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ALLGEMlilNE STAATENGESCHICHTE
Herausgegeben von KARL LAMPRECHT.
I. ABTEILUNG: GESCHICHTE DER EUROPÄISCHEN STAATEN — II. ABTEILUNG: GE-
SCHICHTE DER AUSZEREUROPÄISCHEN STAATEN — III. ABTEILUNG: DEUTSCHE
LANDESGESCHICHTEN
Dritte Abteilung:
DEUTSCHE LAIDESeiSCHICHTEN.
Herausg"eg"eben
von
ARMIN TILLE.
Sechstes "Werk:
VANCSA, GESCHICHTE NIEDER- UND OBERÖSTERREICHS.
Erster Band.
GOTHA 1905.
FRIEDRICH ANDREAS PERTHES
AKTIENGESELLSCHAFT.
DEUTSCHE LANDESGESCHICHTEN.
Herausgegeben von ARMIN TILLE.
Sechstes Werk.
GESCHICHTE
NIEDER- DND OBERÖSTERREICHS
VON
MAX VANCSA.
Erster Band.
Bis 1383.
GOTHA 1905.
FRIEDRICH ANDREAS PERTHES
AKTIENGESELLSCHAFT.
985713
Oswald Redlich
in Verehrung-
^" o 11 seinem dankbaren Schüler.
Vorwort des Herausgebers.
Das Wesen der „Deutschen Landesgeschichten" und die Ge-
sichtspunkte, die für Verlag und Herausgeber bei Einrichtung
dieser dritten Abteilung der „Allgemeinen Staatengeschichte" mafs-
gebend waren, sind im Vorwort zum Fünften Werke: Wehrmann,
Geschichte von Pommern, Erster Band (1904) S. V — IX dargelegt
worden, und darauf sei an dieser Stelle verwiesen.
Jede Landschaft des deutschen Sprachgebietes soll allmählich
in dieser Sammlung eine geschichtliche Darstellung finden, und
hiermit wird die erste Landschaft der Osterreichischen Monarchie —
einige andere Kronländer werden bald folgen — der Öffentlichkeit
übergeben. Für Preufsen, Braunschweig und Hannover, die Provinz
Sachsen, Schlesien und Pommern liegen bis jetzt, wenn auch zum
Teil noch unvollständig, Landesgeschichten vor, aber alle um-
schlingt ein gemeinsames geistiges Band, und so wird jedes neue
Werk auch im Kreise derer, die der bestimmten Landschaft ferner
stehen, auf Teilnahme und Beachtung rechnen dürfen.
Leipzig, im Februar 1905.
Dr. Armin Tille.
Vorwort des Verfassers.
Eine Darstellung der Geschichte Niederösterreichs, des Stamm-
landes der österreichisch-ungarischen Monarchie, hat es — von
kurzen Übersichten abgesehen — bis jetzt nicht gegeben; eine
„Geschichte Oberösterreichs" ist seit dem Jahre 1847 nicht mehr
zu schreiben versucht worden ! Dafür hat sich im Laufe der Jahre
eine stattliche, schier unübersehbare Reihe von Quellenpublikationen
und Einzeluntersuchungen zur Landesgeschichfe angehäuft, die
dringend einer Sichtung, Verwertung und Zusammenfassung bedürfen.
In jüngster Zeit hat ja die Geschichtswissenschaft immer mehr die
Landesgeschichte in ihrem Werte und ihrer Bedeutung gewürdigt
in der richtigen Erkenntnis, dafs die Durchforschung der kleineren
Einheit beendet sein und in ihren Ergebnissen klar vorliegen
mufs, ehe man an die höheren Einheiten herantreten kann, an die
Staaten-, Völker- und Weltgeschichte.
Bei dem Umstände, dafs für eine „Geschichte Nieder- und
Oberösterreichs" eine gesicherte Grundlage bisher überhaupt nicht
vorhanden war und dafs es gerade deshalb auch einem all-
gemeinen Bedürfnis entsprach, wenn die zahlreichen, oft weit
verstreuten Quellen und die nicht minder verstreute Literatur ge-
sammelt und aufgearbeitet wurden, schien es geboten, den tatsäch-
lichen Verhältnissen ein Zugeständnis zu machen und in der Mit-
teilung der Quellen und Literatur etwas weiter zu gehen als es
der den „Deutschen Landesgeschichten" zugrunde liegende Plan
vorschreibt. Hoffentlich hat darunter die Absicht, die jenem Unter-
nehmen innewohnt, „weiteren gebildeten Kreisen eine lesbare ab-
gerundete Darstellung zu bieten", nicht gehtten.
Die „Deutschen Landesgeschichten" wollen aber auch nicht
durchweg neue selbständige Forschungen bringen, sondern zu-
Vorwort des Verfassers. ix
sammenfassen und ausgleichen. In Verfolgung dieses Zweckes
ist zwar die Selbständigkeit des Urteils und der Darstellung durch-
weg gewahrt, aber gute Einzeldarstellungen sind, wo sie vorhanden
waren, unbedenklich zugrunde gelegt worden. Viele Einzelheiten
erhielten erst durch die Verwendung in bestimmtem Zusammen-
hang ihren Wert für die Geschichte des Landes, und manche von
anderen festgestellte Tatsache erschien im Rahmen des Ganzen in
neuem Lichte. Trotzdem sind noch Lücken genug offen und Streit-
fragen in Menge ungelöst geblieben, und gerade mit Hinblick auf die
schwebenden Probleme der Forschung, die mit möglichster Deutlich-
keit klargelegt wurden, werden die Verweise aufQuellen und Literatur
den selbständigen Arbeitern auf dem Felde der Landesgeschichte
gute Dienste leisten. Hier wird ein jeder von ihnen — mag er sich
nun mit der Landesgeschichte als Ganzem, einzelnen Problemen oder
beschränkten Gebieten genauer beschäftigen — leicht einen Über-
blick gewinnen über das, was bisher geleistet worden ist, hier
wird er die Grundlage finden, auf der er weiter bauen kann.
Im Gegensatz zu den älteren Geschichtsdarstellungen, die den
äufseren Vorgängen der politischen Geschichte die ausschliefsliche
oder zum mindesten die Hauptbedeutung beilegten, tritt in neuester
Zeit immer mehr die Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte, die
Kultur- und Wirtschaftsgeschichte in den Vordergrund des Interesses.
Gerade eine Landesgeschichte, die doch in erster Linie die Zu-
stände des Landes und ihre Entwicklung schildern soll, wird
um so mehr diesem Zuge der Zeit folgen müssen. Ich habe im
vorliegenden Werke zum ersten Male den Versuch unternommen,
nicht, wie das sonst üblich ist, Verfassungs-, Verwaltungs-, Wirt-
schafts-, Kulturgeschichte usw. in gesonderten Kapiteln der Dar-
stellung der politischen Geschichte anzuhängen , sondern die Ent-
wickelung des Landes innerhalb einer bestimmten Zeitperiode
gleichzeitig nach allen Richtungen hin zu verfolgen, wobei sich
von selbst leitende Gesichtspunkte ergaben, die das eine oder das
andere Moment mehr in den Vordergrund rückten. Auf diese
Weise glaube ich einheitlichere, geschlossenere und zugleich
charakteristisch sich voneinander abhebende Bilder der einzelnen
Entwickelungsperioden des Landes gewonnen zu haben. Aller-
dings waren bei dieser Behandlungsweise manche Wiederholungen
X Vorwort des Verfassers.
nicht zu vermeiden, manche fernerhegende Verhältnisse und Ent-
wickelungslbrmen fügten sich etwas widerwilHg ein. Doch dürften
dies im Vergleich zu dem Gewinn geringe Nachteile sein.
Ein Umstand bedarf" für den mit den österreichischen Ver-
hältnissen weniger vertrauten Leser eine Erklärung: das starke
Überwiegen Nieder Österreichs. Dies hat seine doppelte Ursache.
Einerseits beansprucht Niederösterreich als die eigentliche Mark,
die wechselvollen Schicksalen unterworfen war und sich unter
eigentümlichen Verhältnissen entwickelte, weit eingehendere Behand-
lung und erhöhteres Interesse als das gesicherte, geringeren Wand-
lungen ausgesetzte, einheitlicher gestaltete Hinterland. Andrerseits
Hegen für Niederösterreich ganz unverhältnismäfsig mehr Quellen-
publikationen und Vorarbeiten vor als für Oberösterreich, wo die
Geschichtsforschertätigkeit nach lebhaften Anläufen in den dreifsiger
und vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts ziemlich verflaut ist.
Einen Verlegenheitsausweg in bezug auf die Bezeichnung des
Landes und der Landesteile wird man mir zugute halten. Eine
einheitliche Benennung gibt es für die in diesem ersten Bande
behandelte Zeit nicht. Ich wende daher immer die allerdings erst
spät aufgekommenen Bezeichnungen an, und bediene mich aufser-
dem zur genaueren Orientierung der Einteilung der beiden Länder
in vier Viertel (Niederösterreich in Viertel ober und unter dem
Wiener Wald, ober und unter dem Manhartsberg; Oberösterreich
in die beiden Mühl viertel, in das Hausruck- und Traun viertel)^
obwohl diese Einteilung offiziell bereits seit dem Jahre 1848 auf-
gegeben ist. Sie ist aber noch heute jedem Österreicher geläufig
und auch für den NichtÖsterreicher leicht verständlich.
Als schwersten Übelstand habe ich es empfunden und als
solcher wird es auch dem künftigen Benutzer erscheinen, dafs ich
die Geschichte der Babenberger Zeit, die in diesem ersten Bande
den gröfsten Raum einnimmt, schreiben mufste, ehe das geplante
Babenberger Urkundenbuch vorlag. Es ist leider bis jetzt noch
nicht über Vorarbeiten hinausgediehen, die mir allerdings Herr
Baron Dr. Oskar v. Mitis, der vom Verein für Landeskunde
von Niederösterreich mit der Herausgabe betraut ist, in liebens-
würdiger Weise zur Verfügung stellte.
Auch aus den Arbeiten für den „Historischen Atlas der öster-
Vorwort des Verfassers. xi
reichischen Alpenländer" (herausgegeben von der kaiserlichen Aka-
demie der Wissenschaften) konnte ich nur teilweise und zwar soweit
Oberösterreich in Betracht kam, einigen Vorteil ziehen. Der Re-
dakteur, Herr Professor Eduard Richter in Graz, der uns soeben
durch den Tod entrissen wurde, und der Bearbeiter, Herr Ober-
landesgerichtsrat Julius Strnadt, gewährten mir zuvorkommend
die Einsichtnahme.
Sehr dankbar bin ich Herrn Professor Dr. Alfons Dop seh,
dafs er mir die von ihm im Auftrag der kaiserlichen Akademie
der Wissenschaften neu herausgegebenen, allerdings nunmehr vor
meinem Werke erschienenen „Landesfürstlichen Urbare", ins-
besondere die für die mittelalterliche Wirtschaftsgeschichte unserer
Länder so hochwichtige Einleitung schon während des Druckes
zur Durchsicht überliefs.
Zwei bemerkenswerte Dissertationen, die noch nicht im Druck
vorliegen, „Die Entwickelung der Landeshoheit im Bistum Passau"
von Franz Straufs und „Siedelungs- und Wirtschaftsgeschichte
des Wald vierteis im Mittelalter" von Franz Heilsberg, konnte
ich infolge des freundlichen Entgegenkommens der Herren Ver-
fasser im Manuskript benutzen. Herr Staatsarchivar Dr. Josef
L a m p e 1 gestattete mir, die Korrekturbogen der Fortsetzung seiner
Abhandlung über „Die Babenbergische Ostmark und ihre Tres
Comitatus" mitzulesen.
Für verschiedenartige Förderungen und eine Reihe von Mit-
teilungen und Ratschlägen bin ich den Herren Professor Dr. Oswald
Redlich, Landesarchivar Dr. Anton Mayer, Herrn Geh. Regie-
rungsrat Dr. August Meitzen, Stiftsarchivar P. Benedikt Hammerl
und Ingenieur Anton Dachler zum Danke verpflichtet. Für kleinere
Mitteilungen spreche ich meinen Dankam betreffenden Orte aus.
Insbesondere gilt noch überdies mein herzlicher Dank allen
jenen Herren, die sich der unangenehmen Mühe unterzogen haben,
die Korrekturen gröfserer oder kleinerer Partien mitzulesen, und
bei dieser Gelegenheit vielfach verbessernd und ergänzend ein-
griffen: vor allen anderen dem unermüdHchen Redakteur dieser
Sammlung „Deutscher Landesgeschichten", Herrn Dr. Armin Tille,
der mir bei seiner reichen redaktionellen Erfahrung und seiner
Kenntnis auf dem Gebiete der deutschen Territorialgeschichte mit
xn Vorwort des Vorfassors.
Rat und Tat zur Seite stand, ferner Herrn Regierungsrat Dr.
IMatthäus Much, Herrn Regierungsrat Professor Dr. Wilhelm
Kubitscbek, Herrn Oberlandesgerichtsrat Julius Strnadt,
Herrn Archivsekretär Dr. Karl Giannoni und Herrn Archiv-
konzipisten Dr. Franz Wilhelm.
Einen grofsen Dienst bat mir Herr stud. pbil. Karl Beer durch
Bearbeitung des Registers geleistet.
Zum Schlüsse drängt es mich, schmerzlich bewegt des Mannes
zu gedenken, der in mir den Grund gelegt hat, um mich zur Über-
nahme einer so grofsen und schwierigen Aufgabe zu befähigen,
und der meine Arbeit mit aufserordentlich regem Interesse auf
Schritt und Tritt verfolgte, meines hochverehrten Lehrers Engel-
bert Mühlbacher. Leider ist es mir nicht mehr vergönnt, diesen
Band, dessen Erscheinen er, wie er mich wiederholt versicherte,
mit Spannung entgegensah, in seine Hände zu legen. Anderthalb
Jahre ist es her, da stand ich an der Bahre des der Wissenschaft
und unserer Liebe viel zu früh Entrissenen.
So sei denn dieses Werk dem jüngeren Lehrer gewidmet,
dessen erster Schüler an der Wiener Hochschule ich gewesen zu
sein mich berühmen kann, und dem ich nächst Mühlbacher am
meisten verdanke: Oswald Redlich.
W^ien, im Februar 1905.
Max Vancsa.
Inhalt.
Seite
Vorwort yii
Einleitung-. Die historischen Quellen bis gegen Ende des 13. Jahr-
hunderts und die neuere landeskundliche Literatur 1
Erstes Kapitel. Vorröraische Kulturperioden 26
Zweites Kapitel. Die römische Militärgrenze an der Donau .... 48
Drittes Kapitel. Kulturaustausch zwischen Eömern und Gennanen. —
Das Ende der Eömerherrschaft an der Donau 74
Viertes Kapitel. Germanische, slawische und awarische Wanderungen . 102
Fünftes Kapitel. Die deutsche Kolonisation im Zeitalter der Karolinger . 133
Sechstes Kapitel. Die karolingische Ostmark 160
Siebeutes Kapitel. Die Ungarnepisode und die Wiedererrichtung der
Mark unter den Ottonen 182
Achtes Kapitel. Die zweite deutsche Kolonisation in der Ostmark . . 205
Neuntes Kapitel. Errichtung zweier Marken im Osten. — Weiterentwicke-
luDg der Besitzverhältnisse während des 11. Jahrhunderts . . . 243
Zehutes Kapitel. Die kirchliche Bewegung und ihr Einüufs auf Österreich 265
Elftes Kapitel. Ein halbes Jahrhundert Babenbergischer Politik bis zur
Erhebung Österreichs zum Herzogtum 295
Zwölftes Kapitel. Der Zustand des Landes bei der Erhebung zum
Herzogtum 313
Dreizehntes Kapitel. Streben der Babenberger nach politischer und wirt-
schaftlicher Unabhängigkeit ihres Herzogtums 340
Vierzehutes Kapitel. Die Entwickelung der Landesteile aufserhalb der
Grenzen der Mark 354
Fünfzehntes Kapitel. Der Herzog von Österreich als Landesherr . . 374
Sechzehutes Kapitel. Das Aufblühen der Städte. — Der Plan der Er-
richtung eines Bistumes in Wien und der Konkurrenzkampf zwischen
den Herzögen von Österreich und den Bischöfen von Passau . . 396
XIV Inhalt.
Seite
Siebzehntes Kapitel. Die Bauornsihaft und das Wirtschaftsleben. —
Die letzte kolonisatorische Bowe-^ung und die Besitzvoränderungen
im ersten Drittel des 13. Jahrhunderts 417
Aelitzehntes Kapitel. Überhebung der herzoglichen Maciit unter dem
letzten Babcnberger 442
Neunzehntes Kapitel. Das Gegenspiel der anderen Machtfaktoren . . 457
Zwanzigstes Kapitel. Österreich im Kampfe gegen äufsere Femde. —
Untergang Herzog Friedrichs des Streitbaren 472
Einundzwanzigstes Kapitel. Der österreichische Erbfolgestreit ... 482
ZweiundzM-anzigstes Kapitel. Österreich als Teil des böhmischen Reiches
Przemysl Ottokars 501
Dreiundzwanzigstes Kapitel. Der Sieg des Landesfürstentums unter
König Ottokar 524
Tierundzwanzigstes Kapitel. Österreich als wiedergewonnenes deutsches
Reichsland 538
Namen- und Sachregister 575
Berichtigungen und Nachträge ^^^
Einleitiiug.
Die historischen Quellen bis gegen Ende des 15. Jahr-
hunderts und die neuere landeskundliche Literatur.
Die zuverlässigsten Quellen l'ür die frühgeschichtliche und
für die römische Periode sind die Funde aus jenen Zeiten. Ihre
Kenntnis ist bei uns erst jungen Datums; besonders die systematische
Urgeschichtsforschung reicht nur wenig über fünfzig Jahre zu-
rück. Sie begann mit der Entdeckung des grofsartigen Gräberfeldes
zu Hallstatt im äufsersten Südwesten unserer Länder im Jahre 1847 ^).
Später folgte die Auffindung der Pfahlbauten in den oberöster-
reichischen Seen, erst seit den siebziger Jahren des 19. Jahr-
hunderts wurde Niederösterreich durchforscht. Im wesentlichen
sind die Ergebnisse hier und zum grofsen Teil in Oberösterreich
die Arbeit eines einzigen Mannes, Matthäus Much^).
1) Die kleine Anzahl zuerst aufgedeckter Gräber (58) beschrieb Gaisberger,
Die Gräber bei Hallstatt (Linz 1848); spätere Fundberichte im Archiv lür Kunde
österreichischer Geschichtsquellen, Bd. IV, und im Notizenblatt der k. Akademie
der Wissenschaften (1858). Eine grofse Untersuchung über die gesamten Funde
schrieb Sacken, Das Grabfeld von Hallstatt in Oberösterreich und seine Alter-
tümer (Wien 1868). Seitdem sind allerdings zahlreiche weitere Ausgrabungen
gemacht worden.
2) An zusammenfassenden Arbeiten über die vorrömische Geschichte Nieder-
und Oberösterreichs sind zu nennen: Sacken, Über Ansiedelungen und Funde
aus heidnischer Zeit in Niederösterreieh (Sitzungsber. der Wiener Akademie, Phil.-
hist. Kl. LXXIV, 1873) und im Kapitel über Kunst und Altertum im 1 Bande
der ,, Topographie von Niederösterreich" (Wien 1877); Much, Niederösterreich
in der Urgeschichte (Ber. u. Mitteilungen des Altertumsvereines XIX, 113 f., 1880).
Über die Zeit des Mammut im Allgemeinen und über einige Lagerplätze von
Mammutjägern in Niederösterreich (Mitteil, der anthropol. Gesellsch. XI , 18,
1881), Älteste Besiedelung der Länder der österreichischen Monarchie durch die
Vancsa, Geschichte Nieder- u. Oberösterreichs. 1
3 p]ink'iliing.
Aus der Köm er zeit *) waren manche Baureste und Bildwerke
schon von altersher bekannt. Nach den Schätzen im Schofse der
Erde wurde jedoch auch nicht früher als bis in den dreifsiger
oder vierziger Jahren des verflossenen Jahrhunderts gegraben '').
Weltruf erlangte das aufgedeckte grofse Legionslager in Carnuntum
zwischen Deutch- Altenburg und Petronell ^). Nicht minder wichtig
Menschen und deren Knlturentwickclung (Österr. Jahrbuch VIII, 40, 1884), und
in Kürze neuerdings im Monatsblatt d. Ver. f. Landesk. I, 105, 1Ü02; ferner die
populär gehaltenen, aber gut orientierenden Abschnitte über die Urgeschichte in
der „Österreich-ungarischen Monarchie in Wort und Bild" und zwar Niederöster-
reich (1888) vom Grafen Gundakar "Wurmbrand und Matth. Much und Ober-
österreich (1889) vom Grafen Wurmbrand; Wang, Die Ergebnisse der Ur-
geschichtsforschung in Österreich-Ungarn (Österr. -ung. Revue N. F. IV, 95,
1887/88); Hoernes, dessen „Urgeschichte des Menschen" auch zu vergleichen
ist, im 1. Kapitel von Ilgs „Kunstgeschichtlichen Charakterbildern aus Österreich-
Ungarn" (Wien, Prag, Leipzig 1893); endlich jetzt Pichler, Austria Eomana I
(2. Heft der Quellen und Forschungen zur alten Geographie und Geschichte,
herausgegeben von Sieglin) (Leipzig 1902), welches auch die Urgeschichte ein-
bezieht; eine Sammlung von Abbildungen vor- und frühgeschichtlicher Funde
(hgg. von M. Much)' bildet den 2. Band des Kunsthistorischen Atlas der
k. k. Zentralkommission für Kunst- und historische Denkmale (Wien 1889).
1) Aufser jenen umfassenderen Werken, welche ich im Texte unter den
Darstellungen besprechen werde, seien noch folgende Spezialarbeiteu über die
Eömerzeit genannt: Kenner, Noricum und Pannouien (Ber. u. Mitteil. d. Alter-
tumsver. XI, 1870, und separat), aus welchem sein Beitrag in der „Österreich-
ungarischen Monarchie in Wort und Bild" ein guter populärer Auszug ist; Jung,
Eömer und Romanen in den Donauländern (Innsbruck 1877, 2. Aufl. 1887), woraus
die Ergebnisse in sein gröfseres Werk: Die romanischen Landschaften des römi-
schen Reiches (Innsbruck 1881) übergegangen sind. Speziell für Oberösterreich
vgl. Widmann, Das Land ob der Enns unter der Herrschaft der Römer
(XI. Jahresber. der k. k. Staatsoberrealschule zu Steyer. 1881). Mommsen be-
handelt die Donauprovinzen nur kurz im 1. und 6. Kapitel des 5. Bandes seiner
„Römischen Geschichte". Zur Topographie siehe jetzt Pich 1er, Austria Romana I.
2) Die Fundberichte suche man in den Sitzungsberichten der Wiener
Akademie; in den Mitteilungen der Zentralkommission; in den archäologisch-
epigraphischen Mitteilungen aus Österreich ; in den Jahresheften des österreichisch,
archäologischen Institutes; ferner die oberösterreichischen in den Berichten des
Museum Francisco - Carolinum , die niederösterreichischen in den Berichten und
Mitteilungen des Altertumsvereines. Die Münzenfunde siehe aufserdem in der
Numismatischen Zeitschrift und im Monatsbl. der Numismatischen Gesellsch.
3) Kubitschek und Frankfurter, Führer durch Carnuntum (Wien
1891, 2. Aufl. 1893), Berichte des Vereines „Carnuntum" 1885 ff. ; auch die
bisher erschienenen vier Hefte des ,, Römischen Limes in Österreich" (Wien
Einleitung. 3
wurde die Aufdeckung des Legionslagers in Vindobona (Wien) ').
Die römischen Inschriften aus unseren Gegenden sind im dritten
Bande des ,, Corpus inscriptionum Latinarum" (abgekürzt C. I. L.)
und seinen Supplementen vereinigt. In zweiter Linie stehen die
römischen Schriftsteller, welche gelegentlich und zwar zumeist nur
hinsichtlich der kriegerischen Ereignisse auf unsere Gegenden zu
sprechen kommen. Es sind dies hauptsächlich in chronologischer
Reihenfolge: Strabo (15 — 20 n. Chr.), der ältere Plinius (70—77),
Tacitus (98), Ptolemaeus (160), Dio Cassius (nach 200) später
die Scriptores historiae Augustae (4. Jahrhundert) Aurelius Victor
(360), Ammianus Marcellinus (370) und in der Völkerwanderungs-
zeit Paulus Diaconus, Jornandes (Jordanis) und die Origo gentis
Langobardorum. Die einzige Quelle, welche sich ausschliefslich
mit den Zuständen und Schicksalen Ufernoricums noch dazu in
der zuverlässigsten Weise beschäftigt, stammt aus dem Ende der
Römerzeit: es ist die Vita Severini, die Lebensbeschreibung
des heiligen Severin, verfafst von seinem Schüler Eugippius (ca.
511). Sie entrollt ein grofsartiges, fast ergreifendes Bild unseres
Landes zur Zeit des Unterganges der Römerherrschaft, welches
durchaus den Eindruck des schlicht Wahrhaftigen, des Selbst-
erlebten und Selbstgeschauten macht ').
1900 ff.) behandeln vorläufig nur Carnuntum und die nächste Umgebung. Ku-
bitschek, Bilderatlas der Carnuntinischen Altertümer (Wien 1900).
1) Kubitschek, Vindobona in Serta Harteliana 1893, Kenner in der
Geschichte Wiens , hgg. vom Altertumsverein I. und Eömische Funde in Wien
1896-1900 (Wien 1900).
2) Älteste Ausgabe von Wels er in Augsburg 1595 zugleich nach der
ältesten Handschrift in Deutschland (St. Emmeram) ; Acta Sanctorum , Januar
I, 484; Migne, Patrol. 62; nach österreichischen Handschriften Pez Scriptores
I, 64 und Muchar, Das römische Noricum II, 152 mit Kommentar; nach dem
Lateran. Kodex Kerschbaumer, Scaphus 1862; nach Münchener Handschriften
Friedrich, Kirchengeschichte Deutschlands I, 431, 1867; weiter Sauppe,
Mon. Germ. Auct. ant. I, 2; Knöll im Wiener Corpus Script, eccles. VIII, 2
und Mommsen in den Scriptores rerum Germanicarum in usum scholarura . . .
recusi (Berlin 1898); Übersetzungen von Eitter (Linz 1853), Eodenberg
(Berlin 1878, in Geschichtschreiber der deutschen Vorzeit; Urzeit) und Brunner
(Wien 1879). Über die Quelle siehe aufser den Ausgaben und historischen Dar-
stellungen Wattenbach, Deutschlands Geschichtsquelleu I, 50 (7. Aufl.);
So mm er lad. Die Lebensbeschreibung Severins als kulturgeschichtliche Quelle
(2. Heft der Wirtschaftsgesch. Untersuchungen) (Leipzig 1903).
1*
4 Einleitung.
Die Geschichte eines anderen Heihgen, die Legende des hei-
ligen Florian, eines römischen Soldaten, welcher auf das Edikt
Diokletians gegen die Christen im Jahre 304 zu Laureacum in
die Fluten der Enns gestürzt worden sein soll, also anscheinend
gleichfalls für tmsere Gebiete von Wichtigkeit, kann jetzt nach
der epochemachenden Entdeckung Kruschs ^), dafs diese Passio
St. Floriani auf Grund der Passio des heiligen Irenäus gefälscht
worden ist, nicht mehr als Geschichtsquelle dienen.
Für die Kenntnis der Römerorte in unseren Ländern, be-
sonders der kleineren, sind wir fast ausschliefslich auf zwei Quellen
des 4. Jahrhunderts angewiesen, auf das Itinerarium Antonini 2),
das zur Zeit Diokletians, und eine Landkarte, welche ganz will-
kürlich Tabula Theodosiana oder Weltkarte des Castorius genannt
wurde, bekannter unter dem Namen ihres einstigen Besitzers
als Tabula Peutingeriana, welche um das Jahr 366 ent-
standen ist 2). Früher setzte man beide irrigerweise in die erste
Hälfte des 3. Jahrhunderts. Sie gehen auf offizielle Strafsenkarten
zurück, wie sie seit Augustus im römischen Reiche üblich waren ''=),
speziell auf eine monumentale Weltkarte aus der Zeit des Sep-
timius Severus oder Caracalla, aus "welcher um 270 eine buch-
mäfsige Ausgabe redigiert wurde, doch sind zwischen dieser und
der Tabula zwei vom Itinerar unabhängige Zwischenglieder an-
zunehmen. Dazu tritt für die spätere Zeit die Notitia dignitatum
imperii, eine Art Staatsschematisraus aus der Zeit nach Theodosius
(um 400) ^). Was die Verwertung dieser Quellen zu einem wahren
Schmerzenskinde der Forschung macht, ist der Ubelstand, dafs
sich Itinerar und Tabula weder in den Ortsnamen, noch in der
Reihenfolge der Örtlichkeiten, noch in der beigefügten Bezeichnung
1) Script, rer. Merov. III, 1896. Vgl. dazu S t r n a d t , Die Passio St. Floriani
und die mit ihr zusammenhängenden Urkundenfälschungen (Archival. Zeitschr.
N. F. VIII u. IX) (Kontroverse gegen Sepps Angriff auf Krusch).
2) Herausgegeben von Parthey und Pinder.
3) Jetzt am bequemsten zu benutzen die Ausgabe von Miller (Eavens-
burg 1887).
4) Vgl. Kubitschek, Eine römische Strafsenkarte (Jahreshefte des österr.
archäo! Institutes V, 20 f., 1902).
5) Herausgegeben von Böckin g in 3 Bänden 1849—1853, verbessert von
Seeck 1876.
Einleitung. 5
der Meilenabstände decken. Die Hauptursache dieser Abweichungen
dürfte weniger in einigen tatsächlichen Veränderungen als vielmehr
in der schlechten Überlieferung beider Quellen zu suchen sein ^).
Auch das frühe Mittelalter nach der Völkerwanderungs-
periode brachte noch keine spezifisch österreichische darstellende
Quelle hervor; das liegt in der Natur der Länder als Kolonialgebiet,
welches erst langsam und mit mannigfachen Unterbrechungen der
Kultur gewonnen werden mufste. Für die kriegerischen Ereignisse,
die sich auf unserem Boden abspielen, müssen die Reichsannalen
als Quellen dienen, welche also streng genommen nicht in den
Rahmen dieser Übersicht fallen ^) : für die Karolingerzeit die
Lorscher Annalen (Annales Laureshamenses, Annales Laurissenses
maiores et minores), welche sowohl mit den Fuldaer Annalen,
als auch mit Einhards Geschichtswerken zusammenhängen, die
Annales Salisburgenses maiores und minores (die Fortsetzung als
Annales S. Rudberti), wozu für die Salzburger Besitzverhältnisse
(auch in Oberösterreich) der Indiculus Arnonis und die Breves
notitiae Salisburgenses^) hinzukommen, die St. Gallener, Reiche-
nauer und Hersfelder Annalen und Regino von Prüm, die Ala-
mannischen Annalen und eine Reihe kleinerer annalistischer Auf-
zeichnungen ; für die Babenberger Zeit aufser den Fortsetzungen
dieser Annalen (Hermannus Contractus von Reichenau, Lambert
von Hersfeld u. a.) vor allem die Altaicher, später der hervoi'-
ragendste Geschichtschreiber des Mittelalters Otto von Freysing,
welcher ja selbst aus dem österreichischen Herrschergeschlechte
entsprossen war, und seine Fortsetzer, im 13. Jahrhundert Hermann
von Altaich, die Annales Colonienses, die Annalen und das Chronikon
von Kolmar und viele andere kleinere Quellen, die gelegentliche
Daten bringen, deren Aufzählung jedoch hier zu weit führen
würde. Nach Osterreich hinüber leitet uns die Chronik des am
1) Die Tabula ist gar erst zu Ende des 13. Jahrhunderts von einem Kolmarer
Mönch abgeschrieben worden, wahrscheinlich aus einem beschädigten oder schwer
leserlichen Original. Da sind denn Fehler leicht begreiflich.
2) Die Annalen sind in den verschiedenen Bänden der grofsen Ausgabe der
Mon. Germ. Scriptnres herausgegeben (I, III, XI, XVI, XVII, XX). Vgl.
Wattenbach, Geschichtsquellen.
3) Aufser der Ausgabe von Wattenbach im XI. Bande der Mon. Germ,
jetzt Hauthaler, Salzburger Urkundenbuch I.
0 Einleitung.
Inn gelegenen Klosters Reichersberg, welche zunächst bis 1167
reicht und vom Priester Magnus bis 1195 fortgesetzt wurde ^).
Osterreich erhielt erst in den zwanziger Jahren des 12. Jahr-
hunderts eine selbständige Geschichtschreibung ^) und zwar zu-
nächst in den blühenden Benediktiner- und Chorherrenklöstern an
der Donau, also zu einer Zeit, da im übrigen Süddeutschland die
Annalistik bereits wieder im Niedergang begriffen war.
Zunächst waren es die Lebensbeschreibungen frommer Kloster-
gründer und Heiliger, welche aufgezeichnet wurden. In Göttweig,
der Lieblingsstiftung Bischofs Altmann von Passau, entstand unter
Abt Cadalhoh (1125—1141) die Vita Altmanni ^), in Melk an der
Ruhestätte des heiligen Goloman die Vita Colomani ^) unter Abt
Erchanfrid (1121 — 1163), während die Vita des Propstes Hartmann
von Klosterneuburg nicht, wie man früher annahm, in diesem
Kloster, sondern wahrscheinlich in Brixen, wo er nachher Bischof
war, verfafst worden ist ^).
Von hervorragender Bedeutung wurde jedoch die Annalistik.
Unter dem eben erwähnten kunstsinnigen Abt Erchanfried von Melk
wurden im Jahre 1123 Jährliche Aufzeichnungen der wichtigsten
Geschehnisse, die Melker Annalen, begonnen und als Einleitung
ein Auszug aus der Chronik des Hermannus Contractus von Reiche-
nau vorausgeschickt. Dieses Unternehmen, das in Melk selbst bis
zum Jahre 1564 fortgesetzt wurde, hatte in den österreichischen
Ländern einen geradezu beispiellosen Erfolg. Im Verlaufe der
nächsten hundert Jahre wurden in fast allen Klöstern Österreichs
unter und ob der Enns, ja selbst in Obersteiermark und Salzburg
1) Mon. Germ. SS. XVII, 443.
2) Sämtliclie österreichische Annalen sind im IX. Bande der Mon. Germ.
SS. von Wattenbach herausgegeben. (Eine Schulausgabe von ühlirz steht
bevor.) — Die eingehendste und beste Untersuchung lieferte Redlich, Die
österreiclüsche Annalistik bis zum Ausgang des 13. Jahrhunderts (Mitteil. d.
Inst. f. österr. Gesch. III, 497, 1882). — Über den Zusammenhang mit der
Kulturentwickelung siehe meine Darstellung im 13. Kapitel.
3) In zwei Bearbeitungen erhalten, von denen die zweite erheblieh später
und schwächer ist (M. G. SS. XII, 226).
4) Gleichfalls in zwei Bearbeitungen überliefert (M. G. SS. IV, 674).
5) Zeifsberg, Zur Kritik der Vita Hartmanni (Archiv f. österr. Gesch.
LVI, 447j.
Einleitung. 7
ähnliche Aufzeichnungen in Angriff genommen und ihnen allen
die Melker Annalen zugrunde gelegt. Den Anfang machte Krems-
münster im Jahre 1139 (Continuatio Ci'eraifanensis), von wo man
die Aufzeichnungen im Jahre 1197 im Kloster Lambach über-
nahm (Continuatio Lambacensis), schon 1140 folgte Klosterneuburg
(Continuatio Claustroneoburgensis I, 1075 — 1193; II, 1142 bis
1224; III, 1142—1233 ') und VI, 1267—128.8), nicht viel später
wohl auch Göttweig. Die letzteren Jahrbücher und die erste Kloster-
rieuburger Fortsetzung sind zwar nicht mehr im Original erhalten,
lassen sich aber aus Kopien und Ableitungen rekonstruieren;
namentlich die Klosterneuburger gewann selbst wieder grofse Be-
liebtheit und Verbreitung. Im Jahre 1159 wurden sogar im Kloster
Zwettl, entgegen den sonst in den Zisterzienserklöstern der da-
mahgen Zeit herrschenden Grundsätzen Jahrbücher auf Grund
der Melker Annalen begonnen (Contin. Zwettlensis I, 1140 — 1170;
II, 1170 — 1189; III, 1241—1330). Noch im 12. Jahrhundert
wurde in Admont und dann in Garsten eine Salzburger Kompi-
lation mit den Melker Annalen verbunden und dann entsprechend
fortgesetzt (Cont. Admunt. 1140 — 1250; Cont. Garstensis 1182 bis
1256).
Erst im 13. Jahrhundert wurden im Wiener Schottenkloster
die Klosterneuburger Annalen zu einer Fortsetzung bis zum Jahre
1233 (Cont. Scotorum 1225 — 1233) benutzt, welche wieder ihrer-
seits der ersten Heiligenkreuzer Fortsetzung (Cont. Sancruc. I,
1225 — 1233) zugrunde liegen, während die zweite Heiligenkreuzer
Fortsetzung (Cont. Sancruc. II, 1234 — 1266) selbständiger ist und
eine der wichtigsten Quellen der Periode bildet.
Selbständige Quellen des 13. Jahrhunderts sind: die Historia
annorum 1264 — 1279, auf welcher, wenn auch indirekt, die vierte
Klosterneuburger (Cont. Claustron. IV) und die dritte Zwettler
Fortsetzung (Cont. Zwettl. III) beruhen, dann die Cont. Vindo-
bonensis (1267 — 1302), die Annalen des Dominikanerklosters in
Wien (Cont. Praedicatorum Vindobon.) und die Annalen Heinrichs
V. Hainburg (bis 1300), späteren Pfarrers von Gmünd ^), eines
besonderen Günstlings König Otakars von Böhmen.
1) Über die Contin. IV siehe unten.
2) Die letztgenannte Quelle M. G. SS. XVII, 711.
8 Einleitung.
Alle diese Annalen sind ausnahmslos in Klöstern entstanden
oder doch wenigstens von Geistlichen geschrieben. Auifallend im
Vergleiche mit den Verhältnissen im übrigen Deutschland ist der
Mangel an städtischen Chroniken. Das hängt allerdings, wie
wir noch sehen werden, mit der späten Entwickelung des Städte-
wesens in unseren Gegenden, beziehungsweise mit der späten Aus-
bildung eines Stadtschreiberamtes zusammen ^).
Seitdem sich herausgestellt hat, dafs die Historia annorum
1264—1279 vermutlich in Heiligenkreuz entstanden ist^), die
Continuatio Vindobonensis aber wahrscheinlich in Klosterneuburg
und nicht, wie man früher annahm, das Werk des Wiener Bürgers
Paltram Vatzo ist 2) , bleibt als einziger Geschichtschreiber aus
bürgerlichen Kreisen für die im vorliegenden Bande behandelte
Periode Jans übrig, welcher, soweit die dürftigen Anhaltspunkte
ergeben, wenn man sich nicht in müfsige Hypothesen einlassen
will, in der Otakarischen Zeit in Wien gelebt haben dürfte und
eine Weltchronik und ein Fürstenbuch schrieb *).
Bezüglich des Schlusses unserer Periode kommt noch ins-
besondere für jene Partien, in welchen der Verfasser als Augen-
zeuge oder den Ereignissen Nahestehender schreibt, jene Reim-
chronik in Betracht, welche allerdings nicht auf dem Boden unseres
Heimatlandes entstand, sondern in der benachbarten Steiermark.
Man verband sie später mit dem Namen Ottokar v. Horneck. Der
1) Darüber siehe jetzt Uhlirz in der vom Wiener Altertums vereine her-
ausgegebenen Geschichte der Stadt Wien II, 35 ff.
2) Von Eedlich a. a. 0. 517.
3) Uhlirz, Die Continuatio Vindobonensis (Blätter d. Ver. f. Landesk.
XXIX, 3 f., 1895).
4) Über Jans oder, wie man ihn früher zu nennen pflegte, Jans Enikel
oder Enenkel, eine blofse Verwandtschaftsbezeichnung, ist viel gefabelt worden;
auch wurde er in eine etwas spätere Zeit versetzt. Jetzt siehe die zusammen-
fassende Untersuchung von Strauch in der Zeitschrift für deutsches Altertum
XXVni, 85, 1884, mit einem Verzeichnis der ziemlich zahlreichen älteren Literatur
und im Vorwort zu seiner Ausgabe von Jans' Werken (M. G., Deutsche Chro-
niken III), sowie noch schärfer und kritischer gefafst Uhlirz in dem oben zitierten
Kapitel der „Geschichte der Stadt Wien" 11*, 57 f. Das für die österreichische
Territorialgeschichte wichtige Fürstenbuch hat Lampel im angeführten Bande der
M. G. herausgegeben, der schon früher eine eingehende Untersuchung: ,,Die Ein-
leitung zu Jans Eneukels Fürstenbuch" (Wien 1883) lieferte.
Einleitung. 9
Verfasser, der sich vielfach poetische Freiheiten und willkürliche
Arrangements erlaubt, ist wohl ein steierischer Ministeriale oder
Ritter, jedoch läfst sich sein Name nicht feststellen ^). Für die
Otakarische Herrschaft in Osterreich sind natürlich auch die
böhmischen Quellen, insbesondere die stark parteiischen Annales
Ottakariani -) heranzuziehen.
Fast noch wichtiger als die erzählenden Quellen sind für
jede mittelalterliche Geschichte die urkundlichen. In der
Herausgabe der Urkunden zur österreichischen Landesgescbichte
zeigen die beiden Länder Nieder- und Oberösterreich einen eigen-
tümhchen Unterschied, den wir in ähnhcher Weise auch bei den
Geschichtsdarstellungen wiederfinden werden. In Oberösterreich
strebte die Forschung frühzeitig nach Zentralisation, in Nieder-
österreich war seit jeher dezentralisiertes Vorgehen beliebt. So
kam in Oberösterreich schon in den fünfziger Jahren des 19. Jahr-
hunderts (1852) ein zusammenfassendes „Urkundenbuch des Landes
ob der Enns" zustande, welches im ersten Bande einige der
ältesten Traditionscodices enthält, in seinen bis jetzt erschienenen
weiteren sieben Bänden die chronologische Reihenfolge der Ur-
kunden bis zum Jahre 1375 bringt. Allerdings läfst die kritische
Ausgabe manches zu wünschen übrig. Nur ein einziges Kloster
hat neben diesem allgemeinen Urkundenbuch noch ein gesondertes
herausgegeben, nämlich Kremsmünster ^).
Ganz anders in Niederösterreich, wo zunächst jedes der Klöster
des Landes seine Urkunden separat veröffentlichte und zwar haupt-
sächKch in der von der Akademie der Wissenschaften heraus-
gegebenen Sammlung: Fontes rerum Austriacarum , deren zweite
Abteilung „Diplomata et acta'' umfafst *). Selbständig erschien
!)• Jetzt in ausgezeichneter Weise herausgegeben von Seemüller (M. G.,
Deutsche Chroniken V, 1. und 2. Abt.). Ygl. Hub er, Die steirische Eeim-
chronik und das österreichische Interregnum (Mitt. d. Inst. f. österr. Geschichtsf.
IV, 41); Bussen, Beiträge zur Kritik der steirischen Eeimchronik und zur
Keichsgeschichte im 13. und 14. Jahrhundert (Wiener Sitzungsber. CXI, CXIV,
CXVIl).
2) M. G. SS. IX, 187.
3) Herausgegeben von Hagn (Wien 1852).
4) Es sind folgende Bände: III. Liber fundat. Zwettlensis (hgg. von Fräst);
IV. Liber fundat. Claustroueoburg. (hgg. von Fischer); VIII. Cod. trad. Gott-
10 Einleitung.
das Urkundcnbucli des Chorherrenstiftes lierzogenburg, heraus-
gegeben von Faigl (AV'ien 1886). Aber auch als der Verein für
Landeskunde daranging, ein ,,Urkundenbuch von Niederösterreich"
zu veröfFentHchen , kam keine zusammenfassende Edition des ge-
samten Urkundenmaterials zustande, sondern es wurden Gruppen
einzelner archivalischer Bestände ganz nach Analogie der Fontes
ins Auge genommen und zuerst ein Urkundenbuch des aufgehobenen
Chorherrenstiftes St. Polten herausgegeben (von Felgel und Lampel
in zwei Bänden, Wien 1891 — 1901). Erst jetzt steht wenigstens
für das frühere Mittelalter eine wichtige zusammenfas'sende Ur-
kundenpublikation des genannten Vereines in Aussicht in dem
geplanten und in Vorbereitung befindlichen Babenberger Urkunden-
buch (Herausgeber Oswald Redlich und Oskar Freiherr v. Mitis).
Bis zu dessen Erscheinen müssen als allerdings ganz vorzüglicher
Behelf Meillers Regesten zur Geschichte der Markgrafen und
Herzoge Österreichs aus dem Hause Babenberg (Wien 1850)
dienen. — Auch für die Stadt Wien, deren Urkunden begreif-
licherweise für die Geschichte des ganzen Landes gleichfalls von
Wichtigkeit sind, ist kein einheitliches Urkundenbuch zustande
gekommen. Zu Ende der siebziger .Jahre wurde eine Ausgabe
von „Geschichtsquellen der Stadt Wien" (herausgegeben von Karl
Weifs) in Angriff genommen, von welcher jedoch nur die „Rechte
und Freiheiten der Stadt Wien" (herausgegeben von Tomaschek
in zwei Bänden, Wien 1877 f.) erschienen, womit das Unternehmen
abgebrochen wurde. Ln Jahre 1895 begann dann der Altertums-
verein in Wien „Quellen zur Geschichte der Stadt Wien" und
zwar bisher ausschliefslich urkundliche Quellen in ausführlicher
Regestenform, aber auch nicht eine Zusammenfassung des gesamten
Materials, sondern nach archivalischen Beständen zersplittert. Bis
jetzt wurden drei Abteilungen eröffnet: 1. Regesten aus verschiedenen
wicens. (hgg. von Karlin); X. und XXVIII. Urkundenbuch von Klosterneuburg
(hgg. von Zeil ig); XI. und XVI. Urkundenbuch von Heiligenkreuz (hgg. von
Weifs); XVIII. des Schottenklosters in Wien (hgg. von H a u s w i r t h) ; XXI,
des Stiftes Altenburg (hgg. von Burger); XXXIII. von Seitenstetten (hgg. von
Eaab); LI., LH. und LV. von Göttweig (hgg. von Fuchs). — Dazu kommen
noch Uikunden von Geras im 2. Bande des Archivs für Kunde österreichischer
Geschichtsquellen und von St. Georgen (ebenda IX. Band).
Einleitung. 11
Archiven aufser dem Stadtarchiv ^) ; 2. aus dem Wiener Stadt-
archiv (bis 1904 drei Bände); 3. Kauf- und Grundbücher (ein
Band).
Nicht minder von Bedeutung sind die Urkunden der in Ober-
und Niederösterreich begüterten Bistümer und auswärtigen Klöster,
bei denen man allerdings leider zumeist auf die unkritischen Aus-
gaben in den Monumenta Boica angewiesen ist ^). Endlich müssen
noch die Urkunden- und Regestenwerke der Nachbarländer ^) und
zur Geschichte des deutschen Reiches *) benutzt werden.
Die Hauptquellen zur Wirtschaftsgeschichte, die Urbarien ^),
fliefsen in Osterreich in frühmittelalterlicher Zeit noch ziemlich
dürftig. Aus den Klöstern, wo allerdings die Traditionscodices
oder Saalbücher ähnlichen Zwecken dienten, besitzen wir nur
1) Die von dieser Abteilung erschienenen vier Bände enthalten Eegesten aus
den Archiven von : 1) München, Kom, Schottenstift, Heiligenkreuz, Zwettl, Lilien-
feld, der niederösterreichischen Statthalterei ; 2) des Ministeriums des Innern, Staats-
-archivs (Klosterurkunden), Linz, Admont, Göttweig; 3) St. Dorothea, Schotten-
stift, Staatsarchiv (Forts.); 4) Metropolitankapitel und Dompropstei St. Stephan,
Steierisches Landesarchiv und Staatsarchiv (Forts.).
2) XXVIIL bis XXXL Band Passau; VI. Tegernsee; XI. Altaich. —
Ferner Freysing in Meichelbeck, Hist. Frising (hgg. 1724 — 1729) und in den
Bänden XXXI, XXXV und XXXVI der Font. rer. Austr. ; Eegensburg in Ried,
Cod. dipl. Ratisb. (Eegensburg 1816, 2 Bände).
3) Salzburg: Klein mayrn, Juvavia (Salzburg 1784); Hauthaler, Salz-
burger Urkundenbuch I. Band, 1. — 5. Heft (Salzburg 1898 f.); Steiermark: Zahn,
Urkundenbuch des Herzogtums Steiermark, 3 Bände (Graz 1875 ff.) ; Böhmen und
Mähren: Erben-Emier, Regesta Bohemiae et Moraviae (1855 ff), für Mähren
speziell: Codex dipl. et epistolaris , herausgegeben von Boczek und Bretholz
15 Bände (Olmütz und Brunn 1836 ff.); Ungarn: Fejer, Codex diplom. Hungariae
(1829—1844).
4) Es kommen hier hauptsächlich die Eegesten des Kaiserreiches von Böhmer
und ihre Neubearbeitungen in Betracht und zwar der Karolinger durch Mühl-
bacher (Innsbruck 1880—1890), 2. Aufl. 1. Hälfte (Innsbruck 1899), 2. Hälfte
soll demnächst erscheinen ; 919—1024 von 0 1 1 e n t h al (ebenda 1893) ; 1198—1272
von Ficker und Winkelmann (ebenda 1881—1892) und 1273—1313 von
Redlich, I. Band: Rudolf von Habsburg (ebenda 1898). Aufserdem die Diploraata-
Ausgabe der Mon. Germ, (erschienen: Karolinger bis 814; Ottonen; Heinrich IL).
5) Vgl. Susta, Zur Geschichte und Kritik der Urbarialaufzeichnungen
(Sitzungsber. der Wiener Akademie, Phil.-hist. Kl. CXXXVIII, 1898); jetzt Dopsch
in der Einleitung zum I. Bande der Urbarausgabe der Akademie der Wissen-
schaften.
12 Einleitunj^.
einige wenige Fragmente ^). Besser ist es mit den Bistümern wie
Passaii und Freysing bestellt ^). Am wichtigsten sind jedoch die
landesiurstlichen Urbare, früher nicht zutreffend Rationarien ge-
nannt ^). Schon die letzten Babenberger, Leopold VI. und Fried-
rich II. legten sie an, Otakar von Böhmen baute auf dieser Grund-
lage Aveiter •*).
Das interessanteste Rechtsdenkmal, dessen Entstehung zugleich
zu den am meisten behandelten Streitfragen der österreichischen Ge-
schichtsforschung zählt, ist das österreichische Landrecht, das
uns in zwei Redaktionen in einer Reihe von Handschriften, die
jedoch nicht über das 15. Jahrhundert zurückgehen, vorliegt^).
1) Einige kleine Urbarfragmente oberösterreiclii scher Klöster , welche ins
12. Jahrhundert zurückgehen und Kremsmünster, Baumgartenberg und Mondsee
betreffen, hat Schiffmann herausgegeben (Studien und Mitteil, des Zisterzienser-
und Benediktinerordens XX, 161, 1899 ; Archiv f. österr. Gesch. LXXXVII, 566-
und LXXXIX. 355).
2) Die Passauer Urbare sind meist mit den Traditionscodicos gemischt in
den oben zitierten Bänden der Mon. Boic. Siehe speziell Urbare aus dem 13. Jahr-
hundert XXVIII b, 188 und 455 und XXIXb, 216; Fragment eines Urbars des
Passauer Domkaj^itels aus dem Ende des 12. Jahrhunderts XXIXb, 264 und von
ca. 1130, herausgegeben von Winter im Archiv für österreichische Geschichte
LIII, 259. — Ein Freysinger urbar von ca. 1160 in Font. rer. Austr. 2. Abt.
XXXVI, 12. Vgl. Zahn, Die Freysingischen Saal-, Kopial- und Urbar bücher
in ihren Beziehungen zu Österreich (Archiv XXVII, 191); auch Meiller über
Passau und Freysing im Archiv XI, 75 ff.
3) Ältere Ausgaben sind die des Otakarischen Urbars von Chmel im
Notizenblatt der Akademie V, die des Habsburgischen von Eauch in seinen
Scriptores rer. Austr. IL ; jetzt die ausgezeichnete kritische Ausgabe von Dopsch ,
Die landesfürstlichen Urbare Nieder- und Oberösterreichs aus dem 13. und 14. Jahr-
hundert (I. Band der 1. Abt. der „Österr. Urbare", hgg. von der Akad. der
Wissensch.) (Wien und Leipzig 1904).
4) Dies stellte Erben, Zur Entstehung des sogen. Eationarium Austriacum
(Mitt. d. Inst. f. österr. Gesch. XVI, 97 f., 1895) fest gegen Dopsch, Beiträge
zur Finanzverwaltung Österreichs im 13. Jahrhundert I (ebenda XIV, 449), der
das ganze Urbar der Otakarischen Zeit zuwies. Vgl. dazu noch Dopschs
Entgegnung a. a. 0. XVI, 382, jetzt insbesondere die Einleitung zur Urbar-
ausgabe.
5) Ausgabe von Hasenöhr 1 (Wien 1867), nach den älteren von Lude-
wig 1722 und Senckenberg 1765. — Jetzt bietet Dopsch, Entstehung
und Charakter des österreichischen Landrechtes (Archiv f. österr. Gesch. LXXIX,
Iff., 1892), eine treffliche Übersicht über die älteren Hypothesen.
Einleitung. 13
Altere kritiklose Ansätze schwankten vom Ende des 12. bis Ende
des 14. Jahrhunderts. Nachdem zuerst Zieglauer ^) eine festere
Basis für weitere Untersuchungen geschaffen, hat Meiller ^) die
zwei Redaktionen streng geschieden und Siegel^) die chronologische
Frage einer ersten vorläufigen Lösung zugeführt, indem er die
Fassung I (L R I) für einen Entwurf zur Fassung II (L R II)
erklärte und beide in das Jahr 1237 verlegte, in die Zeit der An-
wesenheit Kaiser Friedrichs II. in Wien, da dieser, um die öster-
reichischen Ministerialen gegen ihren Herzog zu gewinnen, ihnen
ähnlich wie den steierischen eine Handfeste ihrer Rechte verleiten
wollte. Verwirrend wirkte Hasenöhrl*), welcher die zwei Fassungen
als Privatarbeiten ansah und zwischen 1276 und 1311 (resp. 1330)
ansetzte. Demgegenüber hat Luschin, indem er nur für L R I
den Zeitansatz Siegels gelten liefs, L R II, einem Gedanken Röfslers
nahekommend, in die Zeit Herzog Albrechts I., ungefähr in das
Jahr 1298 verlegt ^). Die Streitfrage ruhte dann längere Zeit,
bis Dop seh *^) eine neue Lösung entdeckte, indem er die Regierung
Otakars von Böhmen als Herzogs von Österreich, speziell den Be-
ginn des Jahres 1266 als Entstehungszeit von L R II annahm.
Nach ihm hat noch Ju ritsch ^) für L R I eine kleine Modifikation
der Siegeischen Hypothese versucht, indem er nicht den Aufent-
halt des Kaisers als Entstehungsursache gelten lassen wollte, sondern
die Wiederübernahme der Regierung durch Herzog Friedrich. Da
hat in jüngster Zeit ein slavischer Rechtshistoriker, Miloslav Stie-
ber ^), der Frage eine ganz überraschende Wendung gegeben.
1) Wiener Sitzungsber. XXI, 71 f., 1856.
2) Ebenda XXI, 137; in seiner Ausgabe machte er den Zeitansatz LEI:
ca. 1246; LEU: ca. 1280.
3) Ebenda XXXV, 109 und LV, 5.
4) Archiv f. österr. Gesch. XXXVI, 291 und in seiner Ausgabe.
5) Die Entstehungszeit des österreichischen Landrechtes (Festschrift der
Universität Graz 1872).
6) Archiv f. österr. Gesch. LXXIX, If.
7) Geschichte der Babenberger (Innsbruck 1894), S. 585 f.
8) In seinem Werke : K vyvoji sprcävy. Vliv ceskych zülu na sprävu v
Dolnich a Hornich Eakovsich a jeji vyznam pro rakousky exekucni process.
[Zur Entwickelung der Gewähre. Der Einflufs der böhmischen Elemente auf
dieselbe in Österreich unter und ob der Enns , sowie deren Bedeutung für
14 Eiuleitung.
indem er den Nachweis erbrachte, dafs die bisher als L R I be-
zeichnete Rechtsaufzeichnungj nicht früher, sondern später als L R 11
und zwar in der ersten flabsburger Zeit entstanden sei. Bezüg-
lich L R II, jetzt also eigentlich L R I, schliefst er sich Dopscb
an und weist auf interessante Zusammenhänge mit dem gleich-
zeitigen böhmischen Rechte hin.
Die ältesten Stadtrechturkunden ') aus der Babenberger Zeit
hat Meiller (Archiv f. österr. Gesch. X.) herausgegeben, Nachträge
und Fortsetzungen bietet Winter, Urkundliche Beiträge zur Rechts-
geschichte ober- und niederösterreichischer Städte (Wien 1877).
Wenn wir uns nunmehr nach dieser Übersicht der Quellen
zu den Geschichts dar Stellungen wenden, so fällt dabei vor
allem ein eigentümlicher Umstand ins Gewicht. Das Land ob
und unter der Enns, namenthch das letztere ist das Stammland
der österreichisch - ungarischen Monarchie, um welches sich alle
anderen Kronländer dieses Staates langsam herumkristallisiert
haben und welches dem ganzen Staate den Namen gegeben hat.
Die ältere Geschichte Österreichs ist daher im wesentHchen die
Geschichte dieses Landes an der Enns, demzufolge fallen gerade
für den hier behandelten ältesten Zeitraum die allgemeinen Dar-
stellungen der österreichischen Geschichte mehr oder weniger mit
der engeren „Landesgeschichte" zusammen. Wie anderwärts, so
gehen auch in Österreich die Darstellungen der Geschichte des
Gesamtreiches denen der engeren Landesgeschichte voraus, aber
auch jene sind verhältnismäfsig jungen Datums, da sich der spezi-
den österreichischen Exekutivjjrozel's.] (Abhandlungen der böhm. k. Franz Josefs-
Akademie 1. Kl. 1901.) Seine Ausführungen über das österreichische Landrecht
sind vorläufig nur durch zwei eingehende Besprechungen (von Öebesta im
Monatsbl. des Ter. f. Landesk. von Niederösterr. II, 157, 1903 und namentlich
von Riege r in Mitt. d. Inst. f. österr. Gesch. XXIV, 148, 1903) allgemein zu-
gänglich geworden, doch ist eine Übersetzung für die „Forschungen zur inneren
Geschichte Österreichs" geplant. Jedenfalls verspricht die für diese Sammlung
angekündigte Arbeit von Dop seh, Das sogenannte Babenbergische Landrecht
und die soziale Entwickelung Österreichs im 13. Jahrhundert, noch einmal eine
zusammenfassende, gründliche Untersuchung des Gegenstandes, die hoffentlich
manchen bis jetzt noch dunklen Punkt klären wird.
1) Ältere Literatur verzeichnet bei Bischoff, Österreichische Stadtrechto
und Privilegien (Wien 1857).
Einleitung. 15'
fisch österreichische StaatsbegrifF losgelöst von dem allgemein
deutschen nur langsam Geltung verschaflfte. Einen schwachen Er-
satz bilden daneben die älteren zumeist genealogischen Darstel-
lungen des Herrscherhauses.
Der erste eigentliche Versuch einer österreichischen Geschichte
sind des Jesuiten C alles „Annales Austriae" (zwei Bände 1756
bis 1758), welche jedoch nur bis 1285 reichen. Ferdinand
V. Sehr Otters „Osterreichische Geschichte^' (1775) kam nur bis
zum Jahre 1156, deren Fortsetzung durch Adrian Rauch (zu-
sammen drei Bände, Wien 1779 — 1781) bis 1283, ein anderer Ver-
such von Dischendorfer (Wien 1783) nur bis zum 6. Jahrhundert.
Joh. Christ. Herchenhahn ') und Konst. Franz v. Khauz ^).
beschränkten sich überhaupt auf eine Darstellung der Babenberger
Zeit. Andere sind unbedeutend '^).
Erst das 19. Jahrhundert brachte umfassendere Werke über
die österreichische Gesamtgeschichte, so vom Grafen Johann
Majläth ^) und von Hermann Günther Meynert ^), die aber
heute veraltet sind und kaum mehr benutzt werden ''). Zum ersten
Male eine grofs angelegte, quellenmäfsige und kritische Geschichte
Österreichs im modernen Geiste begonnen zu haben, ist das un-
vergängliche Verdienst Bü dingers. Leider hat er nur einen ein-
zigen Band des Werkes, der bis zum Jahre 1056 reicht, vollendet
(Leipzig 1858), der wertvolle Torso ist aber noch heute nach
45 Jahren in den Hauptpunkten nicht veraltet, hervorragend in
1) Geschichte der Österreicher unter den Babenbergern (Leipzig 1784).
2) Die pragmatische Geschichte des Markgrafentums Österreich von Anfang
des Landes (!) bis zum angehenden Herzogtum. Zwei Bände (Wien 1788— 1792).
3) Ich nenne anmerkungsweise die heute verschollenen Arbeiten von Geusau.
(2 Bde., 1800—1801), Keifser (2 Bde., 1801), Janitsch (9 Bde., 1805 bis
1807), Gretzmiller (4 Bde., 1810—1824), Gener sich (8 Bde., 1815) und
Galetti (Leipzig 1810).
4) Geschichte des österreichischen Kaiserstaates (5 Bde. als 10., 12., 19.,
23. Teil der Heeren-Ukertschen Staatengeschichte, Hamburg 1834 — 1854).
Yon diesem Werke existiert auch ein kurzer Grundrils in einem Bande (Wien 1851)*
5) Geschichte Österreichs 6 Bde. (Wien 1842—1850).
6) Nebenbei seien noch genannt die Geschichtsdarstellungen von Poelitz
(1. Aufl. Leipzig 1817; 3. Aufl. 1876); Schneller (4 Bde., Graz 1817-1819);
Schels (10 Bde., 1819—1828); Hohler (1823); Jos. v. Ar neth (Wien 1827) ;
Beidtel (Wien 1840—1842); Hafsler (Wien 1842); M. Koch (1846).
16 Eiiileitun<,'.
der Darstellung- und dient den neueren Arbeiten als sichere Grund-
lage.
Ein sehr verdienstvolles, gleichfalls noch heute sehr brauch-
bares und in fünf Bänden zum Abschlufs gediehenes Werk ist
■das „Handbuch der Geschichte Österreichs von der ältesten bis
neuesten Zeit'^ von Franz v. Krones (Berlin 1876—1879)^),
(charakterisiert durch den Titelzusatz „mit besonderer Rücksicht
auf Länder-, Völker- und Kulturgeschichte"), welcher bereits 1863
eine namhafte Vorarbeit „Umrisse des Geschichtslebens der deutsch-
österreichischen LändergrujDpe in seinen staatlichen Grundlagen
vom 10. — 16. Jahrhundert" geleistet und zwei Jahre später, 1881,
den aufserordentlich reichen bibliographischen Apparat seines Ge-
schichtswerkes, das leider ohne Quellenangaben erschienen ist, mit
kurzem verbindendem Text und übersichtlicher Ghederung als
„Grundrifs der österreichischen Geschichte mit besonderer Rück-
sicht auf Quellen- und Literaturkunde" (Wien 1881) in einem
Bande herausgab.
Der letzte grofse Versuch einer Gesamtdarstellung der öster-
reichischen Geschichte wurde von Alfons Huber im Rahmen der
„Geschichte der europäischen Staaten"," jetzt „Allgemeinen Staaten-
geschichte" im Jahre 1885 begonnen. Mit gewissenhaftester Be-
nutzung und klarer Sichtung des Quellenmaterials und der Spezial-
literatur verfafst, bildet dieses Werk den letzten bedeutsamen
Markstein in der Historiographie unseres Reiches. Leider war es
Huber nicht vergönnt, es zu Ende zu führen. Bis zu seinem
Tode im Jahre 1896 lagen fünf Bände vor, welche bis zum West-
fälischen Frieden reichen. Die Wahl seines Nachfolgers, Oswald
Redlich , bietet indes die sichere Gewähr für eine gründliche und
gedeihliche Fortsetzung des Werkes.
Nicht unerwähnt mögen schliefslich zwei mehr populären
Zwecken dienende Geschichtswerke bleiben: die „Osterreichische
Geschichte für das Volk", herausgegeben im Auftrage des Vereines
zur Verbreitung von Druckschriften für Volksbildung von Alexander
1) Ist ursprünglich in der Griebenschen Bibliothek für "Wissenschaft und
Literatur erschienen. In jüngster Zeit veröffentlichte Krones auch in der be-
kannten Göschenschen Sammlung eine kurze österreichische Geschichte in zwei
-Bändchen.
Einleitung. 17
Freiherr v. Helfert (17 Bändchen, Wien 1863 ff.) ^) und Ferdinand
Martin Mayers „Geschichte Österreichs mit besonderer Rück-
sicht auf Kulturgeschichte", welche in zwei Bänden 1874, in neuer
Auflage 1901 erschienen ist und besonders dem kulturgeschicht-
lichen Moment Rechnung trägt.
Im letzten Jahrzehnt trat zu den angeführten Darstellungen
der Gesamtgeschichte Österreichs, in welchen die politische Ge-
schichte im Vordergrund steht, ergänzend eine Reihe von so-
genannten „österreichischen Reichs- und Rechtsgeschichten", welche
die rechtsgeschichtliche (verfassungs- und verwaltungsgeschichthche)
Entwickeiung vorführen. Sie wurden durch den Umstand ins
Leben geraten, dafs an den österreichischen Universitäten im Jahre
1893 die österreichische Reichs- und Rechtsgeschichte („Geschichte
der Staatsbildung und des öffentlichen Rechtes") als obligater
Lehrgegenstand eingeführt wurde. Die erwähnten Werke tragen
daher durchweg den Charakter von Lehrbüchern und über-
schreiten das Mafs eines Bandes nicht. Der erste, der auf den
Plan trat, war Alfons Huber (Wien, Prag und Leipzig 1895;
jetzt in zweiter umgearbeiteter Auflage von Dop seh, ebenda 1901),
ihm folgte Luschin (Bamberg 1896, zwei Jahre später unter Hin-
weglassung der Quellen- und Literaturangaben als „Leitfaden" neu
herausgegeben),, dann Bach mann (Prag 1896) und Werunsky
(Wien seit 1894, noch nicht abgeschlossen). Das letzte Werk ist
für die Territorialgeschichte insofern sehr gut verwendbar, weil
es keine Gesamtdarstellung bietet, sondern jedes Kronland für
sich behandelt (Niederösterreich L. 1—3, Oberösterreich L. 3—4).
Für den hier behandelten Zeitraum sind noch einige Arbeiten
über gröfsere Abschnitte der mittelalterlichen Geschichte Öster-
reichs von besonderer Wichtigkeit. Die Grundlage der für unsere
Länder so hoch bedeutsamen Siedelungsgeschichte bildet noch
heute Otto Kämmeis „Anfänge deutschen Lebens in Österreich
bis zum Ausgang der Karolingerzeit" (Leipzig 1879), welches als
der erste Band eines gröfseren Werkes „Die Entstehung des öster-
1) Für die hier behandelte Periode kommen in Betracht: 1. Bändchen:
Becker, Älteste Geschichte bis 476; 2. Bändchen: Jirecek, Entstehen christ-
licher Keiche 500—1000; 3. Bändchen: Zeifsberg, Blüte der nationalen Dy-
nastien 1000—1276.
Vancsa, Geschichte Nieder- n. Oberösterreichs. ^
18 Eiiileitunjj:.
reichischen Deutschtumes" geplant war, das aber leider nicht mehr
fortgesetzt wurde. Wenn man bedenkt, dals der Verfasser eigent-
lich landesunkundig war und dafs zur Zeit des Erscheinens des
Werkes die Kultur- und Wirtschaftsgeschichte noch weitaus nicht
die Entwickelung genommen hatte, die sie namentlich durch die
Anregungen Lamprechts heute erreicht hat, so mufs man ihm volle
Bewunderung zollen, denn es ist heute kaum in Einzelheiten, ge-
schweige denn in den Hauptergebnissen und Hauptgrundsätzen
überholt. Weitschichtiger in der Anlage und prätentiöser im Auf-
treten, aber nur im Detail Kämmel ergänzend und weiterführend
ist St rakosch- Grafs raanns „Geschichte der Deutschen in
Osterreich", deren bisher erschienener erster Band (Wien 1895)
bis zur Schlacht am Lechfelde reicht.
Neue Gesichtspunkte der Siedelungsgeschichte eröffnete erst
kürzlich Grund in seinen „Veränderungen der Topographie des
Wiener Waldes und Wiener Beckens" (Leipzig 1902) ^). — Eine
Geschichte der Babenberger schrieb in neuester Zeit Juritsc h
(Innsbruck 1894), eine fleifsige Arbeit, welche nur unter veralteter
Methode und Anordnung — sie bedient sich der annalistischen
Form! — leidet, aber namentlich bezüglich der kirchlichen Ver-
hältnisse manches Treffliche bietet.
Ich mufste so lange bei den Gesamtdarstellungen der öster-
reichischen Geschichte verweilen, weil sie einerseits, wie schon
erwähnt, sich in der frühen Periode vielfach mit der engeren
Landesgeschichte der beiden Erzherzogtümer decken, andererseits
weil es mit Darstellungen der eigentlichen Territorialgeschichte
gar so spärlich bestellt ist. Wie anderswo, so begann auch bei
uns die landeskundliche Forschung so recht eigentlich und syste-
matisch erst mit der Begründung der historischen oder Altertums-
vereine, welche die Frucht des Zeitalters der Romantik sind. Nun
wurde es für die Geschichtsforschung und Geschichtsdarstellung
in beiden Ländern bedeutsam, dafs in Oberösterreich ziemlich
bald, im Jahre 1833, der Musealverein des Landes ob der Enns
zustande kam, in Niederösterreich dagegen, trotz der Bemühungen
1) Als 1. Heft des VII. Bandes der „Geographischen Abhandlungen",
herausgegeben von A. Penck.
Einleitung. ' 19
der Stände selbst, einen ähnlichen Verein ins Leben zu rufen,
dies nicht gelang ^). Die Folge davon war, dafs sich in Ober-
österreich Geschichtsforschung und Geschichtsdarstellungen schon
frühzeitig konzentrierten. Wir haben schon gesehen, dafs hier
ein grofses einheitliches Urkundenbuch begonnen wurde. Hier
versuchte man auch frühzeitig Gesamtdarstellungen der Landes-
geschichte. Pillweins „Geschichte, Geographie und Statistik des
Erzherzogtums Osterreich ob der Enns und des Herzogtums
Salzburg'' (in zehn Bänden, Linz 1827 — 1839) gehört eigentlich
mehr in die Kategorie der noch weiter unten zu besprechenden
Topographien. Dagegen besitzen wir in der „Geschichte des
Landes ob der Enns" von Franz Xaver Pritz (zwei Bände,
Linz 1846) eigentlich die einzige oberösterreichische Landes-
geschichte, wenn auch in knappem Umrifs und wenn sie auch
heute bereits veraltet ist. In neuerer Zeit hat dann noch Edl-
b a c h e r für Schulzwecke eine kurz gefafste , recht geschickt
gearbeitete ,, Landeskunde von Oberösterreich" (zweite Auflage,
Linz 1883) herausgegeben, und Strnadt hat für das Werk „Die
österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild" die kleine
Übersicht über die Landesgeschichte Oberösterreichs (1889) ge-
schrieben.
Niederösterreich kann merkwürdigerweise nicht einmal diese
Versuche aufweisen. In älterer Zeit wurde aus den erwähnten
Gründen gar kein solcher gemacht, aus neuerer Zeit stammen nur
ein paar kurze Übersichten der Landesgeschichte, so von Hasel-
bach im ersten Bande der „Topographie von Niederösterreich"
(1877) und von Anton Mayer in der „Österreichisch- ungarischen
Monarchie in Wort und Bild" (1888).
Als Ersatz für die mangelnden Geschichtsdarstellungen können
die topographischen Werke gelten, deren es für beide Länder eine
nicht unbeträchtliche Anzahl gibt ^). „Topographien" tauchen seit
1) Vgl. darüber Anton Mayer, Die historisch-topographischen Bestrebungen
der niederösterreichischen Stände in den Jahren 1791 — 1834 (Bl. d. Ver. f.
Landesk. von Niederösterreich XXIV, Iff., 1890).
2) Über das Folgende siehe Vancsa, Historische Topographie mit beson-
derer Berücksichtigung Niederösterreichs (Deutsche Geschichtsblätter III, 97
und 129, 1902).
2*
20 Einleitung.
dem Anfang des 17. Jahrhunderts auf, namentlich seit dem grofsen
derartigen Unternehmen Martin Zeillers, das in mehreren Abtei-
lungen ganz Mitteleuropa umfafste und zu welchem Matthäus
Merian die Kupferstiche lieferte, weshalb das Werk zumeist unter
seinem Namen geht, der auch allein auf dem Titelblatte genannt ist.
Der auf Osterreich bezügliche Teil erschien im Jahre 1649 als
„Topographia provinciarum Austriacarum Austi;iae, Styriae, Carin-
thiae, Carniolae, Tyrolis etc." Nach diesem Muster bestellten
die Landstände Österreichs ob und unter der Enns, sowie Steier-
marks bei dem Pfarrer von Leonstein in Oberösterreich, Georg
Matthäus Vi sc her, einem gebürtigen Tiroler, eingehendere Land-
aufnahmen. 1672 vollendete dieser seine „Topographia Austriae
inferioris", 1674 die „Topographia Austriae superioris". Doch
sind diese älteren Topographien lediglich Bildwerke. Erst später
treten mehr oder weniger ausführliche geographisch-historische Be-
schreibungen hinzu oder werden auch ohne Bilder herausgegeben ^).
Die meisten enthalten nur eine Auslese der gröfseren Orte. Einen
wesentlichen Fortschritt gegenüber diesen älteren Versuchen be-
deutet die „Topographie von Niederösterreich" von Friedrich
Wilhelm Weifskern (Wien 1767—1770 in drei Bänden), welche
bereits eine gewisse Vollständigkeit anstrebt, die Ortsbeschreibungen
alphabetisch ordnet und in den Angaben modernere Gesichtspunkte
walten läfst.
Gegen Ende des 18. Jahrhunderts nahmen aach die nieder-
österreichischen Landstände ihre Bestrebungen zur Herausgabe
einer erschöpfenden Landesbeschreibung wieder auf und leiteten
umfassende Vorarbeiten ein, welche nach der Unterbrechung der
Napoleonischen Kriege fortgesetzt wurden, aber leider zu keinem
Ergebnis führten. Die Vorarbeiten benutzte teilweise ein gewisser
Franz Schweickhardt, der sich unberechtigterweise das Adels-
prädikat „von Sickingen" beilegte, zu einem Spekulationsunter-
nehmen „Darstellung des Erzherzogtums Osterreich unter der
1) Es wären zu nennen: Eeiffenstuel, Germania Austriaca seu Topo-
graphia Austriae, Styriae etc. (Wien 1701); Granelli, Germania Austriaca
(Wien 1752, 2. Aufl. von Brabeck, 1759); Insprugger, Austria mappis
geographicis distincta (Wien 1727). Andere bieten kaum mehr als Ortsverzeich-
nisse mit gelegentlichen Daten.
Einleitung. 31
Enns" (Wien 1837—1840 in 37 Bänden) i), welches trotz des
höchst ungleichmäfsigen Wertes, trotz der Flüchtigkeit und Un-
genauigkeit sehr grofse Verbreitung fand und noch heute in Er-
mangelung neuerer Ortsbeschreibungen vielfach benutzt wird.
Fast gleichzeitig war ein anderes grofses Unternehmen be-
gonnen worden, welches ganz Osterreich umfassen, aber insbesondere
die kirchHchen Gründungen^), geordnet nach Dekanaten, dar-
stellen sollte. Es ist dies die „Historisch- topographische Darstel-
lung der Pfarren, Stifter und Klöster", bekannter unter der kürzeren
Bezeichnung „Kirchliche Topographie", von welcher in den Jahren
1824 — 1840 18 Bände erschienen, von denen 13 Nieder-, einer
Oberösterreich behandeln ^). Das Werk ist jedoch Torso geblieben.
In neuerer Zeit fand es in einem gewissen Grade eine Fortsetzung
in den „Geschichtlichen Beilagen zu den Konsistorialkurrenden
der Diözese St. Polten" (seit dem sechsten Band „zum St. Pöltener
Diözesanblatt") *) (sieben Bände seit 1876), welche in zwangloser
Reihe die Geschichte der Pfarren der Diözese St. Polten bringen.
Für die Wiener Erzdiözese bieten die Pfarrregesten , welche seit
1894 in alphabetischer Reihenfolge im „Wiener Diözesanblatt"
veröffentlicht werden und gegenwärtig bis „Ebersdorf" geführt
sind, einen schwachen Ersatz.
In ein ganz neues Stadium trat die topographische For-
schung in Niederösterreich erst mit der Gründung des Vereines
für Landeskunde von Niederösterreich (1864), welcher an die
älteren Bestrebungen der niederösterreichischen Stände direkt an-
1) Es ist nach den vier Vierteln des Landes gegliedert. Die Ortsbeschrei-
bungen der Viertel unter Wiener Wald und unter Manhartsberg sind alphabetisch,
der beiden anderen Viertel nach Herrschaftsgebieten geordnet. Das Viertel ober
Manhartsberg ist nicht ganz beendet.
2) Ein Vorläufer ist Marian (Fiedler), Austria Sacra oder Geschichte der
österreichischen Klerisey (Wien 1780—1788 in 9 Bänden).
3) Für Niederösterreich kommen in Betracht: Band 1 und 2: Dekanat
Klosterneuburg; 3: Dek. Laa am Wienorberge; 4: Dek. Baden; 5: Dek. Poten-
stein; 6: Dek. Wilhelmsburg; 7: Dek. St. Polten; 9: Dek. Michaelsberg; 11: Dek,
Pülichdorf; 12 und 13: Dek. Wiener Neustadt; 15: Eossau; 16: Dek. Gerungs.
Von Oberösterreich erschien nur Kremsmünster als Band 10.
4) Diesen war die Zeitschrift „Hippolytus" (1858 — 1864) vorausgegangen
mit Beiträgen zur Pfarrgeschichte der Diözese.
33 Einleitung.
knüpfte 1) uuJ sofort die Herausgabe eines topograpliisehen Werkes
in Aussicht nahm. Im Jahre lö7l erschien das erste Heft der
„Topographie von Niederösterreich*', von welcher bis heute fünf
Bände und ein Teil des sechsten Bandes vorliegen. Der erste Band
bietet eine allgemeine Landeskunde. Vom zweiten Bande an be-
ginnt die alphabetische Reihenfolge der Ortsbeschreibungen — (nur
Wien ist an die Spitze gestellt) — , welche gegenwärtig bis zum
Artikel „Melk" gelangt ist. Da das Werk anfangs nur als ein
knappes Handbuch gedacht war, sind die ersten Artikel nur
kurz und dürftig, auch vielfach nach älteren Grundsätzen ab-
gefafst, später wurden die Artikel immer mehr zu möglichst er-
schöpfenden Ortsgeschichten auf Grundlage der gedruckten und
ungedruckten Quellen und der Literatur. Ebenso wurden allmäh-
lich immer mehr die Gesichtspunkte der modernen landeskund-
lichen Forschung, die sich bekanntlich so ungemein erweitert haben,
berücksichtigt ^).
Oberösterreich hat leider nichts Ähnhches aufzuweisen. Von
älteren Werken sind zu nennen „Topographisch -historische Be-
schreibung aller Städte, Märkte, Schlösser, Pfarren usw. des
Landes Osterreich ob der Enns bis zum Wiener Friedensschlufs"
von Gielge (drei Bände, Wels 1809 und 1814) und von dem-
selben Verfasser „Historisch - topographische Beschreibung des
Landes Österreich ob der Enns" (drei Bände, Wels 1814 bis
1815), insbesondere aber das schon oben genannte Werk von
Pill wein, „Geschichte, Geographie und Statistik des Erzherzog-
tums Osterreich ob der Enns und des Herzogtums Salzburg"
(sechs Bände, Linz, 1827 — 1839), welches noch heute das einzige
Handbuch dieser Art für Oberösterreich ist. Die „Historisch-topo-
graphische Matrikel des Landes ob der Enns" von Joh. E. Lamp-
recht (Wien 1863) ist nur eine Erläuterung zu des Verfassers histo-
1) Anton Mayer, Der Verein f. Landesk. von Niederösterreich während
der ersten 25 Jahre seines Bestandes (Festgabe in den Bl. d. Ver. f. L. 1890).
2) Den allgemeinen Band und die Bearbeitung der Ortsreihe bis zum Ar-
tikel „Freydegg" redigierte Moriz Becker, vom Buchstaben G bis J (3. u. 4. Bd.)
Anton Mayer, K bis L (5. Band) Albert Starzer, die Fortsetzung liegt in meinen
Händen. Vgl. meinen oben erveähnten Aufsatz in den „Deutschen Geschichts-
blättern".
Eiuleitung. 33
riscber Karte von Oberösterreich und behandelt nur die vom 8. bis
12. Jahrhundert nachweisbaren OrtKchkeiten des Landes.
Ein ausgezeichnetes Hilfsmittel für beide Länder wird man in
dem „Historischen Atlas der österreichischen Alpenländer", welcher
von der Akademie der Wissenschaften vorbereitet wird, gewinnen.
Bei der weittragenden Bedeutung und dem Einflufs, welchen
die Stadt Wien frühzeitig auf das ganze Land gewonnen , dürfen
fiuch die Darstellungen der Geschichte dieser Stadt Wien nicht
unberücksichtigt bleiben. Schon Hormayrs, Wiens Geschichte und
seine Denkwürdigkeiten (neun Bände, Wien 1823 — 1825), greift
stellenweise über den Rahmen der Stadtgeschichte hinaus; weniger
Karl Weifs' Geschichte der Stadt Wien (1872; zweite Auflage
in zwei Bänden, 1881). Ganz insbesondere bringt aber die um-
fassende „Geschichte der Stadt Wien", welche seit dem Jahre
1897 der Altertunisverein herausgibt, und von welcher bisher zwei
Bände (erster und die erste Abteilung vom zweiten Bande ; bis
zum Jahre 1526 reichend) erschienen sind, und in welcher die
einzelnen Abschnitte von namhaften Spezialforschern verfafst sind,
auch für die Landesgeschichte wertvolle Beiträge.
Die zahlreichen Hilfsgebiete der Geschichte haben in beiden
Ländern noch keinerlei zusammenfassende Bearbeitung erfahren.
Nur Anton Mayers Geschichte der geistigen Kultur in Nieder-
österreich (Wien 1878) ^), von welcher allerdings nur ein erster
Band erschienen ist, welcher sich nicht auf alle Zweige des Kultur-
lebens erstreckt, ist eine sorgfältige und fleifsige Materialiensamm-
lung. In jüngster Zeit machte hinsichtlich der territorialen Lite-
ratur Nagl-Zeidlers „Deutsch-österreichische Literaturgeschichte"
(erster Band bis Maria Theresia, Wien 1900), welche gerade auch
auf das kulturgeschichthche Moment Gewicht legt, einen im ganzen
wohlgelungenen Versuch.
Was im letzten halben Jahrhundert an Spezialforschungen
und Spezialarbeiten zur Landesgeschichte von Nieder- und Ober-
österreich geleistet worden ist, ist aufgespeichert in den Publi-
kationen der landeskundlichen Vereine. Auch in dieser Beziehung
1) Erweiterte Bearbeitung des Abschnittes über die geistige Kultur im
I. Bande der „Topographie von Niederösterreich".
24 Einleitung.
ist Ober Österreich, wo diese Publikationen um 25 Jahre früher
begannen — seit dem Jahre 183G erscheinen die Berichte des
Museum Francisco-Carohnum, die dann 1839 mit den „Beiträgen
zur Landeskunde von Österreich ob der Enns" vereinigt wurden,
neben welchen 1843 vorübergehend eine Zeitschrift herauskam, —
von Niederösterreich, wo die „Blätter des Vereines für Landes-
kunde von Niederösterreich" im Jahre 18G5 begannen '), weit
überflügelt. Der Grund liegt darin, dafs die oberösterreichische
Publikation im Jahre durchschnittlich nur einen einzigen Aufsatz
bringt, und selbst dieser nicht immer den historischen Disziplinen
angehört, während die „Blätter des Vereines für Landeskunde
von Niederösterreich" alljährlich eine reiche Auslese landeskund-
licher Arbeiten enthalten. Neben den „Blättern" gab der Verein
für Landeskunde von Niederösterreich in den Jahren 1868 und
1869 ein „Jahrbuch für Landeskunde von Niederösterreich" heraus,
welches dann in neuer Folge im Jahre 1902 die mit diesem Jahre
aufgelassenen „Blätter" ableiste. Daneben erscheint jetzt ein
„Monatsblatt" für kleinere Mitteilungen. Schon seit dem Jahre
1856 gab auch der Altertumsverein zu Wien eine periodische
Zeitschrift „Berichte und Mitteilungen" heraus, welche sich haupt-
sächlich mit der Kunsttopographie von Wien, in zweiter Linie
aber des ganzen Landes Niederösterreich beschäftigen ^). Auch
der Altertumsverein besitzt ein Monatsblatt.
Zum Schlüsse noch ein Wort über die bibhograj'hischen Hilfs-
mittel zur Landesgeschichte. Im allgemeinen sind ja natürlich immer
Wattenbachs „Deutschlands Geschichtsquellen im Mittelalter bis
zur Mitte des 13. Jahrhunderts" (in zwei Bänden), von welchen so-
eben der erste Band in siebenter Auflage, bearbeitet von Du mm 1er,
1) Eegister 1865—1880 separat und 1880—1885 im Jahrgang 1893.
2) Daneben enthalten viele Abhandlungen zur Landesgeschichte : die Sitzungs-
berichte der k. Akademie der Wissenschaften. Phüosophisch - historische Klasse
(zitiert : Wiener Sitzungsberichte) ; Archiv für Kunde österreichischer Geschichts-
quellen, seit 1849, vom 34. Bande an unter dem Titel: Archiv für österreichische
Geschichte (zitiert: Archiv); das Notizenblatt, herausgegeben von der historischen
Kommission der k. Akademie der Wissenschaften (9 Bde., 1851—1859); die
„Mitteilungen des Institutes für österreichische Geschichtsforschung" und speziell
zur Kunsttopographie die „Mitteilungen der k. k. Zentralkommission für Kunst-
und historische Denkmale'- (seit 1856).
Einleitung. SS-
erschienen ist, und Dahlmann-Waitz' „Quellenkunde zur deutsehen
Geschichte" (sechste Auflage, herausgegeben von Steindorff, Göt-
tingen 1894) zu vergleichen. Die beste gesamtösterreichische Biblio-
graphie bietet der schon erwähnte „Grundrifs der österreichischen
Geschichte" von Krone s. Zu einer zusammenfassenden Bibliographie
der Landeskunde hat es nur Ober Österreich gebracht. In den
Jahrgängen der Berichte des Museums Francisco-Carolinum, 43. bis
49. Band (1885 — 1890), erschien eine solche von Commenda (Ma-
terialien zur landeskundlichen Bibliographie Oberösterreichs). Dafür
veröffentlicht der Verein für Landeskunde von Niederösterreich
seit dem Jahre 1884 in den „Blättern" (seit 1902 im Monatsblatt)
alljährlich eine Jahresübersicht der landeskundlichen Literatur ^).
Der Zustand der landesgeschichtlichen Literatur in Ober- und
Niederösterreich ist, wie wir sehen, ein wesentlich anderer als in
den meisten übrigen deutschen Landschaften, insofern Werke, die
zusammenfassend die Landesgeschichte als solche oder wenigstens
gröfsere Teile davon darzustellen versuchen, in älterer und neuerer
Zeit so gut wie völlig mangeln. Der Geschichte unserer Land-
schaft fehlt deshalb das Rückgrat, das andere Gebiete, wenn auch
oft in ungenügender Form, immerhin besitzen; und nicht um eine
kritische, dem jetzigen Stand der Forschung entsprechende Nach-
prüfung und Ergänzung älterer Darstellungen, sondern um eine
völlige Neuschöpfung auf Grund der ersten Quellen handelt es
sich deshalb im vorliegenden Falle. Diesem Umstände mufste auch
äufserlich Rechnung getragen werden: sollte nicht der wesentliche
Zweck, die einheimische Forschung zu weiterer Arbeit anzuregen
und ihr eine sichere Grundlage zu geben, von vornherein vereitelt
werden, so durften Hinweise auf die Quellen nicht fehlen. Aber
1) 1884— 1895 von Haas, 1896 von Donabaum, 1897— 1902 von Vancsa,
seit 1902 von Thiel. Seit 1900 veröffentlicht Vancsa auch in den ,, Mitteilungen
des Institutes für österreichische Geschichtsf. " kurze Besprechungen der Jahres-
literatur zur Landeskunde von Nieder- und Oberösterreich. Zu vergleichen wäre
auch die kleine Zusammenstellung „Übersicht über die allgemeinere Literatur
sowie die gedruckten imd ungedruckten Quellen für den historischen Teil der
Topographie von Niederösterreich" von Vancsa (Wien 1902).
"26 Einloitunpf.
indem solche gegeben wurden, drohte die Gefahr, die Arbeit
könne den Charakter verlieren, der ihr als einer der „deutschen
Landesgeschichten" anhalten soll, denn in dieser Serie sollen
möglichst glatte Darstellungen geboten werden. Beiden Anforde-
rungen liefs sich gerecht werden, wenn die Hinweise auf die
Quellen auf das notwendigste beschränkt und der Text so ein-
gerichtet wurde, dafs der Leser nie gezwungen ist, vom Inhalte
der Anmerkungen Kenntnis zu nehmen, ohne sachlich etwas zu
verlieren. Die Anmerkungen sind lediglich für den Forscher
bestimmt, falls er in einzelnen Fragen von dem Gedankengange
Kenntnis nehmen will, der den Verfasser zu der Darstellung ge-
führt hat, die er gibt.
Erstes Kapitel.
Vorrömische Kulturperioden ^).
In den Löfsablagerungen der Diluvialschicht finden sich an
verschiedenen Punkten der Erde neben den Überbleibseln der
grofsen seitdem ausgestorbenen Säugetiere, des Mammuts, des
Riesenhirsches, des Höhlenbären, des Ur und Bison, und einer
Keihe anderer Tiere, welche, jetzt weit voneinander in der tro-
pischen und der polaren Zone getrennt, damals noch vereint hausten,
Aschenreste und roh bearbeitete Steine und Knochen. Das sind
die ältesten Spuren des Menschen, welcher damals, unter wesent-
lich von den jetzigen verschiedenen klimatischen Verhältnissen,
neben der gewaltigen Tierwelt nur eine ganz untergeordnete Rolle
spielte. Die gefundenen Artefakte zeigen keinerlei individuelle
oder lokal bestimmte Physiognomie, sie konnten kaum zu An-
grifFswaffen gegen jene grofsen Säugetiere dienen, kaum recht zum
Eierlegen der vielleicht in Fallen gefangenen Beute. Wild umher-
1) Die Geringschätzung der Historiker, womit sie die ganze menschliche
Entwickelung vor einer geschichtlichen Aufzeichnung als Vorgeschichte oder
Vorzeit, so widersprechend diese Bezeichnungen sind, aus dem Eahmen einer
Oeschichtsdarstellung verwiesen, dürfte immer mehr zu den überwundenen Stand-
punkten gerechnet werden. Freilich hatte diese Mifsachtung leider zur Folge,
dafs die Forschungen auf diesem Gebiete jahrzehntelang ein Tummelplatz dilet-
tantischer Pfuscherei und phantastischer Hirngespinste gewesen. Als festbegrün-
dete Wissenschaft ist die Anthropologie erst jungen und jüngsten Datums. Auf
alle ihre Hypothesen und Kontroversen bezüglich der österreichischen Länder
und deren Bewohner einzugehen, halte ich im Eahmen dieses ersten Versuches,
auch die frühgeschichtliche Zeit anzugliedern, für überflüssig. Ich lasse mich
bei meiner Darstellung von den neueren Ergebnissen der Forschung und der
Vergleichung mit verwandten Entwickelungen leiten.
38 Erstes Kapitel.
schweifend, soweit ihn nicht Gebirge und Wälder hinderten,
höchstens mit den rohen Fellen der erlegten Tiere bekleidet, suchte
der Mensch nur vorübergehend an geschützten Orten einen Lager-
platz, doch gern wieder zur selben Stätte zurückkehrend. Erst
später, als die reiche Vegetation in der Ebene einer steppenähn-
lichen Flora gewichen, die grofsen Säugetiere bereits ausgestorben
und auch in der gemäfsigten Zone eine mehr nordische Tierwelt,
besonders das Renntier und verwandte Gattungen lebten, wählten
die Menschen Höhlen zur Zufluchtsstätte, und die darin gefundenen
Bearbeitungen von Stein und Renntierknochen zeigen den er-
wachenden Kunstsinn in primitiven Figuren und Ornamenten *).
Unser engeres Heimatland kann sich berühmen, besonders beim
Durchbruch der Donau durch den Südrand der böhmischen Masse
und in jenem nordöstlichen Teile, bis zu welchem sich die Alpen-
gletscher der Eiszeit nicht erstreckt haben dürften, in welchem
das Mittelgebirge sich langsam zur Ebene abflacht und welcher
schon in früher Zeit nicht allzu dicht bewaldet gewesen sein
wird — bekannt ist dieser Teil unter der Bezeichnung Viertel
unter Manhartsberg — , eine Reihe Fundstätten mit den geschil-
derten Spuren des Menschen aus der Mammut- ^) und Renntier-
periode ^) zu besitzen, ohne dafs diese Funde lokale Besonderheiten
aufwiesen.
In jener ältesten Zeit menschlichen Daseins scheinen noch
1) Schon diese fortgeschrittenere Bearbeitung der Renntierknochen dürfte
doch ein Beweis für die Posteriorität der Periode sein. Auch das wurde von
selten einiger Gelehrten angezweifelt. Jetzt werden nach dem Vorgange Gabriels
de Mortület In der Eegel drei paläollthische Stufen angenommen. (Vgl. im
allgemeinen Wurmbrand, Über die Anwesenh. d. Menschen z. Zelt der Löfs-
bildung, Denksc.hr. d. nat. -math. Kl. d. Ak. d. Wissensch. XXXIX, 1879;
Hoernes, Der diluviale Mensch In Europa [Braunschwelg 1902], bes. S. 112 f.,
149 f. u. 218 f.)
2) Zu Zelselberg, Gösing, der Hundssteig bei Krems, Aggsbach,
Wösendorf, Stillfried (bearb. Mammutknochen und Feuersteine) und be-
sonders Willendorf (Serpen tiustelne). (Mltt. d. anthrop. Gesellsch. XIV, 35;
XXVI, 13 und Mitt. d. Zentralkommission, XVIII, 138.)
3) Hervorragendste Fundstätte: Die Gudenushöhle bei der Ruine Har-
tenstein Im Kremstal, entdeckt 1884 (siehe den Bericht Leopold Hackers
in den Mitt. d. anthropol. Gesellsch. XIV, 145, 1884).
Yorröniische Kulturperiodeu. 29
gröfsere Wandlungen der Bodengestaltung vor sich gegangen zu
sein, seitdem steht das Charakterbild des Bodens *), der Land-
schaft und ihrer Lebensbedingungen im wesentlichen fest, und es
haben sich — zum Teile unter tätiger Mithilfe der Menschen-
hand — nur allmähliche geringere Übergänge vollzogen. Zwei
Momente waren und blieben für die Geschicke von Ober- und
Niederösterreich von höchster Bedeutung: die Alpen und die Donau.
Die hohe Bergkette der Alpen bildete eine natürliche Grenze im
Süden, einen Öchutzwall einerseits, aber auch ein Hemmnis anderer-
seits, im Inneren reichen Bergsegen hegend. Angriffe vom Süden
mufsten sich auf die offene Südostecke des Landes richten. Das
Wiener Becken bis zum Tullnerfeld, ein Binnenmeer der Eis-
zeit und gegen Wiener Neustadt und die Leitha vermutlich noch
in historischer Zeit mehr oder minder stark versumpft, sowie
das weite Marchfeld jenseits der Donau, sind der historische
Boden Österreichs, auf welchem von altersher die Entscheidungs-
kämpfe des Landes, ja der ganzen Monarchie ausgefochten wurden.
Die Donau, welche die Mitte der Länder durchströmt, werden
wir erst später in ihrer wachsenden kulturellen Bedeutung ver-
folgen können. Als die natürlichste Verkehrsstrafse stellt sie die
Verbindung mit dem Osten her und lenkt in diese Richtung Be-
siedelung und Entwickelung, findet aber in dem Nachteile, dafs
sie in ein enges Binnenmeer mündet, ihre Beschränkung. In der
ältesten Zeit bis zum Beginn des Mittelalters ist sie übrigens mit
ihren vielen, zum Teil sehr gefürchteten Flufsengen und Strom-
schnellen (dem so berüchtigten Wirbel und Strudel bei" Grein) weniger
Handelsweg, als vielmehr trennende und schirmende Grenze ge-
wesen. In Niederösterreich kreuzte sich aber auch mit der Haupt-
verkehrsstrafse nach dem Orient die Strafse, die in alter Zeit —
hier die March und Leitha entlang — den Norden Europas mit
dem Adriatischen Meere verband. Für die früheste Besiedelung
waren die geschützten Alpentäler an den Seen im Südwesten und
an den Zuflüssen der Donau, am meisten aber die Ausläufer des
1) Über die Bodenbeschaifenheit gibt jetzt am besten Aufschlufs: Diemer,
E,ud. Hoernes, Frz. Suefs, Uhlig, Bau und Bild Österreichs (Wien u.
Leipzig 1903), wo auch die Spezialliteratur angeführt ist.
30 Erstes Kapitel.
Mittelgebirges im Nordosten , welche allmählich in die fruchtbare
Ebene an der March übergehen, am günstigsten. Dagegen haben
mehr als Berg und Flufs dichte Urwälder sich der Niederlassung
des Menschen feindlich und hemmend erwiesen. Im Süden der
Donau, wo sich noch heute vom Kobernauser Wald am rechten
Ufer des Inn bis zu den Ausläufern des Wiener Waldes recht
bedeutende Reste alter Forste finden, scheinen sie doch nicht so
ununterbrochen und unzugänglich gewesen zu sein , dagegen ist
das Land im Norden der Donau von der Hz bis über den Kamp,
vom Uferrand der Donau bis nach Böhmen hinein vom Urwald
bedeckt, dem berühmten Nordwald (Nortica silva), der hier bis
tief in das Mittelalter kulturellen Fortschritt und geschichtliches
Leben unterband '). Aber im allgemeinen erweist sich das Land
als eine glückliche Vereinigung aller Arten von Kulturbedingungen.
Die ausgedehnten Waldungen hegen einen schier unerschöpflichen
Holzbestand und massenhaftes Jagdwild, der Hauptstrom mit seinen
vielen Nebenflüssen und die Alpenseen sind durch ihren Fischreich-
tum berühmt, fruchtbare Gefilde, namentlich im Osten begünstigen
einen blühenden Ackei'bau, w^ährend die Alpengegenden der Vieh-
zucht üppige Weideplätze bieten und die sanft abfallenden Ge-
hänge der Donau, des W^ienerwaldes und des Mauhartsgebirges
edle Trauben reifen lassen. Das Hochgebirge im Süden des Landes
schliefst reiche Erz- und Salzlager ein und endlich ermöglicht die
glückliche Lage des Landes im Herzen Europas den Absatz dieser
Naturprodukte nach allen Richtungen. Kein Wunder, dafs diesem
Land die Völker zustrebten , und dafs es der Mittelpunkt eines
mächtigen Staatswesens wurde!
Die regelmäfsige und ununterbrochene menschliche Entwicke-
lung setzt erst nach der diluvialen Zeit ein. Ja selbst eine Rassen-
verschiebuug scheint nicht mehr eingetreten zu sein, denn die
wissenschaftlichen Untersuchungen, namentlich die Sprachforschung,
welche die ursprünglichen Kulturelemente aus den Grundformen
des Sprachschatzes zutage fördert, machen es immer wahrschein-
hcher, dafs der Ursitz oder zum mindesten die älteste Heimstätte
1) Noch im 13. Jahrhundert konnten die Urwälder als Siidgrenze Böhmens
bezeichnet werden. Der Nordwald (Nortica silva) erscheint bis ins 12. Jahr-
hundert wiederholt in Urkunden. (Darüber später.)
Yorrömische Kulturperioden. 31
der ludogermanen Europa gewesen '). Die Bewohner unserer
Gegenden scheinen dem Stamme der lUyrier angehört zu haben.
Man hat sich gewöhnt, diese erste Stufe der Kulturentwicke-
lung nach dem Material der Werkzeuge und Waffen, wie es uns
die Funde erschlossen, als ,, jüngere Steinzeit oder neolithische Pe-
riode^' zu bezeichnen. Der bedeutsamste Unterschied von der
Diluvialzeit liegt jedoch darin , dafs dem Menschen nunmehr die
Feldfrüchte: eine kleine Art Weizen, die sechszeilige Gerste, die
Hirse und der Lein sowie ihre Pflege und Benutzung und die
Züchtung gewisser Tierarten: einer kleinen Rinderrasse, des Schafes,
der Ziege, des Schweines und des Hundes -) bekannt war. Das
bedingte ihre Lebensweise, da der Ackerbau keinen Wechsel des
Wohnsitzes mehr zuläfst, nur scheinen die wilden Tiere noch
immer dem Menschen durch ihr massenhaftes Auftreten und ihre
Überlegenheit grofse Furcht und Unsicherheit eingeflöfst zu haben,
denn er legte seine Siedelungen an möglichst schwer zugänglichen
Orten an, auf Höhenrücken (Höhensiedelungen, von welchen die Gegend
östlich vom Kamp in Niederösterreich im Bereich des Manharts-
gebirges in dem Vitusberg bei Eggenburg und in der Heidenstatt;
bei Limberg zwei hervorragende Fundstätten besitzt, welche aber
auch sonst im östlichen, besonders nordöstlichen Niederösterreich
nicht selten sind) ^) oder gar in den Seen, indem sie vielleicht;
1) Penka, Herkunft der Arier (Wien u. Teschen 1886); Origines Ariacae
(ebenda 1883). Siehe jetzt das zusammenfassende Werk von Much, Die Heimat
der Indogermaneu im Lichte der urgeschichtlichen Forschung (Berlin 1902, 2. Aufl..
1904). Der neue Gedanke nahm seinen Ausgangspunkt von demEngländer La-
tham, welcher (ca. 1860) Südlitauen als Heimat der ludogermanen bezeichnet.
Direkt Deutschland nennt Geiger. Am bedeutendsten wurden die sprach-
geschichtlichen Forschungen Schraders („Sprachvergleichung und Urgeschichte",
2. Aufl., Jena 1890), obwohl sie natürlich nicht die alleinige Grundlage bilden
dürfen (vgl. Kos sin na, Die vorgeschichtliche Ausbreitung der Germanen in
Deutschland [Zeitschr. d. Ver. f. Volkskunde VI, 1 f., Berlin 1896] und Kretsch-
mer, Grundzüge einer Gesch. der griech. Sprache 1896).
2) Es fehlen die Katze und das Geflügel, zum mindesten in den Pfahlbauten
auch das Pferd.
3) Man zählt etwa 50 neolithische Fundstätten in der bezeichneten Gegend.
Siehe aufser den genannten allgemeinen Werken noch: Suefs, Über die Nach-
weisung zahlreicher Niederlassungen einer vorchristlichen Völkerschaft in Nieder-
österreich (hauptsächlich die Funde um Eggenburg und Stockern behandelnd),.
33 Erstes Kapitel.
den Biber nachahmend auf eingerammte Pfähle ihre Hütten bauten,
die berühmten Pl'ahlbauten, unter denen neben den Schweizer die
der oberösterreichischen Seen (Traun- oder Gmundener-, Atter-
und besonders Mondsee) hervorragen.
Dieses enge Zusammensiedeln angesichts gemeinsamer Gefahr
setzt unbedingt auch bereits eine organisierte Gesellschaft voraus,
wenn auch wohl zunächst nur als Aneinanderschlufs von Faraihen
unter Ältesten und auf kommunistischer Grundlage, während der,
wie es scheint, friedliche Charakter dieser Bevölkerung eines Heer-
führers nicht bedurfte. Die Siedelungsform war aber auch der
Entwickelung einer Kultur günstig, welche weit höher gewesen ist,
als man früher bei der ausschliefslichen Wertschätzung der Kultur
des klassischen Bodens anzunehmen geneigt war und welche so-
.gar überraschende Ähnlichkeiten mit der des vorhomerischen Troja
aufweist. Die Beigaben von Waffen und Schmuck in den Gräbern
deuten nicht nur auf zartere Pietät, sondern direkt auf transzen-
dentale Vorstellungen von der Unsterblichkeit der Seele, ja gewisse
symbolische Zeichen an diesen Beigaben auf den Sonnenkultus,
der allen Völkern auf primitiver Kulturstufe gemeinsam ist.
Reich entfaltete sich die Hausindustrie. Zahlreiche Steinarten
wurden zu den mannigfachsten Geräten, vom Hammer, Messer
und der Axt angefangen bis zur Pfeilspitze, von der Säge bis zur
Wirtel oder gar zur Schmuckperle verarbeitet; man hatte auch
Handmühleb zur Herstellung von Schrotmehl. Dagegen zeugt das
Fehlen des Schwertes von dem unkriegerischen Charakter dieser
Bevölkerung, deren Waffen nur gegen die wilden Tiere dienten.
Der Fortschritt in der Bearbeitung des Steinmaterials gegenüber
■der älteren Steinzeit bekundet sich in der Bohrung und Polierung.
Daneben wurde die Weberei und Töpferei schwunghaft betrieben.
Aber schon war das Hergestellte nicht mehr ausschliefslich zum
praktischen Gebrauche: zur Versorgung mit der täglichen Nahrung
durch Jagd, Fischerei, Viehzucht und Bestellung des Feldes, zur
Aufbewahrung der Speisen und zum Kochen, zum Anfertigen der
(Sitzungsbericht d. math.-naturw. Kl. d. k. Akademie d. W. LI, 1, S. 215, 1865).
M. Mu^ch, Über die lirgeschichtlichen Ansiedelungen am Manhartsgebirge (Mitt.
<i." anthropolog. Gesellsch. I, II, 1871, 1872). Südlich der Donau kommt be-
sonders Malleiten bei Wiener Neustadt in Betracht.
Vorrömische Kulturperiodea. 33
Kleidung, zum Betriebe des Handwerkes geschaffen, sondern es
diente auch zum Schmuck, und selbst die Gebrauchsgegenstände
und die Kleidung wurden mit einfacher linearer Ornamentik ver-
ziert, an den schwärzlich oder rötlich gestrichenen Töpfen wurde
sie vertieft und mit weifser Kreide eingerieben.
Endlich läfst sich schon für diese Zeit Tauschhandel inner-
halb gewisser Bezirke feststellen, denn die Fundstätten zeigen oft
ortsfremde, aus fernem Gebirge stammende Gesteinsarten, und manche
der späteren Verkehrswege, selbst durch die Urwälder nördlich
der Donau ^), dürften schon damals gebahnt worden sein.
Wie lange in unseren Gegenden die Kultur der Pfahlbauten
und Höhenansiedelungen gedauert, läfst sich nicht einmal beiläufig
aus der Dicke der Ablagerungen in den oberösterreichischen Seen,
der sogenannten „ Kulturschichte ^', sondern nur aus der Aufeinander-
folge typischer Geräte und Töpferware bestimmen; sie währte
gewifs viele Jahrhunderte lang, und wir müssen sie uns in lang-
samer, aber stetig aufsteigender Entwickelung denken, einer Ent-
wickelung, welche derjenigen anderer Länder und Völker, soweit
sie durch Ausgrabungen festgestellt wurde, analog ist ^).
Die Gebirgsbewohner, welche die schönen und zur Bearbeitung
besonders tauglichen Gesteinsarten brachen, kamen schliefslich
irgendwie auch zur Kenntnis der Metalle, zunächst des zuweilen
in seinen Erzen zutage liegenden und leicht schmelzbaren Kupfers.
Für unsere Gegenden wurde der kupferreiche Mitterberg und die
Kelchalpe bei Kitzbichel von Bedeutung. Eine Siedeluug am nahen
1) Loserth, Die böhmisclien Straiseu uüd Saumwege im Mittelalter (Mitt.
d. Ver. f. Gesch. d. Deutschen iu Böhmen XXI, 188, 1883) ; Eichly, Prähistorische
und frühgpschichtliche Verbindungen zwischen dem südlichen Böhmen und der Donau
(Mitt. d. anthrop. Gesellseh. XXIX, 85, 1899 und Österr. Jahrb. XXVII, 20 f.,
1903). Er nimmt für die jüngere Steinzeit das Bestehen der Wege von Znaim
nach Czaslau und von Stocterau über HoUabrunn, Eggenburg, Hörn, St. Leon-
hard, Strogen, St. Marein und Eibenstein nach Böhmen an.
2) Es sei hier nachdrücklich darauf hingewiesen, dafs die moderne Anthro-
pologie ebenso wie die Naturwissenschaft keine plötzlichen Übergänge und Sprünge
mehr annimmt. Man kann also auch nicht mehr wie früher von scharf ab-
gegrenzten Perioden (dem Stein-, Bronze-, Eiseuzeitalter) sprechen, von welchen
die eine die andere ablöst, sondern die eine Entwickeluugsstufe geht allmählich
in die andere über, sie bestehen oft längere Zeit nebeneinander und Anfang und
Ende ist in verschiedenen Gegenden verschieden.
Vaucsa, Geschickte Nieder- u. Oberösterreichs. 3
$4 Erstes Kapitel.
Gütschenberg vermittelte das Metall den Bewohnern der Pfahl-
bauten im Mond- und Attersee, und die chemische Untersuchung
der hier gefundenen Kupfergegenstände hat die Herkunft ihres
Materials aus dem ]\Iitterberge noch klarer erwiesen ^). Die Gegen-
stände sind durchwegs gegossen.
Die Verwendung des Kupfers allein war aber wohl nur ein
Übergangsstadium von gei'inger Dauer -), denn sehr bald scheint
man darauf gekommen zu sein, dafs durch Beimengung von etwa
zehn Teilen Zinn das Material erhöhte Festigkeit und helleren
Glanz gewinnt, und gelangte so zum Bronzegufs. Die Bronzezeit
ist allerdings bis jetzt in unseren Gegenden nicht so bedeutend
belegt wie anderwärts, doch sind immerliin die Funde von der
langen Wand bei Wiener Neustadt und in Stockerau bemerkenswert.
Es ist nur die Frage entstanden, ob nicht doch der Anstofs zu
diesem gewaltigen Kulturfortschritt von aufsen, von den höher ent-
wickelten Völkern des Südens und Ostens gekommen ^). Tatsache ist,
dafs jenseits der Alpen, ja wahrscheinhch bis tief in dieselben hinein^
ein Volk wohnte, das, wieder seinerseits im Zusammenhang mit
den Mittelmeerländern und Asien stehend, bereits viele Jahrhunderte
vor Christus eine blühende Metallindustrie besafs und namentlich
in der Bronzetechnik Meisterhaftes leistete : die Italiker ^). Dafs
1) Über die Kupferzeit im allgemeinen und das Kupferbergwerk in Mitter-
berg im besonderen siehe M. Much in den ,,Mitt. der k. k. Zentralkommission
für Kunst- und historische Denkmale" 1878, 1886 und 1887.
2) Es dürfte nicht unbedeutsam sein , dafs sie in ihren Formen sich an
die Steingeräte anschliefsen , während das Bronzezeitalter einen neuen Formen-
schatz mit sich bringt.
3) Zuerst hat diese Frage angeregt Lindenschmitt, Die Altertümer
unserer heidnischen Vorzeit, 3 Bände (Mainz 1858 — 1873). Die energischsten
Verfechter der etruskischen Herkunft aller mittel- und nordeuropäischen Bronzen
sind Genthe, Über den etruskischen Tauschhandel nach dem Norden (Prank-
furt a. M. 1874), Sadowsky, Die Handelstrafsen der Griechen und Eömer
durch das Flufsgebiet der Oder, Weichsel, des Dnjepr und Niemen an die Ge-
stade des baltischen Meeres (zuerst in polnischer Sprache in den „Annalen der
Akademie der Wissenschaften in Krakau " erschienen , dann übersetzt und mit
vielen Zusätzen bereichert von Albin Kohn, 1877) und Goofs, Skizzen zur
vorrömischen Kulturgeschichte der mittleren Donaugegenden (Archiv des Vereins
für siebenbürg. Landeskunde Xni., XIV., 407, 1876—1877).
4) So jetzt besser statt der früher meist genannten Etrusker.
Vorrömische Kulturperioden. 35
später, am Beginn des ersten vorchristlichen Jahrtausends ein
äufserst reger Handel nach dem Norden betrieben wurde, steht
ebenfalls aufser Zweifel. Es liegt also sehr nahe, dessen lebhaften
Aufschwung in die Zeit vom Ende des 6. Jahrhunderts an zu
setzen. Ein Handelsweg scheint über den Brenner zur Donau und
durch das Inntal geführt und dabei Hallstatt berührt zu haben,
ein anderer ging von der Adria über Laibach, Judenburg, Leoben,
Brück durch das Leithatal bis Hainburg - Petronell und von da
über die Donau längs der March weiter nach dem Norden. Des
war die berühmte Bernsteinstrafse ^). Von den Bewohnern der
Alpenländer nahmen die Italiker auch aufser Sklaven Vieh, Felle,
Wolle, Honig, Käse, Harz, Pech und dergleichen, später wohl
auch Metalle (das norische Eisen) und insbesondere Salz. Es ist
zweifellos, dafs vom Süden her eine bedeutende Einwirkung auf
die industrielle und künstlerische Entwickelung des Nordens statt-
gefunden hat, aber es hiefse wohl zu weit gehen, wollte man alle
die zahllosen Metallobjekte ausschliefslich für fremde Tauschware
ansehen. Das Richtige wird wohl auch hier in der Mitte liegen.
Nicht etwa mit dem europäischen Handel zu den wilden Stämmen
Afrikas, sondern mit dem Import einer hoch entwickelten Industrie
in ein zurückgebliebeneres Absatzgebiet, dem aber gleichwohl Be-
fähigung und Material für die selbständige Verarbeitung zu Gebote
steht, ist dieser Handel zu vergleichen. Die eingeführten Gegenstände
dienen den massenhaften heimischen Nachahmungen zum Muster ^).
Diese Frage kreuzt sich für unsere Länder mit einer zweiten,
welche womögHch noch schwieriger ist, da der Historiker mit der
kaum ganz aufzuhellenden chronologischen Verworrenheit der
Überlieferung zu kämpfen hat und die Anthropologie sie vorläufig
leider nicht systematisch untersucht hat ^), das ist die Frage nach
1) Über die Bernsteinstrafse siehe aufser den vorher genannten Arbeiten
noch Lanz in den Bl. d. Ver. f. Landesk. XXX, 157.
2) Dafs man selbst die vielen gefundenen „Gufskerne" nicht für einen
Beweis der einheimischen Produktion gelten lassen wollte, sondern lieber annahm,
die etruskischen Händler hätten sie mit sich geschleppt, ist doch mindestens
sehr gezwungen. — Der heftigste Gegner der Importhypothese war Hochstätter,
welcher auf Grund der Krainerischen Funde geradezu einen Export nach Italien
annehmen wollte.
3) Dafür hat sie sich jahrzehntelang herumgestritten, ob Kelten und
36 Erstes Kapitel.
der Zeit der keltischen Einwanderung. Livius überliefert eine
Stammsage, wonach um das Jahr GOO die beiden Brüder Bello-
vesus und Sigovesus von Gallien aufgebrochen , um der eine mit
seinen Scharen nach Italien, der andere über den Rhein zu ziehen ^).
Als charakteristisch sei nebenbei erwähnt, dafs bereits hier die
„Landnot", d. h. der Mangel an ernährendem Boden als Grund ge-
nannt wird, dem wir später bei den grofsen germanischen Wande-
rungen immer wieder begegnen. Aber von einem Galliereinfall
in Italien weifs man vor dem Jahre 388 nichts, und weder Hero-
dot (um 400) ''') , noch der etwas spätere Sylax kennt in den
Alpengegenden Kelten ^). Trotzdem scheint die Keltenwande-
rung über den Rhein schon früher erfolgt zu sein*), und mit
dieser, nicht aber erst mit den aus Italien zurückgeschlagenen
Galliern dürfte auch die keltische Besiedelung der Alpenländer
zusammenhängen.
Von den Kämpfen bei der Besitzergreifung blieb allerdings
keine Kunde erhalten, aber es ist wohl selbstverständlich, dafs sie
sich nicht friedlich vollzog, und die Brandspuren in den Ansiede-
lungen scheinen die Annahme der gewaltsamen Zerstörung zu
bestätigen. Der Rest der Bevölkerung, ging spurlos in die Über-
winder auf, ihre Stammesart erlosch, keine Überheferung , kein
Germanen identisch seien oder nicht. Da dieselbe für die ernste Forschung
heute abgetan sein dürfte , so kann ich mir es wohl ersparen , die zahlreiche
Literatur anzuführen. Dafs slavische Gelehrte in nationalem Chauvinismus so
weit gingen, die Urbevölkerung der Älpenländer für Slaveu zu erklären, und
dafs sich richtig auch einige „unparteiische" Deutsche fanden, die sich ihnen
anschlössen , wird den nicht wundernehmen , der österreichische Verhältnisse
kennt.
1) Livius V, 34.
2) V, 9. — Für das Folgende vgl. Eamsauer. Die Alpenkunde im Alter-
tum (Zeitschr. d. deutschen u. österr. Aipenvereines XXXII, 46, 1901).
3) Schon Niebuhr und Zeufs haben den Zeitansatz des Livius be-
stritten, die eingehendste Kritik der ganzen Nachricht übte Müllenhoff,
Deutsche Altertumskunde, IL Bd. (1887). — Ob dem Argumentum ex silentio
bezüglich Herodots und Sylax" wirklich Beweiskraft zuzusprechen sei, möge dahin-
gesteUt bleiben. Herodot nennt die Alpen und zwar als Flufs, deren Name
demnach nicht keltisch sein könnte, wie gemeinhin angenommen wird.
4) Es scheinen sogar an dem Zuge gegen Italien Völkerschaften vom Ehein
sich beteihgt zu haben wie die Bojer.
Vorrömische Kulturperioden. 37
Name kam auf die Nachwelt, ihre Kulturerrungenschaften waren
für die folgende Entwickelung ohne Bedeutung mehr.
Dennoch dürften die Einwanderer nur mit dem absolut Fremden,
wie insbesondere der Siedelungsform, ganz gebrochen, an anderes,
ihnen Verwandtes dagegen angeknüpft haben. Der begonnene
Bergbau war ihnen hochwillkommen und bald von ihnen zur
Blüte und zur Grundlage ihres Wohlstandes gebracht, der Handel
mit dem Süden, der durch den Oalliereinfall in Italien eine Unter-
brechung erlitten haben mochte, bald wieder lebhafter denn je
betrieben. So können wir uns das grofsartige Emporblühen von
Hallstatt erklären, wo ohne Zweifel schon vor der Keltenzeit
bei den salz- und metallreichen Bergen in geschützter Lage
am See eine Niederlassung gegründet worden war, welche nun-
mehr, durch den Handelsverkehr mit dem Süden und Norden
verbunden, gewissermafsen ein Kulturzentrum der ersten Kelten-
zeit wurde ').
Über 6000 Fundgegenstände aus nahezu 2000 Gräbern, welche
teils als Flach-, teils als Hügelgräber nebeneinander drei Be-
stattungsformen: Beerdigung, Verbrennung und Halb Verbrennung
zeigen ^), geben so überreichen Aufschlufs über die Kultur jener
Periode, dafs man sie nach diesem Hauptfundort die Hallstatt-
periode nennt ^). Zur Bronze, welche, wie aus den Funden in
1) Vgl. auch Rein ecke, Brandgräber vom Beginn der Hallstätter Zeit
aus den östlichen Alpenlän lern und die Chronologie des Grabfeldes von Hall-
statt (Älitt. d. anthrop. Gesellsch. XXX, 44, 1900), welcher sechs Typen (Perioden)
unterscheidet und den Beginn mit ca. 1100 oder 1000 v. Chr. ansetzt.
2) Die neuere Forschung ist davon abgekommen, aus der Bestattuogsform
besondere Schlüsse zu ziehen. Die Beerdigung ist wohl gegenüber der Ver-
brennung die ältere, aber sie wurde in Hallstatt gleichzeitig angewendet; aucli
kann man die erstere nicht etwa für das unterworfene Volk in Anspruch nehmen,
denn auch die Beerdigten haben oft reichen Schmuck und Waffen , sowie um-
gekehrt. Wenn man also schon von dem Vorkommen beider Bestattungsformeu
(und einer charakteristischen Mischform) auf eine Mischbevölkerung schliei'seu
will , so mufs man eben ein solches Durchdringen der Volksart annehmen , dafs
Eigenes und Fremdes gleich galt und von beiden Völkern geübt wurde (vgl.
Much, Kupferzeit a. a. 0.)
3) An zahlreichen Orten Ober- und Niederösterreichs (Kleedorf, Stockerau,
Mahrersdorf, Wolfstal, Gemeinlebarn und besonders Ötillfried), sowie der übrigen
Alpenländer, namentlich in Krain, fanden sich Gegenstände, welche mit den
38 Erstes Kapitel.
den Seen ersichtlich, schon in der letzten Pfahlbauzeit bekannt
war, tritt hier das Eisen hinzu und mit ihm als neue Kultur-
errungenschaft die Kunst des Schmiedens '). Material und Formen
weisen noch mehr, als dies in der früheren Zeit der Fall war,
auf den lebhaften Handel von Norden und Süden hin. Doch wäre
es, wie schon oben gesagt, verfehlt, die einheimische Industrie gar
nicht gelten lassen zu wollen. Unter den Gegenständen treten
jetzt Schwert und Sichel als neue wichtige und bedeutsame Er-
rungenschaften auf, unter den Gebrauchsgegenständen sind die
Situlae (Eimer), unter den Schmucksachen die Fibeln charakte-
ristisch ; die Ornamentik, in der noch der Kreis und die Zickzack-
linie überwiegen, zeigt in einzelnen, allerdings vielleicht gerade
importierten Stücken schon den Fortschritt zur Nachahmung der
Menschen- und Tiergestalt, während merkwürdigerweise das Pflanzen-
ornament fehlt.
Aufser dem Eisen kannten die Kelten auch gröfsere und
bessere Rinder- und Hunderassen, das zahme Pferd und bessere
Arten des Getreides, wie denn überhaupt der Ackerbau, wahr-
scheinlich auch die Almwirtschaft intensiver betrieben wurde. Die
Quelle des National Wohlstand es, welche zugleich die Kelten den
Italern und später den Römern als nicht zu unterschätzende
Handelsfreunde erscheinen liefs, war der Bergbau, vor allem nach
dem vielbegehrten Salz ^). In Hallstatt und seiner Umgebung
(so am Dürnberg bei Hallein) wurden Salzbergwerke in grofs-
Hallstätter Ausgrabungen nahe Verwandtschaft zeigen, ohne deshalb gerade aus
Hallstatt zu stammen. Wie gleichmäfsig sich die Bronzekultur damals ver-
breitet, beweist der Umstand, dafs Weihgeschenke in Olympia gleichfalls den
Charakter der Hallstätter Periode tragen.
1) Auch jene Anthropologen , die überhaupt einen chronologischen Ansatz
wagen, differieren darin sehr, z.B. Montelius, Chronologie der ältesten Bronzen
in Norddeutschland, nimmt für Süddeutschland das Bronzezeitalter zwischen
2500 und 2000 an, Naue, Bronzezeitalter in Oberbayern, den Beginn mit ca.
1400. Das sind natürlich nur beiläufige Vermutungen. Über die Eisenzeit vgl.
besonders Beck, Geschichte des Eisens in technischer und kulturgeschichtlicher
Beziehung I. Bd. 2. Aufl., Braunschweig 1889 (bes. S. 500 f. u. 585 f.).
2) Über den keltischen Bergbau in den österreichischen Alpenländern siehe
das I. Kapitel von Chlingensperg-Berg, Das Gräberfeld von Eeichenhall
(Eeichenhall 1890).
Vorrömische Kulturperioden. 39
artigem Mafsstabe betrieben '), am Mitterberg mag wohl noch das
alte Kupferwerk ausgebeutet worden sein, in den Tauern wurde
mit Erfolg nach Gold geschürft, bald jedoch überholte alle anderen
das Eisenbergwerk zu Noreja in Steiermark, zu welchem später
wohl auch die Werke in der niederösterreichischen „Eizenwurzen"
in der Gegend des heutigen Ips gekommen sein dürften. Bald
genofs das norische Eisen Weltruf ^). So vollzog sich in den
Alpenländern der Übergang aus der älteren Bronzezeit und der
Mischkultur von Hallstatt zur reinen Eisenzeit^) in den letzten
Jahrhunderten vor der Geburt Christi ziemlich schnell.
Kein Wunder, dafs Handel und Verkehr, besonders mit dem
höher entwickelten Süden, dessen gesteigerte Bedürfnisse aus der
Fremde befriedigt werden mufsten, immer mehr sich hoben. Aus
den Händen der Italer gingen sie nach den punischen Kriegen
in die der Römer über. Die Märe von dem Goldreichtum der
norischen Alpen lockte so viel Abenteurer aus Italien an, dafs die
Taurisker die Zuwanderung verbieten mufsten *). Nicht minder
stand das norische Eisen bei den Römern in hohem Wert. Aber
auch mit Griechenland müssen lebhafte Handelsbeziehungen unter-
halten worden sein, denn unter römischem und griechischem Ein-
flufs entwickelte sich schliefslich aus dem Tauschhandel ein wenn
1) Die aufgedeckten Anlagen und Einrichtungen erinnern vielfach direkt
an die modernen. Siehe Hochstätter, Über einen alten keltischen Bergbau
im Salzberg von Hallstatt (Mitt. d. anthropol. Gesellsch. 1881).
2) Siehe zahlreiche Belegstellen bei den römischen Schriftstellern : 0 v i d ,
Metam. 64, 17; Horatius, Od. 51, 16, 17; Petronius, Fragm. 70; Eu-
tilius, Nom. Itin. L, I, V, 351, 352; Martial, IV, 55, 12; Plinius,
1. 34, 14 etc.
8) Die für die gallischen Kelten charakteristischen Formen der sogenannten
La-Tene-Periode oder älteren Eisenzeit scheinen in unseren Gegenden nicht zahl-
reich zu sein oder wurden wenigstens von den Gelehrten nicht durchweg an-
erkannt. Vgl. Hörnes, La-Tene-Funde in Niederösterreich (Mitt. d. anthropol.
Gesellsch. S. 65, 1889). Vieles von den Eisenfunden gehört wohl den Germanen
an , weshalb ich auf die Änderung in der Form in anderem Zusammenhang zu-
rückkommen werde. — Auch hier wäre eine fachmännische Untersuchung über
die unterscheidenden Merkmale des Keltischen und Germanischen mit sorgfältiger
Berücksichtigung der geschichtliehen Entwickelung dringend erwünscht.
4) Der Wert des Goldes soll dadurch in Italien um -j^ gesunken sein
(Polybios bei Strabon IV, 6, S. 208).
40 Erstes Kapitel.
auch vielleicht beschränkter Geldhandel. Es wurden Silberraünzen
nach griechischem Gewichte und nach römischer Prägung mit
lateinischer Schrift geschlagen '). Daneben gab es auch kleine
primitive Goldmünzen ohne Schrift ^) und später in der kurzen
Übergangszeit, da die Beziehungen zu Rom gespannte waren, selb-
ständige Prägungen ^). Sie dienten dem einheimischen Verkehr
und dem mit den germanischen Nachbarn, wie sie sich denn auch
im Gewichte den markomannischen Münzen anschlössen. Anderer-
seits finden sich in unseren Gegenden makedonische, griechische,
sizilische und römische, ja sogar ägyptische Münzen, welche bis
ins 3. Jahrhundert v. Chr. zurückreichen ^).
Dem grofsen materiellen Wohlstand und der nicht unbedeu-
tenden künstlerischen Ausbildung entsprach gewifs auch die soziale
und politische Entwickelung ^).
Eine einflufsreiche Sonderstellung' mögen wie in Gallien die
1) Das Gewicht der griechischen Tridrachme, später der makedonischen
Tetradrachme und das Gepräge des römischen Denars. Momrasen, Geschichte
des römischen Miinzwesens (Breshiu 1860), S. 694 ff. Kenner, Keltische Münzen
in Niederösterreich (Monatsbl. d. Numismat. G^sellsch. Nr. 152—155, 1896).
2) Diese unscheinbaren kleinen Münzen sind unter der poetischen Bezeich-
nung „Eegenbogen schüsselchen" bekannt, weil die gefundenen Stücke von dem
Volke mit der alten Sage, dafs die Streifen des Eegenbogens durch Engel mit
Goldschüsselchen gestützt werden, in Verbindung gebracht wurden (Streber,
Über die Eegenbogenschüsselchen, München 1861—1862; Beck, im Thüringischen
Hausfreund, 19Ü3).
3) Am interessantesten ist in dieser Hinsicht der Simmeringer Fund aus
dem Jahre 1895, auf den ich utiteu nochmals zurückkommen mufs.
4) Fundstätten in Niederösterreich Carnuntum und Eichenbrunn, in Ober-
österreich Linz und St. Floiian. Vgl. auch Kämmel, S. 28.
5) Die in den Geschichtsdarstellungen regelmäfsig angeführte Charakteristik
der Kelten nach den Berichten der römischen Historiker (besonders nach Diodor,
Bibl. bist. SXVni— XXXH) möchte ich doch nur anmerkungsweise erwähnen, da
sie sich eigentlich auf die Gallier bezieht. Sie dürfte zwar in manchen Punkten
auch für unsere Gegenden stimmen (welche ausgezeichnete Illustration der „Prunk-
sucht und Eitelkeit " sind die glänzenden Schmuckgegenstäude aus den Gräbern
von Hallstatt!), aber die Lebensbedingungen in den AlpcnJändern und wohl auch
die Durchsetzung mit anderen Volkseiemeuten dürften doch bedeutende Unter-
schiede bewirkt haben. Insbesondere die „zügellose Tapferkeit" gehört nicht
zu den hervorstechenden Eigenschaften der Alpenkelteu , welche wir im wesent-
lichen als sefshaf; -friedliches Handels- und Industrie volk kennen.
Vorrümische Kulturperioden. 41
in einer Kaste abgeschlossenen Priester genossen haben ^). In
ihren Händen lag der Kult der Götter, unter denen der Sonnen-
gott BelenuSj der auch Schutzgott der norischen Bergwerke war^
die höchste Stelle einnahm. Aus der Römerzeit , da sich aller-
dings die heimische Religion mit fremden Elementen vermischt
hatte, sind für die Alpengegenden auch noch der Kriegsgott Tu-
tates, der Frühlingsgott Jarmogius, die Göttin des Ackerbaues
Sirona und viele kleinere Lokalgottheiten und Genien bezeugt ^).
Die Gräber weisen grofse Verschiedenheiten des Besitzes auf^
welche vielleicht mit dem Gegensatz eines herrschenden und eines
unterworfenen Volkes zusammenhängen und gewifs auch starke
soziale Unterschiede bedingten. Die Gliederung, namentlich nach
gallischem Muster mit einer ausgebildeten Aristokratie, fand in
einem König ihren Abschlufs '^).
Könige beherrschten die vielen grofsen und kleinen Stämme,
doch zerfielen diese wohl noch in Gaue, denen Teilfürsten vor-
standen , die sogar eigene Münzen prägten *). Der gröfste und
wichtigste Stamm im heutigen Osterreich war der der Taurisker,
mit welchem auch die Römer am frühesten in Berührung kamen.
Ihre Wohnsitze dehnten sich vermutlich von der Drau bis ins
Salzkammergut und ins südliche Niederösterreich aus ''). Ursprüng-
lich ein Gau derselben scheinen die Noriker gewesen zu sein ^),
1) Ein charakteristischer Unterschied vou den Germanen.
2) Siehe die Zusammenstellr.ng bei Kämniel, a. a. 0., S. 38.
3) Siehe unten.
4) Nur so erklärt es sich, dafs auf den Münzen aus der Zeit um Christi
Geburt, welche im südöstlichen Niederösterreich und den benachbarten Gegenden
Ungarns, also auf sehr engbegrenztem Gebiet, sich fanden, nicht weniger als zwölf
Namen vorkommen (siehe unten).
5) An der Drau stiefsen 115 v. Chr. die Eömer auf sie, denn die Caurisci
bei Anon. de vir. ill. 72 können wohl nur die Taurisker sein ; im Norden er-
innert der Name der Tauern an sie, und die ihnen zugehörigen Noriker hatten
wohl aufser Noreja alle die Eisenbergwerke des südlichen Niederösterreich in Besitz.
6) Ein Versuch (Kohu, Dio römische Heerstrafse von Virunum nach Ovi-
lava, Sitzuügsber. d. k. Akad. d. Wissensch., phil.-hist. Kl. LXXX, 402, 1875),
entgegen der von Zeufs ausgehenden allgemeinen Annahme, die Taurisker als
einen Teil der Noriker nachzuweisen, erscheint mir nicht überzeugend, wenn
auch die Angaben der römischen Schriftsteller au Klarheit vieles zu wünschen
übrig lassen.
48 Erstes Kapitel.
welche jedoch infolge ihres reichen Besitzes um die Eisenwerke
von Noreja aUmählich ein solches Übergewicht erlangten, dafs
ihr Name den des Hauptstammes verdrängte, welcher als „Berg-
bewohner^' gedeutet wird, und später von den Römern auf die
ganze grofse Provinz, welche sie in den Ostalpen zwischen Donau
und Drau errichteten, übertragen wui-de. Aufserdem sind uns
einige Gaue oder kleinere Stämme blofs dem Namen nach über-
liefert, ohne dafs sich ihre Sitze mit Bestimmtheit feststellen Hefsen.
Davon dürften die A 1 a u n e r an der unteren und mittleren Salzach,
die Sevaker oder Sevater zwischen Inn und Enns, die Aza-
lier um Vindobona und Carnuntum gewohnt haben *).
Im Norden der Donau waren die Bojer der keltische Haupt-
stamm, welche ihren Sitz in Böhmen hatten, das von ihnen
den Namen — im Altertume Boiohaemum — empfing. Ostlich
davon nennt Cäsar die Volker-Tektosagen, welche demnach in
Mähren und möglicherweise bis ins nordöstliche Niederösterreich
herein gewohnt haben dürften, während im Süden von Boiohaemum
sich bis zur Donau die unwirtlichen Urwälder erstreckten ^).
Für die Besiedelung der Alpengegenden wurde die den Kelten
charakteristische Siedelungsform des Einzelgehöftes von dauernder
Bedeutung. Von ihr nahm auch die Almwirtschaft im Gebirge
ihren Ausgang ^). Die Kelten sind aber auch andererseits die
1) Ptolemäus, II, 13 f.
2) Bachmann, Die Kelten im Norden der Donau (Zeitschr. f. österr.
Oymnasien S. 81, 1879). Gegen Müllenhoff, der die Sitze der Volker-Tecto-
sagen in Böhmen (nach den Bojern) oder noch westHcher suchte, verteidigt die
ältere Ansicht Eudolf Much in den Beiträgen zur Geschichte der deutschen
Sprache und Literatur XVII, 10. Die vielen Stämme, welche Ptolemäos im
Norden der Donau nennt, dürften, soweit sie überhaupt nicht etwa aus Irr-
tümern konstruiert sind, Germanen sein, da ja zu seiner Zeit (erste Hälfte des
2. Jahrhunderts n. Chr.) in diesen Gegenden keine Kelten mehr wohnten. Ich
komme daher au einer späteren Stelle darauf zurück. Gute kartographische
Darstellungen siehe jetzt: Erckert, Wanderungen und Siedelungen der germa-
nischen Stämme in Mitteleuropa von der ältesten Zeit bis auf Karl den Grofsen,
auf 12 Kartenblättern dargestellt (Berhn 1901).
3) Siehe Meitzen, Siedelung und Agrarwesen der Westgermanen und
Ostgermanen, der Kelten, Kömer, Finnen und Slaven (1. Abteilung: Wanderungen,
Anbau und Agrarrecht der Völker Europas nördlich der Alpen), Berlin 1895 f.;
besonders I, 224.
Vorrömische Kulturperioden. 43
«Gründer der ersten Städte in unseren Gebieten ^). Nicht nur alle
Römerstädte gehen auf keltische zurück, sondern gar manche er-
hielten sich für alle Folgezeit bis heute. Noreja, der Hauptort der
Alpenkelten, liegt aufserhalb der Grenzen unserer Erblande, Hall-
statt, dessen keltischer Name in seinem ersten Bestandteil erhalten
ist, fand unter den Römern eine zweite Blüte, von hervorragender
Wichtigkeit wurde jedoch Carnuntum, das an einem Knotenpunkt
der Bernsteinstrafse gelegen und dessen vorrömische Existenz aus-
drückHch bezeugt ist '^). Aber auch die nachmaligen bedeutenderen
Römerorte wie Ovilava, Lauriacum, Vindobona und viele kleinere
waren gewifs schon in der Keltenzeit besiedelt. Haben sich die
Städtenamen nur während der Römerherrschaft erhalten und sind
sie später durch deutsche abgelöst worden, so haben die hervor-
ragenden Bodenerhebungen und namentlich die gröfseren Flufs-
läufe das Andenken der Kelten als ihrer ersten Namensgeber bis
auf die lebendige Gegenwart bewahrt: die Alpen, die Donau, der
Inn, die Traun, die Ischl, die Albe, die Enns, die Ips, die Erlaf,
der Kamp, die Traisen, die Tulln ^).
Mit den Kelten treten endlich unsere Länder aus dem Dunkel
der Frühzeit, welches nach mehrtausendjähriger Undurchdringlich-
keit erst durch eine vorgeschrittene Forschung der Gegenwart
einigermafsen erhellt worden, die mühsam aus den in der Erde
1) Auch darin zeigt sich der Gegensatz zu den Germanen, welche städtischen
Ansiedelungen abhold waren.
2) Vellejus Paterculus 11, 109 nennt Carnuntum schon zur Zeit des
Tiberius einen locus regni Norici. Die nicht römische Herkunft des Namens
bezeugt auch die übliche Schreibweise Karnuntum. Die Münzfunde reichen hier
bis ins 3. Jahrhundert vor Christus zurück.
3) Siehe aufser verstreut in den später noch anzuführenden Werken von
Zeufs, Müllenhofif u. a. F icke r, Die Lokalnamen der Kelten (Mitt. d. k. k.
geograph. Gesellsch. in Wien 1861) und Müller, Altdeutsche Ortsnamenkunde
(Bl. d. Ver. f. Landesk. XX, 1886 f.). Es gab eine Zeit vor etwa 30—40 Jahren,
da man mit den keltischen Etymologien viel Unfug trieb und fast alle alter-
tümlich oder unverständlich klingenden Lokalnamen der Alpenländar für keltisch
erklärte (ich erinnere für Niederösterreich an die Arbeiten von Vincenz Göhlert).
Später ist man in das entgegengesetzte Extrem verfallen. Ich sehe aber nicht
■ein, warum man nicht jene Stämme, welche sich weder aus dem Deutschen,
aoch aus dem Slavischen erklären lassen, den Bewohnern vor diesen beiden
Völkerschaften, also den Kelten zuschreiben soU.
44 Erstes Kapitel.
Schofs glücklieli verwahrt gebliebenen Übei-resten auf indirektem
Wege ein beiläufiges Bild des Einst konstruieren mufs, hervor in
das hellere Licht der historisch - politischen Entwickelung, welche
schon seit Jahrhunderten die Mittelmeerländer miteinander ver-
bunden hatte und durch die Geschichtschreiber Grriechenlands und
Roms der Nachwelt überliefert worden ist.
Nachdem die Kelten die nicht immer angenehme Bekannt-
schaft der römischen Kaufleute und Spekulanten gemacht, gerieten
sie allmählich auch in den Bannkreis der römischen Eroberungs-
politik, welche seit dem Jahre 183 v. Chr. durch die Gründung
von Aquileja einen Stützpunkt für alle Operationen nördlich der
Alpen gewonnen hatte. Die illyrischen lapoden und die Karner
wurden in der Zeit von 129 — 115 v. Chr. unterworfen und wahr-
scheinlich schon damals mit den nunmehr benachbarten Norikern
ein Freundschaftsbund in der Form des publicum Hospitium ge-
schlossen '). Ein unerwartetes Ereignis schien bald darauf eine
willkommene Handhabe für die Einmischung der Römer in die
norischen Angelegenheiten zu bieten. Ein germanischer Stamm,
die Kimbern , vermutlich durch ein Naturereignis (Sturmflut) aus
ihrer Heimat in Jütland vertrieben, war nach dem Süden auf-
gebrochen, um sich neue Wohnsitze zu suchen. Er stiefs zuerst
auf die Bojer in Böhmen, welche sich jedoch des Durchzuges zu
erwehren vermochten. Gegen Osten abgedrängt, zogen die Kimbern
nunmehr die Bernsteinstrafse entlang, übersetzten die Donau und
fielen in norisches Gebiet ein. In ihrer Not wendeten sich die
Noriker an ihre neuen ., Gastfreunde", welche ihnen auch in der
Tat den Prokonsul Gn. Papirius Carbo zu Hilfe schickten. Bei
Noreja kam es im Jahre 113 v. Chr. zu einer Schlacht, in welcher
die vereinigten Kelten und Römer zum ersten Male durch das
vordem unbekannte Volk der Germanen , durch die nordischen
Barbaren, besiegt wurden. Allerdings änderten die Kimbern, welche
mit Familie und Habe wandernd offenbar eine friedliche Land-
nahme ersehnten, infolge des Widerstandes abermals die Richtung
ihres Zuges und wandten sich gegen Nordwesten, umgingen die
1) Appiau Celt. 13 bezeichnet die Noriker zur Zeit, da ihnen Gn. Papirius-
Car'Uo zu Hilfe kam, ausdriicklicli als ,,'Pww«/'oji' ^i'vovg övrag".
Vorrömische Kulturperiodeu. 45
Alpen und versuchten erst nach Vereinigung mit den Teutonen
am Rhein einen neuen Vorstofs gegen Süden die Rhone entlang.
Die Noriker waren dadurch nicht nur von der germanischen
Invasion befreit , sondern auch die Römer durch die folgenden
Ereignisse auf lange Zeit von ihren Absichten auf die Alpenländer
abgelenkt. Dafür machte die innere Zersetzung der keltischen
Reiche während dieser Zeit rasche Fortschritte. Der heftige An-
prall der germanischen Völkerwoge scheint die kriegsentwöhnten
Keltenstaaten in ihren Grundfesten unterwaschen zu haben. Ver-
mutlich kamen die durch die Durchwanderung der Kimbern in
ihren Sitzen aufgestörten germanischen Stämme an der nördlichen
Grenze auch nach deren Abzüge nicht zur Ruhe, und die Bojer
fühlten sich in ihrem Lande nicht mehr sicher. So verliefsen sie
denn, wahrscheinlich nicht mit einem Male, sondern in mehreren
Abteilungen im Laufe der letzten sechziger Jahre vor Christi Ge-
burt ihre Heimat und nahmen die Richtung gegen Süden. Wieder
waren die Noriker die zunächst Bedrohten, Noreja kam zum zweiten
Male in Gefahr. Nur mit Mühe vermochte man sich der Land-
suchenden zu erwehren. Ein Teil wurde nach dem Westen ab-
gedrängt, wo er sich in der Stärke von 32 000 Mann mit den
Helvetiern unter Orgetorix verband und mit diesen von Cäsar im
Jahre 59 v. Chr. bei Bibracte besiegt wurde. Andere Bojer sie-
delten sich östlich von Noricum am Plattensee an, wurden aber
wenige Jahre später (bald nach 57 v. Chr.) von den Dakern und
Pannoniern, welche sie wohl auch nur als unliebsame Eindring-
linge betrachteten, unter dem König Boerbistes gänzlich vernichtet,
so dafs dieses Gebiet noch bis in die Römerzeit den Namen
„Bojer wüste'' behielt ').
Die Noriker, welche damals König Critasirus beherrschte,
wurden bei dieser Niederlage der Bojer, denen sie im Augenblicke
der Gefahr freundnachbarliche Hilfe geleistet, abermals in Mit-
1) Es soll hier nicht verschwiegen werden, dafs die Geschichte der Bojer-
wanderiing keineswegs klar ist. Ich schliefse mich im wesentlichen an Bach-
mann, Die Kelten im Norden der Donau (siehe oben) und Geschichte Böhmens I.
(Gotha 1899) au, welcher die spärlichen Nachrichten am eingehendsten unter-
sucht und die Ereignisse möglichst plausibel miteinander zu verbinden ge-
wufst hat.
46 Erstes Kapitel.
leidenschaft gezogen. Alle diese schweren Schädigungen seit dem
Kimberneinfall dürften auch einen wirtschaftlichen Niedergang be-
wirkt haben; das einst so blühende liallstatt hatte in dieser Zeit
seine Bedeutung verloren.
Die freundlichen Beziehungen Noricums zu Rom blieben wohl
noch immer aufrecht — König Voccio *), dessen Tochter die zweite
Gemahlin Ariovists war, sendete im Jahre 49 v. Chr. Cäsar 300
Reiter zur Verstärkung — , aber der Handel ging, vermutlich
wegen der gefährdeten Handelsstrafsen , vielleicht auch weil die
Römer sich unterdessen so viele andere Gebiete erschlossen hatten,
wohl schon damals sehr zurück ^). So war es nur mehr eine
Frage der Zeit, wann die erschöpften Alpenländer den über-
mächtigen Nachbarn zur Beute werden würden. Diese Zeit kam,
als Octavianus nach blutiger Beendigung der langwierigen Bürger-
kriege nun endlich die Eroberungspolitik Cäsars wieder aufnehmen
konnte.
Schon im Jahre .35 hatte er durch die definitive Unterwerfung
Illyriens und der Gebiete an der unteren Donau die Operations-
basis für die folgenden Unternehmungen im Norden der Apenninen-
halbinsel gewonnen. Die Alpenvölker sahen ihr Verderben vor
Augen, wenn sie die Ausbreitung der römischen Macht noch länger
untätig vor sich gehen liefsen. Im Jahre 16 v. Chr. brachen
die Existenzkämpfe in Istrien aus, das P. Silius jedoch bald er-
obert hatte. Im folgenden Jahre erlagen einem kombinierten Feld-
zug der Stiefsöhne Oktavians, Tiberius' und Drusus', die Alpen-
1) Es ist für die Chronologie durchaus nicht nötig, mit Jung, Die roma-
nischen Landschaften des römischen Reiches , zwei Könige gleichen Namens an-
zunehmen. Die Familienverbindung mit Äriovist wurde nach einer ansprechenden
Vermutung Bachmanns (Gesch. Böhmens I) zum Zwecke der Abwehr der Bojer
geschlossen.
2) Zur Zeit des Kaisers Nero wurde ein römischer Eitter ausgesendet, um
die Handelsgelegenheiten im germanischen Norden an der alten Bernsteinstrafse
zu erforschen. Das beweist eine Unterbrechung derselben seit Menschengedenken,
so dafs eben nur eine Kenntnis vom Hörensagen übrig geblieben. — Auch dafs
die Eömer sich zuerst nach Gallien und an den Rhein wendeten und dann ge-
wissermafsen aus taktischer Notwendigkeit die Alpenländer annektierten, scheint
darauf hinzudeuten , dafs deren Besitz nicht mehr so verlockend wie ehedem
erschien.
Vorrömische Kulturperioden. 47
kelten, welche von zwei Seiten umklammert wurden. Nur die
Rhätier scheinen einen hartnäckigeren Widerstand geleistet zu
haben ^), alle übrigen streckten die Waffen und opferten ruhm-
los ihre Selbständigkeit, um in dem römischen Weltreich auf-
zugehen ^).
1) Die Darstellung bei Horaz, Oden I, 16, 9 im Lichte eines Helden-
kampfes ist wohl nur eine liebedienerische Übertreibung des Hofpoeten. Die
Historiker wissen davon nichts. — In der Inschrift des Triumphbogens, welche^-
im Jahre 7 v. Chr. nach den Kämpfen zu Torbia (Seealpen) errichtet wurde,
fehlen unter den besiegten Völkern die Noriker mit Ausnahme der Ambisontier,
woraus man gleichfalls darauf schliefsen kann , dafs sie keinen Widerstand ge-
leistet (Plinius III, 20, 136).
2) Über die Keltenzeit in den österreichischen Ländern siehe auch B ü -
dinger, Krones, Huber, Strakosch-Grafsmann. Die beste und ein-
gehendste Darstellung bei Kämmel a. a. 0., S. 7 — 39. Aufserdem sind die
bereits angeführten Einzeluntersuchungen, besonders Bachraann, und der noch
immer im grofsen und ganzen nicht überholte Zeufs, Die Deutschen und ihre
Nachbarstämme (München 1837) heranzuziehen. Vgl. auch Jirecek, Unser
Reich vor 2000 Jahren (Wien 1893) und : Unser Reich zur Zeit der Geburt Christi
(Wien 1896).
Zweites KapiteL
Die römische Militärgrenze an der Donau.
Die Gewinnung der Alpenländer war für die Römer haupt-
sächlich eine unabweisliche strategische Forderung. Wollten sie
die reichen Gefilde Galliens behaupten, wollten sie die gefährlichen
Völkerschaften Gerraaniens auf die Dauer im Zaume halten, so
mufsten sie in der Flanke gedeckt sein. Das hatte schon Cäsar
ins Auge gefafst^), das mufste Augustus durchführen, als er die
Eroberungspläne seines grofsen Oheims wieder aufnahm. Durch
die Annexion der Alpenländer war mit der Donau eine aus-
gezeichnete natürliche Grenze erreicht, aber Augustus' Politik war
damals noch viel weiter ausblickend, als dafs ihm dies genügt
hätte. Seit dem Jahre 12 v. Chr. hatte seine Herrschaft am Rhein
und an der Weser festen Fufs gefafst, aber östlich davon und
zugleich nun im Süden in unmittelbarer Grenznachbarschaft der
Römer an der Donau war ein neues Reich entstanden, an dessen
Spitze ein Mann stand, welcher, in Rom erzogen und mit römischer
Staatskunst vertraut, ihm eine staatliche Organisation gegeben,
die bisher den germanischen Stämmen fremd gewesen ^). Dieser
Mann war Marbod, welcher die Markomannen, den am weitesten
nach Süden vorgeschobenen Stamm der Germanen 3), aus ihren
bisherigen, aber nunmehr stark bedrohten Sitzen am Main im
1) Caesar de heUo Gall. II, 35; III, 7.
2) Sogar eine Art Armee hatte sich Marbod gebildet und gegen germa-
nische Gewohnheit eine befestigte Stadt gegründet, welche nach Strabo Bouiamon,
nach Ptolemäus Maroboudon hiefs.
3) Daher ihr Name Mark- mannen = Grenzmaunen.
Die römische Militärgrenze an der Donau. 49
Jahre 9 v. Chr. in das entvölkerte Boierheira geführt hatte. Das
von ihm eingerichtete Staatsgebilde wieder zu brechen, schien in
zweifacher Hinsicht im Interesse der römischen Politik gelegen.
Einerseits konnte gerade die so unmittelbare Nachbarschaft eines
zwischen die römische Donau- und Rheinlinie eingeschobenen
mächtigeren Staatswesens leicht gefährlich werden, andererseits
wäre die Besetzung Böhmens die beste dauernde Deckung für die
llheinlande, ein weiterer Vorstofs gegen die Macht der unruhigen
und immer wieder zu fürchtenden Germanen gewesen. Wieder
sollte ein kombinierter Angriff vom Westen und Süden an das
Ziel führen, die Elbe als Reichsgrenze zu gewinnen. Schon hatte
im Jahre 6 n. Chr. Tiberius bei Carnuntum die Donau über-
schritten, als in seinem Rücken die Pannonier und Dalmater sich
erhoben. Der Aufstand war diesmal umfangreicher und besser
organisiert wie die früheren. Vermutlich hatte Marbod ihn ins
Werk gesetzt, um den Vernichtungsstreich von seinem Reiche ab-
zuwenden, jedenfalls war es jetzt gerettet, denn Tiberius mufste
an die Save eilen, um das bedrohte, von Truppen entblöfste Italien
zu schirmen. Freilich erwies sich Marbod in diesem Augenblick
als ebenso kurzsichtiger, unentschlossener Politiker, dem die Gabe
der kühnen Tat mangelte, wie einige Jahre später bei der Er-
hebung der Cherusker unter Arminius. Er begnügte sich damit,
die Gefahr abgewendet zu haben, und schlofs mit den Römern
Frieden, statt im Vereine mit Pannoniern und Kelten die Herr-
schaft der Römer in den Alpen- und Donauländern unmöghch zu
machen. Die Kämpfe der Germanen vor der Landsuche der
Völkerwanderung sind eben blofse Abwehrkämpfe, denen die Ab-
sicht, fremdes Gebiet zu erobern, ferne lag.
Auch die Alpenkelten spielten dieselbe unrühmliche Rolle wie
bei ihren eigenen Existenzkämpfen. Die Noriker waren den Römern
■eigentlich verpflichtet, denn diese hatten ihr Gebiet nicht zur Pro-
vinz gemacht, sondern ihnen als Erkenntlichkeit für ihre wider-
standslose Unterwerfung eine gewisse Schattenselbständigkeit ge-
lassen. Das „Königreich Noricum" und seine Gaufürsten blieben
•vorläufig bestehen ^). Wohl hatte Marbod und die pannonischen
1) Römische Schriftsteller bedienen sich selbst nach der Einverleibung des
iiaudes in das Imperium noch bis in den Anfang des 2. Jahrhunderts neben
Vancsa, Geschichte Nieder- u. Oberösterreichs. 4
50 Zweites Kapitel.
Rebellen auch mit den nächstwohnenden norischen Gauen im
Wiener Becken Fühlung gewonnen, unter denen besonders Fürst
Biatec eine hervorragendere Stellung eingenommen zu haben scheint ^),
aber zu einer wirklichen Erhebung vermochten sich die Noriker
nicht aufzuraffen, so günstig auch die Aussichten dafür stehen
mochten.
Die Römer konnten also ungestört ihre ganze Macht der
Niederwerfung des pannonischen Aufstandes .zuwenden, welche
trotzdem erst nach nahezu vierjährigem blutigen Ringen, das man
in Rom den punischen Kriegen zur Seite stellte, gelang. Den Er-
oberern, denen vor wenigen Jahren die keltischen Alpenländer so
mühelos in den Schofs gefallen, lag der Schrecken in allen Gliedern,
der noch wuchs, als dasselbe Jahr 9 n. Chr., in welchem endhch
dieser erbitterte Krieg beigelegt war, die Erhebungen in Deutsch-
land unter dem kühnen Arminius und als tiefste Erniedrigung die
Niederlage des Varus bescherte. Alle diese schHmmen Erfahrungen
bestimmten die Römer, ihrer Eroberungspolitik auf germanischem
Boden ein Ziel zu setzen — es sollte für immer sein! Aber im
Besitze des Gewonnenen behaupteten sie sich trotz mancher Stürme
noch vier Jahrhunderte. Das verdankten sie ihrer ausgebildeten
mihtärischen Organisation, die aus den Donau- und Alpenländern
ein festes Bollwerk gegen Norden schuf Mit seinem Zusammen-
bruche stürzte auch das Römerreich.
In der nächsten Zeit nach dem pannonischen Aufstande war
man nicht nur von allen Eroberungsplänen abgekommen, sondern
der Bezeichnung Provincia der alten Benennung „regnum Noricum". (Velleju^
Paterculus und Sueton).
1) Diese Annahme gründet sich freilich nur auf Miinzfunde. Immerhin
hat Kenner, Der Münzfund von Siramering (Numismatische Zeitschr. XXVII,
57, 1895), es ziemlich wahrscheinlich zu machen gewufst, dafs diese Münzen,
welche die Namen von zwölf keltischen Fürsten überliefern , unter denen Biatec-
eine gewisse Oberstellung eingenommen haben dürfte, da sie nur zwischen 48
vor und 20 nach Chr. entstanden sein können und ganz abweichend von den
älteren keltischen Münzen keinerlei Berührung mit den damals gangbaren römi-
schen zeigen, dafür aber im Gewichte mit den germanischen, und da auch im.
benachbarten Pannonien derlei Stücke sich finden, nur zu einer Zeit geprägt
worden sein können, als man mit den Eomern auf feindlichem Fufse stand, da-
gegen nahe Beziehungen zu den Germanen und Pannoniern unterhielt.
Die römische Militärgrenze an der Donau. 51
nützte auch das Gewonnene nur wenig aus, um nicht durch allzu
grofse Zersplitterung der Kräfte abermals ähnliche Gefahren wie
im Jahre 6 heraufzubeschwören. So viel hatte man aus dem
Verlaufe des Aufstandes ersehen, dafs man von den Norikern nichts
zu fürchten hatte, und dafs auch die Germanen kaum eine Offen-
sive über die Donau unternehmen würden. Ja, die Ereignisse
der nächsten Jahre gestalteten sich im Norden der Donau so günstig
für die Römer, dafs selbst der Schatten einer solchen Gefahr,
deren man sich von einem Manne wie Marbod hätte noch immer-
hin versehen können, schwand. Schon seine zweideutige und
unentschlossene Haltung bei der germanischen Erhebung unter
Arminius hatte sein Ansehen in seinem Reiche stark untergraben.
Vielleicht wühlten auch die Römer unter dem Volke gegen ihn.
So gelang es einem jungen Gothen Catualda, den persönliches
Rachegefühl leitete, ihn zu stürzen (19 n. Chr.). Marbod überlieferte
sich den Römern, um nach seinem nationalen Herrschertraum in
dem Lande, dem er einst seine politische Erziehung verdankte,
in ehrenvoller Gefangenschaft seine Tage zu beschliefsen. übrigens
genofs Catualda die Früchte seiner Usurpation nur kurze Zeit.
Von dem Hermundurenfürsten Vibellius verjagt floh er gleichfalls
zu den Römern; seine Gefolgsleute wurden zusammen mit jenen
des Marbod von den Römern im Osten der March bis zum Cusus ^)
1) Dieser Flufs hat bei den Historikern zahlreiche Erklärungen gefunden.
Früher hielt man ihn für die Gran, worunter jetzt Eudolf Much (Beitr. z. Gesch.
d. deutsch. Spraclie u. Lit. XVII, 132) die Duria versteht; Zeufs, dem auch
Bachmann folgt, deutet ihn als Waag, Müllenhoff, welcher die Waag mit
der Duria identifiziert, erklärt ihn für die Eipel, Kralicek, Die Donauvölker
Altgermaniens (.Jahresb. der deutschen Ober-Eealschule in Brunn 1896/97), stellt
die Vermutung auf, dafs beide Namen, Cusus und Duria, ein und denselben
Flufs, nämlich die Waag bezeichnen und weist darauf hin, dafs noch heute ein
Zuflufs derselben Kysuca, ein anderer Thuraz (Diminutiva von Kysa und Tur)
heilst; Mommsen glaubt ihn in der heutigen oberösterreichischen Gusen wieder-
zufinden und begegnet sich damit merkwürdigerweise mit dem älteren Pritz, (Ge-
schichte des Landes ob der Enns I), vermutlich ohne diesen zu kennen. Diese Ab-
leitung ist jedoch, wie Richard M ü 1 1 e r (Blätter des Ver. f. Landesk. XXII, 53, 1888),
der sich im übrigen an Müllenhoff anschliefst, zeigte, aus sprachliclien Gründen
unmöglich und auch topographisch kaum haltbar. Dagegen hat in neuester Zeit
Domaszewski (Petersen, Domaszewski, Calderini, Die Markussäule
auf Piazza Colonna in Rom, München 1896 105 f.) den Gedanken Mommsens,
4*
58 Zweites Kapitel.
im Anschlufs an das Quadenreich und unter Oberherrschaft des-
selben angesiedelt, das indessen in Mähren und im nördlichen
Niederösterreich entstanden war und unter Vannius, wie es scheint,
bereits — vielleicht schon als Tiberius den Angriff gegen Marbod
plante — in freundschaftlichere Beziehungen zu den Römern getreten
war. Es hatte sich hier ein römischer Klientelstaat gebildet, und
als Vannius nach SOjähriger Regierung im Jahre 50 durch seine
Neffen Sido und Vangio gestürzt wurde, teilten die Römer sein
Reich zwischen diesen beiden. So waren unter der Einwirkung
römischer Politik die germanischen Stämme im Norden der Donau,
wo noch vor einem halben Jahrhundert das konsoHdierte Reich
Marbods gefahrdrohend sich ausdehnte, zersplittert und in Ab-
hängigkeit von Rom geraten ^).
Ganz anders lagen die Dinge in Pannonien. Dessen Stämme,
welche schon im Jahrhundert vor Christi Geburt den Römern
wiederholt zu schaffen gemacht und im Aufstande der Jahre 6
bis 9 n. Chr. sich so schwer überwindlich gezeigt hatten, schienen
weit mehr zu fürchten als Kelten und Germanen. Diese Sachlage
bestimmte die Römer,' zunächst die Donauländer aufser acht zu
lassen und dafür alles an die Befestigung der für die Beherr-
schung der mittleren und unteren Donau so wichtigen Savelinie
zu wenden.
Erst unter Kaiser Claudius (41—54) wurde das Imperium
wieder bis zur Donaugrenze ausgedehnt. Vielleicht gab die Bewegung
in den bis dahin ruhigen germanischen Klientelstaaten — die Usur-
pation des Sido und Vangio, obwohl sie von den Römern nach-
träglich zu ihren Gunsten gewendet wurde, war ja doch gegen
den Casus nicht im Osten von der March zu suchen, wieder aufgegriffen und
nimmt die Thaya dafür in Anspruch. Ich glaube aber, dafs es mit den späteren
Ereignissen schwer vereinbar ist, dafs die Sueben der Gefolgschaft Marbods und
Catualdas zwischen den Markomannen und Quaden einer- und der Donau anderer-
seits gesessen wären. Über die Quaden und andere am linken Donauufer ge-
nannte Stämme siehe das nächste Kapitel.
1) Die Germanen des Klientelstaates scheinen speziell mit dem Namen
Suevi bezeichnet worden zu sein. DieAbhängigkeit bezog sich in erster Linie auf
die Oktroierung der Könige und auf die Heeresfolge. Sueben leisteten Kaiser
Nero sogar im spanischen Kriege Hilfe.
Die römische Militärgrenze an der Donau. 53
einen Getreuen des Römerreiches gerichtet — den Anstofs dazu ^).
Es war eigentHch selbstverständlich, dafs man zum militärischen
Stützpunkt Carnuntum wählte, das nicht nur den wichtigen Donau-
übergang an der alten Bernsteinstrafse, sondern auch die sich
gegen Osten öffnende Ebene beherrschte, und dessen hohe Be-
deutung schon wiederholt klar zutage getreten war. Durch Grün-
dung oder Befestigung der wichtigen Orte Emona (Laibach), Celeja
(Cilli), Poetovio (Pettau), Sabaria (Stein amanger) und Scarabantia
(Odenburg) sicherte man ferner nicht nur die Verbindung der
nördlichen Donau mit der Save, sondern hielt auch die Seitentäler
in Schach. Endlich wurde nach der Regel der römischen Be-
festigungskunst in der Nähe der Festung Carnuntum in Vindobona
ein Kastell zur Deckung der Flanke errichtet ^) und damals zum
ersten Male der Strom durch eine Flotte geschützt ^).
Die Wiederbesetzung Noricums war übrigens diesmal nicht
lediglich eine militärische Mafsregel, sondern vielmehr eine finan-
zielle. Kaiser Caligula hatte durch seine Verschwendungssucht
die Staatskassen derart erschöpft, dafs sein Nachfolger bestrebt
sein mufste, neue Einnahmequellen zu finden. So wurde denn
Noricum, das trotz seines Verfalls noch immer gute Ausbeute
versprach, für eine kaiserliche Provinz erklärt und unter einen
Prokurator, einen kaiserlichen Beamten von ritterlichem Range,
weicher in erster Linie Finanzbeamter war, obwohl er auch das
1) So nach der ausprecheuden Vermutung Kenners (Noricum und Pan-
nonien S. 14).
2) Über das rein Historische bezüglich Vindobona siehe jetzt am besten
Domaszewski in der vom Altertumsvereine herausgegebenen Geschichte der
Stadt Wien I, 37, 1897. Über das Topographische, auf das ich aber im Eahmen
der allgemeinen Darstellung nicht eingehen kann, Kenner an demselben Orte
S. 42, welcher die älteren Ansichten Caraesinas und Hauslabs kritisiert
und auf Grund der zahlreichen neuen Funde wesentlich erweitert. Übrigens
gebührt das Verdienst, zuerst auf dieser Grundlage Klarheit in die Sache ge-
bracht zu haben, Kubitschek, Vindobona (Xenia Austriaca, Festgabe zur
42. Versammlung deutscher Philologen und Schulmänner 1893). Von älteren
Arbeiten vgl. noch Kenner, Vindobona (Ber. u. Mitt. d. Altertumsver. IX, 150,
1865) und die treffliche Übersicht von Anton Mayer, Der neueste Stand der
Frage über die räumliche Entwickelung Wiens bis zum Schlufs des 13. Jahr-
hunderts (BI. d. Ver. f. Landesk. XI, 391, 1877; XII, 211, 1878).
3) Tacitus Annal. XII, 29. 30.
54 Zweites Kapitel.
Ricliteramt und den Oberbefehl über die Truppen ausübte, ge-
stellt. Damit waren noch immer gar manche Begünstigungen
für die Noriker, die sich den Ruf braver Untertanen und Steuer-
zahler erwarben *), verbunden. Militärisch wurde das Land west-
hch vom Wiener Becken nur mit kleineren Truppenkörpern be-
setzt, denn die benachbarten Markomannen schienen nicht gefahrlich
und die Donaugrenze durch die im Norden derselben sich aus-
dehnenden Urwälder und die steil abfallenden Ufer genugsam
geschützt ^).
Da also Noricum vorwiegend einen nichtmilitärischen Cha-
rakter trug, so mufste sich alsbald das praktische Bedürfnis heraus-
bilden, die wichtige Festung Carnuntum mit ihrem Kastell Vindobona,
welche eigentlich die Fortsetzung der pannonischen Ebene be-
herrschten, aus dem Machtbereich des kaiserlichen Privatbeamten
auszuscheiden und gleich den anderen Festungen der Savelinie
und deren Verbindung mit der Donau, wozu sie ja gehörte, unter
das Kommando des Legaten von Pannonien, der Militärprovinz
VMT tloyJ]v, zu stellen. Den Anstofs gab die grofse Unsicherheit,
welche besonders nach Neros Tode (68) an der gesamten Donau-
1) Strabo IV, 206.
2) Über die militärischen Verhältnisse in unseren Gegenden siehe aufser
den eingangs erwähnten Hauptwerken, welche auch darüber das Beste ent-
halten, folgende Arbeiten Aschbachs, Die britannischen AuxiLartruppen in den
römischen Donauländeru (Jahrb. f. vaterl. Gesch. I, 243, 1861); Über die lömi-
schen Militärstationen in Ufernoricum zwischen Lauriacum und Vindobona, nebst
einer Untersuchung über die Lage der römischen Stadt Faviana (Sitzungsber.
d. k. Akademie d. Wissensch. , phü.-hist. Kl. XXXV, If.) und Das römische
Heerwesen in Pannonien (Ber. u. Mitt. d. Altertumsvereines X, 200, 1869).
Doch kann das, was er über eine militärische Ausnahmestellung der Noriker
behauptet hat (Besetzung des Landes mit einheimischen Soldaten, Aufnahme
der Noriker in die Prätorianergarde) , nach den seither gewonnenen Forschungs-
ergebnissen über die Konskription im römischen Reiche (vgl. Mommsen im
Hermes XIX) nicht mehr als etwas besonderes gelten. Die augebUche Gründung
von Arelape oder Arelate als Kolonie von Veteranen der in Arles liegenden
VI. Legion durch K. Claudius beruht nur auf einer früheren unrichtigen Lesung
der Inschrift C I L. III, 1, Nr. 258, siehe Kubitschek in den Nachträgen
Nr. 13531; immerhin dürfte dieser Ort zu den ältesten ßömerorten gehören.
Aschbacü schreibt auch die Gründung von Joviacum (Schlögen) K. Claudius zu,
ohne es jedoch beweisen zu können.
Die römische Militärgrecze an der Donau. 55
grenze Platz griff. Die Markomannen, lazygier und Daker be-
nutzten die folgenden Bürgerkriege, während welcher Pannonien
fast ganz von Truppen entblöfst wurde, zu verschiedenen Ein-
fällen in römisches Gebiet. Sobald daher in Vespasian wieder ein
kräftiger und militärisch hervorragend geschulter Kaiser an die
Spitze des Reiches trat, war seine erste Sorge, an der Donau-
grenze einmal gründlich Wandel zu schaffen. Nachdem schon
vorher zwei Legionen nach Carnuntum und Vindobona gelegt
worden waren, nämlich die XV. Apollinaris und die XIII. Ge-
mina, wurde gleichzeitig mit einer ausgiebigen Befestigung der
mittleren und untei'en Donau gegen die Daker das Gebiet von
Nox'icum östlich einer Linie, ungefähr von der Donau oberhalb
Klosterneuburg beginnend und längs des Wiener Waldes verlaufend,
zur Provinz Pannonien geschlagen, deren Statthalter nunmehr seinen
Sitz in Carnuntum erhielt. Vindobona wurde übrigens noch durch
ein Grenzkastell oberhalb des heutigen Klosterneuburg (Asturis)
gedeckt und einige andere Befestigungen Ala nova (Schwechat),
Villa Gai (Simmering oder Mannswörth) und Aequinoctium (Fisch-
amend) zwischen Vindobona und Carnuntum angelegt, endlich
auch die Flotte neu organisiert ^). Die Donaustrecke Noricums
dürfte dafür, wenn auch nicht unter Vespasian, so doch in der
nächsteji Folgezeit, mit einer Reihe kleinerer Kastelle oder Posten,
in welche die verfügbaren Auxilien verlegt wurden, geschützt
worden sein ^).
Die Entwickelung der Begebenheiten in den nächsten hundert
Jahren war ganz danach angetan, die Wichtigkeit auch der nörd-
lichen Donaulinie darzulegen und zu beweisen, dafs die germa-
nische Frage trotz der klugen römischen Politik keineswegs aus
der Welt geschafft war. Schon unter Domitian gab es um das
1) Sie hiefs daher ausdrüctlicli Classis Flavia. Corp. Inscr. Latin. III,
Nr. 4025, 431Ü.
2) Kenner (Noricum und Pannonien 22), welcher nahezu alle Kömerorte
Ton Vindobona bis Lentia als Gründungen der flanschen Zeit in Anspruch
nimmt, dürfte darin wohl viel zu weit gehen. Einige sind gewifs erst später
entstanden. Sichere Nachrichten über ihre Existenz haben wir von den meisten
leider erst aus der ersten Hälfte des 4. Jahrhunderts durch die noch zu er-
wähnende Tabula und die Itinerare.
56 Zweites Kajiitol.
Jahr 8G neue Unruhen im Markomannen- und Quadenlande. Die
Germanen baten die mächtigen ,, Freunde" um Hilfe gegen die
Lygier, welciie sie im Norden bedrängten, aber Domitian sandte
nur 100 Reiter. Sie vergalten daher Gleiches mit Gleichem und
leisteten dem Kaiser gegen die Daker keinen Zuzug. Immerhin
bekundeten sie durch eine zweimalige Gesandtschaft ihre friedliche
Gesinnung. Domitian hatte jedoch die Unklugheit, sie durch die
Tötung der Gesandten zu reizen, und mufste durch die Niederlage
seines Heeres dafür büfsen. Mit den Dakern vollauf beschäftigt,
vermochte er nichts dagegen zu tun, trotzdem die Markomannen
die Donau überschritten, sondern war im Gegenteil zu einem un-
günstigen Frieden genötigt '). Erst Trajan stellte das Ansehen
des Imperiums durch die Vernichtung des Dakerreiches wieder
her. Die neue Ausdehnung der Grenzen und die Notwendigkeit
ihrer Sicherung brachte eine militärische Verschiebung mit sich.
Pannonien wurde zwischen 102 und 107 in zwei Teile: superior
und inferior geteilt und nach Carnuntum, das nunmehr zu Ober-
pannonien gehörte, die XIV. Legion, nach Vindobona die X. ge-
mina als Besatzung gelegt. Kaiser Hadrian (117 — 138) zeigte
geringen militärischen Sinn 2), war aber dafür um zivile Grün-
dungen bemüht (die sogenannten älischen Gründungen). Unter
ihm wurden Carnuntum und Aelium Cetium (St. Polten) ^) Muni-
1) Noch Haih-ian mufste einen Tribut zahlen (Dio Cassits LXIX, 10).
2) Eine Abberufung der XIV. Legion von Carnuntum nach Fiexvim (Un-
garisch-Ältenburg) , die man ihm früher zur Last gelegt hat, scheint allerdings
nicht stattgefunden zu haben, denn wir besitzen jetzt auch Carnuntinische Funde
aus der fraglichen Periode, während in Ungarisch- Altenburg bisher keine Spur
eines Legionslagers entdeckt werden konnte.
3) Die Identifizierung von Aelium Cetium ist eine der meist umstrittenen
Fragen der österreichischen Topographie. Am häufigsten wurde es als Zeiscl-
mauer erklärt. Aschbach, dem ursprünglich auch Kenner folgte, stellte eine
sehr komplizierte und unwahrscheinliche Hypothese auf, wonach dieser Ort mehr-
mals den Namen gewechselt hätte. Mommsen hielt ihn für Mautern. Karamel
(im Anhang S. 319) hat die Erklärung: St. Polten gut begründet, welche schon
ältere Topographen wie Schönwiesner und Schaukegel vermutet, und Konner ist
schliefslich zu derselben Überzeugung gelangt. In jüngster Zeit hat endlich
auch Kubitschek auf Grund neuer Funde dieser Erklärung eine neue Stütze
gegeben (Archäol.- epigraphische Mitt. aus Öst.-Ungarn XVII, 156, 1894). Die
Frage dürfte somit zugunsten St. Pöltens erledigt sein.
Die römische Militärgrenze an der Donau. 57
zipien, letzteres wahrscheinlich überhaupt erst gegründet i). Mit
den Quaden wurden zwischen 140 und 143 von Antoninus Pius
die Klientelverträge erneuert ^). So schien für die Folgezeit kein
Grund zu ernsteren Besorgnissen an der oberen Donaugrenze vor-
handen zu sein.
Da traten ganz unerwartete, aufser der Berechnung liegende
Ereignisse ein, gegen welche sich die bisherigen Verteidigungs-
mafsregeln der Römer als zu schwach erwiesen, und welche über
zwei Jahrzehnte das Reich in einen der aufreibendsten Kriege
verwickelten ^). Übervölkerung d. h. die Unmöglichkeit, bei dem
damaligen Betrieb des Ackerbaues genügend Nahrung zu finden,
nötigte die germanischen Stämme im Norden, neuen Nährboden im
Süden zu suchen, von welchem wohl die Kunde seiner Reichtümer,
seines behaghchen Lebens, seines blühenden Anbaues in die Ferne
1) Es geht doch wohl nicht an, mit Hirsch feld die Verleihung der
Munizipalität au Vindobona vor die an Carnuntum , nämlich unter die Flavier
zu verlegen. Dagegen auch Domaszewski a. a. 0.
2) Kenner, Noricum und Pannonien, S. 43, schliefst dies aus Münzen dieser
Jahre, welche die Aufschrift „Rex Quadis datus" tragen.
3) Über die nun folgenden sogenannten Markomannenkriege, bei denen
besonders die Aufeinanderfolge der Ereignisse sehr schwer festzustellen ist, vgl.
aufser dem älteren Wittmann, Älteste Geschichte der Markomannen (Abhand!.
d. bayr. Akad. d. Wissensch. 1855) und Kenner, Noricum und Pannonien, S. 43 ff.,
sowie einem Prograramaufsatz (Neu-Ptuppin 1889) von Conrad, Mark Aureis
Markomannenkrieg, insbesondere Wietersheim, Geschichte der Völkerwande-
rung, 2. Aufl. bearbeitet von Dahn (Leipzig 1880) und Dettmer, Geschichte
des Markomannischen Krieges (B'orsch. z. deutschen Gesch. XII), und in neuester
Zeit die gediegene kurze Zusammenfassung M o ra m s e n s als Einleitung zu Petersen,
Domaszewski, Galderini, Die Markussäule (siehe oben), der ich im wesent-
lichen gefolgt bin. Siehe aufserdem noch S w o b o d a , Vermutungen zur Chronologie
des sogenannten Markomannenkrieges (XVI. Jahresb. d. Realschule in Znaim 1887),
Domaszewski, Die Chronologie des bellum Germanicum et Sarmaticum (Neue
Heidelberger Jahrbücher V, 107, 1895) und Der Völkerbund des Markoraannen-
krieges (Serta Harteliana, Wien 1896, S. 8), Hermann, Politische Beziehungen
zwischen Römern und Germanen unter Mark Aurel (Jahresb. d. Landesgymn. in
St. Polten 1881/82). — Von den römischen Schriftstellern kommen eigentlich
nur Dio Cassius LXXI und LXXII, die jedoch nur in den Auszügen des Xiplii-
linus überliefert sind, und die Scriptores historiae Augustae (Vitae Marci, L. Veri
und Pertinacis) in Betracht. Dazu noch die Vita Commodi und die Vita Avidii
Cassii. — Zur Ergänzung sind die Müuz'.-u mit ihren Titeln sehr wichtig.
58 Zweitos Kapitel.
gedrungen sein mochte. Die Bewegung pflanzte sich naturgeraäfs
fort, rifs die Stämme in der Richtung des Zuges mit und schwoll
lawinenartig an. Schon im Jahre 161 ') begannen einzelne Trupps
über die Donau zu setzen und römisches Gebiet mit Plünderungen
heimzusuchen. Allmählich waren es nicht weniger als 25 Völker-
schaften, welche an den Kriegszügen teilnahmen. Es war zum
ersten Male, dafs sich germanische Stämme untereinander und zum
Teil mit sarmatischen zu einem Völkerbündnis und zu einem ein-
heitlichen Angriffskriege zusammenschlössen. Der Ansturm war
daher ein gewaltiger, unaufhaltsamer.
FreiUch konnte der unvorhergesehene Einbruch kaum zu einem
für Rom ungünstigeren Zeitpunkt erfolgen. Man war vollauf mit
dem Partherkrieg beschäftigt, in Italien heiTschten Hungersnot und
Seuchen und infolgedessen auch eine finanzielle Krise; die Verteidi-
gung war nicht nur an der norischen Uferstrecke ganz ungenügend,
sondern auch an der pannonischen durch die Dislokationen unter
Hadrian geschwächt, Reserven waren nicht vorhanden. So konnten
die Germanen, nachdem sie einmal die römischen Legionen unter
Furius Victorinus in Fannonien besiegt hatten, bis Aquileja vor-
dringen, ja als die beiden Kaiser Mark Aurel und L. Verus,
welche nach Beendigung des Partherkrieges (166) zur Offensive
übergehen wollten, infolge der Pest vor Aquileja wieder umkehren
mufsten, überschwemmten sie sogar die oberitalische Ebene. Die
Gefahr war so drohend, der Mangel an Mitteln und Mannschaften
so grofs, dafs Kaiser Mark Aurel den Kronschatz versteigerte und
Gladiatoren und Räuber als Soldaten verwendete, um nur die
Defensive halten zu können.
Ende 169 nach dem Tode des L. Verus übernahm Mark Aurel
allein den Oberbefehl, zwar selbst von geringer militärischer Be-
gabung, aber ein ruhiger, klarer Kopf und von Claudius Pompe-
janus, seinem Schwiegersohne, auf das beste unterstützt. Nach
langen Bemühungen , über die wir im einzelnen nicht unter-
richtet sind, gelang es ihm, die militärische Ordnung in Pannonien
wiederherzustellen — die Donaulinie dürfte wohl in der Zwischen-
zeit ganz preisgegeben gewesen sein — und endlich im Jahre 171
1) Nach einem Fragment des Dio Cassius bei Petrus Patricius.
Die römische Mi/itärgrenze an der Donau. 50
zur Offensive überzugehen, indem er bei Carnuntum die Donau
überschritt und längs der March vorrückend die Quaden in ihrem
eigenen Lande auf dem Marchfelde angriff '). Diese haben denn
auch zuerst ihren Frieden mit ihm gemacht, worauf im nächsten
Jahre die Markomannen besiegt werden konnten. Die Haupt-
bedingungen des Friedens dürften gewesen sein : Auslieferung der
massenhaften Gefangenen, Räumung einer bedeutenden Strecke
Landes jenseits der Donau und Wiederherstellung des Klientel-
verhältnisses durch Annahme eines von den Römern eingesetzten
Königs, Furtius, an Stelle ihres erwählten, Ariogäsus. Man er-
füllte sie jedoch nicht, und bald loderte das Feuer des Krieges
wieder empor. Es bedurfte neuer Kämpfe, neuen Blutvergiefsens,
einer schweren, wie durch ein Wunder gewonnenen Schlacht (174)^),
ehe Quaden, Markomannen und lazygen wieder besiegt und zu
einem zweiten Frieden gezwungen wurden.
Der Friede war darauf gerichtet, die drei Völkerschaften zu
1) Damit beginnt die Eeliefdarstellung der Markussäule in Kora , welche,
schon wiederholt zur Ergänzung der historischen Überlieferung herangezogen,
nunmehr durch das schon mehrfach zitierte Werk von Petersen, Doma-
szewski und Calderini eine eingehende Untersuchung erfahren hat.
2) Bei dieser — nur Doraaszewski will es ins Jahr 171 zurückverlegen —
ereignete sich nämlich das berühmt gewordene „R<5f?enwunder", d. h. dem Wasser-
mangel , unter welchem die römischen Soldaten furchtbar litten , wurde durch
einen Platzregen ein Ende bereitet und das dadurch gestärkte Heer errang den
Sieg. Während Dio Cassius LXXI, 8 das Wunder einem ägyptischen Wahrsager,
die Vita des Mark Aurel (c. 24) dem Jupiter pluvius zuschreibt, brachte es
schon TertuUiau mit der aus Christen gebildeten Legio fulminata in Zusammen-
hang, woraus dann in der Folge weitere Schlüsse für die Verbreitung des Ciiristen-
tums gezogen wurden. Die Unstichhaltigkeit dieses späten Berichtes und der
davon abgeleiteten Schlüsse hat bereits Wietersheim nachgewiesen. Vgl. Har-
nack (Sitzungsber. d. Berliner Akademie S. 835, 1894), welcher nochmals den
ganzen Bericht aufrechthalten will; Petersen (Mitt. d. röm. Institutes IX, 78,
1894); Domaszewski (Rheinisches Museum XLIX, 612, 1894), welche ihn
beide radikal verwerfen, und endlich wieder vermittelnd und zusammenfassend
Mommsen, Das Eegenwunder der Markussäule (Hermes XXX, 90, 1895).
Siehe jetzt auch Harnack, Die Mission und Ausbreitung des Christentumes
in den ersten drei Jahrhunderten (Leipzig 1903). — Bekannt ist auch die
Tatsache, dafs Mark Aurel im Winterlager des Jahres 174 zu Carnuntum das
zweite Buch seiner berühmten „Selbstbetrachtungen" geschrieben hat; es trägt
die Überschrift „r« Iv Kaovovvtn".
60 Zweites Kiipitd.
isolieren. Die Quadeu durl'ten weder den Markomannen noch den
lazygen Durchzug durch ihr Land gewähren. Den Handel wollten
die Römer aus eigenem Interesse nicht unterbinden, achteten aber
sti'enge darauf, dafs die drei Stämme nicht untereinander Handel
betrieben oder die römischen Marktplätze gemeinsam besuchten.
Das römische Gebiet durften sie nur an bestimmten Orten und nach
Ablegung der Waffen betreten. Den Marktverkehr beaufsichtigte
ein römischer Zenturio. Von der Donau sollten die Barbaren nun
ganz abgedrängt werden, die lazygen mufsten ein Gebiet von
zwei Meilen (76 Stadien), die Quaden und Markomannen von
einer Meile (der Hälfte des im ersten Frieden bedungenen) abtreten,
und dieses Gebiet wurde als Festungsgürtel mit einer Reihe von
Kastellen versehen, in welche 20 000 Mann als Besatzung gelegt
wiu'den M. Welche Verluste der Krieg die Römer gekostet hat,
kann man schon aus dem einzigen Umstände ersehen , dafs die
Quaden, nachdem sie bereits im ersten Frieden 13 000 Gefangene
entlassen hatten, jetzt noch weitere 50 000, die lazygen sogar
1 00 000 auslieferten.
Diese Bedingungen und die Bedrückungen, welche die Be-
satzung mit sich brachte, empfanden Namentlich die zunächst be-
troffenen Quaden derart schwer, dafs sie nach dem Norden aus-
wandern wollten. Mark Aurel liefs ihnen jedoch den Weg ver-
legen, denn er mochte von der Ansicht ausgehen, dafs es besser
sei, wenn in dem Lande, das jedenfalls durch seinen frucht-
baren Boden für die römischen Donauprovinzen von grofser wirt-
schafthcher Bedeutung war, ein durch Verträge gebundenes Volk
safs, als wenn es entvölkert und verödet wurde, was schwer zu
verhindern gewesen wäre, da es nach dem damaligen Stande der
Dinge vom Römerreiche aus kaum genügend kolonisiert Averden
konnte.
Auch sonst war die Gefahr durch den Frieden nur schlecht
beschwoi'en, denn kaum hatte sich der Kaiser im Jahre 176 dem
Kriegsschauplatze im Orient zugewendet, als auch schon wieder
die Völker an der Donau losbrachen, so dafs der Kaiser zur
1) In Niederösterreich reichen tatsächlich die Funde römischer Artefakte,.
insbesondere der Logionsziege], bis Stillfried und bis zum Leifserberg.
Die römische Militärgrenze an der Donau. 61
Rückkehr eilte. Doch war ihre Kraft bereits erschöpft, Nieder-
lage um Niederlage brachte sie an den Rand des Unterganges.
Ohne Zweifel fafste damals der kluge politische Blick Älark
Aureis die Ausdehnung der Grenzen des Römerreiches bis an die
Elbe noch einmal — zum letzten Male ins Auge, was ja schon
die früheren Friedensschlüsse angebahnt hatten ^). Vielleicht wäre
dadurch der Bestand der Weltmonarchie noch um Jahrhunderte
verlängert worden ; aber der Tod setzte seinem Leben und seinen
Plänen ein Ziel, am 17. März 180 ereilte er den Kaiser in Vindo-
bona ^).
Obwohl er seinem Sohne Commodus noch auf dem Sterbe-
bette die Durchführung seiner Lebensaufgabe empfohlen hatte, so
zog es diesen schlecht gearteten Spröfsling eines weisen und edlen
Vaters doch zu lebhaft nach den Freuden der Hauptstadt, um in
den ungastlichen Feldlagern an der Donau zu verweilen. Er ge-
währte daher den quadischen und markomannischen Gesandten im
Jahre 180 einen Frieden, welcher trotz der römischen Erfolge
eigentUch eine wesentliche Erleichterung der früheren Bedingungen
bedeutete. Die Marktsperre wurde nicht länger aufrechterhalten,
dagegen die übliche Volksversammlung der Germanen auf ein
Mal im Monat in einem bestimmten Orte festgesetzt, wobei ein
römischer Zenturio gewissermafsen als Regierungskommissar zu-
gegen sein sollte. Auch zur Stellung von Hilfstruppen wurden
die Germanen verpflichtet, wogegen die römischen Besatzungen
die festgesetzte Grenze nicht mehr überschreiten sollten: somit
war der status quo ante wieder hergestellt. Immerhin war durch
die schweren Verluste, welche man den Markomannen und Quaden
beigebracht hatte, wenigstens so viel erreicht, dafs diese Völker-
schaften in den nächsten fünf Jahrzehnten nicht mehr die Offensive
zu ergreifen wagten^).
Die nun folgende sechzig jährige Friedenszeit wurde für die
1) Scriptor. bist. Aug. c. 22, 25, 21. — Er soll die Al)sicht gehabt haben,
zwei neue Provinzen, Marcomannia und Sarmatia, zu bilden.
2) So nach Aurelius Victor c. 16. — TertuUian, Apol. 25, nennt zwar
Sirmium, aber die ganze Situation, in welcher Commodus, der an dem Sterbe-
lager des Vaters weilt, sich nach den Berichten befand, deutet auf Vindobona.
3) Der Kampf gegen die lazygen dauerte noch bis zum Jahre 183.
63 Zweites Kapitel.
erschöpften Donauprovinzen eine Zeit der Stärkung und des Ge-
deihens. Früher doch nur in einem loseren Zusammenhang mit dem
römischen Reiche, kam das Land erst jetzt mit der engeren Angliede-
rung, der intensiveren Besetzung und der strafferen Organisation in
den Besitz der römischen Kultur und ei'Iebte eine gewisse Blüte.
Einige wichtige militärische Mafsnahmen hatte bereits Mark
Aurel vollzogen. Insbesondere hatte sich die ungenügende Grenz-
befestigung der norischen Uferstrecke in so furchtbarer Weise
gerächt, dafs hier so rasch wie möglich Abhilfe geschaffen werden
mufste. Die Ergänzung der XIV. Legion in Carnuntum, das zu-
gleich zur Kolonie erhoben wurde, war selbstverständlich. Ihr
folgte die Gründung eines Legionslagers für Noricum zu Laurea-
cum an der Mündung der Enns in die Donau, wo vielleicht schon
vordem ein Auxiliarposten, jedenfalls aber eine keltische Nieder-
lassung bestand und wohin jetzt die Legio II Italica versetzt
wurde *). Zugleich wurde die Provinz Noricum in militärischer
Hinsicht Oberpannonien gleichgestellt, indem auch hier an Stelle
des früheren ritterlichen Prokurators ein Legat mit Senatorenwürde
eingesetzt wurde.
Die Gründung des Legionslagers in Laureacum und eines
weiteren zu Regensburg in Rhätien hatte ferner zur notwendigen
Folge, dafs die Strecke zwischen Laureacum und Vindobona in
Zwischenräumen von drei bis zu acht Marschstunden auch mit
einer Reihe von Kastellen und Wachtposten versehen wurde,
deren Errichtung wohl noch zum Teil in die aurelische Zeit,
zum Teil in die folgenden Jahrzehnte fällt. Einer oder der an-
dere dieser Orte war möglicherweise schon vordem besetzt; be-
zeugt ist es nur bezüglich Trigisamums an der Mündung der
Traisen, jetzt Traismauer, wo unter Antoninus Pius die Ala I.
Augusta Thracum lag ^). Nun wurden hauptsächlich die Flufs-
mündungen befestigt und so entstanden von Laureacum strom-
1) Über Laureacum siehe Gaisberger in Beiträge zur oberöster. Landesk.
5. L., 1864 und Coti im 30. Jahresber. d. Mus. Franc. Carolinum.
2) CIL III, Nr. 5654. Kämmel a. a. 0., 55 nimmt auch die Existenz
von Laous felicis vor den Markomannenkriegen an, doch ist der Umstand, dafs
das Kastell , wie die Ziegelfunde zeigen , von Soldaten der X. und XIV. Legion
erbaut worden ist und nicht von denen der II., allein noch nicht überzeugend.
Die römische Militärgrenze an der Donau. 68
abwärts nach dem schon früher gegründeten Arelape an der Erlaf :
ad ponteni Ises an der Ips, ad Mauros ^) an der Pielach, Piro torto
an der Perschling, Comagena an der Tulln; etwas weiter vom
Donauufer entfernt, wo, wie wir noch sehen werden, der Limes
verlief, aufser dem älteren Aelium Cetium Lacus felicis (Mauer-
Oehling) an der Url ^). Einzelne Wachtposten und Wachttürme
dürften nach gelegentlichen Funden auch bei Wallsee, bei Gött-
weig, bei Mautern (Faviana) und namentlich bei Zeiselmuuer
(Citium) gestanden haben ^}. Die westliche Flanke von Laureacum
1) Auch ad Muros. Das Namare der Tabula ist vielleicht damit identisch
und nur ein Schreibfehler. An der Stelle des heutigen Melk.
2) So nach Analogie mit dem gleichnamigen Orte bei Pest. Es kommt
jedoch auch die Form Locus felicis vor. Dagegen ist die Ergänzung Locus
Veneris felicis nur ein willkürlicher Zusatz Aschbachs. (Dun gel in Mitt. d.
Zeutralkomm. N. F. I, 70 f.).
3) Über die Quellen zur Kenntnis der Eömerorte siehe Einleitung S. 4,
wo auch bereits auf die Widersprüche zwischen dem Itinerarium Antouini und
der Tabula Peutingeriana hingewiesen ist. So nennt das Itinerar auf der Donau-
uferstrecke von Vindobona nach Westen die Orte : Comagenis , Cetio , Arlape,
Loco feücis, Lauriaco, Ovilatus, Joviaco, Stanaco, Bojoduro; die Tabula: Citium,
Comngenis, Pirotorto, Trigisamo , Namare, Arelate, Ad pontem Ises, Elegio, BJa-
barieiaco. Die meisten Widersprüche dürften sich am leichtesten als Lesefehler
erklären; mit einiger Bestimmtheit kann man, abgesehen von der richtigeren
Lesung Cetium für Citium und Arelape für Arlate, auch noch Namare als Ver-
ballhornung von Ad Mauros, Elegio für (wohl abgekürztes) Lac. fei. und das
monströse Blabariciaco für Lauriacum erklären. Mit der herzhaften Annahme
solcher und ähnlicher Fehler der Überlieferung kommt man wohl weiter und
der Wahrheit näher als mit komplizierten Hypothesen wie etwa der Aschbachs,
wonach das Kastell Trigisamum viermal den Namen gewechselt hätte! — Das
gröfste Verdienst um die Topographie der Eömerorte in unseren Ländern hat
sich Kenner erworben. Siehe von ihm aufser den schon erwähnten noch folgende
Arbeiten : Die Eömerorte in Niederösterreich (Jahrbuch des Vereins f, Landesk.
V. Niederösterr. II, 119, 1869) mit Karte und alphabetischem Verzeichnis; dazu
Ergänzungen und Verbesserungen : Zur Topographie der Eömerorte in Nieder-
österreich (Ber. u. Mitt. d. Alterturasvereines in Wien XVII, 277, 1877; im
Inhaltsverzeichnis des Bandes nicht angegeben). Über die römische Eeichsstrafse
von Virunum nach Ovilala und die Ausgrabungen in Windisch Garsten (Sitzungsber.
d. k. Akad. d. Wissensch. LXXI , 357 ; LXXIV , 421 , wozu aber die scharfe
Kritik von Nathan Kohn, ebend. LXXX, 391 zu vergleichen ist). Die Eömer-
orte zwischen der Traun und Inn (ebend. XCI, 539, 1878). Jetzt siehe Pi ch-
lor, Austria Eomana I. — Im übrigen hat Karamel, wie in so vielen Punkten,
64 Zwei tos Kapitel.
deckte das Kastell Lentia (Linz), woran sich gegen Westen Mari-
nianum, Eborodununi (ElVerding) '), Joviacum (Schlügen), Stana-
cum (Stainach) und Boiodurum (Innstadt bei Passau) anschlössen.
Für die canze Stromstrecke von Carnuntuin bis Passau kann man
an Legionssoldaten und Auxilien eine Truppenmacht von 36 000
Mann annehmen. Laureacum, Arelape, Comagenae und Carimn-
tum bildeten aufserdem auch gegen Ende des 4. Jahrhunderts die
Stationen der Donauflotille, deren Präfekte hier ihren Sitz hatten,
die Seesoldaten ^^Liburnarii) lagen auch zu Joviacum, Lentia und
Faviana.
Neben diesen ausgedehnten militärischen Mafsnainiien suchten
die Römer auch durch SchafTung von Stadtgemeinden, denen nach
römischem Verwaltungsgebrauche zugleich ein gröfseres Terri-
torium „attribuiert" wurde, die Assimilation der Provinzen zu
fördern. Allerdings waren im Donaulande bei dessen ausgesprochen
militärischem Charakter diese bürgerlichen Gründungen im Ver-
gleiche mit den inneralpinen Ländern, wo das städtische Wesen
sich weit reicher entwickelte, an Zahl nur gering. Mark Aurel
gründete Ovilava, das heutige Wels, als Kolonie, Septimius Severus
erhob Carnuntum vom LFunizipium zur Kolonie, der ersten Klasse
römischer Städte^), Caracalla verlieh Vindobona das Munizipal-
recht; sonst bestand noch das alte Aelium Cetium (St. Polten)
aus der Zeit Hadrians. An der Spitze der städtischen Verwaltung
und Rechtspflege standen Duumviri (jure dicundo), unter ihnen
zwei Adilen, welche die Polizeiaufsicht und Marktgerichtsbarkeit
leiteten und mit jenen ein Viermännerkollegium bildeten. Das
Finanzwesen verwalteten Quästoren. Aufserdem gab es einen
Stadtrat (ordo oder curia) von 100 Dekurionen. Die Bevölkerung
war in drei Klassen, Ordo, Possessores (die in der Stadt lebenden
auch hierin vielfach den Nagel auf den Kopf getroffen. — Spezialliteratur über
einzelne wichtigere Orte, wie Carnuntum oder das einst heifs umstrittene Favianis
werde ich noch im folgenden geben.
1) Schiffmann im Linzer Volksblatt vom 7. Juni 1903.
2) Der Unterschied zwischen Munizipium und Kolonie war ursprünglich
ein sehr bedeutender. Diese Unterschiede schwanden aber bereits seit dem
1. Jahrhundert v. Chr. und in der Kaiserzeit mehr und mehr und kommen
für unsere Gegenden so gut wie gar nicht in Betracht, so dafs es sich tatsäch-
lich nur um eine Art Eangunterschied handelte.
Die römische Militärgrenze an der Donau. 65
ländlichen Grundbesitzer) und Plebs, gegliedert ^). Alljährlich
dürften sich auch bei uns die Vertreter der Stadtgebiete zu einem
Landtag an einem bestimmten Orte versammelt haben, um religiöse
Übungen vorzunehmen und über administrativ-finanzielle Angelegen-
heiten zu beraten. Bei den Legionslagern, welche zunächst grund-
sätzlich nicht in Städte verlegt wurden, siedelten sich die Kauf-
leute mit ihren Buden (canabae) und, nachdem schon seit dem
2. Jahrhundert das römische Reich nicht mehr imstande war, den
Veteranen die ihnen nach ihrer Verabschiedung rechtlich zustehende
Abführung in eine Kolonie und Zuweisung von Land zu gewähren,
auch die Veteranen an, welche dann mit jenen korporativ als
„veterani et cives Romani, qui consistunt (oder consistentes) ad
•canabas legionis" vereinigt wurden ^). Ursprünglich stand der
Korporation ein Kurator vor, später ein oder zwei Magistri, ihnen
zur Seite Dekurionen, was einerseits eine Nachbildung der städti-
schen Duumvirn war, andrerseits sich mit der Organisation der
Dörfer, der vici oder pagi, berührte, an deren Spitze gleichfalls
Magistri und Adilen standen; dabei ist besonders zu betonen, dafs
■diese Gemeinwesen dadurch nur nach der religiösen Seite organisiert
erscheinen, denn unter Magistri sind Priester zu verstehen. Die
Legionslager au der Donau verwandelten sich übrigens, wie wir
gesehen haben, ziemlich bald in Städte, nur von Laureacum wissen
wir es nicht.
Zu den römischen Gründungen gehörte als notwendige Er-
gänzung die Anlage von Heerstrafsen mit glänzender Ausnutzung
des natürlichen Terrains. Auch sie hatten in erster Linie einen
militärischen Zweck, wie sie denn auch von den Legionssoldaten
und Militäringenieuren gebaut wurden. Sie machten das grofs-
.artige Befestigungssystem erst zu einem lebendigen Organismus,
denn sie verbanden alle Städte, Legionslager, Kastelle und Wacht-
posten untereinander und mit dem Innern des Reiches, so dafs sich
jederzeit die nötigen Truppen Verschiebungen , Verstärkungen oder
1) Die genannten Behörden sind fast ausnahmslos auch für die erwähnten
Städte unserer Länder inschriftlich nachweisbar.
2) Über die Lagerstädte vergleiche Mommsen im Hermes VIT, 1873. —
Ich komme auf diese wichtige Ansiedelungsart nochmals in anderem Zusammen-
hange zurück.
Vancsa, Geschichte Nieder- u. Oberösterreichs. O
66 Zweites Kapitel.
etwaige Rückwärtskonzentrierungen , sowie alle Verständigungen
und Verproviantierungen vollziehen konnten. In zweiter Linie
benutzte sie der Staat als Poststrafsen ^), zu welchem Zwecke an
ihnen regehnälsige Stationen, und zwar Pt'erdevvechsel (rautationes)
und Herbergen (raansiones), letztere in der Regel im Tale, er-
richtet wurden. Die umwohnende Bevölkerung mufste Pferde und
Wagen stellen. Nach je 1000 Doppelschritten stand ein Meilen-
stein. Selbstverständlich kamen aber die Heerstrafsen doch auch
dem privaten Verkehr und dem Handel in aufserordentlicher
Weise zugute. Ihr Bau wird noch heute von den Fachmännern
als technische Meisterleistung angestaunt. Als notwendige Ergän-
zung kamen auch noch die Brücken iiinzu.
Die Zeit der ersten Anlage der einzelnen Strafsen lälst sich
schwer feststellen, doch steht sie jedenfalls mit den jeweiHgen Mafs-
nahmen zur Befestigung im Zusammenhang ^). Am frühesten dürfte
demnach die Verbind ungsstrafse vom Süden — Aquileja bildete
den Ausgangspunkt des ganzen Systems — zur Donau gebaut
worden sein, welche über Celeja (Cilli), Poetovio (Pettau), Savaria
(Steinamanger) und Scfarabantia (Oedenburg) nach Carnuntum und
Vindobona führte. Diese sowie ein Teil -der Donauuferstrecke, etwa
bis Arelape an der Erlafmündung, vielleicht sogar bis zur Enns,
bestanden wohl schon zur Zeit des Claudius. Mit der Ausgestal-
tung der Donaubefestigungen während und nach den Markomannen-
kriegen wurde dann auch die Strafse Carnuntum— Boiodurum
(Innstadt bei Passau) , der sogenannte Donau-Limes ^ j, ausgebaut,
welcher jedoch keineswegs genau dem Flufsufer folgte, sondern
im Gegenteile wiederholt sehr stark davon abweicht, teils um den
Weg abzukürzen, teils um das stellenweise bis hart an das Ufer
1) Noricum bildete mit Paunonien und Mösieu zusammen einen Postbezirk,
dem ein Präfectus vehicularius vorstand.
2) Die römischen Strafsen sind nahezu in allen Werken, welche die Römer-
zeit überhaupt behandeln, aufgezählt, so dafs ich mich um so mehr in Kürze
auf jene Strecken beschränken kann, welche durch unsere Länder laufen. Vgl.
Kieperts Karte zur Corpus inscript. latin. III, 2.
3) Mommsen hat den Begriff Limes in einer Sitzung der archäologischen
Gesellschaft in Berlin vom 2. Dezember 1884 als „befestigte Querstrafse ", welche
dort angelegt wurde, wo ein Flufslauf nicht genügend Sicherheit gewährte,
präzisiert.
Die römische Militärgrenze au der Donau. 67
herantretende Gebirge, das ja ohnehin einen natürhchen Schutz
bildete, geschickt zu umgehen, so namentUch die Wachau von
der Traisen bis zur Pielach, wo die Ötrafse bis St. Polten, oder
den Gebirgsstock von der Ips zur Enns, wo sie bis Mauer an
der Url abbog. In der Folgezeit stellte sich die Notwendigkeit
heraus, auch das neu befestigte nordwestliche Noricum mit dem
Süden zu verbinden. Ovilava, das seinerseits wieder mit der
Donaustrecke in Verbindung stand , wurde hier der Knotenpunkt
für zwei grofse Alpenstrafsen, von welchen die eine, die wichtigere,
über Vettonianae, Tutatio, Ernolatia und Gabromagus ^) führte
und über den schon zur Keltenzeit gangbaren Pyhrnpafs die Alpen
überschritt, um sich in Virunum (bei Klagenfurt) mit der zweiten
längeren zu vereinigen, welche von Ovilava über Juvavum (Salz-
burg) zum Übergang der Radstätter Tauern führte. Neben diesen
vier Haupt-Reichsstrafsen gab es noch eine Reihe kleinerer Ver-
bindungsstrafsen , so von Vindobona über Aquae (Baden), von
Vindobona über Mutenum (Eisenstadt oder Brodersdorfj nach
Scarabantia, von Carnuntum über Höflein nach Brück a. d. Leitha,
von Steyr, wo sich Spuren eines römischen Kastells finden, nach
Laureacum und durch das Steyrtal nach dem Süden, im Salz-
kammergut, von Passau nach Salzburg u. a., und nichtmilitärische,
vermutlich schon von alters her bestehende Verbindungswege im
Innern des Landes. Die Donau konnte wegen des getahrlichen
Wirbels und Strudels nur in beschränktem Mafse als Verkehrs-
strafse verwendet werden ^).
Diese ganze grofse zielbewufste militärische Organisation der
Donauprovinzen, denen gleichzeitig auch die Kulturerrungenschaften
des Römerreiches zugeführt wurden, brachte ihnen während der
friedlichen Jahrzehnte nach den Markomannenkriegen eine Zeit
der Blüte, als sich bereits die Lebenskraft des Mutterreiches er-
1) Auch für diese Orte hat wegen der starken Abweichungen des Itinerars
und der Tabula fast jeder Forscher eine andere Deutung aufgestellt. Siehe zu-
sammenfassend die beiden oben erwähnten Aufsätze von Kenner und Kohn in
den Sitzungsberichten, LXXIV. und LXXX. Einigermafsen feststehen dürfte die
Identifizierung Gabromagus — Windisch Garsten.
2) Die Schiffe pflegten an diesen gefährlichen Stellen dem Stromgotte Münzen
u. a. zu opfern (30. Jahresb. des Mus. Franc. Carol. 1871).
5*
^^ Zweites Kapitel.
schöpit hatte. So erlangten sie über dieses aucli das politische
Übergewicht. Was die ersten Kaiser glücklich vermieden hatten,
die Macht der Statthalter allzusehr anwachsen zu lassen, das war
nun doch eingetreten, und unter ihnen wurde bald der von Pan-
nouieu der mächtigste und auf die Geschicke der Hauptstadt ein-
äufsreichste, denn ihm waren nicht nur eine der blühendsten Pro-
vinzen und die bedeutendsten Truppenkontingente ^) unterstellt,
sondern seine Provinz lag auch dem Herzen des Reiches so nahe,
dafs er vor allen anderen es am schnellsten erreichen konnte.
Schon nach Commodus' Tode im Jahre 192 war der Legat
von Pannonien, Helvius Pertinax, zum Kaiser ausgerufen worden ^),
aber noch war in Rom die Prätorianergarde allmächtig. Von ihr
wurde Pertinax ermordet, und der Senat trug dem Legaten von
Syrien Pescennius Niger die Kaiserkrone an. Da erstand Pertinax
in seinem Nachfolger auf dem Statthalterposten, in Septiraius Se-
verus, ein Rächer, der den entscheidenden Augenbhck glänzend
zu benutzen wufste. Li Carnuntum proklamierten ihn nach einer
zündenden Ansprache die Legionen zum Kaiser und, nachdem er
auch die rheinischen,' mösischen und dakischen für sich gewonnen,
marschierte er gegen Rom, löste die Prätorianergarde auf und schuf
eine neue Garde aus den Armeen der Grenzländer, wodurch diesen
dauernd der Einflufs auf die Leitung des Reiches gesichert war;
Pannonien und lUyrien aber behielten in der Folgezeit die Vor-
herrschaft ^).
Seit dem 3. Jahrzehnt des 3. Jahrhunderts war es jedoch mit
dem Friedenszustand der Donauprovinzen vorbei. Während Kaiser
Alexander Severus in den Perserkrieg verwickelt war und zu
diesem Zwecke Legionen aus den Donaufestungen gezogen hatte,
überschritten plötzlich wieder feindliche Völkerschaften die Grenze,
1) In der ersten Kaiserzeit lag das militärische Übergewicht am Khein.
Später standen jedoch hier nur noch 4 Legionen gegenüber 7—10 im Orient
imd 12 in den gesamten Donauländern.
2) Für dieses und die folgenden Ereignisse ist Herodian, 11. Buch
Hauptquelle.
3) Man bezeichnet die Zeit von Septimius Severus bis Diokletian als Periode
der illyrischen Soldatenkaiser. Mamertinus, Paneg. ad Maximinianum c. 2:
„Wer zweifelt, dafs Italien zwar durch seine ruhmvolle Vergangenheit, Panaoniea
aber durch seine Kriegsstärke die Beherrscherin der Völker ist?".
Die römische Militärgrenze an der Donau. 69'
darunter auch Markomannen und Quaden; bald darauf zeigten
sich zum ersten Male die Goten an der unteren Donau, nach-
dem schon früher die Alamannen am Rhein und am Main auf-
getaucht waren, die gleichfalls in der Folgezeit immer gefährlicher
wurden. Seitdem kamen die Grenzgebiete nicht mehr zur Ruhe.
In gröfseren und kleineren Zwischenräumen und mit wechselnder
Stärke erneuten sich die feindlichen Stöfse immer wieder: es ist das
Wetterleuchten vor den Stürmen der Völkerwanderung, während
die Statthalter der verschiedenen Provinzen um den Kaiserthron
haderten und nur selten einer oder der andere von ihnen die
Macht besafs, um vorübergehend die Bewegung zum Stillstande
zu bringen. Wir sind leider über einzelne Ereignisse aus unseren
Gebieten nicht unterrichtet, aber aus dem Umstand, dafs bereits
unter Kaiser Gallienus (254 — 268), unter dem es angebhch 30
Gegenkaiser gegeben hat \), Markomanneuscharen, welche, wie
es scheint, aus ihrer Heimat verdrängt wurden, über Noricum und
Rhätien bis Ravenna vordringen konnten, mufs man schliefsen,
dafs die Befestigungen an der Donau durch ihren Ansturm durch-
brochen wurden und die Besatzungen, wahrscheinlich durch zahl-
reiche Dislokationen stark reduziert, zu schwach waren, um erfolg-
reichen Widerstand leisten zu können. Schliefslich gelang es
Gallienus doch, die Raubscharen bei Mediolanum zu besiegen und
sich in einem glimpflichen Frieden vom Halse zu schaffen, indem
er ihnen einen Strich Landes zwischen Kahlenberg und Plattensee
zu Wohnsitzen überliefs. Ob er auch die Tochter ihres Königs
Attalus, Pipara, zur Frau genommen hat, ist zweifelhaft. Erst
Claudius H. (268—270) und Aurelianus (270—275) schufen
wieder einigermafsen Ruhe in den bedrohten nördlichen Provinzen,
mufsten sich aber zu der verhängnisvollen Abtretung Dakiens
an die Goten entschliefsen. Daneben tauchten immer neue Völker-
schaften aus dem Norden auf, so fielen im Jahre 270 die Ju-
thungen in Noricum ein ^). Alle diese Raubzüge verwüsteten das
flache Land, zerstörten wohl auch zum Teile die Kastelle und
1) Eigentlich sind nur etwa 19 nachweisbar.
2) Die in manchen Geschichtsdarstellungen herumspukende Verbindung des
niederösterreichischen Jedenspeugen mit diesen Juthungen halte ich für eine
linguistische Marotte.
70 Zweites Kapitel.
Posten, welche die schwachen Garnisonen nicht halten konnten,
während aulserdeni die tinanziellc Mifswirtschat't der Pächter das
Land aussaugte.
Eine neue Ära brach für die Provinzen wie für das gesamte
Reich mit der Regierung des grofsen Reformators Diokletian an.
Bisher war die Organisation seit Augustus im wesentlichen un-
verändert geblieben, jetzt wurde der Militärstaat mit seinen ziemlich
primitiven Formen, mit dem man jedoch im letzten Jahrhundert
so schlimme Erfahrungen gemacht hatte, in einen reich gegliederten
Beamtenstaat umgewandelt. Die Älilitärgewalt wurde von der
Zivilgewalt getrennt. An der Spitze der letzteren standen die
Präsides oder Rectores, die obersten Verwaltungschefs, die auch
die Zi\'il- und Kriminnljustiz ausübten. Die Autonomie der Städte
wurde vernichtet, und an ihre Stelle eine Bureaukratie , die nun-
mehr erblichen Dekuriouen, denen allerdings auch sämtliche Ge-
meindelasten aufgebürdet wurden, eingesetzt. Übrigens verschwand
jetzt der alte Unterschied zwischen Munizipien und Kolonien, und
es hiefs von nun an jeder ummauerte Ort respublica oder civitas,
jeder offene vicus ohne Rücksicht auf die Gröfse. Die Militär-
gouverneure waren die Duces, denen 27 Präfekten und 5 Tribunen
imterstanden. Statt der früher bestehenden Garnisonstruppen —
eine eigentliche Feldarmee existierte nicht — wurde nunmehr die
gleichfalls vermehrte Heeresmacht in Garden (palatini), Linien-
truppen unter dem direkten Befehl des Kaisers (praesentales oder
comitatenses) und Grenzsoldaten (liniitanei oder ripenses) eingeteilt.
Unter letztere Kategorie fielen natürlich auch die Besatzuugstruppeu
Noricums und Pannoniens. Diokletian nahm aber auch die ver-
derblichen Länderteilungen vor, welche die Auflösung des Welt-
reiches beschleunigten; zunächst entstanden zwei cäsarische und
zwei iraperatorische Verwaltungsgebiete. Ebenso wurden auch die
einzelnen Provinzen zersplittert. Noricum wurde in Ufer- und
Binnennoricum (ripense und mediterraneum) geteilt, deren Grenze
ungefähr der heutigen südlichen Landesgrenze der beiden Erz-
herzogtümer entsprochen haben dürfte, während Pannonien gar
in vier Teile (Pannonia prima und secunda, Valeria und Sa via)
zerfiel, von denen unsere östHchen Gebietsteile (mit Vindobona und
Carnuntum) zu Pannonia prima gehörten. Alle zusammen bilden
Die römische Militärgrenze an der Donau. 71
mit Dalmatien die illyrische Diözese, welche als Steuerbezirk eigent-
Jich schon vordem bestanden hatte ^).
Unter Konstantin dem Grofsen wurde diese Organisation noch
weiter ausgestaltet. Nun wurde statt der Vierherrschaft im In-
terresse der monarchischen Verfassung eine blofse Teilung in vier
Präfekturen eingeführt und diese in Vikariate gegliedert. Unsere
Länder gehörten zum illyrischen Vikariate der italischen Präfektur,
deren Sitz Sirmium war. Von gröfserer Bedeutung waren Kon-
stantins Steuerreformen, die hier besonders insofern Erwähnung
verdienen, als sie für das Mittelalter vorbildlich wurden. Wir
finden bereits unter ihm ein ausgebildetes Regalienwesen, und
eine Reihe von Industriezweigen und Fabriken (Seiden- und Leinen-
manufaktur, Pürpurfärberei, WafFenfabrik) erscheint als Staats-
monopol. An direkten Steuern bestanden die Grundsteuer, welche
jedes fünfzehnte Jahr nach dem Durchschnittserträgnis neu be-
messen wurde, eine Gewerbesteuer von vier zu vier Jahren und
eine Kopfsteuer. Rechnet man dazu noch die aufserordentlichen
Umlagen, die in der Form einer Art Ehrengeschenke an den
Kaiser (aurum coronarium) von Fall zu Fall eingehoben wurden,
so wird es begreiflich, dafs der kleine Grundbesitz und die Ge-
werbetreibenden unter diesen Lasten fast zusammenbrachen.
Worin Konstantins politischer Blick weiter reichte als der
Diokletians, das war das Verhältnis zum Christen- und Germanen-
tum. Doch darauf komme ich in anderem Zusammenhang zurück.
Die straffe Neuorganisation des Reiches und die Regierung
einiger hervorragender Herrscher brachte noch einmal den Auf-
lösungsprozefs im Innern des Weltreiches und in den Provinzen
zum Stillstand. Nach Konstantin dem Grofsen nahm er um so
unaufhaltsamer seinen Fortgang. Ein einziges Mal wurde noch
ein Versuch gemacht, die Militärgrenze an der Donau in ihrer
alten Bedeutung wieder aufzurichten. Kaiser Valentinian (364 bis
375) liefs eine Reihe von Kastellen und Brückenköpfen neu, be-
ziehungsweise wieder herstellen ^) und die Heerstrafsen regulieren.
1) Für die diokletianisehe Eeichseinteilung auch in unseren Ländern ist
das sogenannte „Veroneser Verzeichnis" von Wichtigkeit (hgg. von Mommsen
in den Abhandlungen der Berliner Akademie 1862, S. 489).
2) Einen direkten Beleg liefert CIL. III , 5670 a , wonach im Jahre 370
72 Zweites Kapitel.
^^'il• sind leider über die Ereignisse in unseren Ländern seit denn
3. Jahrhundert ganz ungenügend unterrichtet , aber gerade aus
den Mafsuahmen Valentinians kann man schliefsen, wie sehr hier
alle militärischen Einrichtungen und Befestigungen in Verfall ge-
raten waren. Nur Laureacum scheint noch als Legionslager be-
standen zu haben, während aus Carnuntum die Truppen wahr-
scheinlich schon früher weggezogen worden und seine Befestigungen
verfallen oder gar zerstört waren ^). Die Quaden wollten jedoch
die Neuerrichtung von Kastellen nicht dulden — so machtlos war
die Röraerherrschaft in den Grenzgebieten geworden — und machten
im Jahre 374, nachdem die Römer auch ihren König Gabinius
hintei'listig ermordet hatten, einen verheerenden Einfall in Pannonien.
Der Kaiser zog selbst gegen sie zu Felde, trieb sie über die Donau
und griff sie in ihrem eigenen Lande an, indem er noch einmal
Carnuntum neu befestigen liefs und zum Stützpunkt seiner Ope-
rationen machte. Bei den Friedensverhandlungen, die daraufhin die
Quaden einleiteten, soll er über die kühne Sprache ihrer Gesandten,
die rückhaltlos die römischen Führer für den Ki'ieg verantworthch
machten, derart in Wut geraten sein, dafs eine Ader bai'st. So
starb er am 17. November 375, mit ihm' der letzte römische Kaiser,
der die Donaugrenze militärisch zu halten gesucht hat, der letzte
römische Feldherr, der in unseren Gegenden den alten WafFen-
glanz der Legionen auffrischen wollte '■').
an der Mündung der Ips durch Auxiliartruppen von Laureacum ein Kastell er-
baut, beziehungsweise also wieder erbaut wurde.
1) Kubitschek, Der Schauplatz des Quadenkrieges (Bl. d. Vereins f.
Landesk. XXXI, 455, 1897), hat nachgewiesen, dafs der Quadeneinfall de.s Jahres
374 nur aut das Saveland gerichtet war, und dafs Carnuntum nicht erst damals
zerstört worden ist, wie mau bisher annahm, sondern bereits in Trümmern lag.
Noch im Jahre 307 war Carnuntum Schauplatz eines feierlichen Ereignisses.
Galerius ernannte hier in Gegenwart der Kaiser Diokletian und Herculius den
Cäsar Licinius zum Augustus. In der ungefähr um 400 entstandenen Notitia
dignitatum erscheint Vindobona an hervorragender Stelle, dagegen ist Carnuntum
nicht einmal mehr genannt. — Einzige Quelle für diesen Quadenkrieg ist Am-
mianus Marcellinus XXIX.
