Skip to main content

Full text of "Geschichte Roms in seinem Uebergange von der republikanischen zur monarchischen Verfassung oder Pompejus, Caesar, Cicero und ihre Zeitgenossen; nach Geschlechtern und mit genealogischen Tabellen"

See other formats


e-r^ 


^^ 


Digitized  by  the  Internet  Archive 

in  2009  with  funding  from 

University  of  Toronto 


Iittp://www.arcliive.or^/details/geschicliteromsi01drum 


Geschichte   Roms 


in   seinem  Uebergange 


von 


der  republikanischen  zur  monarchischen 
Verfassung^ 

oder 

POMPEJUS,     CAESAR,     CICERO 

und  ihre  Zeitgenossen. 

Nach    Geschlechtern 

und  mit  genealogischen  Tabellen. 
Von 

rv.     D  H   U  31  A  N  N, 

Professor  lUr  Geschichte  zu  Königsberg-. 


♦  < 


Erster     T  h  e  i  1. 


KOENIGSBERG    1834. 

Im    Verlage     der    Gebrüder    B  orn trag  e  r. 


'O  ()/,  Ji'i'  ^y(u  nauar.fi.ivoiuut  nf^t  ai'iov  %ovf 
xai'J-  tjiifl-;'  —  iüv  ttiv  y.utu  mjo'tiaiv  (i'ntqxo'jiii- 
0-ä  nov  y.uiu  jiouyfiutitat'  difni'fV()n/.ieroi,  xni 
TtKijnoäivTsq  Ti)»"  a/.i]&fu(i',  fKiafiaicrixoiz  inmiiüv 
iiiv  dl  xuv  liyvniui' ,  avyyvmiir^r  f'/fw ,  y.al  fta/.t- 
oxtt  nuvzmv  tjiilf f  ätu  to  ftf'yf&n'^  rfjq  avr- 
■rüiKaq,  xttt  rft«  T»;»"  raO-o/.ov  rti()tßn).riv  fiuv 
7t<iu^'ftr't[uv. 


Vorrede. 

Zu  keiner  Zeit  hat  die  Frage,  welche  an- 
geblich die  Sieben  in  Persien  beschäftigte,  ein  leb- 
hafteres Interesse  erregt,  als  in  der  unserigen,  und 
nicht  leicht  hat  man  sich  je  so  allgemein  fiir  Hi- 
hig  und  berufen  gehalten,  sie  zu  beantworten. 
Dem  Unbefangenen  und  Unterrichteten  wird  es  al- 
lerdings durch  einen  häufigen  Wechsel  der  Verfas- 
sungen erleichtert,  darüber  zu  urtheilen,  welche 
die  beste  sei;  den  politischen  Stürmen  der  Grie- 
chen verdanken  wir  zum  Theil  die  politischen  Sy- 
steme ihrer  Philosophen,  obgleich  wir  sie  nicht 
um  den  blutigen  Boden  beneiden,  wo  ihre  Erfah- 
rungen reiften;  jene  Stürme  wurden  aber  selbst 
wieder  dadurch  befördert,  dass  jeder  über  die 
höchste  Aufgabe  im  staatsbürgerlichen  Leben  sich 
nicht  nur  ein  Urtheil  anmasste,  sondern  sie  auch 
practisch  zu  lösen  versuchte.     V<n»  den!  Aberwitze 


IV 

der  Menge  und  der  Schwindler  abgesehen  kann 
die  Theorie  der  Philosophen,  welche  nicht  durch 
Geschichte  und  Erfahrung  geläutert  ist,  das  Wirk- 
liche nicht  berühren,  ohne  es  zu  ver\^irren;  die 
Geschichte  ohne  Philosophie  besagt  nun  eben  nur, 
was  geschehen  ist,  sie  liefert  Notizen,  und  dem 
staatsbiugerlichen  Sein  eine  bloss  gescliichtliche 
Grundlage  geben,  heisst  aus  der  ^  ergangenheit  mit 
dem  Guten  auch  das  Schlechte  heridjer  nelnnen, 
und  das  Gute  in  Schlechtes  verwandeln,  weil  es 
nicht  an  seiner  Stelle  ist.  Dagegen  ist  die  Ge- 
schichte, mit  einem  philosophischen  Geiste  und  vor 
allem  mit  einem  reinen,  vorurtheilsfreien  Gemüthe 
aufgefasst,  auch  in  dieser  Hinsicht  die  beste  Leh- 
rerinn; sie  zeigt  die  AVege  und  die  Abwege,  die 
Ursachen  und  die  Wirkungen,  und  je  ferner  die 
Zeiten  liegen,  desto  ruhiger  ist  die  Betrachtung. 

Die  römische  Geschichte  beweis't,  dass  repu- 
blicanische  Formen  sich  nicht  dauernd  für  die  Men- 
schen eignen,  wie  sie  sind,  dass  sie  bei  einfachen 
und  unverdorbenen  Sitten  eine  Zeitlang  bestehen 
können,  aber  von  diesen  Leben  und  Kraft  empfan- 
gen, nicht  umgekehrt,  und  dass  eine  Nation  zu 
beklagen  ist,  deren  Staatsschiff  erst  dann  den  Ha- 
fen der  Monarchie  erreicht,  wenn  sie  entartet 
ist,   welche   sich  nicht  selbst  sagt,    sondern  nach 


V 

der  Raserei  des  Bürgerkrieges  aus  dem  Munde  des 
Siegers  verninnnt: 

Niemals  frommt  Vielherrschaft  im  Volk  ;  nur  Einer  sei  Herrscher, 
Einer  König  allein. 

Es  ist  meine  Absicht,  das  Leben  und  den 
Cliaracter  der  Römer  zu  sdiildern,  welche  den 
Uebergang  der  republikanischen  zur  monarchischen 
Verfassung  vermittelten ,  oder  das  Bestehende  zu 
retten  suchten.  Mehrere  ragten  als  Riesengestal- 
ten über  ihre  Mitbürger  hervor,  wie  ihr  Staat  über 
die  Staaten;  Andere  erhob  das  Glück;  Alle  aber 
schalteten  über  Kräfte,  welche  eine  grosse  Vor- 
welt  geschaffen  hatte.  Dem  Kampfe  der  Stände 
war  der  Kampf  um  die  Weltherrschaft  gefolgt,  die« 
sem  folgte  der  Kampf  um  die  Herrschaft  in  Rom ; 
Parteien  machten  sie  einander  streitig,  und  als 
diese  erschöpft  waren,  ihre  Häupter;  deshalb  konn- 
te Sulla  nur  Parteihaupt  und  Dictator  sein,  nicht 
König,  nnd  Cäsar  der  Sache  nach  König,  aber  nur 
ohne  das  Diadem. 

Bei  grosser  Gährung  insbesondere,  wenn  je- 
der sich  frei  zu  sein  dünkt,  unterliegen  die  Mas- 
sen dem  Einflüsse  Einzelner;  diese  hat  daher  auch 
der  Geschichtsforscher  vorzüglich  ins  Auge  zu  fas- 
sen, und  nach  ihnen  ihre  thätigsten  Werkzeuge; 
er  geht   dann   zu    den   Quellen    der  Erscheinungen 


VI 

zurück.     Es  ist  in  dieser  Schrift  versucht;  sie  soll 
nicht   eine   Sammlung    von    Lebensbeschreibungen 
sein,    sondern   eine    auf  Lebensbesclireibungen  ge- 
grinidete    Geschichte    Roms    innerhalb    der    ange- 
gebenen Gränzen,  so  dass  manmit  Ilidfe  derXacli- 
Aveisungen  im  Leben   des  Einzelnen   ein  Bild   von 
dem  Gesammtleben  der  Römer  erhält,    so  weit  er 
dabei  betheiligt  war.     Das  Wichtigste   und   Allge- 
meinste ist  in  der  Geschichte    der  Mäimer  zusam- 
mengestellt, welche  am  entscheidendsten  wirkten; 
so  hier  im  Leben  des  Antonius,  und  im  Folgenden 
in  der  Geschichte   des  P.  Clodius,    des  Cäsar  und 
Pompejus.     Mit    diesen   Namen    ist    demnach    zu- 
gleich die  Zahl  der  Bände  angedeutet ,  auf  welche 
sich  das  Ganze    beschränken  wird,    da   eben  eine 
solche  Einrichtung  es  möglich  macht,    in  den  an- 
deren Abschnitten  kurz  zu  sein ,  ohne  etwas  We- 
sentliches zu  übergehen. 

Wenn  es  aber  rathsam  schien,  das  Sein  des 
Einzelnen,  obgleich  es  nur  ein  Theil  des  Ganzen 
ist,  doch  auch  als  ein  in  sich  Geschlossenes  dar- 
zustellen, von  der  Abkunft,  den  häuslichen  Ver- 
hältnissen, der  Persönlichkeit  und  dem  Privatleben 
genauer  Kenntniss  zu  nehmen,  als  es  eine  allge- 
meine Geschichte  gestattet,  so  empfahl  sich  nun 
auch  die  alphabetische  Ordnung,  weil  sie  für  den 


VII 

Leser    die    beqiieitiste    ist,    obgleich   die   Zeitfolge 
ihr  aurgeopfert  werden  niusste,  die  Geschichte  des 
dritten  Bürgerkrieges  hier  nun  zuerst  gegeben  Avird. 
Nicht  alle  Geschlechter,  deren  die  Geschichte 
in  Ciceros    Zeiten    gedenkt,    kommen   in   Betrach- 
tung, und  wiederum   nicht  alle  Familien  der  Ge- 
schlechter, welche  aufgeführt  sind,  denn  nicht  alle 
stehen  in  einer  Beziehung  zu  meiner  Aufgabe;  über 
manche  sind  die  erforderlichen  Nachrichten  ■  einge- 
schaltet.    In  den  genealogischen  Reihen  ferner  bin 
ich  nicht  immer   gleich    weit   zurück  oder  vorge- 
gangen,   weil  es  nicht  immer  von  gleicher  Wich- 
tigkeit ist,  die  Ahnen  und  Nachkommen  der  Män- 
ner zu  kennen,    um  welche  es   sich  handelt.     Als 
Quellen   habe   ich   auch    einige    Schriften   benutzt, 
de-en  Aechtlieit  bezweifelt  ist,  namentlich  mehre- 
re von   den  Critikern   angegriffene  Reden  Ciceros  ; 
ich  Averde  mich  über  die  Gründe ,   warum  ich  je- 
nen nicht  beitrete,  und  dagegen  die  Briefe  an  Bru- 
tus  als    untergeschoben    verwerfe,    am   geeigneten 
Orte  äussern. 

Die  folgenden  Theile  sind  vorbereitet  und  des- 
halb ist  dieser  nicht  schon  früher  erschienen;  ich 
hielt  es  für  noth wendig,  alle  diese  Römer  so  ge- 
nau zu  kennen,  als  es  die  Quellen  und  meine 
Kräfte  zulassen,    ehe  ich  auch  nur  über  Einen  zu 


VIII 

schreiben  wagte;  insbesondere  niusste  mein  Lrtheil 
iiber  Cicero  feststehen,  damit  icli  Avusste,  was  auf 
das  seinige  zu  geben  sei.  Das  Opfer,  welches  ich 
damit  mir  selbst  gebracht  liabe,  wird  micli  gegen 
den  A  orwurf  der  Ue))ereihnig  sicliern,  wenn  auch 
nicht  gegen  vielfachen  Widerspruch. 

Nicht  wider  aber  ohne  meinen  Willen  ist  mein 
Ruch  eine  Lobschrift  auf  die  Monarchie,  und  ich 
freue  mich  des  nicht  gesuchten  Ergebnisses,  wel- 
ches sich  mir  nicht  bloss  in  der  römischen  Ge- 
schichte aufdringt,  denn  der  Preusse,  der  Unter- 
than  eines  Friedrich  Wilhelm ,  kann  kein  anderes 
politisches  Glaubensbekenntniss  haben,     als: 


JÜ^IS 


A.  Lepidi 


3.  M.  TiepiihiH. 
jir.  2IS  — j3(i. 

7.  M.  I.epidiis. 
Cos.  187  — .IßT. 

8.  M.  Le})i)his. 
ros.  löS  — 5'Jß. 


I.    AEMILII. 


1 .  IM.  Aemilius    (Lepidus.) 

Cos.  285  i;.  C7/r.  —  4C!t«. //. 

2.  M.  Lepidus. 

CV/j.  232  — 522. 

4.  L.  Lepidus. 

C.  M.  Lepidus. 

pr.  213  —  541. 


9.  M.  Lepidus    Porcina. 
Cos.  137  — 017. 


5.  Q.  Lepidus. 


JO.  M.  Lepidus.      11.  (i-  Lepidus. 

"12.  AL  Lepidus  —   13.  .Appuleia.     14.  IVIam.  Lep.  f.Iviainm. 
Vos.  78—070.  Cos.  77  —  077. 

15.  IM' Lepidus.  — IG.  Cornelia. 

Co.v.  06— 088. 


o  —  »I  I 

,/v 


n.  L.  Aemil.  P«ull. 
Cos.  50  —  704. 


21.  AI.  Leiniius — lö.  Jiinia.  ao.  Coruel.  Scip.  Aemilian 
111    rh 


18.  Pauli.  .lein.Lep.— 19.  Cornelia.     20.  M.  I^epidus.  —  27.  .latonia.    21t.  ("({.  Lepidus.; 
CV(.t.  34  — 720.  28.Servilin.       Tos.  2t—  733. 


20.  L.Aeni. Pauli.  — 21.  Julia.     22.  M.  Aem.Lepid.     23.,VeniiliaLepida. 
Cos.  l.n.C/ir. — 754.  tvs^d.n.  Chr.  —  759. 


I.      Aemilii. 


"atricisch ;  ')  ein  altes  und  berühmtes  Geschlecht.  -) 

Familien:      A.    Lepidi.     B.    Scauri, 

Nur  diese  kommen  hier  in  Betrachtung.  Am  frühesten 
werden  die  Mamercini  erwähnt,  ivelchc  seit  484  v.  Chr.  zu  den 
höchsten  Elirenstellen  gelangten,^)  und  zum  Theil  den  Vor- 
namen Mamercus  hatten.  Festus  erklärt  ihn  aus  dem  Oscischen, 
in  welchem  man  Mamers  für  Mars  gesagt  liabe.  Eben  so  ehren- 
A'oU    war  die    später  erdichtete  Abstammung  von  Mamercus.     Er 


1)  Dionys.  Hai.  8,  82.  Liv.  22,  35.  39,  32.  Pliit.  Aem.  V.  '2.  2)  Cic. 
pro  Se.\t.  G8.  13  phil.  4.  ad  Fam.  15,  12.  Sallust.  Hisl.  1.  p.  947.  ed. 
Cor«.  Vellej.  2,  114.  Plin.  7,  54.  Tacit.  Ann.  3,  22.  23.  C,  27.  2!). 
3)   Dionys.    L    c.    Liv."  2,    42.    49.    54. 

Dniinann,    Geschichte  Roms  I.  \ 


♦i  I.    AEM[Ln.  (I.) 

war  nacli  Einigen  ein  Solin  des  P^thagoras,  und  wurde  wegen 
seiner  Wohlredcnhcit  (di  uifddütv  ).öyov)  und  wegen  seiner  ge- 
fülligen Sitten  Aemilius  genannt,*)  eine  Bezeichnung,  deren 
Sinn  man  auili  in  den  späteren  Lepidus  wieder  findet.  *«•)  An- 
dere hielten  Mamcrcus  für  einen  Sohn  des  Nunia.  ^)  Auch  Ae- 
milus,     ein    Sulin  des  Ascanius,  <»)    und  AmuliusOa.)   wurden  zu 

Ahnherrn    dieses    Geschlechts    erhoben.      \  on    der    Bedeutiin"-  des 

o 

Namens  Scaiirus  im  FoI":enden.  ~0 
A.      Lcpidi. 

1.  iM.  Aemilius  (Lcpidiis. )  Consui  285  v.  Chr.  Der  Zu- 
name ist  ungewiss.  ^) 

2.  M.  Lepidus.  M.  F.  M.  N.  Wenn  er  von  dem  Vorigen 
abstammte,  so  kann  er  der  Zeit  nach  dessen  Enkel  gewesen 
sein.  Augur  und  zweimal  Consui.  *■>)  Cos.  I.  232  v.  Chr.  Die 
Zeit  seines  zweiten  Consulats  erhellt  weder  aus  Livius  noch  aus 
den  Fasten ;  dass  er  a.  220  an  die  Stelle  eines  Anderen  ge- 
wählt sei,  '^)    ist  nicht  zu   beweisen. 

3.  M.  Lepidus.  M.  F.  M.  N.  Sohn  des  Vorigen,  ")  und 
«war  der  älteste,  wenn  auch  der  gleiche  Vorname  nicht  immer 
dafür  bürgt.  Praet.  218  '-)  und  auch  als  Propr.  so  genannt.  '3) 
Er  warb  für  210  vergebens  um  das  Consulat.  i^)  Pigbius  läfst 
ihn  als  Gesandten  nach  Aegypten  gehen,  ^^)  und  verwechselt  ihn 
also  mit  No.  7. 

4.  L.  Lepidus.     Bruder  des  Vorigen.  '^) 

5.  Q.   Lepidus.     Bruder    der  beiden  A  origen.  '^) 

6.  M.  Lepidus.     pr.  213.  '8) 

7.  M.  Lepidus.  M.  F.  M.  N.  Vielleicht  derselbe,  welcher 
sich  im  Felde  hervorthat,  ehe  er  die  männliche  Toga  erhalten 
hatte.  ^8")  a.  201  wurde  er  nebst  zwei  Anderen  zu  dem  un- 
mündigen Ptolemäus   5.   nach  Aegvpten    geschickt,'"^    und    zwar 

4)  Plut.  I.  c.  Fest.  V.  Aeniil.  4  a.)  Cic.  ad  AtCie.  10,  5.  §.  3.  ed. 
Schütz.  O  dies  in  auspiciis  Lepidi  lepide  descriplos.  5)  Plut.  Nuni.  21. 
Unten  Aerail.  Scaur.  No.  0.  0)  Fest.  1.  c.  Cr/.)  Sil.  Ital.  Pun.  8,  297. 
7)  Unten :  Scauri.  8)  Die  Fai^ti  Sic.  Onuphr.  u.  CuBpin.  nennen  ihn  Le- 
pidus, Cassiod.  nur  IVI.  Acn-.il.  iXIarlian.  Harhula.  0)  Liv.  23,  iO- 
10)  Pigh.  Marlian.  Ann.  ad  a.  533.  a.  h.  11)  Liv.  1.  c.  12)  Ders. 
21,  49.  51.  13)  Ders.  22,  9.  33.  11)  Der».  22,  35.  l.i)  2.  p.  138. 
16)  Liv.  23,  30.  17)  Ders.  1.  c.  18)  Ders.  24,  43.  44.  18  a)  Valer. 
AI.  3,  1.  1.      10)  Polyb.  16,  34.  Liv.  31,  2.  Tacit.  A.  2,   G7.   lustin.   30,  2.   3. 


LEPIDI.  (8.)  3 

als  der  Jüngste,  '-"'  ehe  er  Pontifcx  oder  gar  Pontifex  Maximiis 
war.  -')  üass  er  auf  einem  Denar  aus  späterer  Zeit  so  und  zu- 
gleich Vormund  des  Königs  genannt  wird,--)  hat  Pighius  ver- 
leitet, liier  an  Ptoleniäus  0.  und  7.  /u  denken.  -■^)  Cos.  I.  1S7 
V.  ("hr.  -*^  nachdem  er  ZMeimal  vergebens  sich  beworben  hatte.  -^) 
Pontifex  M.  ISO.  2fi)  Censor  179.  ^Tj  Cos.  11.  1 75.  -»J  Sechs- 
mal  princcps  sen.  -^)  f  a.    152.  •''**) 

8.  M.  Lepidus.  M.  F.  M.  N.  Sohn  des  '\'origen.  ■")  Trib. 
mil.   im  Kriege    mit  Antiochus  M.  •'-)  Consul    158.  •'■*) 

9.  M.  licpidus  Porcina.  •'*•  Vielleicht  der  Enkel  von 
No.  G.   Cos.   137.  35)  und  Augur.  '^O 

10.  M.  Lepidus.   Cos.   12ß.  ^t) 

11.  Q.  Lepidus.  M.  F.  M.  N.  38)  Er  kann  nicht,  wie 
Norisius  annimmt,  39)  der  Sohn,  sondern  nur  der  Enkel  A'on 
No.  7.  gewesen  sein,  welcher  übrigens  mehrere  Sohne  hinter- 
liess.  *^)  (ilandorp  übergeht  unseren  Quintus.  Man  Aveiss  nicht, 
ob  er  Aemter  verwaltete,  obgleich  ^  aillant  *')  eine  Münze  auf 
seine  Aedilität  bezieht,  und  Pighius  *-)  ihn  bei  d.  J.  116  v.  Chr. 
als  Priitor  aufführt. 

12.  M.  Lepidus.  Q.  F.  M.  N.  «)  Pr.  81.  Schlechte  Ver- 
waltung von  Sicilien.  **)  Cos.  78.  Versucht  Sullas  Gesetze  und 
Einrichtungen  aufzuheben,  wird  von  Q.  Catulus  und  Cn.  Pora- 
pejus  vertrieben,    und  -|-  a.   77  in  Sardinien.*") 


Val.  IM.  G,  G.  1.  20)  Polyb.  1.  c.  Liv.  31,  18.  21)  Liv.  32,  7.  22)  ürsin. 
Vaill.  Aemil.  No.  17.  Eckh.  5.  p.  123.  f.  23)  2.  p.  403.  24)  Poljb. 
23,  1.  Liv.  38,  42.  Valer.  M.  6,  6.  3.  25)  Liv,  37,  47.  38,  35.  43. 
40,  40.      26)  Cic.  13  phiL  7.  Liv.  37,  43.  40,' 42.  45.  41,  27.  Polyb.  23, 

1.  32,  22.  Val.  Max.  4,  2.  1.  6,  6.  1.  u.  oben  A.  22.  27)  Liv.  40,  45. 
Val.  M.  4,  2.  1.  28)  Cic.  de  prov.  cons.  9.  Val.  M.  1.  c.  Obseq.  65.  Fast. 
Sic.  Cassiod.  29)  Liv.  ep.  48.  Vgl.  40,  51.  41,  27.  43,  15.  ep.  46.  47. 
Polyb.  32,  22.  Nach  Meyer  Orat.  Rom.  Fragm.  p.  GS.  wurde  ihm  diese 
Auszeichnung  nur  dreimal.  30)  Liv^  ep.  48.  Cic.  de  sen.  17.  Vgl.  Noris. 
Cen.  Pis.  diss.  2.  p.  345.  31)  Liv.  37,  43.  32)  Das.  33)  Fast.  Sic. 
Cassiod.  Plin.  34,  14.  34)  Cic.  Brut.  25.  de  er.  1,  9.  Val.  M.  8.  1.  daran. 
§.  7.   Priscian.  T.    1.   p.   45G       35)  Cic.  Brut.  27.    Oros.  5,  4.     36)  Vellej. 

2,  10.  1.  37)  Cic.  Brut.  28.  Fast.  Sic.  Cassiod.  38)  Unten  No.  24.  in. 
39)  Cen.  Pis.  diss.  2.  p.  346,  40)  Lir.  ep.  48.  41)  Aemil.  No.  21. 
42)  3.  p.  95.  43)  Unten  No  24.  in.  44)  Cic.  Verr.  3,  91.  45)  S. 
Pompeii.  u.  Corneh  Cinn.  im  Folgenden. 

1* 


4  I.    AEMILII.  (13.) 

13.  Appuleja.  Gem.  des  Vorigen,  ihm  untreu  und  deshalb 
geschieden.  *■•  ^O 

14.  Mam.  Lepidus  Livianus.  ^^J  Durch  Adoption  aus  dem 
Geschlechte  der  Livii  in  dieses  übergegangen,  Cos.  77  ^^),  nach- 
dem er  früher  nicht  gewählt  war.  ^^) 

1 5.  M'  Lepidus.  Seine  Abkunft  ist  unbekannt.  Auch  wurde 
die  sublinische  Brücke  nicht  Aon  ihm  als  Quästor  a.  78  von 
Stein  erbaut,  48a.)  sondern  von  einem  Quästor  Aemilius  in 
späterer  Zeit.  Cos.  G6.  ''^^  a.  C5  trat  'er  als  Zeuge  gegen 
C.  Cornelius  auf.  *^ ")  Einer  der  Pontifen,  vor  welchen  Cicero 
a.  57  seine  Rede  pro  domo  hielt.  ^^)  a.  52  erster  Interrex, 
und  weil  er  als  solcher,  dem  Herkommen  gemäfs,  keine  Wahl- 
comitien  halten  wollte,  von  den  Candidateu  des  Consulats  in 
seiner  Wohnung  angegriffen.  ^O  Im  Bürgerkriege  a.  49  auf 
der  Seite  der  sogenannten  Gutgesinnten,  aber  lau,  auf  seinem 
Formianum,  wo  er  fast  täglich  mit  Cicero  zusammen  kam,  den 
Ausgang  erwartend,  und  entschlossen,  Pompejus  nicht  über  das 
Meer  zu  folgen.  ^-)     Er  kehrte  im  März  nach  Rom  zurück.  ^•^) 

16.  Cornelia.     Wegen  ihrer  reinen  Sitten  gerühmt.^*) 

17.  Lucius  Aemilius  PauUus.  M.  F.  Q.  N.  Sohn  von 
No.  12.  Bei  den  Annalisten,  Genealogen  und  Numismatikern 
findet  sich  in  Betreff  seiner  Abstammung,  seiner  Verhältnisse 
und  Naclikommcn  eine  arge  Verwirrung.  Ausser  P.  Manutius  ^^) 
machte  auch  H.  Norisius  ^ß)  auf  das  Richtige  aufmerksam;  Pe- 
rizonius  ^^)  erwarb  sich  zuerst  das  Verdienst,  einen  grossen 
Theil  der  Zweifel  zu  heben. 

§1- 

Die  Alten  tragen  bei  den  vielen  Missverständnissen  die  ge- 
ringste Schuld.     Sie  nennen  unseren  Aemilius:     L.  Aemil.  Paul- 

45  a.)  Plin.  7.  36.  55.  (.53.)  Plut.  Pomp.  IC.  4C)  VaiU.  Aem.  No.  19.  20. 
Val.  RL  7,  7.  C.  47)  Fast.  cap.  Cic.  Brut.  47.  Val.  M.  1.  c.  48)  Cic.  de 
off.  2,  17.  V€rgl.  Suet.  Caes.  1.  18«)  Plut.  Num.  9.  Ursin.  Famil.  Rom. 
Aemil.  p.  5.  A'aiJI-  Aemil.  No.  21.  Pigli.  3.  p.  2S2.  49)  Cic.  1.  Catil.  Ü. 
Cassiod.  49//)  Ascon.  zu  Cic.  2  Cornel.  in.  Val.  Rl.  8,  C.  4.  S.  Cornelii 
iDj'Folg.     50)  Cic.  de    bar.  r.  0.    Vgl.  ad  Attic.    4,    2.  Rlacrob.  Sat.  2,  9. 

51)  Ascon.  zu  Cic.  Milon-   5.  Claudii  im  Folg.    ( P.   Clodius  tr.  pl.  a.   58). 

52)  Cic.  ad  Att-  7,  12.  23.  8,  1.  ß.  9.  15.  53)  Ders.  ad  Att.  9,  1. 
51)  Ascon.  1.  c.  55)  Comraent.  in.  ep.  Cic.  5G)  C€uot.  Pisan.  Diss.  2. 
p.  340.     57)    Anim.    bist.    p.    125.    s. 


LEPIDL  (17.)  5 

lus,  •''^)  oder  L.  Paullus,  ^'■')  Acniillus  P.  "*')  meistens  alter  iiur 
Paullus.  •")  Bei  Dio  •''^^  bezieht  sich  P.  Acmil.  Lepidus  auf  den 
Sohn.  Stets  aber  Mird  Paullus,  Cos.  äO.  der  Krbaiier  der  Ba- 
silica,  der  a.  43  Geächtete,  als  Bruder  des  Triumvir  Lepidus 
bezeichnet , ''•')  und  in  dem  Spottgesange  der  Krieger  bei  dem 
Triumphe  des  Letzteren  und  des  L.  Plancus  als  leiblicher  Bru- 
der, ß*) 

Indess  hat  die  Verschiedenheit  ihrer  Namen  zu  der  Mei- 
nung verleitet,  Paullus  sei  von  dem  Vater  des  Triumvir,  von 
M.  Lepidus  Cos.  78.  adoptirt,  und  habe  diess  dadurch  bemerk- 
lich gemacht,  da  er  in  demselben  Geschlechte  blieb,  und  des- 
halb nicht  Aemilianus  hcissen  konnte,  dass  er  sich  statt  Aemi- 
lius  P.  Paullus  Acmilius  Lepidus  nannte,  seinen  bisherigen  Fa- 
milien-Namen in  den  Vornamen  verwandelte.  *'>') 

Bei  den  Römern  bezieht  sich  der  Ausdruck  Bruder  aller- 
dings oft  nur  auf  einen  Adoptivbruder  oder  auf  einen  Vaters- 
Brudersohn.  (  frater  patruelis)  •'^  *•)  Es  ist  aber  schon  befremd- 
lich, dass  einer  solchen  Adoption  nirgends  gedacht  wird,  und 
diess  erhält  dadurch  noch  mehr  Gewicht,  dass  der  Vater  des 
Paullus  Marcus  hiess,  6'')  ganz  so,  wie  der  Vater  des  Triumvir. 
Ueberdiess  geht  man  von  der  falschen  Voraussetzung  aus,  dass 
Paullus  und  der  Censor  a.  22  ^^J  eine  und  dieselbe  Person 
sei,  ^^)  welches  nachtheilig  auf  die  Untersuchung  gewirkt  hat. 
Was  ferner  jenen  Spott  der  Soldaten  betriift,  so  war  der  ge- 
ächtete L.  Plautius  Plancus  cutschieden  der  leibliche  Bruder  des 
L.  !\Iunatius  Plancus,''^)  und  diess  lässt  auf  ein  gleiches  Yer- 
hältniss  zwischen  den  Aemiliern  schliessen,    und  zwar    so,     dass 


58)  Dio  '10.  ind.  Coss.  50)  Cic.  ad  Farn.  8,  S.  §.3.  13  Phll.  (>. 
Liv.  120.  Flor.  4,  C.  4.  Oroa.  C,  18.  Dio  40,  G3.  47,  C.  CO)  Suet.  taes. 
29.  App.  2.  p.  443.  Gl)  Cic.  ad  AU.  4,  10.  §.  f».  Vellcj.  2,  07.  SueJ. 
Oc(.  16.  App.  4,  595.  010.  Dio  47,  8.  Plut.  Cic.  40.  Aiit.  iO.  n,  s. 
02)  49,  42.  54,  2.  l  iilen  No.  18.  03)  Cic.  13  phil.  4.  ad  All.  14,  8. 
Liv.  Veliej.  Flor.  Oros.  App.  Dio  IMul.  11.  cc.  ii.  App.  4,  592.  Dio  47,  0. 
Ol)  Veliej.  1.  c.  Unten  No.  24.  05)  IJrsiji.  Aemil.  p.  7.  Vaill.  Aerail. 
No.  10.  Pigh.  3.  p.  495.  Eckh.  5.  p.  127.  zvveifel«.  05«)  Eben  so  Soror. 
Cic.  2.  Phil.  38.  Anfonii  No.  32.  33.  60)  üben  A.  58.  07)  Unten  No.  18 
68)  Pigb.  3.  p.  515.  u.  die  Andern  in  No.  18.  A.  18.  09)  Auloitii 
No.  14.  §.  55.  A.  14.  S.  Munatii. 


6  I.    AEMILII.  (17.) 

yXppuIeja  Beider  Mutter  Mar,  da  sie  und  ihr  Gemahl  Lepidus, 
so  viel  wir  wissen,  sich  nur  einmal  vcrheirathcten.  Die  Be- 
merkung folglich,  ^"-'J  auch  Adoptivbrüder,  oder  solche,  welche 
nur  A  ater  oder  Mutter  gemein  hatten ,  habe  man  germani  ge- 
nannt, ist  hier  gar  niclit  anwendbar,  und  gründet  sich  eben 
zum  Tlieil  auf  jene  unrichtig  erklärte  Stelle  bei  A'cllejus.  "") 
Endlich  hat  man  übersehen,  dass  auch  später  leibliche  Brüder 
in  diesem  Geschlechte  verschiedene  Familien -Namen  hatten.  So 
heissen  die  Söhne  des  P.  Aemilius  Cens.  a.  22  Aemil.  PauUus 
und  Aemil.  Lepidus.  ^-) 

A\  ena  also  die  Geschichte  die  Annahme  einer  Adoption 
durchaus  nicht  unterstützt,  so  Avird  man  gern  Perizonius  darin 
beistimmen,  dass  Lepidus  Cos.  78  einen  Sohn  nach  einem  be- 
rühmten Aemilicr,  nach  1j.  Aemilius  PauUus  benannte,  welcher 
Perseus  überwunden,  und  durch  die  reiclie  Beute  das  römische 
Volk  der  Nothwendigkeit  überhoben  hatte,  in  den  Scliatz  zu 
steuern.  Auch  Andere  erinnerten  auf  diese  Art  an  gepriesene 
Männer  ihres  Geschlechts.  ''-  a ) 

Bei  einer  Vergleichung  der  Jahre,  in  welchen  Paullus  und 
Lepidus  zu  Magistraten  gewählt  wurden,  überzeugt  man  sich, 
dass  jener  der  Aeltcre  war.  "'■^^  In  der  Regel  erhielt  freilich  der 
Erstgeborene  den  Vornamen  des  Vaters,  es  finden  sich  aber 
auch  Ausnahmen;  man  benannte  mitunter  einen  jüngeren  Sohn 
nacli  einem  älteren,  Avenn  dieser  vor  dessen  Geburt  starb  oder 
adoptirt  wurde.  ^*) 

§  2. 

Paullus  scliloss  sich  als  Patricier  von  Anfang  an  die  re- 
gierende Faction  an.  Das  Beispiel  und  unglückliche  Scliicksal 
des  Vaters  äusserte  in  dieser  Hinsicht  keinen  Einfluss  auf  ihn. 
Diess  bewies  er  a.  03  gleich  bei  seinem  ersten  öff'entlicheu 
Auftreten  dadurch,  dass  er  Catilina  nach  der  lex  Plautia  de  vi 
belangte ,  ^^)  nach  Ciceros  Urtheile  ein  grosses  Verdienst  um 
die    Republik.  '"^)     Indess    wurde   er  auch  bald  von  den  Gegnern 

70)  Kulgers.  Var.  Lect.  1.  c.    9.    p.  41.       71)  2,  07.  72)  llnteii  No. 

20.   u.  22.       12 ft)    Antonii.    No.  22.      73)    Gliind.    Oiioin.  Ruperti    stemm, 

u.  A.  führen  ihn  als  den  Jüngeren  auf.  7-1)  Perizon.  I.  c.  75)  Sallust. 
B.    C.    31.        7ü)     ad    Farn.    15,    12.    13.    in    Valin.    10. 


LEPIDI.  (17.)  7 

seiner  Partei  angefeindet;  denn  als  er  a.  GO  und  59  als  Quästor 
des  Propr.  C.  Octavius  ^^>  in  Macedonien  stand,  ''^)  machte  in 
dem  letzten  Jahre,  Mahrschcinlich  auf  Cäsars  Anstiften,  L.  Vet- 
tius  die  Anzeige  von  einer  angehlichen  \  erschwürung  gegen 
Pompejus,  in  welche  auch  Paulliis  verwickelt  sei.  '''■*)  Die  An- 
schuldigung eines  Abwesenden  trug  dazu  bei,  dass  Vettius  kei- 
nen Glauben  fand,  und  als  ein  untüciitiges -Werkzeug  mit  dem 
Leben   biisste.  ^o) 

Nach  Ciceros  Verbannung  a.  58  zerticl  Pompejus  mit 
P.  Clodius,  welchem  er  im  Interesse  Cüsars  ihn  aufgeopfert 
hatte ;  er  sehnte  sich  nun  nach  einer  Stütze ,  wie  der  Senat 
nach  seinem  Wortführer,  für  dessen  Herstellung  a.  57  daher 
auch   Paullus  sich  verwandte.  ^') 

a.  55  unternahm  dieser  als  curulischer  Aedil  die  Bauten, 
welche  so  grosse  Kosten  verursachten ,  dass  es  Caesar  möglich 
wurde,  ihn  zu  bestechen.  Er  stellte  die  Basilica  Aemilia  auf 
dem  Markte  in  der  nachmaligen  achten  Region  wieder  her ,  ^2) 
für  deren  Erbauer  mit  Recht  L.  Aemil.  Paullus,  der  Eroberer 
yon  Macedonien,  gilt.  ^•')  Die  alten  Säulen  wurden  beibehalten, 
und  schon  a.   oi  Avar    das  Werk  fast  vollendet.  ^*J 

Einen  grösseren  Aufwand  erforderte  der  Bau  der  Basilica 
Aemilia  am  Markte,  an  der  Stelle  der  Fulvia,  ^*«)  in  der  nach- 
m.'iligen  vierten  Region ,  welcher  um  dieselbe  Zeit  von  ihm 
verdungen  wurde,  aber  wegen  Mangel  an  Gelde  ins  Stocken 
gerieth.  ^^) 

Da  Pompejus  Gahrung  und  Unruhen  wünschte,  um  die 
Dictatur  zu  erschleichen,  wobei  die  Bestechungen  der  vier  Con- 
sular -Candidateu  a.  54  ihm  willkommen  waren,  so  begann  das 
J.  5.3  mit  einem  Zwischenreiche.  Erst  im  Juli  wurden  die 
Consuln  dieses  J.  und  dann  die  übrigen  höheren  Magistrate  ge- 
wählt,    unter    welchen    sich    auch    Paullus    als  Prätor  befand.  ^^) 

77)  Cic.  ad  Atl.  2,  1.  §.  13.  ad  Qu.  fr.  1.  2.  §.  4.  Suet.  Ocl.  3.  Antonii 
No.  31.  A.  22.  S.  Octavii.  78)  Cic.  in  Vatiii.  10.  79)  Cu;.  11.  cc. 
80)  S.  Claudii.  P.  Clod.  a.  59.  Pompeii.  81)  Das.  u.  Cic.  ad  Farn.  15,  13. 
82)  Cic.  ad  AU.  4,  10.  13  Pliil.  4.  83)  .Sfat.  Silv.  1,  1.  v.  32.  Vgl. 
Sachse  Rom.  1.  S.  308.  u.  GIG.  Unten  No.  22.  84)  Cic.  ad  Att.  1,  c. 
84«)  Plut.  Caes.  29.  Vgl.  Liv.  40,  51.  85)  Cic.  1.  c.  13  Phil,  4.  Plin. 
36,  24.  (15.)  P.  Vict.  u.  Sex.  Ruf.  Reg.  4.  S.  unten  §.  3.  u.  No.  18. 
86)  Cic.  Milon.    9.  Dio  40,   17.  45.   S.  Pompeii. 


8  I.    AEMILII.  (17.) 

Sein  Mitbewerber  1*.   Clodius  trat  zurück,   weil   er  das  Amt  nicht 
auf  so  kurze  Zeit  übernebiuen   wollte.  ^'') 

Kaum  war  «lieser  von  Milos  Banden  getödtet,  als  ein  Bür- 
gerkrieg immer  gewisser  wurde.  ])cshalb  suchte  Pompcjus  a.  51 
die  AValil  in  den  Consular  -  Comitien ,  über  deren  Zeitpunkt 
man  lange  in  Zweifel  blieb ,  8^)  auf  Männer  zu  lenken,  Avelche 
für  Cäsars  Feinde  galten.  **'-*)  Im  Juli  wurden  Paullus '-"')  und 
C.  ]\Iarcellus  '-"^  gewählt;  M.  Calidius,  Melcher  mit  ihnen  ge- 
worben hatte,  sah  sich  in  seinen  Hoffnungen  getäuscht  und 
wegen  Amtserschleichung  angeklagt.  '•'-)  Mit  grosser  Besorgniss 
erwartete  Cicero  damals  in  Cilicien  einen  Angriff"  der  Partlier; 
er  überschickte  auch  Paullus  seinen  Glückwunsch  mit  der  Bitte, 
eine  A'erlängcrung  seiner  Statthalterschaft  "  zu  verhindern.  ^^) 
Dieser  konnte  indess  leicht  erachten,  dass  er  selbst,  in  anderer 
Hinsicht  einen  schwierigen  Stand  haben  werde.  Denn  der  Senat 
beschloss  30.  September  auf  Betrieb  des  Pompejus,  welclier 
Cäsar  (ilallien  zu  entziehen  wünschte ,  dass  die  Consuln  des 
nächsten  Jahres  ] .  Mäi'z  über  die  Consular  -  Provinzen  an  ihn 
berichten  sollten.  '••*i  Paullus  äusserte  sich  auch  jetzt  noch  feind- 
lich gegen  Cäsar,  und  die  Pompejaner  rechneten  ganz  vorzüg- 
lich auf  ihn  und  auf  den  erwählten  V.   Tribun  M.   Curio.  '■'^^ 

§  3. 

Allein  er  entsprach  a.  .50  als  Consul  '"'3  diesen  Erwartungen 
so  wenig  als  der  Tribun.  Wie  Cicero  jetzt  nichts  wichtiger 
war,  als  dass  ihm  ein  Dankfest  und  so  mittelbar  ^^  »•)  der 
Triumph  beschlossen  wurde,  und  er  deshalb  Paullus  '•'')  und 
dessen  Collcjjen  unter  neuen  Schmeicheleien  und  nicht  oline  Er- 
folg  um  ihre  Verwendung  bat,  so  beschäftigte  sich  auch  jener 
vor  Allem  mit  seinen  eigenen  Angelegenheiten.  Durch  die  Bau- 
ten ^^)    war    sein    Vermögen    zerrüttet,      und    seine    Basllica     zu 


87)  Cic.  I.  c.  Claudii.  8S)  Lic.  ad  Kam.  8,  2.  89)  App.  2,  443. 
Dio  1(1,  59.  90)  Cic.  ad  Fam.  8,  1  u.  8.  15,  12.  n.  13.  Brut.  C4. 
Hirt.  H.  Call.  8,  48.  Suet.  Caes.  20.  Pliii.  2,  57.  (56.)  Obseq.  125.  App. 
I.  c.  Dio  40,  C3.  yi)  S.  Clrtiidii  Maroelli.  92)  Cic.  ad  Fam.  8,  4. 
93)  ad  Fam.  15,  12.  94)  S.  Tompeii.  95)  Cic.  ad  P'am.  8,  10.  96)  Oben 
A.  90.  90»)  Die  Siipplicatio  halte  nicht  nothwendig  diese  Foljce.  Aii- 
toiiii  No.  14.  §.  47.  A.  70.     97)  ad  Fam.   15,   13.  u.  8,  II.    9s)  üben  §.  2- 


« 


LEHDI.  ri7.)  9 

vollenden  eine  Ehrensache.  So  verfiel  er  Cäsar,  welcher  durch 
ein  Geschenk  von  1  500  'J'alenten  als  Beisteuer  zu  einem  höchst 
verdienstlichen  Werke '-'•'^  wenigstens  erreichte,  dass  er  schwieg 
und  nichts  gegen  ihn  unternahm.  ^"")  Der  Bau  hatte  nun  seinen 
Fortfang,  er  wurde  aber  bald  von  neuem  durch  den  Bürger- 
krieg unterbrochen ,  so  dass  die  Weihe  erst  a.  34  erfolgen 
konnte,  und  nicht  durch   Paullus.  ^) 

Dieser  blieb  während  des  Krieges  in  Italien.  Er  wird 
nicht  unter  den  Optimaten  genannt,  welche  unter  Pompcjus  be- 
fehligten oder  ihm  über  das  Meer  folgten;  -)  aber  eben  so 
wenig  trat  er  als  ,,  erkaufter  Friedensstifter"  a.  49  im  Senat 
auf,  um  etwa  Cäsars  Vorgeben,  er  wünsche  einen  Vergleich, 
zu  unterstützen.  ^)  Während  sein  Bruder  M.  Lepidus  sich  offen 
für  den  Sieger  erklärte,  lebte  er  in  der  Stille  in  Rom  und  auf 
dem  Lande.  Als  Leberläuier,  wofür  er  den  Meisten  galt,  fand 
er  bei  keiner  Partei  Vertrauen.  Als  ein  Mann  ohne  Ivriegsruhm 
und  von  mittelmässiger  Kraft  konnte  er  auch  nach  dem  Tode 
des  Dictutor  a.  44  nicht  selbstständig  auftreten.  Er  zählte 
nur  in  der  Menge  mit,  und  neigte  sich  daher  wieder  auf  die 
Seite  des  Senats,  äusserte  aber  seine  Gesinnungen  anfangs  nur 
im  Verkehre  mit  einzelnen  Missvergnügten,  welche  auf  ihren 
Gütern  wohnten.  Am  14.  April  sprach  er  Cicero  in  Cajeta, 
und  gab  ihm  Nachrichten  von  dem  Zustande  Roms ,  so  dass  er 
es  erst  nach  jenem  Ereignisse  wieder  verlassen  zu  haben  scheint.  *) 
Auch  zeigte  er  ihm  Briefe  von  Lepidus ,  deren  Inhalt  Beiden 
missfiel ,  weil  er  Feindschaft  gegen   die  Mörder  verrieth.  ^) 

Sie  kehrten  dann  nach  Rom  zurück,  wo  Paullus  dafür 
stimmte,  dass  man  D.  Brutus  im  cisalpinischcn  Gallien  verstär- 
ken, und  ihm  namentlich  die  Legion  des  3Iars  und  die  vierte 
überweisen  müsse.  ^)  Aber  er  wurde  nicht  Legat  des  Lepidus 
in  Gallien  und  unterhandelte  nicht  in  dessen  Auftrage  mit  Sex. 
Pompejus  über  den  Frieden,  ^)     sondern    der    Senat   schickte  ihn 


90)  Suet.  Caes.  29.  App.  2,  443.  Dio  40,  G3.  Pluf.  Caes.  29.  Pomp. 
58.  JOO)  App.  1.  c.  u.  444.  ])  Dio  49,  42.  Vgl.  54,  24.  u.  unten 
No.  18.  2)  Vgl.  Cic.  ad  Atf.  8,  15.  3)  Mohgault  ist  dieser  Meinung, 
Anrn.  4.  zu  ad  Att.  10,  1.  4)  Cic.  ad  Alt.  14,  7.  5)  Das.  14,  8. 
C)  Ders.  ad  Fam.  11,  19.  Antonii  No.  14.  §.  47.  A.  87.  7)  Garatonis 
Verrauthung,    zu    Cic.    13  Pliil.  6. 


10  I.    AEMILII.  (18.) 

mit  einigen  Anderen  erst  später  zu  Ponipejus,  als  dieser  schon 
aus  Spanien  nacli  Massilia  gekommen  war,  und  Brutus  in  Mutina 
gegen  Antonius  Beistand  leisten  sollte.  ^J  Er  gehörte  zu  den 
Senatoren,  welche  30.  Juni  43  Lepidus  wegen  seines  Abfalls  1 
von  Antonius  für  einen  lleichsfeind  erkliirten ,  '■'-'  und  wurde  in 
demsclhen  .Tahre  nach  der  Errichtung  des  Triumvirats  proscri- 
birt.  "*'  Die  Soldaten  gestatteten  ihm,  wohl  nicht  olme  eine 
geheime  Weisung,  sich  zu  M.  Brutus  einzuschiffen,  nach  dessen 
Tode  er  nach  Milet  ging.  '"^-^  Es  scheint,  dass  er  hier  sein 
Lehen  heschloss,  denn  er  kelirte  nie  nach  Rom  ziirück,  obgleich 
er  von  den  Triumvirn  begnadigt  Murde;  ")  die  Annahme,  nach 
welcher  er  a.  34  zum  zweiten  Alale  das  Consulat,  und  a.  22 
die  Censur  verwaltete,   beruht  auf  einem  Irrthume.  '-) 

Das  Lob,  welches  Cicero  ihm  spendet,  '•'-'  weil  er  seiner 
bedurfte,  verdiente  er  nicht.  Er  hat  sich  in  einer  Zeit,  wo 
sich  vielfach  Gelegenheit  dazu  fand,  weder  im  Felde  noch  als 
Staatsmann  ausgezeichnet.  Seiner  Geburt,  dem  Glänze  seines 
Geschlechts  und  seinen  Bauten  verdankt  er  es,  dass  die  Ge- 
schichte  ihn  nennt. 

18.  Paullus  Aemilius  Lepidus.  i«)  L.  F.  M.  N.  '5)  Sohn 
des  Vorigen.  P.  Aemilius  "'-'  und  auch  Aemil.  Lepidjs  P.  '^) 
genannt,  und  von  ^leiireren  mit  seinem  \  ater  verwechselt,  in- 
dem sie  Beide  für  eine  und  dieselbe  Person  halten,  ^*)  und  folg- 
lich No.  19.  20.  22.  und  23.  für  Gemahlin  und  Kinder  von 
No.  17.  Da  dieser  M.  F.  Q.  N.  war,  so  tadelt  Marlianus  ^V 
Dio  Cassius,  welcher  Beide  nicht  unterscheide:'-'^)  ausführlicher 
hat  sich  Perizonius  darüber  verbreitet.  -'J  Der  Vater  sah  nach 
seiner  Aechtung  Rom  nie  wieder,  wie  so  eben  bemerkt  ist,  und 
der  Einwurf  des  Pighius ,  --)  dass  der  Sohn  das  Consulat  nicht 
schon   sechszehn  J.   nach  ihm  habe  verwalten    können,     ist    ohne 


8)  Cip.  1.  c.  9)  App.  4,  595.  Dio  47,  6.  10)  Anlonii  No.  11.  §.  55.  A. 
4.  f.  10«)  App.  4,  010.  Dio  47,  G.  8.  11)  App.  1.  c.  12)  Inten  No.  18. 
13)  ad  Fam.  15,  12.  13.  in  Vatin.  10.  pro  Mil.  9.  13  phil.  0.  M)  Dio 
54,  2.  15)  Fast.  Cap.  in  Pigh.  3.  p.  515.  IG)  Tab.  Capuan.  in  Pigh.  3. 
p.  494.  Bei  Suet.  Oct.  J6.  Aemilius  P.  17)  Dio  49,  42.  18)  Pigh.  3. 
p.  495.  u.  515.  Gland.  Oiiora.  Aupustin.  Fam.  R.  Strein.  Fam.  R.  Rupert! 
■temm.  19)  Ann.  a.  732.  20)  54,  2.  21)  Anim.  bist.  p.  125.  i. 
22)    1.   c. 


LEPIDI.  (19.)  11 

Gewicht,  da  in  diesen  Zeiten  das  geset/miissige  Alter  oft  un- 
beachtet blieh. 

Diu  berichtet  in  der  angeführten  Stelle,  PauUus,  der  Un- 
serigc,  Cens.  a.  22  sei  a.  13  geachtet;  entweder  nimmt  er  ihn 
für  den  Vater,  oder  er  irrt  in  der  Sache,  deren  kein  Anderer 
gedenkt,  und  Perizonius  versucht  vergebens,  ihn  zu  rechtferti- 
gen. Wühl  aber  mag  er  mit  dem  Vater  zu  M.  Brutus  entflohen, 
und  von  diesem  mit  der  Vcrtlieidigung  Gretas  beauftragt  sein. ^3) 
Nach  dem  Tode  des  Brutus  schiffte  er  in  das  ionisclie  Meer,2*J 
ohne  jedoch  an  dem  Kampfe  gegen  die  Triumvirn  ferner 
Theil  zu  iielimen;  vielmehr  begleitete  er  Octavian  im  Kriege 
mit  Sex.  Pompejus. -^) 

So  gelangte  er  a.  3  4  zum  Consulat,  aber  1.  Juli  als  Cons- 
suffectus ,  -'•-*  und  vollendete  und  weihte  jetzt  die  Basilica  seines 
Vaters,  ^^^  welche  a.  11  abbrannte,  und  von  Augustus  unter 
dem  Namen  eines  Aemilius  hergestellt  wurde.  ~^)  Als  Censor  a. 
22  lebte  er  mit  seinem  Collegen  L.  Munatius  Plauens  in  Un- 
frieden, -">'   auch    masste    sich  Octavian    ihre  Rechte  an.  '^^) 

19.  Cornelia.    '  Gemalilinn    des  Vorigen.'''^ 

20.  L.  Aemilius  Paullus.  Sohn  von  No.  18.  und  19.32; 
Consul  a.  1  nach  Chr.  mit  C.  Cäsar,  dem  Sohne  des  Agrippa. •^•^) 
Er  machte  eine  A  erschwörung:    ffcgen  Augustus.  '■^'^J 

21.  Julia.  Gemahlinn  des  Vorigen,  Tochter  des  M.  Agrip- 
pa  von  lulia,   der  Tochter  des  Augustus.  '■^■^J 

22.  M.  Aemilius  Lepidus.  Bruder  von  No.  20.  ^''0  Consul 
G  nach  Chr.  '-^V    Später  Statthalter  in  Asia.  ^s;  Er  starb  a.  33.  39) 

23.  Aemilia  Lepida.  4o) 


23)  App.  5,  672.  24)  Das.  25)  .Suet,  Ocf.  16.  26)  Tab.  Capuan, 
oben  A.  IG.  Grut.  Inscr.  p.  1087.  No.  2.  Dio  49,  42.  27)  Die  49,  42. 
28)  Ders.  54,  24.  20)  Vellej.  2,  95.  Sue(.  Oct.  04.  Piopert.  4,  II.  v.  67. 
30)  Dio  54,  2.  31)  S.  Caecilii.  und  die  Münzen  mit  der  Inschrift: 
Pauli.  Lepid.  Concordia  Puteal  Scribon.  Libo.  welche  an  Scribonia,  Cor- 
nelias Mutter  erinnern  sollten.  Lrsin.  Aemil.  p.  7.  Vaill.  Aemil.  No.  38. 
Eckb.  5.  p,  129.  Periz.  Anini.  bist,  p.  100.  32)  Suet.  Oct.  19.  04. 
Propert.  1.  c.  33)  Dio  55.  ind.  Coss.  Fast.  Sic,  34)  Suet,  Oct.  19. 
35)  Ders.  l.  c.  u.  04.  Tac.  A.  3,  24.  4,  71.  30)  Propert.  1.  c. 
37)  j^o  55,  25.  38)  Tacit.  4,  50.  39)  Ders.  6,  27.  40)  Propert. 
1.  c.  V.    67. 


12  I.     AEMILII.  (21.) 

24.  M.  LcpuliLS.  M.  F.  Q.  N. '»U  Sohn  von  No.  12.«^ 
Sein  Grossvatcr  konnte  nicht  Marcus  heisscn  ,  schon  deshalh  irrt 
CJIandorp,  welcher  No.  10.  dafür  hält.  ^2>'  Er  war  nicht  der 
Urenkel ,  aber  doch  der  Nachkomme  von  No.  7.  und  su  ist  Pro- 
iiepos  bei  Cicero  zu  verstehen,  n) 

§   I. 

Als  cur.  Aedil  stellte  er  a.  52  mit  seinem  CoIIccren 
M.  Marcellus  den  Tempel  der  Diana  auf  dem  y\ventin  wieder  her.  ^■'J 
a.  41)  Priitor.  '*'')  Abkunft  und  Ileichthum  verschafften  ihm  An- 
sehn. Sein  Vater  war  im  Kampfe  mit  der  Aristokratie  unterge- 
gangen; er  erklärte  sich  für  Cäsar,  welcher  seinen  Einfluss  und 
seinen  Hass  benutzte ,  ohne  dem  schwachen  Manne  in  Rom  und 
im  Felde  je  anders  als  nur  zum  Scheine  Wichtiges  anzuvertrauen. 
Indess  konnte  er  auch  als  Prätor  wirken,  zumal  da  die  Consuln 
sich  mit  Pompejus  entfernten.  Schon  im  März  äusserte  Cicero, 
welcher  aus  Klugheit  mit  ihm  in  Verbindung  blieb,  *^->  man 
werde  gegen  Recht  und  Gesetz  die  Prätoren  ermächtigen,  Con- 
sular  -  Comitien  zu  halten.  ^*^)  Cäsar  fand  einen  Ausweff ;  er 
Stellte  Rom  bei  seinem  Aufbruche  nach  Spanien  unter  Lepidus 
Obhut,  in  der  That  aber  bürgte  M.  Antonius  an  der  Spitze  der 
Truppen  für  die  Erhaltung  der  Ruhe.  *")  Nach  der  Beendigung 
des  spanischen  Krieges  vernahm  er  zu  Massilia,  dass  er  unter 
Lepidus  Vorsitze  durch  einen  Volksbeschluss  zum  Dictator  er- 
nannt sei;  so  hatte  er  es  gewollt,  um  nun  selbst  die  AVahlen 
für  das  künftige  Jahr  veranstalten  zu  können.  ^^) 

a.  48  verwaltete  Lepidus  das  diesseitige  Spanien  mit  dem 
Titel  eines  Proconsuls.  ^U  Im  jenseitigen  stand  Q.  Cassius  Lon- 
ginus,  Avelcher  durch  Raubsuclit  und  Härte  Meutereien  veranlasste. 
Die  Missvergnügten  wählten  den  Quästor  M.  Marcellus  zum  An- 


41)  Fast.  Cap.  a.  709.  u.  710.  Goltz  Fast.  a.  706.  Vaill.  Aemil.  No. 
23.  2J.  42)  Vgl.  Noris.  Cen.  Pis.  Diss.  2.  p.  31«.  Peri/.  Anini.  hisl. 
p.  131.  Morell.  thes.  p.  31.  1".  13)  Onoiii.  p.  2.s.  N)  13  phil.  7. 
45)  Goltz,  a.  702.  Vaill.  Aemil.  No.  22.  Claudii  No.  37.  46)  Cae». 
B.  C.  2,  21.  Dio  41,  3C.  47)  ad  AU.  8,  II.  48)  Das.  9,  9.  §.  3. 
49)  Anlonii  No.  14.  §.  3.  A.  12.  50)  lulii.  Caes.  Dict.  a.  49. 
51)  App.  2,  457.  Dio  43,  1.  Hirt.  B.  Alex.  59.  Auf  dem  Denar  Golta 
a.     706.    Vaill.   Aemil.     No.    24.    propr. 


LEPIDI.  (24.)  13 

fulircr,  wogegen  Cassius,  von  ihm  in  Ulia  eingeschlossen,  Le- 
pidus  um  Hülfe  hat. 

Dieser  kam  a.  47  in  der  Absicht,  den  Streit  beizulegen, 
und  die  Provinz  Cäsar  zu  erhalten.  Er  gestattete  Cassius,  wel- 
cher sich  voll  IMisstrauen  nicht  mit  ihm  vereinigen  mochte, 
freien  Abzug,  und  folgte  ihm  mit  Marcellus,  dessen  Gesinnungen 
gegen  Cäsar  zweifelhaft  waren.  Bald  darauf  ertrank  Cassius  in 
der  Mündung  des  Iberus,  als  er  sich  mit  seinem  Gelde  einge- 
schifft hatte,  und  sein  Nachfolger  Trebonius  bereits  angelangt 
war.  ^-)  Ohne  durch  irgend  eine  Waff"enthat  dazu  berechtigt  zu 
sein ,  durfte  Lepidus  sich  Imperator  nennen ,  ^^)  und  noch  a.  47 
nach  seiner  Rückkehr  aus  Spanien  triumphiren,  freilich  ohne 
andere  Trophäen  als  das  in  den  Provinzen  erpresste  Geld.  5*) 
Auch  erhielt  er  jetzt,  im  Spätjahre,  als  Cäsar  seine  dritte  Dic- 
tatur  antrat,  die  Würde  eines  Mag.  Equitum.  Es  berührt  diess 
einen  sehr  schwierigen  Gegenstand;  ^^-^  schon  bei  den  Alten  ist 
dadurch  Verwirrung  entstanden ,  dass  man  oft  Cäsars  Dictaturen 
und  Consulate  für  gleiclilaufend  nahm,  oder  die  erste  Dictatur 
wegen  ihrer  kurzen  Dauer  nicht  mitzählte. 

a.  46  wurde  der  Magister  Equ.  zugleich  Consul  mit  Cä- 
sar III. ,  und  beide  behielten  diess  Amt  bis  zum  Ende  des  J., 
obgleich  Sueton  ^^)  das  Gegentheil  sagt.  Lepidus  blieb  in  Rom, 
während  sein  College  in  Afrika  focht.  In  dem  Maasse,  als  des- 
sen Macht  fester  gegründet  wurde,  erschien  er  nur  als  sein 
Client.  Auch  Cicero  huldigte  in  dieser  Zeit  nicht  ihm,  sondern 
Baibus  und  den  übrigen  Günstlingen  des  Dictutor.  Dieser  w.ir 
zum  vierten  Male  und  allein  zum  Consul  designirt  und  noch 
Dictator  III. ,  als  er  nacli  Spanien  abging,  übernahm  aber  vor 
dem  Ende  des  J.  die  Dictatur ,  welche  ihm  während  des  afrika- 
nischen Krieges  auf  zehn  Jahre  übertragen  war,  zum  vierten 
Male,  und  wiederum  war  Lepidus  sein  Magister  Equ.,  ^^)  er 
sollte  in  seiner  Abwesenheit  mit  sechs  oder  acht  Präfecten  die 
Regierungs- Angelegenheiten  in  Rom  besorgen. 

52)  Cassii.  53)  Vaill.  Aeitiil.  No.  25.  26.  lulii  No.  21.  Unten  A.77.  54)  Die. 
43,  1.  Vaill.  Aem.  24.  Goltz  Fast.  a.  706.  In  den  Fast.  Cap.  ist  nur  sein 
zweiter  Triumph  über  Spanien  v.  J.  43.  angegeben.  55)  Ein  Versuch,  ihn 
zu  ^ledigen,  folgt  in  der  Geschichte  Cäsars,  wo  auch  über  Lepidus  das 
Erforderliche   bemerkt   wird.     50)   Caes.    7C.    S.   lulii.     57)   Dio  43,  48. 


14  I-    AFAIIMI.  (24.; 

a.  45.  AVie  wenip^  er  sich  zu  Leliaupten  Mtisste,  l»ewe!s't 
die  Anniassiins  der  Präfccten ,  weielie  sich  ihm  auch  in  Befreft' 
der  Insisnien  sleich  stellten.  ^*)  Im  Ausfust  var  er  in  .Antium, 
von  wo  er  Cicero  einlud,  1.  Sejttemlier  sich  im  Senat  einzu- 
ündftn ,  weil  man  bis  dahin  Cäsar  aus  Spanien  zuriick  erwar- 
tete. ^''  Als  dieser  gegen  Ende  d.  J.  seine  fünfte  und  letzte 
Dictatur  antrat,    wählte  er  Lepidus  zum  Alagister  Equ.  ^**^ 

■     §  2. 

a.  41  gab  er  ihm  sogar  ohne  Rücksicht  auf  die  Verfassung 
das  narbonensische  Gallien  und  das  diesseitige  Spanien.  ^')  Le- 
pidus konnte  hier  seine  Schätze  vermehren  ,  und  er  zeigte  sich 
dankbar.  Seine  Münzen  verewigten  das  Andenken  an  die  Ova- 
tion seines  Beschützers  vom  26.  Januar,  ''->  und  nur  Cicero 
konnte  erdichten,  als  er  seinen  Schutz  sejen  M.  Antonius  be- 
durfte ,  dass  die  Leberreichung  des  Diadems  an  den  Lupercalien 
(15.  Februar)  ihn  empört  habe.  ^^)  Als  Statthalter  entfernte  er 
sich  nun  zAvar  aus  Rom,  aber  nicht  von  dessen  Thoren:  viel- 
mehr lagerte  er  vor  der  Stadt  mit  den  Truppen,  welche  er  für 
seine  Provinzen  zusammenzog.  Deshalb  wurde  unter  den  Be- 
freiern darauf  angetragen,  auch  ihn  zu  tödten ;  zu  ihrem  grössten 
Nachtheile  beschränkten  sie  ihre  blutigen  Entwürfe  auf  den  Dic- 
tator,^^)  Lepidus  ahndete  diese  nicht;  er  bewirthete  Cäsar 
14.  März,  und  Mar  ohne  Zweifel  am  15.  in  der  Curie  des 
Ponipejus  am  Marsfelde  Zeuge  des  Mordes.  ^5)  Auf  dem  Markte 
sich  einzufinden  '•*')  war  ihm  als  Befehlshaber  nicht  gestattet, 
so  lange   noch  einige  Ordnung  bestand,  auch  hatte   er  dort  kein 


38)  Dio.  1.  c.  59)  Cic.  ad  Alt.  13,  47.  CO)  Dio  43,  49.  App.  2, 
495.  nennt  ihn  unrichtig  als  Nachfolger  des  M.  Antonius  in  dieser  Würde. 
Cl)  lulii.  Caes.  Dict.  a.  44.  S.  daselbst  ül)er  die  angebliche  Ernen- 
nung von  vier  Mag.  Eqn.  62)  Vaill.  Aemil.  20.  03)  5  Pbil.  14,  13,  8. 
04^  lulii  1.  c.  Antonii  Xo.  14.  §.  7.  A.  82.  65)  Plut.  Caes.  07.  Nach 
Dio  11,  22.  u.  App.  2,  5U2.  war  er  nicht  gegenwärtig;  man  sieht  lein 
Hinderiiiss,  und  der  Gegenstand,  über  welchen  man  verhandeln  wollte, 
machte  seine  Anwesenheit  für  Cäsar  sehr  wünschenswerth.  t)afi  die 
Mörder  ihn  nicht,  wie  den  liihnen  Antonius,  zurüclzuhaKen  such- 
ten, erklärt  sich  aus  seinem  ihnen  wohl  bekannten  Character.  66)  App. 
I.    c. 


LEPIDl.  (24.)  15 

Geschäft.  In  der  ersten  Bestürzung  verbarg  er  sich ,  dann 
kehrte  er  zu  seinen  Truppen  zurück.  "'^ 

Diese  verschafften  iliui  ein  Uehergewicht,  welches  bald  die 
Hoffnung  in  ihm  erregte,  Ciisars  Stelle  einzunehmen.  Zu  dem 
Ende  besetzte  er  in  der  Nacht  vom  15.  auf  den  16.  .^lärz  den 
Markt,  und  sprach  am  anderen  Morgen  zum  Aolke,  es  gegen 
die  Mörder  zu  erbittern.  Aber  der  klügere  M.  Antonius  hielt 
ihn  nicht  nur  von  (ie«  altschritten  ab  —  die  von  Cicero  ge- 
priesene Mässigung  des  Lepidus  —  *^^)  sondern  entriss  ihm  auch 
völlig  das  Heft;  er  handelte  unter  dem  Schutze  seiner  Krieger, 
und  belohnte  ihn  mit  nichtigen  Ehrenbezeugungen.  Die  Be- 
freier äusserten  gegen  Beide  das  Verlangen  nach  Versöhnung. 
Während  man  sich  1 7.  März  im  Tempel  der  Tellus  über  ihr 
Schicksal  und  die  Gültigkeit  der  julischen  Gesetze  berieth,  und 
Antonius,  der  Consul,  mit  grösster  Schlauheit  die  Aristocratie 
mit  sich  selbst  entzweiete,  wurden  die  Zugänge  von  den  Trup- 
pen des  Lepidus  bewacht.  Doch  misslang  der  Versuch  der  bei- 
den Freunde,  das  Volk  aufzuregen;  der  Senat  beschloss  eine 
Amnestie,  und  jene  schickten  nun  ihre  Söhne  als  Geissein  auf 
das  Capitol,  und  luden  die  Häupter  der  Verschworenen  zum 
Mahle,  Lepidus,  schon  gänzlich  vom  Consul  beherrscht,  seinen 
Verwandten  M.    Brutus.  *>V 

Die  Amnestie  war  mit  der  Bestätiguna:  der  Gesetze  Cäsars 
erkauft,  welche  Antonius  vollzog,  deutete  und  vermehrte.  Er 
Hess  Lepidus  an  die  Stelle  des  Ermordeten  zum  Pontifex  Maxi- 
mus wählen,  ''"^  und  zwar  nicht  durch  das  Volk,  vie  Cäsar 
selbst  verfügt  hatte,  ^')  sondern  durch  die  Pontifen ,  um  des 
Erfolgs  gewisser  zu  sein.  ~>-)  Auch  verlobte  er  seine  Tochter 
mit  dessen  Sohne.  ''^^  Als  er  seiner  Hülfe  in  Rom  nicht  mehr 
zu    bedürfen    glaubte,     Hess    er    ihn    nach    seinen  Provinzen  ab- 


67)  Plut.  I.  c.  68)  5  Phil.  14.  69)  Aiilonii.  No.  14.  §.  9.  A.  39. 
43.  44.  58.  §.  10.  in.  §.  II.  A.  8.  70)  Cic.  5  Phil.  15,  LS,  4.  7.  ad  Alt. 
10,  5.  §.  3.  16,  II.  §.  7.  Liv.  117.  Vellej.  2,  03.  Dio  44,  53.  App,  2, 
511.  Vaill.  Aemil.  No.  28.  30-37.  Morell.  thes.  tab.  II.  III.  1.  VII.  18. 
28.  X.  21.  71)  Durch  das  Gesetz  des  V.  Tribun  T.  Labienus  a.  63. 
welches  die  L.  Cornelia  Sullas  aufhob  und  die  L.  Domitia  v.  a.  104 
wieder  in  Kraft  setzte.  72)  Dio  44,  53.  Vellej.  1.  c.  Vgl.  Cic.  12  Phil. 
5.  Ä^Antonii  No.  14.  §.  9.  A.  45.  §.  14.  A.  90.       73)  Antonii.  No.  20. 


16  I     AEMim.  (24.) 

gehen,  und  zwar  mit  dem  Auftrage,  sowohl  in  Gallien  tu 
bleiben,  wo  er  ihm  im  Falle  eines  Bürgerkriegs  ferner  nützen 
konnte,  als  Sex.  Pompejus  in  Spanien  durch  Vertrüge  zu  ent- 
waft'iicn.  Demnach  ging  der  Consular  nur  über  die  Alpen,  und 
vermittelte  einen  A  ergleich  zwischen  Pompejus  und  Rom:  jener 
sollte  nach  Italien  zurückkehren,  und  für  seine  Güter,  welche 
grösstcnthcils  Antonius  besass,  A'om  Staate  entschädigt  wer- 
den. ^*)  Wenn  diess  zur  Ausführung  kam,  so  war  er  ohne 
Schwcrdtschlag  überwunden;  die  Aristocratie  aber,  weniger 
scharfsichtig  als  der  Consul ,  hoffte  diesen  durch  ihn  zu  zügeln. 
Daher  wurde  Lcpidus  A'on  beiden  Theilen  geehrt.  Sein  AVerk 
glich  einem  grossen  Siege.  Unter  dem  Vorsitze  des  Antonius 
beschloss  ihm  der  Senat  28.  November  eine  Supplication,  wo- 
durch er  die  Anwartschaft  zum  Triumph'  erhielt.  ''^^  Dann  ver- 
liess  jener  Rom ,  um  D.  Brutus  zu  bekriegen. 

§  3. 

Im  Anfange  des  Januar  a.  43  forderte  Cicero  in  der  Ab- 
sicht, alle  Streitkräfte  gegen  seinen  Privatfeind  Antonius  zu 
vereinigen ,  angeblich  aber  wegen  jener  Friedensstiftung  eine 
vergoldete  Statue  zu  Pferde  für  Lepidus,  und  der  Senat  geneh- 
migte es.  ■'6J  Nach  diesen  Beschlüssen  nannte  sich  der  Gefeierte 
Imperator.  '^)  Der  Senat,  welchen  er  nicht  einmal  seine  Dank- 
barkeit bezeugte ,  '^)  verlangte  nun  seine  Mitwirkung  zum  Ent- 
sätze von  Mutina.  In  so  verwickelte  Angelegenheiten  entschei- 
dend einzugreifen,  fehlten  ihm  Thatkraft  und  Muth.  Er  war 
sich  bewusst,  dass  er  unter  jeder  Bedingung  dem  Sieger  anheim- 
fallen werde,  schon  deshalb,  weil  die  Veteranen  Cäsars,  der 
Kern  seines  Heeres ,  von  dessen  Erben  oder  von  Antonius  leicht 
verlockt  werden  konnten,  und  suchte  daher  scheinbar  parteilos 
zu  bleiben.  Nur  ein  Theil  seiner  Truppen  ging  unter  M.  Sila- 
nus  nach  Italien ,  welcher  seine  zweideutigen  Befehle  verstand, 
und   für    Antonius,     seinen    Freund    und    Verwandten    focht.'") 


74)  Ponipcii.  Sex.  Pomp.  75)  Aiifoti.  No.  11,  §.  29.  A.  43. 
70)  Das.  §.  33.  A.  Ol.  §.  30.  A.  20.  77)  (Iniper.  II.  Oben  A.  53.)  13 
Phil.  4.  ad  tarn.  10,  34.  35.  Vaiil.  AeniiJ.  No.  3i.  30.  78)  Cic.  ad  Fam. 
10,  27.  34.      79)  Anton.  No.  14.  §.  42.  A.  G6. 


LEPIDl.  (24.)  17 

Zu  gleicher  Zeit  empfalil  er  dem  Senat  den  Frieden ,  Modurch 
er  eine  heftige  Aufregung  veranlasste ;  Cicero  sprach  dagegen, 
und  rieth  ihm,  sich  mit  solclien  Dingen  niclit  zu  befassen,  ^oj 
Seine  Ünthätigkeit  und  sein  Schwanken  musste  die  senaturische 
Faction  um  so  mclir  erbittern,  da  er  dem  Kampfplätze  nahe 
war,  die  Alpen  beherrsclite,  und  die  anderen  Statthalter  in  den 
jenseitigen  Provinzen  von  Italien  ausschloss.  Man  erfuhr,  dass 
er  die  Briefl)oten  anhalte,  welche  zu  ihnen  gingen,  und  ihre 
Truppen  an  sich  zu  ziehen  suche.  *'^  Indess  ist  Dios  Nach- 
richt ungegründet,  dass  man  ihn  durch  die  Anlegung  einer 
Coionie  in  Gallien  beschäftigt  habe,  seit  er  verdächtig  gewor- 
den Mar.  ^-J 

In  der  zAveiten  Hälfte  des  April  unterlag  Antonius  bei  Mu- 
tina, und  gerade  dadurch  gelangte  er  Mieder  an  das  Ruder. 
Denn  seine  Feinde  zerfielen,  als  die  Furclit  vor  ihm  sie  nicht 
mehr  zusammen  hielt,  er  Murde  einem  Theile  dadurch  noth- 
Mendig,  seine  Flucht  nach  Gallien  gab  Lepidus,  dessen  Unter- 
hefehlshaber  CuUeo  die  Alpenpässe  rätimte ,  Vorwand  und  Ge- 
legenheit, sich  d.  29.  .Alai  mit  ihm  zu  vereinigen ,  ^3)  Morauf 
sich  Asinius  PoUio ,  Statthalter  im  jenseitigen  Spanien  und 
L.  Munatius  Plancus,  Avelcher  das  jenseitige  Gallien  bis  auf  das 
narbonensische  verM  altete ,  ebenfalls  an  ihn  anschlössen ,  ^V  und 
Octavian,  hätte  er  es  auch  nicht  ohnehin  gcMoUt,  keine  Wahl 
blieb,  als  ihrem  Beispiele  zu  folgen.  Der  Schwächste  unter  die- 
sen Allen  entschied   das  Schicksal  Roms  und  das  Ihrige. 

Der  Senat  erklärte  ihn  d.  30.  Juni  für  einen  Feind  der 
Republik  und  befahl,  seine  Statuen  umzuMerfen,  ^^)  aber  Octa- 
vian erzwang  im  August  das  Consulat  und  die  Aufliebung  der 
gegen  Antonius  und  Lepidus  gerichteten  Beschlüsse.  86J  ßei  sei- 
ner Unbedeutsamkeit  eignete  sich  dieser  zum  Unterhändler  zwi- 
schen den  beiden  anderen  Feldherren,  ^')  mit  welchen  er  gegen 
Ende  des  October ,  m  ahrscheinlich  auf  einer  Insel  des  Lavinius, 
das  Triumvirat  errichtete.  ^^)     Man   gab  ihm  das   narbonensische 


80)  Das.  §.  41.  in.  u.  A.  34.  81)  Das.  §.  51.  A.  24.  82)  Das.  §.  51. 
A.  27.  8.^)  Das.  A.  44.  u.  6G.  84)  Das.  §.  52.  85)  Das.  §.  47.  fin. 
§.  52.  A.  71.  86)  Das.  §.  48.  fin.  §.  49.  fin.  §.  52.  A.  72.  8T)  Das.  §.  47. 
A.^.  f.  §.  53.  in.      88)  Das.  §.  53. 

^DrHmann,    Geschichte  Roms  1.       •  2 


18  '     AEMIMI.  (24.; 

Gallien  und  Spanien,  wclclic  er  jedoch  abwesend  verwalten 
sollte,  nni  im  nächsten  Jahre  als  Consiil  nnd  mit  drei  Lcirlonen 
Rom  und  Italien  zu  bcv.achen,  während  seine  Collegen  Brutus 
und  Cassius  im  Osten  «lufsuchen  würden.  Zu  dem  Ende  über- 
liess  er  ihnen  seine  anderen  Truppen,  und  erhielt  demnach  so- 
gleich eine  untergeordnete  Rolle,  und  auch  diese  nur  weil  er 
in  ihr  noch  nützen'  konnte.  ^V  Da  er  bloss  "Werkzeug  war,  so 
kann  man  ihm  auch  die  Proscriptionen  am  wenigsten  in  Rech- 
nung bringen,  obgleich  sein  Bruder  L.  PauUus  unter  den  Ge- 
ächteten war.  ""-^ 

Die  Triumvirn  begaben  sich  nacli  Rom  und  übernahmen 
Avährend  der  Verfolgung  ihrer  Mitbürger  d.  27.  Novenvbcr  auf 
fünf  Jahre  ihr  angemasstes  Amt.  -"-^  Am  31.  December  trium- 
phirte  Lepidus  in  Folge  der  ihm  früher  vom  Senat  beschlossenen 
Supplication   über    Spanien.  ^-) 

§  4. 

Ihm  schien  es  ohne  Zweifel  eine  Auszeichnung,  dass  er 
a.  12  zum  zweiten  Male  das  Consulat  verwaltete,"-')  obcleich 
er  als  Triumvir  es  herabgewürdigt  hatte;  überdiess^  stimmte  ein 
ruhiges  und  gefahrloses  Leben  zu  seiner  Schlaffheit.  L.  Muna- 
tius  Plancus ,  sein  College ,  suchte  der  Raubgier  der  Soldaten 
zu  steuern  und  er  selbst  sprach  tröstende  Worte  im  Senat;  aber 
die  Erpressungen  der  Machthaber  dauerten  fort,  und  die  Rüstun- 
gen zum  Kriege  mit  den  Befreiern ,  gegen  welche  Octavian  und 
Antonius  sofort  den  Feldzug  eröffneten,  dienten  zum  Vorwande.  ^*) 

Die  ferneren  Unternehmungen  und  Schicksale  des  Lepidus 
liegen  ausser  den  Grunzen  dieser  Schrift.  —  Wie  gross  auch 
die  Zahl  der  Anzeichen  war,  welclie  man  im  Spätherbste,  zur 
Zeit  der  Schlachten  bei  Philippi  wahrnahm,  ^^)  so  gab  es  doch 
für  ihn  kein  ungünstigeres,  als  dass  man  ihn  vom  Kriegsschau- 
platze fern  hielt,  und  er  seinen  ohnehin  geringen  Einfluss  auf 
das  Heer  und  seine  Ansprüche  verlor,  weil  er  nicht  zur  Unter- 
drückung  der   gemeinschaftlichen    Feinde    beitrug,  '•'•*)    an  welche 


80)  Das.  §.  53.  A.  18.  f.  A.  22.  f.  90)  Hier  No.  17.  z.  E.  91)  Anton. 
No.  14.  §.  51.  A.  71.  92)  Das.  §,  53.  A.  «1.  93)  Das.  §.  50.  A.  91. 
91)  Das.  §.  50.  95)  Dio  17,  40.  f.  Obseq.  130.  9(i)  App.  5,  071.  Dio 
48,  1.  22. 


t 


LEPIDI.  (24.)  19 

seine  Münzen  erinnerten.  ^^)  Die  Sieger  befragten  ihn  nicht, 
als  sie  hei  Philippi  zuiu  zweiten  Male  theilten  :  sie  entzogen  ihm 
seine  Provinzen;  irgend  eine  Unterhandlung  zwischen  ihm  und 
Sex.  Ponipcjus  in  Sicilien  sollte  für  Verrath  erklärt,  und  nur 
wenn  sich  auch  kein  scheinbarer  Grund  zur  Anklage  finde,  ihm 
Africa  überwiesen  werden.  '^V 

a.  41  kam  Octavian  nach  Rom  zurück.  ^V  Nicht  Lepidus, 
sondern  Fulvia,  die  Gemaiilin  des  M.  Antonius,  welcher  im  Osten 
blieb,  leitete  mit  Manius,  ihrem  Vertrauten,  die  öffentlichen  An- 
gelegenheiten, und  auch  der  Consul  L.  Antonius  handelte  nur 
nach  ihrem  Willen.  Ihr  Ehrgeiz  wurde  die  Ursache  des  perusini- 
schen  Kriegs,  in  welchen  l^epidus  gegen  seinen  Wunsch  sich 
verwickelt  sah.  Er  übernahm,  in  der  That  als  Legat  des  Octa- 
vian, die  Vertheidigung  von  Rom  mit  zwei  Legionen ,  suclite 
aber  bald  bei  jenem  Schutz,  als  der  Feind  dennoch  hinein- 
drang. io»J 

Nach  der  Beendigung  des  Krieges  a.  40  gelangte  er  end- 
lich zum  Besitze  der  alten  und  neuen  Provinz  Africa,  oder  des 
ehemaligen  carthagischen  und  nunüdischen  Gebietes,  ^)  da  man 
ihn  eines  Einverständnisses  mit  Pompejus  nicht  überführen  konn- 
te, 2)  Er  verblieb  ihm  im  Frieden  von  Brundusium ,  "wo  Octa- 
vian und  Antonius  nach  den  durch  Fulvia  veranlassten  Irrunjren 
sich  über  eine  dritte  Theilung  einigten, '^^  ihn  aber  so  wenig 
zuzogen ,  als  bei  dem  Friedensschlüsse  mit  Sex.  Pompejus  bei 
Rlisenum  a.  39.  '*-> 

Obgleich  er  also  der  Sache  nach  längst  nicht  mehr  zum 
Vereine  der  Herrscher  gehörte,  so  fehlte  es  doch  noch  an  einem 
Vorwande,  ihn  ausdrücklich  auszustossen.  Daher  wird  er  in  den 
capitolinischen  Fasten  und  auf  den  Münzen  ^^  auch  als  Triumvir  II 
aufgeführt.  Appian  ^)  und  Dio  ^^  übergehen  ihn  in  den  Nach- 
richten von  der  Erneuerung  des  Triumvirats,  dessen  zweites 
Quinquennium  am  1.  Januar  37  begann.^) 


97)    Goltz  Fast.    a.    711.  Vaill.    Aeniil.   No.  3l.     98)  Anton.  No.  IJ. 

§.    57.    A.    33.     99)  Das.    §.   58.    A.    93.      100)  Das.  §.  59.  A.  61.  u.  Ü7. 

1)  Vgl.  Das.  §.  53.    A.    19.      2)    Das.  §.  59.  tin.      ,S)  Das.    §.   CO.  A.  64. 

4)  Das.  §.  Gl.  A.  32.      5)  Vaill.  Aemil.  No.  37.     6)  5,  727.      7)  48,  54. 

Sue(.  Ocf.  16.  nennt  ihn  noch  in  der  Geschichte    d.   J.    3C0ctavians    Col- 

le|en.     8;  Anton.  No.  14.  §.  54.  A.  74.  u.  §.  63.  fin. 
W  o  * 


20  '•     ARMini.  (24.) 

Im  folffentlcn  Jahre  30  endigte  sich  die  öffentliche  Laufbahn 
des  I^epidus.  (Jctavian  hatte  in  Tarent  von  Antonius  Schiffe 
gegen  Landtriippen  eingetauscht,  '-'>'  um  Sex.  Pompejus  in  Sicilien 
zu  bekriegen,  '"'  und  auch.Lepidus  Avurde  von  ihm  zur  Mitwir- 
kung aufgefordert.  ")  Voll  Unwillen  über  die  Zurücksetzung, 
Avelche  er  bisher  erfahren  hatte,  riistcte  er  12  nicht  vollzählige 
Legionen,  5000  numidische  Reiter,  1000  Transport-  und  70 
Kriegsschiffe,  und  verliess  Africa  I.  Juli  36.  '-'  Der  Wachtposten 
des  Pompejus  bei  der  Insel  Cossvra  fügte  ihm  keinen  Schaden 
zu,  desto  mehr  aber  ein  Sturm.  Dennoch  landete  er  bei  Lily- 
büum,  belagerte  Plennius,  welcher  es  vertheidigte,  und  unterwarf 
sich  die  umliegende  Ccgend.  Hier  war  er  vom  Kriegsschauplatze 
im  Osten  der  Insel  am  weitesten  entfernt,  und  seine  Absicht, 
den  Gang  der  Dinge  abzuwarten,  und  wenn  man  dort  erschöpft 
sein  würde,  Sicilien  selbst  zu  nehmen,  blieb  nicht  zweifelhaft.  '^) 
Es  kränkte  ihn ,  dass  Octavian  ihm  wie  einem  Legaten  Befehle 
zugehen  liess ,  und  ihn  nach  Tauromenium  zu  Messala  entbot, 
um  eine  Vereinigung  der  Heere  zu  bewirken.  '*)  Vorerst  hatte 
er  einen  Vorwand,  an  der  Westküste  zu  bleiben,  da  vier  seiner 
Legionen  noch  nicht  angelangt  waren.  Seine  Sorglosigkeit  war 
die  Ursache ,  dass  sie  grossen  Verlust  erlitten.  Sie  hielten  die 
pompejanischc  Flotte  unter  Papias  für  die  eigene ,  welche  ihnen 
entffcijen  geschickt  sev,  wurden  seschlajren,  und  wichen  nun  auch 
jener  aus,  als  sie  endlich  erscliicn.  An  der  Küste  trieb  Gallus 
Tisienus  sie  zurück,  so  dass  nur  ein  geringer  Theil  nach  und 
nach  bei  Lepidus  eintraf.  '^^ 

Dass  dieser  insgeheim  mit  Pompejus  unterhandelte,  ist  nicht 
glaublich,  und  wirA  nur  von  Dio  berichtet.  •'')  Eine  Verbindung 
mit  ihm  gleich  im  Anfange  des  Kriegs  hätte  Octavian  verderb- 
lich werden  können.  Als  nun  aber  dessen  Flotte  unter  Agrippa 
bei  IMylä  und  dann  bei  Naulochiis  siegte,  war  auch  über  ihn 
entschieden.      Plennius    gieng  auf  Befehl  des  Pompejus,     welcher 


9)  Das.  §.  04.  A.  22.  10)  Die  Geichifhte  die.ses  Krieges  s.  in 
Pompeii.  11)  Vellej.  2,  80.  Suef.  Ocf.  IG.  Dio  19,  1.  Vgl.  18,  16. 
12)  App.  5,  727.  72«.  Dio  19,  8.  Vellej.  1.  c.  Mv.  120.  1.3)  Dio  I.  c. 
14)  Ders.  I.  c.  App.  5,  731.  15)  App.  I.  c.  Dio  weicht  von  ihm  ab. 
16)  J.  c.  .      . 


i 


LtPlIM.  (24.)  21 

ihn  niclit  erwartete,  suiidern  nach  Asien  entfloli,  von  Lilybaum 
nach  Messana  zurück.  '^^  Er  verthei(iigte  es  mit  aciit  Legio- 
nen '")  gegen  Lepidus,  von  Melcheni  er  belagert  wurde,  ^V  nicht 
auch  von  Octavian,  ^"*  denn  dicsgr  stand  noch  bei  Naulochus. 
Nur  Agrlppa  erschien,  fand  aber  mit  seinem  Antrage,  die  Unter- 
handlungen mit  dem  Feinde,  welcher  sich  ergeben  wollte,  vor 
der  Ankunft  des  Triumvir  nicht  zum  Schlüsse  zu  bringen,  kein 
Gehör.  Lepidus  beschleunigte  vielmehr  die  Lebergabe  durch  das 
Versprechen,  den  Truppen  des  Pompejus  solle  wie  den  eigenen 
gestattet  sein  ,  .Messana  zu  plündern.  Für  diesen  Preis  öffneten 
sie  ihm  die  Tbore ,  und  nahmen  Dienste  bei  ihm.  -'J  Er  hatte 
nun  zwanzig  Legionen  --J  und  eine  zahlreiche  lleuterei,  und  be- 
zog auf  die  Na(;kiVt>t,  dass  Octavian  sich  nähere,  ein  festes 
Lager  vor  der  Sfadt.  Dass  sie  durch  Raub  und  Mord  heimge- 
sucht wurde,  war  jenem  keineswegs  gleichgültig,  er  konnte  es 
aber  nicht  verhindern,  und  erfuhr  nun  überdiess,  die  Besatzungen 
in  den  Städten  seien  aufgefordert,  ihn  nicht  zuzulassen.  Auf 
seine  Beschwerden  liess  Lepidus  ihm  erwidern:  er  habe  den 
nächsten  Anspruch  auf  die  Insel,  denn  er  sei  zuerst  gelandet  und 
habe  die  meisten  Plätze  erobert;  auch  verlange  er  die  Herstel- 
lung seiner  Rechte  als  Triumvir 

Bei  einer  persönlichen  Zusammenkunft  stieg  die  Erbitte- 
rung; man  rüstete  zum  Kampfe.  Aber  Lepidus  fand  bei  seinem 
Heere  weder  A  ertrauen  noch  Achtung.  Seine  alten  Truppen 
zürnten  ihm,  weil  sie  die  Beute  mit  den  feindlichen  hatten  thei- 
len  müssen,  und  die  Pompejaner  fühlten  keinen  Beruf,  für  ihn 
zu  fechten.  Octavian  war  davon  unterrichtet;  er  gewann  meh- 
rere Anführer,  und  zeigte  sich  plötzlich,  von  Wenigen  begleitet, 
im  Lager  seines  Gegners,  seinen  Abscheu  vor  einem  neuen  Bür- 
gerkriege zu  bezeugen,  und  die  Missvergnügten  zu  ermuthigen. 
Sie  hörten    ihn    mit  Beifall,     besonders    die    Pompejaner.     Zwar 


17)  App.  5,  741  18)  Ders.  läfst  ihn  5,  727.  mit  einer  Legion  nacb 
liilybäum  aufbrechen,  und  741.  mit  acht  zurückkoninien;  so  viele  waren 
vielmehr  nun  in  Messana  vereinigt;  es  erhellt  auch  daraus,  dafg  Lepidus, 
als  sie  sich  an  seine  zwölf  anschlössen,  zwanzig^  zählte.  S.  unten  A.  22. 
19)  App.  5,  738.  741.  Dio  40,  11.  Zonar.  10,  23.  20)  App.  5,  738.  fin 
21)  Ders.  5,  741.  Dio  Liv.  Vellej.  Zon.  11.  cc.  22)  Vellej.  u.  Suet.  1!. 
cV^  OroB.  6,    18.  App.    1.  c.  hat  22.   S.  oben  A.   18. 


c 


22  l     AEMILH.  (24.) 

eilte  Lcpidus  herbei,  und  nöthigtc  ihn ,  sich  zu  seinen  Reutern 
vor  dem  Lager  zurückzuziehen  ,  wobei  er  von  einem  Geschosse 
auf  der  Brust  getrotten,  jedoch  nicht  verwundet  wurde ;  er  fülirte 
nun  aber  sein  Heer  gegen  die  Schanzen,  welche  ihre  Vertheidi- 
ger  vcriiessen;  diese  giengen  in  einzelnen  Abtheiiungen  zu  ihm 
über,  Einige,  nachdem  sie  zum  Schein  angegriffen  wjxrcn,  An- 
dere ohne  dieses  Gaukelspiel.  Lepidus  wurde  mit  dem  Tode  be- 
drolit,  als  er  dem  Verrathe  mit  Gewalt  zu  steuern  versuchte, 
und  seine  Reuter,  welche  am  längsten  bei  ihm  verharrten,  er- 
boten sich  zuletzt,  ihn  zu  ermorden;  allein  Octavian  lehnte  es  ab. 
Im  Trauergewande  kam  Lepidus  zu  ihm ,  und  wollte  sich 
vor  ihm  niederwerfen;  auch  diess  Hess  er  nicht  zu.  Er  nahm 
ihm  aber  seine  Provinzen ,  sein  Heer  un(^  die  Würde  eines 
Triumvir;  -^)  nur  sein  Vermögen  sollte  er  behalten  und  Pontifex 
i\Liximus  bleiben,  -'^)  und  entfernt  von  Rom  in  Italien  unter 
Aufsicht  leben,  nach  Sueton  in  Circeji.  -"^)  Als  sein  Sohn  sich 
um  die  Zeit  der  Schlacht  bei  Actium  gegen  Octavian  ver- 
schwur, -*'J  wurde  er  selbst  verdächtig  und  gezwungen,  sich  in 
Rom  aufzulialten.  2^>'  Weder  Unglück  noch  Schande  machten 
Eindruck  auf  ihn;  aucli  den  Schimpf,  dass  Octavian  ihn  im 
Senat  unter  allen  Consularen  zi.'otzt  fragte,  ertrug  er  mit  Gleich- 
muth, -^>'  und  starb  a.  13  v.  Chr.,  worauf  seine  Oberpontifen- 
Würde  auf  jenen  überging.  -V 

§  5. 

Lepidus  war  reich.  •^*')     Er  besass    mehrere  Landgüter,    bei 
Tibuv,  Antium,  31)  wahrsclieinlich  auch  bei  Circeji,  und  andere. -^'-J 


23)  App.  I,  352.  4,  C18.  5,  071.  7'13.  748.  Dio  49,  12.  50,  1.  20. 
IMut.  Ant.  55.  Liv.  129.  Vellej.  2,  80.  Tacit.  A.  1,  1,  2.  Suef.  üc(.  IC- 
Seiicc.  de  dem.  1,  10.  Oros.  0,  18.  Obseq.  128.  24)  Suelon.  Oct.  31. 
Seiier.  1.  c.  App.  5,  713.  740.  Dio  49,  15.  Cassiodor.  Var.  0,  2:  —  ad 
siiiiililudiiieni  poiitiliraltis  —  (juia  sacerdntiuni  uon  deponuiit,  nisi  quum 
vitae  inuiiera  reliiiquunt.  \'gl.  8ue(.  u.  Dio  II.  cc.  u.  App.  5,  740. 
25)  Suet.  Oct.  IC.  Vgl.  c.  54.  Dio  49,  12.  App.  5,  743.  verwechselt  die 
spätere  Zeit  mit  dieser.  20)  Unten  No.  20.  27)  Dio  54,  15.  App.  4, 
018.  28)  Dio  1.  c.  29)  Dio  54,  2".  Mon.  Aiic)r.  tab.  2.  v.  21.  s. 
Tacit.  A.  1,  9.  Seiiec.  I.  c.  Suet.  Oct.  31.  Ovid.  Fast.  3,  420.  Orell. 
Iiisciipt.  V.  1.  p.  73.  No.  3C.  Kckh.  C.  p.  100.  30)  Cic.  13  phil.  4.  8.  21. 
31)  Ders.  ad  Att.    8,  14.  13,  47.     32)  Dio  54,   15. 


LKriÜI.  (2i.)  23 

Sein  Bild  auf  den  Münzen  liisst  auf  ein  gefälliges  Aeusscre 
sciilicsscn ,  Avodurcli  sich  auch  sein  Sohn  Marcus  auszeichnete, 
und  sein  langes  Jichen  unter  nianniclifuchcm  Glückswcchsel  auf 
eine  vorzügliche  Korperkraft,  obgleich  aucli  sein  («eistiges  An- 
theil  daran  hatte.  Denn  er  liel)te  Ruhe  und  («eiaäcliliclikeit, 
wodurch  das  Mährchcn  veranlasst  wurde,  er  liahe  sich  bei  dem 
Magistrate  eines  Ortes  über  den  (»esang  der  Vögel  beklagt,  Aveil 
er  iini  im  Schlafe  störte.  •^•')  Fast  jeder  Sciiriftsteller ,  welcher 
seiner  gedenkt,  nennt  ihn  schlatf,  trüge  und  sorglos. '''"  Ohne 
Würde  und  Avahres  Ehrgefühl  wurde  er  nur  durch  Eitelkeit  ^■'J 
und  Geldgier  •"')  zu  einer  Thätigkeit  gespornt,  bei  welcher  es 
dann  stets  fremder  Leitung  bedurfte.  Und  doch  sollte  sie  iinn 
das  Höchste  verschaffen.  Obgleich  Veliejus  ihn  aus  Rücksicht 
auf  die  regierende  Familie  tadelt,  so  ist  es  doch  gewiss,  dass 
er  nur  in  seinem  Patriciat  und  in  seinem  Reichthnme  einen  Be- 
ruf hatte ,  sich  zur  ersten  Stelle  zu  drängen.  Deshalb  fiel  er 
mit  seinen  Hülfsmittcln  immer  Anderen  anheim.  Als  Feldiierr 
machte  er  sich  nie  durch  eine  glänzende  Tliat  bemerklich;  seine 
Truppen  verachteten  und  verliessen  ihn,  weil  sie  unter  seiner 
Anführung  am  Siege  verzweifelten.  '■^'')  Auch  als  Staatsmann 
benutzte  er  die  günstigsten  Gelegenlieiten  nicht,  sich  über  seine 
Nebenbuhler  emporzuschwingen:  er  konnte  nur  vollziehen,  was 
ihm  ffeboten  oder  «rerathen  war. 

Darnach  ist  sein  sittlicher  Werth  zu  beurtheilen,  nicht  nach 
den  Aeusserungen  Ciceros  ,  welcher  ihn  erliebt  oder  herabsetzt, 
je  nachdem  seine  eigenen  Absichten  es  erforderten.  '•^'^^  Er  war 
characterlos,  ein  Spiel  der  Umstände  und  der  Menschen,  welchen 
er  sich  gerade  hingab,  wankelmüthig,  treulos,'^"'.'  unwahr,  *'*>' 
selbst  grausam,  ohne  von  Natur  schlecht  zu  sein.  Uebermuth 
und  Kleinmuth  giengcn  bei  ihm  Hand  in  Hand;  leicht  vermass 
er  sich  über  seine  Kräfte,  und  eben  tio  leicht  gab  er  sich  auf, 
und  nie,  ohne  sich  wegzuwerfen. 


33)  Pliii.  35,  3!S.  31)  Veliej.  2,  ()3.  SO.  Tat.  A.  1,  9.  App.  3,  5S0. 
5,712.  I)io  18,  4.  19,  12.  Zonar.  10,  21.  35)  Vell.  2,  80.  30)  Flor.  1, 
6.  2.  37)  Vellej.  11.  ce.  App.  5,  7-12.  3s)  ad  Alt.  1),  9.  §.  3.  5  l'liil- 
11^5.  13,  1.  5.  3!))  Cic.  ad  Kam.  11,  9.  12,  8.  u.  10.  10)  Seine  Biielc 
an^icero  und  an  den  Senat,    ad  Farn.  10,    31.  35. 


24  1.    AEMILII.  (25.) 

25.  Junia ,  Schwester  des  IM.  Brutus ,  welcher  Cäsar 
tödtete.  *') 

20.  M.  Lepidus.  Sohn  der  Vorigen.  *-)  Veliejus,  welcher 
alle  Gegner  des  Octavian  in  ein  ungünstiges  Licht  stellt,  rühmt 
ihn  nur  wegen  seiner  schönen  Gestalt.  Durcii  das  Schicksal  sei- 
nes Vaters,  seines  Oheims,  M.  Brutus,  und  seines  Schwiegerva- 
ters, M.  Antonius,  erhittert,  Avurde  er  zur  Zeit  der  Schlacht 
bei  Actium  das  Haupt  einer  Verschwörung ,  um  den  Herrscher 
nach  seiner  Rückkehr  aus  dem  Osten  zu  tödten.  C.  Mäcenas, 
dessen  Ohhut  Rom  anvertraut  war,  erhielt  Kenntnis»  davon; 
er  machte  ihn  durch  scheinbare  Sorglosigkeit  sicher,  und  be- 
mächtigte sich  .seiner  ohne  Geräusch,  Morauf  er  zu  Octavian 
geschickt  und  auf  dessen  Befehl  hingerichtet  wurde.  Seine  Mut- 
ter sollte  als  ^litscliuldige  Geissein  stellen ,  aber  aus  Mitleiden 
gegen  seinen  Vater,  welcher  nicht  an  der  Meuterei  Theil  genom- 
men hatte,  wurde  es  ihr  erlassen.  *3)  Servilia,  seine  zweite  Ge- 
mahlin tödtete  sich  selbst.  **) 

27.  Antonia,  erste  Gemahlin  des  Vorigen,  älteste  Tochter 
des  Triumvir  Antonius.  '*5) 

28.  Servilia,  zweite  Gemalilin  von  No.  26.  Ihre  Abkunft 
ist  unbekannt.  Sie  starb  sehr  jung  durch  Selbstmord,  als  die 
Verschwörung  des  Lepidus  entdeckt  Mar.  ^'') 

29.  Q.  Lepidus.  Dass  der  Triumvir  Lepidus  mehrere  Kinder 
hatte,  unterliegt  keinem  Zweifel,  *'')  obgleich  über  die  jüngeren 
nichts  näheres  berichtet  wird.  Quintus  war  nach  einer  Inschrift 
M.  F.  **)  und  auch  das  Zcitverhältniss  gestattet,  ihn  für  den 
Sohn  von  No.   24  zu  halten ;   doch   fehlen  entscheidende  Beweise. 

30.  Cornelius  Scipio  Aemilianus.  Sohn  von  No.  12  und 
von  einem  Scipio  adoptirt.  Er  ergab  sich  a.  77  in  dem  Kriege 
seines  Vaters  gegen  die  Sullaner  im  ligurischen  Alba  an  Pom- 
pejus  Magnus,  welcher  ihn  tödten  Hess.  *V 


41)  S.  lunü  Brut.  42)  Vellej.  2,  88.  43)  Liv.  133.  Vellej.  I.  c. 
Senec.  de  dem.  1,  9,  de  brev.  vit.  5.  Suet.  Oct.  19.  Plin.  7,  40.  (45). 
App.  4,  018.  019.  Die  54,  15.  44)  Vellej.  I.  c.  45)  Antonii  No.  20. 
46)  Vellej.  1.  c.  47)  Cic.  13  Phil.  4.  ad  Fam.  10,  15.  48)  Orellii  In- 
script.  Vol.  1.  p.  70.  No.  50:  IiiscripJio  pontis  Fabricil.    49)  Oros.  5,  22. 


SCALRI.  (1.)  25 


I.    AEMILII. 


B.  Scaiiri. 


1.  M.  Aemiliiis  Scaurus.  —  2.  Caecilia. 

Cos.  \\ö  V.  Chr.  —  di'i. 
I'rinc.   Seil. 

3.  IM.  Scaiinis.  —  4.  Wiitia.  8.   Scan  ms.  9.  Aerailia. 

pr.  56  — (!<)8.  t  iOl  —  C53. 

5.  IM.  .Si-aiinis. 

C.  Mrtiii.   Scamiis.  —  7.  Sextia. 
t  34  H.  Chr.  —  787. 


S  c  a  u  r  i. 

xliin  Aetnilius  erhielt  den  Namen  Scaurus,  welchen  seine 
Nachkommen  mit  Familien  anderer  Geschlechter,  z.  B.  mit 
Aureliern  gemein  hatten,  tvegen  der  fehlerhaften  Gestalt  seiner 
Füsse.^"-^  Obgleich  von  patricischer  Abkunft^'-*  wie  die  Lepidi, 
gelangten  die  Scauri  doch  viel  später  zu  den  höchsten  Ehren- 
stellen, a.  190  im  Kriege  mit  Antiochus  d.  Gr.  stand  ein 
L.  Aemil.  Scaurus  als  Unterbefehlshaber  bei  der  Flotte,  ^--l 

1.  M.  Aemilius  Scaurus.  M.  F.  ^3)  Geboren  a.  163.  54) 
Unter  seinen  Ahnen  erhob  sich  keiner -aus  der  Dunkelheit.  ^•^^ 
Sein  Vater  trieb  Kohlenhandel, ^ß)    und  hinterliess   ihm  sehr  we- 


50)  Horat.  Serm.  1,  3.  v.  48: —  Scaurum  pravis  fultum  male  talis. 
Schol.  u.  Plin.  11,  105.  (45).  51)  Ascon.  zu  Cic.  pro  Scaur.  ed.  Peyron. 
et  Beier.  p.  134.  (A.  V.)  de  vir.  ill.  72.  Oben  Lepidi.  in.  52)  Liv.  37. 
31.  53)  Goltz  Fast.  a.  638.  Vaill.  Aemil.  No.  42.  54)  Ascon.  1.  c.  p. 
133:  Tum  Q.  Caepio  —  egit ,  ut  Q.  Varius  —  adesse  apud  ge  Scaurum 
iuberet  anno  LXXII.  So  alt  war  er  zur  Zeit  dieser  Klage  oder  a.  00, 
S.  unten  A.  83  55)  Cic.  de  or.  2,  C4.  pro  Muraen.  7.  pro  Scaur.  ed.  1. 
p.  135.  Ascon.  das.  u.  p.  215.  Plut.  de  fortun.  Rom.  4.  ed.  Hutlen. 
56)  (A-  Vict.)  de  vir.  ill.  1.  c. 


26  I    AEMILII.  (I.) 

iiig. ^^)  Daher  nährte  er  sich  eine  Zeitlang  als  Celdnechsler.  ^^) 
Er  zeichnete  sich  als  Krieger  zuerst  in  Spanien  aus,  vielleicht 
im  numantinisclien  Kriege,  und  diente  dann,  wahrscheinlich  als 
Profju.  a.  I2Ü  unter  dem  Consul  L.  Aurclius  Orestes  in  Sar- 
dinien. •''^)  Ais  curulischer  Aedil  a.  123  glänzende  Spiele  zu 
gehen,  hinderte  ihn  seine  Armuth.  ^o)  Prätor  a.  120.  Dass  er 
als  Propr.  Acliaja  verwaltet  hahe,  schliesst  Pighius  '»')  aus  sei- 
nen Münzen  mit  dem  Kopfe  des  Apollo;  *•-)  sie  heziehen  sich 
vielmehr  auf  die  ApoUinar- Spiele,  deren  Feier  zu  veranstalten 
den  Prätoren  ohlag.  Aus  Furcht  vor  der  Schande  nahm  er  die 
Geschenke  des  Jugurtha  nicht  an,  als  Adherhal  in  Rom  Hülfe 
gegen  ihn  suchte.  ^^) 

a.  117  hewarh  er  sich  ohne  Erfolg  um  das  Consulat;  ßi) 
bei  der  nächsten  Wahl  war  er  glücklicher.  Cos.  115.  ^'^)  In 
diesem  Jahre  erhielt  man  ein  Aufwand -Gesetz  und  ein  anderes 
über  das  Stimmrecht  der  Freigelassenen  von  ihm.  ^^^  Auch 
wurde  er  jetzt  Princeps  Senatus.  •'^)  Als  Consul  ferner,  nicht 
erst  als  er  niedergelegt  hatte,  befehligte  er  ein  Heer  in  Gallien, 
wo  er  strenge  Kriogszucht  hielt ,  ^^)  und  ebenfalls  noch  115 
triumphirte  er  über  mehrere  Völker,  welche  in  und  an  den 
Alpen  wohnten,  und  in  den  Fasten  Gallier  und  Carner  genannt 
werden. '''•*)  Censor  109  mit  Livius  Drusus.'^")  £j.  stellte  die 
mulvische  Brücke  her,^'-*  und  erbaute  die  ämilische  Strasse, 
welche  über  Pisa  und  Luna  bis  Dertona  führte.  ^-)  Nach  dem 
Tode    seines    Collcgeu    sollte    er  dem  Herkommen  gemäss  ^^^  sei- 


57)  Das.  u.  Val.  Max.  4,  1.  11.  58)  (A.V.)  de  vir.  ill.  1.  c.  59)  Das. 
Vgl.  Liv.  ep.  GO.  CO)  (A.  VIct.)  1.  c.  fil)  3,  p.  ^2.  C2)  Oben  A.  53. 
G3)  SalluKt.  H.  J.  15.  üi)  Cic.  pro  Mur.  17.  G5)  Fast,  triumph.  in 
Grut.    Iiiscr.    p.    298.    No.    3.    Plln.    2,    55.    (54).    8,     82.    (57)    (A.  Vict.) 

I.  c.  CG)  Plin.  S,  82.  (57.)  (A.  Viel.)  1.  c.  G7)  Cic.  pro  Raliir.  perd.  r. 
7.  p.  Deiot.    11.    Hrut.    29.    Ascon.    arg.    Or.    Cic.    p.  Scaur.    p.   121.  Plin. 

II.  cc.  u.  3ü,  24.  §.  8.  Val.  IVl.  1,  1.  11.  G,  5,  5.  8,  5,  2.  08)  (A.  Vict.) 
u.  Gruter.  11.  cc.  Front,  slral.  4,  3.  13.  GO)  Ciut.  1.  c.  (A.  Vict.)  1.  c. 
nennt  Ligurer  und  Gantisker;  iiim  folgt  IVlariian.  Fat>t.  Iriuiiipli.  a.  638. 
70)  Plut.  Quaesl.  Rom.  c.  50.  (A.  Vict.)  1.  c.  71)  Anim.  Marcell.  27, 
3.  (A.  Vict.)  1.  c.  Vgl.  Mv.  27,  51.  72)  Strabo  5,  p.  217.  (A.  Viel.) 
I.  c.  Eine  andere  ältere  dieses  Namens  in  Uberilalien ,  deren  Krbauer 
M.  Lepidus  war,  (Cos.  187.  Oben  Lepld.  NC  7.)  nahm  die  llaministhe 
auf.    Liv.    39,  2.     73)    Liv.    5,    31.    0,    27.    0,    34. 


SCAURI.  (1.)  27 

ncni  Amte  entsagen,  die  Tribunen  niussten  ihm  aber  mit  Ge- 
fiingniss  drolicn,  ehe  er  sicli  fügte. ''^^  Als  der  Consul  L.  Cas- 
Kiiis  gegen  die  Tiguriner  iicl,  Avurde  er  a.  107  Cos.  11  sutte- 
ctus.'^'J  .Mehrere  haben  ihn  liier  mit  M.  Aurelius  Scaurus  ,  Cos. 
108  verwechselt.  JSein  Mitbewerber  P.  Rutilius,  Cos.  lOf)  be- 
langte ihn,  weil  er  jetzt  nicht  gewählt  wurde,  wegen  Amtser- 
sclilcichung,  worauf  Scaurus  nach  seiner  Freisprechung  ihn  we- 
gen desselben  \'erbrechcns  vor  Gericht  zog. '^'») 

a.  101  veranlasste  er  durch  eine  strenge  Rüge  den  Tod 
eines  seiner  Sühne,  welcher  unter  Q.  Catulus  am  Athesis  un- 
glücklich gegen  die  Cimbern  gefochten  hatte.  ^^)  Gegen  L.  Sa- 
turninus,  an  dessen  Stelle  der  Senat  ihm  früher  das  Geschäft, 
Getraide  zu  kaufen,  übertragen  hatte,  ^^)  ergriff  auch  er  a.  100 
die  Waffen,  um  den  Senat  von  dem  Meuterer  zu  befreien.  ^'•') 
Indess  wurde  er  selbst  mehrmals  angefeindet,  und  zwar  meistens 
aus  Privathass.  Er  Avar  Augur ,  und  weigerte  sich ,  Cn.  Domi- 
tius  Aheuobarbus^'^)  in  das  Collcgium  aufzunehmen.  Deshalb 
klagte  ihn  dieser  an,  a.  104  als  V.  Tribun,  dass  durch  seine 
Schuld  zu  Lavinium  die  religiösen  Gebräuche  nicht  gehörig  be- 
obachtet würden;  das  Volk  sprach  ihn  frei.^O  Auf  einer  Ge- 
sandtschaft nach  Asien  bereiclierte  er  sich  auf  eine  gesetzwidrige 
Art,  wenigstens  wurde  er  von  Q.  Servilius  Cäpio,  seinem 
Feinde,  a.  91  wegen  Erpressungen  belangt;  er  sicherte  sich 
wieder  durch  eine  Gegenanklage,  ^-v*  Servilius  überredete  im 
folgenden  Jahre  den  V,  Tribun  Q.  Varius,  ihn  zu  beschuldigen, 
dass  er  die  italischen  Bundesgenossen  zum  Kriege  gereizt  habe; 
als    er   es    läugnete    und   als    der  Erste  im   Senat  Glauben  ver- 


74)  Plut.  1.  c.  Vgl.  Llv.  9,  34.  fin.  75)  Cic.  Brut.  30.  de  er.  2,  CO. 
70)  Ders.  11.  cc  77)  Valer.  M.  5,  8.  4.  Fronlin.  strat.  4,  1.  13.  Plul. 
de  fort.  Rom.  5.  u.  10.  L'nteii  Nn.  8.     78)  Cic.  de  har.  r.  20.  p.  Sext.  17. 

79)  Ders.    pro    Rahir.    perd.   r.    7.    Val.   Max.    3,    2.    18,    (A.  Vict.)    1.  c. 

80)  Cos.  96.  S.  Domitii.  u.  hier  Lepid.  No.  24.  §.  2.  A.  71.  81)  Ascon. 
zu  Cic.  p.  Scaur.  p.  130.  Cic.  p.  Deiot.  11.  Val.  M.  G,  5.  5.  82)  Ascon. 
1.  c.  p.  131.  u.  133.  Diese  Processe  hängen  zum  Theii  mit  wichtigen 
Veränderungen  in  der  Verfassung  zusammen,  mit  der  L.  Dumitia  de  Sa. 
cerdotiis  v.  J.  lOJ,  n.  niil  der  L.  Livia  iudiciaria  v,  J.  91.  Scaurus  lie 
stärkte  Livius  Drusus  in  dem  Entschlüsse,  das  sempronische  Gesetz  durch 
ein  anderes  zu  Gunsten  des  Senats  aufzuheben.    Ascon.  1.  c. 


28  I-     AE.MiLll.  (2.) 

langte,  nahm  jener  die  Klage  zurück.  *■'>)  Diese  Gcnugtliuung 
erhielt  er  in  einem  Alter  Aon  72  J.^*-'  und  bald  darauf  starb 
er;   denn  a.   88   verniälilte  sich   seine  Wittwe  mit  Sulla.  ^^) 

Obgleich  von  Natur  ernst  und  stolz,  ^^-'  ein  strenger  Ari- 
stocrat  und  deslialb  von  Cicero  und  Anderen  gepriesen ,  ®^^  stand 
er  docli  nicht  bloss  bei  dem  Senat  im  grössten  Ansehn  ,  sondern 
auch  bei  dem  Volke,  wie  zum  Theil  schon  der  Erfolg  der  ge- 
gen ihn  gerichteten  Klagen  beweis't.  Die  Höhe,  zu  welcher  er 
sich  emporgeschwungen  hatte,  und  der  Reichthum  eines  Mannes, 
welcher  arm  geboren  war,  erregten  Bewunderung;  seine  Fehler, 
seinen  Ehrgeiz  und  seine  noch  grössere  Habsucht  Avusste  er  zu 
verbergen.  ^^)  Seinen  Reden  fehlte  es  nicht  an  AVürde  und 
Nachdruck,  aber  an  hinreissender  Lebendigkeit:  sie  eigneten 
sich  daher  mehr  für  den  Senat,  als  für  das  Gericht.  ^'■')  Ausser- 
dem hatte  man  ein  Werk  in  drei  Büchern  von  ihm,  worin  er 
sein  eigenes  Lehen  beschrieb.  '•"'^ 

2.  Cäcilia.  '-»U 

3.  M.  Scaurus.  M.  F.  M.  N.  Sohn  von  No.  1  92)  und  Stief- 
sohn des  Dictator  L.  Sulla,  '•>'^)  mit  welchem  seine  Mutter  Cä- 
cilia nach  dem  Tode  seines  A  aters  sich  vermählte. 

§   1. 

Wälirend  der  Proscriptlonen  zeigte  er  sich  enthaltsam,  ^4) 
dennoch  brachten  sie  ihm  grossen  Gewinn ,  denn  seine  Mutter 
erwarb  als  Gemahlinn  Sullas  viele  Güter  als  Geschenk  oder 
durch  Scheinkauf.  Im  dritten  mithridatisclien  Kriege  linden  wir 
ihn  als  Quiistor  in  den  Lagern  des  Ponipejiis  und  auf  seine 
Bereicherung  bedacht.      Jener  schickte  ihn  nach  Damascus.    wel- 


83)  Ascon.  1.  c.  p.  134.  Quintil.  5,  12.  10.  Unrichtig  erzählt  von  Val. 
Max.  3,  7.  8.  Vgl.  Cic.  \t.  sext.  -17.  u.  App.  1.  p.  373.  «o  der  Tribun 
Valeriug  genannt  wird.  8-1)  Ascon.  1.  c.  85)  Tnlen  \o.  2.  86)  Cic. 
de  Ott.  I  ,  30.  Asc.  1.  c.  p.  122.  87)  Cic.  p.  Font.  7.  \<.  Mur.  7.  17.  p. 
Sext.  17.  47.de  off.  1,  22.  Val.  M.  5,  8.  4.  88)  Sali.  B.  J.  15.  89)  Cic 
Brut.  29.  30.  90)  Voss,  de  bist.  1.  p.  38.  Kllendl  Pioleg.  zu  Cic.  Brut, 
p.  4ü.  Meyer  Fragm.  Orat.  Rom.  p.  128.  91)  S.  Caecilii.  9V)  Cic.  p. 
Sext.  47.  p.  Scaur.  pag.  215.  ed.  l'ejron.  et  Beier.  Asc.  das.  p.  121.  122 
u.  213.  ad  At(.  4,  17.  Fliu.  36,  24.  §,  8.  93)  Asron.  I.  c.  p.  121. 
04)  Ders.  1.  c. 


SCAURI.  (3.)  29 

ches  er  bald  vcriicss ,  um  in  Judäa  den  Streit  zwischen  den 
beiden  Brüdern  Hyrcan  und  Aristobul  zu  endigen.  Beide  boten 
ihm  Geschenke  und  er  entschied  für  Aristobul ,  welcher  dann 
seinen  Bruder  und  dessen  Bundesgenossen,  den  arabischen  Für- 
sten Arctas,  auf  dem  Rückzuge  nach  Arabien  schlug. ''^J  Scaurus 
gieng  wieder  nach  Damascus.  Hier  vernahm  Ponipejus  die  Klage, 
dass  sein  Quästor  erkauft  sei;  dennoch  übergab  er  ihm  die  Pro- 
vinz Syrien  mit  zwei  Legionen. '■"'>'  Er  blieb  bis  a.  59,  wo 
ihm  L.  Marcius  Philippus  folgte,''^)  und  unternahm  in  dieser 
Zeit  einen  räulterischen  Einfall  in  das  Land  des  Aretas,  welcher 
ihn  mit  dreihundert  Talenten  abfinden  niusste.'-'^-' 

Nach  seiner  Rückkehr  nach  Rom  bewarb  er  sich  um  die 
curulische  Aedilität,  und  verwaltete  sie  zufolge  einer  Angabe 
Ciceros  9ä)  in  dem  Jahre,  in  -welchem  P.  Clodius  Tribun  war, 
mithin  a.  58.  Durch  seine  ädilinischen  Spiele  und  durch  seine 
Vergehen  hat  er  seinen  Namen  auf  die  Nachwelt  gebracht. 
Jene  genauer  zu  schildern  und  die  oft  beschriebenen  Bauten, 
welche  sie  veranlassten,  bleibt  der  Kunst-  und  Sittengeschichte 
vorbehalten.  Sie  zeugen  von  dem  Luxus  der  Römer  und  ver- 
mehrten ihn;  denn  Aver  später  Aehnliches  unternahm,  musste 
das  Ungeheure  zu  überbieten  suchen;  '*'ö)  die  ererbten  und  im 
Osten  erworbenen  Schätze  des  Scaurus  reichten  nicht  dazu  hin; 
er  gerieth  in  die  Hände  der  Wucherer,  '^  und  erkaufte  demnach 
seinen  Ruhm  und  eine  gewisse  Popularität  -)  sehr  theuer.  Zum 
Behuf  der  Bühncnspiele  erbaute  er  ein  Theater  von  Holz,  wel- 
ches kaum  einen  Monat  stand ,  V  und  gleichwohl  so  gross  und 
prachtvoll  eingerichtet  wurde,  als  wäre  es  für  die  Ewigkeit  be- 
stimmt. *-'     Es  fasste  80,000  Menschen.  ^J     360    Säulen  verzier- 


95)  Das  Genauere  s.  in  Pompeii.  Porapej.  III  v.  a.  C4.  u.  03.  96)  Joseph. 
A.  J.  14,  3.  §  2.  4.  §  5.  B.  J.  1,  7.  §  7.  Hegesipp.  1,  18.  App. 
Syr.  p.  119.  B.  C.  5,  077.  97)  App.  Syr.  1.  c.  98)  Joseph.  A.  J.  14, 
5.  §  1.  B.  J.  1,  8.  §  1.  Heges.  1.  c.  Vaill.  Aemil.  \o.  44.  Eckh.  5. 
p.  131.  99)  pro  Sext.  54.  Pigh.  3.  p.  301.  Harduin,  welcher  Plin.  30, 
8.  mifsversteht,  setzt  seine  Aedilität  zwischen  78  und  74.  welches  schon 
durch  das  Obige  und  durch  die  (A.  98)  erwähnte  Münze  widerlegt  wird, 
denn  sie  beweiset,  dafs  er  nach  dem  Feldzuge  gegen  Aretas  Aedil  war. 
100)  Plin.  30,  2.  24.  §  7.  1)  Ascon.  arg.  Or.  p.  Scaur.  p.  122.  2)  Cic. 
ad  Att.  4,  17.  §  2.  3)  Plin.  30,  2.  Vgl.  34,  17.  (7.)  u.  30,  24.  (15.) 
§  7.     4)  Ders.  11.  cc.     5)  Ders.  30,  24.  7. 


30  »     AEMILII.  (3.) 

tcn  in  drei  Ordnungen  über  einander  die  hintere  Hühncnwand,  '•' 
deren  unterster  Theil  aus  ]\Iarmor,  der  mittlere  aus  Glas  und 
der  oberste  aus  vergoldeten  Brettern  bestand.  '')  Zwischen  den 
Säulen  bemerkte  man  3000  Statuen.  ^)  Dazu  kamen  Gemälde, 
zum  Tlicil  aus  Sicyon ,  welches  sie  zur  Tilgung  seiner  Schul- 
den veräussert  hatte,  ^)  die  kostbarsten  Gewänder,  '^^  und  über- 
haupt ein  so  reicher  Apparat ,  dass  Vieles  überflüssig  Mar  und 
auf  das  Gut  bei  Tusculum  gebracht  wurde,  wo  Sclaven  im 
Zorne  gegen  ihren  Herrn  es  mit  der  Villa  verbrannten.  "^ 
Ueber  den  Glanz  dieser  Spiele  ist  nur  eine  Stimme.  '-) 

Auch  übrigens  Avurde  die  Schaulust  der  Römer  befriedigt. 
Scaurus  zeigte  ihnen  Thiere,  welche  sie  zum  Thcil  nie  gesehen 
hatten,  unter  anderen  fünf  Crocodile  und  einen  Hippopotamus 
in  einem  eigends  dazu  angelegten  EuripuSj'^J  und  angeblich 
sogar  die  Gebeine  des  Ungeheuers,  dessen  in  der  Geschichte  der 
Andromeda  gedacht  wird,  i^)  1 50  Panther  traten  im  Circus 
auf,  ^^)  und  gleich  überraschend  war  der  Kampf  der  Athleten.  "'^ 

§  2. 

Prütor  a.  5G.  Die  Zeit  ergiebt  sich ,  wenn  man  die  Be- 
merkungen des  Asconius  '^)  über  die  späteren  Ereignisse  im 
Leben  des  Scaurus  vergleicht.  Dieser  hatte  den  Vorsitz  '^)  in 
dem  Gerichte ,  vor  Avelchem  P.  Sextius  angeklagt  Avurde ,  Aveil 
er  a.  57  als  V.  Tribun  und  als  Gegner  des  P,  Clodius  bei 
Gelegenheit  der  Verhandlungen  über  Ciceros  Herstellung  Ge- 
Avaltthätigkeiten  A'crübt  hatte;  er  wurde  A'on  Cicero  und  A-on 
Q.  Hortensius  A^erthcidigt  und  freigesproclien.  ''••)  a.  55  A'er- 
waltete  Scaurus  Sardinien,-**)  avo  er  Appius  Claudius  folgte,  ^O 
und  auf  Kosten  der  EinAVohner  Aviedcr  Geld  sammelte,  beson- 
ders um  bei  der  BeAverbung  um  das  Consulat  die  Stinuuen  er- 
kaufen   zu    können.  22)     Am  2ü.    Juni    54    kam    er  als  Candidat 


G)  Hers.  1.  c.  u.  c.  2-  7)  Ders.  30,  8.  u.  21.  §  7.  8)  Ders.  34,  17. 
30,  21.  §  7.  D)  Ders.  35,  40.  §  24.  u.  30,  24.  §  7.  10)  Val.  M.  2,  4.  0. 
11)  Pliii.  30,  24.  7.  12)  Cic.  p.  Sext.  54.  de  oft.  2,  16.  Aicon.  u.  Plin. 
II.  cc.  13)  Pliii.  8,  40.  (20.)  Soliii.  32.  li)  l'liii.  9,  4.  (5.)  Soliii.  34. 
15)  Plin.  8,  24.  (17.)  10)  Val,  M.  1.  c.  Vgl.  Liv.  30,  22.  17)  1.  c. 
18)  Cic.  p.  Sext.  47.  54.  19)  S.  Claudii.  P.  Clodius  u.  Sextii.  20)  Cic. 
p.  Scaur.  p.  130.  ed.  I.  u.  Ascon.  das.  p.  122.  123.  21)  Cid.  c.  p.  185. 
8.  195.     Appius  Cos.  a.  54.  S.  Claudii.     22)  Ase.  1.  c. 


SCAURI.  (3.)  31 

nach  Rom.  Er  sprach  für  C.  Cato,  V.  Tribun  a.  50  und  kaum 
hatte  dieser  am  /».  Juii  nach  dem  unvcrljcsscrtcn  Kalender  ein  gün- 
stiges Urtheil  erhalten,  als  er  selbst  sich  von  P.  Valerius  Tria- 
rius  und  drei  Anderen  auf  den  Antrag  der  8arden,  in  der  That 
aber  auf  IJetrieb  seiner  Mitbewerber,  welche  ihn  dadurch  vom 
Consulat  auszuschliessen  hofften ,  und  angeblich  sogar  seinem 
Stiefbruder  Faustus  Sulla  nachstellten ,  am  8.  Juli  wegen  Erpres- 
sungen belangt  sali.  -^)  Man  beschuldigte  ihn  überdiess,  dass 
er  in  seiner  Provinz  Bostar  vergiftet  und  den  Selbstmord  der 
Gattinn  des  Aris  veranlasst  habe.  2^)  Seine  Sache  war  schlcclit, 
eine  grosse  Anzahl  von  Zeugen  war  gegen  ihn ,  -^)  der  Vor- 
sitzende Prätor  M.  Cato  unbestechlich  und  dem  Triarius  be- 
freundet. 20) 

Indess  vereinigte  sich  Mehreres  zu  seiner  Rettung.  Er 
hatte  sechs  Vertheidiger,  eine  nicht  gewöhnliche  Zahl,  27;  und 
unter  ihnen  befanden  sich  Hortensius  und  Cicero.  -^)  Man 
glaubte  ferner,  obgleich  mit  Unrecht ,  29)  dass  auch  Pompejus 
hier  sowohl  als  bei  seiner  BeAverbung  ^o)  ihn  begünstige.  Die- 
ser sah  aber  einen  Vorwurf  darin ,  dass  er  die  von  ihm  ge- 
schiedene Mucia  geheirathet  hatte,  ^')  und  wünschte  ein  Zwi- 
schenreich, folglich  die  Verurthcilung  des  Scaurus,  um  Dictator 
zu  werden.  Mit  Getraidekauf  beschäftigt  und  deshalb  und  als 
Proconsul  Spaniens  abwesend,  obgleich  er  die  Provinz  nicht 
selbst  verw  altete ,  begnügte  er  sich  ,  eine  Lobschrift  einzuschik- 
ken.  ^2)  So  auch  Andere  unter  den  neun  Consularen,  Avelche 
ausser  Faustus  Sulla  sich  als  Lobredner  für  den  Beklagten  ver- 
Avandten.  ^^)  Mehrere  baten  für  ihn,  T.  Milo  durch  die  Ver- 
mählung mit  Fausta  sein  Blutsfreund,  C.  Cato,  welchem  er  so 
eben  einen  ähnlichen  Dienst  geleistet  hatte ,  u.  a.  Den  meisten 
Eindruck  machten  seine  eigenen  Worte ,  seine  Thränen  und  sein 


23)  Ders.  1.  c.  p.  122.  126.  225.  226.  Cic  ad  Att.  4,  16.  §.  3.  Quintil. 
5,  13.  §  11.  ed.  Spald.  Val.  M.  6,  1.  10.  2i)  Cic.  p.  Scaur.  p.  13G. 
138.  150.  153  f.  Quintil.  7,  2.  §  10.  25)  Cic.  ad  AU.  4,  15.  fin.  Valer. 
M.  1.  c.  26)  Ascon.  p.  125.  225  f.  Val.  M.  3,  G.  §  7.  27)  Asc.  p.  127. 
28)  Ders.  I.  c.  Cic.  ad  Att.  I.  c.  u.  ad  Alt.  4,  IG,  §  4.  ad  Qu.  Fr.  2, 
16.  §  3.  3,  1.  §  4.  Quintil.  1.  c.  u.  5,  13.  §  40.  29)  Asc.  p.  125. 
30)  Cic.  ad  Ali.  4,  15,  §  7.  31)  Asc.  1.  c.  u.  unlea  No.  4.  32)  Ders. 
p.  223.     33)  Ders.  1.  c. 


32  I.   AEMILII.  (3.) 

Trauergewand;  man  erinnerte  sich  an  seinen  Vater,  an  seine 
Aedilitiit  und  an  die  dadurch  erworbene  Volksgunst ,  ^''J  und  er 
Murde  am  '2.  September  •'••>'  fast  einstimmig  freigesprochen.  ^^>  Aber 
venige  Tage  später  stand  er  wegen  Anitsersclileicliung  vor  Ge- 
richt. Die  scliaainlosen  Bestechungen  der  vier  Candidaten  des 
Consulats,  Cn.  Domitius  Calvinus,  C.  Memmius,  M.  Messala 
und  Scaurus  erregten  Aufsehn;  alle  Avurden  angeklagt , '*^>'  der 
Letzte  wieder  von  Triarius.  3^)  Cicero  vertheidigte  ihn  zum 
zweiten  Male  ^V  und  das  A'olk  verlangte  ungestüm  seine  Frei- 
sprechung, ***)  dennoch  Avurde  er  zum  Exil  verurtheilt.  *'^  Dem- 
nach gelangte  er  nicht  zum  Consulat,  zumal  da  Pompejus  die 
Hand  von  ihm  abzog,  *->'  welcher  nun  die  Genugthuung  hatte, 
dass  man  auch  keinen  anderen  zum   Consul   Avählte. 

An  Stolz ,  Raubsucht  und  Verbrechen  seinem  Vater  gleich, 
stand  er  an  Fähigkeiten  und  an  Verdiensten  im  Sinne  der  Rö- 
mer tief  unter  ihm.  *^)  Von  allen  Bessern  verachtet,  erwarb  er 
sich  durch  Spiele  und  Bestechungen  die  Gunst  des  Pöbels ,  in 
der  Hoffnung ,  das  Consulat  und  dann  eine  einträgliche  Provinz 
zu  erhalten,  das  gewöhnliche  Ziel  der  gewöhnlichen  Grossen. 
Auch  Kunstwerke  waren  ihm  nur  Mittel  zu  diesem  Zwecke  oder 
zum  Prunke,  jene  Statuen  und  sicyonischen  Gemälde,  und  eine 
Dactvliothek,  die  erste  in  Rom.  ^*)  Im  Bewusstsein  persön- 
licher Unbedeutsamkeit  liebte  er  äusseren  Glanz.  Nach  dem 
Geschmacke  der  Optimatcn  seiner  Zeit,  welchem  auch  Cicero 
hiildiu;te,  wohnte  er  auf  dem  Palatin,  wo  er  das  Haus  des  Cn. 
Octavius,  Cos.  165  kaufte  und  umbaute.*^)  Unter  seinen  Vil- 
len scheint  er  vorzüglich  die  tusculanische  verschönert  zu  ha- 
ben, sie  wurde  aber  von  seinen  Sclaven  aus  Rachgier  grössten- 
theils  in  Asche  gelegt.  *<>) 


34)  Ders.  p.  127.223.225.  Val.  M.  8,  1.  §  10.  35)  Mannt,  zu  Cic. 
ad  Att.  4,  15.  in.  schlagt  vor,  3.  Sept.  au  lesen ,  statt  IV.  non.  Hl.  non. 
weil  der  zweite  ein  difis  nrfasliis  gewesen  sei,  der  dritte  aber  nicht  ganz. 
30)  Ascon.  p.  121.  225.  Cic.  ad  Alf.  1,  IG.  §  4.  Val.  M.  1.  c.  37)  S. 
Doinilil,  Cn.  Domil.  Calv.  Cos.  53.  38)  Cic.  ad  Att.  1.  c.  u.  4,  17.  §  2. 
39)  Quiiitil.  4,  1.  §  09.  40)  App.  2,  442.  41)  Ders.  1.  c.  u,  Cic.  de 
oflf.  i,  39.  42)  Cic.  ad  Qu.  fr.  3,  8.  §  3.  App.  1.  c.  Vgl.  Cic.  ad  Att. 
4,  15.  §  7.  43)  Ascon.  1.  c.  p.  122.  41)  IMIn.  37,  5.  (1.)  45)  Cic.  de 
off.   1,  39.     Ascon.   1.  c.  p.  211.     46)  Oben  §  1.  A.  11. 


SCALRI.  (4.)  33 

4.  Mucia.  47) 

5.  -M.  Scaurus,  Soliii  von  ]No.  3  und  4  *^)  un«l  folo-licli 
Stiefbruder  des  Sex.  Ponipcjus,  welchen  er  aber  a.  35  als  er 
Sicilien  hatte  räumen  müssen,  in  Asien  an  die  Feldlierrn  des 
M.  Antonius  verrieth.  *'JJ  Nach  der  Schlacht  bei  Actium  wurde 
er  gefangen  und  nur  aus  Rücksicht  auf  seine  Mutter  .Mucia  be- 
gnadijjt.  ^") 

6.  Maniercus  Scaurus.  Sohn  des  Vorigen,  ein  guter  Red- 
ner und  Dichter,^')  aber  sehr  ausschweifend.  Unter  Tiber 
schon  einmal  wegen  eines  Majestüts- Verbrechens  angeklagt  53) 
wurde  er  a.  34  nach  Chr.  des  Ehebruchs  mit  Livia  und  der 
Zauberei  beschuldigt;  in  der  That  aber  verfolgte  man  ihn, 
weil  ein  Privatfeind  in  sein  Trauerspiel  Atrcus  Verse  ein<re- 
schol)en  hatte,  Avelche  den  Kaiser  verletzten.  Er  kam  dem  Ur- 
theile  durch  Selbstmord  zuvor.  ^4)  Seneca  nennt  ihn  den  Letz- 
ten seines  Geschlechts.  ^'') 

7.  Sextia.  Gemahlinn  des  Vorigen.  Sie  überredete  ihn, 
sich  zu  tödten,  und  starb  mit  ihm.  ^*') 

8.  Scaurus,  Sohn  von  No.  1  und  zwar  der  jüngere,  da 
No.  3  dessen  Vornamen  hatte,     f  a.   101.  ^''J 

9.  Aemilia.  Tochter  von  No.  1  und  2  mithin  Stieftochter 
des  Dictator  Sulla.  Sie  Avar  mit  Manius  Glabrio  vermählt  und 
von  ihm  schwanger,  als  Sulla  a.  82  sie  zwang,  Cn.  Pompejus 
zu  heirathen.  ^^-)  Ihr  Sohn  M'  Glabrio  bat  für  seinen  Oheim, 
M.  Scaurus,  als  er  a.  54  wegen  Erpressungen  angeklagt  war.  ^^) 
Seine  Geburt  veranlasste  ihren  Tod,  daher  sie  von  Pompejus 
keine  Kinder  hinterliess.  ^'^) 


47)  Früher  Gemahlinn  Pompejüs  M.  S.  Ponipeii.  48)  Ascon.  arg. 
Or.  Cic.  p.  Scaur.  ed.  Peyr.  et  Beier.  p.  124.  40)  App.  5,  752.  50)  Dio 
51,  2.  5G,  38.  S.  Antonii  No.  14.  §  69.  A.  jG.  51 )  Tacit.  A.  6,  29. 
Vgl.  1,  13.  3,  23.  31.  fic.  Seiiec.  Controv.  üb.  5.  Praef.  Dio  58,  24. 
Meyer  Orat.  R.  fragm.  p.  231.  52)  Tac.  A.  C,  29.  Senec.  de  benef.  4, 
31.  53)  Tac.  A.  G,  9.  Senec,  Suasor.  2.  fin.  54)  Tac.  A.  6,  20.  Dio 
1.  c.  55)  Suas.  j.  c.  5C)  Tac.  1,  c.  57)  Oben  \o.  I.  A.  77.  58)  Pltil. 
Süll.  33.  Pomp.  9.     59)  Ascon.  1.  c.  p.  223.     00)  Plut.  IJ.  cc. 


Drumanii,  Gcscbicbte  Roms  I. 


34  II    AFHAMI.  (1  ) 


11.    AFRAMI. 

I.   C.  Afranius  Stellio. 

pr.   185  V.   Chr.  —  ÖO'J. 

2.  C.  Afran.  Mellio. 
c.  16!)  —  58Ö. 
i.  L.  Afranius. 
4.  S.   At'ianiiis. 

ö.  L.  Afruniii>i.         (I.   Afraiii.i. 
f  OS.  60  —  C!I4. 

7.  L.   Afianiiis. 


IL     A  f  r  a  n  i  i. 

Ir^lebejisch. 

Vor  dem  zweiten  Jahrhundert  v.  Chr.  findet  sich  der  Name 
nicht.  Auch  gehörten  die  Familien ,  in  Avelchen  er  vorkommt, 
keineswegs  zu  Einem  Geschicchte ;  Titus  Afranius  z.  B. ,  Avelcher 
im  marsischen  Kriege  siegreich  gegen  Pompcjus  Strabo  kämpfte, 
und  dann  im  Gefechte  mit  ihm  fiel,'*'^  kann  nicht  für  einen 
Verwandten  der  hier  erwähnten  Afranier  gelten.  Üeberhaupt 
muss  man  darauf  Verzicht  leisten,  eine  genealogische  Folge 
herzustellen,  oder  sie  gar  bis  zur  Kaiserzeit  fortzuführen,  wo 
ebenfalls  noch  Afranier  mit  verschiedenen  Beinamen  und  von 
hohem  und  niederem  Stande  in  der  Geschichte  auftreten :  Poti- 
tus  unter  Caligula,  02)  Burrus ,  praef.  praet.  unter  Claudius  und 
Nero ,  ^^)  Quintianus ,  Senator  unter  Nero ,  <»*>  Dcxter ,  Consul 
unter  Trajan.  c-'J 

1.  C.  Afranius  Stellio.  Prätor  18.)  v.  Chr.  «''•)  Triumv. 
col.  deduc    a.   183.  *•') 


61)  App.  1,  378.  C2)  Dio  59,  8.  63)  Tacit.  A.  12,  42.  13,  20. 
u.  a.  a.  O.  Dio  61,  3.  C2,  13.  Gl)  Tacit.  A.  15,  10.  5G.  70.  65)  Plin. 
Ep.  5,  M.     Martial.  7.  ep.  27.     60)  Liv.  39,  23.     67)  DeM.  39.  55. 


IL  AFRAMI.  (2.)  35 

2.  C.  Afranlus  Stellio.  Sohn  des  Vorigen.  Er  diente  a. 
169  fjegcii  Pcrscus  und  gieng  als  (iesandter  zu  ihm.  '»sj  JSeine 
Stellung  beweiset,  dass  sein  Vater,  ein  Prätorier  und  schon  im 
vorgerückten  Alter,  wenn  er  noch  lebte,  nicht  gemeint  sein 
kann.  .Pighius  fiiiirt  ihn  a.  102  als  V.  Tribun,  a.  159  als 
plcb.  Aedil  und  a.  15ö  als  Prätor  auf,  aber  bloss  nach  Ver- 
niuthung,  obgleich  Vaiilant  ö9)  und  A.  ihn  auch  hier  gliiubig 
ausgeschrieben  haben. 

3.  L.  Afranius,  ''")  im  zweiten  Jahrh.  v.  Chr.  Dicliter  und 
Redner,   aber  wegen  seiner  AusschMcifungen  verrufen.  ^'^. 

4.  S.  Afranius.  Ob  man  die  Bezeichnung  .S'  auf  den  Mün- 
zen durcli  Spurius  ^-)  oder  durch  Sextus  ^''-'  erklären  will,  ist 
gleichgültig,  da  weder  der  eine  noch  der  andere  Vorname  den 
Afraniern  fremd  ist.  ^*)  Nach  Pighius  war  der  Lnsrige  a.  93 
Qu.  prov.  wir  würden  aber  ohne  die  Münzen  nicht  einmal  wis- 
sen, dass  er  gelebt  hat. 

5.  L.  Afranius.  A.  F.  Cicero,  welcher  ohnerachtet  seiner 
eigenen  dunkeln  Herkunft  gern  über  Emporkömmlinge  spottete- 
nennt  ihn  Auli  lilius  ^•^>'  in  dem  Sinne,  Avorin  er  von  einem 
Terrae  lilius  spricht.  ''^^  Sein  Vater  war  also  ein  unbekannter 
Mann.  Dass  er  ein  gleiches  Bildwerk  wie  No.  4  auf  seine 
Münzen  setzte,  um  an  seine  Verwandtschaft  mit  ihm  zu  erin- 
nern ,  ^^J  ist  sehr  zweifelhaft. 

Sehr  früli  schloss  er  sich  an  Cn.  Pompejus  M.  an,  auf 
dessen  Geschichte  in  den  betrefl'enden  Jahren  hier  meistens  ver- 
wiesen werden  muss.  Er  begleitete  ihn  a.  77  als  Legat  nach 
Spanien  zum  Kriege  mit  Sertorius,  und  that  sich  im  folgenden 
Jahre    in    der    Schlacht    am  Sucre  hervor.  '^J     Die  Grausamkeit, 


68)  Liv.  43,  18.  G9)  Afran.  in.  70)  Nicht  Cajus.  Cic  Brut.  15. 
71)  Cic.  1.  c.  de  fiii.  1,  3.  Quinlil.  10,  1.  §  101.  Vellej.  1,  17.  2,  9. 
Gell.  10,  11.  13,  8.  Suet.  Ner.  11.  Horaf.  Ep.  2,  1.  h7.  I  eber  die 
Grammatiker,  welche  seiner  gedenken,  8.  Chr.  Wase  Anim.  Norian. 
Fabric.  ßibl.  1.  T.  3.  Vgl.  Rutgers.  Var.  Lect.  4,  19.  und  Stephan. 
Fragm.  Vet.  Poet.  72)  Ursin.  Afran.  Vaill.  Afran.  No.  1  —  3.  73)  Eckb. 
5.  p.  132.  74)  Gruter.  Inscr.  p.  6GG.  No.  7.  Eckh.  1.  c.  75)  ad  Alf.  1, 
16.  §  7.  u.  20.,  §  6,  2,  3.  76)  Das.  1,  13.  §  1.  77)  Vaill.  Afran.  No. 
1.  II.  4.    78)  Plut.  Sert.  19.  Pomp.  19.  Sallust.  Hist.  3. 

3  * 


36  il-  AFRANII.  (5.) 

mit  welcher  er  a.  72  Calaguris  zerstörte,  kommt  zum  Theil  auf 
lleclmung  des  Oberanführer^.  ^"'' 

Auch  im  dritten  mithridatischcn  Kriep;c  befand  er  sich  in 
dessen  Lagern.  Als  Pompejus  a.  60  nach  dem  Caucasus  gieng, 
blieb  er  mit  einer  Abtheilung  des  Heers  in  Armenien,  ®")  und 
besetzte  a.  05  Gordyene,  eine  Landschaft,  auf  welche  Phraates, 
König  der  Parther,  Anspruch  machte.^')  a.  61  unternahm  Pom- 
pejus den  Feldzug  nach  Syrien;  auch  Afranius  musste  dahin  auf- 
brechen, litt  aber  in  Mesopotamien  durch  Mangel  und  Kälte,  und 
wurde  nur  durch  den  Beistand  der  Einwohner  von  Carrii  geret- 
tet, einer  macedonischen  Colonie.  ^-) 

Nach  Beendigung  der  Kriege  im  Osten  hatte  Pompejus  kei- 
nen grösseren  AVunsch,  als  dass  man  in  Rom,  vor  dessen  Thoren 
er  im  Januar  61  Mieder  eintraf,  seine  dortigen  Einrichtungen 
bestätigen  und  unter  seine  Truppen  Aecker  vertheilen  möchte. 
Er  fürchtete  in  dieser  Hinsicht  insbesondere  L.  Lucullus,  den 
tief  gekränkten,  und  dessen  Anhang,  und  beschloss,  Afranius 
das  Consulat  zu  verschaffen  ,  um  durch  ihn  zum  Ziele  zu  kom- 
imMi.  ^^)  Obgleich  seine  Gegner  sich  widersetzten  und  die  AVahl- 
comitien  bis  zum  27.  Juli  verschoben  wurden,  ^*^  so  erreichte  er 
doch  durch  Geld  und  Einfluss  seine  Absicht.  Aber  Afranius, 
Consul  a.  60  mit  Q.  Metellus  Celer,  ^^)  unternahm  nichts  für 
ihn,  ^^)  sondern  zeigte  sich  schlaff  und  unthätig,  „wie  ein  Mensch, 
welcher  nicht  wusste,  warum  er  seine  AVürde  erkauft  hatte,"  ^''i 
und  überliess  es  Cäsar,  im  nächsten  Jahre  die  \  erlegenheit  sei- 
nes Gönners  zu  endigen. 

Im  Felde  hatte  er  mehr  geleistet,  und  es  schien,  als  ob  er 
auch  jetzt  Gelegenheit  dazu  finden  werde.  Denn  man  fürchtete 
einen  Anjrriff  der  Helvetier  auf  das  narbonensische  Gallien  und 
den  Abfall  der  Eingeborenen,  besonders  der  Allobrogen;  im 
freien  Gallien  kämpften    die   Aeduer,    Freunde    Roms,     mit    den 


79)  Sallust.  His(.  3.  Juven.  15,  97.  f.  Val.  Max.  7,  0.  ext.  3.  Flor. 
3,  22.  §.  9.  ()ro8.  5,  23.  Jul.  Exsuper.  ß.  Civ.  80)  Plut.  Pomp.  34.  Dio 
37,  5.  Zoiiar.  10,  4.  81)  IMut.  1.  c.  3(5.  Dio  1.  c.  82)  Plut.  1.  c.  39. 
Dio  I.  c.  83)  S.  Pompeii.  81)  Cic.  ad  A(t.  1,  IG.  §.  7.  85)  Ders.  ad 
Att.  1,  18.  fin.  Pliii.  2,  07.  Flor.  4,  2.  8.  übseq.  123.  Dio  37,  49.  Zon. 
10,  5.  u.  unten  A.  87.  SO)  Dio  1.  c.  87)  Cic.  ad  Att.  1,  18.  §.  7.  19. 
§.  4.  20.  §.  0. 


11.  AIUANNÜ.  (5.)  37 

Sequanero  und  Arvcrncrn.  Deshall)  sollten  nach  einem  Scnats- 
besclilusse,  dessen  Cicero  im  März  gedenkt,  Gesandte  über  die 
Alpen  gellen,  und  die  Consuln  das  diesseitige  und  jenseitige 
Callien  unter  sich  verloosen,  ein  Heer  rüsten,  und  auch  diejeni- 
gen atisheljcn ,  welche  sonst  vom  Kriegsdienste  frei  Maren.  ^^) 
Mctellus  sehnte  sich  nach  einem  Triumphe,  Afranius  dagegen 
war  die  Nachricht  erwünscht,  dass  die  Gefahr  nicht  so  dringend 
sei,  und  es  keines  Feldzuges  bedürfe.  ^^^ 

Er  verwaltete  a.  59  das  cisalpinische*Gallien, ''^>'  welches 
im  folgenden  Jahre  Cäsar  erhielt.  Das  gute  ^'ernehlnen  zwischen 
ihm  und  Pompejus  war  nicht  gestört.  Dieser  sehnte  sich  nach 
dem  Auftrage,  mit  freier  Verfügung  über  Heer,  Flotte  und 
Schatz  Getraide  herbeizuschaften,  und  Cicero  unterstützte  ihn, 
während  die  meisten  Consularen  aus  Furcht  vor  seiner  Herrsch- 
sucht und  vor  dem  Pöbel  sich  zurückzogen.  Im  September  57 
erschienen  anfangs  ausser  jenem  nur  Messala  und  Afranius  im 
Senat,  als  darüber  verhandelt  wurde.  ^')  Dann  verfolgte  Pom- 
pejus einen  anderen  Plan;  er  Avollte  Ptolemäus  II.  Auletes,  den 
vertriebenen  König  von  Aegypten,  mit  AVaftengewalt  wieder  ein- 
setzen ,  obgleich  der  Consul  P.  Lentulus  Spinther  den  nächsten 
Beruf  dazu  hatte ,  weil  ihm  Cilicien  zur  Provinz  bestimmt  war. 
Aber  auch  jetzt  widerstand  die  senatorische  Partei,  und  der  Ei- 
fer, mit  welchem  Afranius  a.  50  den  Triumvir  in  der  Curie 
vertrat,  galt  nur  für  einen  Beweis,  dass  die  Sache  für  diesen 
ohuerachtet    seiner  A  erstellung    die  grösste   Wichtigkeit  liatte.  '•'-) 

Nun  übernahmen  Pompejus  und  Crassus  a,  55  nach  einem 
Zwischenreiche  das  Consulat,  wie  es  im  Winterlager  Cäsars  zu 
Luca  beschlossen  war.  Sie  gedachten  durch  erzwungene  Gesetze 
ihre  Macht  fester  zu  gründen ,  und  zu  dem  Ende  insbesondere 
die  Prätur  für  dieses  Jahr  P.  Vatinius  und  Anderen  zuzuAvenden, 
welche  ihm  gleichgesinnt  waren.  Damit  aber  Anklagen  wegen 
Bestecliungen  die  Wahlen  nicht  nutzlos  machten ,  musstc  der  Se- 
nat  11.   Februar  nach   Afranius  Gutachten  einen  Beschluss  fassen, 


Ük)  Ders.  ad.  Att.  1,  19.  §.  2.  S.  die  Eiiileiluiig  zur  Geschichte  der 
Feldzüge  Cäsars  in  Gallien  in:  Julii.  8!t)  ad  Allic.  1,  20.  §.  C.  00)  ad 
Alt.  J,  19.  §.  2.  Mer^llus  gieng  in  das  jenseitige.  Plin.  2,  07.  91)  ad 
Att.  4,  1.  §.  2.     92)  Cic.  ad  Fani.  1,   1.  §.  2.  u.  2.  §.   1. 


3S  n.  AFRAMI.  (5.) 

M'odurch  Klagen  der  Art  in  diesem  Falle  verliütet  Murden.  °^) 
Bald  darauf  crliiclt  Poujpcjus  durch  das  trcbonischc  Gesetz  beide 
Spanien.  Kr  hatte  nun,  MJe  Cäsar,  Provinzen  und  Truppen, 
und  glaubte  sich  ilnu  überlegen,  da  er  vor  Rom  blieb,  um  zu- 
gleich Senat  und  Comitien  zu  beherrschen.  Unter  dem  Ver- 
wände, dass  die  Sorge  für  die  Zufuhr  ihn  zurückhalte,  schickte 
er  gegen  Ende  d.  J.  Afranius  und  den  Prätorier  M.  Petrejus 
nach  Spanien,  welches  sie  vom  J.  51  an,  und  dann  M.  Varro 
mit  ihnen,  als  Legaren  in  seinem  Namen  verwalteten.  ^*) 

Im  Bürgerkriege  hoffte  ihre  Partei  eine  Zeitlang,  sie  wür- 
den mit  ihren  Heeren  nach  Italien  zurückkommen;  man  ver- 
breitete, C.  Trebonius  sei  in  den  Pyrenäen  von  Afranius,  wel- 
cher im  diesseitigen  Spanien  stand,  geschlagen,  und  C.  Fabius, 
ein  anderer  Legat  Cäsars,  zu  ihnen  übergegangen,  '■''*)  sie  muss- 
ten  sich  aber  2.  August  49  an  Cäsar  ergeben,  und  wurden  un- 
ter der  Bedingung ,  nicht  v  ieder  gegen  ihn  zu  fechten ,  begna- 
digt. '■"'^  Afranius  hatte  weit  weniger  Entschlossenheit  sezei<rt, 
als  Petrejus  ,  und  war  von  ihm  zuletzt  als  Untergebener  behan- 
delt und  sogar  gezwungen,  Pompejus  den  Eid  der  Treue  zu  er- 
neuern. Schwäche  und  Besorgniss  für  seine  und  seines  Sohns 
Sicherheit  verleiteten  ihn  zu  falschen  Schritten,  aber  mit  Un- 
recht beschuldigte  man  ihn  später  im  Heere  der  Aristocratie  der 
Verrätherci.  '■^'O  Nur  dem  Sieger  brach  er  sein  Wort,  denn  er 
führte    jenem    einige  seiner  Cohorten  zu ,     versuchte  Krieger.  '•'8) 

Nach  den  Gefechten  bei  Dvrrhachium  a.  18  stimmte  er  für 
die  Rückkehr  nach  Italien;  mit  ihm  Averdc  sich  der  ganze  We- 
sten unterwerfen;  indess  könne  man  dem  Feinde  mit  der  Flotte 
Hülfe  und  Zufuhr  abschneiden  ,  um  ihn  dann  mit  verstärkter 
Macht  anzugreifen.  Sein  Rath,  welchem  die  Alten  ihren  Beifall 
gaben ,  wurde  nicht  befolgt,  '-^^^  und  nun  äusserte  er  spottend 
sein  Befremden,  dass  man  zögere,  eine  Schlacht  zu  liefern,    da 


03)  Ders.  ad  Qu.  Fr.  2,  9.  PIul.  Cafo  42.  94)  S.  Pompeii.  95)  Clc 
ad  Att.  8,  2.  u.  3.  OG)  Die  Geschichte  dieses  Krieges  s.  in:  Julii. 
\  arro  unterwarf  sich  etwas  später,  weil  er  westlicher  stand.  97)  Plut. 
Pomp.  (i7.  Caes.  41.  98)  Caes.  H.  C.  3,  88.  Dio  12,  10.  Plut.  Caes.  30. 
41.  Pomp.  Oü.  00)  Plut.  Pomp.  Üü.  Dio  41,  52.  App.  2,  108.  Vellej.  2, 
52.   Lucaii.  ü,  31Ü.  f. 


IL  AFRANil.  (ö.)  39 

Cäsar  nur  mit  Gcldc  zu  erobern  missc.  '^o)  £f  durfte  nach  der 
Niederlage  bei  Pharsauis  nicht  Avieder  auf  Schonung  rechnen, 
und  cntflüli  desliall»  zu  M.  Cato  nach  Dyrrhachium  und  weiter 
nacli  Africa.  ')  Hier  nahm  er  iiu  Anfange  des  April  4G  an  der 
Schlacht  bei  'l'hapsus  Tiicil,  -)  und  als  er  sich  mit  Faustus  Sulla 
und  etwa  1500  Reutern  über  Utica  nach  Mauritanien  begab, 
um  bei  den  Söhnen  des  Pcmpejus  in  Spanien  Schutz  zu  suchen, 
wurde  er  Aon  P.  Sittius,  einem  römisclicn  Abenteurer,  ergriffen 
und  an  Ciisar  ausgeliefert ,  dessen  Soldaten  ihn  wenige  Tage 
später,  scheinbar  ohne  Befehl,   in  einem  Auflaufe  tödteten.  ^) 

Unter  fremder  Leitung,  als  Legat  und  Werkzeug  des  Pom- 
pejus,  zeigte  er  sich  zuweilen  brauchbar.  Dio  sagt,  er  sei  ein 
besserer  Tänzer  als  Staatsmann  gewesen,  ^)  und  oft  spottet 
Cicero  über  seine  Unfähigkeit  und  Schlaff'heit,  ^)  obgleich  er  ihn 
einen  grossen  Feldherrn  nennt,  wenn  er  die  Cäsarianer  kränken 
will.  ")  In  der  Zeit  der  ersten  Kaiser  hiess  er  als  Gegner  Cä- 
sars  ein  Freibeuter.  ") 

6.  Afrania.  Ohne  Zweifel  die  Schwester  des  Vorljen. 
Cemaliiin  eines  Licinius  Bucco ,  sehr  processsüchtig,  und  keck 
genug,   ihr  eigener  Sachwalter  zu  seyn.      Sie  starb   a.  48.  ^) 

7.  L.  Afranius.  Sohn  von  No.  5.  a.  49  in  Spanien, 
wo  er  durch  Ser.  Sulpicius  über  seine  und  seines  Vaters  Begna- 
digung mit  Cäsar  unterhandelte.  ^) 


lOü)  Eine  Anspielung  auf  seine  Feinde,  welche  behaupteten,  dass  er 
in  Spanien  bestochen  sei.  Plut.  Caes.  41.  Pomp.  C7.  1)  Dio  42,  10.  43, 
12.  Flor.  4,  2.  §.  90.  2)  Flui.  Cae.^.  53.  3)  Die  Meisten  berichten,  dass 
Cäsar  ihn  tödten  Hess.  (Hirt.)  B.  Afric.  95.  sagt  das  Gegentheil,  und 
Suet.  Caes.  75.  stellt  es  ins  Ungewisse.  Liv.  114.  Flor.  4,  2.  §.  90.  Oros. 
6,  IG.  (A.  Vict. )  de  vir.  ill.  78.  Dio  43,  12.  Vgl.  Cic.  ad  Farn.  9,  IS. 
Eutrop.  G,  23.  ( l'St)  Plut.  Caes.  53.  App.  2,  488.  lässt  ihn  mit  Scipio 
ein  Schiff  besteigen,  um  sich  zur  See  zu  retten.  4)  37,  49.  Cic.  ad  Atl. 
i,  IG.  §.  7.  5)  Oben  A.  87.  C)  13  Phil.  14.  7)  Tacit.  A.  4,  34. 
•S)  Val.  INI.  8,  3.  §.  2.  Digest.  3.  lit.  1.  fr.   1.     0)  Caes.  B.  C.   1,  74. 


40  ^  lll    AxNNII. 


III.    A  N  N  I  I. 


1.  Titus  Annius  Luseiis. 

r.  218  /'.   CJiT.  —  530. 

2.  T.  .Vilnius  Li. 
c.   172  —  :)82. 

3.  '1'.   Anilins  L. 

fos.   153  —  601. 

4.  T.   Annius  L.   Kufiis. 

crnt.   128  —  626. 

5.  T    .Vilnius   Ij.      6.  C   .Vnnlus   I..       7.  .'Vniiin. 

8.  -Viiniu.  —  9.  C.  Pajiins  Celsus. 

10.  T.    Vnniiis  iMilii  i'apianiis.  —    II.  Fniigta. 
.  Tr.  jtl.  57.  —  697. 


III.     A  u  11  i  i. 

l^lebejisch. 

Der  erste  dieses  Namens,  dessen  Livius  gedenkt,"'^  ist 
L.  Annius  aus  Setia  ,  einer  römischen  Coionie,  Prätor  der  La- 
teiner 340  V.  Chr.  zur  Zeit  des  grossen  lateinischen  Krieges. 
Cn.  Fiavius,  Cn.  F.  '^^  curuUsclicr  Aedil  30  t  wird  der  Sohn 
eines  Freigelassenen  Annius  genannt.  '-)  Nach  der  Schlacht  bei 
Cannil  21 G  gieng  ein  Annius  mit  Anderen  als  Gesandter  nach 
Rom,  um  im  Namen  seiner  Vaterstadt  Capua  darauf  anzutragen, 
dass  in  Zukunft  der  Eine  der  Consuln  ein  Campancr  sein  solle. '^J 
P.  Annius  hiess  der  Mörder  des  M.  Antonius  Orator ,  nach  Ap- 
pian  ein  Kriegstribun,  '*)  und  C.  Annius  Cimber,  Sohn  des  Lj- 
sidicus,  ein  Trink-  und  Spielgenoss  des  Triumvir  M.  Antonius.  '^) 


10)  8,  3.  f.  11)  Liv.  9,  IG.  12)  Gell.  N.  A.  G,  9.  13)  Val.  Max. 
fi,  4.  1.  Vgl.  Liv.  23,  G.  22.  14)  Aiitonii  \o.  10.  A.  40.  J5)  Das. 
No.   14,  f.  72.  A.  32. 


ni.  ANMI.  (J.)  41 

Man  Hndet  aucl»  Andere  olme  Familien -Namen,  bei  den  Meisten 
aber  fehlen  diese  niclit.  "•)  Für  uns  haben  nur  die  Lusci  ein 
Interesse,  in  Beziehung  auf  Milo,  den  \.  'J'ribun  v.  J.  57,  -weil 
er  von  mütterlicher  Seite  und  durch  Adoption  ihnen  angehörte. 
Die  Jahre,  in  welchen  sie  Magistrate  waren,  können  mit  Aus- 
nahme des  Consulats  selten  ermittelt  werden;  die  willkührlichen 
Bestimmungen  bei  Pighius  verdienen  eben  so  wenig  Billigung, 
als  das  Verfahren  einiger  Genealogen,  welche  die  Annii  übergehen. 

1,  Titus  Annius  Luscus.  Ein  Consular  C.  Lutatius  und 
zwei  Prätorier  führten  Colonisten  nach  Placentia  und  Cremona, 
und  wurden  im  folgenden  J.  218  v.  Chr.  von  den  Bojern  ver- 
trieben. '^-^  Nach  Einigen  befand  sich  Annius  unter  diesen 
triumv.  col.  deduc.  dann  ist  er  Prätor  gcAvesen ,  und  Livius  '^) 
scheint  diess  für  das  Richtige  zu  halten;  er  bemerkt  jedoch, 
dass  die  Annalen  die  Geführten  des  Lutatius  verschieden  bezeichnen. 

2,  T.  Annius  Luscus,  Sohn  des  Vorigen,  Avurde  a.  172 
mit  Anderen  zu  Perseus  geschickt  und  a.  1(J9  als  triumv.  col, 
deduc.  nach  Atjuileja.  ''•'' 

3.  T.  Annius  Luscus.  Sohn  des  Vorigen.  -'*)  Consul 
a.  153.21)  Censor  vielleicht  a.  136.--)  Nicht  ohne  Beredt- 
samkeit,  -••)  und  Gegner  des  Tib.  Gracchus ,  denn  er  wird  von 
Livius  -*)  bei  dem  J.   133.  Consular  genannt. 

4.  T.  Annius  Luscus  Rufus.  A  orname  und  Zeitverhiiltniss 
lassen  nicht  zweifeln,  dass  er  der  Sohn  des  Vorigen  war.  Con- 
sul a.    128.  25) 


IG)  S.  die  Annalen  der  Magistrate,  Grufer.  101.  No.  5.  108.  No.  3. 
239.  No.  3.  354  u.  0C8,  Plin.  u.  A.  17)  Polyb.  3,  40.  18)  21,  25. 
19)  Llv.  42,  25.  43,  17.  20)  Nach  Eckli.  5.  p.  134.  geben  die  Älünzeii 
der  Annii,  welche  entschieden  äclit  sind,  keine  Beinamen.  Gleichwohl 
findet  sich  bei  dem  unzuverlässigen  Goltz  Fast.  a.  600,  und  nach  ihm  bei 
Vaill.  Ann.  No.  1.  ein  Denar  mit  der  Inschrift  T.  A.  Luscus,  welcher 
sich  auf  die  angeblich  a.  IGO.  verwaltete  Aedilität  unseres  Annius  be- 
ziehen soll.  21)  Cic.  Brut.  20.  In  den  Fast.  Sic.  und  bei  den  übri- 
gen  Aniialislen  ist  sein  Name  theils  enlstelit,  theils  unvollständig. 
22)  Fest.  V.  Religionis.  In  den  capif.  Fasten  sind  die  Namen  der  Cen- 
soren  dieses  J.  erloschen.  23)  Cic.  1.  c.  Vgl.  Meyer.  Orat.  Rom.  Fragiii. 
p.  100.  24)  Ep.  58.  Plut.  Tib.  Gracch.  14.  Fest.  v.  Satura.  Hiernach 
ist  Pigh,  3.  p.  4.  zu  berichtigen,  welcher  hier  bei  d.  J.  C20.  den  folgen- 
den Annius  als  Prätor  und  als  Gegner  des  Gracchus  aufführt.  25)  Fast. 
Sic.   Cassiod.   übscq.    88. 


42  UI.  ANMl.  (5.) 

5.     T.  Anniiis  Luscus.  -''^ 

0.  C.  Aiiuius  Luscus.  C'ajus  und  T.  F.  T.  N.  auf  den 
IVlünzcu,  -^'  und  dalier  avoIiI  ein  jüngerer  Sohn  von  No.  1.  Im 
jugurtliinischen  Kriege  stand  er  a.  107  in  Africa  unter  (i.  .Me- 
tcllus,  Avelclier  ihn  mit  einer  Besatzung  nach  Leptis  schickte. -8) 
Dann  gah  ilim  Sulla  a.  81  nacli  der  Piiitur  Spanien  mit  pro- 
consular  (Jewalt,  um  Scrtorius  zu  bekriegen.  Er  erzwang  den 
Uebergang  über  die  P^'renäcn ,  nachdem  Julius  Saiinatur  ermor- 
det war,  welcher  die  Passe  besetzt  Iiiclt.  -^^  An  diese  Statthal- 
terschaft erinnern  die  in  Spanien  geprägten  Münzen  mit  den 
Namen  seiner   Quästoren  L.  Tabius  und  Q.  Tarquitius.  ^^) 

7.  Annia.  Zeitgcnossinn  der  beiden  Vorigen,  vielleicht 
<leren  Schwester ;  es  beweis't  nichts  dagegen,  dass  No.  6  Sulla- 
ner war  ,  denn  in  Bürgerkriegen  ordnen  sich  die  Parteien  nicht 
nacli  der  Verwandtschaft.  Ihr  Gemahl  L.  Cinna  starb  a.  Si  als 
Consul  IV;  wegen  dieser  Verbindung  war  sie  Sulla  verhasst, 
und  M.  Piso  Calpurnianus,  welcher  sie  heirathete,  musste  sich 
bald  wieder  von  ihr  trennen.  -^O 

8.  Annia.       Gemahlinn     des   Folgenden    und     ^Mutter    des 

Milo.  32) 

9.  C.  Papius  Celsus,  Gemahl  der  Vorigen  und  leiblicher 
Vater  des  ^lilo.  So  Meit  die  Geschiclite  die  Abkunft  der  Papii 
verfolgen  kann,  stammten  sie  aus  Samnium,  wo  ein  angesehener 
Mann,  Papius  Brutulus,  im  zweiten  Kriege  mit  Rom  um  322 
V.  Chr.  sicli  hervorthat.  ^^)  Im  marsischen  Kriege  linden  wir 
den  Römern  gegenüber  einen  samnitischen  Heerführer    C.  Papius 


20)  S.  \o.  G.  und  10.  27^  Eclh.  5.  p.  131.  I'rsin.  u.  Vaül.  Ami. 
•18)  Sallust.  B.  J.  77.  29)  Plut,  Sert.  7.  u.  d.  Leben  des  Sertorius  in: 
Pompeii.  Poriipej.  Triurav.  30)  Oben  A.  27.  Eclih.  1.  c.  befrfindct  es, 
dass  Rlänner  mit  den  Naraen  jener  Quästoren  als  Anhänger  des  Sertorius 
bei  dessen  Tode  gegenwärtig  waren;  (Sallust.  Hisl.  3.  p.  980.  ed.  Corte.) 
aber  auch  viele  andere  angesehene  Römer  giengen  zu  ihm  ül)er  und  wur- 
den deshalb  geächtet.  31)  VcUej.  2,  11.  nennt  l'iso,  Cos.  Ol.  der  Zeit 
vorgreifend,  Consular ;  er  hatte  sich  dadurch  die  Gunst  des  Dictalor  er- 
worben, dass  er  a.  83.  sich  weigerte,  dem  Consul  L.  Scipio  als  Quäslor 
ins  Feld  zu  folgen.  Cic.  in  A  err.  1,  11.  32)  S.  No.  0.  u.  10.  33)  I,iv. 
8,  3'.'.  l)io  fr.  1  13.  nennt  ihn  unrichtig  Papirius,  und  ist  dies  Ceschlecht 
häutig  mit  anderen  verwechselt,    auch    mit  den   Pupii. 


il 


I[I.    ANML  (10.)  43 

Mutilus;  3*)  Stand,  Tapferkeit  und  Reiclitliuiu  verscliali'ten '  ihm 
die  Aufnahme  in  den  römischen  Senat,  a.  43  wurde  er  als  aclit- 
zigjährigcr  Greis  proscribirt.  ^•') 

Man  darf  nicht  zweifeln,  dass  diq,  Papii  Celsi  in  Lanuvium, 
einem  Municipium,  zu  welchen  Milo  gehörte,  gleichen  Ursprungs 
waren.  Auf  jenen  Ort,  welcher  oft  mit  Lavinium  verwechselt,  •'*'>' 
und  durch  seinen  Tempel  der  Juno  Sospita  berühmt  geworden 
ist, -^^^  beziehen  sich  der  Kopf  dieser  Göttinn ,  die  Schlange,  ■'^^ 
der  Adler  und  der  AVolf  auf  ihren  Münzen,  -^V  Uebrigens  ist 
dieses  Geschlecht  bis  auf  die  Zeit  der  ersten  Kaiser  fast  nur 
durch  Gesetze  *")  bekannt  geworden  ,  welche  seinen  Namen 
tragen. 

10.  Titus  Annius  C.  F.  Milo  ^0  Papianus ,  der  leibliche 
Sohn  der  beiden  Aorigen,^-)  und  aus  Lanuvium  gebürtig,  wo 
er  auch  die  AVürde  eines  Dictator  erhielt,  ^-^i  wurde  von  T.  An- 
nius, dem  Vater  seiner  Mutter,  adoptirt.  ^*)  Dieser  konnte  nicht 
Cajus  heissen,  wie  Einige  bei  Asconius  lesen,  da  er  selbst  Titus 
genannt  wird,  und  der  Vorname  des  Adoptirenden  auf  ihn  über- 
ging. ^•^)  Audi  erlaubt  das  Zeitverhältniss  nicht,  T.  Annius 
Cos.  128.  für    seinen  Adoptiv- Vater    zu  halten,    sondern  dessen 


31)  Veliej.  2,  16.  App.  1,  375.  Oros.  5,  18.  Bei  Diodor.  Fr.  1.  36. 
p.  180.  ed.  Argeiit.  uiirichfig  C.  Aponius  Motulus.  Auch  später  werden 
l'apii  IMutili  erwähnt,  z.  B.  der  Cos.  suft.  a.  0.  nach  Chr.  nach  welchem 
die  L.  Papia  Poppaea  benannt  wird.  Vgl.  Heinecc.  ad  L.  Jul.  et  Pap.  Popp, 
lib.  1.  c.  4.  35)  App.  4,  003.  wo  Pap.  für  Statins  zu  lesen  ist.  Vgl. 
Keferstein  B.  Marsic.  p.  59.  30)  S.  Eckh.  5.  p.  207.  37)  Cic.  de  nat. 
Deor.  1,  29.  p.  iVIur.  41.  u.  a.  a.  O.  Liv.  24,  10.  Ovid.  Fast.  0,  OÜ.  f. 
Reines.  Inscr.  Class.  5.  No.  47.  Orell.  Inscript.  \o!.  1.  No.  1308.  Vol.  2. 
No.  4014.  38)  Propert.  4,  8.  in.  30)  Urbin.  Vaill.  Papii.  Eckh.  1.  c. 
40)  Leber  d.  Wahl  d.  A'estal.  Gell.  1,  12.  üeber  die  Fremden  von  C. 
Pap.  V.  Tr'ih.  a.  G5.  u.  über  die  Ehe,  jene  /ev  Pr/pia  Popp.  a.  9.  nach 
Chr.  41)  Der  \ame  kommt  in  der  griechischen  Geschichte  mehrmals 
vor.  Am  bekanntesten  ist  Milo  ,  der  Crofoniat,  wie  Cicero  in  einer  ge- 
heimnissvollen Miltheiliing  den  IJnserigen  nennt;  ad  Atf.  0,  4.  5.  ein 
Anderer  befehligle  die  Besatzung  des  Pyrrhus  in  Tarent;  Fiontin.  Pial. 
3,  3.  §.  1.  anch  unter  den  Anführern  im  Heere  des  Perseus  befand  sich 
ein  Milo.  Folyb.  26,  0.  ed.  Schweigh.  Der  Unselige  wird  unter  anderen 
von  Cic.  p.  Mil.  I,  Ascor.  arg.  Milon.  in.  Liv.  104  und  Dio  30,  0.  T.  An- 
nius Milo  genannt.  42)  Ascon.  zu  Cic.  Milon.  c.  35.  43)  Ders.  arg. 
Mil.     44)  Oben  A.  42.      45)  S-  Meteilus  Scipio  Cos.    a.    52.  in:    Caecilii. 


44  HI.    ANMI.  (10.) 

Sohn,  So.   5.  auf  wcltlicn  siel»  vielleicht  ilas  Loh  Ciceros  in   der 
Rede  für  Clucntius  bezielit.  ***> 

§    I. 

.Milos  öftciitiichc  Laufliahn  Avar  sehr  kurz,  ein  imnieruiih- 
render,  zum  Theil  siegreicher  Kampf  mit  P.  Clodius  und  dessen 
Faction,  Mclchen  er  durch  einen  Mord  endigte  und  dadurch  für 
sich  seihst  nutzlos  machte.  *^J  Nach  der  Verwaltung  der  Quä- 
stur,  deren  Jahr  unbekannt  ist,  wurde  er  a.  57  in  sehr  bewegten 
Zeiten  V.  Tribun.  ^^^  Aon  den  Optimaten  als  ein  Abtrünniger 
verlassen,  und  von  Clodius  an  der  Spitze  des  Pöbels  gedrängt, 
wünschte  Pompejus  Ciceros  Rückkehr  aus  dem  Exil,  Meil  er 
Hülfe  von  ihm  erwartete.  Auch  Milo  begünstigte  ihn,  und  eben 
so  wenig  aus  persönlicher  Zuneigung  oder  aus  Eifer  für  das 
Wohl  der  Republik  oder  auch  nur  der  Aristocratie,  sondern  le- 
diglich vom  eigenen  Interesse  geleitet.  Der  Triumvir  konnte 
ihm  einst  zum  Consulat,  und  Mas  bei  einer  untilgbaren  Schul- 
denlast das  AViclitigste  für  ilin  war,  zu  einer  einträglichen  Pro- 
vinz A'erhelfen,  und  Hess  es  nicht  an  Versprechungen  fehlen.*'-*) 
Es  ist  sogar  wahrscheinlicli,  dass  er  auch  Geld  erhielt.  Bei  sei- 
nem Character  vermochte  er  unter  allen  Tribunen  am  meisten 
zu  schaden  oder  zu  nützen,  und  in  der  That  leistete  er  mehr 
als  die  übrigen  sieben,  Avelche  für  Cicero  Maren.  ^")  Diess  hatte 
aber  auch  noch  einen  ZMciten  Grund  :  als  Freund  Ciceros  wurde 
er  Clodius  Feind,  und  nun  entstand  zMischcn  ihnen  ein  Streit 
auf  Leben  und  Tod,  wobei  die  Angelegenheit  des  Verbannten 
nur  den  Namen  herlieh. 

Clodius  verstärkte  sich  durch  die  Fechter  seines  Bruders 
Appius  Claudius;  Milo  führte  als  Tribun  sie  ins  (iefängniss, 
und  Serranus,  sein  College,  befreite  sie.  Die  Klugheit  rieth, 
Milo  zu  schonen;  allein  Clodius  bestürmte  seine  Wohnung,  An- 
niana,  und  Murde  deshalb  nach  der  L.  Plotia  de  vi  belangt,  die 
Klage  jedoch    durch    seine  Freunde    vereitelt.     Sein  Gegner   trat 


•16)  c.  28.  '17)  Das  Genauere  über  das  Folgende  bis  z.  J.  52  s.  im 
heben  des  P.  Clodius  in:  Claudii.  It»)  fic.  ad.  Qu.  fr.  1,  1.  ad  Farn.  2, 
G.  §  2.  p.  red.  in  Sen.  8.  12.  p.  Sext.  40.  p.  iMil.  "i.  Liv.  101.  Dio  39,  (i. 
49)  App.  2,  430.  tili.     50)  Oben  A-  48,  u.  fic.  p.  Mil.   37. 


ni.  y\NM[.  (10.)  45 

mm  au(^  mit  einer  zahlreichen  Schaar  von  Fcclitcrn  auf,  und 
Clodius  sah  sich  von  ii-  Tlaccus  in  die  Flucht  geschlagen,  als 
er  im  November  nach  Ciceros  RiVckkehr  das  Haus  des  Milo  auf 
dem  Germalus  angriff'.  ^0  Um  so  mehr  wünschte  er  Aedil  zu 
werden,  und  dadurch  den  Gerichten  zu  entgehen.  Milo  verhin- 
derte die  "Wahl  durch  seineu  Einspruch ,  mehr  noch  durch  seine 
Bande. 

Erst  im  Januar  a.  5G  wurde  Clodius  curulischer  Aedil. 
Seine  Faction,  und  auch  die  Optimaten,  welche  sich  in  Cicero 
getäuscht  und  ihn  aus  Furcht  vor  einem  zAveiten  Exil  den 
Triumvirn  huldigen  sahen,  begünstigten  ihn.  Nach  dem  Bei- 
spiele seiner  Feinde  und  mit  gleichem  Rechte  erhob  er  sich  zum 
Anwalte  der  Republik.  Er  zog  Milo  im  Februar  Avegen  ver- 
übter Gewalt  vor  Gericht,  und  brachte  dadurch  auch  Cicero  ins 
Gedränge,  Avelcher  schwieg,  weil  Crassus  auf  der  Seite  des  Klä- 
gers zu  sein  schien.  Pompejus  wfir  für  Milo ;  dieser  vertraute 
aber  nicht  ihm,  sondern  seinen  Banden;  sie  reinigten  den  Markt, 
und  der  Process  ruhte.  Auch  C.  Cato,  der  V.  Tribun,  empfand 
seine  Rache.  Er  hatte  Clodius  unterstützt,  und  sogar  Fechter 
gekauft,  welche  er  nicht  unterhalten  konnte.  Milo  veranlasste 
insgeheim  einen  Mann,  sie  zu  kaufen,  worauf  der  Tribun  Raci- 
lius  sie  in  einem  öffentlichen  Anschlage  als  sein  Eigenthum  feil 
bot,  und  als  Catos  Bande  bezeichnete.  ^-)  Datresen  misslano- 
Milos  Versuch,  die  Verurtheilung  des  Sex.  Clodius  zu  bewirken; 
die  Richter  vom  Senator -Stande  wollten  in  ihm  Pompejus  eine 
Kränkung  zufügen.  ^V  Nur  Cicero  blieb  ihm  immer  ero-eben ; 
er  fühlte  sich  durch  seine  Macht  und  Verwegenheit  gedeckt,  und 
nahm  es  wohlgefällig  auf,  dass  Lentulus  Spinther  in  Xilicien 
ihm  zu  der  Verbindung  mit  einem  Menschen  Glück  wünschte, 
der  Gesetz  und  Ordnung  mit  Füssen  trat.  ^V 

Warum  Milo  a.  55  vor  Gericht  stand,  ist  unbekannt,  wie 
der  Ausgang  des  Processes.  5^)  Da  Cicero  ihn  vertheidigte,  so 
erhellt    schon    daraus ,     dass    die  in    der    Geschichte    des  vorigen 


51)  Milo  wohnte  nicht  in  diesem,  sondern  in  dem  früher  genannten. 
52)  Cic.  ad  Qu.  fr.  2,  G.  §.  4.  53)  Ders.  1.  c.  u.  p.  Coel.  32.  S.  Sex. 
Clodius  in:  Claudii.  51)  Cic.  ad  Fam.  1,  7.  §.  5.  55)  Ders.  ad  Alf. 
4,  12. 


46  Hl.    ANNII.  (10.) 

Jalircs  erwähnte  Klage  niclit  gemeint  sein  kann.  Gegen  Ende 
«les  jetzigen  vcrniüliltc  er  sich  mit  Tausta-^'»)  Die  Aedilitilt 
übergieng  er,  Avelchcs  gestattet  Mar.  ^^)  Manutius  glaubt, -"^j 
er  sei  a.  51  cur.  Acdil  gew  esen ,  und  liabe  als  solcher  glänzende 
Spiele  gegeben,  dann  aber  ^''*)  diese  seien  durcli  eine  Erbschaft 
veranlasst,  und  darin  irrt  er  nicht.  i\'irgcnds  findet  sich  eine 
.Spur  von  jenem  Amte,  denn  auch  die  Worte:  potucrat  magi- 
strum  se,  non  aedilcm  putare,^"^  kann  man  so  wenig  darauf 
deuten,  als  sie  beweisen,  dass  der,  welchen  Milo  beerbte,  als 
Aedil  gestorben  und  bei  den  Spielen  gleichsam  von  ihm  vertre- 
ten sei.  Der  Prätur  konnte  er  sich  nicht  entziehen ,  wenn  er 
Consul  werden  AVoUte;  es  Avar  von  Anderen  versucht,  aber  nicht 
geduldet,  ''')  und  von  Sulla  nochmals  untersagt,  02)  obgleich 
man  Pompejus  Cos.  70  von  der  Beobachtung  des  Gesetzes  zu 
entbinden  sich  gezwungen  sah.  AVir  wissen  indess  nicht,  wann 
3Iilo  Prätor  war;  Pighius  ß^)  meint  a.  54  und  führt  die  Spiele, 
deren  Cicero  gedenkt,  als  Beweis  an;  dieser  sagt  aber  nicht, 
dass  er  sie  als  Prätor,  sondern  dass  er  sie  in  Folge  einer  Erb- 
schaft gegeben  habe ,  und  spricht  3.^54  nur  von  den  Vorbe- 
reitungen; demnach  gcliören  sie  in  das  .Tahr  53,  in  welchem 
er  um  das  Consulat  warb ,  und  sich  dadurch  bei  dem  Volke 
empfelilen  "\vollte,  dass  er  nach  Ciceros  übertriebenen  Nachricht 
zu  dessen  Belustigung  drei  Erbtiieilc  verscliwendete ,  das  A'er- 
mögcn  se!  es  leiblichen  und  seines  Adoptiv -Vaters  und  das 
Heirathsgut  seiner  Mutter,  ö*)  Diese  Bewerbung  lässt  nun  auch 
darauf  schliessen,  dass  er  die  Prätur  vor  a.  54  verwaltete,  in 
welchem  er  in  dem  Processe  des  M.  Scaurus  auftrat.  ^^^ 

§2. 

In  der  Meinung,     dass  seine  Grösse  von  einem  Titel,    von 
der  Dictatur  abhänge ,     beförderte    Pompejus    die  Anarchie.     Die 


50)  Dcrs.  ad  Alt.  -1,  13.  Unten  No.  11.  57)  Maiiut.  zu  Cic.  p-  Sexl. 
53.  (3.  p.  57.)  58)  A.  zn  ad  Kam.  2,  0.  50)  A.  zu  ad  Qu.  Fr.  3,  8. 
Fr.  9.  00)  ad  Qu.  Fr.  3,  8.  Ol)  S.  C.  Caesar  .Stralio  aedil.  cur.  a.  90. 
in:  Julii.  Cic.  Brut.  03.  de  h.  rcsp.  20.  Ascoii.  zu  p.  Scaur.  p.  140.  ed. 
Peyr.  et  Deier.  C2)  App.  1,  -Jli.  113.  426.  Vgl.  Cir.  11.  Phil.  5. 
03)  3,  393.  Cl)  Cic.  p.  Älil.  35.  u.  das.  Asc  Vgl.  B.  C.  3,  21.  65)  Aeinil, 
Scaur.  No.  3.  §  2.  A.  33.  f. 


HI.  ANNII.  (Ii>.)  47 

I>c.sfcclninp;cn  jenes  Scaunis  und  der  drei  anderen  Candidaten 
des  Consulats  '^)  waren  ilnii  erwünsclit,  denn  tim  so  gewisser 
liciiann  das  J.  53  mit  einem  Zwisclicnreiche.  Als  endlich  in 
diesem,  im  Juli,  Domitius  und  Mcssala  gewählt  Maren,  be- 
schäftigten ihn  aus  gleicliem  Grunde  die  Wahlen  für  das  nächste. 
Milo  warb  um  das  Consulat , ''^)  Ciodius  um  die  Prätur,  und 
dieser  begünstigte  Plautius  llypsäus  und  Mctellus  Scipio,  die 
Nebenbuhler  seines  Feinoes,  von  Avelchem  er  das  Acusserste 
fürchten  musstc ,  wenn  er  durchdrang.  Auch  Pompejus  zog  sie 
vor,  weil  er  durch  sie  Dictator  zu  werden  hoffte,  wenn  es  sich 
nicht  auf  einem  anderen  Wege  erreiclien  Hess.  Demnach  fand 
er  sicli  wieder  mit  Ciodius  zusammen,  von  welchem  er  noch 
vor  Kurzem  die  empfindlichsten  Kränkungen  erfaliren  hatte, 
und  nun  w.igte  Cicero  um  so  Aveniger  öffentlich  für  Milo  thätig 
zu  sein.  '>^)  Dieser  wirkte  durch  Bestechungen  und  Gladiatoren; 
Ciodius  stellte  ihm  die  seinigen  entgegen,  und  verstärkte  sie  durch 
die  Bande  des  Hvpsäus  und  durch  Sclaven  aus  den  Apenninen, 
daher  nun  wieder  in  den  Strassen  von  Rom  gefochten  wurde. 

Es  hatte  im  Anfange  d.  J.  52  weder  höhere  Älagistrate 
noch  einen  Zwischenkönig.  Die  blutigen  Raufereien  dauerten 
fort;  sie  hatten  noch  immer  die  Ausschliessung  des  CJegners 
von  den  AVahlen  zum  Zweck,  und  nährten  in  Pcmpejus  die 
Hoff"nung  zur  Dictatur ,  als  Ciodius  am  20,  Januar  von  Milos 
Gefolge  getödtet  wurde.  •*^)  Rom  gerieth  in  Gährung.  Die  An- 
hänger des  Ermordeten  zogen  den  Pöbel  in  ihr  Interesse ,  um 
ihn  zu  rächen.  Dennoch  kam  Milo,  dessen  Haus  wieder  an<re- 
griff"en,  aber  von,  seinen  Bewaff"neten  geschützt  war,  nach  der 
Stadt  zurück.  Er  führte  neue  Söldner  herbei,  vertheilte  Geld, 
und  setzte  seine  Bewerbung  fort.  Auch  erschien  er  in  Beglei- 
tung des  Tribuns  M.  Coelius  vor  dem  Volke,     um  zu  beweisen, 


60)  Das.  A.  37.  67)  Cic.  ad  Qu.  Fr.  3,  8.  §  5.  9.  §  2.  ad  Fam.  2,  0.  §  2. 
68)  Er  erschien  anfangs,  sich  für  ihn  zu  verwenden,  wurde  aber  von 
Ciodius  ■ogleich  forlgescheuchl.  p  Mil.  11.  u.  das.  Ascon.  C9)  Ascoii. 
arg.  Milon.  lies't  man  richtig  statt  III.  IV.  Cai.  Febr.  (30.  29.  Januar) 
XIII.  XIV.  (20.  10.  Jan.)  XIII.  hat  auch  Cic.  p.  Mil.  10.  S.  Ascon. 
selbst  im  arg.  Haec  agebantiir  etc.  u.  zu  c.  25.  u.  Cic.  ad  Alt.  5,  13. 
u.  G,  I.  fin.     Mehr  darüber  in:  Claudii. 


48  ^H     ANNII.  (10.) 

dass  er  sich  gegen  Cloditis  nur  vcrtheidigt  habe.  Aber  die  ihm 
feindlich  gesinnten  Tribunen  unterbrachen  ihn,  und  nöthigten 
ihn  unter  Hlutvergiessen  zur  Flucht. 

'  Ponipejus  verbreitete  das  Gerücht,  dass  er  ihm  nachstelle; 
damit  es  desto  nielir  Glauben  fände,  Hess  er  ihn  nicht  vor, 
als  er  kam,  sich  mit  ihm  zu  vergleiclien;  man  sagte  auch,  er 
habe  sein  Anerbieten,  von  der  Bewerbung  abzustehen,  wodurch 
Milo  den  Mächtigen,  welchen  er  für  Hypsäus  Gönner  hielt,  ver- 
söhnen wollte,  mit  stolzer  Gleichgültigkeit  vernommen.  Er 
selbst  wurde  am  25.  Februar  zwar  nicht  zum  Dictator,  aber 
doch  zum  Consul  ernannt,  und  zwar  allein,  nachdem  er  schon 
vorher  vom  Senat  ermächtigt  war,  Truppen  auszuheben,  und 
mit  dem  Zwischenkönige  und  den  Tribunen  über  die  Sicherheit 
der  Republik  zu  wachen.  Nun  sollte  Milo  empfinden  ,  dass  man 
nicht  ungestraft  seine  Pläne  durchkreuze.  Seine  Gesetze  geiren 
Gewaltthätigkeiten  und  Amtsersclileichung  waren  gegen  ihn  ge- 
richtet, das  Erste  gab  sich  sogar  entschieden  als  ein  Privile- 
gium kund,  schien  aber  auch  die  Clodianer  zu  bedrohen.  Poni- 
pejus gefiel  sich  in  solchen  Zweideutigkeiten.  Er  gab  sich 
noch  immer  das  Ansehn ,  als  fürchte  er  Meuchelmord ,  und  blieb 
den  Tribunicischen  Umtrieben  nicht  fremd,  wodurch  man  in  der 
zweiten  Hälfte  des  Märzes  die  Menge  gegen  Milo  zu  stimmen 
und  Cicero  von  dessen  Vertheidigung  abzuschrecken  suchte. 
Seine  Krieger  standen  bereit,  das  Uebrige  zu   thun. 

So  wurde  Milo  im  Anfange  des  Aprils  a.  52  wegen  ver- 
übter Gewalt,  wegen  Bestechungen  und  wegen  verbotener  Ver- 
bindungen, welche  sie  bezweckten,  vorgeladen.  Cicero  konnte 
nicht  umhin,  in  dem  ersten  Processe  für  ihn  aufzutreten.  Es 
ist  wahrscheinlich,  dass  es  mit  Pompejus  Genehmigung  geschah; 
dennoch  machte  ihn  der  Anblick  der  Waffen  und  das  Geschrei 
der  Clodianer  bestürzt,  und  er  sprach  nicht,  wie  er  nacliher^j 
schrieb;  ohnehin  vermochte  der  geschickteste  Sachwalter  seinen 
Clienten  nicht  von  der  Schuld  zu  reinigen,  oder  dem  Consul 
zu  widerstehen.  Da  dieser  angeblich  für  sein  Leben  fürchtete, 
so  wagte  er  auch  nicht,  wie  später  M.  Brutus  in  einer  nur 
geschriebenen  Rede  für  Milo,  den  Satz  aufzustellen,  der  Mör- 
der habe  sicii  um  die  Republik  verdient  gemacht,  sondern  er 
suchte    zu  zeigen,     dass  der    Mord  Nothwehr  gewesen  sei,    wel- 


m.  ANNir.         (jo.)  49 

dies  l»ei  weitem  scliwlcriger  oder  vielmehr  unmöglich  wur.  ''") 
Milo  erhielt  am  II.  April  ein  gerechtes  Urtheil  tauf  eine  gesetz- 
widrige Art.  In  den  nächsten  Tagen  folgten  die  bis  dahin  aus- 
gesetzten Klagen  wegen  Amtserschleichung  und  Südalitien,  und 
wegen  Gewaltthätigkciten,  >velche  Clodius  zunächst  nicht  an- 
giengen.  Kr  Murdc  abwesend  verurtheilt  und  begab  sich  nach 
Massilia  ins  Exil.  ^') 

§   3. 

Sein  Scliicksal  wurde  auch  seinen  Gläubigern  verderblich. 
Zwar  hatte  er  noch  Besitzungen,  ein  Haus  auf  dem  Capitolin, 
Anniana  genannt  ,^->'  zum  Unterschiede  von  einem  anderen  auf 
dem  Germalus, ^"^^  mehrere  Villen,  unter  anderen  zu  Ocriculum, ^*) 
vieles  Hausgeräth,  und  insbesondere  eine  grosse  Anzahl  von 
Gladiatoren  und  anderen  Sclaven  nebst  Waffen;  er  konnte  aber 
nichts  sein  Eigenthum  nennen;  denn  die  Unterhaltung  dieser 
Banden,  die  Spiele  v.  J.  ^)3  und  die  Bestechungen,  Avodurch  er 
sich  das  Consulat  zu  verschaffen  suchte,  hatten  ihn  unermess- 
liche  Sunnnen  gekostet  und  in  Schulden  gestürzt ,  deren  Tilgung 
unmöglich  war,''^^  zumal  da  seine  Habe  für  einen  sehr  geringen 
Preis  verkauft  Murde.  ^^) 

Cicero  gericth  in  den  dringenden  Verdacht,  dass  er  diess 
benutzt  und  durch  Philotimus,  den  Freigelassenen  seiner  Ge- 
mahlinn,''^)  und  unter  dessen  Namen  einen  Tlieil  erstanden 
habe.  Es  erregte  Aufsehn;  Milo  selbst  bezeugte  seinen  Unwil- 
len, ^^)  und  Philotimus  musste  dem  entsagen,  was  er  gekauft 
hatte ,  wobei  er  falsche  Rechnungen  machte  und  Ciceros  Vor- 
haltung mit  Trotz  erwiederte.  ^^)  So  gewiss  dieser  gegen  Milo 
nie  Dankbarkeit  empfand,  da  er  am  besten  wusste,  warum  er 
von  ihm  in  Schutz  genommen  war ,  eben  so  wenig  unterliegt 
es  einem  Zweifel,     dass    er    sich    eine    Handlung    gegen  ihn  er- 


70)  S.  Claudii.  71)  Ascon.  zu  p.  Mil.  fin.  Cic.  ad  Fam.  «,  3.  §  2. 
Liv.  107.  Caes.  B.  C.  3,  21.  Dio  40,  5J,  72)  Cic.  p.  Mil.  24.  ad  Alt. 
4,  3.  73)  ad  Att.  1.  c.  74)  Cic.  p.  Mil.  1.  c.  Vgl.  Cluver  Ital.  antiq.  1. 
p.  039.  75)  Piin.  30,  24.  (15).  Cic.  ad  Qu.  Fr.  3,  8.  §  5.  9.  §  2.  ad 
Fam.  2,  G.  p.  Mil.  35.  u.  das.  Ascon.  70)  Ascon.  zu  Cic.  p.  Mil.  fin. 
77)  Cic.  ad  Att.  C,  4.    u.  5.     78)  Das.  5,  8.     79)  Oben  A.  77. 

Druniann,    Gesrhichte  Roms  I  4 


50  in.    ANMI.  (10.) 

laubte ,  deren  er  sich  zu  schämen  Ursache  liatte.  Jeder  wusstc, 
dass  Philotimus  sein  Geschäftsführer  Mar,  und  vermuthete  so- 
gleich ,  dass  er  hei  jener  Versteigerung  nur  den  Namen  herleihe. 
Als  Cicero  a.  51  auf  der  Reise  nach  seiner  Provinz  Cilicicn 
erfuhr ,  Mie  sehr  es  ihm  verargt  werde ,  beauftragte  er  sowohl 
Atticus  als  AI.  Coelius,  dafür  zu  sorgen,  dass  Milo  Entschädi- 
gung erhalte,  sei  es  durch  die  Rückgabe  des  Gekauften  oder 
durch  einen  höheren  Preis ;  er  habe  Philotimus  von  Anfang  die 
Bedingung  gemacht,  sich  nicht  gegen  dessen  Willen  in  den  Be- 
sitz seines  Eigenthums  einzudrängen.  8")  Dann  folgten  a.  50 
räthselhafte  Mittheilungen  in  griechischer  Sprache,  aus  Avelchcn 
Atticus  entnehmen  sollte,  wie  sehr  er  für  seine  Ehre  fürchte, 
wie  sehr  er  aber  auch  Avünsche,  dass  der  Freigelassene  in  dieser 
und  in  ähnlichen  Angelegenheiten  mit  Vorsicht  und  Schonung 
behandelt  werde,  doch  Mohl,  damit  er  die  wahre  Lage  der 
Sache  nicht  zur  öfl'entlichen  Kunde  brachte.  ^O  Bald  stand  er 
auch  mit  Philotimus  wieder  in  gutem  Vernehmen ,  ^--^  obgleich 
er  dessen  cpdoTifdu  kannte  und  sehr  gewünscht  hatte,  alle  Ver- 
bindung mit  ihm  aufzuheben.  83) 

§  4. 

Die  Hoffnung  der  Freunde  Milos,  ihn  unter  Cüsars  Herr- 
schaft hergestellt  zu  sehen,  wurde  nicht  erfüllt.  Dieser  rügte 
es,  dass  man  ihn  auf  eine  gewaltsame  Art  verbannt  habe,  aber 
nur,  um  Pompejus  herabzusetzen ;  s*.)  er  rief  ihn  nicht  zurück, 
obgleich  er  schon  a.  49  nach  dem  Feldzuge  in  Spanien  anderen 
Exilirten  die  Strafe  erliess;  ^^)  denn  Rom  sollte  nicht  mehr  der 
Tummelplatz  tollkühner  Raufbolde  sein ,  auch  mochte  Milo  die 
Massilier  gegen  ihn  aufgereizt  haben. 

Indess  wurden  Neucrungssüchtigc  imd  Missvergnügte  durch 
seine    lange    Abwesenheit    ermuthigt.      M.    Coelius    machte    a.  48 


80)  Cic.  ad  Att.  5,  8.  ad  Farn.  8,  3.  81)  Oben  A.  77.  u.  ad  Alt. 
0,  7.  82)  ad  Alf.  10,  5.  7.  83)  Das.  G,  9.  §  2.  7,  1.  §  1.  u.  5.  Vgl. 
Antonii.  No.  31.  A.  17.  81)  Cic.  ad  Aft.  9,  11.  85)  Veliej.  2,  08. 
App.  2,  458.  Dio  41,  36.  42,  24.  Nicht  allen  bis  auf  Milo,  wie  die 
beiden  Letzten  sagen ,  unter  Anderen  jetzt  noch  nicht  C.  Antonius,  Coi. 
a.  GS.  Antonii  No.  31.  iin.  nicht  einmal  allen,  welche  nach  Ponipejui 
L.  de  ambitu  v.  J.  52  verurtheilt  waren,  sondern  nur  einigen.  Caei. 
B.  C.  3,   1. 


I 


111.  ANiMl.  (10.)  5j 

als  Prätor  Anordnungen  zu  Gunsten  der  Verschuldeten  und  der 
Senat  nahm  ihm  sein  Amt.  ^''J  Voll  Erbitterung  rief  er  insge- 
heim Alilo  nach  Italien,  denn  keiner  war  geeigneter,  das  Werkzeug 
seiner  Rache  zu  sein.  ]\Iilo  zog  in  Campanicn  einen  Theil  sei- 
ner ehemaligen  Fechter,  Hirten,  andere  Sciaven  und  Verarmte 
an  sich,  und  erklärte  sich  für  einen  Sendling  des  Pompcjus, 
fand  aber  wenig  Anhang,  und  wandte  sich  nach  Lucanien ,  wo 
ihm  bei  der  Belagerung  eines  Castells  im  Gebiete  von  Thurii 
der  Prätor  Q.  Pedius  Widerstand  leistete ,  und  ein  Steinwurf 
von  der  Mauer  ihn  noch  a.  48  tödtete.  ^'')  Bald  nachher  wurde 
auch  Coelius  von  der  Besatzung  von  Thurii  erschlagen. 

Beide  hatten  ilir  Vermögen  verschwendet.  ^^J  Da  man 
Milo  fast  immer  an  der  Spitze  der  Gladiatoren  findet,  und  seine 
Sache  mit  der  Faust  verfechten  sieht,  S'-*)  so  ist  der  Scliluss 
nicht  zu  kühn,  dass  er  den  Muth  eines  Samniten  besass  und 
an  Gestalt  und  Körperkraft  dem  Crotoniaten  seines  Namens 
ähnlich  war.  ^^^  Von  geistigem  Talent  hat  er  keine  Beweise 
gegeben,  und  nicht  Ein  Verdienst  kommt  auf  seine  Rechnimg; 
selbst  als  Beschützer  Cjceros  diente  er  sich  selbst,  und  was  er 
bewirkte,  war  kein  Glück  für  Rom,  wie  sehr  er  auch  von  je- 
nem in  öifentlichen  Reden  gepriesen  wurde.  '■*'-*  Aristocrat, 
weil  sein  Feind  Democrat  war ,  und  mit  seiner  Entschlossenheit, 
Unerschrockenheit    und  Beharrlichkeit  der  senatorischen    Faction 


86)  S.  Coelii.  87)  Cäsar,  der  Zeitgenosse,  nennt  hier  wiedertolf 
das  Thurinische;  (B.  C.  3  ,  21.  22.)  die  nähere  Bezeichnung  des  Ortes 
bei  ihm,  Cosa ,  beruht  entweder  auf  einem  Irrthurae  des  Vf.  oder  der 
Abschreiber.  Das  Letzte  nimmt  Cluver  an;  (Ital.  ant.  2.  p.  1205)  wel- 
cher trefflich  entwickelt,  dass  Cäsar  Cassanum  geschrieben  habe,  oder 
doch  hätte  schreiben  sollen;  es  lag  in  jenem  Gebiete,  (jetzt  Cassano')  ii. 
ist  auch  von  Plinius  gemeint,  (2,  57.  (  5ü. )  bei  welchem  in  den  Hand- 
schriften: cdstellitm  Carissanum  für  Cassanum  sich  eingeschlichen  hat; 
ein  Cosa  in  dieser  Gegend  war  den  Abschreibern ,  welche  nun  einmal  so 
bei  Cäsar  lasen,  nicht  bekannt,  sie  verwandelten  das  Wort  bei  X'ellej. 
2,  68.  in  Compsa ,  und  fügten  nun:  in  Ilirpim's  hinzu,  eine  IVillkühr, 
welche  der  schlechte  Zustrnd  der  Urschrift  gestattete.  Nach  Dio  42, 
25.  starb  Milo  in  Apulien  und  nach  Oros.  6,  15.  mit  Coelius  vor  Capua. 
Vgl.  Liv.  ep.  III.  u.  Euseb.  Chron.  ed.  Seal.  lib.  2.  p.  ]52.  SS)  Oben  A. 
72.  f.  89)  Vellej.  2,  68.:  Vir  inquies  et  ultra  fortem  teraerarius. 
90)  Oben  A.  41.     91)  Post.  red.  in  sen.  8.  de  har.  r.  1.  p.  Sext.  40.  n.  s- 

4* 


52 


III.    ANNIl. 


(11.) 


willkommen,  fiel  er  zuletzt  in  die  Rolle  des  Catllina,  um  durch 
eine  allgemeine  Umwälzung  sein  Vermögen  herzustellen ,  seinen 
Ehrgeiz  und  seine  Rachgier  zu  befriedigen.  —  Nachkommen 
werden  nicht  erwähnt. 

11.    Fausta.      Tochter    des    Dictator    Sulla.  92J      Milo    heira- 
thete  sie  am  Ende  des  J.   •')5.  '^^J 


92)  S.  Cornelii  Süll.     03)  Oben  No.  10.  §  1.  A.  56. 


IV.  ANTISTIl. 


53 


IV.   ANTISTIl. 


1.  Sex.  Antistius. 

tr.pl. i22v.  (7ir.  —  332a.u. 

2.  L.   Antistius. 
tr.m.c.p.aiSi'  C/ir. —  316. 

3.  iVI.  Antistius. 
tr.;</.  f.  320  — 434. 

4.  M.  Antistius. 
c.  218  —  536. 

5.  Sex.  Antistius. 
c.  208  —  54G. 

6.  Antistia. 

—  Ap]iiiii  Clnud. 
Cos.  143  —  611. 

7.  P.  Antistius. 
tr.j;/.  88  —  666. 

—  8.  Calpiirnia. 

9.  Antislia. 

—  Ifi.  FoDipej.  M. 

10.  T.  Antistius. 
^j*.  50  — 704. 


11.  Antistins  Vetng. 
Prpr.   c.   68  —  686. 

12.  C.  Antist.  Vetns. 

tos.  30  —  724. 

13.  C.  Antist.   Vetus. 
Cos.  6y.  tV/r.  — 748. 

14.  C.  Antist.  La)>eu. 

c.    167  —  587. 

15.  Q.  Antist.  Lalieo. 


42 


712 


16.  Antist.  Labe».  J7.  Antist.  Labeo. 

c.  35  —  719.  ICtui. 

18.  C.  Antist.  Keginus. 
c.  58  —  6'J6. 


IV.     A  n  t  i  s  t  i  i. 


Plebejisch.  9*) 

Inschriften  und  Münzen  haben  häufig  Antestii ,  ^'^)  welches 
bloss  die  ältere  Form  desselben  Namens  ist,  und  sich  in  In- 
schriften auch  mit  der  neueren  zusammen  findet.'-*^)  Es  scheint, 
dass  man  auf  Denkmälern  der  späteren  Zeit  nach  Laune  die 
eine  oder  die  andere  Mahlte,  während  man  sich  übrigens  nur 
der  neuern  bediente,  wie   Cicero  und  Livius  beweisen. 

In  den  ersten  Jahrhunderten  der  Republik  werden  keine 
Zunamen  erwähnt,  und  auch  im  letzten  fehlen  sie  mitunter, 
ohne    etwa    nur  der  Kürze    wegen  übergangen  zu  sein.     Es  gilt 


9J)  Liv.  6,  30.  Mehrere  waren  V.  Tribüne.  05)  Ursin.  u.  Vaill- 
in:  Antestii.  Eckh.  5.  p.  135.  Orell.  Inscr.  Vol.  1.  No.  1528- 
C)  Ursin.  1.  e. 


54  IV.  ANTISTII.  ( I . ) 

demnach  wenigstens  nicht  von  Allen,  welclie  in  gerader  Linie 
von  der  ältesten  Familie  abstammten,  dass  sie  sich  Vetus  nann- 
ten, um  sich  von  den  Nebenzweigen  zu  unterscheiden.  Diese 
bildeteh  sich  nach  und  nach,  und  lebten  zum  Tlieil  in  Muni- 
cipien  und  in  anderen  italischen  Städten ,  welches  durch  manche 
Zunamen  angedeutet  wird,  z.  B.  bei  C.  Antistius  Rejrinus.  ^^-> 
Uebrigens  geben  die  Inschriften  eine  so  grosse  Anzahl  von  Zu- 
namen, dass  es  ungereimt  sein  würde,  eben  so  viele  Familien 
zu  unterscheiden,  und  nicht  bei  den  meisten  an  Bezeichnungen 
Einzelner  zu  denken.  Die  Antistier  stehen  in  der  politischen 
Geschichte  im  Hintergrunde;  in  dieser  erregt  die  ilirige  nur 
ein  Interesse,  so  fern  sie  die  Geschiclite  anderer  Geschlechter 
erläutert,  und  eben,  weil  sie  nur  gelegentlich  erwähnt  werden, 
ist  es  unmöglich,  auch  nur  den  Zeitgenossen  des  Pompejus  und 
Cicero,  welche  uns  hier  allein  angehen,  mit  Sicherheit  eine 
Stelle  in  der  Stammtafel  anzuweisen. 

1.  Sex.  Antistius.     V.   Tribun  422.   v.   Chr.  »«J 

2.  L.  Antistius.      Trib.   nül.   cons.   pot.   378.  v.   Chr.  ^^) 

3.  M.  Antistius.     V.  Trib.  um  320.  i^^» 

4.  M.  Antistius  wurde  218  zu  dem  designirten  Consul 
C.  Flaminius  nach  Oberitalien  geschickt,  ihn  zur  Rückkehr 
nach  Rom  zu  bewegen,  damit  er  hier  und  nicht  im  Felde  sein 
Amt  anträte.  0 

5.  Sex.  Antistius  gieng  2U8  als  Gesandter  nach  Gallien, 
die  Bewegungen  Hasdrubals  zu  beobachten.  -) 

6.  Antistia ,  Gem.  des  Appius  Claudius  Cos.  113  und 
Schwiegermutter  des  Tibcrius   Gracchus.  ^) 

7.  P.  Antistius.  Bei  einigen  Neueren,  aber  ohne  Grund, 
Labeo. 

Er  widersetzte  sich  a.  88  als  V.  Tribun  C.  Cäsar  Strabo, 
welclier  um  das  Consulat  warb ,  ehe  er  Prätor  gewesen  war.  *J 
Dadurch  Avurde  man  auf  ihn  aufmerksam ,  und  er  erschien  seit- 
dem oft  als  Sachwalter  vor  (icriclit,  und  niclit  ohne  Beifall  und 
Erfolg,     obgleich  zum  Theil   nur,     Mcil  er  keine  ausgezeichnete 


97)  Nicht  Rheeinus.  OI>en  A.  95.  ii.  Cacä.  B.  G.  C ,  1.  7.  83.  90. 
98)  Liv.  4,  42.  99)  Liv.  0 ,  30.  100)  Ders.  9,  J2.  20,  33.  1)  Der«. 
21,  63.  2)  Dtrs.  27,  3«.  3»  IMuf.  Tih.  (Jraccb.  4.  4)  S.  Julii  u.  die 
Stellen   in  Aiiiiii.      No.    lU.   .\.  Gl. 


IV.  ANTISTII.  (8.;  55 

Nebenbuhler  liatte.^J  Von  ihm,  anr^eblich  V.  V.  P.  N.  '')  unter- 
Hcheideii  Pighius  und  Andere,  welche  ihm  gefolgt  sind,  P.  An- 
tiNtius,  angeblicii  C.  F.  C.  N.  Laheo,  ^-^  Priitor  a.  8ö  Schwie- 
gervater des  naclimaligen  Triumvir  Pompejus,  und  a.  82  von 
L.  Üamasippus  in  der  hostilischen  Curie  ermordet,  weil  er  eben 
wegen  dieser  Verwandtschaft  für  einen  Sullaner  galt.  ^)  Aus- 
leger und  Genealogen  sind  nicht  einig  «larübcr,  welcher  der 
von  Cicero  geschilderte  Redner  sei,  zumal  da  beide  denselben 
Vornamen  hatten  und  Zeitgenossen  waren. 

Vergleicht  man  zunächst  die  angeführten  Stellen  im  Brutus, 
so  war  nach  Cicero  der  Redner,  V.  Tribun  a.  88  und  Gegner 
des  C.  Cäsar  mit  dem  Antistius,  Avelchen  Damasippus  tödtete, 
eine  und  dieselbe  Person.  Der  Ermordete  ferner  war  Pompejus 
Schwiegervater ,  '■>)  und  hatte  folglich  auch  den  Vorsitz  in  dem 
Gerichte,  vor  welchem  Pompejus  a.  86  erschien.  Hier  eben 
lösst  sich  der  Knoten;  Plutarch  hielt  ihn  deshalb  für  einen 
Prätor,  obgleich  er  als  Aedilitier  starb;  ^"^  auch  Cäsar  ^*)  und 
Andere,  welclie  Aedilcn  gewesen  waren,  vertraten  den  Prätor  in 
Gerichten ,  Avenn  er  selbst  nicht  erscheinen  konnte ;  ihnen  wurde 
die  quaestio  übertragen,  sie  waren  judices  quaestionis,  hatten 
den  Vorsitz ,  '-)  welches  Vellejus  in  unserem  Falle  nicht  irre 
führte,  wohl  aber  Plutarch.  Antistius  konnte  auch  a.  82  als 
Greis  sterben, '-^^  obgleich  er  wenige  Jahre  zuvor  V.  Tribun 
gewesen  war ,  da  er  nach  Cicero  sich  sehr  spät  den  öffentlichen 
Geschäften  zuwandte.  •*) 

8.  Calpurnia,  Gemalilinn  des  Vorigen.  '5) 

9.  Antistia.  Tochter  der  beiden  i'origen.  Pompejus  M- 
verlobte  sich  a.  86  insgeheim  mit  ihr,  um  durch  ihren  Vater 
in  einem  Proccsse  ein  günstiges  Urtheil  zu  erhalten,  welches 
er  erreichte;  a.  82  verstiess  er  sie  auf  Sullas  Betrieb,  und  ver- 
mählte sich  mit  dessen  Stieftochter  Aemilia.  ^^) 


5)  Cic.  Brut.  49.  '63.  90.  6)  Pigh.  3.  p.  233.  7)  Ders.  3.  p.  239. 
8)  Cic.  Brut.  90.  p.  Rose.  Am.  32.  Liv.  80.  Vellej.  2,  20.  App.  1, 
403.  Plut.  Pomp.  9.  Cornelii  Süll.  9)  Plut.  Pomp.  4.  9.  Cic.  p.  Rose. 
Am.  1.  c.  wo  er  mit  Beziehung  auf  diese  unglückliche  Verbindung  seiner 
Tochter  Priamus  genannt  wird.  10)  Vellej.  1.  c.  11)  Suet.  Caes.  11.  u. 
das.  Casaub.  Cic.  Brut.  70.  12)  Cic.  u.  Suet.  11.  cc.  13)  Cic.  p.  Rose. 
Am.  1.  c.  M)  Ders.  Brut.  03.  15)  A  ellej.  I.  c.  S.  Calpurnii  Best. 
IG)  Oben  A.  9.  u.  Plut.  SuU.  33. 


56  IV.  ANTISTII.  (10.) 

10.  T.  Antistius.  Quastor  in  Macedonien  a.  50.  Im  fol- 
genden J.  erschien  Ponipcjus,  elie  er  einen  Nachfolger  erhalten 
hatte.  Nach  Ciccros  \'ersicheriing  diente  er  ihm  nur,  ucil  er 
es  nicht  vermeiden  konnte;  er  Hess  in  Apollonia  Geld  für  ihn 
schlagen,  zog  sich  aber  bald  in  das  Innere  von  Macedonien  zu- 
rück, um  nicht  weiter  am  Kriege  Theil  zu  nehmen,  und  nach 
der  Schlacht  bei  Pharsalus  nach  Bithynien.  Hier  sah  und  be- 
gnadigte ihn  C'iisar.  Er  starb  auf  der  Rückreise  in  Corcyra 
und  hinterliess  ein  nicht  unbedeutendes  Vermögen.  '^-' 

11.  Antistius  Vetus.  Proprator  im  jenseitigen  Spanien  '^) 
a.  69  oder  ü8  aber  nicht  später,  wenigstens  war  Cäsar,  sein 
Quästor,  M  elcher  mit  Auszeichnung  von  ihm  behandelt  wurde, 
und  dafür  seinen  Namen  auf  die  Nachwelt  brachte,  a.  67  wie- 
der in  Rom. 

12.  C.  Antistius  Vetus,  Sohn  des  Vorigen.  Quaestor  a.  61 
im  jenseitigen  Spanien  unter  dem  Propr.  Cäsar,  welcher  ihn 
aus  Erkenntlichkeit  gegen  den  Vater  in  seine  Provinz  zog.  ^^^ 
V.  Tribun  a.  56  -•*)  a.  45  kämpfte  er  in  Syrien  mit  Q.  Cäcilius 
Bassus,  welcher  früher  Pompejaner  gewesen  war,-')  und  be- 
lagerte ihn  in  Apamea,  ohne  jedoch  seine  Unterwerfung  zu  be- 
wirken. 22*  Cos.  suff.  a.  30  Aom  1.  Juli  bis  zum  13.  Septem- 
ber. --0  Als  Augustus  in  Spanien  erkrankte ,  setzte  er  a.  25 
den  Krieg  mit  den  Cantabrern  und  Asturern  fort.  -*) 

13.  C.  Antistius  \  etus.  Sohn  des  Vorigen.  Consul  6  v. 
Chr.  -'')     Auch  seine  beiden  Söhne  wurden   Consuln.  -'') 

14.  C.  Antistius  Labeo.  Auch  Römer  aus  anderen  Ge- 
schlechtern, Atinii,  -^''  Fabii,  -^^  hatten  diesen  Zunamen,  wel- 
cher sich  auf  ungewöhnlich  grosse  Lippen  bezieht.  -^)  Antistius 
gieng  a.    107   als  Gesandter  nach   Macedonien.  2'^-' 

1 5.  Q.    Antistius    Labeo.     Unter    Cäsars   Mördern   war    ein 


17)  Cic.  ad  Fam.  13,  29.  18)  Veliej.  2,  43;  Suet.  Cae».  7.  Plut. 
Caes.  5.  19)  Plut.  I.  c.  20)  Cic.  ad  Qu.  Fr.  2,  1.  wo  die  Lesart  Se- 
vcrus  für  J'etus  mit  Recht  verworfen  wird.  21)  S.  die  Geschichte  seiner 
Unternehmungen  in:  Cassii,  C.  Cassius  pr.  44.  22)  Cic.  ad  Att.  14,  9. 
Diu  47,  27.  23)  Tabul.  Capuan.  hei  Pigh.  3.  p.  495.  24)  Veliej.  2,  90. 
Dio  53,  25.  Flor.  4,  12.  §.  51.  25)  Veliej.  2,  43.  Dio  55,  9.  20)  Veliej. 
1.  c.  27)  Liv.  ep.  59.  2S)  Die  Münzen  bei  Eckh.  5.  p.  207.  u.  a. 
29)  Piin.    11,  CO.      30)   Llv.  45,  17. 


IV.  ANTISTH.  (16.)  57 

Labeo,  ^')  und  dieser  ohne  Zweifel  derscllie,  welclier  a.  42  bei 
Philippl  als  Legat  des  Brutus  nicht  in  der  Schlacht  fiel ,  3-) 
sumlcni  nach  der  Schlacht  sich  durch  einen  Freigelassenen  tödten 
Hess.  •''•'J  Der  Legat  war  alier  ein  Antistius,  denn  er  wird  von 
Appian  ausdrücklich  als  A  ater  des  Rechtsgelehrten  Antistius 
Labeo  bezeichnet. 

1  (j.  Antistius  Labeo.  Der  Vorige  hinterliess  eine  Gemah- 
linn  und  Kinder,  welche  nicht  bei  ihm  waren,  als  er  starb.  ^4) 
Es  fehlt  nun  wieder  an  bestimmten  Zeugnissen  darüber,  ist 
aber  sehr  glaublich,  dass  der  Antistius,  welcher  mit  Sex.  Pom- 
pcjus  a.  36  aus  Sicilien  nach  Asien  entfloh,  und  bei  dessen 
tollkühnem  Versuche,  hier  den  Krieg  fortzusetzen,  zu  M.  An- 
tonius übergieng ,  sein  Sohn  war.  ■'•'*) 

1 7.  Antistius  Labeo ,  der  berühmte  Rechtsgelehrte  unter 
Augustus,  ■"')     Sohn  von  No.   15. 

IS.  C.  Antistius  Reginus.     Legat  Cüsars  in  Gallien.  3^) 


31)  Plut.  Brut.  l'i.  32)  Ders.  Brut.  51.  33)  App.  4,  009.  Vgl.  Dio 
47,  '10.  fin.  In  den  untergeschobenen  Briefen  ad  Brut.  II.  wird  ein 
Antistius  Vetus  als  Anhänger  des  Brutus  erwähnt;  obgleich  nichts  darauf 
zu  gehen  ist,  so  Itönnen  doch  leicht  mehrere  dieses  Geschlechts  sich  in 
seinem  Heere  befunden  haben.  3J)  App.  1.  c.  35)  Ders.  5,  750. 
30)  Heineccii  Hist.  jur.  civ.  1.  §.  179.  37)  Caes.  B.  G.  6,  1.  7,  83.  90. 
Lrsin.  Anlist.  Vaill.  Antist.  No.  5.  Eckh.  5.  p.  137. 


58 


V.  ANTOMI 


V.    ANTOMI 


1.  T.  Antonius  Mercnda. 

Xiir  450  r.  Chr.  —  304  a.  u. 

2.  Q.  Antciniiis  Merenda. 

Ir.  m.  c.  j).  422  v.  Chr.  —  332. 

3.  M.  Antonius. 

m.  eq.  33:j  —  421. 

4.  L.  Antonius. 

Seua(.  c.  SOG  —  44S. 

5.  Q.  .Vntonius. 

c.  J9ü  —  564. 
C.  A.   Antonius. 

i:  168  —  586. 
7.   M.   .\ntnnius. 

Ir.  ])/.   167  —  587. 
S.  L.  .'VntoMiiis. 

c.   146  —  CüS. 


9.  C.  .Intoniiis. 
c.  143  —  611. 


10.  M.  Antonius  Orator. 
Cos.   99  —  655. 

11.     M.    Anton.    (Jreticus.    —       12.  Auniitoriu.         31.  C   .Antonius.  34.  Anlonia. 
pr.   75.  —  679.  13.  Jnlia.  Cos.    63    —  691. 


14.M.  Antonius. —  I5.Failia.     2i».  C  Aiiloii.    30.  L.  Anton.   32.  Autonia.  33.  .Vnlouia. 
IJlvir.  16.  Antonia.  pr.44— 710.     C'üS.4[— 713. 

17.  Fulvia. 

18.  Ootavia. 

19.  (Cleopatra). 

20.Anlonia.   21 .  .>I.  .Vntoii.   22.  .Tulus  Aul  nn.   24.  .Vrilonla.    25.  .Vntoaia.    26.  (  Alexander. ) 
(.iutquus.)  -'  ~""'  ^    — '     ^  maior.  minor.        27.(('leo|ialra) 

23.  L.Antonius.  28.(Ptoleni. 

Philad.  ) 


y.   A  11 1  0  11  i  i. 


Iraü'icisch  und  plcbcjiscli. 

Familien.  Die  patricischen  Antonier,  deren  die  Geschichte 
gedenkt,  haben  den  Zunamen  ]\Ierenda;  die  plebejischen  werden 
bis  auf  Augustus  nicht  durch  Zunamen  unterscliieden ,  Q.  Anto- 
nius ausgenommen ,  wclclier  zu  Sullas  Zeit  Propr.  in  Sardinien 
war,    und  auf  den  Münzen  Baibus  heisst.  ')     Desto  häufiger  fin- 


1)    I.iv.    cp.  SC.  Vaill.  Anloii.  \o.  7.3.    Oline  prenügende  Gründe  bezielif 
Eckb.  5.  (i.   110.  diese  M.  auf  elueu  älteren  Ualbug. 


V.   ANTONII.  59 

den  sich  nähci'e  Bezciclirnuigen  in  der  Kiaiserzeit,  ' ")  sie  können 
aher  nur  dann  für  Zunamen  gelten,  wenn  sie  forterbten,  und 
beziehen  sich  zum  Theil  auf  Freigelassene.  '  ^'^ 

Es  ist  hier  nicht  der  Ort,  Niebuhrs  Behauptung  zu  würdi- 
gen ,  nach  welcher  es  in  Rom  Geschlechterstiimnie  und  Orts- 
stämme gab ,  und  ein  verwandtschaftliches  ^'erlüiltniss  zwischen 
ihnen  nicht  Statt  fand;  auch  ist  sie  bereits  anderweitig  wider- 
legt ,  und  gezeigt ,  dass  und  warum  Cicero  '  '^)  den  Begriff  der 
Gentilität  nicht  genau  angiebt.  ' ''>*  Je  jünger  und  einfacher  die 
Einrichtungen  eines  Staates  sind,  desto  mehr  wird  das  einfachste 
und  natürlichste  Band  der  Gesellschaft,  ihre  Urform,  das  Fami- 
lienband festgehalten.  Die  Familie  erweitert  sich  zu  Geschlech- 
tern und  Stämmen,  und  je  mehr  sich  diese  von  ihrem  Ursprünge 
entfernen ,  desto  schMerer  wird  es ,  ihre  V erw andtschaft  nachzu- 
weisen. Im  Folgenden  wird  A'on  Antoniern  zu  Ciceros  Zeit  die 
Rede  sein,  welche  ohne  Zweifel  so  wenig'  wussten  als  wir,  ob 
und  wie  fern  sie  dem  TriuuiA'ir  befreundet  Avaren. 

Indess  berechtigt  der  gleiche  Gentilname  nicht  immer ,  auf 
eine  gleiche  Abstämmling  zu  schliessen,  denn  von  den  friihesten 
Zeiten  an  übertrug  man  ihn  auch  auf  Clienten  und  auf  Freige- 
lassene. ^  ^'  So  sehr  dem  Genealoffen  das  Geschäft  dadurch  er- 
Schwert  wird,  so  erklärt  es  doch  nebst  der  Adoption  eine  andere 
Erscheinung  wenigstens  zum  Theil,  die  Vereinigung  A'on  Patri- 
ciern  und  Plebejern   in   demselben   Geschlcchte. 

Als  man  anheng,  seine  Ahnen  in  den  Mythen  zu  suchen, 
galt  Anton,  der  Solin  des  Hercules  für  den  Stammvater  der  An- 
tonier; -^  Marcus,  der  Triunn^ir  fuhr  auf  einem  mit  LöAven  be- 
spannten AVagen,  2)  deren  Bild  er  auch  auf  seine  Münzen  setz- 
te, *J  um  daran  zu  erinnern. 


1»)  Grut.  51.  7.  89.  11.  108.  7.  115.  1.  120.  3.35C.  1.3.5.  357.  1.2.3.5. 
9.  13.  358.  1.  3.4.5.  1'')  Tacit.  Hist.  5.0.  1  c)  Topic.  G.  l'l)  Schunck 
Jahrb.  f.  jur.  Lif.  1827.  2.  B.  1.  II.  S.  25.  f.  1  e)  Liv.  3.  41.  Cic.  Clueiil. 
14.  Tacit.  1.  0.  2)  Plut.  Ant.  4.  3G.  CO.  App.  3.  530.  538.  Vaill.  Anton. 
Nb.  3.  Auch  die  Fabier  leifeten  ihr  Geschlecht  von  Hercules  ab.  Sil. 
Ifal.  Punic.  2.  3.  6.  627.  u.  a.  a.  O.  Vaill.  Fab.  No.  8.  3)  S.  unten 
Ko.  11.  §  3.  Anra.  22.  f.  u.  §  5.  Anm.  46.  1")  Vaill.  Aritou.  No.  21.  41. 
42.  Eckh,  C.  p.  38.  u.  44.  cfr.  Cic.  ad  Altic.  10.   13. 


CO  V.  ANTüNII.  (I.) 

1.  Titus  Antonius  Mereiula.  5)  Patricier.  ^^  Decemvir  450 
und  41!)  V.   Clir.   und  im  Aigidus  von  den  Acquern  geschlagen.  ^) 

2.  H.  Antonius  Mcrenda.  Nach  Zeitverliultniss  und  Vor- 
namen ein  jüngerer  Sohn  des  Vorigen.  Trib.  mil.  cons.  p.  422 
V.   thr.     ^'" 

3.  M.  Antonius,  mag.  eq-  333  v.  Chr.  8)  Mit  ihm  beginrrt 
die  Reihe  der  plebejischen  Antonier,  welche  durch  ihre  Ehren- 
stellen nicht  bloss  adelig  wurden,  sondern  auch  für  die  Geschichte 
weit  mehr  Wichtigkeit  erhielten,  als   die  Vorigen. 

4.  L.  Antonius.  30(i  v.  Chr.  von  den  Censorcn  aus  dem 
Senat  gestosscn.  ^'' 

5.  H.  Antonius.  190  v.  Chr.  im  Kriege  mit  Antiochus 
d.  Gr.  befand  er  sich  auf  der  Flotte,  welche  der  Prator  L.  Aemi- 
lius  Regillus   befehligte.  ^") 

G.  A.  Antonius.  I(j8  vom  Consul  Aemilius  Paullus  mit 
zwei  Anderen  zu  Perseus  geschickt,   als  dieser  geschlagen  Mar.  ") 

7.  M.  Antonius.  V.  Tribun  167.  Er  that  mit  einem 
seiner  Collegen  Einspruch,  als  der  Prätor  M'.  Juventius  auf  eine 
Kriegserklärung  gegen  die  Rhodier  antrug  ,  welclie  man  des 
Verraths  beschuldigte  ,  um  ihre  Ansprüche  für  die  gegen 
Perseus  geleisteten  Dienste  zu  beseitigen.  '-) 

8.  L.  Antonius.  M.  Cato  Censorius  vertheidigte  ihn  um 
die  Mitte  des  2.  Jahrh.  v.   Chr.  vor  Gericht.  '•') 

9.  C.  Antonius.  Nach  den  Münzen '*>>  der  Vater  des  Red- 
ners,   übrigens  unbekannt. 

10.  M.  Antonius,  der  Redner.  C.  F.  i^)  Geboren  143  — 
611  a.  u.  '•'>'  Quästor,  und  zwar  für  Asia  bestimmt,  113. 
Die  Zeit  ergiebt  sich  aus  der  Geschichte  der  Klage,  in  welche 
er    während     seiner     Reise    in     die    Provinz    verwickelt    wurde. 


5)  Durch  prandium  erklärt.  Fest.  u.  Non.  p.  28.  Auch  Cornelier  hat- 
ten diesen  Zunamen.  Liv.  22.  35.  34.  42.  Plin.  33.  11.  6)  Dionys. 
Hai.  10.  58.  7)  Id.  1.  c.  u.  II.  23.  33.  Liv.  3.  35.  38.  41.  42. 
7  a.)  Liv.  4.  42.  8)  Liv.  8.  17.  9)  Val.  Max.  2.  9.  §.  2.  Liv.  9.  43. 
10)  Liv.  37.  32.  cfr.  45.  22.  II)  Id.  45.  4.  12)  Id.  45.  21.  40. 
13)  Priscian.  9.  p.  868.  eJ.  Putsch.  14)  Unten  No.  10.  in.  15)  Vaill. 
Ant.  No.  1.  u.  2.  Der  Grossvater,  bei  l'igh.  III.  178.  IM.  bei  Anderen 
eben  so  wiliicührlich  C.  genannt,  wird  auch  in  dem  Senats -BeRchlutae 
Gell.  4.  C.  nicht  erwähnt.      IC)  Cic.  Brut.  43. 


V.  ANTONÜ.  (10.)  Qi 

Obwohl  nicht  dazu  verpfliclitet  kam  er  von  ßrunduKium  zurück, 
inn  sirli  vor  dem  I'rätor  L.  Cassius  gegen  die  Beschuldigung 
des  Incests  oder  verhotenen  Umganges  mit  ^  estalinnea  ''')  zu 
vertlieidigen  ,  und  wurde  freigesprochen.  '^^  Sein  V.  'l'rihunat 
wird  nicht  erwähnt,  und  die  Aedilitiit  scheint  er  übergangen 
zu  haben,  Mclches  gestattet  war.  ''■•'  Prätor  lüi,-"'  denn  im 
folgenden  J.  finden  wir  ihn  in  der  Provinz.  Er  erhielt  mit 
dem  Titel  eines  Proconsuls -'^  Cilicien,  um  die  Seeräuber  zu 
bekriegen.  Auf  der  Reise  nach  Asien  verweilte  er  Mcgen  einer 
Windstille  in  Athen,  und  hörte  Redner  und  Philosophen,  wie 
dann  später  auch  in  Rhodus.  --)  Aber  Rom  hatte  ihm  zu  geringe 
Streitkräfte  gegeben,  weil  diese  Feinde  noch  für  unbedeutend 
galten;--')  daher  weiss  nur  Obsequens,^*)  dass  sie  jetzt  aufge- 
rieben Avurden;  die  Meisten  nennen  Antonius  nicht  einmal ,  Avena 
sie  eine  übersichtliche  Darstellung  der  Kriege  mit  den  Piraten 
geben, -•'^  und  bald  nach  seinem  Triumphe  102-*'^  bemächtigten 
sie  sich  seiner  eigenen   Tochter  in  Italien.  -^) 

Als  Rom  sich  a,  100  gegen  den  \.  Tribun  L.  Appulejus 
Saturninus  bewaffnete,  musste  Antonius  mit  einer  Schaar  ausser- 
halb der  Stadt  den  Zudrang  des  Gesindels  verhindern.  -*)  Er 
war  bereits  zum  Consul  gewählt,  und  dem  Gesetze  des  jüngeren 
Gracchus  gemäss  hatte  der  Senat  schon  vor  der  AVahl  entschie- 
den,  welche  Provinzen  die  künftigen  Consuln  erhalten  sollten. 
In  unruhigen  Zeiten  blieben  diese  in  Italien,  wenn  nicht  die 
Gefahren  in  einer  Provinz  dringender  waren.  So  scheint  es 
auch  jetzt  gewesen  zu  sein ,  da  sich  von  einer  Provincial- 
verwaltung  des  Proconsuls  Antonius  und  seines  Collegen  ausser- 
halb Italiens  keine  Spur  findet. 

Consul  a.  99  '-■*)  und  als  solcher  Gegner  des  V.  Tribuns 
Sex.  Titius,  weither  die  Rolle  des  Saturninus  übernahm,  und 
durch  ein  Ackergesetz  sich    die  Gunst  des  Volkes  zu  verschaffen 


17)  Liv.  63.  Ascon.  zu  IMilon.  12.  Oros.  5.  15.  IS)  Val.  Max.  3.  7. 
§.  9.  6.  8.  §.  1.  19)  cfr.  Manut.  zu  Cic.  Sext.  53.  20)  Vaill.  I.  c. 
21)  Cic.  de  or.  1.  18.  Liv.  08.  22)  Cic.  I.  c.  u.  2.  1.  23)  Strabo  14. 
669.  24)  Prodig.  104.  25)  Pompeji.  Pomp.  Triurav.  a.  67.  26)  Plut. 
Pomp.  24.  Vaill.  Anton.  No.  2.  27)  Unten  No.  34.  28)  Cic.  p.  Rabir. 
Perd.  9.  cfr.  7.  29)  Id.  p.  red.  ad  Quir.  5.  de  er.  2.  11.  3.  3.  1  Phil. 
11.  Piin.  8.  7.  Gell.  4.  6.  Obseq.  106.  cfr.  Liv.  70. 


62  V.  ANTONir.  (10.) 

suchte,  aber  verurtlicilt  wurde.  3*')  Die  Beute,  mit  welcher  er 
a.  97  als  Ccnsor  •*'-'  die  Rostra  sclimückte,  -^2)  hatte  er  ohne 
Zweifel  aus  dem  Kricj^e  niit  den  Seeräubern  zuriicksrebracht. 
M.  Duronius,  m  elcher  im  vorigen  J.  ein  Gesetz  gegen  den  Auf- 
wand hatte  aufheben  lassen,  und  deshalb  von  ihm  und  seinem 
CoUegen  aus  dem  Senat  gestossen  wurde  2-^),  klagte  ihn  zur 
Vergeltung  wegen  Amtserschleichung  an,'^''>'  aber  ohne  Erfolg 
denn  die  Fasten  berichten  nicht,  dass  er  niedergelegt  habe. 
Der  Proccss  beweisst,  wie  die  gegenseitigen  Anklagen  des  Cen- 
sors  App.  Claudius  und  des  Aedils  M.  Coelius  a.  50 ,  dass  man 
allerdings  auch  Magistrate  vor  Gericht  belangen  konnte,  ^j)  Im 
marsischen  Kriege  a.  91  f.,  in  welchem  er  einen  Theil  des  rö- 
mischen Heers  anführte,"^'';  scheint  er  sich  nicht  ausgezeichnet 
zu  haben. 

Bald  nachher  a.  87  wurde  er  als  Sullaner  auf  ^larlus  und 
Cinnas  Befehl  getödtet.  •'V  Der  Zusammenhang  lehrt,  was 
Plutarch  bestätigt,^*-*  dass  er  nicht  auf  einer  Villa, ■*'•*)  sondern 
in  Rom  selbst  im  Hause  eines  Bekannten  sich  verbarg,  dessen 
Sclav  beim  AVeinkauf  Avider  AVillen  ihn  verrieth.  Die  Krieger,  i 
welche  sich  seiner  bemächtigen  sollten,  wurden  durch  seine 
Anrede  erweicht,  aber  ihr  Tribun  P.  Annius  schlug  ihm  den 
Kopf  ab  und  überbrachte  ihn  Marius.*"^  Dieser  ergötzte  sich 
an  Tafel  an  dessen  Anblick  und  Hess  ihn  auf  der  Rednerbühne 
ausstellen.  ^'^  Auf  fast  gleiche  Art  verfuhr  der  Enkel  des  Er- 
mordeten gegen  Cicero. 

Was  er  als  Redner  und  Sachwalter  leistete,  ist  in  einem 
andern  "NVerke  ausgeführt.  -)  Seine  politischen  Grundsätze ,  in 
welchen    er    mit  seinem  berühmten  Zeitgenossen  L.  Crassus  ein- 


11 


30)  Cic.  de  er.  II.  cc.  p.  Rabir.  perd.  9.  Val.  Max.  8.  I.  damn.  §.  3. 
Obseq.  1,  c.  31)  Fast.  cap.  Cic.  de  er.  2.  48.  08.  3.  3.  Val.  Max.  2.  9. 
§.  5.  32)  Cic.  de  er.  3.  3.  33)  Val.  Max.  1.  c.  34)  Cic.  de  er.  2.  C8. 
35)  Claudii.  S.  auch  Val.  Max.  C.  I.  §.  7.  ii.  Gell.  X.  A.  13.  13.  36)  Cic 
Brut.  89.  37)  Id.  I.  c.  u.  p.  Scaur.  u.  das.  Ascon.  ed  Peyr.  et  Beier.  p.  -j 
114.  u.  140.  1  Phil.  14.  \Av.  80.  Vellej.  2.  22.  §.  3.  Plut.  Ant.  1.  Dio 
45.  47.  38)  Mar.  44.  39)  App.  1.  391.  40)  Plut.  Mar.  1.  c.  Val.  Max. 
9.  2.  §.  2.  unrichtig  8.  9.  §.  2.  Antronius.  cfr.  Vellej.  u.  App.  11.  cc. 
41)  Cic.  de  or.  3.  3.  Liv.  1.  c.  Lucan.  2.  123.  Flor.  3.  21.  §.  14.  Val. 
Max.  9.  2.  §.  2.  üros.  5.  19.  42)  EUcndt  Proleg.  zu  Cic.  Brut,  cfr- 
Orat.  Rom.  Fragra.  ed.  Meyer,  p.   139. 


V.  AXTONII.  (11.)  63 

verstanden  war,  ^V  beurkundet  sein  Tod.  Er  -war  Aristocraf 
sali  alter  voraus,  dass  seine  Faction  sich  nicht  behaupten  werde.**) 
Der  Name  seiner  (Jemalilinn ,  von  welcher  er  zwei  JSöhne  und 
eine  Tochter  hiiiterliess,   ist  unbekannt. 

II.  M.  Antonius  Crcticus.  M.  F.  C.  N.  Der  ältere  Sohn 
des  Vorigen  und  Vater  des  IIIv.  *^X  Wir  besitzen  keine  ^liin- 
zen  von  ihm.  Quästor  SO  —  G74  a.  u.  als  nach  Sullas  Ge- 
setze 20  gewählt  wurden.  Dass  er  im  nächsten  J.  proqu.  im 
narbonensischen  (Jallien  gewesen,*'')  folgt  aus  Livius  *^J  nicht. 
Die  Aedilität  übergieng  er  wahrscheinlicJi  wegen  ^langcl  an 
Vermögen.  Pr.  75.  Durch  den  Einfluss  des  P.  Cethegus*^)  und 
des  Consuls  Cotta  erhielt  er  a.  74  als  propr.  den  Oberbefehl 
an  allen  Küsten  und  damit  über  die  ganze  Flotte,  um  das  Meer 
von  den  Seeräubern  *^^  zu  reinigen,'**'-'  welches  schon  sein 
Vater  versucht  hatte.  Alan  wusste ,  dass  er  unfähig  w  ar  ,  sich 
mit  Hülfe  dieser  I\Iacht  die  Herrschaft  anzumassen.^U  Aber  er 
missbrauchte  sie,  um  in  den  Provinzen,  besonder.s  in  Sicilien, 
für  seine  Rechnung  zu  plündern;  ^~)  es  entstand  sogar  der  Ver- 
dacht, dass  er  nach  einer  geheimen  Uebereinkunft  die  Beute 
mit  den  Räubern  getheilt  habe.  ^^)  Der  Zweck  seiner  Sendung 
wurde  nicht  erreicht,  obgleich  er  den  Feldzug  gegen  die  Cre- 
tcnser  mit  grosser  Zuversicht  eröffnete.  Zum  Vorwande  diente 
ihre  Verbindung  mit  Rlithridat.  Sie  Miesen  seine  Gesandten 
mit  A'erachtung  zurück,^*)  und  siegten,  obgleich  er  von 
Byzanz  ^•'')  und  von  andern  Seestädten  unterstützt  wurde.  Ein 
grosser  Theil  seiner  Flotte  gerieth  in  ihre  Gewalt;  die  Ge- 
fangenen wurden  an  den  Tauen  ihrer  eigenen  Schiffe  aufge- 
knüpft ,  und  er  selbst  rettete  sich  wahrscheinlich  durch  einen 
schimpflichen  A^ertrag.  ^'')  Bald  darauf  starb  er  von  Schaam  und 
Kummer  aufgerieben,    ehe  er  noch  wieder  in  Italien  eingetroffen 


43)  Cic.  de  or.  I.  7.  44)  Id.  Faniil.  G.  2.  45)  Plut.  Ant.  1.  App. 
de  leg.  30.  40)  Pigli.  3.  p.  273.  u.  die,  welche  ihm  iiacbschrieben,  Vaill. 
Anton.  No.  21.  cfr.  Eckh.  G.  p.  39.  u.  40.  47)  ep.  90.  48)  Cornel. 
Ceth.  No.  11.  49)  Porapej.  No.  16.  a.  G7.  50)  Cic.  div.  in  Caecll.  17. 
Verr.  2,  3.  3,  91.  Ascon.  11.  cc.  Vellej.  2.  31.  Tacit.  Ann.  12.  G2.    App. 

I.  c.   Lactant.    Inst.    1.    11.    §.    32.     51)  Vellej.   1.    c.     52)  Cic.  u.  Ascon. 

II.  cc.     53)  Sallust.   bei    Non.    Marcell.    de  var.    sign.  serm.    p.    260.    ed. 
Lipa.    54)  App.   1.  c.    55)  Tacit.  1.  c.    5G)  Diod.  Sic.  Fr.  L.  38.  39. 


f 


(54  V.  ANTONII.  (12.  §.  1.) 

war.  ^^)  IMan  nannte  ihn  aus  Spott  Creticus.  ^8)  Weniger 
schlecht  als  leiclitsinnig ,  räuberisch,  um  auf  eine  sinnlose  Art 
zu  verschwenilen  ,  und  in  jeder  Hinsicht  untüchtig  ,  machte  er 
Rom  zuirleich  verächtlich  und  verliasst,  ^'•*)  Seinen  Kindern 
liinterliess  er  weder  Ruhm  noch  Reichthuni.  ^^) 

12.  Nuniitoria.  Tochter  des  Q.  Numitorius  Pullus,  <>')  wel- 
cher seine  Vaterstadt  Fregellae  A-errieth ,  ''-)  als  sie  zur  Zeit  der 
ffracchischen  Unruhen  das  Bürgerrecht  erzwingen  MoUte.  L.  Opi- 
niius  cos.  121  nöthigte  die  Stadt  125  zur  Uebergabe  ,  und  zer- 
störte sie.  **•*)      Numit.  hatte  keine  Kinder. 

13.  Julia.  «*) 

14.  M.  Antonius.  M.  F.  M.  N.  ^5)  Aeltester  Sohn  des 
Anton.  Creticus  von  Julia ;  ^^)  Enkel  des  Anton.  Orator.  ^''O 
Das  Jahr  seiner  Geburt  ist  aus  den  Münzen  von  Lugdunum 
mit  seinem  Namen  und  den  Zittern  40  u.  41  nicht  zu  ermit- 
teln, ^^)  da  man  diese  nicht  mit  Sicherheit  auf  sein  Lebensalter 
beziehen,  und  eben  so  wenig  verbürgen  kann,  dass  die  Münzen 
gerade  a.  43  u.  42  geprägt  wurden.  Sonst  führten  sie  auf  das 
J.  83 ,  und  um  diese  Zeit  wurde  Antonius  geboren.  Plutarch 
fand  in  einigen  seiner  Quellen,  dass  er  a.  30,  als  er  getödtet 
wurde,  53  J,  alt  gewesen  sei , '•'•'J  und  mehr  zu  dieser  Angabe, 
als  zu  der  andern,  nach  welcher  er  56  lebte,  ''^)  stimmt  die 
Nachricht,  er  sei  als  vierzigjähriger  Mann  mit  Cleopatra  a.  41 
in  Cilicien  zusammen  getroffen.  ^'^ 

§  1. 
Von    Natur    lebhaft ,     sinnlich    und    für    äussere    Eindrücke 
höchst    empfänglich ,     wurde    er    von    seiner    ersten    Kindheit  an 


57)  Cic.  Verr.  3.  91.  Ascon.  zu  Div.  in  Caecil.  17.  u.  Verr.  1.  23. 
Plut.  Ant.  2.  58)  Plut.  Aiil.  1.  App.  1.  c.  59)  Sallust.  bei  Ascon.  zu 
Verr.  1.  23.  Plut.  Ant.  1.  60)  Plut.  Comp.  Deiuetr.  c.  Aiit.  1.  Cic.  2 
Phil.  18.  19.  Dio  45,  47.  40,  11.  Gl)  Cic.  3  Phil.  G.  02)  Das.  03)  Cic. 
He  iiivent.  2.  34.  2  agr.  33.  Liv.  00.  Vellej.  2.  G.  Plut.  C.  Gracch.  10. 
G4)  Julii.  No.  28.  05)  Auf  d.  Münzen  Eckh.  0.  p.  35.  u.  in  d.  Fasten. 
6(j)  Plut.  Ant.  2.  67)  Cic.  1  Phil.  Jl.  14.  2  Phil.  17.  42.  Plut.  Ant. 
1.  Diu  45.  47.  Vaill.  Anton.  No.  1.  nennt  ihn  dessen  Sohn;  berichtigt 
es  aber  No.  2.  fui.  0«)  Vaill.  Ant.  No.  21.  Kckh.  0.  p.  38.  69)  Anf. 
80.     70)  Das.     71)  App.  5.  675. 


V.    AxNTONII.  (14.  §.  I.)  65 

auf  AbweffC  geleitet.  Das  Bei.spiel  seines  Vaters  blieb  nicht 
ohne  >Virkung,  obgleich  er  ihn  früh  verlor.  Noch  Meniger 
eignete  sich  sein  Stiefvater  P.  Lentiiliis,''^)  ihm  eine  gute  Rich- 
tung zu  geben,  und  Julia  machte  ohnerachtet  ihrer  Tugenden 
die  Erfahrung,  dass  es  Müttern  selten  gelingt,  ihre  Söhne  zu 
erziehen.^"'-'  Wie  viel  man  auch  darauf  abrechnen  mag,  dass 
wir  die  Gescliichte  seiner  ersten  Jugend  vorzüglich  durch  Ci- 
cero kennen,  seinen  Feind,  so  wurde  er  doch  früh  ein  Opfer 
der  Wollust  und  der  Laster,  m eiche  sie  begleiten.  Seine  schöne 
Gestalt,  sein  Witz,  der  Reiz,  welcher  überhaupt  in  seinem  Um- 
gange lag,  zog  reiche  Wüstlinge  an,  und  er  gab  sich  ihnen 
hin  zum  schändlichen  Verkehre,  weil  er,  ohne  eigenes  Vermögen, 
zum  Lebensgenüsse  Geld  bedurfte.  ^*)  Dann  trat  er  ausschliess- 
lich mit  dem  jüngeren  C.  Curio  ^■"'>'  in  ein  Verhältniss,  welches 
mit  der  Ehe  verglichen  wird.  ~^^)  Sie  überliessen  sich  gemein- 
schaftlich groben  Ausschweifungen;  Antonius  borgte,  und  Curio 
verbürgte  sich  mit  Benutzung  des  väterlichen  Credits.  "i^)  End- 
lich entschloss  sich  Curio,  der  Vater,  unter  Ciceros  Vermittlung, 
zur  Zahlung  der  Schuld ,  nachdem  er  vergebens  Gcm  alt  ange- 
M'endet  hatte,  die  Freunde  zu  trennen,  welche  Eigennutz  und 
Neigung  an  einander  fesselte,  und  Cicero  übernahm  es  auch, 
den  Sohn  zu  bessern. ''^>> 

Antonius  fand  nicht  für  gut,  sich  irgend  Zwang  anzuthun. 
Gegen    das   Gesetz   des    Roscius  nahm  er  ohnerachtet    seiner    Ar- 
muth    im    Theater    seinen    Platz    auf   den    Ritterbänken.  ''V     Die 
Hinrichtung  seines  Stiefvaters  Lentulus   a.   63    niusste  ihn  gegen 
Cicero    und    die   Aristocratie    noch  ungünstiger  stimmen.     Rach- 
gier und  Vorliebe  für  ein  ungebundenes    Leben  führte  ihn  a.   58 
dem  V.  Tr.  P.   Clodius  zu.     Er  unterstützte  ihn  bei  seinen  Unter- 
nehmungen,    wandte  sich  aber  bald  von  ihm  ab,     Avohl  weniger 
I  aus  Furcht,     in  sein  Schicksal  verwickelt  zu    werden,     als    weil 
I  er    schon    damals    zum  Verdruss  des  Clodius  ein  A'erhältniss  mit 
i  dessen  Gemahlinn  Fulvia  anknüpfte,^")     welche    er    später  heira- 
ij  thete.     Auch  gieng  er  noch  in    diesem  J.   von  seinen  Gläubigern 

.j  72)  Cornelii    Lent.     73)  Pluf.   Ant.    2.     74)  Cic.    2    Phil.  18.  19.    14 

l  Phil.    3.  Die  45,  ,26.     75)  Scribonij.     76)  Cic.    1.  c.  u.  2  Phil.  20  fin.  ad 
|Att.  1,   14.     77)  Cic.  1.  c.  Veliej.  2,  48.    Pluf.  1.  c.     78)  Cic.  2  Phil.  18. 
I  Famil.  2,   1.      79)   Ders.  Phil.  1.  c.      80)  Der».    2  Phil.   19.  20.  Plut.  1.   c. 
Druniann,  Geschichte  Korns  I.  5 


00  V.  ANTOxNll.  (14.  §.  2.) 

t^eilrängt,  nach  Orierhenlantl,  wo  er  kaum  nngefangcn  hatte, 
rhilosophcii  und  Redner  zu  hören,''')  als  am  Knde  des  J. 
A.  (iabinius,  Proc.  von  Syrien,  ihn  abrief,  und  zum  Anfiilirer 
seiner  lieutcvei  ernannte.  Mit  «lieser  bildete  er  in  den  I-cldzii- 
gen  in  Palästina  gegen  Aristobul  a.  57  f.  und  auch  a.  5.5^  bei 
der  Herstellung  Ptolcmiius  II.  Auletes  in  Aegypten  meistens  die 
Vorhut,  und  nicht,  ohne  sich  durch  Einsicht,  Muth  und  .Mensch- 
lichkeit auszuzeichnen  ,  ■welches  Plutarch^-^  herA'orhebt  und  Ci- 
cero  übergeht.  ^•^.' 

]Noch  besass  er  indess  nicht  Geld  und  Ansehn  genug,  um 
seine  Gliiuhiger  abzufinden,  oder  den  Senat  zu  beschwichtigen, 
gegen  dessen  Willen  der  Krieg  in  Aegypten  unternommen  war; 
deshalb  begab  er  sicli  nicht  nach  Rom ,  sondern  zu  Cäsar  nach 
Gallien.  ^^>'  Gabinius  erschien  am  20.  September  54  vor  Rom; 
Antonius  fand  Cäsai-s  Heer  nach  dem  zweiten  Zuge  gegen  Bri- 
tiinnien  und  dem  Kampfe  mit  Ambiorix,  in  dessen  Geschichte 
er  nicht  erwähnt  wird,  im  nördlichen  Gallien  in  den  Winter- 
quartieren. 

§  2. 

a.  5.3.  War  er  bis  dahin  in  seinem  öffentlichen  Lehen 
vom  Zufalle  bestimmt ,  so  trat  er  nun  unter  Cäsars  Leitung.  f 
Die  'J'liaten  des  l>oberers  von  Gallien  begeisterten  ihn,  den 
verschuldeten  Schwelger  lockten  die  Schätze  des  freigebigen 
Helden,  sein  Einfluss,  sein  Glück,  ein  Bürgerkrieg,  welcher 
nicht  mehr  zweifelhaft  war,  Hessen  hohe  Ehren,  einträgliche 
Provinzen,  Vernichtung  der  Schuldbücher  hoften.  Cäsar  dage-  ^f 
gen  erkannte  in  dem  kühnen  und  leidenschaftlichen  Manne  aus 
einer  angesehenen  aber  verarmten  Familie  ein  tüchtiges  Werk- 
zeug, ihn  da  zu  ersetzen,  wo  er  nicht  selbst  sein  konnte,  und 
nie  hat  er  sich  weniger  geirrt.  Ohne  Zweifel  kam  Antonius 
auf  seine  Einladung;  aufsein  Geheiss,  mit  den  erforderlichen  Sum- 
men und  mit  Empfehlungen,  besonders  an  Cicero,  gieng  er  a.  53 
nach  Rom  zurück,  sich  um  die  Quästur  zu  bewerben.  So  fühlte 
sich  Cicero  geschmeichelt;  er  fürchtete  ein  zweites  Exil,  wenn  er 
den  Triumvir  beleidigte,  und  verwandte  sich  für  Antonius, »5)  ^el- 

81)    Plut.    Ant.    2.      82)    An(.     3.      83)    D.    Genauere     in:    Gabinü. 
«4)  Cir.  1.  c.     85)  Das. 


ti 


V.  ANTONII.  (14.  §.  2.)         67 

eher  zur  Vergeltung  und  von  seinem  Beschützer  in  Gallien  wohl 
belehrt,   Clodius  zu  tödten  versuchte. s**) 

a*  .52  Quästor.  ^''J  Der  ihm  gewordenen  Weisung  gemäss 
kehrte  er  in  dieser  Eigenschaft  nach  Gallien  zurück,  ohne  eine 
ßestimmung  des  Senats,  des  Volkes  oder  des  Looses  zu  erwar- 
ten, ^^)  Der  Feldzug  gegen  die  Gallier,  Avelche  vergebens  kämpf- 
(cn ,  das  römische  Joch  wieder  abzuwerfen ,  Avar  noch  niclit 
beendigt,  und  er  nahm  Theil  daran. s^)  Im  Winter  war  er  mit 
Cäsar  zu  Bibracte,  im  Lande  der  Aeduer,  und  erhielt  hier  den 
Oberbefehl,  als  jener  durch  die  Rüstungen  des  Feindes  genöthigt 
Murde,  sich  am  31.  December  in  ein  anderes  Lager  zu  besc- 
ben.  '••") 

Auch  a.  51  blieb  er  in  der  Nähe  des  Proconsuls,  oder  da, 
wo  es  einer  vorzüglichen  AVachsamkeit  und  Entschlossenheit  be- 
durfte.'-*') Demnach  bezog  er  mit  drei  Legaten  die  Winterquar- 
tiere in  Belgien,  wo  er  Comius,  den  Atrebaten,  zur  Unterwer- 
fung zwang,  und  auch  Cäsar  sich  einfand.'-*-^  Dieser  hielt  ihn 
so  viel  als  möglich  in  seiner  Umgebung  fest ,  ihn  persönlich 
noch  mehr  zu  fesseln  und  zu  der  Rolle ,  welche  er  übernohmea 
sollte ,  zu  Aveihen.  Niemand  verstand  es  besser ,  Andern  im 
eigenen  Interesse  zu  dienen;  dadurch,  dass  er  die  Wünsche  sei- 
nes Quästor  erfüllte,  befähigte  er  ihn,  die  seinigen  zu  erfüllen. 
Für  den  Augenblick  hatte  die  Geldnoth  für  Antonius  aufgehört, 
was  auch  Cicero  sagen  mag;  ^■^^  der  nächste  Zweck  der  Feld- 
züge war  für  ihn  erreicht;  er  sollte  nun  in  Rom  wirken. 

o.  50  ehe  noch  der  Winter  vorüber  war,  schickte  ihn 
Caesar  nach  der  Hauptstadt,  um  für  Q.  Hortensius  Augur  zu 
werden.  ^'^)  Dann  eilte  er  selbst  nach  dem  oberen  Italien  und 
verpflichtete  ihn  durch  das  Vorgeben,  es  gescliehe  nur,  ilun  die 
Stimmen  der  Municipien  und  Colonien  zu  gewinnen;  zugleich 
setzte  er  seine  Partei  in  Rom  in  Bewegung.  Er  hatte  die 
Alpen  noch  nicht  überschritten ,  als  er  vernahm ,  dass  insbeson- 
dere durch  den  V.  Trib.  C.   Curio,     dessen    Anhänger  sogar  Ge- 


86)  Claud.  P.  Clodius  a.  53.     87)  Cic.  2  Phil.  20.  29.  13  Phil.  16.  ad 

Ait.  7,  8.     Nicht  Qu.  Cäsars  in  Spanien  Die  45,  40.     88)  Cic.  2  Phil.  20. 

j|   ad  Att.  6,  6.     89)  Caes.  B.   G.  7,  81.     Das  Weitere  in:  Julii ,  Caes.  Dict. 

a.  52.    90)  Hirt.  B.  G.  8,  2.    9l)  Das.  24.  38.    92)  Das.  46.  48.    93)  2  Phil. 

20.     94)  Hirt.  B.  G.  8,  50. 

.5  * 


6S  V.  ANTONII.  (II.  §.  3.) 

walt  gebrauchten ,  ^5)  sein  Plan  ausgefiilirt  sei.  '•**')  Schon  da- 
durch erhielt  Antonius  einen  grossen  politischen  Kinfluss;^') 
die  Aristocratie ,  welche  seinen  Mitbewerber  L.  Domitius  Ahen. 
einen  Consular,  unterstützte,  erlitt  eine  Niederlage,'-'*)  und 
Cicero  hatte  einen  Collegen,  der  gegen  Hin  und  seine  Faction 
mit  gleichen  Watten  kämpfen  konnte,  wenn  er  sich  nicht  zum 
Ziele  legte,"'-')  und  später  sogar  rühmte,  er  habe  bereits  a.  53, 
als  noch  das  Collcgium ,  nicht  das  Volk  wählte,  statt  seiner 
\uirur  werden  können.  ""^^ 

Als  Augur  wurde  er  V.  Tribun ,  nicht  umgekehrt ,  wie 
Plutarch  sagt,  aber  in  demselben  Jahre  und  wieder  vorzüglich 
durch  den  bestochenen  Curio.  *)  Die  Darstellung  seines  öffent- 
lichen Lebens  kann  von  jetzt  an  bis  z.  J.  44  von  der  Geschichte 
des  Ponipejus  und  Cäsar  nicht  mehr  getrennt,  und  hier  nur 
übersichtlich  aufgenouinien  werden.  -^  Dort  finden  sich  auch  die 
Gründe,  warum  manche  Zeitangaben  der  Alten  verworfen  sind. 
Vor  dem  10.  December  dieses  J. ,  mit  welchem  sein  Tribunat 
begann,  konnte  er  Cäsar  in  vieler  Beziehung  nützen,  aber  nicht 
im  Senat  sich  dem  Cos.  C.  IMarcellus  widersetzen,  als  dieser 
arglistig  die  Frage  theilte,  ob  Cäsar  und  ob  Pompejus  Heer 
und  Provinzen  abgeben  sollte;  Plutarcli  nennt  ihn  statt  Curio.  •*) 
Da  Pompejus  zum  Oberfeldherrn  in  Italien  ernannt  war,  so  ver- 
iiess  er  Rom  vor  jenem  Zeitpunct,  weil  er  deshalb  einen  An- 
griff der  neuen  Tribunen  Antonius  und  Q.  Cassius  erwartete. 
Dieser  erfolgte;  Antonius  entschleierte  23.  Dcc.  vor  dem  Volke 
sein  unlauteres  Treiben  von  der  Zeit  an,  wo  er  zuerst  öffent- 
lich aufgetreten  war.  *) 

§  3. 

Am  I.  Januar  49  erzwang  er  es  mit  Q.  Cassius,  dass  der 
Brief    Cäsars ,     welcher  scheinbar  billige    Forderungen    aber  auch 


95)  Cic.  2  Phil.  2.  90)  Hirt.  1.  c.  Cic.  I.  c.  u.  Pliil.  13,  5.  Kaniil. 
8,  14.  App.  3,  530.  Plu<.  Ant.  5.  Vaiil.  Anf.  No.  4.  f.  Kcfch.  0.  p.  S6.  f. 
Morell.  thes.  tab.  3.  97)  Cic.  2  Phil.  3.  32.  33.  98)  Ders.  Faniil.  8,  14. 
DoniiU  No.  M.  99)  Ders.  Famil.  12,  22.  ad  At(.  10,  l6.  5  Pbil.  4. 
100)  Ders.  2  Phil.  2.  Horteiis.  No.  7.  a,  53.  1)  Cic.  ad  Att.  10,  8.  2 
Phil.  2(t.  l-iv.  109.  Plut.  5.  l3io  45,  27.  2)  S.  Poiupej.  Pomp.  Triumv. 
a.  30  Julii  I.  c.  a.  49.  f.     3)  Pomp.  I.  c.     4)  Das. 


V.  ANTONII.         (II.  §.  3.)  69 

Droliiingen  cntliielt,  in  der  Curie  vorgelesen  wurde.  Plutarclis 
Nachricht  ,  er  liahe  ihn  selbst  Aorgelese«  ,  ist  falsch  ;  es  geschah 
später  in  der  \'ülksversanHnIung.  ^^  Er  erklärte  aber  mit  An- 
deren seiner  I'artei:  Pompejus  möge  nach  Spanien  gehen,  in 
seine  Provinz,  dann  sei  aller  Streit  geendigt.  Die  Entschei- 
dung stand  nicht  mehr  bei  dem  Senat;  für  Cäsar  bezweckten 
diese  Verhandlungen  nur  einen  günstigen  Eindruck  tiuf  die 
öftentliche  Meinung.  Als  verlangt  wurde,  er  solie  als  Privat- 
mann und  in  Person  um  das  Consulat  Averben,  mit  andern  Wor- 
ten ,  sich  wehrlos  seinen  Feinden  überliefern,  widersprachen  die 
beiden  Tribunen,  und  nicht  weniger  dem  Besclilusse,  durch  An- 
legung der  Trauer  die  Menge  aufzuregen.  '^)  Wegen  ihrer  Hart- 
näckigkeit verwies  sie  der  Cos.  L.  Lentuius  am  6.  Januar  aus 
der  Curie.  Daliin  sollte  es  kommen;  selbst  Cicero  hatte  es  im 
Nachhall  einer  Unterredung  mit  Pompejus  vorausgesagt,  'J  und 
nennt  deshalb  Antonius  die  Ursache  des  Krieges;  ^)  Cäsar  hatte 
es  gewollt,  denn  er  wollte  Krieg,  Vorwand  zum  Kriege,  eine 
Verletzung  geheiligter  Personen;  sie  verliessen  Rom  am  7.  Jan. 
und  geberdeten  sich  hier  und  in   Cäsars   Lager  als  A'erfolgte.  ") 

Der  Tribun,  welcher  die  Probe  so  meisterhaft  bestanden 
hatte,  wurde  einstweilen  Legat.  Mit  5  Cohorten  vertrieb  er 
Scribonius  Libo  aus  Aretium,  wovon  Cicero  am  29.  Januar  zu 
Capua  unterrichtet  war;  Sulmo  nahm  ihn  als  Freund  auf.  '^^ 
Als  Pompejus  am  17.  März  aus  Italien  gewichen  und  Cäsar  am 
Ende  des  Monats  als  Gebieter  nach.  Rom  zurückgekehrt  war, 
musste  er  wünschen,  dass  die  Stadt  als  der  Sitz  der  Regierung 
erschien,  deren  Beschlüsse  er  nur  vollzog,  um  den  Frieden  her- 
zustellen. Demnach  traten  Antonius  und  Cassius  wieder  als 
Tribunen  auf.  Sie  beriefen  den  Senat,  wahrsclieinlich  am  1. 
April,  ausserhalb  der  Thore,  damit  er  gegenwärtig  sein  konnte, 
und  ohne  Zweifel  Avaren  sie  es  auch ,  Avelche  ihm  das  Volk  ver- 
sammelten. ") 

Gegen  die  Mitte  des  April  gieng  er  nach  Spanien.  Zuvor 
ernannte    er  den    Prät.  M.  Lepidus  zum  Präfecten  von  Rom  und 


5)  Das.  a.  49.  C)  Das.  7)  ad  Att.  7,  9.  cfr.  H.  u.  Tuiislall  ep.  ad 
MJddl.  p.  147.  8}  '2  Phil.  22,  28.  29.  u.  a.  a.  O.  Die  45,  27.  4C,  12.  15- 
Plut.  Ant.  6.     0)  Pomp.  1.  c.     10)  Julii  1.  c.  a.  49.     IJ)  Jui.  1.  c. 


