 
durch  die  dauernde  Begünstigung  der  Babenberger  so  mächtig 
gestiegen,  wie  nirgends  anderswo  in  Deutschland.  Die  herzog- 
lichen Ministerialen  waren  schon  der  Zahl  nach  ganz  bedeutend 
angewachsen  gegenüber  der  im  steten  Rückgang  begriffenen  Zahl 
der  Grafen  und  Freien.  So  begannen  sie  eine  wichtige  Rolle  beim 
Kriegsdienst  und  in  dem  Rat  des  Fürsten  zu  spielen,  welche 
der  der  altfreien  Geschlechter  immer  ncäher  kam.  Da  sie  über- 
dies durch  ihre  verschiedenen  Dienstleistungen  meist  dem  Herzoge 
auch  persönlich  zur  Seite  standen,  so  gewannen  sie  auch  Ein- 
flufs  bei  den  vei'schiedenen  Regierungshandlungen.  Es  läfst  sich 
schon  unter  Herzog  Leopold  VI.  ein  adeliger  Rat  des  Landes- 
fürsten nachweisen,  wie  er  übrigens  auch  ziemlich  gleichzeitig 
sich  in  Steiermark  und  Bayern  zeigt  und  wie  er  sich  später  zu 
einer  eigenen  Institution  ausgebildet  hat  '^).  Auch  ihr  Besitz 
wuchs,  wie  wir  gesehen  haben,  immer  mehr  an  und  überflügelte 
teilweise  den  der  Grafen  und  Freien. 

Dazu  kamen  politische  Ereignisse,  infolge  deren  den  öster- 
reichischen Ministerialen  der  Kamm  aufserordentlich  schwoll.  Im 
Jahre  1226  folgte  Herzog  Leopold  VI.  dem  Rufe  des  Kaisers 
nach  Italien  zur  Unterwerfung  der  Lombardei.  Seine  Abwesen- 
heit benutzte  König  Ottokar  von  Böhmen,  um  sich  für  die  Zu- 
rücksetzung bei  der  Verheiratung  des  deutschen  Thronfolgers  zu 
rächen,  denn  ihm  war  ohne  Zweifel  in  der  Sache  am  ärgsten  mit- 
gespielt worden.  Ihm  scheint  sogar  eine  Zusage  in  bezug  auf 
seine  Tochter  Agnes  gegeben  worden  zu  sein,  er  und  sein 
Schwager,  Ludwig  von  Bayern,  hatten  sich  zur  Zahlung  einer 
ansehnhchen  Mitgift  (45000  Mark)  bereit  erklärt,  und  Prinzessin 
Agnes  war  Herzog  Leopold  von  Österreich  zur  Erziehung  am 
Wiener  Hofe  bis  zum  Vollzuge  der  Vermählung  anvertraut  worden. 

1)  Meiller,  Eegesten  98,  69;  118,  136;  122,  152;  132,  182.  Vgl.  auch 
Schwabenspiegel  S.  158. 

2)  Meiller,  Kegesten  91,  46;  113,  116:  132,  183. 

3)  Consiliarii  nennt  die  Lilienfelder  Stiftungsurkunde  von  1209  (Meiller, 
Eegesten  101,  75). 


460  Neunzehntes  Kapitel. 

Es  ist  daher  nur  zu  begreiflich,  wenn  der  Böhmenköuig  jetzt, 
nachdem  ganz  unerwarteterweise  Leopold  von  Österreich  selbst 
bei  dieser  Heiratskonkurrenz  als  Sieger  hervorgegangen  war,  seinen 
Zorn  gerade  gegen  ihn,  nicht  nur  als  den  Sieger,  sondern  auch 
den  unehrlichen  Makler  und  vermutlichen  Urheber  seiner  Nieder- 
lage richtete.  So  fiel  er  denn  im  Frühjahre  122G,  kaum  dafs 
Leopold  nach  Italien  gezogen  war,  in  (Österreich  ein.  Gleichzeitig- 
empörte  sich  Leopolds  Sohn  Heinrich  gegen  seinen  Vater  ^). 

Die  Ursachen  dieser  Empörung  sind  in  Dunkel  gehüllt. 
Möghcherweise  ist  eine  Salzburger  Quelle  ")  gut  unterrichtet,  wenn 
sie  die  Erbfolgetrage  als  Grund  anführt.  Vielleicht  wollte  sein 
Vater  persönlicher  Differenzen  wegen  ihn,  der  infolge  des  frühen 
Todes  des  Erstgeborenen,  Leopold,  —  er  war  1216  von  einem 
Baume  gestürzt  —  nunmehr  der  älteste  Sohn  war,  zugunsten 
seines  jüngeren  Bruders  Friedrich  zurücksetzen;  weniger  wahr- 
scheinUch  ist  es  mir,  dafs  ein  so  kluger  Politiker  wie  Leopold  an 
eine  abermahge  Länderteilung  zwischen  seinen  beiden  Söhnen  ge- 
dacht haben  sollte  ^).  Der  Einfall  des  Böhmenkönigs  kann  direkt 
oder  indirekt  —  als  sich  darbietende  günstige  Gelegenheit  —  da- 
mit in  Beziehung  gebracht  werden  ^). 

In  dieser  kritischen  Lage  sandte  Herzog  Leopold,  der  noch 
bei    einem    früheren    Anlasse,     nämlich    als    er    im    Jahre     1210 


1)  Nur  zwei  Quellen  unterrichten  uns  in  kurzen  Worten  darüber,  die  Cout. 
Sancruc.  I  (M.  G.  SS.  IX ,  626)  und  die  Annales  S.  Ruberti  Salisb.  (a.  a.  .0. 
S.  783). 

2)  Eben  die  letztgenannte. 

3)  Wie  Ficker,  Herzog  Friedrich  II.  S.  8,  Anm.  1  vermutet. 

4)  Vielleicht  sind  hier  die  „verderblichen  Pläne"  zu  suchen,  von  denen 
die  Heiligenkreuzer  Quelle  spricht.  Dagegen  bin  ich  nicht  der  Ansicht,  die, 
soviel  ich  sehe,  zuerst  Hirn  a.  a.  0.  S.  3  und  nach  ihm  fast  alle  späteren 
Historiker  (Gat scher,  Ficker,  Juritsch  usw.)  geäufsert  haben,  dafs  bereits 
dieser  Aufstand  eigentlich  ein  Aufstand  der  Ministerialen  gewesen  sei,  die  de» 
Babenbergisclien  Prinzen  vorgeschoben  hätten,  denn  gerade  die  Führer  der  späteren 
Opposition,  die  Kuenringer,  sind  ja  die  Bekämpfer  des  Aufstandes  und  Erretter 
des  Landes,  und  die  Cont.  Sancruc.  nennt  die  Edlen  des  Landes  als  Vermittler 
der  Versöhnung,  was  auch  schwer  möglich  jiewesen  wäre,  wenn  sie  die  Unter- 
legenen gewesen  wären.  Dafs  schliefslich  Prinz  Heinrich  jedenfalls  über  eine 
Anzahl  von  Ministerialen  verfügt  haben  mufs,  ist  ja  bei  der  damals  üblichen  Art 
der  Kriegführung  selbstverständlich. 


Das  Gegenspiel  der  anderen  Machtfaktoren.  461 

die  Kreuzfahrt  antreten  wollte,  den  Markgrafen  Dietrich  von 
Meifsen,  dessen  Tochter  seinen  erstgeborenen  Sohn  Leopold  heiraten 
sollte,  zu  seinem  Stellvertreter  in  Osterreich  bestimmen  wollte,  nun- 
mehr einen  blofsen  Ministerialen,  Heinrich  II.  von  Kuenring,  in 
die  Heimat,  um  an  seiner  Statt  Ordnung  zu  schaffen  ^).  Mit 
Energie  warf  sich  dieser  auf  die  Böhmen,  jagte  sie  über  die 
Grenze  und  verfolgte  sie  tief  in  ihr  Land  hinein,  Südböhmen  ver- 
heerend, wofür  er  allerdings  in  den  päpstlichen  Bann  verfiel,  da 
er  auch  der  Kirchengüter  nicht  geschont  hatte.  Auch  der  Aui- 
stand  des  Prinzen  Heinrich  wurde  niedergeschlagen;  leider  melden 
die  einsilbigen  Quellen  nicht,  ob  auch  hier  der  Kuenringer  die  Waffen 
führte,  aber  wir  können  es  vermuten.  Die  Feste  Hainburg,  in 
deren  Besitz  sich  Heinrich  nach  Vertreibung  seiner  eigenen  Mutter 
gesetzt  hatte,  wurde  wieder  erobert.  Die  Ministerialen  vermittelten 
auch  eine  Aussöhnung  zwischen  Vater  und  Sohn,  freilich  eine  recht 
äufserliche,  denn  Heinrich  soll  noch  später  seinem  Vater  nach- 
gestellt haben.  Er  starb  vereinsamt  im  Jahre  1228  mit  Hinter- 
lassung einer  Tochter  Gertrud,  die  später  noch  eine  wichtige  Rolle 
zu  spielen  berufen  war.  Heinrich  von  Kuenring  aber,  der  übrigens 
durch  die  Vermittelung  Herzog  Leopolds  wieder  vom  Kirchenbanne 
losgesprochen  wurde,  erhielt  zur  Belohnung  für  seine  treuen  Dienste 
in  demselben  Jahre  die  Würde  eines  Marschalls  ^). 

Eben  dieser  Heinrich  von  Kuenring  nun  war  es,  der  nach 
dem  Tode  seines  Gönners  an  die  Spitze  der  rebellischen  Ministerialen 
trat,  und  mit  ihm  sein  Bruder  Hadmar  III.  ^).    Jetzt  oder  nie  schien 


1)  Nach  dem  Schreiben  des  Papstes  (Mon.  Germ.  Epp.  s.  XIII,  Nr.  347) 
heifst  es  ausdrücklich  „admiserat",  woraus  hervorgehen  dürfte,  dafs  Herzog 
Leopold  Heinrich  von  Kuenring  zur  Verweserschaft  des  Landes  erst  entsandte, 
nicht  schon  vor  seinem  Abzug  bestimmte.  Es  ist  ja  auch  wahrscheinlicher,  dafs 
ihn  zunächst  sein  Sohn  hatte  vertreten  sollen. 

2)  Nicht  eigentlich  Landmarschall,  wie  ihn  die  Historiker  gemeiniglich 
nennen,  sondern  Hofmarschall,  wie  Wretschko,  Das  österreichische  Land- 
marschallamt (Wien  1897),  überzeugend  dargetan  hat.  Darüber,  und  dafs  nun- 
mehr das  Marschallamt  in  der  Familie  der  Kuenringer  erblich  blieb,  siehe  später. 

3)  Quellen :  Cent.  Sancruc.  Mon.  Germ.  SS.  IX,  627 ;  Cont.  Claustroneob. 
III,  637;  Cont.  Prädicat.  Vindobon.  726;  Annal.  Mellic.  507  und  besonders  Cont. 
Lambac.  558;  dagegen  ist  das  Zwettler  Stiftungsbuch  (Font.  rer.  Austr.  HI, 
2.  Abt.),  eine  Art  Kuenringische  Heldenlegende,   nur  mit  der  gröfsten  Vorsicht 


462  Neunzehntes  Kapitel. 

der  Zeitpunkt  gekommen,  in  dem  sie  die  ihrer  politischen  Stellung 
und  ihrem  Einflüsse  entsprechenden  Rechte  erringen  konnten.  Mit 
Neid  mochten  sie  aul"  die  glänzende  Bevorzugung  der  Kirchen  und 
Klöster,  auf  das  aufstrebende  und  begünstigte  Bürgertum,  endlich 
auf  ihre  Standesgenossen  in  Steiermark  blicken,  die  nicht  nur  vielfach 
günstiger  gestellt  waren,  sondern  noch  dazu  in  der  Georgenberger 
Handfeste  bereits  seit  fünfzig  Jahren  eine  sichere  Verbriefung  ihrer 
Rechte  besafsen. 

Die  hohe  Vertrauensstellung,  die  die  Kuenringer  unter  Herzog 
Leopold  einnahmen  —  Hadmar  HI.  weilte  an  seiner  Seite  zu  San 
Germano  — ,  ermöglichte  es  auch,  dafs  sie  sich  sofort  des  herzog- 
lichen Schatzes  bemächtigen  konnten.  Ebenso  gelang  es  ihnen, 
wie  vor  vier  Jahren  dem  Prinzen  Heinrich,  den  Böhmenkönig, 
wenn  schon  nicht  zu  einem  direkten  Bündnis,  so  doch  zu  einem 
gleichzeitigen  Einfall  in  Osterreich  zu  bewegen,  der  das  Gebiet 
bis  zur  Donau  durch  fünf  Wochen  hindurch  mit  Plünderung  und 
Verheerung  heimsuchte.  Die  Eeindseligkeit  der  Ministerialen  ^) 
richtete  sich  bezeichnender  Weise  hauptsächlich  gegen  die  kirch- 
lichen Besitzungen  und  gegen  die  Städte.  Vor  allem  hatte  das  rings- 
um von  Kuenringischera  Eigen  eingeschlossene  Kloster  Zwettl  zu 
leiden.  Es  wurde  seiner  Güter  beraubt  und  die  Stadt  Zwettl  mit 
starken  Befestigungen  umgeben.  Aber  auch  Melk,  Göttweig,  Geras, 
Pernegg  und  Klosterneuburg  sowie  der  Pas^auer  Besitz  wurden 
schwer  geschädigt,  und  die  Städte  Krems  und  Stem  niedergebrannt. 

Der  junge  Fürst  hatte  so  Gelegenheit^  gleich  zu  Beginn  seiner 
Regierung  eine  Probe  seiner  Energie  abzulegen,  indem  er  trotz 
der  Macht  seiner  Gegner  und  trotz  ihrer  anfänglichen  Erfolge 
dennoch  des  Aufstandes  Herr  wurde.  Allerdings  verfügte  er  noch 
immer  über  eine  genügende  Anzahl  von  Dienstmannen,   die    ver- 

zu  benutzen.  An  Literatur  vgl.  aufser  den  oben  zitierten  Monographien  über 
Herzog  Friedrich  und  Juritsch  S.  523 f.  noch  Friei's,  Die  Herren  von  Kuen- 
ring  und  Gatscher,  Drei  Sagen  aus  der  Geschichte  Österreichs  zur  Zeit  der 
Babenberger  IH,  16  (XIII.  Progr.  d.  k.  k.  Ober -Gymnasiums  zu  Seitenstetten 
1879),  wo  an  dem  Berichte  des  Stiftungsbuches  Kritik  geübt  wird. 

1)  Ficker  a.  a.  0.  S.  14  will  alle  jene  Dienstherren,  die  am  30.  No- 
vember 1230  zu  Lilienfeld  in  der  Umgebung  des  Herzogs  genannt  werden,  aber 
am  13.  März  1231  zu  Wien  nicht  mehr  erscheinen,  zu  den  Aufständischen  rechnen, 
also  die  Sonnberg,  Zebing,  Feldberg,  Bauragarten,  Anschau. 


Das  Gegenspiel  der  anderen  Machtfaktoren.  463 

mutlich  aus  kleinlichen  Eifersüchteleien  und  persönlichem  Zwie- 
spalt sich  den  übrigen  nicht  anschlössen,  und  Rittern.  Es  waren 
dies  hauptsächlich  Otto  von  Perchtoldsdorf,  Hermann  von  Kranichs- 
berg, Irnfried  von  Himberg  und  Heinrich  von  Brunn  ^).  Die  wenigen 
alten  Grafen  und  Freien,  von  denen  Graf  Konrad  von  Plaien- 
Hardegg  ausdrücklich  genannt  wird,  sowie  die  Klöster  und  Städte 
mochten  ihm  aus  eigenem  Interesse  zur  Seite  stehen  und  seinem 
Mangel  an  Geldmitteln  abhelfen.  So  gelang  es  ihm,  obwohl  die 
Aufständischen  sich  auch  des  Donauüberganges  bei  Korneuburg 
bemächtigt  hatten,  in  das  Gebiet  des  Aufruhrs  im  Waldviertel 
siegreich  vorzudringen.  Die  festen  Burgen  der  Kuenringer,  Dürn- 
stein  und  Aggstein  an  der  Donau,  sowie  Weitra  wurden  gebrochen, 
die  Befestigungen  der  Stadt  Zwettl  geschleift,  die  mit  den  Waffen 
in  der  Hand  Gefangenen  gehenkt,  von  den  anderen  Geiseln  ge- 
nommen, die  den  Klöstern  entfremdeten  Güter  mufsten  zurück- 
gegeben werden  ^).  Ein  Zeichen  politischer  Klugheit  des  jungen 
Herzogs  ist  es,  dafs  er  gerade  gegen  die  Häupter  der  Rebellen, 
gegen  die  mächtigen  Kueni'inger,  nicht  mit  voller  Strenge  verfuhr, 
wohl  erwägend,  dafs  er  sich  seinen  Augenblickserfolg  nicht  verscherzen 
dürfe.  Als  sich  Heinrich  von  Kuenring  —  Hadmar  war  indessen, 
im  April  1231,  gestorben  —  unterwarf  und  den  geraubten  Schatz 
auslieferte,  nahm  Friedrich  ihn  in  Gnaden  auf  und  hefs  ihm 
sogar  das  Marschallamt. 

Diese  Milde  dürfte  ja  zunächst  die  Kuenringer  und  ihren  An- 
hang dem  Herzog  verpflichtet  haben.  Aber  im  allgemeinen  blieb 
trotzdem  die  feindsehge  Stimmung  bestehen,  denn  die  Ministerialen 
merkten  gar  bald,  dafs  der  neue  Herzog  auch  nach  innen  völlige 
Souveränität  anstrebe  und  ihren  Stand  nicht  einmal  achten,  geschweige 
denn  begünstigen  wolle.  Er  verletzte  wohl  nicht  selten  ihre  Vor- 
rechte, Persönliches  kam  noch  hinzu,  denn  der  junge  und  feurige 
Fürst  mag  manchem  Edelfräulein,  mancher  ehrsamen  Burgfrau  nach- 
gestellt haben  und  der  beleidigte  Vater,  Gatte  oder  Bruder  fand  kein 


1)  Diese  erscheinen  in  der  kritischen  Zeit  als  Zeugen  herzoglicher  Urkunden. 

2)  Göttweig  erhielt  am  17.  April  1231  und  im  Jahre  1233  Güter  von  den 
Kuenringern  zurück  (Font.  rer.  Austr.  VIII,  295  und  309),  dagegen  führte  Zwettl 
nach  dem  Stiftungsbuch  (a.  a.  0.  III)  mit  den  Kuenringern  wegen  der  ent- 
fremdeten Güter  einen  längeren  Prozefs. 


464  Neunzehntes  Kapitel. 

Recht,  sondern  wurde  eher  höchstens  verhöhnt.  Noch  unj^escheuter, 
auch  dort,  wo  andere  Verfüii;unp;en  vorlagen,  belegte  er  bei  kinder- 
losem Tode  Familiengut  mit  Beschlag,  wie  im  Falle  des  Aus- 
sterbens der  Domvögte  von  Regensburg,  deren  Besitz  eigentlich 
dem  Kaiser  vermacht  war. 

So  darf  es  nicht  wundernehmen,  dafs  es  unter  den  öster- 
reichischen Ministerialen  weiter  gärte  und  dafs  der  erstbeste  Anlafs 
genügte,  damit  sich  die  am  meisten  Unzufriedenen  offen  auf  Seiten 
der  Gegner  des  Herzogs  stellten.  Als  der  Reichstag  von  Mainz  des 
Jahres  1235  diese  Gegner  zu  einer  imposanten  Anklage  gegen  den 
Babenberger  vereinigte,  finden  wir  auch  Ministerialen  desselben 
darunter  ^),  und  als  gar  die  Reichsacht  über  ihn  ausgesprochen 
wurde  und  das  Reichsheer  und  dessen  Helfer  von  allen  tSeiten 
heranzogen,  da  blieben  nur  wenige,  meist  unbedeutendere  Dienst- 
mannen ihm  getreu:  Bertold  von  Traun,  Bertold  von  Emmerberg, 
Gundakar  von  Starhemberg,  Dietrich  und  Ortolf  von  VVolkersdorf, 
Albert  von  Nufsberg,  Ulrich  von  Kienberg  und  Cholo  von  Frauen- 
hofen  ^),  deren  Lohn  allerdings  nicht  ausblieb,  indem  er  die  hervor- 
ragenderen mit  wichtigen  Amtern  belehnte  ^).  Dagegen  begegnen 
wir  in  dem  gläozenden  Gefolge,  das  sich  um  den  Kaiser  ver- 
sammelt, als  dieser  im  Januar  1237  selbst  gewissermafsen  als 
oberster  Vollstrecker  der  Reichsacht  in  Wien  einzieht,  aufser  den 
Grafen  Konrad  und  Leuthold  von  Hardegg,  den  einstigen  Bundes- 
genossen des  Herzogs,  den  Ministerialen  Kadold  von  Feldsberg, 
Hadmar  von  Sonnberg,  Heinrich  von  Brunn,  Irmfried  von  Him- 
berg  mit  seinen  Brüdern,  Weikhard  von  Arnstein,  Heinrich  von 
Seefeld,  Heinrich  und  Bernhard  von  Schaumberg,  Otto  von  Schleinz 
und  Rapot  von  Schönberg  ^). 

Wie  sich  die  meisten  Klöster  ihre  Privilegien  bestätigen  liefsen 
und  die  Stadt  Wien  ein  neues  Stadtrecht  empfing,  das  sie  zu  einer 
reichsunmittelbaren  Stellung  erhob,  erlangten  auch  die  steierischen 


1)  Vgl.  das  oft  zitierte  Schreiben  des  Kaisers  an  den  König  von  Böhmen. 

2)  Meiller,  Eegesten  156,  40. 

3)  Bertold  von  Traun  wurde  Landmarschall,  Bertold  von  Emmerberg  Truch- 
sefs,  Gundakar  von  Starhemberg  erhielt  bedeutende  Schenkungen  in  der  ßied- 
mark  (Meiller,  Eeg.  156,  39). 

4)  Böhmer-Ficker,  Eegesten  2222. 


Das  Gegeuspiol  der  anderen  Machtfaktoren.  465 

Ministerialen,  zu  denen  die  meisten  der  obderennsischen  zu  rechnen 
sind,  eine  modifizierte  Bestätigung  der  Georgenberger  Handfeste. 
Doch  dauerte  der  Aufenthalt  des  Kaisers  in  Osterreich  und  Wien 
zu  kurze  Zeit,  um  alle  Ansprüche,  namentlich  die  gewifs  nicht 
bescheidenen  der  österreichischen  Ministerialen  zu  befriedigen  '). 

Als  dann  des  Herzogs  Ansichten  stiegen  und  es  kaum  mehr 
zweifelhaft  erschien,  dafs  er  sich  wieder  in  den  Besitz  des  Landes 
setzen  w  ürde,  beeilten  sich  die  meisten  Ministerialen,  sich  ihm  wieder 
anzuschliefsen,  und  Herzog  Friedrich  übte  auch  diesmal  klugerweise 
gegen  sie,  wie  gegen  alle  anderen  Untertanen,  Nachsicht;  aller- 
dings entsprach  es  der  besonders  feindseligen  Haltung,  die  ge- 
rade sie  gegen  ihn  eingenommen  hatten,  dafs  sie  im  Gegensatz 
zu  den  Klöstern  und  Städten  so  gut  wie  gar  nicht  mit  Privi- 
legien ausgestattet  wurden.  Schwer  gekränkt  wird  es  sie  haben, 
dafs  Herzog  Friedrich  den  Bürgern  den  Übergang  in  den  ritter- 
lichen Stand  immer  mehr  erleichterte  und  im  Jahre  1244  eine  An- 
zahl Wiener  Bürgerssöhne  zu  Rittern  schlug.  Sie  blieben  denn 
auch  im  weiteren  Verlauf  der  Regierung  Friedrichs  ein  sehr  un- 
zuverlässiges und  wetterwendisches  Element.  Noch  in  den  Grenz- 
kriegen des  Jahres  1242  gegen  Ungarn  und  Böhmen  waren  sie 
schuld  daran,  dafs  der  Herzog  keine  Erfolge  erringen  konnte  und 
unverrichteter  Dinge  zurückkehren  mufste.  Und  es  ist  ungemein 
bezeichnend,  dafs,  als  Herzog  Friedrich  in  der  Schlacht  an  der 
Leitha  von  unbekannter  Hand  fiel,  sich  die  Legende  bilden  konnte, 
einer  seiner  eigenen  Dienstmannen  habe  ihn  niedergestreckt  ^). 

Es  war  die  Zeit,  in  der  die  Anmafsung  der  ritterlichen  Stände, 
die  durch  die  fehdereichen  kriegerischen  Tage  und  die  Gunst 
der  früheren  Landesfürsten  immer  mehr  gewachsen  war,  sich  bis  zur 


1)  Dafs  das  österreichische  Landrecht  nicht  hierher  zu  ziehen  ist,  wie  dies 
früher  seit  Siegls  Untersuchung  in  den  Sitzungsberichten  der  Wiener  Akademie 
üblich  gewesen  ist,  darüber  siehe  Einleitung  S.  12  und  unten  S.  516. 

2)  Zuerst  äufsern  die  Salzburger  Annalen  (M.  G.  SS.  IX,  769)  Zweifel,  ob 
Friedrich  durch  Feindes-  oder  Freundeshand  gefallen ,  was  später  in  Salzburg 
bestimmter  gefafst  wird  (a.  a.  0.  XI,  50),  die  Fortsetzung  des  Magnus  Presb. 
Kcichersperg.  (a.  a.  0.  XVII,  529)  weifs  gegen  Ende  des  13.  Jahrhunderts  bereits 
den  Namen  des  Mörders,  Johann  von  Viktring  gibt  dessen  Motive  an.  Weitere 
Varianten  ziehen  sich  bis  zu  den  Fälschungen  Hanthalers  im  18.  Jahrhundert 
(Ficker,  Exkurs  5,  S.  174f.;  Juritsch  S.  665). 

Vancsa,  GeschicUts  Nieder-  n.  Oberösterreicbs.  30 


460  Neunzehntes  Kapitel. 

Überhebung  steigerte,  so  dafs  sie  sich  den  alten,  immer  mehr  sich 
lichtenden  Freien-  und  Grafengeschlechtern  gleichzustellen  suchten, 
dafs  sie  die  reichen  Kirchen  und  Klöster  mit  Neid  und  Mifa- 
gunst,  ja  mit  Gewalttätigkeiten  und  Brandschatzungen  ')  verfolgten 
und  verächtlich  auf  Bürger  und  Bauern  herabblickten  —  sang 
doch  damals  Neidhart  seine  satirischen  Spottlieder  wider  den 
Bauernstand!  —  und  dafs  sie  sich  als  Herren  des  Landes 
dünkten.  Es  war  die  Zeit,  in  der  bei  allgemeinem  Sittenverfall 
auch  die  noch  vor  kurzem  unter  dem  westeuropäischen  Einflufs 
hochgehaltene  ritterliche  Zucht  seltsame  Auswüchse  trieb  und  die 
Angehörigen  der  ritterlichen  Stände  teils  entarteten,  teils  verrohten. 
Auch  in  dieser  Übergangsperiode  standen  die  Gegensätze  dicht 
nebeneinander.  Einerseits  Überfeinerung  der  Lebensführung,  pracht- 
volle Festlichkeiten,  andererseits  eine  gewisse  Verarmung  der  kleineren 
Ritter,  eine  Verwilderung  in  den  Fehden  und  Kleinkriegen  '^).  Die 
Schwertleite  Herzog  Friedrichs  im  Jahre  1231,  die  Hochzeit 
seiner  Schwester  Konstanze  mit  dem  Markgrafen  Heinrich  von 
Meifsen  zu  Stadlau  bei  Wien  am  1.  Mai  1234,  der  Empfang 
des  kaiserlichen  Gesandten,  der  dem  Herzog  den  Königsreif  über- 
brachte, im  Jahre  1245  wurden  durch  derartige  Feste  und  Turniere 
begangen.  Eine  charakteristische  Erscheinung  ist  der  steierische 
Ministeriale  und  Minnesänger  Ulrich  von  Liechtenstein  ^) ,  dessen 
Dichten  und  Wirken  eigentlich  erst  in  Herzog  Friedrichs  Zeit 
fällt,  wenn  auch  seine  berühmte  grofse  Turnierfahrt  von  Venedig 
bis  an  die  Grenze  Böhmens  in  den  letzten  Jahren  Leopolds  (1227) 
stattfand.  In  weibischem  Gewände  als  Frau  Venus  zog  er  von  Stadt 

1)  Graf  Leutold  von  Hardegg  bedrückt  Göttweig  (Font.  ror.  Austr.  VIII, 
310),  Ulrich  von  Königsbrunn  Zwettl  (a.  a.  0.  III,  112),  Otto  von  Ottenstein 
Melk  (Meiller,  Keg.  172,  109),  nicht  anders  ging  es  im  Lande  ob  der  Enns 
(Kremsmünster,  ÜB.  d.  L.  o.  d.  Enns  III,  117)  oder  an  der  bayerischen  Grenze, 
wo  die  Klöster  Ranshofen  und  Reichersperg  durch  die  Ministerialen  des  Bischofs 
von  Passau,  durch  die  Waldecker  und  andere,  litten  (Archiv  f.  österr.  Gesch. 
XYII,  359;  Höfler  in  Mitt.  d.  hist.  Ver.  S.  30). 

2)  Die  Verrohung  des  Ritterstandes  beklagt  Ulrich  von  Liechtenstein  554,  27. 

3)  Über  Ulrich  von  Liechtenstein  Gödeke,  Grundrifs  (2.  Aufl.)  I,  168; 
Nagl-Zeidler,  Deutsch-österreichische  Literaturgeschichte  S.  20If. ,  Schön- 
bach  in  der  vom  Wiener  Altertums  vereine  herausgegebenen  Geschichte  der 
Stadt  Wien  I,  541. 


Das  Gegenspiel  der  anderen  Machtfaktoren.  467 

zu  Stadt  mit  reichem  Gefolge,  umdrängt  von  den  Scharen  der 
Neugierigen  von  nah  und  fern,  um  sich  den  Rittern  im  Wett- 
kampf zu  stellen.  In  Osterreich  waren  es  natürlich  die  Kuen- 
ringer,  die  ihm  festlichen  Empfang  bereiteten,  und  Wien  war  die 
Stätte  des  Hauptturnieres  (17.  Mai  1227),  andere  Stationen  bilde- 
ten Katzelsdorf  bei  Wiener  Neustadt,  Korneuburg,  Mistelbach  und 
Feldsberg.  Später  wiederholte  er  den  Zug  als  „König  Artus". 
Seine  Dichtungen,  die  in  süfslich  selbstgefälliger  Weise  seine  Fahrten 
und  Abenteuer  schildern,  sind  ebensosehr  Zeugnisse  für  die  Aus- 
wüchse der  ritterlichen  Sitten  und  des  Minnedienstes  —  Ulrich  von 
Liechtenstein  ist  es,  der  beispielsweise  das  Waschwasser  der  geliebten 
Frau  trinkt,  sich  um  einer  ihrer  Launen  willen  einen  Teil  der  Ober- 
lippe abschneidet  u.  dgl.  m.  —  als  auch  von  dem  Verfall  der  ritter- 
lichen Poesie.  Den  Gegensatz  zu  dieser  dekadenten  Gestalt  Ulrichs  von 
Liechtenstein  bilden  die  gewalttätigen  herrschsüchtigen  Kuenringer. 
Waren  neben  den  kirchlichen  Gewalten  die  Ministerialen  bisher 
der  Hauptfaktor  des  Landes,  der  mit  dem  Landesfürsten  seine  Kräfte 
messen  zu  können  glaubte,  so  waren  nunmehr  auch  die  Städte  zu 
einer  Macht  herangewachsen,  mit  der  derjenige  rechnen  mufste,  der 
sich  das  Land  Untertan  machen  wollte.  Sie  waren  es  denn  auch 
im  Vereine  mit  den  Stiftern  und  Klöstern,  die  Herzog  Friedrich 
bei  seinem  Regierungsantritt  gegen  die  aufständischen  Ministerialen 
finanziell  unterstützten  und  ihm  zum  Siege  verhalfen.  Dagegen 
dürfte  sich  später,  obwohl  auf  dem  Reichstage  zu  Mainz  Vertreter 
der  Städte  unter  den  Anklägern  des  Herzogs  nicht  ausdrücklich 
genannt  sind,  auch  in  den  Städten  Unzufriedenheit  gegen  ihn  ge- 
regt haben;  das  übrige  taten  seine  Zwangsmafsregeln  zur  Be- 
schaffung der  nötigen  Kriegsmittel  und  die  Furcht.  So  kam  es, 
dafs  beim  Herannahen  des  grofsen  Reichsheeres  auch  die  Städte, 
darunter  Wien,  von  ihm  abfielen.  Nur  Wiener  Neustadt,  das 
schon  damals  ein  wenig  mit  Wien  rivalisierte,  und  Linz,  das 
vom  Herzog  Otto  von  Bayern  und  Bischof  Rüdiger  von  Passau 
lange  vergeblich  belagert  wurde,  hielten  zu  ihm.  Wiener  Neustadt, 
in  dessen  Nähe  die  feste  Burg  Starhemberg  lag,  wurde  sogar  die 
einzige  Zufluchtsstätte  und  in  der  Folge  der  Stützpunkt  für  die 
Operationen  des  Herzogs.  Von  hier  aus  überfiel  er  den  Burg- 
grafen von  Nürnberg,  der  sich  mit  dem  von  Süden  heranziehenden 

30* 


468  Neunzehntes  Kapitel. 

Patriarchen  von  Aquileja  vereinigt  hatte,  um  Friedrich  völlig 
zu  vernichten,  schlug  ihn  trotz  angeblich  zehnfacher  Über- 
macht aufs  Haupt  und  nahm  die  Bischöfe  von  Passau  und  Freising 
gefangen  '). 

Als  nun  der  Kaiser  selbst  nach  Österreich  kam,  war  es 
selbstverständlich,  dafs  eine  seiner  Hauptmafsnahmen  sich  auch  auf 
die  Städte  bezog,  und  es  war  ein  ganz  geschickter  iSchachzug,  dafs 
er,  um  die  Macht  des  Laudesfürsten  dauernd  zu  schwächen,  im  April 
1237  die  Stadt  Wien,  die  bedeutendste  und  reichste  Stadt  des 
Landes,  für  reichsunmittelbar  erklärte  ^).  Den  Stadtrichter  sollte 
demnach  fürderhin  der  Kaiser  ernennen.  Dagegen  erhielten  die 
Bürger  weitgehende  Freiheiten.  Sie  sollten  frei  sein,  nur  freiwillige 
Abgaben  und  Steuern  entrichten,  zu  Kriegsdiensten  nur  im  Um- 
kreise einer  Tagesfahrt  verpflichtet  sein  und  mit  Ausnahme  von 
Majestätsbeleidigung  oder  Stadtverrat  in  Kriminal-  und  Zivilfällen 
selbst  richten.  Die  Juden  werden  von  den  Amtern  ausgeschlossen, 
was  darauf  hindeutet,  dafs  die  handeltreibenden  Bürger  die  Kon- 
kurrenz der  Juden,  die  von  den  Herzogen  begünstigt  wurden, 
bereits  unangenehm  zu  empfinden  begannen.  Das  Ordal  des  Zwei- 
kampfes wird  durch  Eideshelfer  ersetzt.  Dann  wird  vom  Kaiser 
bei  St.  Stephan  ein  Schulmeister  zum  Unterricht  der  Jugend  be- 
stellt, was  als  erstes  Beispiel  einer  weltlichen,  städtischen  Schule 
kulturhistorisch  interessant  ist.  Endlich  wurde  für  Güter  von 
Bürgern,  die  durch  das  Wasser  weggerissen  wurden,  das  üble  Ge- 
wohnheitsrecht der  Grundruhr,  nach  dem  angeschwemmte  Güter 
dem,  der  sie  barg,  zufielen,  und  das  sich  zu  einer  Art  Strand- 
räuberei herausgebildet  zu  haben  scheint,  abgeschafft,  wie  dies 
reichsgesetzlich  schon  1220  geschehen  war,  eine  Verfügung,  die 
für  den  Donauhandel  grofse  Bedeutung  hatte. 

Bezeichnend  dafür,  welche  Macht  damals  noch  die  jüdischen 
Kaufleute  besafsen,  ist,  dafs  sie  ein  Jahr  nach  der  gegen  sie  ge- 


1)  Besonders  Cont.  Sancruc.  11,  ad  1236,  Ann.  Mellic.  ad  1237,  Ann.  S. 
Eudb.  Salisb.  ad  1236  (Mon.  Germ.  SS.  IX,  508,  638,  736).  Zur  Quellenkritik 
vgl.  Huber  I,  414,  Anm.  1. 

2)  Ist  nicht  im  Original  yorhanden.  Abgedr.  bei  Tomasehek  I,  15  und 
bei  Seh  er  er,  Beiträge  z.  Gesch.  des  Judenrechtes  I  (Leipzig  1901)  S.  135  mit 
ausführlicher  Erläuterung. 


-Das  Gegenspiel  der  amleren  Machtfaktoren.  409 

richteten  Bestimmung  des  Fridericianums  ein  umfängliches  Privileg 
des  Kaisers  mit  Zugrundelegung  des  Reichsprivilegs  für  die  Juden 
von  1236  durchsetzten,  wonach  sie  nicht  zur  Taufe  gezwungen 
werden  durften,  diese  vielmehr  an  allerlei  Klauseln  geknüpft  wurde. 

Weder  Gottesurteile,  noch  Geifselung  oder  Einkerkerung  sollten 
gegen  sie  angewendet  werden,  ihre  Weine,  Farbmittel  und  Gegen- 
gifte durften  sie  frei  verkaufen,  sowohl  unter  sich,  als  im  Verkehr 
mit  Christen  unter  ihrem  eigenen  Rechte  leben,  nur  in  wichtigen 
Fällen  unterstanden  sie  dem  Kaiser  und  jedenfalls  besafsen  sie  das 
Appellationsrecht  an  diesen  ^). 

Die  Wiener  hatten  allerdings  von  dem  kaiserlichen  Freiheits- 
briefe so  gut  wie  nichts;  es  ist  fraglich,  ob  er  überhaupt  in  Kraft 
getreten  ist,  da  der  Kaiser  bald  nach  seiner  Verleihung  Wien  ver- 
liefs  und  sich  schon  zu  Weihnachten  1239  die  Stadt  wieder  Herzog 
Friedrich  ergeben  mufste.  Dieser  dürfte  nun  zunächst  nicht  nur 
selbstverständlich  das  kaiserliche  Privileg  kassiert,  sondern  auch 
überhaupt  jede  Bestätigung  der  alten  Freiheiten  abgelehnt  haben. 

Erst  im  Jahre  1244  (1.  Juli),  als  die  Wiener  Bistumsfrage 
wieder  in  den  Vordergrund  trat,  bestätigte  der  Herzog  den  Wienern 
das  Leopoldinische  Stadtrecht  mit  einigen  wichtigen  zeitgemäfsen 
Änderungen  ^) ;  namentlich  ist  nun  statt  des  Gottesurteils  durch- 
weg der  Zeugeneid  eingeführt,  die  Bestimmungen  über  Notzucht  sind 
schärfer  gefafst,  dagegen  bereits  die  Heirat  einer  Bürgerin  mit  einem 
Ritter,  auch  das  Waffentragen  erleichtert.  Eine  Zusatzbestimmung, 
wodurch  die  Einfuhr  ungarischer  Weine  verboten  wurde,  ist  wohl 
nur  dem  gespannten  Verhältnisse  Österreichs  zu  Ungarn  entsprungen. 
Im  übrigen  nimmt  der  Herzog  ausdrücklich  heimische  und  fremde 
Kaufleute  in  seinen  Schutz. 

Gleichzeitig  wurde  ein  Judenrecht  erlassen,  womit  Herzog 
Friedrich,  der  bei  seinen  wiederholten  Geldverlegenheiten  dringend 
auf  die  Hilfe  der  Juden  angewiesen  war  ^),  Kaiser  Friedrich  noch 
übertrumpfen  wollte  ^).  An  Stelle  des  Rechtsschutzes  des  Kaisers  tritt 

1)  Tomaschek  I,  20. 

2)  a.  a.  0.  I,  24. 

3)  Sollen  ihm  doch  sogar  die  Juden  die  ungewöhnliche  Kriegskoutribuüoa 
im  Jahre  123G  angeraten  haben  (Ann.  Salisb.  M.  G.  SS.  IX,  786). 

4)  Tomaschek  a.  a.  0.  S.  21  und  Scherer  a.  a.  0.  S.  173 


4T0  Neunzehntes  Kapitel. 

der  des  Herzogs.  Ein  eigener  Judenrichter  wird  für  die  Juden  ein- 
gesetzt und  Verbrechen,  ja  auch  nur  Vergehen  der  Christen  gegen 
sie  mit  schweren  Strafen  belegt.  Am  ausführlichsten  werden  Be- 
stimmungen über  das  Pfandrecht  getroffen.  Während  den  Christen 
im  ganzen  Mittelalter  durcli  die  kirchlichen  Gesetze  das  Zinsen- 
nehmen verboten  war,  sind  die  Juden  gerade  deshalb  neben  den  Lom- 
barden, die  sich  vor  den  Kirchenstrafen  nicht  fürchteten,  die  einzigen 
Geldleiher  gegen  Faustpfand.  In  dem  Privileg  Friedrichs  wird 
der  Zins  für  ein  Pfund  auf  8  Pfennige  wöchentlich  normiert,  d.  h. 
also  auf  173,33  Prozent!  Ein  enormer  Zinsfafs,  der  im  mittel- 
alterlichen Europa  nur  noch  in  der  Provence  übertrofFen  wurde. 
Wird  der  Zins  nach  Monatsfrist  nicht  gezahlt,  wächst  Zins  zu  Zins 
(Schaden).  Dieses  Privileg  sollte  nicht  nur  für  die  Stadt  Wien, 
sondern  für  alle  Länder  des  Herzogs  seine  Gültigkeit  haben. 

Auch  die  anderen  österreichischen  Städte  entwickelten  sich 
in  dieser  Periode  unter  verhältnismäfsig  günstigen  Bedingungen, 
ohne  dafs  eigene  Privilegien  verliehen  wurden,  wenigstens  sind  keine 
erhalten.  Nur  das  als  Grenzfeste  und  Handelsstadt  gegen  Ungarn 
wichtige  Hainburg  wurde  von  Herzog  Friedrich  an  demselben  Tage, 
an  dem  Wiens  Recht  erneuert  wurde,  mit  Wiener  Recht  bewidmet. 
Nur  bestand  hier  den  bescheideneren  Verhältnissen  entsprechend 
der  Rat  der  Genannten  aus  20  Männern  und  Marktrichter  wurden 
nur  4  eingesetzt  ^).  Dem  getreuen  Wiener  Neustadt  hatte  er  selbst- 
verständlich schon  früher,  am  5.  Juni  I23i^,  um  die  Treue  der 
Bürger  zu  belohnen  und  um  sie  für  die  Verluste  während  des 
Krieges  zu  entschädigen,  ein  Privileg  erteilt,  das  eigentümlicher- 
und  wohlbedachterweise  dem  Stadtrecht  des  Kaisers  für  Wien 
nachgebildet  zu  sein  scheint.  Auch  hier  finden  wir  die  Steuer- 
befreiung, die  Aufhebung  des  Heiratszwanges  und  die  Aus- 
schliefsung  der  Juden  von  den  Ämtern,  dazu  noch,  um  den  Handel 
zu  heben,  Mautbefreiung,  einige  andere  Begünstigungen  und  die 
Verleihung    eines   dreiwöchentlichen   Jahrmarktes  ^). 


1)  Archi\r  für  österreichische   Geschichte  X,   138  (Deutsche  Übersetzung, 
Kopie  des  14.  Jahrh.). 

2)  Ebeadas.  128,  Verbesserungen  bei  Winter,  Urkundliche  Beiträge  zur 
österreichischen  Eechtsgeschicbto  IV,  Aura.  3  (Innsbruck  1877).     Vgl.  Winter, 


Das  Gegenspiel  der  anderen  Machtfaktoreu.  471 

So  sehen  wir  denn  die  Städte  gleich  in  dieser  ersten  Periode 
ihrer  Entwickelung  einen  raschen  Aufschwung  nehmen,  wenn  sie 
sich  auch  nicht  an  Bedeutung  mit  den  Städten  im  deutschen  Reiche, 
namentUch  den  Reichsstädten,  messen  können  ^).  Wohl  aber  ver- 
raten sie  eine  gewisse  Ähnlichkeit  mit  denen  im  Koloniallande 
Schlesien,  z.  B.  mit  Breslau,  vielleicht  weil  auch  hier  vlämische 
Kolonisten  ihren  Einflufs  übten.  Sie  sind  in  einem  starken  Ab- 
hängigkeitsverhältnis vom  Landesherrn,  der  ihnen  nach  Gunst 
die  Rechte  und  Freiheiten  verleiht  oder  verkürzt.  Aber  doch 
sehen  wir  bereits  die  Anfänge  der  Selbstverwaltung.  Die  Bürger 
sind  ein  eigener  privilegierter  Stand.  Ihr  Straf-  und  Privatrecht, 
obwohl  aus  dem  Landrecht  hervorgegangen,  weist  charakteristische 
Besonderheiten  auf.  Ein  Hauptgewicht  ruht  in  den  österreichischen 
Städten  auf  dem  Handel;  Schutz  der  handeltreibenden  Bürger, 
nur  bedingte  Rechte  auswärtiger  Kaufleute,  Bestimmungen  über 
den  Markt  der  Stadt  begegnen  in  den  Urkunden  oft  und  immer 
wieder.  Auch  die  Privilegien  der  Juden  als  der  Zwischenhändler 
und  Geldgeber  müssen  hierher  gerechnet  werden. 

Hier  ein  Wort  über  Münze,  Mafs  und  Gewicht  ^).  Die  Münze 
war  ganz  einfach.  Der  oberste  Münzwert  war  das  Talent  (Pfund), 
wie  in  älterer  Zeit  nach  bayerischem  Muster  zu  8  Solidi  (Schillinge), 
ein  Solidus  zur  30  Denare  (Pfennige),  der  Pfennig  zu  2  Oboli  (Helb- 
linge)  berechnet.  Nahezu  ausschliefshch  herrschte  die  Silberwährung, 
und  zwar  hatte  noch  immer  die  noch  aus  der  Römerzeit  stammende 
Barrenwährung  in  ungemünztem  Silber  den  Vorzug.  Da  die 
Pfennigwährung  bald  an  Feingehalt  zu  wünschen  übrig  hefs  (die 
rauhe  oder  beschickte  Mark  stand  im  Gegensatz  zur  feinen  Mark), 
so  verfiel  man  auf  den  Ausweg,  die  Mark  Pfennige,  anstatt  sie 
auszuzählen,  zu  wägen  (die  „Mark  silber  gewegens",    „marca  ar- 


Das  Wiener  Neustädter  Stadtrecht  des  13.  Jahrhunderts  (Arch.  f.  österr.  Gesch. 
LX,  71,  1880). 

1)  Vgl.  den  schon  zitierten  Aufsatz  von  Lorenz  im  46.  Bande  der  Wiener 
Sitzungsberichte. 

2)  Luschin  in  der  vom  Wiener  Altertumsvereine  herausgegebenen  „Ge- 
schichte der  Stadt  Wien"  I,  427;  Dopsch  in  der  Einleitung  zu  den  „öster- 
reichischen Urbaren"  I,  S.  CXCIII;  Aehleuthnor,  Das  älteste  Urbarium  voa 
Kremsmünster  S.  XLIl  (Wien  1857), 


473         Neunzelintos  Kapitel.     Das  Gcj^cnsiiiol  dor  anderen  Maehtfaktoron. 

geuti  pondeniti").  Weit  mannigfaltiger  waren  die  Mafse,  besonders 
die  Hühl-  und  Trockeninafse.  Denn  während  die  Münze  der 
Landestürst  in  seiner  Macht  behielt,  wurde  das  Mafs  den  Städten 
überlassen  und  nur  gegen  falsches  Mafs  eingeschritten.  So  kam 
es,  dafs  fast  jede  Stadt  ihr  eigenes  Mafs  besafs,  das  auch  in  der 
Umgebung,  ja  oft  weit  darüber  hinaus  Geltung  hatte.  Wir 
finden  im  Lande  unter  der  Enns  Wiener,  Neuburger  (Klosterneu- 
burger),  Kremser,  Tullner,  St.  Pöltener,  Amstettener,  Ipser,  Stocke- 
rauer  J\Iafs,  im  Lande  ob  der  Enns  Linzer,  Schärdinger,  Welser, 
Raber,  Peuerbacher,  später  Steyrer  ]\Iafs.  Dazu  kam  noch  der 
Unterschied  des  sogenannten  grofsen  und  kleinen  Mafses  oder  auch 
Burgmafs  und  Kastenmafs,  von  denen  das  erstere  in  den  Städten, 
letzteres  bei  den  landesfürstlichen  Zinsstellen,  den  Kasten,  in  Ver- 
wendung stand.  Die  Mafseinheiten  waren  der  Modius  (Mut),  die 
Metreta  (der  Metzen)  und  das  Scaphium  (der  Scheffel),  im  kleinen 
Mafs  Muttel  und  Metzel,  doch  läfst  sich  bei  den  bedeutenden 
regionalen  Verschiedenheiten,  die  auch  nach  den  gemessenen  Pro- 
dukten wechselten,  über  ihr  Verhältnis  zueinander  nichts  Bestimmtes 
sagen.  Durchschnittlich  am  häufigsten  umfafst  das  Mut  30 — 32, 
das  Muttel  4  —  5,  der  Scheffel  etwa  6  Metzen.  Was  die  Hohl- 
mafse  betrifft,  so  wurde  Wein  und  Bier,  ja  auch  der  Honig  nach 
Urnen  und  Karaten  (P^imern  und  Fudern)  berechnet,  deren  Gröfse 
gleichfalls  an  verschiedenen  Orten  verschieden  war  (Wiener,  Tull- 
ner, Kremser,  Braunauer  Eimer).  Das  Längenmafs  war  die  Elle 
(ulna),  das  Flächenmafs  das  Joch  (jugerum).  Manche  Natur- 
produkte hatten  ihr  ganz  spezielles  Mafs,  so  wurden  Eier,  Käse, 
auch  Lämmer  nach  Schillingen  (zu  30  Stück),  Flachs  nach  Büscheln, 
Fische  und  Vögel  nach  Bändern  (Wid)  berechnet.  —  Als  Ge- 
wichtseinheit galt  nach  wie  vor  das  alte  bajuwarische  Pfund,  das 
auf  das  römische  zurückgeht. 


Zwanzigstes   Kapitel. 

Österreich  im  Kampfe  gegen  äulsere  Feinde.  —  Unter-^ 
gang  Herzog  Friedrichs  des  Streitbaren. 

Das  Ende  des  letzten  Babenbergers  ist  nicht  eigentlich  tra- 
gisch, denn  es  wächst  nicht  organisch  aus  den  Schattenseiten 
seines  Charakters  oder  aus  seinen  ehrgeizigen  Bestrebungen  und 
seinen  Übergriffen  heraus,  sondern  es  wirkt  nur  erschütternd,  weil 
es  der  rein  äufserliche  jähe  Abschlufs  seltener  Begabung  und  kühn 
aufstrebender  Tatkraft  ist.  Zeit  seines  Lebens  hatte  der  junge 
Fürst  mit  diesen  blinden  ZufäUigkeiten  und  äufseren  Feindselig- 
keiten zu  kämpfen,  die  seiner  hochfliegenden  Politik  und  seiner 
mutvollen  Energie  spotteten. 

Nur  zum  kleineren  Teile  standen  die  zahlreichen  auswärtigen 
Kriege,  die  er  auszufechten  hatte,  mit  den  Umwälzungen  im 
Inneren  des  Landes  oder  mit  der  Reichspolitik  im  Zusammenhange. 
Höchstens  dafs  sie  durch  diese  sich  bietende  Anlässe  benutzten; 
so  etwa  der  Böhmeneinfall  des  Jahres  1230  die  Erhebung  der 
Ministerialen  in  Österreich  ^).  Kann  man  hier  noch  eine  geheime 
KoaHtion  vermuten,  so  sind  die  Gründe  eines  bayerischen  Ein- 
falles im  Frühjahre  1233,  der  sich  in  seinen  Plünderungen  bis 
Wels  und  Kloster  Lambach  erstreckte,  das  ebenso  wie  das  Kloster 
Suben    zu    starkem    Schaden    kam ,    weniger    ersichtlich  ^).      Der 

1)  Über  die  im  Folgeuden  erwähnten  Fehden  und  Beziehungen  Österreiclis 
und  Böhmens  vgl.  Bach  mann,  Geschichte  Böhmens  I,  497  ff. 

2)  Cont.  Larabac.  (M.  G.  SS.  IX,  558).  —  Über  die  Chronologie  Hiru 
a.  a.  0.  S.  17.—  Erst  eine  ganz  späte  bayerische  Quelle  (Aventin)  sucht  Her- 
zog Friedrich  als  den  angreifenden  Teil  hinzustellen,  bringt  den  Krieg  mit  der 
Mitgift  seiner  zweiten  Gemahlin  Agnes  von  Meran  am  Inn  in  Zusammenhang- 
und  berichtet  von  einem  Überfalle  der  Österreicher  auf  das  bayerische  Kloster 
Formbach. 


474  Zwanzigstes  Kapitel. 

Herzog  und  der  Bischof  von  Passaii  waren  bemüht,  die  Schäden 
wieder  gutzumachen  ^). 

Zu  einer  Zeit,  da  Herzog  Friedrich  mit  dem  Kaiser  in  gutem 
Einvernehmen  zu  stehen  schien  und  auch  im  Inneren  Ruhe  herrschte, 
lockte  es  ihn,  auch  selbst  einmal  einen  Angriffskrieg  zu  führen  und 
zwar  gegen  das  feindselige  Böhmen.  Anfangs  Juli  1233  überschritt 
er  mit  einem  ganz  bedeutenden  Aufgebote  von  40000  Mann  ^)  die 
Thaya  und  eroberte  das  für  uneinnehmbar  geltende  Bergschlofs 
Vöttau.  König  Wenzel  wagte  keine  offene  Feldschlacht,  sondern 
zog  sich  eiligst  zurück.  Aber  Herzog  Friedrich  konnte  die  Früchte 
nicht  ernten  ,  zur  Unzeit  befiel  ihn  eine  Krankheit,  und  überdies 
machten  die  Ungarn  mittlerweile  einen  Angriff  auf  Steiermark. 
Der  Umstand,  dafs  Herzog  Friedrich  in  erster  Ehe  mit  der 
Schwester  der  Königin  Maria  von  Ungarn  und  Tochter  des  Kaisers 
Theodor  Laskaris  von  Nicäa,  Sophia,  vermählt  war,  sich  aber 
nach  drei  Jahren  hatte  scheiden  lassen,  mochte  mindestens  einen 
äufseren  Anlafs  zu  Feindseligkeiten  bieten.  Wenige  Monate  später 
war  Österreich  unter  der  Enns  der  Schauplatz  der  Fehde.  Die 
Ungarn  sollen  Höflein,  die  Österreicher  Theben  zerstört  haben  ^). 
Doch  endlich  scheint  es  zum  Frieden  und  zu  besseren  Beziehungen 
gekommen  zu  sein,  die  sich  in  besonders  solenner  Weise  bei  der 
Feier  der  Hochzeit  Konstanzens,  der  Schwester  Friedrichs,  mit 
Heinrich  von  Meifsen  bekundete.  Sie  fand  am  1.  Mai  1234  zu 
Stadlau  bei  Wien  statt  und  gestaltete  sich  zu  eiuer  glänzenden 
Fürsten  Versammlung,  die  für  das  Ansehen,  das  der  Herzog  von 
Österreich  genofs,  ein  beredtes  Zeugnis  ablegt  *). 

Der   Friede   dauerte  jedoch   nicht   lange.     Herzog   Friedrich 

1)  Herzog  Friedrich  macht  zu  diesem  Zwecke  dem  Kloster  Suhen  eine 
Schenkung  (24.  April  1233,  Meiller,  Eegesten  153,  22),  während  Bischof 
Eüdiger  von  Passau  im  selben  Jahre  einen  Ablafsbrief  für  Beiträge  zur  Wieder- 
herstellung Lambachs  ausgibt  (ÜB.  d.  L.  o.  d.  Enns  IV,  558). 

2)  Cont.  Lambac.  (M.  G.  SS.  IX,  558);  Cont.  Sancruc.  I  (a.  a.  0.  S.  628); 
Ann.  Mellic.  (a.  a.  0.  S.  508).  Erst  sehr  späte  Quellen  sprechen  von  einer  Koa- 
lition, die  Friedrich  zustande  gebracht  habe. 

3)  Cont.  Sancruc.  I  (a.  a.  0.  S.  628);  Cont.  Claustron.  III  (a.  a.  0.  S.  G37 
mit  anderer  Anordnung  der  Ereignisse);  Cont.  Praed.  Yind.  (a.  a.  0.  S.  727). 
Tgl.  auch  Ficker  a.  a.  0.  S.  25. 

4)  Cont.  Sancruc.  (a.  a.  0.  S.  638)  und  Cont.  Admunt.  (a.  a.  0.  S.  593). 


Österreich  im  Kampfe  gegen  äufsere  Feinde.  475 

selbst  war  immer  bereit,  seinen  Nachbarn  Abbruch  zu  tun.  Zu 
den  unzufriedenen  Adeligen  Ungarns  unterhielt  er  Beziehungen, 
erbot  sich  zu  Unterhandlungen  mit  dem  Kaiser  wegen  Annahme 
der  ungarischen  Krone  und  verlangte  daher  von  diesem  einen  Bei- 
trag zum  Kriege  gegen  Ungarn  und  Böhmen  von  2000  Mark  '), 
fand  aber  bei  ihm  nicht  die  gewünschte  Unterstützung.  So  sah 
er  sich  genötigt,  um  für  sein  bedeutendes  Heer  —  30000  Mann  — 
den  Proviant  aufzubringen,  eine  Getreidesperre  anzuordnen,  womit 
er  zugleich  auch  den  ungarischen  Handel  traf  ^).  Trotzdem  ver- 
mochte er  dem  Doppelangriffe  nicht  standzuhalten,  nachdem  er 
wohl  anfangs  über  die  ungarische  Grenze  vorgedrungen  war.  Die 
Ungarn  führten  ihre  Verwüstungen  bis  vor  die  Tore  Wiens,  die 
Böhmen  im  Norden  der  Donau  bis  Stadlau.  So  entscblofs  sich 
denn  der  Herzog,  den  Frieden  mit  den  Ungarn  mit  Geld  zu  er- 
kaufen ^). 

Mit  Böhmen  kam  ein  Friede  nicht  zustande.  Zwar  zogen 
sich  die  Kriegsscharen,  als  die  Ungarn  Osterreich  verliefsen, 
gleichfalls  zurück,  aber  der  König  von  Böhmen  und  der  Markgraf 
von  Mähren  waren  im  Vereine  mit  dem  Herzog  von  Bayern  und 
den  geistlichen  Fürsten  die  Hauptwortführer  der  Anklage  gegen 
Herzog  Friedrich  auf  dem  Reichstage  zu  Mainz  im  August  1235 
und  zugleich  auch  diejenigen,  die  sie  am  hartnäckigsten  verfochten, 
denn  der  Böhmenkönig  fand  sich  auch  auf  dem  Hof  tage  von 
Augsburg  Ende  Juni  1236  wieder  ein,  um  den  Kaiser  zum  Ein- 
schreiten gegen  Herzog  Friedrich  zu  bestimmen,  und  trug  auch 
endlich  in  der  Sache  den  Sieg  davon.  Welch  bedeutende  Rolle 
er  damals  spielte,  kann  man  daraus  ersehen,  dafs  der  Kaiser  ge- 
rade ihm  gegenüber  alle  Beschwerdepunkte  gegen  den  Herzog 
erörterte  und  dafs  auch  des  Herzogs  Mutter  Theodora  bei  ihm 
Zuflucht  suchte.  Wie  schon  erwähnt,  sprach  der  Kaiser  die  Acht 
über  Friedrich  aus  und  übertrug  dem  Böhmenkönig,  dem  Hei'zog 


1)  Darüber  siehe  schon  oben.  Quelle  ist  der  mehrfach  erwähnte  Brief  des 
Kaisera  an  den  König  von  Böhmen. 

2)  Siehe  oben. 

3)  Ad  1234  Ann.  S.  Rudb.  Salisb.  (a.  a.  0.  S.  T8G);  ad  1235  Cod.  S.  Petri; 
Cont.  Sancruc.  II  (a.  a.  0.  S.  638);  Chronic,  regia  Colon.  Cont.  IV,  2ßl;  Ann. 
Erphord.  (Böhmer,  Fontes  II,  395);  ad  1236  Ann.  Mellic.  (M.  G.  SS.  IX,  508). 


476  Zwanzigstes  Kapitel, 

von  Bayern,  dem  Markgraten  von  Brandenburg  und  den  Bischöfen 
von  Passau  und  Bamberg  die  Durchführung  des  Reichskrieges 
gegen  Osterreich.  So  hatte  der  Bühmenkönig  die  Genugtuung, 
gleichsam  mit  Sanktion  des  Reichsoberhauptes  in  Österreich  ein- 
fallen und  abermals  dessen  nördliche  Teile  verwüsten  zu  können. 
Er  sowie  der  Herzog  von  Bayern  befand  sich  auch  unter  den 
Fürsten,  die  sich  im  Januar  1237  um  den  Kaiser  zu  Wien  ver- 
sammelten und  hier  dessen  Sohn  Konrad  zum  deutschen  König 
wählten  ').  Zu  einer  länger  währenden  Besetzung  irgendwelcher 
Teile  Österreichs  durch  die  Böhmen  kam  es  jedoch  nicht.  Die 
Reichsunmittelbarkeitserklärung  der  österreichischen  Länder  durch 
den  Kaiser  entsprach  in  dieser  Beziehung  den  Erwartungen 
Böhmens  nicht. 

So  widerstrebte  König  Wenzel  nicht,  als  bei  dem  grofsen 
Umschwünge  der  Politik  nach  Kaiser  Friedrichs  Bannung  durch 
Albert  Behaim  mittelbar  und  durch  den  Herzog  von  Bayern, 
der  wohl  auch  eine  Gebietsvergröfserung  erhofft  hatte,  aber 
durch  die  kaiserliche  Politik  enttäuscht  worden  war,  und  den 
Bischof  von  Freising  unmittelbar,  endlich  auch  durch  den  Papst 
eine  Aussöhnung  mit  Herzog  Friedrich  angebahnt  wurde.  Auf 
diese  W^eise  erlangte  er  nämlich  als  Unterpfand  für  eine  zu 
leistende  Hilfe  leicht  das,  was  er  früher  von  seiner  kaisertreuen 
Politik  vergebens  erwartet  hatte,  die  Zusage  der  Abtretung  des 
nördlichen  Teiles  von  (Österreich.  Die  Verlobung  seines  ältesten 
Sohnes  Wladislaw  mit  Friedrichs  Nichte  Gertrud,  die  schon  da- 
mals wahrscheinlich  als  künftige  Erbin  Österreichs  in  Aussicht 
genommen  war,  besiegelte  den  Bund.  Aufserdem  wurde  dem 
Böhmenkönig  sofort  die  wichtige  Grenzfestung  Laa   verpfändet  ^). 

Zwar  hört  man  von  einer  tatsächlichen  Unterstützung  des 
Herzogs  durch  den  Böhmenkönig  oder  den  Bayernherzog  —  dieser 
stellte  speziell  zur  Wiedereroberung  Wiens  4000  Mann  in  Aus- 
sicht 2)    —    in    der  nächsten  Zeit    nichts   Bestimmtes^),    aber   die 


1)  Vgl.  obeu. 

2)  Cent.  Saucruc.  IL  ad  1241. 

3)  Höflers  Ausgabe  der  Konzeptbücher  Adalbert  Behaims  in  der  Biblio- 
thek des  literarischen  Vereins  von  Stuttgart  XVI,  5. 

4)  Wieso   Eiezler,    Geschichte  Baierus   II,  73    von    einer  „Ausbeutung 


Österreich  im  Kampfe  gegen  äufsere  Feinde.  477 

moralische  Wirkung  des  Bündnisses  im  Vereine  mit  dem  Kirchen- 
banne war  jedenfalls  so  grofs,  dafs  der  Hauptwiderstand  im  Lande 
gebrochen  war.  Unter  den  Städten  gingen  Laa  und  Enns,  sodann 
nach  und  nach  die  meisten  Ministerialen  zu  Friedrich  über,  und 
endlich  ergab  sich  auch  Wien. 

Wir  haben  bereits  gesehen,  dafs  der  Herzog  unmittelbar,  nach- 
dem er  wieder  in  den  Vollbesitz  seiner  Länder  gekommen  war, 
abermals  eine  Schwenkung  machte  und  sich  dem  Kaiser  wieder 
anschlofs.  Obwohl  auch  der  Böhmenkönig  diesem  zuneigte,  fiel 
es  dem  Herzog  jetzt  gar  nicht  ein,  sein  Versprechen  zu  halten. 
Die  Stadt  Laa,  die  der  Herzog  vertragsmäfsig  dem  Böhmenkönig 
übergeben  hatte,  ging  wieder  zu  ihm  über  ').  Ein  kurzer  Feld- 
zug König  Wenzels  im  Spätherbst  1240  verlief  ergebnislos.  Man 
einigte  sich  im  nächsten  Frühjahre  dahin,  die  Verlobung  Wladis- 
laws  und  Gertruds  aufrechtzuhalten,  aber  von  einer  Gebietsabtretung 
abzusehen  -). 

Den  Grund  dieser  raschen  Nachgiebigkeit  dürfte  man  mit 
Recht  in  dem  zu  dieser  Zeit  von  Osten  herannahenden  Mongolen- 
sturm erblicken  ^).  Dieser  plötzlich  einherbrausende  Schrecken, 
der  mit  seinen  Greueltaten  bereits  Ungarn  und  Polen  erfüllte,  war 
ganz  danach  angetan,  in  den  angrenzenden  Gebieten  bis  nach 
Deutschland  hinüber  Angst  und  Furcht  zu  verbreiten.    Am  y.  April 

des  Bündnisses"  durch  Herzog  Friedrich  reden  kann,  ist  nicht  klar.  Die  öster- 
reichischen Annalen  wissen  von  böhmischer  oder  bayerischer  Beihilfe  nichts. 
Dafs  Papst  Gregor  IX.  in  einem  Schreiben  an  den  Herzog  diesen  zur  Dankbar- 
keit wegen  der  „böhmischen  Hilfe"  ermahnt,  beweist  nichts  für  die  wirklich 
erfolgte  Unterstützung. 

1)  Cent.  Sancruc.  H  (M.  G.  SS.  IX,  640). 

2)  Ebendas.  S.  639. 

3)  Über  den  Mongoleneinfall  siehe  jetzt  die  zusammenfassende  und  trotz 
einzelner  Mängel  beachtenswerte  Arbeit  von  S  trakosch- Grafsma  nn,  Der 
Einfall  der  Mongolen  in  Mitteleuropa  in  den  Jahren  1241  und  1242  (Innsbruck 
1893).  Vgl.  aufserdera  Wolff,  Geschichte  der  Mongolen  (Breslau  1872)  und 
Schwamrnel,  Der  Anteil  Friedrichs  des  Streitbaren  an  der  Abwehr  der  Mon- 
golen (Zeitschr.  f  österr.  Gymnasien  VIII,  671  f.,  1857).  —  Hauptquellen  sind 
das  allerdings  sehr  einseitig  parteiische  Carmen  miserabüe  des  Magister  Rogerius 
(Endlicher,  Eer.  Hung.  Mon.  Arpad.  255)  und  Thomas  v.  Spalato,  Hist. 
Salonitana  (SS.  rer.  Hungaric.  ed.  Schwandtner  III).  Über  Einzelheiten  siehe 
auch  die  österreichischen  Geschichtsquellen. 


47S  Zvvanzif^stcs  Kapitel. 

1241  erfolgte  die  vernichtende  Niederlage  bei  Liegnitz  und  darauf 
die  verheerende  Überschwemmung  Mährens  durch  die  wilden 
Scharen.  Dennoch  verlief  sich  wenigstens  für  Böhmen  die  bereits 
aufs  äufserste  drohende  Gefahr  bald  wieder.  Dagegen  kam  König 
Bela  von  Ungarn  in  die  härteste  Bedrängnis,  besonders  da  die 
Aufnahme  der  von  den  Mongolen  aus  ihren  Wohnsitzen  ver- 
triebenen Rumänen  ohnehin  nicht  unbedenkliche  Folgen  hatte. 
Obwohl  die  Kunde  von  den  Plünderungszügen  der  Mongolen 
sich  in  ganz  Mitteleuropa  verbreitet  hatte,  schien  Ungarn  ohne 
fremde  Hilfe  eine  Beute  der  Barbaren  werden  zu  sollen.  Aber 
nur  Osterreich,  das  allerdings  in  erster  Linie  bedroht  war,  ent- 
schlofs  sich  zur  Hilfeleistung.  Die  Kurie,  die  wie  immer  den 
Zusammenhang  klar  erkannte,  liefs  sowohl  vom  Kloster  Heiligen- 
kreuz, das  wegen  seiner  ungarischen  Besitzungen  an  der  Sache 
besonderes  Interesse  haben  mufste,  als  auch  von  den  Dominikanern  in 
Wien  das  Kreuz  predigen  ').  Herzog  Friedrich  aber  ergrifif  gern 
die  doppelte  Gelegenheit,  einerseits  seinen  persönlichen  kriegerischen 
Drang  zu  betätigen,  andererseits  in  die  Verhältnisse  Ungarns,  mit 
dessen  unzufriedenen  Magnaten  er  schon  lange  in  Verbindung  stand, 
einzugreifen.  Er  konnte  auch  mit  dem  Ergebnisse  seiner  Aktion 
nach  beiden  Richtungen  hin  zufrieden  sein.  Er  erwies  sich  nicht 
nur  in  Gefechten  gegen  die  Barbaren  als  verwegener  Haudegen^ 
er  errang  mit  seiner  persönlichen  Tapferkeit  auch  die  Bewun- 
derung des  Volkes,  soll  sogar  bei  der  Ermordung  des  Kumanen- 
fürsten  Kuthen  die  Hand  mit  im  Spiele  gehabt  haben  ^),  und  er- 
lebte schliefslich  die  Genugtuung,  dafs  sich  König  Bela,  obwohl 
nicht  eben  gerade  sein  Freund,  gezwungen  sah,  zuerst  seine  Fa- 
milie mit  dem  ungarischen  Kronschatze  und  endhch  nach  der 
vernichtenden  Niederlage  der  Ungarn  bei  Mohi  am  Flusse  Sajo 
(11.  April  1241)  sich  selbst  nach  Österreich  in  Sicherheit  zu  bringen. 
Das  kam  dem  Babenberger  ungemein  erwünscht.  Ein  skrupel- 
loser Realpolitiker  wie  er  konnte  eine  solche  Gelegenheit  unmög- 
lich verstreichen  lassen,  ohne  sie  für  seine  Zwecke  auszubeuten. 
Er  zwang   den   Ungarnkönig   zu  einem  Vertrage,   über   den   wir 


1)  Potthast,  Reg.  Pont.  11038. 