2) Es ist sehr bezeichnend, dafs in unseren Gegenden die Miinzfunde be-
reits fast durchwegs mit Gratian (383) enden. Nur aus Ovilava, Laureacum und
Cetium wurden noch ganz vereinzelt Münzen bis etwas über die Mitte des 5. Jahr-
hunderts gefunden.
Die römische Militärgrenze an der Donau. 78
Noch blieben die westliehen Donauländer etwa hundert Jahre
formell unter römischer Herrschaft, aber das war mehr ein Moment
der Trägheit, das so lange wirksam blieb, wie die auf und ab
flutenden, untereinander nichts weniger als einigen Stämme der
Germanen es zuliefsen. Für das Reich waren die Lande nur noch
von untergeordneter Bedeutung, militärisch -poHtisch ebenso wie
wirtschaftlich. Man besafs auch nicht mehr die finanziellen Mittel,
um für ihre militärische Befestigung etwas tun zu können. So
vegetierten die Reste der ehemahgen so blühenden Militärprovinz,
von der Zentralgewalt unbeachtet und aufgegeben, bis sich ihr
Schicksal erfüllte.
Drittes Kapitel.
Kulturaustausch zwischen Römern und Germanen. —
Das Ende der Römerherrschaft an der Donau.
Dadurch, dafs die Römer die Donaugrenze während nahezu
fünf Jahrhunderten besetzt hielten, hatten sie die vom Norden
gegen den Süden gerichtete germanische Bewegung trotz der zeit-
weiligen mehr oder minder heftigen Überflutungen zurückgedämmt
und die Germanen, namentlich ihre nächsten Nachbarn, zu einer
ruhigen Siedelung und zu einer Konsolidierung gezwungen, wie sie
in der ältesten Zeit nicht in deren Art gelegen hatte. Gerade bei
den Markomannen und Quaden entwickelte sich teils infolge ihres
Abwehrzustandes gegenüber der politischen und militärischen Über-
legenheit der Römer, teils unter dem Einflufs des reich ausgebildeten
römischen Lebens eine ganz eigenartige Kultur, die wohl von der
der übrigen Germanen vielfach abwich, über welche wir jedoch
leider nur sehr dürftig und von einseitig römischem Standpunkte
aus unterrichtet sind. Was uns aber aus den allerdings sehr zahl-
reichen Ausgrabungsfunden bekannt geworden ist, das läfst sich so
schwer chronologisch fixieren, dafs wir in vielen und wichtigen
Fragen nicht einmal die Scheidung zwischen vorgermanischer und
späterer Besiedelung mit Erfolg durchführen können und dem-
nach leider auf das schlüpfrige Gebiet der Vermutungen und
Kombinationen gedrängt sind ^). Andrerseits wird man aus den
1) Der deutsche Historiker wird sich hüten müssen, in den an den anderen
Nationen, namentlich den Slawen und Ungarn, mit Recht so energisch bekämpften
Chauvinismus zu verlallen und sich bei der Aufhellung dieser vergangenen Zeiten
von einem modernen politischen Nationalismus leiten zu lassen. Die gröfsten
Kulturaustausch zwischen Römern und Germanen, • 75
angeführten Gründen mit voreiligen Analogieschlüssen nach den
Überlieferungen über die anderen germanischen Stämme zurück-
halten müssen. Ich unterlasse es daher, hier eine Schilderung der
Germanen im allgemeinen zu geben, und begnüge mich mit dem,
was man mit einiger Sicherheit über die Donaugermanen erschliefsen
kann.
Während das Land zwischen Hz und Kamp wegen der dichten
Urwälder gar nicht oder nur stellenweise spärlich besiedelt und
höchstens von einigen Saumwegen durchbrochen war, auf denen
der Kaufmann seine Waren beförderte und gelegenthch wohl auch
Verdienste um die Durcliforschung der germanischen Vorzeit unseres engeren
Heimatlandes hat sich Matthäus Much erworben. Von seinen zahlreichen Ab-
handlungen führe ich aufser den schon in der Einleitung zitierten Arbeiten und
aufser kleineren Einzeluntersuchungen, deren Aufzählung hier zu weit ablenken
würde (sie erschienen hauptsächlich in deu Mitt. d. Zentralkommission und den
Mitt. d. anthropologischen Gesellschaft in Wien) noch au: Germanische Wohn-
sitze und Baudenkmale in Niederösterreich (gleichzeitig abgedruckt in den Mitt.
d. anthropol. Gesellsch. V, 37 und in den Bl. d. Ver. f. Landesk. IX, 94, 1875),
Andere verlassen nur zu sehr deu Bodon strenger Wissenschaftlichkeit, wie etwa
der Lokalforscher Franz Xaver Kiefsling, dessen Buch „Über Besiedelungs-
verhältnisse , sowie völkische und glaubenstümliche Zustände Niederösterreichs
mit besonderer Berücksichtigung von Vindobona-Wien imd dessen Umgebung"
(Wien 1899), das neben vielen kleineren in Lokalblättern zerstreuten Aufsätzen
in Öetracht käme, jedoch nur einige Forschungsresultate berühmter Altertums-
forscher und Germanisten in tendenziöser Gruppierung enthält, oder Guido List,
der in seinen „Deutscheu mythologischen Landschaftsbildern" (Berlin 1891,
2. Aufl. 1898) von ähnlichem Gesichtspunkte aus Dichtung und Wahrheit ver-
mengt. Die Kulturzustände der Germanen werden auch in den allgemeinen
Werken über die Völkerwanderung, die auch für die in diesem Kapitel ge-
schilderten historischen Ereignisse zu vergleichen sind, besprochen. Ich nenne
hier: Pahlmann, Geschichte der Völkerwanderung von der Gotenbekehrung
bis zum Tode Alarichs, 2 Bde. Gotha 186H/64; Wietersheim, Geschichte der
Völkerwanderung, 2. Aufl. bearbeitet von Fehx Dahn, Leipzig 1882; Dahn,
Könige der Germanen, 6. Abteilung 1861—1871; Gutsche und Schnitze,
Deutsche Geschichte von der Urzeit bis zu den Karolingern (Bibliothek deutscher
Geschichte), Stuttgart 1894. Aufserdem Waitz, Deutsche Verfassungsgeschichte
L Bd., 3. Aufl. (Berlin 1880) und Inama-Sternegg, Deutsche Wirtschafts-
geschichte I (Leipzig 1879). Ohne Bedeutung ist: Nonneraann, Die Völker-
wanderung und die Kultur ihrer Zeit, 2. Aufl., Leipzig 1892. — Von den bereits
genannten allgemeinen Werken kommt besonders Strakosch-Grafsmann in
Betracht.
76 Drittes Kapitel.
die bewaffneten Seharen der Markomannen zum Angriff auf den
Donaulimes auszogen, spielte sich das Leben der Germanen, wie
die sehr zahlreichen Funde beweisen, um so intensiver in dem
Lande zwischen Kamp und March, also auf dem Gebiete, das
zum Reiche der Quaden, eines suebischen Stammes ^) gehörte,
1) Eudolf Much, Die Herkunft der Quaden (Beiträge zur Geschichte der
deutschen Sprache XX, 20). An dieser Stelle will icli in Kürze auf die Angaben
des P 1 0 1 c ni ä u s II , 24. 25 über die Völkerschaften im Norden der Donau zu
sprechen kommen. Man hat in ihnen Keltcnstämme finden zu können geglaubt,
es ist aber doch nicht anzunehmen, dafs dieser Geograph, welcher in der ersten
Hälfte des 2. Jahrhunderts nach Christi Geburt lebte, Kunde von keltischen
Stämmen in jenen Gegenden erhalten haben konnte. Eudolf Much, Die Süd-
mark der Germanen (Beiträge zur Gesch. d. deutschen Sprache und Literatur
XVII , 1 , 1893), Germanische Völkernamen (Zeitschrift für deutsches Altertum
XXXIX, 20 f., 1895), und insbesondere Krälicek, Die Donauvölker Alt-
germaniens (Jahresber. d. deutschen Oberrealschule in Brunn 1896/97) haben
denn auch wohl mit Recht die Ansicht vertreten, dafs die Namen germanische
Stämme bezeichnen sollen. Da sich nun aber diese Namen bei keinem anderen
Schriftsteller finden und ihre Auslegung geradezu unlösbare Rätsel aufgibt, so
boten sie von jeher ein beliebtes Spiel für die Dilettanten. Ptolemäus lebte
fern von den betreffenden Gegenden in Alexandrien und schöpfte seine Weisheit
teils aus dem Munde von Soldaten und besonders Kaufleuten, teils aus Karten
und anderen geographischen Werken. So war denn ein Verhören und Verlesen
leicht. Dazu kommt, dafs er sich manche Namen willkürlich selbst gebildet zu
haben scheint auf Grundlage von anderweitigen — für unsere Gegenden vielfach
keltischen — Lokalbezeichnungen. Der Nachweis Kräliceks, dafs die Völker-
reihe: Chattoi — Teuriochaimai — Bainochaimoi identisch ist mit der westlich
von ihr verlegten Chaituoroi — Turonoi — Baimoi, und dafs dies die Chatten, Thü-
ringer (Hermunduren) und Markomannen (nach Boihaemum) seien , scheint mir
gelungen zu sein und es ist — ohne auf seinen komplizierten Erklärungsversuch
eingehen zu wollen — immerhin auch wahrscheinlich, dafs die Parmai — und
Adrabaikampoi , die Kampanwohner , nur aus dem keltischen Flufsnamen selbst-
konstruierte Benennungen der Quaden sind. Die Terakatriai sind demnach auch
nur eine arge Verballhornung einer Lokalbezeichnung, die Ptolemäus auf einer
Karte fand. Nur die Rakatai scheinen tatsäclilich existiert zu haben — mög-
licherweise noch zur Keltenzeit, aus der sich die Überlieferung erhielt. Jeden-
falls dürfte mit ihnen der mittelalterliche Name für Raabs Ragcz und die
tschechische Bezeichnung für ganz Österreich Rakous zusammenhängen. Zwar
hat Heinzel, Über die ostgotische Heldensage (Sitzungsber. d. k. Akad. d.
Wissensch. phil. - bist. Kl. CXIX) dies geleugnet und die Ableitung von den
Hradagutans, den Goten des Radagais, versucht, aber die örtliche Verbindung
mit diesen Uefse sich wohl noch schwerer herstellen. Rudolf Much a. a. 0.
Kulturaustausch zwischen Körnern und Germanen. 'S!
oder, um die heutige allgemein verständliche Bezeichnung zu wählen,
im Viertel unter Manhartsberg ab. Infolge seiner BodenbeschafFen-
heit und seiner grofsen Fruchtbarkeit erwies sich dieses Gebiet
für die Entwickelung materieller Kultur, welche fast ausschliefslich
auf dem Ackerbau beruhte, sehr günstig.
Das gesegnete Marchfeld wurde so recht eigentlich die Korn-
kammer der oberen Donaugegenden, welche nicht nur die germanische
Bevölkerung reichlich nährte, sondern auch, solange der quadische
Klientelstaat bestand, die Lebensbedürfnisse der Garnisonen der
römischen Donaufestungen Carnuntum, Vindobona und ihrer, Ka-
stelle deckte ^). Was die Art der Bewirtschaftung betrifft, dürfte
auch hier, wie bei den übrigen Germanen, eine sehr extensive
Feldgraswirtschaft — d. h. der Boden wurde zuerst als Acker-
land erschöpft und dann bis zur abermaligen Ertragsfähigkeit als
Viehweide verwendet — geherrscht und sich nur sehr spärlich aus
dem Gesamteigentum das private herausgebildet haben ^). Grund-
lage war die Familie, die möglichst gleiche Verteilung des Acker-
landes entschied wohl auch hier das Los. Der Hang der Germanen
zu Trunksucht und Spiel begegnet auch bei den Quaden. Sie
brauten Bier und Met und die vielen Prismen, welche sich finden,
weisen auf das leidenschaftlich betriebene Brettspiel.
Bei den Quaden scheint sich auch zuerst eine von der ur-
sprüngKchen und bei den anderen Germanen üblichen abweichende
hat sich auch gegen seine Anschauung gewendet. Die Ausführungen Miillen-
hoffs, Deutsche Altertumskunde, besonders aber die Pniowers im Anhange
dazu sind wenig glücklich und durch Much überholt, — Wie es auch um die
Yölkernamen bei Ptolemäus stehen mag, sie sind so zweifelhaft und schwer zu
erklären, dafs sie für eine historische Darstellung kaum zu verwenden sind.
Diese wird sich nach wie vor an die wenigen sicher überlieferten Hauptnameu
halten müssen.
1) Petrus Patricius, Fragm. 6.
2) Meitzen a. a. 0. III, 584; Much, Über den Ackerbau der Germanen
(Mitt. d. anthropol. Gesellsch. VIII, 203); vgl. auch Gutsche-Schultze a.
a. 0. 266. Dafs in dieser ältesten Zeit bereits Markgenossenschaften bestanden haben,
wird neuestens, wie ich glaube, mit Kecht angezweifelt. (Sommerlad, Die
wirtschaftliche Tätigkeit der Kirche, I. Bd., Leipzig 1900, 1. Kapitel.) Nebenbei
gesagt kommt man jetzt auch den Angaben des Tacitus, der vermutlich nur
aus Nachrichten über einzelne Stämme starke Verallgemeinerungen gemacht hat,
mit gröfserem' Mifstrauen entgegen.
■JS Drittes Kapitel.
Siedelungsweise entwickelt zu haben, denn die ott'ene Lage iiires
Landes war den feindlichen Angriffen stets ausgesetzt; man bedurfte
also statt der zerstreuten Siedelung eines engeren Zusammenschlusses
der Bevölkerung und einer entsprechenden Befestigung der Wohn-
orte. Aus den Friedensschlüssen der Jahre 174 und 175 wissen
wir von gröfseren Ortsanlagen — die römischen Schriftsteller be-
zeichnen sie sogar als Städte, was übrigens nicht irre führen darf — ,
wo die Quaden und Markomannen ihre Versammlungen und Märkte
abzuhalten pflegten. Aber aufserdem kann man noch heute die Reste
gewaltiger Umwallungen und Befestigungen sehen, welche höchst
wahrscheinlich von den Gegenmafsregeln der Quaden gegen die
Römer, die ihnen wohl zum Teil auch Lehrmeister sein mochten,
herrühren. Namentlich scheint Stillfried, wo sich an der alten
Bernsteinstrafse schon in vorgermanischer Zeit eine Ansiedelung
befunden hat, eine ungewöhnlich mächtige Festung der Quaden
gewesen zu sein *), die selbst in friedlichen Zeiten reichlich Raum
für 2000 Menschen, bei Gefahr in Verzug leicht noch für weit
mehr geboten hat, vermutlich um gegen die Hauptfestung der
Römer, Carnuntum, eine Deckung zu bilden. Im Markomannen-
kriege erobert, wurde sie von den Römern, wie die gefundenen
Ziegel und anderes beweisen, eine Zeitlang als Kastell benutzt.
Eine Stunde nördlich an der March zwischen Grub und Dürnkrut
dürfte ein zweites quadisches Bollwerk bestanden haben. Ebenso
finden sich auf dem Scheibenberg bei Kronberg, auf dem Stein-
und Leifserberg ähnliche Überreste ^). Auf solche stark umwallte
Höhen zogen sich dann wohl auch bei nahender Gefahr die Be-
wohner der Umgebung zurück.
Die Wohnhäuser der Quaden scheinen im übrigen recht pri-
mitiv und wenig widerstandsfähig gewesen zu sein. Es waren,
1) Die Anlage soll sehr an die Beschreibung der Festung der Aduatuker
bei Cäsar, De bello Gallieo erinnern.
2) Freilich fand man an mehreren dieser Orte auch römische Ziegel, da
die Römer kraft der Friedensschlüsse von 174/75 den Landstrich bis in diese
Gegenden besetzten. Much will auch bei Altenburg („am Stein") und auf dem
BraunsVerg bei Hainburg germanische Befestigungen erkennen, die also zu einer
Zeit, als Carnuntum bereits verfallen war, entstanden sein müfsten. Dagegen
allerdings Groller, Der römische Limes I.
Kulturaustausch zwischen Kömern und Germanen. 79
vielleicht im Anschlufs an das alte keltische jurtenähnliche Haus,
runde Holzbauten mit meist spitzem Strohdach und Rauchloch ^).
Teils aus der vorgermanischen, teils aus der germanischen
Zeit stammen jene über das ganze Viertel unter Manhartsberg ^)
verstreuten kegelförmigen künstlichen Erdhügel (Tumuli) — man
zählt bis jetzt über sechzig — , die im Volksmunde als Leeberge,
Hausberge, Hutberge, Burgstallberge, nach dem Slawischen auch
als Mugeln bezeichnet und von der Volksphantasie in der Regel
mit versunkenen Schlössern in Verbindung gebracht werden. Es
sind entweder riesige Fürstengräber oder umwallte Opferstätten,
welche bei Feindesgefahr Hauptstützpunkte der Verteidigung waren.
Der gewaltigste unter ihnen ist der Hausberg bei Stronegg, welcher
eine Fläche von 12Ü0Ü Quadratmeter Raum einnimmt. Nach
ihm sind der Hornberg bei Grofs-Rufsbach und die Tumuli von
Obergänserndorf, Wultendorf und und Geiselberg zu nennen ^).
1) So sind sie wenigstens auf der Markussäule abgebildet. Ich möchte
jedoch auf diese bildliche Darstellung nicht jenes Gewiclit legen, das ihr gerade
in jüngster Zeit Archäologen beimessen, denn der Künstler, welcher die Säule
in Rom arbeitete, ist wohl kaum an Ort und Stelle gewesen und hat vermutlich
nur schematische Figuren für Barbaren wohnstätten liefern wollen. Vgl. Stephani,
Der älteste deutsche Wohnbau und seine Einrichtung I, 108 (Leipzig 1902).
2) Nur vier finden sich im Viertel unter dem Wiener Walde, ähnliehe
Erd werke wohl auch in Oberösterreich, besonders im Innviertel. Siehe Alphons
Müllner, Prähistorische Bauwerke in Oberösterreich (Mitt. d. anthropol. Ge-
sellschaft XV, 72, 1885). Sie könnten allenfalls von anderen germanischen
Stämmen — jene von den Goten, diese von den Alamannen — herrühren. Dafs die
doch sicher verwandten Erscheinungen bald der urzeitlichen Bevölkerung, bald
den Germanen zugeschrieben werden, und dafs selbst römische Anlagen damit
vermengt werden , zeigt freilich , wie wenig systematisch die Ergebnisse der
Einzelforschung noch verwertet worden sind. Immerhin scheint der Umstand,
dafs wenigstens in den niederösterreichischen Tumuli fast ausschliefslich Funde
der Eisenzeit gemacht werden, die germanische Herkunft zu bestätigen.
3) Dafs die eigentümlichen künstlichen Höhlen, welche in Nieder Österreich
nördlich der Donau bis nach Mähren hinein als sogenannte „Erdställe" un-
gewöhnlich zahlreich, vereinzelt im Viertel unter dem Wiener Wald als sogenannte
„Hauslöcher" sich finden und auch anderweitig vorkommen, aus der germanischen
Zeit stammen, läfst sich bei dem völligen Mangel sicherer Anhaltspunkte nur
vermuten. Dafür hat sich der unermüdliche Erforscher dieser Erdställe, Pfarrer
Larabert Karner, nachdem er seine halbe Lebenszeit sich mit diesem Gegen-
stande beschäftigt und die meisten dieser Höhlen entdeckt oder doch erst genau
80 Drittes Knpitel.
Über besondere Eigenheiten, wodurch sich die Rehgion der
Quaden von den bekannten mythologischen Vorstellungen der an-
deren Germanen unterschied, ist nur wenig bekannt. Doch soll
— bezeichnend für das streitbare Grenzvolk — bei den Quaden
das Schwert eine hervorragende göttliche Verehrung genossen
haben. Anderes läfst sich vielleicht aus Überbleibseln heidnischer
Gebräuche erschliefsen *). Eigentümlich ist, dafs es bei den Ger-
manen eine Priesterkaste nicht gab
Den einfachen Lebensverhältnissen entsprach auch eine ein-
fache soziale Gliederung und Verfassung. Die Unfreien besorgten
die Bestellung des Feldes, die Freien führten die Waffen im Kriege
und auf der Jagd; regelmäfsige Versammlungen, den späteren
„Dingen" vergleichbar, zur Beratung der wichtigsten Gerichts-,
Gemeinde- und Kriegsangelegenheiten waren hier wie bei den
Kelten üblich -j; ein König — eine Würde, die bei dem suebi-
schen Stamme zuerst genannt wird — war oberster Richter und
Heerführer, nur war seine freie Wahl bei Markomannen und
Quaden durch die Römer stark beschränkt oder ganz aufgehoben.
Diesen primitiven, sich langsam, aber auf gesunder Grund-
lage und aus unverbrauchter Volkskraft entwickelnden Verhält-
nissen stand nun in der römischen Militärgrenze eine im Vergleich
dazu reich entfaltete und mannigfach differenzierte Kultur gegenüber,
durchsucht hat, nach den Vermutungen Kicfslings und Muchs, in einem
zusammenfassenden Aufsatz (Mitteihingen der Zentralkommission XXV, 139,
1899) und in seinem abschliefsenden Werke ,, Künstliche Höhlen aus alter Zeit"
(Wien 1903) entschieden. Eine Stütze scheint die Stelle Tacitus, Germ. 16, zu
geben, wo von religiösen Übungen in unterirdischen Höhlen die Rede ist. Auch
P a u s a n i a s berichtet von einer Verehrung des Gottes Tyr in Höhlen. Zuüucht-
stätten für Menschen scheinen die Höhlen nicht gewesen sein , viel eher könnte
man an Verstecke für Eigentum , namentlich für Getreide denken. Über die
,. Hauslöcher" im Viertel unter dem Wiener Wald: Riehl in Bl. d. Ver. f.
Landesk. XIU, 431, 1879.
1) Z. B. die sogenannten „ Rofsgoschen " über der Türe der Bauernhäuser.
Peez, Erlebt — erwandert I (Wien 1898). Vgl. auch Plesser, Heidnische
Opfersteine im Waldviortel (Bl. d. Ver. f. Landesk. XXI, 43, 1887), doch scheinen
die für Opfersteine erklärten ausgehöhlten Felsensteine, im Volksmunde Schalen-
steine genannt, eine Naturbildung zu sein.
2) Das ergibt sich gleichfalls aus den Friedensschlüssen nach dem Marko-
mannenkrieg. — Vgl. über die Rechtszustände im allgemeinen Waitz I.
Kulturaustausch zwischen Eömern und Germanen. 81
die bereits ihre Blütezeit überschritten hatte und schon die Krank-
heitserscheinungen des inneren Verfalles zeigte. Ihre Träger waren
vornehmlich die Soldaten der Garnisonen, besonders die Offiziere,
dann auch die Kauf leute, die den Legionslagern folgten und sich die
grofsen Heerstrafsen zunutze machten. Es herrschte also nicht das
feinsinnige Leben der Hauptstadt, nicht ihre wechselvolle Üppigkeit,
nicht ihre auserlesene Kunst, sondern es gab ein nüchternes Garni-
sonleben, minderwertige Nachahmungen, Provinzkunst, Nützlichkeits-
anlagen, die mehr dem praktischen Bedürfnis als dem Kunstsinn ent-
sprangen. Doch waren die römischen Offiziere jedenfalls bestrebt, sich
doch wenigstens mit einem Surrogat jenes Luxus und Wohllebens
zu umgeben, das sie von Rom oder anderen Städten des klassischen
Bodens her gewöhnt waren. Nach den in den Legionslagern, be-
sonders in Carnuntum, das ja den Mittelpunkt des römischen Lebens
an der oberen Donau bildete und wo uns durch jahrhundertelange
Unberührtheit die bedeutendsten und charakteristischsten Überreste
bewahrt geblieben sind ^), zutage geförderten Trümmern gab es dort
zahlreiche, sehr imposante öffentliche und private Paläste und
Tempel, im Innern mit Mosaikfufsböden und Wandmalereien ge-
ziert. Marmor- und Bronzestatuen von Gottheiten, Lokalgenien
1) Es kann hier nicht meine Aufgabe sein, die Gesamtliteratur der Eömer-
funde in Nieder- und Oberösterreich zu geben. Ich mufs diesbezüglich in erster
Linie auf die „Mitteilungen der k. k. Zentralkommission" verweisen, wo nicht
nur zusammenfassende Aufsätze zu finden, sondern auch die jährlich neu auf-
gedeckten Funde fallweise verzeichnet sind. Über die älteren Funde in Ober-
■österreich, um die sich Gaisberger hervorragend verdient gemacht, siehe
die ausgezeichnete, allerdings nur bis 1866 reichende Übersicht von Kenner,
Archäologische Funde im Lande ob der Enus (in den gen. „Mitt." 1866). Über
Niederösterreich aufser den schon oben angeführten Arbeiten in Kürze auch
Sacken in dem Abschnitt „Kunst und Altertum" im L Band der Topographie
von Niederösterreich. Bezüglich Carnuntums , das vor allen anderen in Betracht
kommt, siehe aufser der älteren Arbeit von Sacken (Sitzungsber. d. \V. Ak.
IX, 660, 1852, dazu Bl. d. Ver. f. Landesk. X, 309, 1876), die Fundberichte in
■den „Archäologisch- epigraphischen Mitteilungen aus Österreich" und besonders
die seit 1885 erscheinenden Jahresberichte des Vereines „Carnuntum". Vgl.
^uch die Literatur in der Einleitung. ^ Die besonders in jüngster Zeit sehr
zahlreichen Funde in Wien fanden eine umfassende Verwertung durch Kenner
in der „Geschichte der Stadt Wien" I, 42, und in seinem Bericht über römische
Funde in Wien 1896-1900 (Wien 1900).
Vancsa, Geschicbto Nieder- u. Oberösterreichs. 6
88 Drittes Kapitel.
und Kaisern schmückten die Heiligtümer und öflfentlichen Plätze,
Porträt- und mythologische Reliefs die Grabsteine. Aber auch die
gewohnten Genüsse des Lebens wollte man in der fernen Garnison
nicht missen. Carnuntum besafs sogar sein Amphitheater mit
einem Fassungsraum für 8000 Personen, wo vor dem Statthalter
Pannoniens die Gladiatoren- und Tierkämpfe stattfanden '). Die
nicht nur für die Pflege des Leibes, sondern auch für das gesell-
schaftliche Leben der Römer so wichtigen Bäder finden wir nicht
nur bei Carnuntum, sondern auch in Vindobona und Arelape;
einige standen in Verbindung mit Heilquellen, die vermutlich
von den Römern zuerst entdeckt und benutzt wurden, so aufser
bei Carnuntum (die Thermen von Deutsch - Altenburg) besonders
zu Aquae, dem heutigen weltberühmten Kurort Baden, und zu
Meidling bei Wien. Den Bädern standen eigene Kuratoren vor.
Sehr unangenehm empfanden die verwöhnten Südländer das Klima,
welches damals gewifs noch bedeutend rauher war als heute ^).
Daher brachten sie in den gröfseren Gebäuden Luftheizungen,
sogenannte Hypokau^ten an (Fundstätten : Carnuntum, Vindobona,
Baden, Enns). Carnuntum und Vindobona besafsen auch Wasser-
leitungen, wie solche übrigens auch an anderen Orten bestanden
haben dürften, sowie Kloaken und Kanalisation. Sogar das für
die italische Küche so unentbehrliche Ol wollten die römischen
Soldaten nicht missen, seine regelmäfsige Einfuhr ist bis in- die
allerletzte Zeit des Bestandes der römischen Herrschaft bezeugt.
Ebenso bezog man die feineren Weine aus dem Süden ^). Auf
den Import war man übrigens auch bezüglich der besseren Kunst-
und Industrieerzeugnisse angewiesen.
Im übrigen kamen jedoch die Legionen selbst sowie für alle
1) Nach gütiger Mitteiluug des Herrn Prof. Kubitschek glaubt man
jetzt auch Spuren eines Theaters und eines kleinen Zirkus gefunden zu haben.
Die Existenz von Schauspieler- und Gladiatorentruppen ist aus anderen panno-
nischen und binnennorischen Orten inschriftlich bezeugt.
2) Wir wissen, dafs Kaiser Commodus deshalb die Donauarmee verliefs
und dafs auch der Leibarzt des Kaisers, Galenus, das Klima für zu rauh erklärte.
3) Bei Dio Cassius 49, 36 findet sich bezüglich Pannoniens die charakte-
ristische Stelle, dafs der Gebrauch des Öles und das Weintrinken die Leute erst
zu wirklichen Kömern mache.
Kulturaustausch zwischen Kömern und Germanen. 88
nötigen Bauten und Anlagen — die Ziegel mit dem Legionszeichen
fehlen fast in keinem Römerorte — auch für alle gewöhnlichen
gewerblichen und industriellen Arbeiten nach Mafsgabe des vor-
handenen Materials auf. So entstanden eine Waffenfabrik zu Car-
nuntum, eine Schildfabrik zu Laureacum, Töpfereien zu Ovilava,
Joviacum und Carnuntum, eine Tuch- und Mantelfabrik zu Car-
nuntum, die sich sogar über die Legionslager hinaus einen Ruf
verschafften. Das Hinterland dieser Römerorte lieferte ja gutes
und reiches Material an Eisen, Wolle und dergleichen.
Dazu kam eine glückliche Anknüpfung an die einheimische
Entwicklung. Für den blühenden Gewerbefleifs der Städte geben
die genossenschaftlichen Vereinigungen, die sogenannten CoUegia,
Zeugnis, die eine merkwürdige Ähnlichkeit mit den im späteren
Mittelalter natürlich ohne Kenntnis der römischen Institution und
ganz selbständig entstehenden Bruderschaften sich zum Zwecke re-
ligiöser Übungen besafsen. So sind in Cetium und Vindobona
Collegia der Schmiede, in Carnuntum ein coUegium veteranorum
centonariorum nachweisbar, die sich beide dem Feuerlöschwesen
widmeten.
In grofsem Mafsstabe wurden die älteren Bergbaubetriebe wieder
aufgenommen: einerseits die norischen Eisenwerke, andrerseits die
Hallstätter Salzbergwerke ^). Auch nach Gold soll (im Ariberg
bei Steg) geschürft worden sein. Endlich wurde auch die ein-
heimische Landwirtschaft nach Kräften ausgenutzt sowohl für den
Unterhalt der Legionen, als auch für den Exporthandel. Neben
Viehzucht und Ackerbau ragten schon damals Obst- und Bienen-
zucht hervor. Den Römern kommt das hohe Verdienst zu, die
Weinrebe an die Donau verpflanzt zu haben ^), und zwar soll
Kaiser Probus (276—282) es gewesen sein, dem dieser glück-
liche Gedanke kam und der damit den Grund legte für den
Wohlstand speziell des Landes unter der Enns im Mittelalter. Nur
von einer Waldkultur in unserem Sinne war zur Römerzeit noch
1) Vgl. Kenner, Die römische Niederlassung in Hallstatt (Denkschr. d.
Akad. d. W. XLVllI, 1902).
2) Für den Weinbau in unseren Gegenden zur Eömerzeit spricht der Ort
Ad Vineas in der Vita Severini, ein Sarkophag mit Winzerdarstellungen, den
man bei Parndorf fand, und andere mit Abbüdungen von Weintrauben.
6*
84 Drittes Kapitel.
keine Rede; man deckte zwar den Bedarf an Bau- und Brenn-
holz aus den ausgedehnten und dichten Wäldern, aber an syste-
matische Rodungen dachte man noch nicht, wie sich denn über-
haupt der Römer selbst — der Soldat und auch der Veteran —
fast ausschliefslich in den Städten und Kastellen an den Heer-
strafsen hielt, im Innern des Landes sich jedoch nicht ansiedelte
und hier seine Kräfte nicht betätigte, sondern dies der eingeborenen
Bevölkerung überliefs.
Der römische Soldat trug mit seinen mannigfachen Bedürf-
nissen eine neue Kultur ins Keitenland und brachte die heimische
durch kluge Ausnutzung zu hoher Blüte. Der Händler, sowohl
der Hausierer als auch der Grofslieferant, der den Spuren der
Legionen folgte, gewann einen nicht minder bedeutenden Einflufs,
der auch noch weit über die Grenze des Reiches bis tief in das
Germanenland wirksam wurde. Zwar der Bernsteinhandel auf
der alten Strafse scheint nicht mehr jene Bedeutung gehabt zu
haben wie zur Zeit der Etrusker und der römischen Republik.
Nach den keltischen und pannonischen Kriegen und nachdem
die Donauherrschaft einigermafsen gesichert war, hatte man sich
allerdings sofort der alten einträglichen Verbindungen mit dem
germanischen Norden erinnert, und unter Nero wurde ein römischer
Ritter von einem Unternehmer, namens Julian, zur Auskund-
schaftung der alten Handelsgelegenheit entsandt, und bereiste zu
diesem Zwecke von Carnuntum aus ganz Germanien bis zum
Kurischen Haff ^) , aber das Ergebnis scheint doch ohne weit-
reichende Folgen gewesen zu sein. Der Wert des einst so hoch-
geschätzten Artikels sank auf dem römischen Markte immer
mehr. Dagegen kaufte mau stets gerne Naturprodukte, Vieh,
Häute und Felle und auch Sklaven in den germanischen Län-
dern, und die Erzeugnisse des römischen Kunstgewerbes, besonders
Schmuckgegenstände fanden bei den Germanen reichlichen Absatz.
Nur die Ausfuhr von W^atFen in germanisches Gebiet wurde von
der römischen Regierung zeitweilig verboten. Der Handel war
übrigens nicht nur Tauschhandel, sondern die Germanen lernten
durch die Römer auch das Münzgeld kennen und schätzen. So finden
1) Plinius XXX VIT, 3. 44.
Kulturaustausch zwischen Eömern und Gerinansn. 85
sicli nicht nur römische Münzen bis ziemhch weit nach Norden,
wohin kein römischer Soldat, sondern blofs der Händler vor-
gedrungen ist, also auch ziemlich zahlreich im Quaden- und Marko-
mannenland, sondern es sind auch germanische, darunter sogar
speziell quadische Münzen schon aus der Zeit des Vannius erhalten *),
die zur Erleichterung des Verkehrs nach römischem Denarfufs ge-
prägt sind. Doch war immerhin der Tauschhandel ohne Zweifel
das Vorheri'schende. Wie lebhaft der römisch-germanische Handel
an der Donau war, ersehen wir wieder aus den Friedensschlüssen
des Jahres 174, worin die Regelung des Marktverkehrs unter rö-
mischer Aufsicht einen wichtigen Platz einnimmt. Die Zölle, die an
bestimmten Stationen erhoben wurden, bildeten eine wichtige Ein-
nahmequelle für den Staat, der sie vielfach verpachtete.
Bei dem Kulturaustausch, welcher sich allmählich an der Donau
vollzog, waren jedenfalls zunächst und in manchen Dingen immer
die Kömcr natürlich die Gebenden, die Germanen und Kelten die
Empfangenden. Von grofser Wichtigkeit wurde für diese Völker die
Kenntnis der Töpferscheibe, die ihnen erst die Römer vermit-
telten, wodurch alsbald eine gewisse Angleichung an die römischen
Vorbilder, so besonders auch in der Ornamentik (W^ellenornament)
stattfand. Auch die lebhaft betriebene Weberei — die Germanen
liebten schöne Gewänder — wurde von den Römern beeinflufst.
Dagegen blieben die Eisenarbeiten im Vergleiche zu den reich
entwickelten Formen der Hallstattperiode sehr einfach. Besonders
fehlen die zahlreichen Nippgegenstände; doch ist die Schnalle,
die den gegerbten Ledergürtel voraussetzt, anstatt der Fibula
der Bronzezeit charakteristisch. Im Schmiedehandwerk leisteten
die Germanen Vortreffliches, selbst in feineren Goldschmiede-
arbeiten ^). Endlich geht auch die Anlage der Wassermühlen auf
die Römer zurück, während man früher das Getreide auf Hand-
mühlen mahlte.
Lernten sonach die Germanen von den Römern eine aus-
gebildete Kriegs- und Verteidigungskunst, die Reize und Annehm-
lichkeiten einer vorgeschrittenen Kultur kennen, so war den rö-
1) Kenner im Monatsblatt der numismatischen Gesellschaft S. 357, 1896.
2) Vita Severini Kap. 8.
g( Drittes Kapitel.
mischen Donauprovinzen andrerseits das Germanenland als Korn-
kammer, als Absatzgebiet für den Handel und als Rekrutierungs-
bezirk von gröfster Bedeutung, so dafs, wie wir gesehen haben,
Mark Aurel den geplanten Abzug der Quaden aus ihrem Lande
mit Gewalt verhindern zu müssen glaubte. Von den beiden
ersteren Beziehungen war schon die Rede; was aber die Rekru-
tierungen anbelangt, so traten die Germanen mit der Zeit immer
zahlreicher in das römische Heer, und waren bei ihren hervor-
ragenden kriegerischen Eigenschaften und bei dem im Reiche
stets empfindlicher werdenden Mangel an Menschenmaterial hoch-
willkommen.
Aber die Durchdringung der beiden so verschiedenartigen Volks-
elemente wurde noch mehr gefördert durch die eigentümliche Er-
scheinung der Ansiedelung von Germanen, die man später Laeti
oder Gentiles nannte, auf römischem Gebiet. Wie wir wissen,
mufste bei der Übervölkerung der germanischen Lande fortwäh-
rend für einen Abflufs gesorgt werden. Alle Kriege und Wan-
derungen haben darin ihren Grund. Den Römei-n, die grö-
fsere Bewegungen nach Kräften zurückzudämmen suchten, waren
kleinere Scharen, die sie auf friedlichem Wege durch Zuweisung
von Ländereien unschädlich, ja in hohem Grade nutzbar machen
konnten, nicht unerwünscht, denn die Bevölkerung im Reiche
und damit die notwendige Bodenbestellung ging ia der Kaiserzeit
rasch zurück. Viele germanische Abteilungen wurden in Italien
angesiedelt, aber auch in unseren Gegenden, zwar nicht in dem
ohnehin gut bevölkerten Noricum, aber in Pannonien, wo sogar
noch manche Strecken wüst lagen. Schon Mark Aurel siedelte
3000 Narisker oder Varistor in der Gegend von Carnuntum an ^).
Der Rex Germanorum Aistomodius, der mit seinen Brüdern Phi-
lippus und Heliodorus zu Carnuntum lebte und von Septimius
Severus das römische Bürgerrecht erhielt ^) , gehört vermutlich
auch in die Kategorie dieser friedHchen germanischen Auswanderer.
Von einem Markomannenkönig Ballomar erfahren wir, dafs er
vergeblich um Sitze im Römerreich nachsuchte, dagegen ist die
1) CIL. m, 4455.
2) Dio Cassius 71, 21 und CIL. lU, 4500.
Kulturaustausch zwischen Kömern und Germanen. 87
Ansiedelung des heimatlosen Markomannenkönigs Attalus mit
seinen Scharen, deren sich Kaiser Gallienus bei Mediolanum nur
mit grofser Mühe erwehrte, zwischen dem Kahlenberg und Platten-
see die umfangreichste in unseren Gegenden. Vermutlich hängt
es damit zusammen, dafs in der Notitia dignitatum zu Vindo-
bona ein Tribunus gentis Marcomannorum genannt wird.
Das Eindringen des germanischen Elementes in die sefshafte
Bevölkerung des Römerreiches war übrigens nur einer, wenn auch
der historisch bedeutsamste der Faktoren jener grofsartigen Völker-
mischung, die sich zwar auch in den anderen Grenzprovinzen,
aber am stärksten an der Donau vollzog. Waren doch die Ver-
treter des Römertums selbst zum grofsen Teil nichts weniger als
echte Römer. Nach dem militärischen Grundsatz der Römer lagen
in den Donauprovinzen die Auxiliartruppen entfernter Gegenden:
a,us Britannien und Thrakien (besonders Reiterei), aus Spanien,
Lusitanien und vor allem aus dem Orient. Sie alle brachten
merkwürdige nationale und Rassengegensätze in unsere Lande,
freilich gebändigt und aneinandergekittet durch die strenge militä-
rische Disziplin, durch die Einheitlichkeit der offiziellen Sprache
und nicht zum wenigsten durch eine uniformierende Staatskultur.
Vertreter zahlreicher anderer fremder Volkselemente waren die
Händler, die sich, wie wir gesehen haben, massenhaft bei den
Legionslagern niederliefsen.
Ganz eigentümlich vollzog sich aber der Prozefs der Roraani-
sierung, wie ihn der römische Staat durch die Truppen bei der
heimischen Bevölkerung durchführen liefs. Ursprünglich besafsen
die Legionen kein Recht der Eheschliefsung (connubium) mit den
Peregrinen, was aber natürlich zur Folge hatte, dafs neben den
Legionslagern das Konkubinat blühte. Daher gestattete Alexander
Leverus, nachdem es Septimius Severus bereits angebahnt hatte,
das Konkubinat für Auxiliaren und Legionäre ganz offiziell, während
legitime Frauen gar nicht im Lager geduldet wurden. Später im
Laufe des 4. Jahrhunderts wurde diese Bestimmung dahin abgeändert,
dafs die Soldaten im eigenen Hause aufserhalb des Lagers eine
Gattin haben durften. Die Auxiliaren erhielten bei ihrem Ab-
schied für sich, sowie für ihr Weib und ihre Kinder das römische
Bürgerrecht, später sogar für ihre Konkubinen und deren Kinder.
88 Drittes Knpitol.
Die eigentlichen, gewissermafsen privilegierten Träger der Romani-
sierimg waren jedoch die Veteranen, die sich, wie wir gesehen
haben, regelmäfsig bei den Lagern ihrer alten Legion ansiedelten.
Besonders wichtig wurde eine von Alexander Severus erlassene
Verfügung, wonach denjenigen Veteranen, die Kinder hatten, im
Grenzgebiete Land (fundus), allenlalls sogar Vieh und Sklaven an-
gewiesen wurden unter der Bedingung, dafs sie ihre Söhne wiederum
dem Militärdienste widmeten. So sollte nicht nur dem immer
empfindlicher werdenden Mangel an Rekrutierungsmaterial abgeholfen
werden, sondern es wurde auch eine eigenartige Institution geschaffen,
die grofse Ähnlichkeit mit der in Osterreich bis ins 19. Jahrhundert
bestehenden Militärgrenze besafs.
Nimmt man dazu noch die freiwillige Annahme des Römer-
tums durch die Eingeborenen — bei Verleihung des Bürgerrechtes
erhielten sie den Familiennamen des jeweiligen Kaisers meist unter
Beibehaltung ihres früheren Namens — , die nicht nur in den
Städten, sondern auch durch die Angliederung des flachen Landes
an das Stadtgebiet ge/ördert wurde, so gewinnt man ein Bild des
Romanisierungsprozesses der langsam, aber sicher die einheimische
Bevölkerung aufsog. In der Regel kann man ja doch annehmen,
dafs bei Mischehen schon im dritten Grade die Romanisierung
vollendet hatte ^), und man darf nicht vergessen, dafs die Römer-
herrschaft in unseren Gegenden fast ein halbes Jahrtausend ge-
dauert hat. Für diese Völkermischung mit römischer Tendenz
kam seit dem dritten Jahrhundert die auch uns geläufige Bezeich-
nung „Romani" auf.
Der Prozefs ging übrigens nicht in allen Teilen des Landes
gleich rasch vonstatten. Wir haben ja gesehen, dafs die Römer
am Flufsufer, an den Heerstrafsen , in der Niederung sich fest-
setzten, dagegen in das Innere des Landes, in die Seitentäler und
das Gebirge nicht vordrangen. So erklärt es sich auch, dafs wir
nur dort auf zahlreiche Römerfunde stofsen, im Innern des Landes
aber nicht.
Die fremden Religionen gehörten neben Sitten und Ge-
1) Das Militärdiplom aus der Gegend von Petronell aus dem Jalire 114
(C I L. III, Dipl. 26) ist ein gutes Beispiel für diesen Komanisierungsprozcfs.
Kulturaustausch zwischen Römern und Germanen. 89
brauchen, sowie dem wirtschaftlichen Leben zu jenen Dingen, in
welche die uniformierende römische Staatsgewalt nicht einzugreifen
pflegte. Sie suchte sie höchstens mit den römischen Einrichtungen
zu verbinden. Die fremden Gottheiten wurden einfach mit un-
gefähr entsprechenden römischen identifiziert und genossen dann
offizielle Duldung. Die Kultusangelegenheifen besorgten nicht
nur die Priester (es werden Sacerdotes, Flamines, Augurn und
Pontifices in unseren Gegenden genannt), sondern auch die bereits
erwähnten Kollegien, die sich besonders des Begräbniswesens
annahmen *). Durch die Soldaten wurden Kulte ferner Lande,
besonders des Orients, an die Donau verpflanzt: Isis, Serapis,
Bai (als Jupiter Baalbeck), Jupiter Dolichenus und insbesondere
der persische Mithras. Letzterem waren um Carnuntum allein
fünf grofse Höhlen geweiht, und noch im Jahre 307, als die vier
Monarchen des Römerreiches hier weilten, liefsen sie das Mithräum
in Carnuntum neu herstellen. — In ähnlicher Weise erhielten sich
bei den Eingeborenen die alten keltischen Gottheiten mit leiser
römischer Umformung.
Auch sonst bheb immerhin noch ein Rest von keltischem
Volkstum übrig, das bei der Gestaltung der Kultur in den Donau-
gegenden einen gewissen Einflufs gewann. Die plumpen barba-
rischen Formen der Nachahmungen römischer Vorbilder in der
Kunst, die ungelenke Poesie der Grabinschriften deuten auf hei-
misches Fabrikat. Endlich wirkte auch die Sprache, obwoiil sie
allmählich bis auf Namen ausstarb, auf die römische Umgangs-
sprache ein, und es bildete sich ein romanischer Dialekt heraus,
der sich noch in den späteren Inschriften, in den Ortsbezeichnungen
der Tabula und sogar in dem Werke des Mönches Eugippius, der
sich viele Jahre in unseren Gegenden aufgehalten hatte, der Vita
Severini, erkennen läfst ^).
Die hochentwickelte Kultur der Römer waltete segensreich,
solange sie nicht ausartete und solange sie ihre Träger nicht ent-
1) Aufser den oben (S. 83) genannten Kollegien wären hier noch CoUegia
des Hercules und der Diana zu Cetium und ein CoUegium invenum zu Laureacura
anzuführen.
2) Sogar deutsche Worte dringen ein z. B. „habitaculum, quod burgus
appelabatur" (Vita Severini).
90 Drittes Kapitel.
nervt hatte; die scharf ausgeklügelten römischen Einrichtungen
waren mächtig, solange sie eine starke und weise Zentralgewalt
lenkte und zeitweilig erneute und solange sie nicht mifsbraucht
wurden. In beiden Richtungen liefs sich jedoch der Verfall trotz
vorübergehender Besserung nicht aufhalten. Wir sind leider über
die wirtschaftliche Lage der Provinzen, speziell der unseren, nur
sehr unvollkommen unterrichtet *), aber gewifs gab es auch hier
eine soziale Frage, bildeten sich auch hier krasse Gegensätze der
Bevölkerungsklassen heraus. Freilich wissen wir über den Bauern-
stand so gut wie nichts, aber jedenfalls war er auch hier ein
Opfer jenes Ausbeutungssystems grofser Unternehmer, das wir aus
anderen Gegenden in jener Zeit kennen. Die grofsen Städte gingen
langsam zugrunde, nur die kleineren, deren Bewohner zugleich
Ackerbau betrieben, hielten sich noch einige Zeit. Die finanzielle
Ausbeutung der Provinzen begann übrigens schon mit Caracalla,
der im Jahre 212 allen Provinzialen das Bürgerrecht verlieh,
wodurch ihnen allen die gleichen Lasten der römischen Bürger,
von denen sie vordeüi befreit waren, auferlegt wurden. Welch
sinnreiches Steuersystem seit Konstantin ausgebildet wurde, haben
wir schon oben gesehen. Der Pauperismus wurde schliefslich so
grofs, dafs die einzelnen Gemeinden selbst umfassende Vorkeh-
rungen für die Armenpflege treffen mufsten, um nicht die Be-
völkerung völlig zugrunde gehen zu lassen. Dafs unter diesen
Umständen an eine Entwickelung der Kunst, an einen Fortschritt
der materiellen Kultur nicht mehr zu denken war, ist selbst
verständlich.
Nun vergleiche man mit dieser kläglichen Dekadenz die un-
gebrochene Kraft, den emporstrebenden Entwickelungsgang des Ger-
manentums! Die einfachen sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse,
die bei den Germanen herrschten, hatten noch keinen inneren Zwie-
spalt, keinen tieferen Gegensatz zwischen Herren und Unterdrückten,
zwischen Besitzenden und Besitzlosen gezeitigt; bei ihrer Bedürfnis-
losigkeit und ihren patriarchalischen Sitten vermochten sie der
entnervenden und demoralisierenden Überkultur ihrer Nachbarn
1) Für unsere Gegenden sind wir lediglich auf die Vita Severini aus der
Schlufsperiode der Römerherrschaft angewiesen.
Das Ende der Eömerherrschaft an der Donau. 01
zu widerstehen ; keine Korruption, keine raffinierten Laster hatten
die gesunde Kraft des Volkes untergraben, Körperstärke und
kriegerischer Mut machten sie den schwächlichen und verweich-
lichten Römern weit überlegen und endlich, was ganz besonders
ins Gewicht lallt, die Volkszahl der Germanen war in rascher
Zunahme begriffen, während die der Römer ebenso rapid zurück-
ging. Es ist daher kein Wunder, wenn allmähhch das germanische
Element das Dominierende, das Gebende wurde und sich der
Kulturaustausch und das Kräfteverhältnis an der Donaugrenze
im Gegensatz zu der Gestaltung der Dinge in den ersten Jahr-
hunderten zuungunsten der Römer verschob.
Wenn gleichwohl das Römertum nicht schneller, als es ge-
schehen ist, durch die germanischen Völkerfluten hinweggeschwemmt
wurde, so ist der Grund dafür vielleicht weniger in der römischen
Politik und in der Nachwirkung der einst so ausgezeichneten Organi-
sation der Grenzlande, als vielmehr auf Seiten der Germanen selbst
zu suchen. Die Bewegung der Wanderungszeit hatte sie einerseits
aus ihrer fortschreitenden Entwickelung herausgerissen; die ein-
zelnen Stämme, unter sich uneins, ja vielfach miteinander ver-
feindet, hemmten sich gegenseitig, so dafs sie keinen entscheidenden
Schlag gegen die Römer zu führen vermochten ; andrerseits waren
sie sich ihrer Ki'aft keineswegs bewufst und liefsen sich von der
überlegenen Kultur der Römer viel zu sehr imponieren.
Seit Konstantin, dessen weitreichender politischer Blick die
Bedeutung der Germanen voll erkannt haben mochte und der
sie daher unter Benutzung ihrer Charaktereigenschaften und ihres
Strebens vielleicht noch auf friedlichem Wege dem Reiche dienst-
bar und so unschädlich zu machen hoffte, gewann die Aufnahme
der Germanen nicht nur als Truppen, sondern auch in die leiten-
den Stellen als Offiziere und höhere Beamte immer gröfsere Aus-
dehnung, während man gleichzeitig die einzelnen Stämme, die
eine dauernde Beunruhigung der Grenze und Gefährdung des
Reiches bildeten, durch allerlei Verträge und Landabtretungen in
Frieden und Freundschaft zu halten suchte. Das Verbot der
Mischehen, das um 370 Kaiser Theodosius erliefs, vermochte den
Prozefs nicht mehr zu verhindern *).
1) Über die letzte Phase der Beziehungen zwischen Germanen und Körnern
93 Drittes Kapitel.
Was nun unsere Gegenden betrifft, so gingen sie kurz, nach-
dem hier, wie wir gesehen haben, durch Kaiser Valentinians Tod
die mihtärisclie Herrschaft ihr P]nde erreicht hatte, eigenthch ganz,
wenn auch zunächst nur vorübergehend, für das Imperium verloren
oder wurden wenigstens für ungefähr anderthalb Jahrzehnte von
Italien abgeschnitten und von den Scharen der Westgoten besetzt.
Nominell gehörten damals Noricum und Pannonien zu dem west-
römischen Reiche, das seit dem Tode des Kaisers Theodosius (395)
endgiltig von Ostrom getrennt war. Die Regierung führte tat-
sächhch nicht der unmündige Sohn des Theodosius, Honorius,
sondern Stilicho, bezeichnenderweise ein Vandale von Geburt. Er
vermochte die Alpenländer nicht zu behaupten, sondern mufste alle
Kräfte aufbieten, um sich während der Jahre 400 bis 405 des
doppelten Ansturmes der Westgoten unter Alarich und der Ost-
goten unter Radagais wenigstens in Italien zu erwehren. Zu einer
formellen Abtretung von Pannonien, Noricum und Rhätien, die
Alarich allen Ernstes forderte, kam es jedoch nicht.
Dagegen vollzog 'sich im Jahre 405 auch im Norden der
Donau ein Wechsel der Bevölkerung, nachdem die germanischen
Nachbarn der Römer sich durch vier Jahrhunderte unter mannig-
fachen Schicksalen behauptet hatten. Der unerträgliche Druck,
den die nachrückenden Völkerschaften ausübten, und besonders
die Furcht vor den übermächtigen Goten trieben eine Reihe von
Stämmen dazu, von ihren Sitzen an der Donau aufzubrechen und^
als Stilicho zum Zwecke der Verteidigung Italiens Gallien von
Truppen entblöfste, in dieses Land einzufallen. Den Vandalen
und Alanen schlössen sich auch die Quaden an '). In das frei-
gewordene Gebiet der letzteren zogen die Rugier ein, die vordem
an der Ostsee safsen.
In Noricum jedoch wurde die römische Herrschaft nach Ala-
richs Tode (410) durch den energischen Statthalter Generidus
noch einmal wiederhergestellt, und es folgte nochmals eine kurze
in den Donaugegenden vgl. Jung, Die Germanen an der Donau und das
römische Eeicli (ZS. f. allg. Geschichte, Kultur-, Literatur- und Kunstgesch.
U, 481, 1885).
1) In einem Brief des heiligen Hieronymus aus dem Jahre 409 werden
auch ausdrücklich die Quaden unter den Plünderern Galliens genannt.
Das Endo der Röuierlierrscbaft an der Donau. 93
Periode des Friedens, der letzte Lichtblick für die Romanen
in diesen vielbedrohten Grenzlanden. Pannonien wurde im Jahre
427 von dem weströmischen Kaiser Valentinian III. an Ostrom
abgetreten.
Doch schon stand das wilde mongolische Reitervolk der
Hunnen, das bereits im vierten Jahrhundert an der Wolga er-
schienen war und den Anstofs zur beständigen Völkerbewegung
von Osten nach Westen gegeben hatte, drohend in der Theifs-
«bene, und, als es sich am 434 mit Heranziehung anderer kleiner
und schwacher Völkerstämme unter Attila konsolidierte, war Pan-
nonien verloren, und mit der Ruhe der Nachbarprovinzen war es
vorbei. Mit Attila trat der kühne und zügellose Ei'oberer auf
den Plan, der für zwei Jahrzehnte den Schrecken Mitteleuropas,
das doch wahrlich in jenen Zeitläuften an Schrecken gewöhnt war,
bildete und für alle kommenden Jahrhunderte den Namen der
Hunnen zu dem Inbegriff aller Gräuel der Verwüstung und des
Krieges machte.
Wir sind leider bezüglich der Ereignisse in den Alpenländern
für diesen Zeitabschnitt so gut wie gar nicht unterrichtet, so dafs
es sich nicht einmal feststellen läfst, welchen Weg Attila im Jahre
451 bei seinem letzten grofsen Heereszug nach GalHen, an dem
auch viele der kleinen germanischen Stämme, so z. B. auch die
Rugier, teilnahmen und wobei auch die Markomannen und Quaden
zum letzten Male in der Geschichte genannt werden, eingeschlagen
hat. Man kann nur vermuten, dafs es der längs der Donau ge-
wesen ist, und dafs Noricum wohl auch in Mitleidenschaft gezogen
wurde; doch dürften die Verheerungen hier nicht allzu schwer
gewesen sein, da wir kurz nachher ungefähr denselben Bestand
finden, wie ihn um die Wende des Jahrhunderts die Notitia digni-
latum gezeigt hatte.
Nach dem Zusammenbruch des liunnenreiches, der unmittel-
bar nach dem plötzlichen Tode Attilas im Jahre 454 eintrat, teilten
sich die germanischen Stämme in das Erbe und zerbröckelten
die Reste der römischen Provinzen, die von den Römern zwar
noch nicht geräumt, aber tatsächlich aufgegeben und ihrem Schick-
sal überlassen waren.
Die Ostgoten liefsen sich um 457 Pannonien von Ostrom
94 Drittes Kapitel.
förmlich abtreten, und unsere Gegenden von Asturis oberhalb
Vindobona bis zum Plattensee fielen bei der Teilung, welche die
drei Sohne des Vandalari untereinander vornahmen, dem Thiudemer,.
dem Vater Theoderichs des Grofsen, zu.
Im ehemaligen Quadenlande zwischen dem Nordwalde und
der Marcli setzten sich die Rugier, als deren König damals Flac-
citheus, später dessen Sohn Feletheus mit dem Beinamen Feva
genannt werden, nunmehr dauernd fest. Ihre östlichen Nachbarn
waren die Heruler, im Westen safsen Sueben, speziell westÜch vom
y| Inn die Alamannen, nördlich von ihnen die Thüringer.
Noricum ') hatte durch die Auflösung des Hunnenreiches nicht
nur nichts gewonnen, sondern, immer enger von den germanischen
Stämmen eingeschlossen, war seine Lage schier verzweifelt ge-
worden. Wenn die romanische Bevölkerung hier überhaupt noch
ausharrte, so geschah dies, abgesehen von der Liebe zur Scholle,
j vielleicht um jener Scheinfreiheit willen, die sie genossen, denn
1 auch auf die Verwaltung besafs die Zentralregierung keinen Ein-
I flufs mehr — der letzte Statthalter von Noricum, Primitus, wird
i 448 am Hofe Attilas genannt — , und so waren die Bewohner
auch von dem argen Steuerdruck befreit. Der Zusammenhang
mit dem Imperium wurde lediglich insofern gewahrt, als sie den
jeweihgen Kaiser offiziell anerkannten, wie wir dies bezüglich Odo-
akers wissen. Im übrigen waren hier aber selbst politische Flücht-
hnge sicher. Sold an die Truppen wurde von Italien aus nicht
mehr gezahlt, das bifschen bewafi'nete Macht, die hier noch stand,
vermochte kaum dem Räuber unwesen zu steuern. Dagegen blieb
der private Verkehr noch aufrecht : auf den Strafsen konnten noch
Briefe und Waren, besonders das für die verwöhnten Südländer
1) Die Schilderung der Zustände Noricums am Ausgange der Römerzeit
entnehme ich ausschliefslich der Vita Severini des Eugippius (siehe Einleitung),
die ja überhaupt die einzige Quelle für die österreichischen Länder in jener
Zeit ist. Ich glaube mir daher die Zitate zu jedem einzelnen Satze ersparen
zu dürfen. Vgl. dazu Sommerlad, Die Lebensbeschreibung Severins als kultur-
geschichthche Quelle (Leipzig 1903). Nicht benutzt habe ich: Sv Severin, apostol
Norüa a rakouske zme podunajske za Theodoricha ostrogotskeho [Der hl. Severin,
Apostel von Noricum, und die österreichischen Donauländer zur Zeit Theoderichs
des Ostgoten] (Progr. d. Staatsgj'ran. za Prerau 1901/2).
Das Ende der Kömerherrschaft au der Donau. 95
SO unentbehrliche Ol, nach wie vor befördert werden ^), sogar
Kranke aus dem fernen Italien suchten noch Heilung in den no-
rischen Thermen. Freilich die wohlhabenden Leute waren schon
längst von hier ausgewandert,, nur eine arme Kolonenbevölke-
rung war zurückgeblieben und zog sich, um nur Deckung vor
den feindlichen Überfallen zu finden, innerhalb der Stadtmauern
zusammen. Unter dem Schutze der Waffen, durch eigene Späher
von dem etwaigen Anzug der Feinde benachrichtigt, mufsten sie
den Boden bestellen und ihren Unterhalt gewinnen. Die alten
blühenden Städte, wie Cetium oder Ovilava, waren schon längst
verfallen, andere kleine Orte waren an Stelle der früheren Römer-
kastelle zu einer bescheidenen Bedeutung gelangt, so namentlich
Favianis (Mautern) ^) an der Donau, Asturis und Comagenae. Eine
gewisse dominierende Stellung scheint Laureacum, seinerzeit die
letzte der grofsen militärischen Gründungen Roms an der Donau,
eingenommen zu haben.
1) Die letzten römischen Münzen unserer Gegenden stammen aus dem Jahre472.
2) Die Frage nach der Örtlichkeit von Favianis gehörte einst zu den be-
rühmtesten Streitfragen der österreichischen Geschichte. Auf dem Gewissen hat
sie Otto von Freysing, welcher zu einer Zeit, als die Errichtung eines Bistumes
in Wien eifrig erwogen wurde , Favianis mit Wien identifizierte , um für das
Alter der Wiener Kirche einen Beleg zu gewinnen. Dann brachte man den
Ort Sievering mit dem heiligen Severin in Verbindung, trotzdem die uralte Kirche
dieses Ortes dem heiligen Johannes geweiht war, und nun liefs der Lokalpatrio-
tismus nicht mehr von dieser Legende ab. Erst nach der Mitte des 19. Jahr-
hunderts wurde von der ernsten Geschichtsforschung trotz ' einiger eigensinniger
Nachzügler die Identität entschieden zurückgewiesen. Um so eifriger entbrannte
nun der Streit über die Örtlichkeit. Aschbach trat für Traismauer, Mommsen
für Mauer-Öhling an der Url ein. Auf Mautern hat zuerst Alois Hub er, Ge-
schichte der Einführung und der Verbreitung des Christentumes in Südost-
deutschland I (1874), hingewiesen, freilich, wie dies in seiner Art lag, mehr in-
tuitiv, als wissenschaftlich begründet. Erst Kämmel hat diese Begründung
versucht (Anhang) und Kenner hat sie in seiner Studie „Favianis" (Ber. u.
Mitt. d. Altertumsver. XIX, 49, 1880), welcher 1882 noch eine Polemik gegen den
slawischen Historiker Sembera, der nochmals die alte Hypothese Favianis —
Wien aufwärmen wollte, ,, Favianis, Wien und Mautern" (Bl. d. Ver. f. Landesk.
XVI, 3, 1882) folgte, in umfassender und glücklicher Weise durchgeführt. Seit-
dem wird an der Identität Favianis — Mautern von niemandem mehr gezweifelt.
Eine nochmalige Zusammenfassung der ganzen Frage und ihrer Schicksale lieferte
Kenner in der „Geschichte der Stadt Wien" I, 152.
96 Drittes Kapitel.
Die Roinancu lebten gewissermalsen von der Germanen Gnaden,
die sich in gegenseitiger Eifersucht in Schach hielten, aber diese
Lande, obwohl deren Ergiebigkeit bereits sehr gelitten hatte, als
willkommenes Brandschatzungsgebiet betrachteten. Wir wissen
von einem grofsen Beutezug des Gotenkönigs Thiudemer donau-
aufwärts bis zum Inn , der zugleich dadurch ein gegen ihn ge-
richtetes Bündnis der übrigen Donaugermanen, Sueben, Skiren,
Gepiden und Rugier, brach. Später erfolgte eine Invasion der
Alamannen in umgekehrter Richtung; ihnen unter König Huni-
raund fiel auch Passau zum Opfer, worauf die Bewohner die ge-
fährdete Grenzstadt völlig räumten und nach Laureacum aus-
wanderten, nachdem schon früher die Bewohner von Quintanis
(Künzing) sich nach Passau geflüchtet hatten. Auch die Thüringer,
die nördlichen Nachbarn der Alamannen, zählton zu den Plün-
derern. Die Heruler drangen von der March bis Joviacum
(Schlögen in Oberösterreich) voi', die Rugier zerstörten Asturis an
der pannonischen Grenze.
Ohne genügenden Truppenschutz, vordem nie an Selbständig-
keit und Selbstverteidigung gewöhnt, kamen die Romanen Nori-
cums endlich so weit, sich unter die Schutzhoheit eines der
Gerraanenstärarae zu stellen. Sie vertrauten sich den Rusriern
an, die am wenigsten gefürchtet waren und sogar, nachdem
sie sich im Norden des Landes festgesetzt hatten, wonach dieses
Gebiet in gleichzeitigen Quellen als Rugiland bezeichnet wurde ^),
freundnachbarliche Beziehungen, namentlich einen regen Han-
del, mit ihnen unterhielten. Die entarteten Nachkommen des
einst so mächtigen Herrschervolkes der Römer, von Germanen
gegen andere Germanen geschützt, das ist eine eigenartige L'onie
der Weltgeschichte! Die Rugier übernahmen den bewaffneten
Schutz gegen Leistung von Abgaben. Schliefslich hielten es so-
gar die Bewohner von Laureacum für geraten, sich auf Ein-
ladung des Rugierkönigs Fava unter dessen Schutz nach Favianis
zu begeben.
In diesen Tagen der Not und der Erniedrigung fanden die
Romanen nicht nur Trost, sondern auch werktätige Hilfe im
1) M. G. SS. rer. Langob. 3, 8; 57, 221.
Das Ende der Eömerherrschaft an der Donau. 07
Christentum ^). Das Christentum ist zuerst durch die römischen
Soldaten aus dem Orient in die Legionslager an der Donau ge-
bracht worden, spielte aber anfänglich gegenüber der ausgedehnten
Verehrung, die dem semitischen Bai und besonders dem persischen
Mithras zuteil wurde, eine ganz untergeordnete Rolle, so dafs sich
aus vorkonstantinischer Zeit hier keine christlichen Denkmäler mit
Sicherheit nachweisen lassen. Erst die umfassende Verfolgung
unter Diokletian förderte auch hier die Tatsache zu Tage, da'^s
das Christentum überall im weiten Römerreiche seine Bekenner
wählte. Konstantin der Grofse erst war weitbHckend genug, um
auch in diesem Punkte das Richtige zu erkennen und den ent-
gegengesetzten Weg einzuschlagen, indem er das Christentum zur
ausschliefslich anerkannten Religion erhob. Nun erst kam es zur
Gründung von Gemeinden und zu ihrer Einghederung in die kirch-
liche Organisation, so dafs die Kirchenprovinz Noricum auf der
Synode von Sardica 343 — 344 bereits vertreten sein konnte. Das
Heidentum war aber deshalb noch keineswegs verdrängt; im
Gegenteil wurden während des 4. Jahrhunderts, in dessen Verlaufe
ja auch bei der Zentralgewalt noch Rückschläge erfolgten, die
Heiligtümer der heidnischen Götter in unseren Gegenden benutzt
und erneuert. Erst Theodosius verbot das Heidentum, und erst
nach dieser Mafsregel verfielen dessen Heiligtümer, doch hat es
noch immer auch in der folgenden Zeit seine Anhänger gehabt,
und selbst in den Tagen Severins, als die romanischen Donau-
gegenden schon völlig christianisiert waren, regte sich hier und
da, z. B. zu Cucullae, noch heidnische Feindseligkeit.
1) Die wenigen Nachrichten, die wir vor der Zeit Severins über das Christen-
tum in unseren Gegenden besitzen, boten für Hypothesen und Legendenbildungen
ein weites Feld. Nach der trefflichen Untersuchung von Glück, Die Bistümer
JNoricums, besonders das lorchische, zur Zeit der römischen Herrschaft (Sitzungsber.
d. k. Akad. d. Wissensch. XVH, 60 f., 1855), welche sich mit den älteren Ar-
"beiten kritisch auseinandersetzte, hat Alois Huber mit seinem oben angeführten
"Werke, einem phantastischen Gebilde, dem gegenüber man grofse Vorsicht be-
wahren mufs, vielfach verwirrend gewirkt. Die Verhältnisse vor Konstantin hat
Xubitschek, Zur Frage der Ausbreitung des Christentumes in Pannonien in
•vorkonstantinischer Zeit (Bl. d. Ver. f. Landesk. XXXI, 168, 1897), in scharf
kritischer Weise klar gestellt. Dafs die Passio S. Floriani jetzt nicht mehr
iierangezogen werden kann, darüber siehe oben S. 4.
Vancsa, Geschichte Nieder- n. Oberösterreichs. «
0g Drittes Kapitel.
Der politische und materielle Verfall der Donauprovinzen und
ihre gefährdete Lage schufen für die Verbreitung und Entwicke-
lung des Christentumes einen günstigen Boden. Verfallsepochen
fördern den Hang zum Mystischen und zur Askese; wankt die
weltliche Macht und gewährt sie dem einzelnen keinen Schutz
mehr, so wendet er sich überirdischen Gewalten zu: die Unglück-
lichen, die Beraubten, die Armen schliefsen sich zu gemeinsamem
Gebet aneinander. So finden wir nach der Hunnenzeit, da wir
durch die Vita Severini nach langer Unterbrechung wieder einen
o-enauen Einblick in die Verhältnisse Noricums erhalten, ein sehr
reich entwickeltes kirchliches Leben. Laureacum, der hervor-
ragendste Ort der Donaugegend zur damaligen Zeit, war zugleich
Sitz eines Bischofs, als welcher Constantius genannt wird i). Es
gab auch in vielen Orten Kirchen und Kapellen, zu Laureacum,
wie es scheint , sogar mehrere ^). Das Mönchswesen hatte sich
gleichfalls hier heimisch gemacht, selbst Nonnen werden bereits
erwähnt. Der Gottesdienst wird in feierlicher Weise und regel-
mäfsig gehalten, Wallfahrten werden veranstaltet, Priester (Pres-
byteri) und Diakonen gibt es in genügender Zahl.
Bekanntlich hatten sich im Laufe dieser ersten Jahrhunderte
der christlichen Kirche eine stattliche Reihe häretischer Lehren
ausgebildet, die einander grimmig befehdeten. Der Arianismus,
der überhaupt die weiteste Verbreitung darunter gewann und der
katholischen Kirche eine Zeitlang die kräftigste Konkurrenz machte,
hatte auch für unsere Gegenden seine Bedeutung, da er der Glaube
der den Romanen benachbarten Germanen war. Das Christentum
gehörte zu jenen Kulturmomenten, mit denen die Römer, wie
1) Ob Constantius der erste Bischof Laureacums gewesen ist, gehört zu den
beUebten Streitfragen aller älteren Forscher, die sich mit dem Christentum
im römischen Noricum beschäftigten, allerdings zugleich auch zu jenen, die sich
aus Mangel an Beweisen, sofern nicht neue Quellen entdeckt werden sollten,
niemals entscheiden lassen. Sollen jedoch durchaus Hypothesen versucht werden,
so möchte ich für meinen TeU mich dahin äufsern, dafs bei dem guten Zustand
der gesamten Kirchenprovinz zu Severins Zeiten eine bereits längere Existenz
des Bistumes immerhin wahrscheinlich ist. — Das zweite Bistum Noricums lag
im Süden zu Tiburnia an der Drau.
2) Das scheint wenigstens aus der Stelle der Vita Severini c. 27 hervor-
zugehen.
Das Ende der Eöraerherrschaft au der Donau. 99
schon hervorgehoben wurde, den Germanen imponierten. Die ersten,
die es annahmen, waren die Goten. Zufällig traf es sich, dafs
zu der Zeit, als sie aus Landnot dringend Sitze im römischen
Gebiete heischten, der Kaiser von Ostrom, Valens, Arianer war.
So traten sie aus politischen Gründen zum Arianismus über, obwohl
sie sich zuerst zum katholischen Glauben bekehrt hatten, und die
Folge davon war, dafs nun auch alle kleineren germanischen
Stämme, darunter auch die Rugier, das arianische Bekenntnis
annahmen. Das ergab einen neuen Gegensatz zwischen Romanen
und Germanen.
Für die Romanen Noricums wurde das Christentum nicht
nur eine Quelle des Trostes, eine Zuflucht der Herzen in den Tagen
der Not, sondern es gewann auch eine eminent praktische Be-
deutung, und dies war vornehmlich das Werk eines seltsamen
Mannes, von dem man nicht wufste, woher er kam, und der selbst
das Dunkel darüber wahrte, eines Mannes, der aber vermuthch
aus Afrika stammte ^), der mit tiefem Erfassen der Sachlage sich
die grofse Aufgabe stellte, den Romanen auf ihrem verlorenen
Posten in den bitteren Stunden des gänzlichen Zusammenbruches
und der Auflösung beizustehen, dem sterbenden Römertume so-
zusagen die letzte Ölung zu geben, das Werk des heiligen
Severin. Seine Tätigkeit unterscheidet sich wesenthch von der
gewöhnlichen christlicher Glaubensboten, denn sie ist keine be-
kehrende. Er ist zwar strenger Verfechter des Katholizismus gegen-
über arianischen Neigungen, beispielsweise den arianischen Bekeh-
rungsversuchen der Rugierkönigin Gisa gegenüber, er sorgt jedoch
vor allem allerorten eifrig für die Aufrechthaltung der kirchhchen
Gebote, für die Pflege des Gottesdienstes und für die Gründung
von Klöstern. Aber darin liegt nicht die eigentUche Bedeutung
seiner Tätigkeit, ja er selbst betrachtete dies alles mehr als Mittel
zum Zweck, wie er denn immer der einfache Mönch — er stand
höchstens dem von ihm gegründeten Kloster bei Favianis vor —
zu bleiben wünschte und jede höhere kirchliche Würde zurückwies.
1) Sommerlad a. a. 0. S. 64:f. sucht es wahrscheinlich zu machen, dafs
Severin identisch mit einem im Jahre 437 von den Arianem vertriebenen Bischof
Severinianus aus Afrika sei.
7*
100 Drittes Kapitel.
Von gröfster Wichtigkeit war sein Wirken in sozialer und poli-
tischer Hinsicht, das den Geist des Augustinismus atmet und
das ihn bereits zu einem Vorläufer mittelalterlicher Entwickelung
stempelt. Um die krasse materielle Not der Bevölkerung zu lindern,
leitete er auf Grund der kirchlichen Zehntengebote eine umfassende
Armenpflege ein und suchte die vielen von den germanischen
Raubscharen als Gefangene fortgeschleppten Romanen durch ge-
sammelte Lösegelder freizukaufen. Von grofser politischer Be-
deutung war es, dafs hauptsächlich durch seine Bemühungen das
gute Einvernehmen mit den Rugiern wiederhergestellt und deren
Schutzhoheit über die Romanen aufgehoben ward. Als er seinen
Tod herannahen fülilte, nahm er noch König Feva und besonders
dessen Gemahlin und dessen Bruder Ferderuch das Versprechen
ab, die romanische Bevölkerung fernerhin nicht weiter zu be-
drücken. Seine Autorität nicht nur bei seinen Volksgenossen,
sondern auch bei den Germanen und deren Königsfamilie war so
grofs, dafs seine Stellung in einer Zeit, als in den Donaugegenden
keine staatliche Oberleitung mehr bestand, in Wirklichkeit der
eines Herrschers gleich kam. Er ordnete auch, als der Westen
nach seiner allerdings resigniert pessimistischen Anschauung, die
gleichfalls den Orientalen verrät, nicht mehr ohne Gefahr zu halten
war, die Konzentrierung der romanischen Bevölkerung zuerst nach
Passau, dann nach Laureacum und endlich na h Favianis an;
er mag es auch gewesen sein, der dem Kaiser Odoaker, mit dem
er gleichfalls in politische Verbindung getreten war, zur gänzlichen
Wegführung der Überreste der romanischen Bevölkerung aus Ufer-
noricum geraten hat ^).
Als Severin am 8. Januar 482 gestorben war, hatten die
Romanen an der Donau tatsächlich ihre letzte Stütze verloren,
und es war für sie eine erlösende Tat, die sie vor der völligen
Vernichtung oder Unterjochung durch die Germanen rettete, dafs
1) Noch auf seinem Totenbette hat Severin die Abführung der Komanen
nach Italien vorausgesagt. — Bei seinen Verbindungen mit Odoaker, mit dem
er ja auch persönlich vor dessen Zug nach Italien eine lange Unterredung
hatte und später im Briefwechsel stand , ist es höchst wahrscheinlich , dafs er
ihm diese Erlösung der romanischen Bevölkerung ausdrücklich ans Herz gelegt
hat und daher die Erfüllung dieses Rates so bestimmt erhoffen konnte.
Das Ende der Eömerherrscbaft an der Donau. 101
sich Odoaker wirklich dazu entschlofs, sie durch den Grafen
Pierius, der vielleicht bis dahin einen Beamtenposten in der Pro-
vinz bekleidet hatte, nach Italien abführen zu lassen. Der Leich-
nam Severins wanderte als teueres Vermächtnis der alten Heimat
mit, um bald danach im Kloster Lucullanum eine würdige Ruhe-
stätte zu finden. So endete im Jahre 487 ebenso kämpf- und
ruhmlos wie einst das keltische Königreich Noricum, und nach-
dem sie, wie dieses von allen Seiten untergraben, unhaltbar ge-
worden, nach nahezu 5 00 jährigem Bestände die Römerherrschaft
an der Donau.
Viertes Kapitel.
Germanische, slawische und awarische Wanderungen.
Man sollte nuu meinen, dafs die Germanen ohne weiteres das
Erbe der Römer angetreten hätten, und dafs es bereits jetzt zur
Begründung einer dauernden germanischen Herrschaft an der Donau
gekommen sei. Dazu aber waren die germanischen Stämme zu
sehr zersplittert und zu heftig untereinander verfeindet. Die Ost-
goten, die vermöge ihrer Stärke und ihres Ansehens am ehesten
dazu berufen gewesen wären, hatten schon vorher bald nach 475,
als Theoderich ihr König geworden war, Pannonien verlassen, um
nach der Balkanhalbinsel zu ziehen, und derjenige Stamm, der
sich als der sefshafteste erwiesen und noch während des Bestandes
des Romanentumes in Ufernoricum eine gewisse Anghederung
dieses Gebietes angestrebt hatte, der der Rugier, wurde sogar in
das Ende der Römerherrschaft verwickelt und gleichzeitig mit
vernichtet ^).
Ihr Unheil waren Fehden in ihrem Herrscherhaus, vielleicht
auch der Einflufs, den Ostrom hier gegen Odoaker zu gewinnen
suchte. Wir haben schon gesehen, dafs sie zur Zeit Severins von
König Fava in kluger und glücklicher Weise regiert wurden.
1) Für dieses Kapitel ist aufser den allgemeiDen Werken und Erckerts
Kartenwerk und insbesondere Kämmel und Strakosch auch noch zu ver-
gleichen : Bachmann, Die Völker an der Donau nach Attilas Tode (Archiv
f. österr. Gesch. LXI , 189). Einiges über den Untergang des Eugierreiches,
über die Gotenherrschaft und über die Langobarden bei Hartmann, Das
Königreich Italien I (Leipzig 1897), II, 1900. Quellen dafür aufser der Vita
Severini: Johannes Antiochenus (Fragm. bist. Graec. IV, 213, 7); italie-
nische Chroniken und Cassiodor ad ann. 487; für das Folgende: Procopius,
De hello Goth.
Germanische, slawische uud awarische Wanderungen. 103
Aber schon unter ihm hatte sich sein Bruder Ferderuch, der eine
Art Unterherrschaft im Gebiete von Favianis ausübte, manche
Gewaltsamkeiten erlaubt. Ihm fiel auch das Kloster Severins Ad
Vineas, das vermutlich an der Stätte des heutigen Klosters Gött-
weig stand, zum Opfer. Bald nach Severins Tode wurde er durch
seinen Neffen Frederich ermordet. Da wandte sich seine Gefolg-
schaft an Odoaker, der ja selbst ein Rugier war, und dieser
stellte wie im Reiche so auch hier im verlorenen Grenzgebiete
nochmals das gesunkene Ansehen Westroms wieder her, indem
er die Rugier besiegte und König Fava und dessen Gemahlin in
die Gefangenschaft führte, später sogar hinrichten liefs. Frederich
aber war zu Kaiser Zeno nach Byzanz geflohen, der das leb-
hafteste Interesse an der Fortdauer der Kämpfe gegen Odoaker
hatte, und bemächtigte sich dann nochmals der Herrschaft in
Rugiland. Nun sandte Odoaker seinen Bruder Onulf an die Donau,
vind dieser vernichtete im Jahre 487 die letzten Reste des Rugier-
reiches und führte zugleich die Mission der Räumung Ufernoi'icums
durch, da Odoakers Politik überhaupt darauf gerichtet war, seine
Herrschaft auf Italien zu konzentrieren.
Frederich mufste zum zweiten Male flüchten und begab sich
zu dem Ostgotenkönig Theoderich, der damals in Mösien stand,
nach neuen Kriegs- und Raubzügen und nach neuer Länderbeute
lüstern. Byzanz, dem er als nächster Nachbar unbequem war, und
das zugleich Odoakers Machtentfaltung eifersüchtig zusah, be-
stärkte ihn darin, seine Blicke auf Italien zu lenken. So machte
denn Theoderich im Jahre 488 dem Reiche Odoakers ein Ende,
und das alte Römerreich schien unter germanischer Vorherrschaft
noch einmal in einstiger Gröfse emporzublühen. Noch einmal
gewann es den Anschein, als sollten auch die Länder an der Donau
in einem germanischen Staate aufgehen. Während der fast vierzig-
jährigen Regierung Theoderichs, der sich den Beinamen des Grofsen
errungen hat, waltete in Itahen und in den Provinzen Ruhe und
Ordnung, und die benachbarten kleineren germanischen Stämme
suchten die Schutzhoheit des mächtigen Gotenkönigs. Noricum frei-
lich war und blieb verödet ^), und nur die zurückgebliebene ärmere
1) Procopiüs 11, 14.
104 Viertes Kapitel.
romanische Kolonenbevtilkerung bestellte noch du und dort den
Boden.
Das verlassene Gebiet der Rugier haben sich in jener Zeit
ihre östlichen Nachbarn, die Heruler, die unter allen Germanen
den Ruf des barbarischsten Stammes genossen und gröfstenteils
noch Heiden waren, denen selbst Menschenopi'er nicht fremd ge-
wesen sein sollen, angeeignet '). Auch sie standen unter gotischem
Schutze. Aber sie erfreuten sich nicht lange des neu erworbenen
Besitzes, denn ungefähr um 510 rückten von der unteren Elbe
die Langobarden unter einem König Godeoch gegen die Donau
vor. Zwar schien es anfangs, als ob die Neuankömmlinge im alten
Rugierlande friedlich neben den Herulern siedeln würden, ja sie
wurden diesen zunächst tributpflichtig; aber bald (ca. 512) kam
es zwischen ihnen zum Kampfe, der mit der Vernichtung der
Heruler unter ihrem König Rudolf durch den Langobardenkönig
Tato endete '•^). Die Reste des Volkes scheinen in die alten Stamm-
sitze in Skandinavien zurückgewandert zu sein. Ihr König Rudolf
ist das Urbild des Markgrafen Rüdiger im „Nibelungenlied"^).
Als nach dem Tode Theoderichs im Jahre 526 das Ostgoten-
reich rasch seiner Auflösung anheimfiel, breiteten sich die Lango-
1) Das Land scheint sogar vorübergehend als Herolia bekannt gewesen zu
sein (bei Paulus Diaconus M. G. SS. rar. Laugob. 59).
2) Die Origo gentis Langobardorum berichtet von einer vertragsmäfsigen
Abtretung des Rugilandes und des „Feldes" (vermutlich die ungarischen Pufsten
und nicht das Marehfold) durch die Heruler an die Langobarden , welche dann
nach dreijährigem Besitz mit jenen in Kampf geraten , \vähren<l sie nach Proco-
pius überhaupt erst nach der Entscheidungsschlacht Kugiland besetzt hätten»
Hartraann II \ 9 vermutet, dafs die nahezu gleichzeitige Erhebung der Lango-
barden und der Vorstofs der Franken gegen das Westgotenreich kein blofser
Zufall gewesen ist, denn Theoderich, der sich mit sämtlichen Goten solidarisch
erklärte, hatte mit dem Herulerkönig ein Bündnis <:eschlossen.
3) Noch in der ältesten Fassung der Thidrekssaga heifst Rüdiger voa
Bechlarn Eodulf. Vgl. Matthäi, Eüdiger von ßechlaren und die Harlungen-
sage (Zeitschr. f. deutsches Altertum XLIII, 305, 1899); er führt auch noch di&
Herilungoburg und das Herüungofeld bei Pechlarn, die noch im 9. Jahrhundert
erwähnt werden , nach älterer Ansicht auf die Heruler zurück , was aber jetzt
durch die Untersuchungen von Panzer, Die deutsche Heldensage im Breisgau
(Heidelberg 1904) widerlegt ist. Panzer weist nach, dafs auch anderweitig, wa
niemals Heruler gesessen haben, Örtlichkeiton dieses oder ähnlichen Namens sick
befinden, welche gleichbedeutend mit den Venus- oder Hörseibergen sind.
GermaEisclie, slawische und awarisciie Wanderungen, 105
barden bald über die Donau aus, und im Jahre 546 trat ihnen
der oströmische Kaiser Justinian, auf den nach Besiegung und
Vernichtung der Ostgoten wenigstens der Rechtstitel auf deren
ganzen Besitz überging, Noricum und Pannonien formell ab.
Es war ihm willkommen, dafs sie Goten und Gepiden in Schach
hielten.
Aber lange genügten die ausgesogenen, wenig ergiebigen Land-
schaften auch den Langobarden nicht. Um das Jahr 568 ') ver-
liefsen auch sie, unter ihrem ruhmreichen König Alboin, die
Donaugegenden, um die gesegneten Gefilde Italiens aufzusuchen 2).
Damit war die letzte Gelegenheit einer germanischen Besiedelung
dieser Landstriche verschwunden — an der mittleren und unteren
Donau sollte es für immer sein, im alten Noricum doch nur für
die nächste Zeit. Die Bevölkerung war bis auf geringe Reste aus-
gestorben und fortgezogen, die Wohustätten lagen in Trümmern,
der kultivierte Boden verwilderte, nur die Sagen überlebten merk-
würdiger Aveise diesen Zusammenbruch der Kultur und rankten sich
hinüber zur neuen deutschen Besiedelung.
Das verwaiste Erbe der Germanen in den weiten verödeten
und entvölkerten Landstrichen längs der Donau traten nun wieder
jene mongolischen Völker an, die seit Jahrhunderten in ihrem
Rücken nachdrängten und von denen die Hunnen bereits vorüber-
gehend die Donauländer innegehabt hatten. Jetzt war es der mit
ihnen nahe verwandte uralaltaische Stamm der Awaren, der bereits
als Bundesgenosse der Langobarden im Kampfe gegen die Gepiden
sich den Löwenanteil genommen hatte, indem er das weite Gebiet
von den transsilvanischen Karpathen bis zu den Alpen besetzte,
und dem nunmehr die abziehenden Langobarden auch die norischen
Gegenden vertragsmäfsig überliefsen. Auch sie waren wie die
Hunnen ein wildes Reitervolk; auch ihnen ging der hunnische'
1) Der Ausatz schwankt zwischen 508 und 509, doch sprechen die besseren
Schriftsteller Origo 5, Cod. Goth. 5, Paul. Diac. II, 7 und die Gregorbriefe
Eeg. V, 39; XIII, 41 für das erstgenannte Jahr.
2) Über den Aufenthalt der Laugobarden in den österreichischen Ländern
siehe aufser Büdiugerl: Loserth, Die Herrschaft der Langobarden in
Böhmen, Mähreu und Kugiland (Mitt. d. Inst. f. österr. Gesch. II, 353, 1881)
und jetzt Hartmann a. a. 0. II \ 1 ff .
106 Viertos Kapitel.
Schrecken voraus, so dafs mau sie allgemein, wie aus den gleich-
zeitigen Schriftstellern hervorgeht, mit den Hunnen identifizierte;
doch auch ihnen fehlte jede Fähigkeit der Entwickelung zu einem
Kulturvolk, sie waren und blieben Nomaden, die es zu keiner
Sefshaftigkeit bi'ingen konnten. Sie lebten in grofsen Heerlagern,
sogenannten „Ringen", die sie im Umkreis von mehreren Meilen
mit 20 Fufs hohen und dicken Wällen aus Pfählen, Steinen und
Lehm umgaben, unternahmen von diesen aus ihre Raubzüge, durch
die sie im wesentlichen ihren Lebensunterhalt erwarben. Es sollen
deren im ganzen neun gewesen sein, von denen zwei im alten
Noricum an der Mündung des Kampflusses und östlich von Tulln bei
Königstätten lagen. Sie hielten sich mit diesen Ringen längs der
grofsen Heerstrafse an der Donau, während sie das Innere des
Landes mieden. An ihrer Spitze stand ein Khakan, dem später
der Jugur fast gleichberechtigt war; aufserdem gab es aber noch
zahlreiche Häuptlinge, die Tarkane.
Dafs sich diese Nomaden, obwohl sie nicht zur Bodenkultur fort-
schritten, dennoch zwe^ Jahrhunderte lang im Donaugebiete halten
konnten, hatte seine Ursache einerseits in • der Ohnmacht der Nach-
barländer, welche ihnen widerstandslos als Brandschatzungsgebiet
dienten, andrerseits aber, und noch viel mehr, darin, dafs ein
anderes Volk ihren Spuren folgte und sich neben ihren Heerlagern
niederliefs, das im geraden Gegensatz zu ihnen wenig kriegerisch,
wenig herrisch gesinnt, sich ganz der Bodenbebauung widmete
und willig eine Art Knechtschaftsverhältnis ertrug. Durch dieses
Volk gewannen die Awaren, die Herrschenden, die notwendigen
Grundlagen für ihr Dasein.
Dieses Volk waren die Slawen. Der Stamm der Slovenen
(Sclavenen) oder Winden drang vom Süden, wo er nach der Mitte
des 6. Jahrhunderts die Gegend zwischen Drau und. Sau besetzt
hatte, langsam und friedlich nach dem Norden vor, überschritt
den Pyhrn und den Semmering und liefs sich in den Seitentälern
der Donauzuflüsse, an der Traun, an der Krems, an der Steier,
an der Enns, an der Ips, Erlaf, Pielach, Perschling und Traisen,
stellenweise auch im Wiener Wald und im Wiener Becken nieder,
alles Gegenden, die entvölkert und von den Awaren gemieden waren.
Höher ins Gebirge drangen auch sie nicht vor, ebensowenig in die
i
Germanische, slawische und awarische Wanderungen. 107
ungeschützte Ebene ^). In den leicht zugänglichen Tälern oder
im Hügelland, wo ihr primitiver Pflug den Boden lockern konnte,
begannen sie den Ackerbau; sie unternahmen zum ersten Male
Rodungen und gründeten zahlreiche Ansiedelungen, selbst den
alten Bergbau im Quellgebiete der Ips, in der „Eisen würzen",
scheinen sie wieder aufgenommenzu haben. Die Ortsnamen sprechen
eine beredte Sprache und gestatten eine Festlegung des slawischen
Besiedelungsbezirkes auch dort, wo direkte Zeugnisse fehlen ^).
1) Von den Slawen ganz frei blieb das obere Traisental, die Täler der
Schwarza , Gölsen , oberen Piesting und Triesting , sowie die Täler im Wiener
Becken. Vgl. Grund, Die Veränderungen der Topographie im Wiener Wald
und Wiener Becken (Geograph. Abhandlungen VIII, 58).
2) Diesen Gegenstand hat Karamel, welcher darin zumeist Miclosieh
folgt, so eingehend behandelt — wozu noch die Ergänzungen bei Strakosch
heranzuziehen sind — , dafs ich mich wohl kurz auf die Ergebnisse beschränken
kann, da ich ja keine Ortskunde bieten will. Die Ortsnamenforschungen in Öster-
reich sind viel schwieriger als anderswo, da hier nicht nur die Sprachmischung,
sondern auch die vielen unregelmäfsigeu Bildungen, welche sich daraus erklären,
<lafs Österreich dem Zentrum der germanischen Sprachentwickelung weit ent-
Tii(!kt war (Müller, Altösterreichisches Leben aus Ortsnamen iti den Bl. d. Ver.
f. Landesk. 1884), in Betracht gezogen werden müssen. Ein zusammenfassendes
Werk, welches freilich nicht nur gründliche Sprach-, speziell Dialektkenntnisse,
sondern auch historisches Wissen voraussetzen würde, gibt es noch nicht, doch
hat Eichard Müller eben eine „Österreichische Ortsnamenkunde" abgeschlossen.
Bemerkenswerte Vorarbeiten lieferte Müller bereits in den Blättern des Vereins
für Landeskunde XVIII -XXVII und XXXIV, 1884—1900, die jedoch zu sehr
mit der grammatikalischen Theorie operieren und die volkstümliche Umformung
zu sehr aufser acht lassen, und welche dadurch einiges Mifstrauen hervorrufen,
dafs sie in ihren letzten Abschnitten zu Anschauungen gelangen, die den ersten
mit dem Aufgebot des philologischen Apparates entwickelten , gerade entgegen-
gesetzt sind. Jedenfalls sind die Berichtigungen, die Grienb erger in den
Mitteilungen des Institutes XIX, 520 und Willibald Na gl (verstreut in Zeitungen
und Zeitschriften) geliefert haben, sehr zu beachten. Kämme 1 und Strakosch
dürften bei der Zurückführung vieler nieder- und oberösterreichischer Ortsnamen
auf slawischen Ursprung doch viel zu weit gehen, und gar mancher derselben
dürfte sich ohne besondere Gewaltsamkeit auch aus dem Deutschen ableiten lassen —
ich erwähne nur Wien, Dürnstein, Thernberg, Trübensee, Gleifs, AUand, Mölln,
Laussa u. a. — , aber es wäre ein ganz lächerlicher nationaler Chauvinismus, wollte
man deshalb, weil die Ortsnamenerklärung sich in einer Eeihe von Fällen berichtigen
läfst, die Tatsache der slawischen Besiedelung, die auch urkundüch unumst-öfslich
belegt ist, wegleugnen oder als unbedeutend hinstellen. Ich glaube, man kann
die historische Tatsache in ihrem ganzen Umfange aufrechthalten und braucht
lOS Vi.-rtcs Kapitel.
Die vielen Ableitungen auf -itz und -ing, welche auf altes -icha
zurückgehen, die zahlreichen Zusammensetzungen mit Winden und
Windisch ') weisen auf slawische Entstehung, aber auch viele
Stammworte , die Beziehungen zum Obstbau ^) , zur Siedelung
im Walde oder Rodung^), ja zum Bergbau'^) zeigen, finden sich
in den genannten Gegenden ^). Doch besitzen wir auch genug
direkte Nachrichten, dafs wir uns von der Ausbreitung und der
Entwickelung des Slawentumes in unseren Gegenden ein Bild
machen können. Um 620 hat bekanntlich ein Mann fränkischer
Abstammung, Samos, ein slawisches Reich in Böhmen und Mähren
begründet, und seitdem schoben sich auch vom Norden her die
deshalb doch den grunddeutschen Charakter des Landes nicht zu verneinen. Ich
hoffe durch meine Darstellung zu zeigen, welch untergeordnete Bedeutung in
dieser Beziehung der slawischen Episode zukommt. Vgl. auch üopsch in der
Einleitung zu den „Österreichischen Urbaren" S. CXLV.
1) Winden östlich von Vöklabruck, Bergwindeu bei Wels, Windisch-Garsten,
Windischdorf bei Kirchberg in Oberösterreich, Wiudischberg bei Linz, zwei Orte
namens Windischendorf im' Ipsgebiet, Winden bei Herzogenburg; m den landes-
fürstlichen L'rbarcn des 13. Jahrhunderts begegnen coch Windischmarkt und
Abwinden (Dopsch a. a. 0. 91, 102, 144, 152, 156). Diese Namen wurden
natürlich von den umwohnenden Deutschen gegeben. Wien ist dagegen wohl
nicht hierher zu ziehen, so heifs umstritten diese Namensfrage ist. Der Stadt-
name dürfte wie so man(^her andere von dem Flufsnamen abzuleiten sein.
Siehe jetzt die zusammenfassende Darstellung der Frage b-i Müller in der
Geschichte der Stadt Wien I, 161. In neuester Zeit hatNagl die ansprechende
Ableitung von einem dialektischen Wean , Wan=Mulde aufgestellt.
2) Burgschleinitz (von 8livnica=Pflauraengarten), Gablitz und Gaflenz (von,
jable=Apfel und jablonice=Apfelwäldchen).
3) Liesing (lesu=Wald), (Windisch-) Garsten und Gresten (hrvastu=Ge-
strüpp), Triesting (trusti=Robr) , Glocknitz (glogu=Wcifsdorn) , Jauerling und
Joanitzbach (javoru= Ahorn), Edlitz (jedla=Tanne), Semmering (smreka=Fichte;
die Ableitung Müllers von ceraeri=Gift ist doch sehr gezwungen). Perschling
(breza=Birke) , Sierning (ziru=Weide) , Melk und Mödling (metlika=Pflanze) ;
dann direkt auf die Rodung bezüglich : Lassing (laz^Rodung) und Zwettl (svetlo=
Lichtung). Die rodende Tätigkeit der Slawen ist auch ausdrücklich bezeugt in der
Stiftungsurkunde von Kremsmünster aus dem Jahre 777 (ÜB. d. L. o. d. EnnsII, 2).
4) Reudling bei Waidhofen an der Ips, ursprünglich Rudniha (rudnica=
Bergwerk; ruda=Erz).
5) Es dürften auch noch Döbling, Lainz, Währing, Als, Rodaun, Nöstach,
Pemitz, Türnitz, Preuwitz (Priblico), Pottschach, Strelz, Prosset und Göstritz.
slawisch sein.
Gerir!aniscl;c, slawische und awarisdie Wanderungen. 109
Slawen der Donau zu. Ja, Samos brachte sogar eine Koalition
aller Slawen bis zur Save zustande, doch war diese Einigung von
Nord- und Südslawen nicht haltbar, da zwischen ihnen wie ein
Keil die A waren safsen, die sie nicht zu verdrängen vermochten,
]a von denen im Gegenteile die benachbarten Stämme stets in einer
gewissen Abhängigkeit blieben. Trotzdem erstarkte seit der Staaten-
bildung im Norden auch das SlaAventum der Alpen- und Donau-
länder. So kommt es, dafs im 9. Jahrhundert das Gebiet zwischen
Enns und Steier als pars Sclavanorum bezeichnet und sogar das
ganze Land, welches ungefähr dem heutigen Niederösterreich ent-
spricht, Sclavinia, Slawenland oder auch Winidorum marca benannt
werden konnte '). Im Lande ob der Enns sind gut organisierte
slawische Gemeinden in der Gegend von Kremsmünster um 777
bezeugt '-^j, gröfserer slawischer Grundbesitz im Norden der Donau
zwischen 830 und 850 ^), unter der Enns werden Slawen und Wenden
ausdrücklich erwähnt an der Erlaf, Ips und Traisen während des
9. und 10. Jahrhunderts ^).
Zu einer staatlichen Organisation waren die Vorbedingungen
noch wenig ausgebildet. Bei den Slawen dieser Gegenden gab es
nur Dorfgemeinschaften auf Familiengrundlage, die sich in Zupen
unter einem Zupan zusammenschlössen, der Heerführer, Richter
und Priester — ein eigener Priesterstand existierte nicht — in
«iner Person war. Die nächst höhere Einheit war im Gegensatz
zur germanischen Hundertschaft die Zehnerschaft (Dekanie). Es
gab Freie und Unfreie, dagegen keinen Grofsgrundbesitz ^), ja
überhaupt kein Privateigentum.
1) Mühlb acher, Regesten der Karolinger Nr. 55(j (1. Aufl. öo?!, 1892
<1841); Klein mayrn, Juvavia 88. Hincmar 864.
2) ÜB. d. L, 0. d. Enns II, 2. 3. 5. G. 7 (Stiftuugsurkunde von Krems-
münster 777, respektive Bestätigungen durch Karl den Grofsen 791 und 802. —
Es ist hier sowohl von einer decania (herzoglichen Zehntenschaft) Sclavorum als
auch von einem Jopan (Zupan) die Eedc.
3) M ü h 1 b a c h e r 1341 (1303) , Archiv für österreichische Geschichte
XXVIII, 258.
4) An der Erlaf um 832: Mühlbacher 1347 (1308), Mon. Boic. XXVIIIb,
22; an der Ips Mon. Germ. Dipl. Ottonis II, 204 und Ottonis IH, 540; au der
Traisen um 828: Mühlbacher 850 (824).
5) Vgl. Meitzen II, 214 f. — Bezüglich der Zupen siehe oben Aiim. 2,
110 Viertes Kapitel,
Es war eine ruhige Bauernbevölkerung, welche trotz ihrer
Zahl eine untergeordnete Rolle spielte und zuerst von den Awaren,
später von den Deutschen, sobald sie mit ihnen in Berührung kam,
in Abhängigkeit geriet. Ihr Charakter war die Unterwürfigkeit,
was sich deutlich in der Identifizierung ihres Namens Slavi mit
Sclavi ausdrückt ^) ; kriegerischer Sinn war ihr fremd, wir hören
nicht einmal von passivem Widerstand, geschweige denn von einer
bewaffneten Offensive. Zu einer politischen Einigung der Slawen
ist es in unseren Gegenden niemals gekommen.
Durch den Einzug der Awaren und die friedliche Einwande-
rung der Slawen wurde in dem Lande von der Leitha bis zur
Enns und zum Teile bis zur Traun die gleichmäfsige Kulturentwicke-
luno- die durch fünf Jahrhunderte hindurch die Römer, selbst die
ältere der Kelten fortsetzend, gepflegt hatten, und welche nach ihrem
Abzug, wie es den Anschein hatte, von den Germanen fortgeführt
worden wäre, durch zwei Jahrhunderte unterbrochen. Hier ist
wohl auch das romanische Element in Wirklichkeit ganz ver-
schwunden, denn, währfend es sonst Regel ist, dafs neu einwandernde
Völker die Ortsnamen, welche sie vorfinden, beibehalten und
höchstens sich mundgerecht machen, konnten die Slawen, wenn
man von einigen wenigen Flufsnamen absieht, Flüsse und Berge
neu benennen imd zahlreiche Ansiedelungen gründen, ohne an
schon Bestehendes anzuknüpfen. Die vereinzelte Erwähnung von
ein paar Römerorten an der Donau in den KaroHngerannalen —
es sind Comagenae, Trigisma und Carnuntum — beweist kaum
etwas für ihren Fortbestand, die römischen Namen verschwinden
im Gegenteile hier spurlos ^). Noch weniger war von dem ger-
Zupan hängt nicht mit Paii = Herr zusammen, sondern mit zupa = gemeinsame
Wohnstcätte, Herdplatz. Die romanisierte Form ist Jopan. — Dafs kein Grofsgrund-
besitz im späteren Sinne bei den Slawen bestand, geht auch indirekt aus dem
Umstand hervor, dafs wir keine slawischen Ortsnamen, welche von Personennamen
(Gründern oder Besitzern) abgeleitet sind, aus jener Zeit finden; erst unter Ein-
wirkung der bayerischen Kolonisation tauchen sehr spät einige solcher Namen
auf, so Badegast Getzt Tradigist) an der Pielach 1084, Primizlasdorf in der
obeiösterreichischen Riedraark IUI, Ladislausdorf bei St. Florian 1139, Zwern-
dorf (Zuelanisdorf von Welan), ebenso Wöllersdorf und Tribuswinkel von Trewan.
1) Siehe Meitzen H, 149.
2) Die direkten Ableitungen deutscher Ortsnamen aus römischen, welche
Germanische, slawisoho und awarische Wanderuugen. 111
manischen Leben übrig geblieben. — Trotz der Einwanderung
der Slawen und ihrer kulturellen Tätigkeit war das Land nicht
besonders stark besiedelt und in wenig blühendem Zustand. Noch
zu Beginn des 8. Jahrhunderts war das Gebiet an der Enns ver-
ödet und wegen der reifsenden Tiere, welche die dichten Wälder
durchstreiften, berüchtigt '). Natürlich kann unter diesen Umständen
auch nicht von dem Fortbestand eines Bisturaes in Laureacura die
Rede sein ^).
Unvergleichlich günstiger war es um das Land westlich von
der Enns, beziehungsweise von der Traun bestellt. Eine Zeitlang
nach dem Abzug der Romanen hielten es vermutlich die Alamannen
besetzt, die schon bei Lebzeiten Severins erobernd über den Inn
man früher hervorzuheben pflegte, lassen sich bei näherer Prüfung nur schwer
aufrechterhalten. Dafs Kaumberg nichts mit Comagenae und Traismauer nichts
mit Trigisamum zu tun hat, ist von Müller (Mons Comagenus und Asnagahunc
in den Bl. d. Ver. f. Landesk. XXXI, 426, 1897 und Ortsnamenkunde, ebendas.
XXII, 329, 1888) nachgewiesen worden, und dafs der Name Wien nicht mit
dem römischen Vindobona oder Yindomina zusammenhängt, ist doch endlich einmal
ein gesichertes Ergebnis in dieser heifs umstrittenen Namensfrage, welches das
Verdienst Grienbergers (Sitzungsber. d. k. Akademie d. Wissensch. Phil.-
hist. Kl. CXXXI, 1894) ist, dem sich sowohl Nagl (s. oben) als auch Müller
(Gesch. d. Stadt Wien I, 161) trotz ihrer sonstigen Gegnerschaft angeschlossen
haben. Meitzen II, 389 macht übrigens die Beobachtung, dafs die Slawen
überlieferte Namen nicht übernehmen, sondern durch eigene ersetzen, während
die Germanen sie respektieren und höchstens umformen ; das dürfte der Schlüssel
zu manchen Erscheinungen sein , namentlich zur Konservierung der slawischen
Ortsnamen auch dort, wo das Deutschtum sonst jede Spur slawischen Wesens
beseitigt hat.
1) Vita Emmerani, Acta Sanctor. Sept. VI, 475. Der Bericht, der hier
dem Herzog Theodo in den Mund gelegt wird, um Emmeram von der be-
absichtigten Keise in jene Gegenden abzuhalten, scheint absichtlich übertrieben,
dürfte aber doch nicht aus der Luft gegriffen sein.
2) Bekanntlich wurde dieser vom Bistum Passau behauptet, welches, um
ein hohes Alter in Anspruch nehmen zu können, sich als Nachfolger des Lorcher
Bistumes bezeichnete. Schon Dümralers Forschungen über die Passauer
Fälschungen haben dieser Fabel ein Ende gemacht. Trotzdem wurde sie immer
wieder aufgenommen, zuletzt noch 1898 von Eatzinger in seinen Forschungen
zur bayerischen Geschichte S. 325 (,,Lorch als Bischofsitz"). Demgegenüber
hat Strnadt in seiner schon mehrfach zitierten Abhandlung in der ArchivaUschen
Zeitschrift N. F. VIII. nochmals die Lorcher Frage einer scharfen Kritik unter-
zogen.
113 Viertel Kapitel.
bis Laureacum vorgedrungen waren. Um 551 werden jedoch in
der Gebend zwischen Lech und Enns mit einem Male die Baju-
vareu ») erwähnt, deren Name kurz zuvor in der sogenannten
Ostertaiel zwischen 510 und 524 zum ersten Male auftaucht '0-
Ihre Herkunft, wann und wie sie das Land besetzten, ist in Dunkel
"•ehüllt. Doch gehören sie vermutlicli zur suebischen Völkerfamilie
und bestehen ihrem Hauptkern nach aus den Resten der Marko-
mannen die vor dem Awarenansturm Böhmen räumen mufsten —
daher auch der Name Baioarii nach Baiohaemum — und sich der
thüringischen Völkervercinigung anschlössen. Da die Thüringer
von dem Frankenkönige Theodebert I. (534—547) besiegt und in
eine gewisse vertragsmäfsige Unterordnung gebracht wurden, so er-
klärt es sich, dafs wir die Bayern von Anfang an in Abhängigkeit
1) Über die gesamte bnyerisclie Periode der österreichischen Länder handelt
am ausführlichsteu Riezler, Geschichte Baierns I. Band (Gotha 1878). Die
Abstammungsfrage hat seit dem 15. und 16. Jahrhundert (Veit Arnpeck und
Aventin) gar viele Historiker be?chäftigt. Das entscheidende VVort: Identifizie-
rung mit den Markomannen sprach Zeufs sowohl in seinem bereits des öfteren
erwähnten Hauptwerk als auch in der zwei Jahre später Teröffentlichten Sonder-
untersuchuEg: Die Herkunft der Bayern von den Markomannen (1839) aus.
Trotzdem später besonders Quitzmann, Abstammung, Ursprung und älteste
Geschichte der Bayern (München 1857) nochmals eine Widerlegung und eine
Ableitung von den Quaden versucht bat, so haben doch fast alle namhaften
Historiker die Zeufsische Theorie als die plausibelste angenommen, und es
kommen höclistens Abweichungen hinsichtlich der beigemengten anderen Ele-
mente vor. Vgl. die kritische Zusammenfassung von Bachmann, Die Ein-
Tvanderung der Bayern (Sitzungsber. d. k. Akad. phil.-hist. Kl. XCI, 815 f., 1878),
sowie dessen schon oben erwähnte Abhandlung: Die Völker au der Donau nach
Attilas Tode, worin er auch die Identifizierung der Alamannen der Vita Severini
mit den Bayern, die Eiezler versucht hatte, bekämpft. Es wird vermutet,
dafs die fünf Adelsfamilien, welche die Lex Baiuvarioriim nennt, ursprünglich
die Herrscherfamilien der im Bayernvolke aufgegangenen Stämme waren.
2) Müllenhoff, Die fränkische Ostertafel (Abhandl. d. Berl. Akademie
532, 1862). Freilich ist deren Entstehungszeit sehr ungewifs, und Bachmann
a. a. 0. , 864, Anmerkung 2 wendet sich entschieden gegen den frühen Ansatz,
doch ist auch die merkwürdige Stelle der Annales Scti. Radberti (M. G. SS. IX,
766), auf die zuerst Eiezler aufmerksam gemacht hat: Ad 508. Hoc tem-
pore gens JSToricum prius expulsa revertitur ad patrias sedes duce Theodone, La-
tinis eiectis, nicht ganz aufser acht zu lassen. Die völlig gesicherten Erwäh-
nungen finden sich allerdings erst um 551 bei Procopiiis und Jemandes.
Germanische, slawische und awarische Wanderungen. 113
von den Franken finden, daher konnte sich Theodebert rühmen,
dafs seine Herrschaft „bis Pannonien" reiche. Die Franken be-
safsen jedoch nur auf die Einsetzung der bayerischen Herzoge
■einen gewissen Einflufs, Tributpflichtigkeit bestand sicher nicht.
Für die Fernerstehenden, vor allem für Ostrom, schien durch die
Besetzung des Landstriches durch einen germanischen Stamm eine
gewisse Kontinuität hergestellt zu sein und, wie man fortfuhr, das
Land Noricum zu nennen, so bezeichnete man jetzt auch die
Bayern als Noriker^). Mit den Langobarden standen sie in freund-
nachbarlicher Beziehung. Nicht nur, dafs der erste uns bekannte
Herzog Garibald mit einer langobardischen Prinzessin vermählt
war, sondern seine Tochter Theodolinde heiratete den Langobarden-
könig Authari und war das Werkzeug des Papstes Gregor I., um
die Langobarden vom Arianismus zum Katholizismus zu bekehren.
Aber auch von den Ostgoten spannen sich noch merkwürdige
feine Fäden herüber ^). Deren Heldensagen von den Harlungen ^),
von Etzel und Dietrich fanden bei den Bayern treue Erben und
selbst deren Kriegsgott Eor ging an sie über.
Der grofse Vorteil für das Land bestand darin, dafs es nun
•endlich nach den argen Erschütterungen und dem Zustand der
völhgen Unsicherheit in den letzten zwei Jahrhunderten wieder
in ein geordnetes Staatswesen eingefügt wurde, denn nunmehr war
es mit den unsteten Wanderungen und Heerzügen der germanischen
Stämme zu Ende, und es folgte die Periode der Staatengründungen.
Damit war auch der erste Schritt zu einer herrschenden germa-
nischen Kultur getan. Diese neue Phase, in die wenigstens ein
Teil des Landes jetzt eintrat, ist von um so gröfserer Wichtig-
keit, als wir hier bereits die Hauptkeime der späteren Entwicke-
lung finden, die sich in der Folge auch über das ganze Gebiet
bis zur March und Leitha erstrecken sollte. Auf diese Entwicke-
1) Pallhausen, Wann und wie lange wurde Bayern Norikum genannt?
(Abhandl. d. bayer. Akademie 1807).
2) Müller, Der österreichische Stammescharakter (Bl. d. Ver. f. Landesk.
XXI, 309, 1887); Nagl-Zeidler, Deutsch-österreichische Literaturgeschichte ;
Muth, Die Abstammung der Bajuvaren (25. Jahresber. d. Landeslehrerseminars
in St. Polten 1900). — Vielleicht stammen auch Überreste des Duals aus dem
Ostgotischen.
3) Siehe oben S. 104, Anm. 3.
Vancsa, Gescliichte Nieder- n. Oberösterreichs. 8
J14 Viertes Kapitel.
lung machen sich, abgesehen von den oben erwähnten lango-
bardischen und ostgotischen Spuren, gleich von Anbeginn zweierlei
Einflüsse geltend: der romanische und der fränkische.
Im Jahre 487 war die romanische Bevölkerung nur aus dem
östlichen Teile des Landes abgeführt worden, während sie im west-
lichen Teile schon früher in eine gewisse Abhängigkeit von den Ala-
mannen geraten war und sich in das Schicksal untergebener Bauern
hineingefunden hatte '). So hatten die Bayern sie übernommen,
und auf diese Weise blieben nicht nur die Römerorte, die in
der Verfallzeit noch bestanden hatten, zum Teil selbst mit ihrem
Namen erhalten, wie Ischl (Iscala), Linz (Lentia) und Lorch (Lau-
reacum) % sondern auch besonders die Landwirtschaft im Innern
des Landes bis ins Gebirge hinein, ja sogar der Bergwerksbetrieb
in der Hallstätter Gegend. Daher kain es, dafs diese Überreste
der Jahrhunderte alten Kultur ihren Einflufs auf das neu ein-
gewanderte Bayernvolk äufserten. Der Bergbau, die Almwirtschaft,
der Weinbau sind spezifisch römische Elemente in der bayerischen
Kultur, und auch dev Ackerbau, der Hausbau und das Gewerbe
stehen zum Teil unter romanischer Einwirkung, die sich sogar
in der Aufnahme gewisser Worte ausprägt ^). Auch die Schrift-
1) Dies abweichend von der gewöhnlichen Annahme, wonach in ganz Nori-
cum die ärmere Landbevölkerung zurückgeblieben ist. Ich kann jedoch nicht finden^
dafs sich im Lande unter der Enns irgendein Fortbestand der romanischen Bevölke-
rung erweisen läfst. Die Städte sinken in Trümmer und verlieren ihre Namea
(selbst die Wiedernenuung von Carnuntum erweist sich nach neuerer Forschung-
als trügerisch; siehe Dachler im Monatsbl. d. Ver. f. Landesk. von Niederöster.
Nr. 12, 1903), die Awaren herrschen an der Uferstrecke, die Slawen besetzen die-
Seitentäler und nirgends scheinen sie an bestehende romanische Besiedelung-
anzuknüpfen, sondern schaffen neue Gründungen. Im Lande ob der Enns sind
dagegen romanische Kolonen nachweisbar und es blieben auch, wie oben gesagt,
einzelne Römerorte mit ihren Namen erhalten. Dafs man aber auch hier bei
näherer Betrachtung auf ein recht bescheidenes Mafs zurückkommt, darüber siehe-
Strnadt, Arch. Zeitschr. N. F. YIU, 43 f.
2) Dafs der Name Wels mit dem römischen Ovilava nichts zu tun hat,
betonte schon Krones, Handbuch der österreichischen Geschichte I, 366, siehe
auch Grienberger, Beiträge zur Salzburger Landeskunde, XXV' I, 71, 1886.
3) In diesen Ausführungen folge ich Riezler I, 56 ff. Aus dem Wort-
schatze des Baumeisters sind Mauer, Turm, Kalk, Ziegel, Mörtel, Fenster, Söller
und Kemenate römisch, aus dem der Landwirtschaft die Worte : Wein, Schoten,
Germanische, slawische und awarische Wanderungen. 115
spräche war das Lateinische, in ihr waren die Gesetze und die
Urkunden abgefafst, und die Vornehmen waren ihrer kundig.
Zahlreicher blieb die romanische Bevölkerung im Salzburgischen
erhalten, doch auch in Oberösterreieh , im Traun- und Attergau.
Die mit Walch- zusammengesetzten Namen, wie sie die Bayern
den romanischen Orten gaben, deuten auf sie hin, wie Seewalchen,
Strafswalchen , Walchhausen, Walchegg, Walchhof, Walchofeld ^).
Diese Romanen wurden in ihrem Kolonenverhältnis belassen, sie
blieben persönlich frei, waren aber an Grund und Boden gebunden.
Sie bildeten — wenigstens ursprünglich oder zum gröfsten Teil —
jene Klasse der Bevölkerung, welche als die der Tributales, Tribu-
tarii oder mit dem deutschen Namen Parschalke ^) bezeichnet wird.
Der weit wichtigere fränkische Einflufs, welcher selbst wieder
von römischen Überlieferungen genährt wurde, äufserte sich in den
sozialen und rechtlichen Verhältnissen, wie sie uns in der grofsen
Rechtssammlung, der Lex Baiuvariorum, entgegentreten, welche auf
Grund der alten Rechtsgebräuche, die vielleicht bis in die Marko-
mannenzeit zurückreichen, einerseits und der unter Herzog Land-
fried (f 730) entstandenen Lex Alamannorum andrerseits, sowie
unter fränkischer Einwirkung unter Herzog Odilo zwischen 740
und 748 aufgezeichnet worden ist ^). An der Spitze des bayerischen
die Alpenkräuter Speik, Marbl und Madaun und wahrscheinlich auch Alm, Senner
und Käser, endlich aus dem des Handwerkes das Wort Pfister. — Das Haus
der mit den Komanen in Berührung gekommenen deutschen Stämme, der Baju-
varen, Alamannen und Franken ist gegliedert, das der Sachsen ungegliedert.
1) Das letztere genannt in ÜB. d. L. ob d. Eons II, 18. Ferner werden
in den Urbaren der Hoftnark Steyer aus dem 13. Jahrhundert (Ausgabe von
Dop seh, S. 289, 807, 310) die jetzt abgekommenen Orte Walchenberg, Walchen-
graben und Walchgraben und Walchenbacb genannt.
2) Sowohl über das Wesen der Parschalken, wie über den ersten Teil des
Wortes ist vielfach gestritten worden. G r a u e r t bringt Par in Zusammenhang
mit baran = trgaen , wonach das Wort „tragende d. i. zinsbare Knechte" be-
deuten würde. An sie erinnert noch der Ortsname Parschalling in Oberösterreich,
der also indirekt ebenfalls zu den obengenannten Orten, welche die ehe-
malige romanische Besiedelung bezeugen, gehört. Von Eomani tributales und
tributarii in diesen Gegenden berichten sowohl der Indiculus Arnonis, als auch
die Breves notitiae.
3) Hgg. von Merkel, M. G. Leg. IH. — Bezüglich der Entstehung haben
sich die Ansichten der Kechtshistoriker mehrmals geändert. Eichhorn und die
8*
116 Viertes Kapitel.
Volkes Hilden wir gleich, nachdem es aus dein Dunkel auftaucht,
einen Herzog und zwar aus dem Hause der Agilolfinger. Dafs
er in einer formellen Abhängigkeit vom Frankenkönig stand, tat
seiner j\Iachtstellung keinen Eintrag. Er ist Heerführer, oberster
Richter und Gesetzgeber, er ist der reichste Grofsgrundbesitzer
des Landes, und ihm gehören nach fränkischem Rechte alle un-
bebauten Landstriche und der Nachlafs ohne Erben verstorbener
Personen, sowie nach dem Muster der römischen Kaiserzeit die
Bergwerke, Salinen, Zölle und Strafgelder. Sein Eigentum und
seine Person geniefsen besonderen Schutz ^). Dem Herzog im
Range am nächsten steht die herzogliche Familie, dann kommen
die altadeligen Geschlechter, fünf an Zahl. Die übrige Bevölke-
rung zerfällt in Freie (liberi oder, nach westgotischem Brauch
ingenui), schon äufserlich durch das lange Haar kenntlich, die
allein Eigentum besitzen, Waffen tragen und an den Gerichts-
versammlungen teilnehmen dürfen. Freigelassene (liberti, raanu-
missi), auch mit einein von den Langobarden übernommenen Aus-
druck Aldionen genannt, rechtsfähig, aber vom Willen des Herrn
abhängig, und Leibeigene (mancipia, servi), denen die Kriegs-
gefangenen zugezählt werden, unter die aber auch Freie bei
schweren Verbrechen oder gänzlicher Armut geraten, und die von
ihrem Herrn wie eine Sache oder ein Stück Vieh behandelt werden
können. Die Parschalken oder Halbfreien werlen in der Lex
Baiuvariorum nicht aufgezählt. Solche gab es ihrer Natur nach —
Eigenbesitzer und in Urkunden unter den Freien genannt, aber
zinspflichtig wie die römischen Kolonen — wohl nur in jenem
Teile des Landes, wo sich bedeutendere romanische Überreste
erhalten hatten, also gerade im Südwesten unseres Landes ob der
älteren haben eine einmalige und einheitliche Abfassung angenommen, dagegen
hat Eoth, Die Entstehung der Lex Baiuwariorum (Dissertation 1848), drei Teile
unterschieden, deren frühester im 6. Jahrhundert entstanden wäre. Die gesamte
Literatur ist zusammengestellt bei Ei e zier. Über die Entstehungszeit der Lex
Baiuwariorum (Forschungen zur deutschen Geschichte XVI, 411). Ihm ist man
bis in die jüngste Zeit gefolgt. Grundlegend für die jetzt geltende Ansicht,
welche wieder auf die ältere zurückgreift, aber Zeit und Quellen genauer bestimmt,
ist Brunn er, Deutsche Rechtsgeschichte I, 313.
1) Zur älteren bayerischen Rechtsgeschichte vgl. jetzt insbesondere G eng-
ler, Beiträge zur Rechtsgeschichte Bayerns I, 1889.
Germanische, slawische und awarische Wanderungen. 117
Enns. Später, namentlich seit der Erneuerung der fränkischen
Oberhoheit unter Karl Martell finden wir unter fränkischem Ein-
flufö auch die Anfänge des für das Mittelalter so wichtigen Lehens-
wesens, indem Freie sich in den Watfendienst des Herzogs stellten
und von diesem mit Ländereien begabt wurden. Ja, Tassilo ver-
fügte sogar die Erblichkeit der Lehen.
Die staatliche Organisation stützte sich auf die altgermanische
Einteilung in Gaue und Hundertschaften, die aus der Heeres-
verfassung entsprungen war, und auf die nunmehr das spezi-
fisch fränkische Beamtentum gepfropft wurde. Da war zunächst
der Graf (comes, auch praeses), im Kriege der Anführer einer
Heeresabteilung aus der ihm zugewiesenen Grafschaft, die ur-
sprünglich dem Gau entsprochen haben dürfte. Er war zugleich
ein vom Herzog eingesetzter und wieder absetzbarer Verwaltungs-
beamter zur Eintreibung der Steuern und Einkünfte. Die Gau-
einteilung gibt uns zugleich ein Bild von der Besiedelung des
späteren Landes Osterreich ob der Enns '). Das Land zwischen
Inn und Enns südlich der Donau gehörte drei Gauen an ^). Der
1) Die Besiedelungsgeschichte Oberösterreichs liegt leider noch ganz im
argen. Weber, Beiträge zur Vorgeschichte von Oberbayern (Beiträge zur An-
thropologie und Urgeschichte Bayerns XIV, 6, 1903) glaubt den Gang der ersten
bayerischen Siedelung durch eine Zusammenstellung der Ortsnamen auf -ing
auch für Oberösterreich gewinnen zu können. Mit Recht hat dagegen Schiff-
mann (Linzer Volksblatt, 7. Juni 1903) darauf hingewiesen, dafs sehr viele
heutige Ortsnamen auf -ing ursprünglich ganz anders ausgelautet haben.
2) Die Gaugrenzen können, wenn auch für die ältere Zeit nur wenige Be-
lege vorhanden sind, dennoch mit ziemlicher Sicherheit festgestellt werden, weU
sie im Laufe der Jahrhunderte unverändert blieben und später für die Land-
gerichte übernommen wurden, wie neuerdings die Forschungen für den Atlas
der österreichischen Alpenländer (siehe oben S. 23) wieder ganz klar bewiesen
haben. Über die obderennsischen Gaue siehe von älteren Werken Lang, Bayerns
Gaue (Nürnberg 1830) und Spruner, Bayerns Gaue (Bamberg 1831), welche
jedoch von der irrigen Voraussetzung ausgehen , dafs die kirchlichen Grenzen
sich an die Gaugrenzen gehalten hätten. Eine gute Zusammenstellung der ge-
samten älteren Literatur über diesen Gegenstand von Hundt in Abhandlungen
der historischen Klasse der bayerischen Akademie der Wissenschaften XII \ 149,
1874. Die erste genauere Bestimmung rührt von Britz, Geschichte des Landes
ob der Enns I, 173 her, auf welcher so ziemlich alle späteren Werke fufsen.
Eine eingehende kritische Feststellung unternahm Strnadt in seiner „Geburt
des Landes ob der Enns" (Linz 1886) S. 11 f., nachdem er schon früher in
118 Viertes Kapitel.
umfangreichste war der Traungau ^), welchen im Norden die Donau
von der Enusmlindung bis zum Jochenstein oberhalb Engelharts-
zell begrenzte. Von hier bildete die Wasserseheide zwischen Inn
und Traun bis zum Hausruck, weiter die Ager bis zur Einmün-
dung des Aurachbaches, die Wasserscheide des Höllengebirges,
der Leonsberg bis zur Ischl, dann die jetzige Salzburger Landes-
grenze bis zum Rufsbergthörl und zum Dachstein, jedoch mit Aus-
schlufs des Gosachtales die Westgrenze. Die Siidgrenze stieg zu-
nächst nordöstlich bis zum Toten Gebirge, wobei das Ausseer
Ländchen nicht einzubeziehen ist, bis zum Wildensee, über den
Pyhrn, Pyrgas und ScheibHngstein. Die südöstliche Grenze ist
sehr unsicher, hier breitete sich eben der dichte Ennswald aus.
Doch scheint sie in älterer Zeit keineswegs der heutigen Landes-
grenze entsprochen zu haben , sondern von der Taufaralpe zum
Augustinkogel, von diesem über das Hochscnseugebirge an das
rechte Ufer der Steyer bis zur Mündung in die Enns beziehungs-
weise bis zur Mündung des Ramingbaches gegangen zu sein. Die
untere Ennsgrenze ist, unbestritten. Namen von Grafen sind erst
aus der Karolingerzeit überliefert.
Im Westen grenzte bis zur Pram (Hausruckj der Mattiggau
I an den Traungau. Die Nordgi-enze gelangte von der Pram nach
Reichersperg an den Inn, dann ging es südwestlich den Inn auf-
wärts bis zur Mündung der Salzach, wobei nur die Gebiete von
Heiming und Mokendorf einzubeziehen sind, und diese hinauf bis
zur alten Einmündung der Mosach in die Salzach südlich von
„Peuerbach" (27. Ber. über das Mus. Francisco-Carolinum) S. 49, wo auch eine
kartographische Darstellung geboten wird, dazu den Grund legte. Einigermafsen
strittig ist nur der Ausschlufs des Gosachtales (gegen Lampel in den Blättern
des Vereines f. Landesk. XXI, 249), des Aussee-Ländchens (gegen Lampel a.
a. 0., S. 241 und Felicetti in Beiträge z. Kunde steierm. Geschichtsqu. X, 33)
und die Südostgrenze (gegen Hasenöhrl, im Archiv LXXXII, 479). Ich
schliefse mich der Beweisführung Strnadts an. Bezüglich des Gosachtales
siehe Erläuterungen zum historischen Atlas der österreichischen Alpenländer Sektion
Österreich ob der Enns (noch ungedruckt, aber vom Verfasser, Herrn Oberlandes-
gerichtsrat Strnadt in liebenswürdiger Weise für diesen Abschnitt zur Ver-
fügung gestellt).
1) Ganz vereinzelt in ältester Zeit (Breves notitiae im Salzburger Ur-
kundenb. I, 20) auch pagus Trunse genannt.
Germanisehe, slawische und awarische Wanderangen, 1 19
Wildshut. Im Süden lief dann die Grenze von der Mosach bis
zum Pirgtürapfl über das VVeitmoos und den Hackenbucherersee
um den Mattsee *) zum Tannberg und schliefslich die spätere Salz-
burger Landesgrenze entlang bis zum Dracbenstein und über die
Hüttensteiner Klause zum Schafberg. Eingeschlossen und ebenfalls
dem Matiggau angehörig waren die heutigen Pfarrorte Ostermieting,
St, Pantaleon, Haigermoos, Tarsdorf und St. Radegund ^). Der
älteste, dem Namen nach bekannte Graf des Mattiggaues ist Engil-
bert aus dem Jahre 789,
Endlich reichte auch der bayerische Rotgau (Rotachgau), der
in seiner Hauptmasse am linken Ufer des Inn lag, über diesen in
das heutige Oberösterreich herüber und umfafste hier das Inn-
viertel zwischen Inn, Donau und Traungau und Mattiggau (das
spätere Landgericht Schärding).
Ln Norden der Donau erstreckte sich der Schweinachgau
sicher bis zur grofsen Mühel, wahrscheinlich sogar bis zur Rotel,
während das Land östlich von der Rotel unkultiviertes und in die
Verwaltung nicht einbezogenes Waldland war.
Die Gaue, die in der älteren Zeit mit der Grafschaft iden-
tisch waren, zerfielen in Hundertschaften (Zenten oder Vikarien),
denen ein vom Grafen eingesetzter Centurio, Centenarius oder Vi-
carius, zu deutsch Schultheifs, vorstand, der zugleich auch die
Zivilgewalt innehatte. Auch das Gebiet der Hundertschaften,
die zumeist auch die Bezeichnung Gau ^) führten , läfst sich mit
1) Dafs Mattsee zum Mattiggau gehörte, beweist Strnadt, Geburt des
Landes ob der Enns S. 25, Anmerkung 41 gegen Eicht er, Untersuchungen
zur historischen Geographie des ehemaligen Hochstiftes Salzburg und seiner
Nachbargebiete (Mitt. d. Inst. f. österr. Gesch. I. Erg.-Bd. 716, 1885).
2) Ostermieting und die Umgebung wird in der Urkunde vom 24. April 1372,
(U.-B. d. L. 0. d. E. VIII, 588) im „gerichte in dem Weilhart" gelegen bezeichnet,
gehörte daher ursprünglich zum Mattiggau, und der Beisatz „in pago, Salzgove"
bei der Örtlichkeit Ostermieting in der Königsurkunde vom 14. Mai 1041 (Frei-
sing, Copialb, sec. XII im allg. Eeichsarchiv München, Druck Mon. Boic XXXI a,
219) hat dem damaligen Gebrauche gemäfs nur die Bedeutung „in pago quem
transit fluvius Salza". Siehe Erläuterung zum historischen Atlas der öster-
reichischen AlpenLänder.
3) Der Ausdruck Gau scheint ursprünglich und in manchen Gegenden (z. B,
Tirol) ganz allgemein für einen gerodeten Landstrich gebraucht worden zu sein
(Riezler I, 841), dürfte sich aber in unserer Zeit bereits zur Bezeichnung eines
120 Viertes Knpitol.
einiger Sicherheit feststellen, da aus ihnen die späteren Landgerichte
hervorgegangen sein dürften '). Ihre Namen sind nicht alle über-
liefert, doch ist nach dem Gesagten anzunehmen, dafs sowohl der
Traun- als auch der Mattiggau aus vier Hundertschaften bestand,
entsprechend den Landgerichten Donautal, tStarhemberg - Schwans,.
Schlierbach und dem unbenannten zwischen Traun und Enns,
das von Thalheim an der Traun bis zum Steinfeld an der Steyr
reichte, einerseits und den Landgerichten Weilhart, Ried, Wilden-
eck und Kammer andrerseits. Letztere Hundertschaft hiefs der
Attergau — das Mondseeland. „Ul'gau " war eine rein geographische
volkstümliche Benennung des südwestlichsten Teiles des Traungaues
ohne jedweden politischen Inhalt ^).
Besonders wichtig ist die Gerichtsverfassung. Oberster Grund-
satz war, dafs jeder nur von seinesgleichen gerichtet werden
durfte. Jede Hundertschaft hatte ihre eigene Gerichtsstätte (Ding-
stätte), an welcher sich am Beginn jedes Monates, eventuell auch
aller vierzehn Tage die Freien zum Ding (placitum) oder Urteil
versammelten, welchejn der Graf vorsafs, der wieder seinerseits
einen Richter (Iudex) als Urteilsfinder zur Seite hatte. Die Büttel
waren Unfreie. Das Gerichtsverfahren beruhte im wesentlichen
auf dem Zeugenbeweis, in zweiter Linie auf dem Eid des An-
geklagten, der durch Eideshelfer gestützt werden konnte, endlich
war auch für den Freien der Zweikampf (Wehadink oder Kampf-
wik), für den Unfreien die Feuer- oder Wasserprobe als Ent-
scheidung üblich. Dem Strafrechte fehlte wie überhaupt dem
deutschen Rechte der bei anderen Völkern so häufige Begriff der
Talion. Als Strafe wurde über Freie nur im Falle eines An-
schlages wider das Leben des Herzogs oder wegen Landesverrates
der Tod verhängt, im übrigen standen jedoch selbst auf schwere
gröfserea oder kleineren Verwaltungsgebietes (pagus rnaior, minor) verdichtet
haben.
1) Diese Theorie ist zuerst von Sohra, Die fränkische Reichs- und Gerichts-
verfassung, 1871 aufgestellt und für die kleineren Gaue Bajuvariens bewiesen
worden, wurde dann von Strnadt a. a. 0. auch auf Oberösterreich angewendet
und ist von allen neueren Eechtshistorikern angenommen worden.
2) Über den Ufgau Stütz im Notizenbl. I, 347, 1851. Die Richtigstel-
lung der Ansicht von Stülz ist in den Erläuterungen zum historischen Atlas der
österreichischen Alpenländer, Sektion Österreich ob der Enns, erfolgt.
Germauische, slawische uud awarische Wanderungen, 131
Verbrechen nur Geldbufsen. Es war das sogenannte Wergeid (com-
positio), welches dem Beschädigten oder, im Falle der Tötung,
dessen Verwandten oder, wenn keine vorhanden, dem Herzog,
beziehungsweise bei Unfreien dem Herrn zu zahlen war. Seine
Höhe richtete sich in diesem Falle nach dem Stande des Getöteten.
Für den Freien betrug es ursprünglich 80, später unter fränkischem
Einflufs 160 Schillinge (ca. 14000 K.) ^), für einen Angehörigen der
herzoglichen Familie das Vierfache, für einen der fünf Adels-
geschlechter das Doppelte, für den Freigelassenen das Viertel und
für den Leibeigenen das Achtel. Überdies mufste sich der Verbrecher
durch ein Friedensgeld den staatlichen Schutz wieder zurückkaufen.
Das Privatrecht baute sich auf dem Familienrecht auf. Der
Gatte war der Muntwalt seines Weibes, der Vater der seiner Kinder,
der Herr der des Freigelassenen und Leibeigenen. Im älteren
deutschen Recht erwarb diese Muntschaft der Ehemann durch einen
Kaufpreis, den Muntschatz, von den Eltern der Braut. In der
Lex Baiuvariorum erscheint als Nachklang das Wittum oder die
Morgen gäbe (dos legitima), die der Gatte in die Ehe mitbringt. Das
Erbrecht erstreckte sich bis auf das siebente Glied. Die Witwe
erhielt soviel wie der Sohn, doch nur, solange sie sich nicht wieder
verheiratete. Waren keine Kinder vorhanden, so wurde das Ver-
mögen zwischen der Witwe und den anderen Verwandten geteilt.
Kinder verschiedener Ehe hatten gleiches Erbrecht ^).
Der Freie besafs vollkommen freies Verfügungsrecht über seinen
Grund und Boden und alles, was sich darauf befand, — die so-
genannte Gewere. Eigentumsveräufserungen erfolgten in drei Ab-
stufungen. Die erste war die Tradition, wobei dem Käufer ein
Symbol des Gegenstandes übergeben wurde, die zweite war die
Investitur, die persönUche Besitzergreifung meist durch das drei-
tägige Einlager, endlich die Firmation, die öffentHche und feier-
1) Über den ursprünglichen Ansatz siehe Brunn er, Deutsche Rechts-
geschichte I, 225. Darüber, dafs die Geldansätze nicht etwa Preise, sondern
nur Werte sind, siehe Inama-Sternegg I, 195 und Jahrbücher für National-
ökonomie XXX, 197.
2) Diese spezifisch bayerischen erbrechtlichen Grundsätze behielten in Ober-
österreich bis in die Neuzeit Geltung und gingen im Jahre 1729 in die Erb-
rechtsordnung K. Karls "VI. für Oberösterreich (Codex Austriacus III, 539) über.
138 Viertes Kapitel.
liehe Vertragsverlautbarung, sei es durch Zeugen, sei es durch
eine geschriebene Urkunde. Dafs dabei die Zeugen bei den Ohren
gezogen wurden (testes per aures tracti), ist eine ganz spezifische
Eigentümlichkeit des bayerischen Volksrechtes, die sich auch in
Osterreich wiederholt findet.
Der Hauptbesitz '), in allen Teilen und Objekten bis herab
zu den einzelnen Balken des Hauses durch Bufssätze geschützt,
bestand in Grund und Boden. Er hiefs für den einzelnen nach
der ursprünglichen Art der Besitznahme Los (sors), Luz. Die
Hufe oder bayerisch österreichisch Hube (mansus) war die Einheit,
nämlich der Komplex von Ackerland, Hof und den dazu gehörigen
Rechten, welcher die Arbeit des Besitzers mit ein oder zwei Knechten
in Anspruch nimmt und eine Familie ausreichend ernährt ^). Ihre
Gröfse war unbestimmt; das Mafs war der Morgen (jugerum, Joch)
d. i. eine Fläche, welche an einem Vormittag gepflügt werden
konnte. In der Regel urafafste die Hufe 45 Joche (etwas über
10 Hektare). Allmählich bildete sich schon in dieser Periode
gröfserer Grundbesitz aus. Eine spätere Phase der Entwickelung
ist der Zusammenschlufs der Hufenbesitzer zu einer Markgenossen-
schaft 2), einer rein wirtschaftlichen, nicht politischen Gemeinschaft,
die aufser ihrem Einzelbesitz noch einen gemeinsamen *), die „ge-
meine Mark", zumeist Weide und Wald, dann auch Wasser und
Wege hatte, und deren Gebiet durch eine deutlich sichtbare
Grenze (Marksteine, Gräben oder auch gekennzeichnete Bäume)
abgeschlossen war. Die Ansiedelungen selbst erfolgten hauptsäch-
lich je nach der Bodenbeschaffenheit, doch ist die charakteristische
bayerische Siedelungsform der Einzelhof Das Wohnhaus war noch
aus Holz erbaut, Wirtschaftsgebäude (offene und gedeckte Vieh-
ställe [Scupfa = Schupfen], Scheunen [Mita], Tennen u. a.), Bad-
haus, Backofen waren davon getrennt (sogenannte Gruppenhöfe),
1) Zu diesem Teile vgl. insbesondere Inama-Sternegg, Deutsche Wirt-
schaftsgeschichte I, (Leipzig 1879).
2) Diese Definition nach Waitz. Vgl. jetzt Caro, Die Hufe (Deutsche
Geschichtsblätter IV, 257 f., 1903).
3) Das Einzelhofsystera begünstigt diese Bildung nicht (vgl. Tille, Bäuer-
liche Wirtschaftsverfassung des Vintschgaues, 1895).
4) Die Bezeichnung Almonde , welche in Südwestdeutschland allgemein
üblich war, findet sich in Österreich nicht.
Germanische, slawische und awarische Wanderangen. 133
der Hofraum von einem Zaun (etter, Gatter) umgeben. — Auf die
sorgsame Pflege der Viehzucht (Pferde, Grrofsvieh, Schafe, Schweine)
deuten mehrere Stellen des Gesetzbuches, andere, die von den ver-
schiedenen Gattungen der Jagdhunde und Jagdfalken und den
Bufssätzen für sie handeln, auf den eifrigen Betrieb der Jagd in
den Forsten, wie sie sich der Herzog und einzelne Grofsgrund-
besitzer aus den reichen Waldungen als ihren Privatbesitz ab-
gegrenzt hatten. Endlich wurde die Bienenzucht, der Obstbau
(Apfel- und Birnbaumgärten) und der Weinbau ^) gepflegt. Honig
spielte, da man keinen Zucker kannte, eine grofse Rolle. Er
wurde auch zur Meterzeugung verwendet, das Wachs zur Bereitung
von Kerzen ^). Aus den Äpfeln und Birnen wird hier von alters-
her bis heute in reichlichem Mafse Obstmost und Obstwein bereitet.
Der Ackerbau ^) stand jedenfalls in erster Reihe , doch darf
man noch nicht an einen systematischen Betrieb, (z. B. war nicht
einmal das Düngen üblich) denken, fast ausschliefslich war der
Bedarf mafsgebend.
Neben der Landwirtschaft spielten Handel und Gewerbe nur
eine ganz untergeordnete Rolle. Schmieden und Mühlen für den
Eigenbedarf werden in der Lex erwähnt. Die Errichtung der
Mühlen war von der Zustimmung des Herzoges abhängig. Nicht
einmal eigene Münzen prägte man, sondern bediente sich entweder
des fränkischen Goldsolidus (Schilling), später auch der merowin-
gischen Silberdenare und der langobardischen Tremissen oder der
1) Schon im 8. Jahrhundert ist in Oberösterreich Weinbau bei Aschach
und ad Eocotula (Eotel?) (in der Stiftungsurkunde von Kremsmünster, ÜB. d.
L. 0. d. Enns II, 4) und zu Pachmaning im Salzburger Besitz bezeugt, was um
80 bemerkenswerter ist, als heute, ja schon im späteren Mittelalter der Weinbau
in Oberösterreioh gänzlich ausstarb (vgl. Schmieder in Ber. d. Mus. Francisco-
Carol. XXVI, 223).
2) Menzel, Bienenzucht und Bienenrecht im Mittelalter (Nördlingen 1865);
Derselbe , Die Biene in ihren Beziehungen zur Kulturgeschichte und ihr Leben
im Kreislauf des Jahres (Zürich 1869); Wagner, Das Zeidelwesen und seine
Ordnung im Mittelalter und in der neueren Zeit; Witzgall, Das Buch von
der Biene S. m (Stuttgart 1899).
3) Anton, Geschichte der teutschen Landwirtschaft (Görlitz 1799 und
1802), 3 Bände; Langethal, Geschichte der teutschen Landwirtschaft (3. Aufl.,
Berlin 1890); Goltz, Geschichte der deutschen Landwirtschaft I (Stuttgart
und Leipzig 1902).
124 Viertes Kiipitol.
byzantinischen Goldsolidi (sog. IMancosi), denn der Verkehr donau-
abwärts wurde trotz der Awarenherrsclmft am mittleren Strome
ziemlich lebhaft betrieben '). Im übrigen wurde mit Gegenständen,
die einen konventionell feststehenden Geldwert darstellten, (zumeist
mit Vieh) bezahlt.
"Wir sehen also in den Bayern ein bereits entwickeltes Kultur-
volk, das eine treffliche Staatsorganisation und ein reichgegliedertes
Recht mit gar manchen humanen Grundsätzen — man denke an
die durch doppelten Bufssatz geschützte Stellung der Frau und
an die milden Strafen — besafs, wohl auch mit ein Beweis, dafs
wir ein seit langem sefshaftes und unter günstiger Kultureinwir-
kung stehendes Volk und nicht etwa aus unbekannter Ferne her-
gewanderte Nomaden vor uns haben. Kein Wunder, dafs es
auch trefflich versteht, die Kulturüberreste aus der Römerzeit in
sich aufzunehmen, und dafs es die wenig entwickelten Slawen ohne
besondere Gewaltanwendung in so untergeordneter Stellung erhält,
dafs sie später spurlos verschwinden. Gegen die kämpf- und beute-
gierigen wilden Awaren aber bilden sie ein festes Bollwerk und
bewähren sich zum ersten Male in jener für das Deutschtum so
wichtigen Aufgabe, die der bayerische Stamm der Ostmark bis
zum heutigen Tage getreulich erfüllt hat. Aber sie waren ein
ruhiges Volk ohne eigentliche Initiative, ohne die Energie des
Kolonisten oder gar des Eroberers.
Diese gewannen sie erst unter dem Einflufs der Franken, die
sich bereits in einem wesentlich vorgeschritteneren Stadium der
Kultur und staatlichen Organisation befanden. Zwar machten sich
die Bayern nach dem Tode des Königs Dagobert I. (638) während
der merowingischen Verfallzeit selbständig, aber der Majordomus
Karl Martell unterwarf sie zwischen 725 und 728 wieder der
fränkischen Oberhoheit, die trotz mancher Befreiungsversuche auf-
recht erhalten blieb.
Der erste Vorstofs des fränkischen Elementes gegen Osten
1) In Laureacnm fanden sich Münzen der Kaiser Tiberius II. (578 — 582)
und Heraclius (610—641), von letzterem sogar im Piestingtal bei Wiener Neu-
stadt (Gaisberger, Laureacum und Archiv für österreichische Geschichte
XXIX, 195). Vgl. auch Soetber, Forschungen zur deutschen Geschichte 11,
359, 363.
Geiraanisclie, slawische und awarisdie Wandenrngen. 135
geschah im Zeichen des Christentumes, das ja im Mittelalter
so vielfach die Eroberungspolitik inauguriert. Es nahm, wie
gesagt, von den Franken den Ausgangspunkt, obgleich sich unter
den romanischen Überresten im Lande das Christentum erhalten
haben mochte und obwohl es schon früher im Ilerzogshause ver-
einzelte Proselyten gemacht hatte, wie wir an Theodolinde sahen.
Im übrigen waren die Bayern Heiden, deren Götterkult sich, wie
wir trotz des Mangels an Nachrichten annehmen können, von dorn
der übrigen germanischen Stämme nicht wesentlich unterschied.
Nur der Kriegsgott führte den Namen Eor statt Thiu, weshalb im
Bayerisch - Österreichischen der Dienstag bis auf die Gegenwart
Eritag heifst: er war, wie schon oben erwähnt, von den Ostgoten
übernommen worden.
Die ersten Glaubensboten hatten direkt die Absicht, ihre
Missionstätigkeit über die Grenze in das Awaren- und Slawenland
auszudehnen. Der heilige Rupert, Bischof von Worms, ein Sprofs
des merowingischen Königsgeschlechtes, wollte sich im Jahre 696 ^)
in Laureacum niederlassen, zog es aber dann vor, in den roma-
nischen Gegenden, am Waliersee und in Juvavum, wo doch bereits
eine Grundlage vorhanden war, seinen Sitz aufzuschlagen. Er
war es auch, welcher den Herzog Theodo und seine Familie taufte.
Ebenso war der heilige Emmeram (Haimraban) von Poitiers nach
Ruperts Tode (um 712) ursprünglich als Apostel der Awaren an
die Donau gekommen und wurde nur durch Herzog Theodo zur
Wirksamkeit in Regensburg bewogen. In die bayerische Politik
griff erst die Kirche ein, als die fränkische Oberhoheit wieder her-
gestellt werden sollte; da ging das Interesse des Frankenreiches
Hand in Hand mit dem der römischen Kirche. Der Mann,
dem Deutschland überhaupt seine kirchliche Organisation ver-
dankt, Winfried -Bonifacius, errichtete im Jahre 739 in Bayern
vier Bistümer: Salzburg, Regensburg, Freising und Passau 2),
1) Der Zeitpunkt der Tätigkeit Ruperts bildete früher merkwürdigerweise
eine historische Streitfrage, indeui man sie unter Childebert IL statt III. ver-
legen wollte, obwohl der Indiculus Arnonis und das Verbrüderungsbuch von St.
Peter keinen Zweifel aufkommen lassen sollten. Seit Wattenbach (Archiv f.
österr. Geschichtsquellen V, 499 f., 1850) und Blumb erger (a. a. 0. X, 329 f.,
1853) die Frage kritisch erörtert haben, kann sie als gelöst betrachtet werden.
2) Später versuchten bekanntlich die Bischöfe von Passau den Glauben
136 Viertes Kapitel.
die sämtlich seinem Erzbistum Mainz unterstellt wurden '). Somit
war liavern auch in kirchlicher Beziehung an das fränkische Reich
angegliedert.
Besonders wichtig wurde die Einführung des Christentumes
für die Kultivierung des Landes. Die Herzoge statteten die Bis-
tümer und ihre Kirchen in freigebiger Weise mit Grund und Boden
j^us — sie hatten ja davon genügend zur Verfügung — , und die
kleineren Grundbesitzer ahmten das gegebene Beispiel nach Kräften
nach. In unserem Oberösterreich fiel der Löwenanteil von Anfang
Salzburg und nicht Passau zu, ein Umstand, der auf die Ent-
wickelung der Besitzverhältnisse und der kirchlichen Organisation
in der Folgezeit von entscheidendem Einflufs wurde und mir auch ein
Beweis dafür zu sein scheint, dafs ursprünglich an einen Zusammen-
hang des Lorcher und des Passauer Bischofstuhles gar nicht gedacht
worden ist. Allerdings sind wir über die Salzburger Erwerbungen
durch die gewissenhaften Aufzeichnungen , die Erzbischof Arno
gegen Ende des 8. Jahrhunderts veranlafste, aufs beste unter-
richtet -). Im Laufe dieses Jahrhunderts gewann das Erzbistum
zu erwecken, ihr Bistum sei nur die Fortsetzung des nachweislich schon zur Zeit
Severins bestehenden Bistumes Lorch (vgl. oben S. 98) und demzufolge weitaus das
älteste im ganzen norischen Gebiete. Diese Fiktion ging auch in die Geschichtschrei-
bung über, und man glaubte in den Bischöfen Erchanfricd und Otgar Vorgänger
des im Jahre 739 zum Bischof von Passau bestimmten Vivilo gefunden zu haben.
Diese Ansicht, die noch im Jahre 1898 Eatzinger in seinen Forschungen zur
bayerischen Geschichte zu verteidigen suchte, hat nunmehr Strnadt in seiner
bereits erwähnten Abhandlung im VIII. Bande der Archivalischen Zeitschrift
dadurch entkräftet, dafs er nachwies, dafs die genannten Bischöfe zu Anfang
des 9. Jahrhunderts Chorbischöfe gewesen sind. Die Lorcher Fabel hat schon
D ü m m 1 e r (Pilgrim von Passau und das Bistum Lorch, Leipzig 1854) zerstört.
Strnadt kommt darauf nochmals eingehend zurück.
1) Der übertriebene Bericht 'des Bonifacius über die verkommenen Zustände in
Bayern an Papst Gregor IL (Jaffe, Bibl. III, 106) entspringt aus der Gegner-
schaft seiner römischen Parteistellung gegen die vor ihm in Bayern tätigen
irischen Glaubensboten.
2) Es sind dies der Indiculus Arnonis und die Breves Notitiae, jetzt am
besten herausgegeben von Wülibald Hauthaler, Salzburger Urkundenbuch I,
(Salzburg 1898). — Auf Grund dieser Quellen hatlnama-Sternegg, Deutsche
Wirtschaftsgeschichte I (Leipzig 1879), Beü. I, 497 eine tabellarische Übersicht
über die Verteilung des bayerischen Grundbesitzes zu geben versucht.
Geiniauische, slawisclie und awarische Wanderungen. 137
stattliche Güter im Mattig- und Attergau (Ulting, Atterhof, am
Attersee) und besonders im eigentlichen Grenzgau , im Traungau
(Chroninpach [Grünbach?] bei Pachmanning „im Ufgau", um Lam-
bach, bei Ansfelden, Wels und Schwanse). Aufserdem gehörten
dem Kloster der heiligen Ehrentrud auf dem Nonnberge das
Fischereirecht auf dem Mond- und Abersee, vereinzelte Zinspflichtige
im Atter-, Mattig- und Traungau, dem Kloster St. Maximihan
Zinspflichtige zu Powang im Attergau.
Die eigentlichen Pioniere der Kultur wurden jedoch die Bene-
diktinerklöster, welche die Herzoge seit Theodo allenthalben in
bayerischen Landen gründeten und zwar mit Vorliebe in ungero-
deten Gebieten, wo ihnen meist Land ohne bestimmte Umgrenzung
geschenkt wurde, das sie selbst erst bewohnbar und nutzbringend
machen mufsten. Auf österreichischem Boden liegt eine der ältesten
Agiiolfingergründungen, das Kloster Mondsee an dem gleichnamigen
See, wohin Herzog Otilo, derselbe, der sich vergeblich von
der Oberhoheit Karl Martells und Pipins frei zu machen suchte
(741 — 748), Mönche aus Monte Cassino berief '). Die Ufer des
Sees verdanken dieser Gründung eine blühende Kolonisation bereits
zu früher Zeit. Zahlreiche Dörfer entstanden, und die dem Kloster
zugewiesenen Forste zwischen Salzburg-, Mattig- und Attergau
wurden rasch gelichtet. Gegen Ende des Jahrhunderts vermehrte
sich der Besitz des Klosters durch Schenkungen im Traungau, um
Rohrbach, wo auch 772 bereits eine Kirche erwähnt wird ^). So-
1) Otilo wird allerdings erst in später Überlieferung — in den deutschen
Versen des Mönches Luitold im 12. Jahrhundert (ÜB. d. L. o. d. Enns I) —
als der Gründer bezeichnet, und die Urkunden reichen nicht über Tassilo zurück.
Da aber bereits unter seiner Regierung der erste Abt nachweisbar ist, so ist an
der Eichtigkeit der Tradition kaum zu zweifeln. Auch ist sie für diese Zeit
wahrscheinlicher als die Annahme einer Gründung durch einen Grofsgrundbesitzer
der Umgegend, wie Krones (Archiv LXXXIV) meint.
2) Über den Mondseer Besitz seit Tassilos Zeit sind wir durch den nach
Mitte des 9. Jahrhunderts angelegten Codex traditionum sehr gut unterrichtet
(hgg. als I. Band des ÜB. d. L. o. d. Enns). Als Ergänzung Hundt, Über
die bayerischen Urkunden aus der Zeit der Agilolfinger (Abhandlungen der bist.
Kl. d. bayer. Akademie XII ', 145, 1874). Eine Übersicht bei Winkelhof er,
Die Herrschaft Attersee (Zeitschr. f. Bayern und die angrenzenden Länder II,
und III, 1817). Vgl. dazu Hauthaler in den Mitt. d. Inst. f. öst. Gesch.
188 Viertos Kapitel.
gar wissenschaftlicher Geist regte sich frühzeitig hier. Die unter
dem Namen ]\Iondseer Bruchstücke bekannten Übersetzungen aus
einem Evangelium, einer Homilie, einem Traktate und einer Predigt,
wohl die ältesten ihrer Art, sind zwar nicht in dem Kloster ent-
standen, wurden aber vermutlich von Bischof Hildibald von Köln
hierher gebracht und hier mit mundartlichen Veränderungen ab-
geschrieben.
Eine noch weit bedeutendere Kulturmission fiel dem Münster
(raonasterium) an der Krems, Kremsniüustcr, zu, welches Otilos
Sohn Tassilo im Traungau nahe der awarischen Grenze und mitten
im Slawengebiet im Jahre 777 gründete. Die Mönche, die
aus dem älteren bayerischen Benediktiuerkloster Niederaltaich ge-
nommen wurden, sollten nicht nur das Land roden und bebauen,
zu welchem Zwecke vierzig leibeigene Familien, darunter Hand-
werker, Schmiede, Käser, Winzer und Zeidler, bei ihnen angesiedelt
wurden, sondern auch die heidnischen Slawen der Gegend bekehren
und, was damit aufs engste zusammenhing, germanisieren; deshalb
wurden ihnen zunächst die herzoglichen Slawendekanien unter ihrem
Zupan zur Zinsleistung zugewiesen. Der zugewiesene Besitz ver-
teilte sich fast über den ganzen Traungau von Aschach und Al-
koven bei Eferding im Nordwesten bis an den Albenbach, Petten-
bach und Eberstal im Südwesten über Sulzbach und Sirning im
Süden bis zur Reichsgrenze an der Enns, wo j-och in Dietach
zum Kloster gehörige Slawen safsen; der Hauptbesitz lag zwischen
den beiden Ipfbächen, sogar jenseits der Donau an der Rotel
erhielt es einen Weingarten '). Aufser den Weingärten hier und
VII, 223. Über Mondsee im allgemeinen siehe Otto Schmidt, Beiträge zur
Geschichte des ehemaligen Benediktinerstiftes Mondsee in Oberösterreich (Studien
u. Mitt. aus dem Zisterzienser- und Benediktinerorden IIP, 129 ff., 1882).
1) Die Gründungsurkunde im ÜB. d. L. o. d. Enns II, 3. Ich halte sie
zum Teü durch Interpolationen für verunechtet (vgl. meinen Aufsatz : Die älteste
Erwähnung von Melk und nochmals der Grunzwitigau in den Blättern des Ver-
eines für Landeskunde XXXI, 524 f, 1900). Sie ist nämlich nur in zwei späten
Kopien überliefert. Zur Kontrolle dient die Bestätigungsurkunde Karls des
Grofsen von 791, I, 3 (ÜB. d. L. o. d. Enns II, 5). — Literatur über Kreras-
münster im allgemeinen: Hartenschneider, Darstellung des Stiftes Krems-
münster, "Wien 1830 (X. Band der „Kirchlichen Topographie"). — Urkuudenbuch,
herausgegeben von Hagn (Wien 1852).
Germanische, slawische und awarische Wanderungen. 139
in Aschach werden Wiesen und Weiden, Forste und zwei Salinen
(eine kleine am Sulzbach und eine gröfsere nicht näher bezeichnete)
genannt.
Aus den zahlreichen Schenkungen, welche die Salzburger und
Mondseer Traditionsbücher ausweisen, ersehen wir zugleich, dafs
auch weltlicher Grundbesitz auf oberösterreichischem Boden vielfach
vorhanden war; das meiste, besonders das ungerodete Land, ge-
hörte dem Herzog.
Herzog Tassilo war es, der seinem Reiche noch einmal
zu selbstherrlichem Glänze verhelfen wollte. Obwohl er als der
•erste Bayernherzog bei erlangter Mündigkeit mit seinen Grofsen
König Pipin den Vasalleneid hatte schwören müssen, gebärdete
er sich ganz als souveräner Fürst *) , verweigerte die Heeresfolge
und suchte sich sowohl im Innern durch die Begünstigung der
Lehensleute, indem er die Lehen erblich machte, und der Geist-
lichkeit, als auch nach aufsen durch die Vermählung mit Liutberga,
der Tochter des ihm im Süden benachbarten Langobardenkönigs
Desiderius, feste Stützen zu schaffen.
Aber Tassilo, der vielleicht in anderen Zeitläuften eine segens-
reiche Herrschaft ausgeübt hätte, wurde von der überragenden
Persönlichkeit des Frankenkönigs Karl erdrückt ^). Der mächtige
Staatsorganismus, der die Überlieferungen des Römerreiches auf-
nahm, konnte eine Sonderbildung an der wichtigen Ostgrenze
nicht dulden. Schon 781 mufste der Bayernherzog zu Worms
den Lehnseid erneuern. Einige Jahre später, während deren
sich allerlei Weiterungen zwischen dem Frankenreich und dem
bayerischen Herzogtum ergaben, wandte er sich durch Bischof
Arno von Salzburg und den Abt Hunrich von Mondsee an
Papst Hadrian, um eine Ordnung seines Verhältnisses zu Karl
zu erzielen. Aber bei den engen politischen Beziehungen , die
schon damals das fränkische Königtum und die Kirche umschlossen,
war dies ein Schlag ins Wasser. Karl beharrte bei der Aufrecht-
1) Er nannte sich in Urkunden wie der Frankenkönig illustrissimus, vene-
rabilis dux, summus princeps.
2) Für das nun folgende Zeitalter vgl. besonders Mühlbacher, Deutsche
•Geschichte unter den Karolingern (Bibliothek deutscher Geschichte). Stutt-
.gart 1896.
Vancsa, Geschichte Nieder- u. Oberöaterreichs. 9
180 Viertes Kiq)itel.
haltung der Vasullität, und der Papst unterstützte diese Forderung-
mit der Androhung d^s Bannfluches. Als daher Tassilo sich dem
nicht fügen wollte, rückten drei fränkische Heerhaufen im Herbste
787 an die bayerische Grenze, und auch die Geistlichkeit des
Landes nahm gegen den Herzog Stellung. Abermals mufste Tassilo
den Lehnseid erneuern (auf dem Lechfelde am 3. Oktober 787),
abermals war es ihm damit nicht Ernst. Von seiner Gemahlin
Liutberga liefs er sich zu dem unseligen Schritt verleiten, die Awaren
zu Hilfe zu rufen. Dieser gefürchtete Name übte noch immer eine so
lähmende Wirkung aus, dafs nunmehr auch die Getreuen ihn im
Stiche liefsen. Auf der Reichsversammlung von Ingelheim im Juni
oder Juli 788 wurde Tassilo zum Tode verurteilt, indem man ein
schon verjährtes Vergehen, nämlich das Verlassen des fränkischen
Heeres im Jahre 763 („Herisliz"), worauf der Tod stand, als Grund
des Gerichtsverfahrens hervorsuchte. Kai'l der Grofse begnadigte
ihn, steckte ihn aber mit seiner ganzen Familie ins Kloster ^). So
endete die bayerische Selbständigkeit, die trotz der fränkischen
Oberhoheit in Wirklichkeit doch bisher bestanden hatte, und das
Land bis zur Enns wurde dem strammen Organismus des frän-
kischen Staates eingefügt.
Die von Tassilo zu Hilfe gerufenen Awaren fielen noch in
demselben Jahre gleichzeitig in Bayern und in Friaul ein,
wurden jedoch zurückgeworfen. Die über die Enns vordringen-
den Scharen unterlagen auf dem Rückzuge den Gewaltboten des
Königs Grahamann und Audaker auf dem Ipsfelde. Für Karl
den Grofsen war dieser casus belli höchst willkommen. Seiner
Eroberungspolitik entsprach es, dem Reiche möghchst feste natür-
liche Grenzen zu geben, und die Awaren galten noch immer für
I
1) Es darf freilich nicht aufser acht gelassen werden , dafs es nur die
fränkischen Annalen, insbesondere die Lorscher, sind, die über diesen Schlufs-
akt des Agilolfingischen Trauerspieles berichten , also die offizielle fränkische
Hof- und Eeichshistoriographie. Immerhin scheint der unmittelbar darauffolgende
Awareneinfall für die Beschuldigung einen Beweis zu liefern, besonders da es ja
seit den Tagen des Eömerreiches und namentlich von selten der byzantinischen
Kaiser stets üblich war, sich der wildschweifenden Kaubvölker gegen den
Feind zu bedienen. Aber selbst wenn die Beschuldigung falsch gewesen wäre,
so blieb doch die Wirkung dieselbe; sie genügte, um die eingeschüchterten.
Bayern zum Abfall zu bestimmen.
Germanische, slawische und awarische Wanderungen. 131
so gefährlich, dafs man sie nicht als Nachbarn in ungebrochener
Macht lassen konnte.
Welch übertriebene Vorstellungen man sich noch immer über
dieses Volk machte, zeigen am besten die umfassenden Vorberei-
tungen, die Karl, nachdem er die Abgesandten in nutzlosen Ver-
handlungen hingehalten hatte, für den Krieg traf Drei Heersäulen
unternahmen im Jahre 791 den Vorstofs gegen das A warenreich,
eine unter Pipin, dem Sohne Karls, in Friaul, eine unter K&rl
selbst am rechten und eine am linken Donauufer, unterstützt durch
eine Flotille. Aber selbst als bereits die Kunde von dem sieg-
reichen Vordringen Pipins bei Karl anlangte, zögerte er noch an
der Ennsgrenze und liefs das Heer zu Lorch in dreitägiger kirch-
licher Feier die Hilfe des Himmels für das schwere Unternehmen
erflehen, denn auch Karl der Grofse wollte seine Eroberungsfeld-
züge als Glaubenskriege geführt wissen ^).
Die Furcht vor den einst so verderbenbringenden Barbaren
war jedoch unbegründet. Seitdem namentlich die Bayern ihren
frechen Raubzügen ein Ziel gesetzt hatten, war ihnen die Lebens-
bedingung genommen. In untätiger Ruhe, von ihren Sklaven, nicht
durch eigene Arbeit ernährt, siechten sie an innerer Fäulnis bei
einem trägen und üppigen Leben inmitten ihres Reichtumes dahin.
Seit dem Khakan der lugur zur Seite gestellt worden war, war
es mit der einheitlichen Führung vorbei, und auch die kleineren
Häuptlinge, die Tarkane, suchten sich selbständig zu machen und
lagen miteinander in Hader. Endlich war durch die Gründung
des slawischen Reiches im Norden und des bulgarischen im Süden
ihr ehedem so ausgedehntes Gebiet stark abgebröckelt. So kam es,
dafs sie nicht einmal den Versuch machten, dem wohlorganisierten
fränkischen Heere standzuhalten. Sie räumten nach der Ge-
wohnheit undisziplinierter Horden das Feld und wichen bis zur
Raab zurück. Trotzdem waren sie nicht eigentlich unterworfen,
und Karl der Grofse konnte zunächst die Früchte des so leicht
errungenen Sieges nicht ernten, denn Seuchen zwangen sein Heer
zur Umkehr und die Vorbereitungen zu einem neuen Zuge wurden
1) Hauptquellen für die Awarenkriege sind die Ann. Lauriss. maior, und
die Ann. Eiuhardi. Kleinere Notizen bringen auch die anderen fränkischen
Annalen (Lauresh., Scti. Amandi, Alamann., Mosell.).
9*
132 Viertes Kapitel. Gerniauisoho, slawische und aw.arisohe Wandorungon.
durch Aufstünde der Sachsen unterbrochen. Doch die Awaron waren
zum Untergange reif. Selbst in diesem entscheidenden Augenbhcke
ruhten die inneren Kämpfe nicht, und die beiden Führer, der
Khakan und der lugur, verloren dabei ihr Leben. Der Tudun
schickte Gesandte, um seine Unterwerfung anzubieten, und liefs
sich sogar später zu Aachen feierlich taufen. So konnte 795 und
im darauffolgenden Jahre das ganze Land bis zur östlichen Donau,
das alte Pannonien, dem Frankenreiche unterworfen und der Haupt-
riug der Awaren vollständig zerstört werden, wo man die jahr-
hundertelang aufgespeicherten Schätze erbeutete '). Vielleicht war
man jetzt etwas gar zu sorglos. Es kam doch noch zu einigen
blutigen Aufständen, in denen sogar 799 der Grenzgraf Gerold,
802 dessen Nachfolger Gotram bei Güns fiel. Aber im ganzen
ging der vollständige Auflösungsprozefs in dem entarteten Volke
mit grofser Raschheit vor sich. Die einst geknechteten Slawen
trugen zum Vernichtungswerk bei ^). Nach 826 schon verschwindet
der Name der Awaren aus der Geschichte.
In Pannonien waren zunächst die Slawen ihre Nachfolger. Dem
deutschen Element, das bisher nur imstande gewesen war, seinen
Besitzstand zu wahren, gelang es erst jetzt, da es in den mächtigen
Staatsorganismus des Frankenreiches eingefügt worden war, einen
erfolgreichen Vorstofs gegen Osten — die Gegenbewegung zu der
nach Westen flutenden Völkerwanderung — auszuführen. Es hatte
nach den Awarenkriegen bereits ungefähr jene Grenzen erreicht,
die es, die Magyarenepisode abgerechnet, bis zum heutigen Tage
behauptet hat. Damit beginnt für unsere Lande eine neue und
in ihren Wirkungen nachhaltigere Periode.
1) Fünfzehn Ochsenwagen sollen notwendig gewesen sein , um die Gold-
und Silberschätze, den sogenannten „Hunnenschatz", fortzuführen. Dafs jedoch
dadurch eine Entwertung der Edelmetalle im fränkischen Eeiche und damit eine
Preiserhöhung um ein Drittel in den nächsten zehn Jahren eingetreten wäre,
hat Soetbeer (Forschungen zur deutschen Geschichte XII, 82) widerlegt,
2) Die Häuptlinge suchen Schutz gegen die Slawen bei Karl.
Fünftes Kapitel.
Die deutsche Kolonisation im Zeitalter der Karolinger').
Im römischen Reiche gingen die noch nicht . befriedeten Pro-
vinzen, daher auch ursprüngHch Noricum, in den Privatbesitz des
1) Quellen siehe Einleitung S. 5 und 11. An Spezialwerken führe ich
neben der allgemeinen Literatur und den Werken über Siedeluugsgeschichte, die
schon in der Einleitung genannt sind, noch an: Dümmler, Über die südöst-
lichen Marken des fränkischen Kelches unter den Karolingern (Archiv für österr.
Gesch. X, 1853) und Ostfräukisches Reich (Berlin 1S62); Simson und Abel,
Jahrbücher des deutschen Reiches unter Karl dem Grofsen, 2 Bände (Leipzig
1866—1883) und unter Ludwig dem Froramen, 2 Bände (Leipzig 1874—1876) sowie
Mühlbacher, Deutsche Geschichte unter' den Karolingern (Stuttgart 1896,
Bibliothek deutscher Geschichte). Auch ein paar kleinere, übrigens durch
Kämmel überholte Aufsätze von Bauer sind zu nennen: Die Anfänge der Ost-
mark (Blätter d. Ver. f. Landesk. X, 1876); Der Fiscus regius unter den fränkischen
Königen mit besonderer Rücksicht auf Niederösterreich (ebendas. XII, 1878) und
Einleitung zu einer Geschichte der Agrarverfassung in Niederösterreich (ebendas.
XIV, 1880), ferner von Schober, Die Deutschen in Niederösterreich (Wien
und Teschen 1881) und etwas dilettantisch der 3. Band von Peez, Erlebt —
erwandert (Blicke auf die Entstehung der Ostmark und Karl der Grofse als
Neubegründer des deutschen Volkstammes) (Wien 1902); besondere Aufmerk-
samkeit verdienen die Arbeiten vonlnama-Sternegg, die, obwohl sie die
wirtschaftlichen Verhältnisse der Zeit im allgemeinen behandeln, doch das Material
unserer Länder mehr berücksichtigen, als dies von selten anderer Schriftsteller
geschehen ist: Untersuchungen über das Hofsystem im Jlittelalter mit besonderer
Beziehung auf deutsches Alpenland (Innsbruck 1872), Die Entwickelung der
deutschen Alpendörfer (Historisches Taschenbuch V. Folge, 4. Jahrg., S. 99 f.,
1874), Die Ausbildung der grofsen Grundherrschaften in Deutschland während
der Karolingerzeit (Staats- u. sozialwissenschaftl. Forschungen I. Bd., 1. Heft,
Leipzig 1878), Die Ansiedelungsformeu in den Alpen (Mitt. d. k. k. geogr. Ge-
134 Fünftes Kajjitel.
Kaisers über. Nach fränkischem Rechte gehörte das eroberte herren-
lose Land dem Köni<j, worin ihm, wie wir gesehen haben, auch das
bayerische lolgte. Das wurde ähnhch wie in der spanischen Mark
aucli für unsere Gebiete entscheidend. Dem Könige fehlte freilich
das nötige Betriebskapital an Mitteln und Menschen, um das ganze
weite Land ausschliefslich in eigenen Besitz zu übernehmen, auch
an eine systematische militärische Befestigung wie zur Römerzeit
war nicht zu denken, doch war der König immerhin der bedeu-
tendste Grofsgrundbesitzer, wie dies der Landesherr bis zum heutigen
Tage gebhebeu ist. Privatbesitz konnte nur durch Schenkung
oder Belehnung von selten des Königs gewonnen werden. Aufser-
dem erlaubte der König auch die Niederlassung und Besitzergreifung
gegen nachträgliche Bestätigung. Das überhob ihn der weiteren
Sorge für die gewonnenen Gebiete und war doch zugleich das
einzige Mittel, sie unter seiner Oberhoheit zu erhalten.
Damit hängt es zusammen, dafs ganz im Gegensatz zur Be-
siedelung in Nordostdeutschland nicht die freien Bauern das Land
besetzen und besiedelü, sondern dafs es unter einer Reihe von
Grofsgrundbesitzern, wie sie sich im letzten Jahrhundert ausgebildet
hatten, aufgeteilt wird, die nun ihre Eigeuleute hierher versetzen.
Auch das wurde für die ganze folgende Entwickelung der Ver-
hältnisse in Osterreich bis in die Gegenwart von gröfster Be-
deutung, und zwar nicht nur für die wirtschaftliche, sondern auch
für die soziale und damit indirekt für die politische Organisation,
und man wird es immer im Auge behalten müssen, um diese Ent-
wickelung zu verstehen.
Das Unternehmerwesen war aber zu jener Zeit noch nicht
so weit ausgebildet, dafs die fränkischen Vasallen des Königs hier
etwa Landerwerb hätten suchen können; kaum der König selbst
Bellschaft XXVII, 1884), endlich seine Deutsche Wirtschaftsgeschichte I, (Leip-
zig 1879). Krone s, Die deutsche Besiedelung der östlichen Alpenländer,
insbesondere Steiermarks , Kärntens und Krains nach ihren geschichtlichen und
örtlichen Verhältnissen (Forschungen z. deutschen Landes- und Volkskunde III,
1889) kommt für uns nur bezüglich des Traungaues und des Püttener Gebietes
in Betracht. Zur Topographie siehe: Meiller, Verzeichnis jener Örtlichkeiten
im Lanae Österreich unter der Enns, die in Urkunden des 9. — 11. Jahrhunderts
erwähnt werden (Jahrbuch für Landeskunde von Niederösterreich II , 1867) ;
Lamprecht, Johann, Matrikel des Landes ob der Enns (Wien 1863).
Die deutsche Kolonisation im Zeitalter der Karolinger. 135
konnte seine Domänen im Lande aufrechterhalten. Was vergabt
wurde, empfingen die Gruudherren der nächsten Nachbarschaft,
die einen gewissen Zusammenhang mit ihren Stammgütern be-
wahren konnten: es waren deshalb fast ausschliefslich Bayern.
Der neue Grofsgrundbesitz war demnach nicht etwas organisch
Gewordenes wie im Stammlande, sondern der Boden wurde okkupiert,
die Einrichtungen übertragen. Darum zeigt die karolingische Be-
siedelung nicht das Dorfsystem, sondern das bajuwarische Einzelhof-
und Hufensystem. Es war ganz natürlich, dafs sie sich zunächst
der leicht zugänglichen Flufstäler und Ebenen bemächtigte. Dafs
sich schon manche Teile des Landes in den Händen slawischer
Ansiedler befanden, war weiter kein Hindernis, sondern eine Er-
leichterung. Den Slawen dürfte es, obwohl zur Zeit der deutschen
Volksrechte diese nur die Stammesangehörigen, nicht aber die
fremden Nationen schützten, nicht schlechter ergangen sein als unter
der Awarenherrschaft. Es blieb ihnen sogar der Besitz und die
Freiheit, wenigstens in der ersten Zeit, nach Tunlichkeit gewahrt ^),
zumeist aber kamen sie eben aus der awarischen in die fränkisch-
bayerische Hörigkeit, so dafs sogar in den fränkischen Urkunden
der Name Slawen mit Sklaven identisch gebraucht wird, und
spielten ebensowenig wie vordem irgendeine politische Rolle. So
kann es nicht wundernehmen, wenn sie langsam durch das über-
legene deutsche Element aufgesogen werden; immerhin erhalten sie
sich in manchen Gegenden, wie wir noch sehen werden, bis über
den Magyarensturm hinaus. Die Namen der slawischen Ansiede-
lungen wurden übernommen, nur machten die Deutschen sie sich
mundgerecht. Die fortschreitende Germanisierung der Slawen kann
man auch aus dem Eindringen deutscher Personennamen bei ihnen
erkennen ^). Von den Awaren dagegen dürften nur spärliche Reste
übrig geblieben sein ^), selbst die Nachricht über Zuweisung von
1) Charakteristisch ist, dafs auch die freien Slawen iu den Zeugenreihen
der Urkunden erst nach den Deutschen an zweiter Stelle genannt werden.
2) Im Jahre 888 werden ausdrücklich ein Wartmann und ein Saxo als
Slawen bezeichnet (Mühlbacher, Eegesten Nr. 1786 [1738]).
3) Nur in der Conversio Baiuvariorum et Caranthanorum S. 7 wird auf
zurückgebliebene „Huni" hingewiesen, die dem König tributpflichtig geworden
seien.
136 Fünftes Kiipilol.
Land bei Carnuntum wird wühl nur aui" einer Verwechselung mit
Karantanien beruhen ^); an Arbeit nicht gewöhnt, verschwinden
sie bald darauf" überhaupt spurlos aus der Geschichte '^).
Auch an die in Trünnner liegenden alten Kölneransiedelungen
knüpften die neuen Kolonisten wieder an. Diese Neubesiedelungen
sind im Namen regelmäfsig mit Mauer oder Burg bezeichnet, wie
Zeiselmauer, Traismauer, Eparesburg, Hollenburg. Ganz neu
kolonisiert wurde das offene Donautal, das Tullnerfeld und das
"Wiener Becken. Aber selbst in den Widdern jenseits der Donau
schuf die Axt der bayerischen Kolonisten Lichtung, Ackerboden
und Wohnstätteu. Das ging natürlich nicht im Fluge und im
ersten Anstürme. Noch während des 9. Jahrhunderts liegen weite
Strecken unbebaut und unbesiedelt, aber es ist immerhin erstaun-
lich, welch Leben sich nunmehr im Lande regte. Auch da»
Gebiet zwischen Lm und Enns, das zwar schon seit Jahr-
hunderten unter bayerischer Herrschaft stand, aber teils gar
nicht, teils nur spärlich von deutschen Kolonisten, von Romanen
und Slawen besetzt waV, wurde erst jetzt systematischer kultiviert,
und besonders das Land nördlich der Donau suchte man jetzt
zum ersten Male für die Besiedelung zu gewinnen. Die weise
Politik Karls des Grofsen ordnete Rodung und Urbarmachung auf
dem Wege der Gesetzgebung — durch die Kapitularien — an ^).
Durch ihn wurde ein systematischer Wirtschaftsbetiieb angebahnt.
So kam es, dafs der König durch Anlegung von grofsen Muster-
wirtschaften mit dem besten Beispiel voranging, dem dann die
anderen Grundbesitzer folgten. Leider wurde in der späteren
Karolingerzeit diese zielbewufste Wirtschaftspohtik nicht weiter
verfolgt, und ihre Errungenschaften gingen allmählich wieder
verloren.
Wollen wir uns nun im einzelnen ein Bild von der Koloni-
sation machen, welche zwar schon unter Karl dem Grofsen ein-
1) Dachler, Die letzte Erwähnung des Stadtnamens Carnuntum (Mouatsbl.
d. Ver. f. Landesk. v. Niederösterr. S. 235, 1903).
2) Zum letzten Male werden die Awaren 826 erwähnt. (Einhard ad
a. 826).
3) Man sehe ganz besonders das Capitulare de villis c. 36 (M. G. LL. I,
183) und Cap. Aquisgr. 813, c. 19 (a. a. 0. 189).
Die deutsche Kolonisation im Zeitalter der Karolinger. 137
setzte, aber sich erst im VerJaufe des 9. Jahrhunderts allmählich
weiter ausbreitete, so müssen wir mit der sehr ungleichmäfsigen
Überheferung rechnen '). Während Kirchen und Klöster schon
frühzeitig über ihre Besitzerwerbungen und ihre Einnahmen Ur-
kunden sammelten und Aufzeichnungen führten, während sie auf
die Aufbewahrung dieser Dokumente grofse Sorgfalt verwendeten,
legten die weltlichen Grundherren noch wenig Gewicht darauf,
und die Übertragungsurkunden waren leicht dem Zugrundegehen
preisgegeben. In vielen Fällen scheinen auch die Vergabungen
ohne eigene Beurkundung erfolgt zu sein, denn selbst Stifter und
Klöster liefsen sich oft ihren Besitz erst viele Jahrzehnte später
bestätigen ").
Nach dem König waren die Grafen die reichsten unter den
welthchen Grundbesitzern. Sie waren meist von Haus aus schon
begütert, erhielten zur Erhöhung ihres Ansehens und zur Belohnung
ihrer Dienste vom König ausgedehnte Ländereien, verfügten in-
folge ihrer Stellung und ihrer Einkünfte über die entsprechenden
Mittel und Arbeitskräfte und scheinen auch ein gewisses Ver-
fügungsrecht über das Königsgut gehabt zu haben. Graf Wilhelm
hatte seinen Hauptbesitz westlich der Enns bei dem seither ver-
schollenen Rosdorf, das zwischen Passau und Linz lag, um Linz
selbst und jenseits der Donau zwischen Ait^t und Naarn ^). Von
1) Trotzdem die Einzelheiten der Karolingischen Besiedelung- in muster-
hafter Weise bereits von Kämmel zusammengestellt worden sind und nach ihm
auch Strakosch, Meitzen und Grund den Gegenstand ziemlich erschöpfend
behandelt haben, so kann ich doch wegen ihrer hervorragenden Wichtigkeit eine
abermalige Darstellung nicht unterlassen. Ich habe mich bemüht, die nochmals
gesichteten und ergänzten Forschungsergebnisse unter einem neuen Gesichts-
punkte zusammenfassen. Dadurch, dafs ich bei den Zitaten die Nummern der
Mühlbacherschen Eegestcn angeführt habe (die Nummern der neuen Auflage
stehen voran, die der 1. in Klammern), hoffe ich dem Benutzer die Orientierung
wesentlich zu erleichtern.
2) Ludwig der Deutsche stellt 830 und 831 den Klöstern Altaich und
Herrieden Bestätigungen ihrer Erwerbungen unter Karl dem Grofsen aus mit
dem ausdrückUchen Hinweis darauf, dafs sie darüber keine Urkunden besitzen
(Belege siehe unten); Ficker, Beiträge zur Urkundenlehre I, 83 macht darauf
aufmerksam, dafs der Urkundenbeweis in Italien gröfsero Bedeutung hatte als in
Deutschland, wo er nur durch die Berührung mit römischem Eechte Eingang fand.
3) Mühlbacher 1404 (1363).
138 Fünftes Kapitel.
ihm rührt eine der umfangreichsten und interessantesten Schenkungen
her, worüber wir aus der damahgen Zeit erfahren. Er über-
gibt dem Kloster St. Emmeram in Regensburg den ganzen Land-
strich zwischen Aist und Naarn und von der Donau bis zu den
Quellen dieser Flüsse — ein Gebiet von etwa 20 Quadratraeilen —
zu Lehen, und überdies das Land bis zum Nordwald „ohne be-
stimmte Grenze" (sine termini conclusione), also ähnlich wie wir
dies in älterer Zeit bei Kremsmünster gesehen haben, ein freies
Kodungsgebiet , wieviel eben das Kloster mit den ihm zu Gebote
stehenden Mitteln für sich zu gewinnen und zu bewirtschaften vermag,
und dies wird im Jahre 853 von Ludwig dem Deutschen bestätigt ^).
Schon vorher um 834 hatte er demselben Kloster einen Besitz bei
Perschling, der ein Dorf mit Kirche und Wirtschaftsgebäuden,
einen Waldanteil und Hörige umfafste, geschenkt '''). Und trotz
dieser ausgiebigen Veräufserungen blieb ihm noch ein mächtiger
Besitz bei Perschling und am Kamp, um Eparesburg und Mautern,
den er seinen Söhnen Wilhelm und Engelschalk vererbte, und
der diesen wegen ihrer verräterischen Haltung aberkannt und
893 dem Kloster Kremsmünster übertragen wurde ^). Nicht minder
reich erscheint Graf Radbod, dessen Güter allerdings bis zum
Plattensee reichten, der aber auch um Putten und um Tulln
grofsen Besitz hatte *). Er stammte aus dem mächtigen altbaye-
rischen Geschlecht der Huosier, das im Mutterlande, im Huosigau,
dann im Lande ob der Enns und um Putten begütert war. Eine
Enkelin, Peretkunda, die den Schleier nahm, konnte im Jahre
869 ihren ganzen Besitz um Putten an Freising schenken und
noch aufserdem 40 Hufen ihren Brüdern Manegold und Egino
reservieren ^). Die anderen Grundbesitzer verfügten naturgemäfs
über weniger ausgedehnte Ländereien. Darüber erfahren wir nur
aus gelegentlichen königlichen Bestätigungen, mehr noch, wenn
ihre Güter in kirchlichen Besitz übergehen. Der früheste deutsche
1) ÜB. d. L. 0. d. Enns II, l(j.
2) P e z , Thesaurus anecdot. I, 3, 244.
3) Mühlbacher 1892 (1841), ÜB. von Kremsmünster 23.
4^ Mühlbacher 1360a (1321a); Pez, Thes. Ic, 245.
5) Hundt, Die Urkunden des Bistumes Freising aus der Zeit der Karo-
linger (Abhandlungen d. bist. Klasse der bayer. Akademie XIII, 1. Abteil. 1875),
wo auch einleitungsweise über Graf Katbod und seine Familie gehandelt wird.
Die deutsche Kolonisation im Zeitalter der Karolinger. 139
Ansiedler, dessen Namen wir auf diese Weise kennen lernen, ist
ein srewisser Elis, der zur Zeit Karls des Grofsen Wolfsbach
gründete, das im Jahre 808 von seinen Söhnen an Altaich ge-
geben wurde ^). Interessant ist die Erwähnung eines Ortes Li-
taha (Leitha) an der Quelle Schönabrunn, „wie ihn einst Theode-
rich innegehabt", in einer Schenkung Ludwigs des Deutschen
an Passau vom Jahre 833-), da wir mit diesem Ort, der ohne
Zweifel an dem jetzigen Flusse dieses Namens gesucht werden
müfste, wohl die östlichste Ansiedelung der neuen Grenzprovinz
und zwar zu früher Zeit vor uns haben. Der an sich nicht
seltene Name Theodor oder Theoderich begegnet gerade unter den
Grundbesitzern unserer Gegend wiederholt. Das Passauer Terri-
torium bei Kirchbach südöstlich von TuUn grenzte an den Besitz
eines Theoter (836)^), und 892 schenkt ein Theoderich sieben
Herrenhufen zu Melk aus dem Erbe Altmanns einem Vasallen des
Salzburger Erzbischofes *). Den Hof Grunzwita empfing Witigavo
von Karl HI. mit' 15 Hufen (beurkundet ca. 887)^), und seinem
Sohne Haimo wird auf seinem Eigenbesitz im „Gau Grunzwiti"
die Gerichtsbarkeit gegen gewisse Bedingungen, namentlich Bau
einer befestigten Burg im Jahre 888 verheben ^). Ein Vasall
Zwentipolch hat fünf Hufen im Tale Oliupesburg (Kirchdorf süd-
lich von Kremsmünster) und das Fischereirecht in der Krems im
1) Eied, Cod. dipl. Katisbon. I, 10; Pez, Thes. Ic, 68. Nach Kämmel,
S. 255 wird dieser Ort meist in die Nähe von Böheimkirchen verlegt, es ist aber
doch sehr fraglieh , ob zu so früher Zeit die Besiedelung bereits so weit nach
Osten vorgedrungen war. Vielleicht hat Kerschbaumer, Geschichte der Diözese
St. Polten I, 147 recht, wenn er es in der Nähe von Seitenstetten sucht (vgl.
auch Grund a. a. 0. 60, Anm. 2).
2) Mühlbacher 1350 (1311); Mon. Boic. XXXI a, 70.
3) Mühlbacher 1358 (1319); Mon. Boic. XXVIIIb, 29.
4) Mühlbacher 1870 (1819); Juvavia Anh. 107. — So lautet die Ur-
kunde; Altmann heifst nicht der Empfänger, wie in einigen Werken fälschlich
zitiert wird.
5) Mühlbacher 1763 (1716); Juvavia 62, wo die unrichtige Zuweisung
zu Karl dem Grofsen; vgl. über den chronologischen Ansatz: Sitzungsberichte
der Wiener Akademie XCII, 280.
6) Mühlbacher 1799 (1751); Juvavia 118. Auf die in mehrfacher Be-
ziehung wichtigen Urkunden, sowie auf die vielumstrittene Lage des Grunzwiti-
gaues komme ich später zurück.
140 Fünftes Knpitel.
Jahre 903 '), ein Freier, Darinc, Güter am Naarn ^). Ein könig-
lieber Lehen strägcu- zu Drasdorf im Traismafeldgau, Wizo, und
sein Sohn werden vor 868 erwähnt ^). Das sind die kümmerlichen
Nachrichten, die sich über weltliche Grundbesitzer in dem neu-
gewonnenen Lande erhalten haben.
Viel besser sind wir über den kirchlichen Besitz unterrichtet,
teils, wie schon hervorgehoben wurde, infolge des weit günstigeren
Standes der Überlieferung, teils aber auch, weil den Stiftern und
Klöstern wirklich der Löwenanteil des eroberten Gebietes zufiel.
Die Kirche erkannte mit dem ihr eigenen vorahnenden politischen
Blick die hohe Bedeutung der kolonisatorischen Tätigkeit für ihre
künftige Machtstellung. So überwand sie die alte Abneigung der
Germanen gegen die schwere Arbeit des Bauern. Aufser infolge
der allgemeinen Erlaubnis zur Besitzergreifung — „in augmentatione
rerura ecclesiarum dei in Pannonia carpere ac possidere heredi-
tatem" ^) — , der Landzuweisung durch den König ging auch,
wie man aus den oben angeführten Beispielen schon entnehmen
kann und wie wir noch mehr im folgenden sehen werden, viel
Grund und Boden aus dem Besitze der weltlichen Grundherren
durch Schenkung an die Stifter und Klöster über, deren wirtschaft-
liche Potenz wir erst dann richtig schätzen, wenn wir bedenken,
wie ausge4ehnt ihr Besitz auch in anderen Gegenden war. Wie
konservativ die Verhältnisse in Osterreich sind, dafür ist ein cha-
rakteristisches Beispiel der Umstand, dafs viele der Stifter und
Klöster diesen ihren ursprünglichen Besitz trotz feindlicher In-
vasionen jahrhundertelang bewahrten haben.
Am frühesten scheinen sich die Klöster Niederaltaich und
Herrieden (ursprünglich Hasenried) im Lande festgesetzt zu haben,^
indem sie einfach von König Karls eingangs erwähnter Erlaubnis
1) Mühlbacher 2014 (1960); ÜB. d. L. o. d. Enns II, 51 (allerdings
verdächtige Urkunde). Die Schenkung der Villa Kronsdorf an der Enns an einen
gewissen Patager vom Jahre 814 ist Fälschung. Mü hl b acher 556 (537); Mon.
Boic. XI, 106.
2) Eied, I, 80.
3j Mühlbacher 1468 (verdächtig!) (1424); Mon. Boic. XI, 427.
4) So ausdrücklich in der Urkunde für das Kloster Altaich, Mon. Boic.
XI, 120.
Die deutsche Kolonisation im Zeitalter der Karolinger. 141
zur Besitznahme des herrenlosen Gutes Gebrauch machten und
sich das so Gewonnene später durch Ludwig den Deutschen 830
und 8:31 bestätigen liefsen i). Herrieden hatte Besitzungen zu
Pielach, jNIelk und Grunzwita (Grunavita), unter deren Zubehör
auch Weingärten genannt werden ''*). P]s war das einzige Kloster,
das noch im Laufe des Jahrhunderts aus unbekannten Gründen
seinen Besitz in der Mark wieder aufgegeben haben mufs, denn es
wird hier nicht weiter genannt, und an den erwähnten Orten finden
wir andere Eigentümer. Gleichfalls an der Pielach lagen übrigens
auch die vierzig könighchen Hafen, die das bayerische Kloster
Niederaltaich im Jahre 811 von Karl dem Grofsen erhielt^).
Früher schon hatte es in der Wachau ein Gebiet von ungefähr einer
Quadratmeile besetzt, das es sich im Jahre 830, und ein anderes
zwischen Donau, Ips und Url von Scalcobach (Salaberg?) *) bis
Cidalarisbach (Zeillern) mit fünf Hufen zu Biugin (Persenbeug),
das es sich erst im Jahre 863 von Ludwig dem Deutschen be-
stätigen liefs •'').
Zweifelsohne hat auch das der awarischen Mark zunächst
gelegene Kloster, Krerasmünster im Traungau, zugegriffen, als
Karl der Grofse die Bewilligung zur Landnahme erteilte. Im
Grunzwitigau, westlich von der Traisen, nordwestlich von St. Polten,
kultivierte es Land, baute Höfe und errichtete eine Kirche, hier
nahm es auch seine ursprüngliche Slawenmission wieder auf. Als
dann nach dem Regierungsantritt Ludwigs des Deutschen eine
bessere Organisation in der Mark eintrat, liefs sich Kremsmünster
sein Gebiet von den Sendboten des Markgrafen Gerold vermessen ~
€s wurde durch den Flinsbach, durch den Suraerberg bei Mamau,
durch die Traisen und durch eine Höhe im Südwesten, das hohe
1) Darüber siehe oben S. 137.
2) Öfele, Unedierte Karolingerdiplonie (Sitzungsber. der philos.-philolog.
u. bist. Klasse d. k. bayer. Akademie 1892, Heft 1, 125), zwar nur in zwei sehr
späten Kopien überliefert, aber unbedenklich. Vgl. meinen Aufsatz: Die älteste
Erwähnung Melks und nochmals der Grunzwitigau (Blätter d. Vereins f. Landesk.
XXXI, 524 f., 1900).
3) Mühlbacher 466 (452); M. B. XXXI, 26; M. G. DD. Karol. I, 283.
4) Mühlbacher 1340 (1302); M. B. XXXI, 58.
5) Mühlbacher 1451 (1409); M. B. XI, 120.
143 Fünftes Kapitel.
Geplaike, bestimmt — und liels sich ebenso wie Altaich und Her-
rieden diesen Besitz durch Kaiser Ludwig den Frommen im Jahre
828 urkundlich bestätigen '). Später, im Jahre 877, finden wir
das Kloster bereits seit längerer Zeit in Besitz eines ungenau um-
grenzten Eigens an der Spratza im Püttener Lande, also sehr
weit gegen ()sten vorgeschoben, ferner um Schmida von der Donau
bis zum Wagrein ^). Den reichsten Zuwachs gewann es, als ihm
8;t3 Arnulf die konfiszierten Güter der Grafen Wilhelm und Engel-
schalk zu Eparesburg, am Kamp und an der Perschling mit allen
Kirchen , Hörigen und Zehnten schenkte ^). In der Nähe des
Klosters selbst fielen ihm gleichfalls unter Arnulf (888) Güter zu
Neuhofen und zu Nesselbach an der Krems zu % dann vermutlich
auch der Besitz bei Wels, den der Kaplan Zaczo vom Könige
unter der Bedingung auf Lebenszeit erhalten hatte, dafs er ihn
bei seinem Tode Kremsmünster vermache °).
Eine Reihe anderer Klöster erwarb — und zwar erst in der
zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts — unterschiedlichen kleineren
Grundbesitz. Metten .erhielt vielleicht im Jahre 868 von Ludwig
dem Deutschen Güter in Drasdorf in einem Gau Traismafeld ^').
Mondsee, das übrigens bereits 831 an das Bistum Regensburg
gekommen war, vermehrte hauptsächlich seinen älteren Besitz im
Mattig-, Atter- und Traungau; im Markgebiet gewann es 879
Lehen an der Erlaf ^). Moos bürg, das 895 ati das Bistum
Freising fiel, hatte Güter um Hollenburg ®) und zu Puchenau ^).
1) Mühlbacher 850 (824): bester Druck ÜB. von Kremsmünster 9. Vgl,
darüber und insbesondere über die lange Zeit strittige Lage dieses Besitzes meinen
oben zitierten Aufsatz in den Blättern des Vereines für Landeskunde XXXI,
526 ff., 1000.
2) Mühlbacher 1522 (1480); ÜB. von Kremsmünster 11.
3) Mühlbacher 1892 (1841); ÜB. von Kremsmünster 23.
4) Mühlbacher 1772, 1773 (1724, 1725); ÜB. des Landes ob der Enns
II, 39, 40.
5) Mühlbacher 1787 (1739); a. a. 0. II, 32.
6) Mühlbacher 1468 (1424)-, M. B. XI, 427. Die Urkunde ist verdächtig.
7) Mühlbacher 1539 (1497); M. B. XXXI, 111.
8) Mühlbacher 1519c (1477c); Hundt in den Abhandlungen der baye-
rischen Akademie XIII, 45.
9) Archiv XXVII, 258.
Die deutsche Kolonisation im Zeitalter der Karolinger. 143
Für das nicht viel vor 888 gegründete Kloster St. Florian läfst
sich nur um Rohrbach Besitz mit Sicherheit nachweisen '), während
die anderen angeblichen grofsen Schenkungen im Traungau und
jenseits der Donau auf Fälschungen beruhen ^). Auch die zwanzig
Königshufen und der Ort Sabariae vadum (Kirchschlag?), die
im Jahre 860 das Kloster Mattsee zwischen Zobern und dem
Spratzbach empfing ^), können, obwohl im äufsersten Südosten des
heutigen Kronlandes gelegen, noch hierher gerechnet werden. Später
als alle die genannten Klöster — erst gegen Ende der Karolinger-
zeit — scheint endlich auch Tegernsee in der Mark Besitz
erlangt zu haben, vermutlich um St. Polten und Kroisbach. Wir
sind zwar erst durch spätere Überlieferung und indirekt davon
unterrichtet, doch glaube ich an der Tatsache nicht zweifeln zu
sollen *).
Von den Bistümern war es merkwürdigerweise Regensburg
bezw. das Stift St. E mm er am, welches bekanntlich mit dem Bis-
tum auf innigste verknüpft war, das vor allen anderen in der Mark
besitzerwerbend auftrat. Schon im Jahre 808 wurde ihm von den
Söhnen des bereits oben genannten Ehs dessen Eigen zu Wolfsbach im
Wiener Walde geschenkt ^). Zu imponierendem Besitzstande gelangte
es jedoch erst durch die Munifizenz des Grafen Wilhelm. Von ihm
erhielt es schon zu Beginn der dreifsiger Jahre einen ausgedehnten
Landstrich von dem Orte, wo einst die Herilungoburg gestanden hatte,
und von der Mündung der Erlaf längs dieses Flusses bis Erd-
gastegi, dann östlich bis zur Mitte des Berges, welcher von der
1) Empfangen von König Arnulf 892. M. B. XXXI a, 141.
2) Den Beweis dafür liefert Strnadt in seiner schon mehrfach zitierten
Abhandlung in der Archival. Zeitschr. VIII, 69 ff.
3) Mühlbacher 1443 (1402); Wiener S. B. XXXIX, 158.
4) Ein Verzeichnis von unter dem Bayernherzog Arnulf entfremdeten Gütern
stammt aus dem 11., das Gedicht des Metellus von Tegernsee, welcher gleich-
falls über den Verlust Klage führt, aus dem 12. Jahrhundert (M. B. VI, 162
und Canisius, Antiquae lectionea I, app. 89). Der Umstand, dafs das Kloster
sogleich nach der Wiederherstellung der Ostmark unter den Ottonen unter den
Grofsgrundbesitzern dieses Gebietes erscheint, könnte auf früheren Besitz daselbst
schlief sen lassen. Über die vermutliche Gründung des Klosters St. Polten siehe
weiter unten.
5) Pez, Thes. anecd. I^ 6, 8.
J44 Fünltos KnpitrI.
windischeu Bevölkerung; Coloniezza (Kollmitz) genannt wurde, und
von da nördlich bis zur Donau samt allen Slawen, ferner Güter
zu Rosdorf und an der Sierning ^), schliefslich im Jahre 85:5 unter
Bestätigung des früheren jenes etwa 20 Quadratmeilen umfassende
Gebiet zwischen Aist und Naarn mit der Erlaubnis freier Rodung
im Nordwald, wovon schon oben die Rede war '•*). Kirche, Haus,
Hof und Forst an der Perschling hatte das Bistum auf kurze Zeit
zum Niefsbrauch, da sie ihm Graf Wilhelm und seine Gemahlin
auf Lebenszeit überliefsen und nur im Falle des kinderlosen Todes
zusprachen. Weil ihnen aber noch Söhne erwuchsen, so fiel der
Besitz an diese zurück '^). Eigen bei TuUn erhielt es 837 vom
Grafen Radbot ^), das 859 noch um die Hälfte des königlichen
Fiskus vermehrt wurde, die gleichfalls Radbot innegehabt hatte,
ihm aber wegen Hochverrates aberkannt worden war ^). Zu Ende
des Jahrhunderts, um 900, erliihren wir von einer Schenkung von
sieben Morgen Land am Naarn durch den Freien Durinc «).
Auffallend spät erwerben die zunächst interessierten Bistümer
Salzburg und Passau. Güter in der Mark. In bezug auf Pas sau
befand man sich allerdings bis in die neueste Zeit in arger Täu-
schung, indem man die umfangreiche Bestätigungsurkunde Ludwigs
des Frommen vom Jahre 823 oder doch mindestens eine der
beiden Fassungen^), worin Güter zu Ried, Aschbach, am Naarn,
an der Erlaf, Pielach, in der Wachau, zu Wolfeswang und in
Traisma, je zwei Basiliken zu Ardagger und Saxen, sowie die
Zelle St. Florian und Linz (in der kürzeren Fassung statt dieser
beiden die Orte Zeiselmauer und Litaha) als passauisch aufgezählt
werden, für echt hielt »). Seitdem aber eine moderne Kritik
1) Mühlbacher 1347 (1308); M. B. XXVIII, 22.
2) Mühlbacher 1404 (1363); ÜB. il. L. ob der Enns II, 16.
3) Pez, Thes. anecd. 1\ 244.
4) Mühlbacher 1360a (1321a); Pez, Thes. an. I^ 245.
5) Mühlbacher 1438 (1397); M. B. XXVIII, 50.
6) Ried, Cod. Ratisb. 1, 80.
7) Die längere Fassung nach dem angeblichen Original in M. B. XXXI a,
381; die kürzere, nur als Kopie im Lonstorfer Kodex von Passau s. XIII er-
halten, ÜB. d. L. ob der Enns II, 9; Mühlbacher 778 (753).
8) Zuerst wurde von Düramler, Südöstliche Marken S. 76 und Pilgrim
von Passau die Fälschung nachgewiesen, dann von Uhlirz (Mitt. d. Inst. f.
Die deutsche Kolonisation im Zeitalter der Karolinger. 145
beide Fassungen als Fälschungen einer späteren Zeit nachgewiesen
hat, bleibt nur ein sehr kleiner Teil urkundlich nachweisbaren
Passauischen Besitzes. Die meisten der genannten Güter sind
während des 9. Jahrhunderts in ganz anderen Händen, manches
kam erst in dessen Verlaufe an das Bistum; St. Florian bestand
vor Mitte des Jahrhunderts überhaupt noch nicht, zwei Kirchen
in Ardagger und Saxen sind erst im ausgehenden 12. Jahrhundert
nachweisbar! Nur in Linz erhielt Passau tatsächlich schon 799
die Martinskapelle, die früher der Kaplan Karls des Grofsen Kod-
land zu Lehen gehabt hatte ^). Was die Mark selbst betrifft, so
ist wohl Besitz jenseits der Traisen (etwa bei St. Polten) um 828
ziemlich sicher anzunehmen ^). Die erste unzweifelhaft echte Pas-
sauer Urkunde stammt aus dem Jahre 833, womit dem Bistum
der Ort Lithaha an der Quelle Schönabrunn, den früher ein Theodo-
rich innegehabt hatte, übertragen wird 3). Dem nächsten Jahre
gehört die Schenkung der Kirche zu Kirchbach und die eines Stückes
Land am Kaumberg (Curaeoberg) an *). Zehn Mausen teils zu Nufs-
bach und Ödenburg, teils zwischen Kaumberg und Raab erhielt der
Passauer Chorbischof Albrich von Ludwig dem Deutschen im Jahre
859^), und diese kamen wahrscheinlich auch an das Bistum; wenigstens
ist das in der Fälschung genannte Wolfeswang im Jahre 903 zugleich
mit einem Landstrich zwischen Url und Ennswald und Gütern im
Traungau, jenseits des Wiener Waldes zu Nominicha (verschollen)
und zu Mödling und in Pannonien zu Lilienbrunn aus dem Besitze
österr. Gesch. III, 180), dafs die längere Fassung von demselben Schreiber der
Kanzlei König Ottos II., der die Fälschungen Bischof Pilgrims verfertigte, ge-
schrieben ist. Mühlbacher, 778 (753) versucht wenigstens für die kürzere
Fassung einzutreten. Dagegen hat Strnadt (Archival. Zeitschr. VIII, 77 und
IX, 280) die Unechtheit beider Fassungen dargelegt und versetzt die Fälschungen
ins ausgehende 12. oder den Beginn des 13. Jahrhunderts.
1) M. B. XXVIII b, 36.
2) Das geht aus der oben zitierten Urkunde für Kremsmünster hervor,
dessen Besitz im Grunzwitigau an den Passauer gegrenzt haben soll (siehe oben
S. 142, Äum. 1).
3) Mühlbacher 1350 (1311); M. B. XXXI a, 70. Vgl. oben S. 139.
4) Mühlbacher 1358 (1319); M. B. XXVIII a, 29. Die Worte „centura
faciendum et plus" stehen auf Easur, sind also wohl späterer Zusatz.
5) Mühlbacher 1399; M. B. XXXIa, 98.
VauC3a, Geschichte Nieder- u. Oberösterreicha. It)
146 , Fünftes Kapitel.
des Chorbischots Madalwin, der diese Güter von König Arnulf
empfangen hatte, an Passau übergegangen ^).
Auch der Salzbu rger Besitz war nicht so ausgedehnt, wie
eine Fälschung, datiert vom 20. November 890 ^), glauben machen
will, aber er ist immerhin nicht unbedeutend, wie die echte Bestäti-
gungsurkunde des Besitzes vom Jahre 860 zeigt ^). Unter 24 Höfen
werden auch Melk, Traisma (Traismauer), Loiben, Hollenburg und
Thernberg mit drei benachbarten Kirchen (ecclesiae Ellodis, An-
zonis, Minigonis, deren Identität sich heute nicht mehr feststellen
läfst) aufgezählt *). Die früheste Besitzerwerbung in der Mark fand
erst im Jahre 837 statt, als Ludwig der Deutsche dem Erzbistum
im Orte Ips und zu beiden Seiten des gleichnamigen Flusses Gut
samt einer Kirche schenkte ^).
Fr ei sing dagegen mufs schon um 830 in der Wachau be-
gütert gewesen sein, denn in der schon mehrfach erwähnten Ur-
kunde Ludwigs des Deutschen für Altaich aus diesem Jahre wird
auch ein Mansus bezeichnet, der, wie es heifst, durch das Gebiet
Freisings von dem übrigen Besitze Altaichs in der Wachau getrennt
war ^). Leider sind wir darüber nicht näher unterrichtet. Der
Grund zu dem späteren Freisingschen Besitz in Osterreich unter
der Enns wurde jedoch erst 869 durch die grofse Schenkung Peret-
kundas um Putten gelegt ''). Als es dann im Jahre 895 die Abtei
Moosburg erhielt, fiel ihm auch deren Eigen um Hollenburg bis über
die Traisen zu **). Freising drang auch im Norden der Donau am
weitesten ins Land hinein, indem es um 900 Besitz in Stiefern am
Kamp erwarb, den bis dahin freie Bauern besessen hatten ^).
1) M. B. XXVIIIb, 200. Siehe jetzt Jovanovic, im Jahresbericht des
Mödlinger Gymnasiums 1903 — 4.
2) ÜB. des Landes ob der Enns II, 34.
3) Mühlbacher 1444 (1403); Juvavia Anh. 95; Zahn, ÜB. der Steier-
mark I, 10.
4) Man hat auf Lanzenkirchen, Edlitz und Mönnichkirchen geschlossen
(Meiller in den Wiener Sitzungsberichten XLVII, 482).
5) Mühlbacher 1365 (1326), a. a. 0. S. 88.
6) Mühlbacher 1340 (1302); M. B. XXXIa, 58.
7) Mühlbacher 1519c (1477c); Hundt in den Abhandlungen der
bayerischen Akademie XIII, 45 und 46.
8) Hundt a. a. 0., S. 26.
9) Zahn, Codex Austriaco-Frisingensis (Font. rer. Austr. 2. Abt. XXXI, 26).
Die deutsche Kolonisation im Zeitalter der Karolinger. 147
Aufser dem weltlichen und geistlichen Grofsgrundbesitz, von
dem wir, soweit das noch vorhandene Urkundenmaterial reicht,
ein Bild zu geben suchten, kommt noch das ausgedehnte Königs-
gut in Betracht, selbst wenn wir dabei in erster Linie nur das be-
baute Land ins Auge fassen und von dem unbebauten, über das schon
an und für sich dem König das Verfügungsrecht zustand, absehen.
Den besten Begriff davon gibt der Umstand, dafs, wie wir ge-
sehen haben, die meisten der aufgezählten Güter Schenkungen
oder Lehen des Königs sind: man konnte noch aus dem vollen
schöpfen. Aber selbst im bayerischen Hinterlande, wo Grund und
Boden schon vielfach aufgeteilt war, gab es noch ausgedehntes Königs-
gut (Domänen), das ehemals den Herzögen von Bayern gehört hatte,
so besonders um die königlichen Pfalzen Ranshofen, Mattighofen,
Ostermiething und Attersee, dann um Wels ^), um Buchenau '■^) usw.
Auch in der Mark gab es vielleicht eine königliche Pfalz zu
Baden ^), und Tulln hatte als Fiskalgut eine gewisse dominierende
Stellung über die Umgegend. Auch Nochilingen und Grunzwita
sind königliche Höfe. Bei der weitgehenden Freigebigkeit in
Schenkungen war allerdings das Krongut gegen Ende unserer
Periode bereits stark gelichtet. Nur das Königsgut und zum Teil
der Besitz der grofsen Stifter war einigermafsen zusammenhängend,
die übrigen Besitzungen lagen stark zerstreut. Auch dies blieb
ein charakteristisches Merkmal der späteren Entwickelung.
Überblicken wir nun das, was ich aus der Summe von über-
lieferten Einzelheiten für die Kenntnis der Besiedelung im all-
gemeinen gewinnen läfst! Unter Karl dem Grofsen erfolgte die
Besiedelung vereinzelt in geringer Dichte *), aufs Geratewohl und
gewissermafsen auf eigene Faust. Den Höhepunkt erreichte die
kolonisatorische Tätigkeit unter Ludwig dem Deutschen, der um-
fassende Schenkungen und Belehnungen vollzog. Gegen das Ende
1) Mühlbacher 1711 (1666), 1787 (1739).
2) Hier hält 827 Graf Wilhelm ein Placitum (Hundt a. a. 0. 78).
3) Bauer, War das heutige Baden eine Pfalz unter den Karolingern ?
(Bl. d. Ver. für Landek. XI, 385, 1877) versucht allerdings glaubhaft zu machen,
dafs es sich nur um ein einmaliges Placitum handle.
4) Als die Söhne Elis' im Jahre 808 die Besitzungen ihres Vaters um
Wolfsbach an das Kloster Altaich schenkten, gehörte ein einziger Untertan dazu.
10*
148 Fünftes Kapitel.
des Jahrhunderts ist der Kolonisationsprozefs im wesentlichen ab-
geschlossen. Die Urkunden künden last nur noch von Besitz-
veränderungen, nur selten aber von Neuschöpfungen. Der Westen,
die Unterlaufe der Flüsse Erlaf, Pielach, Traisen und Kamp,
namentlich aber die Wachau und das TuUnerfeld waren am dich-
testen besiedelt, denn dort lagen die Vei'hältnisse für den Acker-
bau günstig, und teils hatte die römische Kultur vorgearbeitet —
die römischen Strafsen waren noch gut erhalten ^) — , teils konnte
man an die slawischen Niederlassungen anknüpfen ^). Ostlich
vom Wiener Wald nach Ungarn hinein wurde die Besiedelung
immer dünner und vereinzelter. Auch im Norden der Donau
hinderte der dichte Nordwald eine intensivere Kolonisation, und
diese drang nicht weit in das Land hinein ^). Der Name der
Riedmark, der schon zu Beginn des 10. Jahrhunderts durch
den Namen ihrer Bewohner, der Reodarii, bezeugt ist *) , und die
schon erwähnte Urkunde für St. Emmeram künden uns von leb-
haft betriebenen Rodungen. Die Strecke, in der das Ufer der
Donau zwischen Grein und Persenbeug steil abfällt, lag völlig
unberührt. Was aber zwischen Enns und Wiener Wald unbesiedelt
blieb, war Wald- und Sumpfland oder höheres Gebirge.
Wie die Grundbesitzer selbst durchweg aus Bayern stammten,
so doch wohl auch ihre Hörigen und die wenigen freien Ansiedler.
Das bezeugen auch die Ortsnamen, von denen einige sogar direkt
aus der bayerischen Heimat hierher verpflanzt worden sind ^). Nur
1) Sie sind bis heute gekennzeichnet durch die Namen : Hoch- oder Heiden-
strafse, Eiesenweg, steinerner Weg oder Ochsenstrafse. Eine strata publica
bildete die Nordgrenze des Besitzes von Salzburg an der Ips im Jahre 837
(Mühlbacher 1365 [1326]), eine lapidea platea wird um 890 am Nuzbach er-
wähnt (Archiv f, Österreich. Gesch. XXVII, 259), in der Raffelstättener Zollord-
nung eine strata legitima von der Enns zur Url. Auch die Strafse über den
Semmering war erhalten.
2) Namentlich im Norden der Donau zwischen Naarn und Aist, an der
Pielach und an der Traisen. Ich habe übrigens oben bei den einzelnen Be-
sitzungen hervorgehoben, wenn ausdrücklich Slawen genannt sind.
3) Dafs der Uferrand der Donau schon zur Zeit der karolingischen Er-
oberung nicht mehr dicht bewaldet und unwegsam war, beweist der Umstand,
dafs hier eine Heeresabteilung marschieren konnte.
4) In der Raffelstätter Zollordnung.
5) Eine Zusammenstellung der aus der Karolingerzeit überlieferten Orts-
Die deutsche Kolonisation im Zeitalter der Karolinger. 149
auf den königlichen Gütern dürften vielleicht auch Franken gelebt
haben. Zwangsansiedelungen aus anderen Teilen des Reiches, wie
sie in anderen Gegenden vorkommen, sind für unsere Länder nicht
bezeugt.
Die Bewirtschaftung konnte anfänghch nur sehr wenig inten-
siv betrieben werden. Die Flächen waren zu grofs, das zu Ge-
bote stehende Material zu gering. Erst allmählich machte sich hier
ein Fortschritt geltend, und dabei trat die Überlegenheit des GroiV
gnmdbesitzes gegenüber dem kleineren und gegenüber den wenigen
Ansiedelungen freier Bauern (z. B. bei Stiefern am Kamp) klar
zutage. Ihm standen genügend Arbeitskräfte zur Verfügung, um
extensive und intensive Kulturarbeit zu leisten, er konnte zur Ar-
beitsteilung fortschreiten, und schliefslich auch an eine Produktion
über den täglichen Bedarf hinaus zum Zwecke der Vei'äufserung
denken. Gegen Ende des 9. Jahrhunderts finden wir bereits Unter-
teilungen des Grofsgrundbesitzes, kleinere Lehnsträger der mächtigen
Grundherren und Vikare und Vögte in den entlegeneren Gebieten *).
Das Überwiegen des bayerischen Grofsgrundbesitzes bei der Be-
siedelung brachte auch das ursprüngliche Vorherrschen des Hof- und
Hufensystems mit sich -). Bei den systematischen Schenkungen der
karolingischen Herrscher wurde das Land in den grofsen Königs-
hufen (etwa 47,4 Hektare) ausgetan, für die der Mafsstab die
Virga regalis (= 4,7 Meter) war, sonst waren Landhufen von
wechselnder Gröfse, meist zwischen 30 und 45 Joch (10,45 bis
namen gibt Kämmel S. 295. Siehe auch die oben S. 134 genannten Arbeiten
von Mein er und Lamprecht. Es sind darunter nicht viele „sprechende"
Namen, aus denen man Schlüsse auf die Besiedelung ziehen könnte. — Auf die
Identität einer Keihe derselben mit den Ortsnamen Bayerns hat Strakoscli
S. 436 aufmerksam gemacht. Inama-Sternegg I, 209, 222. Der Ort Saxen,
den man früher als sächsische Ansiedelung aas der Karolingerzeit anführte, wird
nur in der unechten Passauer Urkunde erwähnt und hat überdies schwerlich
seinen Namen von dem deutschen Volksstamme , sondern von Althochdeutsch
sahs = Stein (Förstemann, Altdeutsches Namenbuch II, Ortsnamen 1275).
1) Man sehe namentlich die Verhältnisse auf den Gütern Hairaos im Grunz-
witigau (Mühlbacher 1799 [1751]). Hier auch noch freie Dienstleute.
2) Aufserstande, hier eigene umfassende Forschungen anzustellen, kann ich
lediglich auf die Ergebnisse Meitzens (II, 396) verweisen, obwohl sie mehr
Ansätze, als eine erschöpfende Lösung der Frage für unsere Gegenden bieten.
Hier ist für künftige Forschungen noch ein dankbares Feld.
150 Fünftes Kapitel.
15,67 Hektare), üblich. Den einzelnen Hüfnern, den Eigenleuten
der Grursgrundbcöitzer, wurde in ältester Zeit das Ackerland ohne
bestinnntcs Mals zugewiesen, daher in unregelmäfsen Anteilen
(Blocksystem). Später wurde das vorhandene Ackerland in Ge-
wanne geteilt, Abschnitte von gleicher Beschaffenheit, Güte und
Lage, an denen die Höie gleichmäfsig partizipierten. Das er-
gab also Streulage des Besitzes eines jeden Hofes und Gemenge-
lage der Acker der verschiedenen Höfe *). Dieses führte aber
auch bei dem Maugel an Wegen zwischen den einzelnen Feldern
zum Flurzwang, da Bestellung, Saat und Ernte gleichzeitig ge-
schehen mufsten und dies wieder nur beim Anbau gleicher Frucht
möglich war. Die Bewirtschaftung erfolgte damals bereits all-
gemein nach dem Dreifeldersystem (Flur oder Zeige für Somraer-
und Wintersaat und Brache), meist schon daraus in den Urkunden
ersichtlich, dafs die Zahl der geschenkten Joche durch drei teilbar
ist. Ob eine bestimmte Gröfse der Feldmark eingehalten wurde
und ob man diese feststellen kann , erscheint mir fraglich ^).
Die Hüfner der Grofsgrundbesitzer schlössen sich zu Dörfern,
beziehungsweise Mai'kgenossenschaften zusammen. Wie wir dies
schon in der älteren Zeit der Volksrechte gesehen haben, waren
Wald und Weide — die gemeine Mark — dem gemeinsamen
Kutzbrauch überlassen und, weil man sie für unerschöpflich hielt,
nicht weiter verteilt, desgleichen Wege, Stege und Brunnen.
Die Ausnahmestellung des Grundherren brachte es später mit
sich, dafs Wald und Weide in ihr Eigentum übergingen. Aufser dem
1) Erst in neuester Zeit wird der Versucli gemacht, die Nachteile dieser
aus ältester Zeit bis heute bestehenden Streulage durch Zusammenlegung der
Grundstücke (Koramassation) zu entfernen. Luschin, Österreichische Eeichs-
geschichte S. 62 , Anmerkung 15 weist auf den Bericht des k. k. Ackerbau-
ministeriums über die in den Gemeinden Obersiebenbrunn und Eaasdorf in Nieder-
österreich durchgeführten Zusammenlegungen (Wien 1892) hin. Es stellte sich
heraus, dafs hier die Grundstücke von 108 Besitzern an 1926 Stellen verstreut
lagen. Die Länge der Streifen schwankte zwischen 70 und 2300 Metern, die Breite
war durchschnittlich 15,8 Meter.