70  V.    ANTOML  (11.  §.  3.) 

Antonius  mit  dem  Titel  eines  Proprätor  '2)  gum  Befehlshaber  in 
Italien.  Foliilich  vertrat  ihn  Antonius.  Er  blieb  Cäsar  in 
dessen  Abwesenheit  unverbrüchlich  treu,  und  förderte  sein  Inter- 
esse durch  eine  sjenaue  Aufsicht  über  die  V'erdächti'fen  und 
Lauen  und  durch  die  Liebe  und  Popularität,  welche  er  sich  im 
Heere  erwarb.  '■^)  Um  das  Urtheil  der  Uebrigen  kümmerte  er 
sich  nicht;  ein  wüstes  Leben,  welches  zugleich  seinen  Neigun- 
gen zusagte,  verbarg  ihnen  seine  Wachsamkeit,  und  seine  Will- 
kü!ir  erbitterte  sie.  Er  rief  aus  Gunst  und  wohl  meistens  für 
(leid  Verbannte  zurück ,  und  hob  auch  andere  Strafurtheile  auf, 
mit  Ucberijehune:  seines  Oheims  C.  Antonius  cos.  63.  ^*)  So 
■weit  sein  Verhalten  ihm  vorgeschrieben  war,  zeigte  er  Ernst 
aber  auch  Milde.  Niemand  sollte  Italien  verlassen ,  und  er  war 
dafür  verantwortlich  gemacht.  '^)  Auf  eine  verbindliche  Art 
vieth  er  Cicero  ab,  sich  zu  entfernen."'^  Dieser  versicherte 
wiederholt,  dass  er  nur  nicht  in  Italien  sein,  nicht  aber  sich  zu 
Pompejus  begeben  wolle,  und  erhielt  nun  eine  zwar  kurze,  aber 
doch  gemässigte  Antwort,  welche  ihn  an  Cäsar  verwies.  '^)  Seine 
Hürtnuiig,  mündlich  darüber  zu  verhandeln,  wurde  nichterfüllt. 
Antonius  kam  in  den  ersten  Tagen  des  Mai  in  seine  Nähe, 
nach  Misenum,  wo  er  ein  Gut  hatte,  ^^^  ohne  ihn  zu  besuchen; 
docli  entschuldigte  er  sich,  als  er  am  10.  IMai  weiter  nach 
Capua  reis'te:   er  habe  gefürchtet,   dass  Cicero   ihm  zürne.  ''•') 

Für  eine  solche  Zartheit  hatte  dieser  keinen  Sinn ,  so  we- 
nig als  er  den  Zweck  der  Reise  begrift".  Sie  führte  den  Tri- 
bun nacli  Campanien,  weil  gerade  hier  ausser  Cicero,  Servius 
Sulpicius,  C.  Marcellus  und  viele  andere  MissAcrgnügte  auf 
ihren  \  illcn  und  in  den  Municipien  lebten,  und  die  Anstalten 
zur  Verhütung  der  Flucht  an  den  Küsten  zu  untersuchen  waren. 
Jene  wollte  er  beobachten,  gewinnen  oder  schrecken.-")  Aber 
Cicero  sah  nur  den  Triumphzug  des  Cäsarianer,  und  sein  In- 
grimm darüber  ergoss  sich  sogleich  in  Spöttereien,  in  einer  Zeit, 
von    welcher    er    später    behauptete,     er    sei  nicht  in   Italien  ge- 

12)  Cic.    ad    Att.    10,    8.  cfr.  Aenill.  Lep.  No.  24.  §.1.     13)  PIul.  c/ 
14)  Cic.  2  Phil.  23.  n.  38.  Dio   15,  25.  u.  47.  4G,  13.  irnten  §.   14.  Ann. 
33.  u.  No.  31.  A.  35.  f.      15)  Cic.  ad  Att,  10,  10.      10)  Das.  ep.  8.     17)  Da«. 
10.    u.    12.     18)  Cic.   2    l'Uil.    19.    29.     19)  DerB.    ad    AU.  10,  9.  10.  12. 
13.    l.*;.     20^  I)a8.  ep.  15. 


V.  ANTONII.         (11.  §.  4.)  71 

wesen.  ^O  Allerdings  verrieth  der  Aufzug  nicht  den  Hüter  des 
ReicIiK ,  aber  er  sollte  es  auch  nicht.  Nach  Pliniiis '--'  spannte 
Antonius  nach  der  pharsalischcn  8chlacht  zuerst  Lihvcn  vor  sei- 
nen Wasen ,  an  seine  Abkunft  von  Hercules  zu  erinnern.-') 
Dass  CS  jetzt  schon  geschah,  folgt  nicht,  weil  Cicero  scherzend 
Atticus  vor  den  Löwen  des  Tribuns  warnt;'-^'*)  dieser  konnte  sie 
jetzt  schon  unterhalten  und  abrichten,  und  gerade  die  Stelle  in 
den  Philippiken ,  -■'>'  welche  Einige  für  jene  Annalinie  anführen, 
zeugt  gegen  sie  ,  denn  darnacli  liiitten  sie  nicht  den  Wagen  des 
Antonius,  sondern  einen  andern  gezogen,  welches  widersinnig 
ist.  ües  Anslössigen  gab  es  ohnehin  genug;  denn  ausser  den 
Lictoren  mit  ihren  Lorbeeren  bildeten  die  Mime  Cythcris,  -'') 
andere  Buhlerinnen,  Lustknaben  und  Possenreisser  -'')  das  Ge- 
folge des  Antonius,  und  zwar  neben  seiner  Mutter.-^)  Neun 
Uhr  Morgens  war  er  noch  nicht  in  der  Verfassung,  Gehör  zu 
geben ,  -^)  aber  ihm  blieb  doch  zu  Geschäften  Zeit  und  Beson- 
nenheit, wie  schon  jener  nur  zu  nüchtern,  angeblich  im  Rau- 
sche geschriebene  zweite  Brief  an  Cicero  beweis't.  '■^^>)  Deshalb 
rügte  Ciisar  nach  seiner  Rückkehr  aus  Spanien  seine  Ausschwei- 
fungen nicht.  ■^^^ 

§  4. 

Im  Anfange  d.  J.  48  folgte  Ciisar  seinem  Gegner  über  das 
Meer.  Antonius  sollte  ihm  Truppen  aus  Brundusium  nachführen, 
und  überwand  mit  eben  so  viel  Muth  als  Klugheit  die  Schwie- 
rigkeiten ,  welche  damit  verbunden  waren.  Auch  die  Bewegun- 
gen ,  wodurch  es  ihm  möglich  wurde ,  sich  mit  seinem  Feldherrn 
zu  vereinigen,  zeugen  von  seiner  Tüchtigkeit.  Bei  Dyrrhachium 
focht  er  mit  Auszeichnung,  avozu  sich  in  der  pharsalischcn 
Schlacht,  am  9.  August  nach  dem  unberichtigten  Kalender,  keine 


21)  2  Phil.  23.  22)  8,  21.  (IC).  23)  S.  oben  Anton.  Einleit.  24)  ad 
Alt.  10,  13.  25)  2,  24.  Set/uebalur  rlieda  cum  leonihuSy  wofür  schon 
ältere  Kritiker  richtig  lenonibus  lasen.  Unten  Anm.  40.  26)  Cic.  2  Phil- 
24.  25.  28.  31.  ad  Att.  10,  10.  10.  15,  22.  Plin.  I.  c.  Plut.  9.  §.  12. 
a.  48.  27)  Das.  Plut.  6.  Unten  §.  72.  A-  17.  f.  28)  Cic.  2  Phil.  24.  ad 
Att.  10,  10.  29)  Ders.  ad  Att.  10,  13.  30)  Das.  ep.  10.  Plut.  7 
%\)  Plut.  1.  c. 


72  V.  ANTONll.  (14.  §.  4.) 

Gelegenheit  fand,  denn  die  Entscheidung  war  dem  rechten  Flü- 
gel vorhchaiten,  und  er  hcfchligte  den  linken,  und  Truppen, 
■welche  früher  sehr  gelitten  hatten.  Er  gieng  darauf  mit  einem 
Theile  des  Heers  nach  Italien,  um  es  gegen  innere  Feinde  und 
die  noch  immer  furchthare  Flotte  der  Aristocraten  zu  verthci- 
digen.  '^-^ 

In  Brundusium  traf  er  mit  Cicero  zusammen,  welcher  jene 
nach  ihrer  Niederlage  verliess.  Sie  hatten  ihre  Gefangenen 
meistens  ermordet;  Cicero  Murde  von  Antonius  mit  einer  von 
ihm  seihst  anerkannten  Grossmuth  hehandelt ,  ^"^^  schilderte  ihn 
aher  dennoch  als  einen  Blutgierigen,  der  ohne  Wissen  seines 
Gehieters  dessen  Gegner  tüdtete. '^'*)  Sein  Anblick  war  ihm  vcr- 
hasst,  der  Anblick  seiner  Krieger,  das  fröhliche  Tändeln  ihres 
Anführers  mit  Cytheris,  welche  ihm  bis  Brundusium  entgegen- 
gekommen war.  3Jj  Dann  machte  er  eine  wohlverdiente,  aber 
ihm  sehr  widrige  Erfahrung.  Gegen  ein  ausdrückliches  Verbot 
war  er  aus  Italien  abgereis't,  und  ohne  Erlauhniss,  wie  man 
glauben  musste ,  war  er  aus  den  Lagern  des  Feindes  zurückge- 
kehrt. Antonius  meldete  ihm  mit  höflicher  Entschuldisunw  und 
mit  Bezugnahme  auf  seine  Verhaltungsbefehle,  wovon  er  sogar 
eine  Abschrift  beilegte,  dass  er  nicht  bleiben  könne,  und  jetzt 
erst  wurde  er  von  dem  Schreiben  des  Dolabella  in  Keniitniss 
gesetzt,  nach  welchem  Cäsar  den  Aufenthalt  des  Consulars  in 
Italien  gestattet  hatte.  Diess  beuierkte  er  sofort  in  einem  Edict 
mit  namentlicher  Erwähnung  des  Cicero,  nicht  aus  Emptindlich- 
keit,  oder  um  den  Ueherläufer  zu  züchtigen,  sundern  auf  Be- 
trieb des  Atticus,  welcher  seinen  Freund  dadurch  noch  mehr 
zu  sichern  hoffte.  Es  war  aber  Cicero  unangenehm;  das  Edict 
wurde  für  ihn  eine  Urkunde ,  worin  er  sich  öffentlich  von  sei- 
ner Partei  lossagte,  deren  Rache  er  nun  um  so  mehr  fürchten 
musste,  wenn  Cäsar  im  Osten  oder  in  Afrika  unterlag,  und 
schon  jetzt  litt  sein  ohnehin  tief  gesunkener  Ruf  In  den 
Schreiben  an  Atticus  vom  19.  December  und  aus  späterer  Zeit 
giebt  er  freilich  andere  Gründe  an.  ^^) 

Die  äussere   Würde ,     auf   welche  er  einen   zu  hohen   Wcrth 


32)  Julii  Caes.  Dict.  a.  48.     33)  2  Phil.  3.  24.  Dio  40,  22.     34)  Cic 
I.  c.  29.      35)   Das.  25.     3C)   11,  7.   u.  9. 


m 


V.    ANTOMI.  (14.  §.  5.)  73 

legte,  war  Antonius  gleichgültig.  Diess  bewies  er  schon  in 
Brundiisiiiin ,  ohne  mit  Cicero  zu  glauben,  dass  er,  ein  Mann, 
welcher  Cäsars  Vertrauen,  den  Ruf  der  'l'apferkeit  und  die 
grösste  Macht  besass,  in  den  iMunicipien  oder  im  Heer'  an 
Achtung  verlieren  werde.  ■^^)  In  Erwartung  feindlicher  Landun- 
gen besetzte  er  die  Städte,  vorzüglich  an  der  Küste,  eine 
drückende,  aber  nothwendige  Massregel,  und  Rom  steuerte  zu 
seinen  Festen.  ^^^  Sie  hinderten  ihn  aber  nicht ,  seine  Pflichten 
gegen  Cäsar  zu  erfüllen. 

Dieser  wurde  etwa  in  der  Mitte  seines  jetzigen  zweiten 
Consulats  abwesend  Dictator  II.  und  zwar  auf  ein  Jahr.  Schon 
die  Alten  haben  häufig  die  Anfangspuncte  dieser  Aemter  nicht 
unterschieden  ,  welches  auch  in  der  Geschichte  des  Antonius 
seinen  Einfluss  äussert.  ^^)  Nicht  ohne  Wissen  des  Dictator, 
wie  Cicero  sagt,  sondern  n;'.ch  Verabredung  erhielt  Antonius 
die  Würde  eines  Magister  equ.  und  ebenfalls  auf  ein  Jahr ,  ob- 
gleich die  Auguren  die  Zeit  auf  6  Monate  beschränken  wollten 
und  er  die  Prätur  noch  nicht  verwaltet  hatte  *")  Die  Titel 
waren  republikanisch,  und  der  Stellvertreter  des  Herrschers**) 
verstand  ihn.  Mit  dem  Schwerdte  umgürtet ,  von  Lictoren  um- 
geben und  die  Legionen  im  Hintergrunde  Hess  er  Senat  und 
Magistrate  der  Form  naih  in  ihrer  Wirksamkeit,  und  ergötzte 
das  Volk  auf  Kosten  Cäsars  d.  h.  des  Reichs  mit  Spielen,  bei 
welchen  mancher  Vornehme,  der  lieber  auf  seinen  (Jfütern  ge- 
grollt hätte ,  sich  einfinden  niusste.  *-)  Uebrigens  wurden  füi* 
das  folgende  Jahr  nur  Tribunen  gewählt. 

§  5. 

a.  47.  Antonius  setzte  die  gewohnte  Lebensweise  fort. 
Er  nahm  das  Haus  des  M.  Piso  in  Besitz  '^^^  und  verwandelte 
hier,  Avie  später  im  Hause  des  Pom pejus,  bei  seinen  Trinkge- 
lagen Nacht  in  Tag.  Die  Wirkungen  wurden  einst  sogar  be- 
merklich ,  als  er  zum  Volke  sprach.  **)  Seine  Genossen  waren 
Cytheris,    die    Mimen   Hippias    und   Sergius,     Musiker    und  wer 


37)   Cic.   2  Phil.    25.     38)    Das.     39)  Julii    I.    c.     40)    Das.   Dio    45, 

28.  40,  13.     41)  Plut.  8.     42)  Dio  42.  27.  28.  45,  29.  46,   16.     43)  Cic. 
3  Phil.  25.     44)  Das.  u.  c.  34.   Pluf.  9.  Dio  45,  28.    Unten  §.  72.  A.  14, 


74  V.  ANTONII.  (14.  §.  5.) 

irgend  den  Reiz  der  Orgien  zu  erhöhen  vermochte.  '^■0  Sie  beglei- 
teten ihn  auf  einer  Reise;  die  achtbarsten  Familien  mussten  sie 
aufnehmen  und  ehren ,  und  jetzt  sah  man  auch  Löwen  vor  sei- 
nem Wagen,'*'')  und  bei  den  Mahlen,  welche  er  oft  im  Freien 
unter  Zelten  hielt,  die  kostbarsten  Gefässe.  *'0  Lai  die  .Mittel 
zu  diesem  Aufwände  war  er  nicht  verlegen ;  er  masste  sich 
fremdes  Erbe  an,  *S)  und  bald  auch  die  reichen  Vorräthe  des 
Pompejus,   wovon  nachher. 

Seine  Feste  wurden  schon  im  Anfange  des  J.  durch  die 
Unrulicn  unterbrochen,  welche  der  V.  Tribun  P.  Dolabella  er- 
regte ,  um  sich  seiner  Schulden  zu  entledigen.  Aus  mehrern 
Gründen  leistete  er  ihm  eine  Zeitlang  nur  schwachen  AVider- 
stand,  bis  eine  persönliche  Beleidigung  hinzukam,  und  das 
Üebel  zu  gross  wurde.  '^'0  Früher  durchzugreifen  hinderte  ihn 
unter  andern  eine  Meuterei  der  Legionen,  welche  mit  ihm  nach 
Italien  zurückgekehrt  waren.  Obgleich  er  nach  Ernennung  des 
L.  Caesar  zum  Stadtpräfecten  sich  selbst  zu  ihnen  begab ,  so 
gelang  es  doch  erst  Cäsar  ,  nach  seiner  Ankunft  im  Septemlier, 
die  Ordnung  herzustellen.  ^^)  Auch  verlicss  Cicero  nach  einer 
Unterredung  mit  ihm  Brundusium ;  vergebens  hatte  er  bis  dahin 
durch  Briefe ,  durch  Baibus  u.  a.  seine  völlige  Begnadigung  bei 
Antonius  zu  bewirken  gesucht.  ^0 

In  Ciisars  dritter  Dictatur,  welche  um  diese  Zeit  begann,  ^^^ 
Avurde  Antonius  als  Mag.  equ.  durch  M.  Lepidus  ersetzt.  Man- 
cher trug  Bedenken ,  bei  der  Versteigerung  der  Güter  des  Pom- 
pejus sich  ^Is  Käufer  einzufinden;  nicht  so  Antonius.  Er  er- 
stand das  Haus,  welches  er  von  jetzt  an  bewohnte,  die  Gär- 
ten vor  der  Stadt  u.  s.  w. ,  aber  er  kaufte  nicht  allein,  eine 
von  den  vielen  Unwahrheiten,  durch  welche  Cicero  ihm  zu 
schaden  suchte.  Es  war  nicht  Cäsars  Absicht,  ihm  die  Zahlung 
zu  erlassen,  wie  er  sich  schmeichelte,  vielmehr  ergriff  er  ernst- 
liche Massregeln,  ihn  dazu  anzuhalten;  so  viel  wir  indess  wis- 
sen, erfolgte  sie  nie,  sondern  nur  eine  vorübergehende  Span- 
nung. •''3)     Auch    war  bald  oUcs  von  ihm  verbraucht,     abgenutzt 

15)  Hut.  Dio  U.  CO.  Unten  §.  72.  4G)  Plul.  1.  c.  Oben  Anm.  22.  f. 
47)  S.  Anm.  44.  48)  Tic.  2  Phil.  25.  29.  39.  49)  Cornel.  Dolab. 
Unten  No.  32.  33.  50)  Julii  1.  c.  51)  Cic.  ad  Alt.  11,  18.  52)  Julii 
I.  c.     53)  Das.  unten  Anm.  GO. 


1 


V.  ANTON».  (11.  §.  (I.)        75 

oder  A'erscheiikt ,  was  sich  dazu  eignete,^*)  wobei  insl)esondere 
Cytheris  für  sich  sorgen  mochte;  doch  erhielt  sie  sich  nicht  in 
seiner  Gunst,  ^^)  als  er  sich  im  folgenden  Jahre  mit  i'ulvia 
vermählte. 

§  6. 

a.  40  verwaltete  er  weder  eine  Provinz  noch  nahm  er  am 
africanischen  Kriege  Theil.  Er  blieb  nicht  aus  Feigheit  zurück, 
oder  um  zu  schwelgen,  ^^)  sondern  nach  seiner  eigenen  Versi- 
cherung aus  Unwillen,  weil  ihm  mit  Undank  Aergolten  sei;  ''^^ 
es  scheint  aber,  dass  er  wegen  der  Anmassung,  mit  welcher  er 
den  Erlass  der  Kaufsumme  als  ein  Recht  forderte,  niclit  zu 
Kriegsdiensten  eingeladen  wurde  und  voll  Erbitterung  sich  auch 
nicht  darum  bewarb.  Seine  Verbindung  mit  Fulvia,  der  Witt- 
we  des  P.  Clodius  und  C.  Curio,  gereichte  ihm  in  sittlicher 
und  politischer  Hinsicht  zu  grossem  Nachtheil;  sie  begieng  un- 
ter seinem  Namen  Verbrechen  oder  verleitete  ihn  dazu ,  und 
erstickte  seine  natürliche  Gutmüthigkeit.  ^^) 

Im  Juli  nach  der  unrichtigen  Jahrform  traf  Cäsar  wieder 
in  Rom  ein.  Antonius  fühlte  keinen  Beruf,  ihm  nach  dem 
Beispiele  Anderer  entgegen  zu  gehen ,  ^'^^  denn  die  Misshellig- 
keit zwischen  ihnen  war  noch  nicht  gehoben.  Bei  seiner  Un- 
fähigkeit, jenes  Geld  zu  erlegen,  welches  ihm  in  der  Absicht, 
den  Schwelger  zu  bessern  und  zu  demüthigen,  fortwährend  zur 
Pflicht  gemacht  Avurde ,  stellte  Antonius  zum  Schein  eine  Auction 
an;  sie  hatte  aber  keinen  Fortgang,  weil  er  abgenutztes  Gut 
des  Pompejus  oder  fremdes  feil  bot, ''<'''  so  dass  er  nun  angeb- 
lich, nach  einem  von  Cicero  begierig  ergriffenen  Stadtgespräche, 
durch  die  Ermordung  seines  Drängers  sich  zu  retten  versuchte.  '•') 

Seine  Stimmung  gegen  Cäsar  hielt  ihn  ab,  ihm  gegen  Ende 
des  J.  nach  Spanien  zu  folgen,  6-)  eigener  Entschluss  also,  nicht 
ein  Verbot,  da  er  es  später  unternahm. 

a.  45.  Es  musste  ihm  mit  der  Zeit  fühlbar  werden ,  dass 
er  bei  dem  Streite  mit  dem  Herrscher  im  Nachtheil  war ,  zumal 


54)  2  Pljil.  29.  55)  Das.  28.  u.  31.  56)  Das.  29.  57)  Das.  Plut.  10. 
58)  Claudii.  59)  Julii  Caes.  Dict.  a.  46.  CO)  Cic.  2  Phil.  29.  61)  Das- 
02)  Das.  Pluf.  10. 


76  V.  ANTÜNII.  (14.  §.  0.) 

da  er  sich  um  das  C  jiisulat  bewarb.''^)  Deshalb  trat  er  die 
Reise  an,  kam  aber  nicht  iilicr  (»allien  hinaus,  unter  dem  Vor- 
vande,  dass  die  Strasse  unsiclicr  sei,  *»*)  obgleich  ihm  ,  dem 
Besitzer  pompejanischer  Güter,  der  Ausgang  des  Krieges  nicht 
gieicligiiltig  sein  konnte.  Seltsam  ist  es,  wenn  Cicero  darüber 
spottet,  welcher  zum  Theil  unter  einem  ähnlichen  Vorgeben 
a.  49  gezögert  hatte,  sich  an  Pompejus  anxuscliliessen.  Er 
verweilte  eine  Zeitlang  in  Narbo ,  und  kam  dann  plötzlich  in 
der  Nacht  nach  Rom  zurück,  mo  er  Fulvia  mit  einem  Scherze 
überraschte.  ^-^^  Seine  Erscheinung  erregte  Aufsehn  und  Schrek- 
ken,''**)  besonders  bei  Cicero  und  den  Uei)rigen,  welche  bisher 
schon  nach  jedem  FeMzuge  Cilsars  erwartet  hatten,  er  werde 
die  I\Iaske  abwerfen  und  wütlien.  Sie  glaubten,  der  Kampf  in 
Spanien  sei  geendigt  und  Antonius  vorausgeeilt ,  die  Proscription 
einzuleiten.  Oppius  und  Balbus  suchten  als  Vertraute  des  Dicta- 
tors  Cicero  zu  beruhigen,  wofür  ein  Danksagungsschreiben  bei 
ihnen  eingieng,**^^  und  auch  Atticus  kam  so  oft  tröstend  auf 
diesen  Gegenstand  zurück,  dass  er  endlich  betheuerte,  er  habe 
gar  keinen  Eindruck  auf  ihn  gemacht.  ^^)  In  den  Philippikenöö) 
riichte  er  sich  für  diese  Tage  der  Angst  durch  Schmähungen 
und  schmutzige  Anspielungen.  Indess  war  auch  das  Volk  auf- 
geregt; es  schloss  auf  wichtige  Ereignisse,  bis  Antonius  ihm 
sagte,  er  sei  in  eigenen  Angelegenheiten  gekommen,  im  Munde 
eines  Verbuhlten  eine  zweideutige  Aeusserung,  über  welche  man 
lachte.  ^"->  Und  doch  hatte  er  Recht,  obgleich  er  nicht  aus 
Sehnsucht  nach  Fulvia  kam,  ^')  und  noch  weniger  auf  das  Ge- 
rücht, Cäsar  sei  todt  und  der  Feind  im  Anzüge,  wie  Plutarch 
sagt ,  ^-J  der  diese  Reise  nicht  einmal  von  der  folgenden  unter- 
scheidet, sondern  aus  Besorgniss,  der  Prätor  L.  Plancus ,  von 
Cäsar  mit  dieser  Angelegenheit  beauftragt,  möge  seine  Güter 
aus  dem  Nachlasse  des  Pompejus,  oder  die  Güter  seiner  Bürgen 
verkaufen.  ^•^-^ 

Als    man    gegen   den  Anfang  des  September   Cäsar  aus  Spa- 
nien erwartete ,    rcis^te  ihm  aus  den    angegebenen  Gründen  auch 


03)  Cic.  2  Phil.  30.  (31.)  04)  Da».  05)  Das.  30.  31.  Plut.  10. 
06)  Cic.  1.  c.  31.  67)  Der«,  ad  Att.  12,  19.  6»)  Da»,  u.  ep.  20.  69)  l.  c. 
70)  Cic.  2  Phil.  31.     71)  Das.     72)  Aiit.  10.     73)  Cic.  I.  c.  u.  ad  Att.  12,  18. 


V.  ANTONII.  (14.  §.  7.)  77 

Antonius  entgcn^en.  In  Narbo  suchte  C.  Trehonius  zu  erforschen, 
ob  und  in  welchem  Grade  er  noch  gegen  den  Dictator  erbittert, 
und  ob  er  geneigt  sei,  sich  in  eine  \crbindung  gegen  ihn  ein- 
zulasNcn;  er  gieng  auf  nichts  ein,  niaclite  aber  auch  keine  An- 
zeige, nacli  seinem  späteren  Verbalten  zu  scblicssen,  weil  man 
mit  grösster  \'orsicht  zu  ihm  gcsproclicn  hatte.  Nach  Cicero 
freilich  wurde  hier  mit  seinem  Wissen  und  Willen  der  Mordplan 
«reschmiedet.  ^*) 

Cäsar  hatte  die  ihm  früher  geleisteten  Dienste  nicht  ver- 
gessen; es  genügte  ihm,  dass  Antonius  eine  Anerkennung  nicht 
mehr  ertrotzen  wollte,  dass  er  sich  nicht  an  die  Missvergnügten 
angeschlossen  und  Meutereien  gestiftet;  seine  eigene  Stellung 
Avar  nach  dem  Siege  in  Spanien  von  der  Art,  dass  er  in  einem 
öffentlich  gewordenen  Streite  die  ihm  zur  Versöhnung  gebotene 
Hand  annehmen  konnte,  und  bei  seinen  Plänen  gegen  die  Par- 
ther bedurfte  er  tüchtiger  und  zuverlässiger  Männer,  vor  allem 
aber,  um  König  zu  werden,  eines  willigen  und  geschickten 
Werkzeugs:  er  nahm  Antonius  mit  offenen  Armen  auf.  wies  ihm 
den  Ehrenplatz  in  seinem  Wagen  an,  nach  Cicero,  ^5>'  weil 
Nichtswürdige  und  Verschuldete  ihm  stets  am  willkommensten 
waren,  und  Hess  ihn  im  Besitze  der  erstandenen  Güter,  ohne 
des  Geldes,  wie  es  scheint,  weiter  zu  gedenken. 

Antonius  vergalt  diess  mit  einer  unbegrenzten  Treue,  wenn 
auch  nicht  immer  mit  Gehorsam,  Er  wurde  Flamen  des  neuen 
Jupiter,  und  trat  in  die  neu  errichtete  dritte  Classe  der  Luperci, 
in  die  der  Julier  ein.  '^6) 

§7. 

a.  44  Consul  mit  Cäsar, ''^)  und  nach  dessen  Tode  mit 
P.  Dolabella.  ^^)  Dem  Letzten  hatte  der  Dictator  das  Consulat 
ebenfalls  für  dieses  Jahr  zugesagt ;  er  übernahm  es  aber  selbst 
und  wollte  ihn  dann  vor  dem  Feldzuge  gegen  die  Partlier  an 
seine    Stelle    wählen  lassen.     Antonius  widersetzte    sich  im  hefti- 


74)  Julii  Caes.  Dict.  a.  44.  d.  Geschichte  d.  Verschwörung.  75)  2  Phil. 
32.  cfr.  Plut.  11.  70)  Julii  1.  r.  a.  45.  u.  hier  §.  CO.  A.  7.5.  77)  Cic. 
2  Phil.  5.  32.  34.  3  Phil,  5.  13  Phil.  8.  ad  Farail.  1 1 ,  2.  3.  7.  28.  Liv. 
116.  117.  Vcllej.  2!,  56.  58.  App.  2,  405.  Dio  43,  49.  4G ,  17.  Plut.  Cic. 
42.  Ant.   11.   15.  Eutrop.  7,   1.  u.  a.     78)  S.  unten. 


78  V.  ANTONII.  (14.  §.  7.) 

gen  Wortweclisel  mit  Dolabella  schon  am  1.  Januar  im  Senat, 
und  dann  auf  den  Grund  ungünstiger  Auspicien ,  über  deren 
Gültigkeit  Cäsar  an  seinem  Todestage  in  der  Curie  verhandeln 
uoUtc,  in  den  Wahlcomitien.  Dass  er  den  Gegner  eines  straf- 
baren Umganges  mit  Antonia  beschuldigte,  von  welcher  er  sich 
deshalb  schon  früher  getrennt  hatte,  Mar  nur  Vorwand  der 
Fcindscliaft;  er  wollte,  wie  bereits  in  andern  Verliältnissen,  in 
Cäsars  Abwesenheit  allein  schalten.  ''^)  Den  eitcin  M.  Lcpidus 
fürchtete  er  weniger,  welcher  mag.  ecju.  war,  obgleich  nicht  als 
sein  Nachfolger,  wie  Appian  Avill,  und  mit  Truppen  vor  den 
Thorcn   von  Rom  stand.  ^^) 

Er  durfte  viel  wagen ,  Aveil  er  in  den  eigenen  Angelegen- 
heiten des  Herrschers  den  CoUegen  nur  geltend  machte,  um 
ihm  zu  dienen.  S')  So  lange  jener  gebot,  blieb  ilim  der  Ehr- 
geiz fremd,  der  nach  dem  Höchsten  strebt.  Diese  Huldigung 
erzwang  Cäsars  persönliche  Grösse ;  man  fühlte ,  dass  nur  er 
der  Erste  sein  konnte,  so  lange  er  überhaupt  Mar.  Auch  der 
Cäsar  der  neueren  Zeit  hat  in  Männern,  Avclche  Cäsaren  gcM'e- 
sen  wären,  wenn  sie  sich  nicht  in  seinen  Bahnen  bewegt  hätten, 
Diener  und  Werkzeuge  gefunden.  Ein  Königthum,  und  zMar 
ein  erbliches,  hielt  der  Dictator  nicht  nur  für  möglich,  sondern 
auch  für  nothw endig ,  um  den  Staat  zu  retten.  Antonius  Mar 
im  Gehcimniss;  es  handelte  sich  nicht  mehr  um  die  Saclie, 
welche  schon  vorhanden  Mar,  sondern  um  Namen  und  Zeichen, 
d.  h.  um  Anerkennung,  und  der  zMcite  Consul  sollte  sie  ver- 
mitteln. Er  eignete  sich  dazu,  Meil  er  schlau,  kühn  und  ge- 
wandt war.  Aber  das  Volk ,  in  dessen  Auftrage  er  nach  seinem 
Vorgeben  auftrat,  unterstützte  ihn  nicht;  die  Luperealien  wur- 
den die  Vorfeier  des  fünfzehnten  Märzes.  Wie  alles  in  der  Ver- 
schM'örung  gegen  den  Machthaber  Verruchtheit  oder  Aberwitz 
war,  so  Mollte  man  anfangs  Antonius  hineinziehen,  und  ver- 
schonte dann  ihn  und  Lepidus  gegen  Cassius  liath,  Meil  M. - 
nicht  D. -Brutus  es  verlangte.  ^2)  Vom  Standpunkte  der  Mörder 
und  ihres  Anhanges  betraclitet  Mar  dicss  ein  grosser  Felilcr, 
welchen    Cicero    nicht   müde    wird  zu  rügen,     obgleich    ihn    nur 


79)  Cornel.  Dolab.     80)  Julii  I.  c.  a.  44.  Aemil.  Lepid.  No.  24.  §. 
81)  Cir.  2  Phil.   32.   fin.     82)  Julii  I.  c. 


V.  ANTONIL  (11.  §.  7.)  79 

Furcht  und  persönlicher  Hass  dazu  bestimmt ;  ^'-^  der  Tyrann, 
sagt  er,  ist  todt,  die  Tyrannis  leht;  aber  die  Ursache  lag  nicht 
in  Antonius ,  sundern   in  llom. 

Während  der  Wehrlose  in  der  Curie  fiel ,  hatte  die  feige 
Rotte  seinen  CoUegcn  ausserhalb  bescliilftigt,  das  genügendste 
Zengniss  für  meinen  Muth  und  seine  Treue.  Ueberdiess  standen 
die  Gladiatoren  des  D.  Brutus  mit  Benutzung  des  Festes  der 
Anna  Perenna  in  der  Nähe,  im  Theater  des  Pompejus,  in  Be- 
reitschaft, s*)  Doch  hoffte  man,  dass  man  ihrer  nicht  bedürfen, 
dass  der  Senat  lauten  Beifall  zollen  und  dadurch  das  Verbrechen 
heiligen ,  dass  das  V  olk  sich  erheben  werde  ,  jeder  Feind  Cäsars 
und  jeder  seiner  Anhänger  ,  dem  seine  Herrschaft  eine  verhasste 
Zugabe  zu  seinen  Wolilthaten  gewesen  sei.  Im  Gefülile  seiner 
Wichtigkeit,  und  ohne  Thräncn  nach  einer  Handlung,  welche 
ihn  unter  jeder  Bedingung  hätte  erschüttern  sollen,  versuchte 
M.  Brutus  die  Gemüther  zu  beruhigen  und  zu  gewinnen.  ^•') 
Seine  Worte  verhallten  ungehört.  Der  Senat  ermannte  sich 
nur,  um  sich  zu  retten  ;S''>'  seine  Flucht  belehrte  ihn  über  den 
geringen  Umfang  der  Verschwörung,  und  das  Volk,  dass  Cäsar 
durch  Meuchelmord ,  nicht  nach  einem  öffentlichen  Beschlüsse 
gefallen  sei. 

Betäubt  durch  das  Schreckliche  und  Unerwartete,  völlig  im 
Dunkel  über  die  Absichten,  Verbindungen  und  Hülfsmittel  der 
Mörder,  ungewiss  also,  und  um  so  mehr  ,  da  sie  Männer  von 
den  verschiedensten  Parteien  unter  ihnen  sahen,  ob  sie  nur  das 
Haupt  oder  auch  die  Glieder  zu  vernichten  gedachten ,  ob  sie 
stark  genug  seien,  die  Freunde  zu  schützen,  und  die  Feinde 
zu  zügeln,  und  nicht  eine  allgemeine  Umkehr  Alle  A'erschlingen 
werde,  ^'')  sollten  die  Senatoren  das  blutige  Werk  aufnehmen 
und  weiter  fördern,  sie,  die  ohnehin  einem  grossen  Theile  nach 
nur  durch  Cäsar  Senatoren  waren.  8^)  So  hatte  es  die  Einfalt 
der  Verschworenen  vorausgesetzt.  Die  Bestürzung  verbreitete 
sich  schnell  über  die  ganze  Stadt;     denn    auch  die  Sclaven  und 


83)  ad  Att.  14,  4.  11.  12.  11.  15.  17.  21.  15,  1.  4.  11.  12.  20.  ad 
Farail.  10,  28.  12,  3.  4.  28.  2  Phil.  14.  13  Phil.  10.  cfr.  Flor.  4,  3. 
§.  2.  C.  §.  1.  9.  §.  1.  84)  Julii  I.  c.  85)  Plut.  Brut.  18.  Cae8.  07. 
86)  Plut.  11.  cc.  Suet.  Caes.  82.  App.  2,  502.  503.  Dio  44,  20.  Zon.  10, 
12.     87)  Dio  44,  20.     88)  Cic.  de  div.  2,  9.  Julii  a.  47  u.  40. 


gO  V.    ANTONII.         (14.  §.  8.) 

Freigelassenen  Cäsars,  welche  ihn  nach  der  Curie  begleitet 
hatten,  entflohen  bis  auf  wenige,  seine  Lictoren  und  die  Zu- 
schauer im  Theater  des  Ponipcjus.  Man  verschluss  die  Häuser, 
die  Buden  und  Wechselbänke,  und  schickte  sich  zur  Vertheidl- 
gung  an,  obgleich  sich  nirgends  Verfolgende  zeigten;  denn  die 
Nachricht  Appians,  dass  in  der  ersten  Verwirrung  Mehrere, 
auch  Senatoren,  verwundet  und  selbst  getödtet  seien,  bestätigt 
sich  nicht.  ^'^)  Am  meisten  glaubte  sich  M.  Antonius  in  Gefahr, 
weil  man  ihn  vor  Anderen  zu  fürchten  Ursach  hatte;  denn  er 
war  Consul,  sein  Bruder  Cajus  war  Prätor,  der  zweite,  Lucius 
V.  Tribun:  Lepidus  ,  von  Cäsar  zum  Statthalter  im  narbonensi- 
schen  Gallien  und  im  diesseitigen  Spanien  ernannt  und  mit  der 
bewaftneten  Macht  noch  vor  Rom,  konnte  seinen  amtlichen 
Handlungen  leicht  Nachdruck  geben;  dass  er  nicht  zu  den  Un- 
dankbaren gehörte,  welche  den  Mord  preiswürdig  fanden,  9")  wie 
Seneca  will,^')  sondern  den  Todten  rächen  werde,  welchem  er 
im  Leben  so  viel  gewesen  war,  liess  sich  leicht  erachten.^-) 
Deshalb  Avarf  er  das  Consular- Gewand  von  sich,  als  er  durch 
die  Flucht  und  das  Geschrei  der  Senatoren  die  grässliche  That 
erfuhr,  und  entkam  in  einer  Vermummung  in  sein  Haus,  wo  er 
Massreo-eln  zu  seiner  Sicherheit  nahm.  "-'•^J  Hätte  er  die  wahre 
Sachlai-e ,  die  Verzagtheit  der  sogenannten  Befreier  und  die 
o-eringe  Zahl  ihrer  Anhänger  gekannt,  so  würde  er  noch  an 
diesem  Ta<re  das  Capitol  angegriffen  und  die  Meuterei  mit  Einem 
Schlage  geendigt  haben,  denn  ausser  den  Truppen  des  Lepidus 
w  ürden  auch  die  Veteranen  in  der  Stadt ,  die  nur  eines  Führers 
bedurften,  '•**)  seinem  Rufe  gefolgt  sein. 

§   8. 

Verlassen  standen  die  Mörder  neben  der  Leiche;  für  die 
Rede,  welche  ihr  Werk  krönen  sollte,  fanden  sich  keine  Hörer: 
ihr  Werk  sprach  selbst,  und  so  furchtbar,  dass  Rom  sich  von 
ihnen  lossagte;   zuerst  der  Senat,  sofern  es  wenigstens  galt,  den 


89)  App.  ß.    Dio    u.    Plut.    11.    CO.     00)  Tac.  Ann.    1 ,  8.  fin.     91)  de 

benef.   5,   10.  92)  App.   3,   548.     93")  Cic.    2  Phil.  35.     App.  2,  502.     Dio 

44,  22.    Plut.  Brut.  18.    Ant.  14.   Caes.  07.  Zon.  1.  c.     94)  Flor.  4,  7.  2. 
App.  2,  504. 


V.  ANTONII.  (lt.  §.  8  )  81 

Fluch  mit  ihnen  zu  theilen;  (Hess  bezeugte  ilie  Oede  um  sie 
her;  dann  auch  das  Volk;  es  regte  sich  nicht,  als  sie  gleich 
einer  Rotte  entlaufener  JScIaven  unter  Vortragung  des  Hutes, 
des  Sinnbildes  der  Freiheit,  von  ihren  blutigen  Dolchen  und 
von  den  Fechtern  geschirmt,  über  den  Markt  zogen  und  seinen 
Beistand  forderten,  da  nach  dem  Tyrannen  kein  Anderer  sterben 
solle.  Am  wenigsten  erschien  Cicero,  welchen  M.  Brutus  als 
den  Vater  des  Vaterlandes  namentlich  rief.  Angeblich  den  Göt- 
tern zu  danken,  entwichen   sie  auf  das  Capitol.  ^^) 

Das  zunächst  Folgende  ist  einer  von  den  Abschnitten  in 
der  Geschichte,  wo  es  ohncachtet  der  Aushülfe  des  Cicero  vor- 
züglich drückend  wird,  dass  die  Alten  mit  den  Zeitangaben 
kargen,  Dio  sogar  nach  einer  Andeutung'-"')  aus  Grundsatz, 
oder  doch  nicht  genau  darin  sind.  Oft  hängt  die  richtige  Be- 
urthcilung  eines  Ereignisses  und  aller  anderen ,  welche  mit  ihm 
in  Verbindung  stehen,  davon  ab,  dass  wir  den  Tag  kennen, 
welchem  es  angehört.  Wie  kein  Anderer  unter  denen,  welche 
hier  in  Betracht  kommen,  hat  Appian  die  Charaktere  durch- 
schaut und  die  Erscheinungen  auf  ihre  Quelle  zurückgei'ührt; 
wo  Dio  schwatzt,  und  Plutarch  als  ein  guter  Beobachter  schil- 
dert, da  bewährt  er  meistens  den  tiefen  Denker,  aber  die  Zei- 
ten hat  er  mehr  als  einmal  verwechselt.  Trefflichen  Aufschluss 
über  Jahr  und  Tag  erhält  man  in  einzelnen  Fällen  durch  die 
Inschriften ,  aber  eben  auch  nur  selten ,  und  bei  der  Benutzung 
der  Münzen  fehlt  es  an  Sicherheit,  wenn  man  sie  nicht  selbst 
sieht.  Auch  Eckhel,  welcher  Goltz  Consular- Münzen  verdächtig 
macht ,  wie  schon  Andere  vor  ihm ,  und  den  Mangel  an  Critik 
an  ]^Iediobarbus,  Vaillant,  Morellius,  Havercamp  u.  A.  rügt, 
hat  die  Münzen  mitunter  nach  falschen  Voraussetzungen  ge- 
ordnet. ^^) 

Man  überzeugt  sich  leicht,  dass  die  Verschworenen  nicht 
die  Absicht  aber  auch  nicht  die  Macht  hatten,  die  Stadt  mit 
Plünderung    und    Mord    heimzusuchen.      Nichts    war    von    ihnen 


95)  Cic.  2  Phil.  12.  Liv.  IIG.  Veliej.  2,  58.  2.  App.  2,  503.  507, 
4,  022.  Dio  44,  20.  21.  26.  Plut.  II.  cc.  Flor.  u.  Zon.  11.  cc.  Oros.  6, 
17.  90)  51,  1..  97)  Es  konnte  z.  B.  nicht  ohne  Einfluss  bleiben,  wenn 
er  glaubte,  Antonius  sei  schon  vor  der  Schlacht  bei  Mutina  für  einen 
Reicksfeind   erklärt.     Vol.  6.  p.  35. 

Drumaun,    Geschichte  Korns  I.  O 


82  V.  ANTONII.         (14.  §.  8.) 

vorgesehen  oder  vorbereitet.'"^^  Die  Factioiien  dauerten  fort; 
sie  nahmen  nur  eine  andere  Gestalt  an,  weil  ihre  Elemente  sich 
vermiscliten.  Wer  zu  schwach  war,  sclbststiindig  aufzutreten, 
der  eiferte  für  Freiheit  und  Republik,  d.  h.  für  die  durch  Sulla 
verjüngte  Aristocratie,  mochte  früher  Pompejus  oder  Cäsar  sein 
Loosungswort  gewesen  sein:  wer  Ciisars  Stelle  einzunehmen 
hüfl'tc,  der  warf  sich  zu  seinem  Rächer  auf;  selbst  das  Schick- 
sal schien  es  nicht  zu  wollen ,  dass  man  mit  ungelieucheltem 
Schmerze  ihm  Todtenkränze  flocht ,  denn  Helvius  Cinna  wurde 
ihm   nachgeschickt. 

Wer  waren  die  Römer,  welche  am  Abend  des  15.  Märzes  ^^>' 
bei  den  Befreiern  auf  dem  Capitol  sich  einfanden,  als  sie  diese 
geborgen  und  stark  genug  glaubten  ,  den  Dingen  eine  AVendung 
zu  geben?  Cicero  mit  dem  glühenden  Verlangen,  nun  wieder 
als  Sachwalter  auf  dem  Markte  und  durch  sein  Gutachten  im 
Senat  zu  herrschen,  *^'"-'  und  Andere,  von  den  Mördern  selbst 
nicht  für  würdig  gehalten,  in  ihren  Reihen  zu  stehen,  und 
jetzt  voll  Begierde ,  für  ihre  Genossen  zu  gelten ,  und  Ehre  und 
Lohn  mit  ihnen  zu  theilen.  Sie  theilten  aber  grösstentheils  nur  ihr 
Schicksal,  wurden  benutzt  und  verachtet.  *)  Dahin  gehören 
P.  Lentulus  Spinther,  der  Sohn  des  Consulars  P.  Lentulus,  -) 
und  frech  genug ,  noch  später  auf  diese  Lüge  Ansprüche  zu 
gründen;  3)  Favonius,  unfähig,  etwas  anderes  zu  wollen,  als 
was  sein  Vorbild  Cato  gewollt  hatte;  *-^  M.  Aquinus,  ^)  auf  den 
Münzen  so,  nicht  Aquinius  genannt,  6)  und  ohne  Zweifel  der- 
selbe ,  welcher  von  Cäsar  in  Afrika  begnadigt  war ;  V  C.  Octa- 
vius,  *J  mit  dem  Beinamen  Baibus,  da  der  im  J.  43  geächtete 
wohl  nicht  von  ihm  verschieden  ist;*)  Murcus,^^')  nicht  der 
bekannte  L.  Statins  Murcus ,  welchen  Cäsar  nach  Syrien  ge- 
schickt hatte  und  Cassius  dort  fand  ^');     Patiscus,  '-)    und  meh- 


98)  Julii  No.  40.  a.  44.  99)  Die  44,  21.  100)  regnare  et  guber- 
nare;  ad  Att.  14,  10.  2  Phil.  35.  l)  Cic.  2  Phil.  11.  App.  2,  503. 
Die  1.  c.  Plut.  Caes.  G7.  Brut.  12.  Unten  §.  19.  A.  35.  2)  App.  u.  Plut. 
11.  cc.  Vaill.  Cornel.  No.  49.  3)  Cic.  ad  Fani.  12  ,  14.  4)  App.  I.  c. 
5)  Ders.  C)  Vaill.  Cags.  No.  19.  7)  Hirt.  B.  Afric.  89.  8)  Plut.  I.  c. 
9)  App.  1,  GOl.  Val.  Max.  5,  7.  3.  10)  App.  2,  r)(«3.  11)  Ders.  4,  G23. 
cfr.  Cassii.  12)  Ders.  2,  503.  Der  Name  ist  wahrscheinlich  entstellt, 
wie  der  ähnlich  lautende  des  IMannes  ,  welchen  Cicero  unter  den  Genos- 
■en  des  Antonius  aufführt.     13  Phil.  2.  u.  das.  die  Grit. 


.J 


V.  ANTONH.         (II.  §.  S.;  83 

rere  Andere,  welche  aus  mfissiger  Neugier«Ic  oder  aus  Hass 
gegen  die  bisherige  Verfassung  erschienen.  '•'''  Dass  auch  Dola- 
hclia  sich  hier  finden  Hess,  und  dass  er  sich  durch  die  Mörder 
Ciisars  eine  von  Cäsar  verliehene  Würde  sichern  M'ollte ,  ist  ge- 
wiss und  bedeutungsvoll;  aber  eben  so  gewiss  kam  er  erst  am 
folgenden  Tage ;  wenn  man  diess  mit  Appian  und  üio  übersieht,!*) 
so  ist  das  Nächste  ohne  Sinn. 

Nachdem  nämlich  ein  Theil  der  kostbaren  Zeit  mit  Glück- 
wünschen und  Danksagungen  verschwendet  war ,  trug  Cicero 
darauf  an  ,  dass  M.  Brutus  und  Cassius  als  Prätoren  unverzüg_ 
lieh  den  Senat  im  Capitol  versammelten;  man  müsse  den  freu- 
digen Muth  der  Gutgesinnten  und  die  Bestürzung  ihrer  Gegner 
benutzen,  um  zu  handeln,  '^3  d.  h.  die  Einrichtungen  des  Dicta- 
tor  aufzuheben  und  den  zu  ächten ,  welclier  sie  A'ertheidigen 
werde.  Der  Consul  Antonius  hielt  sich  verborgen  und  Dolabella 
hatte  noch  nichts  gethan,  seine  Rechte  als  dessen  College  zu 
behaupten,  von  welcher  Art  sie  auch  sein  mochten;  er  war 
noch  nicht  anerkannt.  Aber  Cicero  benutzte  diess  nur,  um 
eine  anarchische  Massregel  zu  beschönigen.  Antonius  war  weder 
seines  Amtes  entsetzt,  noch  hatte  er  ihm  entsagt;  man  kannte 
aber  seine  Gesinnungen,  mau  wusste ,  dass  Dolabella  ohnerach- 
tet  seiner  Feindschaft  gegen  ihn  nicht  der  Freund  der  Befreier 
sein  könne,  deshalb  gedachte  Cicero  sie  auszuschliessen.  Mit 
Recht  glaubte  er ,  dass  mit  dem  Morde  nicht  alles  gethan ,  dass 
eine  Einigung  mit  den  Anhängern  des  Ermordeten  nicht  mög- 
lich sei,  dass  man  nicht  säumen  dürfe,  sie  zu  unterdrücken, 
da  man  sie  nun  einmal  nicht  auch  getödtet  hatte,  aber  er  irrte, 
•wenn  er  diesen  Erfolg  von  Senatsbeschlüssen  erwartete,  wenn 
er  etwas  anderes  handeln  nannte,  als  das  käufliche  Volk  gewin- 
nen, den  Golddurst  der  Veteranen  stillen,  der  ihre  Liebe  zu 
Cäsar  weit  überwog,  und  sich  vor  allem  und  ohne  Förmlich- 
keiten der  Mittel  dazu  ,  des  Schatzes  bemächtigen ,  mit  Einem 
AVorte ,  Gewalt  der  Gewalt  entgegensetzen ,  und  dann  den  Frie- 
den gebieten,  welchen  Volk  und  Krieger  Avünschten.  Er  drang 
niclit  durch ,  nicht  weil  man  voll  Misstrauen  gegen  das  Ansehen 
und    die    Absichten    des    Senats    kräftiger     einschreiten,    sondern 


13)  Plut.  Brut.  18.     14)  S.  unten  Anm.     15)  Cic.  ad  Atf.   14,  10. 

6* 


84  V.  ANTüNir.         (14.  §.  9.) 

weil  man  nicht  mit  einer  Auflehnung  gegen  das  Gesetz  dessen 
Herstellung  heginnen  Mollte.  Der  Consul,  Antonius,  sollte  die 
Dinge  wieder  in  das  rechte  Gefüge  bringen.  Dafür  stimmte 
M.  Brutus,  überzeugt,  auf  den  Vorgang  der  Befreier  werde 
auch  er  den  Weg  der  Pflicht  und  Ehre  Mühlen  "•)  und  sich  an 
ihre  Spitze  stellen.  Ihn  dazu  aufzufordern  wurde  Cicero  ersucht; 
er  lehnte  es  aber  ab,  nicht  bloss  weil  es  widersinnig,  '^)  son- 
dern auch,  Aveil  es  gefahrvoll  war.  Der  Consul  hatte  sich  in 
seinem  Hause  auf  Vertheidigung  angeschickt,  vielleicht  sich 
schon  mit  ^  eteranen  umgeben,  welche  einen  Sendung  aus  der 
Mörder- Höhle  übel  empfangen,  und  ihn  zu  spiit  an  seinen 
Grundsatz  erinnern  konnten,  überall  erst  nach  dem  Kampfe  zu 
kommen.  Daraus  also,  dass  der  Eine  durch  Decrete  wirken 
und  der  Andere  die  Verfassung  ehren  wollte,  Allen  aber  Klug- 
heit und  Muth  zum  Handeln  gebrach,  folgte  diess  „Stilisitzea 
auf  dem  Capitol."  ^ä) 

§  9- 

Von  hier  an  führen  uns  die  Alten  in  ein  Labyrinth ,  in 
welchem  man  nur  einen  Ausweg  findet,  wenn  man  den  Zeitpunct 
der  Senats -Versammlung  im  Tempel  der  Tellus  feststellt,  und 
mit  Hülfe  einiger  Fingerzeige  davon  zurück  und  weiter  rechnet. 
Der  Senat  A'ersammelte  sich,  Avie  Avir  sehen  Averden,  am  17. 
März.  In  der  Nacht  vom  1 5.  auf  den  1  ö.  blichen  Brutus  und 
seine  Genossen  auf  dem  Capitol,  l^)  Avährend  Antonius  durch  das 
Geld  und  die  Papiere  Cäsars  ihnen  überlegen  Avurde.  Appian 
lässt  es  in  der  Nacht  vor  jener  Sitzung,  -"'  dann  aber  sogleich 
nach  dem  Morde  geschehen,  ^i)  In  einer  Rede  auf  dem  Markte 
am  16.  klagt  Brutus  über  die  ^'crAvaltung  Cäsars ,  Aveil  er  schon 
wusste ,  dass  der  Schatz  leer,  aber  noch  nicht  Avic  später,  als 
er  die  sogenannte  capitolinische  hielt,  Avas  die  Ursache  sei.--) 
Die  Aeusserung  Ciceros,  er  sei  noch  Avährend  seiner  AuAvesen- 
heit  in  Rom  Zeuge  des  FreA'els  gewesen, -•'^  Antonius  habe 
zwischen    dem   15.  März  und   1.  April  seine  Schulden  bezahlt,-*) 


10)  l»l>i(.  I.e.  17)  Cic.  2  Phil.  35.  U)  Tic.  ad  XU.  II,  14.  19)  Dio 
44,  21.  Vlut.  Caes.  C7.  20)  2,  507.  21)  3,  537.  22)  App.  3,  502. 
23)  ad  Alt,  14,  14.     24)  2  l'hil.  37. 


V.  ANTONIL       (14.  §.  9.)  85 

kann  nicht  entsclieulen;  aber  nichts  spricht  mehr  für  sich  selbst, 
als  dass  Calpurnia  nur  im  ersten  Schrecken ,  als  sie  noch  Ver- 
folgung für  sich  und  die  Plünderung  ihres  Hauses  fürchtete, 
den  sehr  gewagten  Schritt  thun  konnte,  den  Nachlass  ihres  Ge- 
mahls einem  Andern,  einem  anerkannten  Wüstling  anzuvertrauen, 
und  dass  dieser  nicht  sobald  das  Feld  geräumt  sah,  als  er  sich 
auch  des  öttentliclien  Schatzes  bemächtigte.  Er  nahm  ihn  aus 
dem  Tempel  der  Ops,  angeblich,  nach  den  Ilechnungsbüchern, ^5) 
700  Million  Sestertien  ,  26)  behauptete  aber  später  gegen  Octavian, 
er  sei  leer  gewesen,  ^^)  und  trug  selbst  auf  eine  Untersuchung 
an,  so  dass  der  Senat  für  den  Nachweis,  wohin  das  Geld  ge- 
kommen, den  zehnten  Theil  zur  Belohnung  bestimmte. -8)  Es 
wurde  von  dem  Consul  nicht  bloss  zu  Schwelgereien  und  zur 
Befriedigung  seiner  Gläubiger  verwendet,  ^'^)  sondern  gewann 
ihm  auch  Dolabella  3")  und  andere  einflussreiche  Männer ,  ^')  Ve- 
teranen und  Pöbel.  Weder  der  Groll  und  die  Witzeleien 
Ciceros,  ^2)  noch  die  Drohungen  seines  Neffen,  ihn  wegen  Pe- 
culat  zu  belangen,  ^'^)  konnten  ihm  seinen  Vortheil  wieder  ent- 
reissen. 

Durch  eine  Uebereilung  Calpurnias,  welcher  sein  Haus 
sicherer  schien,  als  das  Ihrige,  erhielt  er  auch  den  Privatschatz 
Cäsars,  25  Millionen  Denare,  ^*^  oder  in  einer  runden  Summe 
4000  Talente,  •^^)  und  Avas  sich  sonst  an  Dingen  von  Werth 
vorfand ;  '■^'^)  seitdem  verfuhr  er  als  Erbe ,  und  nahm  selbst  die 
Statuen  und  Gemälde  aus  Cäsars  Garten ,  obgleich  dieser  dem 
Volke  vermacht  war.^^J  Aber  eine  unversiegliche  Quelle  des 
Reichthums  und  das  wirksamste  Mittel,  seine  Gegner  zu  Boden 
zu  schlagen,  war  der  schriftliche  Nachlass  des  Dictator,  sein 
Denkbuch,     welches    seine    Verfügungen    und    Entwürfe    für    die 


25)  Cic.  2  Phil.  37,  5,  C.  2G)  Ders.  2  Phil.  37,  5,  4.  8,  9.  12, 
5.  13,  5.  cfr.  1,  7.  6 ,  2.  7,  5.  Veliej.  2,  CO.  4.  App.  3,  5G0  u.  5G2. 
Dio  45 ,  24.  27)  App.  3 ,  538,  28)  Das.  562.  29)  Cic.  2  Phil.  14  u. 
37.  Dio  45,  21.  30)  S.  unten  §.  14.  Anm.  23.  31)  Cic.  ad  Attic. 
14,  14.  32)  ad  Att.  14,  18,  wo  in :  ope?n  ab  eo  petierit ,  offen- 
bar ein  Wortspiel  liegt.  33)  ad  Att.  16,  14.  34)  Plut.  Cic.  43. 
35)  Ders.  Anton.  15.  App.  2,  507.  3,  537.  Dio  40,  23.  Flor.  4, 
4.  2.  36)  Cic.  2  Phil.  41.  3,  12.  App.  3,  537.  37)  Cic.  2  Phil.  41- 
3,  12. 


86  V-  ANTONII.         (l-l.  §.  9.) 

Zukunft  enthielt,  oder  doch  enthalten  konnte,  und  von  seiper 
AVittwe  ebenfalls  dem   Consul  übergeben  wurde.  ^^-^ 

In  derselben  Nacht  führte  M.  Lepidus,  der  Mag.  Equ.^ö) 
Truppen  in  die  Stadt,  nicht  erst  in  der  folgenden.^".'  Die  Ge- 
schichtschreiber, -»velche  berichten,  er  habe  den  Markt  besetzt, 
sobald  er  den  Tod  Citsars  vernommen ,  bei  Melchem  er  ohne 
Zweifel  in  der  Curie  am  Marsfclde  gegenwärtig  war,  nähern 
sich  wenigstens  der  AVahrheit,  und  ihr  Irrthum  liegt  mehr  darin, 
dass  sie  am  nächsten ,  nicht  am  dritten  Tage  den  Senat  im 
Tempel  der  Tellus  sich  berathen  lassen.  *'>'  Er  stellte  weder 
seine  Krieger  zuerst  auf  dem  Marsfelde  auf,  als  er  es  Avagte, 
sich  wieder  zu  zeigen,  noch  wollte  er  Antonius  unterstützen, 
und  sich  ihm ,  als  dem  Consul  unterordnen ,  *-^  sondern  er  er- 
schien auf  dem  Markte,  in  der  Absicht,  Cäsars  Stelle  einzu- 
nehmen, und  Antonius  in  den  Hintergrund  zu  schieben,  und 
dort  M  ar  es ,  wo  er  sich  dem  Volke  als  den  Radier  des  Ermor- 
deten ankündigte  ,  ^'^^  am  Morgen  des  16.  denn  am  17.  war  er 
schon  mit  dem  Consul  einverstanden. 

Dieser  Avollte  selbst  das  Ruder  ergreifen.  Er  sah  ein, 
dass  ein  falscher  Schritt  in  so  entscheidenden  Augenblicken  ihn 
für  immer  davon  entfernen  werde,  und  nichts  war  jetzt  mehr 
dazu  geeignet,  als  oft'ene  Gewalt,  da  man  die  Stimmung  des 
Senats,  des  Volks,  die  Kräfte  der  Gegner  noch  nicht  kannte, 
und  Lepidus  an  der  Spitze  der  Truppen  stand ;  wie  er  auch 
endigen  mochte,  konnte  ein  Kampf  ihm  nur  verderblich  sein. 
Deslialb  warnte  er  den  Schwachen ,  **)  dessen  Ehrgeiz  stets 
grösser  war,  als  sein  Muth ,  und  Mahrscheinlich  versprach  er 
jetzt  schon  dessen  Sohne  die  Hand  seiner  Tochter  ^^)  und  ihm 
selbst  das  durch  Cäsars  Tod  erledigte  Amt  eines  Obcrpontifen. 
Sein  Nebenbuhler,  ohne  welchen  er  nicht  hätte  öffentlich  auf- 
treten können ,  wurde  sein  Werkzeug  und  er  verfügte  über  die 
beHattncte  flacht. 

Jetzt    regten    sich    auch    die    Flüclitlinge    auf    dem    Capitol. 


38)  App.  2,  507.  3,  529.  Dio  14,  53.  Plut.  I.  c.  30)  Suet.  Caeg. 
«2.  App.  2,  502.  40)  App.  2,  507.  41)  Dio  44,  22.  Zon,  10,  12. 
42)  App.  2,  502.  Plut.  Cae».  07.  43)  Dio  1.  c.  u.  44,  34.  44)  Der». 
1.  c.  45)  Aeniil.  Lepid.  No.  24.  §.  2.  \o.  2G.  u.  27.  u.  hier  §.  li. 
Anin.    91.    §.    04.    A.    20. 


V.    ANTOML  (14.  §.  9.)  87 

Sie  mussteu  •wissen,  ob  Rom,  •wenn  es  von  seiner  Betäubung 
envachte ,  sie  als  Befreier  oder  als  Verbrecher  empfangen  werde. 
Zum  Volke  zu  sprechen  schien  ihnen  aber  das  Nächste;  nur 
nach  einer  günstigen  Aufnahme  auf  dem  Forum  konnte  sich 
ihnen  die  Curie  öfiiien ,  deren  Beschlüsse  ihr  Werk  vollenden 
sollten.  Demnach  erkauften  sie  eine  Anzahl  Schreier,  welciie 
am  16.  auf  dem  Markte  im  Namen  des  Volks  Frieden  und  Ver- 
söhnung und  damit  Straflosigkeit  für  die  Verschworenen  forder- 
ten ,  ohne  jedoch  ein  Lob  hinzuzufügen.  '*•')  Der  Prätor  Corne- 
lius Cinna  hielt  diesen  Versuch,  sie  zu  erforsciien,  für  einen 
Ausdruck  der  öflentlichen  Meinung,  einer  der  Elenden,  welchen 
die  Person  nichts  ,  das  Verhältniss  alles  ist.  Er  schmähte  Cäsar, 
seinen  Verwandten,  warf  die  Insignien  seiner  Würde  von  sich, 
jetzt  das  (»eschenk  eines  Tyrannen,  und  verlangte  die  Cregen- 
wart  und  Belohnung  seiner  Mörder.  ^"^J  Aber  die  xMenge  war 
stumm,  eine  Mahnung  für  die  Gedungenen,  nur  Herolde  des 
Friedens  zu  bleiben.  '*''J 

Das  Unternehmen  scliien  misslungen  und  doch  brachte  es 
den  Gewinn,  dass  Dolabella  es  wagte,  gegen  den  AVillcu  des 
Antonius  ,  oline  gesetzmässig  gewählt  oder  Prätor  gewesen  zu 
sein ,  ^'JJ  sich  als  Consul  der  Fasces  zu  bemächtigen,  jetzt,  ehe 
man  Brutus  w  ieder  auf  dem  Markte  sah ,  und  vor  der  Sitzung 
im  Tempel  der  Tellus.  ^"J  Es  mag  sein,  dass  er  im  A'ertrauen 
zu  dtr  Macht  der  Befreier,  und  um  sich  neben  seinem  Collcgen  zu 
behaupten,  in  einer  Rede  an  das  Volk  darauf  hindeutete,  er 
liabe  um  die  Verschwörung  gewusst,  wohl  gar  daran  Theil  ge- 
nommen ;'''^  unter  keiner  Bedingung  gieng  er  schon  am  15. 
mit  den  Uebrigen ,  w  eiche  sich  als  Cäsars  Mörder  gcbchrdeten, 
auf  das  Capitol ,  •'-)  v»ohin  er  sich  erst  jetzt  begab,  '^^^  und  als 
Cäsarianer  erst  nach  einem  solchen  Schritte  sich  mit  Sicherheit 
begeben  konnte. 

Zwei  IMagistrute  vom  ersten  Range,  Magistrate  durclj  Cäsar, 


'lü)  App.  2,  50.^  u.  504.  17)  Deis.  2,  501.  507.  521.  Suet.  Caes. 
85.  Die  41,  50.  riut.  Caes.  08.  IJrut.  18.  Zoii.  10,  12.  48)  App.  2< 
505.  10)  ffr.  F.iv.  32,  7.  Plut.  Flamin,  in.  50)  Vellej.  2,  58.  3.  Cic. 
1  Phil.  13.  Diu  44,  22.  ifr.  Plin.  2,  31.  Flor.  4,  3.  7.  Obseq.  128. 
51)  App.  2,  505.  3,  54y.  52)  Uers.  2,  502.  Oben  §.  8.  Auni.  l. 
53)    Uio    1.   c. 


88  V.  ANTONII.  (14.  §.  9.) 

hatten  dessen  Mörder  gleichsam  entsündigt;  ein  Consul ,  ein 
Feind  des  Antonius,  trug  sich  ihnen  zur  Stütze  an,  und  for- 
derte dafür  nur  seine  Anerkennung,  ein  Vergessen  der  Gesetze, 
welche  sie  so  eben  mit  dem  Dolche  vertreten  hatten ,  und  da 
nun  auch  die  Erkauften  nicht  mehr  Bedenken  trugen ,  sie  auf 
den  Markt  zu  rufen ,  so  giengen  sie  mit  Dolabella  und  den 
Vornehmsten  hinunter.  ^*)  Diess  Gefolge  sollte  eben  Eindruck 
machen  und  Schutz  gewähren;  M.  Brutus  und  Cassius  erschie- 
nen nicht  allein;  Appian^^)  behauptet  es,  er  giebt  auch  keinen 
Aufscliluss  über  ihren  Rückzug,  M'ie  Plutarch ,  welcher  überdiess 
den  Tag  richtig  bestimmt,  während  Dio^ö)  ihn  mit  dem  15. 
verwechselt.  Wenn  Brutus  sprach,  wie  Appian  berichtet,  so 
war  er  schlecht  berathen;  nach  Ciceros  Urtheil  verstand  er  es 
nicht,  auf  die  Menge  zu  wirken;  es  bestätigte  sich:  er  musste 
vorerst  nur  die  Regungen  in  ihr  ins  Gleichgewicht  bringen, 
ihr  Verlangen  nach  Frieden,  den  Abscheu  vor  neuen  bürger- 
lichen Unruhen  zu  seinen  Verbündeten  machen ;  mehr  wollen, 
hiess  über  das  Ziel  hinausgehen  und  es  verfehlen.  Er  pries 
eine  That,  welcher  noch  nicht  einmal  V^erzeihung  gewiss  war; 
verdammte  Cäsar  im  Angesichte  seiner  Veteranen  und  beleuch- 
tete dessen  Verwaltung  bis  zur  Zerstreuung  der  öflFentlichen 
Gelder;  ^^)  er  drang  auf  die  Rückkehr  des  Sextus  Pompejus, 
und  zog  damit  eine  Scheidewand  zwischen  sich  und  Antonius, 
der  dessen  Güter  besass,  den  zu  schonen  die  gemeinste  Klug- 
heit rieth,  und  ohne  den  Römern  zu  schmeicheln,  denn  noch 
hinderte  jener  die  Zufuhr  nicht.  Das  Volk  schwieg,  ein  Tri- 
but persönlicher  Achtung,  worin  seine  Verurtheilung  lag.  Es 
genügte,  Cassius  vom  Reden  abzuschrecken,  obgleich  Appian 
das  Gegentheil  sagt,  und  wenn  Cinna,  der  Prätor,  mit  thö- 
richtem  Eifer  abermals  auftrat,  und  gegen  ihn  die  Erbitterung 
sich  rücksichtslos  kund  gab ,  so  erklärt  sich  um  so  mehr ,  warum 
man  wieder  auf  das  Capitol  entwich:  doch  scheint  Plutarch 
V'crgangencs  einzumisclien,  und  es  bedarf  dessen  nicht. 

Die    Handlung,     welche  nach   Cicero  die  Mörder  zu  Heroen 
erhob,    war  nicht  populär;     darüber    hatten    sie  nun  Gewissheit. 


54)  Plut.  Caes.  C7.    Brut.  18.     55)  2,    505.     50)  44,    21.     57)  App. 
3,   502. 


V.  ANTONII.         (14.  §.  9.)  89 

Sie  fürchteten  einen  Angriff.  Denn  leicht  konnte  Antonius  mit 
Hülfe  des  Lepidus  und  der  Y^ctcranen  den  glininiendeu  Funken 
«ur  Flamme  anfachen;  was  ihn  davon  abhielt,  erkannten  sie 
nicht.  Auf  ihren  Antrag  entfernten  sich  die  Freunde  zu  ihrer 
Sicherheit.  ^^)  Dann  giengen  Abgeordnete  zu  Antonius  und 
Lepidus.  Sie  sollten  im  Namen  der  Freiheit  und  des  Vater- 
landes sprechen,  mit  Schonung  des  Erschlagenen  den  Verdacht 
entkräften,  als  ob  er  'für  persönliche  Interessen  gefallen  sei, 
und  also  Verzeihung  erbitten.  In  der  Antwort  erinnerte  Anto- 
nius an  den  Schwur,  worin  Alle  für  das  Leben  Cäsars  einzu- 
stehen sich  verpflichtet,  doch  möge  der  Senat  entscheiden. 
Diess  war  verfassungsmässig  und  sofern  der  Consul  der  Stärkere 
war,  eine  Vergünstigung;  man  freute  sich  dessen,  denn  des 
Richters  glaubte  man  sich  gewiss.  ^^)  Aber  Antonius  hatte  sei- 
nen Plan  schon  entworfen,  und  die  Befreier  giengen  in  die 
Schlinge.  Wie  sehr  auch  Cicero  in  den  Philippiken  sich  abmüht, 
jenen  als  einen  verächtlichen  Betrüger  zu  schildern,  so  kommt 
doch  alles  darauf  hinaus,  dass  man  sich  auf  das  ärgste  von 
ihm  habe  täuschen  lassen ,  weshalb  er  bei  dem  schimj.flichen 
Geständnisse  sich  selbst  auszunehmen  nicht  verfehlt,  ^o) 

Die  Aristocratie  hatte  ihr  Heil  von  den  Verschworenen 
erwartet;  diese  erwarteten  jetzt  ihr  Heil  von  ihr,  und  sie  lehnte 
sich  wieder  an  Antonius  an,  bis  sie  entdeckte,  wohin  er  sie 
geführt,  und  nun  nach  Ciceros  eigener  Versicherung  nur  durch 
Octavian  aus  seiner  Gewalt  errettet  wurde.  Diess  ist  eben  die 
Bedeutung  seines  Wirkens,  dass  er,  Fax  et  turbo  sequentis  se- 
culi,  60  die  Monarchie  gegen  die  Republik  vertrat  und  die 
Herstellung  der  ersten  vermittelte;  denn  von  ihm  überlistet  und 
gedrängt  suchte  die  Aristocratie  Schutz  bei  Cäsars  Erben,  wel- 
cher in  ihrem  Dienste  erstarkte,  dann  im  Bunde  mit  Antonius 
sie  vernichtete,  und  zuletzt,  als  nur  noch  die  Person  des  Herr- 
schers in  Frage  katn,  auch  ihn  überwand. 

Schon  den  folgenden  Tag  bestimmte  der  Consul  zur  Be- 
rathung  in  der  Curie.  In  der  Nacht  vorher  gebot  er,  die  Häu- 
ser   zu    erleuchten,    und  den   Magistraten,    wechselnd  auf  ihrem 

58)  Plut.  Brut.  18.  59)  App.  2,  506.  cfr.  510.  511.  519.  Suet. 
Caes.  84.  86.  Cic.  2  Phil.  35.  fin.  CO)  2  Phil.  35.  36.  (37).  Cl)  Flor. 
4,   3.  2. 


90  V.  ANTOXII.  (11.  §.  10.) 

Tribunal  zu  sein.  Durch  jene  Gesandtschaft  war  er  in  seiner 
Würde  anerkannt;  die  Dinge  standen  wieder,  wie  unter  Cäsar, 
wenn  er  die  Kraft  besass ,  ihn  zu  ersetzen :  man  musste  vom 
neuen  anfani^en.  Die  Befreier,  jetzt  Beklagte  und  Flehende, 
entsandten  ihre  Freunde  zu  den  Senatoren  mit  der  Bitte  um 
einen  gnädigen  Spruch;  die  Veteranen  tobten  drohend  durch 
die  Stadt,  die  Beschlüsse  über  ihre  Versorgung  gültig  zu  er- 
halten; ganz  Rom  war  in  Bewegung.  C2J  Es  vereinigte  'l'ausende 
von  Kriegern,  welche  vom  Dictator  mit  Lündereien  ausgestattet, 
oder  in  Erwartung  dieses  Lohns  und  im  Begriff,  an  den  Ort 
ihrer  Bestimmung  abzugehen,  ihre  bewegliche  Habe  veräussert 
hatten.  Die  Freigelassenen  und  Fremden,  deren  Aufnahme  in 
die  Tribus  erschlichen  oder  erzwungen  war,  und  die  erwerblose 
Meno-e,  welche  die  Getraide- Spenden  nach  der  Hauptstadt  lock- 
ten ,  waren  mit  ihnen  einverstanden.  Doch  w  usste  Antonius, 
dass  sie  alle  nur  ungestörten  Genuss  und  Besitz  begehrten ;  er 
erregte  Besorgnisse  in  ihnen,  weil  der  nächtliche  Lärmen  Für- 
Sprecher  und  Senatoren  in  Furcht  setzte;  als  Rächer  Cäsars 
sollten  sie  später  auftreten,  c^) 

§  10. 
Der  Senat  versammelte  sich  demnach,  und  zwar  XVI  Kai. 
April,  am  17.  März.  Obgleich  die  Alten  die  Zeit  zum  Theil 
gar  nicht  c*)  oder  unrichtig  angehen,  als  sei  die  Sitzung  am  Tage 
nach  dem  Morde ,  6^)  oder  erst  nach  der  Bewirthung  der  Ver- 
schworenen im  Hause  des  Antonius  und  Lepidus  gehalten,'''') 
so  ist  doch  jene  Bestimmung  über  allen  Zweifel  erhaben.  Denn 
Cicero  bemerkt,  am  Todestage  des  Dictator  habe  er  Antonius 
nicht  gesehen,  auch  nicht  am  folgenden,  am  dritten  sei  er  in 
den  Tempel  der  Tellus  gekommen,''')  an  den  Liberalien,''»-' 
folglich  am  17.,''^)  an  welchem  im  vorigen  Jahre  Cäsar  bei 
Munda  gesiegt  hatte.  Aus  Furcht  vor  den  Gladiatoren  auf  dem 
Capitol  zog  der  Consul  einer  diesem  nahe  gelegenen  Curie  den 
Tempel  der  Tellus  vor,  ^'*)    welcher  von  seiner    >Volinung,     dem 

62)  App.  2,  507.  C.^)  Ders.  2,  504.  512.  Dio  14,  51.  64)  Veliej. 
2,  58.  3.  Plut.  Cic.  42.  05)  .App.  2,  511.  Dio  44,  22.  Zon.  10,  12. 
60)  Plut.  Ai.t.  11.  07)  2  Phil.  35.  CS)  ad  AU.  14,  10  u.  14.  09)  Ovid. 
Fag(.  3,  713.  70)  Cic.  1  Phil.  1  u.  13.  2,  35.  ad  Attic.  16,  14.  App. 
2,    507.    Dio  44,   22.  4t«,  28.  Plut.  Brut.   19. 


V.   ANTONII.         (14.  §.  10.)  91 

Hause   des   Pompejus   in  den  Carinen,     nicht  ■weit  entfernt  war, 
in  der  nachmaligen  vierten  llegion.  "") 

Früh  am  Morgen  begab  sich  Cornelius  Cinna  nach  dem 
Tempel,  nun  wieder  im  Prätor -Gewände.  Er  gcrieth  in  Ge- 
fahr, von  den  Veteranen  gesteinigt  und  dann,  mit  seinem  Zu- 
fluditsorte  verbrannt  zu  werden,  eine  Weisung  für  den  Senat, 
im  Eifer  für  die  Befreier  sich  zu  massigen,  und  daher  Antonius 
sehr  erwünscht,  wenn  nicht  von  ihm  veranstaltet.  Lepidus 
sah  nicht  so  weit;  er  steuerte  dem  Unfug ^-),  aber  an  einem 
Verwände,  die  Zugänge  zum  Tempel  sclieinl)ar  zum  Schutze 
der  übrigen  Senatoren  mit  Bewaffneten,  mit  Ituräern  zu  be- 
setzen, fehlte  es  nun  nicht. ^'^  Konnte  diess  Besorgniss  erre- 
gen, so  wurde  man  doch  beruliigt,  als  Dolabella  mit  den  Con- 
sular-lnsignien  eintrat,  und  noch  melir  dadurch,  dass  Antonius 
ihn  nicht  hinderte,  den  curulischcn  Stulil  einzunehmen. ^*J  Nur 
Gewalt  hatte  man  gefürchtet:  da  der  Consul  sich  so  fügsam 
zeigte  und  Berathung  zuliess ,  so  hoffte  man  mit  einem  Redner 
wie  Cicero  jeden  Vortheil  über  ihn  zu  erhalten.  Die  Faden  des 
Gewebes,  worin  er  sieh  verwickeln  sollte,  wurden  etwas  unge- 
schickt angeknüpft.  Auf  seinen  Antrag,  die  Beschlüsse  zu 
fassen ,  welche  die  Umstände  erforderten ,  ''^^  drangen  Einige  auf 
die  Gegenwart  der  Befreier,  auf  Sitz  und  Stimme  für  die  Be- 
klagten unter  den  Richtern,  nicht  aus  Liebe  zu  ihnen,''*')  son- 
dern weil  mit  der  Billigung  ihrer  That  die  jetzige  Verfassung 
verschwinden  musste,  und  der  Spruch  nicht  zweifelhaft  sein 
kann,  wenn  die  Vollziehung  vorausgeht;  Antonius  war  sogleich 
einverstanden;  er  wusste ,  dass  sie  nicht  wagten,  zu  kommen, 
und  sie  kamen  nicht.  ^^) 

Die  Sache  betreffend  brachte  Tiberius  Nero,  der  Vater  des 
nachmaligen  Kaisers, ^^)  Belohnungen,  ein  Anderer  eine  öfTent- 
liche  Belobung,  ein  Dritter  nur  eine  Amnestie  in  Vorschlag. 
Diess  veranlasste  vieles  Hin-  und  Herreden , '''•'>'  und  gab  dem 
Consul  Gelegenheit,    die  Blossen  seiner  Gegner  zu  erspähen  und 


71)  Suet.  de  ill.  grarani.  15.  App.  1.  c.  Plut.  Ant,  21.  P.  Vict.  de 
reg.  urb.  72)  App.  1.  c.  73)  Cic.  2  Phil.  35.  13,  &.  ad  Att.  14,  14. 
74)  Ders.  1  Phil.  13.  2,  33.  U,  1.  App.  2,  .511.  Die  44,  53.  75)  Dio 
44,  22  u.  32.  Zori.  10,  12.  App.  2,  511.  76)  App.  2,  507.  Eutrop.  7,  1. 
77)  App.  2,  507  u.  508.     78)  Suet.  Tiber.  4.     79)  Dio  44,  22. 


92  V.  ANTON».         (14.  §.  10.) 

sie  anzugreifen.  Sie  riethcn  endlich  auf  die  Bemerkung,  mehr 
als  Verzeihung  zugestehen  heisse  Cäsar  für  einen  Tyrannen 
erklären ,  schlau  genug ,  wie  sie  wähnten ,  zu  einem  Todtenge- 
richte;  mit  dem  Urtlieil  über  den  Ermordeten  erledige  sich  dag 
Uebrige  von  selbst.  Auch  dagegen  lehnte  sich  Antonius 
nicht  auf;  nur  meinte  er,  wenn  es  zweifelhaft  sei,  ob  Cäsar 
Tyrann  oder  rechtmässiger  Magistrat  gewesen ,  wenn  darüber 
erst  entschieden  wer(',n  solle,  so  gezieme  es  sich,  zunächst  den 
Aemtern  zu  entsagen,  welche  man  ihm  verdanke,  und  der  von 
ihm  gegebenen  Anwartschaft.  Diess  traf  die  Mehrzahl  derer, 
welche  verdammen  wollten,  und  nun  ihre  AVaffe  gegen  sich 
selbst  gerichtet  sahen.  Sie  hatten  zum  Theil  das  gesetzliche 
Alter  noch  nicht  erreicht,  oder  die  niederen  Stufen  übersprun- 
gen, und  durften  daher  von  neuen  Wahlen  nichts  hoifen,  welche 
sie  einstimmig  verwarfen,  und  mit  ihnen  aus  gleichem  Grunde 
der  Consul  Dolabella.  Andere  wollten,  dass  man  das  Opfer 
nicht  scheue ,  weil  sie  persönlich  nicht  dabei  litten ;  aber  ihre 
Versicherung ,  es  handle  sich  bloss  um  eine  Form ,  das  V^olk 
werde  Alle  bestätigen,  bewog  nur  Wenige,  ihre  Insignien  ab- 
xulegen.  ^'^^ 

Die  Feinde  waren  getheilt  und  mit  einander  im  Kampfe; 
bei  einem  Angrifte  von  aussen  war  ihre  Niederlage  gewiss.  Zu 
dem  Ende  eilten  Antonius  und  Lepidus  auf  den  Markt,  wo  nach 
Verabredung  ihre  Besoldeten  sie  vor  Nachstellung  warnten.  Der 
Consul  zeigte  seinen  Harnisch,  zu  beweisen,  dass  er  ihre  Be- 
sorgnisse theile,  ein  nicht  empfehlendes  Zeugniss  für  die  Ver- 
sammlung ,  welche  er  so  eben  verlassen  hatte ,  deren  Einver- 
ständniss  mit  den  Mördern  damit  zugegeben  wurde,  und  eine 
Erinnerung  an  den,  welcher  bereits  in  ihrer  Mitte  gefallen  war. 
Nach  dieser  Einleitung  vernahm  man  Rachegeschrei.  Aber  mäch- 
tio-er  wirkte  das  Geld  der  Verschworenen  und  der  Wunsch,  den 
Lohn  für  die  Kriegesdienste  nicht  durch  neuen  Bürgerzwist  ge- 
fährdet zu  sehen:  die  Meisten  forderten  Frieden.  Seinen  An- 
häno-ern  eröft'nete  Antonius ,  dass  auch  der  Senat  Frieden  wolle, 
und  er  als  Consul  nur  dessen  Beschlüsse  vollziehen  könne;  den 
Uebrigen,     dass    er    nicht    zu    hoffen    wage,     was    er    mit    ihnen 


80)  App.  2,    509    u.    510. 


J 


V.  ÄNTONII.  (14.  §.  10.)         93 

wünsche,  so  lange  der  Dolch  gezückt  sei,  der  ohnerachtet  der 
Eide  selbst  Cäsar  nicht  verschont  habe;  dann  zog  er  sich  in 
die  Curie  zurück.  Der  Streich  war  verfehlt,  obgleich  Lepidua 
das  Gaukelspiel  fortsetzte,  und  seine  Rotte  ihn  unter  der  Zu- 
sage der  höchsten  Priesterwürde  zum  Anführer  begehrte;  Friede 
blieb   die  Loosung,   und  allein  kam  er  wieder  zum   Consul. 

Dieser  verlor  indess  das  Heft  nicht  aus  der  Hand.  In  sei- 
ner Abwesenheit  hatte  der  Streit  über  die  Aemter  fortgedauert, 
obgleich  man  sich  dessen  durch  die  Bemerkung  überheben  konnte, 
dass  das  Todtengericht  auch  darüber  entscheiden  werde,  dass  es 
also  vorausgehen  müsse  und  Antonius  von  der  Sache  abgelenkt 
habe.  Man  mochte  diess  einsehen,  allein  die  Betheiligten  Maren 
gegen  das  Gericht,  seit  es  ihnen  so  nahe  gelegt  war,  dass  sie 
in  Cäsar  sich  selbst  verurtheilen  würden.  Jetzt  nahm  Antonius 
das  AVort:  allerdings  sei  es  schmerzlich,  sich  selbst  einer  Ehren- 
stelle für  unwürdig  zu  erklären;  Avenn  aber  diese  Angelegenheit 
den  Senat  so  sehr  aufrege ,  so  möge  man  bedenken ,  dass  es 
ausser  den  Ernennungen  noch  gar  viele  Gesetze  und  Verfügun- 
gen des  Dictator  gebe,  die  für  Italien,  für  die  Provinzen,  für 
Nachbaren  und  Bundesgenossen  von  Wichtigkeit  seien,  die  man 
durch  eine  Aechtung  Cäsars  nicht  aufheben  könne,  ohne  jene 
alle  zu  verletzen.  Er  wolle  nur  fragen,  ob  man  glaube,  dass 
die  Veteranen  auf  ihre  Güter  Verzicht  leisten  und  es  dulden 
werden ,  dass  man  den  Körper  ihres  als  Tyrann  verurtheilten 
Feldherrn  durch  die  Strassen  sclileife,  und  die  Männer,  welclie 
ihn  erschlagen ,  ehre  und  belohne  ?  Nach  den  Ereignissen  der 
vorigen  Nacht  sei  es  nicht  wahrscheinlich.  Deshalb  trage  er 
darauf  an ,  dass  man  die  Anordnungen  Cäsars  bestätige  und 
seine  Mörder  aus  Erb.irmcn,  aus  Rücksicht  auf  ihre  Verwandte 
und  Freunde,  lediglich  begnadige. ^0 

Einen  Theil  der  Senatoren  hatte  er  durch  ein  persönliches, 
andere  durch  das  Interesse  ihrer  Partei  sich  dienstbar  gemacht, 
da  er  bewies ,  dass  kein  Beschluss  die  Befreier  schützen  werde, 
Mcnn  man  nicht  die  Gesetze  und  Einrichtungen  des  V  erstorbenen 
in  Kraft  erhalte  und  dadurch  die  Gemüther  beschwichtige,  mit 
andern  Worten,  wenn  man  nicht  Allem  entsage,    was  der  Mord 


81)  Ders.  2,  510  £.  Plut.  Brut.  19.  Cic.  42.  cfr.  Cic.  1  Phil.  1  u.  13. 


94  V.    ANTONII.         (14.  §.  10.) 

bezweckt,  und  ihn,  den  Inhaber  der  Papiere  Ciisars,  zum  un- 
nmscliränkten  Herrn  von  Rom  erhebe.  L.  Munatius  Plancus, 
welcher  zwei  Jahre  .später  Consul  wurde,  unterstützte  den  An- 
trag, und  nach  ihm  Cicero. ^->'  Die  Rede  des  Letzten  giebt 
l)io  nach  eigener  Erfindung ;  ^^J  von  Appian  M'ird  .sie  nicht 
einmal  erwähnt,  wogegen  Cicero  ihrer  lobend  gedenkt, ^*J  in 
einer  Zeit,  wo  er  schon  über  die  Gültigkeit  der  julischen  Ge- 
setze klagte,  und  also  sich  selbst  gestand,  dass  er  in  der  voll- 
kommensten Verblendung  gehandelt  habe.  Er  fügte  den  Namen 
zur  Sache,  empfalil  das  Beispiel  Athens  und  das  griechische 
Wort  Amnestie.  S-*) 

Der  Senat  beschloss  demnach,  dass  keine  Untersuchung 
über  die  Ermordung  Cäsars  Statt  linden,  und  alles,  was  er 
gethan  oder  verfügt  habe,  des  allgemeinen  Besten ,  der  Eintracht 
wegen ,  ^^■>  gültig  bleiben  solle.  ^''^  Durch  den  Zusatz  Hess  man 
es  ungewiss,  ob  er  rechtmässiger  Herrscher  gcMesen  sei,  und 
gern  gönnte  Antonius  der  senatorischen  Faction  diese  Genug- 
thuung ,  nur  musste  sie  den  Veteranen ,  den  Bürgen  des  Ver- 
gleichs ,  deren  AViderspruch  er  zu  fürchten  vorgab ,  die  ihnen 
angewiesenen  Ländereien  noch  besonders  zusichern,  sie  gleich- 
sam bestechen ,  und  sich  damit  beschimpfen.  ^V  Nicht  bloss 
Matius  Mar  der  Meinung,  dass  es  nicht  so  abgehen  könne; 
auch  Andere  wurden  durch  die  Amnestie  an  Antonius  irre ,  ^^^ 
welcher  dadurch  vor  allem  für  seinen  eigenen  Vortheil  gesorgt 
aber  doch  auch  die  Rache  nur  verschoben  und  vorbereitet  hatte. 
Den  Gegnern  wurde  diess  schon  fühlbar,  als  er  Cäsars  schrift- 
liehen  Nachlass  zu  jeder  Art  von  Willkühr  benutzte,  ^'*)  und 
Cicero  dachte  an  den  Beschluss  dieses  Tages ,  welcher  es  ihm 
möglich  machte ,  nur  mit  Unwillen  zurück.  ^'^ 

Die  Veteranen  hatten  sich  nur  aus  Eigennutz  für  den  Frie- 


82)  Plut.  II.  cc.  Zon.  10,  12.  83)  41,  23.  cfr.  46,  28.  81)  1  Phil. 
1.  cfr.  Dio  45,  23.  85)  Das.  Vellej.  2,  58.  4.  Dio  IG,  28.  86)  Cic. 
2  Phil.  39.  (38.)  13,  5.  App.  2,  513.  87)  Cic.  1  Phil.  1.  u.  7.  3,  12. 
."i,  4.  ad  Alt.  14,  6.  !).  10.  14.  17.  1.".,  4.  IG,  14.  Liv.  IIG.  Vellej. 
1.  c.  Dio  44,  34.  45,  23.  App.  1.  c.  3 ,  533.  550.  4,  C22.  643.  Flut. 
Caes.  C7.  Brut.  19.  Cic.  42.  Anl.  14.  Zon.  I.  c.  88)  App.  2,  513. 
rfr.  Cic.  ad  Alt.  14,  14.  1  Phil.  2.  fiii.  89)  Cic.  ad  Alt.  14,  1.  u.  22. 
App.    3,    535.    548.      90)    Hier   §-     91)  üben    Aiiin.    87. 


I 


V.  ANTONII.         (14.  §.  11.)         95 

den  erklärt;  ihre  Wünsche  waren  jetzt  erfüllt,  aber  um  so 
leichter  konnten  die  bisher  unterdrückten  Gefühle  sich  ihrer 
betiiächtigen.  Deshalb  wandte  man  sich  nach  geendigter  Sitzung 
an  L.  Piso  mit  der  Bitte,  ein  öffentliches  Begrübniss  Cäsars 
und  die  Bekanntmachung  seines  Testaments  zu  verhindern.  Das 
Letzte  hatte  der  Dictator  am  13.  Sept.  d.  vorigen  J.  auf  einem 
(iute  bei  Lavinium  aufgesetzt,"-^  und  der  Sitte  gemäss^'*)  der 
ältesten  Vestalinn ,  *■**)  nicht,  "wie  Appian  sagt,  9»)  L.  Piso  an- 
vertraut; man  nahm  diesen  nur  als  Schwiegervater  in  Anspruch. 
Er  war  weit  entfernt,  sich  dem  Begräbnisse  zu  widersetzen,  '•"') 
wie  Atticus,  für  welchen  alles  Oettentliche  nur  in  Beziehung 
auf  seine  Schätze  ein  Interesse  hatte,  bloss  aus  Gefälligkeit 
gegen  Cicero  äusserte:  die  Feier  werde  Alles  verderben."^) 
Vielmehr  eröffnete  Piso  den  Senatoren,  bei  welchen  die  Consuln 
ihm  Gehör  verschafften,  mit  grosser  Entrüstung,  was  man  ver- 
lange.'•'^^  Es  griff  wesentlich  in  Antonius  Pläne  ein,  dass  man 
Cäsar  die  letzte  Ehre  erwies,  wogegen  er  als  anmasslicher  Erbe 
die  Unterdrückung  seines  Testaments  wünschte.  Aber  mehr  als 
Einer  im  Senat  rechnete  auf  ein  Verraächtniss,  und  nun  machte 
er  ohne  Zweifel  die  Leichenfeier  zur  Bedingung ,  unter  welcher 
er  mit  dem  geheimen  Vorbehalte,  nicht  zu  zahlen,  das  Andere 
zugestand;  so  wurde  Beides  beschlossen. ''"^ 

§  11. 

Während  dieser  Verhandlungen  entboten  Brutus  und  Casslus 
das  Volk  auf  das  Capitol.  Es  war  darauf  abgesehen,  die  Ve- 
teranen zu  beruhigen,  welche  sich  einfanden.  Brutus  versprach 
ihnen  im  Namen  seiner  Faction,  dass  der  Acker,  welchen  Cäsar 
ihnen  angewiesen  habe,  ihnen  nicht  nur  verbleiben,  sondern 
durch  eine  Entschädiguna:  der  früheren  Eigenthümer  aus  dem 
Schatze  der  Besitz  ihnen  auch  gesichert  Averden  solle.  Denn 
dieser  Lohn  gebühre  ihnen  für  ihre  Feldziige  in  Gallien  und 
Britannien;  dass  Cäsar,  dem  ihr  Lagereid  sie  verpflichtet,  sie  gegen 
ihre  Mitbürger  geführt  habe ,  sei  nicht  ihre  Schuld.     Selbst  den 


92)  Julii  Caes.  Dict.  a.  45.  93)  Suet  Oct.  101.  Plut.  Anf.  58.  04)  Suet. 
Caes.  83.  95)  2,  513.  96)  Lactant.  Ins*.  1,  15.  30.  97)  Cic.  ad  Att. 
14  ,   10  u.    14.     98)  App.  1.  c.  Suet.  I.  c.      99)  App.  1.  c.  u.  3,  548. 


96  V.    ANTONII.  (14.  §.  II.) 

Acker  vor  dc.n  zwanzigsten  Jahre  zu  verlvaufen ,  welches  ge- 
setzwidrig war,  sollte  ihnen  gestattet  sein.  Diese  Rede  fand 
Beifall.'"")  Sie  wird  oft  mit  der  vom  vorigen  Tage  verwech- 
selt, ')  und  ist  dieselbe,  welche  Cicero  zur  Durchsicht  erhielt, 
aber  unverändert  zurückgab,  worauf  sie  bekannt  gemacht  wurde. 
Gedanken  und  Ausdruck  missHclen  ihm  nicht,  aber  er  verraisste 
den  Schwung  und  das  Feuer  seiner  catilinarischen  Reden ,  ^)  und 
überhaupt  seine  Art  der  Darstellung.  •*)  So  urtheilte  nun  auch 
Atticus  und  forderte  ihn  auf,  eine  andere  unter  Brutus  Namen 
zu  schreiben,  ein  Scherz,  von  welchem  er  wusste,  dass  sein 
eben  so  ängstlicher  als  leidenschaftlicher  Freund  ihn  wieder 
ernst  nehmen  werde.  Dieser  fürchtete  Brutus  zu  verletzen, 
noch  weit  mehr  aber  Antonius  und  dessen  Partei  durch  eine 
Rechtfertigung  des  Tyrannen -Mordes;  jetzt,  erklärte  er,  sei  zu 
einem  solchen  Unternehmen  nicht  die  Zeit.  *) 

Das  Loos  der  Befreier  war  nicht  beneidenswerth.  Sic 
mussten  zugeben,  dass  ihre  Feinde  stützten,  was  sie  erschüttert 
und  wieder  einrichteten  ,  was  sie  aus  den  Fugen  gebracht  hat- 
ten. Ihre  Hand  war  nur  zu  Dolchstichen  stark  genug,  nicht 
aber,  die  Schicksale  Roms  abzuwägen.  Statt  bewundert  zu  wer- 
den ,  mussten  sie  bei  den  Göttern  ein  Asyl  suchen ,  und  sich 
Glück  M'ünschen,  als  man  ihnen  —  verzieh.  Sie  fanden  nicht 
einmal  Theilnahme ,  nicht  ])ei  der  Menge,  welche  sie  nur  schonte, 
weil  sie  Ruhe  wollte,  nicht  bei  ihren  Feinden,  da  nur  Muth 
und  Klugheit,  nicht  aber  feiger  Mord  dem  Gegner  Achtung  ab- 
gewinnt, selbst  nicht  bei  der  eigenen  Faction,  denn  diese  fieng 
schon  an ,  sie  als  untüchtige  Werkzeuge  gering  zu  schätzen. 
Indess  zeigte  sich  noch  kein  Anderer,  welchen  sie  vorschieben 
konnte,  wie  später  üctavian,  und  auf  der  andern  Seite  blieb 
nichts  übrig,  als  die  Männer  wieder  aufzunehmen,  da  ihnen  die 
Strafe  erlassen  war.  Nach  Appian  kamen  sie  am  18.  März  vom 
Capitol  herab;  ■"')  es  geschah  aber  noch  am  17.  ^)  und  in  der 
'J'hat  musste  man  dem  Volke  sobald  als  möiclich  die  Gewissheit 
verscliallen ,     dass    kein    Bürgerkrieg    zu  fürchten  sei.      In  einer 


100)  App.  2j  514  —  517.  3,  527.  530.  fin.  Dio  44,  34.  Zon.  10, 
12.  1)  ülien  §.  9.  Anm.  54.  f.  2)  —  de  flamma .,  de  ferro  ^  nosti 
Was  Xti^ifO-ovi  ad  Alt.  1,  11.  3)  ad  Att.  15,  1  u.  3.  cfr.  14,  20.  4>  ad 
Alt.  15,  1—4.     5)  2,  517.     C)  Cic.  1  Phil.  13. 


V.  ANTONII.         (14.  §.  II.)  97 

zalilrcichen  Versanimhing  wurden  ihm  auf  Befehl  der  Consuln 
die  Beschlüsse  des  Senats  vorgelesen,  worauf  Cicero  sie  ihm 
anpries.  Zum  ersten  Male  erliob  er  an  diesem  Tage  seine  »Stim- 
me wieder  als  freier  Repuhlicaner  in  der  Curie  und  auf  dem 
Markte;  er  war  sich  selbst  wieder  gegeben,  und  voll  Freude 
darüber  sprach  er  ohne  Zweifel  mit  grosser  Begeisterung.  ^)  Die 
Meng-e  hörte  ihn  gern  und  verlana^te  die  Begnadigten  zu  sehen. 
Aus  diesen  machte  aber  das  Gewissen  auch  jetzt  noch  Feige, 
obgleich  alles  ihnen  entg(?gen  kam;  sie  forderten  Geissein.  An- 
tonius., der  Wiederherstcller  des  Friedens,  krönte  sein  Werk; 
er  schickte  ihnen  seinen  jungen  Sohn  mit  dem  Sohne  des  Le- 
pidus,  und  lockte  sie  damit  aus  ihrem  Schlupfwinkel,  um  sie 
leichter  aus  Rom  zu  verscheuchen^  Auf  dem  Markte  anjjelangt 
wurden  sie  vom  Volke  mit  Beifallsgeschrei  empfangen  und  auf 
dessen  Gcheiss  zum  Zeichen  aufrichtiger  Versöhnung  von  den 
Consuln  umarmt,  s)  Lepidus  bewirthete  sogar  M.  Brutus,  den 
Bruder  seiner  Gemahlinn,  und  Antonius  lud  Cassiüs  zu  sich 
ein,  welchem  er  als  ein  gewandter  Weltmann  mit  einem  Scherze: 
Du  hast  doch  nicht  etM  a  ein  Stiletchen  unter  dem  Arme ,  die 
tiefste  Verachtung  ausdrückte,  und  dessen  Antwort:  auch  für 
Dich  habe  ich  einen  Dolch,  wenn  Dich  gelüstet,  Tyrann  zu  wer- 
den, er  bei  der  ihm  wohlbekannten  Einfalt,  Selbstsucht  und 
Hülflosigkeit  der  Mörder  wohl  nur  mit  Lächeln  vernahm.  *•)  Die 
Uebrigen  assen  bei  ihren  Freunden ,  und  scheinbar  endigte  sich 
der  Tag  mit  einem  allgemeinen  Freudenfeste.  '") 

Am  folgenden,  am  18.  März,  erschienen  sie  zum  ersten 
Male  wieder  im  Senat.  Er  hatte  die  julischen  Gesetze  schon  inl 
Allgemeinen  genehmigt,  und  also  auch  die  Verfügung  über  die: 
Provinzen,  Avelche  M.  Brutus  i\Iacedonien,  Cassius  Syrien,  Tre- 
bonius  Asia,  Tillius  Cimber  Bithynien,  D.  Brutus  das  cisalpini- 
sche  Gallien  u.  s.  w.  zusicherte;  ">*  dennoch  wurden  sie  jetzt  noch 
insbesondere  bestätigt,  Aveil  es  für  die  Aristocratie  wichtig  war, 
dass  die  Verschworenen    als  Statthalter   die  Macht  besassen,  ihre 


7)   Das.   tutri    denique  libcrati.      8)    Ci'c.    1    Phil.    1,    13.    2,    3ß.    Li  Vi 
116.    Vellej.    2,    58.    3.    App.  2,    517.    518.    3,    535.  4,  622.   Die  4J,    34^ 
||  Plut,   Brut,    19.  Ant.   14.  Zon.   10,   12.      0)  Dio  1.  c.     10)  Plut.  Brat.  19;  Pio- 
41,  35.      II)  Julii    Caes.    Dicf.    44* 

Driimann,  Gcsrliiclife  Konis  I.  * 


98  V.  ANTONIl.  (II.  §.   12.) 

Cegner  zu  unterdrücken.  '-)  Das  Zeup;niss  des  l'lutarcli  allein 
würde  nicht  cutschcitlen,  da  er  über  Tag  und  Länder  niclit  mit 
sich  einig  ist,  zwischen  dem  J 7.  und  IS.  schwankt,  und  statt 
jener  ersten  Provinzen  Creta  und  Africa  nennt,  welche  viel  spä- 
ter in  FrasiC  konuuen.  '''^  Wenn  man  I.  Juni  sicli  wiederum 
über  diesen  Gegenstand  berathen  sollte,  ^*)  so  hatte  dies  nur  den 
Zweck,  Antonius  und  DolabcUa  die  Provinzen  des  M.  Brutus 
und  Cassius  zuzuwenden.  Es  gelang,  wenn  auch  nicht  im  Se- 
nat; die  Befreier  wurden  mit  Creta  und  Cyrenc  abgefunden; 
desiialb  konnte  Cicero  nach  dieser  Zeit  behaupten,  dass  jene  zur 
A'crwaltung  von  Macedonieu  und  Syrien  an  sich  nicht  berechtigt 
seien.  ^^) 

§  12. 

Die  Arlstocratle  glaubte  sich  zu  den  schönsten  Hoffnungen 
berechtigt;  in  der  Curie,  ihrer  Rüstkammer,  vernahm  man  nicht 
mehr  das  Machtgehot  des  Herrschers;  die  Menge  lief  folgsam 
wieder  am  Gängelbande,  alle  Gefahr  schien  fern,  weil  Aller 
Wünsche  erfüllt  zu  seyn  schienen,  inid  die  Urheber  dieser  Ver- 
änderung, zwar  öffentlicli  nur  begnadigt,  aber  im  vertraulichen 
Verkelne  als  Helden  und  Erretter  gepriesen,  ruhten  auf  ihren 
Lorbeeren:  "•'  da  schritt  Antonius  zum  Angriffe,  die  Amnestie 
nutzlos  zu  machen,  '^-^  und  Rom  von  seinen  Befreiern  zu  be- 
freien. Es  begünstigte  ihn,  dass  Lepidus  für  ihn  und  Dolabella 
nicht  gegen  ihn  war,  dass  sein  Bruder  Cajus  die  Prätur,  und 
der  jüngere,  Lucius,  das  Volkstribuuat  verwaltete,  und  Octavian 
sich  noch  in  ApoUonia  befand;  aber  mehr  als  alles  wirkte 
das  Mittel,  welches  er  früher  im  Senat,  und  jetzt  mit  gleicliem 
Erfolge  bei  der  Menge  anwandte;  befriedigte  Habsucht  sollte  zur 
Trauer  über  den  Tod  des  Wolilthäters  stimmen,  die  Trauer  sich 
in  Rachgier  und  Wuth  gegen  dessen  Mörder  verwandeln.  '■'*) 
Es  vcrricth  keine  Absicht,  war  nur  Nachgiebigkeit  gegen  L.  Piso, 
den    Schwiegervater    des    Erblassers,     nur  \'üllziehung  eines  Sc- 

12)  riul.  1.  c.  Anloii.  11.  Cic.  42.  Caes.  07.  Stiel.  Ott.  JO.  App.  3, 
541.  519.  13)  Oiess  iiirlil  uiilerKcheiden,  welclics  setlist  Wetzel  ('ic.  ad 
Div.  \t.  42.  begegnet  isl,  lieissl  allen  verwirren.  S.  uiifeii  §.  17.  11")  Tic. 
ad  AU.  M,  1.  u.  M,  5.  unten  §  Uo.  A.  1!.  13)  II  Phil.  12.  IG)  App.  3, 
5IÜ.  nio  I.  c.  Flui.  Caes.  07.      17)   App.  1.  c.  ii.  559.      18)   Ders.   3,    T)!'». 


V.  ANTONir.         ni.  §.  12.)  99 

iiatsbcsclilusses,  '")  als  er  das  Testament  Ciisars  in  seiner  Woh- 
niinfr  in  den  Carinen  croftnen  und  vorlesen  Hess,  -"J  Böses  zum 
Vortlieil  zu  kehren;  denn  die  Vernichtung  der  Urkunde  war 
ihm  eben  so  crspriesslich  als  aus  andern  Gründen  den  ^'erschwo- 
renen,  unter  welchen  Cassius  sie  verlangt  und  M,  Brutus  sie  ver- 
hindert hatte.  2") 

Die  Erben  Cäsars  waren  drei  Enkel  seiner  Schwestern: 
C.  Octavius,  dem  Sohne  von  Atia,  einer  Tochter  seiner  jünge- 
ren Schwester  Julia  und  des  M.  Atius  Baibus,  hatte  er  drei  Vier- 
tel seines  Vermögens  bestimmt,  ^-^  und  Q.  Pedius  nebst  L.  Pi- 
narius,  den  Enkeln  seiner  älteren  Schwester  Julia,  das  Uebrige.  ^'') 
Am  Sclihisse  des  Testaments  nahm  er  Octavius  an  Kindes  Statt 
an, -*^  und  um  so  wahrscheinlicher  ist  es,  dass  der,  welcher 
seinen  Namen  tragen  sollte ,  nicht  bloss  die  Hälfte  seines  Ver- 
mögens erhielt.  -^)  Der  Dictator  lebte  in  einer  kinderlosen  Ehe; 
gleichwohl  juachte  es  ihm  sein  Ehrgeiz  und  der  Zustand  des 
Reiclis  zur  wichtigsten  Angelegenheit,  eine  Dynastie  zu  stiften; 
dcsh.ilb  ersah  er  Octavius  zu  seinem  Nachfolger  und  behandelte 
ihn  von  seiner  ersten  Jugend  an  mit  Auszeichnung.  Es  ?cliien, 
als  ob  die  Natur  den  Römern  eine  erbliche  Monarchie  und  darin 
das  einzige  Mittel  zu  ihrer  Rettung  versagte ,  denn  auch  Augu- 
stus  musstc  zur  Adoption  seine  Zuflucht  nehmen.  Als  Antonius 
mit  diesem  zerfiel,  gab  er  ein  schändliches  Verhältniss  zu  Cäsar 
als  die  Ursacli    seiner    Begünstigung    an.  -'')     Andern   verschaffte 


19)  §.  10.  fin.  20)  Suet.  Caes.  83.  Vellej.  2,  50.  App.  2,  518.  Dio 
44,  35.  Plut.  Caes.  68^  Brut.  20.  Flor.  4,  4.  Zon.  10,  12.  cfr.  Cic.  1  Phil.  1. 
21)  Vellej.  2,  58.  Plut.  Brut.  20.  22)  Suet.  Caes.  83.  88.  Oclav.  8.  Cic.  ad 
Atl.  14,  10.  15,  12.  App.  3,  532.  Dio  44,  35.  45,  4.  5.  Plut.  Cic.  44.  Aiit.  16. 
Brut.  22.  Flon  4,  3.  u.  4.  Oros.  G,  18.  Eutrop.  7.  1.  (A.  Vict.)  de  Vir. 
111.  79.  23)  Suet.  Caes.  83.  App.  3,  540.  541.  580.  Plin.  35,  7.  Unten 
§  15.  A.  37.  §  48.  A.  93.  24)  Suet.  1.  c.  u.  Octav.  G8.  04.  Cic.  ad  A«. 
14,  12.  15,  12.  lAv.  110.  Vellej.  2,  50.  CO.  App.  2,  518.  3,  532.  533. 
534.  Dio.  n.  cc.  u.  46,  47.  Plut.  Brut.  22.  Flor.  Oros.  Eutr.  A.  Vict.  11. 
cc.  Züfi.  10,  13.  und  die  Münzen,  welche  August.  Diyi  Jul.  F.  nennen.' 
Die  Annahme  Vaillants,  welchem  Havercarap  gefolgt  ist  (Morell.  tlies. 
August,  tab.  1.  f.)  dass  Oclav.  sich  erst  nach  der  Eroberung  von  Aegyp- 
ten  a.  30  so  genannt  habe,  ist  von  Eckhel  VI.  p.  74.  durch  Münzen  des 
M.  Agrippa  u.  n.  aus  früheren  Zeiten  widerlegt.  25)  Liv.  110.  20)  Cic. 
3  Phil.  G.  Suet.  Oct.  68.  Unten  §  20.  A.  29. 


100  V.  ANTONII.         (14.  §.   12.) 

ein  Anzeichen  auf  dem  Schlachtfclde  von  Miinda,  ein  Palmbaum, 
wclclier  schnell  emporwuchs,  den  gewünschten  Aufschluss.  -''> 
Da  Cäsar  nicht  erwartete,  so  früh  zu  sterben,  und  Octavius  be- 
reits a.  03  geboren  war,  so  ernannte  er  M.  Antonius,  I).  Brutus 
und  andere  seiner  Mörder  nicht  zu  \  ormündern  des  adoptirten,  -*»-• 
sondern  seines  leiblichen  Sohns,  wenn  ihm  ein  solcher  geboren 
würde.  -•''  Diess  durfte  er  kaum  hoffen;  wenn  aber  nach  der 
Versicherung  des  Tribuns  Helvius  Cinna  ihm  ein  Gesetz  nach 
seinem  Abgange  von  Rom  nacli  dem  Osten  Vielweiberei,  und 
selbst  mit  Nicht- Römerinnen  gestatten  Sollte,  damit  er  Nach- 
konmien  erhielte,  so  hat  entweder  seine  Sinnlichkeit  und  sein 
Verlangen  nach  Erben  ihn  verblendet ,  oder  seine  Feinde  haben 
eine  Verordnung  zur  Sprache  gebracht  und  auch  wohl  entworfen, 
welche  zu  arg  gegen  die  römische  Sitte  verstiess,  um  nicht  ihren 
Zweck  zu  verfehlen  und  ihn  A'crhasst  zu  machen.  Dass  Cleo- 
patra keinen  Antheil  daran  hatte,  und  er  Cäsarion  ,  welchen  sie 
für  seinen  Sohn  erklärte,  den  Römern  nicht  aufdringen  wollte, 
beweiset  sein  Testament.  ^^) 

Für  den  Fall ,  dass  die  Erben  mit  Tode  abgiengen  oder 
sonst  verhindert  würden  oder  sich  weigerten,  in  jener  Eigen- 
schaft aufzutreten,  sollten  D.  Brutus,-*')  M.  Antonius  ^->>  nebst 
Anderen,  welche  nicht  näher  bezeichnet  werden,  als  sogenannte 
zweite  Erben  sie  ersetzen.  Aber  1).  Brutus  wurde  nicht  adop- 
tirt,  Avie  Appian  meldet,  ^'^^  welcher  sich  auch  zweideutig  dar- 
über äussert,  dass  Antonius  diesen  \'orzug  nicht  erhielt;  indess 
erkennt  man  den  Sinn  seiner  Worte  aus  dem  Zusanimenbange;^*-^ 
er  lässt  jenen  nur  eingestehen  ,  dass  Cäsar  ihn  nicht  an  Kindes 
Statt  angenommen  habe,  welches  er  zu  anderen  Zeiten  keck  ge- 
nug war   zu  behaupten.  '^^) 

Indess  fielen  den  Erben  mclirerc  Legate  zur  Last.  Cäsar 
vermachte  dem  \'olke  seine  Gärten  jenseits  der  Tiber,"*'')  in 
welclien  Cleopatra  gewohnt  iiatte,  •*^)  und  ausserdem  jedem  römi- 


27)  Suet.  Oct.  94.  Dio  43,  41.  28)  Dio  44,  35.  20^  .Suef.  Caes.  83. 
30)  Ders.  52.  nio  44,  7.  31)  Suet.  83.  App.  2,  518.  Dio  44,  35.  Pliit. 
Caes.  04.  ,32)  »io  I.  c.  ti.  c.  30.  Flor.  4,  4.  33)  2,  518  u.  ftlO.  34)  3, 
53S.  .^5)  Cic.  2  Phil.  29.  3U)  Surl.  1.  c.  Tac.  Ann.  2,  41.  App.  2,  518. 
Dio  41,  35.  Plut.  Brut.  20.  de  lorJ.  Koni.  5.  37)  Cic.  ad  Alt.  15,  15.  Dio 
43,  27. 


V.  ANTONII.  (11.  §.  12.)         101 

sehen  Kiirgcr  eine  vSumme  Geldes,  ■*^)  75  Denare,  •*'*)  oder,  welches 
dussclbc  ist,  300  Scsterticn;  ■*")  so  viel  betrug  das  Geschenk 
nach  Octavius  eigenem  Berichte;  *')  in  seinen  Coninientareii 
nannte  er  nur  30  Denare  oder  120  Sestertien ,  wenn  Dio  niclit 
irrt,  '^-■>  vielleicht  uju  seine  Freigebigkeit  hervorzuheben.  Das 
Metali  hatte  zwischen  Antonius  und  der  Menge  einen  Bund  ge- 
stiftet; WAS  sie  längst  wusste  erfüllte  sie  jetzt  mit  Abscheu,  der 
Undank  des  D.  Brutus  und  seiner  Genossen,  ^'•^)  und  der  Cousul 
süumte  nicht,  sich  der  ersten  Aufwallung  zu  bemächtigen.  Der 
Ankündigung  der  75  Denare  folgte  der  Anblick  des  Mannes, 
welcher  sie  gab ,  seines  wie  von  Bestien  zerrissenen ,  selbst  im 
Gesichte  zerstochenen  Körpers." 

Der  Plan  der  Befreier,  ihn  in  die  Tiber  zu  schleppen,  Cä- 
sar als  Tyrannen  di|,^  Bcgrübniss  zu  versagen,  welches  insbeson_ 
dcrc  Cassius  zu  ihrer  llechtfertigung  nöthig  fand ,  ^*J  war  durch 
ihre  Flucht  auf  das  Capitol  vereitelt.  *^)  Aber  nur  drei  edle 
Diener  des  Erschlagenen  hatten  es  gewagt,  die  öde  Curie  zu  be- 
treten und  seinen  Leichnam  zu  Calpurnia  zu  tragen,  ^''^^  die 
Hülle  eines  Geistes,  Avie  ihn  das  Alterthum  nur  einmal  walten 
sah,  welche  von  Blödsinn  und  Selbstsucht  zerstört  jetzt  nach 
kalter  Bereclinung  zu  einem  Gaukelspiele  diente,  und  dadurch 
mehr  noch  entweiht  wurde,  als  durch   ein  Grab   in  der  Tiber, 

Ein  Herold  pflegte  das  Leichenbegängniss  der  Vornehmen 
anzusagen;  so  geschah  es  auch  jetzt;  auf  dem  Marsfelde,  wo 
nur  Hochverdiente  oder  Gefeierte  ihre  Ruhestätte  fanden,  *'') 
wurde  für  Cäsar  neben  dem  Grabhügel  seiner  Tochter  Julia  ein 
Scheiterhaufen  errichtet,  und  i)ei  der  Menge  derer,  welche  ihn  mit 
ihren  Gaben  schmücken  wollten,  den  Weg  dorthin  zu  wählen 
jedem  überlassen.  ^^^  Die  Leichenrede  hielt  man  aber  in  solchen 
Fällen    auf  dem    Forum.  ^'O      Hier   also,    und    nicht    auf  jenem 


38)    Plut.    Caes.    08.    App.    3,    534.      Unten    §    15.   A.    30.  §.  4<l.  A. 

39)  Dio    44,    35.    App.    2,  518.    Plut.    Brut.    20.    Anf.    IG.    Zori.    10,    12. 

40)  Säet.  Caes.  83.  41)  Mon.  Anqr.  tab.  3.  v.  8.  in  Cliisli.  Aiit.  p.  1T3. 
42)  1.  c.  u.  Zon.  1.  c.  43)  App.  Dio  Plu(.  Zon.  II.  cc.  44)  Plut.  Brut. 
20.  45)  Suet.  Caes.  82.  App.  2,  509.  512.  3,  537.  Dio  44,  35.  LaHanf. 
1,  15.  30.  46)  App.  2.503.  Cic.  de  divin.  2,  9.  47)  Liv.  ep.  90- 
100.  119.  App.  1,  418.  Plul.  Luculi.  43.  Dio  39,  04.  48)  Suef.  Caes. 
81.     4a)    Ders.  Oct.  100.  App.   1,  417.  fin.     Dio  1.  c. 


102  '  V.  ANTONIL  (14.  §.12.) 

Platze,  wie  Siieton  bcriclitct,  stellte  man  auf  ein  Gerüst  neben 
der  Ucdncrbiihnc  eine  vergoldete  Capelle  als  Naclibildung  des 
Tempeis  der  Venus  (Jcnctrix  und  mit  Säulen  ohne  Wände ,  da- 
mit das  Volk  das  elfenbeinerne,  mit  golddurchAvürktem  Purpur 
bedeckte  Ruliebett  in  ibreni  Innern  sehen  konnte,  und  an  dessen 
Kopfende  eine  Trophäe  mit  dem  Gewände,  in  welchem  der  Dicta- 
tor  ermordet  war.  L.  Piso  führte  den  Trauerzug  und  Magistrate 
des  jetzigen  oder  der  früheren  Jahre  trugen  die  Leiche,  ^^)  und 
setzten  sie  unter  dem  Klaggeschrei  einer  unzähligen  Volksmenge 
und  der  Veteranen  auf  dem  Gerüste  nieder. 

•letzt  nahm  Antonius  als  Consul  und  College  des  Verstor- 
benen das  Wort.  ^'^  Fälschlich  meldet  Sueton,  dass  er  Avenig 
gesprochen,  keine  Rede  gehalten  habe,  welches  ausser  Andern^--* 
Cicero  bezeugt,  '^'^^  der  sie  hörte  und  deml|jichst  las,  ^*J  aber  er 
sprach  nicht  im  Zusammenhange,  sondern  unterbrach  sich  durch 
die  Mittheilung  von  Urkunden  oder  durch  Handlungen ,  welche 
er  gleichsam  nur  beleuchtete,  und  durch  die  Leichenspiele.  Diess 
deutet  auch  Dio  an,  ^^^  obgleich  er  nur  eine  Declamation  giebt, 
während  Appian  diese  Vorgänge  nach  dem,  was  wir  sonst  dar- 
über erfahren,  im  Wesentlichen  treu   und  geistvoll  aufgefasst  hat. 

„Wie  viel  dieser  Mann  dem  \'atcrlande  gewesen ,  und  wie 
sehr  diess  von  ihm  anerkannt  ist,  möge  es  euch  selbst  sagen." 
—  Mit  linsterem  Blicke  und  starker ,  feierlicher  Betonung  las 
er  ^^)  die  Ehren -Beschlüsse:  er  ist  der  Vater  des  Vaterlandes  — 
hier  seht  ihr,  wie  man  ihn  geliebt  hat;  ist  unverletzlich  — 
liier  liegt  er  erwürgt :  der  Senat  schwört  mit  seinem  Leben  für 
das  Seinige  einzustehen;  verflucht  sei,  wer  in  Gefahren  ihn 
nicht  vertheidigt  oder  rächt  —  ich,  ihr  Götter ,  bin  zur  Rache 
bereit,  wie  ich  geschworen  habe  ;  doch  diese  hier  haben  es  vor- 
gezogen, zu  verzeihen.  Zeichen  des  Unwillens  von  Seiten  der 
Senatoren.  Nun  wohl,  nicht  Menschen,  sondern  das  Schicksal 
trägt  die  Schuld;  fern  sei  von  uns  neuer  Bürffcrzwist,  nur  möge 
dem  Geheiligten    die    letzte  Ehre    werden.      Er    tritt  zur  Baiire, 


50)  Suel.  II.  er.  App.  1,  118.  cfr.  Tar.  Ann.  1,  8.  51)  Dio  14,  30. 
App.  2,  ."JIS.  52)  App.  2,  618.  .3,  53').  Dio  I.  c.  Plut.  Aiit.  14.  Braf.  20. 
Zon.  10,  12.  5.S)  2  IMiil.  .Sü.  ail  All.  14,  10.  51)  ad  Alf.  15,  20.  u.  14, 
II.  5."))  44,  49.  fin.  5«)  Naih  Suel.  Caes.  84.  ein  Herold,  welcher  »eine 
K'ilif  iiiclit  8o  gut  gespielt  halieii  würde. 


V.  ANTON [[.         (Jl.  §.   12.)         103 

sieht  auf  sie  herab,  preis't  Ciisars  Thateii,  heweiiit  den  Freund, 
entfaltet  cndlicli  das  blutige  und  zerfetzte  Gewand.  ^''')  Wehkla- 
gen und  lautes  IVIurren  Aerkiindigen  den  nahenden  Sturm.  Kine 
sanfte  'IVaueruiusik  und  das  Spiel  der  Mimen  beginnt:  man  hat 
die  Stellen  aus  Panuvius  und  Attilius  Electra  gewühlt,  die  eine 
Beziehung  zulassen;  die  Milde  Cäsars  gegen  seine  Mörder,  die 
bis  auf  Wenige  für  Pompcjus  einst  gefochten,  und  Avas  sie  sind 
nur  ihm  verdanken,  wird  erhoben,  und  dann  hinzugefügt :  begna- 
digt hätt'  ich  sie,  durch  ihre  Hand  zu  fallen !  Da  schw  cht  über 
dem  Sarge  ein  Bild  A'^on  AVachs  empor,"  ^^J  es  zeigt  das  Opfer 
des  schnöden  Undanks  mit  seinen  23  Wunden,  seihst  im  Ge- 
sicht' entstellt.  Die  Gemüther  Avaren  erschüttert^  der  Freunde 
und  l'.rkauften  des  Antonius  bedurfte  es  nicht,  die  Furie  zu  ent- 
fesseln, sie  leiteten  nur  die  ersten  Ausbrüche  der  AVutli ,  wcl('l)e 
gegen  die  Mörder  gerichtet  waren.  Doch  hatten  diese  sich  be- 
reits entfernt.  Auch  wurde  das  Vorhaben  vereitelt,  die  Leiche 
auf  dem  Schauplätze  ihres  Verbrechens,  in  der  Curie,  ^^)  und 
dann,  sie  in  der  Celle  des  Jupiter  im  Capitol  zu  verbrennen, 
worauf  zwei  Bewaffnete,  offenbar  auf  höheren  Befehl,  den  Sarg 
mit  iliren  Fackeln  auf  dem  Markte  anzündeten,  das  Zeichen  für 
die  Menge,  mit  allem  was  zur  Hand  war,  mit  Reisig ,  Tischen, 
Banken  der  Tribunale  und  Buden  einen  Scheiterhaufen  herzu- 
stellen, in  welchen  die  Minien  ihre  Prachfgewänder  warfen,  die 
Veteranen  ihre  Waffen  und  Ehrengeschenke,  den  Lohn  ihrer  Ta- 
pferkeit, und  selbst  Frauen  und  Kinder  ihren  Schmuck.  ^^')  Ob- 
gleich man  den  Flammen  zu  wehren  suchte ,  in  welchen  Cäsars 
Körper  nach  dem  unedlen  Ausdrucke    des  Cicero  angesengt  wur- 


57)  Die  Leiche  war  nicht  mehr  darin  eingehüllt,  und  wurde  wedt-i 
jetzt  noch  vorher  dem  A'olke  siehlbar.  Appian  2,  520.  Dio  44,  35.  Flui. 
Caes.  68.  sieht  das  ausdrückliche  Zeugniss  des  Sueton  entgegen.  58}  Den 
Absichten  des  Antonius  so  angemessen,  dass  man  Appian  nicht  einer  Krdicli- 
lung  beschuldigen  wird.  .S.  überdiess  Plut.  Sulla  38.  59)  Appian  irrt; 
die  Curie  w  urde  nicht  in  Asche  gelegt ;  Octavian  Hess  sie  später  schlies- 
sen.  Suet.  Caes.  88.  Dio  47,  19.  Hier  widersetzten  sich  die  Krieger, 
auf  dem  Capitoi  war  wohl  das  Ansehn  der  Priester  hinreichend.  App. 
2,  521.  Dio  44,  50.  CO)  Suet.  Caes.  84.  Cic.  ad  Atl.  14,  10.  Tac.  Ann. 
1,  8.  App.  Dio  II.  cc.  Plut.  Caes.  08.  Ant.  14.  Brut.  20.  Zon.  10,  12. 
üros.  ü,  17. 


104  V.    ANTONII.  (lt.  §.  12.) 

de,  ^'^  so  gcricth  doch  auch  das  Haus  des  L.  Bellieiius  in 
Brand,  <•-)  und  nicht  durch  Zufall,  da  er  ohne  Zweifel  der  Frei- 
gelassene ist,  welcher  im  Bürgerkriege  als  Pompejaner  sich  ver- 
hasst  gemacht  hatte.  ''^) 

Die  IMürder  -wollte  Anto;iius  nicht  schützen  ,  so  lange  jeder 
Frevel  noch  tiuf  Rechnung  des  Pöbels  kam ;  sie  sollten  sterben 
oder  fliehen,  der  Zweck  der  Feier.  Als  aber  eine  Sobaar  mit 
Feuerbrjlnden  vor  ihren  Wohnungen  erschien,  war  hier  schon 
alles  zum  Widerstände  vorbereitet;  überdiess  baten  die  Nach- 
haren  um  Schonung  und  jene  zog  sich  unter  Drohungen  zu- 
rück. •'*-'  Im  Zorn'  erschlu";  und  zerriss  sie  auf  dem  Wejre 
nach  dem  Forum  den  Tribun  Helvius  Cinna,  Avelcher  krank  her-: 
beigekommen  war,  dem  grossen  Todten  seine  Huldig-ungen  zu 
bringen ,  und  für  die  Verwandtschaft  seines  Namens  mit  dem 
des  Prätor  Cinna  ^'^)  büsste.  0'')  Es  griff  wenigstens  trefflich  in 
Antonius  Pläne  ein,  und  selbst  der  Anschlag  des  Tribuns  Cajus 
Casca ,  welcher  seine  Verwechslung  mit  P.  Casca  verhindern 
sollte,  war  eine  Achtserklärung  für  die  Mörder.  ^'')  Indcss  sam- 
iiiclten  die  Freigelassenen  Cäsars  seine  Asche,  und  bargen  sie 
wohl  nicht  in  seiner  Väter  Gruft,  ^^)  sondern  auf  dem  Mars- 
felde, wie  ihm  bestimmt  war. '''•'^  Doch  endigte  sich  die  ord- 
nungslose Feier,  welche  Cicero  in  seiner  Entrüstung  als  solche 
ein  Begraben  ohne  ßegräbniss  nennt,  ^*^)  damit  noch  nicht;  denn 
ganze  Nächte  unterhielt  und  umlaserte  das  Volk  trauernd  den 
Scheiterhaufen,  wobei  auch  Fremde  und  insbesondere  die  Juden 
grossen  Eifer  zeigten,  denn  Cäsar  hatte  sie  an  Pompejus,  dem 
Eroberer  ihrer  heiligen  Stadt,  gerächt,  und  sie  in  Alexandrien 
und  sonst  begünstigt.  ^^-*  Aber  Gewaltthätigkeiten  sollten  nicht 
mehr  Statt  finden;    sie  konnten  Antonius  nur  schaden,    welchen 


Ol)  1  Phil.  36,  u.  das,  Abraham.  C2)  Das,  u.  Dio  45,  2.^?.  63)  C!c. 
sd  Fani.  8,  15.  Ea  gab  auch  Konier  seines  Namens  aus  vornehmem  Ge- 
schlecfate.  £ineu  L.  U.  Olieini  des  Calilina  erwähnt  Ascon.  zu  t'ic.  Ürat,  in 
tog.  cand.  g.  E.  04)  Cic.  2  Phil.  30,  ad  Att,  14,  10.  Suef.  Caes.  85.  App.  2, 
yil.  3,  520.  535.  519.  4,  022.  Dio  44,  50.  Plut.  U.  cc.  C5)  Oben  §.  0.  Anm. 
47.  u.  §.  lU.  Anm.  72.  CO)  Su»ä(.  I.  c.  App.  2,  321.  Dio  II,  50.  52.  45, 
6.  47,  11.  Piuf.  Zon.  11.  cc.  \ul.  .\la\.  9,  U.  07)  Diu  44,  52.  (is;  Ders. 
44,  51,  09)  Tac.  An,  1,  8,  Sede  deslinala.  7ü)  1  Phil.  2,  71j  üuel.  u. 
App.  I,  c.  Julii  Caei,  Dict,  a,  47. 


V.  ANTONII.  (14.  §.  13.)         105 

ohnehin  jeder  als  den  Urheber  dieser  Stürme  bezeichnete:  ^-) 
dalicr  liess  er  lünige  zum  Schein  bestrafen,  er  erlaubte  nur  den 
Kriegern,  \Vairen  zu  tragen,  und  gebot  den  Veteranen,  nach 
ihren  Colonien  abzugehen,  '''^) 

§  13. 
Die  Ruhe  wurde  hergestellt.  Antonius  glich  einem  Strome, 
welcher  nach  grossen  Verheerungen  sich  plötzlich  •wieder  in 
seine  Ufer  einscliliesst.  Doch  Cicero  sagt  mit  einem  andern 
Bilde,  er  habe  den  Russ  von  sich  gethan;  ^*)  das  von  ihm  an- 
geschürte Feuer  hatte  lange  genug  gebrannt,  und  er  erschien 
nur  rein,  Aveil  er  die  Maske  wieder  anlegte.  Sofort  auch 
bei  der  Aristocratie  schneller  Uebergang  von  der  Bestürzung 
zur  Hoffnung;  der  Arge  ist  doch  wohl  nicht  so  arg,  nur  muss 
man  freilich  nun  als  Gnade  nehmen,  was  er  giebt;  Flammen 
und  Schwerdt  haben  furchtbar  gemahnt,  ehe  der  Senat  sich  jetzt 
wieder  berathen  darf,  und  Cicero  fühlt  nicht,  was  er  sagt,  als 
er  das  A'erdienstliche  der  Beschlüsse  auf  dem  Capitol  dem  Con- 
sul  zuschreibt.  ''•'^  Er  hielt  mit  Vielen  den  Anfang  für  das 
Ende,  und  träumte  bald,  dass  jener  mehr  auf  Gastgelage  als  auf 
Böses  denke;  '^'^)  als  der  Trug  entschleiert  war,  hatte  er  alles 
vorhergesehen.  "^)  Bis  zum  ersten  Juni  gieng  nach  seiner  Ver- 
sicherung Antonius  mit  dem  Senat  Hand  in  Hand,  dann  aber 
wandte  er  sich  zu  dem  Volke,  verachtete  Recht  und  Gesetz,  und 
der  Redner  schiffte  sich  ein,  weil  er  an  der  Republik  verzwei- 
felte. ^^)  Die  AVahrheit  ist,  dass  .jener  schon  vor  dem  Juni 
durch  untergeschobene  Gesetze  Cüsars  durch  die  Provinzen,  wel- 
che er  Dolabella  und  sich  selbst  verschaffte,  ^^'0  und  durch  eine 
Reise  in  Italien  einen  neuen  Angriff  auf  die  Gegner  vorbereite- 
te, und  Cicero  gar  bald  nach  der  Begräbniss -Feier  zu  seiner 
Sicherheit  sich  auf  das  Land  begab,  und  mit  den  übrigen  „Gut- 
gesinnten," welche  ebenfalls  auf  ihren  Villen  schmollten  und 
schwatzten,      die    Dinge  gehen  liess. 

72)  Cic.  2  Phil.  3G.  3,  12.  App.  3,  520.  549.  73)  Dio  44,  50.  51. 
Plut.  Brut.  21.  Ueher  den  Tod  des  falschen  Marius  und  die  Zerstörung 
der  Säule  auf  dem  Markte  s.  unten  5;§  13.  u.    IG.    74)  2  Phil.  30.    75)  1  Phil, 

1.  13.    2,    3G.    3,    12.     70)  ad  Alt.   14,   3.      77)  2  Phil.  36.      78)   1   Phil. 

2.  13.     781))  §  20,  A,  22,  u,   31, 


106  V.  ANTONII.       (M.  §.  13.) 

Antonius  stand  noch  nicht  auf  festem  Boden.  Wie  man 
die  Minder  nadi  der  Flucht  aus  Rom  in  Italien  und  in  den 
Provinzen  aufiielimcn,  Avelchen  Anhang  Octavius  als  Cäsar  Octa- 
vianus  hei  den  Veteranen  ünden  werde,  war  ihm  unhekannt; 
•\vohi  wusstc  er,  dass  man  den  Erben  des  Herrschers  in  der  Curie 
nicht  liebte,  dass  aber  in  zu  hartem  Drange  ihr  kein  Ausweg 
blieb,  als  zu  ihm.  Daher  berief  er  ihre  Häupter,  die  Consula- 
ren,  voll  Eifer  für  das  Heil  der  Republik,  »in  seine  Wohnung, 
und  Aviederholt  zu  gleichem  Zwecke  die  Väter  auf  das  Capitol. 
Sie  hatten  die  Verordnungen  Cäsars  bestätigt  und  fiirchleten 
deshalb  einen  Missbrauch  seiner  Papiere;  der  Besitzer  beruhigte 
sie;  man  fragte  nach  dem  Inhalt  —  er  besagt  nichts,  als  was 
man  allgemein  schon  weiss;  ob  Verbannte  darin  hergestellt  seien? 
—  nur  Einer;  ^'■'3  ob  irgend  jemand  von  Abgaben  befreit  wor- 
den? —  Keiner.  Doch  wünschte  man  eine  Bürgschaft  und  An- 
tonius gewährte  sie  dadurch ,  dass  er  das  Gutachten  des  Ser. 
Sulpicius  :  nach  Cäsars  Tode  solle  nichts  melir  als  seine  Ver- 
fügung oder  Schenkung  durch  öft'cntHchen  Anschlag  bekannt  ge- 
macht werden,   zu  einem  Senatsbeschlusse  erhob.  ^^0 

Ein  anderer  gieng  unmittelbar  von  ihm  aus  und  wurde  als 
höchst  Avillkommen  ohne  Abstimmung  genehmigt,  dass  nämlich 
die  Dictatur  bei  Todesstrafe  für  den  ,  Avelcher  sie  auch  nur  an- 
nclimen  oder  beantragen  werde ,  für  immer  abgeschafft  sein  soll- 
te. ^0  Dem  geachteten  Namen  galt  die  Freude  nicht,  mit 
welcher  der  Senat  in  einem  besonderen  Beschlüsse  dem  Consul 
feierlich  dankte,  ^-)  aber  Cäsar  war  gebrandmarkt,  es  wurde  aus- 
gesprochen, der  Name  sei  durch  ihn  entweiht  und  die  Bezeich- 
nung fluchwürdiger  Gewaltherrschaft  geworden ;  in  w  elchem 
Lichte  mussten  nun  seine  Gesetze  und  seine  Mörder  erscheinen! 
Antonius  maclite  diess  nicht  verlegen,  auch  begehrte  er  den  Ti- 
tel nicht,  obgleich  Quintus,  der  ungcratliene  Nefi"e  Ciceros,  nach 
einiger  Zeit  behauptete,  dass  er  die  Dictatur  ihm  habe  verschaf- 
fen   sollen.  83)     Als    das  Volk    a.   22    v.   Chr.    Augustus   sie    auf- 


70)  Sex.  Clodius;  nnlen  5.  M.  A.  28.  80)  Tic.  II.  ec.  Dio  M,  53, 
45,  23.  Unten  §  11.  Aiiin.  54.  ül)  Cic.  1  IMiil.  1.  2.  2,  11.  5,  1.  Liv. 
IIG.  Api).  3,  512.  550.  500.  Dio  44,  51.  45,  24.  32.  40,  21.  47,  15, 
Zou.  10,  12.     82)  Cic.    1  Phil,   1.      83)  Ders.  ad  Att.  15,  21. 


^       V.  ANTOxMI.       (14.  §.  13.)         107 

dringen    wollte ,      wies   er    es    mit    Zeichen    des    Abscheus    zu- 
rück. 8«) 

Nicht  lange  nach  jenen  Beschlüssen,  ^^)  und  ehe  er  noch 
im  April  die  Reise  zu  den  \'eteranen  antrat,  erfreute  der  Con- 
sul  die  Aristocratie  mit  einem  neuen  Beweise  seines  Eifers  für 
Ordnung  und  Rcchf.  Es  wurde  Avührend  der  bürgerlichen  Un- 
ruhen nicht  schwer  ,  sich  in  die  Listen  der  Tribus  und  in  Fa- 
milien einzudrängen.  ^'>)  Unter  Anderen  benutzte  diess  ein  Ross- 
arzt, welcher  wahrscheinlich  aus  Grossgricchenland  stammte  und 
in  Rom  seinen  Namen  Herophilus  ^''J  anfangs  in  den  sinnverwand- 
ten Amatius  ^^J  verwandelte.  Dann  nannte  und  schrieb  er  sich 
C.  Marius  C.  F.  C-  N.  und  behauptete,  der  Sohn  des  jüngeren 
Marius,  ein  Enkel  des  berühmten,  und  folglich  ein  Blutsfreund 
Cäsars  und  Ciceros  zu  sein,  und  durch  seine  angebliche  Mutter 
Licinia  ein  Enkel  des  Redners  L.  Crassus.  ^'■^J  Als  Betrüger  an- 
geklagt und  von  Cicero  mit  seiner  Bitte,  ihn  zu  vertheidigen, 
verlacht,  '■"*)  nahm  er  gleiclnvohl  die  Huldigungen  des  Volkes  an, 
welches  in  ihm  den  democratischen  Ahnherrn  und  wohl  auch  Cä- 
sar ehrte;  Colonien  der  Veteranen,  Municipien  und  Zünfte  wähl- 
ten ihn  zum  Patron.  Bei  seiner  Rückkehr  aus  Spanien  in  dem- 
selben J.  45  bemerkte  der  Dictator  diesen  Unfug,  er  sah  den 
Mann  selbst  in  seinen  Gärten  von  solchen  umlagert,  welche  in 
ihm  einen  Fürsprecher  suchten,  und  verbannte  ihn  aus  Italien.  ^0 
Dennoch  unternahm  er  es,  seinen  grossen  Verwandten  zu  rä- 
chen. Er  erschien  wieder  in  Rom,  bedrohte  Mörder  und  Se- 
nat,'-'-) und  errichtete  unter  starkem  Zulauf  auf  dem  Markte 
an  der  Stelle  des  Scheiterhaufens  einen  Altar,  Cäsar  als  Gott 
zt* opfern,  s-^)  Cicero  war  schon  auf  dem  Lande;  er  las  in  den 
ersten  Briefen  des  Atticus  nur  von  neuen  Unruhen  ,  für  deren 
Urheber  Cäsars  Freigelassene  galten,  wie  aus  seiner  Antwort 
vom  11.  April  erhellt;  '■>'^)  es  überraschte  ihn,  dann  von  Marius 
zu  hören,    Avelchen    er    im  Exil  glaubte,  ^^)     und  schon  am  15. 


84)  Suet.  Oct.  52.  Vellej.  2,  89.  5.  Die  54,  1.  nach  welchen  Flor. 
4,  12.  zu  berichtigen  ist.  85)  Cic.  1  Phil.  2.  80)  Val.  Max.  9,  15. 
87)  Das.  88)  Liv.  IIG.  App.  3,  527.  549.  89)  Cic.  ad  Alt.  12,  49.  u.  14,  8. 
90)  ad  All.  12,  49.  91)  Val.  Max.  1.  c.  Cic.  ad  Att.  14,  0.  92)  Cic. 
l  Phil.  2.  93)  App.  3,  527.  Dia  44,  51.  Zop.  10,  12.  cfr.  Cic  ad  Famil. 
11,  2.     94)  ad  Alt.  14,  5.      95)  Das.  14,  C.  u.  7. 


108  V.    ANTONII.         ^U.  §.  14.) 

gieng  ihm  die  Nachricht  von  dessen  Bestrafung  zu.  '•"')  Als  sein 
Treiben  zu  viel  Aufschn  erregte,  wurde  er  auf  JJcfehi  des  Anto- 
nius ergriffen,  und  ohne  Verhör  hingerichtet,  '■^'0  vielleicht,  ein 
Einverstiindiiiss  zu  verbergen,  welches  bei  der  Keckheit  des  Be- 
trügers ohnehin  nicht  von  Dauer  sein  und  nur  den  Zweck  ha- 
ben konnte,  die  Gegner  vom  neuen  zu  sclirccken.  Sic  freuten 
sich  dieser  Massregel,  -'^J  aber  der  Altar  blieb,  bis  Dolabeila  in 
Abwesenheit  seines  Collegen  ihn  zerstörte.  '-"^J 

§  14. 

Dieser  hatte  durch  seine  Strenge  gegen  Amatius  dessen  An- 
hiinirer  treffen  sich  erbittert.  ^^^0  Man  wurde  irre  an  ihm;  er 
selbst  schien  besorgt ,  und  der  Senat  gestattete  seinem  Anwalte, 
sich  aus  den  Veteranen  in  Rom  eine  Schutzwache  zu  errichten. 
Ihre  Stärke  wuchs  bald  auf  GOOO ,  grösstentheils  kriegskundige 
Ccnturionen,  0  durch  welche  seine  Wohnung  sich  in  eine  wohl 
verwahrte  Burg  verwandelte.  '^)  Doch  w  ar  er  sehr  bereit ,  der 
Forderung  des  Senats  gemäss  sie  bis  auf  eine  bestimmte  Anzahl 
zu  entlassen ,  so  bald  die  böse  Rotte  sich  beruhigt  haben  •werde. 

Ohne  die  Aristocratic  sofort  gewaltsam  anzufeinden,  verfuhr 
er  ganz  nach  Willkühr,  und  Hess  es  Rom  empfinden,  dass  die 
Tyrannis  den  Tyrannen  überlebte.  ^)  Die  Zeit  der  Erndte  war 
gekommen.  Er  ■wucherte  schaanilos  mit  den  ihm  anvertrauten 
Schriften,  als  habe  er  Cäsars  Geist  zu  seinem  Dienste  herauf 
beschworen,  und  er  hätte  nicht  Antonius  sein  müssen,  um  anders 
2U  handeln ;  denn  theils  bedurfte  er  Geld ,  viel  Geld  zu  seinen 
Orgien  und  zum  Kriege,  welcher  unvermeidlich  war,  theils  wa- 
ren die  Mittel,  es  zu  nehmen,  in  seiner  Hand.  Im  Anfange  des 
Aprils  hatte  er  sich  nocli  nicht  geregt,  ■*)  bald  aber  war  er  in 
voller  Tliätigkeit,  worüber  Cicero  am  22.  sich  beklagt,  jeiloch 
vorerst  nur  gegen  Atticus  und  aus  der  Ferne.  •')  Rom  wurde 
mit  Verordnungen  Cäsars    überschwemmt ,     und    alle    waren  dem 


90)  Das.  14,  8.  97)  Cic.  l  Phil.  2.  App.  3,  527.  53G.  519.  563.  Liv.  I.  r. 
Nach  Val.  Max.  I.  c.  Hess  der  .Senat  ihii  im  Gefängnisse  tödten.  08)  Cic. 
8d  AU.  14,  8.  App.  3,  527.  5(;3.  00)  Knien  §  IC.  Anm.  73.  lOo)  App. 
3,  527.  528.  1)  App.  3.  528.  520.  5 15.  551.  cfr.  Cic.  1  Phil.  11.  2)  Ders. 
3,  559.  3)  Cic.  ad  AU.  14,  11.  ad  Fani.  12,  1.  Liv.  117,  App.  3,  533. 
Dio  45,  25.  Plut.  Brut.  21.     4)  Cic.  ad  Att.  14,  3.     5)  ad  AU.  14,  12. 


V.  ANTONII.        (14.  §.  14.)  109 

Consul  vortheilhaft.  An  Urkunden  feliUc  es  nicht;  jeder  Zettel 
von  der  Hand  des  Dictator,  jedes  Blatt,  auf  -vvelcheni  er  zur 
Hülfe  für  das  Ccdiichtniss  oder  als  Einfall  des  Augenblicks  et- 
was angemerkt  hatte,  zählte  mit;  •"-•  im  Drange  der  Zeit,  hcL 
den  eiligen  Rüstungen  gegen  die  Parther  hatte  er  vieles  nur 
andeuten  können,  aber  Antonius  war  in  seine  Pläne  eingeweiht, 
ihn,  seinen  Collegen  und  Stellvertreter,  hatte  er  sogar  mit  man- 
chem nur  mündlich  beauftragt,  ^-'  und  dieser  sorgte,  daSs  seine 
Worte  und  Gedanken  nicht  vergessen  wurden.  ^) 

Doch  blieb  eine  schriftliche  Beglaubigung  immer  wünschens- 
werth,  und  diese  lieferte  der  Schreiber  Cäsars,  Faberius.  ") 
Durch  seinen  Griffel  entstanden  Gesetze,  welche  das  Volk  nie 
bestätigt,  die  es  nicht  einmal  im  Entwürfe  gesehen  hatte;  Se- 
natsbeschlüsse,   von  welchen  irt  der  Curie  nie  die  Rede  gewesen 

'  CT 

war;  ^^)  Edicte^  AVechsel,  ^0  Gnadenbriefe,  was  jeder  als  Gunst 
begehrte  oder  bezahlen  konnte.  So  wurden  Urkunden  in  uner- 
messlicher  Menge  untergeschoben ,  oder  durch  AVeglassungen  und 
Zusätze  verfälscht.  '-)  Man  sah  Dinge  ausführen,  welche  offen- 
kundig dem  Willen  des  Verstorbenen  entgegen  waren,  ^'^)  und  an- 
deres, was  er  sogar  durch  Senat  und  Volk  hatte  genehmigen 
lassen,  nicht  beachten,  i*)  auch  das  von  Antonius  selbst  bean- 
tragte Gesetz  ,  dass  die  römischen  Spiele  im  September  ihm  zu 
Ehren  um  einen  Tag  verlängert  werden  sollten,  '^)  das  Testa- 
ment mit  seinen  Vermächtnissen ,  ^^)  die  A'ertheilung  der  Pro- 
vinzen ,  besonders  in  Beziehung  auf  Cassius  und  die  beiden 
Brutus,  überhaupt  alles,  was  den  eigenen  Plänen  und  Interessen 
entgegen  AVar.  In  der  Officin  des  Faberius  hätte  man  keinen 
Einspruch  eines  Tribuns  und  keinen  Augur  zu  fürchten;  Senats- 
beschlüsse und  Gesetze  waren  da,  so  bald  der  Consul  es  gebot; 
man   grub    sie    in    Erz  ein  und  stellte  die  Tafeln  auf  das  Capi- 


C)  Ders.  1  Phil.  7.  8.  7)  Das.  App.  3,  529.  8)  Cic.  ad  Aft.  14, 
10.  9)  Ders.  ad  Att.  14,  18.  App.  1.  c.  10)  Cic.  1  Phil,  10.  2,  3.  3, 
:12.  5,  4.  12,  5.  11)  Ders.  5  Phil.  4.  12)  Ders.  2  Phil.  14.  38.  39. 
[3,  12.  Veliej.  2,  GO.  Die  44,  53.  45,  23.  25.  13)  Cic.  ad  Att.  14,  13. 
j§.  2.  ep.  14.  ad  Fam.  12,  1.  1  Phil.  7.  5,  3.  14)  Ders.  l  Phil. 
|7  —  10,  2,  41.  5,  3.  8,  9.  Die  45,  23.  15)  Cic.  2  Phil.  42.  (43.)  Un- 
kten §.  27.  A.  72.  u.  §.  60.  A.  84.     16)  Ders.  2  Phil.  41. 


110  V.  ANTONII.         (11.  §.  11.) 

toi,  ''')  und  über  ihren  Inhalt  durfte  niemand  murren,  denn  sie 
trugen  Cäsars  Namen.  '^J 

Auf  diese  Weise  wurde  es  Antonius  möglich,  seine  Feinde 
zu  bestechen,  seine  Anhänger  durch  Belohnungen  zu  fesseln, 
über  Italien  zu  schalten ,  und  Provinzen  und  Bundesgenossen 
durch  theucr  bezahlte  Zugeständnisse  zu  besteuern.  Er  be- 
schenkte die  Centurioncn,  Melche  seine  Leibwache  bildeten,  aus 
dem  Schatze,  ''-•)  oder  ernannte  sie  zu  Richtern;  durch  ihn  ge- 
langte man  in  den  Senat, -'^)  und  zum  Besitze  von  Provinzen,-') 
Priestertlüuuern  und  andern  Aemtern,22j  ^J^^  immer  hatte  Cäsar 
schon  die  Anwartschaft  gegeben.  Auch  als  er  Dolabella ,  den 
tief  Verschuldeten,  mit  Gelde  aus  dem  Tempel  der  Ops  unter- 
stützte, weil  die  Zerstörung  des  Altars  auf  dem  Markte  eine 
Hinneigung  zum  Senat  in  ihm  verrietli ,  ^3)  als  er  Gefangene 
aus  dem  Kerker  entliess-*)  und  Verbannte  zurückrief,  -^)  vollzog 
er  nur  den  Willen  des  Verstorbenen.  Deshalb  nannte  man  diese 
Alle,  welche  angeblich  der  Verfügung  eines  Todten  ihre  Beför- 
derung oder  Befreiung  verdankten,  aus  Spott  Orcini,  Charo- 
niten.26) 

Unter  denen,  welche  aus  dem  Exil  zurückkamen,  befand 
sich  auch  Scxtus  Clodius.  Er  Avar  a.  52  nach  der  Ermordung 
des  P.  Clodius,  seiucs  Gönners,  als  Unruhstifter  verbannt  und 
von  Cäsar  nicht  begnadigt.  -'')  Jetzt  erinnerte  sich  Antonius, 
oder  vielmehr  seine  Gemahlin  Fulvia,  die  Wittwc  des  P.  Clodius, 
dass  jener  in  Folge  seiner  Verwendung  die  Absicht  gehabt  habe, 
ihn  zu  begnadigen,  und  seine  Papiere  dicss  bezeugten.  Doch 
bat  er  Cicero,  den  Todfeind  der  Clodier,  im  April  um  die  Er- 
laubniss,  ilm  herzustellen,  und  Cicero  erwiederte  diese  zarte 
Aufmerksamkeit  mit  einem  verbindlichen  Schreiben,  um  darauf 
Brief   und    Antwort   mit    bitteren  Bemerkungen  Atticus  zu  übcr- 


17)  Ders.  2  Phil.  37.  38.  3,  12.  5,  4.  12,  5.  Dio  44,  53.  40, 
23.  18)  Cic.  ad  Fani.  12,  1.  App.  3,  529.  19)  App.  I.  c.  20)  Ders. 
1.  c.  u.  533.  Siiet.  üel.  35.  IMut.  Aiit.  15.  21)  Cic.  5  Phil.  4.  22)  Der«. 
12  Pliil.  5.  Dio  Plut.  11.  cc.  Zon.  10,  12.  23)  Cic.  2  Phil.  41.  ad  Att. 
14,  8.  16,  15.  Unten  §.  IC.  21)  Plut.  1.  c.  25)  Cic.  1  Phil.  10.  2,  38. 
3,  12.  5,  4.  7,  5.  ad  Farn.  ,12,  1.  Dio  44,  53.  45,  25.  40,  15.  Plut. 
Zon.  11.  cc.  26)  Suet.  Oct.  35.  Plut.  Anl.  15.  cfr.  Cic.  1  Phil.  10. 
27)  Claudii. 


V.  ANTONII.       (U.  §.  14.)  111 

schicken  und  alles  für  Betrug  zu  erklären.  ^8)  Antonius  dankte 
ihm  für  seine  Milde,  -'•')  vermehrte  aber  seinen  Zorn  nicht  we- 
nig, als  er  Scxtus  24)00  Jiigera  vom  leontinischen  Acker  steuer- 
frei anwies,  dem  Rlictor,  wie  jener  ihn  nennt,  als  habe  er 
den  Consul  im  llcden  geübt.  "*"^  Dieser  übergieng  unter  den 
Verbannten  kaum  drei  oder  vier.  ^0  Aber  Licinius  Lenticula, 
einem  verrufenen  AV  ürfelspieler  erliess'  er  nicht  jetzt,  sondern 
sclion  a.  49  in  Cäsars  Abwesenheit,  die  Strafe,  ^-)  und  damals, 
nicht  jetzt,  versagte  er  seinem  Oheim  C.  Antonius  die  Rück- 
kehr, welche  dann  der  Dictator  ihm  bewilligte.  '■^'■^) 

Durch  andere  Massregeln,  bei  welchen  der  Todte  den  Na- 
men lieh,  litten  Ansehn  und  Einkünfte  der  Republik  nocli  weit 
mehr.  Zwar  übertreibt  Cicero  in  seinen  Schmühreden,  der 
Vorwurf,  dass  Antonius  nicht  bloss  Einzelnen,  sondern  ganzen 
Nationen  und  Provinzen  das  römische  Bürgerrecht  gegeben  habe, 
ist  auf  einige  Fälle  zu  beschränken;  •**)  aber  diese  linden  sich 
allerdings.  Denn  Creta  sollte  nach  der  VerAvaltung  des  M.  Bru- 
tus, welchem  es  für  Macedonien  angewiesen  wurde,  ^^)  frei 
sein,^")  und  denselben  Vorzug  gestand  er  Sicilien  zu,  obgleich 
Cäsar  ihm  nur  das  lateinische  Recht  gegeben  hatte.  *^^3  Andere 
erliielten  die  Immunität  von  ihm,  ^^)  Avelche  Cicero  stets  von 
der  Civität  unterscheidet ;  denn  diese  schloss  die  Befreiung  von 
der  Grundsteuer  in  sich,  aber  nicht  umgekehrt;  Antonius  ent- 
band indess  auch  von  anderen  Abgaben,  je  nachdem  man  ihm 
zahlte.     Er    trieb  ferner  nach  dem    Ausdruck  in  den  Philippiken 


28)  Cic.  ad  Att.  14,  13.  l4.  cfr.  1  Phil.  1.  29)  ad  Att.  14,  19. 
30)  2  Phil.  17.  u.  39.  3  Phil.  9.  8 ,  8.  (9.)  Dia  45,  30.  46,  8.  31)  Cic. 
2  Phil.  38.  32)  2  Phil.  23.  Dio  45,  47.  Oben  §.  3.  33)  Dass  Cicero 
V.  J.  49  spricht,  erhellt  schon  aus  den  Worten:  In  eodetn  vero  tribunata» 
2  Phil.  23.  cfr.  c.  38.  Aus  der  Verwechselung  der  Zeiten  entstehen  die 
Schwierigkeifen  und  Widersprüche,  welche  die  Ausleger  hier  gefunden 
haben.  S.  oben  §.  3.  Anni.  14.  31)  1  Phil.  10.  2,  30.  (37.)  3,  12.  5, 
4.  7,  5.  Dio  44,  53.45,  23.25.  Zon.  10,  12.  35)  Unten  §.  20.  30)  Cic. 
2  Phil.  38.  Dio  45,  32.  40,  23.  37)  Cic.  ad  Att.  14,  12.  Seine  Worte 
in  d.  ang.  St.  Statutl/tr  —  ?ie  si't  provi/tcin^  liberavil^  pronfncias  de 
p.  rom.  imperio  si/stuh't,  lassen  über  die  Natur  dieser  Begünstigungen 
keinen  Zweifel,  lieber  die  Wirkungen  der  libeftas  H.  Dirkscn  Versuche 
zur  Kritik  u.  s.  w.  S.  140  f.  3»)  Cic.  1  Phil.  10.  2,  14.  36.  3,  12.  5, 
4.  7,  5.    12,  5.  ail   Farn.  12,  1.  Dio  44,  53.  45,  23.25.  Zon.  I.  c. 

\ 


112  V.  ANTOMl.  (14.  §.  9.) 

einen  Handel  mit  Königreichen.  3^)  Dejotarus,  dem  Dynasten 
in  Galatien,  war  es  nie  gelungen,  den  sonst  nur  zu  milden 
Beherrscher  Roms  mit  sich  zu  versöhnen;  dieser  hatte  ilim  einen 
Tlieil  seines  Jleiches  entrissen,  Klein- Armenien  Ariobarzanes, 
Könige  in  Cappadocien,  *"^  und  die  Tctrarchie  der  Trocmer 
Mithridat  von  Pergamus  verliehen;  *0  als  jetzt  ein  Anschlag 
auf  den  Grund  seiner  Commentare  dem  Könige  das  Verlorene 
zurückgab  ,  erregte  es  Lachen  bei  dem  Volke  und  in  Cicero  den 
grösstcn  Unwillen,  *-)  obgleich  er  selbst  bei  Cäsar  für  ihn  ge- 
sprochen hatte  und  später  seine  \'erdienste  um  Rom  erhob ,  ihn 
gegen  Dolabella  zu  gebrauchen.  *'>• 

Er  belehrt  uns  nun  auch  über  die  Ursache  dieser  Freige- 
bigkeit. Das  Haus  des  Consuls  glich  einem  Markte ;  für  Geld 
war  alles  feil,  ^*)  das  ganze  römische  Reich,  wie  Avir  nun  auch 
bei  Vellejus  lesen ;  ^^-^  wer  etwas  suclite,  drängte  sich  hinzu; 
Matius ,  welcher  als  Freund  des  Cäsar  und  Antonius  sich  häufig 
zu  dem  Letzteren  begab,  fand  selbst  republicanische  Eiferer, 
und  schrieb  es  Cicero.*'')  In  demselben  Hause  trieb  Fulvia  ihr 
Geschäft  für  sich.  Ohne  zu  wissen,  dass  Dejotarus  auf  die 
Nachricht  von  Cäsars  Tode  seine  Provinzen  bereits  wieder  ge- 
nommen habe,*^)  stellten  Hicras,  Blesamius  und  seine  übrigen 
Agenten  ihr  einen  Wechsel  auf  zehn  Millionen  Sesterfien  aus, 
und  erhielten  dafür  jenen  Anschlag.  *^)  So  wurden  nach  Cicero 
grosse  Summen  aufgehäuft,  ja  er  versichert,  man  habe  das  Geld 
zuletzt  nicht  mehr  gezählt,  sondern  gewogen ,  ^^^  obgleich  nicht 
Alles  haar  eingieng,  und  der  Bürgerkrieg  bald  manche  Schuld- 
verschreibung tilgte. 

Der  Senat  fühlte  sich  durch  diese  Hingebung  an  Cäsars 
AVillen  lind  an  den  Beschluss  vom  17.  März  empört.  Aber  mit 
Nachdruck  einzuschreiten  fehlte  ihm  die  Macht.  Er  nahm  vom 
neuen    zu    einem    klägliclicu    Mittel    seine     Zuflucht:     eine    Com- 


.  39)  5  Phil.  4.  7,  5.  12,  5.  App.  3,  529.  40)  Dio  41,  G3.  cfr.  Cic.  de 
dtv.  2,  37.  2  Phil.  37.  41)  Cic.  de  div.  I.  c.  pro  Dejot.  13.  S.  Jul.  Caes. 
Dict.  a.  47.  42)  2  Phil.  37.  ad  Alf.  Jl,  12  u.  19.  Liiteii  Aiim.  47. 
43)  11  Phil.  13.  41)  2  Phil.  14.  30.  37.  39.  (38).  3,  4.  12.  5,  4.  Dio 
II.  cc.  45)  3  Phil,  4.  Veliej.  2,  00.  46)  ad  Fam.  1 1  ,  l28.  47)  Cic. 
2  Phil.  37.  4S)  Ders.  1.  c.  ad  Att.  U,  12.  cfr.  ad  Att.  IG,  3.  pro 
Dejof.   15.     49)  2  Phil.  48.  3,   4.  5  ,  4.  ad  Fam.   12,  1. 


V.  ANTONU.        (14.  §.  14.)       113 

mission  aus  seiner  Mitte  sollte  unter  dem  VorsUzc  der  Consuln 
vom  1.  Juni  an  untersuchen,  was  wirklich  Gesetz  und  Verfü- 
gung Cüsars  sei.  ^^)  Dieser  Beschluss  wurde  am  2.  Juni  vom 
Volke  bestiltigt.  ^')  Obgleich  nun  Cicero  in  der  zweiten  Phi- 
lippika behauptet,  ^V  Antonius  habe  die  Comniission  nie  zuge- 
zogen, welches  Dio  ihm  nachschreibt,  so  erhellt  doch  aus  sei- 
nem Briefe  an  Capito  über  die  Buthrotier  das  Gegentheil;  •*^) 
aber  der  Consul  vereitelte  dennoch  den  Zweck  dieser  Verord- 
nung, welche  mit  einer  früher  erwähnten  ähnlicher  Art  nicht 
verwechselt  werden  darf.  ^*) 

Nicht  alle  Gesetze ,  welche  Antonius  Macht  und  Reichthum 
verschaffen,  und  die  Aristocratie  oder  Octavian  in  Nachtheil  brin- 
gen sollten,  traten  als  julische  ins  Leben;  bei  einigen  wählte  er 
scheinbar  den  A'erfassungsniässigen  Weg ,  und  befragte  selbst  oder 
durch  Andere  das  Volk,  ^5)  freilich  so,  wenn  Cicero  die  Wahrheit 
sagt,  dass  er  die  Anspielen  veraclitete  und  Alles  mit  Gewalt 
erzwang,  ^c)  Durch  die  ersten  ,  deren  hier  gedacht  werden  muss, 
wollte  er  sich  in  der  Gunst  der  Veteranen  und  des  Volks  befe- 
stigen, luu  bei  dem  steigenden  Ansehn  des  Octavian,  welcher  schon 
von  Apollonia  zurückgekommen,  aber  noch  nicht  in  Rom  war,  ein 
Gegengewicht  zu  erhalten.  ^'0  Bevor  er  im  April  die  Reise  in 
Italien  unternahm,  brachte  sein  Bruder,  der  Tribun  Lucius, 
ein  Ackergesetz  in  Vorschlag ,  welclies  durchgieng,  obgleich  wäh- 
rend der  Veihandlungen  ein  Gewitter  entstand, ^8)  und  den 
Consul  zu  einer  freien  Verfügung  über  einen  Theil  der  öffent- 
lichen Ländereien  in  Italien ,  oder  nach  Ciceros  AVoi'ten  über 
die  ganze  Halbinsel,  über  alles  öffentliche  und  Privat -Eigen- 
thum  ermächtigte.  Wir  kennen  seinen  Inhalt  nicht  genau,  doch 
nannte  es  die  pomptinischen  Sümpfe  nur  zum  Schein,  ^''>'  deren 
Austrocknung  zuletzt  Cäsar  beabsichtigt  hatte, ^o;  jgj.  arbeits- 
scheuen Menge  ein   unwillkommenes  Geschenk.     Man  wollte  bes- 


50)  2  Phil.  39.  (38).  Die  beiden  Briefe  an  Plancus  und  der  an  Cu- 
piennius  in  ad  Att.  IG,  IG.  ad  Alt.  15,  14.  Dio  44,  53.  45,  23.  Unten 
§.  20.  A.  51.  51)  Cic.  ad  Att.  16,  IG.  an  Capito.  ed.  Schütz.  VI.  p.  134. 
52)  1.  c.  53)  1.  c.  54)  §.  13.  Anm.  80.  55)  Cic.  1  Phil.  10.  56)  5  Phil. 
4.  6,  2.  12,  5..  13,  3.  57)  Dio  45,  9.  58)  Cic.  5  Phil.  3  u.  7.  li,  6.  Dio 
1.  c.  59)  Cic.  5  Phil.  3.  Dio  I.  c.  60)  Cic.  l.  c.  Suet.  Caes.  44.  Plut. 
Caes.  58.  Dio  44,  5. 

Diumann,    Geschichte  Roms  I-  § 


114  V.  ANTOMI.         (14.  §.  II.) 

ser  für  sie  sorgen;  jedoch  auch  für  sich,  für  Freunde  und  Hel- 
fer. Dicss  beweis't  die  Art,  wie  man  die  Commission  der  Sie- 
ben zusammensetzte,  welclie  beauftragt  wurde,  den  Acker  zw 
vertheilcn. '•')  Ihre  Mitglieder,  A'on  Cicero  auch  schlechthin 
Feldmesser  genannt,  ^''^^  waren  die  Consuln  M.  Antonius  <••*)  und 
D'dabella, '•*^  Lucius  Antonius,''^)  Nucula,'»''^  Lento ,  <*')  und 
xwei  Andere,  deren  Namen  sich  nicht  finden.  '''^) 

In  mehr  als  einer  Hinsicht  ist  es  erwünscht  zu  wissen, 
dass  Antonius,  der  Consul ,  unter  den  Septemvirn  war.  F,s 
<ricbt  Anfsehluss  über  sein  Verfahren  in  Campanien  Aviilirend  der 
Ueise  im  April  und  ]Mai ,  wo  er  Jiiit  Kenutziing  und  willkühr- 
licher  Deutung  des  Beschlusses,  welcher  den  Veteranen  den  von 
Cäsar  anscwiesenen  Acker  sicherte,  '•'■'J  unter  Kriefyer  und  tJünst- 
lino-e  viel  Land  vertheilte,  aber  auch  in  den  schon  ansässi^ren 
Veteranen  heftige  CJegner  fand.  ''^  Die  Hauptleitung  des  Ge- 
schäfts hatte  Lucius ,  und  da  Cicero  für  seine  eigenen  Güter 
besoro-t  wurde,  '^)  so  hasstc  er  ihn  seitdem  wo  möglich  noch 
mehr  als  Marcus,  und  konnte  ihn  nicht  mehr  nennen,  ohne  zu 
scliimpfen.  Er  fürchtete  besonders  für  das  Tusculanum,  unter 
seinen  „Augäpfeln"  ihm  der  liebste,  jedoch  auch  für  die  übri- 
gen; das  Schicksal  Anderer,  auch  seines  Freundes  Varro,  von 
dessen  Villa  bei  Casinum  Antonius  Besitz  genommen,  schien 
ihn  zu  warnen.  '->>  Mochte  Lucius  in  einem  Briefe  ihn  beruhi- 
gen und  der  Erfolg  bestätigen,  dass  man  ihn  nicht  verletzen 
wolle,  es  veränderte  seine  Gesinnungen  nicht.  ''•')  In  seinen 
Reden  kam  nun  noch  die  Absicht  hinzu ,  ihm  in  der  öffent- 
lichen xMeinung  zu  schaden  und  durch  die  Mittel,  welche  der 
catilinarische  Farbentopf  bot,  einen  grossen  Eindruck  zu  ma- 
chen. „Er  schätzte  unser  Geld,  zeiclinete  unsere  städtischen 
und    ländlichen    Besitzungen    auf   —    vertheilte    Aecker,     welche 


61)  Cic.  5  Phil.  7.  G,  5.  62)  13  Fhil.  1«.  0.1)  5  Phil.  12.  8,  9. 
11,  6.  64)  8  Phil.  9.  11,  6.  05)  5  Phil.  7.  7,  6.  II,  0.  13,  18. 
60)  6  Phil.  5.  11,  0.  12,  8.  l.'l,  2.  12  u.  18.  07)  Das.  ti.  unten  §.  72. 
A.  37.  u.  38.  08)  Denn  11  Phil.  0.  berechligt  nicht,  an  (.'.  Anfonius  zii 
denken,  und  Decidiiis  Saxa  wird  M,  4.  cfr.  11,  5.  in  einer  anderen 
Beziehung  deccnipeda  genannt.  OO^I  ()l>en  §.  10.  Anm.  88.  7(i)  §.  10. 
71)  ad  Atf.  15,  3.  72)  2  Phil.  30  ( 10).  10.  (41).  Inten  §.  IC.  Aiiiii. 
71.     73)  ad  Alt.   15,  8.   12.    10,  3. 


V.  ANTOmr.        (14.  §.  14.)        115 

iiinl  an  wen  er  wollte;  da  galt  kein  Privatbesitz,  keine  Rück- 
sicht der  Billigkeit;  wo  fand  sich  ein  Gut,  auf  welclies  er,  ein 
Strudel,  ein  alles  verschlingender  Aijgrund ,  nicht  schamlos  seine 
gierigen  Blicke  warf!  Nur  noch  das  Marsfeld  war  zu  verthcilen, 
als  er  mit  seinem  Bruder  die  Flucht  ergriff."  '*)  Wir  hören  fer- 
ner, wer  bei  diesen  Riiubereicn  des  Lucius  am  meisten  gewann, 
und  wie  man  ihn  belohnte,  wie  stirnlos  er  auch  jede  Huldigung 
als  wohl  verdient  entgegennahm,  während  Cicero,  der  nun 
schon  zwanzig  Jahre  mit  den  gottlosen  Bürgern  Krieg  geführt,  ^^i 
vergessen  auf  dem  Lande  lebte.  Man  sah  eine  A'ergoldete 
Reiter -8tatue  auf  dem  Maikte  mit  der  Inschrift,  die  35  Tribus 
ihrem  Patron;  auch  die  Ritter  ehrten  ihn,  weil  sie  Aecker  durch 
ihn  erhalten,  mit  einer  Statue,  welche  ihn  als  ihren  Patron  be- 
zeichnete; eine  dritte  errichteten  ihm  die  Militär -Tribunen  aus 
Cäsars  Heer,  unter  welche  er  das  semurische  Feld  vertheilt 
hatte,  und  die  Wucherer,  bei  dieser  Umkehr  eine  Zuflucht  der 
Verarmten,  bezeugten  ihren  Dank  durch  ein  kleineres  Bild,  auf 
welchem  man  die  Worte  las :  dem  Patron  des  mittleren  Janus.  ^"^ 
Am  1.  Januar  43  bestand  dieses  Gesetz  noch,  aber  gleich  nach- 
her wurde  es  auf  den  Antrag  des  L.  Caesar  vom  Senat  aufge- 
hoben, und  man  hoffte,  dass  die  neuen  Besitzer  willig  weichen 
würden.  '''O 

Populär  war  auch  das  Gesetz  des  M.  Antonius,  welches  die 
Gerichte  betraf.  C.  Gracchus  hatte  sie  den  Rittern,  Sulla  dem 
Senat,  und  das  aurelische  Gesetz  v.  J.  70,  welches  Pompejus 
a.  .')0  mit  einigen  A  eränderungen  erneuerte,  den  drei  Ständen, 
Senat,  Rittern  und  V'olk,  übertragen,  worauf  Cäsar  a.  46  die 
Beisitzer  aus  dem  letzten,  die  Schatztribunen  ausstiess.  ^^>>  Durch 
die  Rogation  des  Antonius,  welche  das  Volk  bei  Sturm  und 
Blitz  bestätigte,  '^9)  -»vurde  Avieder  eine  dritte  Decurie  der  Rich- 
ter eingeführt,  und  die  Aufnahme  nicht,  wie  im  Gesetze  des 
Pompejus,  von  einem  gewissen  Vermögen  abhängig  gemacht,^'') 
so  dass  er  nach  Belieben  ernennen  konnte.  '  Die  Abtheilunge  be- 
stand  nach  seiner  Versicherung  aus  Centurionen,  welche  an  sich. 


74)  5  Phil.  7.  6,  5.  11,  5.  13,  18.  75)  6  Phil.  6.  76)  Cic.  G  Phil. 
5.  7,  (.-.  7T)  5  Phil.  7.  6,  5.  11,  6.  13,  15.  78)  Pompeji  u.  Julii  bei 
den  ai.ir^f.  Jahren.  79)  Cic.  5  Phil.  6.  cfr.  1 ,  10.  80)  Ascon.  zu  Cic. 
in  i'ison.  iO.  1  Phil.  8. 

8* 


116  V.  ANTQXII.         (14.  §.  11.) 

■»vetm  i'if  Censiis  genützte,  aueli  frülier  nicht  ausgesclilossen 
Maren,  ■\vesliall)  der  Name  keinen  Anstoss  gab;^^^  nach  Cicero 
aber  vorharg  er  unter  ihm  das  verächtlichste  Gesindel,  gemei- 
ne Soldaten,  Verbannte,  Griechlein,  seine  Spiel-  und  Trink- 
genossen, Cydas  aus  Creta,  Lysiades  aus  Athen,  den  Auswurf 
unter  den  Römern,  M.  Curius  und  seines  Gleichen.^-)  Um  diese 
Arcopagiten  noch  mehr  herabzusetzen ,  Avird  die  Legion  der 
Alaudae  als  ihre  Pflanzschulc  bezeichnet,  ^■^)  Melche  von  Cäsar 
ri.iis  Ti'ansalpinern  errichtet  und  mit  dem  Bürgerrechte  beschenkt 
•Aar.  ^^.^  Als  Wahrheit  bleibt,  dass  Antonius  auf  diese  Art  Ve- 
teranen und  andere  Anliiinger  beförderte,  und  unter  ihnen  auch 
viele  Unwürdige.  Er  verlangte  im  Lager  vor  Mutina,  dass  sein 
ficsetz  nicht  aufgehoben  Avürde;^-^^  es  hatte  aber  das  Schick- 
sal der  übrigen,  ^^)  und  beweis't  die  vierte  Decurie  unter 
Augnstus^^^  nichts  dagegen,  wie  Manutius -will , '^^^^  sondern  nur, 
dass  die  der  Schatztribunen  schon  vorher  hergestellt  war,  zu 
"welcher   nun   Richter   mit  einem  geringeren  Census  hinzukamen. 

Ein  anderer  Gesetzentwurf  des  Consuls  gestattete  die  Pro- 
vocation  an  das  Volk,  wenn  man  wegen  verübter  Gewalt  oder 
M;ijcstäts  -  Verbrechen  verurtheilt  war.  Er  schmeichelte  der 
Menge,  sollte  aber  in  der  That  Untersuchungen  dieser  Art  gänz- 
lich verhindern ,  weil  nicht  leicht  ein  Kläger  sich  in  den  Co- 
miticn  einer  erkauften  Rotte  preis  geben  mochte,  und  war  nicht 
nur  der  lex  Plautia  de  vi  und  der  lex  Cornelia  des  Sulla  de 
maiestatc  entgegen,  sondern  selbst  den  Gesetzen  Cäsars,  welche 
solchen  Vcnirtheilten  Feuer  und   Wasser  untersagten.  ^'J) 

Nur  bedingt  also  war  Antonius  der  Wille  des  Dictator 
beilig,  und  .auch  dem  Volke  huldigte  er  nur  bedingt:  er  entzog 
ihm   das  Recht,  die  Priester  zu  wählen,  velches  jener  ihm  durch 


81)  Cic.  1  Phil.  8.  S2)  5  Phil.  5.  6.  8,  9.  83)  1  Phil.  8.  5,  5. 
^^,  2.  18.  81)  .Tulii  Caes.  Dict.  a.  58.  Unten  §.  28.  A.  20.  85)  Cir. 
S  Phil.  9.  HO)  13  Phil.  S.  87)  Suet,  Oct.  32.  88)  De  legllt.  p.  41.  h. 
'^O)  Cic.  I  Phil.  9.  u.  das.  Ferrafius  u.  Ahram.  Um  die  Schuld  seines 
Feindes  mehr  hervorzuheben,  deufet  Cicero  auf  jene  alleren  Gesetze  hin, 
;«l)gleich  sie  nicht  bis  auf  die  jiilischen  gültig  blieben,  und  er  selbst  a.  03. 
r.  P.abiriuB  wegen  perdiiellio  ror  dem  Volke  vertheidigt  hatte;  Mnnut. 
glaubt  de  legib.  50  b.  bei  dicKom  schwersten  Majestät» -Vergehen  habe 
schon  vorher  Prn\orntion  tfecrolten  und  Anioiiius  sie  nur  auch  8nf  die 
übrieen   ausgedehnt. 


V.    ANTONIL       (M.  g.  15.)         1  17 

ein  Gesetz  des  Labienus  wieder  gegeben  hatte,  ^i^^*  uud  crniiich- 
tigtc  wie  einst  Sulla  die  Priester -CoIIegien,  sich  durch  Coopta- 
tion  zu  ergänzen.  Seine  Absiclit,  die  Wahl  des  M.  Lepidus 
zum  Ober-Pontifcn  an  Cusars  Stelle  zu  erleichtern  und  zu 
sichern,  wurde  erreicht,  uud  der  eitle  Mann,  mit  dessen  Sohne 
er  auch  seine  Tochter  verlobte,  weil  er  seine  Freundschaft  be- 
durfte, durch  den  Titel  noch  mehr  gewonnen.  *") 

Auf  ähnliche  Art  war  Ciisar,  sein  A'orbild,  mit  Pompcjus 
verfahren,  und  auch  sein  Beispiel,  durch  den  langen  Aufentlialt 
in  einer  günstig  gelegenen  Provinz  und  bei  dem  Heere  seine 
Herrschaft  vorzubereiten,  blieb  niclit  unbenutzt.  Nun  aber  hatte 
jener  eben  aus  Besorgniss,  Nachahmer  zu  finden,  die  Statthal- 
terschaft in  Consular- Provinzen  auf  zwei,  und  in  prätorischeu 
auf  ein  Jahr  beschrankt,  '■*-)  Daher  Hessen  jetzt  Volkstribunen 
im  Auftrage  des  Consuls  eine  Rogation  bestätigen,  weiche  die 
Dauer  der  Verwaltung  in  Consular -Provinzen  auf  sechs  Jahr 
bestimmte.  "-^)  Man  glaubte,  dass  Antonius  sich  am  1.  Juni 
zunächst  an  den  Senat  wenden  werde ,  es  ist  aber  sehr  wahr 
scliciiilich,  dass  es  nicht  geschal»  ^'''J;  das  Cesetz  wurde  ent- 
schieden nach  jenem  Tage  gegeben.  '^^) 


§  15. 

Durch  diese  Unternehmungen  "wollte  Antonius  sich  sowohl 
gegen  den  Senat  und  die  Befreier  als  gegen  Cäsars  Erben  sichev 
stellen.  Einen  andern  Gegner,  Sex.  Pompejus,  hatte  er  mit 
M.  Lepidus  durch  einen  Vertrag  vorerst  unschädlich  gemacht  ^ 
durch  einen  Beschluss  des  Senats,  welchen  er  veranlasste,  war 
dieser  beschwichtigt,  Lepidus  vor  einem  Kriege  in  seinen  Prü= 
vinzen  bewahrt,  und  Pompejus  in  Spanien  in  Unthätigkeit  vei'- 
setzt,  ohne  nach  Rom  zurückkehren  zu  können. ^f*) 


9ü)  Julii  Caes.  Dict.  a.  63.  91)  Aemil.  Lepldf.  No.  21.  §.  2  «.  4. 
a.  hier  §.  0.  Anm.  45.  02)  Julii  1.  c.  a.  46.  93)  Cic.  1  riiil.  S.  u.  10. 
2,  41.  (12.)  5,  3.  8,  9.  öl)  Ders.  ad  Att.  14,  14.  Unten  §.  20.  A.  }<2e 
05)  2  Phil.  41.  (42.)     9Ü)  Pompeji.  Aemil.  Lepidi.     No.  21.  §.  2. 


118  V.  ANTONII.         (II.  §.  15.) 

Hier  aber  erschien  indcss  Octavian.  Er  war  im  September 
a.  45  mit  seinem  Gross- Oheim  aus  Spanien  {gekommen,  uiitl 
bald  darauf  mit  dem  llhctor  ApoUodor  zu  seiner  Ausbildung  nach 
Apollonia  in  lllyricn  geschickt.  Sein  Aufenthalt  in  dieser  Stadt 
war  nicht  auf  eine  lange  Zeit  berechnet,  denn  er  sollte  Cüsar 
auf  den  Feldzügen  gegen  die  Gcten  und  Parther  begleiten,  bis 
dahin  aber  sich  auch  in  der  Kriegskunst  vervollkommnen.  Zu 
dem  Ende  wurden  abwechselnd  einzelne  Abtheilungen  der  Trup- 
pen, welche  über  das  Aleer  voraus  giengcn,  ihm  zugeführt,  und 
er  erhielt  dadurch  Gelegenheit,  sich  ihre  Liebe  zu  erwerben, 
;:umal  da  auch  ausserdem  viele  Krieger  sich  einfanden,  ilim  ihre 
Achtung  zu  bezeugen.  '-^''J  Noch  war  er  nicht  ganz  sechs  Mo- 
nate an  dieser  Küste,  als  statt  Cäsar  die  Nacliricht  von  dessen 
Tode  eintraf.  Sie  besagte  nichts  darüber,  ob  er  das  AVerk  des 
Senats  oder  einiget  Verwegenen  sei,  und  wie  das  A  olk  sich 
äussere.  Sobald  man  nach  dem  ersten  Schrecken  ihm  Näheres 
schrieb,  bcschloss  er,  nach  Italien  zu  gehen,  und  zwar  gegen 
den  Rath  seiner  Gefährten ,  des  M.  Agrippa  und  Q.  Salvidien, 
ohne  die  Legionen,  Avelche  sich  ihm  antrugen.  Er  wusste  noch 
immer  nicht  genug,  kannte  die  Stimmung  des  Senats,  des 
\  olks  und  der  Veteranen  zu  wenis: ,  um  eine  so  entschiedene 
Massregel  zu  nehmen,  obgleich  er  hoffte,  dass  Antonius,  der 
(ȟnstling  und  College  des  Erschlagenen,  bereit  sein  werde,  ihn 
zu  rächen.  ^S)  Als  Privatmann  und  mit  einem  geringen  Gefolge 
schifl'te  er  nach  Lupia,*-*^)  einem  Orte  nicht  Aveit  von  Brundu- 
sium;  denn  an  dem  gewöhnlichen  Landungs -Platze  konnte  ihn 
der  Dolch  der  Verschworenen  erwarten,  und  die  Besatzung  für 
sie  sein.  Doch  wurde  er  bald  von  dem  Testamente  Cäsars,  von 
dessen  Inhalt,  von  der  Bestätigung  seiner  Anordnungen  und 
von  der  Ohnmacht  seiner  Mörder  in  Kenntniss  gesetzt,  und 
nun  von  den  Truppen  in  Brundusium  als  sein  Sohn  empfangen. 
Dadurch    ermuthigt    nannte    er  sich  Cajus  Julius  Cäsar  Octavia- 


I 


97)  Liv.  117.  Vellej.  2,  59.  Suet.  Oct.  8,  89.  App.  3,  531.  Dio  45, 
3.  Plut.  Brut.  22.  Cic.  43.  Zoii.  10,  13.  cfr.  Quintil,  3,  1.  Strabo  13,  4. 
98)  App.  3,  532.  Vellcj,  u.  Suel.  II.  cc  TeLer  Salvidien  S.  unten  §.  58. 
A,  41.  f.  DO)  So  Appiaii,  während  die  rebrigrcn  in  ihrem  wenijrer  ge- 
nauen Oller  bloss  übersichtlichen  Berichte  ihn  sogleich  in  Brundusium 
ftiiüon  lassen. 


V.  ANTONII.         (II.  §.  15.)      119 

nus,''^')  uiul  erklärte  damit  dem  Senat,  den  Versclnvoreucn  und 
Antonius,  wclclier  sich  zu  ihnen  hinzuneigen  schien,  was  seine 
Absicht  sei.  Aucl»  V^)lk  und  \'cteranen  waren  nach  diesem  po- 
litischen Glaiihenshckcnntniss  nicht  mehr  über  ihn  in  Unjrewiss- 
heit;  durch  den  „grossen  Namen"  ')  wurde  der  Knabe  plötzlich 
zum  Manne,  es  lag  ein  Zauber  in  ihm,  welcher  ztigleich  anzog 
und  zurückschreckte,  mit  Vertrauen  und  mit  Furcht  erfüllte.  2) 
Von  allen  Seiten  strömten  Anhänger  Cäsars  und  seine  zahlreiclien 
Freigelassenen  und  Sclaven  herbei,  und  es  stand  nur  bei  Octa 
vian,  sich  des  Geldes  zu  bemächtigen,  welches  über  Brundu- 
siuni  von  Rom  zum  Heer'  in  Macedonien  oder  aus  den  Provin- 
zen nach  Rom  gieng.  Aber  auch  jetzt  wollte  er  nur  als  Pri- 
vaterbc,  nicht  als  Nachfolger  des  Regenten  erscheinen. 

Mit  wenigen  Begleitern  setzte  er  seine  Reise  fort.  Diess 
bestätigt  sowohl  Dio  '•^■)  als  selbst  Cicero,  Avelchcr  bald  Gelegen- 
lieit  hatte,  ihn  zu  sehen,*)  und  Appian  scheint  nur  das  Gegen- 
theil  zu  sagen,  da  er  hinzufügt,  dass  er  die  Veteranen,  welche 
von  den  Colonien  zu  ihm  stiessen ,  den  Mord  mit  ihm  zu  rä- 
chen, beruliigt  und  auf  eine  andere  Zeit  verwiesen  habe.  Da- 
gegen war  es  ihm  sehr  wichtig,  die  Gesinnungen  dieser  Krieger, 
der  Municipien  und  der  Grossen  auf  dem  Lande  kennen  zu  ler- 
nen ,  und  deslialb  und  um  genauere  Kunde  über  die  Lage  der 
Dinge  in  Rom  zu  erhalten,    verlängerte  er  die  Reise. 

Cicero  war  am  11.  April  auf  seinen  Gütern  von  seiner 
Ankunft  unterrichtet,  welche  anfangs  keinen  besondern  Eindruck 
auf  ihn  machte.  ^J  Dann  hörte  er,  dass  er  am  IS.  jenes  Mo- 
nats Neapel  erreicht,  und  gegen  Baibus  und  Andere  geäussert 
habe,  er  Averde  die  Erbschaft  antreten;  eine  erfreuliche  Aussicht 
zum  Streite  zwischen   ihm  und  Antonius.  <»)     Bald  sprach  er  ihn 


100)  Api).  1.  c.  Die  45,  3.  46,  47.  Zon.  10,  13.  15.  Er 
bekannte  sich  allerdings  auch  in  Rom,  wo  Plut.  (Cic.  43.  cfr.  Corradt 
Quaeit.  p.  '127.)  ihn  sogar  erst  im  Sept.  eintreffen  lässt,  vor  dem  Prätot 
zu  den  ererbten  Rechten,  daraus  folgt  aber  nicht,  dass  es  nicht  schon 
früher  geschah.  In  den  meisten  Quellen  sind  die  Zwischenereignisse 
übergangen,  welches  vor  Allem  Ciceros  Briefe  beweisen,  cfr.  Liv.  117. 
Vellej.  2,  59.  Suet.  Oct.  8.  Flor.  4,  4.  Oros.  G,  18.  l)  Plin.  2,  2S. 
Flor.  1.  c.  2)  Cic.  ad  Attic.  15,  12.  Plut.  comp.  Dion.  c.  Brut.  4.  3)  46, 
5.     4)  S.  unten.     5)  ad  Alt.  14,  5.  G.     0)  Das,  e^u  10. 


120  V.  ANTONIL  (14.  §.  15.) 

selbst.  Denn  Octavian  kam  nach  Puteoli  auf  die  Villa  seines 
Stiefvaters  L.  RIarcius  Philippus  und  besuchte  Cicero,  dessen 
Nachbar.  Er  bezeugte  ihm  die  grüsste  Ergebenheit,  eine  kind- 
liche Ehrfurcht,  und  schien  auch  den  Verschworenen  nicht  ab- 
geneigt. Seine  Umgebung  nannte  ihn  Cäsar,  Philippus  nicht, 
auch  Cicero  konnte  es  noch  nicht  über  sich  erhalten ,  ''^  und 
höchst  vcrhasst  war  ihm  dicss  Gefolge ,  welches  voll  Feindschaft 
gegen  die  Mörder  den  jungen  Mann  zu  verderben  drohte.  ^) 

Dieser  wollte  weder  jetzt  sclion  mit  Antonius  das  V'erbre- 
chen  bestrafen,  Avie  Cicero  fürchtete,  noch  aus  Scheu  vor  dem 
mächtigen  Consul  seinem  Erbe  entsagen,  wie  Philippus  rieth.  ^^^ 
Er  reis'te  längs  der  Küste  weiter,  verweilte  einige  Zeit  in 
Tarracina,  und  gieng  nach  Rom.  Gross  war  die  Zaiil  derer, 
welclie  ihm  entgegen  kamen ,  und  ein  Regenbogen ,  welcher  bei 
seinem  Einzüge ,  um  die  dritte  römische  Stunde  sich  zeigte, 
verhiess  ihm  Glück.  *")  Aus  dem  Vorigen  ergiebt  sich ,  dass 
diess  in  den  letzten  Tagen  des  April  oder  ini  Anfange  des  Mai 
geschah;  folglich  konnte- Octavian  nicht  sofort  Antonius  besu- 
chen, ^')  welcher  damals  nicht  in  den  Gärten  des  Pompejus, 
sondern  in  Campanien  war,^->'  und  eben  so  wenig  konnte  er 
am  21.  April  an  den  Parilien  in  Rom  Spiele  geben,  bei  wel- 
chen Ciceros  Neffe,  Quintus  auftrat,  ^'^)  da  er  sich  am  22.  noch 
auf  dem  Puteolanum  befand,  i*)  Auch  wird  diess  von  den  Alten 
nirgends  behauptet,  sondern  Dio  gedenkt  des  Festes  in  einer 
anderen  Beziehung  und  man  hat  ihn ,  und  in  ihm  Cicero  miss- 
verstanden ;  ^5)  es  folgt  nur ,  dass  Octavian  abwesend  die  Kosten 
trug ,  weil  Andere  zurücktraten ,  welche  sich  unter  Cäsar  ver- 
pflichtet hatten,  die  Spiele  zu  besorgen. 

In  einem  Alter  von  noch  nicht  19.  Jahren  ^^)  zeijjte  Octa- 
vian  die  Mässigung  und  schlaue  Besonnenheit  eines  geübten 
Staatsmannes.     Die     aufgeregte   Menge   war    ihm    gewärtig;    er 


7)  cfr.    ad   Farn.    12,    25.   u.   3  Phil.  2.     8)  ad  Alt.  14,    11.  12.  15, 
12.  Plul.  Cic.  43.  Brut.  22.     9)  Vellej.  2,  GO.  App.  3,  533.  Suet.  Oct.   8. 

10)  Liv.  117.  Vellej.  2,  59.  Suet.  Oct.  95.  Pliii.  2,  28.  Senec.  Nat.  Qu. 
1,  2.  Dio  45,  4.  Obseq.  128.  Zon.  10,  13.  Plut.  Ant.  IG.  Brut.  22.  Cic.  43. 

11)  App.  3,  533-  534.  12)  Unten  §.  IG.  13)  Cic.  ad  Atf.  14,  14.  u.  19. 
Dio  45,  0.  14)  ad  Att.  14,  12.  15)  Unter  andern  Manul,  u.  HIonga«U. 
IC)  Ueb.  am  23.  Sept.  G3. 


V.   ANTOXri.       (11.  §.15.)        121 

durfte  nur  das  Zeichen  zum  Bürgerkriege  geben,  und  gab  es 
niclit.  Mit  der  gliickliclistcn  Verstellung  A'crbarg  er  seinen 
Raclieplan  gegen  die  Mörder,  Avelcbcr  seinem  Elirgeize  später 
zur  Folie  dienen  sollte,  und  täuschte  selbst  Ciceu.  '^'O  Eine 
Uebercilung  konnte  ihm  den  Untergang  bringen  ,  weil  sie  seine 
Feinde  gegen  ihn  vereinigen  konnte,  so  sehr  sie  sich  auch 
hassten.  Er  durfte  nicht  zugleich  gegen  die  Rcpublicaner  als 
Rächer  Cäsars,  gegen  Antonius  als  dessen  Solin,  und  gegen 
Sex.  Pompejus  als  Erbe  einer  alten  Fehde  in  die  Schranken  treten. 

Bei  dieser  Verwickelung  der  Dinge  hätte  der  Senat  ein- 
schreiten ,  und  die  Ruhe  erhalten  sollen,  llim  fehlte  aber  die 
sittliche  und  materielle  Kraft,  wie  jeder  Regierung,  welche  sich 
herabAvürdigt,  Partei  zu  sein,  und  gerade  daraus,  dass  er  in 
der  Achtung  der  Römer  so  tief  gesunken  Avar,  erklärt  sich  die 
Möglichkeit  und  Nothwendigkeit  neuer  Bürgerkriege.  ^^^ 

Octavian  befolgte  den  Grundsatz  Roms,  dem  Schwachem 
beizustehen,  als  er  diese  verächlliche  und  selbstsüchtige  Aristo- 
cratie  unterstützte;  sie  musste  ihm  dafür  Opfer  bringen;  sie  ge- 
nehmigte als  Regierung  seine  Rüstungen,  obgleich  er  nicht  dazu 
ermächtigt  war ,  erhob  seinen  Streit  mit  Antonius  zur  Sache 
der  Republik  und  machte  D.  Brutus  zu  seinem  Verbündeten. 
Als  Antonius  gezähmt  und  gezwungen  war,  ihn  neben  sich  zu 
dulden,  reicliic  er  ihm  die  Hand  zum  Bunde  gegen  sie;  ihr 
Undank,  da  sie  nach  dem  Siege  und  in  dem  V^alme,  nun  stark 
genug  zu  sein,  ihn  zur  Seite  schieben  wollte,  und  die  Pflicht, 
die  Ermordung  des  Vaters  zu  bestrafen,  lieh  ihm  den  Vorwand. 
Wäl)rend  er  nur  die  Verschworenen  zu  verfolgen  vorgab ,  be- 
mächtigte er  sich  mit  seinem  neuen  Freunde  des  ganzen  Reichs. 
Bescheiden  überliess  er  diesem  den  reichen  Osten,  und  bejrnüfi-te 
sich  mit  Ländern,  welclie  durch  Krieg  und  Proscription  erschöpft 
waren  und  Aon  Pompejus  mit  einer  furchtbaren  Flotte  ihm  strei- 
tig gemacht  Avurden;  aber  im  Vvesten  war  Rom  und  ein  Senat, 
der  leicht  Antonius  zum  zweiten  Male  ächten  konnte. 

So  gelangte  er  auf  den  Thron  ,  indem  er  jedem  andern  den 
Zugang  sperrte ,  so  lange  er  selbst  noch  nicht  genug  erstarkt 
war,     ihn    einzunehmen,    und  " immer    etwas    anderes    zu  suchea 


17)  ad  Farn,  15,  12.  Dio  45,  11.     18)  Veilej.  2,  61. 


122  V.    ANTONH.         (14.  §.  15.) 

schien,  weshalb  er  immer  Hülfe  fand.  Doch  förderte  ihn  auch 
das  Glück:  seine  Jugend,  welche  die  Kurzsichtigen  sicher  machte; 
die  Verkehrtheit  der  Optimaten,  die  Feindschaft  Ciceros  gegen 
Antonius,  die  Unfähigkeit  des  Pompcjus,  seine  Maclit  zu  ge- 
brauchen, der  kraftlose  Klirgciz  des  Lepidus  und  der  Leichtsinn 
des  Antonius,  welcher  im  Anscliaun  einer  gekrönten  Bulilcrinn 
versunken  und  von  ihrer  Sirenen -Stimme  verlockt  nicht  sah, 
nicht  hörte,  und  in  der  öttentlichen  Meinung  sich  selbst  zu 
Grunde  richtete.  Da  aber  bei  dem  Allen  zuletzt  in  Schlachten 
zu  entscheiden  war,  worin  er  Avenig  und  zur  See  gar  niclits 
leistete,  so  ist  es  noch  als  eine  besondere  Gunst  des  Schicksals 
hervorzuheben,  dass  ein  Agrippa  ihm  zur  Seite   stand. 

In  Rom  erneuerte  Philippus,  welcher  ihm  gefolgt  Avar ,  die 
Bitte,  nichts  zu  Avagen;  Atia ,  seine  Mutter,  schwankte,  ''•'  er 
selbst  blieb  fest;  aber  er  heuchelte  auch  im  Kreise  der  Seinigen 
und  nannte  den  ersten  Versuch,  sich  emporzuschwingen,  Pllicht 
geo-en  Cäsar  und  gegen  sich ;  ein  theurer  Verwandter ,  Avelcher 
ihn  allen  Andern  A'orgezogen,  sei  ruchlos  erAVÜrgt,  er  Averde 
diess  rächen  und  nicht  durch  feiges  Zurücktreten  sich  selbst 
entehren.  Am  andern  Tage  erklärte  er  A'or  dem  städtischen 
Prätor  Cajus  Antonius ,  dass  er  Erbschaft  und  Adoption  annehme, 
worüber  sofort  eine  Urkunde  A'erfasst  Avurde. 

Dann  liess  er  sich  von  L.  Antonius,  dem  Tribun,  dem 
Volke  vorstellen.  Atticus  erAvähnte  es  in  einem  Briefe  aus  La- 
nuvium  vom  9.  Mai,  avo  er  selbst  noch  ohne  nähere  Nachrich- 
ten Avar;-'^>'  auch  am  II.  Avar  Ciceros  Verlangen,  über  Inhalt 
und  Wirkung  der  Rede  mehr  zu  erfahren ,  noch  nicht  befriedigt ; 
bald  nachher,  am  18.  hatte  er  sie  gelesen,  und  zAvar  mit  Miss- 
fallen; mehr  sagt  er  niclit.  -0  Nach  seinem  AVunsche,  scheint 
es,  sollte  Octavian  das  Unmögliche  thun,  seine  Rechte  aufge- 
ben, und  doch  Antonius  anfeinden.  Ohne  ZAveifel  kündigte  er 
sich  dem  Volke  unter  grossen  Lobeserhebungen  Cäsars  als  dessen 
Erben  an,  der  die  A'ermächtnisse  zahlen  und  zunächst  Spiele 
geben  Averde;  --)  des  Tribunats  gedachte  er  wohl  nicht,  da  es 
als    ihm    nicht    gebührend    ein   freies    Geschenk    sein    sollte  und 


19)  V^ellej.  2,  GO.    Suel.  Oct.  8.    App.  3,  531.     20)  Cic.  Bd  Att.  14, 
20.     21)  ad  AU.  14,  21.  15,  2.     22)  Diu  45,  6. 


V.  ANTüNII.  (14.  §.  15.)         123 

Andere  für  ilia  M'irktcii , -')  aber  er  konnte  sich  nicht  besser 
empfehlen,  als  auf  diese  Art.  Seine  Rede  ist  nun  aber  liäufig 
und  schon  von  I)io  mit  einer  andern  verwechselt,  welclie  er 
später  hielt,  als  der  Tribun  Tib.  Canutius  ilm  vor  das  Volk 
führte,  und  worin  er  schon  kühner  auf  sein  Anrecht  an  die 
Gewalt  des  Vaters  hindeutete , -*.*  nicht  am  2.  Octobcr,  denn 
an  diesem  Tage  gab  Canutius  niclit  ihm,  sondern  Antonius  das 
Wort,  obgleich  er  dessen   I'cind  war.  -"0 

Auch  die  Nachricht  bei  Appian  von  seinem  Streite  mit 
Critonius  steht  mit  den  Zeitbestimmungen  bei  Cicero  im  AVi- 
derspruche.  Cäsar  hatte  a.  44  zu  den  vier  Aedilen  zwei  plebe- 
jisclie  hin/.ugcfügt,  Cereal -Aedilen ,  weil  sie  für  die  Zufuhr 
sorgten.-''^  Als  solche  gaben  L.  Critonius  und  M.  Fannius-^J 
Spiele  zu  Ehren  der  Ceres.  Es  geschah  aber  um  die  Mitte  des 
April,  -^J  wo  Octaviaa  noch  nicht  in  Rom  war.  Gleichwohl 
erzählt  Appian,  -'■*)  dass  dieser  nach  einem  Beschlüsse  aus  frühe- 
rer Zeit  3*')  den  vergoldeten  Sessel  und  den  K-.anz  Cäsars  im 
Circus  zur  Schau  stellen  wollte,  und  Critonius  zum  Consul 
führte,  weil  er  es  verweigerte.  Auch  Antonius  war  dagegen 
und  verlnndcrtc  es  zuletzt  mit  Gewalt.  Bei  der  Gährun«-  in 
Rom  konnte  die  Feier  bis  zur  zweiten  Hälfte  des  Mai  verscho- 
ben sein,  CS  ist  aber  viel  wahrscheinlicher,  dass  Appian  auf  sie 
übertrug ,  was  er  so<i^leich  selbst  von  den  Spielen  zu  Ehren  der 
Venus  meldet,  zumal  da  der  Aedil  Cäsarianer  war. 

Nach  der  Mitte  des  Mai  kam  Antonius  nach  Rom  zurück.  ^0 
Ihm  als  dem  älteren  Manne  und  als  Consul  war  es  nicht  zu 
verargen,  dass  er  Octavian  nicht  zuerst  begrüsste;  ^-)  er  unter- 
liess  es  aber  aus  anderen  Gründen.  Der  Sohn  Cäsars,  welchen 
er  selbst  schon  beerbt  hatte,  dessen  Testament  gültig  war,  des- 
sen Herrschaft  leicht  auf  den  übergehen  konnte,  "welcher  seinen 
Namen  trug,  war  ihm  keine  erfreuliche  Erscheinung,  und  er 
verbarg  diess  nicht.  Octavian  wurde  in  den  Gärten  des  Pom- 
pejus  nicht  sogleich   vorgelassen,     i'r    führte    sich  als  Cäsar  ein, 


'iS)  Unten  Anm.  52.  24)  Cic.  ad  Att.  16,  15.  Dio  1.  c.  Unten  §.  31. 
A.  37.  u.  38.  25)  ad  Fam.  12,  3.  Inten  §.  28.  A.  1.  20)  Julii  Caes. 
Dict.  a.  44.  27)  Vaill.  Criton.  Eckh.  V.  p.  19Ö.  cfr.  Cic.  ad  Att.  13,  21. 
28)  Ovid.  Fast.  4,  389.  f.  Cic.  ad  AU.  2,  12.  29)  3,  544.  30)  Julii 
No.  40.  a.  45.     31)  Unten  §.  20.     32)  Apy.  3,   531. 


124  V.  ANTONII.        (14.  §.  15.) 

und  damit  war  alles  gesagt.  Sein  Dank  für  die  dem  Vater  er- 
wiesene Ehre  scliicn  eine  Anniassung;  ihr  folgten  durch  einiges 
Lob  gemilderte  Vorwürfe  über  die  Nachsicht  gegen  die  Mörder, 
und  zuletzt  nach  Appian  das  Aergste ,  Forderungen.  Dem 
Sclimuck  und  den  übrigen  Kostbarkeiten  des  Vaters  wolle  er 
entsagen,  worauf  sich,  wohl  Dios  Nachricht  bezieht,  er  habe 
nichts  verlangt;  "^■^)  das  baare  Geld  bedürfe  er  zu  den  Legaten, 
doch  werde  er  sich  vorerst  mit  einer  Summe  zur  Befriedigung 
von  300000  Bürgern  begnügen,  und  das  Uebrige  durch  eine 
Anleihe  bei  dem  Consul  oder  unter  dessen  Bürgschaft  bei  dem 
Schatze  und  durch  den  Verkauf  seiner  Güter  herbeischaften. 

In  seinem  Innersten  empört  verlor  Antonius  die  Haltung 
nicht.  Er  erwiederte:  Octaviau  Rechensciiaft  zu  geben,  sei  er 
nicht  verpflichtet;  dass  seine  Adoption  nicht  mit  allen  andern 
Verfügungen  des  Dictator  aufgehoben  sei,  verdanke  er  ihm,  sei- 
ner ihm  missfalligen  aber  von  den  Umständen  gebotenen  Nach- 
£riebi<''keit.  Der  Schatz  sei  leer,  denn  Cäsar  liabe  die  öffeut- 
liehen  Gelder  in  seiner  Casse  niedergelegt;  aus  dieser  sei  ihm 
weni""  überbracht,  und  von  diesem  Wenigen  nichts  mehr  vor- 
handen, weil  man  es  als  Tvraunengut  vertheilt  habe;  übrigens 
rathe  er,  Avohl  anzuwenden,  was  er  so  eben  auf  der  Schule, 
auf  einer  griechischen,  von  der  Veränderlichkeit  des  Volkes  ge- 
hört haben  werde.  "^^  —  Im  Wesentlichen  konnte  er  nicht  anders 
sprechen,  ohne  sich  selbst  aufzugeben,  und  es  wird  vielfach  be- 
stätigt, dass  er  seinen  jungen  Nebenbuhler  verächtlich  emptieng 
und  auch  später  beleidigte.  2^') 

Indess  verstand  auch  dieser  seine  Rolle  zu  spielen.  Er 
entfernte  sich  unter  Anrufung  seines  Adoptiv- Vaters  im  höch- 
sten Unwillen,  als  sei  ihm  Unerwartetes  begegnet.  Volk  und 
Veteranen  sollten  in  seinem  Feinde  den  Ihrigen  erkennen,  der 
ihn  zu  zahlen  hinderte,  und  seine  Ehrfurcht  gegen  Cäsar,  seine 
Liebe  zu  den  Mitbürgern  um  so  glänzender  hervorleuchten,  wenn 
er  dennoch  und  vom  eigenen  Vermögen  zahlte.  Die  jlassregeln, 
Avclche  er  in  dieser  Hinsicht  traf,  waren  geeignet,  grosses  Auf- 
sehn  zu    erregen  ,     und    stets   erinnerte  er  gern  an  solche  Opfer 


33)  45,  5.     31)  App.  1.  c.     35)  Liv.  117.   VcHej.  2,  60.  Dio  u,  Plul. 
11.  cc.  Flor.    1,  4.  Obstq.  128. 


V.  ANTONIl.  (M.  §.  15.)     .    125 

Tom  PrlvatLcsItze. ^"^  Er  Lot  die  Güter  des  Cäsar,  Pliilippus, 
seiner  Mutter  feil,  und  mit  Genehmigung  des  Pcdius  und  Pi- 
narius  auch  ihren  Antheil  an  der  Erbschaft,  und  übergab  das 
Geld  den  Tribus.  Seine  Absicht  wurde  erreicht,  und  Antonius 
nur  noch  verhasster,  als  er  ihm  Einhalt  that.  Auf  sein  An- 
stiften sah  sich  Octavian  in  Rechtshilndel  verwickelt;  man  nahm 
einen  Theil  der  Güter  Cäsars  für  Privatpersonen ,  besonders  für 
solche,  welche  er  verbannt  oder  sonst  bestraft  hatte,  und  für 
den  Staat  in  Anspruch ;  Octavian  braclite  Urkunden  über  den 
rechtmJlssigen  Erwerb,  und  die  Gerichte  wiesen  sie  zurück; 
die  sonst  heilig  geachteten  Papiere  des  Dictator  hatten  in  dicT 
sem  Falle  keine  Gültigkeit.  Auf  die  Beschwerden  der  beiden 
Miterben  bemerkte  der  Consul:  man  müsse  den  Senatsbcschluss, 
der  hier  in  Frage  komme,  mehr  dem  Sinne  als  den  Worten 
nach  verstehen ;  nie  sei  es  die  Absicht  gewesen ,  zu  Gunsten 
eines  jungen  Mannes  so  viele  Bürger  zu  berauben,  welche  wäh- 
rend der  innern  Uarulien  ihr  Eigenthum  verloren  haben.  Daher 
nahmen  jene  ihren  Antheil  zurück,  jedoch  nur,  um  ihn  zu 
retten  und  dann  dem  Haupterben  zu  überlassen.  •^^) 

Eine  Bestätigung  der  Adoption  durch  ein  Curialgesetz  ver- 
hinderte Antonius  durch  tribunicischen  Einspruch,  und  mit  um 
so  besserem  Scheine,  da  sie  in  einem  Falle,  wie  dieser,  nicht 
nothwendig,  nicht  einmal  gebräuchlich  war,  und  nur  als  eine 
feierliche  Handlung  Eindruck  machen  sollte.  Sie  erfolgte  erst 
nach  der  Schlacht  bei  Mutina.  ^sj 

Dem  Senat  gereichte  der  Zwist  zwischen  dem  Consul  und 
Octavian  zur  Beruhigung ,  und  dieser  störte  ihn  in  seinen  Träu- 
men nicht,  schien  nur  auf  die  Erfüllung  lästiger  Pflichten  be- 
dacht, Cäsar  gelobte  vor  der  Schlacht  bei  Pharsalus  der  Stamm- 
mutter seines  Geschlechtes,  der  Venus  Genetrix  einen  Tempel; 
ihr  Name:  Venus  Victrix  war  das  Feldgeschrei,  und  nach  dem 
Siege  lös'te  er  sein  Wort,  '^•*)  Ein  Collegium ,  zu  welchem 
Octavian  gehörte ,  sollte  zu  Ehren  der  Göttin ,  der  Victoria, 
wie    sie     in    dieser    Beziehung    auch    genannt    Avird,^")     Spiele 


30)  Mon.  Ancyr.  tab.  3.  v.  7.  34  u.  s.  w.  bei  Chishull.  S.  §.  12. 
A.  38.  §.  49.  A.  14.  37)  App.  3,  539.  f.  580.  38)  Dio  45,  5.  Unleu 
a,  43.  §.  49.  in.  39)  Julii  Caes.  Dict.  a.  4S.  n.  4ö.  40)  Cic.  ad  Frih. 
11,  2ti. 


126  V.  ANTONIE.         (14.  §.  15.) 

geben  ;*'^  es  scheute  alter  jetzt  den  Aufwand  und  den  Zorn  der 
Aristocratie,  deren  Werkzeug  Pompejus  gewesen  war. '*'^)  Desto 
mclir  imisste  es  bei  dein  Volke  empfehlen ,  wenn  Octavian  für 
Alle  eintrat  und  die  Kosten  trug.  ^-^J  Einige  Freunde,  der  edle 
Matius,  Postuniius  und  Saserna  übern.ihnien  es,  das  Erforder- 
liche zu  besorgen,  oder  vielmehr  nach  einem  Schreiben  Cicero« 
vom  18.  Mai,  den  Bürgerkrieg  zu  entflammen,  die  Mörder 
gegen  die  Uefrcier  aufzuregen.  ^*J  Seine.  Aeiisserungon  über 
Matius  blieben  diesem  nicht  unbekannt,  und  da  er  ihn  eben  so 
sehr  fürchtete  als  liasste ,  so  entschuldigte  er  sich,  aber  mit 
den  künstlichsten  Wendungen:  dass  er  Ciisar,  den  Freund,  auch 
noch  nach  dessen  Tode  liebe,  müsse  er  billigen,  obgleich  Ciisar 
Tyrann  gewesen  und  Mancher  der  Meinung  sei,  die  Freiheit 
des  Vaterlandes  sei  mehr  als  das  Leben  eines  Freundes.  Matius 
erwiederte:  man  mache  ihm  den  Schmerz  über  das  Schicksal 
eines  Mannes,  welchem  er  nalie  gestanden,  zum  Verbrechen, 
als  ob  schon  erwiesen  sei,  dass  sein  Tod  dem  \  aterlandc  Heil 
gebracht.  Bis  dahin  habe  sein  Scharfsinn  nicht  so  weit  ge- 
reicht, diess  zu  entdecken.  Den  Bürgerkrieg  habe  er  nie  ge- 
billigt, und  die  Gunst  des  Siegers  nie  für  sich  benutzt,  woiil 
aber  für  Andere,  -welche  es  Cäsar  verdanken,  dass  sie  im  Lande 
geblieben,  und  jetzt  sich  seines  Todes  freuen.  (Cicero).  Fs 
sei  unerhört ,  dass  der  Verbrecher  sich  des  V'crbrcchens  rühme, 
und  Andern  nicht  einmal  gestattet  werde,  es  zu  beklagen.  Aber 
diese  Befreier,  die  ihren  .Mitbürgern  selbst  die  Freiheit  des 
Sclaven  nicht  zugestehen ,  drohen  vcru-cbcus  :  nichts  werde  ihn 
bewegen ,  seine  Pflicht  zu  vergessen  oder  das  menschliche  Gefühl 
zu  verläugnen.  Warum  sie  ihm  zürnen,  Avenu  er  wünsche, 
dass  sie  ihre  That  bereuen ,  dass  sie  schwer  dafür  büssen  mö- 
gen? Die  Besorgung  der  Spiele  sei  eine  Privatsache;  er  habe 
dadurch  einen  geliebten  Todten  geehrt  und  einem  wackeren 
Jünglinge  einen  Dienst  geleistet.  ^^) 

Von     einer     andern     Seite     betrarhtete    sie    auch      Antonius,] 
Atticus  konnte  seinem  Freunde  am  21.  Mai  die  erfreuliche  Nach-j 


41)  Pliii.  2,  23.  (25).  Obseq.  128.  42)  Suel.  Od.  10.  Dio  4.«;,  r>. 
cfr.  Cic.  ad  AM.  15,  2.  43)  Mon.  Anryr.  lab.  4.  v.  31.  Chish.  p.  17.^>. 
Suet.  I.  c.  11.  Caes.  88.  App.  3 ,  514.  Dio  1.  c.  44)  ad  Att.  1.  c.  ffr.  ad 
Fain.  Ü,   12.  u.   B.  Afrio.   10.   13  Phil.  13.     45)  Cic.  ad  Farn.   11,    27.  2«. 


V.  ANTONII.         (J4.  §.  15.)       127 

riclit  geben,  dass  jener  durch  Tribüne  die  Ausstellung  des  Ses- 
sels und  der  Krone  Cäsars  verbindert  habe.  Die  Eifersucht 
verbarg  sich  unter  der  Sorge  für  die  öffentliclie  Ruhe  und  der 
Beleidigte  erklärte  Cäsar  für  beschimpft,  •»orin  die  Menge  voll 
Erbitterung  ihm  beistimmte.  ^^)  Auch  verschaffte  ihm  der  Zufall 
eine  glänzende  (lenugthuung.  Denn  während  der  Spiele,  uciche 
mehrere  Tage  dauerten  und  unter  Augiistus  regelmässig  alle  Jahre 
wiederholt  wurden, ^'^^^  erschien  um  die  eilfte  römische  Stunde 
ein  Comct,  und  blieb  sieben  Tage  sichtbar.  Octavian  deutete 
diess  als  ein  Zeichen,  dass  Cäsar  unter  die  Götter  versetzt  sei, 
und  errichtete  ihm  im  Tempel  der  Venus  eine  eherne  Statue 
mit  einem  goldenen  Sterne  über  dem  Kopfe,  4^)  welclier  auch 
auf  Münzen*")  und  Gemmen  ^o)  abgebildet  ist. 

Zugleich  aber  fuhr  er  fort,  Antonius  in  öffentlichen  Reden 
anzuklagen,  dass  er  ihm  sein  Erbe  vorenthalte,  und  ihn  dadurch 
hindere,  das  Testament  des  Vaters  zu  vollziehen.  Der  Consul 
Hess  ihn  nüt  («efängniss  bedrohen  und  endlich  durch  die  Licto- 
ren  von  der  Rednerbühne  herabreissen,  da  er  aber  die  Gunst 
des  Volks  bedurfte,  um  statt  des  D.  Brutus  das  diesseitige  Gal- 
lien zur  Provinz  zu  erhalten,  so  bequemte  er  sich  zu  einer 
Versöhnung.  Denn  diese  forderten  Veteranen  und  Volk,  und 
seine  eigene  Leibwache ,  um  nicht  bei  einem  Zwiste  zwischen 
den  Anhängern  Cäsars  zu  verlieren,  was  sie  ihm  verdankten.  ^O 
Aber  eben  dadurch,  dass  die  Menge  aus  Eigennutz  Octavian 
begünstigte  ,  veranlasste  sie  neuen  Streit.  Als  er  bei  der  Wahl 
eines  Tribuns  an  die  Stelle  des  ermordeten  Helvius  Cinna^^^ 
sich  für  Flaminius  verwandte,  wollte  sie  ihm  die  Stimmen  ge- 
ben,    in    der   Meinung,     dass  er  es    v/ünsche.     Dass  er  zu  jung 


46)  Ders.  ad  Ait.  13,  3.  App.  Dio  11.  cc.  Plut.  Ant.  16.  47)  Dio 
45,  7.  49,  42.  48j  Suet.  Caes.  88.  Pliii.  2,  23.  (25.)  u.  das.  August. 
Senec.  Nat.  Qu.  7,  17.  Dio  45,  7.  Plut.  Caes.  69.  Zonar.  10,  13.  Val. 
Max.  3,  2.  19.  Obseq.  12S.  cfr.  Virg.  Eclog.  9,  47.  u.  das.  Serv.  welcher 
hier  an  Leichenspiele  dachte.  Horat.  Od.  1  ,  12.  46.  Ovid.  Metam.  15, 
51.  49)  Urain.  Jul.  p.  123.  Vaill.  JuIIi  No.  44.  Morell.  thes.  Caes.  tab. 
1  u.  2.  Eckh.  6.  p.  11.  Paruta  Sicil.  numism.  Catan.  tab.  32.  No.  52. 
50)  Lipperf.  Dacfyl.  3.  Abtb.  2.  Cap.  No.  569  —  572.  Verzeichniss  d. 
geschnitf.  Steine  in  d.  K.  Museum  d.  Alterth.  zu  Kerlin,  4.  Classe  2, 
Abth.  No.  194.  5n  App.  3,  544  f.  Dio  45,  7.  8.  Plut.  Ant.  16.  §.  2Ü. 
A.   71.      r>2)   Oben   §.   12.  Anm.  CO. 


128  V.   ANTüNlI.         (14.  §.  lü.) 

■vvar,  und  ilnrcli  cmc  Verfügung  Cäsars  wie  durch  seine  Adoption 
Patricier,  wclclics  nur  Sueton  hervorhebt,  kam  nicht  in  JJetracht. 
Der  Senat  hielt  dicss  für  veranstaltet,  damit  er  die  .Mörder 
verfolgen  könne,  und  Antonius  untersagte  die  Wahl  als  gesetz- 
widrig, und  Aveil  sich  eine  heftige  (Währung  kund  gah  ,  auch 
jede  andere;  die  Zahl  der  Tribunen  wurde  nicht  ergänzt.  ^3) 

§   1«. 

So  hielten  diese  Nebenbuhler  sich  das  Gleichgewicht,  Octa- 
vian  durch  seinen  Namen  und  die  Cunst  des  Volkes,  Antonius 
durch  das  Anschn,  welches  er  persönlich  und  als  Consul  hatte. 
Zu  seinem  Nachthelle  war  er  abwesend,  als  jener  von  Apollonia 
nach  Rom  kam,  denn  er  durchzog  in  der  zweiten  Hälfte  des 
April  und  in  der  ersten  des  Mai  ^*)  die  Colonien  der  Veteranen 
in  Campanien ,  sie  durch  Geschenke  und  Belohnungen  sowohl 
geo"en  die  Faction  der  Befreier  als  gegen  Cäsars  Erben  zu  ge- 
winnen. Sie  sollten  anerkennen  und  beschwören,  was  ihm  für 
Gesetz  und  Einrichtung  des  Dictator  zu  erklären  beliebte  und 
zwei  Männer  in  jeder  Colonie  die  Urkunden  in  Absclirift  er- 
halten, um  darüber  zu  wachen.''-')  Doch  misslang  manches, 
weil  er  zu  viel  erreichen  Avollte.  Ohiierachtet  des  Ackergesetzes  seines 
Bruders  ^'')  konnte  er  niclit  allen  noch  unversorgten  Kriegern 
Ländereien  geben;  Viele  wurden  übergangen  und  deshalb  miss- 
Tere-nüo-t.  •''')  Die  Veteranen,  welche  schon  von  Cäsar  Acker 
erhalten  hatten  und  ihn  jetzt  mit  anderen  thcilcn  sollten,  fühl- 
ten sich  ebenfalls  verletzt ,  •'^^)  zumal  da  er  auch  Günstlingen 
Güter  anwies. 

Die  Beschreibung  seiner  Reise  hei  Cicero  ,  ^^^  ein  Seiten- 
stück zu  einer  anderen,  welche  sich  auf  das  J.  49  bezieht,  <»? 
hat  offenbar  den  Zweck,  ihn  lächerlich  und  verächtlich  zu  ma- 
chen. Zwar  können  die  Thatsachen  nicht  ersonnen  sein,  sie 
sind  aber  von  der  Hand  seines  Feindes  in  das  ungünstigste 
Licht   gestellt,     %vohei    der    Leser    der   Briefe    Cicerns    sich  erin- 


53)  Suet.  Oct.  10.  cfr.  2.  u.  Dio  15,  2.  6.  App.  3 ,  546.  Zou.  10,  13. 
Unten  §.  28.  A.  03.  54)  (  ic.  2  Phil.  38.  cfr.  1  ,  2.  App.  3.  304.  in. 
55)  Cic.  ad  Att.  M,  21.  Plut.  Ant.  IG.  5ü)  üben  §.  14.  \niii.  38. 
57)  Cic.  ad  AK.  15,  3  u.  5.  App.  2,  TiOl.  515.  5S)  Dio  45,  12.  Julii 
Caes  Oict.  a.   50  u.  45.     50)  2  Phil.  ^0  f.     CO)  Oben  §,  3.  Anm.  '20. 


V.  ANTONlf.       (14.  §.  lö.)  120 

nert,  dass  Antonius  ihn  auch  in  dieser  Zeit  mit  der  grösstcn 
Schonung  und  Achtung  hchandelte,  es  übersah,  dass  er  ilim 
auswich,  selbst  gegen  den  Wunsch  des  Atticus,  Aveichcr  ilui  in 
Betrctt'  der  Kuthrotischen  Besitzungen  um  sein  Fürwort  hat,  ihn 
vor  der  Herstellung  des  Sex.  Clodius  ^0  und  sogar  über  die 
Ansiedelung  neuer  Colonisteu  in  Capua  befragte,  ^-j  und  ihn 
mit  seinem  Misstrauen  dadurch  beschämte,  dass  er  ihm  von  Kei- 
nen Gütern  nichts  entzog.'''')  Man  erinnert  sich  ferner,  dass 
dieser  wüste  Trunkenbold,  Avelcher  aucli  jetzt,  auf  der  Reific, 
mit  Schauspielern  und  Schauspielerinnen,  mit  Würfelspielern  und 
anderem  leichtfertigen  Gesindel  Tage  und  Nächte  durchschwelgte,  ''^) 
nach  seiner  Rückkehr  in  Rom  eine  Macht  entwickelte,  vor  wel- 
cher die  Aristocratie»  und  auch  Cicero  auf  dem  Lande  zitterten, 
und  dalier  wohl  freie  Augenblicke  behielt,  zu  denken  und  zu 
handeln;  ja,  es  ist  mehr  als  Avahrschcinlich ,  dass  er  durch  den 
bacchantischen  Aufzug  seine  Pläne  vor  seinen  ohnehin  uitlit 
scharfsichtigen  Geo-nern  im  Senat  verbergen  wollte. 

OD  O 

Schon  vor  dem  4.  Mai  war  er  in  Capua,  wo  er  mehrere 
Tage  blieb.  *'^)  Er  machte  hier  unangenehme  Erfahrungen ,  oh 
aber  in  dem  Maasse,  als  Cicero  in  der  zweiten  Philippika  ver- 
sichert, ist  zu  bezweifeln,  da  sich  in  den  Briefen  an  Atticus 
nic'jts  darüber  findet,  sondern  nur  die  einfache  Nachricht,  er 
sei  weiter  nach  Misenum  und  dann  nach  Samniuin  gereis't. ''*') 
Auf  sein  Befragen  warnte  ihn  Cicero,  aber  vergebens,  der  Co- 
lonic  in  Capua  nicht  eine  neue  aufzudringen ,  sondern  nur  noch 
freien  Acker  zu  vertheilen.  Die  alten  Ansiedler  geriethen  in 
Aufruhr,  und  er  musste  sich  schnell  entfernen.  Dennoch  han- 
delte er  eben  so  zu  Casilin 'm  in  Campanien,  wohin  Cäsar  kurz 
vor  seinem  Tode  Veteranen  geschickt  hatte.  ^''^  Durch  die  Aus- 
stattung Anderer,  welche  nicht  zu  den  Kriegern  gehörten,  ver- 
kürzte er  deren  Antheil  noch  mehr;  er  gab  Sex.  Clodius  2000 
Jugera  vom  leontinischen  Felde,  *'^J  auf  Fulvias  Betrieh,  seinem 
Arzte  3000,    und    auch  mancher    Mime  und  Tischgenoss  mochte 


Gl)  §.  14.  Ainii.  28.  02)  2  P>  .  39.  (lO).  C3)  Oben  §.  14.  Anm.  73. 
G4)  Cic.  2  Phil.  39.  10.  (41).  65)  Uers.  ad  Atf.  14,  17.  19.  20.  06)  ad 
Att.  14,  20.  07)  Julii  1.  c.  a.  45.  2  Phil.  39.  (40).  ad  Att.  16,  8. 
Vellej.  2,  Gl.  App.  3,  552.     C8)  Oben  §.  14.  Anm.  30. 

DiMimann,  Gosrliichl"  Reni3  I.  Q 


130  V.  ANTONll.  (11.  §.  16.) 

bei  dieser  Gelegenheit  bedacht  -werden.  '^^)  Puteoli  dagegen  und 
Teanum  Sidicinnm  empfanden  seinen  Zorn,  Aveil  sie  die  beiden 
Brutus  und  C.  Cassius  zu  Patronen  gewählt  hatten.  ''")  Dann  ruhte 
er  auf  einem  («utc  des  M.  Varro  bei  Casinum.  Er  hatte  es  an- 
geblich Mährend  des  alexandrinischcn  Krieges  durch  Abgeordnete 
von  Cäsar  gekauft,  da  A'arro  Ponipejaner  war.  Nach  Cicero» 
Versicherung  war  ihm  vielmehr  geboten,  den  Raub  zurückzu- 
geben. Der  Sitz  der  Gelehrsamkeit  Avurde  durch  Orgien  ent- 
weiht, und  niemnnd  aus  Casinuin  und  den  benachbarten  Orten 
vorgelassen.  '')  Eben  so  verfuhr  er  auf  der  Rückreise,  ül)gleich 
auch  Menschen,  welche  nicht  an  der  Strasse  wohnten,  herbei- 
kamen, den  Consul  zu  begriissen ;  in  Rom  aber  sah  man  ihn 
mit  Schrecken  von  einer  zahlreichen  Schaar  von  Bewaffneten 
umgeben.  ^-) 

Hier  hatte  sich  indess  manches  ereignet,  was  ihn  verstim- 
men konnte.  Octavian  war  angelangt  und  Dolabella  eifriger 
Aristocrat  geworden.  Zwar  hatte  er  selbst  den  falschen  Marius 
tödten  lassen,^';  nicht  aber  sollte  mit  dem  Meuterer  auch  die 
Meuterei  verschwinden,  der  von  ihm  errichtete  Altar  Cäsars, 
das  Schreckbild  der  feindlichen  Faction ,  blieb  unverletzt.  Eine 
geweihte  Säule  aus  numidischem  Marmor  und  von  fast  zAvanzig' 
Fuss  Höhe  war  schon  von  ihm  oder  wurde  von  Anderen  hinzu- 
gefügt, mit  der  Inschrift:  dem  Vater  des  V'aterlandes.  ^^J  Sie 
diente  dem  Müssiggange ,  der  Raub  -  und  Neuerungssucht  zum 
Vereinigungs-Puncte,  und  crliielt  die  ,, Gutgesinnten",  die  Feinde 
des  Gefeierten  in  steter  Furcht.  '^^)  Dem  Consul  Dolabella  war 
diess  sehr  erwünscht;  wenn  er  einschritt,  so  bewies  er  dem 
kargen  Collegen,  dass  er  die  Macht  habe,  seine  Pläne  zu  durch- 
kreuzen. Er  reinigte  den  Markt,  und  gestattete  nicht  länger, 
dass  man  hier  dem  neuen  Gotte  Opfer  und  Gelübde  brachte  und 
mit  einem  Schwur  bei  seinem  Namen  Streitigkeiten  entschied.  ^C) 


69)  2  Phil.  39.  8,  9.  70)  2  Phil.  40.  (41.)  71)  Das.  39.  40.  Varro 
de  re  rusl.  3,  5.  72)  Lnleii  §.  20.  A.  12.  73")  §.  13.  Anni.  87.  71)  Suet. 
Cacs.  85.  crr.  Plin.  5,  2.  (3).  Alfar  und  Säule  werden  oft  Eins  für  dai 
Andere  genannt,  und  das  Ganze  heisst  auch  liei  Cicero  aber  ungenau 
bustum ;  jene  standen  nur  auf  der  Stelle  des  Scheiterhaufens,  ad  .\tt. 
14,  15.  1  Phil.  2.  2,  41.  75)  Cic.  ad  Fam.  12,  1.  1  Phil.  2.  12. 
76)  Suet.  I.  c. 


V.  ANTONII.        (14.  §.  IG.)  131 

Selbst  die  Statuen  des  Dictator  Hess  er  in  Andere  verwandeln, 
und  als  der  l'öbel  die  AVerks(ätte  verbrannte,  ^^)  zerstreute  er 
ihn  mit  Gewalt.  Mehrere  Helen  ;  die  Verhafteten  wurden  vom 
Tarpejischen  Felsen  gestürtzt  oder  gekreuzigt,  je  nachdem  sie 
Freie  oder  Sciaven  waren,  Morauf  er  Altar  und  Säule  niederzu- 
reisscn  und  den  Platz  zur  Pflasterung  zu  verdingen  befahl.  ^^) 
Eine  Hede,  Avorin  er  das  Volk  zur  Ruhe  ermahnte,  wurde  gün- 
stig aufgenommen;  man  begleitete  ihn  nach  seiner  Wohnung 
und  empHeng  ihn  im  Theater  mit  Beifall.^")  Aber  am  lebhaf- 
testen äusserte  sich  die  Freude  der  Grossen,  welche  ,, ihrer  Ge- 
sundheit wegen"  ^'0  auf  dem  Lande  waren,  jetzt  in  der  unheim- 
lichen Nähe  des  Antonius,  und  am  1.  Mai  schon  Nachricht 
liattcn.  ^'J  Die  Villa  Ciceros  wurde  ihr  Sammelplatz,  um  in 
wiederkehrenden  Gesprächen  über  das  Hochwichtige  zu  —  schwa- 
tzen ,  welches  ganz  andere  Zwecke  hatte,  und  ganz  anders  en- 
digen sollte ,  als  sie  ahndeten.  Nun  erhob  sich  Cicero  wieder 
als  Anwalt  der  Republik  ,  in  deren  Namen  er  nicht  nur  Brutus 
und  Cassius  und  jedem  Andern,  den  es  angieng,  meldete,  was 
geschehen  war,^-)  sondern  auch  ein  Dank-  und  Glückwunsch- 
schreiben an  Dolabella  erliess.  ^■^^  Es  zeugt  von  einem  gänzli- 
chen Mangel  an  Haltung  und  Selbstachtung,  und  musste  den 
Mann  um  so  mehr  befremden,  Avelcher  seine  edle  Tullia  un- 
glücklich gemacht  hatte,  an  die  Rückgabe  der  Aussteuer  oft  und 
bitter  von  ihm  erinnert,  und  seiner  nichts  weniger  als  republi- 
canischen  Gesinnungen  sich  wohl  bewusst  war.  Allein  alles 
Andere  wurde  jetzt  vergessen.  Es  kam  nur  darauf  an,  dass 
der  Bruch  ZAvischen  ihm  und  seinem  Collegen  unheilbar  wurde, 
dass  er  entschieden  das  Interesse  der  Aristocratie  verfocht,  wie 
Cicero  hoffte,  ^*)    die  Befreier  nach  Rom  rief,    wo  sie  nun  wohl 


77)  App.  3,  527.  528.  wo  nur  die  Cons.  verwechselt  werden. 
78)  Ders.  1.  c.  Cic.  ad  Att.  14,  15  u.  16.  1  Phil.  2.  2,  41.  Dio  44,  51. 
Zon.  10,  12.  Lactant.  Inst.  1  ,  15.  30.  Sowohl  Foggini  zu  Verr.  Flacc. 
Fast.  p.  128.  als  Wolf  und  Baumgarten  haben  Suet.  Caes.  85.  missver- 
atanden.  Säule  und  Altar  wurden  zerstört 5  das:  longo  tctnpore  bezieht 
sich  auf  die  Zeit  von  dem  Auftreten  des  Marina  bis  zu  dieser  Handlung 
des  Dolabella.  Lactant.  dessen  übrigens  nicht  gedacht  wird,  kann  Ciceros 
Zeugniss  nicht  entkräften.  79)  Cic.  ad  Fam.  9,  14.  fin.  ad  Att.  14,  16. 
1  Phil.  12.  80)  ad  Fam.  1.  c.  81)  ad  Att.  14,  15.  cfr.  1  Phil.  2.  2,  41. 
82)  ad  Att.  14,  17.  ad  Fam.  12,  1.     83)  ad  Fam.  9,  14.     84)  ad  Att.  14,  20. 

9  * 


132  V.  ANTOMI.      (14.  §.  lö.) 

schon  gcfalirlos  „mit  einem  goldenen  Kranze  über  den  Markt 
"•cheu  konnten",  ^■')  und  mit  ihnen  Antonius  stürzte.  Diess 
wollte  der  Lolircdner  befördern;  daher  die  Anspiclun-jen  in  sei- 
nem Briefe  und  zu  einer  Zeit,  wo  er  au  Tiro  schrieb,  dass 
jener  ihn  nicht  beleidigt  habe.  ^'')  Indess  blieb  er  selbst  noch 
auf  dem  l^ande,  den  Ausgang  zu  erwarten,  und  sollte  es  ratli- 
sam  Avevdcn,  nacli  Griechenland  sich  einzuschiffen. ^^>'  Sein  Ent- 
zücken über  ein  Blutbad,  Aveldies  ihm  persönliche  Vortlieile  ver- 
hiess,  erinnert  an  sein  Verlialtca  bei  und  nach  der  Erwürgung 
der,  Genossen  Catilinas,  Er  begehrte  sogar  für  den  Urheber  zu 
"•eltcn ,  damit  man  in  ihm  den  Vertheidiger  der  Republik  wieder 
erkenne,  der  auch  auf  seinen  Gütern  über  sie  waclie.  Dolabella 
thcilt  er  nur  die  Meinung  Anderer  darüber  mit;  auch  gegen 
Atticus  rühmt  er  anfangs  nur,  er  liabe  nun  seine  Pilicht  gegen 
Brutus  erfüllt,  dann  aber  unverliohlen,  von  ihm  sei  alles  au.s- 
gegangen.^**-* 

Ganz  andere  Sorgen  beschäftigten  Atticus  in  Rom;  er  fürch- 
tete für  seine  buthrotischen  Besitzungen.  ^^)  Indess  konnte  er 
niciit  umhin,  auf  Ciceros  leidenschaftliche  Mittheilungen  einzu- 
gelien.  Wie  immer  trieb  er  seinen  Scherz  mit  ihm.  Er  stimmte 
in  das  Lob  des  Dolabella  ein  und  fand  es  durchaus  angemessen, 
dass  Cicero  ihm  schrieb;  als  es  geschehen  Avar,  schien  es  ihm 
wieder  bedenklich,  ihn  zu  sehr  zu  erheben,  und  er  fuhr  fort, 
zu  warnen ,  obgleich  er  auf  seine  eigenen  Worte  vcrw  ieserj 
wurde.  Zuletzt  folgte  von  der  anderen  Seite  das  Gestandniss, 
das  Lob  sei  ja  nicht  ernstlich  gemeint,  woAon  der  Consul  sich 
bald  selbst  überzeugen  konnte,  als  er  wieder  „stachelige"  Mahn- 
briefe erhielt.  '■"') 

Denn  die  Blutsaat  brachte  die  gehofftc  Erndte  nicht.  Man- 
cher billiirte  die  Zähmuns;  des  Pöbels  aber  nicht  die  Grausam- 
keit  gegen  ihn,  zumal  da  es  folgerecht  schien,  dem  zu  opfern, 
welchen  der  Senat  zum  Gott  erhoben  liatte;  Andere  wollten  sein 
Andenken  geeiirt  wissen,  wenigstens  durch  die  Männer  seiner 
Partei    und    durch    die    Behörden,     ihrer    eigenen   Ehre    und  der 


85)  Das.  14,  IC.  cfr.  App.  3,  528.  80)  ad  Fam.  IG,  23.  87)  ad 
Att.  1.  c.  üV)  ad  Fam.  0,  M.  ad  Alt,  I.  c.  u.  IC,  15.  81»)  S.  Poniponii- 
00)  «ir.   ad  Alt.   14,    IS.   10.  '20. 


V.  ANTONII.         (II.  §.  J(i.)  J33 

Ordmiiifi^  wejTcn,  «Icnn  sie  hatten  ihn  in  der  Curie  als  Gesetz- 
geher anerkannt;  aus  diesem  tlrunde  äusserte  namentlich  ]\insa 
sein  Missfaileii,  und  zwar  auf  dem  Pompejanum  gegen  Cicero 
selbst.  '-"J  Auf  Antonius  konnte  die  Nachricht,  -welche  er  auf 
der  Heise  erhielt,  ebenfalls  keinen  günstigen  Eindruck  machen,  '■'-) 
aber  sie  setzte  ihn  nur  augenblicklich  in  Verlegenheit.  Er 
kannte  das  Mittel,  einen  Nichtswürdigen  zu  beschwichtigen, 
welcher  den  Namen  eines  ehrlichen  Mannes  längst  verloren,  und 
in  Schulden  versunken,  sich  wahrscheinlich  nur  gegen  ihn  ge- 
regt hatte,  um  erkauft  zu  Averden,  obgleich  er  ihm  schon  Sy- 
rien verdankte;  '-^-^^  Eaberius^^)  lieferte  eine  Urkunde,  w'orin 
ilim  von  Cäsar  Geld  aus  dem  Schatze  angewiesen  war,  und 
dadurch  „zog  Antonius  ihn  vom  Himmel  herab."  y*^'  Dass  er 
auch  jetzt  Cicero  nicht  befriedigte ,  ist  sehr  erklärlich ,  weniger, 
dass  der  Verfasser  des  W'>''ks  über  die  Pilichten  ihn  gerade  jetzt 
zu  drängen  beschloss,  wo  man  entweder  Rachsucht  darin  erken- 
nen niusste,  oder  das  Verlangen,  mit  den  Spenden  der  Ops  die 
Schuld  getilgt  zu  sehen.  '■^■^) 

Nach  seiner  Rückkehr  nacli  Rom  hatte  Cicero  den  Verdruss, 
dass  Antonius  eine  Statue  Cäsars  mit  der  Inschrift:  dem  hoch- 
verdienten Vater  des  Vaterlandes,  auf  die  Reduerbühne  stellte, '•"'> 
ihm  an  sich  sclnncrzlich ,  da  er  einst  selbst  diesen  Titel  erhal- 
ten liatte  und  ihn  noch  immer  in  Anspruch  nahm,  und  übcr- 
diess  wurde  der  Pöbel  dadurch  gerechtfertigt  und  die  That  der 
Befreier  von  neuem  für  Vatermord  erklärt.  Auch  erbaute  später 
Octavian,  um  diess  hier  zusammenzufassen,  auf  der  Stelle  des 
Marktes,  wo  Cäsars  Körper  verbrannt  war,  eine  Capelle,  und 
gab  ihr  das  Recht  des  Asyls. 'J'^  Aehnliche  Heiligthümer  ent- 
standen auf  seine  Veranstaltung  in  Ephesus  und  Nicäa.  ^^^  Die 
Curie  des  Pompejus  befahl  er  zu  schliessen,  weil  sie  der  Scliau- 
platz  des  Mordes  gewesen  war, *■''•')     und  weihte  a.   29  am  Comi- 

91)  ad  Alt.  14,  19.  20.  92)  2  Phil.  41.  {)2a)  Unten  §.  20.  A.  22. 
93)  §.  14.  Anm.  9.  94)  2  Phil.  41.  cfr.  1,  12.  ad  AU.  14,  18.  10,  15. 
ad  Fam.  12,  2.  95)  ad  Att.  IG,  15.  üü)  ad  Farn.  12,  3.  97)  Mon. 
Aiicyr.  tab.  4.  v.  2.  Chish.  p.  174.  Calend.  Aniitern.  et  Antiat.  August. 
bei  Verr.  Flacc.  ed.  Foggin.  p.  112  u.  128.  Plin.  35,  10  u.  30.  §.  15. 
Slrabo  14,  2.  19.  (p.  057),  Sex.  Ruf.  reg.  8.  Dio  47,  18.  19.  51,  19. 
54,  35.  App.  2,  521.  Unten  §.  59.  A.  94.  98)  Dio  51,  20.  90)  Ders, 
47  ,  19.  Suet.  Caes.  88.  *' 


134  V.  ANTONII.         (14.  §.  17.) 

tium  die  julisclie ,  welche  zu  Ehren  Cäsars  diesen  Namen  er- 
hielt.'""^  Auch  verordnete  er  scliun  als  Triumvir,  dass  man 
die  Idus  des  Märzes  in  den  Fasten  als  den  Tag  des  Vatermordes 
bezeichnete,  an  welchem  der  Senat  sich  nie  versammeln  sollte;  ') 
dass  man  am  ersten  Januar  jedes  Jahres  die  Gesetze  und  Ein- 
richtungen des  Dictalor  beschwur,  dass  die  Beschlüsse,  worin 
man  ihn  geehrt,  gültig  blieben,  dass  der  Tag  seiner  Geburt 
und  jedes  Siegesfest  zugleich  zum  Andenken  an  seine  Siege 
gefeiert  wurde.  '■^^ 

§  17. 

Bei  dem  rastlosen  Streben  des  Antonius  und  Octavian  nach 
der  Herrschaft  blieben  die  Verschworenen  fast  müssi^e  Zu- 
schauer.     Wir  haben  sie  seit  dem  Tage  des  Leiclienbcffänenisses 


o 


jgangi 


aus  den  Augen  verloren,  "^)  und  kehren  zu  ihnen  zurück.  Den 
Zeitpunkt  ihrer  Flucht  aus  Rom  zu  bestimmen,  wird  uns  mög- 
lichst erschwert.  Freigebig  mit  fremdem  Blute  und  ohne  ein 
Zeichen  der  Reue,  welche  sonst  den  Verbrecher  am  leichtesten 
anwanilelt ,  wenn  der  Zweck  verfehlt  ist,  waren  sie  auf  ihre 
Sicherheit  bedacht.  AVie  aber  M.  Brutus  und  C.  Cassius  nach 
der  Amnestie  versucht  hatten ,  wieder  als  Prätoren  aufzutreten,  *' 
so  entfernten  sie  sich  nicht  unmittelbar  nach  dem  Angriffe  auf 
ihre  AVohnungen  und  der  Ermordung  des  Hclvius  Cinna,  ob- 
gleich diess  fast  allgemein  behauptet  wird.  ■')  Denn  Cicero, 
welcher  früher  entflolien  war,  bezeugt  am  11.  April  seinen  Üu- 
Avillen  über  die  Nachricht,  dass  sie  sich  nicht  öffentlich  zeigen 
dürften,  und  gedenkt  am  12.  einer  Unterredung  zwischen  ihnen 
und  Antonius;  am  15.  meldet  er,  man  habe  Brutus  in  der  Nähe 
von  Lanuvium  gesehen,  und  wünscht  zu  wissen,  wo  er  ver- 
weilen werde.  ^)  Nun  aber  befand  sich  Antonius  damals  in  Rom, 
und  gerade  in  dieser  Zeit  setzte  er  den  falschen  IMarius,  dessen 


100)  Die  51,  22.  cfr.  44,  5.  45,  17.  47,  19.  Plin.  35,  10.  (1.) 
Gell.  11,  7.  u.  die  Münzen  bei  Kckli.  G.  p.  85.  1)  Suet.  Caes.  SU.  Uio 
17,  1!).  Val.  IMax.  1  ,  8.  8.  2)  Dio  45,  7.  47,  18.  Inten  §.  50.  A.  11.  f. 
3)  §.  12.  Anin.  04.  4)  App.  4,  022.  Dio  47,  20.  5)  App.  3,  521.  549. 
1,  022.  Dio  44,  51.  47,  20.  Pluf.  Cic.  42.  Brut.  21.  Anl.  l.i.  nur  im 
<;aeij.  08.  sagt  er,  wenige  Tage  nachher,  cfr.  Vellej.  2,  02.  C)  ad  At(. 
'-*14,  5.  G.  7. 


V.  ANTONII.         (14.  §.  17.)        135 

Tod  Cicero  am  15.  April  erfuhr,  gegen  die  Verschworenen  in 
Bewegung.  Demnach  vcrliessen  jene  die  Stadt  gegen  die  Mitte 
des  Monats,  und  zwar  früher  als  Decimus  Brutus.  Denn  er 
schrieb  ihnen  nacli  einer  niündliclien  Verhandlung  mit  llirtius 
ott'enitar  aus  Ruui ,  wo  seine  Gladiatoren  ihm  einigen  Schutz 
gewährten  :  Antonius  habe  crklilrt,  er  könne  ihm  keine  Provinz 
geben,  und  bei  der  Erbitterung  der  Krieger  und  des  Pöbels 
nicht  für  die  Sicherheit  der  Verschworenen  bürgen;  er  selbst, 
Decimus,  Mcrde  um  eine  freie  Gesandtschaft  nachsuchen.  Nach 
einer  abermaligen  Zusammenkunft  mit  Hirtius  wollte  er  für  sich 
und  seine  Genossen  um  eine  Wache  bitten ,  zweifelte  aber  am 
Erfolge.  ^>'  Am  1  9.  April  meldete  Atticus  seinem  Freunde  ,  dass 
er  im  cisnlpinischen  Gallien,  in  der  von  Cäsar  ihm  bestimmten 
Provinz,  angelangt  sei.  ^^  Appian  ist  daher  im  Irrthume,  wenn 
er  ihn  sogleich  nach   dem  Morde   in  die  Provinz  versetzt.  ^) 

Hier  stand  er  nun  aber  mit  einem  Heere  in  der  Nähe  von 
Rom,  und  man  hoffte  eine  Zeitlang  sehr  viel  von  ihm.  ^^)  Wenn 
die  Municipien,  die  Colonien  und  alle  Anderen  ihn  unterstütz- 
ten, "-*  ganz  vorzüglich  die  Transpadaner,  die  Clienten  des 
C.  Cassius,  '-)  so  geschah  dicss  aus  Zwang,  nicht  aus  Erge- 
benheit gegen  den  Senat  oder  gegen  ihn  als  Befreier,  wie  Ci- 
cero es  darstellt,  denn  später  nahmen  diese  Städte  Antonius  so 
bereitwillig  auf,  dass  er  fürchtete,  es  werde  ihm  keine  übrig 
bleiben;  '■'^  indess  hatte  er  jetzt  an  Allem  Ueberfluss  und  konnte 
sich  schnell  verstärken.  '^^  Seine  Faction  vergab  ihm  gern, 
dass  er  aus  eigener  Machtfülle  handelte,  ^^)  wenn  er  nur  half. 
Er  half  aber  nicht,  und  darauf,  nicht  auf  die  Verschonung  des 
Antonius  bei  dem  Morde  bezogen  sich  die  Klagen  des  Cassius 
in  Antium.  ^^)  Dieser  wurde  durch  seine  Unthätigkeit  selbst  Cicero 
verächtlich,  und  war  am  wenigsten  berechtigt,  ihn  zu  tadeln: 
wenn  es  ihm  und  Brutus  nicht  gelang ,  die  Veter.inen  Cäsars 
und  die  Legionen  in  Macedonien  in  ihr  Interesse  zu  ziehen,  su 
konnte    Decimus  die  seinigen,     deren    Treue    er  in  diesem  Falle 


7)  Cic.  ad  Fam.  11,  1.  8)  ad  Att.  14,  13.  9)  2,  500.  3,  527. 
529.  530.  10)  Cic.  ad  Att.  11,  13.  15,  11.  ad  Kam.  12,  5.  App.  3,  520. 
11)  Cic.  3  Phil.  15.  5,  13.  8,  2.  10,  5  u.  10.  12,  4.  12)  10  Phil.  5. 
ad  Fam.  12,  5.  13)  App.  3,  558.  14)  5  Phil.  13.  12,  4.  15)  ad  Fdu. 
11,  7.     IG)  ad  AU.  15,  11.    Oben  §.  7.  A.  82. 


136  V.  ANTONII.  (14.  §.  17.) 

nicht  einmal  gewiss  war,  nicht  gegen  Rom  führen.  Aber  er 
war  an  sich  unfähig,  ein  grosses,  gemeinsames  Ziel  ins  Auge 
zu  fassen,  und  darauf  liinzuwirken.  Siclierlieit,  eine  Provinz, 
Geld  und  ein  Triumph,  diess  war  es,  "worauf  seine  Plane  sich 
beschränkten.  Er  bekriegte  Alpenvölker,  angeblich,  die  Trup- 
pen durch  Beute  zu  fesseln;  den  wahren  Grund  verrieth  sein 
Schreiben  an  den  Senat,  ihm  ein  Siegsfest  zu  bewilligen,  eine 
Bürgschaft  für  den  Triumph,  und  die  Bitte  an  Cicero,  seinen 
Einfluss  für  ihn  zu  verwenden.  ^^)  Seitdem  nannte  er  sich  Im- 
perator, ^^)  und  jener  bezeugte  ihm  im  nächsten  Jahre  vor  dein 
A'olke,  dass  nur  die  Rücksicht  auf  die  Republik,  d.  h.  die  Waf- 
fengewalt des  Antonius,  ihn  bewogen  habe,  lieber  seine  Pro- 
vinz zu  vcrtheidigen,  als  den  Aufzug  zu  halten.  '^) 

Auch  andere  Verscliworene  nalimen  die  ihnen  von  Cäsar 
angewiesenen  Provinzen  in  Besitz;  C.  Trebonius,  welcher  am 
22.  Mai  in  Athen  war,  gieng  nach  Asia,  Tillius  Cimber  nach 
Bithynien, -")  und  man  konnte  mit  Cicero  sagen,  dass  der  Staat 
in  seinem  Sinne  da  sei,  wo  sie  sich  befanden ,  wenn  sie  für  die 
Aristocratie  gerüstet  hätten ,  wie  er  verlangte. 

Die  Häupter  der  Verschwörung  blieben  bis  zum  September 
in  der  Nähe  von  Rom.  Sie  rechneten  auf  Wechselfälle  als  Folge 
einer  Sinnesänderun<j  im  Volke  oder  in  Antonius.  Seine  Strenäje 
gegen  den  falschen  Älarius  um  die  Mitte  des  April,  wodurch  er 
sich  ihnen  zu  nähern  schien,  hatte  ihren  ganzen  Beifall. -0 
Doch  zweifelten  sie  noch  an  der  Aiifriclitigkeit  seiner  Bekeh- 
rung, und  Brutus  gieng  nach  Lanuvium ,  ganz  gegen  Ciceros 
Wunsch,  wie  aus  einem  Briefe  vom  19.  April  erliellt ,  -->'  denn 
sie  sollten  dem  Gegner  unter  die  Augen  treten.  Dieser  ver- 
siclierte,  dass  alles  günstig  endigen  werde,  wenn  sie  Volk  und 
Veteranen  Zeit  gönnten,  sich  zu  beruhigen,  durch  Rüstungen 
sie  nicht  A*om  neuen  reizten,  und  sie  folgten  ihm  nur  zu  sehr. 
Denn  sie  suchten  Avedcr  eine  Verbindung  mit  Octavian,  noch 
sammelten  sie  Streitkräfte,  um  D.  Brutus  zu  unterstützen,  son- 
dern   cutlicssen   ihre  Anhänger  in  den  Municipicn    und  behielten 


17)  ad  Fam.  11,  4.  IS)  Das.  u.  11,  C.  f.  19)  G  Pliil.  3.  Vgl. 
uiifoii  §.  17.  A.  81.  20)  ad  Fam.  12,  IG.  ad  Alt.  14,  10.  21)  ad  Alt, 
11,   8.  üben  §.    13.     2'2)  ad  Alt.    11,   10. 


V.  ANTONII.       (14.  §.  17.)  137 

nur  eine  Schutzwache."-')  Und  doch  regte  sich  dort  eine  Partei 
für  sie;  Putcoli  und  Teanum  Sidicinum  wählten  sie  sogar  zu 
Patronen,  aber  sie  hatten  nicht  den  Muth,  es  zu  benutzen, ^4) 
und  Avandten  sich  lieber  an  den  Consul.  ^'-^ 

Nach  der  Zerstörung  des  Altars  durcli  Dolabella-")  ■wünschte 
Cicero,  dass  sie  nach  Rom  zurückgehen  und  n»it  Hülfe  des 
Senats  oder  mit  Gewalt  die  alte  Verfassung  herstellen  möchten; 
ein  Brief  des  Brutus  belehrte  ihn  im  Anfange  des  Mai,  dass 
dieser  vielmehr  auf  eine  Auswanderung  daclite.'-^^)  Dann  wollte 
er  am  1.  Juni  nicht  im  Senat,  sondern  auf  dem  Markte  auf- 
treten. Cicero  fand  diess  ungereimt,  du  das  Eine  durch  das 
Andere  bedingt  wurde, -^^  und  weigerte  sich,  eine  Rede  an  das 
A'olk  für  ihn  zu  entwerfen,  wie  Atticus  verlangte.  Als  Grund 
gab  er  die  Eitelkeit  des  Brutus  an ,  welcher  schon  ein  Edict 
von  seiner  Hand  zurückgewiesen  Jiabe;  -^)  er  mochte  sich  aber 
nicht  zu  sehr  verwickeln,  die  Machthaber  nicht  beleidigen,  wenn 
er  sich  auch  verpfliclitete ,  auf  seiner  Villa  die  gute  Sache  Hir- 
tius,  dem  künftigen  Consul,  zu  empfehlen.  Diess  forderten  so- 
wohl Brutus  als  Cassius  auf  das  dringendste  als  einen  Avichti- 
gen  Freundschafts -Dienst;  denn  von  Anderen  erwarteten  sie  das 
Heil,  von  Cicero,  der  nichts  wollte,  als  sicli  selbst,  "ton  Hir- 
tius ,  der  ihm  offen  gestand ,  er  fürchte  sie  eben  so  sehr  als  er 
Antonius  fürchte ,  ^"J  von  diesem  endlich,  der  mit  ihrer  Einfalt 
sein  Spiel  trieb. 

Er  hatte  auf  den  1.  Juni  eine  Senats -Versammlung  ange- 
setzt ,  und  sie  plagten  sich  und  Andere  mit  der  Frage ,  ob  sie 
erscheinen  sollten.  Seine  Vorkehrungen,  die  Gegner  zurückzu- 
schrecken oder  zu  zügeln,  waren  bekannt,  und  um  so  mehr 
darf  man  glauben,  dass  sie  nur  einen  Vorwand  suchten,  ihrea 
Aufenthalt  in  Italien  zu  verliinjjern.  Nach  Ciceros  Meinung 
waren  sie  überall  sicherer,  als  in  der  Curie;  -^0  aber  er  wünschte 
ihre  Gegenwart,  damit  sie  ihm  den  Weg  bereiteten  oder  doch 
einer  quaalvollen  Ungewisslieit  ein  Ende  machten.  Nur  sollten 
sie  ohne  ihn  handeln ,  ihm  fern  bleiben ,  damit  er  Antonius  und 
Octavian    nicht    verdächtig    würde.      Brutus    bat    ihn   indess  um 


23)  ad  Farn.  11,  2.  u.  nd  Att.  15  ,  1.  24)  2  Pbil.  40.  (41).  25)  ad 
Att.  14,  15.  20)  §.  IG.  A.  74.  27)  ad  Att.  14,  15.  IC.  19.  28)  ad 
Att.  14,  18.     29)  Das.  14,  20.     30)  Das.  15,  1.  5.  6.     31)  Das.  14,  22. 


138  V.  ANTONII.        (14.  §.  17.) 

eine  Unterredung,  und  er  konnte  nicht  ausweichen:  ganz  kurz 
gedenkt  er  der  Freude,  ihn  gesehen  zu  haben.  ^-)  Nun  eine 
ärgere  Zumuthung:  er  soll  nach  Lanuvium  kuinmen;  das  wird 
ein  Gerede  geben!  es  ist  verhasst,  kein  Ausweg  zeigt  sich; 
also  zu  Brutus,  und  dann  nach  Rom.  ■*"*)  Der  Entschluss  der 
Verzweiflung  wurde  augenblicklich  aufgegeben;  es  scheint  aber, 
dass  er  noch  vor  dem  I.  .Tuni  mit  Atticus  zu  den  lüstigen 
Freunden  gieng. ^*-'  Auch  schrieb  er  ihnen,  dass  er  keinen  Ge- 
danken habe,  als  sie  und  die  Republik,  erhob  die  blutige  That 
des  Dolabella,  und  erbitterte  sie  gegen  Antonius,  welcher  als? 
Vollzieher  ächter  und  unächter  Decrete  die  Ihrige  nutzlos  ma- 
che,  ^^)  und  beschloss  endlich,  auf  ihre  immer  erneuerte  Bitte 
um   guten   Rath   nicht  mehr  zu   antworten.  ^6) 

Durch  die  Nachrichten  beunruhigt,  welche  sie  während  der 
Reise  des  Antonius  und  später  erhielten,  dass  er  die  Veteranen 
nach  Rom  entbiete,  und  bis  zum  1.  Juni  viele  folgen  werden, 
dass  es  dort  wieder  gähre  und  sogar  von  der  Herstellung  des 
Altars  die  Rede  sei,  und  auf  der  andern  Seite  von  den  Opti- 
maten ,  welche  sie  vorschieben  wollten,  aufgefordert,  an  jenem 
Tao-e  im  Senat  zu  sein,  befragten  sie  den  Consul  selbst,  ob  sie 
ohne  Gefahr  sich  einfinden  könnten.  So  viel  A'ertrauen  hatte 
er  wohl  nicht  erwartet.  Seine  Antwort  ist  unbekannt;  doch 
mochte  er  theilnehmend  vor  den  Kriegern  warnen,  welche  er 
nicht  zu  zälimen  vermöge,  und  sich  darauf  beziehen,  Mas  Cicero 
und  Atticus  zu  Lanuvium  von  ihnen  hörten.  ^'^  Sie  kamen 
nicht,  obgleich  man  glaubte,  der  Senat  werde  über  ihre  Pro- 
vinzen verfügen.  ^SJ 

Je  grösser  die  Zahl  ihrer  Rathgeher  wurde,  desto  mehr 
schwankten  sie,  und  desto  weniger  mochte  Cicero  sich  mit  ihnen 
"befassen.  Denn  ausser  Servilia,  der  Mutter  des  Brutus,  welche 
den  meisten  Einfluss  auf  ihn  hatte,  ^^^  waren  auch  seine  Ge- 
mahlinn  ,  Porcia  ,  bei  ihnen,  Tcrtulla,  die  Gcmahlinn  des  Cas- 
sius ,  Favonius  und  Andere,  *^>'  zum  Theil  durch  Cato  mit  den 
Lehren  der  Stoa  wohl  vertraut,  mit  welchen  jedoch  auch  der 
ftäXa  atftvöq    zu    vereinigen    wusste,     dass    seine    Mutter  das  Gut 

32)  Dai.  15,  1.  3.  33)  Da».  15,  4,  3t)  Anva.  37.  35)  ad  Fam. 
12,  1.  30)  ad  AU.  15,  5.  37)  Das.  15,  20.  38)  Das.  15,  5.  Uuten 
§.  20.     39)  Das.   15,  6.   10.  II.   12.  17.  24.     40)  Das.  15,  11. 


V.  ANTüNII.        (11.  §.17.)        139 

eines  Mitverschworenen,     des  Pontius  Aquila,    behielt,     ein  Ge- 
schenk Cäsars.  *') 

An  Gegenständen  der  Berathung  fehlte  es  nicht.  Auch  von 
ihrer  i'action  ahgesehen,  welche  nach  dem  Ruder  gelüstete,  bo- 
ten die  persönlichen  Verhältnisse  des  Brutus  und  Cassius  Stoff 
genug.  Als  Prätoren  durften  sie  nicht  ülter  zehn  Tage  von 
Rom  abwesend  sein,  und  als  Vertheidiger  des  Gesetzes  und  der 
Ordnung  konnten  sie  nicht  vor  dem  Ende  ihrer  Prätur  Provin- 
zen verwalten;  Syrien  war  übcrdiess  vom  Volke  Dolabella,  und 
Macedonien  vom  Senat  Antonius  überwiesen.*'''^  Sie  mochten 
weder  als  pflichtvergessen  noch  als  verbannt  erscheinen,  und 
der  Ausweg,  welchen  ihre  Freunde  in  Rom  wählten,  entsprach 
den  Plänen  des  Antonius  so  sehr,  dass  er  ihnen  gern  entgegen- 
kam. Demnach  sollten  sie  Rom  mit  Getraide  versorgen,  und 
Provinzen  erhalten,  welche  sich  dazu  eigneten.  Man  glaubte 
anfangs,  der  Senat  werde  am  1.  Juni  darüber  verhandeln, 
allein  erst  später,  am  5.  wurden  sie  auf  Antonius  Antrag  von 
der  Pflicht,  in  der  Hauptstadt  zu  sein,  entbunden,  und  die 
Provinzen  bestimmt.  *-)  Auch  über  diese  giengen  Cicero  und 
ihnen  selbst  falsche  Nachrichten  zu,  nach  welchen  Brutus  in 
Asia  und  Cassius  in  Sicilien  Getraide  kaufen  sollten.  ^V  Aus 
diesem  Grunde,  und  weil  der  Beschluss  nie  vollzogen  wurde, 
kann  es  nicht  befremden,  wenn  die  Schrift.steller  aus  späterer 
Zeit  von  einander  abweichen.  In  Betreff  des  Brutus  ist  es  über 
allen  Zweifel  erhaben,  dass  ihm  nicht  Bithynien  angewiesen 
wurde,  wie  Appian  in  einigen  Quellen  fand,  **)  sondern  Creta ;*■"•) 
aber  eben  so  richtig  nennt  jener  beharrlich  Cyrene  als  Cassius 
Provinz,  **•)  nicht  Creta  und  Cyrene,  *^)  oder  Bithynien,  ^^^  oder 
Afrika.*-'^  Er  hat  hier  das  Vorurtheil  für  sich,  weil  er  in  dem 
Anderen  sich  bewährt;  die  Erwähnung  Siciliens  in  Ciceros  Brie- 
fen beruht  auf  falschen  Gerüchten,  obgleich  in  den  Philippiken 
nur  die  andere  Angabe  ausdrücklich  berichtigt  wird;  dass  Cicero 
nicht    mit    Cassius    sich    einschiffen    wollte,    weil    er    nicht    über 


41)  Das.  14,  21.  15,  12.  41 '>)  §.  20.  A.  22.  23.  42)  Das.  15,  5. 
0.  2  Phil.  13.  Nepos  Attic.  S.  Unten  §.  20.  A.  60.  43)  ad  Att.  15,  9.  11. 
44)  3,  531.  45)  Cic.  2  Phil.  38.  11,  12.  App.  I.  c.  u.  3  ,  533.  536.  550. 
4,  622.  Die  43,  32.  46,  23.  47,  21.  Plut.  Brut.  19.  46)11.  cc.  47)  App. 
3,  531.     48)  Die  47,  21.     49)  Flui.  Brut.  19. 


i40  V.    ANTONIL  (14.  §.  17.) 

die  Meerenge  der  Insel  hinaus  mit  ihm  reisen  konnte,  beweiset 
nur,  dass  sie  ■\veiteiliin  nicht  Ein  Weg  f  ührte ;  ^'^^  nach  Bithy- 
nicn  war  bereits  Tillius  Cimher  abgegangen,  und  in  Afrika 
stand  Corniticius;  sie  waren  Freunde  des  Senats,  welcher  sie 
nicht  A'erdräncccn  mochte. 

Es  war  ferner  nicht  seine  Absicht,  dass  die  beiden  Ver- 
schworenen durch  diess  Geschäft  ihr  Anrecht  an  prätorische 
Provinzen  verloren;  man  hat  in  den  Beschluss  hineingetragen, 
was  Antonius  wünschte  und  dadurch  vorbereitete.  ^'^  Daher 
klafft  auch  Cicero  in  den  Briefen  aus  dieser  Zeit  nur  über  das 
Schimpiliche  des  Auftrags,  welcher  die  Herren  zu  Getraidehänd- 
lern  erniedrige;  er  sei  einer  Verbannung  gleich  zu  achten,  und  hin- 
dere Brutus,  bei  seinen  Spielen  in  Rom  gegenwärtig  zu  sein, 
selbst  seine  Aeusserung,  das  Stillsitzen  in  Lanuvium  sei  freilich 
noch  ärger,  beweis't,  dass  er  nur  an  die  nächste  Zukunft,  nur 
an  dieses  Jahr  dachte,^-)  nicht  an  den  Eintausch  kleiner  Pro- 
vinzen ohne  Heer  gegen  grosse  mit  zahlreichen  Truppen.  ^^-^ 

Für  ihn  lag  das  Widrige  darin,  dass  es  ihn  wieder  mit 
den  Befreiern  in  Berührung  brachte,  weil  er  nun  auch  darüber 
seine  Stimme  abgeben  sollte.  Wozu  konnten  sie  ihm  noch 
nützen?  Sie  waren  nicht  nach  Rom  gegangen,  hatten  nicht  ge- 
rüstet, und  jetzt  Avar  ihnen  Antonius  auch  schon  zu  stark.  ^*J 
Doch  Hess  sich  das  Verhältniss  nicht  sogleich  abbrechen,  und  er 
reis'te  am  8.  Juni  zu  ihnen  nach  Antium,  wo  er  Brutus  rieth, 
anzunehmen,  denn  er  habe  jetzt  nur  noch  auf  seine  Sicherheit 
zu  denken.  Dasselbe  sagte  er  Cassius,  welcher  später  eintrat 
und  ungestüm  erwiederte ,  er  werde  nicht  gehen ,  sich  nicht 
einem  schmachvollen  Auftrage  unterziehen,  den  er  gar  noch  als 
eine  Gnade  betrachten  solle.  Nach  vielem  Hin-  und  Herreden 
wollten  endlich  beide  sich  dem  Senatsbeschlusse  fügen,  wenn 
der  Getraidekauf  erlassen  werde,  und  diess  verbürgte  Servilia. 
Cicero  aber  hoftte,  dass  seine  Rechnung  mit  den  „Antiaten'S 
welche  er  höchst  albern  fand,  nun  geschlossen  sei,  denn  sie 
zogen  darauf  Schifte  zusammen,  um  Italien  zu  verlassen.^-') 

Nur  wollte  Brutus  zuvor  für  seine  Spiele  das    Erforderliche 

50)  Cic.  ad  Att.  IG,  4.  51)  App.  3,  533.  53G.  cfr.  Cic.  ad  Att.  15, 
D.  52)  Das.  u.  ep.  10.  53)  App.  3,  550.  54)  Cic.  ad  Att.  15,  10. 
55)  Das.  15,  H.   12. 