2)  Selbst  Roger  (Carmen  mis.  24)  überliefert  die  Beschuldigung  als  Gerücht. 


Österreich  im  Kampfe  gegen  äufsere  Feinde.  479^ 

allerdings  nicht  genau  unterrichtet  sind  ').  So  viel  scheint  jedoch 
sicher  zu  sein,  dafs  Herzog  Friedrich  seine  fernere  Hille  nicht  nur 
von  der  Übergabe  eines  beträchtlichen  Teiles  des  ungarischen  Kron- 
schatzes als  Entschädigung  für  die  beim  letzten  Friedensschlüsse 
von  ihm  gezahlte  Summe  (70  —  100000  Mark)  abhängig  gemacht 
hat,  sondern  auch  von  einer  wesentlichen  Gebietserweiterung  durch 
drei  Grafschaften.  Welche  dies  gewesen  sind,  läfst  sich  nicht 
mehr  nachweisen.  Eine  davon  dürfte  Oedenburg  gewesen  sein, 
da  er  dieses  bald  nachher  besetzte  ^) ,  eine  andere  Prefsburg,  das 
er  gleichfalls  besetzen  wollte,  woran  ihn  aber  Graf  Cosraas 
und  dessen  Bruder  Achilleus  hinderten;  die  dritte  war  entweder 
Eisenburg  oder  Wieselburg  ^).  Auch  Raab  brachte  er,  wenn  auch 
nur  vorübergehend,  in  seine  Hand. 

Es  war  dies  alles  gewils  nicht  nur  politisch,  sondern  auch 
strategisch  sehr  klug  und  geschickt,  denn  bei  der  allgemeinen 
Verwirrung  und  Zerfahrenheit,  die  in  Ungarn  herrschte,  mufste 
er  darauf  Gewicht  legen,  sein  eigenes  Land  vor  einem  Einbrüche 
der  Mongolen  zu  sichern,  zumal  ein  kleiner  Trupp  bereits  im  Mai 
oder  Juni  1241  bis  gegen  Korneuburg  vorgedrungen  war  ^).  Und 
diese  Sicherung  erreichte  er  am  besten  durch  die  Besetzung  der 
ungarischen  Grenzfestungen.  Geld  verschaffte  er  sich  durch  Zwangs- 
anleihen, die  er  von  Ungarn  und  Deutschen,  die  in  Österreich 
eine  Zuflucht  suchten,  erprefste.  Er  erreichte  auch  tatsächlich 
so  viel,  dafs,  obwohl  das  deutsche  Kreuzheer  noch  immer  aus- 
blieb, nur  noch  einmal  ein  mongolisches  Streif  korps  österreichischen 
Boden  betrat  und  sich  bis  gegen  Wiener  Neustadt  wagte  ^). 

Man  mag  über  Herzog  Friedrichs  Haltung  angesichts  der  Mon- 
golengefahr nicht  zum  besten  denken,  immerhin  scheint  er  der  einzige 


1)  Nämlich  auch  nur  durch  Eoger  a.  a.  0.  S.  280. 

2)  Geht  aus  Belas  Schreiben  vom  5.  Juni  1243  (Fejor,  Cod.  dipl.  Hung.. 
IV  S  287)  hervor. 

3)  Eoger  S.  33;  Fejer  TV  \  390;  IV  ^  388—391. 

4)  Schreiben  Herzog  Friedrichs  an  König  Konrad  vom  13.  Juni  1241 
(Meiller,  Eegesten  167,  85). 

5)  Math.  Paris.,  Chron.  mai.  (SS.  XXVIII,  213),  allerdings  von  Schwam- 
mel,  Hirn,  Ficker,  Wolff,  Huber  und  Strakosch  angezweifelt;  dafür 
der  Bericht  Jvos  von  Narbonne  (Erben,  Eeg.  Boh.  I,  500). 


480  Zwanzigstes  Kapitol. 

deutsche  Fürst  gewesen  zu  sein,  dem  eine  Ahnung  von  der 
Gröfse  der  Gefahr  aufdämmerte  und  der  wenigstens  etwas  zur 
Sicherung  des  Westens  tat.  Trotz  alledem  mufs  es  als  ein 
seltener  Glücksfall  für  Europa  angesehen  werden,  dafs  die  Mon- 
golen ebenso  rasch  und  rätselhaft  wieder  nach  dem  fernen  Osten 
verschwanden,  wie  sie  aufgetaucht  waren.  Ende  1241  war  der 
Grofskhan  Ogstai  gestorben,  und  sein  Feldherr  Batu  trat  den 
Kückzug  an. 

Nach  Friedrichs  Haltung  während  der  Mongolengefahr  ist  es 
nicht  verwunderlich,   dafs  er  gleich  wieder  in  Händel   mit   seinen 
beiden  Nachbarn  geriet.    Wieder  scheint  die  Unbotmäfsigkeit  seiner 
Ministerialen  daran   schuld   gewesen    zu    sein,    dafs   er   gegenüber 
beiden    klein    beigab.      Die    österreichische    Besatzung    von    Raab 
wurde  von  den  Ungarn  überfallen  und  die  Stadt  verbrannt,  Oeden- 
burg  belagert,  und  der  Graf  des  Prefsburger  Komitates,  Achilleus, 
streifte  bis  gegen  Wien.    In  dem  Frieden,  zu  dem  Herzog  Friedrich 
genötigt  war,  mufste  er  vermutlich  die  drei  verpfändeten  Komitate 
zurückgeben  ') ;  ebenso  endeten  die  Zwistigkeiten  mit  dem  Böhmen- 
könig,  dem   er   durch   einen   Einfall  in   Mähren   zuvorzukommen 
suchte,    mit    der    Erneuerung    des    Ehegelöbnisses    zwischen    dem 
Prinzen  Wladislaw  und  seiner  Nichte  Gertrud  -).    Und  bald  darauf 
geriet  er  auch  in  Fehde  mit  seinem  dritten  Nachbarn,  dem  Herzog 
von  Bayern.    Auch  hier  gab  eine  Heiratsangelegenheit  den  äufseren 
Anstofs,  die  zunächst  eine  scheinbare  Annäherung  gebracht  hatte. 
Im   Jahre    1243,    als   Friedrich   im  Vollbesitze    seiner   Macht 
stand    und    sich    mit    vielen  weitausschauenden  Plänen   zu    deren 
Erhöhung  trug,    ging  er  unter   anderem   auch    daran,    seine  vier- 
zehnjährige Ehe  mit  Agnes  von  Meran,  da  sie  kinderlos  zu  bleiben 
drohte,  zu  lösen.     Bevor  noch  die  Entscheidung  von  Rom  eintraf, 

1)  Fpjer,  IY\  289,  295;  IV-,  313,  388-391;  Cont.  Sancruc.  II  (Mon. 
Germ.  SS.  IX,  641),  dagegen  konfus  Cont.  Garst,  (a.  a.  0.  S.  597).  Da  bereits 
im  Dezember  1242  in  den  Komitaten  Wieselburg,  Eisenburg  und  Oedenburg  eigene 
Grafen  nachweisbar  sind,  so  sind  diese  Grafschaften  nicht,  wie  Ficker  S.  111 
meint,  im  Besitze  Herzog  Friedrichs  geblieben,  sondern  mufsten  von  diesem 
wieder  abgetreten  worden  sein  (Hub er  I,  462,  Anm.  1). 

2)  Cont.  Carstens,  (a.  a.  0.  S.  597);  Cont.  Sancruc.  II  (a.  a.  0.  S.  641); 
Ann.  Öt.  Eu<lpcrti  (a.  a.  0  S.  788);  Canon.  Prag.  Cont.  Cosmae  174;  dazu 
wohl  auch  nodi  die  Stelle  bei  Albert  Behaim  (Höflor  a.  a.  0.  S.  30). 


Österreich  im  Kampfe  gegen  äiifsere  Feinde.  481 

war  bereits  eine  Synode  österreichischer  Bischöfe  ihm  zu  Willen 
und  sprach  die  Scheidung  aus  (Juni  1243  zu  Friesach).  Die 
staufische  Partei  betrieb  das  Heiratsprojekt  nach  Kräften,  Erz- 
bischof Eberhard  von  Salzburg  scheint  den  Vermittler  gespielt  zu 
haben.  Bei  einer  persönlichen  Zusammenkunft  zwischen  Herzog 
Friedrich  und  Herzog  Otto  von  Bayern  zu  Wels  wurde  die  Ver- 
mählung des  Babenbergers  mit  des  letzteren  Tochter  EHsabeth 
beschlossen  ^),  und  es  fanden  gegenseitige  Besuche  in  Wien  und 
München  statt  ^). 

Aufserliche  Zufälligkeiten  zerstörten  diese  Kombinationen  wie- 
der. Friedrich  liefs  sich  in  einer  kleinen  Grenzfehde  zu  politischen 
Unbesonnenheiten  hinreifsen,  die  dann  weitere  Kreise  zogen  ^).  Die 
Brüder  Heinrich  und  Ortolf  von  Waldeck,  Dienstmannen  des 
Bischofs  von  Passau,  hatten  sich  des  Schlosses  Obernberg  am  Inn 
bemächtigt  und  trieben  von  da  aus  in  weitem  Umkreis  ein  Raub- 
ritterunwesen, wie  es  eben  in  der  Zeit  der  erstarkenden  Ministeri- 
alenmacht bereits  da  und  dort  aufzutauchen  begann.  Sogar  das 
Kloster  ßanshofen  wurde  von  ihnen  zerstört,  und  wiederholt  er- 
streckten sich  ihre  Raubzüge  auch  auf  österreichisches  Gebiet.  Als 
sich  daher  Bischof  Rüdiger  von  Passau  an  Herzog  Friedrich  um 
Unterstützung  gegen  seine  unbotmäfsigen  Dienstmannen  wandte, 
ging  dieser  bereitwilligst  darauf  ein  und  besetzte  die  Burg  Obern- 
berg. Aber  statt  sie  dem  Bischof  zurückzustellen,  übergab  er  sie 
dem  aufstrebenden  Geschlechte  der  Schaumberge  im  benachbarten 
Attergau.  Ja  er  ging  noch  weiter,  er  rifs  auch  eine  andere  pas- 
sauische  Burg,  Ebersberg  an  der  Traun,  an  sich  und  liefs  sie  zer- 
stören. Da  daraufhin  Bischof  Rüdiger  zu  Herzog  Otto  von  Bayern 
seine  Zuflucht  nahm  und  dieser  ofi'enbar  seine  Partei  ergriff,  so 
wurden  die  Beziehungen  zwischen  Bayern  und  Österreich  ab- 
gebrochen, ohne  dafs  es  indessen  vorläufig  zu  einem  Wafi'engange 
gekommen   wäre.     Aber   kaum   hatte    sich   Herzog   Friedrich   auf 


1)  Cont.  Garst.  (Mon.  Germ.  SS.  IX,  597). 

2)  Font.  rer.  Austr.  2.  Abt.  XI,  107  und  Cont.  Garst,  a.  a.  0. 

3)  Darüber  eingehend  die  Cont.  Garst,  und  Magni  presb.  ann.  Reichersb. 
(M.  G.  SS.  XVII,  529);  auch  Archiv  für  österreichische  Geschichte  XVII,  359. 
Vgl.  Riezler,  Geschichte  Baierns  II,  80,  dessen  Darstellung  jedoch  mehrfach 
zu  modifizieren  ist. 

Yancsa,  Geschichte  Nieder-  n.  Oberösteneichs.  31 


483  Zwanzigstes  Kapitel. 

den  Reichstag  zu  Verona  begeben,  als  Herzog  Otto  seine  Abwesen- 
heit benutzte,  um  die  Feste  Obernberg  einzuscbliefsen,  freilich  ohne 
Erfolg,  da  sie  die  Brüder  Bernhard  und  Heinrich  von  Schaumberg 
durch  sechs  Wochen  hindurch  heldenmütig  verteidigten,  und  als 
Friedrich  aus  Italien  zurückkehrte,  zog  er  es  vor,  die  Belagerung 
abzubrechen. 

Zur  selben  Zeit  machte  König  Wenzel  von  Böhmen,  der 
übrigens  jetzt  ganz  zur  päpstlichen  Partei  übergetreten  war,  einen 
neuerlichen  Versuch,  die  Heirat  seines  Sohnes  mit  Gertrud,  deren 
Vermählung  mit  dem  Kaiser  sich  mittlerweile  zerschlagen  hatte, 
mit  Waffengewalt  durchzusetzen.  Sein  Neffe  Ulrich  von  Kärnten, 
dem  das  Lundenburger  Grenzgebiet  übertragen  war,  befehligte  das 
Heer,  stiefs  aber  bereits  zwischen  Laa  und  Staatz  auf  Herzog 
Friedrich,  der  ihm  trotz  der  Minderzahl  des  eigenen  Heeres  eine 
vernichtende  Niederlage  beibrachte,  und  an  tausend  Gefangene 
machte,  darunter  Ulrich  von  Kärnten  selbst,  dreizehn  Anführer 
und  zweihundert  Ritter  (26.  Januar  1246)  ^). 

Einige  Monate  später  fühlte  sich  König  Bela  von  Ungarn 
nach  dem  Mongolenstürm  bereits  gekräftigt  genug,  um  den  An- 
griff auf  Osterreich  wieder  einmal  zu  erneuern.  Vielleicht  mochte 
er  hoffen,  wie  früher  die  drei  Komitate,  jetzt  auch  die  seinerzeit 
bezahlte  Summe  zurückgewinnen  zu  können,  wahrscheinlich  reichten 
auch  die  Fäden  von  der  Kurie  nach  Ungarn  hinüber.  Die  ein- 
silbigen Quellen  bieten  keinen  Anhaltspunkt  für  das  Motiv.  Wir 
sehen  nur  ein  fortwährendes  Auf-  und  Niederwogen  der  öster- 
reichischen Grenz-  und  Nachbarkriege.  Auch  diesmal  schien  Herzog 
Friedrich  sein  altes  Glück  zu  begünstigen,  denn  als  es  am  15.  Juni 
1246  unweit  Wiener  Neustadt  ^)  an  der  Leitha  zur  Schlacht  kam, 

1)  Berichte  in  allen  österreichischen  Annalen  Mon.  Germ.  IX;  auch  Heinr 
Heimb.  Ann.  M.  G.  SS.  XVn,  174  und  Chron.  regia  Colon.  Cont.  V,  ed.  Waitz 
S.  289;  am  ausführlichsten  Enenkel  (M.  G.  Deutsche  Chron.  III,  664). 

2)  Schon  Juritsch  S.  664  hatte  als  Schauplatz  der  Schlacht  die  Nähe 
von  Pottendorf  genannt,  ohne  seine  Gründe  dafür  klarzulegen.  Unabhängig 
Ton  ihm  versuchte  Lampel,  Das  Lokal  der  Leithaschlacht  (Ber.  u.  Mitt.  d. 
Altertumsvereines  XXXIV,  1 ,  1899)  dieselbe  Annahme  eingehend  zu  verfechten. 
Er  wurde  jedoch  auf  Grund  der  zeitlich  zunächststehenden  Quellen  widerlegt 
von  ühlirz  in  den  Mitteilungen  des  Institutes  für  österreichische  Geschichtsf. 
XXI,  155  (vgl.  dazu  noch  Lampeis  Replik  im  Maiheft  des  Monatsblattes  des 


Österreich  im  Kampfe  gegen  äufsere  Feinde.  48S 

wurden  die  Ungarn  in  die  Flucht  geschlagen.  Erst  als  der  Sieg 
bereits  erfochten  war,  vermifste  man  den  Herzog.  Endlich  fand 
man  ihn  unter  den  Gefallenen,  das  Haupt  von  einem  Lanzenstich 
durchbohrt,  von  den  Kämpfenden  überritten  '). 

So  fiel  der  letzte  der  Babenberger,  zugleich  einer  der  befähigt- 
sten, energischsten  und  taten  reichsten,  noch  ehe  er  durch  eine  neue 
Ehe  für  eine  Nachkommenschaft  sorgen  konnte,  im  blühenden 
Mannesalter  einem  blinden  Zufall  zum  Opfer,  als  er  eben  Aussicht 
hatte,  nach  Überwindung  der  Haupthindernisse  die  alten  Leit- 
gedanken seines  Geschlechtes:  die  Begründung  eines  nach  aufsen 
möglichst  unabhängigen,  nach  innen  absoluten  Landesfürstentums 
in  Verbindung  mit  einer  eigenen  Landeskirche  zu  verwirklichen. 
Er  liefs  das  Land  zurück,  ohne  dafs  die  wichtige  Erbfolgefrage 
definitiv  geregelt  gewesen  wäre,  den  Begehrlichkeiten  der  Kurie, 
des  Reiches,  der  Nachbarmächte  preisgegeben,  aber  auch  im  inneren 
Gefüge  gelockert  durch  das  Erstarken  so  vieler  Sonderbestrebungen 
des  Adels,  der  Städte,  der  Geistlichkeit,  die  nur  durch  seine  feste 
Hand  mühsam  niedergehalten  waren. 


Altertums  Vereines  1900  und  Uhlirz'  Duplik  in  den  Mitteilungen  des  Institutes 
XXI,  560). 

1)  Die  ausführlichste  und  wichtigste  gleichzeitige  Quelle  ist  Ulrich  von 
Liechtenstein  (Frauendienst,  hgg.  von  Lachraann  S.  527),  der  wahrscheinlich 
auch  Teilnehmer  der  Schlacht  gewesen  ist.  Die  meisten  der  übrigen  mehr  oder 
minder  gleichzeitigen  Quellen  in  den  österreichischen  Annalen  enthalten  nur  eine 
trockene  Notiz.  Erst  in  den  späteren  greift  die  Legendenbildung  und  Aus 
schmückung  immer  mehr  um  sich.  Da  ohnehin  Ficker  im  Exkurs  5  (S.  174) 
und  Ju ritsch  S.  665  ein  genaues  Verzeichnis  und  eine  kritische  Sichtung  aller 
Quellen  geben,  so  glaube  ich  hier  im  Eahmen  der  Landesgeschichto  von  einer 
neuerlichen  Aufzählung  absehen  zu  können  (vgl.  übrigens  oben  S.  320). 


31* 


Einundzvvanzigstes  Kapitel. 
Der  österreichische  Erbfolgestreit  ^). 

Die  Rechtsfrage  nach  Herzog  Friedrichs  Tode  lag  an  sich 
ziemHch  klar.  Da  der  Herzog  weder  männliche  noch  weibliche 
Nachkommen  hinterlassen  und  auch  keinerlei  Bestimmungen  über 
die  Nachfolge  getroffen  hatte,  wie  sie  das  Privileg  von  1156  ein- 
geräumt zu  haben  scheint,  so  hatte  in  der  Tat  niemand  direkten 
Anspruch  auf  das  Gesamterbe,  sondern  die  einzelnen  Bestandteile 
sollten  von  Rechts  wegen  in  folgender  Weise  auseinanderfallen: 
die  Farailienallode  der  Babenberger  an  die  einzigen  überlebenden 
weiblichen  Seitenverwandten,  an  Friedrichs  Schwester  Margarete, 
die  mit  dem  Sohne  des  Kaisers,  König  Heinrich  VH.,  vermählt  ge- 
wesen und  bereits  verwitwet  war,  und  an  seine  Nichte  Gertrude, 
die  Kirchenlehen  an  die  Hochstifte  und  die  Reichslehon,  insbesondere 
die  Herzogswürde  mit  allen  ihren  Gerechtsamen  an  das  Reich. 

Man  wird  es  jedoch  sehr  begreiflich  finden,  dafs  in  einer 
durch  Parteiungen  so  vielfach  zerrissenen  Zeit  und  bei  einem  so 
aufsergewöhnlichen,  unvorhergesehenen  Fall  die  Dinge  nicht  den 
friedlichen,  rechtmäfsigen  Weg  gingen,  vielmehr  dafs  nicht  nur  jeder 
der  Ansprecher  weit  mehr  als  ihm  zukam  herauszuschlagen  suchte, 


1)  Lambacher,  Österreichisches  Interregnum  (Wien  1773)  mit  Urkunden- 
anhang; Lorenz,  Die  Erwerbung  Österreichs  durch  Ottokar  von  Böhmen  (Zeit- 
schrift f.  österr.  Gymnasien  1857)  und  Deutsche  Geschichte  im  13.  und  14.  Jahr- 
hundert I  (Wien  1863) ,  deren  drei  erste  Bücher  unter  dem  Titel :  Geschichte 
König  Ottokars  II.  von  Böhmen  und  seiner  Zeit  (Wien  1866)  auch  separat  er- 
schienen sind;  Huber  I,  514 ff.;  Turba,  Geschichte  des  Thronfolgerechtes 
S.  41tf.  (Wien  u.  Leipzig  1903);  in  Kürze  Dopsch,  Das  österreischische  Inter- 
regnum in  „An  Ehren  und  an  Siegen  reich",  das  demnächst  erscheint. 


Der  österreichische  Erbfolgestreit.  485 

sondern  dafs  auch  noch  eine  Reihe  weiterer  Ansprecher  erstand. 
Selbst  der  relativ  so  einfache  Punkt  der  Lehengüter  gab  zu  allerlei 
Übergriffen  Anlafs.  Es  erscheint  nicht  unverdächtig,  dafs  gerade  das 
stets  auf  seinen  Vorteil  bedachte  Passau,  mit  dem  Herzog  Friedrich 
meist  auf  gespanntem,  in  den  letzten  Jahren  sogar  direkt  feind- 
sehgem  Fufse  gestanden  hatte,  am  besten  mit  Belegen  für  seine 
Ansprüche  versehen  war.  Es  konnte  nicht  nur  ein  detailliertes 
Lehensbekenntnis  des  Herzogs  aus  dem  Jahre  1241  vorlegen  '), 
sondern  sich  sogar  auf  ein  Schreiben  des  Herzogs  stützen,  das 
dieser  noch  am  Abend  vor  seinem  Tode  in  der  Schlacht  an  der 
Leitha  aus  dem  Lager  bei  Wiener  Neustadt  an  Albero  von  Pol- 
heira  geschrieben  haben  sollte,  worin  er  ihm  unter  Berufung  auf 
ein  dem  Papste  übersandtes  Testament  mitteilt,  dafs  er  dem  Bis- 
tume  Passau  3000  Mark  Silber  als  Ersatz  für  allen  früher  zu- 
gefügten Schaden  bestimmt  habe,  und  ihn  auffordert,  zusammen 
mit  einem  gewissen  Tröstelin  die  Städte  Wels  und  Linz  für  den 
Bischof  zu   verwalten  -).      Merkwürdigerweise    sind    gerade    Wels 

1)  Meillor,  Ro.uc'ston  1G6,  Nr.  81:  ÜB.  d.  L    o.  d.  Enns  III,  101. 

2)  Sowenig  ich  den  Ergebnissen  von  Lampols  oben  genannter  Unter- 
suchung zustimme,  ebensowenig  überzeugt  mich  ühlirz"  Versuch,  dipse  Ur- 
Ivunde  (Mon.  Boic.  XXIX b,  3(51  und  Lampel  a.  a.  0.  S.  19  mit  Faksimile)  zu 
retten.  Eine  paläographisch- diplomatische  Untersuchung  wird  hoffentlich  das 
Babenberger  Urkundenbuch  bringen.  Vorläufig  erscheinen  aber  doch  die  inneren 
Verdachtsmomente  zu  bedeutend.  Nach  den  allerdings  nicht  eben  zahlreichen 
und  eingehenden  Quelh-n  lag  doch  eigentlich  die  Situation  im  damaligen  Augen- 
blicke eher  so,  dafs  Herzog  Friedrich  mit  dem  Papste  nicht  zum  besten  stand. 
Uhlirz  mul's  also  einen  nochmaligen  Frontwechsel  annehmen  dafür,  dafs  der 
Herzog  ein  Testament  an  den  Papst  gesandt  habe.  Dieses  Testament  ist  un- 
begreiflicberweise  im  folgenden  Erbfolgestreit  von  der  Kurie  nie  verwendet  worden, 
Uhlirz  mufs  also  annehmen,  dafs  es  auf  dem  Wege  nach  Koni  in  Verstofs 
geraten  ist.  Und  gerade  dem  Albero  von  Polheim  soll  am  Vorabend  der  Schlacht 
der  Herzog  davon  Mitteilung  gemacht  haben,  gerade  Passaus,  mit  dem  er  zeitlebens 
in  Unfrieden  gelebt,  soll  er  gedacht  haben'?!  Uhlirz  meint,  die  Annahme  sei 
gar  zu  kompliziert,  dafs  Passau  gerade  dieses  Mandat  gefälscht  habe,  wo  es  doch 
eine  direktere  Urkunde  hätte  fälschen  können.  Dieser  Umstand  verliert  jedoch 
sein  Bedenkliches,  wenn  man  eben  annimmt,  dafs  auch  das  gefälschte  Mandat 
für  Albero  von  Polheim  bestimmt  war,  der  ja  im  Lande  ob  der  Enns  schon  ein- 
mal (1237)  eine  führende  Eolle  gespielt  hatte  und  vielleicht  ähnlich  wie  der 
Kucnringer  im  Lande  unter  der  Enns  nach  Friedrichs  Tode  sich  wieder  anmafste. 
Das  war  jedenfalls  der   einfachere  Weg,   als   zu  einer  Zeit,   da   eigentlich  keino 


4S6  Einundzwanzigstes  Kapitel. 

und  Linz  in  Enenkels  Fürstenbuche  noch   nicht   in  Passauischem 
Besitz  •). 

Die  anderen  Bistümer,  die  ihre  Interessen  in  Osterreich  nicht 
so  glücklich  verfochten,  erlitten  mannigfache  Einbufsen,  namentlich 
durch  die  Übergriffe  der  Ministerialen,  so  z.  B.  Salzburg.  Und 
wieviel  sich  die  Ministerialen  von  den  landesfürstlichen  Lehen  und 
Besitz  widerrechtlich  angeeignet  haben,  das  bezeugen  am  besten 
die  strengen  Mafsnahmen,  die  später,  wie  wir  sehen  werden,  König 
Ottokar  treffen  mufste,  um  das  Interesse  des  Landeslursten  gegen- 
über diesen  Übergriffen  zu  wahren.  Dafs  überhaupt  die  Ministe- 
rialen die  Gelegenheit  benutzten,  um  sich  als  die  Repräsentanten  des 
Landes  aufzuspielen  und  die  Lösung  der  Erbfolgefrage  von  ihrer 
Entscheidung  abhängig  zu  machen,  wird  wohl  kaum  wundernehmen. 
Albero  von  Kuenring  nennt  sich  bereits  im  August  1246,  wie  seiner- 
zeit Hadmar  von  Kuenring,  capitaneus  Austriae^),  auch  Albero 
von  Polheim  scheint  sich  im  Lande  ob  der  Enns  eine  dominierende 
Rolle  angemafst  zu  haben.  Wie  dann  diese  Adeligen  das  Zünglein 
an  der  Wage  bilden,  werden  wir  ja  noch  sehen.  Eine  merk- 
würdige Vertrauensstellung  nahm  der  Deutschorden  ein,  der  auf 
seinen  Burgen  Starhemberg  und  Gutenstein  die  Österreichischen 
Privilegien  und  herzoglichen  Schätze  in  Gewahrsam  hielt  ^). 

Das  eigentliche  Beutestück,  um  das  der  Kampf  der  Parteien 
entbrannte,  war  naturgemäfs  das  Reichsland.  Viele  lüsterne  Hände 
streckten  sich  danach  aus;  wo  keine  Anrechte  voi banden  waren, 
wurden  solche  konstruiert.  Dafs  allmählich  so  viele  Anwärter  er- 
standen, daran  trugen  zwei  Umstände  Schuld.  Der  eine  war  der, 
dafs  der  Kaiser  gerade  damals  so  sehr  in  die  italienischen  An- 
gelegenheiten verwickelt  und  auch  in  Deutschland  durch  die  im 
Mai    1246   erfolgte  Wahl  des   Gegenkönigs   Hermann   Raspe   von 


anerkannte  Macht  existierte,  ein  allgemein  gehaltenes  Dokument  produzieren  zu 
wollen.  —  Fälschung  nahmen  au  Berchtold,  Landeshoheit  S.  55;  Hirn 
S.  109;  Ficker  S.  130;  Juritsch  S.  664  und  Lampel  a.  a.  0. 

1)  Strnadt  hat  daher  auch  das  Lehnsbekenntnis  für  gefälscht  erklärt 
(Ber.  d.  Mus.  Franc.  -  Ca rol.  XXVII,  210  und  Geburt  d.  L.  o.  d.  Enns  S.  99). 
Äufserlich  stellt  es  sich  allerdings  als  echte  Urkunde  dar. 

2:  Font.  rer.  Austr.  2.  Abt.  VlII,  311. 

3)  Siehe  Potthast,  Eeg.  Pont.  12684,  12  718,  12823. 


Der  österreichische  Erbfolgestreit.  487 

Thüringen  mehrfach  lahmgelegt  war,  so  dafs  er  fast  ein  Jahr  ver- 
streichen liefs,  ehe  er  etwas  unternahm,  um  die  erledigten  Reichslehen 
an  sich  zu  ziehen.  Unbegreiflicherweise  hören  wir  nicht  einmal 
von  irgendeinem  Erlafs,  der  diese  Ansprüche  wenigstens  theoretisch 
festgestellt  hätte.  Vielleicht  hielt  der  Kaiser  die  Sachlage  für  ein- 
facher, als  sie  sich  gestaltete.  Und  doch  hätte  er  gleich  von  vorn- 
herein mit  dem  zweiten  Umstand  rechnen  sollen:  die  Kurie  wartete 
ja  nur  auf  die  Gelegenheit,  um  ihm  auch  in  der  österreichischen 
Frage  eine  Niederlage  zu  bereiten;  eine  Vergröfserung  der  kaiser- 
lichen Macht  mufste  der  Papst  unter  allen  Umständen  hintanhalten. 

Bevor  jedoch  die  grofsen  Parteien  über  ihre  Mafsregela 
schlüssig  geworden  waren,  traten  die  kleineren,  durch  die  lange  Ver- 
zögerung verlockt,  auf  den  Plan.  Zunächst  beeilte  sich  der 
Böhmenprinz  Wladislaw,  die  ihm  schon  so  lange  in  Aussicht  ge- 
stellte Ehe  mit  Herzog  Friedrichs  Nichte  Gertrude  zu  vollziehen  *), 
denn  nach  den  Ereignissen  der  letzten  Jahre  schien  diese  die 
allermeiste  Aussicht  auf  die  Erbfolge  zu  haben  und  war  jedenfalls 
schon  durch  das  Erbe  der  Allode  reich  und  mächtig  genug.  Er 
galt  auch  in  den  Augen  vieler  Österreicher  als  rechtmäfsiger 
Herzog  im  Lande  ^).  Aber  gleich  an  Wladislaw  erfüllte  sich  das 
eigentümliche  Verhängnis,  das  fast  über  allen  Personen  schwebte, 
die  in  dem  österreichischen  Erbfolgestreit  in  den  Vordergrund 
traten:  er  starb,  ehe  er  noch  seine  Ansprüche  geltend  machen 
konnte,  am  3.  Januar  1247. 

Seine  Vermählung  scheint  den  Anstofs  dazu  gegeben  zu  haben, 
dafs  sich  nun  auch  König  Bela  von  Ungarn  als  Anwärter  meldete. 
Eine  eigentliche  Berechtigung  konnte  er  wohl  kaum  aufweisen, 
aber  er  betrachtete  vielleicht  Osterreich  als  Kriegsbeute,  nach- 
dem Herzog  Friedrich  im  Kampfe  gegen  ihn  gefallen  war.  Die 
Sache  schien  ihm  eines  Versuches  wert,  und  er  schlug  gleich  einen 


1)  Sämtliche  österreichische  Ännalen  und  auch  böhmische  Quellen  verlege» 
<iie  Heirat  nach  des  Herzogs  Tode;  demgegenüber  verschlägt  es  nicht  viel,  dafs 
die  Ann.  Mellic.  (M.  G.  SS.  IX,  508)  an  einer  zweiten  Stelle  bemerken,  Wla- 
dislaw sei  8  Monate  nach  der  Hochzeit  gestorben.  Siehe  darüber  Hu  her  I 
517,  Anm.  2. 

2)  Annal.  Meli.  Cont.  (M.  G.  SS.  IX ,  507)  und  Can.  Prag.  Cent.  Cosmae 
(a.  a.  0.  S.  171). 


488  Einunilzwanzipstos  Kapitel. 

ganz  glücklichen  Weg  ein,  indem  er  im  November  124G  eine  Ge- 
sandtschaft an  die  Kurie  schickte  *).  Violleicht  hatte  man  ihn  von 
hier  aus  ermutigt,  da  auf  die  Haltung  Böhmens  kein  Verlafs  war. 
Übrigens  versprach  Bela  sowohl  die  Hechte  des  Reiches,  als  auch 
die  des  Bühmenkönigs  und  seines  Sohnes  zu  wahren.  Papst  Inno- 
zenz empfing  die  Gesandtschaft  auf  das  freundlichste  -)  und  for- 
derte auch  König  Heinrich  Kaspe  auf,  Bela  zu  unterstützen  ^).  Aber 
Bela  war  gerade  damals  durch  die  inneren  Wirren  in  Ungarn  so 
sehr  in  Anspruch  genommen,  dafs  er  nichts  unternehmen  konnte, 
um  die  günstige  Gelegenheit  auszunutzen. 

Endlich  verliefs  auch  Herzog  Friedrichs  Schwester,  die  Königin- 
Witwe  Margarete,  das  Dominikanerinnenkloster  zu  Trier,  in  das 
sie  sich  bereits  zurückgezogen  hatte,  und  erschien  schon  im  Ok- 
tober des  Jahres  1246  in  (J)sterreich  *),  zunächst  wohl  nur,  um  von 
ihren  Erbgütern  Besitz  zu  nehmen,  da  sie  sich  in  dem  ihr  zu- 
gefallenen Hainburg  niederliefs  "),  und  sich  in  den  Urkunden  nicht 
den  Titel  einer  Herzogin  von  Osterreich  anmafste,  sondern  sich 
nur  wie  vorher  Königin  nannte  ^). 

Angesichts  dieser -immer  mehr  anwachsenden  Begehrlichkeiten 
raffte  sich  endUch  der  Kaiser  zu  einem  entscheidenden  Schritte 
auf,  um  das  Land,  und  zwar  Osterreich  und  Steiermark  als  Ein- 
heit, für  das  Reich  in  Besitz  zu  nehmen.  Im  Frühjahr  1247  ent- 
sandte er  den  Grafen  Otto  von  Eberstein,  den  Neffen  des 
früheren  Reichsverwesers  in  Osterreich,  als  „Capitancus  et  Pro- 
curator  (Hauptmann  und  Verweser)    per  Austriam    et  Styriam"  '') 

1)  Am  15.  November  1246  erteilte  König  Eela  dem  Meister  der  ungarischen 
Minoritenprovinz  Jakob  die  Yollinacht  (l\Iou.  Hnng.  Dipl.  XII,  226). 

2)  Schreiben  des  Papstes  vom  30.  Januar  1247  (The  in  er,  Vet.  Mon. 
Hung.  I,  203). 

3)  Desgl.  von  demselben  Datum  (Cod.  Moraviae  III,  66;  Theiner  a.  a.  0. 
I,  202).  Eine  Aufforderung  an  die  Könige  von  Böhmen  und  Ungarn  zur  Be- 
setzung der  österreichischen  Länder  ist  nicht  ergangen  (siehe  Huber  gegen 
Lorenz  I,  516,  Anm.  2). 

4)  Urkunde  Margaretas,  Eomanorum  regina  (nicht  als  Herzogin),  Wien, 
13.  Oktober  1246  (Winkelmann,  Acta  imp.  398). 

5)  Steierische  Keimchronik,  Vers  1285. 

6)  Winkelmann,  Acta  imperii  I,  398. 

7)  So  nennt  er  sich  selbst  in  seinen  Urkunden  (ÜB.  d.  L.  o.  d.  Euns  III, 
141  und  Lamb acher.  Österreichisches  Interegnum  [Wien  1773]  Anh.  14,  15). 


Der  österreichische  Erbfolgestreit.  48^ 

nach  Wien  und  stellte  ihm  für  die  Finanzgeschäfte  Witigo  als 
„Scriba  imperii"  oder  auch  „Scriba  Austrie  et  Styrie"  an  die 
Seite,  der  das  Schreiberamt  bereits  unter  dem  letzten  Babenberger 
in  Steiermark  bekleidet  hatte  ^).  Den  grofsen  Städten,  Wien  und 
Wiener  Neustadt,  konnte  er  die  Erneuerung  ihrer  Privilegien,  Wien 
speziell  die  Erneuerung  der  Reichsunmittelbarkeit  mitbringen^); 
der  Adel,  sogar  die  Kuenringer,  war  ohnehin  mit  einer  Stel- 
lung unmittelbar  unter  dem  Reiche  zufrieden  und  schlofs  sich  ohne 
Widerrede  dem  Reichsverweser  an. 

Die  Aktion  des  Kaisers  brachte  sofort  eine  Gegenaktion  der 
Kurie  in  Flufs.  Das  Merkwürdigste  ist  jedenfalls,  dafs  man  sich 
an  der  Kurie  selbst  nicht  recht  über  die  zu  unternehmenden  Schritte 
im  klaren  war;  diese  haben  anfangs  etwas  unsicher  Tastendes, 
sich  Widersprechendes.  Es  war  aber  allerdings  auch  etwas  ganz 
Neues,  dafs  sich  der  Papst  in  eine  Reichsfrage  hineinmischte.  Zu- 
nächst scheint  es  den  Machenschaften  der  päpstlichen  Partei  zuzu- 
schreiben zu  sein,  dafs  überhaupt  eine  Appellation  an  den  päpstlichen 
Stuhl  zustande  kam,  die  Papst  Innozenz  IV.  für  seine  Einmischung^ 
wenigstens  eine  scheinbare  Rechtsgrundlage  schuf  Die  beiden 
Babenbergerinnen  scheinen  zunächst  solidarisch  vorgegangen  zu 
sein:  sie  teilten  dem  Papste  mit,  dafs  sich  die  Privilegien,  aus 
denen  sie  ihr  Erbrecht  ableiten  könnten,  im  Besitze  der  Deutsch- 
ordensritter auf  der  Feste  Starhemberg  befänden,  und  baten  ihn  um 
seinen  Schiedsspruch. 

Innozenz  IV.  beauftragte  daher  am  3.  September  1217  den 
Bischof  von  Passau,  die  Auslieferung  der  Privilegien  von  selten 
der  Deutschordensritter  zu  veranlassen  ^).  Nun  erst  wandte  der 
Papst  seine  Gunst  immer  mehr  Gertruden  zu,  denn  gegen 
Margarete  sprachen  ihre  Gelübde  und  ihre  verwandtschafthche 
Verbindung  mit  dem  staulischen  Kaiserhause,  für  Gertrude  aber 
vor  allem  eine  testamentarische  Verfügung  Herzog  Friedrichs, 
die  jetzt   auf  einmal   auftauchte   und    von    ihr    beim    Papste    als 


1)  Wichner,   Gescliichte   des  Benediktinerstiftes  Admont  II,  329.     V<^1. 
Dopsch,  Mittoihmgen  des  Institutes  für  österreichische  Geschichts: f.  XVIII,  258. 

2)  Die   Privilegien   sind   vom   April  1247    datiert  (Tomas chek,    Kechte 
und  Freiheiten  der  Stadt  Wien  I,  31). 

3)  Cod.  Moraviae  III,  77. 


400  Einundzwanzigstos  Kapitel. 

Rechtstitel  angemeldet  wurde  —  es  ist  unklar,  ob  bona  oder 
mala  tide.  ^Yie  es  damit  auch  stehen  mochte,  der  Papst  beeilte 
sich  jedentalls  ohne  lange  Bedenken,  diese  testamentarische  Ver- 
fügung anzuerkennen  und  mit  seiner  Autorisation  zu  versehen  '), 
sowie  gleichzeitig  der  Babenbergerin  die  Unterstützung  der  Könige 
von  Ungarn  und  Böhmen,  des  Erzbischofs  von  Salzburg,  der 
Bischöfe  von  Olmütz  und  Seckau,  sowie  einzelner  österreichischer 
Landherren,  wie  des  Grafen  von  Hardegg,  zu  erwirken  ^)  und  befahl 
dem  Deutschorden,  die  von  diesem  bewahrten  herzoglichen  Privi- 
legien und  Schätze  an  sie  auszuliefern  ^}. 

Wichtig  erschien  es  dem  Papste  auch,  die  beiden  allein- 
stehenden Frauen  zu  verheiraten,  natürlich  mit  Männern  der  päpst- 
hchen  Partei.  Zuerst  hatte  er  schon  am  13.  April  1247  Marga- 
reten den  Dispens  zu  einer  Heirat  mit  dem  Grafen  von  Henne- 
berg erteilt  ^),  die  jedoch  nicht  zustande  kam,  wie  Margarete  denn 
überhaupt  bald  fallen  gelassen  wurde  oder  freiwillig  wieder  zurück- 
trat ^).  Nun  bemühte  sich  der  Papst  noch  mehr  um  Gertrudens 
passende  Verehelichung.  In  erster  Linie  hatte  er  den  Gegenkönig 
der  päpstlichen  Partei,  Wilhelm  von  Holland  im  Auge  *').  Schliefs- 
lich  vermittelte  jedocli  Herzog  Otto  von  Bayern  eine  Heirat  mit 
seinem  Neffen,  dem  Markgrafen  Hermann  von  Baden,  ungefähr 
um  die  Mitte  des  Jahres  1248  ^j.  Der  Papst  stimmte  sodann  zu, 
dafs  Gertrude  ihrem  Gemahl  die  österreichischen  Länder  zum  Ge- 
schenk machte,  und  damit  auch  der  ganzen  Sache  der  Schein 
des  Reichsrechts  nicht  fehle,   suchte   er   die  Belehnung  Hermanns 


1)  28.  Januar  1248.     Potthast,  Keg.  Pont.  1282fi. 

2)  Potthast,  Kegesten  12816,  12  824,  12  825,  12828. 

3)  Ebendas.  12  634,  12  823. 

4)  Mon.  Germ.  Epist.  s.  XIII.,  II,  322.  Im  Mai  weilten  ihre  Gesandten 
beim  Papst. 

5)  Margareta  nennt  sich  vom  März  1248  ah  nicht  mehr  Herzogin  von 
Österreich  (Lamb acher,  Anh.  20),  und  dieselben  Persönlichkeiten  finden  sich 
in  ihrer  Umgebung  und  in  der  Hermanns  von  Baden.  —  Ja,  wie  wenig  sie  auf 
dem  ihr  eröffneten  Wege  geblieben  war,  bezeugt  der  merkwürdige  Umstand,  dafs 
sie  am  27.  März  1248  sogar  zusammen  mit  dem  kaiserlichen  Verweser  Otto 
von  Eberstein  urkundet. 

6)  Potthast,  Eegesten  12811. 

7)  Ann.  MelUc.  ad  1248. 


Der  österreichische  ErbfoJgestreit.  491 

mit  Osterreich  durch  den  Gegenkönig  AVilhelm  von  Holland  zu 
erwirken,  wobei  er  sich  ausdrücklich  auf  die  weibliche  Erbfolge 
in  diesem  Lande  berief  ^). 

Den  österreichischen  Landherren  war  jedoch  der  neue  Landes- 
fürst nichts  weniger  als  willkommen.  Er  war  kaum  in  Österreich 
erschienen  und  hatte  mit  Gertrude,  die  bisher  auf  dem  väterlichen 
Schlosse  zu  Mödling  geweilt  hatte,  die  feste  Burg  auf  dem  Kahlen- 
berg  bezogen  ^),  als  sich  noch  im  Sommer  1248  unter  Führung 
des  Reichsverwesers  Grafen  Otto  von  Eberstein  eine  Gesandtschaft 
österreichischer  Adehger  nach  Italien  aufmachte,  um  vom  Kaiser 
einen  neuen  Herzog  zu  erbitten,  und  zwar  wollten  sie  den  einen 
Sohn  Margaretens,  also  einen  Enkel  des  Kaisers,  der  ebenfalls 
Friedrich  hiefs,  von  ihm  als  Herzog  verlangen  ^).  Leider  ge- 
langte die  Gesandtschaft  nicht  nach  Parma  vor  den  Kaiser;  ein 
Teil  wurde  von  Erzbischof  Philipp  von  Salzburg  gefangenge- 
nommen. Der  Kaiser  entschlofs  sich  unbegreiflicherweise  wieder 
nur  zu  einer  Halbheit,  nämlich  zur  Erneuerung  der  Reichsver- 
weserschaft, mit  der  er  für  Osterreich  den  sehr  unzuverlässigen 
Herzog  Otto  von  Bayern,  für  Steiermark  den  Grafen  Meinhard  von 
<3örz  betraute,  so  dafs  nun  die  Babenbergischen  Länder  sogar  zer- 
rissen wurden. 

Herzog  Otto  von  Bayern,  obwohl  zeit  seines  Lebens  mit  der 
Kirche  auf  schlechtem  Fufs  stehend,  scheint  doch  seinem  Neffen  zu- 
liebe auf  jede  Ausnutzung  seiner  Stellung,  so  sehr  sie  auch  im  Inter- 
esse der  bayerischen  Politik  gelegen  gewesen  wäre,  verzichtet  zu 
haben.  Ein  einziges  Mal  zeigte  er  sich  an  der  Enns.  Osterreich, 
solchergestalt  sich  selbst  überlassen,  konnte  auf  die  Dauer  Hermann 
von  Baden  nicht  Widerstand  leisten.  Besonders  die  Städte  Wien, 
Wiener  Neustadt  und  andere  fielen  ihm  nun  zu.  Von  den  Ade- 
ligen ging  aufser  den  Grafen  von  Hardegg,  die  schon  früher  auf 
Gertrudens  Seite  getreten  waren,  noch  eine  Reihe  kleinerer  Ministeri- 


1)  Potthast,  Kegesten  13190. 

2)  Fischer,  Merkwürdigere  Schicksale  des  Stiftes  Klosterneuburg  II,  207; 
Böhmer,  Eeg.  Pont  50.  Auch  das  Neuenburch  der  Cont.  Sancruc,  kann  sich 
auf  das  Kahlenberger  Schlofs  beziehen. 

3)  Cont.  Garst.  (M.  G.  SS.  IX,  508);  Cont.  Sancruc.  IL,  Cod.  IV,  (a.a.O. 
S.  642);  Ann.  S.  Eudb.  Salisb.  (a.  a.  0.  S.  790);  Böhmor-Picker,  3706—3708. 


492  Kimindzwanzif^stos  Kapitel. 

aUni  wie  die  Falkenberg,  Stuchse,  Habsbach,  Preufsel,  7a\  ihm 
über  *).  Die  übrigen  suchte  er  in  ihrem  Haupte  zu  fassen,  indem 
er  im  Herbst  des  Jahres  1249  gegen  die  Herren  von  Kuenring  und 
gegen  Eggenburg  ins  Feld  zog  -).  Zur  Erliöhung  seiner  Autorität 
wurde  vom  Papste  sogar  ein  Legat  entsandt  ^).  Trotzdem  fand 
Hermann  keine  Sympathien  und  wurde  selbst  in  den  Klöstern 
nur  als  Usurpator  angesehen  '*). 

Unterbrochen  wurden  seine  Fortschritte  auch  durch  einen 
Einfall  der  Ungarn  im  Juli  1250,  der  Vergeltung  für  gewisse 
Grenzverletzungen  üben  sollte,  die  sich  Anhänger  Hermanns,  die 
Schenken  von  Habsbach  und  die  Preufsel,  hatten  zuschulden  kom- 
men lassen.  Raubend  und  mordend,  sengend  und  brennend  drangen 
die  magyarischen  Scharen  im  nordsteierischen  Gebirge  sogar  bis 
zum  Kloster  Mariazeil  vor,  das  in  Asche  gelegt  wurde.  Es  be- 
durfte der  Vermittelung  des  Böhraenkönigs,  um  den  Abzug  der 
Feinde  zu  erreichen  ^). 

Noch  ehe  es  Hermann  von  Baden  möglich  war,  die  Lage 
des  Landes  doch  zu  seinem  Vorteil  auszunutzen,  ereilte  auch  ihn 
der  Tod,  am  4.  Oktober  1250.  Nun  scheint  endlich  auch  dem 
Kaiser  die  Staatsnotwendigkeit ,  ( )sterreich  einen  neuen  Herzog 
zu  geben,  aufgedämmert  zu  sein ;  allerdings  konnte  er  nicht  mehr 
persönlich  eingreifen,  denn  auch  er  ging  noch  im  selben  Jahre 
1250,  wenige  Monate  später,  am  i:).  Dezember,  zur  ewigen  Ruhe. 
Testamentarisch  übertrug  er  jedoch  Österreich  dem  Sohne  Marga- 
retes, seinem  Enkel  Friedrich.  Kurz  darauf  war  auch  dieser  neue 
Prätendent  eine  Leiche. 

Das  unglückhche  Land  war  verwaister  denn  je,  denn  jetzt 
mangelte  jegliche  Zentralgewalt,    an   die   man    sich    hätte    wenden 

1)  Siehe  die  Urkunden  vom  16.  und  21.  September  1249  (ÜB.  d.  L.  o.  d. 
Enns  III,  159;  La  m  back  er,  Auh.  25).  Vgl.  auch  Cont.  Saneruc.  II.  Cod.  IV. 
S.  642. 

2)  Siehe  die  letztgffnaritite  Stelle, 
o)  Larabacher,  Anh.  S.  26. 

4)  Cont.  Garst.  (M.  G.  SS.  IX,  598),  Hermann  v.  Altaicli  (SS.  XVII,  393) ; 
dazu  noch  Ann.  Mellic.  (IX,  508),  Cont.  Sancruc.  II,  Cod.  IV.  (a.  a.  0.  S.  642). 

5)  Ann.  Mellic;  Cont.  Sancruc.  II,  Cod.  IV.;  Cont.  Claustvoneob. ;  Ann. 
S.  Eudb.;  Auctar.  Mariaezell.  (M.  G.  SS.  IX,  647)  und  die  Urkunde  bei  Fcjer 
IV  ^  314. 


Der  österreicliiscbe  Erbfolgostreit.  498 

können,  und  auch  der  Papst  war  in  Verlegenheit,  wen  er  als 
Kandidaten  aufstellen  solle.  Er  machte  wohl  noch  einen  Versuch, 
Gertrude  zum  dritten  Male  entsprechend  zu  verheiraten,  und  zwar 
mit  Florentius,  dem  Bruder  des  Königs  Wilhelm  von  Holland  '),  aber 
die  Sache  verwirklichte  sich  nicht,  und  Gertrude  fühlte  sich  im  Lande 
so  unsicher  und  verlassen,  dafs  sie  es  vorzog,  zu  Beginn  des  folgen- 
den Jahres  sich  an  den  Hof  ihrer  Tante  in  Meifsen  zu  begeben  -). 
Freilich  lebte  auch  noch  der  vom  Kaiser  eingesetzte  Keichsver- 
weser  Otto  von  Bayern,  und  jetzt  nach  Hermanns  von  Baden  Tode 
machte  er  auch  einen  Versuch,  seine  Autorität  wenigstens  im 
oberen  Lande  durchzusetzen,  indem  er  seinen  Sohn  Ludwig  in 
das  Land  einrücken  und  eine  Reihe  von  Burgen  und  Städten  — 
eine  nicht  ganz  sichere  Nachricht  nennt  auch  Linz  und  sogar 
Enns  —  besetzen  liefs  ^). 

Dieser  Vorstofs  und  der  jüngste  Einfall  der  Ungarn  zeigte 
recht  deutlich,  wessen  sich  das  Land  in  seiner  schutzlosen  Lage 
zu  versehen  hatte.  Die  Adeligen,  die  sich  mehr  denn  je  als  Ver- 
treter des  Landes  fühlten,  waren  daher  entschlossen,  sich  selbst 
einen  neuen  Herrn  zu  suchen.  Es  scheint,  dafs  man  sogar  einen 
Augenblick  an  die  Söhne  der  Schwester  Herzog  Friedrichs,  an 
die  jungen  Markgrafen  von  Meifsen  gedacht  hat  •*). 

Aber  die  Mehrzahl  der  österreichischen  Adehgen  richtete  ihre 
Blicke  auf  jene  Persönlichkeit,  die  in  unmittelbarer  Nachbarschaft 
vielversprechend  heranwuchs  und  die  die  meiste  Gewähr  für  eine 
sichere  Führung  zu  bieten  schien,  auf  den  Markgrafen  Ottokar 
von  Mähren,  nach  Wladislaws  Tode  der  älteste  Sohn  des  Königs 
Wenzel  von  Böhmen. 

Aus  ganz  anderem  Holze  geschnitzt  wie  sein  Vater,  hatte  er 
sich  ursprünglich  aus  Opposition  gegen  diesen  der  staufischen 
Partei  angeschlossen  und  im  Jahre  1248  nicht  unbedeutende 
Erfolge  errungen,  war  aber  dann  von  seinem  Vater  mit  Unter- 
stützung der  päpstlichen  Partei  wieder  bezwungen  worden.    Schon 


1)  Potthast,  Reg.  Pont.  14198. 

2)  Am  6.   Februar   1251    urkundet   sie   zum   letzten  Male  in  Wien  (Font, 
rer.  Austr.  2.  Abt.  XXI,  10). 

3)  Nach  Hermann  v.  Altaich  (M.  G.  SS.  XVII,  393). 

4)  Die  steierische  Reimchronik  (Kap.  18  ff.)  berichtet   von  einer  Versamm- 


404  Eimm(l/,\v;uizii:;st(.'ß  Kapitel. 

in  diesem  Kampfe  sollen  dem  Könige  von  Böhmen  österreichische 
Adelige  beigestanden  haben  ').  Einige  Monate  später,  im  Sommer 
1249,  wird  Graf  Otto  von  Hardegg  ausdrücklich  als  Anführer 
österreichischer  Dienstmannen  genannt,  die  als  Bundesgenossen  des 
Königs  die  Stadt  Znaim  einnehmen,  welche  zu  dem  mährischen 
Reiche  Ottokars  gehörte  '^).  Andererseits  finden  wir  schon  im  Januar 
dieses  Jahres  eine  Reihe  allerdings  wenig  bedeutender  Ministerialen 
in  Ottokars  Umgebung  zu  Brunn,  wo  er  Heinrich  von  Liechten- 
stein mit  Nikolsburg  belehnt  ^). 

Jetzt,  nachdem  nacheinander  Hermann  von  Baden,  der  Kaiser 
und  der  junge  Friedrich  gestorben  waren,  nachdem  im  Herbste 
1251  auch  der  Staufenkönig  Konrad  IV.  nach  Italien  eezoffen 
und  so  ziemhch  jede  Hoffnung  geschwunden  war,  auf  legalem 
Wege  einen  neuen  Herzog  zu  gewinnen,  im  Gegenteil  zu  fürchten 
stand,  dafs  das  Land  die  Beute  eines  beliebigen  habgierigen  Nach- 
barn würde,  entschlofs  sich,  wie  gesagt,  die  Mehrzahl  der  Ade- 
ligen, Ottokar  von  Mähren  das  Land  anzubieten  ^) ;  dieser  besafs 
jetzt  ganz  besonders  günstige  Aussichten,  denn  er  hatte  sich  zu  rechter 
Zeit,  als  er  den  Niedergang  der  staufischen  Sache  klar  erkannt 
hatte,  der  päpstlichen  Partei  zugewandt  und  konnte  auch  auf  die 


lung  der  österreichischeu  Landherreu  zu  Triebensee,  die  den  Beschlufs  fafste, 
durch  eine  Gesandtschaft  einen  Sohn  des  Markgrafen  von  Meifsen  zur  Übernahme 
des  Landes  einzuladen,  und  dafs  diese  Gesandtschaft  auf  ihrer  Eeise  durch  Böhmen 
dann  von  König  Wenzel  auf  seine  Seite  gezogen  worden  sei.  Die  Erzählung  dürfte, 
wie  Lorenz,  Erwerbung  Österreichs  S.  13  ausgeführt  hat,  willkürlich  erfunden 
sein.  Dafs  man  aber  in  der  Not  an  die  jungen  Markgrafen  von  Meifsen  gedacht 
haben  mag,  ist  so  naheliegend,  dafs  der  Erzählung  der  Eeimchronik  vermutlich 
doch,  wie  so  oft,  ein  wahrer  Kern  zugrunde  liegen  dürfte,  nra  so  mehr,  als  ja 
Gertrude  sich  nach  Meifsen  begeben  und  wahrscheinlich  nicht  gleich  alle 
Verbindungen  mit  der  Heimat  abgebrochen  hatte.  Möglich,  dafs  auch  ein  Be- 
such des  Markgrafen  von  Meifsen  bei  König  Wenzel  im  Juli  1251  und  eine  Ge- 
bietsabtretung von  Seiten  des  letzteren  damit  zusammenhängt  (Palacky,  Gesch. 
Böhmens  II,  1,  S.  138).  Lorenz,  Deutsche  Geschichte  S.  94  will  auch  eine 
Sendung  des  Bischofs  von  Meifsen  nach  Österreich  in  diese  Zeit  versetzen. 

1)  Cont.  Garst,  u.  Ann.  S.  Eudb.  (M.  G.  SS.  IX,  599  und  791). 

2)  Darüber   und   über   das   Folgende   vgl.  Bach  mann  I,  536  ff.    Quellen 
in  Font.  rer.  Boh.  II,  286  f.  und  304  f. 

3)  Cont.  Sancruc.  H,  Cod.  IV.  (M.  G.  SS.  IX,  642). 

4)  Cod.  Morav.  III,  103. 


Der  österreichische  Erbfolgestreit.  49»' 

Unterstützung  der  Bischöfe  rechnen.  Da  er  sich  mit  seinem 
Vater  äufserlich  ausgesöhnt  hatte,  so  schlössen  sich  ihm  auch  die- 
jenigen Adeligen  in  Österreich  an,  die  ihm  früher  feindlich  gegen- 
überstanden. 

Als  der  Ruf  der  österreichischen  Landherren  an  ihn  erging, 
zögerte  er  keinen  Augenblick ,  ihm  zu  folgen  ^).  Die  Rich- 
tung seines  Marsches  läfst  keinen  Zweifel  darüber  übrig,  vor 
wem  er  sich  in  erster  Linie  sichern  wollte.  Anfangs  November 
1251  rückte  er  ins  Land  ob  der  Enns  ein,  eine  Demonstration 
gegen  Bayern,  gegen  das  König  Wenzel  und  Ottokar  schon  zu 
Beginn  des  Jahres  einen  Streifzug  unternommen  hatten,  dann  erst 
überschritt  er  die  Enns  und  konnte  am  6.  Dezember,  nachdem 
er  jedenfalls  überall  freundschaftlich  aufgenommen  worden  war, 
in  Korneuburg,  an  der  alten  Malstätte  des  Landes,  einen  öster- 
reichischen Landtag  halten  ^),  wo  er  sich  auch  bereits  Herzog  von 
Steiermark  nannte.  Schon  am  21.  November  war  eine  offizielle 
Huldigung  der  österreichischen  Grofsen  für  den  König  von  Böhmen, 
als  dessen  Stellvertreter  Ottokar  formell  erschien ,  erfolgt  ^).  In 
Korneuburg  findet  sich  dann  eine  stattliche  Versammlung  um  ihn 
ein.  Die  reichsfreien  Herren  von  Schaumberg  und  Wasserburg 
aus  dem  Lande  ob  der  Enns,  die  wohl  in  erster  Linie  von  der 
Begehrlichkeit  Bayerns  sich  bedroht  fühlten  (Graf  Konrad  von 
Wasserburg  war  sogar  1247  von  Herzog  Otto  vertrieben  worden), 
dann  die  Grafen  Konrad  und  Otto  von  Hardegg,  Albero  von 
Kuenring,  Gundakar  von  Starhemberg,  Hadmar  von  Werd,  Otto 
von  Meifsau,  Konrad  von  Himberg,  Otto  von  Perchtoldsdorf, 
Heinrich  von  Kreuzenstein,  Wolker  von  Porau,  Konrad  von  Zäk- 
kinff  und  Rudolf  von  Pottendorf,  namentlich  aber  zahlreiche  geist- 
liehe  Fürsten  und  Prälaten,  an  ihrer  Spitze  die  in  Osterreich  be- 

1)  Die  Urkunden  Ottokars  verzeichnet  Böhmer,  Kegesten  des  Kaiserreiches 
von  1246—1313.  II.  Ergänzuugsheft  S.  425  fr.  (Stuttgart  1857).  Die  Neu- 
bearbeitung durch  F  ick  er  und  Winkelmann  enthält  vorläufig  nur  die  für 
die  Eeichsgeschichte  wichtigen. 

2)  In  den  hier  datierten  Urkunden  ist  der  Ort  nur  als  Nienburch  be- 
zeichnet. Man  hat  dies  bisher  konsequent  mit  Klosterneuburg  aufgelöst.  Nach 
meiner  Meinung  besteht  kein  Zweifel,  dafs  hier  nur  die  Gerichtsstätte  des  Landes, 
nämlich  Korneuburg  gemeint  sein  kann. 

3)  Cont.  Cosmae  (M.  G.  SS.  IX,  173). 


4U6  Einundzwanzigstos  Kapitel. 

güterten  Bischöfe  von  Passau  und  Freising  und  der  Erzbischof" 
von  Salzburg  ^).  Es  ist  möglich,  dafs  sie  schon  damals  gleich  einen 
Landfrieden  beschworen  ^).  Am  12.  Dezember  hielt  Ottokar  hierauf 
seinen  Einzug  in  Wien. 

Dafs  Ottokar  wohl  wufste,  wem  er  in  erster  Linie  seinen 
glänzenden  Erfolg  zu  danken  hatte,  bezeugen  die  unzähligen 
Gnadenakte,  die  er  den  Kirchen  und  Klöstern  erwies. 

Schon  auf  seinem  Zuge  durch  Oberösterreich  hatte  er  am 
16.  November  als  „Dux  Austrie"  unter  Berufung  auf  das  bis- 
herige Privileg  der  österreichischen  Herzöge  alle  Zisterzienser- 
klöster und  deren  Güter  in  seinen  besonderen  Schutz  genommen, 
namentlich  das  Kloster  Baumgai-tenberg,  das  er  von  Vogtei  und 
Landgericht  befreite  ^),  wahrscheinlich  auch  ein  Schachzug  gegen 
Otto  von  Bayern,  der  im  Jahre  1248  das  Zisterzienserkloster  Wil- 
hering  begnadet  hatte.  Und  als  er  an  der  Enns  stand,  versprach  er 
dem  Abte  von  Lambach,  der  bei  ihm  Klage  über  Gundakar  von 
Starhemberg  wegen  Anmafsung  der  Vogtei  führte,  auf  dem  kom- 
menden Landtage  Abhilfe  zu  treffen,  und  übernahm  dann  auf  dem 
Tage  in  Korneubu^g  selbst  die  Vogtei  über  das  Kloster  unter 
gleichzeitiger  Bestätigung  des  Privilegs  des  letzten  Babenbergers  *). 
Ebenda  bestätigte  er  auch  dem  Kloster  Niederaltaich  das  Privileg 
Herzog  Friedrichs  und  die  freie  Vogtwahl  für  die  Güter  in  Abs- 
dorf und  verlieh  ihm  noch  Mautbegünstigungen  für  den  Lebens- 
mitteltransport in  drei  Urkunden. 

Es  folgen  darauf  noch  innerhalb  Jahresfrist  Mautfreiheit  für 
das  Kloster  Ebersberg  bezüglich  der  Weineinfuhr  aus  Osterreich, 
Marchfutter-  und  Landgerichtsbefreiung  für  Waldhausen,  Maut- 
freiheit für  Metten,  Osterhofen  und  Tegernsee,  und  ein  Gerichts- 
privileg für  das  letztere  hinsichtlich    seiner  Güter   zu  Loiben   und 

1)  Böhmer,  Eeg.  Ot.  24;  Kurz,  Beiträge  zur  Geschichte  des  Landes 
ob  der  Enns  II,  45.5. 

2)  So  nimmt  Dop  ach  an  (Über  die  Datierung  des  Landfriedens  Herzog 
Ottokars  für  Österreich  in  den  Mitt.  d.  Inst.  f.  österr.  Geschichtsf.  XIX,  167).  Der 
uns  erhaltene  Landfriede  Ottokars,  auf  den  ich  noch  zurückkomme,  enthält  näm- 
lich einen  Hinweis  auf  einen  ersten  Landfrieden. 

3)  Böhmer,  Eeg.  Ot.  20:  Kurz  III,  427.  Die  Bedenken  Böhmers 
gegen  die  Datierung  scheinen  mir  unbegründet. 

4)  Siehe  Anm.  3  auf  S.  494. 


Der  österreichische  Erbfolgestreit.  497 

in  der  Wachau.  In  den  meisten  dieser  Fälle  handelt  es  sich  um 
eine  Bestätigung  der  Privilegien  seiner  Vorgänger  Friedrich  und 
Leopold.  Auch  Wilhering  erhält  die  Bestätigung  der  Zollfreiheit, 
die  ihm  Hex'zog  Friedrich  verliehen  hatte,  mit  absichtlicher  Um- 
gehung der  Urkunde  Herzog  Ottos  von  Bayern.  Noch  weiter 
mufste  die  Dankbarkeit  für  die  Bischöfe  gehen,  die  ihm  diesmal 
geeinigt  gegenübertraten.  Die  Besitzungen  Regensburgs  verspricht 
er  von  allen  Ansprüchen  befreien  zu  wollen;  von  seinem  „lieben 
Herrn  und  Freund",  dem  Bischof  von  Freising,  empfängt  er  die 
Vogtei  in  Enzersdorf.  Am  besten  schneidet  jedoch  natürlich  wieder 
Passau  ab.  Wegen  der  angeblich  zwischen  diesem  Bistume  und 
dem  letzten  Babenberger  strittigen  Lehen  in  Österreich  werden 
die  Bischöfe  von  Bamberg,  Freising  und  Seckau  als  Schiedsrichter 
eingesetzt  und  diese  entscheiden  selbstverständlich  zugunsten 
Passaus  ^). 

Von  den  Städten  scheint  sich  Wien  —  und  das  war  doch 
die  Hauptsache  —  bedingungslos  unterworfen  zu  haben.  Grund 
genug  für  Wiener  Neustadt,  auf  seine  oft  bewährte  Loyalität  gegen 
Kaiser  und  Herzog  zu  pochen  und  einen  Revers  zu  verlangen, 
dafs  Ottokar  durch  Übernahme  der  Herrschaft  weder  die  Rechte 
des  Reiches  noch  der  Erben  verletzen  wolle  ^).  Ottokar  bewilligte 
damals  alles,  also  auch  diese  anmafsende  Zumutung,  und  gewann 
sich  damit  alle  Sympathien  im  Lande  ^). 

Aber  er  mochte  fühlen,  dafs  er  als  Fremdling  noch  eine  ent- 
scheidende Tat  vollziehen  müsse,   um  den  letzten  inneren  Wider- 


1)  Böhmer,  Eeg.  Ot.  21—23;  26-30;  32—35;  42,  43,  45;  Eeg.  Boic. 
m,  21;  Erben,  Reg.  Boh.  I,  593;  Mon.  Boic.  XI,  227;  III,  14;  Kurz,  Beitr. 
IV,  460,  462;  Mon.  Boic.  XI,  444;  XII,  398;  Oefele  SS.  II,  85;  Stiilz, 
Geschichte  von  Wilhering  S.  525;  Ried,  Cod.  Rat.  I,  431;  Meichelbeck, 
Hist.  Fris.  II,  39;  Mon.  Boic.  XXVIII  b,  374. 

2)  Böhmer,  Reg.  Ot.  26;  Sitzungsberichte  der  Wiener  Akademie  XI,  190. 
Allerdings  hat  Ficker  in  der  Neubearbeitung  von  Böhmers  Eeg.  Imp.  Frid. 
Nr.  2238  die  Echtheit  ebenso  wie  die  des  Fridericianus  angezweifelt.  Kein  Be- 
denken hat  Winter  im  Archiv  LX,  102.  Vgl.  jetzt  Mitis  im  Jahrb.  d.  Ver, 
f.  Landesk.  III,  244,  1904. 

3)  Schon  zum  Jahre  1252  bemerkt  der  Chronist  von  Garsten  (SS.  IX,  599), 
dafs  es  in  Österreich  keinen  Winkel  gegeben  habe,  der  nicht  für  Ottokar  ge- 
wesen sei. 

Yancsa,  Geschieht«  Nieder-  u.  Oberösterreichs.  32 


498  Einundzwanzigstos  Kapitel. 

stand  zu  besiegen,  um  sich  auch  das  Herz  des  Volkes  zu  erobern. 
Auch  mochten  damals  noch  durchaus  nicht  alle  Adeligen  des 
Landes  auf  seine  Seite  getreten  sein.  Endlich  mufste  er  darauf 
bedacht  sein,  wollte  er  im  Lande  nicht  der  materiellen  Mittel 
entbehren,  den  Hauptgrundbesitz  in  seine  Hand  zu  bekommen, 
und  das  waren  eben  die  Babenbergischen  Allode.  So  entschlofs 
sich  denn  der  etwa  Zweiundzwanzigjährige,  die  mehr  als  vierzig- 
jährige Margarete  zu  heiraten,  und  am  11.  Februar  1252  fand  zu 
Hainburg  die  Hochzeit  statt,  wobei  Margarete  ihrem  Gemahl  die 
Privilegien  ihres  Hauses  übergab. 

So  siegte  also  wieder  die  Rechtsanschauung  des  Papstes,  die 
allerdings,  wie  das  Beispiel  Wiener  Neustadts  zeigt,  auch  in  Oster- 
reich mancherorts  und  vermutlich  bei  der  Masse  der  Bevölkerung 
geteilt  wurde ,  dafs  nämUch  die  Babenbergerinnen  nur  durch  ihre 
Männer  ihr  Erbfolgerecht  vertreten  können  *). 

Das  Glück  des  Böhmenprinzen  mufste  begreifhcherweise  den 
Neid  und  Groll  des  anderen  Nachbars  Österreichs,  des  Königs 
von  Ungarn,  hervorrufen,  der  nur  durch  die  widrigen  Umstände 
in  seinem  Reiche  qlaran  verhindert  war,  die  günstige  Gelegenheit 
die  ihm  der  Papst  eröffnet  hatte,  auszunützen.  Wir  wissen  ja 
auch,  dafs  der  Papst  ihm  im  Jahre  1248  den  Schutz  Gertrudens 
ausdrücklich  anvertraut  hatte  ^).  Jetzt  schien  eine  Sachlage  ge- 
schaffen zu  sein,  in  der  er  dieser  Verpflichtung  nachkommen  sollte  % 
und  Gertrude  hatte  sich  noch  überdies  unter  seinen  Schutz  begeben 
und  seinen  Verwandten  Roman  von  Halitsch,  einen  Bruder  seines 
Schwiegersohnes  Leo  von  Halitsch,  geheiratet.  Bela  IV.  soll  den 
beiden  sogar  zugeschworen  haben,  ihnen  Österreich,  sobald  er  es- 
in  seine  Gewalt  bekäme,  überlaseen  zu  wollen  *). 

1)  Cont.  Garst.  M.  G.  SS.  IX,  600. 

2)  Siehe  oben  S.  486. 