2) Waitz und Meitzen sprechen sich dafür aus, weichen aber in der
Bestimmung des Ausmafses stark voneinander ab (nach Waitz 20—40, nach
Meitzen 50 — 100 Hufen). Im allgemeinen kommt Caro (Deutsche Geschichts-
blätter 4. Bd., S. 265 f. 1903) zu ähnlichen Ergebnissen.
Die deutsche Kolonisation im Zeitalter der Karolinger. 151
Gewanrisystem gab es in den gebirgigen Teilen oder an Gewässern,
so noch heute erkennbar an der Erlaf und an der Pielach, sowie
auch im Tullnerfeld (Drasdorf, Königstätten), eine Anlage in langen
und schmalen Parallelstreifen von der Hofstätte bis zur Flurgrenze,
welche keinen Flurzwang bedingte, die sogenannten Wald- oder
Rotthufen. Endlich erhielt sich nach wie vor bei dem Einzelhof-
sjstem, das freiere Hand in der Bewirtschaftung hatte, vielfach
noch die alte Feldgraswirtschaft (das Egartensystem).
Der Einzelhof war entsprechend dem bayerischen Charakter
der Besiedelung fast die ausschhefsliche Form der Ansiedelung.
Die Benennung erfolgt bezeichnenderweise regelmäfsig nach einem
Gewässer: Nuzbach, Kirchbach, Horinginaltaha, Wagreini, Spuo-
tinesgang usw. Das Gut wird praedium, die Ansiedelung locus
genannt, daneben erscheinen Meierhöfe (curtes). Als Dorf ist nur
Drasdorf bezeugt. Städte oder selbst befestigte Orte gab es ur-
sprünglich nicht, denn die mit Burg oder Mauer zusammengesetzten
Ortsnamen deuten lediglich auf römische Überreste hin. Erst im
Jahre 888 wird Haimo ausdrücklich befohlen, auf seinen Gütern
im Grunzwitigau gegen die mährischen Einfälle eine Burg auf-
zuführen, und um das Jahr 900 bei der drohenden Magyaren-
gefahr die Ennsburg gegründet.
Die Art der Ansiedelung hatte ihre Grundlage in dem Land-
wirtschaftsbetrieb und verfolgte lediglich agrarische Zwecke. Die
Landwirtschaft bildete aber auch die Grundlage für Recht und
Sitte, Kultur und soziale Gliederung. Das Recht knüpfte an den
Grundbesitz an. Selbst die Wehrpflicht richtete sich jetzt nach
dem Besitz, indem erst das Mindesteigen von vier Hufen sie be-
dingte. Die unterste Stufe der gesellschaftlichen Ordnung war
der Sklave, der Knecht (mancipium, sclavus, servus, mansus ser-
vilis), der Eigentum seines Herrn war, von diesem (meist mit
dem Grundbesitz selbst) nach dem altdeutschen Begriffe der Gewere
vertauscht, verkauft, verheiratet, gezüchtigt und getötet werden
konnte. Er war rechts- und besitzlos. Doch begann schon in
dieser Zeit eine mildere Auffassung, wonach auch dem Sklaven
Land zugewiesen wurde. Später begaben sich auch bei der weiteren
Ausbildung des Vasallitätssystems, wie wir sehen werden, um der
schweren Kriegsdienstpflicht zu entgehen, und infolge der hohen
152 Fünftes Kapitol.
Bufsgelder Freie mit ihrem Besitze unter die Botniäfsigkeit gröfserer
Grundbesitzer, besonders der Kirche (Coloni, Hberi, mansi ingenuiles).
Schon in der Karolingerzeit kam es vor, dais Grofsgrund-
besitzer, namentlich geistliche, nur den Ilerrenhof selbst durch
das Hausgesinde (raancipia domestica, non casata) bewirtschaften
lielsen, während sie die anderen Hufen gegen Zinsleistung an Freie,
Halbfreie oder Sklaven zur rationelleren Bewirtschaftung überliefsen
(mansi ingenuiles, lidiles, serviles). Eine Hufe ohne Kolonen hiefs
mansus absus. In diese Richtung geht die spätere Entwickelung,.
die wir noch eingehender kennen lernen werden.
Diese Verhältnisse waren übrigens nur eine schärfere Aus-
prägung derjenigen, die im ganzen fränkischen Reiche bestanden,
und die auch eine gewisse Ähnlichkeit mit denen im ausgehenden
Römerreiche bewahrten. Waren doch selbst die karolingischen Hof-
ämter, die wir später auch in Deutschland finden, aus dem inner-
halb der Grundherrschaften bestehender Knechtsverhältnisse hervor-
gegangen ^).
Gegen Ende unser.er Periode entwickelte sich aus dem Grofs-
grundbesitz in Verbindung mit Immunität imd Benefizialwesen
eine regelrechte Grundherrschaft. Doch diese, sowie die aus
der fortschreitenden Arbeitsteilung entspringenden Veränderungen
im Wirtschaftsbetrieb sind wichtiger als Grundlage der späteren
Entwickelung, die erst nach dem Älagyareneinfall einsetzt, weshalb
sie besser später in anderem Zusammenhange behandelt werden.
Jedenfalls ist der engere Zusammenschlufs der Ansiedler zu
Dörfern gegenüber den Einzelhöfen ein Fortschritt nicht nur in
wirtschafthcher , sondern auch in pohtischer und kultureller Be-
ziehung. So entstanden erst Gemeinwesen, deren Bewohner durch
gemeinsame Interessen verbunden waren und auch gemeinsame
Interessen mit geeinter Kraft vertreten konnten, so entstand erst
eine gesellschaftliche Verbindung, welche eine höhere geistige Kultur
begründen konnte. Diesen Prozefs wesentlich gefördert zu haben^
ist ein Verdienst der Kirche, die durch die Erbauung von
Gotteshäusern überall da, wo solche Dorfansiedelungen gegründet
1) Über diese Verhältnisse siehe Grund a. a. 0. S. 58 f.
2) Seneschall , senex scalcus , der Oberknecht ; marscalcus , Pferdeknecht ;
Kämmerer, cammerarius, Hausknecht.
Die deutsche Kolonisation im Zeitalter der Karolinger. 153
wurden, einen geistigen Mittelpunkt für sie schuf*). Es ist cha-
rakteristisch, dafs auch in diesen Gegenden, wo keine ununterbrochene
Tradition bestand, die Kirche bei ihrer gewohnten Bedachtnahme
auf die germanischen Kultsitten die Gotteshäuser gern an Stelle
alter geweihter Stätten (meist auf Anhöhen) anlegte und auch die
Heihgen, denen diese Kirchen geweiht wurden, meist in Über-
einstimmung mit Gestalten des deutschen Mythos zu bringen suchte 2).
Zu Puchenau bei Linz finden wir schon 811 eine Kirche,
Kremsmünster stiftete mehrere auf seinen Besitzungen im Grunz-
witigau, bei Eparesburg, am Kamp und an der Perschling seit
828; an der letzteren wird im Jahre 834 eine Kirche als Eigen-
tum des Grafen Wilhelm genannt, 836 hören wir von einer im
Passauischen Kirchbach. Eine besonders reiche Tätigkeit ent-
faltete das Erzbistum Salzburg. An der Ips gründete schon Erz-
bischof Adalram (821 — 836) ein Gotteshaus, im Jahre 838 wurde
der Slawenfürst Priwina in der Salzburg gehörigen Martinskirche
zu Traismauer getauft. Salzburg endlich gehört die stattliche
Anzahl von Kirchen, die 865 in der Püttener Gegend genannt
werden : zu Werth (Paulskirche), Thernberg (Laurentiuskirche), an
der Fischa und vier weitere, deren Lage sich nicht mehr bestimmen
läfst, ecclesia Anzonis, Ellodis, Minigonis und ad Kensi.
Ungleich der späteren Übung gehen diese Gründungen zumeist
auf die Initiative der Kirche zurück, die in solcher Arbeit einen Teil
ihrer Missionstätigkeit sah. Von königlichen Gründungen ist nur
im äufsersten Westen Österreichs die Kirche in Ranshofeu am
Inn zu nennen, die Arnulf 898 in der königlichen Pfalz stiftete
und mit umfänglichen Schenkungen bedachte ^). Merkwürdig spät
hören wir von neuen Klostergründungen. Erst um 880 hat dag
Bistum Passau im Traungau als einen gewissen Stützpunkt seiner,
wie es scheint, etwas spät aufgenommenen Tätigkeit das Kollegiat-
1) Auf der Synode von Salzburg im Jahre 807 wurde y^ des Zehnten für
die Armen, V4 für die Erbauung von Kirchen bestimmt.
2) Über den ersteren Punkt vgl. M u c h , JMitteilungen der anthropologischen
Gesellschaft V, 190, 1875; über den letzteren Mayer, Geistige Kultur in
Niederösterreich S. 7; Michael, Georg und Martin wurden in Parallele mit
Wotan, Donner und Ziu gestellt, Stephan mit Froh.
3) M. B. XXVIII a, 121.
154 Fünftes Kapitel.
Stift St. Florian gegründet '). Ein anderes Kloster im Traungau,
die Abtei Traunkirchen, scheint ausnahmsweise eine private Stiftung
gewesen zu sein 5 denn aus dem Besitz der Brüder Alpker und
Guudprecht überträgt sie im Jahre 909 König Ludwig das Kind
an den ehemaligen Markgrafen Aribo unter der Bedingung des
Anfalls an Salzburg nach dessen Tode 2). In der Mark selbst
entstand erst am Schlüsse der Karolingerepoche ein Kloster, näm-
Uch St. Polten (Hippolyt), eine Gründung Tegernsees, deren An-
fänge leider in Dunkel gehüllt sind ^).
In dem geistlichen Leben, das sich um die wenigen Klöster
und um die Gotteshäuser konzentrierte, haben wir eigentlich auch
für diese Zeit das gesamte geistige Leben des Koloniallandes vor
uns. Die anstrengende Arbeit des Ansiedlers, der vielfach ge-
zwungen war, den Ackerboden erst dem Urwalde abzuringen,
dessen Herden wilde Tiere bedrohten, dessen Niederlassungen
selbst anfangs vor den Awaren, später vor den Slawen und
dann vor den Magyaren nicht sicher waren, hefs eine höhere
geistige Kultur noch nicht aufkommen. Keine Spur von Kunst in
Geräten, Schmuck oder in Bauwerken ist uns .aus jener Zeit er-
halten *) , nicht einmal eine Kunde davon. Möglich , dafs die
poetische Kraft des bayerischen Volksstammes schon damals sich
in Sagenbildungen äufserte ; in späteren Dichtungen lebt wenigstens
das Andenken an den heldenmütigen ersten Markgrafen Gerold
und an den Tod des letzten unter den Karolingern, Aribos, der
1) Vgl. jetzt die eingehende kritische Untersuchung von Strnadt, in der
Archivalischen Zeitschrift K F. VIII, If., 1899 und IX, 1900, welche die
alte Fabel von dem vorkarolingischen Bestand des Klosters nochmals gründlich
widerlegt.
2) Mühlbacher 2001 (2058); vgl. auch Friefs im Archiv für öster-
reichische Geschichte LXXXII, 1.
3) Über die unsichere Tegernseer Tradition siehe oben. Was mich schliefs-
lich doch bestimmt, ihr Glauben beizumessen, ist der Umstand, dafs sich bald
nach Wiederherstellung der Ostmark unter den Ottonen Bischof Pilgrim von
Passau den Besitz St. Pöltens zugleich mit dem von Kremsmünster und St. Florian
bestätigen läfst, und dafs doch eine Neugründung dieses Klosters unmittelbar
nach der Wiedererrichtung der Mark sehr unwahrscheinUch ist, während eine
Säkularisation unter Arnulf nicht auffallend wäre.
4) Sowohl der Tassilokelch, eine Schenkung des letzten Agilolfingers , als
auch der Codex millenarius in Kremsmünster dürften italienischen Ursprunges sein.
Die deutsche Kolonisation im Zeitalter der Karolinger. 155
auf der Jagd von einem Wisent getötet wurde, fort. Vielleicht
besang man sie damals schon ^). Es ist immerhin auch bemerkens-
wert, dafs eine Salzburger Synode unter Karl dem Grofsen das
Singen weltlicher Lieder zur Fastenzeit verbieten mufste. Karl
den Grofsen hat besonders die kirchliche Tradition mit dem sagen-
haften Ruhme eines Begründers von Kirchen in der Mark, darunter
der Rupertskirche in Wien(!) umkleidet.
Neben dem Ackerbau als sicherer Grundlage der ganzen Be-
siedelung und den Rodungen des Waldes blühte schon damals im
Donautale der Weinbau, ausdrücklich bezeugt um Melk, in der
Wachau, um Tulln und Hollenburg und im Wiener Wald um
Kirchbach ^). Die Weingärten wurden nach einem kleinen Flächen-
mafs, der Pertica (gegen 0,28 ar), geraessen. Anfänge einer syste-
matischen Pflege des Forstes und der Jagd lassen sich in den
königlichen Forsten verfolgen ^). — Aus dem ungepflegten Weide-
land entwickelten sich gar bald mit besonderer Rücksicht auf die
Viehzucht die Wiesen. Das Mafs war die Carrada, die Fuhre,
eigentlich ein Hohlraafs von etwa 418 bis 544 Litern. — Nebenbei
wurde auch die Bienenzucht betrieben (im Eunswald und Kamp-
tal). Die Ortsnamen Gidalarisbach (Zeillern) im Altaicher Besitz
und Zeillernbach (Cidelbach), Zeitlham und Zeitling in Oberöster-
reich sind vom Zeideln abzuleiten. Endlich standen die uralten
Salzbergwerke in Hallstatt und flallein nach wie vor in Gebrauch,
und neue im Traungau wurden erschlossen.
Im Vergleiche zur Landwirtschaft trat alles andere zurück.
Das Gewerbe war lediglich Hausgewerbe. Die Knechte fertigten
das für den Bedarf Nötige an, wie dies bezüglich der königlichen
Höfe durch ein Kapitulare Karls des Grofsen ausdrücklich ver-
fügt wurde. — Der Handel ^) war noch im Jahre 805, wie eben
1) So nach einem ansprechenden Gedanken Kämm eis S. 292.
2) Vgl. St auf er, Materialien zur Geschichte des Weinbaues in Österreich
-während des Mittelalters [in Eogestenform] (Progr. d. Melker Stiftsgymnasiums
1873). Bezüglich Oberösterreichs siehe bereits oben S. 123.
3) Förster und Jäger ausdrücklich bezeugt auf den Königsgiitcrn um Wels
888 (Mühlbacher 1772 [1724]).
4) Kurz, Österreichs Handel in den älteren Zeiten (Linz 1822); Luschin,
Die Handelspolitik der österreichischen Herrscher im Mittelalter (Almanach d.
Akademie d. Wissensch. 1893 und separat).
156 Fünftes Kapitel.
in einem kaum erst eroberten und befriedeten Lande durch strenge
Verbote der Wafteneinl'uhr unterbunden, Lorch der einzige Handels-
platz im östlichen Bayern. Grafen überwachten zu Regensburg
und zu Lorch den Donauhandel '). Später nahm er einen raschen
Aufschwung, zwar war er noch immer mehr Lnport als Export,
doch bildete es einen bedeutsamen Fortschritt, dafs unter den
Karolingern zum ersten Male die Donau nicht mehr trennende
Grenze, sondern Verkehrstrafse wurde. Karl der Grofse fafste so-
gar einmal den Plan, die schwäbische Rezat und die Altmühl zu
verbinden, also einen Rhein-Donaukanal herzustellen, freilich zu-
nächst in erster Linie zu strategischen Zwecken, als ihn die Awaren-
kriege beschäftigten. Doch scheint er allen Ernstes auch daran
gedacht zu haben, den Orienthandel der Donau entlang zu leiten^
wie seine gleichzeitigen Anknüpfungen mit Ostrom zu beweisen
scheinen. Die Arbeit des Rhein-Donaukanales wurde sogar im
Herbst 793 tatsächlich in Angriff genommen, jedoch durch Regen-
güsse und Dammrutschungen vereitelt. Wenn auch dieses kühne
Projekt, welches vielleicht die Entwickelung und die Geschichte
Deutschlands völlig anders gestaltet hätte, nicht zur Ausführung
gelangte, und die Handelstrafse nach dem Orient während des
9. Jahrhunderts durch Slawen und Magyaren verlegt wurde, so
stand doch der Donauhandel zu Ende der Karolingerzeit, am Be-
ginne des 10. Jahrhunderts, bereits in Blüte und be-wegten sich in
festen Bahnen.
Literessante Aufschlüsse darüber bietet uns eine Urkunde,
die durch einen merkwürdigen Zufall das letzte Kulturdenkmal
unserer Gegenden unmittelbar vor dem Magyareneinfall ist und
wirklich wie ein Schlufsstein am Ende der Karolingerperiode steht,
von dem aus uns ein Bhck über die Kulturerrungenschaften
desselben geboten wird. Es ist dies die Zollordnung, die zu
Raffelstätten zwischen 903 und 905 auf die Beschwerde bayerischer
Grofser über Zollbedrückungen hin von dem Markgrafen Aribo und
seinen Richtern im Beisein dreier königlicher Machtboten, des
Erzbischofs Theotmar von Salzburg, des Bischofs Burkhard von
Passau und des Grafen Otakar, festgesetzt wurde ^). Es wird
1) Capitulare de negotiatoribus. M. G. LL. I, 133.
2) M. G. LL. III, 480 und Capitularia 11, 250. Jetzt mit Übersetzung-
Die deutsche Kolonisation im Zeitalter der Karolinger. 157
•darin ausdrücklich auf die Verhältnisse, wie sie sich seit 826 unter den
folgenden Königen gestaltet haben, als Grundlage Bezug genommen.
Als Waren des Einfuhr- oder Durchfuhrhandels von Bayern
einerseits und von den Slaven in Böhmen oder im mährischen
Reiche ') andererseits werden genannt Salz, Honig, Wachs, Lebens-
mittel, Hausgeräte, Pferde, Ochsen und bemerkenswerterweise
Sklaven. Man kann daraus schliefsen, dafs diese Artikel, obwohl
sie doch nachweislich auch in der Mark vorhanden waren, durch
die heimische Produktion noch nicht gedeckt werden konnten.
Interessant ist auch, dafs als Kaufleute besonders die Juden ge-
nannt werden, die also schon damals in unseren Gegenden auf
dem Gebiete des Handels ihre Rolle gespielt haben. Als Markt-
und Zollstätten werden die Orte Rosdorf, Linz, Eparesburg und
Mautern, alle an der Donau, genannt, von denen der erste und
dritte seither verschwunden sind^), der letzte direkt von seiner
wieder abgedruckt bei Lampel, Untersuchungea und Beiträge zum historischeu
Atlas von Niederösterreich (I. Jahrb. für Landesk. von Niederösterreich 1903,
ä. 23), dessen verbesserter Interpunktion ich unbedingt zustimme, und in Faksi-
mile bei Luschin in dem Abschnitt über Handel und Verkehr im ersten Band
der vom Altertumsverein herausgegebenen Geschichte der Stadt Wien, S. 402 ff.
mit eingehender Erörterung.
1) Ich kann mich nicht dazu entschliefsen, unter den Rugi der Zollordnuug
Küssen zu verstehen , wie dies auf eine vage Analogie hin (Adalbert von Prag
wird nämlich in Contin. Regln. M. G. SS. I, 624 Rugorum episcopus, in Thiet-
mar Chron. II, 14; M. G. SS. III, 75 presul Rusciae genannt) alle neueren
Historiker seit Waitz und Büdinger tun. Die Zusammenstellung ,,de Rugis
vel de Baemannis" ist denn doch zu auffallend. Warum sollten Kaufleute aus
Böhmen und nun gar aus dem fernen Rufsland , das damals eben erst in den
Gesichtskreis des Abendlandes trat (im Jahre 900 eroberten die Russen Kiew),
erwähnt werden, dagegen aus dem nahen mährischen Reiche nicht? Es liegt
doch nahe, wenn es auch nicht anderweitig bezeugt ist, dafs sich der alte Name
Rugiland für das Gebiet östlich vom Kamp und nördlich der Donau, in welches
das mährische Reich gewifs herabreichte, erhalten hat. Büdinger dachte auch
an das alte Stammland der Rugier an der Ostsee, doch auch damit schweift er,
wie ich glaube, zu sehr in die Ferne.
2) Rosdorf dürfte vielleicht in der Nähe des heutigen Aschach oder Lands-
hag gelegen haben. Eparesburg suchte man früher, irre geleitet du.rch die ge-
fälschte Urkunde von c. 985—991 (M. B. XXVIII », 87), die Eparesburg mit Mautern
identifiziert, stets in der Nähe Mauterns. Ich begrüfse dagegen die Vermutung
Luschin s (Gesch. der Stadt Wien I, 404), welcher es wahrscheinlich macht.
158 Fünftes Kapitel.
Ik'deutang für den Donauhandel seinen Namen erhalten hat. Das
noch iui Jahre 805 blühende Lorcli scheint seine Wichtigkeit ein-
irebülst zu haben ; es wird nicht mehr erwähnt. Dazu kommt
noch für den Landverkehr auf der alten Römerstrafse eine Zollstätte
an der Url.
Von besonderem Werte sind die teils in Geld, teils in W^aren-
quoten bestimmten Zollansätze, da sie uns einerseits über die
]\Iünz-, andrerseits über die Preisverhältnisse unterrichten. Eine
Ausnahmestellung unter den Produkten nimmt das Salz ein, von
welchem auch Einfuhrzoll gezahlt werden mufs und zwar in Rosdorf
eine halbe Drachme oder ein Scoti (Skat, Schlagpfennig = 1^
Denare oder Pfennige), in Linz drei Scheffel Salz, und ebensoviel
in Eparesburg sowie in Mautern. Beim Landverkehr, der sich nicht
ins slawische Land erstrecken konnte, zahlt der Salzwagen an der
Url blofs einen Scheffel. Slawen aus Böhmen oder Mähren, die an den
Marktplätzen an der Donau oder in der Riedmark im Norden der
Donau (dem heutigen Mühlviertel) Handel treiben wollten, mufstea
eine Marktabgabe leisten. Von einer Saumlast Wachs mufsten sie
zwei Mäfsel (massiola; nach der Grazer Glosse zur Lex Bajuvariorum
eine mittlere Mannesfaust, .30 mal gefüllt, was ungefähr 2g Liter
entspricht) im Werte eines Scoti, von einem Hengst oder einer
Sklavin eine Tremissa (== 4 Denare), von einer Stute oder einem
Sklaven jedoch nur eine Saiga (Säge, nämlich die alte Konsular-
münze mit geprägtem Rand = 1 Denar), also nur den vierten
Teil, entrichten. Endlich betrug der Ausfuhrzoll nach Mähren für
die Schiffsladung einen Solidus (Schilling), und zwar ist dies der
Goldsolidus, wie er in Bayern, wo man im Gegensatz zum Franken-
reiche Doppelwährung hatte, üblich war, zu 30 Denaren (etwas
über 7 Mark), nicht der fränkische Silberdenar zu 12 Denaren.
dafs Eparesburg entweder Pechlarn ist oder doch in dessen Nähe lag, als einen
sehr glücklichen Ausweg , denn es wäre doch zu sonderbar gewesen , wenn die
beiden Zollstätten Eparesburg und Mautern unmittelbar beisammen gelegen hätten,
während eben Pechlarn so ungefähr in der Mitte zwischen Linz und Mautem
liegen würde. Wie es scheint, unabhängig von Luschin kam dann auch Uhlirz,
Jahrbücher des deutschen Kelches unter Otto L und IL, Exkurs IV, S. 234 auf
eine ganz ähnliche Lösung, indem er Eparesburg mit Ebersdorf zwischen Weiten-
egg und Pechlarn in Zusammenhang bringt.
Die deutsche Kolonisation im Zeitalter der Karolinger. 159
Von jenem; dem „langen Schilling", gingen nur acht, von diesem,
dem „kurzen", dagegen zwanzig auf ein Pfund. Das vom Franken-
reiche unabhängige, auf der Goldwährung beruhende Münzwesen
in Bayern und Österreich hatte jedenfalls seinen Grund in den Ver-
bindungen mit Byzanz, wo gleichfalls die Goldmünzen herrschten ^).
Neben den revidierten Handelsbestimmungen interessiert uns
besonders die ganze Tendenz dieser erneuten Zollordnung, die
den neuen politischen Verhältnissen entspricht. Behandelte ncch
das Kapitulare von 805 das Gebiet jenseits der Enns wie Feindes-
land, so war die Zollordnung von Raffelstätten eigens dazu erlassen,
um die Interessen der gesamten Mark von Passau bis zum Wiener
Wald zu wahren und ihr Gedeihen zu fördern, und zwar ebenso
gegenüber dem Mutterland Bayern, wie ganz besonders gegen-
über dem mährischen Reiche. Während das Salz aus den baye-
rischen Salzstätten (wohl namentlich Reichenhall) ziemlich hoch
verzollt werden mufste, wurde für das einheimische Salz aus dem
Traungau, das man mittels Wagen verfrachtete, kein Zoll ver-
langt, und die Ausfuhr nach Mähren war durch erhöhten Zoll
erschwer-t. Dagegen konnten die Einheimischen, sowohl bayerische
Ansiedler wie auch Slawen, ihren Bedarf an den oben genannten
Waren ohne jede Abgabe decken. Überdies wurde der Handels-
verkehr im Lande gewissermafsen von der Regierungsgewalt, den
Eingriffen des Grafen, eximiert, und insbesondere konnten die Preise
von Käufer und Verkäufer frei bestimmt werden. Aufser der
Donau dienten dem Verkehre auch die alten Römerstrafsen, die sich,
wie wir gesehen haben, noch erhalten hatten, sowie die uralten
Saumwege nach Böhmen und Mähren.
In so gedeihlicher Entwickelung auf den meisten Gebieten
der materiellen Kultur war die karolingische Mark im Osten, als
der Magyareneinfall eine jähe Unterbrechung herbeiführte.
1) Soetbeer in den Forschungen zur deutschen Geschichte II, 338, Lu-
schin in der Numism. Zeitschr. 11, 68 und jetzt ganz insbesondere Luschin
im I. Bande der Geschichte der Stadt Wien. Über die Miinzansätze im all-
gemeinen Tgl. auch H i 11 i g e r in der Historischen Vierteljahrschrift III, 161, 1900.
Sechstes Kapitel.
Die karolingische Ostmark.
Das rasche Eniporblüheii des neuerworbenen Landes war nur
unter der straffen und gediegenen Verwaltungsorganisation möglich,
die die politische Einsicht Karls des Grofsen geschaffen hatte. Im
alten Bayernlande bis zur Ennsgrenze, wo sich bereits die An-
fänge einer solchen trefflichen Organisation vorfanden, knüpfte er
vielfach an Bestehendes an, damit bewufst oder unbewufst dem
Verfahren der Römer folgend. Recht und Sitte wurden geschont,
die Gaueinteilung übernommen, die Güter des Herzoges gingen
einfach in den Besitz des Königs über. So vollzog sich der Wechsel
in der Herrschaft merkwürdig glatt und ruhig.
Andrerseits unterliefs es Karl der Grofse nicht, das Land
fester mit seinem Reiche zu verbinden. Sein Schwager, Bruder
seiner verstorbenen Gemahlin Hildegardis, Graf Gerold aus Schwaben,
erhielt die Oberleitung des Landes. Bischof Hildibald von Köln
empfing die Abtei Mondsee, ein königlicher Kaplan eine Pfründe
bei Linz.
Das ganze eroberte Gebiet, das die Alpenländer und einen Streifen
von Ungarn umfafste, wurde in zwei Verwaltungsgebiete, sogenannte
Grenzlande oder Marken, zerlegt, von denen das südhche, die Mark
Friaul auch Karantanien (Kärnten und Steiermark) und von dem
heutigen Niederösterreich noch den südöstlichen Teil, das Wiener-
Neustädter und das Püttener Gebiet, in sich schlofs ^). Das nördlicher
1") Da später, seit dem 10. Jahrhundert, die Landesgrenze mit der Diö-
zesangrenze zwischen Salzburg und Passau zusammenfiel und deren Verlauf
.sich meist am festesten erhalten hat, so wird man wohl mit einiger Sicherheit
Die karolingische Ostmark. 161
gelegene Verwaltungsgebiet besafs weder bestimmte Grenzen, noch
einen bestimmten Namen. Es war, kurz gesagt, das den Awaren
abgenommene Donaugebiet, für welches nur der Ausgangspunkt,
die Westgrenze, unverrückbar feststand; das war, nachdem seit
799 dem Grafen der Ostmark auch der Traungau zugeteilt worden
war, die Grenze zwischen diesem, dem Salzburg-, Atter- und
Mattiggau. Im Norden galt wohl zunächst die Donau als Grenze,
bald gewann man jedoch auch jenseits derselben Land, das man
zu diesem Verwaltungssprengel rechnete. Zunächst im Nordwesten,
von der Rötel angefangen ^), später allmählich an mehreren Stellen,
soweit der dichte Nordwald es zuliefs, bis zum Kampflufs im Osten,
wie wir gesehen haben. Natürlich wurde die Nordgrenze dadurch
noch unbestimmter, und jedes Fortschreiten der Rodungen konnte sie
verschieben. Von der Mündung des Kamp oder wahrscheinlicher
mit Einschlufs des Tullner Beckens bis gegen Stockerau bildete die
Donau die Grenze gegen das mährische Reich ^). Was die Ost-
grenze südlich der Donau betrifft, so hat man zu unterscheiden
zwischen dem gesicherten und dem ungesicherten, beziehungsweise
dem blofs tributpflichtigen Gebiet. Das letztere erstreckte sich
diese Grenze auch für die Karolingerzeit annehmen können, obwohl wir keine
sicheren Zeugnisse darüber besitzen, denn die Urkunde Ludwigs des Deutschen von
ca. 829 oder 830 (Mühlbacher 1341 [1303]), worin der Grenzstreit zwischen
Salzburg und Passau geschlichtet wurde, ist Fälschung, deren Zweck eine Ein-
schränkung des Salzburger Bereiches (bis zu den Spratzbächen) war (Meiller,
Über die Diözesangrenzregulierung König Ludwigs des Baiern zwischen Salzburg
und Passau in Wiener Sitzungsberichten XLVII, 459, 1864 und Felieetti von
Liebenfels, Steiermark im Zeitraum vom 8. — 12. Jahrhundert in den Beiträgen
z. K. steierm. Geschichtsqu. IX, 1, 1872). Aus diesen Gründen kann ich mich
Lampeis Verteidigung der Urkunde König Ludwigs (Über die Mark Putten in
Bl. d. Ver. f. Landesk. XXII, 133, 1888) nicht anschliefsen. Noch weiter geht
Giannoni, Paulinus 11. Patriach von Aquileja (Wien 1896) S. 50 f., der ganz
Nord-Karantanien bis zur Drau für die Ostmark in Anspruch nehmen will.
1) Als Beweis kann wohl gelten , dafs bereits im Jahre 827 der Graf der
östlichen Mark, Wilhelm, in dem benachbarten Puchenau ein Placitum hält.
2) Bei dem Kriegszug des Jahres 864 gegen Eastislaw von Mähren über-
schritt das fränkische Heer bei Tulln die Donau, um in das feindliche Gebiet
einzufallen. Im Jahre 872 liefsen die Bayern ihre Schiffe auf der Donau zurück,
um sich den Eückzug zu sichern. Ebenso läfst Kaiser Constantinus Porphyro-
genitus in seiner Schrift „De administrando imperio" aus dem Anfang des
Vancsa, Goschichte Nieder- n. Oberösterreiclis. 11
163 Sechstos Kapitel.
bis zur Raab, als die Grenze des ersteren kann ungefähr der
Wiener Wald gelten. Bis dahin reichte die östliche Mark des
Frankenreiches im engeren Sinne. Doch war dem Grafen auch
das erst später im Laufe des Jahrhunderts gesicherte Land bis
zur Leitha und das Tributgebiet der Awaren, später der Slawen
untergeordnet. An diesem Teile haftete die alte geographische Be-
zeichnung Pannonien, sogar in der römischen Zweiteilung als Ober-
und Unterpannonien *); doch nannte man gelegentlich sogar die
Gegend um Tulln Pannonien '^). Im übrigen hiefs die ganze Mark an-
fanglich das Awarenland, Avaria, Provincia oder Terra Avarorum^),
einmal wird sie auch regnum Avarorum vel Hunnorum *) , dann
mehrfach, aber wohl nur dann, wenn es sich um slawische Gegenden
handelte, auch Slawenland, Sclavinia °), vereinzelt Windische Mark,
marca Winidorum oder marca contra Sclavos ^) genannt , endlich
sind auch ganz vage Ausdrücke, „der Osten, die östliche Gegend,
Oriens, orientalis Plaga", genauer mit dem Zusatz: Bayerns, ter-
minus regni Baioariorum in Oriente, orientalis pars Bavariae, zu-
meist bei Schriftstellern üblich '^). Gewöhnhch aber wurde das
10. Jahrhunderts das Mährerreich unmittelbar an der Donau beginnen. Der
schlagendste Beweis ist die Eaffel stättner Zollordnung, worin Mautern als die
letzte Zollstation erscheint, bevor die Kaufleute das mährische Reich betreten.
1) Meine Darstellung weicht hier von der üblichen ab, aber selbst in
Kämmeis sonst so lichtvollen Auseinandersetzungen bleib+ die Stellung dieses
Pannoniens" ganz unklar. Ich glaube betonen zu müssen, dafs es sich hier keines-
wegs um ein getrenntes, sondern ein angegliedertes Verwaltungsgebiet handelt,
und dafs der Name lediglich einen geographischen Begriff bezeichnet. — Ganz
unbegründet ist die Annahme Felicettis a. a. 0., dafs Pannonien zur karan-
tanischen Mark gehört habe.
2) Mühlbacher 1438 (1397) (a. d. J. 859).
3) Mühlbacher 466 (452) (a. d. J. 811), 1347 (1308) (J. 832), 1350
(1311) (J. 833), 1358 (1319) (J. 836). Über 836 hinaus reicht bezeichnender-
weise kein Beleg für diesen Namen.
4) Fortsetzung des Ado M. G. SS. II, 234.
5) M ü hl b acher 1365 (1326) (a. d. J. 837, Gegend an der Ips), 1892
(1841) (J. 893, Krerasmünsterer Besitz, siehe oben).
6) Hincmar, Ann. a. 864 (M. G. SS. U, 325).
7) Ann. Xant. a. 896; Ann. Fuld. a. 884, 893; Convers. Bagoar. 11;
Mühlbacher 1799 (1751) a. d. J. 888. — Der Name Marca orientalis (Ost-
mark) kommt in gleichzeitigen Quellen nicht vor; in dem Auctarium Garstense
a. 856 (M. G. SS. IX, 565) ist er erst in späterer Zeit rückübertragen. Ebenso-
Die karolinglsche Ostmark. 163
Land mit keinem eigenen Namen genannt, sondern offiziell nur
als die Grafschaft Wilhelms, Ratbods usw. ^), je nachdem der
Jeweilige Inhaber hiefs, bezeichnet ^).
Der erste Graf der Mark, Gerold, war zugleich auch Prae-
fectus Baioariae. Als er 799 fiel, wurden diese Würden getrennt.
Um jedoch dem Grenzgrafen die nötigen Mittel zur Kultivierung,
namenthch aber zur Verteidigung des neu gewonnenen und in
erster Linie feindlichen Angriffen ausgesetzten Landes in die Hand
zu geben, wurde ihm, abgesehen von den reichlichen Schenkungen
und Belehnungen mit Grundbesitz, als Hinterland der bereits er-
tragsfähige Traungau unterstellt.
Im alten bayerischen Gebiet blieb auch unter den Karolingern
die frühere Gaueinteilung in Mattig-, Rot- und Traungau bestehen,
und es finden sich auch in den beiden ersteren wiederholt urkund-
lich bezeugte Grafen. Im eigentlichen Markgebiet begegnet im
Jahre 828 und 888 ein Grunzwitigau ^), im Jahre 868, allerdings
wenig ist Ostarrichi belegt (Mifsverständnis Pritz", Gesch. d. L. o. d. Enns I, 249,
einer Stelle in Otfrieds Krist).
1) Gerade in den Urkunden am häufigsten: Mühlbacher 1468 (1424)
a. d. J. 868; 1520 (1478) a. d. J. 876; 1786 (1738) a. d. J. 888; 1811 (1763)
a. d. J. 889; 1870 (1819) a. d. J. 892; 2014 (1960) a. d. J. 903; 2015 a (1961a)
von etwa 903-905.
2) Siehe jetzt über die verschiedenen Bezeichnungen Müller, Der Name
Österreich (Bl. d. Ver. f. Landesk. XXXV, 402, 1901).
3) Der Frage nach der Lage dieses Gaues widerfuhr die Ehre, zu einer
Streitfrage der österreichischen Geschichtsforschung gemacht zu werden. Die
Hypothesen zerfallen im wesentlichen in eine bayerische und eine niederöster-
reichische. Die erstere nimmt ihren Ausgang von der Kremsmünsterer Über-
lieferung bei Beruardus Noricus und wurde zuerst von B es sei, Chronicon Gott-
wicense II, 617 begründet. Ihre Anhänger verlegen den Gau nach Bayern an
die böhmische Grenze, einige lassen ihn aber auch über das Mühlviertel, ja
bis zum Kamp sich erstrecken. Die Vertreter der niederösterreichischen Hypo-
these, aufgestellt von Schrötter, Versuch einer österreichischen Staatsgeschichte
(1771), suchten ihn fast in allen Gegenden Niederösterreichs, bis Büdinger,
Österreichische Geschichte I, 170 ihn, einem glücklichen Gedanken Heyren-
bachs, Beiträge zu verschiedenen Wissenschaften (1775), folgend, an die
Traisen versetzte. Eine dritte, ganz verunglückte Ansicht wollte in jüngster Zeit
Guppenberger, Der Pagus Grunzwiti (I. Jahresber. d. bischöfl. Gymn. am
Coli. Petrinum in Urfahr 1898) verfechten, wonach der Gau westlich der Enns
im Traungau zu suchen sei. Daraufhin habe ich selbst die ganze Frage noch-
11*
164 Sechstes Kapitel.
in einer verdächtigen Urkunde für das Kloster Metten, ein Pagus
Traisniat'eld ^), von denen der erstere westlich, der zweite östlich
der Traisen gelegen haben mufs. Dennoch werden wir annehmen
dürfen, dafs die Mark einen einheitlichen Verwaltungskörper ge-
bildet hat und in keine weiteren Grai'schaiten zerüel. Die beiden
genannten Pagi sind vermutlich nur Gerichtsbezirke oder Vikarien
(Zentenen). Die mehrfache gleichzeitige Nennung zweier Grafen
in der Mark zeigt uns ferner die sonst nicht übliche, aber bei
den schwierigen Grenzverhältnissen wohl gerechtfertigte Einrichtung
einer Doppelverwaltung, wobei der eine das gesamte Gebiet inne-
hatte, der andere nur die Mark in dem oben erwähnten engeren
Sinne, also jenem untergeordnet war ^).
Nach Gerold war bis zum Jahre 802 Gotram Graf der Mark.
raals kritisch untersucht (Die älteste Erwähnung von Melk und nochmals der
Grunzwitigau in den Blättern des Vereines für Landeskunde XXXIV, 524 f., 1900)
und den Gau in weiterer Ausführung der Hey re n b ach- Büding er sehen
Hypothese westlich der Jraisen festgelegt. Siehe hier auch die gesarate Lite-
ratur über diesen Gegenstand. Die beiden Belegstellen für den Grunzwitigau
sind Mühlbacher 850 (824) und 1799 (1751); er ist nach einem Orte Gruna-
vita oder Grunzwita, dem heutigen Grunds im Viertel ober dem Wiener Wald
benannt, welcher in Urkunden des 9. und 10. Jahrhunderts wiederholt vorkommt
(831 Sitzungsber. der bayerischen Akademie S. 121, 1892; ca. 888 Mühlbacher
1763 [1716]; 890 Mühlbacher 1850 [1801]; 987 Salzbnrger Urkundenb. I,
253), nur die älteste Erwähnung in der Kremsmünsterer Stiftungsarkunde von
777 ist später interpoliert. Vgl. auch noch meinen Nachtrag zu zitiertem Auf-
satz in den Blättern des Vereines für Landeskunde XXXII, 91 f., 1901 und
Lampel im Jahrbuch für Landeskunde von Niederösterreich I, Iff. , 1902 (das
hier zur Namenerklärung neu Vorgebrachte erklären Sprachforscher als dilet-
tantisch).
1) Mühlbacher 1468 (1424). Die früher unbedenklich hingenommene
Urkunde wird jetzt in der 2. Auflage der Mühlbacherschen Eegesten für ver-
dächtig erklärt.
2) Ich folge hier ganz der Ansicht D ü m m 1 e r s , Südöstliche Marken S. 19
und Geschichte des ostfränkischen Reiches I, 37 (vor ihm sprach den Gedanken
schon Bu ebner, Geschichte von Bayern II, 164 aus), da dadurch die gleich-
zeitige Nennung mehrerer Grafen am besten erklärt wird. Jetzt auch Lampel,
Untersuchungen und Beiträge zum historischen Atlas von Niederösterreich (Jahr-
buch für Landeskunde von Niederösterreich I, If., 1902), welcher jedoch nichts
Neues dafür beibringt. Die Schrift „De convers. Bagoariorum" nennt die fünf
ersten Grafen nacheinander ohne Hinweis auf eine Nebenordnung.
Die karolingische Ostmark. 165
Schon neben ihm erscheint Graf Werner, welcher vielleicht nach
Gotrams Tode in der Schlacht bei Güns das Gesamtgebiet erhielt,
während gleichzeitig ein Graf Alberich und ein Graf Gottfried
genannt werden. Zwischen 811 und 828 begegnet uns Graf
Gerold II. und zwischen 830 und 855 Graf Ratbod, während deren
Amtstätigkeit wieder Graf Wilhelm auftritt (zwischen 820 und
853). Nach dessen Tode haben seine Söhne Wilhelm und Engel-
schalk die Mark inne, doch dürfte unter ihnen eine andere Ein-
teilung getroffen worden sein. Einen ihrer Söhne, Engelschalk,
und später Liutpold finden wir neben Aribo, dem Grafen der öst-
Hchen Mark, als Grafen von Oberpannonien. In den letzten Jahren
des Bestandes der karolingischen Mark scheint keine Teilung mehr
vorgekommen zu sein.
Es ist selbstverständlich, dafs, als unter Ludwig dem Deutschen
im Jahre 826 das bayerische Königreich gegründet wurde, auch
die Grafen der östlichen Mark in die Reihe der bayerischen Grafen
traten *). Der Graf war Beamter des Königs, von diesem ein- und
absetzbar. Er übte im Namen des Königs den Heerbann, den Ge-
richtsbann und den Schutz und besorgte auch die Einhebung der
königlichen Einkünfte. Die Grafen der Mark, deren Titel übrigens
auch nicht ganz feststand — sie hiefsen anfangs Avarici limitis
custodes, Pannonici limitis praefecti ^), später auch comites termi-
nales, marchiones, am häufigsten aber schlechtweg comites — ,
nahmen eine bevorrechtete Stellung ein, vielleicht weniger ihrer
weiteren Machtbefugnisse, als vielmehr ihres ausgedehnteren Be-
reiches und ihrer ansehnlicheren Einnahme- und Hilfsquellen wegen,
was für die spätere Entwickelung von Bedeutung wurde. Den
Heerbann hatten sie nicht nur aufzubieten, sondern auch in der
Grenzverteidigung zu befehhgen, während sich der König den
Offensivkrieg und die Friedensschlüsse vorbehielt. In dieser seiner
militärischen Eigenschaft lag dem Grenzgrafen auch die Sorge für
die Befestigungen, Heerstrafsen , Brücken, Fuhren usw. ob. Der
Graf der Mark führt auch — darin den gewöhnlichen Grafen
1) Als „Primates Baiorios" bezeichnen die Grafen der Ostmark die Ann.
Fuld. a. 898.
2) Einh. Ann. a. 826.
IßG Sechstes Kapitel.
gleich — den Vorsitz im echten und im gebotenen Ding, wofür
sich jetzt der tränkische Ausdruck malhim pubUcum einbürgert.
Der Unterschied war ein sachlicher. Im echten Ding, das in jeder
Vikarie nur etwa dreimal im Jahre abgehalten zu werden brauchte,
wurde über die Causae maiores (Verbrechen und llechtsstreitigkeiten
um persönliche Freiheit und unbewegliches Gut) entschieden, während
dem gebotenen Ding, das alle 14 Tage in den einzelnen Vikarien
abwechselnd stattfand, nur die Causae minores (Schuldklagen wegen
beweglichen Gutes und einfache Vergehen) übrig blieben. Nur
im gebotenen, also im aufserordentlichen Ding konnte der Graf
sich auch durch seinen Unterbeamten, den Schultheifsen, Vicarius
oder Centenarius, vertreten lassen. Eine wichtige Änderung gegen-
über der agiloltingischen Zeit war die Einführung des Schöffen-
gerichtes, das an die Stelle der Vollversammlung der ganzen Ge-
meinde trat. Es war ein meist siebengliedriger Ausschufs der
Gemeinde, dessen Mitglieder der Graf ernannte und der das Urteil
vorschlug und dadurch auch die altbayerische Institution des
Richters verdrängte ^). Die übrigen Dingpflichtigen, der „Um-
stand", konnten nur gegen das Urteil Einspruch erheben (das
Urteil „schelten"). Die rechthche Grundlage bedeutet eine Weiter-
bildung der Lex Baiuvariorum ; aufserdem aber mufsten An-
gehörige anderer Stämme nach ihrem Volksrecht behandelt werden,
wie dies dem im Frankenreiche herrschenden Personalitätsprinzip
entsprach.
Die nach dem Mitgeteilten sehr weit reichende Gewalt des
Grafen sowie auch des Markgrafen war nur durch die Königs-
boten, die Missi dominici, beschränkt: dies waren Kontrollorgane
des Königs, die nach Gutdünken Versammlungen einberufen und
Beschlüsse des Grafen aufheben konnten. — In der Mark nahmen
auch die Bewohner eine gewisse Sonderstellung ein, waren von
vielen Lasten befreit und durften nur zur Landesverteidigung heran-
gezogen werden.
Zur staatlichen Verwaltung sind nach Karls des Grofsen
politischer Anschauung auch die Bestrebungen um die Bekehrung
der neu erworbenen Provinzen und deren kirchhche Einteilung
1) Ich folge hier den eirgehenden Untersuchungen Kiezlers, Geschichte
Baierns I, 266 f.
Die karoliügische Ostmark. 167
zu rechnen. Im Jahre 796 entwarf der berühmte Berater des
Frankenkönigs, Alkuin, in Briefen an diesen, an den Patriarchen
PauHnus von Aquileja und den Bischof Arno von Salzburg,
zwei der hervorragendsten, geistig hochstehenden Kircheniürsten
ihrer Zeit, die Grundsätze der Heidenbekehrung im Awaren- und
Slawenlande. NamentKch sollte von der Einhebung des Zehnten,
womit man bei den Sachsen so schlimme Erfahrunsjen o:emacht
hatte, abgesehen, auch dafür gesorgt werden, dafs nur Missionare
von musterhaftem Lebenswandel, entsprechender Bildung und
erprobtem Glaubenseifer entsendet würden. Noch im Lager des
von der Besiegung der Awaren heimkehrenden Pipin wurden in dem-
selben Jahre über diese Frage Bischofskonferenzen abgehalten, in
denen man im wesentlichen Alkuins Ansichten beipflichtete. Zugleich
wurde Salzburg der nördliche Teil von Unterpannonien zwischen
Raab, Donau und Drau zugewiesen, während das Land südlich der
Drau Aquileja zufiel, was 810 und 819 aufs neue bestätigt wurde ^).
Arno zeigte sich seiner Aufgabe in hervorragendem Mafse ge-
wachsen. In Anerkennung seiner Tätigkeit und zur Stärkung
seiner Machtstellung empfing er zwei Jahre später 798 vom Papste
in Rom die erzbischöfliche Würde und wurde bei seiner Rückkehr
nochmals in feierlicher Weise von Karl dem Grofsen mit der Be-
kehrung im Awarenlande betraut, nachdem die Wiedererhebung
der Awaren im Jahre 797 auf kurze Zeit das begonnene Werk
unterbrochen hatte "-). Die Erfolge der Kirche in diesen Gebieten
unter ihm und seinen Nachfolgern näher zu beleuchten, fallt
nicht in den Rahmen dieser Darstellung, aber bereits oben wurde
gezeigt, wie zahlreiche Kirchengründungen im Laufe des 9. Jahr-
hunderts gerade in jenen Teilen der östlichen Mark, die in den
Besitz Salzburgs kamen, also namentlich in der Püttener Gegend
stattfanden.
Merkwürdig lässig scheint dagegen die Tätigkeit des Bistums
1) De convers. Bagoar. 9. — Es ist freilich nicht zu lenguen, dafs wir
fast ausschliefslich nur über die Tätigkeit Salzburgs unterrichtet sind, da
nur dieses Hochstift eine offizielle Darstellung darüber, eben die schon oft zitierte
Schrift „De conversione Bagoariorum et Caranthanorum", anlegen Hefs (Über die
Abfassungszeit und die Veranlassung siehe unten S. 177).
2) De convers. Bagoar. 10 und Kleinmayrn, Juvavia 61, 76.
168 Sechstes Kapitel.
Passau gewesen zu sein ^). Seine Vorsteher traten in der geistigen
Bewegung nirgends hervor, sie standen als SufFragane der Salz-
burger Erzdiözese im Hintergrund, ohne dafs diesen Männern die
weitti-agende Bedeutung des neuerworbenen Koloniallandes für die
Machtstellung der Kirche völlig klar geworden wäre. Wie nach
der obigen Darstellung der Besiedelung Passauer Besitz nicht vor
833 in der östlichen Mark mit Sicherheit nachweisbar ist, so
scheint auch die Bekehrungstätigkeit des Bistums nicht früher
begonnen zu haben. Immerhin hat wohl Salzburg, dem die
gewaltige Aufgabe in Anbetracht des weit ausgedehnten Gebietes
über die Kräfte gegangen sein dürfte, schon frühzeitig Passau das
natürliche Hinterland, die östliche Mark an der Donau, überlassen
und das Bistum dafür einen eigenen Chor- oder Landbischof ohne
bestimmten Sitz bestellt ^). Es wurde dann auch die Grenze der
beiden Diözesen gemäfs der politischen Grenze festgesetzt — ob
schon durch Ludwig den Deutschen im Jahre 829, ist zweifelhaft —
und zwar so, dafs sie wie auch in der späteren Zeit der Spratzbach
bei Wiesmath und die Rabnitz bis zur Vereinigung mit der Raab
bilden sollte ^). Erst in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts jedoch
sind sich die Bischöfe von Passau der Gröfse der ganzen Frage be-
wufst geworden, und nun warfen sie sich mit Macht darauf, das
Versäumte nachzuholen, ein wenig spät freilich, weshalb sie
bestrebt waren, ihre Rechte aus der VergangCxiheit abzuleiten,
wenn das auch nicht immer ohne frommen Betrug gehen wollte.
Damals tauchte die Florianslegende auf, um mit den Reliquien
des angeblich ältesten Märtyrers in Noricum das reiche Kloster
Kremsmünster in den Schatten zu stellen, damals dürfte damit im
Zusammenhang auch bereits die Fiktion von dem Fortbestande
der Stadt Lorch (Laureacum) und des dortigen Bischofsitzes in
nachrömischer Zeit verbreitet worden sein *). Diese Bestrebungen
1) Für das Folgende ist besonders wichtig die schon oft zitierte Arbeit
von Strnadt in der Archivalischen Zeitschrift N. F. VIII, 1899.
2) Strnadt a. a. 0. stellte eine ziemlich ununterbrochene Liste derselben
seit Beginn des 9. Jahrhunderts her: Erchanfried, seit 813 Otgar, 833 Arno,
860 Alberich, gegen Ende des Jahrhunderts Madalwin.
3) Siehe oben S. 160 und Anm. 1.
4) Das geht aus der Urkunde des Grafen Günther zwischen 899 und 903
Die karolingische Ostmark. 1(>9
Passaus fanden, wie es scheint, ohne besonderen Widerstand ziem-
lich bald allgemeine Anerkennung auch in kirchlichen Kreisen,
denn in dem geharnischten Protest, den in der ersten Hälfte des
Jahres 900 Erzbischof Theotmar von Salzburg und seine Suffragane
von Freising, Eichstätt, Regensburg, Sähen und Passau gegen die
Wiederaufrichtung einer mährischen Sonderkirche beim Papste Jo-
hann IX. erhoben ^), wird sogar die Behauptung aufgestellt, dafs
Mähren zum Passauer Sprengel gehört habe, was ebenso unbegründet
war wie die weitere, dafs die Grafen der Mark im mährischen
Reiche ihre Amtsgewalt ausgeübt hätten. — Dennoch genügte diese
Jahrzehnte lang fortgesetzte rührige Kraftanstrengung nicht, um
das Kirchenwesen des Passauischen Gebietes auf die gleich hohe
Stufe zu bringen wie im Salzburgischen, was besonders die viel
geringere Anzahl der Kirchengründungen zeigt.
Überblicken wir noch einmal die ganze Verwaltungsorganisation
des neu eroberten Gebietes, die uns besonders noch im ersten
Drittel des 9. Jahrhunderts rein entgegentritt, so kann man wohl
sagen, dafs sie in einem gefestigten Reiche mit starker Zentralgewalt,
wie es das Frankenreich unter Karl dem Grofsen gewesen war, ihre
Aufgabe erfüllt hätte. Aber es ist ja bekannt, wie unter den
energielosen und unfähigen Nachfolgern des grofsen Kaisers die
zentrifugalen Kräfte mächtig wurden und das Weltreich in kleine
Teilreiche zerfiel. Schon wenige Jahre nach seinem Tode, im Jahre
817, teilte Ludwig der Fromme das weite Gebiet unter seine drei
Söhne, und der Begabteste unter ihnen, Ludwig, erhielt als König-
reich Bayern mit seinen östlichen Marken, Kärnten und die awarische
und slawische Mark. Dieser nahm seinen Anteil nicht vor 825 in
tatsächlichen Besitz, konnte sich aber doch erst darin sicher fühlen,
als der Kampf, der nach seines Vaters Ableben (840) zwischen
ihm und seinen Brüdern entbrannte, durch den Vertrag von Verdun
im Jahre 843 entschieden wurde und ihm das Gebiet östlich vom
hervor, worin dieser einige Güter „an S. Lauren tium, dessen Eeliquien in Lorch
ruhen," verleiht (Mon. Boic. XXVIII b, 32). Dieser Lorcher Lauren tius war ein
erdichteter Doppelgänger des römischen Märtyrers. — Das Kloster St. Florian
wurde, wie schon erwähnt, nicht vor 880 gegründet.
1) Cod. dipl. Moraviae I, 60. Vgl. auch Dümmler, Südöstliche Marken
(Archiv X, 58 f.).
170 Sechstos Kapitol.
Rhein — das ostfränkische Reich — anheimfiel. Aber schon im
Jahre 856 nahm auch er wieder eine Losti-ennung vor, indem er
seinem ältesten Sohne Karlraann die östlichen Marken übertrug,
der jedoch mit einer blofsen Statthalterschaft keineswegs zufrieden
war und sich alsbald mit Hilfe der Mähren unabhängig zu machen
suchte. Nur durch den Verrat seines Heerführers, des Grafen
Gundakar, der den Semmeringübergang hatte verteidigen sollen,
wurde er zur Unterwerfung gezwungen. Dennoch blieb er in
seiner Stellung ziemlich selbständig und behielt nach seines Vaters
Tode (876) durch dessen letztwillige Verfügung Bayern und die
Marken, während das übrige Ostfranken unter seine beiden Brüder
noch weiter geteilt wurde. Erst im Jahre 882, nachdem 880
Karlmann und zwei Jahre später sein zweiter Bruder Ludwig HI.
gestorben waren , wurde das Reich Ludwigs des Deutschen wieder
in der Hand des jüngsten seiner Söhne, Karls IH., des Dicken,
vereinigt. Wieder erwuchs ihm und seiner unfähigen Regierung
der Widerstand aus den Marken, wo Karlmanns unehelicher Sohn
Arnulf als Herzog vou Karantanien und Pannonien sich allgemeine
Achtung und Bedeutung verschafft hatte und schhefslich 887 nach
Karls in. Absetzung zum König gewählt wurde.
Bei dieser andauernden Schwächung der Reichsgewalt durch
Teilungen, DezentraHsation und Abtrennungsversuche wucherten
alsbald die staatszersetzenden Keime, die in der fränkischen Ver-
fassung ruhten, verderblich empor. Der bedeutendste unter ihnen,
der allmählich den ganzen Staatsorganismus durchdrang und zer-
sprengte, war das Lehnswesen. Immer mehr wurde es üblich,
sich in ein Abhängigkeitsverhältnis von einem Mächtigeren (Senior)
zu begeben und von diesem Schutz und Lebensbedingungen —
in dem ausgesprochenen Agrarstaate natürlich in erster Linie Grund
und Boden — als Lehen zu gewinnen. Diese eigentümliche Ein-
richtung, die das ganze Mittelalter hindurch das Staatswesen Europas
beherrschte, äufserte nach zwei Richtungen hin ihren verderblichen
Einflufs. Einerseits wurde der Stand der Vollfreien immer mehr
vermindert, insbesondere die unterste Stufe, die freien Bauern
verschwanden, um einem im wesentlichen unkriegerischen Stand
der Hörigen Platz zu machen, denn gerade die Kosten und
schweren Anforderungen der Wehrpflicht trieben die wenigen Ver-
Die karolingiscbe Ostmark. 171
treter der Freien in das Untertanenverhältnis. Andrerseits wurde
aber auch der Staat oder die ihn repräsentierende Königsgewalt
geschwächt und die Fiktion, die man erfand, dafs der König der
Lehnsträger Gottes sei, ist sehr bezeichnend. Indem der König
Land und Leute und die Funktionen des Staates, soweit sie da-
mals überhaupt ausgebildet waren, Heerführerschaft , Schutz, Ge-
richtsbann und Abgaben seinen Lehnsträgern überliefs, verlor er
selbst jeden Einflufs auf die Untertanen.
Die Immunität, die diese Lehnsherren auf diese Weise er-
langten, war nur eine natürliche Begleiterscheinung. Der Grofs-
grundbesitzer, der territoriale Lehnsherr, erwirkte für sein Gebiet
Freiheit von Abgaben und Kriegslasten; der König und seine
Beamten durften das immune Gebiet weder betreten, noch irgend-
welche Amtshandlungen in demselben vornehmen. Alle Befugnisse
des Staates übernahm, wie gesagt, der Grundherr. So bildeten
diese territorialen Machthaber, je reicher sie selbst als Lehnsherren
waren, Staaten im Staate.
Auch in der neu eroberten Mark an der Donau finden sich
im Laufe des neunten Jahrhunderts zahlreiche exemte Gebiete, und
zwar dem Charakter der Besiedelung nach sind es besonders die
der Kirche gehörigen, wie etwa die Besitzungen Salzburgs und
Passaus oder des Klosters St. Emmeram ^). Aber auch von welt-
lichen Grundherren in exemter Stellung hören wir gelegentlich,
so wird dem bekannten Haimo für seinen Besitz im Grunzwitigau
die Gerichtsbarkeit verliehen, lediglich unter Vorbehalt der Appel-
lation an das Grafengericht ^).
Besonders stiegen jedoch die Grafen selbst, zumal die, wie
wir gesehen haben, so reich begüterten und mit Machtvollkommen-
heit ausgestatteten Grenzgrafen in ihrer territorialen Macht, denn —
und das ist ein weiteres beachtenswertes Moment der Entwicke-
lung — auch die königlichen Amter wurden schliefslich zu Lehen.
Der Beamtenstaat, wie er sich unter Karl dem Grofsen bereits in
so verheifsungsvoller Weise bei straffer Zentralisation der Ver-
waltung auszubilden begonnen hatte, löste sich völlig in den Lehns-
staat auf.
1) Mühlbacher 606 (586), 1404 (1363), 1738 (1691).
2) Mühlbacher 1799 (1751).
173 Se(-listcs Kajiitel.
Es ist kein Zufall, wenn wir im Verlaufe des 9. Jahrhunderts
immer wieder von hochverräterischen Plänen in den Marken hören.
Der Bestrebungen des königlichen Prinzen Karlmann geschah schon
Erwähnung, aber namentlich waren es die Grafen, die sich eine
noch unabhängigere und selbständigere Stellung schaffen wollten.
So wurde um das Jahr 859 Ratbod wegen Hochverrates abgesetzt ^);
in eine Erhebung Ludwigs des Jüngeren, des zweiten Sohnes Lud-
wigs des Deutschen, war auch ein Graf Werner, vermutlich der
Graf von Oberpannonien , verwickelt'^), der im Jahre 865 seines
Amtes verlustig ging; auch die Söhne der im Kampfe gegen die
Mährer gefallenen Grafen Wilhelm und Engelschalk versuchten,
sich im Jahre 882 gewaltsam der östlichen Mark zu bemächtigen,
und vertrieben den vom Könige eingesetzten Markgrafen Aribo ^).
Letzterer wandte sich unbedenklich an den Reichsfeind, den Mährer-
herzog Swatopluk, dem er sogar seinen Sohn Isanrich als Geisel
übergab, ersterer an Herzog Arnulf von Kärnten um Hilfe. Der
Usurpationsversuch scheiterte jedoch, ein Sohn und ein Verwandter
Engelschalks, Wernher und Vezzilo, wurden gefangen genommen
und verstümmelt, die zwei ältesten Brüder, Megingoz und Papo,
geschlagen und ertranken bei der Verfolgung in der Raab. Nur
der jüngste gleichnamige Sohn des Grafen Engelschalk erlangte
tatsächlich unter König Arnulf, trotzdem er dessen uneheliche
Tochter entführt hatte, wenigstens einen Teil des väterlichen Erbes
— wohl Pannonien — , fiel jedoch später in Ungnade und wurde
im Jahre 893 geblendet; von seinen Vettern Wilhelm und Rud-
bert, die sich beide an Swatopluk wandten, wurde jener wegen
Hochverrates hingerichtet, dieser fiel als Opfer der slawischen
Treulosigkeit. Ihre Güter wurden konfisziert und dem Kloster
Kremsmünster geschenkt *). Endlich wurde auch Markgraf Aribo
abgesetzt, als er, wie es scheint, die mährischen Wirren nach
Swatopluks Tode zu seinem Vorteil ausnutzen wollte, und sein
Sohn Isaurich, der sich hierauf eines Teiles der Mark bemächtigte,
1) Nach der Urkunde Ludwigs des Deutschen von 859 V. 1 (Mühl-
bacher 1438 [1397]); Mon. Boic. XXVIII, 50).
2) Ann. Fuld. 865, 8Ö6.
3) Ann. Fuld. 885.
4) a. a. 0. 893.
Die karoliagische Ostmark. 173
wurde von König Arnulf selbst in Mautern belagert und gefangen
genommen. Es gelang ihm aber, wieder zu entkommen, und mit
Hilfe der Mährer sich abermals in den Besitz eines Teiles der
Ostmark zu setzen. Erst König Ludwig nahm ihn bei dem Frieden
mit Mähren im Jahre 901 wieder in Gnaden auf i).
Die beiden letzten Fälle, besonders das Unternehmen der
Söhne Wilhelms und Engelschalks zeigten übrigens noch ein anderes
Moment von Wichtigkeit. Gegen Ende des Jahrhunderts ist das
Streben der Vasallen allerorts darauf gerichtet, die Erblichkeit
der Lehen durchzusetzen. Dieses Verlangen ist auch das treibende
Motiv bei dem Unternehmen der Söhne der Grafen Wilhelm und
Engelschalk: sie erheben Ansprüche auf das Amt ihrer Väter als
ein ihnen gebührendes Erbe.
Die starke, innerlich gefestigte Reichsgewalt unter Karl dem
Grofsen war imstande gewesen, erobernd aufzutreten und die
Grenzen zu erweitern. In dem Augenblicke jedoch, als das Reich
in einzelne Teile zerfiel und im Inneren der Zerbröckelungsprozefs
begann, war es mit der Eroberungspolitik vorbei. Man mufste
zufrieden sein, die Grenzmarken im guten Verteidigungszustande
zu erhalten. Aber in dem Mafse, wie sich Abfallsbestrebungen
und Sonderinteressen auch hier geltend machten, schwand das An-
sehen gegen aufsen und wurden feindseligen Nachbarn Blöfsen
geboten.
Zwar die einst gefürchteten Awaren kamen seit dem zweiten
Jahrzehnt des Jahrhunderts nicht mehr in Betracht. Desto gefähr-
licher wurden allmählich die Slawen, die gerade damals in ihr
staatenbildendes Zeitalter eintraten ^). Bei den andauernden inneren
Wirren in den fränkischen Marken konnte sich dieser Prozefs, der
für die ganze Zukunft nachwirkte, ungestört vollziehen. Mit den
Südslawen lag das Frankenreich schon seit 819 im Kampf. Von
weit gröfseren pohtischen Folgen war jedoch die Gründung eines
eigenen slawischen Staates in Mähren. Diese Mährer d. i. March-
1) a. a. 0. 898, 899 und Herimannus Äugiensis 901.
2) Für das Folgende wäre noch zu vergleichen: Palacky, Geschichte
Böhmens I, jetzt Bachmann, Geschichte Böhmens I (Gotha 1899); Dudik,
Geschichte Mährens I (Brunn 18ß0), jetzt Bretholz, Geschichte Mährens I
(Brunn 1893).
174 SechstcB Kapitel.
anwohner waren noch im Jahre 822, da sie zum ersten Male
genannt werden , den Franken tributpflichtig ^). Aber kaum ein
Jahrzehnt später begegnet unter ihnen ein Herrscher Moimir, der
die fränkische Oberherrschaft abzuschütteln und auch benachbarte
Slawenstämme seinem Reiche, das sich wohl ziemlich sicher auch
über den nordöstlichen Teil des heutigen Niederösterreich bis zur
Donau erstreckt haben dürfte 2), einzuverleiben strebte. Als Gegen-
mafsregel suchten die Franken an der Grenze slawische Lehns-
staaten als Stofsballen einzuschieben, die an die römischen Klientel-
staaten erinnern. So wies Ludwig der Deutsche dem Slawenfürsten
Priwina, der von Moimir aus seinem ursprünglichen Sitz bei Neitra
vertrieben, sich zum Markgrafen Ratbod geflüchtet hatte und sich
im Jahre 830 zu Traismauer niederliefs, etwa zehn Jahre danach
Land um den Plattensee in Unterpannonien an, das später wesent-
lich erweitert, sogar zum Herzogtum erhoben wurde. Dort ent-
wickelte er eine bemerkenswerte Kulturtätigkeit und gründete
namenthch unter Salzburgs Ägide zahlreiche Kirchen.
Dagegen mifsglückten Ludwigs des Deutschen Bemühungen,
Mähren zu einem ähnlichen Lehnstaate um-zugestalten ^). Zwar
gelang es ihm im Jahre 846, als er persönlich nach Mähren zur
Ordnung der Dinge zog, Moimir abzusetzen und an seine SteUe
dessen Neffen Rastislaw zum Herzog zu machen, aber dieser selbst
erhob sich 853 gegen die Franken, nachdem sie einige Jahre zuvor
in Böhmen empfindliche Niederlagen erhtten hatten, und in der Folge-
zeit sehen wir immer wieder, wie die Abfallsbestrebungen in der
Mark seit Karlmann an dem Mährerreich ihre Stütze finden. Ver-
geblich unternahmen König Ludwig im Jahre 864, seine Söhne
Karl und Karlmann 869 Heereszüge gegen Rastislaw. In seinen
Festungen, von denen eine mit dem Namen Dewin bezeichnet
wird *), hielt er sich, wenn auch das flache Land verwüstet wurde.
1) Einh. Ann. a. 822.
2) Vgl. oben S. 161, Anm. 2.
3) Quellen für die Kämpfe mit den Mähren sind Euod. Fuld. und die
Annales Fuld. Dazu Ann. Hincmari Rem. und Ann. Xant.
4) Nach der gewöhnlichen Annahme Theben bei Prefsburg. Jedoch hat
schon Düramler (Ostfräukisches Reich II, 86) eingewendet, dafs es in diesem
Falle doch sehr auffallend sei und unnötig gewesen wäre, dafs das fränkische
Die karolingische Ostmark. 175
Allerdings wurde auch er von seinem Neffen Swatopluk (ger-
manisiert Zwentibold), der ein Teilreich beherrschte und im Jahre
870 Karlmann gehuldigt hatte, gestürzt, gefangen genommen und
König Ludwig ausgeliefert, der ihn blenden und in ein Kloster
stecken liefs. Schon hatte es den Anschein, als sollte das Franken-
reich einen mächtigen Gebietszuwachs erhalten, der jedenfalls für
die geschichtliche Entwickelung von grofser Bedeutung geworden
wäre, und das Land wurde tatsächlich den beiden Grenzgrafen
Wilhelm und Engelschalk unterstellt. Aber wie Swatopluk seinen
Oheim durch Verrat um den Thron gebracht hatte, so zögerte er
auch nicht, durch Verrat an den Frauken an das Ziel seines Ehr-
geizes zu gelangen. „Nach slawischer Sitte brach Zwentibold so-
fort die geschworene Treue", heifst es in den Annalen von Fulda ^).
Als sich ein Jahr später die Mährer selbst gegen die Franken
empörten und einen Verwandten ihrer Fürstenfamilie Sklagamar,
einen Priester, zwangen, ihr Führer zu sein, stellte Karlmann in
merkwürdiger Kurzsichtigkeit Swatopluk sogar an die Spitze des
bayerischen Heeres, das er gegen die Aufständischen entsandte,
Swatopluk ergriff natürlich diese ausgezeichnete Gelegenheit, ging
zu seinem Volke über und vernichtete das ganze bayerische Heer,
darunter auch die Grafen Wilhelm und Engelschalk.
Seitdem war und blieb das mährische Reich unter seiner
Herrschaft selbständig, obwohl er sich im Jahre 874 trotz eines
abermaligen Sieges über die Bayern an der Donau, wahrscheinlich
unter dem Drucke der Erfolge, die gleichzeitig die Franken in
dem mit ihm verbündeten Böhmen, also an der Westseite seines
Reiches, ernteten, dazu herbeiliefs, zu Forchheim König Ludwig
Treue zu schwören und sich zu einer Tributleistung zu verpflichten.
Dieser Vertrag hatte um so mehr den Charakter einer jener
formellen Verpflichtungen, deren Bruch einem Swatopluk wenig
Skrupel verursachte, als es damals gerade den Anschein gewann,
als sollte sich eine noch weit gründlichere Scheidung und Ver-
Heer, wie die Ann. Fiild. melden, schon bei Tulln die Donau überschritten hat,
um es anzugreifen. B retholz a. a. 0. 38, Anm. I gibt eine neue Erklärung.
Da Dewin zu Deutsch Mädchen heifst, so denkt er an das deutsche Maidburg
bei Nikolsburg.
1) M. G. SS. I, 399.
17C Sechstes Kapitel.
selbständigung vollzielien, nämlich auf kirchlichem Gebiete, das
ja mit dem politischen auts innigste zusammenhing.
Den genialen Gedanken, auf diesem Wege eine völlige Selb-
ständigkeit zu erlangen, hatte Rastislaw gefafst. Er wandte seinen
Blick nach Ustrom, das damals ja noch immer als ein ernster Rivale
des Frankenreiches gelten konnte. Von Kaiser Michael erbat er
sich im Jahre 863 Missionare, die es verstünden, den Mährern in
ihrer Sprache das Christentum zu predigen, und dieser sandte
ihm die Brüder Konstantin und Methodios, die aus der slawischen
Gegend um Thessalonika stammten, und die sich bereits als Glaubens-
boten mehrfach bewährt hatten. Sie lösten ihre Aufgabe glänzend.
Konstantin übersetzte die Bibel und die Liturgie ins Slawische,
erfand sich selbst eine Schrift und erzielte im Vereine mit Metho-
dios durch den Gottesdienst auf nationaler Grundlage natürlich
grofse Erfolge, die auch die Anerkennung der Päpste fanden. Auch
in dem pannonischen Slawenreiche, das Priwina begründet hatte
und das jetzt sein Sohn Kozel beherrschte, fafsten sie festen Fufs,
so dafs Papst Hadrian nach dem Tode Konstantins, der später
den Mönchnamen Kyrillos angenommen hatte,, im Jahre 869 Metho-
dios zum Erzbischof von Sirmium ernannte und ihm Mähren und
Pannonien unterstellte.
Es ist ofifenbar wieder ein Zeichen für die geringe Tatkraft
des Passauer Bistumes bis zum letzten Drittel c'es Jahrhunderts, ,
dafs die Bischöfe den hochwichtigen Ereignissen, die doch in I
erster Linie ihr Bereich berührten, ruhig zusahen. Aber in dem ^
Augenblicke, als die Slawenapostel auf Pannonien übergriffen, regte
sich sofort Erzbischof Adalwin von Salzburg, dem das Land bis-
her unterstanden hatte, und als gar ein slawisches Erzbistum Sir-
mium gegründet wurde, da zögerte er nicht länger, energisch da-
gegen Einspruch zu erheben. Im November 870 ^) berief er seine
Suffragane zu einer Synode, die in Gegenwart König Ludwigs
stattfand, und zu der auch Methodios geladen war. Da er den
Mut hatte zu erscheinen, machte man mit ihm kurzen Prozefs.
Wegen unbefugten Eingriffes in eine fremde Diözese wurde er
1) Über den Zeitansatz dieser Synode siehe Hub er, Österreichische Ge-
schichte I, 106, Anm. 1.
Die iarolingische Ostmark. 177
unter schimpflicher Mifshandlung seiner Würde entsetzt und in
Ketten gelegt. Sodann wurde eine Denkschrift über das Wirken
der Salzburger Kirche als Protest gegen die Errichtung eines
mährischen Erzbistumes verfafst und König Ludwig überreicht ^).
Aber wider Erwarten stellte sich auch der Nachfolger des
Papstes Hadrian, Johann VIII., auf Seite des Methodios. Erz-
bischof Adalwin sah sich gezwungen, ihn nach dritthalbjähriger
Gefangenschaft frei zu lassen, und mufste ihm seine Würde wieder
verleihen; der Bischof Ermanrich von Passau, der ihn auf der
Synode geohrfeigt haben soll, wurde sogar suspendiert. Allerdings
war Pannonien nicht länger zu behaupten, nachdem Kozel im Jahre
873 gestorben war und das Land nunmehr wieder bayerischen
Grafen unterstellt wurde. Dafür war jetzt in Mähren gerade der
rechte Augenblick gekommen, da Swatopluk das Erbe Rastislaws an-
trat und aufs neue dessen staatliche und kirchliche Pläne wieder auf-
nahm. Er vertrieb sämtliche deutschen Geistlichen aus seinem Reiche
und berief Methodios aufs neue. Aus abermaligen Anklagen in Rom
ging dieser durch persönliche Rechtfertigung vor dem Papst mit
gesteigertem Ansehen hervor und erhielt sogar in dem Bischot
Wiching von Neitra — allerdings einem Deutschen — einen Suffragan.
Gleichzeitig wuchs auch die Machtstellung Swatopluks un-
geachtet seiner formellen Abhängigkeit vom Frankenreich. Böhmen
und die nördlich angrenzenden Gebiete gerieten unter seine Ober-
hoheit, und bis tief nach Ungarn in die Theifsebene erstreckte sich
seine Macht. Doch bildete sein Bündnis mit dem Grenzgrafen
Aribo und seine verheerenden Züge gegen die Söhne der Grafen
Wilhelm und Engelschalk, sowie deren Bundesgenossen Herzog
Arnulf von Kärnten in den Jahren 882—884, die schon oben
erwähnt wurden, einen Wendepunkt in seinen Erfolgen. Zwar
bheben seine Einfälle in deutsches Land ungerächt, er selbst un-
besiegt, aber er mufste sich doch im Herbste 884 zu Königstätten,
wo er eine persönliche Zusammenkunft mit Kaiser Karl III. hatte,
zur Anerkennung der fränkischen Lehenshoheit bequemen und
sich verpflichten, bei Lebzeiten Karls dessen Reich nicht mehr
anzugreifen. Als dann im Jahre 888 nach Karls IIL Absetzung
1) Die Conversio Bagoariorum et Caranthanorum (M. G. SS. XI, 1).
Vancsa, Geschichte Nieder- u. Oberöstetreichs.
12
178 Sec-listos Kapitel.
Arnulf die Regierung übernahm, stand Swatopluk doch ein anderer
entschieden bedeutenderer Gegner gegenüber. Dieser setzte zu-
nächst, eingedenk der letzten Verwüstungszüge, den dem Mährer-
reiche unmittelbar benachbarten Grenzstrich an der Donau und
Traisen, den Grunzwitigau in guten Verteidigungszustand, indem
er, wie wir gesehen haben, den mächtigsten Grofsgrundbesitzer
dieser Gegend Haimo gegen wichtige Begünstigungen zum Bau
von Befestigungen anhielt. Im Jahre 892, nachdem er Deutsch-
land von den Normanneneinfällen befreit hatte, wandte er sich
gegen Swatopluk und forderte ihn auf, persönlich bei ihm zu er-
scheinen. Als dieser jedoch der Aufforderung nicht Folge leistete,
ging Arnulf zur Offensive über und verwüstete Mähren vier Wochen
lang, wobei sich ihm eine Abteilung eines eben damals zum ersten
Male von Osten längs der Donau auftauchenden wilden uralaltaischen
Reitervolkes, der Magyaren, anschlofs. Einen nachhaltigen Erfolg
über Swatopluk davonzutragen, war allerdings auch ihm nicht
beschieden. Auf einem zweiten Feldzug im Jahre 893 rettete er
sein Heer sogar nur mühsam vor Vernichtung.
Aber Swatopluks Machtstellung war doch- erschüttert, besonders
da er sich unbegreiflicherweise im Innern des Reiches selbst
seiner festesten Stütze beraubte. Er war zwar ein grausamer,
rücksichtsloser und verschlagener Despot, aber es fehlte ihm der
tiefe politische Blick, der seinen Oheim Rastiskw ausgezeichnet
hatte. Er liefs dem Plane des Methodios, der Schöpfung einer
eigenen slawischen Kirche auf rein nationaler Grundlage, keine
rechte Unterstützung angedeihen, und, als Methodios am 6. April
885 starb, hatte der Bischof von Neitra, Wiching, dessen früherer
Suffragan, leichtes Spiel, das dem deutschen Klerus mit Recht
verhafste Werk zu zerstören. Um die Einsetzung des von Methodios
selbst empfohlenen Slawen Gorazd zu hintertreiben, reiste er nach
Rom und erwirkte von Papst Stephan V. tatsächlich ein Schreiben,
wodurch die slawische Liturgie verurteilt und er als Nachfolger
des JMethodios vorgeschlagen wurde. Swatopluk war kurzsichtig
genug, daraufhin die slawischen Priester in den Kerker zu werfen
und die lateinische Liturgie durch deutsche Priester wieder her-
zustellen.
Nach seinem Tode im Jahre 894 ging es auch politisch mit
Die karolingische Ostmark. 179
seinem Reiche bald bergab, da er es nicht einmal als Ganzes zu
erhalten gesucht, sondern es unter seine drei Söhne geteilt hatte.
Die botmäfsigen Slawenstämme fielen ab, unter den Söhnen brachen
Zwistigkeiten aus, und Swatopluk der Jüngere rief die Bayern zu
Hilfe, die in den Jahren 898 und 899 verheerende Einfälle in
Mähren unternahmen. Doch verhinderten die Empörung des Isanrich
in der Ostmark und die zunehmende Krankheit und körperliche
Schwäche König Arnulfs nachhaltige Erfolge der Deutschen, und
Swatopluk mufste froh sein, von seinen Verbündeten herausgehauen
und nach Bayern mitgenommen zu werden.
Moimir IL machte hierauf nochmals den Versuch, seinem
allerdings jetzt stark verkleinerten Reiche die staatliche und kirch-
liche Unabhängigkeit zu verschaffen. Wiching war schon längst
der Boden zu heifs geworden und er hatte es vorgezogen, sich
an den Hof König Arnulfs zu begeben, wo er die Kanzler-
würde übernahm. So war die mährische Diözese verwaist, und
Herzog Moimir daher berechtigt, beim Papste Johann IX. um
Wiederbesetzung des erzbischöflichen Stuhles nachzusuchen, und
dieser bewilhgte nicht nur einen Erzbischof, sondern sogar drei
Suffraganbischöfe. Die bayerischen Kirchenfürsten, die sich wieder
um den ganzen Erfolg der Aktion nach Methodios' Tode gebracht
sahen, waren erbittert. In der ersten Hälfte des Jahres 900 be-
rief Erzbischof Theotmar von Salzburg seine SufFragane zu einer
Synode, die einen in unerhört kühner und scharfer Sprache ab-
gefafsten Protest an den Papst richtete. Papst Johann IX. starb
jedoch um die Mitte Juli, und ehe sein Nachfolger zu der An-
gelegenheit Stellung nehmen konnte, traten Ereignisse ein, die
Deutsche und Slawen dazu zwangen, ihren jahrzehntelangen Kampf
angesichts einer neuen gemeinsamen Gefahr einzustellen.
Jenes wilde Nomaden- und Reitervolk, das sich selbst Magyaren
nannte, sonst auch den Namen Ugren oder nach slawischer Aus-
sprache Ungarn führte ^), und das seit dem Jahre 862 in ver-
einzelten Trupps gelegentlich an der Ostgrenze des fränkischen
1) Über den Ursprung der Magyaren handelt grundlegend Hunfalvy,
Ethnographie von Ungarn, deutsch von Sehwicker (Pest 1877), und Die Un-
gern oder Magyaren (5. Bd. von „Die Völker Österreich- Ungarns", Teschen 1881).
12 *
180 Sechstes Kapitel.
Reiches auftauchte '), war um das Jahr 895 in seiner Gesamtheit
in die Tiefebenen der Donau und Theifs eingewandert und hatte
sich dem Abendlande zum ersten Male durch einen verheerenden
Einfall in Italien im Jahre 899 furchtbar erwiesen.
Unglücklicherweise starb gerade in diesen gefahrdrohenden
Zeitläuften König Arnulf am 8. Dezember 899 und hinterliefs das
ßeich seinem siebenjährigen Söhnchen Ludwig. Seitdem blieben
die Grenzlande so ziemlich sich selbst überlassen. Dies benutzten
die Magyaren zu einem Einfall in die östliche Mark und drangen
bis über die Enns. Allerdings ergriffen die Scharen die Flucht, als
Markgraf Liutpold von Kärnten und im Donaugau, der damals eine
fast herzogliche Macht in seinen Händen vereinigte und, wie es
scheint, auch in Oberpannonien militärisch befehHgte, vereint mit
Bischof Richar von Passau heranrückte; ihr Nachtrab wurde von
den Bayern am linken Donauufer auf ungenannter Walstatt, etwa
im November 900, vernichtet 2). Zum Schutze gegen neuerliche
Einfälle wurde sodann an der Ennsmündung in der Nähe des alten
Laureacum eine Festung, die Ennsburg angelegt, wie man also
sieht, um das Reich zu bewahren, während das Land östlich der
Enns noch immer als Kolonialland und aufserhalb der Grenzen
des Reiches liegend angesehen wurde ^). Gleichfalls unter diesem
äufseren Druck wurde auch mit den Mährern Friede geschlossen,
und die Bayern suchten in den nächsten Jahren mit ihnen an-
gesichts der gemeinsamen Gefahr ein engeres Bündnis, worauf man
wohl aus der Aufrichtung der schon oben besprochenen Zollordnung
von Raffelstätten 903 oder 904 schliefsen kann.
Zugleich zeigt allerdings diese Regelung des Handelsverkehrs
1) Die wiederholt aufgestellte Behauptung, Kastislaw oder Swatopluk hätte
die Magyaren gegen die Deutschen, Arnulf hinwiederum gegen die Slawen herbei-
gerufen, ist in dieser Form gewifs unrichtig. Es kann sich höchstens um gelegent-
liche Zuhilfenahme plündernd umherschweifender Abteilungen gehandelt haben, wie
wir ähnliche Verwendungen barbarischer Völkerstämme seit den Römerzeiten wieder-
holt in Übung finden und selbst schon darauf zu verweisen Gelegenheit hatten.
2) Über den Zeitansatz Huber in Böhmers Fontes IV, 587, 3. — Ann.
Fuld. und Herim. Aug. ad 900.
b) Ann. Fuld. ad 900. — Die Vergabung der Ennsburg an das Kloster
St. Florian durch Ludwig das Kind im Jahre 900 oder 901 (Mühlbacher
1994 [1942]) ist eine Fälschung.
Die karolingische Ostmark. 181
auf der Donau, die für die Zukunft friedliche Zustände voraussetzte,
dafs man noch immer die Gröfse der Gefahr unterschätzte. Nicht
auf friedliche Verbindungen kam es mehr an, zu gemeinsamen
Taten hätte man sich verbinden sollen. Die Nachrichten über die
Ereignisse der nächsten Jahre sind unsicher, aber in Mähren und an
der Grenze scheinen Kämpfe gegen die Magyaren mit wechselndem
Glück geführt worden zu sein ^). Noch im Jahre 904 begingen
die Bayern die Unbesonnenheit, einen Führer der Magyaren, Chussa.1,
bei einem Gastmahl, zu dem sie ihn geladen, meuchlings zu er-
morden. Im Jahre 905 oder 906 aber mufs das Reich Moimirs
dem Anstürme der feindUchen Barbaren zum Opfer gefallen sein.
Jetzt erst ging auch den Deutschen die volle Erkenntnis von
der Gröfse der Gefahr auf Man rüstete ein ansehnhches Heer
und zog im Jahre 907 unter der Leitung des bewährten, tapferen
Markgrafen Liutpold gegen die Magyaren über die Enns, um
deren Angriff zuvorzukommen. Wieder ist uns der Ort des Zu-
sammenstofses nicht bekannt, der Tag dürfte der 5. Juli gewesen
sein. Das Heer der Bayern wurde vollständig aufgerieben. Mark-
graf Liutpold selbst, Erzbischof Theotmar von Salzburg, Bischof
Uto von Freising und Bischof Zacharias von Sähen deckten die
Walstatt, nur wenige entkamen ^).
Nach dieser verhängnisvollen Niederlage bheb den Bayern
nichts anderes übrig, als das fruchtbare Kolonialgebiet jenseits der
Enns, die Errungenschaft Karls des Grofsen, die man durch ein
Jahrhundert segensreicher Tätigkeit zu einer bemerkenswerten
materiellen Blüte gebracht hatte, preiszugeben.
1) Dafür Hauptquelle die Annales Alamann. (M. G. SS. I).
2) Die meisten Annaleu bringen die Nachricht über dieses weittragende
Ereignis. Die Hauptvarianten sind : Ann. Alaman. (M. G. SS. I, 54), Ann. Aug.
(a. a. 0. I, 68), Ann. Corv. (a. a. 0. HI, 4), Ann. Hildesh (a. a. 0. IH, 52),
Ann. Laub. (a. a. 0. I, 54), Reginonis Contin. (a. a. 0. I, 614), Ann. Juvav.
(a. a. 0. IX, 771). — Sämtliche Belegstellen, auch die abgeleiteten, bei Dümmler,
Ostfränk. Reich H, 544 mit Nachtrag in Forsch, z. deutsch. Gesch. XV, 164,
sowie bei Meiller in seiner gleich noch näher zu betrachtenden Abhandlung
in den Denkschr. d. k. Akad. d. W. XVEI, 65. Gegen dessen Annahme, dafs
die Schlacht bei Mensö an der Raab stattgefunden, Riezler I, 257 und Huber
I, 125. — Über das Datum: Quellen und Erörterungen VH, 451.
Siebentes Kapitel.
Die Ungarnepisode und die Wiedererrichtung der
Mark unter den Ottonen.
Zu einer vertragsmäfsigen Abtretung ist es indessen niemals
gekommen, und die Magyaren waren ebensowenig, wie vordem die
Hunnen und Awaren, imstande, feste Sitze einzunehmen und regel-
rechte Besiedelungsarbeit zu leisten, dazu auch wohl nicht zahlreich
genug, denn eigentlich war ihnen bereits mehr als das heutige
Ungarn zugefallen und der Kern der Bevölkerung befand sich
beständig auf weit ausgedehnten und in die verschiedensten Rich-
tungen auseinanderlaufenden Kriegs- und Beutezügen. Nicht um
Landnahme und neue Sitze war es ihnen zu tun, sondern um
Wegschleppung von Beute und Menschen, die sie zu Sklaven
machten. Die bisherige Mark war lediglich als Verwaltungsgebiet
aufgegeben worden. Sie blieb in den nächsten Jahrzehnten das
stets gefährdete, wiederholt verwüstete Einfällsgebiet der Magyaren
bei ihren Zügen gegen den Westen, denn die alten Römerstrafsen
längs der Donau und die Strafse von Odenburg durch das Tristing-
und Traisental boten hier bequeme Wege. Selbst diesseits der
Enns bis zur Krems herrschte grofse Unsicherheit. Tatsache ist,
dafs wir aus der Mark und aus dem östlichen Teil des Traun-
gaues nunmehr sechzig Jahre lang nicht eine einzige Nachricht
besitzen. Das ganze reiche Leben, das wir in der Karolingerzeit
sich entfalten sahen, scheint ausgestorben, die staatliche Leitung
fehlt, die Beurkundung der Rechtsgeschäfte hört als überflüssig
auf; dafs das Land arg verwüstet, dafs seine materielle Kultur dahin
war, ist bei diesen Verhältnissen selbstverständlich. Dennoch wird
Die Ungurnepisode und die Wiedererrichtung der Mark unter den Ottonen. 183
man wohl nicht fehlgehen, wenn man annimmt, dafs von den
deutschen Besiedlern keineswegs alle Errungenschaften aufgegeben
Avurden. Die kleineren Kolonisten mögen dem Anstürme nicht
widerstanden haben, die gröfseren Grundbesitzer hielten ihr Eigen
i'echt und schlecht fest. Darum konnte auch die spätere Besiede-
lung so rasch und unmittelbar an den alten Besitz wieder an-
knüpfen ^).
Dafs wir während des Zeitraumes von der Niederlage des Jahres
907 bis in die zweite Hälfte des Jahrhunderts nahezu gar keine
direkten Nachrichten über dieses Gebiet besitzen, wird bei der Lage
der Dinge nicht wundernehmen können. Dennoch geht aus verschie-
denen Belegstellen mit ziemlicher Sicherheit hervor, dafs wenigstens
das Land bis zum Wiener Wald von den früheren Besitzern nicht
ganz geräumt worden ist, zum mindesten kann von einer Besetzung
oder gar Besiedelung seitens der Ungarn gar nicht die Rede sein.
Bischof Drakolf von Freising verunglückte im Jahre 926 auf der
Reise im Donaustrudel -). Diese Reise kann nur den Freisinger Be-
sitzungen im Osten der Enns gegolten haben. Dafs Tegernsee
und Niederaltaich ihre Güter in der alten Mark über das Jahr 907
hinaus bewahrten und erst durch die Säkularisationen Herzog Arnulfs
von Bayern verloren, werden wir noch unten des näheren erfahren.
Wenn sie in der Gewalt der Magyaren gewesen wären, hätte der
Bayernherzog doch gewifs nicht die Hand danach ausgestreckt.
Von Orientalen, Bewohnern dieser östlichen Gegenden, die ungefähr
1) Über diesen Zeitraum vgl. Büdinger I, 23Üf. und Kiezler I, 313f.,
sowie Hasenöhrl, Deutschlands südöstliche Marken im 10., 11. und 12. Jahr-
hundert (Archiv f. österr. Gesch. LXXXII, 419 f.). Eine bemerkenswerte Spezial-
untersuchung dieses Zeitraumes lieferte Meiller, Über das von Anselm Schramb
und Hieronymus Petz veröffentlichte Breve Chronicon Austriacum autore Conrado
de Wizzenberg abbate Mellicense (Denkschr. d. k. Akademie der W. XVIII, 1,
1869), die merkwürdig wenig bekannt geworden ist. Nur Lorenz, Öster-
reichische Sagengeschichte vom 12. — 14. Jahrhundert (Drei Bücher Geschichte
und Politik S 615) hat daran eine überscharfe Kritik geübt, die sich allerdings
im wesentlichen gegen einen Punkt richtet, auf den ich noch zurückkommen
werde. Trotz Lorenz lege ich Meillers Arbeit meinen Untersuchungen in diesem
Kapitel vielfach zugrunde, obwohl ich selbst seine Annahmen mehrmals modi-
fiziere und ergänze.
2) Chunradus Sacrista (M. G. SS. XXIV, 316).
1S4 Siebentes Kapitel,
950 die Hilfe der bayerischen Grofsen gegen neuerliche Überfälle
der Ungarn anrufen, berichtet Dietmar von Merseburg *).
Vielleiclit wäre übrigens die alte Karolingerniark gar nicht
in Verfall geraten, wären nicht gleichzeitig mit den Ungarneinfällen
Verhältnisse eingetreten, die einen allgemeinen Niedergang im Süd-
osten des Reiches mit sich brachten. Die königliche Macht war
unter dem Kinde Ludwig zum Schatten geworden, damit hörte
für die Grenzgebiete jede Organisation, also auch die Markgraf-
schaft auf; man hatte weder die Gewalt, noch das Interesse, die
bedrohten Gebiete zu halten, und opferte lieber das Unsichere, um
den Kern des Reiches wenigstens halbwegs zu sichern. Da benutzten
denn energische Männer diese Schwäche des Königtums, dieses un-
tätige Geschehenlassen, um sich eine Sonderstellung zu schaffen. Es
kam die Zeit, wo die alten germanischen Stämme, die Sachsen, die
Franken, die Alamannen, die Bayern, die einst Karl der Grofse
mit starker Faust unter sein Kaiserszepter gezwungen hatte, sich
unter nationalen Herzögen wieder unabhängig zu machen suchten
und den Grund legten zu jenem unseligen Partikularismus, der bis
heute wie ein Fluch auf Deutschland lastet ; denn in der Tat waren
noch immer die Stämme die Träger des nationalen Lehens, nur der
starke Wille Kaiser Karls hatte noch einige Zeit nachwirkend eine
künstliche Vereinigung hergestellt. Der erste, der diese Bahn
betrat, war der jugendliche Sohn des in der Magyarenschlacht von
907 gefallenen Liutpold, der bereits eine ungewöhnliche Macht-
stellung innegehabt hatte, Arnulf, Graf in Bayern. Er legte
sich in freier Nachbildung des königlichen Titels und anknüpfend
an die agilolfingischen Überlieferungen den Titel „Von Gottes
Gnaden Herzog der Bayern und der angrenzenden Länder" bei,
was uns bestätigt, dafs die angrenzenden Länder — gemeint
können doch wohl nur die östlichen sein, da alle anderen sich in
fester Hand befanden — ein unsicherer Besitz waren, auf die
Arnulf jedoch seinen nominellen Rechtsanspruch offiziell wahren
wollte. Auch im übrigen ahmte er die königlichen Urkunden
nach, liefs eigene Münzen prägen und übte königliche Gewalt
1) M. G. SS. m, 752. Vgl. dazu Meiller a. a. 0. 80, der die undatierte
Nachricht mit grofser Wahrscheinlichkeit auf das Jahr 950 bestimmt.
Die Ungarnepisode und die Wiedererrichtung der Mark unter den Ottonen. 185
durch seine Sendboten, die sonst nur königlichen Missi dominici,
aus. Das herzogliche Gericht trat an die Stelle des königlichen.
Dafs dieser Mann so mutig zur Selbsthilfe griff, mufs noch
als ein wahres Glück für das Reich bezeichnet werden, so sehr
er auch das königliche Ansehen erschütterte: er verhütete wenigstens,
dafs auch Bayern, dessen beste Männer im Kampfe gegen die
Magyaren gefallen waren, eine Beute dieser wilden Scharen
wurde ^). Freilich führte er nur Abwehrkämpfe mit abwechseln-
dem Glücke. Immerhin trat in den nahezu jährHchen Eintallen
in Bayern seit ihrem grofsen Siege (909, 910, 912, 913) nach
Arnulfs Erfolg in den Jahren 910 und besonders 913 doch eine
längere Pause ein, während welcher Arnulf sogar in sehr freund-
schaftliche Beziehungen zu den Magyaren getreten zu sein scheint ^),
und erst 925 und 926 erneuerten sie sich mit gröfserer Heftigkeit,
worauf 927 ein Friede oder ein Abkommen zustande kam. Natür-
lich verfügte Herzog Arnulf nicht über genügende Kräfte, um die
grofsen Raubzüge, die sich ja durch ganz Süddeutschland bis zum
Rhein und bis nach Frankreich erstreckten, zu verhindern; noch
viel weniger war eine Offensive ohne Reichshilfe möglich. Gerade
das Streben nach Sicherung seiner Stellung bedingte Konzentration,
sie erklärt aber auch seine kirchenfeindliche Politik, die zwar auch
die anderen Stammesherzöge der Zeit einschlugen, keiner aber so
konsequent und energisch wie er, denn die Geistlichkeit stand wie
ein Mann auf Seite König Konrads, der im Jahre 911 das karo-
lingische Erbe angetreten hatte.
So blieben der Natur der Sache nach die heimischen Grofsen,
die den neuen Adel bildeten, seine einzige Stütze. Doch um sie
in der Zeit des aufblühenden Lehnswesens als Vasallen an den
Herzog zu knüpfen, mangelte es bereits damals, nachdem die noch
wenig besiedelte Mark gröfstenteils verloren gegangen und ihre
1) Über die Heer- und Kaubzüge der Magyaren von ihrem ersten Auftreten
bis zur Schlacht auf dem Lechfelde unterrichtet man sich am besten aus Meillers
oben zitiertem Aufsatz, wo im Anhang 190 Nachrichten nach 430 Quellenstellen
zusammengestellt sind.
2) In diese Zeit fällt Arnulfs Flucht zu den Ungarn, auf die ich noch unten
zurückkomme. Spätere Quellen behaupten sogar, dafs er und sein Bruder Bertold
zwei ungarische Prinzessinnen geheiratet hätten, vgl. auch darüber Meiller
a. a. 0. 20.
186 Siebentes Kajjitol.
Liindcreien entwertet waren, an Grund und Boden, der ihnen
hätte als Lehen geboten werden können. So nahm Herzog Arnulf,
•wie einst Karl ]\Iartell und Pippin bei ihrer Auflehnung gegen
die Merowinger, seine Zuflucht zur Säkularisation des Kirchen-
gutes, und gewann so zugleich die Mittel zum Widerstand gegen
den König. Die Hochstifte waren bereits zu mächtig und hatten
einen zu starken Rückhalt an dem König, um ihnen etwas Er-
hebliches anhaben zu können. Dagegen schienen die Klöster, die
ohnehin durch die Plünderungen der Magyaren zuerst getroffen
und geschwächt waren und nirgends Schutz fanden, so recht zur
Beute geeignet. Viele Klöster Bayerns, darunter Schönau, das
vermutlich in Oberösterreich gelegen war, verschwanden gänzlich,
d. h. sie wurden, wenn auch vielleicht durch die Feinde zerstört,
bei der Ungunst der Zeit nicht mehr aufgebaut, andere, wie etwa
Traunsee, Kremsmünster, St. Florian, Mondsee, fristeten ein kläg-
liches Dasein oder gingen zeitweise ganz ein, die reicheren, wie
Niederaltaich , Tegernsee, verloren viel von ihrem Besitz. Dafs
Niederaltaich und TegQrnsee ') gerade auch den Verlust ihrer Güter
in der ehemaHgen Mark beklagten, kann, wie schon oben erwähnt
wurde, mit als ein Beweis dafür gelten, dafs die Magyaren die
Besitzverhältnisse in diesem Gebiete nicht allein zerstört haben,
und dafs Herzog Arnulf nach wie vor seine Gerechtsame ausüben
konnte. Indem er wohl auch diese unsicheren P»esitzungen an
1) FreUich stammen die Berichte aus diesen beiden Klöstern und die An-
schuldigungen gegen Herzog Arnulf aus so später Zeit, dafs man sie mit grofser
Vorsicht aufnehmen mufs, wenngleich sie im Zusammenhang mit den gleich-
zeitigen Säkularisationen anderer Klöster die Wahrscheinlichkeit für sich haben.
Bezüglich Niederaltaichs kennen wir ja seinen reichen Besitz in der Mark zur
Karolingerzeit, so dafs wir den Klagen Hermanns von Niederaltaich CM. G. SS.
XVII, 370), obwohl er erst im 13. Jahrhundert lebte, Glauben schenken können.
Fraglicher steht die Sache in betreff des Klosters Tegernsee, da wir keine ur-
kundlichen Beweise dafür besitzen, dafs es gleichfalls in der Mark begütert ge-
wesen ist. Doch werden solche sowohl in dem Verzeichnis der dem Kloster
angeblich entfremdeten Besitzungen (Mon. Boic. VI, 162 und Günthner,
Gesch. d. literar. Anstalten in Bayern I, 142), als auch in dem Gedichte des
Metellus von Tegernsee (Canisius, Antiquae lectiones I, app. 89), die jedoch aus
dem 11., bezw. 12. Jahrhundert stammen, erwähnt. Im ganzen soll der Besitz
des Klosters von 11 152 Hufen auf 114 reduziert worden sein, was wohl ziemlich
unglaublich klingt.
Die UngarnepisoJe und die Wiedererrichtung der Mark unter den Ottonen. 187
seine Vasallen verteilte, mochte er vielleicht hoffen, sie mehr für
die Abwehr der Feinde zu interessieren. Fast schien es, als sollte
da^ Mönchtum in Bayern ganz aussterben '); auf einer Synode in
Regensburg im Jahre 932 war nur ein einziger Vertreter der Klöster
und zwar der von Niederaltaich zugegen. Die Klosterannalen
nennen Arnulf den „Bösen" oder den „Unmenschlichen" ^).
Die übrige Geistlichkeit, insbesondere die Bischöfe, traten
zunächst für die bedrängten Klöster dadurch ein, dafs sie auf
einer Synode in Hohenaltheim im Jahre 916, die König Konrad
zustande gebracht hatte, und die in ungewöhnlich leidenschaftlicher
Weise gegen die Usurpatoren in den einzelnen Herzogtümern Stel-
lung nahm, auch alle Eingriffe in Kirchengut verdammte. Später
trugen allerdings einzelne Bistümer, vor allen anderen Passau,
nicht die geringste Scheu, sich die hilflose Lage der Klöster zu-
nutze zu machen und diese selbst mit allem Besitz in ihre Gewalt
zu bringen ^). So ging in dieser Periode Ki-emsmünster und St.
Florian in die Hände Passaus über, so hat sich vielleicht auch
Salzburg des alten Klosters Traunsee bemächtigt. Es darf übrigens
nicht wundernehmen, dafs die Folge aller dieser ungünstigen Ver-
hältnisse ein starker Niedergang der wirtschaftlichen Betriebe so-
wie des Handels war. Selbst in den grofsen Stiftern hören die
Aufzeichnungen über den Besitzstand zeitweise ganz auf
Was nun Herzog Arnulf und die gemeinsame Aktion des
Königs und der Kirche gegen ihn betrifft, so behauptete er sich
mit weit besserem Erfolg als die anderen Stammesherzöge. Zwar
im Jahre 914 wurde er in den Sturz der Brüder Erchanger und
Berchtold von Schwaben, seiner Oheime, verwickelt ^) und mufste
vor der Heeresmacht des siegreichen Königs die Flucht ergreifen —
1) So behauptet mit Übertreibung die Gründungsgeschiehte von Tegernsee
(Pez, Thes. III, 496).
2) De institutione monasterii Altahensis (Archiv f. Kunde österr. Geschichts-
quellen I, 14). Vgl. auch Ann. S. Rudberti Salisb. a. 937 (M. G. SS. IX, 771)
und namentlich die spätere Tradition.
3) Siehe Näheres bei Büdinger I, 244.
4) So ausdrücklich bezeugt in den Ann. S. Kudberti a. a. 0. und in Auct,
Garst, ebenda 565. Wenn Dümmler II, 594 die Flucht ins Jahr 916 setzt,
um sie mit dem Siege Konrads in Verbindung zu bringen , so ist das ganz will-
kürliche Kombination.
li>S ' Siebentes Kapitel.
es ist tur ihn und für die Sachlage bezeichnend, dafs er sich zu
den Magyaren wandte ') — , aber kaum war der König abgezogen,
so kehrte er nach etwa zweijähriger Abwesenheit wieder zurück
und hielt sich allen Angriffen zum Trotz, selbst als nochmals das
Waflfenglück für Konrad entschied. Dieser mufste aus dem Leben
scheiden, ohne dafs er seinen Widersacher bezwungen hatte, und
der Sachse Heinrich, der ihm im Jahre 919 in der Reichsregierung
folgte, fand es angezeigter, Arnulfs in seinem Volke festgewurzelte
Sonderstellung, die, wie sich gezeigt hatte, selbst bei den Reichs-
feinden einen Rückhalt finden konnte, stillschweigend zu dulden,
wenn er sie auch nicht offiziell anerkannte. Damit fuhren beide
am besten; Herzog Arnulf leistete dem Könige Kriegsdienste und
dieser liefs ihm dafür in den Bistümern freie Hand. So blieb die
Lage, solange Arnulf lebte. Unterdessen arbeitete König Heinrich
unablässig an der Stärkung des in Verfall geratenen Königtumes und
an der Hebung der Kräfte des Gesamtreiches nach aufsen und innen.
Im Jahre 933 fühlte er sich endlich stark genug, den Kreuz- und
Querzügen der Magyaren ein Ziel zu setzen. Die Schlacht bei Riade
an der Unstrut bedeutet einen entscheidenden Wendepunkt ^).
Vier Jahre später starb Arnulf von Bayern, und nun erachtete
König Otto L, der 936 seinem Vater auf dem deutschen Königs-
thron gefolgt war und den Reichsgedanken gegenüber den parti-
kularistischen Gelüsten noch höher hielt als Heinrich, die Zeit für
gekommen, mit den allzuweit gehenden Sonderrechten dieses Reichs-
teiles aufzuräumen. Dem Streben nach Ausbildung eines erblichen
Herzogtumes wurde ein Ende gemacht, indem der Sohn Arnulfs,
Eberhard, der sich selbst die Herzogsgewalt anmafste, mit den
Waffen aus dem Lande getrieben wurde, dagegen dem Stammes-
gefühl der Bayern zunächst dadurch Rechnung getragen, dafs die
Herzogswürde Arnulfs Bruder Bertold erhielt. Ein Jahrzehnt tat-
1) Yermutlich spiegelt sich dieses Ereignis in der Sage, dafs Dieterich,
der ja der eigentliche bayerische Nationalheld ist, zu König Etzel geflohen ist.
(Nagl-Zeidler, Deutsch- österr. Literaturgeschichte I, 83).
2) Ich brauche wohl nicht besonders hervorzuheben, dafs im allgemeinen
auch die gröfseren Werke zur deutscheu Eeichsgeschichte, wie Giesebrechtl^;
Waitz, Jahrbücher des deutschen Reiches unter Heinrich I. ; Diimmler,
Otto der Grofse, zu vergleichen sind.
Die Ungarnepisode und die Wiedererrichtung der Mark unter den Ottonen. 189
kräftiger Regierung Ottos I. genügte, um eine ganz neue Sachlage
im deutschen Reiche zu schaffen. In konsequenter Durchführung
seiner Königsidee besetzte er die Herzogtümer mit seinen Verwandten,
um dadurch eine neuerliche Zentralisation anzubahnen. So verlieh
er auch Bayern mit Kärnten nach dem Tode Bertolds im Jahre
947 seinem eigenen Bruder Heinrich, den er den Bayern dadurch
immerhin genehm zu machen suchte, dafs er ihn mit Arnulfs
Tochter Judith verheiratete.
Jetzt erst konnte man endlich auch an eine Offensive gegen
die Magyaren denken. Schon im Jahre 943 oder 944 hatte Herzog
Bertold bei Wels über sie einen Sieg erfochten. In den Jahren
948 und 949 wurde von Herzog Heinrich vermutlich noch auf
bayerischem Boden gegen sie mit wechselndem Glück gekämpft ').
Aber im Jahre 950 oder 951 konnte Herzog Heinrich endlich die
deutschen Waffen in Feindesland tragen ^) und die Ennsgrenze
durch Erneuerung der Befestigungen sichern ^). Wenige Jahre
später, nachdem die Magyaren, den Aufstand von Ottos I. Sohn
Liutpold und Konrad von Lothringen sich zunutze machend, noch-
mals einen grofsen Raubzug durch Süddeutschland, Frankreich
und Italien unternommen hatten, wurde am 9. August 955 durch
den glorreichen Sieg des Kaisers auf dem Lechfelde ihren Einfällen
für immer ein Ziel gesetzt. Wie gewaltig und nachhaltig die
Wirkung dieser Schlacht gewesen ist, kann man am besten daraus
1) Die örtlichkeiten sind entweder nicht genannt oder nicht zu bestimmen.
948 ad Vlozzen (so nacn V/aitz, Verfassungsgesch. VIII, 173, Anm. 4 statt
ad Norcum, wie der Druck der Ann. S. Eramerami in den M. G. SS. I, 94 fälsch-
lich hat), 949 ad Lova. Mit dieser Emendation ist auch der Vermutung Meil-
lers, dafs die beiden Orte das heutige Nöhring und Lovo im Ödenburger Komi-
tat sind, der Boden entzogen. Ich glaube überhaupt nicht, dafs Meiller darin
recht hat, die Kämpfe möglichst weit nach Ungarn zu verlegen. Die Ver-
hältnisse waren doch derart, dafs eher an Abwehrkämpfe, als an Offensive zu
denken ist.
2) „Ticinum transnatavit", wie Widukind II, 36 sagt, was aber doch
unmöglich die Theifs sein kann, die manche Historiker darunter verstanden haben,
vielleicht ist es irgendeine verballhornte Form für Traisen.
3) Herzog Heinrich tauschte von Bischof Adalbert von Passau das prae-
dium Anesaburch (Ennsburg) ein, wie aus der allerdings verfälschten Urkunde
vom 5. Oktober 977 hervorgeht (M. G. DD. II , 45). Ich vermute , aus strate-
gischen Gründen.
190 Siobcntcs Kapitel.
erkennen, dafs die Ma^^yareu nicht einmal die Grenze mehr zu
überschreiten wagten, obwohl Kaiser Otto durch andere Angelegen-
heiten seines ausgedehnten Reiches an einer weiteren Aktion gegen
sie verhindert wurde, und obwohl nach dem noch im selben Jahre
erfolgten Tode Herzog Heinrichs dessen vierjähriger Sohn Hein-
rich H. unter der Regentschalt seiner Mutter Judith das Herzog-
tum Bayern erhielt.
Wenn wir an diesem entscheidenden Wendepunkt nochmals
einen Rückblick auf das halbe Jahrhundert seit dem Aussterben
der Karolinger werfen, so bietet sich ein recht unerquickliches
Bild. Über wenige Perioden des Mittelalters besitzen wir dürftigere
Nachrichten : die Klöster , aus denen in diesen frühen Zeiten so
ziemlich ausschliefslich die Quellen unserer historischen Kenntnisse
fliefsen , waren zugrunde gegangen oder dem Ruine nahe ; selbst
in den Stiftern wurden damals die Traditionskodexe nicht mehr
regelmäfsig geführt. Es herrschte ein Niedergang auf allen Gebieten,
die Folge der unsicheren Zustände und der partikularistischen
Bestrebungen. Die äufserlichen Geschehnisse, die politischen Er-
eignisse und Konstellationen gewannen allein Geltung. Wie die
Verfassung des deutschen Reiches sich damals in Sondergebilden
auflöste, so ging auch die staatliche Verwaltungsorganisation während
dieser Zeit aus den Fugen, und in dieser negativen Gestaltung liegt
einzig und allein die Bedeutung der ersten Hallte des 10. Jahr-
hunderts für die weitere Entwickelung.
Die alte Gauverfassuug, so lange die feste Grundlage einer
geordneten Verwaltung, war in voller Auflösung. Bald war der
Gau nichts mehr als ein geographischer Begriff. Ihr Gebiet, früher
identisch mit der Grafschaft, zerfällt nun in mehrere Grafschaften,
deren ursprünglicher Amtscharakter sich völlig verliert. Der karo-
lingische Beamtenstaat, dessen Einrichtungen im ganzen 9. Jahrhundert
erhalten geblieben waren, war untergegangen, und nun schofs das
Lehnswesen, durch die Stammesherzöge, die sich in den Vasallen eine
Stütze schaffen mufsten, begünstigt, üppig in die Halme. Schon kam
. es auf, dafs nicht nur Güter und Einkünfte zu Lehen gegeben wurden,
sondern auch Gerechtsame, wie das früher mit dem Grafenamt
verbundene Richteramt. Gegenüber dem alten, aus wenigen Ge-
schlechtern bestehenden Adel der Volksrechte war nun ein neuer
Die Ungarnepisode und die Wiedererrichtung der Mark unter den Ottonen. 191
Adel, der Lehnsadel entstanden. Die Kluft zwischen den oberen und
unteren Ständen erweiterte sich im 10. Jahrhundert noch mehr,
indem die freien Bauern ganz verschwanden, die sich in der Not der
Zeiten gegen einen geringen Jahreszins (zumeist 5 Denare) als Zen-
sualen unter den Schutz der Grofsgrundbesitzer begaben und sich da-
durch von der Heerespflicht und den hohen Bufsgelderu beireiten.
Unter den dürftigen Nachrichten über das Land westlich der
Enns finden wir auch einen Grafen Meginhard 930 im Traungau
genannt ^), doch er hat nicht mehr den ganzen Gau in Besitz.
Von ihm stammen vielleicht die späteren Herren in dieser Gegend,
die Lambacher, ab. Im Jahre 940 erscheint im kleinen üfgau
ein Graf Marquard ^).
Nach der Lechfeldschlacht hat, wie oben erwähnt, die staat-
liche Gewalt, durch andere Interessen weit abgezogen, zunächst
nichts getan, um den Sieg gegen die Ungarn auszunutzen, dafür
wird man nicht fehlgehen, wenn man trotz des Mangels an Nach-
richten annimmt, dafs die Grofsgrundbesitzer, namentlich diejenigen,
die bereits irgendeinen Rechtstitel auf Gebiet jenseits der Enns
innehatten, den panischen Schrecken der Magyaren benutzten, um
die alten deutschen Niederlassungen, die nur zum Teile zerstört,
zum Teile aber blofs verfallen waren, aufs neue zu beleben, zu
bevölkern, zu kolonisieren. Passau dürfte sich beeilt haben, das
Erbe der Klöster, die es in der Zwischenzeit unter seine Botmäfsig-
keit zu bringen gewufst hatte, anzutreten; denn die umfassenden
Privilegien und Besitzbestätigungen, die zwei Jahrzehnte später
Bischof Pilgrim beim Kaiser durchsetzte, bezogen sich wohl auf
den Status quo. Salzburg, wo allerdings nach der regen Tätig-
keit und sorgfältigen Buchführung des Erzbischofs Odalbert (923 bis
935) die Traditionsaufzeichnungen wieder eingegangen waren, finden
wir im dauernden Besitz seiner zur Karolingerzeit erworbenen
Güter zu Arnsdorf, Hollenburg, Traismauer, wenn wir auch keine
ausdrücklichen Nachrichten über die Wiederaufnahme der koloni-
satorischen Tätigkeit erhalten.
1) Juvavia Anh. 142 mit der bezeichnenden Wendung: „in Traungave V
hobas . . . in comitatu Meginhardi", die die geographische Benennung von Megiu-
hards Grafschaft trennt.
2) ÜB. d. L. 0. d. E. II, 57. — M. G. DD. I, 119.
193 Sioboiites Kaintcl.
Schon Herzog Heinrich scheint seinen siegreichen Zug über
die Enns in Feindesland zur Veranlassung genommen zu haben,
die alte Markgratenwürde nominell wiederherzustellen und sich
selbst beizulegen ^). Nach seinem Tode wurde seinem Sohne „du-
catus et marca" übertragen ^).
Der erfreuliche Fortgang der Neukolonisierung , die auch
durch das Vasallitätsverhültnis , in das die Böhmenherzöge ge-
rieten, eine Sicherung im Rücken erhielt, bestimmte sodann Kaiser
Otto I. — vielleicht, als er im Jahre 960 das Weihnachtsfest in
Bayern feierte, — zum Schutze der Kolonien und zur Abwehr der
Magyaren über diese Gebiete sowie über die südlichen in Kärnten
wieder eigene Markgrafen einzusetzen, vermutlich zunächst nur
mit militärischer Funktion und mit nicht bestimmt abgegrenztem
Bezirk. An der Donau war es Burkhard, dem diese Würde über-
tragen wurde ^). Es ist vermutlich jener Burkhard, Burggraf von
Regensburg — die Grafen in Regensburg hatten, wenigstens in
älterer Zeit, wie wir sahen, die Aufsicht über den Donauhandel
nach dem Osten -— , der als ein besonders treuer Freund Herzog
Heinrichs I. gerühmt wird, dessen Schwester Judith zur Frau hatte
und auch bei König Otto I. und IL in Ansehen stand *). Wir
wissen von seiner Tätigkeit als Markgraf fast nichts, aber wer
könnte sagen, in wieviel kleinen Kämpfen die neuen Ansiedelungen
verteidigt werden mufsten, von denen uns keine Chronik Kunde
gibt, welcher beharrlichen Energie es bedurfte, um in dem durch
ein halbes Jahrhundert verwahrlosten und verwilderten Land wieder
neues Leben zu erwecken!
Jedenfalls scheinen die Magyaren, nachdem die erste Nachwirkung
1) Ruotgeri vita Brunonis 17 (M. G. SS. IV, 254).
2) Contin. Reginonis a. 955 (M. G. SS. I, 614).
3) A.n zwei Stellen als Markgraf urkundlich genannt. Die eine (Mon. Boic.
XXV] IIb, 209) versetzt ihn im allgemeinen in die Regierungszeit Bischofs Adal-
berts von Passau (945—971), die andere ist genau datiert mit 972 (Mon. Boic.
XXVnia, 192).
4) So nach Meillers ansprechender Hypothese (a. a. 0. 11). Die Be-
legstellen sind besonders Widukind (M. G. SS. III, 448), dann Gerhard von
Augsburg (a. a. 0. IV, 415), sowie Arnold und Othlo von Regensburg (a. a. 0.
IV, 553, 531). Auch Riezler I, 356 kommt auf dieselbe Vermutung, ohne,
wie es scheint, Meillers Ausführungen zu kennen.
Die Ungarnepisode und die Wiedererrichtung der Mark unter den Ottonen. 193
der Lechfeldschlacht vorüberwar, wenn sie sich auch nicht mehr
zu einem gröfseren Angriffskriege aufzuraffen vermochten, desto
hartnäckiger in der Verteidigung und in Überfallen auf schutzloses
Eigen gewesen zu sein ^). Bis zum Jahre 972 war es Burkhard
gelungen, sein Verwaltungsgebiet längs der Donau über die Wachau
hinaus und im Südosten bis St. Polten auszudehnen ^). Um diese
Zeit scheint sogar eine gewisse Waffenruhe eingetreten zu sein,
weil damals der heilige Wolfgang eine Missionsreise zu den Ungarn
unternehmen konnte.
Diese Epoche des Grenzlandes im Osten des deutschen Reiches,
die in Dunkel gehüllt ist, da sie die Annalistik gar nicht beachtete,
und die doch erfüllt war von den Heldentaten der Pioniere der
deutschen Kultur im Kampfe mit den gefürchteten Barbaren und
in der harten Arbeit des Kolonisten, war so recht geeignet, das
Zeitalter der nationalen Sagenbildung zu werden.
Ein höchst merkwürdiger Mann voll weitausschauender Pro-
jekte und ausschweifender Phantasie, selbst eine Art dichterisches
Genie, den das Schicksal zum Bischof gemacht hatte, Pilgrim von
Passau, gab die Anregung und den Auftrag — wie es heifst, dem
Kleriker Konrad — zur Gestaltung und lateinischen Niederschrift
jener grofsartigen Umformung der germanischen Sagen, aus der
später das Nibelungenlied entstand ^). Wir haben ja selbst ge-
1) Möglich, dafs die Schlappe, die nach Thietmar 752 Bischof Michael
von Eegensburg gegen die Ungarn erlitt und der er selbst nur mühsam entrann,
in die Zeit nach der Lechfeldschlacht und in unsere Gegenden gehört, wie Bü-
dinger und Kiez 1er (gegen Dum ml er) annehmen.
2) So nach den beiden oben zitierten Urkunden. Dafs das Nibelungenlied
in seinen nur sehr beiläufigen Angaben zur Bestimmung der Grenze kaum heran-
gezogen werden kann, wie Zarncke, Beiträge zur Geschichte und Erklärung
des Nibelungenliedes (Berichte über die Verhandlungen der kgl. sächs. Gesellsch.
d. Wissensch. phil.-hist. Kl. VIII, 168 f., 1856) nachweisen will, hat Hasen-
öhrl a. a. 0. 453 bereits betont. Da St. Polten in Burkhards Besitz erscheint,
so wäre es immerhin möglich, dafs die Traisengrenze erreicht war, wie gleichfalls
Hasenöhrl annimmt.
3) Dumm 1er, Pilgrim von Passau S. 85ff. ; Za'rncke a. a. 0. 168 f.;
Wattenbach, Deutschlands Geschichtsquellen 375 und Nagl- Zeidler,
Deutsch-österreichische Literaturgeschichte 75 f. , mit deren weitgehenden An-
nahmen ich mich jedoch nicht ganz befreunden kann. Siehe jetzt John, Das
lateinische Nibelungenlied (Jahresb. d. grofsherzogl. GjTun. z. Wertheim 1898/99).
Vancsa, Geschichte Nieder- u. Oberösterreichs. 13
194 Siebentes Kapitel.
sehen, wie sich im Donaulande gewisse gescluchtliche Vorgänge
wiederholten, was lag näher, als jene Sagen, die an die Ereignisse
im Zeitalter der Völkerwanderung anknüpften, und die die Bayern
einst von den Goten übernommen hatten ^) — die Sagen vom
Hunnenköuig Etzel (Attila), von Dietrich von Bern (Theoderich)
und all den Völkerkämpten vom Rhein bis zur unteren Donau — ,
nunmehr mit der lebendigen Gegenwart, die so viele Analogien
bot, mit dem mutigen Vordringen der Deutschen längs der Donau
gegen Osten und den hartnäckigen Kämpfen gegen die den Hunnen
stamm- und charakterverwandten Magyaren zu verbinden! So
linden wir denn eine Markgrafschaft östlich der Enns, so reicht
deren Grenze bis zur Traisen, wie die Grenze, die Burkhard im
Jahre 972 gesichert hatte, so werden die hervorragenden Orte der
neuen Mark genannt, so wird endlich auch Markgraf Burkhard
selbst als Markgraf Rüdeger von Pechlarn eingeführt und gefeiert :
es ist im höchsten Grade wahrscheinlich, dafs er als früherer
Burggraf von Regensburg Pechlarn, das zum Besitz der Regens-
burger Kirche gehörte , zu seinem Sitz erwählt hat -). Welchen
1) Nagl-Zeidler a. a. 0. 69. Über die sagenhafte gotische Tradition
in Österreich vgl. Matthäi in Zeitschr. f. d. Altertum XLIII, 315.
2) Seit Müllen ho ff (Zeitschr. f. deutsches Altertum X, 162; III, 237;
vgl. auch Lachmann, Kritik 338) hatte man sich gewöhnt, die Gestalten der
Heldensage, also auch Eüdeger rein mythisch zu erklären. Siehe auch Muth,
Sitzungsberichte der W. Akademie LXXXV, 265; von Historikern vgl. noch Lorenz,
Österreichische Sagen geschieh te vom 12. — 14. Jahrhundert in: Drei Bücher Ge-
schi(!hte und Pohtik (2 Aufl., Berlin 1879); Heller in: Blätter des Vereines für
Landeskunde VII, 151, 1873. Demgegenüber greifen Meiller a. a. 0. und Nagl-
Zeidler in jüngster Zeit- wieder auf die frühere historische Auffassung zurück, und
diese gehen sogar so weit, nach den Angaben des erfindungsreichen Aventin und
des Auct. Cremifan. aus dem Endedes 13. Jahrhunderts (also aus einer Zeit, da
das Nibelungenlied bereits allgemeine Verbreitung gefunden hatte) das Jahr 920
als Todesjahr Rüdegers anzunehmen. Das sind vage Vermutungen, die durch
keine historische Nachricht zu stützen sind. Im Gegenteil scheint der Gang
der Entwickelung folgender zu sein : Auflassung der Mark zur Zeit der gröfsten
Ungarnnot, Annahme des Markgrafen titeis durch die Herzöge von Bayern nach
dem ersten siegreichen Kriegszug in Feindesland, und endlich Bestellung eines
neuen eigenen Mark<jrafen nach der Wiederaufnahme der Kolonisation östlich der
Enns. Ich bin der Ansicht, dafs die Hofliteraten des Bischofs Pilgrim, die
in seinem Auftrag und nach seinen Angaben den alten Sagenstoff in tenden-
ziöser Weise modernisierten , ebenso wie sie alle Verhältnisse der jüngsten Ver-
Die Ungarnepisode und die "Wiedererrichtung der Mark unter den Ottonen. 195
Apparat Bischof Pilgrim weiter in Szene setzte, um die Ansprüche
der Passauer Kirche so hoch als möghch zu spannen und zur
Anerkennung zu bringen, werden wir noch sehen.
Was Markgraf Burkhard betrifft, so vermochte er sein hoff-
nungsvoll begonnenes Werk nicht zu Ende zu führen, denn aller
Wahrscheinlichkeit nach wurde er in die Anschläge verwickelt,
die Herzog Heinrich H. von Bayern, der Zänker, der auch im
Nibelungenliede bezeichnenderweise unter dem gleichbedeutenden
Namen Gelpfart eine wenig sympathische Rolle spielt, gegen seinen
kaiserlichen Vetter Otto H. bald nach dessen Regierungsantritt
unternahm ^). An der Isar und an der Ostgrenze an der Donau —
also in Burkhards Markgrafschaft — wurde im Jahre 974 in
blutigen Kämpfen um die deutsche Kaiserkrone gerungen. Otto II.
bheb Sieger und setzte, wenn auch nur vorübergehend, im Jahre
976 Heinrich IL als Herzog von Bayern ab ^).
Es ist nun doch wohl kein blofser Zufall, wenn gleichzeitig
in der östhchen Mark Liutpold, bisher Graf im Donaugau ^), als
gangenheit zur Milieuschilderung verwendeten , so auch einfach die Figur des
Markgrafen Burkhard, der ja auch wahrscheinlich wirklich zu Pechlarn seinen
Sitz gehabt hat, verwendeten. Sie konnten dies wohl um so ungezwungener tun,
als einerseits die Kämpfe und Gefahren, umkleidet mit dem alten Huimenschrecken,
gewifs die Phantasie der Bewohner des bayerischen Mutterlandes vielfach be-
schäftigten, andrerseits aber in ihren Einzelheiten wenig bekannt geworden sein
dürften. So wurde die alte Sagenfigur des Herulerkönigs Eodulf nach dem Vor-
bilde Burkhards zu einem Markgrafen Eudiger umgestaltet (vgl. Matthäi
in Zeitschr. f. deutsches Altertum XLIII, 305, 1899). Dafs nicht auch der Name
des Markgrafen Burkhard ohne weiteres übernommen wurde, ist begreiflich; so
weit mufste doch wohl das Historische, damals noch allgemein Bekannte ins
Sagenhafte gerückt werden. So wird ja auch z. B. Herzog Heinrich II. von Bayern
im Nibelungenlied unter dem Namen Gelpfrat (Zänker) eingeführt (John, Das
lateinische Nibelungenlied). Übrigens wollte Pilgrim auch noch die Fiktion her-
vorrufen, als stamme er von den Markgrafen in Pechlarn ab; da konnte er nicht
direkt Burkhard nennen, der vielleicht obendrein noch kaiserfeindlich war.
1) Dies nehmen an Wittmann, Die Burggrafen von 'Regen sburg (Äbh. d.
hißt. Kl. d. Münchener Akad. VII, 370, 1855), Huber I, 139 und Juritsch,
S. 12. Dagegen Uhlirz, Jahrbücher d. deutschen Eoiches I, 78, Anm, 17. —
Ein bestimmter Beweis läfst sich weder für das eine, noch das andere erbringen.
2) Ann. Juvav. maior. M. G. SS. I, 88.
3) Bis zum Erscheinen des Babenberger Urkundenbuches bilden Meillers
Babenberger Eegesten die Hauptgrundlage für die Darstellung der Geschichte des
13*
196 Siebentes Kapitel.
Markgr<af auftaucht *). Die Familie ist nicht weiter zu verfolgen.
Die Behauptung, dafs Liutpold ein Nachkomme Adalberts von
Bamberg gewesen sei, der unter Ludwig dem Kind wegen Hoch-
verrates geköpft wurde, hat der Familienhistoriker des Geschlechtes,
Otto von Freising, in die Welt gesetzt. Der Zusammenhang läfst sich
nicht beweisen, und so scheinen seine Angaben eine der behebten
Ahnenkoustruktionen zu sein. Doch bei dem bisherigen Stand unserer
Kenntnisse lassen sich kaum mehr als V/ermutungen aussprechen ^).
folgenden Zeitraumes (Siehe Einleitung S. 10). Nachträge dazu von Wen-
drinskv (Bl. d. Ver. f. Landesk. XIII, 103 f., 336 f., 1879). Eine zusammen-
fassende Darstellung bietet Juritsch, Geschichte der Babenberger und ihrer
Länder (Innsbruck 1894) (vgl. Einleitung S. 18). — Für das zunächst Folgende
vgl. jetzt Uhlirz, Jahrbücher d. deutschen Reiches unter Otto IL und Otto III.
1. Bd. (Leipzig 1902). Ganz wertlos ist Josef Mayr, Die Veranlassung zur
Gründung der Babenbergischen Ostmark. Ihre Stellung zum deutschen Reiche
(XX. Progr. d. k. k. Staatsgymn. in Salzburg 1870).
1) Zum ersten Male als Markgraf in der Urkunde Ottos IL für das Kloster
Metten vom 21. Juli 976 (M. G. DD. II, 149).
2) An Otto von Ffeising schlössen sich von den neueren Historikern an
Giesebrecht, Jahrb. Ottos IL, 137; Büdinger-, 271; Hirsch, Jahrb.
Heinrichs!., I. Bd. 16; üümmler, Jahrb. des ostfränk. Reiches III, 542,
sowie die Spezialuntersuchung von Ambros. Heller, Die Herkunft der Baben-
berger (Bl. d. Ver. f. Landesk. X, 19, 143, 297, 1876; XI, 1, 81, 1877). Da-
gegen nur Lorenz in der Zeitschr. f. österr. Gymn. VIII, 3. u. 4. H. — Einen
Versuch, das Geschlecht für Bayern zu reklamieren, machte schon Aventin. Er
gab den Anstofs zu einer wunderlichen, ganz unbegründeten Phantasie von
Schmitz, Österreichs Scheyern - Witteisbacher oder die Dynastie der Baben-
berger (München 1880), die Witteisbacher und Babenberger identifizierte. Selt-
samerweise hat sie S e p p (Augsburger Postzeitung 1894, Beil. 22) mit souveräner
Ignorierung der Widerlegung Hubers abermals aufgewärmt. Auch Riezler I,
360 spricht sich für die bayerische Herkunft aus, weil Liutpold und Bertold als
Zeugen nach bayerischem Volksrecht an den Ohren gezogen wurden. Gegen
Schmitz, wie auch gegen Riezler hat sich, abgesehen von Giesebrecht
15, XXIV, insbesondere Hub er. Zur Herkunft der Markgrafen von Österreich
(Mitt. d. Inst. f. österr. Geschichtsf. II, 374) in überzeugender Weise gewendet.
Er selbst glaubt die ursprüngliche Heimat des Geschlechtes in Schwaben suchen
zu sollen, gestützt auf eine Urkunde von 1156 V. 4. (Meiller, Reg. 222, Nr.
197), wonach Julita, Tochter Leopolds IH. von Österreich und Gemahlin des
Markgrafen Wilhelm von Montferrat, erklärt, nach der Lex Alemannorum zu
leben. Im übrigen nimmt er doch Einwanderung in Franken an und pflichtet
im wesentlichen Stein bei, der die Frage in besonders gründlicher Weise unter-
sucht hat (Forschungen z. deutschen Gesch. XH, 115, 1872 und XXIV, 136,
Die Ungarnepisode und die Wiedererrichtung der Mark unter den Ottonen. 197
Soviel steht fest, dafs das Geschlecht zur Zeit, als es ans Licht
tritt, ausgedehnte Besitzungen im östlichen Franken innegehabt hat,
und dafs die Brüder Liutpold und Bertold in hervorragenderweise
die Gnade des Kaisers genossen. Jener war, wie schon erwähnt,
Graf im Donaugau, dieser im Nordgau. Die Demütigung des
Bayernherzogs brachte ihnen neue Ehren. Das bayerische Herzog-
tum erlitt dagegen aufserordentliche Einbufsen. So, wie Kärnten
und die Mark Verona davon abgetrennt und als Herzogtum dem
Sohne des früheren Bayernherzogs Bertold, Heinrich, übertragen
wurden, so erhielt jetzt auch Graf Bertold im Nordgau die Mark-
grafschaft gegen Böhmen und Graf Liutpold im Donaugau die
Markgrafschaft im Osten gegen die Ungarn. So ist denn die
Ausgestaltung dieser Mark nicht so sehr als Verwaltungsorgani-
sation wie zur Zeit der Karolinger aufzufassen, als vielmehr als
politische Mafsregel, um das bayerische Herzogtum zu schwächen.
Möglicherweise mufste Liutpold seine Mark erst mit be-
waffneter Faust der bayerischen Partei und dem Anhang des Mark-
grafen Burkhard entreifsen ^).
1884) und die österreichischen Markgrafen zwar nicht von den Babenbergern,
aber von einem anderen ostfränkischen, um Schweinfurt reich begüterten Geschlecht
abstammen läfst. Diese Hypothese erfreute sich seitdem bei den Historikern all-
gemeiner Zustimmung. Juritsch, der eigentlich verpflichtet gewesen wäre, die
Frage zu revidieren, begnügte sich (S. 12) damit, in dürftiger Kürze und geringer
Klarheit die Steinsche Hypothese zu wiederholen. In jüngster Zeit hat dagegen
Uhlirz, Untersuchungen zur Geschichte König Ottos H. (VI. Erg.-Bd. Mitt.
d. Inst. f. österr. Gesch. 57) diese Ansicht kritisch beleuchtet und deren geringe
Stichhaltigkeit nachgewiesen (nochmals speziell gegen Sepp in den Jahrb. d.
deutschen Keiches I, 228, Exk. III). Auch der Professio iuris der Julita kann
nach den neueren Anschauungen der Eechtshistoriker (siehe ebenfalls Uhlirz
S. 68) kein besonderes Gewicht beigelegt werden. Ganz richtig bemerkt Uhlirz
(S. 58, Anm. 1), dafs, wenn überhaupt, höchstens noch von einer systematischen
Durcharbeitung der bayerischen und fränkischen Traditionsbücher und Privat-
urkunden neue Aufschlüsse erwartet werden könnten. Vielleicht führt auch eine
heraldische Untersuchung in der Art, wie sie beispielsweise von Siegenfeld für das
Landeswappen von Steiermark mit so überraschendem Erfolge angestellt wurde,
zu Ergebnissen.
1) Meiller in der oft zitierten Abhandlung scheint mir trotz Lorenz'
Widerspruch (siehe oben) den Beweis erbracht zu haben, dafs die Stelle bei
Konrad von Wizzenberg, die von der Eroberung der Feste Melk, die sich in den
Händen Gisos befunden habe, durch Markgraf Liutpold berichtet, erst seit Eben-
198 • Siebentes Kapitel.
Der bayerische Autstand scheint den Ung<arn Mut zu neuen
Einfällen in die Mark gegeben zu haben, denn bis in die Zeiten
Ottos III. wiederholen sich die Klagen über ihre verheerenden
Moidbrennereien \), und Bischof Woli'gang von Regensburg raufs
vom Kaiser die Erlaubnis erbitten, an dem Zusamraenflufs der
kleinen und grofsen Erlaf eine Burg, namens Wieselburg, zum
Schutze seiner Kolonisten zu Steinakirchen an der kleinen Erlaf
erbauen zu dürfen 2). Auch andere befestigte Plätze dürften damals
dorfer, der die späteren Historiker bis auf den heutigen Tag irreführte, dahin
gedeutet worden ist, Melk sei eine Festung der Ungarn gewesen und Giso wäre iden-
tisch mit dem Herzog Geisa, während die Stelle in Wahrheit gar nicht von den
Ungarn spricht und Giso nur einen homo potentissimus nennt. Dagegen scheint
es mir nicht konsequent zu sein, wenn Meiller vermutet, Giso sei ein Vor-
nehmer in Rheinfranken, der bald nach dem Auftreten Liutpolds in der Ost-
mark vom Kaiser in Franken reich beschenkt wird, woraus Meiller weiter schliefst,
er sei vielleicht vom Kaiser nach dem Sturze Burkhards zum Markgrafen ein-
gesetzt gewesen und hätte dann Liutpold weichen müssen , wofür er durch jene
Schenkungen entschädigt worden wäre. Das heifst doch zuviele Unwahrschein-
licbkeiten häufen. Logischer ist die Annalime, Giso sei ein Anhänger Burk-
hards gewesen und habe Hutpold in Melk Widerstand geleistet. Dafs Liutpold
erst den Anhang der bayerischen Partei besiegen mufste, ist ja auch nach der
oben zitierten Stelle der Ann. Juvav. maior. , die ausdrücklich von Kämpfen im
Osten spricht, ziemlich sicher. — Die Bezeichnung Melks als Eisenburg ist eine
Erfindung Ebendorfers, wahrscheinlich in mifs verständlicher Auffassung der Stelle
des Breve Ghronicon. Dafs Melk eine ungarische Festung gewesen wäre, ist gänz-
lich ausgeschlossen, besonders zur Zeit Liutpolds, nachdem doch schon Burkhards
Mark bis zur Wachau und an die Traisen gereicht hat. Siehe jetzt insbesondere
Uhlirz in den Jahrbüchern des deutschen Reiches S. 237 (Exkurs V), der sich
mit einigen Modifikationen an Lorenz anschliefst. Aufserdem vgl. darüber und
über die Uugarnkämpfe noch Keiblinger, Geschichte des Benediktinerstiftes
Melk I. Band (Wien 1851), die auch für die allgemeine Geschichte der Mark
viel Treffliches bietet, und Heller, Melk und die Mark der Babenberger in
ihrer Gründung und ursprünglichen Abgrenzung (XX. Jahresber. d. Gymn. in
Melk 1870), der jedoch nur geringe Kritik an den Quellen übt.
1) So nach den Klagen Pilgrims von Passau in der Urkunde Ottos HL
vom 30. September 985 (M. G. DD. II, 419), worin der Kaiser ausdrücklich
betont, dafs die Ereignisse in die Zeit seiner Regierung fielen. Über frühere
gelegentliche Einfälle in das neue Markgebiet vgl. Wilmans, Jahrbuch des
deutschen Reiches unter Otto HL, IIb, 17.
2) Urkunde vom 14. Oktober 979 (M. G. DD. II, 231). Dafs jedoch dieses
Datum einem früheren Aktum (etwa 976) entspricht, darauf hat Ficker, Bei-
träge zur Urkundenlehre I, 197; H, 124, 458 hingewiesen.
Die Ungaruepisode und die Wiedererrichtung der Mark unter den Ottonen. 199
gegründet worden sein, so vielleicht die Ipsburg der Grafen von
Sempt- Ebersberg, etwas später die Traisenburg.
Doch war Markgraf Liutpolds Wirksamkeit von Erfolg ge-
krönt; er setzte diesen regellosen Raubeinfällen ein Ziel und dehnte
die Grenze der Mark bis zum Wiener Walde aus, ja scheint auch
im Norden der Donau vermutKch die dem entsprechende Kamp-
grenze erreicht zu haben ^).
Von der allergröfsten Bedeutung für die gedeihliche Entwicke-
lung der neugegründeten Mark wurde es, dafs im Jahre 994, als
Liutpold an den Folgen der Verwundung durch einen Pfeilschufs,
den ein Meuchelmörder seinem Neffen Heinrich zugedacht hatte,
starb, die Markgrafschaft an seinen ältesten Sohn Heinrich als
Lehen überging, obwohl damals die Erblichkeit der Lehen noch
nicht üblich war, und dafs sie auch fernerhin bei seiner Familie
verblieb. Seit dem Jahre 996 hat die Mark auch einen fest-
stehenden Namen : Ostarrichi, Osterreich ^).
Nicht minder von Bedeutung wurde es, dafs auch in kirch-
licher Beziehung gleich von Anfang an eine nahezu völlig einheit-
liche Ausgestaltung erfolgte. Dies war dem Einflüsse der gewaltigen
Persönlichkeit Pilgrims von Passau zu danken. Dafs er in den
Mitteln, um seinem Bistum eine mächtige und herrschende Stellung
zu verschaffen, nicht immer wählerisch war, dürfen wir nicht nach
unseren sittlichen Anschauungen beurteilen. Vielleicht mehr noch
als in jenen späteren Jahrhunderten, da es Leitspruch wurde, heiligte
damals der Zweck die Mittel. Noch waltete im Zeitalter der Koloni-
sation und Mission das Recht des Stärkeren, und war es nicht
die Stärke der Faust, so war es die des Geistes, welche entschied. Die
Gelegenheit war aufserordentlich günstig: ein schlechter Diener seiner
1) Urkunde von ca. 987: „usque in cacuruen montis Comageni" und „ultra
Danubium usque ad Marevinos termiuos" (Urkundenbuch von Niederösterreich I, 4).
Dafs die Wiener Waldgrenze erreicht war, geht auch aus den noch näher zu
besprechenden Bestimmungen über das Passauer Gebiet hervor. Mon. Boic.
XXVnib, 243.
2) Font. rer. Austr. 2. Abt. XXXI, 51. Dafs die allgemeinen Ausdrücke
wie Orientalis regio, provincia, plaga etc. nicht mehr wie zur Karolingerzeit
die östliche Mark an der Donau, sondern überhaupt Land im Osten, also auch
im Südosten, in der Kärntnermark, bedeuten können, hat Hasenöhrl a. a. 0.
442 nachgewiesen.
300 Siebentes Kapitel.
Kirche, der sie nicht nach besten Kräften nützte. Sollte Passaii
wieder wie vor hundertundfünfzig Jahren dabei den kürzeren ziehen,
sollte es wieder gerade der es am nächsten berührenden Macht- und
Interessensphäre verlustig gehen? Pilgrim erfafste seine Aufgabe und
die Gunst des Augenblickes in bewunderungswürdiger Weise, klein-
liche Gewissensskrupel hegen, hiefs da seine höhere Pflicht versäumen.
So wagte Pilgrim das hohe Spiel und gewann es nahezu auf der
ganzen Linie. Seinem Bistum sicherte er dadurch eine hervorragende
Stellung, die es bis in die neuere Zeit behielt. Es ist ein ungemein
eigenartiger Apparat, den Pilgrim für seine Zwecke in Bewegung
setzte, um die beiden höchsten und ausschlaggebenden Faktoren,
den Papst und den Kaiser, zu gewinnen. Urkundenfälschungen
wurden ja auch anderwärts mehr oder minder sinnreich betrieben,
um gewisse Rechtstitel schriftlich nachzuweisen , aber selten ist
wohl in so genialer Weise unsichere historische Überlieferung und
nationale Sage im Dienste einer bestimmten Tendenz verwendet
worden. Die aus römisch- christlicher Zeit herüberklingende Nach-
richt von dem nur kurze Zeit blühenden Bistume in Laureacura,
dem späteren Lorch, von einer Überführung der Bevölkerung aus
Passau nach Laureacum, was leicht verdreht werden konnte, hatte
schon vordem in Passau die Fiktion entstehen lassen, dafs das
Bistum nur die Fortsetzung des Lorcher sei. Bereits im Jahre 948
nannte sich Pilgrims Vorgänger Adalbert, der in manchen Dingen
auch der Vorläufer seiner Bestrebungen war, auf dem Konzil von
Ingelheim Bischof von Lorch. Jetzt wurden dafür die entsprechenden
Belege erfunden und davon nicht nur der Anspruch auf umfäng-
liche Besitzungen, wie wir noch später sehen werden, sondern auch
auf die Diözesangewalt im alten Noricum und Pannonien abgeleitet.
Auf diese gründete sodann Bischof Pilgrim seinen weit ausschauen-
den Plan der Christianisierung der Ungarn.
Er bot alle Mittel auf, um nach dieser Richtung sich die Vor-
hand zu wahren und gesicherte Tatsachen zu schaffen. Im Jahre
972 begann der heilige Wolfgang aus Schwaben eine missionarische
Tätigkeit bei den Magyaren, aber schon nach wenigen Monaten
bereitete ihr Pilgrim auf ebenso kluge als entschiedene Art ein Ende.
Er zitierte Wolfgang zunächst nach Passau unter dem formellen
Vorwand, erst seine Befähigung zum Glaubensboten prüfen zu
Die Ungarnepisode und die Wiedererrichtung der Mark unter den Ottonen. 301
müssen, und als eben das Bistum Regensburg erledigt wurde, setzte
er seine Wahl zum Bischof daselbst durch. Einem einfachen Geist-
lichen vermochte man ja leicht beizukommen. Schwerer war der
Kampf mit Salzburg, dem in Wirklichkeit das alleinige kirchliche
Oberhoheitsrecht in den ehedem norischen und pannonischen Ge-
bieten zustand und dem der Bischof von Passau als Suffragan
untergeordnet war. Hier mufste bis zur obersten Instanz, bis zum
heihgen Vater in Rom, gegangen werden. Bischof Pilgrim sandte
also zunächst einen den Tatsachen keineswegs entsprechenden, aufser-
ordentlich günstig gefärbten Bericht über den Fortgang der Heiden-
bekehrung unter den Ungarn — es ist darin von 5000 Getauften
die Rede, abgesehen von den vielen kriegsgefangenen Christen, und
von den friedlichsten Beziehungen zwischen Deutschen und Un-
garn — an Papst Benedikt VH. ^), und schliefslich wagte er es
sogar, diesem den Entwurf einer Bulle zu unterbreiten, durch die
unter Anerkennung der historischen Fiktion von einem Zusammen-
hang zwischen Lorch und Passau dieses Bistum jedem Einflüsse
Salzburgs entrückt und zum Erzbistume mit der Diözesangewalt
über Unterpannonien, Awarien und Mähren erhoben werden sollte ^).
Dieser kühne Anschlag und somit die angestrebte Krönung des
kunstreich aufgeführten Gebäudes scheiterte jedoch an dem W^ider-
stand der Kurie, die die Fälschungen durchschaute und verwarf;
Papst Benedikt VH. erliefs vielmehr an den Erzbischof von Salz-
burg und seine Suffragane eine Bulle, worin er mit scharfer Zu-
rückweisung der passauischen Ansprüche Salzburg als Metropole
Noricums und Pannoniens neuerdings bestätigte ^).
1) Ludwig, SS. rer. Germanicarum II, 365. — Dafs die Angaben dieses
Schreibens den Tatsachen nicht entsprachen, geht aus dem Umstände hervor,
dafs noch im Jahre 983 der heilige Adalbert von Prag, als er die Ungarn
bekehren wollte, nur sehr bescheidene Erfolge zu erzielen vermochte (Vita Adal-
berti von Bruno, c. 16 und 23). Vgl. auch Dümmler, Pilgrim S. 40.
2) Über die Art und Weise dieser Fälschungen gibt gründlichen Aufschlufs
die diplomatisch - paläographische Untersuchung von Uhlirz, Die Urkunden-
fälschungen zu Passau im 10. Jahrhundert (Mitt. d. Inst. f. österr. Gesch. III,
177, 1882), wo auch die Literatur für und wider die Annahme Pilgrims als
Fälscher angeführt ist.
3) Spätere Passauer und von Passau beeinflufste Quellen lassen es sich
nicht nehmen , Pilgrim als Erzbischof zu bezeichnen , so die Series episcoporum
Patav. M. G. SS. XV, 1310 und die Ann. Cremif. SS. IX, 452.
303 Siebentes Kapitel.
Blieb nun zwar der letzte und höchste Wunsch Pilgrims un-
erlüllt, so hatte er sich doch bereits eine so feste Stellung in dem
wiedereroberten Markgebiete geschaffen, dafs er hier nahezu un-
umschränkte kirchliche Gewalt ausübte und ihrer formellen An-
erkennung fast entraten konnte. Auch war es doch seiner Wirk-
samkeit zuzuschreiben, wenn der Ungarnkönig Geisa und seine
Gemahlin Sarolta das Christentum annahmen , und wenn es dann
später ihr Sohn Stephan zur offiziellen Religion erhob und auf
dessen Grundlage erst einen ungarischen Staat aufbaute. Dies
war der ideale Erfolg von Pilgrims Tätigkeit, obwohl mit der
Begründung einer selbständigen ungarischen Kirchenprovinz diese
Gebiete tatsächlich ebenso dauernd verloren gingen, wie die sla-
wischen durch die Gründung des Bistums Prag.
Allerdings trug zu den Erfolgen Pilgrims wesentlich der Um-
stand bei, dafs es ihm gelang, wenigstens den zweiten Machtfaktor,
den Kaiser, für sich zu gewinnen. Der Bischof verfolgte stets
eine zielbewufste, kaisertreue Politik und scheute sich nicht, selbst
auf eigene Gefahr hin,>sich in ausgesprochenen Gegensatz zu Bayern
zu setzen. Im Jahre 977 bestand er die Feuerprobe, als Herzog
Heinrich von Kärnten mit Heeresmacht Passau einnahm und zer-
störte und sich mit dem geächteten Heinrich dem Zänker von
Bayern, den ein neuerlicher bayerischer Aufstand wieder als Herzog
herstellen wollte, vereinigte. Auch diesmal vermochte Kaiser
Otto n., der fern in Böhmen geweilt hatte, der Empörung Herr
zu werden, und seit dieser Zeit stand Bischof Pilgrim, der be-
rechtigten Anspruch auf Entschädigung hatte, in höchster Gunst.
Dem Kaiser konnte es im Grunde genommen nur erwünscht sein,
in den umfassenden Urkundenfälschungen Passaus Vorlagen fiir
seine Gnadenbeweise zu haben. Er erfüllte unbedenklich Pilgrims
Wünsche. Wie auf diese Weise Passau schon vorher die Klöster
Kremsmünster, St. Florian und St. Pölten mit allen ihren Rechten
und Besitzungen gewonnen hatte, so erhielt es jetzt ausgedehnte
Güter im Traungau und in der Mark bis zum Wiener Wald,
worauf wir noch in anderem Zusammenhang zurückkommen werden.
Zur Popularisierung dieser ganzen Politik sollten die nationalen
Sagen von den Kämpfen der Burgunden mit den Hunnen, die
Bischof Pilgrim von seinen findigen Schreibern in lateinischer
Die Ungarnepisode und die Wiedererrichtung der Mark unter den Ottonen. 303
Sprache aufzeichnen liefs, und die später in deutschem Gewände
als NibelungenHed ihre Wiedergeburt feierten, beitragen. Hier
tritt Pilgrim selbst als mächtiger Kirchenfiirst in der Donaugegend
auf, als Verwandter des Markgrafen Rüdeger von Pechlarn einer-
seits, als Bruder der rheinischen Königin andrerseits; Orte des
passauischen Besitzes geben vielfach den Schauplatz ab ; die Bayern
erscheinen als Raubgesellen, Herzog Heinrich der Zänker wird als
Gelpfart in schlechtes Licht gerückt. Bischof Pilgrim setzte den
sinnreichen Apparat nicht erfolglos in Bewegung. Auf drei grofsen
Synoden, die er abhielt, zog er aus dem gewonnenen Ansehen die
praktischen Vorteile. Zu Lorch und zu Mautern bezeugten die
versammelten Umwohner eidlich, im Gebiete zwischen Enns und
Wiener Wald seien vor den letzten Einfällen der Barbaren alle
Zehnten mit Ausnahme derjenigen von den Besitzungen anderer
Kirchen Eigentum Passaus gewesen ^j. Auf der dritten Synode
zu Mistelbach in Oberösterreich wurden die kirchlichen Verhältnisse
im östlichen Bayern, dem Lande ob der Enns, wo schon eine statt-
liche Anzahl von Kirchen vorhanden war, in ähnUcher Weise ge-
regelt ^). Die Abgrenzung der Diözese gegen Salzburg dürfte zunächst
nach dem Stande der späteren KaroUngerzeit erneut worden sein.
Aufserdem verlieh der Kaiser im Jahre 985 am 30. September
Passau das Vorrecht, dafs alle Freien und Hörigen des Stiftes in
der Mark von den Leistungen an das Reich, der Kriegsdienst-
pflicht und der richterlichen Macht des Markgrafen befreit sein
sollten ^). Gegenüber solchen Erfolgen fiel es nicht ins Gewicht,
dafs auch der Kaiser in Rücksicht auf die Entscheidung des Papstes
die Fiktion des Lorcher Bistumes nicht anerkannte *).
Manche Früchte von Pilgrims Bemühungen ernteten auch erst
1) Mon. Boic. XXVHIb, 206.
2) M. B. XXVIII a, 88. — Es ist unzweifelhaft, dafs sie im oberöster-
reichischen Mistelbach stattfand, denn erstens war die Gegend der niederöster-
reichischen Stadt gleichen Namens damals noch lange nicht in deutschen Händen,
und zweitens bezieht sie sich ausschUefslich auf oberösterreichische oder doch der
Grenze in der Mark nahe gelegene Orte. — Die Gegengründe Strnadts, Ge-
burt d. L. 0. d. Enns S. 45, scheinen mir nicht stichhaltig. Freilich stammt
die Aufzeichnung erst aus dem 11. Jahrhundert.
3) M. G. DD. n, 419.
4) Vgl. Dümmler, Pilgrim von Passau 60 f.
304 Siebentes Kapitel. Die Unf^arncpisodo u. die Wiedererric^ht. d. Mark usw.
seine Nachfolger, unter denen die Machtstellung Passaus noch
immer wuchs. Exemtion von allen Diensten gegen „die Herzöge
(von Bayern) und andere mächtige Personen" erlangte Bischof
Christian am 6. Februar 99;i '). Als ihm dann wenige Jahre
später (am 3. Januar 999) auch noch das Münz-, Gewichts-,
Zoll- und Marktrecht verhehen wurde '•'), besafs der Bischof von
Passau fast souveräne Gewalt. Daneben nehmen die ausgedehnten
Gütererwerbungen, mit denen wir uns noch beschäftigen müssen,
und die Verleihung kleinerer Sonderrechte, wie etwa des Jagd-
und Forstrechtes auf den Besitzungen am Sarmingbach ^) , ihren
Fortgang. Es war bereits eine Selbstverständlichkeit, dafs bei der
weiteren Besiedelung des Landes am linken Donauufer (im heutigen
Waldviertel) auch hier, wie schon vorher am rechten Ufer, Passau
den Zehnten erhielt *). Für die weitere Ausgestaltung der kirchlichen
Organisation wurde endlich die Urkunde vom 5. Juli 1014 von
entscheidender Bedeutung, worin dem Bistum Passau an fünf Orten
in Osterreich, zu Krems, Herzogenburg, Tulln, Sigmarswörth und
Outcinesewe, Grund -und Boden zur Errichtung von Kirchen zu-
gewiesen wurde ^). So waren durch Liutpold- die weltlichen, durch
Pilgrim die kirchhchen Grundlagen der Ostmark gelegt, auf denen
ihre Nachfolger rasch weiter bauen konnten.
1) M. G. DD. II, 526.
2) A. a. 0. 733.
3) Uß. d. L. 0. d. Enns II, 85.
4) Mon. Boic. XXIX a, 18.
5) Mon. Boic. XXVIII b, 478. — Sigmarswörth und Outcinesewe bestehen
heute nicht mehr, und auch ihre einstige Lage ist unsicher. „ Sigemareswerd "
ist vielleicht Altenwörth, Outcinessewe vielleicht Jedlersee.
Achtes Kapitel.
Die zweite deutsche Kolonisation in der Ostmark.
Bevor wir uns der kolonisatorischen Tätigkeit der Deutschen
in der wiedererrichteten Mark zuwenden, wollen wir einen Bück
auf das Land zwischen Inn und Enns, das heutige Oberösterreich,
gewissem) afsen das gesicherte Hinterland der Mark, werfen, da
seine Entwickelung nicht ohne Einflufs auf die Mark geblieben
ist und mit dieser manche Berührungspunkte zeigt ^). Eine ge-
wisse Stetigkeit der Besitzverhältnisse war hier allerdings durch
den Umstand erzielt, dafs dieses Gebiet dem Deutschtum im all-
gemeinen, den Bayernherzogen im besonderen niemals verloren
gegangen war, dennoch hatte das 10. Jahrhundert auch hier grofse
Umwälzungen mit sich gebracht, von denen wir es nur lebhaft
bedauern müssen, dafs wir bei dem Mangel an Urkunden und
sonstigen Nachrichten — ich habe schon oben auf diese merk-
würdige Tatsache hingewiesen — sie nicht mehr im einzelnen zu
verfolgen imstande sind. Die zahlreichen Raubzüge der Magyaren,
die dadurch hervorgerufene Lahmlegung der Kulturentwickelung
und die Unsicherheit des Besitzes, die Säkularisation der Klöster
und ihr Verfall, endlich die Krisen im bayerischen Herzogtume
selbst haben einerseits die alten Verhältnisse aufgelöst, andrerseits
die Dokumente dieses Prozesses zerstört, die Spuren verwischt.
1) Über die Besitzverhältnisse in Oberösterreich während des 10. und
11. Jahrhunderts siehe aufser Pritz I, 316, Büdinger S. 252, 444, Edl-
bacher S. 100; Johann Lamprecht, Historisch- topographische Matrikel des
Landes ob der Enns (Wien 1863) und besonders Strnadt, Die Geburt des
Landes ob der Enns (Linz 1886). — Vgl. auch Werunsky, Österreichische
Keichs- und Eechtsgeschichte S. 222 mit guter Literaturübersicht.
206 Adites Kapitel.
Das wichtigste Moment ist, dafs bei dem Verfall der Ver-
waltungsürganisation auch die alte, aus der Zeit der Volksrechte
stammende Gauvert'assung zugrunde ging. Wie es nun keine Grafen
als Verwaltungsbeamte, Richter und Heerführer mehr gab, so hörte
auch der Begriff Grafschaft oder Gau im alten Sinne auf. Schon
während der Karolingerzeit war an Stelle des alten bayerischen
Uradels ein Besitz- und Lehnsadel getreten, der jetzt erst zu seiner
wahren Bedeutung und Machtstellung gelangen konnte, nachdem der
Lehnsbesitz erblich zu werden begann. Jetzt wurde nicht nur Besitz,
sondern auch manches Gerechtsam als Lehen vergabt, und wer in
seinem Besitz auch die richterliche Gewalt ausüben durfte, erhielt
den alten Titel Graf. Die Zersplitterung der alten Grafschaften
oder Gaue in kleinere Gerichtsbezirke erfolgte innerhalb der alten
Grenzen, zunächst wohl in die ehemaligen Untergaue oder Zentenen,
später (als Afterlehen) in noch kleinere Bezirke (Landgerichte) ^).
Auch die wachsenden Imraunitätsgebiete trugen zur Zersprengung
des alten Gauverbandes bei. Der Begriff Gau (pagus) trennte
sich jetzt vollständig von dem der Grafschaft. Er blieb zum Teil
gewohnheitsmäfsig an den alten Gaugebieten haften, wie man auch
fernerhin von einem Traungau, Attergau, Rotachgau usw. spricht.
Er wurde aber auch auf das gröfsere Verwaltungsgebiet übertragen,
so dafs auch beispielsweise die Mark „pagus Ostarrichi" genannt
wurde ^), wobei es nicht ausgeschlossen ist, dafs man einen ur-
sprünglich nur für den östlichen Teil des Landes gebrauchten Namen
verallgemeinerte. Aber andrerseits wurde der Ausdruck auch ganz
vage und unbestimmt zur Bezeichnung einer Gegend, eines kleineren
Landstriches verwendet ^). Der Besitz eines Grafengeschlechtes blieb
nun nicht mehr auf einen Gau beschränkt, sondern die Familien
erwarben vielfach weit auseinanderliegende unzusammenhängende
Güter, so dafs es nicht selten vorkommt, dafs ein bayerisches
Geschlecht zugleich im Mutterlande, in Oberösterreich, in Salzburg
und in den Marken begütert ist.
1) Über diesen Entwiekclungsprozefs am besten Strnadt, Peuerbach
(27. Ber. d. Museums Fram-isco-Carolinum 1868, § 7).
2) M. B. XXVIII a, 271 (a. 998), 457 (a. 1015), XXIX a, lOG (1051) usw.
8) So beifst 1043 eine Gegend an der Pielacb „pagus Pielahe" (Fi sc ber,
Gösch. V. Klosterneuburg II, 115). Über die Wandlungen des Begriffes siehe
Hasenöbrl im Archiv für österreichische Geschichte LXXXU, 419, § 2.
Die zweite deutsche Kolonisation in der Ostmark. 307
Wir haben oben gesehen, dafs bereits in der ersten Hälfte
des 10. Jahrhunderts im Traungau kleinere Grrafschaften bestanden.
Vielleicht ist wirklich der 930 genannte Graf Meginhard ein Vor-
fahre der Grafen von Wels und Lambach, die nunmehr während
des 11. Jahrhunderts zu einem mächtigen, besitzreichen Geschlechte
heranwachsen und die wegen ihrer ausgedehnten Güter in dieser
Gegend um Wels, Lambach und im Salzkammergut zuweilen auch
als Traungauer bezeichnet werden ^). Der erste urkundlich fest-
stehende Vertreter ist Arnold (I.), der 993 genannt wird ^). Ihr
Besitz erstreckte sich über das Salzkaramergut, die Gegend um
Wels und das Hausruckviertel.
Neben diesem mächtigsten Traungauer Geschlecht finden wir
im südöstlichen Teile, im Pagus Oliupestal oder Ulstal einen Grafen
Rapoto ^), der möglicherweise der Familie der später hier begüterten
bayerischen Grafen von Wolfrathshausen ^) angehört, die wieder
ihrerseits mit den Andechsern zusammenhängen. Dafs an der
oberen Traun die Grafen von Raschenberg (um Reichenhall) an-
sässig waren, wie jüngst vermutet wurde ^), entbehrt jedes urkund-
lichen Anhaltspunktes. Ebenso ist unwahrscheinlich, dafs schon im
10. Jahrhundert Vorfahren der Eppensteiner hier (im üfgau) safsen ^).
1) Siehe besonders Strnadt a. a. 0. § 9, der nicht nur Meginhard als
nachweisbaren Ahnherrn annimmt, sondern zwischen ihm und dem feststehenden
Arnold I. Ulrich von Formbach als Sohn Mef^inhards einschiebt. Von älteren
Arbeiten sei Moritz, Kurze Geschichte der Grafen von Formbach, Lambach und
Putten (Neue bist. Abhandlungen der bayer. Akademie der Wissensch. I, 1804,
mit Nachträgen in den Bayerischen Annalen I. Liter. Abt. , 243) genannt,
der das Geschlecht bis in die erste Karolingerzeit zuriickzuverfolgeh suclit. —
Sonderbarerweise sind fast alle älteren auf dieses Geschlecht bezüglichen Ur-
kunden Fälschungen. Vgl. über die Familie aufser S t r n a d t a. a. 0. in neuester
Zeit noch Krones, Die Markgrafen von Steier (Archiv für Österreich. Gesch.
LXXXII, 170).
2j Kremsmünster Uß. 27, Nr. 18.
3) M. G. DD. III, 148. Schenkungsurkunde König Heinrichs II. vom 5. De-
zember 1005.
4) Strnadt, Geburt des Landes ob der Enns S. 45 f.
5) Strnadt gegen Friefs im Archiv für österreichische Geschichte
LXXXII, 195.
6) So nach Krones, Die Markgrafen von Steier (Archiv f. österr. Gesch.
LXXXIV, 225), welcher Aufsatz überhaupt für die genealogischen und Besitzverhält-
nisse im Traungau zu vergleichen ist. Auch M. G. DD. I vertraten schon
208 Achtes Kapitel.
Endlich reichte anfänglich auch der Besitz der Markgrafen im
Osten über die Enns hinüber, wo sie speziell die Gegend um die
Ennsburg besafsen '), vielleicht ein Nachklang der einstigen Zu-
gehörigkeit des ganzen Traungaues zur Karolingermark, vielleicht
waren auch strategische Gründe dafür entscheidend.
Im Mattiggau waren die Grafen von Plein im östlichen Atter-
gau, dann die Grafen von Burghausen, deren Stammburg am Inn
lag, an der Salzach und vermutlich um Kammer stark begütert.
Andere Grafengeschlechter werden wir noch im weiteren Verlaufe
der Babenbergerperiode auftauchen sehen.
Wenden wir uns nunmehr zu den kirchhchen Besitzverhält-
nissen, so ergibt sich, dafs nach dem Stillstand und teilweisen
Rückgang in den unsicheren Zeiten während der ersten Hälfte des
10. Jahrhunderts jetzt, da sich die allgemeine Lage besserte und
festigte, wieder lebhafter nach Besitzerwerb gestrebt wird. Allen
voran von Passau -), das auch in dieser Hinsicht seine Versäumnisse
vorher diese Ansicht, da -der Index diesen Marchward in Verbindung bringt mit
dem 970 genannten Markgrafen Marchward von Karanthanien. Aber der Fuchte-
bach der Königsurkunde vom 10. Juli 940 ist jedenfalls im bayerischen Ufgau
zu suchen, da der traungauische auf die oberste Gegend um Schwanenstadt be-
schränkt war (siehe S. 120) und daselbst ein solcher Bach nicht existiert.
1) Nach der Urkunde vom 5. Oktober 977 (in zwei Ausfertigungen M. G.
DD. II, 189). Dafs mit dieser Urkunde keine Oberhoheit dos Markgrafen Liut-
pold über den ganzen Traungau bewiesen wird, geht wohl aus dem über die Be-
sitzverhältnisse daselbst Gesagten hervor und ist von Strnadt, Geburt des
Landes ob der Enns 35 f. gegen die ältere Ansicht überzeugend festgestellt worden.
Bach mann in seiner ziemlich verunglückten Kritik über Strnadts Werk (Zeit-
schr. f. österr. Gymnasien 551, 1887) müht sich vergeblich, ihn zu widerlegen.
2) Über die Passauer Besitzfragen siehe aufser den schon wiederholt ge-
nannten Arbeiten Dümmlers und Uhlirz' über die Fälschungen des Bischofs
Pilgrim jetzt namentlich Strnadts gleichfalls schon des öfteren zitierte Ab-
handlung im VIII. und IX. Bande der „ Archivalischen Zeitschrift". Die ver-
dienstliche Arbeit Edlbachers, Die Entwickelung des Besitzstandes der bischöf-
lichen Kirche von Passau in Österreich ob und unter der Enns vom 8. bis zum
11. Jahrhundert (29. Ber. d. Museum Francisco- Carolinum) berücksichtigt, wie ich
schon hervorhob, die Fälschungsfrage zu wenig. Eine Wiener Dissertation „Das
weltliche Fürstentum der Bischöfe von Passau" von Franz Straufs, die demnächst
in den Mitteilungen des Institutes für österreichische Geschichtsforschung ver-
öffentlicht werden soll, wurde mir von dem Verfasser in zuvorkommender Weise
zur Verfügung gestellt und wird im folgenden von mir mehrfach zitiert werden.
Die zweite deutsche Kolonisation in der Ostmark. 209
in der Karolingerzeit nachzuholen suchte. Wir haben bereits
gesehen, dafs es die Zeit des Klosterverialles benutzte, um sich
Kremsmünster zu annektieren. Nun liefs sich Bischof Pilgrim nicht
nur am 21. Juni 975 dieses '), sondern auch St. Florian vom Könige
mit einer Urkunde vom 22. Juli 976 als Eigen übertragen ^).
Zugleich erlangte es für die Klöster weitgehende Immunität und
die Abgaben , die sonst von Kirchengütern dem Fiskus entrichtet
werden mufsten. Natürlich kam es dadurch in den Niefsnu^z
der Klosterbesitzungen und bemühte sich, sie auch zu vermehren
oder wiederherzustellen, wie im Jahre 993, da Bischof Christian den
Grafen Arnold von Wels veranlafste, Kremsmünster Grundstücke
zu Steinfeld, das Fischereirecht im Almsee und mehrere Wälder
im Traungau, besonders am Sippbach, die sich dessen Geschlecht
widerrechtlich angeeignet hatte, zurückzustellen ^). Allerdings
scheute sich das Bistum nicht, andere Güter, Pettenbach, Eber-
stallzell (Cotprehtescella) und Geroltsdorf selbst dem Kloster zu
entfremden *), wie denn Stimmen aus Kremsmünster laut werden,
die über die Eingriffe Passaus in das Eigen und die Rechte des
Hauses lebhafte Klage führen ^). Noch schhmmer erging es dem
Kloster St. Florian, das durch das Ausbeutungssystem Passaus
derart in Not geriet, dafs König Heinrich H. den Klerikern auf
ihre Bitte 1002 zum Unterhalte eine Hube an der Ipf schenkte ^).
Aufser den genannten Klöstern gewann Passau das Gut Enns-
burg , das Bischof Adalbert im Tauschwege Herzog Heinrich von
Bayern überlassen hatte, jetzt im Jahre 977 am 5. Oktober ver-
mehrt um 20 Königshufen wieder zurück '). Dazu kamen kleinere
Erwerbungen im Rottach-, Isen-, Traun- und Mattiggau.
Von besonderer Bedeutung für das Hochstift wurde es auch,
wie wir noch später sehen werden, dafs ihm Otto II. im Jahre 976
1) M. G. DD. n, 124.
2) A. a. 0. 151.
3) ÜB. d. L. 0. d. Enns II, 69 und 718.
4) Geht aus der Urkunde König Heinrichs IV. vom 30. April 1099 (a. a.
0. II, 122) hervor.
5) Vgl. Bernardus Noricus M. G. SS. XXV, 638, 648.
6) M. G. DD. III, 8.
7) M. G. DD. II, 189.
V a n c 8 a , Geschichte Nieder- n. Oberösterreichs. 14
210 Achtes Kapitel.
das Fraueukloster Niedernburg zu Passau zusprach ^). Dieses
Kloster hatte sich — mögHcherweise wegen verwandtschaftlicher
Beziehungen der Äbtissin Eilika zum Kaiser '^) — der glänzenden
Munitizenz des Kaisers Heinrich II. zu erfreuen. Im Jahre 1010
erhielt es von ihm aufser bedeutenden Vorrechten, die es zum
Teil wieder von der Oberhoheit Passaus befreiten, und mehreren
Gütern in Bayern meist unbebautes Gebiet im Nordwald zwischen
11z und grofser JMühel bis zur böhmischen Grenze 3), das in der
Folge deshalb den Namen „das Abteiland" führte.
Das Erzbistum Salzburg bheb in seinem Besitz im Atter- und
Mattiggau , sowie im südlichen Traungau (im Ulstale) ^) ziemlich
unverändert und liefs sich über diese und andere Guter im Jahre
977 am 1. Oktober eine umfassende kaiserliche Bestätigungsurkunde
ausstellen ^).
Regensburg behauptete sich in seinen alten Besitzungen zwischen
Aist und Naaru, die es seit der KaroHngerzeit ununterbrochen
innegehabt hatte.
Freising erwarb nur an der Inngrenze um Ranshofen Güter
und den Forst Weilhart durch die Schenkung der Kaiserin Kuni-
gunde im Jahre 1025, jedoch nur auf Lebenszeit der letzteren ^).
In den alten Gauen südlich der Donau gab es auch noch
statthchen Herzogsbesitz, den während der bayerischen Wirren die
deutschen Könige an sich zogen und später zu ihren wahrhaft könig-
lichen Schenkungen an ihre kirchlichen Stiftungen verwendeten.
Auf diese Weise gesellte sich zu den angeführten geistlichen Grofs-
grundbesitzern im Lande ob der Enns das von Kaiser Heinrich IL
im Jahre 1007 gegründete Bistum Bamberg als neuer und be-
deutender Faktor. Es erhielt von seinem Stifter noch im nämhchen
Jahre Mattighofen im Mattiggau ^) und Atterhof (Attersee) im
1) M. B. XXVnib, 219.
2) So nach Hirsch, Jahrb. des deutschen Keiches unter Heinrich II., S. 247.
3) M. G. DD. in, 253. Die Begrenzung bis zur Kotel ist unverbürgt.
4) Hier erhielt es von König Heinrich II. im Jahre 1005 das königliche
Gut Schlierbach (ebendas. II, 71). Dasselbe gedieh nicht lange darauf an das
neue Bistum Bamberg.
5) M. G. DD. II, 185.
tj) Font. rer. Austr. 2. Abt. XXXI, 63.
7) M. G. DD. m, 188.
Die zweite deutsche Kolonisatioa in der Ostmark. 311
Attergau^), wozu 1014 noch einige Lehnsgüter des Grafen Geb-
hard im Mattiggau ^) und 1018 das Gut Antiesen (Münzsteuer) ^)
kamen, so dafs der Bamberger Besitz den ganzen Landstrich vom
Höhnhart und Kobernauserwald bis Unterach und Attersee umfafste.
Die meisten der genannten Grofsgrundbesitzer, sowie auch der
König gaben übrigens einzelne Güter als Lehen weiter, wodurch
sich die Machtverhältnisse vielfach verschoben und spätere Besitz-
veränderungen angebahnt wurden. Südlich der Donau kam der
Grundbesitz, nachdem das Königsgut nach und nach aufgeteilt
war, zu ziemlicher Stetigkeit, und veränderte sich nur durch Vei'-
sippungen und Vererbungen in den Adelsfamihen. Auch auf die
Siedelung hatten die Veränderungen im Besitzstande wenig Einflufs,
da das Land bereits ziemlich gut kultiviert und ziemlich dicht be-
wohnt war und seit der Niederlassung der Bayern seine Bevölke-
rung nicht mehr gewechselt hatte. Nur im Attergau gab es auch,
wahrscheinlich durch das Bistum Bamberg hierher verpflanzt, frän-
kische Ansiedler, wie die Ortsnamen Frankenburg, Frankenmarkt
und St. Georgen bezeugen, ebenso um Wels auf den Würzburger
Besitzungen ^). Umfangreichere Kulturarbeit war noch im Norden
der Donau zu leisten, wo der dichte Nordwald noch für Jahr-
hunderte hinaus zu schaffen machte. Aber auch hier schritt die
Arbeit, namentlich von den Stiftern und Klöstern betrieben, rüstig
fort 5).
Interessanter gestalteten sich die Verhältnisse bei der Neu-
besiedelung der Ostmark ''). Auch hier war man allerdings , wie
1) A. a. 0. III, 176.
2) A. a. 0. III, 395.
3) A. a. 0. II, 486.
4) Dafs auch der Ortsname St. Georgen für fränkische Ansiedelung charak-
teristisch ist, darüber vgl. Nagl-Zeidler, Deutsch-österreichische Literatur-
geschichte S. 69. — Des weiteren über die Ortsnamen siehe unten S. 225 ff.
5) In der erwähnten Urkunde für das Kloster Niedernburg heilst es aus-
drücklich, dafs das Gebiet geschenkt würde „cum silvis exstirpatis vel adhuc
stirpandis". — Vgl. jetzt als einzige bisherige siedelungsgeschichtliche Arbeit,
Oberüsterreich betreffend: Ha ekel, Die Besiedelungsverhältnisse des oberöster-
reichischen Mühlviertels in ihrer Abhängigkeit von natürlichen und geschicht-
lichen Bedingungen (Forschungen zur deutschen Landes- und Volkskunde VII. Bd.
1. Heft) (Stuttgart 1902).
6) Eine zusammenfassende Untersuchung fehlt. Für den Wiener Wald und
14*
313 Af'litos Kapitel.
wir zum Teil schon gesehen haben, bestrebt, unmittelbar an
die Zustände M-ährend der Karolingerzeit anzuknüpfen und die
Ungarnperiode durchaus als vorübergehende Episode, nicht als
eigentliche Unterbrechung dieser Zustände zu behandeln, wobei
natürlich die grofsen Stifter und Klöster, die an keine Kontinuität
der Personen gebunden waren, einen grofsen Vorteil gegenüber
den weltlichen Grofsgrundbesitzern besafsen, von denen sich kaum
eine Familie seit der Karolingerzeit erhalten hatte.
Wir haben schon gesehen, dafs sich die Besitzergreifung von
Grund und Boden von selten der Stifter und Klöster wenigstens
in dem Lande bis etwa zum Wiener Wald, wo die Ungarninvasion
die deutschen Ansiedelungen nicht ganz zerstört hatte, auf Grund-
lage der alten Besitztitel ziemlich rasch vollzog. Wenn man es
dabei mit den Rechtsansprüchen nicht sehr genau nahm und die
alten Besitzungen nach Tunlichkeit arrondierte und vergröfserte,
so hat dies weiter nichts auffallendes. Wo die urkundlichen Beweis-
mittel nicht zu erbringen waren, half man sich mit Fälschungen,
die man sich nötigenfalls vom Könige bestätigen liefs.
das Wiener Becken besitzen wir jetzt die vorzügliche Monographie von Gruml
im VII. Bande von Pencks „Geographischen Abhandlungen". Im übrigen ist
man noch immer auf Meillers Eegesten angewiesen, wobei besonders die reichen
Anmerkungen zu benutzen sind, dann siehe die gute Übersicht bei Büdinger
S. 444 ff. , worauf sich alle Folgenden stützen. In Kürze a ich Karamel, Zur
Entwickelungsgeschichte der weltlichen Grundherrschaften in den deutschen Süd-
ostmarken während des 10. und 11. Jahrhunderts (Historische Untersuchungen,
E. Förstemann zum 50jährigen Doktorjubiläum gewidmet v. d. bist. Gesellsch.
in Dresden, Leipzig 1894, S. 57) und die leider unvollendete Arbeit von Wen-
drinsky, Besitzverhältnisse zur Babenbergerzeit (Bl. d. Ver. f. Landesk. XVI,
1882). Nachdem es heutzutage jedermann klar ist, von welch grundlegender
Wichtigkeit gerade in diesem Lande die Besitzverhältnisse für die Entwickelung
nach jeder Eichtung geworden sind, mufs es als ein Kuriosum angeführt werden,
dafs Juritsch ün Vorwort zu seiner erst 1894 erschienenen „Geschichte der
Babenberger" den leitenden Satz ausspricht, er schildere die Verhältnisse, „ohne
hier auf kleinliche Erörterungen über etwaige Besitzstandverhältnisse . . . näher
einzugehen". — Über einzelne Fragen gibt wohl auch die seit dem Jahre 1876
vom Verein für Landeskunde von Niederösterreich herausgegebene „Topographie
von Niederösterreich" (bisher 5 Bände, die bis zum Buchstaben M reichen)
Auf&cnlufs, die jedoch bei dem Mangel eines einheitlichen Planes, dem erst in
jüngster Zeit einigermafsen Abhilfe geschaffen wurde, in bezug auf die Siede-
lungsgeschichte manchmal zu wünschen übrig läfst.
Die zweite deutsche Kolonisation in der Ostmark. 313
Salzburg zog jedenfalls seine alten Besitzungen zu Melk,
Traismauer, Loiben, Hollenburg an der Donau und Thernberg im
Püttener Gebiet, dazu noch einige andere wie Arnsdorf und Grunz-
wita (Grunds) ^) wieder an sich, und legte dann eine auf Grund
der echten Urkunde von 860 angefertigte angebliche Urkunde
König Arnulfs von 890 vor, der König Otto II. im Jahre 977 am
1. Oktober unbedenklich seine Bestätigung gab ^), obwohl in diesem
Jahre die Wiedereroberung der Mark noch gar nicht zum Püttenn'
Gebiet oder gar nach Pannonien hinein, in dem gleichfalls Salz-
burgische Güter bestätigt wurden, vorgeschritten war ^).
Passau, das, wie wir sahen, in der Karolingerzeit nur ge-
ringen Besitz westlich des Wiener Waldes oder vielmehr west-
lich der Traisen in dem Gebiete, das zunächst für die Neubesiede-
lung in Betracht kam, innehatte, beeilte sich, wenigstens in jener
Gegend an der Traisen, wo sein Besitz nachweisbar war, festen
Fufs zu fassen, und Bischof Pilgrim liefs sich daher zugleich mit
den Klöstern Kremsmünster und St. Florian auch das einzige
Kloster der Mark, St. Polten, — eigentlich, wie es scheint, eine
Gründung Tegernsees — mit der Urkunde vom 22. Juli 976 ^)
übertragen. Auf der Synode von Mistelbach, auf die ich noch in
anderem Zusammenhang zurückkommen mufs, zwischen 983 und
991 wird aufser Suammara (St. Marien am Sommareinbache nord-
östlich von Neuhofen?) auch Wolfeswang (Wolfsbach nördlich von
St. Peter in der Au), das bekanntlich schon im Jahre 903 an
Passau kam, als passauisch bezeichnet ^). Im Jahre 972 liefs sich
1) Schon 978 im Traditionsbuch des Klosters St. Peter erwähnt (Salzburger
ÜB. I, 253).
2) M. G. DD. II, 185.
3) Ob die Schenkung König Konrads II. von 6 Hufen in „capite fluminis
Viscaha" an Salzburg im Jahre 1020 (Juv. 216) auf die niederösterreichische
Fischa zu beziehen ist, wie man früher annahm, oder auf die Fischach, den
Ausflufs des Wallersees, wie Lampel, Die Mark Putten (Bl. d. Ver. f. Landesk.
XXII, 166, 1888) meint (die ältere Annahme wurde schon von Becker in der
„Topographie von Niederösterreich" U, 122 angezweifelt), läfst sich wohl nicht
mit Sicherheit erweisen , doch neige auch ich mich zur Ansicht Lampeis , da
Salzburg lange Zeit, wie es scheint, nichts getan hat, um in der Ostmark neuen
Besitz zu erwerben (vgl, auch Hasenöhrl a. a. 0. 39, Nr, 34).
4) Siehe oben ÜB, d, L. o. d. Enns U, 63.
5) M. B. XVmb, Nr. 6.
214 Achtes Kapitel.
das Bistum Weingärten in der Wachau, die es seinerzeit von
Ludwig dem Froramen erhalten hatte, bestätigen *). Kirchbach
und die Besitzungen um den Kaumberg, die zu den allerältesten
des Stiftes in der Mark gehören, finden sich allerdings erst in der
Bestätigung König Heinrichs III. vom 20. Juli 1052 ^), werden
aber wohl schon einige Jahrzehnte früher, nachdem sich die neue
Mark über die Traisen ausgedehnt hatte, von Passau wieder ein-
frenommen worden sein. So hielt sich denn auch Passau trotz der
o
Skrupellosigkeit eines Mannes, wie es Bischof Pilgrim war, so ziemhch
innerhalb der alten Ansprüche ^). Wesentliche Erweiterungen traten
erst unter seinen Nachfolgern durch reichliche Schenkungen ein.
Im Jahre 1007 erhielt Bischof Christian auf dem Tauschweg Albern
und Ernstdorf östlich der Enns *). Bedeutend war jedoch erst die
schon oben erwähnte Erwerbung der Orte Herzogenburg, Krems,
Tulln, Sigemareswert und Uteinessee, die Kaiser Heinrich II. um
1014 dem Bistume mit der ausdrückhchen Bestimmung, dort
Kirchen zu erbauen, übergab ^). Von grofser Wichtigkeit wurde
1) M. G. DD. I, 577 (auch H, 36).
2) ÜB. d. L. 0. d. Enns II, 87.
3) Entgegen der seit Dümmler herrschenden, durch Uhlirz (Mitt. d.
Inst. f. österr. Gesch. III, 181) auf diplomatischem Wege bekräftigten Ansicht,
dafs die Urkunde über den Besitzstand Passaus vom 28. Juni 823 in ihrer
doppelten Fassung eine Fälschung Bischof Pilgrims sei, hat Strnadt in seinem
oft zitierten Aufsatz in der Archivalischen Zeitschrift IX, 282 aus inneren Gründen,
namentlich auf Grundlage der urkundlich nachweisbaren Besitzverhältnisse es
wahrscheinlich zu machen gesucht, dafs die Fälschung in der längeren Fassung
nicht vor dem 12., die kürzere nicht vor Beginn des 13. Jahrhunderts entstanden
sein dürfte. Ich glaube allerdings, dafs in der Sache noch nicht das letzte "Wort
gesprochen ist, denn die diplomatische Seite miifste mit nochmaliger Berück-
sichtigung der von Uhlirz gewonnenen Ergebnisse neuerdings untersucht werden.
Fast erscheint es auffallend, dafs Bischof Pügrim, der rücksichtslose Falsifikator,
der so viele Rechte auf Grundlage gefälschter Dokumente in Anspruch nahm,
nicht auch mit ähnlichen Mitteln sich in den Besitz von Grund und Boden ge-
setzt haben sollte.
4) M. B. XXVinb, 327. — Das dafür hingegebene Trevina ist nicht Tre-
bins an der böhmisch-mährischen Grenze, wie Hirsch, Jahrbücher des deutschen
Kelches unter Heinrich H., Bd. II, 248 erklären will, denn wie käme Passau
um dj-vse Zeit zu so weit entlegenem Besitz, sondern befindet sich in Kärnten
(Ankershofen, Gesch. Kärntens II', 85).
5) M. G. DD. m, 397. Siehe auch oben S. 204.
Die zweite deutsche Kolonisation in der Ostmark. 215
auch die kaiserliche Schenkung des Zehnten in dem ganzen Gebiete
nördlich der Donau vom Jahre 1025, wodurch dem Bistume domi-
nierender Einflufs in dieser Hälfte der Mark gesichert wurde i).
Und schon im Jahre 1045 empfängt Bischof Berengar (1013 bis
1045) vom Grafen Rapoto und seiner Gemahhn Mathilde dessen
Gut Ernstbrunn, das schon bis nahe gegen die Marchgrenze vor-
geschoben lag ^). Die rasche Vermehrung des Passauer Besitzes
im Viertel unter dem Manhartsberg werden wir in einem späteren
Abschnitte kennen lernen, hier handelt es sich zunächst nur um
die erste Besitzergreifung im Lande.
Besonders grofsartig und für das Fortschreiten der Kolonisation
in der Mark interessant waren die Erwerbungen des ßistumes
Freising, dem gerade zur entscheidenden Zeit energische und ein-
flufsreiche Männer — so von 1006 bis 1039 Egilbert, der für König
Konrads IL Sohn Heinrich das Herzogtum Bayern verweste, —
vorstanden. Auch Freising besetzte jedenfalls zunächst seine alten
Güter in der Wachau (bei Krems) ^). Im Jahre 995 vertauschte
es sie jedoch teilweise gegen sechs Königshufen an der Ips im
Ulmerfeld (Zudemaresfeld) *), in dessen Nähe es schon um 980
Mauer bei Öhling erworben hatte ^). Später dehnte es diese Be-
sitzungen in zweckmäfsiger Weise aup, indem es nicht nur den
Hof Neuhofen mit 30 Königshufen von Otto III. erhielt •^), sondern
auch nördlich Ardagger an der Donau und südhch das Gebiet
„usque ad montan a Carinthie respicientia" ^) an sich brachte und
sich 1034, bezw. 1049 vom Kaiser bestätigen liefs ^). Freising
ist auch das erste der grofsen Stifter, das sich noch vor Passau
1) M. B. XXIX a, 18. Ebendas.
2) M. B. XXVIII a, 211.
3) 972 urkundlich bezeugt, indem nach dem Diplom Ottos I. für Passau
(M. G. DD. I, 577) die Weingärten dieses Bistumes in der Wachau im Osten
an den Freisinger Besitz grenzen.
4) Fontes rer. Austr. 2. Abt. XXXI, 47. — M. G. DD. II, 581.
5) Ebendas. 42.
6) 1. November 996. Ebendas. 50. M. G. DD. II, 647.
7) Büdingerl, 454 vermutet darunter die Höhe des Hoch-Pj-raberges. —
Die nähere Begrenzung sucht M ei Her, Babenberger Eegesten 195, Anm. 30
zu bestimmen.
8) Font. rer. Austr. 2. XXXI, 75 und 78.
216 Äphtes Kapitel.
um 1030 im Älarchteld festsetzt und hier ausgedehnte Güter von
Lobau an der Donau (Insel Sachsengang) bis nach Orth und dem
Hartwalde erwirbt '). Im Jahre 1033 erhielt es von Kaiser Kon-
rad II. den Hof Alarum '-').
Hinter den grofsen Erwerbungen Passaus, Salzburgs und Frei-
sings stand Regensburg einigermafsen zurück. Wir haben zwar
gesehen, dafs es gleichfalls sofort bei Wiederherstellung der Mark
Gebiet an den beiden Erlaf um Steinakirchen und Wieselburg
besetzte, aber dieses gehörte eigentlich der Abtei Mondsee, die
ihr nur neu zugewiesen war. Es scheint auch hier mit Urkunden-
fälschung gearbeitet worden zu sein ^), und zu Beginn des 1 2. Jahr-
hunderts wurde das Bistum auch in der Tat genötigt, das unrecht-
mäfsig angeeignete Gut herauszugeben *). Nur die Besitzungen an
der Erlafmündung, die schon in der Karolingerzeit regensburgisch
gewesen waren, verblieben ihm ^). Hier war Pechlarn schon zur
Zeit des Markgrafen Burkhard in seiner Gewalt. In der Nähe
von Wien erhielt Regensburg 1028 das Gut Simmering durch
private Schenkung ^).-
Vorübergehend während des 11. Jahrhunderts gewann auch
das Bistum Eichstätt Besitz in der Mark und zwar schenkte ihm
Kaiser Konrad II. im Jahre 1033 am 21. Juli zwanzig Königs-
hufen zwischen dem Kaumberg und der Liesing '') , also in dem
1) Ebendas. 69.
2) Ebendas. 73. Gegen die gewöhnliche Identifizierung mit Ollern bei Tulln
Meiller, Babenberger Regesten 195, Anm. 27, weil Freisinger Besitz hier nicht
weiter nachweisbar ist. Er verlegt es in die Nähe der genannten Güter bei Sachsen-
gang und glaubt, dafs es entweder verschollen oder das heutige Albern ist.
3) Die Urkunde Ottos II. von 979 (M. G. DD. II, 231) ist zum mindesten
interpoliert und weist starke Rasuren auf.
4) Siehe die Urkunde König Heinrichs IV. vom 27. Februar 1104 (ÜB. d.
L. 0. d. Enns II, 105). Im Jahre 1107 gibt Bischof Hartwig die Kirchen von
Wieselburg und Steinakirchen tatsächlich dem Kloster zurück (a. a. 0. 127).
5) M. B. XX Villa, 21.
6) M. B. IV, 160.
7) Ö f e 1 e , Vermifste Kaiser- und Königsurkunden des Hochstiftes Eichstätt
(Sitzungsber. der Münchener Akademie, philos.-philol.-histor. Klasse 1893, 197.
Nr. V>). Offenbar ist dies derselbe Eichstättische Besitz, an den die grofse
Schenkung für den Markgrafen Siegfried im Jahre 1043 angrenzte. Durch die
Kenntnis dieser wichtigen Urkunde, von der leider nur noch ein Auszug in den
Die zweite deutsche Kolonisation in der Ostmark. 317
vorgeschobenen Gebiete an der damaligen Grenze, das sich um
diese Zeit noch wenig der gütererwerbenden Grofsgrundbesitzer
und Ansiedler erfreute. Im Jahre 1055 am 27. März kam dann
noch die Pottenburg hinzu, vermutlich aus dem konfiszierten Eigen
Bothos, eines Bruders des Pfalzgrafen Aribo, der in den Aufstand
des Bayernherzogs Konrad verwickelt war ').
Die mühevollere kolonisatorische Tätigkeit im Kleinen über-
nahmen zum Teil Mönche, die durch die Säkularisation und die
Übergriffe der Bistümer aus ihrem alten Besitz verdrängt worden
waren. Allerdings waren nur noch zwei bayerische Klöster lebens-
kräftig genug dazu: Tegernsee und Niederaltaich , die übrigens
gerade damals unter dem energischen Abt Godehard (997 — 1022),
dem Heiligen, späteren Bischof von Hildesheim, in einer Hand
vereinigt waren.
Tegernsee gewann nicht nur im Jahre 1002 am 12. November
Güter zu Unterloiben zwischen Dürnstein und Stein in der Wachau
am linken Donauufer ^), sondern auch im Jahre 1020 am 29. Mai
fünf Königshufen zwischen Piesting und Triesting 3), also bereits
südlich über den Wiener Wald hinaus. Vielleicht auf den älteren
Besitz des Klosters gingen dessen Güter bei BLroisbach zurück,
zu dem ihm am 18. Juni 1011 sechzig Königshufen südlich davon
im Ennswald geschenkt wurden *).
Niederaltaich, das zunächst um 970 seinen alten Besitz in der
Wachau wiedereingenommen hatte ^), finden wir schon um 1011
auf vorgeschobenem Posten im Viertel unter Manhartsberg , wo
es eine Ansiedelung gründete, die es Abtsdorf nannte und die es
alten Kepertorien vorhanden ist, während das Original verloren ging, dürfte
wohl auch die ältere Ansieht Büdingers (I, 456), diese Eichstättischen Güter
hätten vielleicht im südöstlichen Marchfeld bei Orth und Sachsengang gelegen,
berichtigt sein.
1) A. a. 0. Nr. 16.
2) Mein er 3, 6. M. G. DD. III, 228 (eigentlich nur die Neuausfertigung
von ca. 1009 erhalten, vgl. Neues Archiv XX, 153 f.), erneuert 9. Januar 1019
(M. G. DD. III, 510).
3) Meiller 4, 2. M. G. DD. III, 552.
4) Mein er 3, 7. M. G. DD. Ill, 268. — Tegernsee blieb im Besitze
aller dieser Güter bis zum Jahre 1806.
5) Nach der schon mehrfach zitierten Urkunde für Passau , dessen Besitz
in der Wachau 972 westlich an den Niederaltaichs grenzte (M. G. DD. I, 577).
218 Achtes Kiipitel.
um K^ Königsliufen bis Grafenwörth längs des Wagrein an der
Donau vermehrte '), wozu es 1019 noch die Donauinsel erhielt^).
In der Nähe hatte 1021 das Kloster Weihenstephan den Land-
strich von der Insel Sachsengang bis Orth von Kaiser Heinrich III.
erhalten^), den es aber, wie oben erwähnt, schon um 1030 an
Freising abtrat.
Im grofsen und ganzen kann man sagen, dafs von den Stiftern
und Klöstern bei dieser zweiten Kolonisation der Mark wieder
dieselben bayerischen auftreten, die bei-eits in der Karolingerzeit
hier Besitz erworben hatten, und dafs sie sich nach Möglichkeit
bemühen, ihren alten Besitzstand wieder zu gewinnen. Andere
Stifter und Klöster beteihgten sich nur wenige und in geringem
Mafse an der kolonisatorischen Tätigkeit, selbst die grofse Lieblings-
stiftung Kaiser Heinrichs II., das Bistum Bamberg, erhielt in der
Mark keine Güter, denn eine Schenkung von dreifsig Königshufen
in Gottinesfeld, vermutlich bei Perchtoldsdorf, an den Dompropst
Poppe im Jahre 1015 *) bezieht sich eben nur auf die Person des
letzteren, der der Bruder des Markgrafen Adalbert war, und nicht
auf das Bistum.
Liegen die kirchlichen Besitzverhältnisse ziemlich klar, so ist
es weit schwieriger, über den weltlichen Grofsgrundbesitz einen
entsprechenden Überblick zu gewinnen. Das urkundliche Material ist
sehr lückenhaft erhalten, die Zusammenhänge sind für diese frühe
Zeit, da noch keine Geschlechternamen existieren oder, wenn sie
(seit dem 11. Jahrhundert) auftreten, schon in der nächsten Gene-
ration, ja selbst mit der blofsen Besitzveränderung wechseln, nur
mit grofser Schwierigkeit herzustellen, und jene Wissenschaft, die
hier den Geschichtsforscher unterstützen sollte, die Genealogie,
wurde ganz ähnlich wie seinerzeit die Prähistorie lange Zeit so
dilettantenhaft betrieben, dafs sie vielfach mehr verwirrend als
aufhellend gewirkt hat ^). Neben den Grafengeschlechtern treten
1) Meiller 3, 8. M. G. DD. III, 265.
2) M. G. DD. III, 518.
3) Meiller 5, 3. Font. rer. Austr. XXXI, 62. — M. G. DD. III, 581.
4) Meiller 4, 10. M. G. DD. III, 398. Über die vermutliche Lage
Grund a. a. 0. S. 112.
5) Ein typisches Beispiel ist der vielschreibende Koch-Sternfeld, der
auf beiden Gebieten wahrhaft verheerend gewirkt hat.
Die zweite deutsche Kolonisation in der Ostmark. 319
Herrengeschlechter auf, die zwar gleichfalls zu dem freien Grofs-
grundbesitz gehören, aber ein Grafenamt nachweislich nie be-
kleideten. Manchmal sind es nicht mehr als leere Namen, die
^^ns durch die Urkunden überliefert werden und mit denen wir
beim besten Willen nichts anfangen können, in anderen Fällen
läfst sich der ungefähre Zusammenhang durch Kombination ver-
muten, so wenn wir beispielsweise hören, dafs König Otto III.
am 29. April 998 einem gewissen Engilrich seinen Besitz zwischen
Tullner und Anzbach ^), oder dafs Kaiser Heinrich II. am 1. Juli
1002 seinem miles Pilgrim ein Lehen zu Uwizinesdorf (Enzers-
dorf) und 100 Mausen aus dem in der Nähe liegenden Walde
schenkt 2). Im ersteren Falle dürfte man es mit dem Ahnherrn
der vermutlich aus Ob er Österreich stammenden Herren von Traisen
zu tun haben, die später ihren Besitz das Traisental aufwärts
vergröfserten, und in deren Gebiet die Festen Waldek, nach dem
sich ein Zweig benannte, Starhemberg, Rothengrub, Schratten-
stein und Stolzen wörth, sowie die Ortschaften Dreistätten, Geras-
dorf, Willendorf, Wopfing und Stellz entstanden ^). Im anderen
Falle haben wir vermutlich ein Mitglied des Hauses Formbach
vor uns, das später um den Bisamberg stark begütert erscheint.
Die bayerischen Geschlechter setzten sich zuerst im Viertel ober
dem Wiener Walde fest, wie die Grafen von Peilstein, Bogen,
Piain usw., die erst langsam auch über die Donau ausgriffen.
Persenbeug scheint um 970 dem Geschlecht der bayerischen Grafen
Sempt- Ebersberg gehört zu haben, die schon um die Mitte des
11. Jahrhunderts ausstarben, worauf der Besitz an ihr Familien-
1) M. G. DD. II, 711.
2) Meiller 3, 4. M. G. DD. III, 2. — Die Erklärung des Ortsnamens
für Enzersdorf, wie sie Bü ding er I, 473 und Hirsch, Jahrb. I, 284 ver-
suchten, stützt sich auf die irrige Lesart Unvizinesdorf. Das Original hat aber
ü u vizinesdorf, wobei „izi" auf Kasur steht. Eine alte Eandglosse will daher
auch erklären: „Winesdorf". Meiller in der Anmerkung zum Regesten verlegt
es ins Viertel ob dem Wiener Wald. — Ebenso fraghch ist der Personenname,
von dem nur der erste Buchstabe völlig gesichert ist, während „iligrimus" gleich-
falls auf Easur steht.
3) Über diese vgl. Newald, Geschichte von Guttenstein (Wien 1870) und
Die Grenze zwischen Steiermark und Österreich (Bl. d. Ver. f. Landesk. HI, 46,
1869). Was dieser von ihrer reichsunmittelbaren Stellung behauptet, ist sehr vage.
220 Achtes Kapitel.
kloster Ebersberg fiel '), aufserdem Eisbach, Asperhofen und Leng-
bach. Endlich haben auch die Traungauer Grafen, die wir im
Lande jenseits der Enus so mächtig aut blühen sahen, in der Ost-
mark in dieser frühen Zeit bereits Besitz erlangt. Im Jahre 1025
am 11. Mai schenkte Kaiser Konrad II. dem Grafen Arnold, seiner
Gemahlin Reginlinde und seinen Söhnen 5ü Mansen in Pfraraa
zwischen Donau und March -). Auch bei Wieselburg an der Er-
laf sind sie begütert ^).
Und doch herrscht die Wahrscheinlichkeit, dafs wir wenigstens
in einem Falle bei dem weltlichen Grofsgrundbesitz eine Konti-
nuität sogar von der Karolingerzeit her nachweisen können. Ein
mächtiges Geschlecht der alten Karolingermark hatte den Magyaren-
sturm überdauert, da es beizeiten über die Enns ins Mutterland
zurückgegangen war: es war das Geschlecht des Markgrafen Aribo,
das in mehreren Linien blühte und gedieh *).
Aus den späteren Besitzverhältnissen, die uns noch näher be-
schäftigen werden, können wir trotz des Mangels an urkundlichen
Nachrichten aus älterer Zeit mit ziemlicher Sicherheit zurück-
schliefsen, dafs jener Zweig des Geschlechtes, der die Grafschaft
Salzburggau und Chiemgau innehatte, bei der Neubesiedelung des
Markgebietes gerade in dem weniger begehrten, weil noch gröfsten-
teils dicht bewaldeten und daher mühsam zu kultivierenden Gebiete
im Norden der Donau, auf dem auch von der Karolingerzeit her
nur wenige Besitztitel ruhten, wo aber möglicherweise eben Mark-
graf Aribo bei seinen Beziehungen zu dem Mährerreich bereits sich
festgesetzt hatte, zahlreiche Güter erworben hat, deren Ausdehnung
1) Chartular v. Ebersberg (Abhandlungen d. bayer. Akad. III. Kl. XIV,
138) und Chron. Ebersberg (M. G. SS. XX, 14).
2) Meiller 5, 4. Mon. Boic. XXIX a, 12.
3) Nach der Vita Adalberonis c. 10.
4) Auch in dieser Genealogie ist man vielfach zu weit gegangen, und noch
im Jahre 1897 konnte Alois Egger eine Untersuchung (Das Aribonenhaus) ver-
öfiFentlichen (Archiv f. österr. Gesch. LXXXIII, 385), worin so ziemlich alle da-
maligen Adelsgeschlechter mit dieser Familie in Zusammenhang gebracht werden. —
Ich glaube mich mit gewisser Vorsicht gegenüber einigen zu weit ausgreifenden Hypo-
thesen den Ergebnissen der gründlichen Arbeit Heinrich Wittes, Genealogische
Untersuchungen zur Eeichsgeschichte unter den salischen Kaisern, II. Kapitel,
(Mitt. d. Inst. f. österr. Gesch. V. Erg.-Bd.. 371) anschliefsen zu können.
Die zweite deutsche Kolonisation in der Ostmark. 331
wahrscheinlich selbst die Erwerbungen der neuen Markgrafen ur-
sprünglich übertrofFen haben dürften. Diese Güter erstreckten sich
später von der Grafschaft Litschau über Neukirchen am Ostrong,
Kavelsbach, Meifsau, St. Leonhard am Forst bis herab zur Donau
bei Grafenwörth einerseits und bis in die Ernstbrunner Gegend
und das Marchfeld im Osten andrerseits *) , umfafsten also einen
grofsen Teil der beiden Manhartsbergviertel. Vielleicht vereinigte
schon Sieghart IV. gegen die Mitte des 11. Jahrhunderts diesen
weitläufigen Besitz in seiner Hand, worauf die zahlreichen mit
Siegharts- zusammengesetzten Ortsnamen hinzuweisen scheinen.
Auffallend ist es, dafs Güter vergabungen an die Markgrafen
selbst erst verhältnismäfsig spät und wenige vorkommen ; allerdings
wählten die Könige zu diesem Zwecke absichtlich die Grenzgebiete
gegen Ungarn und das polnische (später böhmische) Reich in
Mähren aus, um die Interessen der Reichspolitik mit dem privaten
Interesse der Markgrafen zu verbinden. Erst am 1. November 1002
schenkte Kaiser Heinrich IL dem Markgrafen Heinrich 22 Hufen,
die sich dieser nach freiem Ermessen zwischen Kamp und March
aussuchen konnte, und das Gebiet zwischen der dürren Liesing
und Triesting, das etwa 18 Quadratmeilen umfafste ^). Und erst
33 Jahre später, am 10. Juni 1035, hören wir wieder von einer
königlichen Schenkung in derselben Gegend: 50 Hufen zwischen
Piesting und Triesting ^). Der Grund liegt wohl in dem Wechsel
der Dynastie auf dem Kaiserthrone. Denn Kaiser Konrad II. wollte
die Macht seines eigenen Hauses in Süddeutschland fester begründen,
indem er nach dem Tode des Bayern herzoges Heinrich Bayern
seinem eigenen 10jährigen Sohne Heinrich zusprechen liefs und
dafür die bereits bedenklich angewachsene Macht der Baben-
1) Dafs bei Ladendorf nicht grofser Besitz der Herren von Schala- Burg-
hausen lag, wie Witte und vor ihm schon Filz, Geschichte von Michelbauern
II, 301 und 701 glauben, hat Lampel (Bl. d. Ver. f. Landesk. XXXV, 94, 1901)
gezeigt, indem er nachweist, dafs unter dem Ladestorf der Freisinger Traditions-
bücher nicht Ladendorf, sondern Loosdorf zu verstehen ist.
2) M ei Her 3, 5. M. G. DD. III, 25. — Welches Gebiet sie zwischen
Kamp und March wählten, ist nicht festzustellen, da später die Markgrafen hier
vielfach begütert waren. Möglicherweise ging dieser erste Besitz in den Wirren
der nächsten Jahrzehnte ihnen zunächst wieder verloren.
3) Meiller 5, 8.
338 Achtes Kapitel.
berger — sie hatten Schwaben und die Markgrafschaft von Turin
an sich gezogen — einzudämmen suchte. Er begünstigte daher
in der Ostmark ihnen gegenüber andere Adelsgeschlechter wie die
Burghausen oder die Formbacher. Erst gegen Ende seiner Re-
gierung nach der Erhebung Adalberos von Kärnten besserten sich
seine Beziehungen zu den Babenbergern.
Dagegen raufs es als sehr bezeichnend und für die Entwicke-
lung der Mark bedeutsam festgehalten werden, dafs der Herzog
von Bayern keinerlei Besitzungen im eigentlichen Markgebiet
gewann. Die einzige Schenkung an Herzog Heinrich von Bayern^
die Güter auf österreichischem Boden betrifft, ist die Urkunde
Kaiser Ottos HI. von 998, worin jenem ein Gut bei Nöchling über-
tragen wurde ^\ und dieses NöchHng liegt im Mühlkreis Oberöster-
reichs, also in dem nordwestlichen Hinterland der eigentlichen
Ostmark.
Werfen wir nun nochmals einen kurzen Rückblick auf die
urkundlichen Nachrichten über die Neubesiedelung der Ostmark,
so haben wir zunächst zwei Etappen zu unterscheiden: die eine,
gegen das Jahr 1000 abgeschlossen, ist die Wiederbesetzung der
alten Karolingermark im Süden der Donau und bis über den Wiener
Wald hinaus, die zweite bringt dann den Vorstofs zunächst im
Südosten zur Leithagrenze , dann über die Donau hinüber nord-
östlich zur Marchgrenze. In dem Gebiet zwischen Er us und Traisen,
das im wesentlichen das ursprüngliche Markgebiet ausmachte, wie
es Burkhard verwaltete, wurden einfach die Besitzverhältnisse
der Karolingerzeit, die ja vermutlich auch während der Ungarn-
episode, so gut es eben bei dem Mangel einer geordneten Ver-
waltung und unter den fortwährenden Durchzügen der Magyaren
ging, aufrechterhalten wurden, wiederhergestellt, die Rechtstitel er-
neuert, der Bewirtschaftung, die in der Zwischenzeit wohl im argen
gelegen hatte, neue frische Kräfte zugeführt. Es war das Gebiet
der grofsen bayerischen Bistümer Salzburg, Regensburg, Passau
und Freising, von denen die beiden letzteren auch noch darüber
hinaus strebten. Neben ihnen gelang es einigen bayerischen Grafen-
geschlechtern, hier vereinzelte Besitzungen zu erwerben. Den
1) M. G. DD. n, 710.
Die zweite deutsche Kolonisation in der Ostmark. 323
Klöstern, die hier zur Karolingerzeit begütert waren, liefsen sie
keinen Raum, auch waren die meisten derselben unterdessen in
Verfall geraten. Nur zwei, Niederaltaich und das am Ende der
Karolingerzeit in der Mark auftretende Kloster Tegernsee ver-
mochten eine kolonisatorische Tätigkeit aufzunehmen, doch waren
sie genötigt in die gefährdeten Grenzgegenden vorzurücken. Diese
Grenzgegenden und das Waldgebiet im Norden der Donau blieb
auch den weltlichen Grofsgrundbesitzern überlassen. Unter ihnen
nehmen zwei Famihen, offenbar von den Königen aus militärischen
Gründen besonders begünstigt, alsbald eine hervorragende Stellung
ein: das Geschlecht der Markgrafen selbst, das recht eigentlich
die Grenzwacht übernehmen mufs, und das Geschlecht der Grafen
im Salzburggau, der späteren Burghausen-Schala , das möglicher-
weise an altes aribonisches Familienerbe anknüpfend, im Norden
der Donau ausgedehnte Besitzungen erwarb. Im übrigen sind es
Lehnsträger des Königs und des Markgrafen, die hier Land ge-
wannen.
Aufser den Urkunden bieten noch die Ortsnamen und ge-
wisse Siedelungsformen, wie Flureinteilung, Dorfanlage, Hausbau,
so weit sie heute nach mancherlei Umwandlungen noch die ur-
sprüngliche Gestaltung erkennen lassen, endlich vielleicht Dialekt,
Sitten und Gebräuche einige Anhaltspunkte für die Kolonisation
und ihr Wesen. Freilich hat selbst die Ortsnamenforschung, die
verhältnismäfsig noch am weitesten gediehen ist, noch immer zu
wenig feste Grundlagen, um gesicherte Ergebnisse zu liefern und
alle Widersprüche zu lösen. Auf den anderen Gebieten ist erst für
einen kleinen Teil des Landes ein verheifsungsvoller Anfang ge-
macht ^), eine systematische, alle Gesichtspunkte zusammenfassende
Untersuchung über das ganze Land fehlt: es wäre gewifs ein
1) Es ist die schon mehrfach erwähnte ausgezeichnete Untersuchung von
Grund, Die Veränderungen der Topographie im Wiener Wald und Wiener
Becken, die ganz neue Perspektiven eröffnet hat. Nebenbei behandelt wird die
Besiedelungsgeschichte auch bei Krebs, Die nördlichen Alpen zwischen Eons,
Traisen und Mürz (Leipzig 1903; in derselben Sammlung VIII, 2). Eine Eeihe
anderer ähnlicher Untersuchungen sind im Zuge. Ich verweise hier insbesondere
auf eine Dissertation von Heilsberg, Siedelungs- und Wirtschaftsgeschichte
des Waldviertels, die noch ungedruckt ist, mir aber vom Verfasser in zuvor-
kommender Weise zur Verfügung gestellt wurde.
VH Achtes Kapitel.
mühevolles und an Enttäuschungen reiches Beginnen, aber es
mufs endlich in Angriff genommen werden. Bei diesem Stande
der Forschung möge man es mir zugute halten, wenn ich mich
auf wenige Andeutungen beschränke, die möglicherweise später
einmal widerlegt, gewifs im einzelnen korrigiert Averden, die aber
auch möglicherweise einer künftigen Forschung wertvolle Finger-
zeige bieten. Die Ausführungen, namentlich aber, wie schon ge-
sagt, die Beispiele beziehen sich selbstverständlich auf die ganze
Folgezeit, ich glaube sie aber gerade hier am Beginn der Ent-
wickelung am besten einreihen zu können. Wir werden sie für
das Spätere im Auge behalten müssen.
Neben den geringen Teilen des Landes, die in festen Händen
geblieben waren oder doch wenigstens rasch wieder an die alten
Besitzer zurückgelangten, und die recht und schlecht, wenn auch bei
den drangvollen Verhältnissen in recht dürftiger Weise bewirtschaftet
wurden, und neben dem früheren Kulturlande, das zwar über ein
halbes Jahrhundert verwildert war, aber das doch die Neukultivie-
rung erleichterte, gab es in Osterreich noch immer ungemein aus-
gedehntes, zusammenhängendes und dichtes Waldgebiet, das noch
auf Jahrhunderte hinaus reichliche Gelegenheit zu Rodungen und
zur Gewinnung von neuem Ackerland bot. Im Lande ob der
Enns zog sich der Passauer Wald bis Aschach, aufserdem finden
wir südhch der Donau noch den Weilhart und Höhnhart, den Haus-
ruck, den Kobernauserwald, den Kefslerwald und den Kremswald,
östlich von der Enns den noch immer sehr bedeutenden Ennswald,
woran sich der Wiener Wald schlofs, der noch heute einen grofsen
Teil der beiden Viertel ob und unter dem Wiener Wald erfüllt.
An der Traisen gegen Steiermark wird der Houperg als Wald
genannt. Das Püttener Gebiet hiefs ebenso Waldmark wie das
Grenzland gegen Böhmen ^). Im Norden der Donau war der Nord-
wald, der riesige Komplex zwischen Rotel und Kamp, erst ganz
dürftig gelichtet und besiedelt ^). Im Viertel unter Manhartsberg
dürfte der Mailberger und der Ernstbrunner Wald damals noch
1) Siehe Lampel, Über die Mark Putten (Bl. d. Ver, f. Landesk. XXII,
133, 1888).
2) Einzelne Teile hatten eigene Benennungen, so der Raabser Wald, das
„desertum ad Grie" u. a. m.
Die zweite deutsche Kolonisation in der Ostmark. 335
bedeutende Ausdehnung gehabt haben. Selbst im Marchfeld wird
eine Silva Hart erwähnt. Ebenso mufste das Sumpfland um Wiener
Neustadt und an der Leitha erst langsam der Bewirtschaftung
gewonnen werden. Im allgemeinen kann man sagen, dafs sich die
Neubesiedelung in den ersten Jahrzehnten in der Ebene fortbewegte
und noch nicht ins Gebirgs- und dichtere Waldland vordrang ^).
Wie häufig bei Kolonisationen erkannten die Ansiedler nicht immer
auf den ersten Blick die günstigen Siedelungsplätze und die Ertrag-
fähigkeit des Bodens. Das hatte die für die ferneren Schicksale
des Landes so schwerwiegende Folge, dafs sich viele ursprüngliche
Ansiedelungen später nicht mehr halten liefsen und früher oder
später wieder aufgegeben werden mufsten.
Auch jetzt erscheint der König wie in der Karolingerzeit als
oberster Eigentümer der neuerworbenen Läudereien. Bis zur Mitte
des 11. Jahrhunderts dauern die massenhaften und reichlichen
Schenkungen an welthche und geistliche Grofse, wobei Heinrich H.
und wohl auch sein Nachfolger Konrad H. die Kirche bevorzugen,
während Heinrich HI. mehr den weltlichen Grundbesitz vermehrte.
Der Grund und Boden wurde nach wie vor in Königshufen aus-
getan, jedoch zumeist in so grofsen Komplexen, dafs bei der Be-
siedelung eine möglichst gleichmäfsige Flurverteilung erfolgen konnte:
Acker, Wiese und Wald in langen Streifen bis zur Flurgrenze.
Die Gemengelage der Parzellen findet sich im wesenthchen im
Viertel ob dem Wiener Wald, wo sich die alte Flureinteilung
aus der Karolingerzeit erhalten hat ^).
Ich will nun zu den Ortsnamen ^) übergehen, weil sie uns
1) Zu diesem Ergebnis kommt Grund a. a. 0. 65.
2) Inama-Sternegg, Deutsche "Wirtschaftsgeschichte II (Leipzig 1891),
bes. S. 9 ff. Nach seiner Berechnung sind zwischen Enns und Leitha während
<les Zeitraumes von ca. 950 — 1058 an 500 Königshufen verteilt worden. Als
Beispiel einer ganz neuartigen gleichmäfsigen Fluranlage kann Tallesbrunn gelton
(Inama-Sternegg in den Mitt. d. anthropol. Gesellsch. 1896). Vgl. dazu
Meitzen a. a. 0. II, 390.
3) Das bahnbrechende Werk für die neuere Ortsnameuforschung in Deutsch-
land ist bekanntlich Arnold, Ansiedelungen und Wanderungen germanischer
Stämme hauptsächlich in hessischen Ortsnamen (1875), dessen Ergebnisse aller-
dings in jüngster Zeit stark angefochten werden (siehe unten S. 231). Für Nieder-
österreich hat Richard Müller mit seinen „Vorarbeiten zur altösterreichischeu
Yancsa, Geschichte Nieder- u. Oberösterreichs. lu
ooß Achtes Kapitel.
einen allgemeinen Überblick über die kolonisatorische Tätigkeit
geben und zugleich vom Allgemeinen zu Besonderheiten hinüberleiten.
Zunächst heftet sich der Name an die Bodengestaltung und den
natüi'lichen Bestand. Ich sehe von den allgemein verbreiteten Be-
zeichnungen (Berg, Bach u. dergl.) ab; charakteristischer, weil lokaler
gebraucht, sind schon die Bezeichnungen Hag, Brühl, Bühel in der
Form Bichel oder Pichel, Kogel, Leiten (Abhang). Auf die aus-
gedehnten Wälder, die die neuen Ansiedler, namentlich im Lande
nördlich der Donau, fanden, und die zum Teil noch von reifsen-
den Tieren bevölkert waren, deuten die vielen Waldbezeichnungen,
Baum- und Wildnamen in Zusammensetzungen mit Eich (Aich),
Buch, Birk (Pirken, auch Pyrha, Pyrawarth, Pürnstein), Ahorn,
Eiben, Tann (Thann), Fichte, Kien, Linden, Eschen, Hasel, Kra-
nabet^), dann Wild: Hirschen, Hinde (Hintberg), Reh, Hasen,
Dachs, Aar, Igel, Geier, Kranich, Sperber 2), Dohle 3), Rabe ^),
Namenkiimde" (siebe oben S. 107 , Änm. 2) eine tüchtige Grundlage geschaffen,
obwohl er mit etwas einseitiger Anwendung des grammatikalischen Prinzipes sich
vielfach verrannte und gar manches unentschieden lassen mufste, und obwohl hier
die Nutzanwendung auf die Siedeluugsgeschichte und diq letzten wichtigen Fragen
nicht gezogen ist. Wie schon erwähnt, steht das Erscheinen eines „Öster-
reichischen Ortsnamenbuches" von ihm bevor. Für Oberösterreich ist bisher
noch nicht einmal ein erster Versuch einer Ortsnamenforschung unternommen
worden. — Sehr zutreffende allgemeine Gesichtspunkte im Kahmen eines kurzen
Aufsatzes gab Ked lieh, Über Ortsnamen der östlichen Aipenländer und ihre
Bedeutung (Zeitschr. d. deutsch, u. österr. Alpenvereines XXVIII, 72, 1897).
Siehe auch Dop seh in der Einleitung zur Ausgabe der Österreichischen Urbare
S. CXXVII und besonders CXLVff. Für einen Teü des Landes (Wiener Wald
und Wiener Becken) hat jetzt Grund a. a. 0. 106 eine eingehende Untersuchung
angestellt, auf die hier nachdrücklich verwiesen werden soll. Da es mich zu weit
geführt hätte, in derselben Weise das ganze Land zu durchforschen, so schlage
ich einen anderen mehr allgemeinen Weg ein, der, wie ich gerne zugebe, nicht
80 gründlich ist, aber im aUgemeinen orientieren dürfte. Meine Darlegungen
gelten, wenn nichts ausdrücklich bemerkt ist, sowohl für Nieder- als auch für Ober-
österreich. Übrigens mufs betont werden, dafs eine ganz aufserordentlich grofse
Anzahl von Ortsnamen in beiden Ländern übereinstimmen oder doch auf dieselben
Grundworte zurückgehen, was aUerdings bei den nahen Beziehungen beider Länder
namentlich hinsichtlich der grundbesitzenden Adelsfamüien weniger auffäUt.