1 


I 


V.  ANTONII.         (H.  g.  17.)       141 

anordnen.  Er  gicng  dtilier  mit  Cassius  vieder  nacli  Lanuvium, 
und  am  25.  Juni  sogar  noch  tiefer  ins  Land,  nach  Anagnia.  ^*') 
Ciccrp  scliricb  ilun  zwar  auch  in  dieser  Zelt,  erwartete  aber 
mit  Sehnsucht  die  Nacliricht  von  seiner  Einschiffung,  ^'^)  und 
war  sehr  überrascht,  als  am  30.  ein  Brief  aus  Anagnia  ihn 
einlud,  den  Spielen  beizuwohnen.  ^^^  Auch  er  wünschte,  dass 
sie  eine  Bewegung  zu  Gunsten  der  Befreier  veranlassen  und 
bewirken  möchten,  was  zu  verhüten  nach  den  Philippiken  Bru- 
tus nicht  erschien,  ^^)  ihn  aber,  der  selbst  ausserhalb  der  Stadt 
die  Verbindung  mit  ihm  geheim  zu  halten  suchte,  auf  eine  sol- 
che Art  mit  seinem  Ansehn  in  Anspruch  nehmen,  nannte  er 
gegen  Atticus  unvernünftig,  und  unter  dem  Vorgeben,  dass  der 
Aufenthalt  in  Rom  jetzt  mit  seiner  Würde  unverträglich  und 
er  überdiess  im  Begriff  sei ,  sich  einzuschiffen ,  lehnte  er  dea 
Antrag  ab.  ^^)  Zu  Putcoli,  an  der  Küste,  wo  er  am  7.  Juli  ein- 
zutreffen gedachte,  wollte  er  die  Ereignisse  erwarten,  und. 
Atticus  wurde  ersucht,  ohne  Verzug  und  recht  oft  zu  berichten.  ''O 
Brutus  war  in  der  Nähe ,  auf  dfer  Insel  Nesis  ,  02)  ebenfalls 
voll  Verlangen ,  den  Erfolg  der  Apollinarspiele  zu  erfahren, 
welche  er  als  städtischer  Prätor  zu  geben  verpflichtet  war.  Sein 
College,  der  Prätor  C.  Antonius  führte  am  7.  Juli  und  bis  zum 
Ende  der  Feier  die  Aufsicht ,  die  Kosten  aber  trug  er  selbst. 
Er  hatte  die  Schauspieler  gedungen,  viele  fremde  Thiere  ge- 
kauft, und  auch  übrigefis  nichts  gespart,  um  sich  beliebt  zu 
machen.  ^"^^  Durch  den  Wetteifer ,  mit  welcheni  die  Häupter 
der  Parteien  sich  um  ihre  Gunst  bewarben,  durch  Geld,  Acker- 
gesetz und  Spiele ,  wurden  Volk  und  Veteranen  noch  übermüthi- 
ger.  Aber  Antonius  beunruhigte  in  der  Mitte  seiner  Bewaffne- 
ten der  Andrang  der  Menge  nicht,  ''^)  und  er  hatte  manches 
veranstaltet ,  Avas  Brutus  schaden  oder  ihn  doch  kränken  musste. 
Denn  in  der  Ankündigung  seiner  Spiele  wurde  der  Monat  nicht 
Quintilis,  sondern  nach  dem  Tyrannen  Julius  genannt,''^)  und 
man    gab    nicht    den    Brutus    des  Atticus ,     wie  er  gehofft  hatte^ 


50)  Das.  15,  17.  24.  57)  Das.  15,  20.  23.  26.  58)  Das.  15,  26. 
Plut.  Brut.  21.  59)  ad  Att.  15,  20.  10  Phil.  3.  App.  3,  510.  60)  ad 
Att.  1.  c.  Gl)  Das,  u.  ep.  28.  16,  1.  02)  Das.  10,  1.  C3)  1  Phil.  15. 
2,  13.  10,  3i  App.  3.  540.  541.  Dio  47,  20.  Plut.  Brut.  21.  64)  Cic. 
ni\  Att.  15,  29.     65)  Das.  10,  1. 


142  V.  ANTONir.         (14.  §.  17.) 

sondern  dessen  Tereus.  ^oj  Mochte  das  \'olk  einzelne  Stellen 
mit  Beifall  aufneliiiien ,  Aveil  es  sie  auf  ihn  und  seine  That  be- 
zog, '•')  es  waren  nur  Aeusserungen  befriedigter  Schaulust;  der 
Theil  der  Spiele,  uelclier  an  sich  nicht  reizte,  Murde  vernach- 
lässigt,  *'*'J  und  von  einer  Bewegung  zu  fjunsten  der  Befreier 
zeigte  sich  keine  Spur,  obgleich  einige  Besoldete  schrieen,  man 
müsse  sie  zurückrufen.  <'3) 

Indess  begab  sich  Cicero  am  8.  Juli  nach  Nesis,  wo  er 
Brutus  den  AVunsch  eröffnete,  ihn  auf  der  Reise  zu  begleiten. 
Dieser  gieng  wenig  darauf  ein.  Er  hielt  zwar  wie  Cassius  eine 
hinlängliche  Anzahl  von  Schiften  in  Bereitschaft,  angeblich  zum 
Behuf  des  Getraidekaufs,  erwartete  aber  zunächst  Berichte  aus 
Rom.  ^•'>'  Der  ,, Julius"  empörte  ihn,  und  seine  Geschäftsträger 
sollten  das  Tiiiergefecht  nach  den  ApoUinarspielen  auf  den  13. 
„Quintilis"  ankündigen;  sein  Vertrauen  zu  der  guten  Sache, 
welcher  diese  Massregel  sehr  erspriesslich  schien,  wurde  nicht 
erschüttert.  Er  wollte  ihr  Zeit  gönnen,  zögern,  langsam  schif- 
fen ,  oft  anlegen,  um  nicht  zu  fern  zu  sein,  Avenn  man  in  Rom 
seiner  begehrte.  ") 

Als  Cicero  am  10.  Juli  Briefe  von  Atticus  erhielt,  eilte  er 
wieder  nach  der  Insel,  in  der  richtigen  Voraussetzung,  dass 
jener  auch  an  Brutus  geschrieben  habe,  dessen  Freude  über  die 
Aufnahme  des  Tereus  er  übrigens  nicht  theilte,  da  das  römische 
Volk  seine  Hände  zu  etwas  Besserem  als  zum  Klatschen  gebrau- 
chen könne;  erfreulich  sei  nur  der  Aergcr  der  Antonier.  '^J 
Dann  lief  auch  Cassius  in  die  Bucht  ein,  in  welcher  Nesis  lag; 
er  gieng  nach  Neapel,  und  Brutus  blieb  auf  der  Insel,  einem 
Eigenthume  des  Lucullus,  um  mehr  zu  hören. ^'^^  Ihr  Zögern 
Avxirde  Antonius  lästig.  Um  sie  fortzuscheuchen,  erliess  er  gegen 
Ende  des  Juli  ein  drohendes  Edict  voll  Schmäliungen,  und 
schickte  ihnen  Briefe  von  gleichem  Inhalt.  In  ihrer  Antwort 
töm  4.  August  ist  manches  dunkel.  Die  Forderung,  deren  sie 
gedenken,  kann  sich  nicht  auf  die  Erlaubniss  beziehen,  von 
Rom  a^bwesend  zu  sein,    wie  Manutius  u.  A.  glauben,     denn  sie 

eC)  Das.  IG,  2.  5.  1  Phil.  15.  CT)  1  Phil.  15.  2,  13.  10,  3. 
CS)  8.1  Att.  16,  5.  C9)  App.  3,  511.  70)  Cic.  ad  Alt.  10,  1.4.  5. 
10  Phil.  4.  71)  ad  Alt.  IC,  4.  72)  Das.  10,  2.  73)  Das.  u.  ep.  3. 
10  Phil.  4. 


V.  ANTOMI.        (14.  §.  17.)       143 

war  ihnen  mit  dem  Auftrage  gegeben,  Getraide  zu  kaufen.  ''*) 
Sie  erklärten,  dass  es  dem  Consul  nicht  gelingen  werde,  sie  zu 
schrecken,  I;iugn«»ten ,  dass  es  ihre  Absicht  sei,  einen  Hiirger- 
krieg  zu  erregen,  und  riethen  ihm,  niclit  Männern  gerieten  zu 
wollen,  •welchen  auch  er  die  Freiheit  verdanke,  und  sich  zu 
erinnern,  wie  bald   Ciisars   Herrschaft  sicli   geendigt  habe.  ^•''' 

Im  (ianzen  war  der  Brief,  welchen  sie  in  Neapel  sclirie- 
ben,  ^''^  friedlicher  Art,  und  auch  in  einem  Edict  wieilerholten 
sie,  dass  sie  gern  auf  immer  sicii  verl)aiinen  würden,  wenn 
diess  die  Ruhe  erhalten  könne.  ^^^  Cicero  war  schon  in  See 
gegangen,  aber  am  6.  August  nach  Leucopetra  verschlagen, 
in  dessen  Nähe  er  sich  auf  der  Villa  eines  Freundes  aufhielt. 
Hier  theilten  ihm  llheginer,  welche  kürzlich  in  Rom  gewesen 
waren,  eine  gemässigte  Rede  des  Antonius  mit,  und  die  Nach- 
richt, am  Ersten  werde  der  Senat  zusammenkommen,  Brutus 
und  Cassius  haben  Consularen  und  Prätorier  ersucht,  gegen- 
wärtig zu  sein,  und  man  hoffe  eine  Einigung.  Diess  bezieht 
sich  nicht  auf  den  1.  September,  Avie  man  glauben  möchte, 
sondern  auf  den  ersten  Sextil  oder  August.  Cicero  nennt  ihn 
zwar,  aber  so,  dass  es  nicht  gleich  deutlich  wird,  er  I.fsse  die 
Rheginer  von  einer  Sitzung  sprechen,  welche  noch  bevorstand, 
als  sie  von  Rom  abreis^ten ,  deren  E!rfolg  sie  noch  nicht  kann- 
ten und  er  selbst  erst  später  erfuhr ,  ''^)  von  w  elcher  sie  aber 
viel  erwarteten.  Bald  wurde  ihm  auch  jenes  Edict  überbracht, 
und  er  trat  die  Rückreise  an.  ^'')  Am  17.  August  errciclite  er 
Velia.  Brutus,  dessen  Schiffe  in  der  Nähe,  an  der  Mündung 
des  Haies,  8^)  vor  Anker  lagen,  kam  zu  ihm  und  bezeugte  ihm 
seine  Freude  über  seinen  veränderten  Entschluss;  er  erhob 
L.  Piso  zum  Himmel,  weil  er  am  Ersten  in  der  Curie  frei- 
müthig  gesprochen  hatte,  und  hoffte,  dass  nun  auch  Cicero 
kräftig  eingreifen  werde.  Dieser  rcis'te  weiter  nach  dem  Pom- 
pejanum,   und  vertrauete  Atticus,   er  habe  diese  Absicht  nicht.  ^O 

Er  war  am  1.  September  zwar  in  Rom,  aber  nicht  im  Se- 
nat, und  Antonius  trug  auf  Supplicationen  für  Cäsar  a_n._  Da- 
-■  .".  i  i: 

74)  Oben  Anm.  42.  75)  Cic.  ad  Farti.  11,  3.  76)  ad  Alt.  16,  7v 
17)  Das.  1  Phil.  3.  Vellej.  2,  62.  78)  1  Phil.  4.  79)  ad  Alt.  16,  7. 
1  Phil.  3.  Plut.  Cic.  43.  Unten  §.  19.  A.  6.  80;  cfr.  ad  Fam.  7,  20, 
81)  ad  Att.  I.  c.  1  Phil.  4.  10,  4.  •       •'^  •'  - 


144  V.  ANTONII.        (14.  §.  18.) 

mit  scliicn  alle  IIofFnung  vereitelt  und  jeder  Vorwand  zu  län- 
gerem Zögern  benonuucn,  daher  Brutus  mit  Ziirücklassung  sei- 
ner Familie  ^-^  nun  endlich  von  Velia  nach  Athen  abgieng,  und 
Cassius  wenige  Tage  spater  folgte,  nicht  um  Cetraide  zu  kau- 
fen, sondern  um  Macedonien  und  S^Tien  zu  nehmen,  und  nicht 
einen  Bürgerkrieg  zu  verhüten,  8^)  wozu  ihnen  die  Kräfte  gänz- 
lich fehlten ,  sondern  diese  Kräfte  zu  sammeln.  Zu  schwach, 
Antonius  und  üctavian  zu  w  iderstehen ,  verfielen  sie  in  die 
Rolle  des  Ersten ;  sie  vollzogen  Verfügungen  Cäsars ,  w  elclie 
Senat  und  Volk,  was  auch  die  Ursache  sein  mochte,  aufgeho- 
ben hatten,  ^^)  und  verletzten  die  Verfassung,  selbst  wenn  jene 
gültig  blieben ,  dadurch ,  dass  sie  jetzt  schon  die  erwähnten 
Provinzen  verwalten  wollten.  ^'^) 

§  18. 

Sic  waren  nach  Cäsars  Tode  noch  in  Rom,  als  Cicero  sich 
auf  seine  Güter  begab.  Es  erhellt  aus  dem  Vorigen,^'')  obgleich 
er  in  den  ersten  Briefen,  welche  er  jetzt  an  Atticus  schrieb, 
die  Zeit  nicht  bemerkt  hat;  der  fünfte  ist  vom  II.  April.  8^) 
AVenn  er  öffentlich  sprach ,  gieng  er  über  diesen  Rückzug  leise 
hinweg ;  ^^-^  auch  Atticus,  ja  sich  selbst  suchte  er  über  die  Gründe 
zu  täuschen,  welche  ihn  dazu  bestimmten;  doch  gelang  es  nicht 
immer.  Es  würde  ermüden ,  ihm  überallhin  nachzugehen ,  wo 
er  seine  Selbstsucht  verbergen  will ;  besser  wird  als  Ergcbniss 
einer  genauen  Beobachtung  sogleich  zusammengestellt,  was  Hin 
wirklich  und  was  ihn  nur  sclielnbar  bewog,  Rom  und  Italien 
zu  verlassen.  Dicss  aber  muss  hier  besprochen  Mcrden ,  w eil 
es  in  mehrfacher  Hinsicht  in  die  allgemeine  Geschichte  dieser 
Jahre  eingreift. 

Cicero  hatte  zwar  an  dem  Morde  nicht  Thcll  genommen, 
aber  er  hatte  dadurch,  dass  er  zu  den  ]\Iördern  auf  das  Capitol 
gieng  und  eine  Amnestie  empfahl,^")  sich  zu  ihren  Grundsätzen 


82)  Flut.  Brut.  23.  83)  Cic.  10  Phil.  4.  84)  Unten  §.  20.  85)  Cic. 
1.  c.  Vellej.  2,  02.  Säet.  Oct.  10.  App.  3,  511.  Dia  17,  20.  21.  Plut. 
Brut.  23.  24.  Flor.  4,  7.  Oios.  G,  18.  Unten  §.  39.  A.  80.  80)  §.  17. 
Aiim.  6.  87)  ad  Alf.  14,  5.  88)  1  Phil.  2.  89)  üben  §.  8.  Aiim.  99. 
§.   lU.  A.  82. 


V.  ANTONII.       (14.  §.  IS.)       145 

bekannt.  Man  wusste  olincliin,  wie  er  {gesinnt  war.  Aus  Furcht 
und  weil  er  schien  Kinfluss  nicht  wieder  gewinnen  konnte, 
rcis'te  er  auf  das  Land,  wo  er  sonst  gern,  jetzt  aber  aus  Noth 
verweilte.  ^^■)  Nach  seiner  Behauptung  war  ihm  das  Leben 
gleichgültig,  denn  er  war  alt,  und  hatte  genug  gethan  für  sei- 
nen Ruhm;  '■'0  dalier  lilclt  ihn  auch  nicht  die  Gefahr,  sondern 
die  lliicksiclit  auf  seine  Würde  von  Rom  entfernt.  '•'-)  Indess 
machte  es  die  wilde  Wuth  des  Pöbels  bei  und  nach  dem  Lei- 
clienbegangnlsse  rathsam,  ihm  auszuweichen,  das  Rachegeschrei 
der  Veteranen,  welche  Antonius  in  die  Hauptstadt  zog,  ihnen 
nicht  zu  nahen.  '•>-^)  In  Italien  überliaupt  war  keine  Sicherheit 
inehri,  denn  schrecklich  droheten  die  Freunde  des  Erschlagenen, 
selbst  in  seiner  Umgebung,  ^^J  und  wem  konnte  es  mehr  gelten, 
als  ihm ,  der  seine  Freude  über  den  1 5.  März  so  laut  geäussert 
hatte ; '''"^)  den  man  einen  Undankbaren  nannte,  weil  er  von 
Cäsar  begnadigt  und  mit  Auszeichnung  behandelt  Avar ,  den 
Matius,  selbst  dieser,  dessen  AVerth  und  Mässigung  er  aner- 
kennen musste,*-"*)  mit  seinen  schönen  Wörtern  Freiheit  und 
Vaterland  zurückwies  und  auf  das  Unwürdige  seines  Benehmens 
aufmerksam  machte.  '-^^^ 

Ohne  Zweifel  sprach  er  in  den  Versammlungen  auf  den 
Villen ,  wie  er  an  Atticus  und  die  Verschworenen  und  selbst  an 
Dolabelhi  schrieb ,  und  eben  so  gewiss  ist  es ,  dass  diess  kein 
Ceheimniss  bleiben  konnte.  Nach  jeder  trüben  Betrachtung  kam. 
er  auf  jenen  Tag  als  auf  das  Einzige  zurück,  was  ihn  freue 
«nd  aufrichte,  ^8)  und  es  verletzte  den  Parteigeist  und  in  einem 
Matius  auch  das  sittliche  Gefühl  um  so  mehr,  als  er  sich  selbst 
sagen  musste,  dass  der  Mord,  das  herrliche  Gastmahl,  zu  wel- 
chem nicht  geladen  zu  sein  er  bedauerte,^'-')  völlig  nutzlos  ge- 
wesen, dass  dadurch  nur  ein  Schlechterer  an  das  Ruder  gelangt 
und  daher  eben  die  Freude  über  den  Tod  des  Herrschers,  die 
Befriedigung  des  Hasses  als  der  einzige  Gewinn  zu  betrachten 
sei.  ^"'')      Ein   ähnliches    Mahl    konnte    man  auf  seine  Kosten  be- 


90)  Cic.  ad  Fam.  16,  23.  9])  ad  Farn.  10,  1.  92)  ad  A(t.  15,  5. 
26.  93)  Das.  15,  5.  94)  Das.  14,  4.  21.  22.  15,  18.  95)  Das.  14,  13- 
22.  15,  5.  2  Phil.  9.  96)  Das.  14,  4.  97)  ad  Fam.  11,  28.  98)  ad 
Alf.  14,  4.  6.  14.  22.  ad  Fam.  9,  14.  99)  ad  Fam,  10,  28.  12,  4. 
100)  ad  Att.  14,  12.  14.  18.  22.  15,  4.  ad  Fam.  12,  1. 

Urumanii)    CTeschiclite  Roms  I  10 


140  V.   ANTON II.  (14.  §.  18.) 

reiten;  er  fürchtete  für  sein  Leben;  ')  Antonius,  meinte  er, 
habe  ihm  den  Tod  schon  angekündigt,  und  so  wenigstens  mochte 
er  nicht  sterl)en ,  er  wollte  fliehen.  -) 

'Ueberdiess  sah  er  voraus,  dass  Krieg  sein  werde.  Antonius 
rüstete;  schon  waren  nach  einem  Gerüchte  die  Heere  Ciisars 
aus  Callien  im  Anzüge;  das  spanische  konnte  folgen,  auch 
Sex.  Ponipejus  mit  dem  seinigen  und  mit  der  Flotte  aus  Spa- 
nien kommen:  ^)  wohin  sich  wenden?  Nicht  zu  D.  Brutus  und 
den  übrigen  Befreiern,  denn  ihnen  fehlten  I\Iuth,  Verstand, 
Geld  tmd  Truppen;  *)  nicht  zu  Sextus,  ^)  dessen  Bruder  ihn 
schon  Avegen  Abfall  vom  Vater  hatte  tödten  wollen;  nicht  zu 
Antonius,  dem  Beneideten  und  Verhassten ,  an  welchen  sich  an- 
schllcssen,  den  eigenen  Ruf  morden  hiess;  und  konnten  die 
Verscliworenen  nicht  dennoch  siegen?")  ,, Weder  hier  noch  dort 
zu  sein,  wie  Cäsar  gestattet  hatte,"  würde  jetzt  nicht  gestattet 
Averden.  ')  Also  Partei  nehmen.  Wiire  aber  auch  der  Ausgang 
des  Krieges  nicht  imgewiss  gewesen,  so  brachte  ein  Feldzug 
doch  immer  Gefahr;  er  war  dem  Alter,  den  Neigungen  Ciceros 
niclit  angemessen,  welches  ja  auch  Atticus  zugab;  lieber  tau- 
sendmal sterben,  als  in  den  Lagern  sein;  daher  fort!  ^)  Aber 
Frieden  wünschte  er  nicht;  nur  sich  selbst  wollte  er  bergen. 
Servius  Sulplclus,  Avelcher  die  Gemüther  zu  versöhnen  suchte, 
umherzog ,  als  gebe  es  einen  Rechtshandel  zu  schlichten ,  erwarb 
sich  bei  ihm  den  Spottnamen  Vermittler.  ^)  Sextus  Pompejus, 
unschüdlich,  Avenn  er  an  der  Seite  der  Verschworenen  auftrat, 
sollte  die  Waffen  nicht  niederlegen ,  denn  ohne  Bürgerkrieg 
auch  keine  Freiheit,  und  bestätigen  sollte  es  sich,  dass  Muna- 
tius  Plancus  aus  Gallien  zum  Beistande  des  D.  Brutus  herbei- 
eilte. 1») 

Zur  Furcht  gesellte  sich  der  Schmerz  über  die  vereitelte 
Hoffnung,  nach  Cüsars  Tode  im  Senat  und  auf  dem  Markte  die 
alte  Stelle  wieder  oinzunehmen ,  oder  Avie  Cicero  es  ausdrückt, 
die  Republik  hergestellt  zu  sehen.  Frevler  hatten  mit  A'crrucli- 
ten    Waffpn    Senat    und    Tribunale    A-ernIchtet,     und    das    Haupt 

1)  ad  AU.  J4,  13.  15,  18.  2)  Das.  15,  20.  3)  Das.  11,  I.  5. 
15,  19.  20.  21.  1)  Das.  14,  4.  15,  20.  S.  unten  §.  19.  A.  82.  5)  Da». 
14,  13.     (i)  Das.  I.  r.     7)  Das.  1.  c.  u.  .15,  20.     8)  Dai.   14,   13.   19.  21. 

22.  15,  Ml,   20.     !>)   Das.   15,  7.     10)  Das.  15,  29.  IG,   1. 


V.  ANTONII.  (14.  §.  18.)         147 

dieser  Frevler  war  Antonius.  DesTialh  konnte  zwisclien  ihm  iin«1 
Cicero  nie  Friede  sein;  die  eine  Beleidigung,  dass  er  von  dem 
Steuer  des  Staates  abermals  rerdrängt  ivar,  schloss  für  diesen 
jede  andere  in  sich.  Er  mochte  die  Pclopiden ,  ")  welche  CR 
statt  seiner  führten,  nicht  sehen,  nicht  einmal  von  ihnen  hö- 
ren, und  entfernte  sich.'--*  Zuweilen  beliebte  es  ihm,  selbst 
gegen  Atticus  nicht  diese  Gründe,  sondern  einen  andern  anzu- 
geben, die  Sehnsucht  nach  seinem  Sohne  in  Athen,  dessen  Stu- 
dien er  leiten  wollte,  ^'-^f 

Schon  lange  hatte  er  diesen  Wunsch  gehabt ,  '*)  und  um 
80  mehr  könnte  es  befremden,  dass  er  die  aufgedrungene  Müsse 
nicht  da/u  benutzte.  Sein  Sohn  lieh  aber  nur  den  Namen  bei 
einem  Reiseplane,  ,, welcher  ihm  wahrlich  niemals  Freude  mach- 
te." ^^)  Wie  manches  ihn  auch  trieb,  ihn  auszuführen,  so 
mächtige  Bande  hielten  ihn  zurück.  Jeder  Vernünftige  musste 
einsehen,  ,,dass  es  nicht  eine  Legation  sondern  Desperation 
war",  wenn  er  als  Ijcgat  in  andere  Länder  gieng.  ^6)  JJ„|.  j^ 
Rom  fand  er  sich  selbst  Mieder,  konnte  er  wirken  und  glänzen; 
lieber  dort  mit  Gefahr,  als  mit  völliger  Sicherheit  in  Athen.  ^^' 
Unheimlich  Mar  es  ihm  schon  auf  den  entfernteren  Villen;  sein 
Tusculanum ,  ihm  stets  vor  anderen  Mcrth  ,  stieg  jetzt  durch 
seine  Lage  bei  ihm  im  Preise,  '^)  obgleich  die  Furcht  ihm  sel- 
ten erlaubte,  es  zu  bcMohnen.  Die  erste  Nach-icht  von  einer 
günstigen  Veränderung,  rom  Sturze  des  Antonius,  von  einem 
Vergleiche,  Menn  es  sein  musste,  ^^)  sollte  ihn  nach  Rom  zu- 
rückführen; kaum  hielt  er  sich  ohnehin,  mochte  Merden  vas 
wollte.  20)  Er  zögerte  also;  bis  er  das  Schiff  bestieg,  blieb  ihm 
die  Freiheit,  nach  den  Umständen  zu  handeln.  -0  Anfangs  ge- 
dachte er  am  1.  Juni  im  Senat  zu  sein,  aber  die  Veteranen 
erregten  Besorgniss,  ^^J  y^d  Brutus  sollte  versuchen,  Mas  er 
selbst  nicht  Magte;  erhob  sich  das  Volk  für  ihn,  hörte,  duldete 
es   ihn  auch  nur,  so  war  der  Sieg  gewiss;  -^)  aber  auch  Brutus 


11)  Da».  14,  12.  15,  11.  cfr.  ad  Fam.  7,  30.  12)  ad  Alt.  14,  4. 
6.  10.  13.  17.  15,  5.  ad  Fam.  10,  1.  12,  25.  1  Phil.  2.  de  offic.  2,  1. 
«.  3,  1.  Topic.  1.  13)  ad  Att.  14,  7.  13.  10.  16,  3.  14)  Das.  14,  13. 
15)  Das.  IG,  7.  16)  Das.  15,  20.  17)  Das.  10,  G.  18)  Dai.  15,  Iß. 
17.  19)  Das.  IG,  7.  20)  ad  Fam.  16,  21.  21)  ad  Alt.  15,  18.  23 
l«,  2.     22)  Da«.  14,  14.  22.     23)  Das.   14,  20. 

10* 


148  V.  ANTOMI.        (11.  §.  IS.j 

wagte  nicht.  Noch  durfte  man  nicht  ganz  verzweifeln;  die 
Spiele  des  Brutus  konnten  den  Dingen  einen  Umschwung  ge- 
hen; aher  das  Volk,  statt  darein  zu  scljlagen,  sclilug  nur  in 
die  Hände. -^^ 

Ausserdem  war  die  öffentliche  Meinung  zu  heaehten ,  mit 
dem  Leben  der  Ruf  zu  retten,  und  auch  deshalb  dachte  Cicero 
ungern  au  die  Reise.  Ihn  sollte  der  Vorwurf  nicht  tre'Fen, 
dciss  er  die  Republik  in  der  Gefahr  verlasse;  --0  das  Cieredc 
scheute  er ,  nicht  das  Unrecht.  Es  bestimmte  ihn  zum  Theil, 
die  ZerstöruiiiT  der  Säule  durch  Dolabella  für  sein  Werk  zu 
crkliiren,  dunüt  er  dann  mit  Ehren  sich  zurückzuziehen  schiene,  *^) 
und  die  unerschöpiliche  Ceduld  des  Atticus  wurde  durch  stete 
Erkundiirunjren  nach  dem  U'rtheile  der  Welt  über  ihn  auf  eine 
harte  Probe  gesetzt.  Es  war  nicht  Ueberdruss ,  sondern  nur  ein 
muthAvilliger  Scherz ,  wenn  jener  dem  Geängstigten  den  Rath 
gab,  Staat  Staat  sein  zu  lassen,  und  sich  einen  guten  Tag  zu 
machen  nach  der  Regel  des  Eipicur,  oder  wenn  ihm  das  Wort 
entschlüpfte,  man  müsse  sich  dem  Sieger  unterwerfen,  sein 
Grundsatz,  aber  ein  schrecklicher  Missklang  für  den  Freund.  -'-* 
War  er  doch  sonst  in  Allem  mit  ihm  einverstanden,  besonders 
dann,  wenn  er  ihm  Avidersprach ,  weil  er  etwa  mit  allen  denk- 
baren Gründen  bewies,  dass  er  etwas  thun  müsse,  Mas  er  nicht 
gern  that.  Um  nicht  als  Abtrünniger  zu  erscheinen,  versicherte 
Cicero,  er  werde  am  1.  Januar  -^),  unter  den  neuen  Consuln, 
in  welche  er  übrigens  nicht  das  mindeste  Vertrauen  setzte,  -•'' 
wieder  in  Rom  sein,  und  äusserte  seine  Freude,  dass  er  nach 
den  Bestimmungen  des  überpontifeu  Lepidus  auch  als  Augur  in 
dieser  Zeit  nichts  versäume ,  -^^^  Avorauf  Atticus  ihm  schrieb, 
sein  Vorliaben,  eine  Reise  zu  unternehmen,  werde  gebilligt,  ge- 
lobt, täglich  mehr  gelobt,  zum  Himmel  erhoben,  wofern  er  am  j 
1.  Januar  sich  wieder  einlinde,  und  unter  dieser  Bedingung  sei 
auch  er  dafür.  ^')  Als  er  sich  eingeschifft  hatte,  rief  er  ihm 
nach:  komm  zurück;  erinnere  dich,  was  du  von  einem  ruhm- 
vollen Tode  gesagt  hast ;  ^-^     willst  du  das  Vaterland  verlassen  i 


21)  Oben  §.  17.  A.  72.  25)  ad  Ait.  11,  5.  13.  15.  15,  25.  10,  2. 
20)  Das.  11,  IC.  Olien  §.  Ifi.  A.  8S.  27)  ad  At(.  14,  20.  15,  3.  28)  »a». 
IG,  1.  5.  e.  7.  1  IMiil.  2.  lMu(.  Cic.  43.  29)  Unten  §.  19.  A.  G4.  30")  ad 
AU.  IG,   5.   11.     31)  Das.   15,  29.   16,  1.  2.  G.  7.     32)  Tusc.  Qu.   1,   4r) 


V.    ANTOMI.       (14.  §.  18.)        149 

«leinen  Gläubigern  entlaufen?  ja  er  verlangte  eine  Sclirift  von 
ifmi,  Avoria  er  sich  rechtfertigte.  Cicero  erstaunte  über  diese 
>Vi(lerspriichc  und  fand  die  JSchrift  überflüssig,  da  er  bereits 
auf  dem  Rückwege  sei,  doch  wollte  er  sie  liefern,  ^^f)  ISein 
Freund  hatte  entweder  nicht  geglaubt,  dass  er  die  Reise  antre- 
ten werde,  oder  durch  den  Versuch  die  Sache  ihm  verleiden 
wollen;  er  wusste,  dass  niclits  für  ihn  zu  fürchten  war,  wenn 
er  ruhig  blieb,  und  dass  er  gern  zurückkam.  Bei  den  Optima- 
ten  hatte  sein  Ruf  ohnehin  schon  durch  seinen  Neffen  gelitten, 
welcher  sich  eine  Zeitlang  an  Antonius  anschloss ,  und  an  den 
Parilien  Cäsar  zu  Ehren  mit  einem  Kranze  erschien.  ^^) 

Von  allem  Oefl'entliclien  abgesehen ,  war  es  ihm  höchst 
schmerzlich,  sich  auf  diese  Art  ,,A"on  seinen  Augäpfeln,  von  sei- 
nen kleinen  Villen  zu  trennen  ,  welche  so  schön  gebaut ,  so  au- 
niuthig  gelegen  waren,''  ^^)  auf  deren  Ankauf  und  Anbau  er  su 
viel  verwendet  hatte ,  um  sich  den  Grossen  gleich  zu  stellen, 
welche  über  ihre  Fischteiche  die  Republik  vergassen. '^''>'  Es  ist 
■  sehr  erklärlich,  dass  der  Mann  beim  Scheiden  vom  Vaterlande, 
von  welchem  er  glaubte ,  dass  die  Flammen  des  Bürgerkrieges 
über  es  zusammenschlagen  würden ,  auch  an  sich  dachte ,  und 
nicht  weniger,  dass  er  nur  an  sich  dachte;  in  den  Philippiken 
trat  die   Republik  in  ihre  Rechte. ^^^ 

Was  ihn  nacli  seinen  Briefen  sonst  zum  Zögern  und  zur 
Rückkehr  bestimmte,  war  entweder  Vorwand  oder  Nebengrund. 
llv  hatte  Schulden  und  mochte  nicht  in  den  Verdacht  gerathen, 
als  reise  er  in  böser  Absicht ;  ■^^)  sie  zu  tilgen  war  schwierig, 
weil  bei  der  Erwartung  eines  Bürgerkrieges  der  Gcldverkehr 
stockte.  ^^^  Ueberdiess  bedurfte  er  Geld  zur  Reise  und  zur  Un- 
terhaltung seines  Sohnes,  Avelcher  in  Athen  an  Aufuand  keinem 
andern  jungen  Römer  naclistehen  sollte.  ■*")  Doch  hatte  er  mehr 
«u  fordern  als  zu  zahlen ,  ^')  er  liess  Güter  und  Geschäftsträger 
zurück,  und  für  seine  Reisebedürfnisse  wurde  gesorgt;  daher 
konnte  er  weder  üble  Nachrede,  noch  A^erlegenheiten  ernstlieh 
fürchten. 


33)  ad  Att.  IG,  7.      .'54)  Das.  14,  II.  19.     35)  Das.  16,  3.  C.     36)  Das. 

I,  18.   §.   3.   19.  §.  6.  20.  §.  4.  2,   1.  §.   0.  9.  §.  2.     37)  Uni-en  §.   19.  A- 

II.  38)  Cic.    ad    Att.    15,    15.    17.    lö,    2.    7.  ad  Farn.   IG,    21.     39)  ad 
Att.  16,  7.     40)  Das.  15,  15.  17.  20.     41)  Das.   lü ,  2.   G.  S.  Tulüi. 


150  ^'-    ANTOMf.         (14.  g.  lü.) 

Aucii  ilie  Getuhreii  »ler  Heise  kamen  bei  ihm  in  lictracht. 
aber  keineswegs  in  dem  .Maasse,  als  er  vorgab,  wenn  gerade 
kein  anderes  Hinderniss  sich  darbot,  oder  wenn  er  die  Gründe 
^^  das  Bicilien  zu  verstarken  wünschte.  Leber  Brundusium  zu 
sehen  wunle  bedenklich,  weil  dort  nach  einem  Gerüchte  auf 
Antonius  Befehl  die  Legionen  aus  Macedonien  landeten,  ^-)  und 
nie  liebte  er  es,  sich  dem  ^[cere  anzuvertrauen,  am  wenigsten 
jetif5t  in  seinem  Alter  ^■^J  und  bei  den  Räubereien  der  Dymäer. 
welche  Pompejus  im  Piratenkriege  gefangen  genommen  und  nacli 
Achaja  versetzt  hatte.  ^*)  Atticus  endlich  war  ihm  zu  werth, 
als  dass  man  zweifeln  könnte,  er  habe  ungern  au  die  Trennung 
von  ihm  ffedacht;*^>'  die  Einschiffung  wurde  aber  deshalb  nicht 
einen  Augenblick  verschoben.  Er  zeigte  sich  wie  zu  Pompejus 
Zeit,  als  es  in  Frage  kam,  ob  er  ihm  folgen  oder  bleiben 
sollte;  wie  damals  schwankte  er  jetzt,  war  eben  so  wenig  um 
Gründe  und  Scheingründe  verlegen,  um  einen  Wortschwall, 
ohne  welchen  er  nie  handeln  konnte,  aber  er  war  auch  eben  so 
unglücklich. 

§  19. 

Versetzen  wir  uns  in  seine  Lage.  Die  sthmerzlicheri  Ge- 
ftihle ,  mit  welchen  er  einst  die  Tage  des  Exils  verlebte,  er- 
neuerten sich  in  ihm,  und  manches  drückendere  kam  hinzu. 
Es  war  jetzt  nicht  eine  äussere  Gewalt,  Avelclie  ihn  von  Koni 
und  Italien  entfernte,  sondern  freier  Entschluss ,  obgleich  von 
Furcht  und  Üeberdruss  der  Ohnmacht  eingegeben.  Schwer 
niusste  es  ihm  werden,  zu  beschliessen,  was  seinen  Wünschen 
und  Plänen  und  auch,  wie  eine  geheime  Stimme  mahnte,  der 
Ehre  und  der  Pflicht  so  gänzlich  widerstrebte.  Seine  Versuche, 
sich  zu  rechtfertigen,  waren  Selbstanklage,  dass  er  nicht  da 
sei,  wo  er  sein  sollte.  Zwar  richtete  er  die  Künste  des  Sacl»- 
walters  gegen  sich  selbst,  sich  einzureden,  es  handle  sich  nicht 
um  Pflichten  gegen  Staat  und  Partei,  welclien  er  vollkommen 
genügt  habe,  sondern  nur  um  seinen  Huf,  und  war  darin  so 
glücklich,  dass  er  es  über  sich  erhielt,  die  Lauen  und  Müssigen 

42)  ad  Alt.  16,  2.  4.  43)  Dai.  16,  3.  cfr.  15,  2.-).  41)  üai.  IC. 
I.  2.  App.  Rlithrid.  p.  237.  Strah.  ä.  p.  38S.  Plut.  Pomp.  28.  4i)  ad 
\U.  16,  3.  6. 


V.  ANTONH.        (U.  ij.  ly.)       151 

meines  Standes  zu  hclmialien ;  ^^^  aber  niituiiter  tauctiteu  doch 
auch  andere  Gedanken  auf.  Dann  gab  er  zu,  dass  er  es  nicht 
dürfe  au  sich  fehlen  lassen,  wenn  das  Lebel  durch  ihn  geheilt 
werden  könne;  dass  Ereignisse  denkbar  seien,  welche  es  ihm 
möglich  macliten,  der  Republik  zu  nützen;  '^''^  dass  Brutus  das 
Bewusstsein  einer  herrlichen  That,  ihm  aber  nichts  übrig  bleibe, 
als  auch  nach  dem  Tode  des  Königs  Sclav  zu  sein,  wie  er 
hinzufügte,  um  zu  verbergen,  was  er  fühlte.  '^^->  In  dieser 
•Stimmung  war  ein  Lob  ihm  ganz  vorzüglich  willkommen;  es 
nahm  ihn  gegen  sich  selbst  in  Scliutz.  ^'-"^  Aber,  sagt  man, 
was  sollte  er  thun ?  Sich  seiner  Ansprüche  begeben,  oder  Farbe 
halten,  redlich  wollen  und  mutiiig  wagen;  nicht  Andere  vor- 
schieben, zum  Kampfe  spornen,  und  im  Hintergrunde  auf  die 
Beute  lauern;  nicht  die  Mörder  „die  Lusrigeu''  '^'■^)  und  CJötter 
und  Heroen  nennen,  und  sich  zwischen  beiden  Parteien  durch- 
winden, um  mit  keiner  zu  unterliegen,  und  mit  jeder  Sieger 
zu  sein;  nicht  Miinner ,  welche  handelten,  wie  er,  verdammen; 
die  Umstände  würdigen  und  seine  Kraft;  in  einem  eisernen 
Zeitalter  nicht  nach  einer  Stellung  streben,  für  welche  er  kei- 
nen Beruf  hatte,  als  seine  Eitelkeit,  avo  es  der  Waffen  bedurfte, 
nicht  der  Worte.  Der  Mann ,  At  elcher  aus  reinen  Bewegungs- 
grünJen,  des  allgemeinen  Besten  wegen  gegen  den  Sturm  an- 
kämpft, und  mit  edler  Sclbstverläugnung  in  ihm  untergeht,  war 
Cicero  niclit.  ^*) 

Mehr  noch  als  die  Innern  Vorwürfe  folterte  ihn  das  Gcfülil 
des  Nichts,  in  welches  er  versunken  war.  Nur  vorübergehend 
ivurde  ihm  nach  Cäsars  Tode  das  lang  entbehrte  Glück,  über 
Senat  und  A  olk  durch  Ansehn  und  Beredtsamkeit  zu  herrschen; 
bald  folgte  wieder  eine  dunkle  Zurückgezogenheit.  Der  Reu-jr 
wurde  zum  Rhetor  herabgewürdigt,  seine  Kunst  aus  dem  Leben 
in  die  Schule  verbannt;  ^^  statt  aufzuzeichnen,  was  er  vom 
Beifalle  begeistert  öffentlich  gesprochen  hatte ,  beschäftigte  er 
sich  mit  Bücherschreiben  und  mit  der  Philosophie,  die  lästige 
Zeit  zu  tödtcn.  ^^)     Er  schrieb  in  diesen  wenigen  Monaten  mehr, 

40)  Unten  A.  75.  47)  ad  Att.  14,  5.  13.  48)  Das.  14,  II.  12. 
49)  Das.  15,  7.  5ü)  Das.  14,  1.  4.  15,  1.  4.  C.  51)  Das  Weitere  in 
der  Geschichte  Beines  Lebens.  Vgl.  unten  §.  21.  A'  92  t.  52)  Aiiui.  ä6. 
3i;  Cic.  de  omc.  2,  1.  8.  3,  1. 


15'i  V.  ANTONII.        (14.  §.  19.) 

als  vorher  in  Jahren,  54)  wobei  jedoch  sein  zweiter  Aufentlialt 
auf  dem  Lande  A'oni  October  bis  zum  Anfanj^e  des  December 
mit  in  Rechnung  kommt.  ^^)  Während  sich  niemand  zeigte ,  von 
welchem  er  seine  Herstellung  hoffen  durfte,  da  das  Volk  nichts 
gegen  Antonius  unternalim,  Doiabella  von  ihm  bestochen  wurde, 
die  Befreier  Getraide  kaufen  wollten,  Octavian  zu  jung  und 
als  Cäsar  verdächtig  war,  Sextus  Pompejus  als  Rächer  einer 
Ton  ihm  verlassenen  Partei  nur  Furclit  erregte,  war  er  mit 
seinem  Schmerze  nicht  einmal  allein.  Baibus  und  die  Consuln 
des  nächsten  Jahres,  Hirtius  und  Pansa,  Freunde  Cäsars,  such- 
ten ihn  im  April  und  einem  Theile  des  Mai  auf  seinen  Gütern 
zu  Puteoli  und  Pompeji  heim  ,  mit  dem  Ansinnen,  sie  im  Reden 
zu  üben,  und  er  konnte  sich  ihnen  nicht  versagen,  so  sehr 
auch  „diese  Schüler"  ihm  verhasst  Maren, ^O)  Hirtius  noch  ins- 
besondere wegen  seiner  Schwelgerei.  Seine  Verlegenheit  wurde 
grösser,  als  das  Ackergesetz  des  L.  Antonius  ihn  für  seine 
Güter  fürchten  liess,  '^'0  und  in  der  zweiten  Hälfte  des  April 
Octavian, ^^)  und  dann  auch  Antonius^**)  in  diesen  Gegenden 
erschienen;  den  Mördern  konnte  sein  doch  unabweislicher  Ver- 
kehr mit  Cäsars  Sohne,  und  diesem  seine  Verbindung  mit  ihnen 
nicht  gefallen,  und  Atticus  drang  auf  eine  Unterredung  mit  dem 
Consul,  weil  er  für  seine  Besitzungen  in  Epirus  besorgt  war. 

Die  Männer  seiner  Partei,  mit  welchen  er  in  Berührung 
kam,  waren  ihm  ebenfalls  nur  lästig;  die  Befreier,  deren  Un- 
tüchtlgkeit  er  erkannt  hatte ,  und  deren  Freundschaft  ihm  An- 
tonius und  Octavian  verfeinden  konnte,  und  nicht  Aveniger  die 
missvergnügten  und  verzagten  Grossen  in  den  Muuicipien  und 
Villen.  Sie  besassen  Güter  auf  der  reizenden  Küste  von  Puteoli, 
Cumä,  Neapolis  und  Bajä,  oder  besuchten  sie  ihrer  Schönheit 
und  ihrer  Bäder  wegen ,  und  weil  sie  eben  einander  hier  zu  finden 
hofften.     Schon    im    April   klagte    Cicero    über    den  starken  An- 


54)  de  offic.  ad  Aft.  15,  14.  21.  16,  11.  14.  de  senect.  ad  Alt.  16, 
3.  11.  de  gloria  ad  Att.  15,  27.  16,  2.  C.  de  fato,  de  fat.  1.  Die  topica 
verfasste  er  auf  dem  .Schiffe,  ad  Farn.  7,  19.  und  seine  geheime  Ge- 
schichte, anecdota ,  welche  noch  nicht  bekannt  werden  lollte ,  wurde 
ütterarheitet.  ad  Alt.  14,  17.  Es  ist  hier  nicht  der  Ort,  diess  weiter 
auszuführen;  b.  Tullii.  55)  Unten  A.  5«)  ad  Att.  14,  0.  11.  12.  20.  21. 
32.  15,  I.  de  fato.  1.  Plut.  Cic.  43.     57)  §.  14.  A.  71.    58;  §.  15.    S'J)  J.  lü. 


V.  ANTONII.         (14.  §.  19.)       153 

drang,  und  er  nahm  zu. ''"J  Das  Leben  in  der  Gesellschaft 
dieser  Männer  hcfricdigte  ihn  nicht  und  raubte  ihm  Zeit  zu 
besseren  Beschäftigungen.  Auch  sollte  es  nicht  das  Ansehen 
gewinnen,  als  bilde  sein  Landhaus  zu  Putcoli  einen  Vercinigungs- 
Punct  für  sie,  wie  sehr  es  ihm  auch  schmeichelte,  dass  sie  dort 
und  sonst  bei  jedem  wichtigen  Anlass  zu  ihm  kamen,  sich  mit 
ihm  zu  freuen ,  oder  seine  Meinung  zu  vernehmen.  ^*)  Er  wollte 
parteilos  scheinen,  aus  der  Ferne  und  unbemerkt  das  Feuer 
schüren  und  sich  zugleich  den  Rücken  decken.  Daher  sein 
Briefwechsel  mit  aller  Welt,  mit  Freund  und  Feind,  nur  Sextus 
Pompejus  ausgenommen,  so  weit  Ton  den  Parteihäuptern  die 
Rede  ist.  02; 

Seine  Sehnsucht  nach  Curie  und  Markt  und  sein  hülfsloser 
Zustand  vermochten  ihn  dazu,  und  er  entschädigte  sich  durch 
Spott  und  bittern  Tadel  für  den  Zwang,  welchen  er  sich  dabei 
anthun  musste.  Am  glimpflichsten  verfuhr  er  mit  Octavian, 
■weil  er  ihn  am  wenigsten  durchschaute;  er  war  noch  Knabe, 
ein  Kind;  man  musste  ihn  nur  dem  Einflüsse  des  Antonius  und 
der  Veteranen  entziehen,  damit  er  es  sich  nicht  etwa  beigehen 
liess,  als  Erbe  Cäsars  eine  Rolle  zu  spielen.  ^3)  Ueber  die  an- 
deren Freunde  des  Dictator  ergienff  ein  härteres  Gericlit  und 
insbesondere  über  Hirtius  und  Pansa,  die  designirten  Consuln, 
,,wenn  man  sie  so  nennen  konnte",  da  jener  sie  erwühlt  hatte. ''*) 
Cicero  liebte  sie  nicht. ''■^)  Mochte  Hirtius  die  Willkühr  des 
Antonius  missbilligen,  in  der  Sache  war  er  mit  ihm  eiuAerstan- 
den;  ^^)  denn  als  Verehrer  Cäsars  missbilligte  er  den  Mord  noch 
weit  mehr,**^)  und  während  er  den  Frieden  auf  den  Lippen 
trug,  wünschte  er  Krieg  gegen  die  ^efreier,  ihren  Untergang; 
unmöglich  >var  es ,  ihn  umzustimmen.  ^^)  Pansa  war  sein  Ver- 
trauter und  ihm  gleichgesinnt,  '''■')  von  seinem  Consulat  nicht 
mehr  zu  hoffen.  "^^^  Audi  er  zeigte  sich  friedliebend  und  den 
Verschworenen  zugethan;  aber  wer  mochte  ihm  glauben?  AVas 
unternahm    er    gegen   Antonius ,     und    welche    Ursache    hatte  er, 


CO)  ad  Att.  14,  9.  IG.  Gl)  Das.  14,  6.  Fam.  9,  14.  62)  Der 
Sextus,  welcher  ihn  nach  ad  Att.  15,  7.  lobte,  konnte  schon  deshalb 
niclit  Pompejus  sein.  63)  ad  Att.  14,  10.  12.  cfr.  ad  Farn.  10,  28. 
4  Phil.  1.  G4)  ad  Att.  14,  6.  9.  G5)  Das.  14,  12.  06)  Das.  15,  C. 
07)  Das.  14,  22.     C8)  Das.  15,  1.  5.     C9)  Dai.  15,  22.     70)  Das.  IC,  1. 


154  V.  ANTOMI.         (14.  §.  19.) 

dessen  Feind  zu  sein?^')  Als  sie  bei  Mutina  entscheiden  sullten, 
•wurden  Beide  als  Freunde  der  Freiheit  und  der  Republik  von 
Cicero  gepriesen,''-)  dessen  Bruder  sich  noch  verächtlicher  über 
sie  geäussert  hatte,  gewohnt,  seinen  Griffel  in  Galle  zu  tau- 
chen. ^"^''  Dass  Baibus  kein  \ertraueu  fand,  die  Versicherungen 
seiner  Ergebenheit  für  Verstellung  galten,  kann  nicht  befrem- 
den, der  geschmeidige  Hofmann  war  bekannt,^*-'  und  noch 
weniger,  dass  Antonius,  das  Haupt  der  Pelopiden,  und  mit 
ihm  sein  treuestes  Werkzeug,  sein  Bruder  Lucius,  der  Gegen- 
stand eines   tödtlichen  Hasses  waren. 

Aber  Cicero  schonte  auch  seine  Parteigenossen  nicht,  veil 
sie  jene  nicht  zu  stürzen  versuchten.  Selten  erwies  er  den 
„Gutgesinnten"  auf  den  Villen  von  Latiura  und  Campanien  die 
Ehre,  einigen  Muth  bei  ihnen  vorauszusetzen.  ^^-^  Ihre  Schlaff- 
heit  ~^^  wurde  nur  von  ihrer  Furcht  und  Dummheit  übertroffen. 
Als  einfältige  Menschen,  bruti,  Avelche  sich  weise  zu  sein  dünk- 
ten ,  zeigten  sie  sich  schon  auf  dem  Capitol ,  als  sie  den  Bru- 
tus Glück  wünschten  und  nicht  blieben.  ")  Dann  lauschten  sie 
in  den  Municipien  auf  Nachrichten  von  Rom,  schmollten  und 
jubelten,  und  indess  wurde  in  der  Curie  nichts  beschlossen;  so 
Cicero  zu  Fundi,  als  der  Nachtisch  aufgetragen  war. ^^>'  Am 
schändlichsten  benahmen  sich  die  Cousularen ;  ''^)  nicht  Einer 
unterstützte  L.  Piso  ,  als  er  am  1,  August  im  Senat  die  Stimme 
für  die  Republik  erhob, S")  —  und  Cicero  zu  Sj-racus  war,  ^O 
sich  nach  Athen  zu  retten. 

Die  Mörder  cadlich,  deren  That  über  alles  Lob  erhaben 
war,  fehlten  doch  gleich  anfangs  sehr,  als  sie  nicht  auch  An- 
tonius mordeten. 82)  Und  was  leisteten  sie  nachher,  M.  Brutus, 
Cassius,  die  Häupter?  Sie  lustwandelten  in  der  persischen  Halle 
in  Lanuvium,83j  wussten  sich  nicht  zu  rathen,  und  wagten  nichts, 
so  dass  auch  Andere  ihnen  nicht  rathen  konnten,^*''  und  es 
fast  lächerlich  Avar,    wenn  ihre  Gegner  fürchteten,    sie  möchten 


71)  Das.  14,  20.  15,  22.  72)  ad  Fam.  12,  4.  3  Phii.  14.  73)  »d 
Farn.  IG,  27.  74)  ad  Alt.  14,  21.  S.  Cornelii  Balbi.  No.  1.  75)  ad 
Alt.  14,  20.  70)  Das.  14,  6.  77)  Das.  14,  M.  78)  Das.  14,  6.  79)  cfr. 
ad  Fam.  12,  4.  80)  ad  Alt.  IG,  7.  S.  unten  §.  21.  81)  1  Phil.  3. 
82)  Olien  J.  7.  A.  83.  83)  ad  Alt.  14,  10.  15,  9.  84)  Dat.  15,  4.  10 
11.  20. 


V.  ANTONir.        eil.  §.  19.)       155 

r.n  den   Waffen  greifen.  ^^)     Und  das  Ende  ?  Sie  wollten  Getraide 
kaufen ,  sich  scUist  cnteliren  und  verbannen.  ^'') 

in  Cüsars  Leben  ist  ihre  That  vom  15.  März  zu  würdigen. 
Sie  hatten  nicht  über  den  Ausenblick  des  Dolchstosses  hinaus 
gedacht,  einem  wankenden  Gebäude  die  Stütze  genonunen ,  ohne 
sie  durch  eine  andere  ersetzen  zu  können.  Doch  hiitte  es  ihnen 
nicht  an  Macht,  sondern  nur  an  Mutli  und  Willenskraft  dazu 
gefehlt,  so  fragt  es  sich  ,  ob  Cicero  berechtigt  war,  sicli  über  sie 
und  über  Andere  zu  beklagen,  welche  nacli  seiner  Meinung  ihre 
Schuld  theilten.  Wie  er  selbst  dachte  und  handelte,  ist  bereits 
bemerkt;  es  bleibt  nur  übrig,  ihn  auf  seiner  Reise  zu  begleiten, 
welche  ihn  belehrte ,  dass  man  auch  mit  ihm  keineswegs  zu- 
frieden war.  Er  dachte  bei  Zeiten  darauf,  mit  Anstand  und 
unter  einem  scheinbaren  Vorwande  Italien  zu  verlassen ,  wenn 
er  nun  einmal  nicht  Avürde  bleiben  können.  Eine  alberne  Scheu, 
schreibt  er  am  II.  April,  habe  ihn  abgehalten,  schon  früher 
um  eine  freie  Gesandtschaft  nachzusuchen ;  man  sollte  nicht 
glauben,  dass  er  den  politischen  Stürmen  ausweiche;  dieselbe 
Rücksicht  Hess  ihn  auch  nachher  lange  zu  keinem  Ents-hlusse 
kommen,  s^)  Oft  wurde  von  Senatoren  ein  Gelübde  als  Grund 
angegeben,  wenn  sie  mit  einem  ößentlichen  Character,  als  Ge-r 
sandte,  in  Privatangelegenheiten  zu  reisen  wünschten.  ^^->  Cicero 
sollte  es  ebenfalls  zum  Vorwande  dienen.  ^^)  Doch  ein  Gelübde 
für  die  Erhaltung  der  Republik  nach  ihrem  Falle  zu  erfüllen, 
war  ungereimt, ^^)  und  ein  Gesetz  Casars  untersagte  des  häufi- 
gen Missbrauchs  wegen  solche  Schein -Auftrage  auf  langer  als 
fünf  Jahr  zu  geben  ;^'>'  überdiess  hatte  doch  Mancher  gelesen: 
anders  als  im  Staatsdienst'  als  Gesandter  reisen,  sei  schändlich, ^2) 
und  weltkundig  war  es,  dass  Cicero  als  Consul  heftig  dagegen 
geeifert,  die  vorher  ungemessene  Zeit  auf  ein  Jahr  beschränkt 
hatte,  und  nur  durch  den  Einspruch  eines  Tribuns  gehindert 
war,  die  Ungebühr  ganz  abzustellen.  ^2)  Jetzt  waren  ilim  an- 
geblich fünf  Jahr  nicht  genug,  war  eine  solche  Gesandtschaft 
ehrenvoller,  als  die  Stelle  eines  Legaten  bei  einem  Statthalter,  9*) 
und   diese    nur    deshalb    vorzuziehen,     weil    man    die  Dauer  der 

85)  Das.  15,  6.  80)  Das.  14,  18.  Oben  §.  17.  A.  55.  87)  ad  Att. 
14,  5.  13.  88)  Das.  2,  18.  89)  Das.  14,  22.  15,  8.  90)  Das.  15,  II. 
»1)  Das.  I.  c.     92)  de  legib.  3,  8.     93)  I.  c.     94)  ad  Att.  15,  8. 


i56  V.  ANTONII.         (14.  §.  19.) 

Abwesenheit  leichter  selbst  bestimmen  konnte.  ^^)  Er  beschloss, 
sich  beide  AVege  zu  öffnen,  und  wandte  sich  deshalb  an  üola- 
bella;  Antonius,  -»vclchen  er  davon  in  Kcnntniss  setzte,  uru 
nicht  anzustossen,  war  nicht  dagegen,  denn  jener  ernannte  ihn 
am  2.  Juni  zu  seinem  Legaten.  '•"•>'  Geschäfte  wollte  er  nicht 
übernehmen ,  aber  freies  Fulirwerk  sich  A^on  ihm  erbitten ;  ^^i  * 
grössere  Schande  Avurde  ihm  dadurch  erspart,  dass  er  ihn  nicht 
begleitete,  denn  sein  Schwiegersohn  endigte  im  Osten  mit  Raub 
und  Älord.  ^^)  Doch  findet  sich  in  seinen  Briefen  auch  keine 
Spur,  dass  der  Senat  ihn  zum  Gesandten  ernannte,  wie  er 
.  später  behauptete.  ^V 

Bei  der  Unsicherheit  des  Meers  wollte  er  sich  nun  an  das 
Cesclnvader  des  M.  Brutus  anschliessen,  welchen  er  am  8.  Juli 
und  einige  Tage  nachher  auf  der  Insel  Nesis  sprach;  doch  zö- 
gerte dieser  wegen  seiner  Apollinarspiele  zu  lange,  ^ö*'-^  Er  er- 
sah aus  den  Briefen  des  Atticus ,  dass  die  Menge  ohnerachtet 
der  Spiele  nichts  gegen  Antonius  unternahm ,  und  schiffte  sich 
ein.  Am  17.  Juli  verliess  er  sein  Pompejanum  mit  drei  kleinen 
Fahrzeugen;  einen  Tag  hielt  er  zu  Velia  an,  und  am  achten, 
dem  24.  jenes  Monats,  kam  er  zu  Sica  nach  Vibo.  ')  Hier 
blieb  er  wieder  einen  Tag;  am  28.  Juli  war  er  zu  Rhegium,  V 
und  am  I.  August  (Sextil)  zu  Syracus,  ■wo  er  nur  übernach- 
tete. ^)  Dann  führten  ilui  die  AVinde  nach  Leueopetra,  einem 
Vorgebirge  12000  Schritt  von  Rhegium.  ^)  Als  er  am  G.  August 
weiter  fuhr,  wurde  er  nach  jener  Landspitze  zurückvcrschlagen. 
Er  Avartete  auf  der  Villa  eines  Freundes,  des  P.  Valerius,  auf 
günstigen  AVind ,  ^)  vernahm  nun  aber,  dass  Antonius  sich  ge- 
bessert habe ,  dass  die  Rückkehr  der  Versclnvorenen  nach  Rom 
zu  hoffen  sei,'')  und  zugleich,  dass  man  ihn  dort  vermisse, 
und  sein  Vorhaben  tadle,  "^i  Mehr  bedurfte  es  nicht,  um  es 
aufzugeben.  Hatte  er  doch  sonst  schon  geäussert,  es  hänge 
alles  davon  ab ,  dass  jene  in  Rom  sein  könnten.  AVind  und 
Ruder  förderten  ihn  niclit  scluicll  genug,  bis  er  am  17.  August 

95)  Das.  2,  18.  00)  Dai.  15,  8.  11.  Pluf.  Cic.  43.  97)  ad  AÜ. 
15,  18.  19.  98)  S.  Coriielii  Dolab.  90)  1  Pliil.  2.  lOO;  Oben  §.  17. 
A.  70.  1)  ad  Alt.  IG,  C.  2)  ad  Kam.  7,10.  3)  1  I'hil.  3.  1)  Das.  ad 
-\(t.  IG,  7.  Pliii.  3,  10.  (5.)  5)  Cic.  11.  cc.  ad  Faiu.  12,  25.  6)  übeu 
§.  17.  A.  79.     7)  ad  AU.   IG,  7. 


V.  ANTONII.        (14.  §.  19.)  157 

zu  V^elia  wieder  mit  Brutus  zusammentraf.  8)  Dieser  machte 
ihm  aber  eine  Rlittlicilung,  welche  ihn  fast  zu  Boden  schlug: 
man  sage  sich,  er  reise  nach  Griechenland,  um  die  olympischen 
Spiele  zu  scheu;  zu  allen  Zeiten,  schreibt  er  an  Atticus  ,  eine 
Schande,  jetzt  aber  ganz  unverzeihlich!  er  danke  dem  Winde, 
der  ilin  vor  einer  solchen  Schmach  bewahrt  habe,  ^)  Es  war 
also  nur  zu  gewiss,  was  er  mehr  als  alles  gefürchtet  liatte; 
er  war  ins  Gerede  gekommen ,  Avar  sogar  lilcherlich  geworden, 
er,  dem  die  Behauptung  seiner  Würde  stets  für  das  Höchste 
galt.  Selbst  seine  Freunde  waren  unzufrieden;  Brutus  äusserte 
es  durcli  das  Lob  des  L.  Piso ,  welcher  am  1 .  August  gegen 
Antonius  auftrat,  durch  das  Bedauern,  dass  nicht  auch  Cicero 
im  Senat  gewesen  sei,  und  Atticus  im  näheren  Verhältniss  un- 
umwunden.'o)  Also  nicht  nach  Athen,  aber  auch  nicht  nach 
Rom,  wie  Brutus  Meinung  war,  der  ja  selbst  nichts  wagte; 
noch  als  er  am  19.  August  bei  dem  Pompejanum  landete,  war 
diess  sein  Entschluss.  ''>*  Hier  aber  gieng  er  noch  einmal  mit 
sich  zu  Rathe:  mau  regte  sich,  und  er  war  nicht  auf  seinem 
Platze ;  ein  Anderer  drohte  ihn  einzunehmen ;  L.  Piso  wurde 
bewundert  und  er  im  Stillen  angeklagt,  verspottet;  vor  dieser 
Rücksicht  musste  jede  andere  schwinden,  und  am  31.  August 
war  er  nach  einer  Abwesenheit  von  mehr  als  fünf  Monaten 
wieder  in  Rom.  ^-) 

Seine  Freunde  und  die  Anhäns;er  seiner  Partei  kamen  ihm  mit 
einer  grossen  Volksmenge  entgegen ,  Avelche  in  ihm  ein  Unterpfand 
des  Friedens  sah,  und  begleiteten  ihn  vom  Thore  bis  zu  seiner 
Wohnunc;.   3J      Er  brachte  Krieor.      Seit  er  es    über  sich  erhalten 


'»• 


leg 


liatte ,  dem  Manne ,  welcher  ihm  sein  Theuerstes ,  Ansehn  und 
Einfluss  raubte,  unter  die  Augen  zu  treten,  konnte  er  wohl 
noch  einmal  vor  ihm  entweichen,  aber  einem  Kampfe  auf  Tod 
und  Leben  nicht  mehr  entgehen.  Es  galt  nun ,  seine  Sache 
zur  Sache  des  Staats  zu  machen;  daher  die  Hartnäckigkeit,  mit 


8)  Das.  1.  c.  Faniil.  1.  c.  1  Phil.  4.  10,  4,  9)  ad  Att.  1.  c.  10)  Das. 
11)  Das.  12)  Plul.  Cic.  43.  Nach  Cic.  ad  Fam.  12,  25.  könnte  es 
scheinen,  als  sei  er  am  1.  Sept.  angekommen,  den  Tag  zuvor,  ehe  er 
die  erste  Philipp,  hielt;  er  wurde  aber  schon  am  ersten  von  Antonius 
bedroht,  weil  er  sich  nicht  im  Senat  einfand.  Unten  g.  2G.  A.  16,  u,  1«. 
13)  Plut.  1.  c. 


158  V.  ANTONII.         (14.  §.  20.) 

welcher  er  die  Acchtunn:  seines  Feindes  vom  Senat  verlanjrtc. 
und  die  Versiclicriing ,  die  Stimme  der  Republik  habe  ihn  zu- 
rückscrufen,  im  kräftiü^en  Alter  habe  er  schon  A'or  zManziir 
Jahren  mit  Gcfalir  des  Lebens  sie  vertheidigt ,  und  Averde  als 
Greis  sie  nicht  verlassen,  i*) 

§  20. 

Er  kam  allein ;  Antonius  war  im  Älai  von  seiner  Reise  zu 
den  Colonien  der  Veteranen  mit  vielen  Bewaffneten  zurückjre- 
kehrt;  denn  Rom  sollte  ihn  jetzt  durch  Senats-  oder  Volks- 
beschlüsse ermächtigen,  nach  dem  Beispiele  Cäsars  ein  Heer  in 
Obcritalien  aufzustellen.  Dieser  Theil  seiner  Geschichte  gehört 
in  Betreff  der  Zeitfolge  zu  den  verwickeltsten;  nur  Ciceros 
Briefe  geben  einigen  Aufschluss.  Auch  müssen  wir  nachholen, 
was  diesem  Abschnitte  vorbehalten  ist,  um  den  inneren  Zusam- 
menhang der  Ereignisse  deutlich  zu  machen,  und  die  Schlau- 
heit, mit  welcher  Antonius  verfuhr.  Er  wünschte  den  Oberbefehl 
über  die  Legionen  in  Macedonien,  welche  Cäsar  zum  Kriege 
mit  den  Geten  und  Parthern  vorausgeschickt  hatte ,  und  die 
Verwaltung  des  cisalpinischen  Galliens ,  mit  dessen  Truppen  er 
jene  gleichsam  vor  den  Thoren  von  Rom  zu  vereinigen  gedachte. 
Um  diess  einzuleiten,  verschaffte  er  Dolabella  vom  Volke  Syrien 
mit  der  Befugniss,  die  Parther  zu  bekriegen,  und  das  mace- 
donische  Heer,  wie  es  der  Kürze  Avegen  genannt  M'ird.  In 
einem  geheimen  Vertrage  wurde  es  ihm  bis  auf  einen  Theil  von 
seinem  CoUegen  abgetreten,  und  der  Senat  bewilligte  ihm  Ma- 
cedonien ,  eine  Provinz  ohne  Besatzungen.  Nun  aber  raubten 
hier  die  Geten,  während  an  der  syrischen  Gränze  alles  ruhig 
war;  die  Truppen  mussten  bleiben;  als  der  Senat  auch  diess 
zugestanden  hatte  ,  brachte  Antonius  einen  Tausch  in  Vorschlag; 
D.  Brutus  sollte  Macedonien  ohne  Heer  gegen  das  cisalpinischr 
Gallien  erhalten,  welches  vom  Senat  verworfen  und  vom  Volke 
genehmigt  wurde.     Jetzt  zum  Einzelnen. 

Nach  Appian  ^^)  wurde  Syrien,  Avelches  Cäsar  C.  Cassiu^ 
bestimmt  hatte,  früher  Dolabella  überwiesen,  als  jenem  Cyrenr. 
folglich,     wenn    nichts    Genaueres  zu  ermitteln    wäre,     vor    der,, 


14)  ad  Fam.  10,  1.  2  Thil.  45.  0,  G.     15")  .1,  r..?(; 


V.  ANTONII.  14.  §.  20.)         I59 

5.  Juni.  "•->  Diess  bestätigt  Cicero.  Er  äussert  in  einem  Briefe, 
dessen  übriger  Inhalt  auf  den  April  deutet,  Pacorus,  der  Par- 
tber ,  sei  in  Syrien  eingefallen  und  also  dort  ein  Krieg  zu  er- 
warten; doch  niögeDolabclla  sorgen;  ^^)  im  Mai  ersuclite  er  ihn  um 
die  Stelle  eines  Legaten,  und  am  2.  Juni  wurde  sein  Wunsch 
erfüllt.  '**)  Demnach  überredete  Antonius  seinen  Collcgen  bald 
nach  dem  Tode  des  Dictator,  sich  um  Syrien  und  den  Ober- 
befehl gegen  die  Partlier  und  über  die  macedonischen  Legionen 
zu  bewerben.  Doch  rieth  er  ihm  nicht,  den  Senat  zu  über- 
gehen, weil  dieser  die  Verordnungen  Cäsars  bestätigt  habe, 
und  dadurch  gebunden  sei. '")  Appian  selbst  erwähnt  die  Ver- 
handlungen in  der  Curie ,  wo  man  sich  zu  Gunsten  des  Cas  'jis 
auf  Cäsar  bezog,  und  Dolabella  erwicdcrte,  über  den  parthi- 
schen  Krieg  sei  nichts  festgesetzt. -''-'  Jetzt  erst,  da  er  liier 
nicht  durchdrang ,  wandte  er  sich  an  das  Volk.  Man  sieht  auch 
keinen  Grund,  warum  Antonius  ihn  veranlassen  mochte,  von 
dem  verfassungsmässigen  Wege  abzuweichen ,  da  er  ohnehin 
seine  Absicht  erreichte,  ihn  und  die  Väter  einander  zu  verfein- 
den, und  diese  für  seine  eigenen  Anträge  fügsamer  zu  machen. 
Ihre  W^eigerung  war  zu  erwarten.  Die  Befreier  sollten  eben  in 
den  Provinzen  Kräfte  samme'ii,  sie  nochmals  zu  befreien.  Sie 
gewannen  den  Tribun  Nonius  Asprenas,  21)  in  den  Comitien 
Einspruch  zu  thun,  in  der  Meinung,  Antonius,  welcher  noch 
für  Dolabellas  Feind  galt,  werde  als  Consul  und  Augur  ihn 
unterstützen.  Er  erklärte  aber  die  ungünstigen  Anzeichen  für 
erdichtet;  die  Abstimmung  wurde  auf  seinen  Befehl  beendigt 
und  hatte  den  gewünschten  Erfolg.  ^2) 

Hiernach  konnte  es  der  Senat,  dessen  man  nicht  bedurfte, 
nur  als  eine  freiwillige  Huldigung  betrachten,  dass  Antonius 
Macedonien  von  ihm  forderte.  Er  war  ihm  um  so  weniger 
entgegen,  da  das  Land  sein  Heer  verlor  und  daher  auch  für 
M.  Brutus,  welcher  es  nach  Cäsars  Willen  verwalten  sollte, 
wenig    W^erth    zu    haben    schien.  ^3)     Als    Octavian  am  Ende  des 


16)  Unten  A.  CO.  17)  ad  Att.  14,  9.  18)  Das.  15,  8.  11.  19)  App. 
3,  530.  550.  20)  Das.  530.  21)  Das.  I.  c.  cfr.  Suet,  Oct.  56.  22)  App. 
3,  531.  530.  541.  513.  550.  4,  C22.  Cic.  11  Phil.  12.  Vellej.  2,  CO.  Dio 
45,  15.  47,  21.  29.  23)  App.  II.  cc.  Cic.  1.  c.  Vellej.  2,  62.  Dio  45, 
9.  20.  25.  4G,  23.  47,  20. 


160  V-  ANTONII.         (14.  §.  20.) 

April  nach  Tarraclna  kam , -*^    wusste  er  ohne  Zweifel,    •welche 
Provinzen    die    Consuln  erhalten  hatten,     aber  "weder  jetzt  noch 
hei    der    ersten    Unterredung    mit    Antonius    konnte    er    von  der 
Entscliädi<run<r  des  Brutus  und  Cassius  unterrichtet  sein ,  -■'^  denn 
diese    erfolgte    später.      Eben    so  wenig    Avar  Cicero  ein  stummer 
Zeuge  dieser  Verhandlungen,-*^  da  er  auf  seinen  Gütern  lebte.  -'0 
Obgleich    Cäsar    ein    grösseres    Heer  gegen  die  Parther  ge- 
rüstet hatte ,  ^^^     so  standen    doch  in  Macedonien  nur  sechs  Le- 
gionen mit  der  gewöhnlichen  Anzahl  Reuter  und  vielen  leichten 
Truppen.-^)     Dazu  stimmt,     dass  eine  Legion  zu   dem  jüngeren 
Cicero  als  Befehlshaber  des  M.  Brutus  übergieng,  ^^)  dass  Anto- 
nius   eine    an    Dolabella    abtrat    und    vier    nach     Italien    rief.  "^'^ 
Seine  Mässigung  war  nur  scheinbar;  jener  liatte  sich  gegen  ihn 
verpflichtet ,    nicht  mehr  als  eine  Legion  und  die  Reuterei  nach 
dem  Osten  zu  führen,  2-)  wo  er  sich  in  Asia  durch  die  Truppen 
des    Trebonius    zu    entschädigen    hoffte.     Doch    sollte    der    Senat 
genehmigen,     was    insgeheim    bedungen    war.     Daher  verbreitete 
man  plötzlich  das  Gerücht,     dass    die    Parther    nichts  unternäh- 
men, wohl  aber  die  Geten,  welche  durch  Cäsars  Tod  ermuthigt 
Macedonien  verheerten.      Man  konnte  es  nun  nicht  von  Truppen 
entblössen,  Avie  Antonius  in   der  Curie  bemerklich  machte,    und 
überdiess    war    es    auch    Cäsars    Absicht    gewesen,     sie    zunächst 
gegen  diese  europäischen  Barbaren  zu    verwenden.      Die    Erdich- 
tung war  augenfällig;  aber  man  dachte  an  das  Volk  und  suchte 
Zeit  zu  gewinnen;   Gesandte  sollten  über  den  Zustand  der  Pro- 
vinz   berichten.  ^^)      Sie    fanden    nun    zwar    keine    Geten,    man 
niusste  sie  aber  erwarten,  sobald  das  Heer  sich  entfernte.     Schon 
dieser  Zusatz,  Avelcher  sonst  keinen  Zweck  hatte,    und  offenbar 
von  Antonius  eingegeben  war,  lässt  vermuthen  ,     dass  der  Senat 
ihm    die    Truppen  niclit  vor  der    Rückkehr  der  Gesandten ,     w  ie 
Appian    will,     sondern    nachher  überwies.^*)     Cicero    schreckten 
jene    als    Räclier    ihres    ersclilagenen    Feldherrn;     aber    nicht  alle 
seine   besorglichen   Aeusserungen    bezi.^'jen    sich    auf    diesen    Be- 


24)  Oben  §.  15.  A.  9.  25)  App.  3,  533.  53G.  20)  Dio  46,  23.  25. 
20.  27)  §.  18.  A.  87.  28)  App.  2,  497.  29)  Das.  3,  541.  30)  Cic. 
10  I'liil.  0.  31)  Ders.  ad  Faiu.  12,  23.  App.  3,  554.  32)  App.  3,  542. 
554.  Cic.  10  Phil.  G.  33)  App.  3,  542.  550.  34)  App.  11.  cc  500.  507. 
Dio  45,  0.  20.  25.  40,  23.  24.  25. 


V.  ANTONII.         (14.  §.  20.)  JGl 

schluRs;  er  fürchtete  anfangs,  dass  auch  die  Legionen  aus  Gal- 
lien und  Spanien  kümnien  möchten,  und  dann  allerdings,  der 
Consul  werde  die  ihm  gegehene  Jßefugniss  benutzen,  um  in  der 
Nähe  von  Rom  Streitkräfte  zu  sammein ,  welches  ihm  auch  bei 
seinem  Plan,  nach  Griechenland  zu  entfliehen,  sehr  unbequem 
war.  •^^) 

Der  Annahme  Eckhels  ferner,  Antonius  sei  bei  dieser  (üc- 
Icgenheifc  zum  ersten  Male  Imperator  geworden,  liegt  ein  mehr- 
facher Irrtlium  zum  Grunde.  Denn  die  Worte  Appians,  deren 
er  gedenkt,  besagen  es  nicht,  3^)  und  können  es  nicht  besagen, 
weil  man  jenen  Titel  nicht  vom  Senat,  sondern  vom  Heere 
erhielt.  Auch  haben  wir  Briefe  an  und  von  Antonius  aus  der 
zweiten  Hiilftc  des  April  und  selbst  Aom  4.  August,  in  welchen 
er  nur  Consul  heisst,  ^^^)  und  unter  keiner  Bedingung  gehört 
der  Senatsbeschluss  über  die  Legionen  in  eine  spätere  Zeit,  wie 
der  berühmte  Numismatiker  glaubt.  Dass  jener  a.  43  berech- 
tigt war,  den  Titel  zu  führen,  bezeugt  Cicero,  obgleich  er 
andeutet,  dass  das  Rcclit  erschlichen  sei,'^^''^  ein  in  diesem 
.Tahrhunderte  nicht  seltener  Fall.  Damit  eröffnet  sich  ein  weites 
Feld  zu  \'crmuthungen.  Wahrscheinlich  wurde  er  Imperator, 
als  er  D.  Brutus  gezwungen  hatte,  sich  in  Mutina  einzuschlies- 
sen ;  denn  auf  das  glückliche  Gefecht  mit  Pansa  konnte  Cicerc» 
in  der  13.  Philippika  sich  noch  nicht  beziehen,  und  dass  Mc- 
diobarbus  ihn  mit  C.  Antonius  cos.  63  verwechselt,  wenn  er 
an  die  Besiegung  des  Catilina  denkt,  sah  vor  Eckhel  doch  auch 
schon  Vai!lant.3''c) 

An  der  Nachgiebigkeit  des  Senats  hatte  die  Hoffnung  eini- 
gen Antheil,  dass  D.  Brutus  und  dessen  Freunde  die  herrschende 
Partei  leichter  stürzen  w  ürden ,  w  enn  ihr  Haupt  sich  jenseits 
des  ionischen  Meers  befände.  Allein  Antonius  v/ollte  D.  Brutus 
Macedonien  gegen  das  cisalpinische  Gallien  aufdringen,  und  die 
Truppen  aus  jener  Provinz  in  diese  versetzen  ,  welcher  die 
Ihrigen  verbleiben  sollten.  Seit  man  nicht  mehr  fürchten  durfte, 
dass    ein    Hannibal,     oder    Gallier  und    Cimbern  über  die  Alpen 


35)  ad  Alf.  14,  5.  C.  15,  2.  21.  16,  2.  4.  5.  §.  18.  A.  42.  30)  3, 
542.  —  f^nfO-ri  —  ilvui  arqwvriyii;  avtoxQÜiioQ.  S.  tcVh.  Vf.  p.  fi(j. 
36  a)  Cic.  ad  Att,  14,  13.  ad  Fam.  11,  2.  u.  3.  30 1))  13  PuiI.  10, 
3Gc)  Anton.  No.  8.  Dio   37,  40,     t'nten  §.  3U.  A.   I. 

OrumaDTii  Geschichte  Romn  I.  11 


162  V.    ANTONII.  (14.  §.  20.; 

stica;en,  war  das  obere  Italien  nicht  sowohl  eine  Bure:  für  das 
übrige,  eine  Schutzwehr  für  Rom,^^^  als  ein  Waffenplatz  für 
Ehrgeizige,  in  der  Nähe  der  Hauptstadt  gegen  sie  zu  rüsten. 
Dicss  lehrte  die  Geschichte  Ciisars,  dessen  Beispiel  Antonius 
nachzuahmen  gedachte.  Das  transalpinische  Gallien  forderte  er 
jetzt  noch  nicht,  sondern  erst  später  für  das  diessscitige;  "^8) 
dort  war  Lepidus  im  narbonensischen,  und  Munatius  Plauens 
im  übrigen,  und  hier  D.  Brutus  von  Cäsar  zum  Statthalter 
ernannt.  Indess  sagte  man  sich  schon  gegen  Ende  des  April, 
dass  er  auf  beide  Anspruch  machen,  und  am  1.  Juni  darüber 
an  den  Senat  berichten  werde. -''■')  Cicero  war  deshalb  in  Sor- 
gen, und  wünschte,  er  möge  sich  an  das  Volk  Avcnden,  damit 
jener  sich  nicht  genöthigt  sehe,  dem  Interesse  der  Befreier  und 
der  Aristocratie  selbst  entgegen  zu  handeln.  '^^^  Am  23.  Mai 
war  noch  nichts  in  der  Sache  geschehen,  auch  am  5.  Juni 
nicht,  denn  Cicero  äussert  nur  noch  Besorgnisse,  als  er  be- 
reits den  Beschluss  A^on  jenem  Tage  kannte ,  welcher  den  Ver- 
schworenen aufgab,   Getraide  zu  kaufen.  ^') 

Antonius  kam  um  die  Mitte  des  Mai  von  der  Reise  nach 
dem  Süden  mit  A'ielen  Veteranen  zurück,  nach  einer  übertrie- 
benen Schilderung  nicht  mit  verborgenen  Waffen ,  sondern  in 
Schlachtordnung,  wodurch  in  Rom  grosse  Bestürzung  entstand.  *2) 
Diese  „Advocaten"  bedurfte  er  angeblich  zu  seiner  Sicherheit.  ^^) 
Er  hatte  auf  den  1.  Juni  eine  Versammlung  des  Senats  ange- 
sagt, **^  über  deren  Zweck  verschiedene  Gerüchte  umliefen, 
als  solle  jener  Brutus  und  Cassius  Provinzen  anweisen,*^)  ihm 
selbst  beide  Gallien,  und  zwar  auf  länger  als  auf  die  von 
Cäsar  festgesetzten  zwei  Jahre,  *")  und  eine  Commission  ernen- 
nen, um  mit  den  Consuln  den  Inhalt  der  Papiere  des  Dictator 
zu  untersuchen.  *^)  Allein  schon  vor  dem  Ersten  entfernten 
sich  viele  Senatoren,  aus  Furcht,  oder  um  nicht  zu  bcschlies- 
sen,  was  sie  niclit  billigten;  selbst  Hirtius,  der  designirte  Con- 


37)  Cic.  3  Phil.  5#5,  10.  13.  App.  3,  543.  500.  3S)  7  Phü.  1.  8, 
«).  Unten  §.  38.  A.  20.  39)  ad  Alt.  14,  14.  1  Phil.  3.  10)  ad  Alt.  15, 
4.  10.  41)  II.  CO.  42)  1  Phil.  2.  2,  41.  (42).  cfr.  ad  Farn.  11,  2.  u. 
§.  10.  A.  72.  43)  1  Pliil.  7.  II.  ad  Alt.  15,  17.  41)  1  Phil.  2.  2,  41. 
(42.)  45)  ad  At«.  15,  5.  40)  Das.  14,  14.  47)  2  Phil.  39.  (38.)  §.  14. 
A.  50. 


V.  ANTONII.       (14.  §.  20.)  1G3 

sul  vcrliess  Rom,  unter  dem  Vorgehen,  dass  seine  Gegenwart 
überflüssig  sei  ,  da  Cäsar  schon  auf  mehrere  Jahre  über  die 
Provinzen  vcrlTurt  habe.  ^^)  Man  -Harnte  einander  auf  den 
Villen,  in  der  Curie  zu  erscheinen,  zugleich  ■weil  jeder  durch 
die  Abwesenheit  der  Uebrigen  gerechtfertigt  zu  werden  wünsch- 
te, ^^J  und  sprach  insbesondere  von  dem  Plane,  Brutus  und 
Cassius  in  Rom  zu  eriuorden;  sie  fragten  deshalb  bei  Antonius 
an ,  weil  er  am  besten  darüber  Auskunft  geben  konnte.  ^^^  Der 
Schrecken  Aller  waren  die  Veteranen,  welche  man  schon  im 
(iciste  um  den  wieder  errichteten  Altar  Ciisars  sich  versammeln 
sah.  ^0 

So  mochte  der  Senat  am  1.  Juni  nichtsehr  zahlreich  sein; 
wir  wollten  kommen,  sagt  Cicero,  als  hätte  er  sich  nicht  schon 
Monate  vorlier  zurückgezogen ,  aber  von  Furcht  ergriffen  flohen 
wir  plötzlich  aus  einander.^-)  Dem  Consul,  welchem  die  Be- 
waffneten nur  den  Erfolür  seiner  Anträge  verbürgen  sollten, 
war  es  nicht  angenehm ,  dass  so  viele  der  angesehensten  Sena- 
toren sich  ihm  versagten;  er  Hess  Cicero  selbst,  welcher  das 
Gcgentheil  behauptet,  am  1.  September  diese  Erfahrung  nnchen. 
Seine  Absichten  blieben  aber  dieselben;  er  gestand  nur  Einiges 
zu,  um  die  Missvergnügten  herbeizulocken.  Denn  er  lös'te  sein 
Wort  in  Betreff  der  erwähnten  Commission;^-'^  der  Senat  musste 
sie  am  1.  Juni  ernennen,  und  das  Volk  diesen  Bcschluss  am 
folgenden  Tage  I)cstätigen.  ^*J  Dadurch  verlor  er  nichts ;  das 
Meiste,  was  ihm  frommte,  Avar  unter  Cäsars  Namen  schon  aus- 
geführt, und  von  den  ihm  beigegebenen,  unter  seinem  Einflüsse 
gewählten  Senatoren  nichts  zu  fürchten. 

Auf  eine  Besänftigung  des  Senats  war  es  ferner  berechnet, 
dass  M.  Brutus  und  Cassius  für  Macedonien  und  Syrien  durch 
andere  Provinzen  entschädigt  wurden,  freilich  auf  eine  Art, 
welche  sie  unschädlich  machte  und  erniedrigte,  denn  jener  sollte 
in  Creta,  und  dieser  in  Cj-rene  Getraide  kaufen.  ^^)  Ihre  Freunde 
veranlassten  Antonius,  darauf  anzutragen,  damit  sie  nicht  als 
Verbannte    ausserhalb    Roms  zu  leben    schienen ;     allein  jene  be- 

48)  ad  Att.  15,  5.  ".  1  Phil.  2.  40)  ad  Alf.  It,  22.  lö,  5.  8. 
50)  ad  Atl.'l4,  22.  F.tinil.  11,  2.  §.  17.  A.  37.  51)  ad  Fam.  I.e. 
ä-X)  2  Phil.  41.  (12.)  f.;;)  A.  47.  54)  ad  Att.  16,  IG.  an  Capito  ed. 
Schütz.   VI.  p.   1,^1.     55)  §.   17.  A.  42.  f. 

11    * 


IG4  V.  ANTONir.         (i4.  §.  20.) 

traclilctcn  es  .iiirh  nur  als  ein  Zwiscliengcscliäft,  nach  welchem 
sie  am  Ende  des  Jahrs  und  ihrer  Priitur  priitorische  Provinzen 
erhalten  sollten.  ''''^  Bei  Dio  '^'')  findet  sich  wenig  darüber,  und 
der  Angabe  Appians,  ^V  dass  der  Senat  über  Greta  und  Cyrenc 
verfügt  liabe  ,  ehe  Octavian  nach  Rom  kam  ,  folglich  vor  dem 
Ende  des  April,  widerspricht  Cicero.  Denn  dieser  erAvähnt  den 
Beschluss  in  den  ersten  Tagen  des  Juni  als  ein  Ereigniss  der 
neuesten  Zeit;  ^'■^^  Hirtius  nennt  den  fünften  dieses  Monats  als 
den  Tasr ,  an  welchem  man  über  die  Provinzen  verhandeln 
werde ,  *'*^'  und  Baibus  schreibt  kurz  vor  der  Sitzung,  der  Senat 
werde  an  den  Nonen  beschliessen,  dass  Brutus  in  Asia  und 
Cassius  in  Sicilien  Getraide  kauften,  ß')  Daraus  erhellt  nun 
auch,  obgleich  er  in  den  Namen  der  Länder  irrt,  *»-)  dass  der  Senat 
die  beiden  Verschworenen  nicht  mit  der  Zufuhr  beauftragte, 
während  sie  noch  in  Rom  waren,  damit  sie  es  auf  eine  eliren- 
volle  Art  verlassen  konnten,*'"')  und  ihnen  nicht  später  als  den 
Auftrag  die  Provinzen  gab.  ''*)  Selbst  Servilias  Versprechen, 
zu  bewirken,  dass  der  Theil  des  Besclilusses,  welcher  den  Kauf 
betraf,  als  schimpflich  zurückgenommen  werde,  bewcis't,  dass 
von  ihm  und  von  den  Provinzen  zu  gleicher  Zeit  die  Rede 
war. ''^)  Die  Bemerkung  Appians  endlich,  nach  wclclier  man 
in  der  Curie  die  Verschworenen  gleich  nach  dem  Morde  nach 
Macedonien  und  Syrien  schicken  wollte,  damit  sie  Rom  von 
dort  versorgten,  bedarf  der  Widerlegung  nicht.  66j 

Jetzt  geschah,  was  man  lange  gefürchtet  hatte.  Antonius 
verlangte  voui  Senat  das  cisalpinische  Gallien,  für  Avelches  er 
Macedonien  an  D.  Brutus  abtreten  wollte.  Auch  dem  Kurz- 
sichtigsten musstc  nun  der  Zusammenhang  und  Zweck  seiner 
Unternehmungen  deutlich  Avcnlen ,  und  der  Antrag  wurde  ver- 
worfen. ^^)  Der  Senat  genehmigte  ihn  so  wenig ,  wie  Dio 
Fufius  Calenus  sagen  lässt,  ß^.)  dass  er  vielmehr  daran  dachte, 
iencn  Theil  von  Italien  für  frei  zu  erklären,  und  damit  die 
Statthalterschaft    ganz    aufzuheben ,  ^'■'^    und     in    Privatschreiben 


50)  Cic.  ad  Atf.  15,  9.  App.  3,  530.  57)  44,  51.  46,  23.  47,  20. 
58)  3,  533.  59)  ad  Alt.  15,  10.  II.  12.  CO)  Das.  15,  6.  cfr.  11,  lt. 
15,  5.  Gl)  Das.  15,  9.  62). §.  17.  A.  43.  f.  f.3)  App.  3,  rviO.  i  ,  622. 
(,-')  Dcrs.  3,  531.  4,  tiOfi.  (T5)  Cic.  ad  AU.  15,  12.  00)  3,  549.  4, 
ti-i2.     C7)  App.   3,  513.   515.   558.      08)  4«,  23.  24.     09)  App.  3,  545. 


V.  ANTONII.         (11.  §.  20.)         165 

mclir  als  eine  Aufl'ortleriing  an  Brutus  ergieng,  unter  keiner 
Bedingung  zu  wciehcn.  ''"->  Dem  Cousul  war  diese  Weigerung 
uiclit  unerwartet,  und  um  desto  gewisser  bei  dem  \'olke  durdi- 
zudringcn ,  versöhnte  er  sich  mit  Octavian,  Avelchcr  sich  als 
Erbe  Cäsars  durch  Freigebigkeit  beliebt  gemacht  und  bisher 
nianclie  Ursach  gehabt  hatte,  sich  über  ilm  zu  beklagen.  "") 
Schon  in  der  Nacht  vor  den  Comitien  wurde  der  Markt  be- 
setzt;^-) die  Tribunen  waren  theils  bestochen,  theils  wagten  sie 
nicht,  Einspruch  zu  thun,  und  OctaA'ian  verwandte  sieh  bei 
der  Menge,  um  die  Partei  der  Mörder  und  das  Ansehn  des 
Senats  zu  schwachen.''^  Das  Gesetz  gieng  durch,  ^*)  und  ge- 
stattete, Brutus  im  Fall  des  Ungehorsams  zu  bekriegen,  auch 
mit  den  macedonischen  Legionen,  wenn  die  Geten  sich  nicht 
regten.  ^•'^  Dass  Cicero  auf  dem  Lande  war,  wussten  auch 
Calcn  und  Piso ,  sie  kennten  ihm  also  wohl  den  Vorwurf  ma- 
chen, dass  er  die  Republik  ihrem  Schicksale  überlasse,  nicht 
aber,  dass  er  gegenwärtig  gewesen  sei  und  geschwiegen  habe;  ~^J 
er  äusserte  dann  die  lioffnung,  Antonius  verde  grossmüthig 
Gallien  eutsan-en  und  vom  1.  Aujjust  an  sich  dem  Senat  nicht 
mehr  widersetzen. ''"') 

.Man  hatte  ebenfalls  schon  im  April  erwartet,  dass  er  am 
J.  Juni  uebst  Gallien  auch  die  Befugniss  fordern  werde,  es 
fiinijer  zu  verwalten,  als  Cäsars  Gesetz  erlaubte.  ^^)  In  der 
Curie  kam  diess  aber  wohl  nie  zur  Sprache;  nicht  früher  als 
der  Tausch,  welcher  dann  noch  Aveniger  gebilligt  sein  würde, 
und  nicht  nachher ,  weil  man  nicht  da  um  eine  Verlängerung 
der  Statthalterschaft  nachsuchen  konnte,  wo  diese  selbst  ver- 
weigert war.  Demnach  machten  Volkstribune  einen  Gesetzent- 
wurf bekannt,  nach  welchem  die  Verwaltung  der  Consular- 
Provinzen  niclit  zwei  Jahr  dauern  sollte,  wie  Cäsar  verfugt 
hatte,  sondern  sechs.  ^'•')  Man  verfuhr  mit  grosser  Eile;  die 
Rogation    wurde    von    Veteranen    und  einem   bestochenen  Volks- 


70)  App.  3,  513.  550.  551.  71)  §.  15.  A.  51.  72)  App.  3,  545 
Liv.  117,  73)  App.  3,  510.  74)  Das.  u.  558.  559.  560.  5C2.  505.  507 
Dia  45,  9.  20.  22.  34.  4ü,  23.  75)  App.  3,  502.  507.  70)  App.  3, 
502.  Dio  40,  23.  24.  25.  77)  1  Phil.  3.  ad  AU.  IG,  7.  78)  ad  AU. 
14,  14.  7  9)  1  Phil.  8.  10.  2,  4!.  (i2.)  5,  3,  8  Phil.  U.  furderl  Anto- 
nius das  jcus.  Gallien  auf  fünf  Jahr.  §.  14.  A.  92  f. 


IGG  V.   ANTON«.  (14.  §    o|.) 

Jiaiifcn^")  friilier  Itcstäti^t,  als  gesetzlich  darüber  gestimmt  wer- 
«Icii  durfte, '*U  aber  keineswegs  schon  am  1.  Juni,  wie  Alanu- 
tius  glaubt. '^->' 


§  21. 

Antonius  hatte  erreicht,  vas  er  vorerst  wünschen  konnte; 
das  Volk  war  ihm  gewärtig,  der  Senat  unterdrückt,  Octavian, 
wie  er  -ji;laubte ,  hcsclnviohtigt,  und  eine  (icgenwirkung  der 
VcrscIiAvorencn  nicht  zu  fürclitcn;  denn  man  hatte  ihnen  die 
l'rovinzcn  genommen  oder  abgesprochen,  wo  sie  zu  schaden  ver- 
mochten, und  ihr  Anhang  in  Rom  war  gering,  welches  sich  im 
Juli  vom  neuen  hei  den  Apollinarspielen  zeigte.  ^^)  Mit  Ilulie 
sah  er  dem  Ende  seines  Consulats  entgegen,  und  doch  wurde 
er  bald  von  grossen  Gefahren  bedroht.  Die  freimüthigen  Reden 
oder  Sclimühungcn  einiger  Consularcn,  des  L.  Piso  und  Cicero 
hctten  keinen  Tlieil  daran,  sondern  es  war  lediglich  das  Werk 
des  Octavian. 

Indess  mochte  ilim  ein  Angriff  des  Piso  unerwartet  sein. 
Dieser  hatte  nach  dem  Tode  Ciisars,  seines  Schwiegersohns, 
seine  Plane  begünstigt,  aber  nicht,  um  ilim  zu  nützen,  son- 
dern um  jenen  zu  ehren.  ^^^  Am  1.  August  trat  er  im  Senat 
ah  sein  Ocgncr  auf,  ohne  je<loch  Unterstützung  zu  finden, 
v.cshalb  er  am  nächsten  Tage  nicht  wiederkam.  ^V  Genaueres 
wisr;en  wir  nicht.  AVie  abschreckend  aber  auch  das  Bild  sein 
mag,  welches  Cicero  nach  seiner  Art  von  ihm  entwarf,  als  sie 
iii  Folge  seines  Streits  mit  Clodius  Feinde  waren, ^C)  go  sclieint 
CS  <lüc!i ,  dass  er  auf  Frieden  drang,  auf  die  Erhaltung  der 
Aujnestie,  und  dcmnacli  die  Anmassungen  des  Antonius  nicht 
sowohl  an  sidi,  als  nur  in  sofern  rügte,  als  sie  die  Absicht 
verriethen ,  die  Faction  der  Verscliworcnen,  und  zunächst 
1).  Ijrutus  zu  bekriegen.  Appian  verliert  daher  nicht  an  Glaub- 
würdigkeit, ^^)  wenn  er  ihn  später  gegen  Cicero  sprechen  lässt,''^; 
denn  dieser  verlangte  die  Aechtung  des  Antonius,     einen  Krieg 


80)  et   aMcntc   ijopvln    et    invilo.  1    PMl.  2.  81)   5  Fhil.  3.     82)  A. 

zu    ad    AU.    11,    14.     83)  §.    17.    A.    03.     81)  §.  10.    A.  08.     85)  Cic.   1 

IMiil.    1.   r..  5,  7.  nd   Ad.   1(5,  7.  a^  Fnm.   12,  2.  8C)  pro  Sext.  in  Piuon. 
.1.   s.      «7)   Al.raiii.   in    I    l'liil.  4.     88)   3,   5ü2.  f. 


V.  ANTONII.        (II.  §.  21.)       167 

auf  Tod  1111(1  Lcljen ,  und  er  empfahl  vcrs'jlinende  .Massregcln. 
Keine  Rede  vom  1.  August  wurde  bald  auch  ausserlialb  RumK 
bekannt,  und  von  Brutus  und  andern  Feinden  des  Consuls  ge- 
priesen, ^^^  doch  bewirkte  sie  nur,  dass  Cicero  aus  Scliaam, 
und  weil  sein  Lob  ihn  eifersüchtig  machte ,  nun  um  so  mehr 
zur  Kiickkelir  nach  Rom  sich  entschioss,  wo  er  ilim  am  2. 
September   im  Namen  der  Republik  öffentlich  dankte.  '•'^^ 

Es  ist  an  einem  andern  Orte  bemerkt,  dass  Antonius  in 
diesen  Tagen  drohende  Briefe  und  ein  Edict  voll  Schmähungen 
gegen  lirutus  und  Cassius  erliess,  deren  Abreise  von  Italien  er 
beschleunigen  wollte,  und  dass  sie  ihm  am  4.  August  eine 
stolze  aber  kraftlose  Antwort  schickten.  ^'^ 

Heftiger  wurde  der  Zwist  zwischen  ihm  und  Cicero,  wel- 
cher am  31.  jenes  Monats  wieder  in  der  Hauptstadt  eintraf. 'J-J 
Die  Zeit  der  Philippiken  Mar  gekommen.  Rede  und  SchMcrdt 
kämpften  um  den  Aorrang;  gewaltig  ertönte  jene,  als  Octavian 
ihr  mit  den  Veteranen  Nachdruck  gab ,  und  sie  verstummte, 
jils  er  seine  Haud  zurückzog.  Bestand  also  vielleicht  der  un- 
bewehrte  Arm  einen  eiirenvollen  Kampf  gegen  die  Uebermacht  ^ 
Bestand  ihn  ein  edler  Republicaner  mit  glühendem  Kifer  für 
Freiiielt  uml  Recht,  ein  weiser  Staatsmann,  welcher  nur  das 
Unglück  hatte,  in  eisernen  Zeiten  nicht  auch  Krieger  zu  sein? 
Vv'ar  es  die  gute  SacJje ,  wenigstens  die  bessere,  welche  er  ver- 
focht? Oder  wollte  er,  was  sein  Gegner  wollte,  der  Erste  im 
.Staate  sein,  nur  durcli  andere  Mittel,  weil  etwa  das  Schwerdt 
ihm  zu  schwer  wog,  und  die  Lager  ihn  schreckten?  Sollten 
Senat  und  Volk  nur  gelten,  weil  er  durch  sie,  und  nur  durch 
sie  regieren  konnte,  und  war  es  also  nicht  weniger  als  auf  der 
anderen  Seite  die  Selbstsucht,  welche  ihn  beseelte,  war  es  die 
Eitelkeit,  welche  die  Feigheit  zum  Schweigen  brachte,  und 
zuletzt,  als  er  aucli  untergeordnet  nicht  mehr  neben  Antonius 
bestehen  konnte,  die  Verzweiflung?  AVer  öffentlich  liandelt, 
unterwirft  sich  dem  öffentlichen  Urtheile;  der  Zeitgenoss  ist 
berechtigt,  und  der  Geschichtschreiber  verpflichtet,  das  sciuige 
abzugeben,  nur  nicht  nach  einer  einzelnen  Erscheinung. 


%9)  ad   AK.   10,   7.     90)  1   Phil.    7.    §.    19.    A-    10.    12.     91)  §.    IT- 
^.   75.     02)  S.  A.  90. 


1C8  V.  ANTONII.  (14.  §.  21.) 

Cicero  versio' ort,  dass  nur  das  Verlangen,  Rom  Vur  der 
Knechtschaft  zu  bewahren,  ihn  gegen  Antonius  in  die  Schran- 
ken führe.  Die  Stimme  der  Republik  rief  ihn  zurück;  '•'•*.'  sie 
ist  ihm  thcurer  als  das  Leben  ;*J*J  ihre  Herstellung,  das  Glück 
und  die  Freilicit  seiner  Mitbürger  das  grosse  Ziel,  welches  zu 
erreiclicn  er  alle  seine  Kräfte  aufbietet,  und  Tag  und  Nacht 
sich  abnulht.  *-*■')  Nur  in  ihrem  Interesse  fordert  er  auch  An- 
dere auf,  Antonius  Widerstand  zu  leisten.  Nichts  ist  rühmli- 
cher, als  sich  um  sie  verdient  zu  machen;  ^*^)  dieser  Ruhm  aber 
gebiilirt  denen,  ivelche  Antonius!*'^  und  seinen  Genossen  ^^J 
Aviderstehen,  denn  er  will  sie  unterdrücken, '■''♦)  es  gilt,  die 
Tempel  der  unsterblichen  Götter  g'gen  ihn  zu  retten,  die 
Mauern,  die  Behausung,  die  Wohnsitze  des  römischen  Volkes, 
die  Renaten,  die  Altäre,  den  Hcerd ,  die  Gräber  der  Vorfahren, 
die  Gesetze,  die  Gerichte,  die  Freiheit,  die  Gattinnen,  die 
Kinder,  das  Vaterland. 'oo)  Seine  Erbitterung '  gegen  Cicero 
beweis't ,  dass  dieser  als  Vertheidiger  der  Republik  sich  immer 
gleich  bleibt;  seit  zwanzig  Jahren  ist  niemand  gegen  sie  auf- 
gestanden, der  nicht  auch  ihm  die  Fehde  angekündigt  hätte.  0 
\^'ie  ungereimt,  wenn  Antonius  den  Streit  mit  ihm  als  einen 
persönlichen,  oder  als  eine  Parteisaclie  darstellt!  wenn  er  be- 
Ijauptet,  er  wolle  die  so  oft  abgethane  Sache  der  Pompejaner 
wieder  ins  Leben  rufen!  wenn  sie  abgethan  war,  wie  konnte 
sie  wieder  erstehen,  und  der  Unsinnige  sollte  wissen,  dass  auf 
dem  Markte  und  in  der  Curie  von  Parteien  die  Rede  ist,  hier 
:iber  von  seinem  ruchlosen  Kriege  gegen  das  ^'aterland  ,  -)  dass 
der  Ausdruck  Parteikampf  überhaupt  keine  Anwendung  mehr 
leidet.  ^J 

Da  nun  also  Ciceros  Absichten  so  rein  und  ausschliesslicli 
auf  das  Beste  der  Gesammtheit  gerichtet  waren ,  so  verrieth 
mau  bösen  AVülen,  oder  Mangel  an  Einsicht  oder  an  Muth, 
wenn  man  ihm  nicht  unbedingt  beistimmte,  oder  gar  versöhnliche 
Massregcin  empfahl.     Diess  begegnete  ihm  im  Senat,  und  gerade 


93)  ad  Famil.  10,  1.  94)  Das.  10,  12.  11,  5.  95)  Das.  0 ,' 2-1.  10, 
19.  12,  22.  21.  14  Phil.  7.  90)  ad  Farn.  10,  5.  C.  12.  97)  Das.  10, 
JO.  M.  96)  Da*.  12,  7.  99)  12  Phil.  ü.  lin.  lOU)  8  l'hil.  3.  1)  2  Phil. 
1-  12,  10.  2)  13  Phü.  11  fiii.  18.  Vgl.  d.  Lob  der  Pompejaner  2  Phil, 
in.   14  Phil.  8.     3)   13  l'hü.  20. 


V.  ANTONII.        (14.  §.  21.)  169 

die  Coiisulaven,  vor  Anderen  zum  Scliutze  der  Republik  beru- 
fen, unterstützten  ibn  am  wenigsten.  Nur  Einige  unter  ihnen 
konnte  man  als  Avahre  Consularen  betrachten:  L.  Piso,  P.  Ser- 
rilius,  L.  Cütta,  L.  Cäsar,  Ser.  Sulpicius,  die  Uebrigen  nann- 
ten sich  so,  aber  sie  waren  schlecht  gesinnt,  oder  gleichgültig, 
oder  ohne 'Festigkeit,  oder  sie  spraclien  ohne  Rücksiclit  auf 
den  Staat,  was  Hoffnung  oder  Furclit  ihnen  eingaben,  sie  be- 
günstigten wohl  gar  den  Feind,  verbreiteten  seine  Briefe,  und 
läiimten  durch  falsche  Nachrichten  Muth  und  Kraft.  *)  Zum 
Tlicil  wurden  diese  Schändlichen ,  welche  die  Senatoren  niederen 
Ranges  beschämten,  vom  Neide  gegen  diejenigen  verblendet, 
deren  Eifer  Anerkennung  fand.  ^)  Nach  dem  Tode  des  Sulpicius 
konnte  Cicero  sogar  nur  noch  L.  Cäsar  ein  gutes  Zeugniss  geben, 
und  auch  dieser  trat  als  Oheim  des  Antonius  zu  leise  auf;  ^) 
Piso's  Ansprüche  auf  Beifall  erloschen,  seit  er  sich  zum  Frie- 
dens-Gesandten  herlieh.  ^^^  Kurz,  der  Senat  wurde  von  seinen 
Häuptern  verlassen  und  das  \  olk  verachtete  sie.  ^) 

Bei  einem  solchen  Mangel  an  Ehrenmännern  ^)  hielt  es 
Cicero  für  angemessen,  obgleich  Privatmann,  den  Srnat  zu 
bevormunden.  Sollte  Antonius  unterliegen ,  so  war  es  an  sich 
wünschenswerth ,  dass  Einer  alles  leitete,  wenn  er  dazu  tüchtig 
war.  Sobald  jener  das  Feld  geräumt  hatte,  nahm  Cicero  die 
gewohnte  Stellung  wieder  ein.  Er  weckte  am  20.  December 
durch  seine  3.  und  4.  Philippika  den  erschlafften  Senat,  be- 
lebte die  Hoffnungen  des  Volks,  gründete  von  neuem  die  Re- 
publik, und  kündigte  sich  als  den  Ersten  in  der  Curie,  als 
Vertheidiger  der  Freiheit  an,  während  alle  Andere  es  an  sich 
fehlen  Hessen,  ^0)  Diess  war  kein  strafbares  Streben  nacli  einem 
Vorrange,  nach  einem  Ucbergewichtc;  man  kann  durch  treue 
Gesinnungen  gegen  das  Vaterland  sich  auszeichnen,  und  des- 
halb von  Anderen  ausgezeii'huet  werden  ,  ohne  dass  ein  Princi- 
pat  besteht.  Einst  gab  es  Consulare,  welche  diess  begriffen, 
und  es  gern  duldeten,  dass  er  der  Erste  und  Angesehenste  un- 
ter ihnen  war.  ^')     Jetzt  beneideten  sie  ihn,     statt    sein  Brifipiel 

4)  ad   Fam.    12,    2.    1   Phil,    G.    7,    2.    11,    7.    cfr.  ad  Farn.    10,  28. 

5)  ad  Faoi.   12,  4.  5.     C)   Das.   10,  28.   12,   5.  8   Phil.    l.     7)   8  Phil.  10. 

8)  Das.  7.  u.  11.  9)  ad  Farn.  10,  3.  M  Phil.  7.  10)  ad  Fam.  10,  2S. 
12,  24.  25.     11)  14  Phil.  7. 


170  ^-  ANTONI I.  (14.  §.  21.) 

nadizualimcn ,  ^-)  weil  die  Gutgesinnten  sich  au  ihn  anschlös- 
sen, sein  Gefolge  bihleten,  ueil  das  Volk  mit  seinem  richtigen 
Blicke  den  Werth  und  die  Festigkeit  seiner  Grundsätze  und  die 
Wichtigkeit  seines  Wirkens  kannte  und  ehrte, '^-^  ihn  zu  sich 
auf  den  Markt  rief,  i*)  und  er  allgemein  für  den  Mittclpunct 
und  die  Seele  der  Unternehmungen  gegen  Antonius  galt.  ^^) 
Seine  Feinde  und  Neider  eniblödetcn  sicli  niclit,  zu  verhreiten, 
die  Herrschsucht  mache  ihn  zu  dessen  Nebenbuhler;  er  werde 
mit  den  Fasces  auftreten,  in  der  Rolle  des  Catilina,  als 
Tyrann.  '^J 

Seine  Aeusserungen  und  sein  Verhalten  mussten  wenigstens 
die  Meinung  erregen,  dass  er  an  der  Spitze  der  Regierung 
stehe.  Die  öffentlichen  Gesciiäfte  nahmen  alle  seine  Zeit  hin- 
weg, und  drohten,  seine  Kriifte  zu  erschöpfen,  ihn  zu  erdrük- 
ken.  ^^^  In  ihm  schützte  oder  verletzte  man  Senat  und  Voik,  ^8) 
und  sie  verkannten  seine  Verdienste  nicht;  das  Volk  lehnte  in 
seinem  Namen  die  gefährliche  Gesandtschaft  au  Antonius  ab,  !!>) 
der  Senat,  jetzt  wieder  sein  Werkzeug, ^o)  Hess  am  19.  März 
43.  seine  Minerva,  die  Beschützerinu  der  Stadt,  aufstellen, 
welche  der  Sturm  umgeworfen  hatte.  -0  Die  beiden  Consuln 
verlor  man  zu  ungelegener  Zeit,  doch  er  fuhr  fort,  über  die 
Republik  zu  Avaclieu,  als  Steuermann  das  Staatsschiff  mit  Ge- 
schick zu  lenken,  --^  der  nuithige  Führer  des  Senats  zu  sein, -^) 
und  die  Anschläge  der  Feinde  zu  vereiteln. -^3  Antonius  kannte 
ihn;   er  erwartete  keine  Friedensboten.  -■*) 

Auch  in  seinen  Briefen  an  die  Statthalter  zeigte  er  sich 
als  das  Haupt  der  Republik.  Er  scla-ieb  ihnen  ohne  Auftrag, 
was  der  Staat  von  ihnen  fordere;  schickte  ihnen  in  Form  der 
Belehrung    oder    des    g",teu    Ralhes  Verhaltungs- Befehle ; -''-'     be- 


12)  S  Phil.  10.  H,  G.  13)  8  Phil.  10.  12,  12.  M,  7.  ad  Fani.  10,  12. 
12,  5.  1  1)  7  Pliil.  8.  cfr.  14,  5.  15)  ail  Fani.  12,  4.  IG)  U  Phil. 
5.  C.  17)  ad  Fam.  10,  19.  28.  12,  25.  30.  18)  11  Pl.il.  8.  19)  12 
Phil.  10.  20)  ad  Fam.  11,  M.  21)  Das.  12,  25.  cfr.  ad  Att.  7,  3. 
Unten  §.  35.  A.  40.  §.  40.  A.  84.  22)  ad  Fam.  I.  c.  23)  Das.  11,  18. 
24)  Das.  11,  14.  cfr.  12  Phil.  8.  25)  13  l'liil.  21.  Man  verfehlt  den 
Sinn  dieser  Worte,  in  welchen  eine  grosse  Ai:massung  liegt,  wenn  man 
mit  IVlanutius  nur  an  eine  Sendung  Ciceios  denkt;  dieser  gjiricht  von 
tiner  tiesandlschall  iiu  Allgemeinen.     20)  ad  Fam.   II,  5.  24. 


V.  ANTONII.         (11.  §.  22.)       171 

zeuste  ihnen  im  Namen  des  Senats  und  des  Volks  seine  Zu- 
fricdcnlicit , -^)  oder  sein  Missfallcn,  und  nicht  selten  so,  dass 
ein  <lcrber  Verweis  darin  lag;  -ä)  beklagte,  dass  er  wegen  der 
Leere  des  Schatzes  niclits  für  sie  thun  könne,  29)  oder  ver- 
sprach, ihrer  Gcldnoth  abzuhelfen  ,3*^)  und  zu  ihren  Gunsten 
die  Wahlen  oder  die  Ackervertheilung  zu  verzögern.  ^0  Wie 
ein  Türst  seinen  Feldherrn  verhiess  er  ihnen  Belohnungen ,  un- 
ter der  Bedingung,  dass  sie  ihre  Pflicht  erfüllten,'^"-)  und  ver- 
bürgte sich,  dass  d^r  Senat  alle  ihre  Schritte  genehmigen 
verde. -ä^)  Die  Statthalter  nahmen  ihn,  Avie  er  sich  gab.  Sie 
berichteten  an  ihn,*^*)  und  ersuchten  ihn  oft,  ilire  Berichte  an 
den  Senat,  -welche  sie  ihm  zu  dem  Ende  überschickten  oder 
durch  Freunde  vorlegen  Hessen,  zu  lesen,  auch  wohl,  sie  nach 
Gutdünken  zu  verandern.  •^•^)  Auch  übrigens  trugen  sie  ihm 
ihre  Bitten  und  Wünsche  vor,  und  versicherten  ihn  ihrer  Treue 
gegen  die  Republik.  "^^'^  D.  Brutus  insbesondere  schrieb  ihm 
als  dem  Manne,  welclier  das  Heft  des  Staats  in  der  Hand  halte 
und  alles  bewirken  oder  veiduudcrn  könne,  dem  man  also  auch 
Rechenschaft  geben  müsse, '^^^  und  Cassius,  nicht  der  Befreier, 
aber  ebenfalls  im  Osten ,  stattete  ihm  nach  der  Niederlage  des 
Antonius  seinen  Glückwunsch  ab,  und  nannte  ihn  den  besten 
Bürger,  den  grössten  Consular,  der  als  solcher  den  grössten 
Consul  in  sich  selbst  übertrolTen ,  und  aucli  jetzt  w  ieder  in  der 
Toga  mehr  vermocht  habe,  als  Aller  Waffen. ^S)  Von  gleichen 
Gefühlen  durchdrungen  begleitete  ihn  das  Volk  nach  den  ersten 
Erfolgen  bei  ]\Iutina  auf  das  Capitol ,  und  die^s  w  ar  einmal 
nach  seiner  Ansiclit  ein  gcrcciiter  und  wahrer  Triumph,  ^^)  Aveun 
auch  für  Senat  und  Feldhcrrn  nicht  sehr  schmeichelhaft. 

§  22. 

Wenn  der  Kampf  Ciceros  gegen  Antonius  ein  Kampf  für 
Freiheit  unt.  Verfassung  war,  so  erklärte  er  nun  auch  jedes 
Mittel     für     erlaubt,     den     Feind    zu    unterdrücken.      Auch    ein 

27)  Das.  10,  6.  in.  28)  Das.  10,  6.  27.  11,  12.  14.  18.  29)  Das. 
12,  30.  30;  Das.  1),  14.  24.  31)  Das.  10,  20.  11,  21.  32)  Das. 
10,  10.  ]2,  10.  33)  Das.  10,  IG.  34)  Das.  10,  12.  31.  33.  11,  ID. 
12,  11.  12.  35)  Das.  10,  12.  11,  10.  12,  12.  SC)  Das.  a.  d.  a.  0. 
37)  Das.  11,0.  13.  20.  20.     3S)  Das.  12,  13.     39)   14  Phil.  5. 


172  V-  ANTONir.       (14.  §.  22.) 

Mann  neuerer  Zelt  forderte  unbedingt  jedes  Opfer  für  einen 
Zustand,  Avclclien  er  Freiheit  nannte.  Die  («escliichte  bezeugt 
ihm,  dass  er  unter  seinem  Eifer  nicht  eine  unedle  Selbstsucht 
vcrharg,  und  dcnnocli  hat  sie  ihn  gebrandmarkt.  Olinc  die 
Macht,  Uebcis  zu  thun,  würde  er  nur  auf  der  Rednerbühne 
gemordet  haben;  im  Besitze  dieser  Macht  erbauteer  seinem  Idole 
folgerecht  Altüre  A^on  Leichen.  Man  entdecke,  dass  die  Freiheit  nur 
dem  Ehrgeize  die  Maske  lieh ,  und  man  nimmt  ihm  das  Einzi- 
ge, was  seine  Schuld  mildern,  fügt  das  Einzige  hinzu,  was 
ihre  Furchtbarkeit  vermehren  kann. 

Seit  Cicero  sich  über  die  Menge  erhoben  und  mannichfach 
angefeindet  sah,  vernahm  man  von  ihm,  es  sei  nicht  nur  kein 
A  erbrechen,  sondern  ehrenvoll  und  verdienstlich,  wenn  ein  Pri- 
vatmann aus  eigner  Bewegung  einen  Bürger  todte,  durch  Avel- 
chen  der  Staat  gefaiirdet  werde ;  in  ihm  handle  der  Staat 
selbst.*")  Dieser  Grundsatz,  welchen  die  Aristocratie  gegen  die 
Gracchen  befolgte,  Marius  gegen  die  Ar  stocratie,  Sulla  gegen 
die  Marianer,  die  Faction  des  Pompejus,  Avie  Cicero  selbst 
kla'i-t,  gegen  Alle,  welche  gegen  sie  oder  nur  nicht  für  sie 
waren,  Antonius  und  üctavian  gegen  die  sogenannte  Faction 
des  Pompejus,  war  nach  Cicero  in  Rom  Aon  jelier  zur  Amven- 
dung  gekommen  und  durch  grosse  Beispiele  geheiligt.  Denn  so 
erschlug  Servilius  Ahala  Sp.  Miilius,  P.  Scipio  mit  seinen  Be- 
gleitern Tiber.  Gracchus,  Opimius  die  Genossen  des  C.  Gra- 
cciius;  so  handelte  Marius  gegen  die  Hotte  des  Saturninus, 
und  Cicero  gegen  die  Rotte  des  Catilina;  '^O  so  würde  jeder 
die  Ermordung  des  P.  Clodius  gebilligt  liaben,  wäre  sie  auch 
von  Seiten  Milos  nicht  Nothwehr  gewesen,  ^~)  und  so  war  Cä- 
sar mit  Recht  getödtet,  welches  Cicero  einst  ausführlich  zu  be- 
weisen gedachte.  ^•'^ 

Gerade  desiialb  erschien  die  That  des  15,  Märzes  um  so 
rühmlicher,  Avcil  kein  ötlcntlicher  Beschluss  sie  veranlasste, 
sondern  die  Mörder  aus  eigenem  Antriebe  alle  Gutgesinnten  ver- 
traten.'^^^     Nur    darin   fehlten    sie,    dass    sie    diese   nicht    auch 


40)  pro  domo  34.  p.  Milon.  28.  Brut.  27.  28.  58.  1  Phil.  14. 
41)  i>.  Milon.  30.  8  Ihil.  1.  5.  42)  p.  Milon.  2S.  43)  ad  Att.  15,  3. 
Unten  §.  25.  A.  70  f.    44)  ad  Faw.  U,  7.    2  l'liil.  12. 


V.   ANTONII.         (14.  §.22.)      173 

von  Antonius  befreiten  ;*5^  Cicero  hätte  an  ihrer  Stelle  nicht 
hloss  einen  Act,  sondern  das  ganze  Stück  zu  Ende  gespielt,  ^^j 
Docli  wnr  wenigstens  ein  gutes  Beispiel  gegeben.  *''J  Als  man 
erzählte,  üctavian  habe  Antonius  nachgestellt,  wurde  es  von 
dem  besseren  Theile  der  Bürger  geglaubt  und  gebilligt.  ^V 
Welciier  (jute  mochte  nicht  der  Urheber  seines  Todes  sein,  da 
die  Wolilfahrt  und  das  Leben  der  Besten,  die  Freiheit  und  die 
Würde  des  römischen  Volks  davon  abhicng !  ^'•^.'  Man  hatte  die 
Götter  anzuflehen,  dass  ihn  und  sein  Haus  die  Strafe  des  >Va!in- 
sinns  ereilte,^")  und  durfte  es  hoft'en ;  denn  -wackern  Männern 
genügte  es,  zu  wissen,  wie  schön  es  sei,  einen  Tyrannen  zu 
tödten;  Cäsar  hatte  man  nicht  geduldet,  und  konnte  noch  we- 
niger Antonius  dulden,  sot»dern  nur  wetteifernd  zum  Werke 
schreiten,   ohne  die  träge  Gelegenheit  zu   erwarten.  ^0 

Es  fragte  sich  nach  Cicero,  ob  der  für  einen  Bürger  oder 
nucli  nur  für  einen  Menschen  zu  halten  sei,  der  einen  Bürger- 
krieg wünschte.  ^V  Indess  wünschte  er  ihn  selbst,  da  der 
Meuchelmord  doch  immer  ungewiss  war.  Aber  es  sollte  nicht 
so  scheinen.  Legionen  waren  von  Antonius  abgefallen,  Octa- 
vian  und  D.  Brutus  hatten  gegen  ihn  gerüstet;  gefahrlos  konnte 
der  Senat  sie  zu  dem  ermächtigen,  was  ohne  ihn  bereits  ge- 
.schehen  war ,  und  zu  fernerem  Widerstände ,  und  es  war  noth- 
wendig,  denn  v»enn  Antonius  für  einen  Reichsfeind  erklärt  und 
damit  einem  auswärtigen  gleich  gestellt  wurde ,  so  bebten  ängst- 
liciie  Gemüther  nicht  mehr  vor  dem  Gedanken  an  einen  Bür- 
gerkrieg zurück,  und  ein  Friede,  welcher  unter  jeder  Bedin- 
gung dem  Staate  nur  verderblich  werden  konnte ,  wurde  un- 
möglich. Eine  Kriegserklärung  zu  bewirken  war  der  Haupt- 
zweck der  Philippiken  und  der  Briefe  Ciceros  aus  dieser  Zeit. 
Sie  allein  konnte  ihn  berechtigen,  alle  Kräfte  des  Reichs  ge- 
gen Antonius  in  Anspruch  zu  nehmen ,  besonders  als  dieser 
noch  Consul  Avar,  und  für  die  Streiter  jede  Belohnung,  um  sie 
zu  spornen,  auch  Dankfest  und  Triumpli;  und  nur,  wenn  er 
seinen  Wunsch  erfüllt,  einen  Kampf  auf  Tod  und  Leben  ange- 
kündigt sah,  war  er  gesichert,    dass  man  sich  nicht  wieder  auf 

45)  Oben  §.  7.  A.  83.  40)  2  Phil.  11.  47)  Das.  43.  (44.)  48)  arl 
Fam.  12,  23.  Unten  §.  28.  A.  0.").  49)  3  Phil.  7.  (8.)  13,  19.  50)  4  Phil. 
4.     ni)  2  Phil.    15,     52)   13  Phil.   1. 


174  V.   ANTONII.         (14.  §.  22.) 

seine  Kosten  verglich ,  wie  vor  seiner  Verbannung.  Deshalb 
nannte  ihn  Antonius  einen  Lanisten,  welclier  die  Bürger  wie 
Gladiatoren  gegen  einander  hetze,  ja  auch  die  Freunde  Cäsars, 
weil  Aller  Untcrirans:  für  ihn  Gewinn  sei.  ^■^J     Als  er  selbst  sein 

vT  O 

Leben  habe  daran  setzen  sollen,  sei  er  unter  dorn  \  orwande 
der  Verniitdung  in  den  Lagern  des  Ponipejus  zu  spät  erschie- 
nen ,   und  deshalb  übel  empfangen.  ^*) 

Cicero  gab  zti,  dass  er  damals  jeden  Frieden  dem  Bürger- 
kriege vorgezogen  habe.  ^^>'  Süss  tönte  ihm  auch  jetzt  noch 
der  Name  des  Friedens,  ohne  welchen  es  keine  Curie,  keinen 
Markt,  keine  Gerichte  gab,  dem  er  alles  verdankte,  Avas  er 
war  und  besass.  ^'')  Aber  ein  Vergleich  mit  Antonius  Mar  un- 
möglich. Im  Anfange  konnte  man  ihm  vielleicht  einiges  be- 
willigen, wenn  er  bat;  ^'')  seit  er  aber  sogar  die  Anträge  des 
Senats  übermüthig  zurückgewiesen,  durfte  man  sie  nicht  er- 
neuern. ^^-'  Ja  Cicero,  welcher  seinen  Hass  gegen  ihn,  gegen 
seine  Anhänger  in  Rom  und  im  Lager ,  und  gegen  sein  ganzes 
Haus  stets  frei  geäussert  hatte, ^'')  war  der  !\Ieinung,  dass  man 
keinen  Frieden  mit  ihm  schliessen  müsse,  Menn  er  sich  auch 
fügte,  wenn  er  auch  die  Belagerung  von  Mutina  anfliob,  und 
dem  diesseitigen  Gallien  entsagte,  selbst  nicht,  wenn  er  sich 
ertrab:*'")  denn  Tod  und  Knechtschaft  Mar  das  Loos  Aller,  mcI- 
che  sich  ihm  anders  als  mit  den  AVafVen  nälierten.  ^'^  Oder 
durfte  man  ihm  vertrauen ,  Menn  er  seine  mit  Bürgerblut  be- 
fleckte Hand  zum  Sclnvur  erhob?  Würde  Lucius,  sein  Bruder, 
ihm  gestatten,  Wort  zu  halten?  Würde  er  den  Staat  nicht 
auch  in  Flammen  setzen,  wenn  man  ihm  das  jenseitige  Gallien 
oder  Macedonien  überliesse  ?  62)  u,j^  ^q^j^  klagte  man ,  dass 
Cicero  immer  in  die  Kriegstrompete  stosse ! ''•^>'  Und  doch  dran- 
gen Pansa,  L.'  Piso  und  Fufius  Calcnus  auf  einen  Vergleich, 
der  Letzte  insbesondere,  vielleicht,  um  an  der  Herrschaft  Theil 
zu  nehmen,  und  zM'iefach  irrend,  Mcnn  er  den  eigenen  Vortbeil 
dem  allgemeinen  Besten  vorzog,  und  vergass  dass  angemasste 
Herrschaft  nie  von  Dauer  ist.*»*) 


«t 


53)  Das.  10.  51)  1  Phil.  15.  55)  I.  c  50)  7  Phil.  3.  8,  i.  12, 
10.  13,  I.  57)  Das.  5,  I.  58)  Das.  8,  C.  .5'J)  Das.  12,  7.  GO)  Da». 
7,  1.  12,  2.  13,  17.  21.  Gl)  Das.  12,  7.  13,  1.  C2)  Das.  7,  I.  13,  2. 
t»3.   Das.   7,    l.     Gl)  Das.  Ü ,  4.   12,   1.  G.  7. 


V.  ANTONII.  (14.  §.  22.)         175 

Bei  den  Hindernissen,  •welche  Cicero  in  Rom  fand,  suchte 
er  um  so  mehr  durch  Briefe  und  Boten  auf  die  Statthalter  zu 
wirken,  ^^)  die  Nalicn  zur  Thätigkcit  zu  spornen,  und  die  Fer- 
nen heranzuziehen,  oder  sich  einen  Zufluchtsort  hei  ihnen  zu 
sichern.  ''*')  Am  meisten  hoffte  er  von  den  Befreiern,  deren  ei- 
genes Interesse  es  erforderte,  Antonius  und  nach  ihm  auch  Octa- 
vian  zu  stürzen.  Deshalh  riihmtc  er  ihre  That ,  nicht  ohne  Oc- 
tavian,  welcher  mit  ihnen  und  für  sie  handeln  sollte,^  in  ehen 
dem  IMaasse  zu  l)eleidigen,  als  er  ihnen  schmeichelte.  ^Zugleich 
machte  er  ihnen  und  den  Uehrigen  in  den  Provinzen  I\Iitthei- 
lungen,  ^vodurch  sie  gcgert  Antonius  und  gegen  die  Ersten  im 
Senat  erbittert  werden  mussten.  Er  eröffnete  Cassius:  durch 
die  Inschrift  an  Cäsars  Statue,  dem  hochverdienten  Vater,  habe 
Antonius  ihn  für  einen  Vatermörder  erklärt;  '''')  dass  jemand 
seinen  Sohn  für  ihn  als  Consul  einschieben  wolle,  und  deshalb 
jenes  Bandenhaupt  begünstige,  sei  unerträglich;  ^8)  man  tadle 
es,  dass  Dolabella  ihm  in  Syrien  folge,  wo  er  kaum  dreissig 
Tage  gewesen  sei;  '^V  er  habe  im  Senat  und  vor  dem  Volke  ge- 
sprochen ,  ihm  den  Oberbefehl  gegen  jenen  zu  verschaff'en .  aber 
Pansa,  der  Consul,  habe  seine  Anstrengungen  vereitelt ;  ^oj 
alle  Hoff"nung  beruhe  auf  seinem  Consulat,  aber  es  werde  ihm 
entgehen ,  wenn  er  sich  nicht  Dolabellas  entledige  und  mit 
M.  Brutus  zum  Beistande  gegen  Antonius  herbeieile,  welcher 
in  Lepidus  eine   neue  Stütze  gefunden  habe.  ''^) 

Am  dringendsten  schrieb  er  an  D.  Brutus,  von  welchem 
in  dieser  Zeit  das  Äleiste  abhieng:  er  möge  unter  keiner  Be- 
dingung Antonius  seine  Provinz  übergeben,  '''-)  und  ganz  nach 
eigener  Ueberzeugung  handeln,  denn  der  Senat  sei  von  Furcht 
gelähmt  und  lau ;  ohne  ihn  würde  nicht  einmal  auf  Anlass  sei- 
nes Edfcts,  worin  er  versprochen  habe,  sich  zu  behaupten,  seiner 
grossen  Verdienste  in  der  Curie  gedacht  sein.  "^^  Nach  der  Er- 
öffnung des  Feldzugs  von  IMutina  und  später  spornte  er  ihn  auf 
alle  Art  zur  Thätigkeit:  ^*)  wenn  Antonius  entkomme,  oder 
Avieder  mächtig  werde,  so  sei  es  um  seinen  Ruhm  geschehen,  '^^) 


C5)  Das.  14,  7.  öG)  ad  Fam.  12,  6,  8.  67)  Das.  12,  3.  08)  Das, 
12,  2.  C9)  Dag.  12,  4.  70)  Das.  12,  7.  7i)  Das.  12,  9.  10.  72)  Das, 
11,  5.     73)  Da«.   11,  6.  7.     71)  Das.   11,  8.  15.  18.  24.    75)  Das.  11,   12. 


176  V.  ANTONII.         (14.  §.  22.) 

und  auch  um  sein  Consulat,  welches  Cüsar  ihm  und  Plancus  für 
das  J.  42  hestimiiit  hatte.  ''^'^  Indess  wurde  Brutus  dieser  \er~ 
handiungen  überdrüssig,  bei  Avelchcn  Loh  und  'J'adel,  Schmei- 
cheleien und  Verheissungen  wechselten  ;  er  meldete  kurz  und  mit 
dürren  Worten,  was  er  verlange,  ''^)  und  eben  so  verfulir  zuletzt 
auch   Cassius.  ^^) 

L.  Munatius  Plancus,  dessen  Vater  Ciceros  Freund  gewesen 
war,  '^'■^^  sollte  als  Statthalter  im  jenseitigen  Gallien  M.  Lepidua 
im  nai'honensischeu  beobachten,  und  dann  in  Verbindung  mit 
D.  Brutus  sowohl  jenem  als  Antonius  widerstehen.  Daher  be- 
wies ihm  Cicero  schon  vor  dem  Kriege  und  fortwährend  eine 
lebliafte  Theilnahme,  voll  Sehnsucht  nach  seinem  Consulat,  und 
bekümmert,  niclit  mehr  für  ihn  thun  zu  können  ,  so  lange  man 
in  der  Curie  mehr  von  Soldaten  als  von  Senatoren  gehört  wer- 
de. ^^^  Seine  ausgezeichnete  Stellung  verdanke  Plancus  der 
Gunst  Cäsars;  man  habe  einst  geglaubt,  dass  er  sich  zu  sehr 
in  die  Zeiten  geschickt;  jetzt  sei  es  an  ihm,  sich  der  höchsten 
Ehre,  des  Consulats,  würdig  zu  zeigen,  und  dazu  gebe  es  nur 
Ein  Mittel ;  es  sei  unglaublich,  wie  sehr  man  Antonius  hasse.  *') 
Noch  immer  liabe  er  sich  nicht  genug  von  der  gottlosen  Rotte 
losgesagt,  sonst  würde  er  nicht  mit  l^epidus  zum  Frieden  rathen; 
diess  sei  nicht  der  Weg,  ein  grosser  Consul  und  Consular  zu 
werden.  ^-)  Er  möge  thätig  eingreifen  in  das  Werk  der  Be- 
freiung, und  jeden  andern  Ruhm  als  eitel  und  vergiinglich  ver- 
achten; eine  glänzende  Belohnung  sei  ihm  gewiss;  ohne  den 
Widerspruch  des  P.  Servilius  würde  der  Senat  schon  jetzt  seiner 
auf  das  ehrenvollste  gedacht  haben.  ^■')  Das  Wichtigste  lag  ihm 
ob,  als  Antonius  nach  Gallien  entflohen  war;  ihn  unterdrücken 
hiess  den  scheuslichsten  und  gefährlichsten  Krieg  endigen.  *>') 

Selbst  Furnius ,  der  Legat  des  Plancus ,  wurde  über  seine 
Pflichten  belehrt.  Zu  den  Wahlen  nacii  Rom  zu  kommen,  sei 
jetzt  nicht  die  Zeit,  auch  wenn  er  schon  Aedil  gewesen  wäre; 
oh  er  in  diesem  oder  im  folg'cnden  Jahre  die  Prätur  erhalte,  sei 


7G)  Das.  11,  21.  25,  cfr.  15.  77)  Das.  11,  21.  25.  26.  78)  Das.  12,  0. 
70)  Das.  10,  ^.  5.  80)  Das.  10,  1.  2.  81)  Das.  10,  3.  5.  82)  Dag.  10, 
0.  clr.  27.     83)  Dai.  10,  10.  12.     84)  Das.  10,  13.  14.  Ifl.  19.  20.  22. 


V.   ANTONII.        (14.  §.  23.)        177 

sehr  gleichgültig,  das  Rühmlichste  aber,  den  letzten  Funken  der 
Kricgst'ackcl   auszulöschen.  **•'•>' 

({.  CorniKcius,  Statthalter  in  der  alten  Provinz  Afrika,  er- 
sah aus  Cireros  Briefen,  wie  sehr  Antonius  verabscheut  Merdc, 
und  dass  er  Calvisius  nicht  weichen  dürfe,  welchem  jener  Gla- 
diator seine  Provinz  bestimmt  habe.  ^'')  Vor  Allen  aber  musstc 
sich  Trebonius,  Statthalter  in  Asia,  berufen  fülilen,  Cicero  bei 
seinen  Entwürfen  zu  unterstützen,  denn  er  hatte  Antonius  an 
Cäsars  Todestage  bei  Seite  geführt,  und  dadurch  diese  Pest  er- 
halten. ^''  Doch  er  Avar  fern,  und  aus  diesem  Grunde  sclicint 
auch  Asinius  Pollio  im  jenseitigen  Spanien  wenig  beachtet  zu 
sein ,  denn  er  beklagte  sich ,  dass  ihm  aus  Rom  selten  Briefe 
zugiengen.  '^^J 

§  23. 

Demnach  hatte  Cicero  nur  Ein  Ziel  vor  Augen:  Senat  und 
Heer  sollten  sich  vereinigen,  um  Antonius  zu  stürzen.  Selbst 
revolutionäre  oder  anarcliische  Massregeln  schreckten  ihn  nicht. 
Es  durfte  nicht  in  Betracht  kommen,  dass  jener  im  Anfange  des 
Krieges  Consul  war  und  bei  manchen  seiner  Forderungen  Se- 
nats- oder  A  olksbeschlüsse  für  sich  hatte,  dass  der  Senat  nicht 
jeden  Vorschlag  genehmigte,  welcher  seinen  Untergang  bezv.eckte, 
und  zur  Vcrsöljnung  die  Hand  bot;  die  willkührlichen  lland- 
luuijen  gegen  den  Consul,  eine  Wirkung  des  Ehrgeizes  oder  der 
llabsiicht,  niusstcu  sich  durch  eine  öfTcutliche  Autorität  aus  Ver- 
brechen in   Verdienste  verwandeln. 

Schon  früher  hatte  er  bewiesen,  dass  sein  besonderes  In- 
teresse ihm  mehr  galt,  als  die  Wünsche  und  die  W'ürde  der  Cu- 
rie; er  hatte  unter  andern  das  manilische  Gesetz  empfohlen, 
«ind  den  Tribun  C.  Curio  aufgefordert,  gegen  die  Verlängerung 
seiner  Statthalterschaft  in  Ciliclen  Einsprucli  zu  thun.  ^^^  ^^ah- 
rend  seines  Schwankens  zwisclien  der  aristocratisrhen  und  deiuo- 
cratischen  Faction,  oder  nacli  seinem  späteren  .Sprachgebrauflic, 
zwisclien  der  Republik  und  ihren  Feinden,  begegnete  es  ihm  oft, 
dass  er  mit  der  einen  Hand  niederriss,    was  er   mit  der  anderen 


85J  Das.  10,  25.  20.     80)  Das.   12,  22.  23.  24.  28.  29.  3f».     ü?)  Das. 
10,  2s.  IT),  20.     S)*)  Das.  10,  31.     HO)  Das.  2,  7. 

Uruiuuuii,    Gesi'Uii'lite  Uoiug  !•  12 


178  V.  ANTONII.  (11.  §.  23.) 

Laufe:  so  auch  jetzt,  -vvo  er  sich  längst  entschieden  hall»;:  oin 
Theil  seiner  Werkzeuge  fühlte  sich  hclei(lijj;t ,  -wenn  er  den  an- 
dern pries,  und  die  rücksichtslose  Verfolgung  des  Antonius  un- 
tcr5;ruh  das  Ansehn  des  Senats,   ohne  Mclchca  er  nichts  vav. 

Kr  gic'ig  davon  aus,  und  stellte  es  gleichsam  als  obersten 
Crundsatz  auf,  dass  Antonius  der  Feind  des  Staats  und  dalicr 
jeder  im  Staate  A'erpfliclitet  sei,  ilini  Widerstand  zu'  leisten. 
Ein  Privatmann  ächtete  den  Consul,  und  er  Avar  geächtet,  und 
■mit  rückwirkender  Kraft.  Der  Senat  hatte  ihm  Macedonicu  und 
die  macedonischen  Legionen  gegeben;'***)  und  dann  jcuu  Pro- 
vinz seinem  liruder  Cajus;  '•'^)  diess  Mar  ungültig.  Wenn 
der  Senat  halbe  Massregeln  nahm ,  so  musste  man  sie  ergän- 
zen, Avenn  er  zögerte,  ihm  zuvorkommen,  wenn  er  Beschlüsse 
verweigerte,  so  sprechen  und  handeln,  als  habe  er  beschlossen. 
Alle  Versuche  ,  ihm  eine  Kriegserklärung  zu  entlocken ,  w  aren 
bis  zur  Schlacht  bei  Mutina  fruchtlos;  ^-)  er  wollte  Antonius 
nur  Cegner,  nilcersarius ,  den  Kampf  mit  ihm  nur  Tumult  ge- 
nannt wissen;  ^■^)  gleichwohl  nannte  Cicero  nicht  nur  jenen  fort- 
während Feind,  /loafis^  und  diesen  Krieg,  fjellum  ^  sondern  er 
machte  auch  auf  sein  Verfahren  aufmerksam,  ^^)  und  behauptete, 
dass  er  dazu  berechtigt  sei:  denn  dadurch,  dass  man  Heere  und 
Anführer,  w  eiche  gegen  Antonius  fochten ,  belobt,  Werbung  ver- 
anstaltet, die  Consuln  gegen  ihn  geschickt,  und  die  Anlegung 
des  Krieffsjrewandes  verfügt  habe,  sei  er  als  Feind  bezeichnet.  '•*■') 
Durch  die  ersten  Erfolge  bei  Mutina  noch  kühner  geworden, 
versicherte  er,  dass  dort  viele  Feinde  getödtet  seien,  ja  Feinde, 
wiederholte  er,  obgleich  die  Feinde  in  Rom  anderer  Meinung 
sind.  '■'«) 

Ueberhaupt  aber  behandelte  er  in  den  Philippiken  den  Se- 
nat wie  eine  Versammlung  von  Schwachköpfen  oder  Verräthern, 
und  setzte  ihn  dadurch  in  den  Augen  des  A'olks  und  der  Heere 
lierab ,  da  er  sich  auch  auf  dem  Markte  keinen  Zwang  anthat, 
und  seine  Reden  bekannt  machte.  Er  warf  ihm  Feigheit  vor. 
Als  L.Piso  am  1.- August  Antonius  angrift",  —  und  Cicno  auf  der 


90)  Oben  g.  20.  91)  I.'nfen  §  29.  A.  49.  02)  §  iJ.  S.  f.2.  f. 
93)  12  Phil.  7.  11,  8.  cfr.  8,  1.  L'iitcii  §  35.  ,\.  87.  94)  VI  I'hil.  7. 
9"))  Das.  4,  2.  13,  10.     90)  Das.  U,  5. 


V.  ANTONIL        (11.  §.23,)       179 

Flucht  in  SjTacus  war  —  stimmte  ilim  niemand  auch  nur  mit 
einer  IMienc  bei,  eine  freiwillige  Sclavcrci.  '•'^)  Am  1.  September 
beschloss  man  aus  Furcht  Cäsar  eine  Supplication,  was  die  Göt- 
ter verzeihen  mögen.  '•***^  Die  llüstungen  gegen  Antonius  bilü- 
gen,  und  dann  Gesandte  an  ihn  schicken,  war  Wankelumth, 
Wahnsinn,  und  man  liatte  Ursach,  sich  vor  den  Legionen  zu 
schämen,  welche  Avürdigcrc  Beschlüsse  fassten.  ^^)  Unerträglich 
war  die  Antwort,  mit  welcher  jene  zurückkamen;  jetzt  wenig- 
stens musste  das  Aeusscrste  geschehen;  Pansa,  der  Consul,  w  ^r 
dagegen,  L.  Cäsar  als  Oheim  des  yintonius  ebenfalls;  seid  ihr 
Andern  denn  auch  Oheime,  rief  Cicero,  die  ihr  ihnen  bei- 
stimmt? '"")  Ganz  anders  würde  der  Erfolg  der  Botschaft  ge- 
wesen sein,  wäre  Servius  Sulpicius  nicht  gestorben,  denn  er 
übertraf  seine  Gefährten  Fhilippus  und  Piso  an  Alter,  und  an 
Weisheit  Alle.  O  Man  hatte  ihm  nun  eine  Statue  zu  errichten; 
denn  nicht  nur  Antonius  hatte  ihn  gemordet,  sofern  er  die  Ur- 
sach seines  Todes  war,  sondern  aucli  der  Senat,  weil  er  seine 
Entschuldigung,  er  sei  krank,  nicht  gelten  Hess.  Aus  einem 
solchen  Denkniale  konnte  man  dann  auf  ewige  Zeiten  ersehen, 
für  wie  wichtig  dieser  Krieg  gehalten  und  wie  schnöde  der  Frie- 
deusantrag  verworfen  sei.  -)  Wider  Wissen  und  Willen  sollte 
also  der  Senat  der  Kriegserklärung  um  einen  Schritt  näher  kom- 
men, und  so  erkennt  man  immer  in  dem  Redner  nicht  eins  sei- 
ner Riitgliedcr,  welches  sein  Gutachten  abgab,  sondern  den  Mei- 
ster, welcher  belehrte,  tadelte,  züchtigte,  '^J  und  ihn  für  unfähig 
hielt,  seine  wahren  Absichten  zu  entdecken. 

Er  zeigte  sich  ferner  auf  dem  Markte,  durch  ein  aufgereg- 
tes Volk  den  Senat  einzuschüchtern.  Zweimal  rief  es  ihn  nach 
seiner  Versicherung  einmüthig  und  einstimmig  iu  seine  Mitte,  V 
und  er  erschien  öfter.  Unter  Bedingungen  hatte  er  es  sonst 
schon  für  erlaubt  erklärt,  sich  aus  dem  Hafen  in  den  Wogen- 
drang der  Menge  zu  begeben;  5)  so  hatte  er  selbst  und  fast  je- 
der Gegner   der  Aristocratie    bis  auf  Cäsar    und  Antonius    hinab 


97)  Das.  1,  6.  98)  1.  c.  Unten  §  2G.  A.  11."  00)  5  Phil.  2. 
100)  Das.  ,8,  1.  1)  Das.  9,  1.  2)  Das.  ü,  o.  i.  0.  S)  Das.  7,  ö. 
4)  4.  u.  G.  l'hil.  7  Phil.  8.  Unten  §  39.  A,  73.  5)  de  prov.  cons.  IC. 
ofr.  5  Phil.  18. 

12* 


IgO  V.  ANTONIl.         (14.  §.  23.) 

gehandelt,  und  es  var  wesentlich  dasselbe,  ob  man  wider  den 
Willen  des  Senats  einen  Gesetzentwurf  an  das  A'olk  brachte, 
oder  es  in  eine  für  ihn  beunruhigende  Stimnuing  versetzte,  um 
ihn  nachgiebig  zu  machen.  In  der  Curie  bedauerte  Cicero  die 
Consularcn,  welche  durch  ihr  Schweigen  bei  den  ^  crhandlungeu 
ül)er  Antonius  bei  dem  Volke  den  Verdacht  erregten,  dass  Furcht- 
samkeit oder  wohl  gar  etwas  Anderes  die  Ursacii  sei;  auch 
bezeugte  er,  wie  sehr  es  den  Beschluss  über  die  Supplicationen 
missbiilige,  welcher  Cäsar  den  Göttern  gleichstelle.  *»-*  Auf  dem 
Markte  deutete  er,  was  in  der  Curie  besprochen  war:  Antonius 
hatte  aufgehört,  Consul  oder  auch  nur  Bürger  zu  sein;  denn 
durch  die  Belobung  derer,  welche  die  Watten  gegen  ihn  ergrif- 
fen, war  er  vom  Senat  geächtet,  und  das  Beifallsgeschrei,  mit 
welchem  der  Redner  empfangen  wurde,  bewies  ilm» ,  dass  auch 
das  Volk  ihn  ächte.  ^)  Der  Senat  gab  nun  aber  seinem  Be- 
schlüsse einen  anderen  Sinn,  und  versuclite,  den  Streit  durch 
einen  Vergleich  zu  endigen.  Sofort  empfahl  Cicero  dem  Volke, 
die  Rückkehr  der  Gesandten  ruhig  zu  erwarten,  8)  obgleich  er 
wohl  einsehe,  dass  es  diese  Massregel  verwerfe,  und  mit  Recht; 
denn  dadurch  Averde  nur  die  Niederlage  des  Antonius  verzögert, 
und  D.  Brutus  gefährdet.  Noch  nie  habe  jener  einer  anderen 
Stimme  Gehör  gegeben ,  als  der  Stimme  seiner  Leidenschaft ; 
er  werde  nicht  gehorchen.  Darum  möge  das  Volk  das  Kriegs- 
gewand in  Bereitschaft  halten;  es  habe  den  Senat  schon  durch 
sein  Ansehn  im  Guten  bestärkt,  und  berufen,  die  ganze  Welt 
zu  beherrschen,  werde  es  nicht  die  Herrschaft  des  Antonius  dul- 
den, welcher  nicht  wie  ein  Mensch,  sondern  wie  ein  wildes 
Tlücr  zu  betrachten  sei.  '■'>  Dann  vernahm  der  Senat:  das  \olk 
gehe  nicht  mehr  mit  ilim,  sondern  voran;  es  verlange  Freiheit,  '"^ 
uiid  später  \vur<lc  Calenus  gefragt,  ob  es  ihm  denn  ganz  gleichgültig 
sei,  dass  man  sein  Gutachten  ausserhalb  der  Curie  erfahre,  und 
Avie  man  dort  darüber  urtlieilc,  dass  er,  und  wie  man  hoft'cn 
dürfe,  er  allein,  Antonius  vertheidigc. '•)  Bei  dem  Allen  hatte 
Cicero  die  Nebenabsicht,  auch  dem  Volke  eine  Stellung  zu  ge- 
ben,   worin  kein  Rückschritt  möglich  blieb;     deshalb  deutete  er 


0)   l  Phil.  C.       7")    Das.    1,    1.    2.    3.    G.      S)    Das.   C,  C.     9)  0  Phil. 
10)  7   Phil.  8.     11)  Das.   10,  3. 


V.  ANTONII.        Cli.  §    24.)       181 

sein  Scliwclgen  wie  sein  Geschrei,    in  Beiden  lag  eine  Kriegser- 
kiilrung  gpgen  seinen  Feind. 

Gegen  Dolahella  erfolgte  sie  wirklich,  als  er  Trehonius  ge- 
tödtet  hatte.  Den  Überbefehl,  welchen  die  Coss.  Pansa  und 
Hirtius  in  Anspruch  nahmen,  forderte  Cicero  für  Cassiiis,  ^-) 
damit  jene  dem  Kampfe  gegen  Antonius  nicht  entzogen  Avürden. 
Als  er  seine  Absicht  insbesondere  durcli  Pansa  vereitelt  sah,  Hess 
er  sich  vor  das  Volk  führen,  ihm  Cassius  zu  empfehlen,  und 
von  dem  Consul  gedrängt,  welcher  auch  hier  gegen  ihn  auftrat, 
erklärte  er,  Cassius  werde  sich  an  keine  Beschlüsse  binden.*"') 
So  oft  er  aber  auf  dem  Markte  Beistand  gegen  die  Curie  suchte, 
So  sollte  doch  nie  von  den  Gesetzen  die  Rede  sein,  worin  Do- 
lahella  Syrien,  und  Antonius  das  cisalpinische  Gallien  voift  Volke 
erlialten  hatten;  *^J  der  Scnatsbcschluss  vom  20.  December,  ^^-^ 
welcher  sie  aufhob,  war  allein  als  gültig  zu  betrachten. 

§  24. 

Am  verderbliclistcn  waren  die  Lehren,  welche  Cicero  den 
Truppen  und  ihren  Anführern  gab,  in  einem  Staate,  wo  ohne- 
hin seit  Marius  und  Sulla  der  Soldat  gebot.  Mochte  alles  aus 
den  Fugen  gehen ,  Avenn  er  nur  stand,  und  Antonius  liel.  Das 
Heer  will  Krieg,  daher  darf  der  Senat  nicht  Frieden  wollen;  ^<') 
diess  ist  im  Wesentlichen  der  Grundsatz,  Avelcher  in  seinen  Re- 
den und  Briefen  aus  dieser  Zeit  immer  wiederkehrt,  und  ihn 
doch  seinem  Ziele  nicht  näher  brachte.  Denn  im  Felde  geschah 
nichts,  weil  Er  es  wollte,  und  nichts  unterblieb,  weil  Er  dage- 
gen war,  sondern  jeder  bedachte  seinen  eigenen  Vortheil;  man 
folgte  ihm  scheinbar,  um  Hülfe  und  Ehrenbeschlüsse  durch  ihn 
zu  erhalten;  für  beide  Theile  war  Republik  das  Loosungswort, 
und  beide  wussten,  wohin  es  führen  sollte. 

Es  verdiente  nach  Cicero  Billigung  und  Dank,  dass  D.  Bru- 
tus ohne  Auftrag  das  cisalpinische  Gallien  übernommen,  und 
Antonius,  den  Consul,  als  Feind  empfangen  hatte;  '^)  dass  M.  Bru- 
tus und  C.  Cassius  nicht  nach  Creta  und  Cyrene  giengen,  wo- 
hin   der  Senat    sie    geschickt,  '**)    sondern  nach  Mucedonien  und 

VI)    11    Phil.      13)    ad   Faip.  -12,  7.      14)    Oben   §  10.  \.  22.  u.  74. 
15)  §  34.  A.  11.  u.  29.  10)  12Fliil.4.     IV)  Das.  5,  13.     1»)  Oben  jj  17.  A.  45- 


182  V.  ANTONII.         (M.  §.  24.)  S 

Syrien,  Provinzen,  auf  ■welche  sie  an  sich  keinen  Anspruch  ma-         : 
clicn  küimtcii,  wohl  al»cr  nach  dem  höchsten  fJcset/c,  nach  AVelchcm  \ 

Alles  reclit  untl  gerecht  ist,  Avas  dem  Staate  nützt;  ''•*)  dass  ferner 
Octavian  aus  freiem,  hochlierzigcm  Entschlüsse,  als  Privatmann, 
wenn  auclt  mit  Genehmigung  Cicero's,  -•')  ein  Heer  uarh;  -0 
dass  die  Legion  des  Mars  und  die  vierte  Antonius,  den  Consul, 
unter  dessen  Befclilc  der  Senat  sie  gestellt,---^  verliessen,  die 
himmlischen,  göttlichen,  Avclchc  noch  im  Tode  durch  ein  Denk- 
mal zu  ehren  heilige  Pflicht  -war.  -^)  AVenn  nun  aber  die  Geg- 
ner Cicero's  der  Krieger  ebenfalls  gedachten,  wenn  sie  warnten, 
die  Veteranen  Cäsars  nicht  durch  eine  zu  sichtbare  BenrünstiiTuns: 
seiner  i\Iörder  und  eine  übertriebene  Strenge  gegen  Antonius, 
ihren  ehemaligen  Anführer  und  Waftengeführten,  zu  reizen,  so 
crwiederte  er:  wie  können  die  Veteranen  sich  erkühnen,  dem 
Senat  vorzuschreiben;  lieber  sterben,  als  sich  einem  solchen 
Zwange  unterwerfen!  nichts  blüht  ewig;  die  Blüthezeit  der  Le- 
gionen Cäsars  ist  vorüber;  auf  die  neu  geworbenen,  auf  die 
Tironen  muss  man  seine  Blicke  richten.  -*) 

Dass  also  der  AVeg ,  welcher  ihm  der  geradeste  zu  sein 
schien,  wenigstens  sehr  sclilüpfrig  war,  konnte  er  nicht  verken- 
nen; aber  es  irrte  ihn  nicht;  er  billigte  niclit  bloss  den  Unge- 
horsam gegen  den  Senat,  sondern  er  fordevte  auch  dazu  auf, 
und  wusste  es  zu  rechtfertigen.  Er  bedachte,  dass  die  Verhal- 
tungsbefehle  zu  spät  oder  gar  nicht  an  die  Statthalter  gelang- 
ten, moclite  ihre  Entfernung  die  Ursach  sein,  oder  die  Schläfrig- 
keit in  der  Curie,  oder  äussere  Gewalt,  welche  eine  freie  Be- 
rathung  nicht  zuliess;  dass  ferner  auf  Betrieb  der  Schlechtge- 
sinnten auch  wohl  Schädliches  beschlossen  würde :  daher  empfahl 
er  Allen,  Avelche  er  gegen  Antonius  und  demnächst  gegen  Octa- 
vian gebrauchen  wollte,  das  Beste  der  Republik  als  die  einzige 
Richtschnur;  es  sei  genug,  zu  wissen,  dass  auch  der  Senat  nichts 
anderes  avoIIc;  seine  Anordnungen  müsse  man  nicht  erwarten, 
sondern    sich    selbst    Senat    sein.  ~'0      So    verfuhren   die  Meisten 


19)  11  Phil.  12.  cfr.  10,  11.  u.  ad  Fnm.  12,  7.  20)  5  Phil.  8.  ad 
Fam.  11,  7.  21)  3  Phil.  1.  2.  15.  4,  1.  cfr.  Die  46,  22.  22)  App.  3. 
5G3.  Oben  §  20.  A.  34.  23)  3  Phil.  1.  2.  15.  4,  2.  5,  10.  14,  12.  iiilea 
§  32.  A.  52.  f.  21)  Das.  10,  9.  11,  15.12,  12.  Unten  §  39.  A.  21.  u.  07. 
25)  ad  Fam.  10,  IG.  11,  7.  12,  4.  7.  28. 


V.  ANTONII.         (11.  §.  24.)      183 

auch  oliüc  seinen  Rath,  IJrutiis  und  Cassius  insbcsonJcve,  wclclic 
er  (Icshall)  öücntlicli  lobte.  -•'-*  Indess  war  es  doch  Münschens- 
•»vertli,  dass  man  in  Rom  ihre  Handlungen  genehmigte,  ihnen 
nacliträglich  die  Vollmacht  dazu  gab,  um  sie  in  ihrer  Stellung 
zu  bcl'pstigcn.  -^)  So  erhielt  der  Krieger  durch  Cicero  die  Zü- 
gel der  Regierung,  folgercclit  wurde  von  diesem  alle  bürgerliche 
Ordnung  zerstört. 

Auf  der  anderen  Seite  konnten    nach    seiner  Erklärun<r  An- 
tonius  und  dessen  Anhänger    nicht    für  Magistrate  und  Heerfüh- 
rer gelten,    weil  sie  Feinde  der  Republik  Avarcn.     Um  ihnen  zu 
schaden  ,     lertheidigte    er    die    Auflehnung    gegen    die    Rcliörden 
und    die  Verachtung  der  Kriegszucht.     Sein  Versuch,     Antonius 
als  Consul    sogleich    nach  Cäsars  Tode  zu  verdrängen ,     und  die 
Prätor<*n  für  ihn  einzuschieben,  war  misslungcn.  -^J     Jener  wurde 
die  Ursach,  dass  die  Aristocratie  n^cht  Mieder  an  das  Ruder  ge- 
langte,    und    verleitete    sie,     seine  Pläne  selbst  zu  begünstigen. 
Es  bedurfte  daher  niclit  erst  seiner  Rede  A'om   19.  September,  -'■') 
um  Cicero  zu  erbittern,  welcher  sie  nur  benutzte,   um  als  belei- 
digter Consular  ihn  nun  auch    nicht  mehr  als  Consul  zu  Lehan- 
deln,  eine  Würde  nicht  mehr  anzuerkennen,  auf  welche  t  ohne- 
iiin    l^c'in  Recht    hatte,     sei  es   wegen  seines  Privatlebens,     oder 
wegen    seiner    Verwaltung,     oder    wegen    der    Art  seiner  Ernen- 
nung, oder  wegen  der  Ueberrcichung  des  Diadems  an  den  Luper- 
ealien. ^^^     Wenn  Cicero    diese  Ansicht   geltend  machte,     so  be- 
seitigte er  ein  Haupthinderniss  einer  Kriegserklärung,  und  jetzt 
schon  konnte    er   nach    einer  solchen  Voraussetzung  für  diejeni- 
gen Belohnungen  fordern,    welche  den  Consul    anfeindeten  oder 
verliessen.     Er  forderte  sie  nicht  nur,     sondern    er   wagte  auch 
die  fast  unglaubliclie  Zumutliung  an  den  Verstand    seiner  Zuhö- 
rer,    in  dieser  Anfeindung  selbst  einen  Beweis  zu  linden,    dass 
Antonius  nicht  Consul  sei,     weil    sie  sonst    strafbar    sein,    nie- 
mand sich  erlaubt  haben  würde,     so  zu    handeln;     Privatperso- 
nen also    und  Soldaten   erhob    er   zu  Richtern    über   den    ersten 
Magistrat,  ^i) 


20)  11   Phil.  11.  12.     27)  Das.  3,   2.  5.   15.  11,  12.     28)  Üben  §  S. 
A.  15.      '.'.!)■)  §.      30)   2  Phil.    5.  3,  5.      31)   Das.  3,   5.  4,   3.  5,   2.  0,  3 
ail  Farn.  U,  7. 


184  V.   ANTONII.  (14.  §.  24.) 

Audi    seine    Sclimährcilcii    gegen  Antonius,     viihreud  seines 
Consulats  und  später,    ycruiinderten  die  Achtung  gegen   die  Be- 
hörden.     Calcnus  warf  ihm  Aor ,    dass  er  mit  Leidenschaft  sjtre- 
che,     und  er  liiugnete  diess    in  so   fern  mit  Recht,     als  die  un- 
würdigen Ausfalle  weniger  eine  augenhückliche  Aufwallung  iiefti- 
ger  Gefühle,  als  eine  Folge  der  ßereciinung  Maren;  '-^-J  er  wollte 
Keinen  Feind  dadurch    auf   ewige  Zeiten   hrandmarken,  '■^■^)     durch 
Scliinipfiiamen     den    Consul    und    Consular    herabwürdigen ,     die 
wiillvührlichen  Rüstungen  gegen   ihn  und  seinen  Antrag  auf  Aech- 
tuug  rechtfertigen,  auf  die  Aechtmig  eines  w  üthenden  Gladiator,  "*J 
eines  Spartacus,  ^ä)  eines  Bau.Iciifährers,  •^''■'   eines  Erzräuhers, -^^.^ 
eines  scheusslichen  Ungeheuers,"'*^  welches  sich  erfrechte,  mit  vier 
Consuln  Krieg  zu   füiiren,   mit  den  jetzigen,  Pansa  und  llirtius, 
und  mit  den  künftigen,  Plancus  und  D.   Brutus.  ^'^)     AVas  dieser 
nebst  Oftavian    sich  gegen  Antonius    als  Consul    erlaubt    liatten, 
das  war   ihm   nicht  erlaubt,     denn    er  focht  gegen  die  Republik, 
und  was    für    oder    gegen    die  Republik    fechten    hiess,     darüber 
stand    aur    Cicero    die    Entscheidung    zu,     wie    über  die  Frage, 
ob   jemand    Consul    sei    oder    nicht.      Unumwunden    cröfl'nctc    er 
Pansa  im  Senat,   er  werde  ilin  nicht  dafür  ancrkeinien,  wenn  er 
nicht  seine  Pflichten  erfülle, ^'^)    etwa  ferner  eine  Berathung  über 
die  appische  Strasse  oder  über    die  Münze    veranlasse,     vahrend 
viel  Wichtigeres  zu  besprechen  sei,  *•)  einer  Kriegserklärung  ge- 
gen Antonius  sich  widersetze  und  auf  Unterhandlungen  dringe.*-) 
Denn    über  diess  alles  rechtete  er  mit   dem   Consul  auf  eine  un- 
geziemende Art,  so  dass  er  dessen  Einsicht  oder  Vaterlandsliebe 
in  Zweifel  zog,     und  wenigstens    andeutete,     was    sein    Bruder, 
jedoch  nur  in  einem  Briefe,     über  Pansa    und  Hirtius  geäussert 
hatte.  *■*>> 

Noch  Aveniger  schonte  er  die  niederen  Behörden,  und  unter 
ihnen  die  Brüder  des  M.  Antonius,  Cajus,  den  Prätor,  und  Lucius, 
den  V.  Tribun  des  J.  44.  Unerschöpflich,  wenn  es  galt,  einen 
Feind  zu  erniedrigen,  überschüttete  er  insbesondere  den  Letzten 
mit  einer  solchen  Masse  von   Sclimähungen ,   dass  man  seine  Er- 

32)  8  Phil.  G.  33)  Das.lS,  19.  34)nas.3,7.  G,2.  13,7.9.  3.i)  Da». 
13,  10.  30)  nag.  12,  10.  13,  .'i.  7.  0.  11,  3.  37)  Das.  13,  8.  3«)  Das. 
7,  9.  8,  1.  13,  10.  30)  Das.  13,  7.  14,  3.  10)  Das.  7,  2.  41)  Da».  7,  1. 
4'i)  Das.  8,  1.  12,  7.  14,  7.     43)  ad  Fani.  10,  27.  > 


V.  ANTONII.       (14.  §.  24.)  185 

findiingslfraft  bewundern  miisste,     wenn  der  Gegenstand  weniger 
veräclitlich  wäre.  '^*J 

Wie    den    Senat  und    die    Magistrate    so    verachtete    Cicero 
auch  Gesetz    und    Verfassung,     um    seiner    Versicherung    zufolge 
die    Republik    zu    vertheidigen.      Als    er    a.    54    aus  Furcht    vor 
Cäsar  und  einem  zweiten  Exil  für  Vatinius  sprach,  dessen  hefti- 
ger Gegner  er  gewesen  war,    schrieb  er  Lentulus,    welcher  sein 
Befremden    darüber    äusserte:     ein  Staatsmann    dürfe  nicht  hart- 
näckig   bei   Einer    Meinung    verharren;     er    müsse    sein  Ziel    im 
Auge  behalten,    wie  der   Schift'er  den  Hafen,    um  es  aber  sicher 
zu  erreiclien,  nicht  immer  dieselbe   Sprache  füliren,   so  wenig  als 
jener  immer  in  derselben  Richtung  fahre;    man   habe   ilim   Gutes 
und  Böses  erwiesen,     deshalb   denke  und   spreche  er  so,     wie  es 
sowohl  sein  eigenes  als    das  Interesse  der    Republik  erfordere.*^) 
Auch  jetzt  Mar    er    in  mancher  Hinsicht    anderer    Meinung,     als 
sonst.     Octavian    sollte  ausserordentlich  und    als  Privatmann  er- 
mächtigt werden,  ein  Heer  anzuführen,  Proprätor  sein  und  mit 
diesem  Range  in  der  Curie  stimmen.      Er  war   noch    nicht   Quä- 
stor  gewesen,  und  nicht  im  gcsetzmässigen  Alter;  aber  die  ganz 
alten   Römer    hatten    keine  Annalgesetze ,    und  dann  starb  Man- 
cher,    ehe  er  mit  seinen  Gaben    dem  Staate  nützen  konnte,   da- 
her man  jene  sonst  schon  unbeachtet  Hess;    hätte  Alexa;ider  das 
consularische  Alter  erwarten  müssen,   so  würde  er  nicht  so  grosse 
Thaten  verriclitet  haben,  ^f»)     AVie,     sagte   Cicero  später,    als  er 
Cassius  den  Krieg  gegen  Dolabclla  zuwenden  wollte,  und  L.  Cä- 
sar dagegen    P.   Sorvilius  vorschlug,     einen  Privatmann?     Dann 
kann  jeder  Senator  daravif  Anspruch  machen,  dann  wird  man  in 
der  Curie  werben,  wie  in   den  Comitien,    und  man  muss  Stimm- 
tafeln vertheilen;   er  selbst,   fügte  er  entschuldigend  hinzu,   habe 
zwar  für  einen  jungen   Mann,    für  Octavian,    eine  ausserordent- 
liche Befugniss  verlangt,     Heerführer  zu  sein,     dieser  liabe   ihm 
aber  auch    einen    ausserordentlichen  Dienst    geleistet,    ihm,     das 
heisse  dem  Senat  und   dem  römischen  Volke.  *''-* 

Nichts  verderblicher  und  strafbarer  als  Ackergesetze.      Cicero 
hatte    diess    gegen  RuUus  und  noch  kürzlich  gegen  L    Antonius 


44)    S.   unten   L.    Antonius.    No.    30.     45)   ad  Fam.    I.  9.  §  2.  u.  7. 
46)  5  Phil.  16.  17.     47)  Das.  11,  8. 


186  V.  ANTONII.  (11.  §.  25.) 

ausfrcsproclicn.  *8)  Ein  kluger  Steuermann  riclitct  sich  nacli 
dem  Winde.  *3^  Er  selbst  trug  darauf  an,  den  Kriegern,  wel- 
che Antonius  verlassen  oder  gegen  ihn  gefochten  liatten ,  Acker 
anzuweisen,  so  reichlich,  als  es  jemals  der  Fall  gewesen,^") 
und  war  mit  D.  Brutus  ganz  einverstanden  ,  dass  er  und  Plan- 
cus  unter  ihre  Truppen  Ländercicn  A'erthcilen  müsstcn,  wogegen 
ihnen  oblag,  ihn  von  aller  Furcht  zu  befreien.  5') 

Fünfzig  Tage  war  er  in  Sicilien  gereis't ,  um  gegen  Ver- 
rcs  Stoff  zur  Anklage  wegen  Erpressungen  zu  sammeln ,  ^-)  und 
seine  eigene  Verwaltung  Cilicicns  war  nach  seiner  Versicherung 
musterhaft  gewesen ;  ^3)  Cornificius,  welcher  Afrika  gegen  Cal- 
visius  den  Anhänger  des  Antonius,  behaupten  sollte,  und  kein 
Geld  hatte,  empfahl  er,  da  jetzt  im  Senat  nicht  darüber  ver- 
handelt werden  könne,  das  Fehlende  zu  leihen  und  beizutrei- 
ben, also  zu  erpressen,   als  sei  er  dazu  ermächtigt.  51) 

Im  Bürf-erkriege  wurde  der  Sieger  nicht  Imperator  und 
nicht  mit  einem  Dankfestc  belohnt.  Cicero  gab  diess  nicht 
bloss  zu,  sondern  er  hob  es  geflissentlich  hervor,  che  er  nach 
den  ersten  Gefechten  bei  IMutina  die  diesseitigen  Feldherrn  als 
Imperatoren  anerkannte  und  auf  eine  Supplication  von  fünfzig 
Tao-en  antrug.  Durch  einen  solchen  Beschluss  sollte  man  eben 
gestehen,  es  endlich  einmal  aussprechen,  dass  Antonius  nicht 
mehr  römischer  Bürger  und  folglich  der  Kampf  mit  ihm  kein 
Bür"-erkrieg  und  kein  Tumult  sei.  ^'^) 

§  25. 

Die  Wahl  solcher  Mittel  erregt  den  Verdacht,  dass  Cicero 
seinem  Unternehmen  gegen  Antonius  nicht  gewachsen  war,  und 
er  seine  eigene  Lehre  vergass,  die  Kräfte  wohl  zu  prüfen,  ehe 
man  handle,  und  nicht  von  der  Leidenschaft  verblendet  sich 
über  sie  zu  täuschen. ^ej  Dass  die  seinigen  gering  waren,  ver- 
barg er  sich  nicht.  Wir  bedürfen  Geld  und  Truppen,  schrieb 
er  in  seinen  Briefen,  und  wir  haben  weder  das  Eine  noch  das 
Andere.  5 'J     Mit    unserem   Ansehn  ist's  nicht    gethan ;    vielleicht 

48)  Oben  §.  M.  A.  58.  49)  ad  Fani.  1.  0.  50)  .-i  Phil.  19.  51)  ad 
Farn.  11,  20.  21.  52)  in  Verr.  Act.  1,  2.  53)  Ol.  sie  e8  wirklich  war, 
wirü  sich  in  der  Geschichte  seines  Lehens  zeigen.  54)  ad  Farn.  12,  28. 
.W.     55)  11  rhil.  8.  9.  11.  11.     5C)  de  oinc.  1.   21.     57)  ad  Attic.  14,  4. 


V.  AXTONII.        (14.  §.  25.)  187 

kann  man  mit  den  Waffen  helfen,  aber  ich  Avciss  nicht,  auf  vie 
viele  wir  zu  rechnen  haben.  ^^)  AVas  ist  in  einem  Staate 
zu  hotten,  worin  Alles  mit  dem  Schwerdte  zu  Boden  gedrückt 
wird,  und  Senat  und  Volk  gleich  olinmächtig  sind?^'*')  AVas 
vermag  man,  wenn  man  nicht  Gewalt  der  Gewalt  entgegen- 
setzen kann?  *••')  Wir  kämpfen  mit  Antonius  unter  ungleichea 
Bedingungen,  mit  Worten  gegen  Waff'cn.  Alles  ist  unterdrückt, 
die  Guten  haben  keinen  Führer,  unsere  Tyrannen- Mörder  sind 
fern;   ich  weiss  durchaus  nicht,  was  werden  wird.  ''') 

Diess  Gestündniss  überrascht,  da  er  sich  kurz  zuvor  im 
Senat  mit  seiner  Wachsamkeit  und  Voraussiciit  für  die  baldige 
Herstellung  der  Freüieit  verbürgt  hatte. ''-J  Aber  die  Leiden- 
schaft riss  ihn  fort,  über  seine  Kräfte  zu  wagen;  er  erklärte 
den  Rath  des  Atticus,  sich  aus  dem  öftentliclieii  Laben  zurück- 
zuziehen, für  seiner  unwürdig,"^)  obgleich  er  sich  einst  selbst 
unter  Cäsar  Schweigen  und  Stillesein  empfahl, ö*>'  und  bedachte 
den  weisen  Spruch  des  Crassus  nicht,  dass  man  im  Staate  auf 
mannichfache  Art  sich  Ruhm  erwerben  könne.  ^^^  Kühn  sagte 
er  Antonius  die  Fehde  an,  und  bekannte  darauf  unter  über- 
schwänglichen  Dankbezeugungen  gfgen  Octavian ,  dass  man  ganz 
wehrlos  gewesen,  und  nur  durch  ihn,  und  ganz  unerwartet 
durch  ihn  gerettet  sei.  ^^^  Ciceros  Werk  war  es  nicht;  er  hatte 
den  nimmer  Nüchternen  nicht  in  das  Garn  des  jungen  Cäsar 
geworfen,''^-'  wohl  aber  hatte  er  mit  seinem  Anhange  das  Schick- 
sal der  Völker,  welche  unfähig,  sich  selbst  zu  helfen,  jeden 
Feind  ihres  Unterdrückers  als  Befreier  empfangen  ,  und  deshalb 
aus  einer  Sclaverei  in  die  andere  gerathen. 

Von  einem  Bunde  zwischen  dem  Erben,  den  Freunden  und 
den  Mördern  Cäsars  konnte  er  Avohl  augenblickliche  Erfolge,  alter 
liicht  den  Sieg  hotten.  Nur  bis  zu  dem  Schlachtfelde,  auf 
welchem  Antonius  unterlag,  führte  sie  Ein  Weg,  und  jeder 
Theil  wusste ,  dass  der  andere  ihn  gebrauchen  und  dann  ver- 
derben wollte.  Cicero  behauptete ,  dass  diess  Misstrauen  unge- 
gründet sei,    dass  es  auch  nicht    Statt  finde;  ^'^)    er  selbst  trug 

58)  Das.  14,  14.     59)  ad   Fam.    10,    1.     CO)  Das.    12,    3.  Gl)  Das. 

12,     22.      02)    3    Phil.     14.       G3)   ad    AU.    14,     20.      ü  I)    Das.  13,     n. 

C5)  14  Phil.  C.  06)  Unten  §.  31,  A.  4.  f.  07)  ad  Fara.  12,  25. 
08)  10  Pkii.  7.  8.                                      '<v(^- 


ISS 


V.  ANTONII.        (U.  §.  25.)  1^ 


j]azu  he\ ,  es  zu  nälircn,  denn  fast  jeder  Streich,  ivcldier  auf 
Antonius  Hei,  traf  auch  den  Sohn,  die  Feldherrn  und  die  \'e- 
tcniiicn  Cäsars.  Dadurch  hcwirkte  er  nicht  den  ohnehin  he- 
schlossenen  Ahfall  Octavians,  aber  er  beschleunigte  ihn.  Denn 
vcU'hen  Eindruck  musste  es  machen,  Menn  er  das  Gefolge  des 
Antonius,  nach  seiner  Schilderung  eine  Rotte  von  Verworfenen, 
die  Triinimer  aus  dem  Sclütfbruche  Casars  nannte,  und  bald 
darauf  rühmend  bemerkte,  dass  weder  die  kindliche  Liebe  für 
Octavian ,  noch  ihre  genaue  Verbindung  mit  Cäsar  für  die  Coss. 
Pansa  und  Hirtius  ein  Hinderniss  sei,  die  Republik  zu  ver- 
theidi"-en?  *'^J  Stets  bezeichnete  er  den  Zustand  Roms  während 
der  letzten  Dictatur  als  Kncclitschaft,  deren  Urheber  nur  ein 
Antonius  das  Diadem  antragen,'^")  für  welchen  nur  er  eine 
Supplication^^-*  und  den  Titel  Vater  des  Vaterlandes  fordern 
konnte.  ^-)  Er  wusste,  dass  nicht  jeder  gern  von  Cäsars  Tode 
hörte  und  wollte  deshalb  A-^on  der  grössten  unter  Cassius  Thaten 
schweigen;  ^^)  wie  er  sie  aber  in  dcr.iseliien  Augenblicke  pries, 
80  lobte  er  auch  andere  Verschworene  als  solche ,  AI.  Brutus,  '*) 
Trcbonius,''^^  Casca,  ^Oj  Serv.  Galba,^^)  und  selbst  D.  Brutus 
nicht  bloss,  weil  er  Antonius  widerstand.  Für  Cäsar  konnte 
nichts  Besseres  geschehen,  als  wenn  man  vergass,  wie  er  ge- 
endigt liatte;''^)  aber  diese  Nachsicht  bewies  Cicero  nicht; 
schon  in  der  zweiten  Philippika,  welche  bald  allgemein  gelesen 
wurde,  erhob  er  seine  Ermordung  zu  der  rulimwürdigsten 
Handlung,  welche  man  nie  vergessen,  sondern  nachahmen 
müsse ;^'-'^  dann  erklärte  er  es  für  einen  Widerspruch,  dass  man 
zu"-ebe,  er  sei  mit  Recht  erschlagen,  und  doch  seine  Gesetze 
und  Einrichtungen  beibehalte. ^•^.* 

Octavian  wurde  also  zugleich  beleidigt  und  gewarnt;  er 
sah,  dass  nach  dem  Falle  des  gemeinscliaftlichcn  Feindes  die 
Befreier  Cicero  auch  von  ihm  befreien  sollten,  und  dass  dieser 
sie  deshalb  nicht  bloss  lobte,  sondern  auch  so  viel  als  müglich 
zu  heben  suchte,    vorzüglich  M.  Brutus  in  Macedonicn,  ^U     und 


6!))  Das.  13,2.  20.  70)  Das.  3  ,  5.  13,  15.  71)  Das.  1 ,  G.  72)  Das. 
13,  11.  73)  Das.  11,  14.  cfr.  11.  u.  12.  71)  Das.  10,  3.  75)  Da«. 
11,  1.  4.  76)  Das.  13,  15.  77)  Das.  13,  10.  7»)  Das.  13,  18. 
70)  Das.  2,  11.   12.  13.  43.     8ü)  Das.  13,  1.     81)  Das.  10,  7. 


V.    ANTONII.       (14.  §.  25.)         189 

C.  Cassius  in  Syrien.  ^-)  Machte  man  ihm  den  V'orwurf,  dass 
er  sie  zu  sehr  ehre  und  ihnen  die  Herrschaft  zuzuwenden  schei- 
ne,  so  ehrte  er  in  ihnen  nur  die  Zierden  des  Staats,  83J  und 
vergebens  rügte  Antonius  sein  Verfahren  in  einem  Schreiben  an 
Hirtius  und  Octavian,  denn  diese  duldeten  es  gern,  dass  die 
besten  und  edelsten  Manner,  welche  sich  zur  Vertheidigung  der 
Republik   verbunden  hatten,   auch  mächtig   waren.  8*) 

Selbst  die  Art,  wie  er  Octavian  seinen  Beifall  bezeugte, 
inusste  diesen  von  ihm  abwendig  machen,  wenn  er  je  die  Ab- 
sicht gehabt  hätte,  ihm  zu  dienen.  Er  schilderte  ihn  als  einen 
unerfahrnea  jungen  Mann,^'^>'  welcher  sein  Ansehn  seiner  Adop- 
tion und  dem  Senat,  das  heisst  ihm  verdanke,  und  unter  einer 
umsichtigen  Leitung,  unter  der  seinigen,  wohl  zu  gebrauchen 
sei.  ^'')  Mit  allen  Gedanken  des  Jünglings  vertraut  konnte  er 
Versichern,  dass  ihm  nichts  theurer  war,  als  die  Republik, 
nichts  heiliger,  als  der  Wille  des  Senats,  nichts  wünscliens- 
werther  und  süsser,  als  die  Zufriedenheit  aller  Guten  und  der 
wahre  Ruhm,  ^^)  dass  kein  Glanz  des  väterlichen  Namens,  keine 
kindliclie  Liebe  ihn  auf  Abwege  verleitete,  da  er  wusste,  dass 
die  grösste  Pietät  sich  in  der  Erhaltung  des  Vaterlandes  zeige.  ^*'J 
Nach  der  Schlaclit  bei  Mutina,  wo  er  mehr  leistete,  als  man 
von  seinem  Alter  erwarten  konnte,  ^'^^  wurde  er  so  zweideutig 
behandelt,  dass  er  auch  zweideutige  Aeusserungen  Ciceros,  wel- 
che man  ihm  mittheilte  ,  für  acht  hielt.  '•>^) 

Es  war  also  nicht  das  Verdienst  des  Redners,  dass  man 
diese  Hülfe  fand,  wohl  aber  geschah  von  seiner  Seite  sehr  viel, 
um  sie  zu  verlieren.  Und  wie  lös'te  er  übrigens  sein  Worc, 
die  Republik  zu  retten?  Durch  ihn  Avurden  nirgends  Streitkräfte 
in  Bewegung  gesetzt:  man  widerstand  Antonius  im  eigenen 
Interesse  oder  gar  nicht;  die  Befreier  im  Osten  überliesscii 
Cicero,  D.  Brutus  und  Rom  ihrem  Schicksale;  Lepidus,  Piancus 
und  Asinius  PoUio  erwarteten  den  Ausgang  und  fielen  ab,  als 
man  ihrer  am  meisten  bedurfte;  Cicero  musste  sie  kennen,  als 
er  seinen  Feind  zum  Kampfe  auf  Tod  und  Leben  forderte.  Er 
konnte   nicht    einmal    im    Senat    durchdringen,     so    viel  er  sich 


«2)  Das.  11,  14.  83)  Das.  I.  c.  84)  Das.  13,  11.  85)  ünl.ii 
§.  31.  A.  13.  80)  14  Phil.  10.  87)  Das.  5,  18.  88;  Das.  13,  2ü. 
ii9)  Das.  14,   10.     90)   Lnlen  §.  47.  A.  10. 


190  V.  ANTOxNIL  (14.  §.  25.) 

auch  von  den  Philippiken  versprach,"')  deshalb  sandte  er  sich 
iviedcrliolt  an  das  \'ülk,  und  empfahl  den  Statthaltern,  nach 
eigener  Ueberzciigung  zu  handeln.  Es  Mar  sclion  kränkend 
und  liindcrlich  für  ihn,  dass  der  Consul  Pansa  a.  43  nicht 
ihn ,  sondern  seinen  Schwiegervater  Calenus  immer  zuerst  frag- 
te, den  Freund  des  Antonius ;ä2)  g^j^  Antrag,  diesem  den  Krieg 
anzukündigen,  wurde  bis  zur  Schlacht  bei  Mutina  verworfen, 
und  eben  so  wenig  erfüllte  man  seinen  Wunsch ,  dass  Cassius 
statt  der  Consuln  den  Oberbcfebl  gegen  Dolabella  erhalten  möge; 
er  eiferte  gegen  den  Frieden ,  und  dennoch  gieng  eine  Friedens- 
Gesanil tschaft  ab,  man  beschloss  sogar  eine  zweite,  an  welcher 
er  selbst  Theil  nehmen  sollte. 

Um  kurz  zusammenzufassen,  was  sich  aus  dieser  Einleitung 
in  die  Pliilippiken  ergiebt,  so  war  der  Streit  zwischen  ihrem 
Verfasser  und  Antonius  rein  persönlich  und  von  jenem  veran- 
lasst. Er  überti-ug  seinen  Hass  von  Ciisar  auf  den  neuen  Macht- 
haber, welcher  seine  Hoffnung  vereitelte,  dass  von  jetzt  an  die 
Rede  wieder  mehr  sein  werde ,  als  das  Schwerdt.  Um  das 
höchste  Ansehn  kämpften  Beide ,  und  Beide  bedienten  sich ,  so 
viel  es  jeder  vermochte,  gefälirliclicr  und  blutiger  Mittel.  Nach 
dem  Nutzen ,  Avelchen  Menschen  und  Dinge  ihnen  in  dieser 
Hinsicht  verschafften,  bestimmten  sie  deren  AVerth.  Sie  ver- 
langten unbedingte  Ergebenheit  A'on  Senat  und  Magistraten,  und 
trieben  mit  Gesetzen  und  Grundsätzen  ein  verderbliches  Spiel. 
Dadurch  untergruben  beide  den  Staat,  und  Cicero  stumpfte 
zugleich  die  einzige  Waffe  ab,  welche  ihm  zu  Gebote  stand, 
er  riss  seine  Schutzwehr  gegen  jeden  andern  Antonius  nieder. 
Des  Rechts,  von  der  Herstellung  der  Republik  und  der  Gesetze 
und  von  seiner  Fürsorge  für  die  Mitbürger  zu  sprechen,  machte 
er  sich  verlustig,  da  er  den  Senat  verhöhnte,  als  Privatmann 
einen  Consul  ächtete,  den  Abfall  von  ihm  heiligte,  die  Enipö- 
run"-  rechtfertigte,  die  Gesetze  verdrehte,  einst  von  ihm  be- 
kämpfte Missbräuche  empfahl,  seine  Mitbürger  gegen  einander 
hetzte,  sich  und  sie  mit  der  Sopliisterei  abfand,  diess  sei  kein 
Bürfcrkrieffj  und  den  Meuchelmord  öffentlich  in  Schutz  nahm. 
Es    macht     einen    ungünstigen    Eindruck,    dass    er    Andere 


I 


ftl)  ail  Farn.  12,  2.  14  rUil.  7.     02;  5  l'Uil.  1.  10,  I.  3.  (2.) 


V.  ANTONII.         (11.  §.  25.)       19  [ 

vorschob,  ■vvührcml  Antonius  seihst  sein  Leben  duran  setzte;  iii- 
dess  Avar  er  nicht  zum  Krieger  geschaffen,'-*'*'^  und  man  kann 
in  dieser  Hinsicht  bloss  tadeln,  dass  er  eine  Rolle  übcrnalim, 
welche  nur  ein  Krieger  durchzuführen  vermochte.  Allein  er 
■wollte  auch  nicht  für  die  Republik  oder  mit  ihr  untergehen; 
er  wollte  ihr  überhaupt  nichts  aufopfern,  niclit  einmal  seine 
fiütcr:  mit  Entsetzen  daclite  er  daran,  dass  ihr  Verlust  gewiss 
war,  wenn  Antonius  zurückkam;  ö*)  er  verpfändete,  verkaufte 
sie  nicht,  wie  seine  Reden  erwarten  liesscn,  als  die  Heere 
Sold  forderten,  und  es  galt.  Anderen  ein  Beispiel  zu  geben; 
Tribut  wollte  er  aussciireibon ,  '•'^)  und  jene  wies  er  auf  die 
Provinzen  an.  '■"'J  Sein  Leben  aber  in  Gefahr  bringen  hiess 
ihm  den  Zweck  zum  Mittel  machen.  Auch  ohne  seinen  Ausruf 
zu  kennen:  lieber  tausendmal  sterben,  als  in  den  Lagern  sein,  '-^'0 
konnte  man  seine  Versicherung  würdigen:  gern  würde  er  sich 
für  D.  Brutus  einschlicssen ,  wenn  es  im  Kriege  Stellvertreter 
gäbe,  ^^)  wobei  er,  wie  immer,  ein  schwaches  Gedächtniss  bei 
seinen  Zuhörern  voraussetzte ,  da  er  ihnen  so  oft  die  V/ichtig- 
keit  seiner  Erhaltung  für  den  Staat  und  die  Nothwendigkeit 
seiner  Gegenwart  in  Rom  bcAvies.  Er  gedachte  den  Sieg  zu 
geniessen,  und  wenn  dieser  dem  Feinde  A'erblieb,  sich  in  die 
entfernteste  Gegend,  nach  Syrien,  zu  Cassius  zu  retten.^'-') 
Denn  von  Antonius  durfte  er  keine  Gnade  oder  Versöhnung 
hoffen;  er  hatte  ihn  zu  arg  verletzt,  und  gross  war  die  Zahl 
seiner  anderen  Feinde  aus  der  Zeit  des  Catilina  und  des  Clo- 
dius,  welche  alle  auf  Rache  sannen.  Zwar  hatte  die  Republik 
die  Genugthuung,  dass  die  Verbrecher  büssten,  welche  ihm  seit 
zw'anzig  Jalircn  nachgestellt,  und  dass  er  ihr  nicht  entrissen 
wurde;  aber  er  sagte  es  nicht  ohne  Furcht,  denn  er  wusstc, 
was  dem  Mensclien  begegnen  kann.  ^^'^)  Ein  Tod  ohne  SLirter 
aus  der  Hand  des  Antonius  würde  eine  AVohlthat  sein,  ^)  und 
L.  Piso  sprach  ein  ti'effliches  AVort,  als  er  erklärte,  er  werde 
auswandern,     wenn   jener    siege ;  2)    das    grauenvolle    Schicksal 


93)  Das.  7,  3.  8,  4,  12,  10.  ad  Att.  14,  13.  Luc.  Pbars.  7.  65. 
94)  8  rhil.  3.  05)  ad  Fani.  12,  30.  96)  Das.  12,  28.  07)  Oben  §.  18. 
A.  8.  98)  12  Phil.  2.  99)  ad  Fani.  12,  G.  8.  100)  12  Phil.  9.  10. 
cfr.  2,  1.  13,  21.     1)  Das.  11,  1.  13,  19.  14,  9.     2)  Das.  12,  G. 


192  V.    ANTONII.  (14.  §.  20.) 

des  Trebonius  warnte;  3)  jener  war  der  Schreckliche,  Melcher  es 
veranlasst  und  es  auch  allen  Anderen  beschieden  hatte.  *) 

Wie  würde  Cicero  als  Sieger  gehandelt  haben,  mit  seinen 
Freunden,  den  Mördern  Ciisars,  mit  seinem  (Grundsätze,  dass 
jeder  das  Leben  verwirke,  welcher  wider  ilin  sei,  mit  seiner 
durcl»  lange  Erniedrigung  und  einen  angstvollen  Zustand  bis 
zum  tüdtlichsten  ilasse  gesteigerten  Erbitterung,  mit  der  Ge- 
fühllosigkeit, mit  welcher  er  als  Consui  seine  Mitbürger  sterben 
sah,  Clodius  und  Cäsars  Ermordung  feierte  und  die  Verschonung 
des  Antonius  beklagte?  So  fragte  auch  dieser  ia  einem  Schrei- 
ben an  Hirtius  und  Octavian.  ^) 

§  26. 

Die  Zeit,  in  welcher  Cicero  nach  Rom  zurückkehrte,^) 
war  nicht  glücklich  gewählt.  Denn  Antonius  liatte  jetzt  so 
viel  erreicht,  "^J  dass  er  es  wagen  konnte,  durch  einen  ent- 
schiedenen Schritt  Freund  und  Feind  zu  sondern,  der  einen 
Partei  zu  beweisen,  dass  er  bisher  nur  aus  Noth  und  Klugheit 
der  anderen  Zugeständnisse  gemacht  habe,  und  dieser,  dass  er 
sie  nicht  fürchte.  Er  trug  am  1.  September  *)  im  Tempel  der 
Concordia , '•'J  von  Kriegern  umgeben  und  bei  verschlossene!! 
Thüren,  '")  bei  dem  Senat  darauf  an,  dass  zu  den  Supplicatio- 
nen  ein  Tag  zu  Ehren  Cäsars,  zur  Erinnerung  an  seine  Tha- 
ten  hinzugefügt  und  ihm  an  diesem  läge  als  (jiott  geopfert 
werden  möge.  "^  Bei  Lebzeiten  des  Diclator  hatte  man  be- 
schlossen, an  den  Tagen  seiner  Siege  zu  opfern,  ^-J  in  Zukunft 
sollte  man  ihm  selbst  wie  einem  Gott  Dankopfer  bringen. 
Allerdings  handelte  der  Cousul  nicht  aus  Ehrfurcht  gegen  ihn, 
denn  er  gestattete,  dass  man  schon  vorhandene  Beschlüsse  ähn- 
licher Art  nicht  vollzog,  und  Hess  sich  selbst  nicht  als  Priester 
des  zum  Gott  erhobenen  Herrschers  weihen;'-^)  wer  aber  für 
seinen  Vorscliiag  stimmte,     der   brach  öifcntlicli    mit  der  Aristo- 


3)  Das.  11,2.  1.^,  m.  21.  14,  3.  1)  Das.  11,3.  5)  Da«.  13,  20. 
rfr.  Dio  40,  21.  25.  ü)  Oben  §.  I«.  A.  12.  u.  §.  21.  A.  92.  7)  §.  20. 
k,  I  i'hil.  .1.  j.  5  Fliil.  7.  riut.  Cic.  43.  9)  5  IMiil.  7.  10)  Das.  I.  c. 
H;  Das.  I.  r.  u.  1,  5.  (>.  2,  12.  (13).  Dio  IT.,  7.  12)  App.  2.  iOl.  cfr. 
5.  745.  Dio  43,  44.  S.  Cäuar.     13)  2  Phil.  42.  (43).  13,    lü.  Dio  44.   0. 


V.  ANTONII.  (14.  g.  26.)         193 

cratie,  wer  dagegen  war,  verfeindete  sich  die  Veteranen,  wer 
bei  einem  solchen  Anlasse  nicht  kam ,  gesellte  sich  den  Gegnern 
au.  Es  blieb  kein  Ausweg ;  diese  Erfahrung  machte  Cicero, 
und  auf  ihn  insbesondere  war  es  abgesehen;  er  sollte  sich  für 
besiegt  erklaren  oder  gegen  den  Machtigen  offen  in  die  Schran- 
ken treten.  Die  Sorge  um  seinen  gesunkenen  Ruf  hatte  ihn 
nach  Rom  geführt;  im  Tempel  konnte  er  sich  nur  widersetzen,  '*) 
und  wer  schützte  ihn  dann  vor  dem  Schicksale  des  HclviuH 
Cinna? 

Der  Consul  war  schon  im  Senat,  als  er  seine  Entschuldi- 
gung empfieng:  er  sei  von  der  Reise  ermüdet,  sei  krank.  '^) 
Auch  Andere  fanden  sich  nicht  ein,  aber  keinen  vermisste 
jener  so  ungern,  und  bei  keinem  war  es  so  gewiss,  dass  er 
nicht  kommen  wollte.  Antonius  wusste,  wie  er  auf  seinen 
Gütern  sich  über  ihn  geäussert,  den  Achselträger  gespielt,  sei- 
nes Falls  geharrt  und  sich  bemüht  hatte,  ihn  zu  bewirken; 
diess  Ränkeschmieden  im  Verborgenen  sollte  aufliören,  und  da 
sein  Gegner  einen  öffentlichen  Bruch  auch  jetzt  vermied ,  so 
begnügte  er  sich  nicht  mit  der  gesetzlichen  Strafe,  mit  Pfän- 
dung oder  einer  Geldbusse,  sondern  gebot,  in  Gegenwart  des 
Senats,  Ciceros  Haus  niederzureissen ,  das  Haus,  in  dessen 
Besitze  er  sich  glücklich  fühlte ,  zu  dessen  Herstellung  nach 
seinem  Exil  der  Senat  das  Geld  bewilligt  hatte.  Doch  gelang 
es,  ihn  zu  besänftigen;  die  Berathung  wurde  fortgesetzt  und 
sein  Antrag  genehmigt.  ^''J 

Am  folgenden  Tage,  mithin  am  2.  September,  i'^)  nicht 
schon  am  ersten,  dem  Tage  nach  seiner  Ankunft,  oder  am 
dreissigsten  nach  der  Rede  des  Piso,  ungenaue  Angaben,  ^^)  er- 
schien Cicero  in  jenem  Tempel  im  Senat.  Er  konnte  nicht 
wissen,  dass  Antonius  nicht  kommen i^)  und  nur  Dolabella  den 
Vorsitz  führen  werde ,  -"-*  auch  wurde  dadurch  die  Gefahr  nicht 
vermindert,  wenn  er  überhaupt  zu  fürchten  hatte.  Andere 
Gründe  also  bestimmten  ihn,  heute  zu  thun,  was  er  gestern 
gescheut     hatte :     mit     der     Person     zu    hadern ,     ohne     in    ei- 


14)    1   Pbil.    5.    7.     15)  Das.   1   Phil.    5.    11.    Plut.    I.    c.     16)   I  Phil 
4  —  0.  5,    7.    Plut.  1.  c.     17)    1  Phil.  4.  5.  5,    7.     18)  ad  Farn.  12,    2. 
25.  5  Phil.  7.     In    Corradi  Quaest.    p.  220.  zu  grundlosen  Einwürfen  ge- 
gen Plut.  1.  c.  benutzt.     19)  1  Phil.  7.  13.  5,  7.     20)  Das.  1,1!.  12. 
Dnimaniii  Gegcbiclite  Roms  J.  |3 


194  V.  ANTOMI.       ( 11.  §.  2G.) 

ncm  förmliolieii  Ciitarhton  die  Saclie  zn  verwerfen,  votlarch  *r 
die  A  eteranca  jjercizt  haben  viirde .  Avar  ihm  jetzt,  nieht  aher 
am  vorigen  'J'at^e  gestattet;  es  fehlte  ilini  nicht  an  Stoff  zu 
Klagen  über  Antonius,  und  niclit  an  (iVwandtlieit ,  sich  auch 
ülier  die  Sache  zu  äussern.  Man  erkennt  in  der  ersten  Phi- 
lippik.'i  oder  Antoniana  -0  alle  anderen  wie  im  Keime;  sie  deu- 
tet an,  vas  diese  schoinmgslos  ausführen:  wer  für  Cicero  sei, 
sei  für  die  Hepuhlik:  --.'  es  werde  /um  Kriege  kommen,  und 
dieser  tnls  ein  Krieg  mit  einem  auswärtigen  i'cinde  zu  betrach- 
ten sein:-''-^  ja  man  tiiulet  sclion  Anspielungen  auf  das  Privat- 
leben, auf  die  Trink-  und  Spielgenossen  ,  welche  bald  mit  ihrem 
In  Laster  versin)kenen  Heschntzer  am  Pranger  stehen  sollten.  '*) 
AVarum  dieser  nicht  kam,  ist  schwer  zu  sagen,  eben  weil  sich 
sehr  viel  dariilier  sagen  lässt;  der  Streich  vom  gestrigen  T.ige 
war  einmal  verfeliK ,  und  der  Gegner  Avurde  lieute  nicht  von 
ihm  erwartet. 

Eben    so    wenig   ist    man    davon    unterrichtet,     an  welchen 
Antrag  Cicero    seine    IJede    anknüpfte.      Ihr    Zweck  ist  nicht  zu 
verkennen:  er  AvoIIte  <ladurch  bewirken,    was  ihn  zur  Rückkehr 
bestimmt  hatte,  seinen  Ruf  herstellen,    beweisen,     dass  er  noch 
der  Alte  sei,     und  sicli  da  finden  lasse,     wohin  er  gehöre,     so- 
b.ild  er  hoffen  dürfe,     zu   nützen;     dieser  Tag  sollte  Aon  seinen 
unveränderten  und  unveränderliclien  Gesinnungen  gegen  das  \  a- 
terland    zeugen,-'')     dessen    Dienste  er  sich  fast  ein  halbes  Jahr 
entzogen    hatte,    und    einen     Krieg    mit    y\ntonius     vorbereiten. 
Niclit  kleinlaut ,    sondei-n    mit  Aiunassung    und  Zuversicht  nahm 
er   das  ANort,     als    ob    ein    Herrscher  die  Verwaltung    einer  A'on 
ihm  eingesetzten    Regentschaft    beurtheile.      L.   Piso  hatte  am  1. 
August  freimüthig  gesprochen,    und  enipfieng  seinen  Dank;    den 
Senat  tadelte  er  Avegen   der  an  jenem     läge  beAviesenen  Feigheit, 
mit    der    Remerkung,     auch    gestern    habe    ersieh    einschüchtern 
lassen  und  seiner  linvürdiges  beschlossen,     Avcshalb  der    Redner 
nicht  auf  seinen  Rcistand  rechne,  sondern  nur  (iehör  A'eriange.-''-' 
Die  Mörder  Ciisars  A\urden  gel(d»t,  -•'  und  die  Consuln   über  ihr 
\  erhalten   seit  dem  April  zur  Jfechenschaft  gezogen,    nicht  ohne 
Ankündigung  der  Strafe,  Avcnn  sie  sich   nicht  besserten.  -'^^ 

20  Gell.  N.  A.  1.1,  1.     22)  c.   II.  K..  cfr.  r> ,  7.     23)  r.  0.     21)  1.3. 
§.  72.  A.   17  f.     25)  4.  15.     20)    1  —  7.     27)  2.  3.  l'u     2S)   12,    H. 


I 


V.  AXTONir.         (IJ.  §.  2(5.)  J95 

OJ)gIcuh  Ticero  gestehen  iniisste ,  «lass  Antonius  ihn  als 
Frennd  verpfliclitet  habe,  und  ilim  gesagt  Avnrile,  sein  Freund 
werde  auch  durch  eine  Hede  oline  Scliuiähungen  sehr  verletzt, 
wenn  sie  seinen  AViinsc!ien  entgegen  sei,  der  Poujpojaner  dürfe 
nicht  die  Nachsiclit  von  ihm  hofien,  -wie  Piso ,  Ciisars  Schwie- 
gervater, -'^>'  so  konnten  diese  wohlgcnicintcn  Warnungen  und 
die  G'cfalir,  worin  er  sich  so  eben  befunden  hatte,  ihn  doch 
nur  bestimmen,  weniger  freimüthig  als  gewöhnlicli  zu  spre- 
chen,-"') d.  h.  nacli  den  folgenden  Philippiken  zu  schlicssen, 
er  schimpfte  niclit,  übrigens  machte  er  jetzt  schon  solche  Aus- 
falle, ^')  dass  er  sich  an  diesem  Tage  den  einzigen  Freien  in 
der  Curie  nennen  konnte.  ■'-^  Zwar  lobte  er  die  Verwaltung 
des  Antonius  bis  zum  1.  Juni,''')  und  man  sollte  daraus  zu- 
gleich den  gerecliten  Richter  erkennen  ,  Aviilirend  er  ilim  nur 
Arglist  und  \erstcllung  vorwarf,  wie  in  der  scheinbar  harmlo- 
sen Krziihlung,  dass  die  Nachricht  von  seiner  Rückkehr  zur 
Cesetzliciikcit  und  Ordnung  ihn  bewogen  habe,  wieder  nacl» 
Rom  zu  kommen,  der  härteste  Tadel  lag.  '**) 

Als  er  ins  Einzelne  gieng,  Avähltc  er  äusserst  schlau  einen 
AngrifTspunct ,  welcher  ihm  selbst  Schutz  gewährte.  Er  benutzte 
den  ihm  verhassten  •'•')  Scnatsbeschluss,  worin  Cäsars  Verfügun- 
gen bestätigt  waren,  um  auf  eine  für  die  Veteranen  und  die 
übrigen  Freunde  des  Ermordeten  nicht  anstössige  Art  die  Ver- 
I  brechen  des  Antonius  aufzuzälilen ,  sie  als  Handlungen  darzu- 
stellen, welche  sich  tlieils  auf  eine  ^  erachtung  jener  Verfügun- 
gen, theils  auf  deren  Verfälschung  gründeten.  Unter  dem 
Reell tst i te  1 :  Auflehnung  gegen  den  Willen  Cäsars,  fasste  er  alle 
Rügen  zusammen;  trug  das  Ganze  eine  gute  Farbe,  so  konnte 
er  es  im  Einzelnen  nach  Belieben  ausmalen,  wie  Beiwerk  an- 
bringen, was  ihm  das  Wichtigste  war,  und  seinen  Feind  an- 
schwärzen ,  war  er  doch  als  Gegner  der  Verordnungen  hin"-e- 
stellt,  von  deren  Erhaltung  Einige  den  ferneren  Besit?;  ihrer 
Güter,  Andere  Geldgewinn,  Andere  die  Fortdauer  des  Friedens 
oder  Aemter  und  Provinzen  erwarteten.  AVas  ihn  also  schon 
jetzt  als  strafbar ,  als  einen  fluchwürdigen  Tyrannen  bezeichnen 


20^  ■!.  11.     ?.n^   ■)  Phil.  7.     .^1)  ad  Kam.  12,    2.     32)  Dag.  12,    25. 
S.'t)  l   Fhil.   1.  2.     34)  3.     35)  7. 


196  V.  ANTONd.         (14.  §.  27.) 

sulltc,  Avar  nicht  «lic  Willkühr,  mit  welcher  er  die  julischeii 
Gesetze  und  Einrichtungen  verachtete  oder  veränderte,  sondern 
seine  Willkühr  an  sich;  nicht  der  Ungehorsam  gegen  jenen 
Seuatsbeschluss,  sondern  gegen  den  Senat  ülicrhaupt,  die  Macht, 
velche  er  sich  durch  List  und  an  der  Spitze  der  Veteranen 
zum  Nachtheile  der  Aristocratie  verschafft  hatte,  und  -wodurch 
CS  Cicero  unmöglich  wurde,  in  ihr  und  durch  sie  zu  herrschen, 
mit  Einem  Worte,  die  Fortdauer  des  Zustandes,  welcher  am 
15.  JMiirz  hatte  aufliören  sollen.  Antonius  hatte  sich  der  Fäl- 
schung schuldig  gemacht,  sich  des  Schatzes  bemächtigt,  ■^'•)  durch 
die  Aussicht  auf  Beute  die  Veteranen  aufgeregt,  ^'0  seinen  Col- 
lesen  Dolabclla  bestochen,  ^^)  seit  dem  I.  Juni  ohne  den  Senat 
geliandclt,  durch  Volksvers.immlungen,  welche  diesen  Namen 
nicht  verdienten ,  weil  Banden  sie  bildeten  oder  schreckten, 
Gesetze  gegeben,  ^^^  den  Gerichten  ihr  Anschn  genommen,'"'.' 
und  sich  das  cisalpinische  Gallien  angemasst.  '*') 

§  27. 

Im  Staate  wurde  durch  diese  Rede  und  durch  Ciceros  Ge- 
genwart überhaupt  nichts  verändert.  Er  hatte  sich  ausgespro- 
chen, mit  Todesangst^-)  seinem  Rufe  und  seinem  Hasse  ein 
Opfer  gebracht,  um  sich  bald  wieder  fast  zwei  Monate  zurück- 
zuziehen ,  weil  der  Bruch  zwischen  ihm  und  Antonius  nun  unheil- 
bar wurde.  Nicht  eher  trat  er  wieder  auf,  als  bis  jener  aus 
ganz  anderen  Gründen  als  aus  Furcht  vor  ihm  sich  von  Rom 
entfernte,  und  die  Rednerbühne  durch  das  Lager  des  Octavian 
gesichert  war.  Antonius,  welcher  nicht  ihn,*^)  sondern  den 
er  zum  Streite  gereizt  hatte,  setzte  auf  den  19,  September  eine 
Senatsversammlung  an,  und  Hess  ihn  wie  alle  anderen  Senato- 
ren dazu  einladen.  ^*)  Ohne  Beweis  behauptet  Cicero  ,  dass  er 
ihm  an  diesem  Tage  habe  nachstellen  wollen;*-')  er  Avar  mit 
solchen  Beschuldigungen  sehr  freigebig,  um  seinen  Groll  zu 
äussern,  oder  seine  Furchtsamkeit  zu  beschönigen;  zu  einer 
andern    Zeit   und   an   einem   andern  Orte  konnte  man    ihn  ver- 


36)  7.  37)  2.  38)  12.  39)  2.  4n)  8  f.  41)  3.  10.  S.  t^.  Ge- 
nauere in  §.  11  II.  20.  42)  1  Phil.  7.  l.T.  4.1)  Das.  2,  1.  5,  7. 
44)  nas.  r,,   7.      l."))  Dn»    2.    43.  (11).  .^,    13.  5,    7.  ad  Fam    12.  2.  25- 


V.  ANTONII.        (14.  g.  27.)  197 

daclitloser  iiisgeliciiii  aus  dem  Wege  räuiiieu.  Es  erinnert  fer- 
ner an  die  persönliche  Feindschaft,  wenn  er  sogar  im  Senat 
berichtete,  der  Consul  habe  sich  17  Tage  auf  dem  tihurtini- 
sclien  Landgute  des  Metcllus  JScipio  zum  Angriffe  gegen  ihn 
Torbereitet,  zugleich  um  durch  die  Redeübungen  den  Durst  zu 
wecken ;  er  nahm  nicht  Avie  ein  Scliulknabe  bei  dem  Rhetor 
Sex.  Clodius  Unterricht,  **»)  sondern  schwelgte  auf  jener  Villa,  *7) 
welche  er  sich  zugeeignet  und  mit  Kunstwerken  aus  den  Gärten 
Ciisars  verschönert  hatte.  ^^^  Mit  einigem  Scheine  gab  er  vor, 
dass  er  eine  Wache  zu  seiner  Sicherheit  bedürfe ,  *^>'  denn  leicht 
konnten  die  Befreier  durch  Gedungene  das  Versäumte  nachho- 
len ,  und  Cicero ,  der  Lobredner  des  Tyrannenmordes ,  war  in 
Rom.  „In  Schlachtordnung"  also  rückte  er  am  19.  September 
in  den  Tempel  der  Concordia  ein ,  ^")  dessen  Thiflren  verschlos- 
sen wurden.  ^0 

Sein  Gegner  wollte  sich  stellen,  aber  die  Freunde  Hessen 
OK  nicht  zu,  und  auch  ihm  schien  es  rathsam,  sich  der  Repu- 
blik zu  erhalten.^-)  So  lös'te  er  sein  Wort,  und  ein  solches 
Rcispiel  gab  er  den  Senatoren  ,  deren  Feigheit  er  gerügt  hatte. 
Wozu  Antonius  herausfordern,  wenn  er  ihm  nicht  unter  die 
Augen  treten  mochte,  und  welchen  Zeiten  konnte  er  sich  auf- 
sparen ,  da  die  Aristocratie  im  Todeskampfe  lag  ?  Der  widrige 
Zank  verlängerte  sich;  denn  Antonius,  „nicht  mit  einem  AVortc 
von  ihm  verletzt,  mit  Mässigung,  ohne  Schmähungen  und  ohne 
Einmischung  von  Persönlichkeiten  von  ihm  gewarnt ,  ^•^>'  erzürnt, 
weil  er  sich  dem  Mordstahie  nicht  preis  gab ,  und  noch  nicht 
nüchtern  nach  den  Orgien  auf  dem  Lande,"  ^*)  bewies  ihm, 
dass  er  mit  Bitterkeit  und  Spott  zu  vergelten  wusste ,  und  die 
wunden  Stellen  kannte.  Das  Wahre  musste  dem  Falschen  zur 
Folie  dienen,  und  obwohl  der  Angegrift'ene  sich  vertheidigte, 
so  geschah  es  doch  nicht  sogleich,  der  erste  Eindruck  blieb, 
und  vieles  haftete,  weil  es  traf. 

Er  wurde  beschuldigt,    dass  er  zuerst   das  gute  Vernehmen 

40)  2  Fhil.  17.  Dio  45,  30.  46.  8,  Oben  §.  14.  A.  30.  47)  2  Phil. 
17.  5,  7.  ad  Fam.  12,  2.  48)  2  Phil.  41.  (42).  ad  Att.  IC,  11.  40)  1  Phil. 
1!.  üben  §.  14.  A.  1.  50)  5  Phil.  7.  cfr.  2,  7.  8.  39.  (40).  42.  (43.) 
43.  (14.)  3,  13.  13,  8.  51)  Das.  2,  43.  (44.)  52)  Das.  3,  13.  5,  7 
?»3)  Das.  2,   1.  3.     54)  Das.  5,  7,  ad  Faiu.  12,  2.  25. 


198  V.  ANTOMl.         (M.  §.  27.) 

iwischcn  ihnen  gest«»rt ,  und  steh  dabei  uucli  uiidunktjar  LeAvie- 
«eii  \i'dhe^-'-'J  denn  Adtoiiius  sei  (a.  53)  bei  der  iieweibuiig  um 
das  Augurat  zurückgetreten,  um  ihm  nicht  liindcrlich  zu  ucr- 
deu  —  der  Vcrdienstlu.se  dem  Ketter  der  Republik  ^''J  —  und 
habe  ihn  (a.  48)  in  Brundusiuin  nicht  getüdtet,  wo/u  er  gegen 
den  PoMipejaner  und  Leberlaufcr  bercclitigt  gewesen.  '•''')  Ein 
Brief  voll  Versicherungen  der  innigsten  Ergebenheit,  m eichen 
Cicero  im  April  d.  J.  in  Angelegenheiten  des  Sex.  tlodius  an 
den  Consul  geschrieben  hatte  und  dieser  jetzt  vorlesen  lies«, 
diente  zum  Beweise  seiner  Zweizüngigkeit.  ^^J'  Dann  wurde 
sein  öffentliches  Leben  beleuchtet  und  sein  Verfahren  während 
seines  Cousulats  als  eine  Reihe  von  A'erbrechen  dargestellt :  im 
Tempel  der  Concovdia,  in  demselben  Tempel,  in  dessen  Nähe 
er  jetzt  kciift  liewaftnete  dulden  wollte,  habe  er  den  Senat 
durch  bewaffnete  Sclaveu  gezwungen ,  in  .seine  blutigen  Ent- 
würfe zu  Avilligen ,  ^'■'j  noch  im  Tode  habe  er  verfolgt  und 
P.  Lentulus,  dem  Stiefvater  des  Antonius,  das  Begräbniss  ver- 
sagt,'•"j  um  dann  diese  Thatcn ,  durch  welche  er  sich  nach  sei- 
ner Meinung  zum  Ersten  unter  allen  Römerji  erhoben,  in 
schlechten  \  ersen  zu  besingen,  den  Sieg  der  Toga  über  die 
Watten.''')  Auch  später  liabe  er  Blutvcrgiesscu  veranlasst ,  denn 
F.  Clodius  sei  auf  seinen  Rath  ermordet,  und  Pompejus  durch 
ihn  mit  Cäsar  entzweit,  der  Krieg  zwischen  ihnen  sei  sein 
Werk.  *'-^  Keinem  habe  er  treu  gedient,  nicht  l'ompejus,  in 
dessen  Lagern  er  den  Possenreisser  gespielt  und  den  er  durch 
Achselträgcrei  sich  verfeindet,  ''•^J  und  nicht  Cäsar,  dessen  Tod 
eine  Eolge  seiner  EinlUisterungen  sei.  ^^)  Wie  allgemein  er  sich 
durch  ein  solches  Benehmen  vcrhasst  gemacht  habe,  könne  mau 
unter  anderem  daraus  ersehen ,  dass  uicmaud  ihn  zuiu  Erben 
einsetze.  ^•') 

In  dieser  Rede  wurde  Cicero  als  Mensuh  und  als  Staats- 
mann So  tief  hcrai>'rewürdi"'t,  dass  er  sich  eine  öttentiichu 
Rechtfertigung  schuldig  war.  Er  wagte  sie  nicht;  was  ihn  da- 
von abschreckte,     mochte  es  eigene  Zaghaftigkeit,     die  Feigheit 

55)  2  Phil.  1.  .S.  56)  Dan.  2.  Brut.  1.  57)  2  TWl.  3.  24.  5S)  Da». 
i.  ad  Alt.  M,  n.  50)  2  Phil.  7.  cfr,  5.  ad  AU.  1.  17.  CO)  2  Pbil. 
7.  (.fe),  Ol)  Da».  S.  Ju\en.  10,  121.  liidcinlii  pncmala.  G2)  2  Phil. 
«.    iO.     ÜZ)   Uai.   IJ.  lü.     fcl)  Üak.  11.  12.   hJ  Ka.i:.  12.   2.      Ö5)  2  Phil.  16. 


V.  ANTUMI.         (  Jl    §.  '17.)        i(j9 

des  Setiuts ,  die  IJcbermaclit  des  Gegners,  oder  dicss  Alles  zu- 
gleich sein,  war  ihm  vorher  Lckuniil.  Wnriim  also  die  Dinge 
bis  KU  einem  l'nncte  treilien ,  wo  der  Aiifantc  des  RiickziiirS 
sein  luusste^  Als  Antonius  auftrat,  vcrlicss  er  die  Bühne,  auf 
welcher  er  sich  mit  der  ersten  Philippika  wieder  cinget'iilirt 
hatte.  An  Schmähungen  konnte  er  den  Consul  iiherijietcn ; 
er  sclirieh  sie  ahcr  nur,  die  zweite  I'hilippika,  um  niclit  die 
Antwort  durch  die  \  eterunen  zu  eriialtcii ,  '''V  und  ehe  jener 
nadi  dem  cisalpiuischen  (iallicii  zog,  und  die  Furcht  ciniger- 
masseu  schwand,  dass  er  Sieger  bleiben  \\erde,  theilto  er  sie 
nur  einigen  Freunden  mit.  ^'*)  Mit  Ungeduld  erwartete  er  den 
Zeitpunct  ihrer  Bekanntmachung  und  fand  bis  dahin  Avenig 
l'Veude  an  liir.  '^^)  Doch  hatte  er  um  so  mehr  Müsse,  sie  zu 
feilen  und  in  eine  „göttliche"  *'^)  zu  verwanileln,  zumal  da  er 
wieder  auf  seine  Güter  gieng. '^)  Atticus,  auf  dessen  Rath  er 
Einiges  veränderte,  sah  sie  zuerst,  und  wurde  beauftragt,  sie 
audi  Sextus  l'educeus  vorzulesen,  jedoch  nur,  wenn  Calenus 
und  Matius,  die  Freuudc  des  "Cousuls ,  uicht  gegenwärtig 
wären.  ^') 

Dadurch,  dass  Cicero  so  schrieb,  als  Averde  nur  von  ihm 
auf";ezeichnet,  Avas  er  Antonius  unmittelbar  in  derselben  Sitzunir 
des  19.  September,  am  fünften,  Cäsar  gcAvidmeten,  Tage  der 
römischen  Spiele,  ^-^  im  Tempel  der  Concordia^-*'  erwiederfe 
habe,  erhielt  die  Rede  die- frische  Farbe  des  Lebens,  und  zu- 
gleich erschien  sie  nun  als  der  augenblickliche  Ei"guss  des  gereizten 
Zorns,  nicht  als  das  Erzeugniss  einer  im  Fiustern  schleichenden 
Rache,  oder  als  das  Gekläft'  eines  Feigen,  aa elcher  sein  Versteck 
verlässt,  als  er  den  Feind  auf  der  Flucht  sieht.  Talent  und  Üebung 
machten  es  ihm  leicht,  sein  eigener  Amvalt  zu  sein;^^J  überdiess 
hatte  sein  Gegner  einige  Beschuldigungen  ortenbar  ersonnen  und  sich 
dadurch  Blossen  gegeben,  Avelche  er  benutzte,  um  die  seinigen  z« 
verbergen  und  sich  auch  da  als  Sieger  zu  gebchrdeu,  w  o  er  es  nicht  Avar. 

Wenn  sich  die  Ansicht  geltend  machte  ,  dass  sein  Streit 
ein  persönlicher  sei,  nur  im  l'rivathasse  und  ia  unbefriedigtem 
— -  *..• 

OG)  ad  Fani.  1.  c.  C7)  ad  Alt.  15,  13.  16,  3.  6S)  Dag.  15,  13. 
16,  II.  69)  Jnven.  10.  125.  70)  Unteii  A.  80.  71)  ad  Att.  15,  J3. 
lii,  11.   li.     72)  2  rUil.  42.  (43.)     73)  Dab-  7.  8.  43.(14.)     71)  üas.  l. 


200  V.  ÄNTONIL         (14.  §.  27.) 

Ehrgeize     seine     Quelle     liabe ,     so    war    es    um     ihn    geschehen, 
denn    dann    konnte  er  den  Consul  nicht  als    Feind  der  Republik 
behandeln,     und    Senat    und    Volk  nicht    zum  gemeinschaftlichen 
Kampfe  gegen  ihn   auffordern.     Daher  die  meisterhafte  Wendung, 
wodurch  er  die  Hauptwaffe  des  Antonius  gegen  ihn  selbst  kehrte: 
seit    zwanzig    Jabren    habe    sich  niemand  gegen  den  Staat  erho- 
ben,    ohne  auch   ihm  den  Krieg    anzukündigen;     früher  habe  er 
diess  dadurch  veranlasst,     dass    er    als    Vertlieidiger    des    Staats 
aufgetreten    sei,    jetzt  greife  ihn  Antonius  an,    ohne  gereizt  zu 
sein,  weil  er  wisse,  dass  er  sich  dadurch  den  Schlechtgesinnten 
empfehle,     und    nichts  gegen  das   Vaterland    nnternehmen  könne, 
ohne  auf  ihn  zu  treffen.  ''^)      Allein  der  Zorn  erlaubte   ihm  nicht, 
im    Hintergrunde    zu    bleiben    und  bloss  der  Republik  die  AVorte 
zu  leihen.     Er  bat  um  Nachsicht,     wenn  er  den  nicht  als  Con- 
sul   behandle ,     w  elcher    ihn    nicht    als    Consular    behandelt  habe, 
wenn    er    sich    nun  auch  mit  seiner  Person  beschäftige  und  ihm 
beweise ,     wie    schonend    er    in    der  ersten  Rede  gegen  ihn  ver- 
fahren   sei.  ^'')     Dann    entwarf   er    ein    Bild    von    seinem   Leben, 
worin   jeder    Zug    eine  Nichtswürdigkeit  bezeichnete.      So  findet 
man ,  dass  Leidenschaft  und  Berechnung  sich  gleichsam  in  seine 
Rede  theilten.      Statt  mit  Ruhe    und  Würde    darzuthun,     was  er 
jetzt  schon  darthuu  Avollte,     dass  Antonius  nicht    als    Consul  zu 
betrachten     sei,     benutzte    er    dessen    wirkliche    oder    angebliche 
Verbrechen  als    Stoff  zu  Schmähungen,     machte    dadurch  seinen 
Eifer    für  die   Republik  verdächtig    und  beraubte  sich  des  Rech- 
tes, mit  dem  Tvrannen-Tode  zu  drohen,  ^^)     es    auszusprechen: 
wäre    ich    unter    Cäsars  Mördern  gewesen ,     ich    hätte  auch  dich 
gemordet. ■'Sj     Er    wollte    ihn  ferner  mit  Dolabella    entzweien, ''ä) 
und  konnte  sich  doch  nicht  enthalten,  diesem  ein  Lob  zu  spen- 
den, worin  der  bitterste  Tadel  lag:     dreimal  hat  Cäsar  mit  sei- 
nen   Mitbürgern    geschlagen,    und    treuer    als    du    hat   Dolabella 
jedesmal    Theil    genommen  ,s>J)     „eine    schöne    Ironie."  *0      Wie 
die  Berechnung,     so  wurde  auch    jedes  Gefühl  vom  Hasse  über- 
wältigt, denn  um  Antonius  zu  kränken,    wollte    er  selbst  Sica, 
den  Freund, s->*     mit  seiner    Familie    dem  Gelächter  preis  geben, 


« 


75)  c.  1.     76)  3.  5.     77)  1.  -14.  (15).   15.  (IG).     78)  14.     79)  32.  3i. 
SO)  3u.     Sl)  ad  Att.  1«,  11.     82)  Das.  16,  G. 


V.  ANTüNII.       (14.  §.  28.)  201 

welches  Atticus  mit  Mühe  verhinderte,  ^3)  Diess  gereicht  eben 
Cicero  zum  grössten  Vorwurfe,  dass  seine  Rede  nicht  gehalten, 
sondern  nur  geschriehen  und  während  der  Abfassung  vielfach 
besprochen  wurde ;  das  Unbedachtsame  und  Verkehrte  kann  nicht 
mehr  für  Ucbereilung ,  das  Unsittliche  nicht  für  eine  vielleicht 
bald  bereute  Aufwallung  gelten. 

Vom  2.  September  bis  zum  20.  December  Hess  er  sich 
nicht  wieder  in  der  Curie  betreffen,  wo  man  mehr  von  Krie- 
gern als  von  Senatoren  gehört  wurde,  und  daher  weder  mit 
Sicherheit  noch  mit  Würde  erscheinen  konnte.  8*J  Nur  Ein 
Consular,  P.  Servilius ,  versuchte  nach  ihm,  die  Republik  zu 
vertheidigen;  L.  Cotta  kam  selten;  L.  Cäsar  war  krank,  Ser, 
Sulpicius  abwesend ,  und  auf  die  Uebvigen  nicht  zu  rechnen.  ^5) 
Die  Art,  wie  Cicero  darüber  schreibt  und  in  demselben  Briefe 
über  die  Ereignisse  des  19.  September,  setzt  es  ausser  Zweifel, 
dass  er  sich  damals  noch  in  Rom  befand.  ^^)  Er  war  selbst 
dann  noch  in  der  Stadt,  als  Antonius  am  2.  October  zum  Volke 
sprach  ^^.^  und  am  9.  sich  zu  den  Legionen  nach  Brundusium 
begab.  88)  £§  scheint,  dass  eben  diese  Reise,  die  Furcht,  der 
Consul  werde  mit  dem  Heere  zurückkommen  und  seine  Feinde 
verfolgen,  die  seinige  veranlasste,  welche  er  jedoch  mehrere 
Tage  später  unternahm,  wenn  sein  Brief  an  Atticus  vom  25. 
October  unter  denen,  welche  er  jetzt  auf  dem  Lande  an  ihn 
schrieb,  wirklich  der  erste  und  kein  älterer  für  uns  verloren 
ist.  89)     Am  9.  December  war  er  wieder  in  Rom.  ^"^ 

§  28. 

„Der  Staat  war  unter  der  Herrschaft  des  Antonius  erstarrt, 
Unwille  und  Schmerz  allgemein,  Kraft  zum  Widerstände  nir- 
gends, als  L.Cäsar  —  ein  Privatmann,  von  höherem  Muthe  beseelt 
als  der  Senat ,  sich  zur  Vertheidigung  der  Republik  erhob."  »O 
Bei  seiner  Schlauheit  gelang  es  Octavian,  ^2)  sich  zwischen  zwei 
Klippen  hindurchzuwinden :     Antonius  Uebermacht   forderte    eine 


83)  Das.  16,  11.  84)  ad  Fam.  10,  2.  12,  2.  85)  Das.  12,  2. 
86)  Nach  Mongault  A.  4.  zu  ad  Att.  16,  11.  verliess  er  die  Stadt  so- 
gleich nach  dem  zweiten  Sept.  S~)  ad  Fam.  12,  3.  Unten  §.  28.  A.  1. 
88)  Das.  12,  23.  «9)  ad  Att.  15,  13.  90)  Unten  §.  33.  A.  83.  91)  Vellej. 
2.   61.     92)   Ohcn   §.   15. 


202  V.   AMOMI.  (14.  §.  2S.} 

Verbliuluiig  mit  der  Partei  der  Mörder,  das  Kachegcselirei  der 
\'cterancu  eine  \  erbiiiduiii,''  mit  Aiitunius  ;  aus  Eigeimutz,  um 
sich  zu  sichern,  was  der  erschlagene  l'eldlierr  ihnen  verliehen 
oder  verlieissen  Jiafte,  drangen  sie  auf  Rache  und  auf  Einigkeit 
unter  Denen,  Avelclic  dazu  berufen  waren.  Auf  ihr  \  erlangen  ver- 
Kühnten  sich  die  beiden  Nehenhujiler ,  durch  die  Tribuneuwahl 
von  ncuciu  entzweit,  '•'■'^  auf  dem  Capitol.  '•**)  Beide  bedurften 
den  Krieg,  der  Kino,  Aveil  er  mit  dem  Consul  noch  nicht  auf 
gleicher  Höhe  stand,  und  dieser,  um  sich  zu  behaupten;  aus 
jenem  Grunde  gab  sich  aber  jeder  das  Aiisehu,  als  ob  er  sich 
uur  verthcidigc. 

Kurz  zuvor,  ehe  er  hu  Anfange  des  October  nach  Brundu- 
fiium  ""ienu;,    verhaftete  Antonius  in  seiner  AVolinun<r  Einiife  von 
Keiner  Lcibwaclic,   als  liaLc  Octavian  sie  gegen  ihn  gedungen.  ^^J 
Der  bessere   Thcil    der    Kömer  glaubte    nach    Cicero,     dass    ihm 
uachgcstellt  sei ,    und  billigte  es ,    die  Menge  hielt  es  für  erson- 
nen, für  einen  Vorwand,  um  Ciisars  Geld  an  dessen  Erben  iiicht 
zurückzuzahlen,     wogegen    Appian    richtig  bemerkt,      dass  jeder 
Vernünftige    einsah,     dieser    könne    den    Tod    des    Consuls    nicht 
w  ünschen,  well   er  seiner  gegen  Senat  und  Befreier  bedurfte,  ge- 
gen soinc  gefährlichsten  Eeinde;   denn  diesen  genügte  nichts  als 
V'erzichtleistung  auf  die  väterliche  Maclit,   während  Antonius  im 
Gedränge    sich    entschliessen    musste ,      sie    mit    ihm    zu  theileu. 
Auch  wurde  kein  Beweis  geführt,    die  Sache  ruhte,    wie  Cicero 
selbst    schreibt,     und    um    so    weniger  entsclieidet    das  Zeiigniss 
der  Späteren,  welche  die  Beschuldigung  für  gegründet  halten.  ^"^ 
Das   Verbrechen  des  JMyrtilus,     dessen  nach  dieser  Zeit  und  nur 
mit  wenigen   Worten  gedacht  wird,   ist  gar  nicht  hieherzuziehen; 
er  wurde  in  Koni  bestraft,    und  daher  walu'schcinlich  angeklagt, 
dass  er  von  D.  Brutus  zur  Ermordung  des  Antonius  erkauft  sei, 
nicht  umgckelul.  '^''^      Indess    war    es    für  Octavian    nicht  leicht, 
sich  zu  reclitfcrtigen;  was  am  meisten  für  ihn  sprach,  durfte  er 
niclit   neiuien;   um   so  mehr  trug  er  seinen  Zorn  zur  Schau,  um 
den  beabsichtiurten  Eindruck  zu  schwächen.     Er  stürzte  wütlieud 


o 


U3)  Das.  A.  53.  91)  App.  3.  546  —  551.  553.  Plut.  Anton.  U. 
95j  Cic.  ad  Fani.  12,  23.  App.  3.  551.  552.  VcUej.  2.  60.  üio  45.  8.  üt.)SueJ. 
«Jet.  lü.  Seuec  de  dem.  'J.  'J?)  Das  I.tUto  glaiihf  iMoiig.  in  d.  Anm.  «i 
ad  AU.   1.1,    li,   IG,   Jl. 


V.  AiNTOMl.         (i-1.  §.  l>8.)         203 

unter  die  Menge,  ilir  zu  betlicueni,  «lass  AntuuiutJ  vielmehr  iliia 
nachstelle,  da  er  ihm  ilae  Liebe,  seine  einzige  Stütze,  ciit/iclicu 
wolle;  dann  hcscinvur  er  auch  vor  dessen  Hause  seine  Un- 
schuld, nnd  verlangte  eine  Untersuchung  vor  Gericht  oder  auch 
durch  die  Freunde  des  Anklägers.  Da  dieser  ihm  nicht  öfl'neii 
liess,  so  entfernte  er  sich  mit  dem  Zurufe  an  das  A'olk:  wenn 
ihn  ein   Unfall  trefte,   so  Avisse  es,   durch  Aven.  '■^^J 

Mancher  sah  in  dem  Allen  mit  Unrecht  eine  verabredete 
Tausclumg,  Avodurch  mau  die  gemeinschaftlichen  Feinde  sicher 
maciien  Avollte.  '•''■'■)  Das  Gaukelspiel  Avar  auf  die  A  eteranen  be- 
rechnet. Selbst  dass  Antonius  nun  mit  gutem  Sciiein  seine 
"Wache  behalten  und  vei-stärken  konnte,  Avar  nur  Folge,  nicht 
ZAVeck.  Jene  sollten  sich  iibcrzeijgcn,  dass  er  nicht  die  Ursacli 
sei,  Avcnu  die  Partei  Cüsars  mit  sich  selbst  zerfalle,  und  beson- 
ders, dass  er  ohnerachtet  seines  Streites  mit  dem  Sohne  doch 
nie  die  Mörder  des  Vaters  begünstigen  und  sich  mit  ihnen  ge- 
gen das  Interesse  der  Krieger  Aerbinden  Averde.  Daher  stellte 
er  Cäsars  Statue  mit  der  Inschrift:  dem  hochverdienten  Vater 
d,es  A  atcrlandes  auf  die  Rednerbühne ,  und  erklärte  damit  dio 
Helden  des  15.  Märzes  für  Vatermörder;''^"^  um  jeden,  noch 
übrigen  Zweifel  zu  lieben,  liess  er  sich  am  2.  October  Aon  den» 
Tribun  Tib.  Canutius,  .seinem  Feinde,  A'or  das  \  olk  führen, 
Avclchem  er  die  Befreier  als  Verräther  schilderte,  sie  und  den 
Tribun  als  >\  erkzeugc  Cieeros;  so  lange  er  lebe,  fügte  er  hin- 
zu, Averde  Ilom  sie  nie  Avieder  aufneluneu.  Dass  (Janutius,  wie 
es  scheint,  gegen  ihn  sprach,  schadete  ihm  weniger,  als  die 
Freigebigkeit  des  Octavian. 

Dieser  Avurde  A^on  der  Menge  vorgezogen,  und  hoffte  durch 
dasselbe  Mittel  aucli  das  Heer  zu  gewinnen.  Da  Antonius  da- 
von unterrichtet  Avar,  so  eilte  er  am  9.  October  V  mit  seiner  Ge- 
mahlin Fulvia  '•'')  nach  Brundusium  den  A^er  macedonischen  Lc_ 
gionen  entgegen,  av eiche  ihm  der  Senat  überwiesen  hatte,  ''-'  der 
Legion  des  Mars,  der  zAveiten,  A'ierten  und  fünf  und  dreissig- 
sten.  ^)     Er  AvoUte  sie    sobald  als  möglich  aus  dem  Bereiche  des 

98)  App.    3.    552.     09)  Ders.    1.    c.     lUü)  ad    Faiu.    12,    3.  J)  Da». 

I.    c.    u.    12,    23.    cfr.    3    Phil.    9.    Vellej.    2.     ül.     2)    ad    Fain.  12,     23. 

3)  3  Phil.  2.  5,  8.  13,  6.  Dio   IG,   13.     -J)  übeu  §.  20.  A.  28.  ä)  §.  30. 
A.  Gl. 


2U4  V.    AMONII.  (14.  §.  28.) 

Verführers  nach  der  Cräii/c  des  cisalpliiischcn  (üalliens  seliickeii.  ^) 
Der  Verläuiuduiig  Ciceros,  dass  seine  Absiclit  gewesen  sei,  sie 
zum  Blutbade  nach  Rom  zu  führen  und  üctavian  diess  verhütet 
habe,  V  widerspricht  schon  Appian  in  einer  Rede  des  Piso;  **) 
zum  Morden  war  er  A'orhcr  stark  genug ,  und  selbst  als  ein 
grosser  Thcil  seiner  'JVuppen  ihn  verlassen  hatte,  kam  er  unge- 
hindert nach  der  Hauptstadt  zurück.  Auf  der  Reise  verübte  er 
angeblich  grosse  Grausamkeiten,  das  Vorspiel  zu  den  Gräueln  in 
Rem ;  mau  ersielit  aber  aus  dem  Zusammenhange ,  dass  er  in 
Suessa  Aurunca  Unruhstifter  hinrichten  Hess,  welche  schon  vor- 
her A^erhaftet  waren,  weil  sie  unter  den  Colonisten  in  diesem 
Muuicipium  und  auch  wohl  in  der  Urcg'egend  für  üctavian  war- 
hen.  ^)  Dieser  suchte  insbesondere  in  ßrundusium  durch  seine 
Seudlinge  zu  wirken;  sie  verbreiteten  Schriften,  worin  der  Con- 
sul  angeklagt  wurde,  dass  er  den  Verschworenen  eine  Amnestie 
und  Provinzen  bewilligt  und  das  Beste  der  Krieger  vernachläs- 
sigt habe,  forderten  die  Legionen  auf,  Cäsar  zu  rächen,  gabea 
deu  Verwegensten  Geld  und  inachten  den  Lebrigeu  Verspre- 
chuusren.  '"^ 

Die  Lcsrionen  bestimmten  sich  für  den  Meistbietenden  und 
fanden  in  jenen  Beschuldigungen  einen  V^orwand  zum  Abfalle, 
Venn  Antonius  zu  wenig  bot.  Er  galt  für  reich,  weil  er  sich 
des  Schatzes  bemächtigt  hatte,  ^0  seine  Verschwendung  war  aber 
grösser  als  seine  Hülfsquellen,  und  den  Gehorsam  wollte  er  nicht 
erkaufen,  wo  er  ihn  zu  fordern  berechtigt  war.  Die  Klugheit 
vciliess  ihn;  vor  allem  im  Bürgerkriege  schweigt  das  Gesetz. 
Man  emptieng  ihn  kalt,  ohne  Zeichen  der  Auflehnung,  aber  auch 
ohne  Zuruf,  und  seine  Rede  war  nicht  geeignet,  diese  Stimmung 
zu  verbessern:  das  Heer  stehe  in  Italien,  statt  an  der  parthi- 
schen  Gränze,  und  er  vernehme  kein  Wort  des  Dankes ;  es  folge 
den  Eingebungen  eines  unbesonnenen  jungen  Mannes  und  ver- 
berge die  Aufwiegler;  er  werde  sie  zu  linden  wissen;  man  habe 
sich  zum  Aufbruche  nacli  seiner  Provinz  Gallien  anzuschicken, 
und  jeder  ein  Geschenk  von  liuudert  Denaren  zu  gewärtigen.  ^2j 

6)  ad   Alt.    lü,    8.     7)   3  Pliil.    2.    1,    2.    5,  S.   10.    ti,  2.  13,  ü.  ad 

Fain.  12,    23.  25.  App.  3.     553.     8)  3.  501.     0)   3   l'hil.    1.    1,  2.   13,   S. 

10)  App.  3.  51ü.   552.   551.  555.  Üio    l5.     12.      11;  Üio  15.    13.  12)    Apt». 
3.  5&1.   Hiu  1.  c. 


V.   ANTONII.         (14.  §.28.        205 

Dies  erregte  Gelächter,  denn  es  war  bekannt,  dass  Octavian  das 
Fünffache  gab ,  und  als  der  Consul  in  Zorn  gerieth,  wurde  er 
verlassen.  '•'^)  Er  rief  den  Meuterern  nach ,  so  will  icli  euch 
Gehorsam  lehren.  Nach  den  Gesetzen  konnte  er  den  Zehnten 
zum  Tode  verurtheilen;  aber  sein  erbittertster  Feind  bezeugt, 
dass  er  die  Strafe  auf  die  Rädelsführer  beschränkte,  ,,auf  die 
Ccnturionen  ,  welche  am  besten  gegen  die  Republik  gesinnt  wa- 
ren," ja  auf  Centurionen  der  Legion  des  Mars,  '*)  weil  er  hoft- 
te,  dass  diess  genügen  werde,  die  Ordnung  herzustellen.  ^^^  Nur 
durch  Ausmalen  mit  Farben  aus  ,,dem  catilinarischen  Topfe'* 
Hess  sich  die  gesetzmässige  Handlung  in  ein  schaudervolles  A'er- 
breclien  verwandeln:  dreihundert  Centurionen,  wackere  Krieger, 
treffliche  Bürger,  wurden  in  Antonius  AVohnung,  zu  seinen  Füs- 
sen, in  Gegenwart  Fulvias,  deren  Gesicht  ihr  Blut  befleckte, 
grausam  enuordet,  und  ohne  Octavian  würde  die  guten  Bürger 
in  Rom  ein  gleiches  Schicksal  getroffen  haben.  ^'^) 

Indess  bewiess  jede  Züchtigung,  auch  die  mildeste,  dass 
nur  von  der  Pflicht  der  Truppen  die  Rede  sei;  weder  Drohun-j 
gen  noch  Belohnungen  konnten  sie  bcAvegen,  jene  Verführer  zu 
ergreifen ,  welche  um  so  geschäftiger  waren.  ^^)  Die  Gährung 
Avurde  grösser,  und  auch  die  Gefahr  von  aussen,  denn  Octavian 
fieng  schon  an,  die  Veteranen  zusammenzuziehen.  Deshalb  suchte 
Antonius  die  Gemüther  zu  beruhigen;  er  erklärte  die  100  De- 
nare für  ein  vorläufiges  Geschenk,  fügte  aber  nichts  hinzu,  und 
erinnerte  nochmals  an  den  Kriegseid.  Zugleich  veränderte  er 
die  Anführer  und  verstärkte  durch  die  Zuverlässigsten  in  den 
Legionen ,  Avelchen  er  einzeln  längs  der  Küste  nach  Ariminuni 
vorauszugehen  befahl,  seine  prätorische  Cohorte,  in  der  Absicht, 
dem  Heere  über  Rom  zu  folgen.  ^^)  Im  Anfange  des  November 
erfuhr  Cicero  durch  Octavian ,  dass  der  Consul  mit  der  Legion 
der  Alaudä  in  Schlachtordnung  gegen  Rom  vorrücke,  dass  er  in 
den  Municipien  Geld  erpresse  und  drei  Legionen  an  der  Küste 
des  adriatischen  Meers  hinaufschicke,  ^^)  Jene  erste  hatte  Cäsar 
ursprünglich  im  transalpinischen  Gallien  geworben  und  mit  dem 

13)  App.  1.  c.  Cic.  ad  Att.  16,  8,  14)  3  Phil.  12.  5,  8.  12,  6.  13, 
8.  App.  3.  555.  570.  15)  App.  3.  554.  555.  .501.  503.  Liv.  117.  Die  1.  c. 
Zon.  10.  14.  10)  3  Phil.  2.  4.  4,  2.  Dio  4.>.  35.  17)  App.  3.  555. 
18)   App.  1.  r.    .501.   504.      19)  ad  Aft.   IC,  8. 


206  V.    AXTOXir.         (11.  §.  10.) 

Riirgerrcclite  Itcsclicnkt;  2*>)  olmo  Zweifel  hcstand  sie  mich  jVtzt 
noch  frrösstPTitlicih  ans  Niclit- Hörnern ,  Avesliali)  Antonius  auf 
sie  rechnete;  zu  den  niaocdonischcn  gehörte  sie  nicht,  denn 
diese  werden  anders  hczeichnet,  -' '  auch  wurden  Mehrere  aus 
ihr  in  diesem  Jahre  in  die  dritte  Dccurie  der  Richter  aufgenom- 
men: --'  sie  mag  den  Consul  nach  Brundiisium  heglcitet  hahen, 
oder  auf  dem  RitekMcge  zti   ihm  gestosserr   sein. 

r.ine  starke  Bedeckung  Itcdurftc  er  um  so  mehr,  da  er  durch 
Campanien  gleng,  wo  zwar  Cicero  und  die  übrigen  Crossen 
tinschiullich  waren,  und  sich  nur  an  («erachten  von  ^leutcreien 
in  Keinem  Heere  ergötzten,  -•')  die  Wer1)epl;itzc  seines  Gegners 
iiher  Besorgniss  erregten.  Seine  Nähe  war  besonders  Cicero 
verhasst,  welcher  einen  Angrift'  auf  seine  Cüter  oder  ein  zu- 
fälliges Zusammentreften  auf  der  liandstrasse ,  wie  zwischen 
Milo  und  Clüdius,  fürchtete,  und  ihm  aiif  alle  Weise  auswich.-*' 
Er  Avurdc  am  7.  November  in  Casilinum,  nicht  weit  von  Capua, 
erwartet,-''^  und  seine  Ankunft  in  Rom  auch  in  Briefen,  wel- 
che Cicero  am  11.  erhielt,  noch  nicht  erwähnt.-'")  Den  gröss- 
ten  'l'heil  der  Truppen,  welche  mit  ihm  zogen,  Hess  er  in 
Tibnr  zurück,  und  die  Reuterei  vor  den  Thoren  von  Rom; 
die  lebriiren  foistcn  ihm  in  die  Stadt,  wo  er  in  seiner  Woh- 
Hung  eine  förmliche  Lagerwaclic  einrichtete.  -^) 


§  29. 

Octavian  hatte  seine  Pläne  durclikrcuzt  und  er  rächte  sich 
vorerst  durch  Schmähunircn.  In  Edicten  warf  er  ihm  ein  un- 
züchtiges  Jicben  vor,  -^)  eine  schnöde  Hingebung  an  Cäsar  als 
Ursach  seiner  Afloption ,  -''^  von  mütterlicher  Seite  eine  dunkle 
Herkunft  aus  Aricia,-'")  einen  Acltervatcr,  welcher  aus  Afrika 
stamme    uml    sich    in  jenem    Municipium  bald  als   Salbenhändler, 


20)  Siief.  Cacs.  21.  das.  RniiniEr.  -  rrusiiis.  Jiilii  No.  40.  n,  5S. 
21)  rillen  §.  30.  A.  (il.  u.  r.r..  22)  §.  11.  A.  P."?.  23)  ad  Att.  10,  1?. 
II.  21)  Das.  10,  10.  2rO  Das.  I.  r.  2G)  Da«.  Ifi,  M.  27)  13  Phil. 
S.  0.  App.  3.  fif).").  r)50.  r>(il.  28)  3  rhu.  r>.  13,  f>.  20)  Siiet.  Ocf.  GS. 
Ol.en    §.   12.    A.  20.     30)  3  Phil.    0.    Suel.  ücl.  4.  S-  Octavü. 


V.   ANTOxMf.        (II.  §.  29.)       207 

Itald  n!s  Afüllcr  genülirt  lialto,*"^  von  vätprlldirr  Soltc  pincn 
Arltorvator  ans  der  Gej!;cnil  von  Tliurii,  der  Freitrelassoner  und 
f^cilcr,  und  einen  (Jrossvater,  der  Wechsler  gewesen  sei;  ""'V  ihn 
selbst  nainite  er  einen  Thuriner ,  •'^*  ein  Banilcnhanpt,  einen 
Rpartacus. '''')  Noch  selimerzi icher  verwundete  er  Cicero;  er  he- 
Kcliiildigtc  ihn,  dass  er  als  Coiisiii  der  Henker  seiner  Mitbürger 
gewesen  sei,  und  seinen  Neuen  (Juintus,  Avclclier  sich  ihm  sehr 
ergeben  gezeigt  und  ihn  dann  ei)en  so  lei<lenscliaftlicli  ange- 
feindet liatte,   er  habe  Vater  und  Oheim  ermorden  wollen.  '^■'> 

Als  er  in  einem  Ausschreiben  den  Senat  auf  den  24.  No- 
ven»bcr  l»crief,  um  eine  Ilerathung  über  die  Angelegenlieiten  des 
Staats,  d.  h.  Beschlüsse  gegen  Octavian  zu  veraniasseJi ,  drolitc 
er  die  Nicht -Erscheinenden  a'.s  seine  persönlichen  l'einde,  als 
Urheber  der  gegen  ihn  gerichteten  l  nternehmungen  zu  hehan- 
delii.  Auch  diess  bezog  Cicero  auf  sich ,  und  er  Avar  vor  An-» 
deren  dazu  berechtigt.  '"^^O  Indess  verlegte  Antonius  die  Sitzung 
auf  den  28.  nach  Cicero,  wegen  eines  CTastgelags ,  und  eben- 
falls nach  Cicero,  weil  er  zu  seinen  Truppen  nacli  Tibur 
gieng,  **^)  Avarum  ?  ist  unbekannt;  es  seheint  wegen  3Ieiitereien, 
da  er  eine  Rede  hielt,  deren  jener  mit  Abscheu  gedenkt. 

Nach  der  Rückkehr  von  dieser  Reise,  welche  nicht  mit 
einer  späteren  verwecliselt  werden  darf ,  •*^)  begab  er  sich  am 
2S.  November  auf  das  Capitol  in  den  Senat,  um  gegen  Octa- 
vian als  Hochverrätlier  wehren  seiner  unerlaubten  Riistunn:eii 
und  Avegen  der  Aufwiegelung  der  Truppen  gegen  den  Consul 
eine  Achts-  und  Kriegscrklürung  zu  bewirken.  ■^'')  Ein  Consular 
winde  A'on  ihm  veranlasst,  ein  («utachten  darüber  aufzusetzen, 
um  es  vorzulesen,  und  den  Tribunen  L.  Cassius ,  D.  Carfulenus 
und  Tib.  (anutius,  deren  Einspruch  er  fürchtete,  der  Zutritt 
nicht  gestattet;  er  selbst,  A'ersiclicrt  Cicero,  schlich  Avie  die 
Callier  den  Hügel  hinauf  in  eine  Versammlung  A'on  vSenatoren, 
Avelche  ihre  Würde  Aergassen ,  als  sie  sich  einfanden.*"^  Das» 
die    Legion    des   .Mars    sich  gegen  seinen  Befehl  in  Alba  gesetzt 


31)  Siiet.  I.  c.  32)  Ders.  2.  3.  33)  Ders.  7.  34)  3  Phil.  S. 
35)  3  I'-hil.  7.  30)  Das.  7.  (8.)  0.  37)  Das.  8.  u.  13,  0.  Ol.en 
§.  28.  A.  27.  38)  Unfen  §.  30.  A.  53.  30)  3  Thil.  8.  5 ,  9.  13,  0. 
App.    3.    556.     40)    3    Phil.    8.    9.    5,    0. 


208  V.  ANTONII.        (14.  §.  29.) 

hatte,  um  zu  Octavian  überzugehen,  Avar  ihm  schon  gemeldet;  *') 
jetzt  erfuhr  er  den  Abfall  der  vierten, ''2)  deshalb  verschob  er 
den  entscheidenden  Schritt  gegen  Octavian,  zumal  da  er  nun 
die  Zeit  nicht  mit  Berathxingen  verlieren  durfte.  Um  indess 
seine  Verlegenheit  zu  verbergen,  liess  er  in  Eile,  durch  Zu- 
Bammentreten,  M.  Lepidus  für  den  Vergleich,  welchen  er  zwi- 
schen Rom  und  Sex.  Pompejus  vermittelt  hatte,  eine  Supplica- 
tion  beschliessen ; '^^-^  Lepidus  stand  in  Gallien,  in  der  Nähe  des 
künftigen  Kriegsschauplatzes,  seine  Freundschaft  konnte  ihm 
daher  nicht  gleichgültig  sein. 

Was  er  von  jetzt  an  unternahm,  wird  von  Cicero  äusserst 
dunkel  und  verworren  dargestellt,  weil  dieser  nur  die  Absicht 
hatte,  ihn  von  der  verächtlichsten  Seite  zu  zeigen.  4*J  Er  be- 
gab sich  nicht  sofort  in  seine  Provinz,  sondern  nach  Alba,  um 
der  Meuterei  zu  steuern ,  und  als  er  mit  Pfeilschüssen  von  den 
Mauern  empfangen  wurde,  reis'te  er  nicht  unmittelbar  nach 
Tibur,  wie  Appian  sagt,  sondern  wieder  nach  Rom,  wo  der 
Senat  am  Tage  seiner  Rückkehr,  am  Abend,  zu  einer  Zeit 
also  in  welcher  er  sich  gesetzlich  nicht  versammeln  durfte, 
mehrere  Anträge  genehmigen  niusste.  *5)  Sie  betrafen  die  Ver- 
loosuno-  der  Provinzen.  Für  die  Consuln  war  schon  gesorgt, 
und  auch  für  M.  Brutus  und  C.  Cassius;^^)  ausser  diesen  gab 
es  noch  vierzehn  Prätoren; *^)  obgleich  aber  jedem  angeblich 
ano-eAviesen  wurdet  'was  er  wünschte,  so  nahmen  doch  L.  Len- 
tulus,  P.  Naso,  L.  Philippus  u.  A.  nicht  an,  und  erklärten 
damit  nach  Cicero  die  Vertheilung  für  ungültig;  dagegen  war 
C.  Antonius  erfreut,  Macedonien  zu  erhalten,  C.  Calvisius 
Afrika, 4*<J  M.  Iccius  Sicilien,  Q.  Cassius  Spanien. 4^)  Nur  diese 
nebst  L.  und  M.  Antonius  zeigten  sich  zufrieden,  s*^)  die  Letz- 
ten nicht  etwa,  Aveil  Ijucius,  welcher  V.  Tribun  und  schon  bei 
dem  Heere  in  Tibur  war,  eine  Provinz  bekam,  und  der  Senat 
seinen  Bruder  als  Statthalter  im  cisalpinischen    Gallien  bestätig- 


41)  Das.  13,  9.  cfr.  3,  3.  Unten.  42)  3  Phil.  9.  5,  9.  13,  9,  App. 
I.e.  Dio  45,  13.  Zon.  10,  14.  43)  3  Phil.  9.  App.  1.  c.  Aemilii  Lep. 
No.  21.  §  1.  A.  71.  Unten  §.  55.  A.  83.  44)  3  Phil.  10.  5,  9. 
45^  3  l'hil.  10.  13,  9.  App.  I.  c.  46)  Oben  §.  20.  47)  Dio  43,  49.  51. 
4h)  ctV.  ad  Faul.  12,  22.  25.  u.  unten  §.  40.  A.  79.  49)  3  Phil.  10. 
50)   Das. 


V,  ANTONII.         (14.  §.  30.)        2(H) 

te,  denn  beides  war  nicht  der  Fall,  sondern  M'eil  ihre  Wünsch« 
in  Betreu"  ilirer  Freunde  erfüllt  "wurden.  ^U  Auch  das  Volk  vet- 
sammolte  Antonius  auf  dem  Markte  am  Tempel  der  Dioscuren; 
aus  seinen  AVorten  ergiebt  sich,  dass  er  die  Rede  jetzt,  nicht 
vor  der  Reise  nach  Brundusium  hielt,  denn  er  kündigte  sich 
als  Beschützer  der  Stadt  an,  der  vor  dem  I.  Mai  mit  einem 
Heere  zurückkommen  und  die  Empörer  züchtigen  werde.  ^-) 

§  30. 

Nach  dem  Widerstände ,  welchen  er  in  Alba  gefunden  hatte, 
beschenkte  er  seine  Truppen,  den  Mann  mit  500  Denaren,  wi« 
Octavian.  ^^)  Dennoch  war  ihm  ihre  Treue  und  der  Sieg  un- 
gewiss ,  wenn  er  sie  nicht  so  bald  als  möglich  gegen  D.  Brutus 
führte.  Sie  hassten  den  Mörder  ihres  ehemaligen  Feldherrn 
und  vielleicht  gelang  es  aus  demselben  Grunde,  seine  Veteranen 
zu  gewinnen;  jedenfalls  musste  man  ihn  zu  entVatfnen  suchen, 
ehe  Octavian  seine  Rüstungen  vollendete,  und  die  Consuln  des 
folgenden  Jahrs  ein  Heer  aufstellten.  Demnach  zog  Antonius 
mit  seinen  Kriegern  zu  den  Legionen  in  Tibur;  Senatoren, 
Ritter  und  die  Angesehensten  vom  Volke  kamen  nach ,  ilin  zu 
besänftigen  und  einen  Vergleich  zu  stiften.  ^*>^  Wäre  diess  ge- 
lungen, so  würden  Ciceros- Hoffnungen  vereitelt  sein;  ihm  er- 
wies daher  L.  Antonius  einen  grossen  Dienst,  wenn  er  sich 
widersetzte ,  dennoch  machte  er  es  ihm  vor  dem  Volke  zum 
Verbrechen,  und  erzählte:  er  habe  seinen  Bruder,  den  Consul, 
mit  dem  Tode  bedroht,  als  er  ihm  zu  wanken  geschienen.  ^^) 
Jenes  Ehrengefolge  stimmte  in  den  Schwur  der  Truppen  ein, 
als  sie  Antonius  Treue  gelobten.  ^^)  Er  wurde  also  nicht  von 
Cicero  und  dessen  Partei  aus  Rom  vertrieben ;  ^'')  Octavian  hin- 
derte ihn  nicht,  und  konnte  ihn  nicht  hindern,  dorthin  zurück- 


51)  Ferratias  Epist.  6.  1.  §.  3.  ist  %'on  Garatom'us  zu  Cic.  I.  c.  wi- 
derlegt. Beiden  giebt  es  Anslosg,  dass  Lucius  vor  seinem  Bruder,  dem 
Consul,  genannt  wird;  es  erklärt  sich  vollkommen  ans  den  Gesinnungen 
des  Redners,  welcher  seit  dem  Ackergesetze  des  Lucius  (Oben  §.  14.) 
diesen  unter  den  drei  Brüdern  am  meisten  hasste,  und  ihn  gern  voran- 
Btellte,  wenn  nach  seiner  Meinung  Schändliches  von  ihnen  zu  berichten 
war.  52)  3  I'hil.  11.  5,  8.  53)  App.  3.  556.  54)  Das.  u.  564.  55)  6 
Phil.  4.     5Ü)  App.  11.  cc.  Dio  45.    13.      57)   Flut.  Cic.  45. 

Druntoun,    Geschiclite  Uoins  I.  14- 


210  V.  ANTÜMl.         (14.  §.  30.) 

zukeliren,  sondern  nur  durch  Bestechungen  und  Rünke  auf  seine 
Truppen  ■wirken  und  dadurch  den  Feldzug  in  OLeritalien  be- 
sclileunigen;  nach  dem  Norden  entfloh  er  nicht  schimpflich  wie 
ein  Verzweifelader,  ^^)  sondern  er  brach  mit  einer  so  bedeu- 
tenden -Maclit  auf,  dass  die  Ersten  Roms  sich  veranlasst  fanden, 
in  seinem  Lager  zu  erscheinen  und  ihm  gleichsam  das  Geleit 
zu  geben;  selbst  die  Nachricht,  er  habe  vor  seinem  Abgange 
nicht  die  üblichen  Opfer  gebracht  und  keine  Gelübde  gethan,  ^^) 
ist  darauf  zu  beziehen ,  dass  er  diese  Pflichten  nicht  zur  ge- 
Möhnlichen  Tageszelt  erfüllte.  ^^) 

Aber  das  Heer,  welches  er  nach  Ariniinuni  führte,  ^'^  war 
allerdings  ,,verstümmelt";ß-^  denn  vom  macedonischea  waren  ihm 
nur  zwei  Legionen  übrig ,  ^•^''  die  2.  und  die3ö.  •''>'  Dazu  kam 
die  Legion  der  Alaudü,  nach  ihrer  Nummer  ohne  Zweifel  die 
fünfte,  welche  Asinius  Pollio  mit  Beziehuns  auf  die  Gefechte 
bei  Mutina  erwähnt;  •'•'-'  ferner  eine  neu  ausgehobene;  sie  war 
noch  nicht  vollzählig,  und  Lucius  Antonius  sollte  mit  ihr  von 
Tibur  folgen.  ^^^  Diese  „Bande"  des  Consuls  ^'J  verstärkten 
die  Veteranen,  Melche  von  ihm  im  April  und  Mai  auf  der  Reise 
nach  Campaaien  in  den  Colonien  geworben  waren,  und  wohl 
grösstentheils  seine  prütorische  Cohcrte  bildeten.  ^^^  Lu  folgen- 
den Jahre  berechnete  er  seine  Macht  vor  der  Schlacht  bei  Mu- 
tina mit  Ausschluss  dieser  Cohorte  und  einer  sehr  zahlreichen 
Reuterei  auf  6  Legionen.  ^^J 

Nach  dem  Berichte  seines  Feindes  war  er  weniger  darauf 
bedacht,  Streiter  zu  sammeln,  als  die  nichtswürdigsten  Römer 
und  Nicht- Römer  in  seinem  Gefolge  zu  vereinigen,  'uncrsätt- 
liehe  Räuber,  unter  m eichen  Lucius,  sein  Bruder,  stets  die  erst« 
Stelle  einnimmt:  ''^)  seine  Gefährten  beim  Becher  und  beim 
Würfelspiel,  ^Menschen,  welche  die  Gewöhnung  an  ein  ruchlo- 
ses Leiten,    Schulden,    Verbrechen,    selbst  Brudermord,*')    und 

58)  3  Phil.  4.  10.  11.  5,  9.  11.  10,  10.  13,  0.  ad  Farn.  10,  28. 
59)  5  Phil.  9.  CO)  3  PhiJ.  1.  Gl)  App.  3.  »5C.  62)  3  Phil.  12.  63)  App. 
I.  c.  nennt  unrichlig  drei.  S.  §.  42.  A.  53.  04)  ad  Faiu.  10,  30. 
Ca)  Das.  10,  33.  cfr.  Grulor.  Inscr.  p.  403  u.  544.  Xo.  2.  Keines.  Inscr. 
p.  410.  class.  0.  No.  35.  Ohen  §.  2S.  Ä.  20.  üf.)  App.  1.  c.  3  Phil.  12. 
C7)  e  Phil.  2.  68)  ad  Fani.  10,  30.  Plut.  Ant.  16.  09)  8  Phil.  8.  f». 
ad  Fani.  1.  t.  lOj  11  Phil.  5.  7J)  Aunius  Philailelphus  IJ  Phil.  12. 
ifr.  11;  0. 


V.  ANTOxNII.        (14.  §.  30.)  211 

die  IFofl'iiiinfj,  unffcstraft  zu  bleiben,  auf  Kosten  der  Mitbürjrer 
zu  steij^ou  und  sich  zu  bereidiern ,  ihm  zuführten,  "'-i  Ihre 
Stiitzc,  ihre  Zierde  und  Burg  war  der  gewesene  Aedil  L.  Varius 
C'otyla  ;  '3)  doch  l)lieb  dieser  vci-'rst  in  Rom  und  erschien  spä- 
ter von   neuem  als  Kundschafter.  '''*) 

Obgleich  Antonius  nach  der  Schilderung  in  den  Philippiken 
fast  immer  berausclit  war,  so  handelte  er  doch  sehr  besonnen. 
Er  Hess  nicht  nur  Fulvia,  seine  von  Cicero  vielfach  gereizte, 
rachgierijre  und  ränkcvolle  Gemahlinn  mit  ihren  Kindern  und 
seiner  Mutter  in  Rom  zurück,  ''^^  sondern  auch  ÄlUnner,  welcho 
über  die  Beredtsamkeit  des  Gegners  oft  den  Sieg  davon  trugen, 
seinen  l'lan,  Antonius  zu  ächten,  bis  zur  Schiacht  bei  Mutina 
vereitehen,  und  sowohl  dadurch,  als  durch  die  Beschuldigung, 
er  strebe  nach  der  Dictatur  und  durch  ähnliche  Gerüchte,  ihm 
grossen  Verdruss  verursachten,  insbesondere  Q.  Fufius  Calenus, 
der  Gesohiifisträger  des  Consuls ,  bei  welchem  Fulvia  wohnte,  ""f') 
und  L.  Piso,  v/elclier  mit  dem  Abwesenden  einen  steten  Brief- 
wechsel unterhielt,  weil  er  nicht  Avolltc ,  dass  die  Aristocratie 
die  Gesetze  Ciisars,  seines  Schwiegersohns,  aufhob.  ^^)  Auch 
Salvitis,  der  W  Tribun  des  folgenden  Jahrs,  war  anfangs  für 
ihn,  ''^)  und  Andere  erregten  durcli  ihre  Lauheit  Ciceros  Missfallea 
oder  gar  den  Verdacht  des  Einverständnisses,  wie  selbst  Pansa.  ''V 
L.  Cäsar,  ein  wankendes  Rohr,  wurde  von  jenem  entschuldigt, 
wenn  er  als  Oheim  eine  Zeitlang  Rücksichten  nahm  ,  ^^^  aber 
Cicero  sah  sich  doch  immer  dadurch  behindert,  und  unerwartet 
auclj  von  Anderen,  z.  B.  von  P.  Servilius,  bei  Massregeln, 
welche  seinem  Feinde  mittelbar   schaden  sollten.  *') 

Mit  Lepidus  und  Plauens  im  jenseitigen  Gallien  blieb  An- 
toniu.s  ebenfalls  in  Verbindung,  obgleich  vorerst  ohne  sichtbaren 
Erfolg,  und  im  diesseitigen  war  man  keineswegs  so  feindlich 
gegen  ihn  gestimmt,  wie  Cicero  behauptet.  ^V  Dieser  lässt  ihn 
und    Lucius    auf    dem    Zuge   nach    und    in    der  Provinz  so  viele 


72)  11  Phil.  5.  6.  Unten  §.  72.  A.  17.  f.  73)  8  Phil.  8.  li,  12, 
§.  72.  A.  80,  71)  Das.  5,  2.  8,  10.  11.  TJnten  §.  53.  A.  91.  h.  75)  Dag. 
12,  1.  12.  App.  3.  500.  564.  irnten  §.  30.  A.  45.  70)  12  Phil.  1,  7, 
§.  .'58.  A.  40.  77)  12  Phil.  1.  App.  3.  559.  5C2.  7S>  App.  3,  559.  .»iCO. 
4.  598.  79)  8  PhiJ.  1.  12,  1.  80)  Das.  s,  1.  ad  Farn.  10,  2i.  81)  aä 
laiii.  10,   12.     82)  Oben  §.   17.  A.    10  f. 