3)  Über  diesen  ungarischen  Krieg  Huber,  Die  steierische  Eeimchronik 
und  das  österreichische  Interregnum  (Mitt.  d.  Inst.  f.  österr.  Gesch.  IV,  40). 
Quellen:  Cont.  Cosmae  (M.  G.  SS.  IX,  174);  Ann.  Mellic.  (a.  a.  0.  S.  508)^ 
Cont.  Sancruc.  II  (a.  a.  0.  S.  643);  Ann.  S.  Kudb.  Salisb.  (a.  a.  0.  S.  792). 
Eine  Urkunde  die  Bela  IV.  am  20.  Juni  1252  in  castris  iuxta  Wiennam  aus- 
stellte bei  (Fejer  IV ^  168. 

4)  Nach  der  russischen  Hypatioschronik,  hgg.  von  Szaraniewicz,  Anh. 
IV.  und  VIII.  (13.  Jahrb.). 


Der  österreichische  Erbfolgestreit.  499 

Bela  IV.  ging  auch  noch  in  anderer  Hinsicht  möglichst  po- 
litisch vor :  sein  Angriff  richtete  sich  mit  aller  Macht  auf  Steier- 
mark, denn  einerseits  hatte  hier  Ottokar  noch  nicht  recht  festen 
Fufs  zu  fassen  vermocht,  anderseits  stand  die  Steiermark  nicht  so 
sehr  im  Mittelpunkte  des  Erbschaftsstreites  wie  Osterreich,  und  er 
mochte  hoffen,  dafs  man  es  im  allgemeinen  als  ausgleichende  Ge- 
rechtigkeit empfinden  würde,  wenn  er  sich  Steiermarks  bemäch- 
tige, für  den  Fall,  dafs  Böhmen  Osterreich  besetzte. 

Im  Sommer  1252  erfolgte  der  Angriff  gleichzeitig  auf  Öster- 
reich und  Mähren.  Ottokar  vermochte  nicht  standzuhalten,  und 
Bela  konnte  nicht  nur  bis  Wien,  sondern  sogar  bis  Tulln  vor- 
dringen. Wieder  bezeichneten  seinen  Weg  Verwüstungen ,  Mord 
und  Brand.  Unter  anderem  sollen  angeblich  in  der  Kirche  zu 
Mödling  bei  Wien  1500  Personen  ihren  Tod  gefunden  haben  ^). 
Von  einer  Übergabe  des  eroberten  österreichischen  Gebietes  an 
Gertrude  war  übrigens  nicht  weiter  die  Rede;  Bela  verlangte  im 
Gegenteil  noch  die  Auslieferung  der  Gertx'ude  zu  eigen  gewesenen 
Burgen,  wofür  er  ihr  andere  versprach.  Roman  von  Halitsch 
soll  sogar  mit  Gertrude  vorübergehend  seinen  Sitz  in  Kloster- 
neuburg (beziehungsweise  also  in  der  Burg  auf  dem  Kahlenberge) 
genommen  haben,  und  wieder  finden  wir  die  Preufsel  unter  ihren 
Anhängern  ^). 

Wie  meist  bei  diesen  räuberischen  Einfällen^  vermochten  die 
Ungarn  das  durchzogene  Gebiet  nicht  lange  zu  halten.  Herzog 
Ottokar  konnte  sogar  in  Steiermark  eindringen  und  erkaufte  die 
wichtige  Festung  des  Ennstales  Steyer  (30.  August  1252)  ^). 
Roman  von  Halitsch,  der  die  von  seiner  Vermählung  erhofften 
Vorteile  schwinden  sah,  verliefs  Gei'trude,  und  so  ging  für 
Bela  auch  die  Rechtsgrundlage  verloren ;  dennoch  machte  er  im 
nächsten  Jahre  1253  noch  einmal  einen  letzten  Versuch  mit  grofsen 
Vorbereitungen,  um  den  Böhmen  die  Beute  zu  entreifsen  *). 


1)  Cont.  Sancnic.  II  (M.  G.  SS.  IX,  643). 

2)  Hypatioschronik  a.  a.  0. 

3)  Böhmer,  Keg.  Ot.  39;  Lambacher  S.  30. 

4)  Quellen:    Cont.    Cosmae  (M.    G.  SS.  IX,    174);    Ann.    Mellic.  (a.  a.  0. 
S.  508);  Cont.  Lambac.  (a.  a.  0.  S.  559);  Cont.  Garst,  (a.  a.  0.  S.  600);  Ann. 

32* 


500  Einuüdzwanzigstos  Kapitel. 

Er  konnte  dies  um  so  mehr  hoffen,  als  es  ihm  gelungen  war, 
eine  Reihe  namhafter  Verbündeter  zu  gewinnen :  nicht  nur  Daniel 
von  rialitsch,  seinen  Schwiegersohn  Herzog  Boleslaw  von  Krakau, 
Herzog  A\'ladislaw  von  Oppeln,  sondern  auch  Herzog  Otto  von 
Bayern,  dessen  übrigens  damals  noch  unmündiger  Sohn  Heinrich 
mit  Belas  Tochter  Elisabeth  vermählt  war.  Jene  sollten  von 
Nordosten  in  Mähren,  dieser  ins  Land  ob  der  Enns  einrücken. 
Sogar  einige  österreichische  Edle,  namentlich  aber  die  Mehrzahl 
der  Steirer  standen  auf  Seite  der  Ungarn.  Im  September  fiel 
Bela  mit  seinem  ungarischen  Heere  in  (Österreich  ein  und  zog  über 
das  Marchfeld  nach  Mähren.  Hier  aber  wurde  er  durch  die  ver- 
gebliche Belagerung  von  Olmütz  lahmgelegt,  die  Bundesgenossen 
verliefsen  ihn  und  die  Bayern  wurden  durch  die  oberösterreichischen 
Edlen  abermals  in  Schach  gehalten. 

In  diesem  Zeitpunkte  legte  sich  mit  einem  Male  Papst  Inno- 
zenz IV.,  der  ja  eigentlich  beiden  Parteien  bei  ihrer  Unterwürfig- 
keit unter  die  Kurie  freundschaftlich  gesinnt  sein  mufste,  ins 
Mittel,  um  einen  billigen  Frieden  zustande  zu  bringen.  Zunächst 
richtete  er  anfangs  Juli  1253  an  die  beiden  kriegführenden  Mächte 
eine  Aufforderung  zum  Frieden  *).  Zur  wirksameren  Durch- 
führung des  Friedenswerkes  entsandte  er  dann  den  Minoriten 
Velascus,  der  seiner  genauen  Instruktion  ^)  in  glänzender  Weise 
nachkam. 

Dieser  bewirkte,  dafs  Ottokar  am  17.  September  1253  der 
Kirche,  dem  Papste  und  König  Wilhelm  einen  feierlichen  Treu- 
eid leistete  ^) ,  wofür  der  Herzog  nunmehr  den  noch  fehlenden 
Dispens  für  die  Heii^at  mit  Margarete  erhielt.  Ottokar  dürfte 
gehofft  haben,  durch  diese  weitgehende  Willfährigkeit  das  ganze 
Babenberger  Erbe  zu  gewinnen.  Er  nannte  sich  noch  in  der 
Urkunde,  die  er  dem  Papste  über  seinen  Eid  ausstellte,  Herzog 
von  Österreich  und  Steier.  Velascus  scheint  zu  einseitig  die  böh- 
mische Sache  gefördert  zu  haben.    Er  wurde  daher  abberufen  und 

S.  Rudb.  Salisb.  (a.  a.  0.  S.  792);  Ann.   Cap.   Cracov.  (M.  G.  SS.  XIX,  600); 
Wolynische  Chronik  (Anhang  zur  Hypatioschronik  IV— VIII). 

1)  Potthast,  Eeg.  Pont.  II,  15  033. 

2)  A.  a.  0.  15044,  15  047. 

3)  Cod.  Moraviae  ni,  173. 


Der  österreichische  Erbfolgestreit.  501 

statt  seiner  Magister  Bernhardus,  Bischof  von  Neapel,  als  Legat 
entsandt,  zugleich  wurden  nunmehr  alle  Bischöfe  und  Prälaten 
von  Österreich,  Böhmen  und  Ungarn,  speziell  der  Erzbischof  von 
Salzburg  und  die  Bischöfe  von  Passau  und  Freising  zur  Anbahnung 
des  Friedens  aufgefordert. 

Ottokar  war  nicht  gleich  bereit  nachzugeben.  Am  22.  Sep- 
tember 1253  starb  sein  Vater,  König  Wenzel,  und  als  sein  Erbe 
verfügte  er  über  nicht  unbedeutende  Machtmittel,  während  Belas 
Lage  sich  ziemlich  ungünstig  gestaltet  hatte.  Er  suchte  sich 
daher  dem  Papste  gegenüber  darauf  auszureden,  dafs  Bela  die 
Orte,  über  die  der  Friedensschlufs  erst  die  Entscheidung  treffen 
sollte,  nicht  herausgeben  wolle.  Bela  aber  erklärte  sich  über  Auf- 
forderung des  Papstes  dazu  sofort  bereit,  und  so  blieb  Ottokar 
schliefslich  nichts  anderes  übrig,  als  in  die  Friedensverhandlungen 
einzutreten,  besonders  da  er  auch  einsehen  mochte,  dafs  er  so- 
wohl gegen  den  offenkundigen  Willen  des  Papstes  als  auch  gegen 
die  widerstrebenden  Adeligen  Steiermarks  nur  schwer  etwas  aus- 
richten könne.  Er  hatte  übrigens  das  Glück,  in  seinem  Bevoll- 
mächtigten, Bischof  Bruno  von  Olmütz,  einen  energischen  Vertreter 
seiner  Interessen  zu  besitzen.  So  kam  trotz  der  Zwangslage  am 
3.  April  1254  zu  Ofen  ein  Friede  zustande,  der  für  Ottokar 
nicht  unbeträchtliche  Vorteile  brachte,  denn  er  garantierte  ihm 
nicht  nur  das  Herzogtum  Österreich,  sondern  auch  einen  Teil  der 
Steiermark.  Dabei  ist  es  höchst  bemerkenswert,  dafs  zum  ersten 
Male  die  beiden  Länder  nach  den  natürlichen  Grenzen  getrennt 
wurden,  nämlich  nach  der  Wasserscheide  der  Mur  und  Donau, 
so  dafs  demnach  das  Wiener  Neustädter-Püttener  und  Gutensteiner 
Gebiet  Osterreich  einverleibt  wurde,  eine  Grenze,  die  trotz  gelegent- 
licher Rückfälle  bis  zum  heutigen  Tage  bestehen  blieb.  Auch 
der  Traungau  wurde  damit  definitiv  von  der  Steiermark  aus- 
geschieden ^).  Das  Ennstal,  das  der  Erzbischof  von  Salzburg  besetzt 
hatte,  scheint  strittig  geblieben  zu  sein  -).    Zugleich  schlössen  sie  ein 


1)  Die  Urkunde  im  Urkiimlciibuch  des  Landes  ob  der  Eniib  III,  250  und 
Archiv  für  österreichische  Geschichte  LXXI,  429.  —  Ottokar  nennt  sich  noch 
einmal  Herzog  von  Steiermark. 

2)  Hu  her  in  den  Mitteihmgen  des  Instituts  für  österreichische  Geschichte 


503        Einumlzwanzigstes  Kapitel.     Der  österreichische  Erbfolgestreit. 

Übereinkommen  über  die  Besitzansprüche  der  beiden  Babenberge- 
rinnen.  Für  die  Entschädigung  Gertrudens,  die  hier  charakteristischer- 
weise geringschätzig  nur  als  ,,doraina  de  Impirg"  (Himberg?  ')) 
bezeichnet  wird,  soUte  Bela,  für  die  Margaretens  Ottokar  Vorsorge 
treffen,  im  Falle  er  vor  ihr  stürbe  '-').  Eine  persönliche  Zusammen- 
kunft der  beiden  Fürsten  in  Prefsburg  anfangs  Mai  besiegelte 
den  Frieden. 


IV,  52,  1884  und  Lampel,   Die  Lamlesgrenze  von  1254  und   das   steierische 
Ennstal  (Archiv  f.  österr.  Gesch.  LXXI,  297,  1887). 

1)  Die  Burg  Himberg  in  der  Nähe  Wiens  war  erst  1243  von  Herzog 
Friedrich  im  Tauschwege  erworben  worden  (österr.  Urbare  S.  12). 

2)  Nacli  meiner  Meinung  handelt  es  sich  hier  nur  um  die  Eigengüter  der 
beiden  Babenbergerinnen ,  nicht  aber  um  ihre  Ansprüche  auf  die  Länder,  wie 
Turba  a.  a.  0.  S.  61  annimmt.  Wieso  er  behaupten  kann,  dafs  OttoJjar  für 
beide  zu  sorgen  übernahm,  ist  mir  unklar.  Dafs  die  Fürsten  den  Frieden  für 
sich  und  ihre  Erben  schlössen ,  darauf  möchte  ich  keinen  Wert  legen.  Es  ist 
dies  die  in  Vertragsurkunden  übliche  Phrase. 


Zweiundzwanzigstes    Kapitel. 

Österreich  als  Teil  des  böhmischen  Reiches  PrzemysI 

Ottokars. 


Es  scheint,  dafs  Ottokar  gleich  bei  der  Übernahme  der  Regie- 
rung in  Osterreich  einen  Landfrieden  beschwören  liefs  ').  Er 
wird  den  Charakter  eines  Provisoriums  besessen  und  gewifs  dem 
Status  quo,  den  Ottokar  vorgefunden  hatte,  mögHchst  Rechnung 
getragen  haben.  Dafs  Ottokar  übrigens  schon  damals  fest  ent- 
schlossen war,  die  Rechte  des  Landesiürsten  gegenüber  den  anderen 
Oewalten  im  Lande  zu  wahren,  zeigt  der  Umstand,  dafs  er  sofort 
die  entfremdeten  Klostervogteien  wieder  an  sich  brachte.  Auch 
gegen  den  Burgenbau  wandte  er  sich  schon  damals  gelegentlich  ^). 
Sowohl  bezüglich  der  Vogtei  als  auch  anderweitig  knüpfte  er  in 
der  Verwaltung  an  die  Einrichtungen  unter  den  letzten  Baben- 
bergern  an.  Namentlich  das  für  die  Finanzverwaltung  wichtige 
Schreiberamt  begegnet  auch  bei  Ottokar  in  Osterreich  und  zwar 
übertrug  er  es  dem  bereits  in  seiner  Kanzlei  erprobten  Notar 
Wilhelm  ^) ,  dem  er  die  Pfarre  Rufsbach  als  Pfründe  verlieh  und 
der  später  zum  Protonotar  vorrückte,  aber  die  Funktionen  des 
Scriba  Austrie  beibehielt,  während  Witigo  wieder  das  Schreiber- 
amt in  Steiermark  übernahm  ^).  Ebenso  beliefs  er  der  Familie 
der  Kuenringer  das  Marschallamt,  das  sie  schon  unter  den  letzten 


1)  Siehe  oben  S.  494. 

2)  So  im  Wiener  Neustädter  Privileg  von  1253. 

3)  ÜB.  d.  L.  0.  d.  Enns  UI,  197.  Vgl.  Emier,  Die  Kanzlei  der  böhm. 
Könige  Premysl  Ottokars  II.  und  Wenzels  IL  (Abhandig.  d.  böhm.  Akad.  d. 
Wissensch.  6.  F.  IX,  16). 

4)  Pusch  und  Frölich,  Dipl.  sacra  duc.  Styriae  I,  323.  Vgl.  Dop  seh 
in  den  Mitteilungen  des  Institutes  XVIII,  261  f. 


504  ZweiundzTvanzigstos  Kapitel. 

Babenbergern  besessen  hatten  und  als  dessen  Vertreter  unter  ihm 
Heinrich  von  Kuenring  erscheint  '). 

Aber  erst  jetzt,  im  Jahre  1254,  nachdem  er  durch  seine  Heirat 
mit  Margarete  den  dynastischen  Gefühlen  der  Bevölkerung  Öster- 
reichs ein  Opfer  gebracht  und  durch  den  Tod  seines  Vaters  auch 
Böhmen  erhalten  hatte,  und  nachdem  er  durch  den  Frieden  von 
Ofen  in  den  gesicherten  Besitz  Österreichs  unter  der  Ägide  des 
Papstes  gelangt  war,  ja  als  sogar  die  deutschen  Fürsten  im  Ernste 
daran  dachten,  ihm  die  deutsche  Königskrone  anzubieten,  konnte 
er  es  wagen,  auch  die  inneren  Verhältnisse  des  Landes  nach  seinem 
Gutdünken  zu  ordnen. 

Jetzt  erliefs  er  einen  neuen  umfassenden  Landfrieden-),  der 
ganz  andere  Saiten  anschlug.  Nach  dem  Muster  der  späteren  Re- 
daktionen des  Mainzer  Landfriedens,  an  den  er  sich  in  manchen 
Punkten  auch  inhaltlich  anschlofs,  war  er  in  deutscher  Sprache 
abgefafst,  eines  der  ersten  Rechtsdeukmäler  in  der  Volkssprache  ^). 
Darin  wurden  jetzt  insbesondere  bezüglich  der  Vogteirechte  und 
des  Burgenbaues  strenge  und  genaue  Verfügungen  getrofifen.  Sie 
wandten  sich  zunächst  gegen  die  mifsbräuchliche  Ausnützung  der 
Vogteigewalt  bei  Strafe  des  Verlustes  der  Vogtei.  Eine  Burg  sollte 
ferner  nur  der  haben  dürfen,  dessen  liegender  Besitz  im  Umkreis 
mindestens  30  Pfund  betrage,  eine  Bestimmung,  die  dem  baye- 
rischen Landfrieden  von  1244  nachgebildet  war.  Alle  anderen 
Burgen  und  Befestigungen  von  Kirchen  sollten  gebrochen  werden. 
Andere  Bestimmungen  wenden  sich  gegen  diejenigen ,  die  falsche, 
d.  h.  eigene  Münze  schlagen,  und  gegen  diejenigen,  die  keine  Zölle 
und  Mauten  entrichten.     Jene   soll  man  wie  Falschmünzer,    diese 

1)  Zum  ersten  Male  im  Jahre  1255  (ÜB.  d.  L.  o.  d.  Enns  II,  217. 

2)  Überliefert  durch  Hermann  von  Altaich,  hgg.  zuerst  von  Kauch  im 
Anhang  zu  seiner  Geschichte  Österreichs  III  (Wien  1781),  dann  von  Chmel  im 
Archiv  für  Kunde  österreichischer  Geschichtsquellen  I,  1848,  1.  Heft,  S.  55ff. ^ 
jetzt  die  kritische  Neuausgabe  von  Weiland-Sch  walm  in  M.  G.  LL.  IV,  604. 
Siehe  Dopsch,  Über  die  Datierung  des  Landfriedens  Herzog  Ottokars  für  Öster- 
reich (Mitt.  d.  Inst.  f.  österr.  Gesch.  XIX,  160,  1898)  und  Stieber,  K  vyvoji 
epravi  [Zur  Entwickelung  der  Gewährleistung]  (Abhandlungen  der  böhmischen 
Akademie  I.  KI.  1901),  auf  die  ich  noch  zurückkomme. 

3)  Vancsa,  Das  erste  Auftreten  der  deutscheu  Sprache  in  Urkunden 
(Preisschriften  der  fiirstl.  Jablonowskischeu  Gesellschaft ;  Leipzig  1896). 


Österreich  als  Teil  des  böhmischen  Reiches  Przemysl  Ottokars.        505- 

wie  Strafsenräuber  behandeln.  Münz-  und  Zollregal  waren  eben 
besonders  wichtige  Vorbehalte  des  Landesfürsten.  Endlich  wird 
den  Entfremdungen  von  Herzogs-  und  Kirchengut  ein  Ziel  gesetzt 
und  damit  die  Güterrevindikation  angebahnt,  die  wir  Ottokar  in 
der  folgenden  Zeit  durchführen  sehen.  Mit  diesen  Verordnungen 
war  den  HauptübergrifFen  der  Adeligen  im  Lande  seit  dem  Tode- 
Herzog  Friedrichs  ein  Ziel  gesetzt. 

Einen  breiten  Raum  nimmt  daneben  in  dem  Landfrieden  die 
Gerichtsorganisatiou  ein.  Es  wird  unterschieden :  das  Hofgericht 
des  Landesfüi'sten  mit  zwölf  Beisitzern  und  das  Landgericht.  Eine 
einschneidende  Neuerung  Ottokars  in  bezug  auf  das  letztere,  die 
für  die  spätere  Entwickelung  von  grundlegender  Bedeutung 
wurde,  war  die,  dafs  nunmehr  das  Land  in  vier  Gerichtsbezirke, 
zwei  diesseits  und  zwei  jenseits  der  Donau,  wie  es  scheint,  nach 
dem  Muster  der  böhmischen  vier  Zupen(Kreis-)gerichte  ^)  zerfiel,- 
woraus  dann  später  die  Einteilung  des  Landes  in  vier  Viertel 
hervorging.  Dem  Viertel  ober  dem  Manhartsberg  gehörte  zur  Zeit 
Ottokars  noch  wie  unter  den  Babenbergern  die  Riedmark  an. 
Diese  Landrichter  sollten  ihr  Amt  zu  zweien  und  unter  Mitwirkung 
aller  Adeligen  des  Bezirkes  ausüben,  waren  aber  an  keine  be- 
stimmte Gerichtsstätte  gebunden.  Bei  der  Ausdehnung  seines 
Reiches  —  Ottokar  war  1254  nicht  nur  in  Mähren,  sondern  auch 
in  Böhmen  zur  Regierung  gelangt  —  mufste  er  an  eine  Ent- 
lastung im  Richteramt  denken.  Das  Landrichteramt  wurde  ver- 
dienten Ministerialen  des  Landes  (in  Osterreich  niemals  Nicht- 
einheimischen) verliehen.  Die  ersten,  die  wir  1255  und  1256 
urkundlich  erwähnt  finden,  waren  Heinrich  von  Hausbach  und 
Otto  von  Maissau  ^).  Später  begegnen  Heinrich  von  Liechten- 
stein, Truchsefs  von  Feldsberg,  Graf  Heinrich  von  Hardegg,  Otto 
von  Haslau  u.  a.  m.  Daneben  bestand  aber  auch  ein  Oberst- 
landrichter fort,  und  es  bildete  sich  ein  höheres  Landgericht  neben 
dem  niederen  aus  ^). 

1)  Schon  Luschin,  Älteres  Gerich tsweson,  nahm  im  allgeraeiuen  böh- 
mischen Einflufs  auf  das  österreichische  Gerichtswesen  zur  Ottokarischen  Zeit 
an.     Stieb  er  sucht  dies  im  einzelnen  naclizuweisen. 

2)  Font.  rer.  Austr.  2.  Abt.  XI,  133;  XXXI,  91. 

3)  Dopsch  im  Archiv  für  österreichische  Geschichte  LXXIX,  73 if.    Nach, 


506  Zweiundzwanzigstes  Kapitel. 

Der  Besuch  des  Landgerichtes  ist  für  die  im  Landgerichts- 
eprengel sitzenden  Dienstmannen,  Ritter  und  Knappen  Pflicht. 
Die  Entlolnuing  des  Landrichters  erfulgt  aus  den  Gerichtsgeldern 
(Wandel),  darüber  darf  er  nichts  nehmen.  Mehrere  Bestimmungen 
suchen  die  Kompetenz  des  Landgerichtes  abzugrenzen,  obwohl  sie 
An  Genauigkeit  zu  wünschen  übriglassen.  Dem  herzoglichen  Gerichte 
werden  nur  die  Achterklärungen  im  Falle  schweren  Verschuldens 
der  Dienstmannen  vorbehalten.  Dafs  von  einem  Vorbehalt  des 
Reiches  nicht  mehr  die  Rede  ist,  zeigt  die  unabhängige  Stellung, 
in  der  sich  Ottokar  fühlte.  Über  Eigen  in  einem  Stadtgebiet  darf 
der  Landrichter  nicht  richten ;  dies  ist  Sache  des  Stadtgerichtes. 

Die  Exemtionen  der  Klöster  vom  Landgerichte  werden  unter 
Ottokar  teils  aus  der  Babenberger  Zeit  erneuert,  teils  neu  verliehen  *). 

Der  Ofener  Friede  und  die  Gebietsteilung  mufste  auch  in  der 
Verwaltung  eine  Änderung  nach  sich  ziehen.  Der  zu  Ottokars 
Reich  neu  hinzugekommene  Traungau  war  nämlich  mit  einem 
Male  nicht  mehr  wie  bisher  steierisch,  wurde  aber  auch  Oster- 
reich nicht  vollständig  eingegliedert.  Für  seine  richterlich  -  ad- 
ministrative Leitung  wurde  ein  böhmischer  Adehger,  Woko  von 
Rosenberg,  ohne  besonderen  Titel  bestellt  2),  an  die  Spitze  der 
Finanzverwaltung  der  bisherige  Landschreiber  der  Steiermark, 
Witigo,  der  eben  durch  die  Abtretung  der  Steiermark  seinen  bis- 
herigen Wirkungskreis  verloren  hatte,  berufen  und  ihm  der  unter 

ihm  Stieb  er.  Ganz  geklärt  ist  die  Sachlage  noch  nicht  (vgl.  Rieger  in 
seiner  Besprechung  von  Stiebers  Arbeit  in  Mitteilungen  des  Instituts  XXIV, 
157,  1903). 

1)  So  aufser  den  schon  erwähnten  früheren  Exemtionen  für  Waldhausen 
und  Tegernsee  an  Heiligenkreuz  Böhmer,  Eeg.  Ot.  72,  Seitenstetten  (28.  März 
1255),  Melk  (8.  Dezember  1256):  Schramb,  Chron.  Meli.  144,  St.  Florian 
(27.  März  1256  u.  1.  Februar  1258);  Böhmer,  Reg.  81  u.  94,  Lilienfeld  (11.  u. 
13.  April  12o5);  a.  a.  0.  S.  167,  168,  Garsten  (21.  April  1265);  a.  a.  0. 
S.  170,  Ardagger  (18.  März  1265  und  1267);  Font.  rer.  Austr.  2.  Abt.  XI, 
164,  171,  Zivettl  (5.  November  1267);  Böhmer,  Reg.  Ot.  190. 

2)  Wretschko,  Das  Österreichische  Marschallamt  im  Mittelalter  S.  63, 
wo  Anm.  116  die  Belegstellen  angeführt  sind.  Obwohl  er  zum  ersten  Male 
anfangs  1256  erscheint  (Archiv  f.  österr.  Gesch.  LXXII,  218),  so  dürfte  er  kaum 
erst  nach  Witigos  Tod  und  gewissermafsen  in  universellerer  Stellung  als  dieser 
ernannt  worden  sein,  wie  Strnadt,  Geburt  des  Landes  ob  der  Enns  S.  111 
meint,  denn  Witigo  löst  ja  sofort  ein  Amtsnachfolger  ab. 


Österreich  als  Teil  des  böhmischen  Reiches  Przemysl  Ottokars.        507 

dem  letzten  Babenberger  bereits  übliche  Titel  eines  „Scriba  Anasi" 
verliehen  ^).  Enns  war  sein  Amtssitz  und  erschien  als  Verwal- 
tungszentrum des  neuen  Landstriches,  während  Linz  ebenfalls  da- 
mals als  Sitz  des  Landtaiding  und  Landgerichtes  in  den  Vorder- 
grund tritt  ^j.  Nachdem  Witigo  schon  im  Jahre  1255  zu  St.  Florian 
«rmordet  worden  war  ^) ,  folgte  ihm  im  Amte  Magister  Heinrich 
(1256  — 1260),  diesem  Heinrich  von  Hag,  der,  wie  es  scheint, 
nicht  identisch  mit  dem  vorhergenannten  Heinrich  ist  (1261  bis 
1267),  und  dann  nach  einer  kurzen  Unterbrechung  durch  Meisier 
Konrad  von  TuUn,  den  wir  noch  näher  kennen  lernen  werden,  seit 
1270  nochmals  *).  Das  Merkwürdigste  und  bis  zu  einem  gewissen 
Grade  schwer  Erklärliche  ist,  dafs  diese  Schreiber  von  Enns,  wie 
sie  zunächst  genannt  werden,  ihre  Amtsgewalt  auch  auf  dem  nächst- 
benachbarten Gebiete  diesseits  der  Enns  (St.  Peter  —  Amstetten  — 
Ardagger)  ausüben  "). 

Ottokar  fand  in  den  nächsten  Jahren  weder  Zeit  noch  Ge- 
lesrenheit,  seinen  Landfrieden  in  Österreich  in  allen  Punkten  durch- 
zuführen.  Die  Übernahme  der  Regierung  in  Böhmen  verlangte 
seine  Anwesenheit  in  diesem  Lande,  dann  unternahm  er  einen 
Kreuzzug  nach  Preufsen.  Noch  mehr  aber  beschäftigten  ihn  in 
den  nächsten  Jahren  die  Passauer  und  namentlich  die  Salzburger 
Händel. 

Die  ersteren  boten  ihm  wieder  einmal  Gelegenheit,  mit  seinem 
alten  Gegner  Bayern  sich  auseinanderzusetzen.  Nach  Herzog  Ottos 
Tode  (November  1253)  hatten  seine  Söhne  Ludwig  und  Heinrich 
das  Herzogtum  Bayern  geteilt,   wobei  jener  Ober-,  dieser  Nieder- 


1)  Er  erscheint  nur  noch  in  zwei  Urkunden  von  1255  (ÜB.  d.  L.  o.  d. 
Enns  III,  220,  224),  vgl.  üopsch  in  der  mehrfach  zitierten  Abhandlung  in  den 
Mitteilungen  des  Institutes  für  österreichische  Geschichte  XVIII,  267. 

2)  Strnadt,  Wann  wurde  Linz  Landeshauptstadt?  (Linzer  Zeitung  21.  u. 
24.  Juli  1889). 

3)  Cont.  Garst.  (M.  G.  SS.  IX,  600).  Dafs  das  Ereignis  ins  Jahr  1255 
und  nicht  1256  fällt,  siehe  Strnadt  in  den  Erläuterungen  zum  bist.  Atlas  S.  33. 

4)  Die  Reihe  mit  Urkundenbelegen  bei  Dop  ach  a.  a.  0.  S.  267 ff. 

5)  Der  Scriba  Anasi  entscheidet  1258  über  Ansprüche  des  Klosters  Seiten- 
stetten  um  St.  Peter  (Font.  ror.  Austr.  XXXIII,  60),  über  Freisinger  Ansprüche 
zu  Amstetten  1267  (a.  a.  0.  XXXI,  287)  und  bezeugt  1267  eine  Verfügung  des 
Klosters  Ardagger  (Arch.  f.  österr.  Gesch.  XLVI,  481). 


SOS  Zwoiundzwanzigstes  Kapitel. 

bayern  bekam  uiul  dadurch  der  eigentliche  Nachbar  Ottokars 
wurde.  Nun  fühlte  sich  Otto  von  Lonsdorf,  der  damalige  Bischof 
von  Passau,  durch  einige  Eingriffe  Herzog  Heinrichs  beeinträchtigt. 
Das  führte  ihn  mit  Ottokar  von  Böhmen  zusammen.  In  Linz 
hatten  sie  am  23.  April  1257  eine  Zusammenkunft  und  schlössen 
ein  lebenslängliches  Bündnis  gegen  Bayern  '),  obwohl  der  Bischof 
den  zweijährigen  Landfrieden  im  November  1255  mit  beschworen 
hatte.  Ottokar  hatte  in  der  Sache  kein  Glück,  Er  sammelte  in 
Osterreich  und  Böhmen  ein  grofses  Aufgebot,  dem  die  bedeu- 
tendsten Dienstmannen  beider  Länder  angehörten,  so  aus  Oster- 
reich Heinrich  und  Albert  von  Kuenring,  Ulrich  von  Lobenstein, 
Ludwig  mid  Albert  von  Zägging,  Sighart  Fiber  u.  a.  ra,  und 
drang  vorschnell  in  Bayern  bis  gegen  Landshut  vor,  stiefs  aber 
wider  Erwarten  hier  auf  eine  derartige  bayerische  Übermacht 
—  Herzog  Ludwig  war  seinem  Bruder  Heinrich  zu  Hilfe  ge- 
eilt — ,  dafs  er  es  vorzog,  ohne  das  Schlachtglück  zu  versuchen^ 
einen  fluchtähnlichen  Rückzug,  wie  es  scheint,  auf  Salzburgisches 
Gebiet  anzutreten.  Aber  bei  Mühldorf  brach  die  Brücke  unter 
den  fliehenden  Scharen;  ein  Teil  seiner  Streitkräfte  unter  Woko 
von  Rosenberg  und  den  Kuenringern  wurde  von  ihm  abgeschnitten 
und  mufste  sich,  nachdem  er  sich  durch  neun  Tage  in  einem  be- 
festigten Turm  verteidigt  hatte,  ergeben.  Ottokar  blieb  nichts 
anderes  übrig,  als  Frieden  zu  schliefsen.  Angeblich  soll  er  Ried 
und  Schüttenhofen  an  Bayern  abgetreten  haben  -),  was  insofern 
wahrscheinlich  ist,  als  Schüttenhofen  dem  Erbe  der  Grafen  von 
Bogen  angehörte,  auf  das  Ottokar  Ansprüche  erhoben  hatte,  und 
als  es  im  Jahre  12G2  ebenso  wie  Ried  als  bayerisch  bezeugt  ist  ^). 
Dieser  Ausgang  war  für  Ottokar  fatal,  denn  er  hatte  wohl 
gehofft,  die  Aktion  mit  der  Salzburger  Angelegenheit  vereinigen 
zu  können.  In  der  Tat  hatte  Erzbischof  Philipp  von  Salzburg 
ihn  zu  unterstützen  beabsichtigt  *),  ebenso  wie  Ottokar  ihm  bereits 

1)  Mon.  Boic.  XXIX  b,  107  und  109. 

2)  Allerdings  nur  nach  einer   sehr  späten  Nachricht  bei  Aventin  (Oefele 
SS.  I,  679). 

3)  Quellt-n  und  Erörterungen  zur  bayerischen  Geschichte  V,  182,  18.3. 

4)  Philipp  von  Salzburg  steht  im  selben  Jahre  mit  600  Schwerbewaffneten 
bei  Reichersperg  (Chron.  Magni.  Cont.  M.  G.  SS.  XVII,  530). 


Österreich  als  Teil  des  böhmischen  Kelches  Przemysl  Ottokars.         50D 

beim  Kampfe  gegen  seine  unbotmäfsigen  Vasallen  beigestanden 
hatte.  Philipp,  Bruder  des  Herzogs  Ulrich  von  Kärnten  und 
Vetter  Ottokars,  war,  weil  er  nicht  die  höheren  Weihen  empfangen 
wollte  und  wegen  verschiedener  schwerwiegender  Vergehen  von 
dem  Domkapitel  125G  abgesetzt  und  ihm  in  dem  Bischof  Ulrich 
von  Seckau  ein  Gegenbischof  aufgestellt  worden,  der  auch  mit 
Mühe  die  päpstliche  Bestätigung  erlangte,  aber  trotzdem  in  der 
Diözese  nichts  ausrichtete.  Da  wandte  er  sich  an  Ungarn,  und 
dies  gab  den  Anstofs  zu  einem  neuerlichen  Kriege  zwischen  König 
Bela  und  Ottokar,  da  dieser  die  Partei  seiner  Vettern  von  Kärnten 
und  Salzburg  ergriff  und  aufserdem  die  steierischen  Adeligen  die 
Gelegenheit  wahrnahmen,  um  das  verhafste  ungarische  Joch  ab- 
zuschütteln. 

Das  Land  unter  der  Enns  wurde  wieder  der  Kriegsschau- 
platz. Wie  Ottokar  im  bayerischen  Feldzuge  zu  schnell  vor- 
gedrungen war,  so  hielt  er  sich  jetzt  wieder  zu  lange  mit  der 
Sammlung  der  Truppen  in  der  Umgebung  der  österreichisch-mäh- 
rischen Grenzfestung  Laa  an  der  Thaya  auf.  Ihm  mangelte  eben 
bei  seinen  vielseitigen  Talenten  eines :  das  war  die  Feldherrnkunst. 
Schlechter  Nachrichtendienst  kam  zur  Zögerung  hinzu.  So  konnte 
es  unbegreiflicherweise  geschehen,  dafs  seine  Vorhut  unter  dem 
Grafen  Otto  von  Hardegg  und  dessen  Bruder  Konrad  von  Piain 
mit  auserlesenen  österreichischen  Kräften  bei  Staatz  am  26.  Juni 
1260  in  einen  ungarischen  Hinterhalt  geriet  und  gänzlich  erlag  *). 
Es  ist  nicht  klar  —  vielleicht  waren  es  wie  so  oft  Verpflegungs- 
schwierigkeiten — ,  warum  die  Ungarn  diesen  Sieg,  der  auf  das 
böhmische  Heer  ungemein  deprimierend  wirkte,  nicht  ausgenutzt 
haben  und  es  geschehen  liefsen,  dafs  Ottokar  innerhalb  der  nächsten 
vierzehn  Tage  bis  gegen  Hainburg  zwischen  Donau  und  March 
gelangte,  ja  dann  sogar  einen  Waffenstillstand  mit  ihm  schlössen. 
Endlich  nahmen  sie  die  angebotene  Schlacht  und  den  Vorschlag, 
diesseits  der  March  zu  fechten,  an.  Sie  hatten  aber  in  ihrer 
Siegeszuversicht  und  im  Vertrauen  auf  ihre  numerische  Überlegen- 

1)  Am  ausführlichsten  die  Ann.  Otakar.  (M.  G.  SS.  IX,  183),  nach  ihr 
die  Keimchronik.  Ferner:  Cent.  Lamb.  (a.  a.  0.  S.  560);  Cont.  Sancruc.  II 
(a.  a.  0.  S.  644);  Ann.  S.  Rudb.  Sal.  (a.  a.  0.  S.  795)  und  Hermann  von 
Altaich  (a.  a.  0.  XVII,  402). 


510  Zwoiundzwanzigstes  Kapitel. 

heit  den  strategischen  Fehler  begangen,  mit  dem  Flusse  im  Rücken 
zu  kämpfen.  Obwohl  sie  schon  vor  Ablauf  des  Waffenstillstandes 
die  Mareh  überscln-itten  und  Ottokar  einen  Teil  seiner  Truppen, 
der  bei  Ilainburg  lagerte,  nicht  mehr  an  sich  ziehen  konnte,  zeigte 
sieh  doch  wieder  einmal  die  Überlegenheit  geordneter  Streiter,  die 
ihrer  Mehrzahl  nach  aus  Deutschen  (Österreichern  und  Steierern) 
bestanden ,  über  die  ungarischen.  Nach  kurzem  Kampfe  bei 
Groifseubrunn  am  12.  Juli  1260  ergriffen  die  Ungarn  die  Flucht, 
wobei  zahlreiche  Scharen  in  den  Fluten  der  March  umkamen  ^). 

Ottokar  war  klug  genug,  sich  mit  seinem  Sieg,  an  dem  er 
selbst  gezweifelt  zu  haben  scheint,  zu  begnügen  und  auf  die  Frie- 
densvorschläge Belas  einzugehen.  Mit  diesem  Frieden,  der  im 
I^Iärz  12  61  zum  AbschUifs  gelangte,  stand  Ottokar  am  Ziel  seiner 
Wünsche,  indem  nun  das  ganze  Babenbergische  Erbe,  auch  die 
Steiermark,  ihm  allein  zufiel. 

Wieder  hatte  Ottokar  einen  gewaltigen  Schritt  vorwärts  getan,, 
und,  wie  stets  an  solchen  bedeutenden  Abschnitten  seiner  Regie- 
rung, sehen  wir  ihn  alsbald  daraus  die  Konsequenzen  ziehen. 
Wieder  konnte  er  einige  der  Fesseln,  die  er  nur  widerwiüig  trug, 
sprengen.  Jetzt  konnte  er  die  Rücksichten,  die  er  vor  zehn 
Jahren  auf  die  Macht  und  auf  die  Empfindungen  der  österreichi- 
schen Landherren,  die  ihm  ja  zur  Herrschaft  verholfen  hatten,  zu 
nehmen  gezwungen  war,  beiseite  schieben.  Weg  mit  der  Maske 
des  gefügigen  Landesfürsten! 

Was  sollte  ihm  noch  der  Ehebund  mit  der  alternden  Baben- 
bergerin  Margarete?  Jetzt  brauchte  er  keine  Legitimation  mehr, 
die  sich  auf  die  dynastischen  Überlieferungen  des  Landes  stützte. 
Jetzt  hatte  er  sich  sein  Herrscherrecht  ersessen;  niemand  war 
mehr  da,  der  es  ihm  bestritt;  selbst  die  Autorität  des  Papstes 
Innozenz'  IV.,  vor  der  er  sich  beugen  mufste,  war  bereits  ins 
Grab  gesunken.  Nachkommen  konnte  er  keine  mehr  von  Mar- 
garete erhoffen,  und  auf  sie  mufste  es  ihm  doch  ankommen. 

Schon  einmal,  bald  nach  Innozenz'  IV.  Tode  (7.  Dezember 
1254)  hatte  er  bei  der  Kurie  wegen  einer  Scheidung  angeklopft  ^). 


1)  Vgl.  die  Quellen  wie  oben. 

2)  Cont.  Garst,  ad  1256  (M.  G.  SS.  IX,  600). 


Österreich  als  Teil  des  böhmischen  Eeiches  Przemysl  Ottokars.        511 

Papst  Alexander  IV.  scheint  jedoch  kein  geneigtes  Ohr  dafür  ge- 
habt zu  haben.  Das  Aufserste,  zu  dem  er  sich  schliefsUch  aus- 
Rücksicht auf  die  Kinderlosigkeit  der  Ehe  herbeiUefs,  war  das, 
dafs  er  im  Oktober  1260  einen  natürlichen  Sohn  — ■  man  sagte: 
von  einer  Kuenringerin  *)  —  namens  Nikolaus,  legitimierte  ^).  Jetzt 
nach  der  Schlacht  bei  Groifsenbrunn  im  Vollgefühle  seiner  Macht 
und  abermals  einem  neuen  Papste,  Urban  IV.,  gegenüber,  liefs 
Ottokar  einfach  durch  einen  seiner  Bischöfe  —  sei  es  durch  den 
Prager  oder  den  Olmützer  —  die  Scheidung  von  Margarete  aus- 
sprechen. Ihre  seinerzeit  abgelegten  Klostergelübde  mufsten  jetzt 
mit  einem  Male  als  Vorwand  herhalten.  Die  Angelegenheit  wurde 
auf  das  hastigste  betrieben,  da  Ottokar  vermutlich  schon  beim 
Friedensschlüsse  mit  König  Bela  Abmachungen  über  eine  neue 
Ehe  getroffen  hatte.  Nachdem  Belas  gleichnamiger  zweiter  Sohn 
Ottokars  Nichte  heiraten  sollte,  so  ist  anzunehmen,  dafs  in  der 
üblichen  Weise  eine  Doppelheirat  beschlossen  worden  war  ^).  In 
der  Tat  feierte  am  25.  Oktober  desselben  Jahres  Ottokar  seine 
Hochzeit  mit  einer  Enkehn  König  Belas,  Kunigunde,  der  Tochter 
Rastislaws  von  Halitsch.  Eine  Woche  vorher,  am  18.  Oktober, 
hatte  sich  Margarete  vom  Hofe  entfernen  und  nach  Krems  ^) 
zurückziehen  müssen.  Den  vollendeten  Tatsachen  gegenüber  stand 
nun  auch  Papst  Urban  IV.  nicht  mehr  länger  an,  seine  Zustim- 
mung zur  Scheidung  und  den  Dispens  zu  der  verwandtschaft- 
lichen neuen  Ehe  zu  geben  (20.  April  1262)^).  In  die  Zwischen- 
zeit fällt  Ottokars  Krönung  zum  König  von  Böhmen  (25.  De- 
zember), zu  der  noch  Alexander  IV.  seine  Bewilligung  erteilt 
hatte  ^).  In  derselben  Zeit  dürfte  auch  die  Landesverweisung 
Gertrudes  erfolgt  sein.  Dafs  deren  Sohn  aus  der  Ehe  mit  Her- 
mann   mit   dem    ominösen    Namen   Friedrich   sich   auch    fernerhin 

1)  Wiener  Jahrbücher  der  Literatur  1823,  A.  B.  S.  34f. 

2)  Am  6.  Oktober  1260;  Potthast,  Reg.  Pont.  17  948;  Cod.  Morav. 
m,  283. 

3)  Vgl    die  Urkunde  bei  Fejer  IV^,  101. 

4)  Dafs  Krems  und  nicht  Krumau  in  Böhmen  Margaretens  Exil  war,  hat 
Kerschbaumer  (Bl.  d.  Ver.  f.  Landesk.  XXUI,  S.  XXIX,  1889)  gegen  Huber 
I,  541  nachgewiesen. 

5)  Cod.  Morav.  III,  332;  Potthast,  Eeg.  Pont.  18277. 

6)  Am  6.  Oktober  1260;  Potthast,  Reg.  17947;  Cod.  Morav.  III,  281.. 


513  Zweiundzwanzigstos  Kapitel. 

Herzog  von  Österreich  nannte,  dürfte  Ottokar  nicht  weiter  be- 
rührt haben. 

Bis  jetzt  hatte  sich  Ottokars  Herrschaft  in  ( )sterreich  auf  die 
Sympathien  im  Lande  selbst  gestützt,  auf  die  Waffen  der  Land- 
herren, die  ihn  vor  zehn  Jahren  selber  ins  Land  gerufen  hatten, 
auf  die  vage  Fiktion  von  der  Fortdauer  der  Babenbergischen 
Ansprüche,  auf  die  Abmachungen  mit  dem  benachbarten  Ungarn 
und  auf  die  Legitimation  des  Papstes  —  in  einer  Zeit,  da  es  in 
Deutschland  keine  Zentralgewalt  gab  und  jedes  Territorium  mehr 
oder  weniger  auf  Selbsthilfe  angewiesen  war,  gewifs  Rückhalte 
genug.  Jetzt  aber  war  Ottokar  entschlossen,  mit  den  territorialen 
Gewalten  zu  brechen  und  seine  Fürstenmacht  wieder  zu  un- 
geschmälertem Ansehen  zu  bringen.  Da  wollte  er  denn  jene 
Stützen  gegen  neue  verfassungsmäfsige  vertauschen.  Er  wandte 
sich  daher  an  den  deutschen  König  Richard  von  Corn Wallis,  der  ihm 
denn  auch  am  9.  August  1262  eine  Urkunde  über  die  Belehnung 
mit  den  österreichischen  und  böhmischen  Ländern  ausstellte,  was 
allerdings  ganz  gegen  die  übliche  Form  war  ^). 

Und  nun  im  Besitze  dieser  Scheinanerkennung  von  selten 
des  Reichsoberhauptes  konnte  König  Ottokar  auch  die  umfassende 
Aktion  gegen  die  Landherren  Österreichs  einleiten,  die  schon  im 
Landfrieden  von  1254  ins  Auge  gefafst  worden  war:  alles,  was 
sie  sich  seit  Herzog  Friedrichs  Tode  angemafst  hatten,  sollte  wieder 
null  und  nichtig  werden.  Um  aber  diese  bei  den  verworrenen 
Rechtsverhältnissen  nach  dem  Aussterben  der  ßabenberger  sehr 
schwierige  Aktion  durchführen  zu  können,  sollte  eine  genaue  und 
sorgfältige  Landaufnahme  als  deren  Grundlage  ins  Werk  gesetzt 
■werden  mit  besonderer  Feststellung  dessen,  was  der  Adel  des 
Landes  in  der  Zwischenzeit  sich  widerrechtlich  angeeignet  und 
was   er  widerrechtlich  an  festen  Trutzburgen  aufgebaut  hatte. 

Schon  im  Jahre  1258,  also  nach  dem  bayerischen  Kriege, 
war  an  den  herzoglichen  Schreiber  in  Enns  der  Befehl  zu  einer 
solchen  Landaufnahme,  vermutlich  zunächst  in  bezug  auf  das 
oberösterreichische    Gebiet,    ergangen  ^).      Zur   umfassenden    Aus- 

1)  Lambacher.  Interegnum  41;  Cod.  Moraviae  III,  338;  Böhme r- 
Fifiker,  Eeg.  S.  1010. 

2)  Font.  rer.  Austr.  2.  Abt.  XXXIII,  Nr.  51. 


Österreich  als  Teil  des  böhmischen  Keiches  Przemysl  Ottokars.        518 

fiihrung  des  Planes  kam  es  erst  jetzt  nach  dem  Jahre  1261  *). 
Freilich  mögen  die  mit  der  Aufnahme  betrauten  Organe  bei  den 
erwähnten  Schwierigkeiten  hinter  ihrer  Aufgabe  vielfach  zurück- 
geblieben sein;  vielfach  mufsten  sie  sich  auf  mündliche  Aussagen 
der  Parteien  verlassen,  in  manchen  Fällen  legten  sie  einfach  die 
Urbare  der  letzten  Babenberger  zugrunde  ^).  Im  ganzen  und 
grofsen  haben  sie  ihre  Aufgabe  nach  Wunsch  gelöst.  Das  Er- 
gebnis war  das  Ottokarische  Urbar,  fälschlich  auch  Rationar  ge- 
nannt ^) ,  das  das  Land  unter  der  Enns  mit  der  Riedmark  und 
das  Land  ob  der  Enns  umfafste  und  dem  etwas  später  auch  ein 
Steierisches  Urbar  folgte. 

In  die  Jahre  nach  der  Schlacht  bei  Groifsenbrunn  fallen  auch 
wichtige  Veränderungen  in  der  Verwaltungsorganisation  der  Otto- 
karischen Lande,  die  ihren  Grund  teils  in  dem  Zuwachs  der 
Steiermark,  teils  überhaupt  in  der  Ausdehnung  des  Ottokarischen 
Reiches  haben,  die  eine  reichere  Beamtengliederung  und  Verwal- 
tungseinteilung beanspruchte. 

Der  Umstand,  dafs  sich  zur  Zeit  des  Anfalles  der  Steiermark 
im  Jahre  1260  das  Ennstal  noch  immer  in  der  Gewalt  des  Erz- 
bischofs Philipp  von  Salzburg  befand  und  dadurch  der  Traungau 
vom  alten  steierischen  Mutterland  getrennt  blieb,  brachte  es  mit 
sich,  dafs  die  bereits  seit  dem  Ofener  Frieden  des  Jahres  1254 
angebahnte  Selbständigmachung  des  Landes  ob  der  Enns  nunmehr 
festgehalten  und  weiter  durchgeführt  wurde,  so  dafs  in  der  Tat 
das  Jahr  1260  als  das  eigentliche  „Geburtsjahr"  des  heutigen 
Oberösterreich  bezeichnet  werden  kann  ■*). 

Im  Jahre  1264  finden  wir  einen  Iudex  provincialis  Austriae 
superioris  ^).     Sonst  wird  das  Land  auch  im  Gegensatz  zu  Nieder- 

1)  D  0  p  8  c  h ,  Beiträge  zur  Geschichte  der  Finanzverwaltung  Österreichs  im 
13.  Jahrhundert  I  (Mitt.  d.  Inst.  f.  österr.  Gesch.  XIV,  449  f.  1893)  und  jetzt 
in  der  Einleitung  zur  Ausgabe  der  landesfürstlichen  Urbare. 

2)  Erben,  Zur  Entstehung  des  sogenannten  Eationarium  Austriacum 
(Mitt.  d.  Inst.  f.  österr.  Gesch.  XVI,  97). 

3)  Alte  Ausgabe  von  Chrael  im  Notizenblatt  V,  833 ff.,  1855.  —  Jetzt 
die  musterhafte  kritische  Ausgabe  von  Dop  seh  (siehe  oben). 

4)  Dies  das  Ergebnis  von  Strnadts  wiederholt  zitierter  gründlicher  Unter- 
suchung, Die  Geburt  des  Landes  ob  der  Enns. 

5)  ÜB.  des  Landes  ob  der  Enns  III,  321. 

Yaincsa,  Geschichte  Nieder-  u.  Oberösterreicha.  33 


514  Zweiundzwanzigstes  Kapitel. 

Österreich,  das  den  Namen  Austria  schlechtweg  beibehält,  supna 
Anasiini  genannt  ').  Die  landesfürstlichen  Schreiber  von  Enns, 
die  früheren  Scribae  Anasi,  heifsen  jetzt  präziser  Scribae  apud, 
per  oder  circa  Anasum  ^). 

Die  Gi'enze  dieses  Landes  ob  der  Enns  verlief  von  der  böh- 
mischen Grenze  (Südwestspitzc  des  Böhracrwaldes),  die  Pfarre  Aigen 
einschliefsend,  bis  an  die  grofse  Mühl ,  längs  dieser  bis  zur  Mün- 
dung in  die  Donau,  die  Donau  aufwärts  bis  zur  Mündung  des 
unteren  Kefslabaches  und  diesen  aufwärts  über  den  Hörzingerwald 
zum  Jungfernstein  ^).  Das  obere  Mühlviertel  mit  den  Pfarren 
Engelhartszell  und  St.  Agyd  gehörte  nach  wie  vor  zu  Passau, 
das  Mondseeland  mit  Pöndorf  und  St.  Wolfgang  zu  Bayern,  das 
Gosautal  zu  Salzburg.  Einige  kleinere  Abweichungen  von  der 
späteren  Landesgrenze  sind  auch  im  Norden  und  Osten  bekannt 
(z.  B.  zählte  Hirschenau  zu  Niederösterreich,  Zetwing,  jetzt  in 
Böhmen,  damals  zu  Oberösterreich). 

Zu  Beginn  der  sechziger  Jahre  vollzog  sich  auch  eine  Neu- 
organisation der  Ottokarischen  Kanzlei  ^),  die  eben  entsprechend 
der  Erweiterung  des  Gebietes  eine  Vermehrung  und  Umgestaltung 
bedurfte.     Sie  scheidet  sich  jetzt  in  territoriale  Gruppen. 

Für  unsere  Länder  ist  am  wichtigsten  die  Veränderung,  die 
mit  dem  Schreiberamte  oder,  wie  es  bereits  gegen  Ende  der  Regie- 
rung Ottokars  entsprechend  dem  Notarius  terre  der  böhmisch-mähri- 
schen Länder  bezeichnet  wird  ^),  dem  Landschreiberamte,  vor  sich 
geht.  Dieses  löst  sich  nämlich  allmählich  ganz  von  der  Kanzlei 
los.     Es  werden  ihm  aber  auch    wichtige  Befugnisse,    die   eigent- 

1)  So  in  dem  Mandat  Ottokars  vom  22.  Januar  1266  (ÜB.  d.  L.  o.  d. 
Enns  111,  344). 

2)  1269  (ÜB.  d.  L.  o.  d.  Enns  111,  364);  1270  (a.  a.  0.  S.  375);  1272 
(a.  a.  0.  S.  393). 

3)  Strnadt  a.  a.  0.  S.  124  und  Erläuterungen  z.  bist.  Atlas  der  Alpen- 
länder; Hasenöhrl,  Südöstliche  Marken  (Archiv  f.  österr.  Gesch.  LXXXIl,  419, 
1895)  und  ausführlich  Lampel,  Das  Geraärke  des  Landbuches  (Bl.  d.  Ver.  f. 
Landesk.  XXXI,  301  f.,  1897  und  XXXIII,  371,  1899). 

4)  Darüber  schon  Lorenz,  Deutsche  Geschichte  I,  396;  ausführlicher 
Emier,  Die  Kanzlei  der  böhmischen  Könige  Przemysl  Ottokar  II.  und  Wenzel  II. 
(Abhandlungen  der  böhm.  Gesellsch.  d.  Wissensch.  6.  F.  IX,  16). 

5)  Kedlich,  Eine  Wiener  Briefsamralung  (Mitt.  aus  dem  vatikanischen 
Archive  II,  Wien  1894)  Nr.  13  und  42. 


Österreich  als  Teil  des  böhmischen  Eeiches  Przemjsl  Ottokars.         515 

lieh  dem  Landesfürsten  zukommen,  übertragen.  Der  Landschreiber 
hat  an  Stelle  des  Landesherrn  bei  der  Vogtei  die  Defensio  zu 
übernehmen,  er  hat  bei  Besitzanweisung  in  die  Gewere  einzu- 
führen, er  hat  dort,  wo  der  Landesherr  ein  Schutzprivileg  aus- 
stellt, tatsächlich  die  Funktion  des  Beschirmers  auszuüben,  er  hatte 
auch  bedeutenden  Einflufs  auf  die  Zoll-  und  Mautverwaltung  ^). 

Das  Schreiberamt  ist  auch  für  die  spätere  Entwickelung  da- 
durch von  Bedeutung,  dafs  es  nicht  mehr  ein  Lehenamt  und  auch 
nicht  verpachtet  ist,  sondern  eine  verantwortliche  Beamtung  im 
späteren  Sinne.  Als  Entlohnung  wurden  Güter  verliehen.  Seit 
den  sechziger  Jahren  zeigt  das  Amt  auch  den  Wechsel  der  Otto- 
karischen Politik.  Früher  ausschliefslich  Geistlichen  übertragen, 
denen  reichliche  Pfründen  gegeben  wurden,  wird  jetzt  dieses  wich- 
tige Amt  mit  Rittern  (Heinrich  von  Hag,  dann  Siegfried,  vermutlich 
auch  Sidhn  und  Merklin)  besetzt.  Das  stimmt  zu  dem  Empor- 
kommen des  Ritterstandes  und  zu  der  Bevorzugung,  die  ihm  Ottokar 
auf  Kosten  der  Herren  und  Ministerialen  jetzt  angedeihen  liefs. 

Den  Landherren  begann  es  indessen  klar  zu  werden,  wohin 
Ottokars  Politik  steuerte.  Es  bildete  sich  eine  Verschwörung, 
an  deren  Spitze  eine  einflufsreiche  Persönlichkeit,  der  Landrichter 
Otto  von  Maifsau^),  stand,  der  sich  mit  den  unzufriedenen  böh- 
mischen Baronen,  deren  Häupter  Benesch  und  Milota  waren,  verband. 
Die  Verschwörung  wurde  entdeckt,  und  nun  hatte  König  Ottokar 
auch  die  äufserliche  Handhabe,  um  gegen  die  Landherren  einzuschrei- 
ten. Die  drei  genannten  Häupter  der  Verschwörung  wurden  ge- 
fangengenommen und  Otto  von  Maifsau  und  Benesch  im  Kerker 
hingerichtet.  Darauf  unternahm  der  König  eine  grofse  Razzia 
gegen  die  übermächtigen  Vertreter  des  Dienstadels  in  Osterreich 
und  brach  eine  grofse  Reihe  der  seit  dem  Tode  Herzog  Friedrichs 
erbauten  Burgen  ^).  Damals  war  es  auch,  wie  wir  noch  sehen 
werden,  da  Ottokar  energisch  gegen  die  vielen  Häretiker,  die  sich 
in  Österreich  während  der  mangelnden  landesfürstlichen  Gewalt 
festgesetzt  hatten,  einschritt. 

1)  Dies  und  das  Folgende  siehe  bei  Dop  seh  a.  a.  0. 

2)  Siehe  Pölzl,  Die  Herren  von  Meif^au  (Bl.  d.  Ver.  f.  Landesk,  v.  Nieder- 
österreich XIV,  4  ff.,  1880). 

3)  Contin.  Sancruc.  II  (M.  G.  SS    IX,  646). 

33* 


516  Zweiundzwanzigstes  Kapitel. 

Zu  derselben  Zeit  tauchte  abermals  der  Feuerschein  eines  Krieges 
an  dem  westlichen  Horizonte  empor.  Ottokar  hatte  nümlich  gerade 
damals  auch  auf  kirchlichem  Gebiet  einen  grofsartigen  Erfolg 
davongetragen.  Er  hatte  bei  Papst  Klemens  IV.  einen  derartigen 
Einflufs  gewonnen,  dafs  dieser,  als  gleichzeitig  durch  die  Ab- 
dankung Ulrichs  von  Seckau  das  Erzbistum  Salzburg  und  durch 
den  Tod  Ottos  von  Lonstorf  das  Bistum  Passau  frei  geworden 
war,  die  Besetzung  ganz  nach  dem  Wunsche  Ottokars  mit  dessen 
Günstlingen  vornahm.  Salzburg  erhielt  sein  Vetter,  der  Herzog 
Wladislaw  von  Schlesien,  Propst  von  Wyschehrad,  Passau  dessen 
Hofmeister,  der  Domherr  Petrus  von  Breslau.  So  waren  denn 
auch  die  Diözesane  der  steierisch- österreichischen  Länder  in  Otto- 
kars Hand. 

Das  konnte  sich  Herzog  Heinrich  von  Niederbayern  unmög- 
lich bieten  lassen.  Er  weigerte  sich,  das  Salzburger  Gebiet,  das 
er  als  Beschützer  Ulrichs  von  Seckau  das  Jahr  zuvor  besetzt 
hatte,  herauszugeben.  Schon  Ende  1265  kam  es  daher  zu  kleineren 
Einfällen  in  Bayern.  Für  1266  rüstete  Ottokar  jedoch  einen 
gewaltigen  Feldzug. 

In  diesem  Zeitpunkt  erliefs  Ottokar  für  Österreich  eine  grofse 
Landesordnung,  ein  Landrecht  ^). 

Die  Hauptbestimmung  war,  dafs  alle  Burgen,  die  in  den  letzten 
zwanzig  Jahren  gebaut  worden  waren,  zerstört  werden  sollten  (§  58). 
Nur  mit  Erlaubnis  des  Landesherrn  durfte  man  fürderhin  auf 
seinem  Eigen  ein  stockhohes  Gebäude  ohne  Wenr  und  Zinnen, 
nur  mit  einem  neun  Schuh  weiten  und  sieben  Schuh  tiefen  Graben 
erbauen.  Wie  im  Landfrieden  von  1254  wird  auch  nochmals  be- 
tont, dafs  bei  Kirchen,  die  ron  kirchenfeindlichen  Adeligen  ihrer 
Bestimmung  entfremdet  und  mit  Befestigungen  versehen  worden 
seien,  diese  Befestigungen  gebrochen  werden  müssen  (§  49).  Auch 
nicht  zu  nahe  aneinander  dürfen  die  Burgen  stehen  (§  39). 

Im  HinbUck  auf  die  Adelsverschwörung  von  1265  wird  (§  63) 
besonderes  Gewicht  darauf  gelegt,  dafs  keine  Einigung  zum  Schaden 
des  Landes  getroffen  werden  solle.     Noch  aktueller  sind  jene  Ver- 


1)  Die  neuesten  Forschungen  über  das  österreichische  Landrecht  und  ihre 
Hauptergebnisse  habe  ich  bereits  in  der  Einleitung  S.  12  behandelt. 


Österreich  als  Teil  des  böhmischon  Keiches  Przemysl  Ottotars.         517 

fügungen,  die  in  Rücksicht  auf  die  bevorstehende  Heerfahrt  (nach 
Bayern)  aufgestellt  werden  (§  54 — 56).  Sie  handeln  im  einzelnen 
über  Ausrüstung,  Verproviantierung,  Tagesmarsch  usw.  Sogar 
der  Termin  („zu  den  nagsten  sunwenten'',  d.  i.  21.  Juni)  ist  an- 
gegeben. In  scheinbarem  Widerspruch  dazu  steht  die  Bestimmung 
(§  45) ,  wonach  der  Laudesfürst  die  Landherren  zu  keiner  Heer- 
fahrt über  die  Laudesgrenze  zwingen  dürfe.  Doch  könne  es  „mit 
gut  oder  pete"  geschehen,  heifst  es  gleich  in  einem  Zusatz.  Die 
Bestimmung  ist  dadurch  sehr  interessant,  weil  sie,  wie  schon  die 
Beifügung  „wann  dicz  lande  ain  recht  march  ist"  andeutet,  offen- 
bar dem  Privilegium  minus  nachgebildet  ist.  Merkwürdig  berührt 
die  Stelle,  wo  von  der  Eventualität  eines  Kampfes  des  Landes- 
fürsten mit  seinen  eigenen  Hausgenossen  die  Rede  ist.  Vielleicht 
sollte  damit  etwaigen  Babenbergischen  RehabiUtationsversuchen 
vorgebeugt  werden  '). 

Eine  Reihe  anderer  Bestimmungen  ist  mehr  oder  weniger 
wörtlich  dem  Landfrieden  von  1254  entnommen  oder  führt  dessen 
Absichten  weiter  aus  (Landgericht,  Vogtei,  Burgenbau,  Wahrung 
des  Münz  und  Mautregals,  Schutz  des  Kirchengutes).  Das  Land- 
recht mufs  aber  auch  in  Verbindung  gebracht  werden  mit  der 
gesetzgeberischen  und  organisatorischen  Tätigkeit  Ottokars  in  seinen 
anderen  Ländern,  hauptsächlich  in  Böhmen.  Es  ist  ungefähr  um 
dieselbe  Zeit  in  Prag  ein  Landtag  abgehalten  worden,  dessen  Be- 
schlüsse in  einigen  charakteristischen  Punkten,  so  in  bezug  auf 
die  Pflichten  des  Prager  Burggrafen,  —  entsprechend  den  Punkten, 
die  sich  gegen  den  österreichischen  Landmarschall  richten  —  und 
in  bezug  auf  das  Verfahren  gegen  Falschmünzer  eine  auffallende 
Übereinstimmung  mit  dem  österreichischen  Landrecht  aufweisen  -). 
Es  mufs  aber,  abgesehen  davon,  dafs  es  durchaus  nicht  feststeht, 
ob  dem  österreichischen  Landrecht  oder  dem  böhmischen  Landtag 
die  Priorität  zukommt,  besonders  darauf  aufmerksam  gemacht 
werden,  dafs  die  gesetzgeberische  Tätigkeit  König  Ottokars  einen 

1)  Dopsch  und  Stieber  denken  allerdings  nur  an  die  Fehden  im  böh- 
mischen Königshause.  Diese  gehörten  jedoch  schon  einer  kaum  mel\r  nach- 
wirkenden Vergangenheit  au. 

2)  Jirecek,  Cod.  juris  Bohem.  I,  157.  Der  Landtagsbeschlufs  ist  nur 
im  Formelbuch  des  Henricus  Italiens  ohne  bestimmte  Datierung  überliefert. 


518  Zwoiundzwanzigstes  Kapitol. 

kompilatorischen  Charakter  trägt:  wir  linden  im  Landiiieden  von 
1254,  bezw.  im  Landrecht  Entlehnungen  aus  dem  Mainzer  Land- 
frieden '),  aus  dem  bayerischen  Landl'rieden  von  1244,  aus  dem 
Privilegium  minus,  aus  dem  Privileg  l'iir  Wiener  Neustadt  (Ent- 
fernung der  Burgen),  aus  einem  Rechtsbuch  der  Herren  von 
Roseuberg,  aus  mährischen  Rechtsqucllen,  ja  sogar  aus  dem  römi- 
schen Rechte  (die  P^ist  von  dreifsig  Jahren  zur  Erlangung  der 
Gevvere)  usw.  Aufserdcm  bevorzugte  Ottokar  keineswegs  die  böh- 
mische, sondern  weit  mehr  die  deutsche  Kultur.  Man  dürfte  also 
im  Ottokarischen  Laudrecht  kein  aufgezwungenes  Recht  vor  sich 
haben,  sondern  gewifs  gutes  deutsches  altes  Gewohnheitsrecht,  das 
nur  mit  einigen  fremden  Bestimmungen  durchsetzt  und  damit  dem 
Rechte  anderer  Ottokarischer  Länder  angeähnelt  ist.  Das  Land- 
recht ist  auch  in  deutscher  Sprache  abgefafst. 

Dem  Einflüsse  des  Marschalls  auf  die  Landesverwaltung  be- 
gegneten wir  ja  schon  seit  dem  Beginne  des  13.  Jahrhunderts  in 
Osterreich.  Dafs  jetzt  die  Paragraphen  55,  57  und  61  des  Land- 
rechtes dem  Marschall  auch  eine  gewisse  Jurisdiktion  bei  der 
Heerfahrt  und  eine  Exekutive  gegen  Friedensbrecher  im  Lande 
einräumen,  dürfte  kaum  eine  spezifisch  böhmische  Neuerung  ge- 
wesen sein  ^).  Eine  Angleichung  des  Amtes  an  böhmische  Amter 
liegt  allerdings  darin,  dafs  Ottokar  dem  Marschall  von  Österreich, 
Heinrich  von  Kuenring,  auch  den  Titel  eines  Zupans  verlieh  ^). 
Noch  weniger  dürfte  die  Beeinflussung  durch  böhmisches  Recht 
in  bezug  auf  den  von  Ottokar  eingesetzten  geschworenen  Rat  des 
Landesherru  Geltung  haben,  denn  wir  haben  dessen  Entwickelung 
schon  seit  dem  Beginn  des  13.  Jahrhunderts  verfolgen  können. 
Höchstens  könnte  auch  hier  die  Zwölfzahl  mit  der  Zwölfzahl  der 
böhmischen  Kmeten  in  Übereinstimmung  gebracht  worden  sein  ^). 

Deutlicher  und  zwingender  scheint  der  Zusammenhang  zwischen 

1)  Über  diesen  Punkt  Lusehin  im  Neuen  Archiv  der  Gesellscb.  f.  ältere 
deutsche  Geschiohtsk.  XXV,  449,  1899. 

2)  Vgl.  Wretschko,  Das  österreichische  Marschallamt  S.  38 ff. 

3)  Urkunde  vom  13.  Dezember  1255  (Uß.  d.  L.  o.  d.  Enns  III,  218). 

4)  Für  böhmische  Herkunft  des  geschworenen  Rates  sprachen  sich  Lorenz 
a.  a.  0.  I,  349  und  noch  entschiedener  Luschin,  Die  Anfänge  der  Landstände 
aus  (Histor.  Zeitschr.  LXXVIII ,  443).  Gegen  sie  mit  hinreichenden  Beweisen 
Dopsch  in  den  Mitteilungen  des  Instituts  XIX,  165. 


Österreich  als  Teil  des  böhmischen  Kelches  Przemysl  Ottofears.        519 

der  Landfrage  gegen  landschädliche  Leute  (närok  ==  accusatio) 
nach  böhmischem  Rechte,  die  sich  vom  Jus  Conrad!  1198  her- 
leitet und  in  dem  erwähnten  Landtagsbeschlufs  erneuert  wurde, 
und  dem  Verfahren  gegen  die  Falschmünzer  nach  dem  Landfrieden 
von  1254  und  noch  genauer  nach  dem  österreichischen  Landrecht 
§  57  und  61,  da  dieses  tatsächlich  eine  von  dem  in  Deutschland 
geltenden  Rechte  —  siehe  den  Mainzer  Landfrieden  —  ganz  ab- 
weichende Entwickelung  zeigt  ^).  Statt  des  in  Deutschland  üblichen 
ünschuldsbeweises  finden  wir  hier  den  Schuldbeweis  durch  sieben 
öffentliche  Kläger,  die  ursprünglich  in  Böhmen  einfach  unter  Eid 
aussagten  („Soken"),  von  Ottokar  aber  durch  vorher  bestimmte 
Ankläger  (die  „Poprawzen")  ersetzt  wurden. 