1) Wacholder.
2) Nach Müller in Sparbach, ursprünglich Sparwaersbach.
3) In der Form Dahe in Tachenstein.
4) Aufser in der jetzigen Form auch in der Form Kam (Ramsau) aus Hraban.
Die zweite deutsche Kolonisation in der Ostmark. 237
Falken, besonders Wolf, Fuchs, Eber, Bären (Bern) ^). In die
Niederungen gegen die Donau (Tullnerfeld), die Thaya, das March-
feld und die Leithagegend , die damals noch vielfach von aus-
gedehnten Sümpfen bedeckt waren, führen die Namen Laa, Lach,
Laken (spez. niederösterreichisch), See, Wasser, Moos, Koth, Rohr,
Au, Teich, Weiher, Wörth, Gries, Schutt, Wagrein (Wagram),
beziehungsweise Sarasdorf =*) , Hollabrunn 2), Felber (Velm, Fella-
brunn-^)), Erlen, Zeina(ch) •'), Weiden, Weidach u. dgl., die zum
Teil nur spezifisch österreichisch sind. Bei vielen dieser Orte findet
sich heute keine Spur mehr von Wald, Wasserläufen, Sümpfen oder
dergleichen.
Interessant werden die Ortsnamen, wenn sie uns direkt über
die Tätigkeit des Ansiedlers unterrichten. Da haben wir vor allem
die zahlreichen Rodungen: Schlag, Holz, Reith (Reut, Greith,
Kreith), Stock (Stockerau, Stockach, Gstockert), Zagel(au) *^), Axt ^j,
Gschwendt (Gschwandt) ^), Brand. Dann die Anpflanzungen selbst:
Wies, Wiesmath, Anger, Waasen, Mais (Jungwald), die Teilung
von Grund und Boden im Landwirtschaftsbetrieb : Parz , Ried,
Rüsten, Bruch, Point, Wang, Hub und Lehen ^) und die Ortsnamen
nach den Kulturpflanzen in Zusammensetzungen mit: Hafer in der
österreichischen Form Haber, Weizen, Korn, Flachs, Hanf (Hanef ),
Roggen , Linsen , Erbsen (in der Form Arbes oder Arbers), Kohl,
Klee, Heu, in Oberösterreich auch Hopf, speziell Obstbäume: Apfel
(Apfaltern), Biernbaum, Weichsel (Weixel), Dirndeln ^^), Nufsbaum,
1) Freilich sind verschiedene dieser Tiernamen auch als Personennamen in
Gebrauch gekommen.
2) Sarach = Röhricht.
3) Nach Müller aus der österreichisch-bayerischen Form für HoUunder —
Holler, wovon er selbst Hollenstein ableitet.
4) Die drei letzteren aus Felber, einer österreichischen Bezeichnung der
Uferweide.
5) Röhricht.
6) Stocken, Ausholzen; die liegen gelassenen Äste heifsen Zagel.
7) In: Aggsbach.
8) Dieser wie der folgende Ausdruck deutet auf die Holzungen durch Aus-
brennen. *
9) Point und Wang sind eingehegte Grundstücke.
10) Die Kornelkirsche ; nach Müller auch in Thernberg und Dümstein.
15*
328 Aditos Kapitel.
Kirschen (bayer. österr. Kersch), Kietzen '), auch allgemein Baum-
garten, endlich ^^■cin (^^'einzierl, Weinzettel, Weinberg, Weingarten),
und damit in Verbindung Maisch, KufFarn iKufe). Auf die rege
Viehzucht -weisen die Zusammensetzungen mit: Hirten, Vieh, Küh,
Kälber, Ochsen, Gais, Bock, Schaf, Hammel, Schwein, Sau, Gans
(Gänsern), Enten, Hahn, Henne, Esel, Hengst, Stute ^), Füllen, auch
Hund und Katzen (Katzel), auf die schwunghaft betriebene Bienen-
zucht: Bienen, Immen, Honig (in der spez. öster. Form Honig),
Zeideln (Zeillern). Endlich sei noch der Zusammensetzungen mit
Fisch, Fischer, Krois (Krebs), mit Mühl, Müller, Mehl, mit Stadl
(Scheune), Schober, Käse (in der österr. Form Kas) und der vielen
mit Maier (Meier, Mayer) gedacht. Die Art der Ansiedelung betonen
die Bezeichnungen Hof, Burg, Dorf, Markt, später Stadt, wobei
sich ein interessanter entwickelungsgeschichtlicher Rückblick ergibt,
wenn Orte, die den Namen Hof (Höflein), Hofstätten führen, heute
ansehnliche Dörfer und Märkte sind. Auch nähere Bestimmungen
wie: Kaiser-, König-, Herzog-, Grafen-, Herren-, Knecht-, Frohn-,
Frei-, ferner Pfaffen-,- Pfarr-, Nonn-, Mönchs-, Kloster-, Abts , sind
vielfach von Bedeutung. Später gesellen sich noch Handvverker-
bezeichnungen hinzu: Bäcker-, Schreiner-, Schuster-, Wagner-,
Weber-, Schmied-, Wirt-. Der Bergbau in Oberösterreich drückt
sich in den Zusammensetzungen mit Eisen und Hall (Salz) aus.
Die zunehmende Besiedelung und die Abzweigung der Siedelungen
bringt dann auch die Doppelbezeichnungen mit den so mannig-
faltigen entscheidenden Zusätzen wie Alt und Neu, Klein und
Grofs, Ober und Nieder oder Unter, Mitter, Aufser und Inner usw.
Alle diese Ortsnamen gehören zu der grofsen Gruppe, die
ich als die „redenden" bezeichnen möchte. Eine andere Gruppe,
auf die sogleich näher einzugehen ist, bilden die von Personennamen
abgeleiteten, von den Namen der Begründer der Ansiedelung, der
Führer der Kolonen, der weltlichen Grofsgrundbesitzer. Sie zerfallen
wieder in solche mit Zusammensetzungen und in solche, die reine
Genetivformen mit zu ergänzendem Bestimmungswort zeigen.
Eine kleine Anzahl von Ortsnamen bietet eine direkte Angabe
über die, Stammeszugehörigkeit der Ansiedler. Wir haben in
1) Getrocknete Pflaumen.
2) Stopfenreith soll von Stut-(Ge8tüt) pferrich(pferch) abzuleiten sein.
Die zweite deutsche Kolonisation in der Ostmark. 339
Niederösterreich sechs Orte, die nach Bayern benannt sind (Payer-
bach; Bayerdorf, Bayerhof, Bayerhofstatt, Bayermühle, Payerstetten),
fünf nach Franken (Frankenfels, Frankenhof, zwei Frankenreith,
Frankaslehen), sieben nach Schwaben (Schwabenleithen, Schwaben-
dörfel, Schwabenhof, Schwabenöd, Schwabenreith, zwei Schwadorf),
fünf nach Sachsen (zwei Sachsendorf, Sachsenbrunn, Sachsengang,
Saxenödt) und zwei nach Hessen (zwei Hessendorf) ^) ; allerdings
sind sie gröfstenteils erst viel später urkundlich nachweisbar.
Die Ansiedelungen von Hessen, Sachsen und Schwaben scheinen
vereinzelte Unternehmungen geblieben zu sein, die vermutlich mit
den grofsen Kriegszügen der deutschen Könige, namentlich Hein-
richs HI. und IV. zusammenhängen. Stammeseigentümlichkeiten
haben sich nicht erhalten ^). Diese Namen setzen voraus, dafs
die so benannten Orte einst stammesfremde Enklaven in einheit-
lichen Bezirken bildeten.
Anders steht die Sache in bezug auf Bayern und Franken,
und hier tritt denn in neuester Zeit zur Ortsnamenforschung fördernd
und aufklärend die Siedelungs- , speziell die Hausbauforschung ^).
Diese lehrt uns — ich nehme gleich das Hauptergebnis vorweg — ;
dafs die zweite deutsche Kolonisation des Landes unter der Enns
nicht mehr überwiegend bayerisches, sondern weit mehr fränkisches
Gepräge trägt. Die bajuwarische Hausform findet sich nur im
Süden der Donau, während der nördliche Teil des Landes, einen
schmalen Streifen an der oberösterreichischen Grenze ausgenommen,
dem fränkischen System angehört, ja noch mehr: dieses erstreckt
sich auch über die Donau bis zu einer Linie, die etwa von Melk
in gerader Richtung bis zum Ostabhang des Wiener Waldes ge-
zogen werden kann und längs dieses Abhanges nach Süden bis
1) Vgl. auch Nagl-Zeidler, Deutsch-österr. Literaturgeschichte I, 53.
2) Die Spuren der sächsischen Ortsanlage von Sachsengang sucht Lanz,
Geschichte des Schlosses Sachseugang (Bl. d. Ver. f. Landesk. XXX, 152, 1896)
nachzuweisen.
3) Den ersten Versuch für die Alpenländer machte Gustav B a n c a 1 a r i ,
von dem aufser kleineren Aufsätzen: Die Hausforschung und ihre Ergebnisse in
den Ostalpen (Zeitschr. des deutschen u. österr. Alpenvereiues 144 f., 1893 und
separat) in Betracht kommt. Grundlegend ist die Untersuchung von Dachler,
Das Bauernhaus in Niederösterreich und sein Ursprung (Bl. d. Ver. f. Landesk.
XXXI, 115, 1897), der sich Grund a. a. 0. 84 im wesentlichen anschliefst.
230 Achtes Kapitel.
zum Püttcner Gebiete verläuft '). Allerding^s herrscht im Süden
der Donau starke Gemengesiedelung. Für die Grenzzone sind die
Weiler (Rotten) charakteristisch. Das Unterscheidende zwischen
fränkischem und bajuwarischem Gehöft besteht darin, dafs bei der
einfachsten Form des ersteren unmittelbar an das Wohnhaus, das
nur zwei Räume (Stube und Vorhaus mit Küche) enthält (zwei-
teiliges Haus), in einer Linie der Stall anstöfst, während bei letzterem
der Stall vom Wohngebäude, das durch ein Vorhaus in zwei Teile
zerlegt wird, getrennt und zwar vielfach in einem rechten Winkel
dazu gebaut ist (dreiteihges Haus) '■'). Bei dem streng konservativen
Sinn des Bauern und dem geringen Einflufs, den späte Zuwande-
rungen auf bestehende Hausformen zu nehmen pflegen, unterliegt
es keinem Zweifel, dafs wir in der primitivsten Form auch zugleich
die ursprüngliche aus der Zeit der Kolonisation vor uns haben.
In diesem Gebiete finden wir auch das fränkische Strafsendorf
(besonders als Reihendorf), das sich sehr gut zur Verteidigung
gegen Angrifife eignete: die Häuser möglichst nahe aneinander
gerückt, nur zwei Dorfeingänge. Ebenso kommt die Fluranlage
in langen Streifen (siehe oben) den Franken zu.
Wii-ft man einen Blick auf eine Spezialkarte oder auch nur
in das Ortsrepertorium ^), so ersieht man gleichfalls, dafs in den
Bezirkshauptmannschaften Amstetten, Scheibbs, Neunkirchen, Wiener
Neustadt und zum Teil St. Polten der spezifisch bayerische Einzel-
hof vorherrscht. Verbindet man die Ortsnamenforschung mit den
vorläufigen Ergebnissen der Hausforschung, so ergibt sich, dafs in
dem bayerischen Siedelungsgebiet die redenden Ortsnamen, in dem
fränkischen die von Personennamen abgeleiteten, sei es in Zusammen-
setzungen, sei es in Genetivbildungen, überwiegen. Weniger ergebnis-
1) Vgl. die Karte, die der Arbeit von Dach 1er beigegeben ist.
2) Über die weiteren vorkommenden Entwickelungsformen siehe Dachler
a. a. 0. und Grund a. a. 0.
3) Als Karte für derlei Forschungen zieht man wohl am besten die vom
Verein für Landeskunde herausgegebene Administrativkarte zu Rate, die zwar
kein Terrain, aber die genauesten Lokalbezeichnungen, Begrenzungen und aufser-
dem auch die Flurnamen enthält. — Ortsrepertorien gibt die k. k. statistische
Zentralkommission alle zehn Jahre nach dem jeweiligen Stand der Volkszählung
seit 1870 heraus; da^ letzte nach der Zählung vom 31. Dezember 1900 erschien
als Gemeindelexikon von Niederösterreich 1904.
Die zweite deutsche Kolonisation in der Ostmark. 331
reich ist ein Vergleich der österreichischen mit den zahh'eichen gleich-
lautenden Ortsnamen auf fränkischem und bayerischem Boden. Die
Wiederholungen scheinen mir wenig charakteristisch. Immerhin
kann man sagen, dafs im Norden der Donau, speziell im Viertel
ober Manhartsberg, die Namen aus der Oberpfalz besonders stark
vertreten sind ^). Bei systematischerer Forschung und Vergleichung
der verschiedenen Kriterien dürfte man wohl auch noch zu feineren
Unterscheidungen kommen. Früher hat man nach Arnolds An-
schauungen Ortsnamen auf „ing" ^) für bayerisch (ebenso wie die
auf „wang" im Traungau und dem nordöstlichen Viertel ober Wiener
Wald ursprünglich alamannisch) angenommen, aufserdem Zusammen-
setzungen mit „stetten", während die entsprechende fränkische En-*
düng „statt" lautet, „heim" (hara) für fränkisch. In jüngster Zeit
will man an Stelle dieser Hypothese eine wirtschaftsgeschichtliche
setzen und die Verschiedenheiten der Benennung aus den Ver-
schiedenheiten des Wirtschaftsbetriebes und der damit zusammen-
hängenden Siedelungsformen erklären. Doch ist man darin noch
zu keinen einheitlichen Ergebnissen gelangt ^). In Osterreich, wo
sich allerdings vielfach die Siedelungsunterschiede mit den Stammes-
unterschieden decken, fehlen noch diesbezügliche Untersuchungen.
Die vielen Bildungen mit „dorf" dürften sich hauptsächlich im
fränkischen Gebiet finden, während sie im Gebiet des bayerischen
1) Herr Ingenieur D a c h 1 e r hatte die Güte, mir eine fleifsige Zusammen-
stellung österreichischer, bayerischer, oh erpfälzischer und fränkischer Ortsnamen
zur Verfügung zu überlassen. Doch lieferte sie für die springenden Punkte keine
sonderlichen Ergebnisse. Es überwiegen auch zu sehr die rein allgemeinen Ähn-
lichkeiten, wie sie in allen deutschen Landen zu finden sind.
2) Bei Alois Hub er, Geschichte des Christentumes IV, 326 findet sich
eine Zusammenstellung von nicht weniger als 151 dieser Ortsnamen. Ich füge
hinzu, dafs Huber, soviel mir scheint, der erste ist, der auf die Scheidung des
bayerischen und fränkischen Siedelungselementes hinwies. A. a. 0. findet sich
auch sonst manche brauchbare Bemerkung.
3) Die Ersten, die diese neue Hypothese hauptsächlich auf Grund von
Untersuchungen im Elsafs verfochten, waren Hans Witte und Schieber. Die
Literatur ist zusammengestellt in Deutsche Geschichtsblätter I, 153, 1900 und
III, 153, 1902. Während jedoch Schieber Orte auf „ingen" für Bauern — ,
Orte auf „heim" für Herrensiedelungen hält, kommt Witte (Ortsnameuforschung
u. Wirtschaftsgesch, in Deutsch. Geschichtsbl. III, 153 f.) zu entgegengesetzten
Anschauungen.
233 Achtes Kapitel.
Einzelhofes fehlen oder auf spätere Gründung; deuten ; ferner ist
es gewifs kein blofser Zufall, dafs gerade im Viertel ober Man-
bartsberg und zwar fast ausschliefslieh nur hier die Genetive von
Personennamen ohne Zusatz als Ortsnamen verwendet werden wie
Heinreichs, Siegharts, Mainhards, Kudmanns, Gerungs u. v. a. m.
Zu ergänzen ist hier Hof oder Dorf. Deutlicher heifst es in zwei
Fällen „Bei Reingers" und „Bei Artolz" ^). Auffallend ist, dafs
ähnliche Bildungen in Schwaben, im Algäu und in der Gegend
von Fulda wiederkehren. Der Zusammenhang wäre noch aufzu-
klären ^). Endlich sind auch Namengebungen nach Heiligennamen
für die Frage nach der Abstammung der Siedler von Wert, wie
'denn überhaupt die verschiedenen Stämme verschiedene Kirchen-
patrone bevorzugen. Georg und Martin (sowie der zwar nicht in
Ortsnamen, wohl aber als Kirchenpatron vorkommende Dionys)
sollen auf fränkische Siedelungen weisen. Nun wäre es noch von
höchster Wichtigkeit, neben den Ortsnamen die Flurnamen in
gleicher Weise heranzuziehen, von denen nicht minder bedeutende
Aufschlüsse zu gewinnen wären. Leider ist in dieser Beziehung
sowohl in Nieder-, als auch in Oberösterreich bisher nicht einmal
ein leiser Versuch gemacht worden ! Man mufs also auf diese
wertvolle Ei-gänzung vorläufig gänzlich verzichten.
Für die Teilung des Landes in ein bayerisches und ein frän-
kisches Siedeluugsgebiet gewinnen wir noch eine weitere bedeutende
Stütze an dem Dialekt. Selbst einem wenig geübten Ohre werden
starke Verschiedenheiten zwischen dem Dialekt, den die Bewohner
der beiden Manhartsbergviertel sprechen, und dem, der südlich der
Donau bis gegen die ungarische Grenze hin in Übung ist, auf-
fallen. Dagegen ist in vieler Hinsicht sowohl in der Aussprache
(z. B. ui für u), als auch in vielen speziellen Ausdrücken die
Ähnlichkeit mit der Mundart der gewifs fränkischen Heanzen im
Ödenburger und Eisenburger Komitat in Ungarn auffallend ^). Selbst
1) Es würde zu weit gehen, wollte ich hier auch eine Verteilung der ver-
schiedenen Ortsnaraenformen auf einzelne Teile des Landes versuchen, wie sie
Grund für sein Gebiet gegeben hat.
2) Gleichfalls bereits von Alois Hub er angeregt. Vgl. Müllner in der
Zeitschrift „Argo" Vn, 180, 1899 und VIII, 16, 1900.
3) Einen ersten Versuch auf diesem schwierigen Gebiete machte — ich
Die zweite deutsclie Kolonisation in der Ostmark. 233
im Charakter der Bevölkerung treten noch heute gewisse Differen-
zierungen hervor. Es ist zu erwarten, dafs die im letzten Jahrzehnt
stetig sich entwickelnde Volkskunde weitere Unterschiede und Belege
für die zweifache Besiedelung des Landes zutage fordern wird ^).
Kehren wir nach dieser Abschweifung nun zu den historischen
Grundlagen der geschilderten Verhältnisse zurück, so sehen wir,
dafs sie sich ganz wohl mit dem urkundlich beglaubigten Gang
der Besiedelung, wie wir ihn in diesem Kapitel kennen gelernt
haben, in Einklang bringen lassen. Man kann sagen, dafs die
ursprüngliche Mark Burkhards, die zugleich auch jenes Gebiet ist,
in der die Kolonisation die Magyarenstürrae überdauert haben
dürfte, den Grundstock der baj u warischen Besiedelung bildet. Dazu
ist der Süden des Landes zu rechnen, der, wie wir noch sehen
werden, lange Zeit zur Kärntner, später zur steirischen Mark ge-
hörte. Die fränkische Periode der Besiedelung begann erst mit
dem Auftreten der fränkischen Babenberger, die nicht nur ihre
zahlreichen Kriegsvasallen, sondern auch Massen von Kolonen aus
ihrer Heimat nach sich zogen. Auch darf man nicht übersehen,
dafs gerade die deutschen Könige, die sich zur entscheidenden Zeit
dieses Grenzgebietes besonders annahmen, gleichfalls aus Franken
stammten. Möglicherweise war auch der Bevölkerungsüberschufs
aus Bayern bereits erschöpft. In diese Periode fallt dann eben
erst die Erweiterung: der östlichen Grenze bis zur Leitha und die
darf wohl sagen: auf meine Anregung Lin — Dachler, Beziehungen zwischen
den niederösterreichischen, bayerischen und fränkischen Mundarten und Bewohnern
(Zeitschr. f. österr. Volkskunde VIII, 81 f.. 1902). Besonders charakteristisch ist
das für das neuhochdeutsche „u" gebräuchliche „ui" anstatt des bayerischen „ua"
(z. B. Muider statt Muader = Mutter), „ea" für „i" und die Endung ,,ing"
statt „ung". Es steht zu erwarten, dafs durch das Wörterbuch der nieder-
österreichischen Mundart, für das der Verein für Landeskunde von Niederöster-
reich im Jahre 1903 einen Preis mit dreijährigem Termin ausgeschrieben hat,
diese Dialektforschungen eine gesicherte Grundlage gewinnen und weitere An-
regung geben werden.
1) Z. B. die solenne Feier des „Kirtags" (Kirchweihfestes) mit Gelage und
Tanz findet sich nur in den Manhartsbergvierteln und im Mühlviertel, während
er im Süden nur sehr bescheiden gefeiert wird. — Einiges wenige siehe auch
bei Dach 1er a. a. 0. — Erwähnenswert ist auch, dafs in Österreich bei wichtigen
Terminen nach den fränkischen Heiligentagen St. Georg und St. Martin (Winter-
anfang) gerechnet wird.
234 Achtos Kapitel.
Besitzergreifung des Landes im Norden der Donau. Wir haben
ferner gesehen, dafs in den beiden Vierteln am Manhartsberge und
im Südosten des Landes die kolonisatorische Arbeit in erster Linie
von weltlichen Grofsunternehmern geleistet wurde, während sich
das Gebiet der Mark Burkhards noch von der Karolingerzeit her
in den festen Händen der gröfseren Stifter befand. Daher kommt
es auch, dafs in jenen Gegenden die von Personennamen abgeleiteten
Ortsnamen so massenhaft auftreten. Es ist auch ferner ziemlich
natürlich, dafs sich im Norden der Donau das fränkische Element
bis auf die Gegenwart reiner erhalten hat, als im Süden des Stromes,
wo auch in den fränkisch besiedelten Gegenden im Laufe der Zeit
eine gewisse Angleichung an das Bayerische, namentlich in der
Mundart, eingetreten ist.
Zum Schlufs noch ein Wort über die slawischen Ansiedelungen,
die in der Karolingerzeit geduldet waren und sich wohl auch
zumeist bei der Botmäfsigkeit und Schmiegsamkeit des slawischen
Volkscharakters über die Ungarnperiode erhalten haben dürften.
Sie bestehen auch in>der neuen Siedelungsperiode bis ins 12. Jahr-
hundert hinein, befinden sich aber in Abhängigkeit von den deutschen
Grundherren ^). Möglich ist es, dafs ganz vereinzelt auch noch
Slawen zuwanderten ^). Später werden sie vom deutschen Elemente
vollständig aufgesogen, so dafs lediglich die alten slawischen Orts-
namen ^), denen wir ja schon in der KaroHngerzeit begegnet sind.
1) An der Ips wurde am Ende des 10. Jahrhunderts slawisch gesprochen.
M. G. DD. Otto II., 204, III., 540. Slawische Niederlassungen an der Persch-
ling zur selben Zeit: M. B. XXVIIIa, 87. Bei Mautern war das slawische
Grundmafs, die hoba slavinisca, in Gebrauch (Archiv XXVII, 259). Slawische
porige der Herrantsteiner noch um 1170. Im Waldviertel wird noch im 12. Jahr-
hundert in Eassingdorf ein Slawe genannt, zu Globnitz noch 1205 (Fontes rer.
Austr. III, 30, 109).
2) Einem Zwentibold werden zwischen 1030 und 1040 an der Schwechat
fünf Hüben gegeben (M. B. IV, 21).
3) Zu den rein slawischen oder vom Slawischen abgeleiteten Namen kommen
noch die den slawischen Ansiedelungen von den Deutschen gegebenen Namen
hinzu: Böheimkirchen, Böhmischkrut, Böhmstorf, Böhmzeil, Abwinden, Wimpassing
und Windpassing, Windberg, Windhag, Winden, Windhof, Windischendorf, Win-
dischhütten, Windischmarkt (siehe oben S. 108). Vgl. aufserdem Kämmel, Die
slawischen Ortsnamen im nordöstlichen Teile Niederösterreichs (Archiv f. slaw.
Philologie Yil, 256 f., 1884).
Die zweite deutsche Kolonisation in der Ostmark. 235
noch heute auf sie hinweisen, während sich weder sprachHche, noch
volkstümliche Kulturspuren in späterer Zeit finden.
]\Ian wird übrigens annehmen dürfen, dafs gerade in der
ersten Zeit der Kolonisation in der Mark, wo so viele Völker
einander ablösten und auch die siegreiche deutsche Nation durch
die verschiedensten Stämme vertreten war, sich eine gewisse Kultur-
mischung, namentlich in der Sprache zeigte, die sich zwar später
mehr ausglich und die fremden Elemente abstiefs oder verarbeitete,
in einigen EigentümHchkeiten aber doch selbst heute noch zu finden
ist. Gerade in diesem Verarbeitungsprozefs hat das Deutsche die
volle Überlegenheit bewiesen.
Es liegt in der Natur der Sache, dafs die Besiedelung im süd-
westlichen Teile am dichtesten war, gegen Osten aber immer spär-
licher wurde und besonders im Norden der Donau während der
ersten Hälfte des 1 1 . Jahrhunderts nur erst dürftige Ansätze zeigte.
Das beweisen Angaben wie die der Urkunde von 1002 für Markgraf
Heinrich, wonach sich dieser zwischen Kamp und March an be-
liebigem Ort 22 Hufen aussuchen konnte, oder die Erzählung von
der Ermordung des heiligen Kolomann, der im Jahre 1012 nach
Palästina pilgern wollte, in diesen Grenzgebieten bei Stockerau
jedoch von den Leuten für einen feindlichen (ungarischen oder
böhmischen) Spion gehalten und gehenkt wurde, ein Zeugnis für
die Unsicherheit und Gefährdung dieser Siedelungen. — Auf die
soziale und wirtschaftliche Lage der Ansiedler in der Ostmark
komme ich später noch in anderem Zusammenhang zurück.
Es erübrigt nun nur noch, den Umfang der Ostmark und ihre
Grenzen klar zu stellen ^), die sich freiUch zumeist nur aus späteren
Belegen und Quellen, besonders der Einleitung des Fürstenbuches
von Enenkel aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts 2) , er-
1) Jetzt am besten bei Hasenöhrl, Südöstliche Marken 4G5 (47) f. Be-
züglich der südlichen Grenze vgl. Feiice tti, Steiermark im Zeitraum vom
8. — 12. Jahrhundert (Beitrcäge zur Landeskunde von Steiermark IX, Iff., 1872).
Vieles bietet Strnadt, Geburt des Landes ob der Enns. Eine sorgfältige
Detailuntersuchung nach Enenkels Fürstenbuch lieferte Lampe 1 in seiner
übrigens noch nicht abgeschlossenen Arbeit: Das Gemärke des Landbuches (Bl.
d. Ver. f. Landesk. XX, 267, 1886; XXI, 228, 1887; XXX, 301, 1896; XXXIII,
371, 1899).
2) Hgg. von Lampel, M. G. Deutsche Chroniken V.
236 Achtes Kai)itol.
schliessen läfst. Bei der Neuerrichtung der Mark knüpfte man
auch in bezug^ auf die Zuteiknig des gesicherten Hinterhindes
an den Zustand zur Karolingerzeit an. Dies stiefs nur hinsicht-
lich des Traungaues auf ISchwierigkeiten, denn erstens gab es gar
kein gescldossenes Gaugebiet im alten Sinne mehr, und zweitens
dominierte hier vermutlieh sclion damals, wie wir gesehen haben,
das Geschlecht der Traungauer oder Wels-Lambacher. Mindestens
sprechen alle urkundlichen Belege in der Folgezeit nicht nur nicht
für eine Oberhoheit der Markgrafen von Osterreich über den Traun-
gau, sondern sogar direkt gegen eine solche '), und wenn im Jahre
977 Enns als iu der Grafschaft Liutpolds gelegen bezeichnet wird '^)y
so ist die Echtheit der Urkunde oder dieser Stelle durchaus niciit
über alle Zweifel erhaben, und, wenn sie es wäre, könnte man
annehmen, dafs vielleicht ein Teil des ehemaligen Traungaues mit
Enns für kurze Zeit zur Mark gehört habe, denn später liegt
Enns sicher nicht mehr in der Mark ^).
Dagegen stand der Zuweisung eines Hinterlandes im Norden
der Donau, wie es schon zur KaroHngerzeit bestanden hatte, nichts
im Wege, da hier das Land noch wenig urbar gemacht war, und
sich hier noch keine bestimmten grundherrhchenHobeitsrechte heraus-
gebildet hatten. Es Avaren jene Gebiete des heutigen Osterreich ob
der Enns, die seit dem 12. Jahrhundert unter dem Namen Riedmark
und Machland *) bekannt sind. Die Westgrenze vei lief demnach im
1) Darüber vgl. die Untersuchungen Strnadts, Geburt 35 ff.
2) M. G. DD. II, 189, in zwei Fassungen überliefert, von denen die längere
sicher gefälscht, die zweite wenigstens nach Uhlirz unbedenklich ist.
3) Die Enns bildete auch damals nur in ilirem Unterlauf die Westgrenze
der Mark, die übrige Westgrenze hält Hasenöhrl a. a. 0. 479 für identisch
mit der heutigen, Strnadt a. a. 0. 21 nimmt an, dafs sie vom Scheiblingstein
bis zum Sengsengebirge, von diesem zur Steyer bis zur Mündung der Enns verlief.
4) In bezug auf Einzelheiten mufs ich auf die Arbeiten von Hasenöhrl^
Larapel, Strnadt usw. verweisen. — Gegen einen Versuch Hasenöhrls
(a. a. 0. 443 f.), die Eiedmark als eine selbständige Mark aufserhalb der Ost-
mark nachzuweisen, siehe die Widerlegung von Strnadt in der Linzer Zeitung
7., 8. und 10. Dezember 1895, die auch bezüglich der Westgrenze sowie der
Eiedmark und des Machlandes überhaupt zu vergleichen ist. Jetzt siehe auch
seine Erläuterungen zum historischen Atlas. Der Name Eiedmark kommt zum
ersten Male in einer Urkunde von 1115 vor (ÜB. d. L. o. d. Enns II, 149).
1130 heilst das Gebiet auch einmal Waldmark (ÜB. von Steiermark I, 142). Die
Die zweite deutsche Kolonisation in der Ostmark. 237
Norden der Donau von der Mündung des Haselbaches dem Hasel-
graben entlang.
Schwer ist die Nordgrenze anzugeben, die jedenfalls im 10.
und 11. Jahrhundert nichts weniger als feststehend war, im wesent-
lichen von der fortschreitenden Rodung des in weitester Ausdehnung
von der Hz bis zum Kamp und von der Donau bis tief nach
Böhmen sich hinziehenden Nordwaldes bestimmt wurde und sich
nur allmählich gegen Norden vorwärtsschob, ebenso wie — aller-
dings wohl in geringerem Mafse — die Besiedelung in Böhmen
nach Süden. Immerhin war schon in der zweiten Hälfte des
11. Jahrhunderts die Thaya und das Gebiet von Raabs erreicht.
Merkwürdig dunkel liegen die Grenzverhältnisse auch östlich
vom Kamp im Viertel unter Manhartsberg in der ersten Zeit der
Neukolonisation *). Wir wissen, dafs sich im 9. Jahrhundert das
mährische Reich in seiner gröfsten Ausdehnung und Älachtstellung
auch über diesen Teil des heutigen Niederösterreich erstreckte. Die
Besiedelung scheint nie besonders dicht gewesen zu sein ; jedenfalls
muis die Vernichtung des mährischen Reiches durch die Magyaren
im ersten gewaltigen Anstofs gründlich und nachhaltig gewesen
sein. Fast noch dichteres und jedenfalls weit länger anhaltendes
Dunkel, wie über der Ostmark, lagert über diesem Lande ^),
obwohl man annehmen kann, dafs die Magyaren gezwungen waren,
sich auch von Mähren zurückzuziehen, sobald die Mark an der
Donau unter Liutpold und Heinrich sich gegen die Leitha und
March vorschob und festigte. Nach Norden ging man aber wohl
kaum über den ßisamberg d. h. also über die alte karolingische
Grenze hinaus ^). Um die Jahrhundertwende wurde das Land
Bezeichnung Machland trägt zuerst im 12. Jahrhundert ein Ministerialengeschlecht,
als geographischer Begriff erscheint es erst im 13. Jahrhundert (Die Urk. von
1074, ÜB. d. L. 0. d. Enns II, 113, wo es anscheinend zuerst genannt wird, ist
unecht).
1) Darüber siehe Kämmel, Die slawischen Ortsnamen im nordöstlichen
Teile Niederösterreichs (Archiv f. slawische Philologie VII, 25G, 1884).
2) Entgegen den verschiedenen Angaben über die mälirische Geschichte
während des 10. Jahrhunderts siehe jetzt die kritische Sonderung des Erweis-
baren bei Bretholz, Geschichte Mährens I, 123 ff.
3) Der heilige Kolomann wird 1012 bei Stockerau ,,in Bavariorum confinio
atque Moravenum" erschlagen (M. B. XI, 140). Auch das allerdings unzuver-
238 Achtes Kapitel.
eine Beute des autstrebenden Polenreiches unter Boleslav Chrobry i),
und in diesem Augenblick erwuchs der Mark, die bisher nur als
Bollwerk gegen die Ungarn im Süden der Donau diente, auch
im Norden des Stromes eine hervorragende politische Aufgabe, und
es ist bedeutsam, dafs Kaiser Heinrich II., wie wir gesehen haben,
im Jahre 1002 dem Markgrafen Heinrich ausgedehntes Gebiet
sowohl an der Südostgrenze zwischen Liesing und Triesting, als
auch im Norden der Donau zwischen Kamp und March über-
trug ^). Hier im Viertel unter Mauhartsberg, das jetzt erst zur
Mark hinzugeschlagen wurde, fanden dann in den Jahren 1015
imd 1017 siegreiche Kämpfe des Markgrafen Heinrich gegen
die Polen statt, die der Kaiser damals in Verbindung mit dem
Bühmenherzog bekriegte ^). Unter Markgraf Adalbert, der seinem
Bruder Heinrich *) im Jahre 1018 beinahe um dieselbe Zeit nach-
folgte, da auch in dem anderen Babenbergischen Zweige der Mark-
graf im Nordgau Otto seinen Vater, der gleichfalls Heinrich
hiefs, beerbte, war dann die March- und Leithagrenze ^) bereits
vöUig gesichert, und >es finden hier zwischen 1018 und 1025 zahl-
reiche Gütervergabungen statt. Vielleicht wurde im Frieden von
Regensbui'g zwischen Kaiser Heinrich III. und Herzog Bretislaw
im Oktober 1041 auch die Thayagrenze definitiv festgesetzt. Wie
die Polen und Mährer aus dem Viertel unter Manhartsberg ver-
drängt wurden, so hatten die Ungarn im Südeu der Donau die
ja schon vordem von Deutschen besiedelten Gebiete, in denen sich
übrigens das magyarische Element nur wenig festgesetzt haben
lässige Placitum des Herzogs Heinrich setzt eine slawische Grenze nahe der
Donau voraus.
1) Über den Zeitpunkt B retholz a. a. 0. 165.
2) Siehe des näheren unten. — Meli 1er, Eegesten 3, 5.
3) Thietmar Chron. VH, 42, 44. — Vgl. dazu Zeifsberg, Die Kriege
Heinrichs IL mit Boleslaw I. von Polen (Sitzungsber. d. W. Akademie LYII, 406).
4) Über Markgraf Heinrich hat Ambros Heller in den Blättern des Ver-
eines für Landeskunde VII, 283, 1873 einen — übrigens unbedeutenden — Auf-
satz veröffentlicht.
5) Es ist nur natürlich, dafs auch damals nicht der ganze Unterlauf der
Leitha die Grenze gebildet, sondern etwa von Gattendorf an vielleicht sumpfige
Nebenarme der Donau (vgl. Lampel, Die Mark Putten in den Bl. d. Ver. f.
Landesk. XXH, 133 f., 1888, und Hasenöhrl a. a. 0. 472).
Die zweite deutsche Kolonisation in der Ostmark. 339
mochte — es blieben wenigstens keine Spuren zurück ^) — , ohne
Kampf geräumt.
Wenden wir uns endlich der Südgrenze ^) der Mark zu , so
sehen wir, dafs der alte Grenzzug der Karolingermark, der auch
durch die Diözesangrenzen zwischen Salzburg und Passau gegeben
war, wieder aufgenommen wurde. Erst um 1058 wurde das
Püttener Gebiet definitiv mit der Kärntener Mark vereinigt. Die
Grenze verliefs dann die Leitha beim Einflufs der kleinen Fischa,
erreichte in kürzester Entfernung die Piesting bei Wöllersdorf,
verlief längs der Piesting und der Grenze des Landgerichtes Guten-
stein bis zum Unternberg, endHch über den hohen Göller zum
Erlafsee, worauf sie ungefähr in der Richtung der heutigen Landes-
grenze weiterging ^). Es gehörte demzufolge das Wiener Neu-
städter und Püttener Gebiet zur Kärntner Mark.
Während die übrigen Grenzen der Mark Osterreich durch
das ganze 11. und 12. Jahrhundert so ziemlich unverändert blieben,
gab es an der Ostgrenze noch einmal einen Rückschlag. Im Jahre
1030 brachen plötzhch wieder Feindseligkeiten mit den Ungarn
aus. Die Gründe sind unbekannt, angeblich waren die Bayern
die Veranlassung *) ; inwiefern, ist unklar. Möglicherweise fürchtete
König Stephan die engeren Beziehungen zwischen dem deutschen
und dem oströmischen Reiche, die gerade damals durch eine
Heirat von Kaiser Konrads Sohn mit einer Tochter des Kaisers
Konstantin IX. angebahnt werden sollten ^). Auch dürfte ihm
die rasch nach Osten vorwärtsschreitende Kolonisierung für sein
1) Nur die Ortsbezeichnungen Ungarstein, Ungarbach (zweimal) und Unger-
berg im Südosten, wo auch von einer Marca Hungarica (siehe Lampel, Über
die Mark Putten) die Eede ist, erinnern daran. Ein Ungerndorf findet sich
auch im Viertel unter Manhartsberg.
2) Zu der bereits oben angeführten Literatur tritt für die Südgrenze noch
hinzu der schon öfter zitierte Aufsatz von Pelicetti v. Lieben fels im 9. Bande
der „Beiträge z. Kunde steierm. Geschichtsquellen" und Newald, Die Grenze
zwischen Steiermark und Österreich in der südlichen Hälfte des Viertels unter
Wiener Wald (Bl. d. Ver. f. Landesk. III, 46, 1869) und besonders der eben
genannte Aufsatz Lampeis über die Mark Putten.
3) Das Hauptverdienst, Enenkels Angaben im einzelnen festgestellt zu
haben, gebührt Lampel.
4) Dies behauptet Wipo, Gesta Chuonradi imp. c. 26 (M. G. SS. XI, 268).
5) So nach Huber I, 18L
240 Achtos Kapitel.
neuorganisiertes Reich bedrohlich erschienen sein. Genug, im ge-
nannten Jahre kam es zu Streit- und Plünderungszügen; die Heer-
fahrt Kaiser Konrads bis zur Kaab mil'sgUickte jedoch, das Heer
mulste unter Hunger und Strapazen den Rückzug antreten und wurde
bei Wien, das damals zum ersten Male genannt wird, aufgerieben ').
Auffallen mufs es, dafs von einer Hilfe des Markgrafen Adalbert
gar nichts verlautet. Es scheint, als ob er für die Mifsgunst des
Königs Vergeltung geübt habe. Schliefslich mufste Kaiser Konrad
froh sein, dafs Stephan selbst den Frieden anbot. Der junge Herzog
Heinrich von Bayern, Konrads Sohn, nahm ihn an, indem er das
Gebiet bis zur Fischa und einen entsprechenden Streifen Landes
im Norden der Donau etwa von der Fischamündung bis Tracht
an der Thaya den Ungarn abtrat ^). Der Hausbesitz der Baben-
berger blieb dadurch unberührt, wurde aber wieder wie bei der
ersten Verleihung zum eigentlichen Grenzland.
Nachdem sich, wie wir gesehen haben, das Verhältnis zwischen
König und Markgraf in den letzten Jahren der Regierung Konrads
etwas gebessert hatte, finden wir Adalbert wieder getreu auf Seite
des Königs, als im Jahre 1039 der junge Heinrich IH. den Thron
bestieg. Der Markgraf dürfte eingelenkt haben, da damals der
Höhepunkt der Machtstellung des babenbergischen Gesamthauses
bereits entschieden überschritten war, denn 1038 hatte Kaiser
Konrad nach dem kinderlosen Tode Hermanns vou Schwaben dieses
seinem Sohne Heinrich übertragen, und, da nun bald nach des
Königs Tode auch der Herzog Konrad von Kärnten staz*b und
Heinrich IH. dessen Land gleichfalls einzog, so besafs dieser in
Süddeutschland ein gewaltiges Übergewicht. Andrerseits hatten
sich auch die Verhältnisse zu beiden Nachbarreichen der Mark,
die miteinander ein Bündnis geschlossen hatten, zu Böhmen unter
Bretislaw, der 1029 mit seinem Vater auch Mähren erobert hatte,
und zu Ungarn unter Peter — dies war eigentlich ein Sohn des
Dogen von Venedig, Otto Urseoli, und der Schwester Stephans,
1) Ann. Altah. ad 1030 (M. G. SS. XX , 791). Die Stelle ist nicht ganz
klar; es könnte sowohl eine Niederlage des Heeres bei Wien, als auch eine Er-
oberung Wiens gemeint sein. Doch ist die Form Wieuui wohl ein Lokativ.
Ygl. Müller in den Blättern des Vereins für Landeskunde XXIII, 14, 1889.
2) Kann aus der Eückgabe im Jahre 1043 geschlossen werden.
Die zweite deutsche Kolonisation in der Ostmark. 341
den letzterer bei seinem kinderlosen Tode im Jahre 1038 zum
Erben eingesetzt hatte, — gefahrdrohend gestaltet. Obwohl Adalbert
zu beiden Fürsten in verwandtschaftlichen Beziehungen stand —
Bretislaw hatte die Tochter des babeiibergischen Markgrafen Heinrich
vom Nordgau, Judith, entführt und Adalbert selbst hatte die
Schwester Peters, Frowila, zur Frau — •, zögerte er doch nicht, sein
Schwert in den Dienst des deutschen Königs zu stellen. Im Jahre
1040, während Kaiser Heinrich IH. in harten Kampf mit Bretis-
law verwickelt war, zog Peter von Ungarn durch einen Einfall in
die Mark den Markgrafen ab; im Jahre 1041 gelang es aber diesem
mit seinem Sohne Liutpold, eine nicht näher zu bestimmende Stadt
an der Grenze des böhmischen Reiches (wahrscheinlich Mährens),
die ihm der Herzog früher weggenommen hatte, zu erobern
und nach dem Gewinn reicher Beute zu zerstören ^). Brestislaw
wurde von Kaiser Heinrich bezwungen und zur Anerkennung der
deutschen Oberherrlichkeit genötigt. Um so schlimmere Verwicke-
lungen drohten von Ungarn, wo im Jahre 1041 Peter von der
nationalen Partei gestürzt worden war. Er floh zu seinem Schwager
Adalbert. Der neue König Aba fiel jedoch zu Beginn 1042 mit
zwei Heerhaufen nördlich und südlich der Donau in die Mark
ein. Der letztere unter seiner eigenen Führung gelangte durch
die Wälder bis zur Traisen (15. Februar), zog sich dann auf
Tulln zurück, dessen Umgebung einen Tag hindurch ausgeplündert
und verheert wurde, und konnte dann ungehindert heimkehren.
Dagegen wurde das Nordheer durch Markgraf Adalbert und seinen
Sohn Liutpold, obwohl ihnen nur wenige hundert Mann zur Ver-
fügung standen, geschlagen und bis zur March verfolgt. Auch ein
drittes ungarisches Heer, das gleichzeitig die Kärntner Mark an-
gegriffen hatte, wui'de vom Markgrafen Gottfried und zwar ver-
mutlich bei Putten besiegt ^).
Kaiser Heinrich IH. konnte dann in drei Feldzügen im Sep-
1) Ann. Altah. ad 1041 (M. G. SS. XX, 796). Büdinger I, 475 meint,
es sei Znaim gewesen; dagegen spricht sich Perlbach, Die Kriege Hein-
richs ni. gegen Böhmen (Forschungen z. deutschen Gesch. X, 461) für Baum-
garten aus.
2) Lampel, Die Mark Putten, sucht es wahrscheinlich zu machen, dafs
-die Schlacht nicht bei Pettau, sondern bei Putten stattgefunden hat.
VancBa, Geschichte Nieder- u. Oherösterreichs. 16
242 Achtes Kapitel. Die zweite deutsche Kolonisation in der Ostmark.
tember 1042, im August 1043 und Sommer 1044, welch letzterer
ihm den blutigen Sieg bei Memfö brachte, bis an die Raab vor-
dringen, die Ungarn demütigen und König Peter, der Deutschland
den Vasalleneid leisten mufste, wieder einsetzen. Das war der
Höhepunkt des deutschen Einflusses auf den Osten.
Schon nach dem zweiten Feldzug im Jahre 1043 mufste König
Aba das Land bis zur Leitha und March herausgeben. Seitdem
steht auch diese Grenze bis zum heutigen Tage fest. Freihch war
durch die zeitweise Entfremdung dieses Gebietes, sowie durch die
verheerenden Grenzkriege in diesem östlichen Teile der Mark die
Kolonisationsarbeit wieder vielfach vernichtet worden und mufste
nun aufs neue beginnen ^).
1) Grund a. a. 0. 67 weist nach, dafs einzelne vorher hier genannte Orte,
wie Bobsona, Zeismannstetten , Egelstetten und Lilienhofen im TuUnerfeld und
Wiener Becken seither völlig verschwinden, andere wie Chunihohesdorf unter
anderen Namen (Königstetten) wieder auftauchen. — Tegernsee gab seinen Be-
sitz an der Schwechat, der ihm jedenfalls gefährdet schien, in dieser Zeit aus
der Hand (M. B. IV, 21).
Neuntes Kapitel.
Errichtung zweier Marken im Osten.
Weiterentwickelung der Besitzverhältnisse während
des 11. Jahrhunderts.
Während die Ottonen der wiederhergestellten Mark im Osten
an der Donau nur zeitweilig ihre Aufmerksamkeit geschenkt hatten,
verlegten die deutsehen Könige aus dem fränkischen Hause, nament-
lich Heinrich IH. das Schwergewicht ihrer Politik hierher und
gaben ihr auch durch persönliches Eingreifen den nötigen Nach-
druck. Sie begnügten sich nicht damit, das Ansehen der Reichs-
gewalt bei den slawischen und magyarischen Nachbarn zu erhalten,
sie waren vielmehr bestrebt, gegen beide die Grenzen des Reiches
erobernd vorzuschieben Als daher im Jahre 1043 die Ungarn
zur Abtretung des erwähnten Gebietes an der March und Leitha
gezwungen wurden, fafste Heinrich HL einen grofsen weitausschauen-
den Plan.
Er vereinigte diesen zurückgewonnenen Landstrich nicht mehr
mit der Mark Österreich, sondern bildete daraus eine eigene neue
Mark ^). Zunächst gedachte er vielleicht, sie wenigstens in einem
1) Darüber verbreitete zum ersten Male Licht die eingehende Untersuchung
Thausings, Die Neumark Österreich und das PrivUegium Heinricianum 1043 bis
1058 (Forschungen z. deutschen Gesch. IV, 355 ff. , 1864), doch ist der Name
,, Neumark" nicht quellenmäfsig belegt, sondern eine Erfindung des Verfassers.
Vgl. aufser Hub er I, 188 und Hasenöhrl a. a. 0. 459 f. jetzt insbesondere
Witte in den Mitt. d. Inst. f. österr. Gesch. V. Erg.-Bd., S. 372. — Wie die
Ungamkämpfe unter Heinrich III. und IV., so scheint sich auch diese Zwei-
teUung der Mark im Nibelungenliede widerzuspiegeln , denn zwischen der Mark
Küdegers von Pechlarn und dem Hunnenreich befindet sich ein Zwischenland,
das Osterland.
16*
244 Neuntos Kapitel.
gewissen Zusammenhange mit dem Hause der Babenberger zu
lassen, indem er damit gelegentlich seiner Vermählung mit Agnes
von Poitou zu Ingelheim anfangs Dezember 1043 den Sohn des
Markgrafen Adalbert von Osterreich, den im Feldzuge gegen die
Slawen so verdienten jungen Liutpold belehnte '). Da dieser aber
bereits wenige Tage später starb, so ging König Heinrich noch
einen Schritt weiter und verlieh die neu gegründete Mark einem
gewissen Siegfried ^), den er, um ihm ein entsprechendes Vermögen
zu verschaffen und ihn an Machtfülle hinter Markgraf Adalbert
nicht zu sehr zurückstehen zu lassen, in den folgenden Jahren
mit reichen Schenkungen ausstattete. Am 7. März 1045 gab er
ihm 150 königliche Hufen zwischen March, Fischa und Leitha ^)
und am 15. Juli 1045 sehr ausgedehnte Ländereien — nicht weniger
als 265 Hufen — einerseits östlich von dem zwischen Kaumberg
und Liesing sich erstreckenden Eichstätter Besitz längs der Donau,
andrerseits zwischen March, Suiza und Zaya um Stillfried im nord-
östHchen Teile ^).
Der ganze Vorgang dieser Neugründung entsprach einem
eigentümlichen Zuge der inneren Politik Heinrichs IH. , welcher
der Anhäufung von Territorien in einer Hand abhold war. So
verlieh er schon 1042 Bayern an Heinrich aus dem Hause Lützel-
burg, später 1047 Kärnten an den Grafen Weif. Aber es war
zugleich auch ein kluger Schritt der äufseren PoUtik.
Es erscheint mir durchaus nicht zufällig, dafs wenige Jahre
1) Dafs die Mark, mit der Liutpold belehnt wurde (nach Herrn. Ang. in
M. G. SS. V, 124), gerade die neugegründete Mark gewesen ist, steht durchaus
nicht vollkommen fest; es wäre nicht ausgeschlossen, dafs ihm, um ihm das
Erbrecht zu sichern , schon im voraus die Mark Österreich übertragen worden
wäre, nicht unmöglich auch, dafs doch schon damals sein Ende bevorstand und
dafs die Belehnung eine letzte Ehrung ohne weitere politische Verpflichtung war.
2) Taucht allerdings erst etwa 1^ Jahre später auf, was aber frühere Be-
lehnung nicht ausschliefsen würde.
3) Wendrinsky, Nachträge zu den Babenberger Kegesten (Bl. d. Ver.
f. Landesk. XIII, 1879) Nr. 13. Stumpf 2272; Böhmer 1525.
4) Wendrinsky 16; Stumpf 2279; Böhmer 1530. — Über die Lage
dieser Besitzungen siehe Witte a. a. 0. 372. Es ist nicht unwahrscheinlich,
dafs Markgrafneusiedel, das gerade im Mittelpunkt dieser Besitzungen liegt, da-
mals gegründet worden ist.
Errichtung zweier Marken im Osten. 345
nach Errichtung der neuen Mark Markgraf Adalbert von Oster-
reich, der schon, wie wir gesehen haben, im Jahre 1041 in her-
vorragender Weise im Kampfe gegen die Böhmen verwendet wui'de,
am 21. April 1048 eine grofse Schenkung von 30 Königshufen
am Zusammenflusse der beiden Thaya, also an der böhmischen
Grenze^), und am 12. November 1051 von weiteren 30 Hufen
zu Grafenberg bei Eggenburg, gleichfalls im Wald viertel 2) , vom
König empfing. Etwas später, am 1. Oktober 1058, kamen noch
20 Königshufen zu Rotweinsdoi'f (Ortwinesdorf) und Pyrha hinzu,
welche die Markgräfin-Witwe Frowiza von König Heinrich IV.
erhielt 3), und am 22. März 1074, bezw. am 27. Juh 1075 wurde
der babenbergische Besitz in diesem Grenzgebiet gegen Böhmen
durch die Schenkung von 40 Hufen im Walde Rogacs (Raabs)
und 60 Untertanen daselbst abgerundet *). Bezeichnend ist es
auch, dafs im Jahre 1055 die Mark Adalberts ausdrückhch „böh-
mische Mark" genannt wird ^). Aus dem allen scheint mir hervor-
zugehen, dafs der Plan bestanden hat, sich auf die Mark Österreich
bei den weiteren Kämpfen gegen die Böhmen und Mährer zu
stützen, während die neu gegründete Mark an der March und
Leitha die Operationsbasis für die Eroberungskriege gegen Ungarn
bilden sollte. Was nun den Markgrafen der neuen Mark, Siegfried, [
betrifft, so wird er im Jahre 1045 noch zweimal genannt ^), ver-
schwindet dann aber wieder spurlos. Wer er eigentlich gewesen
ist und woher er stammte, ist eine bis heute ungelöste und nach
dem dürftigen Stand der Quellen auch kaum zu lösende Frage.
Dafs er ein Babenberger war, wie hier und da vermutet wurde,
dürfte wohl nicht richtig sein, da der Name Siegfried in diesem
1) Meiller 6, 11; M. G. DD. I, 59, 187. — In der Urkunde steht irr-
tümlich Zaya, wie Meiller nachgewiesen hat. Zwei Zaya giht es überhaupt nicht.
2) Meiller 7, 16.
3) a. a. 0. 8, 3.
4) a. a. 0. 9. 10 und Wendrinsky a. a. 0. 25. — Font. rer. Austr.
2. Abt. IV, 187. — Vielleicht gehörte auch Litschau und Heidenreichstein zu
dieser Schenkung (Gef. Mitteilung des Herrn P. Hammerl nach Zwettler
Urkunden).
5) Meiller 7, 17.
6) Urkunde vom 3. Juni für Niederaltaich. M. B.XXIXa, 83; Böhmer 1527
und von demselben Datum für den Getreuen Eeginold a. a. 0. 81; Böhmer 1528.
246 Neuntes Kapitel.
Geschlechte nicht vorkommt und das Schweigen der österreichischen
Annalistik und babenbergischen Genealogie schwer erklärlich wäre.
Man muls also die Blicke auf eine andere und zwar, wenn man
nicht die unwahrscheinliche Berufung einer landfremden Familie,
die darauf wieder aus Osterreich verschwunden sein müfste, an-
nehmen will, auf eine bereits damals in der Ostmark ansässige
Familie lenken ^), und da gerät man unwillkürlich auf die Grafen
von Burghausen - Schala , die sich rühmen konnten , von dem
einstigen Markgrafen Aribo abzustammen, und die, worauf ich
schon hingewiesen habe, wohl bereits damals nördhch der Donau
ausgedehnte Besitzungen an sich gebracht hatten. Freilich stöfst
man dabei auf das Hindernis, dafs sich auch in dieser Familie
kein Glied namens Siegfried findet. Aber es wäre nicht aus-
geschlossen, dafs man in der königlichen Kanzlei, aus der unsere
Urkunden stammen, eine Abkürzung oder eine im Sprachgebrauch
vorkommende Diminutivl'orm mifsverstanden habe, und dafs Sieg-
fried statt Sigehard (Diminutiv Sizo) geschrieben wurde ^). Tat-
sächlich gab es zur Z>eit Heinrichs HL zwei Sigeharde aus diesem
Geschlecht, von denen der eine in der Schlacht bei Menfö fiel.
Vermutlich wäre es dessen Vetter, dem Heinrich HI. die neue
Mark übertrug.
Der Umstand, dafs der Hauptbesitz der von dieser Familie
abstammenden Peilsteine gerade in der Neumark lag und gröfsten-
teils mit den dem Markgrafen Siegfried geschenkten Gütern über-
1) Hansiz, Äustria sacra I, 24ß und Call es I, 342 sind bereits auf der
richtigen Fährte, wenn sie ihn wegen des Umstandes, dafs hier später die Grafen
von Plaien reich begütert waren, zu den Plaien rechnen. Sie übersahen nur,
dafs dieses Geschlecht im 11. Jahrhundert hier noch nicht ansässig war und
seinen Besitz in Niederösterreich erst durch seine Verwandtschaft mit den Peil-
steinern erwarb. Meiller neigt noch der Ansicht zu, dafs Siegfried doch mit
den Babenbergern verwandt sei, und Wendrinsky rechnet ihn direkt zu diesem
Geschlecht.
2) Darauf hat zuerst Filz in seiner Geschichte von Michaelbeuern I, 69 f.
hingewiesen. Ob Sigehard, der Gemahl Pilehilds, oder Sigehard, der Gemahl
Judiths, der Markgraf gewesen, ist nicht genau festzustellen. Der eine fiel in
der Schlacht bei Menfö (Necrologium S. Kudberti [M. G. NN. 11, 148]). Filz
folgte Z i 1 1 n e r in den Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde
XXIII, 247, 1883 und mit neuen Beweismitteln Witte, der besonders die
wichtige Besitzfrage einer eingehenden Untersuchung unterzog.
Errichtung zweier Marken im. Osten. 347
einstimmt, ist jedenfalls danach angetan, die Wahrscheinlichkeit
der Annahme beträchtlich zu erhöhen. Da ferner Graf Sigehard
noch vor dem Jahre 1048 aus dem Leben geschieden sein mufs ^),
so würde es sich erklären, dafs Markgraf Siegfried sich nicht
unter den Kommissären befindet, die im Jahre 1050 zum Zwecke
des Wiederaufbaues von Hainburg, das ja in seiner Mark lag,
genannt werden -).
Auch in kirchlicher Beziehung stand die neue Mark aufser-
halb des Verbandes der Ostmark, denn während in dieser aus-
schliefslich Passau das Zehntenrecht besafs, wurde im Jahre 1051
der Zehnte in der neuen Mark der Propstei Hainburg zugewiesen ^).
Nach dem Tode Sigehards oder vSiegfrieds scheint die Stelle
des Markgrafen nicht mehr besetzt worden zu sein *). Vielleicht
hängt dies mit den höchst gefährlichen Zeitläuften zusammen, die
unterdessen wieder über diese deutschen Grenzgebiete hereingebrochen
waren '"). Schon im Jahre 1046 war König Peter von Ungarn
1) Nach Juvavia II, 233 sind nämlich Judith und Pilihild im Jahre 1048
bereits Witwen.
2) Herrn. Aug. 1050 (M. G. SS. V, 129) und Ann. Altah. (M. G. SS.
XX, 805).
3) M. B. XXIX a, 103.
4) lu der genannten Urkunde ist ein Raum leer gelassen für den Namen
des Markgrafen. — Wollte man sich auf das Gebiet der Vermutungerf begeben,
so könnte man allenfalls auf den Gedanken geraten, dafs dem Markgrafen Sieg-
fried—Sigehard dessen Verwandter aus dem Geschlechte der Aribonen Botho
gefolgt sei. Eine Stütze dafür könnte man in dem Umstände finden, dafs in
-dem Gebiete der Neumark eine Eeihe von Orten von diesem Namen abgeleitet
werden können (Pottendorf, Pottenstein, Pottenburg), und dafs die Pottenburg
gerade im Jahre 1053, als Botho in den Sturz des Herzogs Konrad verwickelt
worden war, von Kaiser Heinrich dem Bistum Eichstätt geschenkt wurde. (0 f e 1 e
in S.-B. d. bayer. Akad. I. Bd. XVI, 1893). Freilich will Witte wieder um-
gekehrt den Grund für den Anschlufs Bothos und Aribos an den aufständischen
Bayernherzog darin sehen, dafs der aribonischen Familie die Markgrafschaft nicht
weiter verliehen wurde. T h a u s i n g glaubt allenfalls einen rätselhaften Marchio
Otto, dessen Güter gleichfalls nach Konrads Sturz konfisziert und dem Bistum
Freising geschenkt (Stumpf 2487) wurden, mit der Neuraark in Verbindung
bringen zu können. Sollte hier vielleicht statt Otto Boto zu lesen sein?
5) Für die ganze folgende Periode der Ungarnkriege sind Hermann von
Eeichenau und die Altaicher Annalen (M. G. SS. V und XX) die hauptsächUchen
und fast ausschliefslichen Quellen. Zur Literatur sei noch im allgemeinen ver-
248 Neuntes Kapitel.
durch die nationale Partei, welche die Enkel König Stephans ins
Land rief, wieder gestürzt, gefangengenonnnen und geblendet und an
seiner Statt Andreas, der älteste unter Stephans Enkehi, zum König
erhoben worden. Kaiser Heinrich III. lehnte dessen Bemühungen
um einen friedlichen Ausgleich ab, war aber andrerseits durch
Unruhen im Reiche verhindert, für Peters Entthronung Hache zu
üben. So entbrannte in den nächsten Jahren der Plünderungs-
und Verwüstunjrskrieg in den Grenzgebieten von neuem. 1050
wurde wahrscheinlich die wichtige Festung der neuen Mark Hain-
burg, deren Errichtung offenbar mit der Gründung der neuen
Mark zusammenhängt, iür die sie den befestigten Mittelpunkt bilden
sollte, zerstört. Sie galt es vor allem wiederherzustellen, und des-
halb wurde auf einem Reichstag von Nürnberg Herzog Kourad
von Bayern, Markgraf Adalbert von Österreich und Bischof Geb-
hard von Regensburg mit dieser Aufgabe betraut, deren Durch-
führung trotz der wiederholten Angriffe der Ungarn auch gelang.
Dagegen war der Heereszug des deutschen Königs selbst, obwohl
mit grofsem Aufgebot unternommen und von Bretislaw von Böhmen
im Norden der Donau unterstützt, von Mifserfolgen begleitet, und
nachdem er vergeblich von Kärnten aus vorzudringen gesucht
hatte, mufste er froh sein, endlich mit den Resten seines Heeres
nach Hainburg zurückzugelangen.
Markgraf Adalbert, dessen Gebiet in erster Linie gefährdet
war, zog es vor, auf eigene Faust einen Waffenstillstand zu schliefsen,.
während Kaiser Heinrich HI. trotz der Friedensgeneigtheit des
Königs Andreas den Erfolg erzwingen v>'olite. Vergebens, denn
Prefsburg, das im Jahre 1052 durch zwei Monate hindurch be-
lagert Avurde, widerstand, und als im nächsten Jahre dennoch auf
Betreiben des Papstes ein billiger Friede zustande kommen zu
wollen schien, vereitelte ihn Konrad von Bayern, der wegen Land-
friedensbruches seiner Herzogswürde entsetzt worden und nun zu
den Ungarn entflohen war, die er gegen den Kaiser aufhetzte.
So sah das Jahr 1054 neue LTngarneinfälle , Plünderungen und
merkt: Steindorf f, Jahrbücher des deutschen Eeiclies unter Kaiser Heinrich III.,
M e 3 n d t , Beiträge zur Geschichte der älteren Beziehungen zwischen Deutschland
und Ungarn (Leipzig 1870) und Heinrich III. und König Andrejis von Ungarn
(Leipziger Diss. 1870).
Errichtung zweier Marken im Osten. 24k9
Verwüstungen in den Grenzgegenden. Da der Kaiser wieder
anderweitig in Anspruch genommen war, so war Markgraf Adalbert
auf sich allein angewiesen und brachte wenigstens den abziehenden
Raubscharen eine Schlappe bei.
Diesen unleidlichen Verhältnissen, in denen wohl die neue Mark
das stets gefährdete Einfalls- und Durchzugsgebiet bildete, so dafs sie
kaum zu geordneten Zuständen kommen konnte, setzte unerwarteter-
weise im Jahre 1055 eine Reihe von rasch aufeinanderfolgenden
Ereignissen ein Ziel. Zunächst starb Herzog Konrad von Bayern,
der Haupturheber der Fortdauer des Raub- und Grenzkrieges, während
seine Anhänger Bischof Gebhard von Regensburg und Herzog Weif
von Bayern vom Kaiser bezwungen wurden. Am 26. Mai schlofs
der greise Markgraf Adalbert die Augen, und sein energischer Sohn
Ernst folgte ihm in der Mark. Und am 5. Oktober starb auch
Kaiser Heinrich IH. und hinterhefs das Reich seinem gleichnamigen
Sohne, der erst sechs Jahre zählte und für den seine Mutter,
Kaiserin Agnes, die Regentschaft übernahm.
Diese Ereignisse waren denn auch von wichtigen Folgen be-
gleitet. Die Ungarn stellten nun die Angriffe auf die i\larken
ein, die Kaiserin beeilte sich aber den angebotenen Frieden ein-
zugehen, da eine Weiterführung des Krieges unter den gegebenen
Verhältnissen unmöglich schien. Mitte September 1058 begab sich
Kaiserin Agnes auf Einladung des Ungarnkönigs persönlich in
die Grenzlande, wo auf dem Marchfelde der Friede beiderseits
beschworen und durch die Verlobung der deutschen Prinzessin
Judith (als Königin von Ungarn später Sophia) mit dem fünf-
jährigen Sohne des Königs Andreas, Salomon, feierlich befestigt
wurde. Damit war die Unabhängigkeit Ungarns vom deutschen
Reich anerkannt.
Immerhin gab es bereits wenige Jahre später wieder einen
ungarischen Feldzug, der jedoch lediglich durch neuerliche Thron-
wirren in Ungarn hervorgerufen wurde ^). Auch König Andreas
1) Hauptquelle für das Folgende noch immer die Altaicher Annalen; dazu
Berthold (M. G. SS. V, 271) imd Lambert von Hcrsfeld (ebendas. V, 161)
nicht ohne starke Abweichungen. Die späten ungarischen Quellen sind sehr
unzuverlässig. Zur Literatur: Büdinger, Ein Buch ungarischer Geschichte
(Leipzig 1866), Eademacher, Ungarn und das deutsche Eeich unter Heinrich IV.
250 Neuntes Kapitel.
hatte nämlich im Laude Gegner gefunden ; ihr Haupt war sein
jüngerer Bruder Behi, der selbst nach der Krone strebte. Um
seinem Sturze vorzubeugen, wandte er sich an Kaiserin Agnes
mit der Bitte um bewaffnete Unterstützung, und diese bot tatsäch-
lich im Jahre lOGO Markgraf Ernst von Osterreich, Wilhelm von
Meifsen, Bischof Eppo von Naumburg und Herzog Spitignew von
Böhmen für ihn auf Sie kamen eben noch zurecht, um seine
und seiner Familie Flucht zu decken, wobei das deutsche Heer
fast aufgerieben wurde, viele Edle in Gefangenschaft fielen und
Andreas selbst umkam. Seine Gemahlin sowie sein Sohn mit seiner
Braut retteten sich mit ihren Kostbarkeiten nach Melk.
Obwohl sich die Verhältnisse im deutschen Reich für eine
grofse Aktion noch ungünstiger gestalteten, seitdem Anno von Köln
und der neue Bayernherzog Otto von Nordheim den jungen Prinzen
Heinrich in ihre Gewalt gebracht und die Kaiserin- Witwe von der
Regentschaft entfernt hatten, so beschlofs der Reichstag von Mainz
im Frühjahr 1063 doch eine Heerfahrt gegen Ungarn zugunsten
Salomons. Bela hatte zwar starke Grenzbefestigungen anlegen
lassen. Das deutsche Heer umging sie jedoch, nahm die Feste
Wieselburg mit Sturm und geleitete Salomon nach der ungarischen
Krönungsstadt Stuhlweifsenburg, wo er, nachdem König Bela plötz-
lich gestorben war, seine Hochzeit mit Judith (Sophia) beging.
Dies war der letzte grofse Erfolg Deutschlands gegen Ungarn.
Aber es hatte sich bei diesen Feldzügen nicht mehr um die Unter-
werfung des Landes unter deutsche Oberhoheit oder um Erobe-
rungskriege gehandelt, sondern lediglich um Familienkämpfe der
Herrscherhäuser. Unter den veränderten Verhältnissen war es
nur selbstverständlich, dafs die von Heinrich HL gegründete neue
Mark, die ihre Bedeutung verloren hatte und in den letzten
Jahren verwaist war, nunmehr wieder mit Osterreich vereinigt
wurde ^). In einer Urkunde vom 25. Oktober 1063 wird bereits
(Merseburger Programm 1885) und Mejerv. Knonau, Jahrbüeher des deutschen
Eeiches unter Kaiser Heinrich IV. — Unbedeutend ist Heller, Die Ostmark
zur Zeit Heinrichs IV. (Bl. d. Ver. f. Landesk. VIII, 280, 1874).
1) Th au sing a. a. 0. 375 vermutet, dafs es schon im Jahre 1058 ge-
schehen sei, als Kaiserin Agnes auf dem Boden der Neumark weilte. Ihm folgt
Ju ritsch S. 74. Dagegen Hasenöhrl a. a. 0. 464. Jedenfalls ist vor 1063
Errichtung zweier Marken im Osten. 251
eine Reihe von Orten, die früher in der neuen Mark gelegen waren,
als „in comitatu Ernusti marchionis sita" bezeichnet ^).
Zehn Jahre später, im Jahre 1074, kam es noch einmal zu
einer Intervention Kaiser Heinrichs IV. zugunsten seines Schwagers
in Ungarn, als diesem nämlich Belas Sohn Geisa den Thron
streitig machte. Obwohl der Heereszug keinen kriegerischen Erfolg
brachte, trat doch Geisa, der damals die Macht im Lande hatte,
in einem Frieden einen Landstrich mit Wieselburg an Heinrich
ab, den dieser an verschiedene Getreue, insbesondere den Bischof
von Freising vergabte, ohne ihn etwa der Mark anzugliedern.
Doch scheint dieser deutsche Besitz nicht lange zu halten gewesen
zu sein. Unterdessen war der Investiturstreit auf der ganzen Linie
entbrannt, ganz Deutschland stand in heller Empörung, da war
an eine Anteilnahme an auswärtigen Angelegenheiten nicht mehr
zu denken.
Die Politik der Kaiser Konrad II. und Heinrich III. sowie
die grofse kirchliche Bewegung, welche die Klosterreform, den
Investiturstreit und die Kreuzzüge einleitete, war für das Auf-
kommen und Erstarken verschiedener weltlicher und geistlicher
Territorien günstig. Die grofsen Güter, welche Markgraf Siegfried
vom Kaiser erhalten hatte, finden wir in der Folgezeit im Besitz
der Burghausen -Schala- Peilstein, was mit für die Zugehörigkeit
des Markgrafen zu dieser Familie spricht ^). Friedrich I. von
Tenglingen, vielleicht der Sohn des Markgrafen Siegfried oder Sige-
hard, der sich auch nach Peilstein nannte, tritt uns zuerst im
Jahre 1080 entgegen ^); möglicherweise war er Graf im sogenannten
Pielachgau *). Von den Nachkommen nennen sich die einen Grafen
kein urkundlicher Beleg vorhanden, und auch die Ereignisse dieses Jahres können
ganz gut dazu geführt haben.
1) Meiller 8, 7.
2) Ich verweise nochmals auf Wittes Aufsatz im V. Erg.-Bd. d. Mitteil.
<i. Inst. f. österr. Geschieh tsf. Dadurch wird der ältere Aufsatz von Wend-
rinsky, Die Grafen von Feüstein, Burghausen und Schala (Bl. d. Ver. f. Landesk.
XV, 1, 1881) vielfach berichtigt und überholt. — Über spätere Zustände und
besonders den Bericht über den Peilsteinschen Besitz in Enenkels Landbuch vgl.
Lampel, Die Macht der Grafen von Peilstein in Niederösterreich (ebendas.
XXXII, 103, 1898).
3) ÜB. d. L. 0. d. Enns II, 119.
4) Sein Bruder, der Patriarch Sigehard, nennt sich Graf von „Bielakt".
252 Neuntes Kapitel.
von Burghausen (sein Sohn Sigeharcl II. und dessen Sohn Gebhard),
die anderen Graten von Schala (Heinrich von Schala, der zweite
Sohn Sigehards L), noch andere Graten von Peilstein (aufser Fried-
rich selbst, sein Sohn Friedrich II. und dessen Sohn Konrad).
Aufser dem erwähnten Stammbesitz (Peilstein und Schalaburg) im
Viertel ober Wiener Wald und vereinzelten Gütern im Viertel
unter Wiener Wald, wie Sarasdorf an der Leitha, Sierning, ein-
zelnes zu Wien an der Als und in Dornbach und das Urfahr zu
Nufsdorf gehörte ihnen im 11. und 12. Jahrhundert ausgedehnter
Besitz im Norden der Donau : die Grafschaft Riedenburg mit Hörn
und Pöllan, Stetteldorf, Ravelsbach, Grafenwörth, Thal und Ruhrs-
dorf, Schwarzach, Münichreut, Neukirchen am Ostrong, Sebarn,
Ebersdorf bei Persenbeug, Mampasberg, Hart, Tremegg u. a. m.
Ihre Besitzungen dehnten sich demnach über die ganze Mark Oster-
reich aus und stellten den Besitz der Markgrafen selbst w^eit in
den Schatten. Unter den fränkisch -nordgauischen Geschlechtern,
die erst in der Zeit der fränkischen Besiedelung ins Land kamen,
sind die Grafen von'Voburg, welche auch Passauer Lehensträger
waren, zwischen Fischa und Leitha ^) und die Grafen von Sulz-
bach, die Hainburg, Pottendorf, Landegg, Kalksburg und Liesing
besafsen ^), zu nennen.
Manche der damals mit königlichen Schenkungen bedachten
Edlen — zum Teil königliche Dienstmanuen, meist gleichfalls
Franken, — sind später nicht weiter nachweisbar oder wenigstens läfst
sich ihr Zusammenhang mit einer der österreichischen Adelsfamilien
nicht feststellen, z. B. der Getreue Reginold, der im Jahre 1045
zehn Hufen zwischen Leitha und Fischa und das Gut Riesenburg
in der Markgrafschaft Siegfrieds erhielt ^), oder ein gleichzeitig er-
wähnter Riziman, oder der königliche Dienstmann Sigboto, der um
1078 Besitz zu Frigendorf (Freindorf bei Tulln) empfängt *). Letzterer
gehört vielleicht dem Geschlechte der Falkenstein-Herrenstein an ■''),
die in der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts in die Mark kamen.
1) Font. rer. Austr. 2, XIII, 43 und 46.
2) M. B. XXIX b, 314.
3) Stumpf, Eegesten 2276. M. B. XXIX a, 81.
4) Meiller, ßegesten 10, 1. M. B. XXXI a, 361.
5) Wie Meiller vermutet. Über die Herrensteiner Zahn in Beckers-
Hernstein III, 2, 30 f.
Errichtung zweier Marken im Osten. 353
Diesem Geschlechte gehörte Herrand an, der die Burg Herrandstein
(jetzt Hernstein) gründete. Mit etwas mehr Sicherheit kann man
jenen Haderich, dem 1055 Heinrich IV. drei Hufen zwischen Mail-
berg und Pulkau schenkt ^), zu den Grafen von Schwarzburg-
Nöstach rechnen, die im Triestingtal ihre Stammburg Nöstach be-
safsen und später das Kloster Klein-Mariazell gründeten ^), und in
jenem Azzo, der um 1057 drei Hufen zu Hetzmannswiesen und
Krumau am Kamp erhält ^) , den Stammvater der später so be-
rühmten Kuenringer sehen *).
Besonders mächtig wurde jedoch zu Beginn des 12. Jahr-
hunderts das Geschlecht der Grafen von Piuge, Beugen, Beigen,
Bogen (nach dem Sitz Böigen bei Hörn). Seine Besitzungen lagen
zunächst auf oberösterreichischem Boden um Rebgau, Aurach und
Wankheim. Zur erwähnten Zeit finden wir jedoch auch in der
Ostmark Hörn, Altenburg, Neukirchen, Rombach, Riedenburg, Molt,
Strogen, Hohen wart, St. Marein in ihren Händen — ein Besitz,
so statthch, dafs man ihn das „Boigreich'' zu nennen pflegte, dann
aber auch Güter um Göttweig und Mautern: Fhnsbach, Mauer,
Honindorf und Hoheneck •'>). Möglich, dafs schon jener Graf Karl,
welcher um 1049 die Kirche in Hörn gründete ^), diesem Geschlechte
1) Meiller 7, 17.
2) Über die Grafen von Schwarzburg-Nöstach siehe Wendrinsky (BI. d.
Ver. f. Landesk. XI, 78, 1877).
3) Meiller 8, 2. Wendrinsky, Eegesten 21.
4) Hetzmannswiese hält M e i 1 1 e r für Hetzmannsdorf, Priefs für das spätere
Kuenring; vgl. Friefs, Die Herren von Kuenring (Wien 1874). Das Prädikat
Azzos „von Gobatsburg" ist nur in der gefälschten Urkunde des Markgrafen
Ernst für Melk belegt.
5) Über die drei folgenden im Hausruckviertel begüterten Geschlechter der
Eebgau-Piugen, der Formbacher mit ihren Nebenlinien und der Stille-Heft handelt
Strnadt, Peuerbach (27. Ber. d. Mus. Francisco- Carolinum 103 ff. und 117 ff.).
Dafs er die Windberg mit den Piugen, die Eatelnburg mit den Eaabs identi-
fizieren will, bleibt fragliche Hypothese. Überhaupt sind fast alle die Adels-
geschlechter, welche ich zu nennen habe, von den Genealogen miteinander iu
Verwandtschaft gebracht worden. Da, wie ich schon oben erwähnte, im 10. und
11. Jahrhundert die Familiennamen noch sehr selten zur Anwendung kommen
und sehr leicht gewechselt werden, herrscht grofse Unsicherheit, und man wird
gut tun, möglichste Vorsicht walten zu lassen. Speziell über die Grafen von
Eebgau-Piugen siehe Wendrinsky (Bl. d. Ver. f. Landesk. XIV, 181, 1880).
6) Mon. Boic. XXVIII b, 120.
354 Neuntes Kapitel.
angehörte. Ein Zweig derselben nannte sich nach den oberöster-
reichischen Gütern Graten von llebgau, ein anderer Grafen von
Hoheneck.
Im Lande ob der Enns waren die Grafen von Pormbach
ihre Nachbarn, welche, als im Jahre 1090 das mächtige Geschlecht
der Traungauer oder Wels-Lambacher mit dem Bischof Adalbero
von Wlirzburg ausstarb, durch deren Erbtochter Mathilde, die mit
dem Graten Ekbert I. von Formbach vermählt war, fast alle ihre
Besitzungen erbten. Ursprünglich am Inn um Formbach und Neu-
burg begütert, wonach sie sich nannten, erstreckte sich später ihr
Eigen über das Landgericht Schärding, Erlach, Peuerbach und
das Donautal bis Linz *). In der Ostmark treten, wenn wir zu-
nächst von dem Püttener Gebiet, von dem noch im besonderen
die Kede sein mufs, absehen, Glieder der Familie zunächst um
, Göttweig als Grafen von Rateinberg (Ulrich um 1097) und Wind-
1 berg (Hermann, beides Söhne des Grafen Meginhard von Formbach),
' später in einer Seitenlinie, den Grafen von Fichtenstein (um 1097),
welche sich in Niederösterreich nach ihrer Burg Kreuzenstein an
der Donau nennen, hervor.
Den Formbachern und Rebgauern war im oberösterreichischen
Hausruckviertel noch eine dritte kleinere Familie benachbart, die
I Herren von Stille -Heft in der Pfarre Gaspoldshofen. Auch sie
' gewannen um die Wende des Jahrhunderts Güter in der Ostmark
um Seitenstetten und Tulbing ^).
Im Hinterland der Ostmark tauchen zur selben Zeit die Herren
von Perge ^) auf, reich begütert um Klausen, Klingenberg, Ruten-
stein und Blasenstein, von denen sich ein Zweig seit 1122 die
Herren von Machland, eine Bezeichnung, die sich später auf den
ganzen Landstrich überträgt, ein anderer Grafen von Klamm
nennt.
Ein spezifisch ostmärkisches Geschlecht dürften die Grafen
1) M 0 r i z , Kurze Geschichte der Grafen von Formbach und Lambach.
Strnadt a. a. 0. 117 f.; Krones, Die Markgrafen von Steier (Archiv f.
österr. Gesch. LXXXIV, bes. 177 flF.).
2) Strnadt a. a. 0. 124fF.
3) Stülz, Die Vögte vonPerg (Geschichtsfreund II, 260, 1841 und Notizen-
blatt Vn, 198, 213, 1857).
Errichtung zweier Marken im Osten. 355
von Raabs sein *), welche vermutlich mit den Babenbergern zusammen-
hängen, da sie zu Beginn des 12. Jahrhunderts gerade in jener
Gegend auftreten, wo, wie wir gesehen haben, die Babenberger
im Laufe des 11. Jahrhunderts reichlichen Besitz erhalten hatten.
Interessant ist es, wie dann gerade dieses Geschlecht wieder in
die alte fränkische Heimat zurückgreift, wenn wirklich Kaiser
Heinrich IV. den Brüdern Gottfried und Konrad von Ragaz (Raabs)
im Jahre 1104 die Burggrafschaft von Nürnberg verliehen hat ^).
Am rechten Ufer der Ips um Gleufs safsen vermutlich schon da-
mals die Grafen von Seeburg, eigentlich eine Familie aus dem
Mansfeldischen , die durch Heirat wahrscheinlich ein älteres Ge-
schlecht von Gleufs beerbt hatte ^). Neben den alten Grafen-
geschlechtern tauchen in den Urkunden immer mehr kleinere Adels-
geschlechter mit bescheidenerem Grundbesitz auf
Es erübrigt uns noch, einen Blick auf jene Teile der Lande
ob und unter der Enns zu werfen, die weder beim bayerischen
Mutterlande verblieben, noch auch mit der Mark vereinigt wurden,
sondern der karantanischen Mark zufielen. Nach dem Sturze
des Markgrafen Adalbero von Eppenstein im Februar 1036 kam
diese Mark an das mächtige Geschlecht der Traungauer, denen
zuliebe bereits, wie wir gesehen haben, der Traungau nicht mehr
mit der wiedererrichteten Ostmark vereinigt wurde. Arnolds II.
Sohn Gottfried, der Graf im Ennstal war und der seit 1042 neben
seinem Vater als Markgraf genannt wird, erhielt auch für seinen
Sieg über die Ungarn eine Grafschaft um Putten *), zwischen
1) Wendrinsky, Die Grafen von Raabs (Bl. des Ver. für Landeskunde
XII, 97 f., 1878).
2) Meiller hat schon darauf hingewiesen, dafs Cosmas in seiner böh-
mischen Chronik (Menken SS. I, 2081 und UI, 1690) um jene Zeit hier einen
Markgrafen Gottfried nennt, der vielleicht ein Sohn des Markgrafen Ernst war,
und dafs die Babenberger die Grafen von Eaabs als ihre consanguinei bezeichnen.
Die Verleihung des Burggrafenamtes von Nürnberg meldet allerdings erst die
spätere Nürnberger Chronik des Meisterlin.
3) Die Genealogie dieser Familie ist dunkel. Vgl. über sie Koch-Stern-
feld im Archiv für Kunde österreichischer Geschichtsquellen I, 1848 und
Fechner, Erzbischof Wichmann von Magdeburg (Forschungen zur deutschen
Geschichte V, 417, 1865).
4) Lampel, Über die Mark Putten (Bl. d. Ver. f. Landesk. XXII, 133,
1888); Felicetti in den Beiträgen zur K. steir. Geschichtsquellen X, 64,
356 Neuntes Kapitel.
Wiener Wald, Piesting, Ungarngrenze und Semraering, die zu-
nächst vielleicht ähnlich wie die Uiedniark zur Ostmark in einem
losen Verband mit der Kärntnermark stand und ähnlich wie die
Nexiraark als Schutz- und AngrifFsland gegen Ungarn gedacht war.
Der Name Mark kommt jedoch für dieses Gebiet urkundlich nicht
vor, das nur in späteren Quellen talschlich .so bezeichnet wurde.
, Vereinzelt ündet sich später der Name Waldmark.
Als dann Gottiried zwischen 1048 und 1055 und sein Vater
Arnold nach ihm starb, kamen die Püttener Besitzungen durch
seine Tochter Mathilde mit den oben genannten im Hausruckviertel
an ihren Gemahl, den Grafen Ekbert von Formbach und Neuburg.
In dieser Gegend erhielt 1058 Pfalzgraf Kuno von Roth zehn
Königshufen zu Guzbretesdorf ') bei Neunkirchen, später noch
andere Güter in der sogenannten „Buckligen Welt'^
Die Grafschaft der Wels-Lambacher im Traungau und ver-
einzelte Güter im Norden der Donau (Haselbach u. a.) erbte ein
hauptsächlich im Chiemgau, dann aber auch im Salzburg-, Sunder-
und Isengau reich begütertes Geschlecht, das man nach dem bei
ihm ununterbrochen gebräuchlichen Namen Otakar die Otakare
zu nennen pflegt '^). Sie müssen mit den Traungauern enge verwandt
1873); Hasenöhrl a. a. 0. 70; Krones, Verfassung und Verwaltung der
Mark und des Herzogtums Steier (Graz 1897), S. 74 f,
1) M. B. I, 354.
2) Die Frage nach der Herkunft des Geschlechtes ist erst in neuerer Zeit
zur Streitfrage geworden. loh berühre sie nur in aller Kürze, da sie eigentlich
die steirische Landesgeschichte betrifft. Die frühere Ansicht, die sich aus
den Genealogien der älteren Schriftsteller (P u s c h , Frö lieh u.a.) und auf Grund
-einer Stammtafel des Klosters Vorau aus dem 14. Jahrhundert herausgebUdet
hatte und von Pritz (Beiträge z. Landesk. von Oberösterreich und Salzburg
1846 und daraus in seine anderen Hauptwerke übernommen) abschliefsend for-
muliert wurde, ging dahin, dafs die Ottokare von dem karolingischen Markgrafen
Aribo und dessen angeblichem Sohn abstammen und bereits seit jener Zeit im
Traungau gesessen sind, weshalb man sie auch als „Traungauer" bezeichnet hat
Die ersten Zweifel daran sprach Hirsch in den Jahrbüchern des deutschen
Eeiches unter Kaiser Heinrich II. I, 37, Anmerkung 2 aus. Davon ausgehend
hat dann Strnadt in seinem „Peuerbach" und später in seiner „Geburt des
Landes obderEnns" den Zusammenhang mit Aribo widerlegt und nachgewiesen,
dafs die Glieder dieser Familie bis zu ihrem Auftreten als Erben der Traungauer
nur Grafen im Chiemgau waren und daher eigentlich nur richtig als Chiemgauer
"Weiterentwickelung der Besitz Verhältnisse während des 11. Jahrhunderts. 257
gewesen sein, wahrscheinlich auch mit den Grafen von Raschenburg
im oberen TraungaU; die sie ebenfalls nach deren Aussterben um
1060 beerbt haben. Ihre Verwandtschaft mit den Traungauern
und ihr Besitz im Traungau liefs sie auch besonders für die Nachfolge
als Markgrafen von Kärnten berufen erscheinen, das ihnen König
Heinrich verliehen hat, denn 1056 tritt uns Ottokar als Markgraf
entgegen. Ihrer Mark wurde auch das Püttener Gebiet definitiv
untergeordnet, dessen selbständige Bedeutung ebenso wie die der
sogenannten Neumark mit dem Aufgeben der Eroberungspolitik
der deutschen Könige gegenüber den Ungarn verschwand.
Nach dem Tode des ersten Markgrafen Ottokar, der bald nach
dessen Auftreten eingetreten sein dürfte, und in den nachfolgenden
Kämpfen während des Investiturstreites, der die deutschen Fürsten
in zwei feindliche Lager spaltete, ging die Markgrafschaft der
Familie vorübergehend wieder verloren, und sie blieb durch
mehrere Jahrzehnte auf die Grafschaft im Ennstal beschränkt.
Von dieser Zeit her nannten sie sich nach der mächtigsten Burg
der Gegend, der Styraburg, die vermutlich noch die Traungauer
Grafen erbaut hatten, „de Styria^', eine Benennung, die später,
als die Ottokare durch friedliche Übereinkunft mit den Eppensteinern
wieder in den Besitz der Mark gelangt waren, auf diese überging*).
bezeichnet werden könnten. Ihm schlofs sich Hub er I, 216 und wohl auch
Zahn (Festschr. z. TOOjähr. Feier d. Erh. d. Steierm. zum Herzogtum, Graz
1880) an. Dagegen hat Krones, der schon früher (Grundrifs d. österr. Gesch.
207) die ältere Ansicht vertreten hat, in dem oben zitierten Aufsatz im Archiv
für österreichische Geschichte LXXXIV sich wieder für diese in eingehender Weise
eingesetzt. Ich kann seine Gründe nicht stichhaltig finden; der Graf Ottokar
der Eaffelstättener Zollordnung ist Sendbote des Königs , braucht also keineswegs
aus jenem Gebiete zu stammen ; dafs die Abtei Traunkirchen gerade die Ahnen-
reihe der Ottokare besonders aufzeichnete , beweist nicht viel, denn die vermut-
lichen Gründer, die Kaschenberger, starben eben aus und die Ottokare übernahmen
ihr Erbe; dafs sich die Ottokare „de Styria" nannten, setzt gewifs nicht un-
bedingt voraus, dafs diese Burg ihre Stammburg gewesen ist, denn fast in allen
Fällen, wo der Zweig einer Familie sich in entfernterer Gegend ansässig macht,
nennt er sich nach dem neuen Sitz, der aber keineswegs von ihm gegründet zu
sein braucht, sondern beispielsweise auch ererbt sein kann.
1) Ich folge in dieser kurzen Darstellung den Annahmen Strnadts, die
mir ziemlich plausibel zu sein scheinen. Näher darauf einzugehen, ist hier nicht
der Ort.
Vancsa, Geschiclite Nieder- u. Oberösterroiclia. i«
258 Neuntes Kapitel.
Alis der Zeit des Zurückweichens auf das engere Grafschaftsgebiet
mufs auch die Abliängigkeit vom Herzogtum Bayern datieren.
So sehen wir, dafs die zweite Hälfte des 11. Jahrhunderts
liir die grofsen ältesten österreichischen Geschlechter die Zeit des
Emporblühens und die der Begründung ihres zum Teile mächtigen
Besitzes gewesen ist. Die Bistümer haben ihr Eigen dagegen nur
noch wenig vermehrt. Nur Passau gelang es noch, in weiterer
Verfolgung seiner oben berührten Tendenzen sich im Viertel unter
Manhartsberg durch königliche Schenkungen auszudehnen. Immer-
hin ist es bezeichnend, dafs auch hier nicht mehr allzu viel Grund
und Boden für den König frei verfügbar war, und dafs hier schon
der Zufall der Erledigung abgewartet werden raufste, wie z. B.
im Falle der Schenkung von Gowacisbrunnen und Chrubat (Ketlas-
brunn und Böhmisch-Krut) 14. Dezember 1055: diese Güter hatte
König Heinrich HI. von ihrem früheren Besitzer Richwin eingezogen,
nachdem dieser wegen Hochverrates — wahrscheinlich als Partei-
gänger des Bayernherzogs — verurteilt worden war '). Übrigens
wurde auch hier dem Bistum ausdrücklich die Aufgabe der Urbar-
machung zuteil.
In einem anderen Falle, bei Übertragung des Gutes Paum-
garten (Herren-Baumgarten), 10. Juli 1056, handelte es sich wieder
um Grenzgut gegen die unsichere böhmisch-mährische Grenze, und
der König sprach dem Bistum alle Nutzungen zu, die nur immer
den Feinden abgenommen werden konnten '^). Zur Abrundung
dieses Besitzes erhielt dann Bischof Altmann am 6. März 1067
das Krongut Disinfurt (verschollen) mit dem Übergang über die
March, sowie 50 Hufen um Baumgarten, Stopfenreuth und Modzi-
dala (Matzneusiedel) ^). Es war die letzte königliche Schenkung
an Passau, denn auch da führte der Investiturstreit und die heraus-
fordernde Haltung Bischof Altmanns einen völligen Umschwung herbei.
Salzburg, Bamberg und Regensburg behielten ihren Besitz
1) M. B. XXIX a, 125; 129.
2) Meiller, Eegesten 8,7. — Bestätigt zugleich auch den älteren Be-
sitz um Kirchbach und Kaumberg.
3) Meiller, Eegesten 9, 9. M. B. XXIXa, 172. — Daneben liefen Be-
stätigungen der Immunität vom 25. Oktober 1063 und des Besitzes (Böhmer,
Kegesten 88).
WeiterentwickeluHg der Besitzverhältnisse während des 11. Jahrhunderts. 359
ziemlich unverändert '). Freising hatte noch 1074, wie wir gesehen
hahen, Güter in Ungarn erhalten, dazu diesseits der Leithagrenze
100 Mausen um Brück und Haslau ^). Neu trat das Bistum Würz-
burg auf den Plan und zwar unter den Grofsgrundbesitzern auf
oberösterreichischem Boden, indem ihm nach dem Tode des Bischofs
Adalbero, eines Sohnes des Traungauer Grafen Arnold (f 1090),
ein grofser Teil des Traungauer Erbes zufiel. Es war ein sehr
zerstreuter Besitz — nach späterer Angabe 123 Höfe in 17 Pfarren — ,
dessen Mittelpunkt Wels bildete ^).
Einen neuen Aufschwung nahmen nur die Besitzerwerbungen
der Klöster gleichzeitig mit den zahlreichen Neugründungen und
der grofsen Klosterreform. Sie werden uns im nächsten Kapitel
eingehend beschäftigen.
Bei dem engen Zusammenhang des Grundbesitzes mit der
Ausgestaltung der sozialen Verhältnisse wollen wir noch einen Blick
auf diese werfen^), obwohl das 10. und 11. Jahrhundert nur eine
Übergangszeit zu den Zuständen bildete, wie sie sich in- der Folge-
zeit gefestigt haben. Für die Siedelung, das wirtschaftliche Leben
und die gesellschafthche Abstufung war der Grofsgrundbesitz mafs-
gebend, der sich in den Händen der Grafen, die jetzt nur noch
der mächtigste Besitzadel waren, aber keine richterlichen oder
administrativen Funktionen mehr ausübten, und der Edlen (nobiles,
ingenui) befanden. Das Lehnswesen beherrschte immer weitere
Kreise mit seiner naiven Anerkennung des Rechtes des Stärkeren
und der freiwilhgen Unterwerfung des Schwächeren. Es äufserte
sich am meisten bei der Ausbildung des Bauernstandes.
1) Kleinere Erwerbungen wie z. B. von einigen Mausen im Ennswald durch
Salzburg 1049 , sowie die ziemlich regelmäfsigen allgemeinen Besitz- und Privi-
legienbestätigungen zu Beginn der Regierung eines neuen Herrschers kommen
für uns nicht weiter in Betracht.
2) Font. rer. Austr. 2. XXXI, 90.
3) Man mufs die Erbschaft zurückerschliefsen aus dem Rationarium Austriae
des 13. Jahrhunderts (hgg. von Dop seh, Österr. Urbare). Vgl. dazu Strnadt,
Geburt d. L. o. d. Enns S. 49.
4) Siehe für das Folgende insbesondere Grund, Die Veränderungen der
Topographie usw. S. 62ff. ; Inama-Sternegg, Deutsche Wirtschaftsgeschichte II
(Leipzig 1891), sowie dessen kleinere Abhandlungen (siehe oben S. 133); We-
runsky, Österreichische Reichs- und Rechtsgeschichte S. 34—47.
17*
360 Neuntes Kaiiitol.
Die lockenden Vorteile im Falle der Unterwerfung unter die
Grundherrschaft waren zu grofs. Die lästige Heerbannpfiicht mit
ihrer teueren Ausrüstung, das hohe Bufsgeld und den drückenden
Kirchenzchnten schaffte man sich vom Halse und gewaim dafür
sicheren Schutz und ausgiebigen Erwerb. Auch war in dieser
ersten Periode des Lehnswesens das Verhältnis gewifs nicht hart,
sentimentale Erwägungen kamen nicht auf. ISo kann es nicht
wundernehmen, dafs die freien Bauern rasch verschwanden. Zu-
nächst verfügten auch die Grofsgruudbesitzer durch die fortgesetzten
Rodungen und infolge der Neubrüche über genügend viel Land,
um alle, die sich ihnen kommendierten, unterzubringen. Sie ver-
slanden es auch durch das Anerbieten gewisser Vorteile Kolonisten
aus dem Mutterlande in die Mark zu ziehen.
In bezug auf das Hochstift Passau wissen wir, dafs in der
ersten Zeit der Neukolonisierung der Ostmark wegen Mangels von
Eigenleuten freie Bauern gegen entsprechende Vorteile auf die
Güter des Bistums zur Arbeitsleistung berufen werden mufsten.
Aber schon in diesem, Falle handelt es sich keineswegs um völlig
unabhängige Ansiedler, sondern um zwar freigeborene, aber zins-
pflichtige Kolonen, die ihre Abgaben statt an den Markgrafen und
den Fiskus an das Bistum und seine Beamten zu entrichten hatten ^).
Die Bezeichnungen für diese und die anderen Klassen der Be-
völkerung sind durchaus nicht stets die gleichen, sie wechseln, je
nachdem man mehr Gewicht auf das Moment der freien Geburt oder
ihres Verhältnisses zum Herren legte, und manchmal schwimmen sie
irreführend ineinander. Die erwähnte oberste Klasse der abhängigen
Bauern waren die Mansionarii ingenuales, liberi oder censuales. Sie
blieben nämlich gegen einen geringen Jahreszins (etwa 5 Denare)
in Naturalien, seltener oder erst später in Geld, allenfalls auch
gegen Frondienste im lebenslänglichen, nicht selten sogar erblichen
Besitz des ihnen zugewiesenen Grund und Bodens.
Wesentlich die Freiheit ihrer Abstammung unterschied sie
von den behausten Knechten, Eigenleuten oder Hörigen (homines
proprii, mansi serviles, servi casati, manentes), die gleichfalls Grund
und Boden gegen Zins oder Fronden bewirtschafteten. Die Natural-
1) M. B. XXVIII b, 243.
Weiterentwickeluug der Besitzverliältnisse während des 11. Jahrhunderts. 361
zinse bestanden entweder in Abgaben an Getreide, Wein (auch
„Bergrecht" genannt), Hülsenfrüchten, Mohn, Flachs u. dergl, das
war der „gröfsere Zins", oder in Abgaben an Schweinen, Lämmern,
Hühnern, Eiern und Käse, der „kleinere Zins", später wohl auch an
gewerbhchen Erzeugnissen (Tuch, Schuhen, Schüsseln u. dergl.).
Die Fronden waren in erster Linie Ackerfronden, dann aber auch
Erntedienste, Wiesenfronden, Fronfuhren, Baufronden, Weinberg-
und Weinlesefronden, Wald- und Fischereifronden. Dieser Zins
bildete dann die eigentliche Bodenrente des Grundherrn, die etwa
bis ins 12. Jahrhundert hinein ziemhch gleich blieb. Aufserdem
gab es aber auch noch Eigenleute ohne Grund und Boden (man-
cipia infra curtem morantia), die sich von den Sklaven früherer
Jahrhunderte kaum unterschieden. Die behausten Knechte konnten
nur mit dem Grund und Boden veräufsert werden, die letzteren
in jedem Fall.
Die Untertanen hatten weder das Recht der Freizügigkeit noch
das des Heiratens aufserhalb der Hofgenossenschaft; ebensowenig
durften sie ihr Hab und Gut in irgendeiner Weise veräufsern.
In allen Causae minores unterstanden sie der Gerichtsbarkeit ihres
Herrn, nur die Blutgerichtsbarkeit übte das Grafengericht. Die
grofsen Bistümer Passau und Freising erwarben aber für ihre Unter-
tanen auch den Blutbann.
Während die kleineren freien Leute, die sich kommendierten,
ihren Besitz an Grund und Boden aufgaben, behielten die Grofs-
grundbesitzer einen bestimmten Bodenbesitz zurück, den sie nicht
weiter vergaben, das ,,Handgemal", wie es in den Salzburger Ur-
kunden regelmäfsig heifst, das „Ansedel" oder den „Sedelhof",
wie es im Bayerisch - Österreichischen genannt wird, das Salland.
des allgemeinen deutschen Rechtes. Sein Besitz wird geradezu
Bedingung für den Vollfreien ^).
Das die Großgrundbesitzer nicht nur über den Boden, sondern
auch über die genügenden Arbeitskräfte frei verfügten, kam dem
Fortschritt der Kultivierung aufserordentlich zustatten. Es konnte
dadurch eine weit gröfsere Intensität der Bewirtschaftung Platz
1) Siegmund Adler, Zur Eechtsgeschichte des adeligen Grundbesitzes in
Österreich (Leipzig 1902).
2«3 Neuntes Kapitel.
grcilen, als dies der einzelne hätte leisten können. Ackerbau und
Viehzucht und in der Folge auch das Gewerbe, das auf den Höfen
der Gutsherren betrieben wurde, um die Bedürfnisse der Herr-
schaft und der Hintersassen zu decken, nahmen einen raschen Auf-
schwung. Besonders blühte schon damals der Weinbau namentlich
in der Wachau von Schönbüchel bis Krems, vereinzelt auch im
Südosten des Landes (Pottschach, Wirflach), später mit Beginn
des 12. Jahrhunderts um Wien ^). Die Weitläufigkeit und Mannig-
faltigkeit des Wirtschaftsbetriebes und das stete Anwachsen der
Volkszahl bedingte eine immer zunehmende Arbeitsteilung. Die
Grundbesitzer vergabten das Land an die Untertanen nicht mehr
im alten herkömmlichen Ausmafs, sondern in immer kleineren
Teilen, in halben Hufen (den sogenannten „Bauernlehen", laneus),
Viertel- und Achtelhufen -). Auch kleinere Gehöfte (curtes, curtilia)
ohne das volle Ausmafs der einer Hufe zugewiesenen Grundstücke
kamen besonders in den Weingegenden vor. So wurde das Hufen-
system und der Flurzwang allmählich gelockert. Die Mannigfaltigkeit
der Kultivierung, die dadurch angebahnt wurde, zeigt sich am besten
in der Verschiedenheit der Abgaben, die wir oben kennen gelernt
haben. Auch die Bauernlelien selbst tragen die verschiedenartigsten
Bezeichnungen: Feuerlehen, Korn-, Kammer-, Wachslehen usw.
Diese Teilungen und der oft weit zerstreute Besitz eines Grundherrn
machte auch eine Teilung der Beaufsichtigung und Verwaltung
notwendig. Es entstanden die Meiereibezirke (villicationes), in
deren Mittelpunkt der Meier oder Scbaffer auf dem Meierhofe
safs. Er nahm die Zinse ein, beaufsichtigte die Fronden und hatte
auch die richterliche Gewalt über die Untertanen seines Bezirkes.
Die etwas abweichenden Verhältnisse auf den kirchlichen Grund-
herrschaften wollen wir später betrachten.
Neben dieser Entwickelung zur Arbeitsteilung brachte der
Grofsgrundbesitz auch eine Bewegung der Konzentration hervor.
Die isolierten landwirtschaftlichen Betriebe wurden immer mehr
aufgegeben, ein Zusammenschlufs zu Dörfern, besonders um die
1) Vgl. S tauf er im Melker Programm 1873.
2j Zu vgl. Caro, Die Hufe (Deutsche Geschichtsbl. IV, 257, 1903) und
Dop seh in der Einleitung zur Ausgabe der „Österreichischen Urbare", wo
allerdings mehr die spätere Entwickelung erörtert wird.
Weiterentwickelung der Besitzverhältnisse während des 11. Jahrhunderts. 363
Fronhöfe und um die Burgen, die damals besonders au militärisch
wichtigen Punkten allenthalben im Lande von den Grofsgrund-
besitzern erbaut wurden, immer mehr angestrebt. Nur traten jetzt
an Stelle der alten Markgenossenschaften die hofrechtlichen Ge-
nossenschaften. Aufser dem wirtschaftlichen Vorteil gab es dann
vielfach auch ein ethisches Moment : die Kirche, die für die Gläubigen
den Mittelpunkt bildete. Der Zusammeuschlufs aber hatte wieder
auf das soziale Leben seine Rückwirkung. Um die Pfarrkirchen
entstand — zumeist an den Kirchenfesten — auch ein Markt-
verkehr. Für die Besucher des Marktes gab es dann einen be-
sonderen Schutz, um die Märkte wurden Befestigungen angelegt,
und die Umwohnenden fanden hier bei Gefahr im Verzuge ihre
natürliche Zuflucht. So wurde seit dem 11. Jahrhundert bereits
die spätere Entwickelung der Dörfer zu Märkten, der Märkte zu
Städten angebahnt. Das älteste Beispiel einer förmlichen Markt-
rechtverleihung in Osterreich ist St. Polten, wo am 2. Oktober 1058
das Chorherrnstift dieses Recht von Kaiser Heinrich IV. erhielt ^).
Doch gab es daneben schon sehr bedeutende Orte, die in dem
oben angedeuteten Sinne ausgestaltet bereits städtischen Charakter
trugen und auch bereits civitas genannt wurden, so Wels, Linz,
TuUn, Krems.
Überblicken wir diese wirtschaftlichen und sozialen Verhält-
nisse, so sehen wir zunächst allenthalben ein Anknüpfen an die
Verhältnisse der Karolingerzeit und eine konsequente Weiterbildung
derselben, wie sie ja auch im deutschen Mutterlande stattfand.
Doch ist auch da bereits jenes retardierende Moment bemerkbar,
das man in der Folgezeit immer in bezug auf die kulturelle Ent-
wickelung des Ostens gegenüber dem Westen beobachten kann.
Nur dafs es hier zunächst im günstigen Sinne beeinflufst war. Es
hing dies wohl damit zusammen, dafs hier noch auf lange Zeit
genügend Grund und Boden zur Neubesiedelung und Weiterver-
gabung vorhanden war. So brauchte man noch nicht zu vielen
und weitgehenden Unterteilungen mit allen ihren Konsequenzen auf
die sozialen Verhältnisse der untertänigen Leute zu schreiten, wie
in den bereits dicht besiedelten westdeutschen Ländern. Hatten
1) Bl. d. Ver. f. Landesk. XXI, 2, 1886.
264 Neuntes Kapitel. Woitcrentwickt-limf: der J?>'sitzverhältnisao usw.
die Kolonen von vornherein, wie wir oben im Falle Passau sahen,,
eine bevorzugtere Stellung, so war auch noch nicht jene rück-
bildende Bewegung zur liebung der Zinsbauern auf Kosten der
Grof!?grundbesitzer nötig, und diese hielten sich noch immer auf
der vollen Höhe ihres dominierenden Einflusses — sehr zum Vor-
teile des Landes, das in wirtschaftlicher Beziehung durch systema-
tischere Bodenkultur aufzublühen begann, in dem sich auch, hervor-
gerufen von den grofscn Grundherrschaften, Gewerbebetriebe, wie
Mühlen, Backöfen, Weinkeltern, Brauereien, Schmieden, Kalk-
brennereien, Gewandhäuser und Gerätemacherei entwickelten, daran
anknüpfend bald auch ein, wenn auch zunächst auf den kleinen
Markt beschränkter Verkehr. Dies alles hatte ein bereits ziemUch
reich bewegtes Leben zur Folge. Alle Verpflichtungen zum all-
gemeinen Wohl, die zur Römerzeit dem Staate oblagen und noch
unter den Karolingern zum gröfsten Teil der Grafengewalt zukamen,,
waren jetzt Sache der grofsen Grundherrschaften, die sich ihrer
im eigenen Interesse unterzogen. Nicht nur für die Untertanen,
ihren Unterhalt, ihre, Krankenpflege sorgten sie — namentlich die
geistlichen Herrschaften — , sondern auch für Anlage und Erhaltung
von Burgfesten, Strafsen und Brücken.
Aber andrerseits bereiteten sich doch auch in Osterreich neue
Formen des wirtschattHchen und sozialen Lebens vor, und die
zweite Hälfte des 11. Jahrhunderts bildete hier einen entscheidenden
Wendepunkt, der mehr als anderswo im Zusammenhang mit der
Ausbildung der Territorialmacht einerseits, der kirchlichen Grund-
herrschaiten andrerseits steht, die wieder selbst durch den grofsen
Kirchenkampf bedingt werden.
Z e li n t e s Kapitel.
Die kircliliche Bewegung und ihr Einflufs auf
Österreich.
Die Stellung des Markgrafen von Österreich dürfte von vorn-
herein noch keine allzu bedeutende und selbständige gewesen sein ^).
Wir haben gesehen, wie die Ostmark, während der ersten Hälfte
des 10. Jahrhunderts wenigstens nominell mit Bayern vereint, bei
ihrer Wiederherstellung unter Burkhard, vermutlich dem Burg-
grafen von Regensburg, mit Bayern in engem Zusammenhang blieb,
und obwohl Liutpold in einem ausgesprochenen Gegensatz zu dem
aufrührerischen Herzog Heinrich von Bayern vom Kaiser berufen
und ebenso wie sein Bruder auf Kosten Bayerns begünstigt wurde,
so scheint doch in der Folgezeit die Oberhoheit des Herzogtums
über die Markgrafschaft ^) , die vielleicht auch die Tradition aus
1) Wenn die Historiker von der exemten Stellung der Markgrafen von Oster-
reich ganz im allgemeinen sprechen, so nehmen sie nach meiner Meinung zu
wenig auf die einzelnen Stadien der Entwickelung Kücksicht , und haben fast
immer nur die Periode vom Ausgang des 11. Jahrhunderts im Auge, die zum
Privilegium minus überleitet.
2) Die Abhängigkeit Österreichs von Bayern ist eine geschichtliche Streit-
frage geworden, seitdem im Jahre 1763 von der bayerischen Akademie dafür ein
Preis ausgeschrieben wurde. Zum ersten Male hat Schrötter in seinen Ab-
handlungen aus dem österreichischen Staatsrecht I (Wien 1762), S. 9 die Ab-
hängigkeit augefochten. Ilim folgte H o r m a y r , Das grofse österreichische Haus-
privilog und das Archivweseu in Bayern (München 1832) und später Jäger,
Beiträge zur österreichischen Geschichte (Wien 1855). In neuerer Zeit liat sich
besonders Waitz, Deutsche Vorfassungsgeschichte VII, 149 f. entschieden da-
gegen ausgesprochen. Aber weitaus die Mehrzahl der Historiker und Eechts-
historiker haben sich, zum Teil mit gewissen Modifikationen, dafür erklärt, so
Eichhorn § 238; Ficker, Über die Echtheit der österreichischen Freiheits-
briefe S. 23: Lorenz, Die Erwerbung Österreichs durch Ottokar von Böhmen
2fi6 Zehntes Kapitel.
der Karolino;erzeit stützte, nie förmlich aufgelioben worden zu sein.
Zwar die Urkunde über das Placitum, das Herzog Heinrich von
Bayern zwischen 983 und 991 in der Ostmark gehalten haben
soll, ist in der überlieferten Form sicher Fälschung und enthält
zu viele höchst verdächtige und unwahrscheinliche Angaben, um
irgendwie beweiskräftig zu sein ^), immerhin läge die Tatsache
selbst im Bereiche der Möglichkeit, besonders wenn man eine wenig
beachtete Nachricht, dafs derselbe Herzog im Jahre 991 einen Sieg
über die Ungarn gewann -), der doch wohl an der damaligen
Markgrenze erfochten worden sein dürfte, heranzieht. Hier tritt
also der Bayernherzog auch als Heerführer in der Mark auf und,
was allenfalls die Tatsache eines Placitums stützen könnte, sogar
um die fragliche Zeit. Osterreich wird auch im Laufe des 11. Jahr-
hundertswiederholtals Marcha Bajoarica, limes Bajoaricus bezeichnet^),
die Grenze Böhmens gegen die Markgrafschaft als Grenze gegen
Bayern'*), und bei sehr vielen Königsurkunden, die die Mark
S. 15; Berchtold, Die Landeshoheit Österreichs S. 12; Hirsch, Jahrbücher
des deutschen Keiches unter Heinrich K. I, 142; Usinger, Das deutsche Staats-
gebiet bis gegen Ende des 11. Jahrhunderts (Histor. Zeitschr. XXVII, 1872)
S. 398; Heigel und Eiezler, Das Herzogtum Bayern S. 199; Kiezler,
Geschichte Baierns I, 744; Huber, Geschichte Österreichs I, 176 und Öster-
reichische Keichsgeschichte 2. Auflage, S. 33; Werunsky, Österreichische
Eeichs- und Eechtsgeschichte S. 47; Bach mann. Österreichische Eeichs- und
Kechtsgeschichte S. 83; Luschin, Älteres Gerichtswesen S. 12 und Eeichs-
geschichte S. 148; Lampel, Die Babenbergische Ostmark und ihre tres comi-
tatus (UI. Jahrbuch des Ver. f. Landesk. 1 f., 1904).
1) M. B. XXVIII b, 208. — Die Urkunde, die bereits von Meiller, Ee-
gesten S. 190 angezweifelt wurde, ist von Büdinger, Österreichische Geschichte
S. 491 in gründlicher Weise als Fälschung nachgewiesen worden. Ihm folgten
Edelbacher (Ber. d. Mus. Francisco-Carolinum XXIX, 73); Waitz VII, 150
und in Kürze fast alle neueren Historiker. Dagegen haben H u b e r , Geschichte
Österreichs I, 178 und die Herausgeber des Niederösterreichisehen Urkunden-
buches, Felge 1 und Lampel, die die Urkunde neuerlich abdrucken (I, 3), sie
zu retten gesucht. Daraufhin hat in jüngster Zeit Strnadt in der Archiva-
lischen Zeitschrift IX, 291 nochmals eine ausführli<;he Widerlegung unternommen.
2) Ann. Salisb. M. G. SS. IX, 771 und Ann. Garst, a. a. 0. 567. VgL
auch Meiller in seiner Abhandlung in den Denkschriften der Akademie XVUI.
3^ Ann. Quedl. 994; Ann. Saxo 993; Ann. Hildesh. 1018; Ann. Altah.
1041, 1042, 1060; Lamb. 1075; Beruh. Coust. 1079.
4) Ann. Altah. 1041.
Die kirchliche Bewegung und ihr Einflufs auf Österreich. 367
betreffen , erscheint der Herzog von Bayern als Intervenient ^).
Das Kloster Tegernsee erwartet daher auch die Rückgabe seiner
ihm in der Ostmark entfremdeten Güter von Herzog Heinrich IV. ^).
Dafs der Wiederaufbau der Feste Hainburg im Jahre 1050 als
eine Angelegenheit Gesamtbayerns erscheint und der Bayernherzog,
der Markgraf von Österreich und andere bayerische Fürsten zu
Kommissären bestimmt wurden ^), kann nur nebenher und indirekt
als Beweis gelten, da Hainburg damals in der neuen Mark lag.
Als aber dann im Jahre 1156 Osterreich zum Herzogtume erhoben
wurde, mufste der Herzog von Bayern — freilich, wie nicht ver-
schwiegen werden soll, unter wesentlich geänderten politischen Ver-
hältnissen, die wir ja noch kennen lernen werden — ■ auf Osterreich
verzichten und zwar unter der Formalität der Lehnsabtretung, näm-
lich unter Zurückstellung von zwei Fahnen. Demnach bezeichneten
auch schon mittelalterhche Schriftsteller Osterreich als Lehen des
Herzogtums Bayern *).
Allerdings ist eine Einsetzung des Markgrafen durch den Herzog
von Bayern niemals vorgekommen und niemals hören wir von
einer förmlichen Belehnung. Eher dürfte eine Verpflichtung für
den Markgrafen bestanden haben, die bayerischen Hoftage zu be-
suchen, der er hier und da einmal nachkam ^). Auch das ist zu
berücksichtigen, dafs die Babenberger unzweifelhaft aufserhalb der
Mark andei'e Güter von den Herzögen von Bayern zu Lehen
trugen und schon deshalb ihnen gegenüber manche Verpflichtungen
hatten. Noch Adalbert dürfte Graf im Schweinach- und Ilzgau
gewesen sein *"), auch um Deggendorf hatten die Babenberger Lehns-
besitz "'). Immerhin werden wir annehmen dürfen , dafs gewifs
zwischen der Theorie und der Praxis ein grofser Unterschied zu
finden war. Stand auch formell, wie gesagt, die Oberhoheit Bayerns
fest, so dürfte sich der Markgraf, der sich wohl schon frühzeitig
1) Stumpf, Regesten 1042, 1097, 3027, 3031, 3228.
2) Pez Via, 130.
8) Siehe oben S. 247.
4) Otto San blas. c. 6, S. 306. — Chron. August.
5) Böhmer, Font. rer. Germ. 11, 487.
6) Stumpf, Eegesten 1530, 1531.
7) Siehe die Urkunde vom 23. Oktober 1181 (Mon. Boic. XI, 464).
268 Zehntes Kajiitel.
in seiner Stellung; zu fühlen begann, möglichst wenig daran gekehrt
haben, zuuial die Herzogsgewalt bis zum 12. Jahrhundert ziemUch
rasch von einer Hand in die andere wanderte ^) und die sächsischen
Könige eifrig bestrebt waren, diese Herzogsgewalt einzuschränken.
Weit mehr als die bayerischen Herzöge griflen bis über die
Mitte des 11. Jahrhunderts die deutschen Könige selbst in die
Geschicke der Mark ein, was zunächst für die Ausbildung der
Machtstellung des IVIarkgrafen durchaus nicht förderlich gewesen
sein dürfte. Wir haben gesehen, dafs die Markgrafen in der ersten
Zeit nicht einmal zu den hervorragendsten Grundbesitzern des
Landes zu rechnen waren, sondern nur über verhältnismäfsig be-
scheidene Güter verfügten. Die Markgrafen werden auch bis 1048
sehr häufig nur als Grafen bezeichnet ^). Inwieweit die Besitzungen
der anderen Grafengeschlechter in der Mark reichsunmittelbar ge-
wesen sind, können wir nach dem bisherigen Stand der Quellen nicht
entscheiden; es scheint, als ob die Markgrafen in ihrem Lande durch-
weg die Grafengewalt ausgeübt hätten, doch gab es immerhin Exem-
tionen, wie jene Passaus, die wir schon kennen gelernt haben. Die
Eroberungspolitik der deutschen Kaiser legte noch Gewicht auf diese
Grenzlande, und die Kaiser weilten vielfach hier, verfügten über
Grund und Boden, erteilten Vorrechte, trafen Verwaltungsmafsregeln
und leiteten vor allem die Landesverteidigung oder den Angrifis-
krieg selbst. So spielten die Markgrafen neben ihnen nur eine
ziemlich untergeordnete Rolle, und wir erfahren auch tatsächlich
noch wenig von selbständigen Unternehmungen und Verfügungen.
Die Sachlage änderte sich aber rasch, als nach dem Tode Kaiser
Heinrichs HI. die Reichspolitik ganz andere Wege einschlug. Noch
führte Heinrich IV., Avie wir sahen, einige Male sein Schwert gegen
die Ungarn zur Wahrung von Familieninteressen, aber bald nahm
die römische Frage seine volle Kraft in Anspruch. Nun erst war
die Mark sich selbst überlassen, der Markgraf freier in seinen Ent-
schliefsungen, unabhängiger in seiner Stellung, die er auch bald nach
aufsen hin zu heben wufste. Bisher hatten die österreichischen Baben-
berger auf ihrem isolierten und doch wieder vom Könige behüteten
1) Wiederholt befand sie sich übrigens auch im Besitze eines Gliedes der
königlichen Familie.
2) H a s en ö h r 1 , Südöstliche Marken (Archiv f. üsterr. Gesch. LXXXU, 431).
Die kirchliche Bewegung und ihr Einflufs auf Österreich. 369
Posten in allen Wechselfällen treu beim Könige ausgeharrt; auch
Markgraf Ernst, der dem Könige einen starken Zuwachs an Besitz
verdankte, blieb noch in den Traditionen seines Hauses. Er brachte
Heinrich IV. sogar sein Leben zum Opfer, denn am 9. Juni 1075
fiel er in der Schlacht bei Hohenburg gegen die Sachsen.
Aber schon sein Sohn und Nachfolger Leopold IL ^) hielt sich
nicht mehr lange an diese überlieferte Königstreue der Babenberger,
denn er fand bereits eine völlig veränderte politische Situation vor •^).
Seit dem Jahre 1073 safs Gregor VII. auf dem päpstUchen
Stuhle, eine jener seltenen machtvollen Persönlichkeiten, die dem
Laufe der Weltgeschichte neue Bahnen weisen. Seit Karl dem
Grofsen waren Kaisertum und Papsttum Hand in Hand gegangen ;
noch immer hatte man an dem Bibelworte: „Mein Reich ist nicht
von dieser Welt" festgehalten, noch war der Papst hauptsächlich
der oberste Seelenhirte und bedurfte der Macht des Kaisers zu
Schutz und Schirm. Dieser konnte daher einen Papst nach seinem
Willen einsetzen, wie er auch alle Bischöfe einsetzte. Aber diese
inferiore Stellung der Kirche hatte nicht nur allmählich die Päpste
zum Spielball mächtiger Kaiser gemacht, sondern auch den Geist
des Klerus, namentlich in den romanischen Ländern, stark demo-
rahsiert. Die Laieninvestitur hatte den Stellenkauf, die Simonie,
die arge Verweltlichung, unerlaubten Umgang mit Frauen, den
Nikolaisraus, gezeitigt. Da wurden denn endlich gegen die Mitte
des 11. Jahrhunderts namentlich im Kloster zu Clugny, dann auch zu
1) Ältere Historiker zählten in derReihe der Markgrafen auch jenen bereits
oben erwähnten blofsen Titularmarkgrafen Leopold, einen Sohn Adalberts, dem
Kaiser Heinrich IH. als Auszeichnung für seine Dienste gegen die Ungarn Ende
November 1043, also zu Lebzeiten seines Vaters, die Markgrafenwürde verlieh,
die er jedoch nur etwa 14 Tage innehatte, da er am 9. Dezember starb. Danach
wäre der Sohn Ernsts Leopold IIL, dessen Sohn der IV. usw. Seit M ei 11 er
(Reg. S. 205) ist es aber allgemein üblich geworden , den Sohn Adalberts nicht
mehr in der Reihe der Markgrafen anzuführen. Sonst müfste auch konsequenter-
weise z. B. Leopolds HL Sohn Adalbert, der in manchen Urkunden als Marchio
bezeichnet wird, aber tatsächlich niemals die "Würde ausgeübt hat, auch mit-
gezählt werden.
2) Über das Folgende siehe insbesondere die vortreffliche Einzeluntersuchung
von F. M. Mayer, Die östlichen Alpenländer im Investiturstreite (Innsbruck
1883). Aufserdem: Huber I, 221; Juritsch S. 94; Giesebrecht, Ge-
schichte der deutschen Kaiserzeit IH, 1.
370 Zehntes Kapitel.
Oanialdula Stimmen laut, die immer dringender nach einer Reform
der Kirche, zunächst hinsichtUch der Klöster verlangten.
Durch Gregor VII., der schon als Prior von Clugny den
Päpsten Gregor VI. und Leo IX. als Spiritus rector zur Seite
gestanden hatte, wurden diese Reforraideen erst ins Universelle
erhoben und ihrer Verwirklichung zugeführt. Er legte die Axt
an die Wurzeln der Übel. Im Jahre 1074 erging das Gesetz
des Zölibates und das Verbot der Laieninvestitur unter Androhung
des Kirchenbannes.
Kaiser Heinrich IV. unterschätzte seinen Gegner anfangs gründ-
lich, wenn er dachte, durch einen Anschlag auf ihn und durch
eine Synode in Worms, auf der die deutschen Bischöfe Gregor
für abgesetzt erklären mufsten, ihn unschädlich zu machen. Der
Papst antwortete mit dem Bannstrahl, und die Wirkung dieses bis
dahin noch niemals gegen den Kaiser angewendeten Mittels war
eine tiefgehende. In dem Augenblick, wo der Glanz der höchsten
weltlichen Gewalt vor einer höheren, gewissermafsen übersinnlichen
Macht erblich, war auch das Gebäude des Reiches in allen Fugen
erschüttert, und der V/iderstand erhob allenthalben ungescheut sein
Haupt. Die Bestrebungen der salischen Kaiser zur Unterdrückung
der nationalen Herzogtümer begannen sich jetzt zu rächen. Die
Stammesherzöge machten gemeinsame Sache mit jenen Bischöfen,
die dem Rufe des Kirchenoberhauptes folgten Sie traten am
16. Oktober 1076 in Tribur zusammen und beschlossen den Kaiser
abzusetzen, falls er die Lösung aus dem Banne nicht bis zum
Februar erlange.
Unter diesen Fürsten und Bischöfen standen gerade die süd-
deutschen obenan: Bertold von Zähringen, der Herzog von Kärnten,
Rudolf von Schwaben, Weif von Bayern , Erzbischof Gebhard von
Salzburg, Bischof Altmann von Passau und der Traungauer Adal-
bero von Würzburg. Waren es aber bei den Herzögen politische
Gründe, die ihnen einen Anschlufs an die päpstliche Partei will-
kommen erscheinen liefsen, so war namentlich in Altmann von
Passau der echte gregorianische Geist wirksam ^).
1) Hauptquelle ist die Vita Altmanni, herausgegeben von Wattenbach,
M. G. SS. XXII, 226, die freilich auch manches Legendäre enthält. Siehe femer
Stülz, Das Leben des Bischofs Altmann von Passau (Denkschriften d, k. Aka-
Die kirchliche Bewegung und ihr Einflufs auf Österreich. 371
Aus Westfalen stammend war er ursprünglich Domherr in
Paderborn. Als Propst von Aachen gelangte er an den königlichen
Hof, wo er das Amt eines Hofkaplanes bekleidete und sich der
besonderen Gunst der Kaiserin Agnes erfreute. Dieser verdankte
er auch seine Erhebung auf den Bischofstuhl im Jahre 1065. Auch
er fand in seiner Diözese eine arge Verweltlichung, ja Verwilde-
rung des Klerus, der Ausschweifungen jeglicher Art und auch dem
Wucher ergeben war, und er säumte nicht, die bestehenden Klöster
ganz im Sinne der Kluniazenser zu regulieren und neue zu gründen.
So inaugurierte er für Osterreich eine neue Epoche, die in ihren
Folgen sowohl auf politischem, als auch auf wirtschaftlich-sozialem
und kulturellem Gebiete von Bedeutung wurde.
Schon vor ihm, um dfe Mitte des Jahrhunderts, hatte allerdings
der Zug der Zeit zu einigen frommen Stiftungen in unseren Gegenden
geführt. Kaiser Heinrich IH. schenkte am 7. Januar 1049 seinen
Besitz zwischen Enns und Ips dem Bistum Freising unter der
Bedingung, dafs zu Ardagger ein Stift für Säkularkleriker gegründet
werde ^). Bereits in engerem Zusammenhang mit der neuen Strö-
mung steht die Gründung des Stiftes Lambach durch die Traun-
gauer um 1056, wovon weiter unten die Rede sein wird. Dafs
die Stiftung des Nonnenklosters Erla durch Otto von Machland
in Niederösterreich bereits in diese Zeit fällt, wie die erhaltene
Kopie des Stiftsbriefes glauben machen will, erscheint mir mehr
als zweifelhaft ^).
Die erste Neugründung Bischof Altmanns war das Chorherren-
stift St. Nikolaus im Jahre 1067 (Urkunde 1075) ^). Nicht viel
demie IV, 1853), Wiedemann, Altmann von Passau (Augsburg 1851) und
Mayer a. a. 0. 68 f. Über die hier nicht weiter in Betracht kommende publi-
zistische Tätigkeit Altmanns siehe Sdralek, Die Streitschriften Altmanns von
Passau und Wigilos von Köln (Paderborn 1890).
1) Font. rer. Austr. XXXI, 7G. Friefs, Geschichte des KoUegiatstiftes
Ardagger (Archiv f. österr. Gesch. XLVI).
2) ÜB. d. L. 0. d. Enns II, 86. Für die Echtheit der Urkunde Keib-
linger, Geschichte Melks I, 251, der sich dabei auf die Totenbücher Melks
und St. Peters beruft, die aber doch nicht mehr beweisen, als dafs das Kloster
vor seiner zweiten urkundlichen Erwähnung im Jahre 1125 schon bestand. —
Hayret, Zur Geschichte des Erlaklosters (Ber. u. Mitteü. d. Altertumsvereins
XX, 103).
3) ÜB. d. L. 0. d. Enns II, 99 und 103. Nur in zwei Kopien erhalten,
273 Zehntes Kapitel.
später wurde in der Ostmark auf einem weit sichtbaren Punkt
an der Donau bei J\ lautern mit dem Bau des Stiftes Göttweig
begonnen *). Das arg herabgekommene St. Florian ^) und St.
Polten 2) wurden reformiert und an Stelle der Kleriker regulierte
Chorherren berufen.
Aber auch hier wie anderwärts stiefsen die Reformversuche
auf den heftigen Widerstand des Klerus selbst. Als Altraann am
26. Dezember 1074 von der Kanzel der Domkirche in Passau
die päpstliche Bulle über den Zölibat verkündete, brach ein förm-
Hcher Tumult aus, so dafs der Bischof nur mit Mühe unter dem
Schutz seiner Ministerialen Tätlichkeiten entging.
Von der Bannung Heinrichs machte die Königin-Mutter Agnes,
die seit ihrem Sturze als Nonne in Rom lebte, ihrem Günstling
selbst Mitteilung ''). Aber bei deren Verkündigung regte sich aber-
mals die Opposition des Passauer Klerus, an dessen Spitze der
Propst Eigilbert, der nachmalige Erzbischof von Trier stand. Alt-
mann befand sich auch , wie schon erwähnt , auf dem Tage zu
Tribur. Es folgte Heinrichs IV. heimliche Reise nach Italien und
die Erniedrigung von Kanossa — sie war vergeblich, denn die
deutsche Opposition nahm diesen eigenmächtigen Schritt zum An-
lafs, den König abzusetzen und am 15. März 1077 zu Forchheim
Rudolf von Schwaben zum Könige zu wählen. Obwohl der Papst
nach Heinrichs reumütiger Unterwerfung dieser Wendung der Dinge
entschieden widerstrebte, waren doch auch Gebhard von Salzburg
und Altmann von Passau, die sich jedenfalls politisch schon zu weit
eingelassen hatten, unter den Wählern des Gegenkönigs.
von denen die zweite gefälscht ist. Über die Datierung gegen Meillers (Keg.
206) Ansatz zu 1081 Edlbacher (Ben d. Mus. Franc.-Carol. XXIX, 100).
1) Vita Altmanni c. 29. Der Altar soll von Altmann 1072 geweiht
worden sein.
2) ÜB. d. L. 0. d. E. II, 95. — Über die Unechtheit des Stiftsbriefes vom
25. Juni 1071 siehe Strnadt in der Archivalischeu Zeitschrift VIII, 75 f.
3) Vita Altmanni c. 9. Es ist zweifelhaft, ob diese Klosterreform vor
oder nach der Flucht Altmanns fällt. Wenn man aber eine Tätigkeit Altmanns
zu Göttweig schon um 1072 annehmen kann, so ist die Verlegung der Eeform
St. Pöltens auf das Jahr 1081, wie sie Hansiz, Germ, sacra I, 269 und Mayer
a. a. 0. 77, ansetzen, keine zwingende Notwendigkeit.
4) Hugonis Chron. M. G. SS. VIII, 435.
Die lilrdiliche Bewoguug uiui ilir Einflufs auf Österreich. 373
Sie traf denn auch Heinrichs Vergeltung, als er vom Süden
her den Rachezug gegen seine Feinde begann. Der getreue Pa-
triarch Sigehard von Aquileja, wie wir gesehen haben, ein Sprofs
des Hauses Burghausen- Schala, wurde mit den Grafschaften Friaul
und Istrien und der Markgrafschaft Krain belohnt, Liutold von
Eppenstein mit dem Herzogtum Kärnten. Anfangs Mai stand der
König bereits zu Regensburg. Weder Gebhard noch Altmann
wagte es, Widerstand zu leisten. Jener floh nach Schwaben, dieser
mit Rudolf nach Sachsen; auch Arnold von Würzburg mufste sein
Bistum verlassen. So konnte der König nur an Ekbert von Form-
bach ein Exempel statuieren, dessen Besitzungen am Inn er zu
Beginn des Jahres 1078 verwüstete, während Ekbert selbst mit
den Seinen zu König Ladislaus von Ungarn, zu dem er durch
seine Güter im Püttener Gebiete freundnachbarliche Beziehungen
haben mochte, entwich ^).
Bald danach trat der Abfall des Markgrafen Leopold von
Osterreich ein, der sich bis dahin zwar nicht als tatkräftiger An-
hänger des Königs gezeigt, sich aber wenigstens ruhig verhalten
hatte. Leider läfst uns die Dürftigkeit der Quellen über seine
Beweggründe im unklaren. Jedenfalls hatte der Markgraf lange
genug gezögert, ehe er sich einer Koalition anschlofs, in der sein
natürlicher Gegner, der Herzog von Bayern, und überhaupt die
Herzogspartei die führende Rolle spielte. Aber die Zeit, wo die
Grafen und Markgrafen von den Königen Vorteil ziehen konnten,
war vorbei. Ich nehme auch an, dafs Altmann von Passau, den
ja, wie wir gesehen haben, schon Anfang der siebziger Jahre
seine reformatorische Tätigkeit in die Mark geführt hatte, durch
die Macht seiner Persönlichkeit und seiner Überzeugung bereits
in dieser Zeit einen Einflufs auf Leopold gewonnen hatte. Die
schwere Mafsregelung Ekberts von Formbach, dessen Güter im
Süden der Mark lagen, und die offene Stellungnahme des Ungarn-
königs, der im Mai 1078 eine Gesandtschaft an Rudolf von
Schwaben schickte, mögen dann den nächsten Anstofs zu Leopolds
Entscheidung gegeben haben. Zu Pfingsten begab er sich nochmals
auf den Hoftag nach Regensburg; vielleicht wollte er persönlich auf
1) Hauptquelle ist Bertold M. G. SS. V, 294 ff.
Vancsa, Geschichte Nieder- u. Oberösterreichs. 18
g^l Zelintos Kapitel.
den König einen Druck ausüben, um ihn zu Konzessionen zu
beweisen. In der Tat schied er als sein Gegner ^). Um jene Zeit
dürfte sich auch König Ladislaus von Ungarn mit Rudolfs von
Schwaben Tochter vermählt haben -).
Aber Leopold war zu isoliert und fand bei Ladislaus, wie es
scheint, keine Unterstützung So vermochte er keinen erheblichen
Widerstand zu leisten, als König Heinrich im nächsten Jahre die
Mark mit Krieg überzog und bis nach Ungarn vordrang ^). Er
mufste sich wohl oder übel unterwerfen.
Heinrich IV. hatte leider das tragische Schicksal, dafs alle
seine grofsen Entschlüsse, alle seine Siege, statt den Erfolg nach
sich zu ziehen, sich in Mifserfolge verwandelten. Am 15. Ok-
tober 1G80 lieferte er der Gegenpartei eine blutige Schlacht an
der Elster, in der Rudolf von Schwaben fiel. Heinrich glaubte
seine Feinde in Deutschland zu Boden geworfen zu haben und
nun sich gegen den Papst wenden zu können. Kaum hatte er
aber die Alpen überschritten, da wurde Hermann von Salm aus
dem Hause Luxemburg zum Gegenkönig gewählt, und seine Gegner
erhoben kühner denn zuvor ihr Haupt.
Nun war auch für Altmann die Zeit wieder gekommen. Im
letzten Jahre hatte er zu Rom in vertrautem Umgang mit Gre-
gor VII. geweilt; jetzt kehrte er als päpstlicher Legat in seine
Diözese zurück und wandte sich, da sein Bischcfsitz noch immer
von seinem Gegner besetzt gehalten wurde, nach Osterreich. Er
hatte vom Papste die Mission erhalten, die Anhänger Heinrichs
auf den rechten Weg zu bringen und alle Reuigen in Gnaden
aufzunehmen ^).
Es war ein Triumph seiner politischen Kunst, dafs sich Mark-
graf Leopold in feierlicher Weise von der Sache des Königs lossagte.
Nach TuUn berief dieser eine Versammlung seiner Ministerialen,
kündigte dem König den Gehorsam und erklärte alle Anhänger
des Papstes in Schutz nehmen zu wollen — vermutlich in Gegen-
1) Bertold a. a. 0. 311 mit der naiven Motivierung, dafs er vom Küaige
beleidigt worden sei.
2) Der Zeitpunkt ist imsicher; jedenfalls vor Kudolfs Tod.
3) Bertold 319, Ann. Angustani M. G. SS. III, 129. Vgl. Huber I, 230.
4) Jaffe, Keg. Pontif. 2517.
Die kirchliche Bewegung und ihr Einflufs auf Österreich. 375
wart Altmanns, den er auf das höchste auszeichnete ^). Getreu
dieser Erklärung entfaltete nun der Markgraf eine rege Tätigkeit,
verfolgte die Anhänger des Königs, führte wahrscheinlich auch
Altmann auf seinen bischöflichen Sitz zurück und leistete Gegen-
könig Hermann Hilfe bei der Belagerung von Augsburg.
Da führte Heinrich IV. aus der Ferne einen starken Schlag
gegen ihn : er belehnte Wratislaw von Böhmen zum Dank für die
ihm bewiesene Treue mit Osterreich. Daraufhin fiel Herzog Wra-
tislaw im Vereine mit seinen Brüdern Konrad und Otto von
Mähren, die schon vorher in Grenzfehde mit Leopold gelegen
hatten, mit einem grofsen Heere anfangs Mai 1082 in die Ost-
mark ein. Selbst Bayern fochten in seinem Heere, die der
königstreue Bischof von Regensburg gestellt hatte, und es ist
nicht unwahrscheinlich, dafs auch die mächtigen Nebenbuhler der
Babenberger in Österreich, die Grafen von Burghausen - Peilstein
auf seiner Seite gestanden haben, denn Hildegard von Burghausen
war mit Konrad von Mähren vermählt und ihr Bruder, der Bischof
Heinrich von Freising, der im Norden der Donau reichen Besitz
hatte, war ein eifriger Anhänger Kaiser Heinrichs IV. ^). Jeden-
falls war Leopold zu schwach, um standzuhalten, und wurde
am 12. Mai 1082 bei Mailberg (damals Mauerberg) gänzlich ge-
schlagen, worauf das Land nördlich der Donau den Verwüstungen
der Böhmen zum Opfer fiel ^), so dafs eine Hungersnot ausbrach,
während welcher Altmann als "„Vater der Armen" in Göttweig
waltete.
Über die Donau vermochten die Böhmen allerdings nicht vor-
zudringen und hatten somit keine weiteren Erfolge zu verzeichnen;
1) Die Versammlung mufs vor August 1081 stattgefunden haben. Vita
Altmanni c. 25; Ann. Mellic. M. G. SS. IX, 500. Über Leopolds Anteünahme
an der Belagerung Augsburgs Ann. August. M. G. SS. III, 129 ad 1081.
2) So nach einer ansprechenden Vermutung Wittes in den Mitteilungen
des Institutes für österreichische Geschichte V. Erg.-Bd. 403. — Über die mährisch-
österreichischen Grenzfehden Cosmas II, 35.
3) Vita Altmanni c. 25; Chron. Mellic. (Pez, SS. I, 226). Dazu noch
zu vergleichen Necrol. Claustroneoburg. (Archiv f. österr, Gesch. VII, 284) und
St. Floriani (ebendas. LVI, 309) ; Font. rer. Austr. 2. Abt. VUI, 33. Ein darauf
folgender Sieg der Österreicher unter Azzo von Gobatsburg ist eine blofse Er-
findung Hauthalers (Ortilo).
18*
27C Zelintos Kiipitol.
als aber im Sommer 1084 Heinrich IV., nachdem er sich in Rom
von seinem Gegenpapste hatte zum Kaiser krönen lassen, selbst
mit licercsmaoht heranzog, blieb Leopold doch nichts anderes übrig,
als sich neuerdings zu unterwerfen '). Uncrklärhch ist es nur,
warum der Kaiser ihn im Besitze der Markgrafenwürde beliefs,
während der getreue Böhmenherzog durch den Königstitel ent-
schädigt wurde.
Geniafsregelt wurden nur die gregorianischen Bisehöfe. Geb-
hard von Salzburg verlor sein Bistum an Bertold von Moosburg,
Altmann von Passau an Hermann aus dem kaisertreuen Ge-
schlechte der Eppensteiner. Der Tod des Papstes Gregor VII. am
25. Mai 1085 brachte keine Änderung im Widerstreite der Parteien,
aber es trat doch allmählich eine gewisse Ruhe ein. Gebhard von
Salzburg konnte sogar 1086 auf seinen Bischofsitz zurückkehren.
Altmann von Passau wirkte ungestört unter dem Schutze Leopolds
von Osterreich und Ottokars von Steyer.
Nicht lange aber überlebten die unentwegten Parteigänger der
gregorianischen Ideen ihren grofsen Führer. Sie starben rasch
aufeinander: zuerst Gebhard von Salzburg am 15. oder 16. Juni
1088 zu Werfen, dann Adalbero von Würzburg am 6. Oktober
1090, zurückgezogen in seiner Farailienstiftung Lambach, endlich
Altmann von Passau am 8. August 1091 auf dem Passauischen
Gute Zeiselmauer in der Mark. Sie konnten mit der beruhigenden
Überzeugung ins Grab steigen, dafs sie nicht umsonst gelebt und
dafs ihr Wirken, wenn auch der politische Kampf noch weiter
währte, den festen Grund zu einer Neugestaltung der Verhältnisse
in den Alpenländern gelegt hatte.
Für unsere Lande kommt hauptsächlich die Tätigkeit Alt-
manns von Passau, der wohl auch der Bedeutendste von ihnen
war, in Betracht. Wie er schon vor Gregors VII. Stuhlbesteigung
im Sinne der kluniazensischen Klosterreform gewirkt hat, wurde
bereits gezeigt. Seine Haupttätigkeit fällt jedoch in das letzte Jahr-
zehnt seines Lebens, da er, von seinem Bischofstuhle vertrieben,
in Österreich eine sichere Stätte gefunden hatte, und nun in einer
1) Ann. Patherbninn. , hgg. von Scheffer-Boic hörst, S. 99 ad 1084
und Ann. Tburg. M. G. SS. XVI, 438.
Die kirchliche Bewegung und ihr Einflufs auf Österreich. 277
ganz eigengearteten Stellung nicht nur als Berater, sondern auch
als Lenker des Markgrafen von Osterreich frei schalten und walten
und seine Ideen verwirklichen konnte.
Im Jahre 1083 konnte für seine Lieblingstiftung Göttweig
die Stiftungsurkunde ausgefertigt werden; die reichliche Begabung,
die sie aufwies, werden Avir noch kennen lernen. Regulierte
Augustiner - Chorherren unter dem Propst Otto bezogen das
Stift *). Daneben entstand, wie dies damals üblich war, auch ein
Nonnenstift.
Die Reform von St. Florian ^) und St. Polten ^) , obwohl
früher in Angriff genommen, erfuhr jedenfalls erst jetzt ihre weitere
Ausgestaltung. Ersteres übernahmen regulierte Kanoniker unter
dem Propst Hartmann, letzteres Augustiner-Chorherren unter Propst
Engelbert. Auch Kremsmünster *) , wo besonders skandalöse Zu-
stände geherrscht haben sollen und das die Kleriker zuletzt, um
nicht zu strengerem Leben gezwungen zu werden, angeblich sogar
anzündeten, kam nun an die Reihe. 1082 wurde das Kloster neu
aufgebaut, und Mönche aus dem Kloster Gorze bei Metz ^) unter
Abt Dietrich zogen daselbst ein.
Verdanken diese Klöster ihre Entstehung oder Regeneration
1) Von neueren Darstelhingen der Geschichte dieses Klosters ist lediglich
der Artikel in der „Topographie von Niederösterreich" (von Dun gel) zu nennen.
Die Ausgaben des Salbuches und der Urkunden siehe in meiner Einleitung. Die
Gründungsurkunde Font. rer. Austr. L, Nr. 5. — Vgl. auch noch Kämmel,
Aus dem Salbuch eines österreichischen Klosters (Zeitschr. f. allgem. Gesch.,
Kultur-, Literatur- und Kunstgeschichte III, 233, 1886).
2) Über St. Florian vgl. Kurz, Beiträge zur Geschichte des Landes ob
der Enns III. Bd. (Linz 1808) ; S t ü 1 z , Geschichte des regulierten Chorherren-
stiftes St. Florian (Linz 1835). Zur Kritik die oft zitierte Abhandlung von
Strnadt in der Archivalischen Zeitschrift VIII und IX.
3) Felgel-Lampel, Urkundenbuch des Chorherrenstiftes St. Polten
(I. und IL Band des Niederösterr. Urkundenbuches, Wien 1891 und 1901).
4) Siehe oben S. 90. Aufserdem Loserth, Die Geschichtsquellen von
Kremsmünster im 13. und 14. Jahrhundert (Wien 1872).
5) So nach der gewöhnlichen Annahme. Doch sei hier einer sehr an-
sprechenden Vermutung von Friefs gedacht, der (Studien über das Wirken der
Benediktiner II, 24, Anm. 63) meint, dafs unter „Goize" das Kloster Gosek
bei Naumburg zu verstehen ist , das damals der strengen Regel der Hirschauer
angehörte.
378 Zolintes Kapitel.
direkt Altmann von Passau, so ist eine andere bedeutende Stiftung,
das Kloster Lambach, mit der Person Adalberos von Würzburg ')
verknüpft. Sein Vater Arnold IL von Wels-Lambach verwandelte
schon um 1056 nach dem Tode seines Sohnes Gottfried sein Schlofs
Lambach in ein Kloster. Bischof Adalbero ersetzte dann die Welt-
priester durch Benediktiner, deren Herkunft leider nicht bekannt
Ist, nahm dann am 14. September 1089 gemeinsam mit dem Diö-
zesan Altmann die Einweihung vor und beschlofs hier auch seine
Tage.
Diese klostergründende Tätigkeit blieb nicht ohne Wirkung
auf die verschiedenen weltlichen Grofsen, die in kirchlichem Sinn
und frommem Eifer nicht zurückstehen wohten. Die Babenberger
hatten in ihrer ersten Residenz zu Melk entweder gegen Ende des
10. Jahrhunderts oder wahrscheinlicher nach 1015 ^) ein Kloster ge-
gründet, das aber jedenfalls ebensowenig wie die anderen Stifter
während der zwei ersten Drittel des 11. Jahrhunderts dem Ver-
falle entging. Markgraf Leopold sorgte für eine Reform im Geiste
seines Gewissensberaters Altmann und verpflanzte im Jahre 1089
Benediktiner unter dem iVbte Sigebold angeblich aus Lambach
hierher ^).
Unter Altmanns Einflufs vollzog sich auch die Klostergründung
Ottokars V. von Steyer. Dieser erwarb durch Tausch von Passau
eine alte Kirche in der Nähe der Styraburg zu Garsten und ver-
1) Über ihn Juri t seh, Adalbero Graf von Wels und Lambach, Bischof
von Würzburg und Gründer des Benediktinerstiftes Lambach in Oberösterreich
(Braunschweig 1887). Über das Kloster: Schmied er, Breve Chronicon mona-
sterii b. Mariae virg. Lambacensis (Linz 1865).
2) Die Existenz eines Klosters zu Melk vor diesem Jahre, insbesondere
dessen angebliche Gründung durch Markgraf Liutpold, wie sie das Breve chronicon
behauptet, läfst sich durch nichts beweisen. Dagegen wissen wir, dafs im Jahre
1015 der Leichnam des ermordeten Glaubensboten Kolomann von Stockerau feier-
lieh hierher überführt und die Kirche zu seinen Ehren geweiht wurde. Vielleicht
wurde erst damals das Stift begründet (Meiller in den Denkschr. d. Akademie
XI und Uhlirz, Jahrbücher d. deutschen Kelches unter Otto IL I, 237 [Ex-
kurs V]); Jan it seh, Geschichte des Benediktinerstiftes Melk (Wien 1819);
Keiblinger, Geschichte des Benediktinerstiftes Melk, 3 Bände (Wien 1847,
1868 f.); Katschthaler im VI. Bande der „Topographie von Nioderösterreich "
S. 370 f.
3) So nach Keiblinger I, 196, doch steht die Sache keineswegs fest.
Die kircliliche Bewegung und ihr Einfliifs auf Österreich. 379
wandelte sie 1080 oder 1082 in ein Kloster für Kleriker ^), und
unternahm dann selbst eine Pilgerfahrt nach Rom.
Endlich erfolgte 1084 die Gründung von Keichersberg durch
den Grafen Wernher von Plaien, das zwar nicht mehr streng
genommen in unser Gebiet fällt, aber wegen seiner Bedeutung für
die obderennsischen Lande erwähnt werden mufs.
Neben diesen Klostergründungen ging jedenfalls noch eine
zweite Art der Betätigung des kirchlichen Sinnes, über die wir aber
nicht in gleicher Weise gut unterrichtet sind, die Gründung von
Kirchen. Allerdings fand Altmann im Lande ob und unter der
Enns schon eine sehr stattliche Zahl von Kirchen und Pfarreien
vor ■^) , doch ist auch eine Reihe von Neugründungen bezeugt ^).
Für das Fortschreiten der Kolonisation ist es charakteristisch, dafs
die Neusiedelungen zunächst stets zur Mutterpfarre gehörten und
erst, wenn sie einen bedeutenden Umfang erreichten, Filialkirchen
erhielten, die allenfalls ihrerseits dann wieder Mutterpfarren wurden*).
Die Babenberger gründeten im Zeitraum bis etwa 1135 in dem
relativ noch sehr dürftig besiedelten Gebiet nördlich der Donau
nicht weniger als 13 Pfarren ^). Gerade die Gründung und Be-
stiftung von Kirchen — gewöhnhch genügte dazu ein Mansus —
1) Pritz, Geschichte der Benediktiuerklöster Garsten und Gleink (Liuz
1841); Priefs, Geschichte des Benediktinerstiftes Garsten (Studien u. Mitt.
a. d. Benediktiner- u. Cistercienserorden I bis III).
2) Nach Wiedemanns im einzelnen nicht unanfechtbarer Zusammen-
stellung (Altmarm von Passau 102 f.), die aber im allgemeinen ein gutes Büd
gibt, bestanden im Lande ob und unter der Eons 58 Pfarrkirchen und 32 Kirchen
ohne Pfarreirechte.
3) Er weihte 1070 die Pfarrkirche in Thalheim, 1074 zu Stadel kirchen und
1082 zu Wartberg in Oberösterreich und errichtete in Niederösterreich eine neue
Kirche zu Traiskirchen. Ein Verzeichnis der zwischen 1000 und 1100 in Österreich
gegründeten Pfarren gibt Mayer, Geschichte der geistigen Kultur in Nieder-
österreich 1,5. Es sind deren 60 und zwar 9 im Viertel unter Wiener Wald,
20 im Viertel ob Wiener Wald, 15 im Viertel unter Manhartsberg , 16 im
Viertel ober Manhartsberg. In bezug auf das Viertel unter Wiener Wald vgl.
auch Grund a. a. 0. 68.
4) Grund a. a. 0. 75.
5) Eggendorf am Walde, Gars, Hollabrunn, Leis, Meifsling, Mistelbach a. d,
Zaya, Alt-Pölla, Pulkau, Eufsbach , Walkenstein, Wiederfeld, Älland, Kloster-
neuburg (Mon. Boic. XX, Nr. 52).
280 Zolintrs Kapit.-l.
war jedentalls die Art und Weise, wie die zalilroichen kleinen
Adels- und ]\Iinisterialengeschlechter, die nicht über die nötigen
INIittcl zu einer Klostergründung veriiigten, ihren kirchlichen Sinn
betätigten.
Die fromme Übung, die Altmann und seine Mitstreiter als
Mittel zu ihren Zwecken eingeleitet hatten, starb mit ihrem Tode
keineswegs aus. Auch die Folgezeit erwies sich dafür sehr günstig.
Und immer mehr übernahmen die reichen weltliclien Grundherren
die Aufgaben der Kirche. Fast jede der vornehmen Familien des
Landes schuf sich eine Art Hauskloster, das zugleich Begräbnis-
Stätte war, wo man gegen gewisse Abgaben für das Seelenheil
der Verstorbenen betete und wo jüngere Söhne, allenfalls auch
unverheii'atete Töchter eintreten konnten.
Des Markgrafen Liutpolds gleichnamiger Sohn, obwohl wieder
sich der kaiserlichen Partei zuwendend, blieb trotzdem dem Zuge
der neuen Zeit getreu. Er gründete um 1107 in der Nähe seiner
neuen Burg auf dem Kahlenberg ein neues Familienstift: das nach
dieser neuen Burg benannte Kloster Neuburg ^), und berief dorthin
Kanoniker.
Zwei Jahre später gründeten Udalschalk aus dem Geschlecht
der Stille-Heft und sein Stiefbruder Reginbert von Hagenau Seiten-
stetten als Chorherrenstift ^) , 1112 Altmanns Nachfolger Bischof
Udalrich von Passau das Chorherrenstift St. Georgen an der
Traisen^), das spätere Herzogenburg. Aber auch in den ueu-
1) Fischer, Merkwürdigere Schicksale des Stiftes und der Stadt Kloster-
neuburg (Wien 1815) 2Bde. ; Kirchliche Topographie I. Band ; vgl. auch Starzer,
Geschichte der Stadt Klosterneuburg (Klosterneuburg 1900), S. 305 und dessen
Artikel in der „Topographie von Niederösterreich" V, 193. — Codex traditionum,
hgg. von Fischer (Font. rer. Austr. 2. Abt. IV) und Urkumlenbuch der Stadt
Klosterneuburg, hgg. von Zeibig (a. a. 0., 2. Abt. X. und XXVIII. Band).
2) Urkundenbuch des Benediktinerstiftes Seitenstetten , hgg. von Eaab
(Font. rer. Austr. 2. Abt. XXXII); Ältestes Urbar, hgg. von Chmel (1290 bis
1308) (Archiv f. österr. Gesch. I, 5, 3). — Gegen die vage Annahme Koch-
Sternfelds (Archiv f. österr. Gesch. 1848, 4. H.), dafs die Gründer die Grafen
von Seeburg gewesen seien, worin ihm Fe ebner (Forschungen V) folgte, Mayer,
Einige Bemerkungen über die Familie der Stifter von Seitenstetten (Archiv f.
österr. Gesch. XXI, 351).
3) Die ältesten Urkunden des Kanonikerstiftes St. Georgen, hgg. von B i el s ky
Die kirchliche Bewegung und ihr Einflufs auf Österreich. 381
gegründeten Klöstern löste vielfach die strengere Regel die mildere
ab. Benediktiner aus St. Blasien im Schwarzwalde ersetzten die Chor-
herren in Göttweig, von wo aus wieder im Jahre 1107 oder 1108
das Chorherrenstift Garsten, wenige Jahre später das zu Seiten-
stetten in Benedektinerklöster umgewandelt wurden, um 1136
Augustiner-Chorherren die Kanoniker in Klosterneuburg. So wird
man hinübergeleitet zum Wormser Konkordat des Jahres 1122,
wodurch Kaiser und Papst vorläufig Frieden schlössen, so gelangen
wir zu dem Auftreten der Zisterzienser, die eine neue Etappe in
der Kolonisation des Landes bilden.
Alle diese Stifter und Klöster waren sehr reich ausgestattet,
aber jetzt war nicht mehr frei verfügbarer Grund und Boden vor-
handen, der in Königshufen ausgetan werden konnte, jetzt wurde
kein unbestimmtes Rodeland mehr zugewiesen. Nicht mehr der
König war der Begründer, sondern der Bischof oder noch häufiger
einer der reichen Grofsgrundbesitzer. Besitz, der sich schon in
festen Händen befand, entweder dem Bistum, häufiger noch den
Grafenfamilien gehörte, mufste den neuen Gründungen zugeteilt
werden. An einigen Beispielen können wir es verfolgen.
Das Kloster St. Nikolaus erhielt von der Kaiserin Agnes den
neunten Teil ihres Besitzes zu Persenbeug und Ipsburg, dann aber
von Bischof Altmann Zehnte im liönhart und in den Pfarreien
Eberschwang, Schiltarn, Aspach, Vöklamarkt, ferner die Pfarr-
kirchen Grieskirchen und Alkofen in Oberösterreich, Zehnte za
Rust und Eizendorf in Niederösterreich, Viertel ober Wiener Wald
und eine Reihe anderer im Poigreiche, Fischereirechte zu Seebach,
im Mattsee und Inn, Weingärten zu Seebach, Aschach und in der
Wachau bis Mautern ').
Noch reicher mit Passauer Besitz wurde Göttweig bedacht.
Die Pfarren Mautern, Mühlbach, Nalb, Höflein, Küib, Pyrha, die
(Archiv f. österr. Gesch. IX, 235 mit Nachträgen im Notizenblatt I); als Fort-
setzung: TJrkundenbuch des regulierten Chorherrenstiftes Herzogenburg, hgg. von
Faigl (Wien 1886). — Vgl. den Artikel in der „Topographie von Niederöster-
reich" IV, 209.
1) Siehe oben; die Kopien des Stiftsbriefes scheinen allerdings mehr oder
weniger verunechtet. Fälschung ist der Stiftsbrief für St. Florian , weshalb ich
ihn hier nicht weiter benutze.
283 Zehutes Kapitel.
Kirchen llainburg, Brück an der Leitha, fast durchweg mit Zehnten,
dann Gründe und Zehnte zu Loimersdorf und Wetzelsdort" im
Mai'chleld, die nebenbei gesagt aus dem Besitz der Burghausen-
Schala (Sieghards von Aquileja) in den Passaus übergegangen waren,
fielen ihm zu. Auch Privatbesitz Altmanns, den er möglicherweise
als Hol'kaplan erworben hatte, kam so an das Stift ^). Nimmt man
dazu die massenhaften Belehnungen der Babenberger mit Passauer
Besitz und Einkünften und die sonstigen Begünstigungen, so kann
es nicht wundernehmen, wenn Altmann ob solcher Verschwendung
des bischöflichen Eigens der Ruf übers Grab nachfolgte, er habe
sein Bistum zugrunde gerichtet -).
Bezeichnend ist es auch, dafs die Passauer Ministerialen ihre
Rechte durchaus nicht immer gutwillig aufgeben wollen. In einem
Falle, wo es sich um Güter zu Heuberg handelt, die an Göttweig
gegeben werden sollten, liefsen sie es bis auf ein Gottesurteil an-
kommen. Aber auch die Feuerprobe entschied zugunsten des
glücklichen Klosters ^).
Passauer Besitz war eigentlich auch jener, der zur Ausstattung
von Garsten verwendet wurde, denn Altmann trat, um dem Mark-
grafen Ottokar die Klostergründung zu erleichtern, diesem im Tausch-
wege die sehr umfangreiche Pfarre Garsten mit allen Rechten ab ^).
Abermals w^urde Passauer Besitz entfremdet, als Bischof Udal-
rich seiner Gründung St. Georgen an der Traisen die Kirche zu
St. Georgen, die Pfarren Herzogenburg und Traisenburg, Güter
zu Sebarn, Perschling, Pötzleinsdorf, Kamp, Engelmannsbrunn,
Gumperding, KufFarn, Egelsee, Inzersdorf an der Traisen, Hunds-
heim, Mautern, Stein, Weinzierl und Plechingen, das Dorf Streit-
hofen und Zehnte zu Pernegg, Rabs, Theras und Metzleinswerde
schenkte ^).
Über die Dotation von Klosterneuburg sind wir leider nicht
unterrichtet, doch nennt die Bestätigungsurkunde von 1136 ^) an
1) Vgl. Mayer, Investiturstreit S. 76.
2) Hist. episc. Patav. SS. XXV, 621, 624.
3) Font. rer. Äustr. 2. Abt. VlII, 27.
4) ÜB. d. L. 0. d. Enns U, 116.
5) Mayer , Spicilegium (Arch. f.öster. Gesch. VI, 273) u. Notizenbl. 144, 1851.
6) Pez, Thesaurus anecdot. VI, 316.
Die kirchliche Bewegung und ihr EinfluTs auf Österreich. 388
Babenbergschen Gütern solche zu Rückersdorf, Bierbaum und Lupan
(Laab??) und Weingärten zu Baden. — Auch Melk erhielt eine
neue Babenberger Schenkung in den fünf Pfarren Mödling, Trais-
kirchen, Ravelsbach, Wullersdorf und Weikendorf ^).
Besonders bemerkenswert sind jedoch die Gründungen der
kleineren Grafengeschlechter und ihre Ausstattungen, wie z. B. die
Seitenstettens. Die Stille-Heft und die Seeburger, die neben jenen \
als Hauptdonatoren erschienen, verloren innerhalb der nächsten
Jahrzehnte allmählich ihren ganzen Besitz in Niederösterreich an
das Kloster.
Überhaupt sehen wir nunmehr in bedeutendem Mafsstabe Teile
des grofsen weltlichen Grundbesitzes, nicht selten den ganzen kleinen
Grundbesitz der Nobiles und Ministerialen an die Klöster kommen ^).
Jüngere Sprossen der Adelsfamilien, namentlich Töchter oder auch
Witwen traten in die Klöster ein, zum mindesten als Laien-
brüder und Laienschwestern, welch letztere damals auch einem
Männerkloster angehören konnten ^), und brachten ihre Güter dem
Kloster zu.
Weit gröfser und allgemeiner war jedoch der Zuwachs an
Klostergut durch die zahlreichen frommen Stiftungen, zum Teil,
um Ablafs von Sünden zu gewinnen, in der Regel, um eine Be-
gräbnisstätte im Frieden des Klosters zu finden oder überhaupt
das ewige Seelenheil zu erlangen. Die übliche Form dieser Über-
tragung war die, dafs sich die Stifter den Fruchtgenufs der ge-
stifteten Güter Zeit ihres Lebens vorbehielten, während diese Güter
nach ihrem Tode vollständig in den Besitz des Klosters übergingen.
Sehr häufig ist die Veranlassung dieser Seelgerätstiftungen eine jener
Kriegsfahrten, wie sie ja in jenen bewegten Zeiten an der Tages-
ordnung waren. In Schwung gebracht wurden sie durch die Kreuz-
züge, jene einzig dastehende grofsartige Bewegung, die aus den
1) M. B. Xlir, 12.
2) Äufser den mehrfach erwähnten rechts- und wirtschaftsgeschichtlichen
Werken vgl. für das Folgende besonders Kämmel, Aus dem Salbuch eines öster-
reichischen Klosters (siehe oben), der vom Einzelfalle zu wertvollen allgemeinen
Betrachtungen gelangt.
3) Als charakteristisches Beispiel sei erwähnt, dafs im Jahre 1142 zu
Göttweig eine Schwester Leopolds III. und verwitwete böhmische Herzogin, Ge-
mahlin Boriwoys, Gerberga, als Nonne starb.
284- Zehntos Kapitel.
Ideen der gregorianischen Zeit geboren , den Kämpfen zwischen
Papst und Kaiser parallel ging. Sie sind für Österreich von ein-
schneidender Bedeutung geworden, denn die Donaustrafse war ur-
sprünglich der Heerweg. So wurde diese Gegend mit der Glaubens-
bejreisteruns: der Durchziehenden befruchtet, so wurde den Be-
wohnern ein weiter Gesichtskreis erschlossen, so kam sie mit dem
bunten Völkerschwarme in Berührung, zog ihren Vorteil aus Be-
herbergung und Markt verkehr, hier wurde der Strom der Kultur-
eindrücke und der Produkte des fernen Orients, der sich über das
Abendland ergofs, zum gröfsten Teile vorübergeleitet.
Schon vor den Kreuzzügen wanderten fromme Pilger längs
der Donau ins Gelobte Land, zuerst einzelne, wie etwa jener Kolo-
mann, von dessen traurigem Ende in der Ostmark wir schon ver-
nommen haben, oder um 1056 der Abt Theoderich von Jumieyes,
der in Melk zu Gast war *), später, als die Propaganda der Klu-
niazenser wirksam zu werden begann, immer gröfsere Pilgerscharen.
Schon im Jahre 1064 wallfahrteten angeblich nicht weniger als
7000 Pilger, an ihrer Spitze die Bischöfe von Mainz, Bamberg, Regens-
burg und Utrecht, ferner auch Altmann, der damals noch Ilofkaplan
war, die Donau entlang gen Palästina, da das Osterfest auf den
27. März fiel und demnach allgemein der Untergang der Welt
befürchtet wurde ^). Kleinere Züge folgten in den nächsten Jahren.
Mit dem Beginn der eigentlichen Kreuzzüge im Jahre 1096
machte man allerdings zunächst wenig günstige Erfahrungen. Be-
kanntlich bildeten Raubgesindel und Strauchritter, Herabgekommene
und Abenteurer die Vorhut, die unter Peter von Amiens die Donau-
strafse zog und den Weg durch Plünderungen bezeichnete. Aber
die Siegesnachrichten, die dann vom Hauptheere einliefen, nament-
lich die Kunde von der Einnahme Jerusalems verwischte diesen
üblen Eindruck rasch, der alsbald einer allgemeinen Begeisterung
wich, die kaum irgendwo in Deutschland so mächtig emporschlug,
wie hier, denn gerade in Österreich hatten eben das Wirken
eines Altmann, eines Gebhard und Adalbero, und die zahlreichen
kirchlichen Gründungen den Boden in gehöriger Weise vorbereitet.
1) Vgl. Eö bricht, Pilgerfahrten nach dem heiligen Lande vor den Kreuz-
zügen (Raumers hist. Taschenb., 5. F. V, 345).
2) Ännal. Altah. und Vita Altmanni c. 3.
Die kirchliche Bewegung und ihr Eiuflufs auf Österreich. 385
Als dann gar um das Jalu' 1 1 00 in Bayern und den angrenzenden
Ländern eine verheerende Seuche wütete^), kam im Jahre 1101
ein spezifisch bayerisch - österreichischer Kreuzzug unter Führung
des Herzogs Weif von Bayern zustande, der selbst politische Gegner
vereinigte und dessen Hauptteilnehraer die alte Markgräfin Ita von
Österreich, die Mutter Leopolds III., Erzbischof Thierao von Salz-
burg, Bischof Udalrich von Passau, Graf Friedrich I. von Pogen
u. a. m. waren. Leider nahm diese Expedition einen recht traurig«-n
Verlauf. Nur Bischof Udalrich kehrte in die Heimat zurück,
während alle anderen hervorragenden Teilnehmer den Tod fanden
oder verschollen blieben ^). Wohl hatte nun Markgraf Leopold
die Absicht, selbst ins Gelobte Land zu ziehen, und liefs sich zu
Melk von Bischof Udalrich das Kreuz anheften ^) , der Zug kam
aber, wahrscheinlich infolge der politischen Ereignisse, nicht mehr
zur Ausführung.
Die das Kreuz nahmen, widmeten nun vielfach ihren Besitz
für den Todfall der Kirche; sehr oft schlössen sie jedoch auch mit
den Klöstern ein förmliches Geschäft ab. Diese, die in einer Zeit
überwiegender Naturalwirtschaft fast die einzigen waren, die über
bewegliches Vermögen verfügten, streckten den Kreuzfahrern gegen
Einantwortung von Gütern Geld zur kriegerischen Ausstattung
vor und zwar, da die Kirche das Zinsennehmen verbot, als zins-
freies Darlehen. Wie wenige aber von allen den tausenden , die
da auszogen , kehrten wieder zurück ! Es stellte sich sogar wohl
als Folge davon ein Sinken der Bodenpreise ein.
So wuchs der Klosterbesitz durch hunderte von «kleinen Stif-
tungen an, deren Objekte weit und breit im Lande verstreut lagen —
nicht nur einzelne Hufen, sondern Hufenteile in entfernten Gauen.
Da drängt sich unwillkürlich die Frage auf, wie war denn nur
bei einem so gearteten Streubesitz eine rationelle und wirklich
ertragsfähige Verwaltung und Bewirtschaftung möglich?
Zunächst kommt eine wichtige Institution in Betracht, die,
obwohl schon seit langem bestehend, erst jetzt in der Zeit der
1) Ekkeh. Chron. M. G. öS. VI, 218; Anual. Würzeb. a. a. 0. SS. II,
246; Ann. Eeichersberg. a. a. 0. XVII, 450.
2) Vgl. Hie zier in Forschungen zur deutschen Geschichte XVIII, 552.
3) Cont. Claustroneob. M. G. SS. IX, 609.
•>*»6 Zehntes Kapitel.
überwiegenden Kirehlichkeit und der grolsen Klostergründungen
ihre rechte Bedeutung gewann. Nach deutsch-rechtlichem Grund-
satz durften die kirchlichen Korporationen Rechtsstreitigkeiten und
Rechtso-eschäfte nicht selbst austragen, sondern mufsten sich durch
einen weltlichen Vogt (Advocatus) vertreten lassen ^). Die Immuni-
tätsherren bedurften aufserdem den Vogt als Richter über ihre von
der Grafengewalt eximierten Untertanen. Das nächstliegende war,
als Vogt ein Glied aus der Familie der Stifter zu wählen, wie dies bei
Lambach, dessen Vogtei nach dem Aussterben der Traungauer an die
Ottokare überging, und Garsten der Fall war, wenn nicht die Kloster-
iT-ründer sich die Vogtei ausdrückhch ausbeduugen hatten. Auch über
Melk und Klosterneuburg gewannen die Babenberger die Vogtei.
Die Stifter behielten sich die Vogtei oder doch die Wahl des Vogtes
meistens selbst vor. Anders stand die Sache bei den Klöstern, die
von geistlichen Stiftern begründet wurden, wie z. B. bei den Grün-
dungen Altmanns von Passau. Über St. Polten und St. Florian
wurden die Herren von Perg ^) , über Göttweig die Grafen von
Rateinburg gesetzt ; für das Passauer Kloster St. Nikolaus, dessen
Besitz von Bayern bis zur Leitha zerstreut lag, mufsten zwei Vögte
bestellt werden: für die bayerischen Besitzungen die Grafen von
Formbach, für die österreichischen die Babenberger. Überhaupt
kam es später immer mehr vor, dafs über die verschiedenen Besitz-
ungen der Hochstifter und Klöster verschiedene Vögte walteten. Von
Bedeutung wurde es, dafs die Babenberger mehr und mehr Vogteien
an sich zogen. Darin begegneten sie sich mit dem Streben der
Klöster nach Entvogtung, das im 12. Jahrhundert immer mehr hervor-
trat, so dafs diese später entweder unmittelbar unter das Reich oder
doch unter die Landesfürsten gestellt wurden. So gelangten Teile
der Vogtei von Göttweig an sie, so 1150 die Vogtei über St. Polten.
Dieser grofse Prozefs hatte seine weittragenden Folgen. Nur
1) Vgl. im allgemeinen Kraut, Die Vormundschaft nach den Grundsätzen
des deutschen Kechtes I; im besonderen Brunn er, Das Exemtionsrecht der
Babenberger (Sitzungsber. d. W. Akad. XLVII, 338). Siehe auch Eiezler I.
2) So nach Meiller, Eegesten 224, Anm. 200 und dem ÜB. v. St. Polten
I, 9; Juritsch, Geschichte der Babenberger S. 192 erklärt: „Offenbar war
Adalbert aus dem Gesehlechte der Grafen von Bogen", führt aber nicht den
geringsten' Beweisgrund dafür an.
Die kirchliche Bewegung und ihr Einflufs auf Österreich. 387
SO gewannen die grofsen Grundbesitzerfamilien, in erster Linie die
Markgrafen eine Kompensation für die einstigen grofsen Land-
schenkungen der Könige, die nun für immer dahin waren. Auf
diese Weise erlangte man auch den Fruchtgenufs für jene Güter
zurück, die man als fromme Stiftungen vergabte. Denn der Vogt
erhielt nicht nur gewissermafsen als Entlohnung für seine Mühe-
waltung ein Drittel der Gerichtsgefälle, die Verpflegung zur Zeit
der Gerichtssitzungen, eine Vogtsteuer der Untertanen, sondern es
wurde ihm auch zumeist eine Reihe von Lehen übertragen. So
ging der ausgedehnte Passauer Besitz in Österreich als Lehen an
die Markgrafen über. Aufserdem erlangten sie eine grofse Reihe
Passauische Zehnten ^). Es darf daher nicht wundernehmen, wenn
schon Leopold IL, der doch keinerlei Gunst vom Kaiser erfuhr
und wiederholt durch Kriegsnot heimgesucht wurde, von Zeit-
genossen als „sehr reich" bezeichnet wird '^). Und damals begann
erst das Aufblühen seines Hauses, wie es sich uns im 12. Jahr-
hundert darstellt.
Die Vögte liefsen sich meistens durch Untervögte vertreten ^).
Als Verwaltungsbeamte fungierten jedoch die Meier, die auf den
Fronhöfen safsen, die für die Güter eines gewissen Bezirkes den
Mittelpunkt bildeten, und woraus im späteren Verlauf des Mittel-
alters die „Amter" (officia) entstanden. Von Bedeutung für die
soziale Gestaltung in Osterreich wurde es auch, dafs die Lage der
Untertanen dieser geistlichen Grundherrschaften eine sehr günstige
war. Kam es doch vor, dafs eine Freigelassene des Klosters
Göttweig, der die Wahl ihrer künftigen Stellung anheimgestellt
wurde, auf die Freiheit verzichtete und mit Zustimmung ihrer An-
gehörigen lieber die Zinspflichtigkeit wählte *). So strebten nicht
selten Hörige weltlicher Grundherren die Übertragung an die Kirche
an, um ihre Stellung zu verbessern. Sie heifsen nach der Art
1) Leopokl III. verzichtet im Jahre 1135 auf den Zehuten von 13 Pfarren,
den sein Yater erhalten (Meiller 20, 52). Manche andere mögen ihm ver-
bliehen sein.
2) Bernold, Chron. M. G. SS. V, 463.
3) Vgl. z. B. Meiller, Eegesten 14, 17 (1115), wo neben dem Markgrafen
Leopold ein Untervogt Eudolf für Melk erscheint.
4) Salbuch von Göttweig (Font. rer. Äustr. 2. Abt. VIII, 189).
288 Zoluitos Kapitel.
ihrer Abgaben Wachszinsige (Wachs für die Kerzen beim Gottes-
dienst).
Für die soziale Gliederung wurden auch die eigentümlichen
Verhältnisse während des Investiturstreites folgenreich. Bei der
Isolierung vom Reich sahen sich die grofsen Grafengeschlechter, also
in erster Linie die Babenberger, dann aber auch insbesondere die
Kirche und die geistlichen Stiftungen zur Stärkung ihrer militärischen
Macht, die in den bewegten Zeiten uncrläfslich war, dazu gezwungen,
recht viele Vasallen anzunehmen und aus der Masse der Hörigen die
Kriegstüchtigen, statt sie für die Bewirtschaftung zu verwenden, als
bewaffnete Dienstmannen an sich zu ziehen, sie zu sogenannten
]\Iinisterialen zu machen. Auch für sie sind ursprünglich die Bezeich-
nungen keineswegs feststehend, sondern mannigfaltig, nicht selten so-
gar irreführend. Es finden sich Ausdrücke wie servientes, familiäres,
officiales, curiales, domestici, clientes. Ein Blick auf die Urkunden
zeigt ims nach Mitte des Jahrhunderts das plötzliche Anwachsen
der früher vereinzelten Erscheinung in den Zeugenreihen. All-
mählich gewinnen d^e Ministerialen grofse Macht und P^influfs,
denn sie sind der persönliche Schutz ihres Herren und ihre Be-
rater ; ihnen fallen einträgliche Lehen und sonstige Begünstigungen,
auch die Hofämter und die Meierschaften zu.
Sahen wir vordem ein stetes Sinken vom Stande der Freiheit
in die Abhängigkeit, in die Zinspflichtigkeit und in die rechtlose
Hörigkeit, so beginnt nun seit der zweiten Hälfte des 1 1 . Jahrhunderts
neben dieser abwärtsgehenden Bewegung, die noch nachwirkt, all-
mählich eine aufsteigende Bewegung: von der völligen Unfreiheit zur
blofsen Zinspflichtigkeit und zur waffenfähigen und einfiufsreichen
Ministerialität, deren Glieder sich später kaum noch von denen des
kleinen herabgekommenen Lehnsadels unterschieden. Auf wirtschaft-
lichem Gebiete äufserte sich dieser Prozefs darin, dafs sich der Betrieb
immer mehr auf die unteren Gewalten stützte, dezentralisierte, während
der Eigenbetrieb des ganzen Besitzes durch den Grundherrn selbst,
der sich nur auf die Einziehung einer Rente beschränkte, immer
mehr abnahm.
Der ganze Zeitraum war derart von den Klosterstiftungen,
Klosterreformationen und Kirchengründungen beherrscht, dafs daneben
der Besitzerwerb der grofsen Bistümer gering erscheint. Ein oder der
Die kirchliche Bewegung und ihr Einflufs auf Österreich. 389
andere ging einfach auf Erbfall infolge zufälliger Familienverbindung
einzelner Bischöfe zurück. So hatte das reiche Freising noch das
besondere Glück in Bischof Heinrich einen Sprossen des in Oster-
reich vielfach begüterten Geschlechtes der Barghausen - Schala zu
gewinnen, und dieser brachte um 1115 dem Bistum Ebersdorf bei
Persenbeug und den Wald „im Grie", 20 Hufen zu Mampasberg,
Hart, Tremegg, Schwarza, Pröbring und Grestig zu ^). — Dagegen
wurde nunmehr eine Schwächung des Besitzes der Bistümer da-
durch angebahnt, dafs immer mehr Güter als Lehen besonders an
die Vögte weitergegeben wurden. Sache der klugen Politik der
grofsen Adelsfamilien , vor allen anderen der Babenberger war es,
recht viele solcher Lehen in ihrer Hand zu vereinigen und dauernd
zu erhalten.
Neben den Stiftungs- und Belehnungsurkunden finden sich von
nun an auch Tauschverträge in grofser Zahl. Bei dem weitläufigen
Streubesitz der geistlichen, wie auch der weltlichen Grundherren
machte sich häufig das Bedürfnis nach Abrundung und Anschlufs
der durch anderen Besitz unterbrochenen Güter geltend. Auch
kleinere Grundtausche waren an der Tagesordnung. Hier handelte
es sich meist darum, die Gemengelage der alten Fluren durch eine
günstigere Gestaltung zu ersetzen. — Besonders glücklich waren
auch nach dieser Richtung hin die Babenberger, denen es seit der
zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts gelang, ihren ursprünghch, wie
wir gesehen haben, durchaus nicht imponierenden und gleichfalls
ziemlich zerstreuten Familienbesitz zu einheitlichen und grofsen Kom-
plexen zusammenzuschliefsen und dadurch endgültig das Übergewicht
über alle anderen Grofsgrundbesitzer Österreichs zu gewinnen.
Und nun nach dem Zeitalter der Kolonisierung und der Kämpfe
mit feindseligen Nachbarn und einer widerspenstigen Natur begann
im Zeichen der Bewegung der Geister, die alle Schichten der Be-
völkerung durchdrang, und bei den so gänzlich veränderten poli-
tischen und wirtschaftlichen Zuständen auch für das geistige Leben
eine Periode des Erwachens ^). Die Mönche, namentlich die Bene-
1) Font. rer. Austr. 2. XXXI, 93, 94.
2) Mayer, Geschichte der geistigen Kultur in Niederösterreich I (Wien
1878). — Friefs, Studien über das Wirken der Benediktiner in Österreich für
Xultur, Wissenschaft und Kunst 11. Teil (Programm des Gymnasiums zu Seiten-
Vancsa, Gescbicbte Nieder- u. Oberösterreichs. U
290 Zelintes Kapitel.
diktiner, waren auch hier wie anderwärts die Träger und Ver-
breiter der Kultur, die neugegründeten oder reformierten Klöster
die Mittelpunkte ihrer segenbringenden Tätigkeit.
Eines fügt sich da im natürlichen Entwickelungsgang ins
andere. Bisher waren Kirchen und Klostergebäude nur dem rein
praktischen Bedürfnisse gewidmet. Dem Kolonisten genügte ein
roher Holzbau zur Ausübung seiner einfältigen Andacht; jetzt
führte die tiefere Auffassung des Glaubens zur gröfseren Sorgfalt
für die kirchlichen Bauten. Göttweig Avurde auch hier das Vorbild
für alle übrigen. Das Kloster mit seinen acht Kirchen und Kapellen
auf hohem Fels über der Donau weit in die Lande schauend er-
regte die Bewunderung aller Zeitgenossen *). Unter Abt Hartmann
wurden die Bauten mit Älalereien und Skulpturen ausgeschmückt ^)f
und es ist kaum ein Zweifel, dafs die Mönche ihre eigenen Archi-
tekten, Bildhauer und Maler gewesen sind, denn Kunst und Ge-
lehrsamkeit konzentrierten sich damals noch in den Klöstern und^
wie so oft in der Folgezeit, flutete die Kunst von Westen, woher
diese Mönche fast durchweg berufen wurden, in unser Land. Nach
dem Muster der Klosterbauten und Klosterkirchen entstanden dann
bereits unter Altmann rings in der Umgegend schöner gestaltete
und geschmückte Steinkirchen ^) , daneben meist kleinere Rund-
kapellen: Tauf- und Totenkapellen (die sogenannten Karner, lat.
„carnarium", Beinhäuser, vielleicht ursprünglich „ granarium ")^
umsreben von den Friedhöfen. Primitiver waren die zahlreichen
Betkirchen und Betkapellen, die nicht Sitz einer Pfarre waren.
Auch ihre geistige Nahrung, ihre Bücherschätze, schufen sich die
Mönche selbst und schmückten sie in ausdauerndem Fleifs mit
Miniaturen. Es waren keineswegs blofse Erbauungsbücher. Werden
die verlotterten Kleriker der Passauer Diözese als roh und un-
gebildet geschildert, so verfügten die neu einwandernden Chorherren
und Benediktiner über eine nicht unbedeutende Bildung und geistige
Regsamkeit. Manche kostbare Handschrift mögen sie auch aus
stetten 1869). — Czerny, Kunst und Kunstgewerbe im Stifte St. Florian
(Linz 1886).
1) Vita Altmanni c. 27.
2) A. a. 0.
3) A. a. 0. c. 17.
Die kirchliche Bewegung und ihr Einflufs auf Österreich. 391
ihrem Mutterkloster mitgebracht haben, andere wurden entliehen
und abgeschrieben, und so entstand in jedem Kloster eine BibHothek ^).
Noch verwahrt Göttweig einen Physiologus, eine Naturkunde, in
deutscher Sprache mit Miniaturen und einen Pentateuch, Melk einen
Boetius, die dem 11. Jahrhundert angehören. In St. Florian stammen
zwei Miniaturencodices aus dem 11. Jahrhundert^). In Kloster-
neuburg entstand das Psalterium des heiligen Leopold, und der
Stifter kaufte von dem Kloster St. Nikolaus gegen jährliche zoll-
freie Einfuhr einer Schiffsladung ein Missale und eine Bibel in
drei Bänden ^).
Bald wurden die Klöster auch der Sammelplatz anderer Kost-
barkeiten an Kirchengewändern, Geräten und Einrichtungsgegen-
ständen, wie sie eben von frommen Wohltätern gestiftet wurden.
Überwog auch dabei der Wert des Materials, so übte sich doch
auch schon die Kunst an diesen Votivgaben, und wenn sie auch
zunächst nicht im Lande selbst entstanden sein mögen, so wirkten
sie doch vorbildlich auf heimisches Kunstschaffen. Mit der straffen
geistlichen Organisation verband sich auch musterhafte Ordnung
auf anderen Gebieten. So entstanden wieder jene Aufzeichnungen,
wie sie bereits die Karolingerzeit kannte, die später aber ganz
abhanden gekommen waren. Um die vielen Mefs- und Seelenheil-
stiftungen in Evidenz zu halten, wurden eigene Kaiendarien und
Nekrologien geführt^), nicht minder sorgfältig gebucht wurden
die Schenkungen und sonstigen geschäftlichen Abmachungen. So
wurden die Sal- , Kopial- oder Traditionsbücher angelegt ^). Aus
1) Den ältesten Bibliothekskatalog besitzt Heiligenkreuz und zwar aus dem
12. Jahrhundert (herausgegeben von Gsell in Xenia Bernardina IH, 111).
2) Czerny, Die Bibliothek des Chorherrenstiftes St. Florian (Linz 1874).
3) Mon. Boic. IV, 310.
4) Ein Bruchstück von Kremsmünster gehört wohl noch dem 11. Jahrhundert
an, ein Nekrologium von Melk dem Anfang des 12. Jahrhunderts (Pez, SS. I,
314), ebenso eines von St. Florian (auszugsweise bei Stülz, Geschichte von
St. Florian). Siehe Hirsch, Über Diptychen, Nekrologien, Martyrologien und
Verbindungsbücher im Mittelalter mit besonderer Rücksicht auf die Kronländer
Österreichs (Programm des k. k. Gymnasiums in Graz 1865). Mehr allgemein:
Zappert, Über sogenannte Verbrüderungsbücher und Nekrologien im Mittelalter
(Sitzungsber. der W. Akad. X, 417, 1853).
5) Vgl. Redlich, Über bayerische Trationsbücher und Traditionen (Mit-
teüungen des Inst. f. österr. Geschichtsf. V, 1, 1884) und Über Traditionsbücher
19*
292 Z.elintes Kapitel.
iilmlk'hcn praktischen Gründen wurden allmählich auch die wich-
tigsten Ereignisse des Jahres aufgezeichnet.
Für die Gesamtheit segensreich wurde diese geistige Kultui*,
die in den Klöstern eraporblühte, durch die vielseitigen Beziehungen,
in die sie zu der Bevölkerung trat; denn selten durchdrangen sich
kirchliches und weltliches Leben so innig wie in dieser Zeit. Wie
sehr die grofsen kirchlichen Ideen auch die Laien weit beherrschten,
haben wir aus deren leidenschaftlicher Anteilnahme an den Kämpfen
zwischen Kaiser und Papst, aus den massenhaften frommen Stiftungen
und aus der Kreuzzugsbegeisterung gesehen. Und für die Geringen
und Tiefstehenden war die Kirche erst recht die einzige Stätte der Er-
hebung; hier emplingen sie auch die einzigen geistigen und künstle-
rischen Eindrücke. Die kirchlichen Feste mit ihren Schaustellungen
und ihrem Gepränge bildeten Anziehungspunkte, bei ihnen ent-
faltete sich ein bewegtes gesellschaftliches Leben. In der Zeit der
Pilgerfahrten und Kreuzzüge erlangten die österreichischen an der
Heerstrafse liegenden Klöster auch eine hervorragende Bedeutung
als Herbergen und Hqspizien. Der Beherbergung und Bewirtung
der Fremden, sowie der Pflege der Kranken widmeten sich ja da-
mals fast ausschliefslich die Mönche.
Andrerseits standen auch die Klöster vielfach mitten im Getriebe
der Welt, nahmen teil au ihren Kämpfen, wobei sie wieder auf
ihre weltlichen Vasallen und Ministerialen angewiesen waren, traten
als Grofsgrundbesitzer, als Geldverleiher, als Handelsleute mit den
übrigen in Konkurrenz. So stand man sich auch im Fühlen und
Denken näher. Die Mönche waren die Träger der nationalen
Kultur, wenn auch damals noch die Sprache der Gebildeten, selbst
die Sprache der Predigten das Lateinische war.
Neben den mannigfaltigen Aufzeichnungen zu praktischen
Zwecken, neben den Werken der theologischen Wissenschaft,
namentlich der Asketik, und neben dem Kopieren wertvoller Hand-
(Deutsclie Geschichtsblätter I, 89, 1900). In Göttweig und in Klosterneuburg
■R-iurden solche Salbücher bald nach der Gründung angelegt. Das erstere hat
Karl in, Fontes rer. Austr. 2. Ylll, das zweite in leider sehr mangelhafter Weise
Fischer, ebendas. IV, herausgegeben. Eine Neuausgabe von Starzer steht
bevor. Auch das Göttweiger Traditionsbuch wird von Fuchs neu herausgegeben
werden.
Die kirchliche Bewegung und ihr Einflufs auf Österreich. 393
Schriften, wie dies alles von den Fratres liberati betrieben wiu-de,
entstanden in den Klöstern auch volkstümliche Dichtungen in deutscher
Sprache, die wohl für die Laien berechnet waren und ohne Zweifel
auch tatsächlich ihre Wirkung ausübten ^).
Vielleicht schon zu Beginn des 12. Jahrhunderts entstand das
Melker Marienlied ^), und der Umstand, dafs es von Ezzos von Bam-
berg Gesang von den Wunden Christi beeinflufst ist, zeigt den
nahen Zusammenhang mit der süddeutschen Entwickelung, während
Innerösterreich davon ausgeschaltet war. Um dieselbe Zeit dichtete
die luclusa Ava zu Melk, gestorben 1127, ein Leben Jesu, einen
Antichrist und ein jüngstes Gericht ^), und auch Abt Hartmann von
Göttweig, dem kunsthebenden , wird ein Gedicht „Vom Glauben"
zugeschrieben ^). Aus Klosterneuburg stammt ein Gebet in deutscher
gebundener Sprache. In diesen Klosterdichtungen finden wir nicht
1) Viele der erhaltenen Literaturdenkmäler und Überreste lassen sich frei-
lich nicht lokalisieren und auch zeitlich nur schwer genauer fixieren. Man hat
früher — namentlich Diemer in den „Österreichischen Blättern für Literatur
und Kunst" 1854 und in der Einleitung zu „Deutsche Gedichte des 11. und
12, Jahrhunderts" — jedenfalls viel zu sehr kombiniert, um schöne Hypothesen
aufstellen zu können. In das entgegengesetzte Extrem scheint mir Kelle, Ge-
schichte der deutschen Literatur, 2 Bde. (Berlin 1892, 1896) zu verfallen, dem
dann Nagl-Zeidler, Deutsch - österreichische Literaturgeschichte S. 134 ff,
blindlings gefolgt ist. — Vgl. auch Sc her er, Geschichte der deutschen Dichtung
im 11. und 12. Jahrhundert (Quellen und Forschungen zur Sprache und Kultur-
geschichte der Germanen XII; vgl. auch VIL Bd.); Eichard Müller, Eutwicke-
ungsgeschichte des österreichischen Stammescharakters (Bl. d. Ver. f. Landesk.
XXI, 389, 1887); Ebner, Oberösterreichs Anteil an der Literatur des 12. Jahr-
hunderts (41. Ber. über das Mus. Franc. Carol. 1883).
2) Hgg. in MüUenhoff-Scherers Denkmälern Nr. 39. Es wird jetzt
auch tiefer ins 12. Jahrhundert herabgerückt. Die deutschen Verse sind noch
vielfach mit Latein vermischt.
3) Nach Kelle a. a. 0. wäre die Dichterin nicht die Melker Inclusa. Ihm
folgen natürlich Nagl-Zeidler S. 152, doch scheint mir der blofse Umstand,
dafs die Vorauer Genesis, die nach 1117 entstanden sein mufs, benutzt ist, noch
kein Beweis. Die Melker Ava starb ja erst 1127. Das Melker Marienlied und
der später hervorragende Satiriker Heinrich von Melk lassen auch auf eine gewisse
anhaltende Tradition schliefsen.
4) Dafs Hartmann und Heinrich von Melk Söhne der Frau Ava gewesen
seien, ist eine der vielen schönen Hypothesen Diemers, die er aus einer Stelle
des „jüngsten Gerichtes" ableitet, die sich jedoch durch nichts beweisen läfst,
und in bezug auf Heinrich unzweifelhaft falsch ist.
294 Zflintes Kapitol. Die kirdiliche Bewegung und ihr Einflufs auf Österreich.
nur den Dreireim, der in Österreich beliebt blieb, sondern auch
den spezirisch österreichischen Dialekt.
Die Mönche dienten den Fürsten- und Adeisfamilien nicht
nur viellach als Berater in geisthchen vind weltlichen Dingen,
sondern die Schreibkünstler unter ihnen auch als Verfasser und
Vert'ertiger der Urkunden ^).
Am unmittelbarsten wurde jedoch der Einflufs der Kloster-
schulen, der scholae externae für Laien, wie sie schon in dieser
frühen Zeit neben den scholae internae, wo die Konventualen
oder die Oblati, die für das Noviziat erzogen werden sollten,
unterrichtet wurden, zu St. Florian, etwas später auch zu Krems-
münster, Göttweig, Klosterneuburg und Melk bezeugt sind ^). In
der Tat hob sich auch das Bildungsniveau des Adels, dessen Ge-
sichtskreis übrigens durch die Kreuzzüge bedeutend erweitert wurde,
sehr rasch.
So sehen wir auf allen Gebieten der materiellen und geistigen
Kultur in den letzten Dezennien des 11. Jahrhunderts verheifsungs-
voUe Keime sich regen^ die sich im folgenden Jahrhundert zu den
schönsten Blüten und Früchten entwickelten, .
1) Leider hat die heimische Diplomatik dieses Thema noch gar nicht unter-
sucht. Viele Anzeichen und anderweitige Analogien scheinen mir dafür zu sprechen.
2) Über das Schulwesen siehe aufser Friefs a. a. 0. II, 50 und Mayer,
Geschichte der geistigen Kultur S. 81 f. besonders Schiffmunn, Das Schul-
wesen im Lande ob der Enns bis zum Ende des 17. Jahrhunderts (59. Jahresber.
des Mus. Franc. Carol. 1901) und die Spezialstudien Czerny, Die Schule von
St. Florian (Linz 1873) und Bertold [Czernik], Die Wissenschaft und das Chor-
herrnstift Klostemeuburg (Wien 1900).
Elftes Kapitel.
Ein halbes Jahrhundert Babenbergischer Politik bis zur
Erhebung Österreichs zum Herzogtum *).
Unter Leopold IL war zum ersten Male der Markgraf von
Österreich zu gröfserer Selbständigkeit gelangt. Bisher ein ge-
treuer Vasall des Kaisers, machte er nun zum ersten Male eigene
Politik, die sich sogar gegen den Kaiser richtete, ohne dafs dieser
ihn die ganze Strenge hätte fühlen lassen ^), Mit Leopolds gleich-
namigem und berühmterem Sohne trat dann eine klug berechnende
Persönlichkeit auf den Plan, die zeit ihres Lebens eine eigentüm-
liche Schaukelpolitik betrieb, zu keiner Frage, zu keiner Partei
eine irgendwie verbindliche Stellung einnahm und den kühnen
Entschlüssen abhold war, aber bei der eigentümlichen Entwicke-
lung der Dinge gerade durch diese Haltung ihre Macht festigte
und erweiterte, ihr Haus bereicherte ^).
Zu Beginn der Regierung Leopolds HI. war die Konstellation für
Kaiser Heinrich IV. günstig. Nach Ladislaus' Tode (1095) betrieb
in Ungarn dessen Neffe Almus kaiserfreundliche Politik, und auch
eine vorübergehende Aussöhnung mit den Weifen in Bayern kam
zustande. Gründe genug, dafs auch Osterreich dieselben Bahnen
1) Zu diesem Kapitel vgl. Huber I, 235—252; Juritsch 117—217;
Giesebrecht, Geschichte der deutschen Kaiserzeit IV, 2 (Braunschweig 1874);
Ei e zier I, 565—665.
2) Charakteristisch für die eigentümliche Übergangstellung Leopolds II.
scheint mir der Umstand, dafs von ihm trotz langer Eegierung fast keine selb-
ständige Urkunde erhalten ist. Rechtsgültige Verfügungen galten noch immer
als Prärogativ der Krone.
3) Vgl, in anderer Auffassung Kralik, Leopold der Heüige (Wien 1904).
296 Elftes Kiiiiitol.
einschlug*). Als es aber im September 1105 zur Entscheidung
zwischen dem alten Kaiser und seinem aufrührerischen, von der
Gegenpartei aufgehetzten Sohn Heinrich (V.) kommen sollte, und
sich die feindlichen Heere am Regen in Nordbayern schlachtbcreit
gegenüberstanden, spielte Leopold von Osterreich — nicht etwa
die Rolle des Verräters, nein, die des „ehrlichen Maklers'', der
zusammen mit seinem Schwager Bofiwoy von Böhmen den Weg
der Unterhandlungen betrat und so die Entscheidung vereitelte,
denn schon winkte der gewaltige Vorteil einer Familienverbindung
mit dem Herrscherhause '^). Man wird nicht fehlgehen, wenn man
seine bald darauf erfolgte Vermählung mit der damals seit kurzem
verwitweten Schwester Heinrichs V., die in erster Ehe mit dem
Herzog Friedrich dem Alteren von Schwaben verbunden war, mit
seiner Haltung in Zusammenhang bringt.
So war der Markgraf von Osterreich mit einem Male ein
naher Verwandter des deutschen Königs geworden, denn Heinrich
gewann ein Jahr später die Krone, nachdem sein Vater, von aller
Welt verlassen, gestorben war.
Diese Verwandtschaft legte Leopold auch politische Pflichten
auf. Er zählte fortan zur königlichen Partei,' obwohl Heinrich V.
entgegen seinen Anfängen, sobald er zur Macht gelangt war, in
bezug auf die grofse kirchenpolitische Frage ganz in die Fufs-
tapfen seines Vaters trat. Von einem werktätigen Eintreten Leopolds
für die Interessen des Königs erfahren wir jedoch gar nichts : nie
hat er an einer Heerfahrt des Königs aufser Landes teilgenommen.
Wohl aber konnte es ihm nur sehr erwünscht sein, dafs im Jahre 1108
König Heinrich auszog, um selbst die ungarischen Wirren beizulegen,
die gelegentlich des Bruderzwistes zwischen König Koloman und
Almus ausgebrochen waren, und die wieder einmal für die deutschen
Grenzlande gefährlich zu werden drohten. Angriffe der Ungarn
auf die Kreuzfahrer und ein Hilfsgesuch Almus' boten die recht-
1) Leopold III. ist ira April 1099 auf einem Hoftag in Eegensburg an-
wesend, wo er sich einem Schiedssprucli des Kaisers unterwarf (ÜB. d. L. o. d.
Enns II, 122).
2) Ekkehard 228; Vita Heinrici c. 9; Otto v. Freising VII, c. 9; Ann.
Hüdesh. III, 109; Cosmas III, 18, der zu berichten weifs, dafs Leopold in der
Nacht heimlich mit seinen Streitkräften abgezogen sei.
Ein halbes Jahrhundert Babenbergischer Politik. 39?
liehe Begründung. König Heinrich führte sein Heer im September
über Tulln gegen Prefsburg, das er im Vereine mit Markgraf
Leopold belagerte, aber ohne Erfolg. Andere Ereignisse riefen
den König ab ^), und so verlief auch diese Aktion des Reiches
gegen Ungarn wieder im Sande, aber für die Mark mag die mili-
tärische Demonstration doch nicht ohne den Vorteil der gröfseren
Grenzsicherung geblieben sein.
Im übrigen war die Entwickelung im Reiche, die den König
vollauf in Anspruch nahm, dem Markgrafen gerade recht, denn
so beherrschte er sein Land mit ungestörter Selbständigkeit und
trieb Politik auf eigene Faust. Als zehn Jahre später Kolomans
Nachfolger, Stephan H. von Ungarn, einen Beutezug über die
Grenze machen zu können glaubte, griff Leopold zur Selbsthilfe,
fiel mit einem Heere, verstärkt durch böhmische Bewaffnete, in
ungarisches Gebiet ein und brachte sich durch die Erstürmung
des befestigten Eisenstadt und durch die Verwüstung der Um-
gebung in die entsprechende Achtung ^). Immer mehr übernahm
der Markgraf von Osterreich selbständig die Vertretung der deutschen
Macht gegen die östlichen Nachbarn. Am besten scheint mir die
Entwickelung dieser bedeutsamen Stellung des Markgrafen durch
das allmähliche Weiterrücken der Residenz gegen die Ostgrenze
und an die strategische Einfallstrafse gekennzeichnet zu sein. Der
erste Markgraf Burkhard dürfte seinen Sitz auf Regensburger Ge-
biet in Pechlarn gehabt haben, Liutpold wählte das befestigte Melk,
das er vermutlich rühmlich eroberte, und hier residierten die Baben-
berger, solange sie noch in untergeordneter Stellung waren. Auch
war Melk ein geeigneter Mittelpunkt, solange die Grenzen der Mark
nicht weit über den Wiener Wald hinausgeschoben waren, und
dann erst recht, als durch die Gründung der neuen Mark die Auf-
gaben der Ostmark in eine andere Richtung gedrängt zu werden
schienen ^). Das änderte sich mit der neuen politischen Konstel-
1) „Wegen Untreue der Fürsten" sagen die Ann. St. Disibod. M. G. SS.
XVII, 20. Sollte auch hier Leopold sich mehr diplomatisch als getreu ver-
halten Laben?
2) Ann. Mellic. 501, irrtümlich zum Jahre 1112; Cont. Zwettl; Otto v. Frei-
sing VIT, 15.
3) Noch 1061 flüchtete, wie wir oben gesehen haben, die ungarische
298 Elftes Kapitel.
lation unter Leopold II. Er scheint sich hauptsächUch in TuUn
aut""-ohalten zu haben. Dieser Ort war im Laufe des 11. Jahr-
hundcrts in den ersten Abwehrkämpt'en der Mark zu jijrofser Be-
deutung gehangt, denn einerseits war es der bequemste Übergangs-
punkt über die Donau für die nördHchen Gebiete, andrerseits traf
die Einfallslinie der Ungarn, die von Üdenburg oder Wiselburg
meist das Piestingtal entlang gegen Nordwesten zur Donau führte,
wie uns die verschiedenen Züge der Ungarn in jener Zeit bereits
gezeigt haben, gerade auf diesen Punkt, der zugleich den Abschlufs
des offenen Tullnerbeckens bildete und deshalb einer besonderen
Befestigung bedurfte '). Schon 1014 als Civitas (d. i. befestigter Ort)
genannt, wurde es später eine der drei Gerichtsstätten des Landes.
Leopold III. nun erbaute sich eine Burg auf dem Kahlenberg, dem
heutigen Leopoldsberg, an dessen Fufs seine Liebhngstiftung Kloster-
neuburg lag, das seinen Namen vermuthch nach dieser neuen Burg
erhalten hatte. Diese Burg beherrschte nicht nur die immer mehr
an Bedeutung gewinnende Donaustrafse, sondern auch weit besser
als Tulln die Angriffslinie vom Südosten, seitdem der Wiener Wald
genugsam gesichert war ^).
Gerade in der Hauptsache, in der Haltung gegenüber der
Kirche, nahm übrigens Markgraf Leopold III. einen geradezu ent-
gegengesetzten Standpunkt ein wie sein königlicher Schwager, und
es war eben sein Geschick oder sein Glück und das Glück seines
Königiu-Witwe mit dem jungen Stephan und dessen Braut sowie ihren Kost-
barkeiten nach Melk.
1) Nicht umsonst weifs das Nibelungenlied davon zu melden, dafs die
burgundische Prinzessin in Tulln empfangen wurde. Es blieb bis in die
neuere Zeit Sitte, dafs die österreichischen Herrscher bis hierher ihren Bräuten
entgegen zogen. Vgl. Zarncke im Bericht über die Verhandlungen der königl.
Sachs. Gesellsch. der Wissensch. Phil.-histor. Kl. VIII, 1856. Wenn Jans En-
enkel Tulln noch zu seiner Zeit, also um die Mitte des 13. Jahrhunderts als
„Hauptstadt des Landes" bezeichnet (Fürstenbuch V, 35, Mon. Germ. Deutsche
Chron. III, 599), so scheint dies nach dem Charakter der ganzen Stelle nur eine
aufgewärmte archaistische Eeminiszenz zu sein. — Eine Geschichte der Stadt
Tulln verfafste Kerschbaumer 1874, 2. Aufl. 1901.
2) Über diese strategische Bedeutung der Lage Wiens, die ja im wesent-
lichen damit identisch ist, siehe jetzt Böheim in der Geschichte der Stadt
Wien, hgg. vom Altertumsvereine I, 262 f. Vgl. aufserdem K. Müller ebenda-
selbst S. 231 f.
Ein halbes Jahrhundert Babenbergischer Politik. 399
Landes, dafs er sich trotzdem die dauernde Gunst des Königs
erhielt ^) und andrerseits alle materiellen und kulturellen Vorteile
genofs, die die kirchliche Macht bieten konnte. Es entsprach diese
Politik gewifs auch seinem innersten Wesen, denn nicht umsonst
war er in dem Zeitalter Bischof Altmanns aufgewachsen, der wieder
andrerseits einen so bestimmenden Einflufs auf seinen Vater aus-
geübt hatte. Auch seine Ratgeber waren Kirchenfürsten Süd-
deutschlands, die die strengere kirchliche Richtung verfochten, v/ie
Erzbischof Konrad von Salzburg und Bischof Udalrich, später
Bischof Reginmar von Passau und Roman von Gurk. Besonders
bezeichnend ist es und wurde, wie wir noch sehen werden, auch
von politischer Bedeutung, dafs von seinen sechs Söhnen zwei in
den geistlichen Stand traten: Otto und Konrad. Namenthch ersterer
ist zugleich ein glänzendes Beispiel dafür, wie die grofsen Zeit-
fragen und Bewegungen, die damals Abend- und Morgenland er-
füllten, die Menschen aus der früheren Enge ihres Wirkungskreises
hinausführten und zur Universalität erhoben. Sein Vater schickte
ihn auf die hohe Schule nach Paris, und so gewann er den weiten
BHck und die umfassende Bildung, die ihn befähigten, späterhin der
erste deutsche Universalhistoriker des Mittelalters zu werden. Für
die Ostmark erlangte er noch in einer speziellen Hinsicht eine
Bedeutung. Als er aus Paris in die Heimat zurückkehren wollte,
trat er in das Kloster Morimund, das auf seiner Strafse lag. Hier
hatte eben damals der heilige Bernhard den strengen Orden der
Zisterzienser ins Leben gerufen, der seinen Siegeszug durch Europa
begann und bald den früheren Orden allenthalben Konkurrenz
machte, vor allem auch in Österreich, wo der junge Prinz Otto
nach dem Tode des ersten Propstes von Klosterneuburg an die
1) Ein sehr charakteristischer Eechtsfall zeigt so recht deutlich die eigen-
tümliche politische Zwitterstellung, in der sich die österreichischen Länder be-
fanden. Das Kloster Kremsmünster glaubte im .Jahre 1099 bei den versöhnlichen
Beziehungen des Bayernherzoges und des Markgrafen zum Kaiser dessen Beistand
zur Erlangung von entfremdeten Gütern zu Pettenbach, Gotprechtszelle und
Geroldsdorf, die sich Passau angeeignet hatte und die sich im Lehnsbesitz teUs
der Babenberger, teils verschiedener Grafen sich befanden, anrufen zu sollen,
statt sich an ihren Diözesan zu wenden, freilich mit schlechtem Erfolg, denn
Kaiser Heinrich entschied zwar zugunsten des Klosters , aber Bischof Ulrich er-
kannte den Schiedsspruch nicht an und zog Pettenbach dann selbst ein.
300 Elftes Kapitel.
Spitze dieser Stiftunf^j seines Hauses trat. Er war es auch, der
seinen Vater im Jahre 1135 bewog, im waldigen südöstlichen Teile
des Landes ein Zisterzienserkloster zu gründen, das wie alle Klöster
dieses Ordens der heiligen Maria geweiht war „in valle nemorosa",
aber nach einer Kreuzpartikel, die Otto von Freising aus Palä-
stina mitgebracht hatte und ihm schenkte, Heiligenkreuz genannt
wurde *).
Doch auch eine Benediktinerstiftung kam um dieselbe Zeit
(1136) zustande, die von den Brüdern Heinrich und Rapoto von
Schwarzburg-Nöstach geplant war, aber vom Markgrafen erst tat-
sächlich ausgeführt wurde ; das Kloster Klein-Mariazell 2) , dessen
Mönche wahrscheinlich aus Altaich kamen. Klosterneuburg wurde
unter Propst Otto aus der markgräflichen Familie nicht nur aus-
gebaut, sondern mannigfach beschenkt und dem päpstlichen Schutze
unterstellt ^ ) , das ältere Hauskloster Melk schon 1 1 1 ö von der
bischöflichen Gewalt Passaus eximiert *). St. Florian erhielt in
der Babenbergischen Riedmark im Jahre 1115 Abgabenfreiheit'')
und noch so manch^es andere österreichische ^) und aufseröster-
1) Nach Klostertradition schon 1133. Siehe darüber die Belege bei Ju-
ritsch a. a. 0. 149. — Eine Geschichte des Stiftes bietet Feil in Heider,
Eitelberger und Hieser, Mittelalterliche Kunstdenkmäler des österreichischen
Kaiserstaates I (Wien 1856). Kleinere Geschichtsabrisse über dieses Stift in
Xenia Bernardina III, 35 (Gsell) und in der Topographie von Niederösterreich
IV, 152 (Lanz). — Urkundenbuch von Heiligenkreuz, hgg. von Weis (Font.
rer. Austr. 2. Abt. XL und XVI). — Gsell, Das Gülteubuch des Zisterzienser-
stiftes Heiligenkreuz (Wien 1866). — Über die Zisterzienserklöster ist aufserdem
regelmäfsig zu vergleichen Janauschek, Origines Cisterz. (Wien 1877).
2) M e i 11 e r 21 , 56. Die Stiftungsurkunde wurde auf Landtaidingen
zu TuUn und St. Polten nochmals feierlich bestätigt. — Eigner, Geschichte
des aufgehobenen Benediktinerstiftes Klein-Mariazell (Wien 1900) nach einem
Manuskripte Keiblingers, von dem der kurze Abrifs in der Kirchlichen Topo-
graphie V. Bd. (1826) herrührt.
3) Meiller, Eegesten 13, 9. 10. 11; 16, 21. 27; 18, 37. 38. 40. 41;
21, 53; 23, 60 (Roukerisdorf [Riekersdorf?] , Pyrha, Haltmarisdorf, Jedungs-
peugen , Bierbaum, Loupan, Weingärten bei Baden, die Pfarre Falkenstein u. a.). —
Die päpstliche Schutzurkunde von 1134 verzeichnet Meiller, Regesten 20, 51.
4) Jaffe, Regesten 6263.
5) ÜB. d. L. 0. d. Enns II, 149.
6) Besonders Göttweig und Melk. Letzteres erhielt 1113 (Meiller 13, 12)
fünf Pfarrkirchen (Mödling, Traiskirchen, Ravelsbach, WuUersdorf, Weikerdorf).
Ein halbes Jahrhundert Babenbergischer Politik. 301
reichische ^) Kloster erfuhr gleichfalls die Gnade des Markgrafen
Leopold. In mehr als vierzigjähriger Regierung hatte er so er-
reicht, was im übrigen Deutschland schier unerreichbar geworden
war: eine für sein Land gedeihliche Verschmelzung der kirchlichen
und weltlichen Interessen, und als Frucht besafs er nun ein in sich
gefestigtes Gebiet. Als er am 15. November 1136 starb, wurde er in
seiner Lieblingstiftung Klosterneuburg bestattet. Kein Wunder, dafs
dieser tief innerlich fromme Fürst, der in seinem Lande die Macht
der Kirche für Jahrhunderte begründete, dreieinhalb Jahrhunderte
später (1484) heilig gesprochen wurde. Kein Wunder aber auch,
dafs er bei den Fürsten des deutschen Reiches in einem Ansehen
stand, das über seine staatsrechtliche Stellung hinausging.
So konnte das für jene Zeit gewifs ganz ungewöhnliche Er-
eignis eintreten, dafs bei der grofsen Reichswahlversammlung, die
im August 1125 zu Mainz stattfand, unter den Thronkandidaten
auch sein Name — er war doch auch der Schwager des ver-
storbenen Königs! — genannt wurde. Auch auf diesem Höhe-
punkt seines Lebens liefs er sich nicht zu einem kühnen Wage-
stück verleiten, sondern verleugnete auch da nicht den klugen
und besonnenen Kopf. Er lehnte die Wahl ab unter Hinweis auf
sein Alter und die grofse Zahl seiner Söhne, durch die leicht
Zwistigkeit hervorgerufen werden könnte ^), in Wirklichkeit wohl
deshalb, weil er recht gut wufste, dafs nur eine Minorität seine
Kandidatur unterstützte, und er es daher vorzog, einen ehrenvollen
Rückzug anzutreten, statt es auf eine beschämende Niederlage
ankommen zu lassen oder ein gewagtes Spiel um die Kaiserkrone
zu beginnen. Gewählt wurde bekanntlich Lothar von Sachsen, und
die Staufer, vor allem sein Gegenkandidat Friedrich von Schwaben,
1) Passau, Bamberg, Aldersbach, St. Nikolaus, St. Peter in Salzburg,
Berchtesgaden , Formbach. Die genannten Klöster erhielten damals Besitz in
der Mark und zwar St. Peter an der Als bei Wien , Formbach am Bisamberg,
Berchtesgaden bei Krems, St. Nikolaus bei Ips und Persenbeug, Aldersbach
Weingärten bei Krems (Meiller, Eegesten 19, 47. 43; 20, 48. 49; 21, 55).
2) Sj-meonis Dunelmensis Hist. Contin. (Publ. of the Surtess Society LI,
125), zur Ergänzung der Narratio de electione Lotharii (M. G. SS. XII, 510).
Vgl. im allgemeinen über diese und die übrigen politischen Verhältnisse dieser
Periode: Bernhardi, Lothar von Supplinburg (Jahrbücher d. deutschen Eeiches),
Leipzig 1879.
303 Elftes Kapitel.
wurden dadurch in die Opposition gedrängt. Markgraf Leopold
als dessen Stiefvater mufste sich vom Kaiser fernhalten, aber seine
Ge^-nerschaft war ziemlich platonisch und tat nicht wehe. Nur in
einem Falle, als gegen den Willen des neuen Herzogs Heinrich von
Bayern, eines Schwiegersohnes des Königs, die Wahl des Grafen
Heinrich von Wolfrathshausen , der übrigens aufserdera ein Neffe
Leopolds war, zum Bischof von Regensburg durchgesetzt werden
sollte (1133), unternahm der Markgraf eine Heerfahrt, aber ehe
ein Tropfen Blut geflossen war, ging er auf einen billigen Aus-
gleich ein ^).
Die eigenartig unabhängige Stellung, die sich Leopold HL
trotz poHtischer Parteizugehörigkeit auch König und Keich gegen-
über zu erringen wufste, zeigt sich deutlich in der eigenmächtigen
Art, wie die Nachfolge in der Markgrafschaft geregelt wurde 2).
Wieder sein ältester, wie es scheint kränkhcher Sohn Adalbert,
noch sein Zweitältester, dem Vater nicht sympathischer Sohn Hein-
rich folgte ihm, sondern trotz des offenen Widerstandes Adalberts,
der erst durch die Intervention der Markgräfin-Mutter Agnes und
der Grofsen des Landes gebrochen werden mufste ^) , sein dritter
Sohn Leopold, von dem er überzeugt sein mochte, dafs er der
berufenste sei, um das von ihm klug begonnene Werk mit Tat-
kraft weiter auszubauen. So wohnte in dem gottesfürchtigen Mark-
grafen das feste Vertrauen auf die Zukunft seinem Hauses.
In der Tat traten nun die Babenberger in ihr heroisches Zeit-
alter ein. Es bedurfte jetzt nicht mehr der berechnend durch
aUe politischen Kombinationen durchlavierenden Politik, sie konnten
jetzt direkt auf ihre höheren Ziele losgehen. Markgraf Leopold IV.
1) Hist. Weif, c 22.
2) Cont. Claustroneob. 610 f. Ich schliefse aus der Urkunde für Kloster-
neuburg vom Jahre 1125 (Meiller 18, 36), in der ausdrücklich „Liupoldus
iuvenis" mit dem Zusatz „marchio" seinem älteren Bruder Adalbertus, der nur
als „advocatus" bezeichnet wird, in der Zeugenreihe vorangeht (vgl. dazu
Meiller 213) und aus den Bemerkungen der Cont. Claustron. über die Söhne,
dafs Leopold m. selbst die Nachfolge bestimmte, was auch ganz seiner Aus-
nahmestellung entsprechen würde. Das Alter seiner Söhne untersuchte Hub er
in Mitteilungen des Institutes für österreichische Geschichtsf. II, 382.
3) Auf einer Versammlung zu Tulln, Meli 1er 24, 1. — Gegen Bern-
hardi 618, Anm. 67 Hub er, Österreichische Geschichte I, 243, Anm. 1.
Ein halbes Jahrhundert Babenbergischer Politik. 303
war der richtige Mann der Tat. Allerdings kam ihm aber auch
die Entwickelung der Dinge im Reiche auf halbem Wege entgegen.
Denn ein Jahr nach dem Tode seines Vaters starb auch Kaiser
Lothar am 3. Dezember 1137, und die deutsche Krone ging nun
an Leopolds Stiefbruder, den Staufer Konrad über, im direkten
Gegensatze zu dem Bayernherzog Heinrich dem Weifen, dem
Schwiegersohne Lothars, dem dieser auf dem Sterbebette die Reichs-
insignien übeigeben hatte ^). Konrad zögerte auch nicht, bei der
erstbesten Gelegenheit den Rivalen ins Mark zu treffen. Zuerst
wurde ihm das Herzogtum Sachsen und, als er Widerstand leisten
wollte, auch das Herzogtum Bayern abgesprochen und er in Acht
und Bann getan. Teils infolge der nahen Verwandtschaft, teils
dem natürlichen Gang der politischen Entwickelung nachgebend,
verlieh König Konrad das Herzogtum Bayern im Frühjahre 1139
dem Markgrafen Leopold IV. von Osterreich. So war der Mark-
graf von Osterreich, nachdem er seit anderthalb Jahrhunderten
eine stille Opposition gegen die ursprüngliche Oberhoheit des
Herzogs von Bayern geführt hatte, selbst zum Herzog empor-
gestiegen, freilich war dadurch staatsrechtlich zunächst abermals
die Mark stärker mit dem Mutterlande verkettet, aber sie wurde
doch auch wieder andrerseits aus der abgesonderten Stellung der
letzten Jahrzehnte in ein näheres Verhältnis zu den gröfseren poli-
tischen Strömungen im Reiche gebracht. Damals sind auch zum
ersten Male die Lande ob und unter der Enns in einer Hand ver-
einigt worden. Freilich brachte es die Beteiligung Leopolds an der
Reichspolitik mit sich, dafs er sich seinen Stammlanden weit weniger
widmete wie sein Vater.
Leopold IV. wurde übrigens auch fernerhin vom Glücke be-
günstigt. Für die Festigung seiner Macht im neuen Herzogtum
war es von unschätzbarem Wert, dafs kurz vor seiner Erhebung
sein Bruder Otto zum Bischof von Freising gewählt, und in demselben
Jahre (1138) auch ein ihm ergebener Mann, Regimbert aus der
1) Ygl. aufser den bereits am Eingang des Kapitels zitierten Werken für
diesen Zeitabschnitt noch besonders Jaffe, Geschichte des deutschen Eeiches
unter Kaiser Konrad III. (Hannover 1845) und Bernhardi, Konrad III. (Jahr-
bücher d. deutschen Reiches) 2 Bde. (Leipzig 1883). Eine Hauptquelle ist Ottos
V. Freising Geschichtswerk.
304 l''lftcs Kapitel.
auch in der Mark begüterten Familie der Herren von Hagenau,
Bischof von Passau geworden war: in beiden fand Leopold sichere
Stützi)unkte. Seine Schwester Berta war mit einem bayerischen
( Grofsen, dem Burggrafen Heinrich von Regensburg vermählt. Aufser-
deni starb im Oktober 1139 der angestammte Bayernherzog Heinrich
der \\'elfe. Allerdings versuchte dessen Bruder Weif den Wider-
stand in Bayern anzufachen, aber seine anfanglichen Erfolge wurden
bald durch Leopold mit Hilfe des Kaisers vereitelt. Leider sollte
es diesem nicht vergönnt sein, sein grofses Lebenswerk weiter
r durchzuführen, denn plötzhch starb er am 18. Oktober 1141 in
{ dem blühenden Alter von dreifsig Jahren.
Da er keine Kinder hinterliefs, so hatte die nächste Anwart-
schaft auf die Nachfolge sein älterer Bruder Heinrich. Auch diesen
hatte bereits sein königlicher Stiefbruder durch die Übertragung
/eines Fürstentums ausgezeichnet, indem er ihm im Frühjahr 1140
] die Pfalzgrafschaft am Rheine verliehen hatte. Nun nach dem Tode
\ Leopolds belehnte er ihn auch ohne weiteres mit der Mark, während
/ er sich das Herzogtum Bayern zunächst noch selbst vorbehielt.