14  * 


212  V.  ANTONH.  (14.  §.  30.) 

(jewaltthätigkeiten  begehen,  dass  .sich  daraus  ein  allgcmf-iiier 
Hass  gegen  sie  erklären  würde ; ^''J  er  giebt  aber  nicht  Einen 
Beweis,  dass  mehr  geschah,  als  was  auf  dem  Kriegsschauplatxe 
unvermeidlich  ist,  zumal  im  Vinter  und  bei  einer  langwierigen 
Belagerung.  Im  Bürgerkriege  bestraft  überdiess  jede  Partei  eine 
wenn  auch  erzwungene  Unterstützung  der  anderen  als  Hoch- 
verrath ,  jede  AVeigerung,  mit  ihr  zu  sein,  daher  das  Schicksal 
der  Parmenser  durcli  Lucius,  welches  die  Philippiken  mit  siclit- 
barer  Uebertreibung  schildern.^*) 

Der  Forderung  des  Antonius,  bis  zu  einem  bestimmten 
'J'age  ihm  Provinz  und  Heer  gegen  Macedonien  zu  übergeben, 
wie  das  Volk  geboten  hatte, ^-"'^  setzte  D.  Brutus  den  Beschluss 
des  Senats  entgegen ,  s**)  worin  Cüsars  Verordnungen  bestätigt 
waren ,  und  folglich  auch  seine  Ernennung  zum  Statthalter  in 
diesem  Theile  von  Gallien,  s^)  ,,ein  göttliches  Verdienst."^*' 
Mehr  als  ein  Brief  Ciceros  vom  Deccmber  machte  es  Brutus 
selbst  im  Namen  des  römischen  Volkes ,  welches  den  Tausch 
beschlossen  hatte,  zur  Pflicht  und  Ehrensache,  nicht  zu  wei- 
chen. ^'■*->  Ohne  das  mindeste  persönliclie  Interesse  für  einander 
beförderten  s'<;  gegenseitig  ihre  Pläne.  Denn  dem  Befreier  war 
es  erwünscht ,  dass  man  ihn  in  Rom  als  Vertlieidiger  der  Re- 
publik rühmte,  und  er  versprach  in  einem  Edict,  welches  dem 
Senat  am  20.  December  vorgelesen  und  auch  dem  Volke  bekannt 
gemacht  wurde,  ihr  seine  ProA'inz  zu  erhalten.  ^")  Cicero  be- 
durfte Hülfe  gegen  seinen  Feind,  und  folgerte  aus  jenem  Wi- 
derstreben gegen  ein  Gesetz  und  gegen  den  Consul,  „welchem 
in  allen  Provinzen  Gehorsam  gebührte,"'-")  dass  Antonius  nicht 
Consul  sei;  er  wandte  sich  an  den  Senat  mit  der  Zunnithung, 
dem  Urtheile  des  Brutus  mit  einem  förmlichen  Beschlüsse  ledig- 
lich beizutreten,'-''-)  wenigstens  dann,  wenn  jener  in  das  dies- 
seitige Gallien  eingerückt  sein  werde,  ^vorüber  am  20.  Decem- 
ber die  Nachrichten  noch  fehlten.  "•') 

Den  mutinensischoH  Krieg,     welcher  damit  begann,     nennt 


83)  5  Phil.  9.  7,  5.  13,  9.  81)  Das.  3,  12.  14,  .S.  4.  S.'i)  Oben 
§.  20.  A.  74.  8G)  §.  10.  A.  87.  87)  App.  3,  ."iSS.  Dio  4.'),  11.  38. 
Zon.  10.  11.  88)  ad  Fani.  II,  G.  13  Phil.  9.  89)  ad  Farn.  II.  5  —  7. 
9ü)  Das.  II.  C.  3  Phil.  4.  1,  3,  .'") ,  II.  cfr.  3,  5.  15.  Ol)  4  Phil.  4. 
92)   Das.   3,  5.  cfr.   ß ,   3.     93)   Das.   3,    13. 


V.    AiNTONH.        (14.  g.  30.)         213 

er  den  fünften  bürgcrliclien ,  und  rergleiclit  ihn  mit  den  frü- 
heren, welche  Sulla  gej^cn  Siilpicius,  Ciuna  gegen  Octavius, 
Sulla  gegen  Carho  und  den  Jüngern  Marius  geführt  hahen,  — 
über  den  letzten,  zwischen  Poiupejus  und  Ciisar,  mag  er  sich 
nicht  äussern  —  um  zu  beweisen,  dass  der  jetzige  sich  von 
allen  unterscheide,  denn  in  ihm  zeige  sich  nicht  ein  Zwiespalt 
unter  den  Bürgern,  sondern  ein  Einverständniss  Aller  gegen 
Einen,  dessen  Anhänger  mau  nicht  als  Bürger  betrachten 
könne.  ^*) 

Auch  Octavian  sammelte  ohne  Auftrag  ein  Heer,  seinen 
Vater  zu  räclicn,  wie  er  dessen  Veteranen  sagte,  Antonius  zu 
rügein,  wie  er  der  Aristocratie  versicherte,  die  Herrschaft  an 
sich  zu  reissen ,  wie  jeder  bcgrifi';  auch  er  sollte  für  seinen 
Hochverrath  belobt  werden,  Aveil  er  Cicero  nützte;  aber  die 
beiden  Nebenbuhler,  welche  einander  aufreiben  sollten,  kannten 
ihre  gemeinscliaftlichen  Feinde,  sie  reicliten  sich  im  Felde  die 
Hand,  um  zunächst  diese  zu  unterdrücken;  es  war  nicht  Zu- 
fall, dass  Octavian  unter  seinen  fünf  Bürgerkriegen,  dem  mu- 
tinensischen,  philippischen,  peru§inischcn,  siculisclien  und  acti- 
scheu,  '•''')  den  ersten  und  letzten  gegen  Antonius  führte;  in 
jenem  schwang  er  sich  zu  ihm  hinauf,  in  diesem  stürzte  er  ihn. 

D.  Brutus  stand  anfangs  Antonius  allein  gegenüber'  und 
hatte  nacli  Appian  *-*'^)  ausser  einer  grossen  Anzahl  von  Gladia- 
toren drei  Legionen,  unter  welchen  eine  neu  ausgehoben  war; 
wenn  aber  auch  sein  Heer  erst  nach  der  entscheidenden  Schlacht 
auf  zehn  anwuchs ,  ^'')  so  scheint  jene  Angabe  doch  zu  gering 
zu  sein.  Indess  wünsclite  Antonius  ihn  anzugreifen,  elie  Octa- 
vian und  die  Consuln  des  künftigen  Jahrs  herankamen;  ein 
Sieg  würde  auf  die  Stinnnung  aller  Heere  geAvirkt,  ihn  einev 
Belagerung  im  Winter  überlioben,  den  Krieg  vielleicht  mit 
Einem  Streiche  geendigt  haben.  Brutus  räumte  aber  auswei- 
chend eine  Stadt  nach  der  anderen,  und  diese  nahmen  den 
Feind  so  bereitAvillig  auf,  dass  er  voll  Furcht,  überall  ausge- 
schlossen zu  werden,  das  Gerücht  verbreitete,  er  sei  auf  dem 
Wege  nach  Rom ,    w  ohin  der  Senat  ihn  mit  dem  Heere  zurück- 


04)  Dag.    8.    2.  3.  (3).     95)  Suet.  Oct.  9.    Oros.  G.   iS.     90)  2,  506. 
8  ,  529.  .'Säg.  5fiö.     07)  Cic.  ad  Farn.  10,  21.     App.  3.  587. 


214  V.  ANTOMl.  ( M.  §.  31.) 

gerufen,  und  sich  dann,  im  December  o**^  plützllcli  in  .Mntina 
warf,  welches  sich  sicher  glaubte.  '^^^  Diese  blühende  C'olonie 
llom.s,  wegen  ihrer  Lage  und  Festigkeit  dessen  Schutzwehr  ge- 
nannt, war  überdiess  so  reiclilich  mit  \'orräthen  verseJien',  dass 
er  nun  ruliig  den  Entsatz  erwartete.  '""^  Durch  seinen  Rück- 
xug  Iiielt  sich  Antoniu.s  walirscheinlich  für  berechtigt,  den  Ti- 
tel eines  Imperator  anzunehmen ,  '>»  und  noch  vor  dem  Ende 
des  Jahrs  begann  die  Eclagerung,  -)  welche  bis  zur  Mitte  des 
nächsten  April  und  folglicli  etwa  viei*  Monate  dauciie. 

§  31. 

In  Rom  athmetc  man  freier  ,  da  die  Gefahr  nicht  mehr  so 
dringend  war,  und  man  verdankte  es  der  Kaufüclikcit  der 
Krieger  und  Octavian.  Cicero  ehrte  ihn  vor  Senat  und  Volk 
mit  den  übertriebensten  Lobsprüchen,  um  ihn  zu  spornen  und 
über  seine  Absichten  zu  tauschen.  ,,Der  junge  Mann  oder  viel- 
mehr Knabe,"-*)  welcher  diese  Absichten  gar  wohl  kannte  und 
die  Aristocratie  als  Werkzeug  benutzte,  errichtete  aus  eigenem 
Antriebe  und  mit  Aufopferung  seines  Vermögens  aus  den  un- 
überwindlichen Veteranen  ein  Heer,  als  man  in  llom  Antonius 
unheilvolle  Rückkehr  von  Brundusium  fürchtete.  **  Dieser  wollte 
die  Gutgesinnten  nicht  bloss  tödten ,  sondern  zu  Tode  mar- 
tern; ^)  dass  es  noch  eine  Republik  gab,  ^)  dass  ihre  Freunde 
noch  frei ,  noch  im  Besitze  ihrer  Güter  waren ,  dass  sie  noch 
lebten,  ^^  war  das  Werk  Octavians,  und  die  Rettung  um  so 
erfreulicher,  weil  sie  so  plötzlich,  so  unerwartet  kam,^)  eine 
Fügung  der  Götter.  '')  Für  göttliche  und  unsterbliche  Verdien- 
ste  gebührten    ihm    und  seinem  Heere    auch  unvcrgiingliclie  Eh- 


98)  ad  Farn.  11,  6,  CO)  App.  3.  558.  Liv.  117.  100)  5  Pliil.  0.  10. 
7,  5.  13,  9.  Ap[).  1.  c.  cfr.  Liv.  39,  .=)").  Piin.  .^.  20.  (15. 'i  Der  Entsatz 
erfolgte  viel  spnler,  als  er  erwartet  liatto,  wcshall)  er  deuiiücli  zulet/l 
Mangel  litt.  1)  üben  §.  20.  A.  30  c.  2)  5  Pliil.  0.  10.  ü,  1.  2.  3.  7, 
5.  8.  8,  2.  0.  13,  9.  I,iv.  118.  Vellcj.  2.  Gl.  Suet.  Ort.  10.  App.  I.  c. 
Dio  13,  30.  40,  35.  Flor.  4,  1.  Oios,  0.  18.  Zon.  10,  11.  3)  3  Thil.  2. 
4)  3  I'hil.  2.  12.  15.  5,  11.  ail  Farn.  10,  28.  .5)  14  l'hil  0.  ad  Faiii.  1.  c 
«•>)  3  rhil.  2.  3.  5,  Ifi.  17.  7^  3  I'hil.  11.  4,  1.  5,  IG  U,  II.  II,  Ö 
Dio  45,  3S.  t<)  3  Phil.  11.  1,  1.  U,  8.  9)  3  Phil.  Jj.  5,  8.  13,  20 
14,  9. 


V.  ANTüMl.         (II.  §.31.)      215 

rcn,  "'J  mit  Recht  wurde  er  zum  Himmel  erhohen,")  zumal 
<la  er  tlana  aus  Liebe  zum  Vaterlande  den  Ituuslichcu  Unfall- 
vcrgass  und  nach  Mutina  zog,  um  einen  der  Urhcher  jenes 
Unfalls,  D.  Brutus,  zu  befreien.  ^2)  So  Hess  sich  denn  von 
dem  herrlichen  Knaben '^-l  das  Uebrige  hoUcn ,  von  ihm,  wel- 
chen Antonius  sich  nicht  entblödete,  einen  Knaben  zu  nennen, 
obgleich  er  schon  empfunden  hatte ,  und  noch  mehr  empfinden 
sollte  ,   dass  er  ein  Mann  sei.  '*> 

Octavian  begab  sich  im  October  nach  Campanicn ,  zti  den 
Colonicn  seines  Vaters,'^)  als  Antonius  nach  Brundusiura ,  den 
Legionen  entgegen  gieng ;  denn  die  Ansprüche ,  welche  er  als 
Cäsars  Erbe  machte,  und  die  Gesinnungen  der  V'eteranen  und 
des  Volks  gegen  ihn  Hessen  erwarten,  dass  der  Consul  ihn 
jetzt  mit  Gewalt  unterdrücken  Averde.  Um  Gründe,  seine  Rü- 
stungen scheinbar  zu  rechtfertigen,  konnte  er  nicht  verlegen 
sein.  Die  Krieger  in  den  Colonien  ehrten  die  kindliche  Liebe, 
welche  ihn  bewog ,  sie  zu  den  Waffen  zu  rufen :  er  wollte  Cä- 
sar rächen  und  dessen  Gesetze  gegen  seine  Mörder  xind  gegen 
Antonius  vertheidigen;  ^^)  dadurch  wurde  es  verdienstlich  ^  ihm 
zu  folgen ,  und  die  Beschuldigung  entkräftet ,  dass  nur  sein 
Geld  sie  bestimme  und  der  Wunsch,  ihre  Besitzungen  zu  be- 
haupten und  neue  zu  erwerben.  Für  die  Feinde  seines  Neben- 
buhlers bedurfte  es  kaum  der  Versicherung,  dass  er  die  Republik 
herstellen  und  den  Uebermüthigen  zähmen  wolle ,  ^V  aber  sie 
konnten  nun  sein  eigenes  gesetzwidriges  Verfahren  billigen  und 
ihn  loben,  weil  er  die  Pflichten  gegen  das  Vaterland  höher 
achtete,  als  die  Pflichten  gegen  den  Vater,  *^)  sich  für  die 
Mörder  erhob ,  wobei  gern  übersehen  Avurde ,  dass  er  auch  an 
sich  und  zuerst  an  sich  dachte,  ^^)  denn  seine  wahren  Absichten 
liüffte  man  leicht  zu  vereiteln.  Man  war  also  gefällig  genug,  ihm 
zu  glauben,  weil  der  Zweck  die  Mittel  heiligen,  weil  es  nicht  als 
eine  strafbare  Anmassung,  sondern  als  ein  preiswürdiges  Unterneh- 


10)  4  Phil.  2.  13,  9.  19.  11)  4  Phil.  3.  12)  11  Phil.  2.  13)  &i 
Fam.  10,  28.  12,  25.  ad  Att.  16,  11.  plane  puer.  cfr.  ad  Att.  16,  15. 
14)  13  Phil.  11.  15)  App.  3.  552.  Liv.  117.  118.  Plut.  Ant.  16.  Cic.  44' 
Brut.  23.  Dio  45.  12.  IG)  Tacit.  A.  1,  10.  Suet.  Oct.  10.  Dio  1.  c' 
Zoll.  10.  14.  17)  Tac.  u.  Snet.  II.  ce.  5  Phil.  10.  Mon.  Ancyr.  tali.  1, 
in.  üio    15,     iS.     Plut.  Auf.  lü.      l^i)   13  Flui.  20.     10)  »d  Fam.  12,    25, 


216  V.  ANTOMl.  (14.  §.  31.) 

mca  erscljelnen  sollte,  dass  er  ohne  Auftrag  Truppen  warb.  20) 
Kr  fühlte  selhiit,  da.ss  er  ausser  dem  Gesetze  sei,  und  schmei- 
chelte Cicero,  um  durch  ihn  nachträglich  die  Ernennung  zum 
Fcldherrn  vom  Senat  zu  erhalten;-'^  auch  Cicero  fühlte  es  und 
sprach  es  sogar  aus,  dass  ohne  Vollmacht  vom  Staate  niemand 
ein  Heer  belcliligen  oder  Krieg  führen  könne ,  —)  er  wollte  aber 
dadurch  nur  beweisen,  dass  der  grosse  Zweck  der  Rüstungen 
ohne  die  Vollmacht  nicht  zu  crreiclien  sei,  und  hatte  die  Stirn, 
im  Senat  zu  behaupten,  Octavian  habe  mit  seiner  Genehmigung 
gerüstet.  -■^)  Ein  Privatmann  also ,  welcher  sich  auf  seinen 
Gütern  verbarg,  erlaubte  einem  anderen,  den  Consul  zu  be- 
kriegen. 

Octavian  zog  die  Veteranen  aus  Casilinum ,  Calatia-*)  und 
aus  anderen  Colonien  Campaniens  zusammen,  auch  solche,  wel- 
che Antonius  nach  dem  Ackergesetze  seines  Bruders  versorgt 
hatte. -^-'  Er  erkaufte  sie,  denn  diese  Evocaten , -ö^  welche  die 
Philippiken  wegen  ihres  Eifers  für  die  Republik  rühmen,  Avareu 
jedem  feil,  ^'')  und  Cicero  erklarte  in  A-ertraulichen  Mittheilun- 
gen ihre  Bereitwilligkeit  daraus,  dass  jeder  500  Denare  er- 
hielt,-^^  zugleich  eine  Lockung  für  die  Legionen  des  Consuls. 
Gegen  Ende  des  October  betrug  ihre  Zahl  etwa  3000 ,  2!>)  nicht 
10,000;'^'')  sie  waren  unvollständig  gerüstet  und  nicht  regel- 
mässig abgetheilt.  ^O  Wenn  sie  ihren  Feldherrn  in  den  Stand 
.setzten,  über  Habe  und  Gut  seiner  i\Iitbürger  zu  schalten,  so 
konnte  er  sein  Geld  nicht  vortheilhafter  anlegen,  welches  er 
angeblich  der  Republik  zum  Opfer  brachte.  ^-) 

^^ie  aber  seine  Macht  verwenden ?  Er  konnte  nach  seiner 
Versicherung  Antonius  in  Capua  erwarten  und  ihm  den  AVeg 
nach  der  Hauptstadt  versperren,  oder  dessen  Legionen  an  der 
Ostküste  von  Italien  aufsuchen  und  au  sich   ziehen,     oder   nach 


20)  Mon.  Ancyr.  1.  c.  3  Phil.  1.  2,  4,  1.  2.  5,  8.  IC.  14,  2.  ad 
Farn.  Jl,  7.  Vellej.2.  Gl.  Suet.  8.  10.  Dio  46,  22.20.  Flor.  4,  4.  Zon. 
1.  c.  cfr.  oben  A.  4.  f.  21)  ad  Att.  10,  8.  0.  11,  22)  5  l'hil.  10.  23)  5 
riiil.  8.  cfr.  ad  Fain.  12,  25.  21)  ad  AU.  10,  8.  Veliej.  2.  Ol.  App.  3, 
552.  555.  Dio  45.  12.  38,  /oiiar.  10,  14.  25)  Oben  §.  14.  20)  Dio  45, 
12.  55,  24.  27)  Tac.  A.  1,  10.  Suet.  10.  App.  3.  552.  Pliit.  Brut.  22.  23. 
28)  ad  Att.  IG,  8.  29)  Das.  u.  App.  3.  504.  3ü)  App.  3.  552.  cfr, 
t64.     31)   Ders.   552,  504.     32)  Mon,  Ancyr.  I.   c.  3  Pbil,  2,  4,  1. 


V.  ANTONII.         (14.  §.  31.)       217 

Rom  gehen.  Cicero  wurde  um  seine  Meinung  hefracrfc,  und  er 
enij)fahl  das  Letzte,  weil  vor  Allem  in  Rom  freie  Bahn  Averden 
sollte.  ^'0  Zufällig  stimmte  dicss  zu  den  Entwürfen  seines  jun- 
gen Freundes,  welcher  noch  einige  Tage  in  Capua  verweilte, 
seine  Schaar  zu  ordnen,«^*)  und  dann  Campanien  verliess,  des- 
sen 3Iunicipien  ihm  die  grösste  Ergebenheit  bezeugten  und  ihn 
in  seinem  Vorhaben  bestärkten,  namentlich  Cales  und  Teanum 
Sidicinuni.  *^^)  Die  Nachricht  von  seiner  Annäherung  machte 
die  Römer  bestürzt;  sie  glaubten  ihn  mit  Antonius  einverstan- 
den, dessen  P'eind,  der  Tribun  Tib.  Canutius,  ihm  entgegen 
gieng ,  und  mit  der  Nachricht  zurückkam ,  dass  er  nur  zum 
Schutze  Roms  erscheine.  ■^'')  Der  Tribun  führte  ihn  in  die 
Stadt,  nach  dem  Tempel  der  Dioscuren,  wo  er  zuerst  selbst 
voll  Erbitterung  gegen  Antonius  sprach ,  und  dann  Octavian, 
von  Veteranen  mit  verborgenen  Dolchen  umgeben,  an  Cäsars 
Verdienste  erinnerte  und  an  die  Beleidigungen ,  wodurch  der 
Consul  ihn  gezwungen  habe,  zu  seiner  Sicherheit  und  zur  Ver- 
theidigung  des  Vaterlandes  die  Waffen  zu  ergreifen.  '^'0  Diese 
Rede  las  Cicero  auf  dem  Lande;  höchst  entrüstet  schrieb  er 
darüber  an  Atticus,  er  möge  keinen  Befreier,  Avelcher  die  Rechte 
nach  der  Statue  Cäsars  ausgestreckt  und  geschworen  habe:  so 
wahr  er  zu  den  Ehren  seines  Vaters  zu  gelangen  hoffe.  ^^) 

Aus  einem  andern  Grunde  zürnten  die  Veteranen ;  gedun- 
gen ,  die  Feinde  Cäsars  und  seiner  Einrichtungen  zu  verfolgen, 
vernahmen  sie  jetzt,  dass  man  sie  gegen  Antonius,  den  Con- 
sul ,  ihren  ehemaligen  Feldherrn ,  und  gegen  ihre  alten  Waf- 
fengefährten führen  wollte.  "^^>'  Indess  warfen  sie  mit  den  öffent- 
lichen Verliäl  (issen  nicht  so  unbekannt,  dass  es  sie  über- 
raschte; sie  forderten  ihre  Entlassung,  um  mit  grösseren  Sum- 
men erkauft  zu  werden;  Einige  klagten  ohne  Hehl,  dass  sie 
getäuscht  seien ,  Andere  wollten  angeblich  ihre  AVaffen  holen. 
Octavian  war  überzeugt ,  dass  sie  um  so  eher  bereuen  würden, 
je  weniger  W'erth  er  auf  ihren  Beistand  legte;  er  dankte  ihnen 
daher  für  ihr  Geleit,     heschenkte    und  entliess  sie  mit  der  Ver- 

33)  ad  Att.  16,  8.  34)  Dag.  16,  9.  11.  35)  ad  Att.  16.  11. 
36)  App.  3.  553.  Ueber  Canutius  vgl.  Periz.  Anim.  bist.  p.  53.  f.  u. 
unten  §.  59.  A.  Öl.  37)  Das.  ii.  Dio  45,  12.  Zon.  10,  14.  38)  ad  Alt. 
Iß,  15.     ^9)   13   Phil.  16. 


218  V.    AiNTONII.  (14.  §.   32.) 

sichcrunnr,  dass  er  sich  in  Zukunft  noch  erkenntlicher  beweisen 
und  stets  zu  ihnen  als  seinen  väterlichen  Freunden  seine  Zu- 
flucht nehmen  werde.  Die  Uehrigen  führte  er  nach  Etrurien 
und  bcstiiinnte  für  Alic,  welche  er  hier  und  in  der  Umgegend 
ausiioh,  Arctium  zum  Sammelplatze.  Auch  die  Missvergnügten 
kamen  zurück;  sie  hatten  nur  die  gewohnte  Rüstung  nicht  ent- 
behren wollen,  mochten  aber  lieber  von  der  Beute  und  von 
(jcldspcndcu  als  von  der  Arbeit  ihrer  Hände  lebcu.^^J 

§  32. 

Das  Heer  Octavians  erhielt  bald  einen  neuen  Zuwachs, 
eine  Folge  seiner  Ränke  und  seiner  Freigebigkeit.  Schon  in 
Apüllonia  war  er  mit  den  Truppen  jenseits  des  Meers  und  be- 
sonders mit  ihren  Anführern  in  eiu  näheres  Verhältniss  getre- 
ten. *'J  Nach  ihrer  Ankunft  in  ßrundusium  liess  er  ihnen  An- 
träge machen;  Geld,  Versprechungen  und  die  Nachricht,  dass 
er  ein  Handgeld  von  500  Denaren  zahle  ,  Antonius  Karglieit 
und  Strenge  verschafften  ihnen  Gehör.  Kaum  hatte  dieser  sich 
entfernt,  als  die  Legion  des  Mars  nicht  nach  Ariminum,  son- 
dern nach  Alba  gieng,  um  sich  an  Octavian  anzuschliessen.  *--' 
Nach  Dio  empörte  sie  sich  in  der  Nähe  der  Stadt;  er  dachte 
also  an  Rom,  und  irrte  nicht,  da  Alba  ihm  nahe  lag;  man  hat 
aber  seine  Worte  auf  Alba  Pompeja  in  Liguricn  bezogen,  ^"*> 
obgleich  auch  Cicero  den  Ort  einen  (Rom)  nahe  und  günstig 
gelegenen  nennt,  und  nie  irgend  auf  jenen  Theil  von  Italien 
deutet.  Die  Legion  wollte  sich  nicht  von  Octavian  entfernen, 
sondern  sich  ihm  nähern,  und  hatte  im  Norden  der  Halbinsel 
jetzt  kein  Geschäft;  sie  konnte  ihn  auch  in  s  ,  kurzer  Zeit 
nicht  erreichen,  und  noch  weniger  Antonius  an  demselben  Tage 
vor  dem  ligurischen  Alba  und  wieder  in  Rom  sein.  *^^  Ganz 
unpassend  wäre  dann  ferner  der  Ausdruck ,  dessen  Cicero  sich 
wiederholt  bedient:  die  Legion  habe  Halt  gemaclit,  sei  nicht 
weiter  gezogen.  Antonius  war  davon  unterrichtet,  als  er  am 
28.  November  im  Senat  erschien;  jetzt  meldete  man  ihm,  dass 
die    vierte    unter    der   Anführung     des    (^uästor    L.    Egnatuleius 

40)  App.  3.  553.  554.  504.  Dio  15.  12.  11)  App.  3.  531.  5.^2. 
(»hcM  §.  15.  A.  !17.  12)  3  1'hil.  3.  15.  I,  2.  13,  '.».  II.  12.  App.  8.  »iS. 
13)   Kaliiic.   rii   Did    45,    13.      i  I)   Obwii  i.   2J.   A.    lä. 


V.   ANTOMI.        (11.  §.  32.)       219 

ihrem  Beispiele  gefolgt  sei,  '*•')  und  sein  Versuch,  sie  zum  Ge- 
horsum  zuriickzubriiigcii ,  misslaiig.  ^''-'  Sic  vereinigten  sicli  in 
Etrurien  mit  Octuvian,  und  erhielten  dieselbe  Sununc,  Mciche 
er  den  übrigen  gegeben  hatte.  ^'0  Auch  die  Eiephanten  gcrie- 
then  mit  iieuteru  und  Bügcnscliiitzen  in  dessen  Gewalt.  ^8) 
Ohne  Zweifel  hatte  Cäsar  jene  in  Afrika  bekommen  und  dann 
«um  Parther -Kriege  über  das  ionische  Meer  geschickt ;  demnacli 
gehörten  sie  zu  dem  Heere  des  Antonius,  zu  der  Abtheilung, 
mit  Avclchcr  sein  Bruder  Lucius  von  Tiljur  folgen  sollte;  ''■'-' 
noch  vor  der  Schlacht  bei  Mutina  führten  die  Reuter  sie  ihm 
wieder  zu.  -'^i 

Wenn  also  ausser  der  Habsuclit  und  dem  Unwillen  gegen 
Antonius  noch  ira-end  etwas  die  J^eo-ioncn  bcstiuimte,  so  war 
es  nicht  Achtung  A'or  dem  Senat,  und  nicht  das  Verlangen,  das 
Volk  zu  befreien,  nicht  einmal  Anhänglichkeit  an  Cäsars  Sohn.  ^') 
Der  Senat  hatte  sie  initer  Antonius  Befehle  gestellt;  ihren  Ab- 
fall konnte  Cicero  nicht  luugnen ,  aber  er  rechtfertigte  ilin, 
und  zwar  im  Wesentlichen  eben  so,  wie  das  Verfahren  des 
üctavian.  Der  Soldat  darf  den  Consul,  seinen  Feldherru  nicht 
verlassen ;  er  ist  in  diesem  Falle  als  ein  Feind  der  Republik 
zu  betrachten,  ja  mit  Stockpriigeln  zu  bestrafen;  ^-)  Avenn  aber 
der  Feldherr  die  Truppen,  welciie  alle  dem  Staate  verpflichtet 
sind,  gegen  den  Staat  gebraucht,  so  verwirkt  er  den  Oberbe- 
fehl; ^^)  dicss  haben  die  Legionen  erkannt  und  ausgesprochen."'^) 
Es  ist  eine  göttliche  Fiifrunc«:,  dass  die  Legion  des  Mars  nach 
dem  Gotte  benannt  wird,  von  weichem  das  römische  Volk 
stanuut,  denn  sie  hat  sich  zuerst  von  Antonius  losgesagt,  und 
Rieh  dadurch  ihres  Namens  würdig  gezeigt.  ^V  Die  vierte  hat 
ihr  nachgeeifert;  ^''J    durch  sie,   die  himmlischen,  göttlichen,  ist 


•15)  3  Phil.  3.  15.  4,  2.  5,  8.  19.  14,  2,  App.  I.  c.  Der  Ahfall 
beider  wird  erwähnt:  3  i'hil.  12.  5,  2.  11.  1".  lU,  10.  11,  8.  12,  3. 
13,  1(5.  ad  Fani.  11,  7.  10,  28.  Liv.  117.  Veüej.  2.  Gl.  Dio  45,  13. 
Zon.  10,  14.  4G)  Oben  §.  29.  A.  45-  47)  Dio  1.  c.  48)  5  Phil.  17. 
Dio  I.  c.  u.  42.  49)  Ol.en  §.  30.  A.  06.  50)  Dio  4C,  37.  S.  Gish.  Cu- 
per, de  clephanl.  exerc.  2.  cap.  C.  in  üalleiigre  Nov.  thes.  aiil.  lom.  T. 
3.  p.  172  f.  51)  3  Phil.  4.  Vellej.  2.  Gl.  52)  3  Phil.  G.  4,  2.  5 ,  2. 
HS)  lu  Phil.  .j.  54)  10  Phil.  10.  12,  3.  ad  Faiu.  11,  7.  55)  4  PhJl.  2^ 
U,   12,     5Ci)  Das.   12,  3. 


220  V.  ANTONIL       (14.  §.  32.) 

das  Anselin  des  Senats,  die  Freiheit  des  Volks  gerettet,  Rom 
vor  der  AVuth  des  Antonius  geschützt  und  seine  Rückkelir  ver- 
hindert; es  verdankt  ihnen  mehr,  als  den  Heeren,  welche  ge- 
gen die  Carthager  und  Gallier  fochten,  und  grössere  Ehre  ge- 
bührt dalier  auch  den  Braven ,  welclie  in  diesem  Kampfe  fal- 
len. ^~0 

Als  Cicero  am  20.  Decemher  den  Senat  zu  dem  Beschlüsse 
überredet  hatte,  sich  über  ihre  Belohnung  zu  berathen,  sagte 
er  ihm  am  1.  Januar,  er  habe  Antonius  zwar  noch  nicht  mit 
"Worten,  aber  der  Sache  nach  den  Krieg  angekündigt,  und 
diess  war  es,  was  er  erreichen  wollte;  58J  einen  Rückschritt  ge- 
stattete er  nicht,  kein  Widerstreben  gegen  den  Spruch  der  be- 
waffneten Macht,  welcher  auch  dem  Volke  heilig  sein,  und  des- 
sen Vollziehung  es  nöthigenfaüs  erzwingen  musste.  ^'-*)  Auf  je- 
dem Wege  wusste  Cicero  zu  demselben  Ziele  zu  gelangen:  An- 
tonius w  ar  nicht  Consul ,  weil  D.  Brutus  sich  weigerte ,  ihm 
Heer  und  Provinz  zu  übergeben ;  ö*^)  er  war  nicht  Consul,  weil 
ein  Theil  seiner  Truppen  von  ihm  abfiel;  er  war  nicht  Consul, 
■weil  Octavian  gegen  ihn  auszog ,  und  wenn  man  diese  Alle  als 
die  Vertheidiger  der  Republik  zu  betrachten  hatte,  so  folgte 
von  selbst,  dass  er  der  Feind  der  Republik  war.  Anders  ur- 
tlieilt  Appian:  die  Legionen  giengen  zu  Octavian  über,  nicht 
zum  Senat,  welcher  seine  Unzufriedenheit  darüber  nur  nicht  zu 
äussern  w.igte;  auch  war  die  von  Antonius  verhängte  Strafe 
nicht  Mord,  wie  Cicero  behauptet,  sondern  gerecht,  und  der 
Senat  musste  sie  billigen ,  weil  er  die  Truppen  ihm  übergeben 
hatte.  «') 

Den  Kern  des  Heers,  welches  Octavian  bei  Aretium,  niclit 
bei  Alba,  vereinigte,  ^-)  bildeten  die  Legion  des  Mars  und  die 
vierte;  zwei  errichtete  er  aus  den  Veteranen  in  den  Colonien 
und  ergänzte  sie  durch  Tironen ,  und  eine  bestand  aus  Neuge- 
worbenen. ^V  Dem  Senat  war  es  erwünscht,  dass  er  ihm  seine 
Dienste  antrug,  da  man  keine  andern  Streitkräfte  hatte  und 
ohne  Consuln  keine  Aushebung  veranstalten  konnte;  ^*)  aber 
auch  er  bedurfte  den  Senat,    denn  ihm  fehlte  als  Anführer  eine 


57)  Das.  5,  11.  17.  II,  12.  58)  Das.  5,  2.  11.  Dio  45,  38.  39. 
59)  4  Phil.  3.  5,  2.  6,  7.  GO)  Das.  0,  3.  (JI)  App.  3.  557.  5C3. 
02)   Der«.  554.  557.     G3)  Ders.  557.  5C8.     04)  Ders.  557. 


V.  ÄNTONII.        (14.  §.  33.)         221 

gesetzHclie  Gewalt,  imperium.  Um  sie  gewisser  zu  erhalten, 
Hess  er  sich  durch  die  Truppen  den  Titel  eines  Proprütor  mit 
Fasces  und  Lictoren  antraten ,  und  lehnte  dann  Alles  ab, 
auch  ihr  Anerbieten,  sich  bei  dem  Senat  für  ihn  zu  vcr^vcn(Icn: 
man  werde  nun  ohnehin  seiner  gedenken.  Damit  sie  ferner  Seine 
Truppen  blieben,  jener  sie  nicht  etwa  verlockte,  so  gab  er  bei 
einer  schicklichen  Gelegenheit  jedem,  wohl  nicht  bloss  den  Ue- 
bcrläufcrn ,  welches  Eifersucht  erregt  haben  würde,  abermals 
500  Denare,  mit  dem  Versprechen,  nach  dem  Siege  5000  zu 
zahlen.  ^^^) 

5  33. 

Für  Cicero  war  der  ersehnte  Zeitpunkt  gekommen,  wo  er 
seinen  Feind  verdrängt  und  sich  wieder  in  der  Curie  und  auf 
dem  Markte  sah.  Er  hatte  Rom  um  die  Mitte  des  October  ver- 
lassen, als  er  fürchtete,  Antonius  werde  die  Legionen  von  Brun- 
dusium  nach  Rom  führen. ß**)  Konnte  er  als  Redner  seine  Mit- 
bürger nicht  schützen ,  so  mochte  man  doch  nach  seiner  ersten 
Philippika  mehr  von  ihm  erwarten  ,  als  dass  er  auf  dem  Puteo- 
lanum  das  Werk  über  die  Pflichten  vollendete, *'^^  der  Küste,  dem 
rettenden  Schiffe  nahe  blieb,  und  mit  Octavian,  welcher  gegen 
den  Feind  der  Republik  aufzutreten  gedachte,  sich  nicht  befas- 
sen wollte,  Aveil  es  ungewiss  war,  wer  siegen  werde. ''^-^  Jenem 
war  sein  Rath  sehr  gleichgültig, c^)  nicht  aber  seine  Verwendung 
im  Senat,  Avelcher  ilin  zum  Befehlshaber  ernennen  sollte ;'•*)  des- 
halb schrieb  er  ihm  oft,  einst  an  Einem  Tage  zweimal, ''O  und 
hat  ihn  gegen  Ende  des  October  um  eine  Unterredung  in  Ca- 
pua  oder  in  dessen  Nähe,  „kindisch  genug,  wenn  er  glaubte, 
dass  diess  geheim  bleiben  könne; "  sein  Gesuch  wurde  abgeschla- 
gen; Cicero  rieth  ihm  nach  Rom  zu  gehen  "^^^  und  konnte  nun 
rühmen,  er  habe  ihn  gespornt,  und  Antonius  in  sein  Garn  ge- 
jagt. "^3)  Aber  seine  Verlegenheit  dauerte  fort;  denn  auch  er 
sollte  in  Rom    erscheinen,     und    den  Unerfahruen    in    der  Curie 


65)  Ders.  1.  c.  558.  574.  fin.  Plut.  Anton.  23.  S.  §.  36.  A.  39.  f.  ir. 
§.  42.  A.  78.  §.  r)3.  A.  30.  66)  Oben  §.  27.  fin.  67)  ad  Äff.  15,  13. 
16,. 14.  68)  ad  Att.  16,  0.  60)  3  Phil.  7.  70)  5  Phil.  16.  71)  ad  Alt. 
16,  9.     72)  Das.  16.  8.     73)  3  Phil.  7.  ad  Fam.  12,  25. 


222  V.  ANTOKn.        (Ji.  §.  33.) 

iwil  mit  seinem  Ratlic  UI1^orsti■i^zen.  At:f  (!as  Erste  war  zu  or- 
wicilcrn ,  dass  <lcr  Senat  in  Abweseiilieit  <!er  ("oiisuJn  uihI  der 
gutircsiniiten  l'riitoren  vor  dem  I.  Januar  sir'i  nicht  versammeln 
Ivönnc  —  die,  'l'rümneu  l>ericfeu  ilia  freilich  donnoeh  am  20. 
Decemiter  —  al)cr  das  Zweite  Hess  keinen  Auswet^;'  es  Avnrdc 
also  iihcrhürt;  seihst  die  schmeichelhat'tc  Auftbrderung ,  wieder- 
um der  Ketter  der  RcpuMik  zu  werden,  konnte  den  Consular 
nicht  von  seinen   (iiitera  locken.  ''*) 

Er  hlie^h  sich  gleich,     imd  gerieth    daher    auch   immer  wie- 
der in   dicsclhe  J^age;     wie    im    Sommer    den    Befreiern'  so-  stand 
er  jetzt  Octavian     gegenüher.      Die  Ungewissheit    des  Ausganges 
niaciite  es  gefalirlich,   sich    ihm  hinzugeben,    aber  auch,   ihn  zu- 
riickzustossen,  zumal  da  leiclit    ein    anderer  Consular  für- Cicero 
eintreten,     und  dann  sein    ohnehin    zweideutiger  Ruf  noch  mehr 
leiden  konnte.  ^'0      Seine  Unterredun-jen  jait  \  arro    und    mit  an- 
deren  Crossen  auf  den  Villen  führten   ihn  zu  keinem   Entsclilus- 
se,    und    abermals    sollte    Atticus    entscheiden,    ob  er  nach  Rom 
kommen  oder  auf    dem  Lande    bleiben ,     und    welches  Gut  er  im 
letzten    Falle    als    das    sicherste    wählen    solle.  ^'')      In    der    That 
wünschte  er  A'on  ihm   das  Unmögliche,   eine  Bürgschaft  für  Anto- 
nius Niederlage:    er  theilte  ihm  mit,    was    ilun   dafür  und  dage- 
gen zu   sprechen  schien:     Octavian    habe  eine  bedeutende  flacht, 
er  besitze    die  Liebe    der  Municipien,     aber    er  sei  zu    jung:    es 
fehle  iiim  nicht  an  Muth,     aber  an    Anschn;     er  rechne  auf  den 
Senat,   aber  niemand  werde  sich    einfinden    oder  gegen  Antonius 
.stimmen,    so  lange  die  Dinge  ungewiss  seien.  ^^^       Auch  Atticus 
zeigte  sich  wie  immer;   er  antwortete  mit  griccliischen   Floskeln, 
mit  Stellen  aus  Homer,  und  bemerkte,   dass  der  Sieg  Octavians 
die    julischen    Gesetze    un'.imstösslich    machen    und    diess    Brutus 
schaden  werde,  dass  es  unter  jeder  Bedingung  xathsam  sei  ,  wie 
wacker  auch  der  junge  ALinn   den  Kampf  begonnen,    den  Erfolg 
zu  erwarten.     Nun  meinte  zwar  Cicero,    unerträglicher  als  Alles 
werde  Antonius  sein,  wenji  er  siege,  jener  Rath  aber  schien  ihm 
das    Klügste,     was    sein    Freund  je    in  Staatssachen  vorgebracht 
Isatte."^*^) 


74)  ad  Atf.  IG,  0.  11.     75)  Das,  16,  8.  0.  12.  13.     70)  Djw.  IG,  8. 
10      77)  l)a.s.   K;,  0.  11.    14.     7.s)  Das.   lii,   J3.   M,  i:,. 


V.  ANTONIL        (14.  §.  34.)      223 

Er  gicng  in  den  ersten  Tagen  des  November  von  Puteoli 
nach  seinem  Geburtsorte  Arpinuni,  wo  er  ohne  Gefahr  verweilen 
KU  können  glaubte,  und  am  11.  dcu  ersten  Brief  an  Atticus 
schrieb.  ^^^  Als  Antonius  den  Feldzug  gegen  Brutus  erölVnetc, 
konnte  er  nacii  Rom  zurückkehren,  und  Octavian  fulir  fort, 
deshalb  in  ihn  zu  dringen.  Sein  Wunsch  war  es  nicht,  und 
das  V.  Tribunat  des  P.  Casca  gab  einen  Vorwand,  zu  zögern; 
wenn  jener  dem  Mörder  Cäsars  am  10.  rcccmber  gestattete,  es 
zu  iiliernehmen,  so  hatte  man  ein  Unterpfand  für  seine  Gesin- 
nungen. Oppius,  welclier  mündlich  und  schriftlich  im  Interesse 
üctaviaus  mit  ihm  unterhandelte,  war  damit  einverstanden,  ver- 
sicherte aber,  dass  für  die  Befreier  nichts  zu  fürchten  sei.  So 
konnte  er  es  nicht  länger  vermeiden,  ,,sich  mitten  in  die  Flammen 
zu  stürzen,"  wozu  ihn  „nicht  die  Republik  sondern  seine  Geld- 
angelegenheiten bestimmten,"  s*'^  denn  Andere  waren  ihm  und  er 
war  Anderen  schuldio;.  f^elbst  segen  seinen  vertrauten  Freund 
verstellte  er  sich.  Er  kam  zurück,  weil  der  Senat  nicht  mehr 
unter  dem  Banne  des  Antonius  war,  ^0  mcü  er  also  keinen  \  or- 
wand  mehr  hatte  ,  nicht  zu  kommen ,  weil  es  verführeriscii  war, 
in  den  alten  Verhältnissen  zu  glänzen,  und  notliwendig,  kräfti- 
ge Massregeln  gegen  seinen  Feind  zu  veranlassen ;  mit  dem  Mu- 
the  der  VerzAveiflung  rief  er  sicli  zu:  ehrenvoller  ist  es,  mit 
seinen  Mitbürgern  als  allein  zu  fallen, ^-^  und  war  am  9.  De- 
cembcr  in  Rom.  ^^ 

§  34. 

Am  folgenden  Tage  traten  die  neuen  V.  Tribunen  ihr  Amt 
an,  unter  welchen  Einige  der  Aristocratie  ergeben  waren,  P. 
Servilius  Casca,  einer  der  Verschworenen,^*)  über  dessen  Zu- 
lassung Antonius  Octavian  und  Hirtius  Vorwürfe  machte,  ^^)  P. 
Appulejus  ^^')  und  M.  Servilius  ,^^>'  später  aucli  Salvius.^s)  Cicero 
wünschte ,  dass  sie  in  Abwesenheit  der  höheren  Magistrate  so- 
gleich den  Senat  beriefen,    damit  das  Erforderliche  gegen  Anto- 


79)  Das.  16,  8.  13.  14.  80)  Dag.  IC,  15.  81)  ad  Farn.  10,  28.  5 
Phil.  11.  82)  ad  Att.  I.  c.  S.^)  ad  Fam.  11,7.  84)  ad  Alt  I.  c.  Dio 
44,  52.  16,  10.  85)  13  Phil.  l.i.  Unten  §.  49.  A.  28.  SO)  G  Phil,  l- 
14,  0.  App.  3.  585.   87;  ad  Fam.   12,  7.   t  Phü.  C.  88)  üben  §.  30.  A.   78. 


224  V.  ANTONII.        (14.  §.  34.) 

nius  eingeleitet  würde.  ^^)  Zu  seinem  grössten  Vcrdrusse  zöger- 
ten sie  bis  ziuii  20.  üecember  ,*-•")  wo  M.  Servilius ,  zugleich 
im  Namen  seiner  Collcgen,  darauf  antrug,  Massregeln  zu  er- 
greifen, dass  die  neuen  Consuln  am  1.  Januar  den  Senat  ohne 
Gefahr  vcrsaiiuneln  könnten.  '•")  So  frei  wie  Cicero  rühmt  wa- 
ren die  Berathiingen  nicht.  Zwar  sah  man  sich  nicht  mehr  von 
Söldnern  umlagert ,  aber  den  Freunden  des  Consuls  wurde  es 
denn  doch  fühlbar,  dass  sein  Gegner  mit  einem  Heere  in  der 
Nüiie  stand,  und  das  A^olk ,  dessen  Gesinnungen  gegen  den  jun- 
gen Cäsar  jeder  kannte,  in  grosser  Anzahl  auf  dem  Markte.  '*-) 
Auf  der  anderen  Seite  vermisste  man  die  ernannten  Consuln 
Pansa  und  Hirtius ,  obgleich  nur  der  Letzte  durch  Krankheit 
entschuldigt  wurde;  ^"*)  es  war  nicht  geeignet,  Cicero  und  des- 
sen Faction  zu  ermuthigen,  doch  wurde  er  nun  zuerst  befragt, 
während  sonst  jene  vorgegangen  Avären.  ^*) 

Er  hielt  seine  dritte  Philippika.  Der  Antrag  der  Tribunen 
war  ihm  Nebensache,  ^^)  ja  er  war  ihm  missfällig,  denn  nicht 
im  nächsten  Jahre  sondern  sogleich  sollte  man  entscheidende  Be- 
schlüsse fassen,  niclit  zögern,  Avährend  der  Feind  handelte,  '•'ß) 
Jene  gestatteten  ihm  indess,  sich  über  den  Zustand  des  Staats 
KU  verbreiten,  und  er  benutzte  es,  um  seinen  Feind  als  den 
Feind  des  Staats  darzustellen.  Den  Statthaltern  und  Feldhcrrn, 
D.  Brutus,  ^^-'  Cornificius,  ^8J  Octavian  ö^-*  und  Anderen,  welche 
sogleich  gegen  Antonius  kämpfen  oder  einen  Rückhalt  gewähren 
sollten,  meldete  er,  dass  er  aufgetreten  sei,  um  ihren  Verdien- 
sten Anerkennung  zu  verschaffen ,  oder  ihnen  ihre  Provinzen  zu 
erhalten,  und  er  verwandte  sich  wirklich  für  sie,!"^**^  aber  nur, 
weil  er  nicht  wünschte,  dass  Antonius  und  Männer  seiner  Par- 
tei sie  ersetzten,  er  forderte  für  Einige  unter  ihnen  und  für 
ihre  Truppen  Eiircn  und  Belohnungen,  weil  er  den  „trägen  und 
erschlaft'ten  Senat"  ^)  mit  sich  fortreissen,  und  durch  einen  öf- 
fentlichen und  unzweideutigen  Schritt  zwingen  wollte,  die  Aech- 


89)  3  Phil.  1.  5,  11.  90)  ad  Farn.  10,  28.  11,  G.  12,  22.  25.  S 
Phil.  1.  2.  11.  f),  1.  7,  2.  10,  11.  11,  7.  91)  ad  Fam.  10,  28.  11, 
(•).  3  Phil  5.  10.  15.  4,  C.  92)  3  Phil.  13.  93)  Das.  5,  11.  S.  Hirtii. 
91)  Das.  5,  13.  95)  ad  Fam.  10,  28.  3  Phil.  15.  9G)  3  Phil.  1.  97) 
ad  Fara.  1 1 ,  G.  98)  Das.  12,  25.  99)  3  Phil.  7.  (8).  lOO)  Das.  c.  15. 
1)  ad  Fara.  10,  28. 


V.  ANTONII.      (14.  §.  31.)  225 

tung  des  Antonius  folgen  zu  lassen.  '^^  Er  also,  der  weder  am  1. 
und  19.  September  noch  28.  November  gewagt  hatte,  jenem  un- 
ter die  Augen  zu  treten,  und  es  für  schändlich  erklärte,  damals 
nicht  zu  fürchten,  ^^  kam  jetzt,  nach  ,,dcr  schmachvollen  Flucht" 
des  Gegners,*)  früher  als  Andere,  und  bewirkte  dadurch,  dass 
die  Versammlung  äusserst  zahlreich  Murde.  ^) 

Für  diese  Zeiten  hatte  er  sich  aufgespart ,  so  hatte  er  im- 
mer gehandelt,  oliiic  jedoch  je  seine  Würde  zu  vergessen,  sich 
zurückgezogen,  wenn  er  nutzlos  gefallen  v^;re.  Jetzt  vermochte 
er  zu  nützen,  der  erste  Tag  der  Freiheit  war  erschienen,  und 
Taec  und  Naclit  wollte  er  nun  über  die  Freiheit  des  Volks  und 
über  das  Ansehn  des  Senats  wachen ,  Freiheit  oder  Tod  sollte 
der  ^Wahlspruch  sein.  Denn  —  Dank  den  Göttern  —  Octavian 
scliirmte  die  Stadt  und  Brutus  Gallien;  das  Ungeheuer  war  in 
die  Grube  gestürzt,  man  durfte  nur  dafür  sorgen,  dass  es  nicht 
wieder  entschlüpfte,  nur  keine  Zeit  verlieren,  um  es  im  Rük- 
ken,  von  vorn  und  von  den  Seiten  festzuhalten;  begeistert  bo- 
ten Rom  und  Italien  ihren  Beistand  an ,  denn  öffentlich  hatte 
Antonius  die  schreckliclie  Drohung  ausgesprochen:  wer  nicht 
siege  ,  werde  nicht  leben.  6)  Jndess  war  er  vom  Volke  ermäch- 
tigt, das  cisalpinische  Gallien  zu  übernehmen,  und  Brutus  mit 
Gewalt  zu  vertreiben,  wenn  er  es  nicht  räumte;  V  selbst  wenn 
man  diesen  Beschluss  verwarf,  konnte  man  ihn  jetzt  noch  nicht 
verdammen,  da  noch  nicht  verlautete,  dass  er  über  den  Rubi- 
con  gegangen  sei;  wenn  diess  geschehen  sein  wird,  sagt  Cicero, 
müssen  wir  ihn  nicht  bloss  mit  den  Waffen,  sondern  auch  mit 
unsern  Decreten  verfolgen;  *)  jetzt  also  Avar  er  unter  jeder  Be- 
dingung noch  Bürger  und  Consul  und  jede  Auflehnung  gegen 
ihn  strafbar.  Mit  einem  geschickten  Fechterstreiche  kehrte  Ci- 
cero die  Dinge  um;  er  erhob  die  Schuldigen  zu  Richtern  und 
machte  ihr  Verfahren  zur  Richtschnur  für  den  Senat.  D.  Bru_ 
tus,  Octavian  und  die  Legionen,  welche  abgefallen  sind,  haben 
sich  die  grössten  Verdienste  um  die  Republik  erworben;  sie  er- 
scheinen aber  als  Verbrecher,  so  lange  Antonius  als  Consul  an- 
erkannt wird;  mit  Worten  kann  mau  noch  nicht  erklären,    dass 


2)  3  Phil.  6. 14.4,  1.5,11.  3)  3  Phil.  8.  4)  Das.  c.  10.  5)  adFam.11,6.  6) 
3  Phil.  11.  13.  14.  4,  5.  5,  8.  G,  l.  7)  Oben  §.  20.  A.  75.  8)  3  Phil.  13. 
Diamvin,  Gcschi'lite  K-hus  I,  \^ 


226  V.  ANTOXII.         (14.  §.  34.) 

er  CS  nicht  sei,  soiuleni  ein  Feind  des  Reichs,  wohl  aber  durch  eine 
Thiitsuchc,  dadurch  dass  man  jenen  Dank  und  Belohnung  beschliesst.  '-^i 
1).  Brutus  verspricht  in  seinem  Edicte ,  Caliien  Senat 
und  Volk  zu  erhalten.  In  dem  Maasse,  als  Antonius  Tar- 
«jHin  an  Schlechtigkeit  ühertrirtt,  ist  üecimus  grösser,  als  Lu- 
cius Brutus:  man  muss  heschliessen,  dass  er  sich  um  die  R^- 
[tuhlik  verdient  mache.  '"*  Die  Vertheilung  der  Provinzen,  wel- 
che Antonius  vor  seinem  Abgänge  bewirkt  hat,  ist  ungültig; 
der  Senat  muss  dalier  heschliessen,  dass  l).  Brutus,  L.  Plauens 
und  die  übrigen  Statthalter  nach  der  Verfügung  Cüsars  im  recht- 
mässigen Besitze  sind  und  darin  bleiben  sollen,  bis  er  ihnen 
Nachfolger  ernennen  wird,"-*  mit  anderen  Worten,  dass  er  die 
\  olksbcschlüsse  nicht  anerkennt,  welchen  Antonius  das  diessei- 
tige Gallien  und  Dolabella  Syrien  verdankt.  Octavian  hat  au« 
eigener  Bewegung  und  auf  seine  Kosten  Truppen  geworben,  und 
dadurch  Rom  und  die  Republik  gerettet;  dass  der  Senat  sich 
heute  zum  ersten  Male  wieder  frei  berathcn  kann,  ist  sein  Werk; 
dieser  muss  ihm  daher  sogleich  heute  Vollmacht  geben,  den 
Staat  zu  vertlieidigen  und  ihm  Ehren  und  Dank  zusichern.  '-) 
Die  Legion  des  Mars  und  die  vierte  haben  Antonius  verlassen, 
um  die  Republik  herzustellen;  noch  heute  muss  der  Senat  he- 
schliessen ,  dass  er  unter  den  neuen  Consuln  sogleich  darauf  be- 
dacht sein  wolle,  sie  zu  belohnen,  i-^) 

In  dem  Antrage  der  Tribüne  seihst  ist  die  Nothwendigkeit 
dieser  Beschlüsse  ausgesprochen;  denn  wenn  der  Senat  eine 
Schutzwache  bedarf,  so  ist  man  nicht  einmal  in  Rom  vor  An- 
tonius sicher.  '*J  Was  ist  von  einem  Menschen  zu  fürchten,  der 
sich  schon  als  der  Feind  aller  Gutgesinnten  zeigte,  ehe  er  ge- 
reizt war  ^  von  ihm  als  Sieger,  da  er  schon  vorher  so  überniii- 
thig  verfuhr  P"'>  von  ihm,  der  in  einem  drohenden  Kdicte  den 
Senat  berief  und  dann  Avegcn  eines  Trinkgelags  nicht  erschien?  '^^ 
der  den  Tribunen  ,  den  Unverletzlichen,  zu  erscheinen  untersag- 
te?'') den  Senat  dann  Mieder  in  einer  ungesetzlichen  Zeit  ver- 
sammelte, seinen  Mitbürgern  im  Fliehen  den  Tod  ankündigte 
und  mit  seinem  Bruder  auf  der  Flucht   die  grösstcn  Griiuel  ver- 

0)  c.  0.  1(1)  10.  15.  Oben  §.  .30.  A.  90.  II)  10.  15.  cfr.  Oi» 
4f),  20.  10  l'hil.  II.  lin.  11,  12.  (in.  12)  2,  15.  13)  3,  15.  14)  5. 
15)  12.     IC)  7.    8.    17)  iL 


V.  ANTOMI.  (14.  §.  34.)        227 

übt?^*)  Solche  Beschlüsse  sind  aber  auch  erlaubt,  denn  seit  den 
Liipercalicn,  wo  er  Cäsar  das  Diadem  antrug,  ist  Antonius  nicht 
mehr  Consul,  ist  er  niclit  zu  den  römischen  Bürgern,  nicht  zu 
den  Freien,  nicht  einmal  zu  den  Menschen  zu  i'echnen.  ^^j  Des- 
halb hat  Cicero  Octavians  Rüstungen  gegen  ihn  jefördert  und 
er  selbst  am  28.  November  niclit  gewagt,  sich  im  Senat  über 
diese  Rüstungen  zu  beklagen.  -")  Sein  ganzes  Leben  verdammt 
ilin,  welches  aus  Unzucht,  Völlerei,  frechem  Muthwillen,  Ver- 
•\v<'gcnheit  und  Grausamkeit  zusammen  gesetzt  ist,  und  insbe- 
Kondere  der  vielfache  Frevel ,  dessen  er  sich  seit  Ciisars  Tode 
schuldig  gemacht  hat.  ^O 

Nur  Varius  Cotyla —)  versuchte  es,  den  Abwesenden  zu 
vcrtheidigcn;  23)  er  wurde  nicht  unterstützt  und  der  Senat  des- 
halb spiiter  von  Cicero  gelobt,  -*^  welcher  übrigens  keineswegs 
damit  zufrieden  war,  dass  man  die  weitere  Berathung  bis  zum 
J.  Januar  hinaussetzte.-^^  Der  Senat  beschloss,  die  erwählten 
Consuln  sollten  dem  Antrage  der  Tribüne  gemäss,  dessen  aucli 
Cicero  der  Schicklichkeit  Avegen  in  seinem  Gutachten  gedachte,  -^J 
dafür  sorgen,  dass  er  sich  am  1.  Januar  gefahrlos  versammeln 
könne;  27)  er  billigte  das  Edict  des  D.  Brutus,  worin  er  sich 
verpflichtete,  seine  Provinz  zu  behaupten ,  28)  yj^j  genehmi'>-te 
Ciceros  Vorschlag  in  Betreff  der  Provinzen ;  20)  ^fj^j.  jjg  Ernen- 
nung des  Octavian  zum  Heerführer  und  über  die  Belohuuno-  sei- 
«er  Veteranen  und  insbesondere  der  beiden  Legionen,  welche 
zu  ihm  übergegangen  waren ,  sollten  die  künftigen  Consuln  so 
bald  als  möglich  an  ihn  berichten,  ^o) 

An  demselben  Tage  wurde  das  Volk  durch  Cicero  davon  in 
Kenntniss  gesetzt,  welcher  sich  unmittelbar  aus  der  Curie  auf 
den  Markt  begab,  ^i)  Mit  Beifallgeschrei  empfangen, "2)  ver- 
kündigte er  nach  einigen  leichten  Entschuldigungen  über  seine 
letzte  Flucht:     Antonius  sei  für  einen  Reichsfeind  erklärt,  zwar 


•  j 


noch  nicht  ausdrücklich,     aber  durch    die    That,     und    diess    sei 


18)  10  —  12.  19)  5.  20)  7.  8.  21)  C.  .  11,  12.  22)  Oben  §. 
30.  A.  73.  23)  5  Phil.  2.  3.  24)  Das.  c.  1.  11.  25)  Das.  c.  11.  12. 
2ü)  3  Phil.  15.  27)  Dio  45,  19.  22.  4G,  20.  28)  5  Pl.il.  11.  10,  11. 
29)  ad  Fam.  12,  22.  25.  cfr.  Dio  40,  29.  Unten  §.  30.  A.  04.  30)  4 
Phil  2.  5,  2.  11.  10,  11.  Mon.  Anc^r.  tab.  1,  v.  3.  App.  3.  557.  31)  4 
Phil.  1.  6.  ad  Fam.    11.    C.     32)    1   Phil.    1.    5,    1. 

15* 


228  ^'    ANTONII.        (1 1.  §.  34.) 

sein  "Werk.  ^^)  Endlich  wieder  auf  seinem  Ehrenplatze,  voll 
llass  gegen  diejenigen,  welche  ihn  davon  verdrängt  hatten,  und 
erfreut,  wieder  üficntlich  von  seinem  Consulat  und  von  Catili- 
na  sprechen  zu  können,  wollte  er  die  Menge  aufregen,  seine  I 
Saclie  gänzlich  zu  der  ihrigen  machen  und  den  Senat  einschüch- 
tern damit  der  1.  Januar  zum  Ziele  führte.  Er  schilderte 
daher  Antonius  als  einen  Mordgierigen ,  welchen  nur  Octavian 
•rehindert  habe ,  seinen  Rachedurst  im  Blute  'seiner  Mitbürger 
zu  stillen;  nicht  von  einem  verbrecherischen  Menschen,  sondern 
von  einem  scheuslichcn  Avilden  Tliiere  sei  die  Rede,  dessen  man 
sich  aber  doch  entledigen  könne;  denn  selbst  Catilina  sei  über- 
wunden, inid  diesem  gleiche  er  nur  an  Frevel,  nicht  an  Thä- 
ti'i-keit  und  Kraft.  Gntmüthig  hörte  das  Volk  unter  den  schon 
im  Senat  vorgebrachten  Gründen,  nach  welchen  er  nicht  Con- 
sul  war,  auch  den,  dass  Brutus  die  Provinz  nicht  räume,  wel- 
che es  zu  räumen  geboten  hatte,  dass  ausser  jenem  und  Octa- 
vian, den  Legionen,  Gallien,  ganz  Italien,  dem  Senat  es  auch 
selbst  durch  sein  Geschrei  ihn  seiner  Würde  für  verlustig  er- 
kläre* dass  die  Götter  durch  Anzeichen,  durch  die  von  ihnen  x 
bewirkte  Uebereinstimmung  Aller  ihn  richten,  und  einem  sol- 
chen Feinde  gegenüber  Unterhandlung,  Friede  undenkbar  sei, 
denn  es  frage  sich  nicht ,  unter  welcher  Bedingung  man  leben, 
sondern  ob  man  überhaupt  leben,  oder  auf  eine  marter-  und 
schmachvolle  Art  umkommen  werde.  3*>> 

Ein  Vergleich  zwischen  den  Parteien  hatte  Cicero  einst 
ins  Exil  geführt,  und  liess  jetzt,  wo  er  seinen  Feind  feierlich 
dem  Unterfange  geweihet  hatte,  35)  noch  weit  mehr  fürchten. 
Für  ihn  «i-ab  es  keinen  Stillstand,  keinen  Rückschritt,  und  der 
Senat  sollte  die  Ueberzeugung  gewinnen,  dass  diess  auch  seih 
Fall  sei ,  d:iss  ihm  nach  den  Beschlüssen  des  20.  December 
nichts  übrig  bleibe,  als  eben  das  Letzte,  die  Kriegserklärung, 
ja  dass  diese  bis  auf  eine  unwesentliche  Förmlichkeit  mit  jenen 
Beschlüssen  bereits  erfolgt  sei.  ^ß)  Dcslialb  rühmte  er,  nicht 
ohne  Beziehung  auf  sein  Consulat,  die  Republik  an  jenem  Ta- 
ge von  neuem  gegründet  zu  haben.  ^V 

33)  4  Phil.  1.  3.  0.  14,  7.  34)  l  Phil.  35)  4  PhiL  4.  30)  4  Phil.  2. 
5,  2.  11.  10,  II.  37)  4  Phil.  1.  5,  11.  6,  1.  14  Phil.  7.  »d  Faro.  10, 
28.  12,  25. 


V.   ANTOMI.        (11.  §35)     229 

§  35. 

fui    Anlange    des    J.  43.,    in  welchem  C.  Vibius    Pansa  unJ 
A.   Ilirtius  Consulu  waren,  dauerten  die  Anzeichen  fort,  welclic 
schon    gegen    Ende    des     vorigen    die    Oemüther   geschreckt    hat- 
ten, •**-•     feurige    Lufterscheinungen,    Stürme,    Erdheben,   Ueber- 
schweinniungcn  und  Seuchen.  '■^'•^)      Diese    Lehel    stehen  in    einem 
natürlichen    Zusammenhange    und    waren    daher    öfter    vereinigt, 
als  man  den  Alten  geglaubt  hat,    weil  sie  nach  ihrer  Weise  er- 
klären.    Für    Cicero    schien    es    insbesondere     eine    unglückliche 
Vorbedeutung    zu    sein,     dass  der  Wind    die  Statue  der  .Minerva 
umwarf,  welche  er  vor  seinem  Exil  auf   dem  Capitol  aufgestellt 
hatte. ^^>'     Auch  ereigneten  sich  plötzliche  Todesfälle;   ein  Lictoi 
starb,  während  Pansa  am  Morgen  des   1.  Januar  opferte.  *')    Ge- 
schah nun  auch,  manches,     die   Götter    zu    besänftigen,     so  bli»*b 
doch  bei    dem    Aufruhr    im    Staate    nur    eine    trostlose    Aussichf. 
Der  Bürgerkrieg  hatte  begonnen  und  der   Senat  noch  nichts  ge 
than,  ihm  zu  steuern;     denn  die  Beschlüsse    vom    20.  December 
beurkundeten  nur  seine  Ohnmacht  und  das  Verlangen  einer  Par- 
tei,   den    Krieg    zur    Unterdrückung    des    Antonius  zu  benutzen. 
Dieser  war  vom  Volke  ermächtigt,  D.  Brutus  anzugreifen,  wenn 
er  das    cisalpinische    Gallien    nicht   räume,'*-)    und    Brutus    vom 
Senat,  in  seiner  Provinz  zu  bleiben;  '*•'>>    Octavian    "war    aus  ei- 
gener Machtfülle  ins    Feld    gerückt.      Unter    den    neuen    Consuln 
sollte  der  Knoten  sich  lösen.     Wenn  Senat  und  Volk  Widerspre- 
chendes beschlossen  hatten,  so  war  es  an  ihnen,  sich  zu  einigen. 
Das  Volk  schwieg  zwar,    als  die  Curie    am  20.  December  seine 
V^erfügung  über  Gallien  durch  eine  allgemeine    über  die  Provin- 
zen aufhob ,  aber  es  nahm  sie    selbst    nicht    zurück ,    und  Anto- 
nius   betrachtete    sie    als     gültig.      Dem     Senat    genügte     dieses 
Schweigen ;  er  scheute  Erörterungen  über  einen  Punct  des  Staats- 
rechts, welcher  mehrmals  thatsächlich  zu  seinem  Nachtheile  erle- 
digt war,  und  nun  blieb  ihm  nichts  übrig,    als  für  sein  Decret 
Gehorsam  zu  fordern.     Da   indess   Antonius   nicht   wusste,  oder 


3S)  4  Phil.  4.  Obseq.  128.  39)  Dio  45,  17.  40)  Das.  Nach  Obseij. 
I.  c.  geschah  es  noch  a.  44.  üben  §.  21.  A.  21.  41)  Dlo  1.  c.  42)  Oben 
f.  20.  A.  74.     43)  §.  34.  A.  11.  und  29. 


230  V.    ANTONII.         (14.  §.  35.) 

sicli  (la.s  Ansehen  gehen  konnte,  nicht  zu  wissen,     dass  das  be- 
treffemle  Gesetz  erloschen   sei,  so  musstc  man  ihn  davon  benach- 
richtigen, nicht  aber  sogleich  mit  dem  Schwerdtc  darein  schlagen. 
Allein  es    handelte  sich  nicht  um  Recht  und  Billigkeit  und 
um  das  Wohl  des  Ganzen,  sondern  um  das  Interesse  der  Factio- 
nen ,     und    die  Kräfte    waren  sich    in  der  Curie  ziemlich  gleich, 
so  dass  jeder  Tlieil  einen    Triumph    feierte    und    eine  Niederlage 
erlitt,  Antonius  bekriegt  und  doch    bis   zur  Schlacht  bei  ^lutina 
nicht    für    einen    Staatsfeind    erkliirt    wurde.     Die    verschiedenen 
ßestandtheile  der  Factionen  machen    sich  im  Folsenden  ebenfalls 
bemerklich;     denn    unter    den    Gegnern   des    Antonius  waren  die 
Octavianer,  die  Freunde  der  Verschworenen  und  Cicero,  welcher 
jene  wie  diese  nur  gebrauchen  Avollte  und    nicht  vergessen  durf- 
te,    dass    sie    bei   jedem    Schritte    gegen    den    gemeinschaftlichen 
Feind    auch  ihre    Stellung    gegen    einander    im    Auge    behielten ; 
auf  der  anderen  Seite  nahmen  Manche  Antonius    nur  in  Schutz, 
M  eil  sie  fürchteten ,  dass  nach  seinem  Untergange  auch  die  juU- 
sehen  Gesetze  nicht  bestehen  werden ,  insbesondere  L.  Piso ,   Cä- 
sars  Schwiegervater,      In    einer    solchen    Aersammlunsc    den    Vor- 
sitz  zu  führen,  war  ein  undankbares    Geschüft;     seLbst  unbefan- 
gene Vermittlung  musste  für  Parteilichkeit  gelten.      Hirtius,  für 
dessen  Talent  und  feine  Bildung    schon    sein  Verhältniss  zu  Cä- 
sar zeugt,  ^*)     war    kränklich    und    gieng    bald  zum  Heere;    die 
Leitung  der  öffentlichen  Geschäfte  Avar  »rrösstentheils  seinem  Col- 
legen  überlassen,  welcher  länger  in  Rom  blieb.     Ohne  so  schwach 
au  sein,  wie  Q.  Cicero  sie  schildert,  ^^)  waren  sie  doch  unfähig, 
sich  über  die  Parteien  zu  erheben,    und    nun    befanden  sie  sich 
in  dem  peinlichen  Falle ,    nicht  nur  zwischen  Antonius  und  den 
llördern  des    Mannes,     welchem    sie    alles   verdankten,     sondern 
auch  zwischen  Antonius  und   Octavian ,    dem   Freunde    und  dem 
Sohne  Cäsars ,  Avählen  zu  sollen.     Deshalb  suchten  sie  den  Krieg 
z)i  verhindern,  und  auch  als  sie  im  Felde  standen,  eine  blutige 
l'^ntscheidung    so    lange    als    möglich  abzuwenden ,     ein  Halbhan- 
deln,   welches    ihnen    auf   keiner    Seite    Vertrauen    erwarb,  und 
dessen  Folgen  sie  nur  durch  den  Tod  entgiengen. 

Sie  beriefen  den  Senat  sogleich  am  1.  Januar*")  und  unter 

44)  S.  Hirtii.     45)    ad    Faiu.    IG,    27.      IC)  5  l'hil.    1.  6,  1.  App.  'i 
SiS.  Diu  45.   17. 


V.  ANTON».       (14.  §.  35.)  231 

dem  Sclnitzc  von  Bewaffneten,''^)  Avie  es  am  20.  December  fest- 
gesetzt var,'*''^     in  «Icn  'l'cmpel  der  Concordia,'*'0    um  eine  Bc- 
rathung    iiber    den    Zustand    des    StaJits  im  Allgemeinen  •'''*)     und 
ober  die  Ehren  und  Belohnungen    der  Anführer  und  Truppen  zu 
veranlassen,     Avelche    gegen    Antonius     sich     erhohen     hatten.^') 
Ihre  Rede  erhielt   wenigstens  öfFentlich   Ciceros  Beifall.  ^-^      Die- 
sen lässt  Dio    sein  Gutachten    zuerst    abgehen ,  53j     vozu  er  den 
Stoft',  so  weit  er  dem  Redner  überhaupt  angehört,    aus   den   er- 
sten sechs  Pliillppiken,  zum  Theil  selbst  aus  späteren  entlehnt,  ^^) 
lind  so  willkührlich  und  flüchtig,    dass  wenn  Cicero  äussert,  er 
höre,  dass  man  das  jenseitige  Gallien  für  Antonius  fordern  und 
vorschlagen  Avolle,  während  der  Unterhandlungen  die  Rüstungen 
fortzusetzen,'^-'')  bei  Dio  gesagt  wird,  man  wolle  auf  Unterhand- 
lungen antragen,     und    dann  Calenus    einen   \'erweis  erhält,    als 
habe    er    den  Antrag  schon  gemacht.  ■'"''')      Dadurch    ferner,     dass 
Calenus  hei  Dio  später  spricht,  ^'^)     wird  alles  verschoben;  denn 
als  Erwiederung  wird     seine    Rede  Selbstvertheidigung,     und  als 
solche  Anklaa:e    des    Cicero,  ^^-J     eine    Nachahmungr    der    zweiten 
Philippika.     Spottend    und    verdammend    geht    er  das  Leben   sei- 
nes Gegners  durch;    er    gedenkt   seiner   verächtlichen  Verwandt- 
schaft und  seiner  Schwächen  mit  der  gehässigsten  Deutung,  dich- 
tet ihm  Laster  an,   um  durch.  Gegenheschuldigungen  Antonius  zu 
rechtfertigen,     und    tadelt    ihn    wiederholt,  ^'J)     dass    er  nicht  zu 
rechter  Zeit  gesprochen    und    die  von    ihm    gerügten  Verbrechen 
xn  verhindern  gesucht  habe.     Nach  dieser  Abfertigung  stimmt  er 
dafür  ,  man  möge  Allen  befehlen,   die  Waft'en  niederzulegen,  und 
den  Erfolg  erwarten.     Appian,    welcher    ihn  bei  dieser  Gelegen- 
heit nicht  erwähnt,  berichtet  ganz  kurz,  dass  Cicero  am   I.  Ja- 
nuar auf  eine  Kriegserklärung  gedrungen,  und  L.  Piso  ihm  wi- 
dersprochen habe;  er  giebt  damit  den  Text  zu  den  Reden,  wel- 
che   er    beide    am    dritten  Tage    halten   lässt.  '"'•J)     Bei  dem  Allen 
ist  es  keinem  Z^veifel  unterworfen,  dass  die  Verhandlungen  vier 


47)  Dio  45,  19.  22.  46,  26.  48)  §.  34.  A.  27,  49)  Dio  4C,  28. 
50)  5  Phil.  12.  fin.  51)  Das.  c.  2.  11.  13.  19.  52)  c.  1.  53)  45,  Is 
—  47.  Zoiiar.  10,  14.  54)  cfr.  c.  18.  u.  3  Phil.  13;  c.  20.  u.  5,  9; 
c.  26.  u.  2,  18;  c.  35.  u.  5,  8;  c.  39.  u.  3 ,  G.  c.  41.  u.  3,  5;  c.  45.  ii« 
7,  3.  u.  8,  4.  u.  8.  f.  55)  5  Phil.  2.  9.  50)  c.  43.  46.  57)  40 ,  1  — 
28.     58)  c.  J.  u.  27.     59)  c.  10.  10.  23.    25.     60)  3,  558.  —  500". 


232  V.  ANTONH.         (J4.  §.  35.) 

Tage  dauerten,  dass  man  sich  am  ersten  gar  nicht,  am  zwei- 
ten nur  üher  die  Ehren  und  Hclühnungen  einigte,  und  endlich 
am  vierton  gegen  den  Vorschlag  Ciceros  ,  welcher  Krieg  forder- 
te, eine  Gesandtschaft  an  Antonius  zu  schicken  heschloss,  wor- 
auf jener  an  deinsclhen  Tage  vor  dem  Volke  auftrat.  *•')  Es 
stellt  ferner  fest,  dass  nach  den  Consuln  Q.  Fulius  Calenus, 
cons.  suß".  a.  47.  zuerst  sprach,  dann  Cicero,  dessen  Aeusserung, 
schon  nehmen  selbst  Consulare  Antonius  in  Schutz,  sich  eben 
auf  diesen  im  Gegensatze  des  Cotyla  bezieht.  <*-)  Mehrere  ver- 
ßucliten  nach  ihm,  wie  er  erwartete  ,  •'"'>'  seine  Absicht  zu  verei- 
teln, und  es  kam  bald  zu  einem  heftigen  Streite ,  so  dass  nicht 
bloss  er  selbst,  sondern  auch  seine  Anhänger  und  Gegner  in 
diesen  Tagen  wiederholt  das  Wort  nahmen. 

Als  Schwiegersohn  des  Calenus  <**)  hatte  Pansa  einen  er- 
wünschten Vorwand,  ihn,  den  Freund  des  Antonius,  zuerst  zu  fra- 
gen ,  ein  Vorzug ,  welcher  ihm  nun  nach  der  Sitte  für  das  gan- 
ze Jahr  zugestanden  war.  ^^)  Cicero  kommt  mehrmals  darauf  zu- 
rück;'*'') es  kränkte  ihn,  und  war  ein  Beweis,  dass  der  Consul 
seine  Pläne  nicht  begünstigte.  Gegen  die  am  20.  December 
Ton  ihm  beantragten  Ehrenbeschlüsse  hatte  Calenus  nichts  ein- 
zuwenden,  desto  mehr  aber  gegen  seine  Folgerung,  da.'s  der  Se- 
nat Antonius  damit  für  einen  Feind  erkläre ,  und  nur  noch 
übrig  bleibe,  diess  auszusprechen;  er  stimmte  dafür,  dass  man 
zunächst  versuchen  müsse,  sich  durch  Gesandte  mit  ihm  zu  ver- 
ständigen. ''^)  Cicero  schien  bestürzt;  ß^)  er  erhob  sich  sogleich, 
am  1.  Januar, ''9J  das  verderbliche  Wort  zu  entkräften.  Im  er- 
sten Theile  seiner  Rede  ^'')  verbreitete  er  sich  dem  Antrage  der 
Consuln  gemäss  über  die  öffentlichen  Angelegenheiten  im  Allge- 
meinen, über  die  Verhältnisse  des  Staats  zu  Antonius,  und  im 
zweiten  über  die  Belohnung  der  Krieger.  Durcli  diese  hatte  er 
eine  Kriegserklärung  zu  erlisten  gehofft,  da  er  sie  nicht  zu  er- 
zwingen vermochte,  und  am  20.  December  war  alles  trefflich  dazu 
vorbereitet.  Calenus  Rede  überzeugte  ihn,  dass  seine  Gegner  ihn 
geM'ähren  Hessen,  aber  sein  Ziel  verrückten,  dass  sie  erlaubten, 

Cl)  G  Phil.  C2)  5  Phil.  2.  C3)  c.  2.  9.  Gl)  8  Phil.  0  fin.  10,  3 
(*2.)  C5)  Suet.  Caes.  21.  CG)  5  Phil.  1.  10,  1.  3.  (2.)  cfr.  ad  Att.  1- 
13.     G7)  5  Phil.  1.  2.     G8)  c.  1.     G9)  Das.  n.  6,   1.     70)  5  Phil.  1  —  12. 


V.  ANTONII.        (14.  §.  35.)      233 

die  AVaffen  zu  schmücken  lind  zu    Avcihen,    niclit  aber,     sie  ge- 
gen Antoniiis  zu  gebrauchen;     er    jÄiisstc    also   jenes    feststellen, 
che  er  auf  «lein  von  ihm  eingeschlagenen  Wege  weiter  fortgicng; 
«Iciin  wozu  (las  Mittel,  wenn  es  den  Zweck  nicht  erreichte?  Der 
Senat  hatte  sich  durch  seil,    Verhalten    gegen    die  Heere  so  ver- 
wickeln sollen,  dass  er  den  Krieg  böSchliessen  musste;  jetzt  hör- 
te man  nun  aber,  dass  man    den  Eifer   für    die  Republik  ehren, 
und    ihr   doch    den    Frieden    erhalten    könne,    ja  dass  der  Senat 
selbst  zuerst  die  Hand  dazu  bieten  solle ,    Avodurch  sich  die  Be- 
lohnung in  ein  Nichts,  in  einen  Spott  verwandelte.     Eine  Frie- 
dens-Gesandtschaft  bewies  Qttavian,    dass  die  Partei  des  Anto- 
nius noch  stark  sei,  dass  er  nicht  unbedingt  auf  den  Senat  und 
die  Hülfe  der  Cousuln   rechnen    dürfe,     welches    ein    Schwanken 
in    seine     Unternelimungen    bringen,     ihn    wohl    gar    bestimmen 
konnte ,  sich  mit  seinem  Gegner  zu  versöhnen.     Im  ersten  Fal- 
le wurde  Cicero  noch  mehr  gefährdet,    im  zweiten  war  er  ohne 
Rettung.      Seine  Aufgabe    wurde    daher    in    dieser    Senatssitzung 
eine  ganz  andere,     als  er    erwartet   hatte.     Nach    seiner   Behau- 
ptung hatte  der  Senat  bereits  am  20.  December  alle  Unterhand- 
lungen ausgeschlossen;    sie  dennoch    zu  lassen,    sie  sogar  selbst 
anzuknüpfen  werde  Leichtsinn,   ja  Wahnsinn  sein;^^)     er  werde 
sich  dadurch  herabsetzen,    Furcht  verrathen  und  Uneinigkeit. '^2) 
So  lange  Antonius  die  Waffen  in  der  Hand  habe,  sei  gar  nicht 
mit  ihm  zu  reden;  wenn  er  sie  niederlege  und  um  Gnade  bitte, 
könne  man  vielleicht  Einiges  zugestehen.  ^^3     Und   wozu  ein  so 
unwürdiger  Schritt?    fragt  der  Redner;     will  man  Unterwerfuno* 
fordern?  er  wird  sich  nicht  unterwerfen,    und  wenn  er  es  woll- 
te ,  werden  Lucius  und  seine  anderen  Genossen  es  nicht  gestat- 
ten;''*)    will  man  ihn   abfinden,    ihm  etwa ,    wie  verlautet,  das 
jenseitige  Gallien  geben  ?'^>'  wo  er  auch  sein  mag,  und  dort  be- 
sonders ,  wird  er  Rom  geführlich  sein.     Er  hat  bereits  als  Con- 
sul  gezeigt,    wessen  er  fiihig    ist;     unter    schrecklichen  Drohun- 
gen hat  er  sich  entfernt,  und  dass  er  sie  vollziehen  Avird,  verbüro-t: 
seine  Reise  nach  Bruudusium,  sein  Rauben  und  Morden  auf  dem 
Wege  nach  Mutina.     Wenn  er  so  an  Menschen   handelt,    welche 


71)  c.  1.  2,   11.     72)  c.  9.  10.  12.     73)  c.  1.  (2.)  74)  c.  9.  H.     75) 


2  34  V.  ANTONII.      (14.  §.  35.) 

ilin  niclit  beleidigt  liaLen,  wie  •wird  der  Senat  für  die  gegen 
ilm  gerichteten  Beschlüsse  Uüssen?  Die  Güter  der  Senatoren 
sind  schon  aufgezeichnet,  sind  schon  vcrtheilt.  '''')  Und  an  An- 
tonius will  man  Gesandte  schicken?  Kann  man  ihn,  selbst  wenn 
er  gehorcht,  wieder  in  Rom  aufnehmen?'^) 

Die  (Gesandtschaft  wird  also  nutzlos  sein^  sie  wird  nur 
grosse  Nachtheile  bringen ,  was  man  auch  antragen  oder  gebie- 
ten mag,  denn  sie  wird  die  Truppen  und  ihre  Anführer  entmu- 
thigcn,  den  Eifer  der  Rlunicipien  und  ganz  Italiens  schwächen 
und  einen  unersetzlichen  Zeitverlust  bewirken,  nachdem  schon 
im  vorigen  Monat  nur  zu  viel  Zeit  verloren  ist.  '8)  Aber, 
konnte  man  erwiedern,  Antonius  hat  das  cisalpinische  Gallien 
vom  Volke  erhalten,  und  die  Vollmacht,  Brutus  zu  bekriegen.  '''•') 
Obgleich  der  Senat  diess  Gesetz  aufgehoben  hatte,  ^'')  so  war 
Cicero  doch  vorsichtig  genug,  den  schwierigen  Punct  so  zu  be- 
seitigen, dass  er  als  der  Vertheidiger  des  Volks  erschien:  8iJ  es  ist 
nicht  an  die  Gesetze  des  Antonius  gebunden,  weil  er  sie  auf  eine 
gewaltsnme  Art  und  mit  Nichtachtung  der  Auspicien  hat  bestätigen 
lassen.  ^-)  Antonius  ferner  machte  den  Streit  zur  Sache  der 
Parteien;  welcher  Parteien?  fragt  Cicero;  die  eine  ist  über- 
wunden, IMänner  der  andern,  die  Consuln,  der  Sohn  Cäsars, 
erheben  sich  gegen  den ,  Avelclier  einst  ihrer  Partei  angehörte, 
um  seine  ruchlosen  Entwürfe  zu  vereiteln,  ^V  Also  kein  Ver- 
zug mehr,  keine  Gesandte;  nicht  mit  Worten  muss  man  ihn 
angehen ,  sondern  ihn  mit  den  Waffen  zwingen,  Gallien  zu  räu- 
men; man  muss  zum  Kriege  schreiten,  ja  zum  Kriege,  f/jellumj 
und  sogleich ,  ihn  nicht  mehr  als  Bürger  anerkennen ,  ihn  äch- 
ten ,  auf  immer  ausstossen  aus  dem  Staate,  er  hat  sich  selbst 
durch  seine  Verbrechen  geäclitet,  der  Senat  ihn  am  20.  bereits 
für  den  Feind  des  Staats  erklärt.  ^*)  Cicero  verlangte  demnach: 
man  solle  einen  Tumult  beschlicsscn,  Gerichtsferien  ansagen, 
das  Kriegskleid  anlegen ,  in  ganz  Italien  -isheben  und  nieman- 
den vom  Kriegsdienste  entbinden;*^)  damit  nicht  täglich  neue 
Bcrathungen  nöthig  würden,  den  Consuln  unbedingte  Vollmacht 
geben,  das  Heil  der  Republik  walirzunchmen ,    und  den  Truppen 

70)8.9.11.12.  77)0.10.11.  78)2.  9.  10. 11.  12.  19.  fin.  79)  0»>en 
A.  42.  80)  A.  13.  81)  Nicht  so  hei  App.  3.  558.  ii.  bei  Dio  45.  20. 
y-l)  5  rhil.   3.    1.     83)  c.  J2.      >>1)  c.   S  —12.     85)  c    11.  0  IMiil.  1.  .«:,  2 


V.   ANTONII.       (14.  §.  35.)        235 

des   Antonius    Bcgnatligiing   zusichern,    wenn    sie    ihn   vor   dem 
J.  Februar  verlicssen.  ^"J 

Nur  in  der  Stelle ,  -welche  die  Fassung  des  Senatsbesclilus- 
ses  unuiittcUiar  betraf,  bediente  er  sich  des  Ausdrucks  :  Tumult, 
•weil  er  wusste,  dass  er  mit  seinem  Vorschlage  sonst  gar  nicht 
durchdringen  Averde,  übrigens  nannte  er  jetzt  und  später  den 
Kampf  mit  Antonius  nie  anders  als  Krieg,  und  ihn  selbst  Feind, 
(hostis)  ^^)  als  sei  er  scIjou  vom  Staate  geächtet,  schon  nicht 
mehr  Bürger,  folglich  nicht  vom  Bürgerkriege,  von  streitenden 
Parteien, 8^)  sondern  von  einer  durch  die  Gesammtheit  beschlos- 
senen Vertheidigung  gegen  einen  Nicht -Römer  die  Rede. 

Wegen  der  Einmischung  des  C'alenus  konnte  er  nur  erst 
auf  seine  Anträge  vom  20.  December  zurückkommen,  nach  de- 
ren Genehmigung  er  dem  Senat  zuzurufen  gedachte  :  ihr  habt 
den  Krieg  beschlossen.  Doch  sollten  dadurch  auch  die  Krieger 
in  ihrem  Vorhaben  bestärkt  und  zu  dessen  Ausführung  befähigt 
uerden,  vor  Allen  Octavian,  denn  von  ihm  hieng  das  Meiste 
ab,  und  er  war  am  wenigsten  zum  Kampfe  befugt  und  konnte 
am  leichtesten  wieder  abspringen.  Um  aber  diese  Absic];t  zu 
verschleiern  und  ihm  nicht  selbst  ein  gefährliches  Gefühl  von 
AVichtigkeit  zu  gehen,  wurde  nur  zum  Voraus  bemerkt,  dass  er 
der  Verdienteste  sei,^'-*^  und  dann  zunächst  für  Andere  Lob  und 
Belohnung  in  Anspruch  genommen,  deren  Hülfe  man  auch  be- 
durfte, und  deren  Anhang  im  Senat  günstig  gestimmt  werden 
musste.  Man  bemerkt  in  Ciceros  Vorschlägen  eine  Steigerung 
bis  zu  Octavian ,  bei  welchem  er  auch  am  längsten  verweilt. 
D.  Brutus,  dessen  man  in  seiner  Lage  ohnehin  gewiss  war,  geht 
aus  einem  wenig  schmeichelhaften  Grunde  vor,  als  „erwählter 
C'onsul;"  man  soll  es  billigen  und  loben,  dass  er  Senat  und 
Volk  die  Provinz  Gallien  erhalten,  in  Kurzem  ein  Heer  aufge- 
stellt und  von  seiner  Provinz  unterstützt  der  Republik  in  einer 
sehr  schwierigen  Zeit  Beistand  geleistet  habe.  Ohne  ihn  wäre 
Antonius  in  das  jenseitige  Gallien  eingedrungen,  und  dann  mit 
grosser  Macht,  mit  wilden  Barbaren  vor  Rom  erschienen.^*') 
M.  Lepidus  soll  der  Senat  bezeugen ,     dass  er  viel  Vertrauen  in 


8G)  5  Phil.  12.  cfr.  Dio  46,  29.  31.  Unten  §.  36.  A.  63.  u.  §.  38. 
A.  GG.  87)  Oben  §.  23.  A.  93.  f.  88)  14  Phil.  8.  89)  5  Phil.  11. 
90)  c.  13. 


23G  V.    ANTONII.         (14.  §.  35.) 

ihn  setze  und  seiner  Verdienste  gedenken  werde,     und  ihm   ein*; 
vcriroldete  Statue  zu  Plcrde  auf  der  Ilednerbiihne    oder  in  einer 
andern    Gegend    des    Marktes    errichten.  ^0     Diese  Auszeichnung 
hatte  Ser.  Sulpicius  stets  als  übertrieben  getadelt,  '•'2)  und  der  Se- 
nat, so  lange  er  frei  war,     nie    bewilligt,'-'*-'     daher    auch    nach 
Sulpicius  Tode  nur  eine  elierne    Statue    zu    Fuss    sein  Andenken 
verewigen  sollte,  nicht  eine  vergoldete    zu  Pferde,  welche  Sulla 
als   Herrscher    erhielt.  '-^^J      Auch    Andere    waren    zu    Pferde    auf 
dem  Markte  '■'^)     und    selbst  auf   der  Rednerbühne  '■^^J    abgebildet, 
noch  vor  nicht  langer  Zeit  Ponipejus,  '■'^)  und  ohne  Zweifel  auch 
Cäsar,    da  man  ihn  auf    alle    Art    durch    Statuen    ehrte; '"Oj    „„^ 
also    nicht    mit    Manutius    in    den    Nachrichten     des    Cicero    und 
Vellejus    einen    Widerspruch    zu  finden,     muss    man    die    Vergol- 
duno-  in  Rechnung  bringen,    auf  welche  jener    zugleich    anträgt. 
Seine  wahren  Gründe  sind  schon   erwähnt.     Er  war  eben  so  er- 
finderisch, Verdienste  als    Verbrechen  zu    ersinnen    oder    hervor- 
zuheben: Lepidus  hat  sich  immer  für  die  Freiheit  des  i'ömischen 
Volks    erklärt,    unter    andern,     als    Antonius  Cäsar    das  Diadem 
überreichte,     Avelches    bei    dieser  Gelegenheit    in  Erinnerung  ge- 
bracht Avird:   er  hat  nach  dem  Tode    des  Dictator    grosse  xMässi- 
o-un"-  bewiesen,    und    den  Frieden   mit  Sex.  Pompcjus  ')    herge- 
stellt. 2) 

Nun  gieng  Cicero  zu  dem  Wichtigsten  und  Schwierigsten 
über,  wobei  er  den  meisten  Widerspruch  erwartete,  •*)  weil  es 
weder  den  Anhängern  der  Befreier  ,^*)  noch  den  Freunden  des 
Antonius,  noch  denen  gefallen  konnte,  welchen  eine  schnöde 
Verachtung  der  Gesetze  und  der  Verfassung  nicht  gleichgültig 
•H'ar  ^^  oder  der  Sohn  Cäsars  dem  Staate  gefährlicher  zu  sein 
schien,  als  Antonius,  <»)  zu  dem  Ehrenbeschlusse  für  Octavian. 
Eine   Uebersiclit    seiner     Verdienste    bereitete    ihn   vor,  ^-^     uud 


91"\  c.  15-  ^"t  y"  o^^'"  '*"""  ffi  foro  vellct  {Lepidus) ;  ein  Zusatz, 
welcher  ihn  sehr  ehrte.  Plin.  34.  11.  (C.)  Unten  §.  4  7.  A.  42.  02)  9 
Phil.  6.  95)  5  Phil.  15.  90)  A.  92.  u.  App.  1.  410.  Die  42,  18.  43, 
49.  97)  Liv.  9.  43.  S.  unten  §.  30.  A.  34.  98)  pro  Dejot.  12.  fin.  99) 
Vellej.  2.  Gl.  Dio  42.  18.  S.  Pompeji.  100)  Vellej.  1.  c.  App.  2.  491. 
Dio  43,  14.  45.  S.  Julii.  1)  Aeniilii  Lep.  No.  21.  §.  2.  2)  5  Phil.  11. 
15.  3)  c.  10.  fin.  4)  c.  18.  5)  Oben  §.  24.  A.  21.  u.  46.  C)  c.  18. 
7)  c.   10.  üUlu  §.   25.  A.  66.  §.  31.  in. 


V.   ANTONII.       (H.  §.  36.)       237 

Worte  der  BeruMgung  folgten.  8)  Octavian  war  Privatmann, 
ein  Bandcnfiilircr,  ein  ilini  geleisteter  Eid  nicht  verpflichtend, 
er  selbst  als  .Majcstäts  -  A'erbrecher  dem  Gesetze  verfallen,  so 
bald  man  es  gegen  ihn  geltend  machen  konnte  oder  wollte,  und 
dalier  die  Berechtigung,  ein  Heer  zu  befehligen,  ein  Titel,  ivel- 
chcr  sie  in  sich  schloss,  Bedürfniss  für  ihn.  '■*)  Längst  liatte 
Cicero  sie  ihm  verschaffen  sollen,  "^^  Avelcher  jetzt  vorschlug, 
man  möge  ihn  zum  Proprätor  ernennen,  ihm  Sitz  und  Stimme 
im  Senat  mit  prätoriscliem  Range  und  die  Befiigniss  geben,  um 
die  höheren  Ehrenstellen  sich  so  zu  bewerben ,  als  sei  er  im 
vorigen  Jahre  Quästor  gewesen.  ^^)  Für  den  Quästor  L.  Egna- 
tulejus,  welcher  Antonius  die  vierte  Legion  entführt  hatte,  '2) 
forderte  er  das  Recht,  drei  Jalir  vor  der  gesetzlichen  Zeit 
höhere  Würden  in  Rom  zu  suchen  und  zu  übernehmen,  ^•^)  und 
endlich  für  die  Truppen  Octavians  folgende  Belohnungen:  so- 
wohl die  Veteranen  in  seinem  Heere,  als  die  Legion  des  Mars 
und  die  vierte,  und  die  Soldaten  der  zweiten  und  fünf  und 
dreissigsten,  welche  von  Antonius  abgefallen  waren,  sollten  vom 
Kriegsdienste  frei  sein,  sie  und  ihre  Kinder,  mit  Ausnahme  ei- 
nes Tumults  in  Gallien  oder  Italien,  die  Consuln  Acker  unter 
sie  vertheilen,  die  Legionen  nach  geendigtem  Kriege  entlassen 
werden  und  so  viel  Geld  aus  dem  Schatze  erhalten,  als  Octa- 
vian i"*)  ihnen  versprochen  hatte,  i^)  Mehrere  widersetzten  sich 
Cicero,  sofern  er  auf  Krieg  drang,  insbesondere  L.  Piso,  weil 
man  niemanden  verdammen  könne,  ohne  ihn  gehört  zu  haben;  "») 
dennocli  hatte  jener  eine  starke  Partei  für  sich, '")  als  die  Zeit 
der  Sitzung  an  dem  ohnehin  kurzen  Tage 'S)  verflossen  war. 


§  .36. 

Am  andern  Morgen  wurden  die   Bcrathungen  fortgresetzt.  '") 
Dio  dachte  bei  der  Nachricht,     dass    der    Senat  voll   Besorgnis» 

8)  c.  17.  18.  §.  25.  A.  86.  f.  Ö)  c.  16.  fin.  10)  §.  33.  A.  70.  11) 
c.  17.  12)  §.  32.  A.  45.  13)  c.  19.  11)  §.  31.  A.  28.  §.  32.  A.  47. 
15)  c.  19.  Unten  §,  30.  A.  30.  f.  10)  App.  3.  559.  17)  G  Phil.  I.  7,  4 
App.  1.  c.  Dio  46.  29.  18)  cfr.  ad  Att.  1,  17.  §.  3.  19)  App.  n,  Dio 
11.  er. 


238  V.  ANTüNH.        (li.  §.  30.) 

wegen  des  Kriegs  und  wegen  der  Anzeichen  sich  auch  an  un- 
glücklichen Tagen  versammelt  habe,  ohne  Zweifel  an  den  2. 
Jauuar.2<>)  Wenn  aber  hr  Tag  nach  den  Nonen ,  Iden  und 
Calenden  in  Beziehung  auf  Schlachten  und  Comitien  für  einen 
unglücklichen  galt,-'^  so  scheint  es  doch  nicht,  dass  sich  diess 
auch  auf  den  Senat  erstreckte  und  man  etwa  nur  aus  Noth  eine 
Ausnahme  machte;  denn  es  werden  auch  sonst  Sitzungen  vom 
Zweiten  eines  Monats  erwilhnt  und  als  etwas  Gewöhnliches,  wel- 
ches gegen  keine  Vorschrift  der  Pontifen  verstiess.  '-)  Die 
Consuln  und  die  anderen  Gegner  des  Kriegs  würden  gern  einen 
Vorwand  benutzt  haben,  die  Verhandlungen  zu  unterbrechen, 
denn  sie  fürchteten  den  Ausgang,  das  Ergebniss  einer  Abstini- 
munc:,  und  verhinderten  diese  durch  den  Einspruch  des  Tribuns 
Salvius.  --^J  Der  Ehrenbeschluss ,  welcher  A'on  Cicero  beantragt 
war,  wurde  dagegen  genehmigt;  man  bewilligte  sogar  mehr, 
als  er  gefordert  hatte,  von  der  einen  Seite,  um  die  Gemüther 
zu  beruhigen,  von  der  anderen  aus  Liebe  zu  Octavian  -*)  und 
weil  man  hoffte ,  dass  eine  Kriegserklärung  um  so  gewisser  fol- 
«■en  werde.  D.  Brutus  wurde  belobt,  -^)  und  M.  Lepidus  eine 
vergoldete  Statue  zu  Pferde  auf  der  Rednerbühne  mit  einer 
ehrenden  Inschrift  beschlossen, 26j  -wofür  er  dem  Senat  gar  nicht 
und  Cicero  sehr  spat  und  nur  gelegentlich  und  lau  seinen  Dank 
bezeugte,  weil  er  die  unlautere  Absicht  erkannte  und  nicht  ge- 
bunden sein,  sondern  nach  den  Umständen  handeln  wollte.-^) 
Die  grösste  Auszeichnung  war  Octavian  vorbehalten.  -^J  Ob- 
gleich Privatmann  wurde  er  ermächtigt, -O.'  mit  dem  Titel  eines 
Proprätor ,  ^^^    mit  Lictoren ,    Fasces  und  den  übrigen  Insignien 


20)  45,  17.  21)  Liv.  6,  1.  Macrob.  Sat.  1  ,  15.  fin.  16.  22)  ad 
Altic.  1,  17.  u.  4,  2.  23)  App.  3.  559.  5C0.  5G1.  4,  598  (in.  Cic.  0 
Phil.  1.  7,4.  14,  7.  Er  gebot  nach  Appian,  sie  auf  den  folgenden  Tag 
zu  verschieben;  cfr.  Cic.  pro  Sext.  34:  nrc  aitsus  est  {Atiliits  liic  Garia- 
nus)  cum  esset  empti/s,  intercedere;  nnctem  slhi  ad  dcUheraiidum  jiostii- 
lavit.  Clnmor  senalus  —  Ille  se  iifjirmare  poslero  die  mororn  nuUain 
esse  facturntn.  Creditum  est.  24)  Nach  den  unäch(en  Briefen  Cic.  an 
Brutus  ep.  15.  bewirkte  sein  Stiefvater  I/.  Pbilippns,  dass  er  eine  Statue 
erhielt,  und  Ser.  Sulpicius  nebst  Servilius  den  Tbeil  des  Beschlusses, 
welcher  seine  Bewerbung  um  Staatsämler  betraf.  25)  App.  550.  20)  13 
Phil.  4.  27)  ad  Fam.  10,  27.  34.  28)  7  Phil,  3.  29)  11  Phil.  8.  im- 
penu/n  cxtraordinarium.     30)  Üben  §.  32  fin. 


1 


V.  ANTONII.        (11.  §.  3G.)      239 

das  von  ihm  geworbene  Hce/  anzufülircn,  ")  mit  dem  Range 
eines  Consuiars  in  der  Curie  zu  stimmen,"*-)  und  ze!in  Jahr 
vor  der  gesetzlichen  Zeit  sich  um  das  Consulat  zu  bewerbeu ; '^^^ 
ül)erdiess  Mollte  man  ihm  eine  vergoldete  Statue  zu  Pferde  auf 
der  Rednerbühne  errichten.  •**>  Seinen  Trupjjen  versprach  man 
nach  Ciceros  Vorschlage  Freiheit  vom  Kriegsdienste,  Aecker  und 
Geld. '•^J  Jener  unterschied  die  ^'eteranen  und  die  Legionen, 
welche  übergegangen  waren;  den  Ijctztern  sollte  man  so  viel 
Geld  zahlen ,  als  Octavian  ihnen  zugesichert  hatte.  ^'')  Darin 
lag  etwas  Unbestimmtes,  vielleicht  eine  Arglist;  denn  die  Be- 
günstigung des  einen  Theils  konnte  den  Neid  der  Uebrigcn  und 
Uneinigkeit  erregen,  •'^)  und  es  einst  erleichtern,  den  Anführer 
KU  stürzen.  Auch  blieben  die  Legionen  ungewiss,  ob  ihnen 
nur   500  Denare  zugedacht  waren,     das    von  Octavian  gebotene 


31)  8  Phil.  11.  11,    8.  13,    10.  18.  14,    8.   10.    Mon.  Ancyr.  tab.  1. 
Jn.    Liv.   118.    Vellej.  2.  Gl.    Tacit.  A.   1.    10.    Suef.  Oct.   10.  App.   3.   559. 
508.  Dio    40.    35.     Plut.    Cic.    45.     Anlon.   17.     Zon.   lU.   14.     Obser.    128. 
S2)  App.  559.     Darnach    hat   ChishuU   Mon.    Ancjr.    talt.   1.  v.  4.  ergänzt 
und  Antiq.  Asiat,  p.  182.  benierlit,    dass  Dio  46,    29.  zu  der  irrigen  An- 
galie,    Oct.  habe  unter  den  gewesenen   Quästoren  stimmen   sollen,    wahr- 
scheinlich  durch  Ciceros  Vorschlag  (5  Phil.   17)    verleitet    wurde,     ihn  zu 
höheren  Aemtern  zuzulassen,     als    sei    er  Quästor  gewesen.     Füi*  Appian 
spricht,    dasa  man  auch  übrigens  in  diesem  Sen.  Beschl.    mehr  gewährte 
als  verlangt  war.    Vgl.  Dio  40,    46.     33)   App.  I.  c.  u.  582.  Dio  4G,  29. 
34)  App.    1.    c.    u.    568.    Vellej.    2.    61.    Eckh.  6.  p.   73.     Mit  .Statuen  zu 
Pferde   belohnte  man  nach    Plin.  34.    13.  (6.)  schon  sehr  früh,    wie  Cloe- 
lias  Beispiel  beweis't;    cfr.  Liv.    2.   13.  338  v.  Chr.  setzte  man  den   Coss. 
Camillus    u.    Maenius    Statuen    dieser  Art  auf  dem   Markte    Liv.  8.   13.  n. 
306.  dem    Cos.  Marcius    Iremulus    ebenfalls    auf  dem   Markte    Liv.  9.  43. 
Plin.  34.   11.  (6.)  Cic.  6  J'hil.   5.     Diese  alle    waren  nicht    vergoldet;    die 
erste  vergoldete  Statue  liess  M'  Acilius    Glabrio  a.   JSl  für  seinen  Vater 
verfertigen,    welcher  bei  Tbermopylä  über  Antiochus  gesiegt    hatte.     Liv. 
40.    34;     später    wurden  berühmte    Römer  häufig  in  vergoldeten  und  auch 
zu    Pferde    auf    Kosten    ihrer    Nachkommen    oder   Verwandten    abgebildet. 
Cic.  ad  Att.  6.   1.  §.   J4.     Demnach  deutet  Vellej.  1.  c.   in   der  Bemerkung, 
30O   Jahr   vor    Octavian  sei  bis  auf  Sulla,     Pompejus  und  Cäsar  niemand 
vom   Senat  mit  einer  Reiterstatue  auf  der  Rednerbüline  geehrt ,  auf  jenen 
Marcius,    wie  Cicero   5   Phil.    15.   behauptet,     eine    vergoldete    dieser  Art 
■ei  von  einem   freien  Senat  bis  dahin  niemandem  beschlossen,     cfr.  Noris. 
C«not.    Pis.    diss.    3.    c.    8.     35)- 7  Phil.  3.  14,    11.  14.  App.  3.  560.    Dio 
40,  29.     30)  5  Phil.  19.     37)  App.   3.  508. 


240  V.   ANTONII.  (14.  §.  36.) 

Handgeld ,  38)  oder  5000 ,  der  von  ihm  verheissene  Lohn  des 
Sieges, -'S)  Die  schreibt,  man  habe  ihm  die  Summen  ersetzen 
wollen,  welche  er  von  seinem  Privatvermögen  den  Soldaten 
gezahlt  habe,*")  ein  entschiedener  Irrthum,  denn  es  handelte 
sich  nicht  um  eine  Entschädigung  für  ihn,  sondern  um  eine 
Belohnung  seines  Heers;  nach  Appian  liatten  nur  die  Legionen, 
•\velclie  von  Antonius  abgefallen  waren ,  Geld  zu  erwarten ,  *') 
■und  zwai"  5000  Denare.  ^-J 

Die  Frage  über  Krieg  tind  Frieden  war  nicht  erledigt, 
ahcr  die  Feinde  des  Antonius,  welcher  diese  Beschlüsse  Lob- 
hudeleien und  giftige  Geschenke ,  Bestecliungen  und  verderblich 
für  die  Kriegszucht  nannte, ^■^>'  hatten  doch  den  Senat  noch 
mehr  verwickelt,  und  hofften,  dass  der  Tribun  am  folgenden 
Tage  sie  nicht  hindern  und  dann  die  Mehrzahl  für  den  Krieg 
stimmen  werde.  '**J  Li  der  Nacht  vom  2.  zum  3.  Januar  bega- 
ben sich  Julia  und  Fulvia,  die  Mutter  und  Gemahlinn  des  Be- 
droliten,  mit  seinem  noch  sehr  jungen  Sohne  und  seinen  Ver- 
wandten und  Freunden  zu  den  angesehensten  Senatoren ,  um 
ihren  Schutz  zu  bitten,  und  am  Morgen  des  3.  erschienen  sie 
in  Trauerkleidern  und  mit  Klaggeschrei  am  Eingange  des  Tem- 
pels, in  welchem  der  Senat  sich  versammelte.  4j)  Sie  gewan- 
nen wohl  niemanden,  der  nicht  ohnehin  im  eigenen  Literessc 
für  sie  w  ar ,  aber  sie  fürchteten ,  und  diess  bestätigt  Ciceros 
Versicherung ,  dass  er  auch  jetzt  noch  grosse  Hoffnung  zum 
Siege  hatte.  '^'^) 

Seine  Rede  für  den  Krieg,  worin  er  seinen  Antrag  vom 
1.  Januar  vertheidigte  und  Salvius  von  fernerem  Widerstände 
ahrieth ,  wenn  auch  nicht  mit  den  Worten ,  w  eiche  Appian  ihm 
in  den  Mund  legt,  wurde  von  seiner  Partei  mit  ungestünieni 
Bcifalle  aufgenommen.'^)  Kein  Anderer  konnte  sich  Gehör  ver- 
schaffen, bis  L.  Piso  auftrat.  Dieser  sprach  nicht,  wie  berich- 
tet wird,  ^s;  denn  er  hätte  Falsclies  gesagt,  z.  B.  Antonius  habe 
in  Ciceros  Gegenwart  das  cisalpinische  Gallien  vom  Volke  er- 
halten,    aber    seine  Rede  trägt  das  Gepräge    seiner  persönlichen 

38)  Oben  §.31.  A.  28.  39)  §.  32  fiD.  40)  1.  c.  41)  3,  500.  501. 
507.  508.  571.  42)  500.  574.  579.  43)  13  Phil.  17.  App.  507.  44)  App. 
500.  45)  Das.  u.  504.  fiii.  Oben  §.  30.  Anm.  75.  40)  G  Phil.  1.  7,4. 
47)  App.  501.  fin.  cfr.  7  Phil.  4.     48)  App.  3.  502  —  500. 


V.  ANTONII.         (14.  §.  30.)        241 

\'erhältn!ssc,  welche  ihn  zum  Gegner  der  Verschworenen  mach- 
ten. Er  äussert  sein  Befremden,  dass  Cicero  einen  Zeitjtunct 
zur  Anklage  wiihle,  wo  Antonius  abwesend  sei,  und  die  \'erur- 
thcilung  sogleich  wolle  folgen  lassen,  oline  die  Vertheidigung 
zu  erwarten;*''^  dass  er  auf  eine  gesetzwidrige  Strafe  antrage, 
selbst  M'enn  die  Beschuldigungen  gegründet  seien,  denn  wer 
öffentliches  G'cld  untergeschlagen  oder  einen  Mord  begangen 
habe,  werde  nicht  für  einen  Staatsfeind  erkliirt;  dass  sich  aber 
durchaus  kein  Grund  zur  Anklage  finde,  und  die  Vorgänge  im 
diesseitigen  Gallien  zu  vertreten  dem  Volke  obliege,  besser 
aber  ihm  nicht  zugcmuthet  werde,  weil  es  sich  leicht  erinnern 
könne,  dass  es  einst  allein  berechtigt  gewesen  sei,  über  Krieg 
und  Frieden  zu  entscheiden.^"^  Cicero  AvoUe  sogar  ungeschehene 
Dinge  bestrafen,  ..ie  Absicht  des  Antonius,  Herrscher  zu  wer- 
den; dieser  begehre  die  Herrschaft  niclit,  sonst  habe  er  längst 
dazu  gelangen  können,  auch  bürge  sein  A'erfahren  dafür,  die 
Strenge  gegen  die  Krieger,  die  Aufhebung  der  Dictatur  u.  s.  f. 
Man  möge  ihm  daher  Gallien  überlassen,  welches  ihm  das  Volk 
gegeben  habe,  D.  Brutus  nach  Macedonien  schicken,  seine 
Truppen  zurückbehalten,  auch  die  Legion  des  Mars  und  die 
vierte  von  Octavian  abrufen ,  dann  könne  der  Senat  frei  und 
furchtlos  beschliessen.  Piso  nahm  in  der  Angelegenheit  des  An- 
tonius die  Ehre  und  die  Gesetze  seines  Schwiegersohns  in  Schutz, 
dessen  Mörder  durch  jenen  unterdrückt  werden  und  büssen,  und 
bei  dem  Sohne  des  Ermordeten  nicht  Hülfe  finden  sollten.  Er 
empfahl  den  Frieden,  was  sein  Gutachten  auch  übrigens  besa- 
gen mochte ,  und  fortwährend  widersetzte  sich  die  andere  Par- 
tei. ^O  Aber  auch  jetzt  Hessen  die  Consuln  nicht  über  Cicero« 
Antrag  stimmen,  ^->'  sei  es,  dass  die  Reden  die  Zeit  hinweg- 
nahmcn ,  oder  dass  Salvius  bei  seinem  Einsprüche  beharrte. 

Endlich  einigte  man  sich    am  4.  Januar,  ^^^     an    demselben 


49)  6  Phil.  C.  Nunc  e?ii/n  sunt  —  qui  ila  loquatitur:  ne  legatos 
i/tiiihm  e.rprctabimus ?  50)  Liv.  4.  3Ü.  cfr.  45,  21.  sagt  nur,  dass  der 
.Senat  seit  327  au—  427  v.  Chr.  diess  Recht  nicht  mehr  aHein  ausge- 
übt habe,  sondern  sein  JJeschluss  zur  Genehmigung  an  das  Volk  gelangt 
sei.  51)  App.  3.  5GG.  52)  6  Phil.  1.  14,  7.  53)  6  Phil.  1.  flaque 
lincc  senletttia  —  per  tn'dtium  ealitit,  —  Hodierno  autcm  die  etc. 

Driiin.-iiin,   Gesrl:itlilp   Knm»  J.  ]  (> 


242  V.  ANTONU.         (14.  §.  3Ü.) 

Tage,  nn  weichem  (Hcero  darauf  zum  Volke  sprach.''*^  «Sehr 
geschickt  hatten  seine.  (Jegner  den  Streit  dem  (.Jebiete  der  l'ü- 
litik  entrückt  und  in  eine  llcclitsfragc  verwandelt,  wobei  feie 
sich  an  die  liilligkeit,  an  das  Gefühl  wenden  konnten,  wie  es 
in  Criminalfiillen  Sitte  war ,  ein  Kind ,  Frauen  und  Verwandle 
in  Traner  vorführen,  und  selbst  als  Anwälte  erscheinen,  wah- 
rend Cicero  sich  als  Richter  darstellte,  der  seine  Hrust  dem 
Mitleiden  versdiloss,  verurtheilcn  wollte,  ohne  gehört  zu  hüben, 
und  zum  A  erderben  des  ganzen  röuiisclien  Volks,  denn  die  Verurthci- 
lung  w.ir  Kriegscrklürung,  war  die  Loosinig  zum  Bürgerkriege 
Um  also  nicht  für  ungerecht,  für  unversöhnlich  und  blut'lürstig 
zu  gelten,  willigte  er  in  die  (.Jesandtschaft , ^''.'  bemerkte  aber, 
dass  er  sich  nun  eben  auch  nur  darin  füge,  und  sie  auch  jetzt 
noch  für  zwecklos,  für  unnützen  Zeitverlust  lialte;  ^'^)  ja  die 
Üebcrzeuijuna:,  dass  sie  nicht  zum  Frieden  führen  werde,  hatte 
einen  we.sentlichea  Antheil  an  seiner  Nachgiebigkeit,  und  trö- 
stete ihu-^^^*  Darnach  konnte  aber  der  Senat  ihn  nicht  beauf- 
tragen ,  die  Forderungen  aufzusetzen ,  w  eiche  die  Gesandte» 
überbringen  sollten,  und  Cicero  sich  nicht  damit  befassen,  wel- 
ches Appian  ^"»J  meldet  vuul  mit  der  Beschuldigung,  er  liabe  will- 
kührlich,  um  des  Kriegs  gewiss  zu  sein,  zu  viel  gefordert. 
Durch  eine  solche  Mitwirkung  würde  er  sich  des  Rechts  bege- 
ben haben ,  den  Schritt  des  Senats  zu  tadeln  ,  und  dieser  Jiättc 
das  Geschäft  nicht  in  schlechtere  Ilünde  lea:en  können.  Doch 
es  bedarf  keines  anderen  Beweises  gegen  Appian,  da  Cicero 
ausdrücklich  sagt,  die  Botschaft  sei  nach  dem  Gutachten  des 
Ser.  Sulpicius  abgefasst ,  ^'•*.)  und  unmittelbar  nach  der  Sitzung 
dem  Volke  crötl'nete,  was  man  Antonius  zur  l'tlicht  maclien 
wolle,  und  folglich  während  der  Sitzunsr  darüber  entschieden 
wai'.  ^'•"')  In  dieser  konnte  man  sich  aber  seines  Einflusses  nicht 
erwelu'en,  uiul  er  trug  ohne  allen  y^weifel  ganz  vorzüglich  dazu 
bei,  dass  man  gegen  seinen  Feind  so  strenge  verfuhr. 

Der  Sen.it  verfügte  nur,    sagt  Appian,    dass  Antouius  statt 


54)  G  Phil.  1.  3.  G.  55)  Das.  c.  (i.  IMinus  conlendi,  tni/ius  laboravi. 
50)  Dag,  c.  3.  4.  C.  7  PhH.  1.  8,  7.  12,  5.  13,  0.  11,  7.  57)  8  Phil.  7. 
58)  5flG.  59)  9  Phil.  3.  5'.) '•)  «  Phil.  2.  cfr.  7  Phil.  .1:  misset  inim 
legatoa  omnes  vidaU ;  deciili  vcstri  non  omnes  verOa  nuvcruHl, 


V.  ANTOML        (14.  §.  36.)         243 

(«alliens  (las  ihm  früher  überwiesene  Macedonien  ^^'>  verwalten  sollte, 
und  erniäclitigtc  Cicero,  das  Uebrige  zu  bestimmen;  Macedoniens 
wurde  aber  nicht  gedacht.''')  IJci  J)io,  welcher  die  Provinz  in 
derselben  Beziehung  erwähnt ,  ''-)  werden  die  Truppen  des  Anto- 
nius aufgefordert,  bis  zu  einem  gewissen  Tage  ihn  zu  verlassen, 
und  die  von  ihm  ernannten  Stattlialter  abgesetzt;  das  Erste 
hatte  vielmehr  Cicero  am  1.  Januar  vorgeschlagen,  <'•')  und  das 
Andere  der  Senat  bereits  am  20.  December  beschlossen.  <»*)  Die- 
ser gebot  Antonius ,  die  Belagerung  von  iMutina  aufzuheben, 
D.  Brutus  und  das  cisalplniscbc  Gallien  niclit  ferner  zu  beun- 
ruhigen ,  die  Provinz  zu  räumen  und  zu  dem  Ende  über  den 
Rubieon  zurückzugehen,  sich  aber  auch  Rom  auf  200,000 
Schritte  nicht  zu  nähern ,  die  Rüstungen  einzustellen  ,.  den  Ge- 
sandten Zutritt  zu  Brutus  und  dessen  Truppen  zu  gestatten, 
welchen  sie  das  Bclobungsdecret  vom  2.  Januar  einhändio-en 
sollten,  und  sich  den  Beschlüssen  des  Senats  und  des  römischen 
Volks  zu  unterwerfen.  ^'^'>  Man  kam  überein,  von  den  Waffen 
Gebrauch  zu  macheu,  wenn  er  nicht  gehorchen  werde,  und  zu 
dem  Ende  in  ganz  Italien  auszuheben.  Keinem  den  Kriegsdienst 
zu  erlassen,  und  die  Cousuln,  Einen  oder  Beide,  ins  Feld  zu 
schicken.  '*'')  Die  Consularen  Scrvius  Sulpicius  R-fus,  L.  Piso 
und  L.  Philippus,  der  Stiefvater  des  Octavian,  wurden  zu  Ge- 
sandten gewählt.  *''')  Sulpicius,  der  Aelteste  ,  und  nach  Ciceros 
Urtheil  auch  der  Einsichtsvollste,  entschloss  sich  bei  seiner  <re- 
schwächten  Gesundheit  nur  auf  die  dringende  Bitte  des  Senats 
und  des  Consuls  Pansa,  und  weil  er  selbst  für  die  Unterhand- 
lungen gestimmt  liattc,  eine  solche  Reise  im  Winter  zu  unter- 
nehmen. ^^) 

Als  der  Senat  entlassen  war,  spracli  Cicero  mit  Genehmi- 
gung des  Tribuns  P.  Appulejus  zum  Volke,  69)  welches  sich  voll 
Verlangen,  das  Ergebniss  der  langen  Berathungen  zu  erfahren, 
in    grosser    Anzahl    auf   dem    Markte   versammelt   hatte.  ''^)      Mit 


CO)  Oben  §.20.  A.  23.  61)  Unten  §.  39.  62)  46,  29.  Zon.  10,  14. 
63)  §.  35.  A.  80.  r,i)  §.  31.  A.  29.  65)  6  Phil.  2.  3.  7,  9.  8 ,  7.  12* 
5.  14,  2.  App.  3.  500.  Die  1.  c.  66)  6  Phil.  3.  fin.  7,  4.  S,  2.  Unten 
§.  37.  A.  78.  67)  8  Phil.  6.  10.  9,  1.  13,  0.  11,  2.  ad  Farn.  10,  28 
12,  4.  5.  68)  9  Phil.  1.  3.  4.  7.  Oben  §.  18.  A.  9.  69)  A.  54.  70)  6 
Phil.  7.  7,  8. 

16  * 


244  V.  ANTOMl.        (14.  §.  37.) 

wetiigen  Worfen  Itefricdigfc  er  Keine  Neugier,  um  «lann  über 
•Ich  Senat  und  über  seinen  Feind  (Jlericht  zu  lialten.  Er  suclite 
zu  beweisen  ,  dass  der  Krieg  aucl»  jetzt  nuch  eben  so  notliwen- 
dig  als  geAviss  sei,  'weil  zu  fiircbtcn  war,  dass  der  Kifer  der 
Menge  erkaltete,  wenn  ilir  die  Küstungen  als  überflüssig  er- 
schienen, ^')  und  weil  iln'c  Stimmung  auf  den  Senat  zurück- 
wirken sollte.  Drei  Tage  bindurcit  sei  die  Melirzalil  seiner 
ÄIcinuMg  gewesen,  dass  man  einem  Menschen,  welcher  sich  in 
ürtencm  Kriege  mit  der  Hepublik  befinde,  nicht  Legaten,  son- 
dern Legionen  sciiicken  müsse , ''--'  heute  sei  gleichwohl  das  Er- 
ste beliebt.  Dem  Volke  sei  es  missfallig,  und  mit  Hecht:  der 
Senat  verläuanc  seine  Würde  und  verliere  eine  kostbare  Zeit 
olinc  alle  llolVnuiig,  seine  Absicht  zu  erreichen,  denn  Antonius 
habe  nie  gehorcht ,  und  werde  auch  jetzt  nicht  gehorchen. 
Dann  gebe  es  keinen  A'orwand  mehr,  von  zu  grosser  Strenge 
zu  sprechen,  der  einzige  Vortheil ,  welcher  von  dieser  Mass- 
rcgel zu  erwarten  sei;^')  denn  wenn  auch  Antt^nius  sich  fügen 
wolle,  so  werde  seine  Umgebung,  sein  Hnider  Lucius  es  nicht 
ffcstattcn.  !\Ian  möjie  also  das  Kriea;skleid  in  Bereitschaft  lial- 
ten ,  und  dem  Redner  vertrauen ,  Avelcher  von  Dankbarkeit  durch- 
drungen und  von  einer  reifen  Erfahrung  geleitet  über  die  Erei- 
lieit  des  Volkes  Avache. 

§  37. 

Die  Parteien  hatten  sich  nicht  verglichen,  sondern  einan- 
der nur  gestattet,  ihre  Wege  in  entgegengesetzter  Richtung  zu 
verfolgen,  Avobei  der  Senat  in  einer  seltsamen  (lestalt  erschien, 
da  er  beiden  den  Namen  lieh.  Indess  Avaren  die  Gegner  des 
Antonius  im  Vortlicile,  sofern  sie  den  Krieg  Avollten.  Seine 
Freunde  Avussten  Avie  Cicero,  dass  es  niclit  mehr  bei  ihm  stand, 
dem  Senat  zu  gchorclien;  über  den  Rubicon  zurückgehen  hiess 
sich  für  besiegt  crkliiren ,  seine  Legionen  aullösen,  welche  ihn 
ohnehin  schon  zum  'i'licil  verlassen  hatten,  die  schAvankcnden 
Entschlüsse  der  Statthalter  jenseits  der  Alpen  entscheiden,  und 
Ocfavian  und  Rrutus  die  Vei-einigung  möglich  machen;  Avic 
einst  Cäsar  koinite  er  niclit  iiachijcbei) ,     sich    nicht  vor  Gericht 


71)  §.  35.  A.  78.     72)  Ü  l'hii.   I.  3.  (In.     73)  c.  C.  <| 


V.  ANTONH.        (14.  §   37)        243 

«stellen,  Ulli  sicii  über  Bcir»  Cousuliit  zu  reclitfcrtij^en ,  ohne  seiu 
liuupt  zum  Blocke  zu  tragen,  denn  sein  Todesuvtlicil  war  längst 
gefüllt.  Der  Krieg  wurde  also  durch  die  Cesand tschaft  nicht 
■»erijütct,  er  wurde  nicht  einmal  dadurch  verzögert;  denn  hei 
der  Lauheit  der  Consuln  gaben  die  Jahrszeit  und  die  unvollen- 
deten Rüstungen  schon  Vorwand  genug,  den  Entsatz  von  Mutina 
nocli  nicht  ernstlich  zu  versuchen.  Man  schadete  also  Antonius 
nur  in  der  öttcntlichcn  Meinung;  er  konnte  siel»  nicht  mehr 
ai4||das  Gesetz  berufen,  welches  ihn  zum  Kampfe  mit  Brutus 
ermächtigte,  seit  ihm  feierlich  eröffnet  war,  dass  Senat  und 
Volk  den  Kampf  untersagten;  er  erschien  nun  nicht  in  einem 
günstigeren  Lichte  als  Angegrift'ener ,  wie  Dio  glaubt,  '''^)  son- 
dern als  llochverrütlier,  wenn  er  nicht  gehorchte.  Doch  war 
er  klug  genug ,  die  Botschaft  nicht  wie  einen  Befelil ,  sondern 
wie  Vorschlüge  zu  einem  ^'ergleiche  entgegen  zu  nehmen. 

Diese  Wendung  fürclitete  Cicero ,  dasLS  Antonius  ihn  und 
seine  Anhänger  als  Parteigenossen  des  Brutus  und  Octavian  be- 
handelte, während  sie  als  Senat  zu  gebieten  gedacliten,  dass  er 
seine  Rechte  gegen  die  Ihrigen  in  die  Wagscliaale  legte,  Ge- 
genforderungen machte,  dadurch  den  Zwist  in  der  Curie  un- 
terhielt, bis  Mutina  gefallen  war,  und  sich  dem  Seheine  und 
der  Strafe  des  Ungehorsams  entzog.  Deshalb  sollten  nach  sei- 
nem Wunsclie  die  Gesandten  den  Beschluss  des  Senats  lediglich 
übergehen,  und  mit  einem  einfachen  Ja  oder  Nein  zurückkom- 
men ,  ^^J  und  diess  ihnen  nochmals  nachdrücklich  zu  empfehlen, 
gab  er  ihnen  am  .Morgen  des  5.  Januar,  dem  Tage  ihrer  Ab- 
reise,^*'-' mit  anderen  Senatoren  das  Geleit.''') 

Sofort  rückte  Hirtius  ins  Feld,  um  sich  mit  Octavian  zu 
vereinigen  und  den  Oberbefehl  zu  übernehmen.  Er  litt  an  den 
Folgen  seiner  Krankheit ,  aber  das  Loos  entschied.  "'V  Pansa 
war  noch  in  Rom,  als  Cicero  die  zwölfte  Philippika  hielt,  *^) 
und  hatte  das  Geschäft,    die  Rüstungen  fortzusetzen,    Geld  her- 


74)  4G,  30.  75)  8  Phil.  7.  8.  10.  70)  9  Phil.  4.  cfr.  7,  1.4.  14, 
2.  ad  Fani.  11,  8.  12,  2J.  Liv.  118.  App.  3,  5GG.  Dio  4G,  29.  7,on.  10^ 
14.  77)  0  Phil.  4.  78)  7  Phil.  1.  S,  2.  10,  10.  11,  10.  14,  2.  ad  Fam 
11,  8.  12,  5.  App.  3,  5ljb.  Dio  4t>,  3tt.  Plut.  Cic.  45.  Ant.  17.  Zou,  10» 
14.  Oros.  ü,  18.  Unten  §.  42.  A.  Sl.  79)  Luteu  §.  10.  A.  2.  ui^-i 
$.  43.  in. 


246  V.  ANTONir.  (11.  §.  37.) 

bciz«schafFen ,  und  die  erforderlichen  Senats-  und  Volksbeschliisse 
tu  veranlassen.  S"->  Die  Kriegs -Partei  -war  zu  stark,  als  dass 
er  sich  nicht  hätte  fügen  müssen,  obwohl  er  gleichzeitig  für 
die  Erhaltung  des  Friedens  Avirkte  und  Antonius  mehr  sclirecken 
und  zur  NacJigiebigkeit  bewegen,  als  sich  des  Sieges  über  ihn 
versichern  wollte.  Er  errichtete  Waffen  -  Werkstiitte  in  Rom, 
warb  sowohl  liier  als  in  dem  übrigen  Italien,  und  suchte  den 
Schatz  zu  füllen,  ^^)  wobei  man  ihm  angeblich  mit  der  grössten 
Bereitwilligkeit  entgegen  kam,  so  dass  kaum  von  einer  A|ib«- 
bung  die  Rede  sein  konnte ,  weil  man  sich  antrug.  ^-)  Doch 
erschien  er  nicht  ohne  Bewaffnete ,  ^^3  und  bald  musste  man  die 
Bürger  besteuern,    um  die  Kosten  des  Kriegs  zu  bestreiten.^*) 

Auch  Cicero  war  auf  seine  Weise  thütig;  er  sprach  und 
schrieb,  um  die  Gesandtscliaft,  welche  Krieg  ankündigen,  nicht 
um  Friede  bitten  solle,  ^^^  in  das  rechte  Licht  zu  stellen.  Denn 
leicht  konnte  Antonius  bei  den  Statthaltern  Gehör  finden,  wenn 
sie  glaubten,  dass  man  sich  ohnehin  einige,  oder  Brutus  daran 
verzweifeln,  entsetzt  zu  werden;  deshalb  versicherte  ihn  Cicero, 
dass  man  überall  günstig  für  ihn  gestimmt  sei  und  die  grössten 
Anstrengungen  mache ,  ihn  zu  befreien ,  dass  er  nur  selbst  dazu 
mitwirken  und  Hirtius  und  Octavian  die  Hand  bieten  möge.  ^'0 
Am  meisten  beschäftigten  Cicero  die  Umtriebe  in  Rom,  wodurch 
n)an  jene  Anstrengungen  zu  vereiteln  suchte ,  insbesondere  Fu- 
tius  Caleaus,    „weicher  einst  wegen   seines  Leichtsinus  in  einer 


80)  14  Phil.  2.  Der  Behauptung  Havercamps,  dass  alle  Münzen  mit 
der  Inschrift  C.  Pansa,  welche  sich  in  grosser  Anzahl  finden,  dem  Con- 
8ul  u.  diesem  Jahre  43  angehören,  wo  er  sie  zur  Bestreitung  der  Kriegs- 
kosten habe  schlagen  lassen,  ist  von  Eckhel  V.  p.  341  aus  Gründen  wi- 
dersprochen,  obgleich  der  Mangel  an  Münecn  von  Hirtius  aus  diesem  J. 
nichts  dagegen  beweis"! ,  da  hier  so  viel  vom  Zufalle  abhängt.  Die  De- 
nare mit  den  Namen  des  C.  Pansa  u.  Albinus  Brutus  (  Dec.  Br.)  u.  zwei 
in  einander  verschlungenen  Händen  sind  oftenbar  in  der  Zeit  dieser 
Rüstungen  geprägt,  und  geben  deren  Zweck  an.  V'aill.  Gens  Vibia  No. 
14.  Goltz  Fast.  a.  710.  Kckh.  I.  c.  «1)  7  Phil.  4.  8,2.  10,  10.  13,  X. 
14,  2.  ad  Farn.  12^  5.  App.  ii.  Dio  11.  cc.  &2}  ad  Farn.  11,8.  cfr.  ad 
Famil.  10,  5.  7  Phil.  4.  8.  9.  8 ,  2.  12,  3.  *3)  7  Phil.  4.  84)  Unten 
§.  40.  A.  31.     85)  ad  Farn.  12,  24.     86)  ad  Famil.  11.  8.: 


V.  AMONIL         (M.  §.  37.)         247 

rorTt'crflichcn  Saclic  für  populär  galt,^'^)  und  jetzt  in  einer 
fluchst  populären  dcui  \'olke  entgegen  war,  und  den  Namen 
fMnes  C'onsulars  niclit  verdiente."  ***)  Er  und  seine  Freunde 
«•mpfalileri  den  rriedeu ;  nur  aus  I*rivatliass  und  Racligier  erliebe 
iJicero  mit  der  Factiun  der  \  erschuovenen  das  Kriegsgesclirei; 
der  Staat  sei  in  (»efahr,  das  Opfer  ihrer  Wuth  zu  werden.  S'-*-^ 
Durch  erdichtete  Antworten  des  Antonius  bestärkten  sie  die 
Menge  in  der  Meinung,  dass  man  ihm  nicht  Befehle  überschickl, 
sondern  Lnterhandlungen  angeknüpft  habe, '•*'^)  um  dann,  wenn 
er  darnach  überliaupt  Forderungen  machen  konnte,  die  seinigen 
als  gerecht  und  gemässigt  darzustellen,  da  er  eine  allgemeine 
Entwaffnung  und  das  jenseitige  Gallien  als  Ersatz  für  das  cisal- 
pinische  verlange,  welches  ihm  vom  Volke  überwiesen  sei;  ihm 
darin  nachzugeben,  sei  billig,  den  verwegenen  Mann  und  seine 
Genossen  nicht  auf  das  Aeusserstc  zu  treiben,  der  Klugheit  an- 
gemessen. Seine  Briefe ,  worin  er  seine  siegreichen  lintcrneh- 
niungen  meldete,  wurden  vorgelesen  und  in  Abschriften  bekannt 
gemaclit,  damit  auclj  die  Furcht  zur  \  ersöhnung  stimmte  '"^ 

l'ansa  nahm  öffentlich  keine  Kenntniss  davon;  erwünschte, 
dass  die  Parteien  einander  das  Schwerdt  in  der  Scheide  hielten, 
zumal  da  er  als  Consul  dem  Kampfe  nicht  fern  bleiben  konnte. 
Auch  vermochten  weder  er  iioch  der  Senat  die  Freunde  des  An- 
tonius zum  Schweigen  zu  bringen;  es  auch  nur  zu  versuchen 
wäre  unter  ihrer  AVürde  gewesen,  denn  sie  hatten  geboten,  und 
mussten  voraussetzen  ,  dass  man  gehorchen  und  sich  damit  alles 
erledigen  werde;  der  Reibungen  in  der  Curie  und  der  Ausfälle 
gegen  Antonius  hatte  man  schon  genug  gehabt.  Dalier  berührte 
der  Consul  diese  Anicelejjenheiten  nicht,  als  er  nach  der  Abreise 
der  (Jcsandten  und  des  Hirtius'-'-J  den  Senat  berief:  er  trug  auf 
die  Ausbesserung  der  appischen  Strasse  und  des  Münzgebäudes 
an ,   ein  V.  Tribun  berichtete  über  die  Luperealien ,  deren  Feier 


Ü7)  Manul,  bezieht  diest  auf  d.  J.  52,  wo  Calen  als  V.  Tribun  nach 
Clodius  Tode  Milo  angefeindet  habe;  er  war  aber  a.  Gl  Tribun,  und 
weil  er  sich  <;lodiu8  nach  dessen  Vergehen  gegen  die  Bo/ia  l)ea  günstig 
«eigle ,  nach  Ciceros  Urtheiie  /fjvissimus.  ad  Att.  1.  11.  cfr.  ad  Farn.  5. 
6.  u.  8  Phil.  6.  fin.  88)  7  Phil.  2.  cfr.  §.  30.  A.  7G.  Man  hat  hier  an 
(,.  Piso  gedacht,  welcher  jetzt  nicht  in  Rouf  war,  89)  7  Phil.  1,  3. 
90)  Das.  1.  u,    1.  (in,     Öl)  Das.  1.  2.     92^  7  Phil.  1.   1.  9. 


248  V.  ANTOMl.  (II.  §.  37.) 

am  1 5.  FcbriKir  bevorstand.  '••^^  Ohne  Zweifel  sprach  Calcnus 
wieder  zuerst,'-**)  ihm  folgten  P.  Servilius  und  A.,!*^)  Avorauf 
Cicero  mit  verstecktem  aber  wiederlioltem  Tadel  des  Pansa,  -»vcl- 
chcr  über  Unl)edeutendes  das  AViclitigstc  ausser  Acht  lasse,  ^"^ 
die  Notliwcndigkeit  des  Kriegs  erwies.  Schon  hatte  er  sie  in 
der  .').  und  ü.  Philippika  erwiesen,  er  erschöpfte  sich  aber  auch 
in  der  7.  nicht,  denn  in  der  12.  kam  er  nochmals  darauf  zu- 
rück. Angeblich  wollte  er  verhüten ,  dass  der  Senat  durch 
Schmeicheleien  oder  Bitten,  durch  eine  erheuclielte  Billiffkeit 
des  Antonius  sich  täuschen  liess ,  und  ihm  irgend  etwas  ein- 
räumte, bis  er  allen  Forderungen  des  Senats  genügt  hatte;  ^'^^ 
in  der  That  aber  erstrebte  er  etwas  ganz  Anderes ,  nicht  Krieg, 
wenn  jener  nicht  gehorchte,  sondern  Krieg  unter  jeder  Bedin- 
gung, einen  Kampf  auf  Leben  und  Tod.  '^^) 

Seine  Gründe  sind  dieselben,  mit  welchen  er  sich  der  er- 
sten Gesandtschaft  widersetzt  hatte  und  sich  später  einer  zwei- 
ten widersetzte;  er  suchte  darzuthun,  dass  der  Friede  schimpf- 
lich sei,  weil  man  Antonius  bereits  für  einen  Staatsfeind  er- 
klärt habe  und  einen  durch  Laster  und  Verbrechen  Gebrand- 
markten nicht  wieder  in  die  Curie  aufnehmen  könne;  ^^)  dass 
er  gefährlich  sei,  weil  die  Antonier  und  insbesondere  Lucius, 
der  Verworfenste  unter  ihnen,  "^"J)  mit  Hülfe  des  Gesindels, 
welches  sie  im  vorigen  .Tahre  durch  das  Ackergesetz  und  durch 
andere  Einriclitungen  gewonnen,  alle  Macht  an  sich  reissen, 
rauben  und  morden  würden;  ^)  dass  er  unmöglich  sei,  "weil  man 
einander  zu  sehr  verletzt  habe,  um  sich  versöhnen  zu  können, 
auf  der  einen  Seite  Antonius,  auf  der  anderen  der  Senat,  die 
Ritter,  das  Volk,  die  Municipien,  Octavian,  D.  Brutus;-) 
sich  selbst  übergeht  der  Redner,  obgleich  er  nur  an  sich  denkt 
und  seine  Bcluiuptung  nur  von  ihm  gilt,  3)  auch  erwähnt  er 
niclit,  dass  er  eben  von  Anfang  planmüssig  dahin  gewirkt  hatte, 
jene  Alle  zu  feindlichen  Schritten  gegen  Antonius  zu  vermögen. 

Am  merkwürdigsten  wird  seine  Rede  durch  die  Umstände, 
unter  welchen  er  auftrat.  Mit  diesen  war  es  vereinbar,  wenn 
er  darauf  drang ,    die  Rüstungen  fortzusetzen ,    w  enu  er  vor  Si- 


93)  Das.  c.  1.  S.  §.  42.  A.  5.  !)1)  Oben  §.  35.  A.  üG.  95)  7  Pbil. 
0.  OG)  c.  1  u.  9.  97)  9.  98)  5.  C.  99)  3.  4.  5.  lOÖ)  g.  14.  A.  71- 
I)  0.    7.     2;  8.  9.     3)   12  Phil.  7.  f. 


V.  ANTOXII.        (II.  §.  38.)      249 

clierheit  warnte  iiiid  für  den  Fall,  dass  der  Friede  niclit  erhal- 
ten verde,  JMutli  einsprach;  die  Erklärung  aher,  dass  er  den 
Frieden  nicht  wolle,  unter  keiner  Uedingiing  wolle, '*^  Avar  günz- 
iich  ausser  der  Zeit,  war  so  unerhört,  dass  er  eine  besondere 
Einleitung  über  seine  Friedensliebe  vorausschickte,  dass  er  er- 
wartete ,  unterbrochen  zu  werdfen ,  und  sich  selbst  öttentlich 
(iiück  wünschte,  als  er  über  diese  „geführlichste  Stelle"  ohne 
Anstoss  hinüber  war.  Er  fragt,  wozu  diese  Rede,  da  wir  dcu 
Erfülsr  der  Gesandtschaft  noch  nicht  kennen?  ^J  und  so  frajreu 
wir  mit  ihm.  üurch  dcu  Antrag  „das  scheusliche  Ungeheuer" 
wie  auch  die  Antwort  sein  möge,  zu  vertilgen,  gritt'  er  wili- 
kührlich  und  gewaltsam  in  die  Entwicklung  der  Dinge  ein,  mit 
der  Zumuthung  an  den  Senat,  seinen  Bescliluss  ohne  den  min- 
desten rechtfertigenden  Anlass  zurückzunehmen,  sicli  durch  die 
Ankündigung  des  Kriegs,  eines  Bürgerkriegs,  einer  furchtbaren 
Verantwortlichkeit  zu  unterziehen  und  jedem  Anspruch^  auf 
Schonung  zu  entsagen.  Aber  gerade  diess  war  Ciceros  Absicht; 
sich  wohl  bewusst,  dass  man  sich  nicht  einigen  konnte,  ohne 
von  der  einen  Seite  seinen  Untergang  zu  fordern  und  von  der 
anderen  ihn  zu  bewilligen,  wollte  er  durch  eine  Beleidigung, 
die  zugleich  Verhöhnung  war ,  zwischen  Rom  und  Antonius  eine 
ewige  Kluft  befestigen, 

§  38. 

Unter  deh  drei  Consularen,  welche  als  Gesandte  des  Senats 
zu  Antonius  giengen ,  erreiclite  Ser.  Sulpicius  dessen  Lager 
niclit;  die  Beschwerden  der  Reise  im  Winter  und  auf  schlech- 
ten Wegen  verschlimmerten  seine  Krankheit,  *^)  und  er  starb  ia 
der  Nähe  von  Mutina.  ^)  Cicero  beklagte  diess  als  ein  grosses 
Unglück,  wodurch  der  Zweck  des  Unternehmens  vereitelt  sei; 
er  rühmte  den  Todten,  um  die  Lebenden,  seine  Geführten ,  her- 
abzusetzen, und  tadelte  diese,   um  die  Anmassung  des  Antonius 


4)  7  Phil.  3.  cfr.  12  Phil.  7.  5)  7  Phil.  9.  G)  Oben  §.  3ß.  A.  68. 
7)  9  Phil,  1.  wo  die  Worte:  fjuum  iam  ad  cofigressurn  ,  coUoquium  eius 
{.4/tlonii)  perrenissrt  etc.  nach  dem  Folgenden  u.  nach  c.  3.  7.  so  zu 
verstehen  sind,  dass  er  nicht  weit  mehr  vom  Lager  entfernt  war.  cfr. 
8  Phil.  7.  13,  14. 


250  V.  ANTONir.         (14.  §.  38.) 

«lest«)   l)cnicrklicher  zu  hiucIumi,     dessen  freche    Antwort  zu  über- 
bringen Sulj)Lt'ius  sicli  nie  würde  liergelielien  haben.  *") 

Für    Aiituniiis    war  dieses  Ercigniss    vorthcilhaft,     weil  da- 
durch   A  erziig    entstand ;     in    sofern    konnte    er    Freude     darüber 
eniptinden.  '■*)      Er     gab     Piso     und    Philippus     Gehör,      erlaubte 
ilincn     aber     nicht ,      sicli     auch    ihres    Auftrags    an    Brutus    zu 
entledigen,  "'-'     dessen    Belagerung    er    in    ihrer  Gegenwart  fort- 
setzte. ")     Nach    Ciceros    Ansicht    mussten    sie  sicli    aujrenblick- 
lieh  entfernen,  denn  sie  hatten  ihre  Antwort,  sie  lautete:   Nein, 
und   der    Krieg    war    entschieden;     als    Abgeordnete    des    Senats, 
und  selbst  Senatoren,    konnten  sie  nicht  langer  in  einem  Lager 
verweilen,  wo  der  Aufruhr  erklärt  war.      Allein  Piso,  angesehe- 
ner als  sein  Begleiter,     welcher    als    Stiefvater  des  Octavian  ein 
anderes    Interesse   hatte,     war    für    den   Frieden,     und  Antonius 
klug  genug,   ihm  entgegen  zu  kommen.      Seinen  Henkern  wollte 
er  sich  nicht  überliefern,  aber  auch  in  der  öffentlichen  Meinung 
sich  nicht  des  Ungehorsams  schuldig  machen ;   er  empfieng  daher 
den    Senatsbeschluss    als  Bedingungen,     unter    welchen  man  sich 
vergleichen    w'olle,     und    setzte    Gegenforderungen    auf,     welche 
nach    seiner    Versicherung    sehr    billig    waren ,  *-)      einen    neuen 
Zündstoff  in  die   Curie  Averfen,  sie  in  Unthätigkeit  erlialteu  und 
nöthigen  sollten,    durch  die  Ankündigung  des  Kriegs  als  dessen 
Urheber  zu  erscheinen.      Demnach  unterhandelte  er,    und  er  un- 
tei'handelte  mit  den  Waffen  in  der  Hand;    das  forste  bezeichnete 
seine  Gegner  als    Partei  und  das   Andere  fand  in   ilireni  eigenen 
Verfahren  seine  Rechtfertigung,  denn  ihre  Heere  rückten  heran.  '•' ' 
Wenn  es  einmal  zu  Erörteruns-en  kam,  so  konnte  es  Cicero 
nur    frommen,    wenn    Antonius    mit    grösster    Keckheit     auftrat, 
denn  desto  gewisser  war  auch   jetzt    noch  der  Krieg.     In  seiner 
Antwort  an  den  Senat  finden  sich  nicht  zu    hebende  Widersprü- 
che,    wenn  man  übersieht,    dass  Cicero  die  Sätze  verstellt,    um 
für  Witz  und  Vorwürfe  mehr  Spielraum  zu  gewinnen,  und  dass 
er  insbesondere  nacli  den  Bedincnnsen,    unter  welchen  Antonius 
die   AVaff'en    niederlegen   will ,     den    Ucbergang     zum     Folgenden 


8)  ad  Farn.  10,  2,«t.  12,  5.  8  Phil.  7.  9,  1.  S.  unten  A.  Gl,  u  02. 
0)  0  IMiil.  .1.  10)  8  |>hil.  7.  cfr.  0,  .1.  11)  S  Phil.  7.  12,  5.  13,  0 
atl   tarn,    ii,   1.      12)    IJ   I'hil.   J7.    IS-      13)   8  Phil.  2.   ÜIjcii  J.   37.   A.   7S 


V.  ANTOXIf.         Ol    §.  38.)       251 

mit  der  spottenden  Bemerkung  macht:  doch,  er  lüsst  schon  et- 
was nach,  statt  die  Worte  aus  dem  Schrcihen  anzuführen:  wenu 
der  Senat  diess  nicht  genehmigt,  so  entsage  ich  zwar  ehenfalls 
dem  diesseitigen  (Pallien,  verlange  aher  das  jenseitige  u.  s.  w.  '4) 
Dio's  Nachricht,  das  Schreihen  habe  das  Consulat  für  M.  Bru- 
tus und  C.  Cassius  in  Anspruch  genommen ,  um  bei  ihnen  den 
Angritt'  auf  I).  Brutus  ins  Vergessen  zu  bringen,  beruht  auf 
einem  Missverständnisse,  ^^)  und  nicht  weniger  irrt  Appian,  "•) 
wenn  er  Antonius  nach  dem  Versprechen ,  aus  Liebe  zum  Va- 
terlande zu  gehorchen,  gegen  Cicero  insbesondere  hinzufügen 
lässt:  er  werde  dem  betreffenden  Gesetze  gemäss  D.  Brutus  auch 
mit  Gewalt  aus  Gallien  vertreiben  und  ihn  statt  aller  Mürdcr 
züchtigen,  damit  der  Senat  endlich  entsündigt  werde,  welcher 
dadurch  seine  SchuUl  thcile,  dass  er  auf  Ciceros  Betrieh  ihm 
Beistand  leiste.  Wohl  mag  der  Imperator  über  diesen  im  Ver- 
kehre mit  Piso  Klage  geführt  haben ,  dass  er  so  plötzlich  Bru- 
tus Freund  geworden  sei,  ihn  im  Besitze  einer  angemassten 
Provinz  erhalten  wolle,  die  Truppen  durcli  Belohnung  dei  Meu- 
terei von  ihrer  Pflicht  abwendig  mache ,  ihn  und  Dolaoella  für 
Staatsfeinde  erkläre,  er,  der  den  Mördern  Cäsars,  von  welchem 
er  begnadigt  sei,  eine  Amnestie  bewilligt  habe;  er  werde  diese 
Amnestie,  die  ihnen  nicht  genüge,  zu  vereiteln  wissen; '^)  diess 
konnte  er  gegen  Piso  äussern ,  welcher  die  Mörder  seines  Schwie- 
gersohns und  Cicero  eben  so  wenig  liebte ,  aber  sein  Schreiben 
konnte  solche  Drohungen  nicht  enthalten. 

Er  erklärte  sich  bereit,  auf  Macedonien,  welches  ihm  vom 
Senat,  '^^  und  auf  das  cisalpinisehe  Gallien,  welches  ihm  vom 
Volke  überwiesen  war,'^^  Verzicht  zu  leisten, "")  das  Heer  ab- 
zugeben, in  den  Privatstand  zurückzukehren,  Alles  zu  vergessen 
und  sich  mit  seinen  Feinden  zu  versöhnen , -i)  wenn  man  seinen 
sechs    Legionen,     seiner     Reuterei     und     prätorischen     Cohorte 


H)  8  Phil.  9,  13)  40,  30.  35.  cfr.  Cic.  I.  c.  IG)  3,  567.  17)  App. 
.3.  5G15.  5Ü7.  18)  Oben  §.  20.  A.  23.  19)  §.  20.  A.  74.  20)  8  Phil.  8. 
(0.)  Ulramquc  procincium  remilto.  Die  falschen  Auslegungen  de«  Ma- 
nut.  u.  A.,  welche  hier  an  beide  Gallien  dachten  u.  s.  f. ,  sind  schon  v<j!i 
Ferrat.  bei  d.  St.  u.  von  Fabric.  bei  Uio  4li,  30.  beseitigt.  21)  Vgl. 
App.   u.    Dio   II.  cc. 


252  V.  ANTONir.        (li.  §.  38.) 

ücutc  ")  lind  Ackur -''v  gebe;  wciiii  diejenigen,  welche  von  ihm 
und  Dolabellft  Acker  erhalten  Iiahen ,  im  Besitze  bleiben;-'' 
wenn  in  dein,  was  von  ihm  und  seinem  Collegen  Dolabella  auf 
den  (jJriind  der  Papiere  CiisarS  im  C'onsiilat  beschlossen  sei, 
nichts  verändert  werde;  -•''•  wenn  man  von  der  Verwendung  des 
(Feldes  im  Tempel  der  ups  keine  Reclienschaft  fordere  ;2C^  wenn 
den  Sieben  nicht  zum  N.ichthcil  gereiche,  was  sie  gethan  ha- 
ben;'-'^  wenn  man  verspreche,  diejenigen,  welcliebei  ihm  seien, 
auf  keine  Weise  wegen  irgend  eines  Vergehens  in  Anspruch  7\x 
nehmen;  wenn  sein  Gesetz  über  die  Gerichte  gültig  bleibe.  -*-' 
Für  den  Fall,  dass  der  Senat  diess  verweigerte,  und  tr  also 
jetzt  nicht  mit  Sicherlieit  nach  Rom  zurückkehren  konnte ,  ver- 
langte er  das  jenseitige  Gallien  als  Entschädigung  für  das  cisal- 
pinische,  mit  Beibehaltung  seiner  sechs  Legionen,  welclie  aus 
dem  Heere  des  D.  Brutus  ergänzt  werden  sollten,  und  für  die 
Zeit,     wo    M.    Brutus   und   C.    Cassius    Consuln    sein    und    als 


22)  .'raedam,  nicht  praemia ,  wie  Garafoni  will.  In  der  Ueber- 
zeugung,  dass  man  ohnehin  auf  nichts  eingehen  werde,  erlaubt  sich 
Antoniua  hier  und  im  Folgenden  eine  bittere  Anspielung  auf  das  Ver- 
fahren des  Senats.  Octavian  hatte  den  Truppen,  und  zwar  dem  Ein 
zelnen,  für  den  Fall  des  Sieges  5000  Denare  verheissen,  (§.  32  fm.) 
und  der  Senat  auf  Ciceros  Antrag  vom  2.  Januar  auf  eine  übrigens  zwei- 
deutige Art  dieselbe  Summe.  (§.  35.  A.  15.  u.  §.  3(j.  A,  3ü.)  Nach  dem 
Siege  erhielten  die  Truppen  Beute,  oder  Geld  statt  der  Beute,  und  An- 
tonius, auf  dessen  Niederlage  gerechnet  war,  fordert  einen  Theil  für  die 
seinigen.  Die  Spitze  liegt  in  dem  scheinbar  Ungereimten ;  in  den  Worten 
Dios  (IG,  30):  wenn  man  seinem  Heere  eben  so  viel  gebe,  als  di'ui 
Heere  Octavians  beschlossen  sei ,  vermisst  man  sie.  23)  Cicero  und  des- 
sen Faction  hatten  das  Ackergesetz  des  L.  Antonius  von  a.  41  heftig 
getadelt  (§.  11.)  und  dann  den  Kriegern,  welche  gegen  Antonius  fechten 
würden,  selbst  Acker  versprochen.  (§.  35.  A.  15.)  Jener  verhöhnt  den 
Senat,  indem  er  scheinbar  unl)efangen  und  absichtslos  daran  erinnert 
und  für  sein  Heer  verlangt,  was  zum  Lohn  für  dessen  Vernichtung  be- 
stimmt war.  24)  Diess  bezieht  sich  auf  das  Ackergesetz  seines  Bruders 
Lucius.  (§.  14.  A.  58.)  Antonius  und  Dolabella  gehörten  zu  der  Com- 
raission  der  Sieben,  welche  die  Ländereieu  vertheilen  sollten,  (Jus.  A. 
G3  u.  64.)  und  der  Erste  >ersorgle  bei  dieser  Gelegenheit  seine  .Splel- 
nifil  Trinkgenosseii.  (§.  lü.  A.  C8.  f.)  25)  §.  M.  A.  3.  f.  12  Phil.  :».  13, 
12.  18.  2C.)  §.  9.  12  Phil.  5.  27)  Hier  A.  21.  13  Phil.  18.  28;  $.  14. 
A.  78.  f.  u.  Cic.  1.  c. 


V.  ANTOMI.  (14.  §.  38.)        253 

Proconsuln    Provinzen    verwalten     würden,      mithin     auf    fünf 
Jahre.  ^V 

Mit  dieser  Antwort  kelirten  Piso  nnd  Plillippu.s  am  Ende 
des  Januar  oder  im  Anfange  des  folgenden  Monats  nach  Rom 
zurück,  wohin  L.  Varius  Cotyla  •'"')  sie  als  Botschafter  und 
Kundschafter  des  Antonius  hegleitete.  2')  Da  der  Krieg  nicht 
erklärt  war,  so  konnte  er  in  Uom  und  als  ehemaliger  Aedil 
auch  in  der  Curie  erscheinen,  und  C'alenus  ihn  wie  schon  frü- 
her Fulvia  hei  sich  aufnehmen.  ^-)     Seine  Gegenwart  war  Cicero 


20)  Cäsar  ernanule  vor  dem  Feldzuge,  welchen  er  gegen  die  Par- 
ther unternehmen  wollte,  Pansa  und  Hirtius  für  a.  43  und  D.  BrutuR 
uud  1..  Plancus  für  a.  '12  zu  C'onsulu.  (Julii.  Caesar  dictat.  a.  14.)  Nach 
diesen,  a.  41  konnten  M.  Brutus  und  Cassius  Consuln  werden,  da  sie 
ct.  44  Prätoreu  gewesen  waren.  Sie  hassten  Antonius,  und  obgleich  er 
nur  zum  Scheine  unterhandelte,  weil  er  nichts  hoffen  durfte,  was  er 
nicht  erzwang,  so  sollte  es  doch  nun  eben  auch  mit  gutem  Scheine  ge- 
schehen, und  man  musste  es  billig  finden,  dass  er  nach  einer  Verwei- 
gerung jeder  anderen  Bürgschaft  für  seine  Sicherheit  nicht  Privatmann 
sein  wollte,  so  lange  jene  vermöge  ihrer  Stellung  im  Staate  Einlluss 
hatten.  Nach  Cäsars  Bestimmung,  dass  niemand  eine  Consular- Provinz 
länger  als  zwei  Jahre  verwalten  sollte,  mussten  sie  die  Provinzen,  wel- 
i:he  ihnen  nach  dem  Consulat  zufielen,  a.  38  abgeben,  und  früher  endigte 
»ich  auch  Antonius  Statthalterschaft  im  jenseitigen  Gallien  nicht,  wenn 
er  es  auf  fünf  J.  erhielt,  das  J.  4.3.  in  dessen  Anfange  man  lebte,  mit- 
gerechnet, auf  so  lange,  als  es  einst  Cäsar  übertragen  war,  ihm,  der 
den  Dictalor  gern  nachahmte,  erwünscht,  eine  übele  "Vorliedeutung  für 
seine  Gegner.  (13  Phil.  IS.)  Des  von  ihm  veranlassten  Gesetzes  vom 
vorigen  Jahre,  welches  die  Verwaltung  der  Consular -Provinzen  auf  sechs 
Jahre  verlängerte,  ( §.  14.  fin. )  gedenkt  er  nicht,  und  gründet  keinen 
Anspruch  darauf,  weil  IM.  Brutus  uud  Cassius  es  sonst  auch  für  sich  gel- 
teud  machen  konnten,  und  er  im  Falle  der  Geuebmigungp  seiner  Artikel 
seine  Absicht  ohnehin  erreichte. 

Keineswegs  forderte  er  für  jene  das  Consulat,  um  sie  etwa  nach 
dem  An^'riffe  auf  D.  Brutus  zu  besänftigen,  und  in  der  Voraussetzung, 
dass  Uctavian  ihre  Wahl  nicht  zulassen  werde.  ( [)io  4G,  30.  31.  35.) 
Die  dunkelen  Worte  Ciceros ,  8  Phil.  9:  Iluius  rotnitiis  C.  Fruler  ^  eins 
est  enim  iam  frnniis,  ut  repuham  lu/il,  hat  Ferratius  richtig  dahin  er- 
klärt, dass  Cajus  Antonius,  praet.  a.  44  mit  M.  Brutus  und  Cassius,  mit 
ihnen  für  d.  J.  41  sich  um  das  Consulat  bewerben  konnte,  und  sein 
Bruder  als  gewiss  anniuimt  ,  er  werde  durchfailen,  worülter  Cicero  spot- 
tet. 30)  üben  §.  30,  A.  73.  31)  8  Phil.  8.  10.  11.  Dio  4G.  30.  Zon. 
10.   14.     ri"^  S  Phil.   10.     üben  §.  30.  A.  76. 


254  V.  ANTOMf.         (li.  §.  38.) 

äusserst  verhasst ,  an  sich,  weil  er  zu  «tcii  Krcundcn  seiiios 
l-ciiidcs  gehörte  ,  uiul  weil  der  Zweck  seiner  Sendung  sich  nicht 
verkennen  liess:  sie  sollte  öft'entlicli  hcurkunden,  dass  man  un- 
terhandle, und  d.iss  Antonius  hereit  sei,  sicli  zu  vergleichen, 
sollte  seine  Anhänger  spornen,  und  die  Furchtsamen  schrecken, 
da  die  Nachricht  v»(n  den  \  erhandlungen  unniittelhar  nachiicr 
durch  einen  genauen  Beobachter  in  das  Lager  gelangte.  Je  mehr 
man  indess  in  der  Wohnung  des  Calenus  sich  berieth,  desto 
lueiir  drängte  sich  zu  Cicero ,  wer  für  einen  Freund  der  Repu- 
blik gelten  wollte.  ■^•^J 

Ganz  Rom  Iiefand  sich  in  einer  furclitharen  Aufren-uni,   wie 
leicht     zu    erachten    ist,     als    Pansa    in    den    ersten    Tagen    des 
Februar  -^^ '    den    Senat    versammelte ,     ihn    von  dem  Erfolge  der 
Gesandtschaft    zu    unterrichten    und    einen   Rcschluss    zu    veran- 
lassen,    welclier    nacli    den    früheren  Bestimmungen  nur  noch  in 
einer    Kriegserklärung    bestehen    konnte.  •^■'^     Die    GutacJiten    der 
Wortführer  wichen  aber  sehr  von  einajuler  ab.      Calenus  empfalil 
den  Frieden  und  eine  zweite  Gesandtschaft;   ihn  leite  nicht  Vor- 
liebe   für    Antonius,     welcher    ihm    einst  mit    Undank  Aergolten 
Lalie ,  sondern  er  wünsche  den  Frieden,    jetzt  wie  immer,    weil 
er    die    Bedingung    der    allgemeinen    Wohlfahrt,     und  das  Glück 
und     das    Leben     seiner    Mitbürger    ihm    niclit    gleichgültig     sei. 
Die    meisten    Consularen    waren  seiner  Meinung.  •'*')     Für  Cicero 
schwand  die  letzte  Hoffnung,    wenn  die    Verhältnisse  mit  Anto- 
nius   auch  jetzt    niclit    abgebrochen    wui'den,     und    die  Truppen, 
welche    ihn    angreifen    oder    sich  gegen  ihn  vertheidigen  sollten, 
fürchten    musstcn,     dass    er    bald  im    Besitze  einer  grossen  Pro- 
vinz    und    eines    zahlreichen    Heers     Gelegenheit    finden     werde, 
sich    zu    rächen.      Er    bewies,     dass    der    Streit    sich  jetzt  noch 
weit    mehr    als    früher    nur    um    Worte    drehe.      Wenn  Antonius 
vor  den  Augen   der  Gesandten ,     durch  welche  der  Senat  es  ihm 
untersagt,     die  Belagerung  von    Mutina  fortsetze,     und  statt  zu 
gehorchen,    übermüthige  Forderungen  mache,    venn  auf  der  an- 
deren   Seite    ganz    Italien    zum    Kampfe  aufgeboten    werde,     der 
eine  Consul  rüste,     und  der  andere  bereits  im    Felde  stehe,    su 


33)  ad  Famil.  12,  4.     34)  Unten  A.  r.3.     35)  g.  36.  A.  66.    8  Pliil.  7. 
3G)  8  I>Lil.  4.   0.  7. 


V.   ANTONI!.       (Jl.  §.  38.)       255 

sei  dicss  Kriet^,  und  Krieg  müsse  man  es  nennen,'*^'  und  Va- 
riiis,  dem  Späher,  nicht  gestatten,  zum  Feinde  zuriickzukoli- 
ren.  •^^)  Alan  i.-iiignctc  nicht,  dass  der  Staat  sich  in  diesem  Zu- 
stande befinde, '^'•'^  die  Kriegserklärung  M'iirde  alter  dcnnocli  ver- 
worfen. Da  zeigte  1j.  Cäsar  einen  Ausweg;  als  l'reund  der  Ari- 
storratie  ■!",)  und  als  Oheim  des  Antonius  eiirncte  er  sich  zum 
Vermittler,  obgleich  er  sich  keinen  Dank  ciwarl),  am  wenigsten 
hei  seinem  Neuen,  denn  er  gedachte  hei  dem  \orschlage,  die 
Ansdrücke  Krieg  und  Feind  ( Äe//Mw ,  hosfis')  zu  vermeiden, 
und  dafür  Tunnilt  zu  sagen,  seiner  A'erwandtschaft,  und  gah 
damit  zu  erkennen,  dass  er  ohne  dieses  Verhältniss  anders  stim- 
men werde;  diess  wurde  auch  sogleich  von  Cicero  aufgefasst, 
und  Cäsar  mit  Blutsfreundschaft  und  —  Krankheit  entscliul- 
digt.  '»O 

fJIeichwöhl  fand  seine  Meinung  den  meisten  Beifall ,  auch 
bei  Pansa ,  welclier  am  Frieden  auch  jetzt  noch  nicht  verweifcl- 
te,  ^-)  aber  als  Consul  und  bei  dem  Verfahren  des  Antonius  sich 
vorerst  begnügen  musste,  das  Aeusserste  abzuwenden.  Ei  Hess 
nur  über  Cäsars  Vorschlag  stimmen,  welcher  angenommen  Avur- 
de, ''•'*)  und  zwar  so,  dass  man  Varius  nicht  an  der  Rückreise 
hindern,  ^*^  aber  am  dritten  Tage  nach  diesem  das  Kriegskleid 
anlegen  wolle.*^-'  Selbst  Appian  meldet  hier,  was  bei  anderen 
Schriftstellern  zu  lesen  weniger  befremdet,*''^  Antonius  sei  für 
einen  Feind  der  Republik  erklärt*^)  und  ihm  also  der  Krieg  an- 
gekündigt. 

Pansa  berief  den  Senat  auch  auf  den  folgenden  Tag,'*^.^  da 
nach  der  Eiitsclieidung  des  Wichtigsten  noch  Manches  zu  erledi- 
gen war.  Fir  theilte  ein  Schreiben  des  Hirtius  mit,  worin  die- 
ser die  ersten  kriegerischen  Ereignisse  bei  Claterna  meldete,*"-* 
und  berichtete  unter  andern    über    die   Massilier.  ^")     Sie    hatten 


37)  c.  1.  2.  7.  38)  c.  10.  11.  39)  c.  1.  40)  ad  Farn.  10,  28.  12, 
5.  41)  c.  1.  7.  ad  Farn.  10,  28.  42)  12  Phil.  1.  43)  8  Phil.  1.  2.  12, 
7.  14,  7  fin.  8.  semel  et  saepiiis  sententiam  meam  de  ninnrro  se?itenh'annn 
susti/ferunt.  Dio  46,  2U.  44)  8  Phil.  11.  lö)  Das.  2.  11.  10  Phil.  9. 
12,  7.  13,  10.  14,  C.  Liv.  HS.  Dio  40.  2!».  31.  40)  Dio  4G ,  31.  Zon. 
10,  14.  Gros.  6,  18.  47)  3,  507.  48)  8  PhU.  1.  7,  10.  49)  c.  2.  Tu- 
ten  §.    42.   A.    89.     50)   c.   G. 


256  V.    ANTON».         (14.*§.  38.) 

längst  die  Herstellung  ilirer  Rechte  gewünscht,  welche  ihnen 
a.  49.  von  Cäsar  entrissen  waren.  ■'''-)  In  aufgeregten  Zeiten 
wird  Alles  Parteisache;  bei  der  Möglichkeit,  dass  der  Krieg 
nach  Gallien  verlegt  Avurde,  wollte  Cicero  die  IMassilier  durch 
die  Gewährung  ihrer  Bitte  dem  Senat  gewinnen ,  Antonius  und 
Calenus  w  ai-en  eben  deshalb  dagegen ,  und  weil  Cäsars  Einrich- 
tungen bestehen  sollten. ''^-^  Doch  bestimmten  Cicero  ganz  andere 
Gründe,  das  Wort  zu  nehmen.  Seine  achte  Philippika  •'•*-^  war  ein 
Krguss  seines  Zorns  über  die  Sitzung  des  vorigen  Tages,  seines 
Unwillens  gegen  den  Consul,  die  Cousulare  und  die  Gesandten, 
ein  Versuch ,  nicht  sowohl  die  halbe  Massregel  des  Senats  durch 
einen  Zusatz  zu  ergänzen,  als  ihre  Nichtigkeit,  die  NothMen- 
digkeit  einer  Kriegserklärung  darzuthun.  Er  begann  mit  Vor- 
würfen gegen  Pansa,  dessen  Schlaftheit  es  zuzusclirciben  sei, 
dass  man  so  verkehrt  gehandelt  habe.  Den  Senatoren  eröftnete 
er ,  L.  Cäsar  habe  es  ihnen  nahe  genug  gelegt ,  dass  sie  ih|a 
nicht  beipflichten  sollten;  ob  sie  auch  Oheime  seien?  Ob  sie  bei 
einer  völligen  Sach  -  und  Begriffs  -  Verwirrung  nicht  einsehen, 
dass  der  Tumult  den  Krieg  in  sich  schliesse?  Jener  sei  nichts 
anderes ,  als  ein  Krieg ,  welcher  wegen  seiner  Nähe  in  Rom 
grosse  Furcht  und  Unruhe  errege,  dalier  man  auch  nur  von  ei- 
nem italischen  oder  gallischen  Tumult  spreche.  ^*-*  Einmüthig 
und  mit  Eifer  rüste  Alles  gegen  Antonius;  umgehe  man  den  rech- 
ten Namen,  so  werde  Alles  stocken  und  erstarren;  man  habe 
auch  gar  nicht  mehr  die  Wahl;  die  Sache  spreche  selbst,  denn 
schon  sei  Blut  geflossen,  und  auch  jene  Einmüthigkeit  bezeich- 
ne den  Kampf  als  Krieg,  da  nicht  Bürger  gegen  Bürger,  son- 
dern Alle  gegen  Einen  stehen,  solclie  ausgenommen,  welche 
nicht  werth  seien,  Bürger  zu  heissen.  ^^)     Auch  vertheidige  man 


51)  ad  Alt.  14,  M.  Julii  Caesar  Dict.  a.  49.  52)  8  Phil.  2.  13,  15. 
53)  Er  sprach  im  Anfange  des  B'ebniar,  nicht  15  Mär/,  Wetz,  vila  Cic- 
p.  40.  wie  schon  daraus  erhellt,  dass  er  c.  11.  bis  zu  diesem  Tage  eine 
Amnestie  bewilligt.  54)  S  l'hil.  1.  lelicr  die  Anordmiiigeii ,  welche  in 
diesem  Falle  gemacht  wurden,  s.  Liv.  3,  27.  4,  2G.  und  Cicero  selbst  1. 
c.  u.  oben  §.  35.  A.  85  —  S8.  55)  c.  2.  3.  Deshalb  also  ereiferte  sich  Ci- 
cero. Antonius  sollte  aus  der  Zahl  der  Bürger  ausgestossen,  einem  aus- 
wärtigen Feinde  gleichgestellt,  geächtet  werden,  damit  keine  A'ersohnung 
Statt  rinden ,  die  Gegenpartei  nicht  die  Aufreizung  zum  Bürgerkriege  rü- 


V.  ANTONII.        (14.  §.  38.)  257 

sich  nur,  und  das  Heiligste,  Hecrd  und  Altar,  und  locke  die 
Truppen  nicht,  wie  Antonius,  durch  die  Aussicht  auf  Raub 
und  Mord,  sondern  sichere  ihnen  die  edelsten  Güter  als  Lohn. 
Es  bedürfe  Calenus  Lobrede  auf  den  Frieden  nicht,  um  S5u  be- 
weisen, dass  dieser  dem  Kriege  vorzuziehen  sei;  niemand  fühle 
diess  mehr  als  er,  der  Zögling  des  Friedens.  So  aber  nenne 
jener  die  Sciaverei.  ,,l)u  hoft'st  wohl,  mit  Antonius  zu  herrschen? 
Dann  bist  du  ein  Selbstsüchtiger,  und  vergissest,  dass  Herr- 
schaft weder  Bestand  hat,  noch  Freude  bringt;  liat  sie  dir  frü- 
her genützt,  ^^)  wird  es  nicht  immer  so  sein.  ^^)  Du  hast  stets 
das  Beste  deiner  Mitbürger  gewollt?  Wenn  aber  der,  dessen 
Bestes  du  willst,  Bürger  des  Staats  durch  die  Geburt,  den  Ent- 
schluss  fasst,  dessen  Feind  zu  sein,  welcher  Unterschied  ist  dann 
zwischen  dir  und  ihm?  Von  mir  unterscheidest  du  dich  dadurch» 
dass  ich  wünsche,  es  möge  kein  Bürger  ein  todtwürdiges  Ver- 
brechen begehen ,  und  du  den  Verbrecher  in  Schutz  nimmst. 
So  hast  du  auch  Clodius  einst  iu  Schutz  genommen,"  ^^) 

Nach  dieser  Abfertigung  des  Calenus  traf  die  Reihe  die 
übrigen  Consularen.  ^^3  „AVelche  Schande  hat  der  gestrige  Tag 
über  uns  Consulare  gebracht !  abermals  Gesandte ,  nachdem  An- 
tonius die  ersten  in  seinen  Werken  umhergeführt  und  zu  Zeu- 
gen der  Belagerung  gemacht  hat!  ist  euer  Schrecken  noch  nicht 
gross  genügt  Je  frecher  und  übermüthiger  jener,  desto  schlaffer 
wir.  Senatoren!  die  Haupter  des  Senats  verlassen  uns."*"^)  Unter 
diesen  wurden  Piso  und  Philippus  noch  insbesondere  mit  harten 
Worten  gezüchtigt,  weil  sie  Bedingungen,  welche  der  Redner 
durchgieng,  von  Antonius  überbraclit  haben,  ein  Auftrag  für  ei- 


gen und  der  Redner  zur  Vertheldigung  des  Vaterlandes  auffordern,  Be 
lohnuDgen  verheissen  konnte,  welche  im  Bürgerkriege  nicht  geslatlet  wa- 
ren. Ein  Tumult  konnte  auch  Bürgerkrieg  sein,  und  war  es  off;  der 
Character  dieses  Kampfes  sollte  daher  durch  das  Wort  bellum  auf  da» 
bestimmteste  ausgedrückt  werden,  11  Phil.  8.  §.  35.  A.  87.  88.  50)  Un- 
j  ter  Cäsar.  57)  Eine  Bitterkeit  überbietet  die  andere,  und  doch  spricht 
Cicero  als  Freund,  nur  mit  Schmerz,  ohne  Zorn.  c.  4.  in.  5.  G.  58)  c 
4.  5.  §.  37.  A.  87.  59)  cfr.  §.  21.  A.  4.  f.  60)  c.  7.  cfr.  13  Phil.  14. 
ad  Farn.  10.  28.  Habemus  fortem  senatum,  consiilares  partim  timidos, 
partim  tnale  sentientes.  ad  Fara.  12.  5.  Reliqisi  partim  inertes,  partim 
tnprobi  etc. 

Dnimann,  Go8v.hicbte  Rnnis  I.  \^ 


255^  V.  AXTOMl.         (14.  §.  38.) 

nen   Variiis   CutvIa,     «leii  jciii'v   einst    bei    eiiteiu   (Instinuhle    lialic 
•Tcisselii   lassen.""      „Diese    Hediiif^uiiircn ''-'     liaht    ihr    auch  nur 
anhören   können!     \crnuithlich  Mar    ilcr    Schrecken     die     Ursach; 
und    docli    sieht    man    ehen    nicht ,     dass    ihr  [sehr    erzürnt  seid, 
welches  wohl  eurer  AVeisheit  zuziischreihen  ist.""  ß^)     Zuletzt  äus- 
serte   Cicero  den   Verdacht,    dass    die   Consularen    aus  Neid    ge- 
gen  ihn,  der   wegen  seines  beharrlichen  Eifers    für  die  Republik 
den  Beifall   des  Senats  und  des  Volks  erhalte,     Antonius  begün- 
stigten,   und    enipfalil,     ihn    lieber     nachzuahmen."'')     Er    werde 
das  Kricgskleid  anlegen ,     obgleich    er    als  Consular    nicht    dazu 
verpflichtet  sei,  denn   das    Benehmen    der    Consularen    in    diesem 
Kriege  "•')     sei  von  der  Art,    dass    der    Anblick    ihrer    Insignien 
das  Volk  empören  müsse.     Ucbrigens    trug    er    darauf   an,    dass 
man  Allen,     Avelche  Antonius    vor    dem   15.  IMärz   verlassen  wer- 
den, Begnadigung  zusichere,  ""^  dass  wenn  jeuiand  unter  denen, 
welche  bei   ihm  seien,   sich   einer  elirenvollen   Auszeichnung  wür- 
dig mache  ,  "'^   die   Consuln  sobald   als    möglich  über  ihn  berich- 
ten ,  und  dass  es  als  eine  feindliche  Handlung    gegen    den  Staat 
betrachtet  werde ,  w  enn  jemand  nach  diesem  Scnatsbeschlusse  zu 
ihm  gehe,  L.   Varius  ausgenommen.     Diess  wurde  genehmigt."**' 
Cicero  war  es  nicht  gelungen ,    durch    eine  Kriegserklärung 
zwischen  Rom  und  Antonius    eine   Scheidewand  zu   ziehen ,  aber 
er    war    doch    seinem  Ziele  nälier    gekommen.      Nur    auf    l  niwe- 
gen   konnte  er  es  erreichen ;     er  fuin*  daher  fort ,     den  Senat  zu 
Schritten  zu    verleiten,     welche    nicht    gegen  Antonius    gerichtet 
schienen  ,  und  ihn  doch  verletzten ,    und    wenn    sie  nicht  sofort 
einen  Bruch  bewirkten,  doch  die   Versöhnung  erschwerten.     Da- 
zu fand   sich  sogleich    eine    erwünschte  Gelegenheit    in  dem  An- 
trage des  Pansa,  der  Senat  möge  sich  mit  einem  Ehrenbesclilus- 
se  für  Ser.    Sulpicius    beschäftigen,    welcher    als   Gesandter    auf 
der  Reise  nach   Mutina    gestorben    war.  "**)     Ohne    allen  Zweifel 
hatte  Cicero  Antheil  daran;    er    preis't  den  Consul  ''^'>    und  die- 

01)  c.  8.  cfr.  13  Phil.  12.  C2)  Intolcrahilia  postulala.  ad  Fam.  VI. 
4.  8  IMiil.  G.  7.  8.  9.  10.  11.  13,  21.  03)  c.  10.  cfr.  7  fin.  9  Phil.  I. 
C4)  c.  10.  ad  Fam.  12.  5.  C))  c.  11.  Hoc  hello.  S.  §.  23.  A.  94.  CG)  c. 
11.  App.  3.  507.  Die  40,  31.  Am  1.  Januar  eetzle  er  eine  Frist  bis  zum 
1.  Februar.  J.  35.  A.  80.  07)  d.  Ii.  ihn  ermorde.  §.  '22.  A.  40.  f.  68| 
App.  u.  Dio.  II.  cc.     09)  Ol.en  A.  7-     70)  9  Phil.  1.  J 


V.  ANTONII  (14.  §.  38.)       259 

ser ,  der  es  doch  für  ratlisam  hielt,  auch  auf  ihn  und  die  mit 
ihm  verhuiidene  Partei  der  Verschworenen  Rücksicht  zu  nehmen, 
mochte  ihm  nicht  abermals  cntjj^egen  sein,  ahndete  auch  nicht, 
warum  es  sich  handle.  Kr  hraclite  ein  Begrübniss  auf  Kosten 
des  Staats  und  eine  Statue  in  Vorsclilag.  P.  Servilius  bemerk- 
te, und  bewies  aus  der  Geschichte,  dass  Rom  stets  nur  den 
Gesandten  eine  Statue  bewilligt  habe,  welche  in  ihrem  Berufe 
getödtet ,  nicht,  wie  Sulpicius  ,  zufällig  auf  der  Reise  gestorben 
seien;  man  möge  sich  also  auf  das  Begrübniss  beschränken.''"' 
Aiisser  Stande,  ihn  zu  widerlegen,  nahm  Cicero  zu  Spitzfindig- 
keiten seine  Zuflucht.  Seine  Absicht,  ein  öftentliches,  Aufsehn 
erreerendes  Denkmal  der  Feindschaft  zwischen  Antonius  und  dem 
Senat  zu  errichten,  welches  nicht  auf  die  Nachwelt,  wie  er 
sagte,  sondern  auf  das  Bediirfniss  des  Augenblicks  berechnet 
"War,  jene  mehr  von  einander  entfernen  und  wenigstens  ein«- 
ZAveite  Gesandtscliaft  verhindern  sollte,  verbarg  sich  unter  der 
Dankbarkeit  gegen  den  Todten,  unter  dem  Eifer  für  seine  Ehre 
nnd  für  das  Wohl  des  Staats,  aber  so,  dass  sie  überall  erkannt 
•ward.  „Auch  die  künftigen  Geschlechter  müssen  wissen,  wie 
der  Senat  über  diesen  Krieg  (de  hoc  hello )  gedacht  habe  ;  die 
Statue  werde  bezeugen,  man  habe  ihn  für  einen  so  schweren 
Krieg  gehalten  ,  (bellum  tarn  gravej  dass  ein  Gesandter  ,  dessen 
Tod  er  bewirkt,  auf  diese  Art  geehrt  sei."  ^-)  „Man  möge  da- 
durch auch  die  verbrecherische  Kühnheit  des  Antonius  rügen, 
welcher  einen  verruchten  Krieg  führe ,  alle  Zeiten  daran  erin- 
nern, dass  er  die  Gesandten  mit  Hohn  zurückgewiesen  habe."  ^^' 
Aber  das  Herkommen  ist  dagegen.  Die  Vorfahren  sahen 
nicht  sowohl  auf  die  Art,  als  auf  die  Ursach  des  Todes;  starb 
jemand  in  Folge  einer  Gesandtschaftsreise,  so  erhielt  er  ein 
Denkmal,  Anderen  zur  Ermunterung.  ^^)  Wenn  Cn.  Octavius 
und  andere  Gesandte  getödtet  Avurden,  und  Sulpicius  nicht,  so 
wusste  dieser  dagecen  vorher,  dass  er  die  Reise  nicht  überleben 
werde,     dennoch    reis^te    er.     Daraus    ergiebt    sich    schon,    dass 


71;  c.  1.  6.  Plin.  34.  11.  (C).  72)  c.  3.  Sic  sollte  Sulpicius  den 
(lesandleii  gleich  stellen,  welche  an  auswärtige  Feinde  geschickt  waren, 
Antonius  diesen  Feinden,  und  den  Senat  nöthigen,  die  förmliche  Kriegs- 
erklärung folgen  zu  lassen.  73)  c.  6.  Die  Statue  möge  neue  Unterhand- 
lungen als  etwas  Nutzloses  und  Unwürdiges   bezeichnen.     74)  c.^1. 

17.* 


260  V.  ANTONII.       (14.  §    38.) 

man  seinen  Tod  nicht  zufällig  nennen  darf;  wäre  der  kranke 
Mann  unter  der  Pflege  seines  Sohns  und  seiner  Gattinn  in  Rom 
geblieben,  oder  auch  nur  auf  dem  Wege  bei  Castfreunden,  so 
lebte  er  noch.  Er  ist  also  getödtet,  und  zwar  von  Antonius, 
denn  dieser  ist  die  Ursach  seines  Todes,  '^^)  und  dasselbe  gilt 
vom  Senat,  so  fern  er  seine  Entschuldigung  nicht  annalim.  Se- 
natoren! gebt  dem  das  Leben  Avicder ,  welchem  ihr  es  geraubt 
habt;  macht  ihn  unsterblich;  ihr  vermögt  es  durch  eine  Statue; 
er  bedarf  ihrer  nicht,  denn  sein  ganzes  Leben  ist  ein  Denkmal 
für  ihn,  aber  eure  Dankbarkeit,  der  Ruf  seines  Sohns,  welcher 
in  eurer  Mitte  ist,  '•'*)  und  damit  den  Tribut  der  Ehrfurcht  ab- 
trägt. Wenn  ihm  daher  eine  Statue  gebührt ,  so  entspricht 
eine  eherne  zu  Fuss  seinen  Grundsätzen  mehr,  als  eine  vergol- 
dete zu  Pferde;  denn  er  lobte  es  sehr,  dass  die  Vorzeit  im  Be- 
lohnen Mass  gehalten  habe,  und  tadelte  die  Uebertreibung  in 
der  jetzigen.  ^^^  Das  Gutachten  des  Servilius  kann  nur  für 
ßeistimmung  gelten;  in  dem  Höheren  und  Bleibenden  hat  er 
auch  das  Geringere  und  Vergängliche  bewilligt;  Statuen  verge- 
hen mit  der  Zeit,  das  Grab  bleibt  mit  dem  Boden;  was  Cn. 
Octavius  nicht  zugestanden  wurde ,  gesteht  er  Sulpicius  zu,  wie 
könnte  er  ihm  versagen,  was  jenem  geworden  ist?  Cicero  schlug 
darauf  vor,  dass  man  dem  Verstorbenen  auf  Kosten  des  Staats 
eine  eherne  Statue  zu  Fuss  auf  der  Rednerbühne  errichtete  und 
ringsum  einen  Raum  von  fünf  Fuss  seinen  Kindern  und  Nach- 
kommen anwiese,  die  Fechter-  und  anderen  Spiele  zu  sehen, 
weil  er  im  Dienste  der  Republik  gestorben  sei;  man  sollte  diess 
in  einer  Lischrift  auf  dem  Fussgestelle  als  die  Ursach  angeben, 
Sulpicius  auf  das  ehrenvollste  zur  Erde  bestatten,  der  Consul 
Pansa  zu  dem  Ende  auf  dem  esquilinischen  Felde,  oder  wo  man 
sonst  wolle,    ein  Stück  Land  von   dreissig  Fuss  nach  allen  Sei- 


75)  c.  2.  3.  76)  cfr.  c.  4.  77)  c.  4.  5.  78)  c.  6.  Cicero  hatte  im 
Anfanj^e  des  J.  auf  eine  vergoldete  Statue  für  I^epldus  angetragen ,  5 
Phil.  15,  §.  35.  A.  91.  und  eine  gleiche  Auszeiclinung  wurde  Octavianj 
§.  3ü.  A.  34.  üiese  sollte  nicht  dadurch  herabgesetzt  werden,  dass  Meh- 
rere sie  theilten;  der  Lebenden  bedurfte  man  noch,  daher  die  Anspruchs- 
loiigkeit  des  Todtea. 


V.  ANTONII.       (14.  §.  39.)  261 

teil  anweisen,    und  diess   Begriihniss   der   Familie   verMeiben.  "') 
Auf  einen  Bcscliiiiss  des  Senats  wurde  diess  ausgeführt.  ^) 


§  39.  , 

Bald  nachher,  als  M.  Antonius  noch  vor  Rlutina  stand,  ^0 
und  sein  Bruder  Cajus  in  ApoUonia  eingeschlossen,  aber  noch 
nicht  gefangen  war,  ^2)  gieng  bei  dem  Consul  Pansa  ein  Be- 
richt des  M.  Brutus  ein,  der  erste,  seit  er  Italien  verlassen  hat- 
te. Im  Besitze  von  Heeren  und  Provinzen  befand  er  sich  in 
einer  ähnliclien  Lage,  wie  früher  Octavian:  er  bedurfte  die  Ge- 
nehmifjunc'  des  Senats.  Seine  Verhältnisse  kommen  hier  nur  in 
Betracht ,  so  fern  sie  mit  dem  Kriege  von  Mutina  in  einer  Be- 
üiehung  stellen,  ^V  Er  war  a.  44.  mit  C.  Cassius  Prätor;  im 
nächsten  sollte  er  Macedonien  und  Cassius  Syrien  verwalten. 
Nach  dem  Tode  des  Dictator  suchte  M.  Antonius  diess  zu  ver- 
hindern, und  leicht  gewann  er  Dolabella,  seinen  Collegen  im 
Consulat.  Dieser  erhielt  vom  Volke  Syrien  und  den  Oberbefehl 
gegen  die  Partlier  und  über  die  sechs  Legionen,  welche  Cäsar 
zum  Kriege  mit  ihnen  nach  Macedonien  vorausgeschickt  hatte,  ^'^) 
und  Antonius  vom  Senat  Macedonien  und  bald  auch  diese  Trup- 
pen; denn  bis  auf  eine  Legion  und  die  Reuterei  hatte  sie  ihm 
Doldbella  insgeheim  abgetreten.  8^)  Dann  bestätigte  das  Volk 
einen  Gesetzentwurf,  nach  welchem  D.  Brutus  ihm  das  cisalpini- 
sche  Gallien  für  Macedonien  überlassen ,  dessen  Heer  aber  ihm 
verbleiben  sollte,  s*") 

Den  beiden  Prätoren  M.  Brutus  und  C.  Cassius  gab  man 
den  Auftrag,  einstweilen  in  Creta  und  Cyrene  Getraide  zu  kau- 
fen, und  damit  einen  Vorwand  zur  Abwesenheit  von  Rom,  wo 
Antonius  sie  verscheucht  hatte.  Die  Verwaltung  prätorischer 
Provinzen  nach  dem  J.  44.  nur  nicht  IMacedoniens  und  Syriens, 
blieb  ilinen  dabei  vorbehalten.  ^^^  Dennoch  schifften  sie  im 
September  44.   nach  Athen,     um    sich    dieser    Provinzen    zu    be- 

79)  c.  7.  80)  Poniponius  de  orig.  iur.  Sufpicius  cum  in  legalioKC 
periissct,  slatuam  et  pop.  ront.  pro  rostris  poauit,  /lodieque  exslat  pro 
raslris  Aupusti.  81)  10  Phil.  2.  4.  82)  c.  C.  83)  S.  lunii.  81)  §.  20. 
A.  15.  u.  28.     85)  §.  20.  A.  23.   u.  32.     86)  §•  20.  A.  71.     87)  §.  17.  A. 

43,   }. 


262  V.  ANTOMI.  (14.  §.  39.) 

mäclitigen ,  *'^)    wozu    sie    niclit    berechtigt    waren.  ^^>'      Auch    I).  \ 

Brutus  fügte  sich  nicht;  er  verwarf  ilcn  Tausch,  und  Antonius 
bewirkte  kurz  zuvor,  ehe  er  nach  Oberitalieu  abgicng,  ihn  zum 
Gehorsam  gegen  das  Gesetz  zu  zwingen ,  dass  Macedonien  als 
eine  für  das  nächste  Jahr  erledigte  Provinz    durch  einen  Senats-  j 

beschluss  seinem  Bruder,   dem    Priitor  Cajus,    als  Naclifolger  des  \ 

Q.  Hortensius  'J'O  verliehen  wurde.  '•'O  So  lange  Senat  und  Volk 
diese  Verfügungen  niclit  aufhoben,  hatten  sie  Gültigkeit,  wie 
sie  auch  entstanden  sein  mochten.  Aliein  die  Verschworenen  wa- 
ren nacli  Ciccros  Ausdrucke  sich  selbst  Senat.  ör^j.M.  Brutus 
erkainite  die  Rechte  des  C.  Antonius  nicht  an,  -als  dieser  in 
seine  Provinz  kam  ,  "3)  und  verfuhr  eben  so ,  w  ie  dessen  Bruder 
im  italischen  Gallien,  nur  hatte  dieser  ein  Gesetz  für  sich,  und 
er  nicht;  als  Mörder  Cäsars  konnte  er  sich  nicht  einmal  auf 
dessen  Verordnungen  berufen.  Ohne  Anstrengung  gelangte  er  zum 
Besitze  Griechenlands  und  des  grössten  Thcils  von  Macedonien  un«J 
Illyrien.  ^*)  Viele  Krieger  \fln  Ponjpcjus  Heere,'  1  rümmer  derr 
pharsalischen  Schlacht  und  in  diesen  Gegenden  zmuckgeblieben». 
kamen  zu  ihm,  '■^•^)  die  Legion,  welche  M.  Antonius  -nicht  nach 
Italien  bescliicden  hatte ,  '^''^  und  die  Reuterei  vom  nuicedoni- 
schen  Heere;  statt  Dolabella  nach, Asien  zu  folgen,  gieng  ein 
Theil  in  Thessalien  zu  Brutus  über,  ein  anderer  fiel  in  Mace- 
donien unter  der  Anführung  des  Cn.  Domitius  ah.  '-''^  Q.  Hor- 
tensius, der  Sohn  des  Redners,  ein  sittenloser  Mensch  ohne  Cha- 
racter ,  welcher  Macedonien  mit  dem  Titel  eines  Proconsuls  ver- 
waltete, nahm  Brutus  als  seinen  rechtmässigen  Nachfolger  auf,  ^^-^ 
und  auch  das  Heer  in  Illyrien  erklärte  sich  für  ihn,  und  zwang 
den  Statthalter  der  Provinz  ,  P.  ^■atinius ,  ihm  Dyrrhachium  zu 
öffnen.  "'■')     Mit    Gelde    versorgte    ihn    gleich     anfangs     der    (Juä- 

SS)  §.  17.  A.  82.  S9)  10  Phil.  5.  1 1  ,  12.  Liv.  118.  Vellej.  2.  02. 
App.  3.  541.  4.  G22.  Dlo  47.  21.  IMüt.  Brut.  24.  f.  Flor.  4,  7.  90)  10 
l'hil.  .'i.  Die  47.  21.  01^  §.  20.  A.  48.  92)  11  IMiil.  11.  12.  03)  10 
IMiil.  5.  Üio  I.  c.  Zoiinr.  10,  li>.  94)  10  IMiil.  4.  C.  95)  Dio  u.  Zoii. 
II.  cc.  IMul.  Hiul.  2.3.  0(i)  10  Pliil.  0.  cfr.  3.  App.  3.  570.  4.  032.  §.  20. 
A.  30.  07)  Cic.  l.  c.  u.  Jl.  l'lul.  12.  üio  u.  IMiit.  II.  cc.  9«)  10  IMiil. 
5.  11.  Diu  u.  Plut.  11.  cc.  90)  10  I'hil.  0.  Liv.  llS.  App.  4.  032.  wei- 
cher diess,  wie  Cicero,  als  eine  freiwillige  l  eborgabe  darstellt,  laust 
Unitii«  iluilurcii  um  drei,  \  ellej.  2.  (iO.  ül>erlriel>eu  um  sielieii  liegiuneii 
.sich   versiiirkeii.  cl'r.  lllyr.  r.  13.  u.  Dio  I.   r.   IMut.   Brut.  2J.   hat:  iia/>iniu$. 


■i 

i 


V.    ANTONÜ.         (14.  §.  39. )      263 

stör  M.  Aiij)iileius,  mit  lOUüO  Talenten  vom  Tribut  iu  Asien.'""' 
\  oll  \  cizweifluiig  über  die  Fortschritte  seines  Gegners  uiul  übei 
die  iMeutcrci  unter  den  eigenen  Truppen  warf  sich  C.  Antonius 
iu  Apullonia  ,  wo  jener  ihn  cinschloss,  als  er  nach  Rom  bericli- 
tcte.  '>' 

Nach  dem  Empfange  dieses  Sclireibens  berief  Pansa  ->  so- 
gleich den  Senat.  Er  theiltc  es  ihm  mit  und  hielt  einen  Vor- 
trag, worin  er  die  Unternehmungen  des  Brutus  billigte  und  ihm 
zu  bestätigen  rieth ,  was  er  aus  eigener  Machtfiille  sich  angc 
masst  hatte.  •*)  Als  Consul  konnte  er  nicht  anders  handeln,  nicht 
C  Antonius  öft'entlich  und  amtlich  begünstigen,  nachdem  der 
Kampf  gegen  dessen  Bruder  beschlossen  war  ,  obgleich  nach  sei- 
nem Wunsche  die  Verschworenen  so  wenig  als  dieser  zur  Herr- 
schaft gelangen,  sondern  Beide  einander  schrecken,  zum  Frie- 
den geneigt  machen,  und  ihn  zunächst  der  NothAvendigkeit  über- 
heben sollten ,  im  Bürgerkriege  und  gegen  Anhänger  Cäsars  zu 
fechten.  Das  Geschäft,  Cicero  entgegen  zu  Avirken,  überliess 
er  seinem  Schv  iegevAater,  Fuüus  Calenus,  welchen  ei  wieder 
zuerst  befragte.  *J  Dieser  las  seine  Rede,  Avodurch  jede  Aeusse- 
rung  als  wohl  überlegt  melir  Cewicht  erhielt.  ■"')  So  schon  sei 
ne  ersten  Worte:  der  Bcriclit  des  Brutus  sei  richtiff  und  «jehö- 
rig  abgefasst,  nach  Ciceros  Bemerkung  ein  Lob  für  seinen  Schrei- 
bor ,  Avelchem  ein  harter  Tadel  des  [nhalts  folgte.  Denn  er 
Aerlangte ,  der  Senat  möchte  das  A  erfahren  des  Brutus 
für  eine  gesetzAvidrige  Willkühr  erklären  und  ihm  zur  Ptlicht 
machen,  Antonius  und  A^atinius  ProA^inzen  und  Truppen 
zurückzugeben.  '')  Wenn  es  nicht  geschähe,  so  A'erschAvinde  alle 
Hoffnung  zum    Frieden,     dessen  Herstellung   jetzt    noch    möglich 

100)  10  Phil.  11.  13,  10.  App.  1.  f.  u.  3.  5Ü7.  Dass  er  Geld  na«li 
Korn  überbrin/en  füllte,  sagt  Tlul.  Brut.  25.  welcher  ihn  Ahlistius  nennt; 
nach  Dio  l.  c.  schickte  es  Trebonius,  Statthalter  iu  der  Provinz  Asia; 
glaiibliclier  ist  es,  dass  {{rutus  es  nahm,  als  es  durch  <.'ripchenland  gieii^. 
1)  10  l'hil.  C.  11  Phil.  11.  \/u.  US.  Dio  47.  21.  22.  App.  3.  57r>.  57:- 
'/«n.  10.  IS.  Plut.  Brut.  2ü.  2)  10  Phil.  1.  Also  nicht  am  13.  April,  wit' 
in  d.  Anm.  isu  Vellej.  2.  CO.  5.  ed.  J///i/  el  Krause  nach  Cic.  ad  IJint.  11 
7.  iiesagt  wird,  gundern  \iel  früher.  AAäien  diese  Briefe  nicht  unacht, 
so  würde  an  emen  anderen  Bericht  aus  dt-r  Zeit  zu  denken  sein,  wo  bereilit 
nach  l'ansRS  Aliiiange  d.  Prütor  «'ornulus  dessen  Stelle  vertrat.  3)  10 
rhil.    1.  8.   11.     4)  c.   1.  3.  (2.)     5)  c.  2      6)  c.  3. 


264  '  V.  ANTOMI.  (14.  §.  39.) 

sei ;  M.  Antonius  werde  sich  aufs  neue  beeinträchtigt  glauben, 
auch  durch  den  Senat,  und  Brutus  zur  Unterstützung  des  Deci- 
nius   und  seiner  Faction  über  das  Meer  kommen.  "^^ 

Dagegen  war  Cicero  von  dem  Gedanken  durchdrungen,  dass 
sich  im  Osten  Alles  auf  das  Beste  gestalte.  Brutus  auf  der  Vor- 
hut, ^)  und  Cassius  liinter  ihm  als  Rückhalt  '•*)  schienen  ihm  den 
Sieg  über  Antonius  oder  doch  ein  AsjL  zu  sichern,  und 
verschafften  zugleich  ein  erwünschtes  Gegengewicht  gegen  Octa- 
vian.  Er  nalim  Pansa ,  wie  er  sich  gab ,  als  Freund  des  Bru- 
tus ^"J  und  als  Gegner  des  Calcnus,  welchem  er  empfahl,  sich 
öfter  mit  ihm  zu  besprechen  und  seine  Grundsätze  sich  anzueig- 
nen;") selbst  der  Schwiegersohn,  sollte  man  glauben,  wandte 
sich  von  Calenus  ab,  dieser  stand  allein  mit  seinem  Hasse  ge- 
gen die  Befreier  und  seiner  Vorliebe  für  die  Antonier,  wodurch 
er  bestimmt  wurde,  sich  stets  den  heilsamsten  Vorschlägen  zu 
widersetzen.  Mit  gleicher  Klugheit  umgieng  Cicero  die  eigent- 
liche Rechtsfrage,  denn  sie  konnte  nur  auf  den  Grund  der  Ge- 
setze und  Beschlüsse  aus  Antonius  Consulat  erörtert  werden,  wel- 
che noch  gültig  waren,  und  für  dessen  Bruder  entschieden;  sei- 
ne Beweisführung,  nach  welcher  dieser  Aveichen  sollte,  drehte 
sich  um  allgemeine,  scheinbar  höhere  Gründe.  Darnach  kamen 
die  A  crdienste  des  Brutus  in  Betracht  —  das  grösste,  wodurch 
er  unsterblich  geworden  war,  konnte  noch  kaum  genannt  M'cr- 
dcn,  weil  es  noch  keine  öffentliche  Anerkennung  gefunden  hat- 
te, ^-)  —  und  die  Frevel  der  Antonier,  des  Marcus,  von  wel- 
cliem  Cäsar  das  Diadem  empticng,  und  des  Cajus,  welcher  dem 
Alter  nach  zwischen  seinen  Brüdern  in  der  ]\Iitte,  an  Schlech- 
tigkeit mit  ihnen  wetteiferte.  '^)  Es  wurde  ferner  hervorgeho- 
ben, dass  die  streitigen  Provinzen  im  Besitze  des  Brutus  Italien 
ihren  Schutz  verhiessen ,  in  der  Gewalt  des  Cajus  dagegen  für 
Italien  verloren  Avaren,    ein  "Waffenplatz  für  dessen  Bruder  zum 


7)  c.  7.  (G.)  8)  c.  4.  11.  0)  ad  Fara.  12,  C.  8.  10)  10  Phll.  1.  8. 
11)  c.  3.  (2.)  12)  c.  3.  7.  cfr.  11  Phil.  11,  Cicero  fühlte  also  die  Nolb- 
weiidigkeit,  Oclaviaii  u.  die  \'eteraiieii  zu  schonen,  er  konnte  es  nicht 
über  sich  erhalten;  er  trennte  feindliche  Klemenle  noch  mehr,  während 
er  sie  vereinigen  wollte;  die  höchste  Aufgabe  in  dieser  Zeit  versuchte  er 
durch  Mittel  zu  lösen ,  deren  eins  die  Wirkung  des  anderen  aufhob. 
U)  c.  3.  5.  (I)   Unten  A.  25. 


V.  ANTONII.        (14.  §.  39.)         265 

Angriff,  ein  Zufluchtsort  nach  seiner  Besiegung.  '*)  Daraus 
folgte  freilich  kein  Anrecht  des  Befreiers  an  Macedonien ;  Cice- 
ro wusste  es,  er  rühmte  die  Geschwindigkeit,  mit  welcher  je- 
ner seinem  Nebenhuhler  zuvorgekommen  sei,  und  versetzte  seine 
Zuhörer  sogleich  nach  lUyrien,  mit  der  Frage:  was  hatte  Ca- 
jus  mit  dieser  Provinz  des  Vatinius,  mit  dessen  Truppen  ge- 
mein? Nur  ein  Schlechtgesinnter  konnte  chen  so  in  Beziehung 
auf  Brutus  fragen ,  denn  alle  Legionen  gehörten  der  Republik, 
wer  sie  gegen  die  Republik  gebrauclitc,  verwirkte  den  Oberbe- 
fehl.^'') Also  Cajus;  aber  von  dessen  Eingriffen  in  die  Rechte 
des  Vatinius  war  die  Rede;  um  jenen  anzuklagen,  verwandelte 
Cicero  diesen  in  seinen  Widersacher,  während  er  vielmehr  An- 
tonius Beistand  leisten  wollte ,  und  von  Brutus  entwaffnet  wur- 
de. War  Vatinius  gegen  den  Senat,  so  konnte  nach  Ciceros 
Lehren  Antonius  ihn  vertreiben,  war  er  es  nicht,  so  war  auch 
Brutus  nicht  dazu  berechtigt.  Doch  Cicero  erfreute  sich  der 
Nachsicht  des  Senats ,  welcher  ihn  entweder  unbefangen  oder 
doch  nur  lächelnd  seine  Sachwalter -Kunst  üben  Hess,  nnd  ihn 
selbst  dann  nicht  unterbrach ,  als  er  die  Thatsache  des  Besitzes 
als  Beweis  des  Rechts  anführte,  den  Besitz  als  Folge  einer  von 
Hortensius  und  den  Soldaten  ausgegangenen  Entscheidung',  und 
diese  Entscheidung  als  Regel  für  den  Senat,  i») 

Das  Schwierigste  hatte  er  beseitigt;  er  gedachte  nun  der 
Folgen,  welche  das  Verfahren  des  Brutus  haben  konnte.  Maa 
fürchtete,  er  werde  das  Heer  nach  Italien  führen  und  seine 
Gegner  bekriegen.  ^''^  Ein  unwürdiger  Verdacht,  erwiedert  Ci- 
cero ,  gegen  den  Gemässigten ,  den  Freund  des  Friedens ,  der 
als  Prätor  lieber  sich  von  Rom  entfernen,  als  unter  dem  Schutze 
von  ganz  Italien  Gewalt  gebrauchen ,  lieber  Italien  verlassen, 
als  die  Eintraclit  der  Bürger  stören  wollte,  ^^^  der  nur  zu  viel 
Geduld  bewies,  und  erst  dann,  als  diess  nutzlos  war,  Gewalt 
der  Gewalt  entgegensetzte.  ^'■^)     Von  einem  solchen  Manne  durfte 


14)  4.  G.  11.  15)  5.  IG)  C.  17)  c.  7.  18)  c.  3.  4.  7.  (ß.)  11. 
Er  verliess  Italien,  als  alle  Versuche,  das  Volk  zu  Gunsten  der  Ver- 
schworenen unter  die  Waffen  zu  bringen,  niisslungen  waren.  §.  17.  A. 
C9.  n.  82.  1!))  c.  1).  Wer  griff  ihn  denn  an?  Warum  gieng  er  nicht  naeh 
Crela,  wohin  er  beschieden  war? 


'i66.  V.  ANTÜNU.         (14.  §.  39.) 

man  keinen  Krieg  fürchten.  -^)  Ungereimt  und  unerträglich  war 
vollends  der  Einwurf,  die  ^  Veteranen  werden  nicht  gestatten, 
dass  er  ein  Heer  habe.  ~^)  „Sie  gestatten  es  Decimus  Brutus, 
welcher  nach  ilirer  .Meinung  weniger  als  Marcus  an  der  rühuili- 
cliea  That  hiitte  Tlieil  nehmen  sullen;  --)  sie  sind  sogar  ausgc- 
z^ügen,  ihn  zu  befreien;  uiiil  wcf  führt  sie  au?  Solche,  glaube 
ich ,  welche  Cüsars  Acte  umstosseu ,  die  Sache  der  \  etcranen 
veiTathen  werden?  Hirtius ,  der  eifrige  ^  ertheldiger  dieser  Acte, 
der  Solin  Cüsars  selbst,  ist  ins  Feld  gerückt,  Decimus  zu  ent- 
setzen, und  mit  Veteranen,  wie  könnte  ihnen  ein  Heer  des  Mar- 
cus verdiichtig  sein?  Wer  sieht  mehr  in  die  Zukunft,  als  Pan- 
sa^.Er'ist  unbesorgt. -''J  Man  höre  endlich  auf,  die  Veteranen 
/Ol. nennen',  wenn  man  das  Cute  verhindern  will;  sollen  wir  die 
Fesseln  der  Sclaverci  nicht  zerbrechen ,  weil  jemand  spricht, 
jene  wollen  es  nicht?  Sind  wir  auf  sie  allein  angewiesen?  Lud 
endlich,  um  es  frei  herauszusagen,  Avenu  die  \  eteranen  über 
den  Senat  gebieten,  so  lieber  den  Tod.  -*^  Aber  dem  ist  nicht 
SU ;  von  allen  Seiten  eilt  man  herbei,  den  Urand  zu  löschen, 
die  \'eteranen  zuerst  haben  die  Anschläge  des  Antonius  verei- 
telt; er  allein  ist  der  Feind,  Aller;  mit  ihm  ist  Lucius,  sein 
Bruder,  nur  geboren,  wie  es  scheint,  um  ihn  an  Schändliclikeit 
zu  übertreffen ,  -•"')  und  Trebellius  und  Andere ,  voll  \  erlangen 
nach  dem  Raube,  welchen  er  ilinen  zugesichert  und  tlalier  aul 
die  Erlialtung  seiner,  nicht  der  julischen  Gesetze  bedacht.  Lud 
es  könnte  missfallen ,  dass  M.  Brutus  Truppen  hat ,  diese  l'est 
zu  A'ernichteu  ? ''  ~'0 

Zum  Schlüsse  bewies  Cicero,  dass  der  Senat,  ohne  ujige- 
recht  zu  sein,  und  sich  selbst  zu  widerspreclien,  Marcus  Bru- 
tus nicht  versagen  könne,  was  er  am  20.  December  des  v.  .1. 
im  gleichen  Falle  Decimus  und  üctavian  bewilligt  habe,  -'>   und 


20)  So  eben  war  deV  Vorthei! ,  dass  er  fn  IXIacedonien  seine  Recbfe 
über  Ilslieii  ausstrecken  und  ihm  zu  Hülfe  eilen  konnte,  ein  t;run"l,  ihn 
zu  bestätigen,  c.  -1.  21)  c.  7.  Inten  A.  67.  22)  Weil  er  Casaiianer  und 
von  Cäsar  vorzüglich  begünstigt  war,  post  Poinprjuin  dnninn  Pomprjanii^ 
Scnrc.  de  ira  3.  U).  App.  2.  100.  ^3)  c.  7.  &.  tir.  II  l'hil.  14.  IT).  21) 
<i  9.  Nach  c.  6.  See  rrro  i/os  clc.  doch  nur,  wenn  sie  nicht  im  liiteres 
se  Ciceros  geboten,  cfr.  11  IMiil.  15.  25)  c.  lü.  2U)  c.  II.  »och  nur 
durch  Krieg,  und  Krieg  will  er  ia  nicht,  c.  7.  {^ü.  lin.)  2/)  t.  11.  Oben 
ä.   34.   A.    11.   12.  28.  30- 


V.  AMONIl.         (M.  §.  30.)       ^67* 

dass  man  auch    tles  Ilortensius    lobend    getlenken    müsse.     Ueber 
Appulejus  -V  üollte  der  Consul  besonders  bericliten.  -^)    Er  schlug' 
demnach  vor,  zu   beschliessen:    Senat  und;  Volk,  genehmigen  und,, 
seien   daiül)er  erfreut,   dass  der  Proconsul  ''^J-  Brutus  Macedoniej^,, 
Uhricn  und  Griechenland,    und  die  Truppen    in    diesen  Proviu}^, 
zcn   ihnen  erhalten  habe,    und  ermächtigen   ihn,  .  in ) diesen  Pro- 
vinzen   zu    bleiben    und    sie    zu  vertheidigen ,     das  von   ihm  er- 
richtete Heer  zu  bel'chligen ,     die    ött'cntlichen  Gelder    zu    desseU; 
Unterhaltung  zu  verwenden,     zu    demselben  Behufc  .Anleihen  zu 
machen  und  .Getraidc  -  Lieferungen    auszuschreiben;     ^ie  empfeh-; 
len   ihm,  sich  mit  seinem  Heere    Italien    so   viel  als  mi^glich  zu". 
nähern.     Dcf    Proconsul    Q.  Hortensius,     dessen    Verfahren    ßeir; 
fall  verdiene,     solle    die    Provinz  Macedonien  verwalten,  •"-*     bi$. 
der    Senat    ihm     einen    Nachfolger    schicken    Averde.^-J      Clceros 
Wunsch  wurde  erfüllt ,  "^"^j    er  verschaffte  Brutus  eine  Vollmacht.. 
Avelche  er  bei  einer   andern  Gelegenheit    als    sehv  überflüssig  her', 
zeichnete,  sofern  jener  ohnehin  that,  was   il^im, gut  schien, '^^J  die- 
aber    doch;   den    Heerfülirer   zum    Feldherrn    und    Statthalter    der, 
Rcpuhük    erhob.     Für    Octavian    lag   eine    grosse  .Genugthunn** 
darin,  ein  Beweis,  wie  richtig  er  gerechnet  !ia,tte,  und  eben  des- 
halb eine  Auffonlerung,   bei.  seinen  Entwürfen  zu  beharren.    Der 
Osten  in  der  Gewalt    der  Befreier,     im   Westen  Statthalter  ohne 
Willen  und  ohne  Kraft,    Rom    im  Begriffe,  jene  herbeizuziehen, 
und  dann  gewiss,  auch   diese  zu  gewinnen,     diess  war  es,     was 
dem  Kriege  in  Italien   seine  Bedeutung  gab;    bei  Mutina  musste 
Octavian  das  Rad  des  Scliicksals,  welches  auch  ihn  fortzureisseu, 
droJjte.  zum  Stehen  bringen,     Antonius  au  den  Abgrund  führen 
und  .ihm  dann  die  Hand  reichen,  um  mit  seiner  Hülfe  den  bcirei'.i 
ten  Brutus  und  die  übrigen  Helden  des   15.  März  hinabzustürzen. 

.28)  Oben  A.  100.  29)  l'iid  iiher  Valinius?  Er  hatte  nur  in  der  Re- 
de  Ciceros,  welcher  ihn  iioch  iiiiiiier  hasste  ,  der  guten  Sache  gedietif;  in 
einem.  Sehalsbeschlnsse  konnte  man  dfe  lächerliche  Mummerei  nic-lit  fort- 
setzen;  auch  hätte  man  ihn  dann  bestätigen  müssen.  30)  üben  ^  9«.. 
31)  Also  als  Untersfatthalter.  32)  c.  11.  cfr.  Oben  §.  34.  A.  11.  u.  II 
Phil.  12.  lin.  3;{)  11  l'hil.  II.  AV  Biiitum  colligrrssemus  etc.  VeWej.  2. 
C2.  u.  73.  u.  Dio  40,  40.  47,  22.  Flut.  Brut.  27.  Zonar.  10.  18.  setzen 
den  Keschlu>.8  nach  Rl.  Antonius  Niederlage,  App.  3.  £(37.  4.  C22.  cfr. 
<>2'.>.  (>:J2.  l>43.  Sllyr.  c.  13.  bemerkt,  dass  Mutina  noch  belagert  wur- 
de,  welche*  (JiCevo  bestätigt.     S.  oben  A,  81.  82.      34)   Cic.  1.   c. 


268  V.  ANTONII.        (14.  §.  39.) 

Bei  der  Rolle,     welche  C.  Cassius   bestimmt  war,     beunru- 
higte   es    Cicero,     dass    man   keine   Nachricht    von    ihm    erhielt. 
Jener  schrieb   ihm  am  7.  März  aus  Tarichea  in  Palästina,  er  sei 
nach  Syrien  gpa;angcn ,  wo   ihm  L.   Statius  Murcus  und  (J.  Mar- 
cius  Crispus  ihre  Truppen  freiwillig  übergeben  haben,    auch  die 
Legion  des  (}.   Cäcilius  Bassus  sei  zu  ihm    gekommen,    und  das 
Heer,  welches  A.   Allienus,     der  Legat    des  Dolabella    für  diesen 
aus    Aegypten    herbeifiilirte,     in  seiner    Gewalt;     er    ersuche    ihn 
nun,   im  Senat  für  ilin  zu  wirken,    ihn  als  Statthalter  und  Be- 
fehlshaber   bestätigen    zu    lassen.  ^'0     Der    Brief   und  Bericht  an 
den  Senat  selbst ,  dessen  er  am  7.  Mai  gedenkt ,  ^^^  hatten  Rom 
jetzt  noch  nicht    erreicht;  ^T)     nian    Avusste    nur,     dass    er    nicht 
nach   Cyrene,38J     sondern    nach    Asien    geschifl't  sei,     um  gegen 
das  Gesetz,  worin  sie  Dolabella^'-')  zugesichert  war,  die  Statthal- 
terschaft in  Syrien  zu  übernehmen.      Dagegen    hörte  man ,  jener 
habe  den  Proconsul  der  Provinz    Asia,     C.   Trebonius,    axif  dem 
Durchzuge  nach    Syrien    sicher    gemacht    und    dann    im   Februar 
oder  im  Anfange  des  Älärzes  in  Smyrna  auf  eine  quaalvolle  Art 
getödtet.  '^^^      Es    erregte    bei    den    Feinden    des  Antonius    grosse 
Besorgnisse,  denn  es  drohte  in  den  Plänen  des  Cassius  auch  die 
ihrijren  zu  vereiteln:   dieser  sollte  sie  verstärken  oder  im  ausser- 
stenFalle  aufnehmen,  beides  durfte  jetzt  Antonius  von  Dolabella  hof- 
fen, die  Aufmerksamkeit  desM.  Brutus  wurde  von  Italien  abgelenkt, 
und  die  Aussicht,     an    der  Spitze    eines  von  den  Verschworenen 
beschützten  Senats  das  Ruder  zu  fiiliren ,    für  Cicero  sehr  unge- 
wiss.    Aus  denselben  Gründen  mussten  die   Vorgänge   in  Snn'rna 
Calenus  und  dessen    Anhange    erwünscht    sein.     Sie    durften  Do- 
labella  nicht  vertheidigen ,     nicht    darauf   hinwirken ,     dass  man 
ihn  gewähren  Hess,   denn  seine  Schuld  war    zu    gross;     er  hatte 
einen    römischen    Statthalter    gemordet,     die    öftentlichen    Cassen 
beraubt,  Geld  erpresst,  und  diess  alles  unter  sehr  erschwerenden 
Umständen;     sie   wussten    aber    auch,     dass  keine  Verfügung  des 
Senats  ihm  zu  schaden    vermöge,     und    beschlossen    deshalb    auf 
die  härteste  Ahndung  anzutragen,  um  mit  seinen  Verbrechen  für 


35)  ad  Kam.  12,  II.  Daa  Genauere  8.  in  CaisÜ.  36)  ad  Fani.  12, 
12.  37)  ÜaH.  12,  7.  11  l'hil.  12.  13.  Üio  47,  '29.  fiu,  38)  üben  A.  S7. 
3!))  Ol. eil  A.  81.     40)  (JoriiL-Iii  Uulab. 


V.  ANTONIL       (14.  §.  30.)         269 

Antonius  zu  w'ucliem.  Die  Kräfte,  welche  gegen  diesen  aufge- 
boten waren,  sollten  A'on  ilim  abgelenkt,  und  ihm  dadurch  der 
Sieg  oder  der  Friede  gesichert  werden. 

Pansa  ^0  versanuneite  um  die  Mitte  des  Märzes  den  Senat, 
während  Antonius  noch  vor  Mutina  stand ,  *-)  Dolabella  in  der 
Provinz  Asia,  ^•')  und  M.  Brutus,  so  viel  man  in  Rom  wusste, 
Tor  Apollonia.'^'*-'  Nach  dem  Vortrage  des  Consuls  stimmte  Ca- 
lenus,  man  müsse  Dolabella  für  einen  Feind  der  Republik  er- 
klären und  seine  Güter  einziehen;  selbst  Härteres  werde  er  bil- 
ligen. *5)  Der  ganze  Senat  trat  ihm  hei.  **•)  Ein  desto  lebhaf- 
terer Streit  erhob  sich  am  folgenden  Tage ,  als  es  in  Frage 
kam,  wer  diesen  Feind  bekriegen  solle.  Es  war  kein  Geheim- 
niss ,  dass  die  Parteien  sich  hier  wieder  scheiden  würden,  dass 
Calenus,  von  Pansa  unterstützt,  und  Cicero  denselben  Beschluss 
benutzen  wollten,  um  sehr  verschiedene  Absichten  zu  erreichen^ 
aber  ohne  Erfolg  wurde  Cicero  von  Servilia,  der  Schwieger- 
mutter des  Cassius,  ^''>>  von  dessen  Mutter  und  von  seinem  Bru- 
der Lucius  ersucht,  den  Consul  nicht  durch  Widerspruch  gegen 
die  Befreier  im  Osten  zu  erbittern.  ^8)  Calenus  trug  darauf  an, 
dass  die  Consuln  Pansa  und  Hirtius  Asia  und  Syrien *9->  und 
den  Oberbefelil  gegen  Dolabella  erhielten,  dass  sie  aber  jene 
Provinzen  durch  Legaten  verwalteten,  ^^)  bis  sie  D.  Brutus  ent- 
setzt haben  würden.  ^^)  Wenn  diess  bestätigt  wurde ,  so  war 
das  Interesse  und  die  Aufmerksamkeit  der  Consuln  getheilt,  sie 
mussten  dann  um  so  mehr  auf  einen  Vergleich  mit  Antonius 
bedacht  sein ,  damit  sie  ihre  Kräfte  für  den  Osten  sclionten 
und    desto    früher    dahin    abgehen    konnten.     Aus    den  Gründen, 


41)  II  Phil.  9.  ad  Fam.  12,  7.  42)  11  Phil.  9.  10.  15.  Dio  47,  29. 
43)  11  Phil.  2.  10.  44)  c.  11.  Oben  A.  1.  45)  c.  G.  7.  4«)  c.  4. 
47)  Oben  §.  17.  A.  39.  48)  ad  Fam.  I.  c.  49)  Nach  einem  Schreiben 
des  P.  Lentnlus  Spinther»  Proqu.  dpa  TreLonius,  könnte  es  scheinen, 
als  haben  beide  Consuln  Asia  erhalten  sollen,  weil  man  etwa  glaubte,  es 
werde  zunächst  der  Kriegsschauplatz  sein,  :-d  Fam.  12.  14.  §.  3.  Calenus 
Wollte  aber,  dass  jene  nach  der  Fntsclieidung  des  Looses  Asia  und  Sy- 
rien verwalteten.  11  Phil.  9.  10.  50)  Jener  Lentulus ,  ein  Sohn  des 
F.  Lentulus  cos.  57.  bat  Cicero  in  einem  Briefe  aus  Parapbylien  v.  2.  Juni, 
ihn  zum  Stellvertreter  der  Coss.  in  Asia  ernennen  zu  lassen,  als  Dola- 
bella es  Lsreits  geräumt  hatte,  und  die  Coss.  nicht  mehr  lebten.  1.  c.  efr 
11  Phil.  9.     51)  11  Phil,  9. 


•270        (^  V.  ÄXTOKlU  (14.  §.  39.J 

« 
« 

welche  wiederholt  anges;chcn  sind,  wriiiKchte  Pansa  ohnehin, 
tfineni  Kampfe  hei  Miitina  auszuweichen ,  und  er  durfte  es  eher 
hotl'en,  wenn  der  Senat  Calenus  folgte  und  dann  die  Krics- 
partei  voll  Besorgniss  über  den  Ausgang  dieses  Kampfes  ge- 
neigter Avurde,  sich  zu  Versöhnen.  Auch  sollten  die  Verschwo- 
renen nicht  jenseits  des  Meers  gehisten,  und  sich  die  ^littel 
•verschaiVen ,  Gebieter  von  Rom  zu  werden.  Jetzt  konnte  man 
Cassius  unter  dem  Vorwande  des  Kriegs  mit  Dolabella,  und  selbst 
ohne  ilin  zu  nennen,  Syrien  entziehen,  welches  ein  (Besetz  ihm 
absprach,  und  damit  zugleich  M.  Brutus  in  eine  abhiingige 
Lage  versetzen.  So  begegneten  sich  Calenus  und  sein  Schwie- 
gersohn in  ihren  Entwürfen;  wenn  Cicero  sie  zu  vereiteln  suchte, 
welches  nicht  zweifelhaft  Avar,  so  musste  diess  eine  noch  grös- 
sere Spannung  und  wenn  er  siegte,  eine  Feindschaft  zwischen 
ihm  und  dem  Consul  bewirken,  und  auch  diess  war  Gewinn 
für  Antonius,  wie  die  Verspätung  des  Feldzugs,  als  Folge  die- 
ser neuen  Verhandlungen. 

Abermals  übernahm  L.  Cäsar,  der  Oheim  des  Antonius, 
die  xmdankbare  Rolle  des  Vermittlers  im  Senat.  ^-)  Er  wollte 
die  Parteien  dadurch  beschwichtigen,  dass  er  für  den  Krieg 
mit  Dolabella  weder  die  Consuln  noch  einen  der  Verschworenen 
in  Vorschlag  braclite ,  sondern  F.  Servilius  Isauricus ,  cos.  a. 
48.53) 

Allein  auch  Cicero  war  nicht  gesonnen,  sich  auf  diese  Weise 
ahfinden  zu  lassen;  er  erklärte  sich  für  C.  Cassius.  Das  blutige 
Ereigniss  in  SniATna  sollte  dem  Kriesje  im  Westen  keinen  Ein- 
trag  thun,  sondern  Rom  und  Italien  zu  grösseren  Anstrengungen 
spornen,  und  Gelegenheit  geben,  Cassius  im  Oberbefehle  gegen 
Dolabella  auch  die  Bestätijiuns:  der  antremassten  Statthalterschaft 
in  Syrien  zu  verschaffen.  Wenn  es  nicht  gelang ,  so  konnte 
leicht  in  dem  Angriffs-  und  A'crtheidigungs- Systeme  jenseits 
des  Meers  ein  grosser  Riss  entstehen.  Ciceros  Rede  Avar  also 
gegen  Antonius  gerichtet:  sie  bezweckte  den  Untergang  des 
Feindes  und  die  eijjene  Rettuncr ,  und  seine  Kunst  musste  sich 
darin  bewähren,  dass  er  die  Absicht  verbarg  und  doch  die  Wir- 


52)  cfr.    Oben    §.    38.    A.    40.     :>3)   11     l'hil-,  7.    s.   10,     Oben  §.    ;<«. 
A.  71. 


V,  ANTOXII.         (14.  §.  39.)        ^27A 

kuiig  liervorbrachfe,  dass  er  in  Dolabella  Antonius  als  ein  blut- 
«lürstiges  Ungeheuer  schilderte,  die  eigene  Angelegenheit  zur 
Angelegenheit  des  Cassius,  uud  diese  zur  Sache  «les  Staats 
machte.  Trebonius  war  vom  Schauplatze  abgetreten  und  daher 
dem  Redner  gleichgültig;  das  einzige  wahre  Gefühl,  welches 
sein  Schicksal  in  diesem  erregte,  war  eine  bange  Ahndung. 
Es  galt  nun  el)en ,  die  schreckliche  That  in  ein  Sckreckbild 
für  Rom  zu  verwandeln,  sie  so  auszumalen,  dass  die  Missfar- 
ben verstärkt  auf  Antonius  zurückfielen,  damit  man  ohne  nach- 
zulassen im  Kampfe  mit  ihm  beharrte.  Ohne  diesen  Zweck 
war  die  Schilderung  müssig,  ja  ohne  Sinn,  wozu  die  Anklage, 
da  man  den  Verbrecher  schon  verurtheilt  hatte?  Nicht  ohne 
Grund  also  geht  Cicero  davon  aus,  dass  er  Antonius  mit  jenem. 
in  Eine  Classe  wirft;  sie  sind  an  Unmenschlichkeit  und  aa 
Frevel  einander  gleich ,  ein  ruchloses  Paar.  ^*)  Nun  hat  Dola- 
bella  Trebonius  nicht  nur  gemordet,  sondern  auch  ZM'ei  Tage 
gefoltert,  und  ihn  noch  im  Tode  beschimpft,  seinen  Kopf  auf 
einem  Wurfspiesse  umhertragen,  und  seinen  Körper  zerreisseii 
und  ins  Meer  werfen  lassen.  Darin  ist  er  Antonius  Rath  ge- 
folgt ;^-^)  er  hat  es  nur  gewagt,  weil  er  meint,  dieser  wüthe 
auch  schon  in  Rom,  und  er  wird  eben  so  Avüthen  gegen  alle 
Freunde  und  Vertheidiger  der  Freiheit ,  ein  Tod  ohne  Quaalen 
wird  eine  AVohlthat  sein,  ^'>)  Man  vergegenwärtige  sich  also 
nochmals  recht  lebhaft  die  kläglichen  und  beweinensMcrthen 
Auftritte  in  Smyrna,  den  nächtlichen  Angrift'  auf  die  Stadt, 
den  Einbruch  der  Bewatfneteu  in  die  Wohnung  des  Trebonius 
u.  s.  w.  So  wird  auch  Antonius  handeln;  und  er  ist  noch  ge- 
fjihrl icher,  denn  er  hat  mehr  Raubgesindel  um  sich,  welches 
nach  dem  Blute  und  Vermögen  der  Römer  gelüstet;  da  ist  sein 
Bruder  Lucius ,  dann  Censorinus  u.  s.  w.  ^'0  Was  w  ird  werden, 
wenn  schon  Dolabella  ohne  eine  so  zahlreiche  Bande  solche 
Gräuel  verübt  hat? 

Ihm  ist  deshalb  der  Krieg  erklärt ,  und  es  bleibt  übrig, 
den  Anführer  zu  wählen.  ^^)  In  den  beiden  Gutachten ,  welche 
der    Senat    darüber    vernommen    hat,     ist    das     Reclite     verfehlt. 

54)  11  Phil.  1.  2.  cfr.  13  Pliil.  3.  19.  u.  ad  Farn.  9.  14.  55)  cfr, 
13  Phil.  17.  18.  10.  u.  M,  3.  50)  11  Phil.  1  —  3.  5:)  c.  5.  G. 
58)  c.   7.  .  / 


272  V.  ANTONir.         (14.  §.  39.) 

Denn  einmal  ist  Scrvlllus  zwar  ein  Ehrenmann,  alier  doch  nur 
Privatmann,  und  einen  Bürger  ausserordentlich  zum  Heere  zu 
schicken,  sehr  bedenklich.  Die  \orfahren  suchten  es  zu  ver- 
meiden. AVird  Berechtigung  durch  ein  Amt  nicht  dazu  erfor- 
dert, so  kann  sich  jeder  Senator  bewerben,  die  Curie  verwan- 
delt sich  in  Wahlcomitien ,  und  es  bedarf  nur  noch  der  Stimm- 
tafelii.  Zwar  ist  Octavian  auf  den  Antrag  des  Redners  ausser- 
ordentlich zum  Befehlshaber  ernannt,  er  hat  aber  auch  ausser- 
ordentliche Dienste  geleistet.  Wann  hat  der  Senat  einem  müs- 
sigen Privatmannc  ein  Heer  gegeben  ?  Servilius  begehrt  es  selbst 
nicht,  er  lehnt  es  sogar  ab.  59) 

Gegen  Calenus  spricht  das  Unzeitige  seincis  Vorschlags, 
welcher  überdiess  mit  der  Würde  der  Consuln  streitet.  C")  Aus- 
ser dem  Redner  würde  jeder  glauben,  dass  er  durch  Pansa  ver- 
anlasst sei,  f»')  dass  dieser  voll  Verlangen  nach  der  Provinz  die 
nahe  und  dringende  Gefahr  der  Republik  vergesse,  dass  ihn 
wohl  gar  noch  unedlere  Gründe  bestimmen.  <•-)  Zwar  sagt 
man,  die  Consuln  sollen  zuvor  Brutus  befreien;  sie  werden 
aber  ihre  Sorgen  und  Gedanken  zwischen  Asien  und  Mutina 
theilen,  während  man  wünschen  möchte,  dass  sie  mehrere  See- 
len hätten,  und  diese  nichts  dächten  als  I\Iutina.  Im  Heere 
wird  der  kriegerische  Geist  erlöschen;  der  Krieg  im  Osten  wird 
sich  verzögern,  Dolabella  Asia  zur  "Wüste  machen,  ehe  die 
Consuln  erscheinen.  Sie  können  sich  durch  Andere  vertreten 
lassen;  wenn  aber  der  Senat  sich  ausserordentlicher  Sendungen 
enthalten  soll,  wie  viel  mehr  der  Einzelne? 

Nachdem  Cicero  sich  auf  diese  W^eise  Bahn  gemacht  hat, 
rückt  er  seinem  Ziele  näher.  Es  bedarf  eines  Mannes,  Avelcher 
schlagfertig  ist  und  die  Rechte  eines  Anführers  besitzt,  <'3)  der 
ausserdem  Anschn,  einen  Namen  und  ein  Heer  hat,  und  dessen 
Eifer  für  die  Befreiung    des  Staats    nicht  zweifelhaft  sein  kann. 


59)  c.  8.  9.  10  fin.  CO)  c.  7.  9.  Gl)  c.  10.  Der  Consul  war  eben 
nicht  liemiiht,  Cicero  in  diesem  Glauben  zu  bestärken,  l'nten  A.  62)  c. 
9.  10.  in.  Der  Wunsch,  I).  Hrutus  ,  den  Älördcr  des  geineinschafllichcn 
WobllhäterB,  fallen  zu  sehen.  C3)  DIess  war  bei  Cassius  so  wenig  der 
FaU,  als  bei  Servilius,  er  war  Privatmann,  und  sein  Angriff  auf  Syrien, 
von  Cicero  als  Grund  benutzt,  ihm  die  Trovin^  ru  geben,  ein  Majesläts- 
verbrechen. 


i 


V.    ANTONII.        (14.  §.  39.)         273 

Die   Wahl   muss   also    auf  M.   Brutus    oder   auf   Cassius   fallen, 
oder  auf  Beide.     Der  Erste  ist  schon  an  Griechenland  gefesselt: 
er  kann  sich  nicht  von  C.  Antonius    ahwcnden,    ohne    «lie  Pro- 
vinz   preis    zu    gehen,     auch    ivill  der  Senat  liehcr,     dass  er  iti 
Italien  als  dass  er  in  Asien  hilft;  ivenn  er  einen  Feldzug  gegen 
Dolabclla  für  zweckmässig  hält,     so  wird  er  ohnehin    nicht  Be- 
fehle   erwarten.  *•*)     Cassius    ist   zur    Stelle.     Er    hat   Italien    in 
der   Ahsiclit    Acrlasscn,     Syrien    gegen    Dolabella   zu    hehaupten, 
wozu   ihn  zwar  kein  geschriebenes  Gesetz ,    desto  mehr  aber  das 
göttliche    ermächtigt,     nacli    welchem    alles  recht  ist,     was  dem 
Staate    frommt.     Um    ihm    indcss  auch  eine    Vollmacht  vom  Se- 
nat zu  verschaffen ,     wird  auf  folgendes  Decret    angetragen :     da 
Dolabella    und    Alle,     welche    an    seiner    That    Theil    genommen 
haben,    für    Feinde    des    römisclien    Volks    erklärt  sind,     so  be- 
schliesst  der  Senat,    dass  C.   Cassius    als  Proconsul  die  Provinz 
Syrien,     als  vollkommen  dazu    berechtigt,     verwalten,     die  dort 
hefindlichen     Truppen     von     ihren    Anführern    übernehmen,     und 
Dolabella  bekriegen  soll;    dass  er  hefugt  ist,     in  Syrien,    Asia, 
Bithynien    und     Pontus     zum    Behufe     dieses     Krieges      Schiffe, 
Schilfsmannschaft,     Geld    und    was    sonst  dahin    gehört,     auszu- 
schreiben;    dass  in  jeder  Provinz,    wohin  der  Krieg  ihn  führen 
wird,     der  Statthalter   unter    seinen  Befehlen    steht;    dass  Senat 
nnd    Volk    es  gern  bemerken  und  nicht    unerkenntlich  sein  wer- 
den ,    wenn  die  Könige  Dejotarus,    Aater    und    Sohn,    und  die 
übrigen  Fürsten  ihn  unterstützen;    dass  die    Consuln  Pansa  und 
Hirtius    nach    der    Herstellung    der  Republik    sobald  als  möglich 
über    die    consularischen   und    prätorischen   Provinzen    berichten, 
und    die  jetzigen    Statthalter  in  den  Provinzen  hleiben,     bis  sie 
von  dem  Senat  Nachfolger  erhalten. ''5) 

Die  Redner  pflegten  in  der  Curie  mit  dem  EntAVurfe  zu 
einem  Decret  zu  endigen;  Cicero  fand  sich  veranlasst,  noch 
einmal  auf  seine  Gründe  zurückzukommen,  ^^)  Avomit  er  ihre 
Schwäche  und  seine  Willkühr  eingestand.  „Einige  behaupten, 
dass  ich  Brutus  und  Cassius  gar  zu  sehr  auszeichne,  Cassius 
zum   Herrn    und    Gebieter    von    Rom    erhebe.     Wen    zeichne  ich 


04)  Nach  den  menschlichen  Gesetzen  war  er  dazu  verpflichtet,  aber 
Cicero  nennt  sogleich  ein  höheres,  c.  12.  65)  c.  12.  cfr.  §.  34.  A.  ll- 
66)  c.  13  —   15. 

Driiinaun,  Geschichte  Roms  I.  18 


274  V.   ANTONII.         (II.  §.  39.) 

aus?     Doch  nur  die,     welche  durch  sich    KcUist  die  Zierden  der 
Republik    sind.      Man    ■\varnt    mich,     die    Veteranen     zu    beleidi- 
gen.*'^^     Die  Veteranen,     -welche    sich   für  die    Republik    bewaff- 
net haben,     oder    ruhen,     verdienen    Belohnung  um!    Lob;     wer 
M'ird  aber  die    fiefährtcn    des  Antonius  in    Schutz   nehmen,     dio 
den  künftigen  Consul  belagern   und  Rom  mit  Feuer  und  Sclnverdt 
bedrohen?    Doch  von  allem  Amlerem  abgeselien ,    wie  lantre  sol- 
len  die  Veteranen  noch    bestimmen,     was    in    der    Curie    gespro- 
chen wird?     Welche  Anmassung,    Mcnn  wir  sogar  die  Fcldherrn 
nach    ihrem    Cutdünken    wählen    sollen  ?     Nach    meiner    Meinung 
—  um    zu    sagen,     was    ich    denke  —    haben  wir  nicht  sowohl 
auf  die  Veteranen  zu  achten  ,     als    auf    das    Ürtheil    der  Neuse- 
worbenen ,     der    Blütljc    Italiens,     und    auf    das    Urtheil  Italiens 
überhaupt.     Denn  nichts  blüht  ewig;     ein    Geschlecht  folgt  dem 
anderen.      Lano^e    haben    Cäsars    Lcijionen    in    Kraft  und  Anselin 
gestanden:     jetzt  stellen  die  Legionen  des  Pansa ,     Hirtius,    des 
jüngeren    Citsar,      des    Plancus    in  Kraft    und  Ansehn;     sie  sind 
jenen    an    Zahl    und    durch    ihr    kräftiges  Lebensalter  überlegen, 
und    wohl    auch   an  Ansehn.      Denn  sie  führen   den  Krieg,     wel- 
cher   von    allen    Völkern  gebilligt  Avird.     Djiher  sind    diesen  Be- 
lohnungen   versprochen,    jene    haben    sie    bereits  erhalten;     jene 
mögen  genicssen,     was  sie  haben,     diese  mögen    erhalten,     was 
ihnen  versprochen  ist.  •'^^ 

Cicero  schreibt  selbst  an  Cassius ,    Pansa  habe  sieh  ihm  in 


C7)  Oben  §.  39.  A.  21.  f.  68)  ArL'lislisre  und  zweideutisre  Worte, 
aber  für  Oclaviaa  nur  zu  verständlich.  Schon  mit  mehr  Kühnheit  ala 
10  Phil.  9.  werden  die  Tironen  gegen  die  alten  Krieger  hervorgehohen, 
welche  den  Kern  seines  Heers  bildeten,  und  so  bald  als  möglich  mit  ihm 
von  der  Kühne  verschwinden  sollten,  wie  Alles,  was  an  Cäsars  Herr- 
schaft erinnerte,  sie  geschaffen  halte  oder  herstellen  konnte.  Diese  \e- 
teranen  hal)en  ihren  Lohn  dahin,  sie  liabcn  ilin  von  dem  enipfangen, 
dessen  Werkzeuge  sie  gewesen  sind,'  die  Republik  zu  unterdrücken;  der 
Senat  hat  nur  Verpflichtungen  gegen  die  Legionen,  welche  er  selbst 
errichtet  hat,  damit  sie,  jedem  anderen  Interesse  fremd,  für  ihn,  für  die 
Sache  der  Republik  fechten.  Beklagte  sich  Octavian,  ehe  man  ihn  mit 
Gewalt  zum  Schweigen  bringen  konnte,  so  erwiederle  Cicero,  er  habe 
wiederholt  auf  die  Belohnung  der  Veteranen  angetragen  ( §.  ."?  J.  A.  30, 
§.  35.  A.  15.)  und  alio  jelzt  nur  von  den  Gefährten  des  Anlouiui  ge- 
it(iro('hen. 


V.  ANTOXII.        (II.  §.  40.)      275 

der  Curie  widersetzt,  d.  Ii.  üljcr  seinen  Antrag  nicht  abstimmen 
lassen,'''-')  und  er  sei  darauf  an  das  Volk  gegangen.'")  Schon 
diese  dcniagogisclic  Massregel  bcweis't,  dass  er  nicht  durch- 
drang, sondern  der  Senat  die  Provinzen  Asia  und  Syrien  und 
den  Krieg  mit  DolahcHa  den  Consula  beschloss,  welclie  jedoch 
erst  nach  dem  Entsätze  Aon  Mutina  sich  nach  dem  Osten  be- 
geben und  bis  dahin  durch   Andere  vertreten  werden  sollten.^') 

Was  in  der  Curie  verfehlt  war,  liofl'te  Cicero  auf  dem 
Markte  zu  erreichen.  Nach  dem  Beispiele  des  Marius,  Cäsar 
und  —  Antonius  wandte  er  sich  mit  Hülfe  eines  Tribuns, 
M.  Servilius ,  ^2)  a,^  Jq^  Volk,  "*•')  g^g<^'^  '^d  Willen  der  Ser- 
vilia.  *^)  Pansa  folgte  ihm  und  erklärte,  dass  sein  Antrag  vom 
Senat  verworfen  und  von  den  eifjenen  Verwandten  des  Cassius 
gemissbilligt  werde,  wodurch  er  auch  diesen  Versuch  vereitelte. "^-^ 
Mochte  die  scheinbare  Begünstigung  der  Consuln  von  Seiten 
seiner  Familie  dazu  beitragen,  dass  man  gegen  Cassius  nichts 
Härteres  bescliloss ,  so  schonte  man  ihn  doch  vorzüglidi  aus 
Rücksiclit  auf  die  Verschworenen  ,  welche  Heere  und  Provinzen 
hatten ,  und  weil  die  Gemässigten ,  zu  welchen  aucli  Pansa  ge- 
hörte, dem  Bürgerkriege  nicht  neue  Nahrung  geben  wollten. 
Man  Hess  ihn  gewähren.  Ciceros  Rath,  auf  keinen  Senatsbe- 
sehluss  zu  achten,  war  überflüssig;^*'.)  er  blieb  in  Syrien  und 
nannte  sich  Proconsul,  selbst  in  Briefen  nach  Rom.'*) 

Ii 

§  40. 

In  dieser  Zeit,  am  17.  März,  erhielt  der  Consul  einen 
Bericht  von  Q.  Cornificius^  welcher  zugleich  an  Cicero  schrieb. '^^-' 


C9)  cfr.  8  Phil.  1.  11,  7.  70)  ad  Farn.  12,  7.  71)  Dies«  erhellt  auch 
aus  I.entulus  Briefe  an  Cicero,  ad  Farn.  12,  1  1.  und  aus  Dio  47,  29.  Dass 
Manutius  durch  Vellej.  2.  62.  irre  geführt  ist,  hat  Fetratius  bemerkt. 
(Argura.  XI.  piiil.  ed.  Wernsd.)  Auch  Cassius  wurde  als  .Statthalter  in  der 
Provinz  anerkannt,  deren  er  sich  hemächtigt  halte,  aber  erst  dann,  als 
Cicero  durch  Antonius  Niederlage  und  den  Tod  der  Consuln  freie  Hand 
erhielt,  folglich  später  als  M.  Brutus;  Vellej us  u.  Appian  (3.  öfiT.  568.  cfr. 
570.  u.  Dio  17,  2^  fin. )  verwechseln  nur  dl*:  Zeiten;  jener  lässt  Beide 
nach  der  Schlacht  hei  ^^fuUna  b-sfätiaen,  dieser  R^ide,  nicht  bloss  BrutuN, 
vorher.  72)  üben  §.  34.  A.  «7.  73j  §.  23.  A.  l.  7  J)  üben  A.  17.  7ö,i  ad 
Kam.  12,  7.     70^  I.e.     77)  ad  Fam.  12,  12.     7b)   Das.   12,  25. 

18* 


270  V.  ANTOMl.         (14.  §.  4U.; 

Kr  Avar  Statthalter  in  «Icr  alten  Pi-uviiiz  Afrika ,  auf  dem  elic- 
lunligen  cartliagisdieii  Cebiete.  Nach  einem  Senatsbesclilusse 
vom  vorigen  Jahre  sollte  er  sie  C  Calvisiiis  übergeben,  einem 
Anhänger  des  Antonius.  "'•♦)  Dieser  war  aber  kaum  nach  dem 
cisalpinischen  Gallien  abgegangen ,  als  der  Senat  am  20.  De- 
ceniber  auf  Ciceros  Antrag  die  Statthalter  bis  auf  Weiteres  be- 
stätigte, und  die  neue  \  ertheilung  der  Provinzen  für  ungültig 
erklärte.^'')  Durch  Cicero  selbst  davon  in  Kenntniss  gesetzt,  *'J 
behauptete  sich  Corniticius  gegen  die  Legaten,  durch  welche 
Calvisius  die  Provinz  abwesend  zu  verwalten  gedachte, *'->'  und 
der  Senat  billigte  es,  als  Pansa  am  19.  März  seinen  Bericht 
vorlas:  Einige  verlangten  sogar  die  Bestrafung  der  Legaten, 
welche  der  Consul  verhinderte.  Denn  er  wollte ,  dass  die  Ge- 
müther sich  beruhigten,  und  holfte  noch  immer,  einen  Ver- 
gleich zu  stiften,  wie  aus  anderen  Gründen  Calenus  mit  den 
übrigen  Antonianern  seit  der  Rückkehr  der  Gesandten  von  Mu- 
tina auf  neue  Unterhandlungen  sann.  Um  Cicero  nachgiebiger 
zu  machen,  veranlasste  Pansa  an  demselben  19.  März,  am  Feste 
der  Minerva,  ^^)  auf  eine  für  ihn  sehr  schmeichelhafte  Art  einen 
Beschluss,  nach  welchem  die  Statue  der  Minerva,  welclic  er  bei 
seiner  Verbannung  als  Beschützerinn  der  Stadt  auf  dem  Capitol 
aufo-estellt  und  der  Sturm  im  Anfange  dieses  Jahrs  oder  am 
Ende  des  vorigen  zertrümmert  hatte ,  wieder  aufgerichtet  wer- 
den sollte.  ^^)  Es  erinnerte  an  \iie  glänzendste  Zeit  seines  Le- 
bens ,  an  sein  Consulat,  sofern  darin  eine  Anerkennung  seiner 
Verdienste  lag,  und  der  Brief  an  Cornificius  beweiset,  Mie  sehr 
er  darüber  erfreut  Avar. 

Doch  mussten  gcAvichtigerc  Gründe  hinzukommen,  ihn  wenn 
auch  nur  für  einen  Augenblick  dem  Frieden  zu  gewinnen.  Er 
war  in  den  Kämpfen  in  Rom  nicht  Sieger  geblieben,  aber  auch 
nicht  besiegt.  Um  dem  Aeussci'sten  auszuweichen,  welches  er 
von  Anfang  forderte,  der  Aechtung  des  Antonius,  der  Kriegser- 
klärung, hatte  man  ihm  manches  Andere  zugestanden,  wodurch 
man  sich  vom  eigenen  Ziele  entfernte,     sich    die  Untcrhandlun- 

70)  3  Phil.  10.    §.  29.  A.  48.  u.    Corniflcii.     80)  §.  34.  A.  11.  u.  20. 
81")  nd  Fam.    12.  22.     82)  Ihre    Namen  ad  Fain.  12,    30.  cfr.  3  Phil.  10. 
^:l)  (/iti/iq/taliifnis   ad    Fam.  12.  23.     81)  Cic.  1.  c.  ad  Att.  7.  3.  Diu  3a 
,V7    .«:.,   17.  tH)eii  §.  35.   A.  40- 


V.   ANTONIT.       (11.  §.  40.)       277 

gen  mit  jenem  erschwerte,  mocliten  sie  ihm  mm  Kräfte  und 
Frist  ;5ur  Eroherung  ]\lutinas  verscliaft'en  sollen,  oder  den  Frie- 
den lic/weckcn.  Der  Zugeständnisse  waren  bereits  so  viele, 
dass  Cicero  in  der  12.  und  13.  Philippika  die  Aufhebung  der 
(liesetze  und  Einrichtungen  vom  vorigen  Jahre,  deren  Urheber 
sein  Feind  war,  als  ein  Haupthindcrniss  des  Friedens  bezeich- 
nen konnte.^'')  Man  darf  aber  nicht  an  einen  allgemeinen  Be- 
schiuss  denken,  wodurch  alle  Acte  des  Antonius  vernichtet  wur- 
den, obgleich  I)io  diese  Ansicht  begünstigt;  ^''0  damit  würden 
auch  die  Verordnungen  über  die  Amnestie,  über  die  Dictatur 
und  andere  unKÜltic:  geworden  sein.  Vielmehr  beseitigte  man 
jene  Acte  einzeln  und  zwar  dadurch,  dass  man  sie  nicht  vollzog 
oder  das  Cegentheil  verfügte ,  worüber  Antonius  in  seinem 
Schreiben  an  Hirtius  und  Octavian  sich   beklagt.  ^'0 

Unerwartet  gewann  es  das  Ansehn  ,  als  ob  Cicero  die 
mühsam  errungenen  Vortheile  aufgeben  werde,  eine  Zeit  harter 
Prüfung  und  grosser  Demüthigung  für  ihn.  Nach  der  Rückkehr 
des  Piso  und  Philippus  von  Mutina  stimmte  Calenus  fiir  eine 
zweite  Gesandtschaft,  Cicero  dagegen  für  den  Krieg;  <lie  Mehr- 
zahl hielt  sich  in  der  Mitte,  und  nannte  den  Kampf  einen  Tu- 
mult. ^^)  Die  Freunde  des  Antonius  Hessen  sich  dadurcli  nicht 
abschrecken,  und  jetzt,  glaubten  sie,  sei  die  rechte  Zeit  ge- 
komtuen  ,  ihren  Versuch  zu  erneuern.  Denn  Hirtius  und  Octa- 
vian sahen  den  Verstärkungen  unter  Pansa  entgegen,  und  dieser 
hatte  die  Rüstungen  beendigt;  sie  gaben  so  wenig  als  die  vor- 
gerückte Jalireszeit  länger  einen  A^orwand,  ernstliche  Unterneh- 
mungen weiter  hinauszusetzen.  Auf  der  anderen  Seite  hatte 
die  Belagerung  von  Mutina  ihren  Fortgang ;  für  Antonius  war 
der  Winter  kein  Himlerniss,  und  D.  Brutus  befand  sich  dui'ch 
seine  Angriffe,  durch  Hunger  und  Geldmangel  in  grosser  Gefahr. 
Man  musste  dem  Entsätze  zuvorkommen  und  diese  Verlegeaheit 
benutzen.  Olinerachtet  der  persönlichen  Unbedeutsamkelt  des 
Brutus  hieng  jetzt  das  Schicksal  Ciceros  und  seiner  Partei, 
oder,  wie  sie  es  nannte,  das  Schicksal  der  Republik,  von  dem 
seinigen  ab.  söj     Calenus    und    seine    Vertrauten,    wohl  wissend, 


85)  12  Phil.  5.  6.  13,  3.  8C)  40,  30.  Tiiteii  §.  10.  A.  Gl.  f.  87)  11 
Phil,  10.  f.  cfr.  §.  14.  A.  77.  88)  Oben  §.  38.  A.  i4.  89)  12  Phil.  2. 
cfr.  ad  Fam.  12,  6. 


278  V.    AMUMl.  (11.  g.  38.) 

wie  besorgt  man  um  ilin  v.ir,  nalimcn  plötzlich  ein  gelicliuniss- 
vollcs  und  zugleich  ängstliches  und  gedrücktes  Wesen  an;  die 
ßetrühniss  Fulvias  und  ihrer  Kinder  ,  M'elchc  l)ci  jenem  -wohn- 
ten, ihr  Weilklagen,  ihre  Seufzer  schienen  zu  bestätigen,  dass 
Antonivis  irgend  ein  Unfall  gctrofien  habe  oder  bedrohe,  und  er 
sich  (j'liick  uünsciien  Mcrdc,  venu  man  ihm  verzeihe.^")  Nach 
dieser  Vorbereitung  sprachen  Calenus  und  Piso  im  Senat  Avicder 
vom  Frieden,  und  Pansa  stimmte  ein.  Auch  dann,  sagte  der 
Erste,  AvoUen  wir  Antonius  nicht  hören,  vcnn  er  die  Belage- 
rung aufgehoben,  auch  dann  nicht,  ■wenn  er  erklärt  liat,  dass 
er  dem  Senat  gehorchen  uerde?'-^^  Es  blieb  kein  Zweifel  übrig, 
dass  eine  Wunde,  -welche  nur  jene  kannten,  ihn  so  fügsam 
machte ,  dass  nur  seiner  Ehre  wegen  der  erste  Schritt  zur  Ver- 
söhnung wieder  von  Rom  geschehen  solle  ,  und  man  niclit  mehr 
Forderungen,  sondern  Bitten,  nicht  Bedingungen,  sondern  be- 
sclieidcnc  Wünsche  von  ihm  vernehmen  werde.  Da  vcrc;ass  Ci- 
ccro  die  Reden,  worin  er  die  Unmöglichkeit  des  Friedens  selbst 
für  den  Fall  bewiesen  hatte,  dass  der  Feind  sicli  unterwerfe;  ^-) 
desto  Icbliaftcr  ergriff  ihn  der  Gedanke,  dass  der  Ausgang  des 
Kricixes  docli  immer  ung-ewiss  sei,  und  in  Mutina  oder  in  einer 
Schlaolit  unter  seinen  Mauern  alles  verloren  werden  könne,  und 
—  die  Friedenspartei  sah   ihn  in   ihrer  Mitte.  ^^^ 

Nach  der  Genehmigung  ihres  Antrags  war  er  nicht  mehr 
Herr  seines  Willens.  Er  fühlte,  dass  er  sich  einem  Strome 
anvertraut  hatte,  auf  welchem  er  eben  so  leicht  untergehen  als 
den  Hafen  erreichen  konnte,  und  musste  sich  schon  zu  einem 
neuen  und  grösseren  Wai>;nisse  entschliessen,  damit  ihm  das 
Ruder  nicht  entschwand.  Es  Mar  von  der  grössten  ^^  iclitigkeit, 
dass  die  Gesandten  aus  der  vermeintlich  hülfslosen  Lage  des 
Feindes  jeden  möglichen  Vortheil  zogen,  und  diess  war  nur 
verbürgt  5  wenn  Cicero  selbst  mit  ihnen  gieng;  er  gab  aucli 
dazu  seine  EiuAviUiijuna:.  Die  fünf  Consnlarc , '•**^  welche  nebst 
Pansa  mit  den  Unterhandlungen  beauftragt  Avurdcn,  vertraten 
alle  Parteien:  Fulius  Calenus,  L.  Piso,  wegen  seines  Hasses 
gegen    die    Mörder  seines   Schwiegersohns  zu  Antonius  Freunden 


90)  c.  1.     91)  c.   2.    cfr,    c.  I.  u.  7.     02)  §.  37.  A.  OD.  f.     03)  c.  1. 
1)  13  l'hil.    17. 


V.  ANTONII.        (14.  §.  40.)       279 

gcreclinet,  L.  Cäsar,  des  Letzten  Olicini,  alier  als  gcmässio-t 
bekannt,  P.  Sei'vilius,  welchen  Cicero  als  Gegner  des  Antonius 
rülinit , '''^)  und  Cicero  selbst,  von  den  Antonianern  Avie  jener 
lingern  zugelassen.  ^''^  Pansa  Avar  ohnehin  im  Begriffe,  zum 
Heere  abzugehen,  und  sollte,  Avie  es  sclieint,  als  Consul  das 
ganze  Unternehmen  leiten.  AVclche  Gefülile  mochten  Cicero  be- 
stürmen ,  Avährcnd  er  sich  da  finden  licss,  avo  jeder,  der  auch 
nur  entfernt  \'on  ihm  gehört  hatte,  ihn  zuletzt  suchte,  in  einer 
Rolle,  Avelclie  von  ihm  Acrpönt,  gebrandmarkt  Avar !  das  stärkste 
unter  allen  AAar  die  Todesangst,  obgleich  seine  Gegner  ihn 
nicht  verlockten,  um  ihn  zu  opfern ,  ö^)  und  Antonius  ihn  noch 
nicht  ungestraft  ermorden  konnte,  zumal  Avenn  er  als  Gesandter 
erschien. 

Als  man  sicli  über  die  Gesandtscliaft    geeinigt  und  die  Ab- 
geordneten ernannt  hatte ,  ^^'j  zerstörten  die  Urheber  ihr  eigenes 
Werk.      Sie  äusserten   iln-e  Freude  zu   früh  und  erregten  dadurch 
Verdacljt;  ^'•')  ihre  Reden  bestärkten   darin;     sie  sollten  sich  mit- 
theilen,   die   Gemüther  beruhigen,    und  soAVohl  Piso  als  Calenus 
hielten  zurück:   ,, Antonius  zieht  also  Aon  Mutina  ab?  Ich  Aveiss 
es  nicht.      Er  gehorcht  dem  Senat?     Ich    glaube  es,     doch  ohne 
Nachtlicil  für  seine  "NVürdc."  "^'^'-'     Der   Nebel  vor  Ciceros  Auo-en 
verschwand;    er    erkannte    sich    in    den    Reihen    der    Antonianer 
und  in  ihrem  Dienste ,  und  augenblicklich  nahm  er  Avieder  ihnen 
gegenüber    seine    vorige    Stellung    ein ,     überdiess    durch    Briefe 
,des  Hirtius  und  Octavian  ermuthigt,   Avelche  den  Sieg  A'erhiessen 
und    sehr  gelegen  gerade  jetzt  iiim    überbracht  Avurden.  ^)     Mehr 
als    eine  Spur  in    der   12.  Philippika  führt  darauf  hin,  dass  die 
Stadt  in  eine  heftige  BcAvegung  gerieth,     dass  Aon  Ränken  und 
von  Verrath   die  Rede  Avar,     und    der    Consul    selbst  beschuldigt 
"Wurde.     Er    konnte    nicht    un\Jiin,     die    Sache    in  der  Curie  zur 
Sprache  zu  bringen  ,  wo  er  sicli  Aveitläuftig  darüber  rechtfertigte, 
dass    A'on  seiner  Seite  keine  Täuschung  Statt    gefunden  habe ,  -J 
aber  auch  überhaupt  läugnete  ,     dass    man    nicht  aufrichtig  A'er- 
fahren  sei,   denn  er  trug  nicht  darauf  an,   den  Beschluss  zurück- 
zunehmen. 3)     P.  Servilius  bezeugte ,  die  Seinigen  seien  betrübt 

95)  ad  Fain.  12,  2.  12  Phil.  2,  7.  06)  12  Phil.  7.  97)  Welche» 
Dio  40,  32.  andeutet.  98)  12  Phil.  1  fin,  2.  99)  c,  7.  100^  c.  2. 
n  c,  4.     2)  c.  2.     3)  c.  7. 


280  V.  ANTON».        (14.  §.  40.) 

redliche    Männer    und    Freunde    erstaunt    und    unwillin',     dass  er 
sich  mit  einer  solchen  Botscltaft  befassen  wolle.  *) 

Nach  ihm  sprach  Cicero,  um  zu  bewirken,  dass  man  dem 
Beschlüsse  überall  keine  Folge  gebe,  oder  doch  niclit  in  Bezie- 
hung auf  ihn,  oder,  wie  er  des  guten  Scheins  wegen  hinzu- 
fügte, ihm  die  Gewissheit  verschatt'e,  dass  er  auf  der  Reise 
nicht  in  Gefahr  sein  werde.  Der  Beschluss  beruhe  auf  falschen 
V'oraussetzungen ;  man  sei  getäuscht,  und  besser  sei  es,  dies« 
zu  gestehen,  als  im  Irrthume  zu  beharren.  Also  keine  (Gesandt- 
schaft, kein  Friede!  ^)  es  sei  dem  Staate  verderblich,  es  sei  un- 
gerecht, ja  unmöglich,  sich  zu  vergleichen.  ,, Es  wird  die  rege 
Thätigkeit,  welche  sich  jetzt  überall  kundgiebt,  zum  Erstarren 
bringen;  das  Volk  und  die  Municipien ,  die  Colonicn,  ganz 
Italien  werden  es  bereuen ,  dass  sie  sich  gegen  Antonius  erklärt 
und  dem  Kriege  mit  ihm  bereits  so  viel  aufgeopfert  haben.  Was 
ist  ungerechter ,  >»ls  ohne  Wissen  der  Streiter  den  Frieden  zu 
beschlicssen?  <»)  Das  SchM'erdt  wird  ihrer  Hand  entgleiten ,  wenn 
sie  vernehmen,  dass  der  Senat  das  Zeichen  zum  Rückzüge 
giebt  und  ihnen  den  Sieg  entreisst.  ^^^  Und  wie,  wenn  der 
Friede  unmöglich  ist?  Der  Erfolg  der  ersten  Gesandtschaft  hat 
diess  schon  ausser  Zweifel  gesetzt,  und  seitdem  haben  sich  die 
Schwierigkeiten  vermehrt ,  denn  der  Senat  hat  die  Verordnungen 
des  Antonius  aufgehoben  und  ihn  wegen  seiner  Verbrechen  ver- 
urtheilt;  will  man  widerrufen?  Antonius  verlangt  es;  nicht  er 
will  sich  dem  Senat,  sondern  dieser  soll  sich  ihm  unterwerfen. 
Jeder  Vertrag  mit  ihm  führt  also  zur  Sclaverei;  es  giebt  nichts, 
was  man  ihm  ohne  Gefahr  bewilligen  könnte;  das  jenseitige 
Gallien  und  ein  Heer?  Diess  wäre  mehr  als  den  Krieg  bloss 
aufscliieben,  es  hiesse  ihm  den  Sieg  zugestehen;  auf  welche 
Art  er  auch  wieder  nacli  Rom  kommt,  er  wird  immer  als  Sie- 
ger kommen."  8)  Cicero  zeigt  darauf,  dass  wenn  man  dennoch 
unterhandeln  wolle,  er  sich  am  wenigsten  zum  Gesandten  eigne. 
Et    habe    sich    stets    so  stark  gegen    Antonius  und  gegen  dessen 

4)  c.  2.  5)  Die  allgemeinen  Gründe,  welche  folgen,  waren  von  Cicero 
schon  oft  gebraucht,  s.  insbesondere  die  7.  Philipp,  in  §.  37.  A.  09.  f. 
0)  Es  ist  Frechheil,  wenn  sie  dem  Senat  den  Frieden  gebieten,  $.  39. 
A.  C7.  68.  ihr  Verlangen  nach  Krieg  muss  beachtet  werden,  dcuii  Cicero 
bedarf  dea  Krieg.     7)  c.  3.   1.  5.     »)  c.  5.  0. 


V.  ANTONH.  (14.  §.  40.)         281 

ganzes  Haus  geäussert,    dass  seine  Gegenwart  ihn  nur  erbittern 
und  das   üntcriiehnicn  vereiteln  werde;     ilun    selbst    sei    es  auch 
nicht    füglich    zuzuiuuthen,     dass    er    Antonius  unter  die  Augen 
trete.      Sein    Leben    sei    ihm    gleichgültig,    wenn   mau    ihn    nur 
nicht  nach  dem  Beispiele  des  Dolabella  zu  Tode    martere,     aber 
dem  Senat,   dem  Volke  könne  es  nicht    gleichgültig  sein,     denn 
eben    als    Schutzwehr    des    Staats    gegen   alle    Frevler  sei  er  der 
Gegenstand    ihres    Hasses.  '•'^      Nicht    einmal  in   Rom  gebe  es  Si- 
cherheit für   ihn,  wie  viel  weniger  auf  einer  Reise.      Jede  Strasse, 
welche    er    auch    wühlen    möge,     führe    ihn    mit    seinen  Feinden 
zusammen;     die  cassische  mit  dem    Siebenmanne   Cäsennius  Len- 
to  ^^)    in    Etrurien ,     welchem    es    wahrscheinlich     nicht    genügen 
werde,  bloss   Einen  Kopf  abgeschlagen  zu  haben;   die  flaminische 
mit    Ventidius,     denn    es    verlaute,     dass    er    schon    in    Ancona 
stehe;     die    aurelische    berühre    die    Güter    des    P.   Clodius,     -wo 
alte  Freundschaft  ihm  die  beste  Aufnahme  sichere.  "-•      Er  werde 
daher  nicht  gehen.     In  der  Stadt,    nicht  im  Lager  sei  sein   Ge- 
schäft.    Furcht  kenne  er  nicht,    aber  niemand   übertreffe  ihn  an 
Vorsicht;     diess  lehre  die  Erfahrung:     seit    zwanzig   Jahren  von 
Verbrechern  aller  Art  angefeindet,     sei    er    dem    Staate  erhalten 
und  jene  haben  gebüsst.     So  wolle  er  auch  jetzt  vorsichtig  sein, 
nicht  verschulden ,    was  man  an  Trebonius  tadle.     In   der  Stadt 
könne  er  um  sich  sehen;  auch  in  den  Apcnninen?    Selbst  ange- 
nommen,  dass  hier  keine  Gefahr  sei,  werde  der  Gedanke  daran 
ihn    gar    nicht    an    seinen    Auftrag    denken    lassen.       Und    wenn 
nun    die    Gebirge    hinter    ihm  liegen ,     Avas  erwarte  ihn  ?     Eine 
Zusammenkunft  mit    Antonius.     Er    frage ,     wo    er    ihn     treffen 
solle?    Ausserhalb  des  Lagers?     da    werde    denn  auch  sein  Grab 
sein;     er    kenne    den    Wüthenden.  ^V      Dem    diesseitigen    Lager 
werde  Antonius,  er  werde  sich  dem  seinigen  nicht  anvertrauen; 
es  bleibe  nichts  übrig,     als  schriftlich    zu    verhandeln.      Was  er 
zu  sagen  habe,     könne  er  sogleich  hier  sagen,     er  werde  Anto- 
nius mit  allen  Forderungen  an  den  Senat    verweisen ;     mehr  sei 
auch  nicht  gestattet ,  denn  der  Senat  habe  den  Gesandten  keine 
Vollmacht    gegeben.     Sage    er    diess    im    Kriegsrathe,    so    werde 

0)  c.  7.  8.  10)  cfr.  §.  14.  A.  67.  u.  §.  42.  A.  02.  Er  tödtete  Cn. 
Pompejus  nach  d.  Schlacht  bei  Munda.  Julii.  Caes.  Diclat.  a.  45.  11)  c 
n.     12)  c.   10.   II. 