Die  auffallende  Bestimmung  über  die  Ausschaltung  des  Ritter- 
standes aus  dem  Landgericht  (Herrengericht)  und  dessen  Ver- 
weisung an  das  Hofgericht  als  Instanz  ist  für  die  ständische  Ent- 
wickelung von  Interesse.  Schon  hatte  sich  dieser  Stand  der  ehe- 
dem unfreien  Gefolgschaftsleute  durchzusetzen  begonnen.  Im  Land- 
frieden von  1254  und  im  Landrecht  Ottokars  begegnet  zum  ersten 
Male  die  später  für  diesen  Stand  übliche  Bezeichnung  „Ritter  und 
Knappen"  oder  „Ritter  und  Knechte".  Dafs  sich  der  Landes- 
fürst jetzt  bewogen  fühlte,  sie  unter  seinen  besonderen  richter- 
lichen Schutz  zu  nehmen,  hat  jedenfalls  seinen  Grund  in  dem 
Vorgehen  des  Herrenstandes  gegen  sie,  der  ihr  Emporkommen 
hintanhalten  wollten.  Für  die  Herren  war  natürlich  wieder  anderer- 
seits die  Bestimmung  von  gröfstem  Wert,  dafs  nur  der  „Haus- 
genosse'' oder  Standesgenosse  oder  der  Übergenosse  über  sie 
richten  durfte.  Und  das  bezog  sich  nicht  nur  auf  die  Richter, 
sondern  auch  auf  die  Kläger,  Zeugen  und  Eideshelfer.  Selbst 
der  Hausfriedensbruch  (die  „Heimsuchung")  war  nur,  wenn  an 
Haus-  oder  Übergenossen  verübt,  strafbar  (§  68).  Ja,  wir  sehen 
im  Landrecht  sogar  schon  einen  deutlichen  Übergang  zur  weiteren 
Entwickelung.  Da  nämlich  nach  §  52  die  Dienstmannen  „um 
all  das  Eigen,  das  im  Lande  ist",  urteilen  können,  so  ist  hier 
bereits  ihr  Unterschied  von  den  alten  Grafen  und  Freien  verwischt. 

Nicht  minder   wichtig   war   das   Appellationsrecht   an  Kaiser 

1)  Vgl.  auch  Zallinger,  Das  Verfahren  gegen  die  landschädlichen  Leute 
(Innsbruck  1895). 


530  ZwoiundzwaDzigstcs  Kapitel. 

und  Reich,  das  Ottokar  im  Landrechtc  wiederherstellte,  zugleich 
eiu  charakteristisches  Merkmal  für  die  seit  dem  Landfrieden  von 
1254  geänderte  Stellung  zum  Reich,  die  Ottokar  nach  seiner  An- 
knüpfung mit  Alfons  von  Kastilien  offenbar  ostentativ  betonen 
wollte. 

Entsprechend  der  gesteigerten  Fürsorge  Ottokars  für  die  Städte, 
auf  die  ich  noch  in  anderem  Zusammenhange  zurückkomme,  sind 
im  Landrecht  neben  den  Herren  und  Rittern  auch  bereits  die 
Bürger  und  zwar  die  Erbbürger  berücksichtigt.  Die  Übergangs- 
zeit drückt  sich  darin  aus,  dafs  noch  immer  gewisse  Vergehen  dem 
Landrichter  vorbehalten  sind. 

Ein  grofser  Teil  des  Landrechtes  ist  dem  Lehen-  und  dem 
Familien-,  speziell  dem  Erbrecht  gewidmet.  Die  lehenrechtlichen 
Bestimmungen  (§  23  —  33)  sind  dadurch  interessant,  dafs  sie  uns 
die  Entwickelung  des  Lehensrechtes  bis  zu  unserer  Periode  zeigen. 
Lehensherrlichkeit  und  Lehensrührigkeit  gehen  auf  die  Kinder 
über.  Die  Lehensträger  hatten  um  neuerliche  Belehnung  an- 
zusuchen (muthen  oder  sinnen)  und  zwar  beim  Todesfalle  des 
Herrn  an  drei  angesagten  Tagen  innerhalb  des  Todesjahres  — 
eine  spezielle  Eigentümlichkeit  des  österreichischen  Landrechtes  — , 
im  Todesfalle  des  Lehensmannes  innerhalb  Jahr  und  Tag  ohne 
bestimmten  Termin.  Durch  eine  Verjährungsfrist  von  zwölf 
Jahren,  während  welcher  jemand  ein  Lehen  in  stiller  Ge- 
were  hatte,  konnte  geradezu  ein  neues  Lehen  rntstehen  (§  28). 
Im  übrigen  war  auch  in  Osterreich  die  Grundlage  des  Lehen- 
rechtes die  Gewere.  Ein  Lehenverlust  kann  von  selten  des  Herrn 
nur  in  einem  Falle  eintreten,  nämlich  wenn  der  neue  Herr  durch 
eine  Mifsheirat  seinem  Vorgänger  nicht  ebenbürtig  ist  (§  25),  von 
seifen  des  Lehenträgers  durch  Tötung,  Beraubung,  Brandstiftung 
und  Verleumdung  des  Lehenherrn,  durch  Nichterneuerung  der  Be- 
lehnung und  durch  Weitervergebung  des  Lehens  ohne  Zustimmung 
des  Herrn.  Eine  eigene  Art  des  Lehens  sind  die  Burglehen ;  sie 
werden  auch  durch  blofses  Verlassen  der  Burg,  also  Vernachlässi- 
gung der  Pflicht  verloren. 

Endlich  sind  es  die  Beziehungen  unter  den  Standesgenossen 
selbst,  die  durch  das  Landrecht  geregelt  werden.  Sie  betreffen 
aufser  den    bereits   erwähnten   gerichtlichen  Bestimmungen   haupt- 


Österreich  als  Teil  des  böhmischen  Kelches  Przemysl  Ottokars.         531 

sächlich  das  Familien-  und  Erbrecht.  In  ersterem  stehen  wieder 
die  eherechtlichen  obenan;  sie  handeln  über  die  Morgengabe,  die 
der  Gatte  zu  geben  schuldig  war,  und  das  Leibgeding  (§  21,  §  32). 
Als  Termin  für  die  Mündigkeit  gibt  das  österreichische  Landrecht 
statt  des  üblichen  deutschrechthchen  12.  Jahres  vielleicht  unter 
römischrechtlichem  Einflufs  das  14.  Jahr  (bei  der  Jungfrau  das 
12.  Jahr)  an  (§  77).  Es  sind  die  in  gleichzeitigen  österreichischen 
Quellen  ')  bereits  genannten  „bescheiden  Jahre".  Aufserdera  wird 
das  Alter  der  Karapfmündigkeit  auf  24  Jahre  festgesetzt  (§  9). 

Was  das  Erbrecht  betrifft,  so  waren  die  Kinder  in  erster 
Linie  erbberechtigt.  Bei  Kindern  verschiedener  Ehen  machte  das 
österreichische  Landrecht,  wie  überhaupt  süddeutsche  Rechts- 
satzungen, einen  charakteristischen  Unterschied  vom  norddeutschen 
Recht,  das  diese  Kinder  ganz  gleich  behandelte.  Nach  dem  Land- 
recht hatten  die  Kinder  nur  auf  jene  Güter  Anspruch,  die  während 
der  betreffenden  Ehe  erworben  worden  sind  (§  17).  Das  Land- 
recht stellt  auch  das  Erbrecht  der  Geschwister  und  das  der  Witwe 
(Art.  20,  26)  fest.  Eigentümlich  ist  das  Warterecht,  das  dem 
Erben  ganz  unbedingt  sein  Erbe  (wenigstens  das  unbewegliche 
Eigen)  wahrte  und  ihn  vor  jeder  Veräufserung  durch  den  Erb- 
lasser aufser  mit  seiner  Zustimmung  schützte  (§  15,  17). 

Nicht  nur  in  die  rechthche  Stellung  der  Dienstmannen  ge- 
währen die  Bestimmungen  des  Landrechts  Einblick,  sie  sind  auch 
kulturhistorisch  interessant.  Notzucht,  Strafsenraub ,  Mord  und 
Diebstahl  sind  die  Verbrechen,  die  schwer  an  Leib  und  Leben 
bestraft  werden,  daneben  gibt  es  noch  eine  Reihe  von  Vergehen. 
Bei  der  Strafe  gilt,  wie  in  den  gleichzeitigen  Stadtrechten,  der 
Grundsatz  der  Talion  (Gleiches  um  Gleiches).  Bemerkenswert  ist, 
dafs  in  den  meisten  Fällen,  selbst  im  Falle  der  Notzucht,  eine 
Lösung  durch  Geld  möglich  ist;  ausgenommen  sind  nur  Strafsen- 
raub, Mord  und  Diebstahl.  Beim  Beweisverfahren  ist  noch  der 
Zweikampf  üblich,  doch  mit  allerlei  Einschränkungen.  Die  zahl- 
reichen Bestimmungen,  in  denen  der  Frauen  gedacht  wird,  zeugen 
von  deren  geachteter  Stellung.  Eigentümlich  berühren  die  Straf- 
androhungen bei  Vergehen  des  Sohnes  gegen  den  Vater,  als  welche 

1)  In  den  Stadtrechteu  von  Wien  und  Hainburg, 


Zweiundzwanzigstes  Kapitel. 


aufgezählt  werden:  Vertreibung  von  seinem  Gute,  Brandstiftung, 
Raub,  Anschlufs  an  dessen  Feinde  und  Anschläge  gegen  dessen 
Leben,  Bestimmungen,  die  aus  dem  Mainzer  Landfrieden  herüber- 
genommen sind. 

Die  Verfügungen  gegen  die  Entfremdung  geistlicher  Güter 
-durch  Laien  sah  sich  König  Ottokar  bald  darauf  nochmals  durch 
besondere  Mandate  einzuschärfen  veranlafst.  Am  22.  Januar  1266 
befiehlt  er  allen  seinen  Land-  und  Stadtrichtern  in  Österreich  ob 
und  unter  der  Enns,  mit  aller  Strenge  gegen  den  verabscheuungs- 
würdigen  Mifsbrauch,  dafs  sich  Laien  nach  dem  Tode  von  Prälaten 
und  Pfarrern  deren  Güter  widerrechtlich  aneignen,  einzuschreiten  '), 
und  in  dem  Immunitätsbefehl,  den  er  bald  darauf  (15.  März)  be- 
züglich der  Güter  des  Bistums  Passau  in  Österreich  an  seine 
Richter  und  Beamten  erläfst,  wird  gleichfalls  betont,  dafs  gar 
manche  sich  die  Rechte  und  Freiheiten  der  Kirche  anzumafsen 
pflegten  -). 

Der  bayerische  Feldzug,  für  den  durch  die  Erlassung  eines 
eigenen  Landesgesetzes  und  durch  umfängliche  Rüstungen  —  in 
zwei  Heersäulen ,  von-  Böhmen  aus  unter  dem  König  selbst  und 
von  Österreich  aus  unter  Bischof  Bruno  vonOlmütz  sollte  der 
Angriff  erfolgen  —  so  bedeutende  Vorbereitungen  getroffen  waren, 
hatte  übrigens  nur  einen  lächerlich  geringen  Erfolg.  Im  wesent- 
lichen gab  es  nur  wieder  grofse  Verheerungen  bis  gegen  Regens- 
burg hin,  sowie  um  Passau  und  Reichenhall.  Auch  Ried  fiel 
Ottokar  in  die  Hände.  Wieder  einmal  legte  sich  der  Papst  ins 
Mittel,  um  diesen  nutzlosen  Mordbrennereien  ein  Ende  zu  machen  ^). 
Der  Legat  Guido  richtete  an  Ottokar  ein  Schreiben,  das  er  auch 
dm-ch  die  Bischöfe  von  Prag  und  Regensburg  unterstützen  liefs, 
um  ihn  zum  Frieden  aufzufordern  und  ihn  zu  einem  Kreuzzug 
gegen  die  Heiden  zu  gewinnen  *). 

In  den  nächsten  Jahren  war  Ottokar  auf  anderen  Schau- 
plätzen sehr  in  Anspruch  genommen.     Die  Erwerbung  von  Kärnten 

1)  Böhmer,  E'^g.  Ot.  176;  ÜB.  d.  L.  o.  d.  Enns  III,  343;  ÜB.  van 
Niederösterreich  I,  105. 

2)  Böhmer,  Eeg.  Ot.  177;  Mon.  Boic.  XXVIII b,  392. 

3^  Ann.  Scti.  Eudb.  (M.  G.  SS.  IX,  797);   vgl.  auch  Mon.  Boic.  III,  334. 
4)  Palackv,  Formelbücher  I,  265. 


Österreich  als  Teil  des  böhmisclien  Eeiches  Przemjsl  Ottokars,         523 

und  Krain  (Ende  1269)  beschäftigte  ihn  schon  lange.  Sie  brachte 
seinem  Reiche  eine  neue  gewaltige  Ausdehnung  und  einen  neuen 
Zuwachs  von  Kräften. 

Für  die  landesfürstliche  Verwaltung  Österreichs  bedeutet  die 
Regierung  Ottokars  eine  wichtige  Periode  der  Ausgestaltung.  Sie 
schlägt  bereits  Wege  ein,  die  zu  der  späteren  Entwickelung  des 
Beamtenstaates  führen. 


Dreiundzwanzigstes   Kapitel. 
Der  Sieg  des  Landes! ürstentumes  unter  König-  Ottokar. 


Das  Zwiscbenreich  von  Herzog  Friedrichs  IL  Tode  bis  zur 
Festigung  der  Ottokarischen  Herrschaft  hatte  eine  wichtige  soziale 
Wandlung  angebahnt,  die  allerdings  nur  eine  unaufhaltsame  Ent- 
wickelung  zum  Abschlufs  brachte:  die  Verschmelzung  der  alten 
Grafen  und  Freien  mit  den  Dienstmannen  zu  einem  Herrenstand, 
zu  den  Landherren,  wie  sie  sich  stolz  selbst  zu  nennen  pflegten. 
Der  Prozefs  war  bereits  zu  weit  vorgeschritten,  als  dafs  ihn  König 
Ottokar  noch  hätte  ^  aufhalten  können.  Er  trug  ihm  daher  im 
Landrechte,  wie  wir  gesehen  haben,  bereits  in  wichtigen  Punkten 
Rechnung,  und  als  im  Jahre  1267  Offemia  von  Pottendorf  mit 
dem  Bischof  von  Freising  über  das  Gut  Herrenstein  in  Streit  geriet, 
das  als  freies  Eigen  nur  einer  Freien  gehören  sollte,  wurde  es  ihr 
zuerkannt,  obwohl  sich  ihre  Mutter  durch  die  Heirat  mit  einem 
Kuenringer,  also  mit  einem  Ministerialen,  dem  Stande  nach  er- 
niedrigt hatte  ^). 

Wie  König  Ottokar  seit  dem  Jahre  1254,  namentlich  aber 
seit  12Ö0  seine  landesfürstliche  Macht  gegenüber  den  Anmafsungen 
des  Herrenstandes  energisch  zu  wahren  bestrebt  war,  haben  wir 
gesehen.  Er  begünstigte  ihm  gegenüber  den  aufstrebenden  Stand 
der  Ritter  (der  Sentraäfsigen).  Das  Landrecht  schützte  diesen  vor 
den  Bedrückungen  der  Herren  dadurch,  dafs  es  ihn  unmittelbar 
unter  das  Herzogsgericht  stellte.  Es  ist  auch  kein  Zufall,  dafs 
Ottokar  für  das  wichtige  Amt  des  Landschreibers  seit  den  letzten 
sechziger  Jahren  Ritter  heranzog. 

1)  Archiv  für  österreichische  Geschichte  XXVII,  271. 


Der  Sieg  des  Landesfürstentumes  unter  König  Ottokar.  525 

In  den  letzten  acht  bis  zehn  Jahren  seiner  Regierung  wandte 
jedoch  Ottokar  seine  Gunst  den  Städten  zu.  Auch  hier  nahm  die 
Aktion  ihren  Ausgangspunkt  von  den  böhmisch-mährischen  Ländern, 
wo  durch  Gründung  deutscher  Städte,  Bewidmungen  mit  deutschen 
Stadtrechten  eine  neue  blühende  Kultur  geschaffen  wurde.  In 
Österreich  war  Ottokar  anfangs  bei  den  Städten  auf  einigen  Wider- 
stand gestofsen.  Wiener  Neustadt  konnte  er  erst  durch  allerlei 
Konzessionen  —  und  damals  war  er  noch  zu  Konzessionen  ge- 
zwungen —  gewinnen  ^).  Von  der  sonderbaren  staatsrechtlichen 
Klausel,  wonach  Ottokar  erklären  mufste,  dafs  die  Übernahme  der 
Eegierung  durch  ihn  weder  dem  Reiche  noch  den  rechtmäfsigen 
Erben  des  Landes  Schaden  bringen  werde,  war  schon  oben  die 
Rede.  Nicht  minder  sonderbar  ist  es,  dafs  er  den  Neustädtern 
das  Reichsprivilegium  von  Wien  bestätigte,  das  ihnen,  wie  es 
scheint,  vom  Kaiser  niemals  verliehen  worden  war  und  das  eigent- 
lich im  Widerspruch  mit  seiner  landesfürstlichen  Hoheit  stand  ^| 

Und  am  29.  April  1253  mufste  er  sich  zu  einer  neuen  Privi- 
legienbestätigung für  Wiener  Neustadt  unter  abermaliger  Hinzu- 
fügung neuer  Rechte  entschliefsen :  es  sollten  hier  niemals  Geiseln 
genommen,  keine  Burgen  innerhalb  der  Bannmeile  gebaut  werden, 
die  Bürger  sollten  von  Mauten  und  Steuern  befreit  bleiben,  kein 
Handel  fremder  Kaufleute  sollte  zu  ihrem  Schaden  geduldet, 
endUch  ihnen  ein  Jahrmarkt  von  1 4  Tagen  zugestanden  werden  ^). 
Zur  Erklärung  der  auffallenden  Begünstigung  dieser  Stadt  mufs 
man  im  Auge  behalten,  dafs  sie  damals  noch  zu  Steiermark  ge- 
hörte und  Ottokar  bei  der  spröden  Haltung  dieses  Landes  alles 
daran   setzen  mufste,    einen    so    wichtigen   Schlüsselpunkt   zu   ge- 


1)  Winter,  Urkundliche  Beiträge  zur  Rechtsgeschicbtc  nieder-  und  ober- 
österreichischer Städte,  Märkte  usw.  (Innsbruck  1877j,  S.  9. 

2)  Da  diese  Urkunde  in  einem  angeblichen  Original  des  Neustädter  Archives 
vorliegt,  wird  die  Echtheit  nicht  bezweifelt,  dennoch  ist  die  Entstehung  merk- 
würdig und  verdiente  eine  nochmalige  eingehende  Untersuchung.  Schuster 
(Gesch.  d.  Stadt  Wien,  hgg.  vom  Altertumsvereine  I,  336)  hat  die  Vermutung 
ausgesprochen,  dafs  überhaupt  nicht  Wiener  Neustadt,  sondern  Wien  diese  Be- 
stätigung des  Keichsprivilegiums  hätte  erhalten  sollen ,  und  dafs  in  der  Kanzlei 
eine  Verwechselung  geschehen  sei.  Fast  wäre  man  versucht,  an  einen  solchen  Zufall 
zu  glauben. 

3)  Winter  a.  a.  0.  S.  11. 


536  Droiuudzwanzigstos  Kapitel. 

winnen.  Im  Frühjahre  1253  drohte  aufserdem  wieder  ein  un- 
garischer Angriff,  und  Wiener  Neustadt  lag  an  der  südöstlichen 
Einfallsptbrte. 

Den  österreichischen  Städten  war  Ottokar  im  Anfange  seiner 
Regierung  nichts  weniger  als  gewogen.  Geradezu  unbegreiflich 
mufs  es  fast  erscheinen,  dafs  Wien  so  ganz  und  gar  keinen  Gnaden- 
beweis von  ihm  erhielt,  obwohl  wir  nichts  von  einer  feindschgen 
Haltung  der  Stadt  erfahren,  sondern  im  Gegenteil  annehmen  können, 
dafs  sie  sich  ihm  im  grofsen  und  ganzen  willfährig  zeigte.  Freilich ^ 
eine  Partei  mag  es  ja  auch  hier  gegeben  haben,  die  dem  alten 
Herrschergeschlecht  anhing.  Das  spiegelt  sich  am  besten  in  den 
Reimchroniken  eines  Wiener  Bürgers,  der  damals  geschrieben  hat, 
namens  Jans  ^).  Er  ist  ein  Laudator  temporis  acti,  einer  von 
denen,  die  heimlich  noch  Gertrude  zugetan  waren  und  für  den 
neuen  Herrn  wenig  Sympathien  hegten. 

Möglich,  dafs  gleichwohl  einige  Verfügungen  über  Maut-, 
Zoll-  und  Marktrecht  in  Wien  aus  der  Ottokarischen  Zeit  stammen  2), 
aber  vermutlich  auch  erst  aus  der  letzten  Periode. 

Der  Landfrieden  von  1254  begrenzt  die  Kompetenz  des  Stadt- 
ricbters  auf  das  Stadtgebiet,  aber  er  läfst  sie  hier  noch  unein- 
geschränkt gelten,  das  Landrecht  geht  noch  weiter.  Danach 
sollten  nur  jene  Klagen  über  Besitz  innerhalb  der  Stadt  vor  den 
Stadtrichter  kommen,  die  von  Bürgern  erhoben  wurden,  von  Nicht- 
bürgern  jedoch  sei  es  vor  den  Landrichter,  sei  es  vor  den  Berg- 
meister oder  den  Lehensherrn.  Es  war  also  eine  Beschränkung 
des  städtischen  Sondergerichtes  zugunsten  der  landesfürstlichen 
Rechte  ^j. 

Damit  wollte  übrigens  Ottokar  die  Entwickelung  der  Städte 
nicht  hindern,  er  hätte  es  wohl  auch  kaum  vermocht,  denn  diese 
schritt  in  ganz  Mitteleuropa  im  13.  Jahrhundert  unaufhaltsam  vor- 
wärts.   Unter  den  neuen  Stadien  dieser  Entwickelung  ist  besonders 


1)  Siehe  Einleitung  S.  8. 

2)  So  wenigstens  Heinrich  Schuster  in  der  „Geschichte  der  Stadt  Wien" 
I,  327  gegen  Tomaschek,  der  diese  Privilegien  in  den  „Rechten  und  Frei- 
heiten der  Stadt  Wien"  als  Nr.  III  und  IV  herausgab  und  sie  in  die  Zeit 
Herzog  Friedrichs  versetzte. 

3)  Vgl.  darüber  Dopsch  im  Archiv  für  üsterr.  Geschichte  LXXIX,  80 ff. 


Der  Sieg  des  Landesfiirstentumes  unter  König  Ottokar.  537 

der  genossenschaftliche  Zusammenschlufs  einzelner  Berufe  schon 
zur  Ottokarischen  Zeit  auch  in  Österreich  deuthch  zu  erkennen, 
die  Anfänge  des  später  so  blühenden  Zunftwesens.  Die  ersten 
Spuren  sehen  wir  schon  unter  den  Babenbergern,  und  die  privi- 
legierten Klassen  der  Laubenherren  und  Flandrer  in  Wien  haben 
wir  ja  bereits  kennen  gelernt.  Am  1 3.  Mai  1237  geben  sich  die  Zunft- 
meister (magistri)  der  Fleischhauer  von  Tulln  mit  Zustimmung  des 
Stadtrichters  und  der  übrigen  Bürgerschaft  Satzungen  \). 

Bereits  in  die  Ottokai'ische  Zeit  fallen  Satzungen  der  Lederer 
in  St.  Polten  von  etwa  1260  ^),  und  Ottokar  selbst  verleiht  am 
21.  April  1261  den  Schiffern  zu  Tulln  dieselben  Rechte,  wie  sie 
die  Schiffer  zu  Wien  besafsen  ^). 

Ein  anderes  bedeutsames  Moment  in  der  Entwickeluns:  der 
Städte  betrifft  die  soziale  Stellung  der  Bürger  *).  Hier  hatte  sich 
bereits  ein  Unterschied  zwischen  den  altangesessenen  Bürger- 
geschlechtern, den  Erbbürgern,  und  den  neuen  herausgebildet. 
Die  Erbbürger,  das  Patriziat,  waren  nunmehr  rechtlich  den  Rittern 
gleichgesetzt  und  wie  diese  lehenfähig.  Wir  haben  ja  bereits 
unter  dem  letzten  Babenberger  vom  Ritterschlage  junger  Bürger 
in  umfangreicherem  Mafse  gehört.  Die  beiden  Privilegien  für 
Wiener  Neustadt  von  1251  und  1253  nennen  bereits  „milites  et 
cives",  und  noch  schärfer  tritt  der  Unterschied  im  Landrecht 
hervor.  Später  machte  die  Nobilitierung  der  Bürger  noch  weitere 
Fortschritte. 

W^enn  daher  Ottokars  Politik  in  den  sechziger  Jahren  sich 
gegen  die  Landherren  immer  feindlicher  stellt  und  als  Gegen- 
gewicht die  Ritter  begünstigt,  so  ist  es  ganz  natürlich,  dafs  er 
sich  nun  auch  den  rittermäfsigen  Bürgern  zuwendet.  Gewifs  war 
daneben  auch  der  finanzielle  Standpunkt  mafsgebend,  denn  dieses 

1)  Winter  a.  a.  0.  S.  6. 

2)  Winter  a.  a.  0.  S.  18. 

3)  Winter  a.  a.  0.  S.  19.  Die  Eechte  der  Schiffer  zu  Wien  sind  nicht 
erhalten.  —  Dafür,  dafs  bereits  1268  in  Wien  eine  Bruderschaft  (Allerheiligen- 
bruderschaft bei  St.  Koloman)  bestanden  habe,  wie  Bauer,  Das  Bruderschafts- 
wesen in  Niederösterreich  (Bl.  d.  Ver.  f.  Landesk.  XIX,  201,  1885)  ohne  Beleg 
behauptet,  habe  ich  keinen  Anhaltspunkt  finden  können. 

4)  Dopsch  a.  a.  0.  S.  86,  wo  allerdings  die  Schlüsse  über  die  Entwicke- 
lung  noch  aus  der  Annahme  der  Posteriorität  des  Landreehtes  11  geschöpft  sind. 


538  Dreiundzwanzigstos  Kapitel. 

bürgerliche  Patriziat  repräsentierte  neben  den  Juden  das  für  den 
Landesl'ürstcn  so  wichtige  kapitalkräftige  Element.  Alinlich  wie 
in  anderen  deutschen  Territorien  zu  dieser  Zeit  der  sich  aus- 
bildenden Landeshoheit  scheinen  auch  unter  Ottokar  wenigstens 
vorübergehend  Juden  an  die  Spitze  der  Finanzverwaltung  gelangt 
zu  sein,  denn  die  Gebrüder  Lublin  und  Nekelo  bezeichnen  sich 
im  Jahre  12r)7  als  „comites  camere  Ducis  Austrie"  ').  Doch 
dürften  die  scharfen  Beschlüsse  des  Provinzialkonzils  von  Wien 
im  Jahre  1267,  auf  die  ich  noch  zurückkommen  werde,  eine  der- 
artige Bevorzugung  der  Juden  abgeschnitten  haben.  Dagegen 
ist  es  sehr  bezeichnend  für  Ottokars  Begünstigung  des  Bürger- 
tums im  letzten  Teile  seiner  Regierung,  dafs  er  zu  Beginn  der 
siebziger  Jahre  reiche  Bürger  aus  den  hervorragendsten  Städten 
des  Landes  an  die  Spitze  seiner  Verwaltung  der  beiden  öster- 
reichischen Länder  berief:  Paltram  von  Wien,  Gozzo  von  Krems 
und  Konrad  von  Tulln  ~). 

Im  Jahre  1267  erscheint  Paltram  als  Kammergraf  =^),  1270 
zusammen  mit  Gozzo  von  Krems  ^),  während  Konrad  von  Tulln 
im  Jahre  1267  vorübergehend  das  Schreiberamt  an  der  Enns  be- 
kleidet ^). 

Seit  dem  Jahre  1273  treten  uns  jedoch  Paltram  und  Gozzo 
in  einer  ganz  neugeschaffenen  mächtigen  Stellung  entgegen,  näm- 
lich als  Leiter  der  herzoglichen  Fiskalämter  (Rectores  officiorum), 
somit  der  Domänen-  und  Regalienverwaltung  zugleich,  wie  es  scheint, 
in  Verbindung  mit  dem  Landschreiberarat,  das  zu  dieser  Zeit  nicht 
durch  eigene  Beamte  besetzt  war.  Gozzo  von  Krems  war  speziell 
die  Verwaltung  Oberösterreichs  zugeteilt,  weshalb  er  sich  auch  als 
„officiaHs  in  Anaso"  ^'j  oder  „procurator  Anasy"  ')  bezeichnet. 

1)  Font.  rer.  Austr.  XXXI,  193. 

2)  Dopscb  in  den  Mitteilungen  des  Institutes  für  österreichische  Ge- 
schichte XVIII,  286. 

o)  Quellen  zur  Geschichte  der  Stadt  Wien  I\  Eegest  859. 

4)  FoQt.  rer.  Austr.  I,  107  und  Niederösterr.  Urkundenb.  I,  127.  Über 
Gozzo  siehe  Kerachbaumer  in  Blätter  des  Vereins  für  Landeskunde  XXIX, 
146,  1895. 

5)  Wich n er,  Geschichte  des  Benediktinerstiftes  Admont  II,  355. 

6)  Chmel,  Geschichtsforscher  I,  553. 

7)  Font.  rer.  Austr.  XXXIII,  91. 


Der  Sieg  des  Landesfürstentumes  unter  König  Ottokar.  530 

Paltram  wurde  dann  im  Jahre  1275  im  Schreiberamte  des 
Landes  unter  der  Enns  und  als  „Procurator  Austrie"  durch  Konrad 
von  Tulln  abgelöst,  der  in  der  Zwischenzeit  Schreiber  der  Steier- 
mark gewesen  war.  Bei  der  Verantwortlichkeit  und  Haftbarkeit 
dieser  Finanzämter  war  es  notwendig,  dafs  kapitalkräftige  Leute, 
wie  sie  die  genannten  Bürger  waren,  sie  bekleideten. 

Die  einflufsreiche  Stellung  Konrads  von  Tulln  ^)  dürfte  es  auch 
mit  sich  gebracht  haben,  dafs  Ottokar  gerade  die  Stadt  Tulln  vor 
a,llen  anderen  österreichischen  Städten  am  27.  Oktober  1270  durch 
zwei  Privilegien  auszeichnete  ^),  womit  er  ihr  alle  Rechte  und  Frei- 
heiten der  Herzöge  Leopold  und  Friedrich  bestätigte  und  einen 
geschworenen  Rat  von  zwölf  Mitgliedern  verleiht.  Besonders  be- 
merkenswert ist  jedoch  eine  Bestimmung,  die  bereits  der  kom- 
menden Entwickelung  vorgreift,  nämlich  die,  dafs  die  Bewohner 
der  Stadt  keinem  fremden  Grundherrn  mehr  Untertan,  sondern 
als  Bürger  einer  landesfürstlichen  Stadt  gelten  und  nur  dem  Landes- 
fürsten steuerpflichtig  sein  sollten. 

Krems,  die  Vaterstadt  Gozzos,  nahm  damals  den  böhmischen 
Löwen  in  das  Stadtsiegel  auf^). 

Ob  noch  die  Begründung  des  Handelsgrafen-  oder  Hansgrafen- 
amtes nach  Regensburger  Muster  auf  Ottokar  zurückgeht,  kann 
nicht  mit  Sicherheit  belegt  werden  *). 

Auch  Ottokars  Tätigkeit  als  Städtegründer,  die  er  allerdings 
hauptsächlich  in  den  böhmisch  -  mährischen  Ländern  entfaltete, 
zeitigte  in  Niederösterreich  wenigstens  eine  Frucht.  Er  gründete 
—  und  zwar  bezeichnenderweise  erst  jetzt  im  Jahre  1268  —  zum 
Andenken  an  seinen  Sieg  über  die  Ungarn  im  Jahre  1260  die 
Stadt   Marchegg  ^)    oder    erhob   vielleicht   eine    ältere   Ansiedelung 


1)  Über  ihn  die  kleine  Monographie  von  Kerschbaumer  in  den  Blättern 
des  Vereins  für  Landeskunde  VIII,  36. 

2)  Winter  a.  a.  0.  S.  19  und  22. 

3)  Siegen feld,  Das  Landeswappen   der  Steiermark  (Graz  1900)  S.  198. 

4)  Zum  ersten  Male  kommt  1279  urkundlich  ein  Hansgraf  in  Wien  vor, 
doch  wäre  es  ja  immerhin  denkbar,  dafs  das  Amt  in  den  letzten  Jahren  Ottokars 
gegründet  worden  sei(Köhne,  Das  Hansgrafenamt  [Berlin  1893];  Luschin  in 
der  Geschichte  der  Stadt  Wien,  hgg.  vom  Altertumsvereine  I,  442). 

5)  M.  G.  SS.  IX,  703,  721 ;   Archiv  für  österreichische  Geschichte  IX,  360. 

Vancsa,  Geschichte  Nieder-  n.  Oberösterreicliä.  o4 


530  Dreiundzwanzigstes  Kapitel. 

Marie  zur  Stadt  0,  Avobei  ihm  verrautlich  ein  Bollwerk  für  das 
stets  so  gefjilirdete  Marchfeld  vor<:;eschwebt  haben  mochte.  Den 
für  die  Ausbeutung  der  Innerberger  „Eisenwurzen"  wichtigen 
]\Iarkt  Aschbach  wollte  er,  obwohl  er  noch  1266  Weidhofeii  an 
der  Ips  gegen  dessen  Konkurrenz  in  Schutz  genommen  hatte,  in 
seine  eigene  Hand  bringen  ^). 

In  den  letzten  Kriegen  Ottokars  tritt  endlich  noch  eine  Er- 
scheinung zutage,  die  gleichfalls  dartut,  wie  sehr  sich  jetzt  seine 
landesfürstliche  Macht  —  wohl  auf  Kosten  des  Herrenstandes  — 
auf  die  Städte  stützte :  nämlich  die  grofse  Rolle,  die  die  städtischen 
Kontingente  spielen.  Zuerst  erfahren  wir  von  1500  Wienern,  die 
im  Jahre  1271  den  König  begleiten,  als  er  mit  einem  rasch  ge- 
sammelten grofsen  Heere  gegen  König  Stephan  von  Ungarn  zog, 
der,  um  Rache  dafür  zu  nehmen,  dafs  sich  Anna  von  Machow, 
die  Schwiegermutter  Ottokars,  unter  Mitnahme  eines  Teiles  des 
Kronschatzes  zu  diesem  geflüchtet  hatte,  wieder  einmal  in  Öster- 
reich eingefallen  war  und  das  Gebiet  zwischen  Neustadt  und  Wien 
verwüstete.  Ottokar  eroberte  damals  Prefsburg  und  legte  das 
Wiener  Kontingent  als  Besatzung  dorthin  ^).  Wie  gewöhnlich  ver- 
mochte er  jedoch  auch  damals  trotz  mehrfacher  Erfolge  nicht,  in 
Ungarn  festen  Fufs  zu  fassen.  Er  wurde  besiegt,  mufste  einen 
fluchtartigen  Rückzug  antreten  und,  da  auch  Herzog  Heinrich  von 
Niederbayern  in  Oberösterreich  eingebrochen  war  und  die  Gegend 
zwischen  Vöcklabruck  und  Wels  verheerte  *),  froh  sein,  einen  ghmpf- 
lichen  Frieden  zu  erlangen. 

Obwohl  er  in  diesem  Frieden  versprach,  keine  Überläufer 
aufzunehmen,  so  wies  er  es  bald  darauf  nicht  ab,  als  der  ungarische 
Tavernicus  oder  Schatzmeister,  Ägydius,  Graf  des  Prefsburger  Ko- 
mitates,  und  dessen  Bruder  Gregor,  Graf  von  Eisenburg,  sich 
unter  seinen  Schutz  stellten  und  ihm  Prefsburg  und  andere  un- 
garische Burgen  überlieferten.  Im  Gegenteile  belohnte  er  den 
Überläufer  Ägydius  königlich,  indem  er  ihm  die  österreichischen 
Städte  Laa,    Stockerau  und  Korneuburg   und   ein  jährliches  Ein- 

1)  Vgl.  Zawrzel  in  der  „Topographie  von  Niederösterreieh "  VI,  101, 

2)  Mitis  im  Jahrbuch  für  Landesif.  von  Niederösterreich  III,  226,  1904. 

3)  Cent.  Vindob.  (M.  G.  SS.  IX,  703). 

4)  Cont.  Lambac.  (ebendas.  IX,  560). 


Der  Sieg  des  Landesfiirsteutumes  unter  König  Ottokar.  531 

kommen  von  2000  Mark  schenkte,  wofür  König  Stephan  wieder 
seinerseits  Heinrich  von  Güssing,  der  früher  mit  Anna  von  Machow 
zu  Ottokar  geflüchtet,  jetzt  aber  zurückgekehrt  war,  auszeichnete. 

So  kam  es  im  Jahre  1273  zu  neuerhchen  Feindseligkeiten, 
die  sich  wieder  auf  gröfsere  Verwüstungszüge  und  Eroberungen 
gegenseitigen  Gebietes  beschränkten.  Ottokars  Aufmarsch  bei  dem 
traditionellen  Ausgangspunkte  seiner  Operationen,  der  Feste  Laa, 
ging  wieder  so  langsam  vonstatten,  dafs  die  Ungarn  das  ganze 
Marchfeld  mit  ihren  leichten  Scharen  überschwemmen  konnten. 
Ägydius,  doppelter  Verräter,  überlieferte  den  Ungarn  Prefsburg. 
Auch  da  treten  nun  wieder  städtische  Kontingente  namentlich  als 
Belagerungskorps  auf.  Wiener  und  Wiener  Neustädter  Bürger  er- 
oberten Prefsburg  und  St  Georgen.  Auch  Ödenburg  wurde  eingenom- 
men und  mit  dem  Rechte  der  österreichischen  Städte  bewidmet  ^). 

Dafs  dann  König  Ottokar,  als  es  zum  letzten  Entscheidungs- 
kampfe mit  dem  Deutschen  Reiche  ging,  sich  auch  endlich  Wiens 
und  seiner  treuen  Dienste  erinnerte,  das  werden  wir  ja  noch  im 
nächsten  Kapitel  hören.  — 

Über  die  Lage  des  Bauernstandes  zur  Ottokarischen  Zeit  in 
den  österreichischen  Ländern  wissen  wir  wenig.  Immerhin  dürfte 
sie  noch  eine  gute  gewesen  sein,  wenn  auch  die  Blütezeit  des 
ersten  Drittels  des  Jahrhunderts  bereits  überschritten  war.  Jeden- 
falls hatten  die  Bauern  alle  Ursache,  die  geordneteren  Zustände 
und  die  Eindämmung  der  Übergriffe  des  Herrenstandes  im  Gegen- 
satze zu  der  gefährlichen  Übergangszeit  nach  dem  Tode  des 
letzten  Babenbergers  zu  begrüfsen.  Ottokar  bemühte  sich  auch 
vielfach  um  die  Hebung  der  Landwirtschaft  und  des  Weinbaues, 
wie  man  aus  den  landesfürstlichen  Urbarien  entnehmen  kann. 

Es  wird  wiederholt  in  ihnen  von  neu  aufgenommenen  Villi- 
kationen,  von  Waldschonung  —  Nutzung  erst  im  vierten  Jahre  — , 
von  Wiederanbau  oder  Neuanlage  der  Weingärten  gesprochen  ^). 

1)  Quellen  bei  Huber  I,  565,  Anm.  1.  —  Vgl.  besonders  Cont.  Vindob. 
M.  G.  SS.  IX,  704);  Cont.  Praed.  Vindob.  (a.  a.  0.  S.  729)  und  Cont.  Claustron. 
VI  (a.  a.  0.  S.  746). 

2)  Vgl.  Dopsch  in  den  MitteUungen  des  Instituts  für  österreichische  Ge- 
schichtsf.  XIV,  469,  dazu  allerdings  die  einschränkenden  Bemerkungen  von  Erben 
(ebendas.  XVI,  113). 

34* 


5;t2  Dreiumlzwanzigstps  Kiipitol. 

Für  die  Bcsiedelung  des  Landes  hat  Ottokars  Regierung  keine 
Bedeutung  mehr  gehabt;  die  deutsche  Kolonisation,  wie  er  sie  in 
den  böliniisch-mährischen  Ländern  durchführte,  reichte  nicht  bis  in 
unsere  Länder.  Koch  weniger  darf  man  etwa  annehmen,  dafs 
damals  irgendwelche  slawischen  Elemente  nach  ( )sterreich  ge- 
kommen wären.  Wie  die  Verwaltung,  so  blieb  auch  der  Be- 
völkerungscharakter des  Landes  trotz  der  Regierung  eines  böh- 
mischen Fürsten  rein  deutsch. 

Verhältnismäfsig  günstig  war  unter  Ottokar  die  Kirche  gestellt. 
Ihr  war  er  ja  in  erster  Linie  für  die  Erlangung  seiner  Herrschaft 
zum  Danke  verpflichtet.  Es  gibt  kaum  ein  österreichisches  Kloster, 
das  nicht  von  ihm  durch  Schenkungen,  aber  insbesondere  durch 
wichtige  Befreiungen  von  Landgerichtsbarkeit,  Maut  und  Abgaben 
ausgezeichnet  wurde.  Aber  trotzdem  gewann  gerade  unter  Ottokar 
die  landesfürstliche  Macht  die  entscheidenden  Juridiktionsrechte 
über  die  Kirche,  wie  schon  der  Landfriede  von  1254  klar  aus- 
spricht. Er  suchte  auch  die  Vogtei  über  Kirchen  und  Klöster  an 
sich  zu  ziehen ;  namentlich  hinsichtlich  der  oberösterreichischen  liegt 
uns  aufser  dem  bekannten  Landtaiding  von  Korneuburg  von  1251 
nochmals  eine  diesbezügliche  Gesamtvei'fügung  aus  dem  Jahre  1265 
vor  ^).  Die  von  der  Vogtgewalt  losgelöste  Defensio  übertrug  er 
seinem  Scriba.  So  gewann  er  wieder  den  alten  Einflufs  über  die 
Klöster,  der  in  der  früheren  Babenberger  Zeit  bestanden  hatte,  und 
kam  gleichwohl  auch  den  Wünschen  der  Kirche  entgegen,  indem 
die  KK)3ter  von  der  oft  drückenden  Vogteigerichtsbarkeit  befreit 
wurden.  Auch  die  Kirche  strebte  damals  darnach,  die  Vertretung 
der  Kirchen  bei  weltlichen  Händeln,  früher  einen  Bestandteil  des 
Vogteirechtes,  mit  dem  Patronatsrecht  zu  vereinigen  ^). 

Was  die  Bistümer  betrifft,  so  wurden  gleichfalls  ihr  Besitz- 
stand und  ihre  Rechte  von  Ottokar  in  besonderen  Schutz  ge- 
nommen, namentlich  Passau,  das  unter  den  letzten  Babenbergern 
überwiegend  in  einem  Rivalitäts-  oder  Feindseligkeitsverhältnis  zu 

1)  ÜB.  d.  L.  0.  d.  Enns  III,  579. 

2)  Wahrmund,  Das  Kirchenpatronatsreeht  in  Österreich  (Wien  1894) 
I,  70;  Dop  seh  in  den  Mitteüungen  des  Instituts  für  österreichische  Geschichtsf. 
XVIII,  276 ff.  Srbik,  Die  Beziehungen  von  Staat  und  Kirche  in  Österreich 
(Wien  1904)  S.  99. 


Der  Sieg  des  Laudesfürstoutumes  unter  König  Ottokar.  533 

den  österreichischen  Landesfürsten  gestanden  hatte,  wurde  von  ihm 
ungewöhnlich  zuvorkommend  behandelt  ^),  während  Regensburg, 
mit  dem  er  ja  zur  Zeit  der  bayerischen  Feldzüge  in  offener  Fehde 
lug,  durch  ihn  auch  in  Osterreich  mannigfache  Einbufse  erlitt  ^). 

Hier  ist  auch  der  Ort,  einen  Blick  auf  die  Mafsnahmen  zu 
werfen,  die  Passau  damals  in  seinen  Territorien  in  C)sterreich  oder 
in  den  später  an  Österreich  fallenden  Gebieten  traf,  teils  die  Otto- 
karischen Verwaltungsreformeu  nachahmend,  teils  über  sie  hinaus- 
gehend. Wir  haben  ja  schon  gesehen,  dafs  damals  in  Passau  ein 
tatkräftiger  Kirchenfürst  safs,  welcher  namentlich  an  organisato- 
rischer Begabung  dem  Böhmenkönig  wenig  nachgab,  Otto  von 
Lonstorf  (1254— 12G5)  ^). 

Schon  sein  Vorgänger  hatte  noch  vor  Ottokar  um  das  Jahr 
1252  ein  Verzeichnis  der  Passauischen  Güter  und  Einkünfte  in 
Osterreich  anlegen  lassen '') ;  jetzt  entstand  der  nach  Otto  von 
Lonstorf  benannte  Kodex,  in  den  alle  Passauer  Privilegien  ein- 
getragen wurden  ^). 

Gleichfalls  schon  vor  Ottokar  wandte  Bischof  Otto  den  Städten 
seine  Aufmerksamkeit  zu  und  verheb  ungefähr  um  das  Jahr  1260 
der  Stadt  Eferding,  dem  Markte  Gallneukirchen  und  der  Stadt 
St.  Polten  eigene  Satzungen  ^).  Das  Eigentümlichste  aber,  das 
einer  späteren  Entwickelung  vorgreift,  ist,  dafs  er  am  26.  Oktober 
1256  die  Geistlichkeit  und  die  Adeligen  des  sogenannten  Abtei- 
landes (im  heutigen  Oberösterreich)  in  llzstadt  zu  einem  Landtag 
zusammenrief  und   durch  dieselben  Bestimmungen    über  Gerichts- 

1)  Ich  verweise  auf  die  bereits  erwähnte  Unterwerfung  Ottokars  unter  den 
Schiedsspruch  bezüglich  der  Pas.sauischen  Lehen  am  1.  April  1253  (Böhmer, 
Keg.  Ot.  54),  sowie  auf  das  Schutzprivilegium  vom  21.  Januar  1266  (Böhmer, 
Reg.  175)  und  die  damit  zusammenhängenden  Mandate  an  die  Land-  und  Stadt- 
richter vom  22.  Januar  und  15.  März  12G6  (Böhmer,  Eeg.  176  u.  177). 

2)  Zum  Beispiel  entzog  König  Ottokar  Regensburg  dessen  Besitzungen  in 
Haringsee  in  Niederösterreich  (siehe  die  Rückerstattung  durch  König  Rudolf  1277, 
ÜB.  d.  L.  0.  d.  Euns  III,  470). 

3)  Siehe  jetzt  Ulrich  Schmid,  Otto  von  Lonsdorf  (Würzburg  1903),  aller- 
dings eine  äufserst  schwache  Arbeit. 

4)  Wiener  Jahrbücher  für  Literatur  S.  40  (1827),  Anz.-Bl.  30  und  Mon. 
Boic.  XXVlIlb,  480. 

5)  Mon.  Boic.  XXIX. 

G)  Winter  a.  a.  0.  S.  15.  16.  17. 


534  Droiundzwanzigstos  Kapitel. 

wescn,  Steuern,  Forst-  und  Jagdwesen  und  Fischerei,  über  Erb- 
recht, Handel  und  Verkehr  autstellen  liefs  *). 

Um  nun  wieder  auf  König  Ottokar  zurückzukommon,  so 
entfaltete  dieser  auch,  sobald  seine  Herrschaft  durch  die  Schlacht  bei 
Groifsenbrunn  gefestigt  war,  eine  höchst  merkwürdige  Tätigkeit 
auf  innerkirchlichem  Gebiete.  Wir  wissen  ja,  dafs  er  zwei  Kreuz- 
fahrten gegen  die  heidnischen  Pi-eufsen  unternommen  hat,  nun 
wandte  er  sich  auch  gegen  die  einheimischen  Ketzer  ^). 

Vorher  mufste  logischerweise  wieder  einmal  eine  Reform  des 
Klerus  vorgenommen  werden,  der  in  Osterreich  während  des 
Zwischenreiches  wieder  arg  verkommen  war.  Der  Pfarrer  von 
Wien,  Leopold,  z.  B.  wurde  im  Jahre  1250  nicht  nur  wegen  des 
gleichzeitigen  Besitzes  zweier  Pfründen,  sondern  wegen  Totschlages, 
Ehebruches,  Simonie,  Meineides  und  Ketzerei  abgesetzt  und  exkom- 
muniziert ■^).  König  Ottokar  leitete  demzufolge  mit  einem  General- 
mandat vom  16.  Oktober  1259  eine  allgemeine  Visitation  der 
österreichischen  Pfarreien  und  Stifter  ein,  indem  er  auf  die  Ge- 
fahren der  kirchlichen  Mifsstände  für  das  Volk  hinwies  und  den 
Bischof  von  Passau  aufforderte,  die  frevelhaften  Geistlichen  zur 
Verantwortung  zu  ziehen  ''). 

Im  Jahre  1264  griff  er  den  alten  Plan  der  Babenberger, 
Wien  zu  einem  Bischofsitz  zu  machen,  wieder  auf,  und  versuchte, 
diesmal  in  Übereinstimmung  mit  dem  Bischof  von  Passau  St.  Stefan 
zu  einer  KoUegiatkirche  zu  erheben.  Doch  auch  diesmal  ver- 
schwand der  Gedanke  wieder  kaum ,  dafs  er  aufgetaucht  war  °). 

Einige  Jahre  später,  als  Ottokar  gegen  die  widerspenstigen  Land- 
herren und  gegen  die  Landfriedensbrecher  zu  Felde  zog  —  um  die 
Mitte  der  sechziger  Jahre  — ,  räumte  er  gleichzeitig  mit  den  Ketzern 
in  den  österreichischen  Landen  auf,    nachdem  er  schon  vorher  in 

1)  Mon.  Boic.  XXVIIIb,  510;  ÜB.  d.  L.  n.  d.  Enns  I,  490;  deutsch  bei 
Schmid  a.  a.  0.  S.  35. 

2)  Für  das  Folgende  vgl.  Haupt,  Waldensertum  und  Inquisition  im  süd- 
östlichen Deutschland  bis  zur  Mitte  des  14.  Jahrhunderts  (Deutsche  Zeitschr. 
f.  Geschichtsw.  I,  295  f.,  1889);  FrieTs,  Über  Patarener,  Bogharden  und  Wal- 
denser  in  Österreich  (Österr.  Vierteljahrsschr.  f.  kath.  Theol.  XI,  209,  1872). 

3)  Mon.  Boic.  XXIX  b,  370. 

4)  a.  a.  0.  S.  427;  Lang,  Keg.  Boic.  III,  138. 

5)  Mon.  Boic.  XXVIII a,  389.     Srbik  a.  a.  0.,  S.  24. 


Der  Sieg  des  Landesfiirstentumes  unter  König  Ottokar.  535 

Böhmen  und  Mähren  gegen  sie  eingeschritten  war.  Wie  sehr  es 
tatsächlich  hoch  an  der  Zeit  war,  dafs  gegen  das  wuchernde  Unkraut 
etwas  geschah,  wenn  anders  es  nicht  zu  einer  wirklichen  Gefahr 
werden  sollte,  zeigt  am  deutlichsten  das  Verzeichnis  jener  Pfarreien 
in  Osterreich  ob  und  unter  der  Enns,  in  denen  nach  den  Erhebungen 
der  Inquisitoren  bereits  sektiererische  Gemeinden  bestanden  ^).  Ihre 
Zahl  beträgt  vierzig  ^),  und  dabei  soll  es  in  einzelnen  Pfarreien 
auch  noch  mehrere  „Schulen",  d.  h.  Gemeinden  der  Ketzer,  ge- 
geben haben,  z.  B.  in  der  Pfarre  Kematen  allein  zehn!  Die 
Hauptmasse  dieser  Sektierer  gehörte  den  waldensischen  „Leonisten" 
an,  doch  sollen  auch  Ortliber,  Runcarier,  Siegfrieder,  Geifsler  und 
Brüder  vom  freien  Geiste  in  Osterreich  vorgekommen  sein  ^).  An 
der  Spitze  der  österreichischen  Waldenser  stand  bereits  ein  eigener 
Bischof,  der  in  Anzbach  (bei  Neulengbach)  seinen  Sitz  hatte.  In 
engste  Beziehung  traten  sie  zu  den  lombardischen  Waldensern, 
denen  sie  auch  Kollekten  zuführten. 

Die  Anhänger  der  Irrlehre  befleifsigten  sich  eines  strengen 
Lebenswandels  und  machten  namentlich  im  Handwerkerstande 
eine  erfolgreiche  Propaganda.     Sie  scheinen  sich  aber  auch  bereits 

1)  Quelle  ist  der  Bericht  eines  Priesters  der  Passauer  Diözese  aus  den 
Jahren  1260  —1270,  der  selbst  einer  der  Inquisitoren  war.  Gedruckt  bei  Gretser , 
Opera  Tom.  XII,  Biblioth.  max.  Lugd.  XXV,  262;  Preger,  Beiträge  z.  Gesch. 
d.  Waldesier  (AbhamUg.  d.  histor.  Kl.  der  Münehener  Akademie  XIIl ,  Abt.  1, 
S.  241);  das  Verzeichnis  findet  ?ich  auch  nach  anderen  Handschriften  bei  Pez, 
Scriptores  II.  536  und  Friefs  a.  a.  0.  S.  254,  wo  es  mit  Müller,  Die  Wal- 
denser und  ihre  einzelnen  Gruppen  im  Mittelalter  (Theol.  Studien  und  Kritiken 
1886,  S.  147)  ins  14.  Jahrhundert  verlegt  wird,  doch  hat  Preger,  Über  das 
Verhältnis  der  Taboriten  zu  den  Waldesiern  des  14.  Jahrhunderts  (Abhandig. 
der  histor.  Kl.  der  Münchener  Akademie  XVIII,  1)  die  Abfassungszeit  kritisch 
festgestellt. 

2)  Diese  Pfarren  sind  (nach  Haupt)  in  Niederösterreich  im  Viertel  ober 
Manhartsberg :  Lengeufeld ,  Stratzing,  Langenlois,  Drosendorf,  St.  Oswald  (bei 
Persenbeug);  im  Viertel  ober  Wiener  Wald:  Anzbach,  Ollersbach,  Christofen, 
Böheimkirchen ,  Ips ,  St.  Georgen  ,  Amstetten ,  Winklarn ,  Neustadtl ,  Ardagger, 
Seitenstetten ,  St.  Peter  in  der  Au,  Aschbach,  Weistrach,  Haag,  Sindlburg, 
St.  Valentin,  Haidershofen,  Nöchling;  —  in  Oberösterreich:  Steier,  St.  Florian, 
Ansfelden,  Sierning,  Weifskirchen,  Kercaten,  Neuhofen,  Wels,  Seh  wannen  stadt, 
Gunskirchen,  Marienkirchen,  Popping,  Grieskirchen ,  Naarn,  Enns,  Puchkirchen, 
Kammer,  Hubing. 

3)  Förstemann,  Die  christlichen  Geifslergesellschaftea  (Halle  1828). 


536  Dreiundzwanzigstes  Kapitel. 

so  stark  gefühlt  zu  haben,  dafs  sie  aggressiv  vorgingen,  Ver- 
weigerung der  kirchlichen  Zehnten  und  Einziehung  des  Kirchen- 
besitzes predigten  und  für  die  Verfolgungen,  die  sie  erlitten,  hand- 
greifliche Vergeltung  übten,  indem  sie  an  manchen  Orten,  so  zu 
Keniaten  in  Oberösterreich  und  zu  Nöchling  in  Niederösterreich, 
die  katholischen  Pfarrer  erschlugen  *). 

Einen  gewissen  Abschlufs  dieser  bemerkenswerten  kirchlichen 
Aktionen  zu  Ottokars  Zeit  scheint  das  Provinzialkonzil  zu  Wien 
vom  Jahre  1267,  das  unter  dem  Vorsitz  des  päpstlichen  Legaten 
Guido  von  St.  Lorenz  am  10.,  11.  und  12.  Mai  dieses  Jahres  statt- 
fand, gebildet  zu  haben.  Seine  wichtigsten  Beschlüsse  waren  zu- 
nächst gegen  die  Aneignung  der  Habe  verstorbener  Priester  ge- 
richtet, einen  der  schwersten  Mifsbräuche  während  des  Zwischen- 
reiches, zugleich  aber  auch  nicht  ohne  Spitze  gegen  die  Willkürlich- 
keiten des  Landesfürsten,  dann  gegen  die  wieder  eingerissene  Ver- 
heiratung der  Priester;  diese  Ehen  sollten  sofort  gelöst  werden. 
Andere  Bestimmungen  betrafen  den  Besitz  von  Pfründen.  Erst 
das  Alter  von  achtzehn  Jahren  berechtigte  zu  einem  solchen; 
er  durfte  nur  aus  dpr  Hand  des  Bischofs,  nicht  aber  etwa  aus 
der  des  Patrons  genommen  werden.  Eine  ■  Kumulierung  war 
nicht  gestattet.  Die  Kirclienverbote  gegen  das  Zinsennehmen 
wurden  auch  hier  eingeschärft.  Besonders  eingehend  beschäftigte 
sich  das  Konzil  jedoch  mit  Mafsregeln  gegen  die  Juden.  Es 
wurde  ihnen  eine  eigene  Kleidung  vorgeschrieben,  der  Besuch 
der  Gast-  und  Badehäuser  verboten,  wie  andrerseits  auch  die 
Christen  ihren  Hochzeiten  fernbleiben  und  sie  nicht  zu  Tische 
laden  sollten.  Die  Juden  mufsten  ihre  Fenster  und  Türen  schliefsen, 
wenn  das  Sakrament  vorbeigetragen  wurde,  und  durften  während 
der  christlichen  Fasten  kein  Fleisch  über  die  Gasse  schaffen.  Sie 
durften  weder  über  den  Glauben  disputieren,  noch  Kranke  der 
Christen  besuchen  oder  gar  kurieren.  Kurz,  es  wurde  jeder  An- 
lafs  zu  gefährlichen  Komplikationen,  den  der  Verkehr  zwischen 
Christen  und  Juden  geben  konnte,  möglichst  aus  dem  Wege  ge- 
räumt. Den  Pfarrern,  in  deren  Gemeinde  sie  wohnten,  mufsten 
sie  Zehnte  zahlen.    Sie  hatten  also  bereits  Grundbesitz.    Endlich  — 


1)  Bibl.  max.  XXV,  264;  Friefs  a.  a.  0.  S.  257;  M.  G.  SS.  IX,  827. 


Der  Sieg  des  Landesfürstentumes  unter  König  Ottokar.  537 

und  hier  merkt  man  am  besten  die  gegen  die  Übung,  wie  sie 
unter  der  Begünstigung  der  Landesfürsten  eingerissen  war,  ge- 
richtete Spitze  —  die  Juden  sollten  weder  den  Mauten  vorstehen, 
noch  überhaupt  ein  Amt  bekleiden  ^). 

So  sehen  wir  denn  unter  König  Ottokars  tatkräftiger  Initiative 
auf  allen  Gebieten  des  inneren  Lebens  eine  reiche  Bewegung  und 
Gestaltung  sich  entfalten.  Obwohl  ein  Fremdhng  in  den  deutsch- 
österreichischen Ländern,  obwohl  ein  strenger  und  manchen  Ständen 
unnachsichtiger  Herr,  obwohl  mehr  Haudegen  als  glänzender,  sieg- 
reicher Feldherr  und  Kriegsheld,  erwarb  er  sich  doch  in  Osterreich 
viele  Sympathien.  Dafs  die  Klosterannalen  voll  seines  Lobes  sind, 
ist  begreiflich,  aber  auch  die  Minnesänger,  allerdings  zumeist  dem 
von  ihm  begünstigten  Stande  der  Ritter  angehörig,  wie  der  Tan- 
huser,  der  vermutlich  aus  Oberösterreich  stammt  und  in  Wien 
lebte,  Ulrich  von  Türlin  u.  a.,  scharten  sich  um  ihn  und  sangen 
zu  seinem  Preise.  Auch  im  letzten  Entscheidungskampfe  galten 
ihm  und  nicht  dem  Habsburger  die  Sympathien  des  Volkes  und 
der  Dichter;  sein  Tod  wurde  besungen  und  beklagt. 

1)  Hartzheim,  Concilia  Geimaniae  III,  635.  Siehe  Anton  Mayer  in 
der  Gesch.  der  Stadt  Wien,  herausgeg.  vom  Altertnmsvereiu  I,  472  und  Srbik 
a.  a.  0.  S    47. 


Vierundzwanzigstes  Kapitel. 

Österreich  als  wiedergewonnenes  deutsches 
Reichsland  ^). 


Man  kann  sich  darüber  wundern,  dafs  Ottokar  bei  seiner 
Machtstellung  nicht  neuerdings  nach  der  deutschen  Kaiserkrone 
gestrebt  hat.  Es  scheint  ihn  aber  eher  der  Gedanke  verlockt  zu 
haben ,  bei  fortschreitender  Schwächung  und  Zersplitterung  des 
deutschen  Reiches  ein  grofses  starkes  böhmisches  Reich  im  Osten 
von  Litauen  bis  zur'  Adria  aufzurichten  -).  Deshalb  auch  das 
abermalige  geringe  Entgegenkommen,  das  Erzbischof  Engelbert 
von  Köln  bei  ihm  fand,  als  er  nach  dem  Tode  Richards  von  Corn- 
walHs  (2.  April  1272)  im  August  dieses  Jahres  in  Wahlangelegen- 
heiten nach  Prag  reiste  ^). 

Die  Sache  kam  aber  ganz  anders,  als  Ottokar  gedacht  haben 
mochte.  Es  war  schon  eine  schlechte  Vorbedeutung,  dafs  unter 
denen,  die  eine  Neuwahl  auf  das  lebhafteste  betrieben,  sein  alter 
Gegner,  Pfalzgraf  Ludwig  von  Bayern,  im  Vordergrunde  stand. 
So  konnte  es  geschehen,  dafs,  als  am  1.  Oktober  1273  die  Königs- 
wahl zustande  kam,  sogar  das  Wahlrecht  Böhmens  zugunsten  des 
Herzogs    Heinrich    von    Niederbayern    ausgeschaltet    wurde.      Das 


1)  Literatur:  Huber  I,  580;  Lorenz,  II^  Iff.;  Bachraann  I,  609f.; 
Eedlich,  Rudolf  von  Habsturg  (Innsbruck  1903),  das  ich  meiner  Darstellung 
im  wesentlichen  zugrunde  gelegt  habe;  in  Kürze  auch  Eedlich  in  „An  Siegen 
und  Ehren  reich'".  —  Quellen  bei  Böhmer-Redlich,  Regesta  imperii  VI, 
1.  Abt.  (Innsbruck  1898). 

2)  Vgl.  Redlich  a.  a.  0.  S.  135. 

3)  Ann.  Ottocariani  (M.  G.  SS.  IX,  189). 


Österreich  als  wiedergewonnenes  deutsches  Reiehsland.  539 

westdeutsche  Element,  in  dem  sich  der  Reichsgedanke  konzentrierte, 
war  siegreich,  und  da  man  einem  der  mächtigsten  Fürsten  bei 
der  bestehenden  Rivalität  die  Krone  nicht  gönnte,  ging  einer  der 
kleineren,  allerdings  reichsten  und  einflufsreichsten  südwestdeutschen 
Dynasten,  dessen  Persönlichkeit  zur  Krone  prädestiniert  erschien, 
aus  der  Wahl  hervor:  Rudolf  Graf  von  Habsburg  '). 

König  Ottokar,  ebensowenig  ein  weitblickender  Politiker  wie 
ein  hervorragender  Feldherr,  scheint  spät,  aber  doch  in  den  Be- 
werb  um  die  deutsche  Krone  mit  eingetreten  zu  sein,  schlug  aber 
ganz  falsche  Wege  ein,  um  zum  Ziele  zu  gelangen.  Er  wandte 
sich  an  seine  alte  Freundin,  die  Kurie  ^),  ohne  zu  begreifen,  dafs 
sich  seit  den  Tagen  Innozenz'  die  Zeiten  gründlich  geändert 
hatten  und  dafs  Gregor  X.,  kein  absoluter  Gewaltmensch  wie 
jener,  starr  an  dem  Legitimitätsprinzipe  festhielt;  er  wandte  sich 
an  Karl  von  Anjou  und  schweifte  in  der  Ferne,  statt  den  Blick 
auf  das  Nächstliegende  zu  richten.  Er  sandte  den  Bischof  Bertold 
von  Bamberg  der  mit  leeren  Protesten  ganz  vereinsamt  blieb, 
nach  Frankfurt  zur  Wahl,  statt  selbst  mit  dem  Gewichte  seiner 
Persönlichkeit  aufzutreten. 

Auch  jetzt,  nach  vollzogener  Wahl,  wäre  es  wohl  am  klügsten 
gewesen,  mit  dem  neuen  Herrscher  irgendeinen  Modus  vivendi 
zu  suchen.  Statt  dessen  hoffte  Ottokar  noch  immer  auf  Gregor  X. 
Er  schickte  Bischof  Wernhard  von  Seckau  noch  im  Dezember 
1273  zu  ihm  nach  Lyon  und  hefs  eine  von  Bruno  von  Olmütz 
ausgezeichnet  ausgearbeitete  Denkschrift  überreichen,  die  den 
Nachweis  liefern  sollte,  dafs  bei  der  Uneinigkeit  der  deutschen 
Fürsten  und  bei  den  Gefahren,  die  dem  deutschen  Reiche  von  Osten 
her,  von  Ungarn  und  Kumanen,  Russen,  Litauern  und  Preufsen 
drohten,  einzig  und  allein  Ottokar  von  Böhmen  der  berufene 
Herrscher  sei  ^). 

Und  wie  sehr  täuschte  sich  Ottokar  doch  in  bezug  auf  Gregor! 
•Selbst    der   in  Aussicht  gestellte  Kreuzzug,    ein    besonderer    Lieb- 

1)  Redlich  a.  a.  0.  und  Vancsa  in  „An  Siegen  und  an  Ehren  reich". 

2)  Gesandte  Ottotars  waren  zu  Anfang  1273  in  Rom  (Brefslau  in  Mitt. 
d.  Inst.  XV,  59,  1894  nach  Berichten  der  genuesischen  Gesandten).  Vgl.  darüber 
und  über  das  Folgende  Redlich  S.  148. 

3)  Erben-Emier,  Reg.  Boh.  III,  342. 


540  Vierundzwanzigstes  Kapitel. 

lingsvvunsch  des  Papstes,  vermochte  diesen  nicht  von  dem  Wege^ 
den  er  als  den  des  Rechtes  erkannt  hatte,  abzubringen.  Das 
Aufserste,  zu  dem  er  sich  verstehen  wollte;  war  die  Übernahme 
eines  Schiedsspruches  über  beide  Parteien,  falls  sie  damit  einver- 
standen seien.  Rudolf  erklärte  sich  sofort  bereit,  Üttokar  ver- 
langte einen  Aufschub  von  sechs  Jahren.  Da  durchschaute  Papst 
Gregor  die  Unaufrichtigkeit  dieser  Gesinnung  und  erliefs  am 
20.  September  1274  in  aller  Form  die  Anerkennung  der  Wahl 
Rudolfs  '). 

Rudolf  von  Habsburg  hatte  unterdessen  nicht  müfsig  zu- 
gesehen, wenn  auch  die  schwebenden  Verhandlungen  mit  der 
Kurie  das  Rechtsverfahren  im  deutschen  Reiche  hinausgeschoben 
hatten.  Aber  jedenfalls  konnte  es  dem  politisch  scharfen  Blick  des 
deutschen  Königs  nicht  entgehen,  dafs  die  Entscheidung  der 
böhmisch-österreichischen  Frage  den  Angelpunkt  seiner  künftigen 
Machtstellung  bedeute.  Schon  auf  dem  Hoftage  zu  Speier  um  die 
Mitte  Dezember  127.3  hatte  er  dekretiert,  dafs  alles  entfremdete 
Reichsgut  zurückerstattet  werden  müsse.  Dem  Hoftage  sollte  am 
24.  Juni  ein  Reichstag  zu  Nürnberg  folgen,  der  aber  aus  einer 
Reihe  von  Gründen  nicht  zustande  kam.  Als  er  dann  am  19.  No- 
vember doch  zusammentrat,  fand  er  bereits  eine  geklärte  Sach- 
lage vor.  Mittlerweile  war  eben  die  offizielle  Anerkennung  des 
Papstes  erfolgt,  demnach  von  selten  der  Kurie  nichts  mehr  zu 
fürchten,  und  Ottokar  hatte  sich  durch  seine  st '•rrische  Haltung, 
namentlich  auch  dadurch,  dafs  er  die  Frist  zur  Erneuerung  seiner 
Lehen  verjähren  liefs,  bereits  in  offenkundiges  Unrecht  gesetzt. 

So  gestaltete  sich  denn  der  Nürnberger  Reichstag  recht  eigent- 
lich zu  einem  grofsen  Gerichtstage,  bei  dem  der  deutsche  König 
als  Kläger  auftrat  und  Pfalzgraf  Ludwig  den  Vorsitz  führte.  Das 
Urteil  zerfiel  in  ein  allgemeines,  das  dem  Könige  gestattete,  gegen 
alle,  die  sich  irgendwelcher  Güter  des  Reiches,  die  Kaiser  Fried- 
rich n.  vor  seiner  Absetzung  innegehabt  habe,  bemächtigt  hätten 
und  deren  Herausgabe  verweigern  würden,  mit  Gewalt  vorzugehen, 
und  in  ein  besonderes,  das  Ottokar  von  Böhmen  des  Versäum- 
nisses des  Lehenempfanges  schuldig  erkannte  und  ihn  zur  Recht- 

1)  Erhalten  ist  allerdings  nur  das  Schreiben  des  Papstes,  worin  er  Ottokar 
die  Anerkennung  mitteilt  (Emier,  Keg.  Boh.  II,  378). 


Österreich  als  wiedergewonnenes  deutsches  Reichsland.  541 

f'ertigung  für  den  23.  Januar  des  nächsten  Jahres  (1275)  durch 
den  Pfalzgrafen  nach   Würzburg  vorladen  liefs. 

Damit  war,  wie  sich  die  Sachlage  zugespitzt  hatte,  bereits 
der  Kriegszustand  proklamiert,  und  Rudolf  von  Habsburg  und 
Ottokar  von  Böhmen  verwendeten  die  nächste  Zeit  eifrig:  dazu, 
Bundesgenossen  zu  gewinnen,  bezw.  dem  Gegner  die  seinigen  ab- 
wendig zu  machen.  Eine  gewisse  Gruppierung  hatte  sich  schon 
seit  dem  Sommer  1274,  als  der  entscheidende  Reichstag  in  Sicht 
war,  vollzogen,  hielt  aber  nicht  lange  stand. 