Halten wir diese Verfügung mit der Entscheidung seines Vaters über
die Nachfolge zusammen, so gewinnt es den Anschein, als hätte die
PersönUchkeit und die Fähigkeiten Heinrichs aUgemein wenig Ver-
trauen eingeflöfst. Allerdings war er auch wirklich kein Mann
des Schwertes und der kühnen Tat, sondern hatte vielmehr von
seinem Vater die zögernde Besonnenheit geerbt. Immerhin scheint
er einer jener Menschen gewesen zu sein, die mit ihren höheren
Zwecken wachsen.
König Konrad, dem jetzt der starke Arm Leopolds in Bayern
fehlte, suchte nun auf friedHchem Wege durch eine Versöhnung
mit den W^elfen die Verhältnisse zu ebnen, und in der Tat gelang
ihm der grofse politische Schachzug, die Witwe Herzog Heinrichs
von Bayern und Tochter Kaiser Lothars Gertrud mit seinem Stief-
bruder Anfang Mai 1142 zu vermählen, wogegen er ihrem Sohn
Heinrich, bekannt unter dem Beinamen „der Löwe", das Herzog-
tum Sachsen überliefs. Der Erfolg war freilich nur halb, denn
Heinrich der Jüngere verzichtete wohl zu Anfang des Jahres 1143
förmhch auf Bayern, aber sein Oheim, Graf Weif, hielt die An-
sprüche seines Hauses darauf aufrecht. Immerhin vollzog nun
Ein halbes Jahrhundert Babenbergtscher Politik. 305
König Konrad die selbstverständlich gewordene Belehnung Heinrichs
von Österreich mit dem Herzogtum Bayern.
Da traf mit einem Male die staufisch-babenbergische Politik
ein ganz unerwarteter schwerer Schlag, der das klug aufgebaute
Gebäude über den Haufen warf. Am 18. April 1143 starb Her-
zogin Gertrud im Wochenbette. Seitdem ballten sich von allen
Seiten dunkle Wolken zusammen, wenn auch der Sturm noch nicht
sogleich losbrach. Zunächst entspann sich aus nicht näher be-
kannten Gründen, die aber vielleicht doch mit der allgemeinen
pohtischen Lage zusammenhingen, eine Fehde mit dem Bischof
Heinrich von Regensburg und zog merkwürdig weite Kreise. Auf
der Seite des Herzogs stand sein Schwager Wladislaw von Böhmen,
und die Kriegsleute beider verwüsteten das Regensburger Gebiet,
während andrerseits der Bischof in dem Markgrafen Ottokar IH.
von Steier, mütterlicherseits mit den Weifen verwandt, einen Bundes-
genossen gefunden zu haben scheint, denn ungefähr zur selben Zeit
unternehmen dessen Dienstmannen einen verheerenden Zug nach
Österreich ^). Bischof Heinrich erwirkte sogar beim Papst den
Bann gegen Herzog Heinrich, Wladislaw von Böhmen und deren
Verbündete.
Kaum waren diese Fehden beigelegt, so gab es zum Über-
flufs Verwickelungen im Osten, an denen Herzog Heinrich, dessen
Haus in der letzten Zeit gute Beziehungen zu Ungarn unterhalten
hatte 2), eigentlich unschudig war, die ihn aber dennoch in arge
Mitleidenschaft zogen. Schon seit dem Regierungsantritte Belas II.
(1131) erhob ein Sohn König Kolomans aus zweiter Ehe, Borics,
Ansprüche auf die Krone. Nachdem schon verschiedene Versuche
fehlgeschlagen waren, gewann er die Unterstützung einiger öster-
reichischer Grafen, insbesondere Hermanns von Poigen und Liutolds
1) Otto V. Freising I, 29. Contin. Claustroneob. (M. G. SS. IX, 614). Gründe
und Zusammenhänge dieser Fehden sind allerdings nicht klar. Vgl. jedoch die
Kombinationen bei Giesebrecht IV, 218; Riezler I, 639; Bernhardi 480
und Huber I, 246. — Nebenbei mache ich nochmals darauf aufmerksam, dafs
der Burggraf von Eegensburg der Schwager Heinrichs von Österreich war. Zwischen
ihm und dem Bischof können sich leicht Reibungen ergeben haben.
2) Im Jahre 1132 hatte Heinrichs Bruder, Adalbert, König Bela mit einem
Heere gegen Borics, der damals vom Polenherzog Hilfe gewann, unterstützt.
Vancsa, Oeschiclite Kieder- u. Oberösterreichs. '^'J
306 Elftes Kapitel.
von Piain, die, wie es scheint, gegen Geld und auf eigene Faust,
•während ihr Herzog in der Ferne weilte, im Frühjahre 114G Prefs-
burg überlielen und einnahmen. Gleichzeitig war es Borics ge-
glückt, in Wladislaw von ]5öhmen einen tatkräftigen Förderer zu
linden, der König Konrad 111. zu einer unüberlegten Zusage von
Hilfe zu bestimmen wufste. Der König konnte seine Zusage nicht
halten, aber König Geisa von Ungarn eröffnete die Feindseligkeiten
gegen die Mark. Die Grafen von Piain und Poigen zögerten
nicht, Prefsburg, wie sie es um Geld erobert, auch um Geld —
3000 Mark — wieder auszuliefern. Darauf verwüstete Geisa die
Donauufer. Nun eilte freilich Herzog Heinrich zur Verteidigung
seiner Mark herbei, aber am 11. September 1146 erhtt er zwischen
Fischa und Leitha eine vernichtende Niederlage *).
Damit nicht genug, schien nun auch die wichtige Erbfrage
in Bayern in ein neues verhängnisvolles Stadium zu treten, als
am 19. März 1147 Herzog Heinrich von Sachsen auf dem Hoftag
zu Frankfurt seine Ansprüche wieder geltend machte. Da kam
eine fast überirdische Rettung, die dem Lauf der Ereignisse ein
mächtiges Halt gebot und auf einige Zeit alle Personen des poli-
tischen Theaters ganz anderen Zielen zutrieb. Die Kunde von
dem Falle Edes.sas (Ende 1144) hatte in Europa eine neue mächtige
Kreuzzugsbewegung entfesselt, deren Apostel diesmal Bernhard
von Clairvaux war. Ihm gelang es, zuerst den Grafen Weif und
dann zu Weihnachten 1146 auch König Konrad III. für den Zug
ins Gelobte Land zu gewinnen. Der Hoftag zu Regensburg im
Februar des nächsten Jahres wurde dann entscheidend. Alle An-
wesenden und später noch eine grofse Reihe anderer deutscher Fürsten,
Grafen und Ministerialen nahmen das Kreuz, darunter vor allem auch
Herzog Heinrich von Bayern- Österreich, Bischof Otto von Freising,
Reginbert von Passau, Markgraf Ottokar von Steier, Graf Konrad
von Peilstein, Friedrich von Poigen, Rudolf von Machland u. v. a. '^).
Angebhch 70 000 Mann stark schlug das Kreuzheer um Pfingsten des
Jahres denselben Weg ein wie die früheren Züge : längs der Donau
1) Hauptquelle Otto v. Freising, Gesta Frid. I, 30, 32. — Vgl. die aus-
führliche Darstellung bei Ei e zier I, 641 f.
2) Siehe den schon oben erwähnten Aufsatz von E i e z 1 e r in den Forschungen
zur deutschen Geschichte XVIII, 553.
Ein halbes Jahrhundert Babenbergischer Politik. 307
durch Österreich; etwas später folgte das französische Aufgebot
unter der persönlichen Führung König Ludwigs VII.
Leider verlief auch diesmal der Kreuzzug kläglich. Von
den deutschen Fürsten trug Heinrich von Österreich die meisten
Vorteile davon. Es verrät einen weitreichenden politischen Blick,
dafs er sich dazu entschlofs, die Nichte des oströmischen Kaisers
Emanuel, Theodora, als Gattin heimzuführen. Er erkannte, welchen
Nutzen bei der herrschenden Zeitströmung für sein Land, (las
natürliche Bindeglied zwischen West und Ost, eine engere Ver-
bindung mit Byzanz mit sich bringen mufste. Möglich, dafs
auch der Kaiser seine Hand dabei im Spiele hatte, der sich
Vorteile für seine süditalienische Politik daraus erhoffte. Freilich
für die eigentliche Lebensfrage des Baben bergischen Hauses, die
jetzt nach dem Scheitern der orientalischen Expedition wieder in
den Vordergrund trat, vermochte diese Verbindung nicht die ge-
ringste Förderung zu bieten. Wohl aber erwuchs aus dem Kreuz-
zuge noch ein nicht unbedeutender Gewinn für die Babenberger.
Keginbert von Passau starb im Gelobten Lande, und an seiner Stelle
wurde der Bruder Herzog Heinrichs, Konrad, bisher Propst von
Utrecht und Hildesheim, zum Bischof gewählt, so dafs nunmehr
auch die kirchliche Gewalt in der Mark sich in den Händen der
markgräflicheu Familie befand und der Einflufs in Bayern aber-
mals eine wesentliche Stärkung erfuhr.
Es unterliegt kaum einem Zweifel, dafs Heinrich von Öster-
reich das Herzogtum Bayern gegen die Ansprüche der Weifen
trotz deren fortgesetzter Feindseligkeiten behauptet hätte, wenn
nicht zu seinem Unglück sein königlicher Stiefbruder am 15. Fe-
bruar 1152 gestorben und diesem, da sein Sohn erst acht Jahre
zählte, nicht sein Neffe Friedrich von Schwaben auf dem Königs-
throne gefolgt wäre. Letzteren banden eben nicht die engen ver-
wandtschaftlichen Beziehungen an den Babenberger, weit eher an
die Weifen, da seine Mutter eine Schwester des Grafen Weif
gewesen war, deshalb glaubte er, eine andere Richtung in der so
wichtigen innerpolitischen Streitfrage einschlagen zu sollen. Auch
hierfür mögen in letzter Linie persönhche Erwägungen mafsgebend
gewesen sein. Jedenfalls versprach sich Friedrich mehr von dem
jungen tatkräftigen, in mancherlei Verbindungen stehenden Heinrich
20*
308 Kll'tes Kapitel.
dem Löwen und seiner Freundschaft, als von dem bedächtigen,
im Felde wenig glückÜchen, im Keiche selbst noch wenig ein-
gelebten Grafen des östlichen Grenzlandes, zumal er dann jenen
zimi mächtigen Feinde gehabt hätte. So sehen wir denn von An-
beginn seiner Regierung den jungen Sachsenherzog stets an seinem
Hofe. Dennoch dachte der König an keine gewaltsame Lösung der
Frage und war redlich bemüht, einen gütlichen Vergleich der beiden
Parteien zustande zu bringen. Aber Heinrich von Osterreich nahm
eine schroff ablehnende Haltung ein. Vielleicht hoffte er auf die
Unterstützung anderer Unzufriedener, wie des Markgrafen Albrecht
von Brandenburg, der sich in einer der seinen ahnHchen Lage befand,
da er auch seinerzeit zugunsten Heinrichs des Löwen seinen An-
sprüchen auf Sachsen hatte entsagen müssen, oder seines Schwagers
Wladislaw von Böhmen, des Pfalzgrafen Hermann am Rhein und
des Erzbischofs Hartwig von Bremen. Erst als er zwei Hoftage,
zu denen ihn der König geladen hatte, zu Worms im Juni und
zu Speyer im Dezember 1153, nicht besucht hatte und als auch
eine persönliche Besprechung zu Bamberg im Februar des nächsten
Jahres ohne Erfolg geblieben war, griff Friedrich zu stärkeren
Mitteln und hefs Heinrich von Österreich auf dem Reichstag zu
Goslar im Juni 1154 von den anwesenden Fürsten des Herzog-
tumes Bayern für verlustig erklären und es Herzog Heinrich dem
Löwen zuerkennen. Aber auch jetzt zögerte der König, daraus
die Konsequenzen zu ziehen und den Löwen auch tatsächlich in
den Besitz Bayerns zu setzen. Die rechtliche Grundlage des Fürsten-
spruches stand auch wohl auf gar zu schwachen Füfsen, er sollte
wohl vielmehr als Schreckschufs wirken. Überdies drängte es
Friedlich, seine Romfahrt anzutreten.
Nach wie vor bheb Heinrich von Österreich im Osten des
Herzogtums anerkannt und führte in Urkunden den Titel eines
Herzogs von Bayern ^). An dem Römerzuge beteiligte er sich
selbstverständlich nicht. Aber er täuschte sich, wenn er gehofft
1) Meiller, Kegesten 36, 37, Nr. 29, 30. — Am Hofe Heinrichs fand
sich noch eine Reihe von bayerischen Grafen zusammen , zumeist solche , die
auch in Österreich begütert waren : Eapoto von Ortenburg, Gebhard von Reichen-
hall, Heinrich von Schala, Ekbert von Putten, Gebhard von Burghausen, Liutold
von Piain, sogar Ottokar von Steier.
Ein lialbes Jahrhundert Babenhergisdier Politik. 300
hatte, während der Abwesenheit des Königs eine Koalition gegen
ihn zustande zu bringen, um seine Ansprüche auf das Herzogtum
durchzusetzen. Als König Friedrich und flerzog Heinrich der
Löwe im Oktober 1155 aus Itahen zurückkehrten, war es gleich
die erste Sorge des Königs, die bayerische Frage weiter zu ver-
folgen, und da der Babenberger fortgesetzt im stillen Trotze ver-
harrte, der selbst durch zwei persönliche Unterredungen und selbst
durch den Zuspruch seines Bruders Otto von Freising nicht ge-
mildert werden konnte, tat er nunmehr einen entscheidenden Schritt
weiter, um Heinrich den Löwen in den tatsächlichen Besitz Bayerns
zu bringen : er liefs auf dem Hoftage zu Regensburg Mitte Oktober
die Gi'ofsen des Landes dem neuen Herzog den Lehns- und Treueid
schwören und verpflichtete die Bürger von Regensburg, deren man
wohl nicht recht sicher sein mochte, durch Geiseln zur Treue.
Seiner Herzogswürde durch die Macht des Königs und der
Reichsfürsten beraubt, von seinen erhofften Bundesgenossen voll-
kommen im Stiche gelassen, allein zu wenig mächtig und zu wenig
wagemutig, um ferneren Widerstand leisten zu können, war Hein-
rich, der Markgraf von Osterreich, endlich zur Nachgiebigkeit geneigt
und er fuhr damit ganz überraschend besser, als er bisher stets
geglaubt hatte, denn König Friedrich benahm sich gegen seinen
Oheim mit wahrhaft königlicher Grofsmut. Mitte September 1156
fand zu Regensburg der entscheidende Reichstag statt. Aufserhalb
der Stadt, um seine ehemalige Residenz nicht mehr zu betreten,
lagerte der Markgraf auf der Wiese bei Barbing (Parbling), und
der König zog ihm bis dahin entgegen. Hier wurde dann ein
seltener Staatsakt in feierlicher Weise vollzogen. Heinrich von
Osterreich verzichtete auf das Herzogtum, indem er als Symbol
sieben Fahnen dem Kaiser übergab, die dieser Heinrich dem Löwen
zuerkannte. Dafür stellte Heinrich von Bayern zwei Fahnen —
Symbole der Mark Osterreich — zurück, wodurch er sich aller
von alters her bestehenden Ansprüche der bayerischen Herzöge auf
die Mark begab. Wladislaw von Böhmen verkündete sodann den
wohldurchdachten Hofgerichtsspruch ^), dem alle Fürsten zustimmten.
1) Der Kaiser scheint schon von Beginn seiner Eegierung in gerechter
Weise daran gedacht zu haben , seinen Oheim für den Verhist Bayerns ent-
sprechend zu entschädigen. Möglicherweise hat Rie zier I, 654 recht, wenn er
310 Elftes Kiipitel.
Die JMarkgralscliaft Österreich mit ihren von alters her sogenannten
drei Grafschaften ') wurde zu einem selbständigen Herzogtum
die Vermutung ausspricht, tlal's tlor Plan eines ungarischen Foldzugos, den Friedrich
schon auf dem ersten Tag in Regensburg 1152 gefafst hatte, mit dieser Absicht,
Heiuricli von Österreidi eine Entschädigung zu verschaffen, zusammenhängt.
1) Otto V. Freising, Gesta Friderici II, 55 gebraucht den Ausdruck „comi-
tatus, quos tres dicunt", scheint also damit eine unsichere Überlieferung an-
deuten zu wollen. Die Frage, was es mit diesen tres comitatus für eine Be-
wandtnis habe, wurde wiederholt untersucht und ist noch heute zu keiner
sichercu Entscheidung gekommen. Zunächst erklärte man die tres comitatus für
einen Gebietszuwachs, den man natürlich in Oberösterreich suchen mufste. Gegen
die ältere Annahme, dafs ganz Oberösterreich darunter zu verstehen sei, ist
schon Heigel (in Heigel-Riezler, Das Herzogtum Bayern zur Zeit Heinrichs
des Löwen und Ottos I. von Witteisbach, München 18G7, S. 217) und Hub er
(Wiener Sitzungsberichte XXXIV, 17, 1857) aufgetreten; dann hat letzterer, dem
auch Juritsch folgte, in seiner Geschichte Österreichs und in seiner Eeichs-
geschichte (1. Aufl. , S. 7) die Grafschaft zwischen Traungau und Passauerwald,
Bachmann, Lehrbuch der österreichischen Reichsgescliichte I, 34 den Traun-
gau, den östlichen Schweinachgau und das Machland unter den tres comitatus
verstanden, und in jüngster Zeit hat Uhlirz, Jahrbücher des deutschen Reiches
unter Otto II, und IIL, Exkurs IV, S. 232 gleichfalls das Machland und die
Riedmark, allenfalls mit dem Traungau dafür angesprocTien. Eine vollständig
entgegengesetzte Hypothese stellte Strnadt, Geburt des Landes ob der Enns,
S. 66 f. auf, wonach 1156 kein Gebietszuwachs erfolgt wäre, sondern wonach
die tres comitatus nichts anderes wären als die drei Gerichtssprengol der Ost-
mark selbst, wie sie sich in den drei Malstätten des Landes ausprägen. Diese
Hypothese fand grofsen Anklang. Haseuöhrl (Archiv f. öster. Gesch. LXXXII,
436) war der erste, der sich ihm anschlofs, aber doch den Begriff der Grafschaft
festhalten wollte, während Dop seh (Mitt. d. Inst. f. österr. Gesch. XVII, 296)
den Begriff comitatus überhaupt nicht territorial, sondern als „Grafenberechtigung"
fassen will. Strnadt schliefst sich auch Werunsky. Reichsgeschichte S. 230
an. Vgl. auch meinen Aufsatz in Blätter des Vereines für Landeskunde XXXV, 91
(1901) worin ich auf die tres comitatus der Raffelstättener Zollurkunde aufmerksam
gemacht habe. In jüngster Zeit hat Lampel, Die Babenbergische Ostmark
und ihre tres comitatus (Jahrbuch für Landesk. von Niederösterreich II und III,
1903 und 1904), wo man sich über den Stand der Frage gut orientieren kann,
eine neue Erklärung versucht. Er denkt an die Peilsteioer Grafschaften im
Süden der Donau und fafst also die tres comitatus rein territorial, betrachtet
sie jedoch als in der Ostmark gelegen , und läfst den Begriff des Landgerichtes
auTser Betracht. Bei dem jetzigen Stand der Frage gelüstet es mich nicht, den
schon vorhandenen Hypothesen eine neue hinzuzufügen, glaube aber allerdings,
dafs die einfachste Erklärung die wäre, unter den „comitatus quos tres dicunt"
jene Gebietsteile zu verstehen, die von alters her mit der Mark vereinigt waren,
nämlich die Riedmark und das Machland.
Ein halbes Jahrhundert Babenbergischer Politik. 311
erhoben, und dem Babenberger Heinrich und seiner Gemahlin
Theodora als Lehen übergeben, und zwar als erbliches Manns-
und Weiberlehen '). Der uns überlieferte Text der Urkunde weist
noch eine weitere Reihe von Verfügungen auf: dem Herzog sollte,
falls er kinderlos blieb, ein Vorschlagsrecht hinsichtlich der Person
des Nachfolgers zustehen („ius affectandi"), der Herzog sollte zur
Heeresfolge nur bei Reichskriegen in benachbarten Ländern und
zum Besuch der Hoftage nur in Bayern verpflichtet sein, endlich
sollte das neue Herzogtum von jeder fremden Gerichtsbarkeit exi-
miert sein. Ob diese Bestimmungen bereits in der Originalurkunde
enthalten waren, steht nur hinsichtlich der letztgenannten unzweifel-
haft fest -). Die feierliche Urkunde, die alle diese Rechte verbriefte,
wurde am 17. September 1156 ausgestellt. Es ist das sogenannte
Privilegium minus ^). Damit war Osterreich aus einem vom Reiche
1) Gegen die .ältere Ansicht von Chmel und Berchtold (siehe unten
Anra. 3), dafs darunter eine Gesamtbelehnung des Hauses Babenberg, womit also
auch eine Kollateralenerbfolge eingetreten wäre, zu verstehen sei, eine Ansicht,
die in jüngster Zeit nochmals Turba, Geschichte des Thronfolgerechtes in allen
habsburgischen Ländern bis zur pragmatischen Sanktion Kaiser Karls VI.,
115G — 1732 (Wien und Leipzig 1903) energisch verfocht, haben sich alle nam-
haften Historiker und Eechtshistoriker , zuletzt die Kezensenten des Turbaschen
Buches ausgesprochen.
2) Hinsichtlich der drei erstgenannten hat Erben, Das Privilegium Fried-
richs für das Herzogtum Österreich (Wien 1902) den Nachweis versucht , dafs
sie spätere Interpolationen sind. Die diplomatische Untersuchung hat unleugbar
etwas Bestechendes, obwohl die objektive Fassung der verdächtigen Stellen nicht
ganz einzig dasteht und vermutlich aus dem Hofgerichtsurteil übernommen wurde.
Weniger überzeugend sind die anderen Argumente Erbens, auf die ich noch zu-
rückkomme. Vgl. Simonsfeld in der „Deutschen Literaturzeitung" XXV, 990,
1904. — Zur richtigen Auffassung der Stelle über die Gerichtsbarkeit siehe
B r u n n e r , Das Exemtionsrecht der Babenberger (Wiener Sitzungsberichte
XLVII, 355).
3) Die wichtige Urkunde ist nicht mehr im Original, sondern nur noch in
mehreren Kopien aus dem 13. Jahrhundert erhalten. Abgedruckt in den M. G.
SS. XVII, 383, im Archiv für österreichische Geschichte VIII, 110 (Watten-
tach), bei Schwind-Dopsch, Ausgewählte Urkunden zur österreichischen
Verfassungsgeschichte (Innsbruck 1895) S. 8 und bei Erben a. a. 0. im Anhang.
Als Zeugen erscheinen verschiedene Fürsten und Grafen des deutschen Reiches,
ferner die Brüder des neuen Herzogs Otto von Freising und Konrad von Passau,
aus den an Österreich angrenzenden Gebieten aufser Wladislaw von Böhmen
noch der Graf von Putten , endlich einige auch in Österreich begüterte Grafen :
313 Elftes Kapitel. Ein halbes Jahrhundert ßabenbergiseher Politik.
völlig abhängigen, von einem Markgrafen verwalteten Grenzlande
zu einem fast selbständigen fürstlichen Territorium geworden, das
den alten Herzogtümern an Rechten nicht nur gleichstand, sondern
sie zum Teile sogar übertraf. So ist dieser 17. September 1156
der Geburtstag nicht nur des Herzogtums ()sterreich geworden,
sondern auch des grofsen Staatswesens, auf das später der Name
überging.
Gebhard von Sulzbach, Gebhard von Burghausen und der Graf von Peilstein. —
Das angebliche Original der Urkunde, das im Staatsarchiv in Wien aufbewahrt
wird, ist eine Fälschung aus der Zeit Herzog Kudolfs IV., das sogenannte Privi-
legium malus. Sonderbarerweise waren die Historiker eine Zeitlang umgekehrter
Ansicht. So verwarf Hormayer das Privilegium minus (siehe besonders „Das
grofse österreichische Hausprivileg und die bayerischen Archive", München 1832),
und selbst Forscher wie Zöpfl, Gengier und Pertz schlössen sich ihm an
trotz des Widerspruches von Moritz u. a. Nachdem Waitz (Berliner Jahr-
bücher für wissenschaftliche Kritik S. 81 , 1838) abermals Bedenken geäufsert
hatte, war dann Böhmer in seinen Kegesten des Kaiserreiches der erste, der —
allerdings ohne weitere Begründung — das Privilegium malus verwarf und das
minus für ein Machwerk des 14. Jahrhunderts erklärte. Die nähere wissenschaft-
liche Begründung gab dann in ausführlicher Weise Wattenbach, Die öster-
reichischen Freüieitsbriefe (Archiv f. österr. Gesch. VIII, 77, 1852), der überdies
die Fälschung genauer in die Zeit Herzog Eudolfs IV. verlegte. Aber die Wahr-
heit fand keineswegs sogleich überall Zustimmung, namentlich die österreichischen
Historiker sträubten sich noch lange dagegen. In erster Linie Chmel, der
beide Privilegien verdächtigte und sie bald in die Zeit König Ottokars, bald
Herzog Leopolds des Glorreichen versetzen wollte (Wiener Sitzungsber. VIII, IX,
1852, XI, 1853, XXIH, 1857, XXVIII, 1858; Mon. Habsburg. 12). Selbst
Lorenz, Die Erwerbung Österreichs durch Ottokar, war noch nicht von der
Echtheit des Privilegium minus überzeugt. Erst Ficker, Über die Echtheit des
kleinen österreichischen Freiheitsbriefes (Wiener Sitzungsber. XXIH, 489, 1857)
und Huber, Über die Entstehungszeit der österreichischen Freiheitsbriefe (eben-
daselbst XXXIV, 17, 1860) setzten das Verhältnis der beiden Urkunden und die
Zeit der Fälschung endgültig fest und rechtfertigten dabei Wattenbachs An-
schauungen. Vgl. dazu noch Berchtold, Die Landeshoheit Österreichs nach
den echten und unechten Freiheitsbriefen (München 1862) und Erben a. a. 0.
Auf das Privilegium malus werde ich im zweiten Baude noch zurückkommen.
Zwölftes Kapitel.
Der Zustand des Landes bei der Erhebung zum
Herzogtum.
Es wäre falsch, wollte man in dem österreichischen Freiheits-
brief lediglich den Ausflufs einer aufserordentlichen Gnade des
Kaisers erblicken. Er war vielmehr ein Produkt gegebener Ver-
hältnisse und ein unumgängliches Gebot der Staatsklugheit. Der
ganze Vorgang durfte nicht den Charakter einer Strafe an sich
tragen. Der Kaiser war sich jedenfalls darüber klar, dafs er sich,
wenn er Heinrich von Osterreich, der noch dazu sein Oheim war,
sein Herzogtum nehmen wollte, nachdem dieser und sein verstorbener
Bruder Kaiser und Reich die treuesten Dienste geleistet hatten,
einer Ungerechtigkeit schuldig machen würde, einer Ungerechtig-
keit, die nicht nur seinem Sinn widerstreben mochte, sondern die
auch politisch unklug gewesen wäre, da sie ihm gewifs viele Reichs-
fürsten, auf deren Hilfe er bei seinen weitausschauenden anderen
Plänen angewiesen war, entfremdet hätte. Demnach konnte an
eine Schmälerung der bisherigen "Würde Heinrichs gar nicht ge-
dacht werden, und ein solches Verfahren hätte auch durchaus dem
Herkommen im Reiche widersprochen, das eine Degradation nicht
kannte. Durch eine blofse Gleichstellung Österreichs mit den
anderen Herzogtümern des Reiches und speziell mit Bayern war
aber Heinrich auch nicht gedient, denn trotz der bisherigen unter-
geordneten Stellung der österreichischen Markgrafen unter den
Reichsfürsten hatten sie doch infolge der eigentümlichen Verhältnisse
im Grenzlande, die wir schon kennen gelernt haben, so manche
Vorteile gewonnen, die ihnen einen Vorzug gegenüber den alten
Stammesherzögen gewährten und ihnen doch nicht gut entzogen
314 Zwölftes Kapitel.
werden konnten. Da war vor allem die Erblichkeit der Würde. In
den Herzogtümern, besonders auch in Bayern hatten die deutschen
Könige bisher aus poUtischen Gründen die Erblichkeit immer wieder
zu durchkreuzen gewufst. Kaum, dafs hier und da der Sohn dem
Vater folgte, der Enkel kam nicht mehr zur Regierung. Gerade
im Gegensatz dazu, namentlich gegen Bayern hatten die Könige
aber die Erblichkeit der Markgrai'enwürde im Geschlechte der
Babenberger seit nahezu zweihundert Jahren begünstigt, selbst zu
Zeiten, da ihre Treue sehr zweifelhaft war. Diese Erblichkeit der
Würde konnte ihnen also nicht geschmälert werden. Dafs auch die
weibliche Deszendenz als erbberechtigt erklärt wurde, bedeutet aller-
dings eine weitgehende Begünstigung. Immerhin ist auch in dieser
Hinsicht auf gewisse Bevorzugungen des weiblichen Geschlechtes,
wie sie in Österreich und bei den Babenbergern üblich waren,
hinzuweisen; z. B. pflegten die Töchter bei der Heirat mit Land
ausgestattet zu werden.
Auch durch die Verfügung über die Gerichtsbarkeit ^) wurde
dem neuen Herzog keineswegs eine unerhörte Gnade verliehen,
sondern lediglich die dem Markgrafen ohnehin- schon zustehende
Gewalt fixiert und mit der herzoglichen vereinigt. Schon vorher
teilte der Markgraf die richterliche Gewalt mit keinem Grafen,
wie dies in den Herzogtümern der Fall war, sondern vereinigte
sie in seiner Hand. Aber auch exemte Gebiete gab os im Vergleich
zu den Verhältnissen in anderen Ländern, wo grofse bischöfliche
Territorien bestanden, kaum, und in bezug auf die meisten Klöster,
die in Österreich Besitz hatten, übten die Babenberger die Gerichts-
barkeit als Vögte aus. Das Privilegium sollte mit seiner Bestim-
mung nur neue gerichtliche Exemtionen hintanhalten. Der Herzog
konnte die richterliche Gewalt auch weiter verleihen. Die bisher
bestehenden Immunitäten und die feudale niedere Gerichtsbarkeit
1) Über die Auffassung des diesbezüglichen Passus im Privilegium minus
siehe besonders Brunner, Das gerichtliche Exemtion sreclit der Babenberger
(Wiener Sitzungsber. XL"VII, 343) gegen Berchtold,Die österreichische Landes-
hoheit (München 1862), der annahm, dafs der Königsbann nunmehr an den Herzog
übergegangen sei, d. h. dafs jegliche richterliche Gewalt, auch die niedrige, vom
Herzog verliehen werden mufste. Siehe aufserdem Luschin, Geschichte des
älteren Gerichtswesens in Österreich ob und unter der Enns (Weimar 1879).
Der Zustand des Landes bei der Erhebung zum Herzogtum. 315
wurden nicht berührt, ebensowenig das Appellationsrecht an den
König und dessen oberste Gerichtsbarkeit ').
Es bleiben also noch die Bestimmungen des Privilegiums über
die Verpflichtungen des Herzogs von Österreich gegen das Reich
hinsichtlich des Besuches der Hoftage und der Heereszüge und über
das Jus affectandi, d. h. das Verfügungsrecht über die Nachfolge
im Falle der Kinderlosigkeit. Es wäre nicht ausgeschlossen, dafs
sie etwa neunzig Jahre später in die Urkunde interpoliert worden
sind 2). In der Tat begegnen wir in der ganzen Folgezeit den
österreichischen Herzögen sowohl auf aufserbayerischen Hoftagen,
als auch bei Reichskriegen fern von den Grenzen ihres Landes,
z. B. war Herzog Heinrich sogar bereits im Jahre 1158 wieder in
Mailand. Aber schliefslich konnten sie ja auch, wenn sie wollten,
die Begünstigungen unbenutzt lassen. Auch darf man bei allen
Begünstigungen des österreichischen Herzogs nicht aus dem Auge
verlieren, dafs sie nur so lange Geltung hatten, als die Herzöge
dem Kaiser Treue hielten.
Man hat die eigentümhche Verquickung der herzoglichen und
markgräflichen Gewalt, wie sie sich im Privilegium minus aus-
drückt, nicht unzutreffend als Markherzogtum bezeichnet. Es stand
in der Mitte zwischen den alten Stammesherzogtümern und den
dem Reiche mit Waffengewalt angegliederten nichtdeutschen Terri-
torien wie insbesondere Böhmen.
Wir haben gesehen, wie die Babenberger im letzten Jahr-
hundert stetig an der Erlangung einer gröfseren Selbständigkeit
zuerst gegenüber dem Herzogtum Bayern, dann gegenüber dem
Reiche gearbeitet hatten ^) , wie ihre Stellung allmählich in die
1) Luschin a. a. 0. 17.
2) Dies hat Erben a. a. 0. aus diplomatischen und aus politisch-recht-
lichen Gründen nachzuweisen gesucht. Die Argumentation, dafs durch die Be-
stimmungen über Heerfahrt und Besuch der Hoftage der Herzog von der Anteil-
nahme an den Eeichsangelegenheiten ausgeschlossen worden wäre, ist mir nicht
recht verständlich. Heerfahrt und Besuch der Hoftage war eine Pflicht der
Eeichsfürsten und wurde sicher auch als Last empfunden. Die Bestimmungen
■waren Begünstigungen, büdeten aber keinen Zwang. Auch werden wir noch sehen,
dafs im Georgenberger Vertrage den steirischen Ministerialen dieselben Begünsti-
gungen in dieser Hinsicht wie den österreichischen verliehen worden sind.
3) Vielleicht hängt es damit auch zusammen, dafs Leopold IH, im Jahre
31« Zwölftes Kapitel.
neue Würde, die scliliefslich ihre ßeniühungen krönte, hinein-
gewachsen war. Aber auch das Land, die Mark selbst, hatte
sich unter ihnen allmählich aus einem wenig kultivierten, vielfach
geiahrdeten Grenzland, das durch tausend Fäden mit dem Mutter-
lande verbunden war und alle Kräfte der Bevölkerung, der ma-
teriellen und geistigen Kultur daraus bezog, zu einem wohlhaben-
den , blühenden , selbständigen Gebiete mit eigenem Leben und
eigener Kultur entwickelt.
Dem verwöhnten Sohne eines alten Kulturlandes konnte frei-
lich die Mark noch immer einen etwas unwirtlichen Eindruck
machen, wie dies der Hofkaplan König Ludwigs VIL von Frank-
reich, Odo von Deuil, äufserte, der im Jahre 1147 hier die Strafse
ins Gelobte Land fuhr ^), aber dennoch war ohne Zweifel die Summe
des Geleisteten erstaunlich. Wie rasch damals die Kolonisation
des Landes vorwärtsschritt, läfst sich an einigen Beispielen er-
kennen: Fucha, noch 1083 ein desertum, ist 1162 eine Ortschaft,
Mauerberg (Mailberg), ursprünglich der Name eines AValdes (noch
1055), 1082 ein Ort;> in silva Houperg wurde 1083 eine grofse
Pfarre gegründet, schon zwischen 1121 und 1138 kann Michelbach
als neue Pfarre davon getrennt werden, und 1162 werden schon
wieder zwei neue Kirchen Hainfeld und St. Veit genannt. Es war
auch die Zeit, in der das Waldviertel in Nieder-, das Mühlviertel
in Oberösterreich so recht eigentlich erst der Ansiedelung er-
schlossen wurden. Die Kolonisation des Landes war nun fast
ganz beendet. Die letzte grofse Etappe der Rodungen und Land-
gewinnungen, der dann allerdings noch, wie wir sehen werden,
einige kleinere Nachzügler folgten, wird durch das Auftreten der
Zisterzienser bezeichnet, denn dieser Orden, der, wie bereits er-
wähnt, um die Mitte der dreifsiger Jahre des 12. Jahrhunderts
auch in Osterreich seinen Einzug hielt, verschmähte den arbeits-
losen Besitz und sah die Erfüllung der strengen Regel des heiligen
1136 auch für sein Land eine neue offizielle Bezeichnung erfand, nämlich Austria
(zum ersten Male angewendet in der Gründungsurkunde vom Heiligenkreuz, Font,
rer. Austr. XI, 1), wahrscheinlich um den durch die frühere Bezeichnung Marcha
orientahs leicht erweckten Anschein, als handele es sich um den östlichen Teü
eines auderen Landes, etwa Bayerns, zu verwischen (Vgl. Müller, Der Name
Österreich in Bl. d. Ver. f. Landesk. XXXV, 402, 1901).
1) M. G. SS. XXVI, 62.
Der Zustand des Landes bei dor Erhebung zum Herzogtum. 317
Benedikt nur in der Arbeit. Er entwickelte wie in ganz Deutsch-
land so auch in Osterreich eine hervorragende kolonisatorische
Tätigkeit. Die erste Zisterziensergründung Heiligenkreuz (1135)
lag allerdings nicht völlig in unbebautem oder unbewohntem Ge-
biet, wenn auch noch heute die Wälder der Umgegend auf die
Bestände der damahgen Zeit einen Schlufs gestatten. Dennoch
war der Ort für die Anlage des Klosters ausgezeichnet gewählt,
denn dieser Teil von Österreich besafs noch keinen derartigen
Mittelpunkt der Kultur.
Eine noch weit bedeutendere Kulturmission liel dem Kloster
Zwettl ^) zu, das zwei Jahre später mitten im dichten Nordwalde
in halb slawischem Gebiet gegen die böhmische Grenze zu —
auch der Name stammt aus dem Slawischen (Svetlo=Lichtung) —
der Ministeriale Hadmar von Kuenring mit Zustimmung seines
Lehnsherrn, des Markgrafen Leopold IV., gründete, indem er
Mönche aus Heiligenkreuz dahin berief. Es wurde von seinem
Stifter und vom Markgrafen reichlich ausgestattet, und seine Be-
deutung durch einen Bestätigungsbrief des Königs (1139) betont,
der es darin ausdrücklich als „Weihgeschenk für des Reiches Be-
stand" bezeichnet^). Ebenso erhielt auch Heiligenkreuz einen
königlichen Schutzbrief und beide den Schutz und Zehntbefreiung
des Papstes ^).
Damit im Zusammenhang steht eine weitere Zisterziensergrün-
dung an den Ausläufern des Nordwaldes gegen das Donauufer, das
Kloster Baumgartenberg '^), wohin Otto von Machland im Jahre
1) Fräst, Geschichte des Stiftes Zwettl (Kircbl. Topogr. XVI. Bd.). —
Liber fund. Zwettl. (Font. rer. Austr. 2. Abt. III.) — T a n g 1 , Studien über das
Stiftungsbuch des Klosters Zwettl (Archiv f. öst. Gesch. LXXVI, 261, 1890) mit
wichtigen Untersuchungen über die leider noch unedierten ältesten Zwettler Ur-
kunden. Ein Urkundenbuch bereitet P. Benedikt Hammerl vor. Das genaue
Datum der Gründung ist der 31. Dezember 1137. — Vgl. auch Friefs, Die
Herren von Kuenring (Wien 1874).
2) M ei Her 26, 29. Abgedruckt bei Tan gl a. a. 0. 347 und seine Aus-
führungen darüber S. 327.
3) Jaffe, Eeg. Pont. 8079, 8080.
4) Über Baumgartenberg siehe Pritz im Archiv für österreichische Ge-
schichte XII, 1, 1854. — Urkunden bei Kurz, Beiträge zur Geschichte des
Landes ob der Enns, IH. Band.
318 Zwölftes Kapitel.
1141 ^leichi'alls Zisterzienser aus Heiligenkreuz berief. Dagegen
\vurde ein viertes Zisterzienserstitt, an der Donau stromaufwärts
gelegen, das Kloster Wilhering '), aus Rein in Steiermark besiedelt,
und zwar im Jahre 1146 auf Veranlassung der Brüder Ulrich und
Cholo von Wilheririg-Waxenberg.
Mit den gi'ofsen Rodungen und Siedelungen, die von diesen
Kulturstätten ausgingen und allerdings noch viele Jahrzehnte lang
sich fortsetzten, war im wesentlichen die Besiedelung der Ostmark
abgeschlossen. Der weiteren Rodung der Waldgebiete setzten die
Babenberger auch absichthch ein Ziel, da sie sich einen aus-
gedehnten Jagdbann bewahren wollten ^). Wenn man in Betracht
zieht, wie viele Orte im Laufe der Jahrhunderte wieder abgekommen
sind, so wird man sagen können, dafs in den meisten Gegenden
des Landes bereits im 12. Jahrhundert die heutige Anzahl der
Wohnstätten und Ortschaften nicht nur erreicht war, sondern in
manchen Teilen des Landes sogar übertrofFen wurde ^). Die Ent-
wdckelung innerhalb 150 Jahren war eine gewaltige und rasche
gewesen. Das war wahrlich ein anderes Land als das unkulti-
vierte Grenzgebiet, über das einst ein Markgraf Liutpold oder
Adalbert geboten und in dem noch sozusagen alles zu tun war.
Auch das mufs man sich vor Augen halten, will man die ver-
änderte Stellung des Markgrafen richtig beurteilen.
Wie die Markgrafen von Osterreich allmählicli auch zu den
hervorragendsten Grofsgrundbesitzern des Landes zählten, haben
wir bereits früher gesehen. Die letzten bedeutenden Schenkungen
1) Über Wilhering: Stülz, Geschichte des Zisterzienserstiftes Wilhering
(Linz 1840); Xenia Bernardina lU. ; Grillnberger, Die Anfänge des Zister-
zienserstiftes Wilhering (Studien u. Mitt. aus dem Benediktiner- u. Zisterzienser-
orden XXIV, 92) ; Urkunden in Kurz, Beiträge IV ; Das älteste Urbar, heraus-
gegeben von Grillnberger (54. Jahresber. d. Mus. Francisco-Carolinum).
2) Ein Beispiel dafür ist die Schenkung an Heiligenkreuz vom Jahre 1188
(Font. rer. Austr. 2. IX , 24) , worin ausdrücklich der Fortbestand des Waldes
ausbedungen wird. Vgl. Grund a. a. 0. 76.
3) Grund a. a. 0. 114 ff. hat für die verschiedenen Teile des von ihm
untersuchten Gebietes (Wiener Wald und Wiener Becken) die Ortschaftsdichte
im Mittelalter bestimmt. Danach kommen in einem gewissen Kaum heute auf
100 Quadratkilometer 11^ Ortschaften gegen 13 im Mittelalter; im nördlichen
Wiener Becken ist die Anzahl der Orte von 220 auf 179 herabgesunken; im
Tullnerfeld von 66 (oder 69) auf 54 usw.
Der Zustand dos Landes bei der Erhebung zum Herzogtum. 319
der deutschen Könige um die Mitte des 11. Jahrhunderts wurden
nach und nach durch vorteilhafte Tauschgeschäfte abgerundet.
Ausgedehnter Lehnsbesitz, namentiich Passauischer, kam dazu und
stellte die für eine erträgnisreiche Bewirtschaftung notwendige Ver-
bindung her. Endlich sind noch die reichen Einkünfte aus den
Vogteien der meisten in Österreich gelegenen oder begüterten Klöster,
wie Melk, Klosterneuburg, St. Polten, St. Nikolaus und zum Teil
Göttweig hinzuzuzählen. Bezeichnend ist, dafs Markgraf Leopold IIL,
als er 1136 seinem Sohne die Nachfolge sichern wollte, ihm vor allem
die Vogtei über die Kirchen und Klöster übertrug ^). Dagegen
gaben die Babenberger immer weniger Besitz aus der Hand, denn
seit Leopold IV. liefsen die unter seinen beiden Vorgängern so
freigebig geübten Schenkungen an die Klöster ziemlich stark nach.
Besitz in Österreich, namenthch kostbarer Weingartenbesitz
wurde von selten der Klöster immer mehr gesucht, und eine
Reihe auswärtiger Stifter wurde gerade in dieser Zeit teils durch
Schenkungen adehger Geschlechter, teils durch Tausch in Oster-
reich landansässig. St. Peter in Salzburg erhielt an der Als und
in Dornbach bei Wien, Formbach am Bisamberg, Ebersberg und
St. Nikolai bei Persenbeug, Berchtesgaden und Aldersbach bei
Krems, Reichersberg und Mallersbach am Kamp Güter ^). Ebenso
vermehrte sich der Besitz der österreichischen Klöster durch Schen-
kungen der Adeligen und Seelgerätstiftungen noch immer beträcht-
lich. Selbst der Strahl königlicher Gnaden fiel noch einmal unter
Leopolds IV. Halbbruder König Konrad vorübergehend auf sie.
Der Periode der grofsen Klosterreform unter Bischof Altmann war
schon längst wieder eine Zeit der Verweltlichung gefolgt. Die Art,
wie den Klöstern die Güter mühelos in den Schofs zu fallen pflegten,
hatte eine wahre Gier nach Besitzerwerb und den damit verbundenen
Vorteilen hervorgerufen. Langandauernde Besitzstreitigkeiten kamen
allmählich an die Tagesordnung, so zwischen Baumgartenberg und
Waldhausen um das Erbe ihres Stifters Otto von Machland "'),
zwischen Göttweig und Rott wegen Güter an der Schwarza ^).
1) Cont. Claustron. I (M. G. SS. IX, 610).
2) Siehe oben S. 301.
3) Kurz, Beiträge zur Geschichte des Landes ob der Enns III, 588,
4) Font. rer. Austr. 2. Abt. Vm, 270.
330 Zwölftes Kapitel.
Damit ging Hand in Hand das Streben der Klöster, sich von den
zuweilen drückenden Fesseln der weltlichen Macht frei zu machen,
das Streben nach Entvogtung. Aber auch von der Diözesangewalt
und deren Übergriffen suchten sie sich zu befreien. Wie Kloster-
neuburg Befreiung von der Abgabe des Marchfutters erlangte ^),
so erwarb Melk 1110 Eximierung von der Passauer Diözese, die
neugegründeten Zisterzienserklöster Zehntbefreiung ^). Als den Gött-
weigern trotz ihrer privilegierten freien Abtswahl vom Bischof
Konrad von Passau aus dem Hause der Markgrafen in der Person
Werners ein fremder Abt aufgenötigt wurde , fand man diesen eines
schönen Tages ermordet auf -). Im grofsen und ganzen wird man
indessen auch in bezug auf die Klöster sagen können, dafs die
Babenberger ihre Selbständigkeitsgelüste mehr zu unterdrücken,
ihren eigenen Einflufs auf sie mehr geltend zu machen wufsten,
als dies anderswo von selten der Landestürsten der Fall war. In
der Tat spielten die österreichischen Klöster im früheren Mittel-
alter fast gar keine politische Rolle.
W^as den weltlichen Grofsgrundbesitz betrifft, so war hier alles
bedingt von dem grofsen sozialen Umschwung, der sich in unserer
Periode vollzog, vielleicht einem der gröfsten, den die mittelalter-
liche Welt durchgemacht hat. Die bisherige germanische Gesell-
schaftsordnung beruhte einzig und allein auf der Unterscheidung
von persönhcher Freiheit und Unfreiheit. Im 12. Jahrhundert
verwischte sich dieses Moment mehr und mehr und an seiner Statt
begann Gleichheit oder Verschiedenheit der Lebensbedingungen
und der Lebenstellung für die Bildung neuer Gesellschaftsgruppen
entscheidend zu werden. So entsteht eine neue, eine ständische
Gliederung. Eines der Hauptkriterien war jetzt die Wehrhaftig-
keit, die Rittermäfsigkeit, in der Folge die Ritterbürtigkeit, ohne
dafs länger persönliche Unfreiheit ein Hindernis gewesen wäre *),
1) Stumpf, E. 3524.
2) Siehe oben S. 317.
3) Vita Altmanni c. 44. (M. G. SS. XII, 243).
4) Die ursprüngliche Unfreiheit der Dienstmannen wird jetzt von fast allen
namhaften Forschern angenommen. Dagegen wendet sich in neuester Zeit nur
Ernst Mayer, Deutsche und französische Verfassungsgeschichte vom 9. bis
14. Jahrhundert n, 201.
Der Zustand des Landes bei der Erhebung zum Herzogtum. 331
obwohl natürlich die alten Unterschiede nicht mit einem Male ver-
wischt werden konnten.
Noch blühten die meisten der alten Grafen- und Freien-
geschlechter, aber neue wuchsen in unserer Periode kaum mehr
hinzu, höchstens dafs durch Filiation und Heirat neue Zweige ent-
standen. Die Grafen von Neuburg-Falkenstein, von denen Herrand
die Burg Herrantesstein (jetzt Hörnstein oder Hernstein) an der
Leithagrenze , Hademar die Burg Hammerstein gründete^), und
die Grafen von Pernegg, die hauptsächHch um Drosendorf, Geras
und Pernegg begütert waren, aber vermutlich nur einen Zweig der
Grafen von Raabs bildeten '^) , tauchen so ziemHch als letzte neue
Grafengeschlechter im Lande während des 12. Jahrhunderts auf. Et-
was zahlreicher waren die kleinen Herrengeschlechter, die Ende des
11., Anfang des 12. Jahrhunderts hervortreten und sich nach ihren
Burgen, um die ihr zumeist nicht umfangreicher Besitz lag, nennen.
Sie waren in der Regel Lehnsleute der Markgrafen. So finden
wir im Süden des Landes die Herren von Traisen, Kuffarn, Lengen-
bach, Griesbach, im Norden die Herren von Kamp, Grie, Ranna,
Schleunz, Nalb u. a. m.
Da wurde es denn von weittragender Bedeutung, dafs nun
eine neue ebenfalls waffenfähige, also nach dem sich ausbildenden
neuen Begriff ebenfalls rittermäfsige Klasse aus unfreiem Ursprung
emporkam und sich einen Platz an der Seite der altfreien Ge-
schlechter zu erringen suchte 3). Seit etwa 1130 tauchen diese
Dienstmannen oder Ministerialen zahlreich in den Urkunden der
Markgrafen auf, von denen hier nur einige genannt werden sollen,
die eine hervorragendere Rolle spielten oder deren Namen noch heute
an Örtlichkeiten haften, so vor allem die Kuenring, die Gründer
1) Becker, Falkenstein und die Falkensteiner (Bl. d. Ver. f. Landesk,
XIX, 420, 1885) und Herrenstein (Wien 1882—1888), von welchem umfang-
reichen Werke hier der HI. (histor.) Teü von Zahn in Betracht kommt.
2) Über die Grafen von Pernegg gibt am besten Äufschlufs die Arbeit
von Zak über das Prämonstratenserstift gleichen Namens (Bl. d. Ver. f. Landesk.
XXXIV, XXXV, 1900, 1901).
3) Siegel, Die rechtliche Stellung der Dienstmannen in Österreich im
12. und 13. Jahrhundert (Sitzungsberichte d. Wiener Akademie CH, 235 , 1883),
Zallinger, Ministeriales und Milites (Innsbruck 1878) und Die Eechtsgeschichte
des Kitterstandes und das Nibelungenlied (Jahrbuch der Leogesellschaft XXXII, 1899).
Vancsa, Geschichte Nieder- u. Oberösterreichs. ^I
333 Zwölftes Kapitel.
Ton Zwettl, die Zelking, die Traun, Julbach, Pottenbrunn, Sulz,
Katzelsdort', Kirchling, Kranichberg, Als, Mistelbaeh, Ort, Kilb,
Winkel, Topel, Zebingen, Hintberg (Himberg), Simmering, Tul-
bingen, Schönberg, Wilhering u. v. a. m.
Diese Dienstmannen hatten keinen eigenen Besitz, sondern
zunächst nur ein Dienstlehen zu ihrem Lohn und Unterhalt, er-
langten aber im Laufe des 12. Jahrhunderts die passive und aktive
Lehnbarkeit, d. h. sie konnten mit beliebig vielen Lehen aus-
gestattet werden und durften ihre Lehen weiter verleihen ; ja manch-
mal wurden ihnen auch ausdrücklich Schenkungen gestattet ^).
Von den Abgaben der Hörigen waren sie befreit. Wie die Freien
können sie Zeugnis ablegen — sie werden in den Urkunden hinter
jenen genannt — , sich mit Eideshelfern rechtfertigen und Gerichts-
beisitzer werden. Da sie ihren Herren zunächst in persönlichen
Dienstleistungen zur Seite standen, gewannen sie als Waffenträger
und dann als Berater einen ganz hervorragenden Einflufs. Sie
repräsentierten die Wehrmacht der Markgrafen. Darum stützten
sich diese ganz besoqders auf sie und bevorzugten sie gegenüber
den anderen Grofsen des Landes, weil eben die Ministerialen der
Natur der Sache nach ihnen mehr verpflichtet und ihre Interessen
viel enger mit denen der Babenberger verknüpft waren. Daher
begegnen jetzt häufig ehrende Bezeichnungen für sie : optimi, nobiles,
summi, primi, maiores, viri illustres.
Aber nicht nur die Markgrafen, auch die Grafen und Freien
des Landes, sowie die Klöster, ja später sogar die mächtigeren
Ministerialen selbst hielten sich bewaffnete Mannen, von denen
wenigstens einzelne von Grafen und Klöstern abhängige gleichfalls
Ministerialen genannt wurden und eine ähnliche Stellung einnahmen 2),
in der Regel aber viel tiefer standen, da sie nur den Waffendienst,
nicht aber den Hofdienst ausübten und blofs das passive Lehns-
recht besafsen. Es sind die Milites oder Ritter, in bezug auf ihre
Stellung im Heerbann „einschildige" Ritter genannt ^).
1) Z. B. in dem Privileg für das Kloster Keichersberg vom Jahre 1142.
2) So werden Ministerialen der Grafen von Hohenburg, Peüstein, Kaabs,
Pernegg, Schaumberg usw., der Klöster Kremsmünster und Göttweig genannt.
Vgl. Sie gl a. a. 0. 237.
3) Strnadt, Die einschildigen Ritter im 13. Jahrhundert um Krems-
münster (Linzer Zeitung vom 7., 14. und 21. Juli 1895).
Der Zustand des Landes bei der Erhebung zum Herzogtum. 333
Die grofse soziale Umwertung liefs endlich auch die unteren
Klassen nicht unberührt. Auch hier verblafste das Moment der
persönhchen Unfreiheit nach und nach, und die WafFenunfähigkeit
einerseits, die Beschäftigung mit dem landwirtschaftlichen Betrieb
andrerseits bildeten jetzt das Kriterium: jetzt erst kann man von
einem Bauernstand sprechen. Wie scharf dann wieder die einzelnen
neugebildeten Klassen und Stände voneinander getrennt waren,
geht daraus hervor, dafs der Landfrieden von 1156 und die Kon-
stitution Kaiser Friedrichs I. von 1187 Bauernsöhne überhaupt
vom ritterlichen Leben ausschlössen.
Waren solchermafsen die Dienstmannen in Osterreich schon
frühzeitig zu einer bemerkenswerten Selbständigkeit gelangt, so
war doch andrerseits der Markgraf darauf bedacht, sie durch Dienste
und Abgaben möglichst auszunutzen und an sich zu fesseln. Be-
sonders Abgaben lasteten auf dem weltlichen und geistlichen Grund-
besitz der Mark viele und mannigfaltige ^), die aus den Befugnissen
des Markgrafen als Heerführers, beziehungsweise Leiters der Grenz-
verteidigung und als obersten Richters entsprangen und daher als
vom Reiche lehnsrührig angesehen wurden ^).
Da war vor allem eine ganz spezifisch märkische Abgabe,
das Marchfutter (Marchdienst oder Marchmutte, annona marchialis,
iustitia marchiae), die sich allerdings nur auf die vom Kriegsdienst
Befreiten, also hauptsächlich die geistlichen Grundbesitzer erstreckte,
die das Futter (Hafer) für die Pferde (Märe, Marc) liefern mufsten 3). —
1) Siehe Dopsch, Beiträge zur Geschichte der Finanzverwaltung Öster-
reichs im 13. Jahrhundert (Mitt. des Inst. f. österr. Gesch. XVIII, 232 und
Einleitung zu den Österr. Urbaren I). — Den besten Einblick gewährt die Ur-
kunde für die Propstei Neustift aus dem Jahre 1164 (Meiller, Keg. 46, 63).
2) So noch in den kaiserlichen Urkunden von 1189 (Font. rer. Austr.
XXXI, 121) und 1217 (Meiller, Keg. 121, 147).
3) Vgl. Brunners Erklärung in den Sitzungsberichten der Wiener Aka-
demie XLVII, 843. Dagegen allerdings Waitz, Verfassungsgeschichte VIII,
392 Nr. 2. — Gegen Schröders (Deutsche Kechtsgesch. 432, 4. Aufl.) An-
sicht, das Marchfutter wäre eine Abgabe von allen Neukulturen, siehe Dopsch
a. a. 0. 238. Vgl. ferner Wretschko, Das österreichische Marschallamt im
Mittelalter 38 (Wien 1897). — Zu trennen von dieser ursprünglichen Bedeutung
des Marchfutters ist die spätere (seit Ende des 13. Jahrhunderts), die sich mit
Vogtrecht und Vogthafer vermengt. Auch die Marchsteuer ist davon zu unter-
scheiden.
21*
334 Zwölftes Kapitel.
Eine andere Leistung war das Burgwerk, das entweder in tätiger
Älithilte an der Aufführung und Erhaltung der für die Mark not-
wendigen Befestigungen (MateriaUieferung, Fuhren usw.) oder einer
entsprechenden Geldleistung bestand.
Bezogen sich diese Leistungen auf Krieg und Landesverteidi-
gung, so hingen andere mit dem markgräf liehen Gerichtswesen
zusammen. Die Bufs- und Sühnegelder gehörten dem Markgrafen.
Die Richter und die Gerichtsboten mufsten von der Bevölkerung
verköstigt, ihnen Pferde und Nachtquartier gestellt werden (die
Nachtseide) usw. Aufserdem legte die Landgerichtsfolge den ein-
zelnen gar manche Beschwerde und Auslage auf. Doch konnte
man sich später auch von ihr durch eine Geldabgabe, die so-
genannten Landpfennige, loskaufen. Zu diesen landesfürstlichen
Abgaben kamen dann noch die Vogteiabgaben und die Zehnten.
In letzter Linie bildete die gedeihliche Entwickelung des Landes,
der blühende Zustand der wirtschaftlichen Verhältnisse ^) die sichere
Grundlage, auf der alle diese weltlichen und geistlichen Kräfte
und die Macht des Markgrafen emporwuchsen.
Man darf natürlich, wie bei jeder reichen Entwickelung, nicht
blofs eine Bewegung nach einer einzigen Richtung hin annehmen;
es regen sich vielmehr gleichzeitig verschiedenartige Kräfte, die
eine Zeitlang parallel wirken, dann wieder sich kreuzen.
Die Grundherren übten auch über ihre Hinteisassen die Ge-
richtsbarkeit in den causae minores, d. h. die niedere Gerichtsbarkeit,
aus, und schon strebte man allerorts danach, ein eigenes Hofrecht
auszubilden. Dafs der Grundholde keine Freizügigkeit, kein Recht
an Grund und Boden besafs, war selbstverständlich und, wie wir
wissen, seit alters feststehend. Aber auch die Verheiratung hing
ganz vom Grundherrn ab, und dieser besafs auch das Erbrecht
auf den Nachlafs. Später trat für diese Rechte die mildere Form
der Abgaben ein. Im Todesfall erhielt der Grundherr das sogenannte
Besthaupt (das beste oder zweitbeste Stück Vieh), auch Mortuarium,
Todrecht, genannt. Der Zwang des Grundherrn erstreckte sich auch
auf die Abnahme von Lebensmitteln und Gewerbeprodukten. Die
1) Für das 12. Jahrhundert sind wir mangels an Quellen leider sehr un-
vollkommen darüber unterrichtet.
Der Zustand des Landes bei der Erhebung zum Herz-^gtum. 335
Grundholden mufsten ihren Wein, ihr Bier, ihr Mehl, ihre Kleidung,
ihre Hausgeräte aus den herrschaftlichen Weinschenken, Brauereien,
Mühlen und von den Handwerkern des Hofes beziehen.
Neben diesen Entwickelungsmomenten , die noch immer dem
Grofsgrundbesitz neue Kräfte zuführten, machte sich aber bereits
eine Bewegung geltend, die später die alte straffe Organisation der
Grundherrschaft lockerte und schwächte. Dieselbe hängt mit der
immer mehr zunehmenden Unmöglichkeit zusammen, bei dem An-
wachsen einzelner Gutskörper einerseits, bei der verstreuten Lage
der Gutsteile andrerseits die Zentralisation und den Eigenbetrieb
aufrechtzuerhalten. Die Grundherren waren genötigt, entlegenere
Gebiete von ihren Dienstmannen und Lehnsleuten als sogenannte
Meier oder Schaffer bewirtschaften zu lassen. Die Klöster halfen
sich hier und da damit, dafs sie Klosterbrüder in kleinen Wirt-
schaften, Obedienzen oder Propsteien, bei den Zisterziensern Grangien
genannt, exponierten, z. B. Garsten, Göttweig (Propstei Unternalb),
Öeitenstetten (Propstei auf dem Sonntagberg), Niederaltaich (Propstei
Spitz) und Formbach (Propstei Gloggnitz). Die meisten Hoch-
stifter und Klöster, von ihren österreichischen Besitzungen weit
entfernt, errichteten Fi'onhöfe, auf denen ihre Meier safsen. Aber
auch bei Nahbesitz und verhältnismäfsiger Zentralisation pflegten
die Grundbesitzer immer weniger den ganzen Betrieb allein dui'ch-
zuführen, sondern sich nur ein kleines Gebiet oder gewisse Arten
des Betriebes (Mühlen, Backhaus, Brauereien, Weinkelter und
Weinschank) vorzubehalten, den sogenannten Herrschaftsbann. Die
übrigen Hufen, Hofstätten und Curtiha, ja Ackergründe wurden
Zinsbauern überlassen, wie denn auch der Meier bei ausgedehnterem
Besitz genötigt war, das gleiche mit dem ihm zugewiesenen Gutsteil
zu tun. So wuchs auch die Stellung der Zinsbauern, und ihre
Lage besserte sich zusehends. Sie wurden selbständiger, fast
könnte mau sagen freier und gewannen Anteil an der Über-
produktion, dadurch auch gröfseres Interesse an der Bewirtschaf-
tung der ihnen zugewiesenen Hufen und Hufenteile, und aus
diesem Interesse zog wieder die Bewirtschaftung selbst ihren Vor-
teil. Ohne Zweifel haben sich anfangs, also im 12. Jahrhundert,
die geschilderten eigentlich einander feindlichen Strömungen noch
nicht gekreuzt, sondern sie gingen noch nebeneinander her, sie
S26 Zwölftes Kapitel.
gereichten gerade in Osterreich zunächst dem Grofsgrundbesitz
zum Vorteil, lorderten die Kultur des Landes und hoben die Lage
der Gesamtbevölkerung.
Von den landwirtschaftlichen Betrieben ') nahm ohne Zweifel
der Weinbau den gröfsten und raschesten Aufschwung, so dafs
Osterreich unter der Enns allmählich ganz vornehmlich ein Wein-
land wurde. Von den Rebenhügeln der Wachau, wo der Wein-
bau, wie wir wissen, schon in der Karolingerzeit blühte, zog er sich
nun tief in die Seitentäler der Donau : an die Pielach , an die
Traisen, an den Kamp, an die Perschhng, ins Tullnerfeld. Die
Umgebung von Wien wurde nunmehr ein neues Zentrum, die
sanft abfallenden Höhen des Kahlengebirges waren von Weingärten
überdeckt, und im weiteren Verlaufe des 12. Jahrhunderts zählte
das Stift Klosterneuburg allein bereits deren 53 in seinem Besitz.
Aber auch im Viertel unter Manhartsberg werden bereits die Wein-
pflanzungen von Retz und Markersdorf bis Schweinbarth, ja bis
Stillfried genannt, und im Südosten breitete sich der goldene Segen
imi Baden und Vöslau ,aus, so dafs Heiligenkreuz um 1149 schon
21 Weingärten besafs. Bald erlangten die österreichischen Weine
weitverbreiteten Ruf, und die süddeutschen Klöster aus weinarmen
Gegenden suchten durch Tausch oder Kauf in Osterreich Wein-
gärten zu gewinnen. Bald war der Wein ein hervorragender Artikel
des Ausfuhrhandels. Dafs gerade der Weinbau au.h eine starke
Änderung in der Wirtschaftsorganisation nach sich zog, darauf
wurde schon hingewiesen. Wo Weingärten waren, konnte der
Flurzwang nicht mehr aufrechterhalten bleiben, doch auch eine
Hufeneinteilung war nicht möglich; das Weingut konnte vielmehr
nur einer kleinen Hofstatt gleichgesetzt werden, denn es reichte zum
Unterhalt einer Familie nicht aus. Dagegen suchten die Wein-
bauern, die Hauer und Winzer, einen genossenschaftlichen Zu-
sammenschlufs , der sich zunächst in einem sich entwickelnden
besonderen Bergrecht ausdrückt. Beim Weinbau endlich finden
wir bereits um die Mitte des 12. Jahrhunderts eine besondere
Form der Besitz Verleihung in Gebrauch, die später immer mehr
1) Auch darüber siehe eingehend Dopsch in der Einleitung zu den „Öster-
reichischen Urbaren" S. CLXxvf.
Der Zustand des Landes bei der Erhebung zum Herzogtum. 337
Geltung gewann, die freie Erbleihe, die sogenannte Leihe zu Burg-
recht ^).
Im Feldbau ^) stand der Hafer, der nicht nur zur Nahrung
verarbeitet wurde, sondern auch als Viehfutter namentlich für die
Pferde und zur Malzbereitung diente, in erster Linie, nach ihm
der Roggen, weniger der Weizen (wesentUch nur im Marchfeld
und Waldviertel), sehr selten Gerste, daneben insbesondere Mohn,
dann Hülsenfrüchte und Gemüse, Lein und Hanf, auch Hopfen.
Obstbau, in Niederösterreich noch wenig betrieben, entwickelte
sich vielfach im Zusammenhang mit der Weingartenkultur, z. B.
im Tullnerfeld.
Was die Viehzucht betrifft, so bheb die Züchtung des Grofs-
viehes (Pferde, Rindvieh) im Domanialbetrieb, während das Klein-
vieh (Schafe, Ziegen, Schweine), das Geflügel und die Bienen
(wichtig wegen des Honigs als Zucker und des Wachses zur
Kerzenbereitung) den Zinsbauern überlassen wurden. Den ersten
Rang nimmt die Schweine- und Geflügel- (besonders Gans-) zucht
ein. Mit der Viehzucht in Verbindung steht einerseits die Wiesen-
kultur, die schon im 11. Jahrhundert in den Flufstälern der Donau,
Url, Ips und Pielach bezeugt ist, aber in der ersten Zeit spärlich
bleibt, andrerseits die Waldmast, besonders für die Schweine, aber
in Österreich auch für Schafe (Forstschafe), denn bei der Drei-
felderwirtschaft war eine Stallfütterung ausgeschlossen. Aufserdem
bot der Wald natürlich noch immer unerschöpflichen Jagdgrund
und Holzschlag. Ihn suchte der Landesfürst in der Hand zu be-
halten.
Auch der Fischfang in der Donau und ihren Alpenzuflüssen
war sehr erträgnisreich. Sogar Hausen (Störe) kamen damals noch
die Donau aufwärts bis nach Osterreich ^) , wie denn unter den
Abgaben auch „Hausenpfennige" erwähnt werden. Günstige Stellen
1) Um Krems (ÜB. d. L. o. d. Enns I, 165).
2) Einen guten Beleg bietet das Einkünfteverzeichnis des Bistums Freising
aus der Mitte des 12. Jahrhunderts (Inama-Stern egg, Deutsche Wirtschafts-
geschichte II, 476 Beil. I). Ebenso sind gerade hier die Ortsnamen zur näheren
Erkenntnis heranzuziehen (siehe oben S. 227).
3) Abt Gozbert von Tegernsee (982—1001) suchte sie aus Österreich durch
wahre Bittgesuche zu beziehen.
328 Zwölftes Kapitel.
für den Fischfang werden als „arichstetti" eigens vergabt. Es ist
sogar nicht ausgeschlossen, dafs in der Donau und anderwärts
Versuclie mit der Goldwäscherei gemacht worden sind, wenigstens
würden die Ortsnamen Goldwörth bei Linz, Goldarn im Mühl-
kreis, Goldruns im Marchfeld und Goldarn bei Sieghartskirchen,
die zumeist bereits im 12. Jahrhundert belegt sind, darauf hindeuten.
Von den herrschaftlichen Gewerbebetrieben war schon die
Rede. Neben den Mühlen, Backhäusern, Brauereien, Schmieden,
Kalköfen und Pechsiedereien ward namentlich auch die Gewandstube
des Herrenhofes wichtig, wo, zumeist von der weiblichen Dienerschaft,
die Kleider und alles vorbereitende Zubehör verfertigt wurden.
Bei den grofsen Herrschaften, besonders den Klöstern, waren die
Gewerbe organisiert und den verschiedenen alten Hofämtern zu-
gewiesen. Tuchwalkereien (Stampfen) sind besonders in Ober-
österreich mehrfach bezeugt ^), das Tuch von Wels besafs schon
um die Mitte des 12. Jahrhunderts einen Ruf-). Von den Klöstern
haben die Zisterzienserklöster auch auf dem Gebiete des Gewerbes
hervorragende Verdienste sich erworben. In ihnen wurden die
Gewerbe als Hausindustrie betrieben. Heihgenkreuz erhielt 1149
von Herzog Heinrich das Gut Münchendorf zu dem Zwecke, dafs
es von dem Erträgnis Werkstätten errichten könne ^). — Von den
Zinsbauern wurde wohl gleichfalls die Plausindustrie gepflegt.
Landwirtschaft, insbesondere Weinbau, und einige der gröfseren
Gewerbebetriebe ergaben eine Überproduktion, die auf dem Markte
abgesetzt wurde und schon damals einen gewissen, wenn auch
noch nicht hervorragenden Ausfuhrhandel zur Folge hatte, der,
durch die Kreuzzüge begünstigt, sich Donau abwärts nach dem
Orient bewegte, von wo wieder andrerseits \^^aren, namentlich
Stoffe, Gewürze u. dgl. eingeführt wurden. Aber auch gegen
Süden ging der Handelsverkehr: jedenfalls wurde Eisen und Salz
aus den nordsteierischen Gebirgen bezogen ^).
1) Urbar der Hofmark Steyr (Österr. Urbare 260). Vgl. dazu Dopscb
in der Einleitung S. clxxxis.
2) Studien und Mitteilungen aus dem Benediktiner- und Zisterzienserorden
XX, 161.
3j Font. rer. Äustr. 2. Abt. XI, 6.
4) Siehe jetzt insbesondere Luschin in der „Geschichte Wiens", hgg.
Der Zustand des Landes bei der Erhebung zum Herzogtum. 331>
So flofs der Reichtum des Landes aus hundert Quellen, so blühte
das Land, so wuchs die materielle Kultur, so lebten die Bewohner
im Wohlstande. Auch die Bevölkerungszahl mag, wie man aus
der Dichtigkeit der Besiedelung und der Vergröfserung der Wohn-
plätze schliefsen kann, sehr rasch gestiegen sein. Die günstigen
Lebensbedingungen verringerten die Sterblichkeit und lockten noch
immer neuen Zuzug aus dem Westen an.
Aber auch die geistige Kultur, vordem unter der Gefährdung
des Grenzlandes und den schweren Mühen des Kolonisten stark
in den Hintergrund gedrängt, hatte sich in den letzten fünfzig
Jahren aus den Keimen, die das Zeitalter Altmanns gelegt hatte,
überraschend reich entwickelt. Allerdings waren die Kreuzzüge
für diese Entwickelung ganz aufserordentlich günstig. Die grofse
kirchenreformatorische Bewegung, die in Osterreich einen so frucht-
baren Boden fand, spann geistige Fäden hinüber nach dem Westen,
vor allem nach Frankreich, dem Geburtslande dieser Bewegung.
Der Prinz des Babenbergischen Hauses, Bischof Otto von Freising,
vordem Konventuale von Morinmnd und Propst von Klosterneuburg,
ist uns bereits als edle Verkörperung dieses Kulturaustausches ent-
gegengetreten. Französische Wissenschaft — Theologie in der Form
der Scholastik — und französische Bildung gelangten so in die Donau-
lande, aber auch französische Sitten. Schon 1125 wurde an dem
Sohne Markgraf Leopolds HL Adalbert mit noch 120 anderen Söhnen
adeliger Häuser der feierliche Ritterschlag vorgenommen ^). Später
drangen mit anderen ritterlichen Gebräuchen insbesondere die Turniere
aus Frankreich ein. Die Kreuzzüge, namentlich der des Jahres 1 147,
bei dem, wie wir bereits wissen, auch das französische Heer längs
der Donau durch Österreich zog und hier lagerte, ja französische
Priester sogar österreichische Kirchen weihten — Bischof Heinrich
von Troyes weihte die Kirche von Werd bei Melk — , steigerten
vom Altertumsvereine 1 , 397 f. (mit einer Karte der Verkehrswege). Vgl. auch
Schreiber, Der Donauverkehr von den ältesten Zeiten bis zum Ausgange des
Mittelalters (V. Jahrosber. der Handelsschule in Bozen 1895) und Newald,
Ein Beitrag zur Kenntnis der alten Strafseuverbindungen des Wiener Beckens
mit den obersteierischen Eisenbergwerken und Salinen (Bl. d. Ver. f. Landesk.
IV, 282, 1870).
1) Contin. Claustroneob. I. M. G. SS. IX, 613.
330 Zwölftes Kapitel.
diese Eintlüsse. Vor allem aber brachte der betriebsame Orden
der Zisterzienser wichtige Kulturelemente aus Frankreich nach
Österreich. Gewerbe, Kunstgewerbe und Kleinkünste, besonders
aber die Architektur nahm durch ihre an französische Vorbilder
anknüpfenden Arbeiten einen gewaltigen und für die Folgezeit
bestimmenden Aufschwung '). Die ältesten, bis auf die Gegenwart
erhaltenen Baureste des Mittelalters in Niederösterreich führen uns
in die neugegrüudeten Zisterzienserklöster, in erster Linie nach
Heiligenkreuz, und zeigen bereits den schön ausgebildeten roma-
nischen Stil nach französischen Mustern, besonders Citeaux 2).
Wenige Jahrzehnte später (um 1181) schuf ein französischer
Meister, Nikolaus von Verdun, von dem auch der Marienschrein
in Tournai stammen dürfte, für Klosterneuburg, das ja auch eine
Zeitlang von dem französischen Zisterziensersitz Morimund be-
einflufst war, jenes herrliche Werk der Emailtechnik, das ursprüng-
lich Verkleidung einer Kanzel war, im Jahre 1318 aber nach einem
Brande zu einem Altarwerke umgewandelt wurde und noch heute
als Verduner Tafeln weltberühmt ist ^).
Frankreich übte wohl die stärkste, aber durchaus nicht die
einzige Einwirkung aus. Wie gewaltig mufs die Phantasie des
Volkes durch die Kreuzzüge ins ferne, sagenumsponnene Gelobte
Land angeregt worden sein! Die Heimkehrenden erzählten von
den Wundern des Orients, von den Kämpfen mit den Ungläubigen
und brachten fremdartige, verlockende Schätze mit. Für Osterreich
wurden die Kreuzzüge von ganz besonderer Bedeutung dadurch,
dafs einerseits, wie wir sahen, die natürUche Heerstrafse durch
das Land führte, und dafs andrerseits durch sie eine direkte Ver-
bindung angeknüpft wurde, die sich in der Vermählung Herzog
l)Strygowski in Ilgs Kunstgesohichtl. Charakterbildern aus Öster-
leich (Prag, Wien, Leipzig 1893); Sacken in der Topographie von Nieder-
österreich I, 662.
2) Neuwirth, Zisterzienserkunst in Österreich während des Mittelalters
(Kektoratsrede an der technischen Hochschule in Wien, Wien 1903).
3) Über die Kunst in Klosterneuburg siehe Drexler, Das Stift Kloster-
neuburg. Eine kunsthistorische Studie (Wien 1894). — Über den Verduner
Altar schrieb zuerst Heider in den Berichten und Mitteüungen des Altertums-
vereines zu Wien IV, 1860 eine eingehende Monographie; jetzt Drexler, Der
Verduner Altar (Wien 1903).
Der Zustand des Landes bei der Erhebung zum Herzogtum. 331
Heinrichs mit der griechischen Prinzessin Theodora gewissermafsen
verkörperte. So kam an den Wiener Hof, der kurz zuvor franzö-
sischen Sitten Eingang gewährt hatte, auch orientahsches Wesen ^).
Auf die engen Beziehungen zum heiUgen Lande ist es auch zurück-
zuführen, dafs im Jahre 1156 der dort gegründete Ritterorden
der Johanniter ein Gut in Osterreich, nämhch zu Mailberg, er-
hielt ^) , wo später eine eigene Johanniterkommende entstand.
Die kriegerischen, abenteuerreichen Zeiten, in denen so mancher
die heimatliche Scholle verliefs, um im fernen Osten in wilden
Kämpfen seinen Mut zu versuchen, weckten aber auch aufs neue
den Sinn für die Heldendichtung.
Namentlich jene alten Sagen und Heldenlieder, die in so
wundersamer Weise die Elemente des germanischen Mythos, die
Erinnerung an den gewaltigen Zusamraenprall der germanischen
Völkerschaften mit den Hunnen in den Donauländern zur Völker-
wanderungszeit und die dichterische Ausgestaltung und Verklärung
der Kämpfe mit den Ungarn im 10. Jahrhundert in getreuer
Widerspiegelung der Verhältnisse, Personen und Ortlichkeiten
vereinigten, und die beiden Hauptelemente des österreichischen
Stammes, das fränkische und das bayerische, in den spezifisch
fränkischen und bayerischen Nationalhelden Siegfried und Dietrich
miteinander in Verbindung bringt, der Sagenkreis von den Nibe-
lungen ^) , lebte in diesen für die österreichischen Lande so reich
bewegten Zeitläuften, in denen man die neugewonnene Bedeutung
1) Der alte österreichische Kinderschlafspruch „Haidi pupaidi, haidi pupai"
scheint tatsächlich dem griechischen „ivd^ jxov naiSiov, tvSi fxov nat" nach-
gebildet zu sein und stammt vielleicht aus der Babenberger Zeit. Wie wir noch
sehen werden, wiederholte sich übrigens die Verbindung mit Byzanz. Vgl. Seng-
schmitt, Über den Zusammenhang der österreichischen Volkssprache mit den
drei ältesten deutschen Mundarten (Programm d. Schottengymnasiums in Wien
1852). Für Wien wurde eine Zeitlang in herzoglichen Urkunden die griechische
Form Windopolis gebraucht (Meiller, Eegesten 42, 45, 47, 56).
2) Meiller, Regesten 37, 31.
3) Siehe bereits oben S. 193. Da es hier nicht meine Aufgabe sein kann,
die gesamte Literatur über das Nibelungenlied anzuführen, so verweise ich dies-
bezüglich auf Gödekes Grundrifs I, 178 ff. und führe als dort noch nicht be-
rücksichtigtes Werk aufser Nagl-Zeidler S. 75 ff. noch an Kettner, Die
österreichische Nibelungendichtung (Berlin 1897).
333 Zwölftos Kapitel.
durch (las Zurückgreiten auf eine ruhmreiche Vergangenheit zu
stützen suchte, wieder auf: damals erzählte Otto von Freising
die Babenbergische Stanimsage und suchte Wien in dem alten
Favianis der Völkerwanderungszeit wiedcrzutindeii. Möglich, dafs
sich neben der lateinischen Fassung, wie sie auf Veranlassung
des Bischofs Pilgrim von Passau aufgezeichnet worden war, auch
deutsche Versionen im Volke erhalten hatten ') ; jedenfalls wurden
ietzt um die Mitte des 12. Jahrhunderts die einzelnen Teile der
Nibelungendichtung künstlerisch zusammengefafst und im Geiste der
Zeit mit gröfserer Betonung des Ritterlichen und in der, wie es
scheint, damals gerade beliebten Vers- und Strophenform 2) in
deutscher Sprache umgedichtet ^). Später, bis in den Beginn des
13. Jahrhunderts, wurde noch an dieser Gestaltung vielfach ge-
ändert. Indem so das NibelungenUed die heroische Energie unseres
Landes in mehr als sieben Jahrhunderten widerspiegelt und in-
dem es viele Elemente seiner Bewohner, insbesondere der Bayern
imd Franken in sich aufnahm, ist es so recht eigentlich wie kein
anderes das österreichische Epos geworden ^).
Spielleute trugeü singend '->) und sagend die Heldengedichte
von Burg zu Burg, von Kloster zu Kloster, von Dorfplatz zu
Dorfplatz; ein Spielmann wird auch die alten Bestandteile der
1) Darauf deuten die Scblufsverse der „Klage" hin. Vgl. auch die Ver-
mutung bei Nagl-Zeidler S. 76. Lach mann hat bei sei-ier Theorie von der
Zusammensetzung des Nibelungenliedes aus einzelnen „Liedern" ein derartiger
im Prinzipe wohl kaum von der Hand zu weisender Gedanke vorgeschwebt, nur
darf man diese Theorie nicht auf die uns jetzt vorliegende Gestalt der Dichtung
anwenden.
2) Die Nibelungenstrophe wurde bekanntlich auch von dem gleich zu er-
wähnenden Minnesänger Kürnberger angewendet und findet sich auch noch ander-
weitig. Auch die Gudrunstrophe ist ihr nahe verwandt. Ebenso die Strophen
einer Reihe anderer kleinerer Epen.
3) Man nimmt jetzt allgemein ein oder zwei verlorengegangene Fassungen
des Nibelungenliedes zwischen 1140 und 1170 an, auf welche Zeit auch im grofsen
und ganzen der Charakter der Dichtung weist.
4) Siehe Kralik, Österreich im Nibelungenlied in „An Siegen und an
Ehren reich" (Wien 1905).
5) Mau glaubt in gewissen oberösterreichischen Tanzweisen (dem sogenannten
Doppeitauz), die im wesentlichen die Form der Nibelungenstrophe zeigen, solche
Spielmannsweisen zu erkennen (Nagl-Zeidler S. 114).
Der Zustand des Landes bei der Erhebung zum Herzogtum. 333
Nibelungensage verschmolzen und einheitlich umgedichtet haben.
Darum wird auch im Nibelungenlied den Spielleuten eine so wichtige
und geachtete Rolle zuteil. Wie sehr die nationale Heldendichtung
ins Volk gedrungen ist, davon geben die österreichischen Urkunden
des 12. Jahrhunderts Zeugnis, in denen man oft und oft den Namen
aus diesen Dichtungen begegnet: Siegfried, Dietrich, Rüdiger,
Günther, Gernot, Hagen, Hildebrand, Etzel, auch aus der steie-
rischen Gudrunsage und den anderen Heldensagen: Hettel, Horand,
Hartmut, Herwig, Ortwin, Wolfram, Walter, Albrich, Dietmar,
Marquard u. a. m. Auch in Ortsnamen finden sich, wenn auch
später vielfach entstellt, Zusammensetzungen mit Etzel (Atzelsdorf,
Atzgersdorf), Gunter (Guntersdorf), Krierahild (Gramatneusiedl
aus Chreimhiltneusidl ?), Hettel (Hettmannsdorf) u. a. ').
Neben dem Volksepos, dessen Schöpfer und Verbreiter unschein-
bare und namenlose fahrende Spielleute waren, trat aber schon
damals in Österreich eine neue Erscheinung hervor, eine weltliche,
speziell ritterliche Lyrik, die noch in den Vorstellungen und in
der Form viele Berührungen mit dem Volksepos zeigt und noch
wenig von den galanten Formen des aus dem Westen importierten
Minnesanges beeinflufst ist. Einen der ältesten Vertreter der Gat-
tung im Donaulande, den Kürnberger — der Sitz dieses ritterlichen
Geschlechtes lag oberhalb Linz in der Nähe des Klosters Wil-
hering — aus der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts hat man sogar
wegen der formellen und stofflichen Verwandtschaft seiner Gedichte
mit dem Nibelungenliede für den Verfasser dieses Epos gehalten ^),
bis man eben bemerkte, dafs diese Verwandtschaft sich auch ander-
weitig, z. B. noch ausgeprägter bei den Gedichten des sogenannten
Meinloh ^) , findet. Gleichfalls nach Österreich gehörten Diet-
mar von Aist (gestorben um 1170), unter dessen Namen übrigens
1) Siehe Nagl-Zeidler S. 72 und 124; Kämmel in der Zeitschrift
für allgemeine Geschichte, Kultur- und Literaturgeschichte III, 233 ff. , 1886;
Müller in den Blättern des Vereins für Landeskunde XXIII, 35 f., 1889, und jetzt
die Spezialarbeit von Friefs, Die Personen- oder Taufnamen des Erzherzogtums
Österreich unter der Enns in historischer Entwickelung (Progr. Seitenstetten 1902).
2) Pfeiffer, Der Dichter des Nibelungenliedes (Wien 1862). Dagegen
Vollmöller, Kürenberg und die Nibelungen (Stuttgart 1874).
3) Kettner a. a. 0. S. 58.
334 Zwölftes Kapitel.
verschiedene dem Stile nach zeithch ziemUch weit auseinander-
liegende Gedichte zusammengefafst werden, und Alram (oder Walt-
ram) von Grasten ^).
Der Hauptsitz der Kuustdichtung und der wissenschaftlichen
Literatur waren jedoch noch immer nach wie vor die Klöster,
insbesondere die Benediktiner- und Chorherrenklöster, deren Zahl
noch immer wuchs, obwohl der Zug der Zeit mehr die Zisterzienser
und andere strengere Orden begünstigte. Die Gräfin Hildeburg
von Rebegau-Peugen gründete mit ihrem Sohne Hermann im Jahre
1144 ein Benediktinerstift zu Altenburg, das ad St. Lambertum
genannt wurde, da die Mönche dem steierischen Kloster St. Lambert
angehörten^). Im Jahre 1156 berief Herzog Heinrich von Öster-
reich aus Regensburg, seiner früheren bayerischen Residenz, schot-
tische Benediktiner des Klosters St. Jakob in seine neue öster-
reichische Residenz Wien, wo das Schottenkloster (Beatae Mariae
ad Scotos) entstand^). Ein Chorherrenstift wurde um 1150 von
Walther von Traisma zu St. Andrä an der Traisen errichtet *).
Endlich wurde der 1120 gegründete Orden der Prämonstratenser,
der etwas später als die Zisterzienser Verbreitung fand, zum Unter-
schied von diesen, den schwarzen Mönchen, die weifsen Mönche
genannt, in Osterreich zuerst um 1150 durch den Grafen Ulrich
von Pernegg eingeführt, der ihnen zu Geras eine Niederlassung
gewährte ^).
In den Klöstern der Zisterzienser, die wie gesagt der Hände
Arbeit bevorzugten, gab es zunächst keine literarische Betätigung.
Mehr noch als bei den Benediktinern, bei denen ursprünglich
1) Wackernagel, Kürenbergii et Airami Gerstensis . . . carmina (Berlin
1827).
2) B u r g e r , Geschichtliche Darstellung der Gründung und der Schicksale
des Benediktinerstiftes St. Lambert zu Altenburg (Wien 1862). — Burger,
Urkundenbuch 1144—1522 (Font. rer. Austr. 2. Abt. XXI).
3) Hauswirth, Abrifs einer Geschichte der Benediktinerabtei zu den
Schotten in Wien (Wien 1858). — Derselbe, Urkundenbuch (Fontes rer. Austr,
2. Abt. XVin). — Goldhann, Gültenbuch des Schottenklosters vom Jahre
1314 (Quellen u. Forsch, z. vaterl. Gesch. u. Kunst 1849).
4) Ees St. Andreanae in Duellii Mise. IH, 368 (1724). — Vgl. auch Archiv
für österreichische Geschichte IX, 259, 1853.
5) Urkunden von Th. Mayer (Arch. f. österr. Gesch. II, 3, 1849).
Der Zustand des Landes bei der Erhebung zum Herzogtum. 33»
eine ähnliche Vorschrift bestand, wurde darauf geachtet, dafs nur
so viele Bücher vorhanden waren, wie von den Mönchen zur Fasten-
zeit gelesen werden konnten, zumeist Mefs- und Erbauungsbücher.
Selbst Schreibtafel und Griffel sollten ihnen verwehrt sein. Da-
gegen wurden in dieser Zeit die mächtigen Benediktinerklöster an
der Donau, an denen gewissermafsen die Weltgeschichte vorbei-
flutete, die Geburtsstätten der österreichischen Geschichtschreibung.
In Melk, der alten Hausstiftung der Babenberger, wurde man zu-
erst von den gewaltigen Impulsen der aufstrebenden Politik der
Markgrafen und der grofsen Weltereignisse zu schriftlichen Auf-
zeichnungen angeregt, was um so bemerkenswerter ist, als zur
gleichen Zeit im übrigen Süddeutschland die Annalistik bereits
wieder im Niedergang begriffen war. Unter Abt Erchanfried
(1121 — 1163) wurden im Jahre 1123 jene jährlichen Aufzeich-
nungen der wichtigsten Geschehnisse, die Melker Annalen, begonnen,
die dann von fast allen österreichischen Klöstern übernommen und
fortgesetzt worden sind ^).
Eine andere Art historischer Aufzeichnungen waren die Lebens-
beschreibungen frommer Klostergründer und Heiliger, wie sie da-
mals in Göttweig (Vita Altmanni) und Melk (Passio St. Colomanni)
entstanden ^).
Und schon hatte auch die geistliche Dichtung, deren ersten
Spuren wir in Melk und Göttweig in den fromm -beschauHchen
Werken Hartmanns und Frau Avas begegnet sind, einen grofsen
Schritt nach vorwärts getan. Da und dort taucht bereits in den
Klöstern die weltliche Lust auf, gewisse Kirchenfeierlichkeiten den
Gläubigen dramatisch dargestellt vor Augen zu führen und solcher-
gestalt auf deren Sinne zu wirken. Namentlich entwickelte sich
aus der Feier am Ostermorgen ein Dialog (oder Wechselgesang)
zwischen den drei Marien und den Engeln am Grabe des Herrn,
wie er uns in einem österreichischen Brevier des 12. Jahrhunderts
überhefert ist, und daraus dann förmliche Osterspiele, wie ein
solches für Klosterneuburg aus derselben Zeit sicher bezeugt ist.
Gewifs haben schon damals die jungen Klosterschüler die einzelnen
1) Siehe Einleitung S. 6.
2) Siehe ebendaselbst.
;J3(i Zwr.irtos Kapitel.
Rollen gci^pielt; au der Bühne, an der Kostümierung und der
mimischen Darstellung wird es nicht gefehlt haben ').
Nichts zeigt mehr, wie sehr sich überall in Osterreich der Wohl-
stand gehoben, wie sehr er ein sorgloses, genufsfreudiges Leben
nach sich gezogen hatte, wie sehr die Sitten aller Stände freier
und ungebundener geworden waren, als dafs auch bereits Eiferer,
die gegen das Getriebe ihre mahnende Stimme laut werden liefsen,
und Satiriker, die die Torheiten und Schlechtigkeiten dieser Welt
geifselten, erstanden. — Kaum ein halbes Jahrhundert, nachdem
sittenstrenge Männer wie Gebhard, Altmann und Adalbero in den
österreichischen Landen die Kirchenreform durchgeführt hatten,
war die Verweltlichung der Geistlichkeit bei den aufserordentlich
günstigen Lebensbedingungen bereits wieder so weit gediehen, dafs
in dem Propste Gerhoch von Reichersberg (1133—1169) ein Straf-
prediger auftreten konnte, der allen Grund zu seinen flammenden
Philippiken fand ^j. Waren Altmann und seine Freunde Männer
der Tat mit weitem Blick, so trat in Gerhoch mehr der Zelotismus
des Wortes hervor. Besonders der Weltklerus und der ritterliche
Adel waren das Ziel seiner eifernden Angriffe. Nicht nur das
Sündenleben selbst war ihm ein Greuel, sondern auch jede weltHche
Lustbarkeit, jeder Schmuck des Lebens, der ihm zur Sünde zu
verführen schien. Selbst die geisthchen Spiele („spectacula theatrica
in ecclesia exhibita"), die, wie wir eben sahen, damals in den
Klöstern aufkamen, fanden in ihm einen Gegner. Die Macht seiner
Beredsamkeit und seiner Persönlichkeit war gewaltig, und in ganz
Süddeutschland äufserte sich der Einflufs seiner Anschauungen.
1) Nagl-Zeidler, Deutsch - österreichische Literaturgeschichte S. 134,
wo auch Belege und die erhaltenen ältesten Texte mitgeteilt sind.
2) Stülz, Propst Gerhoch von Keichersberg (Denkschr. d. Ak. d. W. 1, 1859);
Bach, Propst Gerhoch von Keichersberg, ein deutscher Keformator des 12. Jahr-
hunderts (Österr. Vierteljahrschr. f. kath. Theol. 1865); Dilloo, De Gerhocho
de K. (Berliner Dissert. 1867); Nobbe, Gerhoch von Keichersberg (Leipzig
1881). — Speziell das oben berührte Thema behandelt Sturmbö fei, Gerhoch
von Reichersberg über die Sittenzustände der zeitgenössischen Geistlichkeit (Leip-
ziger Dissertation 1888). Vgl. auch noch Ribbeck, Gerhoch von Reichersberg
und seine Ideen über das Verhältnis des Staates zur Kirche (Forschungen zur
deutschen Gesch. XXIV, 15) und Büdinger, Verhältnis Ottos von Freising
zu Gorhoch (Sitzungsber. d. W. Akad. XCVUI, 346).
Der Zustand des Landes bei der Erhebung zum Herzogtum. 337
Unter ihrem Banne steht vielfach die Klosterliteratur jener
Zeit — auch die Vita Altmanni und die Vita Adalberonis wenden
sich gegen den Verfall des Klerus — , unter ihrem Banne steht
auch der Dichter, der unter dem kunstliebenden Abte Erchanfried
in Melk schrieb. Es war ein Laienbruder aus ritterlichem Ge-
schlechte, namens Heinrich de Piela ^). „Von des Todes Gehügede"
(„Erinnerung an den Tod") nennt er sein lehrhaftes Gedicht; mög-
licherweise rührt auch ein zweites, das „Priesterleben", das in
Sprache und Gedanken grofse Ähnlichkeit mit jenem besitzt, von
ihm her. Wie Gerhoch von Reichersberg wettert er gegen die
Verweltlichung des Klerus, namentlich der Seelsorgegeistlichkeit.
Es ist die alte, auch später immer wieder laut werdende Klage,
<lafs sie dem Trunk, dem Spiel und den Weibern ergeben sei.
Von den Klostergeistlichen bekommen die Zisterzienser, die den
Benediktinern ein Dorn im Auge waren, einen Hieb ab. Nach
den Geistlichen ist es die ritterliche Gesellschaft mit ihren neuen
Sitten oder nach seiner Auffassung Unsitten, die er geifselt. Be-
gann doch damals bereits der Minnedienst! Die Beispiele, die der
Dichter wählt, die Szenen, die er schildert, machen den Eindruck
des Selbsterlebten, entsprechen also wohl der Wahrheit. War es
doch dieselbe Zeit, in der Graf Ulrich von Pernegg sich nicht
weniger als zwölf Kebsweiber hielt ^) !
Im grofsen und ganzen werden wir jedoch annehmen können,
dafs auch damals die Eiferer und Satiriker, wie ja meistens, weit
über ihr Ziel hinausschössen. Wir können dies an den recht
unschuldigen Dingen ermessen, die sie schon verdammen zu müssen
glauben. Es war gewifs nichts weniger als ein Zeitalter des
Verfalles und des Niederganges. Das Land kam zu Wohlstand
und Ansehen, und überall regten sich neue lebensvolle Kräfte;
selten ist die Kulturentwickelung so rasch vorwärts geschritten.
Dafs dieses rasche Wachstum manche Auswüchse zeitigte, dafs
vor allem neben den Früchten der Kultur Spuren krasser Unkultur
1) Heinzel, Heinrich von Melk (Berlin 1867); Kolle, Geschichte der
■deutschen Literatur bis zum 13. Jahrhundert 11, 84£F. — Nagl-Zeidl er,
S. 170. Das Melker Totenbueh nennt zwei Laienbrüder, namens Heinrich; aller
Wahrscheinlichkeit nach ist der ritterbürtige von beiden der Dichter.
2) Gegen ihn eiferte Bertold von Garsten (Vita Bertoldi c. 34).
Vancsa, Geschichte Nieder- u. Oberösterreichs. ^2s
33S Zwölftes Kapitel.
zu liiulen sind, kann bei solchen Übergangsperioden nicht wunder-
nehmen.
Gerade in den Klöstern, den Stätten dieser Kultur, begegnen
uns neben den schwersten Körperstrafen ^) Beispiele grausamer
Gottesurteile, vor allem das Ordal des glühenden Eisens ^). Unter
den adeligen Familien war die Blutrache noch gang und gäbe,
Mord und Totschlag nichts Seltenes ^).
Das Wichtigste für unsere Betrachtung ist, dafs sich die alte
Ostmark in dem Jahrhundert von Kaiser Heinrichs III. Tode bis
zum Jahre 1156 auch innerlich nach allen Richtungen hin zu
einem selbständigen und eigenartigen staatlichen Gebilde ent-
wickelt hat: politisch, indem der Markgraf aus einem wenig
vermögenden, vom Kaiser nach Bedarf verwendeten Grenzgrafen
zu einem reichen Territorialfürsten geworden war, der auf eigene
Faust PoHtik trieb und zwar, wenn es sein Vorteil mit sich
brachte, allenfalls auch gegen den Kaiser, und der allmählich so
mächtig wurde, dafs ihn die Reichsfürsten umwarben, ja endlich,,
indem er selbst die Herzogswürde in Bayern erlangte, auch das
formelle Untertänigkeitsverhältnis Österreichs zu Bayern von Grund,
aus änderte; national, indem die eingewanderten Bayern und
Franken untereinander und mit den anderen Volkselementen und
Volksresten zu einem neuen Volksstamm verschmolzen, dem öster-
reichischen, der eine eigene Mundart, einen eigenen Volkscharakter
ausbildete; wirtschaftlich, indem aus dem ursprünglichen Ko-
loniallaud, das vielfach auf die Zufuhr neuer Kräfte und Pro-
dukte aus dem Mutterlande angewiesen war und dem noch so
vieles völlig mangelte, ein blühendes, reichbesiedeltes Land mit
selbständiger, zum Teil ganz spezifischer Produktion geworden war;
1) Darüber vgl. Juritsch, S. 140. Ein Beispiel aus Garsten (Vita Ber-
toldi c. 2).
2) Cod. trad. Gottwic. (Font. rer. Austr. 2. Abt. VIII, 27) zwischen 1065
und 1091 und zwei Beispiele zwischen 1136 und 1168 im Cod. trad. Claustroneob.
(a. a. 0. IV, 61).
3) Es ist ein Brief von Sigboto von Ealkenstein erhalten, worin er seinen
Dienstmann Ortwin von Merkenstein (Burg bei Baden) beauftragt, den Rudolf
von Piesnich, seinen Feind, gegen entsprechenden Lohn heimlich zu ermorden
oder wenigstens die Augen auszustechen (Mon. Boic. VII, 503). — Vgl. dazu
E i e z 1 e r , Geschichte Baierns I, 758.
Der Zustand des Landes bei der Erhebung zum Herzogtum. 339
sozial, indem aus den fremden Grundherren allmählich ein ein-
heimischer erbgesessener Adel erwuchs, indem sich unter besonders
gearteten Verhältnissen auch eine, wenn auch der in Süddeutschland,
namentlich in Bayern bezeugten verwandte Differenzierung der ein-
zelnen Stände entwickelte (markgräfliche Dienstmannen — besser
situierte Zinsbauern), die wieder ihre eigenen Sitten und Gebräuche
besafsen; endlich kulturell, indem in dem Lande, in welchem
anfangs die Existenzkämpfe und die harte Arbeit der Urbarmachung
das geistige Leben in den Hintergrund gedrängt hatten, nunmehr
auch eine zum Teil bodenständige, zum Teil unter spezifischen
Einflüssen (französisch, byzantinisch) stehende Kultur erblühte, die
Wissenschaft und Literatur, Baukunst und Kleinkünste umfafste.
Dadurch, dafs Osterreich durch das Privilegium minus im
Jahre 1156 zum Herzogtum erhoben wurde und die verhältnis-
mäfsig sehr freie Stellung der grofsen Reichsfürstentümer erhielt,
wurde nur den bereits bestehenden Tatsachen Rechnung getragen
und der gröfseren Selbständigkeit des Landes die Sanktion des
Reiches erteilt.
22 =
Dreizehntes Kapitel.
Streben der Babenberger nach politischer und wirt-
schaftlicher Unabhängigkeit ihres Herzogtums.
Herzog Heinrich von Österreich erfafste seine neue Aufgabe
mit sicherem Blick und fester Hand. Er richtete sein Streben
einerseits darauf, die engen Bande, die sein Land mit dem Mutter-
lande noch verknüpften, zu lösen oder doch zu lockern, und
andrerseits seine Autorität nach allen Richtungen hin zu befestigen.
Meist ging das eine Hand in Hand mit dem anderen.
Das Nächstliegende waj, das wirtschaftliche Übergewicht Bayerns
zu brechen ^). Die Metropole war damals Regensburg, das den
ganzen Donauhandel beherrschte und dessen Münze, die Regens-
bur;4er Pfennige, auch auf dem österreichischen Markte alleinige
Geltung hatten. Heinrich hatte selbst als Herzog von Bayern viel
dazu beigetragen, Regensburgs dominierende Stellung zu stärken.
Jetzt zögerte er keinen Augenblick, sie zu untergraben, weil er
nur dadurch sein Land wirtschaftlich selbständig machen, den
Donauhandel in seine Gewalt bringen konnte. Schon im Jahre
1157 ist eine österreichische Münzstätte in Krems ^) nachweisbar,
das damals die hervorragendste Handelstadt im Lande unter der Enns
1) Ich folge hier zum Teil den ausgezeichneten Ausführungen L u s c h i n s ,
Die Handelspolitik der österreichischen Herrscher im Mittelalter (Almanach der
k. Akad. der Wissensch. 1893 und als Sonderdruck).
2) Siehe Luschin, Wiener Pfennige (Numismatische Zeitschr. Vin, 254).
Der Schlufs, dafs Herzog Heinrich seine Rosidenz hierher verlegen wollte, scheint
mir hei dem Mangel anderer Beweise nicht zwingend. Ich nehme nur an, dafs
Krems ehen der hervorragendste Handelsplatz war.
streben nach politischer und wirtschaftlicher Unabhängigkeit. 341
— schon 1137 sind dort mehrere Marktplätze vorhanden ^) — ,
gewesen zu sein scheint. Das war jedoch nur eine Übergangs-
verfügung. Weit wichtiger wurde die grofse Sorgfalt, die Herzog
Heinrich Wien zuwandte, wohin er seine Residenz verlegte ^).
Das hängt mit einer der folgenreichsten Erscheinungen des
Zeitalters zusammen: mit dem Emporkommen der Städte überhaupt.
Wir haben gesehen, wie schon im 11. Jahrhundert um viele Pfarr-
kirchen ein Markt entstand, wie diese Orte mit einer Befestigu'ig
umgeben wurden und einige zuweilen sogar schon den Namen eivitas
oder urbs führten. Doch das eigenthche Wesen der Städte bildete
sich doch erst im 12. Jahrhundert aus, und erst jetzt traten die
Städte als ein wichtiger Faktor im öfFenthchen Leben hervor. Zu
den Vorteilen des Schutzes und des Marktes kamen für die Be-
wohner, die nach dem befestigten Mittelpunkt, der Burg Burgenses,
Bürger genannt wurden, bereits gewisse Vorrechte hinzu, ins-
besondere die Exemtion von der Gerichtsbarkeit, dann auch Be-
freiung vom Kopfzins und anderen bäuerlichen Abgaben, obwohl
der ersten Phase der Entwickelung entsprechend die Bewohner
der Stadt ursprünghch auch Ackergründe und (namentlich in Wien)
auch Weingärten zur Bewirtschaftung innehatten und, da der
Grund und Boden einzelnen Grofsgrundbesitzern gehörte, auf der
Stufe der Kolonen standen. Dafür hatten sie einen Grundzins
von ihren Häusern an den Herrn des Bodens zu entrichten. Das
Gewerbe war ursprünglich auch in der Stadt Hausgewerbe, aus
dem zunächst ein Lohngewerbe und erst dann ein Handwerker-
stand herauswuchs. Aufserdem bildeten die Kaufleute ein wichtiges
Element. Verlockt durch mancherlei Vorteile strömte ein gi-ofser Teil
der ländlichen Bevölkerung den Städten zu, freilich — und das er-
klärt so manche Folgeerscheinungen — in vielen Fällen gerade der
untüchtige Teil, Leute, die die beschwerliche Feldarbeit nicht leisten
konnten oder wollten, jüngere Söhne, die keinen Anteil am Grund
und Boden mehr bekommen konnten, endlich sogar allerlei Ge-
1) Meiller 25, 5.
2) Es ist ungenieiü charakteristisch , dais der Araber Idrisi , der um die-
selbe Zeit im Auttrage des Königs Eoger von Sizilien ein geographisches Werk
verfafste, als Städte in unseren Gegenden gerade Wien und Kreuis (Biena und
Ghermesia) nennt (Sitzungsber. der Wiener Akademie CXIII, 286, 292).
;J42 Dreizehntes Kapitel.
sindel, sogeuanntes „lediges Volk", Bettler, Erwerbsunfähige, Gaukler,
Bresthalte, deren Hervortreten auch gewisse Zeitströmungen, nicht
zum wenigsten die Kreuzzüge begünstigten. Endlich gehörten zur
Bevölkerung der Städte noch ritterliche Ministerialen, die die mili-
tärische Bedeckung ausmachten, die sogenannten Burgmannen.
Die Orte des Landes, die am frühesten, wenn auch nicht
ständig, als civitas bezeichnet wurden, haben wir schon kennen
gelernt: Krems, Tulln, St. Polten, Hainburg. Sie alle überflügelte
nun Wien, das 1137 zum ersten Male als civitas genannt wird ^).
Es ist sehr bezeichnend, dafs der neue Herzog von Osterreich,
nachdem noch seine unmittelbaren Vorgänger nicht anders wie
irgendeiner der Grafen des Landes auf einem Bergschlosse (auf
dem Kahlenberge) ihren Sitz hatten, nunmehr herabstieg in die
aufblühende Handelstadt und hier seine neue Burg auf dem Boden
der alten römischen Militärstadt, von der noch Überreste vorhanden
sein mochten, erbaute ^). Auch in diesem Punkte erfafste er den
Zug einer neuen Zeit mit sicherem Blick. In den Urkunden ver-
suchte er die gelehrte Fiktion durchzusetzen, dafs Wien das römische
Faviauis sei.
Die Lage dieser herzoglichen Residenz war eine überaus
glückliche ^). In militärischer Beziehung, die für die damaligen
Städte, — sie waren ja zugleich Festungen — , in erster Linie
mafsgebend war, beherrschte sie die Donaustrafse, war aber auch
ein sicheres Bollwerk gegen Einfälle von Norden und Osten, die
sich in der Regel der Bodenformation des Landes gemäfs in der
Richtung nach ihr hin bewegten. Der vorbeifliefsende Strom, der
sich immer mehr zu einer Hauptverkehrsader nach dem Orient
entwickelte, sowie die Nähe der ungarischen Grenze machten sie
zu dem letzten grofsen Handelsstapelplatz auf deutschem Gebiete.
Der reiche Weinbergssegen rings um die Stadt schuf endlich für
die Bewohner die Grundlage eines ganz bedeutenden Wohlstandes,
indem der Wein bald einen wichtigen Ausfuhrartikel bildete. Von
1) Mon. Boic. XXVIII b, 102.
2) Nach 1147 sind die meisten Urkunden Heinrichs bereits in Wien aus-
gestellt. Die Burg wurde zunächst ,,am Hof" erbaut, erst einige Jahrzehnte
später wurde sie an jene Stelle verlegt, wo sie noch heute steht.
b) Über die Lage vgl. oben S. 298.
streben nach politischer und wirtschaftlicher Unabhängigkeit. 348
dem Augenblicke an, da Herzog Heinrich die Stadt Wien zu seiner
Residenz und somit zum Mittelpunkt des neuen Herzogtums machte,
überflügelte dieser verhältmäfsig junge und bis dahin wenig be-
deutende Ort bald alle anderen Märkte und Städte Österreichs ^)
und wurde eine mächtige Rivalin Regensburgs, das vordem im
Südosten des Reiches unbeschränkt dominiert hatte. Die Kreuz-
züge und die Famihenverbindung der Babenberger mit Byzanz
trugen viel dazu bei, Handel und Verkehr rasch in Blüte zu bringen.
Aber Österreich war auch zugleich das richtige Mittelglied zwischen
dem betriebsamen Westen und dem an Naturprodukten reichen
Osten. Vielleicht schwebte auch schon Herzog Pleinrich der Ge-
danke einer kirchlichen Loslösung Österreichs von Passau vor, denn
er berief aus Regensburg, wo die Benediktiner den Bischofstuhl
innehatten, die Schottenmönche, die bei der nachdrückhchen Be-
günstigung durch die Herzöge bald in einen entschiedenen Gegen-
satz zu den Passauer Archidiakonen und zu der Hauptpfarrkirche
von St. Stephan gerieten.
Aufser den Städten waren es die Ministerialen, auf die sich
der Herzog stützte. Sie wurden zwar formell auch in der Folge-
zeit noch immer als dem Reiche zugehörig betrachtet ^), in der
Tat aber bildeten sie die getreue Waffenmacht des Herzogs, und
die aufsergewöhnliche Stellung, zu der sie gerade in Österreich
bereits im 13. Jahrhundert gelangten, und welche der der alten
Grafeugeschlechter vielfach fast gleichkam, ist offenbar auf die
grofsen Begünstigungen von selten der Herzöge zurückzuführen,
die ihnen seit der Mitte des 12. Jahrhunderts zuteil wurden.
Damit stehen wir bereits bei den Mafsnahmen, die Herzog
Heinrich zur Befestigung seiner neuen Machtstellung traf. Hatten
1) Schilderungen des Landes zwischen Passau und Ungarn erwähnen vor
der Mitte des 12. Jahrhunderts Wien mit keiner Silbe (z. B. die Descriptio
itineris in terram sanctam in Eccardi corp. bist. med. aev. II, 1345 oder Odo
de Deogilo M. G. SS. XXVI, 60). Als wichtige letzte Station vor Ungarn wird
in der Regel Hainburg genannt (auch im Nibelungenlied). Erst nachdem Wien
Eesidenz geworden, trafen hier die verschiedenen bedeutenden Momente zusammen,
und 1172 bezeichnet Arnold von Lübeck (M. G. SS. XXI, 110, 171) Wien als
metropolitana, im Jahre 1189 als ,,quae maior est in terra".
2) Vgl. darüber besonders Siegl in seinem schon zitierten Aufsatz in den
Sitzungsberichten CII, 238.
344 Drcizelintcs Kapitel.
Leopold 11. uikI 111. iin Gegensatz zur lleichspolitik die Hoch-
stit'ter und die Klöster durch Schenkungen und sonstige Gunst-
bezeugungen hervorragend gefördert, so verlangte jetzt das Interesse
des Herzogs, deren Macht nicht weiter auf Kosten der eigenen
anwachsen zu lassen. Die frühere Freigebigkeit gegen sie schmolz
jetzt auf ein Minimum zusammen. Ja noch mehr, die Klöster
hatten nicht selten ihren Besitzstand gegen den Herzog zu ver-
teidigen. Wie er schon als Herzog von Bayern gegen das Kloster
Tegernsee dessen Vogt, den Grafen Heinrich von Wolfrathshausen,
in seinen Schutz nahm *), so suchte er Admont und Zwettl an
Aveiteren Erwerbungen zu hindern ''*). Besonders bezeichnend ist
es, dafs der Herzog von Osterreich das sonst allgemein anerkannte
Vogteirecht des Königs über die Zisterzienserklöster nicht berück-
sichtigte, sondern selbst auszuüben beanspruchte.
Aber zu viel ärgeren und weitere Kreise ziehenden Konflikten
kam es mit den Hochstiften, und es verschlug Heinrich nicht das
mindeste, dafs er dadurch gegen seine leiblichen Brüder ankämpfen
muföte. Über die Gründe sind wir leider nicht ganz klar unter-
richtet, doch scheint es sich in allen Fällen hauptsächlich um die
dem Herzog durch das Privilegium minus zuerkannten Gerechtsame
(iusticia) gehandelt zu haben, d. h. die herzoglichen Richter suchten
auch auf bischöflichem Grund und Boden ihre Befugnisse durch-
zusetzen, während die Bistümer dies als Eingriffe in ihre alten
Rechte ansahen; in zweiter Linie mögen vielleicht auch Ansprüche
auf Besitz und Abgaben in Betracht gekommen sein. Die Weite-
rungen mit Freising, die im Jahre 1158 ausbrachen ^), spitzten
sich dank der vez-söhnlichen Haltung der Bischöfe nicht zum
Aufsersten zu. Zwischen den beiden Brüdern führte der Kaiser
auf dem Reichstag zu Regensburg vor seinem Zuge nach Italien
eine persönliche Versöhnung herbei, und, nachdem Otto, noch
1) Meiller, Kegesten 39, 37.
2) Wichner, Urkundenbuch des Stiftes Admont 1, 118 (wegen einer Mühle
bei Krems). Font. rer. Austr., 2. Abt. Vlil, 53 (wegen Krumau).
3) Eagewin in seiner Fortsetzung von Otto von Freising, Gesta Friderici
III, 13 und Font. rer. Austr. 2. Abt. XXXI, 105 (Schreiben B. Adalberts), das
Zahn wohl mit Unrecht ins Jahr 1158 setzt; Meiller, Kegesten 46, 63, G4 —
vieUeicht etwas allzu spät — ins Jahr 1164.
streben nach politischer und wirtschaftlicher Unabhängigkeit. 345
während Herzog Heinrich in Italien weilte, gestorben war (22. Sep-
tember 1158), beeilte sich sein Nachfolger Adalbert, die Grundlage
des Streites aus dem Wege zu räumen und zwar unter ziemlich
ungünstigen Bedingungen, denn er erlangte für den Freisingschen
Besitz in Österreich zwar Befreiung von der herzoglichen Gerichts-
barkeit, aber nur für seine Lebenszeit mit Vorbehalt der jedes-
maligen Erneuerung für seine Nachfolger und gegen Zahlung einer
Abgabe ^).
Viel heftiger war der Konflikt mit Konrad von Passau und
ist dadurch bemerkenswert, dafs er schliefslich in das Fahrwasser
der grofsen allgemeinen Politik hineingeriet. Auch seine Ursachen
und Anfange liegen im Dunkel ='). Konrad hatte eine ganze Reihe
österreichischer Prälaten, so die von Zwettl, St. Polten, St. Georgen,
Ardagger und Klosterneuburg, auf seiner Seite ^) und dürfte den
Herzog in seiner Selbstherrlichkeit nicht unempfindHch getroffen
haben, als er am 3. Mai 1159 St. Polten ein Stadtrecht verheb
und dadurch mitten in herzoglichen Landen eine bischöfliche Stadt
gewissermafsen in Konkurrenz zu den damals so sehr begünstigten
herzoghchen Städten ins Leben rief*). Endlich versuchte der
Kaiser auf den Wunsch der Reichsversammlung von Parma (März
1164)°) selbst einzugreifen, indem er den Erzbischof Eberhard
von Salzburg und die Bischöfe von Brixen und Gurk, allenfalls
auch Ottokar V. von Steiermark zu Vermittlern bestimmte. Leider
starb Erzbischof Eberhard, ehe er seine Mission ausführen konnte
(22. Juni 1164), und nun traten Ereignisse ein, die den Zwiespalt
zwischen den Babenbergischen Brüdern von untergeordneten Kom-
petenzfragen in die Sphäre der grofsen Politik erhoben.
1) Vgl. die vorige Anmerkung.
2) M. G. LL. n, 116; Vita Eberhardi c. 10 (M. G. SS. XI, 82).
'S) Diese zeigt eine Urkunde B. Konrads für Zwettl vom 11. April 1160
(Font. rar. Austr. 2. Abt. lU, 54). Zwettl wurde besonders von ihm ausgezeichnet
(Chron. Zwettl. M. G. SS. IX, 699).
4) Meiller, Österreichische Stadtrechte und Satzungen (Archiv f. osterr,
Gesch. X, 92).
5) Siehe oben Anm. 3. In den Mon. Germ., von Stumpf, Eegesten 3863
und Ju ritsch S. 230 in den August 1159 gesetzt, dagegen von Giesebrecht
Vi, 392 und Hub er I, 253 woiil richtiger zum März 1164, da 1159 keine
Eeichsversammlung in Parma nachweisbar ist.
1540 Droizolintcs Kapitol.
Nach dem Tode des Papstes Hadrian IV. am 1. September
1159 war es zu einem grofsen Schisma gekommen, wodurch der
bisherige Kampf zwischen Kaisertum und Papsttum nur verschärft
wurde. Viktor IV. war der Papst der kaiseHichen, Alexander 111.
der Papst der kirchlichen Partei. Dieser schleuderte zwar zu
Ostern llGü den Bann gegen den Kaiser, was jedoch ziemlich
wirkungslos blieb, da sich die meisten deutschen Bischöfe schon
vorher auf einer Synode zu Pavia im Februar des Jahres für
Viktor IV. verpflichtet hatten. Zu den wenigen, die sich in
Deutschland für Alexander zu erklären wagten, gehörte der ge-
nannte Erzbischof Eberhard von Salzburg.
Als er nun Mitte 1164 aus dem Leben schied, war die un-
erlässliche Bedingung , die das Domkapitel an die Wahl seines
Nachfolgers knüpfte, das Festhalten an Alexander III. Indem die
Wahl auf den Babenberger Konrad von Passau fiel, von dem man
wohl einen gewissen Einflufs auf seinen kaiserlichen Neffen er-
hoffte, war dieser gezwungen, in klarerer Weise als bisher Stellung
zu nehmen. Bislang hatten sich nämlich die Babenberger dem
Kirchenstreite möglichst ferngehalten. Herzog Heinrich, den die
Tradition seines Hauses und wohl auch innere Neigung auf die
Seite der römisch-kirchlichen Partei führen mochte, hatte seit dem
Jahre 1156 allen Grund, dem Kaiser treu ergeben zu bleiben, und ver-
mied daher lieber jede schärfere Stellungnahme. Aber auch Konrad,
obwohl dem Kaiser nicht in gleicher Weise verpflichtet und wahr-
scheinlich überzeugter Anhänger Alexanders, war mit seinen Gesinn-
ungen bisher nicht hervorgetreten. Hatte doch selbst Eberhard von
Salzburg es für klug gefunden, möglichst lange nach aufsen hin ein
Doppelspiel zu treiben! So kam es, dafs Osterreich durch das
Schisma nicht so wie andere Länder in feindliche Lager gespalten
wurde; sogar die Zisterzienser, im übrigen Deutschland die eifrigsten
Parteigänger Alexanders III., enthielten sich in Osterreich der
Agitation.
Die Lage des neuen Erzbischofes von Salzburg war sehr
schwierig, denn fast gleichzeitig mit seiner Wahl hatte sich der
kirchenpolitische Konflikt noch mehr zugespitzt, indem am 20. April
des Jahres Viktor IV. gestorben und nun von der kaiserlichen
Partei Paschalis IL ganz wider afles Recht zum Papst eingesetzt
streben nach politischer und wirtschaftlicher Unabhängigkeit. 347
worden war. In feierlicher Weise schwur der Kaiser auf einem
Reichstag (1166), ihm Treue zu halten, dagegen weder Alexander
noch einen von dessen Partei gewählten Papst jemals anzuerkennen,
und zwang zugleich die anwesenden weltlichen und geistlichen
Fürsten diesem Schwur beizutreten, während an die abwesenden
eine schriftliche Aufforderung, sich anzuschliefsen, mit einem Termin
von sechs Wochen erging.
Unter denen, die dem kaiserlichen Befehl nicht Folge leisteten,
befand sich in erster Linie Konrad von Salzburg, der schon vor-
her ganz vergeblich zum Kaiser nach Italien, dann zu einem Hof-
tag in Bamberg gereist war, um die Belehnung zu erlangen. Da
er geraäfs seinem bei der Wahl abgegebenen Versprechen an
Alexander festhielt, hatte ihm der Kaiser die Anerkennung ver-
weigert. Jetzt, wo er auch dem Würzburger Eide Widerstand
entgegensetzte, leitete der Kaiser ein eigenes Gerichtsverfahren gegen
ihn ein. Er erschien zwar endlich beim dritten Termin vor dem
Hofgericht, aber, da er unbeugsam blieb, so wurde er auf dem
Tage zu Laufen am 29. März 1166 samt allen seinen Anhängern
und allen Klöstern der Erzdiözese in die Reichsacht erklärt ; seine
Salzburgischen Güter aber wurden konfisziert und an Laien vergabt.
Konrad stand jetzt nahezu isoliert. Sein Bruder war zwar dem
Würzburger Reichstag fern geblieben, wagte aber keinen Wider-
stand, als der Kaiser persönlich nach Wien kam, um ihm den
Würzburger Eid abzunehmen ^). Auch Heinrichs Schwager, Herzog
Wladislaw von Böhmen, und der neue Ungarnkönig Stephan III. —
sein Vorgänger Geisa war ein Anhänger Eberhards von Salzburg —
erklärten sich für Paschalis. Endlich war auch Konrads früherer
Bischofstuhl Passau mit einem Schismatiker, Rupert, besetzt
worden.
Über die Haltung der österreichischen und ostbayerischen
Klöster sind wir leider nicht recht unterrichtet. Der Umstand,
dafs die meisten Klosterannalen auf Heinrich schlecht zu sprechen
sind, deutet darauf hin, dafs sie ihrem Metropoliten folgten. Nur
St. Polten und St. Florian waren kaiserhch gesinnt ^). Dagegen
1) Niederösterreichisches Urkundenbuch I, Nr. 10.
2) Ännal. Eeichersberg. 472.
348 Dreizehntes Kapitel.
wissen wir von Reichersberg, wo Gerhoch nach wie vor das Banner
der römischen Partei hoch hielt, und von Klosterneuburg, wo sein
Bruder Marquard Propst war, dals sie treu zu Konrad standen
und ihrer Überzeugung auch Ausdruck verliehen ^). Statt die
Kleriker von dem schismatischen Bischof von Passau weihen zu
lassen, schickte sie der Propst von Klosterneuburg lieber nach
Friesach, wohin sich Konrad von Salzburg notgedrungen zurück-
gezogen hatte ■'^). Die verschiedenen weltlichen Nachbarn Salzburgs,
die Grafen von Piain, Mittersill usw. hatten sich nämlich beeilt, die
Reichsacht zu vollstrecken, und hatten sogar Salzburg niedergebrannt.
Reichersberg wurde wiederholt geplündert, Abt Bernhard von Lam-
bach erschlagen. In Osterreich scheint es jedoch nicht zu Ein-
griffe in Salzburger Besitz gekommen zu sein ^).
Die Situation wurde noch schlechter, als Konrad am 28. Sep-
tember 1168 starb und man in Salzburg wieder einen Anhänger
Alexanders, den Sohn Herzog Wladislaws von Böhmen und Neffen
Heinrichs und Konrads von Osterreich, Adalbert, wählte, der jedoch
bei seiner Jugend und bisherigen klösterlichen Erziehung weder die
Erfahrung und politische Klugheit noch die Autorität seines Vor-
gängers besafs. Ganz unnötigerweise forderte er den Kaiser da-
durch heraus, dafs er sich gegen die Bestimmungen des Wormser
Konkordates von Ulrich von Aquileja weihen liefs und ohne
Zustimmung des Kaisers seine lehnsherrlichen Rechte ausübte.
Darum brach Kaiser Friedrich mit einem Heere, bei dem sich
auch Heinrieh von Österreich befand, gegen Salzburg auf. Bevor
es zum Aufsersteu kam, überredete der Herzog seinen Neffen zur
Nachgiebigkeit *), und Adalbert gab sein Erzbistum auf, doch ver-
mochte der Kaiser nicht, eine Neuwahl bei der Salzburger Geist-
lichkeit zu erzwingen. Erst auf dem Reichstag zu Regensburg
im Juni 1174 wurde Adalbert feierlich abgesetzt, und aus der
nun folgenden Wahl ging Propst Heinrich von Berchtesgaden her-
1) Gerhoch von Keichersberg entfaltete eine publizistische Tätigkeit für
Konrad. De quarta vigilia noctis (Migne, Patrol. Bd. 194, 593).
2) Cont. Claustron. I, 611.
3) Die Darstellung Heinrichs bei Prutz, Friedrich I., III, '24 und Eiez-
1er 1, 701 als entschiedenen Anhängers Alexanders ist ganz unbegründet.
4) Chron. Magn. Presb. (M. G. ÖS. XYU, 490).
streben nach politischer und wirtschaftlicher Unabhängigkeit. 349
>-or, der, obwohl gleichfalls Anhänger Alexanders, vom Kaiser
doch die Regalien erhielt, da es diesen drängte, zur Entscheidung
awi den lombardischen Kriegsschauplatz zu kommen. Bei dem
Gerichtsverfahren war Ad albert persönlich zugegen, und Herzog
Heinrich vertrat allein seine Sache, vielleicht nur in formeller Weise
als dessen Anwalt ^).
Leider täuschte sich der Kaiser, wenn er hoffte, den Salzburger
Kirchenstreit beigelegt zu haben. Obwohl Heinrich sich zu Alexan-
der ni. bekannte, hielt dieser aus Gegnerschaft gegen den Kaiser
an dem abgesetzten Adalbert fest, den deshalb wenigstens ein Teil
der Klostergeistlichkeit als rechtmäfsigen Erzbischof betrachtete.
Klosterneuburg, das nach wie vor seine Kleriker bei Adalbert
weihen liefs 2), Heiligenkreuz, Zwettl, Göttweig und Garsten standen
von den österreichisch -bayerischen Klöstern auf seiner Seite. Sie
sind es auch, die sich auf einem Konvent einfanden, den der Legat
Alexanders IIL, Walter von Albano, einberief. Bezeichnenderweise
mufste die Versammlung in Ungarn abgehalten werden, da der
Legat bei Herzog Heinrich keine Unterstützung fand, ja nicht
einmal Geleite erhielt ^).
Im übrigen erlebte Herzog Heinrich, der durch seine kluge
und mafsvoUe Politik mitten unter den schwierigsten Verhältnissen
seinem Lande den Frieden erhalten und so dessen gedeihliche Ent-
wickelung gefördert hatte, noch den Schmerz, in blutige Kämpfe
mit seinen Nachbarn verwickelt zu werden, die Österreich mit
Plünderung und Verwüstung heimsuchten ^). Der Grund zu Grenz-
streitigkeiten mit Böhmen war gegeben, seit die Rodungen im
1) So nach der ansprechenden Vermutung von Juritsch S. 273.
2) Cont. Claustron. III, 630 ad a. 1170.
3) Vgl. dessen Bericht Magn. Presb. Ann. (M. G. SS. XVII, 501).
4) Über diese Kämpfe ist uns in keiner unserer Quellen ein zusammen-
hängender Bericht überliefert. Wir sind auf vereinzelte und verstreute Angaben
angewiesen und müssen ursächliche Zusammenhänge und Gesamtverlauf daraus
kombinieren. Aufser den verschiedenen österreichischen Klosterannalen kommt
Magnus Keichersperg. M. G. SS. XVII , 501 und besonders Gerhoch von Mühl-
hausen (Fontes rer. Bohem. II, 470 f.) in Betracht. Vgl. Bach mann, Ge-
schichte Böhmens I, 256 f. Auch beziehen sich wahrscheinlich einige der von
Loserth in den Beiträgen zur Kunde steiermärkischer Geschichtsquellen XXVI,
25 f. mitgeteilten Formeln auf diese Konflikte.
:{r>0 Dreizehntes Kapitel.
Kordwalde mit der Gründung des Klosters Zwettl einen festen
Älittelpunkt erhalten hatten und gegen Nordwesten lebhafter betrieben
wurden. Böhmen, dessen Gebiet sieh damals über Weitra hinaus bis
in das heutige Niedcrösterreieh erstreckte, und wohl auch durch Ro-
dungen neuen Kulturboden zu gewinnen suchte, sah sich darin
bedroht und machte seine Ansprüche geltend '). Doch hätten
diese Grenzfehden allein kaum so grofse Dimensionen angenommen^
wenn nicht gewisse Ereignisse und Beziehungen in den Herrscher-
häusern zusammen mit den allgemeinen politischen Verhältnissen
eine Art Koalitionskrieg hervorgerufen hätten, der allerdings, wie
erwähnt, nur zu einer Reihe von Raub- und Verwüstungszügen
führte. Den nächsten Anstofs gab ein Bruderzwist in der arpa-
dischen Königsfamihe. König Stephan III. war schon 1172 plötzhch
gestorben, wie es hiefs, von seinem Bruder Bela ermordet. Herzog
Heinrich von Österreich, der Schwiegervater Stephans, hatte die
Schreckenskunde vernommen, eben als er Herzog Heinrich dem
Löwen, der über Österreich nach dem Gelobten Lande zog, nach
grofsen Feierlichkeiten in Klosterneuburg und Wien das Geleite
bis Gran gab. Mit seiner plötzlich verwitweten Tochter Agnes
kehrte er nach der Heimat zurück. Aber auch seines zweiten
Bruders, Geisa, suchte sich der herrschsüchtige Bela zu ent-
ledigen, indem er ihn ins Gefängnis werfen liefs. Doch dieser
entwich, und suchte bei seinem Schwager Leopold von Oster-
reich, dem Sohne Herzog Heinrichs, Zuflucht. Bela versicherte
sich dagegen der Freundschaft Herzog Sobeslaws von Böhmen,
der eben, wie schon erwähnt, mit Osterreich wegen der be-
drohlichen Ausdehnung der deutschen Kolonisation gegen Nord-
westen in einen Konflikt geraten war, der nach irgendeiner Ent-
scheidung drängte. Ähnliche Reibungen an der Grenze scheinen
den Markgrafen Ottokar von Steier dazu bestimmt zu haben,
mit den Gegnern Heinrichs von Österreich gemeinsame Sache zu
machen, während dieser seinerseits Unterstützung bei Herzog
Hermann von Kärnten fand. Weitere Bundesgenossenschaft ver-
mochte er nicht zu gewinnen, obwohl er, wie es scheint, sich
auch mit Herzog Heinrich dem Löwen in Verbindung zu setzen
1) Siehe die interessante Darstellung bei Ger lach a. a. 0.
Streben nach politischer und wirtschaftlicher Unabhängigkeit. 351
suchte ^). Da damals die Salzburger Kircbenfrage für alle Ak-
tionen die Richtschnur bot, so drückt sich in der Koalition auch
in dieser Hinsicht die Parteistellung der einzelnen Teilnehmer aus.
Österreich und Kärnten, kaiserlich gesinnt, standen den päpst-
lichen Parteigängern, dem König von Ungarn und dem Mark-
grafen von Steier, gegenüber -). Nur bei Sobeslaw, der im Jahre
1173 vom Kaiser an Stelle des erbberechtigten Sohnes Wladislaws,
Friedrichs, des Bruders Adalberts von Salzburg, zum Herzog -in-
gesetzt worden war, spielten die erwähnten anderen Gründe mit,
und er brachte sich um ihretwillen mit dem Kaiser in Wider-
spruch.
Gegen den Markgrafen von Steier, der, wie es scheint, anfangs
von seinen mächtigeren Verbündeten nicht genügend unterstützt
wurde, errang Herzog Heinrich im Jahre 1175 einige nicht un-
beträchtliche Erfolge. Sowohl Fischau am Steinfelde, als auch
die Stadt Enns im Traungau wurden von den österreichischen
Scharen niedergebrannt, die Umgebung geplündert. Dafür wurde
im Sommer 1176 durch böhmische, mährische, polnische und
ungarische Scharen der nördliche Teil Österreichs in schreckhcher
Weise verheert. Zu einer Besetzung des Gebietes kam es jedoch
nicht, sondern nach dem Brauch des Kleinkrieges damaliger Zeit
kehrte das Heer nach vollbrachtem Streifzug über die Grenze zu-
rück, und Herzog Heinrich, der von den Grafen von Peilstein-
Schala-Hohenburg, denen bei ihrem ausgedehnten Besitz im Norden
der Donau an der Vertreibung der Feinde in erster Linie ge-
legen war, unterstützt wurde, konnte sie mit seinen Söhnen
Leopold und Heinrich bis an die Thaya verfolgen und durch
Verwüstung des mährischen Gebietes um Znaim Vergeltung üben.
Da hatte Herzog Heinrich am 29. November das Unglück, auf
einer Holzbrücke mit dem Pferde zu stürzen und sich einen
1) Dafs die Absicht bestand, kann man wohl aus dem Umstand sehliefsen,
dafs um die kritische Zeit (Mitte März 1176) eine grofse Versammlung der beiden
Herzöge und vieler bayerischer und österreichischer Grafen zu Enns stattfand
(ÜB. d. L. 0. d. Enns I, 347).
2) In welchem Mafse hier von einigen Geschichtschreibern, namentlich von
P r u t z III, 24 und ü u d i k , Geschichte Mährens IV, 18, die Tatsachen verdreht
■worden sind, hat bereits Hub er I, 263, Anm. 3 nachgewiesen.
353 Dreizehntes Kapitel.
kichenkelbi'uch zuzuziehen, an dem er anderthalb Monate später
am 13. Januar 1177 starb.
Die Katastrophe hatte vermutlich das österreichische Heer auf-
gelöst, denn im Dezember konnte Herzog Sobeslaw abermals in
Osterreich eindringen, Zwettl niederbrennen und die Umgebung
durch zehn Tage verwüsten. Herzog Heinrichs Nachfolger, sein
ältester Sohn Leopold V., verdrängte ihn aus Mähren nach Böhmen,
und der Kaiser, der die Schwenkung der böhmischen Politik nicht
ungestraft lassen wollte und allen Grund hatte, sich dem Baben-
berger erkenntlich zu zeigen, setzte ihn ab. An seine Stelle trat
nun doch Wladislaws Sohn und Erbe Friedrich, und der Kaiser
vermittelte zwischen diesem und Herzog Leopold auf einem Reichs-
tage zu Eger am 1. Juli 1J79 einen Vergleich über die strittige
Grenzfrage. Die Grenze sollte fortan vom Hochberg bis Gmünd
und von da bis zur Quelle des Gestitzbaches verlaufen '). Sechs
Jahre später belehnte dann der Herzog von Böhmen den öster-
reichischen Ministerialen Hadmar von Kuenring mit Weitra und
dem umliegenden Walde, wodurch die Einverleibung auch dieses
Gebietes in Österreich angebahnt wurde ^).
Herzog Leopold V. trug gleich vom Anfang an seine treue
Anhängerschaft an den Kaiser ostentativ zur Schau, indem er,
obwohl bereits zu Lebzeiten seines Vaters auf dem Reichstag zu
Regensburg im Jahre 1174 vom Kaiser mit Österreich belehnt,
sofort nach des Vaters Tode nach Italien zum Kaiser eilte, um
sich aufs neue belehnen zu lassen. Auch während der nächsten
Zeit, in der sich wichtige Ereignisse abspielten, weilte er an des
Kaisers Seite in Italien.
Nicht nur in dem böhmischen Grenzkriege, sondern auch in
der grofsen kirchenpolitischen Frage erlebte nicht mehr Herzog
Heinrich, sondern erst sein Sohn die Lösung. Persönlich konnte
er Zeuge sein des Friedensschlusses zwischen Kaiser Friedrich und
Papst Alexander HL zu Venedig am 22. Juli 1177, der auch den
Salzburger Erzbistumsstreit beilegte, indem der Papst Adalbert
fallen liefs. Doch bewahrten einzelne bayerische und österreichische
1) Meiller, Eegesten 56, 8 und 234.
2) Cod. dipl. Moraviae I, 316.
Streben nach politischer und wirtschaftlicher Unabhängigkeit. 358
Klöster, wie Reichersberg, Garsten und Klosterneuburg, Adalbert
auch ferner ihre Sympathien^), und im Jahre 1183 konnte dieser
sosar auf seinen erzbischöflichen Sitz zurückkehren.
Endlich erfolgte nun auch der Sturz des früheren Neben-
buhlers der Babenberger, Heinrichs des Löwen, der im Jahre 1180
auf dem Tage in Würzburg geächtet und seiner Herzogtümer,
Besitzungen und Lehen entsetzt wurde. Freilich berührte jetzt
dieses Ereignis Osterreich nicht mehr.
Dagegen erlangte unter Leopold V. Osterreich einen aufser-
ordentlichen Machtzuwachs, indem es Ottokar IV. von Steiermark,
das seit 1180 zum Herzogtum erhoben war, beerbte. Ehe wir
ims diesem Ereignis und den weiteren Folgen zuwenden, müssen
wir einen Blick auf die Entwickelung im Lande westlich der Enns
und im südlichen, steierischen Teile des Landes werfen, die sich
bei der schärferen territorialen Abgrenzung und der Ausbildung
der kleineren Fürstentümer seit dem 12. Jahrhundert mehrfach
abweichend von der in Osterreich gestaltet hatte.
1) Die Annalen des Magnus Keichersp. {M.. G. SS. IX, 504), die Cont.
Carstens, (a. a. 0. 594) und die Cont. Oaustron. III (a. a. 0. 631) bezeichnen
alle die Entscheidung mehr oder weniger deutlich als ungerecht.
Tancsa, Geschieht« Nieder- u. OberSsterreichs. *«>
Vierzehntes Kapitel.
Die Entwickelung der Landesteile aufserhalb der
Grenzen der Mark.
Die ehemalige Kärntnermark, deren Markgrafen sich im Ver-
laufe des 12. Jahrhunderts nach ihrer Stammfeste, der Styraburg^
Markgrafen von Steier nannten ^), hatte im letzten Jahrhundert
eine ganz ähnhche Entwicklung genommen wie die Ostmark 2).
Für unsere Darstellung kommt sie in zweifacher Richtung in Be-
tracht, denn, wie schon hervorgehoben wurde, umfafste diese
Markgrafschaft den ganzen Traungau bis zum Hausruck und
Polhamer Wald, einschliefslich des Salzkammergutes, und den
ganzen südlichen Teil des Landes unter der Enns, das Püttener,.
Neustädter und Gutensteiner Gebiet. Auch dieser Markgraf war
von Bayern abhängig und mufste die bayerischen Hoftage besuchen
1) Die früher stets angeführten Beispiele für das V'orkommen dieser Be-
nennung schon zu Ende des 11. Jahrhunderts sind entweder späte Zusätze oder
Fälschungen (die Garstener Traditionen).
2) Ich hebe hier selbstverständlich nur einige Momente hervor, die für den
Zusammenhang mit unserer Landesgeschichte von Bedeutung sind, und verweise
für das Folgende in Kürze aufser auf Hub er I, 267 und Strnadt, Geburt des
Landes ob der Enns, noch besonders auf Zahn in der Festschrift zur Feier der
vor 700 Jahren stattgefundenen Erhebung zum Herzogtum (Graz 1880), S. 10
und in der Literaturbeilage der Wiener Montags- Kevue 1881 Nr. 21—23. Wann
Steiermark entstand (Styriaca 1894) ; Krone s, Verfassung und Verwaltung der
Mark und des Herzogtums Steier (I. Band der Forschungen zur Verfassungs- und
Verwaltungsgesch. der Steiermark, Graz 1897), den allerdings eine demnächst
erscheinende gröfsere Untersuchung Strnadts vielfach berichtigen dürfte; end-
lich auch die kleine „Geschichte der Steiermark mit besonderer Eücksicht auf das
Kulturleben" von Fr. M. Mayer (Graz 1898). Vgl. auch Ilwof in Deutsche
Geschichtsblätter IV, 288, 1903.
Die Entwickelung der Lar.desteile aufserhalb der Grenzen der Mark. 355
und zwar hauptsächlich deswegen weil der Herzog von Bayern
sein Lehnsherr im Traun gau war. Was ihm eine aufserge wohn-
liche Machtfülle verlieh, war sein ausgedehnter Besitz sowohl an
Eigengütern als an Lehen. Früher als die Babenberger hatten
die Ottokare von Steier das Glück, durch günstige Heiraten und
reiche Erbschaften diesen Besitz zu mehren. Wie ihre Anfänge
im östlichen Alpenland auf die Beerbung der Lambacher zu-
rückgehen, haben wir schon gesehen. Sie erlangten hier Allo^^e
sowie bayerische und passauische Lehen ; etwas später kam die
Grafschaft im Ennstal als salzburgisches Lehen dazu. Markgraf
Ottokar H. (bis 1122) knüpfte Verbindungen mit den grofsen
benachbarten Territorialherren an und verheiratete sich mit Elisa-
beth, der Tochter des Markgrafen Leopold IL von Österreich,
die ihm als Mitgift das Gebiet zwischen der Piesting, Steinabrückl
und Wilhelmsburg zubrachte ^) und durch die er zugleich Schwager
Herzog Heinrichs von Kärnten, des Gemahles ihrer Schwester
Sophie, wurde; dieser war aber der letzte aus dem Hause der Eppen-
steiner und vermachte ihm bei seinem Tode einen ausgedehnten
Besitz in der Steiermark. Weitere Gebietsvermehrungen erfolgten
unter Ottokars H. Enkel, Ottokar HL (1129—1164), an den 1148
durch den Tod des Sponheimer Grafen Bernhard, seines Oheims,
die Mark an der Drau oder die Pettauer Mark und im Jahre 1158,
als Graf Ekbert H. von Formbach-Pütten in ItaHen fiel, auch
dessen ganzer Besitz im heutigen Niederösterreich, der politisch
schon seit längerer Zeit zur Kärntnermark gehörte, kam ^). Schliefs-
lich mufs bemerkt werden, dafs die steierischen Markgrafen wahr-
scheinUch schon als Erben der Wels - Lambacher auf dem Boden
des heutigen Oberösterreich im Norden der Donau in Haselbach
und Winkel, also im Amtsbereiche der Babenberger begütert
waren ^).
In kirchlicher Beziehung gehörte das weite Gebiet mit Aus-
1) Darüber gibt die Einleitung zu Enenkels Fürstenbucli (Mon. Germ.
Deutsche Chron. m) Aufschlufs. Vgl. Mon. Boic. XXIXb, 311. Kelchdorf dürfte
nicht Kalladorf im Viertel unter Manhartsberg sein, sondern einer der vielen
abgekommenen Orte gleichen Namens.
2) Darüber vgl. besonders Krön es a. a. 0. 74 ff.
3) Belege bei Strnadt, Peuerbach 118, 147.
23*
37)0 Vierzehntes Kapitel.
nähme des Traungaues zur Erzdiözese Salzburg, und mehr noch
als die Babenberger standen die Ottokare unter dem Einflüsse
ihrer Diözesane. Bei der prononzierten Stellung, die diese von
Gebhard bis Eberhard und Konrad in dem grofsen Kampfe
zwischen Kaiser und Papst einnahmen, war daher auch die Po-
litik der Markgrafen in höherem Mafse, als dies bei den vielfach
lavierenden und zurückhaltenden Babenbergern der Fall war,
ausgesprochen kirchlich. Zweimal kam es infolgedessen, wie wir
gesehen haben, sogar zu Feindseligkeiten zwischen den beiden
Nachbarländern.
In der Zeit der grofsen Klostergründungen wetteiferten die
Ottokare mit den Babenbergern in glänzenden Stiftungen. In
unseren Gegenden verdankte ihnen das Benediktinerkloster Garsten
seine Entstehung, das Nonnenkloster Traunkirchen seine Erneue-
rung >). Besonders das erstere, eine Lieblingsstiftung der Ottokare,
machte sich nach seiner Reformierung von Göttweig aus (1108)
unter dem tatkräftigen Abt Bertold (1111 — 1142) um die Kulti-
vierung des unteren Ennstales aufserordentlich verdient, indem
von hier kleine Mönchskolonien (Obedienzen) nach Gaflenz, Weyer,
Losenstein u. a. ausgesendet wurden. Ganz im Sinne Gerhochs
von Reichersberg hielt Bertold strenge Klosterzucht, die in Askese
und schweren Körperstrafen gipfelte. Aber auch auf die Laien
übte er grofsen Einflufs, ja hielt sogar seine schützende Hand
über Verbrecher, die sich vor der irdischen Gerechtigkeit in sein
Kloster flüchteten ^).
Nicht weit von der Stammburg der Ottokare und ihrem Haus-
kloster Garsten gründete um 1122 ihr Ministeriale Arnhalm von
Gleink ein anderes Benediktinerkloster, indem er in übHcher Weise
seinen Familiensitz zum Kloster umwandelte ^). Das Geschlecht
erbaute sich sodann eine neue Burg Volkenstorf bei St. Florian
1) Die Literatur über Garsten siehe oben S. 279, Anm. 1. — Über Traun-
kirchen: Friefs im Archiv für österreichische Geschichte LXXXII (1895).
2) Die Vita Bertoldi bietet ein anschauliches Bild des Klosterlebens (Pez,
SS. 11, 80).
3) Pritz, Geschichte der Benediktiuerklöster Garsten und Gleink (1841).
Urkunden bei Kurz, Beiträge zur Geschichte des Landes ob der Enns III und
Stülz (Archiv f. K. österr. Geschichtsquelleu lU).
Die Entwickelung der Landosteile aufserhalb der Grenzen der Mark. 357
und führte fortan von dieser Feste den Namen. Auch das Kloster
Gleink wurde von den Markgrafen von Steier reich begabt.
Einige Klostergründungen im Territorium dieser Markgrafen
sind dadurch von eigentümlicher Bedeutung, dafs sie mit einer
Seite der Kulturentwickeking zusammenhängen, die im 12. Jahr-
hundert besonders gefördert wurde. Es wurde schon hervorgehoben,
dafs in dieser Zeit der Pilgerfahrten und Kreuzzüge die Klöster
an den Heerstrafsen als Herbergen eine höchst segensreiche Auf-
gabe zu erfüllen hatten. Mehr noch als in der dichter besiedelten
Ebene, wo allmählich die Städte Unterkunft bieten konnten, wurden
diese klösterlichen Herbergen, Hospiz oder Spital genannt, im
Gebirge, an den gefährlichen und einsamen Alpenübergängen von
hervorragender Wichtigkeit, zumal da im weiteren Verlaufe des
Jahrhunderts der Handel nach dem Süden über die Alpenpässe ein
regerer wurde, ja sogar die Kreuzfahrer über sie ihren Weg nahmen,
um zur See nach dem Gelobten Lande zu gelangen. Im Jahre
1166 gründete Ottokar HI. (V.) das Spital am Semmering oder
Cerwald, dem später so berühmten Übergang von Niederösterreich
nach Steiermark. Einige Jahrzehnte später (1190) gründete Bischof
Otto II. von Bamberg ein ähnliches Hospiz an dem Alpenübergang
vom Lande ob der Enns ins obere Ennstal, das Spital am Pyhrn,
das gleichfalls von Ottokar von Steiermark mit Gütern ausgestattet
wurde ^).
Wie in der Ostmark die Babenberger, so hatten die Ottokare
auch in ihrem Territorium die einflufsreiche und einträgliche Vogtei
über die Klöster erlangt, so über Garsten, Gleink, Traunkirchen,
Lambach und das Spital am Semmering. Wenn wir von dem aus-
gedehnten Besitz dieser und der Klöster Kremsmünster und St. Florian
absehen, so kommt von den geistlichen Territorialherren für den
Traungau noch Bamberg, das bereits seit dem 11. Jahrhundert,
wie wir gesehen haben, im Besitz der Herrschaften Mattighofen,
Friedburg, Attersee, Kogl und Frankenburg sowie auch von
Wiudischgarsten war, und Salzburg, das im 1 2. Jahrhundert Güter
in den Pfarren Puchkirchen, Aupfelwang und Neukirchen erwarb,
in Betracht, für das Püttener Gebiet, das ziemlich bunte Besitz-
1) ÜB. d. L 0. d. Enns II, 424.
358 Vierzehntes Kapitel.
vei'hUltuisse aufwies, gleichi'alls Salzburg, dann Freising, dessen
Güter wir schon kennen gelernt haben, von denen aber einiges
Salzburger Eigen an Admont kam, ferner das Formbacher Haus-
kloster Formbach, das hier einen Oberhof, die Propstei Gloggnitz,
besafs, das Kloster Reichersberg, das durch die besondere Gunst
Erzbischofs Konrad von Salzburg die Pfarren Putten und Brom-
berg erhielt, später noch Edlitz, HoUenthon, Scheiblingkirchen,
Thernberg, Walpersbach; das (1072 gegründete) Bistum Gurk und
endlich die Propsteien Voran und Seckau, letzteres eine Stiftung
Adalrams von Waldeck aus dem Geschlecht der altfreien Herren
von Traisen, der die Vogtei über das Kloster 1146 an den Mark-
grafen Ottokar von Steier übertrug. Aufser den Klostervogteien
bildeten auch noch zahlreiche Lehen, namentlich Passauer und
Salzburger, Grundlagen für den Reichtum der Ottokare ').
Wenden wir uns dem weltlichen Grofsgrundbesitz in dem
nordsteierischen Gebiete zu, so finden wir der freien Herren nur
wenige. Im Traungau war das Ulstal aus dem Besitze des Grafen-
geschlechtes, das sich danach benannte, an die stammverwandten
Grafen von Wolfrathshausen und von diesea an die steierischen
Ottokare gekommen, die es an die Herren von Ort weiterliehen.
Die Grafen von Andechs hatten eine Reihe von Bambergischen
Lehen im Garstentale inne. Im Südwesten, ungefähr im Bezirke
der heutigen Pfarren Regau und Aurach, safsen die Grafen von
Rebegau-Piugen. Noch weniger sind aus dem Püttener Gebiet be-
kannt; gelegentlich werden nur freie Herren von Flatz (bei Neun-
kirchen) genannt ^). Eine eigentümhche Doppelstellung nahmen
die Herren von der Traisen ein, deren ausgedehnte Besitzungen
auf österreichischem und steierischem Boden lagen, und die dem-
nach auch vielfach in den Urkunden der steierischen Markgrafen
erscheinen.
Sehr zahlreich sind dagegen in beiden Gebieten die Dienst-
mannen der Ottokare ^). Im Traungau dürften zu den ältesten
1) Über die Besitzverhältnisse im Traungau vgl. hauptsächlich Strnadt,
Geburt des Landes ob der Euns S. 46 f., im Püttener Gebiet Krones a. a. 0. S. 77.
2) In der Keuner Stiftungsurkunde von 1138 (Zahn, Steier. ÜB. I, 175).
3) Über die Dienstmannen der steierischen Markgrafen siehe gleichfalls
Strnadt S. 62 und Krones S. 39fF.
Die Entwickelung der Lan desteile aufserbalb der Grenzen der Mark. 359
jene gehören, die sich nach der Stammburg der Markgrafen nannten.
Es sind dieselben, die später als Herren von Steinbach erscheinen
und in der neueren österreichischen Geschichte als Starhemberger
eine hervorragende Rolle spielen. Nicht minder berühmt und zum
Teil bis auf den heutigen Tag blühend sind die Herren von der
Traun, die Polheime, die Gleink-Volkenstorfe, dazu die Herren
von Kapellen, Wartenburg, Schlierbach, Ort und viele andere.
Aus dem Püttener Gebiete sind die Herren von Hohenstaff (Hoheu-
stauf)- Alten bürg, bekannter unter dem Namen Hohenberg, von
Prosset, Ahnherrn der späteren Emmerberge, die Herren von
Maiersdorf, Dachenstein, Scheuchenstein, Fronberg, Puchberg,
Losenheim, Stolzenwörth, Dunkelstein, Wolfstein, Mutmannsdorf,
Lanzenkirchen, Neunkirchen, Weikersdorf und andere zu nennen,
die zum Teil erst nach 1158 aus den oberösterreichischen und
steierischen Landen der Ottokare hier einwanderten ^). — In ähn-
licher Entwickelung wie in Osterreich war die Macht der Dienst-
mannen unter der Begünstigung der Markgrafen sehr gestiegen,
sie waren nicht einmal zu Abgaben verpflichtet wie die öster-
reichischen '').
Auch dem Aufkommen der Städte schenkten die steierischen
Markgrafen ihre Beachtung. Um ihre Stammburg Steyr hatte sich
ein Markt gebildet, der um 1170 als civitas bezeichnet wird. Später
begünstigten sie mehr Enns, um sich auch einen Anteil an dem
immer mehr aufblühenden Donauhandel zu sichern. Es erhielt
sogar von Ottokar VI. im Jahre 1190 ein Privilegium mit Stapel-
recht und Jahrmarktsbewilligung, in dem auch die Rechte der
fremden Kaufleute aus Köln, Aachen, Regensburg und Ulm fest-
gesetzt sind, ein Privileg, das als Vorbild für die späteren öster-
reichischen Stadtrechte von höchster Wichtigkeit wurde ^). Enns
ist auch bereits 1185 als Münzstätte der Ottokare bezeugt*). Im
1) So die Hohenstaff aus Oberösterreich (Bl. d. Ver. f. Landesk. VIII, 69,
1873); die Prosset von der gleichnamigen Feste in Steiermark usw.
2) Geht aus der Georgenberger Handfeste hervor. Ich werde auf die ein-
zelnen diesbezüglichen Bestimmungen unten noch näher zurückkommen.
3) Oberleitner, Die Stadt Enns im Mittelalter (Archiv f. österr. Gesch.
XXVII, 62). Die Urkunde: Archiv X, 92.
4) Zahn, Steierisches Urkundenbuch I, 619.
360 Vierzehntes Kapitel.
Püttener Gebiete gab es bereits um 1140 eine Münzstätte zu
Neunkii"chen. Die Urkunde König Konrads III. über Münze und
Marktrecht dieser Stadt ist das älteste uns erhaltene derartige
Instrument in den altösterreichischen Landen '). In demselben
Gebiete entstand dann um 11G6 eine Münzstätte der Ottokare zu
Fiscbau ^). Es gab in diesen Städten landesfürstliche Münzer,
Wirtschaftsverwalter (Rentraeister) und Geldwechsler (Monetarii^
dispensatores, commutatores).
Die Gründe für diese Einrichtungen und Verfügungen sind
in zwei Richtungen zu suchen. Einerseits strebten die steierischen
Markgrafen von dem Augenblicke an, da die Macht der Baben-
berger selbständiger wurde, besonders seit dem Jahre 1156, viel-
leicht aber schon, als diese die Herzogswürde von Bayern erlangt
hatten und dadurch vorübergehend ihre Lehnsherren geworden
waren, danach, eine ähnlich selbständige Stellung zu gewinnen,
und mufsten daher auch eine ähnlich Wirtschaftspolitik einschlagen,
um ihr Land von der Abhängigkeit von Bayern zu befreien und
sich von Österreich nicht ganz überflügeln zu lassen. So errichteten
sie ihre Handelsplätze und Münzstätten, wie in Osterreich die
Babenberger Krems und Wien.
Andrerseits entsprach ihre Tätigkeit doch wohl auch einem Be-
dürfnis, das die Verhältnisse der Gegenden gerade damals schufen.
Im 12. Jahrhundert begannen nämlich der Bergbau und die mit
ihm zusammenhängenden Industrien in den österreichisch - steie-
rischen Alpen aufzublühen und ebenso der Handel nach Süden,
der seit der Römerzeit erloschen war, über die Alpenpässe sich zu
entwickeln. Die urkundlichen Nachrichten für den Eisenbergwerks-
und Salinenbetrieb in Obersteier (Ennstal, am Erzberg, um Maria-
zeil), für die Salzgewinnung im Salzkammergut (Aussee) sind zwar
zunächst für das 12. Jahrhundert noch dürftig und unbestimmt, aber
sie genügen vollkommen, um die Anfange der späteren Entwicke-
lung verfolgen zu können ^). Dabei mufs als aufserordentlich
1) Meiller, Regesten 28, 22.
2) Steierisches ürkundenbuch I, 462.
3) Salzgewinnung schon 1025 im Aflenztal (Steier. ÜB. I, 53), Salinen und
Erzbau ebendas. 1103 (a. a. 0. S. 112). — Siehe jetzt am besten bei Bittner,
Das Eisenwesen in Innerberg - Eisenerz (Archiv f. österr. Gesch. LXXXIX, 451,
Die Entwickelung der Landesteile aufserhalb der Grenzen der Mark. 361
wichtiges Moment hervorgehoben werden, dafs die Markgrafen
von Steier bereits das Hoheitsrecht darüber besafsen ^), was gleich-
falls zur Erhöhung ihres Reichtunis beitrug.
Natürlich hatte das Aufkommen dieser Bergwerksbetriebe auch
einen neuen Verkehr und die Belebung der alten Handelswege
zur Folge. In Niederösterreich führte die Strafse über Fischau,
wo ja auch, wie wir gesehen haben, eine Münzstätte entstand,
durch das Buchberger Tal 2). Die Gründung des Spitals am Semrae-
ring im Jahre 1166 weist bereits auf einen regen Verkehr über
diesen Alpenpafs, denn Österreich war bei dem Mangel an eigenem
Bergsegen auf den Bezug von Salz und Eisen angewiesen, während
es hinwiederum Körnerfrüchte und Wein an die Alpenländer
abgab.
Ebenso steht die Errichtung der Münzstätte zu Enns und die
Verleihung des Markt- und Stapelrechtes an diese Stadt, sowie
die Begründung des Spitals am Pyhrn in der Zeit um 1190 mit
dem Aufschwung des Handelsverkehres von der Donau durch das
Ennstal nach dem Süden und dieser wohl auch mit dem Auf-
blühen des Erzbergbaues und Salinenbetriebes im Salzkammergut
und oberen Ennstal im Zusammenhang. Aus der Ennser Stapel-
ordnung von 1190 geht sogar hervor, dafs Lastschiffe von der
Donau ab- und in die Enns einbogen und flufsaufwärts fuhren.
Es kann daher nicht wundernehmen, wenn in dieser Zeit auch
bereits die Kreuzfahrer nicht mehr ausschliefshch den Donauweg
wählen, sondern über die genannten Alpenpässe zum Adriatischen
Meere ihre Strafse nehmen, um dann auf dem Seewege ins Ge-
lobte Land zu gelangen. Für einen weiter reichenden Handel
nach dem Süden, über die Alpenländer hinaus, nach Itahen ist im
12. Jahrhundert noch kein direktes Zeugnis vorhanden. Möglich
[1901]). Über die Salinen : I n a m a - S t e r n e g g , Zur Verfassungsgeschichte der
deutschen Salinen im Mittelalter (Sitzungsber, d. Akad. d. Wissensch., phil.-hist.
Kl. CXI, 569, 1886); Aigner, Die Salinen der Alpen in ihrer geschichtlichen
Entwickelung (Zeitschrift f. Berg- und Hüttenwesen XXXVI, 551 ff., 1888).
1) Geht aus der Urkunde Ottokars VI. für Seckau vom 29. November 1182
hervor (Zahn, Steier. ÜB. I, 586).
2) Newald, Ein Beitrag zur Kenntnis der alten Strafsen Verbindungen
des Wiener Beckens mit den obersteierischen Eisenbergwerkeu und Salinen (Bl.
d. Ver. f. Landesk. von Niederösterr. IV, 282, 1870).
362 Vierzehntes Kapitel.
aber, dafs gewisse in jener Zeit auftretende Beinamen in Oster-
reich, wie rienricus Roraanus, Otto Romaer, Rudeger cognomento
Paveiare u. a. ^) auf bereits bestehende Handelsbeziehungen zu
Italien hindeuten.
Es sei gestattet, an dieser Stelle noch einen Blick auf das
nachbarliche Grenzgebiet Bayerns zu werfen, das in nicht gar
ferner Zeit mit dem Lande östhch der Traun verschmelzen sollte,
und in der Entwickelung bei der nahen Berührung grofse Ver-
wandtschaft zeigt. Die Besitzverhältnisse in diesem bayerischen
Gebiete liegen sehr im dunkeln -). Im wesentHchen scheint es
nach wie vor in der Hand einiger weniger grofser Geschlechter
gewesen zu sein: die späteren Landgerichte Ried und Schärding
am Inn im Besitze der Grafen von Formbach und Neuburg, das
Landgericht Kammer in dem der Grafen von Burghausen, von
denen es nach deren Aussterben (1164) wie die meisten anderen
Güter an die Grafen von Plaien kam.
Den Bischöfen von Würzburg gehörte aus dem alten Lam-
bacher Erbe Wels, das unter ihnen im 12. Jahrhundert, gleichfalls
durch den Verkehr nach dem Süden und ins Salzkammergut be-
günstigt, der daran vorüberführte, einen bedeutenden Aufschwung
nahm, obwohl es sich herausgestellt hat, dafs die frühere Annahme,
Wels habe bereits im Jahre 1128 eine städtische Verfassung ge-
habt und sei demnach das älteste österreichische städtische Gemein-
wesen, auf einer verunechteten Urkunde beruht ^j. Grofses Ge-
wicht legten die Bischöfe auf die Erhaltung der Traunb rücke. —
Linz, Passauisches Lehen, wird um 1140 als civitas genannt.
Das geistige Leben konzentrierte sich auch im Lande ob der
1) Im Klosterneuburger Salbuch (Font. rer. Austr. 2. Abt. IV, 106, 447;
XI, 17). — Vgl. darüber auch Kichard Müller in der Geschichte der Stadt
Wien, hgg. vom Altertumsvereine I, 165.
2) Strnadt, Geburt d. L. o. d. Enns S. 47f. und Peuerbach (27. Jahres-
bericht d. Mus. Franc.-Carol.).
3) Simonsfeld, Historisch-diplomatische Forschungen zur Geschichte des
Mittelalters (Sitzungsber. d. philos.-philol. u. histor. Klasse d. bayer. Akademie
S 391. 1898) bat nicht nur nachgewiesen, dafs die Urkunde über die Erhaltung
der Traunbrücke zu Wels, die von einem Stadtrichter und einem Ausschufs von
vier angesehenen Bürgern spricht, nicht ins Jahr 1128, sondern 1138 gehöre,
sondern auch, dafs dieser Absatz eine spätere Verunechtung ist.
Die Entwickelung der Landesteile aufserhalb der Grenzen der Mark. 363
Enns in den Klöstern, besonders in den alten Stiftern Mondsee,
Kremsmünster, St. Florian, denen die neuen Gründungen Reichers-
berg, Garsten, Gleink, Wilhering eifrig nachstrebten. Welchen
Bann Persönlichkeit und Schriften Gerhochs von Reichersberg
auf die Klöster der Alpenländer und weit über die Klostermauern
hinaus ausübte, haben wir ja schon gesehen. Er spiegelt sich
auch in den asketischen Werken Liutolds und Eberhards von Mond-
see. In Gleink entstand vermuthch im Laufe des Jahrhunderts
eine Dichtung, die einen beUebten Stoff der kluniazensischen Geistes-
richtung, den „Antichrist", behandelte ^). Eine Umarbeitung einer
Kärntner Litanei liefs Abt Engelbert von St. Florian (1172 - 1203)
vornehmen, worin ausdrücklich der heihge Koloman eingefügt
wurde.
Wie sehr der neue Geist auf das Laienvolk hinübergriff, geht
daraus hervor, dafs sich Gerhoch von Reichersberg einmal ganz
befriedigt darüber äufsert, dafs jetzt niemand mehr wage, un-
anständige Lieder zu singen, sondern überall Lobgesänge Gottes
in Aufaahme kämen; zugleich ein Zeugnis für die Volkspoesie
jener Zeit. — Die Klosterschulen trugen das Ihre dazu bei ^).
Aufser der älteren Schule von St. Florian sind zwischen 1111 — 1142
Schulen in Kremsmünster und Garsten ^) , unter Gerhoch eine in
Reichersberg, zu Mondsee wenigstens gegen Ende des Jahrhunderts
eine solche nachweisbar.
Der rege wissenschaftliche Sinn der Klostergeisthchkeit prägt
sich schon in den seit dem 11. Jahrhundert bestehenden und
immer mehr anwachsenden Bibliotheken der Stifter aus, die unter-
einander einen lebhaften Ausleiheverkehr unterhielten. Interessante
alte Verzeichnisse stammen aus Kremsmünster und St. Florian *).
Wie die Melker Annalen auch in Lambach, Kremsmünster und
Garsten Eingang und Fortsetzung gefunden, sahen wir bereits.
1) Es ist allerdings auch möglich, dafs das Gedicht selbst in Bamberg
entstanden ist (Nagl-Zeidler S. 158).
2) Literatur siehe oben S. 294, Anm. 2.
3) Nach der Vita Bertoldi.
4) Hagn, Das Wirken der Benediktinerabtei Kremsmünster S. 26; Czerny,
Die Bibliothek des Stiftes St. Florian (Linz 1874). wo auch (S. 37) ein erhaltener
Ausleihkatalog aus dem 12. Jahrhundert mitgeteüt ist.
364 Vierzehntes Kapitel.
Aber auch andere bedeutende historisclie Aufzeichnungen entstanden
in den obderennsischen Klöstern. Liutold von Mondsee schrieb
die Gründungsgeschichte seines Klosters in Versen i), das Leben
des Abtes Bertold von Garsten wurde bald nach dessen Tode
(1142) in seinem Stifte beschrieben, gegen Ende des Jahrhunderts-
in Lambach das Leben des Bischofs Adalbero von Würzburg. —
Fratres literati, Mönche, die sich ausschhefsHch mit der Wissen-
schaft beschäftigen, werden in Kremsmünster erwähnt.
Doch auch die Künste erfreuten sich bereits einer nicht un-
bedeutenden Pflege 2). Miniaturmalerei wurde im 12. Jahrhundert
in Lambach (Bruder Gottschalk), Mondsee (Liutold), Reichersberg,
Kremsmüuster (Gerung) und St. Florian, Glasmalerei besonders
in Kremsmünster (Bruder Hertwig) betrieben. In Kremsmünster
wurden dem Abte Ehrenbert und dem Bischof Engelbert von Passau
Denkmäler errichtet. — Aufserhalb der Klostermauern gibt das
romanische Portal der Pfarrkirche der Bischofstadt Wels noch
heute von der aufblühenden Baukunst des 12. Jahrhunderts Kunde. —
Die Musik wurde als Kirchengesang schon damals in den Klöstern
gepflegt. Als im Jahre 1160 Limbert aus Admont als Abt nach
Kremsmünster berufen werden sollte, vermochte der Kirchengesang
dieses Stiftes mit dem Admonts nicht in Einklang gebracht zu
werden '^). Auch für St. Florian ist Musikpflege schon für diese
Zeit überliefert *).
Im Wettstreite mit Österreich, zum Teil in lebhaften Wechsel-
beziehungen war also auch Steiermark im 12. Jahrhundert rascK
aufgeblüht, der Markgraf zu einer bedeutenden Machtstellung ge-
langt, an Grundbesitz sogar reicher als der Herzog von Kärnten
und der neue Herzog von Osterreich. Die Entwicklung drängte
dazu, dafs auch diese Markgrafen unter die Reichsfürsten auf-
genommen wurden. Die Gelegenheit dazu fand sich, als im Jahre 1180
Heinrich der Löwe in des Reiches Acht und Bann verfiel und
1) ÜB. d. L. 0. (1. Enns I, 102. — Vgl. Staufer, Mondseer Gelehrte
(Melker Programm 1864, 1865).
2) Friefs im Programm voa Seitenstetten 1869. — Hagn a. a. 0. —
Czerny, Kunst und Kunstgewerbe im Stifte St. Florian (Linz 1886).
3) H a n s i z , Germ, sacra I, 318.
4) Czerny a. a. Ö.
Die EntwickeluDg der Landesteile aufserhalb der Grenzen der Mark. 365
seiner Herzogtümer verlustig ging. Da übertrug der Kaiser Bayern
zwar an die Witteisbacher, suchte aber einem Ubermächtigwerden
dadurch vorzubeugen, dafs er den bisher von Bayern lehens-
rührigen Besitz der Ottokare im Lande ob der Enns von dem
baverischen Herzogtum loslöste und die ganze steierische Mark
z\x einem eigenen Herzogtum erhob ^). Leider hat sich über diesen
Vorgang keine Urkunde erhalten, und, da kurze Zeit später die
Selbständigkeit des neuen Herzogtums wieder aufhörte, so läfst
sich die staatsrechtliche Stellung des steierischen Herzogs und ihre
Verschiedenheit von der des österreichischen nicht mehr genau
erkennen ^).
Es traten nämhch nun Verhältnisse ein, wie sie zu den be-
stimmenden Zufälligkeiten der Weltgeschichte gehören. Währenti
das Geschlecht der Babenberger noch blühte, stand das Geschlecht
der Traungauschen Ottokare auf zwei Augen, eben jenen des ersten
steierischen Herzogs, Ottokars IV. , und dieser war aufserdem mit
Aussatz behaltet. Er sah sich daher vor die Notwendigkeit ge-
stellt, über seine Erbschaft und über die Nachfolge in der Re-
gierung des Landes eine Verfügung zu treffen, und vermutlich
stand ihm das Recht zu dieser Verfügung zu, ähnlich wie es den
Babenbergern durch das Privilegium minus gewährleistet worden
war. Unter den wenigen MögUchkeiten mufste eine Vereinigung
mit dem mächtig aufstrebenden Osterreich, das so viele gemein-
same Interessen besafs, am vorteilhaftesten erscheinen.
Durch die bereits oben erwähnten Familienverbindungen waren
zudem die Babenberger seine nächsten Anverwandten geworden.
Möglich, dafs Ottokar zunächst eine kaufweise Veräufserung vor-
schwebte ^). Er führte auch Verhandlungen mit den Baben-
bergern und natürlich auch mit dem Kaiser, der gegen einen
Anfall der Steiermark an Österreich keinen Einwand erhoben zu
haben scheint. Für alle Fälle verfügte er vorläufig über seinen
1) Darüber siehe Krön es a. a. 0. S. 50 — 54.
2) Auch Krones läfat ein näheres Eingehen auf diesen Punkt vermissen.
Dennoch würde sich wohl eine Untersuchung desselben verlohnen.
3) Allerdings nur von Fälschungen (Vorauer Urkunde von 1184, Zahn,
Steier. ÜB. I, 603) und späten Schriftstellern (Enenkel, Hagen, Cuspi-
nian) bezeugt. Vgl. darüber und über das Folgende Krones a, a. 0. S. 54 ff.
;i66 Vierzehntes Kapitel.
Eigenbesitz in Österreich, der einst die Mitgift der Babenbergerin
Elisabeth ausgemacht hatte, indem er Gumpoldskirclien an Heinrich
den Jüngeren, den Bruder Herzog Leopolds, Rappoltenkirchen,
Kelchdort' und Sitzenberg an den Domvogt Otto von Regensburg,
einen Verwandten der Babenberger, und Ossarn an Lutwin von
Sonnberg übergab ').
Bezüglich des Landes wagte er jedoch keine Entschliefsung
ohne Zustimmung der adeligen Herren und Ministerialen der Steier-
mark, obwohl ihm im Grunde genommen hinsichtlich seiner Dienst-
manuen das Recht zugestanden hätte, sie ohne weiteres zu ver-
äufsern. So bedeutend war im Laufe der letzten hundert Jahre
ihr Einflufs geworden ! Zu diesem Zwecke fanden zu Beginn der
achziger Jahre wiederholt gröfsere Versammlungen statt. Woran
den Adeligen hauptsächlich gelegen sein mufste, war, dafs ihnen
keines ihrer Rechte von dem neuen Landesherrn entzogen und
keine neue Verpflichtung auferlegt würde.
Als daher endlich am 17. August 1186 auf dem Georgen-
berge im W^eichbilde der herzoglich steierischen Stadt Enns der
wichtige Erbvertrag zustande kam, wodurch Herzog Ottokar den
Herzog Leopold von Österreich und dessen ältesten Sohn Friedrich
und in weiterer Folge immer denjenigen Nachkommen, der Österreich
innehaben würde, zu Erben von Land, Ministerialen und Rittern
(provinciales oder conprovinciales) einsetzte, mufste in die Ur-
kunde auch eine Verbriefung der Rechte und Pflichten der Dienst-
mannen — die erste ihrer Art — aufgenommen werden ^). Charakte-
ristisch ist, dafs sie nicht nur dadurch ihre bisherigen Rechte be-
halten, die sich im allgemeinen, wie es scheint, mit denen der
österreichischen Ministerialen deckten, sondern auch von gewissen
drückenden Verpflichtungen der österreichischen befreit sein sollten,
wie namentlich von den Abgaben und Belästigungen, die diesen
1) Einleitung zu Enenkels Fürstenbuch (hgg. von Lampel, M. G.
Deutsche Chroniken III).
2) Der eigentliche Vertrag ist nicht erhalten, wohl aber dessen Kund-
machung, vermehrt durch zwei spätere Zusätze, und eine Mitteilung an die Klöster
(auch die kleine Georgenberger Urkunde genannt). Zahn, Steier. ÜB. I, 651 f.
Vgl. auiser Krön es a. a. 0. S. 58. Luschin, Die steierischen Landhandfesten
(Beitr. z. Kunde steierm. Geschichtsquellen IX, 119, 1872).
Die Eni Wickelung der Landesteile aufserbiilb der Grenzen der Mark. 367
die Gerichtsbarkeit auferlegte ^) , von dem Gerichtsbeweis durch
den Zweikampf, an dessen Stelle in Steiermark einzig und allein
die Zeugenaussage zu gelten habe, und von dem Anfallsrecht der
Herzöge bei erledigten Lehen, statt dessen den Steiermärkern freie
Verfügbarkeit über ihr Erbe, sogar Erbrecht der Töchter zu-
gestanden wurde. Dagegen wurden ihnen einige besondere Be-
günstigungen des österreichischen Adels nunmehr ebenfalls zuteil.
So sollten nunmehr auch für die steierischen Truchsesse, Mund-
schenke, Kämmerer und Marschälle in bezug auf den Besuch der
kaiserlichen Hoftage und die Reichskriege alle den Österreichern
durch das Privilegium minus gewährleisteten Vorrechte Geltung
haben.
Inwieweit die übrigen lehens-, Vermögens- und erbrechtlichen
Bestimmungen des Georgenberger Vertrages (Anerkennung der
von den Ministerialen im Lande besessenen Lehen fremder Herren,
Erbrecht der Blutsverwandten, Recht, Eigen an Landesgenossen
oder Landesklöster und -kirchen zu verkaufen oder zu verschenken)
spezifisch steierische Rechte sind oder auch den Österreichern zu-
kommen, läfst sich zwar nicht mit Sicherheit entscheiden, aber ich
glaube mich auf Grund der späteren Entwickelung ^) für das
letztere aussprechen zu sollen. Sicher ist wohl, dafs das den Steier-
märkern für strittige Fälle zuerkannte Recht der Appellation an
den Kaiser auch die Österreicher besafsen, da die Fiktion auf-
rechterhalten blieb, dafs die Ministerialen eigentlich dem Reiche
gehörten.
Eine neue Bestimmung war die natürliche Folge der Ver-
einigung beider Länder: die territoriale Abgeschlossenheit der
Ministerialen wurde zwischen Österreich und Steiermark aufgehoben
und Heiraten zwischen Österreichern und Steiermärkern gestattet,
zugleich wurde statt der üblichen Personalität des Rechtes der
Grundsatz ausgesprochen, dafs die Eheleute das Recht ihres Wohn-
sitzes geniefsen sollten.
Für unsere Geschichtsdarstellung ist zu betonen, dafs sich zu-
nächst die neuen adeligen Untertanen des Herzogs von Österreich im
alten Traungau und im Püttener-Neustädter-Guttensteiner Gebiete
1) Über die Abgaben und Leistungen in der Mark siehe oben S. 323.
2) Vgl. Siegel in den Sitzungsberichten der Wiener Akademie CII.
368 Vierzolmtos Kapitel.
in günstigerer Lage befanden als die altösterreichischen, und dafs
sie besonders die Verbrietung des Rechtes vor diesen voraus hatten.
Die Landesklöster wurden von den Georgenberger Beschlüssen,
durch die den Babenbergern auch die Vogtei über sie und das
Patronat über die Pfarrkirchen übertragen worden war, verständigt
und ihnen nicht nur Wahrung ihres Besitzes, sondern auch Wieder-
herstellung des allenfalls entfremdeten versprochen ^).
Die Bestimmungen des Georgenberger Vertrages bezogen sich
auf das Eigengut, die Ministerialen und die Hausklöster der
Ottokare; vielleicht war aber auch bezüglich der Herzogswürde
und des Landes dem Herzog ein gewisses Vorschlagsrecht zu-
gestanden worden, auch hatte man sich wohl schon durch die
Verhandlungen mit dem Kaiser seiner Zustimmung versichert,
und dieser hatte, obwohl sonst grundsätzlich mehr auf die Tei-
lung der grofsen Reichslehen bedacht, Jamals allen Grund, die
mächtigen Herzöge von Osterreich und Steiermark durch Gunst-
beweise für seine Politik zu gewinnen, da er ja gei'ade wieder
mit dem Papste (Urban IL) in Konflikt geraten war. Bei dem
ausgedehnten Grundb^esitz des steierischen Herzogs im Lande und
seinen vielen Ministerialen und Untertanen wäre es übrigens auch
schwer möglich gewesen, einen anderen als Herzog durchzusetzen
als den Erben dieses Besitzes. Wirklich hat Kaiser Friedrich
nicht nur keinen Einwand erhoben, sondern die vollzogene Tat-
sache anerkannt. So vermittelte er beispielsweise iswischen Herzog
Leopold und König Bela HI. von Ungarn wegen der strittigen steie-
rischen Grenze im Jahre 1188 ^). Als dann am 8. oder 9. Mai 1192
der Tod den noch jungen (kaum dreifsigjährigen) letzten Chiem-
gauer von seinem unheilbaren Leiden erlöste, stand auch der neue
deutsche König, Heinrich VI., nicht an, Herzog Leopold von Oster-
reich und seinen Sohn Friedrich noch in demselben Monate (am
24. Mai) mit dem Herzogtum Steiermark zu belehnen, worauf
Leopold auch die steierischen Dienstmannen in Graz huldigten ^).
1) Es ist nur noch das für Voran bestimmte Exemplar erhalten (Steier.
ÜB. I, 654).
2) Cont. Zwettl. S. 544.
3) Dafs die Annahme Jägers (Beiträge z. österr. Gesch. II, 79), der sich
auch noch Luschin anschliefst, als habe Kaiser Heinrich VI. die Vereinigung
Die Entwickelung der Landesteile aufserhalb der Grenzen der Mark. 369
Immerhin bleibt es auffallend und wird leider durch die
Überlieferung unserer Quellen nicht genügend erklärt, warum
wenige Jahre später, als Herzog Leopold V. von Österreich und
Steiermark auf gleiche Weise wie sein Vater, nämlich durch einen
Schenkelbruch bei einem Sturz vom Pferde, in Graz am 31. De-
zember 1194 ums Leben kam, entgegen der ausdrücklichen Be-
stimmung des Georgenberger Erbvertrages — dieser verfügte ja:
beide Länder sollten für immer vereint bleiben — Österreich an
seinen ältesten Sohn Friedrich, der doch schon mit Steiermark
belehnt war, dieses jedoch an den jüngeren Leopold fiel und so
abermals eine Trennung eintrat. Es scheint, als ob sich bei den
Babenbergern gewissermafsen der Grundsatz herausgebildet hätte,
den jüngeren Prinzen ganz bedeutende Apanagen zuzuweisen. Schon
Leopolds IIL ältester Sohn Adalbert führte zu Lebzeiten seines Vaters
den Titel Markgraf und war Vogt der Babenbergischen Familien-
klöster. Leopolds IV. Bruder, Heinrich (Jasomirgott) , hatte ur-
sprünglich die Pfalzgrafschaft am Rhein, allerdings durch seinen
Stiefbruder, den König Konrad, erlangt. Leopold V. hatte seinem
Bruder Heinrich einen reichen Güterkomplex um Jedlersee, Wolf-
passing und Reisenberg, sowie um Mödhng überlassen. Dieser
legte sich den Titel Herzog bei und hielt auf Burg Mödling einen
eigenen Hofstaat ^). Es ist möglich , dafs Herzog Leopold durch
die Länderteilung, die er vielleicht in seinen letzten Willen verfügte,
für seinen jüngeren Sohn sorgen wollte, indem er so in etwas kurz-
sichtiger Weise die Familienpolitik höher stellte, als den Vorteil des
ungeteilten Besitzes ^). Gewifs kam er darin auch einem Wunsche
Österreichs und Steiermarks nur für die Lebenszeit Leopolds V. bestätigt, während
nach dessen Tode die Länder wieder unter dessen beide Söhne geteilt werden
sollten, auf einer unrichtigen Auffassung der urkundlichen Nachrichten beruht,
liat bereits Hub er, Österreichische Geschichte I, 273 bewiesen.
1) Sava, Die Herzüge von Mödling (Der österr. Geschichtsforscher II, 476).
Lampel, Die Einleitung zu Jans Euenkels Fürstenbuch S. 30, (Wien 1883).
2) Von einer letztwilligen Verfügung berichtet Enenkels Weltchronik (hgg.
von Strauch in Mon. Germ. SS, in vern. lingua IH,^ 545). Von den neueren
Historikern glaubt nur Jäger darin eine Mafsregel des Kaisers sehen zu können.
Krones a. a. 0. S. 119 bringt noch einige Anhaltspunkte bei, die vermuten
lassen, dafs die Trennung schon zu Lebzeiten Leopolds V. beschlossene Sache
war. — Zu vergleichen ist auch Töche, Jahrbücher des deutschen Kelches unter
Heinrich VI., S. 408.
Yancsa, Geschichte Nieder- u. Oborösterreichs. ^4
S70 Viorzohntos Kaj)itel.
der beiden sonst noch interessierten Hauptfaktoren nach : des Kaisers
und der Landesministerialen. König Heinrich VI. — Friedrich
Barbarossa war unterdessen am 10. JuU 11 DU auf dem Kreuzzuge
im Fhisse Kalykadnus ertrunken — hielt an der bisherigen stau-
lischen PoUtik der Zersphtterung der Herzogtümer fest und konnte
die Trennung der beiden Länder nur zustimmend begrüfsen. Aber
auch die Ministerialen mochten sich an die neuen Verhältnisse
noch nicht recht gewöhnt haben, vielleicht doch Übergriffe der
neuen Herren fürchten und daher eine eigene Landesregierung
vorziehen. Jedenfalls müssen auch sie der so hochwichtigen Mafs-
regel zugestimmt haben.
Dennoch war es für die Entwickelung Österreichs zweifellos
ein Glück, dafs abermals ein Zufall eingriff, um schon nach wenigen
Jahren eine Wiedervereinigung der beiden Länder herbeizuführen,
die seitdem nie wieder völhg aufgehoben worden ist. Am 16. April
1198 erlag Herzog Friedrich von Osterreich auf einem Kreuzzuge
in Palästina einer kurzen schweren Krankheit. Einige Monate
vorher war auch Kaiser Heinrich VL am 28. September 1197
gestorben und hatte aiur einen erst dreijährigen Sohn Friedrich
hinterlassen. Bei der Unmöghchkeit, diesem Kinde die Krone zu
verschaffen, hatte die Stauferpartei am 9. März 1198 die Wahl
des Bruders Heinrichs VI., Philipps von Schwaben, zum deutschen
König durchgesetzt, während die Weifen in dem Sohne Heinrich»
des Löwen, Otto, im Juni einen Gegenkönig aufstellten ^). Bei
dieser Spaltung im Reiche war an ein Einschreiten der königlichen
IVIacht gegen die Herzogtümer kaum zu denken, im Gegenteile bot
König Philipp alles auf, um die mächtigen Babenberger zu ge-
winnen. Auch die Ministerialen scheinen keinen Widerstand ge-
leistet zu haben, denn einen ganz neuen Herzog zu berufen wäre
wohl noch mifslicher gewesen, und ein anderer Babenberger Sprofs
war nicht mehr vorhanden. So war es am vorteilhaftesten, an
dem Georgenberger Vertrag festzuhalten, und Leopold ergriff tat-
sächlich ohne weiteres die Herrschaft beider Herzogtümer. Am
1) Vgl. über die Beziehungen zum Eeich auch Abel, Philipp der Hohen-
staufe (Berlin 1852), sowie Otto IV. und Kaiser Friedrich II. (Berlin 1856) und
Winkelmann, Jahrbücher des deutschen Eeiches unter Philipp von Schwaben
und Otto IV. (Berlin 1873, 1878).
Die Entwickelung der Landesteile auf serhalb der Grenzen der Mark. 37 t
17. August nennt er sich bereits offiziell in Urkunden Herzog von
Österreich und Steiermark ^). Er schlofs sich wie die anderen
süddeutschen Fürsten an König Philipp an und erschien in der
ersten Zeit wiederholt auf dessen Hoftagen ^).
Die Babenberger waren aber nicht nur nach dem Ausgang der
Traungauer die lachenden Erben. Schon bei der Zersplitterung des
bayerischen Herzogtums im Jahre 1180 scheint ihnen der Strich
Landes zwischen Haselgraben und grofser Mühel zugefallen zu
sein ^). Aber auch die alten Grafengeschlechter Österreichs be-
gannen gerade damals langsam auszusterben, und ihre Güter
kamen, sofern keine nahen Verwandten Ansprüche hatten, an den
Herzog. Die ersten, die noch vor den Ottokaren in den letzten
achziger Jahren des 12. Jahrhunderts erloschen, waren die Grafen
von Rebgau-Piugen. Die beiden letzten Sprossen ihres Stammes,
die Grafen Gebhard und Adalbert, vermachten den Babenbergern
ihre umfangreichen Güter im Lande unter der Enns um Hörn
und im Lande ob der Enns um Vöklabruck ^). Nur wenige Jahre
später , etwa um 1191, war mit den Grafen Sieghard IH. und
Heinrich das Geschlecht der Grafen von Schala ausgestorben. Da
fiel wenigstens die Mitgift, welche die Babenbergerin Sophia, die
in erster Ehe mit Heinrich von Kärnten vermählt gewesen war,
ihrem zweiten Gemahl Sieghard H. von Schala zugebracht hatte,
an den Herzog zurück. Die anderen Familiengüter allerdings,
namentlich die Schalaburg, kamen an die Peilsteiner, von denen
sie wieder bei deren Aussterben (1208) an die Grafen von
1) Meiller, Eegesten 81, Nr. 5. 6,
2) Bei dessen Krönung in Mainz am 8. September ist er zwar nicht ur-
kundlich nachweisbar, da er aber am 17. und 18. August in Plattling bei Passau
urkundet, so befand er sich wahrscheinlich auf der Eeise dahin.
3) Geht aus der Urkunde vom 24. Februar 1187 hervor, womit Herzog
Leopold im Auftrage des Kaisers die Besitzungen des Zisterzienserklosters WU-
hering in dem genannten Landstrich in Schutz nimmt, was voraussetzt, dafs er
in diesem Gebiete Landesfürst war (ÜB. von Kremsmünster S, 59). Vgl. dazu
Strnadt, Geburt des Landes ob der Enns S. 92.
4) ÜB. des Landes ob der Enns 11, 414 vom 4. Januar 1189, zu welcher
Zeit beide Grafen schon längere Zeit tot waren. Die Übertragung mufs nach
der Tradition des Klosters Aspach (Mon. Boic, V, 132) um das Jahr 1186 er-
folgt sein.
24*
;{72 Vierzehntes Kapitel.
Flain — Ida von Burghausen - Schala war mit einem Graten von
Piain verheiratet — übergingen, zum Teil vielleicht auch an
die Grafen von Zollern, da eine Tochter Sophias von Schala
Gemahlin des Burggrafen von Nürnberg gewesen zu sein scheint.
So würde sich einigermafsen die auffallende Tatsache erklären
lassen, dafs nun plötzlich Besitz der Zollern in Osterreich auf-
taucht *). Die Zollern beerbten aber auch aufserdem um 1190
die Grafen von Raabs. Von ihnen kaufte die Grafschaft Herzog
Leopold VI. '^). Endlich fiel im Jahre 1191 nach dem Tode des
Hochfreien Friedrich von Perge dessen grofser Besitz um Perg in
der Riedmark an den Herzog, der östliche Teil durch die Erbtochter
Walchuns von Macliland, Beatrix, an die Grafen von Velburg,
die aber gleichfalls bald ausstarben, worauf auch diese Güter (die
Burgen Klamm, Klingenberg, Rutenstein, Plasenstein, sowie die
Märkte Münzbach und Grein) an die Herzöge von Österreich fielen^).
Die Güter der gleichfalls gegen Ende des 12. Jahrhunderts aus-
sterbenden reichen Herren von Traisen kamen dagegen zunächst
an die Grafen von Hohenberg. Angekauft dürften die Herzöge
um 1193 Wels von dem Bistum Würzburg haben*).
Der Zuwachs an Besitzungen und Einkünften, den solcher-
mafsen die Babenberger im letzten Jahrzehnt des Jahrhunderts zu
verzeichnen hatten, war ganz aufserordentlich, nicht minder grofs
aber der an Macht und Ansehen, den ihnen namentlich der Anfall
der Steiermark brachte ^). Die Babenberger bekamen erst dadurch
die Mittel an die Hand, um die staatsrechtlichen Möglichkeiten, die
ihnen das Privilegium des Jahres 1156 eingeräumt hatte, in die
1) Die ganze Frage der Erbschaft der Schala, insbesondere sowohl der
Heimfall der Babenbergischen Mitgift, als auch die Verwandtschaft mit den
Zollern, hat in neuerer Zeit Witte in dem mehrfach erwähnten Aufsatz im
V. Ergänzungsband der Mitteilungen des Instituts S. 387 ff. , in ein ganz neues
Licht gerückt.
2) Vgl. Wendrinsky, Die Grafen von Eaabs (Bl. d. Ver. f. Landesk.
Xn, 97 ff., 1878).
3) Strnadt in der Linzer Zeitung vom 7. Dezember 1895.
4) So wenigstens nach Lampel, Die Einleitung zu Jans Enenkels Fiirsten-
buch S. 32.
5) Leopold V. stellt im Titel sogar Steiermark Österreich voran (Meiller,
Eegesten 69).
Die Entwickelung der Landesteile aufserbalb der Grenzen der Mark. 373
Wirklichkeit umzusetzen ^). Das mufste denn auch auf die ganze
äufsere und innere Gestaltung Österreichs von weittragender Rück-
wirkung werden.
1) Eine noch nicht beachtete Frage, die der Untersuchung wert wäre, ist
die, inwieweit die staatsrechthche Stellung der Babenberger durch die Übernahme
der steierischen Herzogswürde berührt wurde. Hatten sie jetzt nicht wieder
eine Eeihe von Verpflichtungen, von denen sie durch das Privilegium minus be-
freit waren? Man darf auch nicht übersehen, dafs sie von jetzt an ein rechtlich
vielfach ganz heterogenes Gebiet besafsen.
Fünfzehntes Kapitel.
Der Herzog von Österreich als Landesherr.
Ein Ereignis der allgemeinen Politik, das gerade damals die
Aufmerksamkeit Europas auf Österreich und Wien lenkte, zeigt
recht deutlich die veränderte Machtstellung des Herzogs von Öster-
reich.
Am 3. Oktober 1187 war Jerusalem von den Ungläubigen
unter Sultan Saladin wieder zurückerobert worden, und dieser
schwere Schlag hatte die bereits stark verrauchte Kreuzzugsbegeiste-
rung aufs neue entflammt '). Der greise Kaiser Friedrich stellte
sich selbst an die Spitze der Bewegung und führte im Mai 1189
ein starkes Heer die gewohnte Strafse durch Österreich nach Pa-
lästina, wobei wie gewöhnlich in Wien grofse Rast und Heerschau
gehalten wurde. Herzog Leopold konnte sich aber dem Zuge noch
nicht anschliefsen , da sich der bereits oben erwähnte Grenzstreit
mit Ungarn nicht schlichten liefs. Auch v/ar es dem Kaiser er-
1) Hauptquelle für den Kreuzzug ist Ansberts Historia de expeditione
Friderici imp. (Font. rer. Austr. 1. Abt. V). Dazu Chroustim Neuen Archiv
der Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde XVI, 518, 1891. — Siehe
Eiezle r. Der Kreuzzug Kaiser Friedrichs I. (Forschungen z. d. Gesch. X, 1869);
K. Fischer, Geschichte des Kreuzzuges Kaiser Friedrichs I. (Leipzig 1870;;
Eöhricht, Die Eüstungen des Abendlandes zum dritten Kreuzzug (Sybels
Eist. Zeitschr. XXXIV, 3, 1875) und speziell Wallnöfer, Der Anteü des Baben-
bergers Leopold V. an dem sogen, dritten Kreuzzug (Programm d. kath. Gymn. zu
Teschen 1861), auch Töche, Jahrbücher des deutschen Eeiches unter Heinrich VI.
(Leipzig 1887). Jäger, Über die Gründe der Gefaugennehmung des Königs
Eichard von England durch den Herzog Leopold VI. von Österreich (Zeitschr.
f. österr. Gymn. 1856), wollte die Beleidigung Leopolds durch König Eichard ins
Gebiet der Fabel verweisen, was aber entschieden irrig ist.
Der Herzog von Österreicli als Landesherr. 375
wünscht, einen besonderen Vertrauensmann daheim zu wissen, der
in der sizilianischen Erbschaftsfrage, die eben damals akut wurde,
bei der Kurie zugunsten seines Sohnes Heinrichs VI. vermitteln
konnte ^). Schliefslich entsandte jedoch Leopold seinen Bruder
Heinrich (von Mödling) nach Italien und trat dann selbst am
15. August 1190 die Kreuzfahrt an, und zwar auf der neuen
Heerstrafse über Steiermark. Er traf, geraume Zeit durch Stürme
in der Adria festgehalten, zu einer höchst kritischen Zeit im
heiligen Lande ein: Kaiser Friedrich und sein Sohn Friedrich
von Schwaben, der nach seinem Vater den Oberbefehl geführt
hatte, waren dem Heere durch den Tod entrissen worden, und
dieses selbst hatte durch verheerende Seuchen die schwersten
Verluste erlitten. Obwohl wir nichts von einer eigentlichen Über-
nahme des Kommandos über das deutsche Heer durch Herzog Leo-
pold erfahren, hat er ohne Zweifel nun die hervorragendste Rolle
gespielt und suchte diese auch den Königen von Frankreich und
England gegenüber, die im Vereine mit den Deutschen in lang-
wieriger Belagerung vor Akkon lagen, durchzusetzen. Sie scheinen
ihn aber nicht als gleichwertig anerkannt zu haben, und als die
Feste am 12. Juli 1191 endlich erstürmt wurde und Leopold auch
sein Banner auf dem Wall aufrichtete, liefs es König Richard
Löwenherz von England herunterreifsen. Der Herzog vermochte
für den Schimpf zunächst keine Genugtuung zu erlangen, verliefs
jedoch das Kreuzheer ebenso wie König Philipp August von Frank-
reich, der sich gleichfalls mit dem Engländer verfeindet hatte.
Richard Löwenherz kam nun bei den damaligen Verkehrs-
wegen in eine eigentümhcbe Verlegenheit. Es standen ihm für
die Rückkehr in die Heimat nur zwei Wege offen, durch Deutsch-
land und durch Frankreich, beide führten ihn aber durch feind-
liches Gebiet, denn auch Kaiser Heinrich VI. war gegen ihn
erbittert, nicht nur weil er als Schwager Heinrichs des Löwen
diesen unterstützte, sondern auch weil er mit seinem Gegner im
sizilianischen Königreiche, Tankred von Lecce, ein Bündnis ge-
schlossen hatte. Als daher Richard, den Stürme an die Küste
Istriens verschlugen, sich entschlofs, lieber durch Deutschland,
1) Vgl. dazu JuritschS. 312.
370 Fünfzehntes Kapitel.
wenn auch verkleidet, seinen Weg zu nelimcn, Avar sein Ver-
hängnis schon besiegelt, denn Heinrich VI. und Philipp August
waren in Oberitalien miteinander zusammeugetrofFen und hatten
vermutlich seine Gefangennahme vereinbart. Dem Kaiser war
eben daran gelegen, um jeden Preis den Anschlufs des englischen
Königs an die Koalition zu verhindern, die sich damals mit dem
Papste an der Spitze gegen ihn gebildet hatte. Die Reichsfürsten
scheinen in demselben Sinne instruiert worden zu sein '), denn von
allen Seiten wurde auf den König Jagd gemacht, erst vom Grafen
von Görz, dann von Salzburger Ministerialen in Friesach. Den-
noch gelangte Richard auf seiner abenteuerlichen Fahrt bis Wien.
Ein fast romanhafter Zufall liefs ihn hier jedoch, als er im nahen
Dorfe Erdberg nächtigte, erkannt werden und gerade in die Hände
dessen fallen, der einen alten Schimpf an ihm zu rächen hatte
(20./21. Dezember 1192)-).
Wie sehr sich Leopold fühlte, zeigt sich darin, dafs er den
Gefangenen keineswegs an den Kaiser auslieferte, sondern sich
die Gelegenheit nicht entgehen hefs, aus dem unerhörten Glücks-
fall, der bei der ganzen Christenheit das gröfste Aufsehen hervor-
rief, soviel Kapital als möglich zu schlagen. Als der Kaiser auf
dem Reichstag zu Regensburg am 6. Januar 1193 seine Bedin-
gungen nicht annahm, liefs er König Richard auf dem Schlosse
seines Ministerialen Hadmar von Kuenring, Dürnstein, festsetzen. • —
Erst neuerliche Verhandlungen führten am 14. Februar zu einem
Abkommen in Würzburg, wonach das Lösegeld von 100 000 Mark
Silbers, das für die Freigabe Richards bestimmt wurde, zwischen
dem Kaiser und dem Herzog gleichmäfsig geteilt werden solle,
der Anteil des letzteren unter dem Titel einer Aussteuer für
1) So nach dem Chrouicon Eichardi Divisiensis, ed. Stevenson S. 75 (Lon-
don 1838), was auch durch die Jagd, die von den Fürsten auf Richard gemacht
wurde, bestätigt wird.
2) AuTser den obengenannten Arbeiten vgl. noch speziell: Hormayr,
Über Richards Gefangennehmung in Österreich (Archiv f. Gesch. etc. 1811);
Lohmeyer, De Richarde J. Angliae rege cum in Sicilia commorante tum in
Germania detento (Königsberger Diss. 1857) ; K i n d t , Gründe der Gefangenschaft
Richards I. von England (Hallenser Diss. 1892) und jetzt am besten Kn eller,
Des Richard Löwenherz deutsche Gefangenschaft (Ergänzungshefte zu d. „Stimmen
aus Maria Laach" Nr. 59, Freiburg i. Br. 1893).
Der Herzog von Österreich als Landesherr. 377
die Nichte Richards, Eleonore von Bretagne, die bis zum ersten
Zahlungsterrain, dem 29- September (der zweite war der 23. Fe-
bruar), einen Sohn Leopolds heiraten sollte: dieses Projekt sollte
vermutlich eine Vergeltung Richards hintanhalten. Die Freilas-
sung des Königs sollte erst dann erfolgen, bis Kaiser Isaak von
Cypern und seine Tochter, die mit Herzog Leopold durch seine
Mutter Theodora verwandt waren, der enghschen Haft entlassen
sein würden. Für die Erfüllung des Vertrages waren 200 Geiseln
zu stellen, die nicht eher freigegeben werden sollten, bis Richard
beim Papste die Lösung Leopolds vom Banne durchgesetzt haben
würde 'j.
Durch diesen letzten Punkt des Vertrages erfahren wir zum
ersten Male von einer Bannung des Herzogs. Es ist jedoch eine
noch ungelöste Streitfrage, ob sie auch tatsächlich schon erfolgt
war, oder ob nicht diese Bestimmung eine kluge Präventivmafs-
regel gegen das nach aller Voraussicht unausbleibliche Interdikt
gewesen ist; erst am 6. Juni 1194 wird Leopold als gebannt
bezeichnet, und alle Umstände deuten darauf, dafs eine Bannung
vorher nicht erfolgt ist ^). Wie dem auch sei, jedenfalls ist es
sehr bezeichnend, dafs Herzog Leopold im vollen Bewufstsein
der schweren kirchlichen Folgen gehandelt hat. Auch in diesem
Punkte ist also eine Änderung der früher so vorsichtigen Baben-
bergischen Politik gegenüber der Kurie im Sinne eines gesteigerten
Machtbewufstseins eingetreten.
Richard Löwenherz war auf Grund des Würzburger Vertrages
am 23. März dem Kaiser ausgeliefert und von diesem noch nahezu
ein Jahr lang in Gewahrsam gehalten worden. Als er endlich am
4. Februar 1194 in der Reichsversammlung zu Mainz in feierlicher
Weise freigegeben wurde, kam es auch zu einer formellen Aus-
söhnung zwischen ihm und Herzog Leopold, und dieser versprach
sogar Hilfeleistung bei einem etwaigen englisch - französischen
Kriege, wofür er von König Richard ein nicht weiter genanntes
Lehen empfing. Aber diesem war es, wie mit allen seinen in der
Zwangslage gegebenen Versprechungen, auch mit dieser Versöhnung
1) Ansbert a. a. 0. S. 80. Separat abgedruckt bei Kneller S. 123.
2) Vgl. die diesbezüglichen Ausführungen Knellers S. 106 ff.
378 Fünfzohntos Kapitel.
nicht ernst. Im Gegenteile wandte sich sein Rachegelüst, ebenso
wie die Erbitterung des englischen Volkes, dessen Stimmung sich
deutlich in den gleichzeitigen englischen Quellen widerspiegelt, die
voll Beschimpfungen und Verwünschungen gegen Leopold sind
und vor den gröbsten Entstellungen und Übertreibungen nicht zu-
rückschrecken, gerade gegen den Österreicher. Es scheinen tat-
sächlich erst Richards heftige Anklagen bei der Kurie den greisen,
in der ganzen Frage lange merkwürdig zurückhaltenden Papst
Cölestin dazu bewogen zu haben, den Bann über Herzog Leopold
auszusprechen, von dem er nur gelöst werden sollte, wenn er der
römischen Kirche in allen Punkten Gehorsam geschworen, alle
Geiseln freigelassen, das bereits gezahlte Lösegeld zurückgestellt,
König Richard aller weiteren Verpflichtungen ledig gesprochen und
eine neue Kreuzfahrt gelobt hätte.
Herzog Leopold bewahrte auch dem vollzogenen Bannfluche
gegenüber seinen Gleichmut, ja selbst der österreichische Metropolit
und Diözesan scheinen ihn ignoriert zu haben '). Da traf ihn
das Unglück bei dem Grazer Turnier vom 26. Dezember 1194;
auf dem Sterbebette dachte er nur noch an sein ewiges Seelenheil
und unterwarf sich dem päpstlichen Spruche, um die Lösung
vom Banne zu erlangen. Der Erzbischof von Salzburg erteilte
ihm daraufhin in feierlicher Weise die Absolution, und sein
Leichnam wurde vom Bischof von Passau in Heiligenkreuz be-
stattet. Vor dem Begräbnis mufste aber noch sein Sohn Friedrich,
der neue Pierzog, mit zwölf Vornehmen das eidliche Versprechen
wiederholen -).
Dennoch ist uns ein Schreiben des Papstes vom 30. Mai 1198
erhalten, worin er nach dem Tode Herzog Friedrichs sofort dessen
Nachfolger unter Androhung des Bannes auffordert, das Geld end-
lich zurückzuzahlen ^). Es ist möglich, dafs der Herzog gezwungen
1) Der Papst hatte merkwürdigerweise den Patriarchen von Aquileja mit
der Verkündigung des Bannes beauftragt; deshalb beseh werte sieh der Erzbischof
von Salzburg, dafs er von dem Banne gar nichts wisse, und Bischof Wolfger
von Passau Tat gleichfalls so, als habe er davon keine Kenntnis. Vgl. K neiler
a. a. 0. S. 110.
2) Hauptquelle ist der Brief des Erzbischofes Adalbert selbst (Magn.
Presb. S. 522).
3) Meiller 80, 14; Böhmer-Ficker-Winkelmann, Regesten 5639.
Der Herzog von Österreich als Landesherr. 379
werden sollte, das gesamte Lösegeld, auch das schon verwendete,
zurück zuerstatten; möglich, ja wahrscheinlich aber auch, dafs
die österreichischen Herzöge diese Bedingung nie erfüllt hatten.
Diese ganze selbstherrliche Haltung, wie sie Herzog Leopold V.
im Gegensatze zu seinen Vorgängern gelegentlich der Gefangennahme
des Königs von England gegen Kaiser und Papst einnahm, war
nur eine natürliche Folge der geänderten Stellung und Machtfülle,
die er in seinem Lande selbst erlangt hatte. Es ist kaum ein
Zufall, dafs derselbe Herzog zur gleichen Zeit (1192) sich bereits
in Urkunden als „Dominus terrae", als Landesherr, Osterreich als
„unser Land" bezeichnet^); seine Nachfolger nennen sich etwas
später ziemlich häufig „princeps terrae", auch „caput terrae", Landes-
fürst, ihr Land „principatus", nachdem schon Herzog Ottokar in dem
Oeorgenberger Vertrag den Ausdruck „princeps" gebraucht hat ^).
Charakteristisch ist auch, dafs unter Leopold VL die herzoglichen
Hofämter als Landesämter erscheinen, z. B. ,,Marscalcus Austriae",
und dafs dieser Herzog ein Siegel mit einer deutschen Legende, damals
eine unerhörte Neuerung, einführen wollte ^). In Worten driickt sich
hier nur eine Macht aus, wie sie ein Fürst, der über zwei grofse und
reiche Herzogtümer gebot, der eine privilegierte Sonderstellung genofs,
eben tatsächlich besafs. Andererseits ist diese Erscheinung wieder
nur ein natürliches Glied in dem Prozesse, der sich allenthalben an
den Grenzen des Reiches vollzog. Schon mehrere Jahrzehnte vor-
her nennen sich die Pierzöge von Niederlothringen „domini patriae",
und auch in der Moselgegend kommen ähnliche Bezeichnungen
vor. Einen mächtigen Antrieb für den Herzog von Osterreich
bildete dann die Erhebung des benachbarten Böhmenherzogs zum
König im Jahre 1198. — In Osterreich war ja auch wirklich ein
geschlossenes Territorium vorhanden; weder der Kaiser, noch ein
1) Tomaschek, Rechte und Freiheiten der Stadt Wien I, 1.
2) Vgl. Ficker, Vom Reichsfürstenstande S. 55 (Innsbruck 1861), wo
die Stellen angeführt sind.
3) An einer Heiligenkreuzer Urkunde vom 9. Dezember 1197 (Sava, Die
Siegel der österr. Regenten I, 253). Vgl. Siegen feld, Das steierische Landes-
wappen S. 146 (Graz 1900). Dem Beispiele des Herzogs folgten österreichische
und steierische Grafen und Ministerialen, wie die Kuenringer, Ortenburger, Pettauer,
Auersperge usw.
380 Fünfzehntos Kapitel.
anderer Reiclisturst hatte hier Besitzungen, es gab kein reichs-
unmittelbares Bistum oder Kloster, keine Reichsstädte, während
beispielsweise gerade das benachbarte Bayern den entgegengesetzten
AnbUck bot ^). Dieses neue Zeitalter scheint mir im Vergleich zu
dem vorhergegangenen, das uns ein durch die Verhältnisse be-
stimmtes organisches Werden zeigte, dadurch gekennzeichnet, dafs
nun von seiten der Landesherren, die sich als solche auch neuer
Pflichten dunkel bewufst wurden, die ersten Versuche einer organi-
satorischen Tätigkeit unternommen wurden. In einem oder dem
anderen Punkte mögen bereits besser geordnete Zustände in der
Steiermark zum Vorbild oder zum Ausgangspunkt gedient haben.
Begünstigt aber wurde diese selbstherrliche Entwicklung des öster-
reichischen Herzogtums durch die gerade damals eingetretene Doppel-
herrschaft im Reiche.
Das wichtigste Moment ist ohne Zweifel, dafs sich die öster-
reichischen Herzöge auf Grund ihres Privilegiums als oberste Ge-
richtsherren durchzusetzen wufsten, und damit steht eine straffere Ge-
richtsorganisation im, Lande in Zusammenhang. In anderen Ländern
suchte der König die Bannleihe, beziehungsweise die Exemtion von
der Gerichtsbarkeit noch weiter in der Hand zu behalten ^). Die
Herzogtümer waren und wurden auch noch ferner durch exemte
Gebiete zersplittert. In Österreich ^) hatte schon vordem die Mark-
verfassung das Aufkommen von Immunitäten hintangehalten 5 jetzt
wufsten es die Herzöge zunächst auf Grund des Privilegium minus
zu verhindern, dafs neue Immunitäten ohne ihre Zustimmung ver-
1) Über die Entwiokelung der Landeshoheit in Österreich siehe aufser
Ficker, Huber I, 479 und den mehrfach zitierten Handbüchern der öster-
reichischen Reichs- und Rechtsgeschichte: Berchtold, Die Landeshoheit Öster-
reichs nach dc'K echten und unechten Freiheitsbriefen (München 1862); Seidler,
Studien zur Geschichte und Dogmatik des österreichischen Staatsrechtes (Wien
1864) und Wretschko, Das österreichische Marschallamt im Mittelalter (Wien
1897), Einleitung.
2) Meyer, Die Verleihung des Königsbannes und das Dingen bei mark-
gräflicher Huld (Jena 1881); Zallinger, Über den Königsbann (Mitt. d. Inst,
f. österr. Gesch. III, 539) und Zur Geschichte der Bannleihe (ebendas. X, 224),
wodurch Meyer vielfach berichtigt wird.
3) Dem Folgenden liegt die ausgezeichnete Untersuchung von Brunner,
Das gerichtliche Exemtionsrccht der Babenberger (Sitzungsber. d. k. Akad. d.
Wissensch. in Wien, phil -bist. Kl. XLVII, 315, 1864) zugrunde.
Der Herzog von Österreich als Landesherr. 381
liehen wurden, und selbst bei diesem so wesentlich erschwerten
Modus vermochten nur noch zwei Immunitäten durchgesetzt zu
werden. Die erste erwarb Freising 1189, nachdem Bischof Adalbert
eine Exemtion der Besitzungen des Bistums 1164 auf Lebenszeit
erlangt hatte, und zwar auf Fürsprache des Kaisers in den Formen
des Lehnsrechtes, indem nämlich der Herzog seine Gerechtsame,
das jVIarchfutter, das Burgwerk und das Landgericht, dem Kaiser
als Lehen auflieis und dieser sie an das Hochstift übertrug '). Die
zweite kam Passau zugute (1215); hier ist die Verleihung der
Immunität in die Form eines Vergleiches über dieselben Gerechtsame
eingekleidet ^). Aber diese beiden Fälle hatten einen ganz besonderen
Grund, nämhch den, dafs die geistlichen Fürsten von den welt-
lichen keine Lehen empfangen konnten, sondern nur vom König.
Im übrigen konnten sich wohl auch die Herzöge von Oster-
reich der Übung der Zeit nicht ganz entziehen, den mächtigen
Klöstern des Landes Immunitäten zu verleihen, aber diese Immuni-
täten verliehen sie aus eigener Machtvollkommenheit, diese Immuni-
täten waren herzogliche Immunitäten, so für Zwettl 1168 ^), Kloster-
neuburg 1179 ^), für die Schotten in Wien 1181 °), Heiligenkreuz
1187 % Göttweig 1195 ''), Lilienfeld 1209 ^) usw. In den meisten
Fällen genügte ein Mandat an den herzoglichen Landrichter. Dazu
kam noch ein Umstand : die Laudesklöster standen entweder unter
der Vogtei der Herzöge, oder, soweit sie eine Befreiung von der
herzoglichen Gerichtsbarkeit erlangten, suchten sie merkwürdiger-
weise selbst, um der gefürchteten Bevogtung zu entgehen, nur eine
Exemtion von der niederen Gerichtsbarkeit, während der Blutbann,
für dessen Ausübung sie eines Vogtes bedurft hätten, dem Herzog
oder dessen Landrichter vorbehalten blieb.
Anders stand die Sache in den bayerischen und den steie-
1) Meiller, Eegesten 66, 43; Mon. Boic. XXXI a, 438.
2) Meiller, Eegesten 115, 122; Mon. Boic. XXX a, 26.
3) Meiller 47, 70; Link, Ann. Zwettlens. I, 187. Allerdings die gericht-
liche Exemtion nicht ganz sicher.
4) Meiller 58, 12. Vielleicht nur temporäre Exemtion.
5) Meiller 59, 15. Font. rer. Austr. 2. Abt. XVm, 10.
6) Meiller 64, 34. Font. rer. Austr. 2. Abt. XI, 16.
7) Meiller 77, 1. Font. rer. Austr. 2. Abt. VIII, 279.
8) Meiller 101, 75.
382 Fünfzehntes Kapitel,
rischen Teilen des Landes ob der Enns. Im Nordwesten hatte
Passau zu Beginn des 13. Jahrhunderts über das Abteiland eine
Art Landeshoheit ausgebildet, und dieses Gebiet inufs danach als
ein ganz eigenartiges, von der Entwickelung des übrigen Landes
völlig gesondertes Gebilde betrachtet werden *).
Li dem steierischen Teil des Landes ob der Enns, der durch
den Georgenberger Vertrag an die Babenberger übergegangen war,
konnten diese keineswegs über die Gerichtsbarkeit so frei verfügen.
Hier war bis zum Jahre 1180 der Herzog von Bayern Gerichts-
herr, wie denn Heinrich der Löwe noch am 14. März 1176 zu
Enns Gerichtsversammlung hielt ^j. So herrschte auch hier die
Übung, die sich in den Stammesherzogtüniern aus der alten Graf-
schaftsverfassung entwickelt hatte, nämlich die, die Gerichtsbarkeit
an adelige Herren und Grafen „an die dritte Hand" weiter zu ver-
leihen. Wollten daher die österreichischen Herzöge von der Gerichts-
gewalt eximieren, so mufsten diese Gerichtsvasallen ihre Zustim-
mung geben, beziehungsweise für den Entgarig des Gerichtslehns
anderweitig entschädigt werden. Schon in den Exemtionsurkunden
für Garsten^) und Gleink *) von 1192 ist von herzoglichen und
fremden Richtern die Rede, und aus der Bestätigung Kaiser Fried-
richs H. von etwa 1233 geht hervor, dafs den Herren von Volkers-
torf in diesem Falle die Gerichtsbarkeit zugestanden hat. Klar
Hegt das Verhältnis im Falle der Exemtion St. Florians 1212 — 1213,
auf dessen Besitzungen gleichfalls die Volkerstorfer die Gerichtsbarkeit
ausübten, so dafs sie ihnen erst durch ausgedehnte Transaktionen
abgelöst werden mufste ^). Nur für die Güter am Windberge
nördhch der Donau, also auf herzoglich österreichischem Ge-
biete gelegen, genügt sehr bezeichnenderweise das Mandat an den
herzoglichen Landrichter ^). Endlich wird den Volkerstorfern auch
1) Darüber noch später. Vgl. Strnadt im 20. Bericht des Museums
Francisco- Carolinum.
2) ÜB. d. L. 0. d. Enns I, 347.
3) Meiller 69, 53. ÜB. d. L. o. d. Enns II, 434.
4) Meiller 71, 56. ÜB. d. L. o. d. Enns U, 438.
5) Meiller 110—112, 103—109. Vgl. über den ganzen Urkundenkomplex
Brunner a. a. 0. S. 559f.
6) Meiller 103, 82. ÜB. d. L. o. d. Enns H, 511.
Der Herzog von Österreich als Landesherr. 38^
die Gerichtsbarkeit über Kremsmünster 1217 abgekauft ^). —
Auch der Umstand ist für diese Exemtionen des Landes ob der
Enns charakteristisch, dafs in fast allen Fällen noch eine nach-
trägliche königliche Bestätigung eingeholt wurde.
Im Lande ob der Enns gab es auch weltliche Immunitäts-
gebiete, wie das der Schaumberge, die während des 13. Jahrhunderts
zu einer Art Landeshoheit gelangten -).
In Österreich, auf dem Boden der alten Mark, wurde nunmehr
in einer Zeit, in der alle Verhältnisse — auch diejenigen, die vordem
schon tatsächlich bestanden — systematischer organisiert wurden,
auch das Gerichtswesen fester geregelt ^). Seit dem Ende des
11. Jahrhunderts wurden in Österreich Landtage unter Vorsitz
des Markgrafen, später des Herzogs (und zwar in der Baben-
bergerzeit noch ausschliefslich) abgehalten, die Landtaidinge, welche
zugleich die oberste Gerichtsbarkeit über die Grafen und voll-
freien Herren ausübten. Schon im Laufe des 12. Jahrhunderts
waren zu diesen auch die Ministerialen getreten, d. h. zunächst
noch unter Wahrung des deutschen Rechtsgrundsatzes, dafs das
Urteil nur von Standesgenossen oder Übergenossen gefällt werden
konnte, also den Grafen und Vollfreien zunächst untergeordnet, so
dafs diese wohl über sie, sie aber nicht über die Grafen urteilen
konnten, sondern nur über Dienstmannen oder über Ritter. Die
Gerichtsbank wurde übrigens aus den Versammelten des Land-
taidings von Fall zu Fall und in ganz behebiger Zahl gebildet *j.
Die Malstätten oder Gerichtsstätten waren bis ins 13. Jahr-
1) Meiller 119, 141. ÜB. d. L. o. d. Enns U, 589.
2) Vgl. Strnadt, Peuerbach (27. Ber. d. Mus. Franc-Carolin. 1868).
3) Für das Folgende siehe Luschin, Geschichte des älteren Gerichts-
wesens in Österreich ob und unter der Enns (Weimar 1879).
4) Wir sind über alle diese Verhältnisse nur ziemlich mangelhaft unter-
richtet. Früher hat man viel zu sehr die Verhältnisse, wie sie die beiden öster-
reichischen Landrechte im 13. Jahrhundert schufen, auch bereits auf die Zustände
im 12. Jahrhundert übertragen. Man wird jetzt, da die Entstehungszeit dieser
Landrechte durch die Forschung immer weiter ins 13. Jahrhundert herabgerückt
wird (siehe Einleitung S. 12), damit sehr vorsichtig sein müssen. So scheinen
beispielsweise die drei Malstätten nicht eine uralte Überlieferung, die etwa auf
drei Grafschaften zurückgehen könnte, sondern im Gegenteil eine späte Fixierung
und Vereinfachung zu sein!
384 Fünfzehntes Kapitel.
hundert noch an keinen bestimmten Ort gebunden und wechselten
zwischen TuHn, Mautern, Krems, St. Polten imd Korneuburg. Im
steierischen Gebiet werden genannt Enns, Steier, Wels, im Pütteuer
Lande Aspang und Fischau.
Neben den oberen Landgerichten für die höheren Stände des
Landes gab es aber auch noch untere Landgerichte (jjlacita pro-
vincialia), die die Gerichtsbarkeit über die gesamte niciit ritter-
mälsige Bevölkerung ausübten und auf die alten karolingischen
Zente oder Vikarien zurückgehen dürften. Dies mufste im Gebiete
der alten Gauverfassung, im Laude ob der Enns, schärfer aus-
geprägt bleiben, wo sich einerseits, wie wir gesehen haben, die
Gerichtsleihe zu dritter Hand an hervorragende Adelsgeschlechter
erhielt, andererseits eine gewisse dvircli die Überlieferung aus den
Tagen der Gau- und Zentverfassung bestimmte Umgrenzung, ge-
wisse zusammenhängende Landstriche als gerichtliche Einheit fort-
bestanden, obwohl auch hier bereits eine gröfsere Zerstückelung
wahrnehmbar ist als in Bayern.