282  V.  ANTONU.         (14.  §.41.) 

die  unwissende  Menge  ilia  für  das  Hindcrniss  des  Friedens  hal- 
ten, nicht  die  Ncugcworlicnen,  und  niclit  die  Legion  des  Mars 
und  die  A'icrte,  alier  die  übrigen  \  ctcranen ,  m eiche  man  gegen 
ihn  eingenommen  und  das  Bewusstscin  ihrer  Tliaten  übermüthig 
'gemacht  habe.  AVenn  er  aber  dem  Allen  entgehe,  so  Merde  er 
doch  nach  seiner  Rückkehr  den  .'Inreindungen  derer  nicht  ent- 
gehen, Avclchc  ihn  liassen  und  beneiden.  Man  möge  ihn  also 
der  Republik  erhalten.  Indcss  wolle  er  reisen,  obgleich  die  Ge- 
sandtschaft, um  das  Mildeste  zu  sagen,  überflüssig  sei,  Avenn 
es  ohne  Gefahr  geschelien  könne. 

Diese  Gefalir  kannte  der  Senat,  als  er  ihnwälilte;  da  aber 
Cicero  das  Gewebe  dei*  Lüge  und  der  Arglist  öffentlich  ent- 
sclileiert  liatte ,  so  konnte  man  nicht  mehr  mit  Ehren  einen 
Beschluss  vollzielien,  •welciV-r  dadurch  veranlasst  war,  ^V  und 
Pansa  rückte  in  der  zweiten  Hälfte  des  Märzes  mit  seinen  Le- 
gionen ohne  Gesandte  ins  Feld.  ^^^ 

§41. 

Als  Cicero  endlich  den  Krieg,  wenn  auch  nicht  unter  die- 
sem Namen,  heraufbeschworen  hatte ,  Hessen  die  Statthalter 
jenseits  der  Alpen,  L.  Plauens  und  M.  Lepidiis  sicii  beigehen, 
dem  Senat  den  Frieden  zu  empfehlen.  '•')  Ihre  Briefe  wurden 
vor  dem  20.  März  übergeben ,  denn  an  diesem  Tage  schrieb 
Cicero  an  Plauens,  dass  sie  im  Senat  vorgelesen  seien.  •'''  Pan- 
sa,  welcher  sich  am  19.  noch  in  Rom  befand,  ^'')  war  nicht 
dabei  geijenwärtii; ,  sondern  schon  mit  dem  Heere  aufirebrochen.  'S) 
Daraus  fols-t.  dass  entweder  die  Lesart  in  der  Zeitangabe  unter 
jenem  Briefe  unrichtig  ist,  oder  dass  dieser  demselben  Tage 
angehört,  an  welclicm  über  den  Vorschlag  verhandelt  Mar,  und 
Cicero  die  13.  Philippika  gehalten  hatte,  dem  20.  und  diess 
ist  das  wahrscheinlichste.  Die  Consular- Geschäfte  waren  bereits 
dem  städtischen  Prätor  M.   Curnutus  übertragen.  ^V 

Bei  dem  grossen  Ansehn  des  Lepidns   in    Rom  und  bei   sei- 
ui-v  jrt/igcn  Maclit  und  Stellung   schien  es  rathsam,  seine  Wün- 


13^  Dio  40,    32.  fni.     14)  Inteii  §.  41.  .\.  18.     15)  ad  Fani.  10,    C. 
;    .    11  ,    It:.    13    Pliil.    4.      lt>;    ad    Kam.    I.    c.      17)   Oben    §.    40.    A.    83. 
I  <)  1.1  Phil.  7.  10.    18.  20.  §.  43.  in.      19;  ad  lam.   10,    12.   IC  clr.  10, 
1.   14  Phil    II    Val.  Max.   5.  2.  §.    K  .   'r.ipn  §    iS.  .\.  SC. 


V.  AXTOxMI.        (11.  §.  41.)      283 

sehe  nldjt  unLeaclitet  zu  lassen;  sie  gaben  Mcnigstcns  der  Par- 
tei des  Antonius  einen  Vorwanil,  das  riclfacli  Hesprocheuc  noch- 
mals zur  Sprache  zu  bringen,  an  die  Wcchselfalle  des  Kriegs  und 
an  die  Möglichkeit  zu  erinnern,  dassLepidus  sich  mit  den  Belagerern 
von  Mutina  verbinde.  -")  Wenn  sie  nicht  einen  Stillstand  in  den 
diesseitigen  Unternehmungen  heuirkte,  uelches  siewolilkauni  noch 
hoffte,  so  bewies  sie  doch  Freund  und  Feind ,  dass  sie  noch  nicht 
ganz  überwunden  sei,  sie  hinderte  Cicero  am  Angriffe,  da  er  sich 
vertheidigcn ,  an  einer  Kriegserklärung,  da  er  gegen  den  Frie- 
den kämpfen  musstc,  und  nöthigte  ihn  zugleich,  von  neuem  in 
einer  gehässigen  Rolle  aufzutreten.  Cornutus  fragte  nach  Pansas 
Beispiele-'^  P.  Servilius  vor  Cicero,  und  er  stimmte  gegen  den 
Frieden. --J  Nacli  einer  langen  Rede  erklärte  Cicero,  dass  er 
derselben  Meinung  sei,  und  den  Senat  nur  veranlassen  wolle, 
auch  des  Sex.  Pumpejus  zu  gedenken.  F.r  fühlte,  dass  der  He- 
rold des  Kriegs,  des  Bürgerkriegs,  der  Rechtfertigung  bedürfe,  -^) 
und  -wiederholte  deshalb,  dass  der  Friede  mit  Antonius  Sclaverei 
sei.  Der  Beweis  liege  in  seinen  Gesinnungen  und  Handlungen, 
in  der  A  erzweifhing  seiner  verarmten  und  raubsüchtigeu  Ge- 
sellen, in  den  Beschlüssen,  v.orin  man  seine  Gesetze  und  Ein- 
richtungen vernichtet,  ganz  Italien  gegen  ihn  aufgeboten,  und 
üolabella,  seinen  Collegen ,  geachtet  habe,  und  in  der  Erbit- 
terung, ■welche  durch  diess  Alles  in  ihm  und  in  seiner  Bande 
entstanden  sei.  -*)  Man  spreclie  von  dem  ungewissen  Ausgange 
des  Kriegs:  vom  Senat  verde  Muth  und  Kluglieit  gefoi'dert, 
jener  treibe  zum  Kampfe,  diese  geliiete  Vorsicht,  dürfe  aber 
nur  dann  gehört  werden,  Avenn  sie  warne,  Leben  und  Gut 
höher  zu  achten,  als  die  Freiheit.  Darnach  bestimme  sich  nun 
auch  das  Urtheil  über  den  Antrag  des.Lepidus,  eines  um  üea 
Redner  und  um  den  Staat  hochverdienten  Mannes,  welchem 
mau  insbesondere  durch  die  Vermittlung  des  Friedens  mit  Sex. 
Pompejus  A-erptlichtet  sei,  und  freilich  auch  reichlich  vergolten 
habe ,  -■'^  eines  Mannes,  der  wolil  irren,  aber  nie  absichtlich 
der  Republik  schaden  könne.  Er  sei  aber  im  Irrthume ,  wenn 
er  glaube,  dass  die  Antonier  als  Bürger  Pompejus  gleichen  wer- 

20)  13  Phil.  3.  8.  21)  §.  37.  A.  95.  §.  38.  A.  71.  §.  10.  A.  4.  cfr. 
§.  44.  A.  C4.  22)  13  Phil.  21.  23)  cfr.  §.  38.  A.  5j.  f.  21  13  Phil. 
I   —  3.     25)  §.  35.  A.  Ol.  u.  I. 


2S4  V.  ANTOXir.  (^14.  §.  41.) 

den;  ja  die  AiifnaliinR  des  Imiicii  l)cdmjre  die  F.nffcniuna:  der 
Anderen;  denn  der  Senat  habe  Punipejiis  eine  (leldcntschüdij^inig 
für  die  viiterliclien  Güter  bewilüjrt;  diese,  jetzt  grösstoiitlieils 
im  Besitze  des  Antonius,  werde  er  wieder  an  sich  kaufen;  der 
liedner  werde  ihn  zum  Augur  vtählcn,  und  das  Volk  iiel»er  ihn 
als  Antonius  bestätigen;  2'*>'  er  habe  auch  in  Massilien  geäussert, 
dass  er  nur  aus  Besorgniss,  den  V^eteranen  nicht  wiilkümmen 
zu  sein,  nicht  nach   iMutina  gehe. 

Doch  davon  abgesehen  möge  Lepidus  sich  A'or  Anmassung 
liüten.  Wenn  er  etwa  glaube,  durch  sein  Heer  zu  schrecken, 
so  vergesse  er,  dass  es  nicht  ihm,  sondern  dem  Staate  gehöre; 
CS  stehe  freilich  zu  seiner  Verfügung ,  aber  niclit  zu  schänd- 
lichen und  unerlaubten  Zwecken.  Eine  Veruiittlung  ohne  Waf- 
fen sei  überflüssig,  wenn  auch  weniger  zu  tadeln.  Weder  er, 
so  angesehen  er  auch  sei,  noch  irgend  ein  Anderer  besitze  An- 
sehn genug,  um  in  Senat  und  Volk  das  feurige  Verlangennach 
Freiheit  zu  ersticken,  und  an  Truppen  und  Avackeren  Anführern 
fohle  es  nicht.  Aber,  wende  man  ein,  es  ist  zu  fürchten,  dass 
wir  unterliegen.  2^)  Diese  Besorjjniss  sei  unercfjründet;  als  ein 
reicher  Mann  wünsche  Lepidus  Ruhe  und  Ordnung  im  Staate, 
als  ein  verständiger  und  besonnener  Mann  habe  er  sich  an  den  Lu- 
percalien  gezeigt,  denn  er  habe  bei  dem  Anblicke  des  Diadems, 
welches  Cäsar  von  Antonius  angetragen  wurde ,  Thränen  ver- 
gossen; er  wolle  also  keine  Sclavcrei ,  und  Antonius  sei,  w.is 
Cäsar  gewesen.  Er  sei  ein  noch  ärgerer  Z^vinghcrr,  habe  die 
Curie  mit  Barbaren  besetzt,  brave  l\riegcr  gemordet  u.  s.  w. 
Durch  Cäsar  (üctavian)  an  der  Ausführung  seiner  blutigen  Ent- 
würfe gegen  Rom  gehindert  sei  er  nach  (lallien  entflohen,  wo 
er  Brutus,  den  Consul  des  nächsten  Jahres  belagere,  und  die 
drei  Consulare,  welche  man  gegen  den  Willen  des  Redners  zu 
ihm  geschickt,  verächtlich  zurückgewiesen  habe.  Könne  noch 
ein  Zweifel  an  der  Unmöglichkeit  einer  (iemcinsriiaffc  zAvischcn 
Rom  und  diesem   Ungeheuer  übrig  sein  ,   so  werde  er  durch  des- 


20)  c.  5.  cfr.  §.  2.  A.  Ol.  u.  §.  ül.  A.  9.     '11)  c.  S.     üass  der  Ver- 
mittler sich  in   einen  Bundesgennusrn  des   Antuniu8  verwamlelt,  und  die- 
ser   dadurch    die    Uebermacht    erhall.     Cicero  deutet  es  nur  an,    um  Le- 
[liduB  zu  schonen.     Kr    hat  so  eben   versucht,    den  schwachen  Mauii  ein 
zuschiichlcrn ,  jetzt  wendet  er  sich  an  seine  Eitelkeit. 


..  V.   ANTON».        (14.  §.41.)     285 

sen  Brief  an  Hirtius  und  Cüsar  (üctavian)  gehoben.  Cicero 
las  ilin  vor,  und  fügte  Anmerkungen  hin/u,  deren  Inhalt  im 
Wesentlichen  folgender  ist:  -^)  er  giebt  von  neuem  ein  \'cr- 
zcichniss  der  Avirkliclien  und  vernicintlichcn  Laster  und  Verbre- 
chen seines  Feindes,  spottet  über  seine  Familien- Verbindungen, 
und  verfolgt  seine  Brüder  und  Anhänger  mit  dem  bittersten 
Hohne.  ANäljrend  er  den  Senat  gegen  seine  ^  orwürfe  rechtfer- 
tigt, stellt  er  die  Consulare  in  ein  naciitheiliges  Licht  und  er- 
hebt sich  als  den  Einzigen,  welcher  angeblich  an  der  Spitze 
des  Senats  den  Uebermuth  und  die  Macht  des  Antonius  gebro- 
chen habe.  Wie  sehr  er  Lrsach  hatte,  es  zu  vermeiden,  äussert 
er  seinen  Hass  gegen  die  A  cteranen  Cäsars,  und  seine  Vorliebe 
für  dessen  Mörder,  insbesondere  aber  eifert  er  wieder  gegen  die 
Ltnauptung  des  Antonius,  dass  der  Streit  zwischen  ihm  und 
Rom  bloss  Parteisache  sei ,  hervorgegangen  aus  dem  AVunsclie 
der  Ponipcjaner,  die  Cäsarianer  zu  unterdrücken,  dass  Cicero,  um 
diese  durch  einander  selbst  aufzureiben,  Octavian  und  die  Consuln 
durch  Schnicicheleien  und  verderbliche  Geschenke  zum  Kriege  mit 
ihm  sporne,  -*-')  und  Allen  das  Schicksal  des  Dolabella  bereite.  '-'^'J 
Ferner  läugnet  er,  dass  Lepidiis  sich  mit  Antonius  verbunden  habe, 
welchem  bei  dieser  Gelegenheit  ein  Sprachfehler  verbessert  wird,  -"^ 
und  dass  Plancus  mit  ihm  einverstanden  sei,  und  kommt  zuletzt 
auf  den  Hauptgegenstand  seiner  Rede  zurück  mit  der  \'ersicherung, 
dass  niemand  ohne  Gefahr  zu  ihm  reisen  könne,  und  niemand  zu 
ihm  werde  reisen  wollen,  nachdem  er  den  ersten  Versuch,  sich  mit 
ihm  zu  einigen,  vereitelt  habe,  dass  jetzt  kein  Friede  mehr, 
niclit  einmal  seine  Unterwerfung  zulässig  sei.  „Eher  werden 
Feuer  und  Wasser  sich  vermischen,  als  dass  die  Republik  sich 
mit  den  Antoniern  versöhnt;  besser,  dass  diese  Stadt  ihrem 
Boden  entrückt  Avird,  und  in  einem  Lande,  wo  man  nie  den 
Namen  der  Antonier  gehört  hat,  wieder  ersteht,  als  dass  sie 
jene  in  ihre  Mauern  aufnimmt.  Wer  nicht  das  Leben  über  die 
Ehre  setzt,  dem  bleibt  nur  übrig  zu  siegen,  oder  für  die  AVürde 
und  Freiheit  des  Vaterlandes  jedes  Missgescliick  zu  erdulden." 
Demnach  tritt  Cicero  dem  Gutachten  des  Servilius  bei,  und 
trägt    überdiess    auf   ein  Belobungsdecret  für  Sex.  Pompejus  an, 

28)  c.    10   f.    Uel.er    den    Brief   sell.st    vgl.  §.  42.  A.  99.     29)  §.  21. 
A.   2.  3.     30)  c.  17.   l'J.  20.     31;  c.   19. 


2S6  y-  ANTOXir.  (11.  §.   11. 

welches  entweder    mit  dem    ScnatsLesclilussc   verbunden  oder  be- 
sonders abgefasst  Avcrdcii  könne.  •'-) 

Es  war  mehr  Folge  der  Umstünde  als  seiner  Rede,  dass 
der  Senat  nach  seinem  AVunsche  die  Entschcidiinfj  den  Waffen 
iibcrllcss.  Sogleich  setzte  er  die  beiden  Statthalter  davon  in 
Kenntniss,  L.  Plancus  mit  freundlicher  Zurechtweisung,^') 
M.  Lepidus  in  einem  kurzen  Schreiben  des  Inhalts:  er  würde 
besser  gethan  haben,  dem  Senat  fi'ir  die  ilnu  beschlossenen 
Ehren  zu  danken,  als  sich  mit  Dingen  zu  befassen,  welche  ihn 
nicht  angiengen.  ^*^  Offenbar  sollte  dieser  zuversichtliche  Ton 
ihn  überzeugen ,  dass  er  nicht  unentbehrlich  und  Rom  stark 
genug  sei,  den  Ungehorsam  zu  bestrafen.  Cicero  entfernte  sich 
stets  von  seinem  letzten  und  höclisten  Ziele ,  wenn  er  sich  ihm 
zu  nähern  glaubte.  Er  suchte  Parteien  gegen  Antonius  zu  ver- 
einigen, welche  sich  tödtlich  hassten ;  '•'>'  die  Begiinstigung  der 
Einen  war  Beleidigung  für  die  Andere,  und  wenn  er  sich  das 
Ansehn  gab ,  als  solle  der  Lohn  sich  nach  den  Thaten  bestim- 
men ,  ,  so  lüftete  die  Leidenscliaft  jeden  Augenblick  den  Schleier 
der  V^erstellung ,  denn  auch  er  empfand  gegen  eine  dieser  Par- 
teien einen  tödtlichen  Hass.  Diese  Philippika  zeugt  wie  die 
Uebrigen  von  der  Ungeduld ,  mit  welcher  er  dem  Zcitpuncte 
entgegen  sah ,  avo  er  sich  des  Erben  und  der  Krieger  Cäsars 
entledigt  und  die  letzte  Spur  seiner  Gesetze  vernichtet  haben 
würde,  Pompejus,  hörte  man  von  ihm,  sei  ein  vortrefflicher 
Mann  und  Ciisars  Herrschsucht  die  Ursach  des  letzten  Bürger- 
krieges gewesen;*^")  als  Antonius  durch  Ueberreichung  des  Kö- 
niffsschmucks  sich  zum  Sclaven  seines  Colles;en  bekannte,  habe 
Lepidus  geweint  und  das  Volk  geseufzt.  •'')  Ciliar  sei  mit  Recht 
getödtet;  für  seine  Elire  werde  am  besten  -gesorgt  durch  Ver- 
sessen und  Schweisjen;  ■'^)  Antonius  habe*  ihn  den  ^  atcr  des 
Vaterlandes  genannt,  darüber  lasse  sich  Manches  sagen;  den 
Senat  nenne  er  das  Lager  des  Pompejus;  es  sei  zu  bedauern, 
dass  nicht  alle  Consulare  des  pompcjanischen  Senats  noch  lebten, 
die  Prätorier  und  die  Uebrigen,  würdige,  ausgezeichnete  Män- 
ner,   deren  sich  so  viele  eingefunden,    dass  diejenigen  gar  sehr 

3'2)  c.  21.  33)  ad  Farn.  10,  G.  .31)  Das.  10,  27.  rfr.  ep.  31. 
Z5)  §.  25.  A.  CS.  f.  30)  13  riiil.  1,  1.  Ü.  37;  c.  S.  15.  19.  2^)  e. 
1.   In.  , 


V.  ANTOXir.        (M.  §.  11.)  287 

der  EntscliuMlGliing:  Lciliirftcn,  wclclie  nicht  in  jenes  Lnfrcr  rrc- 
kommen  seien  ;'''-'^  er  erwähne  das  Gesetz  des  Hirtitis,  welches 
die  Pompejaner  von  Elircnstellen  ausschliesse;  llirtius  bereue  es, 
und  wenn  es  für  ein  Gesetz  gelten  könne,  so  falle  es  doch  ihm 
nicht  zur  Last.  ^">^  Nur  der  Eintracht  Avcgen  lasse  man  die 
Verordnuniicn  eines  Mannes  bestehen,  dessen  Ermorduns:  man 
billige;  an  sich  sei  es  ungereimt.*')  Musstc  jedes  dieser  Worte 
den  Erben  seines  Namens,  und,  wie  er  hofltc,  seiner  ]\Iaclit, 
und  seine  Veteranen  auf  das  tiefste  Aerletzen  ,  so  niclit  Avcnicrer 
Ciccros  Verwendung  für  Sex.  Pomprjus.  Er  liebte  ihn  nicht, 
er  fürchtete  ihn;  schon  der  ältere  Bruder,  Cneus,  hatte  ihn 
nach  der  pharsalisclien  Schlacht  als  einen  Abtrünnigen  und  Verrä- 
ther tödtcn  wollen;  aber  Sextus  sollte  als  Freund  der  Eaction 
erscheinen,  in  deren  Namen  er  sprach,  ein  Gegengewicht  geben 
gegen  Octavian,  und  Lepidus  das  Schwerdt  in  der  Scheide  hal- 
ten. Nach  dem  Siege  und  der  Herstellung  der  Verschworenen 
konnte  man  den  jungen  Mann  unschädlich  machen.  Aber  er  er- 
füllte Ciceros  Hoft'nungcu  nicht,  und  die  Römer,  welche  seine 
väterlichen  Güter  besassen ,  als  Anhänger  Cäsars  ihm  verhasst 
waren  oder  ihn  selbst  als  den  Sohn  seines  Feindes  hassten,  *2) 
wurden   besorgt  und  erbittert,  \ 

Lepidus  war  verdäclitig  und  um  so  wünschenswerther  dei* 
Beistand  des  L.  Plancus,  welcher  zwischen  jenem  und  Asinius 
Püllio  in  Spanien  in  der  Mitte  eine  wichti<re  Stcllunir  hatte, 
und  wie  alle  Stattlialter  nur  auf  den  eigenen  Vortheil  dachte,  die 
Republik  als  seine  grosse  Schuldnerinn  betrachtete,  wenn  er 
nur  nichts  gegen  sie  unternahm  und  sie  seiner  Ergebenheit  ver- 
sicherte. *■')  Diess  machte  Cicero  verlegen,  denn  von  ihm  ins- 
besondere erwartetc-i  man  die  Befriedigung  solcher  Ansprüche. 
Er  schrieb  Plancus  i^ni  30.  März:  ehrenvoll  seien  nur  Belohnun- 
gen für  schon  erwätbcnc,  nicht  für  künftige  Verdienste;  auch 
könne  man  die  Vollziehung  keines  Ehrenbeschlusses  verbür^i-cn, 
so  lange  der  Staat  wanke;  daher  möge  er  diesen  zu  befestigen, 
D.  Brutus  zu  retten  suchen;     der  Lohn    solle    ihm   nicJit  entste- 


39)  Oder  zu  spät  und  als  sie  es  durchaus  nicht  mehr  vermeiden 
konnten,  wie  Cicero,  welcher  daher  bei  der  erliitzlen  Aristocralie ,  dem 
Buswärligen  Rom,  keine  Eiilschuluigung  fand.  c.  11  lin.  13.  14.  JO)  Son- 
dern  Cäsar,    c.    10.     41)   c.    1.   5.     42)   c.    5.  G,     43)  ad  Farn.  10,  7,  8. 


288  V.  ANTONII.        (14.  §.  42.) 

lien;  nur  die  Abwesenheit  der  Consuln  sei  die  Ursach,  dass  sein 
"Wunsch  nicht  jetzt  sclion  crlüllt  werde.  **)  Bahl  darauf,  am  7. 
April,  erliiclt  Cicero  abermals  einen  Brief  von  ihm,  welchen 
ein  Beridit  an  den  Senat  begleitete,  und  jetzt  mass  jener  dem 
Prätor  Cornutus  und  P.  Servilius  die  Schuld  bei,  dass  er  ihm 
nicht  zu  nützen  vermöge.  AVenn  er  die  AVahrheit  meldet,  so 
zeigte  sich  Cornutus  stets  als  Gegner  des  Plancus,  *^)  entweder 
aus  persönlicher  Abneigung,  oder  Aveil  die  That  dem  Anerkennt- 
nisse vorausgehen  sollte ;  eben  so  Servilius ,  welcher  schon  nach 
dem  Tode  des  Sulpicius  empfohlen  hatte,  bei  Belohnungen  Maass 
und  Ziel  zu  halten.  '*'')  Cicero  dachte  wie  sie  ,  aber  niclits  war 
ihm  zu  theuer,  Avodurch  er  Antonius  Fall  befördern  konnte. 
Daher  entstand  ein  Streit,  welcher  zugleich  über  seine  Verhält- 
nisse in  der  Curie  Aufschluss  giebt.  Cornutus  berief  den  Senat 
in  das  Capitol,  und  las  zwar  jenen  Bericht  des  Plancus  vor, 
verscliob  aber  die  Verliandlung  darüber  Avegen  ungünstiger  An- 
zeichen. Am  folgenden  Tage  Avandte  er  sich  Avicder  zuerst  an 
Servilius  ;^^)  dieser  erklärte  sich  gegen  ein  Belobungs  -  Decret, 
und  als  Cicero  dafür  Avar  und  der  Senat  ihm  beistimmte,  ver- 
mochte er  den  Tribun  P.  Titius,  Einspruch  zu  thun.  Am  hef- 
tigsten Avurde  der  "Wortwechsel  am  dritten  Tage,  ohne  einen 
bessern  Erfolg  zu  haben.***) 

§  42. 

Doch  nicht  das  Capitol  Avar  der  Oii  der  Entscheidung. 
Die  innere  Geschichte  Roms  in  diesem  Jahre  ist  bis  zu  dem 
Zeitpuncte  fortgeführt,  avo  man  „der  Einen  Schlacht  entgegen 
sah,  A'on  welcher  das  Scliicksal  der  ganzen  Republik  abhieng." '*'-') 
Im  Anfange  des  December  a.  14.  Avar  Antonius  von  Rom  nach 
dem  cisalpinischen  Gallien  aufgebrochen,  um  A^on  D.  Brutus  die 
Llebcr<''abe  der  Provinz  und  seines  Heers  zu  erzwingen.  Die- 
ser  Avagte  keine  reldschlacht,  sondern  Avarf  sich  in  Mutina,  und 
wurde  hier  seit  dem  December  belagert.^")  Der  fünfte  Bür- 
gerkrieg   nach    Ciceros  Berechnung   begann, ■"''>'     der    erste    unter 


44)  Das.  10,  10.  45)  Das.  10,  12.  IC.  22.  4ß)  Das.  10,  12.  Ifi. 
cfr.  §.  38.  A.  71.  47)  cfr.  A.  21.  u.  ad  Fani.  10,  IG.  18)  ad  Faiu.  10, 
12.     40)  Das.  10,  10.     30)  Oben  §.  30.     51)  8  Pbil.  3. 


V.  ANTOxNIl.        (11.  §.   12.)       289 

den  fünf  des  Octavian,^^;  welcher  durch  das  Aufgehet  der  Vete- 
ranen und  die  Verlockung  der  Legion  des  Mars  und  der  vierten 
Antonius  nöthigte,  früher  zu  den  Waffen  zu  greifen,  als  er  ge- 
wollt hatte.  Dauer  waren  nicht  sofort  alle  seine  Truppen  verei- 
nigt; ein  Theil  erreichte  ihn  sogar  erst  nacli  seiner  Niederlage. 
Mit  ihm  giengen  die  2.  und  3-'>.  Legion,  weiche  ihm  von  den 
niacedonischen  übrig  l>lieben,  die  5.  oder  die  Alaudii,  ferner  Ve- 
teranen aus  Cäsars  Colonien,  ohne  Zweifel  seine  priltorische  Ge- 
hörte, und  Reuterei.  Eine  Legion  wurde  jetzt  erst  errichtet 
und  ihm  von  seinem  Bruder  Lucius  von  Tibur  zuseführt.  ^^) 
Die  Reuter,  wahrscheinlich  ]\Iauren , ■''^>'  welche  ihm  mit  Ele- 
phanten  folgen  sollten,  geriethen  in  die  Gewalt  des  Octavian, 
kamen  aber  vor  der  Schlacht  wieder  zu  ihm.  Willirend  der  Be- 
lagerung verstärkte  er  sich  durch  2  neu  ausgehobene  Legio- 
nen, ^^^  denn  als  die  Consuln  erschienen,  hatte  er  überhaupt  6 
ausser  den  Evocaten,  dem  leichten  Fussvolke,  2  prätorischen  Co- 
horten ,  deren  eine  Lepidus  gehörte,  und  einer  sehr  zahlreichen 
Reuterei.^'')  Octavian  und  Hirtius  fanden  nicht  seine  jranze 
Macht  vor  Mutina  vereinigt,  sondern  ein  Theil  hielt  nordwest- 
lich Regium  Lepidi  (Reggio)  und  weiterhin  Parma  besetzt,  iiml 
ein  anderer  südöstlich  Bononia  an  der  ämilischen  Strasse,  aut 
welcher  er  den  Feind  erwartete ,  ^^)  ein  Posten  wurde  auf  die- 
ser Seite  bis  Claterna  vorgeschoben.  ^^)  Dalier  war  Cicero  un- 
zufrieden, dass  Brutus  nicht  durch  einen  Ausfall  den  Krieg  za 
endigen  versuchte.  •''^^)  Mit  grosser  Sorgfalt  bewachte  Antonius 
die  Scultenna,  welche  östlich  von  Mutina  und  in  dessen  Nähe 
jene  Strasse  durchschnitt.  ^>^J  Jenseits  des  Padus  streiften  eini- 
ge Abtheilungen  ,  Mannschaft  auszuheben,  und  Geld  und  Lebens- 
mittel herbeizubringen;  in  Patavium  und  wo  man  sonst  stark 
genug  war ,  trieb  man  sie  zurück,  aber  keineswegs  aus  Anhäng- 
lichkeit   an   Brutus   oder  an  den  Senat.  *'^)     Auf   der    cassischen 


52)  §.  30.  A.  95.  53)  §.  30.  A.  G2.  f.  54)  ad  Fam.  10,  30.  Dio 
40.  47.  nennt  sie  Gallier.  S.  §.  32.  A.  50.  55)  ad  Fam.  10,  33.  fin. 
50)  §.  30.  A.  60.  57)  ad  Fam.  1.  c.  u.  12,  5.  10  PhiJ.  5.  14,  3.  1. 
58)  8  Phil.  2.  59)  ad  Fara.  12,  5.  00)  Dio  40,  30,  App.  3.  .573.  Die 
Stellen,  worin  der  Fiuss  ohne  Beziehung  auf  diesen  Krieg  erwähnt  wir-.l, 
sind  schon  von  Anderen  gesammelt,  S.  unleii  A.  95.  61)  12  Phil.  4.  Um- 
ten  §.  50.  A.  3. 

DtuOiiUm.   Geschichte  Rums  1.  JO 


'200  V.  AXTOXFf.  (14.  §.  12.) 

Strasse  In  Etruricn  stanil  Cäseunius  Lerito,   welcher  schon  unter 
Ciisar  j^edient  hatte ,  *'-'  und  auf  der  flaniiiiischen,  oder  auf  dem 
AVege  von  Rom  nach  Ariuiinium  P.  Ventidius.      Man  glaubte  ihn 
zu  der  Zeit,  wo  die   12.  Philippika  gehalten  wurde,  zu   Ancona 
im  Picenischen,  ^^^    und    Appian    erzählt,  *•*)     er  habe   in   Cilsars 
Colonien    zwei  Legionen  geworben,     und    diese    gegen  Rom    ge- 
führt,   um  Ciceros  Willkiihr    zu    steuern,     welcher    nebst    Allen, 
die  mit  ihm   fürchteten,    entflohen    sei.      Nun    habe    er    sich  mit 
Antonius  vereinigen    Avollen,     aber    durch  Octavian    und  Htrtius 
von  ihm  abgeschnitten,   sich  nach  Picenum  gewaiult,  wo  er  noch 
eine  liCffion  aushob  und  das  Weitere    erwartete.     Nach  dem  Zu- 
sammcnhange    gehört    diess    in    die     erste    Hälfte    des    April;     es 
scheint,     dass    er  Rom    nach    Pansas  Abgange    bedrohte  und  auf 
die  Nachricht,     dass  dieser    eine  Legion    zum  Schutze  der  Stadt 
zurückgelassen  habe,    sein  Vorhaben    aufgab.     Er  entkam  später 
über  die  Apenuinen  ,  und  erreichte  Antonius  auf  dessen  Riickzii- 
ge   nach     Gallien.  '••'•)      Einigen    Ersatz     erhielt     dieser    vor     der 
Schlacht    durch    Truppen    des    l^epidus ,     unter    welchen    sich  die 
prätorische    Cohorte    befand.     Lepidus    war    der  Befehl    zugegan- 
gen, die  Consuln  zu  unterstützen,    und  er  entsandte  M.  Silanus 
mit   unbestimmten    Aufträgen ,      deren    sich    dieser    nach    seinem 
Wunsche  zu   entledigen   glaubte,    als    er    sich    an    Antonius    an- 
schloss.  «0) 

Der  Belagerer  von  Mutina  liess  hiernach  nichts  unbeach- 
tet, was  einen  Entsatz  oder  Uebcrfall  verhindern  und  den  Rück- 
zug sichern  konnte.  Indess  wurde  die  Stadt  von  einer  bedeu- 
tenden Macht  vertheidigt,  von  2  Legionen  alter  Truppen,  wel- 
che schon  unter  Cäsar  von  D.  Brutus  befehligt  und  ihm  erge- 
ben waren,  von  einer  neu  geworbenen,  einiger  Reuteroi  und 
von  Gladiatoren.  ^''0  Diese,  unter  deren  Schutze  Cäsar  getödtet 
war,  hatten  Brutus  von  Rom  in  die  Provinz  begleitet.  ^^^  Ei- 
ner der  Mörder,  Pontius  Aquila,  jetzt  Legat  des  Brutus  und 
sehr  reich,  lieh  ihm,  wie  viele  Andere,  Geld  zur  Besoldung  der 


62)  Das.  c.  9.  §.  40.  A.  10.  §.  72.  A.  37.  (53)  Cic.  I.  c.  64)  3, 
569.  05)  Unten  §.  51.  A.  19.  ü(i)  Die  10,  29.  (in.  38.  51.  Zon.  10,  15. 
cfr.  Cic.  ad  Farn.  10,  30.  34-  S.  §.  «1.  A.  13.  (i7)  §.  30.  A.  96.  68) 
App.  2.  502.  3.  558.  Dio  44,  IG.  S.  Julii  Caes.  Dict.  a.  44. 


V.  ANTONII.         (11.  §.  42.)         291 

Truppen,"'-'^  wozu  die  aus  den  Alpen  zurückgebrachte  Beute 
bald  nicht  zureichte;^")  er  focht  ausserhalb  der  Mauern,  so 
lange  es  möglich  uar,  und  sciilug  T.  .Alunatius  Plancus,  "")  dessen 
Zerrbild  sich  mehr  als  einmal  in  den  Philippiken  findet.  Durch  die 
Gegenwart  der  Consulare,  welche  im  Januar  als  Gesandte  des 
Senats  erschienen,  wurden  die  Belagerungs  -  Arbeiten  nicht  un- 
terbrochen; Antonius  erlaubte  ihnen  nicht,  in  die  Stadt  zu  "-e- 
hen,  ^-^  und  obgleich  seine  Versuche,  hier  durch  Sendlinge  Meu- 
tereien zu  stiften,  misslangcn ,  so  wurde  die  Gefahr  doch  im- 
mer grösser,  dass  er  durch  Uebergabc  oder  Sturm  zum  Ziele 
gelangte.  ^"^) 

Von  aussen  beeilte  man  sich  nicht,  Mutina  zu  retten.  Octa- 
Tian  hatte  sich  mit  Veteranen  Casars  zuerst  gegen  Antonius  ei*- 
hoben  und  dann  durch  Ucberliuifer ,  durch  die  Legion  des  Mars 
und  die  vierte ,  seine  Macht  vermehrt.  Aus  jenen  erricJitete  er 
zwei  Legionen,  welche  durch  Neugeworbene  ergänzt  werdeii 
nuisstcn,  und  eine  aus  Tironen.  Der  Sammelplatz  für  Alle  war 
Aretium    in    Etrurien.  '^*)     Doch    wandte    er  sich  nach  Umbrien, 

um  nicht  allein  mit  dem  Feinde  zusammen  zu  treffen,    und  zo^ 

o 

hier  auf  der  flaminischen  Strasse  nach  dem  Norden,  als  er  zu 
Spo'etium  '^^  den  Senatsbeschluss  vom  2.  Januar  erhielt,  wel- 
cher ihm  mit  dem  Titel  eines  Proprätor  den  Oberbefehl  über 
sein  Heer  verlieh.  ''^■^  Nach  einem  alten  Marmor  übernahm  er 
diesen  mit  den  Insignien  und  unter  den  üblichen  Opfern  am  7. 
Januar,  "'''■>  wobei  er  es  nicht  an  günstigen  Anzeichen  und  an 
der  Erklärung  fehlen  Hess ,  dass  er  diese  Ehren  seinen  Truppen 
verdanke ,  welche  sie  ihm  früher  angetragen  ''^)  und  dadurcli 
den  Senat  vermocht  haben,  sie  ihm  zu  bewilligen,  dass  er 
nach    der  glücklichen    Beendigung  des    Feldzugs  ihnen  vergelten 


69)  Dio  46,  40.  Cic.  ad  Fam.  11,  10.  fin.  Julii  1.  c-  70)  §.  17.  a. 
17.  71)  Dio  46,  38.  Zonar.  1.  c.  cfr.  Cic.  11  Phil.  G.  13,  12.  S.  $.  45. 
A.  92.  72)  §.  38.  A.  11.  73)  Dio  46,  30,  71)  §.  31.  A.  15.  §.  32. 
75)  Plin.  11,  73.  (37.)  76)  §.  35.  A.  11.  §.  30.  A.  28.  77)  Marm. 
Narben.  Lei  Gruter.  p.  229 :  VII.  Idus.  lanuar.  5?/«  die  primuiu  impcrium 
orliix  terrarum  auspicatus  est.  Bei  Plin.  I.  c.  priino  potestatis  suae  die, 
cfr.  Fast.  Verr.  Place,  p.  .'5.  n.  das.  Foggiai.  Tacit,  Ann.  I.  10.  u.  Ecfche! 
Vf.  p.  70.     78)  §.  32.  fin. 

19* 


292  V.  AXTONII.         (14.  g.  42.) 

wcrflo.  "^^i  Diiiin  überschritt  er  tlen  RnMcon ,  *V\c  Cränze  des 
cisal])inischen  Gtillicns,  und  erwartete  die  Ankunft  der  Coii- 
suln.  8"> 

In  diesen  Tagen  setzte  sieh  Hirtius  in  Bewegung;,  um  sich 
mit  ihm  zu  vereinigen,  obgleich  er  von  seiner  Kranklicit  noch 
nicht  hergestellt  war.  ^')  Ausser  der  prütorischen  Coiiortc  8-* 
begleitete  ihn  die  7.  Legion ,  Avelche  aus  Veteranen  l)estand,  ^''^) 
A1.S  er  bei  Octavian  anlangte,  ül>ernahm  er  als  Consul  ilan  Ober- 
befehl 84)  unJ  die  Kegion  des  Mars  nebst  der  vierten.  ^*')  So 
hatte  es  der  Senat  verordnet,  die  Faction,  wc'clie  mit  Cicero 
dem  Erben  Cäsars  die  Waften  zu  entreisscn  MÜnschte,  ehe  er 
sie  noch  gebraucht  hatte,  und  den  Ehrenbeschluss  in  eine  l*os.se 
verwandelte;  tief  gekränkt  schwieg  er  und  gehorchte.  ^''^  Die 
beiden  Fcldherrn  bezogen  darauf  die  AVinterquartiere,  Octavian 
zu  Forum  Comelium  (Imola),^^)  und  Hirtius  etwas  Aveiter  "ge- 
gen Norden  zu  Clatcrna , '^'^)  wo  er  die  Besatzung  des  Antonius 
vertrieb.^'*)  Hier  standen  sie  noch  im  Februar;'-"')  die  Jahrs- 
zeit und  Pansas  Rüstungen  dienten  den  Consuln  zum  Vorwande, 
nichts  zu  thun,  und  verschafften  Octavian  mehr  Müsse  zum  Le- 
sen, Schreiben  und  Declamiren,  als  ihm  angenehm  war.  '■") 

Der  AVinter  näherte  sich  seinem  Ende  und  immer  grösser 
wurde  die  Noth  in  Mutina;  ^~)  Pansa  wurde  vergebens  erwartet; 
seine  A^orkehrungcn  zum  Aufliruclic ,  die  Verhandlungen  im  Se- 
nat, und  vor  Allem  sein  Wunsch,  durch  einen  Vergleich  dem 
K'ampfe  zu  entgehen,  hielten  ihn  in  Rom  zurück;  da  konnte 
Hirtius  nicht  länger  zögern;  er  rückte  mit  Octavian  gegen  die 
feindliche  Stellung  vor,     um  die  Belagerten    zu  ermuthigen  und 


79)  App.  3.  508.  Die  46.  35.  Suef.  Ocf.  05.  wo  diese  Anzelclien  in 
eine  spätere  Zeit  gesetzt  werden.  Plin.  1.  c.  Obseq.  129.  (Inten  §.  49. 
A.  2.  80)  Dio  1.  c.  81)  §.  37.  A.  78.  82)  ad  Kam.  10,  30.  83)  14 
Phil.  10.  Daher  isl  11  l'hil.  11.  nicht  VII.  sondern  VI.  el  VUl.  leg.  za 
lesen.  S.  das.  (iaratoni.  u.  unten  §.  51.  A.  10.  84)  12  Thil.  3.  fin.  85) 
14  Phil.  10.  ad  Fani.  10,  30.  cfr.  11,  M.  App.  3.  5ÜS.  574.  (in.  80) 
App.  1.  c.  u.  574.  575.  cfr.  Vcllej.  2.  Gl.  Suel.  Oct.  10.  üio  16,  2». 
Eutrop.  7.  1.  Oros.  G.  IS.  Zonar.  10,  14.  87)  ad  Fani.  12,  5.  Dia  16, 
35.  88)  ad  Fani.  J.  c.  89)  8  Phil.  2.  90)  ad  Farn.  u.  Philipp.  11.  cc. 
91)  Dip  I.  c,  Suet.  Octar.  84.  92)  üio  4ü,  35.  36.  App.  3.  368,  cfr.  ad 
Farn.    12.  6. 


V.  AXTONII.        (il.  §.  42.)  29;i 

fiinen  Tlieil  von  Antonius  Heere  von  iliiien  al»zuziehcn.  Ohne 
Schwerdtsclilag  wurde  Hunonia  besetzt,  weil  der  Feind  es  räum- 
te ;'-*'*^  auch  i'uruiu  Gallurum,  /wiscliea  dieser  Stadt  und  Mutina, 
versuclite  Antonius  nicht  zu  hehaupten ,  aber  westlich  bis  zu» 
Scultcnna  hielt  seine  Reuterei,  n»it  welclier  man  viele,  nicht« 
entscheidende  Gefeclite  hatte,  und  die  Reuter,  welche  früher 
von  üctavian  gefangen  genommen  waren,  sich  wieder  vereinig- 
ten. 9*)  Da  es  dem  Consul  nicht  gelang,  sich  Brutus  durch 
Feuerzeichen  bemerklich  zu  machen,  so  schrieb  er  ihm  auf  ei- 
ner bleiernen  Platte,  mit  welcher  Taucher  in  der  Nacht  durch 
die  Scultenna  schwammen;  auf  dieselbe  Art  erhielt  er  Antwort.  '•'•''^ 
Auch  liess  er  Salz,  woran  es  vorzüglich  fehlte,  und  einiges 
Schlachtvieh  den  Fluss  hinab  in  die  Stadt  bringen,  '■"'>'  und  als 
der  Feind,  in  jenem  Netze  ausspannte,  wurden  Tauben  als  Hriel- 
boten  gebraucht.  '■'^^ 

Nach  der  Ankunft  des  Hirtius  im  cisalpinischen  Gallien 
hatte  Antonius  ihn  und  Octavian  aufgefordert,  als  Cüsarianer 
sich  mit  ihm  zu  verbinden,  oder  doch  den  Verschworen3n  und 
deren  Anhange  keinen  Beistand  zu  leisten,  weil  diese  aucli  ih- 
ren Untergang  beschlossen  hätten.  Sie  verwiesen  ihn  an  den 
Senat  mit  der  Bemerkung,  man  wünsche  in  Rom  einen  Vergleich 
und  werde  zu  dem  Ende  fünf  Consulare  zu  ihm  schicken,  docii 
sei  die  erste  Bedingung,  dass  er  Brutus  freien  Abzug  oder  Zu- 
fuhr gestatte.  ^^J  Dadurch  veranlassten  sie  ein  anderes  Sclireibeu, 
worin  er  mit  weniger  Sclionung  rügte,  was  ihm  in  ihrem  Ver- 
fahren schlecht  und  verkehrt  zu  sein  schien.  ^'•>)  „Die  Nachricht 
von  dem  Tode  des  C.  Trebunius  hat  mich  eben  so  sehr  erfreut 
als  betrübt.  Dass  der  Verbrecher  für  sein  Vergehen  gegen  den 
berühmten  Mann  gebüsst,  und  die  Rache  der  Götter  ihn  ereilt 
hat,  ehe  noch  ein  Jahr  verflossen,  dass  der  Mord,  welcher  an 
dem  Vater  des  A'aterlandes  verübt  worden ,  bestraft  ist ,  oder 
gewiss  bestraft  werden  wird,  erregt  Freude.  *  Dass  jetzt  Dola- 
bella  für  einen  Staatsfeind  erklärt    ist ,  ^^^)    weil   er  einen  Meu- 


93)  Dio  40,  30.  94)  Dio  1.  c.  u.  c.  37.  App.  3.  509.  95)  Dio  46^ 
36.  Frontin.  Strat.  3,  13.  §.  7.  Zonar.  10,  14.  90)  Frontin.  3,  14.  §. 
3.  u.  4.  97)  Plin.  10,  53.  (37).  Front.  3,  13.  §.  8.  98)  13  Phil.  11. 
17.  §.  41».  A.  94.     09)  13  Phil.  10.  f.  Ueber  die  Schreibart  de«  AHton.  s. 

unten;  «Jharaeleristil.     100)  Oben  §.  3'.'    A     lö. 


294  V.   ANTONH.  (14.  §.  42.) 

«helmörder  gctödtet,    und    der  Solm  eines  Posscnrcisscrs  'V     dem 
römlsclicn  Volke  thcurcr  zu  sein  scheint,  als  C.   Ciisar,  der  Xa- 
ter  des  Vaterlandes,  -)  erpvcsst  Seufzer.     Am  sclinierzliclistcn  aber 
ist  CS,   dass  ihr,    du,    Hirtius,    der    du  von  Ciisar  mit   Gnaden- 
hezeugungen   überhäuft  und  so  erhoben  bist,   dass  du  selbst  über 
dich  erstaunst,     und  du,    junger    ^lann,    der  du  seinem  Namen 
alles  verdankst,    darauf  ausgeht,    die  AVclt    cluuben    zu  machen, 
Dolabclla  sei  mit  Recht  vcrurtheilt,    diesen  Giftmischer  von  der 
Delagerung  zu  befreien,     Cassius    und  lirutus    zu    grosser  Mucht 
zu  verhelfen.     Diess  ist  der  alte  Wahn:    das  Lager  des  Ponipe- 
jiis  nennt  ihr  Senat.      Cicero,   den  Besiegten,  habt  ihr  zu  eurem 
Anführer  erkoren;     ihr  sendet  Heere  nach  Maccdonien:   ihr  habt 
Afrika    dem    zweimal    gefangenen    Varus    anvertraut ,  •')     Cassius 
nach  Syrien  geschickt,    Casca  zum  Tribunal  zugelassen,  **     den 
jtilisclicn  Lupcrci   ihr  Einkonuncn  entzogen,^)  und  die  nach  Ge- 
.setz    und    Senatsbeschluss    ausgeführten    Colonien    der    \'etcrancn 
aufgeliobcn.  '')     Den    Älassiliern    versprecht     ihr    dagegen    wieder 
zu    geben ,    ivas    sie    nach    dem   Kriegsrechte    verloren    haben.  '^) 
Das  Gesetz  des  Hirtius,  nach  welchem  kein  Pompejaner  zu  Ehren- 
stcllen  celansen  soll,    wird  nicht  beobachtet.  ^)     Brutus  ist  von 
euch  mit  dem  Gelde  des  Appulejus  ausgestattet,  ^>     die  Hinrich- 
tung des  Pätus  und  Mencdcmus,   der  Gastfreunde  Casars,  welche 
1)  S.  Trebonii.     2)  §.  16.  A.  90.     3)  Sex.  Qiilnctiiius  Varus  wurde  a. 
'19.  zu  Corfinium  aefaiigeii    um)  von  Cäsar  begnadigt,    focht  ab^-i   dann  in 
Afrika  von  neuem  gegen  ihn.     Caesar  B.  C.  1,    23.  2,  2S.     4)  §.  24.  A. 
81.     5)  Unter  Cäsar   und   ihm    zu  Khren  lam  zu  den  beiden  Classen  der 
l-uperci,  den  Fabicrn  und  Quintiliern,  eine  dritte  hinzu,  die  Julier,  wel- 
chen   der    Dictator   FJiikünlte    anwies   und    der  Senat    nach    dessen   Tode 
wieder  entzog-.     Zu  den  Juliern  gehörte  auch  Antonius.   Die  45,  30.  Ja- 
lii  Caes.  Diel.  Der  Antrag  des  Tribuns,  dessen  Cicero  7  Phil.  1.  gedenkt, 
(§.  37.  A.   93.)  war  nicht  gegen   diese  Classe  gerichtet,  sonst   würde  jener 
ihn  nicht    als  etwas    l'nzeitiges   oder   dorh    Gleicligiiltiges    erwähnen.     C) 
Nicht  bloss  Veteranen  waren    in  Folge    des  AcVcrgesetzes  versorgt,   wel- 
«•hes  Lucius    Antonius    im    vorigen  Jahre    als  Volkstribun  bestätigen  Hess, 
(§.    11.    A.    58.    f.)    und    der    Senat    in    diesem  fliif  den  \orschlag  d'-s  L_ 
Cäsar  für  ungültig    erklärte.     (Das.  A.  77.)    Antonius  hatte  gute  Gründe, 
seine    im    Namen    der    Veteranen    erhol)ene     klage    allgemein    zu     fassen, 
nnd  Cicero,  eben  so  allgemein  zu  erwiedern,    man  habe  die    (von  Cäsar 
gegründeten)    Colonien    anerkannt.     7)   §.    3S.   A.    50.  f.     8)  Hiilius  halle 
dabei    unter    Cäsar    den    Namen    hergeliehen,     welcher    dann  selbst  viele 
Vomiiejaiicr  ber«»rderte.     9)  §.  39.  A.   100. 


V.  ANTONII.        (14.  §.   12.)         295 

diesev  mit  dem  Bürgerrechte  Ijcsclienkt   hat,     Ist    von    euch    ge- 
loht, und  das  Scliicksal  des  Thcopompus,  '"^  Melchcr  von  Allem 
enthlösgt   vor    Trebonius    hat    nach    Alexandricn    entlliclicn    müs- 
sen, nicht  heaclitet.      Scr.  Galha  seht  ihr  mit  demselben  Dolche, 
mit  welchem  er  Cäsar  durchbohrt  hat,  in  euerem  Lager.  '0  An- 
geblich gegen  die  Mörder  Cäsars    haht    ihr    meine  Soldaten  oder 
Veteranen    zusammengezogen    und    sie    dann    unerwartet    gegen 
mich,  ihren  ehemaligen  Quiistor  oder  Feldhcrrn    und  gegen  ihre 
Kampfgenossen  geführt.     Habt    ihr    nicht    gebilligt    und    gethan, 
Avas  nur  irgend   Cn.  Pompcjus  seihst  thun  könnte,  wenn  er  noch 
lebte,   oder  sein  Sohn,  wenn  er  in  Rom  sein  dürfte?    Der  Frie- 
de, sagt    ihi-,    sei    uniuöglic!i  ,     wenn    ich    nicht  die  Belagerung 
aufhehe  oder  Brutus  mit  LebenvSmittcln  versorge;   wird  diess  den 
Beifall    jener    Veteranen    erhalten,     welche    noch    immer    Aviihlcn 
können?'-)     Denn    ihr    habt    euch    für  Schmeicheleien    und  ver- 
giftete Ehrengeschenke    verkauft.     Aber    ihr    kommt,     den  Bela- 
gerten  zu    helfen.     Mögen    sie    unverletzt    ahziehen ,    Avohin    ihr 
wollt,     wenn    sie    nur    gegen  dessen  Tod  nichts  einwenden,  der 
ihn  verdient  hat.     Ihr  schreibt,     im    Senat   sei   von  einem  Ver- 
gleiche die  Rede  gewesen,     und    fünf  Consulare  werden  sich  als 
(■esandte  bei  mir  einfinden;   es  ist  schwer  zu   glauhen,  dass  die- 
jenigen, welc])e  mich  auf  das  Aeusserste    gel)racht  liabcn,     wäh- 
rend ich    die    hilligsten   Bedingungen    machte    und    nocli    davon 
nachzulassen  gedachte,     irgend  gemässigt    oder    mensclilich    han- 
deln können ,  oder  dass  man  da,  wo  man  wegen  einer  durchaus 
rechtmässigen  That  Dolabella  geächtet  hat,  mich  schonen  werde, 
der  ich  ehen  so   denke.     Ucherlogt  dahei:  wohl,  was  geziemender 
und  unserer  Partei,  zuträglicher,  ist,  den  Tod  des  Trehonius  oder 
Cäsars    zu  rächen,     uns    zu    hekriegen,     damit   die    Pompejaiicr, 
welche  schon  so  oft  abgethan  sind,  wieder  aufleben,   oder  durch 
Einigkeit  zu  verhüten,  dass  wir  niclit  ein  Spott  unserer  Feinde 
werden.     AVer  von  uns  auch  unterliegen   mag,  diesen  hleiht  im- 
mer der  Gewinn.     Bis    dahin    hat   Cicero,    der    Aufwiegler,    das 
Schauspiel    noch    nicht    gehaht  —  Dank    sei    dem    Schicksal  — 


10)  Er  gehörte  zu  Cäsars  f^ünstlrngei) ,  daher  im  Folgenden  Ciceros 
verächtliche  Aeusserung  über  ihn.  cfr.  ad  Attic.  13,  7.  IDcfr.  ad  FaDiil. 
10,  30.  u.  Sulpicii.  12)  Sich  für  die  eine  oder  die  andere  Partei  er- 
klären. 


206  V.  ANTONH.         (li.  §.  42.) 

ilass  zwei  Ilecre,  (lücder  Eines  Körpers,  mit  einander  kämpfen, 
er,  der  so  glücklich  ist,  euch  durch  dieselben  Ehren  zu  täu- 
schen, Modurch  er  Cäsar  getäuscht  zu  haben  rühmt.  Bei  mir  we- 
nigstens steht  es  fest,  keine  Schmach  zu  dulden,  sie  treft'e  mich 
oder  die  Meinigen,  die  Partei  nicht  zu  verlassen,  welche  Pom- 
pejus  vcrhasf-t  war,  nicht  zu  gestatten,  dass  die  Veteranen  ihre 
Accker  verlieren  und  einzeln  zur  Folter  geschleppt  werden,  mein 
Dolabella  gegebenes  Wort  nicht  zu  brechen,  den  Bund  mit  Le- 
pidus,  einem  Manne,  welcher  nie  seine  Verpflichtungen  ver- 
gisst ,  '3)  nicht  aufzuheben,  und  Plancus,  der  mit  mir  einver- 
standen ist,  nicht  zu  verrathen.  Wenn  die  Götter  mich  bei 
meinen  Bestrebungen  für  die  gute  Sache  begünstigen,  wie  ich 
lioflTe,  so  werde  ich  gern  leben ;  erAvartet  mich  aber  ein  anderes 
Schicksal,  so  habe  ich  die  Freud^,  vorauszusehen,  dass  dann 
auch  ihr  gcAvaltsam  endigen  w«rdct;  denn  wie  werden  die  Pom- 
pejaner  als  Sieger  sein,  da  sie  besiegt  so  übermüthig  sind !  Mit 
Einem  Worte,  ich  kann  die  Beleidigungen,  welche  Männer  mei- 
ner Partei  mir  zugefügt  haben ,  vergeben ,  weiin  sie  entweder 
vergessen  wollen ,  wie  sie  an  mir  gehandelt ,  oder  bereit  sind, 
Cäsars  Tod  mit  mir  zu  rächen.  Dass  dahin  Gesandte  kommen, 
wohin  der  Krieg  kommt,  '^)  glaube  ich  nicht;  doch  wenn  sie 
kommen,  Mcrde  ich  hören,  was  sie  fordern." 

Hirtius  und  Octavian  antworteten  nicht,  sondern  schickten 
den  Brief  nach  Rom,  wo  Cicero  ihn  am  20.  März  im  Senat 
vorlas  und  erörterte.  ^^)  So  blieb  Antonius  nur  übrig,  sie  mit 
Gewalt  zu  entfernen ,  und  bald  ,  ehe  auch  Pansa  erschien.  Nur 
mit  List  konnte  er  sie  aus  den  Schanzen  locken ;  in  einem  Ge- 
fechte,  welches  sie  anfangs  kaum  beachteten,  weil  sie  es  für 
ein  gcAvöhnliches  Scharmützel  hielten,  entwickelte  ier  immer  grö- 
ssere Massen,  und  nöthigte  sie  dadurch,  die  Ihrigen  ebenfalls 
7.U  verstärken.  Sie  waren  nicht  vorbereitet  und  wurden  geschla- 
gen. Seitdem  beschränkten  sie  sich  auf  die  \  ertheidigung  ihres 
Lagers.  ^^)     '•  urz    vor  dem  20.  April  erhielt  man  in  Rom  Kun- 


J3)  Pii'ssimi  hominis^  gegen  das  Vaterland,  gegen  Cäsar  oder  gegen 
AntoniüM<  Dieser  läsit  die  Wahl.  14)  Bellum  qu»  venfui.  c.  21.  Ohne 
/.wcifel  nicht  Worte  Cicerus,  suiiderii  deü  Antonius^  der  ganze  Brief  ist 
in  einem  gesi:liraul>ten  »Stil  al»g«litt>st,  «Jiiii  reich  aii-ge.s|ichten_(i.et;;eniälzen. 
l^)   13   Phii.  20.  Oben  §.  4).   A.  26.     JO)  Dio  46,  37.   Apf.  *.  61.9,  in. 


V.  AXTüNlI.      (11.  §.   13.')  297 

de  ilavon:  die  Freunde  des  Siegers  iibcrti  iel»en ,  so  dass  die 
Stadt  in  die  heftigste  Bewegung  gerietli  und  die  Partei  C'iceros 
verzweifelte,  ^^^  bis  bald  darauf  andere  Nachrichten  sie  beru- 
higtca. 

§  43. 

Pansa  hatte  nach  langen  Rüstungen''^)  und  angeblich  unter 
ungünstigen  Anzeichen  ^^)  am  20.  März  oder  an  einem  der  näch- 
sten Tage  Rom  verlassen,  ^^)  zu  dessen  Schutze  eine  Legion  zu- 
viickblieb.  -0     Mit  vier  neu  geworbenen  ,  von  welchen  man  we- 
nig erwarten  durfte,  und  die  noch  weniger  leisteten,--)    zog  er 
»ach  dem  Norden; -^)  denn  längeres  Säumen  drohte  Hirtius  oder 
Brutus ,   oder  Beiden  verderblich    zu   werden.     Er    erreichte  Bo- 
nonia  am  14.  April,     und    am  15.  entspann    sich  ein  dreifacher 
Kampf,-*-*     der    erste    und    zweite   bei  Forum  Gallorum    (Castel 
Franco)  einem  Flecken  südöstlich  A'on  Mutina,  60    Stadien  von 
ihm  entfernt,  ^j)    und  der  dritte  in  der  Nähe  dieser  Stadt  selbst, 
das  blutige  Vorspiel  zu  der  nach  ihr  benannten  Schlacht.  -'')  Um 
Pansa  Eile  zu    empfehlen,    schickte   Hirtius    ihm    etwa  100,000 
Schritt  den  Verschworenen  Ser.  Galba    entgegen,  -'')    und  damit 


17)  14  Phil.  4.  G.  Unten  §.  44.  in.     18)    §.    37.    A.    79.    f.     19)  Dio 
40,  33.    Oliseq.  120.     20)  §.  41.  in.     21)  App.  3.  584.    Dio  40,    44.  Ob- 
seq.  1.  c.     22)  App.  3.  571.  575.     23)    ad  Fam.   10,  30.     24)  14  Phil.  3- 
0.  10.  14.     25)  App.  1.  c.     26)    Der   Bericht    des  Ser.  Galba  über  das  er- 
ste Gefecht ,  an  welchem    er  selbst  Theil  nahm ,  und  über  das  zweite,  in 
einem   Briefe   an    Cicero ,     ad    Farn.    1 0 ,    30.  ist  sehr  verworren  und  aus 
Appian  3.  5G0.  f.  zu  ergänzen;  er  will  offenbar  seine  eigenen  Verdienate 
hervorheben,  und  verschweigt  deshalb  den  Namen  des  Carfuleniis,  welchem 
er  untergeordnet  war;  auch  der  Verwundung  des  Pansa  gedenkt  er  nicht, 
obgleich  er  am  Tage  nachher  und  aus  dessen  Lager  schrieb.     Aber  wich- 
tig sind  die  Zeitangaben  in  seinem    Briefe,    nach    welchen  Ovid.  Fast.  4. 
625.  die  Gefechte  um  einen  Tag  zu  früh  setzt,  auf   den    ersten  nach  den 
IduB,  =  XVni.  Cal.  Maii,  =  14.  April.     Diö    46,    37.  berührt  diese  Er- 
eignisse nur.     27)  ad  Fam.  10,  30.   cfr.  13  Phil.  16.  Cluver.  Ifal,  ant.  1. 
p.  286.  findet  diesen  Raum  zu  gross,  welcher  selbst  bei  Eilmärschen  5  Tage 
erfordert  habe;  hier  ist  aber    von  einem   Einzelneil    die   Rede,    von  wel- 
chem wir  nicht  wisse;»,  wKnn  er  Hirtius  verliöss ;    Carfillenus  brach  spä- 
trt-ilüf'nnd  mit  einer  betracKllii  hon    Schatrf;'  tr  konnte    allerdings  nicht 
fo  weif  vordrinsren,'^^  ' 


29S  V.  AMoMI.       (14.  §    i;j.) 

er  gefahrlos  den  Weg  durcli  die  AViilder  und  Sümpfe  bei  Forum 
(j.'illorum  zurücklegte,  entsandte  er  in  der  Nacht  vom  14.  zum 
15.  die  Legion  des  Mars  mit  der  prätorisclieri  Cohorte  des  Octa- 
vian  und  der  eigenen  unter  1).  Caifulenus.  -S)  Dieser  war  ein 
persönlicher  Feind  des  Antonius,  und  einst  von  ihm  aus  der 
Curie  verwiesen.  -'■')  Sein  Unternehmen  blich  Antonius  verl)or- 
gen,  welcher  seinen  Bruder  Lucius  zur  Beobachtung  des  Brutus 
und  Hirtius  zurückliess,''*')  und  die  2.  und  35.  Legion  mit  der 
prätorischen  Cohorte  des  Silan  luid  der  seinigen  nebst  einem 
TJicile  der  Evocaten  nach  Forum  Gallorum  führte.  Oestlich 
vom  Flecken,  zu  beiden  Seiten  des  hohen  aber  schmalen  Damms, 
auf  welchem  sich  die  ämilische  Strasse  gegen  Bononia  hinzog, 
in  einer  sumpfigen,  mit  Gebüsch  und  Scliilf  bewachsenen,  und 
zur  Austrocknung  mit  Gräben  durchschnittenen  Gegend,  legte 
er  die  Legionen  in  einen  Hinterhalt.  Vor  ihm  zeigte  er  nur 
Keutcrei  und  leichtes  Fussvolk,  um  Pansa  mit  seinen  Tironeii 
herbeizulocken.  '^') 

Ohne  Gefahr  zu  alinden  näherte  sich  der  Consul  mit  den 
Truppen  des  Carfulenus ;  zwei  seiner  eigenen  Legionen  folgten 
in  einiger  Entfernung,  die  beiden  andern  sollten  unter  dem 
Quästor  Torquatus  mit  dem  Gepäck  aus  dem  Lager  nachkommen. 
Dass  man  sich  niclit  weit  von  den  Linien  eines  schlauen  und 
entschlossenen  Feindes  befand,  war  bei  dieser  Anordnung  verges- 
sen, und  noch  verderblicher  ivurde  sie  durch  den  Ungestüm  der 
Legion  des  Mars,  welche  beim  Anblicke  der  Antonianer  sich 
auf  sie  stürzte,  ohne  Befehle  zu  erwarten,  und  die  prätorischen 
Coliorteu  mit  sich  fortriss.  2^)  Jene  wichen  bis  zum  A  ersteck. 
Plötzlich  bracli  ihr  Fussvolk  auf  drei  Seiten  hervor,  und  nö- 
thigte  den  Consul,  seine  kleine  Schaar  in  eben  dem  ISIaasse  zu 
theilen:  auf  dem  rechten  Flücrel  fochten  acht  Cohortcn  unter 
Carfulenus  und  Galba  gegen  die  35.  Legion,  in  der  Mitte  auf 
der  ämilischen  Strasse,  welche  die  Flügel  trennte  und  einander 
unsichtbar   machte,  ^^)     die    prätorischc    Cohorte     des    Octavian 


28)  App.  3.  569.  nennt   Ihn    Carsuleiiis.     20)    3  Phil.  0.  cfr.  ad  Fain. 

10,  33.  ad  Att.    15,   4.     30)    Dio    40,    37.  Zonar.  10,  14.     31)  ad  Fam. 

.  c.  App.  Dio  U.  cc.  Front.  Slrat.  2.  5.  §.  39.  Cicero    giebt  li  Phil.    10. 

Antonius  drei  Legionen,    damit  Hirtius  als  Sieger  desto  grösser  erschien. 

32)  ad  I-ani.  1.  c.   14  IMiilipp.  0.   14.    33)  App.  3.  570. 


V.   ANTONIi.        (14.  §.43.)     299 

gegen  die  beulen  feindlichen,    und  auf    dem  linken  Flügel  zwei 
Cohorten  nebst  der  prätorischen   des    Hirtius    unter  Pansa  selbst 
gegen  die  zweite  Legion,     Beide  Theile  fühlten  die  Wichtigkeit 
des  Tages,    denn  in  Pansa,    schien    es,    siegten  oder  unteiiogeu 
auch  die,    welche  er  retten  sollte;     beide  kämpften  zugleicli  für 
ihren  Ruhm:  die  Legion  dos  Mars  wollte  ihren  Ruf  daduich  aufs 
liüchstc  steigern  ,    dass  sie  Zwei  Legionen  überwand ,    und  diese 
setzten  Alles  dar;in,    um  nicht  A'or  Einer  zu  fliehen;  beide  end- 
lich hatten  Beleidigungen    zu    rächen,     denn    jene  zürnte,     dass 
ihre  ehemaligen  Waffengefahrten  nicht    die  Bestrafung    der  Meu- 
terer aus  ihrer  Mitte  in  Brundusium  verhinderten,  "'J  und  diese 
gedachten,    sie    für    den    Abfall  zu    züchtigen.     So    führte  jeder 
seine    eiffene    Sache.     Lautlos    kreuzten    die  Krieger    aus  Cäsars 
Schule  ihre  Waifen;  es  bedurfte  keines  Zurufs,  keiner  Leitung; 
künstliche    Bewegungen    erlaubte    ohnehin     das    Oertliche    nicht; 
man  foclit  in  der  Niilie,  Mann  gegen    Mann,    kein  Streich  fehl- 
te, jede  Lücke  war  sogleich  wieder  ausgefüllt,  und  nur  oüf  Au- 
genblicke trennte  man  sich  wie  nach   Verabredung,     um  üen  er- 
matteten Arm  zu  neuer  Blutarbeit   zu  stärken.     Da  nahm  Anto- 
nius seinen   linken  Flügel    um    mehr    als    500    Schritte    zurück; 
freudig  verfolgten  Carfulenus    und  Galba,     als    hinter    ihnen   die 
feindliche    Reuterei    erschien,     und    Antonius    mit  einer  anderen 
Schaar  von  vorn  sie  drängte,  so  dass  sie  nur  mit  grossem  Ver- 
luste zu  der  herannahenden  Legion  der  Tlronen  sich  duiclischlu- 
gen.     Auf  der  ämilischen  Strasse  widerstand  die  Cohorte  des  Octa- 
vian ,  bis  sie  vernichtet  war,  und  auch  der  schwache  linke  Flü- 
gel  des  Pansa  räumte  das  Feld  erst  dann,    als  er  von  den  Reu- 
tern umringt  und  der  Consul  schwer  verwundet  wurde.  ■'^)     Sein 
Lager  hatte  Torquatus  während    des  Gefechts,     dessen  Erfolg  er 
voraussah,    noch  mehr  befestigt,    und  diess  sowohl  als  die  Hai» 

34)  Oben  §.  28.  A.  14.  App.  1.  c.  35)  Mit  einem  Wurfspiesse  in  den 
Weichen.  App.  3.  571,  Oros.  6.  18.  cfr.  Liv.  119,  Cic.  ad  Farn,  10.  33i 
Suet.  Oct.  U.  Dio  40,  39.  Zonar.  10.  14.  Frontin.  Strat.  2.  5.  §.  39. 
übseq.  120.  Die  ersten  Naclir-cbten  in  Rom  besagten ,  er  habe  zwei 
Wunden,  14  Phil.  9.  14.  u.  Plutarch  Anton.  17.  ]äs8t  es  ungewiss,  ob 
er  nicht  auf  dem  Schlachtfelde  endigte.  Er  wurde  nach  Bononia  gebracht, 
ad  Farn.  11,  13.  App.  1.  c.  wo  er  gleich  nach  der  Schlacht  bei  Mutina 
starb,  etwas  spater  als  Hirtius.  S.  unten. 


300  V.    ANTÜNII.         (14.  §.  13.J 

tung  der  Legion  des  Mars,  uciclie  sicli  ausserhalb  wieder  auf- 
stellte, machte  es  Antonius  unmöglich,  mit  den  l'üeKenden  hin- 
ein/udriiigcn;  zu  einem  regelmässigen  Angriffe  fehlte  die  Zeit; 
er  gicng  zurück,  nachdem  ein  grosser  Thcil  der  Tirouen  unter 
dem  iSchwerdte  seiner  Reuter  gefallen  war. 

Schon  neigte  sich  der  Tag,  als  sein  Heer  unter  Siegsge- 
süngen,  aber  ohne  Ordnung  und  vom  Kampfe  und  den  Hin- 
und  Herzügen  erschöpft  wieder  auf  der  Wahlstatt  bei  Forum 
(jaüorum  eintraf.  Hier  begegnete  ihm,  Avas  es  so  eben  Ande- 
ren bereitet  hatte.  Es  sah  sich  einem  neuen  Feinde  mit  fri- 
schen Kräften  gegenüber,  20  Cohorten  oder  der  4.  und  7.  Le- 
gion "''*-'  unter  Hirtius,  welcher  auf  die  Nachricht,  dass  Pansa 
gedrängt  werde,  ihm  zu  Hülfe  eilte.  Der  Consul  nahm  den 
Adler  der  4.  Legion  und  gieng  voran;  -^  )  aber  ohne  Anstren- 
gung Avurden  die  Ermüdeten  bei  dem  ersten  Anlaufe  geschlagen 
und  zersprengt ,  und  verloren  2  Adler  und  60  Fahnen,  ^s)  j^jp 
warfen  die  AVaffeu  weg  und  irrten  in  der  Dunkelheit  kraftlos 
und  verwundet  in  den  Sümpfen  umher,  avo  Antonius  sie  durch 
die  Reuter  sammeln  und  fortschaffen  Hess.  ^'■>)  Zu  dem  Ende 
blieb  er  in  Forum  Gallorum;  erst  gegen  Morgen  brach  er  nach 
Mutiua  auf.  Hirtius  hinderte  die  Nacht,  die  Gegend  und  der 
Mangel  an  Reuterci^*^)  seine  Vortheile  zu  verfolgen;  er  wandte 
sich  nach  dem  Lager  des  Pansa,  in  Avelchem  er  ausser  den 
Flüchtlingen  die  beiden  neu  errichteten,  noch  ungeschwächten 
Legionen  fand.  Auch  von  den  Seinigen  vermisste  er  wenige,  *'> 
nach  Cicero  nicht  Einen  Mann,^-.*  aber  das  Heer  seines  CoUe- 
gen  und  das  feindliche  waren  um  die  Hälfte  aufgerieben. "^^^ 

Im  Zorne  über  seine  Niederlage  verbreitete  Antonius,  Octa- 
vian  sei  im  ersten  Treffen  ohne  Feldherrnmantel  und  ohne  Pferd 
entflohen,  und  zwei  Tage  hindurch  nirgends  sichtbar  gewor- 
den; **)  Dio  berichtet,*^)  er  habe  am  15.  April  gar  nicht  ge- 
focliten.  Beides  ist  falsch;  denn  er  blieb  in  Hirtius  Al)wesenhcit 
im  Lager  bei  Mutina,  und  A-ertheidigte  es  mit  Avcnigen  Cohor- 
ten gegen  Lucius  Antonius ,  freilich  nur  gegen    einen  Scheinan- 

3G)  ad  Fam.  10,  30.  14  Phil.  10.  12.  37)  11  Phil.  10.  38)  adFam. 
I.  c.  39)  App.  3.  571.  572.  10)  11  l'hil.  10.  41)  App.  3.  572.  42"^ 
14  Phil.  12.  14.  43)  Vgl.  Dio  40,  37.  Zonar.  10,  14.  lär.  119.  Oros. 
6.    IS.     44)  Suel.  Oelav.  iO.     45)  4ü,  3i. 


1 


V.  ANTONir.  (II.  §.  41.)         301 

griff,  wodurch  jener  das  Unternehmen  Beines  Bniders  rerhcrgen 
wollte.  Ciceros  Ahsicliten  erforderten,  den  Kampf  als  eine  drit- 
te Srhlacht  zn  hezeichnen.  ^'0  Anch  die  Truppen  untersehiedet» 
nicht;  sie  begrüssten  die  Ijeidcn  Consiiln  und  Octavian  als  Im- 
peratoren,''^) und  zwar  erhielt  dieser  den  Titel,  welclien  er  21 
mal  annahm, ^^)  jetzt  zum  erstenmal. 

§  44. 

Drei  oder  vier  Taoje  zuvor,  ehe  Cicero  nm  22.  April  sei- 
ne letzte  Philippika  hielt,  meldete  man  aus  dem  Lager  des  An- 
tonius, dass  er  Hirtins  gesehlagen  habe. ''^)  Diess  kann  sich 
nur  auf  das  früher  erwähnte  Gefecht  an  den  Ufern  der  Sculten- 
na'^")  beziehen,  nicht  auf  die  Niederlage  des  Pansa;  denn  da 
Galba  schon  am  folgenden  Tage  nach  Rom  schrieb,  am  16. 
April,  und  also  noch  viel  mehr  Hirtius,  so  ist  es  unmöglich, 
dass  man  dort  die  Ereignisse  des  Morgens  so  viel  früher  erfuhr, 
als  die  Flucht  des  Antonius  am  Abend.  Die  Nachricht  also, 
dass  dieser  in  einem  Kampfe  mit  Hirtius  Sieger  geblieben  sei, 
wurde  von  seinen  Anhängern  und  seiner  Familie  zu  einem  Ver- 
suche benutzt,  Cicero  zu  stürzen.  Nach  ihren  Aeussernngen 
war  dessen  Partei  auf  das  Höchste  gefährdet;  um  so  leichter 
sollte  man  ihnen  glauben  ,  dass  er  sich  am  22.  April  zum  Dic- 
tator  aufwerfen  werde.  ^U  Calcmis  und  Fulvia,  von  welchen 
ohne  Zweifel  alles  ausgieng,  veranstalten  Versammlungen  in  der 
Curie  des  Pompejus;  ^-)  man  wollte  Cicero  an  jenem  Tage  die 
Fasces  überschicken,  als  geschehe  es  mit  seinem  AVillen,  und 
ihn  dann  durch  Gedungene  als  Tyrannen  tödten ,  während  An- 
dere Capitol,  Markt  und  Thore  besetzten.  So  wurde  ihm  we- 
nigstens hinterbracht.  Dass  er  als  ein  Catilina  endigen  sollte, 
war  ihm  das  Schmerzlichste,  ^^j  Der  Tribun  P.  Appulejus,  be- 
rief das  Volk  am  21.  April,    ihn  zu  rechtfertigen,     und    es    er- 


40)  14  Phil.  3.  10.  14.  Gros.  6,  18.  cfr.  Dio  40,  37.  47)  Dio  46, 
38.  Zon.  10,  15.  4S)  Tacit.  Ann.  1,  9.  Dio  52,  41.  Darnach  ergänzt 
Chishull  Ani.  Asiat,  p.  172.  u.  183.  richtig  monuiu.  Ancyr.  1.  v.  19.  ob- 
gleich N'oris.  Cenot.  Pis.  Dlss,  2.  c.  17.  zu  beweisen  sucht,  dass  Auga- 
stus  nur  20  mal  Imp.  gewesen  sei.  49)  14  Phil.  4.  G.  50)  §.  42.  fin- 
51)  14  Phil.  5.  52)  Das.  c.  G.  Sie  wird  nicht  genannt,  aber  die  Beschrei- 
bung lässt  sie  nicht  verkennen.     53)  c.  5. 


302  V.  ANTONIf.  CM-  §•  44.) 

klärte,  «lass  er  stets  ei«  aufriclitiger  Freund  der  Republik  ge- 
wesen sei.  Zwei  bis  drei  Stunden  später  erschienen  die  Sie- 
gesbüten  und  verschaftten  dem  tief  Gekränkten  eine  noch  glän- 
zendere Gcnugthuung.  ^*'  Denn  gleichsam  als  das  Haupt  und 
der  Retter  des  römischen  Staats  begab  er  sich  auf  das  Capitol, 
den  Göttern  für  dea  Erfolg  seiner  Anstrengungen  zu  danken, 
und  die  müssige  Menge,  welche  noch  auf  dem  Markte  vcnveilte, 
und  die  Neuigkeit  von  ihm  hörte,  schloss  sich  an,  und  beglei- 
tete ihn  von  Freude  berauscht  nach  dem  Tempel  uud  nacii  sei- 
ner Wohnung  zurück  ,  so  dass  er  am  anderen  Tage  im  Senat 
dieses  Gaukelspiel  als  einen  Triumpli  erwähnen  konnte, ''■'J  als 
einen  Tribut,  welchen  das  V^olk  mit  seinem  richtigen  Blicke 
uud  unbefangenen  Ürtheile  dem  Verdienste  gebracht  habe. 

Da  Pansa  tödtlich  verwundet  Avar,  und  Octavian  bei  Mu- 
tina stand,  so  berichtete  Hirtius  am  16.  April  aus  dem  Lager 
des  Ersten,  ^^^  als  er  bereits  die  glückliche  Vertheidigung  des 
eigenen  erfahren  hatte.  Er  schrieb  aber  zugleich  im  Namen 
der  beiden  anderen  Feldherrn  ^^^  und  gedaclite  ihrer  auf  das 
Ehrenvollste,  seines  Collegen,  welcher  vorankämpfend  zwei 
"Wunden  erhalten  habe,  und  des  jüngeren  Cäsar,  durch  dessen 
Entschlossenheit  ein  grosses  Lager  mit  weniger  Mannschaft  be- 
hauntet  sei;  auch  seine  eigenen  Thaten  liess  er  nicht  uner- 
wähnt, ^^^  und  bat  zuletzt,  die  Sieger  durch  die  Anordnung 
eines  Dankfestes  zu  belohnen,  ^^^  welches  dem  Triumphe  vor- 
ausgieng. 

Der  Rrätor  M.  Cornutus  verlas  diesen  Bericht  "oj  ani  22. 
April'''''  im  Senat.  Auf  seinen  Antrag,  sich  über  dessen  Lihalt 
und   insbesondere    über    die    Forderung    der    Feldherrn    zu    bera- 


51)  c.  G.  55)  c.  5.  vgl.  c.  7.  5C)  §.  43.  A.  40.  57)  c.  8.,  58)  c. 
9.  10.  50)  c.  8.  fin.  60)  c.  1.  4.  14.  Vgl.  §.  41.  A.  19.  Ül)  c.  5.  Per 
■i(f//s  Q/n'ntifrf!,  welches  die  Handschriften  haben,  giel)t  hier  keinen  Sinn. 
Ferrarius  schlug  vor,  pridie  l'ifialia  zu  lesen,  und  IMuretus  fand  darauf 
in  einer  Handschrift  in  Venedig:  prid.  fiiiin.  worin  zur  Herstellung  d. 
richtigen  Lesart  nur  Ein  Buchstabe  ausxusto88en  ist.  Plinius  18,  09.  §. 
3  u.  4.  (29)  unterscheidet  rinalln  priorn  und  allrra  fr?/slir(r) ;  jene 
•wurden  nach  seiner  Angabe  IX  Cal.  Mali  =  23.  April  gefeiert,  (Ovid. 
Fast.  1.  8G4.)  die  anderen,  welche  hier  nicht  in  Betracht  kommen,  im 
August. 


V.   ANTONir.       (11.  §.  41.)       303 

(hen,  "-^  p;al>en  sich  die  Antoniancr  das  Ansehn,     als  hielten  kic 
Alles    für    geendigt    und    daher    den    Kriegszustand,     in  welclie^i 
man   Rom   versetzt  hatte,    für  üherfli'issig;     sie  verlangten,    dass 
man  das  Kriegsgewand  wieder  gegen  die  Toga  vertauschte,  v/o- 
diirch  der  Senat  dem  A'olkc  erklärt  haben  würde,  dass  es  keiner 
Opfer     und     Anstrengungen    mehr    bedürfe.  ^^)      Zur    Sache     be- 
merkte    P.      Servilius,      veldien     der     Prätor     auch    jetzt     vor 
Cicero  aufrief,  "*)  dass  wegen  des  Sieges  ,,der  Consuln  und  des 
Proprätor    über    schlechte    und  verwegene    Menschen"  ein  Dank- 
fest zu  beschliessen  sei.^'*-'     Da  der  Senat  die  Ausdrücke:  Krieg 
und  Feind  verworfen,  und   den  Kampf  mit  Antonius  als  Tunmlt 
bezeichnet  hatte, ''"^    so  war  es  nicht   nur  folgerecht,    dass  Ser- 
vilius   die    Sieger    nicht  Imperatoren,     und    die    Besiegten  nicht 
Feinde  nannte,     sondern  das  Gegenthcil  würde  strafljar  gewesen 
sein.      Aber    auch    ein    Dankfest    feierte  man  nur  im  Kriege  mit 
einem  auswärtigen  Feinde,  nicht  im  Bürgerkriege;  ß^)     dadurch, 
dass    die    Consuln    selbst  es  wünschten  ,     weil  es  die  Bedingung 
zum   Triumphe  war,   dass  der  Vorsitzende  Magistrat  es  zur  Spra- 
che brachte,    und  der  Senator,    welcher  zuerst  stimmte,    es  be- 
willigte,    wurde    Cicero    zu  der  Huftnung  berechtigt,     dass  nun 
endlich   die  Kriegserklärung  erfolgen  Averdc.      Diess  zu  bewirken, 
und  die  Kampflust  in  den  Heeren  zu  entflammen,  sprach  er  also: 
,,Aus    den  vorgelesenen    Briefen  erhellt,     dass  der  Feind  ^'^) 
geschlagen,     aber    auch,     dass    Mutina    noch    nicht    entsetzt  ist. 
Vor  dem  Ende  des  Krieges  können  wir  das  Kriegesgewand  nicht 
ablegen,     und    sein   Ende    ist   die    Befreiung    des  Brutus,     diese 
der    Zweck    aller  bisherigen  Anstrengungen.  *'^)     Die  Schwerdter 
der  Unsrigen  sind  in  Blut  getaucht,   oder  vielmehr  nur  erst  be- 
netzt; wenn  mit  dem  Blute  der  Mitbürger,     so  sind  die  Unsri- 
gen   A'erbrecher.      Wie    lange   wird    man    anstehen,     den    einen 
Feind  zu  nennen ,  welclier  alle  Feinde  an  Verbrechen  übertrift't  f 
Ihr    beschliesst    ein     Dankfest    und    nennt    den    Besiegten    nicht 


62)  3  Phil.  9.  (Antonius)  fugfire  festinans  S.  C.  de  suypUratione 
V  f  r  dis  c  esstone  m  fecit,  cum  id  facliitn  esset  antea  nunquam.  C3)  S. 
A.  69.  C4)  §.  41.  A.  21.  G5)  c.  3.  De  improbis  et  andacihus.  c.  4. 
u.  8.  9.  CG)  §.  38.  A.  40.  u.  43.  07)  14  Phil.  8.  CSl  c.  1.  5.  —  I,o- 
stimn  dien'  ita.,  inquam  ^  hoslium  ^  quamvis  hoc  ist?  hostes  domestici 
■nolini.  7.     ücmper  illum  hoslem  ^  setnper  hoc  bellum,     09^  C.  1.  2. 


304  V.    AXTONII.         (11.  §.  41.) 

Feind.  „Schlechte,  verwegene  Menschen!''  so  redet  man  vor 
CJericht,  aber  nicht  in  einem  Kriege  auf  Leben  und  Tod.  Der 
verruchteste  aller  Bandenfiihrer  bekriegt  vier  Consuln,'*<0  den 
Senat,  das  rüinische  V^oik,  kündigt  uns  an,  dass  er  unsere 
fiüter  verwüsten  und  uns  quaalvoll  morden  wolle ,  bezeugt,  dass 
DoIabcUa  bei  seiner  unmenschlichen  That  seinen  Eingebungen 
gefolgt  sei,  verübt  durch  seinen  Bruder  Lucius,  den  Schand- 
buben, das  Ungeheuer,  an  den  Parmensern  Griiuel ,  "welche  mir 
7,\i  denken  die  Seele  zurückbebt  und  er  auch  in  Rqju  verüben 
•wollte,  tmd  man  steht  an,  ihn  Feind  zu  nennen?  ^')  Nichts 
kann  gerechter  sein,  als  dass  wir  den  Heerführern,  welche  uns 
Tor  Sclaverei  und  Tod  bewahrt  haben,  ein  Dankfest  beschliesscn; 
ich  werde  sogar  auf  mehr  Tage  antragen,  als  Servilius,  zuvor 
aber  den  Imperator- Titel  für  sie  in  Anspruch  nehmen.  Denn 
seit  zwanzig  Jahren  ist  Niemandem  das  Eine  ohne  das  Andere 
bewilligt,  wenn  er  auch  nur  Unbedeutendes  oder  meistens  gar 
nichts  gethan  hatte;  ^-)  also  entweder  keine  Siegesfeier  oder 
auch  die  übliche  und  gewöhnliche  Ehre  für  die,  -welchen  wohl 
mehr  als  diese  gebührt.  ^2)  Von  dem  Tage  an,  wo  zur  Her- 
stellung der  Freiheit  von  mir  die  Bahn  gebrochen  wurde,  habe 
ich  Antonius  immer  Feind,  den  Krieg  mit  ihm  immer  Krieg 
genannt;  hätten  die  Consuln  über  mein  Gutachten  abstimmen 
lassen ,  so  wäre  die  Bunde  schon  längst  entwaffnet.  Doch  was 
damals  nicht  gestattet  war,  das  ist  jetzt  nicht  bloss  gestattet, 
sondern  auch  nothwendig,  dass  wir  die,  welche  unsere  Feinde 
sind,  auch  dafür  erklären.  Diess  ist  gegen  seinen  >Villen  schon 
von  Servilius  geschehen,  denn  nie  ist  im  Bürgerkriege  ein 
Dankfest  beschlossen.  Wir  müssen  es  daher  den  Feldherrn  ver- 
weigern, welches  ausser  Gabinius  Keinem  begegnet  ist,  oder 
auch  die  Besiegten  als  Feinde  ächten.  ''^J  Als  Feinde  ächte  ich 
sie ,  und  füge  nur  den  Namen  zur  Sache  hinzu ,  wenn  ich  die 
Sicher    Imperatoren    nenne,    avozu    ihre    Thaten    berechtigen.  '^^J 


70)  D.  Rrulns  und  L.  Plancus  war  diese  Würde  für  das  naclislt- 
Jahr  bestimmt,  und  der  l<elzle  geht  nur  der  Zaiil  wegen  mit,  denn  An- 
tonius hatte  noch  nichts  gegen  ihn  unternommen.  71)  c.  3.  !.  72)  Vgl. 
ad  Att.  5.  20.  Itnprralores  npprl/ati  sumns ,  vom  Heere,  aber  die  ße- 
«fäligung  und  die  Supplicalion  wurde  vom  Senat  begehrt,  ad  Karail.  15. 
5.  miiti//ns  rebus  grslin  aut  nuUh.     7  3)  c.   4.     74)  c.  7.  S.     7J)  c.  9.  10. 


V.  ANTONII.        (14.  §.  41.)      305 

Möge   also    der  .Senat    zu    Ehren    der    Drei    ein     Dankfest    von 
fünfzig  Tagen  bcschliessen  ,   und  ihren  Truppen  das  Versprechen 
erneuern,    dass  sie  nach  Beendigung  des  Krieges  die  ihnen  frü- 
her    vcrhcissencn  '"')    Belohnungen     erhalten     sollen.       Auch    der 
Todten  werde  gedacht,     ihnen    einen    ewigen   Ruhm  zu  sichern, 
und  den  Schmerz  der  Ihrigen  zu    mildern.  ^^->     Man  errichte  den 
Tapferen   aus    der    Legion    des  Mars  und  den  Uehrigen,    welche 
mit  ihnen  gefallen   sind ,  ein  glänzendes  Denkmal.     Jene  Legion 
hat  sich  zuerst  von  Antonius  losgesagt;  der  Sieg  hat  ihr  einio-e 
Opfer  gekostet;     die  vierte,    welche  ihrem  Beispiele  gefolgt  ist, 
vermisst    niemanden.     Ihr    aber   seid    zum  Heile  des  Vaterlandes 
geboren,  ihr,    die  man  nach  Mars  benennt,     dass    man  glauben 
muss,     derselbe  Gott  habe  diese  Stadt  für  die    Welt,     und  euch 
für  diese  Stadt  geschafien.     Die  Feinde  des  Staats,    welche  ihr 
erschlagen  liabt,  werden  auch  in  der  Unterwelt  büssen,  ihr,  die 
ihr  euern  Geist  im  Siege  ausgehaucht,     seid  in  die  Wohnungen 
der    Guten    aufgenommen.     Ein    prachtvoller    Bau  mit   einer  In- 
schrift bezeuge  für  alle  Zeiten  euern  göttlichen  Muth!  ''^)    Doch 
lasst  uns  auch  die  Ihrigen  trösten;    könnten  unsere  Reden,  un- 
sere   Beschlüsse    ihre    Thränen    trocknen!     Den    grössten    Trost 
wird  ihnen  ein  Denkmal  gewähren,     welches    an    die    Tapferkeit 
und    Vaterlandsliebe    der    Gefallenen,     an    die  Treue    des  Senats 
und  an  den  grausamsten  Krieg  erinnert,  worin  Antonius  vater- 
mörderisch   den    Namen    des    römischen    Volks    vernichtet  haben 
würde,    hätte  ihm  nicht  ein  so  muthiges  Heer  widerstanden;  '^9) 
zugleich  aber  muss  man  ihnen  die  Belohnungen  anweisen,    wel- 
che den  Gebliebenen,     ihren  Verwandten,     bestimmt    waren."  so) 
Diess    alles    fasste    Cicero  in  dem  Entwürfe    zu  einem  Senatsbe- 
schlusse  zusammen ,    nach    welchem  die  Consuln  oder  der  Prätor 
Cornutus    wegen    der    Thaten,    welche    die     Consuln    und    Cäsar 
.  (Octavian),    die  Imperatoren,    in  diesem  Kriege  verrichtet,  ein 


76)  §.  34.  A.  13.  «.  30.  §.  35.  A.  14.  15.  §.  3G.  A.  35.  Vgl.  §.  46. 
A.  49.  77)  c.  11.  78;  c.  12.  cfr.  11  Phil.  15.  fin.  79)  Durch  einen 
Schritt,  welcher  grosses  Aufsehn  erregte,  sollte  der  Senat  sich  selbst 
zwingen,  den  letzten  zu  thun,  Antonius  den  Krieg  anzukündigen.  80)  c. 
13. 

Druiuaua.  GescLIcIite  Kouis  I.  OQ 


30G  V.  ANTOMl.         (14.  §.  4r>.) 

Danlvfest  von  50  Tagen  anordnen,  ^^J  die  Legionen  die  ihnen 
früher  vom  Senat  versprochenen  Belohnungen  nach  Beendigung 
des  Krieges  erhalten,  die  Consuln  die  Errichtung  eines  Denk- 
mals für  die  Todten  der  Legion  des  iMars,  welche  vorange- 
kumpft,  und  für  die  Üehrigen  verdingen,  die  Quästoren  das 
erforderliche  Geld  zahlen ,  und  die  Familien  der  Erschlagenen 
deren  Lahn  empfangen  sollten.  ^~) 

Der  Sieg  der  Gefeierten  hewirkte,  was  keine  Bercdtsamlceit 
vermocht  hatte;  denn  der  Senat  hewilligte  nicht  nur  das  funf- 
zigtitgige  Fest,  den  Imperator -Titel,  die  Belohnungen  für  die 
Lehenden ,  und  ein  öffentliches  Begrähniss  für  die  Todten,  ^•'-^ 
sondern  er  erklärte  nun  endlich  auch  Antonius  mit  allen  seinen 
Anhängern  für  Feinde  des  Staats,  ^^J  und  kündigte  ihm  damit 
den  Krieg  an.  ^^> 

§  45.' 

llirtius  kehrte  am  16.  April  mit  seinen  Truppen  und  dem 
ffrössten    Theile    des    anderen    Consular- Heers    nach  !Mutina  zu- 

r5 


81)  App.  3.  571.  setzt  diess  wie  Die  4G,    39.    welcher   sechzig  Tage 
angiebt,     nach  Antonius  Niederlage  bei  Mutina,    und  bemerkt,  dass  nie, 
weder  in  einem  gallischen  Tumult,    noch  in  einem  Kriea;e,    eine  Suppli- 
cation  von  dieser  Dauer  beschlossen  sei ;    man    hatte    Cäsar    a.  40.    nach 
dem    afrikanischen    Kriege    vierzig    Tage  bewilligt,     Die  43,     14.  und  im 
folgenden    Jahre    nach    dem    spanischen    fünfzig.  Dio  43,    42.     82)   c.   14. 
.^ueton.    Octav.    12.  spricht  v.  einem  in  diesem    Kriege  errichteten  Denk- 
male,   welches    in    eine    spätere  Zeit  gehört.     S.  das.  Casaub.  u.  Dio  48. 
J3.  83)  Dio  40,  38. Zon.  10, 15.  84)  Jetzt,  wo  es  beantragt  u.  besprochen  war, 
wurde  diess  Alles  beschlossen,  nach  den  Gefecliten  bei  Forum  Gallorum, 
nicht  erst  nach  der  Schlaclit  bei  Mulina,    wo  Hirtius    hei,    und  üctavian 
mit  Beineu  V^eteranen ,  wie  man  glaubte,  entbehrlich  wurde,     Ei  ist  schon 
angedeutet,     wie    willkührlich  die  Alten  die   Kriegserklärung  in  den  ver- 
schiedensten  Zeiten,     grösstenlheils  vor  jenen    Gefechten,    oder  gar  wie- 
derholt erfolgen   lassen;     Manche  gedenken  ihrer  nur    gelegentlich,    oder 
doch  ohne  Zeitangabe.     Die  Philippiken  beweisen,   dass  Cicero  seine  Ab- 
sicht   erreichte,    ehe    Antonius    geschlagen    war.     Agl.    Liv.    119.    NepoB 
Attic.  9.  Vellej.  2,  03.  04.  CO.  fin.  App.  3.  .^07.  4.  508.  611.  Dio  40,  39. 
41.    Plut.  Anton.  17.    Zonar.  10,  14.    15.    Plin.  7.  31.  (30).    Gell.  N.  A. 
15,  4.    Flor.  4,  0.    F.ulrop.  7,  1.    Uros.  0,  18.     85)  In  dieser  Zeit,  ehe 
man  den  Tod  des  Consuls  erfuhr,     wurden  die   Denare  mit    der  Inschrift 
(;.  Pansa.  Libertalis.  und  mit  dem  Bilde  der  Roma    geprägt,    welche  die 
Siegesgüttinn  bekränzt.     Vaill.  Gens  Vibia  No.  13.  Eckh.  V.  p.  341. 


i 


V.  ANTONU.         (14.  §.  45.)         307 

rück,  ^^)  wo  Octavian  allein  der  feindlichen  Macht  nicht  hätte 
widerstehen  können.  So  waren  jetzt  alle  Streitkräfte  vereinigt 
welche  man  gegen  Antonius  aufzubieten  vermochte.  Er  hatte 
sie  einzeln  aufreiben  wollen;  diess  war  misslungen;  dennoch 
blieb  sein  Plan  im  Wesentlichen  unverändert;  seine  Reuterei 
sollte  den  Consul  umsch« armen,  und  in  steter  Erwartung  eines 
Angriffs  erhalten,  damit  er  selbst  nichts  gegen  die  Belagerer 
unternähme,  und  indess  der  Hunger  ihnen  die  Stadt  überlieferte.  *^) 
Aber  Hirtius  und  Octavian  erkannten  seine  Absicht,  als  sie 
ausrückten  und  er  sich  ihnen  versagte;  ^^J  sie  wussten,  dass  in 
Slutina  die  Noth  bis  zur  Verzweiflung  gestiegen  war,  und  wenn 
es  wider  Erwarten  des  Feindes  zu  einem  ernstlichen  Gefechte 
kam,  sie  die  Uebermacht  haben  und  entscheiden  Avürden,  ehe 
er  sich  sammelte.  Sie  setzten  sich  nach  einer  anderen  Seite 
der  Stadt  in  BeAvegung ,  wo  grössere  natürliche  Hindernisse  den 
Zugang  erschwerten  und  Antonius  eben  deshalb  seine  Linien 
vernachlässigt  hatte.  Der  Listige  wurde  überlistet;  zwar  folgte 
ihnen  anfangs  nur  seine  Reuterei,  als  sie  dieser  aber  auch  nur 
die  ihrige  entgegenstellten  und  weiter  zogen,  so  fürchtete  er, 
sie  möchten  Verstärkung  und  Lebensmittel  in  die  Stadt  werfen, 
und  aus  diesem  Grunde ,  nicht  weil  die  Ankunft  des  Silanus 
ihn  ermuthigte,  ^^■>  welcher  schon  bei  Forum  Gallorum  gefochten 
hatte,  führte  er  zwei  Legionen  hinaus.  Kaum  zeigten  sie  sich, 
als  sie  angegriff'en  und  geschlagen  wurden ,  und  dasselbe  Schick- 
sal hatten  die  übrigen,  so  wie  sie  nach  einander  aus  den  weit- 
läuftigen  Werken  erschienen.  Der  Kampf  '■^'^)  glich  einem  Leber- 
falle ;  denn  von  der  einen  Seite  war  alles ,  von  der  andern 
nichts  vorbereitet.  Bald  drangen  die  Sieger  mit  den  Fliehenden 
in  das  Lager  und  hier  wurde  auf  dem  engen  Räume  und  bei 
dem  Zuströmen  frischer  Streiter  das  Blutbad  noch  grösser  als 
ausserhalb.  Man  schlug  sich  schon  am  Feldherrnzelte,  als  Hir- 
tius  fiel ;  91)    der   Verlust   des   klugen    und    tapferen    Anführers, 

86)  App.  3,  572.  §.  43.  A.  40.  u.  46.  87)  App.  1.  c.  88)  Ders,  «. 
Dio  4G,  38.  89)  Dio  1.  c.  Zonar.  10,  15.  S.  §.43.  A.  31.  90)  Praeliunt 
Mulincnse.  ad  Fam.  10,  14.  91)  App.  1.  c.  u.  575.  Cic.  ad  Fam.  10,  17. 
33.  11,  9.  10.  13.  12,  25.  Liv.  119.  Veliej.  2.  61.  G2.  Suet,  Octav.  11. 
Dio  46,  39.  Plut.  Ant.  17.  Cic.  45.  Eutrop.  7.  1.  Oros.  G.  18.  TibuU.  3. 
i.  18.  Ovid.  Tribt.  4.   10.  6.  S.  Hirtii. 

20* 


308  V.  ANTOXII.  04.  §.  45.) 

mit  welchem  ausser  vielen  Andern  auch  Pontius  Aquila  seinen 
Tod  fand ,  '■'->'  vermehrte  die  Erbitterung ,  doch  konnte  üctavian 
erst  nach  neuen  Anstrengungen,  wobei  nach  einem  (ierijchte 
fast  die  ganze  vierte  Legion  von  der  fünften  des  Antonius  (den 
Alaudii)  niedergemacht  wurde,  ^3)  sich  des  Lagers  bemächtigen. 
Er  selbst  stürzte  sich  in  das  Getümmel,  nahm  den  Adler  aus 
den  Händen  eines  Sterbenden  und  trug  ihn  voran  gegen  den 
Feind.  ^)  Dass  dieser  ihn  dennoch  zuletzt  wieder  aus  seinen 
Schanzen  vertrieben  und  erst  am  anderen  Tage  nach  gehaltenem 
Kriegsrathe  den  Rückzug  angetreten  habe ,  berichtet  der  Schrift- 
steller ,  welcher  allein  diese  Ereignisse  mit  einiger  Ausführlich- 
keit erwähnt.  ^^^  Dem  Aviderspricht  alles,  was  Andere  wenn 
auch  nur  kurz  über  die  Schlacht,  und  genauer  über  die  Flucht 
des  Antonius  bemerken.  Sie  bezeichnen  jene  nicht  als  unent- 
schieden, sondern  als  eine  vollständige  Niederlage  des  Consu- 
lars*  wie  könnten  sie  es,  wenn  er  die  AVahlstatt  behauptet 
hätte?  Wenn  diess  ferner  ihm  möglich  war,  so  verfügte  er  noch 
über  eine  bedeutende  Masse  von  Fussvolk ;  die  Beschreibung 
seiner  Flucht  beweiset  aber,  dass  es  grösstentheils  zersprengt 
oder  doch  ohne  Waffen  war,  und  er  seine  Rettung  nur  seiner 
Reuterei  verdankte.^*'''  Appian  giebt  demnach  hier  wie  im  Fol- 
genden ,  wo  er  von  den  Unterhandlungen  zwischen  Brutus, 
Octavian  und  Pansa  spricht ,  was  die  Parteien  zur  Rechtfertigung 
ihrer  Häupter  erdichteten. 

Die  Sage  aber  von  dem  Ausfalle  des  D.  Brutus,  wodurch 
dieser  an"-eblich  das  schwankende  Gefecht  entscliied,  ist  nicht 
durch  sie  entstanden,  sondern  findet  sich  zuerst  in  einem  der 
unächten  Briefe  ,,an  Brutus  ,"^^J  dessen  A'erfasser  bei  Cicero 
las,^^-*  das  ruIimvoUe  Hervorbrechen  des  Decimus  aus  Mutiaa 
habe  in  Rom  die  Hoffnung  erregt,  dass  alles  geendigt  sei,  sein 
Aufbruch  nämlich  zur  Verfolgung  des  Feindes  zwei  Tage  nach 
der  Schlacht,  '■''•')    bei  welcher  er  ,, Zuschauer  gewesen  Avar,"^"*») 


92)  ad  Farail.  10,  33.  11,  l3.  Dio  -16,  -10.  Vgl.  §.  42.  A.  69  —  71. 
Ö3)  ad  Farn.  16,  33.  94)  Suet.  Orlav.  10.  Flor.  4.  4.  Nur  dieser  er- 
zählt, dass  er  verwundet  sei;  wahrscheinlich  hat  er  Sueton  missverstan- 
den.  In  .Spanien  glänzte  man  anfangs,  er  sei  getödtet.  ad  Fam.  I.  c. 
Pö)  App.  3.  572.  573.  9Ü)  §.  51.  97)  ep.  4.  98)  ad  Fam.  II,  14. 
U9)  ad   Fam.   11,  13.   liilen  §.  50.  A.  7G,     100)  Dio  4(/,    )u. 


V.  ANTONII.         (14.  §.  45.)        309 

so  (lass  er  es  nur  „Anderen  verdankte,  wenn  er  noch  lebte."  '> 
Er  selbst  !retlt;nkt  in  seinen  Briefen  nie  einer  Mitwirkung  zum 
Entsätze  ,  und  eines  dabei  unvermeidlichen  Verlustes  an  .Mann- 
schaft,  obgleich  er  alles  hervorsucht,  um  sich  wegen  der  ver- 
späteten Verfolgung  zu  entscliuldigen.  V 

Uebrigcns  sind  die  Briefe,  welche  er  während  derselben  an 
Cicero  schrieb,  schon  wegen  der  Zeit-  und  Ortsangaben  von 
Wichtigkeit.  Sie  gewähren  zunächst  einigen  Aufschluss  über 
den  Tag  der  Schlacht.  In  Beziehung  auf  die  Zeit  ist  sie  nur 
zu  oft  mit  den  früheren  vom  1 5.  April  verwechselt.  3)  Am  1 6. 
kehrten  die  Heere  von  Forum  Gallorum  nach  Mutina  zurück, 
und  am  29.  HI.  Cal.  Maii  stand  Brutus  nach  seiner  Befreiunij 
bereits  zu  Regium  (Forum)  Lepidi.  ■*)  Innerhalb  dieser  (Jränzen 
also  ist  der  Tag  zu  suchen,  an  welcliem  er  frei  wurde.  Fr 
brach  zwei  Tage  später  auf,  als  Antonius,  ^)  und  einen  bedurfte 
er,  um  nach  Kegium  zu  gelangen,  welches  etwa  17  Milliaricn, 
nicht  völlig  vier  deutsche  Meilen,  von  Mutina  entfernt  war; 
wenn  er  dort  sogleich  nach  seiner  Ankunft  an  Cicero  schrieb, 
wie  man  glauben  muss,  so  ist  der  27.  April  der  J'ag  der 
Schlacht. 

Kein    gemeinschaftlicher    Feind    trennte    länger    Brutus  und 
Octavian;     zum  ersten  Male,     seit  jener  der    Mörder  und  dieser 
der  Sohn  Cäsars  war ,  sollten  sie  sich  w  iedersehen ;  eine  schwere 
Aufgabe.     Wer  ire;end  den  Charakter  des  Octavian  und  die  Um- 
stünde   erwog,     dem    konnte    es    nicht  zweifelhaft  sein,     wie  sie 
gelös't  werden  würde,     aber  sie  war  verführerisch  für  die  Ein- 
bildungskraft derer,  welche  der  Zeit  oder  dem  Räume  nach  fem 
standen,     und    bot    Anderen    eine  erwünschte   Gelegenheit,     sich 
und    ihrer    Partei    durch    falsche    Erzählungen    einen    Dienst    zu 
leisten.     Dahin  gehört,    was  Appian  berichtet:    Brutus  vernich- 
tete nach  der  Schlacht  vor  Tagesanbruch  die  Brücken  der  Scul- 
tenna,     und    ersuchte    darauf   Octavian    unter    Dankbezeugungen 
für  den  Entsatz,     am  jenseitigen  Ufer  zu  erscheinen,  und  seine 
Rechtfertigung    in    Betreff   des    Mordes    zxi     vernehmen.      Heftig 
erwiederte  der  Andere:  den  Dank  erlasse  er;   denn  um  Antonius 


n  Vellej.  2.  G2.  Vgl.  L'v.  119.  Flor.  4.  4.  2)  S.  insbes.  ad  Fam. 
n,  10.  u.  13.  3)  ü.  a.  V.  Eckh.  G.  p.  70.  4)  ad  Farn.  11,  9.  5)  Das. 
11,   13. 


310  V.   ANTONII.         (14.  §.45.) 

KU  bekriegen  sei  er  hieher  gekommen ,  nicht  um  Brutus  zu  ret- 
ten; einer  Lntcrredung  mit  ihm  widerstrebe  sein  Gefühl,  übri- 
gens wolle  er  Rom  nicht  vorgreifen.  Da  trat  Brutus  an  das 
Ufer,  rief  Octavian  mit  Namen,  und  untersagte  ihm,  nachdem 
er  mit  lauter  Stimme  den  Senatsbeschluss  verlesen  hatte,  wel- 
cher ihm  das  cisalpinische  Gallien  überwies,  ohne  die  Consuhi 
über  den  FIuss  in  seine  Provinz  zu  kommen,  oder  Antonius  zu 
verfolgen ,  denn  dazu  sei  er  selbst  stark  genug.  Octavian 
schwieg;  er  gieng  nach  Bononia  zu  Pansa  und  schrieb  mit  die- 
sem über  Alles  an  den  Senat.  Den  Brief  des  Consuls  theilte 
Cicero  dem  Volke  mit,  den  anderen  nur  in  der  Curie,  wo  so- 
fort ein  Dankfest  von  fünfzig  Tagen  beschlossen  wurde.  ^)  Man 
fragt  sich ,  wozu  die  Brücken ,  wenn  Brutus  dem  Kampfe  fremd 
blieb  und  fremd  bleiben  wollte?  und  seit  wann  galt  die  Scul- 
tenna  für  die  Gränze  dieser  Provinz  ?  Jene  Briefe  ferner  sind 
die  älteren  des  Hirtius,  nach  deren  Empfange  der  Senat  die 
Siegesfeier  beschloss.  ^-^  Der  grösste  Verstoss  liegt  aber  darin, 
dass  Brutus  sein  Misstrauen  hiernach  nicht  nur  kund  gab,  son- 
dern auch  auf  eine  Art ,  welche  bei  dem  ganzen  Heere  Aufsehen 
erregen  und  Octavian  beleidigen  musste,  und  dass  dieser,  der 
den  angeblichen  Drang  kindlicher  Liebe  und  das  Verlangen, 
seinen  Vater  zu  rächen,  eben  so  wohl  zu  beherrschen  als  zur 
Schau  zu  tragen  verstand,  sich  offen  über  seine  Absichten  aus- 
sprach. In  den  Briefen  des  Brutus  finden  wir  wenig  über  die- 
sen Gegenstand ,  aber  genug ,  um  daraus  zu  entnehmen ,  dass 
er  sogleich  nach  der  Schlacht  mit  Octavian  zusammen  kam, 
sich  mit  ihm  über  die  Verfolgung  zu  einigen,  in  der  That  aber, 
um  seine  Gesinnungen  zu  erforschen,  und  dass  sie  friedlich  von 
einander  schieden.  ^) 

Die  Siegesboteu,  welche  vom  Schlachtfclde  zu  Pansa  nach 
Bononia  abgiengen,  überbrachten  am  Morgen  des  folgenden 
Tages  Brutus  die  Einladung,  zum  Consul  zu  kommen;  auf  dem 
Weae  erfuhr  er  dessen  Tod,  und  kehrte  um.  9)  Nach  einem 
Mährchen,  welches  den  Abfall  des  Octavian  von  der  Aristocratie 
rechtfertigen  sollte,    war  dieser   glücklicher;     obgleich  er  nicht 


C)  App.    3.    57S.    574.     7)  §.  44.   A.   57.     8)  ad   Farn.  11,   10.    13. 
•()  Das.  II,    13. 


V.  ANTONIL       (14.  §.  15.)  311 

früher  Nacliricht  haben  und  reisen  konnte,  fand  er  ßansa  nocli 
unter  den  Lebenden,  zwar  im  Sterben,  aber  noch  fübij;,  mit 
ihm  nach  Rom  zu  berichten ,  und  ihm  mit  seinem  Rathe  nütz- 
lich zu  werden:  "^^  den  Tod  Cäsars  zu  rächen,  welchen  ich  wie 
mich  selbst  geliebt  habe,  bin  ich,  wie  du,  durch  die  .Macht 
der  Ponipcjaner  gehindert.  Sie  freueten  sich  deines  Streites  mit 
Antonius,  weil  sie  hott'ten,  er  werde  sich  mit  Beider  Unter- 
gange endigen;  ^')  deshalb  haben  sie  dich  mit  scheinbaren 
Ehrenerweisungen  gelockt.  ^-)  Als  dein  Heer  dir  den  Oberbefehl 
antrug,  wurden  sie  besorgt,  und  ernannten  dich  zum  Anführer, 
aber  neben  den  Consuln ,  damit  die  beiden  Legionen ,  der  Kern 
deiner  Truppen ,  an  uns  übcrgiengen ;  so  solltest  du  auch  als 
Sieger  wehrlos  sein.  Wir  gehorchten  nur,  um  Antonius  Ueber- 
muth  zu  brechen;  dann  gedachten  wir  ihn  mi  dir  zu  versöh- 
nen und  nur  das  Beste  der  Partei  wahrzunehmen,  welcher  wir 
Alle  angehören.  Früher  konnte  ich  dir  dicss  nicht  otTcnbaren. 
Deine  Legionen  gebe  ich  dir  zurück;  auch  die  neugcvvorbenen 
stelle  ich  zu  deiner  Verfügung ;  wenn  aber  ihre  Anführer ,  wel- 
che der  Senat  geschickt  hat ,  uns  zu  beobachten ,  dir  nicht  fol- 
gen, oder  die  Sache  dir  selbst  bedenklich  scheint ,  so  mag  Tor- 
quatus,  der  Quiistor ,  *^-^  sie  übernehmen.  Dieser  übernahm  sie, 
und  Pansa  starb.  Sein  V^erhalten  während  seines  ganzen  Con- 
sulats  und  die  an  Brutus  ergangene  Auftordcrung  beweis't,  dass 
er  so  nicht  sprechen  konnte,  dass  er  nicht  auflegen,  sondern 
besänftigen,     Eintracht  und  Mässigung  empfehlen  wollte. 

Er  endigte  sein  Leben  zu  Bononia,  ''*)  Avohin  mau  ihn 
nach  seiner  Verwunduns:  von  Forum  Gallorum  srebracht  hatte, ''J 
einen  Tag  später,  als  Antonius  unterlag;  denn  der,  an  welchem 
Brutus  noch  nicht  wusste ,  dass  Hirtius  gefallen  sei ,  kann  nur 
der  Tag  der  Schlacht  von  Mutina  sein,  nicht  der  folgende,  und 
er  fährt  fort:  am  Morgen  des  nächsten  wurde  ich  zu  Pansa  be- 
schieden;   während    der    Reise   meldete   man    mir  seinen  Tod. '^-^ 


10)  App.  3.  574.  575.  11)  Diess  ist  aus  einem  Briefe  des  Anloiniis 
entlehnt.  13  Phil.  19.  §.  42.  A.  99.  12)  Wie  A.  11.  13  Phil.  17. 
13)  §.  43.  14)  ad  Fain.  11,  13.  Vgl.  10,  33.  Uv.  119.  Vellej.  2.  61, 
Tacit.  Ann.  l,  10.  Suet.  Oct.  11.  App.  3.  575.  Dio  40,  39.  Piut.  Anton. 
17.  Cic.  45.  Val.  Max.  5.  2.  §.  10.  Eutrop.  7,  1.  Oros.  6,  18.  Front. 
Strat.  2.  5.  §.  39.  u.  unten  Vibii.     15)  App.  3.  571.     10)  ad  Fam.  11,  13- 


312  V.  ANTOMI.        (14.  §.  45.) 

Sehr  kalfc  äussert  sich  Cicero  über  das  Schicksal  der  beiden 
Consuln  ,  weil  er  die  nachtheiligen  Folgen  für  sich  nicht  ahn- 
dete; sie  sind  zuletzt,  in  ilirem  Consulat,  der  Republik  nützlich 
geworden,  sind  zu  früh  gestorben,  da  Antonius  noch  lebt,^^^ 
diess  ist  sein  Nacliruf  an  die  Männer,  welche  doch  immer  Cä- 
sarianer,  und  bei  seinem  Plane,  die  verhasste  Partei  zu  unter- 
drücken, nun  nicht  mehr  zu  fürchten  waren.  Selbst  D.  Brutus 
begriff  sogleich,  dass  den  Feinden  der  Verschworenen,  deren 
Herrschaft  die  Consuln  so  wenig  gewollt  hatten  als  die  Herr- 
schaft seiner  Faction,  der  verwais'te  Zustand  des  Staats  in 
Rom  und  im  Felde  sehr  forderlich  sein  werde,  i^)  und  ähnliches 
schrieb  L.  Plancus.  ^^) 

Er  war  es  in  dem  Maasse,  dass  man  Octavian  beschuldigte, 
er  habe  ihn  gewaltsam  herbeigeführt,  um  sich  der  Consular- 
Heerc  und  des  Consulats  zu  versichern,  ^o)  Darnach  wurde 
Hirtius  im  Gefechte  von  ihm  oder  auf  sein  Anstiften  erschlagen, 
und  Gljcon,  -')  der  Arzt  des  Pansa,  gewonnen,  in  dessen  V/un- 
den  Gift  zu  giessen  ,  weshalb  ihn  Torquatus  zur  Rechenschaft 
zog.  Die  Möglichkeit  des  Verbrechens  und  der  Vortheil  ,  wel- 
chen es  verhiess,  ist  der  einzige  Beweis  dafür;  kein  Schrift- 
steller, bei  welchem  sich  die  Nachricht  findet,  mag  deren  Wahr- 
lieit  verbürgen,  und  die  übrigen,  deren  die  meisten  sind,  zum 
Theil  Zeitgenossen,  melden  nichts,  als  dass  Hirtiua  in  der 
Schlacht  und  Pansa  an  den  Folgen  seiner  Verwundung  starb. 
Diess  genügt,  ihren  Tod  zu  erklären;  nur,  wenn  es  an  Auf- 
schluss  darüber  felilte,  würden  \'ermuthungen  gestattet  sein, 
■wobei  man  denn  doch  auch  nicl)t  vergessen  dürfte ,  dass  Octa- 
vian besonnen  war,  und  zwei  der  angesehensten  Cäsarianer 
nicht  ermorden  konnte,  ohne  die  Gunst  aller  Veteranen  auf  das 
Spiel  zu  setzen. 

Er  schickte  die  Leichen  der  Consuln  mit  einem  angemesse- 
nen Geleite--)  nach  Rom,  und  der  Senat  ehrte  sie  durch  ein 
öffentliches  Begräbniss  auf  dem  Marsfelde.  -^)  Selbst  die  Lei- 
chenbestatter,    mit    welchen    zu  dingen    der  Prätor  M.  Cornutus 

17)  Dag.  12,  25.  30.  18)  Das.  11,  0.  10.  19)  Das.  10,  17.  20) 
Tacit.  Ann.  1.  10.  Suet.  Oclav.  11.  Die  46.  39.  21)  In  einem  unterge- 
schobenen Briefe  des  ftl.  Rrutus ,  ep.  C.  wird  er  verlheidigt.  22)  App. 
:?.  57.i.     23)  Liv.  119.  Vellej.  2.  02. 


I 


I 


V.  ANTONII.         (14.  §.  46.)         313 

den  Auftrag  erhielt,  bewiesen  den  l'crstorbcnen  dadurch  ihre 
Achtung,  dass  sie  einer  Entschädigung  für  ihre  Dienste  ent- 
sagten. 2*>> 

§  46. 

Durch  die  zwiefache  Niederlage  des  Antonius,  bei  Forum 
Callorum  und  bei  Mutina ,  verloren  seine  Anhanger  in  Rom 
ihren  Einfluss,  und  wie  man  hoffte  auf  immer;  denn  man  ent- 
deckte nicht  sogleich,  dass  von  dem  Augenblicke  an,  wo  der 
Krieg  ihn  gestürzt  hatte,  die  Politik  ihn  wieder  erhob;  die 
Partei  der  Verschworenen,  die  verjüngte  Aristocratie  aus  der 
Zeit  des  Pompejus,  fiel  mit  i^.rer  Raub-  und  Herrschgier  auf 
die  Beute,  ohne  zu  ahnden,  dass  sie  hier  eben  erwartet  wurde, 
wo  sie  Blosse  und  Vorwand  zum  Angriffe  gab.  Sie  hielt  den 
Krieg  für  geendigt,  -^)  und  ihre  Gegner  bestärkten  sie  darin, 
weil  das  Gefühl  der  Sicherheit  sie  verleitete,  gar  nicht  oder 
verkehrt  zu  handeln,  und  wenn  es  auf  das  Volk  übergieng,  bei 
fortwährenden  oder  erneuerten  Kriegslasten  Missvergnügen  er- 
regte. Am  ersten  kam  Cicero  von  seinem  Wahne  zurück,  aber 
nur  zum  Theil;  ihn  schreckte,  was  im  Felde  geschah,  die  Ret- 
tung seines  Feindes  und  die  Ungewissheit,  wie  man  ihn  jen- 
seits der  Alpen  empfangen  werde,  nicht  sofort  auch  das  Gewebe 
der  Politik ,  mit  welchem  Octavian  ihn  und  seine  Verschworenen 
umspann;  wenn  noch  etwas  anderes  ihn  beunruhigte,  so  war  es 
der  Zweifel,  ob  die  Faction,  welche  er  vertrat,  für  ihn  oder 
er  für  sie  gewirkt  habe;  er  hatte  gesehen,  wie  Pompejus  von 
ihr  gefeiert,  beherrscht  und  verlassen  war,  und  sah  sie  jetzt 
seit  dem  Tode  der  Consuln  und  der  Flucht  des  Antonius  im 
Begriffe,  jede  Fessel  abzustreifen;  der  Riss  erscheint  nur  im 
Werden ,  weil  Oct.avian  zur  Wiedervereinigung  zwang. 

\  on  den  Befreiern  und  von  den  übrigen  Statthaltern  durfte 
er  nichts  hoffen.  M.  Brutus  und  C.  Cassius  überwältigten  aus 
eigener  Machtfülle,  wie  er  gerathen,  obgleich  nicht,  weil  er  es 
gerathea  hatte,  C.  Antonius  in  Macedonien  und  Dolabella  in 
Syrien;  ^•')    nach  seiner  Absicht  sollten  sie  dort  Kräfte  sammeln 


24)    Val.    Max.    5,   2.    §.  10.     25)  ad  Fam.  11,    12.   14.    26)   Oben 
§.3^.  in.  u.  A.  35.  .S.  Junii  Brut.  Cassii.  u.  Cornelii  Dolab. 


314  V.   AN'K»MI.  (14.  §.  4(i.) 

und  sie  Janii  für  ihn  verwenden:     sie  aber   mischten  sich    ni«:ht 
in  den  westlichen  Krieg,   auch   Brutus  nicht,  welcher  sich  seines 
Gegners  bald  entledigte  und  am  nächsten  stand ,    weil    es  ihnen 
das  Sicherste  schien,     sich     im    Besitze  der  östlichen  Hiilfte  des 
Reichs    zu    befestigen.       D.    Brutus    kannte,     Avie    man    glauben 
musste,  keinen  Zweck  des  Kriegs,  als  seine  Befreiung;   sie  war 
ohne  sein  Znthun  gelungen    und  er    verlangte  den  Lohn;     diess 
allein    beschäftigte    ihn,     und    auch    für    L.  Plauens    war    es  die 
■wichtigste    Angelegenheit,     dass    man    bei    den  Khrenbeschlüssea 
und    Spenden    in    Rom    ihn   und    sein     Heer    nicht    vergass.      Er 
warnte    vor    der  Schlaffheit  und  dem    Wankelmuthe  des  Lepidus, 
um  wie  dieser  mit  Abfall    zu  erdigen.     Eben    so  Asinius  Pollio, 
welcher  vorerst,  im  fernen  Spanien,    auch  bei  einem  redlicheren 
Willen   nicht  zu  helfen  vermochte.      Sehr  spät    erschienen  einige 
Legionen  aus  Afrika;   der  Senat  berief  und  Octavian  benutzte  sie. 
So    war    diese    Faction    zerrissen    und    ohne    Plan ,     als  ein 
Ganzes    nur    kenntlich    an    ihrer   Anmassung    und    Verblendung. 
Als    die    Aussicliten    sich   wieder    trübten,     dachten   ihre  Häupter 
auf    den    Rückzug    nach    dem  Osten,      und  sammelten  Geld  und 
Schiffe  —  ebenfalls  für  Octavian.      Jede  nachtheilige  oder  drük- 
kende   Massregcl  und  jede  feindliche    Handlung    gegen  den  Sohn 
und  die  ehemaligen  Anhänger  Cusars  brachte  man  aber  vorzugs- 
weise Cicero  in  Rechnung,  weil  er  seinen  Hass  gegen  Antonius 
und    die    Cäsarianer    am    wenigsten    verbarg    und    in  Reden  und 
Briefen  den  meisten  Eifer  zeigte.     Er  behauptete ,  dass  ^ei  Mu- 
tina nur  der  erste  Act  des  Feldzugs  geendigt  sei,     da  Antonius 
noch  lebe,     und    dass  man  daher  in  den    Rüstungen  nicht  nach- 
lassen müsse.      Diese  zu  leiten  war  Pansa    läntrer  als  Hirtius  in 
Rom    geblieben;     er    hatte    zum    Behuf  des  Kriegs  auch    für  «len 
Schatz  gesorgt;  -'')     nach  seinem    Abgänge    und  noch  mehr  nach 
seinem  Tode  artete  diess  in  Erpressungen  aus ,    nach   Appian  -^) 
durch  Ciceros  Scliuld.     Er  schrieb   nach  der  Schlacht  bei  .Mutina 
an  Cornihcius:     man    bringe    auf    alle  Art  Geld  zusammen,     um 
die    Heere    zu    befriedigen,      aber    ohne    Tribut    werde    es    nicht 
möglich    sein.  ^'■')     Seit    167    v.    Chr.    wo    Acniilius    PauUus    bei 
seinem    Triumphe    über    Pcrseus    Rom    mit    maccdouischcr   Beute 


27)  §.  37.  A.  80.     28)  3.  5C9.     29)  ad  Kam.  12,  30. 


t 


I 


V.   ANTONII.         (14.  §.46.)     31 5 

bereicherte,  war  dem  Volke  der  Tribut  erlassen ; •''O  jetzt  forderte 
man  ihn, -^'J  in  dem  Jahre,  worin  Pansa  und  Hirtius  Consuln 
waren,  ^-)  d.  h.  nach  jener  merkwürdigen  Aeusserung  Ciceros, 
als  der  Krieg  sie  bereits  weggerafft  hatte.  Bei  der  Erhebung, 
sagt  Appian,  zog  man  vorzugsweise  die  Freunde  des  Antonius 
an,  und  Wiilkühr  konnte  Statt  finden,  wenn  jeder  gehalten 
war,  den  fünf  und  zwanzigsten  Theil  seines  Vermögens  zu  ge- 
ben, und  der  Senator  überdies«  vier  übolcn  von  jedem  Ziegel 
seiner  Wohnung  in  der  Stadt,  mochte  sie  Eigenthum  oder  ge- 
miethet  sein.  ^^)  Selbst  Dio,  welcher  nach  dem  Vorgange  Ci- 
ceros in  den  Philippiken  2*)  den  Wetteifer  Italiens  preis't,  fügt 
doch  hinzu,  nur  die  Feinde  des  Antonius  haben  diese  Opfer 
gern  gebracht,  den  Meisten  sei  es  verhasst  gewesen,  zugleich 
steuern  und  dienen  zu  müssen,  wenn  auch  mancher  Verdächtige 
Bereitwilligkeit  heuchelte,  um  nicht  verfolgt  zu  werden.**^) 
Demnach  war  diese  ausserordentliche,  nach  dem  zufälligen  Be- 
dürfnisse berechnete  Abgabe  ^^)  kein  dem  Staate  freiwillig  ge- 
machter Vorschuss,  3^)  und  eben  so  wenig  wird  berichtet,  dass 
eine  Rückzahlung  nach  dem  Kriege  versprochen  sei,  wie  wohl 
sonst  in  bedrängten  Zeiten.  2^)  Mit  Recht  schliesst  man  davon 
auf  die  Lieferungen  und  Handdienste ,  namentlich  auf  die  un- 
entgeldliche  Arbeit  in  den  Waft'en- Werkstätten ;  Zwang  und 
Furcht  hatten  den  meisten  Antheil  daran.  ^^) 

Obgleich  man  schon  seit  Antonius  Aufbruche  ffeoren  IMutina 
darauf  bedacht  war,  den  Schatz  zu  füllen,  so  klagte  Cicero 
doch  über  eine  ,, unglaubliche  Geldverlegenheit"  '^^)  wenn  die 
Heere  Forderungen  machten;  man  fand  sie  mit  Versprechungen 
ab  oder  wies  die  Anführer  auf  ihre  Provinzen  an,  *')  worüber 
insbesondere  D.  Brutus  sich  endlich  im  Juni  mit  grossem  Un- 
willen äusserte.*--^  Wie  Cicero  ihm  um  dieselbe  Zeit  melden 
konnte,  es  liege  Geld  genug  für  ihn  in  Bereitschaft,  und  man 
habe  beschlossen ,  es  ihm  zu  schicken ,  ^'^)  so  zeigt  es  sich  auch 


30)  Cic.  de  offic.  2,  22.  Piut.  Aemil.  P.  38.  31)  App.  3.  569.  Dio 
40,  31.  32.  32)  Plut.  1.  c.  33)  Dio  46,  31.  34)  §.  37.  A.  82.  35) 
App.  I.  c.  3C)  Tributum  temerarium.  Fest.  37)  Vohintaria  coUatio, 
Liv.  26,  30.  38)  Liv.  1.  c.  Vgl.  24,  18.  Flor.  2,  6.  25.  39)  App.  u. 
Dio  11.  CO.  40)  ad  Fam.  12.  30.  cfr.  ep.  28.  41)  ad  Fam.  11,  10.  14. 
12,  30.     42)  Das.  11,  26.     43)  Das.   11,  24. 


316  V.    ANTONII.         (14.  §.  4(i.) 

übrif!;ens,  dass  man  die  Ausgaben  nicht  eben  beschränkte,  unter 
Anderem  auch  bei  der  Feier  der  Spiele,  '^^)  ■weil  es  an  Gelde 
fehlte.  Wenn  man  einen  Aufwand  für  nöthig  liielt,  um  Anto- 
nius zu  unterdrücken,  oder  ihn  als  Feind  des  tStaats  zu  bezeich- 
nen,  so  fanden  sich  auch  die  !\littcl  dazu.  Die  Kosten  kamen 
nicht  in  Betracht,  als  man  die  Gefallenen  durch  ein  Denkmal,  '*^) 
die  Consuln  durch  ein  öttentliches  Bcgriibniss,  *''>'  und  Pontius 
Äqiiila  durch  eine  Siiule  zu  ehren,  und  dessen  Erben  zu  erse- 
tzen beschloss,  was  er  D.  Brutus  geliehen  hatte;  '*^J  bei  der  An- 
näherung Octavians,  •welchem  die  Karglieit  des  Senats  einea 
Vorwand  zu  Feindseligkeiten  gab  ,  wie  andere  Feldherrn  mit 
Geldmangel  ihre  Unthätigkeit  entschuldigten,  war  man  sogar 
reich  genug,  jedem  seiner  Krieger  5000  Denare  zu  bcschlie- 
sscn ,  *^)  aber  zu  spät ,  da  er  sich  des  ganzen  Schatzes  bemäch- 
tigen konnte.  So  beförderten  demnach  die  Vornehnien,  welche 
bis  dahin  regierten,  durch  ihr  Halbhandeln,  als  Folge  der  F.ng- 
herzigkeit,  mit  welcher  sie  nur  an  ihre  eigene  Zukunft  dach- 
ten, ihren  Untergang. 

Doch  war  diess  nicht  das  Einzige,  wodurch  sie  die  Par- 
teigenossen im  Felde  von  sich  stiessen  und  ihre  falschen  Freun- 
de beim  Abfall  einen  guten  Schein  gewannen.  Sie  hatten  sich 
wiederholt  verpflichtet,'*'-'^  die  Truppen  nach  dem  Kriege  mit 
Ländereien  zu  belohnen.  Mit  der  Vollziehung  dieses  Beschlusses 
wurden  zehn  Senatoren  beauftragt,  nicht  erst  dann,  als  man 
Octavians  Heer  mit  Gelde  beschwichtigen  und  verlocken  wollte, 
und  nicht  zu  diesem  Behufe,  ^^)  sondern  schon  früher.  Die  De- 
cemvirn  sollten  ermitteln,  über  welchen  Acker  man  verfügen 
könne,  und  wie  viel  man  bedürfe,  und  ihnen  war  auch  die 
Vertheilung  vorbehalten.  ^U  Ihr  Geschäft  galt  für  sehr  ehren- 
voll und  vcrschaftte  einen  grossen  Einfluss.  Eben  deshalb  wur- 
de Octavian  ausgeschlossen,  und  damit  es  nicht  beleidigte,  je- 
der, welcher  ein  Heer  anführte.  ^-)  Cicero  versichert,  dass  er 
heftig  gegen  diese  Bestimmung  gestritten  habe :  indcss  wurde 
er  selbst  Mitglied  der  Commission,  oder  vielmehr  ihr  Haupt.  ^^) 


44)  Dio  I.    c.     45)  §.   44.   A.   82.     4G)   §.   45.  flu.     47)  Dio  40,  40. 
cfr.  ad  Fam.   11,  10.     48)  Unten  §.  48.  A.  78.     49)    §.    44.    A.    7Ü.     50) 
App.  3.  581.  583.     51)  ad  Faiii.  10,   22.  11,    20.  21.     52)    Da».  11,  21 
1)13  40,  30.  berichtet  sehr  verworren.     53)  nd  Vam.  I.  c.  cfr.  11,  20. 


V.  ANTONII,       (14.  §.  46.)  317 

Bisher    hatte    er    die  Tironen    nur    in    seinen  Reden    begünstigt, 
und  sie  als  Schutzwehr  gegen  die  Anmassung  der  Veteranen  be- 
zeichnet;"''^)    jetzt  konnte  er  mehr    für    sie    thuu.      Doch    fanden 
sich  Schwierigkeiten.      Seine  Coliegen  drängten  ihn ;  sie  wünsch- 
ten  so    bald  als  möglich  an  das   Werk  zu  gehen, 5^)  -welches  au- 
sser der  Ehre  auch  Gewinn  versprach ;    denn    eine  Ackervertliei- 
lung   berührte    gar    Viele,     zumal    wenn     schon    früher    vertheilt 
•war,     und  man  gab  gern,     um  zu  behalten  oder  zu  bekommen. 
Mehrere  Feldherrn   dagegen,     welche    gefochten    oder    auch  nicht 
gefochten  hatten,   fanden  es  billig,  dass  man  sie  in  die  Commissioa 
aufnähme  und  es  ihnen    selbst    überliesse ,     ihren  Truppen  Acker 
anzuweisen.     Diess  verlangte    D.  Brutus  für  sich  und  für  Octa- 
vian,  womit  er  Ciceros  Pläne  völlig  durchkreuzte;  ^^')    dieselben 
Ansprüche  machte  L.  Flancus,     und    ebenfalls    nur  aus  Liebe  zu 
seinem  Heere  und  um    es    in    seiner  Treue    gegen    die    Republik 
zu  befestigen.  ^^)     Für  üctavian  konnte  nichts  erwünschter  sein, 
als  dass  seine  Legionen  sich  in  ihm  vernachlässigt  glaubten;  ^^) 
um  so  williger  folgten  sie  ihm  nach  Rom.      Ciceros  schmeicheln- 
de Worte  fanden  nirgends  Gehör;    -wie  sehr  er  auch    betheuerte, 
dass  er  die  Forderung  der  Feldherrn    gerecht    finde    und  sie  ge- 
gen seinen  Willen  zurückgesetzt  seien,  dass  er  sie  auf  jede  denk- 
bare Art  ehren  und  belohnen  werde,  ^^)  so  blieben  sie  doch  aus- 
geschlossen ,    und  erhielten    endlich    nur    die  Zusicherung ,     dass 
das    Geschäft    bis   zu    ihrer    Ankunft    ruhen    solle.  ^^J     Üctavian 
kam  nur  zu    bald.     So  stritt    man  in  den  Lagern  des  Pompejus 
über  Aemter  und  Güter ,  über  den  Preis,  ehe  man  gesiegt  hatte. 
Umfassender  war  eine  andere  Massregel,  eben  so  verletzend 
für  Octavian,    bedrohlich  für  ihn,    für  die  Antonianer,    für  alle 
Anhänger   Cäsars ,     Aveil  man    die  Aufhebung  seiner  Gesetze  und 
Verfügungen  dadurch  vorbereitete.     Die  Nachricht  von  der  Ver- 
einigung des  D.  Brutus  mit    L.  Plancus,    schreibt   Appian,     er- 
regte bei  den  Pompejanern  grosse  Freude;  nun  erst  glaubten  sie 
frei  zu  sein ;  sie  w  ählten    zehn  Männer ,    Antonius  wegen  seines 
Consulats    zur    Rechenschaft   zu    ziehen,     in    der  That  der  erste 


54)  §.  39.  A.  68.  55)  ad  Fam.  11  ,  21.  5C)  Das.  1.  c.  u.  ep.  20. 
57)  Das.  10,  -22.  21.  58)  Das.  11  ,  21.  App.  11-  cc.  59)  ad  Farn.  11.  cc. 
00)  Das.  11.  21.  fin. 


318  ^'-  ANTONII.      (14.  §.  lü.) 

Schritt  zur  Abschaffung  der  julischen  Gesetze,  denn  jener  hatte 
fast  immer  behauptet,  dass  er  nur  ausführe,  was  in  Casars 
schriftlichem  Nachlasse  verordnet  sei;''*J  Einzelnes  Mar  vom  Se- 
nat schon  bei  Gelegenheit  für  ungültig  erkliirt , '♦-J  jetzt  hoft'te 
er  diess  auf  das  Ganze  auszudehnen.  *^^)  Brutus  erreichte  Plan- 
cus  nicht  vor  dem  Juni,  6*)  etwas  später  als  Antonius,  am  En- 
de des  Mai,  von  Lepidus  aufgenommen  wurde;  ö''>'  gleichwohl 
fü^t  jener  Geschichtschreiber  hinzu,  durch  diess  letzte  Ereigniss 
ernuitliigt  haben  die  Freunde  des  Antonius  die  Edicte  der  De- 
cemvirn  abgerissen ,  ^^^  worin  sie  bei  harter  Strafe  anzuzeigen 
gebeten,  was  jeder  durch  Antonius  während  seines  Consulats 
erworben  habe.'**)  Darnach  könnte  es  scheinen,  als  sei  hier 
ein  Verstoss  gegen  die  Zeitrechnung,  als  habe  es  in  der  Zeit, 
wo  Antonius  zu  Lepidus  kam,  noch  keine  Decemvirn  gegeben I 
Auf  der  andern  Seite  werden  die  Zehn  von  Cicero  erwähnt,  ehe 
er  wusste ,  dass  sein  Feind  geborgen  war ,  und  zwar  diese, 
denn  D.  Brutus  billigte  ihre  Ernennung,  welche  er  veranlass- 
te. "^^  Indess  lös't  sich  der  Widerspruch,  wenn  man  annimmt, 
dass  bei  i^  ii  nur  von  den  vorläufigen  Verhandlungen  im  Senat  die 
Rede  ist,  und  dass  die  Ernennung  schon  auf  das  oft  verbreit, - 
te  und  von  seiner  Faction  leicht  geglaubte  Gerücht  erfolgte, 
Brutus  und  Plancus  haben  sich   gefunden. 

Durch  jenes  Edict  der  Zehn,  nach  welchem  man  schriftlich 
angeben  sollte,  was  man  vom  Consul  Antonius  erhalten  habe, 
wurde  besonders  seine  Gemahlinn  Fulvia  gefährdet.  Sie  lebte 
mit  den  Kindern  und  mit  ihrer  Schwiegermutter  Julia  in  Rom,*»^) 
und  musste  jetzt  als  Wittwe  und  Gemahlinn  seiner  tödtlich  gc- 
hassten  Feinde,  und  bei  ihren  eigenen  wohlbekannten  Gesinnun- 
gen gegen  ihn,  Ciceros  Rache  fürchten.  Schon  in  den  Philip- 
piken hatte  er  sie  mit  Wuth  angegriffen,  und  Fuftus  Calenus, 
in  dessen  Hause  sie  wohnte,  ^o)  konnte  sie  nicht  mehr  schützen. 
Es  war  nicht  die  Absicht,  sie  auf  den  Grund  der  Kriegserklä- 
rung gegen  Antonius  sofort  ihres  Vermögens,  oder  gar  ihre  Kin- 

61)  Oben  §.  14.  62)  §.  40.  A.  85.  f.  63)  App.  3.  578.  61)  Unten 
§.  50.  A.  04.  65)  §.  51.  A.  66.  66)  App.  3.  580.  67)  Ders.  578.  68) 
Farn.  11 ,  14.  Laetor  —  meas  sententias  a  te  probat  i  de  decemvirit.  — 
Scripsisli  —  non  rccipi  a  Lepido  A/Uonium.  69)  §.  30.  A.  75.  u.  76. 
70)  1.  c. 


V.   ANTONII.       (14.  §.  47.J       319 

der  des  Lebens  zu  ?)crauljcn , '^)  aber  man  klagte  sie  an,  duss 
sie  im  vorigen  Jahre  mit  Ciisars  Papieren  Missbrauch  getrieben 
«nd  siel»  dadurch  bereichert  habe.  ^-)  Sie  sah  sich  in  viele  Pro- 
cessc  verwickelt,  und  nicht  eben  vor  unparteiischen  Richtern; 
denn  in  keiner  Zeit  fehlt  es  an  Elenden ,  welcher  einer  persön- 
lichen Anhänglichkeit  nicht  fiihig  sind,  und  ihre  Gesinnungen 
mit  den  Verhältnissen  verändern.  JSo  wurden  die  Antoniaaer 
von  Manchen  nur  deshalb  angefeindet,  iveil  es  bei  den  Macht- 
liabern  empfahl.  '•')  Nicht  so  Pomponius  Atticus;  das  Geldin- 
teresse, sein  höchstes,  schärfte  seinen  Blick  auch  für  politische 
Dinge  und  gab  ihm  einen  richtigen  Takt;  er  erk&nnte,  dass 
die  Herstellung  des  Antonius  möglich  sei ,  und  dass  er  sich  für 
diesen  Fall  sichern  könne,  ohne  in  anderer  Beziehung  zu  wagen. 
Denn  er  war  Cicero  als  Vertrauter  unentbehrlich  und  vermied 
mit  gewohnter  Vorsicht ,  was  als  Begünstigung  der  feindlichen 
Partei  erscheinen  konnt^f^  nur  der  Person  galt  seine  Hülfe,  wel- 
che dadurch  im  Werthe  stieg,  als  er  den  Freundeix  des  Anto- 
nius die  Flucht  erleichterte ,  seinen  Schatz  für  sie  öffnete  und 
insbesondere  der  verlassenen  Fulvia  seine  Dienste  antrug.  Er 
begleitete  sie  vor  Gericht,  wurde  Bürge  für  sie,  und  lieh  ihr 
ohne  Zinsen  und  Schein;  mochten  Kurzsichtige  ihn  einen  Tho- 
ren  oder  einen  schlechten  Republicaner  nennen:  es  erwies  sich 
bald,   dass  er  recht  gerechnet  hatte.  ^*) 

§  47. 

Die  Aristocratie  verfolgte  indess  ihren  Plan,  den  Sieger 
mit  dem  Besiegten,  Octavian  mit  Antonius  zu  stürzen.  Nach 
den  Ereignissen  von  Forum  Gallorum  wollte  Cicero  keine  Rück- 
kehr zur  Toga,  weil  D.  Brutus  noch  in  Gefahr  sei ;  '''5)  jetzt  wur- 
de das  Sagum  abgelegt,  obgleich  der  Entsatz  von  Mutina  nicht 
das  Ende  des  Krieges  war.  "^^J  Cicero  hatte  diess  gehofTt  und 
deshalb  die  Befreiung  des  Befreiers  Rom  zur  heiligsten  Pflicht 
gemacht.  Aus  anderen  Gründen,  aus  Hass  und  Misstrauen  ge- 
gen- Octavian  und  die  Cäsarianer,  wurde  Brutus  auch  jetzt  aus- 
gezeichnet.    In  ihm  war  angeblich  der  Staat  gerettet,  eine  Wen- 


71)  Nepos  Attic.  9.      72)  §.  14.  A.  47.  f.     73)    Nep.   1.  c.     74)  Das. 
§.  5.^.  A.  7C.     75)  §.  44.  A.  CO,     7C)  Dio  46,  39.  L'nten  A.  41. 


320  V.  ANTONII.         (14.  §.  47.) 

düng,  welche  ihm  schmeichelte  und  zugleich  Octavi.in  in  den 
Hintergrund  brachte;  denn  er  war  nicht  belagert,  nicht  befreiet, 
er  hatte  nur  befreiet,  um  ihn  also  zu  umgehen,  dankte  man  den 
Göttern  für  den  Entsatz,  für  die  Wirkung  des  Sieges,  nicht  für 
den  Sieg,  und  in  dem  Beschlüsse  —  glänzte  der  Name  des  Brutus.''^) 
Octavian  wünschte  dieselbe  Ehre,  sie  wurde  ihm  aber  versagt. '^J 
Dem  Triumphe  gieng  das  Dankfest  voraus,  und  in  der  Regel  ver- 
Lür"-te  es  ihn;  ''^)  daher  die  Nachricht,  Brutus  sei  der  Triumph 
bewilligt.  80)  Dass  die  Feier  sich  nicht  auf  die  längst  vergesse- 
nen und  unbedeutenden  Streifereien  in  den  Alpen  bezog,  welche 
er  vor  dem  Kriege  von  Mutina  unternahm,  und  benutzte,  sich 
Imperator  zu  nennen  und  eine  Supplication  zu  fordern,  ^0  be- 
weis't  der  Zusammenhang,  in  welchem   Cicero  davon  spricht. 

Dem  jungen  Cäsar  war  von  Aufang  weder  die  Absicht  des 
Senats  noch  das  Mittel  zweifelhaft,  sie  zu  vereiteln.  Aber 
er  übereilte  sich  nicht;  jener  sollte  si%  ganz  entdecken,  seine 
Ar"-list,  sein  Undank,  seine  Feindschaft  offenkundig  sein,  da- 
mit die  Ausführung  seines  eigenen  Plans  als  Nothwehr  erschien. 
Die  Heere  der  Consuln  wurden  D.  Brutus  überwiesen.  ^-)  Da- 
mit hoftte  man  Octavian  zu  entwaffnen;  denn  er  war  nicht  nur 
unter  den  Überbefehl  der  Consuln  gestellt ,  sondern  auch  veran- 
lasst,  die  Legion  des  Mars  und  die  vierte  an  Hirtius  abzuge- 
ben* ^^^  wenn  sie  sich  fügten,  so  konnte  man  leicht  auch  seine 
anderen  Truppen  fordern,  8*)  da  sie  ebenfalls  unter  Hirtius  ge- 
fochten hatten.  Torq^uatus,  der  Quästor  des  Pansa,  übergab 
Brutus  die  Tironen,  Avelche  in  geringer  Anzahl  mit  dem  Con- 
sul  in  Bononia  geblieben  waren;  ^^^  die  meisten  hatte  Hirtius 
nach  Mutina  geführt ,  und  unter  diesen  weigerte  sich  eine  Le- 
gion, sich  von  Octavian  zu  trennen ;  ^6)  eben  so  jene  beiden 
Veteran  -  Legionen ,  obgleich  der  Senat  auf   den  Antrag  des  Li- 


77)  ad  Fam.  11,  18.  —  tarn  recenti  gratulatione \  quam  tuo  nomine 
ad  omnin  deorum  tn/ipla  fcciinut.  Geschrieben  am  20.  Mai.  Vgl.  App.  3« 
574.  78)  App.  3.  577.  579.  583.  Unten  A.  C.  79)  ad  Fam.  15,  5.  Qiiod 
si  tfiuuip/u  pracrognlivfiiii  piiias  siipplicationcin,  —  ne<itic  snppUcaUonem 
seqiiüur  seiiiper  triumphus.  80)  Liv.  119.  Vellej.  2.  62.  üio  46,  40. 
Zoiian  10,  15.  81)  Oben  §.  17.  A.  17.  f.  82)  App.  3.  574.  575.  583.  Dio 
I.  c.  83)  §.  42.  A.  81.  f.  84)  Das.  A.7  4.  85)  App.  3.  575.  80)  ad 
Fam.    11,    20.    Vgl.    5.  45,  in. 


I 


V.  ANTONII.        (14.  §.  47.)  321 

vius  Drusus  und  L.  Aemilius  PauUus  ^^)  sie  ansdrücklicli  Brutus 
bestimmt  jintte.  s^) 

Dieser  sollte  als  Oberfcldhcrr  den  Krieg  mit  Antonius  fort- 
setzen ^V  und  die  bewaffnete  Macht  jenseits  der  Alpen  unter  Le- 
pidus,  L.  Plancus  und  Asinius  Pollio,  Statthaltern,  "welche  von 
Cäsar  ernannt  waren,  den  fliehenden  Feind  auf  ihn  zurückwer- 
fen, und  sich  ihm  unterordnen.  ^")  Da  M.  Brutus  und  Cassius 
bereits  im  Osten  geboten ,  ^^)  so  war  dann  fast  das  ganze  Reich 
in  der  Gewalt  der  Verschworenen,  und  damit,  wie  man  sich 
schmeichelte,  in  der  Gewalt  der  Aristocratie.  Wie  sehr  aber 
auch  die  muthige  Gegenwehr  des  D.  Brutus  gepriesen  wurde, 
um  seine  Erhebung  zu  rechtfertigen ,  so  wagte  doch  selbst  Ci- 
cero die  Forderung  nicht,  dass  man  seinen  Namen  in  den  Fa- 
sten dem  Tage  des  Sieges  von  Mutina  beischrieb ,  mit  welchem 
angeblich  sein  Geburtstag  zusammen  traf;  ^-)  Avir  wissen  durch 
Cicero  nur,  dass  man  am  Geburtstage  des  Brutus  in  Rom  die 
Nachricht  von  seiner  Befreiung  erhielt;  ^^^  hätte  er  es  versucht, 
ihn  auf  jene  Art  auszuzeichnen,  welches  durch  die  Neider  des 
Feldherrn  vereitelt  sein  soll,  so  würde  er  es  erwähnt  haben, 
denn  er  bot  alles  auf,  ihn  in  Thätigkeit  zu  setzen.  Aber  Pon- 
tius Aquila,  dem  Verschworenen,  nicht  Hirtius,  errichtete  man 
eine  Ehrensäulc.  ^*>> 

Darnach  bekriegte  man  in  Antonius  nicht  mehr  den  Ty- 
rannen ,  wie  die  Philippiken  ihn  schildern,  sondern  den  Cäsaria- 
ner.  Die  Helden  des  15.  Märzes,  welche  den  Dolch  gegen  das 
Schwerdt  vertauscht  hatten,  sollten  die  Aristocratie  mit  einem 
ehernen  Walle  umgeben,  und  selbst  die  Hülfe  des  Sex.  Pompe- 
jus  wurde  nicht  verschmäht,  die  nächsten  und  gefährlichsten 
Feinde  zu  erdrücken.  Schon  früher,  ehe  Pansa  Rom  verliess, 
hatte  der  Senat  auf  Ciceros  Antrag  M.  Brutus  zum  Oberstatthal- 
ter von  Macedonien,  Illjrien  und  Griechenland  ernannt.  ^^)  We- 
gen der  Aehnlichkeit  Avird  dieser  Beschluss  von  den  Alten  sehr 
oft,  aber  unrichtig,  mit  einem  anderen    zusammengestellt,    wel- 


•    87)  üben  Aeniil.  Lepid.  No.  17.  §.  3.     88)  ad    Farn.    11,    M.    u.  19. 
89)  I,iv.  120.  App.  3.    574.    577.    Dio    4G,    40.  47.  50.     00)  App.  3.  574. 
ad  Farn.    10,  33.     91)    Unten  A.    95.  f.     92)    ad    Brut.    15.     93)  ad  Fam. 
11,  14.     94)  Dio  40,  40.  S.  §.  42.  A.  69.  §.   45.  A.  92.     95)    §.    39.    A 
33.  Philipp.   10. 

LtiiiHianii.  Guschii'hte  Ronts   !•  21 


322  '        '     V.  ANTONII.         (11.  §.  47.) 

eher  C.  Cassius  betraf.  Cicero  verlangte  für  ihn  in  jener  Zeit 
die  Statthalterschaft  in  Syrien,  den  Oberhefchl  gegen  Dolabclla 
und  eine  freie  Verfügung  über  das  römische  Asien ;  da  die  Con- 
suln  nach  dem  Entsätze  von  Mutina  Syrien  und  Asia  selbst  über- 
nehmen wollten,  so  wurde  sein  Wunsch  nicht  erfüllt.  ^"^  Jetzt 
fanden  sich  keine  Hindernisse  mehr;  der  Senat  bestätigte  Cassius  in 
Syrien  und  übertrug  ihm  den  Krieg  mit  Dolabella  mit  einer  unbeding- 
ten Vollmacht,  so  dass  die  Statthalter  aller  Provinzen,  welche  er 
auf  seinen  Feldzügen  berühren  würde,  ihm  gehorchen  sollten.  ^') 
Er  erhielt  dadurch  keinen  Zuwachs  an  Macht,  so  wenig 
als  Sex.  Pompejus  durch  seine  Ernennung  zum  Oberanfülircr  der 
Flotte,  ^^'>  d.  h.  der  Schiffe,  Avelche  er  selbst  nach  der  Nieder- 
lage seines  Bruders  bei  Munda  gerüstet  hatte.  Im  vorigen  .Tah- 
re  hatte  Rom  unter  Lepidus  Vermittlung  Frieden  mit  ihm  ge- 
schlossen, und  ihm  darin  die  Rückkehr  gestattet  und  Ersatz 
für  das  väterliche  Vermögen  versprochen,  ^^)  weil  Antonius,  M'el- 
cher  den  grössten  Theil  seiner  Güter  besass  ,  Avohl  wusste,  dass 
er  nicht  Avagen  werde ,  zu  kommen ,  oder  wenn  er  kam ,  seine 
Land  -  und  Seemacht  dem  Staate  verfiel.  Pompejus  gieng  aus 
Spanien  nach  Massilien  ,  ohne  bei  Mutina  mitzuwirken,  angeb- 
lich aus  Scheu  vor  Cäsars  Veteranen ;  gleichwohl  empfahl  Cice- 
ro dem  Senat,  ihm  seinen  Beifall  zu  bezeugen ,  "^•'-^  und  auch 
jetzt  verwandte  er  sich  für  ihn,  den  natürlichen  Bundesgenos- 
sen gegen  die  Cilsarianer,  welchen  er  unter  der  Obhut  der  Be- 
freier nicht  fürchtete.  ^)  Wie  aber  Octavian  vom  Schauplatze 
entfernen  ?  Cicero  hatte  ihn  oft  und  überschwänglich  als  den 
Retter  des  Staats  gerühmt,-^  und  seine  Ansprüche  auf  diesen 
Ruhm  waren  offenbar  bei  Mutina  nur  fester  begründet.  Man 
wählte  den  Ausweg,  zu  schweigen;  jede  Erörterung  machte  es 
uothwendig ,  sich  gegen  den  Vorwurf  des  Undanks ,  der  Verstel- 
lung und  der  Wortbrüchigkeit  zu  verwahren,  welches  vermieden 
wurde,  wenn  man  annahm,  der  Auftrag  Octavians  sei  mit  dem 
Entsätze  von  Mutina  erloschen,  er  sei  damit  iu  den  Privatstand 


'JC)  §.  39.  A.  35,  f.  A.  71.  I'hilipp.  11.  97)  Liv.  121.  Vellej.  2.  02. 
§.  2.  H.  4.  73.  §.  2.  App.  4.  022.  G23.  G29.  613.  Syr.  c.  13.  Dia  46,  40. 
51.  47,  28.  29.  Unten  §♦  49.  A.  13.  98)  Tompeji.  Sex.  Tonip.  a.  43. 
90)  Oben  §.  l.").  in.  100)  §.  41.  A.  26.  u.  32.  1)  Das.  A.  42.  2)  §.  31. 
in.  §.  34.  A.   12.  §.  35.  A.  89.  u.  liu. 


V.  ANTONII.        (li.  §.  17.)      32'? 

zurückgetreten  und  es  könne  nicht  weiter  die  Rede  von  ihm 
seiiip')  'Wurde  seiner  nicht  mehr  gedacht,  so  Avar  man  aucli 
der  Verpflichtungen  gegen  ihn  entledigt.  *)  Seine  Truppen  konn- 
ten sich  nicht  beklagen ,  •wenn  sie  den  verheissenen  Lohn  noch 
nicht  erhielten ,  denn  sie  hatten  die  Bedingung  noch  niclit  er- 
füllt; nicht  für  sie,  nur  für  ihren  Anführer  -war  der  Krieg  geen- 
difft.  Nach  den  Gefechten  hei  Forum  Gallorum  hatte  man  auch 
diesen  als  Imperator  anerkannt ,  auch  ihm  zu  Ehren  ein 
Dankfest  angeordnet;  ^)  der  Triumph,  dessen  er  jetzt  noch  wür- 
diger zu  sein  schien ,  folgte  nicht.  ^)  Er  begriif  seinen  Vor- 
theil,  da  man  nur  seinem  Heere  und  D.  Brutus  Befehle  zuge- 
hen Hess;  er  nahm  auch  seiner  Seits  keine  Kenntniss  vom  Se- 
nat ,  gehorchte  nicht,  und  war  doch  nicht  ungehorsam,  Hess  die 
Dinge  öffentlich  gewähren  und  leitete  sie  mit  unsichtbarer  Hand. 
Auf  die  Nachricht,  dass  ausser  der  Legion  des  Pansa  die  vierte 
und  die  Legion  des  IMars  in  seinem  Lager  blieben,  versuchte 
der  Senat  ihm  die  Letzten  durch  Schmeicheleien  und  Geschenke 
zu  entlocken.  Diess  geschah  nicht  erst  dann ,  als  Antonius  bei 
Lepidus  angelangt  und  Octavian  wieder  in  seine  Feldherrn  -  Rech- 
te eingesetzt  war;  auch  wurde  es  nicht  dadurch  veranlasst,  dass 
etwa  jetzt  auf  seinen  Betrieb  Abgeordnete  des  Heers  nach  Rom 
giengen;  Appian  ^)  wird  darin  durch  andere  Zeugnisse  und  durch 
die  Sache  selbst  widerlegt.  Bereits  mehrere  Wochen  vor  dem 
Abfalle  des  Lepidus  erschienen  Sendlinge  von  Rom,  und  wand- 
ten sich  nicht  an  Octavian ,  den  Privatmann ,  auch  nicht  an 
alle  seine  Truppen  ,  sondern  nur  an  die  beiden  zuletzt  genann- 
ten Legionen,  ihnen  zu  eröffnen,  dass  sie  im  Lager  des  D.  Bru- 
tus 2500  Denare,  die  Hälfte  der  versprochenen  Belohnung,  ^) 
erhalten ,  und  berechtigt  sein  sollten ,  bei  den  Spielen  einen 
Kranz  von  Oelzweigen  zu  tragen.  Wenn  sie  folgten,  so  glaubte 
man  sich  auch  der  übrigen  gewiss,  wenn  nicht,  so  war 
doch  der  Same  der  Eifersucht  und  der  Zwietracht  ausarestreut. 
Aber  nur  in  Gegenwart  ihres  Feldherrn    wollten    sie    hören    und 


3)  Plut.  Cic.  45.  4)  Liv.  119.  Veliej.  2.  02.  §.  1.  u.  5.  Suef.  Oct. 
12.  App.  3.  574.  Dio  40,  40.  Zonar.  10,  15.  5)  §.  44.  A.  59.  u.  65. 
C)  Oben  A.  78.  Eine  auf  Ciceros  Vorschlag  bewilligte  Ovation  kennt  nur 
d.  Vf.  d.  unächten  Briefe  ad  Brut.  15.  7)  3.  581,  8)  §.  30.  A.  39,  §. 
44.  A.  76. 

21* 


324  V.  ANTONII.  (14.  §.  47.) 

antworten,  und  die  Gesandten  zogen  sich  zurück.  8)  DJo  weiss 
dicss  nicht  anders  zu  erkliiren,  als  dass  Octavian  nach  Verab- 
redung herbeigerufen  wurde  und  sich  einmischte,  während  für 
ihn  nichts  wichtiger  war,  als  den  Verhandlungen  scheinbar  ganz 
fremd  zu  bleiben.  Die  Seinigen  waren  bewährt;  sie  erkannten 
mit  ÜnMÜlen  auch  ohne  die  Einflüsterungen  seiner  Vertrauten, 
dass  der  Senat  einen  Theil  begünstigte  und  den  anderen  zurück- 
setzte, um  sie  zu  trennen  und  sich  beider  zu  bemächtigen.  W 

In  Rom  gerieth  man  durch  den  Ausgang  des  Unternehmens 
in  eine  lebliafte  Unruhe;  ^')  wie  aber  Dio  zur  Beschwichtigung 
des  Beleidigten  jetzt  beschliessen  lässt,  was  längst  beschlossen 
war,  dass  er  mit  dem  Range  eines  Consulars  in  der  Curiestim- 
men, und  vor  der  gesetzlichen  Zeit  Consul  werden  solle, '-)  so 
folgt  bei  Appian  ^^)  seine  gewaltsame  Bewerbung  um  diese  Wür- 
de unmittelbar  auf  jene  Ereignisse  im  Lager,  welche  nach  dem 
Vorigen  früher  erwäJmt  Averden  mussten.  Bevor  Octavian  das 
Consulat  erzwang,  für  ihn  nur  ein  Mittel  zu  anderen  Zwecken, 
wollte  er  seine  Truppen  noch  mehr  gegen  Rom  erbittern,  und 
vor  Allem  gcM'iss  sein ,  dass  seiner  Verbindung  mit  Antonius 
nichts  entgegen  stelle.  Die  grössten  Beleidigungen  zu  rügen, 
iiberliess  er  den  Veteranen;  er  sorgte  nur,  dass  sie  ihr  eigenes 
Interesse  dadurch  gefährdet  salien.  Von  ihm  selbst  hörte  man, 
dass  die  Bezeichnung:  Ivnabe  oder  jtmger  Mann,  in  Ciceros  Re- 
den ihm  missfällig  sei;  *'*)  sie  verrieth  Geringschätzung,  wie 
der  Redner  selbst  bezeugt.  ^^)  Um  diese  Zeit,,  sagt  Vellejus,  ^") 
als  der  Versuch,  im  Lager  des  jungen  Cäsar  IMeutereien  zu  stif- 
ten, misslungen  war,  sprach  Cicero  die  zweideutigen  Worte: 
man  müsse  ihn  loben  und  (in  die  andere  Welt)  befördern.  D. 
Brutus  scliricb  jenem  gegen  Ende  des  Mai  von  Eporedia,  nach 
einer  Mittheilung  des  l^abeo  Segulius  habe  Octavian  sich  darüber 
bcktegt  und  hinzugefügt,  er  werde  die  Beförderung  zu  verhin- 
dern wissen;  doch  glaube  er,  dass  Segulius  dem  jungen  Manne 
oder  ilim  Falsches  liintcrbracht ,  oder  dass  man  es  nur  erfunden 


t))  Veilej.  1.  c.  Dio  4ß,  40.  41.  App.  3.  571.  581.  583.  Plut.  I.  c. 
K»)  Dio  40,  41.  11)  Dag.  12)  §.  35.  A.  11.  §.  3G.  A.  20.  f.  13)  3, 
5S1.  fiii.  f.  14)  Siiet.  Oclav.  12.  Dio  40,  41.  Zoiiar.  10,  15.  15)  IS 
Phil.  II.  Narh  S^crv.  zu  Vir^y.  Kcl.  1.  43.  wurde  sie  sogar  später  \-o»u 
Setiat  vfirpönf,     10)  2  ,  02.  V-I,  Suet.  I.  r. 


V.  ANTOMI.        (14.  §.  47.)        325 

habe,  um  Cicero  zu  schrecken.  ^^>'  Dieser  Mar  entrüstet;  ei 
verwünsclite  den  Niclitswürdigcn,  welcher  ohne  Zweifel  jedem, 
der  es  hören  wolle,  dasselbe  erzähle.  '^)  Die  Sache  selbst  wur- 
de von  ihm  weder  eingestanden  noch  gciäugnet,  und  es  ist  sehr 
glaublich,  dass  diese  oder  eine  ähniiche  unvorsichtige  Aeusse- 
rung  ihm  entschlüpft  Avar.  Octavian  benutzte  sie,  um  auf  die 
Stimmung  seiner  Truppen  zu  wirken,  und  seine  Ausschliessung 
vom  Decemvirat,  ^^)  die  Begünstigung  des  D.  Brutus  und  der 
übrigen  Verschworenen ,  und  die  Sendung  jener  Al>geordneten 
des  Senats  schien  jede  gehässige  Deutnng    zu  rechtfertigen. 

Während  dieser  Reibungen  trat  er  allmälig  Antonius  nä- 
her. Die  wahren  Ursachen  berührt  Appian  in  der  erdichteten 
Rede  des  Pansa ;  -^)  aber  weder  diese  angebliche  Belehrung,  noch 
das  früher  erwähnte  Schreiben  des  Antonius,  ^U  noch  endlich 
das  unlautere  Verfahren  des  Senats  veranlasste  ihn ,.  sich  von 
diesem  abzuwenden.  Seine  Politik  war  nicht  eine  Frucht  sei- 
ner im  Kriege  gemachten  Erfahrungen,  sondern  seine  Theilnah- 
me  am  Kriege  war  eine  Folge  seiner  Politik,  welche  bereits  zu 
einer  anderen  Zeit  entwickelt  ist.  ^)  Im  Bunde  mit  der  Aristo- 
cratie  war  er  dahin  gelangt,  dass  er  als  Feind  Antonius  verder- 
ben, als  Freund  ihn  wieder  aufrichten  konnte;  er  wählte  das 
Letzte ,  weil  er  ihm  und  der  Macht  der  Verschworenen  zugleich 
nicht  gewachsen  war ,  ^3)  ^nd  nach  seinem  Plane  diese  zuerst 
vernichtet  werden  sollte.  Das  Verlangen  des  Sohns,  mit  Hülfe 
eines  Cäsarianer  seinen  Vater  zu  rächen,  gab  seiner  Hinneigung 
zu  Antonius  einen  guten  Schein;  auch  konnte  der  Sieger  dem 
Besiegten  entgegen  kommen ,  aber  nur  mit  Vorsicht ,  damit  die- 
ser nicht  glaubte,  dass  er  seiner  bedürfe.  In  solchen  Fällen  ist 
ein  Vermittler  notliwendig,  und  er  fand  sich  in  Lepidus. 

Nach  der  Sxjjilacht  liess  Octavian  den  Gefangenen  die  Wahi, 
obgleich  aucli  sie  vom  Senat  geächtet  waren,  unter  ihm  zu  die- 
nen ,  oder  ihrem  Fcldherrn  zu  folgen ;  Decius,  einer  der  Anfuh- 
rer, welche  das  Letzte  vorzogen,  suchte  ihm  eine  bestimmte 
Erklärung  zu  entlocken,  er  aber  erwiederte,    dass  er  genug  ge- 


17)  ad  Fam.  11,  20.  23.  18)  Das,  11,  21.  19)  §.  46.  A.  49.  f,  20) 
§.  45.  A.  10.  21)  13  Phil,  besond.  c.  10.  Oben  §.  42.  A^  99.  22)  §,  15. 
A.  10.  f.     23)  Vellej.  2.  65.  Dio  40,  52.  Flor.  4.  G. 


:  inshe-  | 
n,  wel-  1 
irajruntr 


;J2G  V\    ANTONil.  (14.  §.  47.) 

thaii  habe ,  um  verstanden  zu  werden.  24)  Dahin  gehört  inshe- 
Sondere ,  dass  er  nicht  verfolgte.  -•')  Der  Tod  der  Consul 
dien  er  untergeordnet  war,  und  bald  auch  die  Uebertragung 
des  Oberbefehls  an  D.  Brutus  gab  ihm  einen  erwünschten  Vor- 
wand zur  Lnthätigkeit;  es  war  nicht  sein  Beruf,  über  die  Apen- 
ninen  zu  gehen,  und  Ventidius  den  AVeg  zu  Antonius  zu  ver- 
legen ,  -^)  und  während  er  seihst  ruhte,  hemmte  er  zugleich  die 
Unternehmungen  des  Brutus,  und  bewies  den  Statthaltern  in 
Gallien  und  Spanien,  dass  es  sich  jetzt  um  etwas  anderes  hand- 
le, als  das  geschlagene  Heer  aufzureiben.  An  Streitkräften  fehl- 
te es  ihm  niclit;  er  hatte  acht  Legionen,-^)  welche  ihn  gegen 
den  Senat  scliützten  und  den  Anträgen  Nachdruck  gaben,  mit 
welchen  sich  Lepidus  auf  seine  Veranlassung  an  Antonius  wand- 
te. Dass  dieser  zuerst  den  Frieden  angeboten  und  gedroht  ha- 
be,  sicli  mit  den  Aerschworenen  zu  verbinden,  ist  eine  irrige 
Behauptung  des  Vellejus,-8J  wodurch  er  den  Cäsaren  schmei- 
chelt. Aber  auch  Üctavian  handelte  nicht  unmittelbar;  er  be- 
nutzte den  Character  und  die  Verhältnisse  des  Lepidus,  welcher 
aus  Schwäche  und  Aengstlichkeit  schon  früher  dem  Senat  einen 
Vergleich  empfohlen  -^)  und  dann  Antonius,  seinen  Verwandten 
und  Freund,  durch  Silau  unterstützt  hatte;  und  selbst  in  den 
Briefea  an  ihn  beklagte  Octavian  anfangs  nur  das  Schicksal  der 
Cäsarianer,  deren  Feinde  sie  einzeln  und  durch  einander  zu 
stürzen  hofften;  schon  habe  bei  Mutina  das  Werk  der  Selbst- 
vernichtung begonnen;  ohne  Einigkeit  sei    keine  Rettung,  ^o) 

In  der  Aristocratie  wurden  seit  der  Schlacht  von  Mutina 
zwei  Parteien  benicrklich:  die  Eine  ivollte  alles  für,  die  Andere 
alles  durch  die  Verschworenen;  der  Letzten  gehörte  Cicero  an;  "^0 
jene  sollten  mit  unbedingter  Vollmacht  seine  Feinde  aus  dem 
Wege  räumen,  dann  aber  gehorchen,  ..nicht  regieren;  nur  so 
lange  er  Antonius  fürchtete,  und  als  er  ihn  wieder  fürchtete, 
wünschte    er    die    Hülfe    der    Befreier    im   Osten.     Ziemlich    lau 

24)  App.  3.  577.  I)io  4ß ,  51.  25)  Die  40,  50.  26)  Unten  §.  50, 
A,  79.  27)  App.  3,  582.  u.  5«3.  Vgl.  §.  42.  A.  74.  28)  2,  C5.  29)  §. 
41.  in.  ."iO)  App.  3.  577.  iin.  57S.  üio  4(»,  41.  verkennt  die  Umstände, 
welche  Vorsicht  nöthig  machten;  er  schreibt  sogar  40,  52.  üctavian  sei 
durch  Antonius  mit  Lepidus  versöhnt.  Vgl.  Flut.  Brut.  27.  Anton.  19. 
«ic.  40.     31)  Vgl.  §.  46.  in. 


V.  ANTOMI.  (14.  §.  48.)         327 

sclireibt  er  D.  Brutus:  ich  bin  ganz  deiner  Meinung,     dass  wir 
(M.)    Hrutus    lierbeirufen   müssen.  •^-)     Der    29.    Mai    veränderte 
viel;  der  Flüchtling    wurde    durch    seine  Vereinigung  mit  Lepi- 
dus  M'ieder  ein  mächtiges  Parteihaupt ,  und  ernstlich  suchte  nun 
auch    Cicero    von    aussen    Truppen     Iieranzuziehen.       C.    Cassius 
stand  zu  fern  und  war  mit  Doiahella    beschäftigt;     doch  schrieb 
er  auch  an    ihn ,    denn    Syrien    sollte    im    äussersten    Falle    sein 
Asyl  sein;  ^^)    leichter  konnte  M.  Brutus  nach  Italien  kommen; 
nach    seiner    Versicherung    trieb    er    ihn    unaufliörlich    dazu    an, 
zweifelte  aber  am  Erfolge,  ^4)    und  als  Lepidus  am  30.  Juni  für 
einen  Feind  des  Staats  erklärt   war,    meldete  er  es  Cassius  mit 
der  dringenden  Bitte,  zurückzukehren;     M.  Brutus  erwarte  mau 
jeden  Augenblick;     auf  ihnen  beruhe  Alles.  ^^J     Appian    bezeugt, 
dass  auch  der  Senat,  bestürzt  und  rathlos  nach  dem  Abfalle  des 
Lepidus,  und  besorgt,  üctavian  möge  sich  dem  feindlichen  Bun- 
de anschliessen,  zwei  Männer  aus  seiner  Mitte  insgeheim  an  je- 
ne   abgeschickt   habe.  ^^)     Aus    Afrika    hoffte     man    schou    gegen 
Ende  des  Mai  Truppen  eintreffen    zu    sehen,  ^^')    zwei    Legionen 
des  Titus  Sextius  in  Numidien  oder  der  neuen  Provinz  Afrika,  ■^^) 
welche  unter  Cäsar  gedient  hatten.  39J      Sie  kamen   zu  spät,  und 
erklärten  sich  für  Cäsars  Solin.  ^"^^     Ferner   legte    man   jetzt  das 
Kriegskleid  wieder  an;*'^  man  ächtete  Lepidus  und  dessen  Trup- 
pen,   welchen    jedoch    eine    Frist    bis    zum   1.   September  gesetzt 
wurde,  warf  seine  Statue  um,^-^    und  ehrte  seinen  Legaten  M. 
Juventius  Laterensis,  weil  er  den  A'errath  zu  verhindern  gesucht 
und  sich  aus  Verzweiflung  getödtet  hatte.  *^) 

§  48. 
Diese  Massrcgcln  Ciceros    und    des    Senats   verfehlten  ihren 
Zweck;  ihr  Nothruf  machte  auf  die  Freunde,    die  Aechtung  auf 


32)  ad  Fam.  11,  14.  33)  Das.  12,  8.  9,  34)  Das.  II,  25.  35) 
Das.  12,  10.  30)  3,  580.  37)  ad  Fam.  11,  14.  11.  2ß.  3»)  Dio  48,  21. 
App.  4.  020.  S.  Cornificii.  30)  App.  3.  58U.  581.  584.  Vgl.  ad  Fam.  10, 
24.  40)  Inten  §.  48.  A.  81.  u.  83.  41)  üben  A.  70.  Man  trug  es  also, 
als  Octavian  nach  Rum  kam,  um  Consul  zu  werden,  obgleich  Dio  40, 
44.  51.  sngt ,  man  habe  nach  dem  Beschlüsse,  ihm  Widerstand  zu  leisten, 
es  angelegt,  nud  als  er  dennoch  Consul  geworden,  die  loga,  dann  aber, 
als  Lepidus  untreu  wurde,  wieder  das  sdg/iru ;  er  iiTl  in  der  Zeit,  der 
Abfall  erfolgte  früher   als  die  Wahl.     42)  §.  35.  A.   Ul.     43)  §.  51.  A.  65. 


328  V.  ANTOXU.         (14.  §.  48.) 

die  Heere  der  Feinde  keinen  Eindruck;  man  musstc  sogar  fürch- 
ten, dass  Octavian  dem  Beispiele  des  Lepidus  folgte,  und  for- 
derte ihn  daher  auf,  mit  D.  Brutus  den  Krieg  zu  beendigen.**) 
Damit  gab  man  ihm  die  Rechte  eines  Befehlshabers  zurück,  wel- 
che man  ihm  schwelgend  genommen  hatte,  und  seine  Besonnen- 
heit und  Verstellung  machte  es  ihm  möglich,  darauf  einzugehen. 
Denn  er  hatte  öffentlich  nichts  gethan,  was  einen  Bruch  zwi- 
schen ihm  und  Rom  beurkundete ,  und  durch  seine  geheimen 
Unterhandlungen  mit  Lepidus  sich  das  Mittel  verschafft,  sein 
scheinbares  Einverständniss  mit  Rom  bei  Antonius  zu  rechtferti- 
gen. Wenn  dieser  auf  ihn  rechnen  durfte ,  so  war  es  für  Beide 
erwünscht,  dass  Octavian  bis  zu  ihrer  Vereinigung  vom  Senat 
unterstützt  wurde ,  und  Brutus  durch  ihn  in  eine  falsche  Stel- 
lung gcrieth.  Aber  seine  wahren  Absichten  entdeckte  er  auch 
Lepidus  nur  zum  Theil.  Seit  der  Besiegte  wieder  gehoben  war, 
bedurfte  auch  er  ein  neues  Gegengewicht,  und  suchte  es  im  Con- 
sulat.  Es  ist  kaum  zAveifelhaft,  dass  er  anfangs  hoffte,  es  wer- 
de der  Preis  seiner  Bereitwilligkeit  sein ,  die  Beleidigungen  zu 
vergessen  und  wieder  im  Kriege  mitzuwirken,  zumal  da  man 
ihn  schon  früher  in  dieser  Hinsicht  begünstigt,  *^->  und  Cicero 
bewiesen  hatte,  dass  bei  ihm,  der  im  September  d.  J.  erst  zwan- 
zig Jahr  alt  wurde,*")  die  Annal  -  Gesetze  nicht  in  Betracht 
kommen.  *^)  Freilich  waren  diese  Beschlüsse  nur  eine  Folge  der 
Noth ,  aber  die  Noth  war  auch  jetzt  grösser  als  je.  Als  Con- 
sul  und  als  Anführer  eines  ihm  ganz  erjjebenen  Heeres  konnte 
er  den  Senat  leicht  dahin  vermöü-en,  dass  er  die  q-ec'en  Dola- 
bella,  Antonius  und  Lepidus  gerichtete  Kriegserklärung  zurück- 
nahm, Modurch  er  diesen  einen  grossen  Dienst  leistete  und  sich 
selbst  bei  dem  beabsichtigten  Bunde  crecren  den  Vorwurf  des  Ver- 
raths  sicherte;  er  konnte  die  Verfolguns:  der  Mörder  Cäsars  ver- 
anlassen ,  und  dadurch  seinen  neuen  Freunden  die  Aufrichtigkeit 
seiner  (Besinnungen  beweisen,  und  es  ausser  Zweifel  setzen,  dass 
er  und  sie  nicht  im  eigenen  Interesse  sondern  als  Rächer  des 
Dictator  handelten,    welchen  zu  vertheidigcn  und  zu  rächen  der 


44)  App.  3.  581.  Dio  46,  42,  51.  52.  Zonar.  10,  15.     45)  §.  35.  A. 
11.  §.  30.  A.  33.     -10^    §.  15.  A.  IC.     47)  5  Phil.    17. 


V.  ANTONII.        (14.  §.48.)     329 

Senat  einst  eidlich  gelobt  hatte;  ^8)  er  konnte  jedes  andere  De- 
cret  und  Gesetz  erzwingen  und  jede  Zahlung  aus  dem  Schatze^ 
Es  -war  ihm  sehr  förderlich,  dass  man  in  Rom  die  Consu- 
lar-Comitien  verschob  ,  ^'-"^  und  die  Geschäfte  der  Consuln  fort- 
während durch  den  Prätor  M.  Cornutus  besorgen  Hess.  ^^J  So 
lange  Antonius  nicht  völlig  unterdrückt  war,  mochte  die  regierende 
Faction  aus  Scheu  vor  den  Veteranen  nicht  ihre  Anhänger  bei 
der  Wahl  begünstigen ,  und  nie  Cäsarianer.  Indess  erfolgte  die 
Veränderung  in  Gallien,  nach  welcher  Octavian  es  wagen  konn- 
te, sich  des  Consulats  mit  Gewalt  zu  bemächtigen.  Nach  einer 
Sage  wollte  er  es  sich  zuvor  durch  Cicero  verschaffen,  welchem 
er  schrieb,  er  möge  es  mit  ihm  übernehmen  und  alle  damit  ver- 
bundene Gewalt  allein  ausüben;  ihn  selbst  verlange  nur  nach 
dem  Namen,  und  auch  nach  diesem  nur,  um  mit  Ehren  die 
Waffen  niederzulegen,  der  Grund,  warum  er  den  Triumph  ge- 
wünscht habe.  Dadurch  bestochen  empfahl  ihn  Cicero  im  Senat: 
unter  den  Feldhcrrn  werden  geheime  Unterhandlungen  geflogen; 
es  sei  daher  rathsam,  den  Gekränkten,  welcher  ein  grosses  Heer 
habe ,  zu  besänftigen ;  besser ,  dass  man  ihn  vor  dem  gesetzli- 
chen Alter  wähle,  als  dass  er  sich  zu  den  Feinden  geselle,  und 
aller  Nachtheil  werde  verhütet ,  wenn  man  ihm  einen  bejahrten 
und  erfahrenen  CoUegen  gebe.  Der  Senat  lachte  über  die 
Herrschsucht  des  alten  Mannes,  und  am  meisten  widersetzten 
sich  die  Freunde  der  Mörder,  deren  Bestrafungr  sie  fürchte- 
ten.  ^0  Octavian  kam  mit  den  Truppen,  und  Cicero  rühmte 
seinen  Entschluss,  Consul  zu  Averden,  mit  dem  Bemerken,  er 
selbst  habe  früher  in  der  Curie  für  ihn  gesprochen.  ^-)  Diess 
scheint  jene  Nachi'icht  zu  bestätigen ,  welche  Plutarch  nach  sei-» 
ner  Angabe  sogar  in  Augustus  eigenen  Schriften  fand;  ^^)  er 
fügt  dann  aber  hinzu,  jener  habe  durch  den  Consular  seine  Ab- 
sicht erreicht,  und  an  einem  anderen  Orte,  dieser  sei  in  der 
Curie  von  Lälius  geschmäht,  weil^er  bei  der  gesetzwidrigen 
BcAvcrbung  des  Unbärtigen  geschwiegen  habe ;  ^*)  das  Erste  ist 
entschieden  falsch,  und  das  Andere  mit  dem  früher  Erzählten 
nicht  zu  vereinigen,     so    dass   man    zweifeln  darf,    ob  Plutarch 

48)  Julii.  CaeiBT  Dict.  49)  App.  3,  579.  580.  50)  §.  41.  A.  19. 
51)  App.  3.  578.  579.  Dio  46,  42.  Plut.  Cic.  45.  52)  App.  3.  585.  53) 
Vgl.  Suet.  Octav.  85.     54)  Plat.  Cic.    46.  Comp.  Demosth.  c.  Cic.  4. 


330  V.   ANTONII.         (11.  g.  18.) 

nicht  aus  seiner  von  ihm  angeführten  Quelle  hieher  zog ,  was 
darin  von  einer  älteren  Verbindung  gesagt  wurde.  ^'^)  AVie  konn- 
te ferner  Cicero  über  die  Krieger  spotten,  welche  für  ihren 
Feldherrn  das  Consuiat  forderten ,  wenn  er  es  selbst  für  ihn 
gefordert  und  dadurcli  Missfallen  erregt  hatte?  ^^)  Aber  am  we- 
nigsten darf  man  übersehen ,  dass  sich  kein  Zeitpunkt  findet, 
wo  er  sich  für  üctavian  hätte  verwenden  können  oder  wollen. 
Nach  Appian,  welcher  allein  sich  bestimmt  darüber  ausspricht, 
geschah  es  vor  dem  Abfalle  des  Lepidus ,  in  Tagen  also ,  wo 
man  sich  in  Rom  durchaus  feindlich  gegen  üctavian  bezeigte, 
und  schon  eine  Andeutung,  in  ihm  Pansa  einen  Nachfolger  zu 
geben,  für  Verrath  erklärt  sein  würde,  wo  auch  Cicero  hoffte, 
nun  endlich  ihn  und  seine  gleich  verhassten  Veteranen  entbeh- 
ren zu  können,  und  gegen  die  wüthenden  Eiferer,  als  Neben- 
buhler seines  Einflusses,  in  dem  Erben  Cäsars  ganz  zuletzt  eine 
Stütze  suchte.  Als  Lepidus  den  Feind  verstärkt  hatte ,  musste 
man  Octavians  Hülfe  mit  einigen  Opfern  erkaufen ,  aber  hart- 
näckig verweigerte  mau  ihm  das  Consuiat,  weil  man  sonst  den 
Günstling  der  Veteranen,  welche  Alles  von  ihm  erwarteten,  zum 
Herrn  von  Rom  erhüben,  und  die  mächtigen  Befreier  jenseits 
des  Meers  gänzlich  von  sich  gestossen  hätte.  Jener  machte  die 
Wahl  nicht  einmal  zur  Bedingung  seiner  Hülfe,  er  äusserte  nur 
seine  Wünsche,  und  Cicero  sollte  aus  Eitelkeit,  um  einige  Mo- 
nate die  höchste  Würde  mit  ihm  zu  theilen,  oder  aus  Politik, 
weil  er  dann  Antonius  mehr  schaden  konnte,  das  gefährliclie 
und  undankbare  Geschäft  übernommen  haben,  ihn  zu  empfehlend 
In  dem  Aucenblicke,  wo  er  sich  mit  dem  Solmc  Cäsars  verband, 
wurden  die  Mörder  Cäsars  mit  ihrem  Anhange  seine  erbittertsten 
Feinde,  und  er  erhielt  keinen  Ersatz,  nicht  einmal  eine  Bürg- 
schaft für  Leben  und  Gut,  nur  Eins  wurde  gewiss,  die  Verei- 
telung aller  seiner  Pläne ,  wenn  üctavian  als  Consul  über  An- 
tonius siegte,  oder  sicli  mit  ihm  verglich.  Die  Erzählung  ist 
demnach  ein  Seitenstück  zu  der  früher  gegen  ihn  vorgcbracliten 
Beschuldigung,  dass  er  als  Dictator  auftreten  werde ,  ^^)  und 
entweder  von  Denselben    ersonnen,     oder  von  den  Freunden  des 


55)  §.  31.  A.  21.     5Ü)  Dio  46,  43.     57)  §.  44.  in. 


V.  ANTONII.         (14.  §.   18.)         331 

Octavian ,  welcher  als  gerechtfertigt  erscheinen  sollte ,  wenn  er 
nahm,  was  Cicero  selbst  für  ihn  bcgelirt  hatte.  ^^^ 

Octavian  benutzte  den  Bcschluss,  welcher  ihn  zu  einem 
neuen  Feld/uge  gegen  Antonius  ermächtigte,  um  seine  Truppen 
auf  einen  FeMzug  gegen  Rom  vorzubereiten,  dessen  nächster 
Zweck  seine  Wahl  zum  Consul  Avar.  Ihre  Stimmuuff  ermuthi<r- 
te  ihn ,  denn  sie  waren  durch  seine  \  ernachlässisunff,  und  durch 
den  Versuch,  sie  zu  entzweien  ^'J)  gegen  den  Senat  erbittert. 
Dennoch  mochte  er  sie  bei  seinen  noch  schwankenden  Verhältnissen 
zu  Antonius  nicht  unmittelbar  zur  Empörung  aufFordcrn.  Sie 
sollten  aus  eigenem  Antriebe  und  im  eigenen  Interesse  handeln, 
und  wie  alle  Anderen  sich  überzeugen,  dass  er  nur  dem  von 
ihnen  gegebenen  Anstosse  folge,  und  für  sich  keine  Wünsche 
liabe,  als  um  die  Ihrigen  zu  erfüllen.  Er  äusserte  gegen  sie 
sein  Bedauern,  während  er  eifrig  gegen  Antonius  und  Lepidus 
zu  rüsten  schien,  dass  ehemalige  Waffengefährten  nicht  aufhör- 
ten, sich  zu  bekriegen,  und  sie  scliwuren  einander,  gegen  kein 
Heer  zu  fechten,  Melches  unter  Cäsar  gedient  habe.  •*")  Er 
machte  ihnen  ferner  bemerklich,  dass  man  ihnen  den  Lohn  ih- 
rer Thaten  vorenthalte  und  sie  in  einen  neuen  Krieg  schicke; 
dass  nichts  für  sie  zu  hoffen,  nicht  einmal  das  von  Cäsar  ihnen 
verliehene  Besitzthum  sicher  sei,  so  lanae  die  Freunde  der  Ver- 
schworenen  herrschen.  Den  Titel  eines  Froprätor ,  wclclien  sie 
ihm  einst  angetragen,  habe  er  abgelehnt;  ^O  wenn  er  daher 
jetzt  das  Consulat  wünsche,  so  bestimme  ihn  nicht  der  Ehr- 
geiz, sondern  das  Verlangen,  ihnen  zu  erhalten  oder  zu  ver- 
schaffen ,  Avas  ihnen  gebühre ,  die  Mörder  seines  Vaters  vor  Ge- 
richt zu  stellen,  und  damit  den  Krieg  und  ihre  Beschwerden 
zu  endigen.**-) 

Sofort  begaben  sich  im  Juli  ^'^)  vierhundert  Mann  nach  Rom, 


58)  Corradi  Quaeslur.  p.  233.  und  Middleton  Rom.  Geschichte  3,  p. 
341.  nehmen  zu  Ciceros  untergeschobenen  Briefen  (ad  Brut.  10.)  ihre 
Zuflucht,  deren  es  gar  nicht  bedarf ,  ura  ihn  gegen  die  ungereimte  An- 
klage zu  vertheidigen.  Was  Tunstall  (epist.  ad  Middlet.  p.  212.)  aus 
den  Philippiken  gegen  ihn  anführt,  wurde  in  Zeiten  gesprochen,  wo  er 
den  „jungen  Mann"  durch  Vorspieglungen  locken  und  täuschen  wollte. 
59)  §.  47.  A.  8.  60)  Dio  40,  42.  52.  App.  3.  581.  Zonar.  10,  15.  Ol) 
§.  32.  fin.  02)  App.  1.  c.  u.  582.  63)  Gegen  Ende  des  Monats  gedenkt 
L.  Plancus  dieser  Ereignisse,  ad  Fam.  10,  24. 


332  V.   ANTONII.         (14.  §.  48.) 

wo  ihre  Ankunft  grossen  Schrecken  erregte.  Sie  sollten  im  Na- 
men der  Truppen  für  ihren  Anführer  das  Consulat  fordern,  nicht 
auch  Geld  und  Frieden,  ■welches  Dio  hinzusetzt;  beides  erwar- 
tete mau  von  Octavian  nach  seiner  Beförderung,  er  aher  erwar- 
tete nichts  vom  Senat,  als  eine  ahschliigige  Antwort  und  in  ihr 
die  Loosung  für  sein  Heer,  Gewalt  zu  gebrauchen.  (Jornelius, 
ein  Centurio ,  und  als  Haupt  der  Gesandtschaft  *>*)  genau  unter- 
richtet, wie  er  sich  zu  verhalten  habe,  musste  mit  seinen  Be- 
gleitern die  Waffen  vor  der  Curie  niederlegen,  und  sich  darüber 
erklären,  ob  er  vom  Heere  oder  von  Octavian  geschickt  sei; 
obgleich  beides  in  der  Ordnung  Avar ,  so  galt  es  doch  für  Be- 
leidigung, weil  er  beleidigt  sein  wollte.  Auf  sein  Gesuch  er- 
wiederte  man,  Octavian  sei  zu  jung;  er  bemerkte  dagegen,  dass 
man  M.  Valerius  Corvus  ^^)  und  Scipio  Africanus  ^'^J  vor  dem 
gesetzlichen  Alter  gewühlt  und  es  nicht  bereuet  habe,  und  in 
neuerer  Zeit  Pompejus  ''^)  und  Dolabella,  "s)  dass  Octavian  selbst 
bereits  zehn  Jahre  erlassen  seien, 69)  und  als  seine  Kecklieit  ge- 
rügt wurde,  holte  er  ein  Schwerdt  herbei  und  zeigte  es  mit  der 
Drohung :  diess  wird  es  thun ,  wenn  ihr  es  nicht  thut.  ^")  An.- 
geblich  scherzte  Cicero:  wenn  ihr  so  bittet,  so  wird  er  es  er- 
halten; aber  Furcht  und  Unwille  erlaubten  ihm  wohl  kaum  sich 
so  zu  äussern,  es  scheint  diess  vielmehr  eins  der  vielen  Witz- 
ivorte  zu  sein,  welche  nach  seiner  eigenen  Aussage^')  ihm  an- 
gedichtet wurden.  ^-) 

Das  Heer,  niclit  der  Feldherr,  welcher  nichts  gesucht  hatte, 
war  abgewiesen,  und  wenn  es  vorher  seine  Habsucht  und  sein 
VerlanjTren  nach  ruhitjcm  Genüsse  unter  dem  Eifer  für  ihn 
verbarg ,  so  eiferte  es  nun  auch  für  ihn ,  weil  sein  Stolz  belei- 
digt war.  Den  Siegern,  welchen  man  noch  jede  andere  Beloh- 
nung schuldete,  gewälirte  man  nicht  einmal  eine  Bitte  für  den 
Anführer.  Es  war  nun  an  ihnen,  zu  beweisen,  dass  ^'eteranen 
nicht    vergebens    bitten.     Auf   ihr    Geheiss    zog    Octavian   gegen 


04)  Suet.  Octav.  20.  C5)  cos.  34S.  v.  Chr.  Liv.  7.  20.  Cic.  5  Phil. 
17.  Oü)  Superior.  Cic.  1.  c.  cos.  205.  v.  Chr.  Liv.  28.  38.  07)  a.  70. 
Cic.  Manil.  21.  S.  roinpeji.  08)  a.  44.  S.  Conielii  Dolab.  09)  §.  30. 
A.  33.     70)    Jlie  faciet,    si  vos   non  fecerilis.   Suet.  1.  c.     71)  ad  Farn. 

9.  10.     72)  App.  3.  582.  Dio  40,    43.    Suet.  1.  c.  Plut.  Brut.  27.   Zonar. 

10,  15.    Obseq.     120. 


V.  ANTONII.         (14.  §.  48.)         333 

Rom.  '■'' '  Er  fiilirte  seine  acht  Legionen ,  die  Reuterei  und  die 
Hülfstrnppeii  über  den  Rubicon,  und  eilte  dann  mit  einer  aus- 
gewählten Schaar  voraus,  um  die  Stadt  durch  den  Schrecken 
zu  entwaffnen  nnd  den  africanischen  Legionen  zuvorzukom- 
men ,''*-'  insbesondere  aber  den  Schein  der  Gewalt  zu  vermeiden. 
Seine  Krieger  nahmen  diese  Rücksicht  nicht,  und  er  konnte  sie 
nicht  zügeln;  doch  mochte  nur  der  Theil,  welcher  sich  selbst 
überlassen  ihm  folgte,  seinen  Weg  mit  Raub  und  Mord  bezeich- 
nen. Ein  Ritter  und  auch  Andere  wurden  als  Kundschafter  ge- 
tödtet  und  die  Güter  der  Gegner  geplündert,  ^^)  ein  furchtbares 
Anzeichen  für  Rom,  wo  man  bei  dem  plötzlichen  Andränge  der 
bewaftneten  Macht  und  ungewiss  über  ihre  Absicht  Proscriptio- 
nen erwartete,  und  wie  betäubt  Familien  und  Kostbarkeiten 
flüclitete,  oder  einander  mit  Vorwürfen  über  die  ungerechte  Be- 
handlung des  Octavian  bestürmte,  wie  in  solchen  Fallen  der 
Unverstand  die  Verkehrtheit  anzuklagen  pflegt.  Doch  die  Ge- 
fahr forderte  einen  Entschluss ;  zur  Abwehr  fehlte  die  Kraft, 
denn  mau  hatte  nur  Eine  Legion, ^''^  daher  wollte  man  sich 
loskaufen;  zu  karg,  um  zu  belohnen,  war  man  reich  genug,  uoi 
zu  bestechen.  Aber  Octavian  wollte  nicht,  dass  man  mit  sei- 
nen Truppen  ein  Abkommen  traf;  er  schickte  den  Abgeordneten, 
welche  Geld  brachten,  Vertraute  entgegen,  und  diese  bewogen 
sie  drohend  oder  warnend  zur  eiligen  Rückkehr.  Dem  Senat 
blieb  nach  seiner  Meinung  nur  die  AVahl  zwischen  Leben  und 
Tod;  diess  ist  der  Zeitpunct ,  in  welchem  allein  die  Aristocra- 
tie  nachzugeben  vermag,  und  dann  auch  wohl  alles  von  sich 
i^irft.  Nicht  zwei  Legionen,  wie  früher  verfügt  w  ar, '''')  sondern 
alle  acht  sollten  jetzt  Geld  erhalten ,  und  nicht  die  Hälfte,  son- 
dern das  Ganze,  ÖOOO  Denare,  dem  ^'ersprechen  gemäss,  ^^^  und 
Octavian  sollte  Decemvir  ^'•'J  und  abwesend  Consul  werden;  Eil- 
boten giengen  ab,  es  ihm  zu  melden.    " 

Kaum  hatten  sie  sich  entfernt ,  als  nach  Appian  der  Senat 
sich  ermannte  und,  zuvückbcbend  vor  der  Sclimach  freiwilli-rci* 
Sclavcrci,  zu  widerstehen  beschloss,  bis  D.  Brutus  oder  L.  Plan- 


73)  App.  Dio  Zonar.  Sueton.  Flut.  Obsctj.  II.  cc.  Liv,  119.  Eufrop. 
7.  2.  74)  §.  47.  A.  37.  75)  Dio  40,  44.  Zonar.  I,  c.  70)  §.  43.  in. 
77)  §.  47.  A.  8.  78)  §.  36.  A.  30.  §.  44.  A.  70.  79)  §.  46.  A.  50.  hO) 
ApiJ.  3,  583.    Diu  J    c= 


334  V.   ANTONli.  (14.  §.  48.) 

cus    zum    Entsätze   erscliiene.      Allein    Appian     erwels't   ilim    zu 
viel  Ehre;   er  sagt  sogleich  selbst,    was  ihn  umstimmte,    nichts 
anderes,  als  die  Ankunft  der  beiden  Legionen  aus  Afrika,    wel- 
che   überdicss    tausend    Reuter    begleiteten.  ^'J     Zwar    Hess    sich 
leicht  eraclitcn,     dass   jene    als    Veteranen   mehr  dem  Sohne  Cä- 
sars    als    dessen    JMördern    ergeben    waren ,    man  berechnete  aber 
die  Zahl,    und  ermächtigte  die  Prätoren,     sie  durch  das  Aufge- 
bot   der    Avehrhaften   Mannschaft    zu    verstärken ,     und  mit  unbe- 
schränkter   Gewalt    über    das   Wohl    des    Staats    zu    Avachen.  ^2) 
Ueber  den  wahren  Zweck  dieser  Rüstungen  giebt  die   Besetzung 
des  Janiculum ,  der  sublicischen  und  der  übrigen  Brücken,    wel- 
che   zu    ihm    führten,     und    des   Hafenplatzes    Ostia    Aufschluss; 
dort  lag  der  Schatz  und  hier  das  Gescliwader,  auf  welchem  man 
sich    und    ihn    zu  den  Befreiern  im    Osten  zu  flüchten  gedachte. 
Die    Aufstellung    der    drei    Legionen  8^)    sollte  die    nöthige  Frist 
rerschaffen  und  das  Volk  dazu  mitwirken,     deshalb    sprach  man 
von    der  Vertheidigung  der  Stadt    und  von  der    Nähe  befreunde- 
ter Heere.     Atia  und  Octavia ,  ^lutter  und  Schwester  Octavians, 
welche  zu  Geissein  bestimmt  waren,     verbargen  sich  im  Tempel 
der  Vcsta,     dennoch  erliielt  jener  Befehl,    750   Stadien  von  der 
Stadt    entfernt   zu    bleiben.      Noch    waren    die    Friedensboten    in 
seinem  Lager;     das  Heer  zürnte,     ihm    selbst   war    es    unange- 
nehm;   wenn    der    Senat    mit    den    Magistraten    und    dem  Gelde 
entkam ,   so  konnte  er  nicht  unter  den  verfassungsmässigen  For- 
men   Consul    werden  und  den  Truppen  nicht   zahlen.     Ohne  da- 
her die  Zeit  mit  Unterhandlungen    zu  verlieren ,    rückte    er  vor 
Rom.     Die    Legionen    auf    dem    Janiculum    und    auf    den  andern 
Posten,     Avohl    durch    dieselben    Mittel    versucht,     wie  einst  das 
Heer    des    Antonius    in    Brundusium,      trugen    sich    ihm    an,***) 
Volk  und  Vornehme,     entzückt  über  die  grossmüthige  Versiche- 
rung, dass  ihnen  kein  Leid  widerfahren  werde,    kamen  zur  Be- 
grüssung,  der  Feldzug  gegen  den  Senat  war  ohne  Sclnverdtschlag 
<'cendiürt,     und    der    Feldlicrr    trat    in  die  Schranken  des   Candi- 
daten  zurück,     hatte  nur  Bürger  herbeigeführt,     welche  für  ihn 
zu  stimmen  wünschten.     Diese  verübten  keine  Gewalt;  er  selbst 


81)  3.  584.  I)io  I.  c.  S.  §.  47.  flu.     82)  Vgl.  §.47.  A.  41.     83)  §.  43. 
in.     84)  App.  3.  585.  Dio  40,  45.  Zoiiar.  10,  )5. 


V.  ANTOMI.        (14.  §.  48.)       335 

blieb  mit  ihnen  den  Gesetzen  gemäss  ausserhalb  der  Thore,  wo 
Mutter  und  Schwester  aus  dem  am  Forum  gelegenen  ^'esta- 
Tempel  sich  bei  ihm  einfanden,  8^)  den  Prütoren,  unter  welchen 
Cornutus^ö)  sich  selbst  tüdtete,  wurde  verziehen,  und  Cicero 
büsstc  für  sein  melir  als  zweideutiges  Benehmen  nur  dadurch, 
dass  Octavian  ihn  mit  den  doppelsinnigen  AVorten  emplieng:  er 
sehe  in  ihm  den  Letzten  seiner  Freunde.  '^^) 

In  der  Nacht  hörte  man,  die  Legion  des  Mars  und  die 
vierte  liaben  sich  voll  Unwillen  über  die  Vorspiegelungen  ,  mit 
welchen  man  sie  hieher  gelockt,  für  die  Republik  erklärt.  Ihr 
Ansehn  liess  hoffen ,  dass  Andere  folgten ,  immer  aber  konnte 
luan  mit  so  muthigen  Truppen  sich  eine  Zeitlang  vertheidigen, 
und  der  Senat  kam  eilig  zusammen,  Cicero  an  der  Spitze,  den 
wichtigen  Fall  zu  besprechen.  Der  Tribun  P.  Appulejus '^ä) 
sollte  dem  Volke  die  erfreuliche  Nachricht  überbringen ,  und  der 
Prätor  IVr  Acilius  Crassus  in  Picenum  rüsten.  Aber  die  Täu- 
schung war  von  kurzer  Dauer;  Acilius  wurde  in  seiner  V^er- 
mummung  gefangen  eingebracht,  und  jetzt  begnadigt,  später 
proscribirt ,  *'-')  und  Octavian,  welcher  ohne  Zweifel  diese  Auf- 
tritte veranlasst  hatte,  damit  seine  Gegner  alle  Ansprüche  auf 
Verzeihung  verwirkten  und  sein  eigenes  Benehmen  rechtfertigten, 
lagerte  nun  auf  dem  I\Iarsfelde ,  zwar  noch  ausserhalb  der  Stadt, 
aber  vor  einem  ungünstigen  Erfolge  der  Wahl  jetzt  noch  mehr 
gesichert.  ^^)  Auch  erhielt  jeder  seiner  Krieger  2500  Denare, 
die  Hälfte  der  Summe,  welche  nicht  nur- von  ihm,  ^^)  sondern 
auch  vom  Senat  versprochen  war,  dessen  Beschlüsse  er  nur  zu 
vollziehen  schien;  das  Uebrige  wollte  er  nachzahlen. 

Die  Hindernisse  der  Consular-Comitien  wurden  schnell  be- 
seitigt. Man  bcfasste  sich  nicht  mit  der  Ernennung  eines  In- 
terrex,  um  nicht  Zeit  zu  verlieren,  sondern  liess  durch  den 
städtischen  Prätor  Q.  Gallius  ^-3  zwei  Consulare  beauftragen, 
die  Wahl  zu  veranstalten.  Wie  der  Senat  liierln  nach  Vor- 
schrift handelte ,     so  war  Q.  Pedius  ,     der    Verwandte    und  Mit- 


-  85)  Nicht  im  Tempel  sah  er  sie,  wie  Appiaii  sagt.  80)  §.  41.  A.  19. 
87)  App.  1.  c.  88)  §.  31.  in.  89)  App.  3.  585.  5sC.  1.  011.  iriiten 
§.  55.  A.  52.  90)  Vgl.  übseq.  129.  91)  §.  32.  fm.  App.  3.  586.  Dio 
46,  40.  47.  92)  Dio  46,  45.  App.  3.  587.  Suet.  Octav.  27.  Unten  §,  49. 
A.  43. 


336  V.  ANTONII.  (14.  §.  49.) 

erhe  des  Octavian,^^)  zum  voraus  zu  dessen  Collegcn  oder  riel- 
jnehr  Legaten  ö^)  hestiiumt.  Indess  sollte  kein  Zwang  Statt  fin- 
den; deshalb  war  Octavian  nicht  gegenwärtig ,  y-»)  als  er  mit 
Pedius  geMühlt  wurde.  ^''J  Nach  dem  Zeugnisse  der  meisten 
Schriftsteller  war  er  damals  neunzehn  Jahr  alt,  im  zwanzig- 
sten; '■''')  da  es  fest  steht,  dass  er  am  23.  Sept.  IX.  Cal.  Octobr. 
a.  ö3  V.  Chr.  geboren  wurde,  ^^)  so  erfolgte  seine  AVahl  vor 
diesem  Tage,  und  nicht,  wie  Vellejus  sagt,  "^-^  den  Tag  zuvor, 
am  22.  Sept.  X.  Cal.  Octobr.  sondern  bereits  im  Sextil  oder 
August;  diess  wird  ausdrücklich  gemeldet, i'^oj  m^^  durch  die 
Nachricht  bestätigt,  er  sei  an  demselben  Tage  gestorben,  an 
welchem  er  sein  erstes  Consulat  erhielt,  am  19.  August,  XI V^. 
Cal.  Sept.  ») 

§  49. 

Unter  günstigen  Anzeichen  begab  er  sicli  auf  das  Capitol, 
die  gewöhnlichen  Opfer  und  Gelübde  zu  bringen.  V  Er  dankte 
dem  Senat,  weil  er  ihn  von  den  Annal- Gesetzen  entbunden 
hatte,  ^)  und  beeilte  übrigens  die  Ausführung  seiner  Entwürfe, 
da  die  Umstände  es  nöthig  machten ,  dass  er  bald  wieder  im 
Felde  erschien.     Die  Bestätigung  seiner  Adoption  durch  die  Cu- 


93)  §.  12.  A.  2i.  Vgl.  Julii.  Julia  malor,  Schwester  des  Dict.  Cäsar. 
94)  Dio  46,  46.  95)  App.  3.  586.  Dio  40,  45.  HG)  App.  1.  c.  Dio  46, 
4C.  55,  6.  9.  56,  30.  Liv.  119.  Vellej.  2,  05.  69.  Suet.  Octav.  26.  31. 
95,    Tacit.  Ann.  1,  9.  10.     Dial.  de  Orat.   17.    Plut.  Cic.  40.  comp.  Dem. 

c.  Cic.  4.  Brut.  27.  Macrob.  Sat.  1,  12.  Solin.  1.  32.  Zonar.  10,  15. 
Eutrop.  7,  2.  Obseq.  129.  Tab.  Collot.  bei  Pigh.  u.  Marlian.  IMon.  Ancyr. 
lab.  1.  V.  6.  97)  Nach  Solin.  1.  c.  im  achtzehnten.  98)  Suet.  Oclav.  5. 
31.  94.  100.  Veliej.  2.  30.  Dio  55,  6,  Plut.  Cic.  44.  99)  2.65.  So  auch 
Corradi  Quaest.  p.  234.  obgleich  man  nicht  einmal  zu  Vellej.  Rechtfer- 
tigung dessen  Angabe  auf  die  Zeit  beziehen  kann,  wo  Octavian  sein  Amt 
antrat,  denn  dann  wäre  von  d.  Wahl  bis  dahin  mehr  als  ein  Monat 
verrtossen.  100)  Suet.  Oct.  31.  Dio  55,  6.  Macrob.  Sat.  1.  12.  1)  Dio 
50,  30.  Tac.   Ann.   1.  9.     Vgl.  Suet.  Octav.   100.     Dass  seine  Münzen   mit 

d.  Inschrift:  Cos.  ohne  Zahl  und  ohne  d.  Zusatz  lUvir  nicht  in  die  Zeit 
vom  August  bis  lum  Knde  des  Novemb.  oder  bi«  zum  Anfange  des  Trium- 
virats gehören,  hat  Kckhel  VI.  p.  73.  gegen  Havercamp  bewiesen. 
2)  App.  3.  58G.  Dio  46,  40.  Suet.  Oct.  95.  (Vgl.  oben  §.  42.  A.  79.) 
Obseij.   129.     3)  Dio  4ü,  47. 


,     V.  ANTONH.       (J4.  §.  49.)  337 

riert,  Welche  Antftnius  im  vorigen  Jahre  verhindert  hatte,*' 
war  ihm  besonders  wichtig.  Die  Bestimmung  in  Cüsars  Te- 
stament genügte:  '')  Sucton  ")  griindet  darauf  sein  Recht,  sich 
Ciisar  zu  nennen,  ein  Name,  welcher  iluu  in  Reden  und  Brie- 
fen bisher  immer  schon  gegeben  war,  nachdem  er  die  Erbschaft 
vor  xlem  Priitor  angetreten  hatte ,  selbst  von  Cicero  und  Anto- 
nius; V  indess  glaubt  Dio,  dass  er  erst  durch  das  Curiatgesetz, 
welches  jetzt  liinzukam ,  volle  Befugniss  dazu  erhalten,  und 
Appian,  dass  er  es  sich  i'erschaft"t  habe,  um  der  Patron  der 
•zahlreichen  und  begüterten  Freigelassenen  Cäsars  zu  werden.  *) 
•Dicss  war  solcher  Zurüstungen  nicht  würdig,  denn  es  setzt  die 
-beschränkten  Rücksichten  eines  Privatmannes  voraus.  Der  Be- 
schluss  der  Curien  sollte  vielmehr  seine  Adoption  der  Menge 
und  Antonius  auf  eine  feierliche  Art  in  Erinnerung  bringen, 
diesem  beurkunden,  dass  er  sich  von  den  Mördern  Cäsars  und 
von  ihrem  Anhange  lossage,  und  dem  Volke,  dass  *!r  keine 
höhere  Pflicht  kenne,  als  seinen  Vater  zu  rächen,  und  dass  er 
nur  deshalb ,  nicht  aus  Herrsclisucht ,  Consul  geworden  sei,  aber 
auch  eingedenk  seiner  Verpflichtungen  in  Betreif  der  Legate.  *) 
Nach  Dio  ^'')  war  von  jetzt  an  sein  vollständiger  Name  Cajus 
Julius  Cäsar  Octavianus;  aus  dem,  was  so  eben  bemerkt  ist, 
erhellt,  dass  er  ihm  schon  vorher  zukam,  und  diess  nicht  be- 
ZAveifclt  Murde.  ^') 

Als  Sohn  des  Dictator  hatte  er  den  Beruf,  dessen  Freunde 


4)  §.  15.  A.  .^8.  Vgl.  das.  A.  19.  über  seine  Erlclärung  vor  dem 
Präfor.  5)  §.  12.  A.  24.  Vgl.  Dirksen  Versuche  zur  Kritik  u.  s.  w. 
S.  .79.  Cujac.  Observ.  MI,  7.  Heineccii  Anliiu.  Rom.  lib.  1.  tit.  11.  u. 
die  V.  Hauhold  Institut,  jur.  rom.  prlvati  p.  189.  §.  360  angef.  Schriften. 
Rs  steht  nur  nicht  zu ,  mich  in  Jurisiische  Erörterungen  einzulassen, 
Rm  wenigsten  hier,  wo  die  Civilisten  selbst  verschiedener  Meinung  sind. 
Aus  den  Classikern  erhellt ,  dass  „die  Adoption  (Octavians)  im  Testa- 
mente keine  blosse  Erbes -Einsetzung  war  unter  der  Bedingung,  den  Na- 
men anzunehmen,"  (Hugo  Lehrbuch  n.  civilist.  Cursus.  3.  Band  11.  Aufl. 
.S.  490.)  und  dass  sie  schon  vor  dem  Curialgesetzc  als  gültig  anerkannt 
wurde.  C)  Octav.  7.  7)  3,  Phil.  2.  13,  10.  ad  Farn.  12.  25.  S.  §.  15- 
A.  0  —  8.  S)  Dio  40,  47.  Zon.  10,  15.  App.  1.  c>  Cujac.  I.e.  9)  §.  15- 
A.  30.  10)  1.  c.  Zonar.  I.  c.  11)  Divi  Ftlius  nannte  er  sieh  nicht  irst 
nach  Antonius  Tode  §.  12.  A.  24.  nnd  Caitia  nicht  mehr  als  Angustiis. 
Ondend.   zu  Suef.  Octav.  7.  Eckh.  VI.  p.  72.  f. 


338  V.  ANTONLI.      (14.  §,  49.) 

in  Schutz  7U  nehmen,  und  die  Mörder  zu  bestrafen.  Obgleich 
P.  Dolabclla  todt  war,  so  Murde  doch  die  über  ihn  verhängte 
Acht  aufgehoben,  '-)  und  damit  die  Freisprechung  des  Antonius 
und  Lepidus  und  die  Verurtheilung  des  Cassius,  -Belchen  der 
Senat  zuletzt  zum  Kriege  mit  Dolabella  ermächtigt  hatte,  ^^J 
wie  der  Verschworenen  überhaupt  Torbereitet.  Die  Amnestie 
kam  nicht  in  Betracht,  und  um  das  Volk  günstig  zu  stimmen, 
zahlte  Octavian  die  Rückstände  von  Cäsars  Lesjaten  aus  dem 
Schatze,  angeblich  vom  eigenen  Vermögen.  ^*)  Es  sollte  sich 
überzeugen ,  dass  er  nur  aus  kindlicher  Liebe ,  nicht  aus  Rach- 
gier oder  Politik  handle,'^)  und  nur  Gerechtigkeit  wolle:  des- 
halb musste  sein  College,  welcher  bei  einem  doch  immer  ge- 
hässigen Schritte  den  Namen  herlieh,  die  gerichtlichen  Formen 
beobachten.  Ein  von  ihm  beantragtes  Gesetz,  lex  Pedia,  ver- 
fügte, dass  man  untersuchen  sollte,  wer  Cäsar  getödtet  oder 
um  die  That  gewusst  liabe ;  es  untersagte  den  Schuldigen  Feuer 
und  AVasser,  und  gebot,  ihr  Vermögen  einzuziehen.^^-*  Dem- 
nach war  dieser  Volksbeschluss  kein  Gesetz,  lex,  sondern  ein 
Privilegium,  nicht  eine  allgemeine  sondern  eine  gegen  einzelne 
Bürger  gerichtete  Verordnung,  i^)  welche  leges  Sacratae  und 
das  Zwölf- Tafelgesetz  verpönten.  ^^^  Indess  gab  es  schon  ältere 
Beispiele  dieser  Art,  wohin  unter  anderen  die  tribunicische  Ro- 
gation des  Clodius  gegen  Cicero  v.  J.  5S  und  die  lex  Pompeja 
(Je  vi  gegen  Milo  v.  J.  52  '^)  gehören.  In  jener  wurde  wie  in 
der  unsrigen  Verbrechen  und  Strafe  angeffeben,  und  den  Rieh- 
tern  nur  überlassen,  den  Schuldigen  zu  ermitteln  und  zu  über- 
führen.  Auch  in  unserem  Falle  folgte  nicht  etwa  nach  der 
Feststellung  der  Schuld  ein  zweites  Gesetz  des  Pedius,  welches 
die  Strafe  bestimmte  ,  ■•^'^)  um  so  weniger,  da  mau  diese  Bestim- 


12)  App.  3.  580.  §.  30.  A.  45.  4G,  58.  13)  §.  47.  A.  97.  14)  Dio 
46,  48.  Zon.  10,  IC.  S.  §.  12.  A.  38.  §.  15.  A.  30.  15)  Nihil  eonve^ 
nienlius  ducens ,  <juavt  necrm  atunruli  rindicare.  Suet.  Octav.  10. 
iü)  Liv,  120.  Vellej.  2.  09.  >Ion.  Ancjr.  tab.  1.  v,  8.  Suet.  Nero  3. 
Galb.  3.   App.  3.  580.  Dio  40,  48.  47,  22.  <Mut.  Brut.  27.  Zonar.  10,  16. 

17)  Gell.    10,   20.    I'elrres   priva    di.rerunl,    qtiae    nos    sinsiiila  drcimiis. 

18)  Cic.  pro  Sext.  30.  in  l'iitoii.  13.  pro  dum.  17.  de  leg.  3-  19.  Mehr 
darut>tr  a.  in  Claudii.  P.  Clodius.  a.  58.  19)  Atron.  arg:.  Milon.  Gell. 
1.  c.  S.  Claudii.     20)   Diis«  nimmt   »liddlelon   an,   Rom.    Geschichte  3.  Zsi. 


V.  ANTÜNII.         (14.  §.  49.)      339 

mung  aus  älteren  Cesctzen  aufnclimen  konnte,  aus  der  lex  Cor- 
nelia de  Sicariis  "')  oder  aus  den  leges  Juliae;  -V  diess  deutet 
schon  Sucton  an ,  -■^)  nur  am  unrechten  Orte.  Sie  war  ganz 
vorzüglich  auf  die  Senatoren  unter  Ciisars  Mördern  anwendbar, 
weil  sie  sich  eidlich  mit  ihrem  Lehen  für  das  seinige  verbürgt 
und  ihn  dann  selbst  getödtet  liatten.  24J 

Unter  Allen ,  welche  Octavian  in  dieser  Angelegenheit  ge- 
brauchte ,  erscheinen  die  Ankläger  am  verächtlichsten ,  Mcnn  sie 
nicht  aus  Liebe  gegen  ihn  handelten,  wie  Agrippa.  Sie  be- 
zeichneten die  Opfer,  und  für  Lohn,  denn  man  versprach  ihnen 
die  Ehrenstcllen  und  Güter  der  Verschworenen,  oder  Geld  und 
Befreiung  vom  Kriegsdienste.  -•')  Ihre  Namen  kennen  wir  nur 
zum  Theil.  C  Casslus  wurde  von  M.  Agrippa  belangt,  dessen 
IVIitankläger  Capito  war,  der  Oheim  des  Geschichtschreibei's  . 
Vellejus;  -•*)  M.  Brutus  von  L.  Cornificius ;  ~^J  P.  Servilius  Casca, 
der  V.  Tribun,  von  seinem  CoUegcn  P.  Titius,  welcher  ihn 
zuvor  vom  Volke  seines  Amtes  entsetzen  liess,  weil  er  vor 
Octavians  Rückkehr  aus  Furcht  sich  von  Rom  entfernt  hatte.  28) 
Die  Richter  waren  nicht  die  ordentlichen,  sie  traten  nicht  nach 
Cäsars  und  noch  weniger  nach  Antonius  Gesetze  über  die  Ge- 
richte zusammen ,  -'^)  sondern  sie  hestanden  aus  einer  nach 
Octavians  Wahl  errichteten  Commission;'^^)  zu  dieser  Massregci 
war  die  Erlaubniss  des  ^"olks  erforderlich,  ^^^  und  ohne  Zweifel 
hatte  Pedius  in  seinem  Gesetzentwurfe  darauf  angetragen.  Es 
wurde  jedem  deutlich ,  dass  man  mit  der  Gerechtigkeit  ein 
schnödes    Spiel   trieb,     als   man    alle    Beklagte    auf  Einen    Tag 


21)  S.  Sanio  Observ.  ad  leg.  Cornel.  de  sicar.  u.  Cornelii  Sulla  Dict. 
22)  1  Phil.  9.  (10.)  ffuid,  quod  obrogatur  legibus  CaesariSy  quae  iubent, 
eiy  (jiti  de  vi,  iiemque  qui  maiestalis  damna'us  Sit,  aqua  et  igni  inter- 
dici?  Julii  Caesar.  Dict.  23>  Ocfav.  10.  24)  Suet.  Caes.  84.  SC.  App. 
2.  50(5.  510.  511.  520.  Dio  41,  50.  Julii  I.e.  25)  Dio  46,  49.  26)  Veliej. 
2.  09.  Plut.  Brut.  27.  27)  Flut.  1.  c.  Coniificii.  28)  Dio  1.  c.  Obseq. 
130.  §.  34.  in.  §.  54.  A.  71.  29)  §.  14.  A.  78.  30)  Wie  der  Senat  si« 
wünschte,  als  Clodius  wegen  seines  Vergehens  gegen  die  Tiona  Dea  be- 
lang» wurde.  Dvvreliim,  ut  exha  urdinem  iudici/im  ßerel.  Ascun.  ii. 
Milon.  33.  Judices  a  practore  legi,  quo  coiisilio  idem  praeltir  uteretur. 
ad  Att.  1,  14.  §.  3.  Auch  jetzt  galt,  was  damals  Cicero  schrieb:  in  ea 
( iudicum    iipnerc)    erunl    omvia.  ad  Alt.  1.    10.     31)  ad   Attic.    1,  J4,  iG. 

0')  ^ 


340  V.  ANTOXII.         (14.  §.  49.) 

vorlud,  ^-)  auf  einen  Tag,  wo  die  Meisten  nicht  einmal  davon 
unterrichtet  sein  konnten,  weil  sie  weit  entfernt  waren,  ^^^  und 
auch  solche  ,  welche  offenkundig  an  dem  Morde  nicht  Thcil 
nahmen,  am  1  •').  März  d.  v.  J.  sich  nicht  in  Rom  befanden, 
wie  Sex.  Pompejus,  ^*^  oder  erst  nach  der  That  sich  an  die 
Verschworenen  ansclilosscn ,  um  mit  ihnen  gepriesen  zu  werden.  ^*) 
Daher  sind  auch  die  Geschiclitschreiber  mitunter  selbst  unge- 
wiss,  ob  jemand  zu  den  Mördern  gcliörte,  oder  nur  mit  ihnen 
büsstc ,  z.  B.  Cn.  Domitius  Ahenobarbus.  ^^) 

Am  Gericlitstage  erfolgte  ein  namentlicher  Aufruf  der  Ver- 
schworenen durch  den  Herold ,  und  in  Gegenwart  Octavians.  ^') 
Die  Wenigen,  welche  sich  bisher  noch  in  Rom  aufgehalten  hat- 
ten, Avaren  A^or  oder  nach  seinem  Einzüge  entflohen;  so  erschien 
niemand,  diess  galt  für  Gestiindniss  und  alle  wurden  verurtheilt, 
auch  D.  Brutus.  ^^)  Unter  den  Richtern  stimmte  Lucius  Aemi- 
lius  nicht  nur  selbst  gegen  sie,  sondern  er  forderte  auch  die 
übrigen  auf,  das  Verbrechen  zu  sühnen ,  dessen  sich  der  Senat 
durch  die  unterlassene  Bestrafung  schuldig  gemacht  habe,  und 
wurde  deshalb  im  perusinischen  Kriege  begnadigt.  39)  Der  Se- 
nator P.  Silicius  Coronas  wagte  es  allein,  seinem  Beispiele 
nicht  zu  folgen,  und  die  Beklngtcn  freizusprechen,  deren  Freunde 
ihn  insgeheim  lobten;  auch  Octavian  rühmte  seine  Milde,  wel- 
che seine  Proscription  nach  sich  zog.  ^")  Es  ergiebt  sich  von 
selbst,  dass  die  Verurtheilten  jeden  Anspruch  auf  Heere  und 
Provinzen  verloren;  Dio  greift  aber  der  Geschichte  vor,  wenn 
er  diese  jetzt  schon  durch  Octavian  vcrtheilen  lilsst,  ^'-^  welcher 
Antonius  dadurch  beleidigt  haben  würde,  und  vielmehr  bei  der 
Errichtung  des  Triumvirats  gemeinschaftlich  mit  ihm  darüber 
entschied.  Cicero  wurde  A'erschont,  obgleich  keiner  seine  Freude 
über     Cäsars    Tod    unvorsichtiger     geäussert   und    Antonius    ihn 


32)  App.  3.  580.  33)  Dera.  I.  c.  u.  4,  G03.  Dio  46,  18.  Zon.  10, 
16.  34)  §.  47.  A.  98.  S.  Pompeji.  35)  §.  8.  A.  1.  3ü)  App.  5.  707. 
nie  48.  7»  20.  u.  a.  S.  Doiuitii.  37)  App.  3.  58«.  4,  (iü5.  3S)  Liv.  120. 
Dio  40,  53.  30)  App.  .i,  «09.  §.  50.  A.  90.  40)  Sein  Name  wird,  wohl 
nicht  ohne  die  Schuld  der  Abschreiber,  verschieden  aiij^egebcii ;  sein  Ur- 
theil  aber  war  allgeniern,  nicht  auf  AI.  BfntuH,  Dio  4ti,  49.  Plut.  Brul. 
27.  odeJ-  auf  diesen  und  auf  (.assius  beschriinkt  ,  welche  oft  itatt  aller 
Verichworenen  genannt  werden.  App.  3.  5«G.   l,  üö5.     41)  4ü,  48. 


V.   ANTONir.        (14.  §.  49.)       341 

öffentlich  als  dessen  Urheber  bezeichnet  hatte.  *-)  Es  schützte 
ihn  nicht,  dass  er  unschuldig  war,  sofern  die  Mörder  aus  Grün- 
den, welclje  nicht  hielier  gehören,  sich  ihm  nicht  entdeckten, 
aber  üctavian  wusste  ,  dass  nach  der  V'ei-einigung  der  Cäsaria- 
ner  der  Angesehenste  unter  ihren  Gegnern  und  Antonius  ver- 
hasstcster  Feind  ohnehin  fallen  werde.  Dem  Prätor  Q.  Gal- 
lius,  *^)  Avelcher  ihn  um  die  Provinz  Afrika  bat,  beschuldigte 
er,  dass  er  ihm  nachgestellt  habe;  obgleich  er  läugnete ,  verlor 
er  auf  den  Antrag  der  übrigen  Priltoren  sein  Amt,  der  Pöbel 
plünderte  sein  Haus,  und  der  Senat  verurtheilte  ihn  zum  Tode; 
er  erhielt  die  Erlaubniss,  sich  zu  seinem  Bruder  Marcus  zu 
Legeben,  welcher  bei  Antonius  war,  und  schiffte  sich  ein,  um 
auf  immer  zu  verschAvinden.  ^*) 

Octavian  konnte  Ilom  jetzt  wieder  verlassen;  er  hatte  hier 
seine  Entwürfe  ausgeführt  bis  auf  Einen,  und  zögerte  nicht 
länger ,  Avieder  ins  Feld  zu  rücken.  Verdachtlos  gicng  er  den 
Feinden  der  Republik  entgegen ,  denn  es  war  ihm  geboten.  ^^^ 
Zwar  wusste  jeder,  dass  seinHeer-auf  sein  Anstiften  sich  weigerte, 
mit  ihnen  zu  kämpfen,  dass  er  die  gemeinschaftlichen  Feinde  ge- 
ächtet, die  Acht  gegen  Dulabella,  den  Cäsarianer,  aufgehoben, 
und  Lepidus  veranlasst  hatte,  Antonius  über  den  Zweck  dieser 
Massregeln  zu  belehren:  er  wollte  aber  öffentlich  und  amtlich 
nicht  den  ersten  Schritt  zum  Frieden  thun,  sondern  überliess 
diess  Pedius  und  dem  Senat,  während  er  an  der  Küste  des 
adriatischen  Meers  langsam  nach  dem  Norden  gieng ,  *'')  und 
dadurch  zugleich  seinem  Nebenbuhler  bewies,  dass  er  ihn  nicht 
fürchte.  Bei  der  Macht  des  M.  Brutus  und  Cassius  blieb  diesem 
so  wenig  eine  AVahl,  als  ihm,  *'')  und  noch  hatte  er  ihn  nicht 
erreicht,  als  der  Senat  ihm  eröffnete,  dass  sein  College  darauf 
antrage ,  die  Beschlüsse  gegen  Antonius  und  Lepidus  ^^^  zurück- 
zunehmen ,  und  er  sich  darüber  erklaren  möge ;  er  erklärte  sich 

42)  §.  22.  A.  43.  §.  25.  A.  70.  §•  27.  A.  61.  43)  §.  18.  A.  92- 
44)  App.  3.  587.  So  wenig  man  üctavian'S  eigenem  Kerichle  glaul/eq 
wird,  dass  er  durcb  Schiftbruch  oder  Seeräuber  yingekomnien  sei,  ku  mir 
wahrscheinlich  Ist  es  ,  dass  er  ihn  vorher  auf  das  Grausamste  fojterti  und 
misshandeln  liess.  Suet.  Oc(.  '27.  Von  dieser  Seite  wollte  er  sich  jeU^ 
noch  nictil  zeigen,  4ä)  §,  48.  in.  4ü)  App.  3,  ^87.  ßi»  40^  §0,  5;^, 
47)  Dies.  11.  cc.     48)  §.  44.  (in.  §.  47-  Üa^ 


342  V.  ANTüNII.         (M.  §.  50.; 

günstig,    -—    so    wollten    es    seine    Truppen  —    und    die    letzte 
Scheidewand  zwischen  ihm  und  Antonius  saiik.^'*) 


§  50. 

Unter  den  Verschworenen  war  D.  Brutus  der  Erste,  wel- 
cher mit  Octavian  in  Berührung  kam.  ^^)  Er  verfügte  während 
der  Belagerung  von  Mutina  über  2  Legionen  Veteranen,  über 
eine  neugeworbene  und  eine  Anzahl  Reuter  und  Gladiatoren.  ^U 
Dann  verstärkte  er  sich  durch  die  Truppen ,  welche  von  den 
Consular- Heeren  an  ihn  übergiengen  ^-)  und  durch  Aushebung 
auf  7  Legionen ,  S"')  und  bei  fortgesetzten  Rüstungen  5*)  auf 
jsehn ,  ^^)  unter  welchen  nach  Plauens  eine  aus  Veteranen  be- 
stand, eine  andere  zweijährig  und  acht  neu  errichtet  waren.  •'•''>' 
Appian  zählt  4  zu  den  kampfgeübten  und  6  zu  den  Tironen, 
aber  die  Truppen  hatten  in  Mutina  durch  Anstrengung  und 
Entbehrung  und  dann  durch  unmässigen  Genuss  grossen  Verlust 
erlitten,  ^^^  so  dass  die  Veteranen  wohl  in  eine  Legion  zusam- 
men schmelzen ,  und  auch  die  übrigen ,  welche  früher  schon 
unter  Brutus  oder  den  Consuln  gedient  hatten,  in  eine  ver- 
einigt werden  konnten.  ^^3  Brutus  selbst  äussert  sich  über  seine 
Streitkriifte  sehr  verschieden,  je  nachdem  er  seine  Unthätigkeit 
entschuldigen  oder  seinen  Eifer  beurkunden  und  Cicero  Muth 
einsprechen  will,  ^"^  indess  bezeugt  auch  Plauens, ß")  dass  wegen 
!\Iangel  an  Uebung  und  Erfahrung  auf  seine  zahlreichen  I^Iassen 
wenig  zu  rechnen  sei.  Seiner  Beziehungen  zu  Octavian  und 
XU  Rom  ist  im  Vorigen  gedacht.  Weil  man  jenen ,  mit  welchem 
er  nach  dem  Entsätze  von  Mutina  eine  Unterredung  hatte,  •'') 
nicht  unter  die  DecemA'irn  aufnehmen  wollte ,  sah  er  zu  seinem 
grössten  Missvergnügen  alle  Heerführer  und  aucli  sich  ausge- 
schlossen. *'2)     Uebrigens  ehrte  man  ihn  als  Sieger,     obgleich  er 


40)  App.  Dio  11.  cc.  Zou.  10,  16.  50)  g.  45.  A.  8.  g.  47.  in. 
51)  §.  30.  A.  90.  52)  §.  47.  A.  82.  53)  ad  Farn.  11  ,  10.  54)  Das. 
11,  20.  55)  App.  3.  587.  50)  ad  Kam.  10,  24.  57)  App.  3.  578.  u. 
587.  58)  Asuiius  l'ollio  höi(e  in  .Spanien  nach  dem  Kntsatze  von  Mutina, 
Krnius  habe  17  Cohoifen  und  2  nicht  vollzählige  neu  geworbene  Legio- 
nen, ad  Kam.  10,  33.  59)  ad  Farn.  11,  13.  10.  20.  23.  00)  Das.  10, 
21.     Ol)  §.    J5.   A.  8.     02)  §.  4C.  A.   ?»!• 


V.  ÄNTÜNil.        (14.  §.  50.)  343 

nicht  an  der  Schlacht  Theil  genommen  hatte ,  und  ernannte  ihn 
zum  Naclifolger  der  Consuln  im  überbefehle  gegen  Antonius.  ''•') 
Cicero  und  Andere  Maren  der  Meinung,  dass  man  diesem 
keine  Ruhe  gönnen  und  ihn  in  Italien  erdrücken  müsse ,  damit 
er  nicht  durch  die  drei  Legionen  des  Ventidius  '^'^J  oder 
in  Gallien  neue  Kräfte  gewinne.  ^'^)  Allein  Brutus  verfolgte 
langsam  und  ohne  Nachdruck ,  und  gab  in  den  Briefen  mehrere 
Umstände  an,  wodurch  er  sich  gerechtfertigt  glaubte. '"''>'  Die 
Legion  des  Mars  und  die  vierte  blieben  nebst  einem  Theile  der 
anderen  Truppen ,  welche  der  Senat  ihm  überwiesen  hatte ,  bei 
Octavian.  ^^^  Sein  eigenes  Heer  war  durch  die  Belagerung  ge- 
schwächt und  erschöpft,  und  es  fehlte  ihm  anfangs  zum  Nach- 
setzen vorzüglich  an  Lastthieren  und  an  Ileuterei.  Durch  die 
Verhandlungen  mit  Octavian  und  Pansa  verlor  er  zwei  Tage, 
und  um  eben  so  viel  kam  der  Feind  ihm  vor,  welcher  sich 
überdiess  durch  seine  Reuter  deckte  und  sich  schneller  bewegte, 
weil  er  in  einzelnen ,  zerstreuten  Haufen ,  Brutus  dagegen  in 
Ordnung  und  kampfgerüstet  nach  den  Alpen  zog.  Denn  dieser 
fürchtete  die  Nachhut,  und  für  seinen  linken  Flügel  Ventidius, 
da  Octavian  die  Apenninen  nicht  besetzte ,  um  ihm  den  Weg 
zu  Antonius  zu  versperren;  sonst  würde  nach  Brutus  Versiche- 
rung, welche  Plancus  nach  der  Vereinigung  mit  ihm  wieder- 
holt, ^^)  auch  Antonius  nicht  entkommen  und  mehr  durch  Hun- 
ger als  durch  das  Schwerdt  vernichtet  sein.  Endlich  vermehr- 
ten sich  mit  der  Zahl  der  Verfolgenden  die  Bedürfnisse  des 
Anführers,  und  die  Kriegscasse  war  leer;  er  hatte  bereits  sein 
Vermögen  aufgewendet  und  grosse  x\nleihen  gemacht;  ^^)  Cicero 
wurde  durch  diese  Gründe  nicht  überzeugt;  es  befremdete  ihn, 
und  er  verbarg  es  nicht,  dass  der  Krieg  jenseits  Mutina  sich 
erneuern  konnte;  der  Rückfall,  fürchtete  er,  werde  ärger  sein, 
als  die  Krankheit,  ^o)  £§  [^t  nur  zu  gewiss,  dass  Brutus  von 
Anfang  gar  nicht  die  Absicht  hatte ,  mit  dem  Feinde  zusammen 
zu  trefien,  oder  ihm  nach  Gallien  zu  folgen.  Schon  am  29. 
April  schrieb  er  die  bedenklichen  Worte :     er    glaube    sich  dafür 

63)  §.  47.  in.  u.  A.  89.  61)  §.  42.  A.  63.  65)  ad  Farn.  11,  12. 
Vgl.  lü,  21.  u.  33.  C6)  S.  iiisbes.  ad  Fam.  11,  13.  67)  §.47.  A.  86.  L 
68)  ad  Fam.  11,  10.  10,  24.  69)  Da».  11,  10.  70)  Das.  11,  12.  14. 
18.  12,  30. 


344  V.  ANTOMI.         (14.  §.  50.) 

veibürgeu  zu  können,  dass  weder  Ventidlus  entschlüpfe,  noch 
Antonius  in  Italien  bleibe.  ''^)  Er  fürchtete  Octaviun ,  welchen 
er  ziirückliess,  obgleich  es  scheinen  sollte,  als  sei  er  nur  für 
Rom  und  Cicero  besoi'gt ,  da  jener  den  Tod  der  C'onsuln,  den 
verwais'ten  Zustpnd  des  Staats  zur  Ausführung  ehrgeiziger  Pläne 
benutzen  könne.  ''-^  Auch  war  er  voll  Misstrauen  gegen  Lepi- 
dus;^^''  ein  Theil  seines  Heers  hatte  schon  in  den  Reihen  des 
Feindes  gefocliten,''*>'  wenn  er  ihn  aufnahm,  so  erwartete  Bru- 
tus in  Gallien  ein  Kampf  mit  der  Uebermacht;  ob  Plauens  zu 
ihm  stossen  werde,  war  ungewiss.  Vor  allem  aber  verlangte 
ihn  nach  den  Früchten  des  Sieges,  zu  welchem  er  nicht  beige- 
tragen hatte ;  er  wollte  Decemvir  Averden  und  einen  Triumph 
haken;  ^^)  in  seiner  Verblendung  sah  er  nicht  ein,  dass  ohne 
einen  vollständigen  Sieg  kein  Heil  für  ihn  sei. 

Am  läge  der  Schlaclit,  am  27.  April,  kam  er  Lei  Alutina 
mit  Octavian  zusammen,  und  am  folgenden  unternahm  er  die 
Reise  nach  Bononia ,  wodurch  die  Fliehenden  einen  A  oi'sprung 
von  zwei  Tagen  gewannen.^'')  Dann  rückte  er  in  nordwest- 
iiclier  Richtung  gegen  18  Milliarien  bis  Regium  Lepidi  vor, 
( Reggio )  und  schrieb  hier  am  29.  an  Cicero.  "'^  Auch  ferner 
behielt  er  den  Padus  vorerst  zur  Rechten.  Denn  am  5.  Mai 
war  er  zu  Dertona,  einer  Colonie  in  Ligurien  an  der  ämiiischen 
Strasse,  einem  Seitenwege  der  grossen  ämiiischen,  jetzt  Tortona, 
nördlich  von  Genua  am  Scrivia,  und  von  jenem  400  Stadien 
entfernt.  ''^)  Hier  wusste  er  bereits,  dass  A'entidius  nacli  einem 
bescliwerliclien  Zuge  durch  die  Apenninen  bei  Vada  Sabatia  an 
der  ligurischen  Küste  und  ebenfalls  an  jener  Strasse,  südwest- 
lich von  Genua,  Antonius  erreicht  habe.  ^^)  Er  näherte  sich 
dem  Meere,  denn  am  6.  Mai  schrieb  er  aus  seinem  Lager  im 
Gebiete  der  StatjcUcr,  am  Flusse  Tanarus,  dass  er  Abgeordnete 
der  Allübrogen  und  aus  ganz  Gallien  erwarte,  welche  er  in  der 
Treue  gegen  Rom  zu  befestigen  gedenke.  ^^0  Indess  hörte  er, 
dass  der  Feind,  von  welchem  er  nur  noch  30,000  Schritt  ent- 
fernt  war,     von    Vada   gegen   Pollcntia    (jetzt    Polenza)   ziehe. 


71)  Das.  n,  9,  72^  Das.  11  ,  9.  10.  13.  30.  App.  3.573.  73)  Das. 
11,  9.  10.  13.  '2i.  71)  §.  42.  A.  f»G,  75)  §.  46.  A.  5ü.  §.  47.  In. 
76>  ad  Fani.   11,    13.  §.  45.  A.   8.  0.  09.     77]  ad  Fajii.   11,    9.     76)  Dai. 

II,    l«t.   Sdalid    -1.   |i.  217.     70)   Oics.      80)  ad    Kam.    11,   11, 


V.  ANTOMI.        (11.  §.  50.)       345 

Zum  Schein  entsandte  er  einige  Cohorten  und  traf  Anstalten, 
ihnen  zu  folgen.  Jene  besetzten  PoUentia,  ehe  die  ReutereL 
des  Antonius  anlangte,  und  diess  wurde  als  ein  grosser  Vorthcil 
gepriesen ,  obgleich  es  ohne  Folgen  blieb ,  da  man  von  beiden 
Seiten  einander  auswich  ;  auch  giebt  Brutus  selbst  die  Möglich- 
keit zu,  dass  der  Feind  dennoch  über  die  Isara  entkomme.^') 
Durch  die  Bewegung  gegen  Süden  verlor  er  also  bloss  Zeit. 
Er  ■wollte  niclit  schlagen  ,  welches  auch  jetzt  noch  gerathener 
•war ,  als  mit  den  Provincialen  zu  unterhandeln ;  durch  ein 
kräftiges  Auftreten  würde  er  den  Entschluss  der  Feldherrn  in 
Gallien  bestimmt  haben,  deren  Abfall  er  fürchtete;  selbst  Plan- 
cus  wurde  nicht  ernstlich  zur  Vereinigung  mit  ihm  aufgefordert, 
obgleich  er  in  dieser  Zeit  an  ihn  schrieb ,  um  den  Anträgen 
des  Antonius  entgegen  zu  wirken.  ^-^ 

In  Rom  und  in  den  Lagern  sah  man  nicht  mehr  auf  ihn, 
sondern  auf  Lepidus;  man  hatte  also  das  Heft  schon  aus  der 
Hand  verloren;  bei  einem  schwachen,  wankelmüthigen  Manne 
stand  die  Entscheidung;  wenn  er  sich  bewährte,  so  hoftte  Plan- 
cus,  nach  einem  Schreiben  von  den  Ufern  der  Isara  vom  12. 
Mai,  den  Feind  zu  besiegen,  oder  ihn  auf  Brutus  zurückzu- 
werfen. *'•')  Dieser  wusste  eben  so  Avenig,-  ob  von  Lepidus  Bei-r 
stand  oder  Verrath  zu  erwarten  sei ,  und  theilte  auch  dem  Senat 
seine  Besorgnisse  mit,  welches  Cicero  in  einem  Briefe  vom  20. 
Mai  tadelt.  8*)  Er  war  nun  endlich  im  traiispadanischen  Gallien 
angelangt,  am  21.  Mai  zu  Vercellä  am  Sessites;  (Vercelli  am 
Sessia)  85)  nur,  wenn  er  in  dieser  Richtung  vordrang,  konnte 
er  hoffen,  Plancus  zu  finden.  Sein  Stillliegen  und  nutzloses 
Hin-  und  Herziehen  hatte  in  Rom  grosses  Missfallen  erregt; 
man  begriff  nicht,  wie  Antonius  mit  seiner  wehrlosen  und  ent- 
muthigten  Schaar  sich  zu  retten  vermoclite ;  sö^  ver  aber  wieder^- 
holte ,  dass  sein  eigenes  Heer  in  schlechter  Verfassung  sei  und 
verbat  zugleich  die  Hülfe  Octavians,  welcher  ihm  verdächtig 
war ;  M.  Brutus  sollte  man  aus  Macedonien  herbeirufen.  ^^)  Dann 
versicherte  er  wieder  am  25.  Mai  zu  Eporedia,  nordwestlich 
von  Vercellä,  im  Gebiete  der  Salasser,    (Ivrea  am  Doria)  er  sei 

81)  Das.  11,  13.  §.  51.  A.  20.  8'i)  Das.  11,  11.  83)  Das.  10,  15. 
84)  Das.  11,  18.  85)  Das.  11,  19.  üü)  Das.  11,  12,  14.  87)  Das.  11, 
14  u.   19, 


346  V.    ANTONII.       (14.  §.  50.) 

schon  aufgebrochen ,  um  über  die  Alpen  zu  gehen ,  habe  aber 
auf  die  Nachricht  von  der  Erbitterung  Octavians  und  der  Vete- 
ranen gegen  Cicero  seinen  Plan  aufgegeben;  nur  im  ilussersten 
Falle  werde  er  Italien  verlassen,  fügte  er  zur  Beruhigung  seines 
Gönners  hinzu,  welcher  nichts  mehr  Avünschte,  als  dass  er  vor- 
rückte und  schlug.  ^^^  Dann  erinnerte  er  ihn,  dass  drei  grosse 
Heere  unter  ihm,  Octavian  und  Plancus  die  Republik  verthei- 
digten,  und  äusserte  sich  auch  günstig  über  Lepidus,  wenige 
Tage  zuvor,  ehe  Antonius  in  dessen  Lager  erschien;  übrigens 
erwartete  er  Verhaltungsbefehle  von  Rom,  in  einer  Zeit,  wo  Au- 
jrenblicke  kostbar  waren,  ^ö) 

Dadurch  wälzte  er  die  Verantwortlichkeit  von  sich  ab  auf 
den  Senat.  Jene  standen  schon  zusammen ,  als  er  nach  einem 
Briefe  vom  3.  Juni  einen  Trost  darin  fand,  dass  er  es  voraus- 
gesehen habe ,  und  Aergeres  fürchtete ,  wenn  man  nicht  die 
africanischen  Legionen  '•'^^  und  M.  Brutus  heranziehe,  und  ihm 
Sold  schicke.  ^^)  An  demselben  Tage ,  an  welchem  Cicero  ihm 
diesen  zusicherte ,  ^-^  am  6.  Juni,  meldete  Plauens  aus  Cularo, 
der  allobrogischen  Stadt  an  der  Isara ,  südöstlich  von  Lugdunum, 
dass  er  Brutus  in  drei  Tagen  erwarte,  '•'■'^  und  um  diese  Zeit 
traf  er  auch  endlich-  bei  ihm  ein.  ^^J  Sie  säumten  nicht,  den 
Senat  von  dem  erfreulichen  Ereignisse  in  Kenntniss  zu  setzen,  s^) 
als  künftige  Collegen  kamen  sie  sich  angeblich  mit  dem  gröss- 
tcn  Vertrauen  entgegen,  welches  Furnius ,  der  Legat  des  Plan- 
cus, bestätigte,  ^^^J  und  in  Rom  fasste  man  neuen  Muth.  9^) 
Denn  nun  standen  in  zwei  Lagern  14  Legionen  neben  einander, 
10  unter  Brutus,  ^s)  und  4  unter  Plancus,  und  die  letzten 
waren  bis  auf  eine  Veteranen.  ^^)  Aber  die  Anführer  glaubten 
sich  noch  immer  nicht  stark  genug;  M.  Brutus,  die  Legionen 
aus  Afrika  und  auch  Octavian  sollten  von  der  Seite  von  Italien 
mitwirken,  nur  unter  dieser  Bedingung  hofften  sie  den  schweren 
Kampf    in    Gallien   zu   bestehen.     Plancus   eröffnete  diess  Cicero 


88)  Das.  11,  20.  89)  Das.  11,  23.  00)  §.  47  fiii.  §.  48.  A.  81. 
Ol)  ad  Farn.  11,  2G.  92)  Das.  11,  24.  93)  Das.  10,  23.  94)  Das.  11, 
15.  Vellej.  2.  03.  64.  .App.  3.  .1/8.  Dio  40,  53.  95)  ad  Farn.  10,  22. 
11  ,  15.  OG)  Das.  11.  cc.  u.  10,  20.  Cäsar  hatte  ihnen  für  dai  nächste 
Jahr  das  Coiisulat  bestimmt.  97)  App.  1.  c.  98)  Oben  A.  55.  U9)  ad 
Faul.   10,  24.  S.  §.  51.  A.  43. 


V.  ANTONII.        (14.  §.  51.)  347 

am  28.  Juli,iooj    sein  letzter  Brief  an  ihn,    welcher  sich  erhal- 
ten hat. 

§  51. 

Die  Faden  der  Erzählung  laufen  in  der  Geschichte  des  M. 
Lepidus  zusammen,  denn  von  allen  Seiten  rechnete  man  eine 
Zeitlang  auf  den  Mann  ohne  innere  Kraft  und  Festigkeit.  Ganz 
vorzüglich  gilt  diess  von  Antonius  nach  seiner  Niederlage,  ^) 
da  jener  ihm  verpflichtet  und  verwandt ,  und  wie  die  Sendung 
des  Silanus  zu  beweisen  schien,  ihn  auch  ferner  zu  unterstützen 
nicht  abgeneigt  war.  V  Antonius  überlebte  die  Schlacht  mit 
seinem  Bruder  Lucius  und  den  Angesehensten  unter  seinen  Ge- 
fährten, und  diess  trübte  die  Freude  seiner  Feinde  in  Rom.  ^)  Auch 
die  Nachricht,  er  sei,  vom  Schrecken  betäubt,  nur  mit  einer 
kleinen,  wehrlosen  Schaar  entkommen,  widerlegte  sich  bald; 
man  fieng  an  zu  fürchten,  dass  nur  der  Kriegsschauplatz  sich  verän- 
dert habe.  *)  Der  Kampf  war  von  der  Art  gewesen,  dass  seine 
Reuter  wenig  litten,  deren  Zahl  nach  Aller  Zeugniss  bedeutend 
war,  obgleich  wir  sie  nicht  genau  angeben  können.  5)  Unter 
dem  Fussvolke  vermisste  die  zweite  Legion  die  Wenigsten,  6) 
und  auch  die  übrigen  waren  zum  Theil  nur  zersprengt  oder 
gefangen  genommen,  und  Viele  kamen  wieder  zu  ihm,  auch 
Gefangene,  welche  Octavian  entliess,  ^)  nur  hatten  die  Meisten 
ihre  AVaften  Aveggeworfen.  *)  Nach  der  Erstürmung  seines  La- 
gers ,  Avelches  er  keineswegs  wieder  eroberte ,  ^)  konnte  nicht 
in  einem  Kriegsrathe  die  Rede  davon  sein ,  ob  er  bleiben  oder 
sich  zurückziehen  solle,  wie  Appian  berichtet.  ^^)  Seine  Freunde 
verlangten  angeblich  das  Erste,  Mcil  Hirtius  gefallen  und  Pansa 
tödtlich  verwundet  sei,  Mutina  sich  wegen  Mangel  nicht  mehr 
halten  könne,     und   die   Reuterei    Sicherheit  gewähre;     er  selbst 


100)  Das.  Vgl.  11,  25.  1)  §.  45.  A.  96.  2)  Aemilii  Lepidi.  und 
hier  §.  42.  A.  66.  3)  ad  Farn.  10,  14.  12,  25.  4)  Das.  II,  12. 
5)  Das.  10,  15.  Die  Lesart  30,000,  Das.  10,  34.  ist  entschieden  falsch, 
und  die  Angabe,  5000,  würde  nichts  beweisen,  weil  sie  sich  in  einem 
Briefe  des  Asinius  PoUio  findet,  Das.  10,  33.  selbst  wenn  mehrere  Hand- 
schriften ihre  Aechtheit  verbürgten.  Vgl.  App.  3.  573.  580.  C)  ad  Farn. 
10,  34.  V^gl.  10,  30.  u.  Oben  §.  42.  A.  53.  7)  §.  47.  A.  24.  8)  ad  Fain. 
lü  ,    33.  34,  11  ,  10.  Dio  4G ,  50.     0)  §.  45.  A.  95.     10)  3,  572.  573. 


348  V.  ANTONII.        (14.  §.  51.) 

cntschieil  für  den  Aufbruch,  um  sich  durch  Ventidius,  durcli 
Lepidus  und  Plancus  zu  verstarken.  Es  ist  dabei  vorausgesetzt, 
dass  er  sich  noch  in  seinen  Linien  befand ,  und  eine  hinläng- 
liche Anzahl  Fusstruppen  hatte,  ohne  welche  er  den  Festungs- 
krieg niclit  fortsetzen  konnte. 

Sein  Ziel  war  das  narbonensische  Gallien ,  das  Lasrer  des 
M.  Lepidus,  in  -welchem  er  auch  die  anderen  Statthalter  jenseits 
der  Alpen,  L.  Plancus  und  Asinius  Pollio  zu  gewinnen  hoffte. 
Von  Octavian  gar  nicht  und  von  Brutus  um  zwei  Tage  zu 
spät  und  ohne  Nachdruck  A^crfolgt,  '0  zog  er  unter  dem  Schutze 
seiner  Reuter,  in  getheiltcn  Haufen  und  um  so  schneller  nach 
den  Seealpen,  Avohin  sich  auch  Ventidius  Avandte. ^-^  Der  ein- 
zige Feind,  mit  welchem  er  zu  kämpfen  hatte,  war  der  Man- 
gel. „Der  in  Gefahren  unerschrockene  Mann"  ^•^)  bewährte  sich 
auch  jetzt;  durch  seine  Ausdauer  im  Unglück^  und  durch  die 
umsichtige  Politik,  mit  welcher  er  die  ihm  günstigen  Umstände 
benutzte ,  verwandelte  er  zur  Beschämun  ;  seiner  Gegner  „die 
schimpfliche  Flucht"  ^'^^  in  einen  Triumpii.  Er  schwelgte  so 
wenig,  als  er  die  Besonnenheit  verlor,  und  der  Spott,  er  fliehe 
und  trinke,  wie  der  Hund  in  Aegjpten  beim  Anblicke  des  Cro- 
codils,  traf  ihn  nicht,  i^)  Eben  weil  es  bekannt  wai',  wie  sehr 
er  Glanz  und  Wohlleben  liebte ,  machte  es  einen  desto  stär- 
keren Eindruck,  dass  er  seit  der  Schlacht  das  Barthaar  wachsen 
Hess,  ^")  mit  seinen  Soldaten  aus  Lachen  trank  und  den  Hun- 
ger mit  AVurzcln  und  Baumrinde  stillte.  ^^^  Zugleich  ersetzte 
er  im  oberen  Italien  den  Abgang  bei  seinem  Heere,  so  viel 
es  im  eiligen  Durchfluge  geschehen  konnte  und  ohne  sonderliche 
Auswalil,  nach  dem  Berichte  seines  Feindes  Brutus  auch  durch 
Sclavcn  und  Verbrecher,  ^^)  weil  er  sich  Lepidus  mit  einer  mc- 
nigstens  scheinbar  bedeutenden  Macht  nähern  wollte.  Um  so 
erwünschter  war  es  ihm,  dass  noch  vor  dem  5.  Mai  bei  Vada 
Sabatia  an  der  ligurischen  Küste  P.  Ventidius  zu  ihm  stiess, 
welcher  während  der  Belagerung  von  Mutina  in  den  Colonien 
Cäsars  zwei  Legionen  und  dann  eine  dritte  im  Picenischen  aus- 


11)  §.  17.  A.  25.  §.  50.  12)  ad  Fain.  11,  13.  13)  App.  3.  573. 
M)  Vellej.  2.  Gl.  15)  Macrok  Sat.  2.  2.  IG)  Plut.  Aiit.  18.  Eckh.  0. 
p.  37.     17)  IMut.  Ant.  17.  Frontin.  Strat,  1.  7,  5.     18)  ad  Farn.  11,  10.  13. 


V.  ANTONIt        (14.  §.r,l.)     349 

gehohen  und  sie  ungehindert  durch  die  Apennlncn  geführt  hatte, 
da  Octavian  keinen  Beruf  fühlte,  ihm  den  Weg  zu  rerlegen.  '9) 
Nun  konnte  er  seinen  Truppen  eröttnen,  dass  er  mit  Lepidus 
einverstanden  sei,  und  sie  ihm  über  die  Alpen  folgen  möchten. 
Die  Ventidianer  wollten  den  Kampf  mit  Brutus  in  Italien  be- 
stehen; fernere  Flucljt  beleidigte  ihr  Ehrgefühl,  und  Antonius 
scliickte  Trebcllius  mit  seinen  Reutern  nach  Pollcntia  gegen  den 
Feind,  Avelchcr  diese  Schcinhewegung  leicht  vereitelte.  2«)  Der 
Ehre  Avar  genügt  und  der  Zug  über  die  Gebirge  begann. 

Was  jenseits  zu  erwarten  sei ,  war  Antonius  nicht  zweifel- 
haft. jM.  Lepidus,  Statthalter  im  diesseitigen  Spanien  und  im 
narbonensischen  Gallien ,  hatte  schon  im  März  Cicero  und  deS'- 
sen  Partei  dadurch  gegen  sich  gereizt,  dass  er  einen  Vergleich 
-mit  Antonius  empfahl.  -'>'  Seine  Gesinnungen  konnten  Rom  nicht 
gleichgültig  sein,  denn  ausser  anderen  Truppen  und  vielem 
Kriegsgcräthe  hatte  er  7  Legionen,  wenn  auch  wenig  Reuter,  23) 
und  er  beherrschte  die  Alpen,  er  trennte  sowohl  L.  Plancus, 
welcher  das  übrige  Gallien  verwaltete,  als  Asinius  PoUio  im  jen- 
seitigen Spanien  von  Italien,  und  folglich  vom  Kriegsschauplätze, 
und  jener  gebot  über  4  Legionen  und  mehr  als  4000  Reuter, 
und  dieser  über  3  Legionen.  ^•^)  Asinius  schrieb  schon  am  16. 
März  aus  Corduba,  er  halte  die  Boten  an,  welche  ihm  Briefe 
aus  Italien  überbrächten,  und  dringe  in  ihn,  die  dreissigste 
Legion,  die  vorzüglichste  in  seinem  Heere,  ihm  zu  schicken;  24) 
dann  kla^^  te  er ,  dass  er  aus  jenem  Grunde  um  neun  Tage  zu 
spät  von  den  Gefechten  bei  Mutina  unterrichtet  sei.  ^jj  Durch 
die  Sendung  seines  Legaten  M.  Silanus  nacli  Italien  leistete  Lc- 
"^idus  dem  Senat  einen  sehr  zweideutigen  Dienst.  ^3  Seitdem, 
sagt  Dio,  wünschte  man  in  Rom,  dass  er  und  Plancus  dem 
Feinde  fern  blieben;  weil  man  aber  doch  nicht  offenbar  Miss- 
trauen zeigen  wollte,    so  trug  man  ihnen  auf,    für  die  von  den 


19)  Da»,  ü.  ad  Fatn.  19,  34.  Asinius  nennt  ad  Farn.  10,  33»  die  7. 
8.  u.  0.  Legion,  allein  die  7.  war  mit  Hirtius  ins  Feld  gerückt.  §.  42. 
A.  83.  Vgl.  App.  3.  569.  573.  580.  u.  §.  42.  A.  03.  20)  ad  Farn.  11, 
13.  §.  50.  A.  81.  21)  §.  41.  JK.  22)  App.  3.  580.  Vgl.  550.  ad  Fam. 
10,  15.  11,  y.  Plut.  Anl.  18.  23)  ad  Fam.  10.  31.  32,  App.  3.  550. 
587.  giebt  jenem  3,  und  diesem  2.  S.  §.  50.  fin.  24)  ad  Fam.  10.  31. 
Vgl.  32.     25)  Das.  lO,  33.     20)  §.  42.  A.  00. 


350  V.   ANTONII.         (14.  §.51.) 

Allobrogen  vertriebenen  Einwohner  von  Vienna  eine  Colonle  zu 
gründen,  welche  sie  zu  Lugdunum,  am  Zusammenflüsse  des  Arar 
und  Rhodanus  anlegten,  ^^j  Nach  einer  alten  Inschrift  führte 
Plauens  eine  Colonie  nach  diesem  Orte  im  Gebiete  der  Segusia- 
ner,  -^)  welches  nicht  zur  narbonensischen  Provinz  gehörte,-^-^ 
wo  daher  auch  Lepidus  kein  Geschäft  hatte.  Um  so  mehr  ist 
der  Grund  ersonnen,  welchen  Dio  für  dieses  Unternehmen  an- 
giebt.  Auch  ■wünschte  Cicero  noch  am  Ende  des  Märzes  und 
später,  dass  Plancus  zum  Entsätze  von  Mutina  mitwirken 
möge.  •^•*) 

Er  erklärte  sich  dazu  bereit,  ^O  ohne  sich  zu  übereilen; 
-die  Umstände  machten  Vorsicht  nöthig,  insbesondere  die  Unge- 
wissheit  über  die  Entwürfe  des  Lepidus  ^2)  mj,j  jjg  Privatfeind- 
schaft zwischen  ihnen,  ^^^  welches  Vellejus  in  seinem  harten  Ur- 
theile  über  ihn  unbeachtet  lässt.  ^'*)  Mehrere  seiner  Handlungen, 
auf  welche  er  sich  bezieht,  ^•*)  beweisen  wenigstens,  dass  er 
nicht  mit  den  Feinden  des  Senats  insgeheim  im  Bunde  stand, 
80  lange  man  den  Sieg  hoffen  durfte.  Aber  erst  am  26.  April 
gieng  er  in  der  Gegend  von  V^ienna  über  den  Rhodanus,  und 
versprach  schnell  bis  Mutina  vorzurücken,  wenn  Lepidus 
nicht  hinderlich  werde;  1000  Reuter  ,  oder  nach  einem  anderen 
Briefe  30Ü0  bildeten  unter  seinem  Bruder  Cn.  Plancus  die  V'or- 
hut.  ^''^  Durch  die  Nachricht,  dass  Antonius  geschlagen  sei, 
wurde  seine  Verlegenheit  nicht  geendigt ,  denn  er  erwartete  ihn 
in  Gallien,  wo  er  bei  Lepidus  Hülfe  suchen  werde;  deshalb 
blieb  er  im  Lande  der  Allobrogen  und  rief  seine  Reuter  zurück. 
Dennoch  hofite  er  bis  zur  Ankunft  der  Verstärkungen  aus  Ita- 
lien zu  widerstehen. 2^) 

Die  Uuthätigkeit  der  Heere  wurde  von  Antonius  zu  Unter- 
handlungen benutzt.  D.  Brutus  fand  in  einem  aufgefangenen 
Denkbuche  die  Namen  der  Abgeordneten,  welche  er  an  die  Statt- 
halter im  Westen  schickte;  •*'*^  sie  gicngcn  zu  Lepidus  und  mit 
dessen  Geleit  Mcitcr,     zunächst    zu    Plancus,     welcher    sie  nicht 


2"')  Dio  46,  50.  Vgl.  37,  47.  Seiiec.  ep.  Ol.  2S)  Grut.  p,  439.  So. 
8.  Strabo  4.  p.  ISC.  29)  Caes.  B.  C.  7,  Ol.  Kckli.  li.  p.  38.  f.  3(i)  ad 
Farn.  1(»,  l(t.  12.  Vgl.  ep.  14.  31)  Das.  10,  11.  32)  Das.  10,  9.  11. 
33)  »as.  10,  11.  15.  23.  34)  2,  63.  33)  ad  Farn.  10,  23.  36)  Das. 
10,  9.    11.      37)   Das.    10,   11.     38)   Das.    11,   11. 