Auf  die  Seite  Rudolfs  hatten  sich  mehr  oder  wenisrer  ent- 
schieden  die  südostdeutschen  Bischöfe  gestellt,  vor  allen  Erzbischof 
Friedrich  von  Salzburg  ^),  dessen  Hauptaugenmerk  darauf  ge- 
richtet war,  die  zahlreichen  Salzburger  Kirchengüter,  die  Ottokar 
während  des  langwierigen  Salzburger  Schismas  entfremdet  und 
nicht  zurückerstattet  hatte,  wiederzuerlangen.  König  Rudolf  ver- 
sprach zu  Hagenau  Anfang  August  1274,  den  Bischöfen  wieder 
zu  ihren  Gütern  in  Österreich,  Steiermark,  Kärnten  und  Krain  zu 
verhelfen.  Überdies  schien  es  Rudolf  glücken  zu  wollen,  das  im 
Falle  eines  Krieges  so  wichtige  Ungarn  auf  seine  Seite  zu  ziehen. 
Der  einflufsreiche  Oberschatzmeister  Joachim  Pectari,  Gemahl 
Marias,  der  Tochter  der  Babenbergerin  Gertrud  und  Romans  von 
Halicz,  war  ein  entschiedener  Gegner  Ottokars  und  eifrig  bemüht, 
eine  Verbindung  des  jungen  Prinzen  Andreas  mit  einer  der  Töchter 
König  Rudolfs  zustande  zu  bringen. 

Dagegen  hatte  Ottokar  einen  unerwarteten  Bundesgenossen 
gewonnen:  Heinrich  von  Niederbayern,  der  mit  seinem  Bruder, 
dem  Pfalzgrafen  Ludwig,  in  beständigem  Zwiste  lag  und  deshalb 
dessen  Parteistellung  nicht  teilen  wollte.  Er  hatte  auch  gleich 
Ottokar  die  Frist  zur  Erneuerung  seiner  Lehen  verstreichen  lassen. 
Der  Böhmenkönig  schien  durch  diese  Bundesgenossenschaft  ein 
mächtiges  Vorwerk  für  seine  österreichischen  Länder  erworben 
zu  haben. 

Und  bald  gewann  König  Ottokar  Erfolg  um  Erfolg.  Zu  Ende 
des  Jahres  1274  und  zu  Beginn  1275  war  er  fast  auf  allen  Linien 


1)  Üher   dessen  Stellung  vgl.  Bussen,   Salzburg  und  Böhmen   vor   dem 
Kriege  von  1276  (Arcliiv  f.  österr.  Gesch.  LXV,  255). 


512  Viorundzwanzigstos  Kapitel. 

im  entschiedenen  Vorteil,  während  König  Rudolfs  Aussichten  sich 
immer  ungünstiger  gestalteten.  Zunächst  schritt  Ottokar  energisch 
ffecen  die  Bischöle  ein.  Da  sie  Ende  Oktober  zu  einer  Provinzial- 
Synode  in  Salzburg  zusammengekommen  waren,  erliefs  er  an  sie 
eine  strenge  Vorladung  nach  Prag.  Unter  diesem  Eindruck  be- 
schlofs  die  Synode  noch  schnell,  dafs,  falls  der  Erzbischof  oder 
einer  seiner  Suffragane  gefangengenommen  oder  angegriffen  würde, 
die  ganze  Erzdiözese  dem  Interdikt  verfallen  solle.  Dann  eilten 
sie  auseinander,  nichts  Guten  gewärtig.  Nur  Erzbischof  Friedrich 
hatte  den  Mut,  der  Vorladung  nach  Prag  Folge  zu  leisten  und 
sich  zu  weigern,  die  Bedingungen  Ottokars  anzunehmen.  Bischof 
Leo  von  Regensburg  wohnte  sogar  dem  Reichstag  von  Nürnberg  bei. 

So  nahm  denn  das  Verfahren  Ottokars  gegen  die  in  seinen 
Ländern  begüterten  südostdeutschen  Bistümer  seinen  Lauf.  Ab- 
gesehen davon,  dafs  er  die  Einhebung  des  Kreuzzugszehnten  verbot, 
wurden  die  Kirchengüter  —  hauptsächlich  die  Salzburgischen  und 
Regensburgischen  —  besetzt  und  die  Untertanen  gezwungen,  den 
königlichen  Amtleuten  zu  zinsen,  endlich  die  Temporaliensperre 
auf  alle  Naturaleinkünfte  der  Bistümer  verfügt. 

Von  König  Rudolf  schien  keine  Hilfe  zu  erwarten ;  noch  waren 
endgültige  Entscheidungen  des  Reichsgerichtes  nicht  erfolgt,  noch 
war  der  König  in  allerlei  kleine  Händel  und  Angelegenheiten  in 
Deutschland  verstrickt,  noch  waren  keinerlei  Mittel  zu  einem 
Reichskriege  vorhanden.  So  blieb  denn  den  Bischöfen  nichts  andres 
übrig,  als  sich  dem  noch  immer  so  mächtigen  Böhmenkönig  zu 
fügen.  Zuerst  das  besonders  in  Mitleidenschaft  gezogene  Passau. 
Am  11.  Dezember  1274  belehnte  Bischof  Peter  den  König  Ottokar 
mit  allen  Passauischen  Lehen,  wie  sie  die  Babenberger  besessen 
hatten  ^).  Leo  von  Regensburg  begab  sich  persönlich  zu  dem 
Böhmenkönig,  und  auf  den  Bambergischen  Gütern  regten  sich  die 
Untertanen  '^) ;  Freising  hatte  ohnehin  auf  Ottokars  Seite  ausgeharrt 
und  erbat  sich  später  sogar  in  seiner  Loyalitätssucht  einen  eigenen 
vom  König   eingesetzten   Verwalter   für   die   Güter  in  Österreich, 


1)  Mon.  Boic.  XXIX b,  515. 

2)  Schreiben  des  Erzbischofs  Friedrich   von  Salzburg  von  Anfang  Januar 
1275  (F.öhmer-Kedlich,  Eegesten  319;  Emier,  Eeg.  Boh.  ü,  387). 


Österreich  als  wiedergewonnenes  deutsches  Eeichsland.  543 

den  es  in  der  Person  des  Propstes  Heinrich  von  Wörth  auch  er- 
hielt ').  Salzburg  sträubte  sich  am  längsten  gegen  ein  Nachgeben. 
Als  aber  die  Salzburger  Festen^  besonders  in  Kärnten,  gebrochen, 
die  Güter  verwüstet  wurden,  mufste  sich  doch  auch  Erzbischof 
Friedrich  am  29.  Mai  1275  in  Prag  zu  einem  Vergleich  bequemen  ^). 

Zu  derselben  Zeit  wie  die  Bischöfe  schien  auch  Ungarn  der 
Sache  Rudolfs  verlorengehen  zu  sollen.  Joachim  Pectari  wurde 
gestürzt,  und  durch  Vermittelung  des  Herzogs  Heinrich  von  Bayern 
kam  ein  Friede  und  Bündnis  zwischen  Ottokar  und  König  Ladis- 
laus  zustande,  wonach  dieser  jede  Verbindung  mit  Rudolf  von  Habs- 
burg abschwören  sollte.  In  Hainburg  sollten  dann  bei  einer  persön- 
lichen Zusammenkunft  endgültige  Abmachungen  getroffen  werden  ^). 

Endlich  hatte  König  Ottokar  alles  ins  Werk  gesetzt,  um  auch 
die  österreichischen  Länder  in  festem  Gehorsam  zu  halten,  und 
auch  da  war  es  ihm  gelungen,  die  sich  regende  Unbotmäfsig- 
keit  mit  starker  Faust  zu  unterdrücken.  Hier  bildete  der  höhere 
Adel,  dessen  Machtsphäre,  wie  wir  wissen,  von  Ottokar  am 
meisten  eingedämmt  worden  war,  das  unzuverlässige  Element. 
Auch  der  lange  vernachlässigten  Städte  oder  wenigstens  gewisser 
Parteien  in  denselben  war  Ottokar  keineswegs  sicher.  Schon  früh- 
zeitig scheinen  die  Unzufriedenen  Verbindungen  mit  dem  deutschen 
Reiche  und  dem  neuen  Könige  angeknüpft  zu  haben.  Ottokar  begab 
sich  daher  schon  im  Frühjahr  1274  nach  Österreich  und  liefs  sich 
von  Adeligen  und  Städten  Geiseln  stellen  ^).  Als  dann  aber  nach  dem 
Reichstag  von  Nürnberg  einige  Adehge  in  Österreich  und  Steiermark, , 
Wernhard  von  Wolkersdorf,  Ulrich  von  Viehofen  und  Hartnid  von 
Wildon  eine  förmliche  Empörung  wagten,  kam  er  mit  Heeresmacht 
herbeigeeilt,  brach  ihre  Burgen  und  liefs  ihre  als  Geiseln  ge- 
gebenen Kinder  vor  ihren  Augen  in  grausamer  Weise  umbringen. 
Der  Wolkersdorfer  und  der  Wildonier  flohen   über   die  Grenze  ^). 


1)  Font.  rer.  Austr.  2.  Abt.  XXXI,  334. 

2)  Emier  II,  403,  404. 

3)  Voigt  im  Archiv  für  österreichische  Geschichte  XXIX,  38  und  Emier 
S.  339  (irrig  zu  1273). 

4)  Cent.  Vindob.  (M.  G.  SS.  IX,  705). 

5)  a.  a.  0.  S.  706;  Eeimchronik  181  ff. ;   Schreiben  des  Erzbischofs  Fried- 
rich vom  Ende  Februar  1275  (Böhmer-Kedlich,  Keg.  336). 


544  Vieiundzwanzigstos  Kapitel. 

Noch  mehr  bemühte  sich   nun   König   Ottokar,  Vorbeugungs- 
mafsregeln  zu  treffen.     Zunächst  wurde  die  Stadt  Wien  schon  zu 
Beginn    1*270    neu    befestigt.      Später   suchte    er   auch    die   Bürger 
durch  aulserordentUche  Gunstbezeugungen  an  sich  zu  fesseln,   in- 
dem er  ihnen  zur  Besserung  der  Schäden  nach  einigen  verheeren- 
den Bränden  der    letzten  Jahre   einen  Wald    schenkte,    ihnen    für 
einen  Monat  einen  Markt  verlieh  und  sie  für  fünf  Jahre  von  allen 
Mauten    und    Steuern    befreite  *).      Der   patrizischen   Geschlechter 
in   den    Städten    schien    Ottokar    ohnehin    sicher   zu    sein;    so    vor 
allem  in  Wien,  wo  der  mächtige  Paltram  Vatzo    mit  seiner  zahl- 
reichen   Familie    sich    ihm    sogar   durch    einen  Schwur   zur  Treue 
verband  2),  in  Tulln  Meister  Konrad.     Von  zweifelhaften  Städten 
liefs  er   sich  neuerdings  Geiseln    stellen,   unter   diesen  befand  sich 
auch  Gozzo  von  Krems,  der  verdächtig  geworden  zu  sein  scheint. 
Um    die   unzufriedenen   unteren    Klassen    dem    agitatorischen   Ein- 
flüsse der  beiden  Bettelorden  zu  entziehen,  die  in  den  österreichi- 
ischen  Ländern  eine  merkwürdige  heimliche  Tätigkeit   für  Rudolf 
von    Habsburg    entfalteten,    verbot   er   das   Provinzialkapitel    der 
Dominikaner,  das  im  Jahre  1276  hätte  in  Wien  stattfinden  sollen  ^). 
Überhaupt  wurde  gegen  das  Reich  geradezu  ein  Sperrsystem  ver- 
hängt,   um  jede  Verbindung  hintanzuhalten.     Die  Briefe  aus  dem 
Reiche  wurden  erbrochen,  Boten  aufgefangen,  selbst  dem  Rade  und 
Galgen  verfielen  einige   als   Spione  *).     Endlich   wies  Ottokar   die 
jungen  Leute  aus  Österreich  und  Steiermark,  die  an  der  Domschule 
in  Prag  studierten,  von  hier  als  gefährliche  Elemente  aus  ^). 

So  schien  denn  König  Ottokar  sein  Reich  nach  innen  und 
aufsen  erfolgreich  und  trefflich  geschützt  zu  haben,  während  Rudolf 
von    Habsburg    trotz    aller    Bemühungen    nicht    recht     vorwärts- 

1)  Cont.  Vindob.  (M.  G.  SS.  IX,  705). 

2)  Voigt  im  Archiv  für  österreichische  Geschichte  XXIX,  163;  Emier 
II,  985.  Vgl.  über  Paltrams  Stellung  auch  Uhlirz  in  den  Blättern  des 
Vereins  für  Landeskunde  XXIX,  51,  1895. 

3)  Finke,  Ungedruckte  Dominikanerbriefe  S.  99;  vgl.  dazu  Chron.  Colmar. 
(M.  G.  SS.  XVII,  247),  ferner  über  die  Agitation  der  Bettelorden  für  Kudolf  im 
allgemeinen  das  Schreiben  des  Minoritengenerals  Hieronymus  vom  Jahre  1277 
(Redlich,  Rudolf  von  Habsburg,  Anh.  II,  757). 

4)  Cont.  Vindob.  (M.  G.  SS.  IX,  707);  Reimchronik  S.  182. 
'j)  Pez,  Thesaur  la,  429. 


Österreich  als  wiedergewonnenes  deutsches  Eeichsland.  545 

zukommen  schien.  Kein  Wunder,  dafs  Ottokar  auf  seine  Macht 
pochte  und  jeden  Gedanken  an  Nachgiebigkeit  von  sich  wies.  Die 
erste  Vorladung  für  den  Reichstag  am  23.  Januar  1275  ignorierte 
er  vollständig;  zum  zweiten  Male  nach  Augsburg  für  Mitte  Mai 
vorgeladen,  sandte  er  Bischof  Wernhard  von  Seckau  mit  einem 
Protest  gegen  Rudolfs  Wahl.  Der  Reichstag  beantwortete  diesen 
damit,  dafs  er  Ottokar  die  Reichslehen  Böhmen  und  Mähren,  sowie 
das  Schenkenamt  als  Reichsamt  aberkannte  und  die  österreichischen 
Länder  als  dem  Reiche  heimgefallen  erklärte.  Übrigens  war  ohne- 
hin schon  Ende  Februar  Kärnten  und  Krain  an  den  Sponheimer 
Philipp  verliehen  worden.  Burggraf  Friedrich  von  Nürnberg  wurde 
nach  Prag  entsandt,  um  Ottokar  die  Beschlüsse  des  Reichstages 
mitzuteilen  und  ihm  die  Möglichkeit  der  Unterwerfung  zu  bieten. 
Da  aber  Ottokar  in  seiner  ablehnenden  Haltung  verharrte,  so 
wurde  über  ihn  am  24.  Juni  J275  die  Reichsacht  verhängt.  In- 
dessen wagte  er  es  sogar,  die  neuerlichen  Friedens-vermittelungsan träge 
des  Papstes  Gregor  X.  nicht  nur  mit  der  Erneuerung  seiner  früheren 
Forderungen  zu  beantworten,  sondern  sogar  den  Papst  beim  Konsi- 
storium zu  verklagen. 

Er  war  eben  durch  seine  scheinbaren  Erfolge  ganz  und  gar 
verblendet,  und  doch  waren  die  Stützen  seiner  Macht,  die  er  sich 
aufgerichtet  hatte,  hohl  und  gebrechlich,  und  der  ganze  stolze  Bau 
begann  in  allen  Fugen  zu  krachen,  sobald  die  Stunde  der  Gefahr 
kam.  Seit  dem  Sommer  1275  begann  sich  Ottokars  Sache  lang- 
sam, aber  stetig  zu  verschlimmern,  dennoch  war  er  noch  immer 
voll  Zuversicht,  denn  das  Verfahren  des  Reiches  gegen  ihn  nahm 
einen  ungemein  schleppenden  Gang.  Die  Reichsfürsten  zeigten 
wenig  Begeisterung  und  Opferwilligkeit,  langwierige  Fehden  hielten 
den  König  am  Rheine  fest,  Papst  Gregor  drängte  beständig  zur 
Romfahrt,  und  vor  allem  mangelte  es  dem  deutschen  König  an 
Geld  zur  Kriegführung.  So  ging  das  Jahr  1276  ins  Land,  und 
noch  war  die  böhmische  Angelegenheit  keinen  Schritt  weiter  ge- 
diehen. 

Am  24.  Juni  1276  lief  die  Frist  zur  Lösung  von  der  Reichs- 
acht ab,  und  nun  wurde  des  Reiches  Aberacht  über  Ottokar  aus- 
gesprochen. Jetzt  raffte  man  sich  endlich  zur  förmlichen  Kriegs- 
erklärung auf,  und  siehe  da!  —  in  dem  Augenblicke,  da  mit  dem 

Yancsa,  Geschichte  Nieder-  u.  Oberöiterreichs.  oO 


54(5  Viorumlzwaiuigstcs  Kapitol, 

Verfahren  gegen  den  Böhraenkönig  Ernst  gemaelit  wurde,  begann 
in  geradezu  überraschender  Weise  der  grofse  Abfall  von  ihm  auf 
der  ganzen  Linie. 

Zunächst  war  es  Ungarn,  das  endgültig  für  Ottokar  verloren 
ging,  nachdem  Joachim  Pectari  im  Juni  1275  nach  wiederholter 
Zurückdrängung  wieder  dauernd  ans  Ruder  gekommen  war,  wenn 
auch  noch  kein  förmliches  Bündnis  mit  Rudolf  zustande  kam  ^). 

Der  schwerste  Schlag  war  es  jedoch  für  Ottokar,  als  der 
Herzog  Heinrich  von  Niederbayern,  schon  auf  dem  Reichstag  zu 
Augsburg  durch  die  endgültige  Zuweisung  der  siebenten  Kur- 
stimme stark  geködert,  zu  König  Rudolf  übertrat  in  dem  Augen- 
blicke, als  dieser  mit  seinem  Heere  in  Regensburg  eintraf.  Der 
Preis,  den  er  sich  ausbedang,  war  allerdings  ein  hoher:  die  Hand 
Katharinas,  der  Tochter  Rudolfs,  für  seinen  Sohn  Otto  samt  einer 
Mitgift  von  40  000  Mark,  die  durch  Verpfändung  von  Oberöster- 
reich, auf  welches  ja  schon  lange  das  Streben  Bayerns  gerichtet 
war,  sichergestellt  werden  sollte  ^). 

Dennoch  war  es  nur  ein  kleines  Heer  —  nicht  über  30000 
Reiter  — ,  mit  welchem  der  deutsche  König  Ende  September,  An- 
fang Oktober  von  Passau  aus  donauabwärts  zog,  von  einer  Flotte 
auf  dem  Strom  begleitet.  Günstig  für  ihn  war  es,  dafs  viele  der 
kleineren  Herren,  die  zu  ihm  standen,  ein  lebhaftes  materielles 
Interesse  an  der  Gewinnung  Österreichs  hatten.  Da  war  vor 
allem  sein  treuer  Freund,  Waffengefährte  und  Ratgeber,  der  Burg- 
graf Friedrich  von  Nürnberg.  Ihm  waren  die  weitverzweigten 
Zollernschen  Besitzungen  im  Lande  unter  der  Enns  durch  Ottokar 
verlorengegangen.  Graf  Ulrich  von  Heunburg,  der  Gatte  der 
Tochter  der  Babenbergerin  Gertrude,  Agnes,  war  durch  Ottokar 
zum  Verzicht  auf  seine  Ansprüche  an  Pernegg  und  Drosendorf 
genötigt  worden,  und  hoffte  sie  jetzt  wieder  geltend  zu  machen. 
Am    29.    Mai     1276     hatte    Albrecht    von    Görz    die    Schwester 


1)  Als  Rudolf  die  Heerfahrt  antrat,  ging  Botschaft  um  Botschaft  nach 
Ungarn,  um  ein  definitives  Bündnis  herbeizuführen  (Gerbert,  Cod.  ep.  155,  156; 
Stobbe  S.  345;  Eedlich,  Wiener  Briefsammlung  S.  309). 

2)  Cont.  Vindob.  (M.  G.  SS.  IX,  708,  709);  Cont.  Praed,  Vind.  (a.  a.  0. 
S.  729)  und  Ann.  Salisb.  (a.  a.  0.  S.  805).  Die  Urkunde  wohl  erst  in  Passau 
ausgestellt.    Eedlich- Böhmer,  Reg.  598a. 


Österreich  als  wiedergewonneues  deutsches  Reicbsland.  547 

des  Grafen  Friedrich  von  Ortenburg  und  Witwe  des  Grafen 
Konrad  von  Hardegg  geheiratet  und  hatte  dabei  ausdrückHch  die 
Anwartschaft  auf  die  Herrschaften  Piain  und  Hardegg  erhalten, 
welche  König  Ottokar  längst  anderweitig  vergabt  hatte.  Der  von 
Ottokar  verjagte  und  seiner  Güter  beraubte  Wernhard  von  Wolkers- 
dorf  führte  voll  Eifer  einen  Teil  des  Reichsheeres  über  Wels. 

Dazu  kam  das  kirchliche  Interdikt  durch  den  Erzbischof  von 
Mainz,  die  Lösung  der  Ottokarischen  Untertanen  vom  Eide  der 
Treue  durch  den  Erzbischof  von  Salzburg,  endlich  sogar  die  aller- 
dings allgemein  gehaltene  päpstliche  Exkommunikation,  und  Mino- 
riten  und  Dominikaner  waren  eifrig  bemüht,  diese  kirchlichen  Ver- 
fügungen in  den  österreichischen  Ländern  zu  verbreiten  und  ihnen 
bei  der  Bevölkerung  den  nötigen  Nachdruck  zu  verleihen. 

Noch  rapider  als  bei  den  Bundesgenossen  war  der  Abfall  bei 
den  Untertanen  Ottokars.  Im  Süden  seines  Reiches,  in  Krain, 
Kärnten  und  Steiermark,  ging  alles,  sobald  Albrecht  von  Görz 
im  Namen  des  deutschen  Königs  erschien,  so  freudig  zu  diesem 
über,  dafs  selbst  die  weitgehendsten  Erwartungen  übertroffen  wurden, 
und  da  gleichzeitig  Ottokar  in  der  Voraussicht,  dafs  der  Haupt- 
stofs  gegen  Böhmen  gerichtet  sein  werde,  hier  seine  Kräfte  kon- 
zentrierte, wurde  der  ursprüngliche  Kriegsplan  einer  dreifachen 
Aktion  gegen  Böhmen,  Österreich  und  die  südlichen  Alpenländer 
aufgegeben  und  ein  einziger  Hauptangriff  gegen  Osterreich  ein- 
geleitet. Doch  auch  hier  begann  die  Fahnenflucht  allgemein,  so- 
wie König  Rudolf  in  Linz  stand  (ungefähr  5.  Oktober)  und 
Ottokar,  der  freilich  auf  die  Nachricht  von  der  Änderung  des  Planes 
nach  Freistadt  eilte,  nicht  mehr  in  der  Lage  war,  dem  Heere  den 
Weg  ernstlich  zu  verlegen. 

Nun  gingen  von  den  oberösterreichischen  Herren  Gundakar 
von  Starhemberg,  Ulrich  von  Kapellen,  Konrad  von  Somerau  zu 
Rudolf  über,  von  den  Städten  alle,  die  auf  dem  Wege  lagen:  am 
15.  Oktober  Enns,  das  der  Somerauer  übergab,  dann  Ips,  endlich 
auch  das  in  den  letzten  Jahren  von  Ottokar  so  vielfach  begünstigte 
Tulln.  Der  Vorhut  unter  dem  Pfalzgrafen  Ludwig  glückte  es 
auch,  durch  einen  kühnen  Handstreich  das  durch  Bischof  Bruno 
von  Olmütz  verteidigte  Vorwerk  Wiens,  Klosterneuburg,  zu  nehmen. 

Erst  an  Wien  selbst,  das  Paltram  vor  dem  Freithof,  getreuer 

35* 


548  Vieruudz wanzigstes  Kapitel. 

als  sein  Amtsgenosse  Konrad  von  TuUn,  hielt,  stiefs  König  Rudolf 
auf  den  ersten  hartnäckigen  Widerstand.  Seit  dem  18.  Oktober, 
da  er  die  Tore  der  Stadt  erreicht  hatte,  verstrich  Woche  um 
Woche,  ohne  dafs  die  Belagerer,  trotz  der  über  die  Stadt  aus- 
gesprochenen Acht,  einen  Erfolg  erzielten,  und  so  wurde  es  Ottokar, 
der  mit  seinem  Heere  einen  zeitraubenden  Umweg  über  Drosen- 
dorf  und  Laa  hatte  nehmen  müssen,  möglich  ins  Marchfeld 
vorzurücken.  Freilich  einen  Entsatz  der  Stadt  konnte  er  nicht 
wagen,  denn  seine  Streitkräfte  schmolzen  in  unheimhcher  Weise 
zusammen,  während  sich  das  Heer  Rudolfs  in  demselben  Mafse 
mehrte.  Von  österreichischen  Herren  finden  sich  Otto  von  Haslau, 
Otto  von  Perchtoldsdorf,  Ulrich  von  Pillichdorf,  Friedrich  Truch- 
sefs  von  Lengbacli,  Stuchs  von  Trautraannsdorf,  Reimprecht  und 
Chalhoch  von  Ebersdorf,  Heinrich  und  Siboto  von  Potendorf, 
Gundakar  von  Ternberg  und  Lutwin  von  Werd  allmählich  bei 
Rudolf  ein^),  und  auch  ihre  Genossen  aus  Steiermark,  Kärnten 
und  Krain  blieben  nicht  aus,  während  von  österreichischen  Herren 
bei  Ottokar  nur  die  Kuenringer,  von  denen  Heinrich  Marschall 
von  (Österreich  war ,  und  Ottokars  natürliche  Tochter  Elisabeth  zur 
Frau  hatte,  ausharrten.  Und  es  kam  noch-  schlimmer.  Schon 
rüsteten  sich  die  Ungarn,  um  König  Rudolf  Zuzug  zu  leisten,  ja 
Ödenburg  war  bereits  in  ihre  Hände  gefallen.  In  Wien  regte  sich 
eine  täglich  wachsende  Opposition  der  unteren  Klassen  gegen  die 
Ottokarische  Patrizierpartei  ^),  und  schliefslich  bra "h  gar  im  eigenen 
Lande  des  Böhmenkönigs  eine  Adelsverschwörung  aus,  an  deren 
Spitze  die  mächtigen  Rosenberge  oder  Witigonen  standen,  und  dezi- 
mierte die  letzten  Reste  des  Ottokarischen  Heeres  ^). 

1)  Siehe  die  Zeugenreihen  in  den  Urkunden  Böhmer-Redlich,  Eegesten 
614,  617. 

2)  Schmäh-  und  Drohverse,  die  damals  im  deutschen  Lager  gegen  Ottokar 
und  Wien  entstanden,  sind  mitgeteilt  von  W.  M  ey  e  r  im  Neuen  Archiv  VII,  216.  — 
Dafs  Wien  nicht  vor  dem  Friedensschlufs  kapitulierte,  wie  Lorenz  II,  145 
und  andere  annahmen,  darüber  vgL  Huber  I,  602,  Anm,  1. 

3)  Hauptquelle  des  ganzen  Feldzuges  ist  die  Cont.  Vindob.  (M.  G.  SS. 
IX,  702),  auf  welcher  die  Cont.  Praed.  Vindob.  (a.  a.  0.  S.  729)  und  mit  vielen 
Ausschmückungen  die  Reimchronik  beruhen,  die  Annalen  Ottokars  (a.  a.  0.  S.  190), 
die  Histor.  annorum  1264—1279  (a.  a.  0.  S.  652),  wonach  Cont.  Claustron.  IV 
(a.  a.  0.  S.  648)  und  Cont.  Zwettl.  HI  (a.  a.  0.  S.  657),  ferner  die  Cont.  Claustron.  VI 
(a.  a.  0.  S.  744),  Ann,  S.  Eud.  Salisb.  (a.  a.  0.  S.  801),  das  Chron.  Sampetrin., 


Österreich  als  wiedergewonnenes  deutsches  Eeichsland.  549 

An  eine  Feldschlacht  war  nicht  mehr  zu  denken ;  es  half 
nichts,  der  stolze,  noch  vor  kurzem  so  übermächtige  Böhmenkönig 
mufste  den  Nacken  beugen.  So  hefs  er  denn  durch  Bischof  Bruno 
von  Olraütz  und  Markgraf  Otto  von  Brandenburg,  den  einzigen 
Reichsfürsten,  der  sich  als  Neffe  Ottokars  diesem  angeschlossen 
hatte,  Unterhandlungen  anknüpfen,  und  sie  fanden  König  Rudolf 
durchaus  nicht  abgeneigt,  denn  auch  das  deutsche  Heer,  das  noch 
immer  vor  den  Mauern  Wiens  lag,  litt  infolge  der  vorangegangenen 
Trockenheit  des  Sommers  unter  dem  Mangel  an  Lebensmitteln,  und 
eigentlich  dürfte  er  kaum  Aussicht  gehabt  haben,  dafs  sich  die  Reichs- 
fürsten, nachdem  die  Exekution  gegen  Ottokar  durchgeführt  war, 
zu  weiteren  Schritten  herbeilassen  würden.  So  kam  es  denn  Mitte 
November  zu  einem  Waffenstillstand,  und  schon  am  21.  November 
konnten  die  vier  von  beiden  Parteien  erwählten  Schiedsrichter 
—  von  Seiten  Rudoll's  waren  es  Bischof  Bertold  von  Würzburg 
und  Pfalzgraf  Ludwig  —  ihren  Spruch  fällen. 

Die  Bestimmungen  Avaren  dreierlei  Art.  Zunächst  wurde  das 
Urteil  des  Reiches  vollstreckt:  Ottokar  die  Länder  Osterreich, 
Steiermark,  Kärnten,  Krain,  die  windische  Mark,  Pordenone  und 
Eger  aberkannt,  dagegen  Böhmen  und  Mähren  als  Lehen  wieder 
übertragen.  Sodann  sollte  in  der  damals  bei  derlei  Friedens- 
schlüssen üblichen  Weise  durch  das  Projekt  einer  Doppelheirat 
zwischen  den  beiden  Fürstenhäusern  eine  Bürgschaft  des  Friedens 
geschaffen  werden.  Die  Hauptsache  war  dabei  die  Mitgift,  die 
in  beiden  Fällen  40  000  Mark  betragen  sollte.  Dabei  kam  es 
nicht  auf  die  Summe  an,  sondern  auf  das  Pfand,  das  an  ihre 
Stelle  zu  treten  hatte.  Dazu  wurden  einerseits  die  bisher  von 
Ottokar  in  Osterreich  innegehabten  Eigengüter  und  Lehen,  anderer- 
seits 4000  Mark  jährlicher  Einkünfte  aus  dem  Lande  nördlich 
(nötigenfalls  auch  südlich)  der  Donau  mit  Ausnahme  von  Krems 
und  Steier  bestimmt.  Da  aber  die  Töchter  kein  Erbrecht  daran 
haben  sollten,  so  waren  die  genannten  Besitzungen  und  Gülten 
de  facto  bereits  zugesprochen.  Der  letzte  Teil  der  Friedens- 
bedingungen bezog  sich  auf  die  beiderseitigen  Helfer.    Die  „Diener" 

hgg.  von  Stübel  S.  112,  Hermann  von  Altaich  (M.  G.  SS.  XVII,  410),  Hein- 
rich von  Hainburg  (a.  a.  0.  S.  715)  und  Chron.  Colmar.  (a  a.  0.  S.  247).  Dazu 
die  Urkunden  bei  Böhmer-Redlich,  Regesten  604  —  622. 


550  Vierumlzwanzigstes  Kapitel. 

sollen  in  den  Frieden  mit  eingeschlossen  sein,  insbesondere  soll  Rudolf 
die  beiden  höchsten  Beamten  Ottokars  in  Osterreich,  die  Land- 
schreiber Konrad  und  Paltram,  zu  Gnaden  aufnehmen,  die  Stadt 
Wien  ihre  Anhänglichkeit  an  Ottokar  nicht  büfsen  lassen,  sondern 
ihr  ihre  alten  Freiheiten  bestätigen  und  schliefslich  auch  die  von 
Ottokar  eingesetzten  Kleriker  in  ihren  Pfründen  belassen,  beson- 
ders dessen  Protonotar  Ulrich  auf  seiner  Pfarre  in  Wien  ^), 

Nach  abgeschlossenem  Frieden  empfing  Ottokar  am  25.  No- 
vember auch  wirklich  die  Belehnung  mit  Böhmen  und  Mähren, 
und  am  26.  ratifizierten  die  beiden  Fürsten  das  Friedensinstru- 
raent,  wobei  Rudolfs  Sohn  Hartmann  für  Ottokars  Tochter  Kuni- 
gunde,  Ottokars  Sohn  Wenzel  für  eine  noch  zu  wählende  Tochter 
Rudolfs  bestimmt  wurde  ^).  Nun  erst  öffnete  Wien  dem  Sieger 
die  Tore,  und  König  Rudolf  konnte  am  29.  oder  30.  November 
seinen  Einzug  halten. 

Als  Vollstrecker  der  Reichsacht  hatte  König  Rudolf  den  Feldzug 
unternommen,  mit  Hilfe  der  Reichsfürsten  hatte  er  ihn  zum  guten 
Ende  geführt,  die  österreichischen  Länder  fielen  nach  dem  Spruche 
des  Reichstages  an  das  deutsche  Reich.  So  war  der  Weg,  den  der 
König  zu  gehen  hatte,  streng  vorgezeichnet  ^) : .  er  mufste  suchen, 
die  so  lange  entfremdeten  und  nunmehr  wieder  zurückgewonnenen 
Länder  dem  Reiche  wieder  anzugliedern.  Auf  diese  Weise  wurde 
auch  am  gründlichsten  mit  dem  vorhergegangenen  Regime  ge- 
brochen, auf  diese  Weise  jener  Geist  der  territorialen  Sonder- 
bestrebungen, der  hier  schon  seit  der  letzten  Babenberger  Zeit  ge- 
herrscht hatte,  wieder  zugunsten  der  allgemeinen  Reichsinteressen 
zurückgedränoct. 

Die  erste  wichtige  Regierungshandlung,  die  er  nach  er- 
folgtem Friedensschlüsse  vornahm,  war  die  Erlassung  eines  all- 
gemeinen Landfriedens  für  Osterreich,  Steiermark,  Kärnten,  Krain 
und    die    windische    Mark    am    2.  Dezember    1276,   der    in  Mo- 


1)  Böhmer-Eedlich,  Eegesten  623;  M.  G.  LL.  II,  407. 

2)  Vgl.  darüber  Eedlich,  Kudolf  von  Habsburg  S.  284,  Anm.  2. 

3)  Meine  Auffassung  weicht  hier  von  Eedlich  ab,  der  von  vorneherein 
Eudolfs  Streben  auf  die  Erwerbung  der  österreichischen  Länder  für  sein  Haus 
gerichtet  sieht.  Es  spricht  aber  dafür  fast  gar  nichts,  um  so  mehr  dagegen. 
Gedacht  mag  Eudolf  ja  immerhin  daran  haben. 


Österreich  als  wiedergewonnenes  deutsches  Reichsland,  551 

natsfrist  —  bis  zum  6.  Januar  1277  —  von  jedermann  beschworen 
werden  und  fünf  Jahre  —  bis  zum  25.  Dezember  1281  —  dauern 
sollte  ^).  Zunächst  sollte  damit  eine  notwendige  Ordnung  der 
Rechtsverhältnisse,  wie  sie  die  vorausgegangenen  Kriegswirren  und 
der  Wechsel  der  Herrschaft  bedingten,  erzielt  werden.  Die  Schä- 
den, die  seit  dem  24.  Juni  den  beiderseitigen  Dienern,  sowie  den 
Klöstern  und  Spitälern,  Witwen,  Waisen  und  Fremden  im  Kriege 
zugefügt  worden  sind,  sollen  ersetzt  werden.  Das  Gerichtsverfahren, 
insbesondere  die  Gerichtsvorladung  wird  geregelt.  Totschläge  wor- 
den entsprechend  den  Kriegszeiten  milder,  willkürhche  Pfändungen 
strenger  bestraft.     Neue  Mauten  und  Zölle  sind  aufzuheben. 

Der  Landfriede  sollte  aber  auch  Bresche  legen  in  die  politische 
Organisation  des  Landes,  wie  sie  sich  König  Ottokar  geschaffen 
hatte.  Es  sollte,  wie  es  gleich  in  der  Arenga  der  Urkunde  heifst, 
„der  alte  gute  Zustand  wiederhergestellt,  Neues  verbessert  werden". 
Darum  wurde  alles,  was  von  dem  König  von  Böhmen  oder  seinen 
Beamten  mit  Gewalt  oder  Furcht  erzwungen  worden  war,  für  un- 
gültig erklärt  und  des  Landes  Recht  und  Herkommen  wiederher- 
gestellt. Und  ferner:  alle  durch  den  König  von  Böhmen  wider- 
rechtlich gebrochenen  Burgen  können  wieder  aufgebaut  werden, 
überhaupt  wird  der  Burgen  bau  wieder  freigegeben,  sofern  nur  die 
Entfernung  zwischen  zwei  Burgen  über  eine  Meile  beträgt. 

Man  sieht  also  sonnenklar,  wem  zuliebe  die  Neuordnung  der 
Dinge  erfolgte:  die  Landherren,  die  Grafen,  Freiherren  und  Mi- 
nisterialen, die  König  Ottokar  während  der  letzten  fünfzehn 
Jahre  seiner  Regierung  so  energisch  zurückgedrängt  und  nieder- 
gehalten hatte,  sollten  jetzt  wieder  die  Oberhand  gewinnen  und 
ihre  alte  Machtstellung,  womöglich  noch  in  erhöhtem  Mafse,  wieder 
erlangen.  Darum  vor  allem  die  Entfernung  eines  Punktes  der  Otto- 
karischen Gesetzgebung,  nämlich  Einschränkung  des  Burgenbaues, 
der,  wie  wir  wissen,  seinerzeit  am  meisten  böses  Blut  gemacht  hatte. 
Auch  andere  Bestimmungen  des  Landfriedens  lauteten  zugunsten 
der  Landheri'en,  so  die  bezüglich  ihrer  Gewalt  über  Untertanen, 
Eigenleute  und  Muntmannen,  die  zugleich  ein  Abströmen  derselben 
in  die  Städte  verhindern  sollten. 


1)  Schwind-Dopsch,  Ausgew.  Urkunden  S.  106. 


553  Vioruiulzwanzigstes  Kapitel. 

ÄlaQ  wird  sich  über  die  offenkundige  Begünstigung  nicht 
wundern :  der  Landfriede  war  nämHch,  abgesehen  von  den  Fürsten 
des  Reiches,  mit  Zustimmung  der  Grafen,  Freiherren  und  Mini- 
sterialen, und  zwar  charakteristischerweise  nur  dieser,  nicht  aber 
auch  der  Prälaten,  oder  etwa  der  Kitter  und  Städte  gegeben. 
Und  damit  er  sich  ja  auch  schon  äufserlich  von  seinen  Vor- 
gängern unterscheide,  so  wurde  für  diesen  Landfrieden  wieder  auf 
die  lateinische  Sprache  zurückgegriflfen;  während  sie  bei  der  Land- 
friedensgesetzgebung im  allgemeinen  bereits  seit  etwa  25  Jahren 
aufser  Gebrauch  war  ^). 

Als  dann  bald  darauf,  wohl  auch  noch  im  Laufe  des  Monats 
Dezember,  König  Rudolf  die  wichtige  Verfügung  traf,  dafs  im 
Falle  seines  Ablebens  Pfalzgraf  Ludwig  die  Obhut  über  Oster- 
reich und  Steiermark  übernehmen  solle,  erfolgte  sie  gleichfalls 
mit  Zustimmung  der  Fürsten  des  Reiches  und  der  Edlen  von 
Osterreich  und  Steiermark;  beschworen  haben  sie  allerdings  aufser 
diesen  auch  die  Städte  ^).  Wir  sehen  also  bereits  hier  wichtige 
Regierungshandlungen  an  die  Zustimmung  des  höheren  Adels  ge- 
bunden, was  dann,  wie  wir  noch  hören  werden,  zur  Einsetzung 
eines  eigenen  Rates  l'ührte. 

Anfangs  suchte  Rudolf  den  Adel  auch  durch  persönliche 
Gnadenbeweise  zu  gewinnen.  Gleich  die  erste  Urkunde  auf  öster- 
reichischem Boden  galt  Gundakar  von  Starhemberg  —  er  belehnt 
ihn  charakteristischerweise  entgegen  den  Grundsätzen  Ottokars  mit 
der  Vogtei  über  Lambach  — ,  andere  Ulrich  von  Kapellen  und 
dem  Kämmerer  Otto  von  Perchtoldsdorf.  Allerdings  nahm  er 
auch  unbedenklich  ihre  Geld-  oder  Naturalunterstützung  in  An- 
spruch, wie  eben  von  dem  Kapeller  ^)  oder  später  von  Otto  von 
Haslau.  Mit  dem  Landfrieden  schien  zunächst  die  könighche 
Gnade  erschöpft  zu  sein. 

Zahlreicher   waren    die   Gunstbezeugungen  für   die    Städte  *)^ 

1)  Van  CS  a,  Erstes  Auftreten  der  deutschen  Sprache  in  Urkunden  S.  G. 

2)  Böhmer-Eedlich,  Eegesten  649. 

3)  Böhmer-Eedlich,  Eegesten  607,  610,  617,  915,  978;  ÜB.  d.  L.  o. 
d.  Enns  III,  443,  344;  Chmel,  Eeg.  Frid.  III.  Anh.  S.  117  (Bestätigung 
von  1465). 

4)  Böhmer-Eedlich,  Eegesten  608,  609,  614,  616,  685,  787,  811,  832, 


Österreich  als  wiedergewonnenes  deutsches  Reichsland.  553 

die  ja  auch  unter  Ottokar  erst  spät  und  nur  spärlich  sich  der 
landesfürstUchen  Huld  erfreut  hatten.  Veranlassung  bot  einerseits 
ihr  so  entgegenkommendes  Verhalten  beim  Einmärsche  des  deut- 
schen Königs,  andererseits  die  finanzielle  Unterstützung,  welche 
die  Städte  König  Rudolf  in  ganz  hervorragendem  Mafse  liehen. 
So  erhielten  Enns  und  TuUn,  die  als  die  ersten  übergegangen  waren, 
das  eine  am  15.  Oktober  1276  die  Bestätigung  der  Privilegien 
Leopolds  und  Friedrichs,  sowie  Zoll-  und  Mautfreiheit  in  ganz 
Österreich,  das  andere  am  30.  Oktober  gleichfalls  Privilegien- 
bestätigung mit  besonderer  Hervorhebung  der  Gerichtsbarkeit 
(Stadt-,  Vogt-  und  Burgtaiding) ,  der  Marktfreiheiten,  des  Schiffs- 
zolles, der  Weineinfuhr,  der  Schiffahrt  und  Fischerei.  Die  Bürger 
sollten  königliche  Bürger  sein  (cives  regii).  Bei  einer  Reihe  von 
Städten  war  die  Fürsorge  für  ihre  wichtigen  Festungswerke  bei  der 
Privilegierung  mafsgebend.  Bei  der  Überlassung  von  Mauteinkünften 
an  Brück  an  der  Leitlia  am  2.  November  1276  und  Krems  am  12.  Juni 
1277  und  bei  der  Verleihung  von  Steuerfreiheit  an  Eggenburg  am 
11.  August  1277  wird  dies  ausdrücklich  hervorgehoben,  doch  ist 
auch  bei  anderen  Privilegienverleihungen  derselbe  Grund  mit- 
bestimmend, so  bei  Laa  an  der  Thaya,  in  dessen  Privilegien- 
bestätigung vom  8.  Juli  1277  Bestimmungen  über  die  Einsetzung 
des  Stadtrichters,  über  den  Weinausschank,  über  die  Dienstpflicht 
der  Bürger  und  der  Juden  und  über  das  Recht  der  Geschworenen 
getroffen  werden;  bei  der  Bestätigung  des  Stapelrechtes  für  Frei- 
stadt vom  26.  Juli  1277,  bei  der  Bewidmung  Eggenburgs  mit  den 
Wiener  Rechten  am  13.  August  1277.  Die  verschiedenen  Be- 
günstigungen der  Stadt  Wiener  Neustadt  entsprangen  der  Er- 
kenntlichkeit für  ein  Darlehen  von  1000  Pfund,  das  sie  Rudolf  zu 
rechter  Zeit  gegeben  hatte.  Zui'  Deckung  wies  er  sie  zunächst  am 
10.  Februar  1277  auf  den  Schlagschatz  der  Neustädter  Münz- 
stätte. Am  22.  November  1277  erhielt  sie  dann  ein  umfassendes 
Privileg,  worin  das  Beweisverfahren  wegen  Totschlages,  der  Schutz 


845;  ÜB.  d.  L.  o.  d.  Enns  III,  444,  445;  Kerschbaumer,  Geschichte  der 
Stadt  TuUn  S.  317;  Kretschmayer  in  Blätter  des  Vereins  für  Landeskunde 
XXXIV,  190,  1900;  XXXV,  133,  1901;  Rauch  SS.  III,  357;  Mitteüungen 
des  Institutes  XXV,  328,  1904  (Redlich);  Winter,  Urkundliche  Beiträge 
S.  29  (aus  späterer  deutscher  Übersetzung);  Uß.  d.  L.  o.  d.  Enns,  III,  474. 


054  Vionindzwanzigstes  Kapitel. 

für  diejenigen,  die  den  Boden  der  Stadt  betreten,  Erlöschen  der 
Hörigkeit  durch  einjähriges  Bürgerrecht,  Ersatz  des  Kampfrechtes 
durch  einen  Reiuigungseid ,  Gerichtsstand  nach  Wiener  Recht, 
Appellatiousrecht,  MarktpoHzei,  Erbrecht,  Maut-  und  Zollfreiheit, 
Klage,  Testierungsrecht ,  Befreiung  vom  Strandrecht,  freie  Ver- 
fügung über  Lehen,  Überwachung  von  Toren  und  Türmen,  Be- 
freiung vom  Stellen  von  Geiseln,  Gleichheit  und  Allgemeinheit 
des  Rechtes,  Einsetzung  des  Richters,  Verfahren  bei  Kontrakt- 
bruch, Verbot  des  Erwerbes  ungarischer  Weingärten  oder  der 
Einfuhr  ungarischen  Weines  neu  hinzugefügt  wurden.  Endlich 
am  4.  Dezember  1277  wurde  die  Stadt  von  allen  Diensten  und 
Abgaben  auf  vier  Jahre  befreit  *). 

Eigentümlich  war  die  Stellung  König  Rudolfs  gegenüber 
Wien  2).  Ihr  hatte  er  keine  bereitwillige  Unterwerfung,  keinen 
Dienst  zu  danken,    aber  der  Friede    mit  Ottokar    vom  November 

1276  verband  ihn  ausdrücklich  zur  Bestätigung  der  alten  Wiener 
Privilegien.  Diese  wiesen  aber  zurück  auf  die  Privilegien  Kaiser 
Friedrichs  IL  von  1237  und  1247,  die  Wien  zu  einer  reichs- 
unmittelbaren Stadt  gemacht  hatten,  vmd  es  mochte  noch  so 
manche     Bürger     geben,     welche     diese    Ehrenstellung     zurück- 

1)  Böhmer-Eedlich,  Eegesten  891,  895;  Winter,  Urkundliche  Bei- 
träge S.  32  und  Eedlich,  Kudolf  von  Habsburg,  Anhang  S.  757.  Im  Archiv 
für  österreichische  Geschichte  LX,  113  u.  178  spricht  Winter  die  Vermutung 
aus,  dafs  die  Wiener  Neustädter  damals  die  Fälschung  eines  Leopoldinums  her- 
gestellt und  dem  König  vorgelegt  hätten ,  die  aber  dieser  nicht  bestätigt  habe. 
Darüber  und  über  den  Versuch  des  Marktes  Aschbach,  sich  damals  das  Ennser 
Stadtrecht  zu  verschaffen  siehe  jetzt  Mitis  im  Jahrbuch  für  Landeskunde  von 
Niederösterreich  III,  226,  1904. 

2)  Ich  folge  in  dieser  verworrenen  Frage  unbedingt  Eedlich  gegenüber 
Heinrich  Schuster  in  der  Geschichte  der  Stadt  Wien,  hgg.  vom  Altertums- 
vereine I,  326  f.  Dafs  eine  erste  Privilegienverleihung  der  erhaltenen  Fassung 
vom  24.  Juni  1278  voranging,  hat  zuerst  Eieger,  Beiträge  zur  Kritik  der 
Wiener  Stadtrechtsprivilegien  (Progr.  des  Franz  Josefsgymnasiums  in  Wien  1879) 
dargetan  und  Eedlich  (Mitt.  d.  Inst,  f,  österr.  Gesch.  XII,  55)  näher  präzisiert. 
Sie  ist  auch,  abgesehen  davon,  dafs  Eudolf  diese  wichtige  Friedensbedingung  er- 
füllt haben  wird,  durch  das  erwähnte  Privileg    für  Eggenburg   vom   13.  August 

1277  (siehe  oben  S.  551),  in  welchem  sich  ein  direkter  Hinweis  auf  das 
Wiener  Privileg  befindet,  ziemlich  sichergestellt.  Vgl.  Böhmer-Eedlich, 
Eegesten  803,  974,  975  und  Eedlich,  Eudolf  von  Habsburg  S.  346  und  be- 
sonders den  Exkurs  S.  751. 


Österreich  als  wiedergewonnenes  deutsches  Eeichsland.  555 

Zugewinnen  strebten.  Und  Rudolf,  obwohl  damals  bereits  mit 
weitergehenden  Plänen  beschäftigt,  konnte  in  diesem  Stadium 
seiner  Politik  als  Reichsoberhaupt  auch  nichts  anderes  tun,  als 
die  Reichsunmittelbarkeit  Wiens  zu  erneuern.  Wie  dies  bei  wich- 
tigen Privilegien  so  häufig  der  Fall  war,  scheint  auch  hier  der 
Empfänger,  die  Wiener  Bürgerschaft,  zuerst  einen  Entwurf  ihrer 
Wünsche  ausgearbeitet  und  der  königHchen  Kauzlei  vorgelegt  zu 
haben,  woraus  dann  eine  Redaktion  für  die  Ausfertigung  zu- 
sammengestellt und  Ende  Juni  oder  Anfang  JuU  1277  vom  König 
bestätigt  wurde.  Sie  dürfte  wie  die  spätere,  uns  erhaltene  Re- 
daktion mit  teilweiser  Benutzung  der  uns  schon  bekannten  älteren 
Privilegien  Bestimmungen  über  die  Ernennung  des  Stadtrichters, 
über  die  Freiheit  der  Bürger  von  Abgaben,  dagegen  Verpflich- 
tung zum  Kriegsdienst,  über  die  Ausschliefsung  der  Juden  von 
öfifentlichen  Ämtern,  über  die  Schule,  über  Recht,  Gericht  und 
Lehen,  den  Stadtrat,  Verbot  des  Burgenbaues  und  der  Muntmann- 
schaft,  Notverkäufe  durch  Einzelstehende,  über  erschlichene  Verlöb- 
nisse und  die  Burgmaut  enthalten  haben. 

Wichtig  für  die  spätere  Entwickelung  ist,  dafs,  wie  wir  bereits  bei 
der  Einsetzung  des  Pfalzgrafen  zum  Reichsvikar  in  Osterreich  gesehen 
haben,  neben  den  Landherren  auch  die  Städte  jetzt  zur  Zustimmung 
zu  bedeutenden  Regierungshandlungen  herangezogen  wurden. 

Am  zahlreichsten  sind  die  Grunstbezeugungen  König  Rudolfs 
für  die  Klöster.  Er  mufste  eben  durch  seine  Munifizenz  das  An- 
denken ihres  so  ungemein  freigebigen  Wohltäters  Ottokar  zu 
verdrängen  suchen  ^). 

1)  So  erhielten  denn  in  den  ersten  anderthalb  Jahren  nachfolgende  Klöster 
mehr  oder  weniger  weitgehende  Begünstigungen:  Seitenstetten  (Privilegien-  und 
Schenkungsbestätigung  vom  21.  Dezember  1276;  Böhmer-Redlich,  Eegesten 
644),  Heiligenkreuz  (Steuerfreiheit  für  einzelne  Häuser,  Mautfreihoit  für  Salz  und 
Wein  vom  22.  Dezember  1276,  17.  und  18.  Januar  1277;  Regesten  645,  646, 
€69,  671),  Garsten  (Privilegienbestätigung  vom  25.  Dezember  1276 ;  Regesten  647), 
Wilhering  (Privilegienbestätigung  und  Schiedsspruch  vom  13.  Januar  und  22.  April 
1277  ;  Regesten  667,  668,  745),  Ardagger  (Privilegienbestätigung  vom  13.  Februar 
1277;  Regesten  687),  Niederaltaich  (Privilegien-  und  Besitzbestätigung,  Verbot 
des  Untervogtes  vom  22.  März  1277 ;  Regesten  722—724),  Schotten  (Bestätigung 
der  Befreiung  von  Landding  und  Marchfutter  vom  24.  März  1277 ;  Regesten  728), 
Lambach  (Bestätigung  der  Befreiung  von  Vogteiabgaben  vom  3.  April  1277; 
Regesten  734),  Baumgartenberg  (Bestätigung  der  Zollbefreiung  vom  23.  Mai  1277; 


556  Vionmdzwanzi^'stes  Küjutcl. 

Noch  weit  grofsere  Konzessionen  mufste  er  den  Hochkirchen 
machen,  wie  ich  später  im  Zusammenhange  zeigen  werde. 

Suciite  Rudolf  von  Ilabsburg  auf  die  geschilderte  Weise  sich 
mit  den  iStiinden  des  Landes  und  insbesondere  mit  den  von  Ottokar 
unterdrückten  auf  den  besten  Fufs  zu  stellen,  indem  er  sie  aua 
ihrer  territorialen  Beschränkung  in  den  Reichsverband  zu  ziehen 
schien ,  so  trachtete  er  andererseits  in  bezug  auf  das  Gerichtswesen 
wieder  eine  grofsere  ZentraHsation  herzustellen  anstatt  der  reicheren 
Gliederung  unter  seinem  Vorgänger.  Die  vier  Landrichter  liefs  er 
zwar  bestehen,  doch  hielt  er  in  Wien  zumeist  selbst  das  Gericht. 

Unverändert  übernahm  Rudolf  die  ausgezeichnete  Finanz- 
verwaltung Ottokars,  ja  er  beliefs  sogar  die  beiden  Landschreiber 
Konrad  von  Tulln  und  Gozzo  von  Krems  auf  ihren  wichtigen 
Posten.  Sie  waren  jetzt  eigentlich  Reichsbeamte  und,  da  nicht 
immer  die  Geldangelegenheiten  Österreichs  von  denen  des  Reiches 
geschieden  werden  konnten,  Schatzmeister  des  Reiches. 

Rudolf,  in  dieser  ersten  Periode  seines  Imperiums  stets  in 
Geldverlegenheiten,  brachte  zwei  finanzielle  Neuerungen  mit,  die 
bisher  in  Österreich  noch  verhältnismäfsig  wenig  zur  Anwendung 
gekommen  waren:  Verpfändungen  und  Steuern,  Erstere  nehmen 
jetzt  unter  den  Urkunden  einen  breiten  Raum  ein.  Das  Steuer- 
wesen war  in  den  habsburgischen  Stammlanden  sehr  ausgebildet  und 
nach  diesem  Muster  führte  Rudolf  im  Jahre  1277  in  Österreich  eine 
aufserordenthche    allgemeine   Grundsteuer   ein,   nach   der   ein  Hof 

Kegesten  775),  Melk  (Gewähriibertragung  vom  28.  August  1277;  Eegesten  849), 
Lüienfeld  (Privilegienbestätigung,  besonders  Befreiung  von  Landgericht  und  Zoll 
vom  2G.  September  1277;  Regesten  865),  endlich  die  Frauenklöster  zu  Minnbacb 
(Imbach),  (Holzprivileg;  Kriminalgerichtsbarkeit;  Zoll-  und  Mautfreiheit  vom  17. 
und  18.  Februar  1277;  Regesten  694,  699,  700),  Wien  (St.  Nikolaus)  (Maut- 
freiheit für  Salz  vom  18.  Februar  1277 ;  Eegesten  701)  und  Laa  (Schutzprivileg 
1277;  Regesten  876),  die  Ritterorden  der  Johanniter  (Die  Kommende  Mailberg 
BesitzbestlitiguDg  vom  18.  Dezember  1276;  Regesten  643;  die  Kommende  Wien 
desgleichen  vom  5.  Juli  1277;  Regesten  810),  des  Deutsehordens  (Schutzprivileg 
vom  1.  März  1277;  Regesten  710),  und  seine  besonderen  Helfer,  die  Minoriten 
(vgl.  den  Brief  des  Minoritengenerals  Hieronymus  von  Ende  1277;  Regesten  905; 
Redlich,  Wiener  Briefsammlung  S.  116)  und  Dominikaner  (Schenkung  von 
Bauholz  für  die  Dominikaner  in  Krems  vom  12.  Februar  1277;  Regestea  685; 
desgleichen  für  die  in  Wien  vom  11.  Februar  1278;  Regesten  925;  bezüglich 
der  Dominikanerinnen  in  Minnbach  siehe  oben). 


Österreicli  als  wiedergewonnenes  deutsches  Eeichsland.  557 

€0  Pfennige,  eine  Hofstatt  12  Pfennige,  ein  Joch  Weinberg,  eine 
Hufe  und  ein  Mühlrad  30  Pfennige  zahlen  mufste  ^).  Aufserdem 
wurde  von  den  Bistümern  und  ihren  Gütern  eine  Kriegssteuer  ^), 
von  den  Städten  die  schon  unter  den  Babenbergern  üblichen  regel- 
mäfsigen  Abgaben  eingehoben  ^). 

Zu  den  finanziellen  Mafsregeln  Rudolfs  von  Habsburg  ge- 
hörten auch  seine  Verfügungen  über  die  Münze.  Dabei  ist  zu 
rühmen,  dafs  er  seine  Macht  nicht  gleich  anderen  Fürsten  jener 
Zeit  mifsbrauchte  und  namentlich  von  der  Münzerneuerung  nur  spar- 
samen Gebrauch  machte.  Er  wandte  sie  nur  im  Juli  1277  und 
dann  erst  wieder  1281  an.  Überdies  liefs  er  die  privilegierte 
Hausgenossenschaft  der  Münzer  in  Wien  nicht  nur  bestehen, 
sondern  bestätigte  und  erweiterte  alle  ihre  Rechte  am  16.  Juli 
1277  *),  wodurch  die  Wiener  Münze  einen  entschiedenen  Vorrang 
gegenüber  den  anderen  österreichischen  Prägungen  (in  Enns  und 
Wiener  Neustadt)  gewann,  gewifs  ein  wirtschaftlicher  Vorteil. 

Rudolfs  Regierungsweisheit  war  darauf  gerichtet,  sich  recht 
viele  kapitalkräftige  Elemente  als  Stützen  zu  schaffen.  Das  be- 
zweckte die  Privilegierung  der  Wiener  Münzer  Hausgenossen,  das 
bezweckte  auch  die  Erneuerung  des  Friderizianischen  Judenprivilegs 
vom  4.  März  1277  ^). 

Was  immer  aber  Rudolf  von  Habsburg  in  diesen  ersten 
anderthalb  Jahren  seines  Aufenthaltes  in  Österreich  verfügte,  alles 
zeigt  das  bewunderungswürdige  Geschick,  sich  trotz  der  Neuheit 
<lcr  ganzen  Situation,  die  nicht  durchweg  sympathisch  sein  mochte, 
Boden  zu  gewinnen.  Und  bald  sollte  es  klar  werden,  wie  dringend 
notwendig  dies  war,  denn  der  Friede  selbst  erwies  sich  als  ein 
schwankes  und  gebrechliches  Rohr. 

Zur  Belehnung    freihch   hatte    sich  Ottokar  von  Böhmen    be- 

1)  Histor.  annor.  1264—1279  (M.  G.  SS.  IX,  653);  Cont.  Claustron.  VI 
(a.  a.  0.  S.  648)  und  Cont.  Zwettl.  III  (a.  a.  0.  S.  657). 

2)  Seh  wind- Dop  seh,  Ausgew.  Urk.  S.  110. 

3)  Dafür  'erhielten  einige  Städte  Befreiungen  davon  (siehe  oben  S.  551). 
Eine  eingehende  Geschichte  der  Steuern  in  Österreich  von  Levec  wird  demnächst 
als  2.  Band  der  „Forschungen  zur  inneren  Geschichte  Österreichs"  erscheinen. 

4)  Böhmer-Eedlieh,  Regesten  821;  Seh  wind-Dopsch  a.  a.  0.  S.  112. 

5)  Böhmer-Redlich,  Regesten  711;  Kurz,  Österreich  unter  Ottokar 
II,  185. 


558  Vicniiulzwanzigstes  Kapitel. 

quemen  müssen,  weil  sonst  der  Friedensvertrag  überhaupt  nicht 
perfekt  geworden  wäre,  mit  der  Erfüllung  der  anderen  Bedingungen 
beeilte  er  sich  jedoch  durchaus  nicht.  Insbesondere  glaubte  er 
von  der  Verplandung  der  4000  Mark  Einkünfte  im  Lande  nörd- 
lich der  Donau  bereits  jetzt  einen  Besitzanspruch  ableiten  zu 
können  und  machte  keine  Anstalten,  dieses  von  ihm  ohnehin  be- 
setzte Gebiet  zu  räumen.  Ebenso  weigerte  er  sich,  Ilainburg,  das  er 
bekanntlich  mit  der  Babenbergerin  ]\Iargareta  erheiratet  hatte,  sowie 
Eger,  angeblich  das  Heiratsgut  seiner  Mutter  Kunigunde,  der 
Tochter  Phihpps  von  Schwaben,  herauszugeben,  luid  behielt  auch, 
trotzdem  Ungarn  ausdrücklich  in  den  Frieden  mit  einbezogen  war^ 
seine  ungarischen  Eroberungen  ^). 

Rudolf  ergriff  gegen  diesen  passiven  Widerstand  Repressalien. 
Er  machte  Miene,  das  Land  nördlich  der  Donau  gewaltsam  zu 
nehmen ,  und  liefs  auch  tatsächlich  die  Burgen  Pernegg  und 
Weikartschlag  besetzen.  Da  Ottokar  auch  die  Geiseln  nicht  ent- 
liefs,  so  entfei^nte  Rudolf  Ottokars  Protonotar  von  dessen  Pfarre 
Wien,  und  schlielslich  liefs  er  zu  Ende  des  Jahi'es  durch  die  Fürsten 
den  ganzen  Frieden  unter  Hinweis  auf  die  Nichterfüllung  seiner  Be- 
dingungen durch  Ottokar  für  ungültig  erklären'^).  Ottokar  antwortete 
damit,  dafs  er  sich  wieder  Herzog  von  Osterreich  und  Steiermark 
nannte.  In  den  ersten  Wintermonaten  des  Jahres  1277  herrschte 
tatsächlich  Kriegszustand,  und  nur  die  Jahreszeit  und  der  Mangel 
an  entsprechenden  Vorbereitungen  verhinderten  einen  neuen  Feldzug. 
Man  begnügte  sich  mit  Verwüstungen  und  Plünderungen  von 
Seiten  der  Böhmen  in  Österreich,  von  selten  der  Österreicher  in 
Mähren,  und  es  gelang  den  letzteren,  die  Böhmen  fast  ganz  au& 
Österreich  hinauszudrängen. 

Dennoch  scheinen  weder  Ottokar  noch  Rudolf  vorläufig  den 
Zeitpunkt  zu  einer  Entscheidung  mit  den  Waffen  für  gekommen 
erachtet  zu  haben.  Schon  Anfang  April  1277  ist  Bischof  Bruno  von 
Olmütz  wieder  in  Wien,  Burggraf  Friedrich  von  Nürnberg  am 
Hofe  Ottokars,  um  neue  Verhandlungen  anzuknüpfen,  und  am 
6.  Mai  kam  ein  neuer  Vertrag  zustande,  der  eine  wesentliche 
Klärung  der  strittigen  Punkte  bedeutete,  aber  allerdings  auch  eine 

1)  Böhme r-Eedlich,  Regesten  634,  639. 

2)  a.  a.  0.  S.  648,  656  a. 


Österreich  als  wiedergewonnenes  deutsches  Eeichsland.  55 9( 

weitere  Einbufse  Ottokars.  Denn  nunmehr  wurde  ihm  Österreich 
vollständig  abgesprochen.  Von  den  zwei  Heiratsplänen  wurde  nur 
der  eine  —  die  Namen  blieben  vorläufig  in  der  Schwebe  — ■  auf- 
rechterhalten und  als  Mitgift  das  Egerland  bestimmt.  Die  Be- 
gnadigung der  beiderseitigen  Helfer  wurde  nochmals  eindringlich 
ausbedungen  '). 

Für  die  Erfüllung  des  letzteren  Punktes  setzte  man  sich  auch 
in  mehreren  Einzelfällen  noch  weiter  lebhaft  ein  ^),  denn  die  Durch- 
führung verzögerte  sich  vielfach  noch  wochen-,  ja  monatelang,  so 
dafs  man  die  Bedingung  am  12.  September  anläfslich  eines  Ver- 
trages, der  die  Rechtsstellung  des  Königs  von  Böhmen  zum  Reiche 
regelte,  zu  erneuern  sich  genötigt  sah^),  in  manchen  Fällen  trat 
sie  gar  nicht  ein,  wie  z.  B.  bezüglich  Ulrichs,  des  Pfarrers  von 
Wien  ^).  Mit  besserem  Erfolge  verwendete  sich  Ottokar  für  einen 
anderen  Günstling,  zugleich  seinen  Historiographen,  Heinrich  von 
Hainburg,  dem  er  seine  Pfründe,  die  Pfarre  Gmünd,  wieder  ver- 
schaffte^), sowie  für  Heinrich  Preufsel '^)  und  Herward  Tausend- 
pfund ^).  Ottokar  seinerseits  entliefs  die  Geiseln,  die  sich  in  seiner 
Gewalt  befanden,  darunter  Gozzo  von  Krems,  erst  gegen  Ende 
Juni,  wahrscheinlich  nachdem  von  der  Gegenseite  die  Friedens- 
bedingungen so  ziemlich  vollständig  erfüllt  worden  waren.  Auch 
Wien  scheint  eben  erst  damals  gemäfs  dem  Novembervertrag  sein 
Stadtrecht  erhalten  zu  haben.  Strittig  blieb  nur  ein  Gebiet,  das 
Heinrich  von  Kuenring  besetzt  hielt  und  das  Ottokar,  obwohl 
Heinrichs  Sohn  seine  natürliche  Tochter  Elisabeth  zur  Frau  hatte, 
für  Böhmen  in  Anspruch  nahm  ^). 

Dennoch  waren  es  die  Kuenringer,  die  bei  dem  österreichischen 
Adel,  Paltram  und  sein  Anhang,  die  in  Wien  wieder  für  Ottokars 

1)  M.  G.  LL.  II,  413,  415. 

2)  Böhmer-Redlich,  Eegesten  757,  820  und  die  gleich  folgenden  Zitate. 

3)  M.  G,  LL.  II,  419.  Vgl.  bezüglich  der  diplomatischen  Erklärung 
Böhmer-Eedlich,  Eegesten  820. 

4)  Emier,  Eeg.  Boh.  II,  448. 

5)  Eedlich,  Wiener  Briefsammlung  S.  89.  Vgl.  auch  Böhmer-Eedlich, 
Eegesten  870. 

6)  a.  a.  0.  S.  869,  885;  Emier,  Eeg.  Boh.  II,  460,  461. 

7)  Eegesten  778;  Wiener  Briefsammlung  S.  90. 

8)  Eegesten  800;  Emier,  Eeg.  Boh.  II,  448. 


560  Viorundzvvanzigstos  Ktipitel. 

Sache  insgeheim  arbeiteten.  An  Unzufriedenen  und  Unbefriedigten 
mochte  ja  kein  Mangel  sein,  denn  es  war  bereits  klar  geworden, 
dals  es  mit  der  Kcichsunmittelbarkeit  nicht  lange  währen  und  dafs 
vielmehr  in  der  Person  eines  der  Söhne  Rudolfs  bald  ein  neuer 
Landesfürst  kommen  würde.  Noch  mehr  böses  Blut  machten  die 
Steuern.  Es  kam  zu  einer  Verschwörung  in  Osterreich,  deren 
Fäden  auch  nach  Ungarn  liinübergesponnen  wurden,  indem  Johann 
von  Güssing  einen  gleichzeitigen  Einfall  in  ( )sterreich  und  Steier- 
mark machte. 

Schon  hatte  Ottokar  umfassende  Vorbereitungen  getroffen,  um 
die  günstige  Situation  auszunutzen.  Zu  Herzog  Heinrich  von 
Niederbayern,  der  sich  durch  manche  Eingriffe  Rudolfs  in  die 
oberösterreichischen  Angelegenheiten  in  seinem  Pfändbesitz  für 
beeinträchtigt  halten  mochte,  hatte  er  neue  Beziehungen  angeknüpft, 
mit  den  polnischen  Fürsten  und  dem  Brandenburger  Bündnisse 
geschlossen,  an  Ungarn  war  er  aufs  neue  herangetreten,  und  am 
Rheine  warb  böhmisches  Gold.  Interessant  ist,  dafs  man  jetzt, 
während  früher  deutsches  Wesen  und  deutsche  Kultur  in  Böhmen 
eifrig  gefordert  wurden,  mit  einem  Male  das  nationale  Moment  hervor- 
kehrte. Das  Zisterzienserkloster  Goldenkron  will  Ottokar  aus  dem 
Verbände  von  Heiligenkreuz  lösen  ^),  und  es  war  die  Rede  von  der 
Notwendigkeit  desZusammenschlusses  aller  slawischen  Elemente  gegen 
die  Deutschen  -).    Als  Termin  der  Heerfahrt  wurde  der  Juli  bestimmt. 

Da  verdarb  den  ganzen  Plan  die  Ungeduld  Heinrichs  von 
Kuenring,  der  schon  Ende  April  oder  Anfang  Mai  im  Nordwesten 
Österreichs  zu  rauben  und  zu  plündern  begann.  So  wurde  König 
Rudolf  aufmerksam,  und  die  ganze  Verschwörung  kam  an  den 
Tag.  Die  Güter  der  Kuenringer  und  der  Vatzonen  wurden  kon- 
fisziert, Paltram  vor  dem  Freithof,  sein  Bruder  und  seine  sechs 
Söhne  zum  Tode  verurteilt,  ihre  Nachkommen  als  rechtlos  erklärt  ^). 

1)  Emier,  Eeg.  Boh.  11,  464. 

2)  a.  a.  0.  II,  466.  Dafs  diese  nur  im  Formelbuch  des  Heinrich  von  Isernia 
überlieferte  Urkunde  keine  wirkliche  Urkunde  Ottokars  ist,  wie  Redlich  annahm, 
sondern  nur  im  allgemeinen  als  Zeugnis  für  die  damalige  öffentliche  Meinung 
verwendet  werden  kann,  darüber  siehe  No  väk  in  Cesky  casopis  historicky  IX,  46. 

3)  Ann.  Saüsburg.  (M.  G.  SS.  IX,  802);  Thomas  Tuscus  (a.  a.  0.  XXH, 
526).  Vergabungen  der  konfiszierten  Güter  Paltrams  und  des  Kuenringers  Böhmer- 
üediich,  Regesten  952,  973,  989,  1072.     Vgl.  auch  953.  —  Die  Zeitbestim- 


Österreich  als  wiedergewonneneB  deutsches  Eeichsland.  561 

Sie  entzogen   sich   der  Strafe    durch   die   Flucht  und   fanden   bei 
Herzog  Heinrich  von  Niederbayern  Aufnahme  ^). 