Viel komplizierter liegen die Dinge in der alten Mark, wo
diese Vorbedingungen nicht vorhanden waren und sich daher die
Landgerichte aus den verschiedensten Rechtstiteln heraus entwickelt
haben. Ahnlich wie wir es bei der sozialen Neugestaltung schon
beobachten konnten, dürfte auch da eine niedergehende Bewegung
einer aufsteigenden begegnet sein. Einerseits war noch die Auf-
fassung des Richteramtes als eingesetzter Bean.tung - — in der
Mark nicht des Grafen, sondern des Vikars — lebendig. In der
Babenberger Zeit begegnen noch regelmäfsig die vom Herzog ein-
gesetzten Landrichter (judex provincialis). Andrerseits war aus
dem ursprünglich unumschränkten Recht jedes Grundherrn über
seine Untertanen allmählich unter den günstigeren Verhältnissen
dieser Untertanen ein Hofrecht und aus diesem eine grundherrliche
Gerichtsbarkeit herausgewachsen, die allerdings zunächst nur pri-
vater Natur war und sich lediglich auf das Verhältnis zwischen
Grundherrn und Untertanen bezog, aber allmählich von den Grund-
herren durch Erwerbung des Blutbannes (auch Halsgericht oder
Stock und Galgen genannt) zu erweitern gesucht wurde. Die
Immunitätsgerichtsbarkeit bildete zwischen beiden Entwickelungen
das Mittelglied. Die Immunität der Klöster bezog sich freihch in
Der Herzog von Österreich als Landesherr. 385
den meisten Fällen nur auf die Vogteigerichtsbarkeit, da aber der
Herzog fast durchweg die Landrichter zu seinen Untervögten er-
nannt hatte, so war die von vielen Klöstern angestrebte Entvogtung
auch zugleich eine Erlangung der Gerichtsbarkeit und zwar, wie
ich schon erwähnt habe, der niederen. Endlich erhielten schon
seit Ende des 12. Jahrhunderts Städte ihre eigene Gerichtsbarkeit,
wo der bisher vom Herzog eingesetzte Stadtrichter fungierte. Auch
aus dem Burgbann entwickelte sich eine eigene Gerichtsbarkeit
(Burgfried). Da, wie wir wissen, der weltliche und geistliche Grund-
besitz in Osterreich ungemein zerstreut war, so trat hier später
in dem Mafse, als die Grundherren mehr und mehr aus dem blofsen
ßesitztitel die Landgerichtsbarkeit ableiteten und frei vererbten
und verkauften, eine aufserordentliche Zersplitterung der Land-
gerichte ein ^).
Die Kompetenz der niederen Landgerichte erstreckte sich auf
alle causae maiores der unteren Volksgenossen, sowie auf Klagen,
in denen es sich um PVeiheit oder Eigentum handelte. Es wurde
schon darauf hingewiesen, dafs die Landgerichte für den Herzog
«inen nicht unbeträchtlichen Teil von Einkünften, Gerichtsabgaben,
fahrende Habe der Verurteilten und die Strafgelder („Wandel"),
abwarfen. Auch der Landrichter, der keineswegs eine feste Besol-
dung hatte, bekam einen Anteil an den Strafgeldern. Das Vollzugs-
organ des Landrichters war der Fronbote (praeco), im Mühlviertel
auch Waldbote genannt, der gewisse Taxen und Sportein einzog.
Aufserdem besafs jeder Grundherr die niedere Gerichtsbarkeit
über seine Grundholden und jedes Dorf oder jede Landgemeinde
die Agrargerichtsbarkeit hinsichtlich Feld- und Markfi-evel, schlechtes
Mafs und Gewicht u. dgl. m. ^).
Die Ausbildung der Landeshoheit brachte aber auch ein zweites
Moment: die Ausgestaltung der landesfürstlichen Einkünfte als einen
1) Wie komplizierte Verhältnisse in Österreich unter der Enns dadurch
geschaffen wurden , das zeigte sich erst in neuerer Zeit , als hier mit den Vor-
arbeiten zu dem historischen Atlas der Alpenländer (hgg. von der Akademie d.
Wissensch.) begonnen wurde. Vgl. den Vorbericht Giannonis in den Blättern
des Vereins für Landeskunde XXXIII, 475, 1899.
2) Allerdings Letzteres strittig. Vgl. Tille, Wirtschaftsverfassung des
Vintschgaues S. 231.
Van CS a, Geschichte Nieder- u. Oberösterreichs. 25
SSG Fünfzehntes Kapitel.
wenn auch bescheidenen Anfang einer landesfürsthchen Finanz-
verwaltung mit sich ^). Die regehnäfsigen Einkünfte des Mark-
grafen und des Herzogs, die aus der ihm obHegenden Fürsorge für
Landesverteidigung und Kriegfüluning (Burgwerk und Marchfutter)
und für die Gerichtspflege (Strafgelder und Landpfennige) abzuleiten
sind, haben wir bereits, da sie schon in einem früheren Zeitraum
entwickelt wurden, kennen gelernt.
Dazu kam aber, insbesondere seitdem Osterreich Herzogtum
geworden war, eine Reihe von Regalien, d. h. Einkünfte, die, wie
schon der Name besagt, ursprünglich dem König vorbehalten waren.
Vor allem das bei dem aufblühenden Handel und bei der Bedeutung
Österreichs als Durchzugsland immer mehr an Wichtigkeit gewinnende
Maut- und Zollregal. Der Herzog errichtete ohne besonderes Privi-
legium Maut- und Zollstätten, namentlich an der Donau, lange
bevor der König, wie wir noch sehen werden, das Strafsen- und
Wasserregal den Landesfürsten freigab , um so seine landesherr-
Hchen Rechte auch allen Fremden fühlbar zu machen. Dafs die
Könige anfangs noch das angemafste Recht zu brechen versuchten,
beweist die Zerstörung der Zollstätte Mauthausen durch Kaiser
Friedrich I. im Jahre 1189 wegen Bedrückung der durchziehenden
Kreuzfahrer ^). Aufser diesem Orte sind für die erstere Zeit als
Zollstätten Gmunden, Linz, Ipsburg, Melk, Krems, Stein, Kloster-
neuburg, Enzersdorf, Wiener Neustadt u. a. m. bezeugt.
Eines der ersten Regalien, das sich die Babenberger sofort
nach Erlangung der Herzogswürde ohne eigentliches Privilegium
anmafsten, war das Münzregal, das sich in der Folge zu einer der
stärksten Einkunftsquellen, aber auch zu einem der wirtschafthch
verderbhchsten Ausbeutungsmittel entwickelte. Edelmetall durfte
im Lande nur an die herzoghche Münzstätte verkauft werden und
zwar nur um einen bestimmten Preis, fremdes Geld mufste und
konnte nur hier umgewechselt werden (Münzbann). Der Herzog
verfügte ganz willkürlich nicht nur eine eigene Prägung, sondern
sowohl das Gewicht (Schrot), als auch die Legierung (Korn) der
1) Vgl. für das Folgende den schon erwähnten Aufsatz von Dopsch,
Beiträge zur Geschichte der Finanzverwaltung Österreichs im 13. Jahrhundert
(Mitt. d. Inst. f. österr. Gesch. XVEI, 232).
2) Hist. de exped. 13; Cont. Zwettl. M. G. SS. IX, 543.
Der Herzog vou Österreich als Landesherr. 387
Münze. Endlich erhob er einen Anteil am Gewinn bei der Münz-
prägung (Schlagschatz), später auch an der Münz Verschlechterung,
von der mir aus der ersten Herzogszeit der Babenberger kein Beispiel
bekannt ist, von der aber noch später die Rede sein soll ^). An
der Spitze der Münzverwaltung stand ein eigener Münzmeister,
und für dieses Amt wurden in der Regel kapitalkräftige Personen
gewählt, die zugleich als Bankiers tätig sein konnten. Es ist in
dieser Beziehung bezeichnend, dafs um das Jahr 1196 bereits ein
Jude (Schlom) herzoglicher Münzmeister ist^).
?»Iit dem Aufblühen des Handels und der Städte erlangte
auch das Marktregal, wonach der Herzog für seinen Schutz Stand-
gelder und Verkaufsabgaben erhob ^), Wichtigkeit. Sogar eine
Art Gewerbesteuer scheint schon bestanden zu haben ^). Mit dem
Handel steht auch das Judenregal in Zusammenhang. Juden sind
in Österreich seit den Tagen der Raffelstättener Zollordnung nach-
weisbar. Sie mehrten sich unter den Babenbergern mit den zu-
nehmenden günstigen Handelsbedingungen und waren insbesondere
als Geldwechsler und als die einzigen Geldverleiher (da bekannt-
lich nach den Kirchengeboten den Christen das Zinsennehmen ver-
boten war) unentbehrlich. In Krems, St. Polten, Wien und Wiener
Neustadt gab es ziemhch grofse Judengemeinden ^) andere auch
neben den Städten, wie Judenau bei Tulln 1155 ^). Ein Zuzug
1) Auf die Münze, Münzwerte, Münzstätten und dergleichen wird unten
in anderem Zusammenhange eingegangen werden.
2) Mon. Boic. IV, 85.
3) Vgl. das Mandat Leopolds VI. von etwa 1200 (Zahn, Steier. ÜB. II, 64;
bei Wichner, Geschichte von Admont II, 263 zum Jahre 1202).
4) Dop seh a. a. 0. S. 243 glaubt dies aus einer Eintragung in dem
landesfürstlichen Eationar (Chmel im Notizenbl. V, 356) schliefsen zu können.
5) Siehe darüber Mayer, Der neueste Stand der Frage über die räum-
liche Entwickelung Wiens bis zum Schlufs des 13. Jahrhunderts (El. d. Ver. f.
Landesk. XII, 228, 1878) und J. E. Scher^r, Beiträge zur Geschichte des
Judenrechtes im Mittelalter I, 118. Das Rechtsverhältnis der Juden in den
deutsch-österreichischen Ländern (Leipzig 1901). Ich halte gegenüber Scherers
Polemik Mayers Ansicht von dem höheren Alter der Judengemoinde in Krems
im Vergleiche zu der in Wien aufrecht, weU Krems der weit ältere Handelsplatz
des Landes ist.
6) Dafs die mit „Juden-" zusammengesetzten Ortsnamen tatsächlich auf
Judengemeinden weisen und nicht, wie Fürst emann, Altdeutsches Namenbuch
25*
3S8 Fünfzehntes Kapitel.
düi'lte 1098 erfolgt sein, in welchem Jahre in Böhmen unter Wra-
tislaw II. eine Judenverfolgung stattfand. Dafs zu Ende des 12. Jahr-
hunderts Juden sich bereits in einflufsreichen Stellungen befanden,
habe ich oben erwähnt. Wie im Falle der anderen Regalien, war
auch das Judenregal zuerst eine Sache des Königs, die Juden
galten als Reichsjuden. Seit Beginn des 13. Jahrhunderts unter-
standen sie jedoch der herzoglichen Kammer.
Schliefslich sei noch des Berg- und Salzregals Erwähnung
getan, das vermutlich erst durch die Vei'einigung Österreichs mit
Steiermark an Bedeutung gewann. Noch im Jahre 1187 bestätigt
der Kaiser dem Kloster Seitenstetten das Recht der Eisen- und
Salzgewinnung ^). Ebenso besafs der Herzog in den ausgedehnten
Wäldern das Forstregal.
Zu den Abgaben und Regalien kamen aufserdem noch die
schon mehrfach erwähnten aufserordentlich reichen Einkünfte aus
den herzoglichen Domänen und aus den Vogteirechten.
Was nun die Verwaltung aller dieser mannigfaltigen Einnahme-
quellen betrifft, so mangelte es zunächst noch an einer zentralen
Organisation , wohl " aber waren für jeden einzelnen Zweig der
Einnahmen besondere Verwaltungsbeamte eingesetzt. Sie hiefsen
in der Regel Amtsleute (officiales), die Domänen waren sogar in
Amter (ofticia) eingeteilt, die meist nach dem Amtssitz, zuweilen
aber auch nach dem Amtmann genannt wurden. Für die Mauten
und Zölle waren die mutarii und thelonearii, als Forstbeamte die
forestarii oder magistri silvae bestellt, die Münze verwaltete der
Münzmeister (magister monetae, monetarius), das Gerichtsgefälle
unterstand den Landrichtern, die Vogteigelder den Untervögten.
Aufserdem gab es schon damals eine herzogliche Kammer
und einen Kämmerer. Das war aber im Gegensatz zur späteren
Entwickelung nicht etwa eine Landesstelle, am wenigsten ein
Zentralorgan, sondern ein blofses Hofamt, für die Hofhaltung des
Herzogs bestimmt, mit dem Ministerialenfamilien belehnt wurden ^} :
annimmt, von dem Persoaenuamen Jud abzuleiten sind, hat Seh er er, wie ich
glaube, überzeugend nachgewiesen.
1) Font. rer. Austr. 2. Abt. XXXIII, 22.
2) Im Jahre 1233 wird Konrad von Himberg damit belehnt, dessen Famüie,
die späteren Herren von Ebersdorf, das Amt auch später (mit einer kurzen Unter-
Der Herzog von Österreich als Landesherr. 389
nur gewisse Abgaben flössen ihr direkt zu, so die Einkünfte aus
der Münze und aus dem Judenregal, sowie von einigen Märkten
des Landes *). Die Verzeichnung und Verrechnung der Einkünfte
des Herzogs scheint der Schreiber, der Scriba Austriae, besorgt
zu haben, der zum ersten Male im Jahre 1216 nachweisbar ist und
der zugleich auch der herzoglichen Kanzlei angehörte ^).
Wichtig ist übrigens, dafs sich an den Abgaben und Ein-
künften der Übergang von der Natural- zur Geld Wirtschaft be-
obachten läfst, der sich seit der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts
vollzog. Waren die älteren Abgaben an den Markgrafen, die wir
in einem früheren Abschnitte kurz betrachtet haben, durchweg
Naturallieferungen und Dienstleistungen, waren die Zinse der Ko-
lonen an ihre Grundherren durchweg Naturalzinse , so wird es
jetzt immer mehr und mehr üblich, all dies in Geldleistungen
umzuwandeln.
Auf allen Gebieten sehen wir also den Herzog ohne ausdrück-
liche Verleihung, nur gestützt auf seine landesfürstliche Würde,
die Stelle des Königs einnehmen. Als besonderen Beweis seiner
Gnade erteilte er daher auch die Befreiungen von diesen Ver-
pflichtungen und Abgaben. Gerichtsexemtionen , Entvogtungen,
Befreiungen vom Marchfutter und Burgwerk, Maut- und Zoll-
befreiungen werden jetzt die gewöhnlichen Verleihungen des Her-
zogs, die namentlich von den Kirchen und Klöstern eifrig angestrebt
werden, und die nun die früheren Landschenkungen ersetzen müssen.
Das Wichtige daran war, dafs alle diese privilegierten geistlichen
oder weltlichen Grundbesitzer bei aller weitgehenden Begünstigung
doch immer vom Herzog, vom Landesfürsten abhängig blieben,
aber nicht rei'chsunmittelbar wurden.
Noch einige andere Fälle sind zu nennen, die beweisen, wie
souverän sich bereits die Herzöge von Österreich zu fühlen be-
brechung) erblich bekleidet hat (Schwind-Dopsch, Urkunden z. Verfassungs-
geschichte Nr. 33).
1) Schwind-Dopsch a. a. 0. Nr. 55.
2) Der erste Scriba Austrie ist der Passauer Kanoniker Heinrich, Pfarrer
von Propstdorf (Meiller, Eegesten 119, 138). Der Schreiber erscheint regel-
mäfsig als Zeuge in landesfürstlichen Urkunden über Besitzveränderungen und
über Einkünfte und Ausgaben. Über die ganze Frage hat Dopsch in den
Mitteilungen des Institutes XVHI, 247 f. ausführlich gehandelt.
31)0 P^ünfzehntes Kapitel.
gannen. Dafs sie das Privilegium der Zisterzienser, von jeder
anderen ^'ügtei aulser der des Kaisers beireit zu sein, nicht an-
erkannten und ausdrücklich an dessen Statt ein entsprechendes
herzogliches Recht substituierten, vv^urde bereits hervorgehoben ').
Noch wichtiger war es, dafs sie nun auch auf Grund ihrer landes-
herrlichen Rechte nach deutschrechtlichem Brauche das ?Icimfalls-
recht bei Mangel von befugten Erben beanspruchten. Zum ersten
Male zog Leopold VI. im Jahre 1210 beim Aussterben der Hohen-
berge ihre Hinterlassenschaft nach diesem Grundsatze ein '^).
Ein Ausdruck des gesteigerten Machtgefühles der Babenbergcr,
das sie doch auch nach aufsen zu dokumentieren suchten , ist es
auch, dafs in dieser Zeit zum ersten Male die Anfänge einer eigenen
herzoglichen Kanzlei zu verfolgen sind ^).
Diesem neuen Ideale eines Landesfürstentums entsprach aber
auch die fürstliche Hofhaltung. Ganz im Geiste der Zeit, den
Leopold V. bei seinen Heerfahrten an den Rhein, nach Italien
und ins Gelobte Land und im Umgange mit den französischen und
englischen Fürsten kennen zu lernen Gelegenheit hatte, bürgerten
sich nun auch am österreichischen Hofe die galanten Formen des
französischen Ritterwesens und des Minnedienstes ein. Mit König:
Artus' Hofe vergleicht den österreichischen einmal Walter von der
Vogelweide. Die durch die Gunst der Herzöge emporblühenden
Stände der Ministerialen und Ritter bildeten den glänzenden Hof-
staat und ahmten auf ihren Burgen, die sich allenthalben im
Lande erhoben, im kleinen die höfischen Sitten nach. Eine neue
Gesellschaft und neue Gesellschaftsformen entstanden unter den
neuen poHtischen Verhältnissen. Prächtige Turniere wurden ge-
feiert, die Frauen traten in ungewöhnHcher Weise in den Vorder-
1) Entscheidend ist die Stelle in der Urkunde Leopolds VI für Baumgarten-
berg vom 31. Januar 1209: ,, . . . omnes cisterciensis ordinis monachos tale ius
ex antiquo habere ut nee ipsi nee ipsorum praedia uUi advocato quicquam sol-
vere debeant, sed neque advocatum eis habere liceat nisi defensorem principem
ipsum, qui caput est terrae, in qua quique eorum degunt" (Sehwind-
Dopsch, Ausg. Urk. 38).
2) Font. rer. Austr. 2. Abt. XXI, 4, 5.
3) Siehe Lampel in den Blättern des Vereines für Landeskunde XXI, 283,
1887, Näheren Aufschlufs wird darüber eine bisher noch nicht veröffentlichte
Arbeit von Mitis, Die Urkunden der Babenberger, geben.
Der Herzog von Österreich als Landesherr. 391
grund: um ihre Gunst warb man, für sie führte man die Waffen,
sie besang man in minniglicher Weise; neben den vielen namen-
losen Spielleuten, die für das tägliche Vergnügungsbedürfnis sorgten,
setzten nun auch die Babenberger, wie der Kaiser und andere
kleinere Fürsten einen Stolz darein, Dichter von Ruf, die meist
dem ritterlichen Stande angehörten, an ihren Hof zu ziehen.
Im Mittelpunkt stand Reinmar von Hagenau, den man zum
Unterschied von einem gleichnamigen späteren Minnesänger Reinmar
den Alten zu nennen pflegt ^). Man nimmt in der Regel an, dafs
er aus Hagenau im Elsafs stamme, und er scheint auch ziemlich
unmittelbar von den französischen Troubadours beeinflufst zu sein;
aber dennoch ist es wahrscheinlicher, dafs er dem österreichischen
Geschlechte von Hagenau angehört hat oder doch wenigstens in
einem der vielen österreichischen Orte dieses Namens — zwei in
Oberösterreich, vier in Niederösterreich — geboren ist. Obwohl
eine ziemlich weibische Natur, die wegen ihrer Spezialität im
Klagen vielfach den Spott herausforderte ") , scheint er doch bei
dem ritterlichen Leopold V. sehr behebt gewesen zu sein und diesen
auch ins heilige Land begleitet zu haben. Darum findet er auch
ergreifende Worte des Schmerzes, als der Herzog vom Tode da-
hingerafft wurde.
Er hat den Ruhm, der Lehrmeister eines Gröfseren geworden
zu sein, des gröfsten deutschen Lyrikers des Mittelalters, Walters
von der Vogelweide ^). Über Walters Heimat ist viel gestritten
1) Über ihn und das Folgende vgl. aufser Nagl-Zeidler a. a. 0. S. 236
Erich Schmidt, Keinmar und Eugge (Qu. u. Forsch. IV, 79); Jauker, Das
Verhältnis Walters zu Reinmar (Programm, Hörn 1875); Burdach, Reinmar der
Alte und Walter von der Vogelweide (Zeitschr. f. deutsches Altertum XXVII, 343,
1880); Schönbach in d. Gesch. d. Stadt Wien, hgg. vom Altertumsvereine I, 526.
2) von der Hagen, Minnesinger (Leipzig 1838) I, 185; ebenso Walters
Oedicht (Lachmannsche Ausg. 111, 23).
3) Literatur siehe G ö d e k e s Grundrifs I, 146 f. ; N a g 1 - Z e i d 1 e r S. 237 f. ;
Wilmanns, Leben und Dichten Walters von der Vogelweide (Bonn 1882);
Schönbach, Walter von der Vogelweide (Dresden 1890, 2. Aufl. 1895) und in
der Gesch. d. Stadt Wien I, 531 ; W. Leo , Die gesamte Literatur Walters von der
Vogelweide (Wien 1880); Burdach aufser in der Allgemeinen Deutschen Bio-
graphie XLI, 35 auch Walter von der Vogelweide I (Leipzig 1900) mit Bibliograpliie
S. 118 f. Zur Heimatfrage noch im besonderen Redlich (Mitt. d. Inst. XIII,
160); Hall wich (Mitt. d. Ver. f. Gesch. d. Deutschen in Böhmen XXXIII,
392 Fünfzehntes Kapitel.
worden; wo nur Ürtliclikeiten des Namens Vogclweide sich vor-
tinden, in Franken, Oberbayern, Tirol, Nieder- und Oberösterroich,
Ja in Böiimeu suchte mau sie. Aber gerade bei ihrer Anzahl und
dem Fehlen jedes weiteren direkten Anhaltspunktes *) läfst sich
der Frage nur mit inneren Gründen beikommen, und da mufs man
wohl sagen, dafs sich die unbezwingliche Sehnsucht, mit der es^
"Walter zeit seines Lebens und trotz trauriger Erfahrung stets
wieder nach Österreich zog, kaum anders erklären läfst, als dafs
er tatsächlich auch hier seine Pleimat gehabt hat. Dafs er in
Osterreich „singen und sagen lernte", bekennt er selbst; um 1190
mag er, der wohl dem niederen und ärmeren Ritterstande angehörte,
am Hofe Leopolds V. aufgetaucht sein. Wie dieser Reinmar den
Alten begünstigte, so dürfte sich der junge Herzog Friedrich und
mit ihm ein Teil der Hofgesellschaft dem aufgehenden neuen Ge-
stirn zugewandt haben ^) ; darum brach eine Zeit des Glückes
für den Dichter an, als Friedrich zur Regierung gelangle. Um
so schwerer mag es ihn getroffen haben, als dieser nach so kurzer
Frist starb, denn sein Nachfolger Leopold, mehr praktischer Poli-
tiker, scheint einem so prunkvollen, durch Frauendienst und Minne-
sang verschönten Hof leben, wie es sein Vater und sein Bruder ge-
liebt hatten und wie es im kleinen auch an dem Hofe der Baben-
bergischen Sekundogenitur in Mödling herrschte, nicht sonderhch
zugetan gewesen zu sein ^) oder doch nicht mehr, als es die Re-
präsentation etwa aus politischen Gründen verlangte. Vielleicht
hatte er schon vorher nicht zu den Bewunderern Walters gehört,
sonst würden wir diesem während der steierischen Regierung Leopolds
wohl auch am Grazer Hof begegnen. Leopold scheint vielmehr, wie
95, 1893); Lampel (Blätter d. Ver. f. Landesk. von Niederösterreicb XXVI,
5, 244, 1892; XXVII, 110: XXVIII, 44; XXXV, 439); D omanig, Der Klo-
senaere Walter von der Vogel weide (Paderborn 1889); Anzoletti, Walter
von der Vogelweide und der Innervogel weiderhof oberhalb Klausen (Bozen 1889);
Wackernell, Walter von der Vogelweide in Österreich (Innsbruck 1877).
1) Später nennt er einmal Herzog Leopold VI. „unser heimischen fürsten".
2) Dafs der Herzogshof in verschiedene Lager gespalten war, geht sowohl
aus Reiuraars und Walters oberwähnten Gedichten als auch aus Walters Klage
über Eeinmars Tod hervor.
3) Dies bezeugt ganz ausdrücklich Ulrich von Liechtenstein, Frauendienst
77, 17.
Der Herzog von Österreich als Landesherr. 393
seine spätere Vorliebe für Neidhard von Reuental zeigt, eine rea-
listischere Richtung der Dichtung bevorzugt haben. Es kommt
auch noch eines, vielleicht das Entscheidende hinzu: das war die
politische Seite. Unter Leopold V. und Friedrich herrschte in
Österreich eine stark antipäpstliche Strömung, die selbst dem
Kirchenbanne standhielt. Das war der Boden, aus dem später
Walters freiheithche politische Spruchdichtung emporwuchs. Leo-
pold VI. dagegen schlug, wenn auch nicht sofort bei seinem Re-
gierungsantritte, so doch allmählich in der Politik eine neue Rich-
tung ein. Ihm mochte wohl schon damals der kecke Ton der
Hofpoeten nicht passen. Überdies entfaltete Walter eine — fast
möchte man sagen, agitatorische — Tätigkeit für die imperiali-
stische Idee der Staufer. Auch das konnte dem Herzog von Oster-
reich, der bei aller Parteinahme für die Staufer doch den Gedanken
des selbständigen Territorialfürstentums verfolgte, nicht genehm
sein. So mufste denn — etwa um das Jahr 1198 oder 1199 —
Deutschlands hervorragendster Dichter von Wien weichen ^). Seine
Reife gewann er aufserhalb Österreichs, aber es zog ihn, wie gesagt,
auch später immer wieder nach dem schönen Donaulande zurück.
Charakteristisch ist es, dafs er sich zunächst zu Bischof Wolfger
von Passau wandte, einem Gesinnungsgenossen der Babenberger
Leopolds V. und Friedrichs, ebenso staufisch und antipäpstlich,
ebenso weltfreudig wie diese. Mit ihm kam er im Jahre 1203
abermals nach Österreich -) , wahrscheinlich zur Hochzeit Herzog
Leopolds VI., der sich mit der byzantinischen Prinzessin Theodora ver-
mählte. Doch vermochte er hier nicht wieder festen Fufs zu fassen^).
1) Zur Chronologie siehe jetzt hauptsächlich Burdach a. a. 0.
2) Aus diesem Jahre (10. November) stammt die berühmte einzige urkund-
liche Erwähnung Walthers von der Vogelweide in den Eeiserechnungen des
Bischofs von Passau, der dem Dichter zu Zeiselmauer einen Pelz schenkte
(Zingerlo, Die Eeiserechnungen des Bischofs Wolfger von Ellenbrechtskirchen,
Heilbronn 1877). Vgl. Zarncke, Zur Walterfrage (Ber. d. sächs. Gesellsch. d.
Wissensch. S. 32f., 1878); Kalkoff, Wolfger von Passau (Weimar 1882);
Nagele, Nochmals die Eeiserechnungen Wolfgers von Ellenbrechtskirchen (Pro-
gramm, Marburg in Steierm. 1888) und abschliefsend Höfer, Die Eeiserech-
nungen des Bischofs Wolfger von Passau (Beitr. z. Gesch. der deutschen Sprache
XVII, 441, 1893).
3) Dafs er hier gar die Stellung eines Prinzenerziehers bekleidet hätte und
394 Fiinr/olintos Kapitel.
In don nächsten Jahren finden wir ihn bei Markgraf" Dietrich
von jMeilsen, vermutHch ebenfalls, um durch dessen Fürsprache
wieder Leopolds Gunst zu gewinnen, denn, wie wir noch sehen
werden, war Dietrich mit den Babenbergern verwandt und gerade
damals von Leopold zu einer Art Stellvertreter in Osterreich
während seiner Abwesenheit ausersehen. Auch von dem kunst-
Hebenden Hofe Hermanns von Thüringen aus, der einen Mittelpunkt
geistigen Lebens im damaligen Deutschland bildete, richtete Walter
seine Blicke sehnsüchtig nach Wien und noch einmal kommt er nach
Österreich zurück, um den vom Kreuzzug heimkehrenden Herzog zu
begrüfsen. Wahrlich, ist Osterreich nicht Walters Heimat, so be-
zeugt all dies wenigstens, in welchem Ansehen, in welcher Blüte
damals Osterreich stand, um von gefeierten Dichtern allen anderen
Aufenthaltsorten vorgezogen zu werden ! Freilich wehte schon am
Hofe Herzog Leopolds VL eine andere Luft, und die höfische Kunst
wandte sich mehr nach Thüringen. Herzog Leopold VL bevorzugte,
wie schon gesagt, eine andere Richtung der Poesie. W^ahrschein-
lich hatte der derbe Spötter Neidhart von Reuental mit seinen
realistisch- satirischen Dichtungen, auf die wir noch zurückkommen
Averden, bereits zu ihm Beziehungen und machte den Kreuzzug in
seinem Gefolge mit. Besonders behebt waren jedoch die Spielleute
(ioculatores) niederer Sorte bei ihm. Ein Meister Stolle trat direkt
feindlich gegen Walter von der Vogelweide auf ^), ein Spruchdichter
Bruder Wernher findet sich gleichfalls unter dem Gefolge des
Herzogs auf dem Kreuzzug 1-217 — 1219 ^), ein gewisser Eberhard,
Spielmann des Herzogs, ist aus einer Urkunde, worin er dem
Schottenkloster ein rotes Tuch schenkt, bekannt, ein anderer,
Wolfger, schenkt demselben Kloster einen Liber theutonicus, also
Lehrmeister des späteren Herzogs Friedrich gewesen wäre, wie zuerst Karajan
(Wiener Sitzungsber, VII, 359, 1851) behaupten wollte, ist denn doch zu wenig
aus dem dort angeführten Spruche Walters gesichert und ist mir mehr als
unwahrscheinlich. Mindestens wäre der Schüler in jeder Beziehung aus der Art
geschlagen (vgl. auch Ficker in den Mitt. d. Inst. f. österr. Gesch. I, 303, 1880).
1) Siehe Walters Gedicht, Lachmannsche Ausg. .32, 7. —Vgl. Burdach
a. a. 0. 98 und 297, wo sich Burdach gegen die Interpretation in der Zeit-
schrift für deutsches Altertum XXII, 338, 1896 wendet, und Lampel in den
Blätteru des Vereines f. Landeskunde XXVI, 261 und XXVII, 111.
2) Nagl-Zeidler S. 276.
Der Herzog von Österreich als Landesherr. 395
vielleicht eine deutsche Liedersammlung *). So kam es, dafs in
Österreich die Nachahmung des französischen höfischen Wesens
nicht so sehr um sich griff wie in anderen Teilen Deutschlands,
und dafs sich auch der französische Ritterroman nicht eigentlich
einbürgerte ''').
Aber aus dem Kreise dieser Spielleute ging um diese Zeit
nochmals eine grofse dichterische Tat hervor: die letzte Redaktion
des Nibelungenliedes, die deuthch die ritterliche Gesellschaft, ihre
ständische Ghederung und ihre Sitten widerspiegelt ^).
So kann man wohl sagen, dafs Österreich zu Ende des 12.
und zu Beginn des 13. Jahrhunderts in der deutschen Literatur
eine führende Rolle gespielt hat, wie es sie leider in allen folgenden
sieben Jahrhunderten niemals mehr zu erringen imstande war!
1) Kettner a. a. 0. S. 287.
2) Hier fehlen die Namen des Eitterepos (vgl. Friefs in dem erwähnten
Programmaufsatz von Seitenstetten 1902). Vielleicht ist der Ortsname Anschau
eine Keminiszenz an das Anjoie des „Parsifal" (R. Müller in den Bl. d. Ver.
f. Landest. XVIH, 119, 1884).
3) Kettner, Die österreichische Nibelungendichtung, namentlich S. 285 ff.
und Zallinger, Die Eechtsgeschichte des Eitterstandes und das Nibelungen-
lied (Jahrbuch der Leogesellschaft S. 32 f., 1899).
Sechzehntes Kapitel.
Das Aufblühen der Städte. —
Der Plan der Errichtung eines Bistums in Wien und
der Konkurrenzkampf zwischen den Herzögen von
Österreich und den Bischöfen von Passau.
In dem Mafse, wie sich der Herzog von Österreich als Herr
und Haupt des Landes zu fühlen begann und seine Stellung eine
unabhängigere wurde, in dem Mafse liefs er auch dem Wohle des
Landes seine Sorge angedeihen ; denn auch diese Aufgaben , die
früher dem Könige zufielen, hatte er jetzt übernommen. Natürlich
darf man sich diese Sorge nicht in der Art und Weise der späteren
staatlichen Fürsorge vorstellen ; für die bescheidenen geistigen Be-
dürfnisse sorgte die Kirche, die Pflege des wirtschaftlichen Lebens
im weitesten Sinne lag in den Händen der Grofsgrundbesitzer, zum
Teil der Städte, denn eine Territorialwirtschaft gibt es noch nicht ;
alle wirtschaftlichen Fragen wurden im engeren örtlichen Rahmen,
und selbst die Anlage von Strafsen, d. i. Errichtung von Brücken
und Nutzbauten und ihre Erhaltung bleibt dem ihnen zunächst
Wohnenden überlassen. Der Landesfürst erblickte noch immer
wie der König der älteren Zeit seine Hauptaufgabe in erster Linie
in der Sorge für eine entsprechende Landesverteidigung.
Auch in dieser Beziehung bedeutet die Episode Richard Löwen-
herz einen Wendepunkt, an dem uns diese Fürsorge des Landes-
fürsten zum ersten Male klar vor Augen tritt. Herzog Leopold V.
hatte im Gelobten Lande, namentlich bei Akkon, das Befestigungs-
und Belagerungswesen gründhch zu studieren Gelegenheit gehabt ^).
1) Für die folgenden Ausführungen siehe besonders Boeheim, Neuere
Forschungen zur Baugeschichte von Wiener Neustadt (Bl. d. Ver. f. Landesk.
XXII, 355, 1888), die allerdings teilweise zu sehr die Phantasie walten lassen.
Das Aufblühen der Städte. 397
Er, von dem wir ja wissen, dafs er sich zuerst unter den Baben-
bergern als Landesfürst bezeichnet hat, mochte wohl schon damals
den Plan gefafst haben, auch sein Land durch ähnhche Festungs-
werke gegen verheerende Einfälle von Ost und Nord, wie sie
noch unter seinem Vater vorkamen, zu schützen. Nun geschah
€s, dafs er durch das Lösegeld für Richard Löwenherz ganz enorme
Summen bar in die Hand bekam, und er glaubte sie nicht besser
verwenden zu können, als dafs er damit seine militärischen Pläne
verwirklichte ').
Vor allem anderen galt es die durch die Vereinigung von
Osterreich und Steiermark so ungeheuer wichtig gewordene Ver-
bindungsstrafse beider Länder, die von Wien aus direkt nach dem
Süden führte, aber nach Osten hin gänzlich schutzlos dalag und
gerade durch das gefährlichste Angriffsgebiet ging, zu sichern. So
wurde von Herzog Leopold V. im Norden der Steiermark, nahe
der ungarischen Grenze, auf dem damals vermutlich noch stark
versumpften Boden des Steinfeldes eine befestigte Stadt angelegt,
die man die neue Stadt nannte, später auch, da sie die Wiener
Strafse beherrschte. Wienerisch Neustadt, Wiener Neustadt. Der
Herzog sorgte aber nicht nur für die notwendige Befestigung,
sondern, was für ihr rasches Aufblühen nicht minder wichtig war,
auch für ihren Handel. Da die ältere Strafse nach Steiermark
über Neunkirchen an Bedeutung verloren hatte und damit die
neue Stadt nicht gleich in ihren Anfängen durch die Konkurrenz
des nahen Neunkirchen unterbunden würde, so übertrug Herzog
Leopold V. auf einer Versammlung zu Fischau im Jahre 1192
das Marktrecht von Neunkirchen, das er dem Besitzer, dem Kloster
Formbach, abkaufte , auf die Neustadt ^) ; gleichzeitig wurde wohl
auch eine Münzstätte hier errichtet oder die Fischauer hierher ver-
legt, denn Neustädter Pfennige finden sich schon bald danach.
Aufser für die Befestigung der Neustadt wurde das von Richard
Löwenherz gezahlte Lösegeld für die Befestigungen von Wien,
1) Diese Verwendung des Lösegeldes ist mehrfach bezeugt, so durch die
Cont. Praed. Vind. (M. G. SS. IX, 726); Österreichische Chronik (Archiv IX,
356); Enenkel, Fiirstenbuch und Weltchronik (M. G. Deutsche Chron. ITT, 545).
2) Leider fehlt darüber eine Urkunde. Die Nachricht bezeugt Enenkels
Landbuch (M. G. Deutsche Chron. lU, 711).
898 Sechzehntes Kapitel.
Enns und llainburg verwendet. Herzog Leopold VI. setzte später
den Plan seines Vaters, das Land durch starke Festungen zu
schirmen, fort, und es entstanden unter ihm jenseits der Donau
die belästigten Städte Drosendorf, Eggenburg und Laa gegen die
Nordgrenze zu. Die noch im 19. Jahrhundert vielfach, zum Teile
sogar noch heute erhaltenen Befestigungen der genannten Städte
weisen deutlich auf die Wende des 12. und 13. Jahrhunderts als
Entstehungszeit hin und haben alle das gemeinsam, dafs sie an
italienische Vorbilder erinnern. Es scheint, als ob die beiden Baben-
berger Leopolde von ihren Zügen ins Gelobte Land und nach Italien
italienische Baumeister, die damals im Festungsbau berühmt waren,
nach Österreich mitgebracht hätten *).
Aber auch in anderer Hinsicht liefsen es sich die Herzöge
angelegen sein, die Entwickelung der Städte zu fördern, und mehr
als zumeist in Deutschland, wo sich die Verhältnisse in den Städten
selbständiger weiterbildeten, griffen in Osterreich die Landesfürsten
in diese Entwickelung ein ^). Ganz besonders haben sie alles getan,
um ihre Residenz Wien , die früher hinter anderen österreichischen
Städten wie Krems, Tulln und Hainburg zurückgeblieben war,
in jeder Weise rasch emporzubringen ^). Wir haben schon früher
gesehen, dafs ja Wien hauptsächlich eine Handelsniederlassung war,
darum bezogen sich auch die Begünstigungen stets in erster Linie
auf den Handel. Handelspolitik der damaligen Zeit darf man
nicht vom modernen Standpunkt aus beurteilen. Wje auf anderen
Gebieten, wurden auch hier die einzelnen Interessen durch Privi-
1) Vgl. aufser dem oben zitierten Aufsatz von Böheim auch noch den-
selben in den Mitteilungen der k. k. Zentralkommission N. F. XIII, S. CLXl.
2) Bischoff, österreichische Stadtrechte (Wien 1857); Meiller, Öster-
reichische Stadtrechte und Satzungen aus der Zeit der Babenberger (Archiv f.
österr. Gesch. X, 87); Winter, Urkundliche Beiträge zur Eechtsgeschichte
ober- und niederösterreichischer Städte (Innsbruck 1877); Lorenz, Über den
Unterschied von Eeichsstädten und Landstädten mit besonderer Berücksichtigung
von Wien (Wiener Sitzungsberichte LXXXIS, 17, 1878); Luschin, Geschichte
des älteren Gerichtswesens in Österreich ob und unter der Enns S. 199 If.
3) Vgl. aufser der schon erwähnten Arbeit L u s c h i n s über die Handels-
politik der österreichischen Herrscher im Mittelalter jetzt insbesondere den von
ihm herr-lhrenden Abschnitt über den Handel in der vom Altertumsvereine her-
ausgegebenen Geschichte der Stadt Wien I, 398 f.
Das Aufblühen der Städte.
legien gewahrt. Aber auch da trat gerade gegen das Ende des
12. Jahrhunderts ein merklicher Wandel ein. In der Zeit, da im
Lande selbst noch keine eigentlichen Handelszentren, kein eigener
Kaufmannsstand existierte, wurde die Handelsfreiheit als das Vor-
teilhafteste erachtet, lediglich durch Mauten und Zölle einigermafsen
eingeschränkt. Die Kaufleute einzelner auswärtiger JStädte, die
ganz besonders mächtig waren, suchten dann durch Privilegien ein
Handelsrecht oder Begünstigungen zu erlangen. Von dieser Art
ist das schon erwähnte Ennser Privileg des letzten steierischen
Ottokars vom Jahre 11^91, in dem den Regensburger, Passauer,
Salzburger, Ulmer, Aachener, Kölner und Maastrichter Kaufleuten,
die namenthch die niederländischen Gewänder und Tücher ver-
mittelten, sowie auch den Russen, die Pelzwerk einführten, ihr
Vorrecht bestätigt wurde ^). Und ein Jahr später (1192) erlangten
die Regensburger, die wohl am meisten von dem Wandel der Ver-
hältnisse in Österreich befürchten mochten, von Herzog Leopold V.
ein Privileg für den Wiener Markt, aber schon hier müssen sie
sich eine wesentliche Einschränkung gefallen lassen, um die W^iener
Münze nicht zu beeinträchtigen: sie dürfen kein Silber ausführen '■^).
Schon hier geht neben dem Strafrecht das Handelsrecht; Mauten
und Zölle werden festgesetzt; als Handelsartikel werden genannt:
Tücher aus Köln, farbiges Gewand, Leder und Pelzwerk, Wachs,
Kupfer, Zinn, Glockenspeise, Heringe und gesalzene Fische. Der
Handel erstreckt sich bis Rufsland.
Jetzt trat aber eine gründliche Umwälzung ein, und die öster-
reichischen Herzöge schlugen eine neue Handelspolitik ein. Nun-
mehr sollte Wien selbst ein Handelszentrum mit einem selbständigen
Kaufmannsstand werden; es sollte nicht nur den Donauhandel
nach dem Osten beherrschen, sondern auch die gerade damals zur
Wichtigkeit gelangende Verbindung mit dem Süden, mit Venedig
anbahnen. Nicht umsonst waren die Babenberger in den Besitz
der bedeutendsten Strafsen nach dem Süden gekommen. Des-
halb galt es jetzt die ausländische Konkurrenz hintanzuhalten
oder unschädlich zu machen. Man hat früher mit ziemlicher Be-
1) ÜB. d. L. 0. d. Enns II, 431; Meiller, Eegesten 10, 92.
2) Tomaschek, Rechte und Freiheiten der Stadt Wien I, 1.
400 Sechzehntes Kapitel.
stimmtheit angenommen ^) , dafs Herzog Leopold VI. Wien schon
im Jahre 1198 ein Stadtrecht erteilt habe, in dem die Bestimmungen
über den Handel, wie sie uns in dem späteren Stadtrecht von 1221
entgegentreten, vorhanden waren. Eine Urkunde oder auch nur
eine sichere gleichzeitige Nachricht ist jedoch nicht erhalten. So
wird man denn nicht über vage Vermutungen hinausgehen können'-),
obschon schwer einzusehen ist, warum Herzog Leopold nicht
tatsächlich für seine Residenz durch ein geschriebenes Gesetz ge-
sorgt und der Stadt Enns vor Wien ein Privileg erteilt haben
sollte. Immerhin dürfte sich die Behauptung verteidigen lassen,
dafs Herzog Leopold VI., auch wenn er den Wienern kein geschrie-
benes zusammenfassendes Stadtrecht verlieh, dennoch bereits so
manche Begünstigung, die in dem späteren Stadtrecht festgelegt
wurde, vordem gewährt hat. Gerade die Sperrung des ungarischen
Marktes für die fremden Kaufleute dürfte bald nach der Privilegie-
rung der Wiener Münzherren eingetreten sein, da in Ungarn in
der Folgezeit die fremden Münzen nahezu gänzlich verschwanden
und fast ausschliefslich die Erzeugnisse der Wiener Münze Ver-
wendung fanden '^). >Der Wiener Pfennig, der sich ursprünglich
durch seinen Silbergehalt auszeichnete (116 Gr.schwer), verdrängte
auch in dem österreichischen Gebiet den Kremser und Neustädter
Pfennig vollständig.
Wichtig und grundlegend für die ganze weitere Entwickelung
des Wiener Handels war die einschneidende Rc;form, die noch
Herzog Leopold V. in seinen letzten Regierungsjahren der Wiener
Münze angedeihen liefs. Durch die Kreuzzüge war ein starker
Abflufs an Bargeld eingetreten, der in Österreich durch keine
Edelmetallproduktion gedeckt werden konnte. Da mufste Abhilfe
geschaffen werden. Nun war aber der landesfürstliche Verwaltungs-
organismus nicht weit genug ausgebildet, um grofse Unternehmungen
1) Den Ausgangspunkt bildete eine Notiz bei Lazius. Vgl. die Einleitung
zu Tomaschek, Eechte und Freiheiten der Stadt Wien I.
2) Den Bestand eines Wiener Stadtrechtes vor 1221 hat in jüngster Zeit
Heinrich Schuster in der Geschichte der Stadt Wien, hgg. vom Altertums-
vereine I, 293 f. auf das entschiedenste bestritten.
3) Vgl. aufser den beiden schon genannten Arbeiten Luschin s noch seine
Abhandlung über die Wiener Pfennige (Numismatische Zeitschr. VIII, 254, 1876).
Das Aufblühen der Städte. 401
in eigener Regie ins Werk zu setzen. Wie gewisse öffentliche
Bauten und Anlagen (Strafsen, Brücken u. dgl.) noch immer den
Orofsgrundbesitzern überlassen werden mufsten, so überlieferte
Herzog Leopold V. auch den Münzbetrieb Privathänden und zwar
einem Kapitalistenkonsortiura ; dessen Mitglieder werden, da sie
ein gemeinsames Münzhaus besafsen, tatsächlich Consortes, zu
deutsch Hausgenossen, genannt ^). Vielleicht hängt damit auch eine
nicht ganz verbürgte Nachricht zusammen, nach der Herzog Leo-
pold V. Wiener Bürgern bedeutende Geldvorschüsse (30 000 Maik)
gewährt und die Ritter zur Begleichung ihrer Schulden bei den
Bürgern angehalten habe '^). Unter demselben Gesichtswinkel mufs
auch die Sefshaftmachung Flandrischer Färber unter Herzog Leo-
pold VI., der ihnen im Jahre 1208 wichtige Vorrechte gab 3),
betrachtet werden. Da es den Babenbergern darauf ankam, ihre
Residenz rasch zu einem Zentrum zu machen und auf die Höhe
der alten Reichsstädte zu bringen, so mufsten künstliche Mittel
angewendet werden. Die Hausgenossen der Münze, die Flandrer,
denen sich bald auch die Tuchhändler oder Handschneider, später
bekannt als Laubenherren nach ihren Verkaufsläden unter den
Lauben *), anreihten, bildeten den Grundstock der Wiener Patrizier
und diese mit ihrer Kapitalkraft auch zugleich die lebendige Trieb-
kraft für das Emporblühen der jungen Stadt.
Wien war übrigens nicht die einzige Stadt, die von den
Babenbergern begünstigt wurde, wenn sie auch vor allen anderen
Städten den Vorzug genofs. Vom Transitzoll und den Mauten
des Landesfürsten waren die Städte in der Regel befreit. Aber
manche Stadt suchte darüber hinaus noch besondere Erleichterungen
für den Handel zu Wasser und zu Lande zu gewinnen, wie Krems
und Zwettl^).
1) Die Urkunde selbst ist zwar nicht vorhanden, wird aber in der Be-
stätigung Rudolfs von Habsburg vom Jahre 1277 vorausgesetzt.
2) So Enenkel in seinem Fürstenbuch (M. G. Deutsche Chron. III, 631).
Ich halte dies keineswegs für so unwahrscheinlich wie z. B. Juritsch S. 365.
3) Tomaschekl, 4. Jetzt mit Faksimile der Urkunde in der Geschichte
der Stadt Wien I, 300.
4) Noch heute heifst jene Strafse ,,die Tuchlauben".
5) Meiller, Kegesten 84, 19.
Vancsa, Geschichte Nieder- u. Oberösterreich». 26
402 Sechzehntes Kapitel.
So konnte sich eine eigene Stadtwirtschaft entwickeln. In letzter
Linie ainffcn wohl alle diese Erscheinungen auf das in diesem Zeit-
iüter sieh vollziehende Aufkommen der Geldwirtschaft an Stelle der
alten Naturalwirtschaft und auf das Anwachsen des Verkehres zu-
rück. Erst unter diesen geänderten Verhältnissen konnte ein ein-
heimischer Kaufmannstand entstehen, der die fremden Kaufleute
allmählich verdrängte, sich scharf vom Bauern- und Handwei'ker-
stande sonderte und zu einem gewissen Übergewicht gelangte.
Etwas später als der Handel entwickelten sich in den Städten
die Gewerbe. Doch war es selbstverständlich, dafs diese dem
Bedarfe folgten, sich vom flachen Lande in die Städte zogen, den
Absatz des JMarktes, die Gelegenheit der leichten Materialgewinnung
aufsuchten. Die verschiedenen Wiener Urkunden aus dem Anfang
des 13. Jahrhunderts, namentlich die Stiftungsurkunde für die
St. Ulrichkirche in Zaisraannsbrunn unmittelbar vor den Toren
Wiens, das später zu dessen Vorstädten, dem heutigen Bezirke
Neubau, gehörte, vom Jahre 1200 — die Kirche wurde bezeichnender-
weise bereits von einem reichen Bürger namens Dietrich gestiftet ') —
und das Privileg für die Flandrer aus dem Jahre 1208 nennen
bereits eine Reihe von Handwerkern: Schuster, Fleischer, dann
Goldschmiede, Färber (eben die Flandrer). Letztere haben sogar
eine gewisse Organisation.
Die Mehrzahl der Bewohner der österreichischen Städte ist
wie anderwärts ursprünglich unfrei, von weltlichen oder geistlichen
Grundherren abhängig ^), dem Hofrecht unterstehend — noch war
weder Gewerbe noch Handel vom Grundbesitz losgelöst, noch
wurde von den Bürgern allgemein Landwirtschaft, in Wien vor-
zugsweise Weinbau betrieben; auch Mihtes zur Bedeckung oder
zur Herstellung der Befestigungen gab es da, namentlich in
Wien, wo der Herzogshof die Dienstmannen und Ritter versammelte,
zu denen sich dann allerdings auch freie Elemente, besonders in
1) Font. rer. Austr. 2. Abt. XVIII, 21.
2) Enns stand auf dem Boden von St. Florian, Wels auf dem von Wiirz-
burg, Wien teilweise auf passauischem Boden ; St. Polten war eine ausgesprochene
Bischofstadt (Passauisch) ; auch TuUn scheint auf kirchlichem Boden z\i stehen,
da noch im 13. Jahrhundert hier ein Vogtding besteht. Nur Krems scheint
eine freiere Stellung gehabt zu haben. Siehe ganz besonders Lorenz a. a. 0. S. 55.
Das Aufblühen der Städte, 403
den Kaufleuten, sowie andrerseits ein Pöbel, das ledige Volk,
hinzugesellte. Auch blofse „incoiae" gab es, die die gleichen Lasten,
aber nicht die gleichen Rechte wie die Bürger hatten. Bald ver-
mochte die befestigte Stadt die Masse der Zuströmenden nicht
mehr zu fassen, und spätere Ansiedler mufsten sich aufserhalb der
Mauer in den suburbia niederlassen. Das Zusammenleben in der
Stadt übte aber allmählich einen nivellierenden Einflufs aus, auch
hier verblafste der Unterschied zwischen frei und unfrei. Viel
trug dazu bei, dafs sich in den Städten eine eigene Form des
Grundbesitzes entwickelte, die dem freien Eigen ziemlich nahe kam,
d. h. es wurden den Bürgern ohne persönliche Abhängigkeit Bau-
gründe gegen einen jährlichen Pacht zu vererbhchem und ver-
äufserlichem Gebrauchsrecht überlassen. Es war das ius civile
oder urbanum, das Burgrecht (Baurecht, Kaufrecht), auch ius here-
ditatis, Erbrecht, Erbleihe, Erbpacht genannt. Erst wer „Eigen
zu Burgrecht" besafs, w^ar in dieser ersten Periode des Städte-
wesens ein Bürger (Burgensis).
Endlich kam aber zum Wesen der Stadt noch ein wichtiges
Moment hinzu : die Exemtion von der Landgerichtsbarkeit und die
Unterstellung unter einen eigenen Stadtrichter. In dem oben er-
wähnten Privileg für die Regensburger vom Jahre 1192 treten
uns zum ersten Male Stadtrichter in Wien, St. Polten, TuUn und
Melk entgegen. Das Stadtrecht hat sich aber aus dem Landrecht
entwickelt ^) , und in der ersten Periode hatte dieses auch noch
vielfach in den Städten Geltung ^).
Das beste Bild vom Wesen, den Verhältnissen und Ein-
richtungen österreichischer Städte zu Beginn des 13. Jahrhunderts
gewinnen wir aus den beiden ersten uns erhaltenen umfangreichen
Stadtrechten, aus dem Ennser vom Jahre 1212 und aus dem
Wiener vom Jahre 1221 ^), die sehr nahe Verwandtschaft zeigen
1) Viele Punkte des Ennser und Wiener Stadtrechtes stimmen mit dem
österreichischen Landrecht überein. Siehe die treffliche Zusammenstellung bei
Tomaschek a. a. 0. S. V.
2) Dies betont besonders Heinrich Schuster a. a. 0. S. 300 f. Die
Frage ist jedoch unter den Eechtshistorikern strittig.
3) Das Wiener bei Tomaschek a. a. 0. I, 8; das Ennser bei Schwind-
Dopsch, Ausgew. Urkunden S. 42.
26*
404 Sechzehntes Kapitel.
und wahrscheinlich auf ein gemeinsames älteres Mutterrecht, ver-
mutlich eben das verlorengegangene Wiener Stadtrecht des Herzogs
Leopold V., zurückgehen. Das Wiener Stadtrecht von 1221 ent-
hält sogar, wie gleich zu erwähnen sein wird, einige ältere Ele-
mente, nur ist es entsprechend den grofsartigeren Verhältnissen
der herzoglichen Residenz im einzelnen umgeformt und erweitert:
CS besitzt um i;5 Bestimmungen mehr als das Ennser, das aller-
dii!<Ts auch zwei im Wiener Recht nicht vorkommende aufweist.
Diese beiden grofsen Privilegien, vornehmUch das Wiener, sind
dann die Grundlage für die folgenden österreichischen Stadtrechte
geworden. Sie beziehen sich auf fast alle Seiten des Rechtes* auf
Straf- und Privatrecht, Polizei-, Markt- und (besonders in Wien)
Handelsrecht, Verfassung, Verwaltung und öffentliches Recht. Als
Verbrechen und Vergehen werden angeführt: Totschlag, Körper-
verletzungen, Schläge, Beschimpfungen, Hausfriedensbruch (Heim-
suche), Schändung, im Wiener Recht ferner Gotteslästerung, falscher
Eid, falsches Mafs und Gewicht. Als Strafen sind festgesetzt:
Todesstrafe, bei Körperverletzungen Talion, bei Gotteslästerung
und falschem Eid Ausreifsen der Zunge, ferner noch Acht (Stadt-
verweisung) und Geldstrafen. Eine der rückständigen Bestimmungen
des Wiener Rechtes ist die Zulassung des Gottesurteiles des glühen-
den Eisens als Zeugnis im Falle Totschlages, während das Ennser
bereits die Reinigung durch Eideshelfer zuläfst. Für die Beurtei-
lung des Verbrechens oder Vergehens bildete es eiaen wesentlichen
Unterschied, ob es aus Notwehr erfolgt und ob es im Umkreise
(Weichbild) der Stadt oder aufserhalb geschehen war. Es wurde
aber auch in bezug auf die Geltung des Rechtes, die Anwendung
der Strafe und die Gültigkeit des Zeugnisses ein Unterschied
zwischen den Bürgern, Fremden (hospites) und Knechten gemacht,
ja hinsichtlich der ersteren auch zwischen den Bemittelten und
Minderbemittelten. Wer in Wien 50, in Enns 30 Pfund besafs,
blieb selbst im Falle eines Totschlages auf freiem Fufs. Jedes
Haus eines Bürgers war eine Freistatt und genofs besonderen
Schutz, weshalb der Hausfriedensbruch schwerer Strafe unterstand
(auch hier war das Gottesurteil des glühenden Eisens und der
Wasserprobe zulässig). Überhaupt tritt, wie in anderen öster-
reichischen Rechtsdenkmälern, auch hier das Moment der Standes-
Das Aufblüben der Stallte. 405
oder Hausgenossenschaft stark hervor. Der Fremde steht rechtlich
hmter dem Bürger zurück; er kann gegen diesen kein Zeugnis
ablegen. Vor allem richteten sich gewisse Bestimmungen (im Wiener
Rechte) gegen die Fremden als Handelsleute, deren Konkurrenz
möglichst beschränkt werden sollte. Kein Schwabe — gemeint
waren wohl die Kaufleute aus Ulm und Augsburg — , kein
Regensburger und kein Passauer — jene aus der noch immer
gefürchteten alten Handelsmetropole für den Donauhandel, diese
aus der Stadt der Bischöfe von Passau, die, wie wir noch sehen
werden, gerade damals in hartnäckigem Konkurrenzkampfe mit
den Herzögen von Österreich lagen — , durfte seine Waren nach
Ungarn führen ; nur zwei Monate durften sie sich in der Stadt auf-
halten und während dieser Zeit nur an die Bürger, nicht an Aus-
wärtige verkaufen, vor allem aber Avegen des Münzmonopols des
Herzogs Aveder Gold, noch Silber einkaufen. Waffen durften sie
nicht mit in die Stadt nehmen.
Was das Privatrecht betrifft, so ist die Stellung der Frau
günstig. Witwen, Töchter oder Enkelinnen von Bürgern haben
freie Verfügung über ihre Hand und sind bereits von dem alten
Heiratszwang des Grundherrn, beziehungsweise des Herzogs befreit
und zwar im Ennser Recht ganz, im Wiener ausgenommen den
Fall, dafs sie einen Ritter heiraten; dann ist ihre Habe der Gnade
des Herzogs anheimgestellt. Auch ihr Erbrecht ist gewahrt. Im
übrigen ist die Oberhoheit des Herzogs in einer Reihe von Be-
stimmungen ausdrücklich festgesetzt. Ihm fällt nach einer offenbar
älteren Bestimmuno; des Wiener Rechtes die Erbschaft, die für
einen Fremden testiert ist oder auf die keine Ansprüche erhoben
werden, ganz zu, nach dem Ennser Recht zur Hälfte. Die Auf-
nahme Fremder in die Bürgerschaft findet in seiner Gegenwart
statt. Das Wichtigste aber war, dafs er den Stadtrichter einsetzte,
dem das Strafgeld zufiel, der aber keineswegs nur Justizbeamter
war, sondern auch auf die Verwaltung der Stadt Einflufs ausübte.
Die eigentliche Verwaltungsbehörde, zunächst in erster Linie für
Marktzwecke, war ein Ausschufs von geeigneten Bürgern, vier-
undzwanzig in Wien, sechs in Enns (Geschworene, iurati, von
ihrem Amtseid; auch consules genannt), aus dem sich der innere
Rat und damit die Grundlage der Selbstverwaltung entwickelte.
400 Sechzehntes Kapitel.
In Wien mufste aufserdera bei allen Geschäften, deren Objekt über
drei Pfund Pfennige betrug, ein Ausschufs von hundert Bürgern
aus den vier Vierteln der Stadt herangezogen werden. Sie bildeten
später den äulscren Rat oder „die Genannten".
Bemerkenswert ist, dafs diese österreichischen Stadtrechte Ein-
flüsse der flandrischen sogenannten Keuren aufweisen '). Gerade
in der zweiten Hälfte des 12, Jahrhunderts war ja die grofse
Welle niederländischer Kolonisten über ganz Mitteleuropa hin-
gegangen, und wir haben schon gesehen, welche bedeutende Stellung
die Flandrer innerhalb der Wiener Bürgerschaft einnahmen.
So waren denn seit dem letzten Jahrzehnt des 12. Jahrhunderts
alle Bedingungen gegeben, um nun auch in Osterreich das Städte-
wesen emporblühen zu lassen, und die klugen Babenberger Herzöge
förderten diese Bedingungen in jeder Weise. Im Jahre 1207
konnte bereits die Behauptung aufgestellt werden, dafs Wien nach
Köln eine der bedeutendsten deutschen Städte sei ^).
Diese Stelle befindet sich in einem Schreiben Leopolds VI.
an Papst Innozenz HL, worin er ihn um die Errichtung eines
Bistums in Wien bittet, und sie gehört zu der Reihe jener Gründe,
die das Gesuch unterstützen sollen. Damit stehen wir bei einer
weitereu grofsen Aktion des Herzogs. Auch sie lag auf der Bahn
jener zielbewufsten Babenbergischen Politik, die die Loslösung
Österreichs von dem Mutterlande und eine durchweg selbständige
landesfürstliche Macht anstrebte. Die staatsrechtliche und wirt-
schaftliche Trennung war bereits durchgeführt, nun sollte die kirch-
liche, vielleicht auch schon von Heinrich Jasomirgott ins Auge
gefafst ^) , das Werk krönen. Sie war allerdings die schwierigste
und heikelste Aufgabe, und wir werden es begreiflich finden, dafs
Herzog Leopold mit Vorsicht zu Werke ging und alles daran
setzte, um sein Ziel zu erreichen *).
1) Auch gegen diesen Nachweis Tomascheks spricht sich Schuster
a. a. 0. S. 313 aus. Ich kann jedoch seinen Gegenargumenten nicht zustimmen,
da die Tatsachen Tomaschek recht gehen.
2) Potthast, Keg. Pont. 3085. — Man darf natürlich nicht übersehen,
dafs hier der Herzog von Österreich pro domo spricht und alles aufbietet, um
die Bedeutung seiner Hauptstadt ins beste Licht zu setzen.
.;.) Siehe oben S. 343.
4) Vgl. aufser der allgemeinen Literatur noch im besonderen Anton Mayer
Der Plan der Errichtung eines Bistums in Wien. 407
Der Zeitpunkt schien nicht ungünstig. Der Plan war bereits
einige Jahre zuvor, etwa 1197, bei der Kurie angeregt worden und
zwar merkwürdigerweise von dem Bischof von Passau Wolfger von
Ellenbrechtskirchen selbst ^) ; freilich aller Wahrscheinlichkeit nach
aus einem anderen Beweggrund, vermutlich um das Pallium zu
gewinnen und in diesem Falle die nötigen SufFragane zu besitzen.
Seit dem Jahre 1204 arbeitete König Ottokar I. von Böhmen daran,
die Bistümer Prag und Olmütz aus dem Metropolitanverbande
von Mainz zu lösen, und die Gründung von neuen Bistümern
innerhalb der alten Diözesen lag entschieden in dem Zuge der Zeit,
denn bald darauf entstanden ja rasch hintereinander die Bistümer
Ohiemsee (1215), Seckau (1218) und Lavant (1224). Ebenso
entsprach es einem Zuge der Zeit, an Stelle der vom König und
Reich abhängigen Bistümer Landesbistümer zu schaffen, und nament-
lich die Territorialherren in den östlichen Marken, wo die Bischöfe
überhaupt niemals zu der Macht der Bischöfe im alten Reichslande
gelangt waren, in den von Heinrich dem Löwen gewonnenen sla-
wischen Gebieten (den Bistümern Altenburg, Mecklenburg und
Ratzeburg) und, was für Österreich besonders mafsgebend sein
mochte, in Böhmen hatten dies mehr oder minder glückhch bereits
zustande gebracht.
Als Herzog Leopold VI. nach der Ernennung Bischof Wolfgers
zum Patriarchen von Aquileja (1205), dessen Metropolitangelüste
zu fordern er wohl keine Lust gehabt hatte, daran ging, den Plan
der Errichtung eines Bistumes in Wien weiterzuverfolgen , suchte
er zunächst Wolfgers Nachfolger für die Sache günstig zu stimmen.
Es war der bisherige Abt von Kremsmünster und Tegernsee, Man-
gold. Zunächst wurde ihm die Gunst zuteil, dafs er auch als
Bischof die Prälatenwürde beibehalten durfte ^). Schon vorher,
in der Geschichte der Stadt Wien I, 470; Ratzinger, Forschungen zur baye-
rischen Geschichte S. 383 (Kempten 1898); Krabbo, Die Versuche der Baben-
berger zur Gründung einer Landeskirche in Österreich (Archiv f. österr. Gesch.
XCni, Iff.); Srbik, Die Beziehungen von Staat und Kirche in Österreich während
des Mittelalters (Forschungen z. inneren Gesch. Österreichs I, Innsbruck 1904).
1) Geht aus dem erwähnten Schreiben Leopolds VI. hervor. Über Wolfger
vgL Kalkoff, Wolfger von Passau (Weimar 1882).
2) Bernh. de orig. et ruina mon. Cremifan. M. G. SS. XV, 650, 658;
Eist. Cremif. a. a. 0. S. 634.
408 Sech zolin tos Kapitel.
1204, hatte Herzog Leopold VI. seiner Abtei Tegernsee für deren
Besitzungen in Österreich zu Loibeu, Kroisbach, in der Wuchau,
zwischen Piesting und Triesting, sowie zwischen Erlaf und Persch-
hng das Vorschhigsrecht für die Richter gewährt ^). So mochte
Leopold auch von dem neuen Bischof freundschaftliche Gesinnung
erhoffen.
Nun entschlofs er sich zu dem entscheidenden Schritt bei der
Kurie. Ende 1206 oder anfangs 1207 schickte er eine Gesandt-
schaft nach Rom, um dem Papste die Bitte um Errichtung eines
Bistumes in Wien unterbreiten zu lassen und in einem ausführ-
hchen Memorandum die Gründe dafür auseinanderzusetzen -).
Dieses Memorandum ist zugleich ein wichtiges Dokument für die
Österreichischen Verhältnisse überhaupt. Mit Recht wird auf die
grofse Ausdehnung der Passauer Diözese hingewiesen. Das Land
war allerdings in Dekanate und Archidiakonate eingeteilt, und der
Dechant von Krems vertrat häutig den Bischof 2). Der Bischof
selbst aber konnte nicht einmal seiner Verpflichtung in bezug auf
die Einweihung neuer Kirchen und Altäre, auf Firmung und Priester-
weihe, nachkommen," so dafs man genötigt wai', die Hilfe fremder
durchreisender Bischöfe in Anspruch zu nehmen *). Auch das
Auftauchen und Überhandnehmen von Ketzern, auf welche Tatsache
ich gleich zu sprechen kommen werde, brachte der Herzog damit in
Zusammenhang. Zum Sitz des neuen Bistumes schlug der Herzog
selbstverständlich seine Residenz Wien vor, die er dem Papste als
eine der gröfsten, volkreichsten Städte von besonders günstiger Lage
schilderte, und vergafs auch nicht die von seinem Vorfahren Otto
von Freising erfundene Identifizierung Wiens mit dem Faviana
Severins aufzuwärmen, um darauf hinzuweisen, dafs hier schon von
alters her ein Bistum bestanden habe. Endlich stellte er die tür
1) Meiller, Eegesten 93, 51.
2) Ist im Originale uicht mehr vorhanden, aber aus der Anzeige des Papstes
an den Erzbisehof von Salzburg und den Bisehof von Passau (Potthast, Eeg.
Pont. 3085) zu entnehmen.
3) Der Südosten des Landes gehörte, wie schon erwähnt, zur Erzdiözese
Salzburg und bildete den Archidiaconatus ultra montem, in dem Gloggnitz und
Paverbach passauische Enklaven waren.
4) So weihte im Jahre 1147 Bischof Heinrich von Troyes eine Kirche in
"Ward (in der Nähe von Mauer bei Melk, heute verschollen) (Mon. Boic. XXIX, 215).
Der Plan der Errichtung eines Bistums in Wien. 400
damalige Verhältnisse bedeutende Dotation von jährlich 1000 Mark
für das Bistum in Aussicht und gab die beruhigende Versicherung,
dafs das Bistum Passau so wenig als möghch geschädigt würde, da
nur ein Drittel oder Viertel von Österreich das neue Bistum bilden
solle, dem Herzoge nur die Oberhoheit über die Pfarren zustehen,
dagegen Passau auch in diesem Gebiete nach wie vor alle Be-
sitzungen und Einkünfte behalten würde.
Die Gründe waren wohl alle überzeugend, und Papst Inno-
zenz III. war auch tatsächlich der Sache günstig gestimmt, zumal
er hoffen mochte, Herzog Leopold von Osterreich dadurch von der
staufischen Partei abzuziehen. P> wollte nur den formell korrekten
Weg einschlagen. Deshalb zeigte er am 14. April 1207 dem
Bischof Mangold von Passau die Vorschläge des Herzogs an und
beauftragte gleichzeitig den Metropoliten Erzbischof Eberhard IL
von Salzburg mit der Erstattung eines Gutachtens ^). Aber die
Entscheidung zog sich in die Länge.
Im Jahre 1208 erklärte sich Leopold zu einem Kreuzzug be-
reit 2). Indem er vor der Heerfahrt abermals eine Gesandtschaft
nach Rom schickte, hoffte er die Angelegenheit beschleunigen zu
können. Er machte jetzt hinsichtlich der Dotation genauere Vor-
schläge, die allerdings hinter den ersten beträchtlich zurückblieben.
Für eine zu errichtende Dompropstei sollten die Einkünfte der
Pfarre Wien und das Erträgnis eines Gutes in Krems verwendet
werden. Der Sitz des Bischofes sollte das Schottenkloster werden,
während die Schottenmönche anderweitige Unterkunft erhalten
würden. Merkwürdigerweise ging diesmal Leopold in bezug auf
die Gröfse des zukünftigen Bistums weiter wie in dem ersten Vor-
schlag: es sollte die Hälfte Österreichs und auch noch einen Teil
der Steiermark umfassen ^). Aus der letzten Zeit lag sogar ein
neuer Fall vor, dafs man sich eines fremden Bischofs zur Kon-
sekration hatte bedienen müssen. Bischof Malachias von Irland
hatte der Wahl des Schottenabtes Markus präsidiert und in Zwettl
Kleriker geweiht *).
1) Potthast, Eeg. Pont. 3085.
2) Cont. Claustron. 621 ; Ann. Meli. 506.
3) Potthast, Keg. Pont. 3427.
4) Cont. Claustroneob. III, 634; Cont. Zwettl. 607.
410 Sechzehntes Kapitel.
Doch gerade die neuen, von den früheren abweichenden Vor-
schläge Herzog Leopolds boten Handhaben zu schwerwiegenden
Bedenken. Dafs auch kirchliche Einkünfte zur Dotation heran-
gezogen werden sollten, machte die Kurie stutzig; Bischof Mangold
sah den Umfang seiner Diözese noch mehr gefährdet; der Erz-
bischof von Salzburg war durch den steierischen Anteil in seiner
Machtsphäre berührt, und auch die Schottenmönche in Wien waren
keineswegs gesonnen, ihr sehr günstig gelegenes Kloster ohne
weiteres aufzugeben. Sie beeilten sich, vom Papste eine Bestäti-
gung ihres Gesamtbesitzes zu erwirken ^).
So kam es, dafs der Papst abermals keine Entscheidung traf,
sondern die beiden Legaten Hugo von Ostia und Leo von St. Croce
mit Untersuchung und Entscheidung betraute ^).
Da erfolgte am 21. Juni 1208 die Ermordung Philipps von
Schwaben, und wenige Monate später, am 11. November, wurde
Otto, sein bisheriger Widersacher, von den deutschen Fürsten als
deutscher König anerkannt. Auch die früheren Parteigänger des
Staufers, darunter Herzog Leopold von Osterreich, traten auf seine
Seite, und so war mit einem Male die politische Gegnerschaft
zwischen Osterreich und Rom beseitigt.
Nun entfaltete Leopold VI. eine fieberhafte Tätigkeit, um die
neue Konstellation zu Erreichung seines Zieles auszunützen. Zu-
nächst wandte er sich, vermutlich durch seinen Leibarzt Meister
Gerhard, Pfarrer von Felling an der Piesting, den er zu diplo-
matischen Missionen zu verwenden pflegte, abermals an die Kurie
ohne jedoch mehr als die neuerliche Vertröstung auf den Spruch
der beiden Legaten erlangen zu können ^).
Einen Beweis seiner kirchlichen Gesinnung glaubte er nun mit
der Gründung eines neuen Klosters in Osterreich erbringen zu können.
Schon im Jahre 1202, als die Bistumsfrage bereits bei der Kurie,
angeregt war, hatte er den Entschlufs gefafst. Seitdem wurde im
schönen Waldtale auf dem Boden der Ministerialen von Lilienfeld
rüstig an einem romanischen Prachtbau gearbeitet. Am 7. April 1209
wurde zu Klosterneuburg in feierlicher Versammlung der Ministe-
1) Potthast, Reg. Pont. 3365; Font. rer. Austr. XVIII, 17.
2) Potthast, Eeg. Pont. 3427.
3) Ebendas. 3549.
Der Plan der Errichtung eines Bistums in Wien. 411
rialen die Stiftungsurkunde für das Zisterzienserkloster Lilienfeld
ausgestellt ^), das in damals üblicher Weise Befreiung von Gerichts-
barkeit, Maut und Zoll verbriefte. Ein Konflikt mit den Brüdern
Konrad und Leuthold von Altenburg, der vermutlich wegen der
Besitzungen entstanden war, wurde kurz darauf (13. April) bei-
gelegt ^). Nicht ohne Grund wurde das neue Kloster für Zister-
zienser gestiftet, denn dieser strengere Orden war gerade damals
sehr beliebt, auch von Kaiser Otto entschieden bevorzugt, und, wie
wir bereits gesehen haben, erkannte der Herzog von Osterreich
ihre reichsunmittelbare Stellung nicht an, sondern beanspruchte
als Territorialherr auch die Vogtei über Zisterzienserklöster.
Doch gab es noch im nämhchen Jahre einen fatalen Zwischen-
fall. Als Bischof Ekbert von Bamberg nach Ungarn floh, da man
ihn der Mitschuld an der Ermordung Phüipps von Schwaben ver-
dächtigte — er hatte dem Mörder Otto von Witteisbach mindestens
zur Flucht aus Bamberg, wo die Ermordung erfolgte, verhelfen — ,
glaubte sich Herzog Leopold dazu berechtigt, die Bambergischen
Güter in Österreich einzuziehen; dies war ein entschiedener Über-
griff des Landesfürsten, der sofort den energischen Einspruch des
Papstes hervorrief Sogar Bann und Interdikt schwebte mit einem
Male über dem Haupte des Babenbergers ^).
Er war daher genötigt, neue Anstrengungen zu machen, um
sich bei der Kurie wieder in Gunst zu setzen, und er glaubte
dies am besten durch eine grofse Aktion gegen die Ketzer in
Österreich tun zu können*). War das 11. Jahrhundert die Zeit
1) Hanthaler, Fasti Campililienses I, 593. — Als Literatur über Lilien-
feld vgl. Tobner, Geschichte von Lilienfeld (Xenia Bernardina III, 253) und
Derselbe in der Topographie von Niederösterreich V, 843 (davon auch eine illu-
strierte Sonderausgabe als Festschrift zur Feier des 700jährigen Jubiläums
[Wien 1902]).
2) Hanthaler a. a. 0. S. 593.
3) Potthast, Reg. Pont. 3840.
4) Siehe aufser Hahn, Geschichte der Ketzer im Mittelalter (1846—1850)
und Müller, Die Waldesier und ihre einzelnen Gruppen während des Mittel-
alters (Theolog. Studien und Kritiken 1886/87) insbesondere Friefs, Patarener,
Begharden und Waldenser in Österreich während des Mittelalters (österr. Viertel-
jahrschrift f. kath. Theologie XI, 209, 1872); Juritsch S. 400 ff. und Haupt,
Waldensertum und Inquisition im südöstlichen Deutschland bis zur Mitte des
14. Jahrhunderts (Deutsche Zeitschr. f. Geschichtswisscnsch. I, 285 f., 1889).
413 Söch zehntes Kapitel.
der grofsen Kirchenreform, beherrscht von den Kluniazensern und
Hildebrand, dem späteren Papste Gregor VII., so bemächtigte sich
im 12. Jahrhundert der Geister zum ersten Male seit den Tagen
der Kirchenväter und der ersten Konzilien eine häretische Be-
wegung, die gleichwohl denselben Triebfedern wie jene Reform-
bewegung entsprang, nämlich der Forderung nach evangelischer
Reinheit der Kirche und nach strenger Sittlichkeit des Klerus.
Aber was ein Jahrhundert vorher die Sanktion des Papstes erhalten
hatte, das wurde jetzt als ketzerisch verworfen. Arnold von Brescia,
der als erster seine Stimme erhoben hatte, erlitt im Jahre 1155
den Feuertod, aber die Keime der Bewegung waren bereits in
alle Winde verstreut und trieben an den verschiedensten Orten
mit einem Male üppige Blüten, zunächst in Italien und Südfrank-
reich. Päpstliche Bullen des Jahres 1184 zählen als Häretiker
auf: die Katharer, Patarener, Humiliaten, Waldenser, Passagianer,
Josephiner und Arnoldisten ^). Die Unterschiede waren gering und
bezogen sich meist nur auf einzelne Forderungen, die Sekten ver-
schmolzen sogar vielfach untereinander. Einige Jahrzehnte später
verbreiteten sich die Häresien, in erster Linie die der Katharer,
nach Deutschland und nach Österreich, wo die romfeindliche Poli-
tik der Staufer und die oppositionelle Stellung, die auch Herzog
Leopold V. und Friedrich I. einnahmen, ihnen Vorschub oder doch
wenigstens keinen Widerstand geleistet haben dürfte. So kam es,
dafs Herzog Leopold VI., wie wir gesehen haben, in seinem be-
rühmten Schreiben an Papst Innozenz HI. wegen Errichtung eines
Bistumes in Wien aus dem Jahre 1206 das Überhandnehmen der
Ketzerei als wichtigen Faktor anführen konnte. Jetzt im Jahre 1210
veranstaltete er eine grofse Ketzerverfolgung und liefs viele Schuldige
hinrichten, wie es scheint, hauptsächlich durch den Feuertod").
1) Jaffe, Eo},'. Pont, 15 108 ff.
2) Contin. Claustroneob. (M. G. SS. IX, 621, 625). Im „Welschen Gast"
des Tlioraasin von Zirkläre (hgg. von Rücke rt 12 683 ff.) heifst es: „Laraparten
waere seiden riebe — Hiet si den Herrn von Osterriche — Der die Ketzer
sieden kann. — Er vand ain schoene geriht daran — Er wil niht, daz der va-
lant — zebreche sin zeude zehant — swenner si ezze, davon heizzet er — Si
siden unde braten er." Vgl. Friefs a. a. 0. und Ficker, Die gesetzliche
Einführung der Todesstrafe für Ketzer im Mittelalter (Mitt. d. Inst. f. österr.
Geschichtsf. I, 181).
Der F!an der Errichtung eines Bistums in Wien. 413
Zwei Jahre später unternahm er sogar einen höchst abenteuerlichen
Kreuzzug gegen die Albigenser in Südfrankreich *), kam aber zu
spät, nämlich gerade in dem Augenblicke, als Innozenz III zur
Beilegung des Kampfes eine Synode angeordnet hatte. Um seine
Kampflust zu befriedigen, wandte sich Leopold VI. nun gegen die
Ungläubigen in Spanien, wo er bis Calatrava vordrang, um aber
zu Ende des Jahres 1-212 den Rückzug anzutreten 2).
Trotz aller dieser Taten im Dienste der Kirche und obwohl
er auch in bezug auf die deutsche PoHtik getreulich den Intentionen
Innozenz' III folgte, indem er nach der Bannung Ottos IV. für
den päpstlichen Kandidaten, den jungen Staufer Friedrich, ein-
trat ^), vermochte er die Wiederaufnahme der Verhandlungen über
die Errichtung eines Bistumes in Wien nicht mehr zu erreichen.
Mangolds von Passau Einflufs scheint bei der Kurie den Sieg
davon getragen zu haben. Das kam auch zum Ausdruck bei
einem nochmaligen Vorstofs, den Herzog Leopold gegen den
Bischof um das Jahr 1215 unternahm. Er erhob mit einem
Male Ansprüche auf das Patronat über die Pfarre in Wien, auf
die Vogtei über St. Polten und auf die Gerichtsbarkeit über eine
Reihe von Passauischen Gütern. Worauf er das Patronatsrecht
stützte, ist nicht recht klar. Es scheint darüber nur eine un-
verbürgte Tradition geherrscht zu haben ^). Die Vogtei über
1) Ann. Marb. (M. G. SS. XVII, 172); Anna]. Colon, max. 826.
2) Cont. Gotwic. (M. G. SS. IX, 602); Cont. Claustroneob. II (a. a. 0.
S. 622); Cont. Admont. (a. a. 0. S. 592); Cbron. reg. Col. Cont. III, 233. Am
14. Februar 1213 ist Herzog Leopold wieder in Kegensburg (Böhme r-Ficker,
Regesten 688).
3) Anfangs schien Leopold allerdings zwischen den beiden deutschen Königen
lavieren zu wollen. Im September 1211 erklärte er sich auf dem Fürstentag zu
Nürnberg für Friedrich, am 20. Mai 1212 weilt er ebendaselbst im Gefolge Ottos IV.
4) Die einzige Urkunde, die sich mit der Wiener Pfarre beschäftigt und
die auch tatsächlich öfter zur Begründung der Ansprüche des österreichischen
Herzogs herangezogen wird, ist ein Übereinkommen des Markgrafen Leopold IV.
mit Bischof Reginmar von Passau aus dem Jahre 1137 , doch ist hier nur von
einer Unterordnung der Kirche St. Peter und der anderen Betkirchen in Wien
unter St. Stephan, nicht aber von einem Patronatsrecht des Markgrafen die Rede
(Urkunde wiederholt gedruckt, so Mon. Boic. XXVIII b, 102; jetzt auch mit
Faksimile bei Mayer in der Geschichte Wiens, hgg. vom Altertumsvereine I,
464, wo auch die Rechtsfrage behandelt wird).
414 Sechzehntes Kapitel.
St. Polten konnte als österreichisches Lehen gelten, da, wie wir
wissen, Heinrich Jasomirgott seinen Bruder Bischof Konrad von
Passau damit belehnt hatte. Die Gerichtsbarkeit konnte krat't des
Privilegiums von 1156 beansprucht werden und war ja schon ein-
mal zwischen dem österreichischen Herzog und dem Bischof von
Passau strittig gewesen. Obwohl also Herzog Leopolds VL Forde-
rungen zum Teil nicht unberechtigt waren, vermochte er dennoch
damit nicht durchzudringen. Im April 1215 entschied Kaiser
Friedrich II. auf einem Hoftage zu Augsburg gegen ihn, und
lediglich eine Konzession wurde ihm gemacht, indem blofs das
Passauische Gut Schwadorf von Landgericht und Marchfutter
befreit wurde *).
Ein anderer Versuch Leopolds, Einflufs auf die Besetzung der
Pfründen und der Lehen in der Erzdiözese Salzburg zu erlangen,
der möglicherweise auch mit der Aktion gegen Passau zusammen-
hängt, kam noch, ehe er greifbare Gestalt angenommen hatte, dem
Papste zu Ohren und wurde selbstverständlich von Innozenz III.
aus prinzipiellen Gründen energisch hintangehalten ^).
Wohl gelang es, nach dem Tode Bischof Mangolds einen
herzoglichen Beamten , den bisherigen Notar (Kanzleichef) Leo-
polds VI., Ulrich, Pfarrer von Falkenstein, später von Fischau,
als Bischof durchzusetzen, doch starb dieser schon nach sechs Jahren
am 31. Oktober 122], ohne die Babenbergische Politik wesentlich
gefördert zu haben.
Der Kampf zwischen den Bischöfen von Passau und den
Herzögen von Osterreich wurde übrigens nicht nur auf politischem,
sondern auch auf wirtschaftlichem Gebiete geführt. Passau, das
durch das Emporblühen und die zunehmende Selbständigkeit Öster-
reichs auch vom Donauhandel ausgeschaltet zu werden fürchtete ^),
1) Mon. Boic. XXXb, 26; Böhmer-Fieker, Regesten 790.
2) "Wir sind über die Angelegenheit nur durch das Schreiben des Papstes
an den Erzbischof vom 18. Mai 1215 in nicht ganz klarer Weise unterrichtet
(Potthast, Reg. Pont. 4980; Meiller, Salzburger Reg. 525, Anm. 69).
3) "Vgl. für das Folgende aufser Hackeis schon oben zitierter Arbeit
(S. 211, Anm. 5) Maade, Freistadts Handelsgeschichte und Handelsleben
(XI. Jahresber. d. Staatsgymn. zu Freistadt 1881). Sehr aufschlufsreich ist die
demnächst erscheinende Arbeit ron Franz Straufs, Das weltliche Fürstentum
der Bischöfe von Passau.
Konkurrenzkampf zwischen Passau und den österreichischen Herzögen, 415
suchte sich bereits seit der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts
ein neues Handelsgebiet in Böhmen zu erschliefsen , was ihm da-
durch erleichtert zu werden schien, dafs es sich im Besitze der
zwei wichtigsten Verkehrsstrafsen nach Böhmen befand, nämlich
des alten sogenannten goldenen Steiges und der neuen, seit 1142^
erwähnten Via regia von Linz über Ottensheim, St. Martin, Alten-
felden und über den Oswalder Sattel '). Einen Vorstofs gegen
Österreich führten dann die Bischöfe durch den Ankauf von Wild-
berg im Haselgraben 1198, wodurch sie die einzige Handelsstrafse
auf österreichischem Gebiete, die durch den Haselgraben ging, zu
sperren oder doch wenigstens durch hohe Mauten den Kauf leuten
zu verleiden hofften. Auch Waxenberg und den Meranischen Be-
sitz an der Mühl brachten die Bischöfe von Passau bald darauf
an sich. Herzog Leopold war jedoch nicht der Mann, dies ruhig
mit anzusehen. Um 1211 kaufte er von Gottschalk von Hauns-
berg Linz und gewann damit einen wichtigen Knotenpunkt, um
den Donauhandel mit dem Norden zu verbinden. Von hier führte
sodann eine neue Strafse über Gallneukirchen und Neumarkt durch
die Feidaistsenke einerseits zur Moldau, andererseits zur Maltsch.
Den Schlufsstein zu dieser glücklichen Babenbergischen Gegen-
aktion bildete der Ankauf von Freistadt, das an dieser Strafse
lag, von Ulrich von Klamm um 1213 und die Ausgestaltung dieser
Neugründung zur Zentrale des ganzen Mühlviertels. Etwas später
(1228) erhielt der Markt Ottensheim Maut- und Zollbegünstigungen 2).
Dafür stattete der Bischof von Passau im Jahre 1222 Eferding
mit einem Stadtrecht aus. Und rings auf den Passauischen Be-
sitzungen werden jetzt Burgen erbaut: in Mattsee, Ellenbrechts-
kirchen, Obernberg, Orth, Gleifs u. a. Sehr bezeichnend ist es,
dafs unter den zahlreichen Begünstigungen für fremde Kaufleute
in den österreichischen Städten die Passauer nicht genannt werden,
ia noch mehr: einige Bestimmungen des Wiener Stadtrechtes vom
Jahre 1221 wenden sich direkt gegen die Passauer.
Trotz aller Bemühungen Herzog Leopolds VI. und obwohl
er eigentlich zeit seines Lebens ein treuer Anhänger des Papstes
1) Loserth, Die böhmischen Strafsen und Saumwege im Mittelalter (Mitt..
d. Ver. f. Gesch. d. Deutschen in Böhmen XXI, 188, 1883).
2) Meiller, Eegesten 144, 238.
416 Sechzehntes Kapitel. Konkurrenzkampf zwischen Passau usw.
blieb, wurde die für Österreich so wichtige Wiener Bistumsfrage
unter seiner Regierung nicht mehr in Fhifs gebracht. Der günstige
Zeitpunkt war versäumt, die Angelegenheiten der grolsen PoHtik
und die letzten grofsen Anstrengungen, nochmals einen Kreuzzug
zustande zu bringen, scheinen in den raafsgebenden Kreisen alles
andere zurückgedrängt zu haben.
Jedenfalls erlitten die Babenberger in der Wiener Bistumsfrage
den ersten Mifserfolg bei ihrer auf die Schaffung eines unabhängigen
Territorialfürstentumes gerichteten Politik.
Siebzehntes Kapitel.
Die Bauernschaft und das Wirtschaftsleben. —
Die letzte kolonisatorische Bewegung und die Besitz-
veränderungen im ersten Drittel des 13. Jahrhunderts.
Hatte das Emporkommen der Städte mit allen ihren neuen
Lebensbedingungen und Lebensregungen die wirtschaftlichen und
sozialen, ja zum Teil auch die politischen Verhältnisse des Landes
vielfach umgestaltet, so war auch in der Lage des Grundbesitzes
und seiner Elemente ein bedeutender Umschwung eingetreten ^).
Es war dies eine Folge des Zersetzungs- und Zerbröckelungs-
prozesses, den, wie wir schon gesehen haben, der Grofsgrundbesitz
im 12. Jahrhundert durchzumachen hatte. Der Eigenbetrieb (Sal-
landbetrieb) hatte nahezu völlig aufgehört. Nur einige Zweige,
wie die Pferdezucht, der Gartenbau, zum Teil der Weinbau und
besonders manche ländliche Gewerbebetriebe wie die Mühlen,
Brauereien u. dgl., blieben im Eigenbetrieb. Von allen Grofsgrund-
besitzern waren es nur die Klöster und unter ihnen insbesondere
die Zisterzienserklöster, die daran am längsten festhielten ^).
1) Vgl. für das Folgende aufser Inama-Sternegg III^, 36 und Lam-
precht. Deutsches Wirtschaftsleben, deren Ergebnisse jedoch für die öster-
reichischen Verhältnisse mit grofser Vorsicht zu gebrauchen sind , L u s c h i n ,
Eeichsgeschichte S. 251 ; Huber-Dopsch, Reichsgeschichte S.59; Werunsky,
Eeichs- und Rechtsgeschichte S. 38; Michael, Geschichte des deutschen Volkes
im 13. Jahrhundert I (Freiburg i. Br. 1897); Hasenöhrl, Österreichisches
Landrecht S. 88.; Friefs, Der Aufstand der Bauern in Niederösterreich (Ein-
leitung; Blätter d. Ver. f. Landesk. von Niederösterr. XXXI, 3, 1897) und jetzt
ganz insbesondere mit ganz neuen umfassenden Aufschlüssen Dopsch in der
Einleitung zur Ausgabe der Österreichischen Urbare.
2) Siehe Inama-Sternegg II, 153, 433; Giseke, Über den Gegensatz
■der Kluniazenser und Zisterzienser (Magdeburger Programm 1886) und besonders
Vancsa, Geschichte Nieder- u. Oberösterreichs. 27
418 Siebzehntes Kapitel.
Aber während im 12. Jahrhundert an Stelle des Eigenbetriebes
die Meiereibewirtschaftung getreten war, befand sich jetzt auch
die Villikationsverfassung in voller Auflösung, und Grund und
Boden ging immer mehr in die Hände der Zinsbauern über. Die
Formen dieses bäuerlichen Besitzes sind je nach der Siedelungs-
form verschieden. Die Erinnerung an die alte Hufenverfassung
ist im Gebiete der Einzel hofsiedelung, in der ßiedmark, im Traun-
gau, zum Teil auch im Viertel ober dem Wiener Wald noch auf-
recht, meist nur eine Hube (Mansus) an einem Ort, wenn auch
diese Hüben nicht mehr die alte Gröfse haben. Daneben ist die
Zahl der Neurisse und Öden (Wüstungen) auffallend. Besonders
das Auftreten der letzteren schon zu so früher Zeit deutet darauf
hin, wie tastend und unsicher die Kolonisation vorgegangen war,
wie wenig sie sogleich auf den ersten Schlag den günstigen Grund
und Boden ausfindig gemacht hatte. Dagegen ist im Gebiete der
Dorfsiedelung, also im Viertel unter dem Wiener Wald und den
beiden Manhartsbergvierteln, sogar die alte Bezeichnung Hufe ver-
schwunden. An ihrer Statt finden wir hier grofse Bauerngüter (bene-
ficia, auch feoda oder lanei), von denen im Marchfelde 20 bis 30,
ja sogar 60 bis 70 an einem Orte angeführt werden, im Waldviertel
5, höchstens 10 bis 20. Kommt ein Hof hinzu, so heifsen die
Bauerngüter auch area, curtis oder curtile. Die Meierhöfe, ihrer
Natui" nach ziemlich verschieden, sind keine Amtszentren mehr,
sondern befinden sich gleichfalls schon im Besitz der Zinsbauern.
Die Teilung der Zinslehen schreitet immer mehr fort. Überland-
und Reutäcker werden aus neu einbezogenem und neu gerodetem
Land gewonnen.
Die Grundbesitzer verwandelten die Abhängigkeit allmählich
direkt in einen Pachtvertrag (Erb- oder Zeitpacht) und sicherten
sich so einen Gewinn, der bei Zeitpacht sogar nach dem Boden-
erträgnis allmählich gesteigert werden konnte. Für die neuen wirt-
schaftlichen Verhältnisse ist nichts bezeichnender, als dafs in dieser
Beziehung bereits die Entwickelung in den Städten auf die länd-
lichen Besitzverhältnisse ihre Rückwirkung äufserte. Denn die Ver-
Uhlhorn, Der Einflufs der wirtschaftlichen Verhältnisse auf die Entwickelung'
des Mönchtums im i\Iittelalter (Zeitschr. f. Kirchengesch. XIV, S. 347 ff., 1893).
Danach Juritsch S. 473 f.
Die Bauernschaft und das Wirtschaftsleben. 419
Pachtung, die sogenannte Burgrechtsleihe (geradezu ius civile oder
urbanum genannt) kam speziell in den Städten auf und wurde hier
schwunghaft betrieben als ein Mittel, um die strengen kirchlichen
Gebote gegen das Zinsennehmeu von entliehenem Kapital zu um-
gehen. Bei der Übertragung auf die ländlichen Verhältnisse, zu-
nächst auf den Weinbergbetrieb, wurde sogar der Name beibehalten.
Allmählich verwandelten sich so die Grundbesitzer in blofse Grund-
rentenbesitzer. Doch überwog in der ersten Hälfte des 13. Jahr-
hunderts noch die hofrechtliche Gebundenheit der Bauern. Die
Zeitleihe (Freistift oder Baumannsrecht), die Leihe auf Lebenszeit
(ius precarium, personale, leibgeding) bildete den Übergang.
Im übrigen Deutschland, besonders in den Rheinlanden hatte
ein älmlicher Entwickelungsgaug dem Grofsgrundbesitz schwere
Schädigung zugefügt. In Osterreich, wo die Kolonenwirtschaft
nicht im Gegensatze zu den Grofsgrundbesitzern emporgekommen
war, sondern von diesen in ihrem eigenen Interesse zur intensiveren
Ausnütz ung des Besitzes systematisch gefördert worden war, blieb
der Grofsgrundbesitz auch im 13. Jahrhundert noch in günstigen
Verhältnissen. Grundherren und Bauernstand gediehen hier gleich-
zeitig nebeneinander zur Blüte. Die Lage der Bauern hob sich
auch abgesehen von der eben geschilderten günstigeren Stellung
dadurch, dafs ja durch die fortschreitende Kultivierung des Landes
und die verbesserten Betriebsmittel allmählich auch der Bodenertrag
vom 9. bis 13. Jahrhundert ungefähr um das Siebzehnfache ge-
stiegen, die Abgaben aber so ziemlich dieselben gebheben waren ^).
Allerdings waren die Zinse, auch innerhalb einer Grundherrschaft,
sehr ungleich: relativ am höchsten auf den Gütern des Landes-
fürsten ^) , bedeutend geringer auf denen der Stifter und Klöster ;
am wenigsten werden die weltlichen Grofsgrundbesitzer die Zinse
gesteigert haben, um sich ihre Arbeitskräfte zu erhalten. Nur trat
nun immer mehr an Stelle der Naturalabgaben eine Umwandlung
in Geldzins, ein Prozefs, der sich in Niederösterreich früher voll-
zog als in Oberösterreich.
1) Über die Art der Zinse und Abgaben siehe oben S. 261 und 323.
2) Beispielsweise wurde von einer Hube gezinst: vier Scheffel Korn, eine
Mut (etwa 1900 Liter) Hafer, ein Schwein zu 30 Denaren, Bohnen, sechs Käse
im Werte von je 2 Denaren, vier Hühner und dreifsig Eier.
27*
430 Siebzehntes Kapitel.
Die Zinsbauern, immer unabhängiger vom Grundherrn, wurden
reicher und erfreuten sich günstiger Lebensbedingungen, wenn
auch nicht allerorts in gleicher Weise und wenn auch gerade sie
von äufseren Zufälligkeiten und Umständen jederzeit am meisten
abhängig blieben. Im allgemeinen herrschte Wohlleben unter den
Bauern, stellen- und zeitweise sogar Üppigkeit und Ausschweifung ').
Die Folge war eine mafslose Überhebung, die sich des Bauern-
volkes bemächtigte, Grofsmannssucht, Protzerei und Prahlerei. Nicht
nur urwüchsige Fröhlichkeit, Musik, Tanz und Gesang waren unter
der Dorflinde in Schwang, wo die fahrenden Spielleute aufspielten
und Volks- und Schelmenlieder entstanden, die häufigen Festlich-
keiten arteten auch in Völlerei und Trunkenheit, in wilde Rauf-
händel aus. Auf kostbare Gewänder, übertriebene Zier verschwen-
deten die Bauern das Geld und, indem sie sogar Waffen trugen
und in ihrem Gebaren die höfischen Sitten nachzuahmen suchten,
wollten sie es in allen Aufserhchkeiten den Rittern gleichtun.
Gewifs hängt dies alles mit der kolossalen sozialen Umwälzung
des 12. Jahrhunderts zusammen, die den alten Mafsstab der Frei-
heit und Unfreiheit mit >dem neuen der Waffenfahigkeit und Nicbt-
waffeniahigkeit vertauschte, ja erst nach dieser neuen ständischen
1) Für das Folgende vgl. aufser der obeu augefiihrten Literatur noch speziell:
Weiuhold, Züge aus dem Leben der süddeutschen Bauern des 13. und 14. Jahr-
hunderts (Zeitschr. für deutsche Kulturgesch. , hgg. von Müller und Falke,
IL Bd.); Manlik, Leben und Treiben der Bauern Südostdeutschlands im 13. und
14. Jahrhundert (Programm Mährisch- Weifskirchen 1888); Hagelstange, Süd-
deutsches Bauernleben im Mittelalter (Leipzig 1898); Grupp, Über die Lage
der Bauern im 13. Jahrhundert (Histor. Jahrb. der Görresgesellsch. XIX, 336);
Goette, Die süddeutschen Bauern im späteren Mittelalter (Zeitschr. f. Kultur-
geschichte VII, 200, 1900). — Es haben sich jetzt zwei gegnerische Ansichten
herausgebildet. Die eine, deren extremster Vertreter Michael ist, dem sich auch
besonders Hagelstange anschliefst, sieht in dem 13. Jahrhundert eine Art
goldenes Zeitalter, während andere, z. B. Redlich (in seiner ausführlichen Be-
sprechung von Michaels Werk in den Mitt. d. Inst. f. österr. Gesch. XX, 313)
und Goette a. a. 0. sich dagegen wenden. Das Richtige dürfte auch hier in
der Mitte liegen. Im grofsen und ganzen wird man kaum leugnen können, dafs
die Lage des Bauernstandes um diese Zeit eine relativ ungewöhnlich günstige
war, wenn sie auch in verschiedenen Gegenden und unter verschiedenen Herren
verschieden war, vielfach nicht lange dauerte und vielen gewaltsamen Unter-
brechungen ausgesetzt war.
Die Bauernscliaft und das Wirtschaftsleben. 421
Gliederung kann von einem eigenen Bauernstände gesprochen werden.
Aber wenn die Bauern, kühn und übermütig gemacht durch die
wirtschaftliche Bedeutung und Wohlhabenheit, zu der die früher
mifsachteten, unterdrückten, persönlich unfreien Elemente der Be-
völkerung gelangt waren, wähnten, es würde ihnen möglich sein,
auch die letzten Unterschiede zwischen sich und den wirtschaftlich
zurückgegangenen , vielfach sogar herabgekommenen ritterlichen
Ständen, namentlich den ja auch vor gar nicht langer Zeit noch
unfreien IMinisterialen und Rittern zu beseitigen, so irrten sie ganz
gewaltig. Gerade die Bewertung nach dem Stande eröffnete nun
eine ganz neue tiefe Kluft, die abermals den letzten Stand, den
Bauernstand, der gesellschaftlichen Mifsachtung preisgab. Und es
ist psychologisch ganz natürlich, dafs gerade der den Bauern nächst-
stehende Stand , der selbst erst im Laufe des Jahrhunderts aus
denselben Verhältnissen der Unfreiheit emporgekommen war, ja, der
vielfach sich in einer persönlich weit abhängigeren, wirtschaftlich
weit ungünstigeren Lage befand und deshalb sie auch mit nicht
geringem Neide betrachtete, der Stand der Ritter, sie am meisten
mit seinem Hafs, seinem Spott, seiner Verachtung verfolgte. Und
da gerade die Literatur damals zumeist in den Händen dieser
niederen Ritterschaft lag, deswegen spiegelt sich eben dieser Spott,
diese Verachtung, dieser Neid über das üppige Leben, die lächer-
liche Überhebung der Bauern in den Dichtungen der Zeit wieder.
Zuerst in Bayern, dann in Osterreich sang Neidhardt von Reuen-
tal seine satirischen Lieder von dem Leben der Dörper und fand
den Beifall der Hof kreise, Wernher der Gärtner schrieb in Ost-
bayern oder in Oberösterreich ^) seine Bauerndichtung „Meier
Helmbrecht", und viele andere folgten ihren Spuren. Es ist klar,
dafs sie uns ein vielfach übertriebenes und verzerrtes Bild geben,
aber in so manchem mögen sie nicht so unrecht haben, nicht
selten vielleicht den Nagel auf den Kopf treffen.
Verwalten liefsen die Grundherren ihre Güter durch Amtsleute
(officiales) — meist Ritter oder Bürger — , aber nicht mehr durch
1) Der Dichter, bezw. der Schauplatz seines Gedichtes wird bald ins Inn-
viertel, bald in den Traunkreis zwischen Wels und Kremsmünster versetzt (vgl.
Schlickinger im 51. Jahresbericht des Museum Francisco - Carolinum und
Nagl-Zeidler, Literaturgeschichte S. 198).
433 Siebzehntes Kapitel.
die Meier: sie nahmen die Abgaben ein, verrechneten sie und
wahrten überhaupt die Rechte ihres Herrn, weshalb sie auch die
Jm-isdiktion ausübten. Dafür erhielten sie entweder den Nutzgenufs
eines Gutes oder Abgabenfreiheit für ihr Zinsgut. Für Wald- und
Wein'-'üter, sowie Fischereien gab es eigene Verwaltungsorgane: vena-
tores und forestarii, vinitores und vindemiarii, sowie piscatores.
Da die Zinsleute sich immer mehr ihren Verpflichtungen und
Verbindlichkeiten zu entziehen suchten, so blieb den Grundherren
nichts anderes übrig, als genaue Verzeichnisse über ihre Einkünfte,
sogenannte Urbare, anlegen zu lassen '), wobei man in den Fällen,
wo keine alten Aufzeichnungen darüber vorhanden waren, auf die
Angaben der Zinsbauern selbst angewiesen war. Da hierbei be-
greiflicherweise mannigfache Hinterziehungen vorkamen, so suchte
man wohl auch hier und da den Tatbestand durch eidliche Aus-
sage der Umwohner festzustellen. Allen voran waren die Landes-
Fürsten , die ja auch den ausgedehntesten Besitz hatten, der nicht
selten von den belehnten Ministerialen entfremdet wurde, auf die
Anlage solcher Urbare bedacht. Es ist nicht ausgeschlossen, dafs
bereits Herzog Leopold V. (1177—1194) einen derartigen Ver-
such gemacht hat. Jedenfalls liefs jedoch Leopold VL zwischen
1220 und 1230 seinen Besitz und seine Einkünfte aufnehmen.
Bei den Stiftern und Klöstern , bei denen seit jeher eine straffere
wirtschafthche Ordnung geherrscht hatte, sind Spuren solcher ur-
barialer Aufzeichnungen, abgesehen von den Traditionsbüchern,
die man als ihre Vorläufer ansehen kann, schon im 12. Jahr-
hundert zu finden ^). Von den Urbarien des welthchen Grofs-
grundbesitzes, von denen allerdings viele verlorengegangen sein
dürften, ist für unsere Gegenden das Besitz- und Einkünfte-
1) Siehe über die Urbare Einleitung S. 11 ff.
2) Siehe Einleitung S. 12, Anm. 1 und 2. Die meisten dieser Urbare der
Stifter und Klöster stammen aus der zweiten Hälfte des 13. oder aus dem Anfang
des 14. Jahrhunderts, sie gehen jedoch vielfach auf ältere Aufzeichnungen zurück,
so die Urbare von Zwettl und Göttweig, während das früher ins Jahr 1258
gesetzte Urbar von Klosterneuburg (Font. rer. Austr. XXVIII) jünger sein dürito.
Eiu Pfarrurbar von Heiligenstadt bei Wien gehört dem Jahre 1256 an (Handsclir.
910 des Wiener Staatsarchivs, fol. 42). Vgl. auch noch Inama-Sternegg,
Über die Quellen der deutschen Wirtschaftsgeschichte (Sitzungsber. d. AViener
Akademie LXXXIV, 185, 1876).
Die Bauernschaft und dag Wirtschaftsleben. 433
Verzeichnis der bayerischen Grafen von Falkenstein-Neuburg, die
in Niederösterreich speziell zu und um Herrenstein begütert waren,
das älteste und bedeutendste '). Ein wichtiger grundherrlicher
Anspruch war der auf die Aloiende und der auf den Wald. Be-
züglich der ersteren zeigt sich in unserer Periode bereits das Be-
streben der Grundherren, sie sich anzueignen. Dem Walde, dessen
Nutzung früher als unerschöpflich und daher frei galt, wurde jetzt
immer mehr Aufmerksamkeit und Schutz zugewandt, denn schon
machte sich hier und da Holzmangel fühlbar, z. B. in Melk ^)
Dennoch gab es in Osterreich noch immer grofses zusammen-
hängendes dichtes Waldland, das noch in der zweiten Hälfte des 12.
und zu Anfang des 13. Jahrhunderts eine letzte grofse Rodungs- und
Besiedelungsperiode gestattete; das war der Nordwald jenseits der
Donau •'). Der leichter zugängliche Teil des Mühlviertels ist aller-
dings, sofern sich hier nicht schon noch weiter zurückreichende
Siedelungen vorfanden, bereits in der ersten Hälfte des 12. Jahr-
hunderts kolonisiert worden, und zwar einerseits im bayerisch-
passauischen Gebiete zwischen Grofser Mühl und Rottel, wo aber
merkwürdigerweise nicht Passau selbst, sondern der Reichsfreie
Eppo von Windberg und nach ihm die Wilhering-Waxenberger,
die Herren auf Falkenstein, Blankenberg-Schönheringen und Gries-
bach die Initiative führten, andrerseits im österreichischen Gebiet die
Nebenflüsse Waldaist, Feistritz, kleine und grofse Gusen aufwärts bis
zu den Orten Gutau, Lasberg, St. Oswald, Hirschbach, Reichenau.
Hier überwiegt die ausgesprochen bayerische Siedelung, der baju-
varische Einzelhof, die Ortsnamen nach Personennamen mit der
Endung -ing, oder ganz direkt auf Bayern weisende Ortsnamen,
wie Oberbairing, Freising, Landshut. Die grofse Schenkung, von
400 Mausen „in unserem Wald, der Riedmark genannt wird," vom
1) Mon. Boic. VII, 433.
2) Keiblinger, Geschichte von Melk I, 313.
3) Für das Mühlviertcl hat jetzt Hacke 1, Die Besiedelungsverhältnisse
<les oberösterreichischen Mühlviertels in ihrer Abhängigkeit von natürlichen und
geschichtlichen Bedingungen (Kirchhoffs Forschungen z. deutschen Landes-
und Volkskunde XIV, 1. H. , Stuttgart 1902) eine wertvolle Untersuchung ge-
liefert, während das niederösterreichische Waldviertel (Viertel ober dem Manharts-
berg) seit jeher von der Forschung merkwürdig vernachlässigt geblieben ist. Erst
jetzt steht eine Arbeit von Franz Heilsberg (siehe Vorwort) zu erwarten.
4tJ4 Siebzehntes Kapitel,
Flusse Jaunitz bis zur Aist und von da bis zur slawischen Grenze ^),
die Konrad III. im Jahre 1142 dem Kloster Garsten machte, blieb
gänzlich unausgenützt, da wahrscheinlich die böhmischen Grenz-
fehden für eine Kolonisation ungünstig waren.
Nach einer längeren Pause begann dann gegen das Ende
des 12. und zu Beginn des 13. Jalu-hunderts die letzte gröfsere
Kolonisationsperiode. Den Anstofs dazu scheint der Umstand ge-
geben zu haben, dafs Passau im Jahre 1193 von Kaiser Hein-
rich VI. in seinem Gebiet die Landeshoheit erhalten hatte. Im
Nordosten des Passauer Besitzes im oberen Mühlviertel gründete
dann ein gewisser Chalhoch, Richter und Burgsasse der Besitzer
der Feste Falkenstein, im Jahre 1198 mitten im Walde ein Kloster,
wohin er Zisterzienser aus Langheim in — man beachte wohl ! —
Franken berief. Es ist nun für die Verhältnisse und Lebens-
bedingungen, die damals noch in jener Gegend herrschten, aufser-
ordentlich bezeichnend, dafs die Mönche es hier unter den ärgsten
Entbehrungen nur 7J Jahre auszuhalten vermochten und endUch
wieder in ihr Mutterkloster zurückkehrten, nachdem der Abt und
ein Bruder vor Hunger und Kälte gestorben waren! Chalhoch
gab jedoch seinen Plan nicht auf; an einem etwas besser gelegenen
Orte gründete er 1209 ein neues Kloster, das den bezeichnenden
Namen Maria Schlag, später einfach Schlägl, erhielt und in das er
Mönche aus dem eben zu Ansehen gelangenden Orden der Prä-
monstratenser vom Kloster Osterhofen in Bayern berief ^), die das
begonnene Rodungswerk wacker fortsetzten.
Im 13. Jahrhundert wurde dann der Wald bis zur Moldau 2)
und Maltsch urbar gemacht. Als letzte Siedelungsausläufer können
1) So nach Strnadts Erläuterungen zum historischen Atlas der Alpen-
länder, Oberösterreich. Nach ihm wäre Falkenstein eine Gründung der Herren
von Perge und durch Heirat zuerst an Chalhoch von Kirchberg (um 1158) und
später (nach 1215) an die böhmischen Wittigonen gekommen.
2) Über Schlägl vgl.: Hormayrs Archiv für Geschichte 1826; Pröll,
•Geschichte des Prämonstratenserstiftes Schlägl (Linz 1877). Schon 125(3 be-
ginnen die Bestrebungen, Mutterkloster und Diözese zu ändern, und man behauptete
seitdem, dafs die ersten Mönche dem böhmischen Präraonstratenserkloster Mühl-
hausen (Milewsk) angehört hätten.
3) Die Grenze reichte 1208 bis zur Moldau (ÜB. d. L. o. d. Enns II, 512)
und wurde erst unter König Ottokar II. zurückgeschoben.
Die letzte iolonisatorische Bewegung und die Besitz Veränderungen. 425
gelten: Haslach 1227, Markt Aigen 1242, der an der Stelle ent-
standen war, wo der Klosterwald von Schlägl gerodet worden war,
Rohrbach 1256.
Diese Besiedelung, die sich über die Höhe des Plateaus er-
streckte, zeigt ausgesprochen fränkischen Charakter. Hier herr-
schen die Waldhufendörfer. Ihre Namen sind redende, sie lassen
durchweg die Rodungsarbeit erkennen, indem sie auf -schlag und
-reit, auch rein fränkisch -rad oder -reut, ferner -gschwend oder
-gschwand endigen. Letzteres deutet wie der Name Asang (von
absengen) auf Anwendung des Feuers bei der Rodung. Frän-
kisch sind auch die Orte, die nach dem fränkischen Schutzpatron
St. Georg genannt sind (St. Georgen an der Gusen und am
Wald). In der Nähe findet sich ferner ein Frankenberg (1170).
Fränkische Besiedelung zeigt auch der um dieselbe Zeit kolonisierte
Passauer Wald im Süden der Donau.
So kann es nicht wundernehmen, dafs der Dialekt des nörd-
lichen und nordöstlichen Mühlviertels noch heute fränkische Ele-
mente enthält, namentlich das charakteristische oi und ui anstatt
bayerisch oa und ua, nar für nur u. m. a.
Doch nicht nur im Mühlviertel, sondern auch in der östlichen
Fortsetzung des Nordwaldes, im niederösterreichischen Waldviertel
(Viertel ober dem Manhartsberg) brachte erst die zweite Hälfte
des 12. und der Beginn des 13. Jahrhunderts den Abschlufs der
grofsen Rodungen und letzten gröfseren Kolonisationen, über die wir
allerdings nicht in vielen Einzelheiten unterrichtet sind ^). Hier
war, wie wir wissen, das Zisterzienserstift Zwettl, dessen Name
(von slaw. swetla ;= Lichtung) bezeichnend genug ist, als Mittel-
punkt einer neuen Rodungs- und Kolonisierungsaktion im Jahre
1138 gegründet worden. Aufserdem waren es die alten Grafen-
und Freiengeschlechter des Viertels ober dem Wiener Wald aus
1) Über dieses Gebiet fehlen sogar die Urkundenpublikationen ; das Urkunden-
buch von Zwettl wird jetzt von P. Benedikt H a m m e r 1 zur Ausgabe vorbereitet,
das aus dem Beginn des 14. Jahrhunderts stammende Stiftungsbuch ist sehr un-
kritisch ediert (Font. rer. Austr. 2, Abt. III). Vgl. darüber Tangl im Archiv für
österreichische Geschichte LXXVI, 1890. — Für das Folgende ist eine allerdings
zum Teil veraltete und der quellenmäfsigen Belege entbehrende Arbeit von Prökl,
Das böhmische Weitragebiet, seine Germanisierung und seine weiteren Geschicke
(Mitt, d. Ter. f. Gesch. d. Deutschen in Böhmen XIV, 77 f., 1876) zu vergleichen.
43 G Siebzehntes Kapitel.
der bayerischen Besiedelungsperiode des Landes, die, nachdem
ihnen die Ausbreitung gegen Osten und Nordosten versperrt war,
im 12. Jahrhundert über die Donau herübergrifFen und im Wald-
viertel kolonisierend vordrangen: so die Grafen von Sempt-Ebers-
berg, die Grafen von Tenglingen- Peilstein, die Burggrafen von
Regensburg, die Grafen von Rebgau-Piugen, die Grafen von Hohen-
burg, die sich hier nach der Burg Wildberg nannten, die freien
Herren von Grie, Ranna, Werd, Lengbach und Pernegg u. a. m.
Die meisten von ihnen starben gegen Ende des 12. und zu Beginn
des 13. Jahrhunderts aus, und ihr Erbe traten entweder der Landes-
fürst oder die zahlreichen Ministerialengeschlechter an '). Die
Hauptarbeit leistete unter ihnen das tatkräftige Ministerialengeschlecht
der Kuenringe ^) , das zwar schon im 11. Jahrhundert ins Land
gekommen war ^) und zunächst in der Horner Gegend, am Kamp
und an der Donau Besitzungen erworben hatte, aber nun erst
tiefer in den Nordwald eindrang und den gröfsten Teil des Gebietes
an sich brachte.
So vereinigte dieses Geschlecht, nachdem Hadmar von Kuen-
ring nach den langwierigen böhmisch- österreichischen Grenzfehden
im Jahre 1185 mit dem eigentümlichen Zwischengebiete Weitra
belehnt worden war, wo übrigens schon um 1150 ein deutsches
Geschlecht „von Weitrah" ansässig war, im Norden der Donau
einen Besitz von geradezu seltener Ausdehnung, welcher Weitra,
Gmünd, Litschau, Zwettl, Rapotenstein, Schweigers, Hadmarstein,
Ottenschlag, Eggenburg im Waldviertel, dann das Donautal hinab
bis zum Marchfeld Dürnstein mit der Wachau, Aggstein, Aggs-
bach, Spitz, Grabern, Walpersdorf, endhch Zistersdorf und Dürn-
1) Heilsberg nimmt für unsere Periode eine vom Lindesfiirsten syste-
matisch eingeleitete Ministerialenbesiedelung an, für die er zwar einige Beispiele
vorbringt, die mir aber nicht wahrscheinlich zu sein scheint.
2) Friefs, Die Herreu von Kueiiring (zuerst Bl. d. Vor. f. Laudesk. VII,
1873, VIII, 1874 dann erweiterte Sonderausgabe Wien 1874). Dieses vortreff-
liche Werk beschäftigt sich leider mit der Besiedelungsfrage rieht.
3) Nach der sagenhaften, aber nicht uncharakteristischen Familientradition,
die das Zwettler Stiftungsbuch überliefert, sollen sie als Dienstmannen des
Babenbergers, Erzbischofs Poppe von Trier, von diesem mit anderen Hilfskräften
dem Markgrafen Adalbert nach Österreich zugesandt worden sein; doch hat
Friefs die Unhaltbarkeit dieser Überlieferung nachgewiesen.
Die letzte kolonisatorische Bewegung und die Bositzveränderungen. 437
krut umfafste, ja welcher ins Land ob der Enns nach Windek,
Seisenegg und Steyregg hinübergriff. Überall erhoben sich mäch-
tige feste Burgen, deren massige Ruinen zum Teil noch heute von
den Höhen trotzig ins Land hineinblicken ^), überall scharten sich
wieder Dienstmannen und Ritter um das reiche Geschlecht,
Neben den Kuenringern hatten hauptsächlich nur noch die
Babenberger selbst gröfseren Besitz im Viertel ober dem Man-
hartsberg, um Raabs, das, eine Zeitlang durch Heirat ihnen ent-
fremdet, um 1191 wieder zurückgekauft worden war, vielleicht
auch um Litschau und Heidenreichstein und nach dem Aussterben
der Grafen von Rebgau - Fingen in der Horner Gegend; später
erwarben sie auch das Pernegger Erbe.
Eine ganz vereinzelte Erscheinung ist das Vorhandensein
einer freien Bauerngemeinde in Raxendorf. Auch im Viertel ober
dem Manhartsberg haben wir die charakteristischen Merkmale der
fränkischen Siedelung sowohl in Dorfanlage und Hausbau, vielleicht
teilweise beeinflufst vom fränkischen Waldhufendorf in Böhmen %
als auch in der Namengebung auf -dorf, -schlag, -reit, -reut, sogar
-raad und -heim '^), allerdings hier auch die schon früher besprochene
ganz spezifische Verwendung der Genetive der Personennamen als
Ortsnamen; doch findet sich letztere Erscheinung nicht vor dem
12. Jahrhundert. Auch in diesem Gebiete ist die Kolonisation um
1250 im wesentlichen abgeschlossen.
In unsere Periode fällt aber auch die letzte Ausgestaltung der
Besiedelung des Viertels unter Manhartsberg, das ja früher ziem-
lich vernachlässigt worden war. Es ist möglich, dafs damals die
letzten Ausläufer der ganz sonderbaren Besiedelungswoge herein-
fluteten*), die um 1110 von den flämischen Gegenden am Rhein
1) Vgl. Cori, Über Burgenbau mit besonderer Eücksicht auf Oberösterreich
(2. Aufl. Darmstadt 1899); Piper, Österreichische Burgen (Wien 1902 f.).
2) Ohne Zweifel safsen in den Grenzgebieten zahlreiche Slawen. Schon
der Name Zwettl deutet darauf. In Zwettler Traditionen des 12. Jahrhunderts
wird ein Eatinc slavus genannt (Font. rer. Austr. III, 109).
3) Einige fränkische Ortsnamen wurden direkt übernommen, so Drosendorf,
Eetz, Hardegg u. a.
4) Über diese interessante Bewegung handelte bereits Langethal, Ge-
schichte der teutschen Landwirtschaft II, 74 ff. eingehend; in neuester Zeit
Meitzen, Zur Agrargeschichte Norddeutschlands (Berlin 1901; Sonderabdruck
438 Siobzolmtes Kapitel.
anhob und über Norddeutschland, Schlesien, Mähren, hauptsächlich,
in den slawischen Gegenden bis nach Ungarn und Siebenbürgen
verlief. Sie brachte eigene Rechte, die mit zur ireieren Stellung
des Bauernstandes beitrugen, aber auch besonders eine ganz eigen-
tümliche Fluranlage in ungewöhnlich langen und schmalen Parallel-
streifen mit sich, und gerade diese ist es, die sich in Niederöster-
reich nördhch der Donau, speziell im Viertel unter dem Manharts-
berg und den angrenzenden Teilen stellenweise sehr deutlich nach-
weisen läfst, so z. B. in der Gegend um Retz und Retzbach. Die
Siedelung selbst erweist sich als eine Abart der fränkischen, be-
sonders rheinfränkischen. Die ganze Bewegung dauerte nur knapp
ein Jahrhundert. Zu Beginn des 13. Jahrhunderts ziehen sich diese
flämischen Siedler überall als Gewerbetreibende, namentlich Färber,
Tuchmacher und dgl., vom flachen Land in die Städte, wie wir
denn auch die Niederlassung der flandrischen Färber in Wien
bereits kennen gelernt haben.
In den seit langem und bereits dicht besiedelten Teilen des
Landes im Süden dßr Donau kamen in unserer Periode nur Neu-
gründungen einiger Orte an der seit dem Anfafl der Steiermark.
besonders wichtig gewordenen Verbindungsstrafse vor, die zugleich
die Handelsstrafse nach Venedig wurde. Bezeichnenderweise wurden
ihre Namen nach dem bereits so wesentlich aufblühenden Wien ge-
bildet, nämlich Wiener Neustadt (1192) und Schott wien (1220).
Im grofsen und ganzen kann man sagen, dafs diese Periode
den Abschlufs der Siedelung in den schwerer zugänglichen be-
waldeten Teilen des Landes brachte, aber insbesondere die Aus-
gestaltung der Siedelung durch die Begründung der Städte, Märkte
und befestigten Orte.
Einige, wenn auch nicht tief eingreifende Veränderungen in
der Siedelung bewirkte noch die Natur. Im Wiener Neustädter
Gebiet wurde Terrain durch das Austrocknen der alten Sümpfe
aus: Der Boden und die wirtschaftlichen Verhältnisse des preufsischen Staates,
VI. Bd.). Vgl. auch sein schon zitiertes Werk: Siedelungs- und Agrarwesen usw.
II, 343 f. Den EiLflufs auf Österreich gedenkt Meitzen in einem eigenen Werke
zu untersuchen, zu dem er bereits umfassende Vorstudien gemacht hat. Einige
der oben angeführten Beobachtungen verdanke ich seiner gütigen mündlichen
Mitteilung.
Die letzte kolonisatorische Bewegung und die Besitzveränderungcn. 429
p-ewonnen. Umgekehrt blieb die Donau eine stete Gefahr für die
Ufersiedelungen. Ihr Bett verschob sich bald nach rechts, bald
nach links, meist gegen Süden. Gegen Ende des 12. Jahrhunderts
mufsten zwei Orte in der Nähe Wiens, der Markt Neuburg (das
spätere Korneuburg) und das später ganz verschwundene Muckerau,
wegen der anhaltenden Überschwemmungsgefahr vom rechten auf
das linke Ufer verlegt werden ^). Nach 1180 wurde die Traisenburg,
um 1244 das Stift St. Georgen, beide an der Traisenmündung
i^elegen, weggeschwemmt und demzufolge das Chorherrenstift nach
Herzogenburg verlegt ^).
Überblicken wir die Besitzverhältnisse der damaligen Periode,
so sehen wir, dafs sich der geisthche Grofsgrundbesitz, von gewissen
Verschiebungen durch Tausch zum Zwecke der Arrondierung und
von kleineren Schenkungen abgesehen, ziemlich gleich bheb, dafs
der Besitz der alten Grafen- und Herrengeschlechter durch deren
Erlöschen entweder den Landesfürsten zufiel oder sich unter ver-
schiedene Erben zersplitterte, dafs aber dafür der Besitz kleinerer
Altfreier und ganz insbesondere der Ministerialen rasch und stark
zunahm.
Im Viertel unter Manhartsberg, wo merkwürdigerweise keine
einzige geistliche Gründung erfolgt ist, gab es gleichwohl ausgedehnten
geistlichen Besitz. Der sogenannte Passauer Luz ^) (Los, Anteil) er-
streckte sich von Stockerau bis an die Thaya, während der alte
Besitz der Diözese, wie wir wissen, hauptsächlich längs der Donau
in der Wachau lag. Aber auch Freising hatte neben seinen älteren
Besitzungen an der Donau in der Nachbarschaft der Passauer und
1) Starzer, Geschichte d. 1. f. Stadt Korneuburg (Korneuburg 1899).
2) Grund, Veränderungen der Topographie usw. S. 35.
3) Wir besitzen aufser den Urbaren nur noch einen einzigen gleichzeitigen
Versuch einer Übersicht speziell des landesfürstlichen Besitzes mit der wichtigen
Angabe seiner Provenienz in der Einleitung zu Jans Enenkels Fürstenbuch (siehe
Einleitung S. 8) die vermutlich auf Grund der offiziellen Quellen (Urbare) zusammen-
gestellt wurde, aber gleichfalls weder stark ins Detail geht, noch in diesen
Detailangaben von wünschenswerter Klarheit ist. Vgl. auch L a m p e 1 , Die Ein-
leitung zu Jans Enenkels Fürstenbuch (Wien 1883). Eine genauere Bestim-
mung der sehr unklar begrenzten Luze von Passau und Kegensburg im Viertel
unter Manhartsberg versuchte derselbe in seiner Arbeit: Wo lag Mochinle?
(Blätter des Ver. f. Landesk. XXX, 46 f., 1896).
430 Siebzehntes Kapitel.
neben seinen Erwerbungen von selten der Peilsteine im Viertel
ober I\Ianhartsberg auch unter dem Manhartsberg Güter, deren
•Mittelpunkt das Amt Enzersdorf war, dem etwa 25 Dörfer un-
terstanden. Drei getrennte Luze waren dem Bistum Regensburg
zu eigen: zwischen Naarn und Aist, sein ältester Besitz, an der
Ips und zwischen Thaya, Rusbach und March. Salzburg, dessen
Hauptbesitz allerdings mehr im Süden des Landes lag, war an
der Traisen und um Wien reich begütert. Von auswärtigen
Klöstern hatte Nieder -Altaich und Waldhausen im Viertel unter
Manhartsberg, Garsten, Lambach, Baumgartenberg, Mallersbach im
Wald viertel Besitzungen, von einheimischen Göttweig, Melk (im
Marchfeld), Klosterneuburg und das Wiener Schottenkloster. Auch
der Johanniterorden hatte sich, wie wir wissen, hier niedergelassen.
An den gesegneten Gehängen der Donau (besonders in der Wachau)
lagen noch Güter der auswärtigen Klöster Altaich, Tegernsee, Alders-
bach, Michelbeuern, das auch bei Wien begütert war, St. Nikolaus
und noch 1240 erwarben neuen Besitz Prüfing (um Persenbeug
von dem Burggrafen von Regensburg ')) und Wilhering, während
Reichersberg, Seck^u, Admont und das Bistum Gurk und seit
1163 Voran im Süden und Südosten Grundherren waren.
Abgesehen von diesem eigentlich steierischen Teil des Landes
zeigte das Land südlich der Donau, namenthch weiter weg von
den Donauufern, weniger geistlichen Besitzstand als das Viertel
unter Älanhartsberg. Nur die hier sich befindenden einheimischen
Klöster Heiligenkreuz, Mariazeli, Lihenfeld, St. Georgen an der
Traisen (nach 1241 Herzogenburg), Göttweig, Melk und Seiten-
stetten waren in ihrer Umgegend reicher begütert. Sonst wäre
aufser dem bereits erwähnten Regensburger Luz nur noch der
Tegernseer Besitz zwischen Triesting und Piesting zu nennen.
Was den weltlichen Grofsgrundbesitz der alten Grafen- und
Herrengeschlechter anbelangt, so haben wir ja bereits gesehen, dafs
eine ganze Reihe von ihnen um die Wende des 12. und 13. Jahr-
hunderts ausstarb ^). So die Grafen von Rebgau-Piugen, dann die
Grafen von Schala, die Peilsteiner, beide im Viertel ober dem Wiener
Wald reich begütert, die Grafen von Raabs, die Herren von Perge
1) Meiller, Babenberger Eegesteu 164, 72.
2) Siehe oben S. 371.
Die letzte tolonisatorisclie Bewegung und die Besitzverändeiuugen. 431
und die Grafen von Velburg und Klamm im Machlande, die auf
gemeinschaftlichen Ursprung zurückgehende Linie der Traisen-Wal-
deck, der Anzenbach und etwas später dann (1235) der Lengbach-
Kechberg, Domvögte von Regensburg, ferner die Hohenberge an der
Traisen, die Grafen von Sulzbach, die im Viertel ober Manharts-
berg und zu Hainburg safsen, endlich im eigentlichen Oberöster-
reich die Herren von Stille und Heft. Der gröfste Teil aller
dieser Besitzungen fiel den Landesfürsten zu. Von dem sehr be-
deutenden Peilsteiner Erbe '), das sich durch alle Viertel des
Landes ausdehnte, kam der Hauptteil, namentlich im Viertel unter
Manhartsberg (um Kadolz-Seefeld und Ernstbrunn), an die Grafen
von Plaien-Hardegg , ein Teil an die Burggrafen von Nürnberg,
woher dann die später immer mehr anwachsenden, ganz eigentüm-
lich gestellten reichsunmittelbaren ZoUernschen oder in der Folge
sogenannten Brandenburger Lehen in Niederösterreich ihren Aus-
gang genommen haben. Die Grafschaft Litschau ging an die Dom-
vögte von Eichstädt über, die sich ursprünglich Grafen von Kregling
und Tollenstein, später Grafen von Hirschberg nannten
Im Lande ob der Enns ^) waren die Besitzverhältnisse nicht
so kompliziert, das Eigen nicht so zersplittert wie in der Mark.
Salzburgs Besitz dehnte sich nach wie vor im Hausruckgebiete
von Mondsee bis Breitenau aus, Bamberg war im Traungau,
Würzburg noch bis zum Beginne des 13. Jahrhunderts in Wels
und Umgebung begütert. Der mächtigste Grundbesitzer des Landes
war jedoch der Bischof von Passau, der nicht nur im Süden der
1) Auch über den Peilsteiner Besitz gibt Jans Enenkel Aufschlufs. Vgl.
dazu Lam p el , Die Macht der Peilsteine (Bl. d. Ver. f. Landesk. XXXII, 103, 1898),
sowie auch Witte im V. Erg. -Bd. der Mitteilungen dos Institutes für öster-
reichische Geschichte und Siegenfold, Das Landeswappen der Steiermark
S, 267.
2) In Betracht kommen fast ausschliefslich die bereits wiederholt zitierten
Arbeiten Strnadts im XVII. Band des Archivs für österreichische Geschichte
(Windeck und Schwertberg) und in dem Bericht des Museum Francisco-Carolinura XX
(Pass. Herrsch, im Mühlviertel) und XXI (Peuerbach), abgesehen von seiner Geburt
dos Landes ob der Enns ; jetzt auch seine Erläuterungen zum historischen Atlas
der Alpenländer (Abt. Oberösterreich) und die demnächst erscheinende Abhandlung
„Das Land im Norden der Donau". In bezug auf Passau wird die in der Vorrede
genannte Arbeit von Franz Straufs manchen Aufschlufs gewähren.
43v Siobzohntcs Kapitel.
Donau im Muttig- und Traungau reich begütert war, sondern
auch im Nordwesten durch die Zuweisung des Klosters Niedein-
burg im Jahre llGl hier dessen weitgehende Besitzansprüche im
sogenannten Abteiland gewonnen hatte '). Allerdings zunächst,
wie gesagt, nur dessen Besitzansprüche, denn im Laufe des 11.
und 12. Jahrhunderts hatten sich in den Besitz mehrere weltliche
Grundherren wie Keile eingeschoben: Eppo von Windberg östlich
der grofsen Mühl, die Wilhering - Waxenberge zwischen Gusen
und grofser Mühl, vom Kürnberg bis zum Böhraerwald, die mit
ihnen verwandten Blankenberge, die Herren von Falkenstein-Perge
am Windberg, sowie zwischen Ranna und grofser Mühl und die
Herren von Griesbach. Diese grofsen Geschlechter hatten frühzeitig
grofse Teile des Nordwaldes kolonisiert; Engerldorf (Ortschaft
Kasten) über der böhmischen Mühl ist schon um 1130 in den
Händen der Herren von Perge. Jetzt war das ganze Streben der
Bischöfe von Passau daraufgerichtet, das Verlorene wiederzugewinnen
und so ein grofses geschlossenes Territorium zu schaffen. Die Wil-
hering - Waxenberger starben um die Mitte des 12. Jahrhunderts
aus und ihre Güter fielen an die Griesbacher. Den Hochfreien von
Haunsberg gehörte das Gebiet den Haselgraberi hindurch bis zum
Sternstein an der heutigen böhmischen Grenze, es kam mit der
Schwester des Letzten, Gottschalk, Adelheid an deren Gatten, den
Dienstmann Gundacker von Starhemberg, als Lehen von Passau,
während Linz mit dem Streubesitz bis zum Riedel holz hinauf um
1211 an Herzog Leopold veräufsert wurde. Was die alten Adels-
geschlechter betrifi"t, so starben aufser den ebengenannten Waxen-
bergern, Griesbachern und Haunsbergern die Rebgauer und Stille-
Heft noch im 12., die Klamm- Velburger zu Beginn des 13. Jahr-
hunderts aus.
Vorher, im Jahre 1207, hatte Passau Grafschaft und Feste
Windberg gekauft, mufste sie aber den Grafen von Bogen, die
darauf Anspruch erhoben, als Lehen überlassen, von denen sie
bei ihrem Aussterben um 1230 als Lehen an die Herzöge von
Bayern kam. Auch die Grafschaft im Ilzgau, die Passau im
Jahre 1217 vom Kaiser zu Lehen erhalten hatte, mufste es an
1) Siehe oben S. 382.
Die letzte kolonisatorische Bewegung und die Besitzveränderungen. 43S
den Herzog von Bayern weiter übertragen, kaufte diesem aber im
Jahre 1220 seine Rechte ab. Endlich fiel mit dem Aussterben
der Griesbacher (um 1223) das Schlofs Griesbach und der Markt
Velden an Passau, so dafs jetzt nur der Falkensteiner Besitz, der
an die böhmischen Wittigonen überging, eine vöHige Konsolidierung
des Passauer Besitzes verhinderte. Jedenfalls waren die Bischöfe
von Passau nunmehr als Territorialherren die unmittelbaren mäch-
tigen Nachbarn der Herzöge von Osterreich geworden, die, wie
wir gesehen haben, gerade damals in erbitterten Konkurrenzkampf
mit ihnen traten und auch ihrerseits darauf bedacht waren, hier
neuen Besitz gewinnen.
An freien Geschlechtern waren die Schaun berge im Hausruck
seit ungefähr 1160 neu hinzugekommen, die allerdings mit den älteren
Julbachern zusammenhingen. Durch Erbschaft von den Form-
bachern und Plaien im Attergau und von den Griesbach- Waxen-
bergern am Windberg erwarben sie ausgedehnten und gröfstenteils
zusammenhängenden Besitz und gelangten rasch zu einer aufser-
gewöhnlichen Machtstellung im Grenzgebiete zwischen Osterreich
und Bayern. — Im Traungau besafsen die Volkensdorfer das Land-
gericht als Afterlehen von den Domvögten von Lengenbach, die
es wieder vom Landesfürsten hatten, ein zweites Landgericht war
in den Händen der Herren von Ort.
Von landfremden Klöstern waren hier verhältnismäfsig sehr
wenige begütert, österreichische überhaupt niemals, von bayerischen
Niederaltaich (bei Schönhering) und Reichersberg (Viehbach), von
steierischen Admont (im Hausruck und im Kremstal). Die ein-
heimischen im Süden der Donau — von denen im Norden war
schon früher die Rede — hatten ziemlich geschlossenen Besitz in
ihrer Umgebung, so St. Florian, Kremsmünster, Garsten und Gleink.
Neu hinzugekommen war nur das Zisterzienserkloster Wilhering,
eine Stiftung der Wilhering -Waxenberger (1146), und schon früher
in dem noch bayerischen Teil des Landes Ranshofen (1125) sowie
endlich 1190 das Spital am Pyhrn.
Im übrigen war das ganze Land ob und unter der Enns,
sowie ja auch Steiermark aufgelöst in lauter kleinen Lehenbesitz.
Die Ministerialen des Herzogs mehren sich seit Mitte des 12. Jahr-
hunderts ins Ungemessene, wie ein blofser Blick auf die Urkunden
Vancsa, Geschichte Nieder- u. Oberösterreichs. 28
434 Siebzehntes Kapitel.
beweist. Aber gerade da ist es fast unmöglich, sich ein auch nur
annähernd richtiges Bild von der Verteilung des Besitzes und den
zugrunde liegenden Verhältnissen zu machen. In der Regel können
wir landesi'ürstliche Ministerialität annehmen, aber auch bischöf-
liche oder klösterliche ist häufig, ja auch doppeltes Abhängigkeits-
verhältnis ist nichts Seltenes, selbst Keichsfreiheit neben teilweisem
Lehenbesitz kommt vor; endlich sind die Ritter und Afterlehen-
träo-er der Ministerialen vielfach von den Ministerialen nicht zu
unterscheiden. Der Name gibt gleichfalls nur einen relativen An-
haltspunkt. In der Regel bezeichnet er den Haupt- oder den ur-
sprünglichen Besitz, wo auch die Stammburg stand. Später treten
aber häufig Verschiebungen ein, so dafs die Geschlechter oft ganz
anderswo ihre Besitzungen haben, als wohin der Name weist. Noch
immer ist es in unserer Zeit üblich, dafs bei Spaltungen die ver-
schiedenen Zweige der Familie verschiedene Namen annehmen,
wodurch die Zusammenhänge verwischt werden; aber auch ein
und derselbe Vertreter nennt sich nach einer Besitzverschiebung oft
anders. Andererseits kommt auch irreführende Namensgleichheit
vor und nicht selten' nennen sich Ministerialen nach ihren Herren^
z. B. die von Steyr oder auch die Ministerialengeschlechter von
Bogen, Falkenstein u. a., wobei auch die Wappen oder doch
Wappenteile überommen wurden.
Bekanntlich gehen mehrere der hervorragendsten österreichi-
schen Adelsfamilien der Gegenwart auf Ministerialengeschlechter
der Babenberger Zeit zurück.
Die älteren dieser österreichischen Ministerialengeschlechter
habe ich schon früher namhaft gemacht. Von den neu hinzu-
gekommenen erlangten in der Folgezeit hervorragende Bedeutung ^) :
die Sonnberg 2), die Hintberg-(Himberg)Ebersdorfe •), die Chey-
1) Die meisten dieser alten niederösterreichischen Ministerialengeschlechter
findet man behandelt inWif sgrill, Schauplatz des niederösterr. landständischen
Adels. 5 Bände (A— L) (Wien 1794—1824). Fortsetzung (von König) in der
Zeitschrift der genealogisch-heraldischen Gesellschaft „Adler" 1872 und im Jahrbuch
derselben Gesellschaft 1874, 1876, 1883, 1887 und 1889 (reicht bis „Pucheim").
2) Pröll, Die Herren von Sonnberg (Programm des. Gymn. in Oberholla-
brunn 1884).
iJ) Meiller, Die Herren von Himberg (Denk sehr, der k. Akademie der
Wissensch. VHI, 49, 1857).
Die letzte kolonisatorische Bewegung und die Besitzveränderungen. 435
awer (Kiauer), Puchheime, Piliclisdorfer, Emmerberge, Perchtolds-
dorfe, Brunn, Karnabrunner, Pottendorfe, Kranichberge, Ernst-
brunner, Grimmenstein, Haidenreichstein, Traiskirchen, Stuchs (von
Trauttmansdorff) ^) und Truchs, Mainburg, Lachsendorfe (Laxen-
burg) , Zelking und Zekking (Zagging) ; in Oberösterreich ^) die
Volkensdorfer, Polheime, Kapeller, Wesen, die wir zum Teil bereits
als Ministerialen der steierischen Ottokare kennen gelernt haben. Die
Burgmannen der alten Markgrafen von Steier, die Herren von Steier,
zerfielen im 13. Jahrhundert in drei Linien: die Starhemberge, die
Losensteiner und die Pernecker ^). Sie führten den steierischen
Panther im Wappen ebenso wie die Herren von Hohenberg in Nieder-
österreich, dürften aber ebensowenig wie diese in verwandtschaft-
licher Beziehung zu den steierischen Ottokaren gestanden haben,
wie man früher annahm *). Die Hohenberge nannten sich ur-
sprünglich nach der Stammburg Hohenstaff (Hohenstauf) und
waren vielleicht mit den Wilhelmsburgern identisch; ebenso sind
die Ochsenburger, Altenburger und ßabensteiner stammesgleich.
Im späteren 13. Jahrhundert gingen sie in die Pilichdorfer , Wil-
decker und Weifsenberger über. Sie gehören zu jenen Geschlechtern,
von denen es nicht einmal feststeht, ob sie nicht doch freie Herren
waren. Manche steierische Ministerialen hatten übrigens bereits
gröfseren Besitz in Osterreich erworben, wie z. B. die Liechten-
steine um Feldsberg oder etwas später bei Mödling, wo die alte
Engelschalkesburg von ihnen den Namen Liechtenstein erhielt.
Den Haupt vorteil aus den grofsen Umwälzungen des Besitzes,
namentlich aus dem Absterben der alten Grafen- und Freien-
geschlechter zog der Landesfürst. Gerade während der mehr als
dreifsigjährigen Regierung Herzog Leopolds VI. steigerte sich der
Besitzzuwachs in geradezu glänzender Weise. Was nicht infolge
1) Trauttmansdorff, Beitrag zur niederöst. Landesgesch. (Wien 1904).
2) Für Oberösterreich entspricht der Arbeit von Wifs grill die ältere
Genealogie der oberösterreichischen Stände vonFreiherrv. Hohen eck, Die Stände
des Erzherzogtums Österreich ob der Enns, 3 Bände (Passau 1727 — 1732).
3) Schwerdling, Geschichte des Hauses Starhemberg (1830). — Stammtafel
auch beiHandl-Mazzetti im Jahresbericht des Mus. Francisco-Carolinum 1899.
4) Vgl. jetzt besonders Siegen feld, Das Landeswappen der Steiermark
205 und 224 (Graz 1900). Über die Hohenberger im besonderen noch Newald
(Bl. d. Ver. f. Landesk. VH, 69, 1873).
28*
436 Siebzehntes Kapitel.
der ausgebreiteten Farailienverbindungen den Babenbergern als Erbe
anfiel, das erwarb Leopold durch Kauf oder zog es nach erben-
losem Tode der Besitzer nunmehr kraft seines landesfürstlichen
Hoheitsrechtes an sich 0- ^^m ersten Male brachte Herzog Leo-
pold VL diesen Rechtstitel zur Anwendung nach dem Tode des
\ Grafen Friedrich von Hohenburg im Jahre 1210 ^). Ebenso nahm
1 er das Pernegger Erbe weg, als sich der Sohn des Grafen Ulrich
I geistesgestört zeigte (um 1219). Von den Familienerbschaften ist
zuerst Ips und Persenbeug zu nennen, die einst Berta von Steffaning,
die Tochter des Markgrafen Leopold III., ihrem Gemahl, dem Burg-
grafen Heinrich von Regensburg, zugebracht hatte und die jetzt
wieder zurückfielen, dann mit dem Tode Herzog Heinrichs des
Jüngeren von Mödling im Jahre 1223 der ganze Besitz der Sekundo-
genitur, der selbst wieder durch die Übergabe der Güter derselben
Berta vermehrt worden war, Mödling, Traiskirchen, Sollenau, Neu-
dorf, Gumpoldskirchen, Wallersdorf, Reifsenberg und Wiesen. Schon
um 1205 hatte dem Herzog Berta von Aspern-Falkenberg die
Güter Aspern, Wolfstal bei Hainburg, Wampersdorf a. d. Leitha
und Walterskirchen vermacht, 1217 Graf Ulrich von Klamm sein
Eigen im Machland. Dazu kam noch eine ganze Reihe von be-
deutenden Ankäufen. So Lambach vom Bischof von Würzburg,
dann insbesondere aufser einigen Gütern zwischen Linz und Engel-
hartszell, in dem für den Konkurrenzkampf mit Passau so wich-
tigen oberösterreichischen Gebiete im Norden der Donau, Linz
selbst von Gottschalk von Haunsberg um 1211, endlich um 1220
die Herrschaft Waxenberg mit Grammatstetten und Ottensheim
I von Otto von Schleunz.
Was der Landesfürst nicht in seinen tatsächhchen Besitz
bringen konnte, davon setzte er sich wenigstens in Nutzgenufs.
Seit den Tagen Markgraf Leopolds IL hatten die Babenberger
von den grofsen geistUchen Stiftern und Klöstern, den einzigen Grofs-
grundbesitzern, die sich mit ihnen messen konnten, Lehen, Vogteien
und Patronate übernommen. So waren sie Lehensleute des Erz-
1) Auch für das Folgende ist die Einleitung zu Jans Enenkels Fürsten-
buch Hauptquelle.
2) Font. rer. Austr. 2. Abt, XXI, 4.
Die letzte kolonisatorische Bewegun«^ uud die Besitzveränderungeu. 437
bistums Salzburg ^), der Bistümer Passau ^), Regensburg und Frei-
sing ^), Vögte über die österreichischen Klöster, über die von Steier-
mark übernommenen und über die in Osterreich gelegenen Güter
der meisten auswärtigen Klöster, Patrone der reichsten Pfarren
und Kirchen des Landes geworden. Aus allen diesen Titeln zogen
sie ungeheuren Gewinn, reichliche Einkünfte, bedeutende Gerecht-
same. Nicht übersehen werden darf der nicht minder grofse Besitz
aufserhalb Österreichs : in Steiermark und Kärnten, in Krain und
Friaul (Portenau), selbst in Tirol (im oberen Etschtal). Sie gaben
allerdings die Güter und übrigen Rechte an ihre immer mehr
anwachsenden Ministerialen und an ihre Untervögte weiter, aber
die Einkünfte flössen doch ihnen zu, die Rechte übten doch sie
aus ^).
Die Kaufsummen, die für einzelne Gütererwerbungen über-
liefert sind, geben einen Mafsstab für die Vermögensverhältnisse
des Herzogs von Österreich. Die Wels-Lambacher Besitzungen
kosteten 1500 Mark (1300 sogleich bezahlt, 200 später auf Rekla-
mation des Domkapitels), die Grafschaft Raabs 2000 Mark, die
Freisingischen Güter in Krain 1650 Mark; aufserdem wurden
dem Bischof Ulrich von Passau 600 Mark Silber, 80 Mark Gold
und dann nochmals 600 Pfund vorgestreckt ^). Gleichzeitig ver-
mochte Herzog Leopold VI. bedeutende Heereszüge zu bestreiten..
Einer deutschen Stadtchronik der damaligen Zeit ^) verdanken wir
eine interessante Zusammenstellung über die jährhchen Einkünfte
einiger deutschen Fürsten. Da steht der Herzog von Österreich
mit 60 000 Mark an zweiter Stelle, nur übertrofFen von dem König
von Böhmen mit 100 000 Mark, während Brandenburg und Köln
1) Dafür vgl. besonders das Lehnsbekenntnis vom Jahre 1242 (Meiller,
Keg. 98, 170) und dazu die Patronatsübertragungen von 1211 (Meiller a. a. 0.).
2) Vgl. aufser Enenkel das sogenannte Testament Herzog Friedrichs, das
allerdings als Fälschung nur mit Vorsicht zu benutzen ist. Ich komme auf
dasselbe später zurück.
3) Darüber Enenkel.
4) Den besten Überblick über den landesfürstlichen Besitz geben jetzt die
der Ausgabe der Österreichischen Urbare I beigegebenen Karten.
5) Mon. Boic. XXIX b, 336.
6) Chronicou Colmariense (Böhmer, Fontes 11, p. Xu). Vgl. dazu I n am a -
Sternegg, Wirtschaftsgeschichte III ^ 151 und 162, Anm, 2,
4S8 Siebzehntes Kapitel.
mit 50000, Bayern und Salzburg mit 20 000 Mark usw. dahinter
zurückbleiben. Das ist natürlich nur eine beiläufige subjektive
Schätzung. Näher kommt man bei einer Zusammenstellung der
Einkünfte aus dem Grundbesitz, der an 2200 Güter, 170 Meier-
höfe mit 388 Hufen, 842 Hofstätten und 53 Mühlen betrug, aus
den Regalien (Münze, Zoll und Gericht) und aus den Steuern.
Danach dürfte das jährliche Einkommen der letzten Babenberger
etwa 35 000 Pfund Wiener Pfennige betragen haben *). Kein
Wunder, dafs Ulrich von Liechtenstein Herzog Leopold VL den
„Reichen" nennt 2), kein Wunder auch, dafs das Land für die
deutsche Reichspolitik eine so wichtige Rolle spielte.
Dem Herzog von Osterreich kamen übrigens nicht nur die
günstigen Verhältnisse, die sich in seinem Lande herausgebildet
hatten, sondern auch die allgemeine Entwickelung im Reiche zu-
gute. Diese trieb immer mehr zur Auflösung der Einheitlichkeit
und zum Siege des Partikularismus; die Teilherzoge mafsten sich
nicht nur in Osterreich, sondern allerorten immer gröfsere Selb-
ständigkeit an, und der Kaiser, stets mit der italienischen Politik
beschäftigt und für Deutschland nicht vom besten Verständnis,
machte eine Konzession nach der anderen. Mit den Reichsgesetzen
der zwanziger und der beginnenden dreifsiger Jahre des 13. Jahr-
hunderts begab er sich fast aller wichtigen Gerechtsame in bezug
auf die einzelnen Territorien^). In den Jahren 1231, 1232 und
1234 verzichteten Kaiser Friedrich H. und sein Sohn, König
Heinrich, der damals die Regierung in Deutschland führte, auf
das Recht, neue Märkte und Münzstätten zu errichten, neue Zölle
oder Zollbefreiungen ohne Zustimmung der betreffenden Landes-
fürsten festzusetzen und befreite diese dadurch von jeder Kon-
kurrenz. Dazu kam noch die Auslieferung des wichtigen Geleits-
regals für den Schutz durchreisender Persönlichkeiten (1231). Das
Reichsgesetz von 1232 „Statutum in favorem principum" entliefs
aufserdem überhaupt die Territorien aus der königlichen Bann-
leihe, Landfriedensgerechtsamkeit , Steuerhoheit und den Regalien
1) So nach Dopsch, Einleitung zur Ausgabe der Österreichischen Urbare
S. CCXXIIff. ; siehe die statistischen Tafeln dazu.
2) Vrouwen dienest, hgg. von Lachmaun S. 64.
3) Die Keichsgesetze siehe in M. G. Legg. Constitut. II, 211, 418fF. u. 434.
Die letzte kolonisatorische Bewegung und die Besitzveränderungen. 439
im allgemeinen. So bemächtigten sich die Herzöge von Osterreich
ohne besondere Verleihung auch des Forstbannes und Fischerei-
rechtes, der Verfügung über die Wasserstrafsen und des Berg-
und Salzregales.
In Verbindung mit den besonders günstigen Verhältnissen in
Österreich, die dem Herzog auch eine souveräne und ungeteilte
Machtstellung in seinem eigenen Lande gewährten, während in
den alten Herzogtümern bereits so viele Nebengewalten aus-
gebildet waren, dafs den Landesfürsten vielfach die Hände ge-
bunden waren und sie keineswegs allen Nutzen aus ihrem Terri-
torium ziehen konnten, verschaffte die Gunst der Zeiten Herzog
Leopold VI. auch eine Macht unter den Reichsfürsten, die ihn be-
fähigte, eine hervorragende politische Rolle zu spielen ^). Seine
Politik griff vielfach wieder auf die seines klugen Vorfahren, des
Markgrafen Leopold III. zurück. Während die späteren Baben-
berger sich zum König oder zum Papst in Opposition setzten, suchte
sich Herzog Leopold wieder mit beiden auf guten Fufs zu stellen.
Die inzwischen eingetretene Steigerung der babenbergischen Macht
drückt sich jedoch darin aus, dafs nunmehr Papst und Kaiser
ihn umwarben und er sich sogar zum Vermittler zwischen ihnen
aufwerfen konnte. Wie einst Leopold HL, so erzielte auch Leo-
pold VI. wieder eine Verbindung mit der deutschen Königsfamilie,
und auch diese Angelegenheit nahm einen um so rühmlicheren Ver-
lauf, als es ihm gelang, drei mächtige Nebenbuhler, die Könige
von Ungarn , Böhmen und England , die alle drei eine Ver-
mählung des ältesten Sohnes des Kaisers, Heinrich, mit ihren
Töchtern anstrebten, aus dem Felde zu schlagen. Die Geschichte
dieser Brautkonkurrenz ist leider ganz in Dunkel gehüllt, aber
es ist doch sehr bedeutsam, dafs schliefslich dem Kaiser die Ver-
bindung mit dem Herzog von Osterreich am vorteilhaftesten er-
schien und dafs am 29. November 1225 die Vermählung Heinrichs,
der damals bereits deutscher König und Stellvertreter seines Vaters
in Deutschland war, mit Margarete von Osterreich vollzogen wurde,
nachdem auch der Papst bereitwilligst wegen ihrer verwandt-
1) Hier ist nicht der Platz, darauf näher einzugehen. Man vgl. Hub er
I, 397 und Juritsch S. 488.
440 Siebzehntes Kapitel,
schaftlichen Beziehungen Dispens erteilt hatte. Fünf Jahre später
finden wir dann Herzog Leopold VI. in der hochwichtigen Ver-
trauensstellung eines Vermittlers in dem Kampfe zwischen Kaiser
und Papst. Der Friede von San Germano war so recht eigentlich
sein Werk, er war zugleich auch die Krönung seines tatenreichen
Lebens, denn ehe noch der Friede beurkundet wurde, raffte ihn
plötzhch am 28. Juli 1230 der Tod hinweg, und ganz allgemein
wurde er betrauert ^).
Man wird sich wohl kaum einer Übertreibung schuldig machen,
wenn man behauptet, dafs das Zeitalter Herzog Leopolds VL für
Osterreich die glücklichste Zeit gewesen ist. Es war ein seltenes
Zusammentreffen von günstigen Umständen und durchaus nicht
etwa blofs die Persönlichkeit des Fürsten, die dem Lande zu einer
rein äufserlichen Machtstellung verholfen hatte, die mifsliche innere
Zustände verdeckte. Nein, das Land selbst war emporgekommen,
und seine glückhche Lage hatte auch Macht und Ansehen seiner
Fürsten gehoben. Die wirtschafthche Entwickelung der letzten
hundert Jahre und die damit verbundene gesellschaftliche Neu-
ordnung war bis zu einem Höhepunkte vorgeschritten, der noch
wenig Schattenseiten hervortreten liefs. Die neuen Kräfte, die
sich mit dem Städtewesen und dem Handel regten, trieben die
ersten Blüten. Das Land war nahezu in allen Teilen in einer
Dichte besiedelt, die die heutige übertraf ^), und infolge der Wand-
lung von der Eigenwirtschaft des Grofsgrundbesitzts zum Meier-
hof, und von diesem zum Zinsbauernbetrieb gut bewirtschaftet.
Ein reicher Bauernstand safs in den Dörfern, eine an Einflufs er-
starkende Ritterschaft in den zahlreichen Burgen und Schlössern,
beide glücklich und zufrieden ; das Alltagsleben war nur zu häufig
von Festlichkeiten unterbrochen, zur Üppigkeit und zur Überhebung
war man geneigt. Ein handeltreibendes, gewerbefleifsiges Bürger-
tum in den Städten suchte ihnen bereits nachzueifern. Und noch
waren die Klöster im Besitze alter Schätze, wirtschaftlich gut situiert
und die Hauptstätten der geistigen Kultur. Die schönsten Baudenk-
1) Vgl. die Belegstellen bei Ju ritsch S. 515. — Am ehrenvollsten die
Stelle in den Papstbriefen (M, G. Epp. s. XIII, Nr. 595) und im Baumgartner
Formelbu'^.h (Font. rer. Austr. 2. Abt. XXV, 139).
2) Vgl, die oft zitierte Arbeit von Grund.
Die letzte kolonisatorische Bewegung und die Besitzveränderungen. 441
male des romanischen Stiles, deren Reste noch heute von ent-
schwundener Pracht und Herrhchkeit zeugen, gehen in diese Zeit
zurück, wie das Stift Heihgenkreuz, das Stift Zwettl, das Stift Lilien-
feld, die Stadtpfarrkirche in Wels, die Kirche zu Schöngrabern in
Niederösterreich u. a. m. Und alle diese lebendig wirksamen
Kräfte strebten nicht feindselig auseinander, sie wurden konzen-
triert und nutzbar gemacht durch eine landesfürstliche Gewalt,
die viel straffer war als in anderen Herzogtümern. Schon machten
sich die Anfange einer geordneten Verwaltung in heilsamer Weise
geltend. Und riefen die genannten einzelnen Faktoren, die an
der Gestaltung der Verhältnisse des Landes mitwirkten, jeder seine
eigene Kultur hervor und trug in seiner Art zur allgemeinen bei,
so bildete doch der reiche und hochangesehene Herzogshof den
natürlichen Mittelpunkt.
Achtzehntes Kapitel.
Überhebung der herzoglichen Macht.
Diese unter Herzog Leopold VI. glücklich geeinten Kräfte
begannen sogleich nach seinem Tode sich voneinander zu lösen
und eigene Richtungen einzuschlagen oder sich gegenseitig zu be-
fehden. Sie verloren das Gleichgewicht, das bei so heterogenen
Strömungen und Entwickelungen zu halten überhaupt nur die
Möglichkeit einer besonders günstigen und kurz währenden Kon-
stellation sein konnte. So bewegten sich die absteigenden Ent-
wickelungsphasen rasch dem Verfalle zu, die aufsteigenden zeigten
bereits allerlei Spuren von Entartung und Ausschreitung, wie sie
Übergangszeiten eigen zu sein pflegen.
Der Anstofs war auch hier, wie so oft, ein äufserer, eben der
Tod des poHtisch klugen Leopold, beziehungsweise der Regierungs-
antritt seines kaum erst zwanzigjährigen Sohnes Friedrich ^), der
gleich so manchem letzten Sprossen alter Geschlechter einen aus-
gesprochenen Zug der Entartung an sich trug und der die landes-
fürstliche Politik der Babenberger bis in ihr Extrem verfolgte.
Sein Vater, der nahen Anschlufs an das staufische Herrscher-
haus gesucht hatte, war stets regelmäfsig auf den Hoftagen er-
schienen und hatte den Kaiser wiederholt nach ItaUen begleitet,
ohne von den Begünstigungen des Privilegium minus Gebrauch
1) Über ihn zwei Monographien: Hirn, Kritische Geschichte Friedrichs,
des letzten Babenbergera, mit besonderer Berücksichtigung seines Verhältnisses
zu Papst, Kaiser und Eeich (4. Jahresbor. d. k. k. Oberrealschule in Salzburg
187 n und Adolf Ficker, Herzog Friedrich II. der letzte Babenberger (Inns-
bruck 1884). Dann auch Juritsch S. 517 ff. Jetzt in Kürze Dop seh in dem
Werke „An Siegen und Ehren reich''.
Überhebung der herzoglicheu Macht. 443
ZU machen. Der junge Friedrich glaubte die Politik der Nach-
o-iebigkeit nicht mehr nötig zu haben und seine Macht nunmehr durch
das Pochen auf sein Recht noch mehr erhöhen zu können 0- Er
scheint nicht einmal um die Belehnung nachgesucht zu haben,
mindestens leistete er den Einladungen des Kaisers zum Reichs-
tage von Ravenna (1. November 1231) und zu dem von Aquileja
(Frühjahr 1232) keine Folge.
Persönliches trug auch noch dazu bei, zwischen den Baben-
bergern und Staufern eine gewisse Spannung hervorzurufen, denn
der junge König Heinrich ging mit dem Gedanken um, sich von
der Babenbergerin Margarete scheiden zu lassen; freilich hatte
Herzog Friedrich in seiner bedrängten Lage es bisher noch immer ver-
absäumt, die Mitgift seiner Schwester auszubezahlen. Dem Kaiser
war aber viel daran gelegen, jetzt jeden Konflikt mit Osterreich
zu meiden, und drückte daher trotz der Überhebungen des Herzogs
lieber ein Auge zu. Er begab sich deshalb Mitte Mai 1232 eigens
auf Babenbergischen Besitz nach Pordenone, um hier in einer Zu-
sammenkunft mit Friedrich die strittigen Punkte ins reine zu
bringen. Er ging sogar so weit, dafs er das Anerbieten machte,
aus Eigenem einen Teil der Mitgift, 8000 Mark Silber , bestreiten
zu wollen.
Trotzdem vermochte er Herzog Friedrich nicht zu innigem
und verläfslichem Anschlufs zu bringen. Als zwei Jahre später
sich des Kaisers Sohn gegen seinen Vater empörte, gehörte der
Österreicher zu den wenigen, die sich nicht offen für den Kaiser
erklärten. Seine Haltung blieb zweideutig ^). In dem Augenblicke
jedoch, da der Kaiser, seine Kreuzfahrt unterbrechend, von der
friaulischen Küste herbeieilte, um die Empörung zu Boden zu werfen,
holte ihn der Herzog gleich an der österreichischen Grenze, zu
Neumarkt in Kärnten ein, wie es scheint in der Absicht, die Eile
des Kaisers zu weiteren Konzessionen zu mifsbrauchen. Er forderte
1) Einzige Quelle ist ein von Petrus de Vineis verfafstes Schreiben des
Kaisers an den Böhmenkönig vom Juli oder August 1236 (Böhmer-Ficker,
Eeg. 2175, abgedruckt Huillard-Breholles IV, 852 und Zahn, ÜB. von
Steiermark II, 442), dessen Angaben jedoch durchaus glaubwürdig erscheinen.
2) Von späteren Schriftstellern wurde er auch direkt der Bundesgenossen-
achaft mit König Heinrich beschuldigt, doch ohne dafs sich dafür ein Anhalts-
punkt finden liefse. Vgl. die treffliche Quellenkritik bei Ficker a.a.O. S. 35£F.
444 Achtzehntes Kapitel.
2000 Mark Öilber als Beitrag zu einem Feldzuge gegen Ungarn und
Böhmen. Er mochte vielleicht auf eine Berücksichtigung seiner Bitte
schon deshalb hoffen, weil unzufriedene ungarische Magnaten dem
Kaiser durch seine Vennittelung die ungarische Krone angeboten
hatten ^). Dieser lehnte jedoch ab, da er einer Komplikation im
jetzigen Zeitpunkt aus dem Wege gehen und einen friedlichen
Vergleich anstreben wollte. Es scheint darauf zu einer ziemlich
heftigen Auseinandersetzung gekommen zu sein. Der Herzog ver-
liefs den Kaiser im Zorn und leistete einer Einladung zu dem
Reichstage in Mainz, den Kaiser Friedrich nach der Unterwerfung
seines Sohnes zur Ordnung der Verhältnisse für den 15. August
ausgeschrieben hatte, abermals keine Folge.
Aber gerade auf diesem Mainzer Tage zog sich in seiner
Abwesenheit der vielseitige Groll über seine Willkürhchkeiten zu
einem bedrohlichen Gewitter zusammen. Ich werde später noch
darauf zurückkommen, wie Herzog Friedrich in seiner beständigen
Geldverlegenheit, um die Kriege gegen seine Nachbarn führen zu
können, Grenzsperren anordnete und allgemeine Steuern ausschrieb,
wodurch die auswärtigen Stifter und Klöster nicht nur in dem Be-
zug ihrer Einkünfte aus ihren österreichischen Besitzungen ge-
schmälert, sondern auch deren Untertanen arg bedrückt wurden.
So wird man die Klagen des Erzbischofs von Salzburg und der
Bischöfe von Passau, Regensburg, Freising und Bamberg begreiflich
finden; ihnen schlössen sich der König von Böhmen, der Markgraf
von Mähren und der Herzog von Bayern, die mit dem (jsterreicher
in Fehde lebten, endlich die Ministerialen Österreichs und Steier-
marks, von deren Unzufriedenheit wir gleichfalls noch hören werden,
an. Viel Persönliches lief dabei mit unter. So war neben den
Rechtsverletzungen auch von Verfolgungen die Rede, die Frauen
und Töchter zu erleiden hatten.
Nach dem üblichen Rechtsgange raufste auf diese Klagen hin
eine Vorladung des Geklagten zum nächsten Hoftag (in Augs-
burg, Ende Oktober) erfolgen, und da Friedrich auf seiner Wider-
1) So nach dem Carmen miserabUe des Eoger (Mon. Arpad. 261). In der
Auffassung der — übrigens durchaus nicht unklaren — Stelle schliefse ich mich
ganz Hub er S. 409 an. Dafs Friedrich von Österreich selbst die ungarische
Krone angeboten worden wäre, davon ist nirgends die Eede.
Überhebung der herzoglichen Maclit. 445
setzlichkeit verharrte, erging noch eine zweite (zum Hoftag in Ha-
genau, Januar 1236) und sogar eine dritte Ladung (zum Tag in Augs-
burg, Juni). Der Kaiser, dessen Sinnen und Trachten nur auf den
Zug gegen die lombardischen Städte gerichtet war, wollte kein Mittel
unversucht lassen, um das Aufserste zu vermeiden. Auch Erz-
bischof Eberhard von Salzburg und Bischof Konrad von Freising,
obwohl selbst unter den Klageführenden, suchten zu vermitteln.
Vergebens! Der Herzog tat nicht nur nichts, um sich zu recht-
fertigen und die dargebotene Versöhnung anzunehmen, sondern im
Gegenteil alles, um den Kaiser durch offene und versteckte Feind-
sehgkeiten zum Aufsersten zu reizen. Wir können nicht mehr
feststellen, wie viele von den Beschuldigungen, die später der
Kaiser zur Begründung seines Vorgehens gegen den Herzog aus-
sprach, auf Wahrheit beruhen. Vielleicht wurde ihm auch manches
von den Feinden Friedrichs, die den Zwiespalt auf die Spitze zu
treiben ein Interesse hatten, wie dem König von Böhmen und dem
Herzog von Bayern, nach unsicherem Gerede hinterbracht oder
übertrieben dargestellt. So soll Herzog Friedrich mit den Mai-
ländern, mit dem Papste, ja selbst mit dem Alten vom Berge Ver-
bindungen gegen den Kaiser angeknüpft, dem letzteren sogar
Geld angeboten haben, damit er einen Assassinen gegen den Kaiser
dinge ; ferner soll er Geschenke eines russischen Grofsfürsten an den
Kaiser aufgefangen haben. Sind diese Beschuldigungen recht vager
Natur ') und läfst sich auch für einen weiteren Anklagepunkt, dafs
nämlich der Herzog nach der Hochzeit seiner Schwester Konstanze
mit dem Markgrafen Heinrich von Meifsen die Neuvermählten über-
fallen habe, um sie zum Verzicht auf die Mitgift zu zwingen,
keinerlei Anhalt gewinnen, da im Gegenteil diese Hochzeit, die
am 1. Mai 1234 in Stadlau bei Wien mit unerhörtem Gepränge
gefeiert worden war, von allen — auch den Meifsenschen — Chronisten
als ein friedlich verlaufenes Freudenfest geschildert wird *), so mufste
es um so mehr ins Gewicht fallen, dafs er seine eigene Mutter
1) Ficker a. a. 0. S. 51, Anm. 1 führt mit Eecht an, dafs die Beschul-
digung der Verbindung mit den unheimlich - rätselhaften Assassinen und ihrem
Oberhaupte in jener Zeit wiederholt erhoben worden ist, u. a. auch gegen den
Kaiser selbst von Papst Gregor IX. in bezug auf den Tod Ludwigs von Bayern.
2) Juritsch denkt an einen Hochzeitsscherz S. 542.
440 Achtzehntes Kapitel.
Theodora so schlecht behandelt hatte, dafs sie aus Furcht vor ihm
zum Könige von Böhmen geflohen war '). Auch das scheint auf
\\'ahrheit zu beruhen, dals Herzog PViedrich nach dem Tode Ottos
von Lengenbach, des Domvogtes von Regensburg, im Jahre 1235
dessen Güter, die eigentlich dem Reiche heimfallen sollten, wider-
rechtlich eingezogen hat. Endlich hatte der Herzog auch einen
der geächteten Anhänger des rebellischen Königs Heinrich, Anselm
von Justingen, bei sich aufgenommen ^).
Kurz, dem Kaiser blieb tatsächlich nichts anderes übrig, als
Ende Juni 1236 über den unbotmäfsigen Herzog von Österreich
des Reiches Acht auszusprechen. Da er selbst jedoch nicht von
dem Feldzug gegen die lombardischen Städte lassen wollte, so be-
auftragte er den König von Böhmen, den Herzog von Bayern,
den Markgrafen von Brandenburg und die Bischöfe von Passau
und Bamberg mit der Führung des Reichskrieges gegen ihn. Ohne
hier den Verlauf des Krieges, der uns noch später beschäftigen
wird, weiter zu verfolgen, sei nur hervorgehoben, dafs er,
obwohl anfangs die Lage des Herzogs eine verzweifelte war, da
auch die UntertancA in offener Empörung gegen ihn standen,
dennoch für ihn überraschend günstig ausging. Hier interessiert
uns zunächst die Beziehung zum Kaiser.
Den Vollmachtträgern des Reiches gelang es, die Hauptstadt
des Landes zu gewinnen und hier eine Art Statthalter des Kaisers,
den Burggrafen Konrad von Nürnberg, zur Verwaltung des öster-
reichischen Herzogtums einzusetzen, dem bald darauf Bischof Ek-
bert von Bamberg und, als dieser am 5. Juni starb, Graf Eber-
hard von Eberstein folgten. Für das Gebiet zwischen Hausruck
und Enns wurde Albero von Polheim mit dem Titel Landrichter
(iudex provincialis) als kaiserlicher Machthaber ernannt ^). Der
Kaiser, der im Januar 1237 gleichfalls auf dem Schauplatze
erschien , suchte die Niederwerfung des Herzogs zu voll-
1) Dieser eine Punkt ist auch durch eine andere gleichzeitige Quelle, die
Cont. Sancruc. 11, 638 bezeugt.
2) Befindet sich unter den Zeugen der Urkunde Herzog Friedrichs vom
11. November 1286 (Meiller, Eeg. 156, 40).
3) Urkundenbuch d. L. o. d. Enns lU, 47, 49; vgl. über diesen Punkt
Strnadt, Geburt des Landes ob der Enns S. 115 f.
Überhebung der herzoglichen Macht. 447
enden, indem er sowohl seine Herzogtümer, als auch die Stadt
Wien für reichsunmittelbar erklärte *); zum mindesten wollte er
Steiermark nicht mehr einem Herzog von Osterreich verleihen.
Den steierischen Dienstmannen bestätigte er ihre Freiheiten. End-
lich hoffte er dem herzoglichen Besitz empfindlichen Abbruch zu
tun, indem er sich von dem Bischof von Passau die Lehen in
Osterreich, wie sie einst Herzog Leopold VI. besessen hatte, um
1400 Mark Silber verpfänden liefs.
Aber wie sehr bereits die Reichsmacht geschwächt war, er-
sieht man daraus, dafs es dem Kaiser trotz der nicht unbeträcht-
lichen Waffenerfolge, trotzdem dafs er den gröfsten Teil des
Landes in Händen hatte und trotz der genannten Mafsregeln, nicht
gelingen wollte, aus all dem den gewünschten Erfolg zu ziehen
und den schon halb matt gesetzten Herzog auf die Dauer seiner
kaiserHchen Gewalt und Hoheit wieder zu unterwerfen. Er war
im April 1237 kaum aufser Landes, als Herzog Friedrich auch
schon Herr der Situation war. Der Statthalter des Kaisers führte
in Wien eine Scheinregierung.
Mehr noch als die Halbheit des Kaisers, die ihn die deutschen
Angelegenheiten nur als Nebensache behandeln liefs und ihn gerade
immer zur ungelegensten Zeit nach Italien trieb, kam dem Herzog
der allgemeine Umschwung der Politik zustatten, der eben damals
eintrat. Papst Gregor IX. machte nämlich damals den Versuch, die
Macht des Kaisers in seinem eigenen Reiche zu untergraben, und
fand gerade jetzt, da dieser nach dem Siege über die lombardischen
Städte auf dem Höhepunkt stand, bei vielen deutschen Fürsten,
die nicht mehr einen übermächtigen Kaiser haben wollten, geneigtes
Ohr. So einigte dieser neue politische Gesichtspunkt die noch vor
kurzem so erbitterten Feinde, den König von Böhmen, den Herzog
von Bayern und den Herzog von Osterreich. Die Vermittlung
des Papstes tat das übrige. Am 20. März 1239 sprach sodann
der Papst über den Kaiser den Bann aus und entband alle Unter-
tanen des Eides der Treue.
Sei es durch die bedungene Unterstützung seiner neuen Bundes-
genossen, sei es durch den Druck dieser Verhältnisse, gelang es
1) Chron. reg. Colon. 271.
448 Achtzehntes Kapitel.
dem Herzog, sich wieder in den Besitz seines ganzen Landes zu
setzen, doch hatte er sich in diese Bündnisse nur aus Opportuni-
tiitsrücksichten eingelassen, nicht aus Überzeugung; zu schwer
waren auch die Bedingungen des Bundes. Er hielt es für weit
vorteilhafter, dem Kaiser jetzt in dessen bedrängter Lage seine
Treue so teuer wie möglich zu verkaufen; er hoffte wohl auch
wie sein Vater wieder die Vermittlerrolle zwischen Kaiser und
Papst spielen und so den Lohn ernten zu können, um den diesen
der Tod gebracht hatte. Seine Berechnung täuschte ihn auch nicht.
Einen Augenblick stand er, der Herzog von Österreich, auf der
Höhe der ganzen Situation und hielt die Fäden der grofsen Politik
in seiner Hand.
Der Kaiser griff sofort zu, als der Herzog anfangs Oktober
Boten an ihn entsandte, und beantwortete das Anerbieten seiner
Unterwerfung mit einem sehr zuvorkommenden Schreiben '). Die
endgültige Aussöhnung zwischen ihnen wurde am Weihnachtsfeste
des Jahres 1239 zu Wien gefeiert. Friedrich konnte nunmehr
sogar die ihm vom päpstlichen Legaten in Aussicht gestellte
römische Königskrone -') , ein unter den gegebenen Verhältnissen
mehr als problematisches Angebot, ausschlaget, denn schon winkte
ihm ein weit müheloseres Ziel seines Ehrgeizes. Eine Unter-
brechung in der Verfolgung seiner weitausschauenden Pläne erlitt
er allerdings durch den Mongoleneinfall, der in der nächsten Zeit
alle Kräfte in Anspruch nahm. Als aber die G-jfahr abgewendet
war und er sich im Jahre 1244 wieder intensiver mit der all-
gemeinen PoHtik beschäftigen konnte, fand er die Sachlage in dem
Masse, wie sie sich für den Kaiser verschlechtert hatte, für sich
günstiger, denn der Kaiser hatte seine Hilfe jetzt nötiger denn je.
Der Gedanke, Osterreich in ein Königreich zu verwandeln,
scheint vom Kaiser ausgegangen zu sein ^) ; als eine Art Sicher-
1) Huillard-Breholles V, 1006.
2) Vgl. die Konzeptsbücher Albert Behaims, des päpstlichen Legaten, heraus-
gegeben von Höfler (Bibliothek des Uterar. Vereines in Stuttgart XVI, 22;
dazu Fragmente bei Oefele, SS. rer. Boic. I, 787). Es war sogar in der
Schwebe gelassen, ob Friedrich selbst oder ein Neffe seines Schwagers, Heinrich
Kaspe von Thüringen, die Krone erhalten würde,
3) Vielleicht war die Erhebung schon in Aussicht genommen, als im Jahre
Überhebung der herzoglichen Macht. 449
Stellung verlangte er gleichzeitig die Hand der Nichte des Herzogs,
Oertrud, da diese im Falle, dafs er kinderlos sterben würde, erbberech-
tigt schien. Selbst jetzt bei dem ungeheuren Entgegenkommen des
Kaisers vergafs Herzog Friedrich nicht, sich zunächst — wahr-
scheinlich auch mifstrauisch — auf den Standpunkt des öster-
reichischen Privilegs zu stellen, indem er zu Anfang des Jahres
1245 den Kaiser zu einer Besprechung nach Villach einlud ^). So
mufste denn der Kaiser noch einen Schritt weiter tun.
Er sandte im Mai den Bischof Heinrich von Bamberg nach
"Wien, um dem Herzog ein Abzeichen der königlichen Würde, den
Königsreif, feierlich überreichen zu lassen. Der Herzog war sich
der Wichtigkeit des Augenblickes wohl bewufst, denn er veran-
staltete ein grofses Fest, bei dem 144 edlen Jünglingen der Ritter-
schlag zuteil wurde ^). Freilich war die Übersendung der Krone
€irst eine einleitende Formaütät, und Bischof Heinrich dürfte dem
Herzog zugleich die Einladung überbracht haben, sich zur end-
gültigen Regelung der Angelegenheit nach Verona zu begeben ^).
Diesmal leistete der Herzog, so nahe am Ziele, Folge und
traf bereits am 29. Juni in Verona ein. Schon lag der von der
kaiserlichen Kanzlei angefertigte Entwurf der Erhebungsurkunde
vor^), kraft der Österreich und Steiermark zusammen in ein
Königreich umgewandelt werden sollten. Nicht etwa durch Wahl
der Prälaten, Herzöge und Grafen sollten die Nachfolger bestimmt
werden, sondern der jeweilige Älteste der Königsfamilie sollte die
Würde erben. Nur vom Kaiser oder dessen Bevollmächtigten
sollte der König von Österreich Krone und Weihe empfangen.
Die jungen Söhne sollten vom Kaiser ausgestattet werden. Einige
andere Bestimmungen bezogen sich auf die Gerichtsbarkeit. Dem
1240 sich das Gerücht verbreitet hatte, die Kurie habe Herzog Friedrich die
römische Königskrone angeboten, dieser sie aber abgelehnt (Böhmer-Ficker,
Eeg. 3126; vgl. die vorige Anmerkung).
1) Geht aus dem Schreiben des Kaisers vom Mai (siehe unten Anm. 3)
hervor.
2j Cont. Garst. (M. G. SS. IX, 597). Vgl. Tanhuser (Hagen, Minne-
singer HI).
3) Huillard-Breholles VI, 273.
4) a. a. 0. VI, 300. — Vgl. Böhmer-Ficker, Regesten Nr. 3478 hia
-3484, speziell die Anmerkung zu 3484.
Yancsa, Geschichte Nieder- u. Oberosterreichs. ^^9
450 Achtzehntes Kapitel.
König sollte die volle Gerichtsbarkeit in seinem Reiche zustehen,
(vermutlich dadurch jede Appellation an das Reich wegfallen), das
Hoigericht kompetente Instanz für die Vergehen der Grafen, Edlen
und ]\Iinisterialen sein. Endlich sollte Krain in ein von Oster-
reich abhängiges Herzogtum umgestaltet und einem Verwandten,
einem natürlichen Sohn des Patriarchen Bertold von Aquileja,
Anselinus, verliehen werden.
Auffallen mag, dafs hier von einer Nachfolge der weibhchen
Deszendenz und von der Begünstigung beim Besuch der lioftage
und bei den Reichskriegen nicht mehr die Rede ist. Der Kaiser
mochte nicht ohne Gegenkonzessionen jenes grofse Gnadengeschenk
verleihen wollen. Es sollte aber gar nicht zur Verleihung
kommen, denn die Hauptbedingung konnte nicht erfüllt werden,
da sich Friedrichs Nichte Gertrud, vielleicht nicht ohne Einwirkung
der päpstlichen Partei, weigerte, den Kaiser, solange er sich im
Banne befände, zu ehelichen ^).
So mufste denn vorläufig das ganze Projekt aufgeschoben
werden, und der Herzog reiste unverrichteter Dinge von Verona
ab, nicht ohne sich ^vorher wenigstens das Privileg von 1156 vom
Kaiser bestätigen zu lassen 2). Aufgehoben wären darum die Pläne
nicht, die Verhandlungen wurden im Gegenteil weitergeführt ")
und wären vermutlich doch in veränderter Form zum Ziele gelangt,
wenn nicht der Tod den jungen Herzog mitten aus seinen ehr-
geizigen Bestrebungen herausgerissen hätte. Ja selbst wenn die anti-
staufisch-päpsthche Politik in Deutschland siegreich gewesen wäre,
so hätte Herzog Friedrich Aussicht auf Verwirklichung seiner Pläne
gehabt, denn der 1245 zum Gegenkönig gewählte Heinrich Raspe
von Thüringen war sein Schwager, da er sich 1238 mit seiner
freiUch mittlerweile verstorbenen Schwester Gertrud vermählt hatte.
1) Matthaeus Parisius, Eist, major. S. 450 (hgg. von Watts, Lon-
don 1684).
2) Huillard-Breholles VI, 291. — Erben, Das Privilegium Fried-
richs I. für das Herzogtum Österreich S, 123 nimmt an, dafs dieses Privileg
kurz zuvor zwischen 1243 und 1245 von Herzog Friedrieh durch die Zusätze
über den Besuch der Hoftage und die Heeresfolge, sowie über das Verfügungs-
recht des Herzogs hinsiciitlich der Nachfolge gefälscht worden sei.
3) Böhmer-Ficker, Eegesten 3500.
Überbebuiig der lierzogliclien Macht. 451
Es hätte dann in der Tat die intransigente Politik des stolzen,
selbstbewufsten und kühnen Herzogs das Gebäude, an dem seine
Vorfahren weise und bedächtig gebaut hatten, gekrönt!
Merkwürdigerweise fehlte auch nicht viel daran und er hätte
auch in kirchlicher Beziehung die gleichfalls bereits von seinen
Vorfahren angestrebte selbständige Stellung Österreichs erreicht
Das führt uns zur Betrachtung des Verhältnisses Friedrichs zum
Papst und zur Kirche im allgemeinen. Auch da hatte sich in
dieser letzten Babenbergischen Periode ein Umschwung voU-
zoo-en. Herzog Friedrich, nicht umsonst ein Kind des Zeitalters
des aufklärerischen Kaisers Friedrich H., war eigentlich weder
kirchlich noch kirchenfreundlich gesinnt. Dennoch war seine Macht
so grofs, seine Haltung so ausschlaggebend, dafs er fast stets auch
von der Kirche umbuhlt war.
Gleich zu Beginn seiner Regierung, als Herzog Friedrich einen
sehr gefährlichen Adelsaufstand zu überwinden hatte, finden wir
die Stifter und Klöster, von den Ritterorden namentlich die Jo-
hanniter auf seiner Seite, teils nach der Tradition aus der Zeit
seines Vaters, teils um ihres Vorteils willen, da ihnen die Mini-
sterialen feindselig gesinnt waren. Sie verschafften ihm im Vereine
mit den Städten die materiellen Mittel, um des Aufstandes Herr
zu werden; deshalb wurde ihr vielfach beeinträchtigter Besitz
von dem Herzoge wiederhergestellt und durch Schenkungen ihr
Schaden wieder gutgemacht ^). Aber bald bekamen sie seine
rücksichtslose Hand zu spüren. Um die andauernden Kriege gegen
seine Nachbarn führen, um insbesondere dem grofsen Reichskrieg
standhalten zu können, bedurfte er ganz aufserordentlicher Mittel,
die ihm nur seine Untertanen liefern konnten, wenn er alles zur
Kontribution heranzog ''^). Das Kirchengut, als das bedeutendste im
1) Eestitutionen erhielt Göttweig 1231 und 1233, dazu eine herzogliche
Schenkung 1232 (Font. rer. Austr. VIII, 295, 309; Meiller, Eeg. 149, 7);
Schenkungen Melk am 2. November 1231 (Meiller 149, 5); Lilienfeld am
28. April (a. a. 0. 149, 8); Mariazeil am 22. Juli (a. a. 0. 150, 11); Lambaeh
am 26. September 1232 (a. a. 0. 150, 13); die Johanniter wenigstens eine
SchenkuDgsbestätigung (a. a. 0. 149, 4). Sie alle dürften vermutlich den Herzog
unterstützt haben.
2) Cont. Sancruc. 11 (Mon. Germ. SS. IX, 638). Ich komme darauf noch
zurück.
29*
453 Achtzehntes Kapitel.
Lande, hatte aucli am meisten unter diesen Steuerforderungen zu
leiden. Die grolsen Bistümer, die in Osterreich begütert waren,
Salzburg, Passaii, Bamberg, Freisiug und Regensburg, wurden
aulserdem, wie wir gesehen haben, durch eine Grenzsperre, die
die Getreideausfuhr aus dem Lande und wohl auch aus Ungarn
verhindern sollte, schwer geschädigt. Noch viel brutaler ging der
Herzog vor, als der Reichskrieg drohte. Mit Gewalt wurde an
einem festgesetzten Tage alles Bargeld der Klöster, gleichgültig ob
Eigentum oder Deposit, mit Beschlag belegt ').
Erblickten die grolsen Kirchenfürsten, wie Eberhard von Salz-
burg und Konrad von Freising, trotzdem anfangs noch immer in
einem Zusammengehen mit Österreich die richtige Politik und
suchten sie trotz des für den Herzog so verhängnisvollen Mainzer
Reichstages ganz im Sinne des Kaisers zu vermitteln, so war es
andrerseits nur ganz natürlich, dafs infolge der geschilderten Ge-
walttätigkeiten die Stimmung in den österreichischen Klöstern in
eine feindselige umschlug, die sich auch in der Tat in den Kloster-
annalen der Zeit, mit Ausnahme der Melker, sehr deutlich wider-
spiegelt.
Ihr Vorteil schien sie nun auf die Seite des Kaisers zu führen.
Als dieser in Wien siegreich einzog, beeilten sie sich, die Bestäti-
gung ihrer Privilegien von ihm zu erlangen, da ja von jetzt an
die Herzogtümer reichsunmittelbar sein sollten ^). Und in ihrer
Haltung trat keine Änderung ein, als der Kaiser dem Kirchen-
banne verfiel. Wie die süddeutschen Kirchenfürsten blieben auch
sie staufisch und standen auf diese Art abermals in Gegnerschaft
zu ihrem Landesfürsten, der im Jahre 1238 offen zur päpstlichen
Partei übergetreten war; das war das Ergebnis der diplomatischen
Bemühungen des Legaten Albert Behaim von Kager, noch mehr der
persönlichen Verwendung des Papstes selbst, sowie der vermitteln-
den Bischöfe von Passau und Freising ^). Aber die AVandlung in
1) Vgl. auch das viel zietierte Anklageschreiben des Kaisers.
2) Erhalten sind die Bestätigungen für Passau, die Schotten in Wien,
Göttweig, Seitenstetten, Heihgenkreuz, Lambach, St. Florian, Erla, Waldhausen,
Wilhering, Reichersberg, St. Peter in Salzburg, Raitenhaslach, Metten, St. Niko-
laus, Aldersbach und den deutschen Eitterorden (Böhmer- Ficker, Eegesten
Nr. 2210-2216, 2219—2224, 2226-2235, 2239—2242).
3) Alberts Konzeptbiicher siehe oben; an Literatur über ihn vgl. Schirr-
ÜberhebuDg der herzoglichen Macht. 453
der Politik des Herzogs, die nur aus Opportunitätsgriinden erfolgt
war, hatte keine lange Dauer. Nicht viel später als nach einem
Jahre nahm der Herzog das Opfer seiner Überzeugung zurück
und suchte lieber sein Heil im Anschlufs an den Kaiser.
Jetzt, da er wieder Herr in seinem Lande geworden war,
konnte auch seine Stellung zu den Klöstern eine andere werden.
Er stand ihnen jetzt wieder als Landesfürst gegenüber, und sein
Interesse lag nun, da er sich in den Dienst der kaiserlichen
Politik zu stellen gesonnen war, darin, mit seinen Untertanen —
und als diese betrachtete er wohl auch die Klöster — in Frieden
zu leben. Er mufste ihnen jedoch auch Ersatz für die Vorteile
bieten, die sie von der vorübergehenden Reichsunmittelbarkeit mit
Recht hoffen konnten. Als wieder erstandener Landesfürst bereiste
er nunmehr seine Länder, um gewissermafsen persönlich seine Gnaden
auszuteilen. So bestätigte er am 24. Januar 1240 in Wels dem
Kloster Kremsmünster die Entvogtung von Heinrich von Grafen-
stein und machte ihm eine kleine Schenkung von drei Hufen in
Grafenberg; am 31. Januar erhielt das Kloster Waldhausen eine
umfangreiche Immunitätsurkunde für seine Besitzungen im Mach-
lande und Niederösterreich (um Laa) und das Kloster Wilhering
die Pfarre Gramatstetten ; am 20. Februar übertrug er dem Kloster
Zwettl das Gut Radenreutte; am 16. März empfing Seitenstetten
eine Schenkung; am 27. Klosterneuburg die Bestätigung einer
Schenkung seines Vaters, und am 9. August das Kloster Garsten
die Bestätigung der Bevogtung durch den Herzog von Österreich;
aufserdem wurden Maut- und Zollbefreiungen für Wein und Lebens-
mittel dem Domkapitel von Salzburg am 15. Juli, den Klöstern
St. Nikolaus in Passau und Raitenhaslach am 24. September,
Reichersberg am 13. Oktober, Niederaltaich und Osterhofen am
28. Februar 1241, Tegernsee am 1., Formbach am 2. März und
Baumberg am 27. Mai verliehen ^).
macher, Albert von Possemünster (1871); Lerchenfeld-Aham (Histor.-pol.
Blätter S. 352, 1874); Eatzinger (ebendas. LXXXIV, 105, LXXXV, 195);
Winkelmann (Histor. Zeitschr. XXVII, 157).
1) Moiller, Regesten 159, 51; 160, 52—57; 162, 61, 62; 163—166,
65, 66, 70, 76—80 und 84; Hagn, Urkundenbuch von Kremsmünster S. 85, 86;
Urkundenbuch d. L. o. d. Euns III, 77, 78, 81; Font. rer. Austr. 2. Abt. HI,
119; XXXIII, 45.
454 Achtzehntes Kapitel.
So waren wieder bessere Beziehungen zwischen Landesfürsten
und Klöstern angebahnt, die sich auch in den Annalen erkennen
lassen *) und die auch nicht getrübt wurden, als der Herzog zu-
sammen mit den süddeutschen Bischöfen wegen ihrer Parteinahme
für den gebannten Kaiser gleichfalls dem Banne verfiel.
Wir sehen also mehr denn je zuvor die kirchUchen Ver-
hältnisse abhängig von jeweiligen politischen Konstellationen. Der
kirchliche Sinn der früheren Epoche war bei den Fürsten er-
loschen. Die Klöster selbst hatten den Höhepunkt ihrer Macht-
stellung für längere Zeit überschritten. Aufser den gleich zu
nennenden Mendikantenniederlassungen wurden in dem ganzen
Zeiträume, ja noch länger keine neuen Klöster in Österreich ge-
gründet, die alten Klöster etwa mit Ausnahme der materiell
blühenden Zisterzienzer stagnierten trotz einzelner Begünstigungen
oder gingen sowohl wirtschaftlich als auch sogar hinsichthch der
geistigen Kultur zurück.
Es hing dies mit dem Zuge der Zeit und auch mit den spe-
ziellen Verhältnissen in Österreich zusammen. Ein aufklärerischer
Geist, wie er sich am^ deutlichsten in der Person des Kaisers ver-
körpert und wie er auch dem Herzog Friedrich zu eigen war,
ging durch die Lande. Der Adel betrachtete, wie wir noch sehen
werden, die Klöster neidisch und mifsgünstig und bedrängte sie
mit seinen Gewalttätigkeiten. Es war überhaupt wieder einmal
eine Zeit, in der sich die einzelnen Stände im beginnenden
Konkurrenzkampfe gegenüberstanden und demzufolge mit ihrem
Hasse verfolgten. Fälle von Demoralisation beim Klerus wurden
von den Gegnern ausgebeutet und aufgebauscht -). Die wirtschaft-
liche Entwickelung war der Klosterherrschaft älteren Stiles nicht
eben günstig. Das Emporblühen der Städte endlich schuf auch
im Mönchswesen Wandelung und brachte zu Beginn des 13. Jahr-
hunderts eine ganz neue Kategorie hervor, die nicht mehr in der
Landwirtschaft, sondern in der Geldwirtschaft ihre Grundlage be-
safs, die Bettelorden ^). Mit erstaunhcher Raschheit verbreiteten
1) Besonders die Ann. Sancrac. (M. G. SS. IX, 627 f.)
2) Heinrich der Teichner hebt hervor, wie wenig geachtet der Klerus in
Österreich sei.
3) Siehe Uhlhorn in der Zeitschrift für Kirchengeschichte XIV, 347, 1894.
Überhebung der herzoglichen Macht. 455
sie sich, getragen von der Gunst der Verhältnisse, von ihrem Ge-
burtslande Italien über Deutschland und erfreuten sich bald auch
in den österi'eichischen Städten — denn, wie gesagt, waren es
diese, in denen sie sich sefshaft machten, nicht das flache Land —
ungewöhnlicher Beliebtheit ^). Um 1230 liefsen sich Dominikaner
und Minoriten in Wien nieder "), dem innerhalb eines Jahrzehntes
bald andere Klöster zu Stein, Wiener Neustadt, Laa, Tulln u. a.
folgten, 1236 entstand ein Franziskanerkloster in Linz,
Gerade das niedere Volk, dem sie in ihrer Bedürfnislosigkeit
nahe standen und an das sie sich in erster Linie wandten, strömte
ihnen zu. Ihre Predigten, die sich gröfstenteils der Volkssprache
bedienten, fanden massenhaften Zulauf und waren doppelt not-
wendig in einer Zeit, in der sich die Sitten lockerten '^) und allent-
halben ketzerische Meinungen fruchtbaren Boden fanden. Die Hä-
resien, die Herzog Leopold VI. mit eiserner Hand ausgerottet
hatte, hoben jetzt wieder ihr Haupt, und niemand war mehr,
wenigstens in Osterreich, der ihnen mit gleicher Strenge entgegen-
treten wäre ^). Die Dominikaner und Minoriten waren aber geradezu
die Träger der Inquisition gegen die Ketzer und wurden für diese
und ähnliche Aufgaben von der Kurie verwendet ^).
Doch scheint die grofse Razzia, die man 1231 — 1233 in
Deutschland, namentlich am Rheine gegen die Waldenser hielt, in
Osterreich nur wenig Nachwirkung gehabt zu haben, wo die ver-
1) Die Zeit der Gründung ihrer Klöster ist leider in keinem Falle mehr
mit voller Sicherheit festzustellen, da die spätere Ordenschronik alles aufgeboten
hat, um die Gründungsjahre möglichst hoch hinaufzurücken. Vgl. für das Folgende :
Priefs, Geschichte der österreichischen Minoritenprovinz (Archiv für österr.
Oesch. LXIV, 79 f.).
2) Anton Mayer, Das kirchliche Leben (in der vom Altertumsvereine
herausgegebenen Geschichte der Stadt Wien I, 455).
3) Gerade zu jener Zeit wird allgemein über die wachsende Unzucht, ge-
schlechtliche Laster und Vergehen wider die Natur geklagt, allerdings zumeist
den Häretikern in die Schuhe geschoben. Vgl. aufser der Literatur über die
Häretiker auch Juritsch a. a. 0.
4) Die Literatur über die Häretiker in Österreich während des Mittelalters
siehe oben S. 411, Anm, 2.
5) Später, im Jahre 1250, wurden die Minoriten Österreichs beauftragt, gegen
den gebannten Kaiser und seinen Anhang das Kreuz zu predigen (abgedr. bei
Friefs a. a. 0. S. 185, Beil. XV).
45 C Achtzehntes Kapitel.
worrenen inneren Verhältnisse die Verbreitung des Sektenwesens
begünstigten. Am 3. September 1232 wurde den österreichischen
Dominikanern noch besonders eingeschärft, gegen die angebUch
von den Ketzern verbreitete widernatürHche Unzucht einzuschreiten ').
Dafs aber zahh'eiche Häretiker, wie es heifst, Patarener in Öster-
reich, namentlich in Wien und Wiener Neustadt, lebten, geht aus
einem Schreiben hervor, das der französische Kleriker Ivo von
Narbonne, der damals von Oberitalien bis in unsere Lande zog,
im Jahre 1242 an den Erzbischof von Bordeaux richtete ^j. Ja,
es war sogar das Gerede verbreitet, dafs der Herzog zu den
Häretikern Beziehungen unterhalte ^).
Das mag dahingestellt bleiben, aber jedenfalls war der Herzog
nichts weniger als kirchlich gesinnt und stand nach kurzem
vorübergehendem Stellungswechsel nun, da er sich ganz offen dem
gebannten Kaiser angeschlossen hatte, ganz im Lager der anti-
päpstlichen Partei.
Es zeugt aber von der Machtstellung des Herzogs von Oster-
reich, dafs der neue Papst, Innozenz IV., nachdem er nach Lyon
geflohen war (1244), trotzdem jener noch immer nicht vom Banne
gelöst war, wieder seine Freundschaft suchte, und wenn Herzog
Friedlich sich nunmehr mit der Kurie in neuerliche Verhandlungen
einliefs, so mochte ihm die Vermittlerrolle seines Vaters und ak
Preis dafür die kirchliche Selbständigkeit seines Landes vor-
geschwebt haben.
Die Gründung eines Wiener Bistums *), einst das heifserstrebte
1) M. G. Epp. s. XIU. I, 388.
2) Matthäus Parisius, Chron. mai. (M. G. SS. XXVIII, 230); auch bei
Friefs in der Österreichischen "Vierteljahrschrift für Tlieologie XI, 250, 1872
als Beilage II abgedruckt.
3) David von Augsburg spricht allerdings nur von einem Reichsfürsten der
staufischen Partei (bei P reger in den Abhandlungen der hist. Kl. der Münchener
Akademie XIII, 1. Abt., 219, der diese Stelle S. 227 auf Friedrich von Öster-
reich bezieht); Riezler, Geschichte Baierns 11, 227 denkt an Herzog Otto II.
von Bayern.
4) Die Literatur siehe oben S. 406, Anm. 3. Die schwache Arbeit Krab-
bos sucht für diesen Abschnitt den Mangel an neuen Materialien und Gesichts-
punkten durch eine Kette vager Vermutungen zu verdecken, u. a. finde ich keinen
Beweis dafür erbracht, dafs Herzog Friedrich mehrere Bistümer gründen wollte.
Überhebung der herzoglichen Macht. 457
Ziel seines Vaters, aber seit dreifsig Jahren in den Hintergrund ge-
drängt, tauchte mit einem Male wieder auf. Zunächst sollte Oster-
reich seinen speziellen Landesheiligen erhalten. Zu diesem Behüte
sollte der erste Märtyrer der Babenbergischen Ostmark, dessen Reli-
quien in Melk, dem Babenbergischen Hauskloster, aufbewahrt waren,
kanonisiert und die Feier seines Gedächtnistages in ganz Oster-
reich und „den angrenzenden Provinzen" (gemeint sind natürlich
die Babenbergischen Lande) angeordnet werden '). Die Reliquien
des neuen Landesheiligen sollten dann an den Sitz des zu er-
richtenden österreichischen Bistums — dafür konnte doch wohl
nur Wien in Betracht kommen — überführt werden. Darüber
wurde das Gutachten der Prälaten der österreichischen Herzog-
tümer eingeholt '). Ja es scheint sogar bereits der Protonotar des
Herzogs, der Pfarrer von Wien, Leopold, als Bischof ausei'sehen
gewesen zu sein.
So weit war die Angelegenheit gediehen, als Herzog Fried-
rich durch das Anerbieten einer österreichischen Königskrone von
selten des Kaisers mit einem Male in ein anderes Fahrwasser
gelenkt wurde. In dem Mafse, wie er sich dem neuen Projekte
mit Feuereifer zuwandte, mufste der Papst seine Bereitwilligkeit
in der Bistumsfrage zurücknehmen. Auch da traf den Herzog
der Tod, ehe er zum nahen Ziel gelangt war, denn hätte er
weiter gelebt, wären wohl auch die Verhandlungen im geeigneteren
Augenblicke wieder aufgenommen worden.
1) Schreiben des Papstes Innozenz IV. vom 10. Mai 1244 an den Bischof
von Passau (Meiller, Eeg. 178, 132). Vgl. auch Urwalek, Der königliche
Pilger Coloman (Progr. d. n. ö. Landes-Realgynin. in Stockerau 1880). Ich ver-
mute, dafs um diese Zeit auch die Kolomanskirclie in Wien gegründet worden ist.
2) Erhalten ist das Schreiben des Papstes an die Äbte von Heiligenkreuz,
Zwettl und Reun vom 8. März 1245 (a. a. 0. S. 180, 144).
Neunzehntes K a j) i t e 1.
Das Gegenspiel der anderen Machlfaktoren.
Das schöne Gleichgewicht der Kräi^te, das unter Leopold VI.
in Osterreich geherrscht hatte, störten also schon die Überhebung
und die ehrgeizigen Bestrebungen des Landesfürsten nach völliger
Souveränität; aber auch die anderen Kräfte regten sich, um für
sich neue günstige Positionen zu erringen.
Die ersten, die den günstigen Zeitpunkt beim Regierungs-
antritte des jugendlichen Herzogs benutzen zu müssen glaubten, um
ihre Stellung zu verbessern, waren die Ministerialen. Bei ihnen
machte sich nämlich tatsächlich das Mifs Verhältnis zwischen ihren
ursprünglichen geringen Rechten, ihrer historischen Stellung, die noch
immer für ihre rechtliche Behandlung mafsgebend war, einerseits und
ihrer Macht, ihrem Einflüsse, den sie im Laufe der letzten fünfzig bis
sechzig Jahre erlangt hatten, andererseits am empfindlichsten fühlbar^).
Noch konnten Ministerialen verschenkt, vertauscht und sonst ver-
gabt werden ^). Die Kinder blieben ebenso unfrei ; bei Mischehen
mit Grafen oder Freien folgten sie dem niederen Stande und waren
für die Güter der Grafen nicht erbberechtigt ^) ; bei Ehen zwischen
Ministerialen verschiedener Grundherren wurden die Kinder zwischen
1) Vgl. Siegels schon zitierte Abhandlung im 102. Band der Wiener
Sitzungsberichte und Hasenöhrl, Österreichisches Landrecht im 13. und
14. Jahrhundert S. 67 (Wien 1867); auch Juritsch S. 518 ff. und die oben
genannten Monographien über Friedrich.
2) Mon. Boic. XXVnib, 343 (1217); Font. rer. Austr. YIII, 49, 80, 88;
ÜB. von Kremsmünster S. 63 (1206); Meichelbeck, Hist. Frising. II ^ 51
u. a. m.
3) Font. rer. Austr. XXXI, 267; Archiv f. österr. Gesch. XXYII, 271.
Das Gegenspiel der anderen Maclitfaktoren. 459
letzteren geteilt ^). Schenkungen , Verkauf oder Tausch von
Ministerialengütern unterlag der Zustimmung ihres Herrn ^).
Andererseits war das Ansehen der Dienstmannen in Osterreich
durch die dauernde Begünstigung der Babenberger so mächtig
gestiegen, wie nirgends anderswo in Deutschland. Die herzog-
lichen Ministerialen waren schon der Zahl nach ganz bedeutend
angewachsen gegenüber der im steten Rückgang begriffenen Zahl
der Grafen und Freien. So begannen sie eine wichtige Rolle beim
Kriegsdienst und in dem Rat des Fürsten zu spielen, welche
der der altfreien Geschlechter immer ncäher kam. Da sie über-
dies durch ihre verschiedenen Dienstleistungen meist dem Herzoge
auch persönlich zur Seite standen, so gewannen sie auch Ein-
flufs bei den vei'schiedenen Regierungshandlungen. Es läfst sich
schon unter Herzog Leopold VI. ein adeliger Rat des Landes-
fürsten nachweisen, wie er übrigens auch ziemlich gleichzeitig
sich in Steiermark und Bayern zeigt und wie er sich später zu
einer eigenen Institution ausgebildet hat '^). Auch ihr Besitz
wuchs, wie wir gesehen haben, immer mehr an und überflügelte
teilweise den der Grafen und Freien.
Dazu kamen politische Ereignisse, infolge deren den öster-
reichischen Ministerialen der Kamm aufserordentlich schwoll. Im
Jahre 1226 folgte Herzog Leopold VI. dem Rufe des Kaisers
nach Italien zur Unterwerfung der Lombardei. Seine Abwesen-
heit benutzte König Ottokar von Böhmen, um sich für die Zu-
rücksetzung bei der Verheiratung des deutschen Thronfolgers zu
rächen, denn ihm war ohne Zweifel in der Sache am ärgsten mit-
gespielt worden. Ihm scheint sogar eine Zusage in bezug auf
seine Tochter Agnes gegeben worden zu sein, er und sein
Schwager, Ludwig von Bayern, hatten sich zur Zahlung einer
ansehnhchen Mitgift (45000 Mark) bereit erklärt, und Prinzessin
Agnes war Herzog Leopold von Österreich zur Erziehung am
Wiener Hofe bis zum Vollzuge der Vermählung anvertraut worden.
1) Meiller, Eegesten 98, 69; 118, 136; 122, 152; 132, 182. Vgl. auch
Schwabenspiegel S. 158.
2) Meiller, Kegesten 91, 46; 113, 116: 132, 183.
3) Consiliarii nennt die Lilienfelder Stiftungsurkunde von 1209 (Meiller,
Eegesten 101, 75).
460 Neunzehntes Kapitel.
Es ist daher nur zu begreiflich, wenn der Böhmenköuig jetzt,
nachdem ganz unerwarteterweise Leopold von Österreich selbst
bei dieser Heiratskonkurrenz als Sieger hervorgegangen war, seinen
Zorn gerade gegen ihn, nicht nur als den Sieger, sondern auch
den unehrlichen Makler und vermutlichen Urheber seiner Nieder-
lage richtete. So fiel er denn im Frühjahre 122G, kaum dafs
Leopold nach Italien gezogen war, in (Österreich ein. Gleichzeitig-
empörte sich Leopolds Sohn Heinrich gegen seinen Vater ^).
Die Ursachen dieser Empörung sind in Dunkel gehüllt.
Möghcherweise ist eine Salzburger Quelle ") gut unterrichtet, wenn
sie die Erbfolgetrage als Grund anführt. Vielleicht wollte sein
Vater persönlicher Differenzen wegen ihn, der infolge des frühen
Todes des Erstgeborenen, Leopold, — er war 1216 von einem
Baume gestürzt — nunmehr der älteste Sohn war, zugunsten
seines jüngeren Bruders Friedrich zurücksetzen; weniger wahr-
scheinUch ist es mir, dafs ein so kluger Politiker wie Leopold an
eine abermahge Länderteilung zwischen seinen beiden Söhnen ge-
dacht haben sollte ^). Der Einfall des Böhmenkönigs kann direkt
oder indirekt — als sich darbietende günstige Gelegenheit — da-
mit in Beziehung gebracht werden ^).
In dieser kritischen Lage sandte Herzog Leopold, der noch
bei einem früheren Anlasse, nämlich als er im Jahre 1210
1) Nur zwei Quellen unterrichten uns in kurzen Worten darüber, die Cout.
Sancruc. I (M. G. SS. IX , 626) und die Annales S. Ruberti Salisb. (a. a. .0.
S. 783).
2) Eben die letztgenannte.
3) Wie Ficker, Herzog Friedrich II. S. 8, Anm. 1 vermutet.
4) Vielleicht sind hier die „verderblichen Pläne" zu suchen, von denen
die Heiligenkreuzer Quelle spricht. Dagegen bin ich nicht der Ansicht, die,
soviel ich sehe, zuerst Hirn a. a. 0. S. 3 und nach ihm fast alle späteren
Historiker (Gat scher, Ficker, Juritsch usw.) geäufsert haben, dafs bereits
dieser Aufstand eigentlich ein Aufstand der Ministerialen gewesen sei, die de»
Babenbergisclien Prinzen vorgeschoben hätten, denn gerade die Führer der späteren
Opposition, die Kuenringer, sind ja die Bekämpfer des Aufstandes und Erretter
des Landes, und die Cont. Sancruc. nennt die Edlen des Landes als Vermittler
der Versöhnung, was auch schwer möglich jiewesen wäre, wenn sie die Unter-
legenen gewesen wären. Dafs schliefslich Prinz Heinrich jedenfalls über eine
Anzahl von Ministerialen verfügt haben mufs, ist ja bei der damals üblichen Art
der Kriegführung selbstverständlich.
Das Gegenspiel der anderen Machtfaktoren. 461
die Kreuzfahrt antreten wollte, den Markgrafen Dietrich von
Meifsen, dessen Tochter seinen erstgeborenen Sohn Leopold heiraten
sollte, zu seinem Stellvertreter in Osterreich bestimmen wollte, nun-
mehr einen blofsen Ministerialen, Heinrich II. von Kuenring, in
die Heimat, um an seiner Statt Ordnung zu schaffen ^). Mit
Energie warf sich dieser auf die Böhmen, jagte sie über die
Grenze und verfolgte sie tief in ihr Land hinein, Südböhmen ver-
heerend, wofür er allerdings in den päpstlichen Bann verfiel, da
er auch der Kirchengüter nicht geschont hatte. Auch der Aui-
stand des Prinzen Heinrich wurde niedergeschlagen; leider melden
die einsilbigen Quellen nicht, ob auch hier der Kuenringer die Waffen
führte, aber wir können es vermuten. Die Feste Hainburg, in
deren Besitz sich Heinrich nach Vertreibung seiner eigenen Mutter
gesetzt hatte, wurde wieder erobert. Die Ministerialen vermittelten
auch eine Aussöhnung zwischen Vater und Sohn, freilich eine recht
äufserliche, denn Heinrich soll noch später seinem Vater nach-
gestellt haben. Er starb vereinsamt im Jahre 1228 mit Hinter-
lassung einer Tochter Gertrud, die später noch eine wichtige Rolle
zu spielen berufen war. Heinrich von Kuenring aber, der übrigens
durch die Vermittelung Herzog Leopolds wieder vom Kirchenbanne
losgesprochen wurde, erhielt zur Belohnung für seine treuen Dienste
in demselben Jahre die Würde eines Marschalls ^).
Eben dieser Heinrich von Kuenring nun war es, der nach
dem Tode seines Gönners an die Spitze der rebellischen Ministerialen
trat, und mit ihm sein Bruder Hadmar III. ^). Jetzt oder nie schien
1) Nach dem Schreiben des Papstes (Mon. Germ. Epp. s. XIII, Nr. 347)
heifst es ausdrücklich „admiserat", woraus hervorgehen dürfte, dafs Herzog
Leopold Heinrich von Kuenring zur Verweserschaft des Landes erst entsandte,
nicht schon vor seinem Abzug bestimmte. Es ist ja auch wahrscheinlicher, dafs
ihn zunächst sein Sohn hatte vertreten sollen.
2) Nicht eigentlich Landmarschall, wie ihn die Historiker gemeiniglich
nennen, sondern Hofmarschall, wie Wretschko, Das österreichische Land-
marschallamt (Wien 1897), überzeugend dargetan hat. Darüber, und dafs nun-
mehr das Marschallamt in der Familie der Kuenringer erblich blieb, siehe später.
3) Quellen : Cent. Sancruc. Mon. Germ. SS. IX, 627 ; Cont. Claustroneob.
III, 637; Cont. Prädicat. Vindobon. 726; Annal. Mellic. 507 und besonders Cont.
Lambac. 558; dagegen ist das Zwettler Stiftungsbuch (Font. rer. Austr. HI,
2. Abt.), eine Art Kuenringische Heldenlegende, nur mit der gröfsten Vorsicht
462 Neunzehntes Kapitel.
der Zeitpunkt gekommen, in dem sie die ihrer politischen Stellung
und ihrem Einflüsse entsprechenden Rechte erringen konnten. Mit
Neid mochten sie aul" die glänzende Bevorzugung der Kirchen und
Klöster, auf das aufstrebende und begünstigte Bürgertum, endlich
auf ihre Standesgenossen in Steiermark blicken, die nicht nur vielfach
günstiger gestellt waren, sondern noch dazu in der Georgenberger
Handfeste bereits seit fünfzig Jahren eine sichere Verbriefung ihrer
Rechte besafsen.
Die hohe Vertrauensstellung, die die Kuenringer unter Herzog
Leopold einnahmen — Hadmar HI. weilte an seiner Seite zu San
Germano — , ermöglichte es auch, dafs sie sich sofort des herzog-
lichen Schatzes bemächtigen konnten. Ebenso gelang es ihnen,
wie vor vier Jahren dem Prinzen Heinrich, den Böhmenkönig,
wenn schon nicht zu einem direkten Bündnis, so doch zu einem
gleichzeitigen Einfall in Osterreich zu bewegen, der das Gebiet
bis zur Donau durch fünf Wochen hindurch mit Plünderung und
Verheerung heimsuchte. Die Eeindseligkeit der Ministerialen ^)
richtete sich bezeichnender Weise hauptsächlich gegen die kirch-
lichen Besitzungen und gegen die Städte. Vor allem hatte das rings-
um von Kuenringischera Eigen eingeschlossene Kloster Zwettl zu
leiden. Es wurde seiner Güter beraubt und die Stadt Zwettl mit
starken Befestigungen umgeben. Aber auch Melk, Göttweig, Geras,
Pernegg und Klosterneuburg sowie der Pas^auer Besitz wurden
schwer geschädigt, und die Städte Krems und Stem niedergebrannt.
Der junge Fürst hatte so Gelegenheit^ gleich zu Beginn seiner
Regierung eine Probe seiner Energie abzulegen, indem er trotz
der Macht seiner Gegner und trotz ihrer anfänglichen Erfolge
dennoch des Aufstandes Herr wurde. Allerdings verfügte er noch
immer über eine genügende Anzahl von Dienstmannen, die ver-
zu benutzen. An Literatur vgl. aufser den oben zitierten Monographien über
Herzog Friedrich und Juritsch S. 523 f. noch Friei's, Die Herren von Kuen-
ring und Gatscher, Drei Sagen aus der Geschichte Österreichs zur Zeit der
Babenberger IH, 16 (XIII. Progr. d. k. k. Ober -Gymnasiums zu Seitenstetten
1879), wo an dem Berichte des Stiftungsbuches Kritik geübt wird.
1) Ficker a. a. 0. S. 14 will alle jene Dienstherren, die am 30. No-
vember 1230 zu Lilienfeld in der Umgebung des Herzogs genannt werden, aber
am 13. März 1231 zu Wien nicht mehr erscheinen, zu den Aufständischen rechnen,
also die Sonnberg, Zebing, Feldberg, Bauragarten, Anschau.
Das Gegenspiel der anderen Machtfaktoren. 463
mutlich aus kleinlichen Eifersüchteleien und persönlichem Zwie-
spalt sich den übrigen nicht anschlössen, und Rittern. Es waren
dies hauptsächlich Otto von Perchtoldsdorf, Hermann von Kranichs-
berg, Irnfried von Himberg und Heinrich von Brunn ^). Die wenigen
alten Grafen und Freien, von denen Graf Konrad von Plaien-
Hardegg ausdrücklich genannt wird, sowie die Klöster und Städte
mochten ihm aus eigenem Interesse zur Seite stehen und seinem
Mangel an Geldmitteln abhelfen. So gelang es ihm, obwohl die
Aufständischen sich auch des Donauüberganges bei Korneuburg
bemächtigt hatten, in das Gebiet des Aufruhrs im Waldviertel
siegreich vorzudringen. Die festen Burgen der Kuenringer, Dürn-
stein und Aggstein an der Donau, sowie Weitra wurden gebrochen,
die Befestigungen der Stadt Zwettl geschleift, die mit den Waffen
in der Hand Gefangenen gehenkt, von den anderen Geiseln ge-
nommen, die den Klöstern entfremdeten Güter mufsten zurück-
gegeben werden ^). Ein Zeichen politischer Klugheit des jungen
Herzogs ist es, dafs er gerade gegen die Häupter der Rebellen,
gegen die mächtigen Kueni'inger, nicht mit voller Strenge verfuhr,
wohl erwägend, dafs er sich seinen Augenblickserfolg nicht verscherzen
dürfe. Als sich Heinrich von Kuenring — Hadmar war indessen,
im April 1231, gestorben — unterwarf und den geraubten Schatz
auslieferte, nahm Friedrich ihn in Gnaden auf und hefs ihm
sogar das Marschallamt.
Diese Milde dürfte ja zunächst die Kuenringer und ihren An-
hang dem Herzog verpflichtet haben. Aber im allgemeinen blieb
trotzdem die feindsehge Stimmung bestehen, denn die Ministerialen
merkten gar bald, dafs der neue Herzog auch nach innen völlige
Souveränität anstrebe und ihren Stand nicht einmal achten, geschweige
denn begünstigen wolle. Er verletzte wohl nicht selten ihre Vor-
rechte, Persönliches kam noch hinzu, denn der junge und feurige
Fürst mag manchem Edelfräulein, mancher ehrsamen Burgfrau nach-
gestellt haben und der beleidigte Vater, Gatte oder Bruder fand kein
1) Diese erscheinen in der kritischen Zeit als Zeugen herzoglicher Urkunden.
2) Göttweig erhielt am 17. April 1231 und im Jahre 1233 Güter von den
Kuenringern zurück (Font. rer. Austr. VIII, 295 und 309), dagegen führte Zwettl
nach dem Stiftungsbuch (a. a. 0. III) mit den Kuenringern wegen der ent-
fremdeten Güter einen längeren Prozefs.
464 Neunzehntes Kapitel.
Recht, sondern wurde eher höchstens verhöhnt. Noch unj^escheuter,
auch dort, wo andere Verfüii;unp;en vorlagen, belegte er bei kinder-
losem Tode Familiengut mit Beschlag, wie im Falle des Aus-
sterbens der Domvögte von Regensburg, deren Besitz eigentlich
dem Kaiser vermacht war.
So darf es nicht wundernehmen, dafs es unter den öster-
reichischen Ministerialen weiter gärte und dafs der erstbeste Anlafs
genügte, damit sich die am meisten Unzufriedenen offen auf Seiten
der Gegner des Herzogs stellten. Als der Reichstag von Mainz des
Jahres 1235 diese Gegner zu einer imposanten Anklage gegen den
Babenberger vereinigte, finden wir auch Ministerialen desselben
darunter ^), und als gar die Reichsacht über ihn ausgesprochen
wurde und das Reichsheer und dessen Helfer von allen tSeiten
heranzogen, da blieben nur wenige, meist unbedeutendere Dienst-
mannen ihm getreu: Bertold von Traun, Bertold von Emmerberg,
Gundakar von Starhemberg, Dietrich und Ortolf von VVolkersdorf,
Albert von Nufsberg, Ulrich von Kienberg und Cholo von Frauen-
hofen ^), deren Lohn allerdings nicht ausblieb, indem er die hervor-
ragenderen mit wichtigen Amtern belehnte ^). Dagegen begegnen
wir in dem gläozenden Gefolge, das sich um den Kaiser ver-
sammelt, als dieser im Januar 1237 selbst gewissermafsen als
oberster Vollstrecker der Reichsacht in Wien einzieht, aufser den
Grafen Konrad und Leuthold von Hardegg, den einstigen Bundes-
genossen des Herzogs, den Ministerialen Kadold von Feldsberg,
Hadmar von Sonnberg, Heinrich von Brunn, Irmfried von Him-
berg mit seinen Brüdern, Weikhard von Arnstein, Heinrich von
Seefeld, Heinrich und Bernhard von Schaumberg, Otto von Schleinz
und Rapot von Schönberg ^).
Wie sich die meisten Klöster ihre Privilegien bestätigen liefsen
und die Stadt Wien ein neues Stadtrecht empfing, das sie zu einer
reichsunmittelbaren Stellung erhob, erlangten auch die steierischen
1) Vgl. das oft zitierte Schreiben des Kaisers an den König von Böhmen.