V.  ANTONir.         (14.  §.  51.)        35 1 

zuUcss  tmd  den  Krlegstribun  Catius  Vestinus  festhielt,  als  er 
Lepi<liis  Briefe  überbringen  sollte.  ^V  Dieser  wurde  von  Plan- 
CU8  geAvarnt,  sich  nicht  hinzugeben,  wobei  dessen  Bruder  Cneus, 
sein  Legat  C.  Furnius,  und  ganz  vorzüglich  der  Legat  des  Le- 
pidus,  M.  Juventius  Laterensis,  ein  Freund  des  Senats,  die  Ver- 
mittler waren.  ■*")  Der  Consular  kam  seinen  Wünschen  entge- 
gen; er  forderte  ihn  auf,  sich  mit  ihm  zu  vereinigen,  welches 
«m  so  nötliiger  schien,  da  es  ihm  an  Reuterei  fehlte,  und  sich 
unter  seinen  Veteranen  ein  schlechter  Geist  zeigte,  besonders  in 
der  10.  Legion;  seit  Cäsars  Feldzügen  gewohnt,  in  der  Schlacht 
und  bei  Meutereien  voranzugehen,  und  einst  von  Antonius  durch 
Aushebung  ergänzt,  sann  sie  auf  Abfall  und  verführte  die  Ue- 
brigen.^')  Diese  Ränke  erstreckten  sich  auch  schon  auf  Plan- 
cus  Heer ;  es  meldeten  sich  Ueberläufer ,  und  er  nahm  sie  auf, 
ohne  Böses  zu  ahnden.  *-^  Er  zog  gegen  Süden ,  wodurch  er 
sich  Lepidus  näherte.  Am  12.  Mai  überschritt  er  die  Isara, 
und  entsandte  auf  die  Nachricht,  dass  Lucius  Antonius  bis  Fo- 
rum Julii  an  der  Küste  (Frejus)  vorgedrungen  sei,  seinen  Bru- 
der mit  4000  Reutern  gegen  den  Feind;  er  selbst  wollte  mit 
den  übrigen  und  mit  4  Legionen  ihm  folgen.  *3) 

SoAvohl  Silanus  als  Culleo,  welcher  die  Alpenpässe  hatte 
vertheidigen  sollen,  und  sie  ohne  Schwerdtschlag  räumte,  ka- 
men zu  Lepidus  zurück;  sie  wurden  mit  Vorwürfen  empfangen 
und  vom  Lager  entfernt,  so  dass  er  sich  gegen  den  Senat  recht- 
fertigen konnte.  ^*)  Auch  nahm  er  Antonius  gegenüber,  welcher 
am  15.  Mai  in  Forum  Julii  eintraf,  und  in  zwei  Tagen  Venti- 
dius  erwartete,  *^)  eine  drohende  Stellung.  Denn  als  er  hör- 
te ,  dass  der  Feind  in  seiner  Provinz  sei,  gieng  er  aus  der  Ge- 
gend von  Avenio  (Avignon)  wo  die  Druentia  (Dürance)  sich 
in  den  Rhodanus  ergoss,  bis  Forum  Vocontium  ihm  entgegen, 
und  lagerte  24,000  Schritt  von  ihm  am  Flusse  Argenteus.  (Ar- 
gens.)  *'')  Er  schrieb  Plancus ,  dass  er  hi«r  zu  ihm  stossen  mö- 
ge;   dieser    schrieb    D«  Brutus,    w«lch«r    es    am   15,  Mai  wieder 


39)  Das.  10,  23.  iO)  Das.  10,  11.  15.  Vgl.  10,  ü.  18.  25.  26.  DIo 
46,  51.  u.  über  Furnius  §.  59.  A.  66.  41)  ad  Farn.  10,  11.  15.  18.  Ai»!». 
3.  579.  42)  ad  Fain.  10,  15.  43)  Das.  }.  c.  u.  10,  34.  44)  Das.  10, 
34.  App.  1.  c.   Dio  40,  51.     45)    ad  Faiii.    10,   17.     4G)    Das.    u.    10,  34- 


352  V.  ANTONII.  (14.  §.51.) 

Cicero  md(l6tc,  Lepidus  nehme  Antonius  nicht  auf , '''^  und  che 
Cicero  den  Brief  erliielt,  äusserte  er  am  20.  Mai :  Lepidus  fürch- 
ten wir  nicht,  denn  wie  könnte  er,  der  mitten  im  Kriefre*  den 
Frieden  gewollt,  so  wahnsinnig  sein,  mitten  im  erwünschtesten 
Frieden  der  llcpuLlik  den  Krieg  anzukündigen  ?  ^^-I  Gleichwohl 
konnte  der  Zweck  seiner  Belegung  nicht  zweifelhaft  sein,  so 
wenig  als  die  Ursach  „der  Menschenfreundlichkeit,"  '^^^  welche 
ihn  abhielt,  jene  Legaten  härter  zu  bestrafen.  Octavian  hatte 
ihn  längst  über  die  jetzigen  politischen  Verhältnisse  aufgeklärt, 
und  ihm  die  Erhaltung  des  Antonius  im  eigenen  Interesse  zur 
Pflicht  gemacht ;  dass  dieser  Silanus  und  Culleo  nicht  ohne  Briefe 
und  mündliche  Aufträge  entliess,  ist  leicht  zu  erachten;  Friede, 
Fortdauer  der  Freundschaft,  Hass  den  Verschworenen  war  auch 
von  dieser  Seite  die  Loosung.  Manclier  äusserte  Verdacht ;  aber 
Lepidus  beklagte  sich  darüber  am  22.  Mai  in  einem  Schreiben 
an  Cicero,  und  fügte  die  erfreuliche  Nachricht  hinzu,  dass  im- 
mer mehr  feindliche  Krieger  zu  ihm  übergiengen.  ^^)  Plauens, 
.  dessen  Bruder  Avegen  geschwächter  Gesundheit  sich  nach  Rom 
begab,  schickte  er  Apella  als  Geissei,  ^'J  und  ersuchte  ihn  auf 
das  dringendste ,  nach  dem  Argenteus  zu  kommen.  ^-^  Noch  leb- 
hafter betrieb  diess  Laterensis,  obgleicli  aus  ganz  anderen  Grün- 
den; er  erschien  sogar  selbst,  in  dem  Wahne,  dass  nur  ein 
Theil  des  Heers,  nicht  der  Feldherr,  auf  Verrath  sinne,  und  durch 
Plauens  gezügelt  werden  müsse.  ^■^) 

Dieser  hielt  es  zAvar  für  sicherer,  Brutus  ai}  der  tsara  zu 
erAvarten ,  und  mit  ihm  dem  Feinde  entgegen  zu  gehen;  er  be- 
dachte aber  auch,  dass  er  für  Lepidus  Schicksal,  selbst  für  die 
Treue  seiner  Truppen  verantwortlich  gemacht  Avar ,  und  dass 
man  in  ihrem  Privatzwiste  die  Lhsach  suchen  werde,  wenn  er 
sich  an  ihn  niclit  atischliesse;  deshalb  verliess  er  nun  die  Isara  am 
21.  Mai,  deren  Uebergänge  jedoch  zu  Gunsten  des  Brutus  durch 
Brückenkopfe  geschützt  Avurden  ;  in  acht  1'agcn  hofito  er  bei  Le- 
pidus Äu  sein.  •'*^  Im  Folgenden  Aviderspricht  er  sidi ;  wenn  je- 
ner ihm  jetzt  sclirieb,  er  möge  nach  der  Isara  zurückkehren, 
Avcil  er  allein  stark  genug  sei,    so  konnte  er  sich  nicht  deshalb 


47)  Das.  10',  20.  11  ,  M.  4S)  Das.  II  ,  18.  Vgl.  10,  M.  4f>)  Dn«. 
10,  31.  50)  Das.  1.  c.  ri\)  Dun.  lO,  17.  21.  fm.  52)  Das.  10,  18.  21. 
53)    DsB.  II.  ce.     51)  Das.  10,  JS.  23. 


V.  ANTONII.         (14.  §.  51.)         353 

mit  Antonius  vereinigen,  weil  er  an  der  ersehnten  Ankunft  des 
Plancus  verzweifelte. ''^^  Das  Erste  ist  als  das  Bestimmtere, 
welches  zu  ersinnen  kein  Grund  vorhanden  war,  auch  das  Wahr- 
scheinlichste, und  wurde  wohl  durch  Antonius  veranlasst,  in  der 
Meinung,  dass  Plancus  nun  hinlänglich  von  Brutus  entfernt,  und 
seine  Gegenwart  im  Lager  des  Lcpidus  vor  dessen  Abfalle  nicht 
wünschenswerth  sei.  Dennoch  niiherte  sich  Plancus  bis  auf 
40,000  Schritt,  damit  er  sowohl  Beistand  leisten,  als  sich  ge- 
fahrlos zurückziehen  konnte.  Dann  aber  meldete  ihm  Laterea- 
sis  am  29.  Mai  mit  wenigen  Worten :  auf  Lepidus  und  dessen  Heer 
sei  nicht  mehr  zu  rechnen ,  er  möge  auf  seiner  Hut  sein  und 
die  Republik  nicht  verlassen.  Er  hatte  sein  Lager  noch  nicht 
abgebrochen,  als  die  beiden  Consulare  gegen  ihn  anrückten.  ^^) 
Antonius  war  von  Forum  Julii  westlich  bis  zum  Argenteus 
gekommen,  welcher  ihn  von  Lepidus  trennte.  Er  verschanzte 
sich  nicht,  und  erleichterte  dadurch  den  Verkehr.  ^^)  Min  war 
einig,  und  es  galt  nur  noch,  für  den  Freund,  welcher  die  Rol- 
len wechseln  sollte,  einen  guten  Schein  zu  gewinnen.  Dass 
Lepidus  durch  die  Art  seiner  Rechtfertigung  verächtlich  wurde, 
war  ein  Gewinn  für  Antonius.  Sie  unterhandelten,  und  keines- 
wegs insgeheim;  man  sollte  erkennen,  wie  der  Feldherr  der  Re- 
publik den  Lockungen  widerstehe,  und  nur  die  Gewalt,  der  Ver- 
rath  seines  Heers  ihn  abtrünnig  mache.  Demnach  erinnerte  ihn 
Antonius  an  ihre  früheren  Verhältnisse,  und  an  die  Gefahr, 
welche  auch  ihm  als  Cäsarianer  drohe,  und  er  bedauerte  dage- 
gen ,  durch  die  Befehle  des  Senats  gebunden  zu  sein ,  und  ver- 
weigerte eine  Zusammenkunft.  ^^)  Seine  Krieger  wurden  durch 
diess  Gaukelspiel  getäuscht;  sie  beschlossen,  ihre  Sache  selbst 
zu  führen ,  und  ahndeten  nicht,  dass  sie  auf  sein  Anstiften  dar- 
in bestärkt  wurden.  Nun  erschien  der  überwundene  Consular 
im  Trauergewande  vor  ihren  Wällen,  als  wollte  er  um  Schutz 
und  Fürsprache  bitten,  und  so  oft  er  sich  zeigte,  hinderte  sie 
eine  lärmende  Kriegsmusik,  seine  Worte  zu  vernehmen.  Diesi; 
empörte  sie,  und  sie  kamen  zu  ihm ;  zuerst  insgeheim,  dann  öf- 
fentlich  mischten  sie  sich  unter  seine  Truppen,  und  da  niemand 


55)  Das.  10,  21.   23.     56)   Das.   11.   cc.   Unten   §.   52.     57)  App.   3. 
579.  Plut.  Anton.  18.     58;  App.  1.  «.  Vellej.  2.  C3.  Dio  46,  51. 
Driimann,  Gcsrhiclite  Koiiis  I.  ^3 


354  ^'     ANTüxMI.  (14.  §.  51.) 

ihnen  ernstlich  ■welirte,  erhauten  sie  zuletzt  eine  iScljIfTIirücke.''^^' 
Es  -vvar  Lcpidus  sehr  lästig,  dass  Laterensis  ihn,  der  nicht  se- 
hen wollte,  von  Allem  in  Kcnntniss  setzte,  und  mit  der  For- 
derung, dem  Uehcl  zu  steuern,  immer  dringender  Avurde.  So 
hielt  er  endlich  eine  Rede,  das  Heer  ahziimahnrn,  aber  Cani- 
dius,  Kufrenus  und  Andere,  untcrhraciien  ihn  mit  dem  Geschrei : 
sie  verlangten  Frieden  und  Aviirdeu  niclit  mehr  fechten;  man 
habe  schon  beide  Consuln  und  viele  Andere  verloren,  und  der 
Senat  römische  Bürger  für  Feinde  erklilrt  und  ihr  Vermögen  ein- 
gezorren.  ^^^  Er  bestrafte  sie  niclit,  hielt  aber  auch  seinen  Bei- 
fall zurück,  daher  nun  Lälius  und  Clodius  im  Namen  des  Heers 
Antonius  anzeigten,  dass  man  ihn  aufnehmen,  und  wenn  er  es 
wünsche,  Lepidus  tüdten  werdet')  Nach  Appians  verworrener 
Erzählung  befahl  dieser  seinen  Truppen  auf  den  Rath  des  Late- 
rensis in  einzelnen  Abthcilungcn  in  der  Nacht  auszurücken,  an- 
geblich zur  Deckung  eines  Geld  -  Transports ,  welcher  sich  nähe- 
re, in  der  That  aber,  weil  er  ihre  Treue  erproben  wollte ;  als  sie 
um  die  vierte  Nachtwache  unter  den  Waffen  standen,  kam  die 
Gähruna:  zum  Ausbruche;  sie  besetzten  die  festesten  Puncto  iiQ 
Lager  und  öffneten  Antonius  die  Thore.  Unmöglich  konnte  der 
eifrige  Republikaner  eine  so  verkehrte  Massregel  empfehlen,  wie 
«ehr  es  ihm  auch  an  Welt-  und  JMenschenkenntniss  gebrach,  sie 
war  vielmehr  mit  Antonius  verabredet,  und  zwar  zog  er  nicht 
durch  die  Tliore  ein,  sondern  zu  grösserer  Rechtfertigung  sei- 
nes bisherigen  Feindes  auf  der  entgegengesetzten  Seite  des  La- 
gers über  den  AVall,  welcher  von  dessen  Soldaten  niedergeris- 
sen Mar.  ^-)  Von  ihnen  selbst  geführt  erschien  er  plötzlich  vor 
dem  Feldherrn -Zelte,  avo  jene  Frieden  und  Einigkeit  forderten; 
Lepidus  bewilligte  Alles,  eine  Umarmung  verbürgte  es,  wogegen 
ihm  die  Ehre  des  Oberbefehls  verblieb.  *'3)  Appian  meldet,  dass 
er  sich  im  NachtgeAvande  überraschen  Hess,  und  eine  solche 
Mummerei,  Avodurch  er  seine  Unschuld  beweisen  Avollte,  sieht 
ihm  ähnlich,  auch  zeigt  sein  Verhalten  gegen  Octavian  i.  J.  3(i. 


50)  Dies.  Plut.  Anton.  18.  CO)  ad  Farn.  10.  21.  App.  1.  c.  Gl)  Plut. 
I.  c.  G2)  Vellej.  Plut.  II.  <-c.  C3)  Liv.  110.  Veliej.  1.  c.  Suet.  Octav. 
12.  App.  3.  570.  580.  Oio  K!.  50.  51.  Plut.  1.  c.  Zonar.  IG,  IC.  Eutrop. 
7,  2.  Flor.  4,  C.  (A.  Viel.)  Di:  vir.  Hl.  85.  ,Cic.  ad  Fam.  10,  23.  35.  11, 
C2.   12,  S.  0.  10.  ^aill.  Antoii.  No.    10. 


V.  ANTONII.  (14.  §.  52.)        355 

in  Sicillen,  dass  er  es  ülter  sirh  vermochte,  einen  Cegncr  fuss- 
fallif^  zu  Litten;  jetzt  aber  vurde  er  durch  nichts  dazu  veran- 
lasst. '>*) 

Laterensis  diirclibolirte  sicli ,  nachdem  er  einige  Zeilen  zur 
Warnung  an  Plancus  geschrieben  hatte,  und  der  Senat  belohn- 
te seine  Treue  durch  einen  Ehrenbeschluss,  worin  er  belobt  und 
ihm  eine  Statue  und  ein  öffentliches  Begrübniss  zuerkannt 
■wurde.  '^^^ 

So  vereinigten  sich  die  beiden  Consulare  am  29.  Mai,*''') 
und  Lepidus  konnte  am  folgenden  Tage  an  Senat  und  Volk  be- 
richten, dass  sein  Heer  sich  gegen  ihn  aufgelehnt  und  ihn  zur 
Versöhnung  mit  seinen  Mitbürgern  gezwungen  habe;  man  könne 
jetzt  in  Rom  für  sich  und  für  den  Staat  nicht  besser  sorgen, 
als  wenn  man  ebenfalls  vergebe.  <'^) 

§  52. 
Nicht  so  leicht  kam  Antonius  bei  Plancus  und  Asinius  zum 
Ziele.  Er  glaubte,  dass  jener  entweder  in  der  ersten  Bestür- 
zung sich  ihm  fügen  werde,  oder  wenn  er  ohnehin  dazu  geneigt 
sei,  nur  einen  Vorwand  suche.  Deshalb  brach  er  sogleich  am 
29.  Mai  gegen  ihn  auf,  um  ihn  zu  überfallen,  während  Le- 
pidus noch  am  30.  am  Argenteus  stand.  ^'^^  Nur  20,000  Schritt 
war  er  vom  Feinde  entfernt,  als  dieser  ihn  entdeckte  und  in 
Ordnung  und  ohne  Verlust  sich  zurückzog;  denn  der  Streich 
war  verfehlt  und  eine  Verfolgung  unnütz.  Am  4.  Juni  erreich- 
te Plancus  die  Isara,  deren  Brücken  er  nach  dem  Uebergange 
zerstörte,  und  am  G.  schrieb  er  Cicero  aus  Cularo  auf  dem  Ge- 
biete der  Allobrogen,  dass  D.  Brutus  in  den  nächsten  Tagen  bei 
ihm  eintrciten  werde ,  welches  geschah.  ^^)  Aber  sie  unternah- 
men nichts  ;  sie  sollten  Italien  retten  und  verlangten  Hülfe  von 
Rom;  bis  dahin  mochten  sie  nach  einem  Schreiben  des  Plancus 
vom  28.  Juli  ihre  vierzehn  Legionen  und  ihre  zahlreiche  Reu- 
terei,  die  letzte  Hoffnung  der  Republik,  und  unzuverlässig  we- 
gen der  vielen  Tironen,    keiner  Gefahr  aussetzen,     sondern   be- 

(54)  App.  L  c.  65)  ad  Fam.  10,  23.  Vellej.  Dia  II.  cc.  Oben  §.  47. 
fin.  66)  ad  Fam.  I.  c.  67)  Das.  10,  35.  68)  Das.  10,  23.  35. 
60)  Das.  10,  23.  §.  50.  fin. 

23* 


356  V.    ANTONII.  (14.  §.  52.) 

gnügtcu  sich,  Octavian  als  die  Ursach  alles  Missgeschicks  anzu- 
klagen. ^'')  In  Rom  hatte  man  nur  Worte;  wie  früher  Antonius 
so  wurde  am  30.  Juni  Lepidus  für  einen  Feind  des  Staats  er- 
klärt, ''^O  und  auf  Veranstaltung  des  Octavian,  Avelcher  im  Au- 
gust das  Consulat  erhielt,  nahm  der  Senat  seine  Beschlüsse  zu- 
rück ,  ''-)  so  dass  Asinius  und  Plancus  jenen  ohne  Schwerdtschlag 
zugeführt  wurden. 

Asinius  Pollio  wünschte  sich  Glück,  dass  der  Krieg  ihn  im 
jenseitigen  Spanien  nicht  berührte.  "^3)  Ohne  Befehle  von  Rom, 
wo  man  ihn  zu  vergessen  schien,  durfte  er  seine  Provinz  nicht 
verlassen;  bei  den  verdächtigen  Gesinnungen  des  Lepidus  war 
ein  Zug  durch  Gallien  ohnehin  mit  Gefahr  verbunden,  oder  er 
konnte  bei  seiner  bekannten  Freundschaft  mit  Antonius  ihn  selbst 
verdächtig  machen.  ■**)  Doch  schrieb  er  Cicero  am  16.  März 
aus  Corduba,  er  bedauere,  dass  ihm  nicht  vergönnt  sei,  für  die 
Freiheit  zu  kämpfen,  und  dass  Lepidus  den  Verkehr  mit  Italien 
hindere  und  ihm  die  30.  Lesrion  zu  entlocken  suche.  ''^)  Aehn- 
liebes  berichtete  er  an  Pansa,  und  er  wiederholte  es  nach  An- 
tonius Niederlage,  über  welche  er  anfangs  nichts  Gewisses  er- 
fuhr, und  auch  diess  durch  Lepidus  Schuld  ziemlich  spät.  Er 
versicherte  übrigens  auch  jetzt,  dass  er  weder  der  Republik  ent- 
stehen, poch  sie  überleben  wolle,  und  nur  zu  wissen  MÜnsche, 
wie  er  ihr  nützen  könne,  wurde  aber  nicht  beschieden.  '^^)  An- 
tonius beschäftigte  sich  dagegen  nur  zu  viel  mit  ihm ;  er  unter- 
handelte mit  der  28.  Legion,  versprach  dem  Manne  500  Dena- 
re, wenn  sie  zu  ihm  kommen  werde,  und  wollte  sie  nach  Be- 
endigung des  Krieges  wie  die  seinigen  belohnen;  auch  unter- 
stützte er  den  Antrag  des  Lepidus,  ihm  die  30.  Legion  zu  schik- 
ken,  bewirkte  aber  nur  einige  meuterische  Bewegungen,  und 
Asinius  konnte  am  8.  Juni  Cicero  aus  Corduba  melden,  dass 
sie  unterdrückt  seien,  wobei  er  jedoch  auch  nicht  verbarg,  dass 
das  Misstraucn  des  Senats,  welcher  seine  Mitwirkung  im  Kriege 
nicht  zu  wünschen  scheine,  ihn  verletze. "''')  Am  Ende  des  Juli 
war  er  seinem  gegebenen  AVorte  noch  treu,   wie  sich   aus  Plan- 


70)  ad  Fem.  10,  21.  71)  §.  47.  A.  35.  f.  72)  §.  48.  f  n.  §.  49.  fin. 
73)  §.  51.  A.  23.  74)  ad  Faiu.  10,  33.  Vgl.  11,  9.  VelUj.  2,  63.  70- 
«0.  -75)  ad  Farn.  10,  31.  7Ü)  Das.  10,  33.  §.  47.  A.  90.  T7)  ad  Farn. 
10,  32. 


V.  ANTON[I.         (14.  §.  52.)        357 

eiift  Scliweigen  schliessen  lüsst,"^")  als  aber  durcTi  Octavian  jene 
Vcrüntlerungeu  in  Rom  erfolgten,  glaubte  er  sieb  davon  ent- 
bunden; er  zog  über  die  Fyreniien  zu  Antonius.  '''•*)  Diess  ge- 
icbab  im  September;  unter  seiner  Vermittelung  wurde  nun  auch 
Piancns  gewonnen,  welcher  sich  von  Brutus  trennte  und  nach 
der  Versicherung  des  V'ellejus  ihn  sogar  seinen  Feinden  zu  über- 
liefern versuchte.  '^"^  ' 

Einer  solclien  Uebermacht  konnte  D.  Brutus  nicht  wider- 
stehen, um  so  Aveniger,  da  er  als  Mörder  Cäsars  verurtheilt 
war.  *')  Aber  die  Nachrichten  über  seine  letzten  Schicksale  be- 
friedigen nicht.  Er  bcschloss ,  was  ihm  allein  übrig  blieb,  sich 
zu  M.  Brutus  nach  Macedonien  zu  wenden,  und  zwar  zu  Lan- 
de über  Atjuileja,  erreichte  aber  diesen  Ort  nicht,  und  noch 
weniger  das  Gebiet  der  Japyden  in  lUyrien,  '*-)  weil  Octavian 
sich  ihm  entgegenstellte.  ^^^  Mit  dem  Rückzuge  begann  die  Auf- 
lösung seines  Heers;  denn  nur  auf  grossen  Umwegen,  deren 
Bescliwerden  und  Gefahren  es  schreckten,  konnte  er  nun  nach 
Macedonien  gelangen.  Er  wollte  nördlich  durch  Helvetien  über 
den  Rhein  und  dann  über  die  rhiitischen  und  carnischen  Alpen 
bis  zur  Nordküste  des  adriatischen  Meers  vordringen;  seine 
Truppen  giengen  aber  in  immer  grösserer  Zahl  zu  Antonius 
oder  Octavian ,  so  dass  er  bald  den  Gebirgsvölkern  nicht  mehr 
gewachsen,  und  zu  planlosen  Bewegungen  genöthigt  Avar,  und 
Ton  den  Salassiern  in  der  Gegend  von  Eporedia  die  Erlaubniss 
«um  Durchzuge  erkaufen  musste.  s*)  Auch  die  gallischen  Reu- 
ter ,  welche  seine  Leibwachen  bildeten ,  entfernten  sich  mit  sei- 
ner Genehmigung  bis  auf  300 ,  und  bald  begleiteten  ihn  nur 
noch  zehn.  Mit  diesen  schlug  er  in  der  Kleidung  der  Einge- 
bornen  den  kürzesten  Weg  nach  Aquileja  ein.  Er  wurde  aber 
ergrift'en  und  zu  dem  Häuptlinge  Camillus  oder  Camelus  geführt, 
seinem  Gastfreunde ,  welcher  ihn  mit  Theilnahme  empfieng  und 
«ugleich  Antonius  meldete,  dass  der  Flüchtling  in  seiner  Ge- 
walt sei.  85)     Dieser  Avurde  also  in   den  Alpen   gefangen,    nicht 


78)  Das.   10,  24.     70)  Liv.  120.  Vellej.  2.  03.  App.  3.  587.     SO)   Vel. 
lej.  -^pp.    U.    cc.    Uio    40,    53.    Plut.    Anton.    18.      81)  §.  49.  A.   lö.     62) 
App.  IHyr.  p.  704.  c.  19.     83)  App.  3.  588,    Dia    40,    53.     84)  Strabo  4 
p.  205.  Vgl.  App.  Illyr.  17.     85)  App.  1.  c.  Vellej.   2,  64.  Vgl.  Uio  1.  e. 


358  V-   ANTOxNU.  (14.  §.  53.) 

im  Lande  der  Sc(£uancr  in  Gallien,  8'')  obgleich  ein  Seqiianer  ihn 
tödtete,  wodurch  eben  der  Irrtluiui  veranlasst  ist.  Antonius  ent- 
sandte auf  die  erwünschte  Nachricht  Ueuterci  unter  Furius,  87) 
"welcher  Ser.  Tercntius  erkannte  und  verschonte ,  als  er  durch 
das  Vorgeben,  er  sei  Brutus,  den  Freund  retten  Avollte.'^*)  Ein 
Anderer,  Helvius  Blasio ,  durclibohrte  sich  in  der  Erwartung, 
auch  der  Feldherr  Averdc  es  vorziehen ,  auf  eine  ehrenvolle  Art 
zu  endigen,  oder  doch  mit  männlicher  Ergebung  sterben.  8^) 
Dass  Brutus  sich  nicht  selbst  töiltetc,  ist  gewiss,  denn  Furius 
Hess  ihm  durch  Capenus,  einen  Sequancr,  den  Kopf  abschlagen, 
welchen  er  Antonius  übcrscliicktc ; '^"^  eben  so  wenig  unterliegt 
es  einem  Zweifel,  dass  JSccIcngrosse,  auch  nur  nach  den  Begrif- 
fen der  Römer,  niclit  in  ihm  war;  er  mag  daher  auf  Flucht  ge- 
dacht und  um  sein  Leben  gedungen  haben,  Avenn  auch  niciit 
auf  eine  so  Aerächtliche  Art,  wie  seine  Feinde  und  deren  Schmeich- 
ler erzählten.  30 

§  53. 

Die  beiden  Consulare ,  welche  L.  Varius  Cotyla  mit  6  Le- 
gionen in  Gallien  zuriicklicsscn, '^"')  und  mit  17  Legionen  und 
10,000  Reutern'-'-^  vom  W  .  ten  heranzogen,  waren  Octavian 
verpfliclitet,  denn  er  hatte  Rom  mit  ihnen  versöhnt.  Indcss 
wusste  jeder,  dass  diess  ein  Werk  der  Noth  war,  von  der  Rück- 
sicht auf  ihre  Macht,  auf  die  Macht  der  ^'erschworenen  ^^)  und 
auf    die    Wünsche    der    Veteranen    vorgeschrieben ,     welche  nach 


8'j)  Oros.  6.  18.  S7)  Es  gab  Furii  mit  dem  Beinamen  Cainilli,  aber 
auch  mit  anderen;  um  so  weniger  ist  man  zu  der  Meinung  berechligt, 
dass  jener  Dynast,  dessen  barbarischer  Name  ohne  Zweifel  von  Griechen 
und  Röraern  entstellt  ist,  wegen  einer  Verwechslung  der  Personen  in 
diesem  Trauerspiele  Caiiiillus  genannt  werde.  88)  \'al.  Rlax.  4.  7.  §.  0. 
89)  Dio  1.  c.  00)  Liv.  120.  Vgl.  App.  1.  c.  A'ellej.  I.  c.  u.  c.  87.  (Aurel 
Viel.)  de  vir.  ill.  85.  91)  Dio  1.  c.  Senec.  ep.  82.  Val.  Max.  9.  13.  §.  3. 
91//)  Plul.  Anton.  18.  §.  30.  A.  74.  92)  In  dieser  Angabe  Plufarchs  I. 
e.  liegt  keine  l.'eberlreibung.  Denn  nach  dem  ^■o^igen  lialte  Lepidus  7 
Legionen,  Plancus  4,  Asinius  3.  AutonicB  selbst  war  es  gelungen,  nach 
der  Schlacht  b  '  Mutina  mehrere  wieder  zu  vereinigen  oder  zu  ergän- 
zen; Ventidius  liihrte  ihm  3  zu,  und  nach  App.  3.  588.  giengen  von  Bru- 
tus 4  zu  ihm  über;  an  Reuterei  fehlte  es  ihm  von  Anfang  nicht,  und 
Planem  zählte  mehr  all  4üOJ.     93)  Velk-j.  2.  G5. 


V.  AiNTONH.        (14.  §.  53.)        359 

Ijclohming  und  Frieden  verlangte.  Um  so  mehr  fretietc  sich 
Antonius  seines  Heers;  er  hatte  in  ihm  eine  Bürg!?chrtft  für  sei- 
ne Sicherheit  und  erschien  nicht  als  der  Schützling  des  neuen  Con- 
Ruls,  sondern  stark  genug,  seine  A'origc  Stellung  im  Staate  mit 
GcAvalt  wieder  zu  nehmen. '•'•'''^  Ocfavian  war  nach  seiner  Wahl 
zum  Consul  nach  dem  cisalpinischen  Gallien  zurückgekehrt,  ^*J 
und  befand  sich  nicht  mehr  in  der  hülfsloscn  Lage  eines  Pri- 
vatmanns, Avelciien  man  ungestraft  misshandeln  konnte;  er  führ- 
te acht  Legionen  gegen  Rom ,  ^\^o  drei  zu  ihm  übergiengen,  ^^) 
und  verstärkte  sich  ausserdem  durch  Aushebung,  da  er  beauf- 
tragt var,  den  Krieg  zu  endigen,  und  durch  Truppen  des  D. 
Urutus.  '•'"^  Lepidus  hatte  bereits  einen  Vergleich  zwischen  ihm 
und  Antonius  eingeleitet,  und  jetzt  begann  seine  Wirksamkeit  A'om 
neuen.  Persönlich  unbedeutend  eignete  ersieh  zum  Vermittler;  jene 
fürchteten  ihn  nicht,  Aveil  er  nur  nützen  konnte  und  fanden  es 
liequcm,  dass  er  ihre  Wünsche  als  die  seinigen  aussprach,  -wel- 
chen sie  des  allnjenieinen  Besten  wei2:en  sich  füjrten. 

Diess  gilt  auch  Aon    ihrer  Zusammenkunft    auf   einer    Insel 
bei  Bononia.  '-''')     Appian  irrt,    wenn  er    hier    Mutina    nennt;  ''^^^ 
man  ist  aber  dadurch  nicht  berechtigt,  mit  Cluver,  9^)  Cellar'ooj 
u.   A.   auch   seine  Angabe  zu  verwerfen,  nach  welcher  die  Trium- 
virats-Insel  im  Lavinius,  jetzt  Lavino,  lag,  obgleich  allerdings 
die  auf  dem  Gebiete  von    Bononia    gefundene    Inschrift,     Avelche 
dasselbe  besagt,    nicht  zur    Bestätigung    dienen    kann,     weil    sie 
wahrscheinlich  jünger  ist,  und  sich  auf  sein  Zeugniss  gründet.  ^^ 
Seine    Gegner    entscheiden    für     den    Rhenus,    jetzt    Reno.      Sie 
werden  dadurch  begünstigt,  dass  nach  Dio  -)  der  Fluss,  auf  des- 
sen Insel  man  sich  unterredete,  an  Bononia  vorüberströmte,  und 
Plinius  '■^)  und  Silius  ^)  den  Rhenus  nach   dieser  Stadt  benennen, 
während  der  Lavinius  weiter  von  ihr  entfernt   war;     auch    sage 
man  hatte  jenes  Eiland    einen    beträchtlichen   Umfang,     da    man 
die  AVoTte  der  Drei  auf  den  Brücken    und  am  Ufer  nicht  hören 
konnte,  daher  ist  ihm  seine  Stelle  im  Rhenus,    als  dem  grösse- 


9.3  i)  Dio  40,  54.  Zonar.  10,  16.  94)  §.  49.  fin.  95)  §.  47.  A.  27. 
§.  48.  A.  8J.  PO)  Dio  u.  Zon.  11.  cc.  97)  Suet.  üclav.  9C.  Dio  40,  55. 
Plut.  Cic.  4G.  Anton.  19.  Flor.  4,  C.  98^  4 ,  580.  5,  C74.  Ö9)  Ital. 
üui.  1.  c.  28.  p.  287.  100)  1.  p.  C71.  1)  Reines.  Jnscr;  das«.  2.  No.  67- 
2)  1.  c.     3)   10,  05.   (3C.)  Vgl.  3,  20-  (10.)     4)  Punic,   8,  CÜl. 


360  V.    ANTONII.         (14.  §.  53.) 

ren  Flusse ,  ntizuweisen ;  die  Nachricht  des  Appian  endlich  er- 
klärt sich  ohne  Zweifel  daraus ,  dass  Antonius  von  Westen,  aus 
der  Gegend  von  Mutina,  über  den  Lavinius  kam,  als  er  mit 
Octavian  unterhandeln  wollte.  Andere  haben  jede  willkührliche 
Deutung  dem  Zeugnisse  jenes  Geschichtschreibers  vorgezogen, 
und  selbst  an  den  Rubicon  gedacht.  ^)  An  einem  Puncte,  wo 
Zwei  Flüsse  eine  Insel  bildeten,  sah  man  sich  nicht,  wie  die 
Alten  einstimmig  versichern  ,  nur  Florus  ausgenommen ,  welcher 
fiberdiess  Perusia  einmischt,  e)  ^^^  ei,en  deshalb  verdienen  auch 
die  Gelehrten  in  Bologna  keine  Beachtung,  wenn  sie  glauben, 
dass  der  Bund  der  Drei  auf  der  kleinen  Halbinsel  Forcelii  zwi- 
schen dem  Lavino  und  der  Ghironda  geschlossen  sei.  "'■> 

Giebt  es  hier  nun  überhaupt  keine  völlige  Gewissheit,  so 
darf  man  sich  auch  nicht  so  zuversichtlich ,  wie  es  von  Cluver 
und  Cellar  geschehen  ist,  für  den  Rhenus  erklären.  Bedurfte 
es  einer  grossen  Insel,  um  einige  wenige  Menschen  aufzuneh- 
men ,  oder  war  eine  grosse  Entfernung  erforderlich ,  damit  man 
nicht  hörte,  was  Menschen  sprachen,  welche  nicht  gehört  sein 
wollten  ?  und  woher  weiss  man ,  dass  sich  in  dem  Bette  des  La- 
vinius nicht  eine  kleine  Insel  erheben  konnte?  Noch  jetzt  ist 
das  Bett  der  Gewässer,  Avelche  in  dieser  Gegend  dem  Po  zu- 
fliessen,  steten  Vei'änderungen  unterworfen.  ^)  Man  kann  sogar 
weiter  gehen,  und  mit  Mannert  ^)  für  Appian  geltend  machen, 
was  gegen  ihn  angeführt  wird.  Er  würde  den  Lavinius,  eben 
weil  er  unbedeutend  und  wenig  bekannt  war,  nicht  erwähnt  ha- 
ben, wenn  seine  Quellen  ihn  nicht  dazu  veranlasst  hätten,  und 
ninmit  man  eine  Verwechslung  oder  einen  Gedächtniss  -  Fehler 
an,  so  lag  es  ihm  am  nächsten,  an  den  Rhenus  zu  denken, 
schon  wegen  des  berühmten  gleichnamigen  Flusses.  Dazu  kommt, 
dass  kein  anderer  Schriftsteller  den  Fluss  namentlich  bezeichnet, 

k)  FeruBiac  ßi:lle(.  dei  icienc.  hist.  1829.  Januar,  p.  81.  in  d.  An- 
leigc  von:  Lettre  de  L.  .4.  Nardi  sur  le  Heu,  oh  se  forma  le  triumvirat, 
•US  (^ioru.  arcad.  Juni  1827.  p.  337.  G)  4,6.  /Ipud  Conflucnle»  intcr 
i'eruiiam  et  Bononiam.  lieber  den  nichtigen  Versuch  den  Caesar  Malva- 
■ia  in  d.  niannor.  Felsin.  durch  die  Lesart  Petrusia  seine  Ehre  zu  ret- 
ten 1.  Uuker  a.  a.  ü.  7)  Leander  Descript.  IlaL  ed.  Colon,  p.  521.  Volk- 
manii  Nachrichten  von  Italien.  1.  p.  370.  8)  Vgl.  Kephalides  Reise  durch 
latiien.    i.  8.  30.     0)  Geographie  9.    L  Abth.  S.  228. 


V.  ANTUNll.         (14.  §.  53.  J         3ül 

welcher  jene  Insel   einschloss;    man   kann    daher   Appian    nichts 
Bestimmtes  entgegensetzen  und  vielmehr  diess  Schweigen  zu  sei- 
nen Gunsten  deuten :     es    handelte    sich    nicht    um    den  Rhenus 
sundern  um  ein  kleines  Wasser,     welches  man    nicht  zu  nennen 
wusste  oder  zu  nennen  nicht  der  Mühe  werth  fand. 

Nach  dem  ScnatsLeschlusse ,  weicher  die  geächteten  Feld- 
herm  in  der  zweiten  Hälfte  des  August  ihrem  Vaterlande  wie- 
dergab ,  vergiengen  Monate ,  ehe  sie  die  übrigen  im  AVesten  an 
Bich  ziehen  und  in  der  Gegend  von  Bononia  eintreffen  konnten ; 
sie  sahen  Octavian  r'.cht  vor  den  letzten  Tagen  des  October. 
Er  sowohl  als  Antonius  stellten  an  den  Ufern  des  Flusses  fünf 
Legionen  auf,  und  300  Mann  begleiteten  sie  bis  zu  den  Brük- 
ken.  Dann  schritt  liipidus  voran,  und  auf  sein  Zeichen,  dass 
nirgends  ein  Hinterhalt  sei,  folgten  die  Anderen.  Dass  sie  sich 
durchsucht  haben ,  meldet  nur  Dio.  Obgleich  Octavian  als  Con- 
sul  den  Ehrenplatz  in  der  Mitte  erhielt,  ^^J  so  wurden  doch  die 
Unterhandlungen  mit  entschiedener  Ueberlegenheit  nicht  an  Klug- 
heit aber  an  Ansehn  von  Antonius  geleitet.  ")  Er  war  älter, 
erfahrener,  als  Feldherr  nicht  ohne  Ruf,  bei  den  Truppen  selbst 
durch  seine  Fehler  beliebt,  und  konnte  sich  mit  Sex.  Pompejus 
oder  mit  Brutus  und  Cassius  verbinden  ,  mit  welchen  er  nicht 
unheilbar  gebrochen  hatte ,  oder  die  reichen  Hülfsquellen  Gal- 
liens und  Spaniens  benutzen;  hinter  dem  Consul  lag  Rom,  voll 
V^erlangen,  sein  Joch  abzuwerfen,  das  adriatische  Meer,  wo  iha 
nur  feindliche  Schifte  erwarteten,  und  der  Osten  unter  der  Herr- 
schaft der  von  ihm  verurtheilten  Befreier.  Mehrere  Artikel  des 
Vertrags  beweisen ,  was  sich  hiernach  vermuthen  lässt.  Damit 
ist  aber  nicht  gesagt,  dass  Antonius  gebot;  hätte  er  es  ver- 
mocht, so  würde  er  seinem  Nebenbuhler  auf  dem  Schlachtfelde 
begegnet  sein.  Ihre  Berathungen  dauerten  zwei  Tage ;  am  drit- 
ten theilten  sie  den  Heeren  das  Ergebniss  mit,  so  weit  es  zu- 
lässig war,  und  diese  forderten  zur  Befestigung  des  Bundes  ei- 
ne Heirath ;   daher  werden  von  Plutarch  drei  Tage  genannt.  ^-) 

Eine  gleiche  Theilung  der  höchsten  Gewalt  war  der  Grund- 
satz, von  welchem  man    ausgieng,     ohne    ihm    treu    zu    bleiben. 


10)  App.  4.  589.  590.  Dlo  4G,  55.     11)    Plin.  7,    40.  (45).  Solia.  1. 
§.   40.     12)  App.  1.  c.  Plut.  Ant.  10.  Cic.  40. 


3G2  V.  ANTONIL        (U.  §.  53.) 

Demnach  sollte  Octavian  das  Consulat  für  die  nooh  übrige  Zeit 
des  Jahrs  an  P.  A'ciitidius  abtreten ;  ^•'^  es  hatte  seinen  Werth 
für  ihn  verloren,  und  in  seinem  Nachfolger  verpflichtete  er  sich 
Antonius,  welcher  ohne  Opfer  eine  grosse  Schuld  abtrug.  Zu- 
gleich Murde  damit  das  Fortbestehen  der  ordentlichen  republika- 
nischen Magistrate  verltiirgt,  vährend  die  Drei  als  ausserordent- 
liche mit  Consulargewalt  zur  Herstellung  der  Ruhe  und  Ordnung 
die  \'cr\valtung  des  Staats  auf  fünf  Jahr  übernelinicn  sollten.  ^*^ 
Rom  konnte  in  Cäsar  den  Monarchen  zurückweisen,  die  Mon- 
archie drang  sich  ilim  unabweisbar  vom  neuen  auf,  und  der 
kürzeste  Weg  zu  dem  Puncte,  von  Avelchem  der  15.  März  es 
entfernt  hatte,  war  der  beste;  das  Duumvirat  also,  denn  Lepi- 
dus  zählt  nicht  mit.  Es  zeigte  Blutvergössen  im  Hintergrun- 
de, Avcil  diese  Duumvirn  keine  Cäsar,  und  weil  sie  die  Schuld- 
ner und  Sclaven  ihrer  Heere  waren,  den  Bürgerkrieg,  weil  sie 
nicht  für  immer  theilteu ;  aber  sclionungslose  Vernichtung  der 
Gegner  war  auch  der  AVahlspruch  der  ohnmächtigen,  in  sich 
«errissenen  und  von  aller  sittlichen  Kraft  entblossten  Aristocra- 
tie;  nach  ihrem  Siege  oder  einer  Versöhnung  mit  ihr  hätte  Rom 
das  Schattenbild  der  Republik  in  seinen  eigenen  Mauern  wie- 
der nieder  kämpfen  müssen,  während  es  jetzt  in  der  Ferne  hei 
Philippi  erlosch,  und  nun  in  dem  Kampfe  um  den  'i  hron  der 
Uebergang  zur  Ruhe  erfolgte.  So  lange  indess  Mclirere  gebo- 
ten, bestand  die  Form  der  Republik:  man  bedurfte  irgend  eine 
Form  der  \erwaltung,  in  welcher  man  sich  bewegte,  ehe  man 
eine  neue  schuf;  daher  das  Versprechen,  in  fünf  Jahren  den 
alten  Bau  zu  befestigen  und  dann  zurückzutreten.'^)  Da  Drei  sich 
diesem  Geschäfte  unterzogen,  so  war  der  Titel  Dictator  und 
Consul  nicht  anwendbar;  jenen  hatte  Antonius  ohnehin  verpönt,'^-^ 
tmd  mit  diesem  wollte  man  Freunde  und  selbst  Lepidus  ablinden. 
Doch  nicht  mit  ihm  allein,  denn  man  beschloss,    die  Magistrate 


13)  App.  4,  590.  Vellej.  2,  C5.  D!o  47,  15.  §.  51.  A.  84,  14)  IVIon. 
Ancyr.  1.  v.  7.  Liv.  120.  Suet.  üctav.  8.  13.  27.  Vellej,  2.  G5.  Tacit.  Ann. 
1,  9.  riiii,  u.  tioliii.  li.  cc,  App.  4,  500.  503.  5,  G78.  Dio  40,  54.  55. 
48,  30.  50,  25.  26.  Flut.  II,  cc.  u,  Brut,  27.  Kulrop,  7,  2.  Ilor,  4,  0, 
i.  u,  T,  ä,  Oro.i,  G,  18,  Zonar,  lU,  10.  (A.  Viel.)  de  vir,  ill,  65.  Obseq. 
129.     15)  Dio  40,  55.  48,  30.  Zonai.  1,  c.     IC)    §.   13.  A,  81. 


V.  ANTONII.       (14.  §.  53.)         3C3 

überliaiipt  auf  fünf  Jahr  zum  voraus  zu  ernennen,  IVIiinncr,  in 
welche  man  Vertrauen  setzte.'^)  Aclinliches  war  vor  dem  hcah- 
siclitijrfcn  Feldzuge  gegen  die  Parther  schon  von  Cäsar  gesche- 
hen. Die  Erben  seiner  Macht  folgten  gern  seinem  Beispiele, 
wie  Ponipcjus,  nur  mit  iiiclir  ^Selbstständigkeit.  Insbesondere 
ist  die  ^  crlheilung  der  Provinzen  ein  Jiewcis  dafür,  aber  auch 
für  Antonius  UebcrgcMicht;  denn  er  beliielt  sich  das  eis-  und 
transalpinische  Gallien  vor,  wo  er  Rom  am  nächsten  war,  gleich- 
sam unter  dessen  Mauern  lagerte ,  und  niemand  den  Besitz  ihm 
streitig  machte.  ^^->  Nur  das  narbonensische  Gallien  verblieb 
Lcpidus,  nebst  dem  diesseitigen  Spanien,  zu  welchem  man  das 
jenseitige  hinzufügte,  üctavian  wurden  die  alte  und  neue  Pro- 
vinz Afrika,  ''•'-'  Sicilien,  Sardinien  und  die  umliegenden  Insel 
bestimmt.  Dort  hatte  er  einen  dem  Senat  erfi'cbenen  Stattlial- 
ter  -"-l  und  auf  den  Inseln  Sex.  Pompcjus  zu  fürchten.  Kr  sollte 
seinen  Antheil  erobern,  mit  Verantwortlichkeit  für  die  Zufuhr, 
denn  diese  Länder  versorgten  Rom,  und  in  einer  Zeit,  wo  der 
Osten  seine  Gegenwart  forderte  und  er  ohne  Flotte  war.  AVcnn 
aber  Cäsar  einst  das  unbesiegte,  kriegerische  Gallien  zur  Pro- 
vinz wählte,  befremdlich  für  manchen  kurzsichtigen  Consular, 
welcher  erpressen  bcijuemer  fand,  als  erobern  und  dann  mit 
gleichem  Erstaunen  in  Gallien  Rom  überwunden  sah,  so  gelangte 
Octavian  durch  den  Krieg  mit  Pompcjus  zum  Besitze  einer  See- 
macht, welche  ihm  das  römiselie  Reich  unterwarf. 

Er  übernalnu  es  mit  Antonius  die  Befreier  im  Osten  zu 
vertreiben, -'>'  der  nächste  Zweck  ilires  Bundes,  in  a  clchem  sie 
Lepidus  nur  in  die  Mitte  stellten,  weil  sie  sich  noch  nicht 
feindlich  berüliren  mochten.  --)  Bei  seiner  Schlaffheit  w«;*  es 
ihm  erwünscht ,  dass  er  im  folgenden  Jahre  Consul  sein  und 
seine  Provinzen  durch  Legaten  verwalten  sollte,  um  Rom  und 
Italien  zu  bewachen.  Zu  dem  Ende  bewilligte  man  ihm  3  Le- 
gionen; die  übrigen,  sagt  Appian,-'^>'  sollte  er  abgeben,  3  an 
Octavian  und  4  an    Antonius,     damit   jeder  20  ins  Feld  führen 


17)  App.  4,  500.  Dio  47,  ID.  18)  App.  1.  c,  u.  5,  083.  Die  4C, 
55.  Plut.  11.  cc.  u.  comp.  Demetr,  c.  Anton.  1.  Plin.  Soliii.  Zonar.  II.  cc. 
Kckh.  6.  p.  38.  19)  Carthago  nnd  Numidien.  App.  4,  620.  Dio  43,  9. 
48,  21.  22.  20)  S.  Cornificii.  21)  App.  4,  590.  Dio  40,  5C.  47,  20. 
Flor.  4,  7.  5.  Zon.  10,   IG.     22)  Dio  48,  22.     23)  1.  c. 


3(i4  V.  ANTONU.        (14.  §.  54.) 

könnte.  Auch  an  einem  anderen  Orte  berichtet  Appian,  aber 
nur  als  Vermuthung,  dass  die  Drei  jetzt  über  43  verfügten,'-*' 
und  so  widerspricht  er  sich  wenigstens  hierin  nicht ,  obgleich 
er  sonst  Lepitlus  Heer  zu  4  und  zu  7  berechnet,-^)  und  in 
An"-aben  dieser  Art  überhaupt  sehr  unsicher  ist.  Antonius  äus- 
Bert  in  einer  Rede ,  welche  er  ihn  nach  den  Schlacliten  bei  Phi- 
lippi  in  Ephesus  halten  lässt,  man  sei  28  Legionen  den  Sieger- 
lohn schuldig;  so  sehr,  bemerkt  der  Geschichtsclireiber,  waren 
die  Heere  geschmolzen.-'')  Jener  hatte  allerdings  nicht  bloss 
17  Legionen,  mit  welchen  er  Gallien  verliess,^^)  und  Octavian 
nicht  bloss  11,  welche  ihm  von  Rom  folgten,  ^^3  sonst  würde 
man  die  Zahl  28  erhalten;  6  blieben  jenseits  der  Alpen,  und 
nun  giengen  noch  die  Truppen  des  D.  Brutus  über ,  4  Legionen 
angeblich  zu  Antonius,  und  also  ü  zu  Octavian, 29)  so  dass 
jener  überhaupt  27,  und  dieser  17  zählte,  und  die  Gesammt- 
macht  44  betrug;  der  Abgang  von  Brutus  Heere,  welches  sich 
zum  Theil  zerstreute,  war  durch  neue  Aushebungen  mehr  als 
ersetzt.  Antonius  und  Octavian  hatten  sich  wiederholt  ver- 
pflichtet, ihre  Truppen  nach  dem  Kriege  mit  Gelde  und  auf 
andere  Art  zu  belohnen, ^o)  und  wollten  jetzt  ihr  Wort  lösen, 
die  Summen  zahlen  und  18  der  schönsten  und  reichsten  Städte  Ita- 
liens zu  Colonien  anweisen,  Capua,  Rhegium,  Venusia,  Bene- 
ventura,  Nuceria,  Ariminum,  Vibo  u.  a.-^')  wobei  wenigstens 
Octavian  sich  auf  Beschlüsse  des  Senats  und  selbst  auf  dessen 
Versuche  beziehen  konnte,  seinen  Kriegern  das  Geld  aufzu- 
dringen. 2-^ 

§  54. 

Es  war  aber  auch  bekannt,  dass  der  Schatz  keine  Hülfs- 
mittel  bot.  Octavian  selbst  hatte  ihn  geleert,  als  er  nach  der 
Schlacht  bei  Mutina  Cäsars  Legate  an  das  Volk  zahlte,  ^^-^  und 
die  Schuld  an  das  Heer    abzutragen,  ^*)     und    sofort  die  Kosten 


24)  5,  C74.  25)  3,  550.  580.  26)  5,  074.  081.  27)  Oben  A.  02. 
28)  §.  47,  A.  27.  u.  fin.  §.  48.  A.  70.  81.  84.  29)  App.  3,  588.  30) 
g.  32  fiu.  Cic.  ad  Farn.  10,  32.  Plut.  Anton.  23.  3l)  App.  4,  590.  5UI. 
i,  078.  083.  Dio  47,  14.  Tacit.  Ann.  1,  10.  Frontin.  de  colouiis  v.  Be- 
neventum  etc.  32)  §.  35  fin.  §.  30.  A.  30.  §.  47.  A.  8.  u.  §.  48.  A. 
78.    33)$.  49.  A.  14.    34)  Diu  47,  G.  48,  34.  Plut.  Ant.  23.  Zoo.  10,  IC. 


V.  ANTONII.        (14.  §.  54.)      365 

eines  neuen  Krieges  zu  «lecken ,  ^^)  war  der  reichste  Schatz  zu 
arm.  Darin  lag  die  erste  und  vorzüglichste  Ursach  der  Pro- 
scriptionen. ^''0  Die  Triumvirn  behaupteten  sich  nur  durch  ihre 
Truppen.  In  den  bürgerlichen  Unruhen ,  worin  der  Stärkere 
sich  an  das  Ruder  schwang,  unter  Marius  und  Sulla,  hatte  der 
Militär -Despotismus  begonnen;  er  befestigte  sich  unter  Cäsar, 
und  gewann  jetzt  neue  Kraft,  so  dass  Rom  sich  seiner  nie 
mehr  erwehren  konnte.  Es  stand  bei  den  Legionen,  sich  für 
den  Senat,  für  die  Befreier  oder  für  einen  Einzelnen  unter  den 
Machthabern  zu  erklären;  gleich  den  griechischen  Tyrannea 
mussten  diese  morden ,  um  zu  rauben ,  und  rauben ,  um  zu  herr- 
schen. Daher  starben  Statins,  der  Samnit,  Sisinius  und  viele 
Andere,  ^^)  sogar  Knaben,  welchen  man  zuvor  die  männliche 
Toga  gab,  28)  M'eil  sie  reich  waren. 

Wenn  der  Ehrgeiz  vor  einer  solchen  Nothwendigkeit  nicht 
zurückbebte,  so  kam  nun  auch  das  Verliältniss  zu  Brutus  und 
Cassius  und  zu  Sex.  Pompejus  in  Betracht,  und  das  Verhältnis« 
der  Drei  zu  einander;  ohne  die  Gefahr  von  aussen  und  den 
gegenseitigen  Argwohn  würden  sie  menschlicher  gewesen  sein, 
Sie  wollten  sich  von  den  Angesehensten  ihrer  Feinde  befreien, 
che  sie  über  das  Meer  giengen,  damit  jene  nicht  Pompejus  her- 
beiriefen, oder  mit  seiner  Hülfe  eine  Hungersnoth  und  dadurch 
Bewegungen  veranlassten,  indem  sie  den  Krieg  als  die  Ursach 
des  Uebels  bezeichneten.  ^9)  Bei  der  bedeutenden  Macht  der 
Verschworenen  war  man  selbst  nicht  vor  den  Wechselfällen  des 
Kriegs,  vor  einer  W'iedervereinigung  der  senatorischen  Faction 
und  neuer  Aechtung  gesichert.  Die  Häupter  dieser  Faction  fer- 
ner hassten  nicht  alle  Triumvirn  unbedingt  und  in  gleichem 
Masse;  es  war  eben  so  wichtig,  die  Freunde  der  Collegen,  und 
die,  welche  sich  ihnen  zuwenden  konnten,  hinwegzuräumen, 
als  die  eis-enen  Feinde ,  auch  deshalb ,  weil  man  glaubte ,  dass 
nur   dann ,     wenn   jeder    die    Seinigen    dahingegeben    und  seine 


35)  App.  4,  591.  36)  App.  I.  c.  Dio  46,  55»  47,  1.  f.  Liv.  120. 
Nepos  Attic.  10,  Vellej.  2,  60.  67.  Suet.  Oct.  27.  Tacit.  Ann.  1,  10- 
Plin.  7,  46.  (15).  Senec.  Suasor.  6.  Plut.  Ant.  19.  Brut.  27.  Cic.  4C. 
Flor.  4,  6.  Eutrop.  7,  2.  Oros.  0.  18.  Zon.  10,  16.  Obseq.  129.  37) 
App.  4.  603.  605.  Dio  47,  6.  Zonar.  1.  c.  38)  App.  4,  '607.  Dio  I.  f. 
39)  App.  4,  591. 


366  V.  ANTfiNII.       (14.  §    54.) 

Hand  gleich  tief  in  Blut  getaucht  hahe,  keiner  als  Anwalt  sei- 
ner Mitbürger  und  als  Beschützer  <lcr  Freiheit  aus  dem  Bunde 
scheiden  könne. 

Die  Alten  sehen  hier  mehr  die  Wirkungen  einer  sich  zü- 
gellos äussernden  Kachgier,  als  einer  durch  die  llücksioliten  der 
Politik  geleiteten  lierrsclisucht.  Nacli  ilirer  Darstelluna  kannte 
man  nichts  Höheres,  als  den  Feind  hüssen  zu  lassen,  und  da 
dieser  oft  einem  CoUegen  nahe  stand,  -vvelclier  gegen  Andere 
eben  so  erbittert  Avar,  so  bemächtigte  man  sich  des  Opfers  durch 
Tausch.  Unvermeidlich  verwickeln  sich  die  Ccschiclitschrelljer 
dabei  in  Widersprüche,  denn  es  wurde  ihnen  nicht  immer  deut- 
lich, AVer  den  Tod  eines  Mannes  gefordert  oder  ihn  bloss  ge- 
stattet habe,  weil  Mehrere  von  ihm  beleidigt  oder  ihm  befreun- 
det waren. ^"^^  Alles  erklärt  sich  leicliter  und  natürlicher,  wenn 
man  annimmt,  dass  auch  bei  diesem  Theile  der  Berathung  die 
Sorge  für  das  gemeinsame  Interesse  und  für  die  Republik  als 
Folie  zum  Schein  vorwaltete,  und  die  Frage  aufgeworfen  wurde: 
wer  muss  fallen,  damit  wir  bestehen.  Bei  dieser  Wendung  trat 
der  Einzelne  nicht  als  solcher,  niclit  im  Dienste  verächtlicher 
Leidenschaften  hervor;  er  sprach  als  Triumvir,  als  Vertheidiger 
der  guten  Sache.  Damit  ist  aber  nicht  behauptet,  dass  die 
W'ünsche  des  Einzelnen  schwiegen;  des  gemeinen  oder  doch  des 
gemeinsamen  Besten  wegen  sollte  das  Blut  seines  Feindes  ver- 
gossen werden;  man  sprach  dagegen,  hielt  diesen  oder  jenen 
nicht  für  gefährlich,  welchen  man  retten,  oder  doch  einen  An- 
deren für  gefährlicher,  den  man  verderben  wollte;  so  fand  sich 
das  Dino'cn  und  Tauschen  von  selbst  und  nicht  in  der  rohen 
Form,  Avorin  es  bei  Vielen  unter  den  Alten  erscheint.  Die 
Unterhandelnden  Avaren  nicht  Neulinge  in  der  Verstellung. 

Von  Octavian  Avird  gesagt,  er  habe  die  Proscription  ver- 
hindern, die  Verfolgungen  auf  die  VerschAVorenen  beschränken 
und  dann  Avenigstens  Cicero  erhalten  Avollcn.  Den  Sieger  recht- 
fertigte der  Sieg;  gern  glaubte  man  dem  Kaiser,  der  Geschichte 
seines  Lebens  von  seiner  eigenen  Hand,^'^  und  Höflinge  und 
Ardei-e  Avicderholten ,     dass  seine  CoUcgcn  jene  Gräuel  verschul- 


40)    Ders.   1.   c.    Dio    47,   5.    6.    Tlut,   u.    Zonar.    II.  cc.     41)  Suct. 
Oclav.  85. 


V.   ANTONII.       (11.  §.  54.)       367 

dcten  ,  welche  ihm  niclit  als  ein  Verbrechen,  soinlern  als  ein 
Unglück  anzurechnen  seien,  *-J  ■weil  man  ihm  nur  die  Wahl 
licss,  einzuwilligen  oder  der  Bestrafung  der  Mörder,  der  Erfül- 
lung einer  heiligen  Pflicht  zu  entsagen. ^2)  Ueherdiess  war  er 
angeblich  als  der  Jüngste  im  Bunde  ,  der  seine  öftentlichc  Lauf- 
hahn kaum  begonnen  hatte,  am  Avenigstcn  gereizt,  und  neigte 
sich  %'on  Natur  zur  Milde  ;  inch  r;re  (jciichtcte  wurden  von  ihm 
gerettet  oder  ilire  Retter  von  ihm  belohnt,  und  grossmüthig 
verzieh  er  als  Monarch.  **)  Jetzt  erfreute  sich  vor  Allen  Cicero 
seiner  Tlieilnahme ;  erst  am  dritten  Tage  gelang  es  Antonius, 
ihm  seinen  Schützling  zu  entreisscn.  ^•')  Man  weiss  nun  freilich, 
dass  er  seine  Feinde  nie  schonte,  so  lange  sie  ihm  schaden 
konnten.'*'')  Nach  Sueton  widersetzte  er  sich  seinen  Colle"'en 
eine  Zeitlang  bei  dem  Beschlüsse  über  die  Acht,  und  war  grau- 
samer als  sie  bei  der  Vollzichunü::  auf  die  Benierkunc:  des  Le- 
pidus  im  Senat,  man  werde  die  Verfolgungen  nun  einstellen, 
erwiederte  er  nach  Junius  Saturninus:  er  werde  sie  nicht  ein- 
stellen, bis  reine  Bahn  sei.*^)  Liisst  man  die  Wahrheit  dieser 
Nachrichten  auf  sich  beruhen,  so  bcM  eis't  das  Schicksal  des  Q.  Gal- 
lius ,  ^8)  des  P.  Silicius,  *'•')  und  des  C.  Toranius,  welcher  nach 
Einigen  sein  Vormund,  und  mit  seinem  Vater  Aedil  gewesen 
war,-'''^)  was  Hoss  und  Ehrgeiz  auch  über  ihn  vermochten.  Es 
crgiebt  sich  ohnehin,  dass  er  heuchelte,  wenn  er  ^Menschlichkeit 
empfahl;  denn  wer  den  Zweck  will,  will  aucli  die  Mittel.  5i)  2u 
diesen  gehörte  aber  ganz  vorzüglich  die  Ermordung  Ciceros,  in 
welchem  die  Gegenpartei  nach  irgend  einem  Unfälle  der  Triumviru 
sogleich  wieder  einen  Vereinigungspunct  und  AVortführer  gefun- 
den haben  würde.  Bei  seinen  Ansprüchen,  wegen  wirklicher 
oder  eingebildeter  Verdienste  der  Erste  im  Staate  zu  sein,  bei 
der  Unmöglichkeit,     diess    zu  erreichen,     wenn    nicht  der  Staat 


42)  Plin.  7.  40.  (15).  43)  Veiiej.  2,  GG.  Tacif.  Ann.  1.  9.  Suet. 
Oct.  27.  Flor.  4,  G.  §.  2  u.  0.  41)  Dio  47,  7.  8.  Zon.  10,  17.  45) 
Plut.  Cic.  46.  Anlon.  19.  40)  Tacit,  Ann.  1,  2.  47)  Suet.  1.  c.  Vgl. 
das.  c.  70:  CorinthiariuB.  u.  unten  §.  56.  in.  48)  §.49.  A.  44.  49)  Dag. 
A.  40.  50)  Suet.  27.  App.  4.  596.  599.  644.  Val.  Älax.  9,  11.  §.  5. 
Oros.  6,  18.  Oclavian  verhinderte  seine  Ermordung  nicht,  aus  Gefällig- 
keit gegen  Antonius  ,  welcher  von  dem  eigenen  Sohne  des  Toran.  ge- 
vronnen  war.     Unten  §.  55.  A.  30.     51)  Dio  47,  7. 


368  V.  ANTONrr.        (14.  g.  5i.) 

mit  seinen  alten  Formen  und  Gebrechen  fortbestand,  war  «r 
nnversöhnlich ,  wenn  ein  Anderer  die  erste  Stelle  einnahm ,  und 
Senat  und  Gerichte  beherrschte.  War  es  der  Grösse  und  Hoch- 
herzigkeit Ciisars  nicht  gelungen,  ein  Abkommen  mit  ihm  zu 
treffen,  so  durfte  Octavian  es  noch  weniger  hoffen.  Und  was 
fesselte  ihn  an  Cicero  1?  Welchen  Grund  hatte  er,  den  Erfolg 
seiner  wichtigsten  Unternehmangen  von  dessen  Schicksale  ab- 
hängig zu  machen?  Wusste  er  etwa  nicht,  warum  jener  ihn  vor 
der  Schlacht  bei  Mutina  begünstigt  und  wie  er  spater  gegen  ihn 
gehandelt  hatte?  Ohne  es  zu  wollen  verwandelt  Plutarch  selbst 
den  dreitägigen  Streit  um  das  theure  Haupt  in  eine  Posse, 
indem  er  es  zuletzt  für  einen  billigen  Preis,  für  den  Kopf  des 
Lucius  Cäsar  hingeben  lässt.  ^2) 

Die  beiden  anderen  „Schüler  des  Sulla"  ^^^  hatten  mehr 
Feinde ,  Meil  sie  als  ältere  Männer  und  wegen  ihres  Ranges 
in  die  bürgerlichen  Unruhen  tiefer  verwickelt  waren.  Man  setzt 
daher  voraus,  dass  sie  ärger  wütheten,  5*)  und  würde  nicht 
irren ,  wenn  man  die  Rachgier  für  die  einzige  oder  auch  nur 
für  die  vorzüglichste  Ursach  der  Proscriptionen  halten  dürfte. 
Cicero  freilich  und  seine  Werkzeuge  konnten  bei  Antonius  nicht 
auf  Gnade  hoffen.  Uebrigens  war  dieser  Triumvir  aus  gan» 
anderen  Gründen  am  meisten  zu  fürchten.  Zunächst  wegen 
seiner  Sinnlichkeit  und  Schwelgerei.  Reichthum  verdammte  und 
schon  der  Besitz  eines  Gegenstandes,  welcher  Werth  für  ihn 
hatte ;  Verres  wurde  geächtet ,  weil  er  ihm  corinthische  Gefässc 
verweigerte,-''^)  Nonius,  der  Senator,  wegen  einer  Gemme, ^''>' 
und  wenn  das  Leben  des  Coponius  mit  der  Ehre  seiner  Frau 
erkauft  wurde,  ^^)  so  musstc  jeder  für  sein  Leben  oder  für  seine 
Ehre  zittern,  dessen  Gattinn  die  Aufmerksamkeit  des  Wüstling« 
auf  sich  zog.  In  müssiger  Zeit  ergab  sieh  Antonius  auch  dem 
Laster,  Avelches  Cicero  vor  anderem  an  ihm  tadelt,  und  er  ge- 
bot und  gestattete  Manches,  weil  er  berauscht  war.  *8)  Noch 
weit  mehr  Frevel  kommen  aber  auf  Rechnung   seiner  Gemahlina 


52)    Aiitnn.    19.    comp,    üenietr.    c.    Anton.    5.     53)    Juvenal.    2,   28. 
54)  Vellej,   2,    C6.     Dio    i? ,    7.  8.    Plut.   Anton.    21.   Zon.   10,     17.   Flor. 
4,  6.   Plin.  7.   10.  (12):   Anton,  prosrriptor.     55)  Plin.  34,  8.(2.)  Lactant. 
2,    4.    fin.     50)    Plin.     37,    21.    (G.)      57)    App.  4,    012.     58)  Sentc  tp 
83.  fin. 


V.  ANTONü.        (14.  §.  54.)  309 

Fulvia,  welche  (lief?e  Schreckriistagc  Leimtztc,  Schätze  zu  sam- 
meln, und  für  vielfache  Schmacli  sich  zu  rächen,  ^'■♦^  Lepidiis  war 
ohne  AVillen  und  ohne  Macht.  Er  Hess  seine  Collegcu  schalten^ 
und  freute  sich  seiner  Sclieingrösse  und  der  Summen,  mit  wel- 
chen er  sich  hereichcrte. ''"^  Sein  Verrath  war  offenkundig;  die 
vom  Senat  üher  ihn  verliängtc  Strafe  konnte  ihn  kaum  erbit- 
tern; daher  die  widersprechenden  Urtheilc  ühcr  ihn.  ^') 

Als  man  sich  geeinigt  hatte,  Avurdc  der  Vertrag  schrift- 
lich abgefasst  und  beschworen.  '•-)  Die  Heere  erwarteten  nach 
den  angcmassten  Rechten  eine  Mittheilung  des  Inhalts,  und  sie 
sollten  ohnehin  Zeugen  und  Bürgen  sein  und  sogleich  erfahren, 
wie  sehr  man  sich  mit  ihi'cm  Wohle  beschäftige.  Daher  wurde 
ihnen  von  Octavian  als  Consul  die  Urkunde  vorgelesen ,  jedoch 
mit  Uebergehung  des  Abschnitts,  welcher  die  Proscription  betraf. 
Ein  Freudengeschrei  und  eine  gegenseitige  Bcgrüssung  als  Zei- 
chen des  Friedens  und  der  Freundschaft  bewies ,  v/ie  erw'inscht 
ihnen  war,  was  sie  vernalimcn ,  und  imi  dem  Bunde  mehr  Fe- 
stigkeit zu  geben,  bewirkten  sie,  wohl  auf  einen  Wink  des 
Antonius,  ^3)  dass  Octavian  sicli  mit  dessen  Stieftochter  CloJia, 
Fulvias  Tocliter  aus  ihrer  Ehe  mit  P.  Clodius ,  verlobte ,  ^V 
obgleich  schon  die  Tochter  des  P.  Servilius  Isauricus  ihm  ihre 
Hand  zugesagt  hatte.  *'^) 

Der  Consul  Pedius  erhielt  von  den  Triumvirn  den  Auftrag, 
siebzehn  der  Angesehensten ,  und  unter  ihnen  Cicero ,  \or  ihrer 
Ankunft  in  Rom  zu  tödten.*'''^^  Vier  starben  sogleich,  unter 
anderen  der  Tribun  Salvius  bei  einem  Mahle,  wozu  er  in  Vor- 
aussicht seines  Schicksals  seine  Freunde  geladen  hatte;  '^^J  die 
Uebrigen  wurden  gesucht.  Im  vorigen  Bürgerkriege  hatte  man 
bei  jeder  Rückkehr  Cäsars  aus  dem  Felde  Proscriptionen  erwar- 
tet und  sich  immer  getäuscht;  zum  Dank'  erschlug  man  ihn 
und  das  Gefürchtete  kam.     Als  es  in  der  Naclit  ruchtbar  wurde, 


59)  App.  4,  C06.  Dio  47  ,  8.  Val.  Max.  9,  5.  §.  4.  GO)  Flor,  4,  6. 
§.  2.  Gl)  Dio  47,  7.  8.  Zonar.  1.  c.  62)  App.  4,  591.  Dio  46,  55.  56. 
47,  1.  22.  G3)  Dio  46,  5G.  64)  Vellej.  2.  05.  Suet.  Octav.  62.  Dio  1. 
c.  u.  48,  4.  5.  PJut.  Anton.  20.  Gros.  G.  18.  Zonar.  10,  10.  Vgl.  App^ 
J.  c.  u.  Flor.  4,  6.  §.  3.  Unten  §.  68.  A.  10.  65)  Sueton.  1.  c.  00) 
Zwölf  oder  siebzehn  sagt  App.  4,  592,  dann  hat  er  das.  fin.  u.  593.  597« 
stets  die  letzte  Zahl.     07)  Der«-  598.  599.    Perirnn.  Anim.  bist.  p.  55. 

24 


370  V.    ANTONII.       (14.  §.  54.) 

dass  Mörder  in  die  Häuser  drangen,  und  niemand  wusstc,  wer 
und  wie  viele  dem  Tode  bestimmt  seien ,  erhielt  Rom  plötzlich 
das  Ansehn  einer  mit  Sturm  eroberten  Stadt;  überall  AVehkla- 
gen  und  Flüchten,  dann  leere  Drohungen  und  Ausbrüche  der 
Verzweiflung ,  und  nirgends  ein  männlicher  Entschluss.  Man 
wollte  Feuer  anlegen,  um  sich  zu  rächen,  aber  man  verthcidigte 
sich  nicht.  Gleich  kläglich  war  der  Zustand  des  Pedius;  schlecht 
genug,  um  zum  Morde  die  Hund  zu  bieten,  wurde  er  bestürzt, 
als  er  Alles  in  Aufruhr  sah.  Eine  ungeheure  Verantwortlichkeit 
lastete  auf  ihm,  und  er  war  ohne  Macht,  nicht  einmal  im  Ge- 
heimniss.  Er  eilte  umher,  betheuerte,  dass  man  nicht  Ursach 
habe,  zu  fürchten,  und  bat,  nur  den  Tag  zu  erwarten,  und 
kaum  war  dieser  angebrochen,  als  ein  öfl'entlicher  Anschlag  die 
Namen  der  Siebzehn  bekannt  machte,  welche  als  Urheber  des 
Bürgerkrieges  rerurtheilt  seien ,  und  allen  Andern  Sicherheit 
verbürgte.  AVenige  Stunden  nachher  erlag  der  Consul  den  Fol- 
gen der  Gemütlisbewegung  und  zu  heftigen  Anstrengung.  ^^) 

Bei  der  Nachricht  Aon  dem  Bunde  der  Drei  hatte  man  in 
Rom  viele  Zeichen  und  Wunder  gesehen  und  ein  etruscischer 
Haruspex  sie  auf  Königsherrschaft  und  Sclaverei  gedeutet.  *♦'■') 
Die  Könige  erschienen ,  Octavian  als  Consul  an  der  Spitze, 
von  seiner  prutorisclien  Cohorte  und  einer  Legion  begleitet- 
eben  so  am  nächsten  und  dritten  Tage  Antonius  und  Lepidus.  ^'') 
Die  Stadt  füllte  sich  mit  Bewafl'neten ,  welche  sich  an  den  ge- 
eisnctcn  Orten  aufstellten.  Cäsars  schreckliche  Todtenfeier 
wurde  vorbereitet,  zunächst  aber  sollte  das  Volk  die  Theilung 
seines  Erbe  genehmigen.  Ohne  die  übliche  Frist  von  drei  Nun- 
dinen  bestätigte  es  auf  den  Antrag  des  Tribuns  P.  Titius^^)  ein 
Gesetz,  worin  es  den  Triumvirn  auf  fünf  Jahre  die  angemasste 
Gewalt  verlieh.  ''-)  Man  musste  ihnen  glauben,  dass  diese  das 
Beste  des  Staats  bezwecke,  sie  bitten,  sich  den  Wünschen  ihrer 
Mitbürger  zu  fügen ,  und  durch  Freudenfeste  ihnen  danken.  '^) 
So  traten  sie  am  27.  November  43  v.  Chr.  711  a.  u.  ihr  Amt 
an,  um  es  bis  xum  letzten   December  38  —  71G  zu  verwalten, 


C8)  Der«.  4,  502.  Dio  47,  15.  69)  App.  4,  591.  Dio  47,  2.  70) 
App.  4,  592.  Dio  47,  1.  2.  Oros.  C,  18.  Zoiiar.  10,  IG.  71)  §.  49.  A. 
28.     72)  App.  J.  c.    Dio  47,  2.     73)  Dio  I.  c.  Vaillant.  Aeuiil,  No.  30. 


V.  ANTONII.         (14.  §.  54.)      371 

ex  a.  »1.  V.  Knl.  Dcc.  ad  pr.  Kai.  Jan.  Sext.  "^'  Die  sechsten 
Calcnden  des  Januar  sind  der  I.  Jan.  des  sechsten  Jalircs,  wie 
die  ersten  Idus  des  AFärzcs  hei  Cicero  "^^  die  nächsten  Idus  oder 
der  15.  März  des  laiifendcn  Jahres.  Am  1.  Januar  37  —  717 
würde  darnach  das  Triumvirat  aufgehört  hahen,  und  da  die 
Fferrschcr  dicss  nicht  wollten,  so  niuss  man  nach  den  Fasten 
annehmen,  dass  sie  es  a.  38  auf  5  Jahre  verlängerten.  Wenn 
fprner  dieser  zweite  Zeitraum  am  I.  Jan.  37  —  717  begann, 
so  endigte  er  sicli  am  letzten  Dccember  33  —  721  und  am  1. 
Jan.  dieses  J.  als  Octavian  sein  zweites  Consulat  iihernahm, 
war  er  allerdings  noch  Triumvir.  ^'')  Die  Scliriftsteller  stimmen 
hier  aber  nicht  mit  den  Fasten  üherein.  Nach  Ajtpian  ''')  und 
Dio**)  erfoltrte  die  Verlängerung  erst  a.  36  —  718  bei  der 
Zusammenkunft  des  Octavian  und  Antonius  zu  Tarent,  und 
daraus  erklärt  es  sich,  dass  jener  ^'•*-'  bei  d.  J.  33  bemerkt,  es 
seien  noch  2  Jahre  der  zweiten  Pentaetie  übrig  gewesen.  Es 
ist  aber  eben  so  wenig  glaublich ,  dass  die  Drei  über  ein  Jahr 
im  Besitze  ihrer  Gewalt  blieben ,  ohne  vom  neuen  von  dem 
Volke  bestätigt  zu  sein,  als  dass  sie  diese  Bestätigung  fiii- über- 
flüssig hielten;  in  beiden  Fällen  wären  sie  Tyrannen  gewesen, 
und  sie  wollten  für  Magistrate  gelten.  ^^)  Uebrigcns  setzten  sie 
nach  dem  Beispiele  Cäsars,  welcher  es  sich  zuerst  erlaubt  hatte, 
ihr  Bild  auf  die  Münzen,  ^^)  mit  und  auch  ohne  den  Zusatz 
illvir,  dessen  sich  Octavian  bald  enthielt;  auch  findet  man  die 
Köpfe  und  Namen  von  Octavian  (Cäsar)  und  Antonius  oder  Le- 
pidus  vereinigt.  *-)  Dem  Vertrage  gemäss  ^'■^)  legte  der  Erste 
als    Consul    nieder    und    ihm    und    Pedius    folgten    für    die  noch 


71)  Tab.  Collot.  bei  Pigb,  3.  p.  474.  Marlian.  Annal.  a.  710.  Grufer. 
p.  298.  No.  1.  Cliish.  Ant.  Asiat,  p.  182  zu  Marm.  Aucjr.  tab.  1.  v.  0. 
Orell.  Inscript.  Vol.  1.  p.  155.  No,  591.  V'gl.  Noris.  Cenot.  Pisan.  dhw. 
2.  c.  10.  p.  391.  EckheJ.  C.  p.  70.  f.  Unten  §.  63.  A.  10.  75)  8  Pbil. 
II.  70)  App.  lUyr.  c.  28.  Vgl.  Pigb,  3.  p.  488.  ad  a.  715.  Unten  §.  66. 
A.  27.  77)  5,  727,  78)  48,  54.  Zonar.  10,  24.  7  9)  III yr.  1.  c.  80) 
App.  spricht  1.  c.  in  dieser  Beziehung  von  einem  Gesetze,  u.  li.  C.  5. 
727.  läugnet  er,  dass  das  Volk  befragt  sei.  81)  Morell.  thesaur.  August. 
Tab.  I.  No.  4.  f.  Eckh.  6.  p.  34.  37.  72.  V^aill.  Anton.  No.  8.  f.  Aemil, 
Xo.  27,  f.  82)  Vaill.  Aemil.  No.  35.  Anton.  No.  12.  18.  19,  Eckb.  U. 
p.  37.     83)  §.  53.  A.   13. 

24* 


372  V,  ANTON».         (ii,  §    55 ) 

übrigen   Tage   des  Jahrs  P.  Vcntidius,    dessen  Prätur  auf  einen 
Aedii  übcrgieng,  und  C.  Carrinas.^*) 

§  55. 

Bei  dem  Angriffe  auf  Leben  und  Gut  ihrer  Mitbürger  hat- 
ten die  Triumvirn  angeblich  keine  andere  Absieht ,  als  die  Ord- 
nung im  Staate  herzustellen ,  ihn  insbesondere  gegen  die  Ver- 
schworenen in  Scluitz  zu  nehmen,  und  Ctisars  Tod  zu  rächen. 
Sie  heuchelten  zu  allen  Zeiten  eine  grosse  Ehrfurcht  gegen  den 
Dictator,s^J  wie  später  die  Kaiser  gegen  August.  Als  seine 
Rächer  fochten  sie  bei  Philippi^''^  und  nur  seinen  Mördern  ver- 
weigerten sie  im  Vergleiche  mit  Sex.  Pompejus  a.  39  die  Rück- 
kehr. ^"^^  Vor  Anderen  hielt  diess  Octavian  für  seine  Pflicht ;  ^^^ 
Rom  hatte  mit  gutem  Grunde  Cäsar  und  Clementia  ein  gemein- 
schaftliches Heiligthum  geweiht,  ^'•*)  und  er  gelobte  im  philippi- 
schen Kriege  dem  Mars  Ultor  einen  Tempel ,  ^")  ordnete  dann 
ein  Dankfest  A'on  der  Dauer  eines  Jahres  an,^^)  und  Hess  Sex. 
Pompejus  a.  36  von  Sicilien  entfliehen ,  weil  er  jetzt  überzeugt 
Avar,  dass  er  nicht  zu  den  Verscliworenen  gehörte.  ^~)  Antonius 
hatte  das  Andenken  des  grossen  Mannes  schon  früher  durch  den 
Missbrauch  seines  Namens  geschändet,  93)  dann  aber  mit  treuer 
Gesinnung  gegen  seinen  Wohlthäter  den  jungen  Cäsar  daran 
erinnert,  was  er  diesem  Namen  schuldig  sei.  '-'i'  Das  Gaukel- 
spiel wurde  auch  von  ihm  fortgesetzt,  so  lange  es  ihm  frommte ; 
auch  er  begnadigte  bei  Philippi  und  dann  in  Asia  fast  Alle,  nur 
nicht  Petronius  und  die  Uebrigen ,  welche  am  1 5.  März  das 
licben  verwirkt  und  sich  erkühnt  hatten,  den  Hochverdienten 
einen  Tyrannen  zu  nennen.  ^^) 


84)  Tab.  Collot.  bei  Figh.  3.  p.  472.  u.  Marliaii.  1.  c.  A'eliej.  2,  C5. 
Dio  47,  15.  Gell.  15,  4.  Juvenal.  7.  g.  F..  Val.  Max.  (i,  n.  §.  9.  85) 
nio  47,  18.  19.  80)  Ders.  47,  12.  87)  De«.  4fi,  36.  App.  5,  714. 
88)  Pielfts  erga  puientcm  —  ohtenlni  sinnpla.  Tacil.  Ann.  1.  10.  Suef 
üctav.  10.  15.  Flor.  4,  0.  §.  2.  89)  App.  2,  494.  Dio  44,  ß.  Plul.  Cacs. 
57.  u.  d.  Münzen.  S.  Jiilii  Caesar  Dlct.  90)  Mon.  Ancyr.  (ab.  4.  r.  21. 
rhish.  Aiiti<|.  Asiat,  p.  174  u.  195.  Vellej.  2,  100.  Suet.  Oflav.  29.  Ovid. 
Fast.  5  509.  575.  91)  Dio  48  y  3.  92)  App.  5.  744.  93)  Oben  §.  II. 
n\)  Ci.v   n  Phil.  11.  VcIIcj.  2,  (.5.     o-i)  App.   5,  (i7?i.  074. 


V.  ANTÖNU.        (11.  §.  55.)       373 

Demnach  besagte  das  Proscriptions -Edict:  ^*'J  Cäsar  sei 
von  Umlankbarcn  erschlagen,  ^vt^lchc  er  begnadigt  und  mit 
Wühltliaten  überhäuft  habe;  statt  sie  zu  bestrafen,  habe  man 
ihnen  Provinzen ,  Heere  und  Geld  gegeben.  Sie  rüsten  gegen 
Cüsavs  Freunde  und  gegen  das  Vaterland,  und  bieten  selbst  die 
Barbaren  auf,  die  ewigen  Feinde  Roms.  Man  müsse  ihnen  zu- 
vorkommen. Einige  unter  ihnen  haben  bereits  gebüsst,  auch 
die  Uebrigen  werden  nicht  entrinnen.  Aber  sie  haben  Anhänger 
in  Rom,  welche  nur  eine  günstige  Gelegenheit  erwarten,  sicli 
für  sie  zu  erheben ,  welche  den  Triumvirn  zuerst  den  Krieg 
angekündigt,  sie  und  ilirc  Heere  geächtet  und  damit  den  Un- 
tergang einer  unzähligen  Menge  von  Bürgern  beschlossen  haben. 
Diese  könne  man  nicht  oline  Gefahr  zurücklassen;  doch  wolle 
man  nur  die  Strafbarsten  züchtigen,  und  sie  vermittelst  ößeut- 
liclien  Anschlags  bezeichnen  und  vorbereiten,  zugleich,  damit 
kein  Unschuldiger  leide.  Niemand  also  möge  diejenigen,  welche 
das  folgende  Vcrzeichniss  nenne ,  aufnehmen ,  verbergen  oder 
ihnen  zur  Flucht  behülflich  sein,  bei  Strafe,  selbst  geächtet  zu 
werden.  '■>'')  Die  Köpfe  der  Getödteten  habe  man  an  die  Trium- 
virn abzuliefern,  ^8)  welche  für  jeden  dem  Freien  25000  Denare, 
dem  Sclaven  10000  und  überdiess  Freiheit  und  Bürgerrecht  zu- 
sichern. Dieselbe  Belohnung  sei  den  Angebern  bestimmt;  die 
Namen  werde  man  in  den  öffentlichen  Rechnungsbüchern  ver- 
schweigen. '•''•'-' 

In  der  Nacht  nach  der  Bestäticrunof  des  Triumvirats  wurde 
das  Edict  mit  den  Proscriptions -Tafeln  an  vielen  Orten  der 
Stadt  angeschlagen, i"OJ  und  wie  jenes  im  Namen  des  Lepidus, 
Antonius  und  Octavian  erschien,  so  las  man  auf  diesen,  und 
zwar  auf  der  ersten  Tafel,  im  Verzeichnisse  der  Senatoren,  in 
einer  entsprechenden  Ordnung  zuerst  die  Namen  des  L.  Paullus 
und  des  li.  Cäsar,  und  auf  einer  zweiten  oder  in  der  Liste  der 
Ritter  und  der  Uebrigen  zuerst  die  Nauien  des  Bruders  von  L. 
Plancus  und  des  Schwiegervaters  von  Asinius  Pollio;  denn  man 
trennte  die  Geächteten  nach    dem    Range,     angeblich,    um  Ver- 

96)  Ders.  4,  593  f.  97)  Vgl.  Dio  47,' 7.  98)  App.  4,  593.  595. 
597.  fil4»  Dio  47,  3.  Lucan,  7.  305.  Flor.  4,  C.  §.  5.  Vgl.  3,  21.  §.  14. 
Zonar.  10,  IG.  99)  Damit  man  «las  Geld  nie  zurückfordern  könne.  Dio 
1"    0.  riu(.  Cato  Min.  17      IW)  App.  4.  ^93- 


374  V.  ANTOMl.  (14.  §.  55.) 

vechslung  zu  verhüten.  ^)  Rom  erhielt  eine  grosse  Anzahl  von 
Schriften  ühcr  diese  Ereignisse,  V  worin  es  nicht  an  Irrthümern 
und  an  ahsiclitlicher  Entstellung  fehlte.  Daher  herichtet  Orosius, 
dass  Cicero  von  Antonius  auf  der  Tafel  der  Senatoren  proscri- 
birt  sei,  ohgleicii  er  zu  den  Siebzehn  gehörte,  und  dass  man 
Toranius  als  Einen  der  Siebzehn  tödtete ,  während  nach  Appian 
sein  Name  auf  der  zweiten  Tafel  stand.  ■^^  Aus  demselben  Gründe 
sind  die  Geschichtschreiber  niclit  darüber  einig,  von  wem  und 
warum  die  Consulare  L.  Aemilius  Paullus,  der  Bruder  des  Le- 
pidus,  und  L.  Cäsar,  Antonius  Oheim ,  geächtet  wurden.  Jenen, 
sagt  man,  verfolgte  Lepidus,  ^)  Aveil  er  für  die  Kriegserklärung 
gegen  ihn  gestimmt  hatte,  ^)  und  diesen,  durch  eine  gleiche 
Beleidigung  gereizt,  Antonius.**)  Aber  man  meint  auch,  die 
beiden  Triumvirn  haben  ihre  Aechtung  nur  zugegeben ,  ''J  und 
wiederum  entweder  auf  Verlangen  der  CoUegen,  Antonius  na- 
mentlich, weil  Octavian  nur  gegen  L.  Cäsar  ihm  Cicero  über- 
lassen wollte,  ^)  oder,  weil  man  im  Allgemeinen  an  der  Spitze 
der  Listen  Namen  bedurfte,  welche  von  einer  unparteiischen 
und  rücksiclitslosen  Strenge  zeugten,  von  dem  aufrichtigen 
Wunsche,  den  Staat  um  jeden  Preis  zu  heilen,  'J)  während  man 
sich  vorbehielt,  so  nahe  ßlutsfreunde  zu  retten,  oder  doch  ihre 
Rettung  nicht  zu  hindern,  und  das  Letzte  ist  das  Richtige, 
nicht  bloss ,  weil  jene  Consulare  wirklich  begnadigt  w  yrden.  '"> 
Auch  ein  Bruder  des  L.  Plancus  war  unter  den  Proscribir- 
ten,  '0  nicht  Cn.  Munatius  Plancus,  praetor  a.  43  ^-)  welcher 
in  Gallien  unter  ihm  diente,  ^3)  sondern  ein  Anderer,  L.  Plau- 
tius  W  Plancus,  von  einem  Manne  dieses  Geschlechts  adoptirt.  '^) 


1)  Ders.  4.  595.  u.  597.  Die  47,  3.  Oros.  6,  18.  2)  App.  4.  598. 
g.  E.  3)  4,  690.  Oben  §.  54.  A.  50.  4)  Vellej.  2,  C7.  App.  4,  C44. 
Flor.  4,  6.  Oros.  G,  18.  Vgl.  Liv.  120.  App.  4,  502.  610.  Plut.  Anton. 
19.  5)  App.  4,  59,.  Die  47,  0.  G)  A.  4.  u.  (A.  Viel.)  de  vir.  ili.  85. 
7)  Plut.  Aiit.  19.  Cic.  46.  Seiiec.  Suasor.  6.  8)  Plut.  Ant.  19.20.  coinpar, 
Deirietr.  c.  An(.  5.  §.  54.  A.  52.  9)  App.  4,  595.  10)  Aeinilii  Lepid. 
f..  Pauli.  CU8.  50.  u.  Julii  J„  Caesar  coi.  G4.  11)  App.  1.  c.  12)  Cie. 
«d  Farn.  10,  17.  13)  Das.  10,  11.  15.  Vgl.  ad  AU.  16,  16.  u.  oben 
$■  51.  A.  43.  14])  Bei  den  Suhriftütellerii  meiiileits  Plolius;  doch  E. 
Ovid.  Faitl.  6.  G85.  Uie  Münzen  balien  Pluutius.  Vaitl.  Plaut.  Nu.  5. 
wo  die  Brüder  verwechselt  werden.  Eckh,  5.  p.  276.  15)  Vgl.  VVesBel. 
Ohkorv.   li.  21.  p.  'Si5.  u,   hier  Alunütii. 


V.  ANTONII.       (14.  §.  55.)  375 

VcIIejus  zeigt  stets  so  viel  V'orurthcil  gegen  Lucius ,  den  Statt- 
halter in  Gallien,  Cons.  a.  42  dass  darnach  auch  seine  Nach- 
richt zu  würdigen  ist,  der  Namen  des  Bruders  sei  auf  seine 
Bitte  in  die  Liste  gesetzt.  ^")  Dieser  Tcrrieth  sich  in  seinem 
Verstecke  im  Salernitanischen  durch  Salbengcruch,  wurde  aber 
doch  nicht  sogleich  gefunden ,  und  stellte  sich  den  Mördern,  da- 
mit sie  seine  treuen  Sdaven  nicht  länger  folterten.  '^)  Lucius 
Quintius,  der  Schwiegervater  des  Asinius  PoUio ,  entkam  nach 
dem  Meere,  und  stürzte  sich  bei  einem  Sturme  in  die  Wellen.  ^^) 

lieber  die  Zahl  der  Geächteten  bemerkt  Appian,  i^)  man 
habe  die  Namen  von  130  Senatoren  und  bald  wieder  150  andere 
angeschlagen ,  und  häufig  neue  hinzugefügt ,  auch  um  zufällig 
oder  ohne  Befehl  verübten  Mord  zu  rechtfertigen.  Obgleich 
zum  Theil  dadurch  nur  Lücken  ausgefüllt  wurden,  welche  durch 
Begnadigung  entstanden,  so  war  doch  bei  diesem  Verfahren  eine 
genaue  Angabe  der  Zahl  schon  den  Alten  nicht  möglich.  Sie 
sprechen  von  130,  20J  132,  ^U  140,-)  und  300  Senatoren,  23; 
und  von  2000  Rittern.  =4) 

Als  die  Tafeln  ausgehängt  Avaren,  wurden  die  Thore,  Ha- 
fen und  alle  Schlupfwinkel  bewacht,  und  Truppen  ausgeschickt, 
die  Schlachtopfer  aufzusuchen.  -^)  Alles  geschah  gleichzeitig 
und  plötzlich,  und  eben  so  schnell  wurden  die  wildesten  Leiden- 
schaften entfesselt.  Eine  solche  Zeit  der  Gährung  bringt  das 
Schlimmste  und  das  Beste  auf  die  Oberfläche  und  die  Extreme 
an  einander.  Alan  kann  von  ihren  Erscheinungen  nur  mit  gros- 
ser Vorsicht  auf  den  Character  eines  Volkes  oder  eines  Zeital- 
ters schliessen ,  denn  die  Möglichkeit  derselben  ist  in  der  Natur 
des  Menschen  stets  und  überall  gegeben.  Der  Römer  zitterte 
Tor  der  Gattinn ,  vor  den  eigenen  Kindern ,  vor  Sclaven  und 
Freigelassenen ;  Scliuldner  und  Nachbaren ,  welche  nacli  angrän- 
zenden  Läudereien  gelüstete.  Privatfeinde,  Alle,  für  welche  das 
Blutgeld  Reiz  haben  konnte,    wurden  als  gedungene  Henker  ge- 


16)  2,  67.  17)  Plin.  13.  5.  (3).  Solin.  c.  40.  Val.  Max.  6,  8.  §.  5. 
18)  App.  4,  5Ö5  u,  C05.  S.  Asinii.  10)  4,  593.  20)  Liv.  120.  21) 
OroB.  0,  18.  22)  Flor.  4,  G.  23)  App.  4,  592.  593.  Auf  Senatoren 
bezieht  sich  auch  die  Uestiinraung  2  —  300  bei  Pluf.  Cic.  46.  Brut.  27. 
Anton.  20.  24)  App.  4,  502.  Vgl.  Liv.  u.  Oros.  11.  cc.  25)  App.  4.  SOG. 
Die  47,  3. 


370  V.  ANTONIL  (14.  §.  55.) 

fürchtet ,  und  auf  der  anderen  Seite  Familie  und  Freunde  ins 
Verderben  gestürzt,  Mcnii  man  ihren  Beistand  annahm.  Anch 
in  den  Besseren  wurde  das  Cefülil  abgestumpft;  wer  seinen 
Namen  nicht  auf  der  Tafel  sah ,  freute  sicli  seiner  Sichcrlicit, 
und  noch  leichter  war  die  Menge  versöhnt,  da  so  viel  herrenlo- 
ses Gut  ihr  zuhcl.  26)  Q,  Jjigarius  wurde  mit  einem  seiner 
Brüder  von  seinen  Sciaven  verrathcn;^^)  eben  so  Aterius;  -^)  Naso 
und  ^'arus  von  ihren  Freigelassenen.  -'■')  C.  Toranius  bat  um  Frist, 
damit  sein  Sohn  sich  für  ihn  bei  Antonius  verwenden  könne, 
und  erfuhr,  dass  jener  eben  auf  seinen  Tod  angetragen  habe.  3") 
Der  Sohn  des  Prütor  L.  Villius  Annalis  führte  die  Soldaten  an 
den  Ort,  wo  sein  A  atcr  sich  verborgen  hatte,  und  erliielt  seine 
Güter  und  die  AedilitiLt  zum  Lohne.  ^U  Scptimius  suchte  Schutz 
bei  seiner  Gattinn;  sie  machte  ihn  sicher,  und  überlieferte  ihn, 
denn  sie  selbst  hatte  durch  iliren  Buhlen ,  einen  Freund  des 
Antonius,  mit  welchem  sie  sich  vermahlte,  seine  Aechtung  be- 
wirkt.-^-) Aehnliches  wird  von.  den  Frauen  des  Vettius  Salassus 
und  Fulvius  berichtet.  '■^'^^ 

Doch  findet  man  auch  Beispiele  vom  Cegentheile,  wobei 
die  von  Vellejus  ^^3  gemachte  Abstufung  sich  nicht  bewährt.  Meh- 
rere Freunde  des  berühmten  M.  Varro  wetteiferten ,  ihn  aufzu- 
nehmen, und  gefahrlos  lebte  er  auf  der  Villa  des  Calenus,  ob- 
gleich Antonius  sie  zu  besuchen  pllcgte.  ^^^  Marcius  wurde  durch 
seineu  Solaven  erhalten;  '^'^^  Antius  Restio  durch  einen  SclaA-en, 
welcher  von  ihm  gebrandmarkt  war,  und  um  die  Verfolger  zu 
täuschen  einen  anderen  ersclilug.  ^^3  Man  lies't,  dass  Sciaven 
die  Folter  ertrugen,  ohne  den  Aufenthaltsort  ihrer  Herren  an- 
zugeben ,  38)  oder  deren  Kleidung  anlegten  und  für  sie  starben, 
unter   Anderen   für   Menenius  sa)  und   für  Urbinus ,  *")    oder  die 


20)  App.  1.  c.  u.  597.  G44.  Nepos  Attic.  11.  27)  App.  4,  COl.  S. 
Julii  Caesar  Dict.  a.  44.  28)  App.  4 ,  COO.  29)  Ders.  Ü04.  C05.  30) 
Ders.  599.  Val.  IVIax.  0,  11.  Oben  §.  54.  A.  50.  31)  App.  u.  Val.  Max. 
11.  cc.  32)  App.  Gü2.  33)  Ders.  Ü03.  Val.  Max.  1.  c*  31)  2,  C7.  Vgl. 
App.  4.  597.  u.  CIO,  35)  App.  GIG.  Vgl.  Die  47,  11.  36)  App,  014. 
37)  Ders.  1.  c.  Dio  47,  10.  Macrob.  Sat.  1,  11.  Val.  Max.  G,  8.  38) 
Oben  A.  17.  39)  App.  014.  DIo  1.  c.  40)  Dio  Macrob.  Val.  Max.  II.  rc. 
Zoliar.  10,  17.  Scnec.  ilo  benef.  3,  25.  A^u  GM.  erzählt  Gleiches  von 
einem  !)claven  des  AppiiLS. 


V.  ANTONII.        (14.  §.  55.)       377 

Mörder  tödtctcn  und  dann  sich  selbst.  **)  Gleiche  Treue  hewie- 
seu  Pliilopocmcn  gegen  seinen  ehemaligen  Herrn  T,  Vinius,  *2) 
und  die  Freigelassenen  des  Ventidius  ^^)  und  Labienus.  **)  Ein 
CJeächteter ,  welcher  sein  Schicksal  nicht  kannte ,  g'eng  den 
Soldaten  entgegen,  um  sich  für  seinen  Bruder  aufzuopfern,  ^^-^ 
und  Vcllejus  (lachte  nicht  an  die  Söhne  des  Egnutius,  Aruntius, 
Q.  Cicero,  llosidius  Geta,  Oppius,  Arrianus  u.  A.  ^^)  als  er 
schrieb,  es  finde  sich  kein  Beispiel  kindlicher  Liebe  und  Treue. 
Auf  der  anderen  Seite  mochte  Octavius  Baibus  nicht  leben,  als 
er  glaubte ,  sein  Sohn  sei  ergriffen.  '*^J  Auch  wurden  Mehrere 
von  ihren  Gattinnen  mit  eigener  Lebensgefahr  verborgen ,  ge- 
rettet, oder  auf  der  Flucht  begleitet,  *s)  Q.  Lucretius,  Cons^ 
19  V.  Chr.  von  Thuria,^^)  Lentulus  Cruscellio  von  Sulpicia, ^o) 
T.  Vinius  von  Tanusia ,  ^0  M'  Acilius  Crassus ,  ^2)  Ligarius,  ^^) 
C.  Antistius  Rheglnus ,  Appulejus  und  Coponius.  ^^)  Selbst  die 
Krieger,  welclie  sich  zu  Henkern  herliehen,  schonten  zuweilen 
aus  Mitleiden  oder  Achtung ,   oder  fiir  höheren  Lohn.  ^5)  - 

So  entkamen  Viele  mit  treuer  Hülfe  oder  dui'ch  einen 
glücklichen  Zufall  über  das  Meer^''-'  zu  M.  Brutus  und  Cassius, 
zu  Q.  Cornificius  nach  Afrika,  oder  zu  Atticus  nach  Epirus, 
die  Meisten  jedoch  zu  Sex.  Pompejus  nach  Sicilien.  ^^)  Mancher 
rettete  sich  durch  List  und  Gegenwart  des  Geistes;  unter  Ande- 
ren Pomponius,  ^s;  Appulejus  und  Aruntius,  5^)  M.  Volusius  *''U 
und  llebilus.  ^i)  A'^etulinus  sammelte  andere  Flüchtlinge  und 
Missvergnügte,  und  bahnte  sich  mit  beAvaffneter  Hand  den  Weg 
nach  Sicilien;  mit  derselben  Entschlossenheit  vereitelten  Hirtius, 
Appulejus  und  Aruntius  die    Absichten   ihrer    Verfolger,  ^-)     -wo- 


41)  App.  G04.  42)  Dio  47.  7.  Bei  App.  614.  wird  der  Herr  Junius, 
und  d.  Freigel.  Philemon  genannt.  Suet.  Octav,  27.  43)  App.  616.  44) 
Macrob.  Sat.  1,  11.  Vgl.  App.  604.  45)  App.  602.  46)  Ders.  601.  612. 
613.  Dio  47,  10.  Zonar.  10,  17.  47)  App.  601.  Val.  Max.  5,  7.  48) 
Vellej.  2,  67.  App.  4.  610.  49)  App.  615.  Dio  54,  10.  Val.  Max.  6,  7. 
50)  App.  612.  Val.  Max.  J.  e.  S.  Cornelii  Lentuli.  51)  Dio  47,  7.  52) 
App.  611.  Oben  §.  48.  A.  89.  53)  App.  602.  ^n.  54)  Ders.  612.  55) 
Ders.  606.  612.  u.  617.  50)  Dio  47,  9.  Flor.  4,  6.  57)  App.  610.  Dio 
47,  12.  Zonar.  10,  17.  Nepos  Attic.  11.  Pompeji.  Sex.  Pompej.  58)  App. 
615.  Val,  Max.  7.  3.  erzählt  dasselbe  von  Senlius  Saturninus  Vetulio. 
59)  App,  1.  c.  60)  Ders.  610.  Val.  Max.  1.  c.  61)  App.  617,  .62)  Ders. 
603.  61  1.  015, 


378  V.  ANTONII.         (14.  §.  55.) 

gegen  das  Beispiel  des  Cestius  u.  A.  beweiset,  dass  mau  aus 
Furcht  vor  dem  Tode  sich  tödteu  könne.  ^■^)  Ais  der  erste 
Sturm  vorüber  war,  setzte  man  voraus,  die  Geächteten  seien 
gefallen  oder  aus  Rom  und  Italien  entflohen;  diess  gereichte 
denen  zum  Vortheil,  Avelche  blieben  und  sich  verbargen,  bis  die 
Verhältnisse    sicl/,  verändert    hatten.  •'*) 

Die  Triumvirn  begnadigten  Einige  sogleich,  Andere  später, 
und  beförderten  sie  zum  Theil  zu  hohen  Ehreiistellen  oder  dul- 
deten sie  doch;  dahin  gehören  Q.  Lucretius, ''^>>  M.  Valerius 
Messala,  ö**)  M.  Terentius  Varro,*"^)  und  Sittius.  ^8)  Octavian, 
von  welchem  Sueton  sagt,  dass  er  unerbittlich  gewesen  sei,'''') 
wie  Antonius  nach  Dios  Versicherung  nur  seinem  Oheim  ver- 
gab, ^")  hüb  die  Acht  gegen  T.  Vinius,  Murcus  und  Publius 
tiuf,^')  und  mancher  Edle,  welcher  sich  als  Retter  gezeigt  hatte, 
wurde  von  ihm  belohnt,  mancher  Verräther  bestraft.^-)  Lepidus 
widersetzte  sich  der  Flucht  seines  Bruders  nicht,  ^^)  und  wenn 
Antonius  oft  nur  für  Geld  Namen  im  Verzeichnisse  tilgte,  und 
andere  dafür  eintrug ,  ''*)  so  verschonte  er  doch  aus  besseren  oder 
anderen  Gründen  L.  Cäsar,  Sergius ,  ^^)  T.  Pomponius  Atticus 
und  Q.  Gellius  Canus.  ^ß)  Dagegen  starb  jetzt  M.  Fidustius, 
ein  Senator,  welcher  schon  von  Sulla  geächtet  Mar.  ^'')  Auch 
Cicero  wurde  getödtet,  und  sein  Bruder  Quintus  und  dessen 
Sohn;  sein  eigener  Sohn  war  bei  M.  Brutus.  ''^)  Die  Gesammt- 
zahl  der  Erschlagenen  ist  unbekannt,  '^'■^)  Wie  gross  oder  gering 
sie  auch  sein  mochte,  so  lag  doch  das  Grauenvollste  dieser  Er- 
eignisse ,  das  Eigenthümliche  ihrer  Schrecken  nicht  in  der  Menge 
der  Opfer,  überhaupt  nicht  im  Morden  au  sich,  sondern  in  der 

C3)  Ders.  604.  Dio  47,  9,  64)  App.  610.  616  fio.  65)  Oben  A.  49. 
OG)  App.  4,  011.  5,  730.  Dio  47,  11.  Cons.  31  v.  Chr.  Dio  50,  10.  Vgl. 
Plul.  Brut.  53.  u.  unten  §.  08.  in.  G7)  App.  4,  616.  017.  Gell.  3,  10. 
Val.  Max.  8,  7.  §.  3.  68)  App.  616.  60)  Octav.  27.  70)  47,  8.  71)  Dio 
47,  7.  App.  giebt  hier  wie  meistens  in  diesem  Theile  seines  Werkes  die 
Namen  unvollständig.  4,  018.  619.  Vgl.  2,  503.  72)  Dio  1.  c.  73)  Der«. 
47,  6.  8.  App.  4,  010.  7  1)  Dio  47,  8.  75)  App.  4,  C15.  70)  Nepos 
Atlic.  10.  §.  46.  fin.  77)  Flin.  7.  43.  Bei  Dio  47,  11.  L.  Phiiuscioi. 
Ein  Senator  C.  Luscius  Ocrea  und  eio  Centurio  Sullas,  L.  Luscius, 
welcher  mehrere  Proscribirte  lödlete ,  werden  erwähnt  Cic.  pro  Ro»c. 
com.  14.  u.  in  Grat,  in  tuga  cund.  u.  das.  Ascon.  OrelJii  Cic.  Oper.  Vol. 
V.  P.  II.  p.  Ol.     7ö)  S.  Tullii,     70)  Dio  47,  13. 


V.    AiNTOMI.         (14.  §..05.)      379 

Art  des  Mordeus.  Diess  erkannte  schon  Applan;  es  zeigte  sich 
ihm  nirgends  etwas  ähnliches,  ■weder  in  der  griechisclicn  noch 
in  der  römischen  Gescliichte  ausser  unter  Sulla.  ^^)  Dio  be- 
schäftigt dagegen  die  müssige  Frage,  ob  Rom  jetzt  oder  in  der 
Zeit  des  Dictator  mehr  gelitten  habe.  ^0  Er  glaubt  das  Erste, 
>veil  man  das  Uebel  mit  allen  seinen  Folgen  bereits  kannte, 
Aveil  ferner  Drei  ächteten ,  unter  welchen  jeder  seine  Freunde, 
und  jeder  Freund  wieder  seine  Feinde  und  seine  "Wünsche  hatte, 
wodurch  das  Verzeichniss  der  Verurthcilten  inuuer  mehr  an- 
wuchs; weil  es  unter  Sulla  nur  Anhänger  und  Gegner  gab ,  jetzt 
aber  ein  solcher  Untersphied  nicht  beachtet  wurde,  da  der  An- 
hänger des  Einen  der  Gegner  der  Anderen  gewesen  sein  konnte, 
und  in  diesem  Falle,  wenn  auch  Verwandter  oder  Bruder,  sich 
Tcrfiilgt  sah,  und  weil  bei  dieser  Verwirrung  um  so  mehr,  mit 
und  ohne  Absicht,  Verwechselungen  Statt  Huden  mussten,  dalier 
der  V.  Tribun  M.  Varro  öffentlich  A^on  seinen  Namen  «i-enaue 
Kunde  gab,  um  nicht  für  einen  Anderen  zu  sterben.  ^2)  Eine 
Vergleichung,  wodurch  ein  Mehr  oder  Weniger  ermittelt  werden 
soll,  ist  ganz  unstattliaft.  Auch  jetzt  war  es  der  Anschlao-, 
welcher  mit  Entsetzen  erfüllte,  die  feierliche  und  doch  völliir 
willkührliche  Bezeichnung  der  Schlachtopfer,  die  Veränderung- 
und  Ergänzung  der  Listen,  und  der  Auftrag  an  Rom,  das  Ur- 
theil  selbst  an  sich  zu  vollziehen.  Ein  ganzes  Volk  wurde  von 
der  Todesangst  gefoltert ,  und  zum  Meuchelmorde  geduno-en. 
"Wer  auf  den  Tafeln  genannt  war,  hatte  die  Gewissheit,  dass 
er  fallen,  Aver  nicht  genannt  war,  keine  Bürgschaft,  dass  er 
nicht  fallen  solle ,  und  überall ,  auch  am  eigenen  Heerde ,  glaubte 
er  seinen  unbekannten  Henker  zu  erblicken.  Zu  dem  Morde 
gesellte  sich  demnach,  jetzt  wie  unter  Sulla,  die  Furcht,  der 
Zweifel  an  der  Ti'eue  der  Nächsten,  der  Schmerz  über  empö- 
renden Argwohn,  die  Reue,  Familienhass,  die  Zerrüttung  des 
Vermögens  durch  dessen  Einziehung  oder  durch  Plünderunc. 
und  der  gefahrvolle  und  hülfslose  Zustand  der  Flüchtlinge,  die 
Nothweudigkeit,     in    Lagern    Schutz    zu    suchen,     wo  man  zum 

8U)  4,  589.  Vgl.  Senec.  Suasor.  G.  Civilis  sanguinis  Sullana  sitis 
in  ciiilale  redil ,  et  ad  Uiumviralem  hastain  pro  v ecli <^ulibus  civium 
romanorum  mortes  locantur.  S.  Comelii  iiullae.  81)  47,  3.  f,  82)  Der«, 
47,   11.   üben   A.  67. 


380  V.  ANTONII.  (14.  §.  56.) 

Bürgerkriege  rüstete,  oder  in  Gegenden,  welche  die  V' erfolger 
als  Sieger  oder  diircli  ihre  Seiidiinge  leicht  erreichen  konnten, 
und  bei  Provincialcn  und  Bundesgenossen ,  ■welche  mit  geheimer 
Freude  die  grosse  Rauberliöhle  in  Aufruhr,  und  die  stolzen  Opti- 
maten,  ihre  Dränger,  in  Verzweiflung  sahen. 

In  diesen  Schreckenstagen  triumphirte  L.  Plancus  am  29. 
December  über  Gallien,  und  Lepidus,  welchem  diese  Auszeich- 
nung früher  vom  Senat  beschlossen  war, ^3)  am  31.  December 
über  Spanien.  8*)  Die  Krieger  in  ihrem  Gefolge  erinnerten  in 
Spottliedern  an  die  Proscription  ihrer  Brüder,  s^)  Mit  diesem 
Aufzuge  bringt  Appian  ein  Gebot  in  Verbindung,  welclies  sicli 
vielmehr  auf  den  1.  Januar  bezog:  man  sollte  bei  Strafe  der 
Acht  den  Anfang  des  Jahres  wie  gCAVÖhnlich  als  ein  Freudenfest 
feiern.  ^6)  Demi  der  Staat  war  gerettet ,  und  vielen  Römern 
durch  die  Fürsorge  der  Triumviru  das  Leben  gesichert  oder 
durch  ihre  Milde  erhalten ,  weshalb  der  Senat  diesen  eine  Bür- 
gerkrone zuerkannte.  ^'''>  Auch  verfügten  sie  die  Erbauung  eines 
Serapis-  und  Isis -Tempels, s^)  wodurch  sie  der  Menge  schmei- 
chelten ,  für  welche  dieser  fremde  Götterdienst  stets  einen  gro- 
ssen Reiz  hatte.  ^"^ 

§  S6. 

Das  Consulat  war  für  das  J.  42.  von  Cäsar  L.  Munatius 
Plancus  und  D.  Brutus  bestimmt.  Für  den  Letzten  trat  nacli 
einem    Beschlüsse    der  Triumvirn  '•'"-^    M.    Lepidus    ein ,    welcher 


83)  §.  29.  A.  43.  84)  Fast.  capU.  Vellej.  2,  C7.  App.  4.  607.  Vaill. 
Aemil.  No.  27.  85)  Vellej.  1.  c.  80)  Dio  47,  13.  Vgl.  Ovid.  Fasl.  I. 
175.  Plin.  28.  5.  (3.)  87)  Dio  1.  c.  88)  Ders.  47,  15.  89)  Tertull. 
adv.  nat.  1 ,  10.  Der  Senat  liess  die  von  Privatpersonen  errichteten  Ca- 
pellen  jener  Gottheiten  wiederholt  niederreissen ,  schon  219 -v.  Chr.  \'al. 
Max.  1.  3.  a.  54.  Dio  40,  47.  u.  das.  Fabricius,  und  a.  48.  Dio  42,  20; 
der  Cultus  dauerte  fort,  denn  ein  geächteter  Aedil,  Volusius,  rettete  sich 
in  der  Kleidung  eines  Freundes,  welciier  Orgiast  der  Isis  war.  App.  4. 
GIG;  a»  28.  untersagte  ihn  Augustus  innerhalb  der  Mauern  der  Stadt, 
Dio  53,  2.  vgl.  10,  47.  auch  Tiberius  suchte  ihm  /u  steuern,  Joseph. 
Ant.  18,  3,  §.  4.  mit  Welchem  Erfolge,  beweis"!  unter  anderen  die  Nach- 
richt, dass  unter  Titus  ein  Tenipel  des  Serapis  und  der  Ibis  vom  Feuer 
zerstört  wurde.     Dio  Oü ,  21.     00)  §.  53.  A.  23. 


V.  ANTONII.        (11.  g.  50.)  381 

diese  Würde  schon  a.  40.  gehabt  hatte.  ^^)  Man  athmetc  freier^ 
als  licpidus,  ohne  Zweifel  am  1.  Januar  und  wohl  ohne  Gegen- 
rede des  Octavian ,  wenigstens  ohne  eine  gleichzeitige  und  öf- 
fentliche, über  die  Ereignisse  dieser  Tage,  über  die  Nothwen- 
digkeit,  die  Feinde  des  Staats  zu  bestrafen,  sein  Bedauern  äu- 
sserte, und  zu  erkennen  gab,  dass  dieser  Zweck  jetzt  erreicht 
und  in  Zukunft  nichts  mehr  zu  fürchten  sei.'-*-)  L.  Plauens 
wurde  beauftragt,  die  Krieger  zu  zügeln;  dazu  fehlte  ihm  aber 
die  Macht  und  der  Muth;  nur  einige  Sciaven  wurden  aufge* 
knüpft,  welche  in  Soldaten  -  Kleidung  geraubt  hatten.^^^  Die 
Triumvirn  wünschten  in  der  That,  das  Ausehn  der  Gesetze  hei;ff 
zustellen,  Aveil  ihr  eigenes  Ansehn  davon  abhieng  und  sie  jetzt 
auf  scheinbar  gesetzlichem  Wege  erpressen  wollten,  nachdem  die 
Raubgier  der  Veteranen  wenigstens  für  den  Augenblick  befrie- 
digt war.  Der  Erlös  aus  dem  Verkaufe  der  eingezogenen  Güter 
blieb  unter  der  Erwartung.  Wohl  mochte  die  Scheu,  anf  diese 
Art  Eigenthum  zu  erwerben,  und  in  Zeiten,  wo  jeder  Erwerb 
unsicher,  und  Reichthum  zu  zeigen  gefährlich  war,  Manchen 
vom  Kaufe  abhalten,  aber  die  Triumvirn  sahen  sich  nicht  des- 
halb in  ihren  Hoffnungen  getäuscht ,  weil  nach  Appian  die  We- 
nigen ,  welche  boten ,  Alles  um  einen  geringen  Preis  erstanden, 
oder  weil  man  sie  im  Gejjentheil  durch  zu  hohe  Forderuneren 
zurückschreckte,  wie  Dio  meint,  sondern  weil  nach  der  Plünde- 
rung wenig  von  der  beAveglichen  Habe  übrig  war,  und  die  un- 
bcMcgliche  an  die  Anführer  der  Truppen  und  an  andere  Anhän- 
ger theils  verschenkt,  theils  auf  jedes  Gebot  abgelassen  wurde, 
welches  Dio  selbst  andeutet."-^*.'  ,, 

Angeblich  fehlten  200  Millionen  zur  Kriegsrüstung.  ^^)  Der 
Zusage,  nach  welcher  die  Frauen  der  Geächteten  ihre  Aussteuer, 
die  Söhne  den  zehnten  und  die  Töchter  den  zwanzigsten  Theil 
des  väterlichen  Vermögens  behalten  sollten, ''c)  -wurde  nicht  wei- 
ter gedacht,  und  1400  reichen  Frauen  aufgegeben,  sich  selbst 
zu  schätzen,  und  eine  zu  bestimmende  Steuer  zu  zahlen.  Ver*- 
heimlichung  oder  falsche    Angaben    wurden    mit   einer  Geldbussc 


91)  Dio  47,  16.  Zonar.  10,  18.  Suet.  Tiber.  5.  riin.  2,  31.  Obseq. 
130.  02)  Suet.  Ocfav.  27.' §.  54.  A.  47.  93)  App.  4,  609.  94)  Ders. 
n07.  Dio   17,  11.  17.  Plut.  Anton.  21.     95)  App.  1.  c.     9C)  Dio  47,  14. 


382  V.  ANTONII.       (14.  §    56.) 

Verpönt,  und  Freien  und  Sclavcn,  welche  deshalb  Anzeige  machten, 
Beluhnungcn  versprochen.  "^^  Gern  legten  Octavia,  die  Schwester  des 
Octavian,  und  Julia,  Antonius  Mutter,  ihr  Fürwort  ein;  Fulvia  vcr- 
Meigerte  es,  auch  war  auf  diesem  Wege  nichts  zu  hoffen.  Daher 
wandten  sich  die  Frauen  selbst  und  öffentlich  auf  dem  Markte  in  der 
Volksversanimlung  an  die  Triumvirn.  Im  Namen  der  Uebrigen 
sprach  Hortensia,  die  Tochter  des  Redners,  dessen  Geist  sich  nur 
äfif  sie,' nicht  auf  ihren  Bruder  Quintus  vererbt  hatte:  grosses 
Unglück  habe  sie  bereits  durch  die  Aechtung  der  Ihrigen  betrof- 
fen; ^^)  jetzt  wolle  man  ihnen  auch  Ihr  Vermögen  nehmen.  Sie 
Seien  sich  jetzt  keines  Unrechts  gegen  die  Herrscher  bewusst. 
Frauen  zu  besteuern,  weil  man  Krieg  führe,  sei  unerhört;  wenn 
ihre  Mütter  zu  den  Bedürfnissen  des  Staats  beigetragen  haben, 
So  haben  sie  einen  Theil  ihres  Schmucks  geopfert,  aber  nicht 
ihr  Eingebrachtes,  nicht  gezwungen,  und  nicht  zum  Bürger- 
kriege. So  Appian.  Was  auch  der  Inhalt  der  Rede  gewe- 
sen sein  mag,  sie  missfiel  denen,  an  welche  sie  gerichtet 
war,  erregte  grosse  Theilnahme  bei  dem  Volke,  und  hatte  die 
Folge,  dafss  man  nur  400  zur  Zahlung  zwang,  9^)  und  sich  auf 
andere  Art  Ersatz  verschaffte.  Kein  Stand,  weder  Bürger  noch 
Fremder,  weder  Freigeborner  noch  Freigelassener  wurde  mit  Ab- 
gaben verschont.  Der  Herr  entrichtete  von  jedem  seiner  Scla- 
Ven  25  Denare. 'oo)  Wer  mehr  als  100,000  Sestertien  bcsass, 
ftiusste  es  anzeigen,  und  50,  oder  nach  Die  10  Toni  100,  und 
die  Einkünfte  eines  Jahres  als  Kriegsanleihe  steuern;  oft  aber 
wurde  unter  dem  Vorwande  unredlicher  Schätz»ing  das  Ganze 
eingezogen,  '3  und  selbst  der  Tempel  der  Vesta  gewährte  keine 
Sicherheit  für  das  Geld,  welches  man  darin  niederlegte.  "-)  Eben 
80  wenig  rettete  man  dadurch,  dass  man  sein  ganzes  Eigenthum 
hingab  und  dann  den  dritten  Theil  zurückforderte,  welches  ge- 
stattet wurde;  denn  der  Anschlag  Avar  so  niedrig  und  die  Will- 
kühr  so  arg,   dass  man  wenig  oder  nichts    erhielt.  ^-^      Von  ver- 


97)  App.  4,  C07.  G08.  vgl.  592.  u.  fi'Iö.  Plut.  I.  c.  Va/.  Max.  8,  3. 
98)  Auch  llor(eii8ias  BruJcr,  welcher  bei  M.  Hrutus  war,  wurde  proscri- 
birt.  S.  Hurtensii.  99)  App.  1,  009,  Quintil.  1.  I.  §.  C.  Valer.  Max.  I. 
c.  100)  App.  5.  710.  Dto  47,  Ifi.  loten  §.  CO.  A.  83.  1)  App.  4,  C09. 
Vgl.  592.  u.  615.  Dio  1.  c.  2)  IMuf.  Anton.  21.  3)  Dio  47,  17.  Zonar. 
10,    18. 


V.  ANTONII.        (11.  §.  56.)        383 

micthetcn  Iliniscrn  ferner  trieb  man  in  Rom  und  in  Italien  über- 
haupt die  Micthc  eines  ganzen  Jahres  ein,  und  von  solchen, 
welche  der  Besitzer  seihst  bewohnte,  die  Hälfte  nach  einer  Ab- 
schätzung; wer  Landgiitcr  hatte,  verlor  die  Hälfte  ihres  jährli- 
chen Ertrags:  ^)  für  die  Schiffe  Avurden  Sclavcn  gepresst,  auch 
von  solchen,  welche  sie  kaufen  mnssten,  und  die  Senatoren  sa- 
hen sich  genöthigt,  auf  eigene  Kosten  für  die  Erhaltung  der 
Landstrassen   zu  sor^^en.  ^)     Der  Verkauf    der    eingrezoorenen   Gü- 


n" 


)gen( 


ter  dauerte  noch  nach  den  Sclilachten  von  Philippi  fort,  6)  ob- 
gleich sehr  viele  als  Geschenk  oder  um  ein  Geringes  den  Anfüh- 
rern der  Truppen  zufielen  ,  welclie  man  übcrdiess  mit  den  er- 
ledigten Aenitern  abfand.  '>*  Den  anderen  Kriegern  bewies  man 
durch  die  Ernennung  von  Landmessern ,  dass  ihre  Versorgung, 
in  Colonien  vorbereitet  werde;  die  Städte,  in  welchen  sie  über- 
winterten, mussten  sie  unteriialten,  8)  und  wagten  es  nicht,  sich 
gegen  ihre  Anmassungen  aufzulehnen ;  diese  aber  dauerten  fort, 
auch  als  sie  nicht  mehr  morden  und  plündern  durften;  insbe- 
sondere wussten  sie  es  zu  erzwingen,  dass  man  sie  zu  Erbea 
einsetzte.  ^) 

Auf  diese  Art  Murde  die  Republik  neu  gestaltet  und  den 
Pflichten  gegen  Cäsar  genügt,  welches  die  Triumvirn  fortwäh- 
rend durcli  "Wort  und  That  als  den  Zweck  ihrer  Verbindung 
und  der  Prcscription  bezeiciineten ,  i")  weil  eben  nichts  näher 
und  bequemer  lag,  ihre  Herrsclisucht  zu  verbergen.  Sie  reinig- 
ten den  Staat  von  seinen  Feinden,  wofür  sie  die  ihricen  cr- 
klärten,  und  gaben  ihm  aus  Achtung  gegen  Cäsar  die  von  ihm 
begründete  Verfassung,  weil  dann  die  von  ihm  ausgeübte  Ge- 
walt auf  sie  übergieng;  sie  elirten  und  erneuerten  sein  Anden- 
ken, damit  der  Krieg,  dessen  si^  zur  Befestigung  ihrer  Macht 
bedurften,  sich  in  einen  Racliekrieg  für  ihn  und  für  den  Staat 
verwandelte.  Demnach  schwuren  sie,  und  auf  ihren  Befehl  auch 
die  übrigen  Römer,  am  1.  Januar  42  die  Gesetze  des  Dictator 
zu  beobachten  und  seine  Einrichtungen  zu  erhalten,  ")  das  erste 
Beispiel  einer  jährlicli  an   jenem    Tage    wiederholten  Huldigung, 

4)  Dirt  47,  11.  Zon.  10,  17.  5)  Dio  47,  17.  6)  App.  5,  677.  684^ 
7)  Dio  47,  14.  19.  Zoii.  I.  c.  8)  Dio  I.  c.  9)  Dera.  c.  17.  App.  4,  C09. 
10)  §.   55.  in.      11)   Dio  47,   18.  Vgl.   §.    10.  A.   87. 


384        '  V.   ANTONII.        ( 14.  §.  57.) 

welche  während  der  Monarchie  Statt  fand,'-)  von  Tiber  jedoch 
abgelehnt '•*)  und  schlccliten  Kaisern  nach  ihrem  Tode  versagt 
wurde.  A*)  Man  sollte  mit  Lorbcern  bekränzt  und  unter  Frcu- 
dcnsbezeuguiigcn  seinen  Geburtstag  feiern,  oder  verflucht,  der 
Rache  des  .Jupiter  und  Cäsar  verfallen  sein,  und  der  Senator 
oder  dessen  Sohn  250,000  Denare  zahlen.  ^^^  Dagegen  wurde 
der  Tag  seines  Todes  zu  den  unglücklichen  gerechnet,  die  Cu- 
rie des  Pompejus,  in  Avelcher  er  ermordet  Mar,  geschlossen,  und 
auf  dem  Markte  ihm  eine  Capelle  errichtet.  '^)  Bei  jeder  Sup- 
plication  ferner  sollte  man  zugleich  für  seine  Siege  Dankopfer 
bringen,  ^^-^  und  bei  den  circensisclien  Spielen  sein  Bild  mit  dem 
Bilde  der  Venus  im  Aufzuge  zeigen,  bei  Leichenbegängnissen 
aber  es  nicht  melir  vortragen,  Aveil  er  jetzt  ein  Gott  sei.  ^^) 
Alle'  älteren  Ehrenbesclilüsse  wurden  bestätigt.  ^9) 


§  57*^) 

Man  erwartet,  wenn  man  jetzt  den  Blick  auf  das  Meer  und 
auf  die  Provinzen  richtet,  die  Mörder  Cäsars,  welche  allein 
noch  stark  genug  waren,  ihre  That  zu  vertreten,  mit  Sex.  Pom- 
pejus in  Sicilien  eng  verbunden ,  ihre  zalilreichen  Flotten  verei- 
nigt und  Italien  mit  seinen  Legionen  wie  mit  einem  Netze  um- 
strickt zu  sehen.  Die  Seemaclit  der  Triumvirn  war  inibedeu- 
tcnd ,  aber  man  benutzte  es  nicht ,  oder  nur  für  untergeordnete 
Zwecke,     Denn  Pompejus  dachte  auf  einen  Vergleich ,  auf  seine 


12)  üio  51,  20.  53,  28.  13)  Ders.  57,  8.  58,  17.  Tacit.  Ann.  1, 
72.  Sucton.  Tiber.  2G.  u.  G7.  14)  Dio  59,  0.  GO,  1.  15)  Dio  17,  18. 
Ueher  das  Zusammentreffen  dieses  Fesfes  mit  den  Apollinar  -  Spielen  s. 
Julii  Caesar  Dict.  in.  16)  Oben  §.  10.  fln.  17)  Das.  18)  Dio  47,  18. 
19.  Vgl.  §.  15.  A.  39.  u.  47.     10)  Dio  47,  18. 

*)  Wir  haben  jelzf  dii-  Zeit  erreicht,  in  welcher  Cicero  starb,  der 
Dritte  und  Letzte  unter  denen,  welche  auf  dem  Tilei  dieser  Schrift 
genannt  werden.  Indess  ist  hier  zur  fesleren  l^egründung  eines  L'r- 
theils  über  Anfonius  dessen  Geschichte  in  einer  gedrängten  leber- 
sidit  hin  tu  seinem  Tode  foiiipoführt ,  wobei  der  Geschichte  anderer 
Geschlechter  vorbeliaiten  wird,  was  ihr  näher  angehört,  oder  doch 
nur  iu  ihr  tolles  Licht  gewinnt. 


V.  ANTÜNII.  (14.  §.  57.)         385 

Herstellung ;     Sicilien    war    ihm  die  Brücke ,     welche  nach  Rom 
führte,   dessen  Thore  ihm  der  Hunger    üftnen  sollte.     Sie  konn- 
ten sich  aher  nur  öfthen,    •wenn    er    seinen    sichern  Zufluchtsort 
verliess,  yenn  er  in  Italien  wagte  und  siegte,  nicht  jetzt,  aber 
während  des  Feldzugs  von  Philippi  und  später.      Er  mochte  sich 
nicht  einer  verfolgten,  nacl»  Rache  dürstenden  Partei  in  die  Ar- 
me werfen,  einem  Volke,    welches  durch  die  Hemmung  der  Zu- 
fuhr von  ihm  zur  Verzweiflung  gebracht   wurde  und  bereit  war, 
ihn  als  Retter  zu  empfangen ,     weil  es  ihn  nicht  als  den  ersten 
Urheber  seiner  Leiden  betrachtete;  nicht  kämpfend,  sondern  durch 
das  gewiclitige  Fürwort  der  Menge,     welche    nach  Brodt  schrie, 
wollte  er  sich  den  Weg  nach  Rom    bahnen.     Der  Erfolg   schien 
ihm  gewiss,  wenn  er  sich  nur  in  Sicilien  behauptete,  und  dicss 
hoffte  er    um    so    mehr,     da  Üctaviau    nach    einigen    fruchtlosen 
Versuchen,    auf  der  Insel  zu  landen,     welche  zu  seinen  Provin- 
zen gehörte,  ~^J  mit  Antonius  nach  dem  Osten  gieng. 

M.  Brutus  und  C.  Cassius  verstanden  es  eben  so  venig, 
von  ihrer  Flotte  Gebrauch  zu  machen.  Nur  eine  Abtheilunjr 
war  unter  L.  Statins  Murcus  bei  Brundusium  aufgestellt,  und 
überdiess  ohne  ihren  Befehl;  sie  vermochte  die  Legionen  nicht 
zurückzuhalten,  welche  nach  Philippi  eilten.  So  waren  die  Be- 
freier auf  ihr  Heer  angewiesen;  ihre  Schiffe  sicherten  ihnen  nur 
noch  Zufuhr  und  Flucht.  Auch  diess  war  freilich  von  grosser 
Wichtigkeit,  und  übrigens  hatten  sie  jedes  Mittel  angewandt, 
ihre  Streitkräfte  zu  vermehren,  gewaltsame  Aushebung,  Raub 
und  Erpressung.  Dass  sie  dennoch  im  Herbste  a.  42  unterlagen, 
war  das  Werk  des  Antonius.  -^)  Sein  erfinderischer  Geist,  seine 
Entschlossenheit  und  die  Schnelligkeit  seiner  Bewegungen  ent- 
riss  den  Feinden  den  Sieg,  während  Octavian  fast  immer  krank, 
und  zum  Theil  unter  diesem  Vorwande ,  nur  dem  von  ihm  ge- 
gebenen Anstosse  folgte.  Es  wurde  anerkannt;  er  galt  seit  die- 
sen Tagen  für  den  ersten  unter  den  römischen  Feldherrn ,  22) 
obgleich  Octavian  mit  Uebergehung  seines  Namens  das  Verdienst 
des  Sieges  sich  allein  zuschrieb  ,  und  als  Augustus  keinen  Wi- 
derspruch fand.  23J     Bei  Philippi  wurde  auch  überPompeJus  ent- 

20)  §.  53.  A.  19.  S.  Pompeji.  21)  S.  Junii  Bruti  u.  Cassii.  22)  App. 
5.  679.  701.  705.  PJut.  Ant.  22.  23)  Mon.  Ancyr.  tab.  1.  v.  9.  bei  Chisb. 
Antiq.  asiat.  p.  172.    Morell.  tliesaur.  August,  tab.   45.  No.  C.  7. 

Dniniann.  Geschiclite  Roms  I.  25 


386  V.  AXTONII.         (14.  g.  57.  j 

scliicMlen;  er  war  von  jetzt  au  olincrachtct  seiner  Maclit  nur 
noch  ein  Abenteurer,  weil  er  allein  stand,  und  seine  (iegner 
die  Mittel  hatten,  sich  eine  Flotte  zu  verschaffen.  ^«J  Da  man 
mit  Römern  gefochten  hatte,  und  fast  allgemein  Frieden  und 
Versöhnun«-  wünschte,  so  machte  es  ferner  einen  günstigen  Ein- 
druck ,  dass  Antonius  weit  mehr  Milde  und  Grossmuth  zeigte, 
als  Octavian.  --') 

Sie  entliessen  die  Truppen,  deren  Dienstzeit  verflossen  w.ir, 
his  auf  8000,  welche  auf   ihren    eigenen  Antrag    im  Felde  blic- 
hen  lind    in    die    prütorianisclien    Cohorten    aufgenommen     muf- 
den. -'■'     Den  Abgang  ersetzten    etwa    11000  Mann    vom   Heere 
der  Besiegten  und  die  Mannschaft    in    den    festen  Plätzen,    wel- 
rlic  sich  ergaben;  -'')  aber  auf  diese  Krieger  war  nicht  zu  rech- 
nen;    sie    giengen    später    in    Asien     grösstentheils    zu    Labienus 
über,  mit  -welchem  sie  nntcr  Brutus  und  Cassius  gefochten  hat- 
ten. '^^     Vor  den  Schlacliten  bei  Philippi  zählten  die  Triumvirn 
nach  Appian -^^   19   Ijcglonen  und   1.3,000  Reuter,  und  jetzt    II 
I.egioneu  und  14,000  Reuter;  von  jenen    sollte  Antonius  zu  sei- 
nen linternehmungen  in  Asien  ö,  und  von  den  Reutern  10,000 
erhalten;  das  Ucbrige  verblieb  Octavian  3*^^  nebst  den  beiden  Le- 
gionen  des    Antonius,     ■welche    unter    Fufius    Calenus    in    Italien 
standen.  "^'^ 

Lepidus  war  in  Rom:  dass  er  im  Bunde  nur  noch  gedul- 
det werde,  konnte  ihm  nicht  unbekannt  sein,  ^2)  und  man  hoff- 
te in  der  That,  gelieime  Unterhandlungen  zwischen  ilim  und 
Pompcjus  zu  entdecken  und  ihn  dann  auszustossen;  sonst  aber 
^voUtc  man  ihn  vorerst  mit  Afrika  abfinden.  •^■^J  Die  zweite  Thei- 
lung  des  Reichs,  welche  jetzt  erfolgte,  hat  man  mitunter  mit 
dem  Vertrage  von  Brundusium  v.  J.  40  verwechselt,  und  zwar 
unterscheiden  die  Alten  selbst  nicht    immer   genau.     Keineswegs 

24)  App.  4,  070.  25)  Deri.  4,  604.  005.  IMu(.  Brut.  50.  Ant.  CO. 
Zon.  10,  20.  ■ —  App.  4.  008.  Plut.  Bru(.  53.  comp.  Dion.  c.  Brut.  5. 
Ant.  22.  comp.  Demetr.  c.  Ant.  2.  Val.  Max.  5.  1.  §.  11.  Suet.  üct.  13. 
20)  App.  5,  C72.  27)  Der«.  1,  008.  28)  Die  48,  25.  §.  C2.  A.  58. 
20)  4,  052.  30)  App.  5.  073.  31)  Der».  1.  c.  u.  077.  083.  Die  48,  2. 
5.  §.  58.  A.  fl.  32)  App.  5,  003.  Dio  18,  I.  22.  33)  App.  .■».  072.  l)io 
48.  I.  Tuten  §.  50.  A.  14.  f.  Leber  die  erste  Theilimg  vgl.  }.  53.  A. 
1«.  f. 


V.   ANTÜNII.       (11.  §.  57.J       387 

MlJcte  das  ionische  Meer  die  Grunze  zwischen  dem  Gebiete  dcK 
Antonius  und  Octavian ,  so  dass  jener  beherrschte,  was  östlich 
lag,  obgleich  diess  angedeutet  wird;^*)  Antonius  sollte  in  den 
Ländern,  welclie  man  den  VerschM'orcnen  entrissen  hatte,  zur 
Befriedigung  der  Heere  Geld  erpressen,  und  Octavian  unter  die 
Veteranen  in  Italien  Acker  vcrthcilen;  ^5)  so  war  man  im  Be- 
sitze ,  aber  gemeinschaftlich  und  mit  einem  guten  Scheine ;  das 
Weitere  übcrliess  man  der  Zukunft,  um  sich  nicht  zu  binden 
und  sich  nichts  einzuräumen;  am  wenigsten  mochte  Antonius 
Italien  entsagen ,  Rom ,  dem  Einflüsse  auf  Senat  und  Volk,  und 
überdiess  war  die  Befreiung  der  Römer  der  Zweck,  des  Kampfes 
gewesen,  man  konnte  sie  sich  nicht  als  Beute  überweisen.  '^'0 
Obgleich  also  die  beiden  Triumvirn  über  das  ganze  Reich  ge- 
boten, Sicilicn  und  die  andern  Inseln  ausgenommen,  welche  in. 
der  Gewalt  des  Pompejus  waren ,  so  betraf  die  förmliche  Thei- 
lung  doch"  nur  einzelne  Provinzen:  Octavian  ^^^  übernahm  Spa- 
nien und  die  neue  Provinz  Afrika ,  und  Antonius  beide  Gallien 
und  Altafrika  (Carthago).  ^^)  Dazu  stimmt  nun  auch,  dass  es 
von  Manius  und  anderen  Antonianern  als  eine  Verletzung  de» 
Vertrags  gerügt  wurde ,  wenn  jener  nach  einem  Beschlüsse  des 
älteren  Cäsar  das  cisalpinische  Gallien  für  frei  erklären  wollte, 
um  es  dadurch  seinem  Collegen  zu    entziehen.  3^) 

Der  Charactcr  der  Triumvirn  berechtigte  V^arro,  welcher 
bei  Philippi  getödtet  wurde,  den  Untergang  des  Antonius  vor- 
auszusagen. ^'^)  Sein  Sieg  beschleunigte  ihn;  in  eben  dem  Ma- 
sse, als  die  Dinge  sich  entwickelten,  vei-lor  er  sein  Ziel  ans 
den  Augen.  Nur  noch  Pompejus  stand  zwischen  ilini  uii  1  Octa- 
vian; er  niusste  jenen  entweder  retten,  oder  sich  zu  einem 
Kampfe  auf  Tod  und  Leben  vorbereiten.  Durch  das  Ge- 
schäft, welches  er  im  Osten  übernahm,  wurde  er  dem  Westen 
fremd ,  und  wenn  er  hier  auch  durch  Legaten  Provinzen  ver- 
walten Hess,  so  sank  er  doch  selbst  zum  Statthalter  herab,  Aväh- 
rend  Octavian  über  Rom  gebot,  durch  Senat  und  Volk  gar 
leicht  auch  ihm  gebieten,     und  wenn  er    nicht    gehorchte,    eine 


34)  Liv.  125.  Veliej.  2,  74.  Suet.  Oct.  13.  App.  1.  c.  Pluf.  Ant.  23. 
Eutrop.  7.  3.  (2.)  35)  |Liv.  Suef.  II.  cc.  S.  unten  §.  58.  A.  8.  36)  Dio 
48,  2.  37)  Welchem  Eutrop.  1.  c.  Gallien  giebt.  38)  Dio  48,  1.  21.  22. 
Zonar,  10,  21.     39)  App.  5.  672,  f.83.  084.     40)  Vellej.  2.  71. 

25  * 


3SS  V.  ANTONII.         (14.  §.  57.) 

zweite  Kriegserklärung  gegen  ihn  erzwingen  konnte.  Zwar  hat- 
te Sulla  bewiesen ,  dass  man  auch  jenseits  des  Meers  zur  Un- 
terjochung Italiens  Kräfte  zu  sammeln  vermöge,  aber  es  wurde 
ihm  doch  schwer  genug,  selbst  IMännern  ohne  Talent  die  Zügel 
wieder  zu  entreissen,  und  Antonius  durfte  am  wenigsten  hoffen, 
dass  er  die  Früchte  eines  in  Asien  geführten  Krieges  in  Rom 
erndten  werde;  denn  dazu  war  erforderlich,  dass  die  Gefahr  ihn 
aufsuchte,  dass  eine  äussere  Nöthigung  ihn  immerfort  in  Thä- 
tigkeit  erhielt  und  seiue  Sinnlichkeit  keinen  Spielraum  fand. 
Nach  den  Siegen  des  Ventidius  hieng  die  Fortsetzung  des  Krie- 
ges mit  den  Parthern  von  seiner  Willkühr  ab ,  und  wenn  er 
die  Wahl  hatte  zwischen  Anstrengung  und  Genuss,  so  wählte 
er  diesen.  Bei  einer  solchen  Schwäche  war  Griechenland  mit 
seinem  AVeihrauch  und  Asien  mit  seinen  Lüsten  ein  schlüpfri- 
ger Baden  für  ihn,  auf  welchem  er  straucheln  musste,  auch 
wenn  Cleopatra  ihm  fern  blieb.  *U 

Die  Befreier  hatten  ihren  letzten  Krieg  mit  dem  Gelde 
Asiens  geführt ,  und  es  sollte  auch  ihren  Feinden  die  Kosten 
ersetzen.  Diese  versprachen  jedem  ihrer  Soldaten  bei  Philippi 
5000  Denare ,  dem  Centurio  das  Fünffache ,  dem  Tribun  dop- 
pelt soviel  als  dem  Centurio ,  *-)  und  Antonius  übernahm  es, 
das  Geld  herbeizuschaffen,  avozu  er  bei  seinen  eigenen  grossen 
Bedürfnissen,  welche  ihn  selbst  zum  Falschmünzen  vermoch- 
ten ,  *^)  sich  am  wenigsten  eignete.  Er  begab  sich  von  Philip- 
pi nach  Griechenland ,  und  fand  auf  dem  Wege ,  auf  der  Insel 
Thasos ,  einer  Niederlage  der  Verschworenen ,  bedeutende  Sum- 
men und  Vorräthe.  **^  In  Athen,  RIegaris  und  sonst  zeigte  er 
sich  wohlwollend  und  freigebig:  gegen  die  Griechen  und  als 
Freund  der  Wissenschaften.  ^^J  Doch  war  sein  Aufenthalt  nur 
von  kurzer  Dauer;  zum  Statthalter  in  Achaja  ernannte  er  L. 
Marcius  Censorinus ,  welchen  Cicero  als  einen  der  Schlechtesten 
unter  seinen  Genossen  schildert.  *<») 

a.  41.  Auch  die  Griechen  in  Asien  kannten  ihn  bereits, 
und  empfiengcn  ihn    in  Ephcsus    mit    einem    feierlichen    Aufzuge 


41)  Plut.  Ant.  21.  42)  App.  4,  650.  Dio  4«,  30.  Plut.  Ant.  23. 
Zon.  10,  22.  43)  IMin.  33.  40.  (9.)  44)  App.  4,  C69.  45)  Plut.  1.  c. 
Vgl.   App.  5.  B7.5.     -IG)  Plut.  24.  Tuten  §.  61.   in.  u.  §.    72.  A.  60.  f. 


V.  ANTON«.         (14.  g.  67.)         3^9 

als  Bachus.  *')  Man  Fioifte  dadurcli  Bedrückungen  abzuwenden, 
und  so  schien  es,  als  er  im  Artemisium  opferte,  seinem  Asyl 
einen  grösseren  Umfang  gab,  xmd  die  Flehenden  in  ihm  bis  auf 
den  Verschworenen  Petronius  und  (Juintus,  welcher  DolahcUa  in 
Laodicea  verrathen  hatte,  begnadigte.  ^**)  Wie  sehr  es  ilim  aber 
auch  schmeichelte,  sich  als  Gott  geehrt,  und  die  Musiker,  Mi- 
men und  Possenreisser,  welche  ilim  aus  Italien  gefolgt  waren, 
von  den  asiatischen  übertroft'en  zu  sehen,*'-*)  so  vergass  er  doch 
den  Zweck  seiner  Reise  nicht.  Asien  galt  auch  ihm  für  uner- 
schöpflich ,  ^^)  obgleich  er  wusste ,  wie  viel  es  durch  Brutus  und 
Cassius  gelitten  hatte.  Den  Abgeordneten  der  Städte ,  Avelche 
ihn  in  Ephesus  begrüssten,  pries  er  es  als  ein  Glück,  dass  man 
von  ihnen  nicht,  wie  in  Italien,  zur  Befriedigung  des  Heers 
Haus  und  Hof  fordere ,  sondern  nur  Geld ,  so  viel  als  die 
Verschworenen  von  ihnen  erhalten  haben, ^')  einen  zehnjährigen 
Tribut  in  einem  Jahre  zahlbar.  Auf  ihre  Bitte  enuässij;te  er 
diess  auf  einen  Tribut  von  9  Jahren ,  welcher  in  2  Jahren  ent- 
richtet werden  sollte.^-)  Seine  Unterfeldherrn  und  Günstlinge 
behielten  aber  einen  grossen  Thcil  für  sich,  und  er  verlangte, 
dass  die  Provincialen  den  Ausfall  deckten,  "weshalb  ihm  Hy- 
breas  sagte :  du  hast  200,000  Talente  von  Asia  empfangen, 
wenn  du  uns  zweimal  in  Einem  Jahre  besteuern  willst,  so  musst 
du  uns  auch  zweimal  Sommer  und  Herbst  schaffen  können.  ^^) 
Anaxenores,  einem  Cytherspieler  ,  gab  er  Soldaten,  den  Tribut 
von  vier  Städten  zu  erheben ,  ^*)  und  wer  sonst  irgend  zu  sei- 
nem Vergnügen  beitrug,  sei  es  auch  nur  durch  ein  gut  zube- 
reitetes Gericht,  der  wurde  mit  Häusern  und  Gütern  beschenkt. 
So  sorgte  er  eben  so  wenig  für  seinen  Vortheil  als  für  die  Pro- 
vinz ,  und  ohne  Geld  kam  er  a.  40.  nach  Italien  zurück.  An 
Erfindsamkeit  es  zu  erpressen  fehlte  es  ihm  nicht ,  und  auch 
nicht  an  Gelegenheit.  Während  er  in  Vorderasien  umher  reis^te, 
suchten  Fürsten  und  freie  Städte  die  Vermehrung  oder  Bestäti- 
gung ihrer  Rechte,  Anerkennung,  Vergrösserung  ihres  Gebiets 
oder  andere  Vergünstigungen  bei  ihm,  und  diese  mussten  mei- 
stens erkauft  werden,  wenn  nicht  etwa  eine  schöne  Frau  es  an- 

47)  Plut.  1.  c.  §.  62.   A.  92.     48)  Slrabo   14,  641.  App.  5.  673.  vgl. 

4,  625.     49)  Plut.  1.  c.      50)  Dio   48,  30.     .'51)    App.    4,    632.     52)  Der«. 

5,  674.     52)  Plut.  i.  e.      54)   Slrabo    14,  648.  Plut.  1-  c. 


390  V.   ANTON«.         (14.  §.  57.) 

«lers  wandte.  ^^^  Doch  verzieh  er  auch  jetzt  den  Anhängern  der 
Gegenpartei,  wenn  sie  niclit  an  Cäsars  Ermordung  Tlieil  ge- 
nommen hatten,  selbst  Lucius  Cassius,  dem  Bruder  des  Ver- 
schworenen; der  Ruf  seiner  Milde  crmuthigte  sie,  sich  ihm  zu 
nähern."'''^  Den  Städten,  welche  von  Brutus  und  Cassius  am 
meisten  beraubt  oder  sonst  gemisshandelt  waren,  bewilligte  er 
die  Freiheit,  Immunität,  oder  andere  Städte  und  Inseln,  sie  zu 
entschädigen  und  zu  belohnen;^')  dahin  gehören  Laodicea,  Rho- 
dus,  Xanthus  und  Tarsus.  5») 

Von  Fürsten  umgeben ,  welche  dem  Beherrscher  Roms  ihre 
Huldigungen  brachten,  erwartete  er  auch  Cleopatra,  Königinn 
von  Aegjpten.  Sie  befand  sich  in  dem  letzten  Bürgerkriege  der 
Römer  mehr  als  andere  abhängige  Dynasten  in  einer  schwieri- 
g«n  Lage ,  weil  die  Grösse  und  Fruclitbarkeit  ihres  Landes ,  ihr 
Reichthum  und  ihre  Flotte  ihre  Mitwirkung  ganz  vorzüglich 
wünschenswerth  machte.  Es  galt,  den  Thron  zu  retten,  und 
ohne  Vertrauen  zu  dem  Glücke  der  Verschworenen  hoffte  sie 
überdiess ,  als  Freundinn  Cäsars  von  den  Cäsarianern  begünstigt 
zu  werden.  ^^)  Deshalb  unterstützte  sie  Dolabella  gegen  Cas- 
sius; *'")  ohne  ihr  Wissen  erhielt  dieser  Schiffe  von  Serapion, 
ihrem  Statthalter  in  C/prus,  ^')  und  nach  Dolabellas  Tode  rü- 
stete sie  für  die  Triumvirn;  Cassius  war  im  Begriff,  nach  dem 
Nil  zu  gehen,  als  Brutus  ihn  nach  Vorderasien  rief,  und  er  nun 
Statins  Murcus  nach  der  Südküste  des  Peloponneses  schickte, 
die  Königinn  von  den  Feinden  abzuschneiden.  ^-)  Die  Sclilach- 
ten  bei  Philippi  endigten  ihre  UngeAvissheit,    aber  sie  hatte  nur 


55)  App.  5.  C75.  Dio  48,  24.  Martial.  11,  20.  Glapliyra,  die  Mutter 
des  Archelaus.  Dio  49  ,  32.  Unten  §.  6C.  A.  A.  2.  Bereits  in  Dithy- 
nien  erreichten  Antonius  Gesandte  der  Juden,  welche  gegen  Phasaelus 
und  Herodes ,  die  Siihne  des  Iduniaers  Antipaler,  um  Schutz  baten,  im 
Interesse  des  von  diesen  und  auch  von  Antigonus,  dem  Sohne  seines 
Bruders  Aristobulns,  bedrängten  Hohenpriesters  Hyrcanus  aus  dem  Ge- 
schlechte der  RIaccahäer,  und  der  ihm  ergebenen  Partei  der  Pharisäer. 
Aber  aucli  Herodes  erschien,  und  bewirkte  durch  Geschenke,  dass  sie 
kein  Gehör  fanden.  Joseph.  Aut.  lud.  14,  12.  §.  2.  B.  J.  1,  12.(10.)  He- 
gesipp.  1,  28.  Unten  A.  79.  f.  u.  §.  G2.  A.  (»7.  f.  5ü)  App.  5.  071.  S. 
Cassii.  57^  App.  5.  075.  58)  Vgl.  App.  4,  ü25.  626.  C3I.  635.  Dio  47, 
.10.  31.  33,  34.  59)  App.  4,  624.  632.  60)  Ders.  4,  624.  5,  675.  Dio 
17,  .^(t.  31.     Ol)  App.  4,  ''24.   5,  C70.  flnten  A.  72.     02)  Der».  4,  (532. 


V.  ANTONU.        Ol    §    57.)       391 

sieh  p;e«lient,  nicht  Cassius,  weil  ihr  Land  iluitli  lluuj^cr  uri«! 
Fest  litt,  nicht  den  Triumvirn,  weil  Stürme,  die  scliuclle  ße- 
sicf^ung  des  Dolabella  und  dann  eigene  Krankheit  sie  daran  hin- 
derten. <'^)  Demnach  Avar  Antonius  befugt,  Rcchensclialt  von 
ihr  zu  fordern  ,  und  sie  Hess  nicht  einmal  Gesandte  an  ihn  ab- 
gehen; diess  beleidigte  seinen  Stolz,  und  Quintus  Dellius ''*>'  er- 
hielt Befehl,  sie  nach  Tarsus  vorzuladen.  Er  hatte  sie  a.  55. 
in  Aegypten  gesehen,  als  er  unter  fiabinius  iliren  Vater  Ptole- 
mäus  Auletes  in  sein  Reich  zurückführte;  ''•"')  obgleich  sie  aber 
schon  damals  seine  Aufmerksamkeit  erregte ,  "GJ  so  w  ar  dieser 
Eindruck  doch  längst  erloschen. 

Im  Verkehre  mit  Cn.  Pompejus,  dem  Sohne  des  Triumvir, 
welcher  in  d.  J.  49  und  48.  in  Aegypten  war,  und  insbesondere 
mit  Cäsar  hatte  sie  die  Macht  ihrer  Heize  bereits  auch  an  llb- 
niern  erprobt,  und  DcUius  machte  ihr  bemerklich,  dass  Anto- 
nius ihnen  am  wenigsten  widerstelicn  werde.  Ohne  Zweifel  wat 
sie  schon  früher  davon  überzeugt,  und  sie  entwarf  darnach  ih- 
ren Plan.  Nur  Noth  und  Ehrgeiz  führte  sie  in  die  Arme  der 
römischen  Grossen,  nicht  die  Licl)e,  denn  sie  war  unfähig,  zu 
lieben,  und  auch  nicht  die  Sinnlichkeit,  denn  sie  fand  Befrie- 
digung um  einen  geringeren  Preis.  Es  handelte  sicli  darum, 
ihre  Entthronung  und  Demütliigungen  abzuwenden,  inid  nie  war 
sie  darin  glücklicher  als  jetzt.  Sie  lieferte  ein  Scitcnsfück  zu 
dem  Aufzuge  von  Ephesus.  Der  Triumvir  sass  auf  dem  Markfc 
von  Tarsus  auf  dem  Tribunal,  als  sich  die  Nachricht  verbrei- 
tete, Aphrodite  Anadjomene  sei  auf  einem  prachtvoll  gesclnnück- 
ten  Schifte  angelangt,  um  Dionysos  zu  besuchen;  die  Menge 
eilte  nach  den  Ufern  des  Cydinis  und  der  Triumvir  blieb  mii 
den  Seinigen  allein.  ^^)     Die  Angeklagte  führte  sich  als  Güttinu 


03)  Ders.  4,  f>2'l.  5,  675.  Gl)  Plut.  Ant.  25.  Senec.  Suasor.  I.  m« 
seiner  unzüchtigen  Rricfe  an  Cleojialra  gedacht  und  bemerkt  wird ,  dasb 
IVlessala  ihn  wegen  seines  häufigen  Rollen -Wechsels  dranllor  hellorvm 
civilium  nannte.  Vellej.  2.  Jbl.  üio  49,  39.  ^50,  13.  22.  Er  beschneit 
die  Feldziige  des  Antonius  und  seiner  Legaten  gegen  die  Parther.  Plut 
Ant.  59.  u.  Strabo  II,  523.  Unten  §.  Gl.  A.  31.  §.  C5.  A.  50,  §  06.  A- 
95.  §.  C8.  A.  3.  05)  Plut.  Ant,  3,  Dio  39,  58.  Vgl.  Cic.  2  Phil.  19.  u, 
Gabinii.  60)  App.  5,  075.  07)  Plut.  Ant.  26.  App.  5.  671.  07j.  Dio 
18,  24.  Athen.  4.  p.   147.  148.  Zonar.  lü,  22. 


392  V.    ANTüXII,         (14.  §.  57.) 

ein,  und  ihr  Richter  hatte  nicht  einmal  die  Cenugthuung,  dass 
sie  als  Gast  zuerst  bei  ihm  erschien ,  denn  er  Murde  von  ihr 
ziim  .Mahl  geladen,  und  ihre  Absicht,  ihn  zu  fesseln,  sogleich 
vollkommen  erreicht.  Ohne  schön  zu  sein,  ^^^  wie  auch  ihr 
IJild  auf  den  Münzen  bcAveis't,  besass  sie  alle  Zauber  einer  Buh- 
lerinn. Ihr  lüsterner  Blick,  ein  sanftes,  verfülircrisches  Mie- 
nenspiel, eine  lockende,  lieblich  tönende  Stimme  und  eine  hin- 
reissende  Anmuth  in  ihren  Bewegungen  entflammte  die  Herzen 
mit  dem  verzehrenden  Feuer  der  Leidenschaft,  und  sie  verstand 
es  ,  durch  eine  üppige  und  gewählte  Kleidung  und  eine  Wollust 
athmende  Umgebung  die  Sinne  noch  mehr  in  einen  süssen  Tau- 
mel einzuwiegen ,  und  zugleich  durch  Abwechslung  in  den  Freu- 
den Uel)erdruss,  durch  Fürsten  -  Stolz  und  Entwicklung  geisti- 
ger Vorzüge  Verachtung  zu  verhüten.  Doch  übersah  sie  nicht, 
dass  den  Freunden  des  Antonius  die  reiche  Fürstinn  die  will- 
kommenste war;  um  sie  in  ihre  Freunde  zu  verwandeln,  befrie- 
digte sie  nach  der  Schaulust  auch  den  Eigennutz.  "'•') 

Antonius  zeigt  sich  in  diesem  Verhältnisse  als  der  Schwä- 
chcrc, aber  auch  als  der  Bessere;  er  liebte  Cleopatra;  er  heu- 
chelte ihr  nicht  Gefühle,  welche  ihm  fremd  waren,  und  brütete 
nie  über  Plänen  zu  ihrem  Verderben ,  während  sie  in  ihm  von 
Anfang  nur  ein  Mittel  sah.  Kaum  hatte  sie  über  Fulvia  und 
deren  herrischen  und  abstossenden  Character  den  Sieg  davon  ge- 
tragen ,  als  sie  ihren  Entwürfen  eine  immer  grössere  Ausdeh- 
nung gab.  Von  jetzt  an  sollte  Antonius  seine  Macht  nur  noch 
für  sie  verwenden ,  um  sie  von  einem  Triumphe  der  Eitelkeit 
und  des  Ehrgeizes  zum  andern,  und  endlich  als  Königinn  der 
Römer  auf  das  Capitol  zu  führen.  Da  er  nun  aber  die  zweite 
Rolle  erhielt,  so  hieng  alles  davon  ab,  wie  sie  die  ihrige  spiel- 
te, und  es  zeigte  sich  bald,  dass  sie  bei  einer  seltenen  Gewandt- 
heit in  Hof  -  und  Weiber  -  Ränken  doch  grosse  politisclie  Ver- 
hältnisse nicht  zu  beurtheilcn  und  zu  leiten  vermochte,  und  das 
Werkzeug  selbst  verdarb,  abstumpfte,  verächtlich  und  verhasst 
machte,  durch  welches  sie  ihre  Absichten  erreichen  MoUte. 

Die  erste  Gunstbezeugung,  welche  sie  von  ihrem  Buhlet 
forderte,  war  die  Ermordung    ihrer   Jüngern  Schwester    Arsinoe. 


08)  Plut.  27.         Ca)  Athen,  1.  e. 


V.  ANTONII.         (14.  §.  57.)         393 

Diese  war  unter  Cäsar  im  alexandrlnischen  Kriege  von  ihren 
Fcinilcn  gegen  sie  gebraucht  und  dann  in  Rom  im  Triumphe 
aufgeführt;  ^")  sie  wurde  in  Ephesus  im  Tempel  der  Diana  ge- 
tödtct.  ^J)  Auf  Antonius  Befehl  überlieferten  die  Tyrier  Serapion, 
welcher  zu  ihnen  geflohen  war,  der  Königinn  zur  Bestrafung.  '*V 
Auch  ein  Betrüger  in  Aradus  Avurde  ihr  übergeben,  nach  seiner 
Behauptung  ihr  Bruder  Ptolemäus ,  welcher  nach  seiner  Nieder- 
lage durch  Cäsar  nicht  im  Nil  ertrunken  sei ,  und  selbst  ein 
Priester  der  cphesischen  Diana  sollte  sterben,  weil  er  Arsinoe 
als  Königinn  empfangen  hatte,  doch  wurde  er  auf  die  Fürbitte 
der  Ephesier  von  Cleopatra  begnadigt.  '''■^)  So  schien  Antonius 
in  der  Nähe  dieser  Frau  betäubt  zu  sein  ,  und  nur  von  ihr  ge- 
trennt fand  er  sich  Avieder,  bis  sie  zuletzt  sich  seiner  so  be- 
mächtigte, dass  es  aus  weiter  Ferne  ihn  unwiderstehlich  zu 
ihr  zog.  Sie  reis^te  nach  Aegypten ,  '*)  nachdem  er  seinen  Be- 
such für  den  Winter  zugesagt  hatte,  und  er  selbst  nach  Syrien 
um  nun  auch  hier  und  in  den  benachbarten  Ländern  Tribut  zu 
erheben.  Jedoch  liess  er  keineswegs  L.  Plauens  als  Statthalter 
im  vorderen  Asien  zurück,  ^^)  denn  dieser  war  in  Italien  und 
übernahm  die  Verwaltung  erst  später.  ''^O  Unter  den  Städten, 
welchen  er  sich  jetzt  näherte,  versprach  Palmyra  die  meiste 
Beute,  denn  es  war  durch  den  Handel  unermesslich  reich  ge- 
worden; er  beschuldigte  es  des  Einverständnisses  mit  den  Par- 
thern und  entsandte  Reuter,  es  zu  plündern;  aber  die  Einwoh- 
ner flüchteten  mit  ihren  Schätzen  über  den  Euphrat  und  jene 
kamen  mit  leeren  Händen  zurück.  '^O  Uebrigens  kündigte  er 
sich  auch  in  diesen  Gegenden  als  Befreier  an;  die  Tyrannen, 
welche  sich  nach  Cäsars  Tode  und  von  den  Parthern  unterstützt 
in  den  syrischen  S*^ädten  die  Herrschaft  angemasst  hatten,  wur- 
den von  ihm  vertrieben  und  retteten  sich  auf  parthisches  Ge- 
biet; seine  Erpressungen  bewirkten,  dass  man  sie  bald  zurück- 
wünschte.''^^) Fortwährend  erhielt  sich  Herodes  seine  Gunst  und 
durch  dieselben  Mittel,  durch  welche  er  sie  sich  erworben  hatte.  '''•'J 


70)  S.  Julii  Caes.  Dict.  71)  Die  '48,  24.  Joseph.  Ant.  Jud.  15,  4. 
Zon.  1»  c.  App.  5.  676.  nennt  dafür  den  Tempel  der  Artemis  Leucophry- 
ne  in  Miiet.  72)  App.  1,  c.  Oben  A.  61.  73)  App.  n.  Die  11.  cc.  74) 
App.  1.  c.  75)  Die  1.  c.  76)  Unten  §.  5D.  u.  60.  fin.  77)  App.  1.  c. 
78)  Ders.  I.  c.   n.  677.     79)  Oben  A.  55. 


394  V.  ANTOMI.         (11.  §.  57.) 

Seine  Gegner  schickten  hundert  Ahgeordnete  nach  Dajthiic  hei 
Antiochien,  ihn  bei  Antonius  anzuklagen;  der  schwache  Hvrca- 
nus,  mit  dessen  Enkelinn  Marianme  er  verloht  war,  rühmte  sei- 
ne Verwaltung,  und  er  wurde  mit  seinem  Bruder  Phasaelus  zum 
l'etrarchen  ernannt,  während  fünfzehn  jener  Juden  im  Gefiing- 
nisse  hiissten  und  nur  auf  seine  Verwendung  jetzt  noch  das  Le- 
ben behielten.  Dann  vernalim  Antonius  in  Tyrus ,  dass  tausend 
Juden  im  Begriff  seien  ,  ihn  in  derselben  Angelegenheit  zu  be- 
lastigen. Ihre  Hartnäckigkeit  erbitterte  ilm;  er  Hess  sie  durch 
seine  Truppen  zersprengen ,  und  befahl  nun  auch,  jene  funfzelin 
hinzurichten.  ^^^ 

Die  ersehnte  Zeit  der  Winterquartiere  nahctc  heran.  An- 
tonius vertheilte  das  Heer,  er  setzte  Lucius  Decidius  Saxa,'*'^ 
seinen  Legaten,  zum  Statthalter  in  Syrien  ein,  *-J  und  bcgali 
sich  zu  Cleopatra.  ^^)  Sie  verdankte  ihm  die  Befestigung  ilircs 
Throns;  durch  die  Ermordung  der  Arsinoe  und  des  falschen 
l'tolcmäus  waren  auch  ihre  übrigen  Feinde  geschreckt,  und  durch 
die  Auszeichnung,  mit  welcher  er  sie  behandelte  ,  die  Dynasten 
im  Osten  belelirt,  dass  ihr  der  erste  Rang  unter  ihnen  gebüh- 
re. Für  Rom  hatte  er  nichts  gethan ,  nicht  einmal  für  dessen 
Schatz,  denn  was  er  einnahm,  das  verbrauchte  er;  die  Parther 
waren  nicht  besiegt ,  nicht  einmal  angegriffen ,  und  durften  bei 
der  Stimmung  der  von  ihm  beraubten  Provinzen  und  bei  dem 
Einflüsse  der  gestürzten  Tyrannen  darauf  reclmcn,  bei  einem 
Einfalle  in  das  römische  Gebiet  Freunde  zu  finden. 

Dennoch  schien  es,  als  ob  Antonius  in  Alcxandrien  von 
schwerer  Arbeit  ruhe.  ^*)  Er  entäusserte  sicli  der  Römer- Grö- 
sse und  des  Feldlierrnschmucks,  und  wanderte  in  griechischer 
Kleidung    und     in  weissen    attischen     Schuhen    in    die    Tempel, 


80)  Josepli.  Auf.  Jud.  14,  13.  B.  Jud.  1,  12.  Hegesfjjp.  1,  28.  81) 
Au8  Spanien  gebürtig,  von  Cäsar  mit  dem  Bürgerrechte  liescheukt,  und 
uIb  Freund  des  Antonius  in  den  l'hilijiiiiken  stets  mit  der  giossten  Ver- 
achtung erwähnt.  S.  Uecidii,  u,  unten  Characleriit.  H'l)  Dio  48,  24. 
J^iv.  1'27.  App.  Syr.  p.  120.  Flor.  4  ,  9.  §.  5.  Unten  §.  ii'2.  A.  HO.  83) 
App.  5,  G77.  Dio  1.  c.  Zonar.  10,  22.  81)  Sein  ältester  Sohn  von  Ful- 
via  begleitete  ihn  jetzt  noch  nicht;  IMutarch.  Ant.  28.  gedenkt  seiner  bei 
dieser  Gelegenheit  in  einer  anderen  Beziehung;  er  zählte  jetzt  nur  we- 
nige Jahre,   und  war  bei  der  Müller  iu  Italien.     App.  5.  679. 


V.  ANTONII.      (II.  §.  ÖS.)  395 

Cjninasicn  und  Hörsaale  der  Philosophen.  Die  Ivöniginn  glaub- 
te am  besten  für  sich  zu  sorgen,  wenn  sie  ihn  in  einem  steten 
Taumel  erhielt;  sie  schwelgte,  jagte,  fischte  und  würfelte  mit 
ihm,  züchtigte  ihn  wie  einen  Schulknaben ,  wenn  er  in  der 
Weinlaune  sich  beigehen  liess,  seine  Lagerwitze  vorzubringen, 
und  huldigte  dann  wieder  der  Majestät  des  Triumvir.  ^5)  g^ 
rerlebte  er  den   Winter  d.  J.  ^i. 


§  58. 

a.  42.  Für  Octavian  begann  seit  dem  Feldzuge  von  Phi- 
llppi  eine  Reihe  von  AViderwärtigkeiten,  deren  erste  Quelle  in 
den  Ränken  Fulvias,  der  Gemahlinn  des  M.  Antonius,  und  in 
den  Verhältnissen  zu  Sex.  Pompejus  zu  suchen  ist.  Jene  be- 
nutzte seine  Abwesenheit  und  die  Schwäche  des  M.  Lepidns,  wel- 
cher Meder  als  Triumvir  noch  als  Consul  sein  Ansclin  behaupte- 
te; ^'')  sie  wollte  im  Namen  des  Antonius,  und  scheinbar  eifer- 
süchtig auf  die  Erhaltung  seiner  Rechte  die  höchste  Gewalt  aus- 
üben und  Schätze  sammeln.  Als  Gemahlinn  eines  Triumvir,  als 
Schwiegermutter  eines  anderen,  des  Octavian,  ^^^  und  als  Schwä- 
gerinn  des  erwählten  Consul  L.  Antonius ,  von  Manius  und  an- 
deren Vertrauten  aufgeregt  und  unterstützt,  hoft'te  sie  ihr  Ziel 
nicht  zu  verfehlen.  ^^)  Sie  trug  am  meisten  dazu  bei,  dass  sicli 
Lei  Octavians  langsamer  Rückkehr  Gerüchte  verbreiteten,  wel- 
che ihm  nachtheilig  waren,  bald,  er  zögere,  weil  er  in  feindli- 
cher Absicht  komme,  dann  wieder,  er  sei  gestorben ,  ^9)  und 
man  glaubte  diess  um  so  leichter,  da  er  im  Kriege  mit  den 
Befreiern  wiederholt  erkrankte,  und  sich  sein  Zustand  insbeson- 
dere in  Brundusium  verschlimmerte.  ^^)  Der  Befehl,  für  die  Be- 
siegung der  Mörder  Cäsars  viele  Tage  ^0  ein  Dankfest  zu  feiern, 
gieng  ihm  voraus ,  und  zugleich  ein  Schreiben  an  den  Senat, 
worin  er  die  Gemüther  beruhigte,  denn  man  fürchtete  neue  Pio- 
scriptionen. 

a.  41.  war   Lucius  Antonius  Consul   mit  P.  Scrvilius  Isau- 


85)  App.  u.  Plut.  II.  cc.  8G)  Dio  48,  4.  87)  §.  5J.  A.  04.  88) 
Dia  1.  c.  üros.  6,  18.  89)  App.  5,  677.  Dio  48,  3.  90)  App.  I.  c.  u. 
ü7!).  Plut.  Anl.  22.  23.  Oros.  I.  c.  91)  Dio  1.  c.  Fast  ein  ganzes  Jahr 
i\.  h.   länger  all  je.     Vgl.  §.  44.  A.  76. 


396  V.  ANTONIF.         (14.  §.  58.) 

ricus ,  und  hielt  am  ersten  Tage  des  Jahrs  einen  Triumph  über 
Alpcnvölker,  ohglcich  er  seit  dem  Kriege  von  IMutina  nicht  in 
den  Alpen  gewesen  war.  Er  dünkte  sich  ein  Marius  zu  sein, 
welcher  am  I.  Januar  104  bei  dem  Antritte  seines  Consulats 
über  Jugurtha  triumphirt  hatte,  und  doch  beurkundete  die  Feier 
nur  den  grossen  Einfluss  Fulvias,  denn  er  musste  sich  vor  ihr 
demüthigen,  ehe  sie  darin  willigte,  und  dann  erst  erhielt  er 
die  Erlaubniss  dazu  auch  vom  Senat.  ^^2) 

Dieselbe  Unterwürfigkeit  verlangte  Fulvia  von  Octavian, 
welcher  jetzt  wieder  in  Rom  eintraf,  y-^^  Er  wusste,  dass  die 
Herrschaft  der  Triumvirn  nur  gesichert  sei,  wenn  sie  einig  blie- 
ben, denn  sie  hatten  noch  gemeinschaftliche  und  mächtige  Fein- 
de; Sex.  Pompejus  gebot  über  Sicilien  und  über  die  Zufuhr,^*>> 
und  die  Flotte  der  Verschworenen  verstärkte  ihn  theils  unmit- 
telbar unter  Statins  Murcus  ,  theils  begünstigte  sie  seine  Unter- 
nehmungen dadurch ,  dass  sie  unter  Cn.  Domitius  Ahenobarbus 
den  Krieg  im  ionischen  Meere  fortsetzte;  ^'')  freilich  Massen 
ohne  Geist,  aber  diess  konnte  man  nicht  voraussehn.  Auch 
aus  einem  anderen  Grunde  war  ein  Zwist  zwischen  den  Herr- 
schern jetzt  sehr  bedenklich ;  er  nährte  in  den  Heeren  das  Ge- 
fühl ihrer  Wichtigkeit,  und  machte  es  eben  dadurch  unmöglich, 
die  Kriegszucht  herzustellen.  Es  Avar  ihnen  nicht  unbekannt, 
dass  die  Drei  nur  nach  dem  Rechte  des  Stärkeren  regierten, 
dass  sie  sich  nur  von  ihnen  zurückziehen  durften,  um  sie  ge- 
stürzt und  verfolgt  zu  sehen,  während  die  feindlichen  Schiffe 
ihnen  selbst  Sicherheit  und  Unterhalt  gewährten,  oder  Rom 
gern  auf  jede  Bedingung  sich  mit  ihnen  verglich.  Die  Fahnen 
zu  verlassen  galt  längst  nicht  mehr  für  schimpflich,  es  hiess 
nur,  die  Parteien  wechseln,  und  in  dem  Masse,  als  diese  sich 
vermehrten  und  anfeindeten,  fand  sich  Gelegenheit  dazu,  und 
zu  Gewaltthätigkeitcn.  Voll  Furcht  überliess  der  Landmann 
dem  Krieger  das  Avenige  Getraide,  welches  die  unruhigen  Zei- 
ten zu  bauen  erlaubten,  und  in  Rom  wagte   man  Diebstahl  und 

92)  Fast,  capit.  hei  Pigh.  u.  Marlian.  triumph.  Orellii  Inscr.  Vol.  2. 
p.  45.  No,  3148.  Liv.  12.5.  Veliej.  2.  74.  Suet.  Octav.  14.  App.  5,  079. 
Dio  48,  4.  Plut.  Mar.  12.  Vaill.  Ant.  No.  23.  21.  71.  72.  93)  App.  5, 
677.  Dio  48,  5.  Zon.  10,  21.  91)  §.  57.  in.  App.  5.  f.85.  fiii.  95)  S. 
Pompeji  u.  IJoiuilii  Ahen.  u.  unten  §.  60.  A.  38.  f. 


V.  ANTONII.        (14.  §.  58.)       397 

Raub  nicht  zu  bestrafen,  weil  man  die  V^crbreclier  für  Soldaten 
hielt,  öc) 

Fulvia  kannte  solche  Rücksichten  nicht;  sie  dachte  nur  an 
sich,  und  auch  in  dieser  Beziehung  nur  an  das  Nächste.  Kein 
Geschichtschreiber  bestätigt,  dass  sie  sich  Octavian  antrug,  um 
ihn  abhängig  zu  machen,  und  wegen  verschmähter  Liebe  einen 
Krieg  unter  den  Cäsarianern  erregte,  'J^)  mit  welchen  sie  selbst 
nur  stehen  und  fallen  konnte.  Sie  erregte  ihn  aus  Ehrgeiz  ^^) 
und  aus  Eifersucht,  welche  aber  wieder  in  jenem  ihre  Quelle 
hatte;  denn  sie  fürchtete,  dass  Antonius  im  Dienste  der  Cleo- 
patra sich  dem  ihrigen  entziehen  und  sie  als  verstossene  Gat- 
tinn  ihr  Anschn  verlieren  werde,  deshalb  wollte  sie  durch  einen 
Kampf  in  Italien  seine  Rückkehr  erzwingen.  ^^)  Darin  bestärkte 
sie  insbesondere  Manius,  der  Geschäftsführer  ihres  Gemahls,  und 
er  war  auch  am  thätigsten,  als  man  schon  zu  den  Waffen  ge- 
gritt'en  hatte ,  das  Feuer  der  Zwietracht  zu  unterhalten ;  100;  j^, 
her  beklagte  sich  Octavian  über  ihn,  V  und  Antonius  selbst, 
welcher  den  unberufenen  Beschützer  Fulvias  nach  hergestelltem 
Frieden  tödten  Hess ,  ^)  obgleich  sein  Bruder  Lucius  ihn  von 
der  Schuld  frei  sprach.  ^)  Fulvia  also  war  die  Ursach  des  er- 
neuerten Bürgerkrieges,*)  und  Lucius  Antonius,  welchem  Einige 
die  erste  Rolle  geben ,  5)  nur  dazu  ersehen ,  als  Consul  und  als 
Feldherr  ihre  Entwürfe  auszuführen.  6)  Wenn  man  aber  be- 
hauptete, dass  Octavian  den  Bruch  befördert  habe,  weil  er  seine 
geheimen  Feinde  kennen  lernen  und  nach  Einziehung  ihres  Ver- 
mögens die  Veteranen  befriedigen  wollte,  V  so  war  diess  nicht 
bloss  ungegründet,  sondern  auch  ungereimt. 

Bei  den  Absichten  und  Gesinnungen  der  Antonianer  musste 
Alles ,  was  Octavian  als  Triuravir  unternahm ,  Anlass  zum  Streite 
geben.  Er  sollte  unter  die  Veteranen  die  ihnen  versprochenen 
Ortschaften  und  Ländereien  vertheilen ,  und  zeigte  den  Vertrag 
von  Philippi,    welcher  ihn  ermächtigte,   Antonius  in  dieser  An- 


Ö6)  App.  5,  681  ÜD.  97)  Martial.  11,  20.  98)  App.  702.  Oro8.  6, 
18.  99)  App.  082.  C83.  706.  707.  710.  100)  Ders.  679.  682.  683.  087. 
689.  690.  Martial.  1.  c.  1)  App.  096.  707  fin.  2)  Ders.  701.  710.  §.  60. 
A.  77.  3)  Ders.  096.  4)  Liv.  125.  Vellej.  2,  74.  Plut.  Anton.  28.  30. 
Flor.  4,  5.  Gros.  1.  c.  5)  Suet.  Oct.  14-  Eutrop.  7,  3.  (2.)  6)  Liv. 
I.  c.     7)  Siiet.  '  i. 


398  ^'   ANTONII.        (14.  §.  58.) 

gelcgenliclt  7U  vertreten.  8)  Gleichwohl  Ifiugneten  jene,  dasa  er 
dazu  befugt  sei ;  sie  gaben  ihm  die  ihm  bestimmten  Legionen 
nicht ,  ''')  und  er  schickte  Fulvia  ihre  Tochter  von  Clodius  zu- 
rück,  welche  vom  Heere  ihm  aufgedrungen  und  nach  seiner 
Versicherung  noch  Jungfrau  war.  ^")  Anfangs  eiferten  seine  Geg- 
ner für  die  Ehre  und  Rechte  des  Antonius ,  dessen  Ankunft  zu 
erwarten  sei,  ehe  man  zur  Vertheilung  schreite,  damit  nicht 
Einer  allein  Dank  und  Gunst  davon  trage.  ''>'  Als  die  Unge- 
duld der  Truppen  diess  nicht  erlaubte ,  wollten  sie  selbst  seinen 
Veteranen  Acker  anweisen,  und  Octavian  bei  diesem  Geschäfte 
auf  die  seinigen  beschranken.  ^~)  Nach  ihrem  Vorgeben  handelte 
Lucius  nach  den  Befehlen  seines  Bruders  ^^)  und  obgleich  diess 
geläugnet  wurde,  *'*3  später  auch  von  ihm  selbst, ^5)  so  setzte  er 
doch  das  Wort  Pietas  auf  seine  Münzen,  "*J  um  niemanden  über 
seine  brüderliche  Liebe  in  Zweifel  zu  lassen ,  und  Fulvia  stellte  ,, 
den  Kriegern  ihre  Kinder  von  Antonius  vor,  mit  der  Bitte,  *, 
nicht  zu  gestatten,  dass  dem  Vater  die  Gelegenheit  entzogen 
■werde,  sich  dankbar  gegen  sie  zu  beweisen.  ^^)  Bei  dem  Allen 
wurde  vorausgesetzt,  dass  man  die  wehrlosen  Italer  ohne  Mühe 
berauben  und  sich  auf  ihre  Kosten  der  Truppen  versichern  könne, 
bei  welchen  Antonius  ohnehin  sehr  beliebt  Avar.  ^^J  Um  diesen 
nicht  zu  beleidigen,  gab  Octavian  endlich  den  dringenden  For- 
derungen nach ,  und  der  Consul  hatte  die  Genugthuung ,  die 
Veteranen  seines  Bruders  in  Colonien  zu  versorgen.  '*•) 

Unerwartet  zeigten  sich  grosse  Schwierigkeiten.  Die  Sol- 
daten verlangten  die  achtzehn  reichen  Städte,  welche  ihnen  bei 
der  Stiftung  des  Triumvirats  versprochen  waren,  ^^)  und  die 
Vertheilung  begann.  -'>>  Die  Städte  aber  mochten  bei  der  angeb- 
lichen Wieder^burt  des  Vaterlandes  nicht  allein  verlieren;  durch 
den  Streit  zwischen  den    Cäsarianern    ermuthigt,     erklärten  sie. 


8)  App.  5,  677.  G79.  G84.  Dio  48,  6.  u.  12.  Oben  §.  57.  A.  35.  9) 
Dio  48,  5.  Oben  §.  57.  A.  31.  10)  Dio  1.  c.  Suet.  Oct.  C2.  Zoii.  10, 
21.  §.  54.  A.  64.  11)  Veliej.  Dio  Flor.  II.  cc.  App.  G79.  12)  Vell.  I.  c. 
App.  «79  u.  C82.  Dio  48,  G.  13)  Dio  48.  II.  14)  App.  082.  G87.  Dio 
48,  5.  15)  App.  G9G.  IG)  Dio  48,  5.  S.  unten  No.  30.  A.  43.  17) 
App»  G79.  18)  Dio  48,  G.  App.  I.  c.  §.  57.  A.  22  u.  25.  19)  App.  5, 
G79.  082.  088.  094.  690.  20)  App.  G78.  §.  53.  im.  21)  App.  080.  Gä4. 
I,iv.  125.  Veliej.  2,  74.  Flor.  4,  5. 


i 


V.  ÄNTONIL       (14.  §.  58.)         399 

man  müsse  bei  der  Anlegung  der  Colonlen  ganz  Italien  anziehen, 
und  zwar  nach  Entscheidung  des  Looses,  und  die  Besitzer,  -wel- 
chen man  Haus  und  Acker  nehme,     aus  dem  Schatze  entschädi- 
gen.--)    Ihr    Wunsth,     niclit    allein  zu  leiden,     wurde    sogleich 
erfüllt;     denn  die  neuen  Colonistcn    fanden  den  Raum,    welcher 
zu   ihrer  Ansiedelung  hestimmt  war,  nach  Verhültniss  ihrer  Zahl 
zu    klein,     und    erweiterten    ihn    willkülirlich    zum    Schaden  der 
Nachharcn.  -^)     Octavian  konnte  diesen  Cewaltthätigkciten  nicht 
steuern,  wenn  er  auch  Einzelnen  half ,  und   die  Beraubten  ström- 
ten in  Masse,     mit  AVeib  und  Kind  durch   die  Thore  von  Rom, 
Götter  und  Menschen  um  Schutz  anzuflehen,  da  man  härter  ge- 
gen sie  verfahre ,    als  gegen  Besiegte  und  Geächtete.     Sie  durf- 
ten   nur    ein    stummes   Mitleiden    erwarten ,     denn    d'.ie    Colonien 
schreckten   auch    die    Hauptstadt ,     welche  sie    als  eben  so  viele 
Lager  umgaben.  ^V     Aber  auch  Octavian  befand  sich   im  ärgsten 
Gedränge ;     denn    die    alten  Besitzer    forderten    Ersatz ,    und  die 
Veteranen,  welche  zu  arm  waren,  sich  einzurichten,    oder  ohn- 
erachtet    der    Eingriffe    in    das    Eigcnthum    der    Nachbaren  nicht 
versorgt   werden    konnten,     bestürmten    ihn    ebenfalls    mit  ihren 
Klagen;    er    entschuldigte  sich  gegen   jene  mit  der  Nothwendig- 
keit    und    mit  der  Erschöpfung    des  Schatzes,  -S)     und  für  diese 
entnahm  er  Geld  als  Anleihe  aus  den  Tempeln,  ^G)  dennoch  war 
weder    der   eine    noch    der   andere    Theil    mit    ihm    zufrieden.  27) 
Da  wurde  im  Rathe  Fulvias  beschlossen,    eine    andere    Stellung 
zu  nehmen;    man  wollte  die  Italer  und  zugleich  die  Krieger  be- 
schwichtigen ,     und    dadurch    den    Nebenbuhler    wehrlos    machen. 
Die    ganze   Halbinsel   war    in  der  heftigsten  Gährung,     als  sich 
Lucius    plötzlich    zum    Beschützer     der    Unglücklichen    aufwarf, 
ihre  Klagen  hörte,     Abhülfe  versprach  und  die  Ackervertheilung 

22)  App.  078.  23)  Ders.  I.  c.  u.  679.  Suet.  Ocfav.  13.  Unter  an- 
deren bemächtigten  sich  die  Veteranen  in  Creniona  auch  der  mantuani' 
sehen  Ländereien,  welche  ihnen  nicht  überwiesen  waren,  wobei  Virp;il 
sein  väterliches  Gut  verlor.  Serv.  zu  Virgil  Ecl,  1  u.  Ecl»  9.  28.  Vgl. 
Heyne  arg.  Ecl.  1.  u.  Vita  Virgil.  a.  713.  Auch  Propertius  (Eleg.  '^1.  1. 
129.)  u.  Tibullus  (Eleg.  1.  1.  19  f.  4,  1.  182.)  blieben  nicht  verschont. 
24)  App.  5.  C7S.  f.79.  084.  Suet.  1.  c.  Die  48,  G.  25)  Mon.  Ancyr.  tab. 
III.  V.  25.  in  Chish.  Ant.  Asiat,  p.  174.  u.  192.  rühmt  er  seine  Freige- 
bigkeit und  Gerechtigkeit  bei  Ackerverlheiinngen.  2C)  App.  II.  ce.  u.  085. 
27)  Tacil.  Ann.   1,10.  Suet.  0«(.   13.  Dio  48,  7.  8. 


400  V.   ANTOMI.  (14.  §.  58.) 

für  iinnCthig  und  ungerccTit  erklärte,  ^^)  befremdlich  in  dem 
Munde  eines  Consuls,  welcher  so  eben  selbst  Colonien  gegrün- 
det, und  um  das  Heer  zu  gewinnen,  bei  der  Ungebühr,  mit 
welcher  man  sie  ausdehnte,  mehr  Nachsicht  bewiesen  hatte,  als 
Octavian,2'-*->  aber  von  denen,  welche  der  Verzweiflung  preis  ge- 
geben waren,  mit  Freuden  vernommen.  Auf  der  anderen  Seite 
bedachte  man,  dass  die  arbeitsscheuen  Veteranen  stets  baares 
Geld  den  Ländereien  vorzogen,  deren  Besitz  ihnen  überdiess 
Verwünschungen  und  Gefahren  brachte;  sie  wurden  belehrt,  dass 
es  nach  dem  Verkaufe  der  Güter,  welche  man  während  der 
Proscription  eingezogen  habe,  nicht  an  Mitteln  fehlen  könne, 
ihnen  statt  des  Ackers  dessen  Werth  in  Gelde  zu  geben,  und 
dass  unter  jeder  Bedingung  Antonius  mit  dem  Tribute  Asiens 
dafür  bürge.  3^) 

Die  Besitzer  wagten  es  nun,  ihr  Eigenthum  zu  vertheidi- 
gen;  sie  läiigneten  entweder,  dass  es  vertheilt,  oder  auch  dass 
eine  solche  Vertheilung  gültig  sei,  und  schritten  zu  offener  Ge- 
walt, von  Allen  begünstigt,  welche  ein  gleiches  Schicksal  fürch- 
teten. 3'-'  Als  Triumvir  sollte  Octavian  entscheiden,  während 
jeder  in  diesen  blutigen  Händeln  sich  selbst  Recht  verschaffte 
und  auf  sein  Recht  trotzte;  wen  er  zurückwies,  den  M'ies  er 
Fulvia  zu ,  und  eben  so  wenig  trug  es  zur  Herstellung  der 
Ruhe  bei  ,  dass  er  die  Güter  von  der  Vertheilung  ausnahm, 
welche  Senatoren  gehörten,  oder  Frauen  als  Aussteuer,  oder  das 
Mass  des  Besitzthums  nicht  erreichten,  welches  dem  einzelnen 
Soldaten  bestimmt  war.  32)  Er  -wollte  dadurch  die  Reichsten 
und  Aermsten  mit  sich  versöhnen ,  und  zugleich  erliess  er  eine 
milde  Verfügung  über  den  Miethzins.  33)  In  Rom  gab  man  mehr 
für  die  Wohnung,  als  in  anderen  Städten  Italiens,  überall  aber 
nach  Verhältniss  sehr  viel;  wer  dort  nicht  über  2000  und  hier 
nicht  über  500  Sestertien  zahlte,  der  wurde  für  arm  gehalten. 
Für  Miether  dieser  Art  war  einst  Cäsar  eingetreten,  34)  und  sei- 


28)  Liv.  125.  Veliej.  2,  71.  App.  082.  C83.  681.  080,  Dio  48,  6.  10. 
11.  Flor.  4,  5.  29)  App.  079.  C9C.  30)  Dio  48,  7.  31)  Der«.  48,  G. 
8.  ö.  App.  5,  680.  32)  Dio  48,  8.  9.  33)  Der«.  48,  9.  wo  ihr  Inhalt 
offenbar  unrichtig  aber  doch  so  angegeben  ist,  dasi  man  leicht  sieht, 
wie  fern  der  Vf.  seine  Quellen  missverstand.  S.  Casaubon.  u.  Baunigar- 
ten-CruslMS  zu  Suet.  Caes.  38.     34")  Suet.  I.  c. 


V.  ANTONir.        (14.  §.  58.)  40 1 

nem  Beispiele  folgte  jetzt  Octavian;  er  wollte  für  Alle  den  Zin« 
eines  ganzen  Jahres  entrichten,  in  Rom,  wenn  er  nicht  über 
2000  Sestcrtien  betrug,  und  ausserhalb,  wenn  er  nicht  den 
vierten  'l'heil  dieser  Summe  iiberstieg.  Halbe  Massregeln  ver- 
Böhnten  Rom  und  die  Italcr  nicht  mit  ilim,  und  die  Veteranen 
sahen  darin  eine  Beeinträchtigung.  Die  Umstände,  welche  ohn« 
sein  Verschulden  die  Erfüllung  ihrer  Wünsche  erschwerten ,  hat- 
ten sie  ohnehin  schon  gegen  ihn  erbittert.  Sie  b,edrohten  ihn, 
als  einer  ihrer  Gefährten  verschwand ,  welcher  auf  seinen  Be- 
fehl im  Theater  die  Sitze  der  Ritter  verlassen  hatte;  denn  sie 
glaubten,  obgleich  ohne  Grund,  dass  er  mit  dem  Tode  bestraft 
sei.  3^)  Ein  Ccnturio,  Nonius,  wurde  von  ihnen  verfolcrt.  und 
stürzte  sich  in  die  Tiber,  weil  er  Octavian  entschuldigte,  als  er 
nach  ihrer  Meinung  nicht  zu  rechter  Zeit  auf  dem  MarsfeMe 
bei  ihnen  eintraf.  ^''^ 

Bei  dieser  Stimmung  wagten  es  die  Antonianer,  den  Trium- 
vir  als  solchen  anzugreifen ,  welches  auf  dem  nächsten  Wcfre 
zujn  Ziele  aber  auch  sie  selbst  an  den  Abgrund  führen  konnte. 
Sie  erklärten  sich  gegen  die  bestehende  Verfassung;  wenn  es  je 
eines  Triumvirats  bedurft  habe,  so  sei  es  nach  der  Besiegung 
der  Verschworenen  überflüssig,  und  eben  deshalb  verbrecherisch: 
Antonius  erkenne  diess  an,  er  werde  niederlegen;  die  Anderen 
müsse  man  dazu  zwingen,  ^i)  Damit  war,  ausgesprochen,  das« 
Octavian  nach  der  Alleinherrschaft  strebe,  und  als  Feind  de« 
Staats  zu  ächten  sei.  Um  die  Republicaner  und  Bedrückten 
noch  mehr  zu  überzeugen,  dass  Antonius  nichts  mehr  mit  ihm 
gemein  habe,  folgte  ihm  Lucius  in  die  Colonien,  und  errich- 
tete in  den  seinigen  eine  Leibwache,  weil  die  Reuterei ,  welche 
ausgeschickt  wurde,  die  Küsten  der  Bruttier  gegen  Pompejus 
zu  schützen,  angeblich  ihn  und  die  Kinder  seines  Bruders  auf- 
heben sollte.  ^^)  Mochte  sein  Gegner  diess  mit  allem  Rechte 
Verläumdung  nennen,  und  Aviedcrholen,  dass  er  nichts  unter- 
nehme, als  was  er  gemeinschaftlich  mit  Antonius  beschlossen 
habe,  nur  die  Bemerkung  machte  Eindruck,  dass  es  ohne  Trium- 
virat auch  keine  Colonien  gebe,    und  in  dem  Einen  das  Andere 

35)  Ders.  Octav.  14.  App.    5.   C80.    Dio    1.    0.     3C)  App.    Dio    ».    cc 
37)  App.  682.  688,   «03.  696.  702.     38)  Ders.  G82. 

Uruniiiiin,   GescJiiehte  Rums  1.  ^Q 


40'i  V.  ANTONIl  (14.  §.  58.) 

(Tpf;i)ir<let  worfle.  Bei  dem  allgemeinen  Hasse  gegen  die  Colo- 
nisten  mussten  sie  das  Aeusserste  fürchten,  A*eiin  siedle  Selnvü- 
elicreii  wurden,  und  diess  schien  unvermeidlich,  wenn  ihre 
Häupter  zerfielen;  an  sich  aber  wünschten  die  Veteranen  seil 
Cäsars  Toilc  die  F'rhaltung  des  Friedens  und  ruhigen  Genuss. 
Ihre  Führer  vermittelten  einen  Vergleich  zu  Teanum  Sidicinum: 
darnach  sollten  die  Triumvirn  sich  keine  Eingritfc  in  die  Con- 
snlar- Verwaltung  erlauben,  die  Truppen,  welche  erst  nach  dem 
Feldzuge  von  Philippi  ausgehoben  waren ,  keinen  Acker  bekom- 
men ,  die  Summen  aber ,  welche  man  durch  den  Verkauf  der 
eina-ezoireneu  Güter  erhalte,  und  die  Ländereien  unter  die  Kric- 
ger  des  Antonius  und  Octavian  gleichmässig  vertheilt,  und  von 
Keinem  in  Italien  neue  Werbungen  veranstaltet  werden,  die 
Truppen  des  Octavian  ungehindert  nach  seiner  Provinz  Spanien 
sehen,  und  Lucius  seine  Leibwache  entlassen.  3^) 

Nur  die  beiden  letzten  Artikel  wurden  A'ollzogen,  *0)  Dia 
Legionen,  welche  nach  Spanien  bestimmt  waren,  befehligte  Q. 
Salvidienus  Riifus,  ein  Mann  von  niedriger  Herkunft ,  vom  Rit- 
terstande, *')  aber  schon  in  ApoUonia  der  Vertraute  des  Octa- 
vian ,  ''-)  welcher  Jin  a.  43  nach  Rhegium  gegen  Sex.  Pompejus 
schickte,  *^J  und  ihm  das  Consulat  zusicherte,  obgleich  er  nocli 
nicht  Senator  Avar,  **)  später  aber  aus  Argwohn  ihn  zum  Tode 
verurtheilte.  *^)  Er  hatte  ihm  jetzt  einen  schwierigen  Auftrag 
srPircben.  Die  Legaten  des  M.  Antonius  in  den  beiden  Gallien 
Asinius  PoUio,  Q.  Fufius  Calenus  ^''0  und  P.  Ventidius  hinderten 
ihn,  die  Alpen  zu  überschreiten,  und  in  Placentia  entstand  eine 
Meuterei  unter  seinen  Truppen ,  für  welche  er  Geld  in  der  cis- 
alpinischen  Provinz  erpressen  musstc.  *^^  In  Folge  jenes  Ver- 
trags wurde  iluu  nun  zAvar  der  Weg  geöffnet,  aber  die  Umstanda 
nöthigten  ihn  bald  zur  Rückkehr. 

Mit  Fulvias  Planen  war  der  Friede  unvereinbar.  Sie  begab 
sich  mit  Lucius  unter  dem  Vorwande,  dass  ohne  AVache  in  Rom 
keine  Sicherheit  für  sie  sei,  nach  Präneste,  *^'')  einer  hochgeie- 
30)  DeräT  I.  c.  u.  0X3.  Dio  IS,  10.  40)  App.  l.  c.  41)  Vellej.  2, 
76.  Suet.  Octav.  66.  Dio  48,  33.  42)  §.  15.  A.  98.  43)  App.  4,  038. 
Dio  48,  18.  44)  Vellej.  1.  c.  Dio  48,  33.  45)  Inten.  40)  §.  30.  A. 
76.  47)  App.  5,  083.  Dio  48,  10.  48)  Nicht  zu  Lepidus,  welcher  in 
Rom  war,  und  lür  Octavians  Freund  galt.  App.  083.  684.  687.  Vellej. 
2.  74.  Üio  48,   10 


V.   ANTONU.         (14.  §..'58.)     403 

genen,     festen    Stadt,     '200    Stadien    von    Rom,     iiiul    zu   ilireiu 
\  crderben    schon    früher    der  Zulluclitsort  für  den  jüngeren   Ma- 
rius  und  andere  l*artcih;lupter    und    Neuerer.^'')     Auch  viele  Se- 
natoren  und  andere   \  ornehiue  fanden  sich  ein,    und  Fulvia  un- 
terliess    niclits,     ^vodurch    sie    iliren    Anhang    vorstärken  und  an 
sich  fesseln   konnte;     sie    kündigte    in  Edicten    den  Römern  die 
Freiheit  an,  hielt  begeisternde  Reden,  erschien  bewaftnet  in  den 
Reihen     der    Soldaten,     ^'ud     gab    ihnen    das    Loosungswort. ^o) 
Octavian    durfte    nicht    hoffen ,    die    AVütlicnde    durch    ihren  Ge- 
mahl   zu    besänftigen,     obgleich    er  ihm  sclirieb,     denn  auch  sie 
schickte    Boten    an    ilin  ^^)    und    Antonius  blieb  der  Streit  lange 
sehr  gleichgültig.     Auch  die  Veteranen  fauden  mit  der  Forderung, 
dass  man  sich  unterreden  und  einigen  möge ,    nur  bei  Octavian 
Gehör,    auf  dessen  Wink  sie  ohne  Zweifel  handelten;    sie  droh- 
ten, und  erreichten  dennoch  ihre  Absicht  nicht.  ^-^      Die  Besorg- 
niss  vor  neuen  Unvuiien  führte  *  iele  Römer  nach  Präneste ,  deren 
Bitte,   sich  zu  vergleichen,  Lucius  wenigstens  mit  Anstand  und 
Mässigung    vernahm ,     wogegen   Manius    sie    sehr    unzeitig  fand, 
und  sich  in  einem  schnöden    Tone  über  Octavians  Anmassungen 
äusserte.  ^^^ 

Dieser  machte  jetzt  einen  letzten  Versuch,  den  Krieg  durch 
die  Veteranen  abzuwenden ,  insbesondere  durch  die  beiden  Legio- 
nen, welche  als  Colonisten  in  Ancona  versorgt  und  ihm  und 
Antonius  gleich  sehr  ergeben  waren.  Man  musste  ihnen  auf 
dem  Capitol  den  Vertrag  zwischen  den  Triumvirn  vorlesen, 
worauf  sie  ihn  bestätigten  und  den  Vestalinnen  übergaben ,  um 
nun  auf  den  Grund  dieser  Urkunde  die  streitigen  Puncte  zu 
entscheiden.  Zu  dem  Ende  wurden  Octavian  und  sein  Gegner 
nach  Gabii  entboton,  einem  Orte  zwischen  Rom  und  Präneste, 
und  von  heilen  fast  sleich  weit  entfernt.  ^*)  In  Präneste  nannte 
man  die  bewaffneten  Schiedsrichter  den  gestiefelten  Senat ,  indess 
gehorchte    man    wenigstens    zum  Schein.     Kaum  aber  trafen  die 


49)  Strabo  5,  238.  Vellej.  2.  26.  50)  Die  1.  c.  Flor.  4,  5.  Val. 
Max.  3,  5.  3.  51)  App.  683.  u.  701.  Dio  48,  27.  Octavian  schickte  IM. 
Coccejus  und  Cäcina.  App.  706.  Rorat.  Sat.  1.  5.  28.  u.  das.  Porphyr- 
§.  60.  A.  22.  u.  52.  n.  das.  die  Bemerkung  über  Coccejui  Namen.  52) 
App.  083.  Dio  48,  11.  Zouar.  10,  21.  53)  App.  1.  c.  u.  684.  54) 
Strabo  1.  c. 

26* 


404  V.  ANTONir.  (14.  §.  59.) 

Reuter  auf  einander,  welche  vorausgicngen,  als  sie  handgemein 
wurden  und  Lucius  entfloh.  Er  klagte  über  Verrath  ,  und  keine 
Vorstellungen  der  Veteranen ,  welche  sich  mit  ihrem  Leben  für 
das  seiuige  verbürgten,    konnten  ihn  zur  Rückkehr  bewegen.*^) 

§  59. 

So  entzündete  sich  durch  den  Ehrgeiz  einer  Frau  und  die 
Riinkc  eines  Menschen ,  welcher  aus  dem  Dunkel  hprvorzutrcten 
wünschte,  ein  neuer  Bürgerkrieg,  für  Octavian  innerhalb  drei 
Jahren  der  dritte.^''-'  Die  Streitkräfte  beider  Theile  waren  zer- 
streut; Octavian  musste  überdiess  Besatzungen  in  Rom  und  an 
der  Ost-  und  Westküste  gegen  Domitius  Ahenobarhus  und  Pom- 
pejus  zurücklassen,  Avenn  er  ins  Feld  rückte,  und  für  den  Au- 
geablick  verfügte  er  nur  über  vier  Legionen  in  Capua  ausser 
der  prätorischen  Cohorte.  Er  befahl  Salvidienus,  Melclier  Spa- 
nien noch  nicht  erreicht  hatte,  seine  sechs  Legionen  schleunigst 
herbeizuführen,  und  verstärkte  sich  indess  durch  Aushebung; 
den  Sold  erhielt  er  aus  den  Tempeln ,  selbst  aus  dem  Capitol, 
als  gezwungene  Anleihe.  ^^)  In  Rom  hoffte  man  nicht  ohne 
Grund,  dass  der  Kriegs  -  Schauplatz  sich  wenigstens  entfernen 
werde.  Dena  auch  Lucius  zählte  nur  sechs  Legionen,  die  übri- 
gen, welche  Appian  ^^-^  auf  eilf  berechnet,  standen  unter  den 
Legaten  seines  Bruders  in  dessen  gallischen  Provinzen.  Gelang 
es  ihm,  sich  mit  ihnen  zu  vereinigen  und  vor  der  Ankunft 
Octavians  dessen  Heer  in  den  Alpen  zu  erdrücken ,  so  schien 
ihm  der  Sieg  gewiss.  Salvidienus  war  ohneliin  in  grosser  Ge- 
fahr; denn  Calenus  und  Ventidius  verfolgten  ihn  aus  dem  jen- 
seitigen Gallien,  und  im  transpadanischen  erwartete  ihn  Asinius 
Pollio.  ^'■')  In  seine  Tironen ,  welche  er  als  Consul  ausgehoben 
hatte,  setzte  Lucius  wenig  V'ertrauen;  ß''^'  doch  bewährten  sie 
sich  später  in  Perusia,  und  noch  mehr  seine  zahlreichen  Gla- 
diatoren. ''0  Aber  es  Mar  schon  ein  Missgriff,  dass  er  nicht 
ohne  Verzug  nach  dem  Morden  gieng;    als  Verthcidiger  der  Ita- 

55)  App.  1.  c.  Dio  48,  12.  Zonar.  1.  c.  l'eber  den  sc/t n tut  caligntut 
s.  Tacit.  Ann.  1.  41.  Suet.  üctav.  25.  Caligula  9.  5C)  .Suet.  üctav.  9. 
App.  084.  57)  App.  G85.  ßSfi.  088.  (in.  Dio  -18  ,  12.  58)  ü85.  59)  App. 
683.  Dio  48,  10.  Serv.  zu  Vir^.  Kcl.  i.  1.  Donat.  vit.  Virg.  §.  30.  CO) 
p.  ApCSJ.  089.  094.     Ol)  Ders.  088.  Suel.  Uct.  14. 


V.  ANTONII.        (14.  §.  69.)      405 

Icr  nnd  der  Vetorancn  seines  Bruders ,  welche  ihm  ihre  GQter 
Verdankten,  hoffte  er  zuvor  ein  bedeutendes  Heer  zu  sammeln; 
der  Feind  warb  aber  auch,  man  begegnete  sich,  und  verlor 
Zeit  und  Menschen  in  nutzlosen  Gefechten.  ^V 

Octavian  war  nicht  so  verblendet,  dass  er  noch  an  die 
Möglichkeit  einer  Versöhnung  glaubte  ;  aber  er  ivusste ,  wie  sehr 
die  Veteranen  sie  wünschten.  Um  sich  bei  ihnen  und  bei  M. 
Antonius  ku  rechtfertigen,  berief  er  in  Rom  Senatoren  und 
Ritter:  er  verabscheue  den  Bürgerkrieg  und  verschulde  ihn  nicht, 
denn  er  sei  dem  Vertrage  von  Philippi  gewissenhaft  nachgekom- 
men; obgleich  er  wisse,  dass  seine  Friedensliebe  bei  seinen 
Feinden  für  eine  Wirkung  der  Schwäche  gelte ,  so  trage  er  doch 
auf  neue  Unterhandlungen  an.  Den  Abgeordneten  erwiederte 
Lucius  in  Präneste  mit  wenigen  Worten:  es  sei  zu  spät,  auch 
wolle  man  ihn  nur  täuschen;  Manius  bewies  mit  einem  unter- 
geschobenen Schreiben  des  Antonius,  dass  man  nur  dessen  Be- 
fehle vollziehe,  und  fügte  viel  Beleidigendes  hinzu,  so  Jass  we- 
nigstens öfFeutlich  an  Octavian  kein    Bericht  erstattet  wurde.  ''^^ 

Dieser  hatte  zur  Sicherung  der  Küste  bereits  eine  Legion 
nach  Brundusium  geschickt,  und  zwei  blieben  unter  Lepidus  in 
Rom.  6*)  Er  hoffte  sie  durch  eine  gleich  starke  Abtheilung  vom 
feindlichen  Heere  zu  ersetzen,  welche  sich  in  Alba  gegen  ihre 
Tribüne  auflehnte  ,  allein  Lucius  kam  ihm  zuvor  und  beruhigte 
sie  durch  Geschenke.  ^^^  Auch  sein  Versuch,  Nursia  im  Sabi- 
nisehen  durch  Ueberfall  zu  nehmen ,  wurde  von  Tisienus  Gallu» 
vereitelt,  und  Cajus  Furnius  zog  sich  in  Umbrien  vor  ihm  nach 
Sentinum  zurück.  •'"^  Während  er  ihn  belagerte ,  und  fast  die 
Hoffnung  aufgab,  seine  Feinde  einzeln  aufzureiben  und  vor  Lu- 
cius an  den  Padus  zu  gelangen,  unternahm  dieser  einen  Angriff 
auf  Rom.  Verkleidete  Krieger  schlichen  sich  in  die  Stadt,  und 
CT  selbst  war  schon  ganz  nahe ,  als  der  sorglose  Lepidus  die 
Gefahr  erkannte  und  ihm  entgegen  gieng;  der  Ausfall  endigte 
sich  mit  einer  Niederlage,  und  der  Triumvir  entfloh  zu  Octa- 
vian ,  zumal  da  nun  auch  die  feindlichen  Truppen  innerhalb  der 
Mauern  sich  regten,  worauf  Nonius,  ein  Unterbefehlshaber,  Rom 

62)  Lir.  125.  App.  C86.  Dio  18,  13.  63)  App.  C87.  Die  48,  11. 
Zonar.  j.  c.  61)  App.  1.  c.  Liv.  125.  Dio  48,  13.  66)  App.  688.  66) 
Den.  n.  Dio  11.  ec.     S.  oben  §.  51.  A.  40. 


406  V.  ANTOMI.       (14.  §^  59.) 

fibci'gab.  ''^)  Auf  Lucius  Antrag  erklärte  der  Senat  die  Herr- 
Rchcr  mit  Ausnahme  des  Antonius,  da  dieser  aus  eigenem  An- 
triebe zurücktreten  wolle,  für  Feinde  des  Staats,  und  ermäch- 
tigte den  Consul,  welcher  unter  lautem  Beifalle  die  Tyrannen 
auch  bei  dem  Volke  anklagte ,    den  Beschluss  zu  vollziehen.  *•*■) 

Die  nächste  Gelegenheit  dazu  benutzte  er  nicht ;  denn  er 
entfernte  sich  und  wich  dem  Feinde  aus,  als  er  von  Sentinum 
herbeieilte.  Octavian  traf  die  erforderlichen  Massregeln  zur 
Sicherung  Roms,  und  wandte  sich  wieder  nach  dem  Norden, ''''^ 
wo  in  seiner  Abwesenheit  Sentinum  genommen  war,  während 
Furnius  mit  dem  grösseren  Thcilc  der  Besatzung  ihn  verfolgte.  '"^ 
Die  Nursiner  ergaben  sich ;  sie  hatten  auf  dem  Grabmale  ihrer 
Gefallenen  in  einer  Inschrift  gesagt,  dass  diese  für  die  Freiheit 
gestorben  seien ,  und  wurden  jetzt  zu  einer  Geldbusse  verur- 
theilt,  und  vertrieben,  als  sie  nicht  zahlen  konnten."')  Für 
Lucius ,  welcher  endlich  mit  Umgehung  Octavians  von  Rom  nach 
den  Alpen  aufgebrochen  war,  nahm  der  Krieg  auch  in  anderer 
Hinsicht  eine  ungünstige  Wendung.  Mochte  Barbatius,^-)  ein 
von  seinem  Bruder  in  Unwillen  entlassener  Qiiästor  dadurch  ei- 
nige seiner  Soldaten  zum  Abfalle  bringen,  dass  er  versicherte, 
Marcus  missbillige  den  Angriff  auf  Octavian  und  das  Triumvirat, 
so  schadete  ihm  doch  seine  eigene  Untüchtigkeit  am  meisten, 
und  das  zweideutige  Benehmen  mehrerer  Legaten,  Melche  aus 
Eifersucht  gegen  einander,  und  ungewiss  über  die  Gesinnungen 
des  M.  Antonius ,  Aveder  einig  noch  thätig  waren.  '^)  Er  Mollte 
mit  ihrer  Hülfe  Salvidienus  einschliessen,  aber  Agrippa  führte 
in  seinem  Rücken,  im  Lande  der  Insubrer,  so  kühne  und  wohl- 

07)  Dies.  11.  cc.  Liv.  1.  c.  GS)  App.  1.  c.  u.  096.  Die  I.  c.  Flor.  4, 
5.  60)  Dio  1.  c.  70)  Die  1.  c.  lässt  es  durch  Salvidienus  erobern,  wel- 
cher noch  nicht  in  diese  Gegend  vorgedrungen  war.  S.  unten  A.  83. 
71)  Ders.  I.  c.  .Suel.  Octav.  12.  verwechselt  hier  den  perusinischen  mit 
dem  niutinensischen  Kriege.  Tisienus  en(l1oh  später  zu  Ponipejus,  in 
dessen  Heere  man  ihn  wieder  fmdef.  App.  5.  7,31.  72)  Nach  Cic,  13 
Phil.  2.  zu  den  naufrapiis  Caesaris  amicorum  gehörig.  Ursinus  lies't 
hier  und  hei  App.  5.  088.  Barhatus.  Auf  den  unverdächtigen  Münzen 
liiidot  sich  meistens  nur  Barbat.  auch  in  der  Grtts  Vnhrifr.  Die  richtige 
Lesart  haben  F.cVh.  5.  p.  'J31.  u.  G.  p.  42.  und  nach  ihm  Garoton.  zu 
Cic.  I.  c.  verlheidigt.  S.  unten  §.  72.  A.  «5.  73)  App.  Cö9.  690.  Vellej. 
2     7J 


V.  ANTONII.         (14.  §.  59.)      407 

berecimctc  Bewegungen  aus,  dass  er  furchten  musste,  selbst  eiu- 
gcsclilosseii  zu  weiden,  und  nach  Perusia  in  Etruricu  zurück- 
wich.''*) Der  Mangel  an  Unterstützung,  auf  welche  gerechnet 
war,  cntschuhligte  ihn,  aber  das  Beispiel  des  D.  Brutus,  die 
Nähe  des  Winters  und  die  Möglichkeit  des  Entsatzes  rechtfertigte 
fhn  nicht.  Ihn  begünstigte  nic]it,  was  Brutus  begünstigt  hatte, 
auch  stand  dieser  nicht  an  der  Spitze  der  Heere.  Als  Oberan- 
führer durfte  er  sich  nicht  in  eine  Stadt  einsperi'en;  er  entsagte 
damit  der  Leitung  des  Kriegs.  Perusia  ferner  war  zwar  gross 
und  reich ,  aber  nicht  auf  eine  lauge  Belagerung  vorbereitet ; 
die  Vorräthe,  welche  man  in  Eile  zusammeuralFte ,  genügten 
nicht,  die  Verbindung  mit  der  nahen  Tiber  wurde  bald  aufge- 
hoben, und  die  Reuterei  abgeschnitten,  welche  ausserhalb  der 
Thore  streifte. 

Denn  Agrippa,  im  Felde  das  Auge  und  der  Arm  des  Octa- 
tian,  säumte  nicht,  mit  Salvidienus  die  Stadt  zu  berennen, 
und  bald  fand  sich  auch  jener  ein ,  so  dass  das  Belagerungslieer 
in  drei  Abtheilungen  und  mit  dem  ;,-rössten  Nachdrucke  zum 
Angriff  schritt.  Seine  Werke  erhielten  einen  Umfang  von  Sü 
Stadien,  und  schnell  verwandelte  sich  (ler  Vertheidigungs- Krieg 
in  einen  Kampf  der  Verzweiflung,  Die  Legaten  des  Antonius 
überhörten  die  Bitten  und  Drohungen  seiner  Gemahlinu  und 
des  Manius;  zu  stolz,  sich  einander  unterzuordnen,  trennten 
sie  sich,  statt  sich  zxi  vereinigen,  so  dass  zuletzt  dreizehn 
Schaaren  mit  mehr  als  (J500  Reutern  unter  Asinius,  Plauens, 
Ventidius,  Calenus,  Ateius,  P.  Canidius  Crassus  u.  A.  müssig 
unter  den  Waffen  standen,''^)  und  angeblich  Verhaltungs- Befehle 
vom  Triumvir  erwarteten.  W'enn  auch  endlich  zur  Rettung  des 
Consuls  etwas  unternommen  wurde,  so  geschah  es  doch  nur  zum 
Scheine ,  und  ohne  gehöriges  Zusammenwirken ;  der  Feind  Avar 
dem  Einzelnen  überlegen,  und  hielt  den  Punct  fest,  wo  er  ent- 
scheiden wollte.  Es  irrte  ihn  nicht,  dass  die  Güter  seiner  Ve- 
teranen von  Tisienus  mit  4000  Reutern  geplündert  wurden  und 
Plauens  eine  nach  Rom  bestimmte  Legion  aufrieb.  Ihn  hatte 
Fulvia    entsandt;     auf  ihren  Nothruf  rückten   auch   Asinius  und 


74)  App.  u.  Vellej.  11.  cc.  Liv.  12C.  Suet.  Oct.  14.  15.  Plin.  7.  4G. 
(45).  Solin.  1,  49.  Dio  48,  14.  Plut.  Ant.  24.  28.  30.  Flor.  4,  5.  Eutrop. 
7.  3.  (2.)  (A.  Vict.)  fle  vir.  ill.  85.  Zonar.   10,  21.     75)  App.  5,  090.  700. 


4ÜS  V.    ANTONII.       (14.  §.  59.) 

Ventidius  in  Umbrien  vor;  ein  ernstlicher  Versuch  zum  Ent- 
sätze schien  gewiss.  Aber  jene  giengen  langsam  ,  umi  auf  die 
Nachricht,  dass  Octavian  mit  Agrlppa  im  Anzüge  sei,  und  Sal- 
viilienus  die  Belagerung  fortsetze,  entfloh  der  Eine  nach  Ra- 
venna  und  der  Andere  nach  Ariminum ,  Grund  genug  für  Plan- 
cus,  in  Spolctium  zu  bleiben.  Feinde  dieser  Art  konnte  man 
mit  wenigen  Truppen  beobachten;  die  übrigen  kehrten  nach 
Perusia  zurück.^'')  Man  erfährt  nicht,  warum  Lucius  ilire  Ab- 
wesenheit nicht  zu  einem  Ausfalle  benutzte;  vielleicht  blieb  sie 
ihm  verborgen.  Leichtsinnig  hatte  er  sich  unter  fremdem  Ein- 
flüsse in  Gefahr  gestürzt  und  sie  durch  falsche  Massregeln  ver- 
mehrt, jetzt  aber  schienen  ihm  mit  der  Noth  auch  Kraft  und 
Muth  zu  wachsen,  und  wie  wenig  es  ihn  als  Staatsmann  ehrt, 
dnss  er  den  Krieg  führte ,  und  als  Fcldherrn ,  dass  er  belagert 
wurde,  so  kann  ihm  doch  seine  Vertheidigung  nur  zum  Ruhme 
gereichen.  Er  beschloss,  zu  den  Hülfsvölkern  durchzudringen, 
da  sie  nicht  zu  ihm  kamen ,  und  der  sehr  fühlbar  werdende 
Mangel  und  die  täglich  erweiterten  Linien  vor  der  Stadt  mahn- 
ten zur  Eile.  Die  letzte  Nacht  des  Jahra  "wurde  dazu  bestimmt, 
weil  er  glaubte,  dass  die  Feinde  ■wegen  des  bevorstehenden 
Festes  ihn  jetzt  am  wenigsten  erwarteten.  Doch  sammelten  sie 
sich  schnell ,  und  er  musste  sich  nach  einem  blutigen  Gefechte 
zurückziehn.'^) 

a.  40.  als  Domitius  Calvinus,  von  der  Partei  Cäsars  und 
Octavians  ,  zum  zweiten  Male  und  Asinius  Pollio  Consiiln  wa- 
ren, "'^s)  bewirkte  Fulvia,  dass  dieser  mit  Ventidius  und  Plancus 
wieder  gegen  Perusia  vordrang.  Sie  wollten  der  eigenen  Ver- 
antwortlichkeit wegen  ihren  Eifer  bethätigen,  ohne  etwas  zu 
wagen.  Die  vorgeschobenen  Posten  des  Feindes  wurden  leicht 
überwältigt;  dann  aber  stiessen  sie  auf  Agrippa  und  Salvidienus, 
und  nahmen  eine  Stellung  bei  Fulginium ,  jetzt  Foligno,  einer 
umbrischen  Stadt,  160  Stadien  südöstlich  von  Perusia.  Hier 
sah  man  ihre  Feuerzeichen ;  in  einer  Entfernung  von  vier  Mei- 
len war  es  aber  unmöglich,  ihnen  die  Hand  zu  bieten.  Nur 
durch    eine  Schlacht  konnte  mau  sich  Bahn  n^achen,    und  diese 


76)  Der».    C89.   690.     77)  Ders.   I.    c.     7S)  Dio    41,   1».    S.   Domit. 
und  Asin.  u.  unten  §.  CO.  .\.  87. 


V.  ANTONII.         (14.  §.  59.)         409 

widerricth  der  ängstliche  Plancus,  weil  man  auch  Octavian  er- 
warten müsse.  Die  Feuer  erloschen,  und  Lucius  hielt  seine 
Freunde  für  hesiest.  '^V  Nach  einem  erneuerten  fruchtlosen  Ver- 
suche,  sich  in  der  Nacht  durchzuschlagen,  liess  er  den  Sclaven 
keine  Lebensmittel  mehr  reichen;  er  mochte  sie  nicht  entfernen, 
weil  der  Feind  nicht  wissen  sollte  ,  dass  er  nur  noch  zwischen 
(jJefangenschaft  und  dem  Hungertode  zu  wählen  hatte;  Gras  und 
Blätter  waren  ihre  Nahrung  und  bald  füllten  sie  die  für  sie  be- 
reiteten Gruben.  Der  ,,perusinischen  Hungersnoth"  ein  Aus- 
druck, mit  welchem  man  später  den  höchsten  Grad  solcher  Lei- 
den bezeichnete ,  80)  wurde  damit  nicht  abgeholfen.  Die  Solda- 
ten selbst  drangen  auf  einen  Ausfall ,  und  gaben  sich  das  Wort, 
uicht  zu  weichen.  Mit  Tagesanbruch,  nicht  früher,  damit  sie 
sich  beobachten  konnten,  stürmten  sie  gegen  die  feindlichen 
Werke.  Die  Heere  schienen  ihre  Rollen  zu  vertauschen,  und 
die  Belagerer  wurden  sowohl  durch  die  Heftigkeit  des  Angriffs, 
als  dadurch ,  dass  er  augenblicklich  von  allen  Seiten  begann, 
aus  der  Fassung  gebracht.  Mit  Mühe  entgieng  Octavian  dem 
SchM'erdte  der  vorankämpfenden  Gladiatoren.  ^0  Für  Menschen 
mit  einer  solchen  Todesverachtung  waren  Schanzen  und  Ge- 
schosse kein  Hinderniss.  Sie  überschritten  Gräben  und  Pfahlwerk, 
rollten  Thürme  heran,  untergruben  die  Mauern,  erstiegen  sie 
auf  Brücken  und  Leitern,  und  glaubten  sich  am  Ziele,  als  sie 
ermattet  und  verwundet  von  frischen  Truppen  in  überlegener 
Zahl  hinabgestürzt  und  ihre  Maschinen  zertrümmert  wurden. 
Lucius  gab  das  Zeichen  zum  Rückzuge;  sie  wandten  sich  noch 
einmal ,  als  der  Feind  ein  Siegesgeschrei  erhob  und  ihnen  die 
Todten  nachwarf,  aber  es  war  nur  der  Ausbruch  einer  ohn- 
mächtigen Wuth.  8-) 

Die  Unterhandlungen,  welchen  man  nun  nicht  mehr  aus- 
weichen konnte,  wurden  dadurch  beschleunigt,  dass  Einzelne, 
selbst  Anführer,  übergiengen,  und  ihre  günstige  Aufnahme  im 
feindlichen  Lager  einen  allgemeinen  Abfall  oder  gar  die  Aus- 
lieferung des  Lucius  fürchten  liess.  Diess  bestimmte  ihn  endlich, 
nachdem  er  eine  Zeitlang  geschwankt  hatte,  weil  viele  der  An- 

79)  App.  5.  691.  80)  Perusina  fai/tes.  Lucan.  1,  41.  Auson.  ep. 
22,  42.  Vgl.  lÄv.  126.  Suet.  Oct.  14.  Dia  48,  14.  Flor.  4,  5.  81)  Suet. 
üct.  14.  Ö6.  Plin.  7,    40.  (45.)     82)  App.  691.  692. 


410  V.  ANTONII.  (14.  §.  59.) 

gesehensten  unter  seinen  Anlumgern  durch  die  Uebcrgabe  ge- 
fährdet wurden.  In  der  Rede,  worin  er  der  Besatzung  seinen 
Entschluss  mitthcilte,  enthielt  er  sich  wolil  derSchniäliungcn  gegen 
Octavian,  welche  i\ppian  einmischt,  denn  es  war  nicht  ratlisau, 
ihn  jetzt  noch  als  Tyrannen  anzuklagen,  aber  er  rühmte  die 
Ausdauer  seiner  Krieger,  deren  Unglück  er  dem  Hunger  und 
der  Uuthiitigkeit  der  Feldherrn  seines  Bruders  zuschrieb ,  und 
weihte  sich  zum  Opfer  für  Alle,  wenn  der  Feind  nicht  verge- 
ben wolle.     Seine  drei  Abgeordneten,     und  unter  ihnen  C.  Fur- 


o 


nius,^-^)  fanden  in  Octavian  einen  grossmüthigen  Sieger,  wie 
es  die  Umstünde  geboten;  er  verzieh  aus  Achtung  gegen  M. 
Antonius  dessen  Veteranen,  und  in  einer  besonderen  Unterredung 
mit  Furnius  auch  den  Uebrigen ,  seine  persönlichen  Feinde  aus- 
genommen. Diese  wollten  sich  nur  auf  gleiche  Bedingungen 
ei'geben  und  Lucius  hielt  diese  Forderung  für  so  gerecht,  dass 
epr  sie  selbst  zu  bevorworteu  beschloss.  Ohne  Herold  und  siche- 
res Geleit  näherte  er  sich  mit  zwei  Lictoren  den  feindlichen 
Verschanzungen,  und  Octavian  kam  ihm  entgegen,  weil  er  nicht 
wollte,  dass  er  sich  ganz  in  seine  Gewalt  begab, 8*)  ein  Wett- 
eifer in  Vertrauen  und  Hochherzigkeit,  obgleich  nur  M.  Anto- 
nius und  Pompejus  über  den  Besiegten  den  schützenden  Schild 
hielten.  Appian  will  aus  guter  Quelle  wissen,  was  jetzt  ge- 
sprochen wurde ;  *^'*)  er  hat  aber  manches  hinzugesetzt,  unter 
anderem  die  falsche  Angabe  über  die  Dauer  des  Triumvirats, 
und  die  mehr  als  freimüthigen  Bemerkungen  über  diesen  Bund. 
In  keiner  anderen  Absicht  erschien  Lucius,  als  um  die  Begna- 
digung seiner  Freunde  zu  bewirken;  er  übernahm  daher  alle 
Verantwortlichkeit,  jedoch  so,  dass  man  nicht  glauben  sollte, 
er  sei  Octavians  persönlicher  Feind,  da  er  auch  seinen  Bruder 
habe  bewegen  wollen,  als  anmasslicher  Herrscher  zurückzutreten, 
und  dem  Staate  die  väterliclien  Gesetze  wieder  zu  geben;  was 
auch  geschehen  sei ,  nur  von  ihm  sei  es  ausgegangen ,  und  nur 
er  könne  büssen,  wenn  seine  lautere  Absicht  ihn  nicht  entschul- 


83)  Ders.  094.  Ol)en  A.  GG.  u.  70.  Nach  der  Schlacht  bei  Actium  be- 
wirkte sein  Sohn  seine  Regnadigung,  Senec.  de  benef.  2,  25.  und  Octa- 
vian gab  ihm  den  Rang  eines  Consulars,  obgleich  er  während  der  l'n- 
rnhen  nicht  zum  Oonsulat  gelangt  war.  Dio  &2,  42.  Vgl.  64,  6.  ä4) 
App.  G9&.  007.  Liv.  120.     85)  097  fin. 


V.  ANTONII.         (14.  §.  59.)         411 

dige.  Für  seinen  Gegner  war  der  Krieg  so  unzeitig  und  ge- 
fahrvoll gewesen  ,  dass  es  ihm  sclnver  m  urde,  die  Rache  zu  ver- 
ßchiehen:  in  Rom  bemiichtigte  sich  der  Pöbel  des  Getraides,  weil 
er  Hunger  litt,  **'')  und  forderte  Frieden  mit  Pompejus,  dem  Ur- 
heber dieser  Noth;  Pompejiis  spottete  Octavians,  weil  er  ihn 
durch  Andere  beschäftigt  sah,  und  diese  waren  der  Bruder  und 
die  Gattinn  des  Mannes ,  mit  welchem  der  Triumvir  jetzt  unter 
keiner  Bedingung  zerfallen  durfte.  ^^)  Aber  eben  deshalb  Aer- 
barg  er  seinen  Zorn.  Das  Vertrauen  des  Lucius  entwaffnete 
ihn,  und  er  versprach,  es  zu  rechtfertigen,  wogegen  der  Con- 
sular  ihn  sogleich  dadurch  als  Überbefehlshaber  anerkannte,  dass 
er  das  Losungswort  von  ihm  erbitten  und  ihm  das  Verzeichniss 
der  Truppen  überreichen  liess.  ^8) 

Am  anderen  Morgen  zog  die  Besatzung  aus  der  Stadt  und 
an  Octavian  vorüber,  welcher  mit  einem  Lorbeerkränze  auf  dem 
Tribunal  sie  erwartete.  Er  befahl  ihr  ,  die  AVaffen  zu  strecken, 
und  rügte  den  Undank  der  Veteranen ,  der  Anfang  eines  vorbe- 
reiteten Gaukelspiels;  denn  er  begnadigte  sie  endlich  auf  die 
wiederholte  Fürbitte  der  seinigen,  sclieinbar  nicht  ohne  einen 
schweren  Kampf  mit  sich  seihst  und  nur  gegen  die  Zusage,  nicht 
wieder  gegen  ihre  alten  Geführten  zu  fechten.  So  verpflichtete 
er  sie  und  sein  Heer.  Doch  mussten  sie  mit  den  Tironen  abgeson- 
dert lagern ,  bis  er  ihnen  unter  anderen  Führern  AVinterquar- 
tiere  anwies.  Nach  ihnen  empfieng  er  Lucius  mit  den  Senato- 
ren und  Rittern  in  seinem  Gefolge.  Sie  kamen  im  Trauerge- 
wande ,  und  wurden  bis  auf  jenen,  welcher  einen  Ehrensitz  auf 
dem  Tribunal  erhielt,  unter  die  Angesehensten  des  Heers  ver- 
theilt,  um  unter  dem  Scheine  gastfreundlicher  Fürsorge  bewacht 
zu  werden.  Indess  war  Perusia  besetzt.  Octavian  verzieh  den 
Einwohnern,  jedoch  nicht  den  Magistraten,  ^9)  welche  er  ver- 
haften und  bald  darauf  tödten  Hess;  nur  Lucius  Aemilius  wurde 
verschont,  weil  er  a.  43.  die  Mörder  Cäsars  verurtheilt  und  die 
anderen  Richter  aufgefordert  hatte,  seinem  Beispiele  zu  fol- 
gen. ^")     Auch  Tiberius  Cauutius,    Tribun  a.  44.    und  aus  Hass 


86)  App.  691.  87)  Dio  48,  16.  88)  App.  697.  Senec.  de  franquill. 
an.  8.  Numerus  Uli  quotidie  servorum  ,  Velut  imperatori  e.rercitus,  refe~ 
rebalur.  89)  Duumvirn  oder  Quatuorvirn  und  Decurionen.  S.  Noris« 
Cenot.  Pis.  diss.  1.  c  2.     90)  App.  699.  Dio  48, J4.  g.  49.  A.  ZQ. 


412  V.    ANTON«.         (14.  §.  59.) 

gegen  die  Maclithaber  Lucius  Freund,*')  C,  Flavius,  Clodius 
Bithynicus  u.  A.  unter  den  Gefangenen  überlebten  den  Krieg 
nur  kurze  Zeit.  AVie  der  Triumvir  auf  die  Bitten  jener  Peru- 
siner  nur  Eine  Antwort  hatte:  ihr  müsst  sterben,  '■^-'i  so  starben 
„nach  einem  Gerüchte,"  „nach  der  Aussage  einiger  Schriftstel- 
ler" 300  der  gefangenen  Senatoren  und  Kitter,  oder  gar  nach 
Dio  400  der  Letzten,  jene  nicht  gerechnet,  am  15.  Mürz  am 
Altar  des  Divus  Julius  als  Sühnopfer.  '•*•*)  Sie  mögen  an  die- 
sem Tage  getüdtet  sein,  und  auf  dem  IVLirkte  in  Rom,  •wo  die 
Capelle  des  Dictator  stand,  ^*)  dessen  Manen  sein  Adoptivsohn 
die  Opfer  der  eigenen  Ehrsucht  weihte,  aber  Zeit  und  Sitte 
gestatteten  nicht,  sie  als  Thiere  am  Altare  zu  schlachten,  3^) 
was  auch  die  Wuth  des  Pöbels  und  seiner  Häupter  sich  in  bür- 
gerlichen Unruhen  erlauben  mochte.  Aquilius  Niger  war  nicht 
der  Einzige,  welcher  gern  zum  Nachtheile  Octavians  berichtete 
und  seinen  Handlungen  eine  gehässige  Deutung  gab,  ^^)  und 
nicht  bloss  Sveton  erzählte  ihm  nach,  während  Vellejus^'^)  mit 
gewohnter  Rücksicht  auf  die  Julier  der  Darstellung  des  Trium- 
Tir  folgt,  und  daher  auch  dieser  Ereignisse  entschuldigend  ge- 
denkt. Perusia  sollte  geplündert  werden.  Diess  verhinderte  ein 
Eweiter  Herostratus,  ,ein  reicher  Bürger,  Cestius,  welcher,  von 
einer  an  Wahnsinn  gränzenden  Eitelkeit  getrieben ,  sich  Mace- 
donicus  nannte,  weil  er  in  Macedonien  gedient  hatte,  und  für 
seinen  Ruhm  von  der  Zerstörung  seiner  Vaterstadt  erwartete, 
vas  ihm  geworden  ist.  Er  zündete  seine  Wohnung  an  und 
stürzte  sich  in  die  Flammen,  worauf  auch  alle  anderen  Häuser 
Lis  auf  den  Tempel  des  Vulcan  verbrannten.  Doch  wurde  der 
Ort  wieder  aufgebaut  j  und  jener  statt  Juno  zur  Schutzgottheit 
gewählt.  98J 

Der  Kampf  Lei  Perusia   endigte   sich    im  Winter  d.  J.  ^^ 


Ol)  App.  u.  Dio  II.  cc.  Von  Vellej.  2,  64.  mit  Salvius,  Trib,  a.  43, 
(§.  54.  A.  07.)  verwechselt.  S.  Periz.  Anim.  hisl.  p.  53.  u.  oben  §.  31. 
A.  36.  02)  Suet.  Octav.  15.  03)  Siiet.  u.  Dio  II.  cc.  Perusinae  arae^ 
Senec.  de  clero.  1,  11.  Zonar.  10,  21.  04)  §.  10.  A.  07.  §.  50.  fin.  95) 
Foeditas  stippltcü.  lAv.  7»  15.  06)  Suet.  11.  Oben  §.  45.  fin.  07)2, 
74.  Vgl.  Suet.  84.  08)  App.  5,  COO.  Dio  48,  14.  Liv.  126.  Veliej.  2,  74 
Properl.  2,  l.  20. 


V.  ANTONIL  (14.  §.  59.)        413 

da  <Tie  Besiegten  noch  Winterquartiere  bezogen, ^3)  gegen  die 
Zeit  des  Frühjahrs,  doch  lange  zuvor,  ehe  Agrippa  im  Juli  als 
Prätor  Apollinar  -  Spiele  in  Rom  gab.  '*'")  Iiidess  dauerte  der 
Krieg  noch  fort.  Die  Feldherrn  von  der  Partei  des  M.  Anto^- 
nius  hatten  gegen  Octavian  eine  feindliche  Stellung  genommen, 
und  wussten  nicht,  ob  er  es  ahnden  werde,  und  was  jener  wün- 
sche. Jeder  handelte  daher  für  sich  und  nach  eigener  Einsicht. 
Ij.  Plancus  mochte  weder  fechten  noch  sich  vergleichen;  er  lehn- 
te die  Anträge  des  Agrippa  ab,  Avelcher  ihm  durch  Umbrien 
folgte,  und  entfloh  so  eilig  nach  der  Küste,  dass  zwei  seiner 
Legionen  in  Camerinum  zurückblieben,  wo  der  Feind  sie  er- 
reichte und  gewann.  0  Als  er  sich  mit  Fulvia  eingeschiift  hat- 
te, stiess  der  noch  übrige  Theil  seiner  Truppen  zu  Ventidius, 
welcher  sich  in  der  Nähe  des  Meers  behauptete,  um  Antonius 
zu  empfangen.  -)  Um  diesen  erwarb  sich  Asinius  Pollio  in  Ita- 
lien bald  noch  grössere  Verdienste.  Vorerst  wandte  er  sich  wie- 
der nach  dem  cisalpinischen  Gallien  ,  und  sammelte  bei  Aitinum 
in  Venetien  sieben  Legionen,  und  Waffen  und  Geld,  wobei  be^ 
sonders  Patavium  litt,  weil  es  im  mutineusischen  Kriege  sich 
den  Raubschaaren  des  Antonius  Avidtrsctzt  hatte.  ^) 

Seine  Unternehmungen  wurden  durch  Unruhen  im  Süden 
begünstigt.  Tiberius  Claudius  Nero,  Livias  Gemahl  und  Vater 
des  Kaisers  Tiberius,  Prätor  a.  41.  war  von  Perusia  nach  Prä- 
neste entkommen,  und  von  Fulvia  überredet,  die  Campaner, 
welche  bei  der  Ackervertheilung  verloren  hatten,  und  die  Scla- 
ven  zu  bewaffnen.  Doch  Avagte  er  keinen  Widerstand,  sondern 
begab  sich  mit  seiner  Familie  bei  Octavians  Annäherung  von 
Neapolis  nach  Sicilien,  wo  Pompejus  ihm  mit  so  weniger  Ach- 
tung begegnete,  dass  er  weiter  nach  Achaja  zu  Antonius 
gieng,  mit  welchem  er  nach  Italien  zurückkehrte.  *)  Alle  Ent- 
würfe Fulvia's  waren  vereitelt.  Sie  reis^te  mit  ihren  Kindern 
nach  Puteoli,  konnte  aber  nach  Tiberius  Flucht  nicht  länger 
in  Italien    verweilen.     An    der    Küste    von    ßrundusium ,    wohin 


99)  App.  1.  c.  Dazu  stimmt  auch  die  Nachricht  p.  701.  Antonius  habe 
die  Uebergabe  der  Stadt  im  Frühjahre  erfahren.  100)  Dio  48,  20.  33. 
1)  App.  700.  .707.  S.  A.  5.  2)  Ders.  700.  3)  Vellej.  2,  70.  Macrob. 
Sat.  1,  11.  Vgl.  Cic.  12  Phil.  4.  u.  oben  §.  42.  A.  CI.  4)  Vellej.  2,  75. 
u.  77.  Säet.  Tiber.  4.  C.  Tacit.  A.  5,   1.  Dio  48,  15.  44.  S.  §.  61.  A.   17. 


414  V.  ANTONII.        (14.  §.  59.) 

3000  Reuter  sie  begleiteten,  fand  sie  L.  PLincus,  und  fuhr  mit 
ihm  auf  fiinfKriegsschitten,  welche  man  ihr  entgegen  schickte,  nach 
Griechenland,  ohne  von   Octavian  beunruhigt  zu  werden.  ^)     Schon 
früher  war-Tiilia,  die  Mutter  der  Antonier,  nachSicilien  abgegangen 
und  aufdas  ehrenvollste  aufgenommen,  weilPompejus  ihrer  bedurfte. ''^ 
Octavian  fürchtete    nicht  ohne  Grund,   dass  dieser  sich  mit 
Antonius  verbinden  möchte,    dessen    Absichten    er    nicht    kannte« 
Er    beauftragte    Agrippa    mit    der    Verthcidigung    der   Küsten,  " 
und  zog  nach    dem  Norden    zu    Salvidicnus,     welchem    es    nicht 
gelungen    war,      Fufius    Calenus    aus    Ligurien    zu    vertreiben.  ^^ 
Dieser  deckte  Gallien  mit  einer  bedeutenden  Macht,  ^)  und  sperr- 
te   zugleich    den    AVeg    nach    Spanien ,      der    Provinz    Octavians, 
dessen  Angriff  aber  eben  dadurch  gerechtfertigt  wurde;    denn  er 
erschien    als  Nothwehr   und   war    es    in    der  That,     so  fern    der 
Triumvir  nicht  wünschen  konnte,   dass  ihn  ein  Heer  im  Rücken 
bedrohte,  Avenn  Antonius  in  Italien  als  Feind  gegen  ihn  auftrat. 
Doch  bedurfte  es  des  Kampfes  nicht,    denn  Calenus    starb,    und 
sein  Sohn  übergab  aus  Furcht    Provinz    und  Truppen,  lo)     Auch 
räumte  nun,  Asinius  das    transpadanische  Gallien,     wo    er    wahr- 
scheinlich Alfenus    Varus    zum  Nachfolger    erhielt.  ^')     Er    gieng 
längs    der    Küste    zu    Domitius    Ahenobarbus    und    versöhnte    ihn 
mit    Antonius,     dessen    Landung    in    Italien     dadurch    erleiclitert 
wurde. '-)     Bis  auf  einige  Plätze  am  Meere  war  nun  Italien  nebst 
Gallien  und   Spanien  OctaA-ian  unterworfen.      Bei    seinem  Einzü- 
ge in  Rom,   erschien  er  im  Triumphal- Schmucke  und  mit  einem 
Lorbeerkränze,  und  man  ehrte  ihn  durch  Freudenfeste  und  durch 
den  Beschluss,  dass  er  den  Kranz  tragen  sollte,  so  oft  ein  An- 
derer triumphiren  werde.  ^^) 

So    wenig    Lepidus    in    diesem   Kriege    geleistet   hatte ,    so 

5)  Vellej.  2,  76.  App.  700.  Die  1.  c.  Plut,  Ant.  30.  Orog.  G,  18. 
Zonar.  10,  21,  C)  App.  701.  708.  741.  718.  Dio  1.  c.  Plnt.  Anl.  32. 
Unten  §.  60.  A.  27.  7)  Dio  48,  20.  S)  Ders.  I.  c  App.  710. 
0)  App.  -701.  in.  10)  App.  5,  700.  701.  702.  705.  700.  707.  Dio 
48,  20.  28.  11)  Schol.  zu  Virg.  Kcl.  6,  6.  u.  9,  29.  Heyne  vita  Virg. 
ad  a.  713.  Thorbecke  Asin.  Poll.  p.  22.  12)  §.  60.  13)  Dio  48,  16. 
Nach  der  Besiegung  des  Sex.  Ponipejus  a.  3G.  wurde  er  erniärhtigt,  ihn 
immer  zu  fragen.  Dio  49,  13.  u.  die  Münze  bei  Kckh.  6.  p.  83.  84.  Kh- 
renerweisungen  für  ihn  zu  erfinden,  war  überflüssig;  man  schmeichelte  ihm 
eben  so,  wie  früher  Cäsar.     S.  Julii. 


V.  ANTONII.        (14.  §.  60.)       415 

konnte  man  ilm  doch  keines  Vcrratlis  hescliuldlgen.  Für  fliesen 
Fall  Avar  ihm  hei  Philippi  als  Fintscliiitligiiiig  für  Spanien  und 
das  narhonensisclie  Gallien  '■*)  von  seineu  Coliegen  Afrika  he- 
stinimt,  ein  ehrenvolles  Exil,  während  sonst  die  alte  Provinz 
Afrika  oder  Carthago  Antonius,  und  die  neue  oder  Numidicn 
Octavian  erhalten  sollte.  ^^)  Die  Ereignisse  in  Italien  waren 
auch  für  diese  Gegenden  nicht  ohne  Folgen  gehliehen,  aher  Ap- 
pian  widerspricht  sich  in  den  Nachrichten  darüher,  denn  er 
liisst  Titus  Sextius  Numidien  hald  für  den  einen,  hald  für  den 
andern  Triumvir  verwalten ,  und  ehen  so  unrichtig  nennt  ihn 
Dio  entschieden  einen  Anhänger  des  Antonius.  i<»)  Denn  Sextius 
henutzte  die  Unruhen  in  Italien,  um  selbst  eine  Rolle  zu  spie- 
len, und  verlangte  zu  dem  Ende  von  Cornificius,  Statthalter 
der  alten  Provinz ,  im  Namen  der  Triumvirn  deren  Räumung, 
weil  sie  hei  der  Errichtung  des  Bundes  mit  der  seinigen  Octa- 
vian überwiesen  war.  •'>*  Diess  veranlasste  einen  Krieg,  in  wel- 
chem Cornificius,  ein  Freund  des  Senats,  getödtet  Avu.de.  i^) 
So  gebot  Sextius  über  zwei  Provinzen;  da  aber  der  Vertrag 
A'on  Philippi  die  neue  Octavian  zusicherte,  so  erliielt  er  von 
Lucius  Antonius  Befehl,  sie  dessen  Statthalter,  Cajus  Phango, 
zu  übergeben.  '^)  Er  gehorchte,  jedoch  mit  der  Hoffnung,  dass 
die  Einitikeit  unter  den  Machthahern  nicht  von  Dauer  sein  Aver- 
de.  Als  der  perusinische  Krieg  begann,  forderte  er  im  Auftrat 
ge  des  Lucius  und  der  Fulvia  Numidien  zurück,  und  besiegte 
Phango ,  Avelcher  durch  Selbstmord  endigte.  Ihm  brachte  es 
keinen  GcAvinn;  denn  nach  jenem  Kriege  nahm  Lepidus  Alt- 
und  Neu -Afrika  in  Besitz;  Octavian  schickte  ihn  mit  sechs  Le- 
gionen vom  Heere  des  Antonius,  Avelche  gegen  ihn  gefochten 
hatten,  und  derert  er  sich  zu  entledigen  wünschte;  20j  er  konn- 
te es  nicht  mehr  vermeiden,  sein  Wort  zu  lösen,  da  er  jenen 
erAvartete ,  und  Sextius  fügte  sich. 

§  60. 
Die  Feste  Alexandriens  wurden  durch  die  Ereignisse  in  Ita- 
lien nicht    unterbrochen,     obgleich  Antonius    davon    unterrichtet 

14)  §.  53.  A.  18.  19.  15)  §.  57.  A.  33.  37.  38.  16)  App.  4,  620. 
5,  686.  Dio  48,  21.  17)  §.  53.  A.  19.  IS)  Cornificii.  19)  App.  5,  686. 
Dio  48,  22.  20)  App.  5,  677.  702.  716.  Dio  48,  20.  23.  28.  Vaillant. 
Aeniil.  No.  36. 


416  V.   ANTONI!.  (11.  §.  CO.) 

war.  '')  Denn  beide  Parteien  schickten  Gesandte  an  ihn,  und 
zwar  erschienen  im  Auftrage  üctavians  M.  Coccejus  und  Cäci- 
na.  '--)  Dieser  reis'te  mit  einer  nichts  sagenden  Antwort  zurück, 
und  Coccejus  hlieh,  ohne  von  ihm  heschiedcn  zu  werden.  '-^J  Wie 
viel  auch  Cleopatra  durch  die  Zauher  ihrer  Person  und  ihres 
Hofes  über  ilm  vermochte ,  so  konnte  er  sich  doch  wenigstens 
erklären,  und  es  bedurfte  nur  Eines  Wortes,  um  seinen  Vete- 
ranen im  Westen  das  Schwerdt  in  der  Scheide  zu  halten;  dazu 
verpflichtete  ihn  sogar  der  Vertrag  von  Philippi,  welchen  Octa- 
vian  vollzog.  Aber  er  wünschte  den  Untergang  seines  Neben- 
buhlers, und  wollte  gegen  dessen  Vorwürfe  gesichert  sein,  wenn 
er  siegte. 

a.  40.    verHess    er  Aegjpten    am    Ende    des    Winters,     Der 
Angriff  der  Parther  auf  das  römische  Asien    führte   ihn  zunächst 
nach  Tyrus,    wo  er    aus  Briefen  seiner  Gemahlinn    ersah,     dass 
sie  aus  Italien  entflohen  und  dort    Alles    verloren    war.  -'^)     Ihre 
Klagen  bestimmten  ihn  nicht,   aber  er  konnte  sich  diesen  Ange- 
legenheiten nicht  länger    entziehen.     Mit    200   Schiften,     welche 
er  auf  dem  Wege   über  Cyprus,     Rhodus  und  Asia    sammelte,  -^•' 
fuhr  er  nach  Griechenland,  und  schon  jetzt  kamen  ihm  viele  Flücht- 
linge entgegen;   ihre  Berichte  setzten  Fulvias  Schuld  ausser  Zwei- 
fel, und  Manche  deuteten  au,    was  er  bei  dem  Bewusstsein  sei- 
ner Untreue  leicht  verstand,  aber  auch   mit  desto   mehr  Erbitte- 
rung vernahm ,  dass  sie  ihn  den  Armen  der  Königinn  habe  ent- 
reissen  wollen.      I!ir  grösstcs  Verbrechen  aber  war  ihr  Unglück: 
das  Unternehmen  war  misslungen   und  also  ein    Fehler,  und  An- 
tonius   drückten    die    Folgen.      Nicht     günstiger    war    die    Stim- 
mung, mit  M  elcher  sie  ihn  in  Athen  empiicng.  -•')     Er  hatte   sie 
preis  gegeben,     und  am  tiefsten  verwundete  sie  sein  Verhältniss 
zu   Cleopatra,   welches  sie   als  die  Ursach    und    als    eine  öffentli- 
che Beschimpfung  betrachtete.      Unter  diesen  Umständen  und   bei 
der  Leidenschaftlichkeit  dieser  Menschen   musste   ilir  Wiedersehen 
heftige  Auftritte    veranlassen,     wodurch   Fulvias  Gesundheit  zer- 
stört wurde,     naclidcm    sie    schon    durch  die  Anstrengungen  und 
schmerzlichen  Erfahrungen  der  letzten  Zeit    untergraben    war. 


21)  §.  57.  22)  §.  58.  A.  51.  23)  App.  5,  701.  70C.  24)  Ders. 
701.  u.  Parth.  p.  150.  Die  48,  27.  Plut.  Ant.  30-  §.  02.  A.  Oü.  25)  App. 
7U3.   riiit.  I.  c.     20)   App.  701.   Dio  I.  c. 


V:  ANTÜNII.         (14.  §.  60.)        417 

Aiicli  sein«;  Mutter  Julia  als  eine  Vertriebene  in  Athen  zu 
finden  ,  konnte  für  <len  Triumvir  nicht  erfreulich  sein.  Ponipe- 
jus  schickte  sie  ihm  aus  Sicilien^iJ  auf  seinen  eigenen  Schiften, 
und  in  Begleitung  seines  Schwiegervaters  L.  Scrihonius  Libo, 
des  G.  Sentius  »Satiinüaus,  welclier  aus  Italien  zu  ihm  gekon»- 
luen  Avar  und  a.  10.  C'onsul  wurde,  ^8)  und  anderer  angeseJic- 
nen  Männer,  in  der  Hoffnung,  in  ihm  einen  Bundesgenossen 
gegen  Octavian  zu  gewinnen. -'•'>'  Noch  war  alles  zu  verwickelt, 
als  dass  Antonius  sich  ihm  unbedingt  zusagen  mochte;  deslialb 
dankte  er  ihm  im  Namen  der  Mutter  und  für  die  ihm  angebo- 
tene Hülfe,  mit  der  Versicherung,  er  werde  sie  gern  annehmen, 
wenn  Octavian  ihn  zum  Kriege  zwinge,  sonst  aber  diesen  aucli 
mit  ihm  versöhnen,  >^'')  Das  Letzte  war  nicht  seine  Absichi, 
denn  wie  der  FcMzug  der  Parther  ihm  Miissigung  gebot,  so  be- 
schäftigte 8iciiien  seinen  Collegen;  auch  besass  er  den  grössten 
Theil  der  väterlichen  Güter  des  Pompejus;  wenn  dieser  i?acli  ei- 
nem früheren  Beschlüsse  aus  dem  Schatze  entschädigt  werden 
sollte,  so  fiel  es  doch  jetzt  den  Triamvirn  zur  Last,  "^"  und  er 
brachte  nicht  Geld  genug  für  die  Veteranen.  Nach  dem  Allen 
gieng  er  einer  schwierigen  Zeit  entgegen.  Aber  er  erregte  aucli 
bei  Anderen  grosse  Besorgnisse,  bei  den  neuen  Colonisteu,  v ei- 
che ihre  Güter  nicht  von  seinem  Bruder  bekommen  hatten ,   und 

ihn    für    den    Beschützer    der  Vertriebenen  hielten,    und  vorzüs- 

o 

lieh  bei  Octavian.  Dieser  wusste  nicht ,  ob  er  einen  Freund 
oder  Feind  zu  erwarten  habe;  der  Krieg  mit  Fulvia,  ihre  Reise 
nach  Athen,  die  Unterhandlungen  in  dieser  Stadt,  von  Avelchen 
er  hörte,  ohne  den  Erfolg  zu  kennen,  Hessen  ihn  das  Letzte 
fürchten.  ^-)  In  Italien  gährte  es ,  weil  die  Zufuhr  fehlte  und 
die  Bevölkerung  ganzer  Städte  ohne  Obdach  war ,  und  auf  ihn 
fiel  der  Hass,  weil  er  ausführte,  was  nicht  er  allein  beschlos- 
sen hatte.  So  konnte  er  leicht  das  Opfer  werden ,  wenn  Anto- 
nius in  Verbindung  mit  Pompejus  und  Domitius  die  Hungers- 
noth  auf  das  Höchste  steigerte,  und  zugleich  die  Mittel  zur  Ab- 


27)  §.   50.  A.  6.  u.  unten  A.  55.     28)  Vellej.  2,  77.  02.  DIo  54,  10. 
§.  Ol.  A.   14.     29)  App.  1.  c.    Dio  48,    16.     30)    App.   1.  c.    Dio    48  ,  27, 
-    29.    30.   spricht   irrig   von   einem   beschworenen   Bundes  -  A'ertrage.     31) 
Oben  §.  5.  u.    Aemil.   I.epid.    No.  24.    §.    2.     32)  App.  J.   • . 

Unimann ,  G«ac)ticLt«  Kenis  I  0  7 


418  V.  ANTONII.         (14.  §.  60.) 

hülfe  bot,  wenn  er  seine  Veteranen  aufrief,  und  allen  den  sehn- 
lich gewünschten  Frieden  und  den  zahlreichen  Proscribirten  und 
Beraubten  ihre  Herstellung  verhicss.  Ohne  Seemacht,  vermoch- 
te Octavian  sicli  mit  seinen  Legionen  der  Kriegsschiffe  nicht 
zu  erwcliren,  und  selbst  die  Massregeln,  welche  er  zu  seiner 
Vertheidigung  nahm,  erforderten  Vorsicht,  damit  sie  den  Krieg 
nicht  beschleunigten.  Er  sagte  den  Colonien  durch  seine  Send- 
linge,  dass  der  jetzige  Besitzstand  durch  Antonius  und  Pompe- 
jus  gefährdet  sei ,  ■^'•'^  und  suchte  zugleich  nicht  ohne  grosse 
Selbstvcrläugnung  beide  durch  eine  lleirath  zu  trennen.  Mäce- 
nas  warb  für  ihn  um  Scribonia,  die  Schwester  des  L.  Libo, 
mit  dessen  Tochter  Sex.  Ponipejus  sich  vermählt  hatte;  sie  war 
viel  älter  als  er,  die  Wittwe  von  zwei  Consularen,  und  Mut- 
ter; dennoch  wurde  sein  Antrag  angenommen.  •'*^  Dadurch  er- 
hielt er  die  GeMissheit,  dass  noch  kein  Bund  unter  seinen  Fein- 
den bestehe  ;  er  verdankte  es  eben  der  ausweichenden  Erklärung 
des  Antonius  in  Athen,  dass  er  in  Sicilien  Gehör  fand.  Denn 
hier  erwartete  man  sein  Heil  Aon  Verträgen;  Pompejus  besass 
weder  die  Ki'aft  noch  den  Ehrgeiz,  sein  Schicksal  mit  den  Waf- 
fen zu  entsclieiden ,  so  sehr  er  sich  auch  der  Siege  seiner  Feld- 
herrn überhob;  für  eine  gefahrlose  Rückkehr  nach  Rom  und  eine 
seinen  Verlusten  angemessene  Summe  Avar  er  jedem  feil. 

Diess  aber  wurde  Octavian  noch  nicht  deutlich ;  dem  ver- 
meintlichen Träger  der  republicanischen  Ideen  näherte  er  sich 
ungern;  mit  Antonius,  dem  Cäsarianer,  war  wenigstens  für  den 
Augenblick  ein  Abkommen  zu  treffen,  mit  jenem,  wie  er  glaubte, 
nie.  Der  Krieg  mit  Sicilien  griff  überdiess  störend  in  seine 
Pläne  ein ;  er  verzögerte  die  Entwicklung  seiner  Verhältnisse 
zu  dem  Triumvir  ,  und  Hess  nach  einer  glücklichen  Beendigung 
nichts  hoffen ,  als  eben  das  Aufhören  einer  Verneinung.  Von 
dieser  Ansicht  geleitet  hatte  er  bereits  früher  Lucius  eröffnet: 
Truppen  und  Provinzen  des  Antonius  habe  er  übernommen,  um 
sie  ihm  zu  sichern ;  jetzt  aber,  wo  jener  mit  Pompejus  sich  ge- 
gen ihn  verschwöre,  betrachte  er  sie  als  die  scinigcn,  jedoch 
crlaiibe  er  ihm,  sich  zu  seinem  Bruder  zu  begeben.     Man  sollte 


33)  Der».  1.  c.  Die  48,  28.  34)  App.  702.  711.  Dio  48,  16.  34. 
Sue(.  Ocf.  f»2.  f)9.  Tacif.  A.  2,  27.  Veliej.  2.  100.  Horat.  Sat.  I,  5.  27- 
Propert.  4,  11.  55.  Zonar.  lü,  21. 


V.  ANTONH.       (11.  §.  Gü.)  419 

ihn  verstellen,  alit-r  Lucius  verstand  lim  nicht,  und  wiederhol- 
te, dass  er  die  l'reilieit  auch  gegen  seinen  Bruder  verthcidigen 
werde;  er  Murdc  wegen  dieser  Gesinnungen  geloht  und  unter 
der  Aufsicht  des  Pcducäus  dem  Namen  nach  als  Statthalter  nach 
Spanien  gcsrhirkt.  '•''^ 

Antonius  lirss  seine  Flotte  nach  Corcjra  vorausgehen;  er 
folgte  mit  Fulvia  von  Athen  üher  Sicyon,  wo  jene  wegen  7.n- 
flehmender  Krankheit  zurückblieb,  ^''0  ohne  auch  nur  zum  Ab- 
schiede von  ihn»  bogrüsst  zu  werden;  als  sie  bald  nachher  starb, 
bereute  er  seine  Hiirte.  '")  Jetzt  zürnte  er  ihr  als  der  Urhebr- 
rinn  eines  Kampfes,  auf  welchen  er  nicht  vorbereitet  war;  denn 
er  hatte  nur  wenige  Truppen  und  gebot  nicht  einmal  über  ei- 
nen Hafen  in  Italien,  wohin  er  sie  führen  konnte;  aucli  erwar- 
tete er  einen  Angriff  des  Domitius  Ahenobarbus.  -^8)  Doch  die- 
ser war  ihm  bereits  durch  Asinius  Pollio  gewonnen.  Ohnerach- 
tet  seiner  nicht  unbedeutenden  Maclit  'V  fühlte  Domitius,  dnss 
er  im  ionischen  Meere  vereinzelt  stand,  und  von  Octavi^n  we- 
gen angeblicher  Thcilnahme  an  dem  Verbrechen  des  15.  Mär/es 
geachtet,^")  zu  stolz,  sich  den  Freigelassenen  des  Sex.  Pompe- 
jus  unterzuordnen,  konnte  er  sich  nur  an  Antonius  anschliessen. 
F-r  schrieb  ihm  mit  Asinius,  und  meldete  ihm,  dass  er  Lai)- 
dungspliitzc  und  Vorriithe  linden  Merde.^U  Als  der  Triumvir 
vertrauungsvoU  und  gegen  den  Rath  des  L.  Plancus  mit  nur 
fünf  Schiffen  zu  seiner  Flotte  kam,  empfieng  er  ihn  als  Ober- 
befehlshaber, und  begleitete  ihn  nach  Valetium  auf  der  janvgi- 
schen  Halbinsel ,  '^-)   wo   seine  Truppen  lagerten. 

Man  bedurfte  aber  einen  grossen  Kriegshafen  und  Waffen- 
platz, und  was  mehr  war,  eine  Erklärung  Octavians ,  wodurch 
sich  das  Verhältniss  zu  ihm  bestimmte:  Antonius  zeigte  sich 
vor  Brundusium,  und  wurde  nicht  aufgenommen.  Diess  galt 
für  eine  Feindseligkeit,  da  Italien  nach  den  Verträgen  nicht  ei- 
nem Einzelnen  gehörte,  *2)  und  doch  hatte  er  sich  der  Besatzung 


35)  App.  702.  703.  3C)  Ders.  703.  Dio  48,  28.  Plut.  Anlon.  30. 
37)  App.  70C.  708.  38)  §.  58.  A.  95.  SO^i  App.  686.  40)  §.  40.  A.  36. 
41)  App.  700.  Vellej.  2,  70.  Dio  48,  IG.  Zon.  10,  21.  Vaill.  Anton.  No. 
27.  Dorait.  No.  18.  Eckh.  5.  p.  202.  42)  App.  703.  hat,  wie  viele  An- 
dere,  den  Namen  de«  Ortes  entstellt,  welcher  südlich  von  ßnindtTsium 
1a?.     43)  §,    57.  A.  3C. 

27* 


420  V    ANTONIl.         (14.  §.  GO. ) 

dadurch   selbst  als  Feind  angekündigt,  dass  er  mit  Donütius  cr- 
Kchien.     Die    Frage    über    Krieg    und    Frieden    Avar    entschieden, 
und  um  so  wichtiger  für   ihn  der  Besitz   der  Stadt,  wo  er  seine 
Truppen    erwarten    und    saninicln    konnte;     Mauer    und    Graben 
trennten  die  Erdzunge,  auf  welcher  sie  erbaut  Avar ,  vom  festen 
Lande,  und  seine  Schiffe  belagerten  sie  zur  See.  **)     Ohne  gro_ 
sse    Anstrengung    nahm    er    Sipuntum,    wodurch    er    mehr    seine 
Schwäche  verbergen  und    den  Feind    beunruhigen    wollte,    gegen 
welchen  er  Sex.   Pompejus  herbeirief.      Dieser  schickte   den  Frei- 
gelassenen   Menas  '^'^)     nach  dem    tj-rrhenischcn  Meere;     er  selbst 
belagerte  Thurium  und  seine  Reuterei  durchstreifte  das  Land.  *'') 
Eine  Entscheidung  mit  den  Waffen  war  vorerst  unmöglich,  Meil 
der  eine  Theil  fast  nur    Schiffe,     der    andere  fast    nur  Legionen 
zu  seiner  Verfügung  hatte ,    und    der  Kampf  sich    also  auf  An- 
griffe gegen  die  Küste    und    auf  deren  Vertheidigung  beschränk- 
te;  Italien  durch  den  Hunger  zu  erobern  stimmte  als  ein   langsam 
wirkendes  Mittel  nicht  zu   Antonius   Characfcer,    und  machte  ihn 
von  Pompejus    abhängig;     nur    von    dem    Abfalle    der    Veteranen 
seines  Gegners  oder  von    ihrer  Weigerung,     gegen  ihn  zu  fech- 
ten,  durfte  er  eine  schnelle  Beenditj-unn-  des  Krienres  hoffen.      In 
der  That  verliessen  sie  Agrippa    auf   dem  Wege  nach  Sipuntum, 
als  sie  hörten,  dass  sie  gegen  ihn,    nicht,    wie    man  ihnen  ge- 
sagt hatte,  gegen  Pompejus  geführt  würden;   man  beruhigte  sie> 
und  der  Ort  wurde  wieder  erobert;*^)  unter  denen,  mit  welchen 
Octavian  gegen  Brundusium  zog,     zeigte  sich  sogar  keine  Spur 
von  AVidersetzlichkeit ,     insgeheim    aber    einigten    sie    sich ,     ihn 
nur  dann  zu  vertheidigen ,     wenn  man  sich  nicht  mit  ihm  ver- 
söhnen wolle.     Es  blieb  ihm    nicht   unbekannt;     daher    sein  Zö- 
gern ohnerachtet  seiner  Uebermacht,  vielleicht  selbst  seine  Krank- 
heit  in  Canusium. 

Die  Arbeiten  vor  Brundusium  wurden  also  ungestört  fort- 
gesetzt, und  Antonius  überfiel  und  schlug  bei  Uria,  nördlich 
von  Sipuntum,  mit  400  Reutern  mehr  als  1000  unter  P.  Ser- 
vilius  Rullus ;  sein  Name  maclite  hier  den  Gebrauch  der  Waffen 


41)  App.  704.  705.  706.  707.  Dio  48,  27.  45)  Bei  App.  stets  Mero- 
dorus  geiiaiinf.  Das  Genauere  über  ihn  und  über  Poiiipejus  Unterneh- 
mungen in:  Pompeji.  -10)  App.  701.  Dio  4S ,  30.  47)  App.  704.  705. 
Dio  48,  28. 


#i 


V.  ANTONII.         (14.  §.  00.)       421 

fast  überflüssig.^^)  Aber  die  Legionen  in  Macedonien  wurden 
noch  immer  vergebens  erwartet;  die  Ausschiffung  von  Leuten 
der  Umgegend ,  welche  in  der  Nacht  eingeschifft  und  als  Krie- 
ger gekleidet  waren,  konnte  kaum  täuschen,  und  verrieth  nur 
seine  V'erlegenheit,  und  l'ompejus  vermochte  nichts.  Er  wurde 
gezwungen,  sich  von  Thurium  südlich  hinab  in  das  Innere  des 
Landes  zurückzuziehen,  wo  er  Consentia,  die  Stadt  der  Bruttier, 
angriff".«) 

Im  Lager  des  Octavian  war  man  sehr  erfreut ,  als  die  Sol- 
daten des  Antonius  sich  ihm  näherten,  um  unter  Vorwürfen  und 
Klagen  vom  Kriege  abzumahnen,  und  auch  Antonius  hörte  den 
Zuruf  der  feindlichen  Veteranen  nicht  ungern:  er  möge  sich 
fügen  oder  gewärtig  sein,  dass  man  ihn  dazu  zwinge.  Als  man 
so  von  beiden  Seiten  nur  auf  einen  ehrenvollen  Rückzug  dach- 
te, starb  Fulvia  in  Sicyon.  ^")  Ihr  Gemahl  hatte  nichts  für  sie 
und  nichts  auf  ihr  Geheiss  gethan,  aber  von  ihr  war  der  Streit 
veranlasst,  und  er  schien  jetzt  zwecklos  zu  sein,  denn  ihr  Tod 
entband  Antonius  von  der  Pflicht,  ihre  Sache  zu  verfechten, 
und  befreite  Octavian  von  seiner  Feindinn.  Diese  Ansicht  der 
Menge  stimmte  zu  den  Wünschen  ihrer  Häupter;  ^')  indess  be- 
durfte es  eines  Dritten,  welcher  sie  scheinbar  gegen  ihren  Wil- 
len zu  einander  führte,  weil  man  nicht  glauben  sollte,  dass  sie 
sich  suchten.  Er  fand  sich  in  M.  Coccejus  Nerva;^-)  sein  lan- 
ger Aufenthalt  bei  Antonius,  welchen  er  als  Gesandter  Octavians 
vom  Nil  nach  Italien  begleitete,  ^2)  und  der  milde,  wohl  nur 
auf  Andere  berechnete  Tadel  bei  seiner  späten  Rückkehr ,  lässt 
nicht  zweifeln,  dass  er  von  Anfang  zum  Unterhändler  bestimmt 
war.  Demnach  beurlaubte  er  sich  bei  Antonius,  als  jene  Nach- 
richt von  Sicyon  eintraf,  und  bat  um  Antwort  auf  den  im  vo- 
rigen Jahre  überbrachten  Brief.  Diess  gab  ihm  Gelegenheit, 
Worte  des  Friedens  zu  sprechen ,  und  mehr  wollte  und  erreich- 
te er  nicht.     Dann  sagte  er  auch  Octavian,  was  den  Gegner  ent- 


48)  App.  705.  Die  1.  c.     49)  App.  705.  708.     50)    App.    5.    70C.  Die 

I.  c.  Plut.  Ant.  30.  Zon.  10,  22.     51)    Liv.    127.    App.  708.  Dio  u.  Plut. 

II.  cc.  52)  Bei  App.  Lucius,  in  der  IJeberschilft  von  Dio  1.  49.  Marcus 
genannt;  eben  so  in  Cassiodor.  Chronicon.  ad  a.  717.  Nerva  lieisst  er  in 
den  Fast,  sicul.  bei  Dio  40  ,  24.  u.  hei  Acren,  u,  l'orphyr.  zu  Horaf .  Sal. 
1.  5.  28.     53)  $.  58.  A.  51. 