Die  Stadt  Wien  hatte  sich  diesmal  durch  die  Umtriebe  Pal- 
trams vor  dem  Freithof,  Paltrams  am  Holzmarkt  (Witmarkt),  Pal- 
trams Vatzo  und  anderer  Patrizier  nicht  zum  Abfall  verleiten 
lassen.  Rudolf  erneuerte  ihr  daher  zum  Danke  das  Privilegium 
der  Reichsunmittelbarkeit  am  24.  Juni  1278  in  doppelter  Aus- 
fertigung, machte  aber  die  Dauer  der  Gültigkeit  davon  abhängig, 
dafs  in  Hinkunft  mit  der  geächteten  Familie  Paltrams  keinerlei 
Verbindungen  mehr  angeknüpft  würden  ^).  Auch  verstärkte  der 
König  die  Besatzung  und  seine  Wache  ^). 

Im  Kuenringer  Gebiet  scheint  aber  das  Feuer  der  Empörung 
weiter  geglommen  zu  haben,  vielleicht  trotzte  Heinrich  von  Kuen- 
ring  auch  nach  seiner  Absetzung  von  dem  Posten  eines  Marschalls 
und  nach  der  Güterkonfiskation  dem  Spruche  des  Hofgerichtes. 
Tatsache  ist,  dafs  Ottokar  im  Juni  bewaffnete  Scharen  in  diese 
Gegenden  schickte,  welche  die  Stadt  Gmünd  und  die  Marienkirche 
in  Waidhofen  an  der  Thaya  in  Brand  steckten;  1722  Einwohner, 
abgesehen  von  Fremden,  sollen  dabei  ums  Leben  gekommen 
sein  •*).  Und  als  dann  Ottokar  um  die  Mitte  Juli  den  Krieg 
förmlich  eröffnete  und  die  Grenze  mit  seinem  Heere  überschritt, 
wandte  er  sich  zuerst  nach  diesem  Gebiet,  wo  er  einen  raschen 
Erfolg  erhoffte,  und  gab  sich  der  Zuversicht  hin,  dafs  die  Städte 
ihm  die  Tore  öffnen  würden  ^).  Wie  so  oft  in  seinem  Leben, 
täuschte    er    sich    auch    diesmal.      Über    zwei    Wochen    lag    er 

mung  ergibt  sich  aus  Eegest  934  vom  16.  April,  wo  Heinrich  von  Kuenring 
noch  als  Marschall  genannt  ist,  und  Eegest  952  vom  19.  Mai,  wonach  Paltram 
schon  verurteilt  war. 

1)  Herzog  Heinrich  gab  ihm  die  Feste  Karlstein  (M.  G.  SS.  IX,  807 ;  das 
Schreiben  des  Landschreibers  Konrad  in  Wiener  Briefsammlung  S.  196;  darauf 
bezüglich  wohl  auch  das  Schreiben  König  Eudolfs,  Eegesten  1607).  Vgl.  Uhlirz 
in  den  Blättern  des  Vereins  für  Landeskunde  XIX,  5 ff.,  1885. 

2)  Tomaschek,  Eechte  und  Freiheiten  der  Stadt  Wien  I,  51  und  42. 
Über  die  Literatur  siehe  oben  S.  552,  Anm.  2. 

3)  Vgl.  die  Briefe  Eudolfs  an  die  Grofsen  wegen  Hilfeleistung,  Eegesten 
957—959,  961-963. 

4)  Hemrich  von  Hainburg  (M.  G.  SS.  XVII,  716). 

5)  Geht  aus  dem  Schreiben  Ottokars  an  seine  Gemahlin  Kunigunde  (Emier, 
Eeg.  Boh.  II,  1184)  hervor. 

Vancaa,  Geschichte  Nieder-  n.  Oberösterreichs.  36 


562  Vierundzwanzigstes  Kapitel. 

vor  der  Stadt  Drosendorf,  die  der  neue  Marschall  von  Oster- 
reich, Stephan  von  Maifsau,  selbst  verteidigte  und  erst  etwa  am 
4.  August  übergab.  Nun  marschierte  Ottokar  auf  das  feste  Laa 
an  der  Thaya  los,  das  er  einer  alten  strategischen  Lieblings- 
gewohnheit geraäfs  als  Schlüssel  des  Landes  und  Stützpunkt  der 
weiteren  Operationen  ansah,  liier  hatte  er  jedoch  noch  weniger 
Erfolg;  er  war  vielmehr  genr)tigt,  nach  zwölftägiger  Belagerung 
unverrichteter  Dinge  aufzubrechen,  denn  sein  Gegner,  den  er 
bei  einem  raschen  Angriff  fast  unvorbereitet  getroffen  hätte, 
hatte,  während  er  die  Zeit  vergeudete,  Gelegenheit  gehabt,  seine 
Heereskräfte  zu  sammeln  ^). 

Jetzt  erwies  es  sich  als  ein  ganz  aufserordentlich  glücklicher 
Umstand,  dafs  Rudolf  es  verstanden  hatte,  die  Ungarn  als  sichere 
Bundesgenossen  zu  gewinnen.  Dem  Böhraenkonig  hatte  sein 
Mangel  an  politischem  Sinn  und  seine  Anmafsung  einen  üblen 
Streich  gespielt.  Entgegen  den  ausdrückhchen  Friedensbestim- 
mungen und  ihrer  Erneuerung  hatte  er  ungarisches  Gebiet  und 
die  ungarischen  Kleinodien,  die  er  seit  dem  Jahre  1270  im  Be- 
sitze hatte,  nicht  herausgegeben.  König  Ladislaus  von  Ungarn 
war  daher  förmlich  gezwungen,  sich  an  Rudolf  von  Habsburg  zu 
halten.  Nach  mehrfachen  Freundschaftsbeweisen  ^)  entsandte  er 
im  Juli  1277  eine  Abordnung  seiner  höchsten  Würdenträger  nach 
Wien,  und  Rudolf  schlofs  am  12.  Juli  mit  ihnen  einen  Vertrag 
der  nicht  nur  die  schon  früher  in  Aussicht  genommene  Ver- 
bindung der  Tochter  Rudolfs,  Klementia,  mit  des  Ungarnkönigs 
Bruder  Andreas  wiederholte,  sondern  auch  im  Falle  eines  An- 
griffes beide  Teile  zur  gegenseitigen  Unterstützung  verpflichtete  ^). 
Das  Bündnis  wurde  am  11.  November  desselben  Jahres  bei  einer 
persönlichen  Zusammenkunft  der  beiden  Könige  in  Hainburg  feier- 
lich  bekräftigt   und   ausdrücklich    betont,    dafs   es    gegen  Ottokar 


1)  Heinrich  von  Hainburg  a.  a.  0.,  Ann.  Ottok.  (M.  G.  SS.  IX,  192,  in  um- 
gekehrter Eeihenfolge) ;  Cont.  Praed.  Vindob.  (a.  a.  0.  S.  730);  Cont.  Claustron. 
VI  (a.  a.  0.  S.  745). 

2)  König  Ladislaus  versichert  schon  im  April  1277  König  Rudolf  seiner 
Freundschaft  (Wiener  Briefsammlung  S.  86)  und  gibt  am  23.  Mai  ein  PrivUeg 
zugunsten  der  deutsehen  Kaufleute  (Fejer,  Cod.  dipl.  Vb,  387). 

3)  M.  G.  LL.  II,  417,  418, 


Österreich  als  wiedergewonnenes  deutsches  Keichsland.  563 

Schutz   gewähren   solle,    wobei   Ladislaus   von   König   Rudolf   an 
Sohnes  Statt  angenommen  wurde  ^). 

Jetzt,  da  der  Krieg  offen  ausbrach  ^),  ehe  genügend  Hilfe 
aus  dem  deutschen  Reiche  eingetroffen  war  —  zum  Teile  wurde 
der  Zuzug  auch  durch  Heinrich  von  Niederbayern  aufgehalten  — , 
erwies  sich  die  ungarische  Bundesgenossenschaft  als  wichtigste  Stütze. 
Diesmal  kam  auf  Rudolfs  Ruf  ^)  ein  stattliches  Heer  zusammen,  das 
mit  bemerkenswerter  Schnelle  in  etwas  mehr  als  zwei  Wochen  am 
6.  August  in  Prefsburg  eintraf. 

So  konnte  es  Rudolf  wagen,  obwohl  er  vorher  den  Heeres- 
zug für  einen  späteren  Termin  (Anfang  September)  ins  Auge  ge- 
fafst  hatte  ^) ,  sich  bis  jetzt  nur  die  Österreicher  um  ihn  scharten 
und  lediglich  das  Kontingent  aus  Franken  angelangt  war,  ins  offene 
Marchfeld  zu  rücken  und  bei  dem  festen  Marchegg  Stellung  zu  nehmen 
Hier  stiefsen  dann  noch  aufser  den  Dienstherren  aus  Steiermark 
Kärnten  und  Krain  Hilfstruppen  aus  dem  Elsafs,  aus  Schwaben 
und  Salzburg  zu  ihm,  während  freilich  die  Mehrzahl  der  Grofsen 
des  Reiches  fernblieb.     Aber  mehr  noch,  der  König  konnte  auch 

1)  Cont.  Vindob.  (M.  G.  SS.  IX,  709);  Fejer,  Cod.  dipl.  Vb,  454  (Schreiben 
Eudolfs) ,  auch  S.  399  (Schreiben  Ladislaus'). 

2)  Hauptquellen  für  den  Feldzug  sind  aufser  dem  Eeimchronisten  Vers  200  f., 
der  als  Augenzeuge  verläfslich  ist,  Ann.  Ottok.  (M.  G.  SS.  IX,  192);  Histor. 
annorum  1264—1279  (a.  a.  0.  S.  653);  Cont.  Vindob.  (a.  a.  0.  S.  708);  Cont. 
Praed.  Vindob.  (a.  a.  0.  S.  730);  Cont.  Claustron.  VI  (a.  a.  0.  S.  745);  Ann. 
Salisb.  (a.  a.  0.  S.  802);  EUenhard  (M.  G.  SS.  XVII,  123);  Ann.  Colmar.  mal. 
(a.  a.  0.  S.  202);  Chron.  Colmar.  (a.  a.  0.  S.  250);  Chron.  Magni  presb.  (a.  a.  0. 
S.  534);  Heinrich  von  Hainburg  (a.  a.  0.  S.  716);  Chron.  Fiirstenfeld.  (Böhmer, 
Fontes  1,6);  Erfurter  St.  Peterschron.  S.  115.  —  Vgl.  Böhmer-Redlich, 
Eegesten  988a — 1002a.  An  neuerer  Literatur  sind  zu  nennen  Lorenz  II,  230; 
Bussen,  Der  Krieg  von  1278  und  die  Schlacht  bei  Dürnkrut  (Archiv  f.  österr. 
Gesch.  LXII,  1  ff.,  1880);  Köhler  (Forschungen  z.  deutschen  Gesch.  XIX,  307) 
und  Die  Entwickelung  des  Kriegswesens  in  der  Eitterzeit  (1886)  II,  92ff. ; 
Paul  er,  Geschichte  Ungarns  im  Zeitalter  der  Arpaden  (in  ungarischer  Sprache) 
II,  437 f.;  Huber  I,  610f.;  Bachmann,  Geschichte  Böhmens  I,  649f.  und 
jetzt  besonders  Eedlich,  Eudolf  von  Habsburg  S.  310 ff. 

3)  Bereits  im  Mai  1278  (Eeg.  964,  965;  Fejer,  Cod.  dipL  Hong.  Vb, 
310,  311);  im  Juni  dankt  Eudolf  für  die  Kriegsvorbereitungen  (Eeg.  979;  Fejer 
a.  a.  0.  S.  457)  und  im  Juli  schickt  er  nochmals  eine  letzte  Aufforderung  (Eeg. 
984,  Fejer  a.  a.  0.  S.  502). 

4)  Chron.  Colmar.  (M.  G.  SS.  XVH,  249). 

36* 


564  Vierundzwanzigstes  Kapitel. 

zur  Offensive  übergehen.  Sobald  er  mit  dem  ungarischen  Heere 
Fühlung  gewonnen  hatte,  entsandte  er  ein  aus  ungarischer  und 
kuujanischer  leichter  Reiterei  und  österreichischen  Kittern  unter 
Bertold  von  Emnierberg  bestehendes  Streifkorps  von  etwa  8000 
Mann  gegen  Laa.  Durch  dessen  Erscheinen  und  Plänkeleien 
wurde  Ottokar  aufgeschreckt;  jetzt  erst  brach  er  am  19.  August 
die  Belagerung  ab  und  rückte  gleichfalls  ins  Marchfeld,  wo  er 
bei  Jedenspeigen  sein  Lager  aufschlug.  Da  unterdessen  auch 
Könio-  Ladislaus  mit  den  Ungarn  die  March  überschritten  und 
sich  mit  dem  deutschen  Heere  vereinigt  hatte,  so  war  die  Ent- 
scheidungsschlacht nunmehr  unvermeidlich. 

Nachdem  am  23.  August  durch  die  Kumanen  eine  Rekognos- 
zieruno- vorgenommen  worden  war,  hielt  König  Rudolf  am  24.  Au- 
gust Heerschau.  Seine  deutschen  Truppen  zählten  freilich  nur  2000 
zum  Teile  schwergerüstete  Reiter,  vrährend  ihm  Ottokar  darin  be- 
deutend —  es  heifst  vierfach  —  überlegen  war,  aber  die  Stärke  des 
ungarischen  Kontingentes  —  15  000,  wenn  auch  nur  leichtgerüstete 
und  zum  Kampfe  nicht  eben  sehr  verwendbare  Reiter  —  bestimmte 
ihn,  das  Glück  der  Waffen  zu  versuchen  ^). 

Am  26.  August,"  einem  Freitag,  entbrannte  um  neun  Uhr 
morgens  der  Kampf  auf  dem  zur  Entwickelung  einer  Reiter- 
schlacht wie  geschaffenen  weiten  Felde  bei  Dürnkrut  ^),  umgrenzt 

1)  Die  Nachrichten  weichen  stark  voneinander  ab.  Man  wird  zwischen 
solchen,  welche  die  Gesaratsumme  der  vorhandenen  Leute,  ul.I  solchen,  welche 
nur  die  für  die  Schlacht  ja  hauptsächlich  in  Betracht  kommenden  wohlausgerüsteten 
Eitter  angeben,  unterscheiden  müssen.  So  werden  die  Ungarn  im  ganzen  auf  40000 
(Erfurter  St.  Peterschronik),  ja  sogar  auf  56  000  Mann  (Brief  aus  Eudolfs  Lager; 
Reg.  993a,  wobei  Redlichs  Kritik  zu  beachten  ist!)  geschätzt;  die  Böhmen  auf 
30000  Mann  (Eeimchronik  v.  16863  und  Thoraas  Tuscus  M.  G.  SS.  XXII, 
525).  Siehe  die  Angaben  ferner  im  Chron.  Colraar.  (M.  G.  SS.  XVII,  249)  und 
die  übrigen  schon  oben  genannten  Quellen.  Über  das  ungarische  Hilfskorps 
siehe  aufser  Bussen  a.  a.  0.  S.  88  den  Aufsatz  von  Wertner  im  Monatsbl. 
der  herald.-gen.  Gesellsch.  „Adler"  III,  46. 

2)  Die  neueren  Geschichtschreiber  (Lorenz,  Bussen,  Eedlich)  nennen 
die  Schlacht  wieder  alle  nach  Dürnkrut.  In  Jedenspeigen  war  nur  Ottokars  Lager; 
die  Bezeichnung  „  Schlacht  am  Weidenbach "  liefse  sich  noch  rechtfertigen,  dagegen 
ist  „Schlacht  auf  dem  Marchfeld"  viel  zu  unbestimmt  und  noch  dazu  unrichtig, 
da  das  Kruter  Feld  gar  nicht  mehr  zum  eigentlichen  Marchfeld  zu  rechnen  ist. 
In  der  Literatur  ist  über  die  Schlacht   eine   ziemlich   lebhafte  Kontroverse  ent- 


Österreich  als  wiedergewonnenes  deutsches  Reichsland.  565 

von  einer  Hügelkette,  die  im  Goldberg  die  gröfste  Erhebung  be- 
sitzt, im  Süden  von  dem  sumpfigen  Weidenbach,  im  Osten  von 
der  March.  Beide  Heere  rückten  in  drei  Treffen  vor.  Auf  Seiten 
Rudolfs  bildeten  die  Ungarn  das  erste,  die  Österreicher  das  zweite, 
die  vielen  kleinen  Kontingente  aus  Steiermark,  Kärnten,  Krain 
und  Salzburg,  sowie  aus  dem  Reiche  das  dritte.  Ottokar  hatte 
die  Böhmen  und  Mährer  ins  erste,  die  deutschen  Zuzüge  aus 
Brandenburg,  Meifsen,  Thüringen  und  Niederbayern  ins  zweite, 
die  Polen  und  Schlesier  ins  dritte  Treffen  gestellt.  König  Rudolf 
hatte  aber  auch,  damals  noch  eine  ungewöhnliche  Taktik,  eine 
Reserve  von  50—60  Schwergerüsteten  unter  Ulrich  von  Kapellen  '^ 
und  Konrad  von  Sumerau  im  Hinterhalte.  ^ 

Die  Übermacht  der  Ungarn  warf  die  Böhmen  und  Mährer 
zurück,  dagegen  brachte  Ottokar  an  der  Spitze  seiner  deutschen 
Hilfsvölker  die  Österreicher  ins  Wanken.  Zwar  gelang  es  Rudolf 
mit  dem  Eingreifen  des  dritten  Treffens,  obwohl  er  nur  mit 
Mühe  der  eigenen  Lebensgefahr  entrann,  den  Kampf  zum  Stehen 
zu  bringen,  aber  durch  das  Nachrücken  der  Polen  und  Schlesier 
schien  der  Sieg  Rudolfs  bereits  sehr  gefährdet  zu  sein.  In  diesem 
kritischen  Augenblick  griff  die  Reserve  Rudolfs  ein,  und  das  plötz- 
liche Hervorbrechen  dieser  frischen  Schwerbewaffneten  verbreitete 
bei  den  Feinden  einen  derartigen  Schrecken,  dafs  sie  zurückwichen. 
Im  Nu  war  die  Flucht  allgemein.  Sie  wälzte  sich  zur  March 
hin,  deren  Fluten  viele  Hunderte  verschlangen.  Von  den  Fliehen- 
den wurde  auch  Ottokar  selbst  mitgerissen.  Aber  einige  der 
österreichischen  Ministerialen,  darunter  der  Truchsefs  Rudolf  von 
Emmerberg  ereilten  den  tödlich  Verhafsten  und  ermordeten  ihn. 
Erst  später  wurde  seine  entstellte  und  beraubte  Leiche  gefunden  ^). 

Da  es  noch  früher  Nachmittag  war,  so  nahm  Rudolf  mit  den 
Ungarn   die  Verfolgung   des    fliehenden  Heeres  gegen  Norden  hin 


standen.  Vgl.  aufser  den  schon  oben  angeführten  Werken  und  Aufsätzen  noch 
im  besonderen  die  Polemik  Köhler-Lorenz  (Histor.  Zeitschr.  XLII,  380; 
Forschungen  z.  deutschen  Gesch.  XX,  216)  und  Köhler- Busson  (Forschungen 
XXI,  251;  Mitt.  d.  Inst.  U,  503;  III,  162).  Siehe  Böhmer-Redlich,  Re- 
gesten 993  c.  —  Jetzt  die  erschöpfende  und  übersichtliche  Schilderungder  Schlacht 
bei  Redlich,  Rudolf  von  Habsburg  S.  318 ff.,  der  ich  hier  folge. 
1)  Über  die  Klagen  um  Ottokars  Tod  Redlich  S.  326. 


Sttß  Vierundzwanzigstes  Kapitel. 

auf,  wodurch  erst  die  Niederlage  zu  einer  wahrhaft  vernichtenden 
wurde.  Die  Toten  und  Gefangenen  konnten  auf  12  000  geschätzt 
werden  M-  Am  nächsten  Tage  stand  Rudolf  bereits  in  Feldsberg, 
König  Ladislaus  in  Laa  ''^).  Nachdem  sodann  die  ungarischen 
Verbündeten  die  Heimkehr  angetreten  hatten,  zog  Rudolf  noch 
nach  Mähren  und  Böhmen.  Obwohl  es  hier  anfänglich  Wider- 
stand zu  geben  schien,  kam  doch  Ende  Oktober  ein  Friede  zu- 
stande, der  die  schon  fi-üher  geplante  Wechselheirat  zwischen 
Ottokars  Sohn  Wenzel  und  Rudolfs  Tochter  Guta  einer-  und  Ru- 
dolfs Sohne  Rudolf  und  der  böhmischen  Prinzessin  Agnes  anderer- 
seits zur  Folge  hatte.  Ein  halbes  Jahr  später  mufste  auch  Herzog 
Heinrich  von  Bayern,  der  zwar  nicht  selbst  am  Kampfe  teilgenommen, 
aber  Ottokar  vielfach  unterstützt  hatte,  auf  sein  Pfandrecht  an  Ober- 
österreich verzichten  und  behielt  für  die  auf  3000  Mark  reduzierte 
Mitgift  Katharinas  nur  Neuburg  am  Inn,  Klingenberg,  Freistadt 
und  Mauthausen  als  Pfand. 

Nun  erst  war  Rudolf  von  Habsburg  im  ungestörten  Besitze 
der  österreichischen  Länder;  er  hatte  sie  gewissermafsen  zum 
zweiten  Male  erkämpft  und  dieses  Mal  ohne  Reichshilfe.  Jetzt 
konnte  er  darangehen,  seinen  lang  vorbereiteten  Plan,  diese  Länder 
für  seine  eigene  Familie  zu  erwerben  und  hier  eine  feste  Haus- 
macht zu  begründen,  durchzuführen.  Hier  war  eben  die  einzige 
Möglichkeit,  einen  ausgiebigen  Besitz  zu  gewinnen,  während  im 
übrigen  Deutschland  alles  in  festen  Händen  war. 

Die  ersten  Schritte  hatte  Rudolf  schon  im  Jahre  1277  durch 
seine  Bemühungen,  die  umfangreichen  Kirchenlehen  in  Osterreich 
für  seine  Söhne  zu  gewinnen,  getan.  Die  einst  den  Babenbergern 
übertragen  gewesenen  Kirchenlehen  Passaus  in  Osterreich,  Steier- 
mark, Kärnten,  Krain  und  der  windischen  Mark  wurden  bereits 
am  21.  November  1276,  also  kurz  nach  dem  ersten  Friedens- 
schlufs  mit  Ottokar,  durch  einen  Rechtsspruch  als  dem  Reiche 
heimgefallen  erklärt  ^) ,   was  dann  vermutlich  auch  auf  die  Lehen 


1)  So  Eudolf  selbst  in  einem  Schreiben  an  einen  Ungenannten  (Keg.  998, 
Bodmann  S.  90). 

2)  Kegesten  994  und  Fejer  Vb,  463. 

3)  Geht   aus   der  Passauer  Belehnungsurkunde   vom  24.  November   1277 
(Reg.  893)  hervor. 


Österreich  als  wiedergewonnenes  deutsches  Reichsland.  567 

der  anderen  Bistümer  ausgedehnt  wurde.  Um  zu  seinem  Ziele 
zu  gelangen,  warb  Rudolf  eifrig  um  die  Gunst  der  Bischöfe  und 
suchte  allen  ihren  Wünschen  zu  entsprechen.  Aus  diesem  Ge- 
sichtspunkt mufs  man  die  reichen  Gnadenbeweise  betrachten, 
die  der  König  den  Bistümern  bezeigte. 

Der  erste,  der  sich  für  die  Sache  gewinnen  liefs,  war  Bischof 
Konrad  von  Freising.  Dieser  bekam  Zollfreiheit  für  Lebens- 
mittel und  Holz,  Befreiung  von  der  Gerichtsbarkeit  auf  allen  öster- 
reichischen Besitzungen,  Anrecht  auf  alle  auf  seinem  Besitz  neu 
gefundenen  Metall-  und  Salzadern,  Jagdrecht,  ferner  speziell  in 
Enzersdorf,  Hollenburg,  Ollern  und  Ebersdorf  Bestätigung  des 
Landgerichtes,  Marktrechtes  und  Bergwerkes,  Befreiung  vom  March- 
futter  in  Heubs,  Waidhofen  an  der  Ips  und  Hollenstein  und  als 
Pfand  den  wichtigen  Markt  Aschbach,  Probsdorf  und  Schönau; 
endlich  wurde  bestimmt,  dafs  die  Kinder  aus  Ehen  zwischen  frei- 
singischen  und  österreichischen  Ministerialen  sowie  deren  Güter 
geteilt  werden  sollten  ^).  Nach  diesen  ganz  bedeutenden  Gewinsten 
belehnte  Bischof  Konrad  von  Freising  am  20.  Mai  1277  die  Söhne 
Rudolfs  Albrecht,  Hartmann  und  Rudolf  und  ihre  männlichen  Erben 
mit  allen  Lehen,  die  einst  die  Babenberger  besessen  hatten  ^). 

Im  Vergleiche  dazu  waren  die  Forderungen  des  Bistums  Regens- 
burg ganz  bescheiden.  Es  verlangte  nur  die  Rückerstattung  seiner 
entfremdeten  Güter  in  der  Riedmark  und  im  Machlande,  sowie  im 
Marchfeld  ^),  worauf  Bischof  Leo  die  Belehnung  am  16.  Juni  1277 
vornahm  *).  Erzbischof  Friedrich  von  Salzburg ,  der  treueste 
Bundesgenosse  Rudolfs,  erhielt  einen  Teil  der  Kriegsbeute  von 
1276,  den  Salzburger  Brückenzoll  und  300  Mark  jährlicher  Ein- 
künfte aus  Gütern,  Marchfutter  und  der  Maut  zu  Rottenmann  als 
Preis  ^).  Die  Belehnung  mit  den  Salzburger  Lehen  erfolgte  am 
21.   Juli '').      Noch    gröfser    waren    die    Opfer,     die    Passau    ge- 

1)  Regesten  640,  682,  760—768,  770,  771,  774,  879. 

2)  Die  Urkunde  ausgestellt  im  Oktober  1277  (Font.  rer.  Austr.  2,  XXXI, 
348;  Reg.  880). 

3)  Böhmer-Redlich,  Regesten  635;  ÜB.  d.  L.  o.  d.  Enns  III,  454. 

4)  Regesten  788,  791;  ÜB.  d.  L.  o.  d.  Enns  III,  470;  Lichnowsky, 
Geschichte  des  Hauses  Habsburg  I,  Regesten  162. 

5)  Regesten  666,  769. 

6)  Regesten  828;  Wiener  Jahrbücher  CIX,  255,  1845. 


568  Yicrnndzwanzigstes  Kapitel. 

bracht  werden  mufsten.  Es  wurde  ihm  gestattet,  die  Bischofsstädte 
Eterding,  Amstetten,  St.  Polten  und  Mautern  mit  Befestigungen  zu 
verschen,  andere  Gebäude  auf  seinen  Besitzungen  zu  erbauen  und 
—  eine  besonders  wichtige  Konzession  —  in  St.  Polten,  Mautern, 
Zeiselmauer  und  den  Besitzungen  des  Tullner  Gerichtes  auch  den 
Blutbann  auszuüben.  Ferner  erhielt  es  den  Innzoll  in  Obernberg, 
200  Pfund  Wiener  Pfennige  Einkünfte  in  Niederösterreich  und 
die  Pfarre  Oberhollabrunn  ^).  Erst  am  24.  November  1277  be- 
lehnte Bischof  Peter  Rudolfs  Söhne  ^).  Dazu  kamen  dann  um 
die  Wende  1277  die  Belehnung  von  Seiten  des  Bistums  Gurk  und 
nach  dem  grofsen  Entscheidungskampfe  am  25.  Oktober  1279  die 
von  Seiten  Bambergs,  die  für  unsere  Gegenden  weniger  in  Betracht 
zu  ziehen  sind. 

Hatte  König  Rudolf  in  dieser  ersten  Periode,  in  der  er  hier 
in  Osterreich  noch  den  Standpunkt  des  Reiches  vertrat,  auch 
gegenüber  den  Bistümern  manches  alte  landesfürstliche  Vorrecht, 
wie  das  Marchfutter  oder  insbesondere  die  höhere  Gerichtsbarkeit 
preisgegeben,  so  tritt  jetzt  nach  der  Entscheidung  bei  Dürnkrut 
bei  den  weiteren  Bestrebungen,  die  österreichischen  Länder  für 
seine  Söhne  zu  gewinnen,  eine  gröfsere  Bedachtnahme  auf  die 
Landeshoheit  zutage.  Am  17.  Juni  1279  wurde  die  Bestimmung 
getroffen,  dafs  Klostervogteien  beim  Aussterben  der  Stifterfamilie 
an  den  Landesfürsten  zu  fallen  haben  ^). 

Immerhin  zogen  sich  die  Bemühungen  um  den  Erwerb  der 
Länder  auch  nach  Ottokars  Besiegung  noch  in  die  Länge.  Nament- 
lich die  Ansprüche,  die  Graf  Meinhard  von  Tirol  erhob,  ver- 
zögerten die  Erfüllung  von  Rudolfs  Herzenswunsch  ganz  beträcht- 
lich. Doch  tat  der  König  wenigstens  im  Jahre  1281  einen  prä- 
judizierenden  Schritt  nach  vorwärts. 

Anfang  Mai  1281  sah  er  sich  genötigt,  den  langen  Aufenthalt  in 
Osterreich  endlich  abzubrechen  und  sich  nun  wieder  den  dringenden 
Angelegenheiten  des  Reiches  zuzuwenden.    Aber  als  Verweser  von 


1)  Kegesten  601;  ÜB.  d.  L.  o.  d.  Enns  EI,  440;  Eegesten  637;  a.  a.  0. 
S.  453. 

2)  Eegesten  892,  893;  Mon.  Boic.  XXVIII a,  409  und  Schwind-Dopsch, 
Ausgew.  Urk.  S.  117. 

3)  Kegesten  1101;  Schwind-Dopsch   S.  122. 


Österreich  als  wiedergewonnenes  deutsches  Keichsland.  569 

Osterreich  und  Steiermark  setzte  er  vor  seiner  Abreise  seinen 
ältesten  Sohn  Albrecht  ein  und  traf,  um  ihm  seine  Stellung  mög- 
lichst zu  sichern,  mit  den  Hauptfaktoren  des  Landes  eine  Reihe 
von  Abmachungen,  die  deren  Verhältnis  zum  Reiche  und  zum 
Landesfürsten  selbst  regeln  sollten. 

Zunächst  war  es  wichtig,  den  Landfrieden  von  1276,  der 
nur  auf  fünf  Jahre  geschlossen  war,  zu  erneuern.  Landherren, 
Städte,  Ritter  und  Knappen  verpflichteten  sich  dazu  auf  weitere 
zehn  Jahre  unter  gleichzeitigem  Verzicht  auf  alle  sonstigen  privaten 
Bündnisse  und  aufserdem  zur  Stellung  von  dritthalbtausend  Mann 
im  Falle  eines  Krieges  ^). 

Aber  auch  die  einzelnen  dieser  Faktoren  sollten  verpflichtet 
werden.  Die  Bistümer  waren  ohnehin  durch  ihre  Belehnungen 
gebunden,  die  Klöster  waren  durch  die  fortgesetzte  Munifizenz  des 
Königs  gewonnen.  Entsprechend  der  Wiedereinverleibung  waren 
es  zunächst  die  oberösterreichischen  Klöster,  welche  die  Gunst  des 
Königs  erfuhren.  Gleink  '^),  St.  Florian  3)  und  Spital  am  Pyhrn  ^) 
erhielten  im  Juni  1279  Privilegien-  und  Besitzbestätigung;  das 
erstere  auch  die  Klostervogtei,  das  letztere,  über  das  er  selbst  die 
Vogtei  übernahm,  Mautfreiheit  und  die  Begünstigung,  dafs  die  öster- 
reichischen Ministerialen  ihm  Güter  zuwenden  dürfen.  Kremsmünster 
empfing  die  Bestätigung  der  Befreiung  vom  Landgericht,  der 
Vogtei  und  Maut  und  Zoll  auf  Lebensmittel  '•').  Das  nahe  der 
Grenze  gelegene  Nonnenkloster  Erla  erhielt  ein  Gerichtsprivilegium, 
die  Insel  Renning  und  das  dort  gefallene  Wild,  sowie  die  Fischerei 
auf  der  Donau,  sowie  endlich  Zollfreiheit  ^) ,  St.  Polten  Gerichts- 
freiheit und  freie  Vogtwahl  ^),  Zwettl  Mautfreiheit  für  Salz  ^),  be- 
züglich   der    Dominikaner   befahl   er   den   Wienern,    sie   in  jeder 


1)  Schwind-Dopsch  S.  125.    Über  die  Datierung  siehe  Vancsa,  Das 
erste  Auftreten  der  deutschen  Sprache  in  Urkunden  S.  7,  Anm.  1. 

2)  Böhmer-Kedlich,  Eegesten  1097;  ÜB.  d.  L.  o.  d.  Enns  IV,  497. 

3)  Eegesten  1098;  a.  a.  0.  III,  498. 

4)  Kegesten  1104;  a.  a.  0.  in,  499. 

5)  Kegesten   1144,    1145,    1146;    a.  a.  0.   S.  508,  509,  511. 

6)  Kegesten  1102;  Pez,  Thesaur.  VIb,  140. 

7)  Regesten  1155,  1279 ;  Niederösterreichisches  Urkundenbuch  I,  141,  145. 

8)  Kegesten  1277;  Font.  rer.  Austr.  2,  lU,  201,  212. 


570  Vierundzwanzigstes  Kapitel. 

Hinsicht  in  ihren  Geschäften  zu  fordern  ^).  Kleinere  Begünstigungen 
erfuhren  Heiligenkreuz '^),  Seitenstetten  ^),  Klosterneuburg*),  Zwettl^), 
die  Schotten^),  Niederaltaich  (Zollfreiheit  bei  Linz)"),  Imbach  **) 
und  Melk  ^).  Aufserdem  stiftete  König  Rudolf  zum  Andenken  an 
seinen  Sieg  am  31.  August  1280  und  vermutlich  nicht  ohne  Ein- 
flufs  seines  Finanzministers  Konrad  von  Tulln  ein  Dominikane- 
rinnenkloster zu  Ehren  des  heihgen  Kreuzes  in  Tulln,  dem  er  die 
von  den  Schotten  erworbene  Kapelle,  ferner  in  der  Umgebung  von 
Wien  Besitzungen  und  Weingärten  zuwies,  sowie  Gerichtsbarkeit 
und  Zollfreiheit  verlieh'^),  und  wohin  eine  Zeitlang  auch  die 
Familiengruft  der  Habsburger  verlegt  wurde. 

Auch  die  Städte  wurden  durch  mannigfache  Gunstbeweise 
ausgezeichnet,  namentlich  diejenigen,  welche  durch  den  letzten 
Krieg  in  Mitleidenschaft  gezogen  worden  waren,  wie  Laa")  und 
vermutlich  Drosendorf  ^^),  die  zur  Ausbesserung  ihrer  Befestigungen 
zehnjährige  Mautfreiheit  erhielten,    und  Marchegg,    dessen  Kirche 


1)  Eegesten  1314,  1315;  Bodmann  S.  163,  164  (der  Bezug  auf  Wien  An- 
nahme Eedlichs). 

2)  Eegesten  1106;  Font.  rer.  Austr.  2.  Abt.  XI,  220. 

3)  Eegesten  1164;  a.  a.  0.  XXXIII,  105. 

4)  Eegesten  1184,  1186;  Fischer,  Merkwürdigere  Schicksale  von  Kloster- 
neuburg n,  277,  278. 

5)  Eegesten  1189;  Font.  rer.  Austr.  2.  Abt.  lü,  202. 

6)  Eegesten  1202;  a.  a.  0.  XVIII,  67. 

7)  Eegesten  1273;  Winkelmann,  Akta  II,  273. 

8)  Eegesten  1304;  Aus  einer  Urkunde  des  Jahres  1290  bei  Chmel,  Ge- 
schichtsforscher II,  570. 

9)  Eegesten  1307;  Wiener  Briefsammlung  S.  187  (Zuweisung  allerdings 
nicht  ganz  sicher). 

10)  Eegesten  1202,  1220,  1221,  1294;  Kerschbaumer,  Geschichte  von 
Tulln  S.  320,  321,  322.  Vgl.  über  das  Kloster  aufser  bei  Kerschbaumer 
a.  a.  0.  S.  261  f.;  Meynert,  Das  Herz  König  Eudolfs  I.  und  die  Habsburger- 
gruft des  ehemaligen  Klosters  zum  heihgen  Kreuz  in  Tulln  (Wien  1856)  und 
Kerschbaumer,  Das  kaiserliche  Frauenstift  und  die  Habsburgergruft  zu  Tulln 
(Ber.  u.  Mitt.  d.  Altertumsver.  XIII,  131,  1873). 

11)  Eegesten  1045;  Bodmann  S.  236. 

12)  Bei  der  starken  Übereinstimmung  von  Eegest  1046  (Bodmann  S.  242) 
mit  der  Begünstigung  für  Laa  möchte  ich  dieses  anonyme  Privileg  auf  Drosendorf 
beziehen,  das  ja  ähnhche  Schicksale  wie  Laa  erlitten  hatte  und  jedenfalls  auch 
einen  Gnadenbevreis  erhalten  haben  dürfte. 


Österreich  als  wiedergewonnenes  deutsches  Reichsland.  571 

reich  dotiert  wurde  ^).  Neue  Privilegien  empfingen  Mautem  (die 
Rechte  von  Krems  und  Stein)  ^),  Zwettl  (die  Handelsvorrechte  von 
Krems)  ^)  und  Laufen  in  Oberösterreich  (die  Rechte  von  Gmunden)  *). 
Wiener  Neustadt,  das  wieder  einmal  in  den  Säckel  gegriffen  hatte, 
bekam  die  Bestätigung  seines  Niederlags-,  Gerichts-  und  Markt- 
privilegs 5),  Steuernachlafs  ^)  und  ein  Holzprivileg  ^).  Wien  hatte 
offenbar  für  Paltrams  Verschwörung  zu  büfsen,  doch  hatte  es  ohne- 
hin knapp  vor  dem  Kriege  eine  Bestätigung  seines  Reichsprivilegs 
erhalten,  und  in  ihrem  Handelsbetrieb  nahm  Rudolf  auch  die 
Bürger  gegebenenfalls  in  Schutz  ^). 

Die  schhmmen  Erfahrungen,  die  man  mit  Wien  gemacht  hatte, 
führten  offenbar  dazu,  dafs  sich  der  König  jetzt  in  dem  AugenbHck, 
da  er  das  Land  zu  verlassen  im  Begriffe  stand,  von  einer  Reihe  von 
Städten  Treubriefe  ausstellen  liefs.  Erhalten  sind  uns  solche  von  Wien, 
Wiener  Neustadt  und  Laa  ^).  Bei  Wien  wurde  die  besondere  Vor- 
sichtsmafsregel  gebraucht,  dafs  sich  nicht  nur  der  gegenwärtige  Stadt- 
richter, der  jetzige  und  vorige  Münzmeister  und  sieben  andere  einflufs- 
reiche  Bürger,  sondern  auch  die  wieder  zu  Gnaden  aufgenommenen 
einstigen  Anhänger  und  Verwandten  Paltrams  vor  dem  Freithofe, 
Paltram  Vatzo,  Paltram  am  Holzmarkt,  Ulrich  vom  Widmarkt, 
Rudeger  am  Holzmarkt,  Ulrich  Scharrer  und  die  Söhne  des  Haus- 
genossen Herwig  Griffo,  Ulrich  und  Fridlo,  durch  Brief  und 
Siegel  zur  Treue  verpflichten  mufsten.  Den  letzteren  wurde  für 
den  Fall,  dafs  sie  mit  dem  verbannten  Paltram  in  irgendeine  Ver- 
bindung treten  würden,  die  Strafe  des  Hochverrats  angedroht. 

1)  Eegesten  1047;  Bodmann  S.  100. 

2)  Regesten  1079;  Mon.  Boic.  XXVIII  a,  413. 

3)  Regesten  1302 ;  nach  der  Urkunde  Herzog  Albrechts  IL  vom  Jahre  1330 
(Uhlirz,  Das  Archiv  der  Stadt  Zwettl,  1895). 

4)  Regesten  1303;  nach  der  Urkunde  Herzog  Albrechts  II.  von  1344 
(ÜB.  d.  L.  0.  d.  Enns  VI,  471). 

5)  Regesten  1265;  Winter,  Urkundliche  Beiträge  S.  37. 

6)  Regesten  1270;  Winter  im  Archiv  für  österr.  Geschichte  LX,  103. 

7)  Regesten  1287;  Böheim,  Chronik  von  Wiener  Neustadt  (2,  Aufl.) 
I,  57;  vgl.  Winter  a.  a.  0.  S.  102. 

8)  Regesten  1317;  Bodmann  S.  238. 

9)  Die  Urkunden  sind  abgedruckt  und  eingehend  erörtert  von  Uhlirz, 
Die  Treubriefe  der  Wiener  Bürger  ans  den  Jahren  1281  und  1288  (Mitt.  d.  Inst, 
f.  österr.  Gesch.  V.  Erg.-Bd.  S.  76). 


573  Vionindzwanzigstcs  Kapitel. 

Au  der  Urkunde,  mit  der  der  Landfriede  erneuert  wurde,  finden 
wir  die  Siegel  von  Wiener  Neustadt,  Krems,  Stein,  Laa  und  Linz. 

Am  schwierigsten  war  es,  dem  Adel  des  Landes,  der  beim 
ersten  Einrücken  König  Rudolfs  mit  der  Erwartung  auf  die  Reichs- 
unmittelbarkeit  geködert  worden  war,  die  neue  Regierungspolitik, 
die  Rückkehr  zum  Landesfiirstentum,  mundgerecht  zu  machen.  Als 
Ersatz  für  den  Entgang  mancher  erhoffter  Vorteile  schuf  Rudolf  nun- 
mehr aufs  Neue  die  Institution  des  landesiürstlichen  Rates,  indem 
er  dem  jungen  Reichsverweser  Albrecht  etwa  zwanzig  Mitglieder 
des  Herrenstandes  zur  Seite  gab  ^).  Es  scheint  aber  auch  damals 
wieder  einmal  die  Absicht  bestanden  zu  haben ,  ein  neues  Land- 
recht  zu  schaffen,  wie  es  den  Steirern  schon  im  Jahre  1276  er- 
neuert worden  war  '^).  Das  Landrecht  Ottokars  wurde  für  einen 
neuen  Entwurf  als  Basis  genommen,  jedoch  so,  dafs  die  spezifisch 
Ottokarischen  Bestimmungen  möglichst  getilgt,  der  weiteren  Ent- 
wickelung  Rechnung  getragen  und  überhaupt  der  Herrenstand  ganz 
hervorragend  begünstigt  wurde. 

Von  einem  Verbot  des  Burgenbaues  ist  jetzt  nicht  mehr  die  Rede; 
ja  der  Beirat  des  Landesfürsten  kann  diesen  sogar  bewegen,  eine 
früher  wegen  Landschädlichkeit  geschleifte  Burg  wieder  aufbauen 
zu  lassen  (Art.  67).  Es  ist  auch  jetzt  weder  von  der  Hehlung  Ge- 
ächteter, noch  von  einem  Verbot  der  Einungen,  noch  von  einem 
Mifsbruuch  der  Vogtei  die  Rede  Die  Verbote  gegen  Mauteinhebung 
und  Münzfälschungen  sind  wesentlich  gemildert.  Endlich  ist  jetzt 
der  Unterschied  zwischen  den  alten  Grafen  und  Freien  und  den 
Dienstmannen  schon  ganz  verwischt,  da  jetzt  keine  Spur  darauf 
hindeutet,  dafs  jene  im  Vergleiche  zu  diesen  als  Übergenossen  gelten. 

Dieser  Entwurf  scheint  zwar  niemals  Gesetzeskraft  erhalten  zu 
haben,  aber  die  Wirkung  ist  die  gewünschte  gewesen:  die  Land- 
herren besiegelten  gleichfalls  die  Erneuerung  des  Landfriedens. 


1)  Siehe  aufser  Eodlicb,  Rudolf  von  Habsburg  S.  373  noch  Dop  seh 
in  den  Blättern  des  Vereins  für  Landeskunde  XXVII,  244 f.,  1893  und  Luschin 
in  der  Historischen  Zeitschrift  LXXVIII,  448. 

2)  Siehe  die  bereits  oben  zitierte  Abhandlung  von  Stieb  er,  K  vyvoji 
sprävy,  der  das  sogenannte  Landrecht  I  in  die  Zeit  Rudolfs  von  Habsburg  ver- 
legt. Vgl.  aber  die  präzisere  Fassung  von  Rieger  in  den  Mitteilungen  des 
Instituts  für  österreichische  Geschichtsf.  XXIV,  149  f.,  1903. 


Österreich  als  wiedergewonnenes  deutsches  Eeichsland.  573 

Nun  blieb  noch  eines  zu  tun  übrig.  Rudolf  von  Habsburg 
liefs  sich  von  seinem  Finanzminister,  dem  Landschreiber  Konrad 
von  Tulln,  Rechnung  legen,  denn  was  er  brauchte,  war  Geld. 
Aufser  den  Bedürfnissen  des  Reiches  hatten  auch  das  Hoflager 
und  die  Kleider  Bedeutendes  gekostet.  Jetzt  stellte  es  sich 
auch  heraus,  dafs  Konrad  von  Tulln  bei  der  Verwaltung  seines 
Amtes  gehörig  daraufgezahlt  hatte,  nämlich  12  436  Pfund  Wiener 
Pfennige  und  1606  Mark  Silber.  Der  König  sah  sich  genötigt, 
bei  den  reichen  Wiener  Bürgern  Jakob  von  Hoya  (Huy)  und 
Jakob  von  Metz,  sowie  bei  dem  Regensburger  Kaufmann  Friedrich 
Pollex  Geld  auszuborgen  und  Tuch  auf  Kredit  zu  nehmen.  Dafür 
verpfändete  er  ihnen  und  Konrad  von  Tulln  sämtliche  Amter  in 
Österreich  und  zwar  insbesondere  die  gesamte  Münze,  alle  Gerichte 
und  den  Donauzoll  ^).  Konrad  von  Tulln  speziell  erhielt  noch 
die  kleine  Maut  zu  Stein,  die  Burg  Ried  und  andere  Einkünfte 
zu  Steuersdorf  und  auf  den  Donauinseln  bei  Tulln  als  Pfand, 
sowie  die  Gunst  der  Umwandlung  seiner  Lehen  in  freies  Eigen  ^). 
Endlich  ffriff  Rudolf  damals  auch  zu  dem  behebten  Mittel  der 
Münzerneuerung  ^). 

Konrad  von  Tidin  spielte  überhaupt  unter  der  Reichsverweser- 
schaft des  jungen  Albrecht  die  einflufsreichste  Rolle.  Er  war  nicht 
nur  der  Vertreter  der  landesfürstlichen  Vogteigewalt ,  stand  nicht 
nur  an  der  Spitze  des  Maut-  und  Zollwesens,  sondern  auch  des 
gesamten  Handels,  ja  er  war  geradezu  der  Schirmer  des  Land- 
friedens gegen  alle  Übergriffe  und  Gewalttätigkeiten  *). 

Freihcli  bUeb  bei  der  nächsten  Abrechnung  vom  Juni  1282 
noch  immer  das  ganz  bedeutende  Defizit  von  9750  Pfund  und  7332 
Mark,  das  dann  allerdings  in  wenigen  Monaten  —  bis  Oktober  — 
auf  162  Pfund  und  6066  Mark  herabgemindert  werden  konnte. 
Die  Gesamteinnahmen  in  dieser  Zeit  vom  1.  Juni  1281  bis  Mitte 


1)  Böhraer-Eedlich,  Kegesten  1280;  Schwind-Dopsch,  Ausgew. 
ürk.  S.  123;  Regesten  1326;  Zahn  in  Steierraärkische  Geschichtsblätter  IT,  130; 
Regesten  1327;  Zahn  a,  a.  0.;  Regesten  1330;  Zahn  a.  a.  0.  S.  132. 

2)  Redlich,  Rudolf  von  Habsburg  S.  760;  Urkundenanhang  Nr.  9. 

3)  Geht  gleichfalls  aus  Regest  1327  hervor. 

4)  Vgl.  hauptsächlich  Dop  seh  in  seinem  schon  oft  zitiertem  Aufsätze  in 
den  Mitteilungen  des  Instituts  für  österreichische  Geschichtsf.  XVIII,  297  f. 


574     Vierundzwanzigstes  Kapitel.     Österreich  als  wiedergewonnenes  Reiohsland. 

Oktober  1282  erreichten  in  Österreich  die  Hohe  von  3Ü430  Pfund. 
Hält  man  dagegen,  dafs  die  Einkünfte  aus  den  althabsburgischen 
Besitzungen  im  Jahre  nur  durchschnittUch  70Ü0  Mark  betrugen, 
so  kann  man  daraus  am  klarsten  ersehen,  welch  ungeheurer  Ge- 
winn dem  Habsburgischen  Hause  aus  der  Erwerbung  Österreichs 
zu  erwachsen  versprach  ^). 

Im  Laufe  des  Jahres  1282  wurden  die  letzten  Hindernisse 
für  diese  Erwerbung  aus  dem  Wege  geräumt.  So  konnte  denn 
endlich  zwischen  dem  17.  und  21.  Dezember  auf  dem  Reichstage 
zu  Augsburg  die  Belehnung  der  Grafen  Rudolf  und  Albrecht  von 
Habsburg  —  Hartmann  war  am  21.  Dezember  1281  im  Rhein 
ertrunken  —  mit  Osterreich,  Steiermark,  Kärnten  (mit  Vorbehalt), 
Krain  und  der  windischen  Mark  erfolgen.  Die  Urkunde  wurde 
am  27.  Dezember  unter  goldener  Bulle  ausgestellt. 

Noch  einmal  griffen  darauf  die  Herrenstände  entscheidend  ein. 
Schon  nach  wenigen  Monaten,  im  Mai  1283  kam  eine  Abordnung 
zum  Könige  nach  dem  Elsafs,  um  die  Beseitigung  des  lästigen  und 
ungewohnten  Zweifürstentums  zu  erbitten.  Auf  dieses  legte  Rudolf 
ja  wenig  Gewicht  i^nd  so  bestimmte  er  denn  am  1.  Juni  1283 
durch  den  Vertrag  von  Rheinfelden,  dafs  Albrecht  als  der  ältere 
mit  allen  seinen  männlichen  Nachkommen  die  österreichischen 
Länder  innehaben  solle. 

So  war  denn  für  Österreich  die  kurze  Episode  der  Reichs- 
unmittelbarkeit  zu  Ende,  es  war  auch  nicht  mehr  das  Anhängsel 
eines  fremden  Reiches,  wie  unter  Ottokar,  sondern  besafs  nun 
wieder  seinen  eigenen  Landesfürsten,  wie  zur  Zeit  der  Babenberger. 
Dessen  Sache  war  es  nunmehr,  die  alte  Überlieferung  unter  Be- 
rücksichtigung des  Wandels  der  Zeit  wiederherzustellen. 

1)  Siehe  die  Urkunden  Albrechts  vom  19.  Oktober  und  24.  Dezember  1282, 
sowie  die  Eudolfs  vom  14.  Dezember  bei  Zahn  a.  a.  0.  S.  133 — 135.  Die 
erstere  auch  bei  Seh  wind-Dopsch,  Ausgew.  Urk.  S.  129.  —  In  der  ganzen 
Darlegung  folgte  ich  den  übersichtlichen  Auseinandersetzungen  bei  Eedlich, 
Eudolf  von  Habsburg  S.  359,  wozu  Lorenz,  Deutsche  Geschichte  I,  365  zu 
vergleichen  ist.  Die  regelmäfsige  durchschnittliche  Jahreseinnahme  dürfte  noch 
höher  zu  veranschlagen  sein,  wie  Dop  seh  in  der  Einleitung  zu  den  Öster- 
reichischen Urbaren  S.  CCXXIVff.  nachgewiesen  hat. 

^ 


Register. 


Äba,  König  von  Ungarn  241  f. 
Abersee  127. 

Abgaben  und  Leistungen: 
Bergrecht  261. 
Bergwerk  324.  381.  386. 
Bufs-  und  Sübnegeld  324.  38.5  f. 
—  der  bäuerl.  Bevölkerung  260  f. 
Gerichtsgefälle  388.  566. 
Landpfennige  324.  386. 
Marcbfutter,    Marcbdienst,    Marcb- 
mutte  320.  323.  381.  386.  567  f. 
Mauten   388.    399.    401.   411.    415. 

551.  553  f.  567.  569  f. 
Nacbtselde  324. 

Steuern:     556    (Grundsteuer);     557 
(Kriegssteuer) ;  560 ;  287. 388  (Vogt- 
steuer). 
Zehnte  167.  203  f.  324. 
Zinse  327.  419.  438. 
Zölle    156ff.    399.    401.    411.    551. 
553  f.  567  ff.  573. 
Absdorf  (Bz.  UntergänserndorO  496. 
Abteiland  533. 

Abwinden  (Bz.  Perg  O.-Ö.)  108.  234. 
Aachener  Kaufleute  399. 
Achilleus,  ungarischer  Graf  479 f. 
Ackerbau  s.  Landwirtschaft. 
Adalbero,  Bischof  von  Wiirzburg  254. 

259.  270  ff.  284.  336.  364. 
Adalbert,  Bischof  von  Bamberg  196. 
— ,  Bischof  von  Freising  344f.  381. 
— ,   Bischof    von    Passau     189.     192. 
200. 


Adalbert,  Bisehof  von  Prag  157.  201. 
— ,    Erzbischof    von    Salzburg     348  f. 

351  ff. 
— ,  Markgraf  der  Ostmark    218.    238. 

240f.  244 f.  267.  318.  426. 
— ,  Sohn  Leopolds  lU.  302.  329.  369. 
Adalram,    Erzbischof   von    Salzburg 

150. 
A  d  a  I  w  i  n ,    Erzbischof    von    Salzburg 

176  f. 
Adel   190 f.    206    (SteUung    zu    Otto- 
kar IL).  543  f.   (zu  Rudolf).  551  f. 

569.  572. 
Landherren    524.    527.    551  f.    555. 

572. 
Dienstmannen  s.  Ministerialen. 
Ritterstand    322.    421.    440.    465  ff. 

515.  519  f.  527.  552.  569. 
Admont,  steierisches  Kloster    7.    11. 

344.  358.  430.  433. 
— ,  Irimbert  aus  364. 
Adrab  aikampoi  76. 
Ägyd,  St.,  im  Mühlviertel  514. 
Ä  gy  d  i  u  s ,  Graf  des  Prefsburger  Komi- 

tates  und  Schatzmeister  530  f. 
Aelium  Cetium  s.  St.  Polten. 
Ämter  (Officia)  287.  388. 
Aequinoctium  s.  Fischamend. 
Aflenztal  360. 
Agar,  Flufs  118. 

Aggsbach  a.  d.  Donau  28.  227.  426. 
Aggstein  a.  d.  Donau  426.  463. 
Agilolfinger  116. 


57« 


Register. 


A  ^  n  e  8 ,  Goraahlin  I^opolds  III.  296. 302. 

— ,  Goiuahlin  Stephans  III.  350. 

— ,  Tochter   Gertruds  von   Österreich 

546. 
— ,  Tochter   Ottokars  I.   von   Bölimen 

459. 
— ,  Tochter  Ottokars  II.   von  Böhmen 

566. 

—  von  Meran,  Gemahlin  Friedrichs 

des  Streitbaren  480. 

—  von  Poitou,   Kaiserin  244.  249f. 

271  f.  281. 

Ägrargerichtsbarkeits.  Gerichts- 
verfassung. 

Algen  (Bz.  Rohrbach  O.-Ö.)  425.  514. 

Aist,  Flufs  137.  144.  148.  423. 

Aist,  Dietmar  von,  Dichter  333. 

Aistom  odius,  germanischer  König  86. 

Alamannen68.  79.94.96.  Ulf.  184. 

Alanen,  germanischer  Stamm  92. 

Ala  nova  s.  Schwechat. 

Alarich,  König  der  Westgoten  92. 

Alarun  (Albern?),  Hof  in vNiederöster- 
reich  216. 

Alauner,  keltischer  Stamm  42. 

Albe,  Flufs  43.  128. 

Alberich,  Chorbischof  von  Passau 
145.  168. 

— ,  Graf  in  der  karolingischen  Ostmark 
165. 

Albern  (Bz.  Brück  a.  d.  L.)  214.  216. 

AlbertBehaim  vonKager,  päpst- 
licher Legat  452.  476. 

Albigenser  s.  Ketzer. 

Alboin,  König  der  Langobarden  105. 

Albrecht,  Sohn  König  Rudolfs  von 
Habsburg  567.  569.  572.  574. 

Aldersbach,  bayerisches  Kloster  301. 
319.  430.  452. 

Alexander  IH.,  Papst  346ff. 

—  IV.,  Papst  511. 

Alexander     Severus,      römischer 

Kaiser  68.  87  f. 
Alkoven  bei  Eferding    128.  281. 


Alkuin  167. 

All  and  (Bz.  Baden)  107. 

Almen  de  423. 

Almsee,  der  209. 

Alm  US,  NeflTe  König  Ladislaus'  295 f. 

Almwirtschaft  114. 

Alpker  154. 

Als,  Bach  (Wien)  108.  252.  301.  319. 

Als,  Ministerialo  322. 

A Itaich,  bayerisches  Kloster  11.  137. 
142.  146  f.  300  (Besitz).  430. 

Altaicher  Annalen  8.  Aimalen. 

Alte  vom  Berge,  der  445. 

Altenburg,  Benediktinerstift  (Bz. 
Hörn)  10.  253.  334. 

Altenburg,  Deutsch-,  in  Niederöster- 
reich 78.  82. 

Alten  bürg,  Ungarisch-  56. 

Altenburger,  die  435. 

Altenburger,  Konrad  und  Leuthold 
411. 

Altenfeldon  (Bz.  Rohrbach)  415. 

Altmann,  Bischof  von  Passau  258. 
270  ff.  284. -286.  290.  299.  319. 
329.  333.  336. 

Altmühl,  Flufs  156. 

Amphitheater  82. 

Amstetten,  Stadt  in  Niederöster- 
reich 230.  (Mals)  472.  507.  525 
(Ketzer).  568. 

Amtsadel  s.  Adel. 

Amtsleute  (Officiales)  388.  421  f. 

Andechser  207.  358. 

Andrä,  St.,  a.  d.  Traisen  334. 

Andreas,  König  von  Ungarn  248 ff. 

— ,  ungarischer  Prinz  541.   562. 

Anj  oie  s.  Anschau. 

Annalen  5.  247  (Reichsannalen).  6. 
335.  363  (österr.  Annalen). 

Anno,  Erzbischof  von  Köln  250. 

Anschau  (Gbz.  Ottenschlag)  395. 

— ,  Ministeriale  462. 

Anselinus,  Sohn  Bertolds  von  Aqui- 
leja  450. 


Register. 


57? 


An  sfel  de  n(Bz.Linz)127. 535  (Ketzer). 
Antoninus  Pius,   römischer  Kaiser 

57.  62. 
Antiesen,  Gut  in  Oberösterreich  211. 
Anzbach   (Bz.   Hietzing)     219.    535 

(Ketzer). 
Anzenbach,  Herren  von  431. 
Apfoltern    (Bz.  Freistadt   in  O.-Ö.) 

227. 
Aquae  s.  Baden. 
Ardagger,  Chorherrnstift    (Bz.    Am- 

stetten)  114  f.  215.  271.  345.  507. 

535.  555. 
Arelape  (Arelate)  54.  63.  64.  66.  82. 
Ariberg  bei  Steg  (Goldbergwerk)  83. 
Aribo,  Markgraf  154.  156.  165.  172. 

177.  220.  246  f. 
— ,  Pfalzgraf  217. 

Ariogäsus,  König  der  Quaden  59. 
Arno,  Chorbischof  von  Passau  168. 
— ,  Erzbischof  von  Salzburg  129.  167. 
Arnold  I.,  Graf  von  Wels  207.  209. 

220. 

—  II.,  Markgraf  255  f.  278. 

—  von  Brescia  412. 

—  von  Würzburg  273. 
Arnoldisten  s.  Ketzer. 
Arnsdorf  (Bz.  Krems)  191.  213. 
Arnstein,  Weikhard  von  464. 
Arnulf,  Herzog  von  Bayern  183 ff. 
— ,  König  142  f.  146.  153  f.  170.  172  f. 

177  ff.  213. 
Artolz  (Bz.  Waidhofen  a.  d.  Th.)  232. 
Artus,  König  390. 
Asch  ach  a.  d.  Donau  128  f.  144.  157. 

224.  281.  530. 
Aschbach    im    Viertel    ober   Wiener 

Wald  535.  554.  567. 
Aspach  (Bz.  Braunau  a.  J.)  281.  371. 
Aspang  (Bz.  Wiener  Neustadt)  384. 
Asperhofen  (Bz.  Hietzing)  220. 
Aspern  im  Marchfeld  436. 
Aspern-Falkenberg,  Berta  von  436. 
Asturis  s.  Klosterneuburg. 


A 1 1  a  1  u  8 ,   König    der    Markomannen 

69.  87. 
Attergau   115.   120.  127.  142.  161. 

208.  2 10  f. 
Atterhofim  Attergau  127.  210. 
Attersee  31.  127.  147.  210f.  357. 
Attila,   König  der  Hunnen   93.   94. 

193  f. 
Atzelsdorf  333. 
Atzgersdorf  (Bz.  Hietzing)  333. 
Audaker,  fränkischer  Heerführer  x30. 
Auerbach  (Bz.  Freistadt  O.-Ö.)  118. 
Auersperge,  Ministerialen  379. 
Augsburger  Kaufleute  405. 
Augustinkogel  118. 
Aug^ustus,  römischer  Kaiser  48. 
Aupfelwang  in  Oberösterreich  357. 
A Urach  (Bz.  Vöcklabruck)   253.  358. 
Aurelianus,  römischer  Kaiser  69. 
Ausfuhrhandel  s.  Handel. 
Aussee  360. 
Au  sseer  Ländchen  118. 
Authari,  Langobardenkönig  113. 
Ava  von  Melk,  Dichterin  293.  335. 
A  waren  105  f.  109  f.  114.  124  f.  130. 
132.    135.    154.    161.    162.    167. 
173.  182. 
Awarien  s.  Ostmark. 
Aza  Her  42. 

Baben berger  195.  196 f.  (Abstam- 
mung). 233.  240.  244.  255. 
265ff.  286 ff.  322ff.  331  f.  340ff. 
355  ff.  (Besitzerwerbungen  und 
Erbschafton).  370  ff.  379  ff.  (Landes- 
herren). 427.  435.  437.  (Bedeu- 
tung und  Macht).  438  ff. 

Baden  (Aquae)  bei  Wien  67.  82.  147. 
283.  326. 

Baden,  Hermann  von  490 ff. 

Badewesen  (römisches)  82. 

Baierdorf  (Bayerdorf,  Bz.  Oberholla- 
brunn)  229. 

Baimoi,  Baimochaimoi  76. 


Vancsa,  Geschichte  Nieder-  u.  Oberösterreichs. 


37 


578 


Register. 


Baioarii  s.  Markomannen. 
Bajuvaron,  Bajuvarion  s.  Bayern. 
Ballomar,  Markomaunenkünig  8G. 
Bamberg  210 f.   218.  258.  301.  357. 

431.  452.  5G8. 
Bamberg,  Hoftag  von  347. 
Batu,  Mongok'nl'ührer  480. 
Bauerngüter  418. 
Bauernlehen  2G2. 
Bauernstand  260fiF.  323fF.  402. 
Klassen  2G0f. 

Lage  170.  418  ff.  440.  531. 
Schwinden  der  freien  Bauern  191. 259  f. 
Baumburg,  bayerisches  Kloster  458. 
Baumgarten,  Ministeriale  462. 
— ,  Herren-  (Bz.  Mistelbach)  258. 
Baumgartenberg,     Zisterzienser- 
kloster (Gbz.  PergO.-Ö.)  12.  317. 

319.  390.  '.Besitz)  430.  496.   555 

(Privileg). 
Bayerhof  229. 
Bayerhofstatt  229. 
Bayermühle  229. 
Bayern  (Bajuvaren)  112 ff.  124 f  131. 

135.  161.  179  ff.  189.  332.  338. 
Bayern  (Bajuvarien)  120;  (kirchliches 

Organ)  125  f.  130.  148.  159.  169  f. 

233.  244.  258.  265  ff.  338  ff.  354  f. 

365.  380.  384.  438. 
Befestigungen  396 ff. 
Befreiung  von  Abgaben,  s.  Abgaben. 
Bela  I.  von  Ungarn  250. 

—  II.  305. 

—  HI.  350.  368. 

—  IV.  478  ff.  482.  487  f.  498  ff.  509  ff. 
Belenus,  keltische  Gottheit  41. 
Benedikt  VIL,  Papst  201. 
Benediktiner    281.     289ff.    334f. 

337.  343. 
Benefizialwesen  152. 
Benesch,  böhmischer  Baron   515. 
Berchtesgaden,  bayerisches  Kloster 

301.  319. 
Bergrecht  (der  Weinbauern)  326. 


Bergrecht  s.  Abgaben. 
Berengar,  Bischof  von  Passau  215. 
Bergbau  33.  34.  37.  38.  114.  360 f. 
Bergregal  s.  Regalien. 
Berg  winden  bei  Wels  108. 
Bernardus    Noricus    aus   Krems- 

müuster  163. 
Bernhard  von  Clairvaux  299.  306. 
Bernhard  US,  Bischof  von  Neapel  501. 
Berns teinstral'se  35.  44.  53. 
Berta,    Tochter    Leopolds   III.    (von 

Steffaning)  304.  436. 
Bertold,  Abt  von  Garsten  356. 
— ,  Bischof  von  Bamberg  539. 
— ,  Bischof  von  Würzburg  549. 
— ,  Bruder  Arnulfs  von  Bayern    185. 

188  f. 
— ,  Graf   im   Nordgau    und    Markgraf 

gegen  die  Böhmen  196  f. 
—  von  Schwaben  187. 
Besied elung  s.  Kolonisation. 
Basiedelungsdichte  235. 
Besitzverhältnisse  131ff.  152ff. 

186  f.    140  ff.    152  ff.   208  ff.  281  ff. 

318  ff.  302  ff.  429  ff.  522. 
Besthaupt,    Todrecht   (mortuarium) 

324. 
Bettelorden  454ff.  544.   547.    556. 

569  f. 
Biatec,  norischer  Fürst  50. 
Bibliotheken  363. 
Bielakt,  Graf  von,    s.  Sighard,   Pa- 
triarch. 
Bienenzucht  s.  Landwirtschaft. 
Bierbaum  283.  300. 
Bi Bamberg  bei  Wien  219.  237.  301. 

319. 
Biugin  s.  Persenbeug. 
Blabariciaco  63. 
Blankenberg-Schönheringen, 

Herren  von  423. 
Blankenberge  432. 
Blasenstein,  Burg  in  Oberösterreich 

254.  372. 


RetristtT. 


57» 


Blocksystem  s.  Siedcluiigsformeu. 

Bob  so  na  (verschollen)  in  Niederöster- 
reich 242. 

Böheimkirchen  (Bz.  St.  Polten) 
234.  258.  535. 

Böhmischkrut  (Bz.  Mistelbach)  234. 
258. 

Böhmsdorf  (Böhmstorf,  Bz.  Zwettl) 
234. 

Böhm  Zeil  (Bz.  Gmünd)  234. 

Boerbistes,  König  der  Daker  45. 

Bogen,  Grafen  von,  s.  Poigen. 

Bojer  3G.  45.  46. 

Bojerwüste  45. 

Bojo durum  s.  Innstadt. 

Boleslaw  Chrobry  238 

Boleslaw  von  Krakau  500. 

Borics,  Sohn  König  Kolomanns  von 
Ungarn  305  f. 

Bofiwoy,  Herzog  von  Böhmen  296. 

Botho,  Bruder  des  Pfalzgrafen  Aribo 
217.  247. 

Brandenburg,  Albrecht  von  308. 

_,  Otto  von  549. 

Braunschweig,  Otto  von  370.  410. 
413. 

Breiteuau  im  Hausruckgebiet  431. 

Bretislaw,  Herzog  238.  240 f.  248. 

Brevos  Notitiae  126. 

Bromberg,  Pfarre  (Bz.  Wiener  Neu- 
stadt) 358. 

Bronzezeit  34—38.  614. 

Brück  a.  d.  Leitha,  Stadt  in  Nieder- 
reich 67.  259.  282.  553  (Privileg). 

Brückenbau  401. 

Brüder  vom  freien  Geiste  s.  Ketzer. 

Brunn,  Ministerialengeschlecht  435. 

— ,  Heinrich  von  463  f. 

Bruno  von  Olmütz,  Bischof  501.  522. 
539   (Denkschrift).  547.  549.  558. 

Buchberger  Tal  361. 

Buchenau  (Bz.  Linz)  147. 

Bucklige  Welt  bei  Wiener  Neustadt 
256. 


Bürger  341.    (Vorrechte)  403 ff.  440. 

471.  520.  527.  553.  555. 
Burgenbau   503 f.    515 ff.   525.    551. 

572. 
Burgfried  385. 
Burghausen,  Grafen  von  208.  222. 

252.  362. 
— ,  Gebhard  von  252.  308.  312. 
— ,  Heinrich  von,  Bischof  von  Freising 

275.  289. 
— ,  Hildegard  von  275. 
— ,  Sieghard  von  252. 
Burghausen-Peilstein,  Gr.  v.  275. 
Burghausen-Schala,   Herren  von 

221.  223.  240.  273. 
— ,  Ida  von  372. 
Burghauseii-Schala -Peilstein 

259.  282. 
Burglehen  520. 
B  urg recht  (Baurecht,  Kaufrecht)  327. 

403.  418  f. 
Burgschleinitz  (Bz.  Hörn)  108. 
Burgunden  202. 
Burgwerk  s.  Abgaben. 
Burkhard,  Bischof  von  Passau  156. 
— ,     Markgraf    der    Ostmark     192  f. 

194  f.  197  f.  216.  222.  233  f.   265. 

297. 
Byzanz  307.  331.  343. 

Caligula,  römischer  Kaiser  53. 

Camaldula,  Kloster  270, 

Caracalla,  römischer  Kaiser  64. 

Garbo,  Gn.  Papirius,  Prokonsul  (113 
V.  Chr.)  44. 

Carnuntum  2.  40.  43.  49.  53.  54. 
55.  56.  59.  62.  64.  66.  67.  68. 
70.  72.  81.  82.  83.  84.  86.  89. 
110.  114.  136. 

Cäsar  45.  46.  48. 

Catualda,  Gotenfürst  51.  52. 

C  e  r  w  a  1  d  s.  Semmering. 

Chalhoch,  Richter  der  Feste  Falken- 
stein 424. 


37' 


580 


Register. 


Chat  toi,  Chaituoroi  (Chatten)  76. 
C  h  e  y  a  w  0  r     (Kiauor)     Miaisterialen- 

goschlecht  434  f. 
Chioragau  220.  25G. 
Chiemsoe,  Bistum  407. 
Childebert  II.,  Frankenkönig  125. 
—  III.  125. 