2) Meiller, Eegesten 156, 40.
3) Bertold von Traun wurde Landmarschall, Bertold von Emmerberg Truch-
sefs, Gundakar von Starhemberg erhielt bedeutende Schenkungen in der ßied-
mark (Meiller, Eeg. 156, 39).
4) Böhmer-Ficker, Eegesten 2222.
Das Gegeuspiol der anderen Machtfaktoren. 465
Ministerialen, zu denen die meisten der obderennsischen zu rechnen
sind, eine modifizierte Bestätigung der Georgenberger Handfeste.
Doch dauerte der Aufenthalt des Kaisers in Osterreich und Wien
zu kurze Zeit, um alle Ansprüche, namentlich die gewifs nicht
bescheidenen der österreichischen Ministerialen zu befriedigen ').
Als dann des Herzogs Ansichten stiegen und es kaum mehr
zweifelhaft erschien, dafs er sich wieder in den Besitz des Landes
setzen w ürde, beeilten sich die meisten Ministerialen, sich ihm wieder
anzuschliefsen, und Herzog Friedrich übte auch diesmal klugerweise
gegen sie, wie gegen alle anderen Untertanen, Nachsicht; aller-
dings entsprach es der besonders feindseligen Haltung, die ge-
rade sie gegen ihn eingenommen hatten, dafs sie im Gegensatz
zu den Klöstern und Städten so gut wie gar nicht mit Privi-
legien ausgestattet wurden. Schwer gekränkt wird es sie haben,
dafs Herzog Friedrich den Bürgern den Übergang in den ritter-
lichen Stand immer mehr erleichterte und im Jahre 1244 eine An-
zahl Wiener Bürgerssöhne zu Rittern schlug. Sie blieben denn
auch im weiteren Verlauf der Regierung Friedrichs ein sehr un-
zuverlässiges und wetterwendisches Element. Noch in den Grenz-
kriegen des Jahres 1242 gegen Ungarn und Böhmen waren sie
schuld daran, dafs der Herzog keine Erfolge erringen konnte und
unverrichteter Dinge zurückkehren mufste. Und es ist ungemein
bezeichnend, dafs, als Herzog Friedrich in der Schlacht an der
Leitha von unbekannter Hand fiel, sich die Legende bilden konnte,
einer seiner eigenen Dienstmannen habe ihn niedergestreckt ^).
Es war die Zeit, in der die Anmafsung der ritterlichen Stände,
die durch die fehdereichen kriegerischen Tage und die Gunst
der früheren Landesfürsten immer mehr gewachsen war, sich bis zur
1) Dafs das österreichische Landrecht nicht hierher zu ziehen ist, wie dies
früher seit Siegls Untersuchung in den Sitzungsberichten der Wiener Akademie
üblich gewesen ist, darüber siehe Einleitung S. 12 und unten S. 516.
2) Zuerst äufsern die Salzburger Annalen (M. G. SS. IX, 769) Zweifel, ob
Friedrich durch Feindes- oder Freundeshand gefallen , was später in Salzburg
bestimmter gefafst wird (a. a. 0. XI, 50), die Fortsetzung des Magnus Presb.
Kcichersperg. (a. a. 0. XVII, 529) weifs gegen Ende des 13. Jahrhunderts bereits
den Namen des Mörders, Johann von Viktring gibt dessen Motive an. Weitere
Varianten ziehen sich bis zu den Fälschungen Hanthalers im 18. Jahrhundert
(Ficker, Exkurs 5, S. 174f.; Juritsch S. 665).
Vancsa, GeschicUts Nieder- n. Oberösterreicbs. 30
460 Neunzehntes Kapitel.
Überhebung steigerte, so dafs sie sich den alten, immer mehr sich
lichtenden Freien- und Grafengeschlechtern gleichzustellen suchten,
dafs sie die reichen Kirchen und Klöster mit Neid und Mifa-
gunst, ja mit Gewalttätigkeiten und Brandschatzungen ') verfolgten
und verächtlich auf Bürger und Bauern herabblickten — sang
doch damals Neidhart seine satirischen Spottlieder wider den
Bauernstand! — und dafs sie sich als Herren des Landes
dünkten. Es war die Zeit, in der bei allgemeinem Sittenverfall
auch die noch vor kurzem unter dem westeuropäischen Einflufs
hochgehaltene ritterliche Zucht seltsame Auswüchse trieb und die
Angehörigen der ritterlichen Stände teils entarteten, teils verrohten.
Auch in dieser Übergangsperiode standen die Gegensätze dicht
nebeneinander. Einerseits Überfeinerung der Lebensführung, pracht-
volle Festlichkeiten, andererseits eine gewisse Verarmung der kleineren
Ritter, eine Verwilderung in den Fehden und Kleinkriegen '^). Die
Schwertleite Herzog Friedrichs im Jahre 1231, die Hochzeit
seiner Schwester Konstanze mit dem Markgrafen Heinrich von
Meifsen zu Stadlau bei Wien am 1. Mai 1234, der Empfang
des kaiserlichen Gesandten, der dem Herzog den Königsreif über-
brachte, im Jahre 1245 wurden durch derartige Feste und Turniere
begangen. Eine charakteristische Erscheinung ist der steierische
Ministeriale und Minnesänger Ulrich von Liechtenstein ^) , dessen
Dichten und Wirken eigentlich erst in Herzog Friedrichs Zeit
fällt, wenn auch seine berühmte grofse Turnierfahrt von Venedig
bis an die Grenze Böhmens in den letzten Jahren Leopolds (1227)
stattfand. In weibischem Gewände als Frau Venus zog er von Stadt
1) Graf Leutold von Hardegg bedrückt Göttweig (Font. ror. Austr. VIII,
310), Ulrich von Königsbrunn Zwettl (a. a. 0. III, 112), Otto von Ottenstein
Melk (Meiller, Keg. 172, 109), nicht anders ging es im Lande ob der Enns
(Kremsmünster, ÜB. d. L. o. d. Enns III, 117) oder an der bayerischen Grenze,
wo die Klöster Ranshofen und Reichersperg durch die Ministerialen des Bischofs
von Passau, durch die Waldecker und andere, litten (Archiv f. österr. Gesch.
XYII, 359; Höfler in Mitt. d. hist. Ver. S. 30).
2) Die Verrohung des Ritterstandes beklagt Ulrich von Liechtenstein 554, 27.
3) Über Ulrich von Liechtenstein Gödeke, Grundrifs (2. Aufl.) I, 168;
Nagl-Zeidler, Deutsch-österreichische Literaturgeschichte S. 20If. , Schön-
bach in der vom Wiener Altertums vereine herausgegebenen Geschichte der
Stadt Wien I, 541.
Das Gegenspiel der anderen Machtfaktoren. 467
zu Stadt mit reichem Gefolge, umdrängt von den Scharen der
Neugierigen von nah und fern, um sich den Rittern im Wett-
kampf zu stellen. In Osterreich waren es natürlich die Kuen-
ringer, die ihm festlichen Empfang bereiteten, und Wien war die
Stätte des Hauptturnieres (17. Mai 1227), andere Stationen bilde-
ten Katzelsdorf bei Wiener Neustadt, Korneuburg, Mistelbach und
Feldsberg. Später wiederholte er den Zug als „König Artus".
Seine Dichtungen, die in süfslich selbstgefälliger Weise seine Fahrten
und Abenteuer schildern, sind ebensosehr Zeugnisse für die Aus-
wüchse der ritterlichen Sitten und des Minnedienstes — Ulrich von
Liechtenstein ist es, der beispielsweise das Waschwasser der geliebten
Frau trinkt, sich um einer ihrer Launen willen einen Teil der Ober-
lippe abschneidet u. dgl. m. — als auch von dem Verfall der ritter-
lichen Poesie. Den Gegensatz zu dieser dekadenten Gestalt Ulrichs von
Liechtenstein bilden die gewalttätigen herrschsüchtigen Kuenringer.
Waren neben den kirchlichen Gewalten die Ministerialen bisher
der Hauptfaktor des Landes, der mit dem Landesfürsten seine Kräfte
messen zu können glaubte, so waren nunmehr auch die Städte zu
einer Macht herangewachsen, mit der derjenige rechnen mufste, der
sich das Land Untertan machen wollte. Sie waren es denn auch
im Vereine mit den Stiftern und Klöstern, die Herzog Friedrich
bei seinem Regierungsantritt gegen die aufständischen Ministerialen
finanziell unterstützten und ihm zum Siege verhalfen. Dagegen
dürfte sich später, obwohl auf dem Reichstage zu Mainz Vertreter
der Städte unter den Anklägern des Herzogs nicht ausdrücklich
genannt sind, auch in den Städten Unzufriedenheit gegen ihn ge-
regt haben; das übrige taten seine Zwangsmafsregeln zur Be-
schaffung der nötigen Kriegsmittel und die Furcht. So kam es,
dafs beim Herannahen des grofsen Reichsheeres auch die Städte,
darunter Wien, von ihm abfielen. Nur Wiener Neustadt, das
schon damals ein wenig mit Wien rivalisierte, und Linz, das
vom Herzog Otto von Bayern und Bischof Rüdiger von Passau
lange vergeblich belagert wurde, hielten zu ihm. Wiener Neustadt,
in dessen Nähe die feste Burg Starhemberg lag, wurde sogar die
einzige Zufluchtsstätte und in der Folge der Stützpunkt für die
Operationen des Herzogs. Von hier aus überfiel er den Burg-
grafen von Nürnberg, der sich mit dem von Süden heranziehenden
30*
468 Neunzehntes Kapitel.
Patriarchen von Aquileja vereinigt hatte, um Friedrich völlig
zu vernichten, schlug ihn trotz angeblich zehnfacher Über-
macht aufs Haupt und nahm die Bischöfe von Passau und Freising
gefangen ').
Als nun der Kaiser selbst nach Österreich kam, war es
selbstverständlich, dafs eine seiner Hauptmafsnahmen sich auch auf
die Städte bezog, und es war ein ganz geschickter iSchachzug, dafs
er, um die Macht des Laudesfürsten dauernd zu schwächen, im April
1237 die Stadt Wien, die bedeutendste und reichste Stadt des
Landes, für reichsunmittelbar erklärte ^). Den Stadtrichter sollte
demnach fürderhin der Kaiser ernennen. Dagegen erhielten die
Bürger weitgehende Freiheiten. Sie sollten frei sein, nur freiwillige
Abgaben und Steuern entrichten, zu Kriegsdiensten nur im Um-
kreise einer Tagesfahrt verpflichtet sein und mit Ausnahme von
Majestätsbeleidigung oder Stadtverrat in Kriminal- und Zivilfällen
selbst richten. Die Juden werden von den Amtern ausgeschlossen,
was darauf hindeutet, dafs die handeltreibenden Bürger die Kon-
kurrenz der Juden, die von den Herzogen begünstigt wurden,
bereits unangenehm zu empfinden begannen. Das Ordal des Zwei-
kampfes wird durch Eideshelfer ersetzt. Dann wird vom Kaiser
bei St. Stephan ein Schulmeister zum Unterricht der Jugend be-
stellt, was als erstes Beispiel einer weltlichen, städtischen Schule
kulturhistorisch interessant ist. Endlich wurde für Güter von
Bürgern, die durch das Wasser weggerissen wurden, das üble Ge-
wohnheitsrecht der Grundruhr, nach dem angeschwemmte Güter
dem, der sie barg, zufielen, und das sich zu einer Art Strand-
räuberei herausgebildet zu haben scheint, abgeschafft, wie dies
reichsgesetzlich schon 1220 geschehen war, eine Verfügung, die
für den Donauhandel grofse Bedeutung hatte.
Bezeichnend dafür, welche Macht damals noch die jüdischen
Kaufleute besafsen, ist, dafs sie ein Jahr nach der gegen sie ge-
1) Besonders Cont. Sancruc. 11, ad 1236, Ann. Mellic. ad 1237, Ann. S.
Eudb. Salisb. ad 1236 (Mon. Germ. SS. IX, 508, 638, 736). Zur Quellenkritik
vgl. Huber I, 414, Anm. 1.
2) Ist nicht im Original yorhanden. Abgedr. bei Tomasehek I, 15 und
bei Seh er er, Beiträge z. Gesch. des Judenrechtes I (Leipzig 1901) S. 135 mit
ausführlicher Erläuterung.
-Das Gegenspiel der amleren Machtfaktoren. 409
richteten Bestimmung des Fridericianums ein umfängliches Privileg
des Kaisers mit Zugrundelegung des Reichsprivilegs für die Juden
von 1236 durchsetzten, wonach sie nicht zur Taufe gezwungen
werden durften, diese vielmehr an allerlei Klauseln geknüpft wurde.
Weder Gottesurteile, noch Geifselung oder Einkerkerung sollten
gegen sie angewendet werden, ihre Weine, Farbmittel und Gegen-
gifte durften sie frei verkaufen, sowohl unter sich, als im Verkehr
mit Christen unter ihrem eigenen Rechte leben, nur in wichtigen
Fällen unterstanden sie dem Kaiser und jedenfalls besafsen sie das
Appellationsrecht an diesen ^).
Die Wiener hatten allerdings von dem kaiserlichen Freiheits-
briefe so gut wie nichts; es ist fraglich, ob er überhaupt in Kraft
getreten ist, da der Kaiser bald nach seiner Verleihung Wien ver-
liefs und sich schon zu Weihnachten 1239 die Stadt wieder Herzog
Friedrich ergeben mufste. Dieser dürfte nun zunächst nicht nur
selbstverständlich das kaiserliche Privileg kassiert, sondern auch
überhaupt jede Bestätigung der alten Freiheiten abgelehnt haben.
Erst im Jahre 1244 (1. Juli), als die Wiener Bistumsfrage
wieder in den Vordergrund trat, bestätigte der Herzog den Wienern
das Leopoldinische Stadtrecht mit einigen wichtigen zeitgemäfsen
Änderungen ^) ; namentlich ist nun statt des Gottesurteils durch-
weg der Zeugeneid eingeführt, die Bestimmungen über Notzucht sind
schärfer gefafst, dagegen bereits die Heirat einer Bürgerin mit einem
Ritter, auch das Waffentragen erleichtert. Eine Zusatzbestimmung,
wodurch die Einfuhr ungarischer Weine verboten wurde, ist wohl
nur dem gespannten Verhältnisse Österreichs zu Ungarn entsprungen.
Im übrigen nimmt der Herzog ausdrücklich heimische und fremde
Kaufleute in seinen Schutz.
Gleichzeitig wurde ein Judenrecht erlassen, womit Herzog
Friedrich, der bei seinen wiederholten Geldverlegenheiten dringend
auf die Hilfe der Juden angewiesen war ^), Kaiser Friedrich noch
übertrumpfen wollte ^). An Stelle des Rechtsschutzes des Kaisers tritt
1) Tomaschek I, 20.
2) a. a. 0. I, 24.
3) Sollen ihm doch sogar die Juden die ungewöhnliche Kriegskoutribuüoa
im Jahre 123G angeraten haben (Ann. Salisb. M. G. SS. IX, 786).
4) Tomaschek a. a. 0. S. 21 und Scherer a. a. 0. S. 173
4T0 Neunzehntes Kapitel.
der des Herzogs. Ein eigener Judenrichter wird für die Juden ein-
gesetzt und Verbrechen, ja auch nur Vergehen der Christen gegen
sie mit schweren Strafen belegt. Am ausführlichsten werden Be-
stimmungen über das Pfandrecht getroffen. Während den Christen
im ganzen Mittelalter durcli die kirchlichen Gesetze das Zinsen-
nehmen verboten war, sind die Juden gerade deshalb neben den Lom-
barden, die sich vor den Kirchenstrafen nicht fürchteten, die einzigen
Geldleiher gegen Faustpfand. In dem Privileg Friedrichs wird
der Zins für ein Pfund auf 8 Pfennige wöchentlich normiert, d. h.
also auf 173,33 Prozent! Ein enormer Zinsfafs, der im mittel-
alterlichen Europa nur noch in der Provence übertrofFen wurde.
Wird der Zins nach Monatsfrist nicht gezahlt, wächst Zins zu Zins
(Schaden). Dieses Privileg sollte nicht nur für die Stadt Wien,
sondern für alle Länder des Herzogs seine Gültigkeit haben.
Auch die anderen österreichischen Städte entwickelten sich
in dieser Periode unter verhältnismäfsig günstigen Bedingungen,
ohne dafs eigene Privilegien verliehen wurden, wenigstens sind keine
erhalten. Nur das als Grenzfeste und Handelsstadt gegen Ungarn
wichtige Hainburg wurde von Herzog Friedrich an demselben Tage,
an dem Wiens Recht erneuert wurde, mit Wiener Recht bewidmet.
Nur bestand hier den bescheideneren Verhältnissen entsprechend
der Rat der Genannten aus 20 Männern und Marktrichter wurden
nur 4 eingesetzt ^). Dem getreuen Wiener Neustadt hatte er selbst-
verständlich schon früher, am 5. Juni I23i^, um die Treue der
Bürger zu belohnen und um sie für die Verluste während des
Krieges zu entschädigen, ein Privileg erteilt, das eigentümlicher-
und wohlbedachterweise dem Stadtrecht des Kaisers für Wien
nachgebildet zu sein scheint. Auch hier finden wir die Steuer-
befreiung, die Aufhebung des Heiratszwanges und die Aus-
schliefsung der Juden von den Ämtern, dazu noch, um den Handel
zu heben, Mautbefreiung, einige andere Begünstigungen und die
Verleihung eines dreiwöchentlichen Jahrmarktes ^).
1) Archi\r für österreichische Geschichte X, 138 (Deutsche Übersetzung,
Kopie des 14. Jahrh.).
2) Ebeadas. 128, Verbesserungen bei Winter, Urkundliche Beiträge zur
österreichischen Eechtsgeschicbto IV, Aura. 3 (Innsbruck 1877). Vgl. Winter,
Das Gegenspiel der anderen Machtfaktoreu. 471
So sehen wir denn die Städte gleich in dieser ersten Periode
ihrer Entwickelung einen raschen Aufschwung nehmen, wenn sie
sich auch nicht an Bedeutung mit den Städten im deutschen Reiche,
namentUch den Reichsstädten, messen können ^). Wohl aber ver-
raten sie eine gewisse Ähnlichkeit mit denen im Koloniallande
Schlesien, z. B. mit Breslau, vielleicht weil auch hier vlämische
Kolonisten ihren Einflufs übten. Sie sind in einem starken Ab-
hängigkeitsverhältnis vom Landesherrn, der ihnen nach Gunst
die Rechte und Freiheiten verleiht oder verkürzt. Aber doch
sehen wir bereits die Anfänge der Selbstverwaltung. Die Bürger
sind ein eigener privilegierter Stand. Ihr Straf- und Privatrecht,
obwohl aus dem Landrecht hervorgegangen, weist charakteristische
Besonderheiten auf. Ein Hauptgewicht ruht in den österreichischen
Städten auf dem Handel; Schutz der handeltreibenden Bürger,
nur bedingte Rechte auswärtiger Kaufleute, Bestimmungen über
den Markt der Stadt begegnen in den Urkunden oft und immer
wieder. Auch die Privilegien der Juden als der Zwischenhändler
und Geldgeber müssen hierher gerechnet werden.
Hier ein Wort über Münze, Mafs und Gewicht ^). Die Münze
war ganz einfach. Der oberste Münzwert war das Talent (Pfund),
wie in älterer Zeit nach bayerischem Muster zu 8 Solidi (Schillinge),
ein Solidus zur 30 Denare (Pfennige), der Pfennig zu 2 Oboli (Helb-
linge) berechnet. Nahezu ausschliefshch herrschte die Silberwährung,
und zwar hatte noch immer die noch aus der Römerzeit stammende
Barrenwährung in ungemünztem Silber den Vorzug. Da die
Pfennigwährung bald an Feingehalt zu wünschen übrig hefs (die
rauhe oder beschickte Mark stand im Gegensatz zur feinen Mark),
so verfiel man auf den Ausweg, die Mark Pfennige, anstatt sie
auszuzählen, zu wägen (die „Mark silber gewegens", „marca ar-
Das Wiener Neustädter Stadtrecht des 13. Jahrhunderts (Arch. f. österr. Gesch.
LX, 71, 1880).
1) Vgl. den schon zitierten Aufsatz von Lorenz im 46. Bande der Wiener
Sitzungsberichte.
2) Luschin in der vom Wiener Altertumsvereine herausgegebenen „Ge-
schichte der Stadt Wien" I, 427; Dopsch in der Einleitung zu den „öster-
reichischen Urbaren" I, S. CXCIII; Aehleuthnor, Das älteste Urbarium voa
Kremsmünster S. XLIl (Wien 1857),
473 Neunzelintos Kapitel. Das Gcj^cnsiiiol dor anderen Maehtfaktoron.
geuti pondeniti"). Weit mannigfaltiger waren die Mafse, besonders
die Hühl- und Trockeninafse. Denn während die Münze der
Landestürst in seiner Macht behielt, wurde das Mafs den Städten
überlassen und nur gegen falsches Mafs eingeschritten. So kam
es, dafs fast jede Stadt ihr eigenes Mafs besafs, das auch in der
Umgebung, ja oft weit darüber hinaus Geltung hatte. Wir
finden im Lande unter der Enns Wiener, Neuburger (Klosterneu-
burger), Kremser, Tullner, St. Pöltener, Amstettener, Ipser, Stocke-
rauer J\Iafs, im Lande ob der Enns Linzer, Schärdinger, Welser,
Raber, Peuerbacher, später Steyrer ]\Iafs. Dazu kam noch der
Unterschied des sogenannten grofsen und kleinen Mafses oder auch
Burgmafs und Kastenmafs, von denen das erstere in den Städten,
letzteres bei den landesfürstlichen Zinsstellen, den Kasten, in Ver-
wendung stand. Die Mafseinheiten waren der Modius (Mut), die
Metreta (der Metzen) und das Scaphium (der Scheffel), im kleinen
Mafs Muttel und Metzel, doch läfst sich bei den bedeutenden
regionalen Verschiedenheiten, die auch nach den gemessenen Pro-
dukten wechselten, über ihr Verhältnis zueinander nichts Bestimmtes
sagen. Durchschnittlich am häufigsten umfafst das Mut 30 — 32,
das Muttel 4 — 5, der Scheffel etwa 6 Metzen. Was die Hohl-
mafse betrifft, so wurde Wein und Bier, ja auch der Honig nach
Urnen und Karaten (P^imern und Fudern) berechnet, deren Gröfse
gleichfalls an verschiedenen Orten verschieden war (Wiener, Tull-
ner, Kremser, Braunauer Eimer). Das Längenmafs war die Elle
(ulna), das Flächenmafs das Joch (jugerum). Manche Natur-
produkte hatten ihr ganz spezielles Mafs, so wurden Eier, Käse,
auch Lämmer nach Schillingen (zu 30 Stück), Flachs nach Büscheln,
Fische und Vögel nach Bändern (Wid) berechnet. — Als Ge-
wichtseinheit galt nach wie vor das alte bajuwarische Pfund, das
auf das römische zurückgeht.
Zwanzigstes Kapitel.
Österreich im Kampfe gegen äulsere Feinde. — Unter-^
gang Herzog Friedrichs des Streitbaren.
Das Ende des letzten Babenbergers ist nicht eigentlich tra-
gisch, denn es wächst nicht organisch aus den Schattenseiten
seines Charakters oder aus seinen ehrgeizigen Bestrebungen und
seinen Übergriffen heraus, sondern es wirkt nur erschütternd, weil
es der rein äufserliche jähe Abschlufs seltener Begabung und kühn
aufstrebender Tatkraft ist. Zeit seines Lebens hatte der junge
Fürst mit diesen blinden ZufäUigkeiten und äufseren Feindselig-
keiten zu kämpfen, die seiner hochfliegenden Politik und seiner
mutvollen Energie spotteten.
Nur zum kleineren Teile standen die zahlreichen auswärtigen
Kriege, die er auszufechten hatte, mit den Umwälzungen im
Inneren des Landes oder mit der Reichspolitik im Zusammenhange.
Höchstens dafs sie durch diese sich bietende Anlässe benutzten;
so etwa der Böhmeneinfall des Jahres 1230 die Erhebung der
Ministerialen in Österreich ^). Kann man hier noch eine geheime
KoaHtion vermuten, so sind die Gründe eines bayerischen Ein-
falles im Frühjahre 1233, der sich in seinen Plünderungen bis
Wels und Kloster Lambach erstreckte, das ebenso wie das Kloster
Suben zu starkem Schaden kam , weniger ersichtlich ^). Der
1) Über die im Folgeuden erwähnten Fehden und Beziehungen Österreiclis
und Böhmens vgl. Bach mann, Geschichte Böhmens I, 497 ff.
2) Cont. Larabac. (M. G. SS. IX, 558). — Über die Chronologie Hiru
a. a. 0. S. 17.— Erst eine ganz späte bayerische Quelle (Aventin) sucht Her-
zog Friedrich als den angreifenden Teil hinzustellen, bringt den Krieg mit der
Mitgift seiner zweiten Gemahlin Agnes von Meran am Inn in Zusammenhang-
und berichtet von einem Überfalle der Österreicher auf das bayerische Kloster
Formbach.
474 Zwanzigstes Kapitel.
Herzog und der Bischof von Passaii waren bemüht, die Schäden
wieder gutzumachen ^).
Zu einer Zeit, da Herzog Friedrich mit dem Kaiser in gutem
Einvernehmen zu stehen schien und auch im Inneren Ruhe herrschte,
lockte es ihn, auch selbst einmal einen Angriffskrieg zu führen und
zwar gegen das feindselige Böhmen. Anfangs Juli 1233 überschritt
er mit einem ganz bedeutenden Aufgebote von 40000 Mann ^) die
Thaya und eroberte das für uneinnehmbar geltende Bergschlofs
Vöttau. König Wenzel wagte keine offene Feldschlacht, sondern
zog sich eiligst zurück. Aber Herzog Friedrich konnte die Früchte
nicht ernten , zur Unzeit befiel ihn eine Krankheit, und überdies
machten die Ungarn mittlerweile einen Angriff auf Steiermark.
Der Umstand, dafs Herzog Friedrich in erster Ehe mit der
Schwester der Königin Maria von Ungarn und Tochter des Kaisers
Theodor Laskaris von Nicäa, Sophia, vermählt war, sich aber
nach drei Jahren hatte scheiden lassen, mochte mindestens einen
äufseren Anlafs zu Feindseligkeiten bieten. Wenige Monate später
war Österreich unter der Enns der Schauplatz der Fehde. Die
Ungarn sollen Höflein, die Österreicher Theben zerstört haben ^).
Doch endlich scheint es zum Frieden und zu besseren Beziehungen
gekommen zu sein, die sich in besonders solenner Weise bei der
Feier der Hochzeit Konstanzens, der Schwester Friedrichs, mit
Heinrich von Meifsen bekundete. Sie fand am 1. Mai 1234 zu
Stadlau bei Wien statt und gestaltete sich zu eiuer glänzenden
Fürsten Versammlung, die für das Ansehen, das der Herzog von
Österreich genofs, ein beredtes Zeugnis ablegt *).
Der Friede dauerte jedoch nicht lange. Herzog Friedrich
1) Herzog Friedrich macht zu diesem Zwecke dem Kloster Suhen eine
Schenkung (24. April 1233, Meiller, Eegesten 153, 22), während Bischof
Eüdiger von Passau im selben Jahre einen Ablafsbrief für Beiträge zur Wieder-
herstellung Lambachs ausgibt (ÜB. d. L. o. d. Enns IV, 558).
2) Cont. Lambac. (M. G. SS. IX, 558); Cont. Sancruc. I (a. a. 0. S. 628);
Ann. Mellic. (a. a. 0. S. 508). Erst sehr späte Quellen sprechen von einer Koa-
lition, die Friedrich zustande gebracht habe.
3) Cont. Sancruc. I (a. a. 0. S. 628); Cont. Claustron. III (a. a. 0. S. G37
mit anderer Anordnung der Ereignisse); Cont. Praed. Yind. (a. a. 0. S. 727).
Tgl. auch Ficker a. a. 0. S. 25.
4) Cont. Sancruc. (a. a. 0. S. 638) und Cont. Admunt. (a. a. 0. S. 593).
Österreich im Kampfe gegen äufsere Feinde. 475
selbst war immer bereit, seinen Nachbarn Abbruch zu tun. Zu
den unzufriedenen Adeligen Ungarns unterhielt er Beziehungen,
erbot sich zu Unterhandlungen mit dem Kaiser wegen Annahme
der ungarischen Krone und verlangte daher von diesem einen Bei-
trag zum Kriege gegen Ungarn und Böhmen von 2000 Mark '),
fand aber bei ihm nicht die gewünschte Unterstützung. So sah
er sich genötigt, um für sein bedeutendes Heer — 30000 Mann —
den Proviant aufzubringen, eine Getreidesperre anzuordnen, womit
er zugleich auch den ungarischen Handel traf ^). Trotzdem ver-
mochte er dem Doppelangriffe nicht standzuhalten, nachdem er
wohl anfangs über die ungarische Grenze vorgedrungen war. Die
Ungarn führten ihre Verwüstungen bis vor die Tore Wiens, die
Böhmen im Norden der Donau bis Stadlau. So entscblofs sich
denn der Herzog, den Frieden mit den Ungarn mit Geld zu er-
kaufen ^).
Mit Böhmen kam ein Friede nicht zustande. Zwar zogen
sich die Kriegsscharen, als die Ungarn Osterreich verliefsen,
gleichfalls zurück, aber der König von Böhmen und der Markgraf
von Mähren waren im Vereine mit dem Herzog von Bayern und
den geistlichen Fürsten die Hauptwortführer der Anklage gegen
Herzog Friedrich auf dem Reichstage zu Mainz im August 1235
und zugleich auch diejenigen, die sie am hartnäckigsten verfochten,
denn der Böhmenkönig fand sich auch auf dem Hof tage von
Augsburg Ende Juni 1236 wieder ein, um den Kaiser zum Ein-
schreiten gegen Herzog Friedrich zu bestimmen, und trug auch
endlich in der Sache den Sieg davon. Welch bedeutende Rolle
er damals spielte, kann man daraus ersehen, dafs der Kaiser ge-
rade ihm gegenüber alle Beschwerdepunkte gegen den Herzog
erörterte und dafs auch des Herzogs Mutter Theodora bei ihm
Zuflucht suchte. Wie schon erwähnt, sprach der Kaiser die Acht
über Friedrich aus und übertrug dem Böhmenkönig, dem Hei'zog
1) Darüber siehe schon oben. Quelle ist der mehrfach erwähnte Brief des
Kaisera an den König von Böhmen.
2) Siehe oben.
3) Ad 1234 Ann. S. Rudb. Salisb. (a. a. 0. S. T8G); ad 1235 Cod. S. Petri;
Cont. Sancruc. II (a. a. 0. S. 638); Chronic, regia Colon. Cont. IV, 2ßl; Ann.
Erphord. (Böhmer, Fontes II, 395); ad 1236 Ann. Mellic. (M. G. SS. IX, 508).
476 Zwanzigstes Kapitel,
von Bayern, dem Markgraten von Brandenburg und den Bischöfen
von Passau und Bamberg die Durchführung des Reichskrieges
gegen Osterreich. So hatte der Bühmenkönig die Genugtuung,
gleichsam mit Sanktion des Reichsoberhauptes in Österreich ein-
fallen und abermals dessen nördliche Teile verwüsten zu können.
Er sowie der Herzog von Bayern befand sich auch unter den
Fürsten, die sich im Januar 1237 um den Kaiser zu Wien ver-
sammelten und hier dessen Sohn Konrad zum deutschen König
wählten '). Zu einer länger währenden Besetzung irgendwelcher
Teile Österreichs durch die Böhmen kam es jedoch nicht. Die
Reichsunmittelbarkeitserklärung der österreichischen Länder durch
den Kaiser entsprach in dieser Beziehung den Erwartungen
Böhmens nicht.
So widerstrebte König Wenzel nicht, als bei dem grofsen
Umschwünge der Politik nach Kaiser Friedrichs Bannung durch
Albert Behaim mittelbar und durch den Herzog von Bayern,
der wohl auch eine Gebietsvergröfserung erhofft hatte, aber
durch die kaiserliche Politik enttäuscht worden war, und den
Bischof von Freising unmittelbar, endlich auch durch den Papst
eine Aussöhnung mit Herzog Friedrich angebahnt wurde. Auf
diese W^eise erlangte er nämlich als Unterpfand für eine zu
leistende Hilfe leicht das, was er früher von seiner kaisertreuen
Politik vergebens erwartet hatte, die Zusage der Abtretung des
nördlichen Teiles von (Österreich. Die Verlobung seines ältesten
Sohnes Wladislaw mit Friedrichs Nichte Gertrud, die schon da-
mals wahrscheinlich als künftige Erbin Österreichs in Aussicht
genommen war, besiegelte den Bund. Aufserdem wurde dem
Böhmenkönig sofort die wichtige Grenzfestung Laa verpfändet ^).
Zwar hört man von einer tatsächlichen Unterstützung des
Herzogs durch den Böhmenkönig oder den Bayernherzog — dieser
stellte speziell zur Wiedereroberung Wiens 4000 Mann in Aus-
sicht 2) — in der nächsten Zeit nichts Bestimmtes^), aber die
1) Vgl. obeu.
2) Cent. Saucruc. IL ad 1241.
3) Höflers Ausgabe der Konzeptbücher Adalbert Behaims in der Biblio-
thek des literarischen Vereins von Stuttgart XVI, 5.
4) Wieso Eiezler, Geschichte Baierus II, 73 von einer „Ausbeutung
Österreich im Kampfe gegen äufsere Feinde. 477
moralische Wirkung des Bündnisses im Vereine mit dem Kirchen-
banne war jedenfalls so grofs, dafs der Hauptwiderstand im Lande
gebrochen war. Unter den Städten gingen Laa und Enns, sodann
nach und nach die meisten Ministerialen zu Friedrich über, und
endlich ergab sich auch Wien.
Wir haben bereits gesehen, dafs der Herzog unmittelbar, nach-
dem er wieder in den Vollbesitz seiner Länder gekommen war,
abermals eine Schwenkung machte und sich dem Kaiser wieder
anschlofs. Obwohl auch der Böhmenkönig diesem zuneigte, fiel
es dem Herzog jetzt gar nicht ein, sein Versprechen zu halten.
Die Stadt Laa, die der Herzog vertragsmäfsig dem Böhmenkönig
übergeben hatte, ging wieder zu ihm über '). Ein kurzer Feld-
zug König Wenzels im Spätherbst 1240 verlief ergebnislos. Man
einigte sich im nächsten Frühjahre dahin, die Verlobung Wladis-
laws und Gertruds aufrechtzuhalten, aber von einer Gebietsabtretung
abzusehen -).
Den Grund dieser raschen Nachgiebigkeit dürfte man mit
Recht in dem zu dieser Zeit von Osten herannahenden Mongolen-
sturm erblicken ^). Dieser plötzlich einherbrausende Schrecken,
der mit seinen Greueltaten bereits Ungarn und Polen erfüllte, war
ganz danach angetan, in den angrenzenden Gebieten bis nach
Deutschland hinüber Angst und Furcht zu verbreiten. Am y. April
des Bündnisses" durch Herzog Friedrich reden kann, ist nicht klar. Die öster-
reichischen Annalen wissen von böhmischer oder bayerischer Beihilfe nichts.
Dafs Papst Gregor IX. in einem Schreiben an den Herzog diesen zur Dankbar-
keit wegen der „böhmischen Hilfe" ermahnt, beweist nichts für die wirklich
erfolgte Unterstützung.
1) Cent. Sancruc. H (M. G. SS. IX, 640).
2) Ebendas. S. 639.
3) Über den Mongoleneinfall siehe jetzt die zusammenfassende und trotz
einzelner Mängel beachtenswerte Arbeit von S trakosch- Grafsma nn, Der
Einfall der Mongolen in Mitteleuropa in den Jahren 1241 und 1242 (Innsbruck
1893). Vgl. aufserdera Wolff, Geschichte der Mongolen (Breslau 1872) und
Schwamrnel, Der Anteil Friedrichs des Streitbaren an der Abwehr der Mon-
golen (Zeitschr. f österr. Gymnasien VIII, 671 f., 1857). — Hauptquellen sind
das allerdings sehr einseitig parteiische Carmen miserabüe des Magister Rogerius
(Endlicher, Eer. Hung. Mon. Arpad. 255) und Thomas v. Spalato, Hist.
Salonitana (SS. rer. Hungaric. ed. Schwandtner III). Über Einzelheiten siehe
auch die österreichischen Geschichtsquellen.
47S Zvvanzif^stcs Kapitel.
1241 erfolgte die vernichtende Niederlage bei Liegnitz und darauf
die verheerende Überschwemmung Mährens durch die wilden
Scharen. Dennoch verlief sich wenigstens für Böhmen die bereits
aufs äufserste drohende Gefahr bald wieder. Dagegen kam König
Bela von Ungarn in die härteste Bedrängnis, besonders da die
Aufnahme der von den Mongolen aus ihren Wohnsitzen ver-
triebenen Rumänen ohnehin nicht unbedenkliche Folgen hatte.
Obwohl die Kunde von den Plünderungszügen der Mongolen
sich in ganz Mitteleuropa verbreitet hatte, schien Ungarn ohne
fremde Hilfe eine Beute der Barbaren werden zu sollen. Aber
nur Osterreich, das allerdings in erster Linie bedroht war, ent-
schlofs sich zur Hilfeleistung. Die Kurie, die wie immer den
Zusammenhang klar erkannte, liefs sowohl vom Kloster Heiligen-
kreuz, das wegen seiner ungarischen Besitzungen an der Sache
besonderes Interesse haben mufste, als auch von den Dominikanern in
Wien das Kreuz predigen '). Herzog Friedrich aber ergrifif gern
die doppelte Gelegenheit, einerseits seinen persönlichen kriegerischen
Drang zu betätigen, andererseits in die Verhältnisse Ungarns, mit
dessen unzufriedenen Magnaten er schon lange in Verbindung stand,
einzugreifen. Er konnte auch mit dem Ergebnisse seiner Aktion
nach beiden Richtungen hin zufrieden sein. Er erwies sich nicht
nur in Gefechten gegen die Barbaren als verwegener Haudegen^
er errang mit seiner persönlichen Tapferkeit auch die Bewun-
derung des Volkes, soll sogar bei der Ermordung des Kumanen-
fürsten Kuthen die Hand mit im Spiele gehabt haben ^), und er-
lebte schliefslich die Genugtuung, dafs sich König Bela, obwohl
nicht eben gerade sein Freund, gezwungen sah, zuerst seine Fa-
milie mit dem ungarischen Kronschatze und endhch nach der
vernichtenden Niederlage der Ungarn bei Mohi am Flusse Sajo
(11. April 1241) sich selbst nach Österreich in Sicherheit zu bringen.
Das kam dem Babenberger ungemein erwünscht. Ein skrupel-
loser Realpolitiker wie er konnte eine solche Gelegenheit unmög-
lich verstreichen lassen, ohne sie für seine Zwecke auszubeuten.
Er zwang den Ungarnkönig zu einem Vertrage, über den wir
1) Potthast, Reg. Pont. 11038.
2) Selbst Roger (Carmen mis. 24) überliefert die Beschuldigung als Gerücht.
Österreich im Kampfe gegen äufsere Feinde. 479^
allerdings nicht genau unterrichtet sind '). So viel scheint jedoch
sicher zu sein, dafs Herzog Friedrich seine fernere Hille nicht nur
von der Übergabe eines beträchtlichen Teiles des ungarischen Kron-
schatzes als Entschädigung für die beim letzten Friedensschlüsse
von ihm gezahlte Summe (70 — 100000 Mark) abhängig gemacht
hat, sondern auch von einer wesentlichen Gebietserweiterung durch
drei Grafschaften. Welche dies gewesen sind, läfst sich nicht
mehr nachweisen. Eine davon dürfte Oedenburg gewesen sein,
da er dieses bald nachher besetzte ^) , eine andere Prefsburg, das
er gleichfalls besetzen wollte, woran ihn aber Graf Cosraas
und dessen Bruder Achilleus hinderten; die dritte war entweder
Eisenburg oder Wieselburg ^). Auch Raab brachte er, wenn auch
nur vorübergehend, in seine Hand.
Es war dies alles gewils nicht nur politisch, sondern auch
strategisch sehr klug und geschickt, denn bei der allgemeinen
Verwirrung und Zerfahrenheit, die in Ungarn herrschte, mufste
er darauf Gewicht legen, sein eigenes Land vor einem Einbrüche
der Mongolen zu sichern, zumal ein kleiner Trupp bereits im Mai
oder Juni 1241 bis gegen Korneuburg vorgedrungen war ^). Und
diese Sicherung erreichte er am besten durch die Besetzung der
ungarischen Grenzfestungen. Geld verschaffte er sich durch Zwangs-
anleihen, die er von Ungarn und Deutschen, die in Österreich
eine Zuflucht suchten, erprefste. Er erreichte auch tatsächlich
so viel, dafs, obwohl das deutsche Kreuzheer noch immer aus-
blieb, nur noch einmal ein mongolisches Streif korps österreichischen
Boden betrat und sich bis gegen Wiener Neustadt wagte ^).
Man mag über Herzog Friedrichs Haltung angesichts der Mon-
golengefahr nicht zum besten denken, immerhin scheint er der einzige
1) Nämlich auch nur durch Eoger a. a. 0. S. 280.
2) Geht aus Belas Schreiben vom 5. Juni 1243 (Fejor, Cod. dipl. Hung..
IV S 287) hervor.
3) Eoger S. 33; Fejer TV \ 390; IV ^ 388—391.
4) Schreiben Herzog Friedrichs an König Konrad vom 13. Juni 1241
(Meiller, Eegesten 167, 85).
5) Math. Paris., Chron. mai. (SS. XXVIII, 213), allerdings von Schwam-
mel, Hirn, Ficker, Wolff, Huber und Strakosch angezweifelt; dafür
der Bericht Jvos von Narbonne (Erben, Eeg. Boh. I, 500).
480 Zwanzigstes Kapitol.
deutsche Fürst gewesen zu sein, dem eine Ahnung von der
Gröfse der Gefahr aufdämmerte und der wenigstens etwas zur
Sicherung des Westens tat. Trotz alledem mufs es als ein
seltener Glücksfall für Europa angesehen werden, dafs die Mon-
golen ebenso rasch und rätselhaft wieder nach dem fernen Osten
verschwanden, wie sie aufgetaucht waren. Ende 1241 war der
Grofskhan Ogstai gestorben, und sein Feldherr Batu trat den
Kückzug an.
Nach Friedrichs Haltung während der Mongolengefahr ist es
nicht verwunderlich, dafs er gleich wieder in Händel mit seinen
beiden Nachbarn geriet. Wieder scheint die Unbotmäfsigkeit seiner
Ministerialen daran schuld gewesen zu sein, dafs er gegenüber
beiden klein beigab. Die österreichische Besatzung von Raab
wurde von den Ungarn überfallen und die Stadt verbrannt, Oeden-
burg belagert, und der Graf des Prefsburger Komitates, Achilleus,
streifte bis gegen Wien. In dem Frieden, zu dem Herzog Friedrich
genötigt war, mufste er vermutlich die drei verpfändeten Komitate
zurückgeben ') ; ebenso endeten die Zwistigkeiten mit dem Böhmen-
könig, dem er durch einen Einfall in Mähren zuvorzukommen
suchte, mit der Erneuerung des Ehegelöbnisses zwischen dem
Prinzen Wladislaw und seiner Nichte Gertrud -). Und bald darauf
geriet er auch in Fehde mit seinem dritten Nachbarn, dem Herzog
von Bayern. Auch hier gab eine Heiratsangelegenheit den äufseren
Anstofs, die zunächst eine scheinbare Annäherung gebracht hatte.
Im Jahre 1243, als Friedrich im Vollbesitze seiner Macht
stand und sich mit vielen weitausschauenden Plänen zu deren
Erhöhung trug, ging er unter anderem auch daran, seine vier-
zehnjährige Ehe mit Agnes von Meran, da sie kinderlos zu bleiben
drohte, zu lösen. Bevor noch die Entscheidung von Rom eintraf,
1) Fpjer, IY\ 289, 295; IV-, 313, 388-391; Cont. Sancruc. II (Mon.
Germ. SS. IX, 641), dagegen konfus Cont. Garst, (a. a. 0. S. 597). Da bereits
im Dezember 1242 in den Komitaten Wieselburg, Eisenburg und Oedenburg eigene
Grafen nachweisbar sind, so sind diese Grafschaften nicht, wie Ficker S. 111
meint, im Besitze Herzog Friedrichs geblieben, sondern mufsten von diesem
wieder abgetreten worden sein (Hub er I, 462, Anm. 1).
2) Cont. Carstens, (a. a. 0. S. 597); Cont. Sancruc. II (a. a. 0. S. 641);
Ann. Öt. Eu<lpcrti (a. a. 0 S. 788); Canon. Prag. Cont. Cosmae 174; dazu
wohl auch nodi die Stelle bei Albert Behaim (Höflor a. a. 0. S. 30).
Österreich im Kampfe gegen äiifsere Feinde. 481
war bereits eine Synode österreichischer Bischöfe ihm zu Willen
und sprach die Scheidung aus (Juni 1243 zu Friesach). Die
staufische Partei betrieb das Heiratsprojekt nach Kräften, Erz-
bischof Eberhard von Salzburg scheint den Vermittler gespielt zu
haben. Bei einer persönlichen Zusammenkunft zwischen Herzog
Friedrich und Herzog Otto von Bayern zu Wels wurde die Ver-
mählung des Babenbergers mit des letzteren Tochter EHsabeth
beschlossen ^), und es fanden gegenseitige Besuche in Wien und
München statt ^).
Aufserliche Zufälligkeiten zerstörten diese Kombinationen wie-
der. Friedrich liefs sich in einer kleinen Grenzfehde zu politischen
Unbesonnenheiten hinreifsen, die dann weitere Kreise zogen ^). Die
Brüder Heinrich und Ortolf von Waldeck, Dienstmannen des
Bischofs von Passau, hatten sich des Schlosses Obernberg am Inn
bemächtigt und trieben von da aus in weitem Umkreis ein Raub-
ritterunwesen, wie es eben in der Zeit der erstarkenden Ministeri-
alenmacht bereits da und dort aufzutauchen begann. Sogar das
Kloster ßanshofen wurde von ihnen zerstört, und wiederholt er-
streckten sich ihre Raubzüge auch auf österreichisches Gebiet. Als
sich daher Bischof Rüdiger von Passau an Herzog Friedrich um
Unterstützung gegen seine unbotmäfsigen Dienstmannen wandte,
ging dieser bereitwilligst darauf ein und besetzte die Burg Obern-
berg. Aber statt sie dem Bischof zurückzustellen, übergab er sie
dem aufstrebenden Geschlechte der Schaumberge im benachbarten
Attergau. Ja er ging noch weiter, er rifs auch eine andere pas-
sauische Burg, Ebersberg an der Traun, an sich und liefs sie zer-
stören. Da daraufhin Bischof Rüdiger zu Herzog Otto von Bayern
seine Zuflucht nahm und dieser ofi'enbar seine Partei ergriff, so
wurden die Beziehungen zwischen Bayern und Österreich ab-
gebrochen, ohne dafs es indessen vorläufig zu einem Wafi'engange
gekommen wäre. Aber kaum hatte sich Herzog Friedrich auf
1) Cont. Garst. (Mon. Germ. SS. IX, 597).
2) Font. rer. Austr. 2. Abt. XI, 107 und Cont. Garst, a. a. 0.
3) Darüber eingehend die Cont. Garst, und Magni presb. ann. Reichersb.
(M. G. SS. XVII, 529); auch Archiv für österreichische Geschichte XVII, 359.
Vgl. Riezler, Geschichte Baierns II, 80, dessen Darstellung jedoch mehrfach
zu modifizieren ist.
Yancsa, Geschichte Nieder- n. Oberösteneichs. 31
483 Zwanzigstes Kapitel.
den Reichstag zu Verona begeben, als Herzog Otto seine Abwesen-
heit benutzte, um die Feste Obernberg einzuscbliefsen, freilich ohne
Erfolg, da sie die Brüder Bernhard und Heinrich von Schaumberg
durch sechs Wochen hindurch heldenmütig verteidigten, und als
Friedrich aus Italien zurückkehrte, zog er es vor, die Belagerung
abzubrechen.
Zur selben Zeit machte König Wenzel von Böhmen, der
übrigens jetzt ganz zur päpstlichen Partei übergetreten war, einen
neuerlichen Versuch, die Heirat seines Sohnes mit Gertrud, deren
Vermählung mit dem Kaiser sich mittlerweile zerschlagen hatte,
mit Waffengewalt durchzusetzen. Sein Neffe Ulrich von Kärnten,
dem das Lundenburger Grenzgebiet übertragen war, befehligte das
Heer, stiefs aber bereits zwischen Laa und Staatz auf Herzog
Friedrich, der ihm trotz der Minderzahl des eigenen Heeres eine
vernichtende Niederlage beibrachte, und an tausend Gefangene
machte, darunter Ulrich von Kärnten selbst, dreizehn Anführer
und zweihundert Ritter (26. Januar 1246) ^).
Einige Monate später fühlte sich König Bela von Ungarn
nach dem Mongolenstürm bereits gekräftigt genug, um den An-
griff auf Osterreich wieder einmal zu erneuern. Vielleicht mochte
er hoffen, wie früher die drei Komitate, jetzt auch die seinerzeit
bezahlte Summe zurückgewinnen zu können, wahrscheinlich reichten
auch die Fäden von der Kurie nach Ungarn hinüber. Die ein-
silbigen Quellen bieten keinen Anhaltspunkt für das Motiv. Wir
sehen nur ein fortwährendes Auf- und Niederwogen der öster-
reichischen Grenz- und Nachbarkriege. Auch diesmal schien Herzog
Friedrich sein altes Glück zu begünstigen, denn als es am 15. Juni
1246 unweit Wiener Neustadt ^) an der Leitha zur Schlacht kam,
1) Berichte in allen österreichischen Annalen Mon. Germ. IX; auch Heinr
Heimb. Ann. M. G. SS. XVn, 174 und Chron. regia Colon. Cont. V, ed. Waitz
S. 289; am ausführlichsten Enenkel (M. G. Deutsche Chron. III, 664).
2) Schon Juritsch S. 664 hatte als Schauplatz der Schlacht die Nähe
von Pottendorf genannt, ohne seine Gründe dafür klarzulegen. Unabhängig
Ton ihm versuchte Lampel, Das Lokal der Leithaschlacht (Ber. u. Mitt. d.
Altertumsvereines XXXIV, 1 , 1899) dieselbe Annahme eingehend zu verfechten.
Er wurde jedoch auf Grund der zeitlich zunächststehenden Quellen widerlegt
von ühlirz in den Mitteilungen des Institutes für österreichische Geschichtsf.
XXI, 155 (vgl. dazu noch Lampeis Replik im Maiheft des Monatsblattes des
Österreich im Kampfe gegen äufsere Feinde. 48S
wurden die Ungarn in die Flucht geschlagen. Erst als der Sieg
bereits erfochten war, vermifste man den Herzog. Endlich fand
man ihn unter den Gefallenen, das Haupt von einem Lanzenstich
durchbohrt, von den Kämpfenden überritten ').
So fiel der letzte der Babenberger, zugleich einer der befähigt-
sten, energischsten und taten reichsten, noch ehe er durch eine neue
Ehe für eine Nachkommenschaft sorgen konnte, im blühenden
Mannesalter einem blinden Zufall zum Opfer, als er eben Aussicht
hatte, nach Überwindung der Haupthindernisse die alten Leit-
gedanken seines Geschlechtes: die Begründung eines nach aufsen
möglichst unabhängigen, nach innen absoluten Landesfürstentums
in Verbindung mit einer eigenen Landeskirche zu verwirklichen.
Er liefs das Land zurück, ohne dafs die wichtige Erbfolgefrage
definitiv geregelt gewesen wäre, den Begehrlichkeiten der Kurie,
des Reiches, der Nachbarmächte preisgegeben, aber auch im inneren
Gefüge gelockert durch das Erstarken so vieler Sonderbestrebungen
des Adels, der Städte, der Geistlichkeit, die nur durch seine feste
Hand mühsam niedergehalten waren.
Altertums Vereines 1900 und Uhlirz' Duplik in den Mitteilungen des Institutes
XXI, 560).
1) Die ausführlichste und wichtigste gleichzeitige Quelle ist Ulrich von
Liechtenstein (Frauendienst, hgg. von Lachraann S. 527), der wahrscheinlich
auch Teilnehmer der Schlacht gewesen ist. Die meisten der übrigen mehr oder
minder gleichzeitigen Quellen in den österreichischen Annalen enthalten nur eine
trockene Notiz. Erst in den späteren greift die Legendenbildung und Aus
schmückung immer mehr um sich. Da ohnehin Ficker im Exkurs 5 (S. 174)
und Ju ritsch S. 665 ein genaues Verzeichnis und eine kritische Sichtung aller
Quellen geben, so glaube ich hier im Eahmen der Landesgeschichto von einer
neuerlichen Aufzählung absehen zu können (vgl. übrigens oben S. 320).
31*
Einundzvvanzigstes Kapitel.
Der österreichische Erbfolgestreit ^).
Die Rechtsfrage nach Herzog Friedrichs Tode lag an sich
ziemHch klar. Da der Herzog weder männliche noch weibliche
Nachkommen hinterlassen und auch keinerlei Bestimmungen über
die Nachfolge getroffen hatte, wie sie das Privileg von 1156 ein-
geräumt zu haben scheint, so hatte in der Tat niemand direkten
Anspruch auf das Gesamterbe, sondern die einzelnen Bestandteile
sollten von Rechts wegen in folgender Weise auseinanderfallen:
die Farailienallode der Babenberger an die einzigen überlebenden
weiblichen Seitenverwandten, an Friedrichs Schwester Margarete,
die mit dem Sohne des Kaisers, König Heinrich VH., vermählt ge-
wesen und bereits verwitwet war, und an seine Nichte Gertrude,
die Kirchenlehen an die Hochstifte und die Reichslehon, insbesondere
die Herzogswürde mit allen ihren Gerechtsamen an das Reich.
Man wird es jedoch sehr begreiflich finden, dafs in einer
durch Parteiungen so vielfach zerrissenen Zeit und bei einem so
aufsergewöhnlichen, unvorhergesehenen Fall die Dinge nicht den
friedlichen, rechtmäfsigen Weg gingen, vielmehr dafs nicht nur jeder
der Ansprecher weit mehr als ihm zukam herauszuschlagen suchte,
1) Lambacher, Österreichisches Interregnum (Wien 1773) mit Urkunden-
anhang; Lorenz, Die Erwerbung Österreichs durch Ottokar von Böhmen (Zeit-
schrift f. österr. Gymnasien 1857) und Deutsche Geschichte im 13. und 14. Jahr-
hundert I (Wien 1863) , deren drei erste Bücher unter dem Titel : Geschichte
König Ottokars II. von Böhmen und seiner Zeit (Wien 1866) auch separat er-
schienen sind; Huber I, 514 ff.; Turba, Geschichte des Thronfolgerechtes
S. 41tf. (Wien u. Leipzig 1903); in Kürze Dopsch, Das österreischische Inter-
regnum in „An Ehren und an Siegen reich", das demnächst erscheint.
Der österreichische Erbfolgestreit. 485
sondern dafs auch noch eine Reihe weiterer Ansprecher erstand.
Selbst der relativ so einfache Punkt der Lehengüter gab zu allerlei
Übergriffen Anlafs. Es erscheint nicht unverdächtig, dafs gerade das
stets auf seinen Vorteil bedachte Passau, mit dem Herzog Friedrich
meist auf gespanntem, in den letzten Jahren sogar direkt feind-
sehgem Fufse gestanden hatte, am besten mit Belegen für seine
Ansprüche versehen war. Es konnte nicht nur ein detailliertes
Lehensbekenntnis des Herzogs aus dem Jahre 1241 vorlegen '),
sondern sich sogar auf ein Schreiben des Herzogs stützen, das
dieser noch am Abend vor seinem Tode in der Schlacht an der
Leitha aus dem Lager bei Wiener Neustadt an Albero von Pol-
heira geschrieben haben sollte, worin er ihm unter Berufung auf
ein dem Papste übersandtes Testament mitteilt, dafs er dem Bis-
tume Passau 3000 Mark Silber als Ersatz für allen früher zu-
gefügten Schaden bestimmt habe, und ihn auffordert, zusammen
mit einem gewissen Tröstelin die Städte Wels und Linz für den
Bischof zu verwalten -). Merkwürdigerweise sind gerade Wels
1) Meillor, Ro.uc'ston 1G6, Nr. 81: ÜB. d. L o. d. Enns III, 101.
2) Sowenig ich den Ergebnissen von Lampols oben genannter Unter-
suchung zustimme, ebensowenig überzeugt mich ühlirz" Versuch, dipse Ur-
Ivunde (Mon. Boic. XXIX b, 3(51 und Lampel a. a. 0. S. 19 mit Faksimile) zu
retten. Eine paläographisch- diplomatische Untersuchung wird hoffentlich das
Babenberger Urkundenbuch bringen. Vorläufig erscheinen aber doch die inneren
Verdachtsmomente zu bedeutend. Nach den allerdings nicht eben zahlreichen
und eingehenden Quelh-n lag doch eigentlich die Situation im damaligen Augen-
blicke eher so, dafs Herzog Friedrich mit dem Papste nicht zum besten stand.
Uhlirz mul's also einen nochmaligen Frontwechsel annehmen dafür, dafs der
Herzog ein Testament an den Papst gesandt habe. Dieses Testament ist un-
begreiflicberweise im folgenden Erbfolgestreit von der Kurie nie verwendet worden,
Uhlirz mufs also annehmen, dafs es auf dem Wege nach Koni in Verstofs
geraten ist. Und gerade dem Albero von Polheim soll am Vorabend der Schlacht
der Herzog davon Mitteilung gemacht haben, gerade Passaus, mit dem er zeitlebens
in Unfrieden gelebt, soll er gedacht haben'?! Uhlirz meint, die Annahme sei
gar zu kompliziert, dafs Passau gerade dieses Mandat gefälscht habe, wo es doch
eine direktere Urkunde hätte fälschen können. Dieser Umstand verliert jedoch
sein Bedenkliches, wenn man eben annimmt, dafs auch das gefälschte Mandat
für Albero von Polheim bestimmt war, der ja im Lande ob der Enns schon ein-
mal (1237) eine führende Eolle gespielt hatte und vielleicht ähnlich wie der
Kucnringer im Lande unter der Enns nach Friedrichs Tode sich wieder anmafste.
Das war jedenfalls der einfachere Weg, als zu einer Zeit, da eigentlich keino
4S6 Einundzwanzigstes Kapitel.
und Linz in Enenkels Fürstenbuche noch nicht in Passauischem
Besitz •).
Die anderen Bistümer, die ihre Interessen in Osterreich nicht
so glücklich verfochten, erlitten mannigfache Einbufsen, namentlich
durch die Übergriffe der Ministerialen, so z. B. Salzburg. Und
wieviel sich die Ministerialen von den landesfürstlichen Lehen und
Besitz widerrechtlich angeeignet haben, das bezeugen am besten
die strengen Mafsnahmen, die später, wie wir sehen werden, König
Ottokar treffen mufste, um das Interesse des Landeslursten gegen-
über diesen Übergriffen zu wahren. Dafs überhaupt die Ministe-
rialen die Gelegenheit benutzten, um sich als die Repräsentanten des
Landes aufzuspielen und die Lösung der Erbfolgefrage von ihrer
Entscheidung abhängig zu machen, wird wohl kaum wundernehmen.
Albero von Kuenring nennt sich bereits im August 1246, wie seiner-
zeit Hadmar von Kuenring, capitaneus Austriae^), auch Albero
von Polheim scheint sich im Lande ob der Enns eine dominierende
Rolle angemafst zu haben. Wie dann diese Adeligen das Zünglein
an der Wage bilden, werden wir ja noch sehen. Eine merk-
würdige Vertrauensstellung nahm der Deutschorden ein, der auf
seinen Burgen Starhemberg und Gutenstein die Österreichischen
Privilegien und herzoglichen Schätze in Gewahrsam hielt ^).
Das eigentliche Beutestück, um das der Kampf der Parteien
entbrannte, war naturgemäfs das Reichsland. Viele lüsterne Hände
streckten sich danach aus; wo keine Anrechte voi banden waren,
wurden solche konstruiert. Dafs allmählich so viele Anwärter er-
standen, daran trugen zwei Umstände Schuld. Der eine war der,
dafs der Kaiser gerade damals so sehr in die italienischen An-
gelegenheiten verwickelt und auch in Deutschland durch die im
Mai 1246 erfolgte Wahl des Gegenkönigs Hermann Raspe von
anerkannte Macht existierte, ein allgemein gehaltenes Dokument produzieren zu
wollen. — Fälschung nahmen au Berchtold, Landeshoheit S. 55; Hirn
S. 109; Ficker S. 130; Juritsch S. 664 und Lampel a. a. 0.
1) Strnadt hat daher auch das Lehnsbekenntnis für gefälscht erklärt
(Ber. d. Mus. Franc. - Ca rol. XXVII, 210 und Geburt d. L. o. d. Enns S. 99).
Äufserlich stellt es sich allerdings als echte Urkunde dar.
2: Font. rer. Austr. 2. Abt. VlII, 311.
3) Siehe Potthast, Eeg. Pont. 12684, 12 718, 12823.
Der österreichische Erbfolgestreit. 487
Thüringen mehrfach lahmgelegt war, so dafs er fast ein Jahr ver-
streichen liefs, ehe er etwas unternahm, um die erledigten Reichslehen
an sich zu ziehen. Unbegreiflicherweise hören wir nicht einmal
von irgendeinem Erlafs, der diese Ansprüche wenigstens theoretisch
festgestellt hätte. Vielleicht hielt der Kaiser die Sachlage für ein-
facher, als sie sich gestaltete. Und doch hätte er gleich von vorn-
herein mit dem zweiten Umstand rechnen sollen: die Kurie wartete
ja nur auf die Gelegenheit, um ihm auch in der österreichischen
Frage eine Niederlage zu bereiten; eine Vergröfserung der kaiser-
lichen Macht mufste der Papst unter allen Umständen hintanhalten.
Bevor jedoch die grofsen Parteien über ihre Mafsregela
schlüssig geworden waren, traten die kleineren, durch die lange Ver-
zögerung verlockt, auf den Plan. Zunächst beeilte sich der
Böhmenprinz Wladislaw, die ihm schon so lange in Aussicht ge-
stellte Ehe mit Herzog Friedrichs Nichte Gertrude zu vollziehen *),
denn nach den Ereignissen der letzten Jahre schien diese die
allermeiste Aussicht auf die Erbfolge zu haben und war jedenfalls
schon durch das Erbe der Allode reich und mächtig genug. Er
galt auch in den Augen vieler Österreicher als rechtmäfsiger
Herzog im Lande ^). Aber gleich an Wladislaw erfüllte sich das
eigentümliche Verhängnis, das fast über allen Personen schwebte,
die in dem österreichischen Erbfolgestreit in den Vordergrund
traten: er starb, ehe er noch seine Ansprüche geltend machen
konnte, am 3. Januar 1247.
Seine Vermählung scheint den Anstofs dazu gegeben zu haben,
dafs sich nun auch König Bela von Ungarn als Anwärter meldete.
Eine eigentliche Berechtigung konnte er wohl kaum aufweisen,
aber er betrachtete vielleicht Osterreich als Kriegsbeute, nach-
dem Herzog Friedrich im Kampfe gegen ihn gefallen war. Die
Sache schien ihm eines Versuches wert, und er schlug gleich einen
1) Sämtliche österreichische Ännalen und auch böhmische Quellen verlege»
<iie Heirat nach des Herzogs Tode; demgegenüber verschlägt es nicht viel, dafs
die Ann. Mellic. (M. G. SS. IX, 508) an einer zweiten Stelle bemerken, Wla-
dislaw sei 8 Monate nach der Hochzeit gestorben. Siehe darüber Hu her I
517, Anm. 2.
2) Annal. Meli. Cont. (M. G. SS. IX , 507) und Can. Prag. Cent. Cosmae
(a. a. 0. S. 171).
488 Einunilzwanzipstos Kapitel.
ganz glücklichen Weg ein, indem er im November 124G eine Ge-
sandtschaft an die Kurie schickte *). Violleicht hatte man ihn von
hier aus ermutigt, da auf die Haltung Böhmens kein Verlafs war.
Übrigens versprach Bela sowohl die Hechte des Reiches, als auch
die des Bühmenkönigs und seines Sohnes zu wahren. Papst Inno-
zenz empfing die Gesandtschaft auf das freundlichste -) und for-
derte auch König Heinrich Kaspe auf, Bela zu unterstützen ^). Aber
Bela war gerade damals durch die inneren Wirren in Ungarn so
sehr in Anspruch genommen, dafs er nichts unternehmen konnte,
um die günstige Gelegenheit auszunutzen.
Endlich verliefs auch Herzog Friedrichs Schwester, die Königin-
Witwe Margarete, das Dominikanerinnenkloster zu Trier, in das
sie sich bereits zurückgezogen hatte, und erschien schon im Ok-
tober des Jahres 1246 in (J)sterreich *), zunächst wohl nur, um von
ihren Erbgütern Besitz zu nehmen, da sie sich in dem ihr zu-
gefallenen Hainburg niederliefs "), und sich in den Urkunden nicht
den Titel einer Herzogin von Osterreich anmafste, sondern sich
nur wie vorher Königin nannte ^).
Angesichts dieser -immer mehr anwachsenden Begehrlichkeiten
raffte sich endUch der Kaiser zu einem entscheidenden Schritte
auf, um das Land, und zwar Osterreich und Steiermark als Ein-
heit, für das Reich in Besitz zu nehmen. Im Frühjahr 1247 ent-
sandte er den Grafen Otto von Eberstein, den Neffen des
früheren Reichsverwesers in Osterreich, als „Capitancus et Pro-
curator (Hauptmann und Verweser) per Austriam et Styriam" '')
1) Am 15. November 1246 erteilte König Eela dem Meister der ungarischen
Minoritenprovinz Jakob die Yollinacht (l\Iou. Hnng. Dipl. XII, 226).
2) Schreiben des Papstes vom 30. Januar 1247 (The in er, Vet. Mon.
Hung. I, 203).
3) Desgl. von demselben Datum (Cod. Moraviae III, 66; Theiner a. a. 0.
I, 202). Eine Aufforderung an die Könige von Böhmen und Ungarn zur Be-
setzung der österreichischen Länder ist nicht ergangen (siehe Huber gegen
Lorenz I, 516, Anm. 2).
4) Urkunde Margaretas, Eomanorum regina (nicht als Herzogin), Wien,
13. Oktober 1246 (Winkelmann, Acta imp. 398).
5) Steierische Keimchronik, Vers 1285.
6) Winkelmann, Acta imperii I, 398.
7) So nennt er sich selbst in seinen Urkunden (ÜB. d. L. o. d. Euns III,
141 und Lamb acher. Österreichisches Interegnum [Wien 1773] Anh. 14, 15).
Der österreichische Erbfolgestreit. 48^
nach Wien und stellte ihm für die Finanzgeschäfte Witigo als
„Scriba imperii" oder auch „Scriba Austrie et Styrie" an die
Seite, der das Schreiberamt bereits unter dem letzten Babenberger
in Steiermark bekleidet hatte ^). Den grofsen Städten, Wien und
Wiener Neustadt, konnte er die Erneuerung ihrer Privilegien, Wien
speziell die Erneuerung der Reichsunmittelbarkeit mitbringen^);
der Adel, sogar die Kuenringer, war ohnehin mit einer Stel-
lung unmittelbar unter dem Reiche zufrieden und schlofs sich ohne
Widerrede dem Reichsverweser an.
Die Aktion des Kaisers brachte sofort eine Gegenaktion der
Kurie in Flufs. Das Merkwürdigste ist jedenfalls, dafs man sich
an der Kurie selbst nicht recht über die zu unternehmenden Schritte
im klaren war; diese haben anfangs etwas unsicher Tastendes,
sich Widersprechendes. Es war aber allerdings auch etwas ganz
Neues, dafs sich der Papst in eine Reichsfrage hineinmischte. Zu-
nächst scheint es den Machenschaften der päpstlichen Partei zuzu-
schreiben zu sein, dafs überhaupt eine Appellation an den päpstlichen
Stuhl zustande kam, die Papst Innozenz IV. für seine Einmischung^
wenigstens eine scheinbare Rechtsgrundlage schuf Die beiden
Babenbergerinnen scheinen zunächst solidarisch vorgegangen zu
sein: sie teilten dem Papste mit, dafs sich die Privilegien, aus
denen sie ihr Erbrecht ableiten könnten, im Besitze der Deutsch-
ordensritter auf der Feste Starhemberg befänden, und baten ihn um
seinen Schiedsspruch.
Innozenz IV. beauftragte daher am 3. September 1217 den
Bischof von Passau, die Auslieferung der Privilegien von selten
der Deutschordensritter zu veranlassen ^). Nun erst wandte der
Papst seine Gunst immer mehr Gertruden zu, denn gegen
Margarete sprachen ihre Gelübde und ihre verwandtschafthche
Verbindung mit dem staulischen Kaiserhause, für Gertrude aber
vor allem eine testamentarische Verfügung Herzog Friedrichs,
die jetzt auf einmal auftauchte und von ihr beim Papste als
1) Wichner, Gescliichte des Benediktinerstiftes Admont II, 329. V<^1.
Dopsch, Mittoihmgen des Institutes für österreichische Geschichts: f. XVIII, 258.
2) Die Privilegien sind vom April 1247 datiert (Tomas chek, Kechte
und Freiheiten der Stadt Wien I, 31).
3) Cod. Moraviae III, 77.
400 Einundzwanzigstos Kapitel.
Rechtstitel angemeldet wurde — es ist unklar, ob bona oder
mala tide. ^Yie es damit auch stehen mochte, der Papst beeilte
sich jedentalls ohne lange Bedenken, diese testamentarische Ver-
fügung anzuerkennen und mit seiner Autorisation zu versehen '),
sowie gleichzeitig der Babenbergerin die Unterstützung der Könige
von Ungarn und Böhmen, des Erzbischofs von Salzburg, der
Bischöfe von Olmütz und Seckau, sowie einzelner österreichischer
Landherren, wie des Grafen von Hardegg, zu erwirken ^) und befahl
dem Deutschorden, die von diesem bewahrten herzoglichen Privi-
legien und Schätze an sie auszuliefern ^}.
Wichtig erschien es dem Papste auch, die beiden allein-
stehenden Frauen zu verheiraten, natürlich mit Männern der päpst-
hchen Partei. Zuerst hatte er schon am 13. April 1247 Marga-
reten den Dispens zu einer Heirat mit dem Grafen von Henne-
berg erteilt ^), die jedoch nicht zustande kam, wie Margarete denn
überhaupt bald fallen gelassen wurde oder freiwillig wieder zurück-
trat ^). Nun bemühte sich der Papst noch mehr um Gertrudens
passende Verehelichung. In erster Linie hatte er den Gegenkönig
der päpstlichen Partei, Wilhelm von Holland im Auge *'). Schliefs-
lich vermittelte jedocli Herzog Otto von Bayern eine Heirat mit
seinem Neffen, dem Markgrafen Hermann von Baden, ungefähr
um die Mitte des Jahres 1248 ^j. Der Papst stimmte sodann zu,
dafs Gertrude ihrem Gemahl die österreichischen Länder zum Ge-
schenk machte, und damit auch der ganzen Sache der Schein
des Reichsrechts nicht fehle, suchte er die Belehnung Hermanns
1) 28. Januar 1248. Potthast, Keg. Pont. 1282fi.
2) Potthast, Kegesten 12816, 12 824, 12 825, 12828.
3) Ebendas. 12 634, 12 823.
4) Mon. Germ. Epist. s. XIII., II, 322. Im Mai weilten ihre Gesandten
beim Papst.
5) Margareta nennt sich vom März 1248 ah nicht mehr Herzogin von
Österreich (Lamb acher, Anh. 20), und dieselben Persönlichkeiten finden sich
in ihrer Umgebung und in der Hermanns von Baden. — Ja, wie wenig sie auf
dem ihr eröffneten Wege geblieben war, bezeugt der merkwürdige Umstand, dafs
sie am 27. März 1248 sogar zusammen mit dem kaiserlichen Verweser Otto
von Eberstein urkundet.
6) Potthast, Eegesten 12811.
7) Ann. MelUc. ad 1248.
Der österreichische ErbfoJgestreit. 491
mit Osterreich durch den Gegenkönig AVilhelm von Holland zu
erwirken, wobei er sich ausdrücklich auf die weibliche Erbfolge
in diesem Lande berief ^).
Den österreichischen Landherren war jedoch der neue Landes-
fürst nichts weniger als willkommen. Er war kaum in Österreich
erschienen und hatte mit Gertrude, die bisher auf dem väterlichen
Schlosse zu Mödling geweilt hatte, die feste Burg auf dem Kahlen-
berg bezogen ^), als sich noch im Sommer 1248 unter Führung
des Reichsverwesers Grafen Otto von Eberstein eine Gesandtschaft
österreichischer Adehger nach Italien aufmachte, um vom Kaiser
einen neuen Herzog zu erbitten, und zwar wollten sie den einen
Sohn Margaretens, also einen Enkel des Kaisers, der ebenfalls
Friedrich hiefs, von ihm als Herzog verlangen ^). Leider ge-
langte die Gesandtschaft nicht nach Parma vor den Kaiser; ein
Teil wurde von Erzbischof Philipp von Salzburg gefangenge-
nommen. Der Kaiser entschlofs sich unbegreiflicherweise wieder
nur zu einer Halbheit, nämlich zur Erneuerung der Reichsver-
weserschaft, mit der er für Osterreich den sehr unzuverlässigen
Herzog Otto von Bayern, für Steiermark den Grafen Meinhard von
<3örz betraute, so dafs nun die Babenbergischen Länder sogar zer-
rissen wurden.
Herzog Otto von Bayern, obwohl zeit seines Lebens mit der
Kirche auf schlechtem Fufs stehend, scheint doch seinem Neffen zu-
liebe auf jede Ausnutzung seiner Stellung, so sehr sie auch im Inter-
esse der bayerischen Politik gelegen gewesen wäre, verzichtet zu
haben. Ein einziges Mal zeigte er sich an der Enns. Osterreich,
solchergestalt sich selbst überlassen, konnte auf die Dauer Hermann
von Baden nicht Widerstand leisten. Besonders die Städte Wien,
Wiener Neustadt und andere fielen ihm nun zu. Von den Ade-
ligen ging aufser den Grafen von Hardegg, die schon früher auf
Gertrudens Seite getreten waren, noch eine Reihe kleinerer Ministeri-
1) Potthast, Kegesten 13190.
2) Fischer, Merkwürdigere Schicksale des Stiftes Klosterneuburg II, 207;
Böhmer, Eeg. Pont 50. Auch das Neuenburch der Cont. Sancruc, kann sich
auf das Kahlenberger Schlofs beziehen.
3) Cont. Garst. (M. G. SS. IX, 508); Cont. Sancruc. IL, Cod. IV, (a.a.O.
S. 642); Ann. S. Eudb. Salisb. (a. a. 0. S. 790); Böhmor-Picker, 3706—3708.
492 Kimindzwanzif^stos Kapitel.
aUni wie die Falkenberg, Stuchse, Habsbach, Preufsel, 7a\ ihm
über *). Die übrigen suchte er in ihrem Haupte zu fassen, indem
er im Herbst des Jahres 1249 gegen die Herren von Kuenring und
gegen Eggenburg ins Feld zog -). Zur Erliöhung seiner Autorität
wurde vom Papste sogar ein Legat entsandt ^). Trotzdem fand
Hermann keine Sympathien und wurde selbst in den Klöstern
nur als Usurpator angesehen '*).
Unterbrochen wurden seine Fortschritte auch durch einen
Einfall der Ungarn im Juli 1250, der Vergeltung für gewisse
Grenzverletzungen üben sollte, die sich Anhänger Hermanns, die
Schenken von Habsbach und die Preufsel, hatten zuschulden kom-
men lassen. Raubend und mordend, sengend und brennend drangen
die magyarischen Scharen im nordsteierischen Gebirge sogar bis
zum Kloster Mariazeil vor, das in Asche gelegt wurde. Es be-
durfte der Vermittelung des Böhraenkönigs, um den Abzug der
Feinde zu erreichen ^).
Noch ehe es Hermann von Baden möglich war, die Lage
des Landes doch zu seinem Vorteil auszunutzen, ereilte auch ihn
der Tod, am 4. Oktober 1250. Nun scheint endlich auch dem
Kaiser die Staatsnotwendigkeit , ( )sterreich einen neuen Herzog
zu geben, aufgedämmert zu sein ; allerdings konnte er nicht mehr
persönlich eingreifen, denn auch er ging noch im selben Jahre
1250, wenige Monate später, am i:). Dezember, zur ewigen Ruhe.
Testamentarisch übertrug er jedoch Österreich dem Sohne Marga-
retes, seinem Enkel Friedrich. Kurz darauf war auch dieser neue
Prätendent eine Leiche.
Das unglückhche Land war verwaister denn je, denn jetzt
mangelte jegliche Zentralgewalt, an die man sich hätte wenden
1) Siehe die Urkunden vom 16. und 21. September 1249 (ÜB. d. L. o. d.
Enns III, 159; La m back er, Auh. 25). Vgl. auch Cont. Saneruc. II. Cod. IV.
S. 642.
2) Siehe die letztgffnaritite Stelle,
o) Larabacher, Anh. S. 26.
4) Cont. Garst. (M. G. SS. IX, 598), Hermann v. Altaicli (SS. XVII, 393) ;
dazu noch Ann. Mellic. (IX, 508), Cont. Sancruc. II, Cod. IV. (a. a. 0. S. 642).
5) Ann. Mellic; Cont. Sancruc. II, Cod. IV.; Cont. Claustvoneob. ; Ann.
S. Eudb.; Auctar. Mariaezell. (M. G. SS. IX, 647) und die Urkunde bei Fcjer
IV ^ 314.
Der österreicliiscbe Erbfolgostreit. 498
können, und auch der Papst war in Verlegenheit, wen er als
Kandidaten aufstellen solle. Er machte wohl noch einen Versuch,
Gertrude zum dritten Male entsprechend zu verheiraten, und zwar
mit Florentius, dem Bruder des Königs Wilhelm von Holland '), aber
die Sache verwirklichte sich nicht, und Gertrude fühlte sich im Lande
so unsicher und verlassen, dafs sie es vorzog, zu Beginn des folgen-
den Jahres sich an den Hof ihrer Tante in Meifsen zu begeben -).
Freilich lebte auch noch der vom Kaiser eingesetzte Keichsver-
weser Otto von Bayern, und jetzt nach Hermanns von Baden Tode
machte er auch einen Versuch, seine Autorität wenigstens im
oberen Lande durchzusetzen, indem er seinen Sohn Ludwig in
das Land einrücken und eine Reihe von Burgen und Städten —
eine nicht ganz sichere Nachricht nennt auch Linz und sogar
Enns — besetzen liefs ^).
Dieser Vorstofs und der jüngste Einfall der Ungarn zeigte
recht deutlich, wessen sich das Land in seiner schutzlosen Lage
zu versehen hatte. Die Adeligen, die sich mehr denn je als Ver-
treter des Landes fühlten, waren daher entschlossen, sich selbst
einen neuen Herrn zu suchen. Es scheint, dafs man sogar einen
Augenblick an die Söhne der Schwester Herzog Friedrichs, an
die jungen Markgrafen von Meifsen gedacht hat •*).
Aber die Mehrzahl der österreichischen Adehgen richtete ihre
Blicke auf jene Persönlichkeit, die in unmittelbarer Nachbarschaft
vielversprechend heranwuchs und die die meiste Gewähr für eine
sichere Führung zu bieten schien, auf den Markgrafen Ottokar
von Mähren, nach Wladislaws Tode der älteste Sohn des Königs
Wenzel von Böhmen.
Aus ganz anderem Holze geschnitzt wie sein Vater, hatte er
sich ursprünglich aus Opposition gegen diesen der staufischen
Partei angeschlossen und im Jahre 1248 nicht unbedeutende
Erfolge errungen, war aber dann von seinem Vater mit Unter-
stützung der päpstlichen Partei wieder bezwungen worden. Schon
1) Potthast, Reg. Pont. 14198.
2) Am 6. Februar 1251 urkundet sie zum letzten Male in Wien (Font,
rer. Austr. 2. Abt. XXI, 10).
3) Nach Hermann v. Altaich (M. G. SS. XVII, 393).
4) Die steierische Reimchronik (Kap. 18 ff.) berichtet von einer Versamm-
404 Eimm(l/,\v;uizii:;st(.'ß Kapitel.
in diesem Kampfe sollen dem Könige von Böhmen österreichische
Adelige beigestanden haben '). Einige Monate später, im Sommer
1249, wird Graf Otto von Hardegg ausdrücklich als Anführer
österreichischer Dienstmannen genannt, die als Bundesgenossen des
Königs die Stadt Znaim einnehmen, welche zu dem mährischen
Reiche Ottokars gehörte '^). Andererseits finden wir schon im Januar
dieses Jahres eine Reihe allerdings wenig bedeutender Ministerialen
in Ottokars Umgebung zu Brunn, wo er Heinrich von Liechten-
stein mit Nikolsburg belehnt ^).
Jetzt, nachdem nacheinander Hermann von Baden, der Kaiser
und der junge Friedrich gestorben waren, nachdem im Herbste
1251 auch der Staufenkönig Konrad IV. nach Italien eezoffen
und so ziemhch jede Hoffnung geschwunden war, auf legalem
Wege einen neuen Herzog zu gewinnen, im Gegenteil zu fürchten
stand, dafs das Land die Beute eines beliebigen habgierigen Nach-
barn würde, entschlofs sich, wie gesagt, die Mehrzahl der Ade-
ligen, Ottokar von Mähren das Land anzubieten ^) ; dieser besafs
jetzt ganz besonders günstige Aussichten, denn er hatte sich zu rechter
Zeit, als er den Niedergang der staufischen Sache klar erkannt
hatte, der päpstlichen Partei zugewandt und konnte auch auf die
lung der österreichischeu Landherreu zu Triebensee, die den Beschlufs fafste,
durch eine Gesandtschaft einen Sohn des Markgrafen von Meifsen zur Übernahme
des Landes einzuladen, und dafs diese Gesandtschaft auf ihrer Eeise durch Böhmen
dann von König Wenzel auf seine Seite gezogen worden sei. Die Erzählung dürfte,
wie Lorenz, Erwerbung Österreichs S. 13 ausgeführt hat, willkürlich erfunden
sein. Dafs man aber in der Not an die jungen Markgrafen von Meifsen gedacht
haben mag, ist so naheliegend, dafs der Erzählung der Eeimchronik vermutlich
doch, wie so oft, ein wahrer Kern zugrunde liegen dürfte, nra so mehr, als ja
Gertrude sich nach Meifsen begeben und wahrscheinlich nicht gleich alle
Verbindungen mit der Heimat abgebrochen hatte. Möglich, dafs auch ein Be-
such des Markgrafen von Meifsen bei König Wenzel im Juli 1251 und eine Ge-
bietsabtretung von Seiten des letzteren damit zusammenhängt (Palacky, Gesch.
Böhmens II, 1, S. 138). Lorenz, Deutsche Geschichte S. 94 will auch eine
Sendung des Bischofs von Meifsen nach Österreich in diese Zeit versetzen.
1) Cont. Garst, u. Ann. S. Eudb. (M. G. SS. IX, 599 und 791).
2) Darüber und über das Folgende vgl. Bach mann I, 536 ff. Quellen
in Font. rer. Boh. II, 286 f. und 304 f.
3) Cont. Sancruc. H, Cod. IV. (M. G. SS. IX, 642).
4) Cod. Morav. III, 103.
Der österreichische Erbfolgestreit. 49»'
Unterstützung der Bischöfe rechnen. Da er sich mit seinem
Vater äufserlich ausgesöhnt hatte, so schlössen sich ihm auch die-
jenigen Adeligen in Österreich an, die ihm früher feindlich gegen-
überstanden.
Als der Ruf der österreichischen Landherren an ihn erging,
zögerte er keinen Augenblick , ihm zu folgen ^). Die Rich-
tung seines Marsches läfst keinen Zweifel darüber übrig, vor
wem er sich in erster Linie sichern wollte. Anfangs November
1251 rückte er ins Land ob der Enns ein, eine Demonstration
gegen Bayern, gegen das König Wenzel und Ottokar schon zu
Beginn des Jahres einen Streifzug unternommen hatten, dann erst
überschritt er die Enns und konnte am 6. Dezember, nachdem
er jedenfalls überall freundschaftlich aufgenommen worden war,
in Korneuburg, an der alten Malstätte des Landes, einen öster-
reichischen Landtag halten ^), wo er sich auch bereits Herzog von
Steiermark nannte. Schon am 21. November war eine offizielle
Huldigung der österreichischen Grofsen für den König von Böhmen,
als dessen Stellvertreter Ottokar formell erschien , erfolgt ^). In
Korneuburg findet sich dann eine stattliche Versammlung um ihn
ein. Die reichsfreien Herren von Schaumberg und Wasserburg
aus dem Lande ob der Enns, die wohl in erster Linie von der
Begehrlichkeit Bayerns sich bedroht fühlten (Graf Konrad von
Wasserburg war sogar 1247 von Herzog Otto vertrieben worden),
dann die Grafen Konrad und Otto von Hardegg, Albero von
Kuenring, Gundakar von Starhemberg, Hadmar von Werd, Otto
von Meifsau, Konrad von Himberg, Otto von Perchtoldsdorf,
Heinrich von Kreuzenstein, Wolker von Porau, Konrad von Zäk-
kinff und Rudolf von Pottendorf, namentlich aber zahlreiche geist-
liehe Fürsten und Prälaten, an ihrer Spitze die in Osterreich be-
1) Die Urkunden Ottokars verzeichnet Böhmer, Kegesten des Kaiserreiches
von 1246—1313. II. Ergänzuugsheft S. 425 fr. (Stuttgart 1857). Die Neu-
bearbeitung durch F ick er und Winkelmann enthält vorläufig nur die für
die Eeichsgeschichte wichtigen.
2) In den hier datierten Urkunden ist der Ort nur als Nienburch be-
zeichnet. Man hat dies bisher konsequent mit Klosterneuburg aufgelöst. Nach
meiner Meinung besteht kein Zweifel, dafs hier nur die Gerichtsstätte des Landes,
nämlich Korneuburg gemeint sein kann.
3) Cont. Cosmae (M. G. SS. IX, 173).
4U6 Einundzwanzigstos Kapitel.
güterten Bischöfe von Passau und Freising und der Erzbischof"
von Salzburg ^). Es ist möglich, dafs sie schon damals gleich einen
Landfrieden beschworen ^). Am 12. Dezember hielt Ottokar hierauf
seinen Einzug in Wien.
Dafs Ottokar wohl wufste, wem er in erster Linie seinen
glänzenden Erfolg zu danken hatte, bezeugen die unzähligen
Gnadenakte, die er den Kirchen und Klöstern erwies.
Schon auf seinem Zuge durch Oberösterreich hatte er am
16. November als „Dux Austrie" unter Berufung auf das bis-
herige Privileg der österreichischen Herzöge alle Zisterzienser-
klöster und deren Güter in seinen besonderen Schutz genommen,
namentlich das Kloster Baumgai-tenberg, das er von Vogtei und
Landgericht befreite ^), wahrscheinlich auch ein Schachzug gegen
Otto von Bayern, der im Jahre 1248 das Zisterzienserkloster Wil-
hering begnadet hatte. Und als er an der Enns stand, versprach er
dem Abte von Lambach, der bei ihm Klage über Gundakar von
Starhemberg wegen Anmafsung der Vogtei führte, auf dem kom-
menden Landtage Abhilfe zu treffen, und übernahm dann auf dem
Tage in Korneubu^g selbst die Vogtei über das Kloster unter
gleichzeitiger Bestätigung des Privilegs des letzten Babenbergers *).
Ebenda bestätigte er auch dem Kloster Niederaltaich das Privileg
Herzog Friedrichs und die freie Vogtwahl für die Güter in Abs-
dorf und verlieh ihm noch Mautbegünstigungen für den Lebens-
mitteltransport in drei Urkunden.
Es folgen darauf noch innerhalb Jahresfrist Mautfreiheit für
das Kloster Ebersberg bezüglich der Weineinfuhr aus Osterreich,
Marchfutter- und Landgerichtsbefreiung für Waldhausen, Maut-
freiheit für Metten, Osterhofen und Tegernsee, und ein Gerichts-
privileg für das letztere hinsichtlich seiner Güter zu Loiben und
1) Böhmer, Eeg. Ot. 24; Kurz, Beiträge zur Geschichte des Landes
ob der Enns II, 45.5.
2) So nimmt Dop ach an (Über die Datierung des Landfriedens Herzog
Ottokars für Österreich in den Mitt. d. Inst. f. österr. Geschichtsf. XIX, 167). Der
uns erhaltene Landfriede Ottokars, auf den ich noch zurückkomme, enthält näm-
lich einen Hinweis auf einen ersten Landfrieden.
3) Böhmer, Eeg. Ot. 20: Kurz III, 427. Die Bedenken Böhmers
gegen die Datierung scheinen mir unbegründet.
4) Siehe Anm. 3 auf S. 494.
Der österreichische Erbfolgestreit. 497
in der Wachau. In den meisten dieser Fälle handelt es sich um
eine Bestätigung der Privilegien seiner Vorgänger Friedrich und
Leopold. Auch Wilhering erhält die Bestätigung der Zollfreiheit,
die ihm Hex'zog Friedrich verliehen hatte, mit absichtlicher Um-
gehung der Urkunde Herzog Ottos von Bayern. Noch weiter
mufste die Dankbarkeit für die Bischöfe gehen, die ihm diesmal
geeinigt gegenübertraten. Die Besitzungen Regensburgs verspricht
er von allen Ansprüchen befreien zu wollen; von seinem „lieben
Herrn und Freund", dem Bischof von Freising, empfängt er die
Vogtei in Enzersdorf. Am besten schneidet jedoch natürlich wieder
Passau ab. Wegen der angeblich zwischen diesem Bistume und
dem letzten Babenberger strittigen Lehen in Österreich werden
die Bischöfe von Bamberg, Freising und Seckau als Schiedsrichter
eingesetzt und diese entscheiden selbstverständlich zugunsten
Passaus ^).
Von den Städten scheint sich Wien — und das war doch
die Hauptsache — bedingungslos unterworfen zu haben. Grund
genug für Wiener Neustadt, auf seine oft bewährte Loyalität gegen
Kaiser und Herzog zu pochen und einen Revers zu verlangen,
dafs Ottokar durch Übernahme der Herrschaft weder die Rechte
des Reiches noch der Erben verletzen wolle ^). Ottokar bewilligte
damals alles, also auch diese anmafsende Zumutung, und gewann
sich damit alle Sympathien im Lande ^).
Aber er mochte fühlen, dafs er als Fremdling noch eine ent-
scheidende Tat vollziehen müsse, um den letzten inneren Wider-
1) Böhmer, Eeg. Ot. 21—23; 26-30; 32—35; 42, 43, 45; Eeg. Boic.
m, 21; Erben, Reg. Boh. I, 593; Mon. Boic. XI, 227; III, 14; Kurz, Beitr.
IV, 460, 462; Mon. Boic. XI, 444; XII, 398; Oefele SS. II, 85; Stiilz,
Geschichte von Wilhering S. 525; Ried, Cod. Rat. I, 431; Meichelbeck,
Hist. Fris. II, 39; Mon. Boic. XXVIII b, 374.
2) Böhmer, Reg. Ot. 26; Sitzungsberichte der Wiener Akademie XI, 190.
Allerdings hat Ficker in der Neubearbeitung von Böhmers Eeg. Imp. Frid.
Nr. 2238 die Echtheit ebenso wie die des Fridericianus angezweifelt. Kein Be-
denken hat Winter im Archiv LX, 102. Vgl. jetzt Mitis im Jahrb. d. Ver,
f. Landesk. III, 244, 1904.
3) Schon zum Jahre 1252 bemerkt der Chronist von Garsten (SS. IX, 599),
dafs es in Österreich keinen Winkel gegeben habe, der nicht für Ottokar ge-
wesen sei.
Yancsa, Geschieht« Nieder- u. Oberösterreichs. 32
498 Einundzwanzigstos Kapitel.
stand zu besiegen, um sich auch das Herz des Volkes zu erobern.
Auch mochten damals noch durchaus nicht alle Adeligen des
Landes auf seine Seite getreten sein. Endlich mufste er darauf
bedacht sein, wollte er im Lande nicht der materiellen Mittel
entbehren, den Hauptgrundbesitz in seine Hand zu bekommen,
und das waren eben die Babenbergischen Allode. So entschlofs
sich denn der etwa Zweiundzwanzigjährige, die mehr als vierzig-
jährige Margarete zu heiraten, und am 11. Februar 1252 fand zu
Hainburg die Hochzeit statt, wobei Margarete ihrem Gemahl die
Privilegien ihres Hauses übergab.
So siegte also wieder die Rechtsanschauung des Papstes, die
allerdings, wie das Beispiel Wiener Neustadts zeigt, auch in Oster-
reich mancherorts und vermutlich bei der Masse der Bevölkerung
geteilt wurde , dafs nämUch die Babenbergerinnen nur durch ihre
Männer ihr Erbfolgerecht vertreten können *).
Das Glück des Böhmenprinzen mufste begreifhcherweise den
Neid und Groll des anderen Nachbars Österreichs, des Königs
von Ungarn, hervorrufen, der nur durch die widrigen Umstände
in seinem Reiche qlaran verhindert war, die günstige Gelegenheit
die ihm der Papst eröffnet hatte, auszunützen. Wir wissen ja
auch, dafs der Papst ihm im Jahre 1248 den Schutz Gertrudens
ausdrücklich anvertraut hatte ^). Jetzt schien eine Sachlage ge-
schaffen zu sein, in der er dieser Verpflichtung nachkommen sollte %
und Gertrude hatte sich noch überdies unter seinen Schutz begeben
und seinen Verwandten Roman von Halitsch, einen Bruder seines
Schwiegersohnes Leo von Halitsch, geheiratet. Bela IV. soll den
beiden sogar zugeschworen haben, ihnen Österreich, sobald er es-
in seine Gewalt bekäme, überlaseen zu wollen *).
1) Cont. Garst. M. G. SS. IX, 600.
2) Siehe oben S. 486.
3) Über diesen ungarischen Krieg Huber, Die steierische Eeimchronik
und das österreichische Interregnum (Mitt. d. Inst. f. österr. Gesch. IV, 40).
Quellen: Cont. Cosmae (M. G. SS. IX, 174); Ann. Mellic. (a. a. 0. S. 508)^
Cont. Sancruc. II (a. a. 0. S. 643); Ann. S. Kudb. Salisb. (a. a. 0. S. 792).
Eine Urkunde die Bela IV. am 20. Juni 1252 in castris iuxta Wiennam aus-
stellte bei (Fejer IV ^ 168.
4) Nach der russischen Hypatioschronik, hgg. von Szaraniewicz, Anh.
IV. und VIII. (13. Jahrb.).
Der österreichische Erbfolgestreit. 499
Bela IV. ging auch noch in anderer Hinsicht möglichst po-
litisch vor : sein Angriff richtete sich mit aller Macht auf Steier-
mark, denn einerseits hatte hier Ottokar noch nicht recht festen
Fufs zu fassen vermocht, anderseits stand die Steiermark nicht so
sehr im Mittelpunkte des Erbschaftsstreites wie Osterreich, und er
mochte hoffen, dafs man es im allgemeinen als ausgleichende Ge-
rechtigkeit empfinden würde, wenn er sich Steiermarks bemäch-
tige, für den Fall, dafs Böhmen Osterreich besetzte.
Im Sommer 1252 erfolgte der Angriff gleichzeitig auf Öster-
reich und Mähren. Ottokar vermochte nicht standzuhalten, und
Bela konnte nicht nur bis Wien, sondern sogar bis Tulln vor-
dringen. Wieder bezeichneten seinen Weg Verwüstungen , Mord
und Brand. Unter anderem sollen angeblich in der Kirche zu
Mödling bei Wien 1500 Personen ihren Tod gefunden haben ^).
Von einer Übergabe des eroberten österreichischen Gebietes an
Gertrude war übrigens nicht weiter die Rede; Bela verlangte im
Gegenteil noch die Auslieferung der Gertx'ude zu eigen gewesenen
Burgen, wofür er ihr andere versprach. Roman von Halitsch
soll sogar mit Gertrude vorübergehend seinen Sitz in Kloster-
neuburg (beziehungsweise also in der Burg auf dem Kahlenberge)
genommen haben, und wieder finden wir die Preufsel unter ihren
Anhängern ^).
Wie meist bei diesen räuberischen Einfällen^ vermochten die
Ungarn das durchzogene Gebiet nicht lange zu halten. Herzog
Ottokar konnte sogar in Steiermark eindringen und erkaufte die
wichtige Festung des Ennstales Steyer (30. August 1252) ^).
Roman von Halitsch, der die von seiner Vermählung erhofften
Vorteile schwinden sah, verliefs Gei'trude, und so ging für
Bela auch die Rechtsgrundlage verloren ; dennoch machte er im
nächsten Jahre 1253 noch einmal einen letzten Versuch mit grofsen
Vorbereitungen, um den Böhmen die Beute zu entreifsen *).
1) Cont. Sancnic. II (M. G. SS. IX, 643).
2) Hypatioschronik a. a. 0.
3) Böhmer, Keg. Ot. 39; Lambacher S. 30.
4) Quellen: Cont. Cosmae (M. G. SS. IX, 174); Ann. Mellic. (a. a. 0.
S. 508); Cont. Lambac. (a. a. 0. S. 559); Cont. Garst, (a. a. 0. S. 600); Ann.
32*
500 Einuüdzwanzigstos Kapitel.
Er konnte dies um so mehr hoffen, als es ihm gelungen war,
eine Reihe namhafter Verbündeter zu gewinnen : nicht nur Daniel
von rialitsch, seinen Schwiegersohn Herzog Boleslaw von Krakau,
Herzog A\'ladislaw von Oppeln, sondern auch Herzog Otto von
Bayern, dessen übrigens damals noch unmündiger Sohn Heinrich
mit Belas Tochter Elisabeth vermählt war. Jene sollten von
Nordosten in Mähren, dieser ins Land ob der Enns einrücken.
Sogar einige österreichische Edle, namentlich aber die Mehrzahl
der Steirer standen auf Seite der Ungarn. Im September fiel
Bela mit seinem ungarischen Heere in (Österreich ein und zog über
das Marchfeld nach Mähren. Hier aber wurde er durch die ver-
gebliche Belagerung von Olmütz lahmgelegt, die Bundesgenossen
verliefsen ihn und die Bayern wurden durch die oberösterreichischen
Edlen abermals in Schach gehalten.
In diesem Zeitpunkte legte sich mit einem Male Papst Inno-
zenz IV., der ja eigentlich beiden Parteien bei ihrer Unterwürfig-
keit unter die Kurie freundschaftlich gesinnt sein mufste, ins
Mittel, um einen billigen Frieden zustande zu bringen. Zunächst
richtete er anfangs Juli 1253 an die beiden kriegführenden Mächte
eine Aufforderung zum Frieden *). Zur wirksameren Durch-
führung des Friedenswerkes entsandte er dann den Minoriten
Velascus, der seiner genauen Instruktion ^) in glänzender Weise
nachkam.
Dieser bewirkte, dafs Ottokar am 17. September 1253 der
Kirche, dem Papste und König Wilhelm einen feierlichen Treu-
eid leistete ^) , wofür der Herzog nunmehr den noch fehlenden
Dispens für die Heii^at mit Margarete erhielt. Ottokar dürfte
gehofft haben, durch diese weitgehende Willfährigkeit das ganze
Babenberger Erbe zu gewinnen. Er nannte sich noch in der
Urkunde, die er dem Papste über seinen Eid ausstellte, Herzog
von Österreich und Steier. Velascus scheint zu einseitig die böh-
mische Sache gefördert zu haben. Er wurde daher abberufen und
S. Rudb. Salisb. (a. a. 0. S. 792); Ann. Cap. Cracov. (M. G. SS. XIX, 600);
Wolynische Chronik (Anhang zur Hypatioschronik IV— VIII).
1) Potthast, Eeg. Pont. II, 15 033.
2) A. a. 0. 15044, 15 047.
3) Cod. Moraviae ni, 173.
Der österreichische Erbfolgestreit. 501
statt seiner Magister Bernhardus, Bischof von Neapel, als Legat
entsandt, zugleich wurden nunmehr alle Bischöfe und Prälaten
von Österreich, Böhmen und Ungarn, speziell der Erzbischof von
Salzburg und die Bischöfe von Passau und Freising zur Anbahnung
des Friedens aufgefordert.
Ottokar war nicht gleich bereit nachzugeben. Am 22. Sep-
tember 1253 starb sein Vater, König Wenzel, und als sein Erbe
verfügte er über nicht unbedeutende Machtmittel, während Belas
Lage sich ziemlich ungünstig gestaltet hatte. Er suchte sich
daher dem Papste gegenüber darauf auszureden, dafs Bela die
Orte, über die der Friedensschlufs erst die Entscheidung treffen
sollte, nicht herausgeben wolle. Bela aber erklärte sich über Auf-
forderung des Papstes dazu sofort bereit, und so blieb Ottokar
schliefslich nichts anderes übrig, als in die Friedensverhandlungen
einzutreten, besonders da er auch einsehen mochte, dafs er so-
wohl gegen den offenkundigen Willen des Papstes als auch gegen
die widerstrebenden Adeligen Steiermarks nur schwer etwas aus-
richten könne. Er hatte übrigens das Glück, in seinem Bevoll-
mächtigten, Bischof Bruno von Olmütz, einen energischen Vertreter
seiner Interessen zu besitzen. So kam trotz der Zwangslage am
3. April 1254 zu Ofen ein Friede zustande, der für Ottokar
nicht unbeträchtliche Vorteile brachte, denn er garantierte ihm
nicht nur das Herzogtum Österreich, sondern auch einen Teil der
Steiermark. Dabei ist es höchst bemerkenswert, dafs zum ersten
Male die beiden Länder nach den natürlichen Grenzen getrennt
wurden, nämlich nach der Wasserscheide der Mur und Donau,
so dafs demnach das Wiener Neustädter-Püttener und Gutensteiner
Gebiet Osterreich einverleibt wurde, eine Grenze, die trotz gelegent-
licher Rückfälle bis zum heutigen Tage bestehen blieb. Auch
der Traungau wurde damit definitiv von der Steiermark aus-
geschieden ^). Das Ennstal, das der Erzbischof von Salzburg besetzt
hatte, scheint strittig geblieben zu sein -). Zugleich schlössen sie ein
1) Die Urkunde im Urkiimlciibuch des Landes ob der Eniib III, 250 und
Archiv für österreichische Geschichte LXXI, 429. — Ottokar nennt sich noch
einmal Herzog von Steiermark.
2) Hu her in den Mitteihmgen des Instituts für österreichische Geschichte
503 Einumlzwanzigstes Kapitel. Der österreichische Erbfolgestreit.
Übereinkommen über die Besitzansprüche der beiden Babenberge-
rinnen. Für die Entschädigung Gertrudens, die hier charakteristischer-
weise geringschätzig nur als ,,doraina de Impirg" (Himberg? '))
bezeichnet wird, soUte Bela, für die Margaretens Ottokar Vorsorge
treffen, im Falle er vor ihr stürbe '-'). Eine persönliche Zusammen-
kunft der beiden Fürsten in Prefsburg anfangs Mai besiegelte
den Frieden.
IV, 52, 1884 und Lampel, Die Lamlesgrenze von 1254 und das steierische
Ennstal (Archiv f. österr. Gesch. LXXI, 297, 1887).
1) Die Burg Himberg in der Nähe Wiens war erst 1243 von Herzog
Friedrich im Tauschwege erworben worden (österr. Urbare S. 12).
2) Nacli meiner Meinung handelt es sich hier nur um die Eigengüter der
beiden Babenbergerinnen , nicht aber um ihre Ansprüche auf die Länder, wie
Turba a. a. 0. S. 61 annimmt. Wieso er behaupten kann, dafs OttoJjar für
beide zu sorgen übernahm, ist mir unklar. Dafs die Fürsten den Frieden für
sich und ihre Erben schlössen , darauf möchte ich keinen Wert legen. Es ist
dies die in Vertragsurkunden übliche Phrase.
Zweiundzwanzigstes Kapitel.
Österreich als Teil des böhmischen Reiches PrzemysI
Ottokars.
Es scheint, dafs Ottokar gleich bei der Übernahme der Regie-
rung in Osterreich einen Landfrieden beschwören liefs '). Er
wird den Charakter eines Provisoriums besessen und gewifs dem
Status quo, den Ottokar vorgefunden hatte, mögHchst Rechnung
getragen haben. Dafs Ottokar übrigens schon damals fest ent-
schlossen war, die Rechte des Landesiürsten gegenüber den anderen
Oewalten im Lande zu wahren, zeigt der Umstand, dafs er sofort
die entfremdeten Klostervogteien wieder an sich brachte. Auch
gegen den Burgenbau wandte er sich schon damals gelegentlich ^).
Sowohl bezüglich der Vogtei als auch anderweitig knüpfte er in
der Verwaltung an die Einrichtungen unter den letzten Baben-
bergern an. Namentlich das für die Finanzverwaltung wichtige
Schreiberamt begegnet auch bei Ottokar in Osterreich und zwar
übertrug er es dem bereits in seiner Kanzlei erprobten Notar
Wilhelm ^) , dem er die Pfarre Rufsbach als Pfründe verlieh und
der später zum Protonotar vorrückte, aber die Funktionen des
Scriba Austrie beibehielt, während Witigo wieder das Schreiber-
amt in Steiermark übernahm ^). Ebenso beliefs er der Familie
der Kuenringer das Marschallamt, das sie schon unter den letzten
1) Siehe oben S. 494.
2) So im Wiener Neustädter Privileg von 1253.
3) ÜB. d. L. 0. d. Enns UI, 197. Vgl. Emier, Die Kanzlei der böhm.
Könige Premysl Ottokars II. und Wenzels IL (Abhandig. d. böhm. Akad. d.
Wissensch. 6. F. IX, 16).
4) Pusch und Frölich, Dipl. sacra duc. Styriae I, 323. Vgl. Dop seh
in den Mitteilungen des Institutes XVIII, 261 f.
504 ZweiundzTvanzigstos Kapitel.
Babenbergern besessen hatten und als dessen Vertreter unter ihm
Heinrich von Kuenring erscheint ').
Aber erst jetzt, im Jahre 1254, nachdem er durch seine Heirat
mit Margarete den dynastischen Gefühlen der Bevölkerung Öster-
reichs ein Opfer gebracht und durch den Tod seines Vaters auch
Böhmen erhalten hatte, und nachdem er durch den Frieden von
Ofen in den gesicherten Besitz Österreichs unter der Ägide des
Papstes gelangt war, ja als sogar die deutschen Fürsten im Ernste
daran dachten, ihm die deutsche Königskrone anzubieten, konnte
er es wagen, auch die inneren Verhältnisse des Landes nach seinem
Gutdünken zu ordnen.
Jetzt erliefs er einen neuen umfassenden Landfrieden-), der
ganz andere Saiten anschlug. Nach dem Muster der späteren Re-
daktionen des Mainzer Landfriedens, an den er sich in manchen
Punkten auch inhaltlich anschlofs, war er in deutscher Sprache
abgefafst, eines der ersten Rechtsdeukmäler in der Volkssprache ^).
Darin wurden jetzt insbesondere bezüglich der Vogteirechte und
des Burgenbaues strenge und genaue Verfügungen getrofifen. Sie
wandten sich zunächst gegen die mifsbräuchliche Ausnützung der
Vogteigewalt bei Strafe des Verlustes der Vogtei. Eine Burg sollte
ferner nur der haben dürfen, dessen liegender Besitz im Umkreis
mindestens 30 Pfund betrage, eine Bestimmung, die dem baye-
rischen Landfrieden von 1244 nachgebildet war. Alle anderen
Burgen und Befestigungen von Kirchen sollten gebrochen werden.
Andere Bestimmungen wenden sich gegen diejenigen , die falsche,
d. h. eigene Münze schlagen, und gegen diejenigen, die keine Zölle
und Mauten entrichten. Jene soll man wie Falschmünzer, diese
1) Zum ersten Male im Jahre 1255 (ÜB. d. L. o. d. Enns II, 217.
2) Überliefert durch Hermann von Altaich, hgg. zuerst von Kauch im
Anhang zu seiner Geschichte Österreichs III (Wien 1781), dann von Chmel im
Archiv für Kunde österreichischer Geschichtsquellen I, 1848, 1. Heft, S. 55ff. ^
jetzt die kritische Neuausgabe von Weiland-Sch walm in M. G. LL. IV, 604.
Siehe Dopsch, Über die Datierung des Landfriedens Herzog Ottokars für Öster-
reich (Mitt. d. Inst. f. österr. Gesch. XIX, 160, 1898) und Stieber, K vyvoji
epravi [Zur Entwickelung der Gewährleistung] (Abhandlungen der böhmischen
Akademie I. KI. 1901), auf die ich noch zurückkomme.
3) Vancsa, Das erste Auftreten der deutscheu Sprache in Urkunden
(Preisschriften der fiirstl. Jablonowskischeu Gesellschaft ; Leipzig 1896).
Österreich als Teil des böhmischen Reiches Przemysl Ottokars. 505-
wie Strafsenräuber behandeln. Münz- und Zollregal waren eben
besonders wichtige Vorbehalte des Landesfürsten. Endlich wird
den Entfremdungen von Herzogs- und Kirchengut ein Ziel gesetzt
und damit die Güterrevindikation angebahnt, die wir Ottokar in
der folgenden Zeit durchführen sehen. Mit diesen Verordnungen
war den HauptübergrifFen der Adeligen im Lande seit dem Tode-
Herzog Friedrichs ein Ziel gesetzt.
Einen breiten Raum nimmt daneben in dem Landfrieden die
Gerichtsorganisatiou ein. Es wird unterschieden : das Hofgericht
des Landesfüi'sten mit zwölf Beisitzern und das Landgericht. Eine
einschneidende Neuerung Ottokars in bezug auf das letztere, die
für die spätere Entwickelung von grundlegender Bedeutung
wurde, war die, dafs nunmehr das Land in vier Gerichtsbezirke,
zwei diesseits und zwei jenseits der Donau, wie es scheint, nach
dem Muster der böhmischen vier Zupen(Kreis-)gerichte ^) zerfiel,-
woraus dann später die Einteilung des Landes in vier Viertel
hervorging. Dem Viertel ober dem Manhartsberg gehörte zur Zeit
Ottokars noch wie unter den Babenbergern die Riedmark an.
Diese Landrichter sollten ihr Amt zu zweien und unter Mitwirkung
aller Adeligen des Bezirkes ausüben, waren aber an keine be-
stimmte Gerichtsstätte gebunden. Bei der Ausdehnung seines
Reiches — Ottokar war 1254 nicht nur in Mähren, sondern auch
in Böhmen zur Regierung gelangt — mufste er an eine Ent-
lastung im Richteramt denken. Das Landrichteramt wurde ver-
dienten Ministerialen des Landes (in Osterreich niemals Nicht-
einheimischen) verliehen. Die ersten, die wir 1255 und 1256
urkundlich erwähnt finden, waren Heinrich von Hausbach und
Otto von Maissau ^). Später begegnen Heinrich von Liechten-
stein, Truchsefs von Feldsberg, Graf Heinrich von Hardegg, Otto
von Haslau u. a. m. Daneben bestand aber auch ein Oberst-
landrichter fort, und es bildete sich ein höheres Landgericht neben
dem niederen aus ^).
1) Schon Luschin, Älteres Gerich tsweson, nahm im allgeraeiuen böh-
mischen Einflufs auf das österreichische Gerichtswesen zur Ottokarischen Zeit
an. Stieb er sucht dies im einzelnen naclizuweisen.
2) Font. rer. Austr. 2. Abt. XI, 133; XXXI, 91.
3) Dopsch im Archiv für österreichische Geschichte LXXIX, 73 if. Nach,
506 Zweiundzwanzigstes Kapitel.
Der Besuch des Landgerichtes ist für die im Landgerichts-
eprengel sitzenden Dienstmannen, Ritter und Knappen Pflicht.
Die Entlolnuing des Landrichters erfulgt aus den Gerichtsgeldern
(Wandel), darüber darf er nichts nehmen. Mehrere Bestimmungen
suchen die Kompetenz des Landgerichtes abzugrenzen, obwohl sie
An Genauigkeit zu wünschen übriglassen. Dem herzoglichen Gerichte
werden nur die Achterklärungen im Falle schweren Verschuldens
der Dienstmannen vorbehalten. Dafs von einem Vorbehalt des
Reiches nicht mehr die Rede ist, zeigt die unabhängige Stellung,
in der sich Ottokar fühlte. Über Eigen in einem Stadtgebiet darf
der Landrichter nicht richten ; dies ist Sache des Stadtgerichtes.
Die Exemtionen der Klöster vom Landgerichte werden unter
Ottokar teils aus der Babenberger Zeit erneuert, teils neu verliehen *).
Der Ofener Friede und die Gebietsteilung mufste auch in der
Verwaltung eine Änderung nach sich ziehen. Der zu Ottokars
Reich neu hinzugekommene Traungau war nämlich mit einem
Male nicht mehr wie bisher steierisch, wurde aber auch Oster-
reich nicht vollständig eingegliedert. Für seine richterlich - ad-
ministrative Leitung wurde ein böhmischer Adehger, Woko von
Rosenberg, ohne besonderen Titel bestellt 2), an die Spitze der
Finanzverwaltung der bisherige Landschreiber der Steiermark,
Witigo, der eben durch die Abtretung der Steiermark seinen bis-
herigen Wirkungskreis verloren hatte, berufen und ihm der unter
ihm Stieb er. Ganz geklärt ist die Sachlage noch nicht (vgl. Rieger in
seiner Besprechung von Stiebers Arbeit in Mitteilungen des Instituts XXIV,
157, 1903).
1) So aufser den schon erwähnten früheren Exemtionen für Waldhausen
und Tegernsee an Heiligenkreuz Böhmer, Eeg. Ot. 72, Seitenstetten (28. März
1255), Melk (8. Dezember 1256): Schramb, Chron. Meli. 144, St. Florian
(27. März 1256 u. 1. Februar 1258); Böhmer, Reg. 81 u. 94, Lilienfeld (11. u.
13. April 12o5); a. a. 0. S. 167, 168, Garsten (21. April 1265); a. a. 0.
S. 170, Ardagger (18. März 1265 und 1267); Font. rer. Austr. 2. Abt. XI,
164, 171, Zivettl (5. November 1267); Böhmer, Reg. Ot. 190.
2) Wretschko, Das Österreichische Marschallamt im Mittelalter S. 63,
wo Anm. 116 die Belegstellen angeführt sind. Obwohl er zum ersten Male
anfangs 1256 erscheint (Archiv f. österr. Gesch. LXXII, 218), so dürfte er kaum
erst nach Witigos Tod und gewissermafsen in universellerer Stellung als dieser
ernannt worden sein, wie Strnadt, Geburt des Landes ob der Enns S. 111
meint, denn Witigo löst ja sofort ein Amtsnachfolger ab.
Österreich als Teil des böhmischen Reiches Przemysl Ottokars. 507
dem letzten Babenberger bereits übliche Titel eines „Scriba Anasi"
verliehen ^). Enns war sein Amtssitz und erschien als Verwal-
tungszentrum des neuen Landstriches, während Linz ebenfalls da-
mals als Sitz des Landtaiding und Landgerichtes in den Vorder-
grund tritt ^j. Nachdem Witigo schon im Jahre 1255 zu St. Florian
«rmordet worden war ^) , folgte ihm im Amte Magister Heinrich
(1256 — 1260), diesem Heinrich von Hag, der, wie es scheint,
nicht identisch mit dem vorhergenannten Heinrich ist (1261 bis
1267), und dann nach einer kurzen Unterbrechung durch Meisier
Konrad von TuUn, den wir noch näher kennen lernen werden, seit
1270 nochmals *). Das Merkwürdigste und bis zu einem gewissen
Grade schwer Erklärliche ist, dafs diese Schreiber von Enns, wie
sie zunächst genannt werden, ihre Amtsgewalt auch auf dem nächst-
benachbarten Gebiete diesseits der Enns (St. Peter — Amstetten —
Ardagger) ausüben ").
Ottokar fand in den nächsten Jahren weder Zeit noch Ge-
lesrenheit, seinen Landfrieden in Österreich in allen Punkten durch-
zuführen. Die Übernahme der Regierung in Böhmen verlangte
seine Anwesenheit in diesem Lande, dann unternahm er einen
Kreuzzug nach Preufsen. Noch mehr aber beschäftigten ihn in
den nächsten Jahren die Passauer und namentlich die Salzburger
Händel.
Die ersteren boten ihm wieder einmal Gelegenheit, mit seinem
alten Gegner Bayern sich auseinanderzusetzen. Nach Herzog Ottos
Tode (November 1253) hatten seine Söhne Ludwig und Heinrich
das Herzogtum Bayern geteilt, wobei jener Ober-, dieser Nieder-
1) Er erscheint nur noch in zwei Urkunden von 1255 (ÜB. d. L. o. d.
Enns III, 220, 224), vgl. üopsch in der mehrfach zitierten Abhandlung in den
Mitteilungen des Institutes für österreichische Geschichte XVIII, 267.
2) Strnadt, Wann wurde Linz Landeshauptstadt? (Linzer Zeitung 21. u.
24. Juli 1889).
3) Cont. Garst. (M. G. SS. IX, 600). Dafs das Ereignis ins Jahr 1255
und nicht 1256 fällt, siehe Strnadt in den Erläuterungen zum bist. Atlas S. 33.
4) Die Reihe mit Urkundenbelegen bei Dop ach a. a. 0. S. 267 ff.
5) Der Scriba Anasi entscheidet 1258 über Ansprüche des Klosters Seiten-
stetten um St. Peter (Font. ror. Austr. XXXIII, 60), über Freisinger Ansprüche
zu Amstetten 1267 (a. a. 0. XXXI, 287) und bezeugt 1267 eine Verfügung des
Klosters Ardagger (Arch. f. österr. Gesch. XLVI, 481).
SOS Zwoiundzwanzigstes Kapitel.
bayern bekam uiul dadurch der eigentliche Nachbar Ottokars
wurde. Nun fühlte sich Otto von Lonsdorf, der damalige Bischof
von Passau, durch einige Eingriffe Herzog Heinrichs beeinträchtigt.
Das führte ihn mit Ottokar von Böhmen zusammen. In Linz
hatten sie am 23. April 1257 eine Zusammenkunft und schlössen
ein lebenslängliches Bündnis gegen Bayern '), obwohl der Bischof
den zweijährigen Landfrieden im November 1255 mit beschworen
hatte. Ottokar hatte in der Sache kein Glück, Er sammelte in
Osterreich und Böhmen ein grofses Aufgebot, dem die bedeu-
tendsten Dienstmannen beider Länder angehörten, so aus Oster-
reich Heinrich und Albert von Kuenring, Ulrich von Lobenstein,
Ludwig mid Albert von Zägging, Sighart Fiber u. a. ra, und
drang vorschnell in Bayern bis gegen Landshut vor, stiefs aber
wider Erwarten hier auf eine derartige bayerische Übermacht
— Herzog Ludwig war seinem Bruder Heinrich zu Hilfe ge-
eilt — , dafs er es vorzog, ohne das Schlachtglück zu versuchen^
einen fluchtähnlichen Rückzug, wie es scheint, auf Salzburgisches
Gebiet anzutreten. Aber bei Mühldorf brach die Brücke unter
den fliehenden Scharen; ein Teil seiner Streitkräfte unter Woko
von Rosenberg und den Kuenringern wurde von ihm abgeschnitten
und mufste sich, nachdem er sich durch neun Tage in einem be-
festigten Turm verteidigt hatte, ergeben. Ottokar blieb nichts
anderes übrig, als Frieden zu schliefsen. Angeblich soll er Ried
und Schüttenhofen an Bayern abgetreten haben -), was insofern
wahrscheinlich ist, als Schüttenhofen dem Erbe der Grafen von
Bogen angehörte, auf das Ottokar Ansprüche erhoben hatte, und
als es im Jahre 12G2 ebenso wie Ried als bayerisch bezeugt ist ^).
Dieser Ausgang war für Ottokar fatal, denn er hatte wohl
gehofft, die Aktion mit der Salzburger Angelegenheit vereinigen
zu können. In der Tat hatte Erzbischof Philipp von Salzburg
ihn zu unterstützen beabsichtigt *), ebenso wie Ottokar ihm bereits
1) Mon. Boic. XXIX b, 107 und 109.
2) Allerdings nur nach einer sehr späten Nachricht bei Aventin (Oefele
SS. I, 679).
3) Quellt-n und Erörterungen zur bayerischen Geschichte V, 182, 18.3.
4) Philipp von Salzburg steht im selben Jahre mit 600 Schwerbewaffneten
bei Reichersperg (Chron. Magni. Cont. M. G. SS. XVII, 530).
Österreich als Teil des böhmischen Kelches Przemysl Ottokars. 50D
beim Kampfe gegen seine unbotmäfsigen Vasallen beigestanden
hatte. Philipp, Bruder des Herzogs Ulrich von Kärnten und
Vetter Ottokars, war, weil er nicht die höheren Weihen empfangen
wollte und wegen verschiedener schwerwiegender Vergehen von
dem Domkapitel 125G abgesetzt und ihm in dem Bischof Ulrich
von Seckau ein Gegenbischof aufgestellt worden, der auch mit
Mühe die päpstliche Bestätigung erlangte, aber trotzdem in der
Diözese nichts ausrichtete. Da wandte er sich an Ungarn, und
dies gab den Anstofs zu einem neuerlichen Kriege zwischen König
Bela und Ottokar, da dieser die Partei seiner Vettern von Kärnten
und Salzburg ergriff und aufserdem die steierischen Adeligen die
Gelegenheit wahrnahmen, um das verhafste ungarische Joch ab-
zuschütteln.
Das Land unter der Enns wurde wieder der Kriegsschau-
platz. Wie Ottokar im bayerischen Feldzuge zu schnell vor-
gedrungen war, so hielt er sich jetzt wieder zu lange mit der
Sammlung der Truppen in der Umgebung der österreichisch-mäh-
rischen Grenzfestung Laa an der Thaya auf. Ihm mangelte eben
bei seinen vielseitigen Talenten eines : das war die Feldherrnkunst.
Schlechter Nachrichtendienst kam zur Zögerung hinzu. So konnte
es unbegreiflicherweise geschehen, dafs seine Vorhut unter dem
Grafen Otto von Hardegg und dessen Bruder Konrad von Piain
mit auserlesenen österreichischen Kräften bei Staatz am 26. Juni
1260 in einen ungarischen Hinterhalt geriet und gänzlich erlag *).
Es ist nicht klar — vielleicht waren es wie so oft Verpflegungs-
schwierigkeiten — , warum die Ungarn diesen Sieg, der auf das
böhmische Heer ungemein deprimierend wirkte, nicht ausgenutzt
haben und es geschehen liefsen, dafs Ottokar innerhalb der nächsten
vierzehn Tage bis gegen Hainburg zwischen Donau und March
gelangte, ja dann sogar einen Waffenstillstand mit ihm schlössen.
Endlich nahmen sie die angebotene Schlacht und den Vorschlag,
diesseits der March zu fechten, an. Sie hatten aber in ihrer
Siegeszuversicht und im Vertrauen auf ihre numerische Überlegen-
1) Am ausführlichsten die Ann. Otakar. (M. G. SS. IX, 183), nach ihr
die Keimchronik. Ferner: Cent. Lamb. (a. a. 0. S. 560); Cont. Sancruc. II
(a. a. 0. S. 644); Ann. S. Rudb. Sal. (a. a. 0. S. 795) und Hermann von
Altaich (a. a. 0. XVII, 402).
510 Zwoiundzwanzigstes Kapitel.
heit den strategischen Fehler begangen, mit dem Flusse im Rücken
zu kämpfen. Obwohl sie schon vor Ablauf des Waffenstillstandes
die Mareh überscln-itten und Ottokar einen Teil seiner Truppen,
der bei Ilainburg lagerte, nicht mehr an sich ziehen konnte, zeigte
sieh doch wieder einmal die Überlegenheit geordneter Streiter, die
ihrer Mehrzahl nach aus Deutschen (Österreichern und Steierern)
bestanden , über die ungarischen. Nach kurzem Kampfe bei
Groifseubrunn am 12. Juli 1260 ergriffen die Ungarn die Flucht,
wobei zahlreiche Scharen in den Fluten der March umkamen ^).
Ottokar war klug genug, sich mit seinem Sieg, an dem er
selbst gezweifelt zu haben scheint, zu begnügen und auf die Frie-
densvorschläge Belas einzugehen. Mit diesem Frieden, der im
I^Iärz 12 61 zum AbschUifs gelangte, stand Ottokar am Ziel seiner
Wünsche, indem nun das ganze Babenbergische Erbe, auch die
Steiermark, ihm allein zufiel.
Wieder hatte Ottokar einen gewaltigen Schritt vorwärts getan,,
und, wie stets an solchen bedeutenden Abschnitten seiner Regie-
rung, sehen wir ihn alsbald daraus die Konsequenzen ziehen.
Wieder konnte er einige der Fesseln, die er nur widerwiüig trug,
sprengen. Jetzt konnte er die Rücksichten, die er vor zehn
Jahren auf die Macht und auf die Empfindungen der österreichi-
schen Landherren, die ihm ja zur Herrschaft verholfen hatten, zu
nehmen gezwungen war, beiseite schieben. Weg mit der Maske
des gefügigen Landesfürsten!
Was sollte ihm noch der Ehebund mit der alternden Baben-
bergerin Margarete? Jetzt brauchte er keine Legitimation mehr,
die sich auf die dynastischen Überlieferungen des Landes stützte.
Jetzt hatte er sich sein Herrscherrecht ersessen; niemand war
mehr da, der es ihm bestritt; selbst die Autorität des Papstes
Innozenz' IV., vor der er sich beugen mufste, war bereits ins
Grab gesunken. Nachkommen konnte er keine mehr von Mar-
garete erhoffen, und auf sie mufste es ihm doch ankommen.
Schon einmal, bald nach Innozenz' IV. Tode (7. Dezember
1254) hatte er bei der Kurie wegen einer Scheidung angeklopft ^).
1) Vgl. die Quellen wie oben.
2) Cont. Garst, ad 1256 (M. G. SS. IX, 600).
Österreich als Teil des böhmischen Eeiches Przemysl Ottokars. 511
Papst Alexander IV. scheint jedoch kein geneigtes Ohr dafür ge-
habt zu haben. Das Aufserste, zu dem er sich schliefsUch aus-
Rücksicht auf die Kinderlosigkeit der Ehe herbeiUefs, war das,
dafs er im Oktober 1260 einen natürlichen Sohn — ■ man sagte:
von einer Kuenringerin *) — namens Nikolaus, legitimierte ^). Jetzt
nach der Schlacht bei Groifsenbrunn im Vollgefühle seiner Macht
und abermals einem neuen Papste, Urban IV., gegenüber, liefs
Ottokar einfach durch einen seiner Bischöfe — sei es durch den
Prager oder den Olmützer — die Scheidung von Margarete aus-
sprechen. Ihre seinerzeit abgelegten Klostergelübde mufsten jetzt
mit einem Male als Vorwand herhalten. Die Angelegenheit wurde
auf das hastigste betrieben, da Ottokar vermutlich schon beim
Friedensschlüsse mit König Bela Abmachungen über eine neue
Ehe getroffen hatte. Nachdem Belas gleichnamiger zweiter Sohn
Ottokars Nichte heiraten sollte, so ist anzunehmen, dafs in der
üblichen Weise eine Doppelheirat beschlossen worden war ^). In
der Tat feierte am 25. Oktober desselben Jahres Ottokar seine
Hochzeit mit einer Enkehn König Belas, Kunigunde, der Tochter
Rastislaws von Halitsch. Eine Woche vorher, am 18. Oktober,
hatte sich Margarete vom Hofe entfernen und nach Krems ^)
zurückziehen müssen. Den vollendeten Tatsachen gegenüber stand
nun auch Papst Urban IV. nicht mehr länger an, seine Zustim-
mung zur Scheidung und den Dispens zu der verwandtschaft-
lichen neuen Ehe zu geben (20. April 1262)^). In die Zwischen-
zeit fällt Ottokars Krönung zum König von Böhmen (25. De-
zember), zu der noch Alexander IV. seine Bewilligung erteilt
hatte ^). In derselben Zeit dürfte auch die Landesverweisung
Gertrudes erfolgt sein. Dafs deren Sohn aus der Ehe mit Her-
mann mit dem ominösen Namen Friedrich sich auch fernerhin
1) Wiener Jahrbücher der Literatur 1823, A. B. S. 34f.
2) Am 6. Oktober 1260; Potthast, Reg. Pont. 17 948; Cod. Morav.
m, 283.
3) Vgl die Urkunde bei Fejer IV^, 101.
4) Dafs Krems und nicht Krumau in Böhmen Margaretens Exil war, hat
Kerschbaumer (Bl. d. Ver. f. Landesk. XXUI, S. XXIX, 1889) gegen Huber
I, 541 nachgewiesen.
5) Cod. Morav. III, 332; Potthast, Eeg. Pont. 18277.
6) Am 6. Oktober 1260; Potthast, Reg. 17947; Cod. Morav. III, 281..
513 Zweiundzwanzigstos Kapitel.
Herzog von Österreich nannte, dürfte Ottokar nicht weiter be-
rührt haben.
Bis jetzt hatte sich Ottokars Herrschaft in ( )sterreich auf die
Sympathien im Lande selbst gestützt, auf die Waffen der Land-
herren, die ihn vor zehn Jahren selber ins Land gerufen hatten,
auf die vage Fiktion von der Fortdauer der Babenbergischen
Ansprüche, auf die Abmachungen mit dem benachbarten Ungarn
und auf die Legitimation des Papstes — in einer Zeit, da es in
Deutschland keine Zentralgewalt gab und jedes Territorium mehr
oder weniger auf Selbsthilfe angewiesen war, gewifs Rückhalte
genug. Jetzt aber war Ottokar entschlossen, mit den territorialen
Gewalten zu brechen und seine Fürstenmacht wieder zu un-
geschmälertem Ansehen zu bringen. Da wollte er denn jene
Stützen gegen neue verfassungsmäfsige vertauschen. Er wandte
sich daher an den deutschen König Richard von Corn Wallis, der ihm
denn auch am 9. August 1262 eine Urkunde über die Belehnung
mit den österreichischen und böhmischen Ländern ausstellte, was
allerdings ganz gegen die übliche Form war ^).
Und nun im Besitze dieser Scheinanerkennung von selten
des Reichsoberhauptes konnte König Ottokar auch die umfassende
Aktion gegen die Landherren Österreichs einleiten, die schon im
Landfrieden von 1254 ins Auge gefafst worden war: alles, was
sie sich seit Herzog Friedrichs Tode angemafst hatten, sollte wieder
null und nichtig werden. Um aber diese bei den verworrenen
Rechtsverhältnissen nach dem Aussterben der ßabenberger sehr
schwierige Aktion durchführen zu können, sollte eine genaue und
sorgfältige Landaufnahme als deren Grundlage ins Werk gesetzt
■werden mit besonderer Feststellung dessen, was der Adel des
Landes in der Zwischenzeit sich widerrechtlich angeeignet und
was er widerrechtlich an festen Trutzburgen aufgebaut hatte.
Schon im Jahre 1258, also nach dem bayerischen Kriege,
war an den herzoglichen Schreiber in Enns der Befehl zu einer
solchen Landaufnahme, vermutlich zunächst in bezug auf das
oberösterreichische Gebiet, ergangen ^). Zur umfassenden Aus-
1) Lambacher. Interegnum 41; Cod. Moraviae III, 338; Böhme r-
Fifiker, Eeg. S. 1010.
2) Font. rer. Austr. 2. Abt. XXXIII, Nr. 51.
Österreich als Teil des böhmischen Keiches Przemysl Ottokars. 518
fiihrung des Planes kam es erst jetzt nach dem Jahre 1261 *).
Freilich mögen die mit der Aufnahme betrauten Organe bei den
erwähnten Schwierigkeiten hinter ihrer Aufgabe vielfach zurück-
geblieben sein; vielfach mufsten sie sich auf mündliche Aussagen
der Parteien verlassen, in manchen Fällen legten sie einfach die
Urbare der letzten Babenberger zugrunde ^). Im ganzen und
grofsen haben sie ihre Aufgabe nach Wunsch gelöst. Das Er-
gebnis war das Ottokarische Urbar, fälschlich auch Rationar ge-
nannt ^) , das das Land unter der Enns mit der Riedmark und
das Land ob der Enns umfafste und dem etwas später auch ein
Steierisches Urbar folgte.
In die Jahre nach der Schlacht bei Groifsenbrunn fallen auch
wichtige Veränderungen in der Verwaltungsorganisation der Otto-
karischen Lande, die ihren Grund teils in dem Zuwachs der
Steiermark, teils überhaupt in der Ausdehnung des Ottokarischen
Reiches haben, die eine reichere Beamtengliederung und Verwal-
tungseinteilung beanspruchte.
Der Umstand, dafs sich zur Zeit des Anfalles der Steiermark
im Jahre 1260 das Ennstal noch immer in der Gewalt des Erz-
bischofs Philipp von Salzburg befand und dadurch der Traungau
vom alten steierischen Mutterland getrennt blieb, brachte es mit
sich, dafs die bereits seit dem Ofener Frieden des Jahres 1254
angebahnte Selbständigmachung des Landes ob der Enns nunmehr
festgehalten und weiter durchgeführt wurde, so dafs in der Tat
das Jahr 1260 als das eigentliche „Geburtsjahr" des heutigen
Oberösterreich bezeichnet werden kann ■*).
Im Jahre 1264 finden wir einen Iudex provincialis Austriae
superioris ^). Sonst wird das Land auch im Gegensatz zu Nieder-
1) D 0 p 8 c h , Beiträge zur Geschichte der Finanzverwaltung Österreichs im
13. Jahrhundert I (Mitt. d. Inst. f. österr. Gesch. XIV, 449 f. 1893) und jetzt
in der Einleitung zur Ausgabe der landesfürstlichen Urbare.
2) Erben, Zur Entstehung des sogenannten Eationarium Austriacum
(Mitt. d. Inst. f. österr. Gesch. XVI, 97).
3) Alte Ausgabe von Chrael im Notizenblatt V, 833 ff., 1855. — Jetzt
die musterhafte kritische Ausgabe von Dop seh (siehe oben).
4) Dies das Ergebnis von Strnadts wiederholt zitierter gründlicher Unter-
suchung, Die Geburt des Landes ob der Enns.
5) ÜB. des Landes ob der Enns III, 321.
Yaincsa, Geschichte Nieder- u. Oberösterreicha. 33
514 Zweiundzwanzigstes Kapitel.
Österreich, das den Namen Austria schlechtweg beibehält, supna
Anasiini genannt '). Die landesfürstlichen Schreiber von Enns,
die früheren Scribae Anasi, heifsen jetzt präziser Scribae apud,
per oder circa Anasum ^).
Die Gi'enze dieses Landes ob der Enns verlief von der böh-
mischen Grenze (Südwestspitzc des Böhracrwaldes), die Pfarre Aigen
einschliefsend, bis an die grofse Mühl , längs dieser bis zur Mün-
dung in die Donau, die Donau aufwärts bis zur Mündung des
unteren Kefslabaches und diesen aufwärts über den Hörzingerwald
zum Jungfernstein ^). Das obere Mühlviertel mit den Pfarren
Engelhartszell und St. Agyd gehörte nach wie vor zu Passau,
das Mondseeland mit Pöndorf und St. Wolfgang zu Bayern, das
Gosautal zu Salzburg. Einige kleinere Abweichungen von der
späteren Landesgrenze sind auch im Norden und Osten bekannt
(z. B. zählte Hirschenau zu Niederösterreich, Zetwing, jetzt in
Böhmen, damals zu Oberösterreich).
Zu Beginn der sechziger Jahre vollzog sich auch eine Neu-
organisation der Ottokarischen Kanzlei ^), die eben entsprechend
der Erweiterung des Gebietes eine Vermehrung und Umgestaltung
bedurfte. Sie scheidet sich jetzt in territoriale Gruppen.
Für unsere Länder ist am wichtigsten die Veränderung, die
mit dem Schreiberamte oder, wie es bereits gegen Ende der Regie-
rung Ottokars entsprechend dem Notarius terre der böhmisch-mähri-
schen Länder bezeichnet wird ^), dem Landschreiberamte, vor sich
geht. Dieses löst sich nämlich allmählich ganz von der Kanzlei
los. Es werden ihm aber auch wichtige Befugnisse, die eigent-
1) So in dem Mandat Ottokars vom 22. Januar 1266 (ÜB. d. L. o. d.
Enns 111, 344).
2) 1269 (ÜB. d. L. o. d. Enns 111, 364); 1270 (a. a. 0. S. 375); 1272
(a. a. 0. S. 393).
3) Strnadt a. a. 0. S. 124 und Erläuterungen z. bist. Atlas der Alpen-
länder; Hasenöhrl, Südöstliche Marken (Archiv f. österr. Gesch. LXXXIl, 419,
1895) und ausführlich Lampel, Das Geraärke des Landbuches (Bl. d. Ver. f.
Landesk. XXXI, 301 f., 1897 und XXXIII, 371, 1899).
4) Darüber schon Lorenz, Deutsche Geschichte I, 396; ausführlicher
Emier, Die Kanzlei der böhmischen Könige Przemysl Ottokar II. und Wenzel II.
(Abhandlungen der böhm. Gesellsch. d. Wissensch. 6. F. IX, 16).
5) Kedlich, Eine Wiener Briefsamralung (Mitt. aus dem vatikanischen
Archive II, Wien 1894) Nr. 13 und 42.
Österreich als Teil des böhmischen Eeiches Przemjsl Ottokars. 515
lieh dem Landesfürsten zukommen, übertragen. Der Landschreiber
hat an Stelle des Landesherrn bei der Vogtei die Defensio zu
übernehmen, er hat bei Besitzanweisung in die Gewere einzu-
führen, er hat dort, wo der Landesherr ein Schutzprivileg aus-
stellt, tatsächlich die Funktion des Beschirmers auszuüben, er hatte
auch bedeutenden Einflufs auf die Zoll- und Mautverwaltung ^).
Das Schreiberamt ist auch für die spätere Entwickelung da-
durch von Bedeutung, dafs es nicht mehr ein Lehenamt und auch
nicht verpachtet ist, sondern eine verantwortliche Beamtung im
späteren Sinne. Als Entlohnung wurden Güter verliehen. Seit
den sechziger Jahren zeigt das Amt auch den Wechsel der Otto-
karischen Politik. Früher ausschliefslich Geistlichen übertragen,
denen reichliche Pfründen gegeben wurden, wird jetzt dieses wich-
tige Amt mit Rittern (Heinrich von Hag, dann Siegfried, vermutlich
auch Sidhn und Merklin) besetzt. Das stimmt zu dem Empor-
kommen des Ritterstandes und zu der Bevorzugung, die ihm Ottokar
auf Kosten der Herren und Ministerialen jetzt angedeihen liefs.
Den Landherren begann es indessen klar zu werden, wohin
Ottokars Politik steuerte. Es bildete sich eine Verschwörung,
an deren Spitze eine einflufsreiche Persönlichkeit, der Landrichter
Otto von Maifsau^), stand, der sich mit den unzufriedenen böh-
mischen Baronen, deren Häupter Benesch und Milota waren, verband.
Die Verschwörung wurde entdeckt, und nun hatte König Ottokar
auch die äufserliche Handhabe, um gegen die Landherren einzuschrei-
ten. Die drei genannten Häupter der Verschwörung wurden ge-
fangengenommen und Otto von Maifsau und Benesch im Kerker
hingerichtet. Darauf unternahm der König eine grofse Razzia
gegen die übermächtigen Vertreter des Dienstadels in Osterreich
und brach eine grofse Reihe der seit dem Tode Herzog Friedrichs
erbauten Burgen ^). Damals war es auch, wie wir noch sehen
werden, da Ottokar energisch gegen die vielen Häretiker, die sich
in Österreich während der mangelnden landesfürstlichen Gewalt
festgesetzt hatten, einschritt.
1) Dies und das Folgende siehe bei Dop seh a. a. 0.
2) Siehe Pölzl, Die Herren von Meif^au (Bl. d. Ver. f. Landesk, v. Nieder-
österreich XIV, 4 ff., 1880).
3) Contin. Sancruc. II (M. G. SS IX, 646).
33*
516 Zweiundzwanzigstes Kapitel.
Zu derselben Zeit tauchte abermals der Feuerschein eines Krieges
an dem westlichen Horizonte empor. Ottokar hatte nümlich gerade
damals auch auf kirchlichem Gebiet einen grofsartigen Erfolg
davongetragen. Er hatte bei Papst Klemens IV. einen derartigen
Einflufs gewonnen, dafs dieser, als gleichzeitig durch die Ab-
dankung Ulrichs von Seckau das Erzbistum Salzburg und durch
den Tod Ottos von Lonstorf das Bistum Passau frei geworden
war, die Besetzung ganz nach dem Wunsche Ottokars mit dessen
Günstlingen vornahm. Salzburg erhielt sein Vetter, der Herzog
Wladislaw von Schlesien, Propst von Wyschehrad, Passau dessen
Hofmeister, der Domherr Petrus von Breslau. So waren denn
auch die Diözesane der steierisch- österreichischen Länder in Otto-
kars Hand.
Das konnte sich Herzog Heinrich von Niederbayern unmög-
lich bieten lassen. Er weigerte sich, das Salzburger Gebiet, das
er als Beschützer Ulrichs von Seckau das Jahr zuvor besetzt
hatte, herauszugeben. Schon Ende 1265 kam es daher zu kleineren
Einfällen in Bayern. Für 1266 rüstete Ottokar jedoch einen
gewaltigen Feldzug.
In diesem Zeitpunkt erliefs Ottokar für Österreich eine grofse
Landesordnung, ein Landrecht ^).
Die Hauptbestimmung war, dafs alle Burgen, die in den letzten
zwanzig Jahren gebaut worden waren, zerstört werden sollten (§ 58).
Nur mit Erlaubnis des Landesherrn durfte man fürderhin auf
seinem Eigen ein stockhohes Gebäude ohne Wenr und Zinnen,
nur mit einem neun Schuh weiten und sieben Schuh tiefen Graben
erbauen. Wie im Landfrieden von 1254 wird auch nochmals be-
tont, dafs bei Kirchen, die ron kirchenfeindlichen Adeligen ihrer
Bestimmung entfremdet und mit Befestigungen versehen worden
seien, diese Befestigungen gebrochen werden müssen (§ 49). Auch
nicht zu nahe aneinander dürfen die Burgen stehen (§ 39).
Im HinbUck auf die Adelsverschwörung von 1265 wird (§ 63)
besonderes Gewicht darauf gelegt, dafs keine Einigung zum Schaden
des Landes getroffen werden solle. Noch aktueller sind jene Ver-
1) Die neuesten Forschungen über das österreichische Landrecht und ihre
Hauptergebnisse habe ich bereits in der Einleitung S. 12 behandelt.
Österreich als Teil des böhmischon Keiches Przemysl Ottotars. 517
fügungen, die in Rücksicht auf die bevorstehende Heerfahrt (nach
Bayern) aufgestellt werden (§ 54 — 56). Sie handeln im einzelnen
über Ausrüstung, Verproviantierung, Tagesmarsch usw. Sogar
der Termin („zu den nagsten sunwenten'', d. i. 21. Juni) ist an-
gegeben. In scheinbarem Widerspruch dazu steht die Bestimmung
(§ 45) , wonach der Laudesfürst die Landherren zu keiner Heer-
fahrt über die Laudesgrenze zwingen dürfe. Doch könne es „mit
gut oder pete" geschehen, heifst es gleich in einem Zusatz. Die
Bestimmung ist dadurch sehr interessant, weil sie, wie schon die
Beifügung „wann dicz lande ain recht march ist" andeutet, offen-
bar dem Privilegium minus nachgebildet ist. Merkwürdig berührt
die Stelle, wo von der Eventualität eines Kampfes des Landes-
fürsten mit seinen eigenen Hausgenossen die Rede ist. Vielleicht
sollte damit etwaigen Babenbergischen RehabiUtationsversuchen
vorgebeugt werden ').
Eine Reihe anderer Bestimmungen ist mehr oder weniger
wörtlich dem Landfrieden von 1254 entnommen oder führt dessen
Absichten weiter aus (Landgericht, Vogtei, Burgenbau, Wahrung
des Münz und Mautregals, Schutz des Kirchengutes). Das Land-
recht mufs aber auch in Verbindung gebracht werden mit der
gesetzgeberischen und organisatorischen Tätigkeit Ottokars in seinen
anderen Ländern, hauptsächlich in Böhmen. Es ist ungefähr um
dieselbe Zeit in Prag ein Landtag abgehalten worden, dessen Be-
schlüsse in einigen charakteristischen Punkten, so in bezug auf
die Pflichten des Prager Burggrafen, — entsprechend den Punkten,
die sich gegen den österreichischen Landmarschall richten — und
in bezug auf das Verfahren gegen Falschmünzer eine auffallende
Übereinstimmung mit dem österreichischen Landrecht aufweisen -).
Es mufs aber, abgesehen davon, dafs es durchaus nicht feststeht,
ob dem österreichischen Landrecht oder dem böhmischen Landtag
die Priorität zukommt, besonders darauf aufmerksam gemacht
werden, dafs die gesetzgeberische Tätigkeit König Ottokars einen
1) Dopsch und Stieber denken allerdings nur an die Fehden im böh-
mischen Königshause. Diese gehörten jedoch schon einer kaum mel\r nach-
wirkenden Vergangenheit au.
2) Jirecek, Cod. juris Bohem. I, 157. Der Landtagsbeschlufs ist nur
im Formelbuch des Henricus Italiens ohne bestimmte Datierung überliefert.
518 Zwoiundzwanzigstes Kapitol.
kompilatorischen Charakter trägt: wir linden im Landiiieden von
1254, bezw. im Landrecht Entlehnungen aus dem Mainzer Land-
frieden '), aus dem bayerischen Landl'rieden von 1244, aus dem
Privilegium minus, aus dem Privileg l'iir Wiener Neustadt (Ent-
fernung der Burgen), aus einem Rechtsbuch der Herren von
Roseuberg, aus mährischen Rechtsqucllen, ja sogar aus dem römi-
schen Rechte (die P^ist von dreifsig Jahren zur Erlangung der
Gevvere) usw. Aufserdcm bevorzugte Ottokar keineswegs die böh-
mische, sondern weit mehr die deutsche Kultur. Man dürfte also
im Ottokarischen Laudrecht kein aufgezwungenes Recht vor sich
haben, sondern gewifs gutes deutsches altes Gewohnheitsrecht, das
nur mit einigen fremden Bestimmungen durchsetzt und damit dem
Rechte anderer Ottokarischer Länder angeähnelt ist. Das Land-
recht ist auch in deutscher Sprache abgefafst.
Dem Einflüsse des Marschalls auf die Landesverwaltung be-
gegneten wir ja schon seit dem Beginne des 13. Jahrhunderts in
Osterreich. Dafs jetzt die Paragraphen 55, 57 und 61 des Land-
rechtes dem Marschall auch eine gewisse Jurisdiktion bei der
Heerfahrt und eine Exekutive gegen Friedensbrecher im Lande
einräumen, dürfte kaum eine spezifisch böhmische Neuerung ge-
wesen sein ^). Eine Angleichung des Amtes an böhmische Amter
liegt allerdings darin, dafs Ottokar dem Marschall von Österreich,
Heinrich von Kuenring, auch den Titel eines Zupans verlieh ^).
Noch weniger dürfte die Beeinflussung durch böhmisches Recht
in bezug auf den von Ottokar eingesetzten geschworenen Rat des
Landesherru Geltung haben, denn wir haben dessen Entwickelung
schon seit dem Beginn des 13. Jahrhunderts verfolgen können.
Höchstens könnte auch hier die Zwölfzahl mit der Zwölfzahl der
böhmischen Kmeten in Übereinstimmung gebracht worden sein ^).
Deutlicher und zwingender scheint der Zusammenhang zwischen
1) Über diesen Punkt Lusehin im Neuen Archiv der Gesellscb. f. ältere
deutsche Geschiohtsk. XXV, 449, 1899.
2) Vgl. Wretschko, Das österreichische Marschallamt S. 38 ff.
3) Urkunde vom 13. Dezember 1255 (Uß. d. L. o. d. Enns III, 218).
4) Für böhmische Herkunft des geschworenen Rates sprachen sich Lorenz
a. a. 0. I, 349 und noch entschiedener Luschin, Die Anfänge der Landstände
aus (Histor. Zeitschr. LXXVIII , 443). Gegen sie mit hinreichenden Beweisen
Dopsch in den Mitteilungen des Instituts XIX, 165.
Österreich als Teil des böhmischen Kelches Przemysl Ottofears. 519
der Landfrage gegen landschädliche Leute (närok == accusatio)
nach böhmischem Rechte, die sich vom Jus Conrad! 1198 her-
leitet und in dem erwähnten Landtagsbeschlufs erneuert wurde,
und dem Verfahren gegen die Falschmünzer nach dem Landfrieden
von 1254 und noch genauer nach dem österreichischen Landrecht
§ 57 und 61, da dieses tatsächlich eine von dem in Deutschland
geltenden Rechte — siehe den Mainzer Landfrieden — ganz ab-
weichende Entwickelung zeigt ^). Statt des in Deutschland üblichen
ünschuldsbeweises finden wir hier den Schuldbeweis durch sieben
öffentliche Kläger, die ursprünglich in Böhmen einfach unter Eid
aussagten („Soken"), von Ottokar aber durch vorher bestimmte
Ankläger (die „Poprawzen") ersetzt wurden.
Die auffallende Bestimmung über die Ausschaltung des Ritter-
standes aus dem Landgericht (Herrengericht) und dessen Ver-
weisung an das Hofgericht als Instanz ist für die ständische Ent-
wickelung von Interesse. Schon hatte sich dieser Stand der ehe-
dem unfreien Gefolgschaftsleute durchzusetzen begonnen. Im Land-
frieden von 1254 und im Landrecht Ottokars begegnet zum ersten
Male die später für diesen Stand übliche Bezeichnung „Ritter und
Knappen" oder „Ritter und Knechte". Dafs sich der Landes-
fürst jetzt bewogen fühlte, sie unter seinen besonderen richter-
lichen Schutz zu nehmen, hat jedenfalls seinen Grund in dem
Vorgehen des Herrenstandes gegen sie, der ihr Emporkommen
hintanhalten wollten. Für die Herren war natürlich wieder anderer-
seits die Bestimmung von gröfstem Wert, dafs nur der „Haus-
genosse'' oder Standesgenosse oder der Übergenosse über sie
richten durfte. Und das bezog sich nicht nur auf die Richter,
sondern auch auf die Kläger, Zeugen und Eideshelfer. Selbst
der Hausfriedensbruch (die „Heimsuchung") war nur, wenn an
Haus- oder Übergenossen verübt, strafbar (§ 68). Ja, wir sehen
im Landrecht sogar schon einen deutlichen Übergang zur weiteren
Entwickelung. Da nämlich nach § 52 die Dienstmannen „um
all das Eigen, das im Lande ist", urteilen können, so ist hier
bereits ihr Unterschied von den alten Grafen und Freien verwischt.
Nicht minder wichtig war das Appellationsrecht an Kaiser
1) Vgl. auch Zallinger, Das Verfahren gegen die landschädlichen Leute
(Innsbruck 1895).
530 ZwoiundzwaDzigstcs Kapitel.
und Reich, das Ottokar im Landrechtc wiederherstellte, zugleich
eiu charakteristisches Merkmal für die seit dem Landfrieden von
1254 geänderte Stellung zum Reich, die Ottokar nach seiner An-
knüpfung mit Alfons von Kastilien offenbar ostentativ betonen
wollte.
Entsprechend der gesteigerten Fürsorge Ottokars für die Städte,
auf die ich noch in anderem Zusammenhange zurückkomme, sind
im Landrecht neben den Herren und Rittern auch bereits die
Bürger und zwar die Erbbürger berücksichtigt. Die Übergangs-
zeit drückt sich darin aus, dafs noch immer gewisse Vergehen dem
Landrichter vorbehalten sind.
Ein grofser Teil des Landrechtes ist dem Lehen- und dem
Familien-, speziell dem Erbrecht gewidmet. Die lehenrechtlichen
Bestimmungen (§ 23 — 33) sind dadurch interessant, dafs sie uns
die Entwickelung des Lehensrechtes bis zu unserer Periode zeigen.
Lehensherrlichkeit und Lehensrührigkeit gehen auf die Kinder
über. Die Lehensträger hatten um neuerliche Belehnung an-
zusuchen (muthen oder sinnen) und zwar beim Todesfalle des
Herrn an drei angesagten Tagen innerhalb des Todesjahres —
eine spezielle Eigentümlichkeit des österreichischen Landrechtes — ,
im Todesfalle des Lehensmannes innerhalb Jahr und Tag ohne
bestimmten Termin. Durch eine Verjährungsfrist von zwölf
Jahren, während welcher jemand ein Lehen in stiller Ge-
were hatte, konnte geradezu ein neues Lehen rntstehen (§ 28).
Im übrigen war auch in Osterreich die Grundlage des Lehen-
rechtes die Gewere. Ein Lehenverlust kann von selten des Herrn
nur in einem Falle eintreten, nämlich wenn der neue Herr durch
eine Mifsheirat seinem Vorgänger nicht ebenbürtig ist (§ 25), von
seifen des Lehenträgers durch Tötung, Beraubung, Brandstiftung
und Verleumdung des Lehenherrn, durch Nichterneuerung der Be-
lehnung und durch Weitervergebung des Lehens ohne Zustimmung
des Herrn. Eine eigene Art des Lehens sind die Burglehen ; sie
werden auch durch blofses Verlassen der Burg, also Vernachlässi-
gung der Pflicht verloren.
Endlich sind es die Beziehungen unter den Standesgenossen
selbst, die durch das Landrecht geregelt werden. Sie betreffen
aufser den bereits erwähnten gerichtlichen Bestimmungen haupt-
Österreich als Teil des böhmischen Kelches Przemysl Ottokars. 531
sächlich das Familien- und Erbrecht. In ersterem stehen wieder
die eherechtlichen obenan; sie handeln über die Morgengabe, die
der Gatte zu geben schuldig war, und das Leibgeding (§ 21, § 32).
Als Termin für die Mündigkeit gibt das österreichische Landrecht
statt des üblichen deutschrechthchen 12. Jahres vielleicht unter
römischrechtlichem Einflufs das 14. Jahr (bei der Jungfrau das
12. Jahr) an (§ 77). Es sind die in gleichzeitigen österreichischen
Quellen ') bereits genannten „bescheiden Jahre". Aufserdera wird
das Alter der Karapfmündigkeit auf 24 Jahre festgesetzt (§ 9).
Was das Erbrecht betrifft, so waren die Kinder in erster
Linie erbberechtigt. Bei Kindern verschiedener Ehen machte das
österreichische Landrecht, wie überhaupt süddeutsche Rechts-
satzungen, einen charakteristischen Unterschied vom norddeutschen
Recht, das diese Kinder ganz gleich behandelte. Nach dem Land-
recht hatten die Kinder nur auf jene Güter Anspruch, die während
der betreffenden Ehe erworben worden sind (§ 17). Das Land-
recht stellt auch das Erbrecht der Geschwister und das der Witwe
(Art. 20, 26) fest. Eigentümlich ist das Warterecht, das dem
Erben ganz unbedingt sein Erbe (wenigstens das unbewegliche
Eigen) wahrte und ihn vor jeder Veräufserung durch den Erb-
lasser aufser mit seiner Zustimmung schützte (§ 15, 17).
Nicht nur in die rechthche Stellung der Dienstmannen ge-
währen die Bestimmungen des Landrechts Einblick, sie sind auch
kulturhistorisch interessant. Notzucht, Strafsenraub , Mord und
Diebstahl sind die Verbrechen, die schwer an Leib und Leben
bestraft werden, daneben gibt es noch eine Reihe von Vergehen.
Bei der Strafe gilt, wie in den gleichzeitigen Stadtrechten, der
Grundsatz der Talion (Gleiches um Gleiches). Bemerkenswert ist,
dafs in den meisten Fällen, selbst im Falle der Notzucht, eine
Lösung durch Geld möglich ist; ausgenommen sind nur Strafsen-
raub, Mord und Diebstahl. Beim Beweisverfahren ist noch der
Zweikampf üblich, doch mit allerlei Einschränkungen. Die zahl-
reichen Bestimmungen, in denen der Frauen gedacht wird, zeugen
von deren geachteter Stellung. Eigentümlich berühren die Straf-
androhungen bei Vergehen des Sohnes gegen den Vater, als welche
1) In den Stadtrechteu von Wien und Hainburg,
Zweiundzwanzigstes Kapitel.
aufgezählt werden: Vertreibung von seinem Gute, Brandstiftung,
Raub, Anschlufs an dessen Feinde und Anschläge gegen dessen
Leben, Bestimmungen, die aus dem Mainzer Landfrieden herüber-
genommen sind.
Die Verfügungen gegen die Entfremdung geistlicher Güter
-durch Laien sah sich König Ottokar bald darauf nochmals durch
besondere Mandate einzuschärfen veranlafst. Am 22. Januar 1266
befiehlt er allen seinen Land- und Stadtrichtern in Österreich ob
und unter der Enns, mit aller Strenge gegen den verabscheuungs-
würdigen Mifsbrauch, dafs sich Laien nach dem Tode von Prälaten
und Pfarrern deren Güter widerrechtlich aneignen, einzuschreiten '),
und in dem Immunitätsbefehl, den er bald darauf (15. März) be-
züglich der Güter des Bistums Passau in Österreich an seine
Richter und Beamten erläfst, wird gleichfalls betont, dafs gar
manche sich die Rechte und Freiheiten der Kirche anzumafsen
pflegten -).
Der bayerische Feldzug, für den durch die Erlassung eines
eigenen Landesgesetzes und durch umfängliche Rüstungen — in
zwei Heersäulen , von- Böhmen aus unter dem König selbst und
von Österreich aus unter Bischof Bruno vonOlmütz sollte der
Angriff erfolgen — so bedeutende Vorbereitungen getroffen waren,
hatte übrigens nur einen lächerlich geringen Erfolg. Im wesent-
lichen gab es nur wieder grofse Verheerungen bis gegen Regens-
burg hin, sowie um Passau und Reichenhall. Auch Ried fiel
Ottokar in die Hände. Wieder einmal legte sich der Papst ins
Mittel, um diesen nutzlosen Mordbrennereien ein Ende zu machen ^).
Der Legat Guido richtete an Ottokar ein Schreiben, das er auch
dm-ch die Bischöfe von Prag und Regensburg unterstützen liefs,
um ihn zum Frieden aufzufordern und ihn zu einem Kreuzzug
gegen die Heiden zu gewinnen *).
In den nächsten Jahren war Ottokar auf anderen Schau-
plätzen sehr in Anspruch genommen. Die Erwerbung von Kärnten
1) Böhmer, E'^g. Ot. 176; ÜB. d. L. o. d. Enns III, 343; ÜB. van
Niederösterreich I, 105.
2) Böhmer, Eeg. Ot. 177; Mon. Boic. XXVIII b, 392.
3^ Ann. Scti. Eudb. (M. G. SS. IX, 797); vgl. auch Mon. Boic. III, 334.
4) Palackv, Formelbücher I, 265.
Österreich als Teil des böhmisclien Eeiches Przemjsl Ottokars, 523
und Krain (Ende 1269) beschäftigte ihn schon lange. Sie brachte
seinem Reiche eine neue gewaltige Ausdehnung und einen neuen
Zuwachs von Kräften.
Für die landesfürstliche Verwaltung Österreichs bedeutet die
Regierung Ottokars eine wichtige Periode der Ausgestaltung. Sie
schlägt bereits Wege ein, die zu der späteren Entwickelung des
Beamtenstaates führen.
Dreiundzwanzigstes Kapitel.
Der Sieg des Landes! ürstentumes unter König- Ottokar.
Das Zwiscbenreich von Herzog Friedrichs IL Tode bis zur
Festigung der Ottokarischen Herrschaft hatte eine wichtige soziale
Wandlung angebahnt, die allerdings nur eine unaufhaltsame Ent-
wickelung zum Abschlufs brachte: die Verschmelzung der alten
Grafen und Freien mit den Dienstmannen zu einem Herrenstand,
zu den Landherren, wie sie sich stolz selbst zu nennen pflegten.
Der Prozefs war bereits zu weit vorgeschritten, als dafs ihn König
Ottokar noch hätte ^ aufhalten können. Er trug ihm daher im
Landrechte, wie wir gesehen haben, bereits in wichtigen Punkten
Rechnung, und als im Jahre 1267 Offemia von Pottendorf mit
dem Bischof von Freising über das Gut Herrenstein in Streit geriet,
das als freies Eigen nur einer Freien gehören sollte, wurde es ihr
zuerkannt, obwohl sich ihre Mutter durch die Heirat mit einem
Kuenringer, also mit einem Ministerialen, dem Stande nach er-
niedrigt hatte ^).
Wie König Ottokar seit dem Jahre 1254, namentlich aber
seit 12Ö0 seine landesfürstliche Macht gegenüber den Anmafsungen
des Herrenstandes energisch zu wahren bestrebt war, haben wir
gesehen. Er begünstigte ihm gegenüber den aufstrebenden Stand
der Ritter (der Sentraäfsigen). Das Landrecht schützte diesen vor
den Bedrückungen der Herren dadurch, dafs es ihn unmittelbar
unter das Herzogsgericht stellte. Es ist auch kein Zufall, dafs
Ottokar für das wichtige Amt des Landschreibers seit den letzten
sechziger Jahren Ritter heranzog.
1) Archiv für österreichische Geschichte XXVII, 271.
Der Sieg des Landesfürstentumes unter König Ottokar. 525
In den letzten acht bis zehn Jahren seiner Regierung wandte
jedoch Ottokar seine Gunst den Städten zu. Auch hier nahm die
Aktion ihren Ausgangspunkt von den böhmisch-mährischen Ländern,
wo durch Gründung deutscher Städte, Bewidmungen mit deutschen
Stadtrechten eine neue blühende Kultur geschaffen wurde. In
Österreich war Ottokar anfangs bei den Städten auf einigen Wider-
stand gestofsen. Wiener Neustadt konnte er erst durch allerlei
Konzessionen — und damals war er noch zu Konzessionen ge-
zwungen — gewinnen ^). Von der sonderbaren staatsrechtlichen
Klausel, wonach Ottokar erklären mufste, dafs die Übernahme der
Eegierung durch ihn weder dem Reiche noch den rechtmäfsigen
Erben des Landes Schaden bringen werde, war schon oben die
Rede. Nicht minder sonderbar ist es, dafs er den Neustädtern
das Reichsprivilegium von Wien bestätigte, das ihnen, wie es
scheint, vom Kaiser niemals verliehen worden war und das eigent-
lich im Widerspruch mit seiner landesfürstlichen Hoheit stand ^|
Und am 29. April 1253 mufste er sich zu einer neuen Privi-
legienbestätigung für Wiener Neustadt unter abermaliger Hinzu-
fügung neuer Rechte entschliefsen : es sollten hier niemals Geiseln
genommen, keine Burgen innerhalb der Bannmeile gebaut werden,
die Bürger sollten von Mauten und Steuern befreit bleiben, kein
Handel fremder Kaufleute sollte zu ihrem Schaden geduldet,
endUch ihnen ein Jahrmarkt von 1 4 Tagen zugestanden werden ^).
Zur Erklärung der auffallenden Begünstigung dieser Stadt mufs
man im Auge behalten, dafs sie damals noch zu Steiermark ge-
hörte und Ottokar bei der spröden Haltung dieses Landes alles
daran setzen mufste, einen so wichtigen Schlüsselpunkt zu ge-
1) Winter, Urkundliche Beiträge zur Rechtsgeschicbtc nieder- und ober-
österreichischer Städte, Märkte usw. (Innsbruck 1877j, S. 9.
2) Da diese Urkunde in einem angeblichen Original des Neustädter Archives
vorliegt, wird die Echtheit nicht bezweifelt, dennoch ist die Entstehung merk-
würdig und verdiente eine nochmalige eingehende Untersuchung. Schuster
(Gesch. d. Stadt Wien, hgg. vom Altertumsvereine I, 336) hat die Vermutung
ausgesprochen, dafs überhaupt nicht Wiener Neustadt, sondern Wien diese Be-
stätigung des Keichsprivilegiums hätte erhalten sollen , und dafs in der Kanzlei
eine Verwechselung geschehen sei. Fast wäre man versucht, an einen solchen Zufall
zu glauben.
3) Winter a. a. 0. S. 11.
536 Droiuudzwanzigstos Kapitel.
winnen. Im Frühjahre 1253 drohte aufserdem wieder ein un-
garischer Angriff, und Wiener Neustadt lag an der südöstlichen
Einfallsptbrte.
Den österreichischen Städten war Ottokar im Anfange seiner
Regierung nichts weniger als gewogen. Geradezu unbegreiflich
mufs es fast erscheinen, dafs Wien so ganz und gar keinen Gnaden-
beweis von ihm erhielt, obwohl wir nichts von einer feindschgen
Haltung der Stadt erfahren, sondern im Gegenteil annehmen können,
dafs sie sich ihm im grofsen und ganzen willfährig zeigte. Freilich ^
eine Partei mag es ja auch hier gegeben haben, die dem alten
Herrschergeschlecht anhing. Das spiegelt sich am besten in den
Reimchroniken eines Wiener Bürgers, der damals geschrieben hat,
namens Jans ^). Er ist ein Laudator temporis acti, einer von
denen, die heimlich noch Gertrude zugetan waren und für den
neuen Herrn wenig Sympathien hegten.
Möglich, dafs gleichwohl einige Verfügungen über Maut-,
Zoll- und Marktrecht in Wien aus der Ottokarischen Zeit stammen 2),
aber vermutlich auch erst aus der letzten Periode.
Der Landfrieden von 1254 begrenzt die Kompetenz des Stadt-
ricbters auf das Stadtgebiet, aber er läfst sie hier noch unein-
geschränkt gelten, das Landrecht geht noch weiter. Danach
sollten nur jene Klagen über Besitz innerhalb der Stadt vor den
Stadtrichter kommen, die von Bürgern erhoben wurden, von Nicht-
bürgern jedoch sei es vor den Landrichter, sei es vor den Berg-
meister oder den Lehensherrn. Es war also eine Beschränkung
des städtischen Sondergerichtes zugunsten der landesfürstlichen
Rechte ^j.
Damit wollte übrigens Ottokar die Entwickelung der Städte
nicht hindern, er hätte es wohl auch kaum vermocht, denn diese
schritt in ganz Mitteleuropa im 13. Jahrhundert unaufhaltsam vor-
wärts. Unter den neuen Stadien dieser Entwickelung ist besonders
1) Siehe Einleitung S. 8.
2) So wenigstens Heinrich Schuster in der „Geschichte der Stadt Wien"
I, 327 gegen Tomaschek, der diese Privilegien in den „Rechten und Frei-
heiten der Stadt Wien" als Nr. III und IV herausgab und sie in die Zeit
Herzog Friedrichs versetzte.
3) Vgl. darüber Dopsch im Archiv für üsterr. Geschichte LXXIX, 80 ff.
Der Sieg des Landesfiirstentumes unter König Ottokar. 537
der genossenschaftliche Zusammenschlufs einzelner Berufe schon
zur Ottokarischen Zeit auch in Österreich deuthch zu erkennen,
die Anfänge des später so blühenden Zunftwesens. Die ersten
Spuren sehen wir schon unter den Babenbergern, und die privi-
legierten Klassen der Laubenherren und Flandrer in Wien haben
wir ja bereits kennen gelernt. Am 1 3. Mai 1237 geben sich die Zunft-
meister (magistri) der Fleischhauer von Tulln mit Zustimmung des
Stadtrichters und der übrigen Bürgerschaft Satzungen \).
Bereits in die Ottokai'ische Zeit fallen Satzungen der Lederer
in St. Polten von etwa 1260 ^), und Ottokar selbst verleiht am
21. April 1261 den Schiffern zu Tulln dieselben Rechte, wie sie
die Schiffer zu Wien besafsen ^).
Ein anderes bedeutsames Moment in der Entwickeluns: der
Städte betrifft die soziale Stellung der Bürger *). Hier hatte sich
bereits ein Unterschied zwischen den altangesessenen Bürger-
geschlechtern, den Erbbürgern, und den neuen herausgebildet.
Die Erbbürger, das Patriziat, waren nunmehr rechtlich den Rittern
gleichgesetzt und wie diese lehenfähig. Wir haben ja bereits
unter dem letzten Babenberger vom Ritterschlage junger Bürger
in umfangreicherem Mafse gehört. Die beiden Privilegien für
Wiener Neustadt von 1251 und 1253 nennen bereits „milites et
cives", und noch schärfer tritt der Unterschied im Landrecht
hervor. Später machte die Nobilitierung der Bürger noch weitere
Fortschritte.
W^enn daher Ottokars Politik in den sechziger Jahren sich
gegen die Landherren immer feindlicher stellt und als Gegen-
gewicht die Ritter begünstigt, so ist es ganz natürlich, dafs er
sich nun auch den rittermäfsigen Bürgern zuwendet. Gewifs war
daneben auch der finanzielle Standpunkt mafsgebend, denn dieses
1) Winter a. a. 0. S. 6.
2) Winter a. a. 0. S. 18.
3) Winter a. a. 0. S. 19. Die Eechte der Schiffer zu Wien sind nicht
erhalten. — Dafür, dafs bereits 1268 in Wien eine Bruderschaft (Allerheiligen-
bruderschaft bei St. Koloman) bestanden habe, wie Bauer, Das Bruderschafts-
wesen in Niederösterreich (Bl. d. Ver. f. Landesk. XIX, 201, 1885) ohne Beleg
behauptet, habe ich keinen Anhaltspunkt finden können.
4) Dopsch a. a. 0. S. 86, wo allerdings die Schlüsse über die Entwicke-
lung noch aus der Annahme der Posteriorität des Landreehtes 11 geschöpft sind.
538 Dreiundzwanzigstos Kapitel.
bürgerliche Patriziat repräsentierte neben den Juden das für den
Landesl'ürstcn so wichtige kapitalkräftige Element. Alinlich wie
in anderen deutschen Territorien zu dieser Zeit der sich aus-
bildenden Landeshoheit scheinen auch unter Ottokar wenigstens
vorübergehend Juden an die Spitze der Finanzverwaltung gelangt
zu sein, denn die Gebrüder Lublin und Nekelo bezeichnen sich
im Jahre 12r)7 als „comites camere Ducis Austrie" '). Doch
dürften die scharfen Beschlüsse des Provinzialkonzils von Wien
im Jahre 1267, auf die ich noch zurückkommen werde, eine der-
artige Bevorzugung der Juden abgeschnitten haben. Dagegen
ist es sehr bezeichnend für Ottokars Begünstigung des Bürger-
tums im letzten Teile seiner Regierung, dafs er zu Beginn der
siebziger Jahre reiche Bürger aus den hervorragendsten Städten
des Landes an die Spitze seiner Verwaltung der beiden öster-
reichischen Länder berief: Paltram von Wien, Gozzo von Krems
und Konrad von Tulln ~).
Im Jahre 1267 erscheint Paltram als Kammergraf =^), 1270
zusammen mit Gozzo von Krems ^), während Konrad von Tulln
im Jahre 1267 vorübergehend das Schreiberamt an der Enns be-
kleidet ^).
Seit dem Jahre 1273 treten uns jedoch Paltram und Gozzo
in einer ganz neugeschaffenen mächtigen Stellung entgegen, näm-
lich als Leiter der herzoglichen Fiskalämter (Rectores officiorum),
somit der Domänen- und Regalienverwaltung zugleich, wie es scheint,
in Verbindung mit dem Landschreiberarat, das zu dieser Zeit nicht
durch eigene Beamte besetzt war. Gozzo von Krems war speziell
die Verwaltung Oberösterreichs zugeteilt, weshalb er sich auch als
„officiaHs in Anaso" ^'j oder „procurator Anasy" ') bezeichnet.
1) Font. rer. Austr. XXXI, 193.
2) Dopscb in den Mitteilungen des Institutes für österreichische Ge-
schichte XVIII, 286.
o) Quellen zur Geschichte der Stadt Wien I\ Eegest 859.
4) FoQt. rer. Austr. I, 107 und Niederösterr. Urkundenb. I, 127. Über
Gozzo siehe Kerachbaumer in Blätter des Vereins für Landeskunde XXIX,
146, 1895.
5) Wich n er, Geschichte des Benediktinerstiftes Admont II, 355.
6) Chmel, Geschichtsforscher I, 553.
7) Font. rer. Austr. XXXIII, 91.
Der Sieg des Landesfürstentumes unter König Ottokar. 530
Paltram wurde dann im Jahre 1275 im Schreiberamte des
Landes unter der Enns und als „Procurator Austrie" durch Konrad
von Tulln abgelöst, der in der Zwischenzeit Schreiber der Steier-
mark gewesen war. Bei der Verantwortlichkeit und Haftbarkeit
dieser Finanzämter war es notwendig, dafs kapitalkräftige Leute,
wie sie die genannten Bürger waren, sie bekleideten.
Die einflufsreiche Stellung Konrads von Tulln ^) dürfte es auch
mit sich gebracht haben, dafs Ottokar gerade die Stadt Tulln vor
a,llen anderen österreichischen Städten am 27. Oktober 1270 durch
zwei Privilegien auszeichnete ^), womit er ihr alle Rechte und Frei-
heiten der Herzöge Leopold und Friedrich bestätigte und einen
geschworenen Rat von zwölf Mitgliedern verleiht. Besonders be-
merkenswert ist jedoch eine Bestimmung, die bereits der kom-
menden Entwickelung vorgreift, nämlich die, dafs die Bewohner
der Stadt keinem fremden Grundherrn mehr Untertan, sondern
als Bürger einer landesfürstlichen Stadt gelten und nur dem Landes-
fürsten steuerpflichtig sein sollten.
Krems, die Vaterstadt Gozzos, nahm damals den böhmischen
Löwen in das Stadtsiegel auf^).
Ob noch die Begründung des Handelsgrafen- oder Hansgrafen-
amtes nach Regensburger Muster auf Ottokar zurückgeht, kann
nicht mit Sicherheit belegt werden *).
Auch Ottokars Tätigkeit als Städtegründer, die er allerdings
hauptsächlich in den böhmisch - mährischen Ländern entfaltete,
zeitigte in Niederösterreich wenigstens eine Frucht. Er gründete
— und zwar bezeichnenderweise erst jetzt im Jahre 1268 — zum
Andenken an seinen Sieg über die Ungarn im Jahre 1260 die
Stadt Marchegg ^) oder erhob vielleicht eine ältere Ansiedelung
1) Über ihn die kleine Monographie von Kerschbaumer in den Blättern
des Vereins für Landeskunde VIII, 36.
2) Winter a. a. 0. S. 19 und 22.
3) Siegen feld, Das Landeswappen der Steiermark (Graz 1900) S. 198.
4) Zum ersten Male kommt 1279 urkundlich ein Hansgraf in Wien vor,
doch wäre es ja immerhin denkbar, dafs das Amt in den letzten Jahren Ottokars
gegründet worden sei(Köhne, Das Hansgrafenamt [Berlin 1893]; Luschin in
der Geschichte der Stadt Wien, hgg. vom Altertumsvereine I, 442).
5) M. G. SS. IX, 703, 721 ; Archiv für österreichische Geschichte IX, 360.
Vancsa, Geschichte Nieder- n. Oberösterreicliä. o4
530 Dreiundzwanzigstes Kapitel.
Marie zur Stadt 0, Avobei ihm verrautlich ein Bollwerk für das
stets so gefjilirdete Marchfeld vor<:;eschwebt haben mochte. Den
für die Ausbeutung der Innerberger „Eisenwurzen" wichtigen
]\Iarkt Aschbach wollte er, obwohl er noch 1266 Weidhofeii an
der Ips gegen dessen Konkurrenz in Schutz genommen hatte, in
seine eigene Hand bringen ^).
In den letzten Kriegen Ottokars tritt endlich noch eine Er-
scheinung zutage, die gleichfalls dartut, wie sehr sich jetzt seine
landesfürstliche Macht — wohl auf Kosten des Herrenstandes —
auf die Städte stützte : nämlich die grofse Rolle, die die städtischen
Kontingente spielen. Zuerst erfahren wir von 1500 Wienern, die
im Jahre 1271 den König begleiten, als er mit einem rasch ge-
sammelten grofsen Heere gegen König Stephan von Ungarn zog,
der, um Rache dafür zu nehmen, dafs sich Anna von Machow,
die Schwiegermutter Ottokars, unter Mitnahme eines Teiles des
Kronschatzes zu diesem geflüchtet hatte, wieder einmal in Öster-
reich eingefallen war und das Gebiet zwischen Neustadt und Wien
verwüstete. Ottokar eroberte damals Prefsburg und legte das
Wiener Kontingent als Besatzung dorthin ^). Wie gewöhnlich ver-
mochte er jedoch auch damals trotz mehrfacher Erfolge nicht, in
Ungarn festen Fufs zu fassen. Er wurde besiegt, mufste einen
fluchtartigen Rückzug antreten und, da auch Herzog Heinrich von
Niederbayern in Oberösterreich eingebrochen war und die Gegend
zwischen Vöcklabruck und Wels verheerte *), froh sein, einen ghmpf-
lichen Frieden zu erlangen.
Obwohl er in diesem Frieden versprach, keine Überläufer
aufzunehmen, so wies er es bald darauf nicht ab, als der ungarische
Tavernicus oder Schatzmeister, Ägydius, Graf des Prefsburger Ko-
mitates, und dessen Bruder Gregor, Graf von Eisenburg, sich
unter seinen Schutz stellten und ihm Prefsburg und andere un-
garische Burgen überlieferten. Im Gegenteile belohnte er den
Überläufer Ägydius königlich, indem er ihm die österreichischen
Städte Laa, Stockerau und Korneuburg und ein jährliches Ein-
1) Vgl. Zawrzel in der „Topographie von Niederösterreieh " VI, 101,
2) Mitis im Jahrbuch für Landesif. von Niederösterreich III, 226, 1904.
3) Cent. Vindob. (M. G. SS. IX, 703).
4) Cont. Lambac. (ebendas. IX, 560).
Der Sieg des Landesfiirsteutumes unter König Ottokar. 531
kommen von 2000 Mark schenkte, wofür König Stephan wieder
seinerseits Heinrich von Güssing, der früher mit Anna von Machow
zu Ottokar geflüchtet, jetzt aber zurückgekehrt war, auszeichnete.
So kam es im Jahre 1273 zu neuerhchen Feindseligkeiten,
die sich wieder auf gröfsere Verwüstungszüge und Eroberungen
gegenseitigen Gebietes beschränkten. Ottokars Aufmarsch bei dem
traditionellen Ausgangspunkte seiner Operationen, der Feste Laa,
ging wieder so langsam vonstatten, dafs die Ungarn das ganze
Marchfeld mit ihren leichten Scharen überschwemmen konnten.
Ägydius, doppelter Verräter, überlieferte den Ungarn Prefsburg.
Auch da treten nun wieder städtische Kontingente namentlich als
Belagerungskorps auf. Wiener und Wiener Neustädter Bürger er-
oberten Prefsburg und St Georgen. Auch Ödenburg wurde eingenom-
men und mit dem Rechte der österreichischen Städte bewidmet ^).
Dafs dann König Ottokar, als es zum letzten Entscheidungs-
kampfe mit dem Deutschen Reiche ging, sich auch endlich Wiens
und seiner treuen Dienste erinnerte, das werden wir ja noch im
nächsten Kapitel hören. —
Über die Lage des Bauernstandes zur Ottokarischen Zeit in
den österreichischen Ländern wissen wir wenig. Immerhin dürfte
sie noch eine gute gewesen sein, wenn auch die Blütezeit des
ersten Drittels des Jahrhunderts bereits überschritten war. Jeden-
falls hatten die Bauern alle Ursache, die geordneteren Zustände
und die Eindämmung der Übergriffe des Herrenstandes im Gegen-
satze zu der gefährlichen Übergangszeit nach dem Tode des
letzten Babenbergers zu begrüfsen. Ottokar bemühte sich auch
vielfach um die Hebung der Landwirtschaft und des Weinbaues,
wie man aus den landesfürstlichen Urbarien entnehmen kann.
Es wird wiederholt in ihnen von neu aufgenommenen Villi-
kationen, von Waldschonung — Nutzung erst im vierten Jahre — ,
von Wiederanbau oder Neuanlage der Weingärten gesprochen ^).
1) Quellen bei Huber I, 565, Anm. 1. — Vgl. besonders Cont. Vindob.
M. G. SS. IX, 704); Cont. Praed. Vindob. (a. a. 0. S. 729) und Cont. Claustron.
VI (a. a. 0. S. 746).
2) Vgl. Dopsch in den MitteUungen des Instituts für österreichische Ge-
schichtsf. XIV, 469, dazu allerdings die einschränkenden Bemerkungen von Erben
(ebendas. XVI, 113).
34*
5;t2 Dreiumlzwanzigstps Kiipitol.
Für die Bcsiedelung des Landes hat Ottokars Regierung keine
Bedeutung mehr gehabt; die deutsche Kolonisation, wie er sie in
den böliniisch-mährischen Ländern durchführte, reichte nicht bis in
unsere Länder. Koch weniger darf man etwa annehmen, dafs
damals irgendwelche slawischen Elemente nach ( )sterreich ge-
kommen wären. Wie die Verwaltung, so blieb auch der Be-
völkerungscharakter des Landes trotz der Regierung eines böh-
mischen Fürsten rein deutsch.
Verhältnismäfsig günstig war unter Ottokar die Kirche gestellt.
Ihr war er ja in erster Linie für die Erlangung seiner Herrschaft
zum Danke verpflichtet. Es gibt kaum ein österreichisches Kloster,
das nicht von ihm durch Schenkungen, aber insbesondere durch
wichtige Befreiungen von Landgerichtsbarkeit, Maut und Abgaben
ausgezeichnet wurde. Aber trotzdem gewann gerade unter Ottokar
die landesfürstliche Macht die entscheidenden Juridiktionsrechte
über die Kirche, wie schon der Landfriede von 1254 klar aus-
spricht. Er suchte auch die Vogtei über Kirchen und Klöster an
sich zu ziehen ; namentlich hinsichtlich der oberösterreichischen liegt
uns aufser dem bekannten Landtaiding von Korneuburg von 1251
nochmals eine diesbezügliche Gesamtvei'fügung aus dem Jahre 1265
vor ^). Die von der Vogtgewalt losgelöste Defensio übertrug er
seinem Scriba. So gewann er wieder den alten Einflufs über die
Klöster, der in der früheren Babenberger Zeit bestanden hatte, und
kam gleichwohl auch den Wünschen der Kirche entgegen, indem
die KK)3ter von der oft drückenden Vogteigerichtsbarkeit befreit
wurden. Auch die Kirche strebte damals darnach, die Vertretung
der Kirchen bei weltlichen Händeln, früher einen Bestandteil des
Vogteirechtes, mit dem Patronatsrecht zu vereinigen ^).
Was die Bistümer betrifft, so wurden gleichfalls ihr Besitz-
stand und ihre Rechte von Ottokar in besonderen Schutz ge-
nommen, namentlich Passau, das unter den letzten Babenbergern
überwiegend in einem Rivalitäts- oder Feindseligkeitsverhältnis zu
1) ÜB. d. L. 0. d. Enns III, 579.
2) Wahrmund, Das Kirchenpatronatsreeht in Österreich (Wien 1894)
I, 70; Dop seh in den Mitteüungen des Instituts für österreichische Geschichtsf.
XVIII, 276 ff. Srbik, Die Beziehungen von Staat und Kirche in Österreich
(Wien 1904) S. 99.
Der Sieg des Laudesfürstoutumes unter König Ottokar. 533
den österreichischen Landesfürsten gestanden hatte, wurde von ihm
ungewöhnlich zuvorkommend behandelt ^), während Regensburg,
mit dem er ja zur Zeit der bayerischen Feldzüge in offener Fehde
lug, durch ihn auch in Osterreich mannigfache Einbufse erlitt ^).
Hier ist auch der Ort, einen Blick auf die Mafsnahmen zu
werfen, die Passau damals in seinen Territorien in C)sterreich oder
in den später an Österreich fallenden Gebieten traf, teils die Otto-
karischen Verwaltungsreformeu nachahmend, teils über sie hinaus-
gehend. Wir haben ja schon gesehen, dafs damals in Passau ein
tatkräftiger Kirchenfürst safs, welcher namentlich an organisato-
rischer Begabung dem Böhmenkönig wenig nachgab, Otto von
Lonstorf (1254— 12G5) ^).
Schon sein Vorgänger hatte noch vor Ottokar um das Jahr
1252 ein Verzeichnis der Passauischen Güter und Einkünfte in
Osterreich anlegen lassen '') ; jetzt entstand der nach Otto von
Lonstorf benannte Kodex, in den alle Passauer Privilegien ein-
getragen wurden ^).
Gleichfalls schon vor Ottokar wandte Bischof Otto den Städten
seine Aufmerksamkeit zu und verheb ungefähr um das Jahr 1260
der Stadt Eferding, dem Markte Gallneukirchen und der Stadt
St. Polten eigene Satzungen ^). Das Eigentümlichste aber, das
einer späteren Entwickelung vorgreift, ist, dafs er am 26. Oktober
1256 die Geistlichkeit und die Adeligen des sogenannten Abtei-
landes (im heutigen Oberösterreich) in llzstadt zu einem Landtag
zusammenrief und durch dieselben Bestimmungen über Gerichts-
1) Ich verweise auf die bereits erwähnte Unterwerfung Ottokars unter den
Schiedsspruch bezüglich der Pas.sauischen Lehen am 1. April 1253 (Böhmer,
Keg. Ot. 54), sowie auf das Schutzprivilegium vom 21. Januar 1266 (Böhmer,
Reg. 175) und die damit zusammenhängenden Mandate an die Land- und Stadt-
richter vom 22. Januar und 15. März 12G6 (Böhmer, Eeg. 176 u. 177).
2) Zum Beispiel entzog König Ottokar Regensburg dessen Besitzungen in
Haringsee in Niederösterreich (siehe die Rückerstattung durch König Rudolf 1277,
ÜB. d. L. 0. d. Euns III, 470).
3) Siehe jetzt Ulrich Schmid, Otto von Lonsdorf (Würzburg 1903), aller-
dings eine äufserst schwache Arbeit.
4) Wiener Jahrbücher für Literatur S. 40 (1827), Anz.-Bl. 30 und Mon.
Boic. XXVlIlb, 480.
5) Mon. Boic. XXIX.
G) Winter a. a. 0. S. 15. 16. 17.
534 Droiundzwanzigstos Kapitel.
wescn, Steuern, Forst- und Jagdwesen und Fischerei, über Erb-
recht, Handel und Verkehr autstellen liefs *).
Um nun wieder auf König Ottokar zurückzukommon, so
entfaltete dieser auch, sobald seine Herrschaft durch die Schlacht bei
Groifsenbrunn gefestigt war, eine höchst merkwürdige Tätigkeit
auf innerkirchlichem Gebiete. Wir wissen ja, dafs er zwei Kreuz-
fahrten gegen die heidnischen Pi-eufsen unternommen hat, nun
wandte er sich auch gegen die einheimischen Ketzer ^).
Vorher mufste logischerweise wieder einmal eine Reform des
Klerus vorgenommen werden, der in Osterreich während des
Zwischenreiches wieder arg verkommen war. Der Pfarrer von
Wien, Leopold, z. B. wurde im Jahre 1250 nicht nur wegen des
gleichzeitigen Besitzes zweier Pfründen, sondern wegen Totschlages,
Ehebruches, Simonie, Meineides und Ketzerei abgesetzt und exkom-
muniziert ■^). König Ottokar leitete demzufolge mit einem General-
mandat vom 16. Oktober 1259 eine allgemeine Visitation der
österreichischen Pfarreien und Stifter ein, indem er auf die Ge-
fahren der kirchlichen Mifsstände für das Volk hinwies und den
Bischof von Passau aufforderte, die frevelhaften Geistlichen zur
Verantwortung zu ziehen '').
Im Jahre 1264 griff er den alten Plan der Babenberger,
Wien zu einem Bischofsitz zu machen, wieder auf, und versuchte,
diesmal in Übereinstimmung mit dem Bischof von Passau St. Stefan
zu einer KoUegiatkirche zu erheben. Doch auch diesmal ver-
schwand der Gedanke wieder kaum , dafs er aufgetaucht war °).
Einige Jahre später, als Ottokar gegen die widerspenstigen Land-
herren und gegen die Landfriedensbrecher zu Felde zog — um die
Mitte der sechziger Jahre — , räumte er gleichzeitig mit den Ketzern
in den österreichischen Landen auf, nachdem er schon vorher in
1) Mon. Boic. XXVIIIb, 510; ÜB. d. L. n. d. Enns I, 490; deutsch bei
Schmid a. a. 0. S. 35.
2) Für das Folgende vgl. Haupt, Waldensertum und Inquisition im süd-
östlichen Deutschland bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts (Deutsche Zeitschr.
f. Geschichtsw. I, 295 f., 1889); FrieTs, Über Patarener, Bogharden und Wal-
denser in Österreich (Österr. Vierteljahrsschr. f. kath. Theol. XI, 209, 1872).
3) Mon. Boic. XXIX b, 370.
4) a. a. 0. S. 427; Lang, Keg. Boic. III, 138.
5) Mon. Boic. XXVIII a, 389. Srbik a. a. 0., S. 24.
Der Sieg des Landesfiirstentumes unter König Ottokar. 535
Böhmen und Mähren gegen sie eingeschritten war. Wie sehr es
tatsächlich hoch an der Zeit war, dafs gegen das wuchernde Unkraut
etwas geschah, wenn anders es nicht zu einer wirklichen Gefahr
werden sollte, zeigt am deutlichsten das Verzeichnis jener Pfarreien
in Osterreich ob und unter der Enns, in denen nach den Erhebungen
der Inquisitoren bereits sektiererische Gemeinden bestanden ^). Ihre
Zahl beträgt vierzig ^), und dabei soll es in einzelnen Pfarreien
auch noch mehrere „Schulen", d. h. Gemeinden der Ketzer, ge-
geben haben, z. B. in der Pfarre Kematen allein zehn! Die
Hauptmasse dieser Sektierer gehörte den waldensischen „Leonisten"
an, doch sollen auch Ortliber, Runcarier, Siegfrieder, Geifsler und
Brüder vom freien Geiste in Osterreich vorgekommen sein ^). An
der Spitze der österreichischen Waldenser stand bereits ein eigener
Bischof, der in Anzbach (bei Neulengbach) seinen Sitz hatte. In
engste Beziehung traten sie zu den lombardischen Waldensern,
denen sie auch Kollekten zuführten.
Die Anhänger der Irrlehre befleifsigten sich eines strengen
Lebenswandels und machten namentlich im Handwerkerstande
eine erfolgreiche Propaganda. Sie scheinen sich aber auch bereits
1) Quelle ist der Bericht eines Priesters der Passauer Diözese aus den
Jahren 1260 —1270, der selbst einer der Inquisitoren war. Gedruckt bei Gretser ,
Opera Tom. XII, Biblioth. max. Lugd. XXV, 262; Preger, Beiträge z. Gesch.
d. Waldesier (AbhamUg. d. histor. Kl. der Münehener Akademie XIIl , Abt. 1,
S. 241); das Verzeichnis findet ?ich auch nach anderen Handschriften bei Pez,
Scriptores II. 536 und Friefs a. a. 0. S. 254, wo es mit Müller, Die Wal-
denser und ihre einzelnen Gruppen im Mittelalter (Theol. Studien und Kritiken
1886, S. 147) ins 14. Jahrhundert verlegt wird, doch hat Preger, Über das
Verhältnis der Taboriten zu den Waldesiern des 14. Jahrhunderts (Abhandig.
der histor. Kl. der Münchener Akademie XVIII, 1) die Abfassungszeit kritisch
festgestellt.
2) Diese Pfarren sind (nach Haupt) in Niederösterreich im Viertel ober
Manhartsberg : Lengeufeld , Stratzing, Langenlois, Drosendorf, St. Oswald (bei
Persenbeug); im Viertel ober Wiener Wald: Anzbach, Ollersbach, Christofen,
Böheimkirchen , Ips , St. Georgen , Amstetten , Winklarn , Neustadtl , Ardagger,
Seitenstetten , St. Peter in der Au, Aschbach, Weistrach, Haag, Sindlburg,
St. Valentin, Haidershofen, Nöchling; — in Oberösterreich: Steier, St. Florian,
Ansfelden, Sierning, Weifskirchen, Kercaten, Neuhofen, Wels, Seh wannen stadt,
Gunskirchen, Marienkirchen, Popping, Grieskirchen , Naarn, Enns, Puchkirchen,
Kammer, Hubing.
3) Förstemann, Die christlichen Geifslergesellschaftea (Halle 1828).
536 Dreiundzwanzigstes Kapitel.
so stark gefühlt zu haben, dafs sie aggressiv vorgingen, Ver-
weigerung der kirchlichen Zehnten und Einziehung des Kirchen-
besitzes predigten und für die Verfolgungen, die sie erlitten, hand-
greifliche Vergeltung übten, indem sie an manchen Orten, so zu
Keniaten in Oberösterreich und zu Nöchling in Niederösterreich,
die katholischen Pfarrer erschlugen *).
Einen gewissen Abschlufs dieser bemerkenswerten kirchlichen
Aktionen zu Ottokars Zeit scheint das Provinzialkonzil zu Wien
vom Jahre 1267, das unter dem Vorsitz des päpstlichen Legaten
Guido von St. Lorenz am 10., 11. und 12. Mai dieses Jahres statt-
fand, gebildet zu haben. Seine wichtigsten Beschlüsse waren zu-
nächst gegen die Aneignung der Habe verstorbener Priester ge-
richtet, einen der schwersten Mifsbräuche während des Zwischen-
reiches, zugleich aber auch nicht ohne Spitze gegen die Willkürlich-
keiten des Landesfürsten, dann gegen die wieder eingerissene Ver-
heiratung der Priester; diese Ehen sollten sofort gelöst werden.
Andere Bestimmungen betrafen den Besitz von Pfründen. Erst
das Alter von achtzehn Jahren berechtigte zu einem solchen;
er durfte nur aus dpr Hand des Bischofs, nicht aber etwa aus
der des Patrons genommen werden. Eine ■ Kumulierung war
nicht gestattet. Die Kirclienverbote gegen das Zinsennehmen
wurden auch hier eingeschärft. Besonders eingehend beschäftigte
sich das Konzil jedoch mit Mafsregeln gegen die Juden. Es
wurde ihnen eine eigene Kleidung vorgeschrieben, der Besuch
der Gast- und Badehäuser verboten, wie andrerseits auch die
Christen ihren Hochzeiten fernbleiben und sie nicht zu Tische
laden sollten. Die Juden mufsten ihre Fenster und Türen schliefsen,
wenn das Sakrament vorbeigetragen wurde, und durften während
der christlichen Fasten kein Fleisch über die Gasse schaffen. Sie
durften weder über den Glauben disputieren, noch Kranke der
Christen besuchen oder gar kurieren. Kurz, es wurde jeder An-
lafs zu gefährlichen Komplikationen, den der Verkehr zwischen
Christen und Juden geben konnte, möglichst aus dem Wege ge-
räumt. Den Pfarrern, in deren Gemeinde sie wohnten, mufsten
sie Zehnte zahlen. Sie hatten also bereits Grundbesitz. Endlich —
1) Bibl. max. XXV, 264; Friefs a. a. 0. S. 257; M. G. SS. IX, 827.
Der Sieg des Landesfürstentumes unter König Ottokar. 537
und hier merkt man am besten die gegen die Übung, wie sie
unter der Begünstigung der Landesfürsten eingerissen war, ge-
richtete Spitze — die Juden sollten weder den Mauten vorstehen,
noch überhaupt ein Amt bekleiden ^).
So sehen wir denn unter König Ottokars tatkräftiger Initiative
auf allen Gebieten des inneren Lebens eine reiche Bewegung und
Gestaltung sich entfalten. Obwohl ein Fremdhng in den deutsch-
österreichischen Ländern, obwohl ein strenger und manchen Ständen
unnachsichtiger Herr, obwohl mehr Haudegen als glänzender, sieg-
reicher Feldherr und Kriegsheld, erwarb er sich doch in Osterreich
viele Sympathien. Dafs die Klosterannalen voll seines Lobes sind,
ist begreiflich, aber auch die Minnesänger, allerdings zumeist dem
von ihm begünstigten Stande der Ritter angehörig, wie der Tan-
huser, der vermutlich aus Oberösterreich stammt und in Wien
lebte, Ulrich von Türlin u. a., scharten sich um ihn und sangen
zu seinem Preise. Auch im letzten Entscheidungskampfe galten
ihm und nicht dem Habsburger die Sympathien des Volkes und
der Dichter; sein Tod wurde besungen und beklagt.
1) Hartzheim, Concilia Geimaniae III, 635. Siehe Anton Mayer in
der Gesch. der Stadt Wien, herausgeg. vom Altertnmsvereiu I, 472 und Srbik
a. a. 0. S 47.
Vierundzwanzigstes Kapitel.
Österreich als wiedergewonnenes deutsches
Reichsland ^).
Man kann sich darüber wundern, dafs Ottokar bei seiner
Machtstellung nicht neuerdings nach der deutschen Kaiserkrone
gestrebt hat. Es scheint ihn aber eher der Gedanke verlockt zu
haben , bei fortschreitender Schwächung und Zersplitterung des
deutschen Reiches ein grofses starkes böhmisches Reich im Osten
von Litauen bis zur' Adria aufzurichten -). Deshalb auch das
abermalige geringe Entgegenkommen, das Erzbischof Engelbert
von Köln bei ihm fand, als er nach dem Tode Richards von Corn-
walHs (2. April 1272) im August dieses Jahres in Wahlangelegen-
heiten nach Prag reiste ^).
Die Sache kam aber ganz anders, als Ottokar gedacht haben
mochte. Es war schon eine schlechte Vorbedeutung, dafs unter
denen, die eine Neuwahl auf das lebhafteste betrieben, sein alter
Gegner, Pfalzgraf Ludwig von Bayern, im Vordergrunde stand.
So konnte es geschehen, dafs, als am 1. Oktober 1273 die Königs-
wahl zustande kam, sogar das Wahlrecht Böhmens zugunsten des
Herzogs Heinrich von Niederbayern ausgeschaltet wurde. Das
1) Literatur: Huber I, 580; Lorenz, II^ Iff.; Bachraann I, 609f.;
Eedlich, Rudolf von Habsturg (Innsbruck 1903), das ich meiner Darstellung
im wesentlichen zugrunde gelegt habe; in Kürze auch Eedlich in „An Siegen
und Ehren reich'". — Quellen bei Böhmer-Redlich, Regesta imperii VI,
1. Abt. (Innsbruck 1898).
2) Vgl. Redlich a. a. 0. S. 135.
3) Ann. Ottocariani (M. G. SS. IX, 189).
Österreich als wiedergewonnenes deutsches Reiehsland. 539
westdeutsche Element, in dem sich der Reichsgedanke konzentrierte,
war siegreich, und da man einem der mächtigsten Fürsten bei
der bestehenden Rivalität die Krone nicht gönnte, ging einer der
kleineren, allerdings reichsten und einflufsreichsten südwestdeutschen
Dynasten, dessen Persönlichkeit zur Krone prädestiniert erschien,
aus der Wahl hervor: Rudolf Graf von Habsburg ').
König Ottokar, ebensowenig ein weitblickender Politiker wie
ein hervorragender Feldherr, scheint spät, aber doch in den Be-
werb um die deutsche Krone mit eingetreten zu sein, schlug aber
ganz falsche Wege ein, um zum Ziele zu gelangen. Er wandte
sich an seine alte Freundin, die Kurie ^), ohne zu begreifen, dafs
sich seit den Tagen Innozenz' die Zeiten gründlich geändert
hatten und dafs Gregor X., kein absoluter Gewaltmensch wie
jener, starr an dem Legitimitätsprinzipe festhielt; er wandte sich
an Karl von Anjou und schweifte in der Ferne, statt den Blick
auf das Nächstliegende zu richten. Er sandte den Bischof Bertold
von Bamberg der mit leeren Protesten ganz vereinsamt blieb,
nach Frankfurt zur Wahl, statt selbst mit dem Gewichte seiner
Persönlichkeit aufzutreten.
Auch jetzt, nach vollzogener Wahl, wäre es wohl am klügsten
gewesen, mit dem neuen Herrscher irgendeinen Modus vivendi
zu suchen. Statt dessen hoffte Ottokar noch immer auf Gregor X.
Er schickte Bischof Wernhard von Seckau noch im Dezember
1273 zu ihm nach Lyon und hefs eine von Bruno von Olmütz
ausgezeichnet ausgearbeitete Denkschrift überreichen, die den
Nachweis liefern sollte, dafs bei der Uneinigkeit der deutschen
Fürsten und bei den Gefahren, die dem deutschen Reiche von Osten
her, von Ungarn und Kumanen, Russen, Litauern und Preufsen
drohten, einzig und allein Ottokar von Böhmen der berufene
Herrscher sei ^).
Und wie sehr täuschte sich Ottokar doch in bezug auf Gregor!
•Selbst der in Aussicht gestellte Kreuzzug, ein besonderer Lieb-
1) Redlich a. a. 0. und Vancsa in „An Siegen und an Ehren reich".
2) Gesandte Ottotars waren zu Anfang 1273 in Rom (Brefslau in Mitt.
d. Inst. XV, 59, 1894 nach Berichten der genuesischen Gesandten). Vgl. darüber
und über das Folgende Redlich S. 148.
3) Erben-Emier, Reg. Boh. III, 342.
540 Vierundzwanzigstes Kapitel.
lingsvvunsch des Papstes, vermochte diesen nicht von dem Wege^
den er als den des Rechtes erkannt hatte, abzubringen. Das
Aufserste, zu dem er sich verstehen wollte; war die Übernahme
eines Schiedsspruches über beide Parteien, falls sie damit einver-
standen seien. Rudolf erklärte sich sofort bereit, Üttokar ver-
langte einen Aufschub von sechs Jahren. Da durchschaute Papst
Gregor die Unaufrichtigkeit dieser Gesinnung und erliefs am
20. September 1274 in aller Form die Anerkennung der Wahl
Rudolfs ').
Rudolf von Habsburg hatte unterdessen nicht müfsig zu-
gesehen, wenn auch die schwebenden Verhandlungen mit der
Kurie das Rechtsverfahren im deutschen Reiche hinausgeschoben
hatten. Aber jedenfalls konnte es dem politisch scharfen Blick des
deutschen Königs nicht entgehen, dafs die Entscheidung der
böhmisch-österreichischen Frage den Angelpunkt seiner künftigen
Machtstellung bedeute. Schon auf dem Hoftage zu Speier um die
Mitte Dezember 127.3 hatte er dekretiert, dafs alles entfremdete
Reichsgut zurückerstattet werden müsse. Dem Hoftage sollte am
24. Juni ein Reichstag zu Nürnberg folgen, der aber aus einer
Reihe von Gründen nicht zustande kam. Als er dann am 19. No-
vember doch zusammentrat, fand er bereits eine geklärte Sach-
lage vor. Mittlerweile war eben die offizielle Anerkennung des
Papstes erfolgt, demnach von selten der Kurie nichts mehr zu
fürchten, und Ottokar hatte sich durch seine st '•rrische Haltung,
namentlich auch dadurch, dafs er die Frist zur Erneuerung seiner
Lehen verjähren liefs, bereits in offenkundiges Unrecht gesetzt.
So gestaltete sich denn der Nürnberger Reichstag recht eigent-
lich zu einem grofsen Gerichtstage, bei dem der deutsche König
als Kläger auftrat und Pfalzgraf Ludwig den Vorsitz führte. Das
Urteil zerfiel in ein allgemeines, das dem Könige gestattete, gegen
alle, die sich irgendwelcher Güter des Reiches, die Kaiser Fried-
rich n. vor seiner Absetzung innegehabt habe, bemächtigt hätten
und deren Herausgabe verweigern würden, mit Gewalt vorzugehen,
und in ein besonderes, das Ottokar von Böhmen des Versäum-
nisses des Lehenempfanges schuldig erkannte und ihn zur Recht-
1) Erhalten ist allerdings nur das Schreiben des Papstes, worin er Ottokar
die Anerkennung mitteilt (Emier, Keg. Boh. II, 378).
Österreich als wiedergewonnenes deutsches Reichsland. 541
f'ertigung für den 23. Januar des nächsten Jahres (1275) durch
den Pfalzgrafen nach Würzburg vorladen liefs.
Damit war, wie sich die Sachlage zugespitzt hatte, bereits
der Kriegszustand proklamiert, und Rudolf von Habsburg und
Ottokar von Böhmen verwendeten die nächste Zeit eifrig: dazu,
Bundesgenossen zu gewinnen, bezw. dem Gegner die seinigen ab-
wendig zu machen. Eine gewisse Gruppierung hatte sich schon
seit dem Sommer 1274, als der entscheidende Reichstag in Sicht
war, vollzogen, hielt aber nicht lange stand.
Auf die Seite Rudolfs hatten sich mehr oder wenisrer ent-
schieden die südostdeutschen Bischöfe gestellt, vor allen Erzbischof
Friedrich von Salzburg ^), dessen Hauptaugenmerk darauf ge-
richtet war, die zahlreichen Salzburger Kirchengüter, die Ottokar
während des langwierigen Salzburger Schismas entfremdet und
nicht zurückerstattet hatte, wiederzuerlangen. König Rudolf ver-
sprach zu Hagenau Anfang August 1274, den Bischöfen wieder
zu ihren Gütern in Österreich, Steiermark, Kärnten und Krain zu
verhelfen. Überdies schien es Rudolf glücken zu wollen, das im
Falle eines Krieges so wichtige Ungarn auf seine Seite zu ziehen.
Der einflufsreiche Oberschatzmeister Joachim Pectari, Gemahl
Marias, der Tochter der Babenbergerin Gertrud und Romans von
Halicz, war ein entschiedener Gegner Ottokars und eifrig bemüht,
eine Verbindung des jungen Prinzen Andreas mit einer der Töchter
König Rudolfs zustande zu bringen.
Dagegen hatte Ottokar einen unerwarteten Bundesgenossen
gewonnen: Heinrich von Niederbayern, der mit seinem Bruder,
dem Pfalzgrafen Ludwig, in beständigem Zwiste lag und deshalb
dessen Parteistellung nicht teilen wollte. Er hatte auch gleich
Ottokar die Frist zur Erneuerung seiner Lehen verstreichen lassen.
Der Böhmenkönig schien durch diese Bundesgenossenschaft ein
mächtiges Vorwerk für seine österreichischen Länder erworben
zu haben.
Und bald gewann König Ottokar Erfolg um Erfolg. Zu Ende
des Jahres 1274 und zu Beginn 1275 war er fast auf allen Linien
1) Üher dessen Stellung vgl. Bussen, Salzburg und Böhmen vor dem
Kriege von 1276 (Arcliiv f. österr. Gesch. LXV, 255).
512 Viorundzwanzigstos Kapitel.
im entschiedenen Vorteil, während König Rudolfs Aussichten sich
immer ungünstiger gestalteten. Zunächst schritt Ottokar energisch
ffecen die Bischöle ein. Da sie Ende Oktober zu einer Provinzial-
Synode in Salzburg zusammengekommen waren, erliefs er an sie
eine strenge Vorladung nach Prag. Unter diesem Eindruck be-
schlofs die Synode noch schnell, dafs, falls der Erzbischof oder
einer seiner Suffragane gefangengenommen oder angegriffen würde,
die ganze Erzdiözese dem Interdikt verfallen solle. Dann eilten
sie auseinander, nichts Guten gewärtig. Nur Erzbischof Friedrich
hatte den Mut, der Vorladung nach Prag Folge zu leisten und
sich zu weigern, die Bedingungen Ottokars anzunehmen. Bischof
Leo von Regensburg wohnte sogar dem Reichstag von Nürnberg bei.
So nahm denn das Verfahren Ottokars gegen die in seinen
Ländern begüterten südostdeutschen Bistümer seinen Lauf. Ab-
gesehen davon, dafs er die Einhebung des Kreuzzugszehnten verbot,
wurden die Kirchengüter — hauptsächlich die Salzburgischen und
Regensburgischen — besetzt und die Untertanen gezwungen, den
königlichen Amtleuten zu zinsen, endlich die Temporaliensperre
auf alle Naturaleinkünfte der Bistümer verfügt.
Von König Rudolf schien keine Hilfe zu erwarten ; noch waren
endgültige Entscheidungen des Reichsgerichtes nicht erfolgt, noch
war der König in allerlei kleine Händel und Angelegenheiten in
Deutschland verstrickt, noch waren keinerlei Mittel zu einem
Reichskriege vorhanden. So blieb denn den Bischöfen nichts andres
übrig, als sich dem noch immer so mächtigen Böhmenkönig zu
fügen. Zuerst das besonders in Mitleidenschaft gezogene Passau.
Am 11. Dezember 1274 belehnte Bischof Peter den König Ottokar
mit allen Passauischen Lehen, wie sie die Babenberger besessen
hatten ^). Leo von Regensburg begab sich persönlich zu dem
Böhmenkönig, und auf den Bambergischen Gütern regten sich die
Untertanen '^) ; Freising hatte ohnehin auf Ottokars Seite ausgeharrt
und erbat sich später sogar in seiner Loyalitätssucht einen eigenen
vom König eingesetzten Verwalter für die Güter in Österreich,
1) Mon. Boic. XXIX b, 515.
2) Schreiben des Erzbischofs Friedrich von Salzburg von Anfang Januar
1275 (F.öhmer-Kedlich, Eegesten 319; Emier, Eeg. Boh. ü, 387).
Österreich als wiedergewonnenes deutsches Eeichsland. 543
den es in der Person des Propstes Heinrich von Wörth auch er-
hielt '). Salzburg sträubte sich am längsten gegen ein Nachgeben.
Als aber die Salzburger Festen^ besonders in Kärnten, gebrochen,
die Güter verwüstet wurden, mufste sich doch auch Erzbischof
Friedrich am 29. Mai 1275 in Prag zu einem Vergleich bequemen ^).
Zu derselben Zeit wie die Bischöfe schien auch Ungarn der
Sache Rudolfs verlorengehen zu sollen. Joachim Pectari wurde
gestürzt, und durch Vermittelung des Herzogs Heinrich von Bayern
kam ein Friede und Bündnis zwischen Ottokar und König Ladis-
laus zustande, wonach dieser jede Verbindung mit Rudolf von Habs-
burg abschwören sollte. In Hainburg sollten dann bei einer persön-
lichen Zusammenkunft endgültige Abmachungen getroffen werden ^).
Endlich hatte König Ottokar alles ins Werk gesetzt, um auch
die österreichischen Länder in festem Gehorsam zu halten, und
auch da war es ihm gelungen, die sich regende Unbotmäfsig-
keit mit starker Faust zu unterdrücken. Hier bildete der höhere
Adel, dessen Machtsphäre, wie wir wissen, von Ottokar am
meisten eingedämmt worden war, das unzuverlässige Element.
Auch der lange vernachlässigten Städte oder wenigstens gewisser
Parteien in denselben war Ottokar keineswegs sicher. Schon früh-
zeitig scheinen die Unzufriedenen Verbindungen mit dem deutschen
Reiche und dem neuen Könige angeknüpft zu haben. Ottokar begab
sich daher schon im Frühjahr 1274 nach Österreich und liefs sich
von Adeligen und Städten Geiseln stellen ^). Als dann aber nach dem
Reichstag von Nürnberg einige Adehge in Österreich und Steiermark, ,
Wernhard von Wolkersdorf, Ulrich von Viehofen und Hartnid von
Wildon eine förmliche Empörung wagten, kam er mit Heeresmacht
herbeigeeilt, brach ihre Burgen und liefs ihre als Geiseln ge-
gebenen Kinder vor ihren Augen in grausamer Weise umbringen.
Der Wolkersdorfer und der Wildonier flohen über die Grenze ^).
1) Font. rer. Austr. 2. Abt. XXXI, 334.
2) Emier II, 403, 404.
3) Voigt im Archiv für österreichische Geschichte XXIX, 38 und Emier
S. 339 (irrig zu 1273).
4) Cent. Vindob. (M. G. SS. IX, 705).
5) a. a. 0. S. 706; Eeimchronik 181 ff. ; Schreiben des Erzbischofs Fried-
rich vom Ende Februar 1275 (Böhmer-Kedlich, Keg. 336).
544 Vieiundzwanzigstos Kapitel.
Noch mehr bemühte sich nun König Ottokar, Vorbeugungs-
mafsregeln zu treffen. Zunächst wurde die Stadt Wien schon zu
Beginn 1*270 neu befestigt. Später suchte er auch die Bürger
durch aulserordentUche Gunstbezeugungen an sich zu fesseln, in-
dem er ihnen zur Besserung der Schäden nach einigen verheeren-
den Bränden der letzten Jahre einen Wald schenkte, ihnen für
einen Monat einen Markt verlieh und sie für fünf Jahre von allen
Mauten und Steuern befreite *). Der patrizischen Geschlechter
in den Städten schien Ottokar ohnehin sicher zu sein; so vor
allem in Wien, wo der mächtige Paltram Vatzo mit seiner zahl-
reichen Familie sich ihm sogar durch einen Schwur zur Treue
verband 2), in Tulln Meister Konrad. Von zweifelhaften Städten
liefs er sich neuerdings Geiseln stellen, unter diesen befand sich
auch Gozzo von Krems, der verdächtig geworden zu sein scheint.
Um die unzufriedenen unteren Klassen dem agitatorischen Ein-
flüsse der beiden Bettelorden zu entziehen, die in den österreichi-
ischen Ländern eine merkwürdige heimliche Tätigkeit für Rudolf
von Habsburg entfalteten, verbot er das Provinzialkapitel der
Dominikaner, das im Jahre 1276 hätte in Wien stattfinden sollen ^).
Überhaupt wurde gegen das Reich geradezu ein Sperrsystem ver-
hängt, um jede Verbindung hintanzuhalten. Die Briefe aus dem
Reiche wurden erbrochen, Boten aufgefangen, selbst dem Rade und
Galgen verfielen einige als Spione *). Endlich wies Ottokar die
jungen Leute aus Österreich und Steiermark, die an der Domschule
in Prag studierten, von hier als gefährliche Elemente aus ^).
So schien denn König Ottokar sein Reich nach innen und
aufsen erfolgreich und trefflich geschützt zu haben, während Rudolf
von Habsburg trotz aller Bemühungen nicht recht vorwärts-
1) Cont. Vindob. (M. G. SS. IX, 705).
2) Voigt im Archiv für österreichische Geschichte XXIX, 163; Emier
II, 985. Vgl. über Paltrams Stellung auch Uhlirz in den Blättern des
Vereins für Landeskunde XXIX, 51, 1895.
3) Finke, Ungedruckte Dominikanerbriefe S. 99; vgl. dazu Chron. Colmar.
(M. G. SS. XVII, 247), ferner über die Agitation der Bettelorden für Kudolf im
allgemeinen das Schreiben des Minoritengenerals Hieronymus vom Jahre 1277
(Redlich, Rudolf von Habsburg, Anh. II, 757).
4) Cont. Vindob. (M. G. SS. IX, 707); Reimchronik S. 182.
'j) Pez, Thesaur la, 429.
Österreich als wiedergewonnenes deutsches Eeichsland. 545
zukommen schien. Kein Wunder, dafs Ottokar auf seine Macht
pochte und jeden Gedanken an Nachgiebigkeit von sich wies. Die
erste Vorladung für den Reichstag am 23. Januar 1275 ignorierte
er vollständig; zum zweiten Male nach Augsburg für Mitte Mai
vorgeladen, sandte er Bischof Wernhard von Seckau mit einem
Protest gegen Rudolfs Wahl. Der Reichstag beantwortete diesen
damit, dafs er Ottokar die Reichslehen Böhmen und Mähren, sowie
das Schenkenamt als Reichsamt aberkannte und die österreichischen
Länder als dem Reiche heimgefallen erklärte. Übrigens war ohne-
hin schon Ende Februar Kärnten und Krain an den Sponheimer
Philipp verliehen worden. Burggraf Friedrich von Nürnberg wurde
nach Prag entsandt, um Ottokar die Beschlüsse des Reichstages
mitzuteilen und ihm die Möglichkeit der Unterwerfung zu bieten.
Da aber Ottokar in seiner ablehnenden Haltung verharrte, so
wurde über ihn am 24. Juni J275 die Reichsacht verhängt. In-
dessen wagte er es sogar, die neuerlichen Friedens-vermittelungsan träge
des Papstes Gregor X. nicht nur mit der Erneuerung seiner früheren
Forderungen zu beantworten, sondern sogar den Papst beim Konsi-
storium zu verklagen.
Er war eben durch seine scheinbaren Erfolge ganz und gar
verblendet, und doch waren die Stützen seiner Macht, die er sich
aufgerichtet hatte, hohl und gebrechlich, und der ganze stolze Bau
begann in allen Fugen zu krachen, sobald die Stunde der Gefahr
kam. Seit dem Sommer 1275 begann sich Ottokars Sache lang-
sam, aber stetig zu verschlimmern, dennoch war er noch immer
voll Zuversicht, denn das Verfahren des Reiches gegen ihn nahm
einen ungemein schleppenden Gang. Die Reichsfürsten zeigten
wenig Begeisterung und Opferwilligkeit, langwierige Fehden hielten
den König am Rheine fest, Papst Gregor drängte beständig zur
Romfahrt, und vor allem mangelte es dem deutschen König an
Geld zur Kriegführung. So ging das Jahr 1276 ins Land, und
noch war die böhmische Angelegenheit keinen Schritt weiter ge-
diehen.
Am 24. Juni 1276 lief die Frist zur Lösung von der Reichs-
acht ab, und nun wurde des Reiches Aberacht über Ottokar aus-
gesprochen. Jetzt raffte man sich endlich zur förmlichen Kriegs-
erklärung auf, und siehe da! — in dem Augenblicke, da mit dem
Yancsa, Geschichte Nieder- u. Oberöiterreichs. oO
54(5 Viorumlzwaiuigstcs Kapitol,
Verfahren gegen den Böhraenkönig Ernst gemaelit wurde, begann
in geradezu überraschender Weise der grofse Abfall von ihm auf
der ganzen Linie.
Zunächst war es Ungarn, das endgültig für Ottokar verloren
ging, nachdem Joachim Pectari im Juni 1275 nach wiederholter
Zurückdrängung wieder dauernd ans Ruder gekommen war, wenn
auch noch kein förmliches Bündnis mit Rudolf zustande kam ^).
Der schwerste Schlag war es jedoch für Ottokar, als der
Herzog Heinrich von Niederbayern, schon auf dem Reichstag zu
Augsburg durch die endgültige Zuweisung der siebenten Kur-
stimme stark geködert, zu König Rudolf übertrat in dem Augen-
blicke, als dieser mit seinem Heere in Regensburg eintraf. Der
Preis, den er sich ausbedang, war allerdings ein hoher: die Hand
Katharinas, der Tochter Rudolfs, für seinen Sohn Otto samt einer
Mitgift von 40 000 Mark, die durch Verpfändung von Oberöster-
reich, auf welches ja schon lange das Streben Bayerns gerichtet
war, sichergestellt werden sollte ^).
Dennoch war es nur ein kleines Heer — nicht über 30000
Reiter — , mit welchem der deutsche König Ende September, An-
fang Oktober von Passau aus donauabwärts zog, von einer Flotte
auf dem Strom begleitet. Günstig für ihn war es, dafs viele der
kleineren Herren, die zu ihm standen, ein lebhaftes materielles
Interesse an der Gewinnung Österreichs hatten. Da war vor
allem sein treuer Freund, Waffengefährte und Ratgeber, der Burg-
graf Friedrich von Nürnberg. Ihm waren die weitverzweigten
Zollernschen Besitzungen im Lande unter der Enns durch Ottokar
verlorengegangen. Graf Ulrich von Heunburg, der Gatte der
Tochter der Babenbergerin Gertrude, Agnes, war durch Ottokar
zum Verzicht auf seine Ansprüche an Pernegg und Drosendorf
genötigt worden, und hoffte sie jetzt wieder geltend zu machen.