422  V.  AXTOXFl.  (14.  §.  CO.) 

schuldigen  konnte,  nicht,  ohne  an  Pompfju«!  zu  erinnern,  ■vrcl- 
cJieiu  durch  diesen  Zwist  Italien  geöffnet  sei,  und  endigte  mit 
dem  Antrage,  der  Jüngere  möge  dem  Acltcren  zuerst  schrei- 
ben. S4; 

Octavian  schrieb  an  Julia,  die  Muttf-r  des  Antonius;  er  be- 
klagte, dass  sie  sich  entfernt  habe,  da  er  eine  kindliche  Ehr- 
t'urclit  gegen  sie  empfinde,  und  gern  jeden  ihrer  M'ün.sche  erfül- 
len werde.  ^^)  Unter  dem  Vorwande,  den  Brief  zu  überbringen, 
schickte  er  Coccejus  A^ieder  in  das  feindliche  Lager,  wo  dieser 
Antonius  empfahl,  die  Verbindung  mit  Pompcjus  aufzuheben  und 
aucli  Domitius  vorerst  zu  entfernen,  da  er  nur  zwischen  dem 
Frieden  und  dem  Hasse  aller  Veteranen  zu  wählen  habe.  Auch 
Julia  war  dieser  Meinung,  und  als  Coccejus  sich  für  den  Erfolg  der 
l  nterliandlungen  verbürgte,  Avurde  Pompejus  zur  Rückkehr  nach 
Sicilien  aufgefordert,  und  Domitius  als  Statthalter  nach  Bithy. 
nien  geschickt.  ^•')  Die  Veteranen  des  Octavian  ersuchten  sowohl 
ihn  als  Antonius,  nach  der  Beseitigung  dieses  Hindernisses  sich 
unverzüglich  zu  einigen.  Jener  ernannte  Mäcenas  zu  seinem 
Gesandteti ,  und  dieser  Asinius  PoUio,  welche  in  Gegenwart  und 
unter  der  .Mitwirkung  des  Coccejus,  als  eines  gemeinschaftlichen 
Freundes  der  Triumvirn ,  den  nach  Brundusium  benannten  Ver- 
trag schlössen.^")     3Ian  versprach    sich  darin  völliges  Vergessen 


54)  App.  707.  708.  55)  App.  708.  Oben  A.  27.  56)  Vellej.  2,  18. 
App.  J.  c.  Dio  48,  30.  57)  App.  5.  709.  erwähnt  nur  Jene,  und  Liv. 
I'i7.  erzählte  nach  l'orphyrion  zu  Horat.  Sal.  1.  5.  27.  f,  dass  auch  Agrip- 
jia  nach  Mäcenas  sich  eingefunden  hahe  j  Fonteju«  Capitu  {Anloni,  non 
ul  Möffis  aller,  amicus  Horaf.  v.  33.  I'lut.  Ant.  36.)  wurde  nicht  von 
Ihm  genannt.  Porphyr,  u.  Acron  setzen  die  Reise  des  Horaz  nach  Brun- 
dugiuni  in  diese  Zeil,  und  nehmen  an,  dass  Mäcenas,  Agrippa,  Coccejus 
Und  l''otiteju8  im  Auftrage  der  Triumvirn  in  Tniracina  (Anxur)  zusam- 
mengekommen seien,  weil  der  Dichter  sie  dort  eintreffen  lässt.  Allein 
er  sagt  nicht,  dass  sie  jetzt,  sondern  nur,  da&s  sie  für  Jene  un- 
terhandelt haben,  wol)ei  er  und  Virgil  (v.  -18.)  sehr  übernüssig  waren; 
er  schweigt  von  .asinius,  wie  Appian  \  on  Fontrjus,  und  schildert  das  1  n- 
tei-nehuien  als  eine  Vergnügungsreise.  Zu  jenem  Zwecke  würde  ein  Ort 
an  der  italischen  Westküste  schlecht  gewählt  sein,  da  die  Heerführer  an 
der  üitlichen  standen,  und  endlich  melden  ausser  Appian  \'cllej.  2,  7C. 
und  Dio  18,  30.  ausdrücklich,  man  habe  sich  in  den  Lagern  bei  Bruudu- 
siuia  verglichen.  Freinsh.  supplem.  Liv.  127.  (.  -1.  u.  A.  sind  den  Schu- 
liasten    gefolgt.     Auf   spätere    Unterhandlungen  rwisrben  Ant.  und  Uctav. 


V.  ANTOMl.         (M.  §.  60.^      423 

des  Vergangenen  und  Frieden  und  Freundschaft  für  die  Zu- 
kunft, ^sj  Dann  bracliten  die  Unterhändler  eine  Vermählung  zwi- 
schen Antonius  und  üctavia,  der  jüngeren  Scl»wester  des  Trium- 
vir  ^^)  und  Wittwe  des  C.  Marccllus  *'^)  in  Vorschhig,  ivelches 
genehmigt  wurde,  weil  es  gehoten  Avar.  Octavia  übertraf  die 
Königinn  von  Aegyptcu  an  Sdiönheit,  und  an  Tugenden  kam 
ihr  unter  den  uns  bekannten  Römerinnen  jener  Zeit  keine  an- 
dere gleich ;  daher  glaubte  man  durch  diese  Verbindung,  welche 
bei  den  Heeren  die  lebhafteste  Freude  erregte,  dem  Staate  die 
Ruhe  zu  sichern ,  obgleich  das  Mittel  noch  vor  kurzem  in  ei- 
nem ähnlichen  Falle  sich  niclit  bewährt  hatte.  *•')  Von  der  dar- 
auf folgenden  Theilung  des  Reichs  gilt  in  vieler  Hinsiclit,  was 
über  die  vorige  bemerkt  ist,  ''->  dass  sie  nämlich  Antonius  zum 
Schaden  gereichte,  schon,  Aveil  sie  ihn  von  Rom  ausschloss,  ob- 
gleich die  Herrscher  sich  stets  das  Ansehn  gaben,  als  ob  sie 
nicht  um  sondern  für  Italien  kämpften ,  •'•')  und  sich  nur  ge- 
statteten, eine  gleiche  Anzalil  Truppen  darin  auszuheben.  Es 
verblieb  in  der  That  Octavian ,  da  er  die  Provinzen  westlich 
von  Scodra  ^'^J  erhielt,  und  Antonius  die  östlichen,  wo  er  die 
Parther  vertreiben  sollte.  Lepidus  wurde  im  Besitze  von  Afri- 
ka nicht  gestört  und  Domitius  Ahenobarbus  freigesprochen.  Sehr 
zweideutig  bestimmte  man  dagegen ,  dass  wenn  nichts  anders 
übrig  bleibe,  Octavian  den  Krieg  mit  Pompejus  führen  werde. 
Wiederholt  hatte  ihm  Antonius    seine    Vermittlung    zugesagt;  ^'^^ 


kann  der  Reisebericht  noch  viel  weniger  bezogen  werden,  welches  IVes- 
Beling  Obsarv.  Variae  2.  15.  (Frühjahr  a.  38.)  Massen  Vit.  Horat.  p. 
81.  u.  125.  (Herbst  37.)  und  Heindorf  Einleit.  in  jene  Satyre  für  das  Rich- 
tige halten.  58)  App.  1.  c.  Ursin,  Farn,  Rom.  p.  24.  Vaill.  Ant.  No.  28 
—  31.  Eckh.  6.  p.  74.  59)  App.  1.  c.  Sie  war  die  Tochter  des  C.  ücta- 
vius  von  Atia,  nicht  von  dessen  erster  Gemahlinn  Ancharia,  und  also 
des  Triumvir  leibliche  Schwester  auch  von  Seiten  der  Mutter,  obgleich 
Piut.  Ant.  31.  diess  läugnet.  S.  Octavii.  60)  Suet.  Caes.  27.  u.  üctav. 
Gl.  Plut.  1.  c.  Dio  48,  31.  Die  stemmata  Angustae  domtis  von  Lipsius 
ed.  Tacit.  p.  545.  und  von  Wolf  ed.  Suet.  Vol.  1.  sind  nicht  durchaus 
lichtig.  Octavia  war  älter  als  ihr  Bruder,  aber  jünger  als  die  Tochter 
der  Ancharia,  und  jünger  und  schöner  als  Cleopatra.  I'lut.  Ant.  57.  fin- 
61)  §.  54.  A.  64.  62)  §.  57.  A.  33.  63)  Dio  48,  2.  50,  1.  Vgl.  App. 
5.  725.  fin.  64)  In  Illyrien,  17000  Schritte  von  der  Küste.  Plin.  3.  20. 
(52.)     65)  Oben  A.  80.  App.  708.  fin.  Dio  48,  29. 


424  V.    ANTONII.  (14.  g.  60.) 

aber  sein  Untergang  war  entschieden,  un\  n»ir,  um  ihn  vorerst 
abHiiden  zu  können,  wenn  das  Volk  es  foidcrc ,  verfügte  man 
noch  nicht  über  Sicilien  und  Sardinien.  Der  Artikel  endlich, 
nach  welchem  die  Triumvirn  ihre  Anliänger  mit  Ehrcnstcllen  be- 
lohnen M'ollten ,  kam  bei  Mehreren  schon  in  diesem  Jahre  zur 
Vollziehunt!;.  '"'^ 

So  theilten  jene  zum  dritten  Male,  ^'  ihr  letzter  Vertrag, 
bei  welchem  Lepidus  wieder  nicht  befragt  wuidc.  Doch  schie- 
nen auch  sie  nicht  einzugreifen ,  sondern  nur  dem  äusseren  An- 
stosse  zu  folgen;  sie  salien  sich  jetzt  erst,  als  sie  sich  gegen- 
seitig bewirtheten.  Antonius  bewies,  dass  er  im  Osten  gelernt 
hatte,  ♦•*)  aber  die  Veteranen  erwarteten,  dass  er  dort  Geld  für 
sie  gesammelt  habe;  sie  forderten  es,  und  seine  Casse  war 
leer.  69)  '  Diese  Entdeckung  verwandelte  ihre  Freude  in  den  hef- 
tigsten Unwillen,  und  Octavian  musste  Bürge  für  ihn  werden,  um 
ihn  vor  Misshandlungen  zu  schützen.  "^^0  In  Rom  hoffte  man,  dass 
dieTheurung  aufhören,  dassPompejus  in  Folge  eines  Vergleichs  zu- 
rückkommen, oder  doch  der  vereinigten  Macht  der  beiden  Triumvirn 
nicht  widerstehen  werde.  Deshalb  erhielt  der  Senats -Beschluss, 
welcher  diesen  zum  Danke  für  die  Herstellung  des  Friedens  eine 
Ovation ^i)  und  das  Recht  bewilligte,  den  Spielen  auf  curuli- 
schen  Stühlen  heizuwohnen,  auch  den  Beifall  des  Volks;  es  em- 
ptieng  sie  bei  ihrem  feierlichen  Einzüge  mit  Aeusserungen  einer 
lebhaften  Theilnahme.  ■*-)  Die  Vermiihluna:  des  Antonius  mit 
Octavia ,  welclie  so  bald  nach  dem  Tode  des  Marcellus  nicht 
wieder    heirathen    durfte ,     aber    durch  den  Senat  von  der  Beob- 


CC)  Plut.  Ant.  30.  G7)  App.  709.  Dio  48,  28  Plut.  I.  c.  Zonar.  10, 
22.  68)  Dio  48,  30.  Zon.  1.  c.  CO)  §.  57.  A.  35.  42.  50.  70)  Dio  u 
Zon.  11.  cc.  71)  Nicht  wegen  des  Sieges  bei  Philipp!,  wie  Suet.  Oct.  22^ 
andeutet,  welcher  nur  z\«ei  Ovationen  des  Octavian  kennt,  diese,  und 
die  andere  nach  Beendigung  des  Krieges  mit  Poinpejus  a.  30.  Fast.  Capit. 
Dio  49,  15.  Eben  so  das  Alonum.  Ancyr.  tab.  1.  v.  19.  (bis  orans).  Da- 
her darf  man  nicht  mit  Fabric.  zu  Dio  51,  8.  u.  Baumg.  Crusius  zu  Suet. 
I.  c.  die  Angabe  für  falsch  ericlären ,  weil  Dio  1,  c.  eine  dritte  Feier 
dieser  Art  nach  der  Auüliefeiung  der  röm.  Fahnen  durch  die  Parther  er- 
wähnt; die  Khrenerweisung  mag  beschlossen  aber  nieht  angenommen  sein, 
wie  Wessel.  Obs.  2.  4.  glaubt,  und  auch  das  Srhwcigea  der  Fasten  be- 
weis'l.     72)  Dio  48,  31.  Suet.  I.  c.  App.  710.  Phit.   Ant.  31.  Fast.  Capit. 


V.   ANTONII.       (11.  §.  60.)      425 

achtung    dieses    Gesetzes    cntbnmlcu    wurde,  "^^^     galt    als   Unter- 
pfand besserer  Zeiten  ebenfalls  für   ein  erfreuliches  Ereiguiss, ''*^ 
und  die  Bereitwilligkeit,  mit  welcher  Antonius  sich  nun  endlich 
als  Priester  Cilsars  weihen  Hess  ,    um  Octavian  und  den  Vetera- 
nen gefüllig  zu  sein,  für  ein  Zeichen  vollkommener  Eintracht.^"*) 
Diese  wurde  indess    auch  Manchen    verderblich.      Manius  ^'') 
war  von  Octavian    stets    als    einer    der  Haupturheber  des  letzten 
Krieges  bezeichnet,  früher,  um   durch  die  Anklage  eines  Dritten 
die  Versölinung  zu  erleichtern,     und   jetzt,     damit  durch  seinen 
Tod  Andere  von  Unternehmungen  für  seinen  Collegen  abgeschreckt 
■würden,  welcher  den  Mann  als  Ruhestörer    hinrichten    Hess,     in 
der  That  aber,     weil    er  Fulvia    gegen    ihn  aufgereizt    hatte.  '^? 
Ein  ähnliches  Schicksal  traf   Q.  Salvidienus.  '^^)     Nach    dem  pe- 
rusinischen    Kriege,     in   welchem    er  sich  hervorthat,     wurde  er 
nach  dem  narbonensischen  Gallien  geschickt ,     und  Agrippa  ihm 
vorgezogen.     Die  Truppen    seiner    Provinz    hatten  grösstcntheils 
unter  Antonius  gedient,  und  er  erbot  sich  in  einem  Schreiben  an 
ihn,  ihren  Abfall  zu  bewirken.      Sein  Antrag  kam  aber  zu  spät, 
und  Antonius ,     welcher    bei  seiner  Schwelgerei    sich  nur  zu  oft 
vergass,  bewahrte  das  Gelieimniss  nicht,  worauf  er  unter  einem 
Verwände  nach  Rom  beschieden    und    vom   Senat  als  Hochverrä- 
ther   verurtheilt    ■wurde.'''*)     Dieser    handelte    so,     wie    es    seine 
Unwürdigkeit  und  Ohnmacht  ihm  eingab;    er  erklärte,    dass  der 
Staat  in  Gefahr  sei,    und  beauftragte  die  Triumvirn,    über  des- 
sen Erhaltung  zu  wachen,  ^^) 


73)  Plut.  1.  c.  Tempjts  Juctus.  S.  tlie  Schriftsteller  bei  Hauhold  In- 
stit.  iur.  rom.  ed.  Otto  §.  375.  u.  Alex,  de  Buchholtz  Comraentar.  in  Ju- 
ris civ.  antelust.  Vaticana  fragm.  p.  277.  f.  Die  zehnmonatliche  Trauerzeit 
der  VVittwen  erwähnen  ausser  Plut.  1.  c.  auch  Ovid.  Fast.  1.  27  u.  36. 
Senec.  consol.  ad  Helv.  lä.  (Ders.  Epist.  03.  spricht  v.  e.  Jahre)  Const.  I. 
Theodos.;  Cod.  I.  1.  tit.  8.  Pauli  Senlent.receptae  1.  1.  tit.  21.  §.  13.  Jqjtinian. 
cod.jl.  5.  tit.  9.  de  secund.  nuptiis,  Nachweisungen,  welche  ich  meinem  geehr- 
ten Freunde  v.  Buchholtz  verdanke.  74)  Liv.  127.  Vellej.2,  78.  Tacit.  A.  1.  10. 
App.  5,  710.  Dio  u.  Plut.  II.  cc.DioSO,  26.  75)  Plut.Ant.  33.  App.  Parth.  p. 
156.  Vgl.  Dio  44,  6.  Suet.  Caes.  70.  u.  oben  §.  6.  tin.  Cicero  erinnerte  gern 
an  diess  Jlaminium  und  an  dessen  Vernachlässigung  nach  dem  Tode  des 
Diclator.  2  Phil.  42.  (43)  13,  19.  21.  76)  §.  58.  A.  100.  f.  77)  App. 
5,  710.  78)  §.  5S.  A.  41.  79)  App.  1.  c.  Uio  48,  33.  Vellej.  2.  76. 
Suet.  Oct.  66.'  Nach    Liv.    127.    tödtete    er    sich    seihst.         80)    Dio    1.    c. 


42 G  V.  ANTONII.      (14.  §.  Co.) 

Auch  (las  V'olk  verltingfc  Hülfe  von  ihnen,     aber    in  einer 
anderen    Beziehung.     Es    sah    sich    in    seinen    Erwartungen    ge- 
täuscht,    denn    die    Hungersnoth  dauerte  fort;^')     Italien  wurde 
durch    Ausliebungen    und    den     Uebermuth    der  Truppen  heimge- 
sucht, und  doch  nicht  gegen  Poiupejus  geschützt,    welcher  seine 
Küsten  verheerte,  seine  entlaufenen  Sclaven  aufnahm,  und  keine 
Zufuhr    gestattete.  ^^-^     Aus    dem     Vorigen    erhellt,      warum    die 
Triumvirn  sich  nicht  mit  ihm  vergleichen  mochten ;  zum  Kriege 
aber    fehlte  das   Geld,     die    Schuld    des  Antonius    und  der    uner- 
sättlichen   Veteranen.      Bei     dieser    Stimmung     und     Noth    neue 
Auflagen  zu  machen,  war  höchst  bedenklich,   dennoch  blieb  kein 
anderer  Ausweg:  ein  Edict  forderte  für  jeden  Sclaven  die  Hälfte 
der    25    Denare,     Avelche    zum    Kriege    mit    Brutus    und  Cassius 
gesteuert  waren,  und  ein  anderes  einen  Theil  der  Erbschaften.  ^^) 
Das    Volk   rottete    sich    zusammen,     und  zerriss  die  Edicte;     es 
tobte     unter     Aufruhrgeschrei    und    Drohungen    besonders    gegen 
Octavian ,  weil  es  mit  Recht  glaubte,    dass  er  sich  dem  Frieden 
mit  Sicilien  am  meisten  widersetze,    und    empfieng  bei  den  cir- 
censischen  Sjjiclen  8*)  die  Statue  Neptuns   mit  stürmischer  Freu- 
de,    da    Pompejus    als    Anführer    einer    grossen    und    siegreichen 
Flotte    sich    dessen    Sohn    nannte.  ^^)     Am    folgenden    Tage    ver- 
luisste  es  sie,    eine  Beleidigung,    wie  es  deutete,    daher  es  nun 
zu  Thätlichkeiten  schritt,    die   Statuen  der  Triumvirn  umstürzte 
und    gegen  Octavian  Steine    schleuderte ,     als    er    erschien ,     sich 
zu  rechtfertigen.      Antonius,  welcher  zu  dessen  Beistande  herbei- 
eilte,    und  der    Aufforderung,     sich   zu    entfernen,    nicht  Gehör 
gab,    rief  nach  den  ersten  Steinwürfen,    mit  welchen  nun  auch 
er  angegriffen  wurde,     die  Truppen  in  die  Stadt;     die  wehrlose 
Menge  wurde  zerstreut  und  zum  Theil  niedergemaclit.      Dadurch 
vergalt    Antonius    seinem  Collegen ,     was    dieser  bei  Brundusium 
für    iiin  gethan    hatte,     obgleich    er    nur    eine    Bewegung    unter- 
drücken wollte,     welche  Beiden  gefährlich  war.     Sie  hatten  Ur- 

■  ''^81)  App.  I.  c.  Dio  18,  31.  Liv.  127.  Vellej.  2,  17.  Sue(.  Oct.  16. 
Gros.  G,  18.  Zon.  10,  22.  82)  App.  713.  Dio  18,  19.  83)  App.  710. 
Dio  18.  31.  Olie»  §.  50.  A.  100.  S I)  Den  rominchen ,  im  September. 
Cic.  ad  Kam.  S,  12.  u.  dai.  Rlamit.  ad  At(.  13,  15.  10.  2  Thil.  12.  (13). 
Dio  37,  8.  Oben  §.  H.  A.  15.  85)  Dio  18,  19.  31.  App.  710,  711.  S- 
Fumpcii. 


V.  ANTONFr.        (II.  §.  61.)  427 

sach  ,  billig  zu  lilcll)pn ,  denn  «las  «Inmpfc  Schweigen  des  Volles, 
dessen  Vcrzwcilliing  mit  seinen  Leiden  tiiglich  grösser  Avurde, 
Hess  heftigere  Stürme  fürchten.*'') 

Nicht  weniger  heunnihigten  sie  die  Ansprüche  ihrer  An- 
hänger; dass  die  Consuln ''^>'  und  die  Priitoren  für  die  noch 
übrige  Zeit  des  J,  40  Anderen  weichen  mussten,  und  selbst  ei- 
nem Aedil  nach  dessen  Tode  am  letzten  December  ein  Nach- 
folger gegeben  Avurde ,  befriedigte  doch  immer  nur  Einige.  Das 
Consulat  erhielt  L.  Cornelius  Haibus  aus  Gades,  Cäsars  Freund 
und  der  erste  Ausländer,  -welcher  zu  dieser  AVürde  gelangte,  ^^) 
nebst  P,  Canidius  Crassus;  sie  besorgten  die  im  Kriege  von 
Philippi  gelobten  Spiele.  *^)  L.  Piancus  begab  sich  als  Statthal- 
ter des  Antonius  nach  Asia.  'J"^ 

§  Cl. 
a.  39  übernahmen  L.  Marcius  Censorinus  und  C.  Calvisius 
Sabinus  das  Consulat.  ^')  Jener  wird  in  den  Philippiken  oft, 
aber  nie  mit  Ehren  erwähnt;  er  war  Antonius  nach  Mutina  ge- 
folgt und  verwaltete  nach  dem  Tode  des  Brutus  und  Cassius 
Acliaja. ''-J  A'ielleiclit  durch  das  Beispiel  des  Marius  und  des  L. 
Antonius  dazu  veranlasst,  triumphirte  er  sogleich  am  1.  Januar 
über    Macedonien.  '^^^      Calvisius    hatte     im     Bürgerkriege    unter 


8G)  App.  711.  Die  48,  31.  87)  §.  59.  A.  78.  88)  Plin.  7,  44.  (43.) 
Vgl.  Cornelii  Btdbi.  89)  Dio  48,  32.  Tab.  Collot.  bei  Gruter  298.  No.  1. 
bei  Pigh.  u.  Mailian.  a.  713.  Ueber  Canidius  vgl.  Flut.  Anlon.  34.  42. 
56.  63.  65.  67.  68.  71.  App.  Parth.  p.  157.  163.  Dio  49.  24.  90)  §.  57. 
A.  75.  ist  bemerkt,  dass  Die  48,  24.  diess  unrichtig  geschehen  lägst,  ehe 
Antonius  zum  ersten  Male  zu  Cleopatra  nach  Aegypten  gieng,  denn 
Piancus  nahm  am  perusinischen  Kriege  Theil.  §.  59.  A.  1.  u.  5.  Auf 
seine  Sendung  nach  Asien  beziehen  sich  die  Münzen  bei  Vaill.  Munaf. 
No.  4.  u.  Eckh.  5.  p.  257.  6.  p.  43.  S.  Munatii.  u.  hier  §.  62.  A.  61.  — 
In  diesem  J.  erhielt  Rom  durch  den  V.  Trib.  P.  Falcidius  das  nach  ihm 
henaniite  Gesetz  über  Erbschaften.  Dio  48,  33.  Heinecc.  Ant.  Rom.  ed. 
Haubold.  L.  2.  Tit.  20  —  22.  §.  18.  f.  u.  die  Schriftst.  bei  Haubold  Inst, 
iur.  roni.  ed.  Otto  §.  G40  f.  91)  Dio  48,  34.  92)  §.  57.  A.  46.  u.  §.  72^ 
A.  6U.  93)  Fast.  Capit.  Auch  noch  in  diesen  Zeilen  wurde  die  Provinz 
IMacedonien,  ein  Name,  welchen  die  Alten  in  sehr  verschiedenem  Sinne 
gebrauchen,  oft  von  den  Geten,  Dardaniern  u.  a.  Barbaren  beunruhigt, 
App.  Milhr.  p.  207.  Veliej.  2,  90.  Dio  48,  41.  Oben  §.  20.  A.  33.  wo- 
durch die  römischen  Grossen  Gelegenheit  erhielten,  sich  auf  Raubzügen 
zu  bereichern  und  mit  geringer  Mühe  zum  Triumph  zu  gelangen. 


428  V.    ANTONir.       (14.  §.  61.; 

Cäsar  gedient,^*-'    und  kämpfte  später   auf  der  Flotte  Octavians 
gegen  Sex.  Pompejus.  ^^) 

So    lange    mau    Rom    nicht  mit  Getraide  versorgte,    •waren 
alle  Versuche  der  Herrscher  fruchtlos ,    die  Gunst  des  Volkes  zu 
gewinnen.     Octavian    bewirthete    es,    als   jetzt  zum  ersten  Male 
sein     Bart    geschoren    wurde.  '•"'>'      Es    geschah     willkührlich     im 
Anfange  der  Zwanzig,     und  daher  wohl  nicht    ohne  Absicht  ge- 
rade in  dieser  Zeit,     wo    man  die  Menge    durch  einen  Schmaus 
umzustimmen    wünschte.  'J^)     Sie    aber    sali    kein    Heil,      als    im 
Frieden,  und  man  beschloss,    sie  zu  täuschen.  ^^)     Indess  AvoUte 
Octavian  seinem  Gegner  nicht  die  ersten  Anträge  machen ,     wie 
sehr  man  ihn  auch  drängte;   er  wiederholte  das  Gaukelspiel  von 
Brundusium.      Auf   Betrieb    des    Antonius    wurde    L.    Scribonius 
Libo    in    Sicilien    von    seinen    Blutsfreunden  ersuclit,     Octavian 
als    den    Gemahl    seiner  Schwester  ^^-^  zu    begrüssen.     Seine  An- 
kunft  auf  Aeuaria,    jetzt    Ischia,     einer    de:.   Pithecusen  an  der 
campanischen  Küste,  nicht  weit  vom  Vorgebirge  Misenum,    war 
den  Römern  sehr  erfreulich ,  desto  weniger  Octavian ;  ^^'^^  ungern 
schickte    er    ihm    freies    Geleit    und  reis'te    darauf  mit  Antonius 
nach  Bajä.     Nach  dem  Wunsche    des  Volks  sollte  Pompejus  dem 
Friedensboten  folgen,  und  seine  Mutter  Mucia  diess  vermitteln.  ') 
Sie  begab   sich  zu  ihm  nach  Sicilien,    fand  aber,    dass  Menas  ^J 
ihn  gegen  den  Frieden  gestimmt  hatte ,     und    nur  auf   die  drin- 
genden Vorstellungen  der  Verbannten    fuhr  er  mit  seinen  besten 
Schiften  nach  Aenaria.  ^)     Zum  Behufc  der    Unterredung  wurden 
Lei  Misenum    Gerüste   im    Meere    errichtet ,    welche    das    Wasser 


91)  Caesar  B.  C.  3.  34.  55.  App.  2.  4C3.  S.  Jnliü  95)  A  .5.  718  f. 
Dio  48,  'IG.  S.  §.  07.  A.  38.  06)  Die  48,  34.  Vgl.  Lips.  Excurs.  H.  zu 
Tacil.  Ann.  14.  u.  Juvenal.  3.  186.  97)  Den  scheinbaren  Widerspruch 
zwischen  Dio  und  den  IVlünzen,  welche  Oct.  noch  a.  37  in  seinem  zwei- 
ten Triumvirat  als  härtig  darstellen,  hebt  Eckh.  6.  p.  70  f.  durch  die 
sehr  annehmliche  Verniutliung,  duss  üetav.  nach  den  t'nfällen  im  Kriege 
mit  l'ompej.  den  Hart  wieder  habe  wachsen  lassen,  wie  Antonius  nach 
der  Schlacht  bei  Mulina.  §.  51.  A.  10.  98)  Imagine  pacis.  Tacit.  A.  1. 
10.  Dio  48.  30.  99)  §.  CO.  A.  34.  100)  Veliej.  2,  77.  App.  711.  IMot. 
Ant.  3'2.  Dio  18.  30.  Zonar.  10,  22.  1)  App.  712.  Dio  48,  Ui.  selzl 
diese  Keise  zu  früh.  2)  §■  OO.  A.  45.  3)  Nicht  mit  der  ganzen  Flutte 
Dio  48,  3G;  ein  Theil  stand  unter  Menas  bei  Sardinien;  das.  30  u.  31. 
App.  5.  709. 


V.  ANTONII.        (11.  §.  Gl.)        429 

trennte:  auf  der  Landseitc  erschienen  die  Triumvirn,  und  auf 
der  entgegengesetzten  Libo  und  Pompejus ,  dessen  Forderung, 
an  Lcpidus  Stelle  in  den  Bund  der  Herrscher  aufgenommen  zu 
werden,  diesen  so  befremdlich  war,  dass  sie  sich  sogleich  mit 
der  Erklärung  entfernten ,  nur  sichere  Rückkehr  könnten  sie 
bewilligen.  *) 

Aber  ohne  Frieden  gab  es  für  sie  selbst  keine  Sicherheit; 
die  Unterhandlungen  wurden  durch  Andere  fortgesetzt,  und  in 
Betreif  des  Pompejus  ohne  grosse  Schwierigkeiten,  als  er  der 
Theilnahnie  am  Triumvirat  entsagt  hatte;  denn  mit  ihm  schloss 
man  nur  einen  ^Vatt"cnstillstand ,  welcher  ohne  Folgen  bleiben 
sollte.  Anders  verhielt  es  sich  mit  den  Flüchtlingen  in  seinem 
Dienste;  es  war  zu  erwarten,  dass  sie  von  jeder  Vergünstigung 
sofort  Gebrauch  machen  würden,  und  sie  zerfielen  in  sehr  ver- 
schiedene Classen:  Mehrere  waren  als  Mörder  Cäsars  oder  wäh- 
rend der  Proscription  verurtheilt;  Andere  hatten  sich  selbst  ver- 
bannt, weil  sie  die  Triumvirn  hassten  oder  fürchteten;  der 
grösste  Theil  aber  bestand  aus  entlaufenen  Sclaven.  Diess  führte 
zu  mannichfachen  Verwickelungen.  Man  musste  den  Grundsatz 
festhalten ,  dass  es  für  die  Verschworenen  keine  Gnade  gebe, 
denn  er  lieiligte  die  Verfolgung  der  Feinde,  und  bei  der  Her- 
stellung der  Uebrigen  kam  das  Interesse  ihrer  Herrn  oder  der 
Besitzer  ihrer  Habe  in  Betracht.  Doch  entschloss  man  sichy 
den  Schützlingen  des  Pompejus  Manches  nachzugeben,  weil  er 
sie  nicht  aufopfern  konnte,  und  auf  der  andern  Seite  machten 
auch  sie  gern  Zugeständnisse,  um  wieder  im  Vaterlande  zu  le- 
ben, und  nicht  länger  von  einem  Manne  abhängig  zu  sein, 
welcher  eben  so  viel  Schwäche  als  "Willkühr  und  Grausamkeit 
zeigte.  Sie  trieben  ihn  an ,  zum  Schlüsse  zu  kommen ,  und 
nicht  weniger  Mucia  und  Scribonia,   seine  Gemahlinn.  ^J 

So  unterredeten  sich  die  drei  Heerführer  nebst  Libo  aber- 
mals auf  einem  alten,  vom  Meere  umflossenen  Damme,  welchen 
die  an  der  Küste  von  Misenum  aufgestellten  Legionen  und  die 
Scliiffe  bewachten.  Es  blieb  nur  übrig,  zu  bestätigen,  was  im 
Wesentlichen  schon  verglichen  war:  *')  die  Feindseligkeiten  hören 

4)  App.  713.  5)  App.  5.  713.  nennt  diese  Julia;  so  auch  Fabric. 
zu  Dio  -18,  3G.  6)  App.  1.  c.  n.  714.  Dio  48^  3G.  Plut.  Ant.  32.  Zon. 
10,  22.  Liv.  127.  Veliej.  2.  77.  Tacit.  A.  5.  1.  Oros.  G,  18. 


430  V.  ANTONII.        (II.  §.  Gl.) 

auf,  sowohl  zu  Laude  als  zur  See;  Punipcjus  gestattet  überall 
freien  Verkehr;  er  zieht  seine  Besatzungen  aus  Italien  zu- 
rück und  seine  Schilfe  von  dessen  Küsten,  ninuut  keine  Scla- 
ven  und  Ueberlaufer  auf  und  verstärkt  seine  Flotte  nicht.  ''-* 
Ihm  Tcr))ieiben  die  Provinzen  Sicilien,  Sardinien  und  Corsica 
80  lange,  als  Antonius  und  Octaviau  die  ihrigen  verwalten, 
jedoch  unter  der  Bedingung,  dass  er  jälirlich  die  bcstiniiute 
Masse  von  Oetraidc  nach  Italien  scliickt,  und  das  rückständige 
nachliefert;  ausserdem  erhält  er  Achaja.  ^)  Er  wird  C'onsul  und 
Augur,  ^)  darf  in  jener  Eigensdiaft  sich  durcli  einen  Freund 
vertreten  lassen,  und  bekommt  zur  Entschädigung  für  das  väter- 
liche Vermögen  17~  Millionen  Denare.  "')  Die  Flüclitiinge  keh- 
ren mit  Ausnahme  der  Mörder  Cäsars  nach  Italien  zurück,  und 
gelangen  zum  Besitze  ihres  ganzen  Vermögens,  bis  auf  das  be- 
wegliche, wenn  sie  sich  aus  eigenem  Entschlüsse  entfernt  ha- 
ben; wenn  sie  geächtet  sind,  wird  ihnen  der  vierte  Thcil  zu- 
rückgegeben. Endlich  gesteht  man  den  Sclaven  in  Pompcjus 
Heere  die  Freiheit  zu,  und  den  Freien  nach  Verlatif  ihrer 
Dienstzeit  dieselben  Belohnungen,  wie  den  Veteranen  der 
Triumvirn. 

Dieser  Vertrag  wurde  schriftlicli  abgefasst,  besiegelt  und 
den  Vestalinnen  zur  Aufbewahrung  übergeben.  ")  Ein  Hand- 
schlag und  eine  Umarmung  sagte  Heer  und  Flotte  und  der 
zahllosen  Menge,  Avelche  die  Neugier  oder  die  Sehnsucht  nach 
den  liirigen  herbeigeführt  hatte,  dass  man  einig  sei.  und  so- 
gleich verkündigte  ein  betäubendes  Geschrei  die  allgemeine 
Freude.  Alle  diese  Menschen  scliienen  nur  Eine  Familie  zu 
bilden;  sie  eilten  von  der  Küste,  Aon  den  Schiffen  einander 
entgegen,    achteten  der  Gefahr  nicht,     erdrückt  zu  werden  oder 


7)  Keiner  dieser  Artikel  Wurde  vollzogen.  App.  5.  7 IG  f.  Dio  48, 
45.  Gros.  I.  c.  S.  Pompeji.  8)  So  Veliej.  I.  c.  Dio  18,  30.  39.  -10. 
Bei  App.  713.  710.  717.  heisst  die  Provinz  weniger  genau  Pcloponnes. 
0)  Dio  1.  c.  u.  c.  51.  Nach  App.  713.  Pontif.  Üljen  §.  41.  A.  20.  u.  §. 
C4.  A.  25.  10)  Dio  48,  30.  Nach  Zonar.  10,  22.  welcher  hier  falsch 
ausgcBchrieben  hat,  1550  Myriaden,  oder  1."^  ;\lilliunen.  Der  .Senat  haUe 
ihm  schon  zu  C'iceros  Zeit  b^rsatz  versprochen.  Cic.  5  Phil.  15.  13,  5. 
Veliej.  2,  73.  App.  3.  52S.  Dio  45.  10.  11)  App.  714.  Dio  48,  37. 
Zonar.  1.  c.  Vgl.  §.  58.  A.  54. 


V.  ANTÖNir.        (11.  g.  CI.)       431 

zu  ertrinken ,  un<l  seihst  der  Fremde  wurde  ergriffen ,  wenn 
Mitbürger  und  Heivannte  sich  als  Freunde  Legrüsstcn ,  Freunde 
und  Verwandte  mit  stummem  Entzücken  sich  wieder  fanden, 
und  Andere  mit  steigender  Angst  nach  den  Ihrigen  fragten, 
welche  nicht  mehr  waren.  Zu  den  Angesehensten ,  deren  Rück- 
kehr durch  diesen  Frieden  bewirkt  wurde,  gehörten  nach  Vel- 
lejus '2)  M.  Silanus,  '2)  C.  Sentius  Saturninus,  '*>*  L.  Arun- 
tius,  '^^  und  M.  Titius;^''^'  Tiberius  Nero  aber,  welchen  der 
Geschichtschreiber  hier  erwähnt,  war  schon  a.  40  mit  Antonius 
nach  Italien  gekommen.  '^)  ' 

Soldaten  und  Anführer  luden  einander  zum  Mahle,  die 
Letzten,  um  die  Aufrichtigkeit  ihrer  Gesinnungen  zu  beweisen. 
Nach  der  Entscheidung  des  Looses  emptieng  Pompcjus  seine 
Gäste  zuerst,  und  zwar  auf  einem  an  den  Damm  angelecten 
sechsrudrigen  Schifte,  „in  seinen  Carinen"  wie  er  mit  einer 
bitteren  Anspielung  gegen  Antonius  äusserte.  ^^)  Angeblich  er- 
bot sich  Menas,  die  Ankertaue  zu  kappen;  nach  Anderen  Hess 
er  diesen  Ilath  durch  einen  Dritten  an  Pompejus  gelangen,  wel- 
cher ihn  nicht  befolgte,  weil  ihm  nach  geschworenem  Eide 
nicht  erlaubt  sei,  was  man  ohne  sein  Wissen  hätte  thun  sollen.  ^'J) 
So  sagt  man,  bemerkt  Appian ,  und  allerdings  war  Menas  in 
Sardinien,  -^)  und  nicht  davon  unterrichtet,  was  in  diesem  Au- 
genblicke bei  Misenum  vorgieng;  die  Geschichte  des  Verräthers 
und    des    Helden    Avächst    durch  Erdichtung.     Auch    Avar  ein  An- 

12)  2,  77.  13)  §.  '12,  A.  GG,  Cos.  a.  25.  Dio  53,  25.  14)  §.  CO. 
A.  2S.  u.  §.  Ö8.  A.  5.  Cos.  a.  19.  Dio  51.  10.  Veliej.  2,  92.  15)  Cos^ 
a.  22.  Dio  5-1.  I.  Vielleicht  eiu  Bruder  des  Proscribirten,  welcher  er- 
mordet wurde,  oder  dessen  Sohn,  denn  dieser  entfloh  zur  See,  und  die, 
Nachricht  von  seinem  Tode  mochte,  wie  oft  in  solchen  Fällen  ungegriin- 
det  sein.  App.  4.  601.  §.  55.  A.  46.  IC)  Gefangener  des  Sex.  Pompejus, 
welchen  er  a.  35  in  Milet  lödten  Hess.  Dio  48,  30.49,  18.  App.  5,  752. 
753.  Veliej.  2.  79.  S.  Potnpeii.  17)  §.  59.  A.  4.  Die  Nachricht  des 
V^ellej.  findet  sich  zwar  auch  bei  Tacit.  A.  5,  1.  allein  sowohl  Dio  48, 
15.  als  Suet»  Tiber.  4.  u.  6.  widerlegen  sie;  der  Letzte  giebt  sogar  be- 
stimmt den  Grund  an,  warum  er  nicht  in  Sicilien  blieb.  IS)  Carina^ 
der  Kiel,  d.  Schiff;  Carinen  hiess  auch  eine  Gegend  in  Rom,  in  der 
nachmaligen  vierten  Reg:ion,  wo  das  väterliche,  jetzt  von  Antonius  be- 
wohnte Haus  des  Pompejus  stand.  Veliej.  2,  77.  Dio  48,  38.  Plut.  Ant. 
32.  (A.  Vict.)  de  vir.  ill.  84.  lieber  diess  Haus  vgl.  Pompe??'.  19)  App. 
714.  Dio  u.  Plut.  11.  cc.  Zonar.  10,  22.     20)  App.  717.  718.  Dio  48,  45. 


432  V    ANTONri.  (11.  §.  Gl.) 

sclilag  gegen  das  Leben  oder  die  Freiheit  der  Triumvirn  mit 
eigener  grosser  Gefahr  verbunden;  sie  kamen  niclit  ohne  Gefulge 
und  mit  verborgenen  Dolchen,  niid  ihre  vereinigte  Land-  »nid 
Seemacht  würde  ihren  Tod  mit  furchtl)arer  Wtith  gerächt  haben. 
An  den  beiilen  folgenden  Tagen  bcwirthcfen  sie  Pompejus  anf 
dent  Damme  unter  Zelten,  und  zugleich  wurde  seine  Tochter 
Pompcja  mit  M.  Marcellus,  dem  Stiefsohne  des  Antonius  und 
Neffen  des  Octavian  verlobt. -U  Die  Ernennung  der  Consuln 
auf  mehrere  Jahre  schien  Rom  ebenfalls  einen  dauernden  Trie- 
den  zu  verbürgen,  sie  war  aber  nur  ein  Beweis  seiner  Sclaverei. 
Dio--^  nennt  acht  und  Apf-ian  23j  vier  Jahre,  es  ist  aber  nicht 
schwer,  sie  in  Uebereinstimmung  zu  bringen.  Für  die  niichsten 
vier  J.  wurde  nichts  festgesetzt,  sondern  für  tlie  folgenden 
vier,  für  a.  34  — -  31.-  In  diesem  Zeiträume  sollte  nach  Ap- 
pian  zuerst,  a.  31  Antonius  II  mit  L.  Jjibo  das  Consulat  ver- 
walten,-*^ jenem  jedoch  erlaubt  sein,  die  Würde  auf  einen  An- 
deren zu  übci-tragen;  dann  Octavian  mit  Pompejus,  welcher 
früher  geächtet  wurde  -^)  und  starb;  a.  32  Cn.  Domitius  Aheno- 
barbus  mit  C.  Sosius ,  und  diese  Avurden  wirklich  Collegen,  -•'-' 
endlich  a.  31  Octavian  III  mit  Antonius  III;  2^)  der  Letzte 
nannte  sicir  auf  seinen  Münzen  Cos.  III ,  ^8)  obgleich  er  bereits 
seiner  Ansprüche  für  verlustig  erklärt  Avar.  2!*)  Bei  diesem  Ver- 
faliren  folgte  man,  wie  in  vielen  Dingen,  dem  Beispiele  Cäsars, 
und  wie  ihm  diente  auch  den  Triumvirn  der  parthische  Krieg 
zum  Vorw  ande ,  da  er  solche  Massregeln  für  die  innere  Ruhe 
des  Staats  erforderte.  ^"^ 

Sie  trennten  sich  von  Pompejus,  welcher  wieder  nach  Si- 
cilien  gicng,  und  wurden  auf  dem  Wege  nach  Rom  von  dem 
dankbaren    Volke    als    Rettungsgötter    mit   Opfern    geehrt;     ein 


21)  App.  714.  Die  48,  38.  Zonar.  1.  c.  Die  Vermählung  fand  nicht 
S<a(t;  Ponipeja  entfloh  a.  30  mit  ihrem  Vater  von  Sicilien.  Dio  40.  11.  S. 
Ohiudii  Marcelli.  22)  48,  35.  23)  5,  714.  24)  App.  1.  c.  Dio  49,  39. 
25)  Dio  48,  54.  20)  Ders.  50,  2.  27)  Ders.  50,  10.  App.  1.  c.  Vaill. 
Anton.  No.  38.  f.  Eckh.  0.  p.  04.  Monuni.  Aphrodisiense  in  ChishuU  \nliq. 
Asiat,  p.  150.  In  der  wahrscheinlich  iinüclilen  Inschrift  bei  Gruler  p. 
100.  No.  0.  Reines,  p.  297.  Orellii  Inscript.  Collect.  1.  p.  155.  No.  595. 
heisst  Oclav.  Cos.  desig.  tert.  28)  Eckh.  0.  p.  48.  29)  Dio  50,  4.  20. 
30)  Der«.  4«,  35. 


V.  ANTONII.        (14.  §.  Ol.)         433 

gleicher  Empfang  erwartete  sie  in  der  Stadt,  weshalb  sie  hier 
in  der  Nacht  eintrafen.  Nur  die  Inhaber  der  Güter,  Avelche 
ganz  oder  zum  Theil  den  vorigen  Besitzern  zugesichert  waren, 
thciltcn  die  Freude  über  die  allgemeine  Versöhmnig  nicht.  -^0 
Den  Senat  konnte  es  nicht  befremden ,  dass  er  so  wenig  als 
Lepidus  bei  den  Unterhandlungen  zugezogen  war;  man  wirkte 
dahin,  mit  und  ohne  Absicht,  ilin  herabzuwürdigen.  Gemeine 
Krieger,  Barbaren,  selbst  Freigelassene  und  Sclaven  wurden 
unmittelbar  oder  als  Magistrate  in  die  Curie  aufgenommen.  ^2) 
Wie  im  Consulat  im  Laufe  eines  Jahrs  ein  so  häufiger  Wechsel 
Statt  fand,  dass  man  ausserhalb  Roms  meistens  nur  die  Namen 
derer  kannte,  welche  es  am  1.  Januar  antraten ,  ^^-^  so  wusste 
man  kaum  mehr,  wer  Senator  sei,  und  jeder  legte  nach  Belie- 
ben die  senatorische  Kleidung  an,  auch  als  es  untersagt  wurde.  ^*) 
Am  wenigsten  konnten  sich  die  Mitglieder  des  CoUegium  selbst 
darüber  beklagen,  da  Octavian  schon  a.  38  ihre  Thcilnahrac 
an  den  Fechterspielen  verpöncn  musste.  ^^)  Bei  der  Bes<.tzung 
der  Aemter  beachtete  man  Aveder  die  verfassungsmässige  Folge,  ^ß) 
noch  Stand  und  Alter.  ^^^  Ein  Bürger  erkannte  in  einem  er- 
wählten Quästor  Vibius  Maximus  seinen  Sclaven,  und  trieb  ihn 
wieder  zur  Arbeit;  38)  ein  anderer  Sclav  wurde  Prätor;  man 
erklärte  ihn  für  frei ,  um  das  Amt  nicht  durch  seine  Kreuzigung 
zu  schänden,  und  stürzte  ihn  vom  tarpejischen  Felsen.  Dann 
erschien  eine  Verfügung,  nach  welcher  Sclaven  selbst  nicht 
Lictoren  Averden  sollten;  39)  alles  war  fruchtlos,  weil  es  den 
Herrschern  frommte,  dass  die  Collcgicn  und  Magistrate,  welche 
sie  nun  einmal  beibehalten  mussten,  4»)  ibr  Ansehn  verloren, 
und  sie  fortfuhren,  zur  Belohnung  und  für  Geld  *')  Unwür- 
dige zu  befördern.  Die  Folgen  empfand  auch  das  Volk;  man 
bewarb  sich  nicht  um  seine  Gunst,  erkaufte  seine  Stimmen 
nicht,  ergötzte  es  nicht  durch  Sp'ele,  wodurch  man  sein  Ver- 
mögen erschöpfte,     denn    es  konnte  nichts  dagegen    bieten;     die 


^-  31)  App.  5,  715.  Vellej.  2.  78.  32)  D!o  48,  3J.  33)  Ders.  48  ,  35 
u.  53.  34)  Ders.  49,  IG.  57,  13.  35)  Ders.  48,  43.  30)  Dcrs.  51,  4 
37)  Ders.  49,  42.  43.  38)  Ders.  48,  34.  Euseb.  Cliron.  39)  Die  48,  43, 
40)  Tacit.  A.  1,  3.  Eadem  magistratuum  vocabula.  41)  Dio  48,  34. 
Derselbe  sagt  c.  43.  man  habe  a.  38  sieben  u.  Bechzig  Prätoren  gehabt. 
Vgl.  das.  c.  53. 

Dninniim,  O'fcscliichle  Koms  l.  Uo 


434  V.   ANTONir.         (14.  §.  G2.) 

Aedililät  wunlc  gnmicdcn,  ^^^  iintl  jedes  andere  Amt,  welches 
die  Aussicht  eroflncfc ,  die  Provin/cn  zu  pliindcrn  und  nach 
«incm  Strcifzuj^e  das  Kronengold  zum  Triumplie  zu  erpressen, 
wenn  auch  nur  auf  Tage  von  den  Triunivira  erbeten.  '*^) 

§  62. 

Der  Bund  der  Machthaher,  welchen  der  Ehrgeiz  einer  Frau 
vor  der  Zeit  aufzulösen  drohte,  war  erneuert,  weil  sie  l'ompejus 
und  die  Parther  fürchteten.  In  der  Meinung,  dass  die  Arsaciden 
wie  Mithridat  untl  Tigranes  unterliegen  würden,  *'')  Hess  sich 
M.  Crassus  a.  55  in  seinem  zweiten  Consulat  durch  das  (besetz 
des  C,  Trehonius  die  Provinz  Syrien  übertragen,  um  sie  anzu- 
greifen. Er  wurde  a.  53  das  Opfer  seiner  Goldgier,  und  der 
QuJistor  C.  Cassius  führte  die  Trümmer  seines  Heers  nacli  Syrien 
»urück,  welches  er  im  nächsten  .Tahre  mit  Muth  und  Erfolg  gegen 
den  andringenden  Feind  A^erthcidigte.  *^)  Im  Herbste  d.  J.  51 
erscliien  der  Procousul  M.  Bibulus,  über  dessen  Feigheit  Cicero 
spottet,  obgleich  er  zu  derselben  Zeit  als  Statthalter  in  Cilicien 
Yor  den  jetzt  nicht  mehr  verachteten  Asiaten  zitterte.  '^^)  Jener 
"wollte  Pacorus  zu  einer  Empörung  gegen  seinen  Vater  Orodes  I. 
überreden,  erreichte  aher  seine  Absicht  nicht.  *')  ludess  ver- 
schaffte ihm  M,  Cato  eine  Supplication ,  dem  Manne ,  „welchen 
die  Furcht  vor  den  Parthern  fast  getödtet  hatte";  ^^)  den  Triumph 
verhinderte  der  Bürgerkrieg.  Er  hielt  auch  Cäsar  ah,  den  Stol- 
len Feind,  welcher  Rom  die  Herrschaft  in  Asien  streitig  machte, 
am  eigenen  Heerde  aufzusuchen.  Man  war  überzeugt,  dass, 
wenn  irgend  jemand,  er  dazu  berufen  sei,  und  diess  Uuterncli- 
mcn,  in  den  Augen  der  Römer  ein  RieseuAverk,  sollte  ihm  nur 
ein  grösseres  vorbereiten.  Aber  seine  Pläne  wurden  ihm  selbst 
verderblich;  die  Besorgniss ,  dass  er  sich  den  Dolchen  entziehen 
werde ,  das  Clerücht ,  nach  welcliem  einem  höheren  Spruche  zu- 
folge  nur  ein  König  jenen  Feind  besiegen  konnte ,  beschleunigte 
sei  neu  Tod.'*'') 

42)  Ders.  48,  53.  40,  10.  4.1.  53,  2.  43)  DerR.  48,  53.  49,  42, 
44)  App.  Parth.  p.  135.  45)  S.  Liciiiii  Crassi.  u.  f'asKii.  4(!)  yfetHS 
parthicui.  Cic.  ail  Farn.  2,  17.  17)  Dio  4(>,  30.  IK)  cjr.  ad  Att.  7, 
2.  fin.  VrI.  6,  S.     49)  App.  2,    107.  Dio  4."?,   51.    14,  15.  IMu(.  Cae».  58. 

3«tt4r.  10,  II.    JuUi. 


V.  ANTONII.        (14.  §.  62.)       435 

Die  bürgerliclicn  Unruhen  im  römischen  Staate  vergrösser- 
ten  den  parthischen  nicht.  Poiupejus  konnte  Syrien  nicht  ab- 
treten, welches  Oroile.'i  I.  zum  Lohn  für  seine  Hülfe  fordern 
Hess,  auch  wurden  die  Unterliaiidluugen  durch  die  Schlacht  hei 
Pharsalus  geendigt.''")  Später  bewarben  sich  Brutus  und  Cas- 
sius  um  den  Beistand  des  Königs.  Sie  schickten  T.  Labienus 
zu  ihm,  den  Sohn  des  ausgezeichnetsten  unter  Cüsars  Legaten, 
welcher  a.  49  von  diesem  zu  I'ompejus  übergegangen  und  bei 
Munda  getödtet  war.  Ungewiss  über  die  Kräfte  und  Hoffnungen 
der  Parteien  zögerte  Orodes,  sich  zu  erklären,  bis  bei  Philipp! 
entschieden  war ,  und  der  Gesandte  sich  unter  seinen  Schutz 
begab.  ^')  Dieser  erbot  sich,  sein  Heer  gegen  die  Römer  zu 
führen;  er  täuschte,  aber  nur,  weil  er  selbst  im  Irrthume  war, 
wenn  er  sich  für  einen  Feldherrn  hielt,  und  als  Fremder,  als 
Römer,  bei  den  Barbaren  auf  Vertrauen  und  Gehorsam  rechnete, 
Uebrigens  war  man  zu  grossen  Erwartungen  berechtigt:  Octa- 
vian  beschäftigte  Porapcjus  und  der  perusinische  Krieg,  Antonius 
die  Königinn  von  Aegypten;  nicht  einmal  die  Gefahr  der  Sei- 
nigen machte  Eindruck  auf  ihn ,  und  man  durfte  voraussetzen, 
dass  auch  er  mit  seinem  Collegen  zerfallen  werde;  er  hatte  das 
römische  Asien  durch  seine  Räubereien  erbittert  und  Truppen 
darin  aufgestellt,  welche  zum  Theil  vom  Heere  der  Befreier  in 
das  Seinige  übergegangen  waren;  ^^)  dazu  das  Schicksal  des 
Crassus,  welches  bewies,  dass  es  möglich  sei,  auch  Legionen 
aufzureiben ,  ^•^>'  und  die  crmuthigende  Zuspräche  der  aus  Syrien 
vertriebenen  Tyrannen.  ^*J 

Einer  Rechtfertigung  bedurfte  es  nicht,  wenn  der  Hof  aus 
diesen  Gründen  den  Krieg  beschloss,  denn  Rom  hatte  ihn  schon 
unter  Cäsar  angekündigt.  Aber  er  war  nicht  bloss  Nothwehr; 
er  sollte  das  Reich  vergrössern,  bis  zum  NiP^)  und  über  das 
Meer  fuhren ,  an  dessen  Küsten  man  mit  den  Städten  die  Flotte 
zu  erobern  hoffte,  welche  Parthien  nicht  besass.  ^*')  Auch  bürgte 
Pacorus,  der  Sohn  des  Königs  und  bestimmt,  Labienus  zu  be- 
gleiten, für  dessen  Treue,  ein  junger  Fürst  voll  Müth  und  Un- 

50)  Caes.  B.  C.  3,  82.  Dio  41,  55.  44,  45.  Justin.  42,  4.  51)  Vellej. 
2,  78.  Dio  48,  24.  App.  4,  CG/.  Justin.  1.  c.  erzählt  auch  hier  nicht 
genau.  Flor.  4.  9.  52)  §.  57.  A.  28.  53)  Dio  u.  Flor.  11.  cc.  54)  App. 
5,  G7G.  u.  §.  57.  A.  78.     55)  App.  Parth.  150.     50)  Dio  48,  20. 

28* 


436  V.   ANTONir.       (14.  §.  62.) 

ternehmungsgcist,  milde  und  gerecht  gegen  sein  Volk,  im  Heere 
und  selbst  in  S\Ticn  beliebt,  und  Orodes,  welchen  seiu  Tod  iu 
Verzweiflung  stürzte,  aufrichtig  ergeben.^*) 

a.  40.  Im  Anfan£:e  d.  J.  40  erfolste  der  Aufliruch.  Die 
Parther  verbreiteten  sich  mit  ihrer  furchtbaren  Reuterei  schnell 
über  die  Ebenen  von  S^Tien,  wo  die  meisten  Plätze  sich  ihnen 
riffnctcn ,  weil  die  Besatzungen  überrascht  waren  und  Antonius 
hassten.  ^^^  Nur  ..pamea  auf  dem  östlichen  Ufer  des  Orontcs 
vertheidigtc  sich ,  und  der  Statthalter  L.  Decidius  Saxa  ^^)  wur- 
de zwischen  diesem  Orte  und  .Vutiochieu  von  Labienus  geschla- 
gen. Er  bemerkte,  dass  dieser  Zettel,  welche  die  Aufforderung 
sum  Abfall  enthielten ,  mit  Pfeilen  in  sein  Lager  warf,  und 
seine  Truppen  nicht  geneigt  waren ,  den  Kampf  fortzusetzen. 
Deshalb  entfloh  er  mit  Wenigen  über  Antiochien  nach  Cilicien, 
wo  er,  von  den  Verfolgenden  sjedrängt,  sich  durchbohrte.^'') 
Apamea  uml  Antiochien  gericthen  in  die  Gewalt  des  Siegers, 
welcher  nun  ganz  Vorderasien  überzog,  dessen  Statthalter,  L. 
IManeas,*»'^  uöthigte,  sieh  auf  die  Inseln  zu  retten,  und  sich 
Imperator  nannte,  aber  ungereimt  einen  parthischen,  denn  diess 
bezeichnete  ihn  nach  dem  römischen  Sprachgebrauche  als  den 
Leber\\iuder  des  \olks,  dessen  Truppen  er  anführte.  ^-^  Für 
die  l'rovincialen  lag  in  diesem  AVechsel  kein  Gewinn.  Der 
Befreier  wurde  ihnen  mit  seinen  räuberischen  Schaaren  bald  ver- 
hasst ,  und  entschlossene  Männer ,  welche  sich  in  Bergfesten 
warfen ,  entrissen  ihm  oft  bei  glücklichen  Ausfallen  die  Beute, 
unter  Anderen  Cleon  aus  Gordus  auf  der  Feste  Callydion.  ^^) 
Alabanda  und  Mvlassa  in  Carlen  erschlugen  seine  Krieger ,  wel- 
che  sie  freiwillig  aufgenommen  hatten ;  er  eroberte  und  züchtigte 
sie  ,  '^^  vermehrte  aber  dadurch  nur  die  Furcht  und  Erbitterung 


57)  Den.  10,  20.  Jastin.  4,4.  58)  DIo  18,  25.  59)  §.  57.  A. 
:il  u,  82.  60)  Flor.  4,  9.  Nach  VelleJ.  2,  78.  Dio  48,  25.  Acron.  70 
Horat.  C.  3,  C.  r.  9.  wurde  er  vom  Feinde  i;etöd(et;  in  diesen  Worten 
liegt  oft  nicht«  anderes,  all  dass  jemandem  nur  die  Wahl  blieb,  durch 
das  feindliche  oder  durch  dal  eigene  .Schwerdt  zu  fallen.  Gl)  §.  60.  fin. 
Dio  18,  20.  App.  Sxr.  p.  120.  Parfh.  150.  o.  R.  r.  4,  025.  Pluf,  Anlon. 
30.  Justin.  42,  4.  Zonar.  10,  22,  02)  .Straho  14,  CGO.  App.  Parth.  15(;. 
Bio  1.  c.  6i)  Strsbo  12,  S74,  Gl)  Ders.  11,  GQO.  üio  I,  c.  Val.  Max. 
o.    \  j    e\i.  2. 


V.  ANTONII.         (14.  §.  (i2.)        437 

in  den  übrigen  Städten ,  unter  ■welchen  die  carische  Stratonicca 
vergebens  von  ihn»  belagert  wurde,  und  nur  die  Schütze  im 
Tempel  des  Zeus  Chrysaorcus  verlor,  -weil  dieser  ausserhalb  der 
Mauern  lag.  ^^J 

Die  andere  Abtheilung  des  parthischen  Heers  war  östlich 
vom  Anianus  geblieben,  und  zog  unter  Pacorus  längs  der  Küste 
des  Mittelmeers  nach  Phocnicien  und  Paläsina.  Auch  in  diesen 
Gegenden  zeigte  sicli  kein  ernstlicher  "Widerstand,  ausser  in 
Tyrus ,  welches  nicht  genommen  wurde,  weil  man  keine  Schiffe 
hatte.  ^*')  In  Palästina  bewarb  sich  Antigonus,  der  Sohn  von 
Aristobulus,  dem  Bruder  des  Hyrcanus ,  ^^>'  um  den  Schutz  des 
Parthers ,  welchem  er  durch  Lysanias ,  den  Sohn  des  Ptolemäus, 
1000  Talente  und  500  Jungfrauen  versprach.  Pacorus  erschien 
nun  als  der  Vertheidiger  des  alten  priesterlichen  Fürstenstanuues 
gegen  die  Idumäer  und  den  von  ihnen  beherrschten  Hyrcanus. 
Er  schickte  Reuterei  unter  seinem  mit  ihm  gleich  benennten 
Mundschenken  Pacorus  voraus,  mit  welchem  Antigonus,  durch 
eine  Schaar  Juden  verstärkt,  in  Jerusalem  einrückte.  Phasaelus 
und  sein  jüngerer  Bruder  Hcrodes  drängten  ihn  nach  mehreren 
Gefechten  in  der  Stadt  auf  den  Tempcli>erg  zurück.  Auf  seine 
Bitte  erschien  Pacorus,  angeblich  den  Streit  beizulegen.  Pha- 
saelus und  Hyrcanus  vertrauten  ihm ,  und  wurden  von  ihm  au 
den  parthischen  Feldherrn  Barzapliarnes  in  Galiläa  verwiesen; 
er  selbst  begleitete  sie,  und  Hess  einige  Reuterei  zurück,  lle- 
rodes  ihm  zuzufi'hren.  So  lange  man  auch  ihn  zu  verlocken 
hott'te,  behandelte  man  jene  mit  Schonung.  Er  aber  erkannte 
die  Gefahr  und  entfloli ,  von  den  Parthern  verfolgt,  mit  seiner 
Familie  und  seinen  Truppen  aus  der  Burg  nacli  Masada,  einer 
Bergfeste  nicht  weit  vom  todten  Meere.  Auf  dem  Wege  wurde 
er  auch  von  den  Juden  angegriiTen,  welche  er  in  der  Gt-geud 
schlug,  wo  er  später  CO  Stadien  von  Jerusalem  zum  Andeukeii 
daran  den  Palast  und  Flecken  Herodium  erbaute.  Sein  Bruder 
Josephus  stiess  zu  ihm  und  bemerkte ,  dass  Masada  nicht  seine 
ganze    Mannschaft    aufnehmen    könne;    daher    ontliess   er  90U0; 


C5)  Strabo  ii.  Dio  11.  cc.  CG)  Dio  48,  20.  27.  Zonar.  10,  22.  Jo- 
seph. A.  J.  14,  13.  (23.)  B.  J.  1,  13.  (11.)  07)  §.  57.  A.  55.  u.  79  f. 
Dio  48 ,  20.  hat  hier  unrichtige  Angaben.  Joseph.  11.  cc.  u.  Hegesipp. 
1 ,  29.  Zonar.  5,  9.  Kl. 


438  V.  ANTONII.         (11.  §.  C2.) 

die  Seinigen  vertraute  er  unter  dem  Schutze  von  800  Mann 
der  Feste  an,  und  er  selbst  begab  sich  nach  ^m.  peträischen 
Arabien.  Indess  plünderten  die  Parther  Jerusalem.  Hjrcauus 
und  Phasaelus  wurden  an  Antigonus  ausgeliefert,  welcher  jenem 
die  Ohren  abschneiden  liess,  um  ihn  zum  llohenpriesteramtc 
untüchtig  zu  machen,  und  Phasaelus  in  Banden  hielt  und  nach 
Einigen  unter  dem  Scheine  der  Fürsorge  Gift  in  seine  Wunden 
goss ,  als  er  den  Kopf  an  der  Mauer  zu  zerschellen  versucht 
hatte. 

Seinen  Tod  erfuhr  Herodes  zu  Rhinocolura  auf  der  Reise 
nach  Aegypten.  Denn  Malchus,  der  arabische  Fürst,  hatte  ihm 
aus  Furcht  vor  den  Parthern  oder  doch  unter  diesem  Vorwande 
die  Aufnahme  verweigert.  Als  er  in  Alexandrien  Antonius  nicht 
mehr  fand,  gieng  er  nach  Rom,  wo  seine  Wünsche  erfüllt  wur- 
den. Er  kam  zwar  ohne  Geld  —  seinen  Schatz  hatte  er  nach 
Idumüa  geflüchtet  —  allein  er  wusste  sich  durch  Schmeicheleien 
und  Versprechungen  Gehör  zu  verschaffen.  Es  scheint  sogar, 
dass  Asinius  PoUio  ^^'  und  andere  Grosse  seine  Bitte  unterstütz- 
ten. Antonius  konnte  ohnehin  einen  Mann  nicht  fallen  lassen, 
welcher  von  ihm  gehoben  war  und  mit  seinem  Anhange  ihm  zu 
nützen  vermochte,  und  um  dem  Collegen  gefällig  zu  sein,  be- 
günstigte ihn  auch  Octavian.  Der  Senat  wurde  berufen  und 
Herodes  eingeführt.  Messala  und  Atratinus  erwähnten  die  Ver- 
dienste seines  Vaters  Antipater  um  Cäsar  im  alexandrinischen 
Kriege,  ^'■*'>  seine  eigene  Ergebenheit  gegen  Rom,  und  die  Ver- 
bindung des  Antigonus  mit  dessen  Feinden,  worauf  der  Senat 
ihm  die  Königswürde  verlieh,  ^o)  Im  feierlichen  Aufzuge  beglei- 
teten ihn  die  Triumvirn,  die  Consuln  und  die  übrigen  Magi- 
strate auf  das  Capitol ,  den  Beschluss  darin  niederzulegen,  und 
Antonius  gab  ihm  zu  Ehren  ein  festliches  Mahl.  Schon  am 
siebenten  Tage  nach  seiner  Ankunft  reis'te  er  nach  Asien  zu- 
rück ,  wo  indess  seine  VcrAvandten  von  Antigonus  in  Masada 
belagert  wurden. 


CS)  Joseph.  A.  J.  15,  10.  1.  Insbesondere  begünstigte  ihn  Meisala. 
.S.  «las  Folgende  u.  Joseph.  A.  J.  14,  13.  (23).  CO)  Vgl.  Joseph.  A.  J. 
11,  8.  1.  B.  J.  1,  9.  (7.)  70)  a.  40.  Coss.  Doinit.  Calvin.  Asin.  Toll. 
Jostpb.  A.  J.  14,  14.  (25.)  5.  u.  15.  §.  M.  B.  J.  1.  14.  Tacit.  Hiit.  5, 
U.   A^ip    5,  ;ii.  Kuseb.  C'hvow. 


V.  ANTOMI.         (II    §    02.)        439 

a.  3ü.  Mclir  als  j«nc  Auszcicliriung  nützten  ihm  die  Sieg« 
tlcs  I*.  Venti(liiH|^,  eines  Knij)orkönimlings  in  der  S|)iaclic  der 
Nol>ilität,  eines  Mannes,  ■\velclier  Avic  wnzaliligc  Andere  Lcweis't, 
dass  die  Natur  die  Gabe  und  damit  aiitli  das  Kecht ,  im  Heere 
zu  licfclilen  ,  nicht  einer  Kaste  vorbehalten  liat.*'J  Er  war  im 
niarsisclicn  Kriege  als  Kind  mit  seiner  Mutter  zu  Ascu- 
luni  im  Picenischen  ergriflen  und  von  Pompejus  Strabo ,  dem 
V^ater  Pompejus  d.  Or.  im  'J'ritiinitlie  an  Ige  führt.  Dann  hatte 
er  sich  eine  Zeitlang  von  einem  niedrigen  GeMerbe  genährt, 
bis  sich  ihm  unter  Cäsar  eine  seiner  würdige  Lauflialin  öff- 
nete. ^■■^)  Im  J.  43  war  er  Prätor  und  zuletzt  Consul.^''). 
Dass  er  im  perusinischen  Kriege  gegen  Octavian  wenig  unter- 
nalim,  ist  aus  den  Umständen  zu  crlilären.  ^*-'  Antonius 
schickte  ihn  a.  39  '^^)  wälirend  er  selbst  nocli  in  Italien  be- 
schäftigt war,  als  seinen  Legaten  nach  Asien  voraus,  '^'>)  Durch 
seine  Landung  überrasclit  büsste  Labienus  für  seine  Zuversicht 
und  für  die  Theilung  des  Heers;  er  eilte  nach  dem  Amanus, 
aber  A'entidius  kam  ilim  mit  den  leichten  Truppen  zuvor  und 
Iiiclt  ihn  im  Taurus  fest,  wo  beide  ^'erstärkungcn  erwarteten. 
Bald  nacli  den  Legionen  erschienen  die  Parther;  es  schmeichelte 
ihrem  Stolze  und  galt  für  Furcht,  dass  jene  am  Abhänge  des 
Gebirgs  in  ihrem  Lager  blieben,  und  ohne  sich  mit  Labienus 
zu  vereinigen,  stürmten  sie  den  Berg  hinan.  Schon  waren  sie 
«ranz  nahe,  als  die  Römer  plötzlich  von  allen  Seiten  hervor- 
brachen, ihre  Massen  den  nachdringenden  entgegen  warfen,  und 
im    Handgemenge    und   in    den    Schluchten    ihre    grossen  Bogen, 


71)  Juvenal.  Sa(.  7.  J'rnh'tft'ns  quid  evimf  quid  Tallius?  anne  alind 
quam  Sidus,  et  occulli  mirand»  poteulia  futi?  72)  Gell.  15,  4.  Vellej. 
2,  03.  Val.  Max.  ü,  9.  9.  Plin.  7,  44.  (43).  S.  Poinpeii  u.  Ventid.  73) 
§.  51.  lin.  74)  §.  58.  A.  4ü.  §.  59.  A.  59.  u.  75.  75)  Darüber  kann 
kein  Zweifel  sein  ,  und  dass  es  nicht  vor  dein  Frieden  von  Misenuni  ge- 
sell .tli ,  (App.  5,  709)  sondern  später,  (Plut.  Ant.  33.  App.  Tartb.  156.) 
isl  buchst  wahrscheinlich,  Weil  Antonius  jetzt  erst  über  seine  Streitkräfte 
frei  verfügen  konnte.  76)  Liv.  127.  Vellej.  2,  78.  Tacit.  Hist.  5,  9. 
Germ.  37.  l'lut.  Anton.  33.  App.  Partb.  156.  B.  C.  5,  709.  Die  48,  39- 
Gell.  15,  4.  Plin.  7,  41.  (13).  Val.  ftlax.  C,  9.  9.  Flor,  4,  9.  Kutrop* 
7,  5.  (3.)  Oros.  G,  18.  Sex!.  Kuf.  18.  Joseph.  A.  J.  14,  14.  (20.)  R.  J. 
1,  15.  '/iOnar.  10,  2o.  u.  die  Münaen  bei  Vaill.  Venlid.  Xo  1.  2.  a,  oci 
Eclih.  5.  r-  33Ö. 


440  V.  ANTONU.         (14.  §.  C2.) 

■welche  nur  aus  einiger  Ferne  mit  Erfolg  gebraucht  werden 
konnten ,  ihre  Ueberlegcnhcit  an  Zahl  und  ihre  JReuterei  unnütz 
machten.  ")  Zwar  zeigte  sich  jetzt  Labienus,  und  schickte  sich 
an,  den  Kampf  zu  erneuern,  aber  nur,  weil  er  den  Besiegten 
die  Flucht  durch  den  Amanus  erleichtern  und  sich  unijehindert 
auf  demselben  Wege  entfernen  wollte.  Seine  ohnehin  muthlosen 
Truppen  ergaben  oder  zerstreuten  sich ,  als  er  auf  dem  nächt- 
lichen Rückzuge  in  einen  Hinterhalt  gerieth,  und  er  selbst 
wurde  bald  nachher  von  Demetrius,  dem  Freigelassenen  Cäsars, 
Areicher  für  Antonius  Cypern  verwaltete,  an  seinem  Zufluchtsorte 
in  Cilicien  entdeckt  und  getödtet.  ^^) 

Die  ProA^inz  Asia  war  befreit  und  Ventidius  entsandte  Po- 
pedius  Silo  ^''*)  mit  der  Reuterei  zur  Besetzung  der  cilicischen 
Pforten  im  Amanus.  Allein  Barzapliarnes  S'*)  hatte  die  noch  übri- 
gen Truppen  aus  Syrien  herbeigeführt,  die  Flüchtlinge  aufzu- 
nehmen und  den  Römern  zu  wehren,  welche  sich  im  härtesten 
Gedränge  befanden,  als  Ventidius  erschien,  und  das  Gefecht 
sich  mit  der  Niederlage  der  Parther  und  dem  Tode  ihres  Feld- 
herrn endigte.  Sie  räumten  nun  auch  Syrien  und  nur  Aradus, 
die  phoenicische  Inselstadt,  verschluss  den  Siegern,  wie  vor 
zwei  Jahren  Antonius ,  die  Thore ,  aus  Furcht  vor  Plünderung 
und  Rache,  si)  Antigonus ,  der  Maccabäer,  war  noch  nicht  im 
Besitze  von  Masada ,  als  Herodes  auf  der  Rückkehr  von  Rom 
in  Ptolemais  landete,  und  sich  mit  den  Truppen,  welclie  er 
zusammenzog ,  an  die  Römer  anschloss.  Jener  hoffte  sich  mit 
Hülfe  eines  neuen  parthischen  Heers  zu  behaupten ,  wenn  er 
nur  der  augenblicklichen  Gefahr  entgienge,  und  in  der  That 
fand  Herodes  Avenig  Unterstützung,  so  dringend  der  Triumvir 
in    einem    von    Q.  Dellius  ^~'>    überbrachten    Schreiben   sie  gebot. 

77)  Dio  48,  40.  u.  d.  vorige  A.  Fast  auf  gleiche  Art  siegte  Venti- 
dius in  der  Schlacht,  in  welcher  Pacorus  fiel.  S.  unten  §.  G3.  A.  100. 
78)  Dio  u.  Zon.  11.  cc.  Nach  Plut.  I.  c.  fiel  er  im  Gefechte;  Liv.  u. 
Vellej.  11.  cc.  Bprechen  unhesliinmt ,  während  Dio  das  Nähere  angiebf. 
lieber  Demetrius,  den  Freigelassenen  Pompej.  d.  Gr.  s.  Pompeii.  u.  über 
diesen  Julii.  Caes.  Diit.  fm.  79)  Joseph.  A.  J.  11,  14.  u.  15.  (2ü.  27.)  B.  J. 
1,  15.  «())  So  Joseph.  A.J.  M,  13.  (23).  K.J.  1. 13.  (11.)  welcher  die  orientali- 
schen Namen  wohl  am  richtiji;slen  schrieb.  Dio  48,  41.  u.  Plut.  Ant.  33.  Vhar- 
Hapates,  u.  App.  Parlh.  150.  Phraalt».  81)  Dio  48,  24.41.  Erst  B.  38. 
gieng  es  an  C.  Sosius  über.Der8.49,  22.  Unten  §.  C3.  A.  7.  82)  §.  57.  A.  Gl. 


V.  ANTONII.  (14.  §.  62.)         44 1 

Denn  dem  Legaten  war  es  •wichtiger,  die  Kriegscasse  durch 
l'ribut  und  durch  Strafgelder  zu  füllen,  welche  er  von  den 
Provincialen  für  die  zum  Theil  erzwungene  Begünstigung  des 
P^eindes  und  von  benachbarten  und  abhängigen  Fürsten  erhob, 
von  Antiochus  in  Commagene ,  ^^^  und  von  dem  arabischen  Dy- 
nasten RIalchus.  Auch  Antigonus  durfte  sich  mit  Gelde  lösen, 
und  Popedius  Silo,  Avelchen  Ventidius  in  Judäa  zurückliess, 
wurde  von  ihm  bestochen.  Doch  konnte  dieser  die  an  ihn  er- 
gangenen Befehle  nicht  ganz  unbeachtet  lassen;  er  eroberte  mit 
Herodes,  welcher  als  Idumäer,  als  Halbjude,  8*)  der  sich  aus 
Politik  zu  fremden  Sitten  neigte,  in  Judäa  verhasst  war,  wäh- 
rend er  in  Galiläa  grossen  Anhang  fand,  den  Küstenplatz  Joppe, 
und  nach  dem  Entsätze  von  Masada  unternahm  er  mit  ihm  die 
Belagerung  von  Jerusalem.  Nun  aber  mussten  seine  Truppen 
sich  über  Mangel  beschweren,  Geld  und  Winterquartiere  fordern, 
und  selbst  die  Plünderung  von  Jericho,  wohin  Herodas  sie 
führte,  hielt  sie  nicht  ab,  den  Feldzug  zu  endigen. ^^) 

Ein  anderer  Legat  des  Antonius,  der  Consular  Asinius 
Pollio,  welchen  er  nach  lUyrien  geschickt  hatte,  siegte  über 
die  Parthiner,  und  hielt  deshalb  am  25.  October  d.  J.  (39.) 
einen  Triumph.  ^5) 

Antonius  verliess  Rom  gegen  Ende  des  J.  39  nachdem  er 
an  den  Unterhandlungen  bei  Misenum  Theil  genommen  und  mit 
Octavian  über  die  inneren  Angelegenheiten  verfügt  hatte.  ^^) 
Obgleich  er  nicht  durch  den  ägyptischen  Seher  bestimmt  wurde, 
welcher  ihn  vor  seinem  CoUegen  warnte ,  und  ihm  rieth ,  sich 
von  ihm  zu  trennen ,  ^S)  so  erkennt  man  doch  darin  die  Ränke 
der  Cleopatra,  und  nichts  konnte  ihren  Wünschen  mehr  entge- 
gen sein,  als  dass  Octavia  ihn  begleitete.  S'')  Er  führte  sie 
nach  Athen ,  wo  er  den  Winter  blieb.  ^^)  Die  Liebe  zu  seiner  - 
Gemahlinn   hatte   den   meisten  Antheil  daran,     doch  bedurfte  er 


83)  Dio  48,  41.  Vgl.  49,  22.  52,  43.  n.  App.  Partk.  157.  84)  Jo- 
seph. A.  J.  14,  15.  (27.)  85)  Ders.  1.  c.  B.  J.  1,  15.  Heges.  1,  30.  Zouar. 
5.  10.  80)  Dio  48,  41.  App.  5,  715.  Fast,  capit.  Horat.  C.  2,  1.  10.  u. 
das.  Acr.  u.  Porph.  Virg.  Ecl.  4.  u.  8.  v.  7.  u.  das.  .Serv.  Flor.  4,  12. 
11.  87)  §.  Cl  fin.  88)  Plut.  Ant.  33.  App.  Parlh.  156.  89)  Plut.  1.  c. 
App.  5,  710.  90)  Plut.  1.  c.  App.  Parth.  150.  u.  ß.  C.  5,  715.  710, 
Vgl.  Veliej.  2,  78.  Dio  48,  39.  Zonar.   10,  23. 


442  V.    ÄNTONIL         (14.  §.  C3.) 

aucli  Geld,  und  da  das  römische  Asien  in  der  Gewalt  der  Feinde 
war,  so  forderte  er  es  von  dem  ebenfalls  verarmten  Acliaja, 
welches  er  Pompejus  hatte  übergeben  sollen. ''0  In  den  Lagern 
ferner  erwarteten  ihn  Anstrengungen,  und  er  wollte  ruhen  und 
geniessen;  statt  des  Feldherrngewandes  legte  er  griechische  Klei- 
dung an,  und  folgte  in  seiner  ganzen  Lebensweise  der  griechi- 
sdicn  Sitte;  mit  den  Geschäften  bcfasstc  ersieh  nur  in  so  fern, 
als  er  die  Berichte  seiner  Legaten  las  und  ihre  Siege  feierte. 
Als  Ventidius  bis  Syrien  vorgedrungen  war,  erfreute  er  die 
Athenienser  mit  einem  Festmahle  und  mit  Spielen,  wobei  er 
selbst  die  Gymnasiarchie  übernahm.  Er  erschien  in  den  Hör- 
säälen  der  Philosophen  und  Rhctoren ,  aber  auch  als  «weiter 
Bacchus,''-)  in  feierlichem  Aufzuge  und  mit  Herolden,  welche 
ihn  als  den  Gott  des  Weins  zu  ehren  geboten.  '•'^^  Seit  Alexan- 
der daran  gewöhnt,  seine  Unterdrücker  als  Götter  zu  bcgrüssen. 
versagte  Athen  ihm  diese  Huldigung  nicht,  als  es  aber  im 
Ucbermasse  der  Schmeichelei  dem  neuen  Bacchus  Minerva  «ur 
Cemahlinn  antrug,  forderte  er  eine  Million  Drachmen  als  Aus- 
steuer. Ö4J 

§  63. 

a.  38  am  Ende  des  "Winters  schien  Antonius  Grosses  vor- 
zubereiten. Der  Gott  verwandelte  sich  wieder  in  den  römischen 
Feldherrn,  und  das  Gefolge  des  Bacchus  wich  den  Lictoren  und 
der  prütorischen  Cohorte.  Er  gab  den  Gesandten  Gehör ,  ent- 
schied die  Processe ,  und  Hess  die  Schifte  in  das  Meer  ziehen; 
alles  athmete  Ernst  und  Thätigkeit.^^)  An  einer  äusseren  Auf- 
forderung dazu  fehlte  es  nicht:  in  Asien  drohten  die  Parther, 
und  im  Westen  erneuerte  sich  der  Krieg  zwischen  üctaviaa 
und  Pompejus.  Jenem  war  der  Friede  von  Misenum  aufgedrun- 
gen; er  konnte  nicht  bestehen  und  blieb  von  Antonius  abhängig,, 
so  lauge  Pompejus  von  einer  nahen  Insel  die  Meere  und  Küsten 


Ol)  Dio  48,  30.  40.  §.  Gl.  A.  8.  02)  §.  57,  A.  47.  03)  Dlo  48, 
39,  Vgl.  50,  5.  25.  Veliej.  2,  82.  Flut.  Anton.  00.  75,  App.  Tarth,  1.  c. 
Seucc.  Suasor.  1.  Athen.  4.  p.  148.  (74).  und  die  Cislopboren  bei  Vaill. 
Anlon.  No.  30.  u.  Kvkh.  0.  p.  64.  Ol)  Dio  IS,  o'J.  Zonar.  10,  2?. 
Nach  Serie«.,   l.  t.    lOOü  laleatc.     S.  Uisiu.  Aulon.  £/.  21.     Oü;  .»pp.  S,  7IR. 


V.  ANTONII.         (14.  §.  G3.)       4^ 

Italiens  belierrsclitc.  Seine  Scheidung  von  Scribonia,  deren 
Stelle  Livia  einnahm,  und  die  VerbiüJung  mit  Menas  (Me- 
nodonis),  Mclche  ihm  Sardinien  verscljaffte  ,  setzte  seine  Ab- 
sichten ausser  Zweifel.  Ponipejus  forderte  die  Auslieferung 
des  Verräthers,  die  Räumung  der  Insel  und  Achajas,  welche 
Antonius  unter  dem  Vorgeben  verweigerte ,  dass  die  Einwohner 
noch  Rückstände  an  ihn  abzutragen  haben ,  ^^)  und  Octavian 
beklagte  sich,  dass  er  gegen  die  Vertrüge  Kriegsschiffe  baue, 
Ueberläufer  aufnehme ,  seine  Besatzungen  nicht  aus  Italien  zu- 
rückrufe und  die  Zufuhr  erschwere.  Man  griff  xu  den  Waffen. 
In  dem  Triumvir  waren  nach  seiner  Behauptung  auch  seine  Col- 
legen  beleidigt,  und  er  nahm  ihre  Hülfe  in  Anspruch.  Aber 
M.  Lepidus  war  bei  Misenum  nicht  zugezogen,  und  fühlte  da- 
her keinen  Beruf,  Afrika  zu  verlassen;  Antonius  kam  am  be- 
stimmten Tage  von  Athen  zur  Berathung  nach  Brundusiura,  und 
entfernte  sich ,  angeblich  wegen  ungünstiger  Anzeichen ,  und 
weil  der  Krieg  mit  den  Parthern  ihn  dränge,  als  er  Octavian 
nicht  fand;  er  empfahl  ihm  schriftlich,  die  Frie^^^nsbedingungen 
zu  erfüllen,  und  drohte,  Menas  zurückzufordern,  welcher  als  Sclav 
Pompejus  des  Grossen  mit  dessen  Gütern  sein  Eigenthum  ge- 
worden sei,  obgleich  er  jetzt  in  den  Ritterstand  erhoben  war.  ^') 
Daher  A^erbreitete  Pompejus,  er  habe  den  Krieg  mit  ihm  für  un- 
gerecht erklärt,  während  auf  der  anderen  Seite  die  noch  immer 
nicht  erfolgende  Uebergabe  Achajas  als  Beweis  für  das  Gegeu- 
theil  galt.  Antonius  war  es  erwünscht,  dass  sein  Nebenbuhler, 
welcher  besonders  durch  Stürme  grosse  Verluste  erlitt,  ^^)  be- 
schäftigt wurde. 

Denn  die  Parther,  den  Römern  darin  gleich,  dass  sie  nach 
jeder  Niederlage  sich  kräftiger  erhoben,  Eroberer,  um  nicht  eine 
Beute  der  Welteroberer  zu  werden ,  zogen  gegen  das  Frühjahr 
wieder  ein  Heer  zusammen.  A'entidius  hatte  diess  niclit  erwar- 
tet; seine  Truppen  standen  zum  Theil  jenseits  des  Taurus,  und 
er  bedurfte  Zeit.  Ein  ihm  wohl  bekanntes  Einverständniss  zwi- 
schen einem  Dynasten  in  Cyrrhestica  ^'J;  und  den  Feinden  wur- 
de ihm  das  Mittel,    die    Gefahr    abzuwenden;    er    vertraute  ihm, 

96)  Ders.  I.  c.  Dio  48,  40.  97)  App.  717.  718.  Dio  48,  45.  46. 
Suet.  Oclav.  74.  Zonar.  1.  c.  98)  S.  l'onipeii.  99)  Chaunacus  bei  Uio 
4ö,  19.     Pharnacus    bei  FroBliii.    bUdl,  3,  1.  6. 


444  V.  ANTONII.  (14.  §.  63.) 

wie  sehr  er  fürchte,  dass  jene  nicht,  wie  gewöhnlich,  Lei  Zeug- 
ma  über  den  Eiiplirat  gehen  möchten,  wo  ein  mit  Hügeln  be- 
deckter Buden  ihn  gegen  die  Reuterei  schütze.  Auf  diese  Nach- 
richt maclite  Pacorus  einen  grossen  Umweg  und  setzte  in  einer 
Gegend  über  den  FIuss,  wo  sich  weit  mehr  Schwierigkeiten 
fanden,  so  dass  die  Römer  vierzig  Tage  gewannen,  und  drei 
Tage  vor  seiner  Ankunft  vereinigt  waren.  Einen  gleich  glück- 
lichen Erfolg  hatte  eine  andere  Kriegslist,  vor  welcher  die  Schlacht 
im  Taurus  ihn  hätte  warnen  sollen.  "^^'J  Ventidius  empficng  ihn 
in  Cyrrhestica  am  Abhänge  eines  Berges.  Er  Hess  die  Barba- 
ren, welche  diess  für  Feigheit  hielten,  und  nicht  ahndeten,  wie 
schwer  es  sei ,  ein  wohl  vertheidigtes  römisches  Lager  anzugrei- 
fen, auf  500  Schritte  herankommen.  Dann  warf  er  sich  ihnen 
plötzlich  entgegen ,  und  brachte  Bestürzung  und  Unordnung  in 
ihre  Reihen.  Zwar  versuchten  sie  in  der  Ebene  sich  wieder 
aufzustellen  und  fochten  mit  Muth,  aber  der  Feind  war  .ihnen 
gu  nahe,  ihre  Pfeile  schadeten  ihm  wenig,  während  er  mit  sei- 
nen Spiessen  und  insbesondere  mit  seinen  Schleudern  gegen  die 
dichte  und  verworrene  Masse  keinen  Fehhvurf  that.  Auch  Pa- 
corus fiel ;  ^3  der  Tod  des  geliebten  Fürsten,  dessen  Körper  man 
"wenigstens  davon  tragen  wollte,  veranlasste  eine  letzte  frucht- 
lose Anstrengung ,  worauf  sich  Alles  zur  Flucht  wandte.  AVeni- 
ge  erreichten  die  Brücke  oder  das  nördlich  gelegene  Commagene, 
und  die  syrischen  Städte  überzeugte  die  Ausstellung  seines  Ko- 
pfes, dass  von  Pacorus  nichts  mehr  zu  hoffen  sei.  ') 


100)  §.  62.  A.  IT.  1)  Nach  Dio  49,  21.  Eutrop.  7,  5.  (3).  Oroi. 
0,  18.  u.  Sex.  Ruf.  erfocht  Ventidius  seinen  dritten  und  letzten  Sieg 
über  die  Parther  an  demselben  Tage',  an  welchem  a.  53.  M.  Crassus  von 
ihnen  getödtet  war;  diess  geschah  am  8»  Juni.  Ovid.  Fast.  6,  405.  Vgl. 
Noris.  Cenot.  Pisan.  Diss.  II.  cap.  0.  p.  201.  Dio  erzählt  abrigens  diese 
Ereignisse  bei  d.  J.  30.  als  Einleitung  zum  Folgenden.  2)  Dio  19,  19. 
f.  Plut.  Ant.  31.  App.  Parth.  150.  Zonar.  10,  20.  Strabo  IG.  p.  751.  Jo- 
seph. A.  J.  14,  15.  (27)  7.  B.  J.  1,  IC.  C.  Liv.  128.  Vellej.  2,  78.  Ta- 
cit.  Hist.  5,  9.  Germ.  37.  Horat.  C.  3,  0.  Justin.  42,  4.  Flor.  4,  9. 
Cell.  15,  4.  Eutrop.  7,  5.  (3.)  Val.  Max.  G,  9.  0.  Gros.  G,  18.  Frontin. 
Strat.  1  ,  1.  G.  2,  2.  5.  Dass  die  Rlünzen  des  Antonius  mit  dem  Bilde 
der  Sonne,  nach  Havercamp  ein  Symbol  des  Orients,  sich  nicht  auf  die- 
sen Sieg  beliehen,  hat  Eckh.  G.  p.  38.  bewiesen.  Vgl.  Vaill.  Anton. 
\o.    Gl. 


V.  ANTONII.       (14.  §.  C3.)         445 

Ventidlus  belagerte  nun  Antiochus  von  Commagenc  in  sei- 
ner Hauptstadt  Samosata,  weil  er  die  parthischen  Flüchtlinge 
nicht  auslieferte,  in  der  That,  weil  er  für  reich  galt.  Auch 
war  der  König  bereit,  sich  mit  1000  Talenten  «u  lösen,  und 
sich  zu  unterwerfen,  aber  auf  Befehl  des  Antonius,  welcher  sich 
jetzt  näherte,  wurden  die  Unterhandlungen  abgebrochen.  ^3  Nach 
der  Rückkehr  von  Brundusium  gieng  er  über  Athen,  wo  er  ei- 
nen Kranz  vom  heiligen  Oclbaume  und  nach  einem  Orakel  ein 
Ccfiiss  mit  Wasser  aus  der  Quelle  Clepsydra  auf  der  Burg  mit 
sich  nahm,  nach  Asien,  um  durch  die  Beendigung  des  Kriegs 
sich  desto  mehr  Anspruch  auf  einen  Triumph  zu  erwerben,  zu- 
mal da  der  Legat  unter  seinen  Auspicien  gefochten  hatte.  *)  Zu 
seiner  grossen  Beschämung  musste  er  nach  einer  muthigen  Ge»- 
genwehr  des  Antiochus  die  Belagerung  auflieben  und  sich  mit 
drei  hundert  Talenten  und  einigen  Geissein  begnügen,  welche 
er  nur  forderte  und  erhielt,  um  sich  mit  Ehren  zu  entiernen, 
und  sogar  mit  der  Auslieferung  eines  zu  ihm  entflohenen  Meu- 
terers Alexander  erkaufte.  ^) 

Nacbtheiliger  wirkte  der  parthische  Krieg  auf  den  Hohen- 
priester und  Beherrscher  von  Palästina  Antigonus.  Zwar  rief 
Ventidius  anfangs  Silo  zurück,  nach  Pacorus  Tode  schickte  er 
aber  Machäras  mit  zwei  Legionen  und  tausend  Reutern.  Dieser 
schien  auf  die  geheimen  Anträge  des  Antigonus  einzugehen, 
welcher  ihm  grosse  Versprechungen  machte,  wurde  aber  vor  Je- 
rusalem ,  wo  er  sich  als  Freund  einzuschleichen  gedachte ,  zu- 
rückgeschlagen. Einen  kräftigen  Beistand  konnte  Herodes  nur 
von  Antonius  unmittelbaren  Anordnungen  erwarten.  Er  begab 
sich  deshalb  zu  ihm  nach  Conimagene ,  und  begleitete  Römer 
und  Andere  ,  Avelchc  sich  durch  einen  glücklichen  Zufall  in  An- 
tiochien  befanden ,  und  nun  unter  seinem  Schutze  nach  dem  rö- 
mischen Lager  reis'ten.  Durch  diess  Verdienst  und  sein  Geld 
befestigte  er  sich  in  der  Gunst  des  Triumvir^  welcher  nach  dem 
Abzüge  von  Samosata  C.  Sosius  befahl,  ihn  nachdrücklich  zu 
unterstützen.     Vorerst    folgten   ihm    zwei  Legionen.    *In  Daphne 


3)   Dio  49,  20.  21.  PIul.  1.  c.  App.  Parth.  157.     4)  Dies.  II.  cc.  App. 
150.  Suhl.  Hesych.  KXfypvög.  Aristoph.  Lysislrat.  913.      5)    Plut.  u.  App. 
11.  cc.  Dio    10,  22.  Joseph.  A,  J,   14,  15.  (27).  9.  15.  J.  1,   IG.  (12).  Oros. 
.  6,  113. 


446  V.  ANTONIL       (14.  §.  C4.) 

erfuhr  er,  dass  sein  Bruiler  Joscplius  gegen  sein  VerLot  sich  bei 
Jericho  ia  ein  Gefecht  eingelassen  habe,  und  geschlagen  und 
getödtet  sei;  er  rächte  ihn  bei  Isanä  in  Saniaria ,  wo  Pappus, 
der  Feldherr  seines  Gegners,  unterlag,  konnte  aber  wegen  der 
vorcrerücktcn  Jahrszeit  Jerusalem  niclit  mehr  bebigcrn.  '') 

C.  Sosius,  welcher  an  V^entidiiis  Stelle  zum  Legaten  in 
Sj-ricn  ernannt  war,  verdankte  es  dem  Hunger  und  den  Seuchen, 
dass  Aradus  sich  endlich  an  ihn  ergab.  V  Noch  weniger  hatte 
Antonius  Theil  daran,  denn  dieser  gieng  wieder  nach  Athen  zu 
Octavia.  ^)  Der  Senat  beschloss  ihm  Dankfest  und  Triumph, 
nicht  Ventidius,  welchen  der  Triumvir  aus  Eifersucht  in  ün- 
thätigkeit  versetzte,  das  Volk  aber  wegen  seiner  Siege  so  sehr 
erhob,  dass  er  ihm  am  27.  November  d.  J..  xu  triuniphiren  ge- 
stattete, die  erste  Feier  dieser  Art,  Avelche  den  Parthern  galt,  ö) 

Mit  dem  letzten  December  d.  J.  endigten  sich  die  ersten 
fünf  Jahre  des  Triumvirats;  Antonius  und  Octavian  Hessen  sich 
deshalb  die  höchste  Gewalt  für  einen  gleichen  Zeitraum,  vom 
i.  Januar  37  an  gerechnet,  vom  Volke  übertragen.  '*'^ 

§  C4. 

a.  37.  Ohne  die  Ankunft  des  C.  Sosius  zu  erwarten,  rück- 
te Herodes    im    Frühjahre   vor   Jerusalem.     Doch  wurde    er  bald 


C)  Joseiih.  II.  cc.  Hegesipp.  1,  30.  Zonar.  5.  11.  7)  §.  C2.  A.  81.  Dio 
I.  c  Plut.  Ant.  3-1.  App.  Parth.  157.  Joseph.  11.  cc.  Vaill.  Sog.  Eclth.  5, 
314.  G,  45.  8)' So  IMut.  Ant.  1.  c.  welcbera  App.  1.  c.  wie  gewöhnlich 
folgt.  Dio  fasst  40,  22.  die  Geschichte  mehrerer  Jahre  zusammen,  und 
bringt  daher  die  Reise  nach  Italien  ( a.  30.)  mit  den  so  eben  erzahlten 
Ereignissen  In  Verbindung.  So  nun  auch  Zonar.  10,  26.  Joseph.  A.  J. 
14,  l.").  9.  nennt  hier  sogar  Aegypten.  9)  Fast.  Capit.  P.  Ventidius,  P. 
T.  Procos.  ex  Tauro  monle  et  Partfieis  V.  Kai.  Dec.  Dio  48,  41.  49, 
21.  Plut.  Ant.  3J.  App.  Parth.  157.  Veliej.  2,  05.  Plin.  7  ,  44.  (43.)  Ju. 
ven.  Sat.  7.  Gell.  15,  4.  Val.  Max.  G,  ü.  9,  Eulrop.  7.  5.  (3).  Sex.  Ruf. 
18.  Die  Worte  bei  Dio  49,  21.  sind  selbst  von  Fabric.  au  Dio  48,  41, 
so  missverstanden,  als  habe  Ventidius  nach  Antonius  Tode  triumpbirt, 
wahrend  der  Sinn  ist,  dass  dieser  nie  zu  der  Khre  gelangte.  Es  bedarf 
des  Beweises  nicht,  welchen  Norig.  Cen.  Pis.  Diss.  II.  c.  16.  §.  5.  vor- 
bringt, dass  in  den  Fasten  der  Triumph  des  Cn.  Domitius  v.  J.  y/  = 
30.  später  erwähnt  wird,  als  der,  von  Welchem  hier  die  Rede  iit. 
10^  §.  54.  fiM.  §.  Ol.  A.  97.  u.  §.   Ol.  A.  25. 


V.   ANTONir.         (14.  §.  C4.)     447 

<lurch  den  Legaten  verstärkt,  und  die  Stadt  von  11  Legionen, 
und  (JÜOO  Kentern  augcgrifl'en.  Auch  Antigonus  hatte  gerüstet, 
und  die  Juden,  welche  in  ihm  das  Haus  der  Maccahiler,  die 
väterliche  Religion  und  die  Freiheit  vertheidigcu  wollten,  ström- 
ten ihm  zu.  Ein  dreifacher  Wall  und  die  Thürme  und  Minea 
der  Belagerer  schreckten  sie  niclit.  Sie  kämpften  auf  und  un- 
ter d«r  Krdo ,  und  ertrugen  die  Hungersnoth,  welche  auch  da- 
von ahgeselin,  dass  man  in  diesem  Sabhathjahre  nicht  erndtetc, 
bei  d^m  langen  Widerstände  zu  einer  furchtbaren  Höhe  stieg; 
denn  vierzig  Tage  vcrgicngen,  ehe  der  Feind  die  erste,  und 
Jfunfzehn,  ehe  er  die  zweite  Mauer  erstürmte,  wobei  auch  eini- 
ge Tempel  -  Hallen  verbrannten.  In  die  obere  Stadt  und  das 
innere  des  Tempels  zurückgedrängt,  wurden  sie  endlich  über- 
wältigt und  ohne  Rücksicht  auf  Alter  und  Geschlecht  von  dea 
erbitterten  Kriegern  niedergemacht.  Antigonus  ergab  sich  an 
Sosius,  welcher  ihn  spottend  Antigona  nannte  und  fesseln  liess, 
während  Herodes  dadurch,  dass  er  so  viel  als  möglich  der  Ent- 
weihung des  heiligen  Gebäudes  und  der  Plünderung  Einhalt 
that,  sich  als  Rechtgläubiger  und  als  Freund  der  Juden  zu  be- 
währen suchte.  Zugleich  aber  machte  er  Sosius  unter  dem 
Scheine  der  Dankbarkeit  grosse  Geschenke,  damit  er  den  Ge- 
fangenen, Melchen  er  nach  Syrien  führte,  streng  bewachte,  und 
Antonius  vermochte  er ,  ebenfalls  durch  Geld ,  ihn  nicht  zum 
Triumphe  in  Rom  aufzubewalircn ,  wo  er  leicht  Beschützer  fin- 
den konnte.  So  wurde  der  letzte  Maccabäer  auf  dem  jüdischen 
Throne  in  Antiochia  an  einen  Pfahl  gebunden,  gegeisselt  und 
enthauptet.  ^M 

Uebrigens  sucht  man  für  dieses  Jahr  vergebens  Nachricliten 
über  Antonius.     Aus   dem  Folgenden    lässt   sich  schliessen,  dass 


11)  Joseph.  A.  J.  14,  15  (27.)  §.  14.  16.  (28.)  §.  1.  f.  u.  lib.  17.  8. 
(10.)  §.  1.  B.  J.  1,  17.  18.  Heges.  1,  31.  Die  4D,  22.  Zon.  5,  11.  Plut»* 
Ant.  36.  Die,  welcher  von  Noris.  Cen.  Pia.  Diss.  II.  c.  G.  p.  202.  ver- 
theidigt  wird,  und  auch  bei  Eckh.  6.  p.  44.  den  Vorzug  erhält,  setzt  die- 
se Ereignisse  unrichtig  in  d.  J.  38.  nnd  dem  gemäss  erzählt  er  c.  23.  die 
Reise  des  Antonius  nach  Italien  bei  d.  J.  37.  obgleich  sie  in  das  folgen- 
de gehört.  Dadurch  dass  er  von  c.  19.  an  in  Beziehung  auf  den  Osten 
»lie  Geschichte  mehrerer  Jahre  nachholt,  isl  er  in  der  Zeit  irre  gewor- 
den, und  datirt  hier  ein  Jahr  zuriicic. 


448  V.  ANTONII.        (14.  §.  64.) 

er  es  mit  Octavia  unter  den  gewöhnlichen  Vergnügungen  in 
Athen  verlebte.  ^)     Am  Nil  und    in  Italien  war  er  nicht.  W 

a.  36.  Jetzt  erst  begab  er  sich  im  Anfange  des  Frühjahrs 
mit  Octavia  und  mit  300  Schiffen  nach  dem  AVesten,  '^)  aber 
nicht  voll  Unwillen  gegen  seinen  Collegen  und  in  feindlicher 
Absicht,  welches  Plutarch  der  Geschichte  vorgreifend  behauptet. 
Vielmehr  hatte  jener  ihn  durch  Mäcenas  um  Schiffe  ersucht, '=*) 
welche  er  unter  der  Bedingung  zusagte ,  dass  er  dagegen  Trup- 
pen zum  Kriege  mit  den  Parthern  erhielte,  obgleich  er  nach 
den  Vertrügen  selbst  in  Italien  werben  durfte.  '^)  Ohne  Zwei- 
fel wollte  er  auch  nach  einer  Abwesenheit  von  zwei  Jahren  die 
Dinge  in  der  Nähe  sehen,  und  jetzt,  wo  die  Parther  auf  einen 
Vertheidigungskrieg  beschränkt  waren ,  nach  den  Umständen 
darauf  einwirken,  i'')  Octavian  hatte  ihm  schon  oft  sein  MiSs- 
trauen  ^s)  und  seine  Abneigung  bewiesen ,  anders  als  in  der  äu- 
ssersten  Noth  Hülfe  von  ihm  anzunehmen;  er  fürchtete  einen 
vom  Kriege  mit  Sicilien  begünstigten  Angriff  oder  gar  eine  Ver- 
bindung mit  Pompejus  und  Lepidus.  Jetzt  erfüllten  ihn  die  be- 
endigten Rüstungen  des  Agrippa  auf  dem  lucrinischen  und  aver- 
nischen  See  '*')  mit  grossen  Hoffnungen,  und  er  glaubte  der  Un- 
terstützung nicht  mehr  zu  bedürfen.  Deshalb  öffneten  sich  An- 
tonius die  Hafen  von  Brundusium  nicht;  er  fuhr  um  die  Süd- 
spitze  der  japrgischeu  Halbinsel  nach  Tarent,  und  der  Bruch 
schien  entschieden. 

Diess  schmerzte  vor  Allen  Octavia.  Als  Geniahlinn  und 
Schwester  der  Herrscher,  mit  ihrer  zarten  Weiblichkeit  und  ih- 
ren Achtung  gebietenden  Tugenden  war  sie  geeignet,  eine  Ver- 
söhnung zu  stiften,  und  Antonius  willigte  darin.  Bei  ihrem 
Bruder  angelangt  sprach  sie  zunächst  von  sich ,  von  ihren  Ver- 
hältnissen, Aon  dem  Unglücke,  welches  sie  treffen  werde,  wenn 
es  zum  Kriege  konune;  so  wurde  sein  Stolz  nicht  beleidigt, 
Nachgiebigkeit  wurde  ein  Verdienst,  wie  ihre  Gegenwart  ihm 
die  Aufrichtigkeit  des  Gegners  verbürgte.  Auf  seine  Klage,  dass 
dieser  mit  seiner  grossen  Seemacht  nichts  für  ihngethan  habe, 
crwicdcrte  sie ,    darüber    sei  schon  mit  Mücenas  verhandelt ,  und 


12)  App.  5,  723.  13)  S.  den  vorigen  §.  A.  8.  II)  Phit.  Anf.  35. 
App.  1.  c.  15)  App.  1.  c.  IC)  §.  GO.  A.  «i3.  17)  Dio  48,  5-1.  IS)  g. 
CO.  A.    13.  §.  C3.  in.      ID)  S.  Punipeii.  App.  I.  c. 


V.   ANTONIL        (14.  §.  04.)       449 

allerdings  gereichte  der  Krieg  in  Syrien  zur  Entschuldigung, 
Auch  der  Behauptung,  dass  der  Freigelassene  Callias  zu  Lepi> 
dus  geschickt  sei,  utu  ein  Biindniss  zu  schliessen,  Murde  'wi- 
dersprochen: Antonius  hahe  nur  seiner  Zusage  gemäss '*^-^  seine 
Tocliter  mit  dem  Sohne  des  Lcpidus  vor  dem  Feldzuge  gegen 
die  Partlier  vermählen  wollen;  diess  werde  sich  bestätigen,  wenn 
man  Callias,  av elcher  zu  dem  Ende  herheigeführt  würde,  auf 
der  Folter  befrage.  Octavian  lehnte  es  ab,  und  versprach,  sich 
an  einem  Flusse  2')  zwischen  Tarentum  und  Metapontum  zu  ei- 
ner Unterredung  einzufinden,  wozu  auch  Mäcenas  und  Agrippa 
riethen.  Er  kam  mit  einem  grossen  Theile  seines  Heers,  An- 
tonius hatte  die  Flotte  hinter  sich ,  und  nun  wetteiferten  sie, 
einander  Aufmerksamkeit  und  Vertrauen  zu  beweisen.  Kaum 
stiess  Antonius  vom  Ufer  ab,  als  auch  Octavian  einen  Kahn  be- 
stieg und  nach  einem  freundschaftlichen  Streite  mit  ihm  in  der 
f.Iitte  des  Flusses  es  durchsetzte,  dass  ihm  vergönnt  Avurdc,  den 
ersten  Besuch  zu  machen,  da  er  sich  ja  auch  nach  der  Schwe- 
ster sehnte;  so  blieb  er  ohne  Wache  die  Nacht,  und  am  ande- 
ren Tage  wurde  diess  erwiedert.  Dann  schlössen  sie  einen  V'er» 
trag,  nach  welchem  Antonius  seinem  Collegen  hundert  Schiffe 
überlassen,  und  dieser  ihm  dagegen  zwei  Legionen  zum  parthischen 
Kriege  stellen  sollte;  auf  üctavias  Verwendung  fügte  der  Eine 
20  Schiffe  und  der  Andere  tausend  Mann  hinzu.  --}  Auch  wur- 
de Antyllus,  Antonius  Sohn  von  Fulvia  und  noch  Kind  mit  Ju- 
lia, der  Tochter  Octavians  von  Scribonia,  und  L.  Domitius 
Ahenobarbus,  der  Sohn  des  Cn.  Domitius  ^3;  und  Grossvater  des 
Kaisers  Nero,  mit  Antonia,  Antonius  Tochter  von  Octavia,  2iJ 
verlobt,     und   Pompejus    Priesterthum    und    Consulat     abgespro- 


20)  §.  9.  A.  45.  §.  14.  A.  91.  21)  Am  Galäsus,  fünf  Milliarlen  nord= 
lieh  von  Tarent,  Liv.  25,  11.  da  man  an  dem  Flusse  die  Truppen  des 
Octavian  und  Antonius  Flotte  sehen  konnte,  Plot.  I.  c.  welche»  an  dem 
entfernleren  Bradanus  nicht  möglich  war.  Vgl.  Tacit.  A.  1.  10.  Taren- 
tinum  fordtis.  22)  Pluf.  Ant.  35.  App.  726.  spricht  von  120  .Schiffen,  zu 
welchen  noch  10,  und  von  2i»,()00  Mann,  zn  weichen  auf  die  angegebene 
Art  1000  hinzugekommen  seien.  Die  1.  c.  hat  keine  Zahlen.  Vgl.  App.  5» 
745.  748.  750.  Dio  49,  1.  u.  §.  fj.-i.  A.  77.  23)  §.  CO.  A.  38.  f.  Dio  48, 
54.  nennt  unrichtig  diesen  statt  des  Sohns.  Suet.  Nero  5.  Tacit.  A.  4, 
44.  Periz.  Anim.  hist.    p.  148.   u.    hier  Uomitii.     24)  Unten  No.  24. 

DiKüiaiiu,  G«)£>:lii('ut<C'  U(inM   I.  ^Q 


450  V,  ANTONII.       (14.  §.  C4.) 

clicn.  -•'')  Die  Trlumrirn  trennten  Bich ,  um  Pompcjus  and  die 
Partlior  anzugreifen,  und  unter  diesem  Vorwande  Hess  Antonius 
seine  Gemalilinn,  «elclic  ihn  jedoch  bis  Corcyra  begleitete,  mit 
den  Kindern  in  Italien  zurück;  denn  schon  war  die  Liebe  zu 
Octavia  in  dem  sinnlichen  Manne  erkaltet,  und  er  suchte  wie- 
der andere  Freuden. 

y.a  schien  sich  indcss  abermals  zu  bestätigen,  dass  die  bei- 
den Herrscher  im  rdde  nur  durch  ihre  Unterbcfelilshaber  glück- 
lich waren.  -'')  Denn  der  Legat  des  Antonius  P.  Canidius  Cras- 
sns  -^)  siegte  im  JVühjahre  am  Caucasus  in  Gegenden,  wo 
Pompejus  a.  CO  und  05  nur  scheinbare  Erfolge  gehabt  hatte, 
und  auch  diese  nur  dem  Mangel  an  Plan  und  Zusammenwirken 
bei  den  Barbaren  verdankte.  Die  caucasischen  Fürsten  entschlos- 
sen sich  leicht,  den  Römern  nach  Niederingen  Geisscln  luid  Ge- 
schenke zu  schicken ,  weil  sie  hofften,  dass  der  Feind,  in  einem 
rauhen  Gebirgslandc  Ton  kriegerischen  Stämmen  umgeben  und 
von  seinen  Hülfsquellcn  entfernt,  sich  nicht  behaupten  könne, 
wie  sehr  er  auch  das  casjtlsche  Meer  zu  erreichen  wünschte. 
Diese  Politik  bcfcdgte  man  in  Afrika  gegen  die  Perser,  in  Asien 
Ceo-cn  Alexander,  und  in  Britannien  gegen  Cäsar,  und  so  ver- 
fuhr jetzt  auch  Pharnabazus,  König  der  Iberer,  einst  selbst  als 
Geissei  seines  Vaters  Artoces  in  Pompejus  Lager,  nebst  Zober, 
dem  albanischen  Fürsten  ,  als  sie  gescl) lagen  waren.  -^) 

Sic  täuschten  sich  nicht,  denn  Antonius  rief  seine  Trup- 
pen zurück,  weil  er  sie  zu  anderen  Zwecken  verwenden  woll- 
te. Bei  seiner  Ankunft  in  Syrien  fand  er  parthische  Flüchtlin- 
ge, welche  ihm  wiclitige  IMittheilungen  machten.  Er  hatte  aber 
Cleopatra  durch  C.  Fontojus  Capito  nach  Laodicca  beschieden,-'0 
um  während  der  nächsten  \'orkelirungen  zum  Feldzuge  mit  ihr 
zu  schwelgen.     Diese  Zeit  der  Ruhe  verlängerte   sich  zu  seinem 


25)  Dio  I.  c.  §.  (11.  A.  9.  App.  727.  IHsst  aucli  da»  Triumvirat  er- 
neuern. S.  §.  63.  fiii  2C)  rillt.  Aiit.  31.  II.  Comp.  Dcnietr.  c.  Aiit.  5. 
27)  Coiis.  Sufl".  B.  10.  §.  (JO.  du.  28)  Dio  V.) ,  21.  ( V-l.  37,  2.  ii.  Flor. 
3,  5.  28.)  Plut.  Aiit.  31.  roinp.  »emclr.  c.  A»it.  I.  App.  Parlh.  157.  20) 
riul.  36.  37.  App.  ITiS.  Joseph.  A.  J.  15,  3.  (4).  §.  5.  u.  -1.  §.  1.  2.  B. 
J.  I,  18,  f.iv.  liO.  Dio  10,  21.  Rcliwcigt  von  dieser  Ziiüaiiiiuenkuiin. 
Vaill.  Anton.  No.  'M.  45.  Foutoj.  No.  0.    10.  Hib(    rtolcm.    p.  191.  Killt, 


V.  ANTONIf.       (11.  §.  04.)  451 

grosstcn  Naclithcllc,  und  -wurde  ilim  durch  die  Streitigkeiten 
unter  den  Juden  und  die  Einmischung  der  Königinn  verleidet. 
Herodes  bewirkte  durch  seinen  (Jesandten  Saranialla  und  durch 
CJcschenke,  dass  Phraatcs,  der  Nachfolger  des  Orodcs ,  ihm  den 
gefangenen  IfjTcanus  zurückschickte,  ■welchem  er  mit  vieler  Acli- 
tung  begegnete,  um  ihn  bei  günstiger  Gelegenheit  vcrdachtlos 
aus  dem  Wege  zu  räumen.  •^•'>'  Allein  Alexandra,  die  Tochter 
des  Hyrcanus,  Wittwe  seines  Neffen  Alexander,  und  Mutter  der 
Gcmahlinn  des  Herodes  Mariamne  und  des  Aristobulus,  wünsch- 
te, dass  dieser  und  in  ihm  das  maccabäische  Haus  wieder  zur 
Regierung  gelangte.  Sie  bat  Cleopatra  um  ihr  Fürwort  bei  An- 
tonius ,  w  elclicr  einmal  von  Herodes  gewonnen  nicht  darauf  ach- 
tete. Zufallig  befand  sich  Q.  DcUius,  der  stets  fertige  Kupp- 
ler, 3i;  in  Judiia,  auf  dessen  Rath  Alexandra  das  Bild  ihrer 
sehr  schönen  Kinder  dem  Triumvir  zugehen  Hess.  Dieser  wurde 
dadurch  sogleich  umgcstiuimt,  und  da  er  Mariamne  niüit  in 
Cleopatras  Nähe  bringen  konnte,  so  lud  er  ihren  Bruder  zu  sich 
ein.  Herodes  war  in  der  äussersten  Gefahr;  er  schrieb  ihm, 
die  Reise  des  Aristobulus  werde  in  den  Missvergnügten  Hoffnun- 
gen und  augenblicklich  einen  Bürgerkrieg  erregen,  und  um  doch 
auch  jene  zu  befriedigen,  gab  er  dem  jungen  Fürsten  statt  des 
schwachen  Ananel,  eines  Juden  aus  Babylon,  welchen  er  zum 
Schein  mit  dieser  Würde  bekleidet  hatte,  das  Hohepriesterthum. 
Bald  nachher  liess  er  ihn  im  Bade  ermorden.  Auch  diess  er- 
fuhr Antonius  durch  Cleopatra;  denn  sie  verwandte  sich  gern 
für  die  unglückliche  Mutter,  weil  sie  bei  ihrem  Wunsche,  sich 
den  Besitz  von  Palästina  zu  verschaffen,  in  Herodes  das  einzi- 
ge Hindcrniss  sah.  Der  König  wurde  nach  Laodicea  entboten, 
sich  zu  rechtfertigen,  doch  ruhte  die  Sache  bis  zum  folgenden 
Jahre,  ^-)  und  dann  schützte  ihn  das  Geld,  welches  er  fortwäh- 
rend an  Antonius  und  dessen  Freunde  verschwendete.  ^3)  Cleo- 
patra wucherte  mit  ihren  Reizen.  Sie  erhielt  einen  grosseu 
Thcll  des  römischen  Asiens  zum  Geschenke,  ■^^)  Phoenieien,  Coe- 


30)  Joseph.  A.  J.  15.  2.  §.  3.  Oben  §.  62.  A.  C9.  u.  hier  A.  11. 
31)  §.  57.  A.  G4.  32)  Joseph.  A.  J.  15,  2  u.  3.  33)  Ders.  B.  J.  1 ,  18. 
§.  4.  34)  Flui.  Ant,  36.  Dio  49,  32.  Zonar.  10,  26.  Nach  Joseph.  A.  J. 
J5,  4.  §.  1.  11.  B.  J,  1 ,  18.  §.  5.  einen  Theil  von  Jndäa  und  Arabia 
üiitl     uile    Städte    vom    Flasse    EIcuthcrus    (nach    Kin/gen    die    Gräaze 

29* 


452  V.  ANTONIL         (U.  §.  65.) 

lesyrien,  •''^)  Cypcrn ,  einen  bedeutenden  Landstrich  in  Cilieien, 
die  Gegend  in  Judäa  ,  welche  deu  Balsam  hervorbringt ,  ^c;  u^d 
einen  Theil  des  nabatiiischen  Arabiens,  '^'')  so  dass  es  Octavian 
nicht  an  Stoff  zu  Beschwerden  fehlte ,  welche  die  Römer  sehr 
gegründet  fanden.  ^^)  Noch  weit  mehr  wurde  sie  von  den  Be- 
rauhten geliasst.  Als  sie  vom  Euphrat  zurückkam,  wohin  sie 
mit  Antonius  auf  dessen  Zuge  gegen  die  Parther  gereis't  war, 
Tersuchte  sie,  Herodes  in  ihre  Arme  zu  locken;  er  aber  ver- 
mied ein  Verhältnfss,  welches  sie  benutzen  konnte,  ibn  als  Ne- 
benbuhler bei  dem  Triumvir  zu  a  crluumden,  und  nur  aus  Furcht 
vor  ihm  tödtete  er  sie  nicht,  wie  er  anfangs  beschlos&ea  hatte, 
sondern  begleitete  sie  bis  Pelusium.  ^^) 

§  65. 
(a.  30.)  Jene  Parther,  welche  nach  Syrien  kamen,  such- 
ten Schutz  gegen  Pliraates.  Orodes  war  nach  dem  Tode  des 
Pacorus*")  in  Schwevniuth  verfallen,  und  hatte  unter  seinen  drei- 
ssig  Söhnen  Phraates  zu  seinem  Nachfolger  ernannt ,  welcher 
sich  diesen  Vorzug  dadurch  sicherte,  dass  er  die  Brüder  und 
dann  auch  seinen  darüber  erzürnten  Vater  erschlug.  Auch  die 
Grossen  wurden  verfolgt ,  und  viele  wanderten  aus.  Unter  die- 
sen war  Monäscs  einer  der  angesehensten.  ''O  Er  trug  sich  den 
Römern  zum  Führer  an ,  und  konnte  ihnen  durch  seine  Verbin- 
dungen nützlich  Avcrden,  sehr  erfreulich  für  Antonius,  welcher 
nun  um  so  gewisser  Crassus  zu  rächen  und  Ventidius  zu  ver- 
dunkeln hoffte ,    und  ihm  drei    Städte   in    Syrien    gab ,    Larissa, 


von  Seleucis  gegen  Phoenicien  und  Coelesyrlcn ,  Strabo  16.  p.  753.  Plin. 
9,  12.  (10).  Josei»li.  A.  J.  13,  4.  §.  .=>.)  Iiis  Aegypteii,  Tyrus  und  Sidon 
ausgenommen,     weil   sie    schon    früher    frei  gewesen  waren.     Vgl.  §.  66. 

A.  6.  f.  35)  Joseph.  A.  J.  15,  3.  §.  S.  30)  IMut.  I.  c.  Die  Gegend  von 
Jericho,  Joseph.  A.  J.  15,  4.  (5.)  §.  2.  Vgl.  B.  J.  2,  9.  (8).  §.  1.  Plin. 
13,  9.  (4.)  37)  Malchus,  welchem  es  gehörte ,  sollte  nach  einem  Vertra- 
ge mit  der  Königinn  gegen  einen  jährlichen  Tribut  von  200  Talenten  im 
Besitze  bleiben,  und  eben  so  Herodes  j;ej;en  die  Kriegung  einer  gleichen 
Summe    von    seinem  (:el)icte   nichti   verlieren.     Joseph.   A.  J.   15,4.  §.  4. 

B.  J.  1,  18.  38)  Plut.  I.  c.  Dio  I.  c.  30)  Joseph.  A.  J.  15,  4.  (5).  2. 
B.  J.  I.  c.  Plut.  37.  4ü)  §.  63.  A.  2.  in  Die  49,  23.  Plut.  Anl.  37. 
App.  Parth.  157.  Zouar.  10,  20.  Jiulin.   42,  4.  5.  Horat.  C.  3,  6.  0. 


V.  ANTOMI.         (14.  §.  65.)      453 

Arethusa  und  Hienipolis,  Ton  den  Eingeborenen  IJambyce  ge- 
nannt, mit  dem  V'crsprechen  ,  dass  er  sie  gegen  das  ganze  par- 
thische  Reich  von  ihm  einlösen  werde.  *^)  Dennoch  gieng  Mo- 
nüscs  gern  in  sein  Vaterland  zurück,  wohin  der  König  ihn  un- 
ter glänzenden  Verheissungcn  einlud;  römische  Gesandte  beglei- 
teten ihn,  Phraatcs  zu  eröffnen,  dass  man  nur  die  Auslieferung 
der  Fahnen  und  Gefangenen  aus  der  Zeit  des  Crassus  zur  Be- 
dingung des  Friedens  mache.  Dadurch  tauschte  man  aber  um 
so  Aveniger,  da  der  Parther  Zeuge  der  Rüstungen  gewesen  war. ^3) 
Das  Heer  des  Antonius  zählte  über  100,000  Mann,  ^*)  theils 
römische  Truppen,  welche  sich  durch  Muth,  Ausdauer  und  Er- 
gebenheit gegen  ihren  Feldhcrrn  auszeichneten,  *^v>  theils  fremde. 
Zu  diesen  stellte  Arttivasdes,  König  von  Armenien,  der  Sohn 
des  Tigranes,  über  welchen  Pompejus  gesiegt  hatte,  ^ß)  6000  zu 
Pferde,  und  7000  zu  Fuss.  *^-l  In  der  Mitte  zwischen  zwei 
mächtigen  Reichen*^)  war  er  gezwungen,  sich  anzuschliessen, 
und  er  wählte  die  Römer,  weil  er  sie  mehr  fürchtete,  und  aus 
Feindscliaft  gegen  seinen  Nachbar,  den  gleichnamigen  König  von 
Media  Atropatcne,  Artavasdes,  welcher  sich  mit  den  Parthern 
verbanil.^^) 

Der  Feldzug  ^'*)  begann  in  vorgerückter  Jahrszeit ,  weil 
Cleopatra  hinderlich  wurde ,  die  erste  Ursach  der  nachmaligen 
Unfälle;  eine  andere  ist  in  der  schlechten  Führung  des  Heers 
zu  suchen,  wodurch  seine    Beschwerden    sich    vermehrten;     dazu 


42)  Dio  49,  •24.  Plut.  1.  c.  n.  4G.  App.  1.  c  u.  IGG.  43)  Flor. 
4,  10.  1.  berichtet  irrig,  es  sei  eiu  Vertrag  geschlossen.  44)  Plut.  37. 
xähll  C0,()00  röuiisclie  Krieger  zu  Fusm  ,  10,OUO  spanische  u.  gallische  zu 
Pferde  und  30,000  Mann  Hülf«völker.  Vellej.  2.  82.  13  Legionen,  (A. 
V.)  de  vir.  ill.  85.  fünfzehn,  Flor.  4  ,  IQ.  10.  u.  Justin.  42,  5.  sechzehn, 
Liv.  130.  achtzehn.  Bei  den  höheren  Angaben  sind  die  llülfstruppen 
nicht  unterschieden,  45)  Plut.  43.  Justin.  1.  c.  4C)  Slrabo  11,  532.  Dio 
40,  10.  wo  er,  wie  App.  Parth.  158.  Artabazes  heist.  47)  Plut.  37, 
gtrabo  11,  530.  App.  108.  nennt  1G,00Ü  Reuter,  und  auf  die  armenischen 
scheint  sich  auch  dieselbe  Zahl  bei  Liv.  1.  c.  zu  beziehen.  48)  Tacit.  A. 
2,  3.  Armenia  —  inter  Parthorum  et  Romanas  opes  iiifida.  49)  Dio 
49,  25.  50)  Dio  L  c.  Plut.  38.  App.  Parth.  158.  Zonar.  10,  20.  Liv. 
130.  Vellej.  3,  82.  Justin.  42,  5.  Flor.  4,  10.  Eutrop.  7,  0.  (4.)  Gros. 
0,  10.  Sex.  Ruf.  18.  Seine  Geschichte  schrieb  Q.  Dellias  (§.  57.  A.  04.) 
als  Augenzeuge.  Strabo  11,  523.  Piut,  Aiit.  59. 


454  V.  AiXTONU.        (11.  §.  g:).) 

kam  <lcr  V'cnath  des  Artavasdes ,  und  die  Uebcreilung ,  mit  wcl- 
clier  Antonius  in  Monaten  beendigen  wollte ,  Avas  Jalu-e  erfor- 
derte, weshalb  er  weder  vor  noch  nach  dem  Angrifte  auf  das 
feindliche  Land  in  Armenien  Winterquartiere  bezog;  er  wollte 
Korbceren  im  Fluge  erhaschen  und  zu  den  Füssen  der  Köni- 
ginn  legen.  Diese  begleitete  ihn  bis  zum  Euphrat  und  kelu'tc 
dann  nach  Aegypten  zurück.  ^0  Nach  dem  Ucbergange  über 
den  Fluss  bei  Zeugma  gelangte  er  in  nordostUclier  Richtung 
durcli  Mesopotamien  nach  dem  südlichen  Theile  von  Armenien, 
und  weiter  nach  der  Gränze  von  Media  Atropatcne.  Lediglich 
durch  die  Schuld  des  Artavasdes,  welcher  ihn  nicht  auf  der  ge- 
bahnten und  kürzesten  Strasse  führen  Hess,  verlängerte  sich 
dieser  Weg  um  mehr  als  das  Doppeitc ,  so  dass  er  8000  Sta- 
dien oder  200  geograpliische  Meilen  betrug.^-)  Nach  solchen 
Anstrengungen  in  Armenien  zu  überwintern,  konnte  er  sich  nicht 
cntschliessen,  und  auch  die  Erfahrungen  des  Crassus  nützten 
ihm  nicht.  Der  Schrecken  scliien  ihm  die  Feinde  zu  lähmen, 
als  er  ungehindert  in  Medien  einrückte,  und  er  sollte  ihm  auch 
die  Städte  öffnen;  nichts  fürchtete  er,  als  Zeitverlust.  Daher 
sollte  der  Legat  Oppius  Statianus  ihm  mit  zwei  Legionen  ^'■^)  die 
ßelagcrungs  -  Maschinen  und  das  Gepäck  auf  300  Wagen  nach- 
führen, während  er  mit  der  Reuterei  und  dem  Kerne  des  Fuss- 
volks  Phraata  ^*J  einschloss ,  wo  sich  die  Gemahlinn  und  die 
Kinder  des  medischen  Königs  befanden. 

Die  feindlichen  Fürsten  vertrauten  den  Mauern  und  der 
zahlreichen  Besatzung ,  und  entsandten  Reuterei ,  welche  Statia- 
nus überfiel  und  mit  dem  grössten  Theile  seiner  Mannschaft  er- 
sclihig.  Polemo ,  König  von  Pontus,  einer  der  wenigen  Gefan- 
genen ,  ^^)     erhielt    gegen  ein  Lösegeld    seine  Freiheit ;    die    Ma- 

51)  §.  C4.  A.  39.  52)  Strabo  11,  524.  Plut.  38.  App.  158.  53)  Liv. 
130.  Vellej.  Flor.  Sex.  Ruf.  11.  cc.  Bei  Plut.  1.  c.  u.  App.  159.  10,000  M. 
Dio  u.  Zonar.  geben  keine  Zahl  an.  51)  Bei  Dio  rraas]:a\  bei  Strabo 
11,  523.  ebenfalls  durch  Entstellung  des  Namens,  J'cra ,  aber  mit  der 
Bemerkung,  die  Stadt  sei  2100  Stadien,  oder  GO  geograph.  M.  von  der 
arnicniRchen  Grän/e  entfernt  gewesen.  Liv.  130.  rechnet  300  Rlilliarien. 
55)  Dass  er  nicht  getödtet  wurde,  wie  in  der  übrigens  würllich  aus 
riiitarch  entlehnten  Erzählung  bei  App.  l'arth.  159.  gesagt  wird,  erhellt 
nus  l'Iut.  38.  welchen  I'abric.  zu  Dio  19,  25.  mit  Unrecht  desselben  Irr- 
Ihnms  beschuldigt,    und  aus  Dto  I.  r.  ii    49,  32.  41.  Strabo   12.  578. 


V.  ANTONII.        (14.  §.  60.)  455 

schincn  •wurden  zerstört.  Den  Römern,  auf  weiche  ein  solcher 
Ausjrang  des  ersten  (icfechts  einen  ungünstigen  Eindruck  uiach-. 
tc  5  war  es  unmöglicli ,  den  Verlust  zu  ersetzen ,  und  ilirc  Be- 
stürzung "wurde  dadurcli  nocli  grosser,  dass  Artavasdes ,  dessen 
Ucuter  in  jeder  Bezielniug  den  parlliischen  am  iihnlichstcn  ,  und 
an  den  Kampf  mit  ihnen  gewöhnt  "waren, ^''-'  nichts  für  den  JLc- 
gaten  gctlian,  und  niciit  oline  geheimes  Anstiften  des  Uctavian, 
■welcher  später  seine  Bestrafung  lehhaft  rügte ,  ^^J  und  aus  Furcht 
vor  der  Rache  der  Sieger,  den  Rückweg  nach  Armenien  ange- 
treten hatte,  statt  zu  Antonius  zu  stossen.  ^^)  Auf  den  Ruf  des 
Statianus  eilte  dieser  mit  zehn  Legionen  und  der  ganzen  Reu- 
terei  ihm  zu  Iliilfe,  er  fand  aher  nur  die  Todten  und  das  zer- 
trümmerte CJeräth ,  und  zog  sich  zurück.  Bald  zeigten  sich  die 
Feinde,  und  der  ersehnte  Tag  der  Schlacht  und  Entscheidung 
schien  gekommen.  Jene  erfolgte,  diese  nicht;  denn  die  Barharen 
wollten  ihn  nur  bescliiiftigen ,  damit  indess  seine  Truppen  vor 
riiraata  aufgerieben  würden;  sie  ergriffen  die  Fluclit,  als  das 
Gefeclit  ernstlich  wurde,  und  nicht  mehr  als  achtzig  wurden  ge- 
tödtct  und  drcissia:  ffcfancren.  Am  anderen  Morien  sahen  sich 
die  Römer  wieder  von  allen  Seiten  uuiscliwiirmt,  und  nur  mit 
Slühe  erreichten  sie  ihre  Linien ,  gegen  w  eiche  die  Belagerten 
einen  so  glücklichen  Ausfall  gemacht  hatten,  dass  Antonius  die 
Seinigen  loosen,  den  Zehnten  hinrichten  und  den  Uehrigen 
Gerste  zur  Nahrung  reichen  Hess.  5'-^)  Er  konnte  weder  die  Stadt 
nehmen,  noch  den  Feind  dahin  bringen,  dass  er  ihm  Stand 
liielt;  seine  Streitkräfte  verminderten  sich  täglich  und  immer 
drückender  w  urde  der  Mangel ;  wenn  er  sich  zum  Behufe  der 
Zufulir  durch  grosse  Entsendungen  scliw ächte,  so  brach  der  FeintI 
aus  l'liraata  hervor,  wenn  er  Wenige  schickte,  so  gicngen  sie 
dem  Tode  oder  der  Gefangenscliaft  entgegen ,  und  überdiess  nä- 
herte sieh  der  Winter.  Phraates  fürchtete  ihn  ebenfalls;  mit  dem 
Eintritte  der  Kälte  lüs'tc  sein  Heer  sich  auf,  und  die  Stadt  zu 
entsetzen  war  ihm  unmöglich;     wenn    sl«   übergleug,    so    hatten 


66)  Plut.  Ant.  50.     57)  Dio  4^,  41.  50,  1.     58)  S.  A.   50.  u.  Sirauo 
1.  c.   u.  11,  532.  Tacit.   A.  2,  3.  UiUcn  §.  Gü.  A.   10.      59)  Kine  Ijeschiin 
pfende  Strafe,  welche  den  Tiiiereu    gleitli    sei/te.     Dio    49,   20.  27.  vj^l. 
c.  38.  Plut.  39.  Apj).  Pailb,  lüü.  IHyi.  70Ü.  Pülyb.  ü,  3«»  Suei.  Oat.  24- 
Polyaen.  Slrat.  8,  24.  2, 


456  V    ANTONII.        (14.  §.  ü5.) 

die  Römer  einen  Wafl'cnplata ,  ^^)  wo  sie  sich  verstärken  konn- 
ten, um  im  Frühjahr"  in  sein  eigenes  Reich  einzufallen,  und 
sich  mit  den  Missvergnügten  zu  verbinden.  Daher  musste  er 
sie  aus  ihren  Schanzen  locken ,  welches  Nüth  und  Unbesonnen- 
heit ihm  erleichterten.  Denn  auf  die  Versicherung  seiner  Krie- 
ger, dass  er  Frieden  "wünsche,  erklärte  sich  Antonius  sogleich 
dazu  bereit,  wenn  man  die  Fahnen  des  Crassus  zurückschicke. 
Diess  wurde  verweigert  und  da2;e";eu  freier  Abzuff  zHü:estanden. 
Voll  Unmuth  und  Beschämung  gab  Antonius  durch  Domi- 
tius  Ahenobarbus  das  Zeichen  zum  Aufbruche.  Er  eilte  so  sehr, 
dass  er  das  Belagerungs-Geräth  zurückliess,  welches  der  Feind 
verbrannte,  ^i)  Auf  den  Rath  eines  Marsers,  ^'^)  welcher  seit 
Crassus  Niederlage  im  parthischen  Heere  diente,  und  jetzt  zum 
römischen  kam ,  wählte  er  nicht  den  Weg,  auf  welchem  er  A'or- 
gedrungen  Avar,  sondern  Hess  ihn  zur  Linken,  und  zog  in  nord- 
westlicher Richtung  auf  einem  kürzeren,  Avo  er  zugleich  mehr 
Berge  und  Lebensmittel  tiadca  sollte.  Kein  Parther  Avurde  sicht- 
bar; man  schien  Wort  zu  halten.  Am  dritten  Tage  glaubte  er 
sich  gerettet,  als  die  Ueberschwemmung  der  Strasse  die  Nähe 
der  Feinde  ankündigte,  und  kaum  hatte  der  Marser  vor  ihnen 
gCAvarnt,  als  das  Gefecht  begann.  ^^)  Seitdem  bildeten  die  Par- 
ther die  Vor- und  Naclihut;  in  cAvigem  Wechsel  von  Flucht  und 
Angriff  ermüdeten  sie  die  Römer  schon  dadurch,  dass  diese  sich 
nur  in  Schlachtordnung  fortbewegen  konnten;  sie  sperrten  die 
Pässe  durch  Verhaue,  die  Wege  durch  Graben,  verschütteten 
Brunnen  und  Quellen,  und  vernichteten  Nahrungsn»ittel  und  Ob- 
dach. Nur  durch  zusammen  gehaltene  Schilde  konnten  die  Mas- 
sen sich  ihrer  Pfeile  crweliren;  in  diese  A"ermochten  sie  nicht 
einzudringen;  Avcr  sich  aber  A'om  Zuge  entfernte,  der  Avurde 
niedergemaclit.  So  hatten  die  Römer  doch  immer  nur  geringen 
Verlust,  als  der  Lhigestüm  des  Kriegstribuns  Flavius  Gallus  Al- 
les zu  A'erdcrben  drohte.  Er  stürzte  sich  mit  Genehmigung  dcR 
Antonius  an  der  Spitze    einer    erlesenen  Schaar  auf  die  Parther, 


CO)  ( Pftrtfi!)  ohsessns  c.rp?tgnare  nrhrs  nesciunt.  Justin.  41,  2. 
(JI)  Vgl.  Dio  50,  27.  62)  Vellej.  2,  82.  Flor.  4,  10.  Horat.  C.  3 ,  5, 
Unrichtig  nennen  ihn  Plut«  41.  u.  demnach  App.  101.  einen  Mardier.  Dio 
•J9,  28.  erwähnt  ihn  nicht.  C3)  Hir  stati/n  quasi  victor  sequobalur. 
Flor.   I,  c. 


V.  ANTüMl.         (14.  §.  Ü5.)        457 

um  sie  einmal  für  die  tägliche  Herausforderung  und  Belästigung 
büssen  zu  lassen;  wie  immer,  wichen  sie  zurück,  und  diess 
vermehrte  seine  Wuth ;  rücksichtslos  folgte  er,  die  Feigen  zu 
züclitigen ,  obgleich  er  von  den  Tribunen  der  Nachhut  gewarnt 
wurde,  und  der  Quästor  Titius  *'^>'  selbst  herbeieilte  und  das  Ge- 
fecht abzubrechen  gebot.  So  wurde  er  umringt,  und  nun  mach- 
ten die  römischen  Befehlshaber  den  eben  so  grossen  Fehler,  dass 
sie  ihre  Truppen  in  einzelnen  schwachen  Abtheilungen  gegen 
den  Feind  führten,  welche  nach  einander  geschlagen  wurden, 
auch  unter  Canidius  Crassus;  das  ganze  Heer  war  in  Gefahr, 
aufgerieben  zn  werden,  als  Antonius  selbst  mit  der  dritten  Le- 
gion den  Kampf  endigte.  Er  hatte  3000  Tode  und  5000  Ver- 
wundete, unter  welchen  Gallus,  von  vier  Pfeilen  durchbohrt, 
bald  darauf  starb. 

Phraates  kam  jetzt  selbst  zum  Heere,  welches  40  bis  50,000 
Reuter  zählte,  *^^J  während  der  Untergang  des  feindlichen  gewiss 
ÄU  sein  schien.  Aber  der  römische  Feldherr  verzweifelte  nicht; 
er  tröstete  die  Verwundeten,  und  hielt  eine  Rede  an  die  Trup- 
pen, worin  er  die  Braven  lobte,  die  Uebrigeu  tadelte,  und  als 
sie  nun  selbst  gestraft  zu  werden  verlangten,  mit  der  Bitte  an 
die  Götter  schloss ,  ihren  Zorn  nur  gegen  ihn  zu  richten  und 
seine  Krieger  zu  retten.  Diese  mit  Innigkeit  gesprochenen  AVor- 
te  verliehen  den  Erschöpften  neue  Kraft;  statt  zu  unterhandeln, 
folgten  sie  ihrem  Führer,  für  welchen  alle  zu  sterben  bereife 
waren,  und  bei  zu  heftigem  Andränge  des  Feindes  schützten 
sie  sich  mit  üiren  Schilden,  einem  ehernen  Dache.  '''')  Die  Zahl 
der  Kranken  und  Verwundeten  wurde  indess  immer  grösser,  und 
in  eben  dem  Masse  A^ermiuderten  sich  die  Mittel,  sie  fortzuschaf- 
fen; immer  langsamer  bewegte  sich  sowohl  deshalb,  als  weil  es 
mit  jedem  Tage  schwerer  wurde,  sich  zu  nähren,  der  unglück- 
Fiche  Zug.  Vom  Hunger  gequält  verschlang  man  Kräuter  und 
Wurzeln,  und  unter  diesen  auch  giftige,  ^^)  deren  Genuss  wahn- 
sinnig machte,  und  Antonius  rief,  als  er  das  Feld  mit  den 
Leichen  der  Seinigen  bedeckt  sah:  o  ihr  Zehntausend!  die  klei- 
■  ne  Schaar  beneidend ,    welche  auf  dem  längeren  Wege  ein  besse- 

C4)  §,  Gl.  A.  IG.  G5)  Plut,  41.  Justin.  41,  2.  6G)  Dio  49,  29.  30. 
Plut.  45.  App.  104,  Flor.  4,  10.  Frontin.  2,  3.  15.  07)  Ad  ne/andos 
cibos  coactus.   Uro«,  (i ,   10. 


458  V.  ANTONII.        ( U.  §.  Co.) 

res  Schicksal  gehabt  hatte.  Im  Rathc  des  Feindes  Avar  ihm  Me- 
dien zum  Grabe  bestimmt;  man  Hess  ihm  scliciiibar  absichtslos 
die  Nachricht  zugehen,  dass  die  Parther  niclit  veiter  verfolgen 
und  nur  die  Meder  ihm  noch  einis-e  Tajrc  zur  Seite  bleiben  Aviir- 
den,  um  Plünderung  zu  verhüten.  Leicht  glaubte  er,  was  ihm 
erwünscht  war,  als  Monäses  zur  Vergeltung  für  die  ihm  erwie- 
sene Gunst  durch  einen  Verwandten,  Mithridates,  ihm  meldete, 
dass  jenseits  der  Ebene,  in  welche  er  hinabsteigen  wolle,  die 
ganze  feindliche  Macht  im  Gebirge  lagere,  um  gegen  ihn  her- 
vorzubrechen. Auch  der  I\Iarser  wiederholte,  man  dürfe  die  Hö- 
hen nicht  verlassen,  und  die  Hoffnungen  des  Phraates  wurden 
vereitelt. 

Doch  setzte  er  die  Verfolgung  fort,  und  die  ermatteten 
Römer,  welchen  es  nun  besonders  an  Wasser  fehlte,  nuissten 
sich  von  neuem  vertheidigen.  Sie  schöpften  aus  einem  salzigen 
Flusse,  und  Viele  erkrankten,  bei  Allen  aber  wurde  der  Durst 
nun  um  so  grösser.  Zu  günstiger  Zeit  tröstete  sie  Mithridates, 
welcher  sich  ihnen  abermals  näherte.  Der  Araxes  sei  das  Ziel 
ihrer  Leiden,  denn  man  werde  sie  nicht  weiter  beunruhigen.  Eben 
diess  weckte  indess  die  Raubsucht  des  Gesindels  im  Heere,  wel- 
ches die  jetzige  Verwirrung  und  Gefalir  benutzen  wollte.  In 
einer  Nacht  entstand  plötzlich  Liirmen;  man  hörte  mit  Entsetzen, 
dass  das  Gepäck  geplündert  werde  ,  und  glaubte  den  Feind  im 
Lager;  Antonius  gebot  Rhamnus ,  einem  Freigelassenen,  ilm  auf 
seinen  Wink  durch  den  Tod  vor  der  Gefanrrenschaft  zu  bewah- 
reu,  entdeckte  dann  aber  die  Ursach  des  Aufruhrs  und  endigte 
ihn  durch  das  Zeichen  ,  sich  in   Schlachtordnung  aufzustellen. 

Sieben  und  zwanzig  Taffc*''^)  nach  dem  Aufbruche  von  Phraa- 
ta  gicng  das  Heer  über  den  Araxes,  welcher  Medien  von  Ar- 
menien trennte.  CO)  Von  den  Parthern  befreit  fand  es  in  dem 
fruchtbaren  Lande  Ueberfluss,  doch  wurde  auch  diess  nach  der 
langen  Entbehrun;;  Aianthem  verderblich.  Es  hatte  20,000  Mann 
zu  Fuss  und  4000  Reuter  verloren,  ''^^  unter   Avclclien    mehr  als 

GS)  Plut.  50.  App.  108.  Liv.  130.  hat  21.  09)  Strabo  11,  523.  I'lut, 
40.  70)  Plut.  50.  App.  108.  u.  B.  C.  5.  717.  Dazu  stiiuint  Veliej.  82.  3. 
Ant.  habe  den  vierten  Theil  seiner  Soldaten  vermisst.  Kr  verlor  dann 
aber  noch  \'iele  durch  die  Kälte;  (S.  unten.)  dennoch  übertreibt  Flor.  4t 
10.  10.  in  der  Nachricht,  kaum  der  drille  Theil  sei  entronuen.  Vgl. 
A.  V.  )  de  vir.  ill.  85. 


V.  AxXTONH.        (11.  g.  65.)  459 

die  Hälfte  von  Mangel  und  Krankheiten  -wcr-gcrafft  waren.  An- 
tonius niusste  sich  Glück  tvünschen ,  dass  Artavasdes  nichts 
feindliclies  gegen  ilm  untcrnalim;  er  täuschte  ihn  durch  Schmei- 
cheleien und  Versprechungen,  und  verschoh  die  Rache  auf  eine 
andere  Zeit.  Keineswegs  bezog  er  in  Armenien  Winterqnar- 
.tiere.  ^')  So1)al(l  er  sich  sicher  wusste,  übcrlicss  er  sich  wieder 
seiner  unmännlichen  Leidenscliaft  für  Cleopatra  ;  doch  ist  es  ihr 
nicht  allein  zuzuschreiben,  dass  er  den  Rückzug  über  die  be- 
schneiten Gebirge  des  östlichen  Vorderasiens  nach  Syrien  fort- 
setzte ,  denn  unmöglich  konnte  er  seine  Truppen  vereinzelt  dem 
Reiclie  eines  verrätherischen  Fürsten  anvertrauen.  Gegen  8000 
wurden  das  Opfer  der  Kälte.  "^-3 

Seine  Sehnsucht  trieb  ihn  nach  einem  kurzen  Aufenthalte 
in  Antiochien^^)  nach  Leuce  Come ,  einem  Orte  zwisclien  Be- 
rytus  und  Sidon,  wo  er  die  Königinn  erwartete.  Endlich  er- 
schien sie,  und  alles  Andere  war  vergessen.  Auch  die  Kiicger 
sollten  seine  Wonne  theilen;  er  gab  ihnen  Kleider,  und  jedem 
Legionär  35  Denare  und  nach  Verhältniss  den  Uebvigen,  alles 
nach  seiner  Versicherung  ein  Geschenk  der  Aegyptierinn,  ob- 
gleich er  wenigstens  das  Geld  erpresstc  oder  durch  die  Bei- 
steuer seiner  Freunde  zusc  imenbrachte.  Dann  reis'te  er  mit 
Cleopatra  nach  dem  Nil.  '^^^ 

Seine  Rückkehr,  und  eine  so  schnelle  Rückkehr  aus  Me- 
dien setzte  am  meisten  Sex.  Pompcjus  in  Verlegenheit.  Octa- 
vian  hatte  ihn  in  diesem  Jahre  von  Sicilicn  vertrieben,  und 
dann  auch  M.  Lepidus  seines  Heers  und  seiner  Provinzen  be- 
raubt, ohne  mit  Antonius  zu  theilen.  ''^)  Er  beherrschte  nun 
den  Westen  olnie  Nebenbuhler,  und  war  im  Besitze  einer  gro- 
ssen und  siegreichen  Flotte.  So  musste  das  Verhältniss  zwischen 
ihm  und  seinem  CoUegen  sich  anders  gestalten,  und  man  sah 
schon  in  Rom  in  der  Erlassung-  einiger  Steuern  einen  Vorwurf 
für  diesen,  als  habe  er  den  bisherigen  Druck  veranlasst.  "^^'J 
Docli  schickte  er  ihm  die  geliehenen  Schiffe  zurück,  welche 
nach  Tarent  und  im  nächsten  Jalire   nach  Asien  giengen,    nach 


■71)  Dio  40,  31.  72)  h\v.  J30.  Plut.  51.  Serv.  zu  Virg.  Aen.  8.  C78. 
73)  üros.  G,  lö.  Vgl.  Flor.  4,  10.  fiii.  74)  Dio  4ü,  18.  31.  App.  5. 
747.  Zon.  JÜ,  2Cr  Flor.  4,  11.     75)  Aemilii  Lepidi.     7C)  Dio   49,  15. 


460  V.   ANTONII.       (li.  §.  65.) 

Apitian  nur  70,  nacli  Dio  auch   andere,    als  Ersatz  für  die  zep> 
störten.  '^^) 

Oeffentlicli  schien  er  mit  dem  Senat  den  Berichten  über  den 
parthischen  Feldziig  Glauben  zu  schenken ,  worin  das  Günstige 
hervorgehubcn  und  übertrieben,  und  das  Nachtheilige  verschwie- 
gen war,  wahrend  er  mit  seinen  Vertrauten  dahin  wirkte,  dass 
man  in  Rom  die  Wahrheit  erfuhr.  ''^J  Nach  Servius  Bemerkung 
wurde  Antonius  später  der  Leberwiuder  des  Orients  genannt,  da- 
mit der  Sieger  von  Actium  desto  mehr  glänzte  '''•')  und  dieser 
rüluute  selbst ,  dass  er  ohne  Schwerdtschlag  wieder  gewonnen 
liabe ,  was  von  Anderen  in  Schlachten  A'erloren  sei ,  als  Phraa- 
tes  a.  20  ihm  die  Fahnen  des  Crassus  und  Antonius  überschick- 
te. ^^)  Ohne  Zweifel  beschloss  man  das  Dankfest  zu  Ehren  des  An- 
tonius, ^^-'  als  er  nach  dem  Tode  des  Statiauus  den  Parthern  eine 
Schlacht  lieferte;  auch  wurde  er  in  dieser  Zeit  Imperator  lll.  ^-) 
vor  dem  J.  34,  in  welchem  er  Cos.  II.  und  desig.  III.  war,  ^^^  denn 
er  heisst  auf  den  Münzen  Imp.  lil.  Cos.  desig.  iter.  et  tert.  8*)  Daher 
kann  sich  jener  Titel  auch  nicht  auf  Artavasdes,  König  von  Armenien, 
beziehen,  welchen  er  a.  34  zum  Gefangenen  machte.  *^)  Aber  die  Ur- 
sach  der  Auszeichnung  ist  nicht  mit  Gewissheit  zu  ermitteln,  um  so 
weniger,  da  sie  denTriumvirn  auch  wegen  der  Thaten  ihrer  Unter- 
fcldhcrrn  oder  nach  unbedeutenden  Erfolgen  bewilligt  wurde.  In 
diesem  Falle  mag  Canidius  Crassus  dazu  Anlass  gegeben  haben.  ^*') 

77)  App.  5,  74.5.  750.  Dio  49,  14.  Oben  §.  Gl.  A.  22.  Flut.  55. 
lässt  Antonius  sich  beklagen,  dass  er  seine  Schüfe  nicht  erbalten  habe. 
78)  Dio  49,  32.  79)  Serv.  zu  Virgil.  Aen.  8,  CS6.  80)  Mon.  Ancyr.  tab. 
V.  1.  39.  in  Cbish,  Ant.  Asiat,  p.  176.  u.  202.  Suet.  Octav.  21.  ed.  Baunig. 
—  Crusius,  u.  die  das.  angef.  St.  Dio  54,  8.  u.  s.  w.  S.  auch  Horat.  C. 
4,  15.  Kpist.  1,  12.  a.  19.  Ovid.  Fast.  5,  593.  Propert,  3,  3.  9  u.  17. 
4,  C.  79.  u.  die  Münzen  des  Octav.  mit  d.  Inschrift;  Si'gnis  recepiis  bei 
RJorell.  Thesaur.  Aug-iist.  tab.  17.  No.  5.  f.  Eckh.  G.  p.  94.  f.  Selbst  nach 
ecineni  Tode  wurde  dies«  Ereigniss  auf  den  Münzen  erwähnt,  Eckh.  0. 
p.  128.  welches  sich  zum  Theil  aus  Suet.  Tiber.  9.  erklärt.  81)  Dio  49, 
32.  Oben  A.  59.  82)  Vgl.  §.  20.  A.  36.  c.  u.  §.  03.  fin.  83)  §.  61.  A. 
24.  84)  X'ailj.  Anton.  No.  49.  f.  u.  Ders.  Atratin.  Eckh.  0.  p.  45  u. 
fiC.  85)  Diesa  glaubten  Vaill.  Anton.  No.  G2.  u.  Schlegel  in  Morell. 
Tbes.  Caesar,  tab.  3.  No.  31.  und  Eckh.  G.  p.  45  u,  C7.  hat  ihnen  mit 
Itecht  widersprochen.  80)  §.  G4.  A.  20.  Nicht  die  Besiegung  des  Sex. 
Ponipeju«,  an  welche  Eckhel  hier  ebenfalls  denkt;  denn  obgleich  die 
Flotlu  des  Antiiiiius  dazu  mitwirkte,  80  geschah  es  doch  nnter  den  Au- 
spiciea  (lex  Oclaviau, 


V.   ANTONir.         (14.  §.  C6.)     401 

Als  (las  Unglück  des  Antonius  allsjemein  bekannt  war ,  bczcucrte 
ihm  Octavian   sein  Bedauern. 

Mit  hcsonilcrer  Nachsicht  behandelte  jener  Sex.  Pompejus, 
welcher  in  Mitviene  landete,  und  auf  die  Nachricht,  dass  die 
Römer  sich  in  Medien  in  grosser  Gefahr  Itefänden,  seine  Aben- 
teurer-Rolle fortzusetzen,  und  sich  das  römische  Asien  zu  un- 
terwerfen beschloss.  Er  ergrüF  aber  auch  jetzt  verkehrte  Mass- 
regeln  und  wurde  im  folgenden  Jahre  gefangen  und  hingerich- 
tet, m 

§  66. 

n.  35.  Die  Ehre  der  Römer  hatte  nngcbiich  den  Feldzug 
gegen  Phraates  geboten;  jetzt  forderte  die  eigene  Ehre  des  An- 
tonius, dass  er  sich  rächte,  und  ungesucht  fand  sich  in  Arta- 
vasdes,  dem  Könige  von  Medien,  ein  Bundesgenoss,  weil  er 
mit  dem  parthischen  über  die  Beute  zerfallen  war.  Seine  An- 
träge wurden  in  Alcxandrien  so  gut  aufgenommen ,  dass  der 
Ueberbringer  Polemo,  König  von  Pontus,  sich  a.  33  mit  Klein» 
Armenien  belohnt  sah.  s^)  Indess  schreckten  Antonius  seine  letz- 
ten Erfahrungen;  er  war  kaum  dem  Scliicksale  des  Crassus  enb- 
gangen ,  und  wie  dem  auch  sein  mochte,  so  trennte  ihn  ein 
neuer  Krieg  wieder  von  Cleopatra.  Gern  würde  er  aus  diesen» 
Grunde  auch  seinen  Hass  gegen  Artavasdes,  den  Armenier,  be- 
schwichtigt haben,  wenn  er  nicht  hätte  in  Aegypten  triumphi- 
ren  wollen.  Er  glaubte  sich  geliebt,  und  hoffte  ein  Mannweib 
durch  Sclieingrösse  zu  blenden ,  ein  zwiefacher  Irrthum.  Auch 
misslang  der  V'ersuch,  den  Fürsten ,  welchem  er  bei  der  Feier 
die  Hauptrolle  bestimmt  hatte,  durch  eine  Einladung  herbeizu- 
locken ;  Gewalt  mochte  er  nicht  anwenden  ,  weil  es  zeitraubend 
und  der  Erfolg  ungewiss  war;  deshalb  wollte  er  unter  dem  Vor- 
geben, dass  er  gegen  die  Parther  ziehe,  in  sein  Land  einrük- 
ken,  und  sich  seiner  mit  List  bemächtigen.  Im  Dienste  seiner 
Buhlerinn  verliess  er  also  Aegjpten,  und  seine  Gemalilinn  scheuch- 
te ihn  dorthin  zurück.  Denn  er  vernahm,  dass  Octavia  von 
Rom  abgereis't  sei,  um  ihn  aufzusuclicn.  Ihr  Bruder,  welcher 
nach  der  Ermordung  des  Sex.  Pompejus  circensische  Spiele  gab, 


87)  S.  Porapeii.         88)   Dio  49,  33.  44.   Plul.  Anteil.  52. 


462  V.    ANTONII.  (14.  §.  60.) 

zu  Ehren  des  Antonius  einen  Wagen  mit  dem  curulischen  Ses- 
sel vor  die  Ilediicibülinc  stellte  und  seine  Statue  in  den  Tem- 
pel der  Concordia,  und  ihn  durch  einen  Senatsbeschluss  ermäcli- 
tigcn  Hess ,  mit  Gemahlinn  und  Kindern  in  dem  Tempel  zu  es- 
sen, ^'•')  hinderte  sie  nicht,  weil  er  A'oraussah,  was  ihr  begeg- 
nen werde  und  diess  ihn  bei  der  Ausführung  seiner  Pläne  för- 
derte. Um  Antonius  nach  Kräften  zu  ersetzen,  was  im  vorigen 
Jalirc  verloren  war ,  führte  sie  ihm  2000  Krieger  zu,  eine  aus- 
gewählte und  prachtvoll  gerüstete  Mannscliaft,  und  Lastthiere, 
Kleidung  für  die  Truppen,  Geld,  und  Geschenke  für  seine  Freun- 
de. Er  ersuchte  sie  auf  ihr  Schreiben,  in  Athen  zu  bleiben, 
weil  er  sie  wegen  des  parthischen  Krieges  nicht  empfangen  kön- 
ne, und  begab  sich  wieder  nach  Aegvpten;  Octavia  gieng  nach 
Rom  zurück  und  schickte  ihm  durch  Niger ,  was  sie  ihm  selbst 
hatte  überbringen  wollen.  Nach  dieser  Kränkung  hielt  es  Octa- 
vian  für  angemessen ,  dass  sie  die  Wohnung  ihres  Gemahls,  das 
Haus  des  Pompejus  in  den  Carinen ,  verliess,  sie  aber  blieb, 
erzog  auch  ferner  seine  Kinder  von  ihr  und  von  Fulvia,  un- 
terstützte seine  Freunde  durch  ihr  Fürwort,  und  suchte  zu  ver- 
liindern ,  dass  ihr  ehliches  Verhältniss  auf  die  öffentlichen  An- 
gelegenheiten zurückwirkte.  ^^)  Nicht  bloss  die  Besorgniss,  dass 
sie  sich  ihm  aufdringen  möclite,  sondern  auch  die  Nachrichten  aus 
Alexandrien  bewogen  Antonius,  gegen  Armenien  jetzt  nichts  zu 
unternehmen.  Denn  Cleopatra  fürchtete  den  Eindruck ,  welchen 
es  auf  ihn  machen  musste,  wenn  eine  schöne  und  hochherzige 
Frau,  die  Älutter  seiner  Kinder  und  Schwester  eines  Triumvir,  , 
ihn  beschwur,  nicht  durcli  ihre  Vernachlässigung  und  ein  will-  j| 
kührlichcs  Schalten  über  römische  Provinzen  ihren  ßruder  und 
llom  zum  Kriege  zu  reizen;  deshalb  mussten  ihre  Getreuen,  be- 
sonders Alexas  aus  Laodicea,     in    dieser  Angelegenheit  stets  ihr 


80)  Dio  19,  18.  00)  Plu(.  :,?j.  u.  51.  Dio  40,  33.  Zon.  10,  20.  Sie 
verlebte  den  Winter  nirht  in  AJlion,  App.  .5,  7.50.  aber  sie  kam  dem 
Ziveckc  der  Reisse  gemäss  im  Frülijalire ,  ebe  der  Feldzu;^  ercilTnet  und 
Pompejus  gelödtet  wurde,  wclcber  jene  Truppen  durch  seine  Seiidlinpe 
zu  jreu innen  such(e,  als  sie  durch  Maceilonien  cicngcn.  Das.  Diess  so- 
wohl als  Dios  Zcugniss  widerspricht  der  gewöhnlichen  Annahme,  nach  | 
welcher  üclavia  a.  33.  reis-le. 


V.  ANTONII.         (11.  §.  00.)       4G3 

ITauptwcrkzcug,  ^')  ihm  ihre  Sehnsucht  nach  ihm  schildern,  die 
Vcizweifliing;,  "welche  sie  aufzureiben  drohe,  wodurch  sie  ihre 
Absicht  vollkommen  erreichte.  <  l: 

a.  31.  Antonius  trat  am  1.  Januar  sein  zweites  Consulat 
an,  und  zwar  mit  L.  Scribonius  Libo,  wie  im  Vertrage  von 
Miscnum  festgesetzt  war ,  '■*-)  aber  abv  esend  und  nur  für  diesen 
Tag. 'J"^-*  Zu  seinem  Naclifolger  ernannte  er  L.  Sempronius  Atra- 
tinus,**-'  dessen  Stelle  am  1.  Juli  C.  Memmius  einnahm. 

Im  Frühjahre  brach  er  endlich  nacii  Armenien  auf.  Er 
scliickte  Q.  Dellius  voraus,  '''')  welcher  für  Alexander,  seinen 
Sohn  von  Cleopatra,  um  die  Tochter  des  Artavasdes  werben, 
und  ihn  in  der  Meinung  bestärken  musste ,  dass  seine  Rüstun- 
gen gegen  die  Parther  gerichtet  seien.  Nach  seiner  Ankunft 
zu  Nicopolis  in  Klein  •■Armenien  ''•')  lud  er  ihn  zur  Beratliung 
ein,  und  als  er  nicht  erschien,  versiclierte  er  ihn  fortwährend 
in  Briefen  und  durch  Dellius  seiner  Freundschaft,  drang  .nber 
so  schnell  gegen  Artaxata  vor,  dass  dem  Könige  keine  Wahl 
blieb.  Er  wurde  im  römischen  Lager  als  Bundesgenoss  e;n- 
pfangcn ,  und  erst  dann  mit  silbernen  Ketten  gefesselt,  als  die 
Befclilshaber  in  den  Festen  sich  weigerten  ,  auf  sein  Gebot  die 
Schätze  auszuliefern;  denn  sie  erkannten,  welcliem  Zwange  er 
unterlag,  und  wälilten  seinen  ältesten  Sohn  Artaxias^'^  5cum 
Könige ,  welcher  indess  geschlagen  wurde ,  und  zu  den  Part-hern 
entfloh.  Den  Vater,  dessen  Geuiahlinn  und  übrigen  Kinder  führte 
Antonius  nebst  A'icier  Beute ,  wozu  auch  der  Tempel  der  A  naitis 
in  Acilisenc  seinen  Beitrag  gab,  ^^)  nach  Aegvptcn,  "'•*>'   ohne  sich  je- 


Dl)  Pliit.  72.  Sein  Name  Alexander  findet  sich  unverkürzt  in  PJu(, 
C6.  u.  Joseph.  A.  J.  15,  ö.  (10).  u,  C.  J.  1,  20.  02)  §.  Gl.  A.  24, 
93)  Dio  49,  38.  39.  43.  50,  25.  Fnsti  sie.  Eckh.  6.  p.  40.  o.  hier  die 
folg.  A.  91)  Dio  49,  39.  Tab.  Capuan.  in  Marlian.  Ann.  ad  a.  719. 
righ,  3,  p.  494.  Grut.  p.  1087.  No.  2.  Alratinus  heisst  auf  den  Alün- 
zen  des  An(on.  aus  dieser  Zeil  Augur,  praef.  class.  u.  Cos.  desig.  Vaill. 
Anlon.  No,  49,  50.  Senipron,  No,  4.  Hisl,  Ptoleni,  p.  195,  Eckli.  5.  p. 
304.  C.  p.  5G.  95)  §.  57.  A.  G4.  9ü)  Von  Pompejus  auf  dem  Schlacht- 
felde gegründet,  wo  er  Milhridal  überwunden  halte.  S.  rompeii. 
ronip.  lllv.  a,  GG.  97)  So  Tacil.  A.  2,  3.  Joseph,  A.  J-  15,  4,  (5).  3. 
Artaxes  Lei  Dio  49,  39.  51,  IG.  98)  VVahrscheiiiiicU  wurde  er  jetzt 
geplündert.  StraboU,  532.  Plin.  33,  2J.  (l.j  99)  S.  uuleu  A.  4.  u, 
§.  71.  A.  2i. 


464  V.    ANTONII.         (14.  §.66.) 

^  doch  Imperator  zu  nennen.*"")  Amyntos,  früher  Staatssclircibcr 
des  Dejütarus  und  Aiifülirer  seiner  Truppen,  beschenkte  er  mit 
verscliicdenen  Gebietei  in  Vorderasien,  welche  dieser  durch  Er- 
oberunj^  vergrösscrte ,  ')  und  Archelaus,  den  Sohn  <ler  Glapliyra, 
mit  M'clclier  er  früher  gebuhlt  hatte,  -)  mit  Cappadocicn.  ^) 

In  Alexandrien  bereitete  sich  aber  ein  Fest,  welches  bis 
daliin  nur  Rom  gesehen  hatte;  ein  Triumph  fern  von  seinem 
Capitol  riss  die  Schranken  nieder  zwischen  ihm  und  der  Pro- 
vinz, zwischen  Römern  und  Barbaren,  und  untergrub  in  dem 
Glauben  ,  dass  man  nur  für  die  Weltbeherrschcrinn  siegen  und  dass 
nur  sie  dem  Sieger  die  höchsten  Ehren  bewilligen  könne,  dieGrund- 
la*Te  seiner  Grösse.  Antonius  hielt  seinen  Einzug  völlig  so,  wie  es 
in  R.om  zu  geschehen  pflegte;  vor  seinem  Wagen  giengen  Artavasdes 
und  die  Seinigenmit  goldenen  Ketten,  aberzustolz,  umdieKöniginn, 
welche  aufeinem  glänzenden  Throne  ihre  Huldigungen  erwartete,  auf 
eine  andere  Art,  als  mit  dem  Namen  Cleopatra  zu  begrüssen.  *) 
Mehr  Fügsamkeit  zeigte  das  Volk.  Nach  einer  reichlichen 
Bcvflrthung  wurde  es  »m  Gymnasium  versammelt,  wo  es  die 
Köriiginn  neben  Antonius,  und  auf  etwas  tiefer  gestellten  Thro- 
nen ihre  Kinder  und  Cäsarion  erblickte,  und  den  Rel'ehl  erhielt, 
jene  erste  in  Zukunft  Königinn  der  Könige  zu  nennen,  und 
ihre  Kinder  Könige  der  Könige,  auch  Cäsarion,  aus  Achtung 
gcgfm  den  Dictator,  mit  welchem  sie  ihn  in  rechtmässiger  Ver- 
bindung erzeugt  iiabe  —  ein  Angrift'aufOctavian,  den  Adoptirten.  ^) 


100)  §.  C5.  A.  S2.  f.  1)  Daher  lässt  sich  nicht  genaa  ermitteln, 
wag  er  ursprünglich  bekam.  Die  Alten  nennen  Tlieile  von  Galalien, 
Ljcaonien,  l'amphylien,  Die  49,  32.  Plut.  61.  G3.  Pisidlen,  App.  5,  715. 
749.  Isaurien,  Strabo  12,  5G9.  vgl.  Dio  47,  48.  50,  13.  51,  2.  Vellej. 
2,  84.  u.  Noris.  Cen.  Fis.  Diss.  II.  c.  11.  p.  293.  Er  war  nach  der 
Schlacht  bei  rhillppi  mit  der  Schaar,  welche  er  den  Befreiern  hatte  zu- 
führen sollen,  zu  Antonius  übergegangen.  2)  App.  5,  C75.  Dio  49,  32. 
IWartial.  11,  20.  Oben  §.  57.  A.  55.  3)  Dio  I.  c.  u.  51,  2.  54,  9.  57, 
17.  Tac.  A.  2,  42.  Suet.  Tiber.  8.  37.  4)  S.  unten  §.  70.  A.  83.  u.  über 
diesen  Feldzug  und  Triumph  Dio  49,  39.  40.  51,  IG.  Tlut.  50.  Zonar. 
10,  27.  App.  Parth.  109.  .Strabo  11,  524.  532.  Joseph.  A.  J.  15,  4.  (5.) 
§.  3.  B.  J.  1,  1«.  §.  5.  l.iv.  131.  Vellej.  2,  82.  Ursin.  Kam.  R.  p.  21. 
Vnill.  Hist.  Ptoleni.  p.  194.  Anton.  No.  57.  Eckh.  0.  p.  47.  Die  Nachricht 
des  .Scrv.  »u  Virg.  Aen.  7.  CSl.  Antonius  habe  IVlünzcn  mit  dem  Namen 
der  Cleop.  in  Anagnia  prägen  lassen,  bedarf  keiner  Widerlegung.  5)  Diu 
49,  41.   5(»,   1.  3.  Suet.  Caes.   52. 


V.  ANTONIL        (11.  §.  ()G.)      4G5 

Dann  erklärte  Antonius  sie  für  die  Bchcrrschcrinn  der  Reiche  ihrer 
Ahnen,  ^)  und  Cäsarion  für  ihren  iMitrcgentcn;  unter  seinen  eige- 
nen Kindern  von  Cleopatra  sollte  PtolemäusPhiladclj)hus  Syrien  und 
\'ordcrasicn  erhalten,  Cleopatra  Cyrenaica,  Alcxamlcr  Armenien 
und  die  Länder,  welche  man  jenseits  des  Euphrat  bis  zum  Indus 
erobern  werde.  Demnach  erschien  Ptoleniäus  in  macedonischem  und 
sein  Bruder  in  orientalischem  Königsschniucke,  jener  mit  einer 
macedonischen ,     und  dieser  mit  einer  armenischen  Leibwache.'^ 

Der  Grossköniginn  konnte  Antonius,  welcher  Octavia  noch 
keinen  Scheidebrief  geschickt  hatte,  sich  nur  in  königlicher 
Kleidung  s)  würdig  an  die  Seite  stellen,  der  neuen  Isis,  wozu 
er  sie  erhob,  'J)  nur  als  Osiris  oder  Dionysos,  '">  und  die  Kin- 
der dieser  Gottheiten  wurden  billig  als  Helios  und  Sciene  ver- 
ehrt. ^^)  Zugleich  aber  übernahm  Antonius  die  Rolle  eines 
„ägyptischen  Gymnasiarchen";  er  ordnete  Feste  und  Spiele  an, 
und  zeigte  sich  bei  den  religiösen  Aufzügen  in  einer  angemesse- 
nen Gestalt ,  und  auch  die  römischen  Grossen  mussten  sich  der 
Toga  entäussern,  um  als  Mimen  oder  sonst  im  Gefolge  der 
Götter  aufzutreten.^-)  Alles  athmete  Freude  und  Geuuss,  und 
was  die  Königinn  irgend  beglücken  oder  den  Zauber  der  Orgien 
erhöhen  konnte  ,  das  wanderte  aus  Asien  und  Griechenland  nach 
Alexandrien,  die  pergamcaische  Bibliothek,'-'')  Statuen  und  Ge- 
mälde,'*) Weihgeschenke  aus  den  Tempeln,  '•'''  und  das  Köst- 
lichste für  die  Tafel.  "•)  So  schien  man  den  Sturm  zu  verges- 
scn ,  welcher  vom  Westen  lieraufzog. 

a.  33.  Doch  konnte  Cleopatra  nicht  verhindern,  dass  An- 
tonius   am    Ende    des    Winters  sich  von    ihr   trennte.     Er  begab 


C)  Vgl.  §.  61.  A.  34.  7)  Die  49,  41.  öO,  25.  20,  28.  Pluf.  54 
Zon.  10,  27.  Slral.o  M,  609.  Liv.  131.  leber  die  l  nächlheit  der  311111- 
zen  mit  einer  griechischen  Inschrift,  welche  Cleop.  Königinn  von  Arme- 
nien nennt,  s.  Eckh.  6.  p.  00.  8)  Dio  .50,  5.  25.  Zonar.  10,  28.  Flor. 
4,  11.  (A.  V.)  de  vir.  iil.  85.  9)  Dio  11.  cc.  Piut.  1.  c.  Vaill.  Hist.  Ptol 
p.  190.  Anton.  i\o.  58.  Eckh.  0.  p.  05.  10)  Vellej.  2,  82.  Dio  u.  Zonar. 
11.  cc.  Vgl.  Meine  Historisch  anllquar.  l'ntersuih.  über  Aegypten.  S.  144. 
u.  ohen  §.  57.  A.  17.  11)  Dio  50,  25.  51,  21.  Plut.  3/5.  Suet.  Calig.  26. 
12)  Dio  50,  5.  27.  Zon.  I.  c.  Vellej.  2,  83.  13)  Plut.  58.  14)  Pliii 
34,  19.  §.  3.  Strabo  13,  595.  14,  037.  15)  Mon.  Ancyr.  tab.  4.  v.  49 
Chish.  Anl.  Asiat,  p.  175.  Dio  51,  17.  1«)  Plin.  9,  &8.  (35.)  Rlacrol* 
Sat.  2,13. 

Dniiiiiaiii,   GescUichl«   Konis    I.  30 


466  V.  ANTOMI.  (II.  §.  66  ) 

sich  an  den  Araxes,  wie  man  glaubte,  um  mit  «len  Mcdcrn  '"' 
Piiraatcs,  den  Parther,  anzugrciien ,  •welcher  durch  sein«  (Jraii- 
samkeit  verhasst  gewoi'den  war.  ''^)  Aber  jetzt  konnte  er  diess 
nicht  benutzen  ,  vielmehr  wollte  er  sich  zum  Kriege  mit  Octa- 
vian  medische  Reuterei  verschaft'en ,  deren  Furchtbarkeit  er  aus 
eigener  Erfahrung  kannte.  Artavasdes,  der  König  von  Medien, 
wurde  arg  getäuscht;  er  schloss  ein  Biindniss,  bewilligte  Iterit- 
tene  Bogenschützen  und  die  Fahnen  des  Statian ,  ^^^  und  erhielt 
dagegen  römisches  Fussvolk,  einen  Theil  von  Armenien,  und 
gewissermassen  die  Anwartschaft  auf  das  Ganze,  denn  seine 
Tochter  Jotape  wurde  mit  Alexander,  dem  Sohne  des  Antonius 
verlobt,  welchem  das  Land  bestimmt  Avar.  Längst  hatten  die 
Meder  nach  dessen  Besitze  gestrebt.  Aber  Jotape  gieng  mit 
Antonius  als  Geisscl  nach  dem  Nil ,  wo  Octavian  sie  später  ent- 
Hess ,  -**->  und  ihr  Vater  siegte  zwar  anfangs  über  Artaxias ,  als 
er  mit  Hiilfe  der  Parther  sein  väterliches  Reich  wieder  erobern 
Avollte,  die  Römer  wurden  aber  von  Antonius  abgerufen,  seine 
Reuter  kamen  nicht  zurück,  und  er  wurde  geschlagen  und  ge- 
fangen ,  obgleich  er  bald  wieder  als  frei   erscheint.  -'>' 

Auf  dieser  Reise  des  Antonius  wurde  Polemo  mit  Klein- 
Armcnien  beschenkt,  weil  er  die  Verbindung  mit  den  JVledern 
vermittelt  hatte.  -2)  In  seinem  Gefolge  befand  sich  auch  C.  Clu- 
vius,  welchem  er  für  d.  J.  31  an  seiner  Stelle  -^^  das  Consulat 
versprach,  dann  aber  einen  Anderen  vorzog;  da  der  Bürgerkrieg 
sich  vor  der  Zeit  erneuerte,  so  konnte  es  jenem  gleichgültig 
sein ;  indess  nahm  ihn  Octavian  a.  29  unter  die  C'onsularen 
auf,  um  an  die  Wortbrüchigkeit  seines   Gegners  zu  erinnern.  -"*' 

Zehn   Jahre  hatte  sich  nun  der  Friede  zwischen  den  beiden 
Triumvirn  erbalfcn,    obgleich  nur  ein  "Waffenstillstand,    und  oft 
bedroht,    am    meisten    durch    Fulvia.      Bei     den    Entwürfen    der      I 
Herrscher    war    ein   Bruch    unvermeidlicli ,     sobald    ihre    übrigen 


17)  Oben  A.  8S.  18)  Dio  40,  23.  51,  18.  Flut.  53.  Justin.  42,  5. 
19)  §.  05.  A.  58.  20)  Dio  51  ,  10.  §.  71.  A.  25.  •  21)  Dio  49,  44.  IMot. 
53.  Zonar.  10,  27.  22)  Ohen  A.  88.  23)  §.  Ol.  A.  27.  24)  Dio  I.  •• 
II.  52,  42.  nennt  ihn  Lucius  und  Cajus.  Da  er  ohne  Zweifel  derselbe 
•sl,  welcher  schon  in  (Lasars  (ieschichle  und  auf  dessen  Miinrcn  erwaNnf 
wird,  so  ist  der  zweite  Name  der  richtige.  Kr  war  aus  Puteoli  gcbii/iiu- 
Cic.   ad  Fniuil,  13,  7-  u.  50.  Vaill,   Clov.   Eckü.   5.  p.   173. 


^ 


V    ANTONII.         (14.  §.  C7.)         467 

Verhältnisse  ihn  raüglich  machten;  Octavian  betrachtete  jeden 
anderen  Krieg  nur  als  Kräfteübung,  oder  als  einen  Kampf  ge- 
gen Hülfstnächte  des  Antonius,  der  Feind  mochte  mit  diesem 
verbündet  sein,  oder  niclit.  Er  blieb  besonnen  und  ernst,  wo- 
gegen Antonius  seine  sittliche  Freiheit  und  in  ihr  das  Unter- 
pfand des  Sieges  verlor.  Eine  Fürstinn ,  welche  durch  ihn  über 
Rom  zu  gebieten  hoffte,  entwaffnete  ihn  im  fürchterlichen  Wi- 
derspruche mit  sich  selbst,  in  dem  verderblichen  Wahne,  dass 
sie  nur  ihn  zu  fesseln  brauche,  damit  ihr  alles  Andere  zufalle. 
Er  gab  sich  hin;  der  Zweck  wurde  Mittel;  weil  er  liebte,  wollte 
er  herrschen,  und  von  der  Liebe  gegängelt  und  verblendet  be- 
trat und  verlicss  er  das  Schlachtfeld. 


§  67. 

a.  32.  Schon  hatten  die  Triumvirn  voll  Erbitterung  Schriif- 
ten  gewechselt ,  als  Cn.  Domitius  Ahenobarbus  und  C.  Sosius  -•') 
C'onsuln  wurden.  -'^)  Jener  war  gemässigt,  weil  er  nach  den 
nutzlosen  Anstrengungen  für  das  Schattenbild  der  Republik,  im 
Dienste  der  Verschworenen  und  später,  nichts  mehr  hoffte,  und 
nur,  als  er  sich  gedrängt  sah,  entschied  ei  sich  gegen  Cäsars 
Sohn ;    Sosius  nahm  sogleich  die  Partei  des  Antonius.     Der  Ge- 


genstand des  Streits  zwischen  diesem  und  sdnem  Nebenbuhler 
war  das  Erbe  Cäsars,  die  höchste  Gewalt;  es  sollte  aber  nicht 
so  sclieinen.  Deshalb  mochte  Sosius  das  Schreilen  des  Antonius, 
worin  er  unbedachtsam  auf  die  Bestätigung  seiner  Schenkungea 
antrug,  dem  Senat  nicht  vorlegen.  Die  Freunde  Octavians  ver- 
langten, dass  dann  auch  der  Bericht  über  die  Eroberung  Arme- 
niens unterdrückt  würde.  Ohne  darauf  zu  achten,  über- 
nahm er  am  1.  Januar  die  Rechtfertigung  seines  Gönners.  Die 
Zeit  des  verlängerten  Triumvirats  war  am  vorigen  Tage,  am 
letzten  December  33  verflossen , -^J  und  er  zeigte  an,  dass  je- 
ner Senat  und  Volk  alle  Gewalt  zurückgeben  wolle ,  wenn  auch 
Octavian  dazu  bereit  sei ,  -^)    welcher  unter  einer  ähnlichen  Be- 


25)  §.  03  fin.  §.  Gl.  rn.  §.  C8.  A.  9.  2G)  Dio  40,  41.  50,  2.  Zonar. 
10,  28.  Suet.  Ocf.  17.  Nepos  Attic.  22.  27)  §.  54  fin.  28)  Dio  49,  41. 
50,  7.  22.  Zon.  10,  27.  Liv.  132  läugnet  €s ,  weil  Antonius  »ich  wei- 
gerte, eiDüeifig  zurückxntreten. 

30* 


4GS  V.    ANTOMI.       (14.  §.  C7.) 

■iinguiifi;  Jiach  der  Resicfrunfr  deg  Ponipojus  sich  dazu  erl'otrn 
iiatte.  -'■''  Kr  wicdrrlioltc  fcrnor  die  Beschwerden  des  Antuitlus 
dass  Octavian  den  ^cinetnschaftiirhcn  Collcgcn  Lepidiis  aus  dem 
Runde  gcstosscn,  iJim  Heer  und  Provinzen  genommen  und  l'oni- 
jtejus  ISicilicn  entrissen  habe,  ohne  mit  Antonius  zu  tlicilen, 
dass  in  Italien  nur  für  ihn  geworben  und  nur  seinen  Tru|)|»cu 
Acker  angewiesen  sei,  und  schloss  mit  dem  Antrage,  ihm  den 
Krieg  zu  erklären,  welches  jedoch  <lcr  Einspruch  des  Tribuns 
Nonius  Haibus  Acrhindcrte.  ■^"' 

Octavian  war  nicht  gegenwärtig;  er  hatte  sich  auf  das 
Land  begeben  und  kam  erst  nach  einigen  Tagen  zurück.  \  «»n 
Soldaten  und  von  Freunden  mit  verborgenen  Dolchen  begleitet, 
fragte  er  im  Senat:  ob  denn  Antonius  Länder  und  Heute  mit 
ihm  theile?  ob  er  seine  Veteranen  am  Kuphrat  versorge?  Er  ge- 
biete über  Aegyptcn,  Sex.  Poinpejus  habe  durch  ihn  Leben  und 
Schätze,  Artavasdes  Reich  und  Treiheit  verloren,  ohne  andere  Tol- 
gen  für  Rom ,  als  dass  es  durch  schnöden  Verrath  geschändet 
sei.  Nur  Cleopatra  werde  bedacht,  mit  welcher  er  schaamlos 
im  Ehebruche  lebe,  sie  und  seine  Kinder  von  ihr  erhalten  rönüsche 
Provinzen ,  und  ihr  Sohn  von  irgend  einem  ihrer  Buhler  trage 
f'äsars  Nanien.  Dicss  alles  versprach  der  Redner  in  der  nächi^ 
«ten  Sitzung  durci  Urkunden  zu  erhärten;  aber  die  Consuln  er- 
warteten sie  nicüt;  sie  entflolien  zu  Antonius  und  narh  ihnen 
.tuch  mehrere  Senatoren;  es  wurde  ihnen  gern  gestattet,  denn 
<ini  so  zuversicitlicher  konnte  man  in  der  Curie  und  vor  dem 
'  olke  sein   gutes  Recht  behaupten. 

Ha  also  leide  Theile  zum  Kriege  entschlossen  waren  ,  so 
^'•fahl  Antonius  seinem  Legaten,  F.  Canidius  Criissus,  die  Land- 
macht zusamniiinzuziehen ,  ■*■)  und  er  selbst  reis'te  mit  Cleopatra 
nach  Ephesus ,  dem  Sammelplätze  für  lleer  und  Flotte.  Hier 
berichteten  ihm  die  Consuln  über  die  Vorgänge  in  Rom  ,  aber 
buchst  missfiillig  war  ihnen  die  Gegenwart  der  Kiiniginn  und 
ihre  Anmassiitig.  Sie  hatte  eine  romiKche  Leibwache,  auf  deren 
Schilden  man  ihren  Namen  las,  und  auch  alles  Andere  deutete 
an,  dass  sie  die  (iebietcrinn  sei,    für  welche  man  kämpfe,    und 

20)  So  App.  5,  filCt.  Nach  dem  Toiic  des  Antonius  wiederhoKc  er 
«liesj  <;aukel8piel.  Din  r>2j  1.  5.3,  '1.  .Suet.  Octav.  2.S.  .30^  Dio  .%(>,  I. 
2,  20.  Plof,  55.  Zok    I   c.  u.  2«,     31)  Tlul.  5C.  §.  04.    A.  27.  §.  «ö.  A    04. 


V.  AXTONII.         (11.  §.  <)7.i         4G9 

AntoniiiH  uur  ihr  Feldlierr ;  denn  er  naiuife  das  Itnuptijuartiei 
niclit  I'rätorium.  sondern  K«'»nigszcll  ,  und  f(>lu;te  ilir  zu  Ftiss 
mit  den  Verschnittenen ,  venn  sie  auf  ihrem  l'runksessel  öffcnt 
lieh  erschien.  ■•-)  In  einem  Krictjsrathe  drans^en  iushcsonderc 
Doutitius,  Fi.  Plancus  und  Titius  auf  ihre  Entfernung,  unter 
dem  \orgehen,  dass  man  sie  vor  den  Anstrengungen  des  Teld 
zugs  bewahren  müsse.  Antonius  fügte  siel»;  er  ersuchte  sie,  in 
ihr  Reich  zurückzukehren,  hörte  aber  mit  Vergnügen  die  Ge= 
gen'-örstellungen  des  Canidius,  Avclchcr  von  ihr  bestochen  war: 
CS  sei  weder  gerecht  noch  weise  ,  sie  fortzuschicken ,  da  sie  so 
viel  zu  den  Rüstunoren  bei^etrairen  habe ,  und  man  in  ihr  auch 
ihre  Krieger  beleidigen  werde.  '^^-^  Sie  blieb  also,  und  mit  Un- 
willen und  trüben  Ahndungen  sahen  uie  römischen  Grossen  sie 
nun  auch  in  Samos.  In  dem  Maasse,  als  man  dem  Feinde 
njifier  kam ,  und  es  der  Nüchternheit  und  Wachsamkeit  bedurfte, 
beförderte  sie  die  Ausschweifungen  des  Anführers,  drmit  ci 
nicht  auf  liesseren  Rath  sich  dennoch  mit  seiner  (icmahlinn  ver- 
söhnte. Spiele  und  Trinkgelage,  Mimen,  Gaukler  und  Tänze- 
rinnen, welche  einander  den  Preis  streitig  maclitcn,  und  nach 
beeudifjten  Festen  mit  Ijesitzunijen  in  Priene  belohnt  Avurdcn, 
verriethen  eine  glänzende  Siegesfeier.  In  Athen,  wohin  das 
liUStlager  versetzt  wurde,  ohne  sicli  übrigens  zu  verändern, 
forderte  Cleopatra  die  Ehren,  Avclche  die  Stadt  Octavia .  als 
der  Gemahlinn  des  Triunivir  erwiesen  hatte;  man  zögerte,  sie 
machte  Geschenke  und  Antonius  crcbot;  als  attischer  Bürger 
überbrachte  er  im  festlichen  Aufzuge  und  mit  einer  demuths- 
vollen  Anrede  den  gewünschten  Bcschluss,  und  auf  der  Rurg 
prangte  neben  seiner  Statue  das  Hild  der  vergötterten  Ffustinn.  ^^^ 
Indess  konnte  sie  docli  auch  nicht  dem  Namen  nach  seine 
(Gemahlinn  sein  und  den  römischen  Königsthron  mit  ihm  theilen 
und  vererben,  so  lange  er  mit  Octavia  verbunden  war;  diese 
erhielt  daher  auf  iiuen  Retrieb  einen  Scheidebrief,  und  damit 
die  Weisung,  seine  Wohnung  zu  verlassen.  Ulit  Thränen  ge- 
horchte die  edle  Römerinn ,  un<l  nahm  die  Kinder  des  Antonius 
mit  sich,     bis    auf  seinen  ältesten    Sohn    von  Fulvia,    Äntjlhis, 

32)  Dio  50,  5.  Plut.  58,  Zou.  10,  28.  Serv.  zu  Virg.  Aen.  8,  678  ii 
606.  Horat.  EpoJ,  9.  33.)  I'lat.  5G.  5s,  5-  §.  G8,  A.  13  3J)  Pers  r»7 
l}io   50.    13, 


470  V.  ANTÜNH.         (11.  §.  07.) 

denn  dieser  war  mit  iliiii  in  Athen.  Es  schmerzte  sie  am  mei- 
sten ,  dass  sie  den  Krieg  zu  beschleunigen  schien ,  wenn  auch 
ohne  ihre  Schuld;  denn  ihr  Schicksal  machte  Aufsehn  und  ihr 
Bruder  wurde  angeblich  auf  das  Tiefste  dadurch  verletzt,  ^sj 
Auch  im  Gefolge  des  Antonius  veranlasste  es  eine  grosse  Cäh- 
rung.  Erniedrigend  war  immer  schon  das  Verhaltniss  der  An- 
gesehensten Roms  zur  Königinn ,  für  welche  sie  mit  ihren  Scia- 
ven  auf  gleicher  Linie  standen,  und  unleidlich  wurde  es,  als  sie 
sich  für  den  Versuch  rächte,  sie  zu  entfernen;  ihr  Sieg  war 
überdiess  ein  Beweis,  dass  es  unmöglich  sei,  Antonius  von  sei- 
ner A  erblendung  zu  heilen ,  man  mochte  nicht  mit  ihm  unter- 
gehen, Desshalb  verliessen  ihn  L.  Plancus  und  .M.  Titius,  36) 
der  Anfang  zu  immer  grösserem  Abfall.  Veliejus  beurtheilt  jenen 
auch  hier  zu  strenge;  3^)  Gefahren  zu  trotzen,  und  im  Unglücke 
treu  zu  verharren,  war  er  nicht  geschaffen,  und  sein  Beispiel 
wirkte  auf  Titius,  seinen  Neffen;  er  mochte  auch  zuvor 
zum  Mimen  sich  herabgewürdigt  und  als  Glaucus  den  Schweif 
nachgeschleppt  haben;  in  dieser  Umgebung  wurde  jeder  zum 
Gaukler,  und  es  war  ihm  nicht  zu  verargen,  wenn  er  aus  den» 
nmthwillig  herbeigeführten  Schiffbruche  sich  zu  retten  suchte, 
als  man  sein  warnendes  Wort  überhörte.  Gegründeter  Tadel 
traf  ihn  erst  dann,  als  er  sich  dazu  herlich,  den  Senat  von 
Antonius  Verirrungcn  zu  unterhalten,  und  mit  Titius  an  ihm 
zum  Verräther  wurde.  Denn  sie  machten  die  Anzeige,  dass 
sein  Testament,  welclies  auch  ihr  Siegel  trug,  bei  den  Vcsta- 
linnen  niedergelegt  sei.  Octavian  erzwang  die  Auslieferung  und 
auf  seinen  Befehl  wurde  es  im  Senat  und  in  der  Volksversamm- 
lung vorgelesen.  Der  Inhalt  war  geeignet,  den  Unwillen  über 
diese  Ungcbülir  in  Unwillen  über  seinen  Feind  zu  verwandeln  ; 
denn  dieser  bestimmte  darin  Cleopatra,  seinen  Kindern  von  ihr. 
und  Cäsarion  ,  welclicii  er  als  Cäsars  Sohn  anerkannte  ,  bedeu- 
tende Geschenke  auf  Kosten  des  römischen  Reichs,  und  verfügte, 
«lass  M  enn  er  in  Rom  sterbe ,  sein  Körper  nach  Alexandrien 
gebraclit  und  mit  Cleopatra  in  Einer  Gruft  beigesetzt  werden 
sollte.     Rom  hatte  also  im  Osten  für  eine   Aegyptierinn  erobert, 

35)  Plut.  I.  c.  Die  50,  3.  20.  Zoii.  1.  c,  Liv.  132.  Fulrop.  7,  C. 
Uro»,  ii,  19.  Serv.  zu  Virg.  .Aen.  H.  C78.  36)  §.  00  Cn.  §.  05.  A.  Cl. 
5    (is.  A.  'JO.     37)  2,  83.   Vgl.  Plot.  58.  Dio  50,  3. 


V.  ANTONIl.  (11.  §.  07.)        471 

und  Antonius  gönnte  ilmi  nitlit  ciiiiuul  sein  (jiub.  Die  so 
glücklich  aiifgefunilcuc  JScInift  diente  C.  Calvisius  •^'')  und  undc- 
rcti  Treunden  Octavians  zum  Text,  welchen  sie  erörterten,  und 
schien  die  Wahrheit  auch  ilirer  erdichteten  oder  doch  übertrie- 
benen l'Jrzuhlungcn  zu  beurkunden. 

Den  Versicherungen  der  Gegenpartei  glaubte  man  nicht, 
und  CeiniDius,  welcher  die  Nachricht  von  der  Stimmung  der 
Kölner  nach  Athen  überbringen  und  dadurcli  Cleopatras  Entfernung 
bewirken  sollte,  wurde  nicht  vorgelassen;  denn  diess  hieng  von 
der  Ivönigmn  ab;  nur  bei  Tafel  und  in  ihrer  («cgenwart  konnte 
er  sich  seines  Auftrages  entledigen;  sie  erklärte  ihn  für  einen 
Kundschafter,  bedrohte  ihn  mit  der  Folter,  und  auch  Antonius 
war  so  entrüstet,  dass  er  die  Flucht  ergrift".  Jener  trat  dem- 
nach in  den  Hintergrund;  er  war  nur  der  Anführer  der  feind- 
lichen Mci^iht;  sehr  erwünscht  für  Octavian;  seine  Watten 
waren  nun  nicht  gegen  Römer  gerichtet;  Senat  und  Volk  er- 
klärten Cleopatra  den  Krieg ,  ^'-^^  welche  Rom  unterjochen  wol- 
le, *")  und  Antonius  nur  für  unfähig,  das  Consulat  oder  in 
irgend  einer  anderen  Eigenschaft  die  Verwaltung  des  Staats  zu 
übernehmen,  weil  er  durch  Liebestränkc  den  Gebr.iuch  des  V'cr- 
Btaudes  verloren  habe.  So  war  er  als  Feldherr  einer  Fremden 
im  Kriege  gegen  sein  Vaterland  gebrandmarkt,  und  zugleich 
dem  Spotte  preis  gegeben;  er  Avurde  nicht  geächtet,  wie  Suetua 
berichtet,  ^'-^  aber  eben  dadurch  herabgewürdigt,  dass  man  den 
Römern  im  Dienste  der  Königinn  die  Rückkehr  gestattete. 
Octavian  verrichtete  selbst  die  Geschäfte  des  Fetial,  und  die 
Römer  legten  das  Krieffskleid  an.  IJeberall  verrieth  sich  eine 
ängstliche  Spannung;  man  wurde  durch  Anzeichen  geschreckt, 
und  sogar  die  Knaben  nahmen  Partei,  ivie  einst  in  Cäsars  Rüt- 
gerkriege,  und  lieferten  einander  Schlachten.  *-) 

Auch  »intcr  den  Truppen  seines  Gegners  suchte  sich  Anto- 
nius durch  tiestechungen  einen  Anhang  zu  versckaften ,  er  be- 
nutzte aber  den  grossen  Vortheil  nicht,    dass  er  früher  gerüstet 

3S)  §.61.  in.  PJu(.  58.  59.  39)  Dio  50,  4.  G.  21.  22.  26.  Plut.  60. 
7.011.  10,  28.  40)  Horat.  C.  1,  37.  Epod.  9,  11.  Ovid.  Metam.  15,  820.  f 
Dio  50,  24.  25.  Flor.  4,  11.  u.  die  Stellen  das.  bei  Duker.  Kutrop.  7» 
7.  (4.)  41)  Ortar.  17.  12)  Dio  50,  8.  Vgl.  41,  39.  I'lut.  ÜO.  Joseph» 
A.  i.   15.  5.  (.7.)  2. 


472  V.  ANTOMI.  (14.  g.  (i8.) 

war.  Denn  afs  er  im  Spiithcrbste  auf  dem  "Wege  nach  Italien 
liei  Corcyra  rrfiilir,  dass  bei  den  cerauriischeu  Gebirgen  an  der 
illjrischen  Siulküsfc  feindliche  Schifte  kreuzten,  liielt  er  diese 
für  die  ganze  Flotte  und  demnach  einen  Leberfall  für  unmög- 
lich ,  und  bezog  zu  Paträ  in  Achaja  die  Winterquartiere. 
Soldaten  und  Schiff"e  vertheiltc  er  längs  dem  jonischen  Meere, 
und  zwar  giongen  die  meisten  nach  Actium.  Die  Verbindung 
mit  Italien  dauerte  fort,  so  weit  Octavians  Wachsamkeit  es  er- 
laubte; mancher  Späher  wurde  von  ihm  ergriffen,  unter  anderen 
L.  Messius,  durch  welchen  er  Antonius  aufforderte,  die  Landung 
zu  gestatten,  oder  selbst  zu  konimen ;  er  Avollte  ihn  einschüch- 
tern und  es  verbergen,  dass  er  nocl»  nicht  zu  schlagen  ver- 
mochte, und  diess  erreichte  er.  *'') 

§  68. 
a.  31.  Das  Consulat  erhielt  statt  .Antonius,*^)  welcher 
sich  aber  dennoch  Consul  III.  nannte,  *^^  M.  Valcrius  Messala  ^"^ 
mit  Octavian  III.  '^'^)  Antonius  war  diesem  an  Streitkräften  über- 
legen ;  docli  befanden  sich  nicht  alle  dreissig  Legionen ,  welche 
auf  seinen  Münzen  einzeln  aufgeführt  sind ,  *^^  auf  dem  Kriegs- 
schauplatze, da  er  mehrere  als  Besatzungen  zurückliess.  Plutarch 
berechnet  sciue  Landmacht  zu  100,000  Mann  zu  Fuss  und 
12,000  Reutern,^")  und  bemerkt  an  einem  anderen  Orte,^"' 
«lass  ausser  den  20,000  Legionaren  und  2000  Mann  leichter 
Truppen,  welche  die  Schifte  bestiegen,  ^U  19  Legionen  und 
jene  Zalil  Reuter  bei  Actium  aufgestellt  seien,  lieber  die  Stärke 
seiner  Flotte  Hnden  sich  abweichende  Naclirichten.  Einige  geben 
ihm  weniger  Schift"e  als  Octavian,  nur  200,  oder  gar  nur 
170;  52)  Plutarch  dagegen  nennt  500,  und  mit  den  Transport- 
fahrzeugen 800.  53;  Cleopatra  allein  hatte  200  gerüstet,  unter 
welchen   die  Antonia  war,    welche  mit  dem  Purpursegcl  als  Zci- 


43)  Dio  50.  0.  Pliil.  G2.  44)  §.  Gl,  A.  27.  u.  §.  G7.  45)  Trsiri. 
Farn.  R.  p.  20.  Vaill.  Anton.  No.  07.  G8,  Eckh.  G.  p.  18.  4G)  §.  55.  A. 
GG.  47)  Dio  50,  10.  Vellej.  2,  84.  Fast,  sicul.  Tal».  Capuan.  Lei  Tigh. 
^.  p.  495.  48 ^  Lrsin.  p.  25.  f.  Vaill.  Anton.  \o.  74.  f.  Kckh.  0.  p.  50.  f. 
I!))  61.  50)  GX.  öl)  Gl.  52)  Flor.  4  ,  II,  üros.  G,  10.  zu  wenig,  aucli 
wenn  nur  diejenigen  gemeint  sind,  welche  ülirifj^  hliplicn,  als  man  loi 
d.  iSolilacht  hei  Actium  einen  grossen  Tiieil  verlirannle-  §.  GO.  in.  53)  5G. 
H.    Gl. 


V.  ANTOMI.         (Ji.  §.  GS.)         473 

eben  des  Oltcrljcfelils  frcschraückt  sie  selbst  trug.  -^^J  Auch  au 
(Jtelde  war  Lcitcrfluss;  20,000  Talente  zahlte  die  Königinii, 
und  anderes  wurde  crpresst.  ^•'')  Aegypten  lieferte  ferner  (Je- 
traidc ,  und  es  ivar  nur  Folge  der  Sorglosigkeit ,  dass  mau 
zuletzt  dennoch  Mangel  litt. 

Auch  auf  Antonius  ist  anwendbar,  was  Lucan  von  Pompcjus 
sagt,^"'  nie  habe  Ein  Mann  so  viele  Könige  angeführt;  alle 
Länder  von  lUyricn  bis  zum  Euphrat,  und  von  Armenien  bis 
Cyrcne  standen  zu  seiner  Verfügung;  ihre  Fürsten  erschienen 
entweder  selbst,  oder  sie  schickten  doch  Truppen.  Ausser  Cleo- 
patra^^) rüsteten  für  ihn  Bogud,  der  Maiiritanier,  ^^^  Malchus 
der  Araber ,  ^'JJ  Janiblichus  in  Emesa,  *''^)  Herodes  in  Jud;ia,''0 
Artavasdes ,  der  Meder, ''"-^  Mithridates  in  Commagene,  *'"^/'  Tar- 
condiniotus  im  oberen  Cillcien,  ''^)  Archelaus  in  Cappadocieii,*'^* 
Lycometles  im  cappadocischen  Pontus,  ^OJ  Philadelphus  in  Paphla- 
gonien ,  ^"^^  Amyntas  in*'  einem  Theile  von  Galatien  und  Lvcao- 
uicn,  ^'S)  Dejotarus  in  Galatien,  ^^^  Polemo  in  Pontus  und  Klein- 
Armcnien ,  ^"1  und  endlich  thracische  Dynasten,  Sadales^')  und 
Rhymetalces.  ''V  Mit  welchen  Gefühlen  diese  Fürsten  s/h  an 
Antonius  anschlössen,  ist  leiclit  zu  erachten;  sie  hassten  Rom, 
und  mussten  überdiess  Rache  fürchten,  wenn  sie  unterlaffen: 
insbesondere  aber  erfüllte  die  Ländersucht  und  der  Stolz  Cleo- 
patras ihre  Herzen  mit  Bitterkeit,  denn  sie  sahen  sich  genö- 
thigt,  ihr  zu  huldigen,  und  ihre  Kinder,  v,elche  als  Geissein 
an   ihrem  Hofe  lebten,   ihr  die  gemeinsten  Dienste  zu  leisten.  ''^) 

Antonius  konnte  nur    auf  sie  rechnen ,     so    lange  er  siegte, 


54)  Plut.  56.  60.  Plin.  10.  ä.  (1.)  55)  Plut.  ."iü.  Dio  50,  7.  16.  18. 
28.  50)  3,  287.  57)  Vaill.  Aiit.  No.  55.  58)  Dio  50,  G.  11.  Bei  Plu- 
Jarch  61.  unrichtig  Bocclius.  50)  Plut.  Gl.  §.  64.  A.  37.  60)  Dio  50, 
13.  51,  2.  54,  9.  Slral.o  IC.  753.  Unten  A.  1.  Gl)  Plut.  61.  71.  72. 
Joseph.  A.  k.  15,  6.  (0).  B.  J.  1  ,  10.  (14).  62)  Plut.  61.  Dio  54,  9. 
§.  66.  A.  19.  63)  Piuf.  Gl.  04)  Dio  50,  14.  51,  2.  7.  54,  0.  Vgl.  Cic. 
ad  Fam.  15.  1.  u.  Julii.  Caes.  Diel.  a.  40.  Bei  Pluf.  Gl.  Tarcoiidcmus. 
65)  Plut.  Gl.  Dio  49,  32.  51,  2.  §.  66.  A.  3.  CG)  Dio  51,  2.  Slrabo  12, 
560.  67)  Plut.  61.  Dio  .50,  13.  68)  Plut.  61.  63.  Dio  50,  13.  51,  2. 
53,  26.  Vellcj.  2,  84.  §.  CG.  A.  1.  69)  Plut.  63.  70)  Plut.  Gl.  §.  66, 
A.  22.  7i;  Bei  Plut.  1.  c.  Adallns.  S.  Dio  41  ,  51.  47,  25.  Lucan.  5,  54» 
72)  PJuf.  Apophlh.  reg.  et  iuiper.  Caes.  Aug.  2.  Morell.  Thes.  Tab.  41, 
No.   5.  f.     73!  Dio   51  ,    16. 


474  V.  ANTONII.         (14.  §.  08.) 

und  den  Sieg  durfte  er  nur  von  den  Legionen  hoffen,  welche 
zahlreich,  voll  Muth  und  ihm  ergeben  waren,  und  die  er  anzu- 
führen verstand."*^  Seine  Flotte  machte  hei  der  Menge  und 
Bauart  der  Scliiftc  einen  grossen  Eindruck.  \  iele  unter  ihnen 
erhüben  sich  an  zehn  Fuss  über  die  Meeresfläche;  sie  hatten 
mehrere  Verdecke,  acht  bis  zehn  Reihen  Ruderbänke,  wenige 
nur  drei  oder  vier,  und  trugen  hohe  Thürme;  ihre  mit  dicken 
Planken  verwahrten  Seiten  schienen  unverwundbar  und  ihre  ge- 
waltigen Scliiffsschnäbel  unwiderstehlich.  ''•')  Aber  es  war  an 
sich  schwer,  diese  schwimmenden  Burgen  zu  bewegen  und  zu 
lenken,  mit  ihnen  dem  Gegner  beizukonimen,  siegend  /.u  ver- 
folgen, und  geschlagen  zu  entfliehen,  und  es  fehlte  überdies!« 
an  Mannschaft;  sie  war  im  Winter  durch  Ausreisser,  durch 
Hunger  und  Krankheiten  beinahe  um  den  dritten  Theil  ver- 
mindert. ''*'  Antonius  bekümmerte  es  nicht;  die  Ruder,  sagte 
er,  sind  gesund,  und  so  lange  Griechenland  Menschen  hat,  wer- 
den wir  auch  Ruderer  haben;  '''')  diese  wurden  freilich  zusam- 
mengerafft, aber  nicht  in  hinreichender  Zahl,  und  die  Zeit  er- 
laubte nicht  mehr  ,  sie  zu  üben. 

Unter  ungünstigeren  Umständen  rüstete  Octavian.  Er  be- 
durfte Geld,  und  Italien  bedrohte  ihn  mit  einem  Aufrühre,  als 
er  es  forderte.  Die  Freien  sollten  den  vierten  Theil  ihres  Ein- 
kommens  ,  die  Freiijelassenen  den  achten  Theil  ihres  Vcrmöirens 
geben,  wenn  es  50,000  Denare  und  mehr  betrug.  Jene  zahlten, 
weil  sie  sich  aus  Furcht  vor  einer  gänzlichen  Zerrüttung  des 
Staats  niclit  mit  den  Freigelassenen  verbinden  mochten,  welche 
sich  zusammen  rotteten,  Feuer  anlegten  und  mordeten.  Es 
gelang  zwar,  sie  zu  entwaffnen,  aber  die  Abgabe  entrichteten 
Ko  wenige,  dass  Octavian  nach  dem  Kriege  nicht  wagte,  die 
Rückstände  einzutreiben.  '^) 

Die  Ijändcr,  über  wclclic  er  gebot,  erstreckten  sich  von 
Scodra  in  Illyrien  "'''')  bis  zu  den  Säulen  des  Hercules,  die  alte 
und  neue  Provinz  Africa  mit  eingeschlossen,  und  er  legte  einen 
besonderen  AVerth  darauf,    dass  er  auch  in  Italien  Truppen  aus- 


71)  Ders.  ."iO,  7.  IMul.  62.  03-  75)  Dio  50,  IS.  19.  23.  Plul.  f,5. 
GG.  Zoi).  10,  20,  Vellej.  2,  81.  Flor.  4  ,  11.  üros.  ü.  19.  7G)  üio  50, 
11.  18.  Zon.  Vellej.  Oro».  11.  cc.  7")  üros.  1.  c.  ;>)  üio  50,  10.  IG. 
20.  51,  3.  53,  2.  Suel.  üctav.  32.  §.  70.  A.  08.     70)  §.  00.  A.  Gl. 


V.  ANTOMI.         (14.  §.  08.)      475 

hüb,  ßononia  ausgenommen,  weil  die  Antonicr  dessen  Patrone 
waren  ;S"J  denn  so  crscliien  er  als  Anfülirer  und  Vcrthcidigcr 
der  Römer  im  Kriege  mit  Barbaren.  ^0  Er  zählte  in  seinem 
Heere  8ü,ÜOü  Mann  zu  Fuss  und  nicht  viel  weniger  Reuter  als 
der  Feind.  ^-^  Die  Flotte  bestand  nach  Plutarch  aus  250  Schif- 
fen; eine  ähnliche  Angabe  findet  sicli  bei  Orosius,  wogegen 
Florus  unrichtig  von  400  spricht.  ^^J  Mit  den  feindlichen  ver- 
glichen waren  sie  unscheinbar,  wenig  verziert  und  nicht  gross, 
aber  desto  schneller  glitten  sie  über  das  Meer ,  zumal  da  man 
sie  hinlänglich  bemannen  konnte,  und  die  Mannschaft  im  Kriege 
mit  Sex.  Pompejus  sich  geübt  und  Vertrauen  zu  sich  selbst  und 
zu  Agrippa  gcAvonnen  hatte ,  dem  Schöpfer  und  Befehlshaber 
der  Flotte.  Nur  in  so  fern,  nur  in  Beziehung  auf  die  Seemacht 
kann  man  mit  Vellejus  behaupten,  dass  schon  entschieden  war, 
ehe  man  schlug,  ^i)  Zum  Sanunelplatze  wurde  Brundusium  nebst 
Tarent  bestimmt.  ^^) 

Nach  jener  Stadt  begab  sich  auch  Octavian ,  und  auf  sein 
Gebot  folgten  die  angesehensten  Senatoren  und  Ritter;  sie  sollten 
die  Welt  überzeugen,  dass  Rom  für  ihn  sei,  und  nicht  Gele- 
genheit finden,  das  Gegentheil  zu  beweisen;  ^^)  doch  nahm  er 
die  Entschuldigung  des  Asinius  Pollio  an,  welcher  als  Freund 
des  Antonius  zurückblieb.  8^) 

Dieser  fühlte  sogleich  alle  Nachtheile  des  Vertheidigungs- 
Krieges.  AVälu'end  er  in  Patra  säumte,  gicng  M.  Agrippa  im 
Anfange  des  Früiijahrs  in  See;  er  erspähte  seine  Stellungen, 
machte  ihn  ungewiss  über  den  Ort,  wo  man  ihn  angreifen 
wollte ,  bemächtigte  sich  der  Verstärkungen  und  Vorräthe ,  wel- 
che aus  Asien  und  Aegypten  kamen ,  verbreitete  Schrecken  in 
den  vereinzelten  AVinterlagcrn ,  und  erschwerte  es,  sie  zusam- 
menzuziehen.    Sogar   Mothone  in  Messenien   wurde  von  ihm  ge- 


80)  Suet.  Oc(.  17.  Dio  59,  C.  widerspricht  dem  nichl ;  er  gab  der 
Stadt  so  viele  neue  Colonisten,  dass  er  sie  nicht  fürcliten  durfte.  81) 
Mon.  Ancyr.  tab,  5.  v,  3  f.  Dio  1.  c.  Plut.  Gl.  Serv.  zu  Virg.  Aen.  8. 
678.  82)  Plut.  Gl.  83)  Plut.  1.  c.  Oros.  C,  19:  230  mit,  und  30  ohne 
Schiffsschnäbel,  triremeSy  velocitate  fiburnicis  pares^  Vgl.  Horat.  Epod. 
1.  Flor.  4,  11.  84)  Dio  50,  29.  31.  32.  Plut.  G2.  «3.  05.  Vellej.  2,  84. 
85.  Flor.  4.  11.  85)  Flut.  C2,  80)  Dio  50,  II.  Zonar.  10,  29.  87) 
\  cllej.  2.   8G.  §.  CO.   A.   .l/.  u,  Asinii. 


47 G  V.   ANTOxMI.      (li.  §.  08.) 

iionuucii,  M'obei  Bogiul  das  Leben  verlor.  '*'*)  In  seiner  Ahwc- 
Kciihcit  brach  auch  Octaviau  von  ßruadusitiiii  auf.  Er  fand 
nicht  einmal  Corc^ra  besetzt,  den  Sclilüssel  von  Griechenland, 
und  fuhr  daher  ohne  Aufenthalt  weiter  nach  dem  so»rcnanntcn 
Küssen  Hafen  bei  dem  Flecken  Torync  in  Epirus.  Als  seine 
Flotte  sich- hier  vereinigt  hatte,  schiffte  er  südlich  hinab  bis 
zum  .inibracischen  Meerbusen,  und  lagerte  in  der  Gegend,  wo 
er  nach  dem  Siege  Nicopolis  gründete,  auf  einer  Höhe,  denn 
er  übersah  die  Insel:  Paxus  und  Antipaxus  und  einen  grossen 
Theil  der  gegenüberliegenden  Küste  von  Actium.  8!»)  Mit  dem 
GÜ  Stadien  entfernten  Hafen  Comarus  im  Norden  setzte  er  sich 
■lurch  Linien  in  Verbindung.  Denn  dort  lief  der  Theil  der 
Schifi'c  ein,  Avelche  in  dem  andern  grösseren,  12  Stadien  vom  La- 
ger ,  nicht  Raum  fanden.  '•''O  Sie  waren  durch  den  Feind  von 
dem  Meerbusen  ausgeschlossen  ,  und  der  Versuch ,  sie  auf  geoel- 
ten  Häuten  über  das  Land  hineinzuziehen,  scheint  misslungen 
zu   sein. 

Der  Scherz  Cleopatras :  was  denn  Sclireckliches  darin  sei, 
dass  Octavian  am  Rührlöffel  sitze  ,  '-^'^  beweis't,  wie  sehr  man 
in  Patrii  überrascht  und  bestürzt  war.  Truppen  und  Schiffe 
wurden  sogleich  nach  Acarnanien  entboten ,  wo  Antonius  auf 
dem  Vorgebirge  Actium,  neben  dem  gleiclinamigen  Tempel  des 
Apollo , '■'-^  die  Abtheilung  seiner  Flotte  fand,  welche  in  dicsei 
Gegend  überwintert  hatte,  und  bald  durch  andere  verstärkt 
wurde.  Sie  big  in  der  Bucht  neben  dem  Tempel  an  der  >Vest- 
küste  von  Acarnanien ,  ausserhalb  des  ambracischen  Meerbusens, 
dessen  schmale  Einfahrt  von  vier  bis  fünf  Stadien  Breite  ^^^  sie 
besetzt  hielt  und  an  den  beiden  Seiten  mit  Thürmen  verwahrt 
hatte.  Auf  der  Landspitze  stellte  sich  das  Heer  auf,  dem  feind- 
lichen in  Epirus  gegenüber.  '•'^J 

Obgleich    .Igrippa    von    seinen    Streifzügen    noch    nicht   zu- 


S8)  Die  1.  c.  u.  (laBcIbst  Ff/Z/iicius ,    welcher  an  ein  Mclhone  in  der 
Nähe    von    Macedünien    denkt.     Zon.  I.  c.    Oros.    0,    10.    Slrabo  8,  35!). 
80)  Dio  50,   12.  u.   51,   1.  l'lut.  Zoii.  Flor.  u.  Oro.x.  U.  ct.   Straljo  7.  321 
1)0)  Dio  u.  Stralio  11.  cc.     91)  'Eni  %>;  ronvi;,.  l'lut.  (i2.     02)  »io   50,   12 
51,    1.    .Slrabo  7,    325.    Vir??.  Aen.  8.  701.     l'lin.  1,  2.  (1.)     03)  Slial'u 
).  c.    Foljb.  4,    03.     Ol)   üio    I.    c.    u.   13.     Kei   Kutroi..  7,    7.  (.1).    Sei« 
zu  Virgil.   I.   c.  u,   A.  «iid    Aclium   iiatli    Kpiius  vernetzt. 


V.  AXTONII.         (M.  §.  CS.)      477 

riickgckchrt  war,  so  schien  es  doch  nicht  rathsani ,  Antonius 
7.\ir  FntwickliMiu;  seiner  Krüftc  Zeit  zu  gönnen;  üctavian  bot 
ihm  die  Schlarht  an,  und  wicdcrliolte  diess  oft,  aber  immer 
i'crgehens;  denn  jener  blich  am  Eingänge  des  Hafens  von  Actium 
und  in  einer  solchen  Stellung,  dass  er  Avcder  Furcht  verrieth, 
noch  die  schwache  IJcniannung  seiner  Schifte  bemerklich  wurde. 
Als  der  grösste  Thcil  seiner  Truppen  angelangt  war,  setzte  er 
über  den  Meerbusen,  dessen  Breite  im  Innern,  in  der  weitesten 
Entfernung  der  Küsten  von  einander  100  Stadien,  wie  die 
Länge  300  betrug,  und  gleiclizeitig  musstc  Rciiterei  ihn  um- 
gehen. Er  wollte  Verstärkungen  aus  Macedonien  und  Thracien 
an  sicli  ziehen,  wo  (J.  Dcllius  und  Amjntas  varbcn  ,  die  Zufuhr 
sichern  und  dem  Feinde  das  Wasser  abschneiden.  Aber  die 
Reuter  wurden  auf  Veranstaltung  des  Statilius  Taurus  ,  Avelcher 
das  Lnndheer  Octavians  befehligte ,  ^^)  von  M.  Titius  ^^.^  über- 
fallen und  geschlagen,  und  Piiiladclphus  '■*^)  benutzte  das  G^türa- 
niel ,  um  überzugehen.  ^^)  Bald  darauf  gerieth  Antonius  selbst 
in  Gefahr;  man  griff"  ihn  aus  einem  Hinterhalte  an,  als  er  auf 
der  Schanze  war,  welche  sein  Lager  auf  der  nördlichen  Küste 
des  Meerbusens  mit  diesem  und  mit  der  Flotte  verband,  und 
mit  Mühe  entkam  er.  '•*•'> 

Diess  Missgeschick,  vorzüglich  aber  der  Unwille  über  die 
Gegenwart  Cleopatras ,  bewirkte ,  dass  wieder  Mehrere  ihn  ver- 
liessen,  und  es  machte  doch  immer  einen  ungünstigen  Eindruck, 
wenn  auch  die  Masse  dadurch  in  ihrer  Treue  nicht  wankend 
wurde.  Dahin  gehört  Doniitius  Ahenobarbus,  welcher  schon 
krank  war  und  bald  nach  seiner  Ankunft  bei  Octavian  starb; 
Antonius  schickte  ihm  sein  Gepäck,  verbreitete  aber,  er  sei  aus 
Sehnsticht  nach  einer  Freundinn  Servilia  Naüs  abgereis't. 'Oü) 
Der  Abfall  eines  solchen  Mannes  hatte  den  Feldherrn  gerichtet, 
dessen  Argwohn  und  Grausamkeit  gegen  Verdächtige  beförderte, 
was  er  verhindern  wollte.  Jamhlichus  *)  wurde  gefoltert  und 
getödtet  und  sein  Land  seinem  Bruder  Alexander  verliehen,  und 
der  Senator  Q.  Postumius  ebenfalls  auf  eine  martervolle  Art 
hingerichtet.  -^     Um  so  weniger  kamen  Q.  Dcllius  und  Amynlas 

96)  rnfen.  00)  §.  G7.  A.  30.  97)  OI)en  A.  G7.  98)  Dio  50,  13. 
7,on.  10,  2!).  OroB.  0,  10.  09)  Flut.  03.  100)  DIeselh.  U,  cc.  Suot. 
Nero  3,  Vellej.  2,  8!.  Väl.  §.  07.  fin.     1)  üben  A.  CO.     2)  Dio  50, 13.  51,2. 


478  V.  ANTONII.        (u.  §.  GS.) 

aus  lAIaccdonien  zurück ;  sie  Avusstcn ,  dass  auch  sie  das  Ver- 
trauen des  Antonius  verloren  hatten,  und  der  Erste,  dass  Cleo- 
patra ihn  wegen  eines  Spottes  über  karge  Bewirthung  hasste 
und  Acrliiumdetc;  daher  gicngen  sie  mit  Rhymetalces  über,  2) 
und  ihnen  folgten  Dejotarus  ^^  und  M.  Silanus.  ^)  Da  in  allen 
diesen  Fällen  der  Lfeberniuth  und  Verrath  der  Köniirinn  als  die 
llauptursach  angegeben  wurde ,  so  entstand  endlich  in  Antonius 
die  Besorgniss,  dass  auch  ihre  Gesinnungen  sich  verändert  ha- 
ben und  sie  ihm  nachstelle;  er  Hess  deshalb  Speisen  und  Ge- 
tränke credenzen;  aber  leicht  überzeugte  sie  ihn,  dass  keine 
Vorsicht  ihn  schütze ,  Avenn  sie  fähig  sei ,  ihm  Gift  zu  reichen, 
und  er  Avar  versöhnt.  ") 

Octavian  beschränkte  sich  indess  auf  Vertheidigung,  da 
Agrippa  noch  abwesend  war.  Dieser  eroberte  die  Insel  Leuca- 
dia,  '•)  und  schlug  an  der  Mündung  des  corinthischen  Meerbu- 
sens Q.  Nasidius,  welcher  Schifte  nach  Actium  führte,  worauf 
auch  Paträ  und  Corinth  sich  an  ihn  ergaben.  ^)  Sieg  und  Beute 
ermuthigten  seine  Krieger  und  sogleich  fand  sich  eine  neue  Ge- 
legenheit, sich  zu  bewähren.  Mit  überlegener  Macht  und  unter 
Begünstigung  des  Nebels  griff"  C.  Sosius  9)  das  Geschwader  des 
L.  Aruntius  an,  und  war  schon  entschieden  im  Vorthcile  ,  als 
Agrippa  hinzukam  und  den  Kampf  erneuerte;  Tarcondimotus 
fiel  '"•>  und  die  Uebrigen  wandten  sich  zur  Tlucht.  J') 

Auch  das  abgesonderte  Lager  des  Antonius  auf  der  Nord- 
küste  des  ambracischen  Busens  bewirkte  nicht,  was  er  davon 
erwartet  hatte;  die  Feinde  wussteu  sich  in  dem  ihrigen  um 
nichts  Aveniger  zu  versorgen ,  und  lieferten  ihm  sogar  abermals 
ein  glückliches  Reutertreft'en ;  er  gab  daher  diese  Stellung  auf, 
und  zog  sich  auf  seine  llauptmaclit  bei  Actium  zurück,  liier 
mahnte  der  Mangel,  eine  Folge  von  Agrippas  Unternelnuungcn 
und  Griechenlands  Erschöpfung,  und  das  Ende  des  Sommers  an 
entscheidende    Maassregeln,     man    moclite    nun  nach  Macedonien 


3)  Dcrg.  50,  13.  23.  Zon.  10,  20.  Plut.  5!>.  u.  C3.  u.  ohen  A.  72. 
Vellcj.  1.  c.  S.  §.  57.  A.  Gl.  1)  Plut.  C3.  5)  Ders.  59.  §.  61.  A.  13. 
C)  Plin.  21.  0.  (3).  7)  Die  50,  13.  30.  Zon.  Vellej.  II.  cc.  Flor.  4,  11. 
8)  Dies.  Liv.  132.  9)  §.  67.  in.  lo)  ühen  A.  G4.  II)  Dio  50,  11. 
heiiclilet  irrig,  Sosius  sei  gelödtet,  i.  unten  §.  69.  A.  21.  Vellej.  u. 
Liv.   11.  cc. 


V.  ANTONII.        (14.  §.  08.)  479 

und  Thracien  gehen ,  um  sich  den  Hiilfsfiuellen  in  Asien  zu 
niihern,  oder  sich  zur  Schlacht  entschlicsseii.  In  einem  Kriegs- 
rathc  stimmte  die  Mehrzahl  für  das  Letzte  und  zwar  für  eine 
Seesclilacht ,  denn  diess  war  der  Wille  der  Königinn.  ^-)  Die 
Aliinner,  welche  den  Muth  besassen,  ihr  zu  ividersprechen,  hat- 
ten sich  grösstentheils  entfernt,  und  Canidius,  jetzt  selbst  über- 
zeugt, dass  sie  nicht  blcihcn  dürfe,  ''-^  äusserte  diess  nur  in 
vertraulicher  Mittheilung  gegen  Antonius,  und  dass  man  zit 
fiande  und  in  einer  anderen,  günstigeren  Gegend  mit  dem  Feinde 
kämpfen  müsse,  welcher  zur  See  der  Stärkere  sei.  Bei  Dio 
lindet  sich  nun  aber  die  unrichtige  Ansicht,  nach  Avelchcr  An- 
tonius nicht  bloss  den  Wunsch  Cleopatras  erfüllte,  sondern  auch 
in  ihr  Gehcimniss  eingeweiht  war,  nur  ein  Scheingefecht  ver- 
anlassen und  während  desselben  mit  ihr  nach  A.egypten  entfliehen 
wollte.  Wie  es  jetzt  stand,  und  durch  ihre  Schuld,  verzweifelte  sie 
andern  Glücke  ihrer  Partei;  sie  suchte  sich  aus  dem  Schift"'jrucl!e 
zu  retten,  und  zwar  so,  dass  sie  zugleich  Octavian  A'erpflichtcte 
und  sich  den  ^Veg  zu  seiner  Gunst  oder  doch  zur  Begnadigung  bahnte. 
Zu  Lande  konnte  sie  nicht  auf  eine  augenfällige  Art  eine  Niederlage 
befördern,  und  nur  nach  einer  langen  Reise  durch  Staaten  und  Pro- 
vinzen, in  welchen  sie  verabscheut  wurde,  den  Nil  erreichen;  da- 
gegen war  zur  See  nichts  zu  fürchten,  seihst  wenn  der  Feind  den 
Zweck  ihrer  Flucht  verkannte,  denn  ins  Gefecht  verwickelt ,  ver- 
mochte er  die  ägyptischen  Schiffe  nicht  mit  Nachdruck  zu  verfol- 
gen. Demnach  maclite  sie  den  unglücklichen,  Avelcher  den  letzten 
Schritt  zur  Selbstvernichtung  thun  sollte,  keineswegs  zu  ihrem 
Vertrauten,  sondern  sie  empfahl  ihm  den  Kampf  nuf  dem  Meere, 
weil  er  bei  der  Vorzüglichkeit  seiner  Flotte  den  Sieg  verheissc, 
weil  er  die  Verdächtigen  unter  den  Grossen  am  Verrathe  liindere, 
da  man  sie  auf  die  Schiffe  führen  und  bewachen  könne,  weil 
endlich  die  Götter  durch  Anzeichen  ihn  gebieten.  '*J  Doch  kaum 
bedurfte  es  dieser  Gründe,  wo  man  ihr  unbedingt  zu  folgen 
gewohnt  war. 

§  09. 
Oft  haben  kühne  Krieger  nach  der  Landung  auf  feindlichem 
Boden  ihre  Flotte ,     oder  vor  der  Schlacht  ihr  verschanztes  La- 

12)  Dio  50,   15.  PInf.   0.1.      LS)  IMuf.  l.  c.     Ol)en  §,    67.  .\.   33.     14) 
Dio  I.  c.  n.  c.  23. 


480  V.  ANTONII.         (14.  §.  09.) 

ger  zerstört,  um  sich  die  Flucht  unmöglich  zu  machen.  Anto- 
nius, welchem  grosse  Küsten- Gebiete  und  Inseln  unterworfen 
waren,  bereitete  sich  dadurch  zum  Seegefechte  vor,  dass  er 
einen  Thcil  seiner  iSchifte,  und  die  ägyptischen  bis  auf  sechszig, 
verbrennen  liess,  >7eil  er  nicht  alle  bemannen  konnte.  liei  dem 
Affblicke  dieser  rianimcn  verwandelte  sich  die  Zuversicht  der 
Truppen,  oft  schon  allein  eine  Bürgscliaft  für  den  Sieg,  in 
bange  Erw.irtung,  und  als  nun  22000  Mann  Befehl  erhielten, 
an  Bord  zu  gehen,  erlaubte  sich  nach  der  Sage  ein  alter,  mit 
Wunden  bedeckter  Centurio,  obgleich  ohne  Erfolg,  seinen  Feld- 
herrn von  solchem  Beginnen  abzumahnen.  Auch  die  Götter 
warnten  ihn,  vielleicht  auf  Veranstaltung  eines  besonnenen 
Freundes;  das  Schiff,  von  welchem  er  die  Seinigen  anreden 
wollte,'^)  wurde  angehalten,  angeblich  von  einem  kleinen  Fi- 
sche, ^"^  welchem  man  diese  Kraft  zusclirieb,  und  er  musste 
ein  anderes  besteigen.  Nur  Cleopatra  freute  sich  der  Gewissheit, 
mit  ihren  Schätzen  zu  entkommen,  und  den  Feind  ermuthigte 
das  Geständniss  der  Schwäche.  '')  Doch  überliess  es  üctavian 
dem  Gegner  nidit  allein,  durch  Verkehrtes  seine  Mannschaft 
günstig  zu  stimmen;  er  begegnete  früh  am  Tage  auf  dem  Wege 
zur  F'lotte  einem  Eseltreiber ,  und  erfuhr  auf  Befragen,  dass 
der  Mann  Eutyc'ius  und  sein  Thier  Nicon  hiess;  beider  Anden- 
ken wurde  durch  Statuen  verewigt.  '§) 

Antonius  riahm  am  Eingange  der  Bucht ,  m  eiche  den  Hafen 
von  Actium  biUete,  eine  gedrängte  Stelhini»;  .  die  ägyptischen 
Schiffe  standen  hinter  ihm,  weil  er  die  Königinn  keiner  Ge- 
fahr aussetzen  wollte.  So  erwartete  er  den  Angriff;  aber  vier 
Tage  hatte  er  nur  mit  Stürmen  in  kämpfen,  am  fünften,  dem 
zweiten  September  31  "'•'-'  erfolgte  die  Schlacht.  Den  rechten 
Flügel     efehligte  er  selbst  mit  L.  Gellius  Publicola,  20;  ,|ei,  Un- 


15)  Die  50,  If.  —  22.  lässl  ilm  viel  liigcieiiules  sage«;  ein  solches 
.SeII)9llol>  und  eine  solche  Heral.sel/.utig  des  Keimles  würde  den  Zwerk 
xerfehll  haben.  Zon.  lH  ,  20.  l(i)  Kdieneii.  IMin.  32,  i.  Vgl.  9,  11. 
(25.)  ü.  .Serv.  zu  Vir«.  Aen.  «.  009.  1"^  l'lul.  fil.  Dio  50,  15.  Zon.  I.  c. 
18)  Suet.  Oct.  9G.  I'lut.  f>5.  Znnar.  10,  30.  unten  A.  11.  F.ine  erdich- 
l.'te  Rede  Oclavians  findet  sich  Lei  Dio  50,  21  —  30.  19)  Diu  51,  1. 
Ziinai-.  10,   30.     20)  Cos.  a.  30.  l'Iut.  05.  00.  Vellej.  2,  85. 


V.  ANTONII.       (14.  §.  69.)  4SI 

kcn  C.  Sosius,  20  und  die  Mitte  HI.  Octavius  und  M.  Instejus. 
Als  Octavian  die  Bewegung  unter  den  Feinden  bemerkte,  Kcliickte 
auch  er  vieles  Fussvolk  auf  die  Scliiffe.  Ohne  einen  festen 
Standpunct  zu  wählen,  umgab  er  sich  mit  kleinen  Falirzeugen, 
welche  sich  überallhin  verbreiten  und  ihm  Bericht  erstatten  soll- 
ten. 22)  Seinen  rechten  Flügel  führte  M.  Luvius,  23J  (jgn  linkea 
Agrippa ,  24)  -vvelchcr  das  Ganze  leitete ,  und  die  Mitte  L.  Artm- 
tius.  -'•')  Auch  M.  \  alerius  Messala ,  Strato  u.  A.  ,  welche  früher 
gegen  ihn  gefochten  hatten,  leisteten  ihm  jetzt  vorzüglich« 
Dienste.  20)  Die  Landheere  waren  Zeugen  des  Kampfes ,  das 
Eine  auf  der  Nordküste  des  Meerbusens  unter  T.  Statilius  Tau- 
rus,  das  Andere  auf  der  südlichen  unter  P.  Canidius  Crassus, 
dem  Legaten  des  Antonius.  ~''^ 

Dieser  schien  in  seiner  Flotte  eine  Festung  auf  das  Meer 
versetzt  zu  haben;  gewaltige  Schiffsschnäbel  starrten  dem  Feinde 
entgegen  und  macliten  sie  unnahbar;  aus  der  Linie  z«  weichen 
und  sich  in  Kiuzelngefechte  einzulassen  war  hart  verpönt,  weil 
dadurch  Lücken  enstaiiden;  jedes  Schiff  sollte  nur  in  Verbindung 
mit  dem  Ganzen  wirken.  Lieber  den  Angriffsplan  konnte  Agrippa 
demnach  niclit  .verlegen  sein ,  er  musste  diese  Masse  auflösen, 
um  ihr  beizukommen,  wohl  aber  über  die  Ausführung;  die 
künstlichsten  Bewegungen  Hessen  nur  Erfolg  hoffen,  wenn  der 
Gegner  Feliler  machte.  Deshalb  hielt  er  sich  eine  Zeitlang  in 
halbmondförmiger  Stellunc:  in  einisrer  Ferne.  Gegen  zwölf  Ühr 
]\Iittags  28)  gieng  Sosius,  des  Zögerns  überdrüssig  und  von  ei- 
nem günstigen  Winde  getrieben,  mit  seinem  linken  Flügel  etwas 
vor:  Octavian,  welcher  sich  gerade  auf  dieser  Seite  befand,  be- 

21)  A'ellej.  1.  c.  u.  80.  Dio  51  ,  2.  Oben  §.  68.  A.  11.  Plut.  1.  c. 
hat:  Coelius.  Ein  Q.  Coeüus  befand  sich  früher  unter  Antonius  Genos- 
sen, aber,  wie  Cicero  ihn  schildert,  wohl  nur  bei  Tafel.  §.  72.  A.  44. 
im  Folgenden  ist  in  dem  Namen  Instejus  die  Lesart  bei  Plularch  zwei- 
felhaft. S.  §.  72.  A.  83.  22)  Dio  50 ,  31.  23)  Vellej.  1.  c.  Aus  den 
Münzen  erhellt,  dass  er  den  Beinamen  Agrippa  hatte;  Ursin.  Fam.  R.  u 
Vaillant  in:  Luril.  Vgl.  Dio  48,  30.  24)  Plut.  wird  hier  durch  die  Ge- 
schichte der  Schlacht  gegen  Vellejus  gerechtfertigt,  welcher  diesen  Flü- 
gel Aruulius  giebt.  25)  Vellej,  2,  85.  80.  Plut.  GG.  Oben  §.  68.  A.  9- 
20)  Plut.  Brut.  52.  53.  App.  4,  611.  Oben  §.  68.  in.  27)  Vellej.  1.  c. 
Plut.  Anf.  05.  G7.  08.  28)  Plut.  054  Oros.  6,  19:  um  eilt  Uhr  oder  die 
fünfte  röm.  Stunde. 

Dtiimann,  Geschichte  Roms  l'  31 


482  V.    ANTONIl,  (11.  §.  09.) 

falil  Luvius,  ihn  nicht  zu  beunruhigen,  damit  er  sich  noch  wei- 
tcr  von  der  Küste  entfernte,  sich  aber  nach  und  nach  zur  Rech- 
ten auszudehnen  ;  dasselbe  geschah  nun  auch  auf  seinem  linken 
Flügel  unter  Agrippa  in  entgegengesetzter  Riclitung,  wodurch 
Sosius  und  Gellius  verleitet  wurden  ,  sich  zur  Verlängerung  der 
Schlachtreihe  ebenfalls  auszubreiten  und  sich  von  der  Mitte  zu 
trennen.  Diess  war  der  Zeitpunct,  welchen  Aruntius  benutzen 
sollte;  er  drang  in  die  Oeftnung  zwischen  den  Flügeln,  die 
feindlichen  schwenkten  gegen  diese  ein,  und  der  Kampf  begann. 
Man  focht  wie  zu  Lande  im  Partherkriege;  denn  die  Schiffe  des 
Octavian  waren  überall  und  nirgends;  immer  vereinigten  sicli 
mehrere  zum  Angrifte  auf  eins;  sie  schleuderten  Steine  und  Spie- 
sse,  zerschnitten  die  Taue  und  brachen  die  Ruder  ab,  ohne  ihre 
schwachen  Schiffsschnäbel  nutzlos  gegen  die  M'ohlverwahrten  Sei- 
ten zu  versuchen;  wenn  die  feindlichen  sie  erreichten,  die  En- 
terhaken oder  die  Wurfgeschosse  der  Katapulten  ,  so  war  ihr 
Schicksal  augenblicklich  entschieden.  29> 

Cleopatra  sah  den  Wall  durchbrochen,  welcher  sie  geschützt 
und  eingeschlossen  hatte;  sie  konnte  nicht  länger  bleiben,  ohne 
in  die  Schlacht  verwickelt  zu  werden,  und  fuhr  plötzlich  an 
der  Spitze  ihrer  sechszig  Schiffe  und  mit  vollen  Segeln  durch 
die  Kämpfenden  hin  auf  die  hohe  See.  3")  Bei  diesem  Anblicke 
vermuthcte  Antonius  anfangs  ein  IVIissverständniss  ,  einen  pani- 
schen Schrecken,  aber  bald  dachte  er  nur  an  die  Gefahr,  Cleo- 
patra zu  verlieren ;  ei  bestieg  mit  Alexas  ^i)  und  Lucilius  ^')  ein 
schnell  fahrendes  Schiff,  und  eilte  ihr  nach,  „lieber  der  Gefähr- 
te einer  fliehenden  Königinn  als  der  für  ihn  streitenden  Kric^ 
ger  zu  sein;  der  Heerführer,  welcher  die  Ausreisser  hatte  be- 
strafen sollen ,  verlies  sein  Heer."  ^'^^  Die  Königinn  konnte 
nicht  umhin,  ihn  an  Bord  zu  nehmen,  wie  sehr  es  auch  ihren 
Plan  durchkreuzte,  dass  er  ihr  Schicksal  wieder  an  das  seinige 
knüpfte)  und  sie  an  den  Fesseln,  welche  sie  zur  glänzendsten 
Höhe  hatten  erheben  sollen,    nun  mit  sich  in  den  Abgrund  hin- 


20)  Dio  50,  32.  33.  Pluf.  CG.  Flor.  4,  11.  30)  Dio  u.  Plut.  II.  cc. 
Zon.  10,  29.  Strabo  17,  797.  Veliej.  2,  85.  Horat.  Epod.  9.  Virg.  Aen. 
8,  705.  u.  das.  Serv.  IMin.  19.  5.  (1.)  Gell.  2,  22.  Flor.  1.  c.  Üros.  0, 
19»  31)  §.  6C.  A.  91.  32)  Plut.  C6.  Scellius ,  8.  c.  GO.  33)  Vell.  I.  c. 
S.  A.  30,  u.  Liv.  133.  Eutrop.  7,  7.  (4.)  (A.  V.)  de  vir.  ill.  79  n.    80. 


V.  ANTONII.         fl4.  §.  (■){).)       483 

ul)  zu  ziehen  drohte.  Voll  Schaam  \ind  Schmerz,  sich  seines 
verderblichen  .Wahnsinns  hewusst  und  doch  nicht  Herr  seiner 
Sinne ,  sass  er  schweigend  und  in  dumpfes  Brüten  versunken 
auf  dem  Vordertheilc  ihres  Schiffs,  als  die  liburnischen  des  Fein- 
des zur  Verfolgung  nahcten,  und  mit  ihnen  Eurycles,  der  La- 
cedämonier ,  dessen  Vater  er  einst  wegen  Seeräubcrei  hatte  ent- 
haupten lassen,  den  aber  doch  mehr  nach  Beute  als  nach  Rache 
verlangte;  denn  sein  Angrift"  richtete  sich  besonders  gegen  ein 
Schiff,  welches  mit  kostbarem  Silbergeschirre  beladen  war  "und 
nebst  einem  anderen  genommen  wurde.  3*^ 

Nur  Wenige  hatten  bemerkt ,  dass  Antonius  sich  entfernte, 
und  als  man  auf  Octavians  Befehl  seinen  Kriegern  zurief,  er 
sei  entflolien,  fernerer  Widerstand  ohne  Z^veck,  hielten  sie  diess 
für  eine  Täuschung;  ■^^)  dann  hofften  sie,  er  werde  zurückkeh- 
ren ;  auch  war  man  bereits  im  wildesten  Handgemenge ,  und 
schlug  sich  nicht  mehr  für  den  Feldherrn  und  für  den  Sieg  al- 
lein, sondern  um  Gefallene,  um  eigene  Schmach  und  eigene 
Wunden  zu  rächen.  Daher  blieb  Agrippa  nichts  übrig ,  als  die 
Flotte  anzuzünden,  welche  er  sich  hatte  erhalten  wollen.  Der 
Mannschaft  fehlte  es  bald  an  Wasser  zum  Löschen;  sie  schöpfte 
aus  dem  Meere  und  nährte  den  Brand ;  mit  ihren  Kleidern ,  mit 
den  Todten  suchte  sie  die  Flammen  zu  ersticken,  und  ein  hef- 
tiger Wind,  die  Fackeln,  die  brennenden  Pfeile  und  Wurfspiesse, 
und  die  Gefässe  mit  Kohlen  und  Pech,  welche  in  ihrer  Mitte 
niederfielen,  vereitelten  ihre  Anstrengungen;  da  warfen  sich  Vie- 
le in  die  W^ellen  und  fanden  ihr  Grab,  weil  man  sie  mit  Stau- 
gen untertauchte ;  Andere  zogen  noch  mit  Haken  den  Feind  an 
sich  heran,  ehe  sie  sich  durchbohrten  und  ihr  Schiff  zu  ihrem 
Scheiterhaufen  machten,  bis  endUch  um  die  vierte  Stunde  Nach- 
mittags alle  Gegenwehr  aufliörte,  und  der  Sieger  selbst  dem 
Feuer  Einhalt  that.  ^ö)  Unter  Leichen  und  Trümmern  kehrte  das 
Staatsschiff  Roms  in  den  Hafen  der  Monarchie  zurück ,  welchen 
es  ohne  den  frevelhaften  Wahn  des  Brutus  und  Cassius  nicht 
würde  verlassen  haben. 

Den  Verlust  der  Ueberwundenen  berechnet  Plutarch  auf 
5000  Mann,  Orosius  dagegen  3^)  auf  12,000    Todte    und   6000 

34)  Plut.  67.  S.  §.  70.  A.  73.     35)  VeU.  2,  85.  Plut.  68.     86)  Plat. 
fi«.  DIo  50,  33  —  35.  Snet.  Oct.  17.     3?)  ß,  19. 

31  * 


484  V.  ANTONII.         (li.  §.  CÜ.) 

Vcrwiuulctc,  ron  welchen  lüUO  starben,  und  wenn  auch  die 
grössere  Zahl  niclit  die  richtige  ist,  so  kommt  sie  doch  der 
Wahrheit  am  nächsten.  Die  Landtriippcn  wurden  aufgefordert, 
Rieh  zu  ergehen ;  sie  legten  aber  erst  nach  sieben  Tagen  die 
Waffen  nieder,  als  sie  Antonius  oder  dessen  Befehle  A'ergebcns 
erwartet,  die  Bundesgenossen  und  die  angesehensten  Römer,  und 
unter  diesen  auch  Canidius,  ihr  Anführer,  sie  verlassen  hat- 
ten. ='") 

Zum  Andenken  an  den  Sieg  gründete  Octavian  in  Epirus 
auf  seinem  Ijagerplatzc  Nicopolis,  und  gab  ihm  Einwohner  aus 
der  umliegenden  («cgend.  ^'J)  Die  Stelle,  wo  sein  Zelt  gestan- 
den hatte,  wurde  mit  Quadersteinen  gepflastert  und  mit  erober- 
ten Schiffsschnäbeln,  mit  einer  Capclle  des  Apollo  *")  und  mit 
den  ehernen  Statuen  des  Eut3'chus  und  Nicon  verziert,  welche 
letzteren  sich  später  in  Byzanz  befanden.*')  Auch  erweiterteer 
den  Tempel  des  actischen  Apollo;''-)  er  weihte  in  ihm  zehn 
feindliclic  Schiffe  von  einer  bis  zehn  Budcrbänken , *"^)  und  ord- 
nete dem  Gotte  zu  Ehren  actischc  Spiele  an,  deren  Feier  sich 
alle  fünf  Jahre  erneuern  sollte.  ''^)  Ihn  selbst  begrüsste  man 
»uni  sechsten  Maie  als  Imperator.*^) 

Seine  nächste  Sorge  war  darauf  gerichtet,  Meutereien  un- 
ter seinen  Tru^ipen  zu  verhüten ,     unter  welche  er  die  Gefange- 


38)  Plut.  1.  c.  u.  71.  Die  51.  1.  Vellej.  1.  c.  §.  70.  A.  81.  39)  DJo 
50,  12.  51,  1.  18.  '/on.  10,  .^0.  Strabo  7,  321,  325.  lUoIem.  3,  11. 
PauHan.  Eliac.  1,  23.  Achiac.  18.  Phocic.  38.  Tacit.  A.  5,  10.  Suef.  Ocl. 
18.  Pliii.  4.  2.  (1.)  Vaill.  Nnm.  Graec.  p.  5.  Moreli.  Thes.  Cae«.  August, 
lall.  40.  No.  15.  f.  und  (ab.  U).  No.  23.  f.  Uebcr  Nicopolis  des  Pompej. 
8.  §.  Gfi.  A.  00.  u.  über  das  ägyptiscbe  unten  §.  71.  A.  35.  40)  Dio  51, 
1,  Plut.  05.  Serv.  zu  Virg.  Georg.  3,  29.  41)  Auf  der  Nordküsfe  war 
Kufyebus  Octavian  begegnet,  daher  setzt  auch  PItit.  I.  c.  die  Statuen  mit 
P.ecbt  nach  Nicopolis.  Suet.  Oct.  OG.  Zon.  1.  c.  üben  A.  18.  42)  Die 
Stellen  in  §.  08.  A.  02.  u.  Suet.  Oct.  18  u.  96.  Eckh.  C.  p.  61.  n.  107. 
S^tets  zeigte  Octav.  eine  grosse  B'.hrfurcht  gegen  Apollo,  daher  das  Miihr- 
chcn,  dass  -'V  dessen  Sohn  sei.  Suet.  Oct.  04.  Dio  45.  1.  S.  Sebast.  Eri. 
cius  in  Moreli.  Thesaur.  bei  Caes.  Aug.  tab.  14.  No.  30.  Er  liess  auch 
später  die  ihm  criichteten  siL-eriicn  Slntucn  eidschmelzen ,  und  weilite 
dafür  Aimllo  PtilBlinus  IVrciftissc  von  (.'olde.  Mon.  Ancyr.  (ab.  4.  v.  51. 
Suet.  Oct.  52,  Dio  .'VI,  Tl.  4.^)  Dio  fil,  1.  Strabo  7.  325.  44)  Dio  51, 
».   l«,  Strabo  J    '•,  .S»"».  üctuv.  1«,     40)  Oios.  0,  19.  Kclh.  6,  p.  79   ii,  142. 


V.  ANTONII.       (14.  §.  G9.)  485 

ncn  vcrthelltc.  *<*'  Zu  dem  Eiule  trennte  er  sie;  denn  frühere 
Erfuliriingen  hatten  ihn  gelehrt,  dass  sie  in  grosser  Anzalil  und 
bei  unbefriedigten  Forderungen  leicht  in  Giilirung  gerietlien. 
Die  Ucutc  war  ihm  durch  das  Feuer  und  durch  Cleopatras  Flucht 
grösstenthells  entzogen;  er  konnte  die  versprochenen  Belohnun- 
gen nicht  zahlen  und  nur  eine  Anpreisung  auf  Aegypten  gehen; 
deshalb  schickte  er  die  Veteranen  aus  Italien  in  ihr  Vaterland 
zurück,  und  die  übrigen  in  verschiedene  Provinzen.*^)  Auch 
reis'te  Agrippa  mit  unbeschrankter  Vollmacht  nach  Rom,  um 
Mäcenas  zu  unterstützen,  welchem  in  diesen  Bürgerkriegen  die 
innere  Verwaltung  wiederholt  anvertraut  wurde.  *^)  Octavian 
verfügte  indess  auf  dem  AVcge  durch  Griechenland  nach  der  Kü- 
ste von  Vorderasien  über  die  Anc:elen;enheiten  des  östlichen  Reiclis 
und  über  die  Bundesgenossen.  Diese  verloren  bis  auf  Amjntas, 
Archelaus,  Dejotarus  und  Andere,  welche  vom  Feinde  abgefallen 
waren, *^)  die  ihnen  von  Antonius  überwiesenen  Gebiete,  Einige 
auch ,  was  sie  schon  früher  besessen  hatten.  ^'^)  Dadurch  ver- 
Bchaftte  er  sich  die  Mittel,  Verräther  zu  belohnen,  während  er 
ihnen  seinen  Abscheu  bezeugte.  ^0  Cydonia  und  Lappa ,  cre- 
tcnsische  Städte,  erklärte  er  Avegen  ihrer  Auflehnung  gegen  An- 
tonius für  frei.  *2) 

Obgleich  Vellejus  ^3)  g^'^Q  Älilde  auf  Kosten  des  Besiegten 
erhebt,  so  war  doch  das  Scliicksal  der  römischen  Grossen  sehr 
verschieden.  Den  beiden  AfiuiUius  Florus  wurde  gestattet,  zu 
looscn;  der  Vater  mochte  das  Leben  seines  Solnis  nicht  davon 
abhängig  machen,  er  starb,  und  dieser  tödtete  sich  selbst.  ^*-> 
Auch  C.  Scribonius  Curio,  dessen  Vater  a.  49  als  Anhänger 
Cäsars  in  Afrika  gefallen  war,  wurde  hingerichtet.*'-*)     M.  Scau- 


4G)  Dio  51,  3.  47)  Dio  1.  c.  Suet.  Ocf.  17.  Unteu  §.  70.  iö.  48) 
Die  I.  c.  Vgl.  49,  IG.  Tacit.  A.  ü,  11.  Vellej.  2,  88.  Mäcenas  war  dem- 
nach nicht  bei  Actium  ,  ilie  liburnischeu  Schiffe  befehligte  er  hier  nicht, 
mochte  man  auch  eine  Zeitlang  glauben,  er  werde  Octavian  lullen.  Ho- 
rat.  Epod.  1.  49)  §.  CS.  in.  u.  A.  3.  4.  das.  .'JO)  Dio  51,  2.  51)  Plut- 
Apophth.  reg.  et  irop.  Caes.  Aug.  2.  52)  Dio  1.  c.  nennt  die  luliiie  Stadt 
Lampe;  s.  die  daselbst  von  p'abricius  angef.  Münzen,  und  Morell.  Then. 
Caes.  Aiig.  Tab.  4G.  No.  20.  Gruter.  Inscript.  p.  1091.  No.  9.  u.  d.  Mun- 
xen  V.  Cydonia  Morell.  Tab.  4C.  No.  6.  7.  53)  2,  86.  51)  Dio  1.  t. 
Kaet.  Oct.  13.  Bereits  259.  v.  Chr.  war  e^i  AquiU.  Flcrus  ConsnL  Fttäl^ 
sie.  Zronar.  8,  11.  Oroä.  4,  7.     55)  Dio  1.  c. 


4S6  ^'     ANTUNll.         (14.  §    70.) 

rus  verdankte  seine  Erhaltung  der  Rücksicht  auf  seine  Mutter 
Muciä,  welche  nach  der  Scheidung  von  Pompejus  Magnus  sich 
mit  seinem  Vater  vermählt  hatte, ^6)  und  C.  Sosius,  als  man 
ihn  an  seinem  Zufluchtsorte  entdeckte,  der  Fürsprache  des  L. 
Aruntius.  ^''^  Fürsten  und  Völker  büssten  für  die  meistens  er- 
zwungene Unterstützung  des  Antonius  mit  Gelde  ,  wogegen  ein- 
zelne Gnadenbezeugungen  an  den  Befreier  erinnern  sollten,  da- 
her sie  besonders  solchen  zu  Thcil  wurden,  welche  von  jenem 
bedrückt  waren.  So  befahl  Octavian,  aus  den  erbeuteten  Ma- 
gazinen und  aus  den  eigenen  die  durch  Lieferungen  und  andere 
Kriegslasten  verarmten  griechischen  Städte  zu  versorgen;  ^8)  Jen 
Lacedämoniern  gab  er  Thuria  in  Messenien ;  59)  nach  Patrü  schick- 
te er  Einwohner  aus  der  Umgegend  und  römische  Colonisten, 
um  es  als  Handelsplatz  zu  heben,  ^o;  und  Lappa  wurde  auf  sei- 
ne Veranstaltung  wieder  aufgebaut,  öi)  Auch  erhielten  die  Grie- 
chen nach  der  Eroberung  Alexandriens  die  Kunstschätze  durch 
ihn  zurück,   welche  Antonius  geraubt  hatte.  6-) 

In  Athen,  wo  er  zu  Wasser  eintraf,  und  sich  in  die  eleu- 
sinischen  Mysterien  einweihen  Hess ,  ^3)  überzeugte  er  sich,  dass 
sein  Gegner  nicht  mehr  in  Griechenland  sei.  Ueber  seinen  Auf- 
enthaltsort erfuhr  er  auch  an  der  Küste  von  Asien  nichts  Ge- 
wisses, worauf  er  in  Samos  die  Winterquartiere  bezog.  •'*> 


§  70. 

a.  30.  Hier  übernahm  er  im  Anfange  des  nächsten  Jahres 
sein  viertes  Consulat.  ^^)  Die  Insel,  noch  vor  kurzem  Zeuge 
einer  asiatischen  Schwelgerei ,  C^O  war  so  gelegen ,  dass  er  An- 
tonius leicht  beobachten  konnte.     Dennoch  reis'te  er  in  der  Mit- 


56)  Ders,  1.  c,  u.  50,  38.  S.  Aemilii  Scauri  No.  5.  u.  Pompeii.  57) 
Die  11.  cc.  Veliej.  2,  80.  §.  68.  A.  9.  u.  hier  A.  25.  Auf  ähnliche  Art 
wurde  Barbula  begnadigt,  vielleicht  aus  dem  Geichlechte  der  Aeniilier, 
in  welchem  sich  der  Name  findet.  App-  4,  618.  58)  Plut,  68.  59)  Pau- 
■an.  Mesien.  31.  00)  Ders.  Achaic.  18.  Gl)  Dio  51,  2.  02)  Unten  §. 
71.  A.  33.  C3)  Plut.  68.  Dio  51,  4.  Suet.  Oct.  93.  64)  Dio  J.  c.  App. 
4,  013.  Suet.  17.  Flor.  4,  11.  §.2.  Vgl.  Strabo  14,  637.  65)  Dio  1.  c. 
Mon.  Aiicyr.  tab.  3.  l.  22.  in  Chi»U.  Aul.  Asiat,  p.  174-  Oroi.  6,  19. 
00)   §.  07. 


^  V.    ANTOMi.         (14.  §.  7ü.)     4^^? 

tc  des  Winters  nach  It.iiien ,  weil  Agrip[>a  ilim  schrieb ,  dass 
die  Veteranen  sicli  empört  hahen ,  Geld  und  Abschied  verlang- 
ten ,  und  dass  auch  die  Gährung  unter  den  Freigelassenen  fort- 
dauerte. Nach  einer  gefahrvollen  Fahrt  erreichte  er  Brundu- 
sium,  wo  der  Senat,  die  Ritter  und  ein  Tlieil  des  römischen 
Volkes  ihm  ihre  Ergebenheit  bezeugten.  Er  wusstö,  dass  ihr 
Beispiel  keinen  Eindruck  machen  werde,  aber  er  bedurfte  ihr 
Geld.  Mit  diesem  befriedigte  er  seine  Krieger;  die  Aeltesten, 
welche  schon  bei  Mutina  gefochten  hatten,  erhielten  überdiess 
Ländereien ,  deren  Besitzer  er  entweder  als  Anhänger  des 
Antonius  vertrieb  und  in  Städte  jenseits  des  ionischen  Meers 
schickte,  oder  zu  entschädigen  versprach.  Zu  dem  Ende 
boten  er ,  Agrippa  und  andere  Freunde  ihre  Güter  feil, 
aber  niemand  kaufte,  und  erst  mit  der  Beute  Aegyptens  wurde 
die  Schuld  getilgt.  ^'')  Den  Freigelassenen  gestattete  er,  nicht 
zu  zahlen, *'ä)  und  den  Begnadigten,  in  Italien  zu  wohnen.'''') 
Nur  sieben  und  zwanzig  Tage'^^)  blieb  er  in  Brundusium,  danji 
gieng  er  "nach  Corinth  über  dessen  Isthmus  die  Schifte  ihm  uach- 
geführt  wurden,  und  über  Rhodus,  wo  llerodes  sich  an  sein 
Gefolge  anschloss  und  den'  ihm  schon  geleisteten  Dienste  "^'^ 
durch  Geld  noch  mehr  Gewicht  gab ,  nach  Syrien.  "^-^  In  Ae- 
gypten  erfuhr  man  zu  gleicher  Zeit,  dass  er  die  Reise  nacli  dem 
Westen  unternommen  und  beendigt  habe. 

Antonius  verfiel  nach  dem  Gefechte  im  ionischen  Meere  ^^) 
wieder  in  seine  vorige  Erstarrung.  Mannichfaltige  aber  nur 
schreckliche  Gestalten  traten  vor  seine  Seele,  vor  allen  sein 
eigenes  Bild,  wie  er  entfloh,  ohne  geschlagen  zu  sein,  Heer 
und  Flotte  dahin  gab ,  um  einer  Fürstinn  zu  folgen ,  welche 
ihn  verliess,  zu  welcher  er  nach  seinem  plötzlichen,  und  unge- 
heueren Sturze  den  Blick  nicht  erheben  mochte,  selbst  unge- 
wiss, ob  aus  Schaam  oder  aus  Groll.     Doch  sein  Verhältnirs  zu 


C7)  Die  I.  c.  Plut.  73.  Zon.  10,  30.  Mon.  Ancyr.  1.  c.  Tacit.  A.  1, 
42.  Suet.  17.  Plin,  18.  29.  (11.)  Oros.  1.  c.  C8)  Dio  51,  3.  verwechseil 
ihre  ausserordentliche  Steuer  mit  der,  welche  von  den  Freien  gefordert 
war.  S.  50,  10.  u.  hier  §.  68.  A.  78.  09)  Dio  51,  5.  70)  Suet.  1.  c. 
Dio  hat  die  runde  Zahl  dreissig.  71)  72)  Dio  Flui.  Suet.  11.  cc.  Veliej. 
2,  87.  Oros.  6,  19.  Joseph.  A.  J.  15,  6.  (10.)  §.  G  u.  7.  B.  J.  1,  20  (15). 
T3)  §.  C9.  A.  34. 


k 


488  V.  ANTüNII.      (11.  §    7ü.j^ 

ihr  überwog  alles;  nur  drei  Tage  konnte  er  es  ertragen,  Ilir 
so  nahe  und  doch  von  ihr  getrennt  zu  sein,  und  ihre  Frauen 
Iras  und  Charmlon  stifteten  nach  der  Landung  auf  dein  laconi- 
scheu  V^orjrebirse  Tänarum  die  Versöhnung. '''*-'  Jetzt  übcrbrach- 
ten  Flüchtlinge  die  Nachricht,  dass  die  JSclilacht  verloren,  das 
Heer  aber  *noch  immer  bereit  sei,  den  Feind  zu  enipfangcn,  und 
Antonius,  welchem  das  Schicksal  Tage  vergönnt  hat,  am  Rande 
des  Abgrundes  nachzudenken  und  sich  zu  ermannen ,  eilt  nicht 
augenblicklich  zu  seinen  Legionen  zurück,  er  befiehlt  Canidius, 
sie  nach  Asien  zu  führen,  ihm  ist  nur  wolil,  wo  Cleopatra  ist. 
Cleopatra  wollte  sich  dagegen  ihres  lastigen  Begleiters  entledi- 
gen; sie  entliess  seine  Freunde  unter  dem  Scheine  der  Fürsorge 
und  reichlich  beschenkt,  und  fuhr  mit  ihm  bis  Parätouium  ia 
Marmarica ,  an  der  westlichen  Grunze  ihres  Staates,  wo  sie  sich 
trennten.  '''^)  Denn  Antonius  erwartete  L.  Pinarius  Carpus,  ''^) 
welcher  schon  früher,  unter  anderem  bei  Philippi,  für  ihn  ge- 
fochten hatte,  ^^)  und  jetzt  mit  einigen  Legionen  in  dieser  Ge- 
gend stand,  aber  bereits  von  den  Ereignissen  bei  Actium  un- 
terrichtet und  zum  Abfalle  entschlossen  war;  er  erschlug  die 
Boten  seines  Feldherrn  und  übergab  die  Truppen  Cornelius  Gal- 
lus ,  dem  nachmaligen  Statthalter  von  Aegypten ,  als  er  aus  den 
Provinzen  Afrika  gegen  ihn  heranzog.  Antonius  wollte  sich 
tödten;  die  Freunde ,  mit  welchen  er  in  der  Einsamkeit  lebte, 
Lucilius  "^^J  und  der  Ilhetor  Aristocrates ,  verhinderten  es  und 
führten  ihn  nach  Alexandrlen,  wo  er  bald  die  Nachricht  ei-biclt, 
dass  Parätonium  vom  Feinde  besetzt  sei. 

Dieselbe  Treulosigkeit  zeigte  sich  in  Asien.  Alexas  aus 
Laodicea  gicng  zu  Herodes,  ihn  in  seinen  guten  Gesinnungen 
zu  bestärken,  und  wurde  selbst  zum  Verrilther;  da  er  an  Ücta- 
via  gefrevelt  hatte,  so  Hess  ihr  Bruder  ihn  hinrichten.  ''9)  Zu- 
nächst blieb  er  bei  Herodes,  welcher  unter  allen  Asiaten  Anto- 
nius   am    meisten    verdankte ,      und  jetzt   mit  Q.   DiJius,  dessen 


74)  Plut.  67.  Dio  51.  5.  75)  Plul.  G9.  Dio  I.  c.  Zoii.  10,  30.  Flor. 
4,  11.  üro8.  6,  19.  7f>)  Seinen  Vornamen  Lucitis  gehen  die  Münzen. 
Vaill.  Ant.  No.  48.  u.  l'inarii.  Eckb.  5.  p.  272.  6.  p.  48.  51.  57.  Nach 
Oro«.  C,  in«  haUc  er  vier  Legionen.  S.  übrigens  Dio  51,  5.  u.  9.  Plut. 
«9.  Zun.  I.  c.  77)  App.  4,  051.  1><)  §.  ü9.  A.  32.  T9)  Plat.  72.  J.  00- 
A    9i. 


Y.  ANTONII.       (11.  §.  70.)      489 

Stattliniter  in  Syrien,  am  gcscliiiftigsten  war,  ilim  zu  schaden. 
Sic  widersetzten  sich  seinen  Gladiatoren,  als  diese  von  Cjzicus, 
dem  Orte,  avo  man  sie  geiiht  hatte,  zu  seinem  Beistande  nacli  dem 
Nil  aufbrachen,  und  überlieferten  sie  Octavian,  auf  dessen  Be- 
fehl sie  getrennt  und  getödtet  wurden ,  während  Herodes  nun 
in  Rhüdus  eine  günstige  Aufnahme  bei  ihm  fand.  ^*^)  Ueberall 
erkennt  man,  dass  die  Truppen  besser  waren,  als  ihre  Anfü»^- 
rer,  und  Antonius  nur  hätte  in  Person  vor  ihnen  crsclieinea 
dürfen,  um  ihrer  gcAviss  zu  sein;  ungern  traten  sie  in  die  Rei- 
hen der  Sieger,  wie  das  Heer  von  Actium ,  dessen  Schicksal 
Canidius  selbst  in  Alexandrien  verkündigte,  s') 

Dahin  war  Cleopatra  über  Parätonium  mit  bekränzten  Schif- 
fen zurückgekehrt,  weil  ihre  Feinde  unter  den  Grossen  fallen 
sollten,  ehe  sich  die  Nachricht  von  der  Niederlage  verbreitete. 
Durch  Hinrichtungen  befestigte  die  Verhasste  einen  wankenden 
Thron,  und  mit  eingezogenen  Gütern,  mit  Weiligcschen!:cn  und 
ausserordentlichen  Steuern  füllte  sie  den  Schatz.  ^^^  Sie  rech- 
nete auf  die  bewährten  Mittel,  Mord,  Buhlerei  und  Geld;  doch 
war  der  Erfolg  ungewiss,  daher  daclite  sie  zugleich  auf  einen 
Zufluchtsort.  Artavasdes,  der  Armenier,  wurde  auf  ihren  Be- 
fehl enthauptet  und  sein  Kopf  dem  Könige  von  Medien  über- 
schickt, angeblich  Antonius  dessen  Hülfe,  in  der  That  aber  der 
Königiun  ein  Asyl  zu  sichern.  ^•^)  Denselben  Zweck  hatten  ihre 
Rüstungen  im  arabischen  Busen,  wohin  sie  über  die  Landenge 
Schilfe  aus  dem  Mittelmeere  versetzte;  sie  sollten  sie  mit  ihren 
Schätzen  aufnehmen,  Avurden  aber  auf  Anstiften  des  Q.  Didius 
von  den  Arabern  verbrannt.  ^^)  Auch  von  Spanien  Avar  die  Re- 
de, wo  man  einen  Aufstand  erregen  Avollte. 