Chorherronklöster  334. 
Christentum. 

Einführung  in  Noricura  97  f. 
Christian,  Bischof  von  Passau   204. 

209.  214. 
Christofen  im  Viertel  ober  Wiener 

Wald  535. 
Chroniken,  Städtische  8. 
Chroninpach  (Grünbach ?)  bei  Pacli- 

manning  127. 
Chrubat  s.  Böhmischkrut. 
Chunihohesdorf  (Königstetten)  242. 
Chussal,  Führer  der  Magyaren  181. 
Cidalarisbach  s.  Zeillern. 
Citiura  8.  Zeiselmauer. 
Claudius  I.,    römischer   Kaiser   52. 

54.  66. 
—  n.,  römischer  Kaiser  69. 
Claudius  Pompejanus  58. 
Cölestin,  Papst  378. 
Collegia,  römische  83.  89. 
Colomezza  s.  KoUmitz. 
Comagena  s.  TuUn. 
Commodus,  römischer  Kaiser  61.  82. 
Constantinus  Porphyrogenitus,  byz. 

Kaiser  161. 
Constantius,   Bischof   von    Laurea- 

cum  98. 
Cosmas,  böhmischer  Chronist  255. 
Cosmas,  ungarischer  Graf  479. 
Critasirus,  König  der  Noriker  45. 
CucuUae  (Küchel,  Bz.  Hallein)  97. 
Cusus,  Flufs  51. 

Dachenstein  s.  Tachenstein. 

Dachstein  118. 

Dagobert  I.,  fränkischer  König  124. 


Dakor  55.  56. 

Deggendorf  a.  d.  Donau  267. 
Desidorius,  Laugobardenkönig  129. 
Deutschorden  452.  486.  489f.  556 

(Privileg). 
Dewin  174f. 
Dichtungen: 

Klösterliche  293  f.  334  £F.  363  f. 
Nibelungenlied  193  fif.  243. 298.  331  ff. 

343.  395. 
Volksepos  und  ritterliche  Lyrik  331  ff. 
Dienstmannen  s.  Ministeriale. 
Dietach  bei  Steyr  128. 
Dietrich,  Abt  von  Kremsmünster  277. 
— ,  reicher  Wiener  Bürger  702. 
—  von  Bern   (Theoderich)   113.  194. 

331. 
Diokletian,    römischer    Kaiser   70 f. 

72.  97. 
Dionys,  St.  232. 
Disinfurt  (verschollen)  258. 
Döbling  (Wien)  108. 
Dominikaner  s.  Bettelorden. 
Domitian,  römischer  Kaiser  55.  56. 
Donau  29.  30.  117ff.  141.  147.  156. 
161  f.   180.    182.    327    (Bettverle- 
gungen). 429. 
Donauhandel  s.  Handel. 
Donautal,Landg-richtl20. 136. 155. 
Dorfanlage  s.  Siedlungsformen. 
Dornbach  (Wien)  252.  319. 
Drachenstein  129. 
Draholf,  Bischof  von  Freising  183. 
Drasdorf    im    Traismafeldgau    140. 

142.  151. 
Dreifeldersystem  150.  327. 
Dreistätten  (Bz.  Wiener  Neustadt) 

219. 
Drosendorf   (Bz.   Hörn)   321.    398. 

427.  535.  546.  548.  562.  570. 
Drusus  46. 

Dürnberg  bei  Hallein  38. 
Dürnkrut    im    Marchfeld    78.    427. 
564  (Schlacht  von  1278).  568. 


Register. 


581 


Dürnstein   a.    d.    Donau   107.   217. 

227.  376.  426.  463. 
Dunkelstein,  Herren  von  359. 
Durchfuhrhandel  s.  Handel. 
Duria  51. 
Durinc,  ein  Freier  140.  144. 

Eberhard  I.,  Erzbischof  von  Salzburg 
345  ff.  356. 

—  II.  409  f.  445.  452.  481. 

— ,  Sohn  Arnulfs  von  Bayern  188. 
— ,    Spielmann    Herzog   Leopolds    VI. 

394. 
Ebersberg,  bayerisches  Kloster  220. 

319.  496. 
Ebersberg,  Burg  a.  d.  Traun  481. 
EberschTPang  (Bz.  Eied)  281. 
Ebersdorf  bei   Pöchlarn    158.    252. 

289.  567. 
Ebersdorf,  Herren  von  388. 
— ,  Eeinprecht  und  Chalhoch  von  548. 
Eberstal  128. 
Eberstallzell  (Cotprehtescella ,  Bz. 

Steyr)  209. 
Eberstein,  Eberhard  von,  Statthalter 

in  Österreich  446. 
— ,  Otto  von  488.  490  f. 
Eborodunum  s.  Efferding. 
Ecclesia  Anzonis,  EUodis,  Minigonis 

146.  153. 

—  ad  Kensi  153. 

Ed  1  i  t  z  (Bz.  Wiener  Neustadt)  108. 146. 
358. 

E  f  e  r  d  i  n  g ,  Stadt  in  Oberösterreich  64. 
(Stadtrecht)  415.  533.  568. 

Egelsee  bei  Krems  282. 

Egelstetten  242. 

Eggenburg,  Stadt  in  Niederösterreich 
31.  33.  398.  426.  553  (Steuerfrei- 
heit und  Wienerrecht). 

— ,  Herren  von  492. 

E  g  i  n  0 ,  Grundbesitzer  in  der  Ostmark 
138. 

Ehrentrud,  Das  Kloster  der  hl.  127. 


Eibensteiu  bei  Gmünd  33. 

Eichenbrunn    (Aichenbrunn ,    Gbz. 
Laa)  40. 

Eich  statt,   Bistum  169.  216  f.  247. 

Eichstätter  Besitz  244.  216f. 

Eigenleute  s.  Bauernstand. 

E  i  g  i  1  b  e  r  t ,  Propst,  später  Erzbischof 
von  Trier  272. 

E  i  1  i  k  a ,  Äbtissin  des  Klosters  Niedem- 
burg  210. 

Einfuhrhandel  s.  Handel. 

Einkünfte,  landesfürstliche  (vgl.  Ab- 
gaben und  Leistungen)  385  ff. 

Eisenburg,  Die  198. 

Eisenburg,  Komitat  232.  479 f. 

— ,  Gregor  von  530. 

Eisenbergwerksbetrieb  360f. 

Eisenstadt  in  Ungarn  297. 

Eisenwurzen  39.  107.  530. 

Eisenzeit  38 f. 

Eitzendorf  (Bz.  St.  Polten)  282. 

Ekbert,   Bischof  von   Bamberg  411. 
446. 

Elegio,  Ort  in  Ufern oricum  63^ 

Eleonore  von  Bretagne  377. 

Elis,    Ansiedler  in  der  karolingischen 
Mark  139.  143.  147. 

Elisabeth  von  Babenberg  366. 

— ,  Tochter  Belas  IV.  von  Ungarn  500. 

— ,  Tochter  Ottos  von  Bayern  481. 

— ,   natürliche    Tochter    Ottokars   von 
Böhmen  548.  559. 

Ellenbrechtskirchen  415. 

Eisbach  (Bz.  TuUn)  220. 

Emmeram,  hl.  (Haimraban)  111.  125. 

E  m  m  e  r  a  m ,  St. ,   Kloster  in  Regens- 
burg 138.  143.  148.  171. 

Emmerberg  s.  Prosset,  Herren  von. 

— ,  Bertold  von  464.   564  f. 

Engelbert,  Bischof  von  Passau  864. 

— ,  Erzbischof  von  Köln  538. 

- ,  Propst  von  St.  Polten  277. 

Engelhartszell    a.    d.   Donau   118. 
436.  514. 


583 


Register. 


Eiigolmanii  sbr  unn  bei  Kirchborg 
am  Wagram  282. 

Engelschalk,  Graf  von  üborpan- 
uonieu  165.  172. 

Engel  Schalkesburg  bei  Mödling 
(später  Liechtenstein)  435. 

E  n  g  e  r  1  (1 0  r  f  im  Mühlviertel  (Ortschaft 
Kasten)  432. 

Engilbert,  Graf  im  Mattiggau  119. 

Engilrich,  Grundbesitzer  in  der  Ost- 
mark 219. 

Enns,  Flufs  43.  62.  66 f.  106.  109 ff. 
120.  130.  148.  159.  182.  222.  236. 

Enns,  Stadt  in  Oberösterreich  82. 
236.  351.  359.  361.  557  (Münz- 
stätte). 382.  384.  398  f.  (Stadt- 
recht). 400.  403 ff.  477.  493.  507 
(Amtssitz  des  Landrichters).  512. 
514  (Schreiber).  535  (Ketzer).  547. 
553. 

Ennswald  118,  145.  155.  217.  224. 
259. 

Entvogtung  286.  320.  < 

Enzersdorf  im  Viertel  unter  Man- 
hartsberg  219.  386.  430.  497. 
567. 

Eor,  Kriegsgott  113.  125. 

Eparesburg  136.  142.  153.  157f. 

Eppensteiner  207.  257. 

Eppenstein,  Adalbero  von  255. 

— ,  Hermann  von  276. 

—  ,  Liutold  von  273. 

Erbfolgestreit,  österreichischer 
484  ff. 

Erblichkeit  der  Lehen  173.  520. 

Erchanfried,  Abt  von  Melk  6.  335. 
337. 

— ,  Chorbischof  126.  168. 

Erchanger  von  Schwaben  187. 

Erdberg  bei  Wien  376. 

Erdgastegi  143. 

Erdställe  79. 

Erla,  Nonnenkloster  in  Niederöster- 
reich 271.  452.  569. 


Erlach  254. 

Erlaf  43.   63.    106.    109.    142.    143. 

144.  148.  151.  198.  216.  408. 
Erlafsee  239. 

Er  man  rieh,  Bischof  von  Passau  177. 
Ernolatia,  Ort  in  Noricum  67. 
Ernst,  Markgraf  von  Österreich  249  f. 

269. 
Ernstbrunn   (Bz.    Mistelbach)    215. 

221.  431. 
Ernstb runner,  Ministeriale  435. 
Ernstbrunnor  Wald  224. 
Ernstdorf  24. 
Erzberg  360. 
Etrusker  s.  Italiker. 
Etzel  s.  Attila. 
E  z  z  0  von  B  a  m  1)  e  r  g  293. 

Färber,  flandrische  401. 
Falken berg,  Ministeriale  492. 
Falkenstein,  Herren  von  423 f. 
—  ,  Sigboto  von  338. 
— ,  Pfarre  in  Nieijerösterreich  300. 
Falkenstein- Herreustei  n     252. 

423. 
Falkens  tcin-Perge  432. 
Falkensteiner  Besitz  433. 
Familienrecht  121f.  520f. 
Faviana  s.  Mautcin. 
Peistritz,   Flufs  in  Obcrüsterreich 

423. 
Feldgraswirtschaft        (Egarten- 

system)  s.  Siedlungsformen. 
Felds  berg  (Bz.  Mistelbach)  435.  566. 
— ,  Ministoriale  4ü2. 
— ,  Truchsefs  von  505. 
— ,  Kadold  von  464. 
Feletheus,  genannt  Fava  oder  Feva, 

König    der    Eugier    94.    96.    100. 

102.  103. 
Pellabrunn  227. 
Ferderuch,  Bruder  des  Eugierköoigs 

Feletheus  100.  103. 
Feva  s.  Feletheus. 


Register. 


583 


Fichten  stein  ,  Grafen  von  254. 
Finanzverwaltung,      landesfürst- 

lidie  386.  503.  529.  556. 
Fi  sc  ha,  Flufs  153.  213.  239. 
Fischaeh,  Flufs  213. 
Fischamond  {Bz.  Brück)  55. 
Fi  schau    am    Steinfekle    351.    360 f. 

384.  397. 
Fischfang  in  der  Donau  327  f. 
Fischereirecht  439.  553.  569. 
Flaceitheus,  König  der  Rugier  94. 
Fläch enmafs  s.  Mafse. 
Flandrer  401f.  406.  427 f.  527. 
Flatz,  Herren  von  358. 
Flinsbach    (Bz.    St.    Polten)     141. 

253. 
Florentius,    Bruder    Wilhelms    von 

Holland  493. 
Florian,  Der  hl.  4. 
Florian,  St.,  Chorherrnstift  in  Ober- 
österreich   40.    143.    144   (Zelle). 

145.    154.    169.    180.   186  f.   202. 

2U9.  213.  272.  277.  286.  291.  294. 

300.   347.   357.    363  f.    382.    402. 

433.  452.  535  (Ketzer).  5G9. 
Florian,  Engelbert  von  St.    363. 
Florianslegende  4.  168. 
Forchheim,  Färstentag  von  272. 
Formbach   am    Inn   254.    301.    319. 

325.  358.  397.  453. 
— ,  Grafen  von   219.  222.   253  f.   286. 

433. 
— ,  Ekbert  I.  von  254.  256.  273. 
—  ,  Meginhard  von  254. 
— ,  Ulrich  von  207. 
F  0  r  m  b  a  c  h  -  N  e  u  b  u  r  g ,    Grafen   von 

362. 
F  or  ra  b  ac  h  -  Pü  t  tc  n  ,  Graf  Ekbert  H. 

von  355. 
Forstwesen  155. 
Forstbauu  439. 
Forstregäl  s.  Regalien. 
Fraindorf   bei    Tulln    (Frigendorf ) 

252. 


Frankaslehen  229. 

Franken  113.  124f.  149.  173ff.  184. 

332. 
Frankenberg  im  Mühl viertel  425. 
Frankenburg  bei  Vöckiamarkt  211. 

357. 
Franken fels  (Bz.  St.  Polten)  229. 
Franken hof  (Bz.  Wiener  Neustadt) 

229. 
Frankenmarkt    (Bz.    Vöcklabruck) 

211. 
Frankenreith  229. 
Frauenhofeu,  Cholo  von  469. 
Frederich,   Neffe   des   Rugierkönigs 

Ferderuch  103. 
Fr  ei  sing  (Bayern)  11.  12.  125.   138. 

142.   146.  169.    210.    215  f.    218. 

222.  259.  261.  271.  289.  344.  358. 

381.  437.  452.  497.  542. 
Freisinger  Besitz  183.  210.  215 f. 

429  f.  437. 
Freising  in  Oberösterreich  423. 
Freisiug,  Bischof  Otto  von  196.  299  f. 

303.    306.    309.    311.    329.    332. 

344  f.  408. 
Freistadt   in   Oberösterreich   (Kauf) 

415.  547.  553  (Stapelrecht).   566. 

Siehe  auch  Nachträge. 
Friaul  130.  160.  273. 
Fridlo,  Sohn  Griffos  in  Wien  571. 
Friedrich!.,  Kaiser  296.  301  f.  307 ff. 

323.  344  f.  368.  370.  374  f.  386. 

—  IL,  Kaiser    370.   382.  413.  438fr. 

443  ff.  448  ff. 

—  I ,  Herzog  von  Österreich  366.  368  f. 

370.  378.  392  f.  412. 

—  n. ,    Herzog    von    Österreich    (der 

Streitbare)    442  ff.    (Politik).    446 

(Acht).  448  ff.  (Königstitel).  465  ff. 

474  ff.   (Krieg  gegen  Böhmen   und 

Ungarn).  484 ff.  497. 
— ,  Erzbischof  von  Salzburg  541  ff.  567. 
— ,  Sohn  Gertrudes  und  Hermanns  von. 

Baden  511  f. 


584 


Register. 


Friedrich  ,  Sohn  Heinrichs  VII.  4l>lf. 

— ,  Sohn  Leopolds  III.  460. 

— ,  Sohn     Wladislaws      vou    Böhmen 

351  f. 
—  von  Schwaben  375. 
— ,  Burgf^raf  von  Nürnberg  545  f. 
Friedrich     Pollex,     Regensburgor 

Kaufmann  573. 
Fried  bürg    (Bz.    Braunau    am    Inn) 

357. 
Fronberg,  Herren  von  359. 
Fronbote  385. 

Fronden  s.  Abgaben  und  Leistungen. 
Frowila,     Gemahlin    Adalberts    von 

Osterreich  241.  245. 
Fucha  (Bz.  Krems)  316. 
Fuchtebach  208. 
Furius  Victorinus  58. 
Furtius,  König  der  Quaden  59. 

Gabini  US,  König  der  Quaden   72. 

Gablitz  (Bz.  Hietzing)  108. 

Gabromagus  s.  Windisch-Garsten. 

G  ä  n  8  e  r  n  d  0  r  f ,  Ober- ,  (Bz.  Korneu- 
burg) Tumulus  79. 

Gaflenz  (Bz.  Steyr)  108.  356. 

Galenus,  römischer  Arzt  82. 

Galerius,  römischer  Kaiser  72. 

Gallienus,  römischer  Kaiser  69.  87. 

Gallier  s.  Kelten. 

Gallneukirchen  (Bz.  Linz),  Strafse 
415.  533. 

Garibald,  bayerischer  Herzog  113. 

Garsten,  Benediktinerstift  in  Ober- 
österreich 7.  278.  281  f.  286.  325. 
349.  353.  356  f.  363.  382.  424. 
430.  453.  555. 

— ,  Bertold  von  337.  364.   433. 

Garste ner  Traditionen  354. 

Garstental  358. 

Gartenbau  417. 

Gaspoldshofeu  im  Hausruckviertel 
259. 

Gatten  dorf  a.  d.  Leitha  238. 


Gau,  Gau  Verfassung  117. 190.  206.384. 
Gebhard,    Bischof    von    Regensburg 

248  f. 
— ,  Erzbischof  von  Salzburg  270.  272  f. 

276.  289.  336.  356. 
— ,  Graf  im  Mattiggau  211. 
Geisa,  ungarischer  Herzog  198.  202. 

—  I.,  König  von  Ungarn  251. 

—  IL,  König  von  Ungarn  306.  347. 
— ,  Bruder  Stepbans  IIL  350. 
Geiselberg  79. 

Geifsler  s.  Ketzer. 

Geistige  Kultur  329ff. 

Geldwirtschaft  402. 

Geleitsregal  s.  Regalien. 

Gelpfrat  (Zänker)  s.  Heinrich  H.  von 
Bayern. 

Genannten,  die  (äufsere  Rat)  406. 
470. 

Generidus,  römischer  Statthalter  No- 
ricums  92. 

Georg,  St.  232 f. 

Georgen,  St.  10.  211.  280.  282.  345. 
425  (an  der  Gusen  und  am  Wald). 
429  f.  535  (an  der  Traisenmiindung). 
531  (in  Ungarn). 

Georgenberger  Vertrag  (Hand- 
feste) 315.  359.  366  ff.  379.  382. 
462.  465. 

Gepiden  96.  105. 

Geplaike,  das  hohe  142. 

Geras,  Prämonstra tenserstift  in  Nieder- 
österreich 10.  321.  334.  462. 

Gerasdorf  (Bz.  Neunkirchen)  219. 

Gerberga,    Gemahlin  Bofiwoys  283. 

Gerhard,  Pfarrer  von  Felling  a.  d. 
Piesting,  Leibarzt  und  Diplomat 
Leopolds  IL  410. 

—  von  Augsburg  192. 

Ger  hoch  von  Mühlhausen  349. 

—  von  Reichersberg  s.  Reichersberg. 
Gericht,    herzogliches ,    s.    Gerichts- 
verfassung. 

Gerichtsbarkeit  s.  ebendort. 


Register. 


585 


Gerichtsbezirke,  s.  Gerichtsver- 
fassung. 

Gerichtsgelder  (Wandel)  s.  Ab- 
gaben. 

Gerichtsstätte  (Ding)  130. 

Gerichtsverfassung  120fiF.  166. 
380 ff.  505  ff.  505  (Gerichtsbezirke 
Ottokars).  506  (herzogliches  Ge- 
richt). 534.  551.  553.  556.  567. 
568  f.  573. 

Gerold  I.,  Graf  der  Ostmark  132. 
141.  154.  160.  163  f. 

—  IL,  Graf  der  Ostmark  165. 

Geroltsdorf  209.  299. 

Gertrud,  Tochter  Kaiser  Lothars  IIL 
304  f. 

— ,  Nichte  Friedrichs  des  Streitbaren 
449  f.  476  f.  480.  482.  484.  487. 
489  ff.  498  f.  502  (domina  de  Im- 
pirg).  511.  526.  541. 

— ,  Schwester  Friedrichs  des  Streit- 
baren (t  1238)  450. 

Geschworene  (iurati,  consules)  405. 
553. 

Gestitzbach  352. 

Gewannsystem  151. 

Gewerbe  und  Handwerk 
bei  den  Germanen  85. 
im  bayerischen  Gebiet  114.  123.  155. 
auf  den  Höfen  der  Gutsherren    262. 

264. 
in  Klöstern  290  f.  330.  364. 
in  Städten  341.  401  f. 

Gewerbesteuer  387. 

Gewere  121. 

Gewichte  471  f. 

Giso  197f. 

Gleink,  Benediktinerkloster  in  Ober- 
österreich 356  f.  363.  382.  433. 
569. 

— ,  Arnhalm  von  356. 

Gleink-Volkenstorfe  359. 

Gleifs  (Bz.  Arastetten)  107.  255.  415. 

Globnitz  (Bz.  Zwettl)  234. 


Gloggnitz,  Propstei (Bz. Neunkirchen) 
108.  325.  358. 

Gmünd  7.  352.  426.  561. 

G  m  u  n  d  e  n  ,  Stadt  in  Oberösterreich 
386.  571. 

Gmundener  See  s.  Traunsee. 

Gobatsburg,  Azzo  von  253.  275. 

G  0  d  e  0  c  h ,  König  der  Langobarden  104. 

Göller,  Der  hohe,  Berg  239. 

Gölsen  (Bz.  Lilienfeld)  107. 

Görz,  Albert  von  546. 

— ,  Graf  von  376. 

— ,  Meinhard  von  491. 

Gösing  (Bz.  Tulln)  108. 

Göstritz  (Bz.  Neunkirchen)  108. 

Götschenberg  34. 

G  ö  1 1  w  e  i  g ,  Benediktinerstift  in  Nieder- 
österreich 6.  7.  9.  10.  11.  63.  103. 
253.  272.  275.  277.  281.  283.  286. 
290ff  300.  319  f.  322.  325.  335. 
349.  356.  381.  (Urbar)  422.  (Be- 
sitz) 430.  452.  462.  468. 

— ,  Hartmann  von ,  Abt  und  Dichter 
290.  293.  335. 

— ,  Otto,  Propst  von  277. 

Goize  (Gosek?)  277. 

Goldarn  bei  Sieghartskirchen  328. 

—  im  Mühlkreis  328. 

Goldberg  im  Viertel  unter  Manharts- 
berg  565. 

Goldene  Steig  s.  Strafsen. 

Goldenkron,  Kloster  in  Böhmen  560. 

G  0 1  d  r  u  n  s  im  Marchfelde  328. 

Gold  wäscherei,  event.  in  der  Donau 
328. 

Goldwörth  bei  Linz  328. 

Gorze,  Kloster  bei  Metz  277. 

Gorazd,  Slawe  178. 

Gosachtal  118. 

Gosautal  514. 

Goten  69.  76.  79.  92.  102.  105.  194. 

Gotprechtszelle  299. 

Gotram,  Grenzgraf  132.  164  f. 

Gottehard.St.,  Abt  und  Bischof  217. 


5S6 


Kegister. 


Gottesurteil  103.  468  f. 
Gottfried,  Markgraf  in  Kärnten  241. 
— ,  Graf  in  der  Ostmark  1G5. 
— ,  Graf  im  Eunstal  255  f.  278. 
G  0 1 1  i  n  0  s  f  0  hl  (venmitlich  boi  Tprch- 

toldsdorf)  218. 
Gottschalk  von  Haunsberg  415. 
Gowacisbruncen  (Kettlasbrunu,  Bz. 

Mistelbach)  258. 
Gozbert,  Abt  von  Togernsee  327. 
Gozzo  von  Krems  528 f.  544.  556.559. 
Grabern  426. 
Graf,  Grafschaft  117.   137.  165f. 

206.  259.  382  f.  519.  524.  572. 
G  r  a  f  e  n  b  0  r  g  bei  Eggenburg  245.  453. 
Grafeusteiu,  Heinrich  von  453. 
Grafen wörth  (Bz.  Tullu)  218.  221.    i 
252.  1 

G  r  a  h  a  m  a  n  n ,  Gefolgsmann  Karls  des   : 
Grofsen  130.  \ 

Grammatstetteu  im  Mühlviertel 

436.  453. 
Gramatneusiedl     (ölireimhiltneu- 

sidl?  Bz.  Mödling)  333. 
Grangicu  325. 
Gratiau,  römischer  Kaiser  72. 
Gregor  I.,  Papst  113. 

—  IL,  Papst  126. 

—  YI.,  Papst  270. 

—  VII.,  Papst  269  ff.  412. 

—  IX.,  Papst  447.  477. 

—  X.,  Papst  539.  545. 

Grein  an  der  Donau  iu  Oberösterreich 

148.  372. 
Gresten  (Bz.  Scheibbs)  108. 
— ,  Alram  von  334. 
Grestig  289. 
Grie.  Herren  von  321.  426. 
Griesbach,  Schlofs  in  Oberösterreich 

433. 
— ,  Herren  von  321.  423.  432  f. 
Griesbach-Waxenberger  433. 
Grieskirchen  (Bz.  Wels)  281.   535 

(Ketzer). 


Grimm  iehsttün,  Ministerialo  435. 
Groifsonbrunn   (Bz.   Gänscrndorf), 

Schlacht  bei  510  f.  534. 
Grofsgrundbesitz  134  fr.  152. 171. 
208  ff.    218  ff.    259  ff.    287.   318  f. 
320  f.    323  ff.    341.    358  ff.    362  f. 
384  f.  396.  401  f.  417  ff.  429.  440. 
Grub  an  der  Marcb  78. 
Grünbach  s.  Chroninpach. 
Gründungen  von  Kirchen  u.  Klöstern 
152  ff.     167.     204.     277  ff.     300  f. 
316  ff. 
Grundherron    und   Grundherrschaft 

s.  Grofsgrundbesitz. 
Grundholden  324 f. 
Grundruhr  (Abschaffung)  468. 
Grunzwita   (Grunawita),    Hof    139. 

141.  147.  164.  213. 
Grunzwiti,  Gau  139.  141.  145.  149. 

151.  153.  163  f.  171.  178. 
Gschwendt  227. 
Gstockert  (Bz.  Hietzing)  227. 
G  u  d  e  n  u  s  h  ö  h  1  e  (bei  Hartenstein)  28. 
Gudrunsage'  333. 
Gudrunstrophe  332. 
Güns  165. 

Güssing,  Heinrich  von  531. 
—  ,  Johann  von  560. 
Güterrevindikiitiou  (Ottokars)  505. 

512  f. 
Guido,  päpsthcher  Legat  522.  536. 
Gumperding  (Bz.  Tulln)  282. 
Gumpoldskirchen    bei    Baden    in 

Niederösterreioh  366.  436. 
Gundakar,  Graf  170. 
Gundprecht  154. 
Gunskircheu  iu  Oberösterreich  535 

(Ketzer). 
Gunter sdorf    (Bz.    Oberhollabrunn) 

333. 
Günther,  Graf  168. 
Gurk,  Bistum  358.  430.  568. 
— ,  Bischöfe  von  345. 
Gusen,  grofse  und  kleine  423. 


Register. 


587 


Guta,  Tochter  Eiadolfs  von  Habsburg 
566. 

Gutau  (Bz.  Perg,  O.-Ö.)  423. 

Gutensteiü,  Burg  in  Niederöster- 
reich 486. 

— ,  Landgericht  239. 

Gutensteiner  Gebiet  354. 

Guzbretesdorfbei  Neunkirchen  256. 

Haag  im  Viertel   ober  Wiener  Wald 

535  (Ketzer). 
— ,  Heinrich  von  507.  515. 
Habsbach,  Ministeriale  492. 
Habsburg  s.  unter:  Albrecht,  Hart- 

manu,  Eudoif. 
Hackenbucherersee  119. 
Hadmarstein  im  Wald  viertel  426. 
Hadrian,  römischer  Kaiser  56. 

—  I.,  Papst  129. 

—  ni.,  Papst  176. 

—  IV.,  Papst  346. 
Häretiker  s.  Ketzer. 

Hagen  au,  Eegimbert  von  280.  304  f. 

306  f. 
Haidershofenira  Viertel  ober  Wiener 

Wald  535  (Ketzer). 
Haigermoos  (Bz.  Braunau   am  Inn) 

119. 
Haimo,  Grundbesitzer  im  Grunzwiti- 

gau  139.  149.  151.  171.  178. 
Hainburg  35.  78.   247f.   252.   267. 

282.    342.    398.    431.    461.    470 

(Wiener  Recht).    488.  498.   509  f. 

558.  562. 
— ,  Heinrich   von ,   Pfarrer  in   Gmünd 

7.  557. 
Hainfeld  316. 
Halitsch,  Daniel  von  500. 
— ,  Leo  von  498. 
— ,  Roman  von  498  f.  541. 
Hallein  155. 

Hall  statt  1.  35.  37.  38.  46.  83.  155. 
Hallstattperiode  35fr. 
Haltmaris dorf  300. 


Hammer  stein,  Burg  321. 
Handelsgrafon  s.  Hansgrafen. 
Handel    33.    35.    84.    123 f.    155 ff. 

187.     328.     340ff.     357.     360ff. 

386  f.    397  ff.    452    (Grenzsperre). 

468  (Konkurrenz  der  Juden).  470  f. 

475.  571.  573. 
Donauhandel  156 ff.  180  f.  192.  328. 

340.  359.  399.  401  f.  414  f.  468. 
Weinhandel  326.  328.  342.  469. 
Handelspolitik  398ff. 
Handelsstrafsen  s.  Strafsen. 
Handgemal       (Ansedel,       Sedelhof, 

Salland)  261. 
Handwerkerstand  s.  Gewerbe  und 

Handwerk. 
Hansgrafenamt  529. 
Hardegg  im  Waldviertel  427.  547. 
— ,  Grafen  von  490  f. 
— ,  Heinrich  von  505. 
— ,  Konrad  von  464.  495.  547. 
— ,  Leutold  von  464.  466. 
— ,  Otto  von  494  f.  509. 
Haringsee  in  Niederösterreich    533. 
Harluugen  113. 
Hart  (Bz.  Perg  O.-Ö.)  252.  289. 
— ,  Wald  216.  225. 
Hartmann,   Propst   von  St.  Florian 

277. 
— ,  Sohn  Ottokars  II.  von  Böhmen  550. 
— ,  Sohn  Rudolfs  von  Habsbnrg  567. 574. 
Hartwig,  Bischof  von  Passau  216. 
— ,  Erzbischof  von  Bremen  308. 
Haselbach    in    Oberösterreich    256. 

355. 
Haselgraben  in  Oborösterreich  371. 

432. 
Haslach  (Bz.  Rohrbach  O.-Ö.)  425. 
Ha s lau  a.  d.  Leitha  259. 
— ,  Otto  von  505.  548.  552. 
Hauer  und  Winzer  326. 
Haunsborg,  Hochfreie  von  432. 
— ,  Adelheid  von  432. 
— ,  Gottschalk  von  432.  436. 


588 


Register. 


Hausbacb,  Heinrich  von  505. 
Hausenpfennige  327. 
Hausfornien  114.  223.  229 f.  427. 
Hausgenossen  der  Münze  s. Münze. 
Hausgenossen       (Standesgenossen, 

Übergenossen)  519  f. 
Hausruck  118.  224.  354.  481.   433. 
H  e  a  n  z  e  n ,  fränkische  Ansiedler  im  west- 
lichen Ungarn  232. 
Heidenroichstein  (Bz. Gmünd) 245. 

427. 
— ,  Ministeriale  von  435. 
Heidenstatt  bei  Limberg  31. 
Heiligenkreuz,  Zisterzienserstift  in 
Niederösterreich  7.  8.  10.  11.  291. 
317  f.   32G.   330.    349.    381.    430. 
441.    452.    478.     555    (Privileg). 
560.  570. 
Heiligenstadt  bei  Wien  (Pfarrurbar) 

422. 
Heimfallsrecht  390. 
Heim  in  g  in  Oberösterreich  118. 
Heinrich  I.,  deutscher  König  188. 

—  IL,    deutscher   Kaiser   209 f.    214. 

218  f.  221.  225.  238.  251. 

—  in.,  deutscher  Kaiser  214.  218.  221. 

225. 229. 238. 240. 243  ff.  268  ff.  338. 

—  IV.,  deutscher  Kaiser  216.  229.  249  f. 

253.  255.  263.  268  ff.  295  f. 

—  V.,  deutscher  Kaiser  296  ff. 

—  VI.,    deutscher  Kaiser    368.    370. 

374  ff.  424. 

—  VII.,  deutscher  Kaiser  438  f.  443. 484. 

—  II.,  Herzog  von  Bayern   190.    195. 

202  f.  209.  221. 

—  IV.,  Herzog  von  Bayern  267. 

—  der  Löwe   304.   307 ff.  350.  353. 

364.  375.  382. 

—  der  Stolze  302ff. 

— ,  Herzog  von  Niederbayern  500.  507  f. 
526.  530.  538.  541.  543.  516.  560f. 

—  (Jasorairgott) ,  Markgraf,  seit  1156 

Herzog  von  Osterreich  304  ff.  330. 
340  ff. 


H  e  i  n  r  i  c  h ,  Herzog  von  Kärnten  202. 37 1. 

— ,  Bischof  von  Bamberg  449. 

— ,  Burggraf  von  Regensburg  und  Her- 
zog 304. 

— ,  Bruder  Ottos  I.  189  f.  192. 

— ,  Sohn  des  Königs  Konrad  IL  215.  240. 

— ,  Sohn  des  Bayernherzogs  Bertold  197. 

— ,  Neffe  Leopolds  I.  von  Österreich  199. 

— ,  Sohn  Leopolds  III.  von  Österreich 
302.  369.  406.  414. 

— ,  Sohn  Leopolds  VI.  von  Österreich  460f. 

—  de  Piela  s.  Heinrich  von  Melk. 
— ,  Magister,  Schreiber  507. 
Heliodorus,  Germanenfürst  86. 
Helvius  Pertinax,  Legat  von  Pan- 

nonien,  dann  römischer  Kaiser  68. 
Henneberg,  Graf  von  490. 
Herculius,  römischer  Kaiser  72. 
Herilungoburg  104.  143. 
Heriluugofeld  104. 
Herisliz  130. 
Hermann,  Pfalzgraf  vom  Rhein  308. 

—  von  Reichenau  247. 

—  von  Thüringen  394. 
Hernstein  oder  Hörn  stein  (Herrand- 
stein, Bz.  Baden)  253.  321.  524. 

Herrand  253. 
Herrantsteiner  239. 
Herrieden  (ursprünglich  Hasenried), 

bayerisches  Kloster  137.  140.  141. 

142. 
Heruler  94.  96.  104. 
Herzogenburg,    Chorherrenstift  in 

Niederösterreich  10.  204.  280.  282. 

429. 
Hessendorf  229. 
Hettmannsdorf  (Bz.  Neunkirchen) 

333. 
Hetzmannsdorf  (Bz.Oberhollabrunn) 

253. 
Hetzmannswiesen  253. 
Heuberg  282. 
Heubs  567. 
Heunberg,  Ulrich  von  546. 


Register. 


589 


Hildegard,     Gemahlin     Karls     des 

Grofsen  160. 
Hildibald,    Bischof   von    Köln    128. 

160. 
Himberg,  Burg  bei  Wien  502. 
Himberg-Ebersdorfe  (Hintberg), 

Ministeriale  322.  434. 
— ,  Irnfried  von  463  f. 
— ,  Konrad  von  388.  495. 
Hintberg  226. 
Hirschauermönche  277. 
Hirschenau  514. 
Hirschbach  423. 
Hirschberg,  Grafen  von,  Domvögte 

von  Eichstädt  431. 
Hochberg,  der  352. 
Hochsensengebirge  118. 
Hoch-  oder  Heidenstrafses.  Strafsen. 
Höflein  67.  281.  474. 
Höhnhart,    der ,    in    Oberösterreich 

211.  224.  281. 
Höllengebirge  118. 
Hönhart  s.  Höhnhart. 
Hörige  s.  Bauernstand. 
Hofgericht  505.  519. 
Hofhaltung,  herzogliche  390ff. 
Hof  recht  324.  384.  402. 
Hof-   und  Hufensystera   s.    Siede- 

lungsformen. 
Hohenberg  359. 
— ,  Grafen  von  372.  390.  431.  435. 
Hohenburg,  Schlacht  bei  269. 
— ,  Grafen  von   322.  426. 
— ,  Friedrich  von  486. 
Hoheneck  (Bz.  St.  Polten)  253. 
— ■ ,  Grafen  von  254. 
Hohenstaff  (Hohenstauf)- Altenburg, 

Herren  von,  s.  Hohenberg. 
Hohenwart  253. 
Hohlmafs  s.  Mafse. 
Hollabrunn  in  Niederösterreich  33. 

227.  Pfarre  568. 
Hollenburg  (Bz.  Krems)  136. 142. 146. 
155.  191.  213.  567. 


Hollenstein  an  der  Ips  227.  567. 

H  0 1 1  e  n  t  h  0  n  (Bz.  WienerNeustadt)  358. 

Honindorf  253. 

H  0  n  0  r  i  u  s ,  Sohn  des  Kaisers  Theo- 
dosius  92. 

Horinginaltaha  151. 

Hörn,  Stadt  in  Niederösterreich  33. 
252  f.  371. 

Höuperg  (Wald)  229.  316. 

Hoya  (Huy),  Jakob  von  573. 

Hornberg  bei  Grofs-Rufsbach  79. 

Hubin g  in  O.-Ö.  535  (Ketzer). 

Hüttensteiner  Klause  119. 

Hufe  (Hube)  122.  (Königshufe,  Land- 
hufe) 149.  418. 

Hugo  von  Ostia,  päpstlicher  Legat 
410. 

Humiliaten  s.  Ketzer. 

Hundertschaft  117. 

Hundsheim  282. 

Hundssteig,  der,  bei  Krems  28. 

H  u  n  i  m  u  n  d ,  König  der  Alamannen  96. 

Hunnen  93 f.  105 f.  182.  202. 

Hunrich,  Abt  von  Mondsee  129. 

Huosier  130. 

Hypokausten  (Luftheizungen)  82. 

lazygier  55.  59f. 

Illyrier  31. 

Hz  30.  75.  210.  237. 

Ilzgau  267.  432  (Grafschaft). 

Im b ach  s.  Minnbach. 

Immunität  152.  171.  209.  380fr. 

Indiculus  Arnonis  126. 

Industrie  s.  Gewerbe  und  Handwerk. 

Innozenz  III.  406.  409.  412 f. 

—  IV.  456.  488  f.  500  f.  510. 

Innstadt  bei  Passau,  Bojodurum  63. 

64.  66. 
Investiturstreit  251.  269ff. 
Inzersdorf  a.  d.  Traisen  282. 
Ipf,  Ipfbäche  128.  209. 
Ips,  Flufs  43.  63.  67.  71.  106 f.  109. 

141.  148.  153.  215.  234.  327. 


590 


Register. 


Ips.  Ort  in  Nicdoröstorrcich  63  (ad 
pontein  Ises).  146,  301.  436  (Mafs). 
472.  535  (Ketzer).  547. 

Ipsburg  109.  181.  386. 

Ipsfeld  130. 

Isaak,  Kaiser  von  Cypern  377. 

Is  an  rieh,  Sohn  des  Markgrafen  Aribo 
172.  179. 

Ischl,  Flufs  43.  j18. 

Ischl,  Ort  in  Oberüsterreieh  114. 

Isengau  209. 

Ita  von  Österreich  285. 

Italiker,  Eiuflufs  auf  die  Kultur  der 
Bronzezeit  34.  35. 

Itinerarium  Antonini  4. 

Ivo  von  Narbonne,  französischer  Kle- 
riker 456. 

Jagd  123.  155. 

Jagdregal  s.  Regalien. 

Jakob,    St.,    Benediktinerkloster    in 

Regensburg  334. 
Jans  (Enikel,   Enenkel)  ß.   235.   355. 

526. 
Jarmogius,      keltischer     Frühlings- 

gott  41. 
Jauerling  108. 
Jaunitz,  Flufs  424. 
Jedenspeigen  (Jedungspeugen ,  Bz. 

üntergänserndorf)  69.  300.  564. 
Jedlersee  369. 
JoacbimPectari,  ungarischer  Ober- 

scbatzmeister  541.  543.  546. 
Joanitzbach  108. 
Jochenstein,  der  118. 
Johann  VIII.,  Papst  177. 
—  IX.,  Papst  169.  179. 
Johanniter,   Ritterorden   331.  430. 

451.  556. 
Josephiner  s.  Ketzer. 
Joviacum  s.  Schlögen. 
Juden    157.    387  f.    und    471    (Geld- 
wechsler und  Geldverleiher).   468. 

470.    537.    555    (Ausscblufs    von 


Ämtern).    469.    5,')7    (Judenrecht, 

Privileg).   470  (Judenrichtor)    528 

(Kapitalisten).   536  f.  553  (Üienst- 

pfliciit). 
Judenau  387. 
Judengemeinden  387. 
Judenregal  s.  Regalien. 
Judenverfolgung  388. 
Judith     (als    Königin     von    Ungarn 

Sophia)  249  f. 
— ,  Gemahlin  Sigehards  246  f. 
— ,     Tochter     Arnulfs     von     Bayern 

189  f. 
— ,   Tochter   des  Markgrafen  Heinrich 

im  Nordgau  241. 
Julbachor  Herren  322.  433. 
Julita,    Tochter    Leopolds   III.    von 

Österreich  196  f. 
Justingen,  Anselm  von  446. 
Justinian,  oströmischer  Kaiser  105. 
Jutlumgen  69. 
Juvavum  s.  Salzburg. 

Kadolz-Seefeld    im  Viertel   unter 

Manhartsberg  431. 
Kämmerer  388. 
Kärnten  (Karantanien)  186.  140. 169. 

189.  197.  244.  273.  351.  523.  545. 

547.  566.  574. 
— ,  Hermann  von  350. 
— ,  Konrad  von  240. 
Kärntner  Mark,  steirische  Mark  s. 

Steiermark. 
Kahle nberg  bei  Wien    69.  87.  298. 

326.  342.  491.  499  (Sehlofs). 
Kalendq^rien  291. 
Kalks  bürg  bei  Wien  252. 
Kammer  (Bz.   Ried)   120.  208.  362. 

535  (Ketzer). 
Kammer,  herzogliche  388. 
Kamp,    Flufs  30.   43.    75.    76.    106. 

142.    148.    153.    161.    221.    237. 

319.  326. 
Kamp,  Ort  282. 


Register. 


591 


Kamp,  Herren  vou  321. 

Kamptal  155. 

Kanzlei     (herzogliche)      389  f.     503. 

(ottokarische)  514. 
Kapellen,  Herren  von  359.  435. 
— ,  Ulrich  vou  547.  552.  565. 
Kapitularien  136. 
Karantanieii  s.  Kärnten. 
Karl  Martell  117.  124.  127.  186. 
Karl  der  Grofse  129£f.    140f.   147. 

I55f.  160. 166ff.  171. 173. 181. 184. 
Karl  III.,  der  Dicke  139.  170.  177. 
Karl,  Graf  (von  Piuge?)  253. 
Karlmann,  Sohu Ludwigs d.  Deutschen 

170.  172.  174f. 
Karl  stein,  Feste  561. 
Karnabrunuer  Ministeriale  435. 
Katharer  s.  Ketzer. 
Katharina,  Tochter  Rudolfs  vou  Habs- 
burg 546.  566. 
Katzeisbach,  Ministeriale  322. 
Katzeis  dorf  beiWiener  Neustadt  467. 
Kaufleute  157.  3Ü9.  402 f.  405.  415. 

469.  471.  525. 
Kaum  borg    (Gumeoberg)    111.    145. 

214.  216. 
Kelch  dorf  (Kalladorf?)  355.  366. 
Kelten  36-47. 
Kemateu     in     Oberösterreich    535 f. 

(Ketzerschulen). 
Kefslerwald  224. 
Kettlasbrunn  s.  Govvacisbrunnen. 
Ketzer  408.  411  ff.  455 ff.  515.  537 ff. 
Keuren  (flandrische  Stadtrechte)  406. 
Kieuberg,  Ulrich  von  464. 
Kilb  (Bz.  Melk)  281. 
— ,  Ministeriale  322. 
Kimbern  44.  45. 

Kirchbach  145.  151.  153.  155.  214. 
Kirchenreform    251.    259.    269ff. 

271  ff.  412.  534.  536. 
Kirchling,  Ministeriale  322. 
Kirch  schlag  s.  Sabariae. 
Kirchtag  (Kirch weihfest)  233. 


Klamm,  Burg  in  Oberösterreich  372. 
— ,  Grafen  von  254.  431. 
— ,  Ulrich  von  415.  436. 
Klamm- Velburger,  Grafen  432. 
Klausen  in  Oberösterreich  254. 
Kleedorf  37. 
Kieme ns  IV.,  Papst  516. 
Klementia,     Tochter    Rudolfs     von 

Habsburg  562. 
Klingenberg  in  Oberösterreich  254. 

372.  566. 
Klöster: 

Annalen  s.  diese. 
Dichtungen  s.  diese. 
Historiographie  335.  363  f. 
Kultur  289  ff.  325.  328.  362  ff. 
Kunstgewerbe  s.  Gewerbe. 
Stellung  zu  Ottokar  und  Rudolf  555  ff. 
Klosterneuburg  6.  7.  8. 10;  Kastell 

Asturis   55.   94  ff. ;    Kloster    Neu- 
burg (Chorherrenstift)  280  f.    282. 

286.  291  f.  297.  298ff.   319.  326. 

329.  335.   345.   348  ff.   381.   386. 

410.    (Urbar)    422.    (Besitz)   430. 

453.  462.  (Mafs)  472.  547.  570. 
— ,  Marquard,  Propst  von  348, 
— ,  Otto,  Propst  von  300. 
Kluniazenser  s.  Kirchenreform. 
Knechte  s.  Bauernstand. 
Kobernauser  Wald  30.  211.  224. 
Köln  (Kaufleute)  359.  399. 
Königsbrunn,  Ulrich  von  466. 
Königstetten  (bei  Tulln)  106.  151. 

171.  242. 
Kogl  in  Oberösterreich  357. 
Kollmitz  (Bz.  Amstetten)  144. 
Koloman,  hl.,  235.  237.  278.  284. 
— ,  König  von  Ungarn  296. 
Kolonisation    127f.     133ff.     182f. 

192  f.    205  ff    316  ff.    418.    423  ff. 

471.  532. 
Konradl.,  deutscher  König  185. 187  f. 
—  II.,  deutscher  Kaiser  213.  216.220f. 

225.  239  f.  251. 


592 


Register. 


Konrad  III.,  deutschor  Kaiser  303 iV.    | 
3GG.  36».  424. 

—  IV.,  deutschor  König  494. 

— ,  Herzog  von  Bayern  217.  247  ff. 

—  IL,  Bischof  von  Froising  445.  452. 

567. 

—  III.,  Burggraf  von  Nürnberg  446. 

—  I.,  Erzbischof  von  Salzburg  299.  311. 

320.  345.  346  ff.  356.  358.  414. 
— ,  Kleriker,  angeblicher  Verfasser  des 
lateinischen  Nibelungenliedes  193. 

—  vonTuUn,  Landschreiber  507.  528  f. 

548.  550.  556.  561.  570.  573. 
Konstantin  (der  Grofse),   römischer 
Kaiser  71.  91.  97. 

—  IX.,  griechischer  Kaiser  289, 
Konstantin  s.  Kyrillos. 
Konstanze,  Schwester  Friedrichs  IL 

von  Österreich  445.  466.  474. 

Kopialbücher  291. 

Korneuburg,  Stadt  (bei  Wien)  384. 
429  (Verlegung).  467  (Landtag). 
530.  532. 

Kozel,  Sohn  Priwinas  176 f. 

Krain  450  (Herzogtum).  545.  547. 
549.  566.  574. 

Kranichberge,  Ministeriale  322.  435. 

— ,  Hermann  von  463. 

Kregling-Tollenstein,  Grafen  von 
8.  Hirschberg,  Grafen  von. 

Krems,  Flufs  in  Oberösterreich  106. 182. 

Krems,  Stadt  in  Niederösterreich  (an 
der  Donau)  204.  215.  263.  301.  319. 
(Münzstätte,  Handelsplatz)  340 ff. 
360.  384.  386  f.  398.  402.  (De- 
chant  von)  408.  462.  (Mafs)  472. 
(Stadtsiegel)  529.  549.  553  (Pri- 
vileg). 556  (Dominikaner).  571  f. 

Kremsmünster,  Benediktinerstift  im 
Traunkreise  7.  9.  109.  128.  138. 
141  f.  145.  168.  172.  186  f.  202. 
209.  213.  277.  294.  299.  322.  357. 
363  f.  383.  433.  453.  569.  615. 

- — ,  Gerung  und  Hertwig  von,  Maler  364. 


Krems münster,  Ehrenbert,  Abt  von 

364. 
Kreniswald  224. 
Kreuzenstein,  Grafen  von  254. 
— ,  Heinrich  von  495. 
Kreuzzüge  329 f. 
Kroisbach  (Bz.  Melk)  143.  217.  408. 
Kronberg,  Scheibenberg  bei  78. 
K  r  u  m  a  u  am  Kamp  253.  344. 
Kruter  Feld  564. 
Kuenring,  Albero  485 f.  495.  508. 
— ,  Hadmar  317.  352.  376.  426.  461  ff. 

486. 
— ,  Heinrich  461  ff.  504.  508.  518.  548. 

559.  560  f. 
Kuenringer,  Ministerialengeschlecht 
253.  321.  379.  426  f.  461  ff.   467. 
489.  492.  503.  524.  548  u.  559  f. 
Külb  8.  Kilb. 
Künzing  (Quiutanis)  96. 
Kürnberger,  Minnesänger  332 f. 
Kuffarn  (Bz.  Krems)  282. 
— ,  Herren  von  321. 
Kumanen  47.8.  564. 
Kunigunde,  Kaiserin  210. 
— ,  Mutter  Ottokars  IL  von  Böhmen  558. 
— ,  Gemahlin  Ottokars  U.  von  Böhmen 

511.  561. 
— ,  seine  Tochter  550. 
Kunstgewerbe  s.  Gewerbe. 
Kupferzeit  33.  34. 
Kuthen,  Kumanenfürst  478. 
Kyrillos  (Konstantin),  Slawenapostel 
176  ff. 

L  a  a  a.  d.  Thaya,  Stadt  in  Niederöster- 
reich 398.  455  (Minoritenkloster). 
476  f.  482.  509.  530  f.  548.  553.  556 
(Privileg).  562.  564.  566.  570 f.  572. 

Lachsendorfe  (Laxenburg),  Ministe- 
riale 435. 

Lac  US  oder  Locus  felicis  s.  Mauer  a. 
d.  Url  (Mauer-Oehüng). 

Ladendorf  (Bz.  Mistelbach)  221. 


Eegister. 


593 


Ladestorf  s.  Loosdorf. 

L  a  d  i  s  1  a  u  s  I.,  König  von  Ungarn  273  f. 

—  lY.,  König  von  Ungarn  543.  562  f. 

564.  566. 
Ladislausdorf  bei  St.  Florian    110. 
Lainz  (Wien)  108. 
Lambach ,  Benediktinerstift  im  Traun- 
kreise 7.  127.  271.  278.  286.  357. 
364  (Besitz).   430.  436.  452.  473. 
496.  552.  555  (Privileg). 
— ,  Bernhard,  Abt  von  348. 
— ,  Bruder  Gottschalk  von  364. 
Lambacher  Herren  191.  355. 
L  a  m  b  e  r  t ,  St.,  steierisches  Kloster  334. 
Längenmafs  s.  Mafse. 
Landaufnahme    (auf   Befehl    Otto- 
kars IL)  512  f. 
Land  ob  der  Enns  s.  Österreich. 
Land  unter  der  Enns  s.  Österreich. 
Landegg  (Bz.  Mödling)  252. 
Landeshoheit,  Ausbildung  der  379 ff. 

568. 
Landfrage  519. 

Landfrieden    503 fif.    (Ottokars  IL). 
512.  51 7  ff.  (Rudolfs).  550  f.  569. 
Landgerichte  120.  206.  381.  383£f. 

505ff.  517.  519.  567.  569. 
Landgerichtsfolge  324. 
Landherren  s.  Adel. 
Landmarschall  s.  Marschallamt. 
Landpfennige  s.  Abgaben. 
Landrecht    (Landesordnung,     öster- 
reichische) 12  ff.  383.  (Ottokars  IL) 
51 6  ff.  572. 
Landrichter   381.  384.  388.  505ff. 

513  f.  520.  556. 
Landrichteramt  s.  Landrichter. 
Landschreiber  s.  Schreiber. 
Land  Schreiberamt  s.  Schreiber. 
Landshag  (Bz.  Linz)  157. 
Landshut    (Bz.    Freistadt    in  O.-Ö.) 

423. 
Landtag  (zu  Ilzstadt)  533. 
Landtaidingo  383  f. 


Vancsa,  Geschichte  Nieder-  u.  Oberösterreichs 


Landwirtschaft  und  Viehzucht  122 f. 
151  f.  325  f.  402.  531. 

Ackerbau  77. 114. 123. 155.  262.  327. 

Bienenzucht  123.  155. 

Pferdezucht  417. 

Viehzucht  123.  155.  262. 

Wiesenkultur  145. 
Langenloisim  Viertel  ober  Manharts- 

berg  535. 
Lange  Wand  bei  Wiener  Neustadt  34. 
Langobarden  104ff.  113.  116. 
Lanzenkirchen    (Bz.    Wiener    Neu- 
stadt) 146. 
— ,  Herren  von  359. 
Lasberg  (Bz.  Freistadt  in  O.-Ö.)  423. 
Las  sing  (Bz.  Scheibbs)  108. 
La-Tene-Periode  39. 
Laubenherren  (Wien)  401.  527. 
Laufen  in  Oberösterreich  571. 
Laureacum  (Lauriacum)  s.  Lorch. 
Laurent! US  von  Lorch  169. 
Laussa  (Bz.  Steyr)  107. 
Lavant,  Bistum  407. 
Laxenburg  s.  Lachsendorf. 
Lechfeldschlacht  185. 189. 191. 193. 
Lehensadel  s.  Adel. 
Lehensstaat  171. 
Lehensstaaten,  slawische  1 74 ff, 
Lehenswosen  170ff.  193f.  259f.  381. 

436  f.  520. 
Leifserbergiu  Niederösterreieh  60. 78. 
Leistungen  s.  Abgaben. 
Leitha,    Flufs    29.    110.    113.    162. 

222.  237  ff.  242  ff.  s.  a.  Litaha. 
Leitha,  Schlacht  an  der  465. 
Lengbach  220. 
— ,  Friedrich,  Truchsefs  von  548. 
— ,  Herren  von  426. 
— ,  Otto  von  446. 

Lengbach-Rechberg,  Herreu  von431. 
Lengenbach,  Herren  von  321. 
— ,  Domvögte  von  433. 
Lengenfeld   im    Viertel    ober    Man- 
hartsberg  535. 

38 


594 


Leo  IX.,  Papst  270. 

— ,  Bischof  von  Reponsburg  542.  567. 

—  von  S.  Croce,  päpstlicher  Legat  410. 
Leonhard,  St.,  am  Forst  33.  221. 
Leonisten  s.  Ketzer. 
Leonsberg  118. 

Leopold  L,  Markgraf  von  Österreich 
105  ff.  23Gf.  2Ü5.  278.  318. 

—  IL  269.  273  ff.  287.  295.  298.  344. 

436. 

—  ni.  280.  285.  286.  291.  295  ff.  315. 

319.  341.  369.  436.  439. 

—  IV.  302  ff  317.  319.  369.  413. 

—  V. ,    Herzog  von   Österreich    350  ff. 

366  ff.  390  ff.  401.  404.  412.  422. 

—  VI.   369  ff.    390.   393.   401.   406  ff. 

422.  436  ff.  442  f.  458  f. 
— ,  Pfarrer  zu  Wien  457.  534. 
— ,  8.  a.  Liutpold. 
Leopoldsberg  298. 
Lex  Alemannorum  115. 

—  Baiuvariorum  115  f.  121.  165. 
Licinius  72. 

Liechtensteine,  steierische  Mini- 
sterialen und  deren  Feste  435. 

— ,  Heinrich  494.  505. 

— ,  Ulrich  392.  438.  466  f.  483. 

Liesing,  Ort  (bei  Wien)  108.  252. 

— ,  Flufs  216.  221. 

Lilienbrunn  145. 

L  i  1  i  e  n  f  e  1  d ,  Zisterzienserstift  in  Nieder- 
österreich 11.  381  (Ministerialen). 
410  (Stiftungsurkunde).  411.  430. 
441. 

Lili  euhofen  242. 

Limes  66. 

Linz,  jetzige  Hauptstadt  von  Ober- 
österreich, (römisch  Lentia)  40.  55. 
64.  114  137.  144  f.  157  f.  263. 
362.  386.  415.  432  (Kauf  durch 
Leopold  VI.).  436.  455.  467.  (Mafs) 
472.  485 f.  493.  (Sitz  des  Land- 
taidings  und  Landgerichts)  507. 
547.  572. 


Li t aha  (Loitha),  Ort  139.  144 f. 

L  i  1 8  c  h  a  u ,  Grafschaft  22 1 .  245.  426  f. 
431. 

Liutberga,  Tochter  des  Langobarden- 
küuigs  Desiderius  lü9.  130. 

Liutpold  ,  Gräfin  Oberpannonien  165. 

— ,  Markgraf  von  Kärnten  und  im  Donau- 
gau 180  f.  184. 

—  ,  Sohn  des  Markgrafen  Adalbert  241. 

241.  269. 
— ,  Sohn  Ottos  I.  189. 
— ,  s.  a.  Leopold. 
Lob  au  (Insel  Sachsengang)  216. 
Loben  stein,  Ulrich  von  508. 
Locus  felicis  s.  Lacus. 
L  0  i  b  e  n  (Bz.  Krems)  146.  213.  408. 496. 
Loimersdorf  (Bz.  Untergänserndorf ) 

282. 
Lonsdorf,    Otto    von,     Bischof   von 

Passau  508.  516.  533. 
Loosdorf  (bei  Melk)  221. 
Lorch  (Laureacum)  43.  62 ff.  71  f.  83. 

89.    95 f.    98.    100.    Ulf.    124 ff. 

156.  168  f.  200  ff. 
Losenheim,  Herren  von  359. 
Losenstein  (Bz.  Steyr)  356. 
Losensteiner,  die  435. 
Lothar  von  Sachsen  301.  303. 
Lothringen,  Konrad  von  189. 
L  0  v  a  (=  Lovo  im  Ödenburger  Komitat) 

189. 
Lublin,   Jude,   Comes   camere  Ducis 

Aust.  528. 
Lucius  Verus,  römischer  Kaiser  58. 
Ludwig  der  Fromme  142. 144. 169. 214. 

—  der  Deutsche  137ff.  161.  165.  168 ff. 

174  ff. 

—  HL,   Sohn  Ludwigs  des  Deutschen 

170.  172. 

—  das  Kind,  König  154.  173.  180.  184. 

—  VII.  von  Frankreich  307. 
— ,  Herzog  von  Bayern  459. 

— ,  Sohn  Ottos  von  Bayern  493.  507  f. 
538.  540  f.  547.  549.  552. 


Eegister. 


595 


Lübeck,  Arnold  von  343. 

Lützelburg,  Heinrich  von  244. 

Luitold,  Mönch  127. 

Lupan  (Laab?  Bz.Hietzing)  283.  300. 

Lygier  56. 

Lyrik,  ritterliche  333. 

Maastrichter  Kaufleute  399. 

Machland  236 f.  310.  567. 

— ,  Beatrix  von  372. 

— ,  Herren  von  254. 

— ,  Otto  von  271.  317.  319. 

— ,  Eudolf  von  306. 

— ,  Walchun  von  372. 

Machow,  Anna  von  530 f. 

Madalwin,  Passauer  Chorbischof  146. 

168. 
Mähren,  Konrad  und  Otto  von  275. 
Mähr  er  (Marchan  wohner)  173  ff. 
Marie  s.  Marchegg. 
Magister  Heinrich,  Schreiber  507. 
Magyaren  (Ugren,  Ungarn)  154.  156. 

178  ff.  222.   237.    239  ff.    (Kämpfe 

Heinrichs  III.  gegen  Ungarn).  245  ff. 

266.  331.  541.  548.  562  ff. 
Mahre rsdorf  (Bz.  Ilorn)  37. 
Maidburg  bei  Nikolsburg  175. 
Maiersdorf,  Herren  von  359. 
M  a  i  1  b  e  r  g  (Mauerberg)  im  Viertel  unter 

Manhartsberg  253.  275.  316.  331. 

(Kommende  d.  Johanniter)  556. 
Mailberger  Wald  224. 
Mainburg,  die,  Ministerialen  435. 
Mainhards  232. 
Mainz  126.  371. 
— ,  Reichstag  von  250.  379. 
— ,  Eeichsversammlung  von  301. 
Malachius,  Bischof  in  Irland  409. 
Malleiten  bei  Wiener  Neustadt  32. 
Mallersbach    (Bz.    Oberhollabrunn) 

319. 
Mallersbach,  bayerisches  Kloster  430. 
Malt  seh,  Flufs  424. 
Mampasberg(Bz.Pöggstall)252.289. 


Manegold,  Grundbesitzer  in  der  Ost- 
mark 138. 
Mangold,   Bischof  von  Passau  407. 

409  f.  413  f. 
Manhartsberg   30.  215.  217. 
— ,  Viertel  ober  dem  (Wald viertel)  204. 

425  f.  427.  4301  505. 
— ,  Viertel  unter  dem  4271  4291 
Mannswörth(Bz.  Brück)  55  (Villa  Gai). 
Marbod  48.  49.  51. 
March,  Flufs  29.  30.  51.  59.  76.  113. 

2211  237.  242  ff.  5641 
Marchegg,  Stadt  im  Marchfeld  529 

(Gründung).  563.  570. 
Marchfeld  29.  59.    104.   2161   221. 

227.  563  ff. 
Marchfutter  (Marchdienst,    March- 

mutte)  s.  Abgaben. 
Marchsteuer  323. 
March  ward  von  Karanthanien  208. 
Marcus  Aurelius,  römischer  Kaiser 

58  fr.  86. 
Marein,  St.  (Bz.  Hörn)  33.  253, 
Margarete  von  Österreich  439.  443. 

484.  488  ff.  498.  504.  5101  558. 
Mariazeil  in  Steiermark  360. 
Mariazell,  Klein-,  Benediktinerkloster 

in  Niederüsterr.  253.  300.  430.  492. 
Marienkirchen     in    Oberösterreich 

535  (Ketzer). 
Marinianum  64. 
Mark,  böhmische  295. 
Mark,    kärtnerische    oder    steierische 

s.  Steiermark. 
Mark,  neue  (Neumark)  243 ff. 
Markers dorf  bei  Neu-Lengbach  826, 
Markgraf  1651 
Markgrafen  von  Österreich  s.  Baben- 

berger. 
Markgrafneusiedel    (Bz.    Florids- 

dorf)  244. 
Markomannen  48.  54,  55.  56.  591 

741  861  93.  112. 
Markomannenkriege  57 ff. 

38* 


596 


Register. 


M  a  r  k  t  r 0  g  a  1  s.  Regalion. 
Marktrichter  470. 
Markus,  Schottenabt  409. 
Marquard,  Graf  im  Ufgau  191. 
Marschallamt  461.  503.  517f. 
Martin,    St.    (Bz.    Rohrbach    O.-Ö.) 

232  f.  415. 
Mafse  155.  471  f. 
Mathilde,   Gemahlin  Ekberts  I.  von 

Formbach  254.  256. 
— ,  Gemahlin  des  Grafen  Rapoto  215. 
Mattiggau    118ff.    127.    142.    161. 

163.  208  ff. 
Mattighofen  in  Oberösterreich  147. 

210.  357. 
Mattsee  in  Oberösterreich   119.  143. 

281.  415. 
Mauer  (Ortsname)  253. 
Mauer-Ochling  a.  d.  Url  62f.  (La- 

cus  oder  Locus  felicis).  67.  215. 
Mauros,  Ad  oder  ad  Muros  s.  Melk. 
Mauteinnehraer  (mutarii)  388. 
Mauteu  s.  Abgaben. 
Mautern,  StadtanderDonauin Nieder- 
österreich, raviana56. 63. 64. 95. 96. 
99.  lOü.  103.  157  f.  162.  173.  203. 
234.  253.   281  f.    332.    342.    384. 
568.  571. 
Mauthausen,   Stadt   an    der  Donau 

in  Oberösterreich  386.  566. 
Mautregal  s.  Regalien. 
Megingoz  172. 
Meginhard,  Graf  im  Traungau  191. 

207. 
Meldung  bei  Wien  82. 
Meier  (Schaffer)  262.  287.  325. 
Meiereibewirtschaftung     262ff. 

418. 
Meinloh,  Dichter  333. 
Meifsau,StadtinNiederösterreich221. 
— ,  Otto  von  495.  505.  515. 
— ,  Stephan  von ,  Marschall  von  Öster- 
reich 562. 
Meiisen,  Markgrafen  von  493 f. 


Moifson,  Dietrich  von  394.  461. 

— ,  Heinrich  von  445.  465.  474. 

— ,  Wilhelm  von  250. 

Meisterlin,  Chronist  255. 

Melk,  Benediktinerstift  in  Niederöster- 
reich an  der  Donau  (ad  Mauros, 
ad  Muros  oder  Naniare)  6.  63.  108. 
141.  146.  155.  197  f.  213.  250. 
278.  283.  286.  291.  294.  297  f. 
300.  319  f.  335.  386.  403.  423 
(Besitz).  430.  462.  466.  556  (Pri- 
vileg). 

— ,  Heinrich  von  337. 

Melker  Annalen  s.  Annalen. 

Melker  Marienlied  293. 

Memfö  (Menfö)  181.  242.  246. 

Me  ran ischer  Besitz  a.  d.  Mühl  415. 

Merkenstein,  Ortwiu  von  338. 

Merklin,  Scriba  Austriae  515. 

Merowinger  186. 

Merseburg,  Dietmar  von  184. 

Methodios,  Slawenapostel  1 76 ff. 

Metten,  bayerisches  Kloster  142. 164. 
196.  452.  496. 

Metz,  Jakob  von  573. 

Metzleinswerdein  Niederüsterreich 
282. 

Michael,  Bischof  von  Regensburg  193. 

— ,  oströmischer  Kaiser  176. 

Michelbach  (Bz.  Wiener  Neustadt) 
316. 

Michelbeuern,  bayerisches  Kloster 
430  (Besitz). 

Milota,  böhmischer  Baron  515. 

M  i  n  u  b  a  ch(Imbach),  Dominikanerinnen- 
kloster  in  Niederösterreich  556  (Pri- 
vileg). 570. 

Ministerialen  (Dienstmannen)  272. 
280.  282  (Passauer).  288.  321  ff. 
339. 342  f.  358  f.  366  ff.  (steierische). 
376  (Salzburg.).  379.  383.  388  f. 
396.  402.  421  f.  426.  429.  433. 
434  (Benennung).  435.  437.  444 
(steierische).  447.  451.  458  ff.  (so- 


Register. 


597 


ziale  Stellung).  465.  467.  486 
(österreichische).  505  (Landrichter). 
515.  519  (unter  Ottokar  II.).  521. 
552.  563.  567.  572. 

Minnedienst  390.  467. 

Minnesang  333.  392. 

Minoriten  s.  Bettelorden. 

Missi  dominici  166.  185. 

Mistelbach  in  Oberösterreich (Sj'node 
zu)  203.  213. 

— ,  Stadt  in  Niederösterreich  322  (Mi- 
nisteriale). 467. 

Mithraskult  89.  97. 

Mitterberg  33.  34.  39. 

Mittersill,  Grafen  von  348. 

Modzidala  (Bz.  Floridsdorf,  Matz- 
neusiedel)  258. 

Mödling  bei  Wien  108.  145.283.  300. 
369.  392.  436.  491  (Schlofs).  499. 

— ,  Herzog  Heinrich  von  369.  375.  436. 

Mönnichkirchen  (Bz.  Wiener  Neu- 
stadt) 146. 

Mohi  am  SajoiuUngarn,SchItachbei478, 

Moimir  L,  Slawenfürst  174. 

—  II.  179.  181. 

M  0  k  e  n  d  0  r  f  in  Oberösterreich  118. 

Mold  (Bz.  Hörn)  253. 

Moldau,  Grenze  424. 

Mölln  (Bz.  Kirchdorf  O.-Ö.)  107. 

Mondsee,  Benediktinerstift  im  Haus- 
ruckviertel 12.  34.  127.  142.  160. 
186.  216.  363.  431. 

— ,  Liutold  und  Eberhard  von  363  f. 

Mondseeland  120.  514. 

Mongoleneinfall  448.  477ff. 

Moosburg  142.  146. 

— ,  Bertold  von  276. 

Morimund,  Kloster  299.  329  f. 

Mosach  118. 

Muckerau  beiWien(verschwunden)  429. 

Mühel,  grofse  119.  210.  371. 

Mühlbach  281. 

Mühlviertel  424 f.  (Kolonisierung). 
514. 


Münichreut  (Bz.  Pöggstall)  522. 

Münzbach  (Bz.  Zwettl)  372. 

Münzbann  386. 

Münzbetrieb  401. 

Münze,  Hausgenosse  der  401.  557. 

Münzen  40  (keltische).  85  (quadische). 
85  (römische),  (bayerische  und 
österreichische)  123  f.  158  f.  184. 
471  f.  504.  537.  573. 

Münzerneuerung  557.  573. 

Münzhaus  401. 

Münzmeister  387 f.  571. 

Münzprägung  386 f. 

Münzregal  s.  Regalien. 

Münzstätten  340  (Krems).  360 
(Wien).  361.  397  (Fischau  und 
Enns).  386  (herzogUche).  397  (Wie- 
ner Neustadt). 

Münz  Verschlechterung  387. 

Musikpflege  und  Kirchengesang  s. 
klösterliche  Kultur. 

Muten  um  (Eisenstadt  oder  Broders- 
dorfj  67. 

Mutmanns dorf,  Herren  von  359. 

Naarn,  Flufs  137.  138.  144.  148. 
Naarn,    Ort    in    Oberösterreich    535 

(Ketzer). 
Nachtseide  s.  Abgaben. 
Nalb  (Bz.  Oberhollabrunn)  281. 
— ,  Herren  von  321. 
N  a  m  a  r  e  s.  Melk. 
Narisker  86. 

Natural-,  Geld  Wirtschaft  389. 
Naumburg,  Eppo  von,  Bischof  250. 
Neidhard     von    Reuental,     Dichter 

393  f.  421.  466. 
Neitra  174. 
Nekelo,    Jude,    Comes    camere   ducis 

Austr.    528. 
Nekrologien  291. 
Nero,  römischer  Kaiser  52.  54. 
Nesselbach  a.  d.  Krems  142. 
Neuburg  a.  Inn  254.  566. 


598 


Register. 


Ne  üb  urg-Fa  Ikonstein,  Herrand 
und  Hademar  von  321. 