Am 29. Mai 1276 hatte Albrecht von Görz die Schwester
1) Als Rudolf die Heerfahrt antrat, ging Botschaft um Botschaft nach
Ungarn, um ein definitives Bündnis herbeizuführen (Gerbert, Cod. ep. 155, 156;
Stobbe S. 345; Eedlich, Wiener Briefsammlung S. 309).
2) Cont. Vindob. (M. G. SS. IX, 708, 709); Cont. Praed, Vind. (a. a. 0.
S. 729) und Ann. Salisb. (a. a. 0. S. 805). Die Urkunde wohl erst in Passau
ausgestellt. Eedlich- Böhmer, Reg. 598a.
Österreich als wiedergewonneues deutsches Reicbsland. 547
des Grafen Friedrich von Ortenburg und Witwe des Grafen
Konrad von Hardegg geheiratet und hatte dabei ausdrückHch die
Anwartschaft auf die Herrschaften Piain und Hardegg erhalten,
welche König Ottokar längst anderweitig vergabt hatte. Der von
Ottokar verjagte und seiner Güter beraubte Wernhard von Wolkers-
dorf führte voll Eifer einen Teil des Reichsheeres über Wels.
Dazu kam das kirchliche Interdikt durch den Erzbischof von
Mainz, die Lösung der Ottokarischen Untertanen vom Eide der
Treue durch den Erzbischof von Salzburg, endlich sogar die aller-
dings allgemein gehaltene päpstliche Exkommunikation, und Mino-
riten und Dominikaner waren eifrig bemüht, diese kirchlichen Ver-
fügungen in den österreichischen Ländern zu verbreiten und ihnen
bei der Bevölkerung den nötigen Nachdruck zu verleihen.
Noch rapider als bei den Bundesgenossen war der Abfall bei
den Untertanen Ottokars. Im Süden seines Reiches, in Krain,
Kärnten und Steiermark, ging alles, sobald Albrecht von Görz
im Namen des deutschen Königs erschien, so freudig zu diesem
über, dafs selbst die weitgehendsten Erwartungen übertroffen wurden,
und da gleichzeitig Ottokar in der Voraussicht, dafs der Haupt-
stofs gegen Böhmen gerichtet sein werde, hier seine Kräfte kon-
zentrierte, wurde der ursprüngliche Kriegsplan einer dreifachen
Aktion gegen Böhmen, Österreich und die südlichen Alpenländer
aufgegeben und ein einziger Hauptangriff gegen Osterreich ein-
geleitet. Doch auch hier begann die Fahnenflucht allgemein, so-
wie König Rudolf in Linz stand (ungefähr 5. Oktober) und
Ottokar, der freilich auf die Nachricht von der Änderung des Planes
nach Freistadt eilte, nicht mehr in der Lage war, dem Heere den
Weg ernstlich zu verlegen.
Nun gingen von den oberösterreichischen Herren Gundakar
von Starhemberg, Ulrich von Kapellen, Konrad von Somerau zu
Rudolf über, von den Städten alle, die auf dem Wege lagen: am
15. Oktober Enns, das der Somerauer übergab, dann Ips, endlich
auch das in den letzten Jahren von Ottokar so vielfach begünstigte
Tulln. Der Vorhut unter dem Pfalzgrafen Ludwig glückte es
auch, durch einen kühnen Handstreich das durch Bischof Bruno
von Olmütz verteidigte Vorwerk Wiens, Klosterneuburg, zu nehmen.
Erst an Wien selbst, das Paltram vor dem Freithof, getreuer
35*
548 Vieruudz wanzigstes Kapitel.
als sein Amtsgenosse Konrad von TuUn, hielt, stiefs König Rudolf
auf den ersten hartnäckigen Widerstand. Seit dem 18. Oktober,
da er die Tore der Stadt erreicht hatte, verstrich Woche um
Woche, ohne dafs die Belagerer, trotz der über die Stadt aus-
gesprochenen Acht, einen Erfolg erzielten, und so wurde es Ottokar,
der mit seinem Heere einen zeitraubenden Umweg über Drosen-
dorf und Laa hatte nehmen müssen, möglich ins Marchfeld
vorzurücken. Freilich einen Entsatz der Stadt konnte er nicht
wagen, denn seine Streitkräfte schmolzen in unheimhcher Weise
zusammen, während sich das Heer Rudolfs in demselben Mafse
mehrte. Von österreichischen Herren finden sich Otto von Haslau,
Otto von Perchtoldsdorf, Ulrich von Pillichdorf, Friedrich Truch-
sefs von Lengbacli, Stuchs von Trautraannsdorf, Reimprecht und
Chalhoch von Ebersdorf, Heinrich und Siboto von Potendorf,
Gundakar von Ternberg und Lutwin von Werd allmählich bei
Rudolf ein^), und auch ihre Genossen aus Steiermark, Kärnten
und Krain blieben nicht aus, während von österreichischen Herren
bei Ottokar nur die Kuenringer, von denen Heinrich Marschall
von (Österreich war , und Ottokars natürliche Tochter Elisabeth zur
Frau hatte, ausharrten. Und es kam noch- schlimmer. Schon
rüsteten sich die Ungarn, um König Rudolf Zuzug zu leisten, ja
Ödenburg war bereits in ihre Hände gefallen. In Wien regte sich
eine täglich wachsende Opposition der unteren Klassen gegen die
Ottokarische Patrizierpartei ^), und schliefslich bra "h gar im eigenen
Lande des Böhmenkönigs eine Adelsverschwörung aus, an deren
Spitze die mächtigen Rosenberge oder Witigonen standen, und dezi-
mierte die letzten Reste des Ottokarischen Heeres ^).
1) Siehe die Zeugenreihen in den Urkunden Böhmer-Redlich, Eegesten
614, 617.
2) Schmäh- und Drohverse, die damals im deutschen Lager gegen Ottokar
und Wien entstanden, sind mitgeteilt von W. M ey e r im Neuen Archiv VII, 216. —
Dafs Wien nicht vor dem Friedensschlufs kapitulierte, wie Lorenz II, 145
und andere annahmen, darüber vgL Huber I, 602, Anm, 1.
3) Hauptquelle des ganzen Feldzuges ist die Cont. Vindob. (M. G. SS.
IX, 702), auf welcher die Cont. Praed. Vindob. (a. a. 0. S. 729) und mit vielen
Ausschmückungen die Reimchronik beruhen, die Annalen Ottokars (a. a. 0. S. 190),
die Histor. annorum 1264—1279 (a. a. 0. S. 652), wonach Cont. Claustron. IV
(a. a. 0. S. 648) und Cont. Zwettl. HI (a. a. 0. S. 657), ferner die Cont. Claustron. VI
(a. a. 0. S. 744), Ann, S. Eud. Salisb. (a. a. 0. S. 801), das Chron. Sampetrin.,
Österreich als wiedergewonnenes deutsches Eeichsland. 549
An eine Feldschlacht war nicht mehr zu denken ; es half
nichts, der stolze, noch vor kurzem so übermächtige Böhmenkönig
mufste den Nacken beugen. So hefs er denn durch Bischof Bruno
von Olraütz und Markgraf Otto von Brandenburg, den einzigen
Reichsfürsten, der sich als Neffe Ottokars diesem angeschlossen
hatte, Unterhandlungen anknüpfen, und sie fanden König Rudolf
durchaus nicht abgeneigt, denn auch das deutsche Heer, das noch
immer vor den Mauern Wiens lag, litt infolge der vorangegangenen
Trockenheit des Sommers unter dem Mangel an Lebensmitteln, und
eigentlich dürfte er kaum Aussicht gehabt haben, dafs sich die Reichs-
fürsten, nachdem die Exekution gegen Ottokar durchgeführt war,
zu weiteren Schritten herbeilassen würden. So kam es denn Mitte
November zu einem Waffenstillstand, und schon am 21. November
konnten die vier von beiden Parteien erwählten Schiedsrichter
— von Seiten Rudoll's waren es Bischof Bertold von Würzburg
und Pfalzgraf Ludwig — ihren Spruch fällen.
Die Bestimmungen Avaren dreierlei Art. Zunächst wurde das
Urteil des Reiches vollstreckt: Ottokar die Länder Osterreich,
Steiermark, Kärnten, Krain, die windische Mark, Pordenone und
Eger aberkannt, dagegen Böhmen und Mähren als Lehen wieder
übertragen. Sodann sollte in der damals bei derlei Friedens-
schlüssen üblichen Weise durch das Projekt einer Doppelheirat
zwischen den beiden Fürstenhäusern eine Bürgschaft des Friedens
geschaffen werden. Die Hauptsache war dabei die Mitgift, die
in beiden Fällen 40 000 Mark betragen sollte. Dabei kam es
nicht auf die Summe an, sondern auf das Pfand, das an ihre
Stelle zu treten hatte. Dazu wurden einerseits die bisher von
Ottokar in Osterreich innegehabten Eigengüter und Lehen, anderer-
seits 4000 Mark jährlicher Einkünfte aus dem Lande nördlich
(nötigenfalls auch südlich) der Donau mit Ausnahme von Krems
und Steier bestimmt. Da aber die Töchter kein Erbrecht daran
haben sollten, so waren die genannten Besitzungen und Gülten
de facto bereits zugesprochen. Der letzte Teil der Friedens-
bedingungen bezog sich auf die beiderseitigen Helfer. Die „Diener"
hgg. von Stübel S. 112, Hermann von Altaich (M. G. SS. XVII, 410), Hein-
rich von Hainburg (a. a. 0. S. 715) und Chron. Colmar. (a a. 0. S. 247). Dazu
die Urkunden bei Böhmer-Redlich, Regesten 604 — 622.
550 Vierumlzwanzigstes Kapitel.
sollen in den Frieden mit eingeschlossen sein, insbesondere soll Rudolf
die beiden höchsten Beamten Ottokars in Osterreich, die Land-
schreiber Konrad und Paltram, zu Gnaden aufnehmen, die Stadt
Wien ihre Anhänglichkeit an Ottokar nicht büfsen lassen, sondern
ihr ihre alten Freiheiten bestätigen und schliefslich auch die von
Ottokar eingesetzten Kleriker in ihren Pfründen belassen, beson-
ders dessen Protonotar Ulrich auf seiner Pfarre in Wien ^),
Nach abgeschlossenem Frieden empfing Ottokar am 25. No-
vember auch wirklich die Belehnung mit Böhmen und Mähren,
und am 26. ratifizierten die beiden Fürsten das Friedensinstru-
raent, wobei Rudolfs Sohn Hartmann für Ottokars Tochter Kuni-
gunde, Ottokars Sohn Wenzel für eine noch zu wählende Tochter
Rudolfs bestimmt wurde ^). Nun erst öffnete Wien dem Sieger
die Tore, und König Rudolf konnte am 29. oder 30. November
seinen Einzug halten.
Als Vollstrecker der Reichsacht hatte König Rudolf den Feldzug
unternommen, mit Hilfe der Reichsfürsten hatte er ihn zum guten
Ende geführt, die österreichischen Länder fielen nach dem Spruche
des Reichstages an das deutsche Reich. So war der Weg, den der
König zu gehen hatte, streng vorgezeichnet ^) : . er mufste suchen,
die so lange entfremdeten und nunmehr wieder zurückgewonnenen
Länder dem Reiche wieder anzugliedern. Auf diese Weise wurde
auch am gründlichsten mit dem vorhergegangenen Regime ge-
brochen, auf diese Weise jener Geist der territorialen Sonder-
bestrebungen, der hier schon seit der letzten Babenberger Zeit ge-
herrscht hatte, wieder zugunsten der allgemeinen Reichsinteressen
zurückgedränoct.
Die erste wichtige Regierungshandlung, die er nach er-
folgtem Friedensschlüsse vornahm, war die Erlassung eines all-
gemeinen Landfriedens für Osterreich, Steiermark, Kärnten, Krain
und die windische Mark am 2. Dezember 1276, der in Mo-
1) Böhmer-Eedlich, Eegesten 623; M. G. LL. II, 407.
2) Vgl. darüber Eedlich, Kudolf von Habsburg S. 284, Anm. 2.
3) Meine Auffassung weicht hier von Eedlich ab, der von vorneherein
Eudolfs Streben auf die Erwerbung der österreichischen Länder für sein Haus
gerichtet sieht. Es spricht aber dafür fast gar nichts, um so mehr dagegen.
Gedacht mag Eudolf ja immerhin daran haben.
Österreich als wiedergewonnenes deutsches Reichsland, 551
natsfrist — bis zum 6. Januar 1277 — von jedermann beschworen
werden und fünf Jahre — bis zum 25. Dezember 1281 — dauern
sollte ^). Zunächst sollte damit eine notwendige Ordnung der
Rechtsverhältnisse, wie sie die vorausgegangenen Kriegswirren und
der Wechsel der Herrschaft bedingten, erzielt werden. Die Schä-
den, die seit dem 24. Juni den beiderseitigen Dienern, sowie den
Klöstern und Spitälern, Witwen, Waisen und Fremden im Kriege
zugefügt worden sind, sollen ersetzt werden. Das Gerichtsverfahren,
insbesondere die Gerichtsvorladung wird geregelt. Totschläge wor-
den entsprechend den Kriegszeiten milder, willkürhche Pfändungen
strenger bestraft. Neue Mauten und Zölle sind aufzuheben.
Der Landfriede sollte aber auch Bresche legen in die politische
Organisation des Landes, wie sie sich König Ottokar geschaffen
hatte. Es sollte, wie es gleich in der Arenga der Urkunde heifst,
„der alte gute Zustand wiederhergestellt, Neues verbessert werden".
Darum wurde alles, was von dem König von Böhmen oder seinen
Beamten mit Gewalt oder Furcht erzwungen worden war, für un-
gültig erklärt und des Landes Recht und Herkommen wiederher-
gestellt. Und ferner: alle durch den König von Böhmen wider-
rechtlich gebrochenen Burgen können wieder aufgebaut werden,
überhaupt wird der Burgen bau wieder freigegeben, sofern nur die
Entfernung zwischen zwei Burgen über eine Meile beträgt.
Man sieht also sonnenklar, wem zuliebe die Neuordnung der
Dinge erfolgte: die Landherren, die Grafen, Freiherren und Mi-
nisterialen, die König Ottokar während der letzten fünfzehn
Jahre seiner Regierung so energisch zurückgedrängt und nieder-
gehalten hatte, sollten jetzt wieder die Oberhand gewinnen und
ihre alte Machtstellung, womöglich noch in erhöhtem Mafse, wieder
erlangen. Darum vor allem die Entfernung eines Punktes der Otto-
karischen Gesetzgebung, nämlich Einschränkung des Burgenbaues,
der, wie wir wissen, seinerzeit am meisten böses Blut gemacht hatte.
Auch andere Bestimmungen des Landfriedens lauteten zugunsten
der Landheri'en, so die bezüglich ihrer Gewalt über Untertanen,
Eigenleute und Muntmannen, die zugleich ein Abströmen derselben
in die Städte verhindern sollten.
1) Schwind-Dopsch, Ausgew. Urkunden S. 106.
553 Vioruiulzwanzigstes Kapitel.
ÄlaQ wird sich über die offenkundige Begünstigung nicht
wundern : der Landfriede war nämHch, abgesehen von den Fürsten
des Reiches, mit Zustimmung der Grafen, Freiherren und Mini-
sterialen, und zwar charakteristischerweise nur dieser, nicht aber
auch der Prälaten, oder etwa der Kitter und Städte gegeben.
Und damit er sich ja auch schon äufserlich von seinen Vor-
gängern unterscheide, so wurde für diesen Landfrieden wieder auf
die lateinische Sprache zurückgegriflfen; während sie bei der Land-
friedensgesetzgebung im allgemeinen bereits seit etwa 25 Jahren
aufser Gebrauch war ^).
Als dann bald darauf, wohl auch noch im Laufe des Monats
Dezember, König Rudolf die wichtige Verfügung traf, dafs im
Falle seines Ablebens Pfalzgraf Ludwig die Obhut über Oster-
reich und Steiermark übernehmen solle, erfolgte sie gleichfalls
mit Zustimmung der Fürsten des Reiches und der Edlen von
Osterreich und Steiermark; beschworen haben sie allerdings aufser
diesen auch die Städte ^). Wir sehen also bereits hier wichtige
Regierungshandlungen an die Zustimmung des höheren Adels ge-
bunden, was dann, wie wir noch hören werden, zur Einsetzung
eines eigenen Rates l'ührte.
Anfangs suchte Rudolf den Adel auch durch persönliche
Gnadenbeweise zu gewinnen. Gleich die erste Urkunde auf öster-
reichischem Boden galt Gundakar von Starhemberg — er belehnt
ihn charakteristischerweise entgegen den Grundsätzen Ottokars mit
der Vogtei über Lambach — , andere Ulrich von Kapellen und
dem Kämmerer Otto von Perchtoldsdorf. Allerdings nahm er
auch unbedenklich ihre Geld- oder Naturalunterstützung in An-
spruch, wie eben von dem Kapeller ^) oder später von Otto von
Haslau. Mit dem Landfrieden schien zunächst die könighche
Gnade erschöpft zu sein.
Zahlreicher waren die Gunstbezeugungen für die Städte *)^
1) Van CS a, Erstes Auftreten der deutschen Sprache in Urkunden S. G.
2) Böhmer-Eedlich, Eegesten 649.
3) Böhmer-Eedlich, Eegesten 607, 610, 617, 915, 978; ÜB. d. L. o.
d. Enns III, 443, 344; Chmel, Eeg. Frid. III. Anh. S. 117 (Bestätigung
von 1465).
4) Böhmer-Eedlich, Eegesten 608, 609, 614, 616, 685, 787, 811, 832,
Österreich als wiedergewonnenes deutsches Reichsland. 553
die ja auch unter Ottokar erst spät und nur spärlich sich der
landesfürstUchen Huld erfreut hatten. Veranlassung bot einerseits
ihr so entgegenkommendes Verhalten beim Einmärsche des deut-
schen Königs, andererseits die finanzielle Unterstützung, welche
die Städte König Rudolf in ganz hervorragendem Mafse liehen.
So erhielten Enns und TuUn, die als die ersten übergegangen waren,
das eine am 15. Oktober 1276 die Bestätigung der Privilegien
Leopolds und Friedrichs, sowie Zoll- und Mautfreiheit in ganz
Österreich, das andere am 30. Oktober gleichfalls Privilegien-
bestätigung mit besonderer Hervorhebung der Gerichtsbarkeit
(Stadt-, Vogt- und Burgtaiding) , der Marktfreiheiten, des Schiffs-
zolles, der Weineinfuhr, der Schiffahrt und Fischerei. Die Bürger
sollten königliche Bürger sein (cives regii). Bei einer Reihe von
Städten war die Fürsorge für ihre wichtigen Festungswerke bei der
Privilegierung mafsgebend. Bei der Überlassung von Mauteinkünften
an Brück an der Leitlia am 2. November 1276 und Krems am 12. Juni
1277 und bei der Verleihung von Steuerfreiheit an Eggenburg am
11. August 1277 wird dies ausdrücklich hervorgehoben, doch ist
auch bei anderen Privilegienverleihungen derselbe Grund mit-
bestimmend, so bei Laa an der Thaya, in dessen Privilegien-
bestätigung vom 8. Juli 1277 Bestimmungen über die Einsetzung
des Stadtrichters, über den Weinausschank, über die Dienstpflicht
der Bürger und der Juden und über das Recht der Geschworenen
getroffen werden; bei der Bestätigung des Stapelrechtes für Frei-
stadt vom 26. Juli 1277, bei der Bewidmung Eggenburgs mit den
Wiener Rechten am 13. August 1277. Die verschiedenen Be-
günstigungen der Stadt Wiener Neustadt entsprangen der Er-
kenntlichkeit für ein Darlehen von 1000 Pfund, das sie Rudolf zu
rechter Zeit gegeben hatte. Zui' Deckung wies er sie zunächst am
10. Februar 1277 auf den Schlagschatz der Neustädter Münz-
stätte. Am 22. November 1277 erhielt sie dann ein umfassendes
Privileg, worin das Beweisverfahren wegen Totschlages, der Schutz
845; ÜB. d. L. o. d. Enns III, 444, 445; Kerschbaumer, Geschichte der
Stadt TuUn S. 317; Kretschmayer in Blätter des Vereins für Landeskunde
XXXIV, 190, 1900; XXXV, 133, 1901; Rauch SS. III, 357; Mitteüungen
des Institutes XXV, 328, 1904 (Redlich); Winter, Urkundliche Beiträge
S. 29 (aus späterer deutscher Übersetzung); Uß. d. L. o. d. Enns, III, 474.
054 Vionindzwanzigstes Kapitel.
für diejenigen, die den Boden der Stadt betreten, Erlöschen der
Hörigkeit durch einjähriges Bürgerrecht, Ersatz des Kampfrechtes
durch einen Reiuigungseid , Gerichtsstand nach Wiener Recht,
Appellatiousrecht, MarktpoHzei, Erbrecht, Maut- und Zollfreiheit,
Klage, Testierungsrecht , Befreiung vom Strandrecht, freie Ver-
fügung über Lehen, Überwachung von Toren und Türmen, Be-
freiung vom Stellen von Geiseln, Gleichheit und Allgemeinheit
des Rechtes, Einsetzung des Richters, Verfahren bei Kontrakt-
bruch, Verbot des Erwerbes ungarischer Weingärten oder der
Einfuhr ungarischen Weines neu hinzugefügt wurden. Endlich
am 4. Dezember 1277 wurde die Stadt von allen Diensten und
Abgaben auf vier Jahre befreit *).
Eigentümlich war die Stellung König Rudolfs gegenüber
Wien 2). Ihr hatte er keine bereitwillige Unterwerfung, keinen
Dienst zu danken, aber der Friede mit Ottokar vom November
1276 verband ihn ausdrücklich zur Bestätigung der alten Wiener
Privilegien. Diese wiesen aber zurück auf die Privilegien Kaiser
Friedrichs IL von 1237 und 1247, die Wien zu einer reichs-
unmittelbaren Stadt gemacht hatten, vmd es mochte noch so
manche Bürger geben, welche diese Ehrenstellung zurück-
1) Böhmer-Eedlich, Eegesten 891, 895; Winter, Urkundliche Bei-
träge S. 32 und Eedlich, Kudolf von Habsburg, Anhang S. 757. Im Archiv
für österreichische Geschichte LX, 113 u. 178 spricht Winter die Vermutung
aus, dafs die Wiener Neustädter damals die Fälschung eines Leopoldinums her-
gestellt und dem König vorgelegt hätten , die aber dieser nicht bestätigt habe.
Darüber und über den Versuch des Marktes Aschbach, sich damals das Ennser
Stadtrecht zu verschaffen siehe jetzt Mitis im Jahrbuch für Landeskunde von
Niederösterreich III, 226, 1904.
2) Ich folge in dieser verworrenen Frage unbedingt Eedlich gegenüber
Heinrich Schuster in der Geschichte der Stadt Wien, hgg. vom Altertums-
vereine I, 326 f. Dafs eine erste Privilegienverleihung der erhaltenen Fassung
vom 24. Juni 1278 voranging, hat zuerst Eieger, Beiträge zur Kritik der
Wiener Stadtrechtsprivilegien (Progr. des Franz Josefsgymnasiums in Wien 1879)
dargetan und Eedlich (Mitt. d. Inst, f, österr. Gesch. XII, 55) näher präzisiert.
Sie ist auch, abgesehen davon, dafs Eudolf diese wichtige Friedensbedingung er-
füllt haben wird, durch das erwähnte Privileg für Eggenburg vom 13. August
1277 (siehe oben S. 551), in welchem sich ein direkter Hinweis auf das
Wiener Privileg befindet, ziemlich sichergestellt. Vgl. Böhmer-Eedlich,
Eegesten 803, 974, 975 und Eedlich, Eudolf von Habsburg S. 346 und be-
sonders den Exkurs S. 751.
Österreich als wiedergewonnenes deutsches Eeichsland. 555
Zugewinnen strebten. Und Rudolf, obwohl damals bereits mit
weitergehenden Plänen beschäftigt, konnte in diesem Stadium
seiner Politik als Reichsoberhaupt auch nichts anderes tun, als
die Reichsunmittelbarkeit Wiens zu erneuern. Wie dies bei wich-
tigen Privilegien so häufig der Fall war, scheint auch hier der
Empfänger, die Wiener Bürgerschaft, zuerst einen Entwurf ihrer
Wünsche ausgearbeitet und der königHchen Kauzlei vorgelegt zu
haben, woraus dann eine Redaktion für die Ausfertigung zu-
sammengestellt und Ende Juni oder Anfang JuU 1277 vom König
bestätigt wurde. Sie dürfte wie die spätere, uns erhaltene Re-
daktion mit teilweiser Benutzung der uns schon bekannten älteren
Privilegien Bestimmungen über die Ernennung des Stadtrichters,
über die Freiheit der Bürger von Abgaben, dagegen Verpflich-
tung zum Kriegsdienst, über die Ausschliefsung der Juden von
öfifentlichen Ämtern, über die Schule, über Recht, Gericht und
Lehen, den Stadtrat, Verbot des Burgenbaues und der Muntmann-
schaft, Notverkäufe durch Einzelstehende, über erschlichene Verlöb-
nisse und die Burgmaut enthalten haben.
Wichtig für die spätere Entwickelung ist, dafs, wie wir bereits bei
der Einsetzung des Pfalzgrafen zum Reichsvikar in Osterreich gesehen
haben, neben den Landherren auch die Städte jetzt zur Zustimmung
zu bedeutenden Regierungshandlungen herangezogen wurden.
Am zahlreichsten sind die Grunstbezeugungen König Rudolfs
für die Klöster. Er mufste eben durch seine Munifizenz das An-
denken ihres so ungemein freigebigen Wohltäters Ottokar zu
verdrängen suchen ^).
1) So erhielten denn in den ersten anderthalb Jahren nachfolgende Klöster
mehr oder weniger weitgehende Begünstigungen: Seitenstetten (Privilegien- und
Schenkungsbestätigung vom 21. Dezember 1276; Böhmer-Redlich, Eegesten
644), Heiligenkreuz (Steuerfreiheit für einzelne Häuser, Mautfreihoit für Salz und
Wein vom 22. Dezember 1276, 17. und 18. Januar 1277; Regesten 645, 646,
€69, 671), Garsten (Privilegienbestätigung vom 25. Dezember 1276 ; Regesten 647),
Wilhering (Privilegienbestätigung und Schiedsspruch vom 13. Januar und 22. April
1277 ; Regesten 667, 668, 745), Ardagger (Privilegienbestätigung vom 13. Februar
1277; Regesten 687), Niederaltaich (Privilegien- und Besitzbestätigung, Verbot
des Untervogtes vom 22. März 1277 ; Regesten 722—724), Schotten (Bestätigung
der Befreiung von Landding und Marchfutter vom 24. März 1277 ; Regesten 728),
Lambach (Bestätigung der Befreiung von Vogteiabgaben vom 3. April 1277;
Regesten 734), Baumgartenberg (Bestätigung der Zollbefreiung vom 23. Mai 1277;
556 Vionmdzwanzi^'stes Küjutcl.
Noch weit grofsere Konzessionen mufste er den Hochkirchen
machen, wie ich später im Zusammenhange zeigen werde.
Suciite Rudolf von Ilabsburg auf die geschilderte Weise sich
mit den iStiinden des Landes und insbesondere mit den von Ottokar
unterdrückten auf den besten Fufs zu stellen, indem er sie aua
ihrer territorialen Beschränkung in den Reichsverband zu ziehen
schien , so trachtete er andererseits in bezug auf das Gerichtswesen
wieder eine grofsere ZentraHsation herzustellen anstatt der reicheren
Gliederung unter seinem Vorgänger. Die vier Landrichter liefs er
zwar bestehen, doch hielt er in Wien zumeist selbst das Gericht.
Unverändert übernahm Rudolf die ausgezeichnete Finanz-
verwaltung Ottokars, ja er beliefs sogar die beiden Landschreiber
Konrad von Tulln und Gozzo von Krems auf ihren wichtigen
Posten. Sie waren jetzt eigentlich Reichsbeamte und, da nicht
immer die Geldangelegenheiten Österreichs von denen des Reiches
geschieden werden konnten, Schatzmeister des Reiches.
Rudolf, in dieser ersten Periode seines Imperiums stets in
Geldverlegenheiten, brachte zwei finanzielle Neuerungen mit, die
bisher in Österreich noch verhältnismäfsig wenig zur Anwendung
gekommen waren: Verpfändungen und Steuern, Erstere nehmen
jetzt unter den Urkunden einen breiten Raum ein. Das Steuer-
wesen war in den habsburgischen Stammlanden sehr ausgebildet und
nach diesem Muster führte Rudolf im Jahre 1277 in Österreich eine
aufserordenthche allgemeine Grundsteuer ein, nach der ein Hof
Kegesten 775), Melk (Gewähriibertragung vom 28. August 1277; Eegesten 849),
Lüienfeld (Privilegienbestätigung, besonders Befreiung von Landgericht und Zoll
vom 2G. September 1277; Regesten 865), endlich die Frauenklöster zu Minnbacb
(Imbach), (Holzprivileg; Kriminalgerichtsbarkeit; Zoll- und Mautfreiheit vom 17.
und 18. Februar 1277; Regesten 694, 699, 700), Wien (St. Nikolaus) (Maut-
freiheit für Salz vom 18. Februar 1277 ; Eegesten 701) und Laa (Schutzprivileg
1277; Regesten 876), die Ritterorden der Johanniter (Die Kommende Mailberg
BesitzbestlitiguDg vom 18. Dezember 1276; Regesten 643; die Kommende Wien
desgleichen vom 5. Juli 1277; Regesten 810), des Deutsehordens (Schutzprivileg
vom 1. März 1277; Regesten 710), und seine besonderen Helfer, die Minoriten
(vgl. den Brief des Minoritengenerals Hieronymus von Ende 1277; Regesten 905;
Redlich, Wiener Briefsammlung S. 116) und Dominikaner (Schenkung von
Bauholz für die Dominikaner in Krems vom 12. Februar 1277; Regestea 685;
desgleichen für die in Wien vom 11. Februar 1278; Regesten 925; bezüglich
der Dominikanerinnen in Minnbach siehe oben).
Österreicli als wiedergewonnenes deutsches Eeichsland. 557
€0 Pfennige, eine Hofstatt 12 Pfennige, ein Joch Weinberg, eine
Hufe und ein Mühlrad 30 Pfennige zahlen mufste ^). Aufserdem
wurde von den Bistümern und ihren Gütern eine Kriegssteuer ^),
von den Städten die schon unter den Babenbergern üblichen regel-
mäfsigen Abgaben eingehoben ^).
Zu den finanziellen Mafsregeln Rudolfs von Habsburg ge-
hörten auch seine Verfügungen über die Münze. Dabei ist zu
rühmen, dafs er seine Macht nicht gleich anderen Fürsten jener
Zeit mifsbrauchte und namentlich von der Münzerneuerung nur spar-
samen Gebrauch machte. Er wandte sie nur im Juli 1277 und
dann erst wieder 1281 an. Überdies liefs er die privilegierte
Hausgenossenschaft der Münzer in Wien nicht nur bestehen,
sondern bestätigte und erweiterte alle ihre Rechte am 16. Juli
1277 *), wodurch die Wiener Münze einen entschiedenen Vorrang
gegenüber den anderen österreichischen Prägungen (in Enns und
Wiener Neustadt) gewann, gewifs ein wirtschaftlicher Vorteil.
Rudolfs Regierungsweisheit war darauf gerichtet, sich recht
viele kapitalkräftige Elemente als Stützen zu schaffen. Das be-
zweckte die Privilegierung der Wiener Münzer Hausgenossen, das
bezweckte auch die Erneuerung des Friderizianischen Judenprivilegs
vom 4. März 1277 ^).
Was immer aber Rudolf von Habsburg in diesen ersten
anderthalb Jahren seines Aufenthaltes in Österreich verfügte, alles
zeigt das bewunderungswürdige Geschick, sich trotz der Neuheit
<lcr ganzen Situation, die nicht durchweg sympathisch sein mochte,
Boden zu gewinnen. Und bald sollte es klar werden, wie dringend
notwendig dies war, denn der Friede selbst erwies sich als ein
schwankes und gebrechliches Rohr.
Zur Belehnung freihch hatte sich Ottokar von Böhmen be-
1) Histor. annor. 1264—1279 (M. G. SS. IX, 653); Cont. Claustron. VI
(a. a. 0. S. 648) und Cont. Zwettl. III (a. a. 0. S. 657).
2) Seh wind- Dop seh, Ausgew. Urk. S. 110.
3) Dafür 'erhielten einige Städte Befreiungen davon (siehe oben S. 551).
Eine eingehende Geschichte der Steuern in Österreich von Levec wird demnächst
als 2. Band der „Forschungen zur inneren Geschichte Österreichs" erscheinen.
4) Böhmer-Eedlieh, Regesten 821; Seh wind-Dopsch a. a. 0. S. 112.
5) Böhmer-Redlich, Regesten 711; Kurz, Österreich unter Ottokar
II, 185.
558 Vicniiulzwanzigstes Kapitel.
quemen müssen, weil sonst der Friedensvertrag überhaupt nicht
perfekt geworden wäre, mit der Erfüllung der anderen Bedingungen
beeilte er sich jedoch durchaus nicht. Insbesondere glaubte er
von der Verplandung der 4000 Mark Einkünfte im Lande nörd-
lich der Donau bereits jetzt einen Besitzanspruch ableiten zu
können und machte keine Anstalten, dieses von ihm ohnehin be-
setzte Gebiet zu räumen. Ebenso weigerte er sich, Ilainburg, das er
bekanntlich mit der Babenbergerin ]\Iargareta erheiratet hatte, sowie
Eger, angeblich das Heiratsgut seiner Mutter Kunigunde, der
Tochter Phihpps von Schwaben, herauszugeben, luid behielt auch,
trotzdem Ungarn ausdrücklich in den Frieden mit einbezogen war^
seine ungarischen Eroberungen ^).
Rudolf ergriff gegen diesen passiven Widerstand Repressalien.
Er machte Miene, das Land nördlich der Donau gewaltsam zu
nehmen , und liefs auch tatsächlich die Burgen Pernegg und
Weikartschlag besetzen. Da Ottokar auch die Geiseln nicht ent-
liefs, so entfei^nte Rudolf Ottokars Protonotar von dessen Pfarre
Wien, und schlielslich liefs er zu Ende des Jahi'es durch die Fürsten
den ganzen Frieden unter Hinweis auf die Nichterfüllung seiner Be-
dingungen durch Ottokar für ungültig erklären'^). Ottokar antwortete
damit, dafs er sich wieder Herzog von Osterreich und Steiermark
nannte. In den ersten Wintermonaten des Jahres 1277 herrschte
tatsächlich Kriegszustand, und nur die Jahreszeit und der Mangel
an entsprechenden Vorbereitungen verhinderten einen neuen Feldzug.
Man begnügte sich mit Verwüstungen und Plünderungen von
Seiten der Böhmen in Österreich, von selten der Österreicher in
Mähren, und es gelang den letzteren, die Böhmen fast ganz au&
Österreich hinauszudrängen.
Dennoch scheinen weder Ottokar noch Rudolf vorläufig den
Zeitpunkt zu einer Entscheidung mit den Waffen für gekommen
erachtet zu haben. Schon Anfang April 1277 ist Bischof Bruno von
Olmütz wieder in Wien, Burggraf Friedrich von Nürnberg am
Hofe Ottokars, um neue Verhandlungen anzuknüpfen, und am
6. Mai kam ein neuer Vertrag zustande, der eine wesentliche
Klärung der strittigen Punkte bedeutete, aber allerdings auch eine
1) Böhme r-Eedlich, Regesten 634, 639.
2) a. a. 0. S. 648, 656 a.
Österreich als wiedergewonnenes deutsches Eeichsland. 55 9(
weitere Einbufse Ottokars. Denn nunmehr wurde ihm Österreich
vollständig abgesprochen. Von den zwei Heiratsplänen wurde nur
der eine — die Namen blieben vorläufig in der Schwebe — ■ auf-
rechterhalten und als Mitgift das Egerland bestimmt. Die Be-
gnadigung der beiderseitigen Helfer wurde nochmals eindringlich
ausbedungen ').
Für die Erfüllung des letzteren Punktes setzte man sich auch
in mehreren Einzelfällen noch weiter lebhaft ein ^), denn die Durch-
führung verzögerte sich vielfach noch wochen-, ja monatelang, so
dafs man die Bedingung am 12. September anläfslich eines Ver-
trages, der die Rechtsstellung des Königs von Böhmen zum Reiche
regelte, zu erneuern sich genötigt sah^), in manchen Fällen trat
sie gar nicht ein, wie z. B. bezüglich Ulrichs, des Pfarrers von
Wien ^). Mit besserem Erfolge verwendete sich Ottokar für einen
anderen Günstling, zugleich seinen Historiographen, Heinrich von
Hainburg, dem er seine Pfründe, die Pfarre Gmünd, wieder ver-
schaffte^), sowie für Heinrich Preufsel '^) und Herward Tausend-
pfund ^). Ottokar seinerseits entliefs die Geiseln, die sich in seiner
Gewalt befanden, darunter Gozzo von Krems, erst gegen Ende
Juni, wahrscheinlich nachdem von der Gegenseite die Friedens-
bedingungen so ziemlich vollständig erfüllt worden waren. Auch
Wien scheint eben erst damals gemäfs dem Novembervertrag sein
Stadtrecht erhalten zu haben. Strittig blieb nur ein Gebiet, das
Heinrich von Kuenring besetzt hielt und das Ottokar, obwohl
Heinrichs Sohn seine natürliche Tochter Elisabeth zur Frau hatte,
für Böhmen in Anspruch nahm ^).
Dennoch waren es die Kuenringer, die bei dem österreichischen
Adel, Paltram und sein Anhang, die in Wien wieder für Ottokars
1) M. G. LL. II, 413, 415.
2) Böhmer-Redlich, Eegesten 757, 820 und die gleich folgenden Zitate.
3) M. G, LL. II, 419. Vgl. bezüglich der diplomatischen Erklärung
Böhmer-Eedlich, Eegesten 820.
4) Emier, Eeg. Boh. II, 448.
5) Eedlich, Wiener Briefsammlung S. 89. Vgl. auch Böhmer-Eedlich,
Eegesten 870.
6) a. a. 0. S. 869, 885; Emier, Eeg. Boh. II, 460, 461.
7) Eegesten 778; Wiener Briefsammlung S. 90.
8) Eegesten 800; Emier, Eeg. Boh. II, 448.
560 Viorundzvvanzigstos Ktipitel.
Sache insgeheim arbeiteten. An Unzufriedenen und Unbefriedigten
mochte ja kein Mangel sein, denn es war bereits klar geworden,
dals es mit der Kcichsunmittelbarkeit nicht lange währen und dafs
vielmehr in der Person eines der Söhne Rudolfs bald ein neuer
Landesfürst kommen würde. Noch mehr böses Blut machten die
Steuern. Es kam zu einer Verschwörung in Osterreich, deren
Fäden auch nach Ungarn liinübergesponnen wurden, indem Johann
von Güssing einen gleichzeitigen Einfall in ( )sterreich und Steier-
mark machte.
Schon hatte Ottokar umfassende Vorbereitungen getroffen, um
die günstige Situation auszunutzen. Zu Herzog Heinrich von
Niederbayern, der sich durch manche Eingriffe Rudolfs in die
oberösterreichischen Angelegenheiten in seinem Pfändbesitz für
beeinträchtigt halten mochte, hatte er neue Beziehungen angeknüpft,
mit den polnischen Fürsten und dem Brandenburger Bündnisse
geschlossen, an Ungarn war er aufs neue herangetreten, und am
Rheine warb böhmisches Gold. Interessant ist, dafs man jetzt,
während früher deutsches Wesen und deutsche Kultur in Böhmen
eifrig gefordert wurden, mit einem Male das nationale Moment hervor-
kehrte. Das Zisterzienserkloster Goldenkron will Ottokar aus dem
Verbände von Heiligenkreuz lösen ^), und es war die Rede von der
Notwendigkeit desZusammenschlusses aller slawischen Elemente gegen
die Deutschen -). Als Termin der Heerfahrt wurde der Juli bestimmt.
Da verdarb den ganzen Plan die Ungeduld Heinrichs von
Kuenring, der schon Ende April oder Anfang Mai im Nordwesten
Österreichs zu rauben und zu plündern begann. So wurde König
Rudolf aufmerksam, und die ganze Verschwörung kam an den
Tag. Die Güter der Kuenringer und der Vatzonen wurden kon-
fisziert, Paltram vor dem Freithof, sein Bruder und seine sechs
Söhne zum Tode verurteilt, ihre Nachkommen als rechtlos erklärt ^).
1) Emier, Eeg. Boh. 11, 464.
2) a. a. 0. II, 466. Dafs diese nur im Formelbuch des Heinrich von Isernia
überlieferte Urkunde keine wirkliche Urkunde Ottokars ist, wie Redlich annahm,
sondern nur im allgemeinen als Zeugnis für die damalige öffentliche Meinung
verwendet werden kann, darüber siehe No väk in Cesky casopis historicky IX, 46.
3) Ann. Saüsburg. (M. G. SS. IX, 802); Thomas Tuscus (a. a. 0. XXH,
526). Vergabungen der konfiszierten Güter Paltrams und des Kuenringers Böhmer-
üediich, Regesten 952, 973, 989, 1072. Vgl. auch 953. — Die Zeitbestim-
Österreich als wiedergewonneneB deutsches Eeichsland. 561
Sie entzogen sich der Strafe durch die Flucht und fanden bei
Herzog Heinrich von Niederbayern Aufnahme ^).
Die Stadt Wien hatte sich diesmal durch die Umtriebe Pal-
trams vor dem Freithof, Paltrams am Holzmarkt (Witmarkt), Pal-
trams Vatzo und anderer Patrizier nicht zum Abfall verleiten
lassen. Rudolf erneuerte ihr daher zum Danke das Privilegium
der Reichsunmittelbarkeit am 24. Juni 1278 in doppelter Aus-
fertigung, machte aber die Dauer der Gültigkeit davon abhängig,
dafs in Hinkunft mit der geächteten Familie Paltrams keinerlei
Verbindungen mehr angeknüpft würden ^). Auch verstärkte der
König die Besatzung und seine Wache ^).
Im Kuenringer Gebiet scheint aber das Feuer der Empörung
weiter geglommen zu haben, vielleicht trotzte Heinrich von Kuen-
ring auch nach seiner Absetzung von dem Posten eines Marschalls
und nach der Güterkonfiskation dem Spruche des Hofgerichtes.
Tatsache ist, dafs Ottokar im Juni bewaffnete Scharen in diese
Gegenden schickte, welche die Stadt Gmünd und die Marienkirche
in Waidhofen an der Thaya in Brand steckten; 1722 Einwohner,
abgesehen von Fremden, sollen dabei ums Leben gekommen
sein •*). Und als dann Ottokar um die Mitte Juli den Krieg
förmlich eröffnete und die Grenze mit seinem Heere überschritt,
wandte er sich zuerst nach diesem Gebiet, wo er einen raschen
Erfolg erhoffte, und gab sich der Zuversicht hin, dafs die Städte
ihm die Tore öffnen würden ^). Wie so oft in seinem Leben,
täuschte er sich auch diesmal. Über zwei Wochen lag er
mung ergibt sich aus Eegest 934 vom 16. April, wo Heinrich von Kuenring
noch als Marschall genannt ist, und Eegest 952 vom 19. Mai, wonach Paltram
schon verurteilt war.
1) Herzog Heinrich gab ihm die Feste Karlstein (M. G. SS. IX, 807 ; das
Schreiben des Landschreibers Konrad in Wiener Briefsammlung S. 196; darauf
bezüglich wohl auch das Schreiben König Eudolfs, Eegesten 1607). Vgl. Uhlirz
in den Blättern des Vereins für Landeskunde XIX, 5 ff., 1885.
2) Tomaschek, Eechte und Freiheiten der Stadt Wien I, 51 und 42.
Über die Literatur siehe oben S. 552, Anm. 2.
3) Vgl. die Briefe Eudolfs an die Grofsen wegen Hilfeleistung, Eegesten
957—959, 961-963.
4) Hemrich von Hainburg (M. G. SS. XVII, 716).
5) Geht aus dem Schreiben Ottokars an seine Gemahlin Kunigunde (Emier,
Eeg. Boh. II, 1184) hervor.
Vancaa, Geschichte Nieder- n. Oberösterreichs. 36
562 Vierundzwanzigstes Kapitel.
vor der Stadt Drosendorf, die der neue Marschall von Oster-
reich, Stephan von Maifsau, selbst verteidigte und erst etwa am
4. August übergab. Nun marschierte Ottokar auf das feste Laa
an der Thaya los, das er einer alten strategischen Lieblings-
gewohnheit geraäfs als Schlüssel des Landes und Stützpunkt der
weiteren Operationen ansah, liier hatte er jedoch noch weniger
Erfolg; er war vielmehr genr)tigt, nach zwölftägiger Belagerung
unverrichteter Dinge aufzubrechen, denn sein Gegner, den er
bei einem raschen Angriff fast unvorbereitet getroffen hätte,
hatte, während er die Zeit vergeudete, Gelegenheit gehabt, seine
Heereskräfte zu sammeln ^).
Jetzt erwies es sich als ein ganz aufserordentlich glücklicher
Umstand, dafs Rudolf es verstanden hatte, die Ungarn als sichere
Bundesgenossen zu gewinnen. Dem Böhraenkonig hatte sein
Mangel an politischem Sinn und seine Anmafsung einen üblen
Streich gespielt. Entgegen den ausdrückhchen Friedensbestim-
mungen und ihrer Erneuerung hatte er ungarisches Gebiet und
die ungarischen Kleinodien, die er seit dem Jahre 1270 im Be-
sitze hatte, nicht herausgegeben. König Ladislaus von Ungarn
war daher förmlich gezwungen, sich an Rudolf von Habsburg zu
halten. Nach mehrfachen Freundschaftsbeweisen ^) entsandte er
im Juli 1277 eine Abordnung seiner höchsten Würdenträger nach
Wien, und Rudolf schlofs am 12. Juli mit ihnen einen Vertrag
der nicht nur die schon früher in Aussicht genommene Ver-
bindung der Tochter Rudolfs, Klementia, mit des Ungarnkönigs
Bruder Andreas wiederholte, sondern auch im Falle eines An-
griffes beide Teile zur gegenseitigen Unterstützung verpflichtete ^).
Das Bündnis wurde am 11. November desselben Jahres bei einer
persönlichen Zusammenkunft der beiden Könige in Hainburg feier-
lich bekräftigt und ausdrücklich betont, dafs es gegen Ottokar
1) Heinrich von Hainburg a. a. 0., Ann. Ottok. (M. G. SS. IX, 192, in um-
gekehrter Eeihenfolge) ; Cont. Praed. Vindob. (a. a. 0. S. 730); Cont. Claustron.
VI (a. a. 0. S. 745).
2) König Ladislaus versichert schon im April 1277 König Rudolf seiner
Freundschaft (Wiener Briefsammlung S. 86) und gibt am 23. Mai ein PrivUeg
zugunsten der deutsehen Kaufleute (Fejer, Cod. dipl. Vb, 387).
3) M. G. LL. II, 417, 418,
Österreich als wiedergewonnenes deutsches Keichsland. 563
Schutz gewähren solle, wobei Ladislaus von König Rudolf an
Sohnes Statt angenommen wurde ^).
Jetzt, da der Krieg offen ausbrach ^), ehe genügend Hilfe
aus dem deutschen Reiche eingetroffen war — zum Teile wurde
der Zuzug auch durch Heinrich von Niederbayern aufgehalten — ,
erwies sich die ungarische Bundesgenossenschaft als wichtigste Stütze.
Diesmal kam auf Rudolfs Ruf ^) ein stattliches Heer zusammen, das
mit bemerkenswerter Schnelle in etwas mehr als zwei Wochen am
6. August in Prefsburg eintraf.
So konnte es Rudolf wagen, obwohl er vorher den Heeres-
zug für einen späteren Termin (Anfang September) ins Auge ge-
fafst hatte ^) , sich bis jetzt nur die Österreicher um ihn scharten
und lediglich das Kontingent aus Franken angelangt war, ins offene
Marchfeld zu rücken und bei dem festen Marchegg Stellung zu nehmen
Hier stiefsen dann noch aufser den Dienstherren aus Steiermark
Kärnten und Krain Hilfstruppen aus dem Elsafs, aus Schwaben
und Salzburg zu ihm, während freilich die Mehrzahl der Grofsen
des Reiches fernblieb. Aber mehr noch, der König konnte auch
1) Cont. Vindob. (M. G. SS. IX, 709); Fejer, Cod. dipl. Vb, 454 (Schreiben
Eudolfs) , auch S. 399 (Schreiben Ladislaus').
2) Hauptquellen für den Feldzug sind aufser dem Eeimchronisten Vers 200 f.,
der als Augenzeuge verläfslich ist, Ann. Ottok. (M. G. SS. IX, 192); Histor.
annorum 1264—1279 (a. a. 0. S. 653); Cont. Vindob. (a. a. 0. S. 708); Cont.
Praed. Vindob. (a. a. 0. S. 730); Cont. Claustron. VI (a. a. 0. S. 745); Ann.
Salisb. (a. a. 0. S. 802); EUenhard (M. G. SS. XVII, 123); Ann. Colmar. mal.
(a. a. 0. S. 202); Chron. Colmar. (a. a. 0. S. 250); Chron. Magni presb. (a. a. 0.
S. 534); Heinrich von Hainburg (a. a. 0. S. 716); Chron. Fiirstenfeld. (Böhmer,
Fontes 1,6); Erfurter St. Peterschron. S. 115. — Vgl. Böhmer-Redlich,
Eegesten 988a — 1002a. An neuerer Literatur sind zu nennen Lorenz II, 230;
Bussen, Der Krieg von 1278 und die Schlacht bei Dürnkrut (Archiv f. österr.
Gesch. LXII, 1 ff., 1880); Köhler (Forschungen z. deutschen Gesch. XIX, 307)
und Die Entwickelung des Kriegswesens in der Eitterzeit (1886) II, 92ff. ;
Paul er, Geschichte Ungarns im Zeitalter der Arpaden (in ungarischer Sprache)
II, 437 f.; Huber I, 610f.; Bachmann, Geschichte Böhmens I, 649f. und
jetzt besonders Eedlich, Eudolf von Habsburg S. 310 ff.
3) Bereits im Mai 1278 (Eeg. 964, 965; Fejer, Cod. dipL Hong. Vb,
310, 311); im Juni dankt Eudolf für die Kriegsvorbereitungen (Eeg. 979; Fejer
a. a. 0. S. 457) und im Juli schickt er nochmals eine letzte Aufforderung (Eeg.
984, Fejer a. a. 0. S. 502).
4) Chron. Colmar. (M. G. SS. XVH, 249).
36*
564 Vierundzwanzigstes Kapitel.
zur Offensive übergehen. Sobald er mit dem ungarischen Heere
Fühlung gewonnen hatte, entsandte er ein aus ungarischer und
kuujanischer leichter Reiterei und österreichischen Kittern unter
Bertold von Emnierberg bestehendes Streifkorps von etwa 8000
Mann gegen Laa. Durch dessen Erscheinen und Plänkeleien
wurde Ottokar aufgeschreckt; jetzt erst brach er am 19. August
die Belagerung ab und rückte gleichfalls ins Marchfeld, wo er
bei Jedenspeigen sein Lager aufschlug. Da unterdessen auch
Könio- Ladislaus mit den Ungarn die March überschritten und
sich mit dem deutschen Heere vereinigt hatte, so war die Ent-
scheidungsschlacht nunmehr unvermeidlich.
Nachdem am 23. August durch die Kumanen eine Rekognos-
zieruno- vorgenommen worden war, hielt König Rudolf am 24. Au-
gust Heerschau. Seine deutschen Truppen zählten freilich nur 2000
zum Teile schwergerüstete Reiter, vrährend ihm Ottokar darin be-
deutend — es heifst vierfach — überlegen war, aber die Stärke des
ungarischen Kontingentes — 15 000, wenn auch nur leichtgerüstete
und zum Kampfe nicht eben sehr verwendbare Reiter — bestimmte
ihn, das Glück der Waffen zu versuchen ^).
Am 26. August," einem Freitag, entbrannte um neun Uhr
morgens der Kampf auf dem zur Entwickelung einer Reiter-
schlacht wie geschaffenen weiten Felde bei Dürnkrut ^), umgrenzt
1) Die Nachrichten weichen stark voneinander ab. Man wird zwischen
solchen, welche die Gesaratsumme der vorhandenen Leute, ul.I solchen, welche
nur die für die Schlacht ja hauptsächlich in Betracht kommenden wohlausgerüsteten
Eitter angeben, unterscheiden müssen. So werden die Ungarn im ganzen auf 40000
(Erfurter St. Peterschronik), ja sogar auf 56 000 Mann (Brief aus Eudolfs Lager;
Reg. 993a, wobei Redlichs Kritik zu beachten ist!) geschätzt; die Böhmen auf
30000 Mann (Eeimchronik v. 16863 und Thoraas Tuscus M. G. SS. XXII,
525). Siehe die Angaben ferner im Chron. Colraar. (M. G. SS. XVII, 249) und
die übrigen schon oben genannten Quellen. Über das ungarische Hilfskorps
siehe aufser Bussen a. a. 0. S. 88 den Aufsatz von Wertner im Monatsbl.
der herald.-gen. Gesellsch. „Adler" III, 46.
2) Die neueren Geschichtschreiber (Lorenz, Bussen, Eedlich) nennen
die Schlacht wieder alle nach Dürnkrut. In Jedenspeigen war nur Ottokars Lager;
die Bezeichnung „ Schlacht am Weidenbach " liefse sich noch rechtfertigen, dagegen
ist „Schlacht auf dem Marchfeld" viel zu unbestimmt und noch dazu unrichtig,
da das Kruter Feld gar nicht mehr zum eigentlichen Marchfeld zu rechnen ist.
In der Literatur ist über die Schlacht eine ziemlich lebhafte Kontroverse ent-
Österreich als wiedergewonnenes deutsches Reichsland. 565
von einer Hügelkette, die im Goldberg die gröfste Erhebung be-
sitzt, im Süden von dem sumpfigen Weidenbach, im Osten von
der March. Beide Heere rückten in drei Treffen vor. Auf Seiten
Rudolfs bildeten die Ungarn das erste, die Österreicher das zweite,
die vielen kleinen Kontingente aus Steiermark, Kärnten, Krain
und Salzburg, sowie aus dem Reiche das dritte. Ottokar hatte
die Böhmen und Mährer ins erste, die deutschen Zuzüge aus
Brandenburg, Meifsen, Thüringen und Niederbayern ins zweite,
die Polen und Schlesier ins dritte Treffen gestellt. König Rudolf
hatte aber auch, damals noch eine ungewöhnliche Taktik, eine
Reserve von 50—60 Schwergerüsteten unter Ulrich von Kapellen '^
und Konrad von Sumerau im Hinterhalte. ^
Die Übermacht der Ungarn warf die Böhmen und Mährer
zurück, dagegen brachte Ottokar an der Spitze seiner deutschen
Hilfsvölker die Österreicher ins Wanken. Zwar gelang es Rudolf
mit dem Eingreifen des dritten Treffens, obwohl er nur mit
Mühe der eigenen Lebensgefahr entrann, den Kampf zum Stehen
zu bringen, aber durch das Nachrücken der Polen und Schlesier
schien der Sieg Rudolfs bereits sehr gefährdet zu sein. In diesem
kritischen Augenblick griff die Reserve Rudolfs ein, und das plötz-
liche Hervorbrechen dieser frischen Schwerbewaffneten verbreitete
bei den Feinden einen derartigen Schrecken, dafs sie zurückwichen.
Im Nu war die Flucht allgemein. Sie wälzte sich zur March
hin, deren Fluten viele Hunderte verschlangen. Von den Fliehen-
den wurde auch Ottokar selbst mitgerissen. Aber einige der
österreichischen Ministerialen, darunter der Truchsefs Rudolf von
Emmerberg ereilten den tödlich Verhafsten und ermordeten ihn.
Erst später wurde seine entstellte und beraubte Leiche gefunden ^).
Da es noch früher Nachmittag war, so nahm Rudolf mit den
Ungarn die Verfolgung des fliehenden Heeres gegen Norden hin
standen. Vgl. aufser den schon oben angeführten Werken und Aufsätzen noch
im besonderen die Polemik Köhler-Lorenz (Histor. Zeitschr. XLII, 380;
Forschungen z. deutschen Gesch. XX, 216) und Köhler- Busson (Forschungen
XXI, 251; Mitt. d. Inst. U, 503; III, 162). Siehe Böhmer-Redlich, Re-
gesten 993 c. — Jetzt die erschöpfende und übersichtliche Schilderungder Schlacht
bei Redlich, Rudolf von Habsburg S. 318 ff., der ich hier folge.
1) Über die Klagen um Ottokars Tod Redlich S. 326.
Sttß Vierundzwanzigstes Kapitel.
auf, wodurch erst die Niederlage zu einer wahrhaft vernichtenden
wurde. Die Toten und Gefangenen konnten auf 12 000 geschätzt
werden M- Am nächsten Tage stand Rudolf bereits in Feldsberg,
König Ladislaus in Laa ''^). Nachdem sodann die ungarischen
Verbündeten die Heimkehr angetreten hatten, zog Rudolf noch
nach Mähren und Böhmen. Obwohl es hier anfänglich Wider-
stand zu geben schien, kam doch Ende Oktober ein Friede zu-
stande, der die schon fi-üher geplante Wechselheirat zwischen
Ottokars Sohn Wenzel und Rudolfs Tochter Guta einer- und Ru-
dolfs Sohne Rudolf und der böhmischen Prinzessin Agnes anderer-
seits zur Folge hatte. Ein halbes Jahr später mufste auch Herzog
Heinrich von Bayern, der zwar nicht selbst am Kampfe teilgenommen,
aber Ottokar vielfach unterstützt hatte, auf sein Pfandrecht an Ober-
österreich verzichten und behielt für die auf 3000 Mark reduzierte
Mitgift Katharinas nur Neuburg am Inn, Klingenberg, Freistadt
und Mauthausen als Pfand.
Nun erst war Rudolf von Habsburg im ungestörten Besitze
der österreichischen Länder; er hatte sie gewissermafsen zum
zweiten Male erkämpft und dieses Mal ohne Reichshilfe. Jetzt
konnte er darangehen, seinen lang vorbereiteten Plan, diese Länder
für seine eigene Familie zu erwerben und hier eine feste Haus-
macht zu begründen, durchzuführen. Hier war eben die einzige
Möglichkeit, einen ausgiebigen Besitz zu gewinnen, während im
übrigen Deutschland alles in festen Händen war.
Die ersten Schritte hatte Rudolf schon im Jahre 1277 durch
seine Bemühungen, die umfangreichen Kirchenlehen in Osterreich
für seine Söhne zu gewinnen, getan. Die einst den Babenbergern
übertragen gewesenen Kirchenlehen Passaus in Osterreich, Steier-
mark, Kärnten, Krain und der windischen Mark wurden bereits
am 21. November 1276, also kurz nach dem ersten Friedens-
schlufs mit Ottokar, durch einen Rechtsspruch als dem Reiche
heimgefallen erklärt ^) , was dann vermutlich auch auf die Lehen
1) So Eudolf selbst in einem Schreiben an einen Ungenannten (Keg. 998,
Bodmann S. 90).
2) Kegesten 994 und Fejer Vb, 463.
3) Geht aus der Passauer Belehnungsurkunde vom 24. November 1277
(Reg. 893) hervor.
Österreich als wiedergewonnenes deutsches Reichsland. 567
der anderen Bistümer ausgedehnt wurde. Um zu seinem Ziele
zu gelangen, warb Rudolf eifrig um die Gunst der Bischöfe und
suchte allen ihren Wünschen zu entsprechen. Aus diesem Ge-
sichtspunkt mufs man die reichen Gnadenbeweise betrachten,
die der König den Bistümern bezeigte.
Der erste, der sich für die Sache gewinnen liefs, war Bischof
Konrad von Freising. Dieser bekam Zollfreiheit für Lebens-
mittel und Holz, Befreiung von der Gerichtsbarkeit auf allen öster-
reichischen Besitzungen, Anrecht auf alle auf seinem Besitz neu
gefundenen Metall- und Salzadern, Jagdrecht, ferner speziell in
Enzersdorf, Hollenburg, Ollern und Ebersdorf Bestätigung des
Landgerichtes, Marktrechtes und Bergwerkes, Befreiung vom March-
futter in Heubs, Waidhofen an der Ips und Hollenstein und als
Pfand den wichtigen Markt Aschbach, Probsdorf und Schönau;
endlich wurde bestimmt, dafs die Kinder aus Ehen zwischen frei-
singischen und österreichischen Ministerialen sowie deren Güter
geteilt werden sollten ^). Nach diesen ganz bedeutenden Gewinsten
belehnte Bischof Konrad von Freising am 20. Mai 1277 die Söhne
Rudolfs Albrecht, Hartmann und Rudolf und ihre männlichen Erben
mit allen Lehen, die einst die Babenberger besessen hatten ^).
Im Vergleiche dazu waren die Forderungen des Bistums Regens-
burg ganz bescheiden. Es verlangte nur die Rückerstattung seiner
entfremdeten Güter in der Riedmark und im Machlande, sowie im
Marchfeld ^), worauf Bischof Leo die Belehnung am 16. Juni 1277
vornahm *). Erzbischof Friedrich von Salzburg , der treueste
Bundesgenosse Rudolfs, erhielt einen Teil der Kriegsbeute von
1276, den Salzburger Brückenzoll und 300 Mark jährlicher Ein-
künfte aus Gütern, Marchfutter und der Maut zu Rottenmann als
Preis ^). Die Belehnung mit den Salzburger Lehen erfolgte am
21. Juli ''). Noch gröfser waren die Opfer, die Passau ge-
1) Regesten 640, 682, 760—768, 770, 771, 774, 879.
2) Die Urkunde ausgestellt im Oktober 1277 (Font. rer. Austr. 2, XXXI,
348; Reg. 880).
3) Böhmer-Redlich, Regesten 635; ÜB. d. L. o. d. Enns III, 454.
4) Regesten 788, 791; ÜB. d. L. o. d. Enns III, 470; Lichnowsky,
Geschichte des Hauses Habsburg I, Regesten 162.
5) Regesten 666, 769.
6) Regesten 828; Wiener Jahrbücher CIX, 255, 1845.
568 Yicrnndzwanzigstes Kapitel.
bracht werden mufsten. Es wurde ihm gestattet, die Bischofsstädte
Eterding, Amstetten, St. Polten und Mautern mit Befestigungen zu
verschen, andere Gebäude auf seinen Besitzungen zu erbauen und
— eine besonders wichtige Konzession — in St. Polten, Mautern,
Zeiselmauer und den Besitzungen des Tullner Gerichtes auch den
Blutbann auszuüben. Ferner erhielt es den Innzoll in Obernberg,
200 Pfund Wiener Pfennige Einkünfte in Niederösterreich und
die Pfarre Oberhollabrunn ^). Erst am 24. November 1277 be-
lehnte Bischof Peter Rudolfs Söhne ^). Dazu kamen dann um
die Wende 1277 die Belehnung von Seiten des Bistums Gurk und
nach dem grofsen Entscheidungskampfe am 25. Oktober 1279 die
von Seiten Bambergs, die für unsere Gegenden weniger in Betracht
zu ziehen sind.
Hatte König Rudolf in dieser ersten Periode, in der er hier
in Osterreich noch den Standpunkt des Reiches vertrat, auch
gegenüber den Bistümern manches alte landesfürstliche Vorrecht,
wie das Marchfutter oder insbesondere die höhere Gerichtsbarkeit
preisgegeben, so tritt jetzt nach der Entscheidung bei Dürnkrut
bei den weiteren Bestrebungen, die österreichischen Länder für
seine Söhne zu gewinnen, eine gröfsere Bedachtnahme auf die
Landeshoheit zutage. Am 17. Juni 1279 wurde die Bestimmung
getroffen, dafs Klostervogteien beim Aussterben der Stifterfamilie
an den Landesfürsten zu fallen haben ^).
Immerhin zogen sich die Bemühungen um den Erwerb der
Länder auch nach Ottokars Besiegung noch in die Länge. Nament-
lich die Ansprüche, die Graf Meinhard von Tirol erhob, ver-
zögerten die Erfüllung von Rudolfs Herzenswunsch ganz beträcht-
lich. Doch tat der König wenigstens im Jahre 1281 einen prä-
judizierenden Schritt nach vorwärts.
Anfang Mai 1281 sah er sich genötigt, den langen Aufenthalt in
Osterreich endlich abzubrechen und sich nun wieder den dringenden
Angelegenheiten des Reiches zuzuwenden. Aber als Verweser von
1) Kegesten 601; ÜB. d. L. o. d. Enns EI, 440; Eegesten 637; a. a. 0.
S. 453.
2) Eegesten 892, 893; Mon. Boic. XXVIII a, 409 und Schwind-Dopsch,
Ausgew. Urk. S. 117.
3) Kegesten 1101; Schwind-Dopsch S. 122.
Österreich als wiedergewonnenes deutsches Keichsland. 569
Osterreich und Steiermark setzte er vor seiner Abreise seinen
ältesten Sohn Albrecht ein und traf, um ihm seine Stellung mög-
lichst zu sichern, mit den Hauptfaktoren des Landes eine Reihe
von Abmachungen, die deren Verhältnis zum Reiche und zum
Landesfürsten selbst regeln sollten.
Zunächst war es wichtig, den Landfrieden von 1276, der
nur auf fünf Jahre geschlossen war, zu erneuern. Landherren,
Städte, Ritter und Knappen verpflichteten sich dazu auf weitere
zehn Jahre unter gleichzeitigem Verzicht auf alle sonstigen privaten
Bündnisse und aufserdem zur Stellung von dritthalbtausend Mann
im Falle eines Krieges ^).
Aber auch die einzelnen dieser Faktoren sollten verpflichtet
werden. Die Bistümer waren ohnehin durch ihre Belehnungen
gebunden, die Klöster waren durch die fortgesetzte Munifizenz des
Königs gewonnen. Entsprechend der Wiedereinverleibung waren
es zunächst die oberösterreichischen Klöster, welche die Gunst des
Königs erfuhren. Gleink '^), St. Florian 3) und Spital am Pyhrn ^)
erhielten im Juni 1279 Privilegien- und Besitzbestätigung; das
erstere auch die Klostervogtei, das letztere, über das er selbst die
Vogtei übernahm, Mautfreiheit und die Begünstigung, dafs die öster-
reichischen Ministerialen ihm Güter zuwenden dürfen. Kremsmünster
empfing die Bestätigung der Befreiung vom Landgericht, der
Vogtei und Maut und Zoll auf Lebensmittel '•'). Das nahe der
Grenze gelegene Nonnenkloster Erla erhielt ein Gerichtsprivilegium,
die Insel Renning und das dort gefallene Wild, sowie die Fischerei
auf der Donau, sowie endlich Zollfreiheit ^) , St. Polten Gerichts-
freiheit und freie Vogtwahl ^), Zwettl Mautfreiheit für Salz ^), be-
züglich der Dominikaner befahl er den Wienern, sie in jeder
1) Schwind-Dopsch S. 125. Über die Datierung siehe Vancsa, Das
erste Auftreten der deutschen Sprache in Urkunden S. 7, Anm. 1.
2) Böhmer-Kedlich, Eegesten 1097; ÜB. d. L. o. d. Enns IV, 497.
3) Eegesten 1098; a. a. 0. III, 498.
4) Kegesten 1104; a. a. 0. in, 499.
5) Kegesten 1144, 1145, 1146; a. a. 0. S. 508, 509, 511.
6) Kegesten 1102; Pez, Thesaur. VIb, 140.
7) Regesten 1155, 1279 ; Niederösterreichisches Urkundenbuch I, 141, 145.
8) Kegesten 1277; Font. rer. Austr. 2, lU, 201, 212.
570 Vierundzwanzigstes Kapitel.
Hinsicht in ihren Geschäften zu fordern ^). Kleinere Begünstigungen
erfuhren Heiligenkreuz '^), Seitenstetten ^), Klosterneuburg*), Zwettl^),
die Schotten^), Niederaltaich (Zollfreiheit bei Linz)"), Imbach **)
und Melk ^). Aufserdem stiftete König Rudolf zum Andenken an
seinen Sieg am 31. August 1280 und vermutlich nicht ohne Ein-
flufs seines Finanzministers Konrad von Tulln ein Dominikane-
rinnenkloster zu Ehren des heihgen Kreuzes in Tulln, dem er die
von den Schotten erworbene Kapelle, ferner in der Umgebung von
Wien Besitzungen und Weingärten zuwies, sowie Gerichtsbarkeit
und Zollfreiheit verlieh'^), und wohin eine Zeitlang auch die
Familiengruft der Habsburger verlegt wurde.
Auch die Städte wurden durch mannigfache Gunstbeweise
ausgezeichnet, namentlich diejenigen, welche durch den letzten
Krieg in Mitleidenschaft gezogen worden waren, wie Laa") und
vermutlich Drosendorf ^^), die zur Ausbesserung ihrer Befestigungen
zehnjährige Mautfreiheit erhielten, und Marchegg, dessen Kirche
1) Eegesten 1314, 1315; Bodmann S. 163, 164 (der Bezug auf Wien An-
nahme Eedlichs).
2) Eegesten 1106; Font. rer. Austr. 2. Abt. XI, 220.
3) Eegesten 1164; a. a. 0. XXXIII, 105.
4) Eegesten 1184, 1186; Fischer, Merkwürdigere Schicksale von Kloster-
neuburg n, 277, 278.
5) Eegesten 1189; Font. rer. Austr. 2. Abt. lü, 202.
6) Eegesten 1202; a. a. 0. XVIII, 67.
7) Eegesten 1273; Winkelmann, Akta II, 273.
8) Eegesten 1304; Aus einer Urkunde des Jahres 1290 bei Chmel, Ge-
schichtsforscher II, 570.
9) Eegesten 1307; Wiener Briefsammlung S. 187 (Zuweisung allerdings
nicht ganz sicher).
10) Eegesten 1202, 1220, 1221, 1294; Kerschbaumer, Geschichte von
Tulln S. 320, 321, 322. Vgl. über das Kloster aufser bei Kerschbaumer
a. a. 0. S. 261 f.; Meynert, Das Herz König Eudolfs I. und die Habsburger-
gruft des ehemaligen Klosters zum heihgen Kreuz in Tulln (Wien 1856) und
Kerschbaumer, Das kaiserliche Frauenstift und die Habsburgergruft zu Tulln
(Ber. u. Mitt. d. Altertumsver. XIII, 131, 1873).
11) Eegesten 1045; Bodmann S. 236.
12) Bei der starken Übereinstimmung von Eegest 1046 (Bodmann S. 242)
mit der Begünstigung für Laa möchte ich dieses anonyme Privileg auf Drosendorf
beziehen, das ja ähnhche Schicksale wie Laa erlitten hatte und jedenfalls auch
einen Gnadenbevreis erhalten haben dürfte.
Österreich als wiedergewonnenes deutsches Reichsland. 571
reich dotiert wurde ^). Neue Privilegien empfingen Mautem (die
Rechte von Krems und Stein) ^), Zwettl (die Handelsvorrechte von
Krems) ^) und Laufen in Oberösterreich (die Rechte von Gmunden) *).
Wiener Neustadt, das wieder einmal in den Säckel gegriffen hatte,
bekam die Bestätigung seines Niederlags-, Gerichts- und Markt-
privilegs 5), Steuernachlafs ^) und ein Holzprivileg ^). Wien hatte
offenbar für Paltrams Verschwörung zu büfsen, doch hatte es ohne-
hin knapp vor dem Kriege eine Bestätigung seines Reichsprivilegs
erhalten, und in ihrem Handelsbetrieb nahm Rudolf auch die
Bürger gegebenenfalls in Schutz ^).
Die schhmmen Erfahrungen, die man mit Wien gemacht hatte,
führten offenbar dazu, dafs sich der König jetzt in dem AugenbHck,
da er das Land zu verlassen im Begriffe stand, von einer Reihe von
Städten Treubriefe ausstellen liefs. Erhalten sind uns solche von Wien,
Wiener Neustadt und Laa ^). Bei Wien wurde die besondere Vor-
sichtsmafsregel gebraucht, dafs sich nicht nur der gegenwärtige Stadt-
richter, der jetzige und vorige Münzmeister und sieben andere einflufs-
reiche Bürger, sondern auch die wieder zu Gnaden aufgenommenen
einstigen Anhänger und Verwandten Paltrams vor dem Freithofe,
Paltram Vatzo, Paltram am Holzmarkt, Ulrich vom Widmarkt,
Rudeger am Holzmarkt, Ulrich Scharrer und die Söhne des Haus-
genossen Herwig Griffo, Ulrich und Fridlo, durch Brief und
Siegel zur Treue verpflichten mufsten. Den letzteren wurde für
den Fall, dafs sie mit dem verbannten Paltram in irgendeine Ver-
bindung treten würden, die Strafe des Hochverrats angedroht.
1) Eegesten 1047; Bodmann S. 100.
2) Regesten 1079; Mon. Boic. XXVIII a, 413.
3) Regesten 1302 ; nach der Urkunde Herzog Albrechts IL vom Jahre 1330
(Uhlirz, Das Archiv der Stadt Zwettl, 1895).
4) Regesten 1303; nach der Urkunde Herzog Albrechts II. von 1344
(ÜB. d. L. 0. d. Enns VI, 471).
5) Regesten 1265; Winter, Urkundliche Beiträge S. 37.
6) Regesten 1270; Winter im Archiv für österr. Geschichte LX, 103.
7) Regesten 1287; Böheim, Chronik von Wiener Neustadt (2, Aufl.)
I, 57; vgl. Winter a. a. 0. S. 102.
8) Regesten 1317; Bodmann S. 238.
9) Die Urkunden sind abgedruckt und eingehend erörtert von Uhlirz,
Die Treubriefe der Wiener Bürger ans den Jahren 1281 und 1288 (Mitt. d. Inst,
f. österr. Gesch. V. Erg.-Bd. S. 76).
573 Vionindzwanzigstcs Kapitel.
Au der Urkunde, mit der der Landfriede erneuert wurde, finden
wir die Siegel von Wiener Neustadt, Krems, Stein, Laa und Linz.
Am schwierigsten war es, dem Adel des Landes, der beim
ersten Einrücken König Rudolfs mit der Erwartung auf die Reichs-
unmittelbarkeit geködert worden war, die neue Regierungspolitik,
die Rückkehr zum Landesfiirstentum, mundgerecht zu machen. Als
Ersatz für den Entgang mancher erhoffter Vorteile schuf Rudolf nun-
mehr aufs Neue die Institution des landesiürstlichen Rates, indem
er dem jungen Reichsverweser Albrecht etwa zwanzig Mitglieder
des Herrenstandes zur Seite gab ^). Es scheint aber auch damals
wieder einmal die Absicht bestanden zu haben , ein neues Land-
recht zu schaffen, wie es den Steirern schon im Jahre 1276 er-
neuert worden war '^). Das Landrecht Ottokars wurde für einen
neuen Entwurf als Basis genommen, jedoch so, dafs die spezifisch
Ottokarischen Bestimmungen möglichst getilgt, der weiteren Ent-
wickelung Rechnung getragen und überhaupt der Herrenstand ganz
hervorragend begünstigt wurde.
Von einem Verbot des Burgenbaues ist jetzt nicht mehr die Rede;
ja der Beirat des Landesfürsten kann diesen sogar bewegen, eine
früher wegen Landschädlichkeit geschleifte Burg wieder aufbauen
zu lassen (Art. 67). Es ist auch jetzt weder von der Hehlung Ge-
ächteter, noch von einem Verbot der Einungen, noch von einem
Mifsbruuch der Vogtei die Rede Die Verbote gegen Mauteinhebung
und Münzfälschungen sind wesentlich gemildert. Endlich ist jetzt
der Unterschied zwischen den alten Grafen und Freien und den
Dienstmannen schon ganz verwischt, da jetzt keine Spur darauf
hindeutet, dafs jene im Vergleiche zu diesen als Übergenossen gelten.
Dieser Entwurf scheint zwar niemals Gesetzeskraft erhalten zu
haben, aber die Wirkung ist die gewünschte gewesen: die Land-
herren besiegelten gleichfalls die Erneuerung des Landfriedens.
1) Siehe aufser Eodlicb, Rudolf von Habsburg S. 373 noch Dop seh
in den Blättern des Vereins für Landeskunde XXVII, 244 f., 1893 und Luschin
in der Historischen Zeitschrift LXXVIII, 448.
2) Siehe die bereits oben zitierte Abhandlung von Stieb er, K vyvoji
sprävy, der das sogenannte Landrecht I in die Zeit Rudolfs von Habsburg ver-
legt. Vgl. aber die präzisere Fassung von Rieger in den Mitteilungen des
Instituts für österreichische Geschichtsf. XXIV, 149 f., 1903.
Österreich als wiedergewonnenes deutsches Eeichsland. 573
Nun blieb noch eines zu tun übrig. Rudolf von Habsburg
liefs sich von seinem Finanzminister, dem Landschreiber Konrad
von Tulln, Rechnung legen, denn was er brauchte, war Geld.
Aufser den Bedürfnissen des Reiches hatten auch das Hoflager
und die Kleider Bedeutendes gekostet. Jetzt stellte es sich
auch heraus, dafs Konrad von Tulln bei der Verwaltung seines
Amtes gehörig daraufgezahlt hatte, nämlich 12 436 Pfund Wiener
Pfennige und 1606 Mark Silber. Der König sah sich genötigt,
bei den reichen Wiener Bürgern Jakob von Hoya (Huy) und
Jakob von Metz, sowie bei dem Regensburger Kaufmann Friedrich
Pollex Geld auszuborgen und Tuch auf Kredit zu nehmen. Dafür
verpfändete er ihnen und Konrad von Tulln sämtliche Amter in
Österreich und zwar insbesondere die gesamte Münze, alle Gerichte
und den Donauzoll ^). Konrad von Tulln speziell erhielt noch
die kleine Maut zu Stein, die Burg Ried und andere Einkünfte
zu Steuersdorf und auf den Donauinseln bei Tulln als Pfand,
sowie die Gunst der Umwandlung seiner Lehen in freies Eigen ^).
Endlich ffriff Rudolf damals auch zu dem behebten Mittel der
Münzerneuerung ^).
Konrad von Tidin spielte überhaupt unter der Reichsverweser-
schaft des jungen Albrecht die einflufsreichste Rolle. Er war nicht
nur der Vertreter der landesfürstlichen Vogteigewalt , stand nicht
nur an der Spitze des Maut- und Zollwesens, sondern auch des
gesamten Handels, ja er war geradezu der Schirmer des Land-
friedens gegen alle Übergriffe und Gewalttätigkeiten *).
Freihcli bUeb bei der nächsten Abrechnung vom Juni 1282
noch immer das ganz bedeutende Defizit von 9750 Pfund und 7332
Mark, das dann allerdings in wenigen Monaten — bis Oktober —
auf 162 Pfund und 6066 Mark herabgemindert werden konnte.
Die Gesamteinnahmen in dieser Zeit vom 1. Juni 1281 bis Mitte
1) Böhraer-Eedlich, Kegesten 1280; Schwind-Dopsch, Ausgew.
ürk. S. 123; Regesten 1326; Zahn in Steierraärkische Geschichtsblätter IT, 130;
Regesten 1327; Zahn a, a. 0.; Regesten 1330; Zahn a. a. 0. S. 132.
2) Redlich, Rudolf von Habsburg S. 760; Urkundenanhang Nr. 9.
3) Geht gleichfalls aus Regest 1327 hervor.
4) Vgl. hauptsächlich Dop seh in seinem schon oft zitiertem Aufsätze in
den Mitteilungen des Instituts für österreichische Geschichtsf. XVIII, 297 f.
574 Vierundzwanzigstes Kapitel. Österreich als wiedergewonnenes Reiohsland.
Oktober 1282 erreichten in Österreich die Hohe von 3Ü430 Pfund.
Hält man dagegen, dafs die Einkünfte aus den althabsburgischen
Besitzungen im Jahre nur durchschnittUch 70Ü0 Mark betrugen,
so kann man daraus am klarsten ersehen, welch ungeheurer Ge-
winn dem Habsburgischen Hause aus der Erwerbung Österreichs
zu erwachsen versprach ^).
Im Laufe des Jahres 1282 wurden die letzten Hindernisse
für diese Erwerbung aus dem Wege geräumt. So konnte denn
endlich zwischen dem 17. und 21. Dezember auf dem Reichstage
zu Augsburg die Belehnung der Grafen Rudolf und Albrecht von
Habsburg — Hartmann war am 21. Dezember 1281 im Rhein
ertrunken — mit Osterreich, Steiermark, Kärnten (mit Vorbehalt),
Krain und der windischen Mark erfolgen. Die Urkunde wurde
am 27. Dezember unter goldener Bulle ausgestellt.
Noch einmal griffen darauf die Herrenstände entscheidend ein.
Schon nach wenigen Monaten, im Mai 1283 kam eine Abordnung
zum Könige nach dem Elsafs, um die Beseitigung des lästigen und
ungewohnten Zweifürstentums zu erbitten. Auf dieses legte Rudolf
ja wenig Gewicht i^nd so bestimmte er denn am 1. Juni 1283
durch den Vertrag von Rheinfelden, dafs Albrecht als der ältere
mit allen seinen männlichen Nachkommen die österreichischen
Länder innehaben solle.
So war denn für Österreich die kurze Episode der Reichs-
unmittelbarkeit zu Ende, es war auch nicht mehr das Anhängsel
eines fremden Reiches, wie unter Ottokar, sondern besafs nun
wieder seinen eigenen Landesfürsten, wie zur Zeit der Babenberger.
Dessen Sache war es nunmehr, die alte Überlieferung unter Be-
rücksichtigung des Wandels der Zeit wiederherzustellen.
1) Siehe die Urkunden Albrechts vom 19. Oktober und 24. Dezember 1282,
sowie die Eudolfs vom 14. Dezember bei Zahn a. a. 0. S. 133 — 135. Die
erstere auch bei Seh wind-Dopsch, Ausgew. Urk. S. 129. — In der ganzen
Darlegung folgte ich den übersichtlichen Auseinandersetzungen bei Eedlich,
Eudolf von Habsburg S. 359, wozu Lorenz, Deutsche Geschichte I, 365 zu
vergleichen ist. Die regelmäfsige durchschnittliche Jahreseinnahme dürfte noch
höher zu veranschlagen sein, wie Dop seh in der Einleitung zu den Öster-
reichischen Urbaren S. CCXXIVff. nachgewiesen hat.
^
Register.
Äba, König von Ungarn 241 f.
Abersee 127.
Abgaben und Leistungen:
Bergrecht 261.
Bergwerk 324. 381. 386.
Bufs- und Sübnegeld 324. 38.5 f.
— der bäuerl. Bevölkerung 260 f.
Gerichtsgefälle 388. 566.
Landpfennige 324. 386.
Marcbfutter, Marcbdienst, Marcb-
mutte 320. 323. 381. 386. 567 f.
Mauten 388. 399. 401. 411. 415.
551. 553 f. 567. 569 f.
Nacbtselde 324.
Steuern: 556 (Grundsteuer); 557
(Kriegssteuer) ; 560 ; 287. 388 (Vogt-
steuer).
Zehnte 167. 203 f. 324.
Zinse 327. 419. 438.
Zölle 156ff. 399. 401. 411. 551.
553 f. 567 ff. 573.
Absdorf (Bz. UntergänserndorO 496.
Abteiland 533.
Abwinden (Bz. Perg O.-Ö.) 108. 234.
Aachener Kaufleute 399.
Achilleus, ungarischer Graf 479 f.
Ackerbau s. Landwirtschaft.
Adalbero, Bischof von Wiirzburg 254.
259. 270 ff. 284. 336. 364.
Adalbert, Bischof von Bamberg 196.
— , Bischof von Freising 344f. 381.
— , Bischof von Passau 189. 192.
200.
Adalbert, Bisehof von Prag 157. 201.
— , Erzbischof von Salzburg 348 f.
351 ff.
— , Markgraf der Ostmark 218. 238.
240f. 244 f. 267. 318. 426.
— , Sohn Leopolds lU. 302. 329. 369.
Adalram, Erzbischof von Salzburg
150.
A d a I w i n , Erzbischof von Salzburg
176 f.
Adel 190 f. 206 (SteUung zu Otto-
kar IL). 543 f. (zu Rudolf). 551 f.
569. 572.
Landherren 524. 527. 551 f. 555.
572.
Dienstmannen s. Ministerialen.
Ritterstand 322. 421. 440. 465 ff.
515. 519 f. 527. 552. 569.
Admont, steierisches Kloster 7. 11.
344. 358. 430. 433.
— , Irimbert aus 364.
Adrab aikampoi 76.
Ägyd, St., im Mühlviertel 514.
Ä gy d i u s , Graf des Prefsburger Komi-
tates und Schatzmeister 530 f.
Aelium Cetium s. St. Polten.
Ämter (Officia) 287. 388.
Aequinoctium s. Fischamend.
Aflenztal 360.
Agar, Flufs 118.
Aggsbach a. d. Donau 28. 227. 426.
Aggstein a. d. Donau 426. 463.
Agilolfinger 116.
57«
Register.
A ^ n e 8 , Goraahlin I^opolds III. 296. 302.
— , Goiuahlin Stephans III. 350.
— , Tochter Gertruds von Österreich
546.
— , Tochter Ottokars I. von Bölimen
459.
— , Tochter Ottokars II. von Böhmen
566.
— von Meran, Gemahlin Friedrichs
des Streitbaren 480.
— von Poitou, Kaiserin 244. 249f.
271 f. 281.
Ägrargerichtsbarkeits. Gerichts-
verfassung.
Algen (Bz. Rohrbach O.-Ö.) 425. 514.
Aist, Flufs 137. 144. 148. 423.
Aist, Dietmar von, Dichter 333.
Aistom odius, germanischer König 86.
Alamannen68. 79.94.96. Ulf. 184.
Alanen, germanischer Stamm 92.
Ala nova s. Schwechat.
Alarich, König der Westgoten 92.
Alarun (Albern?), Hof in vNiederöster-
reich 216.
Alauner, keltischer Stamm 42.
Albe, Flufs 43. 128.
Alberich, Chorbischof von Passau
145. 168.
— , Graf in der karolingischen Ostmark
165.
Albern (Bz. Brück a. d. L.) 214. 216.
AlbertBehaim vonKager, päpst-
licher Legat 452. 476.
Albigenser s. Ketzer.
Alboin, König der Langobarden 105.
Albrecht, Sohn König Rudolfs von
Habsburg 567. 569. 572. 574.
Aldersbach, bayerisches Kloster 301.
319. 430. 452.
Alexander IH., Papst 346ff.
— IV., Papst 511.
Alexander Severus, römischer
Kaiser 68. 87 f.
Alkoven bei Eferding 128. 281.
Alkuin 167.
All and (Bz. Baden) 107.
Almen de 423.
Almsee, der 209.
Alm US, NeflTe König Ladislaus' 295 f.
Almwirtschaft 114.
Alpker 154.
Als, Bach (Wien) 108. 252. 301. 319.
Als, Ministerialo 322.
A Itaich, bayerisches Kloster 11. 137.
142. 146 f. 300 (Besitz). 430.
Altaicher Annalen 8. Aimalen.
Alte vom Berge, der 445.
Altenburg, Benediktinerstift (Bz.
Hörn) 10. 253. 334.
Altenburg, Deutsch-, in Niederöster-
reich 78. 82.
Alten bürg, Ungarisch- 56.
Altenburger, die 435.
Altenburger, Konrad und Leuthold
411.
Altenfeldon (Bz. Rohrbach) 415.
Altmann, Bischof von Passau 258.
270 ff. 284. -286. 290. 299. 319.
329. 333. 336.
Altmühl, Flufs 156.
Amphitheater 82.
Amstetten, Stadt in Niederöster-
reich 230. (Mals) 472. 507. 525
(Ketzer). 568.
Amtsadel s. Adel.
Amtsleute (Officiales) 388. 421 f.
Andechser 207. 358.
Andrä, St., a. d. Traisen 334.
Andreas, König von Ungarn 248 ff.
— , ungarischer Prinz 541. 562.
Anj oie s. Anschau.
Annalen 5. 247 (Reichsannalen). 6.
335. 363 (österr. Annalen).
Anno, Erzbischof von Köln 250.
Anschau (Gbz. Ottenschlag) 395.
— , Ministeriale 462.
Anselinus, Sohn Bertolds von Aqui-
leja 450.
Register.
57?
An sfel de n(Bz.Linz)127. 535 (Ketzer).
Antoninus Pius, römischer Kaiser
57. 62.
Antiesen, Gut in Oberösterreich 211.
Anzbach (Bz. Hietzing) 219. 535
(Ketzer).
Anzenbach, Herren von 431.
Apfoltern (Bz. Freistadt in O.-Ö.)
227.
Aquae s. Baden.
Ardagger, Chorherrnstift (Bz. Am-
stetten) 114 f. 215. 271. 345. 507.
535. 555.
Arelape (Arelate) 54. 63. 64. 66. 82.
Ariberg bei Steg (Goldbergwerk) 83.
Aribo, Markgraf 154. 156. 165. 172.
177. 220. 246 f.
— , Pfalzgraf 217.
Ariogäsus, König der Quaden 59.
Arno, Chorbischof von Passau 168.
— , Erzbischof von Salzburg 129. 167.
Arnold I., Graf von Wels 207. 209.
220.
— II., Markgraf 255 f. 278.
— von Brescia 412.
— von Würzburg 273.
Arnoldisten s. Ketzer.
Arnsdorf (Bz. Krems) 191. 213.
Arnstein, Weikhard von 464.
Arnulf, Herzog von Bayern 183 ff.
— , König 142 f. 146. 153 f. 170. 172 f.
177 ff. 213.
Artolz (Bz. Waidhofen a. d. Th.) 232.
Artus, König 390.
Asch ach a. d. Donau 128 f. 144. 157.
224. 281. 530.
Aschbach im Viertel ober Wiener
Wald 535. 554. 567.
Aspach (Bz. Braunau a. J.) 281. 371.
Aspang (Bz. Wiener Neustadt) 384.
Asperhofen (Bz. Hietzing) 220.
Aspern im Marchfeld 436.
Aspern-Falkenberg, Berta von 436.
Asturis s. Klosterneuburg.
A 1 1 a 1 u 8 , König der Markomannen
69. 87.
Attergau 115. 120. 127. 142. 161.
208. 2 10 f.
Atterhofim Attergau 127. 210.
Attersee 31. 127. 147. 210f. 357.
Attila, König der Hunnen 93. 94.
193 f.
Atzelsdorf 333.
Atzgersdorf (Bz. Hietzing) 333.
Audaker, fränkischer Heerführer x30.
Auerbach (Bz. Freistadt O.-Ö.) 118.
Auersperge, Ministerialen 379.
Augsburger Kaufleute 405.
Augustinkogel 118.
Aug^ustus, römischer Kaiser 48.
Aupfelwang in Oberösterreich 357.
A Urach (Bz. Vöcklabruck) 253. 358.
Aurelianus, römischer Kaiser 69.
Ausfuhrhandel s. Handel.
Aussee 360.
Au sseer Ländchen 118.
Authari, Langobardenkönig 113.
Ava von Melk, Dichterin 293. 335.
A waren 105 f. 109 f. 114. 124 f. 130.
132. 135. 154. 161. 162. 167.
173. 182.
Awarien s. Ostmark.
Aza Her 42.
Baben berger 195. 196 f. (Abstam-
mung). 233. 240. 244. 255.
265ff. 286 ff. 322ff. 331 f. 340ff.
355 ff. (Besitzerwerbungen und
Erbschafton). 370 ff. 379 ff. (Landes-
herren). 427. 435. 437. (Bedeu-
tung und Macht). 438 ff.
Baden (Aquae) bei Wien 67. 82. 147.
283. 326.
Baden, Hermann von 490 ff.
Badewesen (römisches) 82.
Baierdorf (Bayerdorf, Bz. Oberholla-
brunn) 229.
Baimoi, Baimochaimoi 76.
Vancsa, Geschichte Nieder- u. Oberösterreichs.
37
578
Register.
Baioarii s. Markomannen.
Bajuvaron, Bajuvarion s. Bayern.
Ballomar, Markomaunenkünig 8G.
Bamberg 210 f. 218. 258. 301. 357.
431. 452. 5G8.
Bamberg, Hoftag von 347.
Batu, Mongok'nl'ührer 480.
Bauerngüter 418.
Bauernlehen 2G2.
Bauernstand 260fiF. 323fF. 402.
Klassen 2G0f.
Lage 170. 418 ff. 440. 531.
Schwinden der freien Bauern 191. 259 f.
Baumburg, bayerisches Kloster 458.
Baumgarten, Ministeriale 462.
— , Herren- (Bz. Mistelbach) 258.
Baumgartenberg, Zisterzienser-
kloster (Gbz. PergO.-Ö.) 12. 317.
319. 390. '.Besitz) 430. 496. 555
(Privileg).
Bayerhof 229.
Bayerhofstatt 229.
Bayermühle 229.
Bayern (Bajuvaren) 112 ff. 124 f 131.
135. 161. 179 ff. 189. 332. 338.
Bayern (Bajuvarien) 120; (kirchliches
Organ) 125 f. 130. 148. 159. 169 f.
233. 244. 258. 265 ff. 338 ff. 354 f.
365. 380. 384. 438.
Befestigungen 396 ff.
Befreiung von Abgaben, s. Abgaben.
Bela I. von Ungarn 250.
— II. 305.
— HI. 350. 368.
— IV. 478 ff. 482. 487 f. 498 ff. 509 ff.
Belenus, keltische Gottheit 41.
Benedikt VIL, Papst 201.
Benediktiner 281. 289ff. 334f.
337. 343.
Benefizialwesen 152.
Benesch, böhmischer Baron 515.
Berchtesgaden, bayerisches Kloster
301. 319.
Bergrecht (der Weinbauern) 326.
Bergrecht s. Abgaben.
Berengar, Bischof von Passau 215.
Bergbau 33. 34. 37. 38. 114. 360 f.
Bergregal s. Regalien.
Berg winden bei Wels 108.
Bernardus Noricus aus Krems-
müuster 163.
Bernhard von Clairvaux 299. 306.
Bernhard US, Bischof von Neapel 501.
Berns teinstral'se 35. 44. 53.
Berta, Tochter Leopolds III. (von
Steffaning) 304. 436.
Bertold, Abt von Garsten 356.
— , Bischof von Bamberg 539.
— , Bischof von Würzburg 549.
— , Bruder Arnulfs von Bayern 185.
188 f.
— , Graf im Nordgau und Markgraf
gegen die Böhmen 196 f.
— von Schwaben 187.
Besied elung s. Kolonisation.
Basiedelungsdichte 235.
Besitzverhältnisse 131ff. 152ff.
186 f. 140 ff. 152 ff. 208 ff. 281 ff.
318 ff. 302 ff. 429 ff. 522.
Besthaupt, Todrecht (mortuarium)
324.
Bettelorden 454ff. 544. 547. 556.
569 f.
Biatec, norischer Fürst 50.
Bibliotheken 363.
Bielakt, Graf von, s. Sighard, Pa-
triarch.
Bienenzucht s. Landwirtschaft.
Bierbaum 283. 300.
Bi Bamberg bei Wien 219. 237. 301.
319.
Biugin s. Persenbeug.
Blabariciaco 63.
Blankenberg-Schönheringen,
Herren von 423.
Blankenberge 432.
Blasenstein, Burg in Oberösterreich
254. 372.
RetristtT.
57»
Blocksystem s. Siedcluiigsformeu.
Bob so na (verschollen) in Niederöster-
reich 242.
Böheimkirchen (Bz. St. Polten)
234. 258. 535.
Böhmischkrut (Bz. Mistelbach) 234.
258.
Böhmsdorf (Böhmstorf, Bz. Zwettl)
234.
Böhm Zeil (Bz. Gmünd) 234.
Boerbistes, König der Daker 45.
Bogen, Grafen von, s. Poigen.
Bojer 3G. 45. 46.
Bojerwüste 45.
Bojo durum s. Innstadt.
Boleslaw Chrobry 238
Boleslaw von Krakau 500.
Borics, Sohn König Kolomanns von
Ungarn 305 f.
Bofiwoy, Herzog von Böhmen 296.
Botho, Bruder des Pfalzgrafen Aribo
217. 247.
Brandenburg, Albrecht von 308.
_, Otto von 549.
Braunschweig, Otto von 370. 410.
413.
Breiteuau im Hausruckgebiet 431.
Bretislaw, Herzog 238. 240 f. 248.
Brevos Notitiae 126.
Bromberg, Pfarre (Bz. Wiener Neu-
stadt) 358.
Bronzezeit 34—38. 614.
Brück a. d. Leitha, Stadt in Nieder-
reich 67. 259. 282. 553 (Privileg).
Brückenbau 401.
Brüder vom freien Geiste s. Ketzer.
Brunn, Ministerialengeschlecht 435.
— , Heinrich von 463 f.
Bruno von Olmütz, Bischof 501. 522.
539 (Denkschrift). 547. 549. 558.
Buchberger Tal 361.
Buchenau (Bz. Linz) 147.
Bucklige Welt bei Wiener Neustadt
256.
Bürger 341. (Vorrechte) 403 ff. 440.
471. 520. 527. 553. 555.
Burgenbau 503 f. 515 ff. 525. 551.
572.
Burgfried 385.
Burghausen, Grafen von 208. 222.
252. 362.
— , Gebhard von 252. 308. 312.
— , Heinrich von, Bischof von Freising
275. 289.
— , Hildegard von 275.
— , Sieghard von 252.
Burghausen-Peilstein, Gr. v. 275.
Burghausen-Schala, Herren von
221. 223. 240. 273.
— , Ida von 372.
Burghauseii-Schala -Peilstein
259. 282.
Burglehen 520.
B urg recht (Baurecht, Kaufrecht) 327.
403. 418 f.
Burgschleinitz (Bz. Hörn) 108.
Burgunden 202.
Burgwerk s. Abgaben.
Burkhard, Bischof von Passau 156.
— , Markgraf der Ostmark 192 f.
194 f. 197 f. 216. 222. 233 f. 265.
297.
Byzanz 307. 331. 343.
Caligula, römischer Kaiser 53.
Camaldula, Kloster 270,
Caracalla, römischer Kaiser 64.
Garbo, Gn. Papirius, Prokonsul (113
V. Chr.) 44.
Carnuntum 2. 40. 43. 49. 53. 54.
55. 56. 59. 62. 64. 66. 67. 68.
70. 72. 81. 82. 83. 84. 86. 89.
110. 114. 136.
Cäsar 45. 46. 48.
Catualda, Gotenfürst 51. 52.
C e r w a 1 d s. Semmering.
Chalhoch, Richter der Feste Falken-
stein 424.
37'
580
Register.
Chat toi, Chaituoroi (Chatten) 76.
C h e y a w 0 r (Kiauor) Miaisterialen-
goschlecht 434 f.
Chioragau 220. 25G.
Chiemsoe, Bistum 407.
Childebert II., Frankenkönig 125.
— III. 125.
Chorherronklöster 334.
Christentum.
Einführung in Noricura 97 f.
Christian, Bischof von Passau 204.
209. 214.
Christofen im Viertel ober Wiener
Wald 535.
Chroniken, Städtische 8.
Chroninpach (Grünbach ?) bei Pacli-
manning 127.
Chrubat s. Böhmischkrut.
Chunihohesdorf (Königstetten) 242.
Chussal, Führer der Magyaren 181.
Cidalarisbach s. Zeillern.
Citiura 8. Zeiselmauer.
Claudius I., römischer Kaiser 52.
54. 66.
— n., römischer Kaiser 69.
Claudius Pompejanus 58.
Cölestin, Papst 378.
Collegia, römische 83. 89.
Colomezza s. KoUmitz.
Comagena s. TuUn.
Commodus, römischer Kaiser 61. 82.
Constantinus Porphyrogenitus, byz.
Kaiser 161.
Constantius, Bischof von Laurea-
cum 98.
Cosmas, böhmischer Chronist 255.
Cosmas, ungarischer Graf 479.
Critasirus, König der Noriker 45.
CucuUae (Küchel, Bz. Hallein) 97.
Cusus, Flufs 51.
Dachenstein s. Tachenstein.
Dachstein 118.
Dagobert I., fränkischer König 124.
Dakor 55. 56.
Deggendorf a. d. Donau 267.
Desidorius, Laugobardenkönig 129.
Deutschorden 452. 486. 489f. 556
(Privileg).
Dewin 174f.
Dichtungen:
Klösterliche 293 f. 334 £F. 363 f.
Nibelungenlied 193 fif. 243. 298. 331 ff.
343. 395.
Volksepos und ritterliche Lyrik 331 ff.
Dienstmannen s. Ministeriale.
Dietach bei Steyr 128.
Dietrich, Abt von Kremsmünster 277.
— , reicher Wiener Bürger 702.
— von Bern (Theoderich) 113. 194.
331.
Diokletian, römischer Kaiser 70 f.
72. 97.
Dionys, St. 232.
Disinfurt (verschollen) 258.
Döbling (Wien) 108.
Dominikaner s. Bettelorden.
Domitian, römischer Kaiser 55. 56.
Donau 29. 30. 117ff. 141. 147. 156.
161 f. 180. 182. 327 (Bettverle-
gungen). 429.
Donauhandel s. Handel.
Donautal,Landg-richtl20. 136. 155.
Dorfanlage s. Siedlungsformen.
Dornbach (Wien) 252. 319.
Drachenstein 129.
Draholf, Bischof von Freising 183.
Drasdorf im Traismafeldgau 140.
142. 151.
Dreifeldersystem 150. 327.
Dreistätten (Bz. Wiener Neustadt)
219.
Drosendorf (Bz. Hörn) 321. 398.
427. 535. 546. 548. 562. 570.
Drusus 46.
Dürnberg bei Hallein 38.
Dürnkrut im Marchfeld 78. 427.
564 (Schlacht von 1278). 568.
Register.
581
Dürnstein a. d. Donau 107. 217.
227. 376. 426. 463.
Dunkelstein, Herren von 359.
Durchfuhrhandel s. Handel.
Duria 51.
Durinc, ein Freier 140. 144.
Eberhard I., Erzbischof von Salzburg
345 ff. 356.
— II. 409 f. 445. 452. 481.
— , Sohn Arnulfs von Bayern 188.
— , Spielmann Herzog Leopolds VI.
394.
Ebersberg, bayerisches Kloster 220.
319. 496.
Ebersberg, Burg a. d. Traun 481.
EberschTPang (Bz. Eied) 281.
Ebersdorf bei Pöchlarn 158. 252.
289. 567.
Ebersdorf, Herren von 388.
— , Eeinprecht und Chalhoch von 548.
Eberstal 128.
Eberstallzell (Cotprehtescella , Bz.
Steyr) 209.
Eberstein, Eberhard von, Statthalter
in Österreich 446.
— , Otto von 488. 490 f.
Eborodunum s. Efferding.
Ecclesia Anzonis, EUodis, Minigonis
146. 153.
— ad Kensi 153.
Ed 1 i t z (Bz. Wiener Neustadt) 108. 146.
358.
E f e r d i n g , Stadt in Oberösterreich 64.
(Stadtrecht) 415. 533. 568.
Egelsee bei Krems 282.
Egelstetten 242.
Eggenburg, Stadt in Niederösterreich
31. 33. 398. 426. 553 (Steuerfrei-
heit und Wienerrecht).
— , Herren von 492.
E g i n 0 , Grundbesitzer in der Ostmark
138.
Ehrentrud, Das Kloster der hl. 127.
Eibensteiu bei Gmünd 33.
Eichenbrunn (Aichenbrunn , Gbz.
Laa) 40.
Eich statt, Bistum 169. 216 f. 247.
Eichstätter Besitz 244. 216f.
Eigenleute s. Bauernstand.
E i g i 1 b e r t , Propst, später Erzbischof
von Trier 272.
E i 1 i k a , Äbtissin des Klosters Niedem-
burg 210.
Einfuhrhandel s. Handel.
Einkünfte, landesfürstliche (vgl. Ab-
gaben und Leistungen) 385 ff.
Eisenburg, Die 198.
Eisenburg, Komitat 232. 479 f.
— , Gregor von 530.
Eisenbergwerksbetrieb 360f.
Eisenstadt in Ungarn 297.
Eisenwurzen 39. 107. 530.
Eisenzeit 38 f.
Eitzendorf (Bz. St. Polten) 282.
Ekbert, Bischof von Bamberg 411.
446.
Elegio, Ort in Ufern oricum 63^
Eleonore von Bretagne 377.
Elis, Ansiedler in der karolingischen
Mark 139. 143. 147.
Elisabeth von Babenberg 366.
— , Tochter Belas IV. von Ungarn 500.
— , Tochter Ottos von Bayern 481.
— , natürliche Tochter Ottokars von
Böhmen 548. 559.
Ellenbrechtskirchen 415.
Eisbach (Bz. TuUn) 220.
Emmeram, hl. (Haimraban) 111. 125.
E m m e r a m , St. , Kloster in Regens-
burg 138. 143. 148. 171.
Emmerberg s. Prosset, Herren von.
— , Bertold von 464. 564 f.
Engelbert, Bischof von Passau 864.
— , Erzbischof von Köln 538.
- , Propst von St. Polten 277.
Engelhartszell a. d. Donau 118.
436. 514.
583
Register.
Eiigolmanii sbr unn bei Kirchborg
am Wagram 282.
Engelschalk, Graf von üborpan-
uonieu 165. 172.
Engel Schalkesburg bei Mödling
(später Liechtenstein) 435.
E n g e r 1 (1 0 r f im Mühlviertel (Ortschaft
Kasten) 432.
Engilbert, Graf im Mattiggau 119.
Engilrich, Grundbesitzer in der Ost-
mark 219.
Enns, Flufs 43. 62. 66 f. 106. 109 ff.
120. 130. 148. 159. 182. 222. 236.
Enns, Stadt in Oberösterreich 82.
236. 351. 359. 361. 557 (Münz-
stätte). 382. 384. 398 f. (Stadt-
recht). 400. 403 ff. 477. 493. 507
(Amtssitz des Landrichters). 512.
514 (Schreiber). 535 (Ketzer). 547.
553.
Ennswald 118, 145. 155. 217. 224.
259.
Entvogtung 286. 320. <
Enzersdorf im Viertel unter Man-
hartsberg 219. 386. 430. 497.
567.
Eor, Kriegsgott 113. 125.
Eparesburg 136. 142. 153. 157f.
Eppensteiner 207. 257.
Eppenstein, Adalbero von 255.
— , Hermann von 276.
— , Liutold von 273.
Erbfolgestreit, österreichischer
484 ff.
Erblichkeit der Lehen 173. 520.
Erchanfried, Abt von Melk 6. 335.
337.
— , Chorbischof 126. 168.
Erchanger von Schwaben 187.
Erdberg bei Wien 376.
Erdgastegi 143.
Erdställe 79.
Erla, Nonnenkloster in Niederöster-
reich 271. 452. 569.
Erlach 254.
Erlaf 43. 63. 106. 109. 142. 143.
144. 148. 151. 198. 216. 408.
Erlafsee 239.
Er man rieh, Bischof von Passau 177.
Ernolatia, Ort in Noricum 67.
Ernst, Markgraf von Österreich 249 f.
269.
Ernstbrunn (Bz. Mistelbach) 215.
221. 431.
Ernstb runner, Ministeriale 435.
Ernstbrunnor Wald 224.
Ernstdorf 24.
Erzberg 360.
Etrusker s. Italiker.
Etzel s. Attila.
E z z 0 von B a m 1) e r g 293.
Färber, flandrische 401.
Falken berg, Ministeriale 492.
Falkenstein, Herren von 423 f.
— , Sigboto von 338.
— , Pfarre in Nieijerösterreich 300.
Falkenstein- Herreustei n 252.
423.
Falkens tcin-Perge 432.
Falkensteiner Besitz 433.
Familienrecht 121f. 520f.
Faviana s. Mautcin.
Peistritz, Flufs in Obcrüsterreich
423.
Feldgraswirtschaft (Egarten-
system) s. Siedlungsformen.
Felds berg (Bz. Mistelbach) 435. 566.
— , Ministoriale 4ü2.
— , Truchsefs von 505.
— , Kadold von 464.
Feletheus, genannt Fava oder Feva,
König der Eugier 94. 96. 100.
102. 103.
Pellabrunn 227.
Ferderuch, Bruder des Eugierköoigs
Feletheus 100. 103.
Feva s. Feletheus.
Register.
583
Fichten stein , Grafen von 254.
Finanzverwaltung, landesfürst-
lidie 386. 503. 529. 556.
Fi sc ha, Flufs 153. 213. 239.
Fischaeh, Flufs 213.
Fischamond {Bz. Brück) 55.
Fi schau am Steinfekle 351. 360 f.
384. 397.
Fischfang in der Donau 327 f.
Fischereirecht 439. 553. 569.
Flaceitheus, König der Rugier 94.
Fläch enmafs s. Mafse.
Flandrer 401f. 406. 427 f. 527.
Flatz, Herren von 358.
Flinsbach (Bz. St. Polten) 141.
253.
Florentius, Bruder Wilhelms von
Holland 493.
Florian, Der hl. 4.
Florian, St., Chorherrnstift in Ober-
österreich 40. 143. 144 (Zelle).
145. 154. 169. 180. 186 f. 202.
2U9. 213. 272. 277. 286. 291. 294.
300. 347. 357. 363 f. 382. 402.
433. 452. 535 (Ketzer). 5G9.
Florian, Engelbert von St. 363.
Florianslegende 4. 168.
Forchheim, Färstentag von 272.
Formbach am Inn 254. 301. 319.
325. 358. 397. 453.
— , Grafen von 219. 222. 253 f. 286.
433.
— , Ekbert I. von 254. 256. 273.
— , Meginhard von 254.
— , Ulrich von 207.
F 0 r m b a c h - N e u b u r g , Grafen von
362.
F or ra b ac h - Pü t tc n , Graf Ekbert H.
von 355.
Forstwesen 155.
Forstbauu 439.
Forstregäl s. Regalien.
Fraindorf bei Tulln (Frigendorf )
252.
Frankaslehen 229.
Franken 113. 124f. 149. 173ff. 184.
332.
Frankenberg im Mühl viertel 425.
Frankenburg bei Vöckiamarkt 211.
357.
Franken fels (Bz. St. Polten) 229.
Franken hof (Bz. Wiener Neustadt)
229.
Frankenmarkt (Bz. Vöcklabruck)
211.
Frankenreith 229.
Frauenhofeu, Cholo von 469.
Frederich, Neffe des Rugierkönigs
Ferderuch 103.
Fr ei sing (Bayern) 11. 12. 125. 138.
142. 146. 169. 210. 215 f. 218.
222. 259. 261. 271. 289. 344. 358.
381. 437. 452. 497. 542.
Freisinger Besitz 183. 210. 215 f.
429 f. 437.
Freising in Oberösterreich 423.
Freisiug, Bischof Otto von 196. 299 f.
303. 306. 309. 311. 329. 332.
344 f. 408.
Freistadt in Oberösterreich (Kauf)
415. 547. 553 (Stapelrecht). 566.
Siehe auch Nachträge.
Friaul 130. 160. 273.
Fridlo, Sohn Griffos in Wien 571.
Friedrich!., Kaiser 296. 301 f. 307 ff.
323. 344 f. 368. 370. 374 f. 386.
— IL, Kaiser 370. 382. 413. 438fr.
443 ff. 448 ff.
— I , Herzog von Österreich 366. 368 f.
370. 378. 392 f. 412.
— n. , Herzog von Österreich (der
Streitbare) 442 ff. (Politik). 446
(Acht). 448 ff. (Königstitel). 465 ff.
474 ff. (Krieg gegen Böhmen und
Ungarn). 484 ff. 497.
— , Erzbischof von Salzburg 541 ff. 567.
— , Sohn Gertrudes und Hermanns von.
Baden 511 f.
584
Register.
Friedrich , Sohn Heinrichs VII. 4l>lf.
— , Sohn Leopolds III. 460.
— , Sohn Wladislaws vou Böhmen
351 f.
— von Schwaben 375.
— , Burgf^raf von Nürnberg 545 f.
Friedrich Pollex, Regensburgor
Kaufmann 573.
Fried bürg (Bz. Braunau am Inn)
357.
Fronberg, Herren von 359.
Fronbote 385.
Fronden s. Abgaben und Leistungen.
Frowila, Gemahlin Adalberts von
Osterreich 241. 245.
Fucha (Bz. Krems) 316.
Fuchtebach 208.
Furius Victorinus 58.
Furtius, König der Quaden 59.
Gabini US, König der Quaden 72.
Gablitz (Bz. Hietzing) 108.
Gabromagus s. Windisch-Garsten.
G ä n 8 e r n d 0 r f , Ober- , (Bz. Korneu-
burg) Tumulus 79.
Gaflenz (Bz. Steyr) 108. 356.
Galenus, römischer Arzt 82.
Galerius, römischer Kaiser 72.
Gallienus, römischer Kaiser 69. 87.
Gallier s. Kelten.
Gallneukirchen (Bz. Linz), Strafse
415. 533.
Garibald, bayerischer Herzog 113.
Garsten, Benediktinerstift in Ober-
österreich 7. 278. 281 f. 286. 325.
349. 353. 356 f. 363. 382. 424.
430. 453. 555.
— , Bertold von 337. 364. 433.
Garste ner Traditionen 354.
Garstental 358.
Gartenbau 417.
Gaspoldshofeu im Hausruckviertel
259.
Gatten dorf a. d. Leitha 238.
Gau, Gau Verfassung 117. 190. 206.384.
Gebhard, Bischof von Regensburg
248 f.
— , Erzbischof von Salzburg 270. 272 f.
276. 289. 336. 356.
— , Graf im Mattiggau 211.
Geisa, ungarischer Herzog 198. 202.
— I., König von Ungarn 251.
— IL, König von Ungarn 306. 347.
— , Bruder Stepbans IIL 350.
Geiselberg 79.
Geifsler s. Ketzer.
Geistige Kultur 329ff.
Geldwirtschaft 402.
Geleitsregal s. Regalien.
Gelpfrat (Zänker) s. Heinrich H. von
Bayern.
Genannten, die (äufsere Rat) 406.
470.
Generidus, römischer Statthalter No-
ricums 92.
Georg, St. 232 f.
Georgen, St. 10. 211. 280. 282. 345.
425 (an der Gusen und am Wald).
429 f. 535 (an der Traisenmiindung).
531 (in Ungarn).
Georgenberger Vertrag (Hand-
feste) 315. 359. 366 ff. 379. 382.
462. 465.
Gepiden 96. 105.
Geplaike, das hohe 142.
Geras, Prämonstra tenserstift in Nieder-
österreich 10. 321. 334. 462.
Gerasdorf (Bz. Neunkirchen) 219.
Gerberga, Gemahlin Bofiwoys 283.
Gerhard, Pfarrer von Felling a. d.
Piesting, Leibarzt und Diplomat
Leopolds IL 410.
— von Augsburg 192.
Ger hoch von Mühlhausen 349.
— von Reichersberg s. Reichersberg.
Gericht, herzogliches , s. Gerichts-
verfassung.
Gerichtsbarkeit s. ebendort.
Register.
585
Gerichtsbezirke, s. Gerichtsver-
fassung.
Gerichtsgelder (Wandel) s. Ab-
gaben.
Gerichtsstätte (Ding) 130.
Gerichtsverfassung 120fiF. 166.
380 ff. 505 ff. 505 (Gerichtsbezirke
Ottokars). 506 (herzogliches Ge-
richt). 534. 551. 553. 556. 567.
568 f. 573.
Gerold I., Graf der Ostmark 132.
141. 154. 160. 163 f.
— IL, Graf der Ostmark 165.
Geroltsdorf 209. 299.
Gertrud, Tochter Kaiser Lothars IIL
304 f.
— , Nichte Friedrichs des Streitbaren
449 f. 476 f. 480. 482. 484. 487.
489 ff. 498 f. 502 (domina de Im-
pirg). 511. 526. 541.
— , Schwester Friedrichs des Streit-
baren (t 1238) 450.
Geschworene (iurati, consules) 405.
553.
Gestitzbach 352.
Gewannsystem 151.
Gewerbe und Handwerk
bei den Germanen 85.
im bayerischen Gebiet 114. 123. 155.
auf den Höfen der Gutsherren 262.
264.
in Klöstern 290 f. 330. 364.
in Städten 341. 401 f.
Gewerbesteuer 387.
Gewere 121.
Gewichte 471 f.
Giso 197f.
Gleink, Benediktinerkloster in Ober-
österreich 356 f. 363. 382. 433.
569.
— , Arnhalm von 356.
Gleink-Volkenstorfe 359.
Gleifs (Bz. Arastetten) 107. 255. 415.
Globnitz (Bz. Zwettl) 234.
Gloggnitz, Propstei (Bz. Neunkirchen)
108. 325. 358.
Gmünd 7. 352. 426. 561.
G m u n d e n , Stadt in Oberösterreich
386. 571.
Gmundener See s. Traunsee.
Gobatsburg, Azzo von 253. 275.
G 0 d e 0 c h , König der Langobarden 104.
Göller, Der hohe, Berg 239.
Gölsen (Bz. Lilienfeld) 107.
Görz, Albert von 546.
— , Graf von 376.
— , Meinhard von 491.
Gösing (Bz. Tulln) 108.
Göstritz (Bz. Neunkirchen) 108.
Götschenberg 34.
G ö 1 1 w e i g , Benediktinerstift in Nieder-
österreich 6. 7. 9. 10. 11. 63. 103.
253. 272. 275. 277. 281. 283. 286.
290ff 300. 319 f. 322. 325. 335.
349. 356. 381. (Urbar) 422. (Be-
sitz) 430. 452. 462. 468.
— , Hartmann von , Abt und Dichter
290. 293. 335.
— , Otto, Propst von 277.
Goize (Gosek?) 277.
Goldarn bei Sieghartskirchen 328.
— im Mühlkreis 328.
Goldberg im Viertel unter Manharts-
berg 565.
Goldene Steig s. Strafsen.
Goldenkron, Kloster in Böhmen 560.
G 0 1 d r u n s im Marchfelde 328.
Gold wäscherei, event. in der Donau
328.
Goldwörth bei Linz 328.
Gorze, Kloster bei Metz 277.
Gorazd, Slawe 178.
Gosachtal 118.
Gosautal 514.
Goten 69. 76. 79. 92. 102. 105. 194.
Gotprechtszelle 299.
Gotram, Grenzgraf 132. 164 f.
Gottehard.St., Abt und Bischof 217.
5S6
Kegister.
Gottesurteil 103. 468 f.
Gottfried, Markgraf in Kärnten 241.
— , Graf in der Ostmark 1G5.
— , Graf im Eunstal 255 f. 278.
G 0 1 1 i n 0 s f 0 hl (venmitlich boi Tprch-
toldsdorf) 218.
Gottschalk von Haunsberg 415.
Gowacisbruncen (Kettlasbrunu, Bz.
Mistelbach) 258.
Gozbert, Abt von Togernsee 327.
Gozzo von Krems 528 f. 544. 556.559.
Grabern 426.
Graf, Grafschaft 117. 137. 165f.
206. 259. 382 f. 519. 524. 572.
G r a f e n b 0 r g bei Eggenburg 245. 453.
Grafeusteiu, Heinrich von 453.
Grafen wörth (Bz. Tullu) 218. 221. i
252. 1
G r a h a m a n n , Gefolgsmann Karls des :
Grofsen 130. \
Grammatstetteu im Mühlviertel
436. 453.
Gramatneusiedl (ölireimhiltneu-
sidl? Bz. Mödling) 333.
Grangicu 325.
Gratiau, römischer Kaiser 72.
Gregor I., Papst 113.
— IL, Papst 126.
— YI., Papst 270.
— VII., Papst 269 ff. 412.
— IX., Papst 447. 477.
— X., Papst 539. 545.
Grein an der Donau iu Oberösterreich
148. 372.
Gresten (Bz. Scheibbs) 108.
— , Alram von 334.
Grestig 289.
Grie. Herren von 321. 426.
Griesbach, Schlofs in Oberösterreich
433.
— , Herren von 321. 423. 432 f.
Griesbach-Waxenberger 433.
Grieskirchen (Bz. Wels) 281. 535
(Ketzer).
Grimm iehsttün, Ministerialo 435.
Groifsonbrunn (Bz. Gänscrndorf),
Schlacht bei 510 f. 534.
Grofsgrundbesitz 134 fr. 152. 171.
208 ff. 218 ff. 259 ff. 287. 318 f.
320 f. 323 ff. 341. 358 ff. 362 f.
384 f. 396. 401 f. 417 ff. 429. 440.
Grub an der Marcb 78.
Grünbach s. Chroninpach.
Gründungen von Kirchen u. Klöstern
152 ff. 167. 204. 277 ff. 300 f.
316 ff.
Grundherron und Grundherrschaft
s. Grofsgrundbesitz.
Grundholden 324 f.
Grundruhr (Abschaffung) 468.
Grunzwita (Grunawita), Hof 139.
141. 147. 164. 213.
Grunzwiti, Gau 139. 141. 145. 149.
151. 153. 163 f. 171. 178.
Gschwendt 227.
Gstockert (Bz. Hietzing) 227.
G u d e n u s h ö h 1 e (bei Hartenstein) 28.
Gudrunsage' 333.
Gudrunstrophe 332.
Güns 165.
Güssing, Heinrich von 531.
— , Johann von 560.
Güterrevindikiitiou (Ottokars) 505.
512 f.
Guido, päpsthcher Legat 522. 536.
Gumperding (Bz. Tulln) 282.
Gumpoldskirchen bei Baden in
Niederösterreioh 366. 436.
Gundakar, Graf 170.
Gundprecht 154.
Gunskircheu iu Oberösterreich 535
(Ketzer).
Gunter sdorf (Bz. Oberhollabrunn)
333.
Günther, Graf 168.
Gurk, Bistum 358. 430. 568.
— , Bischöfe von 345.
Gusen, grofse und kleine 423.
Register.
587
Guta, Tochter Eiadolfs von Habsburg
566.
Gutau (Bz. Perg, O.-Ö.) 423.
Gutensteiü, Burg in Niederöster-
reich 486.
— , Landgericht 239.
Gutensteiner Gebiet 354.
Guzbretesdorfbei Neunkirchen 256.
Haag im Viertel ober Wiener Wald
535 (Ketzer).
— , Heinrich von 507. 515.
Habsbach, Ministeriale 492.
Habsburg s. unter: Albrecht, Hart-
manu, Eudoif.
Hackenbucherersee 119.
Hadmarstein im Wald viertel 426.
Hadrian, römischer Kaiser 56.
— I., Papst 129.
— ni., Papst 176.
— IV., Papst 346.
Häretiker s. Ketzer.
Hagen au, Eegimbert von 280. 304 f.
306 f.
Haidershofenira Viertel ober Wiener
Wald 535 (Ketzer).
Haigermoos (Bz. Braunau am Inn)
119.
Haimo, Grundbesitzer im Grunzwiti-
gau 139. 149. 151. 171. 178.
Hainburg 35. 78. 247f. 252. 267.
282. 342. 398. 431. 461. 470
(Wiener Recht). 488. 498. 509 f.
558. 562.
— , Heinrich von , Pfarrer in Gmünd
7. 557.
Hainfeld 316.
Halitsch, Daniel von 500.
— , Leo von 498.
— , Roman von 498 f. 541.
Hallein 155.
Hall statt 1. 35. 37. 38. 46. 83. 155.
Hallstattperiode 35fr.
Haltmaris dorf 300.
Hammer stein, Burg 321.
Handelsgrafon s. Hansgrafen.
Handel 33. 35. 84. 123 f. 155 ff.
187. 328. 340ff. 357. 360ff.
386 f. 397 ff. 452 (Grenzsperre).
468 (Konkurrenz der Juden). 470 f.
475. 571. 573.
Donauhandel 156 ff. 180 f. 192. 328.
340. 359. 399. 401 f. 414 f. 468.
Weinhandel 326. 328. 342. 469.
Handelspolitik 398ff.
Handelsstrafsen s. Strafsen.
Handgemal (Ansedel, Sedelhof,
Salland) 261.
Handwerkerstand s. Gewerbe und
Handwerk.
Hansgrafenamt 529.
Hardegg im Waldviertel 427. 547.
— , Grafen von 490 f.
— , Heinrich von 505.
— , Konrad von 464. 495. 547.
— , Leutold von 464. 466.
— , Otto von 494 f. 509.
Haringsee in Niederösterreich 533.
Harluugen 113.
Hart (Bz. Perg O.-Ö.) 252. 289.
— , Wald 216. 225.
Hartmann, Propst von St. Florian
277.
— , Sohn Ottokars II. von Böhmen 550.
— , Sohn Rudolfs von Habsbnrg 567. 574.
Hartwig, Bischof von Passau 216.
— , Erzbischof von Bremen 308.
Haselbach in Oberösterreich 256.
355.
Haselgraben in Oborösterreich 371.
432.
Haslach (Bz. Rohrbach O.-Ö.) 425.
Ha s lau a. d. Leitha 259.
— , Otto von 505. 548. 552.
Hauer und Winzer 326.
Haunsborg, Hochfreie von 432.
— , Adelheid von 432.
— , Gottschalk von 432. 436.
588
Register.
Hausbacb, Heinrich von 505.
Hausenpfennige 327.
Hausfornien 114. 223. 229 f. 427.
Hausgenossen der Münze s. Münze.
Hausgenossen (Standesgenossen,
Übergenossen) 519 f.
Hausruck 118. 224. 354. 481. 433.
H e a n z e n , fränkische Ansiedler im west-
lichen Ungarn 232.
Heidenroichstein (Bz. Gmünd) 245.
427.
— , Ministeriale von 435.
Heidenstatt bei Limberg 31.
Heiligenkreuz, Zisterzienserstift in
Niederösterreich 7. 8. 10. 11. 291.
317 f. 32G. 330. 349. 381. 430.
441. 452. 478. 555 (Privileg).
560. 570.
Heiligenstadt bei Wien (Pfarrurbar)
422.
Heimfallsrecht 390.
Heim in g in Oberösterreich 118.
Heinrich I., deutscher König 188.
— IL, deutscher Kaiser 209 f. 214.
218 f. 221. 225. 238. 251.
— in., deutscher Kaiser 214. 218. 221.
225. 229. 238. 240. 243 ff. 268 ff. 338.
— IV., deutscher Kaiser 216. 229. 249 f.
253. 255. 263. 268 ff. 295 f.
— V., deutscher Kaiser 296 ff.
— VI., deutscher Kaiser 368. 370.
374 ff. 424.
— VII., deutscher Kaiser 438 f. 443. 484.
— II., Herzog von Bayern 190. 195.
202 f. 209. 221.
— IV., Herzog von Bayern 267.
— der Löwe 304. 307 ff. 350. 353.
364. 375. 382.
— der Stolze 302ff.
— , Herzog von Niederbayern 500. 507 f.
526. 530. 538. 541. 543. 516. 560f.
— (Jasorairgott) , Markgraf, seit 1156
Herzog von Osterreich 304 ff. 330.
340 ff.
H e i n r i c h , Herzog von Kärnten 202. 37 1.
— , Bischof von Bamberg 449.
— , Burggraf von Regensburg und Her-
zog 304.
— , Bruder Ottos I. 189 f. 192.
— , Sohn des Königs Konrad IL 215. 240.
— , Sohn des Bayernherzogs Bertold 197.
— , Neffe Leopolds I. von Österreich 199.
— , Sohn Leopolds III. von Österreich
302. 369. 406. 414.
— , Sohn Leopolds VI. von Österreich 460f.
— de Piela s. Heinrich von Melk.
— , Magister, Schreiber 507.
Heliodorus, Germanenfürst 86.
Helvius Pertinax, Legat von Pan-
nonien, dann römischer Kaiser 68.
Henneberg, Graf von 490.
Herculius, römischer Kaiser 72.
Herilungoburg 104. 143.
Heriluugofeld 104.
Herisliz 130.
Hermann, Pfalzgraf vom Rhein 308.
— von Reichenau 247.
— von Thüringen 394.
Hernstein oder Hörn stein (Herrand-
stein, Bz. Baden) 253. 321. 524.
Herrand 253.
Herrantsteiner 239.
Herrieden (ursprünglich Hasenried),
bayerisches Kloster 137. 140. 141.
142.
Heruler 94. 96. 104.
Herzogenburg, Chorherrenstift in
Niederösterreich 10. 204. 280. 282.
429.
Hessendorf 229.
Hettmannsdorf (Bz. Neunkirchen)
333.
Hetzmannsdorf (Bz.Oberhollabrunn)
253.
Hetzmannswiesen 253.
Heuberg 282.
Heubs 567.
Heunberg, Ulrich von 546.
Register.
589
Hildegard, Gemahlin Karls des
Grofsen 160.
Hildibald, Bischof von Köln 128.
160.
Himberg, Burg bei Wien 502.
Himberg-Ebersdorfe (Hintberg),
Ministeriale 322. 434.
— , Irnfried von 463 f.
— , Konrad von 388. 495.
Hintberg 226.
Hirschauermönche 277.
Hirschenau 514.
Hirschbach 423.
Hirschberg, Grafen von, Domvögte
von Eichstädt 431.
Hochberg, der 352.
Hochsensengebirge 118.
Hoch- oder Heidenstrafses. Strafsen.
Höflein 67. 281. 474.
Höhnhart, der , in Oberösterreich
211. 224. 281.
Höllengebirge 118.
Hönhart s. Höhnhart.
Hörige s. Bauernstand.
Hofgericht 505. 519.
Hofhaltung, herzogliche 390ff.
Hof recht 324. 384. 402.
Hof- und Hufensystera s. Siede-
lungsformen.
Hohenberg 359.
— , Grafen von 372. 390. 431. 435.
Hohenburg, Schlacht bei 269.
— , Grafen von 322. 426.
— , Friedrich von 486.
Hoheneck (Bz. St. Polten) 253.
— ■ , Grafen von 254.
Hohenstaff (Hohenstauf)- Altenburg,
Herren von, s. Hohenberg.
Hohenwart 253.
Hohlmafs s. Mafse.
Hollabrunn in Niederösterreich 33.
227. Pfarre 568.
Hollenburg (Bz. Krems) 136. 142. 146.
155. 191. 213. 567.
Hollenstein an der Ips 227. 567.
H 0 1 1 e n t h 0 n (Bz. WienerNeustadt) 358.
Honindorf 253.
H 0 n 0 r i u s , Sohn des Kaisers Theo-
dosius 92.
Horinginaltaha 151.
Hörn, Stadt in Niederösterreich 33.
252 f. 371.
Höuperg (Wald) 229. 316.
Hoya (Huy), Jakob von 573.
Hornberg bei Grofs-Rufsbach 79.
Hubin g in O.-Ö. 535 (Ketzer).
Hüttensteiner Klause 119.
Hufe (Hube) 122. (Königshufe, Land-
hufe) 149. 418.
Hugo von Ostia, päpstlicher Legat
410.
Humiliaten s. Ketzer.
Hundertschaft 117.
Hundsheim 282.
Hundssteig, der, bei Krems 28.
H u n i m u n d , König der Alamannen 96.
Hunnen 93 f. 105 f. 182. 202.
Hunrich, Abt von Mondsee 129.
Huosier 130.
Hypokausten (Luftheizungen) 82.
lazygier 55. 59f.
Illyrier 31.
Hz 30. 75. 210. 237.
Ilzgau 267. 432 (Grafschaft).
Im b ach s. Minnbach.
Immunität 152. 171. 209. 380fr.
Indiculus Arnonis 126.
Industrie s. Gewerbe und Handwerk.
Innozenz III. 406. 409. 412 f.
— IV. 456. 488 f. 500 f. 510.
Innstadt bei Passau, Bojodurum 63.
64. 66.
Investiturstreit 251. 269ff.
Inzersdorf a. d. Traisen 282.
Ipf, Ipfbäche 128. 209.
Ips, Flufs 43. 63. 67. 71. 106 f. 109.
141. 148. 153. 215. 234. 327.
590
Register.
Ips. Ort in Nicdoröstorrcich 63 (ad
pontein Ises). 146, 301. 436 (Mafs).
472. 535 (Ketzer). 547.
Ipsburg 109. 181. 386.
Ipsfeld 130.
Isaak, Kaiser von Cypern 377.
Is an rieh, Sohn des Markgrafen Aribo
172. 179.
Ischl, Flufs 43. j18.
Ischl, Ort in Oberüsterreieh 114.
Isengau 209.
Ita von Österreich 285.
Italiker, Eiuflufs auf die Kultur der
Bronzezeit 34. 35.
Itinerarium Antonini 4.
Ivo von Narbonne, französischer Kle-
riker 456.
Jagd 123. 155.
Jagdregal s. Regalien.
Jakob, St., Benediktinerkloster in
Regensburg 334.
Jans (Enikel, Enenkel) ß. 235. 355.
526.
Jarmogius, keltischer Frühlings-
gott 41.
Jauerling 108.
Jaunitz, Flufs 424.
Jedenspeigen (Jedungspeugen , Bz.
üntergänserndorf) 69. 300. 564.
Jedlersee 369.
JoacbimPectari, ungarischer Ober-
scbatzmeister 541. 543. 546.
Joanitzbach 108.
Jochenstein, der 118.
Johann VIII., Papst 177.
— IX., Papst 169. 179.
Johanniter, Ritterorden 331. 430.
451. 556.
Josephiner s. Ketzer.
Joviacum s. Schlögen.
Juden 157. 387 f. und 471 (Geld-
wechsler und Geldverleiher). 468.
470. 537. 555 (Ausscblufs von
Ämtern). 469. 5,')7 (Judenrecht,
Privileg). 470 (Judenrichtor) 528
(Kapitalisten). 536 f. 553 (Üienst-
pfliciit).
Judenau 387.
Judengemeinden 387.
Judenregal s. Regalien.
Judenverfolgung 388.
Judith (als Königin von Ungarn
Sophia) 249 f.
— , Gemahlin Sigehards 246 f.
— , Tochter Arnulfs von Bayern
189 f.
— , Tochter des Markgrafen Heinrich
im Nordgau 241.
Julbachor Herren 322. 433.
Julita, Tochter Leopolds III. von
Österreich 196 f.
Justingen, Anselm von 446.
Justinian, oströmischer Kaiser 105.
Jutlumgen 69.
Juvavum s. Salzburg.
Kadolz-Seefeld im Viertel unter
Manhartsberg 431.
Kämmerer 388.
Kärnten (Karantanien) 186. 140. 169.
189. 197. 244. 273. 351. 523. 545.
547. 566. 574.
— , Hermann von 350.
— , Konrad von 240.
Kärntner Mark, steirische Mark s.
Steiermark.
Kahle nberg bei Wien 69. 87. 298.
326. 342. 491. 499 (Sehlofs).
Kalendq^rien 291.
Kalks bürg bei Wien 252.
Kammer (Bz. Ried) 120. 208. 362.
535 (Ketzer).
Kammer, herzogliche 388.
Kamp, Flufs 30. 43. 75. 76. 106.
142. 148. 153. 161. 221. 237.
319. 326.
Kamp, Ort 282.
Register.
591
Kamp, Herren vou 321.
Kamptal 155.
Kanzlei (herzogliche) 389 f. 503.
(ottokarische) 514.
Kapellen, Herren von 359. 435.
— , Ulrich vou 547. 552. 565.
Kapitularien 136.
Karantanieii s. Kärnten.
Karl Martell 117. 124. 127. 186.
Karl der Grofse 129£f. 140f. 147.
I55f. 160. 166ff. 171. 173. 181. 184.
Karl III., der Dicke 139. 170. 177.
Karl, Graf (von Piuge?) 253.
Karlmann, Sohu Ludwigs d. Deutschen
170. 172. 174f.
Karl stein, Feste 561.
Karnabrunuer Ministeriale 435.
Katharer s. Ketzer.
Katharina, Tochter Rudolfs vou Habs-
burg 546. 566.
Katzeisbach, Ministeriale 322.
Katzeis dorf beiWiener Neustadt 467.
Kaufleute 157. 3Ü9. 402 f. 405. 415.
469. 471. 525.
Kaum borg (Gumeoberg) 111. 145.
214. 216.
Kelch dorf (Kalladorf?) 355. 366.
Kelten 36-47.
Kemateu in Oberösterreich 535 f.
(Ketzerschulen).
Kefslerwald 224.
Kettlasbrunn s. Govvacisbrunnen.
Ketzer 408. 411 ff. 455 ff. 515. 537 ff.
Keuren (flandrische Stadtrechte) 406.
Kieuberg, Ulrich von 464.
Kilb (Bz. Melk) 281.
— , Ministeriale 322.
Kimbern 44. 45.
Kirchbach 145. 151. 153. 155. 214.
Kirchenreform 251. 259. 269ff.
271 ff. 412. 534. 536.
Kirchling, Ministeriale 322.
Kirch schlag s. Sabariae.
Kirchtag (Kirch weihfest) 233.
Klamm, Burg in Oberösterreich 372.
— , Grafen von 254. 431.
— , Ulrich von 415. 436.
Klamm- Velburger, Grafen 432.
Klausen in Oberösterreich 254.
Kleedorf 37.
Kieme ns IV., Papst 516.
Klementia, Tochter Rudolfs von
Habsburg 562.
Klingenberg in Oberösterreich 254.
372. 566.
Klöster:
Annalen s. diese.
Dichtungen s. diese.
Historiographie 335. 363 f.
Kultur 289 ff. 325. 328. 362 ff.
Kunstgewerbe s. Gewerbe.
Stellung zu Ottokar und Rudolf 555 ff.
Klosterneuburg 6. 7. 8. 10; Kastell
Asturis 55. 94 ff. ; Kloster Neu-
burg (Chorherrenstift) 280 f. 282.
286. 291 f. 297. 298ff. 319. 326.
329. 335. 345. 348 ff. 381. 386.
410. (Urbar) 422. (Besitz) 430.
453. 462. (Mafs) 472. 547. 570.
— , Marquard, Propst von 348,
— , Otto, Propst von 300.
Kluniazenser s. Kirchenreform.
Knechte s. Bauernstand.
Kobernauser Wald 30. 211. 224.
Köln (Kaufleute) 359. 399.
Königsbrunn, Ulrich von 466.
Königstetten (bei Tulln) 106. 151.
171. 242.
Kogl in Oberösterreich 357.
Kollmitz (Bz. Amstetten) 144.
Koloman, hl., 235. 237. 278. 284.
— , König von Ungarn 296.
Kolonisation 127f. 133ff. 182f.
192 f. 205 ff 316 ff. 418. 423 ff.
471. 532.
Konradl., deutscher König 185. 187 f.
— II., deutscher Kaiser 213. 216.220f.
225. 239 f. 251.
592
Register.
Konrad III., deutschor Kaiser 303 iV. |
3GG. 36». 424.
— IV., deutschor König 494.
— , Herzog von Bayern 217. 247 ff.
— IL, Bischof von Froising 445. 452.
567.
— III., Burggraf von Nürnberg 446.
— I., Erzbischof von Salzburg 299. 311.
320. 345. 346 ff. 356. 358. 414.
— , Kleriker, angeblicher Verfasser des
lateinischen Nibelungenliedes 193.
— vonTuUn, Landschreiber 507. 528 f.
548. 550. 556. 561. 570. 573.
Konstantin (der Grofse), römischer
Kaiser 71. 91. 97.
— IX., griechischer Kaiser 289,
Konstantin s. Kyrillos.
Konstanze, Schwester Friedrichs IL
von Österreich 445. 466. 474.
Kopialbücher 291.
Korneuburg, Stadt (bei Wien) 384.
429 (Verlegung). 467 (Landtag).
530. 532.
Kozel, Sohn Priwinas 176 f.
Krain 450 (Herzogtum). 545. 547.
549. 566. 574.
Kranichberge, Ministeriale 322. 435.
— , Hermann von 463.
Kregling-Tollenstein, Grafen von
8. Hirschberg, Grafen von.
Krems, Flufs in Oberösterreich 106. 182.
Krems, Stadt in Niederösterreich (an
der Donau) 204. 215. 263. 301. 319.
(Münzstätte, Handelsplatz) 340 ff.
360. 384. 386 f. 398. 402. (De-
chant von) 408. 462. (Mafs) 472.
(Stadtsiegel) 529. 549. 553 (Pri-
vileg). 556 (Dominikaner). 571 f.
Kremsmünster, Benediktinerstift im
Traunkreise 7. 9. 109. 128. 138.
141 f. 145. 168. 172. 186 f. 202.
209. 213. 277. 294. 299. 322. 357.
363 f. 383. 433. 453. 569. 615.
- — , Gerung und Hertwig von, Maler 364.
Krems münster, Ehrenbert, Abt von
364.
Kreniswald 224.
Kreuzenstein, Grafen von 254.
— , Heinrich von 495.
Kreuzzüge 329 f.
Kroisbach (Bz. Melk) 143. 217. 408.
Kronberg, Scheibenberg bei 78.
K r u m a u am Kamp 253. 344.
Kruter Feld 564.
Kuenring, Albero 485 f. 495. 508.
— , Hadmar 317. 352. 376. 426. 461 ff.
486.
— , Heinrich 461 ff. 504. 508. 518. 548.
559. 560 f.
Kuenringer, Ministerialengeschlecht
253. 321. 379. 426 f. 461 ff. 467.
489. 492. 503. 524. 548 u. 559 f.
Külb 8. Kilb.
Künzing (Quiutanis) 96.
Kürnberger, Minnesänger 332 f.
Kuffarn (Bz. Krems) 282.
— , Herren von 321.
Kumanen 47.8. 564.
Kunigunde, Kaiserin 210.
— , Mutter Ottokars IL von Böhmen 558.
— , Gemahlin Ottokars U. von Böhmen
511. 561.
— , seine Tochter 550.
Kunstgewerbe s. Gewerbe.
Kupferzeit 33. 34.
Kuthen, Kumanenfürst 478.
Kyrillos (Konstantin), Slawenapostel
176 ff.
L a a a. d. Thaya, Stadt in Niederöster-
reich 398. 455 (Minoritenkloster).
476 f. 482. 509. 530 f. 548. 553. 556
(Privileg). 562. 564. 566. 570 f. 572.
Lachsendorfe (Laxenburg), Ministe-
riale 435.
Lac US oder Locus felicis s. Mauer a.
d. Url (Mauer-Oehüng).
Ladendorf (Bz. Mistelbach) 221.
Eegister.
593
Ladestorf s. Loosdorf.
L a d i s 1 a u s I., König von Ungarn 273 f.
— lY., König von Ungarn 543. 562 f.
564. 566.
Ladislausdorf bei St. Florian 110.
Lainz (Wien) 108.
Lambach , Benediktinerstift im Traun-
kreise 7. 127. 271. 278. 286. 357.
364 (Besitz). 430. 436. 452. 473.
496. 552. 555 (Privileg).
— , Bernhard, Abt von 348.
— , Bruder Gottschalk von 364.
Lambacher Herren 191. 355.
L a m b e r t , St., steierisches Kloster 334.
Längenmafs s. Mafse.
Landaufnahme (auf Befehl Otto-
kars IL) 512 f.
Land ob der Enns s. Österreich.
Land unter der Enns s. Österreich.
Landegg (Bz. Mödling) 252.
Landeshoheit, Ausbildung der 379 ff.
568.
Landfrage 519.
Landfrieden 503 fif. (Ottokars IL).
512. 51 7 ff. (Rudolfs). 550 f. 569.
Landgerichte 120. 206. 381. 383£f.
505ff. 517. 519. 567. 569.
Landgerichtsfolge 324.
Landherren s. Adel.
Landmarschall s. Marschallamt.
Landpfennige s. Abgaben.
Landrecht (Landesordnung, öster-
reichische) 12 ff. 383. (Ottokars IL)
51 6 ff. 572.
Landrichter 381. 384. 388. 505ff.
513 f. 520. 556.
Landrichteramt s. Landrichter.
Landschreiber s. Schreiber.
Land Schreiberamt s. Schreiber.
Landshag (Bz. Linz) 157.
Landshut (Bz. Freistadt in O.-Ö.)
423.
Landtag (zu Ilzstadt) 533.
Landtaidingo 383 f.
Vancsa, Geschichte Nieder- u. Oberösterreichs
Landwirtschaft und Viehzucht 122 f.
151 f. 325 f. 402. 531.
Ackerbau 77. 114. 123. 155. 262. 327.
Bienenzucht 123. 155.
Pferdezucht 417.
Viehzucht 123. 155. 262.
Wiesenkultur 145.
Langenloisim Viertel ober Manharts-
berg 535.
Lange Wand bei Wiener Neustadt 34.
Langobarden 104ff. 113. 116.
Lanzenkirchen (Bz. Wiener Neu-
stadt) 146.
— , Herren von 359.
Lasberg (Bz. Freistadt in O.-Ö.) 423.
Las sing (Bz. Scheibbs) 108.
La-Tene-Periode 39.
Laubenherren (Wien) 401. 527.
Laufen in Oberösterreich 571.
Laureacum (Lauriacum) s. Lorch.
Laurent! US von Lorch 169.
Laussa (Bz. Steyr) 107.
Lavant, Bistum 407.
Laxenburg s. Lachsendorf.
Lechfeldschlacht 185. 189. 191. 193.
Lehensadel s. Adel.
Lehensstaat 171.
Lehensstaaten, slawische 1 74 ff,
Lehenswosen 170ff. 193f. 259f. 381.
436 f. 520.
Leifserbergiu Niederösterreieh 60. 78.
Leistungen s. Abgaben.
Leitha, Flufs 29. 110. 113. 162.
222. 237 ff. 242 ff. s. a. Litaha.
Leitha, Schlacht an der 465.
Lengbach 220.
— , Friedrich, Truchsefs von 548.
— , Herren von 426.
— , Otto von 446.
Lengbach-Rechberg, Herreu von431.
Lengenbach, Herren von 321.
— , Domvögte von 433.
Lengenfeld im Viertel ober Man-
hartsberg 535.
38
594
Leo IX., Papst 270.
— , Bischof von Reponsburg 542. 567.
— von S. Croce, päpstlicher Legat 410.
Leonhard, St., am Forst 33. 221.
Leonisten s. Ketzer.
Leonsberg 118.
Leopold L, Markgraf von Österreich
105 ff. 23Gf. 2Ü5. 278. 318.
— IL 269. 273 ff. 287. 295. 298. 344.
436.
— ni. 280. 285. 286. 291. 295 ff. 315.
319. 341. 369. 436. 439.
— IV. 302 ff 317. 319. 369. 413.
— V. , Herzog von Österreich 350 ff.
366 ff. 390 ff. 401. 404. 412. 422.
— VI. 369 ff. 390. 393. 401. 406 ff.
422. 436 ff. 442 f. 458 f.
— , Pfarrer zu Wien 457. 534.
— , 8. a. Liutpold.
Leopoldsberg 298.
Lex Alemannorum 115.
— Baiuvariorum 115 f. 121. 165.
Licinius 72.
Liechtensteine, steierische Mini-
sterialen und deren Feste 435.
— , Heinrich 494. 505.
— , Ulrich 392. 438. 466 f. 483.
Liesing, Ort (bei Wien) 108. 252.
— , Flufs 216. 221.
Lilienbrunn 145.
L i 1 i e n f e 1 d , Zisterzienserstift in Nieder-
österreich 11. 381 (Ministerialen).
410 (Stiftungsurkunde). 411. 430.
441.
Lili euhofen 242.
Limes 66.
Linz, jetzige Hauptstadt von Ober-
österreich, (römisch Lentia) 40. 55.
64. 114 137. 144 f. 157 f. 263.
362. 386. 415. 432 (Kauf durch
Leopold VI.). 436. 455. 467. (Mafs)
472. 485 f. 493. (Sitz des Land-
taidings und Landgerichts) 507.
547. 572.
Li t aha (Loitha), Ort 139. 144 f.
L i 1 8 c h a u , Grafschaft 22 1 . 245. 426 f.
431.
Liutberga, Tochter des Langobarden-
küuigs Desiderius lü9. 130.
Liutpold , Gräfin Oberpannonien 165.
— , Markgraf von Kärnten und im Donau-
gau 180 f. 184.
— , Sohn des Markgrafen Adalbert 241.
241. 269.
— , Sohn Ottos I. 189.
— , s. a. Leopold.
Lob au (Insel Sachsengang) 216.
Loben stein, Ulrich von 508.
Locus felicis s. Lacus.
L 0 i b e n (Bz. Krems) 146. 213. 408. 496.
Loimersdorf (Bz. Untergänserndorf )
282.
Lonsdorf, Otto von, Bischof von
Passau 508. 516. 533.
Loosdorf (bei Melk) 221.
Lorch (Laureacum) 43. 62 ff. 71 f. 83.
89. 95 f. 98. 100. Ulf. 124 ff.
156. 168 f. 200 ff.
Losenheim, Herren von 359.
Losenstein (Bz. Steyr) 356.
Losensteiner, die 435.
Lothar von Sachsen 301. 303.
Lothringen, Konrad von 189.
L 0 v a (= Lovo im Ödenburger Komitat)
189.
Lublin, Jude, Comes camere Ducis
Aust. 528.
Lucius Verus, römischer Kaiser 58.
Ludwig der Fromme 142. 144. 169. 214.
— der Deutsche 137ff. 161. 165. 168 ff.
174 ff.
— HL, Sohn Ludwigs des Deutschen
170. 172.
— das Kind, König 154. 173. 180. 184.
— VII. von Frankreich 307.
— , Herzog von Bayern 459.
— , Sohn Ottos von Bayern 493. 507 f.
538. 540 f. 547. 549. 552.
Eegister.
595
Lübeck, Arnold von 343.
Lützelburg, Heinrich von 244.
Luitold, Mönch 127.
Lupan (Laab? Bz.Hietzing) 283. 300.
Lygier 56.
Lyrik, ritterliche 333.
Maastrichter Kaufleute 399.
Machland 236 f. 310. 567.
— , Beatrix von 372.
— , Herren von 254.
— , Otto von 271. 317. 319.
— , Eudolf von 306.
— , Walchun von 372.
Machow, Anna von 530 f.
Madalwin, Passauer Chorbischof 146.
168.
Mähren, Konrad und Otto von 275.
Mähr er (Marchan wohner) 173 ff.
Marie s. Marchegg.
Magister Heinrich, Schreiber 507.
Magyaren (Ugren, Ungarn) 154. 156.
178 ff. 222. 237. 239 ff. (Kämpfe
Heinrichs III. gegen Ungarn). 245 ff.
266. 331. 541. 548. 562 ff.
Mahre rsdorf (Bz. Ilorn) 37.
Maidburg bei Nikolsburg 175.
Maiersdorf, Herren von 359.
M a i 1 b e r g (Mauerberg) im Viertel unter
Manhartsberg 253. 275. 316. 331.
(Kommende d. Johanniter) 556.
Mailberger Wald 224.
Mainburg, die, Ministerialen 435.
Mainhards 232.
Mainz 126. 371.
— , Reichstag von 250. 379.
— , Eeichsversammlung von 301.
Malachius, Bischof in Irland 409.
Malleiten bei Wiener Neustadt 32.
Mallersbach (Bz. Oberhollabrunn)
319.
Mallersbach, bayerisches Kloster 430.
Malt seh, Flufs 424.
Mampasberg(Bz.Pöggstall)252.289.
Manegold, Grundbesitzer in der Ost-
mark 138.
Mangold, Bischof von Passau 407.
409 f. 413 f.
Manhartsberg 30. 215. 217.
— , Viertel ober dem (Wald viertel) 204.
425 f. 427. 4301 505.
— , Viertel unter dem 4271 4291
Mannswörth(Bz. Brück) 55 (Villa Gai).
Marbod 48. 49. 51.
March, Flufs 29. 30. 51. 59. 76. 113.
2211 237. 242 ff. 5641
Marchegg, Stadt im Marchfeld 529
(Gründung). 563. 570.
Marchfeld 29. 59. 104. 2161 221.
227. 563 ff.
Marchfutter (Marchdienst, March-
mutte) s. Abgaben.
Marchsteuer 323.
March ward von Karanthanien 208.
Marcus Aurelius, römischer Kaiser
58 fr. 86.
Marein, St. (Bz. Hörn) 33. 253,
Margarete von Österreich 439. 443.
484. 488 ff. 498. 504. 5101 558.
Mariazeil in Steiermark 360.
Mariazell, Klein-, Benediktinerkloster
in Niederüsterr. 253. 300. 430. 492.
Marienkirchen in Oberösterreich
535 (Ketzer).
Marinianum 64.
Mark, böhmische 295.
Mark, kärtnerische oder steierische
s. Steiermark.
Mark, neue (Neumark) 243 ff.
Markers dorf bei Neu-Lengbach 826,
Markgraf 1651
Markgrafen von Österreich s. Baben-
berger.
Markgrafneusiedel (Bz. Florids-
dorf) 244.
Markomannen 48. 54, 55. 56. 591
741 861 93. 112.
Markomannenkriege 57 ff.
38*
596
Register.
M a r k t r 0 g a 1 s. Regalion.
Marktrichter 470.
Markus, Schottenabt 409.
Marquard, Graf im Ufgau 191.
Marschallamt 461. 503. 517f.
Martin, St. (Bz. Rohrbach O.-Ö.)
232 f. 415.
Mafse 155. 471 f.
Mathilde, Gemahlin Ekberts I. von
Formbach 254. 256.
— , Gemahlin des Grafen Rapoto 215.
Mattiggau 118ff. 127. 142. 161.
163. 208 ff.
Mattighofen in Oberösterreich 147.
210. 357.
Mattsee in Oberösterreich 119. 143.
281. 415.
Mauer (Ortsname) 253.
Mauer-Ochling a. d. Url 62f. (La-
cus oder Locus felicis). 67. 215.
Mauros, Ad oder ad Muros s. Melk.
Mauteinnehraer (mutarii) 388.
Mauteu s. Abgaben.
Mautern, StadtanderDonauin Nieder-
österreich, raviana56. 63. 64. 95. 96.
99. lOü. 103. 157 f. 162. 173. 203.
234. 253. 281 f. 332. 342. 384.
568. 571.
Mauthausen, Stadt an der Donau
in Oberösterreich 386. 566.
Mautregal s. Regalien.
Megingoz 172.
Meginhard, Graf im Traungau 191.
207.
Meldung bei Wien 82.
Meier (Schaffer) 262. 287. 325.
Meiereibewirtschaftung 262ff.
418.
Meinloh, Dichter 333.
Meifsau,StadtinNiederösterreich221.
— , Otto von 495. 505. 515.
— , Stephan von , Marschall von Öster-
reich 562.
Meiisen, Markgrafen von 493 f.
Moifson, Dietrich von 394. 461.
— , Heinrich von 445. 465. 474.
— , Wilhelm von 250.
Meisterlin, Chronist 255.
Melk, Benediktinerstift in Niederöster-
reich an der Donau (ad Mauros,
ad Muros oder Naniare) 6. 63. 108.
141. 146. 155. 197 f. 213. 250.
278. 283. 286. 291. 294. 297 f.
300. 319 f. 335. 386. 403. 423
(Besitz). 430. 462. 466. 556 (Pri-
vileg).
— , Heinrich von 337.
Melker Annalen s. Annalen.
Melker Marienlied 293.
Memfö (Menfö) 181. 242. 246.
Me ran ischer Besitz a. d. Mühl 415.
Merkenstein, Ortwiu von 338.
Merklin, Scriba Austriae 515.
Merowinger 186.
Merseburg, Dietmar von 184.
Methodios, Slawenapostel 1 76 ff.
Metten, bayerisches Kloster 142. 164.
196. 452. 496.
Metz, Jakob von 573.
Metzleinswerdein Niederüsterreich
282.
Michael, Bischof von Regensburg 193.
— , oströmischer Kaiser 176.
Michelbach (Bz. Wiener Neustadt)
316.
Michelbeuern, bayerisches Kloster
430 (Besitz).
Milota, böhmischer Baron 515.
M i n u b a ch(Imbach), Dominikanerinnen-
kloster in Niederösterreich 556 (Pri-
vileg). 570.
Ministerialen (Dienstmannen) 272.
280. 282 (Passauer). 288. 321 ff.
339. 342 f. 358 f. 366 ff. (steierische).
376 (Salzburg.). 379. 383. 388 f.
396. 402. 421 f. 426. 429. 433.
434 (Benennung). 435. 437. 444
(steierische). 447. 451. 458 ff. (so-
Register.
597
ziale Stellung). 465. 467. 486
(österreichische). 505 (Landrichter).
515. 519 (unter Ottokar II.). 521.
552. 563. 567. 572.
Minnedienst 390. 467.
Minnesang 333. 392.
Minoriten s. Bettelorden.
Missi dominici 166. 185.
Mistelbach in Oberösterreich (Sj'node
zu) 203. 213.
— , Stadt in Niederösterreich 322 (Mi-
nisteriale). 467.
Mithraskult 89. 97.
Mitterberg 33. 34. 39.
Mittersill, Grafen von 348.
Modzidala (Bz. Floridsdorf, Matz-
neusiedel) 258.
Mödling bei Wien 108. 145.283. 300.
369. 392. 436. 491 (Schlofs). 499.
— , Herzog Heinrich von 369. 375. 436.
Mönnichkirchen (Bz. Wiener Neu-
stadt) 146.
Mohi am SajoiuUngarn,SchItachbei478,
Moimir L, Slawenfürst 174.
— II. 179. 181.
M 0 k e n d 0 r f in Oberösterreich 118.
Mold (Bz. Hörn) 253.
Moldau, Grenze 424.
Mölln (Bz. Kirchdorf O.-Ö.) 107.
Mondsee, Benediktinerstift im Haus-
ruckviertel 12. 34. 127. 142. 160.
186. 216. 363. 431.
— , Liutold und Eberhard von 363 f.
Mondseeland 120. 514.
Mongoleneinfall 448. 477ff.
Moosburg 142. 146.
— , Bertold von 276.
Morimund, Kloster 299. 329 f.
Mosach 118.
Muckerau beiWien(verschwunden) 429.
Mühel, grofse 119. 210. 371.
Mühlbach 281.
Mühlviertel 424 f. (Kolonisierung).
514.
Münichreut (Bz. Pöggstall) 522.
Münzbach (Bz. Zwettl) 372.
Münzbann 386.
Münzbetrieb 401.
Münze, Hausgenosse der 401. 557.
Münzen 40 (keltische). 85 (quadische).
85 (römische), (bayerische und
österreichische) 123 f. 158 f. 184.
471 f. 504. 537. 573.
Münzerneuerung 557. 573.
Münzhaus 401.
Münzmeister 387 f. 571.
Münzprägung 386 f.
Münzregal s. Regalien.
Münzstätten 340 (Krems). 360
(Wien). 361. 397 (Fischau und
Enns). 386 (herzogUche). 397 (Wie-
ner Neustadt).
Münz Verschlechterung 387.
Musikpflege und Kirchengesang s.
klösterliche Kultur.
Muten um (Eisenstadt oder Broders-
dorfj 67.
Mutmanns dorf, Herren von 359.
Naarn, Flufs 137. 138. 144. 148.
Naarn, Ort in Oberösterreich 535
(Ketzer).
Nachtseide s. Abgaben.
Nalb (Bz. Oberhollabrunn) 281.
— , Herren von 321.
N a m a r e s. Melk.
Narisker 86.
Natural-, Geld Wirtschaft 389.
Naumburg, Eppo von, Bischof 250.
Neidhard von Reuental, Dichter
393 f. 421. 466.
Neitra 174.
Nekelo, Jude, Comes camere ducis
Austr. 528.
Nekrologien 291.
Nero, römischer Kaiser 52. 54.
Nesselbach a. d. Krems 142.
Neuburg a. Inn 254. 566.
598
Register.
Ne üb urg-Fa Ikonstein, Herrand
und Hademar von 321.
Neudorf 436.
Neuhofen (i. O.-Ö.) 142. 215. 535
(Ketzer).
Neukirchou a. Ostrong 221. 252f.
357.
Neu markt (Bz. Freistadt, O.-Ö., !
Strafse) 415.
Neu markt (in Kärnten) 443.
Neunkirchon, Stadt in Niederöster-
reich 230. 360. 397.
— , Herren von 359.
Neurisse 418.
Neustadt im Viertel ober Wiener
Wald 535.
Neustadt ,Wiener-, s. Wiener Neustadt.
Neu Stift, Propstei 323.
Nibelungenlied s. Dichtungen.
Nibelungenstrophe 332.
Niederaltaich, bayerisches Bene-
diktinerkloster 128. 140 f. 183.
186 f. 217. 223. 325.« 430. 433.
453. 496. 555. 570.
— , Hermann von 186.
Niedernburg, Nonnenkloster bei
Passau 210 f. 432.
Niederösterreich 350. 425 ff. (Be-
siedelung und Besitzverhältnisse).
513 f. (Austria). s. auch Österreich.
Nikolaus, St., Chorherrenstift bei
Passau 271. 281. 286. 291. 301.
319. 453.
Nikolaus, St. 430. 452.
Nikolaus, natürlicher Sohn Otto-
kars II. von Böhmen 511.
Nikolsburg 494.
Niuwinicha (verschollen) 145. 614.
Nöchling im Mühlviertel 147. 222.
Nöchling im Viertel ober Wiener
Wald 535 f. (Ketzer).
Nöstach (Bz. Baden) 108. 253.
Nominicha (verschollen) s. Niu-
winicha. .
N 0 r c u m (Nöhring im Ödenb. Komitat ?)
189.
N 0 r d h 0 i m , Otto von 250.
Nordwald, der 30. 138. 144. 148.
161. 210 f. 224. 237. 317. 350.
423. 425 (Kolonisation). 432.
Noreja 39. 42. 43. 44. 45.
N 0 r i k e r , N o r i c u m 41 ff. 49 f.
Teilung in Ufer- und Binnen-Nori-
cum (N. ripense und mediterra-
ueum) 70. 113 f. 133. 200.
Notar, Protonotar s. Kanzlei.
Notitia dignitatum 4.
Nürnberg, Reichstag von 248. 540.
— , Burggrafschaft von 255.
— , Burggrafen von 431. 467.
Nufsbach (Bz. Kirchdorf O.-Ö.) 145.
148. 151.
Nufsberg, Albert von 464.
Nufsdorf bei Wien 252.
Obedienzen oder Propsteien 325.
Oberbairing 423.
Obernberg 415. 481 f. 568.
Oberstlandrichter s. Landrichter.
Obstbau 123.
Ochsenburger, die 435.
Ochsenstraf se (steinerner Weg) s.
Strafsen.
Odalbert, Erzbischof von Salzburg
191.
Odilo, Herzog von Bayern 115.
Odo vonDeuil, Kaplan Ludwigs VII.
316.
Odoaker 94. 100. 101. 102. 103.
Öden (Wüstungen) 418.
Ödenburg 145. 182. 298. 479 f. 548.
Ödenb urger Komitat 232.
Österreich 163. 199 (Ostarrichi).
243 ff. 309 ff. (Herzogtum). 338 f.
343. 351. 365 ff. 423 ff. (Besiede-
lung und Kolonisation, Königreichs-
frage). 448 ff. 501 (Grenze). 505
(Viertel). 549. 566. 569. 574.
Eegister.
Ofen, Friede von 501 f. 504.
Ogstai, Grofskhan 480.
0 1 i u p e s b u r g (Kirchdorf s. v. Krems-
münster) 139.
Oliupestal (Ulstal), Gau 207.
Ollern bei TuUn 216. 567.
Ollersbach im Viertel ober Wiener
Wald 535.
Olmütz, Bistum 407. (Belagerung)
500.
Onulf, Bruder Odoakers 103.
Organisation, kirchliche 166 ff.
Orient h an del s. Handel.
Ortenburg, Friedrich von 547.
— , Eapoto von 308.
Ortenburger 379.
Orth 216 ff. 415.
— , Herren von 322. 358 f. 433.
Ortliber s. Ketzer.
Ortsnamen (deutsche) 115. 136. 148.
151. 155. 223. 226 ff. 328. 423.
425. 427. 614.
— (römische) 114.
— (slawische) 107 ff. 234 f.
Ossarn (Bz. St. Polten) 366.
Oster hofen, Kloster in Bayern 424.
453. 496.
Osterland 243.
Ostermieting (Bz. Braunau a. I.)
119. 147.
Osterspiele 335.
Ostgoten 113. 125.
Ostmark (karolingische) 160 ff.
Ostmark (ottonische) 1 82 ff , 338 f.
Ostmark (Umfang und Grenzen) 235 ff.
(Stellung zu Bayern) 265 ff. 271.
340 ff. s. auch Österreich.
Oswald, St., (Bz. Freistadt O.-Ö.)
423. 535.
Otakar, Graf 156.
Otgar, Chorbischof 126. 168.
Otilo, Herzog von Bayern 127. 128.
Ottenschlag im Waldviertel 426.
Ottensheim (Bz. Linz) 415. 436.
Ottensheim, Otto von 466.
Otto I.,deutscherKönigl88ff. 192. 215.
— n. 145. 192. 195. 202. 209. 213.
— III. 198. 215. 219. 222.
— , Bischof von Bamberg 357.
— , Marchio 247.
— , Markgraf im Nordgau 238.
— Urseoli, Doge von Venedig 240.
— von Bayern , Herzog 467. 481 f.
490 f. 493. 495. 497. 500. 507.
Ottokare von Steier 256 f.
Ottokar I. (III., V.) 257. 276. 278.
— IL 355.
— III. 305 f. 308. 345. 355. 357 f.
— IV. 350. 353. 359. 361. 365. 379.399.
— I. von Böhmen 407. 459 f.
— IL von Böhmen 424. 486. 493 ff.
503 ff. 510 ff. 529 ff. 532 ff. 538 ff.
545 ff.
Outcinesewe (= Jedlersee?) 204.
Ovilava s. Wels.
Paltram am Holzmarkt (Witmarkt)
561. 571.
— von Wien, Schreiber und Procurator
Austriae 528 f. 550. 559 ff.
— vor dem Freithof 547. 571.
— Vatzo 8. 544. 561. 571.
Pannonien 49 ff. Teilung in P. I etil,
Valeria und Savia 70. 113. 132.
162. 167. 200 f. 213.
Pantaleon, St. (Bz. Amstetten) 119.
Papo 172.
Parmaikampoi 76.
Parsifal, Dichtung 395.
Paschalis IL, Papst 346 f.
Passagianer s. Ketzer.
Passau, Bistum 11 f. 64. 67. 96. 100.
111. 125 f. 144ff. 153. 160f. 168 ff.
171. 176. 187. 191. 199ff. 208 f.
213 ff. 222. 247. 258. 260 f. 268.
272. 282. 299. 301. 343. 381 f.
408 f. 414 f. 423 f. 437. 452. 485.
497. 514. 522. 532. 533. 542. 566 ff.
600
Register.
Pas sau er Besitz 208 f. 215 iT. (Luz,
Los) 429. 431 ff.
Passauer Kaufleute 300 405.
Passauor Wald 224. 310. 425.
Patagor 140.
Pataren er s. Ketzer.
Patronate 436f. 532.
P a u 1 i n u s , Patriarch von Aquileja. 167.
Payerbach (Bz. Neunkirchou) 229.
Payerstetteu (Bz. Pöggstall) 229.
Pechlarn an der Donau in Nieder-
österreich 104. 158. 194 f. 216. 297.
Peil stein, Stammbesitz 252.
— , Grafen von 219. 246. 251 f. 322.
371. 430 f.
— , Friedrich I. von 252.
— , Friedrich IL von 252.
— , Konrad von 282. 306.
Peilsteiner Grafschaften 310.
Peilstein - Schala - Hohenberg,
Graf von 351.
Perchtoldsdorf bei Wien 218.
— , Otto von 463. 495. 548. 552.
Perchtoldsdorfe, Ministeriale 435.
Peretkunda, Enkelin des Grafen
Eadbod 138. 146.
Perge, Herren von 259. 286. 424. 431 f.
— , Friedrich von 372.
Pernecker, die 435.
Pernegg (Bz. Hörn) 282. 321f. 427.
462. 546. 558.
— , Grafen von 321. 426.
— , Graf Ulrich von 334. 337.
— , Ulrichs Sohn 436.
Pernegger Erbe 636.
Pernitz (Bz. Wiener Neustadt) 108.
Perschling (Bz. St. Polten), Ort
138. 282.
Per schling, Flufs 63. 106. 108.
142. 144. 153. 234. 326. 408.
Persenbeug (Bz. Pögstall) 141. 148.
219. 281. 301. 436.
PescenniusNiger, römischer Kaiser
68.
Peter, König von Ungarn 240 ff. 247 f.
— , Bischof von Passau 542. 568.
— von Amiens 284.
Peter, St., in der Au, bei Seitenstetten
in Niederösterreich 213. 535(Kotzer).
Peter, St., in Salzburg 3Ül. 319.
452. 507.
Pettau 291.
Pettauer 379.
Pettenbach (Bz. Neunkirchen) 128.
209. 299.
Petronell bei Hainburg 35. 87.
Petrus von Breslau, Bischof von
Passau 516.
Peuerbach (Bz. Schärding) 254.
(Mafs) 472.
Pfahlbauten 1. 31—34.
Pfennige, Wiener, Kremser, Neu-
städter 400.
Pferdezucht s. Landwirtschaft.
Pframa (Bz. Floridsdorf) 220.
Philipp August von Frankreich 375f.
— ,Erzbischof V.Salzburg 491. 508 f. 513.
— von Schwaben 370 f. 410.
Philippus, Germane 86.
Pielach, Flufs 63. 67. 106. 141. 144.
148. 151. 326 f.
Pielach (Bz. Melk'» Ort 141.
Pielachgau 251.
Pierius 101.
Piesnich, Rudolf von 338.
Piesting 107. 217. 221. 239. 408.
Piestingtal 124.
Pilehild 246f.
Pilgrim, Bischof von Passau 145.
154. 191. 193 ff. 2 13 f. 332. Ur-
kundenfälschungen 200 ff.
Pilgrim, miles 219.
Pilichsdorfer, Ministerialenge-
schlecht 435.
— , Ulrich 548.
Pipara, Tochter des Markomannen-
königs Attalos, angeblich Gemahlin
des Königs Gallienus 69.
Eegister.
601
Pipin 127. 129. 186.
Pirgtümpfl 119.
Pirken 22ß.
Piro torto 63.
Piuge s. Poigen.
Piain (Plaien, Plein), Grafen von 208.
219. 246. 306. 348. 362. 372.
433.
— , Konrad von 509.
— , Liutoia von 305 ff.
— , Werner von 279.
Plain-Hardegg, Grafen von 431.
— , Konrad von 463.
Plattensee 174.
Platt ling bei Passau 371.
Plochingen 282.
Plein, Grafen von, s. Piain.
Pöllan 252.
Polten, St., Stadt und Chorherrenstift
in Niederösterreich 56 (Aelium Ce-
tium). 63. 64. 67. 72. 83. 89. 143.
145. 154. 193. 202. 230. 263. 272.
277. 286. 319. 342. 345. 347. 387.
402 f. (Vogtei) 413 f. (Mafs) 472.
(Lederer) 527. 533. 568 f.
Pöndorf im Mondseeland 514.
Pötzleinsdorf bei Wien 282.
Polhamer Wald 354.
Polheim, Adalbero, Landrichter 446.
485.
Polheime, die, 359. 435.
Poigen bei Hörn 253.
— , Peugen, Peigen, Bogen, Grafen von
219. 253. 432. s. a. Rebegau.
— , Friedj-ich I. von 285.
— , Hermann von 305.
— , Friedrich von 306.
Poigreich 253. 281.
Pope, Dompropst 218.
P 0 p p i n g in Oberösterreich 535 (Ketzer).
Poppo, Erzbischof von Trier 426.
Porau, Wulker von 495.
Pordenone, Babenberger Besitz
443. 549.
Pottenbrunn, Ministeriale 322.
Pottenburg 217. 247.
Pottendorf 247. 252. 482.
— , Heinrich und Sigboto von 548.
— , Offemia von 524.
— , Rudolf von 495.
Pottendorfe, Ministeriale 435.
Pottenstein (Bz. Baden) 247.
Pottschach (Bz. Neunkirchen) 108.
262.
Powang im Attergau 127.
Prämonstratenser, Orden 334. 424.
Prag, Bistum, 202. 407.
Pram s. Hausruck.
Prefsburg248. 297. 306. 479. 430f.
563.
Preufsel, Ministeriale 492. 499.
— , Heinrich 559.
Preuwitz (Bz. TuUn) 108.
Primitus, römischer Statthalter von
Noricum 95.
Primizlasdorf in der oberöster-
reichischen Riedmark 110.
Privatrecht 121f.
Privilegium minus 311 ff. 339.
344. 372 f. 380. 414. 442. 449.
450(BestätigungdurchFriedrichn.).
484. 517 f.
Priwina 153. 174. 176.
Probstdorf (Bz. Floridsdorf) 567.
— , Heinrich, Pfarrer von 389.
Probus, römischer Kaiser 83.
Pröbring 289.
Prosset 108.
— , Herren von 359. 435.
Prüfing, bayerisches Kloster 430.
Prumste, Wald (515.
Ptolemäus, Geograph 76.
Puchberg 359.
Puchenau bei Linz 142. 153. 161.
Puchheime, Ministerialengeschlecht
535.
Puchkirchen (Bz. Vöcklabruck) 357.
535 (Ketzer).
002
Kegistor.
P ii r n s 1 0 i n (Bz. Rohrbach, Oboröster-
reich) 226.
Putten bei Wiener Neu Stadt 14G. IGO.
167. 213. 224 (Piittener Gebiet,
Waklmark). 230. 239. 241. 255ff.
354. 357 ff.
— , Ekbert von 308.
Pulkau bei E^rprenburg 253.
Pyhra 226. 245. 281. 300.
Pyhrn, Spital am 357. 361.
Pyhrnpafs 67. 106. 118.
Pyrawarth bei Gaunersdorf 226.
Pyrgas 118.
Qua den 52. 56. 59 f. 72. 74. 92. 93.
112.
Raab 145. 162. 479 f.
Eaabs (Bz. Waidhof a. d. Thaya) 76.
237. 382. 427. 437.
— , Grafen von 253. 255. 321 f. 372.
— , Gottfried und Konrad von 255.
Eaabser Wald 224. 24ö.
Eaasdorf (Bz. Floridsdorf) 150.
Eabensteiner, die 435.
Eabnitz, Flufs 168.
Eadagais, germanischer Heerführer
76. 92.
Eadbod, Graf 138. 144. 165. 172.
174.
Eadegast s. Tradigist,
Eadegund, St. 119.
Eadenreutte, Gut 453.
Eaffelstättener Zollordnung 148.
156 fF. 162. 180. 257. 310. 387.
Eagaz s. Eaabs.
Eaitenhaslach, bayerisches Kloster
452 f.
Eakatai 76.
E a k 0 u s (tschechischer Name für Öster-
reich) 76.
Eamingb ach 118.
Eamsau 226.
Eanna, Herren von 321. 426.
E a n 8 h 0 f 0 n , Chorhorrenstift (Bz. Brau-
nau a. I.) 147. 153. 210. 433.
466. 481.
Eapoton stein i. Waldviertel 426.
Rapoto, Graf 207. 215.
E a p p 0 1 1 e n k i r c h e n (Bz. Tulln) 366.
Easchenburg, Grafen von 207.257.
Raspe, Heinrich, von Thüringen 448.
450. 486 ff.
Eassingdorf (Bz. Horu) 234.
Eastislaw von Mähren 161. 174.
176 ff.
Eat, landesfürstlicher 459. 518 (ge-
schworener). 552. 572.
Eatelnberg, Grafen von 253 f. i;86.
— , Ulrich von 254.
Eavelsbach (Bz. Oberhollabrunn)
221. 252. 283. 300.
Eaxendorf (freie Bauerngemeinde)
427.
Eebgau 253.
— , Grafen von 254. 430. 432.
Eebgau-Piugen, Grafen von 253.
358. 371. 426 f.
— , Gebhard und Adalbert von 371.
— , Hermann und Hildeburg von 334.
Eeform des Klerus s. Kirchenreform.
Eeg allen 71. 204. 386 ff. 438 f.
Berg- und Salzregal 388. 567.
Forst- und Jagdregal 388. 567.
Judenregal 387 f. 389.
Marktregal 387. 389. 567.
Maut- und Zollregal 386. 504 f. 517.
Münzregal 386 f. 389 505.
Strafsen- und Wasserregal 386.
Eegau (Bz. Vöcklabruck) 358.
Eegenbogenschüsselchen (kel-
tische Münze) 40.
Eegensburg 11. 125. 142f. 169.
210. 216. 222. 258. 273. 334. 340.
343. 359. 437. 452. 497. 533. 567.
Eegensburg, Burggrafen von 426.
430.
— , Heinrich von 436.
Eegister.
603
Hegensburg, Domvogt Otto von 366.
— , Synode von 187.
— , Friede von 238.
— , Hoftag von 273. 306. 309. 344.
348. 352. 376.
Hegens burger Besitz 210. 216.
258. 340.
— Kaufleute 399. 405.
— Pfennige 340.
Heginlinde 220.
Eeginmar, Bischof von Passau 299.
413.
Eeginold, der Getreue 252.
Eeichenau (Bz. Freistadt, O.-Ö.) 423.
Keichenhall 38. 159. 207.
— , Gebhard von 308.
üeichersberg, Chorherrenstift im
Innkreise 6. 118. 279. 319. 322.
348. 353. 358. 363 f. 430 (Be-
sitz). 433. 452 f. 466.
— , Gerhoch von 336 f. 348. 356. 363.
üein, Kloster in Steiermark 318.
Keingers (Bz. Gmünd) 232.
Eeinmar von Hagenau 391 f.
Eeisenberg (Bz. Mödling) 369. 436.
Eening, Insel 569.
E e t z , Stadt in Niederösterreich 326.
427 f.
Eetzbach bei Eetz 428.
Eeudling bei Waidhofen a. d. Ips
108.
Eezat, schwäbische, 156.
Eh ein- Donaukanal 156.
Eichar, Bischof von Passau 180.
Eichard Löwenherz 375 ff. 396 f.
Eichard von Cornwallis 512. 538.
Eichwin, Grundbesitzer in der Ost-
mark 258.
Eied, Landgericht 120. 362.
— , Stadt 144. 508. 522.
— , Berg 573.
Eiedenburg 252f.
Eied mark (Reodarii) 148. 158. 236.
300. 310. 372. 418. 423. 505. 567.
Eiesenburg 252.
Eiesenweg s. Strafsen.
Eitterstand s. Adel.
Eiziman 252.
Eodaun (Bz. Mödling) 108.
Eodland, Kaplan 145.
Eodulf, Herulerkönig 195.
Eömerzeit 2—5 (Literatur).
Eötel, Flufs 161.
Eogacs, Wald, s. Eaabs.
Eohrbach im Traungau 127. 143.
— im Mühlviertel 425.
— bei Hörn 253.
Eo manische Bevölkerungsreste und
romanischer Eirflufs 114 ff.
Eomanisierung 87 f.
E 0 s d 0 rf (verschollen) in Oberösterreich
137. 144. 157 f.
Eosenberg, Woko 506. 508.
Eosenberge (Witigonen) 548.
Eotel, Flufs 119. 128. 210.
Eotgau (Eotachgau) 119. 163. 209.
Eoth, Kuno von, Pfalzgraf 256.
Eothengrub, Feste 219.
Eott 319.
Eottenmann 567^
Eotweinsdorf (Ortwinesdorf, Bz.
Hörn) 245.
Eoukerisdorf s. Eückersdorf.
Eudeger vom Holzmarkt 571.
Eudmanns (Bz. Zwettl) 232.
Eudolf, König der Heruler 104.
E u d 0 1 f von Habsburg, deutscher König
539 ff. 550 ff. 560 ff. 566 ff.
— , sein Sohn 566 f. 574.
Eüdiger von Pechlarn, Markgraf (aus
dem Nibelungenlied) 104. 194 f.
203. 243.
— , Bischof von Passau 467. 481.
Eückersdorf (Bez. Korneuburg) 283.
300.
Eührsdorf (Bz. Krems) 252.
Eugier, Eugierland 92 ff. 157.
Euncarier s. Ketzer.
604
Register.
Rupert, Bischof von Passau 347.
— , Bischof von Worms 125.
Rufsbach (Bz. Kornouburg) Pfarre 503.
Rufsbergthörl 118.
Russen, Kauflouto 300.
R u s t im Viertel ober Wiener Wald 281.
Ruten stein 254. 372.
S a b a r i a 0 v a d u m (Kirchschlag ?)
143.
Sachsen, germanischer Stamm 184.
Sachsenbrunn (Bz. Wiener Neustadt),
229. -
Sachsen dorf (Ortsname) 229.
Sachsen gang (Bz. Floridsdorf) 216 ff.
229.
Säkularisation 18G f.
Salaberg s. Scalcobach.
Salbücher 291.
Salinen, Salinenbetrieb 116. 129.
155. 360 f.
Salland betrieb (Eigenbetrieb) 418.
Salm, Heinrich von 274 f.
Salomo, Sohn des Königs Andreas
von Ungarn 249 f.
Salz (Einfuhrartikel) 157 ff. 361.
Salzbergwerke s. Salinen.
Salzburg 67. 125 f. 144. 153 f. 155.
160f. 167 f. 174. 187. 191.201. 210.
213. 216. 222. 239. 258 f. 348.
356 ff. 414. 437 f. 486. 501. 508 f.
541 ff.
Salzburger Besitz 126 f. 146. 148.
171. 210. 213 f. 258. 357 f. 430 f.
— Kaufleute 399.
Salzburggau 127. 161. 220.
Salzkammergut 354. 360ff.
Salzregal s. Regalien.
Salzzoll s. Zölle.
Samos 108f.
Sarasdorf (Bz. Bruca) 227. 252.
Sarmingbach 204.
Sarolta, Gemahlin Geisas 202.
Saxen (Bz. Perg 0. Ö.) 144. 145. 149.
Saxenödt 229.
Scalcobach (Salaberg?) 141,
Schärding am Inn 119. 254. 362_
(Mafs) 472.
Schafberg 129.
Schala, Grafen von 252. 430.
— , Heinrich von 252. 308.
— , Sieghard II. 371.
— , Sieghard III. und Heinrich von 371..
Schalaburg 252. 371.
Schala- Burghausen s. Burg-
hausen-Schala.
Schalensteine 80.
Schaumberg, Herren von 322. 383..
433. 481. 495.
— , Bernhard und Heinrich von 464. 482..
Scheibbs, in Niederösterreich 230.
Scheiblingkirchen (Bz. Neun-
kirchen) 358.
Scheiblingstein (Bz. Tulln) 118.
236.
Scheuchenstein, Herren von 359.
Schiltern bei Krems 281.
Schlägl (Maria Schlag), Prämonstra-
tenserkloster in Oberösterreich 424f.
Schlagschatz s. Münzprägung.
Schleunz, Herren von 321.
— , Otto 436. 464.
Schlierbach, königliches Gut 210.
— , Landgericht 120.
— , Herren von 359.
Schlögen, Joviacum 54. 63. 64. 83. 96.
Schlom, Jude, herzoglicher Münz-
meister 387.
Schmida (Bz. Korneuburg) 142.
Schneeberg 359.
Schönabrunn (Bz. Brück) 139. 145
S c h ö n a u , Kloster (vermutlich in O.-Ö.)
186. 567.
Schönberg, Ministeriale 322,
— , Rapot 464.
Schön büchel bei Krems 262.
Schöngrabern (Kirche) in Nieder-
österreich bei Oberhollabrunn 441,
Eegister.
605
Schönhering (Bz. Linz) 433.
•Schottwien 428.
Schrattenstein, Feste 219.
Schreiber (scriba Austriae) 389.
489. 503. 514f. (Befugnisse, Be-
deutung und Besetzung). 524.
528. 532. 556.
Schüttenhofen 508.
Schule, erste städtische 468.
Schwaben 222. 232.
Schwaben, Rudolf von 270. 272 ff.
Schwabendörfel (Bz. Hietzing) 229.
Schwabenhof 229.
Schwabenleithen 229.
Schwabenöd 229.
Schwabenreith 229.
Schwad orf (Bz. Brück) 229. 414.
Schwanenstadt in Oberösterreich
(Ketzer) 208. 535.
Schwanse 197.
Schwarza 107. 289. 319.
Schwarzach 252.
Schwarzburg-Nöstach, Grafen
von 253.
— , Heinrich und Eapoto, Grafen von 300.
Schwechat bei Wien 55. 234. 242.
Schweigers im Wald viertel 426.
Schweinaehgau 119. 267. 310.
Schweinbarth im Marchfeld 326.
Scriba Austriae, Anasi s. Schreiber.
Sebarn (Bz. Tulln) 252. 282.
Seckau 358. 361. 407. 430.
— , Ulrich, Bisehof von 509. 516.
See b ach (Bz. Hietzing) 281.
Seeburg, Grafen von 255. 280. 283.
Seefeld, Heinrich von 464.
Seitenstetten, Benediktinerstift in
Niederösterreich 10. 139. 254. 280 f.
283. 325. 388. 430. 452 f. 507.
535 (Ketzer). 555 (Privileg). 570.
Semmering 106. 108. 148.
Sempt-Ebersberg, Grafen von 199.
219. 426.
Sengsengebirge 236.
Septimius Severus, römischer
Kaiser 68. 86. 87.
Sevaker oder Sevater 42.
Severin 3. 89. 94. 95. 97. 99ff. 111.
Sidlin und Merklin, Eitter 515.
Sido, germanischer Fürst 52.
Siebenbrunn, Ober- 150.
Siedehingsformen 236ff. (Höhen-
ansiedehingen) 31 ff. (bayerische)
122 f. 135. 149. (fränkische) 425.
427 f. (vlämische) 427 f.
Siegfried, Held des Nibelungen-
liedes 331.
Siegfried, Markgraf 244 ff.
Siegfrieder s. Ketzer.
Sieghart s. Sigehard.
S i e r u i n g , Ort im Viertel unter Wiener
Wald 108. 252.
Sierning in Oberösterreich 128. 535.
Sie min g, Flufs 144.
Sievering bei Wien 95.
Sigboto 252.
Sigehard 221. 246 f. 251.
— , Patriarch 251. 273. 282.
Sigehold, Abt 278.
Sighart Piber, Ministeriale 508.
Sigraarswörth (= Alten wörth ?)
204. 214.
Silius, P. 46.
Simmering 50 (keltischer Münzfund).
55 (Villa Gai). 216 (Gut). (Mi-
nisteriale) 322.
Sindlburg im Viertel ober Wiener
Wald 535 (Ketzer).
Sippbach 209.
Sirning s. Sierning.
Sir 0 na, keltische Göttin des Acker-
baues 41.
Sitzenberg (Bz. Tulln) 366.
Skiren, germanischer Mann 96.
Sklagamar, slawischer Priester 175.
Sklaven (Handelsartikel) 157.
Slawen 106ff. 124. 128. 132. 135 f. 148.
154. 156. 158 f. 162. 173. 234. 427.
606
Register.
Slawisch- nationale Kiroho 17G.
Slovenen 106.
Sobeslaw, Herzog von Böhmen
350 ff.
S 0 1 1 0 u a u bei Wiener Neustadt 436.
Somerau, Konrad von 547.
Sonnberg, Ministerialengeschlecht
434. 462.
— , Hadmar von 466.
— , Lutwin von 366.
Sonntagberg, Propstei auf dem 325.
Sophia, Babenbergerin 371 f.
— , Gemahlin Friedrichs des Streit-
baren 474.
Soziale Verhältnisse 259 ff. 320 ff.
465 ff.
Sparbach (ursprünglich Sparwaers-
bacli) 226.
Spital am Pyhrn 357. 433. 569.
Spital am Semraering 357. 361.
Spitignew, Herzog von Böhmen 250.
Spitz in der Wachau 325. 426.
Sponheim, Graf Bernhard von 355.
— , Philipp von 545.
Spuotinesgang 151.
Spratza, Flufs 142 f. 168.
Staatz bei Laa 482. 509.
Stadlau bei Wien 445. 465. 474 f.
Städte (römische) 64 f. (öster-
reichische) 341 ff. 396. 417. 520.
525 ff. (Fürsorge Ottokars II.), 551 ff.
569. (Entstehung) 263. 341. (Em-
porkommen) 467. 470 f. (Gerichts-
barkeit) 385. 506. 526 (Prole-
tariat) 341 f. (Selbstverwaltung)
471. (städtische Kontingente) 530 f.
Stadtrechte 14. (Wiener und Ennser)
400. 403 ff. 533.
Stadtrichter 385. 403. 553 ff.
Stainach (Stanacum) 63. 64.
Starheraberg, Feste 219. 467. 486.
489.
— , Gundacker von 432. 464. 495 f.
547 552.
Starhemberger 359. 435.
Starhemberg-Schwans, Landge-
richt 120.
Stoier, Stadt s. Stoyr.
S toi er, Markgrafen von, s. Ottokaro.
Steier, Herren von 435.
Steiermark 2.33. 241. 255f. 354f.
365 ff. 449. 491 . 499 ff. 501 (Grenze).
510. 547. 549. 566. 569. 574.
Stein in der Wachau 217. 282. 386.
455 (Kloster). 462. 571 ff.
Steinakirchen (Bz. Scheibbs) 198.
216.
Steinbach, Herren von , s. Starhem-
berger.
Steinfeld 397.
Steinfeld a. d. Steyer 120. 209.
Steinzeit, ältere 27f.
— , jüngere 28 f.
Stellung der Frau (im Wiener Stadt-
recht) 405. 521. (im Landrecht
Ottokars).
Stelz in Niederösterreich 219.
Stephan I., König von Ungarn 202.
239. 248; 11. 297; III. 347. 350;
IV. 530 f.
— V., Papst 178.
Stetteldorf (Amt Wagram) 252.
Steuern s. Abgabe i.
Steuersdorf 573.
Steuerwesen, römisches 71.
Steyr (Styraburg) 257. 354. 359. 384.
499.
— , Stadt 67. (Mafs) 472. 535. (Ketzer)
549.
— , Flufs 106. 109. 118. 236.
Steyregg 427.
S tief er n am Kamp 146. 149.
Stilicho 92.
Stille-Heft 253 f. 283. 431f.
— , Udalschalk von 280.
Stillfried im Marchfeld 28. 37. 60.
78. 244. 326.
Stockach 227.
KegistOT.
607
Stockerau, Stadt in Niederösterreich
34. 37. 161. 227. 235. 237. 429.
(Mafs) 472. 530.
Stockeru (Bz. Hörn) 31.
Stolle, Meister, Dichter 394.
Stolzenwörth (Bz. Neuiikircheu)219.
— , Herren von 359.
Stopfeureith (Bz. Untergänserndorf)
228. 258.
Straf sen (römische) 65 f. 148. 158f.
182. (Anlage) 396. 401. (Goldener
Steig, Via regia) 415. (Hoch- oder
Heidenstrafse, Steinerner Weg oder
Ochsenstrafse) 148. (Handelsstrafse
Wien— Venedig) 397. 428.
Straf senregal s. Regalien.
Stratzing im Viertel ober Manharts-
berg 535.
Streithofen (Bz. Tulln) 282.
Strelz 108.
Strogen (Bz. Hörn) 33. 253.
S t u c h s (von Trauttmausdorff), Ministo-
riale 435. 492. 548.
Styraburg s. Steyr.
Suammara (St. Marien am Sommar-
eiubache?) 213.
Suben, Chorherrenstift in Oberöster-
reich 473.
Sueben 52. 94.
Sulz, Ministeriale 322.
Suiza 244.
Sulzbach in Oberösterreich 128 f.
— , Grafen von 252. 431.
— , Gebhard von 312.
Sumerberg bei Mamau 141.
Swatopluk (Zweutibold) , Mährer-
herzog 172. 175. 177 ff.
Tabula Peutingeriana (Weltkarte) 4.
Tachenstein (Bz. Wiener Neustadt)
226.
— , Herren von 359.
T a 1 1 0 s b r u n n (Bz. Untergänserndorf)
225.
Tanhuser, Minnesänger 537.
Tannberg, der 119.
Tarsdorf (Bz. Braunau a. I.) 119.
Tassilo, Herzog von Bayern 117. 127.
128. 129. 130.
Tauern (Goldbau) 39.
Taufaralpe 118.
Taurisker 39. 41.
Tausendpfund, Herward 559.
Tegernsee, bayerisches Kloster 11.
143. 154. 183. 186. 213. 217.
223. 242. 267. 344. 408. 430. 453.
496.
— , Metellus von 143. 186.
Tenglingen, Friedrich von 251.
Tenglingen- Peilstein, Grafen
von 426.
Teuriochaimai, Turonoi (Thüringen)
76.
Teutonen 44. 45.
Thal 252.
Thalheim a. d. Traun 120.
Thann (Ortsname) 226.
Thaya, Grenzfiufs zwischen Nieder-
österreich und Mähren 52. 227.
237 f. 429.
Theben bei Pressburg 174. 474.
Theifs 180. 189.
Theodebert I. (534-547), Franken-
köuig 112 f.
Theodo, bayerischer Herzog 111.
125. 127.
Theodolinde,TochterGaribaldsll3.
125.
Theodora, Nichte des Kaisers Ema-
nuel, Gemahlin Heinrichs Jasorair-
gott 307. 311. 331. 377.
— , Gemahlin Leopolds VI. 393. 446.
475.
Theodorich, Ostgotenkönig 94. 102.
103. 104.
Theodorich von Jumieyes, Abt 284.
Theodosius, römischer Kaiser 91 .
92. 97.
608
Register.
Theotmar, Erzbischof von Salzburg
156. 169. 179. 181.
The ras (Bz. Hörn) 282.
Thernbcrg (Bz. Neunkirchen) 107.
146. 153. 213. 227. 358.
— , Gundakar von 548.
Thessaloniker 176.
T h i e m 0 , Erzbischof von Salzburg 285.
T h i u d em e r , Vator Theodorichs 94. 96.
Thüringer 94. 96. 112.
Tiber ins, römischer Kaiser 46. 49.
Tirol, Meinhard von 568.
Topel, Ministeriale 322.
Topographien 19-22.
Torbia (Seealpen) 47.
Totes Gebirge 118.
Tracht a. d. Thaya 240.
Tradigist (Radegast) an der Pielach
110.
Traditionsbücher 190f. 291.422.
Traisen, riufs43. 67. 106 f. 109. 145 f.
148. 163. 164. 189. 213. 222. 326.
Traisen, Herren von 219. 321. 358.
372.
Traisenburg a. d. Traisenmündung
199. 282. 429.
Traisental 182. 219.
Traisen-Waldeck, Herren von 431.
Traiskirchen (Bz. Baden) 283. 300.
436.
— , die, Ministerialen 435.
Traisma s. Traismauer.
Traismafeld, Gau 142. 164.
Traismauer (Bz. St. Polten) Trigi-
samum 62. 63. 110. 111. 136. 144.
146. 153. 174. 191. 213.
— , Walter von 334.
Trajan, römischer Kaiser 56.
Traun, Pluss 43.106.110.111. 118ff.
Traun, Bertold von 464.
— , Herren von 322. 359.
Traunbrücke 362.
Traungau 115. (seine Ausdehnung)
118 f. 120. 127 f. 142 f. 145. 153.
155. 159. 161. 163. 191. 207 fr.
236. 310. 354 ff. 418. 431. 506.
513.
Traungau er Grafen 207. 220. 236.
254 ff. 271. 355. 371.
T r a u n k i r c h e n , Abtei 154. 257. 356 f.
Traunseo 32. 186 f.
Trauttmansdorff s. Stuchs.
Tremegg (Bz. Pöggstall) 252. 289.
Tribur, Fürstentag zu 270. 272.
Trib US Winkel (Bz. Baden) 110.
Triesting, Elufs 107 f. 221. 408.
Triesting, Ort 217.
Triestingtal 182.
Trigisma s. Traismauer 110.
Trigisamum s. Traismauer.
Trö stelin 485.
Troyes, Heinrich von, Bischof 329.
Truchs, Ministeriale 435.
Trübensee (Bz. Tullu) 107.
Tulbing (Bz. Tulln) 254,
— , Ministeriale 322.
Tulln, Fiufs 43. 63. 219.
Tulln, Stadt (Comagenae) 63. 64. 95.
110 f. 147. 161. 162. 175. 204.
214. 227. 241. 263. 274. 298. 342.
387. 398. 402 f. 455 (Kloster).
(Mafs) 472. (Pleischhauerzunft,
Schiffer) 527 529 (Privilegien).
547. 553. 570(Dominikanerkloster).
570 (Familiengruft der Habsburger),
Tullnerfeld (-becken) 29. 136. 148.
151. 161. 242. 318. 326.
Tumuli 79.
Türlin, Ulrich von, Minnesänger 537,
Türnitz (Bz. LUienfeld) 108.
Turniere 329. 390. 466 f,
Tutates, keltischer Kriegsgott 41,
Tutatio 67.
Udalrich, Bischof von Passau 280,
282. 285. 299.
Überländ- und Reutäcker 418.
Ufgau 120. 191, 207. 208.
Register.
609
Ulm, Kaufleute 405.
Ulmerfeld (Zudemaresfeld) 215.
Ulrich, Herzog von Kärnten 482. 509.
— , Pfarrer von Falkenstein , Notar
Leopolds VI., später BiscLof von
Passau 414. 437.
— , Protonotar und Pfarrer zu Wien
550. 558 f.
— Scharrer, Wiener Bürger 571.
— , Sohn des Hausgenossen Herwig
Griffe 571.
— vom Widmarkt in Wien 571.
Ulstal 210. 358. s. a. Oliupestal.
ülting 127.
Ungarbaeh (Bz. Wiener Neustadt)
239.
Ungarn s. Maayaren.
Ungarstein 239.
Ungerberg (Bz. Wiener Neustadt)
239.
Ungerndorf (Bz. Mistelbach) 289.
Unter ach in Oberösterreich 211.
Untern berg, der 239.
Untervögte s. Vögte.
Uradel s. Adel.
Urban II., Papst 368.
— IV., Papst 511.
Urbare 11. 422. 513.
Urfahr zu Nufsdorf 252.
Urgeschichte 1 (Literatur).
Urkundenbücher 9.
Url, Fhifs 141. 145. 148. 158. 327.
Utcinossee 214.
Ute, Bischof von Freising 181.
Uwizinesdorf s. Enzersdorf.
Valentin, St. , in Niederösterreich
535 (Ketzer).
Valentini an, römischer Kaiser 71. 92.
— HL, römischer Kaiser 93.
Vandalari 94.
Vandalen 92.
Vangio, germanischer Fürst 52.
Vannius, Quadenfürst 52. 85.
Vancsa, Geschichte Nieder- u. Oberösterreiclis.
Varister s. Narisker.
Vasallen 173. 185. 190. 288.
Vatzonen 560.
Veit, St. (Bz. Rohrbach O.-Ö.) 316.
Velascus, Minorit 500.
Velburg, Grafen von 372. 431.
V e 1 d e n , Markt in Oberösterreich 483.
Velm (Ortsname) 227.
Venedig 399.
V er dun, Vertrag von 169.
— , Nikolaus von 330.
Verduner Tafeln 330.
Verpfändung 556.
Verwaltung, landesfürstliche 386 ff.
51 3 ff. 523. (Domänen- und Re-
galienverwaltung) 528.
Vespasian, römischer Kaiser 55.
Vettonianae 67.
Vezzilo 172.
Via regia (über Oswalder Sattel in
Oberösterreich) s. Strafsen.
Vibellius, Fürst der Hermanduren 51.
Viehbach (Bz. Wels) 438.
Viehofen, Ulrich von 543.
Viehzucht s. Landwirtschaft.
Viktor IV., Papst 346.
Villa Gai s. Simmering, Mannswörth.
Vineas, Ad 103.
Vitusberg bei Eggenburg 81.
Vivilo, Bischof 126.
Voccio, König der Noriker 46.
Vök labruck in Oberösterreich 371.
Vöklamarkt in Oberösterreich 281.
Vöslau bei Baden in Niederösterreich
326.
Vöttau, Bergschlofs 474.
Vogt, Vogtei 286 f. 289. 819. 344.
385. 388. 390. 413. 436 f. 503 f.
517. 582. 568 f.
Vogtsteuer s. Abgaben.
Vogthafer, Vogtrecht 323.
Vohburg, Grafen von 252.
Volkenstorf bei St. Florian 856.
V olk er storf, Herren von 882. 433. 435.
39
610
Register.
Volkoi-Tüktnsaf,'on 42.
Voran, Kloster in Steiermark 25(3.
358. 430.
Wach au G7. Ml. 144. 146. 148.
155. 193. 214f. 217. 2G2. 281.
326. 408. 426. 429. 497.
Wachseuberg s. Waxenberg,
Währinp (Wieu) 108.
W a grara 227.
Wagrein 142. 218.
Wagreini 151.
Wa i dli 0 f e n a. d. Ips, Stadt iu iSIieder-
österreich 530. 567.
Waidhofen a. d. Thaj-a, Stadt in
Niederösterreich 5G1.
Wald, Waldland 423.
Waldbote 385.
Waldeck, Feste 219.
— , Adalram von 358.
— , Heinrich und Ortolf von 481.
Wald eck er, Miuisteriale 466.
Waldenser s. Ketzer.
Waldenserbischof in Anzbach bei
Neulengbach 535.
W a 1 d h a u s e n , Chorherrenstift in Ober-
österreich 319. 430. 452 f.
Waldhufendörfer s. Siedeluugs-
formen.
Waldmark s. Machland und Putten.
Wald vierteis. Manhartsberg, Viertel
ober dem.
Wallersdorf 436.
W aller see 125. 213.
Wallsee a. d. Donau 63.
Walpersbach (Bz. Wiener Neustadt)
358.
Walpersdorf (Bz. St. Polten) 426.
Walter von Albaiio 349.
Walter von der Vogel weide 390 fif.
Walterskirchcn 436.
Wampersdorf a. d. Leitha 436.
Wandel (Strafgelder) s. Abgaben.
Wank he im bei Vöcklabruck 253.
War ton bürg, Herren von 359.
Wart erecht s. ErbrecJit.
Wasserburg, Konrad von 495.
Wasserregal s. Regalien.
Waxenberg (Bz. Preistadt O.-Ö.)
415. 436.
Weg, steinerner, oder Ochsenstrafse s.
Stralsen.
Wahrhaftigkeit 320.
Wehrpflicht 170.
W e i d e n b a eil , Sclilacht am s. üürnkrut.
Weikartschlag, Burg im Wald-
viertel 558.
Weikendorf (Bz. Untergänserndorf)
283.
W e ik e r s d 0 r f in Niederosterreich 300.
— , Herren von 359.
Weil hart, Furbt in Oberösterreich
210. 224.
Weilhart, Landgericht 120.
Woin, Weinbau 83. 114. 123. 128 f.
155. 262. 319. 326 ff. 402. 417.
531. 554.
Weiuausfuhr 342. 361.
Weineinfuhr 553. 554.
Weinhandel s. Handel.
Weinschauk 553.
Weinzierl 282.
Weifsenberger, die 435.
Weifskirchen in Oberösterreich 535
(Ketzer).
Weist räch im Viertel ober Wiener
Wald 535 (Ketzer).
Weitmoos, das 119.
Weitra (Bz. Gmünd) 350. 352. 426.
463.
Weitrah, Geschlecht von 426.
Weif, Graf 244.
— , Herzog von Bayern 249. 270.
285.
— , Oheim Heinrichs des Löwen 304.
306 f.
Wels (Ovilava), Stadt in Oberöster-
reich 43. 63 f. 67. 72. 83. 94.
Register.
611
114. 127. 147. 189. 207. 211.
259. 263. 362. 364. 372. 384.
402. 431. (Stadtpfarrkirche) 441.
(Mafs) 472. 473. 485. 535 (Ketzer).
Wels-Lambacher, Grafen s. Traun-
gauer.
Wels-Lambacher Besitzungeu 437.
Wenzel I. von Böhmen 474 ff. 493 ff.
501.
— n. von Böhmen 550. 56G.
Werd bei Melk 329.
— , Herren von 426.
— , Hadmar von 495.
— , Lutwin von 548.
Worgeld (compositio) 121.
Werner, Abt von Göttweig 320.
— , Graf 165. 172.
Wernhard, Bischof von Seckau 539.
545.
Wernher 172.
Wernher der Gärntner (Meier Helm-
brecht) 421.
Werth 153.
Wesen, die, Ministeriale 435.
Wetzeisdorf (Bz. Mistelbach) 282.
Weyer im Ennstal 356.
Wiching von Neutra, Bischof
177 fr.
Wien (Vindominia, Vindobona) 3. 10.
11. 43. 53 ff. 61 f. 64. 66 f. 70.
72. 82 f. 87. 93 f. 95. 107 f. 111.
216. 240(erste Erwähnung : Wienni).
262. 293. 326. 331. 332. 341. 342
(civitas). 343. 360. 370. 374. 468 f.
(Juden). 393. 398. 399 (Münze,
Pfennig, Markt). 401 (Patrizier).
401 f. (Gewerbe, Handwerk). 402.
441 (Herzogshof). 403 Stadtrich-
ter). 400. 403 ff 469. 559 (Stadt-
recht). 406. 456 f. 469. 534 (Bis-
tumsfrage). 408. 428. 430. 447.
468. 491. 497. 554 f. 561 (Reichs-
unmittelbarkeit). 456. 465. 467.
472 (Mafs). 476 f. 526. 531. 544
(Stellung zu Ottokar II.). 527.
530. 536 (Provinzialkonzil). 544.
548. 550. 556. 570. 571.
Wien, Klöster und Kirchen:
Dominikanerkirche 455. 478. 556.
569. 570.
Kolomanskirche 457.
Kommende der Johanniter 556.
Minoritenkloster 455.
St. Nikolaus 556.
St. Peter 413.
St. Ruprecht 155.
Schottenkloster 7. 11. 334. 381. 394.
409. 430. 452. 555. 570.
Schottenmönche 343. 410.
St. Stephan (Hauptpfarrkirche) 343.
409. 413. 468 (Schulmeister). 534
(Plan einer Kollegiatkirche).
Wiener Becken 29. 106. 107. 136.
212. 226. 242. 318.
Wiener Wald 30. 55. 106. 143. 145.
148. 155. 162. 183. 199. 202. 211.
213. 217. 219 (V. 0. W. W.). 222.
224. 226. 229.
Wiener Neustadt 225. 230. 386 f.;
397 u. 428 (Gründung). 397 u. 557
(Marktrecht, Münzstätte, Pfennige).
455 (Kloster). 456 (Patarener).
467. 470. 482 f. 489. 491. 497 f.
518. 523 f. 527. 531. 553 f. 571 f.
Wieselburg (Bz. Scheibbs) 198. 216.
220.
i — in Ungarn 250 f. 298. 479 f.
Wiesen 436.
Wildberg i. Haselgraben, Oberöster-
reich 415.
— , Adelheid von 615.
Wildecker, die 435.
Wildeneck (Bz. Vöcklabruck) 120.
Wildensee, der 118.
Wildon, Hartnid von 543.
Wildshut (Bz. Braunau a. I.) 119.
Wilhelm, Graf in der Ostmark 137.
143 f. 147. 153. 161. 165.
39*
6i:
Kcgistor,
W i 1 h 0 1 111 , dessen Subn 138. 142. 165.
172 f. 175. 177.
— , Notar 503.
— , Sohn des Letzteren 172.
— von Holland, deutscher König 490 f.
500.
— von Montferrat, Graf 19G.
Wilhelmsburger, die 435.
Wilhering, Zisterzienserkloster in
Oberösterreich 318. 333. 363. 371.
430. 433. 452. 496 f. 555.
— , Miuisteriale 322.
Wilhering-Waxenberg, Ulrich und
Cholo von 318. 423. 432 f.
Willendorf (Bz. Krems) 28.
Wille ndorf (Bz. Neunkirchen) 219.
Wim passing 234.
Windberg (Bz. Amstetten) 234. 382.
432.
— , Grafen von 253 f.
— , Hermann von 254.
— , Eppo von 423. 432.
Windek im Machland 427.
Winden (Slovecen, Solavenen) 106.
Winden östl. von Vöklabruck 108.
234.
— bei Herzogenburg 108. 234.
Windhag 234.
Windhof 234.
Windischberg bei Linz 108.
Windischdorf bei Kirchberg 108.
Windischdorf im Ipsgebiet 108.
Windischendorf in Oberösterreich
234. 615.
Windisch-Garsten, Gabromagus
63. 67. 108. 357.
Windischhütten (Bz. Tulln) 234.
Windiscbe Mark 549. 566. 574.
Windischmarkt in Oberösterreich
108. 234. 615.
Windopolis (= Wien) 331.
Windpassing 234.
Winfried, Bonifatius 125. 126.
Winkel 322 (Ministeriale). 355.
^\' i n k 1 a r n im Viertel ober Wiener
Wald 535.
Wirflach s. AVürflach.
Wissenschaft, klösterliche 128.
Witigavo, Grundbesitzer in der Ost-
mark 139.
W i t i g 0 , Landseh reibor 489. 503. 506 f.
Wittolsbach,Ottovonl96. 365. 411.
Wittigonen, böhmische 424. 433.
Wizo 140.
Wizzenburg, Konrad von 197.
Wladislaw, Herzog von Schlesien,
Erzbiscbof von Salzburg 516.
— IL, König von Böhmen 305 f. 308 f.
311. 347.
-, Sohn Wenzels I. 476 f. 480. 487.
— von Oppeln 500.
Wöllersdorf im Viertel unter Wieucr-
wald 110. 239.
W ö r t h , Heinrich von, Propst 543.
Wösendorf (Bz. Krems) 28.
Wolfeswang 144. 145. 213.
Wolfgang, St. 193. 198. 2U0 f.
Wolfgang, St. im Moudseeland 514.
W 0 1 f g e r , Bischof von Passau 378. 393.
407.
Wolfpassiug (Bz. Scheibbs) 369.
Wolfrat hshausen, Grafen von 207.
358.
— , Heinrich von 302. 305. 344.
Wolfsbach 139. 143. 147.
Wolfs tal (Bz. Bruch) 37. 436.
Wolfstein, Herren von 359.
Wolkersdorf, Bernhard von 543.547.
— , Dietrich und Ortolf von 464.
Wopfing (Bz. Wiener Neustadt) 219.
Worms, Hoftag von 308.
— , Synode von 270.
Wormser Konkordat 281. 348.
Vv^'ratislaw, König von Böhmen
275 f. 388.
Würflach (Bz. Neunkirchen 262.)
Würz bürg 211. 259. 372. 402. 431.
— , Keichstag von 347. 353.
Register.
61S
Würzburger Bischöfe 362.
Würzburger Besitz 259.
Würzburger Eid 347.
Würzburger Vertrag 376 f.
Wullersdorf (Bz. Oberhollabrunn)
283. 300.
Wultendorf (Bz. Mistelbach) 79.
Zaczo, Kaplan 142.
Zägging, Albert von 508.
— , Konrad von 495.
— , Ludwig von 508.
Zähringen, Bertold von 270.
Zagelau (Bz. Amstetten) 327.
Zaya, Flufs in Niederösterreich 244 f.
Zebing, Ministeriale 322. 462.
Zehnte s. Abgaben.
Zeillern (Bz. Amstetten) 141. 155.
Zeillernbach (Cidelbach) 135.
Zeiselberg (Bz. Krems) 28.
Zeiselmauer (Bz. TuUn) 56. 136.
144. 276. 393. 568.
Zeismannstetten 242.
Zeitleihe (Freistift, Baumaunsrecht)
419.
Zeitlham (Bz. Steyr) 155.
Zeitling (Bz. Perg O.-Ö.) 155.
Zelking, Ministeriale 322 435.
Zeno, oströmischer Kaiser 103.
Zetwing in Böhmen 514.
Zinsbauern s. Bauernstand.
Zinse s. Abgaben.
Zinsennehmen 470.
Zinslehen 418.
Zistersdorf im Marchfelde 426.
Zisterzienser 281. 316 ff. 325. 328.
330. 334. 337. 344. 346. 390. 410.
417. (aus Langheim in Franken)
424. 454. 496.
Znaim in Mähren 241. 351. 494.
Zobern (Bz. Wiener Neustadt) 143.
Zölle 8. Abgaben.
Zolleinnehmer (thelonarii) 388.
Zollern, Grafen von 372.
Z 0 1 1 e r n sehe (Brandenburger) Lehen
431.
Z 0 1 1 e r n sehe Besitzungen in Ober-
österreich 546.
Zollregal s. Eegalien.
Zollstätten 386.
Zunftwesen (Anfänge) 527.
Zupen, Zupan 109.
Zwentibold 234.
Zwentipolch 139.
Zwerndorf im Marchfelde 110.
Z w e 1 1 1 , Zisterzienserkloster in Nieder-
österreich 7. 9. 108. 317.322. (Mini-
steriale) 344 f. 350. 352. 381. 402.
409. (Urbar) 422. 425 f. 427. 441.
453. 462 f. 466. 569. 570 f.
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Bericlitigunseii und Nachträge.
S. 2, Anra, 3. Kubitscheks und Frankfurters Führer durch Carnuntum
ist 1904 in 3. Auflage erschienen.
S. 3, Anra. 1. Kubitscheks Studie „Viudobona" ist nicht in den „Serta
Harteliana", sondern in den „Xenia Austriaca" (Festgabe zur 42. Ver-
sammUing deutscher Philologen und Schulmänner 1893J erschienen (vgl.
S. 53, Anm. 2).
S, 4, Anm. 1. Siehe auch noch Kr u seh, Der heilige Florian und sein Stift
(Neues Archiv XXVIII, 339 und 5Ü7, 1903).
S. 29, Z. 11 von oben hat es statt: Binnenmeer der Eiszeit, richtiger „Mittel-
meer der jüngeren Tertiärzeit" zu lauten.
S. 33 fF. Für die Geschichte der Metalli^erioden ist jetzt zu vergleichen: Luer
und Creutz, Geschichte der Metallkunst I (Stuttgart 1904).
S. 34. In den letzten Jahren sind allerdings auch in Niederösterreich so zahlreiche
Funde aus der Bronzezeit gemacht worden, dafs die ältere Annahme,
diese Periode sei bei uns nur schwach vertreten, nicht mehr aufrecht-
erhalten werden kann. Siehe die aufschlufsreiche zusammenfassende Ab-
handlung von Hörne s, Die älteste Bronzezeit in Niederösterreich (Jahr-
buch der k. k. Zentralkommission für Kunst- und historische Denkmal©
NF. I, If., 1903).
S. 117, Anra. 2. Zur Literatur: Chabert, Bruchstücke einer Staats- und
Rechtsgeschichte der deutsch - österreichischen Länder (Denkschrift der
k. Akademie der Wissensch. III, 112, 1852).
S. 145, Z. 2 f. von unten hat es richtig zu lauten : „ im Tauschwege gegen Güter
jenseits des Wiener Waldes usw." Die nochmalige Untersuchung der
Urkundenkopie im Münchener Eeichsarchiv hat aufserdcm anstatt der
Lesung „Nominicha", wie die Mon. Boic. und das ÜB. d. L. o. d. Enns
gedruckt haben, die Lesung „Niuwinicha" ergeben. Siehe jetzt auch:
Giannoni, Geschichte der Stadt Mödling (Mödling 1905).
S. 180, Anra. 3 fehlt das Zitat: Mühlbacher in den Mitteilungen des In-
stitutes für österreichische Geschichtsforschung XXIV, 424, 1903.
S. 181. Z. 2 von unten lies Menfö statt Mensö.
Berichtigungen und Nachträge. 615
S. 223, Anm. 1. Ferner Blank, Die Besiedelung des Landstriches zwischen
der Enns und Ips (in Vorbereitung für das Jahrb. für Landesk. von Nieder-
österreich IV, 1905). Vgl. meine Übersicht : Zur Geschichte der Besiedelung
Nieder- und Oberösterreichs (Deutsche Geschichtsblätter V, 275, 1904).
S. 225, Anra. 3. Vgl. jetzt auch Willibald Nagl, Über die Fortschritte der
geographischen Namenkunde (Geographisches Jahrbuch XXVII, 129, 1905).
S. 231. Hier wäre auch auf jene Ortsnamen aufmerksam zu machen , die noch
heute in ihrer spezifisch dialektischen Form auf eine bestimmte , zumeist
fränkische oder oberpfälzische Abstammung der ersten Ansiedler hinweisen,
z. ß. Putten (für Butte), Nondorf aus Naundorf für Neudorf u. a. m.
S. 245, Z. 10 von oben lies Frowila statt Frowiza.
S. 252, Z. 11 von oben lies Rührsdorf statt Ruhrsdorf.
S. 253, Z. 6 von unten lies Rorbach statt Rombach.
S. 294, Anm. 3. Kraliks Buch ist nunmehr nicht, wie ursprünglich geplant, in
Wien, sondern als 3. Band der ,, Sammlung illustrierter Heiligenleben"
in Kempten und München 1904 erschienen.
S. 298, Z. 6 von oben lies Oedenburg statt Odenburg.
S. 300. Adelheid von ^Vildberg, Witwe des Grafen Ernst von Hohenberg, hatte
im Jahre 1135 die Absicht, im Walde Prumste (Viertel ober Manharts-
berg), den sie dem Kloster Kremsmünstcr zur Urbarmachung schenkte,
ein Kloster zu gründen (ÜB. von Kremsmünster S. 36).
S. 311, Anm. 2. Vgl. auch die Besprechung von Erbens Buch durch Tan gl
in der Zeitschrift der Savignystiftung XXV , Germ. Abt. , S. 258 , 1904.
Anm. 3. Zur Vervollständigung der Literatur wäre noch anzuführen:
Nicola doni, Zur Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte der öster-
reichischen Herzogtümer im 60. Bericht des Museum Francisco-Carolinum,
S. If., 1902, das aber für die wissenschaftliche Kritik wertlos ist.
S. 360. Zu den Münzstätten der steierischen Ottokare ist der ältere Aufsatz
von Bergmann in den Wiener Jahrbüchern für Literatur Gl, 1843,
Anz. Bl. S. 18 zu vergleichen.
S. 414, Anm. 3. Ergänze: Strnadt in Mitt. des Inst. f. österr. Geschichtsf.
XXIII, 650, 1902. Nach ihm ist Freistadt nichts anderes als der zu
Beginn des 13. Jahrhunderts genannte Ort Windischniarkt, der einer
nach 1142 entstandenen Wendenansiedelung Windisehdorf entspricht, und
der von Herzog Leopold VI. Marktrechte erhalten haben dürfte. Zur
Stadt scheint ihn erst König Ottokar erhoben zu habeu, worauf der neue
Name Freistadt den alten verdrängte.
S. 453, Z. 1 von unten lies Baumburg statt Baumberg.
S. 508, Z. 11 von oben lies Albero statt Albert.
Schliefslich sei noch angefülirt, dafs unter dem Protektorate Sr. Maj. des
Kaisers von Österreich im Verlaufe des Jahres 1905 ein vom Staatsarchivar Dr.
010 Boriclitif^iuij^on und Nachträj^o.
Hans Schütter redigiortos grofsos Prachtwork „An Eliron und an Siegen reich"
erscheinen wird, das wichtige Kapitel der österreichischen Geschichte in Einzel-
darsteUungen behandelt, zwar nur in gedrängter Kürze, aber da die Aufsätze von
iiervorragenden wissenschaftlichen Autoritäten verfafst sind, ist es wohl berechtigt,
sie auch in einem wissenschaftlichen Werke unter der Literatur zu vermerken.
Für den Zeitabschnitt, den vorliegendes Werk umfafst, kommen in Betracht:
Kralik, Osterreicli im Nibelungenliede; La m pol. Die Anfänge Österreichs und
die Gründung der Ostmark; Drexler, Die wichtigsten Klostergründungen der
Babenberger; Lampe 1, Kaiser Friedrich der Rotbart und Herzog Heinrich
Jasomirgott; Wilhelm, Der Kreuzzug Leopolds des Glorreichen; Dop seh, Der
letzte Babeuborgor; Das österreichische Interregnum; Schöubach, Humanismus
im Österreich dos 13. Jahrhunderts; Vancsa, Die Königswahl Rudolfs von
Habsburg; Redlich, Rudolf von Habsburg und Ottokar von Böhmen.
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Druck von Friedricli Andreas Perthes, Aktiengesellschaft, Gotha.
-'S Vancsa, Max
38 Geschichte Nieder- und
■> ' 'Derosterreichs
V3
Bd.l
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