Antonius  nahm  an  dem  Allen  AAcnig  Theil;  vom  Schmerze 
überwältigt  beschloss  er  nach  dem  Beispiele  des  Atheniensers  Ti- 
mon  seine  noch  übrigen  Tage  in  völliger  Abgeschiedenheit  zu 
verleben,  und  die  Dinge  zu  erwarten.  Er  erbaute  sich  am  gro- 
ssen Hafen,  nicht  Aveit  vom  Tempel  des  Poseidon,  am  Ende  ei- 
nes ins  AVasser  A'ortretenden  Damms  eine  Wohnung,     av eiche  er 


80)  Plut.  71.  72.  Dio  51,  7.  Joseph,  oben  A.  72.  81)  Plut.  71.  §, 
CO.  A.  38.  n.  §.  71.  A.  21.  82)  DIo  51,  5.  u.  17.  Pün.  19.  5.  (1).  Zon. 
10,  30.  83)  Dio  I.  c.  Tacit.  A.  2,  3.  Slrabo  11,  533.  S.  §.  06.  A.  4- 
84)  Dio  *1,  6.  7.  PIu(.  69.  Zoiiar.  u.  üros.  11.  cc. 


490  ^'     ANTOXII.         04.  §.  70.) 

Tinioninm  ntinntc.  8*')  In  einer  solchen  Ergebung ,  in  den  Kla- 
gen über  allgemeinen  Undank  und  \erratb,  lag  ein  harter  Vor- 
vnrf  auch  für  Cleopatra;  sich  selbst  überlassen  ninsste  er  in 
ihr  noch  deutlicher  die  Ursach  seines  Unglücks  erkennen  und 
dann  vermochte  nichts  sie  vor  einer  schrecklichen  Rache  zu 
schützen.  Sie  konnte  ihn  vergiften ,  für  diese  That  verlangte 
Str.  aber  den  höchsten  Lohn,  welchen  noch  kein  Vertrag  ihr  ver- 
lȟro-te;  auch  wusste  sie,  dass  ihm  auf  eine  andere  Art  beizukom- 
incn  ,  dass  sein  jetziges  Leben  seinem  Character  und  seinen  Ge- 
wohnheiten gänzlich  entgegen  war,  und  er  gern  unter  einem 
schicklichen  Vorwaude  ihm  entsagen  werde.  Demnach  trug  sie 
darauf  an,  Cäsarion  und  Antyllus '^"•J  die  männliche  Toga  zu 
geben ,  damit  es  in  möglichen  Fällen  dem  Lande  nicht  an  Re- 
genten, dem  Heere  nicht  an  Führern  fehle:  diess  veranlasste 
Festseiaffe,  welche  ihren  nächsten  Zweck  vollkommen  erreiclt- 
ten ,  wenn  auch  ein  anderer  verfehlt ,  und  das  \  erderben  der 
Gefeierten  dadurcli  befördert  wurde.  ^'0  Mehr  als  je  war  die 
Königinn  auf  Abwechselung  in  den  Vergnügungen  bedacht,  und 
sie  benutzte  nun  auch  die  Verzweiflung,  um  die  Lust  zu  Avür- 
zen;  die  Gesellschaft  der  Unnachahmlichen,  welche  in  den  Ta- 
gen des  Glücks  an  ihrem  Hofe  errichtet  und  so  genannt  war, 
weil  es  ihr  an  Pracht  und  Schwelgerei  niemand  gleich  thun 
konnte,  wurde  durch  die  Gesellschaft  der  Todesgefuhrteu  ersetzt; 
sie  gelobten  sich,  gemeinschaftlich  zu  sterben,  und  bis  dahin 
nach  der  Reihe  einander  zum  fröhlichen  ALnhle  zu  laden.  Nun 
zweifelte  Antonius  nicht,  dass  die  geliebte  Fürstinn  ihn  nicht 
überleben  und  er  auch  noch  im  Tode  mit  ihr  vereinigt  sein  wer- 
de, und  zugleich  wurde  üctavian  geschreckt,  welcher  ihr  ein 
anderes  Loos  bestimmt  hatte.  Sie  wollte  eben,  dass  er  von  ih- 
rem Treiben  Kenntniss  erhielt  und  sich  überzeugte ,  er  müsse 
ihr  Zugeständnisse  machen  oder  ihrer  Person  und  der  kostbar- 
sten Beute  entsagen,  und  unter  keiner  Bedingung  werde  er  sie 
als  Gefangene  in  Rom  sehen.  Diess  bewies  sie  auch  dadurch, 
dass  sie  an  Verbrechern  die  Wirkungen  der  verschiedenen  Gifte 
beobachtete ,  um  zu  erfahren ,  welches  die  wenigsten  Schmerzen 
verursache.  ^*) 


85)  Plut.  ß9,   -.0.    Straho    17,    794.       8G)  §.  6C.  .\.  .i.  §•  67.  A.  3.". 
«7)  riut.71.Dio51,G.  §.  71.  A.  19u.'20.   «X)  riul.  I.  r.  I>in  .".l .  11.  /,i.m.1(i..1I 


l 


V.  ANTONII.         (14.  §.  70.)        49 1 

Vorerst    wandte    sie  sich  an  Octavian.     Sie    Hess    Antonius 
einen  Vergleich  hoft'en,  wenn  man  sich  erbiete,  im  Privatstande 
zu  leben,  und  Aegypten  nur  für  ihre  Kinder  fordere,  deren  Er- 
zieher Euphronius  mit  diesem  Antrage  nach  Syrien  reis'te.    An- 
tonius wusste  nicht,    dass  er    den  Freunden    seines  Gegners  Ge- 
schenke, und  ihm  selbst  die  Königs- Insignien  überbrachte.     Der 
Zweck  dieser  Huldigung' wurde  erkannt;  in  einem  offenen  Schrei- 
ben erhielt  Cleopatra  die  Weisung,    vor  Allem    die    Waffen  und 
die  Regierung  niederzulegen,  und  durch  ihren  Vertrauten  wurde 
ihr  diese  als    Preis  für  die  Ermordung  oder  Vertreibung  des  An- 
tonius   zugesichert,     welcher    ohne    Antwort    blieb.  ^'•'^     Dasselbe 
begegnete    ihm ,     als    eine    zweite    Gesandtschaft    im    Namen    der 
Königinn  für  die  Erfüllung  ihrer  Wünsche  grosse  Summen  ver- 
sprach und    er   einen    Mörder  Cäsars,     den  Senator  P.  TuruUius 
auslieferte,    mit    der    Erklärung,    er    werde  gern  selbst  sterben, 
wenn  er  Cleopatra  dadurch  den  Thron    erhalten    könne.     Dieser 
wiederholte    man,     Wtis    ihr    schon   gesagt   war,     und     TuruUius 
wurde  hingerichtet.  ^^J     Endlich  sollte  Antyllus  selbst  für  seinen 
Vater  bitten ,  und  das  Geld ,    welches    er    mit    sich  nahm ,     ihm 
Gehör  verschaffen ;  aber  er  war  nicht  glücklicher  als  seine  Vorgän- 
ger,    und    die    unbestimmten,    durch  nichts  beurkundeten  Zusa- 
gen ,  mit  welchen  die  Königinn    abgefunden    wurde ,    nährten  in 
ihr  den  Verdacht,    dass  sie  das  Schicksal    ihrer  Schwester  Arsi- 
noe    erwarte,     welche    a.    46    bei    Cäsars    Triumphe  erschien.  ^') 
Darinn  irrte  sie  nicht,  ^2)    ^{q  ■^raJ.  ajjgj.  entschlossen,  lieber  je- 
des Andere    zu    erdulden ,     an    sich ,    und    weil  die  Schmach  für 
sie   am    grossesten    gewesen    wäre;     sie    vernahm    im    Geiste  das 
Hohngelächter    der   Fürsten,     welche    sie    beraubt    oder  zu  ihren 
Dienern  herabgewürdigt,  und  die  Verwünschungen  Roms,  dessen 
Capitol  sie  zu  ihrem  Herrscher- Sitze    erkoren  hatte;    durch  ein 
solches  Schauspiel  sollte  Octavian  den  Bürgerkrieg  nicht  ins  Ver- 
gessen bringen. 

Doch  war  zum  Aeussersten  noch  nicht  die  Zeit;  vielleicht 
gelang  es  noch,  dem  Zweideutigen  einen  Vertrag  zu  entlocken, 
wenn  sie  es  ihm  näher  legte,    dass  auch  sie  gewähren  und  ver- 

89)  Plut.  72.  73.  Die  51,  G.  90)  Dio  51,  8.  Val.  Max.  1,  1.  §.  19, 
Laclan«.  Inst.  2,  7.  §.  17.  Ttriten  §.  71.  A.  22.  91)  Dio  43,  19.  S.  Ju- 
lii.     92)  Dio  51,  11.  U.  Plut.  78.  Suel.  17. 


492  V.  ANTONIE.  (14.  §.  7o.) 

weigern  kflnnc,  und  »las  llöcliste,  sich  Und  ihr  Geld.  Dicss 
brachte  sie  mit  iliren  Kostbarkeiten  in  ein  Grabgewölbe ,  ^-^^^  wo 
sie  sich  einzuschlicsscn  und  sich  und  ibre  Habe  durch  Feuer  zu 
vernichten  drolite.  Um  so  mehr  verstellte  sich  Octavian;  er 
gab  ihr  durch  Thyrsus ,  einen  schlauen  und  gewandten  Freige- 
lassenen ,  unter  vielen  Schmeicheleien  zu  erkennen,  dass  es  nur 
bei  ibr  stehe,  ein  Verhältniss  zwischen  ihnen  zu  begründen  und 
dass  Antonius  das  Haupthindcrniss  dabei  sei.  Dieser  bemerkte 
den  Mann  und  rächte  sich  durch  Geisseihiebe,  worauf  er  ihn 
mit  einem  Schreiben  zurückschickte,  welches  seinen  eigenen 
Freigelassenen  Hipparchus,  einen  Ueberläufer,  eben  so  zu  be- 
handeln erlaubte.  '■>*)  Mit  Cleopatra  versöhnte  ihn  eine  glänzen- 
de Feier  seines  Geburtstages,  wobei  seine  Freunde  verschwende- 
risch von  ihr  besclienkt  wurden,  damit  sie  schwiegen.  ^^)  Aber 
leicht  hätte  er  selbst  ihre  Ränke  durchschauen  können.  Er  gieng 
nach  Parätonium  zu  den  Legionen,  deren  sich  Cornelius  Gallus 
bemächtigt  hatte ,  äöj  und  dieser  bewirkte  durch  eine  kriegeri- 
sche Musik,  dass  man  seine  AVorte  auf  den  Mauern  nicht  ver- 
nahm; seine  Schiffe  wurden  im  Hafen  zerstört,  wo  man  ihnen 
durch  plötzlich  angezogene  Ketten  die  Flucht  unmöglich  mach- 
te, ^^)  und  während  er  hier  eine  Schutzwehr  Aegyptens  zu  ret- 
ten versuchte,  nahm  der  Feind  die  östliche,  Pclusium.  Selcu- 
cus  räumte  es  nach  einem  Scheingefechte  ,  welches  ihn  und  sei- 
ne Köuiginn  rechtfertigen  sollte.  Schon  die  Zeit  der  Ucberga- 
be  bewies  den  Verrath.  Höchst  entrüstet  kehrte  Antonius  zu- 
rück; er  fand  Cleopatra  mit  Maassregeln    zur  Vertheidiguug  bc- 


93)  Hlvfifia,  fivfifiilov,  r^olov ,  Tfiqco?,  mausoleum  ^  monnmcnlum  ge- 
nannt. Dless  war  nicht  die  königliche  Gruft,  oi\Hn,  Strabo  17,  704. 
Denn  Cleopatra  erhaute  es,  obgleich  ebenfalls  in  der  Burg,  neben  dem 
Tempel  der  Isis;  es  war  noch  nicht  einmal  vollendet.  Auch  darf  man  es  sich 
nk'ht  bloss  als  eine  Catacombe  denken,  sondern  es  halte  einen  l'eberbau, 
worin  der  Schatz  und  die  übrigen  Sachen  von  Werth  nebit  Brennstoffen 
niedergelegt  wurden,  und  in  welchen  man  nur  aus  der  Gruft  gelangen 
konnte.  Diese  halle  Falllhüren,  {x(t.titi)na/.iaL  l'Iul.  70.)  welche  die  Kö- 
uiginn mit  Uie::eln  nnd  Schlössern  fest  verwahren  Hess;  daher  wurde  Anto- 
nius zu  ihr  hinaufgewunden,  und  Proculejus  erstieg  das  Gebäude  auf  «i- 
■  er  Leiter..  Diu  51,  8.  10.  11.  l'lut.  74.  7G.  Zon.  10,  30.  Flor.  4,  11. 
$.  10.  Oios.  ü,  10.  (A.  V.)  de  vir.  ill.  SC.  Ol)  Die  51,  8.  9,  Pluf.  73. 
95)  l'lul.  I.  c,     OG)   Oben  A.  71),  f.     97)  Dio  »1,  9.   10. 


V.  ANTONII.         (11.  §.  70.)         493 

schäftlgt,  welche  sie  insgcliciin  vereitelte;  auch  üherlieferte  sie 
'iliin  Scicuciis  und  dessen  Familie,  um  den  Verdacht  zu  entkräf- 
ten, als  habe  sie  in  seiner  Abwesenheit  Octaviaa  die  Haupt- 
stadt üflnen  wollen. 

Kaum  Avar  dieser  bei  dem  Hippodromus  angelangt,  einer 
Rcnnljahn  vor  dem  canopischen  Thore,^**-'  als  Antonius  seine 
ermüdete  und  überraschte  ReutereL  mit  tder  seinigen  bis  an  dag 
Lager  zurückwarf.  Nach  dieser  ruhmvollen  That  eilte  er  zu 
der  Königinn,  ihr  den  Helden  zu  zeigen,  welcher  nun  ihrer  Ach- 
tung wieder  würdig  war,  und  sie  belohnte  ihn  mit  einer  Um- 
armung, und  den  Tapfersten  seiner  Scljaar  mit  einem  goldenen 
Harnisch  und  Helm,  mit  welchen  er  in  der  folgenden  Nacht 
zum  Feinde  übergieng.  ^'■^^  Man  hielt  die  Sache  des  Antonius 
für  verloren,  deshalb  konnte  er  sich  nicht  wieder  aufrichten; 
die  Seinigen  dachten  auf  Mittel,  sich  bei  dem  in  Gunst  zu  se- 
tzen, gegen  welchen  sie  fechten  sollten,  und  die  Feinde  ver- 
schmähten sein  Geld ,  weil  es  schon  für  das  Eigenthum  ihres 
Feldherrn  galt.  Er  bot  dem  Ueberläufcr  1500  Denare,  und 
Octavian  machte  es  selbst  bekannt;  dann  forderte  er  diesen  zum 
Zweikampfe,  und  bekam  die  Antwort,  dass  er  auch  auf  eine 
andere  Art  sterben  könne.  Also  sterben  sollte  er,  unter  keiner 
Bedingung  leben,  auch  nicht,  wenn  er  Allem  entsagte,  wie  Le- 
pidus.  Gleichwohl  bestimmte  ihn  nicht  das  Verlangen  nach  ei- 
nem ehrenvollen  Tode,  einen  Angriff  zu  Lande  und  zur  See  an- 
zuordnen ;  denn  um  zu  fallen ,  bedurfte  er  der  Flotte  nicht,  und 
auch  der  Selbstmord  wurde  für  ehrenvoll  gehalten ,  wenn  er 
vor  Schande  bewahrte ;  er  hoffte  zu  siegen,  wohl  gar  den  Gegner 
zu  erlegen ,  wobei  er  freilich  selbst  sein  Leben  einsetzen  muss- 
te ;  daher  die  Aeusserung  beim  Gastmahle  am  Tage  vor  der 
Schlacht,  dass  seine  Freunde  ihm  vielleicht  bald  nicht  mehr  die- 
nen würden. 

Am  anderen  Morgen  besetzte  er  die  Höhen  am  Hippodro- 
mus ,  dreissig  Stadien  von  der  Stadt,  und  erwartete  seine  Schif- 
fe, um  das  Gefecht  gleichzeitig  zu  beginnen.  Sie  kamen  und 
vereinigten  sich    mit    den    feindlichen.     Dennoch    griff  Antonius 


OS)  StVRbo  17,  795.         99)  Dio  I.  c.  Plut.  7U  Zon.  10,  30, 


494  ^^    ANTOMI.       (i4.  §.  70} 

an,  aber  auch  die  Reuterei  verHess  ihn,  und  sein  treues  Fuss- 
volk  wich  nach  kurzem  Widerstände  vor  der  Ueberniacht.  Mit 
dem  Geschrei,  er  sei  verrathen,  von  der  verrathen,  für  •welche 
er  streite,  folgte  er  den  Fliehenden  nach  Alexandrien,  wo  die 
Königinn  sich  bereits  in  die  Gruft  zurückgezogen  hatte  und  vor 
den  ersten  Ausbrüchen  seiner  Wuth  gesichert  war.  Als  man 
ihm  sagte,  sie  verberge  sich,  um  nicht  gefangen  zu  werden, 
l»eruhigte  er  sich;  es  bedurfte  für  ihn  keines  anderen  Beweises 
ihrer  Unschuld ,  und  sein  Zorn  verwandelte  sich  in  Mitleiden 
und  Liebe.  Aber  diess  war  es  nicht,  was  sie  begehrte,  sein 
Zorn  konnte  ihr  nicht  mehr  schadet! ;  ihr  verwegenes  Spiel  for- 
derte seinen  Tod.  Octavian  war  so  wenig  aus  sich  herausge- 
gangen, dass  sie  seinen  Wunsch  kannte ,  sie  möge  ihn  von  sei- 
nem Gegner  befreien  und  dadurch  zugleich  ihn  selbst  des  Mor- 
des überheben,  ohne  zu  wissen,  welcher  Lohn  ihr  dafür  be- 
stimmt sei ,  denn  stets  erhielt  sie  nur  allgemeine  Zusagen ,  und 
überdiess  nur  mündlich.  Indess  war  es  dahin  gediehen,  dass  sie 
seine  Bedingung  erfüllen  oder  alle  Ansprüche  aufgeben  musste, 
und  möglich  blieb  es  doch  immer,  dass  die  Gnade  des  Siegers 
Liebe  wurde.  Sie  mochte  nicht  Mörder  zu  Antonius  schicken^ 
sondern  Hess  ihm  nur  melden,  dass  sie  sich  getödtet  habe,  ein 
untrügliches  Mittel,  wie  sie  Avusste,  dasselbe  zu  erreichen.  Das 
letzte  Band  zwischen  ihm  und  der  Welt  war  gelös't,  das  ge- 
liebte Weib  für  ihn  verloren,  hochherzig  war  es  ihm  auf  dem 
Wege  der  Ehre  vorangegangen;  sein  treuer  Sclav  Eros  erhielt 
den  Befehl ,  ihm  das  Schwerdt  in  die  Brust  zu  stossen,  und  als 
er  es  gegen  sich  selbst  richtete,  durchbolirte  er  sich  mit  eige- 
ner Hand.  Er  sank  nieder  und  man  glaubte,  er  sei  todt;  diess 
wurde  auch  der  Königinn  berichtet;  ihr  Schreiber  Diomedes, 
welcher  ihr  Gewissheit  verschaft'en  sollte,  fand  ihn  im  Blute  lie- 
gend aber  noch  am  Leben;  die  Wunde  war  nicht  tödtlich,  sie 
wurde  es  erst  durch  die  Art,  wie  man  ihn  behandelte.  Auf  die 
Nachricht,  auch  Cleopatra  lebe,  verlangte  er  sie  noch  einmal 
zu  sehen.  Man  brachte  ihn  nach  der  Gruft,  deren  Thüren  an- 
geblich nicht  wieder  gcöflnet  Merden  konnten  —  nicht,  ohne 
sich  auch  Sendungen  üctavians  zu  öft'nen;  —  langsam  und  mit 
Untcrbrccliungcn  bei  erschöpfter  Kraft  zog  Cleopatra  mit  Hülfe 
ihrer  beiden  Dienerinnen  den   Verwundeten,   der  sich  schon  ver- 


V.  ANTONII.         (II.  §.  71.)       495 

Mutet  hatte,   und  im  Todeskampfe  noch  die  Arme  ihr  entgegen- 
streckte ,  an  Seilen   in  den  oberen  Theii  des  Hauses. 

liier  cmpficng  sie  ihn  unter  Aeusserungcn  eines  gränzenlo- 
sen  Schmerzes;  sie,  die  ihn  verrathen  und  seinen  Tod  ahsicht- 
iich  veranlasst,  die  den  Sterbenden,  aus  Furcht,  gefangen  zu 
werden,  wie  ein  Werkstück  zu  sich  hinaufgewundeu,  seine  Qua- 
len dadurch  vermehrt,  und  ihn  nie  geliebt  hatte,  sie  gebehrde- 
tc  sicli  "wie  eine  Verzweifelnde ,  und  warf  sich  mit  zerrissenen 
Kleidern  und  zerfleischter  Brust  an  seinem  Lager  nieder,,  wo  er 
nach   wenigen  Augenblicken  verschied.  ^^'"^ 

§  71. 

Octavian  war  schon  durch  Dercetäus ,  einen  Krieger  von 
der  Leibwache  des  Antonius,  von  dessen  Tode  unterrichtet,  uiid 
das  blutige  Schwerdt  lag  vor  ihm,  als  der  Bote  der  Königinn 
erschien,  ohne  Zweifel  Diomedes.  Dieser  fand  ihn  im  Innern 
seines  Zeltes,  wo  er  den  (iefährtcn  und  Verwandten  beweinte, 
wie  einst  Cäsar  den  Pompejus,  und  seinen  Freunden  mit  Stel- 
len aus  Briefen  früherer  Zeit  bewies,  dass  Antonius  seine  ge- 
rechten und  billioen  Anträse  stets  mit  Hohn  und  Anmassunjj 
verworfen,  und  sein  Unglück  selbst  verschuldet  habe.  ')  Kr 
konnte  mit  um  so  mehr  Zuversicht  sprechen,  da  jener  freiwillig 
gestorben  war;  2)  aber  Cleopatra,  welcher  er  es  verdankte,  soll- 
te nicht  sterben,  sich  dem  Triumphe,  und  den  besten  Tlieil  der 
Beute  seinen  leeren  Cassen  nicht  entziehen.  Gewalt  vermochte 
nichts  über  sie;  man  musste  sie  tauschen  und  sich  ihrer  mit 
List  bemächtigen.  Noch  hielt  Octavian  unter  dem  Scheine  der 
Trauer  sein  Todtengericht,  als  der  Ritter  C.  Proculejus,  sein 
Vertrauter,  an  der  Fallthür  der  Gruft  die  Königinn  zu  berulii- 
gen  suchte,  und  ihr  auf  die  Bitte,  dass  Aegjpten  ihren  Söhnen 
verbleiben    möge,     die    Erfüllung    jedes  billigen  Wunsches  zusi- 


100)  Die  Alten  lassen  einen  berühmten  Mann  gern  mit  einer  Rede 
endigen ,  so  in  diesem  Falle  auch  Plut.  77.  wobei  man  nun  freilich  den 
Zustand  des  Antonius  vergessen  rauss.  Dio  51,  10.  Zon.  1.  c.  Liv.  133. 
Velkj.  2,  87.  Suef.  Oct.  17.  Flor.  4,  11.  §.  9.  Eutrop.  7,  7.  ('i.)  Gros 
6,  19.  (A.  V.)  de  vir.  ill.  85.  Serv.  zu  Virg.  Aen.  8.  078.  1)  Dio  51 
11.  Plut.  78.  Zon.  1.  c.  Suet.  69.  70.  2)  —  A'e/rto  ex  ftis,  qui  contra 
nrmn  tulfrintt,  ah  co  intcremtrts,     V'eil«-(.  2,  87. 


496  V.  ANTONII.  (11.  §.  71.) 

cherte.  Ein  Blick  auf  das  Gchäudc  überzeugte  ihn,  dass  es 
möglich  sei,  zu  ihr  einzudringen.  3)  Bald  nach  ihm  zeigte  sich 
Cornelius  Gallus,  welcher  von  Pariitonium  eingctroften  war;  er 
setzte  die  Unterhandlungen  fort,  während  Proculejus  mit  zwei 
Dienern  auf  einer  Leiter  einstieg  und  sich  der  Thür  von  innen 
näherte.  Eine  von  den  Frauen  der  Königinn  bemerkte  ihn,  und 
durch  ihr  Geschrei  gewarnt,  wollte  diese  durch  einen  Dolchstich 
ihr  Leben  endigen,  als  er  hinzusprang  und  ihr  die  Waffe 
entriss. 

Sic  war  also  gefangen,  die  Listige  war  überlistet,  und 
was  man  ihr  auch  jetzt  noch  von  unverdientem  Misstrauen  und 
Ton  der  Grossmuth  des  Siegers  sagen ,  wie  achtungsvoll  sein 
Freigelassener  Epaphroditus,  ihr  als  Waclie  beigegeben,  sie  be- 
handeln mochte,  so  wusste  sie  doch  nun,  was  ihrer  wartete. 
Nicht  zufällig  verliess  Octavian  jetzt  erst  sein  Lager,  als  er 
eine  Unterredung  mit  ihr,  eine  Erörterung  weniger  scheuen 
durfte,  obgleich  er  ihr  stets  auszuweichen  suchte.  Sein  Einzug 
erfolgte  am  I.  Sextil  (August),  *)  an  welchem  er  nach  Orosius  5) 
zum  letzten  Male  mit  Antonius  kämpfte;  allein  diese  Angabe 
beruht  auf  einer  A'^erwechselung,  denn  zwischen  den  beiden  Er- 
eignissen liegen  so  viele  andere,  dass  sie  nicht  Einem  Tage  an- 
gehören können.  Für  das  wichtigste  galt  die  Besetzung  Alexan- 
dricns,  mit  welcher  der  Bürgerkrieg  sich  endigte,  und  es  war 
eine  der  Ursachen,  weshalb  man  den  Sextilis  Augustus  nannte.  ••) 
Auch  sollte  nach  einem  Senatsbeschlusse  mit  dem  ersten  dieses 
Monats  für  die  Alexandriner  eine  neue  Aere  beginnen ,  sie  be- 
rechneten aber  diese  Jahre  Augusts  vom  ein  und  dreissigsten.  "*) 
Octaviau   versammelte    sie    im    Gymnasium    und    kündigte  ihnen 


3)  Plut.  1.  c.  II.  78.  Dio  1.  c.  Zon.  10,  31.  lieber  Proculejus  8.  Ho- 
rat.  C.  2,  2.  u.  das.  Acr.  Porpli.  u.  Torreiit.  Tac.  A.  4,  40.  Pliii.  7,  46. 
(45).  Juven.  7,  04.  Seinen  Tod  berichtet  Plin.  30,  50.  (21).  Er  ist  von 
Proculus,  Auguolg  Freigelassenen,  zu  unlerKcheiden  ,  Suet.  07.  und  ver- 
laugnete  hier  im  Dienste  seines  Gebieters  seinen  sonst  biederen  Chara« 
der.  4)  Calend.  Marni.  Antiat.  in  Verr.  Fiacc.  Fast.  p.  112.  ed.  Foggl- 
ni.  Macrob.  Sat.  1,  12.  Vgl.  IMut.  Ant.  80.  Hurat.  C.  4,  11.  5)  G,  19. 
0)  Macrob.  1.  c.  lAv.  134.  7)  Dio  51,  10.  Melcr  Histor.  Unters.  S.  132. 
u.  Handbuch  d.  Chronologie  1.  S.  151.  f.  wo  d.  A'f.  sehr  scharfsinnig  als 
Grund  angiebt,  dass  Cleopatra  noch  bis  zum  Ende  dieses  Monats  gelebt 
iini]  Alexandrien  deshalb  die  Epoche  der  neuen  Aere   vorgerückt  habe. 


V.  ANTONII.         (14.  §.   71.)         497 

auf  eine  für  sie  wenig  schineiclielhafte  Art  Verzeihung  an;  denn 
sie  vernahmen,  dass  die  Rücksicht  auf  Alexander,  auf  die  Grö- 
sse und  Schönheit  ihrer  Stadt,  und  auf  ihren  Mitbürger,  den 
Stoiker  Arius,  ijjn  dazu  Lestinime.  Dieser  war  gegenwärtig  und 
erfreute  sich  mit  seinen  Söhnen  Dionysius  und  Nicanor  seiner 
besonderen   Cunst.  ^) 

Unmöglicli  konnte  er  sich  berufen  fühlen,  Antonius  zu  se- 
hen, '-')  aber  eben  so  wenig  mochte  er  mit  Cleopatra  zusammen- 
treffen. f>  Hess  sie  wieder  in  den  Palast  führen  und  srestatte- 
te  gern,  dass  sie  Antonius  nach  der  Landessitte  und  in  könig- 
lichem Sclimucke  begrub.  Aber  der  Schmerz  über  seine  Weige- 
rung, sie  zu  besuchen,  die  Aufregungen  aller  Art  und  die  Wun- 
den auf  der  Brust  hatten  ein  Fieber  zur  Folge ,  und  sie  ver» 
traute  ihrem  Arzte  Olympus,  dass  sie  diess  benutzen  wolle,  sich 
durch  Hunger  zu  tödten.  Es  geht  daraus  nicht  hervor ,  dass 
sie  diese  Absicht  hatte,  oder  dass  es  ihr  noch  an  Giften  fehlte, 
vielmehr  hoffte  sie  Octavian  dadurch  fügsamer  zu  machen.  Zwar 
wurde  ihr  auf  seinen  Befehl  angedeutet ,  dass  ihre  Kinder  für 
sie  büssen  würden,  wenn  sie  ihr  Leben  verkürze,  da  aber  der 
Harm  sie  aufzureiben  schien,  so  fand  er  sich  ein.  Sie  wollte 
nicht  erforschen,  was  er  über  sie  beschlossen  habe,  denn  diess 
war  ihr  nicht  mehr  zweifelhaft,  sondern  bewirken,  dass  er  sei- 
ne Beschlüsse  aufgab,  als  Weib  den  Herrscher  überwinden.  ^^) 
Freilich  konnte  sie  nicht  als  jugendlich  blühende  Fürstinn  vor 
ihm  erscheinen,  wie  einst  vor  Cäsar,  nicht  von  den  Zaubern 
der  Liebesgöttinn  umgeben,  wie  vor  Antonius,  sie  wusste  aber, 
dass  auch  der  Schmerz  einer  schönen  Frau ,  ein  hülfeflehender 
und  zugleich  schmachtender  Blick,  ein  bleiches  Gesicht  voll  An- 
muth,  ein  süsser,  schmelzender  Klageton  und  ein  einfaches 
Trauergewand  seine  Reize  hat,  und  dass  das  Mitleiden  gegen 
eine  solche  Dulderinn  leicht  Liebe  wird. 

Von  diesen  Augenblicken  hieng  Thron  und  Leben  ab.     Um 

8)  Plut.  80.  Apopth.  reg.  et  imp.  Caesar.  Aug.  3.  Dio  51,  1«.  52. 
36.  Suet.  89.  9)  Siiei.  17.  wird  nur  die  Lesart:  viditque  moriuam  Cleo- 
patram  durch  den  Bericht  der  übrigen  Schriftsteller  unterstützt,  auch 
Ihat  O.  nach  der  anderen:  viditque  mortuum,  ganz  zwecklos,  was  der 
schlimrasteu  Deutung  fähig  war.  10)  Flor.  4,  11,  §.  0.  —  Tru^nrit  oeulm 
tturis.  Plnt.  83.  Dio  T.  I  ,  11  —13.  Zon.  10,  31, 
P        nnminiiii,  fieschichte  Roms  I.  '^^ 


498  V,  ANTONII.        (U.  §.71.) 

des  Erfolgs  sich  noch  mehr  zu  vcrsiclicrn,    beschwur  sie  Ciisars 
Schatten  aus  der  Unterwelt.     Dem    inneren  Drange,    ihn  zu  rä- 
cJien,    hatte  Octavian    die  Ruhe    des  Staats  und  die  eigene  auf- 
geopfert ;  alle  seine  Reden  und  Thatcn  bewiesen  die  Stärke  und 
Aechtheit  seiner  kindlichen  Gcfiihle,    und  nun  fand  er  im  Zim- 
mer der  Kiiniginn  als  Zeugen  eines    irinigen    Vcrhültnisscs    St.i- 
tucn  und  Gemälde    seines    Vaters   und   Briefe    von    seiner  Hand^ 
welche  sie  ihm  vorlas  und  mit  ilircn  Thränen  benetzte.      Kunst- 
voll und  sinnig  war  die  Bühne  zubereitet,  aber  auf  ihn  machte 
sie  keinen  Eindruck,    die  Heldinn    spielte    meisterhaft,     und    er 
blieb  kalt.     Er  sah    in    ihr    die  blutbefleckte  Buhlerinn,    welche 
auch  den  Frieden  seiner  Schwester  vergiftet,    eine  Aon  der  Na- 
tur schön  gebildete  Gestalt,     welche    das  Laster   und  eine  durch 
Verbrechen    herbeigerufene    Verzweiflung    gezeichnet   hatte,     eine 
Entehrte,  welche  krampfhaft    nach  neuer  Entehrung    rang:    und 
doch  war  diess  nicht  die  Klippe,     an  welcher    ihre  Pläne  schei- 
terten ,  sie  lag  eben  da,  wohin  sie  mit  Zittern  blickte,  in  Rom, 
im    Kriegsgepränge.       Octavian    sollte    aufliören,    Zuschauer    zu 
sein,  er  sollte  mithandeln;     mit   steigender   Angst    ei'wartete  sie 
diese  Verwandlung,    er  aber  sprach  mit  den  tröstenden  Worten: 
Fürchte  nichts !   ihr  Todesurtheil.     Auch    dieser    Fall  war  vorge- 
sehen;   sie  zeigte  Vertrauen   und  Ergebung    und   überreichte  das 
Vcrzeichniss    ihrer  Schätze;    Scleucus,    einer  der  Aufseher,  wel- 
cher es  unvollständig  nannte,     wurde    von  ihr  gezüchtigt,  wohl 
ebenfalls    ein    vorbereitetes    Gaukelspiel,     da   sie    nun  versichern 
konnte,  das  Uebrige  sei  für  Livia  und  Octavia  zurückgelegt,  de- 
ren Fürsprache  sie  sich  dadurch    verschaflcn    wolle.     So  verliess 
Octavian  sie  in  dem  Wahne,  dass  sie  entschlossen  sei,  ihm  nach 
Italien  zu  folgen.  ") 

Unter  den  jungen  Römern  in  seiner  Umgebung  warP.  Dolabclla 
ihr  mit  Liebe  zugethan;  '2)  er  meldete  ihr  insgeheim,  dass  sie 
in  drei  Tagen  mit  ihren  Kindern  nach  Rom  abgehen  werde. 
Auch  jetzt  blieb  sie  scheinbar  unbefangen ;     sie    fuhr  fort ,     sich 

11)  Plutarch  hat  diese  Auftritte  richtiger  geschildert,  als  Dio;  die 
Königiiin  äusserte  nicht  ein  Verlangen,  zu  sterben,  sondern  sie  suchte  es 
au  verbergen,  dass  ihre  Rechnung  mit  der  Welt  geschloiisen  sei,  damit 
sie  weniger  beobachlel  wurde.  12)  Cos.  10.  nach  Chr.  .SoUo  des  ]>oIab. 
v;o8.  41.  Plut.  81.  Zon.  1.  c.  S.  Cornel.  üulab. 


V.  ANTOxVII.       (14.  §.  71.)         499 

zur  Reise  anzuschicken  und  brachte  Antonius  ein  Todtcn- 
opfer.  Was  sie  an  seinem  G'rabe  dachte  und  fühlte,  ist  unbe- 
kannt; ihre  Begleiterinnen  starben  mit  ihr,  und  hätten  ihre 
Hüter  die  Klagen  vernommen,  deren  Plutarch  gedenkt,  so  würde 
man  sie  genauer  bewacht  haben.  Zu  ihrer  Freude  geschah  das 
Gegentheil ,  und  niclits  Anderes  bezweckte  dieser  Abschied,  ein 
erschütternder  Moment;  freiwillig  tritt  die  Morderinn  zur  Leiche 
ihres  Erschlagenen,  um  sich  dem  l'ode  zu  weihen;  ihre  Tlirii- 
nen  gelten  nicht  der  verruchten,  sondern  der  nutzlosen  und 
verderblichen  That,  welche  unwiderstehlich  sie  ihm  nachzieht, 
und  sie,  die  ihm  im  Leben  nur  Liebe  geheuchelt,  muss  ihm  im 
Grabe  Liebe  heuclieln ,  damit  man  ihr  vergönnt,  zu  sterben. 

Ihre  vertrauten  Dienerinnen,  Iras  und  Charmion  ausgenom- 
men ahndete  niemand  ihre  Absicht,  als  sie  sich  ein  Bad  berei- 
ten liess ,  und  dann  an  einer  wohl  besetzten  Tafel  ass.  Auch 
Epaphroditus  schöpfte  keinen  Verdacht;  er  emptieng  arglo«;  einen 
Brief  von  ihr  und  überbrachte  ihn  Octavian,  welcher  mit  Be- 
stürzung die  Bitte  las,  sie  neben  Antonius  zu  begraben.  An- 
fangs AvoUte  er  sie  selbst  sehen,  dann  fiirclitcte  er  eine  List, 
deren  Zweck  es  eben  sei,  ihn  zum  zweiten  Male  ihr  zuzufüh- 
ren ,  und  schickte  Andere.  Sie  fanden  Cleopatra  entseelt  auf 
ihrem  Ruhebette;  leblos  lag  Iras  zu  ihren  Füssen;  Charmion 
ordnete  mit  ungewisser  Hand  das  Diadem  an  der  Stirn  ihrer 
fürstlich  geschmückten  Gebieterinn ,  und  erwiederte  auf  den 
Zuruf:  das  ist  schön!  ja,  schön  und  einer  Königinn  und  Kö- 
nigstochter würdig!  worauf  sie  starb.  Nun  erschien  Octavian; 
Psyllen  sollten  das  Gift  aussaugen,  denn  mau  glaubte,  dass 
Cleopatra  von  Schlangen  getödtet  sei,  und  auch  kein  anderes 
Mittel  blieb  unversucht,  sie  in  das  Leben  zurückzurufen,  aber 
alles  war  fruchtlos.  '-^J  In  der  Geschichte  des  Antonius  kommt 
nur    ihr   Verhältniss    zu    ihm,     nicht    ihre    Todesart  in  Betrach- 


13)Plut.  85.  8G.  Dio  51,  13.  14,  Zon.  10,  31.  Sfraljo  17,  795.  Liv. 
133.  Vellej.  2,  87.  Suef.  17.  Flor.  4,  11.  §.  10.  Eulrop.  7,  7.  (4.)  Oros. 
6,  10.  (A.  V.)  de  vir.  ill.  8C.  lieber  die  Psyllen  oder  ScUlangenbe- 
schwörer  s.  die  Stellen  u.  Schriften  bei  Düker  zu  Flor.  I.  c,  bei  Fabric. 
zu  Dio  I.  0.  u.  in  Pitisc.  Lexic.  Antiq.  Rom.  v.  Psyll.  Ihre  Brüderschaft 
besteht  noch  jetzt  in  Aegypten  {  H.  v,  Minutoli  Abhandlungen  verni.  In- 
haita,     1.  Band  1831, 

32* 


500  V.  AXTOMl.         (II.  §.  71.) 

tung;  auch  k.iim  mau  von  dieser  nicht  viel  mehr  sagen,  als 
tlass  sie  nngewiss  ist.  Octavian  seihst  erhielt  keinen  Aufschluss 
darühcr,  denn  die  Zeugen  waren  stumm,  und  dass  sie  es  waren, 
diiss  eine  .solche  Frau  auf  dem  AVcgc  zum  Grabe  Gefährtinnen 
fand,  ist  mindestens  eben  so  unerklärlich.  Man  dachte  zunächst 
an  eine  Natter,'*-*  welche  unter  Feigen  oder  Blumen  verhorgen 
zu  ihr  gebracht  sei,  weil  sie  wusstc,  dass  ihr  Gift  einen  sanf- 
ten und  sclmierzlosen  Tod  bewirke.  '^*  An  einem  Arme  glaubte 
man  Spuren  einer  Verletzung  Avahrzunehmen,  ''')  welches  diese 
Vcrmuthung  zu  bestätigen  scliicn;  da  aber  das  Thier  in  und 
ausser  dem  Zimmer  vergebens  gesucht  wurde,  so  meinten  An- 
dere, sie  habe  das  Gift  in  einer  Nadel  aufltewahrt,  mit  welcher 
sie  das  Haar  zu  ordnen  pflegte,  und  durch  kaum  bemerkbare 
Sticlie  in  den  Arm  es  mit  ihrem  Blute  vermischt.  Von  einer 
o-enauen  Besichtigung  der  Dienerinnen  i.st  nicht  die  Rede,  und 
so  bleibt  nur  das  Ergebniss,  dass  sie  auf  eine  gewaltsame  Art 
aber  nicht  durch  Erwürgung  und  ohne  Anwendung  eines  tödt- 
iichen  Werkzeuges  starb,    dass  sie  sich  also  vergiftete,    wie  sie 


14)  nie  vorige  A.  u.  Horat.  C.  1  ,  37.  Virg.  Aen.  8.  C97.  u.  Serv. 
(las.  u.  zu  V.  C78.  Propert.  3,  9.  53.  Slat.  Silv.  3,  2.  110.  Jul.  Polluc. 
HiSl.  pbys.  ed.  Hardt.  p.  157.  Galen,  de  theriac.  ad  Pisoii.  cap.  8.  denkt 
hier  an  die  Art  der  nspides,  welche  plyas  hiess ,  und  sclinell  und  ohne 
Quaal  tödJete,  wie  d.  Vf.  an  Vennlheilten  in  Alexandrien  l)enierkt  haben 
will.  Vgl.  Aelian.  H.  A.  9  ,  10.  Isidor  ürig.  12  ,  4.  15)  §.  70.  A.  88. 
1«)  Propert.  1.  c.  Flut.  8ti.  Die  51,  14.  In  den  drei  Statuen  im 
Belvedere,  in  der  Villa  Medici  und  in  Araujuez,  welche  man  hieher  ge- 
zogen hat,  erkannte  Winckelmann  Nymphen  mit  Armbändern  in  der  Ge- 
stalt einer  Schlange  als  Schmuck  u.  Visconti  (Mus.  Pio- Clement.  T.  2. 
p.  80  f.)  die  Ariadne.  S.  Wiuckelm.  Werke  5,  S.  50.  6.  1.  Abth.  S. 
222.  C.  2.  Abth.  S.  207.  7,  S.  21".  ed.  Meyer  u.  Schulze,  u.  Montfauc. 
Ant.  Expl.  Sup^lem.  T.  3.  p.  12.  Sandrarl  Teutsche  Acad.  d.  Baukunst 
u.  8.  w.  2.  Hauptth.  1.  Bd.  Taf.  Aa.  Wie  hier  wahrscheinlich  ein  Werk 
dem  anderen  nachgeliildet  ist,  so  weiss  man,  dass  Slatueu  oft  auf  Gem- 
men copirt  wurden.  Ganz  willkührlich,  ohne  auch  nur  eine  alte  Sage 
für  sich  zu  haben,  setzten  einige  Künstler  die  Schlange  an  die  Brust. 
Gorlei  Dactyl.  Pars  2.  No.  Mfi.  Mus.  Klorent.  Vol.  1.  Tav.  25.  NC  9. 
Lippert  Dact.  Histor.  Taus.  2.  Ablheil.  1.  Abschn.  No.  98  f.  Druken- 
borch  erwähnt  bei  Sil.  Kai-  Punic.  2,  417.  ein  uncdirles  Kpigramm,  um 
XU  beweisen,  das»  diese  falsche  Darstellung  sich  nicht  zuerst  in  Genial 
dea  «einer  Zeil  finde;  «.  auch  Zenohiiint  u.  Kulvrfiius  hei  Fabric.  r.n  niol.r. 


V.  ANTONil  (14.  §.  71.)      5OI 

e«  auch  ausgeführt  hüben  mag.  Bei  dem  Tiiuniphc  Oclaviuiih 
erblickte  mau  ihr  Bild  mit  einer  Schlange  am  Arme,  welches 
Aut'sehu  erregen  sollte,  und  dazu  beitrug,  diese  V^orstellung  von 
iiu'em  Tode  allgemein  zu  machen. '^^ 

Sic  starb  im  August  30  im  vierzigsten  Jahre  ilires  Lebens 
und  im  zwei  und  zwanzigsten  ihrer  Regierung.  ^^^  Ihr  letzter 
Wunsch  wurde  erfüllt;  Octavian  Hess  sie  mit  königlichen  Ehren 
neben  Antonius  begraben  und  ihre  Frauen  anständig  zur  Erde 
bestatten;  aucli  bewirkte  einer  ihrer  llofleute  ,  Archibius,  durch 
ein  Geschenk  von  tausend  Talenten ,  dass  er  bei  der  Zerstörung 
der  Statuen  des  Antonius  die   iliriijen  Aerschonte. 

Unter  Allen,  welche  sie  überlebten,  war  ihm  Cäsarioit 
schon  wegen  dieses  Namens  der  verhassteste ;  sie  wusste  es  und 
hatte  ihn  deshalb  mit  vielem  Gelde  nach  Aethiopicn  geschickt, 
aber  sein  Piidagog  Rhodon  bewog  ihn  durch  Vorspiegelungen 
umzukehren,  worauf  er  ergritten  und  liingcrichtet  wuide. '"■'' 
Dasselbe  Schicksal  hatten  Antyllus;  -"-'  V.  Canidius,  welchci 
niclit  mit  der  Entschlossenheit  des  Kriegers  starb;  -'>  Cassius  Pav- 
mensis ,  der  Letzte  unter  Cäsars  Mördern;")  und  Q.  Ovinius, 
ein  römischer  Senator  und  doch  Aufseher  über  die  Webereien 
der  Königinn. ?"^^  Die  Kinder  der  asiatischen  Fürsten,  welclhi 
Octavian  als  Geissein  .in  Alexandrien  gefunden  hatte,  führte  et 
«um  Theil  nach  Italien ,  unter  anderen  die  Brüder  des  Armeniers 
Artaxias,  weil  die  Römer  in.  seinem  l^inde  getödtet  waren  ,  -*^ 
aber  die  Meisten  entliess  er,   auoh  Jotape ,  die  Mederinn.  -^^ 

Aegypten  machte  er  zur  Provinz ,  ~^^  und  ernannte  Ca.  Cor- 


17)  Flut.  1.  c.  Vgl.  Dio  51,  21.  Zou.  10,  31.  18)  Plut.  86.  Zoii.  1.  c. 
19)  Dio  51,  15.  Plut.  81.  Zon.  1.  c.  Suet.  17.  S.  Julii.  Caes.  Dict.  u. 
oben  §.  70.  A.  80.  20)  Unten  Nq.  21.  21)  Vellej.  2,  87.  üros,  G,  19 
Oben  §.  70.  A.  81.  22)  So  Vellej.  u.  Oros.  U.  «c.  Q.  Varus  tödtete  ihn 
irt  Athen,  wohin  er  von  Actiuni  entflohen  war.  Acron.  u.  Porphyr,  zu 
Horat.  Ep.  1.  4.  Va'.  Max.  1 ,  7.  §.  7.  Wesseling  Obs.  1.  c.  26.  glaubt 
gegen  jene  bestininiten  Zeugnisse ,  Turullius ,  welchen  Antonius  auslie- 
ferte (oben  §.  70.  A.  90.)  habe  unter  den  sogenannten  Befreiern  zuletzt 
gebüsst.  S.  Cassii.  Cass.  Parra.  23)  Oros.  1.  c.  24)  §.  GG.  A.  97.  99. 
21.  Dio  51  ,  16,  25)  §.  66.  A.  20.  Di«  1.  c.  26)  Dio  51  ,  17.  Zon.  10, 
31.  Sirabo  17,  797.  Vellej.  2,  39.  Suet.  18.  Morell.  Thes.  August.  Tab. 
9.  No.  32  f.  Eckh.  6.  p.  82.  Grell.  Inscript.  V.l.  p.  73.  No.  36. 


502  V.  ANTONir.        (14.  §.  71.) 

nelius  Callns,  27)  einen  römischen  Ritter,-*^)  zum  Statthalter.  2'J) 
Die  Fruchtbarkeit  des  Landes  und  seine  für  Handel  und  Krieg 
gleich  wichtige  Lage  bcstininite  ihn,  es  unabhängig  vom  Senat 
unter  seine  eigene  und  besondere  Aufsicht  zu  stellen ,  so  das.s 
Senatoren  und  Ritter  es  ohne  seine  Erlaubniss  nicht  einmal 
besucliei)  durften.  ^"^ 

Für  ihn  Jiatten  Cleopatra  und  ihre  Vorfahren  gesammelt- 
Zwar  behielt  er  anspruchslos  nur  ein  nuirrhinisches  Gcfass,  ei- 
nen Becher,  für  sich,  ^U  aber  die  goldenen  und  silbernen  Hess 
er  einschmelzen,  die  Beute  machte  ihn  unermesslich  reich  und 
in  Rom  beliebt.  Denn  er  trug  alle  seine  Schulden  ab,  und 
erliess  ,  was  er  selbst  zu  fordern  hatte,  auch  die  Beisteuer  zum 
Triumphe.  *^''*>'  Den  Kriegern  zahlte  er  den  rückstandigen  Sold, 
und  denen ,  welche  mit  ihm  in  Aegypten  w  aren ,  überdiess  250 
Denare ,  ferner  jedem  römischen  Bürger ,  selbst  den  Kindern, 
100,  und  nach  V'erhältniss  beschenkte  er  die  Freunde  und  An- 
hänger von  höherem  Rannre,  Bei  dem  vermehrten  Geldumlaufe 
stieg  der  AVerth  der  Dinge  um  das  Doppelte  und  die  Zinsen 
sanken  auf  ein  Dritttheil  herab ,  '^^)  eine  erfreuliclie  Zugabe  zu 
der  Beendigung  des  Bürgerkriegs,  der  erste  Segen  der  Allein- 
herrschaft. Auch  die  Provinzen  hatten  Theil  daran ,  da  Octa- 
vian  ihnen  die  Kunstwerke  und  Weihgeschenkc  zurückgab,  Avel- 
che  von  Antonius  und  Cleopatra  geraubt  waren.  ^3)  In  Aegyp- 
ten befahl  er  die  Canäle  zu  reinigen  und  neue  anzulegen,  wo- 
durch er  aber  Aveniffcr  das  Beste  des  Landes  befördern  als  die 
Ausfuhr    nach    Rom    erleichtern    wollte.  ^*J     Als    Deuknial  seines 


27)  §.  70.  A.  OG.  A'^on  Serv,  zu  Virg.  Eclog.  10.  mit  Asinius  Gallu«, 
dem  Sohne  des  Pollio  verwechselt,  u ml  von  Anderen  mit  Aelius  Uallui, 
welcher  Aegypten  später  verwaltete.  Dio  53,  29.  Strabo  17,  819.  Er 
war  Dichter  u.  Redner;  Virg.  1.  c.  u.  Ed.  C.  04.  28)  Dio  51,  17.  53, 
13.  29)  Pracfeclns,  obgleich  sich  auch  andere  Titel  finden. '  Dio  1.  c. 
Strabo  17,  819.  Siiet.  00.  Amm.  Marc.  17,  4.  Eutrop.  7,  7.  (1.)  Seine 
Anmassungeii  machten  ihn  verdächtig  und  er  fodtefe  sich  selbst.  Diu 
33,  23.  Suct.  1.  c.  Serv.  zu  Virg.  1.  c.  Ovid.  Amor.  3,  9.  Ol.  Tri«t.  2, 
445.  30)  Seposuit  Aegi/ptinn.  Tac.  A.  2,  59.  Bist.  I,  11.  Strabo  17, 
797.  Dio  51,  17.  31)  Suet.  71.  31«)  Won.  Ancyr.  tab.  4-  v.  20.  Dio 
51,  21.  3'2)  Man  gal»  statt  eines  Denar«  monatlich  für  hundert  nur  vier 
im  Jahre,  vier  statt  avvolf  Pro  (.  t.  Dio  51,  17.  21.  Suet.  41.  Oros.  0,  19. 
33)  §.  «ifi,  A.  U.  15.     81)  Dio  51,  18.  Suet,  19. 


V.  AXTONir.      (i4.  §.  71 )  503 

Sieges  ciholi  sich  awf  dem  Schlachtfelde  am  HippoJioinus .,  drci- 
ssig  Stadien  von  Alcxandrien,  die  Stadt  Nicopolis,  und  auch 
liier  sollte  mau  wie  bei  Actium  Spiele  feiern.  ^■'^  Nach  einer 
Heise  durch  die  neue  Provinz ,  deren  Apis  er  so  wenig  als  die 
Mumien  ihrer  clicnialigen  Könige  sehen  mochte,  ^^)  begab  er  sich 
zu  Lande  nach  Syrien  und  über  Asia  nach  Samos.  ''^ 

Am  1.  Januar  29  trat  er  hier,  wo  er  den  AVinter  verlebte, 
sein  fünftes  Consulat  an.  '8)  Er  blieb  auch  einen  Theil  des 
Sommers,  weil  ihn  die  Einrichtungen  in  den  östlichen  Provin- 
zen beschäftigten,  worauf  er  über  Griechenland  nach  Italien  zu- 
rückkehrte.-^^) Sclion  im  vorigen  Jahre,  verhängnIss\oll  unter 
dem  Consulat  des  jüngeren  Cicero,  war  in  der  Curie  beschlos- 
sen, dass  man  die  Statuen  des  Antonius  niederreissen,  seinen 
Geburtstag,  als  einen  unglückliclien  betrachten,  und  keinen  seir 
nes  Geschlechts  wieder  Marcus  nennen  solle;*'*)  nach  seinem 
Tode  wetteiferte  Alles,  dem  Sieger  zu  huldigen,  und  ihm  einen 
festlichen  Empfang  zu  bereiten.  *')  Bei  den  drei  Triumphen, 
welche  er  im  Sextil  (August)  an  drei  Tagen  nach  einander 
hielt,  ^--^  wurde  Antonius  nicht  genannt;*^)  der  erste  galt  Dal- 
matien  und  den  benachbarten  Ländern ,  der  zweite  Actium  und 
der  dort  besiegten  Maclit  der  Barbaren  ,  der  dritte  ausschliess- 
lich Acgypten  und  Cleopatra ,  deren  Bild  vorgetragen  wurde, 
und  deren  Kinder  Alexander  und  Cleopatra  sich  unter  den  Ge= 
fangenen  zeigten.  **) 


35)  Slrabo  17,  703.  DIo  1.  c.  Oben  §,  09.  A.  39.  3G)  DIo  51,  IC. 
Suet.  93.  37)  Säet.  2C.  Plut.  84.  Dio  51,  18.  Zonar.  10,  31.  Oros.  G, 
19.  Die  Letzteren  nennen,  wie  auch  sonst  wolil  (§.  09  fin.)  statt  Samos 
Asia.  38)  Suet.  1.  c.  Dio  51,  20.  Oros,  G,  20.  Gruter.  Inscript.  p.  220. 
No.  5.  Orell.  Inscr.  1.  p.  155.  No.  590,  Mon.  Ancyr.  tab.  2.  v.  1.  S9) 
Dio  51,  21.  Veliej.  2,  ?9,  E«(rop.  7,  8.  Oros.  G,  19  fin.  40)  Plut.  Cic. 
49.  Dio  51,  19.  41)  Tac.  A.  1,  10.  Nihil  Deorum  honoribus  relictum. 
Dio  Ol,  10.  20.  12)  Macrob.  Sat.  1,  12.  Calend.  Antiat.  in  Verr.  Flacc. 
Fast.  p.  112.  ed.  Foggini.  Oros.  C,  20.  nennt  den  G,  Jauuar,  wo  er  noch 
nicht  in  Italien  waii.  43)  — ^  'See  eiiim  eicile  imtatum  est,  qiiod  tfentutumoifo 
Romane  duce  g^tum  estj  ■  qui  et  ipse  barbarae  servichat  u.vori.  Serv. 
zu  Virg.  Aen.  8.  078.  41)  Dio  51,  19.  21.  Zonar.  10,  31.  App.  Illyr.  c. 
28.  Mon.  Ancyr.  tab.  1.  v.  19.  Liv.  133.  Vdlej.  2,  80.  Suet,  22.  Oros. 
G,  19.  Virg.  Aen.  8,  714.  wo  Serv.  den  actischeii  Triumph  ur.mhiig 
Ygranstellt.     Fropert.  2,  1.  31.  Eckh.  C.  p.  bO« 


504  V.  ANTONU.  (14.  §.  72.) 

Der  Tempel  des  Janus  wurde  geschlossen.  *5J 

§  72. 

Antonius  trat  die  väterliche  Erbschaft  nicht  an ,  um  nicht 
die  Schulden  seines  Vaters  bezahlen  zu  müssen.  *'•>  Bald  sah 
er  sich  selbst  von  Gläubigern  gedrängt,  und  der  jüngere  Curio 
verbürgte  sich  für  ihn.  *'0  Die  Gelegenheit,  reich  zu  werden, 
fand  sich  oft,  in  Syrien  und  Acgypten  unter  Gabinius,  in  Gal- 
lien unter  Cäsar,  bei  dem  Verkaufe  der  Güter  des  Pompejus, 
nach  dem  Tode  des  Dictator,  nach  den  Schlachten  bei  Philippi 
in  Asien  und  sonst,  *^)  und  er  benutzte  sie,  aber  seine  Ver- 
schwendung war  grösser  als  seine  Hülfsquellen ,  er  blieb  arm 
und  verschuldet.*'') 

Seine  schöne,  edle  und  kräftige  Gestalt  erinnerte  an  seinen 
angeblichen  Ahnherrn  Hercules,  oder  nach  Cicero  an  einen 
Gladiator;^'')  die  grössten  Anstrengungen  im  Felde-*')  und  eiji 
wüstes  Leben  konnten  seine  Gesundheit  nicht  untergraben.  Er 
hatte  eine  breite  Stirn,  eine  etwas  gebogene  Nase  und  einen 
starken  Bart,^^)  welches  die  Münzen  bestätigen.  Der  Grösse 
entsprach  der  Wuchs ;  alles  war  im  vollkommenen  Ebemuaasse,  ^^^ 
und  mit  dem  Würdevollen ,  mit  den  stolzen  und  männlichen 
Zügen  vereinigte  sich  ein  Ausdruck  von  Güte  und  Freundlich- 
keit. Mit  der  Zeit  erhielt  sein  Körper  in  Folge  der  Schwelge- 
rei zu  viel  Fülle.  ^^)  Im  Kriege  sah  man  ihn  hochgegürtet, 
mit  einem  langen  Schwerdte  und  einem  Mantel  von  grobem 
Zeuge;  Haltung  und  Kleidung  waren  darauf  berechnet,  jiha  als 
den  Nachkommen  eines  alten  Heros  zu  bezeichnen. 

Auch  sein  Geist  war  reich  begabt»  Schon  in  Cäsars  Bür- 
gerkriege entwickelte  er  als  dessen  Statthalter  in  Italien  eine 
vorzügliclie  Kraft ,  und  noch  mehr  zeigte  er  sich  nach  dem  1 5. 

45)  Ihr  ßui's  artnnriim  civih'uui.  Flor.  4,  12.  Dio  51,  20.  Mon. 
Ancyr.  tab.  2.  v.  41.  Suet.  22.  OroB.  Ü,  20.  21.  Vgl.  Veliej.  2,  HO.  'JH. 
40)  Übeu  No.  11.  lin.  47)  §.  1,  A.  77.  48)  §§.  1.  2.  5.  9.  14.  57. 
49)  Cic.  2  Phil.  14.  37.  (»beii  §.  fiO.  A.  69.  5Q)  Hui.  2.  4.  Cic.  2  PhiJ. 
25-,  51)  §.  51.  A.  17.  §.  (ib.  A.  03  f.  72.  52)  Plal.  4.  Kckb.  0.  p.  30.  f. 
53)  nio  45,  30.  54)  Ders.  1.  c.  u.  Plat.  Caes.  02.  Vom  Podagra  «cheint 
vT  auch  nicht  fiei  geblieben  zu  sein,  uuch  imdcl  man  nicht,  dais  es  ihn 
beUiuderic.      I'lin.   31.   8.  (2).  .'l      .iW 


V.   ANTONII.        (14.  §.  72.)       505 

März  44  Cicero  und  den  übrigen  Grossen  an  Klugheit  über- 
legen; er  entwarf  seine  Pläne  mit  einer  Umsicht  und  List,  wo- 
durch er  sie  täuschte,  und  es  ihnen  erschwerte  oder  unmöglich 
machte,  ihn  an  der  Ausführung  zu  hindern.  Octavian  verdankte 
den  Sieg  seinen  Verirrungen ,  welche  nicht  im  Verstände  ihren 
Grund  hatten.  ^^)  In  der  Erziehung  vernachlässigt  eilte  er  bald 
in  den  Krieg;  nur  eine  kurze  Zeit  blieb  er  zu  Beiner  Bildung 
in  Griechenland,^*'''  und  nur  2U  seiner  Unterhaltuns  hörte  er 
später  dessen  Rhctoren  und  Philosophen.  ^')  Indess  lebte  er  so 
oft  unter  Griechen ,  dass  er  iuit  ihrer  Spräche  und  zum  Theil 
auch  mit  ihrer  Literatur  vertraut  wufde.'.^^^  Seine  Beredtsamkeit  war 
die  asiatische,  wie  man  sie  nannte,  ^V  oder  richtiger  die  militä- 
rische, mehr  für  das  Lager,  als  für  Curie  und  Markt  geeignet, 
voll  Witz  und  Iviaft ,  aber  ohne  eine  geordnete  Gedankenfolge, 
schwülstig,  Avenn  sie  erhahen  sein  sollte,  durch  einen  unrichti- 
gen (Gebrauch  der  Wörter  und  -  selbst  durch  falsche  W^ortformen 
entstellt.^")  Auch  Octavian  tadelte  es,  dass  er  mehr  darauf 
ausgehe,  einen  grossen  Eindruck  zu  machen ,  als  verstanden  zu 
werden.''''^     Wir' besitzen  Urkunden,  welche  es  tuweisen.  "2) 

Die  Krieger  verstanden  ihn,  weil  er  weniger  mit  Worten 
als  durch  Handlungen  zu  ihnen  sprach.  Bei  Gefahren  und  Be- 
schwerden sahen  sie  ihn  in  ihren  Reihen,  nur  eifersüchtig  auf 
die  Ehre,  voranzukämpfen,  und  ihnen  in  Ertragung  von  Hun- 
ger,   Durst   Und    Kälte    ein    Beispiel    von    Geduld    zu  geben.  ^3; 

55)  If.  Äntonium ,  magnuyn  eTrum  et  ingenii  nobz'h's ,  quae  alia  re& 
perdidil,  —  quam  ebrietas ,  nee  mhittr  Tino  Clcopatrae  amor  ?  Senec. 
ep.  83.  5(J)  §. 'J.  '  Tantum  dicam  breviler ,  neqne  illos  C^ersns)^  neque 
alias  le  omnino  lileras  nasse.  2  Phitß.  Vgl.  Dio  51,  15.  57)  App.  5 
716.  §.  C3.  A.  92.  58)  Die  Schreiben  an  die  Apbrodisienser,  (Chiüfa. 
Ant.  Asiat,  p.  150.)  an  die  Tyrier,  an  Hyrcan  u.  s.  L  (Joseph.  Ant.  J.  14, 
11.  (22.)  §.  3  —  5.)  wurden  wohl  von  Anderen  und  ursprünglich  in  lateini- 
scher Sprache  abgefasst.  59)  Plut.  Ant.  2.  u.  43.  Suet.  Oct.  80.  Cic. 
Brut.  13,  95.  CO)  Quid  esty  facere  contumeliam?  Qids  gic  Ivquiturl 
Cic.  3  Phil.  9.  Elcgantius.  13  Phil.  18.  Piihsimns.  Das.  19,  t'ta  ihn 
lächerlich  zu  machen^  lässt  ihn  Cicero  a.  44  bei  Sex.  Clodius  auf  dem 
Tiburtinum  sich  im  Declamiren  üben ;  auch  Andere  seines  Standes  und 
Alters  übten  sich  darin,  mussle  doch  Cicero  selbst  sich  ziTri  Magirter 
und  Rhetor  herleihen  $.  1«.  A.  5ö.  hier  aber  beschäftigte  man  sich  mit 
dem  Becher  §.  27.  A.  46.  Gl)  Suet.  86.  Vgl.  Cic.  3  Phil.  0.  fi2)  (j.v 
ad  Att.  10,  8.  9.  14,  13.  3  Phil.  8.  9.  8,  y.  13,   10.  f.     6.S)  §.51.  A.  17.  g.  cf, 


506  •   •§   *  V.  ANTONII.       (14.  §    72.) 

Persrmlicher  Muth ,  •<•*)  Uebun{T  xmd  Gewandtheit,  Gesuixiheic 
und  Küij)cikrat't  maclitcn  es  ihm  möglich ,  Vorzüge,  mit  «clohcii 
er  besonders  an  der  Spitze  der  Reutcrci  glänzte. ''•^^  In  der  Zeit 
deir  •  Rulrcr  war  es  nicht  sowohl  Herahlassung  als  sein  Frohsinn 
und  seine  Gutmüthigkeit ,  was  ihn  zu  seinen  Soldaten  führte; 
jcr  nahm  an  ihren.'  Ucbimgen  Theil,  tröstete  und  pflegte  die 
-Kranken,  scherzte  und  schwelgte  mit  den  Gesunden,  und  fesselte 
sie  selbst  durch  seine  Neigung  zum  Wohlleben ,  wobei  von  vor- 
nehmer, kalter  Zurückgezogenheit  so  gar  nicht  die  Rede  war, 
das  Menschliche  vielmehr  auf  die  Art  hervortrat,  wie  man  es 
in  den  Lagern  liebt,  cc)  Auch  seine  Gleichgültigkeit  gÄgcn  das 
Geld  erwarb  ihm  ihre  Gunst;  er  gab  im  Uebermaasse,  wenn 
er  es  vermochte,  und  ohne  damit  erkaufen  oder  abfinden  zu 
wollen;  seine  Gefährten  scliiencn  den  nächsten  Anspruch  darauf 
zu  haben  und  auch  ihnen  sollte  wohl  sein.  ^''^  So  Avenig  er 
Ungehorsam  duldete,  so  war  er  doch  nachsichtig,  wenn  sie 
fremdes  Elgcnthum  sich  anmassten  oder  andere  Gewaltthätigkeiten 
jund  Ausschweifungen  begiengen,  ^^^  und  alle  fühlten  sich  geehrt, 
als  er .  die  Namen  seiner  Legionen  auf  die  Münzen  setzte.  '''*) 
Daher  könnte  er  nun  auch  unter  allen  Umständen  auf  sie  rech- 
nen; .  sie  verbargen  ihm  ihre  Leiden  und  trösteten  ihn,  wenn 
sie  auch  durch  seine  Schuld  im  Gedränge  waren,  und  wenn  sie 
sich  selbst  für' die  Ursach  hielten,  so  forderten  sie  ihn^uf,  sie 
zu  bestrafen;^'*)  er  verliess  sie  sogar,  ohne  von  ihnen  verlassen 
zu  werden.^''')  Zum  Theil  verdankte  er  diese  Hingebung  ihrem 
Vertrauefi  zu  seinen  Feldherrn -Gaben.  Cäsar  und  das  römische 
Heer,  die  stimmfähigsten  Richter,  haben  sich  darüber  ausgc- 
Bprochen.  Jener  gab  ihm  im  Bürgerkriege  die  schwierigsten 
Aufträge,  weil  er  ilm  nicht  nur  treu  sondern  auch  tüchtig 
fand.  '''*->  '  Sein    Ruf   stieg  seit  dem  meisterhaften  Rückzuge  von 


64)  Joseph.  B.  J.  1,  S.  §.  4.  App.  3,  573.  5,  705.  Pliit.  7.  8.' 42.  74. 
C5)  Plut.  3.  .74.  Cic.  ad  Fani.  10,  30.  Gfl)  Plut.  Krul.  18.  Ant.  4.  (I. 
43.  App.  Parth.  p.  103.  05)  Plut.  II.  cc.  CS)  Ders.  0.  on)  §.  08.  in. 
70)  Plut.  40,  43,  44.  App.  Parth.  I.  c.  71)  Plut.  C8.  Kinzelne  Ausnah- 
meii  waren  die  Folge  vou  BeKfechungeii  oder  Kinllüsterungen  der  An- 
führer §.  32.  u,  70.  In  Acf^yplen  zahlte  er  zuletzt  nur  wenige  Römer 
\n  seinem  Heere  ,  und  diese  bliebe»  ihm  grössteutheils  auch  jetzl  noch  Ircu. 
73)  §.  4.  Plut,  7.  S. 


V.  ANTüNlI.         (11.  §.  72.)         507 

Mutina,  und  noch  mehr  nach  den  Schlachten  bei  Phllippl.  ^^^ 
Plutarchs  Bemerkung,  er  habe  die  grössten  Siege  durch  seine 
Legaten  erfochten ,  ist  nur  halbwahr ;  ^*>'  wenn  j  er  sich  nicht 
immer  bewährte  und  der  endliclie  Erfolg  die  hohe  iMeinüng  von  ihm 
nicht  zu  rechtfertigen  schien,  so  ist  die  Ursach  lediglich  ia 
seiner  Sinnlichkeit  und  ia  seinen  Verhältnissen  zu  Cleopatra  zu 
suchen.  ..  ;.  .-.  l. 

Ueber  seinen  sittlichen  Werth  kann  man  nicht  mit  wenigen 
Worten  entscheiden ,  wie  es  versucht  ist;  ^^^  immer  wird  ein 
allgemeines  Urtheil,  mag  es  Lob  oder  Tadel  enthalten,  ein 
falsches  sein,  denn  er  zeigte  sich  verschieden ,.  zuweilen  besser, 
oft  schlechter,  als  er  war.  Dio  ''')  hat  das  scheinbar  "Wider- 
sprechende in  dem  Character  dieses  römischen  Alcibiades  zusam- 
men gestellt,  ohne  die  Crundziige  aufzusuchen,  und  Cicero 
liefert  ein  Zerrbild,  '^^)  bei  welchem  man  leicht  wegen  der 
Schönheit  und  Lebhaftigkeit  der  Farben  nach  der  Richtigkeit 
der  Zeichnung  zu  fragen'  vergisst.  ~^)  Andere  sind  gerechter 
gewesen,  und  selbst  Veliejus,  der  Schmeichler  der  Julier,  gesteht 
ilim  einige  Tugenden  zu.  '''^)  Die  Natur  gab  ihm  kein  bestimm- 
tes Gepräge,  keine  vorherrschende  Richtung  auf  das  Gute  oder 
Böse.  Daher  geschah  es,  dass  die  Umstände  und  die  Menschen 
sich  seiner  bemächtigten,  und  in  einer  Zeit  des  staatsbürger- 
lichen Umschwunges  und  des  sittlichen  Verderbens  wirkten  sie 
ungünstig  auf  ihn;  der  gute  Keim  kam  nicht  zum  Durchbruche, 
oder  gedieh  doch  niclit  zur  Reife.  . 

Dass  er  an  sich  nicht  nur  gutmüthig  und  ohne  Falsch, 
sondern  auch  edler  und  hochherziger  Handlungen  fähig  war, 
wird  ihm  von  den  Alten  bezeugt, ^i*)  und  von  der  Geschichte 
bestätigt.  Es  ist  nun  aber  eben  mehr  der  Gesammt- Eindruck, 
welchen  sein  Leben  macht,  als  irgend  ein  einzelner  sogenannter 


73)  §.  51.  §.  57.  A.  22.  71)  4.  u.  Comp.  Demefr.  o.  Anf.  5.  75) 
Flor.  4,  5.  beziehen  sich  die  Worte:  Anlonii  pessir/ium  (nicht  pt'issimum^ 
ingenium  nach  dem  Zusammenhange  offenbar  auf  Lucius ,  obgleich  dessen 
Name  in  mehreren  Handschriften  fehlt,  und  der  Vf.  mit  gewohnter 
Nachlässigkeit  v.ror  (Fu/ria)  hinzufügt.  7C)  51,  15.  77)  Quid  est  ia 
Antonio,  praeter  libidinem^  eriidelitaleni ,  petu/qntiam,  audaciam?  ex 
Ais  totus  cong/t/tinatus  est.  3  Phil,  11.  Unten  A.  5.  78)  Vellej.  2,  ö'l, 
7'J)  »,  74.     80)  App,  5,  710,  749,  751,  Flut,  24.  43.  Pio  51,  15, 


508        (>£?  .  V.    ANTONII.         (14.  §.  72.) 

Ch.iracter-Zug,  wodurch  diese  Ansicht  begründet  Wird;  er  w.i- 
scherxt  unsere  Achtung,  aber  nicht  unsere  Theilnahnie,  man 
zürnt  und  .  vergieht  ihm,  und  muss  man  ihn  verdammen,  so 
mag  man  doch  den  Stein  nicht  auf  ihn  werfen.  An  Züsren  je- 
ner Art  fehlt  es  nicht.  Selbst  bei  den.  Proscriptionen  wurde 
Mancher  durch  ihn  oder  mit  seinem  Wissen  gerettet."*')  Er 
elirte  M.Brutus  im  Tode  S-)  und  erwarb  sich  durch  seine  (jlrossmuth 
gegen  dessen  Gefährten  Lucilius  einen  treuen  Freund;  *■*-'  auch 
begnadigte  er  darauf  Appulejus"^*)  und  andere  seiner  Anhilnger 
in  Asien ,  so  dass  Menschen ,  w  eiche  das  Aeusserste  gefürchtet 
hatten,  sich  ihm  mit  Vertrauen  näherten.  ^^)  Bei  der  Nachricht, 
■dass  Fulvia  gestorben  sei,  sah  liiaiL  ihn  sehr  bewegt;  er  hatte 
■sie  zuletzt  nicht  ohne  ihre  Schuld  unfreundlich  behandelt  und 
dadurch  ein  Ereigniss  beschleunigt,  welches  ihm  in  jeder  ande- 
ren Hinsicht  erwünscht  sein  musste.  ^^)  Eine  bewunderungs- 
würdige Langmuth  bewies  er  gegen  Sex.  Pompejus  a.  35  bei 
dessen  Meutereien  in  Asien,  ^t)  und  noch  nach  der  Schlacht  bei 
Actium  zeigte  er  sich  milde  gegen  Gefangene,  ^^)  und  liebevoll 
-gegen  die  Freunde,  Avelche  Cleopatra  von  ihm  trennte.  S'-*)  Vie- 
les Schlechte  kommt  nur  in  so  fern  auf  seine  Rechnung,  als  er 
-Andere  nicht  daran  hinderte. 

Offen  und  aufrichtig!,  obgleich  eben  so  geschickt,  seine 
Absichten  zu  verbergen,  wenn  er  es  für  nöthig  hielt,  war  er 
frei  von  Argwohn.  Er  schloss  Frieden  und  Bündniss  mit  Octa- 
vian,  dieser  immer  nur  einen  W atfcnstillstand.  '•'")  üctavian 
wurde  oft  von  ihm  beschämt;  im  Bewusstsein  eigener  Arglist 
fürchtete  fer  Nachstellungen,  auch  wenn  er  den  höchsten  Beweis 
treuer  Gesinnungen  erhalten  liatte.  '^'-'  Harmlos  war  auch  An- 
tonius Scherz,  ausser  im  Streite,  avo  er  tief  zu  tretten  wusste: 
fühlte  man  sich  gegen  seinen  AMllen  verletzt,  so  durfte  man 
sich  sogleich  Genugthuuiig  nclimcn  ,  denn  freimüthige  und  witzige 
Antworten    w aren    willkommen,  ^'^)      üiess    machte    ihn    bei    den 

'■  81)  §.55.  A.  75.  70,  82)  Dio  47,  19.  Plut.  Aiit.  22.  Comp.  Demelr. 
c.  Ant.  2.  Brut.  53.  83)  Plut.  Brut.  50.  App.  4,  605.  Vgl.  §.  00.  A.  32. 
§.  70.  A.  78.  84)  App.  4,  010.  85)  §.  57.  A.  48.  u.  5C.  80)  App.  5, 
700.  §.  CO.  A.  20.  u.  50.  87)  App.  5,  749.  u.  751.  Dlo  49,  18.  S. 
Poinpcii.  88)  Val.  Max.  3,  8.  8.  80)  Phit.  67.  §.  70.  A.  75.  00)  Tacit. 
\.l,  10.    Ol)  App.5,  711.720.§.ÜO.  A.8G.    92)  Cie.  2  Phil.  17.  in.  Plut.  24. 27. 


: :  y,  ANTONii.       (14.  §.  72.)      509 

Solilatcn  beliebt,  iiml  noch  mehr  seine  Freigebigkeit;  er  thciltc 
gern  mit  ihnen,  nur  sollten  sie  nichts  erzwingen.  Durch  die 
Sucht ,  zu  vergleichen ,  ist  Plutarcli  zu  der  Behauptung  verlei- 
tet, Denictrius  habe  den  Feinden  mehr  geschenkt,  als  Antonius 
seinen  Freunden.  ''O  Das  Geld  war  ihm  Mittel;  er  nahm  es 
und  warf  es  weg,  auch  für  Andere:  schmutziger  Geiz  war  ihm 
fremd,  i»*) 

Dadurch  wurden  eben  seine  Tugenden  zu  Fehlern,  dass  er 
CS  nicht  verstand,  sich  in  der  Mitte  zu  halten.  Das  Unge- 
zwungene und  Leutselige  artete  in  Gemeinheit  aus;  seine  Witz- 
worte würzte  nicht  eben  attisches  Salz,^"^)  und  seine  Vergnü- 
gungen waren  oft  mit  einer  ungeziemenden  V'ermummung,  auch 
woiil  mit  einer  Rauferei  und  mit  ähnlichen  Abenteuern  verbun- 
den, "ö^  Bei  seinen  Gaben  nahm  er  keine  Rücksicht  auf  eigene, 
künftige  Bedürfnisse  und  auf  Würdigkeit  und  Verdienst;  sie 
verloren  ihren  Werth ,  weil  sie  aufhörten  Belohnungen  zu  sein,  ^^J 
und  da  er  das  Geld  nicht  achtete ,  so  erlaubte  er  sich  jedes 
Mittel ,  das  Nöthige  herbeizuschaffen ,  ^^^  Erbschleicherei ,  ^^)  Be- 
trug, ^"'^^  Erpressungen  und  Raub.  ') 

Nur  äusserer  Druck  erhielt  ihn  im  Gleichgewichte ;  bei  der 
Gegenwirkung,  welche  dann  erfolgen  musste,  entwickelte  sich 
seine  Kraft  auf  eine  rühmliche  und  selbst  bewunderungswürdige 
Art;  -)  unter  gewöhnlichen  Umständen  und  im  Glücke  überliess 
er  sich  seinem  Leichtsinne  "^^  und  seiner  Leidenschaftlichkeit, 
deren  Opfer  er  wurde.  Dann  hatte  der  Augenblick  volle  Gewalt 
über  ihn;  er  liess  sich  gehen,  und  verlor  sich  selbst,  die  Stim- 
me der  Menschlichkeit,  des  Rechts  und  der  Vernunft  wurde  in 
der  stürmischen  Aufi'egung  seines  Innern  überhört.  Zum  Zorne 
gereizt  war  er  hart  und    auch    grausam.     Als    Cicero  gegen  ihn 

93)  Comp.  Demetr.  c.  Aiit.  3.  94)  Cic.  1  Phil,  13.  Son  possum 
adduci,  ut  siispicer ,  te  pecunia  caplum.  —  Nihil  enivi  unquam  in  te 
sordidiim,  nihil  humile  cognovi.  95)  Plut.  27.  90)  Ders.  29.  Vgl.  c,  10. 
97)  Cic.  2  Phil.  39.  Plul.  21.  28.  57.  Dio45,  20.  98)  Male  parla,  malr 
dHaliiintur.  —  Quac  Chari/hdis  tarn  vorax'i  —  Oceanus  ^  mcdi/is  ßdiiis^ 
vix  tidetur  tot  res  —  lam  cito  ahsorbere  potiiissc.  Cic.  2  Phil.  27.  99) 
2  Phil.  10.  39.  (40.)  100)  §.  14,  1)  §.  57.  A.  52.  f.  2)  Plul.  17.  3) 
Auch  von  ihm  ailt,  was  Sallust  von  seinem  Vater  sagt:  racuus  ciiri:;, 
nisi  »nslrrnii/ius.  Sali.  Hisf.  3.  p.  979.  ed.  Corte;  u.  Ascon.  zu  Cic.  Verr. 
I,  23. 


510  V.   ANTOMI.         (14.  §.  72.) 

ßpracli )  gab  es  noch  wenige  Beweise  dafür ;  man  mnsste  meistens 
ihn  verläumden ,  um  ihn  anzuklagen.  '')  Aber  während  der  Pro- 
scriptioncn  verübte  er  vielfachen  Mord.  Das  Gemälde  dieser 
Gräucl  ist  empörend  ,  wenn  auch  die  Farben  dadurcli  etwas  ge- 
mildert werden ,  dass  sie  nicht  durchaus  als  eine  AVirkung  sei- 
ner Blutgier  erscheinen :  denn  man  hatte  auch  ihn  mit  tödtli- 
chcm  Hasse  und  zum  Theil  muthwillig  beleidigt  und  verfolgt, 
er  war  während  dieses  Siegesfestes  fast  immer  berauscht ,  um 
so  mehr  Avütheten  Fulvia  und  Andere  unter  seinem  Namen,  und 
das    Heer,     von    welchem    seine    Erhaltung  abhieng,     verlangte 

Geld. 

Sein  Wahlspruch  war  Genuss,  nicht  feiner,  geistiger  Ge- 
nuss ,  sondern  ein  angenehmer  Sinnenreiz  durch  eine  leichtfertige 
Unterhaltung  und  durch  die  Freuden  der  Tafel  und  der  Liebe. 
Ehe  Cleopatra  ihn  völlig  verstrickte,  wusste  er  seine  Zeit  zwi- 
schen Ernst  und  Lust  zu  theilen,  was  auch  Cicero  dagegen  sa- 
gen ma<T,  ^)  dann  aber  fiel  er  ganz  der  Letzten  anheim.  Er 
nahm  unter  Cäsar  das  Haus  des  massigen  und  züchtigen  Pom- 
pejus  in  Besitz,  welches  auch  für  einen  Grossen  sehr  anständig 
eini-erichtet  war,  sich  aber  nicht  für  die  Gesellschaften  und 
Feste  eines  Antonius  eignete  ,  und  daher  umgebaut  wurde.  <») 
Auf  seiner  Tafel  prangte  goldenes  und  silbernes  Geräth ,  eben- 
falls aus  dem  Nachlasse  des  Pompejus,  oder  durch  die  Proscri- 
ptionen  erworben.  '')  Ueberallher  wurde  das  Köstlichste  und 
das  Kostbarste  geliefert,  ^^  und  der  Koch,  welcher  es  gut  zu- 
bereitete, reichlicher  belohnt,  als  der  Legat,  welcher  ihm 
Schlachten  gewann.  ")  Aber  sein  höchstes  Erstaunen  erregte 
Cleopatra,  als  sie  ihm  durch  das  Verschlingen  einer  Perle  be- 
wies, wie  viel  man  bei  Einem  Mahle  vergeuden  könne,  ^o)  Er 
ass  und  trank  zu  unbestimmter  und  daher  auch  zu  ungewöhn- 
liclier  Zeit,  ^'^    und  häufig  im  Uebermaasse.     Daher  erklärt  Ci- 


4)  3  Phil.  11  —  11.  Oben  §.  28.  A.  7.  f.  A.  14.  f.  5)  3  Phil.  5. 
11.  6,  2.  App.  5,  710.  C)  2  Phil.  3.  27.  28.  Qiiintil.  8,  4.  g.  Ifi.  Juli!. 
Caei.  Dict.  a.  47.  7)  2  Phil.  29.  13,  5.  Plul.  0.  Dais  er  Gefässe  vom 
cdelslen  Metalle  mich  zu  anderem  (;ehraiiche  liestiininfe,  erzahlt  Pliu. 
.T.},  II.  (3.)  8)  Macrol).  Sa(.  2,  13.  Plul.  28.  2  Phil.  39.  13,  11.  Ö) 
Plut.  24.     10)  Macrol).  I.  c.  Vgl.  Suet.  Calig.  37.     11)   PIhI.  9.  28. 


V.  ANTÖNir.        (14.  §.72.)     511 

ccro  die  meisten  seiner  Vergehen  aus  dem  Ehrgeize  '->  und  aus 
der  Trunksuclit.  Nach  seiner  Schilderung  konnte  man  ihn  sich 
nicht  anders  denken,  als  berauscht,  oder  doch  nur  halb  nüch- 
tern und  mit  Uebelkeiten  geplagt,  '•')  und  unglücklicherweise 
kämpfte  er  einst  als  Magister  Equitum  nach  der  Hochzeit  des 
Schauspielers  liippias  vor  den  Augen  des  römischen  Volkes  mit 
den  Folgen  einer  Ueberladung ,  ^'*)  wodurch  er  den  Vorwurf  sei- 
nes Feindes,  er  dufte  stets  von  AVein,  plündere  alle  Weinvor- 
riithe,  und  stecke  Alles  mit  seinem  Laster  an,  was  in  seine 
Nähe  komme,  zu  rcclitfertigcn  schien,  und  nicht  weniger  den 
Rath,  aiiszuschlafen.  ^^)  Anders  sprachen  seine  Sclimeicliler;  in 
der  Kunst,  das  Unwürdige  und  Schlechte  unter  verschönernden 
Namen  zu  verbergen ,  war  man  schon  damals  erfahren.  ^'0 

Es  ist  der  Einbildungskraft  kaum  möglich ,  loseres  Gesindel 
zusammen  zu  stellen,  als  nach  den  Philippiken  Antonius  in  sei- 
nem Kreise  vereinigte;  ^^>^  Würfelspieler '-^-^  und  Posscnreisser, 
Trinker  und  Kuppler,  ^^)  männliche  und  weibliche  Mimen, -^) 
Citherspieler,  Flötenbläser  und  Tänzer,-')  Lustknaben  und  Lust- 
dirnen, verarmte  Senatoren,  welche  reich,  und  winzige  Griech- 
lein ,  -welche  Senatoren  zu  werden  hofften  ,  Ueberreste  von  Cä- 
sars  Sdiiffbruche ,  wegen  Schulden  und  Verbrechen  verurtlieilt, 
durch  ihn  hergestellt  und  bereichert,  von  neuem  arm,  und  nun 
im  Hafen  des  Antonius  geborgen;  ~-)  ein  so  gemeiner  Haufen, 
dass  man  die  Vornamen  niclit  kennt ,  und  sich  bis  zur  Ver- 
wechselung ähnlich;  -^)  Alle  voll  Verlangen  nacli  Krieg,  Umwäl- 
zung, Raub  und  Mord,  -*3  aber  mit  Gaben  ausgerüstet,  wodurch 
sie  dem  Chorführer  Averth  wurden;  auf  Reisen  sein  Gefolge,  2S) 
im  Felde  sein  Stab  und  sein  Senat.  -*»->     Dennoch  war  diess  nur 


12)  1  Phil.  14.  13)  ynuseantem  f  ructantem,  vomentcm.  Cic.  ad 
Farn.  12,  2.  25.  2  Phil.  3.  17.  25.  39.  3  Phil.  12.  13,  2.  11.  A'^gl.  Plin. 
11,  28.  (22.)  Vellej.  2,  03.  Flor.  4,  11.  Pluf.  Caes.  51.  Auf.  4.  51. 
14)  2  Phil.  25.  30.  Nach  Quintil.  8,  4.  eine  meisterhafte  Darstellung. 
Plut.  ö.  Dio  45,  28.  15)  2  Phil.  12,  25.  3,  12.  13,  5.  IC)  Plut.  de 
dignosc.  adulatore.  17)  Conimissationis  Anlonianae  cliorus ;  grex  lalro- 
cinü.  5  Phil.  6.  13  Phil.  5.  18)  2  Phil.  27.  13,  11.  19)  2  Phil.  24. 
20)  2  Phil.  27.  39.  8,  9.  21)  5  Phil.  6.  22)  11  Phil.  .5.  6.  14.  13,  2. 
23)  13  Phil.  13.  Vgl.  ad  Farn.  7,  32.  24)  S  Phil.  3.  11,  ü.  14.  14,  4. 
25}  5,  3,  fin.  §,   16.  A.  Ö9.     20)  13  Phil.   13. 


512  V.  ANTONH.         (14.  §.  72.) 

ein    Anfang,    erst    in    Asien    fand    er    seiner    ganz  würdige  Ge- 
fährten. 2^) 

Das  Vcrzeichniss,  welches  Cicero  liefert,  macht  auf  Voll- 
ständigkeit keinen  Anspruch;  ^8)  in  einer  anderen  Beziehung 
bedarf  es  der  Nachsicht  noch  mehr,  denn  man  findet  darin  Männer 
von  Talent,  Rang  und  Verdienst,  nahnihafte  Krieger  aus  Cüsars 
Zeit,  einen  V'entidius,  Avelchcr  bald  alle  Anderen  verdunkeln 
sollte,  Volumnius,  unter  Cäsar  einer  der  Angesehensten  im 
Heere,  nun  aber,  wie  der  Redner  ihn  einführt,  von  Phitarch 
für  einen  Schauspieler  gehalten,-'-^)  nebst  Anderen,  welche  als 
Freunde  des  Antonius  von  Cicero  gehasst  wurden:  dieser  aber 
machte  unter  seinen  Feinden  keinen  Unterschied,  sie  waren  ihm 
Einer  wie  Alle.  So  linden  wir  nun  Sex.  Albedius,  dessen 
Würdigkeit  in  Antonius  Senat  zu  sitzen,  keiner  bezweifelt, 
weil  keiner  ihn  kennt,  ^o)  Anaxenor,  den  Citherspieler. -^O  C. 
Annius  Cimber,  Sohn  des  Lysidicus,  ein  für  ihn  schicklicher 
Name,  weil  er  alles  Recht  verdreht,  wenn  er  nicht  etwa  seinen 
Bruder  mit  Recht  getödtet  hat,  weshalb  er  auch  Philadelphus 
heisst,  die  Zierde  des  Heers  bei  IMutina.  32j  Cajus  und  Lucius, 
die  Brüder  des  Antonius,  unübertrefflich  in  Allem,  was  schänd- 
lich ist,  insbesondere  Lucius.  ■^^)  Asinius,  Senator  durch  eigene 
Ernennung.  "^^^  ßarbatius,  ein  Anhänger  Cäsars  und  später 
Antonius  Quästor.  ■'^)  Bestia.  36)  Cäsennius  Lento,  nebst  Nu- 
cula,  mit  welchem  er  meistens  genannt  wird,  von  Cicero  vor- 
züglich gefeiert,  weil  sie  als  Septemvirn  Antonius  Ackergesetz 
vollziehen  sollten,  und  daher  seine  Güter  bedrohten ;  •^^)  auch 
hatte  er  nach  der  Schlacht  bei  Munda  Cn.  Pompejus  dem  Jün- 
geren den  Kopf  abgeschlagen,  und  ihn  gelüstete  nach  einem 
zweiten ,  weshalb  Cicero  nicht  gern  in  seiner  Nähe  war.  •'**) 
Calpurnius    Bestia,     Aedil,     bei    der    Beweibung    um  die  Prätur 


27)  Plut.  24.  28)  Ge?iris  infinit  um.  —  Cnmitatum  relinquo,  durcs 
nomino.  13  Pliil.  2.  29)  Pliit.  Krut.  15.  S.  jedoch  un<eri  A.  88.  30)  13 
Phil.  13.  31)  Plut.  Anl.  21.  32)  11  Phil,  ü.  13,  12.  13.  Mannt,  unter, 
scheidet  Cimber  u.  Philad.  oline  Grund.  33)  10  Phil.  10,  11,  5.  Auf 
§.  14,  A.  71.  ersieht  sich,  warum  Lucius  als  der  Schlechteste  eiiclieint. 
3'1)  13  Phil.  13.  35)  §.  51).  A.  72.  30)  S.  unten  A.  3!).  37)  11  Phil, 
fi.  12,  cV.  13,  2.  12.  §.  11,  A.  G7.  §,  40,  A.  10.  §.  12.  A.  02.  38)  12 
l'hil.  M.   üiti  J3,    lU.  Flor.  1,  2.  §.  hO.  Oros.  0,   l(i.  .S.  .luUi.  tue  s,  I)ict.  a.  1' 


V.  ANTÜNII.       (II.  §.  72.)  513 

wegen   Bestechungen    vcrurthcilt,     obgleich    Cicero    ihn  verthci- 
(llgte,  und  jetzt  voll  lloflnung,    an  Brutus  Stelle  sogleich  Con- 
sul  zu  Averden.  ^9)     Capho,  mit  Antonius  vor  Mutina,  im  Geiste 
schon  Besitzer  der  schönsten  Hiiuser  und  Villen,    auch  der  Gü- 
ter Ciceros,  eine  Pest  der  Republik.  ^^"-^      Cassius  Barha,  Avelcher 
zum  Unglücke  der  Römer  Cäsar,     seinen  Gönner,     überlebte.  ^U 
Censorinus.  ^-)     Classitius,  ein  Anführer  der  Leibwache  des  An- 
tonius, 43)    der  Barbaren,    vor  welchen  die  Römer  zitterten.      Q. 
Coelius,  mit  einem  Bruclie  beliaftet,    und  mit  seinem  Vermögen 
gescheitert,  ein  guter  Gesellschafter,  aber  doch  bei  einem  Gast- 
mahle   auf   Antonius    Befelil    gepeitscht.  **)      Cotjin.  *5)     M.    Cu- 
rius,     ein    artiger  Mann,     von    heiterer    Laune,     bei  Tische  der 
Nachbar    des    Griechen  Lvsiades,    zu  welchem  er  sich  besonders 
hingezogen  fühlte.  4^)     Cyda,    ein  Cretenscr,    höchst    verwegen, 
ohne    Kenntniss  der    Sprache  und  Gesetze  Roms,     von  Antonius 
für  seine    neue  Richter  -  Centurie    bestimmt.  *^^     Cjtheris.     eine 
Mime,     Voluninia  genannt  als  Geliebte  des  Volumnius,    welcher 
sie    Antonius    überliess,     ohne    ihr  ganz    zu  entsagen;     auf  den 
Reisen    ihres    neuen    Freundes    ehrenvoll    empfangen,     mehr    als 
seine  ins  Gefolge  verwiesene  Mutter  Julia;    auch  Cicero  ass  mit 
ihr.  4S)     Decidius  Saxa ,     aus  Celtiberien ,    welcher  Cäsars  Lager 
absteckte,    und  jetzt  Rom  abzumessen  hoffte.  '*'J)     P.  Decius  fer- 
ner; nach  dem  Beispiele  seiner  Ahnen,  der  Decius  Mus,  opferte 
er    sich    auf,     für  seine  Gläubiger    nämlich,     indem  er  fremdes, 
angemasstes  Gut  feil  bot,    um  seine  Schulden  zu  bezahlen,  und 
keine  Käufer  fand.  ^")     Domitius,  ein  Apulier,  verschwenderisch 
in    der   Hoffnung   zu    erwerben;    er  verschwendete  sein  Gift  an 
seiner  Schwester  Sohn,  ^i) 

Eutrapelus.  S-)      Epitius ,     Bruder    des    Annius  Philadelphus, 
Quästor,     noch   jung,     aber   so    hervorragend   in  dieser  Schaar, 


39)  11  Phil.  5.  12,  8.  13,  2.  12.  ad  Qu.  fr.  2,  3.  S.  Calpurnü. 
40)  8  Phil.  3.  10,  10.  11,  5.  12,  8.  41)  13  Phil.  2.  ad  Attic.  13,  52. 
42)  Unten  A.  GO.  43)  §.  14.  in.  5  Phil.  C.  13,  2.  Von  L.  Crassltius  zu 
unterscheiden.  Unten  No.  22.  A.  39.  44)  13  Phil.  2.  12.  45)  Inten  A. 
80.  46)  5  Phil.  5.  8,  9.  App.  5,  749.  47)  §.  14.  A.  79.  5  Phil.  5.  8 ,  0. 
48)  2  Phil.  24.  ad  Farn.  9,  26.  Oben  §.  3.  A.  26.  49)  11  Phil.  5.  .S. 
»ecidii.  50)  11  Phil.  G.  n,  13.  51)  11  Phil.  6.  52)  Unleu  A.  84. 
nrinn.Diii,  GescliiclHe  Kniii»  1.  33 


ü 


14  V.  ANTCNII.       (14.  §>  72.) 


dass  OS  Antonius  schmerzen  würde,  ilm  übergangen  zu  sehen.  •""• 
tialliiis,   früher  Priitof,    von  iinstrünichem  AVandel.  ^*)     liippias., 
ein  Schauspieler,   hei  dessen  Hochzeit  Antonius  sich  berauschte.  ^  '^ 
Tuilus  Hustiiius,     von    Cäsar    zum    voraus    zum  Volkstribun  er- 
nannt,   und  stolz  auf  seinen  Namen,    welchen  er  öftentlich  ein- 
graben   Hess.  ^^^     Laco,    aus    Anagnia,     ein    tüchtiger    Trinker; 
.Vtticus  hatte  nie  von  ihm  gehört,  wohl  aber  Cicero,  denn  die- 
ser war  als  Sachu alter    stets    von  Allem  unterrichtet,     was  sich 
in  der  Stadt  und  in  den  ramillcn    ereignete,    er  unterhielt  von 
jeher    seine  Zuträger   und    Späher,     wodurch  er  auf  der  llcduer- 
hühne  gefälirlichcr  wurde,  aber  auch  grösseres  Interesse  erregte.  ^''^ 
Lcnto.  ^^)  ■  Lysiadcs,    ein  Athcnicnser;    sein  Vater  hiess  Phädrus 
und    war    ein   Philosoph;     ein   feiner  Mann,     "welcher  zu    leben 
wnsste.  ^'■*)     L.  .Marcius  Censorinus:    ihm  giebt  Cicero  unter  den 
Nichtswürdigen    den    Rang    nach    Lucius  Antonius;    wenn  dieser 
fehlt,     stellt    er    ihn    voran,     oder    er  nennt  ihn  mit  Ventidius 
statt  aller  Anderen,  ^"^i     Er  war  a.  43  Prätor,    folgte  aber  den- 
noch Antonius  nach  Mutina,  ''')    für  welchen  er  nach  dem  Tode 
des  M.  Brutus  Achaja  verwaltete;  ^-^     im  J.  3t)  au  dessen  erstem 
Tage  er  über  ]\Iacedouien  triumplilrte,     gelangte  er  zum  Consu- 
lat.  ''•^)     Mola.  ^*^     Metro<lürus,     erst    in    Asien    erworben,      und 
daher    Cicero    noch    unbekannt.  ^'-"^     T.  Munatius   Plancus  Bursa, 
von  Cicero,     welcher  ihn  einst    vertheidigt  hatte,     zwicfacli  ge- 
hasst,    als    Freund    des    Clodius  *''*)  und  seines  jetzigen  Gegners. 
Als  V.  Tribun  gab  er  a.   52  Veranlassung,  dass  der  Pöbel  nach 
Clodius    Tode    die    liostilische    Curie  verbrannte;     er  wurde  von 
Cicero  angcklagf  und  verurtlieilt,     kelirtc  aber  im  Bürgerkriege 
mit  Cäsar  nach  Rom  zurück,    und  focht  dann  für  Antonius  bei 
Mutina.  '"'"^     Mustela    aus  Anagnia,    ein  Anführer    der  Leibwache 
des    Antonius,     meistens    mit    seinem    Landsmaune    Laco  zusam- 


53)  13  Phil.  13.  51)  13  Phil.  12.  M.  Galliua  erwähnt  ad  AU.  10, 
15.  11,  20.  Sue(.  Tiber.  G.  55)  Oben  A.  11.  5ü)  13  Phil.  12.  57)  2 
Phil.  -10.  (11.)  ad  Alt.  10,  11.  r.s)  A.  37.  59)  5  Phil.  5.  8 ,  9.  60) 
11  Phil.  5.  13,  2.  u.  11.  ad  AU.  14,  10.  Ül)  11  Phil.  5.  12,  8.  C2) 
§.  57.  A.  4ß.  r.3)  §.  (il.  in.  Ül)  13  Phil.  2.  05)  Phil.  21.  CG)  ad 
Fara.  7  ,  2.  //*>  si'Miofiis,  ariir/ii  causa ,  mc ,  in  qiieiii  invt/icrclur ,  dele- 
grrat.  67J  10  Phil.  lo.  H,  c.  12,  tf.  13,  12.  ad  Farn.  7,  2.  12,  18. 
»d   At(.   14.   10.  Dr«  4^>,   38. 


V.   ANTOXn.        (14.  §.  72.)       515 

mengestellt,     als  Raufbold   ausgezeichnet,    >vie   dieser   beim   Be- 
cher. *"*) 

Nucula,  zum  Septemvir  bestimmt.  ^'■>^  Petissius  aus  Urbi- 
num;  er  hatte  ein  grosses  Vermögen  verschwendet,  und  -wollte 
sich  bei  Antonius  erliolen.  '^")  PoIIio.  ^')  Pontius.  ''^)  Postu- 
niius,  ein  angesehener  Ciisarianer.  ''^^  Saculio ,  wegen  seines 
Witzes  beliebt.  "'^^  Saserna;  zwei  Brüder  dieses  Namens  dienten 
als  Bcfclilshaber  unter  Cäsar;  welchem  unter  ihnen  die  verächt- 
lichen Aeusserungen  Ciceros  gelten ,  ist  ungewiss.  "^'O  Saxa.  '^^ 
SergiuH,  ein  Mime,  und  von  Antonius  allen  Anderen  vorgezo- 
gen.''^^  Tiro,  in  der  furchtbaren  Leibwaclie,  ein  zweiter  Mu- 
stela.  "'S)  L,  Trebellius,  a.  47  als  Volkstribun  ein  eifriger  Geg- 
ner seines  Collegen  Dolabclla ,  als  dieser  die  Schuldverpflich- 
tungen aufheben  wollte;  dann  wünschte  er  selbst  durch  eine 
solclic  Maassregel  von  seinen  Schulden  befreit  zu  werden,  und 
rettete  sich  vor  den  Gläubigern  zu  Antonius  in  das  Laeer  vor 
Mutina.  ■*'•*)  L.  Varius  Cotyla,8">>  früher  Aedil ,  der  Grundpfei- 
ler dieses  Vereins  und  dessen  Zierde;  Antonius  Hess  ihn  einst 
geisscin,  ;  brauchte  ihn  aber  im  mutinensischcn  Kriege  als  Kund- 
schafter in  Rom  ,  und  vertraute  ihm  darauf  einen  Theil  seines 
Heers  in  Gallien  an,  *'^  woraus  folgt,  dass  er  auch  Eigen- 
schaften besass,  von  ■welchen  Cicero  schweigt.  P.  Ventidius.  ^2) 
Visejus.  '^'^)     P.  Volumnius  Eutrapelus ,  wegen  seines  "Witzes  und 


68)  Alter  gladiorum  est  prinr^eps,  aller  poculorum.  2  Phil.  40.  (11.) 
Vgl.  2,  4.  5,  6.  8,  9.  12,  G.  13,  2.  ad  Att.  14,  JO.  16,  11.  CO)  §.  14. 
A.  GC.  70)  12  Phil.  8.  13,  2.  71)  13  Phil.  2.  Von  Asinius  Pollio  zu 
uiifersclieiden  ,  welcher  zur  Zeit  des  Tuufineiisiscben  Kriegs  im  jenseiti- 
gen Spanien.  §.  51.  A.  23.  72)  Cic.  1.  c.  Pontius  Aquila  gehörte  zu  Ca" 
sars  Mördern  und  kämpfte  hei  Mutiua  gegen  Antonius.  §.  42.  A.  GO. 
73)  ad  Attic.  14,  10.  15,  2.  ad  Farn.  6,  12.  74)  Plut.  Brut.  45.  75) 
13  Phil.  13.  ad  Att.  15,  2.  B.  Afric.  9.  70)  Oben  A.  49.  77)  2  Phil, 
25.  Plut,  9.  78)  2  Phil.  4.  5,  C.  8,  9.  12,  C.  13,  2.  79j  G  Phil.  4.  10, 
10.  11,  G.  12,  8.  13,  2.  12.  S.  Cornelii  Dolab.  80)  KoxvXrj ,  cotyla, 
das  Weinfass,  der  Zecher.  8  Phil.  8.  13,  12.  Plut.  18.  81)  §,  30.  A. 
73.  §.  53.  A.  Öl/y.)  82)  12  Phil.  8.  13,  2.  11.  §.  G2.  A.  71.  f.  S.  Ven- 
tid.  83)  13  Phil.  12.  So  die  neueren  Ausgaben;  die  richtige  Lesart  ist 
bis  dahin  nicht  zu  ermitteln;  man  findet  unter  anderen  Insrjus ,  welches 
Gruter  in  I/istejiis  verwandelt;  eben  so  ungewias  ist  es,  ob  der  Mann, 
jetzt  „ein  niuthiger  Freibeuter"  früher  in  Isaurien  oder  in  Pisaurum  Ra- 

.33* 


516  V.  AXTONII.        (14.  §,72.) 

seiner  heiteren  Laune  ^4)  ganz  für  Antonius  geschaffen,  mit  wel- 
chem er  die  Gunstbezciigungen  der  Cytheris  theilte.  ^•^)  Dass  er 
schon  Tor  dem  Bürgerkriege  Ciisars  und  dann  unter  diesem  in  gro- 
ssem Ansehn  stand,  beweisen  die  Briefe  Ciceros  an  ihn,  mcI- 
cher  seinen  ,, lieben  Voluninius'"  bittet,  dahin  zu  wirken,  dass 
er  sich  einer  anstündigen  Müsse  erfreue,  und  ihn  versichert, 
dass  seine  längsten  Briefe  ihm  die  angenehmsten  seien.  ^6)  |n 
den  Philippiken  wird  er  mit  Tiro  und  Mustela  zusammengewor- 
fen, *^)  und  Plutarch  nennt  ihn  einen  Schauspieler,  8*>'  er  war 
aber  praefectus  fahruin  in  Antonius  Heere.  ^^^  Vopiscus,  ein 
hochbeijabter,  einflussreicher  Mann,  und  daher  zu  der  Hofl'nung 
berechtigt,  Consul  zu  werden,  obgleich  er  nur  Aedil  gewesen 
war.  ^"^)  Xuthus ,  ein  Flötenbliiser  und  erst  nach  den  Schlach- 
ten bei  Philipp!  in  Asien  angeworben.  ^^) 

Diese  waren  also  die  Genossen  des  Antonius,  welcher  nach 
Ciceros  Tode  die  Genugthuung  hatte,  dass  man  ihn  als  das  Haupt 
einer  solchen  Gesellschaft  in  Asien  und  Griechenland  als  Bacchus 
verehrte.  ^-^  Angeblich  verfasste  er  kurz  vor  der  Niederlage  bei 
Actium  eine  Schrift,  Avorin  er  sich  wegen  seiner  Völlerei  zu 
rechtfertigen  suchte,  aber  nach  Plinius  ^-^^  nur  bewies,  wie  viel 
Unheil  daraus  für  die  Menschheit  entstand.  Noch  mehr  scha- 
dete er  sich  selbst;  diess  eine  Laster  zog  andere  nach  sich:  es 
unterdrückte  das  Gute  in  ihm  und  verleitete  ihn  zu  Verbre- 
chen. 9*> 

Insbesondere    beförderte    es    seine  Ausschweifungen    im  Um- 

"an<Tc  mit  beiden  Geschlechtern.      Schnöde  Begierden   und  Geld- 
verleo-enheit  führten  ihn  anfangs  in  die  Arme  des  Jüngern  Curio,^^) 


deraeister  war,  doch  scheint  er  ein  Ifaler  gewesen  zu  sein,  nnd  nicht 
derselbe,  welcher  hei  Actium  befehligte.  Plut.  C5.  hier  §.  69.  A.  21. 
84)  'Evtnoaii.Ui.  Cic.  ad  Farn.  7,  32.  85)  ad  Fam.  9,  20.  Oben  A.  48. 
86)  ad  Fam.  7,  32.  33.  S7)  13  Phil.  2.  SS)  Flut.  Brut.  45.  Vielleicht 
nur  eine  Verwechselung,  so  dass  er  schreiben  wollte:  iJo/.oi'/dioi;  ^fÄw- 
Tono»ö?  (iiro«nf/oO  v.nX  ^Luy.ovUm'  tüf>o<;.  80)  Nepos  Attic.  12.  90) 
11  Phil.  5.  91)  Pl"t-  Ant.  24.  02)  f.  57.  A.  47.  §.  02.  A.  92.  93)  14, 
28.  (22.)  Wahrscheinlich  das  "Werk  eines  Rhetor.  Antonius  war  sein 
Ruf  sehr  gleichgültig,  und  das  Schreiben  liebte  er  nicht.  91)  Senec 
V.vhi-  83-  Vellej.  2.  03.  §.  1.  Oit)  Wegen  dieses  Verhältnisses  fi/tola 
Curtnnts'-  ad  Alt.  1  ,  1 1- 


i 


V.  ANTÜNIL  (15.)  517 

welcher  sich  bei  seinen  Gläubigern  für  ihn  verbürgte.  '•"'J 
Dann  unterhielt  er  neben  seinen  Buhlcrinnen  auch  Lustknaben,  '•'^) 
und  man  vusste  von  Manchen  seines  Gefolges  niclit,  ob  sie  zu  sei^ 
nen  Freunden  oder  Freundinnen  gcliörten.  ^^-f  Bei  der  Wahl  der 
Letzteren  war  er  nicht  ekel;  er  erhob  sich  aber- Von  den  schmu- 
tzigen Sclilupfwinkeln  der  Lust  allmälig  bis  zum  Throne.  '^'■') 
Eine  Zeitlang  fesselte  ihn  Cytheris,  von  Cicero  seine  Gemah- 
linn  genannt ,  welcher  er  dann  einen  Scheidebrief  geschickt  ha- 
be;'""-^ aber  sie  musste  Nebenbuhlerinnen  dulden.  U  Andere  Veiv 
bindungen  waren  vorübergeliend,  Avie  ein  glücklicher  Zufall  sie 
gab ;  Coponius  wurde  während  der  Proscriptionen  durch  seine 
Gemahlinn  auf  Kosten  seiner  Ehre  gerettet,  V  und  Archelaus 
verdankte  den  Reizen  seiner  Mutter  Glaphjra  seine  Besitzungen 
in  Cappadocien.  3)  Auch  die  schöne  jüdische  Fürstinn  Maria- 
nine  und  ihren  eben  so  schonen  Bruder  suchte  man  Antonius  zu- 
zuführen ,  welches  indess  misslang.  ^)  Das  dauernde  Verliältniss 
des  veränderlichen  Mannes  zu  Cleopatra  und  seine  völlige  Hin- 
gebung an  sie  hielt  man  für  ein  AVerk  der  Zauberei.  ^) 


15.  Fadia.  Erste  Gemahlinn  von  No.  14.  Tochter  des  Q. 
Fadius,  eines  Freigelassenen,  ^)  welchen  man  irrig  mit  M.  Ful- 
vius  Bambalio,  dem  Vater  der  Fulvia,  für  Eine  Person  gehal- 
ten liat.  "^J  Dass  der  Letzte  vor  seiner  Freilassung  Q.  Fadius 
hless,8)  ist  undenkbar,  da  Sclaven  keinen  Vornamen  hatten. 
Dieser  selbst  führt  darauf,  dass  man  hier  unterscheiden  muss,  denn 
Fadius  wird  Q.  oder  C.  genannt,  ö)  Buchstaben,  Avelche  die  Ab- 
schreiber leicht  verwechseln   konnten,    Bambalio    dagegen  M.  ^*'^ 


96)  §.  1.  2  Phil.  18:  Su?npsisli  virilem  tognnij  quam  statim  mulie- 
hrevi  togam  reddidisti.  Prinio  vulgare  scortum  —  sed  cilo  Curia  in- 
terve?iit,  qui  te  —  —  in  ?uatrimonio  stabili  et  certo  locavit.  Dio  45, 
2G.  97)  2  Phil.  40.  (41.)  9fe)  ad  Attic.  10,  10.  Dio  45,  28.  2  PhiJ.  28. 
3,  5.  in.  99)  Dio  45,  2C.  Plut.  G.  100)  2  Phil.  8.  28.  Oben  A.  48. 
1)  13  Phil.  11.  ad  Att.  10,  10.  2)  App.  4.  012.  3)  §.  57.  A.  55.  §.  66. 
A.  2.  4)  §.  G4.  A.  31.  5)  Dio  50,  5.  O)  Cic.  2  Phil.  2.  7)  Das  Rich- 
tige findet  sich  schon  bei  Glandorp.  Onoiu.  p.  83.  Vgl.  Periz.  Aniiu.  bist. 
c.  5,  p.  2ÜC.  Garatoni  zu  2  Phil.  36.  3,6.  8)  Ruperti  stemm,  p.  87" 
9)  2  Phil.  2.  ad  Atl.  16,  11.     10)  2  Phil.  30.   u.  das.  Gaiat. 


i,18  V.  ANTONII.  (10.) 


K 


Endlicli  crwUhnt  Cicero  die  Kinder  des  Antonius  von  Fadia,  von 
velchen  auch  nicht  weiter  die  Hede  ist,  als  verstorben,  ")  sei- 
ne Kinder  .ton  der  Tochter  des  Baiubalio  dagegen  als  lebend.  ^-) 

16.  Antonia.  »3) 

17.  Fulvia.  14) 

18.  Octavia.  ^'0 

19.  (Cleopatra).  Sie  wird  Gemahlinn  des  Triumvir  Anto- 
nius genannt,  ^'^i  wie  die  Mime  Cjtheris,  ^D  um  ihn  verhasst 
und  verächtlich  zu  machen.  Nach  den  römischen  Gesetzen  war 
sie  nur  seine  Coucubine.  is)  Ej.  zeugte  Kinder  mit  ihr ,  ehe  er 
sich  von  Octavia  getrennt  hatte;  *'■'-'  dann,  sagt  Eutrop ,  heira- 
thete  er  sie;  als  römischer  Bürger  war  er  aber  ohne  Genehmi- 
gung des  römischen  Volks  oder  einen  Staatsvertrag  ZM'ischea 
diesem  und  dem  ägvptisclien  nicht  dazu  befugt.  -^) 

2P.  Antonia.  Tochter  von  No.  14.  und  IG,  und  von  den 
Alten  und  Neuereu  meistens  übergangen.  Sie  war  nicht  Toch- 
ter der  Failia,  welches  Perizonius  anzunehmen  geneigt  ist,  -0 
denn  a.  44  als  ihr  Vater  sie  mit  dem  Sohne  des  M.  Lepidus 
verlobte ,  22j  waren  deren  Kinder  schon  todt;  sie  war  auch  nicht 
Tocliter  der  Fulvia,  welche  Antonius  erst  a.  4G  heirathete,  denn 
dann  wäre  sie  bei  ihrer  Verlobung  noch  in  den  Händen  der 
Amme,  und  bei  ihrer  Vermählung  a.  3ö  -^^  noch  nicht  zehn 
Jahr  alt  gewesen.  Es  bleibt  also  nur  übrig,  dass  Antonia  ihre 
.Mutter    war.     Lepidus    ihr  Gemahl,    starb    a.  3Q   und  sie  schon 


11)  2  Phil.  2.  ad  A(t.  1.  c.  12)  n.  a.  2  Phil.  3C.  13)  Unten  No. 
32.  11)  S.  Claudii.  Früher  mit  P.  Clodius  und  mit  C.  Curie  vermählt,  15) 
S.  Octavii.  u.  hier  No.  14.  §.  GO.  A.  60.  u.  73.  16)  Virg.  Aen.  8,  088. 
Serv.  zu  Virg.  Aen.  7,  C8 1.  8,  07 8.  Ovid.  Metam.  15,  82G.  Suet.  Oct. 
09.  wo  Autoiiius  sie  selbst  so  nennt.  Macrob.  Sat.  2  ,  13.  Eutrop.  7.  0. 
u.  7.  (4.)  üros.  C,  19.  Nach  Athen.  4.  p.  117.  ed.  Casaub.  heirathete  er 
sie  sogar  schon  a.  41  bei  ihrer  Zusammenkunft  in  Cilicien.  Oben  §.  57. 
A.  59.  17)  Oben  No.  11.  §.  72.  A.  48.  u.  100.  IS)  Liv.  131.  L'.rufi» 
loco.  Plut.  Ant.  53.  'Jlnuiiitn  'Ayiwitov.  Propert.  3,  9.  31.  Coniiigium 
ohscoenitiii.  19)  Oben  No.  14.  §.  07.  \.  35.  2Ü)  Es  fanden  keine  jw 
tlae  nuptlae y  kein  eonnuhlnm  Statt.  Senec.  de  benef.  4,  35:  Ao«  est 
viifii  cum  extra neo  connuhinvt.  Eadeni  lex  tue  defendit^  quae  reU/l^ 
S.  die  Scliriflsteller  bei  HaulioiJ  Institut,  iur.  Rom.  ed.  Otto.  p.  237. 
21)  Anim.  hist.  p.  110.  22)  Oben  No.  U.  §•  9.  A.  45.  23)  Das.  §.  64. 
A.  20. 


V.  ANTONII.  (21.)  510 

fiüherj  denn  er  vav  Jamals  in  zweiter  Elie  mit  Servllla  ver- 
bunden: -'')  ihr  Vater  iiltcvlcbtc  sie  und  sie  zälilt  unter  den  sie- 
ben Kindern  nicht  mit,  •welche  dieser  nacli  Plutarch  hintcr- 
liess,  -^) 

21.  M.  Antonius,  2C^  von  den  griechischen  Cescluchtscliret- 
licrn  Antjlius  genannt;  2^)  Solin  von  No.  14  und  l?,-**)  und 
zwar  der  ältere.  ^9)  Nach  Cäsars  Tode  schickte  ihn  der  Vater 
als  Geissei  zu  den  Verschworenen  auf  das  Capitol ,  ^^)  und  wäh- 
rend des  mutinensischcn  Krieges  blieb  er  in  Rom  bei  der  Mut- 
ter. ^^>'  Dann  begleitete  er  Antonius  nach  Philippi  und  weiter 
nach  Asien  und  Aegyptcn.  ^-)  a.  30  Avurde  er  zu  Tavent  mit, 
Julia,  der  Tochter  des  Octavian  verloht,  ^^J  folglich  als  Kind. 
•Die  männliche  Toga  erhielt  er  a.  30  mit  Cäsarion  in  Aeirr- 
pten ,  ■'*)  und  um  so  weniger  schonte  ihn  Octavian,  zu  wclcliem 
er  als  Friedensgesandter  gieng.  ^^)  Dieser  liess  ihn  a.  30  nacli 
dem  Tode  des  Vaters  in  Alexandrien  hinrichten,  nachdem  seia 
Pädagog  Theodorus  ihn  verrathen  und  er  Vergehens  in  der  von 
Cleopatra  erbauten  Capelle  Cäsars  Schutz    gesucht  hatte.  3öj 

22.  Julus  Antonius.  Sohn  vpn  No.  14  und  17.  Jene  Form 
seines  Namens  ist  geAvöhnliciier  als  die  andere :  Julius ,  welche 
als    die    bekanntere    oft   nur    von   den   Abschreibern    vorijezogren 


24)  Aeroil.  Lepidi  No.  2G  —  28.  25)  Anlon.  87.  2Cj  Den  Vorna- 
men  Marcus  hat  er  auf  Münzen,  deren  Aechtheit  jedoch  zweifelhaft  ist. 
EcVh.  C.  p.  08.  27)  Plut.  Ant.  71.  81.  Die  48,  54.  51,  G.  15.  u.  sonst.  Als 
der  äl(es(e  Sohn  hatfe  er  den  Vornamen  des  Vaters.  Es  ist  nicht  wahr- 
scheinlich, dass  dieser  ihn  zur  Erinnerung  an  den  angeblichen  Staramva- 
ter  Anton  (oben  Einleit.  z.  Geschichte  d.  Antonier)  Antullus  nannte,  (die 
Form  findet  sich  Gruter.  Inscr.  p.  804.  No.  13.)  wozu  ja  der  Gentil- Na- 
me genügte,  auch  würde  er  dann  bei  den  römischen  Schriftstellern  so 
Leissen;  (Periz.  Anira.  liist.  c.  3.  p.  156.)  ohne  Zweifel  bedienten  sich 
die  Griechen  in  und  ausser  Alexandrien,  unter  welchen  der  Knabe  sich 
lange  aufhielt,  dieses  Schmeicheiwortes,  welches  dann  im  Osten,  wo 
man  ihn  seit  a.  42  fast  allein  kannte,  die  gewöhnliche  Bezeichnung 
wurde.  28)  Plut  28.  57.  71.  81,  Dio  51  ,  G.  29)  Suet.  Oct.  17,  Plut, 
28.  u.  57.  Abramius  zu  Cic.  l  Phil.  1.  hält  ihn  für  den  Sohn  der  Fa- 
dia.  30)  Oben  No.  14.  §.  11.  A.  8.  31)  Das.  §.  30.  A.  75.  32)  plul, 
Ant.  57.  33)  Oben  No.  14.  §.  G4.  A.  23.  34)  Das.  §,  70.  A.  87.  S5) 
Das.  §.  70.  A.  91.  30)  Das.  §.  71.  A.  20.  So  möchten  die  abweichen- 
den  Nachrichten  bei  Plut.  81.  87.  Dio  51,  15.  Suet.  Ocl.  17.  weiche 
Fabric.  zu  Dio  1.  c.  uissverstanden  hat,  sich  v<;reinigen  lassen.  ^-^ 


520  V.  ANTONII.  (22.) 

wurde.  Antonius  wollte  seinen  Sohn,  den  Enkel  der  Julia, 
(No.  13.)  als  Nachkommen  von  Julus,  dem  Sohne  des  Aeneas, 
bezeichnen;  er  mochte  aber  diese  Bezeichnung  vor  oder  nach: 
Antonius  setzen,  so  konnte  er  ihr  nicht  die  Form  eines  Gen- 
til- Namens  geben;  es  ist  aber  am  wahrscheinlichsten,  dass  sie 
als  V^orname  gebraucht  wurde,  denn  ein  anderer  lässt  sich  nicht 
mit  GcMissheit  ermitteln;  Julus  konnte  nicht  Marcus  hcissen, 
wie  einige  Neuere  glauben ,  da  sein  Bruder  noch  lebte ,  als  er 
geboren  wurde,  und  die  Vermuthung,  dass  man  ihn  Lucius 
nannte,  3^)  gründet  sich  auf  nichts  anderes,  als  dass  sein  Sohn 
diesen  Vornamen  hatte.  Er  Avar  zu  jung,  um  dem  Vater  nach 
dem  Osten  zu  folgen ,  und  wurde  in  Rom  von  seiner  Stiefmut- 
ter Octavia  mit  arrosser  Sorgfalt  erzogen.  ^^)  Zu  seinen  Leh- 
rern  gehörte  L.  Crassitius,  ein  Freigelassener  aus  Tarcnt,  mit 
dem  Beinamen  Pasicles,  welchen  er  bald  in  Pansa  verwan- 
delte. 39) 

Augustus  begünstigte  ihn  aus  Rücksieht  auf  Octavia  und 
auf  deren  Fürwort;*"^)  er  verheirathete  ihn  mit  IMarcella ,  ihrer 
Tochter  aus  ihrer  früheren  Ehe  mit  C.  Marcellus,  ^')  und  er- 
nannte ihn  a.  13  v.  Chr.  zum  Prütor.  '^-)  A.  10  v.  Chr.  wur- 
de er  Consul  mit  Q.  Fabius  Maximus  Africanus ,  ^3)  worauf  er 
eine  Provinz  verwaltete,  wie  es  scheint  Asia.  **)  Dann  aber 
buhlte  er  mit  Julia,  der  Tochter  des  Kaisers,  ein  Ehebruch, 
welcher  ihm  nach  Einigen  die  Regierung  verschaffen  sollte,  aber 
nur  die  Folge  hatte ,  dass  er  a.  2  A'or  Chr.  eines  gewaltsamen 
Todes  starb.  '^'^J     Er  war  Dichter.  ***) 

37)  Marliani  Annal.  ad  a.  713.  38)  Oben  No.  14.  §.  C6.  A.  90. 
30)  Suet.  üranini.  18.  Oben  No.  14.  §.  72.  A.  43.  40)  Vellej.  2,  100. 
.Sue(.  Od.  17.  Plut.  Ant.  87.  Dio  51,  15.  41)  Vellej.  1.  c.  Flut.  1.  c. 
Tac.  A.  4,  44.  Vgl.  oben  No.  14.  §.  GO.  A.  CO.  u.  73.  u.  Claiidii  Mar- 
celli.  42)  Dio  54,  20.  Vellej.  I.  c.  43)  Dio  54,  36.  Suet.  Claud.  2.  u. 
das.  Bauiiig.  —  Crus.  Die  R'.ünze  bei  Goltz  Fast.  a.  743.  (V'aill.  Ant. 
No.  72.)  ist  wabrscheinlich  unächt;  der  Name  Fabius  fehlt;  dieser  nicht 
JqIus  hiess  Africanus.  Suet.  1.  c.  Grut.  Irncr.  p.  G27.  No.  5.  44)  A'eliej. 
1.  c.  Joseph.  A.  J.  IG,  C.  (10.)  7.  45)  Dio  55,  10.  Vellej.  2,  100,  Se- 
nec.  de  brev.  vit.  5.  Tacit.  A.  1  ,  10.  3 ,  18.  4,  44.  Plin.  7,  46.  (45.) 
Nur  Aellejus  deutet  an,  er  sei  nicht  hingerichtet,  sondern  habe  sich 
selbst  getüJtet;  jener  stand  freilich  den  Ereignissen  am  nächsten,  er 
konnte  aber  auch  durch  diese  Wendung  die  Julier  schonen  wollen. 
40)  Rotut.  C.  4,  3.  a.  das.  Acren. 


V.  ANTONU.  (23.)  52 1 

23.  L.  Antonius,  Sohn  des  Vorigen,  und  nach  dessen  To- 
de auf  eine  schonende  Art  nach  Massilia  verwiesen,  wo  er  a. 
25  nach  Chr.  starb.  *^) 

21.  Antonia,  die  ältere  unter  den  beiden  Töchtern  des 
Triumvir  Antonius  von  Octavia;  '^^)  geboren  a.  39.  *^)  Octa- 
vian  gab  ihr  und  ihrer  Schwester  einen  Theil  des  väterlichen 
Vermögens.  "'*^)  Schon  a.  36  verlobte  sie  der  Vater  zu  Tarent 
mit  L.  Domitius  Ahenobarbus,  ^0  nicht ^  wie  Dio  sagt,  ^-)  mit 
Cn.  Domitius ,  welcher  die  Flotte  des  M.  Brutus  anführte ,  und 
sich  dann  an  Antonius  und  zuletzt  an  Octavian  anschloss ,  ^"5) 
sondern  mit  dessen  Sohne.  Dieser  war  a.  IG  v.  Chr.  Consul, ^*-> 
der  Grossvater  des  Kaisers  Nero;  ^^)  gestorben  a.  25  nach 
Chr.  56) 

25.  Antonia,  die  jüngere  Schwester  der  Vorigen,  und  eben- 
falls Tochter  der  Octavia.  ^7)  Nicht  vor  a.  36  geboren.  ^^^  Sie 
lieiratliete  Drusus,  den  Sohn  des  Tiberius  Claudius  Neru,  wel- 
cher im  perusinischen  Kriege  gegen  Octavian  gefochten  hatte,  59) 
von  Livia.  ^oj  In  dieser  Elie  wurden  Germanicus,  der  Vater 
des  Caligula,  Livilla  und  der  Kaiser  Claudius  erzeugt,  ^i)  Die 
Gemahlinn  des  Drusus  wird  wegen  ihrer  Schönlieit  und  Tugend 
gerühmt.  ^>~) 


47)  Tacit.  A.  4,  44.  48)  Dio  48,  54.  51,  15.  Plut.  Ant.  87.  49) 
Plut.  Ai.t.  33.  Oben  No.  14.  §.  GO.  A.  00.  u.  73.  50)  Dio  51,  15.  51) 
Die  Aeltere  nach  Snet.  Nero  5.  u.  Plut.  Ant.  87 ;  die  Jüngere  nach  Ta- 
cit. A.  4,  44.  12,  64.  Lips.  das.  p.  209.  mag  nicht  entscheiden.  Allein 
wollte  man  auch  auf  die  Mehrzahl  der  Zeugnisse  nichts  geben,  so  war 
Octavia  während  der  Zusammenkunft  zu  Tarent  von  der  zweiten  Tochter 
noch  nicht  entbunden,  sondern  schwanger.  Plut.  Ant.  35.  wo  nur  die 
Darstellung  etwas  verworren,  der  Sinn  aber  nicht  zweideutig  ist^  denn 
Antonius  hatte  von  dieser  Gemahlinn  nur  zwei  Tochter,  lieber  diese 
Verlobung,  welcher  die  Heirath  später  folgte  s.  No.  14.  §.  G4.  A.  24, 
52)  48,  54.  53)  Oben  Nn.  14.  §.  00.  A.  38.  §.  GS.  A.  100.  Consul  a. 
32  das.  §.  07.  in.  54)  Dio  54,  19.  55)  Suet.  Nero  5.  50)  Tacit.  A. 
4,  44.  Vellej.  2,  72.  57)  Tacit.  1.  c.  Dio  51,  15.  Plut.  87.  58)  A.  51. 
im  Vorigen.  59)  Oben  No.  14.  §.  59.  A.  4.  GO)  Seine  Gemahlinn  war 
nach  Suet.  Calig.  1.  u.  Claud.  1.  u.  nach  Plut.  Ant.  87.  die  jüngere  An- 
tonia,  nach  Tacit.  die  ältere;  oben  A.  51.  Orell.  Inscr.  Vol.  1.  p.  425. 
No.  2445.  u.  p.  504.  No.  2911.  Val.  Max.  4,  3.  3.  Ol)  Suet.  11.  cc. 
Orell.  Inscr.  Vol.  1,  p.  106.  No.  649.  G50.  Plut.  1.  c.  02)  Plut.  u.  Val. 
Max.  II.  cc. 


522  V.   ANTOMI.  (20.) 

2{j.  (AlcxanJer.)  Solin  von  No.  14.  imj  19.  Der  Trium- 
vlr  Antonius  hatte  drei  Kinder  von  Cleopatra,  initer  welchen 
die  heiden  ältesten,  Alexander  und  Cleopatra  Zwillinge  Avaren.  ^■^i 
Er  hefahl,  jenen  Helios  und  König  der  Könige  zu  nennen^  und 
bestimmte  ihm  ein  besonderes  Reich,  "ij  Nach  seinem  Tode 
wurden  Alexander  und  dessen  Schwester  sorgfältig  bewacht ,  ^^) 
um  dann  a.  29  in  Rom  bei  Octavians  Triumphe  zu  erschei- 
nen. ^^^  Oetavia  nahm  die  von  ihrem  Gemahle  im  Ehebruche 
erzeugten  Kinder  in  ihre  Wohnung  auf,  und  erzog  sie  mit  den 
Ihrisen.  ^'') 

27.  (Cleopatra.)  Zwillings -Schwester  des  Vorigen.  ^^)  Sie 
wurde  Selene  genannt  und  sollte  in  Cyrenaica  regieren.  ^^)  Nach 
dem  Triumphe  Octavians  a.  29  lebte  sie  unter  der  Obhut  sei- 
ner Schwester  in  Roni,"o)  bis  er  sie  mit  Juba  verhcirathete, 
dem  Enkel  des  Hiempsal  "')  und  Sohne  des  Juba,  Königs  von 
Numidien ,  welcher  sich  a.  46  mit  Petrejus  tödtete,  nachdem  er 
in  Afrika  mit  den  Pompejanern  gegen  Cäsar  gefochten  hatte.  ''-) 
Diesen  besleitete  der  lungere  Juba  in  demselben  Jalire  bei  dem 
Triumphe  als  Gefangener,  ''^)  Avobei  er  zugleich  den  Vater  ver- 
trat, wie  später  bei  einer  ähnlichen  Feier  "die  jüngere  Cleopa- 
tra ilire  Mutter.  Er  erhielt  aber  in  Rom  eine  gute  Erziehung 
und  diente  dann  unter  Octavian,  "*)  Avelchcr  ihn  nicht  nur 
mit  der  Hand  der  Cleopatra  belohnte,"-^)  sondern  auch  mit  einem 
Theil  des  väterlichen  Reichs  und  mit  den  Gebieten  der  mauri- 
tanischen  Fürsten  Bogud  ^'')  und  Bocchus.  ''^)  Obgleich  Numi- 
dier  erwarb  er  sich  als  Geschichtsschreiber  einen  vorzüglichen 
Ruf.  ^s)     Seine  Kinder  von  Cleopatra  waren  Ptolemäus  und  Dru- 

63)  Dio  49,  32.  Plut.  Ant.  30.  Zonar.  10,  27.  Vgl.  Dio  49,  41.  50, 
25.  26.  51,  15.  21.  Flut.  Ant.  54.  72.  78.  81.  82.  Uv.  131.  132.  Säet. 
Oct.  17.  61)  Oben  No.  14.  §.  GG.  A.  5.  7.  u.  11.  Gä)  PJuf.  81.  CG) 
No.  14.  §.  71.  A.  44.  Dio  51,  21.  Zonar.  10,  31.  Euseb.  Chron.  C7) 
riul.  87.  Oh)  Dio  49,  32.  Plut.  Ant.  30.  Vgl.  Dio  i9,  41.  50,  25.  20. 
51  ,  21.  09)  üben  A.  04.  70)  Oben  A.  00.  67.  71)  Dio  41,  41.  Stra- 
bo  17,  828.  72)  S.  Julii.  Caes.  Dict.  a.  40.  Bei  den  Alten  wird  er  un- 
riclilig  auch  K.  v.  Mauritanien  senannf.  Das.  73)  App.  2,  491.  Plut. 
Caes.  55.  71)  Dio  .'il,  15.  75)  Pers.  1.  c.  Plut.  Aul.  87.  Eckh.  4.  p. 
155.  f.  70)  Oben  No.  14.  §.  08.  A.  88.  77)  Strabo  1.  c.  Dio  53,  20. 
Tacit.  A.  4,  5.  Der  grögste  Theil  von  Nuinidien  blieb  unter  dem  Na- 
men der  neuen  Provinz  Afrika  römisch.  App.  4,  fiUO.  Diu  43,  Ö,  üben 
No.  14.  §.  53.  A.   19.  u.  Julii  I.  c.     78)  App.  1.   c.  Plut.  Cae».  55. 


1 


V.  ANTONII.  (28.)  503 

silla.  Jener  folgte  ihm  in  der  Regierung  und  wurde  auf  Be- 
fehl des  Callgula,  welchen  nacli  seinen  Schützen  gcliistetc,  hin- 
gerichtet. "'•'^  Drusilla  vermählte  Claudius  mit  seinem  Freige- 
lassenen und  Günstlinge,  Antonius  Telix,  Statthalter  in  Ju- 
däa.  8ö) 

28.  (Ptolemäus. )  Jüngerer  Bruder  der  heiden  Vorigen, 
Sohn  von  No.  14  und  19.  ^0  Er  -wurde  kurz  zuvor  geboren, 
ehe  sein  Vater  a.  36  den  Feldzug  gegen  die  Parther  eröffne- 
te. ^-)  Dieser  nannte  ihn  Phiiadelphus  ^"')  und  König  der  Kö- 
nige, und  schenkte  ihm  einen  Theil    des    römischen  Reichs.  ^^-^ 

29.  Cajus  Antonius,  M.  F.  M.  N.  ^-'^  Bruder  des  Triumvir, 
und  zMar  unter  den  drei  Brüdern  der  mittlere  ^*')  und  der  un- 
bedeutendste,  welcher  auch  seine  Laufbahn  am  frühesten  endig- 
te. A.  51  •wollte  er  mit  dem  Jüngeren,  Lucius,  A.  Gabinius 
nach  dessen  Rückkehr  aus  der  Provinz  SjTien  wegen  Erpres- 
sungen anklagen ;  der  Hauptaukläger  wurde  aber  der  V.  Tribun 
C.  Memmius,  und  sie  unterstützten  ilm  nur,  ^^)  oder  traten 
ganz  zurück ,  Avelches  das  Wahrscheinlichste  ist.  Mit  grossem, 
Scliarfsinne  hat  Pighius  ^^)  aus  einem  Briefe  Ciceros  an  den 
Propriltor  von  Asia,  Q.  Minucius  Thermus,^'*)  erwiesen,  dass 
Cajus  a.  51  dessen  QuJistor  war,  und  Cicero  ihm  empfahl,  die- 
sem a.  50  bei  seinem  Abgange  die  Provinz  bis  zur  Ankunft 
seines  Nachfolgers  anzuvertrauen.  Noch  Avar  der  Redner  nicht 
Feind  der  Antonier;  er  gedenkt  ihrer  mit  Achtung  und  macht 
auf  ihren  Einfluss  aufmerksam,  auf  das  V.  Tribunat,  welches 
sie  drei  Jahre  verwalten  würden,  ^"^^     und    auf    die  Gährung  im 

79)  Suet.  Calig.  2G.  55.  Dio  59,  25.  Eckb.  4.  p.  159.  80)  Tacit. 
Hisf.  f),  9.  A.  12,  54.  Suet.  Claud.  28.  Joseph.  A.  J.  20,  7.  (5.)  81) 
Dio  'J9,  32.  41.  51,  15.  Zoiiar.  10,  27.-  Plut.  Ant.  54.  72.  78.  81.  82. 
Liv.  132.  Durch  die  Nachlässigkeit  der  Schriftsteller  erscheint  er  zuwei- 
len als  der  Aeltere.  82)  Dio  49,  32,  83)  Liv.  u.  Dio  11.  cc.  84)  üben 
A.  64.  85)  M.  F.  auf  einer  Münze,  welche  ihm  und  nicht  L.  Antonius 
Cos.  a.  63  anzugehören  scheint.  S.  Vaill.  Anlon.  No.  16.  Eckh.  G.  p.  40. 
80)  Cic.  10  Phil.  5.  (4.)  Dio  45  ,  9.  Plut,  Ant.  15.  87)  Als  Subscripto, 
res.  Cic.  ad  Qu  fr.  3,  2.  Vgl.  3,  1.  Val.  Max.  8,  1.  §.  3.  S.  Gahinii, 
Die  Kläger  in  den  drei  Processen,  welche  Gabin.  erwarteten,  werden 
auch  von  Pigh.  ad  a.  009.  (700).  verwechselt.  88)  3,  p.  421.  u.  431. 
89)  ad  Fani.  2,  18.  90)  Marcus  a.  49  Lucius  a.  44  es  war  Folge  des 
Bürgerkriegs,  dass  Cajus  es  übergieng,  er  wird  wenigstens  nicht  als  Tri- 
bun aufgeführt. 


524  V.  ANTONli.  (29.) 

Staate;  folglich  ist  der  Sinn  seiner  Worte:  sie  sind  nahe  Ver- 
wandte des  Eroberers  von  Gallien,  und  dieser  wird  Rom  den 
Krieg  erklären ,  man  darf  ihn  daher  nicht  beleidigen. 

Casai"  schickte  a.  49  Cajus  als  seinen  Legaten  nach  llly- 
ricum,  und  P.  Dolabella  mit  einer  Abtlieilung  der  Flotte  an 
dessen  Küste;  Diesen  besiegten  M.  Octavius  und  L.  Libo  ,  An- 
führer der  Flotte  der  Aristocraten  unter  dem  Oberbefehle  des 
M.  Bibulus,  und  er  suclite  Schutz  bei  Antonius,  welcher  auf 
einer  illyrischen  Insel  Coricta  ^0  von  Octavius  eingeschlossen 
und  durch  Hunger  und  den  Verrath  des  T.  Pulcio  ^-)  genüthigt 
wurde,  sich  zu  ergeben,  Pompejus  verleibte  die  Truppen  sei- 
nem Heere  ein,  ^^-^  sie  M'aren  ihm  aber  nicht  treu,  und  die 
Schlacht  bei  Pharsalus  verschaffte  ihnen  und  Antonius  die  Frei- 
heit. 94; 

Unter  Cäsars  Herrschaft  wurde  dieser  Pontifex  ^5)  und  a. 
44  mit  51.  Brutus  städtischer  Prätor,  als  sein  älterer  Bruder 
Consul  und  der  jüngere  V.  Tribun  war.  ^c)  Da  sein  College 
Rom  verlassen  musste,  so  wandte  sich  Octavian  an  ihn,  um  zu 
erklären,  dass  er  Cäsars  Erbschaft  antrete.  '•^''^  Auch  veranstal- 
tete er  für  Brutus  am  7.  Juli  die  Feier  der  Apollinarspiele.  ^s) 
Nach  der  Bestimmung  des  Dictator  sollte  dieser  nach  der  Prä- 
tur  Macedonien,  und  C.  Cassius  Syrien  verwalten.  AI.  Anto- 
nius, der  Consul,  bewirkte,  dass  sie  den  Auftrag  erhielten, 
in  Creta  und  Cyrene  Getraide  zu  kaufen,  ^'J)  Avährend  Syrien 
mit  den  Truppen,  welche  Cäsar  «um  parthischen  Kriege  nach 
ülacedonien  vorausgeschickt  hatte,  vom  Volke  seinem  CoUcgen 
Dolabella,  und  ihm  selbst  vom  Senat  Macedonien  überwiesen 
wurde;     der  Senat    wusste    nicht,    dass   jener    ihm  den  grössten 


91)  Dio  41,  40.  Lucan.  4,  400.  Flor.  4,  2.  §.  31.  In  Illyrien  schrei- 
ben Liv.  110.  u.  Suet.  Caes.  3G.  bei  Corcyra  unbestimmt  oder  aus  Irr- 
thum  Caes.  B.  C.  3,  10.  92)  Caes  B.  C.  3,  07.  93)  Ders.  3,  4.  Nach 
Oros.  G,  15.  fünfzehn  Coliorten.  91)  S.  auch  App.  2.  453.  u.  157.  wo 
er  die  Namen  verwechielt.  Dio  42,  11,  u,  Cic.  13  Phil.  In.  Hier  be- 
zieht  sich  der  lüttere  Spott  in  den  Worten:  fit's  captiis  auf  diese  (Gefan- 
genschaft des  C.  Antonius  und  auf  die  zweite  ,  welche  mit  seinem  Leben 
endigle;  unten  A.  14.  95)  S.  die  Münze  A.  85.  9ü)  Dio  45,  9.  I'lut. 
Ant.  15.  Zon.  10,  13.  App.  4,  534.  Oben  No.  14.  §.*38.  A.  29.  fin. 
97)  App.  1.  c.  Suet.  Od.  8.  Oben  No.  14.  §.  15.  A.  19.  98)  Das.  §.  17. 
A.  03.     9!))  Das.  §.   17.  A.  42.   f.  u.  §.  39.  in. 


V.  ANTONH.  (29.)  525 

Thcil  der  Truppen  al)gctreten  hatte,  und  niusstc  sie  ihm  nun 
ebenfalls  zugestehen.  '""^  Jetzt  forderte  er  das  cisalpinische 
Gallien  für  Macedonien,  welclies  D.  Brutus  übernehmen  könne; 
der  Senat  verweigerte  es,  aber  das  Volk  gab,  was  er  wünsch- 
te. ')  So  hatte  er  sich  ein  Heer  und  eine  Provinz  in  der  Nii- 
lie  von  Rom  verschafft,  und  gegen  Ende  des  Jahrs,  kurz  zuvor, 
ehe  er  nach  Mutina  abjjiene:,  musste  der  Senat  Macedonien  sei- 
nem  Bruder  Cajus   verleihen.  V 

M.  Brutus,  Avclcher  im  September  aus  Italien  nach  Athen 
gereis^t  war ,  Hess  die  in  Rom  erschlichenen  oder  erzwungenen 
Beschlüsse  gänzlich  unbeachtet.  Er  unterwarf  sich  Griechenland, 
Macedonien  und  einen  grossen  Thell  von  lUyrlen,  ohne  bedeu- 
tenden Widerstand  zu  finden ;  •'^  denn  vier  Legionen  rief  M.  An- 
tonius aus  Macedonien  zu  sich,  eine  erhielt  Dolabella,  und  eine 
andere  gleng  zu  dem  jüngeren  Cicero  über,  dem  Unterbefehls- 
haber des  Brutus.  *)  Dieser  verstärkte  sich  durch  Ueberr'^ste  des 
pompejanischen  Heers  und  durch  die  Truppen  des  P.  Vatinius 
in  Illjrien,  und  Q.  Hortenslus,  Statthalter  in  Macedonien,  em- 
pfieng  und  unterstützte  ihn  als  seinen  rechtmässigen  Nachfol- 
ger. ^)  Demnacli  landete  Cajus  a.  41  unter  den  ungünstigsten 
Umständen.  ^)  Sein  Gegner  war  ihm  zuvorgekommen ,  auch  in 
niyrien ,  wo  er  das  Heer  des  Vatinius  an  sich  zu  ziehen  gehofft 
hatte.  Applan  giebt  ihm  nur  eine  Legion;  ''^  zu  schwach,  sich 
in  ein  ernstliches  Gefecht  einzulassen,  blieb  er  an  der  Küste. 
So  viel  man  aus  den  dürftigen  und  widersprechenden  Nachrich- 
ten der  Alten  abnehmen  kann  ,  wich  er  mit  einem  Verluste  von 
drei  Coliorten  von  Djrrhachium  s)  über  Apollonia  südlich  bis 
Byllis.  In  den  Pässen  bei  dieser  Stadt  wurde  er  von  dem  jün- 
geren Cicero  geschlagen  und  auf  Brutus  zurückgeworfen,  '•*)  wel- 
cher in  der  Ueberzeugung ,  dass  seine  Truppen  ihn  bald  auslie- 
fern würden,  da  schon  jetzt  Viele  übergiengen ,  ihn  nach  Apol- 
lonia entkommen  iiess,  um  das  Blut  seiner  Mitbürger  zu  schonen. 


100)  Das.  §.  20.  in.  u.  A.  34.  1)  Das.    §.    20.  A.  74.  u.  §.  39.  in. 

2)  Das.  §.  29.  fin.  u.  §.  39.  A.  91.  3)    Das.  §,  39.   in.       4)  Das.  §.  20- 

A.  28.  f.     5)  Das.  §.  39.  A.  98.  99.  6)  Die  47,  21.  Plut.  Brut.  25.  App- 

3.  542.  543.     7)  3,  570.      8)  Cic.  10  Phil.  5.     9)  Ders.  11  Phü.  11.  Flui. 
Brut.  26. 


526  V.   ANTOMI.     "      (29.) 

Während  er  ihn  und  seine  siehen  Cohorten  "')  belagerte, 
schickte  er  in  den  Ictztca  Tagen  des  Februar  oder  im  Anfange 
des  Märzes  a.  43  seinen  ersten  Bericht  nach  Rom.  Der  Con- 
sul  Pansn  berief  den  Senat,  und  Cicero  hielt  die  zelinte  Philip- 
pika. Aber  der  Streit  in  der  Curie,  ob  er  oder  Cajus  Macedo- 
nien  räumen  solle,  war  ihm  sehr  gleichgültig.  ^0  Auch  als  man 
in  Rom  erfüllt ,  dass  Trebonius  in  Smyrna  ermordet  sei,  wusste 
man  den  Ausgang  jener  Belagerung  noch  nicht.  "2)  Erst  in  der 
dreizehnten  Philippika,  am  20.  März,  -wird  der  Gefangenschaft 
des  Cajus  gedacht.  ^■^^  Gegen  die  Mitte  des  Märzes  also  wurde 
er  von  seinen  Truppen  gezwungen,  die  Stadt  zu  übergeben.  ^*) 
Fasces  und  Lictoren  verblieben  ihm,  und  ohne  Erfolg  riethen 
Cicero  und  Andere,  ihn  zu  tödten.  ^^)  Als  er  im  Heere  Meute- 
reien stiftete ,  Avurdc  er  ins  Gefängniss  geführt,  doch  ohne  Fes- 
seln. Man  entdeckte  bald  neue  Verscliwörungen,  deren  Zweck 
seine  Befreiung  war,  und  an  welclien  auch  sein  Bruder  Marcus 
Antheil  hatte.  Dieser  versöhnte  sich  am  Ende  des  October  mit 
Octavian;  im  December  wurde  Cicero  ermordet,  wie  schon  vor 
ihm  D.  Brutus;  dadurch  erbittert  und  überdiess  von  Cassius 
nach  Asien  gerufen ,  welches  ihm  die  Bewachung  seines  Gefan- 
genen erschwerte,  beschloss  Brutus  dessen  Tod.  Es  ist  gar  wohl 
zu  vereinigen,  dass  Q.  Hortensius  als  Legat  im  Anfange  des  J. 
42  schriftlich  den  Auftrag  erliielt,  e  Hinrichtung  anzuordnen, 
und  dass  er  durch  C.  Clodius ,  welcher  in  Apollonia  zunächst 
die  Aufsicht  über  Cajus  führte,  den  Befehl  vollziehen  Hess;  i''-* 
deshalb  wurde  er  nach  den  Schlachten  bei  Philippi  als  Gefange- 
ner auf  dem  Grabe  des  Letzteren  getödtet.  ^'') 

Cicero  erwähnt  in  einem  Briefe  v,  J.  50  auch  diesen  An- 
tonius mit  Achtung,  'S)  und  später  weiss  er  nichts  Böses  von 
ihm  zu  sagen,  als  dass  er  der  Bruder    seines  Feindes    sei,     und 


10)  10  Phil.  6.  11)  Oben  No,  14.  §.  30.  in.  12)  11  Phil.  11.  13^ 
13  Phil.  15.  10.  Olien  No.  14.  §.  41.  A.  10.  11)  App.  3,  57fi.  577.  Plut. 
Dio  II.  cc.  15)  Flui.  Brut.  2(5.  IG)  Plut.  Hrut.  2s.  Ant.  22.  üio  47,  24. 
App.  3,  577.  Liv.  121.  17)  Plu«.  II.  cc.  Nach  Vellej.  2,  71.  fiel  er  in 
der  Schlacht.  Liv.  124.  spricht  unbe§tiiiiiiit.  |S.  Hortensii.  Welche  Ver- 
Btügge  gegen  die  Geschichte  sich  auch  in  Beziehung  auf  C.  Antonius  in 
den  «iiterpesrhohenen  Briefen  nd  liruti/m  fii.den,  hat  Tunslall  nachgewie- 
«en,  in  Kpist.  ad  Midillet.  u.   a.  p.  215.  f.       Ife)  Oben  A.  89. 


V.  ANTONII.  (30.)  527 

als  Statlli?Uer  von  Maccdonien,  zu  dessen  Besitze  er  nie  ce- 
langte ,  grosse  Verltrechen  begehen  verde ,  da  er  in  der  Scljlech- 
tigkeit  mit  seinen  Brüdern  wetteifere ;  ^'^)  die  Beweise  sucht  man 
Vergehens. 

30.  Lucius  Antonius,  M.  F.  M.  N.  20)  jüngster  Bruder  des 
Triumvir.  ^0  Der  Sitte  gemäss  versuchte  er  a.  54  als  Rlitaii- 
kiiiger  eines  Grossen  ,  des  A.  Gabinius ,  die  Aufmerksamkeit  des 
Volks  auf  sich  zu  ziehen.  2-)  Ais  Verwandter  Cäsars  wurde  er 
mit  Auszeiclinung  behandelt,  seit  dieser  zu  grosser  Macht  ge- 
langte, wie  ein  Brief  Ciceros  vom  J.  50  beweiset,  ^3)  j^  \\^\~. 
ches  Pighius  nach  einer  willkührlichen  Berechnung  seine  Quä- 
stur  setzt.  -^)  Das  \.  Tribunat  übernahm  er  am  10.  Decem- 
Ler  45;-"*)  er  brachte  das  Gesetz  in  Vorschlag,  Avelches  den 
Dictator  ermächtigte,  vor  dem  Feldzuge  gegen  die  Parther  die 
Magistrate  auf  einige  Jalire  zum  voraus  zu  ernennen,  ^o)  Nach 
Cäsars  Tode  a.  44  benutzte  der  Consul  M.  Antonius  den  amtli- 
chen Einfluss  seiner  Brüder.  Um  Volk  und  Veteranen  gegen 
die  Aristocratie  und  gegen  Octavian  zu  geivinnen,  liess  er  be- 
reits 'im  April  durch  Lucius  ein  Ackergesetz  beantragen.  27J  Un- 
ter den  Sieben,  welche  es  vollziehen  sollten,  war  auch  der  Tri- 
bun; -^)  er  stand  an  ihrer  Spitze,  und  wurde  am  meisten  ge- 
hasst  und  gefürchtet,  insbesondere  von  Cicero,  obgleich  er  des- 
sen Güter  nicht  angriff  und  ihn  zu  beruhigen  suchte.  ^\  Auf 
der  anderen  Seite  wurden  ihm  viele  Huldigungen;  man  errich- 
tete ihm  Statuen  mit  ehrenden  Inschriften ,  nach  Cicero  der 
Lohn  des  Verbrechens,  ^^3  und  ungereimt,  da  das  Wahlrecht  des 
Volks  durch  ihn  beschränkt  sei.  i  Sein  Bruder  war  in  Cam- 
panien  ,  als  Octavian  von  Apollonia  nach  Rom  zurückkam ;  mit 
seiner  Genehmigung  sprach  dieser  im  Anfange  des  Mai  in  der 
Volksversammlung,  ihr  zu  eröffnen,  dass  er  Cäsars  Legate  zahlen 
werde,  3»)  der  Anfangeines  heftigen  Zwistes  mit  Marcus,  dem  Consul. 

10)  7  Phil.  6.  10,  4.  5.  20)  M.  F.  in  d,  Uebersicht  der  Consuln  zu 
Dio  4S.  Vaill.  Anton.  No.  71.  72.  21)  10  PLil.  5.  (1.)  22)  Oben  No. 
29.  A,  S7.  23)  Das.  A.  89.  21)  3.  p.  427.  25)  Dio  45,  9.  Plut.  Ant. 
15.  Zonar.  10,  13.  20)  7  Phil.  6.  Dio  43,  45.  47.  51.  Suet.  Caes.  41 
u.  7ö.  Eutrop.  ö,  2").  (20).  S.  Julii  Caes.  Dict.  a.  45  u.  44.  27)  Oben 
No.  14.  §.  14.  A.  58.  28)  Das.  A.  65.  29)  Das.  A.  71.  u.  73.  30)  Das. 
A.  75.  7«.  Das  (Jeselz  wnrrlc  im  Januar  43  aufgehoben.  Das.  A.  77,  31) 
Das.  §    15.  A.  IL  u    20    (. 


528  V.  ANTONII.  (30.) 

Dieser  erfuhr  am  28,  November,  dass  Octavian  ihm  nach 
der  Legion  des  Mars  nun  auch  die  vierte  entlockt  halte.  Es 
Leschleunigte  seinen  Feld/ug  gegen  D.  Brutus;  zuvor  Hess  er 
aber  im  Senat  nach  seinem  Gutdünken  die  Provinzen  vertheilen. 
Lucius  war  nach  Ciceros  Versicherung  darüber  erfreut,  wie 
über  alles,  was  zum  Untergange  der  Republik  beitrug;  denn  er 
selbst  konnte  auf  keine  Provinz  Anspruch  machen ,  und  befand 
sich  auch  schon  bei  dem  Heere  in  Tibur.  ^^^  Als  sein  Bruder 
hier  angelangt  war  und  zum  Frieden  geneigt  schien,  stiess  er 
angeblich  die  schrecklichsten  Drohungen  gegen  ihn  aus.  33) 
Dann  folgte  er  ihm  mit  einer  neu  ausgehobenen  Legion  nach 
dem  Norden.  •^*) 

Er  deckte  am  15.  April  43  während  der  Gefechte  bei  Fo- 
rum Gallorum  die  Werke  vor  Mutina,  und  griff  das  Lager  des 
Octavian  an,  um  ihn  zu  beschäftigen.  ^5)  Die  Niederlage  des 
Marcus  ermuthigte  den  Senat,  ihn  und  die  Seinigen  zu  äch- 
ten, ^^)  ehe  noch  in  der  Hauptschlacht  bei  Mutina  entschieden 
war.  Auf  dem  Rückzuge  durch  die  Alpen  bildete  Lucius  mit 
einer  Abtheilung  der  Reuterei  und  einigen  Cohorten  die  Vor- 
hut ;  Culleo,  der  Unterbefehlshaber  des  Lepidus,  welcher  die  Pässe 
bewachen  sollte ,  zog  sich  vor  ihm  zurück ;  Munatius  Plancus 
schickte  zwar  Reuterei  gegen  ihn,  als  er  bis  Forum  Julii  vor- 
gedrungen war,  aber  auch  diese  blieb  unthätig,  und  bald 
darauf  erfolgte  die  Vereinigung  mit  Lepidus.  ^'0 

Nach  der  Errichtung  des  Triumvirats  bedurfte  man  vor 
Allem  Geld.  Die  Erpressungen  dauerten  noch  a.  42  fort ,  ^^) 
in  welchem  man  Censoren  ernannt  zu  haben  scheint,  um  das 
Vermögen  abzuschätzen.  Als  solche  werden  in  einer  alten  In- 
schrift aber  von  keinem  Geschichtschrciber  Antonius  und  P.  Sul- 
picius  erwähnt.  3'-*)  Der  Vorname  des  Ersten  ist  erloschen;  da 
aber  Marcus  Triumvir  und  mit  den  Rüstungen  beschäftigt,  und 
Cajus  gefangen  war,  so  kann  hier  nur  von  Lucius  die  Rede 
sein. 

Am  meisten  ist  dieser  jedoch  durch  den  perusinisclien  Krieg 


32)  Das.  §.  29.  fiii.  33)  Das.  §.  30.  A.  55.  31)  Das.  A.  GG.  u. 
§.  42.  A.  53.  35)  Das.  §.  43.  A.  30.  u.  fm.  30)  Das.  §.  41.  fin.  37) 
Das.  §.  51.  A.  43.  88)  Das.  §.  50.  A.  100.  f.  3!))  Kra(,'ni.  Collot.  bei 
l'igh.  3.  p.  481. 


V.  ANTONII.  (30.)  529 

hekannt  geworden.  Er  führte  ihn  im  J.  41  ,  in  welchem  er 
Consul  war,  ohne  Priitor  gewesen  zu  sein,*")  und  an  dessen 
erstem  Tage  er  über  Alpenvölker  triuuiphirte ,  ohne  gesiegt  zu 
haben,  ■*')  bis  zum  Frühjahre  des  folgenden  gegen  Octavian. 
Aber  er  war  nur  das  Werkzeug  der  Fulvia  und  des  Manius.  '^V 
Anfangs  Hessen  sie  ihn  erklären,  dass  er  die  Rechte  seines  ab- 
wesenden Bruders  Marcus  vertheidigen  wolle ,  weshalb  man  auf 
seinen  Münzen  das  Wort  Fietas  fand  ,  *•'-'  dann  war  der  Kampf 
angeblich  gegen  das  Triumvirat  gerichtet.  **)  Er  wurde  a.  40 
gegen  Ende  des  Winters  in  Perusia  gefangen ,  *^-^  und  als  Statt- 
halter, in  der  That  aber  als  ^'erbannter,  nach  Spanien  ge- 
schickt. ■"')  Seitdem  wird  er  nicht  mehr  erwähnt,  ohne  Zweifel, 
weil  man  sich  seiner  bald  durch  .Meuchelmord  entledigte.  Sein 
Bruder  fühlte  keinen  Beruf,  ihn  zu  rächen,  er  hatte  ohnehin 
mit  den  Folgen  jenes  Krieges  zu  kämpfen, 

Cicero  unterhalt  uns  so  oft  von  Lucius,  dass  man  glauben 
möchte,  ihn  genau  zu  kennen.  Indess  überzeugt  man  sich,  dass 
nur  keine  schlechte  Eigenschaft  und  keine  sclilcchte  Handlung 
auf  diesem  V\ege  uns  verborgen  bleibt,  und  dass  sein  beredter 
Feind,  welcher  seit  dem  Ackergesetze  und  dem  Septemvirat, 
seit  ia  der  Nähe  seines  Tusculanum  Land  gemessen  war,  '^'')  mit 
Wuth  an  ihn  dachte,  auch  das  Unbedeutende  schwarz  auszu- 
malen, lind  aus  dem  Zufälligen  oder  Gleichgültigen  das  Aergste 
zu  folgern  verstand.  Eine  unglückliche  Narbe  in  seinem  Ge- 
sichte gab  dem  Redner  Anlass,  ihn  immer  von  neuem  in  sei- 
nem Innersten  zu  verwunden  und  mit  den  gemeinsten  Schimpf- 
namen   zu    bezeichnen,     und  auch    was  für    Andere  spurlos  ver- 


40)  Speratttem  consulalum  Luciiim  aditttigitc.  12  Phil.  C.  II)  Oben 
No.  14.  .§.  58.  A.  92.  42)  Das.  A.  100.  43)  Ursiii.  Anton,  p.  18.  Vaill. 
Ant.  No.  25.  2G.  Eckb.  G.  p.  42.  Die  iu  der  Ueberschrift  zu  lib.  4s.  u. 
48,  5.  Mehr  lägst  sich  nicht  erweisen,  nicht,  dass  er  es  als  Beinamen 
gebrauchte,  etwa  Fidas  selbst,  wie  Reiinarus  und  Eckhel  meinen,  in- 
dem sie  oich  auf  die  Münzen  und  auf  den  zweifelhaften,  hier  wenigsfeiis 
durchaus  nicht  entscheidenden  Beinamen  des  Vilellius  Concordin  be- 
ziehen, (Suet.  Vitell.  15.)  noch  P;u%^  welches  Fabricius  zu  Dio  I.  c. 
für  das  Richtige  halt,  weil  der  Geschichtschreiber  auf  den  iVIünzen  irrig 
Pietas  Consul,  statt  Pietas  consulis  gelesen  habe.  44)  üben  Xo,  14. 
§.  58.  A.  37.  45)  Das.  §.  59.  A.  99.  4C)  Das.  §.  GG.  A.  35.  47)  ad 
Altic.  15,  12.  12  Phil.  8. 

nnini.-iiin,   firsrhicbiP   Uoms   I.  34 


530  ^^-    ANTOiNH.  (30.j 

gangen  war,  wusste  iind  benutzte  er  zu  seiner  Dcmüthigung. 
Wllcjus  mochte  den  (jJetjner  des  Aiigustus  nicht  rühmen;  ev 
hatte  alle  Fehler  des  Bruders,  sagt  er,  und  keine  seiner  Tu- 
genden; *^)  Andere,  wie  Florus ,  welcher  sich  auch  über  dea 
Triumvir  stets  mit  Unwillen  äussert,*'-*)  folgen  Cicero. 5") 

Demnach  vernehmen  wir,  dass  Lucius  seinem  Bruder  voll- 
kommen ühnlich  und  nur  deshalb  geboren  war,  damit  es  einen 
noch  schändlicheren  Menschen  gäbe.  ^')  In  der  Jugend  fröhnta 
er  den  Lüsten.  ^2)  Von  seiner  Raubsucht  zeugte  das  Ackerge- 
setz und  dessen  Vollziehung ,  wobei  Cicero  seine  Villen  kaum 
retten  konnte;  '"^^  von  seinem  Elirgeize  sein  gesetzwidriges 
Drängen  zum  Consulat.  ^*^  Kr  war  der  Feind  seiner  Mitbürger, 
welchen  er  einen  Theil  des  "Wahlrechts  entzog,  ^^>  ein  Feind  der 
Freiheit  und  folglich  auch  der  Befreier, ^ß)  ein  Feind  des  Frie- 
dens ^^)  und  Ciceros;  wäre  dieser  am  19.  September  44  im  Se- 
nat erschienen,  so  Avürde  er  von  ihm  ermordet  sein.  ^^)  Seinen 
Blutdurst  verrieth  er  schon  zu  Mjlasa  in  Carlen,  wo  er  als 
Mirmillo  in  einem  Sclieiiigefechte  einen  Gefäiirten  und  Freund, 
welcher  als  Thracier  auftrat,  und  schon  vor  ihm  wich,  heim- 
tückisch tödtete;  aber  er  gieng  auch  nicht  leer  aus,  das  zeigte 
die  Narbe.  ^'■'^  Dieser  asiatische  Gladiator,  6")  dieser  Mirmillo <>'>' 
verübte  auf  dem  Zuge  gegen   D.  Brutus    und  dann  während  de» 


48)  Vellej.  2,  74.  49)  4,  3.  0.  9.  10.  50)  Oben  No.  14.  §.  73. 
A.  75.  51)  3  Phil.  12,  10,  10.  a.  50.  schrieb  er:  tres  fratres ,  summo 
loco  natfjs  ,  piomptoSj  non  indisertos^  te  nolo  habere  iralos.  ad  Fani.  2, 
18.  52)  14  Phil.  3.  53)  Quod  facintis?  (luod  scelus?  Quem  gurgitem9 
Quam  voragine.mf  11  Phil.  5.  Cujus  ego  rrudelilntein  effugere  non  po- 
luissein  etc.  12  Phil.  8.  V^gl.  5,  7.  7,0.  Dagegen;  L.  quidem  Antoniu» 
liberaliler  lUeris  sine  cura  ine  esse  iubet.  ad  Att.  15,  12.  54)  12  Phil.  0. 
55)  Oben  A.  20.  56)  ad  Attic.  15,  5.  57)  5  Phil.  11.  0,  4.  Quam 
faceiuy  dii  iminortahs  ?  11,  5.  58)  5  Phil.  7.  Appiaii.  5.  ü95.  f.  702. 
läHit  LuciuB  nach  dem  peruHinischen  Kriege  versichern  ,  er  habe  nur 
Freiheit  und  Verfassung  gegen  die  Triumvirn  vertheidigcn  wollen.  59) 
Nach  5  Phil.  7.  11.  u.  7,  0.  scheint  es,  das»  er  mit  einem  Freunde  nach 
Art  der  Gladiatoren  kkniplle,  welche  man  Aliriuilioiien  und  Thracier 
nannte,  dass  er  verwundet  wurde,  und  im  Zorne  darüber  den  Gegner 
erschlug.  00)  3  Phil.  12.  5,  7.  7,  C.  Ol)  3  Phil.  12.  (i,  4.  5.  7,  6. 
12,  8. 


V.  ANTOMI.  (•?!.)  53 ^ 

Krieges  überall  Raub  und  Mord,  hesonders  in  Parma;  "a)  jj^^j 
gelüstete  nach  dem  Gute  und  IJliite  der  Römer,  ^-V  velobc  ilm 
als  ihren  ärgsten  Feind  hnssten  und  fiircliteten.  ''^'  C'clftern  iiikI 
Menschen  war  er  ein  (iräuel ,  er  war  ein  Schandbube,  ein  Ln- 
gcheuer,  das  sclieuslichste   Ungeheuer.  *'^> 

Sieht  man  von  den  TJebelri  ab,  welche  der  Bürger]; rieu 
mit  sich  führt,  so  lindet  sich  in  dem  Allen  nicht  Ein  Reweis, 
dass  Lucius  so  verworfen  Wiir,  wie  er  dargestellt  wird  —  denn 
die  Erzählung  von  dem  Ereignisse  in  M^-lasa  ist  dunkel.  Die 
Thatsachen  aus  seinem  Leben, sind  entweder  entstellt,  oder  es 
fehlt  ganz  daran.  Wir  erfahren  überhaupt  aus  lauterer  Quelle 
zu  wenig  über  ihn;  sein  Benehmen  gegen  seine  Anhäno-er  nach 
der  Uebergabe  von  Perusia  gereicht  ihm  zur  Ehre,  <*<»)  ui^j  ^ypnn 
er  als  Staatsmann  schwach  war ,  und  noch  zuletzt  im  Dienste 
Fulvias  Octavian  bekriegte,  so  zeigte  er  doch  im  Felde  in  un- 
tergeordneten Verhältnissen  Muth  und  Geschick,  besonders  als 
Anführer  der  Reuterei,  und  in  Perusia  eine  grosse  Standhaf- 
tigkeit. 

31.  Cajus  Antonius  Hvbrida,  c^)  M.  F.  C.  N.,  6«)  jüngerer 
Sohn  des  Antonius  Orator,  ''"^  Oheim  und  Schwiegervater  des 
Triumvir.  'O)  a.  37  begleitete  er  Sulia  nach  GriecJienland  und 
focht    gegen   die   Heere   des    Mithridat,    jedoch    nur  als  Kriegs- 

62)  3  Phil.  12.  14,  3.  4.     Cicero  erlebte    die  Belagerung  von  Peru- 
sia nicht,    wo  Lucius  die   Sciaven  dem  Huiigertode  preis  gab,     um  sein« 
Krieger  zu  retten.     No.  14.    §.  59.  A.  80.     €3)  5  PhiJ.  7.  j  i      5.  13     2 
64)  Dclicine    atque    ntnores   populi   R.    0  Phil,    5,    10,   10.   13      ]2      rr\ 
Propudium    i/litd    et   porte?itum    —    bellua    —    teterrima    belhta.  10  Phil 
10.  12.  11.  M  ,  3.     CG)  üben  \o.   14.    §.  59.  A.  83.  f.     67)  Plin.  g     79 
(53).     Harduin  glaubt,     man    habe    ihm  den    Beinamen  wegen  seiner  Ab 
kunft  gegeben,    (Vai.  M.  8 ,  G  ,  4.)  weil  also  etwa  seine  Mutter,    welche 
Wir  nicht  kennen,  (No.  10.  fii.  )  nicht  ebenbürtig  warj  dann  giU  die  B 
Zeichnung  auch  von  seinen  «eschwislern,  und  sie  müsste  bei  dem  Bruder 
durch    den   Spottnamen  Creticus    verdrängt  sein.  (No.  11.  A.  5s.)     j^g  • 
aber    nicht    glaublich,    dass    ein    Antonius    Orator    sich    zu    einer  solchen 
Heirath   entschloss ;     (Suet.  Oct.  19.)  sondern    der    Name  scheint  sich  auf 
die  Sitten,  auf  den  hominem  simiferum  zu   beziehen,    welcher  in  Achaia 
raubte,    und    Catilinas  Freund    war.     08)  M.    F.  Die  Ueberschrift  zu  Cic 
ad  Fam.  5 ,  5.   Goltz  Fast.  a.  690.   ValU.  Ant.    No.  3.     Plebiscit  über  die 
Thermenser,    unten    A.    77.   78.     69)  Ascon.    arg.  Cic.    Or.   in.  <or    cand 
^  70)  Cic.   2  Phil.  23.  u.  38, 

34  * 


532  V.  ANTOMl.  (31.) 

Tribun  oder  in  der  prätoriscli'cn  Coliorte.  Da  man  einem  Kampf 
mit  den  Marianern  entgegen  sah,  so  Hess  der  Feldlierr  alle  Aut>- 
selnvcifangen  seiner  'iruppcn  unbestraft;^')  diess  benutzte  auch 
Antonius,  uelchcr  bei  der  llückkehr  Sullas  nach  Italien  a.  83 
mit  einer  Reuterschaar  in  diieclienland  blieb  und  es  beraiilite.  ''-^ 
Er  war  zeitig  genug  wieder  in  Rom,  um  auch  aus  den 
Proscriptionen  Vorthcil  zu  ziehen.  ''^^  Im  Anfange  des  J.  81 
triumphirte  der  Dictator  über  Asien  und  Mitlirldat ,  und  die 
römischen  Grossen  erschienen  bekränzt  und  traten  zum  Theil 
selbst  bei  den  circensischen  Spielen  auf;'*J  Antonius  sah  man 
als  Wagenlenker.  '•"')  So  lange  Sulla  diesen  beschützte,  Avagto 
es  niemand,  ihn  anzugreifen.  Dana  aber  belangte  ihn  Cilsar 
a.  70  als  Anwalt  der  Griechen  bei  dem  Praetor  peregn'niis  M. 
Lucullus  Avegen  Erpressungen.  Er  n.ihm  die  Hülfe  der  V.  'J'ri- 
bunen  in  Anspruch ,  weil  er  unter  diesen  Verhältnissen  nicht 
auf  eine  unparteiische  Rechtspflege  rechnen  könne,  und  stellt« 
sich  nicht,  welches  vorerst  ohne  Folgen  blieb.  '''') 

Die  Zeit ,  in  Avelcher  er  die  niederen  Aemter  verwaltete, 
ist  ungewiss.  In  dem  Eingange  eines  Voll:sbeschIu6Scs  über  die 
Thermeuscr  v.  J.  72  ''^)  wird  ein  C.  Antonius  M.  F.  als  desig- 
nirter  V.  Tribun  erwähnt,  welcher  nur  der  Unserige  sein  kann.  '*) 
Die    Censoreu    Cu.    Leutulus   und  L.  Gellius    sticssen  ihn  a.   70 


71)  Sallust.  B.  C.  11  Pliit.  Süll.  12.  72)  Cic.  Or.  in.  (og.  caiid.  u. 
das.  Asfoii.  riut.  Caes.  4.  73)  Cic.  u.  Abc.  I.  c.  74)  Fast.  Cap.  Tlin. 
33,  5.  Cic.  pro  I.  Manil.  3.  Val.  IMax.  2,  8.  7.  Flor.  3,  5.  11.  Flui. 
Süll.  34.  75)  Cic.  Or.  in.  tog.  caiid.  u.  das.  Ascon.  76)  Dies.  Plut.  Cjutß. 
4.  nennt  ilui  Pulilius,  und  verlegt  den  Process  eben  so  irrij^  nach  JJrfe- 
cUenland.  S.  Julii.  Caes.  üict.  a.  7G.  77)  .S.  üirksen  Versuche  zur  Kritik 
V.  Auslegung  d,  fiuellen  des  riini.  R.  S.  137.  f.  und  das  Gesetz  \on  ntutem 
gedruckt  in  Orellii  luscr.  Vol.  2.  p.  145.  No.  3073.  78)  Er  war  noch 
nicht  Tribun,  denn  obgleich  oft  ein  erv/ählter  Älagislrat  ohne  ditseu 
Zusatz  genannt  wird,  als  wäre  er  schon  im  Amte,  so  ist  doch  da»  <.'c- 
gcn(hcil  auch  nur  als  Fehler  in  einer  «itTentlicliea  L'rkunde  nicht  denkbiir, 
Kiu  erwählter  Tribun  konnte  nun  aber  auf  kein  Gesetz  antragen;  wiire 
An(.  zwei  J.  nach  einander  gewählt,  so  würde  man  ihn  als  tr.  pl.  und 
Ir.  j)!.  dos.  aufgeführt  haben,  und  ein  Jahr  vor  dem  Tribunal  war  m' 
nicht  (luaNtor,  so  dass  er  als  solcher  sich  hätte  an  das  \'olk  wemleu 
können.  Vielleicht  empfahl  er  das  (iesefz  nur  mit  Genehmigung  ili» 
«orgit/endeu  MngiKtrals.  Kine  Entscheidung  ist  unronglich ,  so  Jaiigv  Jir 
f.iiiU-  im   AufunHe  «'•^T   l'rkunde  nicht  aiisgefüUl  wird. 


V.  ANTOXir.  (31.)  533 

mit    drei    \u\A    sccliszlg    Amlcren    aus    dem    Senat,      ueil    er  die 
iiundcsgeiiusseii    geiilündert ,    sich  niclit  vor  Gericht  gestellt  und 
wegen    seiner  grossen    Schulden  seine    Güter  vei'äussert  hahe;  '") 
doch  wurde  er  wieder  aufgenommen  j**")     und    zwar    hahl.      Denn 
da    er    mit  Cicero  Prütor    und  Consul  war,     so  darf  man  kaum 
zweifeln,   dnss  er  auch  die  curulische  Aedilität  bald  nacli   ihm,*»'' 
folglich  haM  nach  dem  Jahre   69  verwaltete,     und    zAvar  mit  ei- 
nciM  grossen  Aufwände,    denn   er  bekleidete  bei  den  Spielen  die 
Scene    mit    Silber.  ^-'>     Dann  bewarb  er  sich  mit  Cicero  um  die 
Priitur,   wie  dieser  selbst  meldet:     erinnerst  du  dich  nicht,  dass 
du    von    mir    verlangtest,     als    Avir  um  die   Prätur  warben,     ich 
möchte   dir  die  erste  Steile  einräumen?    dass  ich  dir  antwortete, 
als  du   öffcr   in  mich  drängest  und  unverschämt  wurdest,    es  sei 
unverschämt,    zu  verlangen,    was  dem  Ohcini  nie  bewilligt  sein 
wiirdc.  *'•'-'      Indess    bewirkte  Cicero  durch    seine   ^  erwenduns  bei 
den    übrigen    Candidatcn    und    bei  dem   Volke,     dass    er  aus  der 
letzten  Stelle  in  die  dritte  hinauf  rückte,     weshalb    er  ihm  Un- 
dank   vorwarf,     als    er    mit    Catilina    ihn    vom   Consulat  auszu- 
schlicssen  suchte.  ^*)     Demnach  war  er  a.   (iü  mit  Cicero  Prütor. 
Dazu    stimsiit    auch    die    Zeit    seines    Consulats.      Die    vorlöufiire 
Bewerbung   der   Candidaten  begann  der  Sitte  gemiiss  schon  a.  C5 
und  die  Mittel,  deren  sie  sich   zur  Erreichung  ihrer  Absicht  be- 
dienten,    V  aren  eben  so  verschieden,     als  ihre  Aerhiiltnissc  und 
(lesinnungcii.      Man  zählte  sieben, ^^^  und  unter  diesen   zwei  Pa- 
trieicr,     L.    Sergius    Catilina    und    P.  Sulpicius    Galba,  *"')    vier 
Plebejer,    unter    welchen    die  beiden  ersten  zur  Nobilität  gehör- 
ten,   C.  Antonius,    L.  Cassiiis  Longiuus,  s^j    Q.  Cornificius, ''s; 


79)  Ascoii.  z«  Cic.  in  (og.  cand.  Cio.  pro  Cluenf.  42.  pro  Flacc.  38. 
liiv.  Ü8.  S.  Cornelii  Lcnlul.  80)  Cic.  pro  Cluen».  1.  c.  81)  Cic.  pro 
niuraen.  lö.  fin.  beweis't,  dass  Cicero  seine  ädilicisclien  Spiele  früher  gab. 
?-i)  Plin.  8.^,  Iß.  (3).  Val.  Max.  2,  4.  6.  Vgl.  Cic.  1.  c.  83)  Or.  in  fog. 
canil.  s.  fin.  84)  Das.  Nescis  ^  nie  praclorem  ■prhnvm  esse  furtum  etc. 
Ril  Kamil.  5,  5.  u.  6.  85)  Ascon.  arg.  Or.  Cic.  in  tog.  cand.  Cic.  pro 
Wuracn.  8.  ad  Att,  1  ,  1.  (10).  80)  Modesli'ssimus  ntque  nptimus  vir. 
Cic.  pro  Rlnraen.  l.  c.  S.  Sulpicii.  87)  Mit  Catilina  einverstanden.  Sali. 
B.  C.  17.  .S.  Cassii.  88)  Piilo  tr  tri  hoc  aiit  risisse  aut  ini;emuisse.  Cie 
ad  All.  1.  f.  Kr  war  von  dunkler  Hertunft,  und  ohne  Ansehn,  ad  All 
1  ,   lo.   S.  Coni'ficii. 


534  V.  ANTOMI.  (31.) 

uiul  C  LiciiiiuK  Saccrdos,  **'•')  endlich  Cicero,  der  Einzige  vom 
Ritterstande.  Catilina  und  Antonius  verbanden  sich,  seine 
\Nahl  zu  verhindern,  und  die  Stimmen  für  sich  zu  erkaufen; 
jenen  hestimmtc  auch  Anderes,  aber  beide  sehnten  sich  nach 
Befreiung  von  ihren  Schulden,  und  wurden  von  Ciisar  und 
Crassus  begünstigt.  ^*^)  Mit  grosser  Schlauheit  hatte  Ciisar  einen 
Bruch  zwischen  Pompejus  und  der  Aristocratie  befördert,  um 
seine  Feinde  zu  theilen;  er  hatte  dazu  beigetragen,  dass  das 
gabinische  und  das  manilischc  (lesetz  durchgieng  und  Pompejus 
jetzt  mit  dem  Wahne  der  Allmacht  an  der  Spitze  eines  sieg- 
reiclien  Heeres  in  Asien  stand.  Aber  er  sah  auch  voraus,  dass 
jener  sich  an  die  Optimaten ,  welche  seine  Kiickkehr  mit  Furcht 
erwarteten,  wieder  auscliliessen  werde,  sobald  er  die  Nichtigkeit 
seiner  Siege,  den  Eintluss  und  die  Absichten  seines  vermeint- 
lichen Clienten  entdeckte;  er  wusste  ferner,  dass  Cicero,  bisher 
Democrat,  weil  durch  den  irre  geführten  Pompejus  und  durch 
Cäsar  die  demdcratischc  Faction  die  stärkste  war,  als  Consul 
am  Ziele  angelangt,  sich  zu  den  Optimaten  wenden  und  den 
wieder  vereinigten  Pompejanern  und  Aristocraten  als  Redner 
nützen  werde.  Deshalb  Mar  er  gegen  ihn.  Eine  Zerrüttung 
des  Staats  konnte  der  nicht  wollen,  welcher  ü^er  den  Staat  zu 
herrschen  gedachte,  aber  Catilina,  welchem  er  nur  aus  der  Fer- 
ne ,  mit  \'orsicht  und  nur  bis  zu  einem  gewissen  Puncte  half, 
dessen  Mitverscliworner  er  nicht  war,  sollte  das  Bestehende  noch 
mehr  erschüttern,  die  Anmassung  der  Nobilität,  ihre  Schlech- 
tigkeit, die  Missbrüuche  in  ihrer  Regierung  noch  mehr  beleuch- 
ten; ihr  Sieg  über  Catilina  verbürgte  das  Fortbestehen  dieser 
Cebel,  wodurch  sie  Cäsar  anheini  tiel,  daher  der  Triumph  Ci- 
ceros ,  welclier  die  sittlichen  Grundlagen  der  Republik  nicht 
herstellte,  und  nicht  einmal  herzustellen  versuchte,  ihm  mehr 
forderlich  als  hinderlich  Mar.  Crassus  konnte  schon  als  Feind 
des  Pompejus  dem  Vertheidiger  des  manilischen  Gesetzes  nicht 
ergeben  sein,'^')  Melcher  überdiess  öffentlich  behauptet  hatte, 
das»  mau  jenem  die  Besiegung  des  Spartacus  verdanke.  ^-^ 

80)  Vorgünger    des    \'erreN    all   Propr.   in    Sicilieii.    Ascon.    arg.  Cie. 
divin.    in    Caecil.     9ü)  ABctui.    «rg.    Or.   ("ic.  in   (o^^.  cand.  Sali.  B.  «;.   17 
<~ic.  in  Catil.  2,    9.     91)  Shll.  I.  c.     92)  iu  \  err.  5,    2.    Manil.  10,    II. 
\gl.  pro  Seit.   31. 


V.  AMOMl.  (31  j  535 

Im  Senat  beschloss  mau  a.   Gl   die  Strafe,    mit  welcher  «las 
ca){)urnisc}ie,     von    ihm    sell)st    gemilderte    Gesetz    v.    J.   07    die 
Amtserschleichung   verpönte,  '-'•^5    durch   das  Volk  schärfen  zu  las- 
sen,    und    dadurch  inshesondcre  Antonius    und    Catilina  von  Be- 
stechungen    ahzuschrecken.       Der     Tribun    (l.    Mucius    Orestinus 
that  Einspruch,     und   als    darüber  nicht  ohne  eine  grosse  Aufre- 
gung   verhandelt    Avurde,      hielt    Cicero    gegen  jene    Mitbewerber 
die  Rede,     von  welcher  wir  noch  Bruchstücke  besitzen,-'*)     und 
worin  er  Cäsar  und  Crassus  sehr  schonte ,  und  desto  rücksichts- 
loser sich  über  die  Vergehungen  und  den    Undank    des  Antonius 
verbreitete.      Dieser  sowohl  als   Catilina  vertheidigten   sich,    und 
spotteten  über  ihn  als  Emporkömmling,     doch    waren  die  Reden 
unter    ihren  Namen,    Avelche  Asconius   las,     von  seinen  Feinden 
untergeschoben.  ^■')     Er  wurde  einstimmig  ge-wählt;   auch  Antonius 
sah  seine  Wünsclie  erfüllt,     er    hatte    aber  nur  wenige  Stimmen 
mehr  als  Catilina.^''-)     Um  ihn  zu  gewinnen,    überliess  ihm  Ci- 
cero Macedonien,  wo  er  als  Proconsul  mehr  Schätze  zu  sammeln 
hoffte,  als  in  der  anderen  Consular- Provinz   Gallien;    von  Sei- 
ten des  Redners  ein  geringes  Opfer,     wie    sehr    er  es  sich  auch 
anrechnete  ,  ^^j    denn  er  liebte  es  nicht,    sich  von  Rom  zu  ent- 
fernen ,     und    anders   als    mit  Worten    Schlachten  zu  liefern :  '•"*' 
daher  gieng  er  auch  nicht  nach  Gallien,  mit  dem   unglücklichen 
Erfolge,  dass  er  a.   51    als  Statthalter  nach  Cilicien  in  die  Nähe 
der  furchtbaren  Parther  geschickt  wurde. 

Demnach  war  Antonius  a.  63  Consul  mit  Cicero ,  ^^)  und 
seine  Stellung  von  der  Art,  dass  sie  nicht  ungünstiger  gedacht 
werden  kann.  Die  gänzliche  Zerrüttung  seines  Vermögens  machte 
ihm  eine  Umkehr  der  Dinge  wünschcnswerth ,  als  Consul  sollte 
er  diese  verhindern;  er  mochte  die  Dinge  wenigstens  gehen 
lassen,  und  die  unbedingte  Vollmacht,  welche  die  Consuln  vom 


03)  Die  30,  21.  Vgl.  37,  29.  Ci'c.  pro  Muraen.  23.  32.  pro  Cornel. 
9'])  Or.  in  toga  cand.  s.  Ascon.  arg.  95)  Asc.  das.  commentar.  fin.  u. 
Meyer  Orat.  Rom.  Fragrn.  p.  187.  9G)  Asc.  I.  c.  97)  in  Pison.  2.  11 
Phil.  10.  Sali.  B.  C.  20.  Plut.  Cic.  12.  Dio37,  33.  Q»)  Qiias  ego  pugnai 
et  qiiantas  strages  edidi?  ad  Att.  1  ,  10.  99)  Cic.  in  Catil.  3,  C.  pro 
dorn.  IC.  pro  Sext.  3.  pro  Goel.  31.  ad  Famil.  5,  2.  Sali.  B.  C.  24.  Suet. 
Octav.  5.  Piin.  8,  79.  (53.)  Kutrop.  0,  15.  (12).  Flor.  4,  I.  5.  Plut. 
Die.   11.  li.  üio  37,  10.  30,  38,  lO.  App.  l,  431. 


536  V.  ANTOXII.  (31.) 

Senat    erhielten ,  ^^^)     Tcrpfliclitete    sie    auf  das    kräftigste  einzu- 
greifen und  legte    ihnen  die  höchste    Verantwortlichkeit  auf;     ei 
wollte    nicht    unmittelbar    gegen     Catilina     auftreten,     und    man 
schickte    ihn    mit    einem    Heere    ins    Feld,     weil  Cicero  für  gut 
fand,   das  Schwierigste  und  Gefährlichste,    die  Hauptsache,  ihm 
zu    überlassen.       Er    handelte    also     aus    Zwang,      und    niemand 
dankte  ihm;  er  wurde  vorgesclioben  zur  Blutarbeit,  ohne  welche 
die  Erwürgung  der  Wehrlosen  und  das    Reden  in  Rom  fruchtlos 
war,    und  Cicero  behielt  allen  Ruhm  sich  allein  vor,  '^    machte 
das  Meisterstück  bemerklich ,     dass    er  ihn    gegen  seinen  AViilen 
in  Thätigkeit  setzte.      Den  Optimaten  Avar  er  ein  Catilinarier,  - 
den  Catilinariern  ein  Leberläufer,  den  Unbefangenen  ein  Ehrlo- 
ser oder  SchAvächling,  welcher  that,  was  er  nicht  wollte,  Allen 
in   Italien   und    in    den     Provinzen,    welche     es    empörte,     dass 
die    Nobilität    unter    den    Namen    Republik    und     Vaterland    ihre 
angemassten    Vorrechte    vertheidigte ,     den    ausschliessliclicn    Re- 
sitz  der  Ehrenstellcn,  und  die  ßefugniss,  auf  Kosten  des  Reichs 
zu  schwelgen,     war  er  ein  zwiefacher  Verräther:   er  hatte  nicht 
einmal    die  Meinung  für    sicli,     dass  er  zur    guten    Sache    über- 
getreten   sei,     denn    die    gute  Sache  war  auf  keiner  Seite.  ^) 

Cicero  schickte  den  Prütor  Q.  Melellus  Celer  ,  welcher  im 
folgenden  Jahre  an  seiner  Stelle  und  mit  dem  Titel  eines  Pro- 
consul.das  cisalpinische  Gallien  verwaltete,  ^j  nach  Picenum  und 
in  das  ehemalige  Gebiet  der  senonischen  Gallier,  ^)  südlich  vom 
Rubicon,  mit  drei  Legionen*')  die  Truppen  des  Catilina  in 
Etrurien  zu  beobachten,  und  einen  Aufstand  zu  verhindern. 
Gegen  Ende  des  Jahrs  zog  Antonius  nach  Etrurien,  worauf 
auch  Metellus  näher  rückte  und  am  Fusse  der  Apenninen  lagerte. 
Der  Feind  wurde  eingeschlossen  und  wandte  sich  a.  62  gegen 
Antonius,  in  der  Hoffnung,  dass  er  ihm  freien  Durchzug  nach 
den  Alpen  gestatten  Averde.  Allein  der  Proconsul  durfte  die 
Aristocratic    nicht    täuschen;     nur  mochte  er  selbst  seinem  altcu 


100)  Sali.  29.  Plut.  Cic.  15.  1)  Vgl.  die  Zusammenstellung  des 
Antonius  mit  Cicero  in  3  Catil.  G.  2)  Cic.  pro  Se::t.  3.  pro  Coel.  31. 
Sali.  26.  Die  37,  30.  39.  Pluf.  Cic.  12.  3)  Sali.  38.  (39.  ed.  Haverc.) 
4)  Cic.  ad  Farn.  5,  1.  2.  5)  ^gcr  J'icrnus  et  Ga'Jicus.  Ders.  in  Catil. 
2,  3.  12.  ad  l'am.  5,  2.  Plut.  Cic.  IG.  Dio  37,  33.  39.  ü)  Sallusf. 
57.  (59.) 


V.  ANTüNil.  (31.)  537 

Verbündeten,  welcher  schon  von  einem  g'/ossen  ThcIIe  seiner 
l\rlcger  verlassen  war,  den  Toilcsstoss  nicht  versetzen,  und 
iil)crtriig  unter  dem  Vorgehen,  dass  er  an  der  Cicht  in  de» 
Füssen  leide,  ^)  den  Obcrbcfelil  seinem  Legaten  RI.  Pctrejits. 
Dieser,  ein  muthiger  und  crfalirencr  Anführer,  war  dnrcli  P. 
Sextiiis  verstärkt,  Avelchcr  im  vorigen  Jahre  als  Quästor  die 
Anhänger  der  Verschworenen  aus  Capua  vertrieben  hatte,  ^)  und 
entschied  noch  im  Winter^)  hei  Pistoria  (Pistorium,  jetzt  Pi- 
stoja)  in  Etrurien ,  wo  Catilina  fiel,  '")  und  Antonius,  da  un- 
ter seinen  Auspicien  gefochten    war,  ")     Imperator    M'urdc.  '-) 

Lictoren  ,  deren  Fasccs  Lorheeren  sclimückten ,  '^)  heglei- 
teten Antonius  in  seine  Provinz  Macedonicn.  Sie  sollte  durch 
ihn  zuerst  empfinden,  dass  wenigstens  für  die  Unterjochten  durch 
den  l5>ieg  über  Catiüna  nichts  gewonnen  sei ,  denn  er  beraubte 
sie  mit  um  so  grösserer  Frechlieit,  i^)  da  er  auf  sie  angewiesen 
und  mit  dieser  Anweisung  erkauft  Mar.  Man  sagte  sich  ia  Koni, 
und  die  zahlreiclie  Partei,  von  welcher  Cicero  wegen  der  Er- 
mordung der  Catilinarier  und  als  Emporkömmling  gehasst  wur- 
de, verbreitete,  dass  dieser  nach  einem  geheimen  Vertrage  und 
7,um  Ersatz  für  den  Tausch  den  Rauh  mit  üim  theile;  Antonius 
selbst  sollte  es  geäussert  haben  mit  dem  Bemerken ,  deshalb  sei 
Hilarus  bei  ihm,  der  Freigelassene  seines  ehemaligen  CoUegen, 
und  in  der  Schule  des  Atticus  zu  einem  tüchtigen  Rechner  ere- 
bildet.  '^)  Dass  Cicero  nichts  erhielt,  ist  gewiss;  '^j  er  beklagte 
sich  darüber,  dass  Antonius  ihm  auf  keine  Art  seine  Dankbar- 
keit beweise,  und  sogar,  wie  später  Clodlus,  über  sein:  ich 
habe  vernommen,  dessen  er  sich  aus  Vorsicht  bei  den  Verhand- 
lungen über  Catilina  bediente,  gespottet  habe.  Der  Aufenthalt 
des    Hilarus   in    der  Provinz    musste  Verdacht  erregen,     welcher 


7)  DerB.  59.  (G2.)  Dio  37 ,  39.  Bei  Cic.  pr»  Sext.  5.  findet  sich 
die  Entschuldigung,  welilie  zugleich  die  grösste  Bitterkeit  in  sich  schliesst, 
es  sei  aus  Furchtsamkeit  geschehen  \  die  Parlher  rächten  es.  8)  Cic. 
pro  Sext.  3  —  5.  ö)  Das.  5.  10)  Sallust.  CO.  (03).  Cic.  pro  riace.  2. 
liiv.  103.  Veliej.  2,  35.  Val.  Max.  2,  S.  7.  Eutrop.  G,  15.  (12.)  Flor.  4, 
1.  §.  5.  u.  11.  Obseq.  123.  Dio  37,  40.  App.  2,  431.  Plut.  Cic.  22.  11) 
Cic.  pro  P'lacc.  1.  c.  pro  Coel.  31.  Liv.  Eutrop.  Flor.  Valer.  M.  App. 
riut.  IJ.  cc.  12)  Cic.  ad  Farn.  5,  5.  Dio  u.  Obseq.  11.  cc.  13)  Obseq.  I.  c. 
14)  Unten  A.  21.  f.     15;  ad  Attic.  1  ,  12.      lü)  ad  Fain.  5,  5. 


538  V.  ANTONII.  (31.) 

dadurch  nicht  entkräftet  wird ,  dass  Cicero  des  Undanks  mit 
milden  Ausdrücken  gedenkt,  während  er  sonst  bei  Beleidigungen 
sehr  heftig  wurde,  besonders  wenn  sie  sich  auf  sein  Consulat 
bezogen,  dass  er  Antonius  in  dieser  Zeit  im  Senat  in  Schutz 
rahm  und  dann  auch  vor  Gericht  vertheidigtc,  und  später  als 
Statthalter  von  Cilicien  ohnerachtct  seiner  von  ihm  selbst  ge- 
priesenen Uneigcnnützigkeit  und  Redlichkeit  eine  bedeutende 
Summe  in  Cistophoren  erwarb. '"') 

Antonius  plünderte  auch  die  Bundesgenossen  und  die  Bar- 
baren in  der  Umgegend,  die  Letzteren  zugleich  in  der  Absicht, 
sich  Ansprüche  auf  einen  Triumph  zu  verschaffen.  Allein  die 
Dardanier  und  ihre  Nachbaren  schlugen  ihn  zurück,  und  be- 
mächtigten sich  der  Beute  ,  nachdem  er  mit  der  Reuterei  ent- 
flohen war. '^^^  Im  Senat  trug  man  darauf  an,  ihn  abzurufen 
und  vor  Gericht  zu  stellen,  welches  Cicero  verhinderte,  i^)  Die- 
ser schrieb  am  1.  Januar  (jl  an  Atticus ,  auch  Pompejus,  wel- 
chen man  jetzt  aus  Asien  erwartete,  werde  die  Sache  in  Anre- 
gung bringen,  und  der  Prätor  sich  an  das  Volk  wenden ;2ö) 
ihm  selbst  gab  er  zu  erkennen,  er  gehe  schwierigen  Zeiten  ent- 
gegen und  könne  nur  auf  seinen  Beistand  rechnen ,  wenn  er 
aufhöre,  undankbar  zu  sein.^O  a.  CO  erhielt  er  den  Proprätor 
C.  üctavius,  Vater  des  Augustus  im  Nachfolger,  --)  doch  war 
er  im  Anfange  des  Dccember  noch  nicht  wieder  in  Rom,  wo 
man  seinen  Process  vorbereitete.  -^^ 

Er  wurde  a.  59  unter  Cäsars  Consulat  -*)  als  Mitschuldiger 
Catilinas  wegen  Majestätsverbrechen  von  M.  Coelius,-^)  einem 
jur 'cn  Manne,  welcher  sich  durch  seine  Schwelgerei  und  unge- 
zähmte  Heftigkeit  berüchtigt  machte,  bei  einem  Prätor  belangt, 
dessen   Name  unbekannt   ist,  ^O    und   von   C.    Caninius   Gallus, 


17)  ad  Attic.  11.  1.   S.  Tullii.  u.  oben  Annü.  No.  10.  §.  3;  A.  77.  f. 

18)  Dio  38,  10.  Liv.  103,  Obseq.  123.  19)  ad  Famil.  5,  C.  20)  ad  Altic. 
J,  12.  21)  ad  Farn.  5,  5.  22)  Cic.  ad  Altic.  2,  1.  Vellej.  2,  59.  Suet. 
Oct.  3.  23)  ad  Att.  2,  2.  24)  Dio  38,  10.  25)  Cic.  pro  Coel.  7.  31. 
Stellen,  aus  welchen  sich  ergiebt,  dass  er  bei  diesem  ProceBse  auftraf. 
Tgl.  Quiiitil.  4,  2.  §.  123.  u.  9,  3.  §.  58.  ed.  Spald.  u.  Meyer  Orat. 
Itoni.  Fra^m.  \>.  19G.  20)  Nicht  bei  Cn.  henf ulus  ;  derselbe  Prätor  koiuife 
•icht  in  Gerichleii   dr  maictlrrtc^   u.  de.  pernn.  rrprt.  den  Vorsiti  hal.in. 


V.  ANTONII.  (31.)  539 

seinem  künftigen  Sclnvlegeisoline,  ^^)  dessen  Mitankläger  Q.  Fa- 
bius  Maxiiiius  war,  -'*)  bei  dem  Prätor  Cn.  Lentulus  Clodianus,  2'J) 
Avegen  l'^pressungen.  Nun  erst  brachte  der  V.  Tribun  P.  Vatl- 
nius,  ein  Werkzeug  Cäsars,  welchfer  die  Optiniaten  fortwährend 
J5U  schwächen  und  zu  erniedrigen  suchte ,  ein  Gesetz  an  das 
Volk,  nach  welchem  Kläger  und  Beklagter  die  Richter  einmal 
Sollten  verwerfen  können,  jedoch  nur  in  Sachen,  welche  ma/i 
von  jetzt  an  anhängig  machen  werde.  Obgleich  die  Rogation 
vorzüglich  die  Beklagten  zu  sichern  schien,  so  hatte  doch  nuu 
Antonius  keinen  Vortlieil  davon.  ^^) 

Noch  fühlbarer  wurde  Cäsars  Einwirkung  seinem  Anwälte 
Cicero.  \o\\  Ingrimm  über  den  Herrscherbund,  welcher  seine 
vermeintliche  Grossthat  v.  J.  63  so  schnell  in  ihrem  Nichts 
zeigte,  und  ihn  in  den  Hintergrund  schob,  sprach  er  in  seiner 
Rede  mit  Bitterkeit  über  den  Zustand  der  Republik.  Cäsar 
verlangte  als  das  wahre  Haupt  des  Triumvirats  nur  Schweigen 
von  ihm,  er  hielt  aber  auch  in  P.  Clodius,  seinem  Feinde  seit 
dem  J.  61  eine  Geissei  für  ihn  in  Bereitschaft;  diess  wusste  er, 
und  mässigte  sich,  bis  nun  die  Vertheidigung  des  Consuls  v.  J. 
63  ihn  so  lebhaft  an  seinen  vormaligen  Glanz  und  an  seine 
jetzige  Schmach  erinnerte,  dass  er  sich  übereilte;  an  demselben 
Tage,  drei  Uhr  Nachmittags,  wurde  Clodius  von  einem  Plebejer 
adoptirt  und  damit  wahlfähig  zum  Tribunat,  in  welchem  er 
Cicero  verfolgen  konnte. ^i) 

Dieser  rettete  seinen  Clienten  nicht ,  welcher  sich  nach 
Sullas  Gesetzen  ^-)  zu  einer  Geldbusse  und  zum  Exil  verurtheilt 


27)  Val.  Max.  4,  2.  6.  weicher  ihn  richtig  als  Hauptanllager  be- 
eeichnet.  28)  Der  Zusanimeiibang  in  Cic.  in  Vatin.  11.  lehrt,  dasa 
dieser  wegen  repet.  aiillagte.  29)  in  Vatin.  11.  30)  Das.  31)  Cic. 
pro  dorn.  16.  Suet.  Caes.  20.  (A.  V.)  de  vir.  ill.  81.  Dio  38,  10.  32) 
Leges  Corneliae  de  repet.  et  de  maiest.  Von  Cäsar  erhielt  man  eine 
L.  Julia  de  rep.  in  diesem  Jahre;  da  aber  Cicero  im  April  auf  dem 
f.ande  die  .Adoption  des  Clodius  als  etwas  schon  Geschehenes  erwähnt, 
ad  Attic.  2,  12.  so  gehört  der  Process  in  die  ersten  Monate  des  Jahrs, 
wo  der  Consul  sein  (resetz  wahrscheinlich  noch  nicht  gegeben  halte, 
weil  Wichtigeres  ihn  beschäftigte,  wie  es  zweifelhaft  ist,  wann  er  die 
L.  de  maicxt,  hiiuufügte.     Cic.    1.   Fhil.   0.  (lO). 


540  V.    ANTÜNII.  (32.) 

sali.  ■'•')  Er  Legal»  sicli  iiacli  Ccpliallcnia,  wo  man  ilim  zu  schal- 
ten erlaubte,  als  sei  er  Besitzer  der  Insel;  JStrabo  berichtet, 
dass  er  sogar  eine  Stadt  gründete,  den  Bau  aber  vor  seiner 
Herstellung  nicht  vollendete.  "*)  Man  erwartete,  dass  sein  Nell'e 
M.  Antonius  a.  19  als  V.  Tribun  und  vor  Allem  als  Cünstlinu: 
und  Stellvertreter  Ciisars  in  Italien  ilm  zurückrufen  werde, 
■welches  nicht  geschah.  Auf  die  Zeit  dieses  Tribunats,  uicht  auf 
das  J.  44  bezieht  sich  Cicero,  wenn  er  die  Härte  des  Netten 
rüürt.  ^^)  Dieser  durfte  zwar  im  ersten  Jahre  des  Bürtierkriejjs 
in  manchen  Dingen  sehr  willkiihrlich  verfahren,  in  anderen 
liatte  er  aber  seine  gemessenen  Befehle,  '■^'^J  Avclches  Calenus  in 
einer  erdichteten  Rede  bei  Dio  •'^^  auch  in  jener  Hinsicht  zu  sei- 
ner Entschuldigung  anführt.  Der  Dictator  selbst  endigte  .später 
das  Exil  des  Antonius,  vielleicht  als  er  a.  47  «arh  den  Krie- 
gen im  Osten  über  Criccliciiland  nach  Italien  zurückkam;  dass 
jener  am  I.Januar  44  einer  Senatssitzung  beiwohnte,  erfahren 
wir  durch  Cicero.  "^)  Er  scheint  Cäsar  nicht  lange  überlebt  zu 
haben,  und  hinterliess  den  Ruf,  dass  er  den  Willen  aber  nicht 
die  Kraft  gehabt  habe,  ein  Catilina  zu  sein.  ■^^^ 

32.  33.  Die  ältere  und  jüngere  Antonia.  Welche  unter 
diesen  beiden  Töchtern  des  Vorigen  mit  C.  Cauinius  Claliiis  ^"' 
oder  mit  M-  Antonius  (No.  14.)  verheirathet  war,  ist  ungewiss: 
Glandorp  glaubt,'*')  es  sei  nur  an  Eine  zu  denken,  welche  sich 
zuerst  mit  jenem,  dann  mit  diesem  vermählte;  man  findet  aber 
nicht,  dass  sie  sich  von  Cauinius  trennte,  und  doch  lebte  ei 
noch,  als  Antonius  die  Tochter  seines  Oheims  '^-■)  heirathelr. 
Cauinius    hatte    a.   59  seinen    nachmaligen  Schwiegervater  ange- 


33)  Cic.  pro  Flacc.  2.  38.  pro  Coel.  3).  2  l'hil.  23.  38.  wo  die 
Ausleger,  (ed.  Wernsd.  Tom.  1.  p.  383.  u.  504.  f.)  insbesondere  Abra 
niius  sich  duroh  Dio  38,  10.  haben  irre  leiten  lassen.  Dieser  sagt, 
Antonius  sei  nur  wegen  Erpressungen  verurtlicilt ,  welches  jene  ersten 
Stellen  in  Ciceros  Reden  widerlegen,  aber  auch  Kerrat.  Kp.  1,  11.  be- 
hauptet. 31)  10,  455.  35)  ///  eodem  In'hunrrlu.  2  Phil.  23.  38.  Dio  -lö, 
47.  40,  iJ.  Vgl.  Üben  No.  11.  §.  3.  A.  14.  §.  14,  A.  33.  30)  ad  Atl. 
10,  10.  37)  46,  15.  38)  2  l'hil.  38.  Vgl.  Straho  10,  455.  Gland.  Onoui. 
p.  70.  Wetzet  zu  Cic.  ad  Famil.  p.  105.  Abrani.  u.  A.  zu  Cic.  II.  cc.  ha- 
ben hier  das  Rechte  verfehlt.  39)  \t)cuil  npi/iio  malrjirii  cogHati.  Cic. 
pro  Coel.  31.  40)  Valer.  Max.  4,  2.  G.  41)  Onoiu.  p.  80.  42)  üororein 
{palnielcui).  Cic.  2  l'hil.   38. 


V.  ANTONII.  (31.)  541 

klagt  ;^'')  als  V.  Tribun  begünstigte  er  a.  50  Pompejus,  auch 
gcliörtc  er  zu  den  Freunden  des  Varro.  Es  ist  nicht  unwahr- 
scheinlich, diiss  Antonius  hei  seiner  Scheidung  a.  47  einen  ver- 
botenen IJuigang  zwischen  Antonia  und  dem  damaligen  V,  Tri- 
bun P.  Dolubella  nur  zum  Verwände  nahm,  weil  er  eine  andere 
Verbindung  eingehen  wollte ;  '^^'>  da  er  aber  am  ] .  Januar  44 
üftcntlich  im  ISenat  und  in  Cegenwart  ihres  A'aters  von  ihrem 
Ehebruche  sprach,  so  konnte  es  ihm  nicht  ganz  an  Beweisen 
fehlen,  obgleich  Cicero  iin-e  Unschuld  behauptet.'*^) 

31.  Antonia,  Tochter  des  Antonius  Orator.  (No.  10.) 
Sie  wurde  in  Italien  selbst  auf  einer  Reise  von  den  Seeräubera 
ergrili'cn,  über  weiche  ihr  Vater  triumphirt  hatte,  und  musste 
sich  mit  einer  grossen  Summe  lösen.  '^^^ 


43)  Oben  No.  31.  S.  Caninii.  44)  Cic.  I.  c.  Mit  FulvJa,  nicM  mit 
Cytheris  (oben  No.  1 !.  §.  72.  A.  48.)  denn  diese  war  seine  Buhkrinn. 
4;'))  1.  c.  Plut.  Anton.  9.     46)  Plu(.   Ponipej.  21. 


542  ItUrsicfii  der  GeschkhU 


üebersicht 

der  Geschichte  des  Triiimvir  M.  Antonius. 
Antonii.     No.  14. 

§.  1. 

Kleine  Geburt  und  Jugend.  Verbindunj^en  mit  Curio  und  Clodius, 
Reise  nach  Griechenland.  Feldziige  unter  Gabinius  im  Osten  und 
unter  Cäsar  in  Gallien. 

§.  2. 

a.  53.  Geht  nacK  Rom;  wirbt,  von  Cäsar  und  Cicero  begünstigt, 
um  die  Quästur. 

a.  52.     Quiistor.    Kehrt  zu  Cäsar  nach  Gallien  zurück. 

a.  51.    Noch  in  Gallien. 

a.  50.  Nach  Rom ;  wird  Augur.  Am  10.  December  V.  Tribun ; 
greift  Pompejus  an. 

§.   3. 

a.  49.  V.  Tribun.  Als  Anhänger  Cäsars  am  6.  Januar  mit  sei- 
nem Collegen  Q.  Cassius  aus  der  Curie  verwiesen.  Zu  Cäsar; 
kämpft  als  dessen  Legat  in  Italien.  Erhält  hier  während  des  Feld- 
zugs in  Spanien  den  Obe  '»efehl ;  ist  Cäsar  treu  und  milde  gegen 
Cicero.    Reise  in  Italien,  deren  Zweck  Cicero  verkennt. 

§.  4. 

a.  48.  Führt  Cäsar  Truppen  nach  gegen  Pompejus.  Dyrrha- 
chium,  Pharsalus.  Zur  Bewachung  Italiens  nacli  Rom.  Grossmutli 
gegen  Cicero.  Thütig,  wenn  es  gilt,  und  iibrif^ens  ausschweifend, 
(n  der  Mitte  des  J.  Mag.  Kqu.  Cäsara  auf  ein  Jahr. 


*  des  Triumvir  M.  Antonius.  543 

§.  5. 
a.  47.     Aussrinveifungen.     Reise  in    Italien.     Unruhen  durch  den 
V.  Trib.   Dolabella,    Meuterei   unter   den   Truppen.     A.    kauft  einen 
grossen  Theil  der  Güter  des  Pompejus,  und  zahlt  nicht. 

§.  6. 

a.  46.  Daher  Spannung  zwischen  ihm  und  Cäsar.  Begleitet 
diesen  nicht  nach  Afrika.  Jleirathet  Fulvia.  Geht  nicht  mit  Cäsar 
nach  Spanien. 

a.  45.  Geht  ihm  bis  Gallien  entgegen;  kommt  plötzlich  zurück; 
Missdeutung  und  Schrecken  in  Rom.  Im  Herbste  wieder  nach  Nar- 
bo,  Cäsar  zu  empfangen;  Trebonlus  sucht  ihn  für  eine  Verschwö- 
rung zu  gewinnen ;  er  versöhnt  sich  mit  Cäsar.  AVird  Flamen  des 
neuen  Jupiter  und  Lupercus. 

§.  7. 

a.  44.  Consul  mit  Cäsar,  und  nach  dessen  Tode  mit  h.  Dola- 
bella.  Streit  mit  diesem.  Sucht  zu  bewirken  ,  dass  Cäsar  als  Kö- 
nig anerkannt  wird.  Ermordung  Cüsars  am  15.  März.  A.  wird 
verschont ;  er  verbirgt  sich. 

§.  8. 

(a.  44.)  Die  Mörder  auf  das  Capitol.  Sie  haben  nichts  vorbe- 
reitet. Am  Abend  des  15.  Märzes  Cicero  und  A.  zu  ihnen.  Cicero 
will,  M.  Brutus  und  C.  Cassius  sollen  als  Prätoren  den  Senat  ver- 
sammeln; Brutus  verweis't  aus  Achtung  vo.  der  Verfassung  an 
Antonius. 

§.  9. 

(a.  44.)  Dieser  bemächtigt  sich  in  der  Nacht  vom  15.  auf  den 
16.  März  des  Schatzes,  und  erhält  Cäsars  Privatschatz  und  Papiere; 
M.  Lepidus,  Mag.  Eou.  führt  Truppen  in  die  Stadt,  um  die  Herr- 
schaft an  sich  zu  reissen.  A.  macht  ihn  zu  seinem  AVerkzeuge. 
16.  März.  Die  Verschworenen  lassen  die  Stimmung  des  Volks  er- 
forschen. Der  Prätor  Cinna.  Dolabella  tritt  als  Consul  auf,  und 
begiebt  sich  auf  das  Capitol.  Die  Verschworenen  mit  ihm  auf  den 
Markt;  Rede  des  M.  Brutus;  das  Volk  schweigt;  Rückkehr  auf  das 
Capitol.  Gesandtschaft  an  Antonius ;  er  überlässt  die  Entscheidung 
dem  Senat.     Allgemeine  Aufregung. 

§•    10. 
(a.  44.)     17.  März,   Senats  -  Versammlung  im  Tempel  der  Tel- 
lu«.     Der  Prätor  Cinna.    Die  Verschworenen  kommen  nicht.  A.  wen 


544  Uebersicht  der  Gesc/iichla 

det  sii-h  an  d^n  Eigennutz,  wodurch  er  seino  CJfgner  tlieilt;  frucht- 
loser Versuch,  mit  Lopidus  die  Menge  aufzureizen.  Seine  l::rklii- 
rung:  für  die  Mörder  Cäsars  sei  keine  Sicherheit,  wenn  man  nicht 
dessen  Gesetze  bestätige;  diese  werden  bestätigt  und  jene  begna- 
digt. Cicero.  Bescliluss,  Cäsar  oirentlich  zu  begraben  und  sein  Te- 
stament bekannt  zu  machen,    L.  Piso. 

§.    II. 

( a.  44.)  Indes3  rufen  die  Verschworenen  das  Volk  auf  das  Ca- 
pitol.  Kede  des  M.  Brutus.  Ciceros  llede  an  das  Volk.  Jene  kommen 
gegen  («eisseln   auf  den  Markt.     Eewirthung. 

Am  18.  Mürz  erscheinen  sie  im  Senat.  Bestätigung  der  Verfü- 
gung Cäsars  über  ihre  Provinzen. 

§.   12. 

(a.  44.)  A.  lässt  das  Testament  Cäsars  eröffnen.  Inhalt.  Das 
Volk  wird  durch  die  Legate  gegen  die  Mörder  erbittert.  Leichen- 
begüngniss ;  Antonius  Rede  auf  dem  Markte.  Die  Verschworenen 
entfernen  sich.  Cäsars  Körper  auf  dem  Markte  verbrannt;  Angriff 
auf  die  V»  ohnungen  der  Mörder.  Der  Tribun  llelvius  Cinna.  A. 
stellt  die  Ordnung  wieder  her. 

§.   13. 

(a.  44.)  Er  scheint  mit  dem  Senat  einverstanden ;  beruhigt  über 
den  Inhalt  der  Papiere  Cäsars.  Abschaffung  der  Dictatur.  Der  fal- 
sche ]\Iariu8  erriclitet  Cäsar  einen  Altar  auf  dem  Markte;  A.  lässt 
ihn  tüdten. 

§■    li. 

(a.  44.)  A.  erhält  eine  Leibwache.  Wuchert  mit  Cäsars  Pa- 
pieren; der  Schreiber  Fabcrius.  Sex.  Clodius  kommt  aus  dem  Exil 
zurück  und  wird  beschenkt.  Auch  Fulvia  bereichert  sich.  Der  Se- 
nat beschliesst  eine  Untersuchung  darüber  anzustellen,  was  wirklich 
Gesetz  Cäsars  sei.  Ackergesetz  des  V.  Trib.  L.  Antonius;  A.  Se- 
ptemvir;  Cicero  fürchtet  für  seine  Besitzungen;  sein  llass  gegen  L. 
Ant.  welcher  ihn  beruhigt.  A.  Gesetz  über  die  Gerichte.  Gesetze 
über  die  Provocatiim ,  und  iiber  die  Wulil  der  Priester.  ]\I.  Lepidus 
Pontifex  M.      Gesetz  über  die  Dauer   der  Provinzial- Verwaltung. 

§.    !.'). 

(tt.  44.)  Vergleich  mit  Sex.  Pompejus  durch  T>epidus.  Oc^a- 
>ian  kommt  im  April  von  Apollonia  /.urü.  k.  Er  tritt  als  Privateibe 
auf  und  licuciielt  Ein  furcht  gegen  Cicero;    am  Ende  des  April  n.itii 


des   Triumvtr  M.  Antonius,  545 

Rom.  Spine  bpclenkliclie  liagp  und  nesoniifiiTieit;  seine  Politik;  zu- 
fälli;je  Umstünde  ,  \n  piche  ilin  bep;ün.stis;ten.  Er  erklärt  sich  viir  dem 
Prätor  7.U  Cäsars  Erben  und  Sohn.  Rede  an  das  Volk,  Streit  mit 
dem  Aedil   Critonius. 

Antonius  kehrt  nach  der  Mitte   des  Mai  von   einer  Reise  in   Ita- 
lien  nach   Rom  zunick  ;  schlechter  Empfkng    des  Oetavian  ,     Avelcher 
Cäsars  Nachlass  fordert,    und  mit  grossem  Aufsehn  Güter  der  Seini 
gen  feil  bietet,    die  Legate  zu    zahlen.     A.    sucht    diess    zu    hindern 
und   auch  die   Restiitigung  der  Adoption   durch  ein  Curiatgesetz. 

Spiele  zu  Ehren  der  Venus  auf  Octavians  A'eranstaltung ;  Xer- 
handlungen  darüber  zwischen  Matius  und  Cicero;  A.  stört  die  Feier. 
Versöhnung  mit  Oct.     Neuer  Streit  bei  der  Wahl  der  Tribüne. 

§.  16. 

( a.  44.)  A.  Reise  in  Italien  im  April  und  Mai,  die  Veteranen 
zn  ge\<  innen;  bacchantischer  Aufzug;  Ciceros  Aeusserungen  darüber, 
welchem  A.  auch  jetzt  Aufmerksamkeit  beweist,  L'nzufriedf-nheit 
und  Widerstand  der  alten  Colonisten.  Rückkehr  nach  Rom  mit  vie- 
len Bewaffneten. 

Dulabella  zerstört  den  Altar  Cäsars  vor  dem  1.  Mai  unter  vielen 
Grausamkeiten.  Freude  der  Grossen  auf  den  Villen;  Cicero  dankt- 
man  rechnet  auf  einen  Bruch  zwischen  Dolabella  und  A.  Dieser  be- 
sticht ihn,  und  errichtet  nach  seiner  Ankunft  in  Rom  Cäsar  eine 
Statue  mit  einer  Inschrift,  welche  die  Mörder  verdammt. 

(a.  44.)  Die  Verschworenen.  M.  Brutus  und  Casslus  verlas- 
»en  Rom  erst  gegen  die  Mitte  des  ^pril,  früher  als  D.  Brutus,  wel- 
cher nach  dem  cisalpinischen  Gallien  geht,  Alpenvölker  bekrieo-t 
und  einen  Triumph  wünscht.  Trebonius  nach  Asia;  Tillius  Cimber 
nach  Kithynien. 

M.  Brutus  und  Cassius  bleiben  in  Erwartung  günstiger  Ereig-nis- 
se  bis  zum  September  in  der  Nähe  von  Rom.  Ihre  Unthäti<rkeit 
und  Feigheit;  Cicero  klagt;  er  wünscht,  dass  sie  nach  Rom  <-ehen 
und  ihm  Bahn  machen,  will  aber  keine  Zusammenkunft  mit  ihnen 
um  nicht  verdächtig  zu  werden;  kann  ihr  nicht  ausweichen.  Sie 
fragen  Antonius,  ob  sie  am  I.  Juni  mit  Sicherheit  im  Senat  sein 
können.     Einfluss  der  Frauen  auf  sie. 

Als  Prätoren  verpflichtet,  in  Rom  zu  sein,  werden  sie  am  5 
Juni  vom  Senat  davon  entbunden;  sie  sollen  Getraide  kaufen.  Bru 
tus  in  Creta,  Cassius  in  Cyrene.  Cicero  räth,  sich  darin  zu  füffen 
weil  sie  ihm  lästig  sind.  Daber  ziehen  .sie  Schiffe  zusammen  doch 
will  Brutus  die  Wirkung  der  Spiele  erwarten,  welche  sein  Collesre 
C.  Antonius  am  7.  Juli  f.  für  ihn  giebt;  das  Volk  regt  sirh  nicht 
itruuanii ,  OcsvJiicblc  Kunis  I-  Oft 


j46  Üeberaicht  der  Gesc/iic/itt 

Antonius  sucht  sie  aus  Italien  fortzuscheuchen.  Cicero  schifft  sich 
ein:  er  kehrt  zurück,  geht  nach  Rom,  aber  nicht  in  den  Senat.  Die 
beiden  Befreier,  nichts  mehr  hortend,  begeben  sich  im  September 
nacli  Athen  und  weiter  in  die  ihnen  von  Cäsar  bestimmten  Provin- 
zen Macedonien  und  Syrien. 

§.   18. 

(a.  44.)  Cicero.  Lebt  nach  Ciisars  Ermordung  auf  seinen  Gü- 
tern; er  hat  seine  Freude  darüber  geäussert  und  fürchtet  Antonius, 
die  Veteranen  und  einen  Krieg,  worin  er  wird  Partei  ergreifen  müs- 
sen; man  soll  gegen  Antonius  kämpfen,  aber  ohne  ihn.  Diesen 
hasst  er,  Aveil  er  ihn  hindert,  seine  frühere  Stellung  wieder  einzu- 
nehmen; aber  er  mag  auch  keinen  andern  Cäsarianer  sehen.  Er 
sehnte  sich  nach  Rom,  dachte  ungern  daran,  nun  auch  Italien  zu 
verlassen,  zumal  da  er  seinen  Ruf  als  eifrigster  Freund  der  Repu- 
blik dann  gänzlich  verlieren  musste.  In  den  Briefen  an  Atticus  giebt 
er  falsche  Gründe  au.    Scherz  des  Atticus. 

§.   19. 

( a.  44.)  Cicero.  Sein  Zustand  in  dieser  Zeit.  Selbstanklage. 
—  Urtheil  über  sein  Verfahren  —  Gefühl  des  Nichts;  Beschäftigung 
mit  Bücherschreiben  und  mit  der  Philosophie.  Cäsarianer  kommen 
zu  ihm  ,  mit  ihm  zu  declamiren.  Erzwungener  Verkehr  mit  Octa- 
vian  und  mit  dessen  Feinden,  den  Verschworenen.  Lästige  und  be- 
denkliche Besuche  der  IMissvergnügten  auf  den  benachbarten  Villen. 
Bitterkeit  und  JMisstrauen.  Seine  Urtheile  über  die  Cäsarianer  über 
die  eigenen  Parteigenossen ,  besonders  über  die  Consulare  und  über 
Brutus  und  Cassius. 

Ent\\ürfe  bei  einer  Entfernung  von  Italien  einen  scheinbaren 
Vorwand  zu  gewinnen;  eine  freie,  eine  Votiv-Ge.san<ltschaft  kommt 
in  Frage;  am  2.  Juni  musste  ihn  Dolabella  zu  seinem  Legaten  er- 
nennen; dann  will  er  mit  M.  Brutus  reisen,  doch  zögert  dieser  zu 
lange.  Am  17.  Juli  schifft  er  sich  ein;  Stürme  treiben  ihn  im  An- 
fange des  August  nach  Leucopetra  zurück;  er  hört  Gutes  von  An- 
tonius, und  dass  man  seine  Reise  tadelt;  am  31.  August  ist  er  wie- 
der in  Rom. 

§.   20. 

fa.  44.)  Antonius.  Seine  Pläne.  Geheimes  Einverständniss  mit 
Dolabella,  Avehhem  das  Volk  Syrien  giebt,  als  der  Senat  es  ver- 
weigert, und  die  macedonischen  Legionen.  A.  erhält  Macedonien 
vom  Senat;  jene  Legionen  hat  ihm  Dol.  insgeheim  abgetreten,  und 
der  Senat  bestätigt  es;  er  wird  jetzt  nicht  Imperator  I.  Man  hofft, 
er  werde  im    nächsten  J.    nach  Macedonien  gehen. 


des   Triuinvir  M.  Antonius.  547 

Senat  am  1.  Juni:  Commissinn  zur  Uiitersucliung  der  Papiere 
Cäsars;  am  5.  Juni:  Besclilüsse  über  die  Provinzen;  J^rutii.s  soll  in 
Creta,  Cassius  in  Cyrene  Getraide  kaufen.  A.  verlangt  das  cisalpi 
nisclic  Cjiallien,  welches  ilim  D.  Brutus  gegen  Macedonien  überlas- 
sen soll  ;  der  Sf-nat  verweigert  es,  das  Volk  gesteht  es  ihm  zu  un- 
ter Mitwirkung  des  Octavian.  l'lebiscit:  die  Verwaltung  der  Con- 
sular  -  Provinzen  solle  sechs  J.  dauern.  So  hofft  A.  eine  Provinz 
und  ein  Heer  in  der  Nähe  Roms  zu  haben  ,  wie  einst  Cäsar. 

§.  21. 

(a.  44.)  Senat  am  1.  August:  L.  Piso  tritt  gegen  A.  auf,  wird 
nicht  unterstützt;  für  Cicero  liegt  ein  Vorwurf  darin;  er  kommt  am 
31.  August  nach  Rom  zurück. 

Die  Philippiken.  Einleitung.  Was  bestimmte  Cicero 
zum  Kampfe  mit  Antonius?  Nach  seiner  Versicherung  der  Wunsch, 
die  Republik  zu  retten,  nicht  ein  Partei  —  oder  Privatinteresse, 
wie  A.  behauptet;  wer  also  gegen  oder  auch  nur  nicht  für  ihn  ist, 
ist  gegen  die  Republik;  am  schlechtesten  zeigen  sich  die  Consulare. 
Daher  vertritt  Cicero  den  Senat;  das  Volk  erkennt  die  Reinheit  sei- 
ner Gesinnungen;  seine  Neider  sprechen  von  einem  Principat.  Er 
giebt  aus  eigener  3Iachtfülle  den  Statthaltern  Befelile  oder  Rath 
oder  Verweise,  und  macht  ihnen  Versprechungen,  und  sie  wenden 
sich  an  ihn,  als  an  den  Ersten  im  Staate. 

§.  22. 

(a.  44.)  Ciceros  Grundsatz,  gegen  den  Feind  des  Staats  sei  je- 
dem alles  erlaubt;  rastloses  Streben,  zu  bewirken,  dass  A.  für  einen 
Feind  des  Staats  erklärt  wird  ;  diess  der  Hauptzweck  der  Philippi- 
ken. Gleichzeitige  tinterhandlungen  mit  den  Statthaltern  ,  sie  im 
Hasse  gegen  A.  zu  bestärken,  sie  zum  Kampfe  mit  ihm  heranzu- 
ziehen, oder  sich  einen  Zufluchtsort  bei  ihnen   zu  sichern. 

§.  23. 

fa.  44).  Cicero  empfiehlt  und  befördert  revolutionäre  und  anar- 
chische Maassregeln,  um  A.  zu  stürzen.  Man  soll  diesen  nicht  als 
Consul  anerkennen;  Senats-  und  Volksbeschlüsse,  welche  ihn  be- 
günstigen, sind  nicht  gültig;  der  Senat  weigert  sich,  ihn  als  Reichs- 
feind zu  ächten,  man  muss  ihn  dennoch  so  nennen  und  darnach 
handeln.  Herabwürdigung  des  unfolgsamen  Senats  in  der  Curie,  vor 
dem  Volke  und  in  Briefen;  Versuche,  durch  das  Volk  den  Senat 
zur  Nachgiebigkeit  zu  zwingen;  falsche  Deutung  seiner  Beschlüsse; 
Bestrebungen,  ihn  und  das  Volk  in  eine  solche  Stellung  zu  brin- 
gen, worin  eine  Versöhnung  mit  A.  unmöglich  wird. 


r 


r)4S  Uebersicht  der  Geschichte 

§•  24. 
(a.  44.)  Cicero  hillia^t  öflpntlich  den  Ungeliorsani  der  Heere 
und  ihrer  Anfüiirer  ;jfgen  den  Senat,  und  fcirdert  dazu  auf.  Er 
untergräl)t  das  Ansehn  der  Magistrate,  und  verachtt-t  Gesetz  und 
Verfassung,  wenn  sie  ihm  bei  seinen  Entwürfen  gegen  A.  hiuder- 
iich  sind. 

§.  25. 

(a.  44.)  Er  ist  seiner  Aufgabe  nicht  gewachsen  und  wirft  sich 
in  die  Arme  üctavians.  Gleichwohl  führt  er  fort,  Cäsar  und  die 
Cüsarianer  zu  schmähen  unH  die  Verschworenen  zu  be^jünstisren. 
Zweideutiges  Verfahren  gegen  den  Sohn  Cäsars,  welcher  ihn  ohne- 
hin nur  zur  Demütliigung  des  A.  benutzen  will,  und  sich  nun  um 
so  gewisser  von  ihm  und  von  der  Aristocratie  abwendet. 

Schluss,  Cicero  kann  bis  zu  den  Gefechten  bei  Mutina  in  kei- 
nem entscheidenden  Puncte  gegen  A.  durchdringen  ;  dass  dieser  un- 
terliegt, ist  nicht  sein  Werk.  Der  Streit  zwischen  ihm  und  A.  ist 
rein  per.siinlich  und  von  ihm  veranlasst;  der  Gegen.itand  des  Streits 
ist  das  höchste  Ansebn ;  beide  bedienen  sich  verwerflicher  Mittel. 
Was  von  Cicero  als  Sieger  zu  erwarten  war. 

§.  26. 

(a.  44.)  Rückkehr  zur  Geschichte.  Als  Cicero  wieder  naih 
Rom  kommt,  ist  Antonius  so  weit  erstarkt,  dass  er  sich  offen  für 
die  Cüsarianer  erklären  kann.  Es  geschieht  am  1.  Sept.  im  Senat 
im  Tempel  der  Concordia.  Supplication  für  Cäsur ;  der  Senat  wird 
dadurch  genöthigt,  sich  auch  zu  erklären.  Cicero  erscheint  nicht, 
A.  drolit,   sein  Haus  nieder>.ureissen. 

Am  2.  Sept.  Senat  im  T.  der  Concordia.  Cicero  kommt,  A, 
nicht.  1  Philippika.  Der  Redner  will  sich  wegen  seiner  Abwe- 
senheit rechtfertigen  und  einen  Krieg  gegen  A,  vorbereiten. 

§.  27. 

(a.  44.)  Ciceros  Auftreten  verändert  nichts.  A.  setzt  auf  den 
19.  September  eine  Senatsversammlung  an.  Sie  wird  im  'I'.  der  Cmi- 
rordia  gehalten,  nachdem  er  sicii  angeblich  auf  dem  Lande  vorbe- 
reitet hat.  Cicero  findet  sich  nicht  ein,  A.  sclimäht;  jener  verfasst 
eine  schriftliche  Antwort,  welche  er  erst  später  bekannt  macht; 
2  Philippika:  er  werde  als  Vertheidiger  der  Republik  von  A. 
angefeindet,  welcher  ein  verä  htlicher  Mensch  seii  Schilderung  sei- 
nes Lehens.  Zeigt  sich  vom  2.  Sept.  bis  zun»  20.  Dechr.  nicht  int 
Senat,  geht  aber  erst  int  Anlange  des  üctober  vueder  auf  das  Land, 
und  kommt  am  !).  üecemb.  iurück. 


des   Triavivir  M.  Antonius.  549 

§.  28. 

(a.  44.)  A.  versöhnt  sich  auf  Verlangen  der  Veteranen  mit 
Octavian.  Er  beschuldigt  ihn,  dass  er  ihm  nachstelle,  welches  er- 
wiedert  wird.  Um  die  Veteranen  zu  gewinnen,  trägt  er  seinen 
Hass  gegen  die  Verschworenen  zur  Schau.  Rede  an  das  Volk  am 
2.  October;  Canutius.  Octavian  hat  die  Menge  durch  seine  Freige- 
bigkeit gefesselt,  und  sucht  auch  die  Truppen  zu  bestechen. 

Daher  Reise  des  A.  mit  Fulvia  nach  Brundusium  zu  den  vier 
macedon.  Legionen  am  9,  October,  Ciceros  entstellende  Nachrich- 
ten darüber.  Unwille  der  Truppen  über  A's  Kargheit;  er  straft; 
befiehlt  ihnen,  nach  dem  cisalpinischen  Galliea  aufzubrechen,  und 
geht  wieder  nach  Rom. 


§.  29. 

Ca.  44.)  Schmäh  -  Edicte  des  A.  gegen  Octavian  und  Cicero. 
Er  setzt  eine  Senatsversamnilung  auf  den  24.  November  an  ;  verlegt 
«ie  auf  den  28.  wegen  einer  Reise  zu  den  Truppen  in  Tibur.  Der 
Senat  soll  Octavian  den  Krieg  erklären;  es  unterbleibt,  weil  nach 
der  Legion  des  Mars  auch  die  vierte  abfällt;  Supplication  für  Le- 
pidus. 

A.  nach  Alba.  Nach  Rom.  Senatsbeschluss  über  die  Provin- 
zen: C.  Antonius  erhält  Macedonien  u.  s.  f.  Rede  des  Antonius  an 
das  Volk. 

§.  30. 

(a.  44.)  A.  beschenkt  die  Truppen.  Geht  zu  ihnen  nach  Tibur. 
Senatoren,  Ritter  und  Andere  versuchen  hier  einen  Vergleich  zu 
stiften.  Cicero  entstellt  diese  Ereignisse.  Stärke  des  A.  Sein  Ge- 
folge nach  Cicero,  Fulvia  bleibt  mit  seinen  Kindern  und  treuen 
Freunden  in  Rom  ;  Fufius  Calenus  ;  L.  Piso.  Sein  Zug  nach  Mutina. 
I).  Brutus  weigert  sich,  ihm  dem  Volksbeschlusse  gemäss  das  cisal- 
pinische  Gallien  gegen   Macedonien  abzutreten. 

Der  mut  in  ensische  Krieg.  Stärke  des  Brutus.  A.  wünscht 
Entscheidung  vor  der  Ankunft  Octavians  und  der  Consuln  des  fol- 
genden J.,  aber  Brutus  wirft  sich  im  December  in  Mutina.  A.  Im- 
perator, belagert  ihn. 

§.  31. 

(a.  44.)  Octavian.  Nach  Cicero  der  Retter  der  Republik.  Im 
October  nach  Campanien  zu  den  Colonien  Cäsars,  ohne  Auftrag  zu 
rüsten.  Angeblicher  Zweck.  Er  erkauft  die  Veteranen  ,  und  täuscht 
«ie    über  seine  Abdichten.     Nach  Rum,  «ältiend  A.  naili  Brundusium 


550 


Lei/ersieht  der  Geschickte 


reis't;  Heine  Rede  missfällt  Cicero,  welcher  noch  auf  dem  Lande 
ist;  Canutiiis.  Die  'liuiipen  wollen  nicht  gegen  A.,  iWix  Consiil  und 
Cüsarianci',  dienen.    Sie  fügen  sich.     Octavian  nach  Etrurien. 

§,  32. 

(a.  44.)  Octavian's  Sendlinge  in  Brundnsium;  sie  sollen  die 
macedonischcn  Legionen  dem  Consul  abwendig  maclien.  Die  Legion 
des  Mars  wird  gewonnen  und  geht  nach  Alba;  am  28.  Xovemb. 
erführt  A.  den  Abfall  der  vierten.  Octavian  vereinigt  sein  Heer  in 
Etrurien.  Cicero  rechtfertigt  später  den  Ungehorsam  der  Truppen 
aesren  Consul  und  Senat,  und  schreibt  der  Vaterlands- Liebe  zu, 
was  durch  Oclavians  Geld  bewirkt  ist;  er  verlangt  Belohnungen 
für  sie,  und  stellt  sie  Senat  und  Volk  als  Muster  vor.  Stärke  des 
Octavian. 

§.   33. 

(a.  44.)  Cicero.  Seit  dem  October  auf  dem  Lande.  Octavian 
wünscht  durch  ihn  einen  gesetzmässigen  Oberbefehl  zu  erhalten,  und 
schmeichelt  ihm;  er  mag  nicht  auftreten,  so  lange  es  nicht  gefahr- 
los geschehen  kann,  und  misstraut  der  Macht  und  den  Absichten  des 
jungen  Cäsar;  kann  nicht  länger  ausweichen  und  ist  am  9.  Decem- 
ber  wieder  in  Rom. 


§.  34. 

(a.  44.)  Am*  10.  December  neue  V.  Tribüne.  Gegen  Cicero« 
Wunsch  berufen  sie  den  Senat  erst  am  20.  Dec.  Maassregeln  zu 
treffen,  dass  er  sich  am  1.  Januar  ohne  Gefahr  versammeln  könne. 
3.  Philippika.  Der  Antrag  der  Tribüne  A\ird  kaum  berührt.  An- 
tonius ist,  so  viel  man  weiss,  noch  nicht  über  den  Rubicon  gegan- 
gen; mit  Worten  kann  man  ihn  also  noch  nicht  für  Feind  erklären, 
aber  durch  Thatsachen,  durch  die  Belobung  und  Belohnung  derer, 
welche  gegen  ihn  aufgestanden  .«-ind  ;  des  D.  Brutus,  Octavian,  der 
Legion  des  Mars  und  der  vierten.  D.  Brutus  und  die  übrigen  Statt- 
halter, welcJie  nach  Cäsars  Bestinunung  Provinzen  verwalten,  mu.ss 
man  bestätigen;  man  muss  genehmigen,  was  Octavian  gethan  hat, 
und  ihn  zum  Anführer  seiner  Truppen  ernennen.  Nur  Varius  Cotyla 
vertritt  Antonius.     Beschlnss. 

Cicero  geht  aus  der  Curie  auf  den  Markt;  4.  Philippika  am 
20.  Dec:  der  Senat  hiibe  so  eben  A.  für  einen  Reidisfeind  erklärt, 
zwar  noch  nicht  mit  A\(trten,  aber  durch  die  Thal;  ein  l-'riede  mit 
diesem  Ungeheuer  sei  undenkbar,  und  das  Schrecklichste  zu  fürch- 
ten, wenn  es  niclit  unterdrückt  werde.  Zweck  dieser  Rede.  Cice- 
ro rühmt ,  an  diesem  Tage  die  Republik  von  neuem  gegründet  zu 
haben. 


des   Triumvir  ßl.  Antonius.  55  l 


§.    35. 

a.  43.  Coss.  Pansa  und  Ilirtius.  Anzeichen.  Verwickelte  po- 
litische Verhältnisse.  Die  Parteien  im  Senat.  Stellung  und  Gesin- 
nungen der  Consuln;  sie  wollen  keine  Entscheidung  mit  den  Waffen. 

1.  Januar.  Senat  im  Tempel  der  Concordia.  Gegenstände  der 
Berathung.  Verschiedene  Nachricliten  von  der  Dauer  und  der  Ful- 
ge  der  Verhandlungen.     Was  sich  darüber  ermitteln  lässt. 

1.  Januar:  Pansa  fragt  Fufius  Calenus  zuerst.  Dieser:  man 
solle  Gesandte  zu  Ant.  schicken  ,  um  sich  mit  ihm  zu  vergleichen. 
Cicero;  5  Philippika.  1)  lieber  den  Zustand  des  Staats  im  All- 
gemeinen. Eine  Friedensgesandtschaft  sei  des  Senats  unwürdig  und 
nutzlos,  sie  werde  nur  grosse  Nachtheile  bringen;  Antrag  des  Red- 
ners. 2)  Ueber  die  Belohnungen,  deren  am  2U.  Dec.  gedacht  war. 
li.  Piso  und  A.  stimmen  gegen  den  Krieg j  es  wird  nichts  be- 
schlossen. 

§.    30. 

(a.  43.^  2.  Januar.  Die  Sitzung  wird  fortgesetzt.  Ob  an  ei- 
nem gesetzlich  nicht  erlaubten  Tage.  Die  Abstimmung  über  den 
Krieg  verschiebt  der  Trib.  Sabius  auf  den  folgenden  Tag.  Der  von 
Cicero  beantragte  Ehrenbeschluss  wird  genehmigt,  und  mehr  bewil- 
ligt ,  als  er  gefordert. 

In  der  Nacht  vom  2.  —  3.  Jan.  wendet  sich  die  Familie  des  A. 
mit  Bitten  an  die  Angesehensten  im  Senat. 

3.  Jan.  Cicero  spricht  mit  grossem  Beifall  der  Seinigen  für  den 
Krieg,  L.  Piso  für  den  Frieden.     Es  kommt   nicht  zur  Abstimmung. 

4.  Jan.  Die  Gesandtschaft  Avird  beschlossen,  und  sogleich  im 
Senat,  nicht  von  Cicero,  bestimmt,  was  die  Gesandten  von  A.  for- 
dern sollen;  man  will  indess  rüsten  und  einen  oder  beide  Con.suln 
ins  Feld  schicken.  Ernennung  der  drei  Gesandten  Sulpicius,  Piso 
und   Philippus. 

Ciceros  Rede  an  das  Volk  am  4.  Janu.  6.  Philippika;  er  be- 
richtet, was  vom  Senat  beschlossen  sei,  und  empfiehlt  den  Krieg. 

§.    37. 

(a.  43.)  Cicero  ist  im  Vortheil;  denn  die  Gesandtschaft  kann 
den  Krieg  nicht  verhindern,  nicht  einmal  verzögern  ;  A's  Kampf  mit 
D.  Brutus,  bisher  Vollziehung  eines  Volksbeschlusses,  wird  nun 
Ungehorsam  gegen  Senat  und  Volk.  Die  Gesandten  verlassen  Rom 
am  5.  Januar.  Hirtius  zieht  ins  Feld ,  Pansa  bleibt  und  rüstet. 
Cicero  wirkt  dahin,  dass  man  den  Zweck  der  Gesandtschaft  nicht 
verkennt.  Die  Freunde  des  A.  verbreiten  erdichtete  Antworten.  Se- 
nat.   Cicero;    T   Philippika;    der    Gegenstand   der  Berathung   ist 


552  Vebersirht   der  Gesrhichfe 

ihm   Nebensache ;    er  spricht  gegen  jene   Umtriebe   und   gegen   den 
Frieden. 

§•  38. 

(  a.  43  J  Sulpicius  stirbt.  A.  erlaubt  den  Gesandten  nicht,  sich 
zu  Brutus  zu  begehen.  Er  ist  klug  genug,  die  Botschaft  nicht  als 
Befehl  der  Regierung,  sondern  als  Vergleichs  -  Vorschläge  aufzu- 
nehmen. Seine  Gegenforderungen.  Gegen  Ende  des  Januar  kom- 
men die  Gesandten  zurück. 

Senat  in  (Jen  ersten  Tagen  des  Fehruar.  Erster  Tag:  Calonus 
stimmt  für  den  Frieden  und  eine  zweite  Gesandtschaft;  Cicero  für 
den  Krieg;  L.  Cäsar  für  einen  Tumult.  Beschluss  nach  Cäsars  Gut- 
achten. Zweiter  Tag.  Schreiben  des  Hirtius;  Herstellung  der  Mas- 
silier.  Cicero;  8.  Philippika.  Zweck:  den  Beschluss  de.s  vori- 
gen Tages  durch  einen  Zusatz  zu  ergänzen,  die  Nichtigkeit  des  Be- 
schlusses und  die  Nothwendigkeit  der  Kriegserklärung  darzuthun. 
Der  Zusatz  \vird  genehmigt. 

Senat.  Ehrenbeschluss  für  Sulpicius.  Servjlius:  öffentliches  Be- 
gräbnis» aber  keine  Statue.  Cicero;  9.  Philippika:  auch  eine 
Statue;  man  tritt  ihm  bei.     Seine  Absicht. 

§.  39. 

(a.  43.)  M.  Brutus.  Erster  Bericht  an  den  Senat.  Seine  bis- 
herigen Unternehmungen.  Der  Senat  soll  ihn  in  seiner  angemassten 
Gewalt  bestätigen.  Senat;  wann?  Calenus  spricht  gegen,  Cicero  für 
Brutus;  10.  Philippika:  ßr.  soll  in  Macedonien ,  Illyrjen  und 
Griechenland  bleiben,  und  das  von  ihm  errichtete  Heer  befehli'jjen, 
und  Q.  Hortensius  ferner  Maced.  verwalten.  Genelimigt.  Eindruck 
auf  üctavian. 

Man  weiss  nur,  dass  Cassins  nach  Syrien  gegangen  ist,  als  man 
erfährt,  Dolabella  habe  Trebonius,  einen  der  Verschworenen,  Pro- 
consul  in  Asia,  auf  dem  Zuge  nach  Syrien  getödtet.  Senat  in  der 
JVIitte  des  Märzes.  Erster  Tag.  Auf  Calens  Antrag  wird  Dolabella 
für  einen  Heichsfeind  erklärt  und  der  Krieg  gegen  ihn  beschlossen. 
Zweiter  Tag.  \Ver  soll  das  Heer  gegen  ihn  befehligen?  Calenus: 
die  Consuln.  L.  Cäsar:  P.  Serv.lius.  Cicero;  II.  Philippika: 
C.  Cassius.  Calenus  Vorschlag  wird  angenommen.  Cicero  geht  an 
das  Volk ;  vergebens. 

§.  -10. 

(a.  43.)  J9.  März.  Senat.  Bericht  des  Cornificius,  Statthal- 
ters in  Afrika.     Beschluss   über  Cireros  Statue  der  Vinerva. 

Ant.mius  Gesetze  uiwl  Hinrichtungen  werden  jetzt  noch  nicht 
durch  einen  allgemeinen  Beschluss  aufgehoben. 


des  Triumvir  M.  Jfitonius,  55.'i 

Man  einigt  sich  über  eine  zweite  Gesandtschaft  an  A.  Cicer<j 
selbst  will  'l'heil  nehmen;  er  bereuet.  Senat:  Pansa.  Servilius,  Ci- 
cero; 12.  Ph  il  i  {»  p  i  ii  a:  man  müsse  den  Be.schluss  zurücknehmen, 
weil  er  auf  Täuschung  beruhe,  oder  doch  ihn  nicht  schicken.  Grün- 
de gegen  den  Frieden.  Die  Sache  wird  aufgegeben.  Pansa  rückt 
in  der  zweiten  llülfte  des  Märzes  ins  Feld. 

§.  41. 

(a.  43.)  Lepidus  und  Plancus  empfehlen  den  Frieden.  Senat 
unter  dem  Vorsitze  des  Prätor  Cornutus ,  -wahrscheinlich  am  20. 
März.  Servilius  stimmt  gegen  den  Frieden;  auch  Cicero;  13.  Phi- 
lippika. Der  Antrag  jener  Statthalter  bleibt  unbeachtet.  Cicero 
beleidigt  durch  diese  Rede  üctavian  und  die  Veteranen.  Verhand- 
lungen über  L.  Plancus,  Avelcher  einen  Ehrenbeschluss  verlangt; 
Cicero  spricht  für  ihn ,  aber  ohne  Erfolg. 

§•  42. 

(a.  43.)  Antonius  belagert  D.  Brutus  in  Mutina.  Seine  S(ärke 
und  seine  Stellungen.  Silanus.  Das  Heer  des  Brutus.  Das  Jleer 
des  Octavian ;  er  übernimmt  am  7.  Januar  in  Umbrien  das  ihm  vom 
Senat  beschlossene  Feldherrnamt.  Hirtius  geht  im  Januar  von  llum 
ab  ;  seine  Stärke ;  Winterquartiere  zu  Claterna ;  Octavian  zu  Forum 
Cornelium.  Gegen  Ende  des  Winters  rücken  sie  gegen  die  Stellun- 
gen des  A.  vor.  Schreiben  des  A.  an  sie;  er  wirft  sie  zurück;  sie 
erwarten  Pansa. 

§.  43. 

(a.  43.)  Pansa  verlässt  Rom  um  die  Zeit  des  20.  Märzes.  Er 
erreicht  Bononia  am  14,  April.  Drei  Gefechte  am  15.  April:  Nie- 
derlage und  Verwundung  des  Pansa  bei  Forum  Gallorum  durch  A. ; 
Miederlage  des  A.  bei  demselben  Orte  durcl»  liirtius;  Angriff  des  L 
Antonius  auf  das  Lager  bei  Mutina  unter  Octavian.  Die  beiden 
Consuln  und  Octavian  Imperatores. 

§.  44, 

(a.  43.)  Aufregung  in  Rom  bei  den  ersten  ungünstigen  Nach- 
richten von  Hirtius.  Ciceros  Feinde  verbreiteh,  er  werde  sich  am 
22.  April  zum  Dictator  aufwerfen.  Der  Trib.  Appulcjus  vertheidigt 
ihn  am  21.  April  vor  dem  Volke;  wenige  Stunden  nachher  treffen 
die  Siegesboten  ein.  Das  Volk  begleitet  Cicero  auf  das  Capitol.  Be- 
richt des  Hirtius  v.  16.  April.  Senat,  22.  April.  Servilius  stimml 
für  ein  Dankfest.  Cicero;  14.  Phili  p  p  ik  a:  er  verlangt  eine  Kriegs- 
erklärung, ein  Dankfest  von  50  Tagen  für  die  Imperatoren,  Be- 
lohnungen für  die  Truppen,  ein  Denkmal  für  die  GefuUeuen,  deren 
Otumauu,  GescLicLle  Knms  I.  Oß 


554  Vebernicht  der  Geschicltle 

Familien  bedacht  werden  sollen.    Alles   wird   genehmigt,    und    dem- 
nach A.  jetzt  erst  uis  Ueichsfeind  geächtet. 

§.  45. 

(a.  43.)  Schlacht  bei  Mutina,  wahrscheinlich  am  27.  April. 
A.  Avird  besiegt.  Hirtius  fällt.  Brutus  nimmt  nicht  Theil.  Unterre- 
dung zwischen  ihm  und  Octavian.  Dieser  spiiclit  Pansa  nicht  mehr, 
welcher  am  Tage  nach  der  Schlacht  zu  Bononia  stirbt.  Octavian 
hat  die  Consuln  nicht  getodtet.  Ihre  Leichen  werden  nach  Rom  ge- 
bracht. 

§.  46. 

(a.  43.)  Rom.  Die  Partei  der  Verschworenen  hält  den  Krieg 
für  geendigt;  sie  sieht  in  Cicero  nur  ihr  Werkzeug;  dieser  darf  von 
den  Verschworenen  und  den  übrigen  Statthaltern  in  den  Provinzen 
nichts  hoften;  es  fehlt  angeblich  an  Gelde,  sie  zu  unterstützen;  man 
sammelt  in  Rom  für  sich,  für  einen  unglücklichen  Fall;  Tribut. 
Decenivirn  zur  Ackervertheilung  ;  um  Octavian  auszuschliessen  wer- 
den die  Feldherrn  nicht  ge\\ählt.  Decemvirn,  welch»  A.  wegen  sei- 
nes Consulats  zur  Rechenschaft  ziehen,  und  die  Aufhebung  der  Ge- 
setze Cäsars  vorbereiten  sollen ;  verletzend  für  Octavian,  bedrohlich 
zunächst  für  Fulvia;  Atticus. 

§.  47. 

(a.  43.)  Das  Kriegsgewand  Avird  abgelegt.  Supplication  für 
den  Entsatz  von  Mutina;  Octavian  wird  nicht  genannt;  nicht  ihm 
sondern  D.  Brutus  bestimmt  man  die  Truppen  der  Consuln,  und 
dieser  erhält  auch  den  Oberbefehl  gegen  A.  wie  Cassius  gegen  Do- 
labella,  und  Sex.  Pompejus  auf  dem  Meere.  Man  verfährt  so,  als 
»ei  Octav.  ausserordentlicher  Auftrag  mit  dem  Entsätze  von  Mutina 
erloschen,  und  sucht  ihm  die  Legion  des  Mars  und  die  vierte  zu 
entlocken;  er  bezeugt  sein  Missfallen  über  Ciceros  verächtliche  und 
zweideutige  Aeusserungen  über  ihn,  und  bereitet  seine  Verbindung 
mit  Antonius  vor.  A,  und  Lepidus  vereinigen  sich  am  29.  Mai.  Man 
sucht  in  Rom  überall  eher  Hülfe  als  bei  Octavian.  Lepidus  wird 
geächtet,  und  das  Kriegskleid  wieder  angelegt. 

§.  48. 
fa.  43.)  Octavian  wird  aufgefordert,  mit  D.  Brütns  den  Kn>g 
zu  beendif^en.  Er  wünscht  das  Cun.sulat;  Cicero.  Seine  Truppen 
schwören  sich,  nicht  gegen  Cüsarianer  zu  fechten;  sie  fordern  ver- 
gebens durch  Abgeordneic  das  Consulat  für  ihn.  Er  führt  sie  ge- 
gen Rom.  Der  Senat  versucht,  sie  durch  Geld  zu  beschwichtigen; 
Legionen  aus  Afrika.  Octavian  kommt  gegen  das  Verbot  des  Sr 
nats;  er  wird  mit  Q.  I'edius  Consul  am  19.  Ausrust. 


des   Triumvir  AI.  Antonius.  555 

§.  49. 

(a.  43.)  Er  dankt  dem  Senat;  lüsst  seine  Adoption  bestätigen, 
die  Aclit  gegen  Dolabella  aufheben  und  zahlt  die  Rückstände  von 
Cäsars  Legaten.  Lex  Pedia  gegen  die  Verschworenen.  Octav.  ver- 
lässt  Rom,  angeblich,  um  A.  zu  bekriegen.  Die  Kriegserklärung 
gegen  A.  und  Lepidus  wird  auf  Pedius  Antrag  zurückgenommen. 

§.  50. 

(a.  43.)  D.  Brutus.  Seine  Stärke.  Er  verfolgt  A.  langsam  und 
ohne  Nachdruck ;  Vereinigung  mit  L.  Plancus  ,  Statthalter  in  Gal- 
lien, im  Juni. 

§.  51. 

(a.  43.)  Antonius  nach  der  Schlacht  bei  Mutina.  Sein  Zug 
nach  Gallien.  Vor  dem  5.  Mai  stosst  P.  Ventidius  mit  drei  Legio- 
nen zu  ihm.  Lepidus  wichtige  Stellung;  er  dient  mtlir  A.  als  dem 
Senat.  Plancus  wird  durch  ihn  behindert.  A.  unterhandelt  mit  den 
Statthaltern  jenseits  der  Alpen,  in  deren  Pässen  er  keinen  Widerstand 
findet.     Vereinigung  mit  Lepidus  am  29.  Mai. 

§.  52. 

(a.  43. )  A.  zieht  gegen  Plancus,  welcher  sich  im  Juni  an  D. 
Brutus  anschliesst.  Lepidus  wird  am  30.  Juni  für  einen  Reichsfeind 
erklärt.  Octavian  erzwingt  im  August  als  Consul  die  Aufhebung 
der  gegen  ihn  und  A.  gerichteten  Beschlüsse.  Asinius  Pollio,  Statt- 
halter im  jenseitigen  Spanien,  kommt  im  September  zu  Antonius. 
Dann  auch  Plancus.     D.  Brutus  Flucht  und  Tod. 

§.  53. 

(a.  43.)  A.  nach  Italien.  Octavian  nach  dem  cisalpinischen 
Gallien ;  ihre  Stärke.  Lepidus  als  Vermittler.  Zusammenkunft  auf 
♦^iner  Insel  des  Lav'nius  in  den  letzten  Tagen  des  October.  Trium- 
virat.   Theilung  der  Provinzen. 

§.   54. 

'  (a.  43._)  Beschluss  über  die  Proscriptionen.  Siebzehn  sollen 
zuerst  fallen.  Pedius  stirbt.  Die  Drei  nach  Rom.  Ihr  Bund  wird 
vom  Volke  bestätigt.  Erstes  Quinquennium  des  Triumvirats  vom 
27.  November  43  bis  letzten  Dec.  38.  Octavian  legt  als  Consul 
nieder. 

§.  55. 

(a.  43. )  Die  Pro.scriptionen.  Cicero  stirbt.  Triumphe  des  Plan- 
cus und  Lepidus  in  den  letzhn  'lagen  des  J. 


556  Ueber sieht  der  Geschichte 

§•  56. 
a.  42.     Coss.  Plancus    und  Lepidus  II.     Die  Triumvirn  erpressen 
(Jeld  ,    angeblich  zum    Kriege   mit   den   V^erschworenen.     Uebermutli 
ihrer  Truppen.     Sie  ehrca  Cüsars  Andenken. 


§.  57. 

(&.  42.)  Feldziig  des  A.  und  Octavian  gegen  M.  Krutus  und 
C.  Cassius.  Schlachten  bei  Fhilippi.  Theilung  der  Provinzen  und 
der  Geschäfte.  A.  will  in  Asien  Geld  eintreiben,  Octavian  in  Ita- 
lien Acker  anweisen.     Zurücksetzung  des  Lepidus.     A.  nach  Athen, 

a.  41.    Nach  Ephesus  und  Tarsus.     Cieuputra.    Nach  Aegypten. 

§.  58. 
(a.  42.)     Octavian  krank  in  ßrundusium.    Ränke  der  Fulvia. 
a.   41.     Coss.    L.    Antonius    und    P.    Servilius.     Octavian"  «ach 
Rora.     Streit  mit  Fulvia  und  L.  Antonius.     Manius. 

§.   59. 
( a.  41.)    Der  perusinische  Krieg. 

a.  40.  L,  Antonius  ergiebt  sich  im  Frülijahr  zu  Perusia  an 
Octavian.     Fulvia  nach  Griechenland.    Lepidus  nach  Afrika, 

§.  60. 
(a.  40.)     A.  über  Tyrus  nach  Athen,  wo  er  Fulvia  findet.  Nach 
Hrundusium.     Fulvia    stirbt.     Sex.    Pompejus.     Vertrag   zu    Brundu- 
sium  zwischen  den  beiden  Triumvirn.    Sie  gehen  nach  Rom.  A.  hei- 
rathet  Octavia.     Hungersnoth  und  Aufstand. 

§.  61. 

a.  39.  Zusammenkunft  der  beiden  Triumv.  mit  Sex.  Pompejus 
bei  Misenum  ;  Friede. 

§•  62. 
(a.  39.)  Krieg  mit  den  Parthern.  ( a.  40.)  Labienus  und  Paco- 
rus  nach  Syrien  und  Vorderasien.  Ilerodes  nach  Rom,  Kiiiiig.  (a, 
39.)  A.  schickt  P.  Ventidius  gegen  die  Parther;  er  siegt;  Labienus 
stirbt.  A.  gegen  Ende  d.  J.  mit  Octavia  nach  Athen,  wu  er  den 
AVinter  bleibt. 

§.  63. 
a.  38.     Erneuerung  des  Kriegs  zwischen  Octavian  und  Sex.  Pom- 
pejus.   Octav.  verlangt  Hülfe   ^  on  A.    und  Lepidus.    A.    nach  Brun- 
dusium,    und  uath   Athtii    zurück.    Ventidius   schläft   die    Partiicr. 


des   Triumvir  M.  Anloiiius^  557 

Paconis  fällt.  A.  nach  Commagene.  Ilerodes.  Ventidius  von  A. 
aus  Kifersucht  zurückgeschickt,  triurophiit.  Eineuerung  des  Trium- 
virats. 

§.  64. 

a.  37.  Hemdes  und  Sosius  erobern  Jerusalem.  A.  lässt  Antigo- 
nus,  den  Maccabüer,  enthaupten. 

a.  36.  A.  nach  Tarcnt.  Octavia  vermittelt  eine  Versöhnung 
zwisclien  ihm  und  iiireni  Bruder.'  Er  geht  •wieder  nach  dem  Osten; 
schickt  Octavia  zurück.  Sein  Legat  Canidius  siegt  im  Caucasus. 
A.  ruft  Cleopatra  nach  Syrien,  und  beschenkt  sie  mit  Ländern.  Sie 
begleitet  ihn  bis  zum  Eu])hrat.    Ilerodes. 

(a.  36.)  A.  unglücklicher  Feldzug  gegen  die  Parther.  Arta- 
vasdes  K.  von  Armenien  und  Artavasdes  der  Meder.  Rückzug  im 
\>inter.    A.  nach  Alexandrien. 

Octavian  vertreibt  Sex.  Ppmppjua  aus  Sicilien;  nimmt  Lepidus 
Heer  und  Provinzen.    Pompejus  nach  Asien. 

§.  66. 

a.  35.  A.  giebt  den  Plan  auf,  nach  Armenien  zu  gehen,  und 
gestattet  Octavia  nicht,  zu  ihm  zu  kommen.' 

a.  34.  Er  bemächtigt  sich  in  Armenien  des  Artavasdes.  Triumph 
in  Alexandrien.  Cleopatra  und  ihre  Kinder  Konige  der  Könige. 
Liindervertheilung.  Apotheose.  Schwelgerei.  Schriften  und  Kunst- 
werke wandern  nach  Aegypten. 

a.  33.  A.  nach  Armenien;  Büudniss  mit  3Iedien  gegen  Octavian. 

§.   67. 

a.  32.  Die  Coss.  Domitius  und  Sosius  Freunde  des  A.  Sosius 
Angriff  auf  Octavian  im  Senat  am  1.  Januar.  Dieser  kommt  mit 
Bewaffneten  vom  Lande;  seine  Gegenklage  im  Senat.  Die  Consuln 
zu  A.  nach  Ephesus,  wo  sie  auch  Cleopatra  finden.  Vergeblicher 
Versuch,  diese  zu  entfernen.  A.  nach  Samos;  Feste.  Nach  Athen. 
Er  schickt  Octavia  den  Scheidebrief.  Octavian  macht  sein  Testa- 
ment bekannt;  er  lässt  Cleopatra  den  Krieg  erklären.  A.  Winter- 
quartiere in  Paträ. 

§.  68. 

a.  3L  Stärke  des  A.  und  des  Octavian.  Unternehmungen  des 
Agrippa.  Octav.  nach  Epirus ,  A.  nach  Actium.  Meiivere  verlassen 
ihn  wegen  Cleopatra. 


558     U elvi' nicht  der  Geschichte  des  Triiimvir  M.  Antvniua. 


§.  69. 

(a.  31.)  Schlacht  bei  Actium,  am  2.  September.  Cleopatra 
flieht.  Antonius  folgt  ihr;  seine  Flotte  wird  grösstentheils  vernich- 
tet; sein  Landheer  ergiebt  sich.    Nicopolis.    Octavian  nach  Samos. 

§.  ro. 

a.  30.  Octavian  nach  Brundusium;  nach  Syrien.  A.  mit  Cleo- 
patra nach  Parätonium  ,  wo  sie  sich  trennen;  Pinarius  fällt  von  ihm 
ab  und  er  geht  nach  Alexandrien.  Artavasdes  wird  getödtet.  Ti- 
monium.  Cleopatras  Verrath.  Gesandtschaften  an  Octavian.  Pelu- 
sium  geht  an  ihn  über.    Gefechte  bei  Alexandrien.  Antonius  stirbt. 

§.  71. 

(a.  30.)  Cleopatra  wird  gefangen.  Sie  tödtet  sich.  Aegypten 
Avird  eine  römische  Provinz. 

a.  29.  Octavian's  \Vinterquartiere  in  Samos.  Nach  Rom.  Seine 
Triumphe. 

§.  72. 

Vermögen  des  A.  Gestalt.  Geistige  Anlagen  und  Bildung.  A. 
als  Staatsmann ;  als  Feldherr.  Sein  sittlicher  Character.  Sein  Ge- 
folge. 


D  r  II  c  k  f  e  li  I  c  r.  *), 


Seile    2  Zeile  4        lies:  auch  in  der. 

—  4     —     7  —  ßublicische. 

—  7  —     5  V.  u.  —  1  u.  32. 

—  29  —  15  —   äililicischeii. 

—  33  —     9  —  nach:    ausschweifend   52). 

—  35  —     6  v.u.  —  Nonlan. 

—  41  —  21  —  nach  Gracchus :  nicht  der  Folgende. 

—  43  —  20  V.  u.  —  nach  Diodor   Fr.    1.  37, 

—  —  —  12  V.  u.  —  L'rsiu. 

—  —  —     6  V.  u.  —  Strat. 

—  46  —     5  v.u.  ist  Fr.  9   zu  tilgen. 

—  —  —     2   v.u.  I.  Caesar  B.    C. 

—  55  —  16  —  lös't. 

—  58  in  No.  21.     —  Antylius. 

—  l03  Z.     5  —  i'acuvius. 

—  125  —  20  —  Curiafgesetz. 

—  126  —     7  —  die  Menge. 
~  140  —  11           —  die  Heroen. 

—  141  —     6  v.u.  —  Attius. 

—  201  —     9  v.u.  —  C.  Cäsar. 

—  221  —  17  —  schützen. 

—  233  —  20  —  zulassen. 

—  —  —  21  —  anknüpfen. 

—  242  —     9  V.  u.  —  was  folglich. 

—  272  —    6  V.u.  —  Unten  A.  69. 

—  332  —     5  V.  u.  ist  superior  zu  tilgen. 

—  391  —     7  v.u.    1,  desultor. 

—  425  —     9  V.  u.  —  Theodos.  cod.  1.  3. 

—  457  —  12  —  Todte. 

—  481  —     6  —  Curius. 

—  484  —  15  V.  u.  —  Achaic. 

—  488  —  15  —  Scarpus. 

—  494  —     3  V.u.  —  sie. 

—  513  —     9  V,  u.  —  Exitius. 

—  515  —  12  V.  u.  —  Spanien  war. 


*)  I)a  (liefs  Buch  in  Deutschlaml  gedruckt  ist,  und  Ich  nur  die  .lusliüiigc  -B«. 
gen  yesehen  habe,  so  Lilte  ich,  auch  die  ungleiche  .Scliiei'iart  zu  ciitscl.iild!- 
geu,  welche  hei  einigen  Wörtern  bemerkiich  wird.  .So  liest  uinu  auf  dem 
TitcILlalt«;    rcpublikauisc.'i,     v.io    ich  nie  schrs.'ibc 


$ 

/ 


i 

I 


i 


f 


m^-jB^:^. 


»"?»§ 


-«M.-^ 


m%