Neudorf  436. 

Neuhofen  (i.  O.-Ö.)  142.  215.  535 
(Ketzer). 

Neukirchou  a.  Ostrong  221.  252f. 
357. 

Neu  markt     (Bz.    Freistadt,    O.-Ö.,   ! 
Strafse)  415. 

Neu  markt  (in  Kärnten)  443. 

Neunkirchon,  Stadt  in  Niederöster- 
reich 230.  360.  397. 

— ,  Herren  von  359. 

Neurisse  418. 

Neustadt  im  Viertel  ober  Wiener 
Wald  535. 

Neustadt  ,Wiener-,  s.  Wiener  Neustadt. 

Neu  Stift,  Propstei  323. 

Nibelungenlied  s.  Dichtungen. 

Nibelungenstrophe  332. 

Niederaltaich,  bayerisches  Bene- 
diktinerkloster 128.  140  f.  183. 
186  f.  217.  223.  325.«  430.  433. 
453.  496.  555.  570. 

— ,  Hermann  von  186. 

Niedernburg,  Nonnenkloster  bei 
Passau  210  f.  432. 

Niederösterreich  350.  425  ff.  (Be- 
siedelung  und  Besitzverhältnisse). 
513  f.  (Austria).  s.  auch  Österreich. 

Nikolaus,  St.,  Chorherrenstift  bei 
Passau  271.  281.  286.  291.  301. 
319.  453. 

Nikolaus,  St.  430.  452. 

Nikolaus,  natürlicher  Sohn  Otto- 
kars II.  von  Böhmen  511. 

Nikolsburg  494. 

Niuwinicha  (verschollen)  145.  614. 

Nöchling  im  Mühlviertel  147.  222. 

Nöchling  im  Viertel  ober  Wiener 
Wald  535  f.  (Ketzer). 

Nöstach  (Bz.  Baden)  108.  253. 

Nominicha  (verschollen)  s.  Niu- 
winicha. . 


N  0  r  c  u  m  (Nöhring  im  Ödenb.  Komitat  ?) 

189. 
N  0  r  d  h  0  i  m ,  Otto  von  250. 
Nordwald,   der  30.  138.    144.    148. 

161.    210  f.    224.   237.   317.   350. 

423.  425  (Kolonisation).  432. 
Noreja  39.  42.  43.  44.  45. 
N  0  r  i  k  e  r ,     N  o  r  i  c  u  m     41  ff.     49  f. 

Teilung  in  Ufer-  und  Binnen-Nori- 

cum    (N.   ripense    und    mediterra- 

ueum)  70.  113  f.  133.  200. 
Notar,  Protonotar  s.  Kanzlei. 
Notitia  dignitatum  4. 
Nürnberg,   Reichstag  von  248.  540. 
— ,  Burggrafschaft  von  255. 
— ,  Burggrafen  von  431.  467. 
Nufsbach  (Bz.  Kirchdorf  O.-Ö.)  145. 

148.  151. 
Nufsberg,  Albert  von  464. 
Nufsdorf  bei  Wien  252. 

Obedienzen  oder  Propsteien  325. 

Oberbairing  423. 

Obernberg  415.  481  f.  568. 

Oberstlandrichter  s.  Landrichter. 

Obstbau  123. 

Ochsenburger,  die  435. 

Ochsenstraf se  (steinerner  Weg)  s. 
Strafsen. 

Odalbert,  Erzbischof  von  Salzburg 
191. 

Odilo,  Herzog  von  Bayern  115. 

Odo  vonDeuil,  Kaplan  Ludwigs  VII. 
316. 

Odoaker  94.  100.  101.  102.  103. 

Öden  (Wüstungen)  418. 

Ödenburg  145.  182.  298.  479  f.  548. 

Ödenb urger  Komitat  232. 

Österreich  163.  199  (Ostarrichi). 
243  ff.  309  ff.  (Herzogtum).  338  f. 
343.  351.  365  ff.  423  ff.  (Besiede- 
lung  und  Kolonisation,  Königreichs- 
frage). 448  ff.  501  (Grenze).  505 
(Viertel).  549.  566.  569.  574. 


Eegister. 


Ofen,  Friede  von  501  f.  504. 

Ogstai,  Grofskhan  480. 

0 1  i  u  p  e  s  b  u  r  g  (Kirchdorf  s.  v.  Krems- 
münster) 139. 

Oliupestal  (Ulstal),  Gau  207. 

Ollern  bei  TuUn  216.  567. 

Ollersbach  im  Viertel  ober  Wiener 
Wald  535. 

Olmütz,  Bistum  407.  (Belagerung) 
500. 

Onulf,  Bruder  Odoakers  103. 

Organisation,  kirchliche  166  ff. 

Orient h an del  s.  Handel. 

Ortenburg,  Friedrich  von  547. 

— ,  Eapoto  von  308. 

Ortenburger  379. 

Orth  216  ff.  415. 

— ,  Herren  von  322.  358  f.  433. 

Ortliber  s.  Ketzer. 

Ortsnamen  (deutsche)  115.  136.  148. 
151.  155.  223.  226  ff.  328.  423. 
425.  427.  614. 

—  (römische)  114. 

—  (slawische)  107  ff.  234  f. 
Ossarn  (Bz.  St.  Polten)  366. 
Oster hofen,  Kloster  in  Bayern  424. 

453.  496. 
Osterland  243. 
Ostermieting    (Bz.   Braunau    a.  I.) 

119.  147. 
Osterspiele  335. 
Ostgoten  113.  125. 
Ostmark  (karolingische)  160  ff. 
Ostmark  (ottonische)  1 82  ff ,  338  f. 
Ostmark  (Umfang  und  Grenzen)  235 ff. 

(Stellung  zu  Bayern)    265  ff.    271. 

340  ff.  s.  auch  Österreich. 
Oswald,   St.,    (Bz.   Freistadt   O.-Ö.) 

423.  535. 
Otakar,  Graf  156. 
Otgar,  Chorbischof  126.  168. 
Otilo,  Herzog  von  Bayern    127.  128. 
Ottenschlag  im  Waldviertel  426. 
Ottensheim  (Bz.  Linz)  415.  436. 


Ottensheim,  Otto  von  466. 

Otto  I.,deutscherKönigl88ff.  192. 215. 

—  n.  145.  192.  195.  202.  209.  213. 

—  III.  198.  215.  219.  222. 
— ,  Bischof  von  Bamberg  357. 
— ,  Marchio  247. 

— ,  Markgraf  im  Nordgau  238. 

—  Urseoli,  Doge  von  Venedig  240. 

—  von    Bayern ,    Herzog    467.    481  f. 

490  f.  493.  495.  497.  500.  507. 
Ottokare  von  Steier  256  f. 
Ottokar  I.  (III.,  V.)   257.  276.  278. 

—  IL  355. 

—  III.   305  f.  308.   345.   355.  357  f. 

—  IV.  350.  353.  359.  361.  365.  379.399. 

—  I.  von  Böhmen  407.  459  f. 

—  IL  von  Böhmen    424.    486.    493  ff. 

503  ff.  510  ff.  529  ff.  532  ff.  538  ff. 

545  ff. 
Outcinesewe  (=  Jedlersee?)  204. 
Ovilava  s.  Wels. 

Paltram   am  Holzmarkt  (Witmarkt) 
561.  571. 

—  von  Wien,  Schreiber  und  Procurator 

Austriae  528  f.  550.  559  ff. 

—  vor  dem  Freithof  547.  571. 

—  Vatzo  8.  544.  561.  571. 
Pannonien  49  ff.  Teilung  in  P.  I  etil, 

Valeria   und   Savia  70.  113.    132. 

162.  167.  200  f.  213. 
Pantaleon,  St.  (Bz.  Amstetten)  119. 
Papo  172. 

Parmaikampoi  76. 
Parsifal,  Dichtung  395. 
Paschalis  IL,  Papst  346 f. 
Passagianer  s.  Ketzer. 
Passau,  Bistum  11  f.  64.  67.  96.  100. 

111. 125  f.  144ff.  153.  160f.  168  ff. 

171.  176.  187.   191.   199ff.   208 f. 

213  ff.   222.  247.   258.  260  f.  268. 

272.    282.    299.   301.   343.   381  f. 

408  f.  414  f.  423  f.  437.  452.   485. 

497.  514.  522.  532.  533.  542.  566  ff. 


600 


Register. 


Pas  sau  er  Besitz   208  f.    215  iT.  (Luz, 

Los)  429.  431  ff. 
Passauer  Kaufleute  300    405. 
Passauor  Wald  224.  310.  425. 
Patagor  140. 
Pataren  er  s.  Ketzer. 
Patronate  436f.  532. 
P  a u  1  i  n  u  s ,  Patriarch  von  Aquileja.  167. 
Payerbach  (Bz.  Neunkirchou)  229. 
Payerstetteu  (Bz.  Pöggstall)  229. 
Pechlarn    an   der  Donau   in  Nieder- 
österreich 104.  158. 194 f.  216.  297. 
Peil  stein,  Stammbesitz  252. 
— ,  Grafen  von  219.   246.   251  f.    322. 

371.  430  f. 
— ,  Friedrich  I.  von  252. 
— ,  Friedrich  IL  von  252. 
— ,  Konrad  von  282.  306. 
Peilsteiner  Grafschaften  310. 
Peilstein  -  Schala  -  Hohenberg, 

Graf  von  351. 
Perchtoldsdorf  bei  Wien  218. 
— ,  Otto  von  463.  495.  548.  552. 
Perchtoldsdorfe,  Ministeriale 435. 
Peretkunda,    Enkelin    des    Grafen 

Eadbod  138.  146. 
Perge,  Herren  von  259.  286.  424.  431  f. 
— ,  Friedrich  von  372. 
Pernecker,  die  435. 
Pernegg  (Bz.  Hörn)  282.  321f.  427. 

462.  546.  558. 
— ,  Grafen  von  321.  426. 
— ,  Graf  Ulrich  von  334.  337. 
— ,  Ulrichs  Sohn  436. 
Pernegger  Erbe  636. 
Pernitz  (Bz.  Wiener  Neustadt)   108. 
Perschling    (Bz.    St.    Polten),    Ort 

138.  282. 
Per  schling,    Flufs    63.    106.    108. 

142.  144.  153.  234.  326.  408. 
Persenbeug  (Bz.  Pögstall)  141.  148. 

219.  281.  301.  436. 
PescenniusNiger,  römischer  Kaiser 

68. 


Peter,  König  von  Ungarn  240  ff.  247  f. 
— ,  Bischof  von  Passau  542.  568. 

—  von  Amiens  284. 

Peter,  St.,  in  der  Au,  bei  Seitenstetten 
in  Niederösterreich  213. 535(Kotzer). 

Peter,  St.,  in  Salzburg  3Ül.  319. 
452.  507. 

Pettau  291. 

Pettauer  379. 

Pettenbach  (Bz.  Neunkirchen)  128. 
209.  299. 

Petronell  bei  Hainburg  35.  87. 

Petrus  von  Breslau,  Bischof  von 
Passau  516. 

Peuerbach  (Bz.  Schärding)  254. 
(Mafs)  472. 

Pfahlbauten  1.  31—34. 

Pfennige,  Wiener,  Kremser,  Neu- 
städter 400. 

Pferdezucht  s.  Landwirtschaft. 

Pframa  (Bz.  Floridsdorf)  220. 

Philipp  August  von  Frankreich  375f. 

— ,Erzbischof V.Salzburg 491.  508 f.  513. 

—  von  Schwaben  370  f.  410. 
Philippus,  Germane  86. 
Pielach,  Flufs  63.  67.  106.  141.  144. 

148.  151.  326  f. 

Pielach  (Bz.  Melk'»  Ort  141. 

Pielachgau  251. 

Pierius  101. 

Piesnich,  Rudolf  von  338. 

Piesting  107.  217.  221.  239.  408. 

Piestingtal  124. 

Pilehild  246f. 

Pilgrim,  Bischof  von  Passau  145. 
154.  191.  193  ff.  2 13  f.  332.  Ur- 
kundenfälschungen 200  ff. 

Pilgrim,  miles  219. 

Pilichsdorfer,  Ministerialenge- 
schlecht 435. 

— ,  Ulrich  548. 

Pipara,  Tochter  des  Markomannen- 
königs Attalos,  angeblich  Gemahlin 
des  Königs  Gallienus  69. 


Eegister. 


601 


Pipin  127.  129.  186. 
Pirgtümpfl  119. 
Pirken  22ß. 
Piro  torto  63. 
Piuge  s.  Poigen. 

Piain  (Plaien,  Plein),  Grafen  von  208. 
219.    246.    306.    348.    362.    372. 
433. 
— ,  Konrad  von  509. 
—  ,  Liutoia  von  305  ff. 
— ,  Werner  von  279. 
Plain-Hardegg,  Grafen  von  431. 
— ,  Konrad  von  463. 
Plattensee  174. 
Platt ling  bei  Passau  371. 
Plochingen  282. 
Plein,  Grafen  von,  s.  Piain. 
Pöllan  252. 

Polten,  St.,  Stadt  und  Chorherrenstift 
in  Niederösterreich  56  (Aelium  Ce- 
tium).  63.  64.  67.  72.  83.  89.  143. 
145.  154.  193.  202.  230.  263.  272. 
277.  286.  319.  342.  345.  347.  387. 
402  f.   (Vogtei)  413  f.   (Mafs)  472. 
(Lederer)  527.  533.  568  f. 
Pöndorf  im  Mondseeland  514. 
Pötzleinsdorf  bei  Wien  282. 
Polhamer  Wald  354. 
Polheim,  Adalbero,  Landrichter  446. 

485. 
Polheime,  die,  359.  435. 
Poigen  bei  Hörn  253. 
— ,  Peugen,  Peigen,  Bogen,  Grafen  von 

219.  253.  432.  s.  a.  Rebegau. 
— ,  Friedj-ich  I.  von  285. 
— ,  Hermann  von  305. 
— ,  Friedrich  von  306. 
Poigreich  253.  281. 
Pope,  Dompropst  218. 
P  0  p  p  i  n  g  in  Oberösterreich  535  (Ketzer). 
Poppo,  Erzbischof  von  Trier  426. 
Porau,  Wulker  von  495. 
Pordenone,       Babenberger      Besitz 
443.  549. 


Pottenbrunn,  Ministeriale  322. 
Pottenburg  217.  247. 
Pottendorf  247.  252.  482. 
— ,  Heinrich  und  Sigboto  von  548. 
— ,  Offemia  von  524. 
— ,  Rudolf  von  495. 
Pottendorfe,  Ministeriale  435. 
Pottenstein  (Bz.  Baden)  247. 
Pottschach  (Bz.  Neunkirchen)   108. 

262. 
Powang  im  Attergau  127. 
Prämonstratenser,  Orden  334.  424. 
Prag,  Bistum,  202.  407. 
Pram  s.  Hausruck. 
Prefsburg248.  297.  306.  479.  430f. 

563. 
Preufsel,  Ministeriale  492.  499. 
— ,  Heinrich  559. 
Preuwitz  (Bz.  TuUn)  108. 
Primitus,  römischer  Statthalter  von 

Noricum  95. 
Primizlasdorf    in     der     oberöster- 
reichischen Riedmark  110. 
Privatrecht  121f. 
Privilegium    minus     311  ff.     339. 
344.  372  f.    380.    414.    442.    449. 
450(BestätigungdurchFriedrichn.). 
484.  517  f. 
Priwina  153.  174.  176. 
Probstdorf  (Bz.  Floridsdorf)  567. 
— ,  Heinrich,  Pfarrer  von  389. 
Probus,  römischer  Kaiser  83. 
Pröbring  289. 
Prosset  108. 
— ,  Herren  von  359.  435. 
Prüfing,  bayerisches  Kloster  430. 
Prumste,  Wald  (515. 
Ptolemäus,  Geograph  76. 
Puchberg  359. 

Puchenau  bei  Linz  142.  153.  161. 
Puchheime,    Ministerialengeschlecht 

535. 
Puchkirchen  (Bz.  Vöcklabruck)  357. 
535  (Ketzer). 


002 


Kegistor. 


P  ii  r  n  s  1 0  i  n  (Bz.  Rohrbach,  Oboröster- 

reich)  226. 
Putten  bei  Wiener  Neu  Stadt  14G.  IGO. 

167.    213.    224   (Piittener  Gebiet, 

Waklmark).  230.  239.  241.  255ff. 

354.  357  ff. 
— ,  Ekbert  von  308. 
Pulkau  bei  E^rprenburg  253. 
Pyhra  226.  245.  281.  300. 
Pyhrn,  Spital  am  357.  361. 
Pyhrnpafs  67.  106.  118. 
Pyrawarth  bei  Gaunersdorf  226. 
Pyrgas  118. 

Qua  den  52.  56.  59  f.  72.  74.  92.  93. 
112. 

Raab  145.  162.  479 f. 

Eaabs  (Bz.  Waidhof  a.  d.  Thaya)  76. 
237.  382.  427.  437. 

— ,  Grafen  von  253.  255.  321  f.  372. 

— ,  Gottfried  und  Konrad  von  255. 

Eaabser  Wald  224.  24ö. 

Eaasdorf  (Bz.  Floridsdorf)  150. 

Eabensteiner,  die  435. 

Eabnitz,  Flufs  168. 

Eadagais,  germanischer  Heerführer 
76.  92. 

Eadbod,  Graf  138.  144.  165.  172. 
174. 

Eadegast  s.  Tradigist, 

Eadegund,  St.  119. 

Eadenreutte,  Gut  453. 

Eaffelstättener  Zollordnung  148. 
156  fF.  162.  180.  257.  310.  387. 

Eagaz  s.  Eaabs. 

Eaitenhaslach,  bayerisches  Kloster 
452  f. 

Eakatai  76. 

E  a  k  0  u  s  (tschechischer  Name  für  Öster- 
reich) 76. 

Eamingb  ach  118. 

Eamsau  226. 

Eanna,  Herren  von  321.  426. 


E  a  n  8  h  0  f  0  n ,  Chorhorrenstift  (Bz.  Brau- 
nau  a.  I.)  147.  153.  210.  433. 
466.  481. 

Eapoton  stein  i.  Waldviertel  426. 

Rapoto,  Graf  207.  215. 

E a p  p 0 1 1  e  n  k  i  r  c h e  n  (Bz.  Tulln)  366. 

Easchenburg,  Grafen  von  207.257. 

Raspe,  Heinrich,  von  Thüringen  448. 
450.  486  ff. 

Eassingdorf  (Bz.  Horu)  234. 

Eastislaw  von  Mähren  161.  174. 
176  ff. 

Eat,  landesfürstlicher  459.  518  (ge- 
schworener). 552.  572. 

Eatelnberg,   Grafen  von  253 f.  i;86. 

— ,  Ulrich  von  254. 

Eavelsbach  (Bz.  Oberhollabrunn) 
221.  252.  283.  300. 

Eaxendorf  (freie  Bauerngemeinde) 
427. 

Eebgau  253. 

— ,  Grafen  von  254.  430.  432. 

Eebgau-Piugen,  Grafen  von  253. 
358.  371.  426  f. 

— ,  Gebhard  und  Adalbert  von  371. 

— ,  Hermann  und  Hildeburg  von  334. 

Eeform  des  Klerus  s.  Kirchenreform. 

Eeg allen  71.  204.  386 ff.  438 f. 
Berg-  und  Salzregal  388.  567. 
Forst-  und  Jagdregal  388.  567. 
Judenregal  387  f.  389. 
Marktregal  387.  389.  567. 
Maut-  und  Zollregal  386.  504  f.  517. 
Münzregal  386  f.  389    505. 
Strafsen-  und  Wasserregal  386. 

Eegau  (Bz.  Vöcklabruck)  358. 

Eegenbogenschüsselchen  (kel- 
tische Münze)  40. 

Eegensburg  11.  125.  142f.  169. 
210.  216.  222.  258.  273.  334.  340. 
343.  359.  437.  452.  497.  533.  567. 

Eegensburg,  Burggrafen  von  426. 
430. 

— ,  Heinrich  von  436. 


Eegister. 


603 


Hegensburg,  Domvogt  Otto  von  366. 

— ,  Synode  von  187. 

— ,  Friede  von  238. 

— ,  Hoftag  von   273.   306.    309.   344. 

348.  352.  376. 
Hegens  burger     Besitz     210.    216. 

258.  340. 

—  Kaufleute  399.  405. 

—  Pfennige  340. 
Heginlinde  220. 

Eeginmar,  Bischof  von  Passau  299. 
413. 

Eeginold,  der  Getreue  252. 

Eeichenau  (Bz. Freistadt,  O.-Ö.)  423. 

Keichenhall  38.  159.  207. 

— ,  Gebhard  von  308. 

üeichersberg,  Chorherrenstift  im 
Innkreise  6.  118.  279.  319.  322. 
348.  353.  358.  363  f.  430  (Be- 
sitz). 433.  452  f.  466. 

— ,  Gerhoch  von  336  f.  348.  356.  363. 

üein,  Kloster  in  Steiermark  318. 

Keingers  (Bz.  Gmünd)  232. 

Eeinmar  von  Hagenau  391  f. 

Eeisenberg  (Bz.  Mödling)  369.  436. 

Eening,  Insel  569. 

E  e  t  z ,  Stadt  in  Niederösterreich  326. 
427  f. 

Eetzbach  bei  Eetz  428. 

Eeudling  bei  Waidhofen  a.  d.  Ips 
108. 

Eezat,  schwäbische,  156. 

Eh  ein- Donaukanal  156. 

Eichar,  Bischof  von  Passau  180. 

Eichard  Löwenherz  375 ff.  396 f. 

Eichard  von  Cornwallis  512.  538. 

Eichwin,  Grundbesitzer  in  der  Ost- 
mark 258. 

Eied,  Landgericht  120.  362. 

— ,  Stadt  144.  508.  522. 

— ,  Berg  573. 

Eiedenburg  252f. 

Eied  mark  (Reodarii)  148.  158.  236. 
300.  310.  372.  418.  423.  505.  567. 


Eiesenburg  252. 
Eiesenweg  s.  Strafsen. 
Eitterstand  s.  Adel. 
Eiziman  252. 
Eodaun  (Bz.  Mödling)  108. 
Eodland,  Kaplan  145. 
Eodulf,  Herulerkönig  195. 
Eömerzeit  2—5  (Literatur). 
Eötel,  Flufs  161. 
Eogacs,  Wald,  s.  Eaabs. 
Eohrbach  im  Traungau  127.  143. 

—  im  Mühlviertel  425. 

—  bei  Hörn  253. 

Eo manische  Bevölkerungsreste   und 

romanischer  Eirflufs  114  ff. 
Eomanisierung  87 f. 
E  0  s  d  0  rf  (verschollen)  in  Oberösterreich 

137.  144.  157  f. 
Eosenberg,  Woko  506.  508. 
Eosenberge  (Witigonen)  548. 
Eotel,  Flufs  119.  128.  210. 
Eotgau  (Eotachgau)  119.  163.  209. 
Eoth,  Kuno  von,  Pfalzgraf  256. 
Eothengrub,  Feste  219. 
Eott  319. 
Eottenmann  567^ 
Eotweinsdorf     (Ortwinesdorf,    Bz. 

Hörn)  245. 
Eoukerisdorf  s.  Eückersdorf. 
Eudeger  vom  Holzmarkt  571. 
Eudmanns  (Bz.  Zwettl)  232. 
Eudolf,  König  der  Heruler  104. 
E  u  d  0 1  f  von  Habsburg,  deutscher  König 

539  ff.  550  ff.  560  ff.  566  ff. 
— ,  sein  Sohn  566  f.  574. 
Eüdiger  von  Pechlarn,  Markgraf  (aus 

dem    Nibelungenlied)    104.    194  f. 

203.  243. 
— ,  Bischof  von  Passau  467.  481. 
Eückersdorf  (Bez.  Korneuburg)  283. 

300. 
Eührsdorf  (Bz.  Krems)  252. 
Eugier,  Eugierland  92 ff.  157. 
Euncarier  s.  Ketzer. 


604 


Register. 


Rupert,  Bischof  von  Passau  347. 

— ,  Bischof  von  Worms  125. 

Rufsbach  (Bz.  Kornouburg)  Pfarre  503. 

Rufsbergthörl  118. 

Russen,  Kauflouto  300. 

R  u  s  t  im  Viertel  ober  Wiener  Wald  281. 

Ruten  stein  254.  372. 

S  a  b  a  r  i  a  0     v  a  d  u  m     (Kirchschlag  ?) 

143. 
Sachsen,  germanischer  Stamm  184. 
Sachsenbrunn  (Bz.  Wiener  Neustadt), 

229.  - 
Sachsen dorf  (Ortsname)  229. 
Sachsen  gang  (Bz.  Floridsdorf)  216  ff. 

229. 
Säkularisation  18G  f. 
Salaberg  s.  Scalcobach. 
Salbücher  291. 
Salinen,    Salinenbetrieb    116.     129. 

155.  360  f. 
Salland betrieb  (Eigenbetrieb)  418. 
Salm,  Heinrich  von  274  f. 
Salomo,    Sohn    des    Königs   Andreas 

von  Ungarn  249  f. 
Salz  (Einfuhrartikel)  157 ff.  361. 
Salzbergwerke  s.  Salinen. 
Salzburg  67.  125 f.  144.  153 f.  155. 

160f.  167 f.  174. 187. 191.201.  210. 

213.    216.  222.    239.    258  f.   348. 

356  ff.  414.  437  f.  486.  501.  508  f. 

541  ff. 
Salzburger  Besitz    126 f.    146.  148. 

171.  210.  213  f.  258.   357  f.  430  f. 
—  Kaufleute  399. 
Salzburggau  127.  161.  220. 
Salzkammergut  354.  360ff. 
Salzregal  s.  Regalien. 
Salzzoll  s.  Zölle. 
Samos  108f. 

Sarasdorf  (Bz.  Bruca)  227.  252. 
Sarmingbach  204. 
Sarolta,  Gemahlin  Geisas  202. 
Saxen  (Bz.  Perg  0.  Ö.)  144.  145. 149. 


Saxenödt  229. 

Scalcobach  (Salaberg?)  141, 

Schärding  am  Inn   119.    254.   362_ 
(Mafs)  472. 

Schafberg  129. 

Schala,  Grafen  von  252.  430. 

— ,  Heinrich  von  252.  308. 

— ,  Sieghard  II.  371. 

— ,  Sieghard  III.  und  Heinrich  von  371.. 

Schalaburg  252.  371. 

Schala- Burghausen     s.     Burg- 
hausen-Schala. 

Schalensteine  80. 

Schaumberg,  Herren  von  322.  383.. 
433.  481.  495. 

— ,  Bernhard  und  Heinrich  von  464.  482.. 

Scheibbs,  in  Niederösterreich  230. 

Scheiblingkirchen      (Bz.     Neun- 
kirchen) 358. 

Scheiblingstein    (Bz.  Tulln)   118. 
236. 

Scheuchenstein,  Herren  von  359. 

Schiltern  bei  Krems  281. 

Schlägl  (Maria  Schlag),  Prämonstra- 
tenserkloster  in  Oberösterreich  424f. 

Schlagschatz  s.  Münzprägung. 

Schleunz,  Herren  von  321. 

— ,  Otto  436.  464. 

Schlierbach,  königliches  Gut  210. 

— ,  Landgericht  120. 

— ,  Herren  von  359. 

Schlögen,  Joviacum 54. 63.  64.  83.  96. 

Schlom,    Jude,    herzoglicher    Münz- 
meister 387. 

Schmida  (Bz.  Korneuburg)  142. 

Schneeberg  359. 

Schönabrunn  (Bz.  Brück)  139.  145 

S  c  h  ö  n  a  u ,  Kloster  (vermutlich  in  O.-Ö.) 
186.  567. 

Schönberg,  Ministeriale  322, 

— ,  Rapot  464. 

Schön büchel  bei  Krems  262. 

Schöngrabern    (Kirche)    in   Nieder- 
österreich bei  Oberhollabrunn  441, 


Eegister. 


605 


Schönhering  (Bz.  Linz)  433. 
•Schottwien  428. 
Schrattenstein,  Feste  219. 
Schreiber     (scriba     Austriae)     389. 
489.  503.  514f.    (Befugnisse,  Be- 
deutung    und    Besetzung).      524. 
528.  532.  556. 
Schüttenhofen  508. 
Schule,  erste  städtische  468. 
Schwaben  222.  232. 
Schwaben,  Rudolf  von  270.  272 ff. 
Schwabendörfel  (Bz.  Hietzing)  229. 
Schwabenhof  229. 
Schwabenleithen  229. 
Schwabenöd  229. 
Schwabenreith  229. 
Schwad orf  (Bz.  Brück)  229.  414. 
Schwanenstadt    in   Oberösterreich 

(Ketzer)  208.  535. 
Schwanse  197. 
Schwarza  107.  289.  319. 
Schwarzach  252. 
Schwarzburg-Nöstach,       Grafen 

von  253. 
— ,  Heinrich  und  Eapoto,  Grafen  von  300. 
Schwechat  bei  Wien  55.  234.  242. 
Schweigers  im  Wald  viertel  426. 
Schweinaehgau  119.  267.  310. 
Schweinbarth  im  Marchfeld  326. 
Scriba  Austriae,  Anasi  s.  Schreiber. 
Sebarn  (Bz.  Tulln)  252.  282. 
Seckau  358.  361.  407.  430. 
— ,  Ulrich,  Bisehof  von  509.  516. 
See b ach  (Bz.  Hietzing)  281. 
Seeburg,  Grafen  von  255.  280.  283. 
Seefeld,  Heinrich  von  464. 
Seitenstetten,  Benediktinerstift  in 

Niederösterreich  10. 139. 254.  280  f. 

283.    325.    388.    430.   452  f.   507. 

535  (Ketzer).  555  (Privileg).   570. 
Semmering  106.  108.  148. 
Sempt-Ebersberg,  Grafen  von  199. 

219.  426. 
Sengsengebirge  236. 


Septimius     Severus,       römischer 

Kaiser  68.  86.  87. 
Sevaker  oder  Sevater  42. 
Severin  3.  89.  94.  95.  97.  99ff.  111. 
Sidlin  und  Merklin,  Eitter  515. 
Sido,  germanischer  Fürst  52. 
Siebenbrunn,  Ober-  150. 
Siedehingsformen  236ff.    (Höhen- 
ansiedehingen)    31  ff.    (bayerische) 
122  f.  135.  149.    (fränkische)  425. 
427  f.    (vlämische)  427  f. 
Siegfried,     Held     des    Nibelungen- 
liedes 331. 
Siegfried,  Markgraf  244 ff. 
Siegfrieder  s.  Ketzer. 
Sieghart  s.  Sigehard. 
S  i  e  r  u  i  n  g ,  Ort  im  Viertel  unter  Wiener 

Wald  108.  252. 
Sierning  in  Oberösterreich  128.  535. 
Sie  min  g,  Flufs  144. 
Sievering  bei  Wien  95. 
Sigboto  252. 
Sigehard  221.  246 f.  251. 
— ,  Patriarch  251.  273.  282. 
Sigehold,  Abt  278. 
Sighart  Piber,  Ministeriale  508. 
Sigraarswörth     (=    Alten  wörth  ?) 

204.  214. 
Silius,  P.  46. 

Simmering  50  (keltischer  Münzfund). 
55   (Villa   Gai).    216   (Gut).    (Mi- 
nisteriale) 322. 
Sindlburg   im  Viertel   ober   Wiener 

Wald  535  (Ketzer). 
Sippbach  209. 
Sirning  s.  Sierning. 
Sir 0 na,  keltische   Göttin   des  Acker- 
baues 41. 
Sitzenberg  (Bz.  Tulln)  366. 
Skiren,  germanischer  Mann  96. 
Sklagamar,  slawischer  Priester  175. 
Sklaven  (Handelsartikel)  157. 
Slawen  106ff.  124. 128. 132.  135  f.  148. 
154. 156. 158  f.  162.  173.  234.  427. 


606 


Register. 


Slawisch- nationale  Kiroho  17G. 

Slovenen  106. 

Sobeslaw,     Herzog     von     Böhmen 
350  ff. 

S  0 1 1 0  u  a  u  bei  Wiener  Neustadt    436. 

Somerau,  Konrad  von  547. 

Sonnberg,  Ministerialengeschlecht 
434.  462. 

— ,  Hadmar  von  466. 

— ,  Lutwin  von  366. 

Sonntagberg,  Propstei  auf  dem  325. 

Sophia,  Babenbergerin  371  f. 

— ,  Gemahlin  Friedrichs  des  Streit- 
baren 474. 

Soziale  Verhältnisse  259 ff.  320  ff. 
465  ff. 

Sparbach  (ursprünglich  Sparwaers- 
bacli)  226. 

Spital  am  Pyhrn  357.  433.  569. 

Spital  am  Semraering  357.  361. 

Spitignew,  Herzog  von  Böhmen  250. 

Spitz  in  der  Wachau  325.  426. 

Sponheim,  Graf  Bernhard  von  355. 

— ,  Philipp  von  545. 

Spuotinesgang  151. 

Spratza,  Flufs  142 f.  168. 

Staatz  bei  Laa  482.  509. 

Stadlau  bei  Wien  445.  465.  474 f. 

Städte  (römische)  64  f.  (öster- 
reichische) 341  ff.  396.  417.  520. 
525  ff.  (Fürsorge  Ottokars  II.),  551  ff. 
569.  (Entstehung)  263.  341.  (Em- 
porkommen) 467.  470  f.  (Gerichts- 
barkeit) 385.  506.  526  (Prole- 
tariat) 341  f.  (Selbstverwaltung) 
471.  (städtische  Kontingente)  530  f. 

Stadtrechte  14.  (Wiener und Ennser) 
400.  403  ff.  533. 

Stadtrichter  385.  403.  553 ff. 

Stainach  (Stanacum)  63.  64. 

Starheraberg,  Feste  219.  467.  486. 
489. 

— ,  Gundacker  von  432.  464.  495  f. 
547    552. 


Starhemberger  359.  435. 

Starhemberg-Schwans,  Landge- 
richt 120. 

Stoier,  Stadt  s.  Stoyr. 

S  toi  er,  Markgrafen  von,  s.  Ottokaro. 

Steier,  Herren  von  435. 

Steiermark  2.33.  241.  255f.  354f. 
365  ff.  449. 491 .  499  ff.  501  (Grenze). 
510.  547.  549.  566.  569.  574. 

Stein  in  der  Wachau  217.  282.  386. 
455  (Kloster).  462.  571  ff. 

Steinakirchen  (Bz.  Scheibbs)  198. 
216. 

Steinbach,  Herren  von ,  s.  Starhem- 
berger. 

Steinfeld  397. 

Steinfeld  a.  d.  Steyer  120.  209. 

Steinzeit,  ältere  27f. 

—  ,  jüngere  28  f. 

Stellung  der  Frau  (im  Wiener  Stadt- 
recht) 405.  521.  (im  Landrecht 
Ottokars). 

Stelz  in  Niederösterreich  219. 

Stephan  I.,  König  von  Ungarn  202. 
239.  248;  11.  297;  III.  347.  350; 
IV.  530  f. 

—  V.,  Papst  178. 
Stetteldorf  (Amt  Wagram)  252. 
Steuern  s.  Abgabe  i. 
Steuersdorf  573. 
Steuerwesen,  römisches  71. 
Steyr  (Styraburg)  257.  354.  359.  384. 

499. 
— ,  Stadt  67.  (Mafs)  472.  535.  (Ketzer) 

549. 
— ,  Flufs  106.  109.  118.  236. 
Steyregg  427. 
S  tief  er  n  am  Kamp  146.  149. 
Stilicho  92. 

Stille-Heft  253 f.  283.  431f. 
— ,  Udalschalk  von  280. 
Stillfried  im  Marchfeld  28.  37.  60. 

78.  244.  326. 
Stockach  227. 


KegistOT. 


607 


Stockerau,  Stadt  in  Niederösterreich 
34.  37.  161.  227.  235.  237.  429. 
(Mafs)  472.  530. 

Stockeru  (Bz.  Hörn)  31. 

Stolle,  Meister,  Dichter  394. 

Stolzenwörth  (Bz.  Neuiikircheu)219. 

— ,  Herren  von  359. 

Stopfeureith  (Bz.  Untergänserndorf) 
228.  258. 

Straf  sen  (römische)  65  f.  148.  158f. 
182.  (Anlage)  396.  401.  (Goldener 
Steig,  Via  regia)  415.  (Hoch-  oder 
Heidenstrafse,  Steinerner  Weg  oder 
Ochsenstrafse)  148.  (Handelsstrafse 
Wien— Venedig)  397.  428. 

Straf senregal  s.  Regalien. 

Stratzing  im  Viertel  ober  Manharts- 
berg  535. 

Streithofen  (Bz.  Tulln)  282. 

Strelz  108. 

Strogen  (Bz.  Hörn)  33.  253. 

S  t  u  c  h  s  (von  Trauttmausdorff),  Ministo- 
riale 435.  492.  548. 

Styraburg  s.  Steyr. 

Suammara  (St.  Marien  am  Sommar- 
eiubache?)  213. 

Suben,  Chorherrenstift  in  Oberöster- 
reich 473. 

Sueben  52.  94. 

Sulz,  Ministeriale  322. 

Suiza  244. 

Sulzbach  in  Oberösterreich  128 f. 

— ,  Grafen  von  252.  431. 

— ,  Gebhard  von  312. 

Sumerberg  bei  Mamau  141. 

Swatopluk  (Zweutibold) ,  Mährer- 
herzog 172.  175.  177  ff. 

Tabula  Peutingeriana  (Weltkarte)  4. 
Tachenstein  (Bz.  Wiener  Neustadt) 

226. 
— ,  Herren  von  359. 
T  a  1 1 0  s  b  r  u  n  n  (Bz.  Untergänserndorf) 

225. 


Tanhuser,  Minnesänger  537. 
Tannberg,  der  119. 
Tarsdorf  (Bz.  Braunau  a.  I.)  119. 
Tassilo,  Herzog  von  Bayern  117.  127. 

128.  129.  130. 
Tauern  (Goldbau)  39. 
Taufaralpe  118. 
Taurisker  39.  41. 
Tausendpfund,  Herward  559. 
Tegernsee,  bayerisches  Kloster    11. 

143.    154.    183.    186.    213.    217. 

223.  242.  267.  344.  408.  430.  453. 

496. 
— ,  Metellus  von  143.  186. 
Tenglingen,  Friedrich  von  251. 
Tenglingen-  Peilstein,      Grafen 

von  426. 
Teuriochaimai,  Turonoi (Thüringen) 

76. 
Teutonen  44.  45. 
Thal  252. 

Thalheim  a.  d.  Traun  120. 
Thann  (Ortsname)  226. 
Thaya,    Grenzfiufs    zwischen   Nieder- 
österreich   und    Mähren    52.    227. 

237  f.  429. 
Theben  bei  Pressburg  174.  474. 
Theifs  180.  189. 
Theodebert  I.  (534-547),  Franken- 

köuig  112  f. 
Theodo,     bayerischer     Herzog     111. 

125.  127. 
Theodolinde,TochterGaribaldsll3. 

125. 
Theodora,  Nichte  des  Kaisers  Ema- 

nuel,  Gemahlin  Heinrichs  Jasorair- 

gott  307.  311.  331.  377. 
— ,  Gemahlin  Leopolds  VI.    393.    446. 

475. 
Theodorich,  Ostgotenkönig  94.  102. 

103.  104. 
Theodorich  von  Jumieyes,  Abt  284. 
Theodosius,    römischer    Kaiser   91 . 

92.  97. 


608 


Register. 


Theotmar,    Erzbischof  von  Salzburg 

156.  169.  179.  181. 
The  ras  (Bz.  Hörn)  282. 
Thernbcrg   (Bz.    Neunkirchen)   107. 

146.  153.  213.  227.  358. 
— ,  Gundakar  von  548. 
Thessaloniker  176. 
T  h  i  e  m  0 ,  Erzbischof  von  Salzburg  285. 
T  h  i u  d em  e r ,  Vator  Theodorichs  94. 96. 
Thüringer  94.  96.  112. 
Tiber  ins,  römischer  Kaiser  46.  49. 
Tirol,  Meinhard  von  568. 
Topel,  Ministeriale  322. 
Topographien  19-22. 
Torbia  (Seealpen)  47. 
Totes  Gebirge  118. 
Tracht  a.  d.  Thaya  240. 
Tradigist  (Radegast)  an  der  Pielach 

110. 
Traditionsbücher  190f.  291.422. 
Traisen,  riufs43.  67. 106 f.  109. 145 f. 

148.  163.  164.  189.  213.  222.  326. 
Traisen,  Herren  von  219.  321.  358. 

372. 
Traisenburg  a.  d.  Traisenmündung 

199.  282.  429. 
Traisental  182.  219. 
Traisen-Waldeck,  Herren  von  431. 
Traiskirchen  (Bz.  Baden)  283.  300. 

436. 
— ,  die,  Ministerialen  435. 
Traisma  s.  Traismauer. 
Traismafeld,  Gau  142.  164. 
Traismauer  (Bz.   St.  Polten)    Trigi- 

samum  62.  63.  110.  111.  136. 144. 

146.  153.  174.  191.  213. 
— ,  Walter  von  334. 
Trajan,  römischer  Kaiser  56. 
Traun,  Pluss  43.106.110.111.  118ff. 
Traun,  Bertold  von  464. 
— ,  Herren  von  322.  359. 
Traunbrücke  362. 
Traungau    115.  (seine   Ausdehnung) 

118  f.  120.  127  f.  142  f.  145.  153. 


155.  159.    161.   163.   191.   207  fr. 

236.   310.   354  ff.   418.   431.   506. 

513. 
Traungau  er   Grafen  207.  220.  236. 

254  ff.  271.  355.  371. 
T  r  a  u  n  k  i  r  c  h  e  n ,  Abtei  154.  257.  356  f. 
Traunseo  32.  186  f. 
Trauttmansdorff  s.  Stuchs. 
Tremegg  (Bz.  Pöggstall)  252.  289. 
Tribur,  Fürstentag  zu  270.  272. 
Trib  US  Winkel  (Bz.  Baden)  110. 
Triesting,  Elufs  107  f.  221.  408. 
Triesting,  Ort  217. 
Triestingtal  182. 
Trigisma  s.  Traismauer  110. 
Trigisamum  s.  Traismauer. 
Trö stelin  485. 

Troyes,  Heinrich  von,  Bischof  329. 
Truchs,  Ministeriale  435. 
Trübensee  (Bz.  Tullu)  107. 
Tulbing  (Bz.  Tulln)  254, 
— ,  Ministeriale  322. 
Tulln,  Fiufs  43.  63.  219. 
Tulln,  Stadt  (Comagenae)  63.  64.  95. 

110  f.    147.   161.    162.    175.  204. 

214.  227.  241.  263.  274.  298.  342. 

387.    398.     402  f.    455   (Kloster). 

(Mafs)     472.      (Pleischhauerzunft, 

Schiffer)    527       529  (Privilegien). 

547.  553.  570(Dominikanerkloster). 

570  (Familiengruft  der  Habsburger), 
Tullnerfeld  (-becken)  29.  136.  148. 

151.  161.  242.  318.  326. 
Tumuli  79. 

Türlin,  Ulrich  von,  Minnesänger  537, 
Türnitz  (Bz.  LUienfeld)  108. 
Turniere  329.  390.  466  f, 
Tutates,  keltischer  Kriegsgott  41, 
Tutatio  67. 

Udalrich,  Bischof  von  Passau  280, 

282.  285.  299. 
Überländ-  und  Reutäcker  418. 
Ufgau  120.  191,  207.  208. 


Register. 


609 


Ulm,  Kaufleute  405. 
Ulmerfeld  (Zudemaresfeld)  215. 
Ulrich,  Herzog  von  Kärnten  482.  509. 
— ,    Pfarrer    von    Falkenstein ,    Notar 

Leopolds  VI.,   später   BiscLof  von 

Passau  414.  437. 
— ,   Protonotar  und   Pfarrer   zu  Wien 

550.  558  f. 

—  Scharrer,  Wiener  Bürger  571. 
— ,    Sohn    des    Hausgenossen    Herwig 

Griffe  571. 

—  vom  Widmarkt  in  Wien  571. 
Ulstal  210.  358.  s.  a.  Oliupestal. 
ülting  127. 

Ungarbaeh    (Bz.    Wiener    Neustadt) 

239. 
Ungarn  s.  Maayaren. 
Ungarstein  239. 
Ungerberg    (Bz.    Wiener    Neustadt) 

239. 
Ungerndorf  (Bz.  Mistelbach)  289. 
Unter  ach  in  Oberösterreich  211. 
Untern berg,  der  239. 
Untervögte  s.  Vögte. 
Uradel  s.  Adel. 
Urban  II.,  Papst  368. 

—  IV.,  Papst  511. 
Urbare  11.  422.  513. 
Urfahr  zu  Nufsdorf  252. 
Urgeschichte  1  (Literatur). 
Urkundenbücher  9. 

Url,  Fhifs  141.  145.  148.  158.  327. 
Utcinossee  214. 
Ute,  Bischof  von  Freising  181. 
Uwizinesdorf  s.  Enzersdorf. 

Valentin,  St. ,   in   Niederösterreich 

535  (Ketzer). 
Valentini  an,  römischer  Kaiser  71.  92. 

—  HL,  römischer  Kaiser  93. 
Vandalari  94. 
Vandalen  92. 

Vangio,  germanischer  Fürst  52. 
Vannius,  Quadenfürst  52.  85. 


Vancsa,  Geschichte  Nieder-  u.  Oberösterreiclis. 


Varister  s.  Narisker. 
Vasallen  173.  185.  190.  288. 
Vatzonen  560. 

Veit,  St.  (Bz.  Rohrbach  O.-Ö.)  316. 
Velascus,  Minorit  500. 
Velburg,  Grafen  von  372.  431. 

V  e  1  d  e  n ,  Markt  in  Oberösterreich  483. 
Velm  (Ortsname)  227. 

Venedig  399. 

V  er  dun,  Vertrag  von  169. 
— ,  Nikolaus  von  330. 
Verduner  Tafeln  330. 
Verpfändung  556. 
Verwaltung,  landesfürstliche  386 ff. 

51 3 ff.  523.  (Domänen-  und  Re- 
galienverwaltung) 528. 

Vespasian,  römischer  Kaiser  55. 

Vettonianae  67. 

Vezzilo  172. 

Via  regia  (über  Oswalder  Sattel  in 
Oberösterreich)  s.  Strafsen. 

Vibellius,  Fürst  der  Hermanduren  51. 

Viehbach  (Bz.  Wels)  438. 

Viehofen,  Ulrich  von  543. 

Viehzucht  s.  Landwirtschaft. 

Viktor  IV.,  Papst  346. 

Villa  Gai  s.  Simmering,  Mannswörth. 

Vineas,  Ad  103. 

Vitusberg  bei  Eggenburg  81. 

Vivilo,  Bischof  126. 

Voccio,  König  der  Noriker  46. 

Vök labruck  in  Oberösterreich  371. 

Vöklamarkt  in  Oberösterreich   281. 

Vöslau  bei  Baden  in  Niederösterreich 
326. 

Vöttau,  Bergschlofs  474. 

Vogt,  Vogtei  286 f.  289.  819.  344. 
385.  388.  390.  413.  436  f.  503  f. 
517.  582.  568  f. 

Vogtsteuer  s.  Abgaben. 

Vogthafer,  Vogtrecht  323. 

Vohburg,  Grafen  von  252. 

Volkenstorf  bei  St.  Florian  856. 

V  olk  er  storf,  Herren  von  882. 433. 435. 

39 


610 


Register. 


Volkoi-Tüktnsaf,'on  42. 
Voran,    Kloster   in   Steiermark   25(3. 
358.  430. 

Wach  au  G7.   Ml.    144.    146.    148. 
155.    193.  214f.   217.    2G2.    281. 
326.  408.  426.  429.  497. 
Wachseuberg  s.  Waxenberg, 
Währinp  (Wieu)  108. 
W  a  grara  227. 
Wagrein  142.  218. 
Wagreini  151. 
Wa i dli 0 f e n  a.  d.  Ips,  Stadt  iu  iSIieder- 

österreich  530.  567. 
Waidhofen   a.    d.  Thaj-a,    Stadt    in 

Niederösterreich  5G1. 
Wald,  Waldland  423. 
Waldbote  385. 
Waldeck,  Feste  219. 
—  ,  Adalram  von  358. 
— ,  Heinrich  und  Ortolf  von  481. 
Wald  eck  er,  Miuisteriale  466. 
Waldenser  s.  Ketzer. 
Waldenserbischof  in  Anzbach  bei 

Neulengbach  535. 
W  a  1  d  h  a  u  s  e  n ,  Chorherrenstift  in  Ober- 
österreich 319.  430.  452  f. 
Waldhufendörfer    s.     Siedeluugs- 

formen. 
Waldmark  s.  Machland  und  Putten. 
Wald  vierteis.  Manhartsberg,  Viertel 

ober  dem. 
Wallersdorf  436. 
W aller see  125.  213. 
Wallsee  a.  d.  Donau  63. 
Walpersbach  (Bz.  Wiener  Neustadt) 

358. 
Walpersdorf  (Bz.  St.  Polten)  426. 
Walter  von  Albaiio  349. 
Walter  von  der  Vogel  weide  390  fif. 
Walterskirchcn  436. 
Wampersdorf  a.  d.  Leitha  436. 
Wandel  (Strafgelder)  s.  Abgaben. 
Wank  he  im  bei  Vöcklabruck  253. 


War  ton  bürg,  Herren  von  359. 
Wart  erecht  s.  ErbrecJit. 
Wasserburg,  Konrad  von  495. 
Wasserregal  s.  Regalien. 
Waxenberg    (Bz.    Preistadt    O.-Ö.) 

415.  436. 
Weg,  steinerner,  oder  Ochsenstrafse  s. 

Stralsen. 
Wahrhaftigkeit  320. 
Wehrpflicht  170. 
W  e  i  d  e  n  b  a  eil ,  Sclilacht  am  s.  üürnkrut. 
Weikartschlag,    Burg    im    Wald- 
viertel 558. 
Weikendorf  (Bz.    Untergänserndorf) 

283. 
W  e  ik  e  r  s  d  0  r  f  in  Niederosterreich  300. 
— ,  Herren  von  359. 
Weil  hart,    Furbt    in    Oberösterreich 

210.  224. 
Weilhart,  Landgericht  120. 
Woin,   Weinbau  83.   114.   123.  128 f. 
155.   262.   319.   326  ff.   402.  417. 
531.  554. 
Weiuausfuhr  342.  361. 
Weineinfuhr  553.  554. 
Weinhandel  s.  Handel. 
Weinschauk  553. 
Weinzierl  282. 
Weifsenberger,  die  435. 
Weifskirchen  in  Oberösterreich  535 

(Ketzer). 
Weist  räch   im  Viertel   ober   Wiener 

Wald  535  (Ketzer). 
Weitmoos,  das  119. 
Weitra  (Bz.  Gmünd)  350.   352.   426. 

463. 
Weitrah,  Geschlecht  von  426. 
Weif,  Graf  244. 
— ,    Herzog   von    Bayern     249.    270. 

285. 
— ,    Oheim  Heinrichs  des  Löwen  304. 

306  f. 
Wels  (Ovilava),    Stadt    in   Oberöster- 
reich   43.    63  f.    67.    72.    83.    94. 


Register. 


611 


114.  127.  147.  189.  207.  211. 
259.  263.  362.  364.  372.  384. 
402.  431.  (Stadtpfarrkirche)  441. 
(Mafs)  472.  473.  485.  535  (Ketzer). 

Wels-Lambacher,  Grafen  s.  Traun- 
gauer. 

Wels-Lambacher  Besitzungeu  437. 

Wenzel  I.  von  Böhmen  474 ff.  493 ff. 
501. 

—  n.  von  Böhmen  550.  56G. 

Werd  bei  Melk  329. 

— ,  Herren  von  426. 

— ,  Hadmar  von  495. 

— ,  Lutwin  von  548. 

Worgeld  (compositio)  121. 

Werner,  Abt  von  Göttweig  320. 

— ,  Graf  165.  172. 

Wernhard,  Bischof  von  Seckau  539. 
545. 

Wernher  172. 

Wernher  der  Gärntner  (Meier  Helm- 
brecht) 421. 

Werth  153. 

Wesen,  die,  Ministeriale  435. 

Wetzeisdorf  (Bz.  Mistelbach)  282. 

Weyer  im  Ennstal  356. 

Wiching  von  Neutra,  Bischof 
177  fr. 

Wien  (Vindominia,  Vindobona)  3.  10. 
11.  43.  53  ff.  61  f.  64.  66  f.  70. 
72.  82  f.  87.  93  f.  95.  107  f.  111. 
216. 240(erste  Erwähnung :  Wienni). 
262.  293.  326.  331.  332.  341.  342 
(civitas).  343.  360.  370.  374.  468  f. 
(Juden).  393.  398.  399  (Münze, 
Pfennig,  Markt).  401  (Patrizier). 
401  f.  (Gewerbe,  Handwerk).  402. 
441  (Herzogshof).  403  Stadtrich- 
ter). 400.  403  ff  469.  559  (Stadt- 
recht). 406.  456  f.  469.  534  (Bis- 
tumsfrage). 408.  428.  430.  447. 
468.  491.  497.  554  f.  561  (Reichs- 
unmittelbarkeit).  456.  465.  467. 
472   (Mafs).    476  f.   526.  531.  544 


(Stellung    zu    Ottokar    II.).     527. 

530.    536   (Provinzialkonzil).    544. 

548.  550.  556.  570.  571. 
Wien,  Klöster  und  Kirchen: 

Dominikanerkirche    455.    478.    556. 

569.  570. 
Kolomanskirche  457. 
Kommende  der  Johanniter  556. 
Minoritenkloster  455. 
St.  Nikolaus  556. 
St.  Peter  413. 
St.  Ruprecht  155. 
Schottenkloster  7.  11.  334.  381.  394. 

409.  430.  452.  555.  570. 
Schottenmönche  343.  410. 
St.  Stephan  (Hauptpfarrkirche)   343. 

409.  413.   468  (Schulmeister).  534 

(Plan  einer  Kollegiatkirche). 
Wiener  Becken  29.   106.    107.    136. 

212.  226.  242.  318. 

Wiener  Wald  30.  55.  106.  143.  145. 
148.  155.  162.  183.  199.  202.  211. 

213.  217.  219  (V.  0.  W.  W.).  222. 
224.  226.  229. 

Wiener  Neustadt  225.  230.  386 f.; 
397  u.  428  (Gründung).  397  u.  557 
(Marktrecht,  Münzstätte,  Pfennige). 
455  (Kloster).  456  (Patarener). 
467.  470.  482  f.  489.  491.  497  f. 
518.  523  f.  527.  531.  553  f.  571  f. 

Wieselburg  (Bz.  Scheibbs)  198.  216. 
220. 
i    —  in  Ungarn  250  f.  298.  479  f. 

Wiesen  436. 

Wildberg  i.  Haselgraben,  Oberöster- 
reich 415. 

— ,  Adelheid  von  615. 

Wildecker,  die  435. 

Wildeneck  (Bz.  Vöcklabruck)  120. 

Wildensee,  der  118. 

Wildon,  Hartnid  von  543. 

Wildshut  (Bz.  Braunau  a.  I.)  119. 

Wilhelm,  Graf  in  der  Ostmark  137. 
143  f.  147.  153.  161.  165. 

39* 


6i: 


Kcgistor, 


W  i  1  h  0 1 111 ,  dessen  Subn  138.  142. 165. 

172  f.  175.  177. 
— ,  Notar  503. 
— ,  Sohn  des  Letzteren  172. 

—  von  Holland,  deutscher  König  490  f. 

500. 

—  von  Montferrat,  Graf  19G. 
Wilhelmsburger,  die  435. 
Wilhering,   Zisterzienserkloster  in 

Oberösterreich  318.  333.  363.  371. 

430.  433.  452.  496  f.  555. 
— ,  Miuisteriale  322. 
Wilhering-Waxenberg,    Ulrich    und 

Cholo  von  318.  423.  432  f. 
Willendorf  (Bz.  Krems)  28. 
Wille ndorf  (Bz.  Neunkirchen)  219. 
Wim  passing  234. 
Windberg  (Bz.  Amstetten)  234.  382. 

432. 
— ,  Grafen  von  253  f. 
— ,  Hermann  von  254. 
— ,  Eppo  von  423.  432. 
Windek  im  Machland  427. 
Winden  (Slovecen,  Solavenen)  106. 
Winden    östl.    von    Vöklabruck    108. 

234. 

—  bei  Herzogenburg  108.  234. 
Windhag  234. 
Windhof  234. 

Windischberg  bei  Linz  108. 
Windischdorf  bei  Kirchberg  108. 
Windischdorf  im  Ipsgebiet  108. 
Windischendorf  in   Oberösterreich 

234.  615. 
Windisch-Garsten,     Gabromagus 

63.  67.  108.  357. 
Windischhütten  (Bz.  Tulln)  234. 
Windiscbe  Mark  549.  566.  574. 
Windischmarkt   in   Oberösterreich 

108.  234.  615. 
Windopolis  (=  Wien)  331. 
Windpassing  234. 
Winfried,  Bonifatius  125.  126. 
Winkel  322  (Ministeriale).  355. 


^\'  i  n  k  1  a  r  n  im  Viertel  ober  Wiener 
Wald  535. 

Wirflach  s.  AVürflach. 

Wissenschaft,  klösterliche  128. 

Witigavo,  Grundbesitzer  in  der  Ost- 
mark 139. 

W  i  t  i  g  0  ,  Landseh reibor  489.  503.  506  f. 

Wittolsbach,Ottovonl96.  365.  411. 

Wittigonen,  böhmische  424.  433. 

Wizo  140. 

Wizzenburg,  Konrad  von  197. 

Wladislaw,  Herzog  von  Schlesien, 
Erzbiscbof  von  Salzburg  516. 

—  IL,  König  von  Böhmen  305 f.  308 f. 

311.  347. 
-,  Sohn  Wenzels  I.  476  f.  480.  487. 

—  von  Oppeln  500. 
Wöllersdorf  im  Viertel  unter  Wieucr- 

wald  110.  239. 
W  ö  r  t  h ,  Heinrich  von,  Propst  543. 
Wösendorf  (Bz.  Krems)  28. 
Wolfeswang  144.  145.  213. 
Wolfgang,  St.  193.  198.  2U0  f. 
Wolfgang,  St.  im  Moudseeland  514. 
W  0 1  f  g  e  r ,  Bischof  von  Passau  378. 393. 

407. 
Wolfpassiug  (Bz.  Scheibbs)  369. 
Wolfrat  hshausen,  Grafen  von  207. 

358. 
— ,  Heinrich  von  302.  305.  344. 
Wolfsbach  139.  143.  147. 
Wolfs  tal  (Bz.  Bruch)  37.  436. 
Wolfstein,  Herren  von  359. 
Wolkersdorf,  Bernhard  von  543.547. 
— ,  Dietrich  und  Ortolf  von  464. 
Wopfing  (Bz.  Wiener  Neustadt)  219. 
Worms,  Hoftag  von  308. 
— ,  Synode  von  270. 
Wormser  Konkordat  281.  348. 
Vv^'ratislaw,     König     von     Böhmen 

275  f.  388. 
Würflach  (Bz.  Neunkirchen  262.) 
Würz  bürg  211.  259.  372.  402.  431. 
— ,  Keichstag  von  347.  353. 


Register. 


61S 


Würzburger  Bischöfe  362. 
Würzburger  Besitz  259. 
Würzburger  Eid  347. 
Würzburger  Vertrag  376 f. 
Wullersdorf    (Bz.    Oberhollabrunn) 

283.  300. 
Wultendorf  (Bz.  Mistelbach)  79. 

Zaczo,  Kaplan  142. 
Zägging,  Albert  von  508. 
— ,  Konrad  von  495. 
— ,  Ludwig  von  508. 
Zähringen,  Bertold  von  270. 
Zagelau  (Bz.  Amstetten)  327. 
Zaya,  Flufs  in  Niederösterreich  244  f. 
Zebing,  Ministeriale  322.  462. 
Zehnte  s.  Abgaben. 
Zeillern  (Bz.  Amstetten)  141.  155. 
Zeillernbach  (Cidelbach)  135. 
Zeiselberg  (Bz.  Krems)  28. 
Zeiselmauer   (Bz.   TuUn)  56.    136. 

144.  276.  393.  568. 
Zeismannstetten  242. 
Zeitleihe  (Freistift,  Baumaunsrecht) 

419. 
Zeitlham  (Bz.  Steyr)  155. 
Zeitling  (Bz.  Perg  O.-Ö.)  155. 
Zelking,  Ministeriale  322    435. 
Zeno,  oströmischer  Kaiser  103. 
Zetwing  in  Böhmen  514. 


Zinsbauern  s.  Bauernstand. 

Zinse  s.  Abgaben. 

Zinsennehmen  470. 

Zinslehen  418. 

Zistersdorf  im  Marchfelde  426. 

Zisterzienser  281.  316 ff.  325.  328. 
330.  334.  337.  344.  346.  390.  410. 
417.  (aus  Langheim  in  Franken) 
424.  454.  496. 

Znaim  in  Mähren  241.  351.  494. 

Zobern  (Bz.  Wiener  Neustadt)  143. 

Zölle  8.  Abgaben. 

Zolleinnehmer  (thelonarii)  388. 

Zollern,  Grafen  von  372. 

Z  0 1 1  e  r  n  sehe  (Brandenburger)  Lehen 
431. 

Z  0 1 1  e  r  n  sehe  Besitzungen  in  Ober- 
österreich 546. 

Zollregal  s.  Eegalien. 

Zollstätten  386. 

Zunftwesen  (Anfänge)  527. 

Zupen,  Zupan  109. 

Zwentibold  234. 

Zwentipolch  139. 

Zwerndorf  im  Marchfelde  110. 

Z  w  e  1 1 1 ,  Zisterzienserkloster  in  Nieder- 
österreich 7.  9. 108.  317.322.  (Mini- 
steriale) 344  f.  350.  352.  381.  402. 
409.  (Urbar)  422.  425  f.  427.  441. 
453.  462  f.  466.  569.  570  f. 


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Bericlitigunseii  und  Nachträge. 


S.  2,  Anra,  3.     Kubitscheks  und  Frankfurters  Führer  durch  Carnuntum 

ist  1904  in  3.  Auflage  erschienen. 
S.  3,  Anra.  1.     Kubitscheks    Studie    „Viudobona"   ist   nicht    in  den  „Serta 

Harteliana",    sondern  in   den  „Xenia  Austriaca"  (Festgabe   zur  42.  Ver- 

sammUing  deutscher  Philologen   und  Schulmänner  1893J  erschienen  (vgl. 

S.  53,  Anm.  2). 

S,  4,  Anm.  1.  Siehe  auch  noch  Kr u seh,  Der  heilige  Florian  und  sein  Stift 
(Neues  Archiv  XXVIII,  339  und  5Ü7,  1903). 

S.  29,  Z.  11  von  oben  hat  es  statt:  Binnenmeer  der  Eiszeit,  richtiger  „Mittel- 
meer der  jüngeren  Tertiärzeit"  zu  lauten. 

S.  33 fF.  Für  die  Geschichte  der  Metalli^erioden  ist  jetzt  zu  vergleichen:  Luer 
und  Creutz,  Geschichte  der  Metallkunst  I  (Stuttgart  1904). 

S.  34.  In  den  letzten  Jahren  sind  allerdings  auch  in  Niederösterreich  so  zahlreiche 
Funde  aus  der  Bronzezeit  gemacht  worden,  dafs  die  ältere  Annahme, 
diese  Periode  sei  bei  uns  nur  schwach  vertreten,  nicht  mehr  aufrecht- 
erhalten werden  kann.  Siehe  die  aufschlufsreiche  zusammenfassende  Ab- 
handlung von  Hörne s,  Die  älteste  Bronzezeit  in  Niederösterreich  (Jahr- 
buch der  k.  k.  Zentralkommission  für  Kunst-  und  historische  Denkmal© 
NF.  I,  If.,  1903). 

S.  117,  Anra.  2.  Zur  Literatur:  Chabert,  Bruchstücke  einer  Staats-  und 
Rechtsgeschichte  der  deutsch  -  österreichischen  Länder  (Denkschrift  der 
k.  Akademie  der  Wissensch.  III,  112,  1852). 

S.  145,  Z.  2  f.  von  unten  hat  es  richtig  zu  lauten :  „  im  Tauschwege  gegen  Güter 
jenseits  des  Wiener  Waldes  usw."  Die  nochmalige  Untersuchung  der 
Urkundenkopie  im  Münchener  Eeichsarchiv  hat  aufserdcm  anstatt  der 
Lesung  „Nominicha",  wie  die  Mon.  Boic.  und  das  ÜB.  d.  L.  o.  d.  Enns 
gedruckt  haben,  die  Lesung  „Niuwinicha"  ergeben.  Siehe  jetzt  auch: 
Giannoni,  Geschichte  der  Stadt  Mödling  (Mödling  1905). 

S.  180,  Anra.  3  fehlt  das  Zitat:  Mühlbacher  in  den  Mitteilungen  des  In- 
stitutes für  österreichische  Geschichtsforschung  XXIV,  424,  1903. 

S.  181.  Z.  2  von  unten  lies  Menfö  statt  Mensö. 


Berichtigungen  und  Nachträge.  615 

S.  223,  Anm.  1.  Ferner  Blank,  Die  Besiedelung  des  Landstriches  zwischen 
der  Enns  und  Ips  (in  Vorbereitung  für  das  Jahrb.  für  Landesk.  von  Nieder- 
österreich IV,  1905).  Vgl.  meine  Übersicht :  Zur  Geschichte  der  Besiedelung 
Nieder-  und  Oberösterreichs  (Deutsche  Geschichtsblätter  V,  275,  1904). 

S.  225,  Anra.  3.  Vgl.  jetzt  auch  Willibald  Nagl,  Über  die  Fortschritte  der 
geographischen  Namenkunde  (Geographisches  Jahrbuch  XXVII,  129,  1905). 

S.  231.  Hier  wäre  auch  auf  jene  Ortsnamen  aufmerksam  zu  machen ,  die  noch 
heute  in  ihrer  spezifisch  dialektischen  Form  auf  eine  bestimmte ,  zumeist 
fränkische  oder  oberpfälzische  Abstammung  der  ersten  Ansiedler  hinweisen, 
z.  ß.  Putten  (für  Butte),  Nondorf  aus  Naundorf  für  Neudorf  u.  a.  m. 

S.  245,  Z.  10  von  oben  lies  Frowila  statt  Frowiza. 

S.  252,  Z.  11  von  oben  lies  Rührsdorf  statt  Ruhrsdorf. 

S.  253,  Z.  6  von  unten  lies  Rorbach  statt  Rombach. 

S.  294,  Anm.  3.  Kraliks  Buch  ist  nunmehr  nicht,  wie  ursprünglich  geplant,  in 
Wien,  sondern  als  3.  Band  der  ,, Sammlung  illustrierter  Heiligenleben" 
in  Kempten  und  München  1904  erschienen. 

S.  298,  Z.  6  von  oben  lies  Oedenburg  statt  Odenburg. 

S.  300.  Adelheid  von  ^Vildberg,  Witwe  des  Grafen  Ernst  von  Hohenberg,  hatte 
im  Jahre  1135  die  Absicht,  im  Walde  Prumste  (Viertel  ober  Manharts- 
berg),  den  sie  dem  Kloster  Kremsmünstcr  zur  Urbarmachung  schenkte, 
ein  Kloster  zu  gründen  (ÜB.  von  Kremsmünster  S.  36). 

S.  311,  Anm.  2.  Vgl.  auch  die  Besprechung  von  Erbens  Buch  durch  Tan  gl 
in  der  Zeitschrift  der  Savignystiftung  XXV ,  Germ.  Abt. ,  S.  258 ,  1904. 
Anm.  3.  Zur  Vervollständigung  der  Literatur  wäre  noch  anzuführen: 
Nicola doni,  Zur  Verfassungs-  und  Verwaltungsgeschichte  der  öster- 
reichischen Herzogtümer  im  60.  Bericht  des  Museum  Francisco-Carolinum, 
S.  If.,  1902,  das  aber  für  die  wissenschaftliche  Kritik  wertlos  ist. 

S.  360.  Zu  den  Münzstätten  der  steierischen  Ottokare  ist  der  ältere  Aufsatz 
von  Bergmann  in  den  Wiener  Jahrbüchern  für  Literatur  Gl,  1843, 
Anz.  Bl.  S.  18  zu  vergleichen. 

S.  414,  Anm.  3.  Ergänze:  Strnadt  in  Mitt.  des  Inst.  f.  österr.  Geschichtsf. 
XXIII,  650,  1902.  Nach  ihm  ist  Freistadt  nichts  anderes  als  der  zu 
Beginn  des  13.  Jahrhunderts  genannte  Ort  Windischniarkt,  der  einer 
nach  1142  entstandenen  Wendenansiedelung  Windisehdorf  entspricht,  und 
der  von  Herzog  Leopold  VI.  Marktrechte  erhalten  haben  dürfte.  Zur 
Stadt  scheint  ihn  erst  König  Ottokar  erhoben  zu  habeu,  worauf  der  neue 
Name  Freistadt  den  alten  verdrängte. 

S.  453,  Z.  1  von  unten  lies  Baumburg  statt  Baumberg. 

S.  508,  Z.  11  von  oben  lies  Albero  statt  Albert. 

Schliefslich  sei  noch  angefülirt,  dafs  unter  dem  Protektorate  Sr.  Maj.  des 
Kaisers  von  Österreich  im  Verlaufe  des  Jahres  1905  ein  vom  Staatsarchivar  Dr. 


010  Boriclitif^iuij^on  und  Nachträj^o. 

Hans  Schütter  redigiortos  grofsos  Prachtwork  „An  Eliron  und  an  Siegen  reich" 
erscheinen  wird,  das  wichtige  Kapitel  der  österreichischen  Geschichte  in  Einzel- 
darsteUungen  behandelt,  zwar  nur  in  gedrängter  Kürze,  aber  da  die  Aufsätze  von 
iiervorragenden  wissenschaftlichen  Autoritäten  verfafst  sind,  ist  es  wohl  berechtigt, 
sie  auch  in  einem  wissenschaftlichen  Werke  unter  der  Literatur  zu  vermerken. 
Für  den  Zeitabschnitt,  den  vorliegendes  Werk  umfafst,  kommen  in  Betracht: 
Kralik,  Osterreicli  im  Nibelungenliede;  La m pol.  Die  Anfänge  Österreichs  und 
die  Gründung  der  Ostmark;  Drexler,  Die  wichtigsten  Klostergründungen  der 
Babenberger;  Lampe  1,  Kaiser  Friedrich  der  Rotbart  und  Herzog  Heinrich 
Jasomirgott;  Wilhelm,  Der  Kreuzzug  Leopolds  des  Glorreichen;  Dop  seh,  Der 
letzte  Babeuborgor;  Das  österreichische  Interregnum;  Schöubach,  Humanismus 
im  Österreich  dos  13.  Jahrhunderts;  Vancsa,  Die  Königswahl  Rudolfs  von 
Habsburg;  Redlich,  Rudolf  von  Habsburg  und  Ottokar  von  Böhmen. 


o-<gg«- 


Druck  von  Friedricli  Andreas  Perthes,  Aktiengesellschaft,  Gotha. 


-'S     Vancsa,  Max 
38      Geschichte  Nieder-  und 
■>         ' 'Derosterreichs 


V3 
Bd.l 


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