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Geſchichte Oſterreichs.
Bon
Alfons Suder.
Dritter Band.
Gotha.
Friedrich Andreas Perthes.
1888.
Inhalts-Überfidht.
Viertes Buch.
Die Periode der erften Verbindung Böhmens und Ungarıs
mit Öfterreid. (1437—1457.)
Eeite
Erftes Kapitel. Die Erwerbung Ungarns und Böh⸗
mend durch Albrecht V. von Ofterrih . . . . 3-14
Geographifhe Motive für die Verbindung der unga-
rifhen und böhmifhen Länder mit ben beutfch- öfter-
reihifhen. S. 3. — Anertennung der Tochter K. Sig-
munds und ihres Gemahls in Ungarn; Wahl Albrechts V.
zum römifhen Könige S. 4. — Die Parteien in Böh⸗
men; Wahl Albrechts durch die Katholiten und die ge-
mäßigten Kalirtiner, Kaſimirs von Polen dur bie
Taboriten und bie rabifalen Kalirtiner; Kämpfe um
Tabor; Abſchluß eines Waffenſtillſtandes. S. 5. — An-
griffe der Türken auf Siebenbürgen und Serbien. S.9. —
Auflauf gegen die Deutfhen in Ofen. S. 10. — Be-
Ishlüfle des ungarifchen Reichstags. S. 10. — Feldzug
K. Albrechts gegen bie Türken; fein Tod; fein Eharalter.
©. 12.
weites Kapitel. Die Wirren während der Minder:
jährigkeit des Ladislaus Poftumus bis zur Schlacht
bei Barna. (1439—1444) . . . . . . 14-43
Folgen des Todes K. Albrechts II. für die Reic-
reform und die Kirche; das neue Schisma. S. 14. —
I
vi | | Inhalts⸗ Überſicht.
Seite
Albrechts Töchter. S. 15. — Wahl Friedrichs von
Steiermark zum römiſchen Könige; deſſen Charakter.
S. 15. — Teſtament König Albrechts II. S. 17. —
Beſchlüſſe der Stände Öſterreictss. ©. 18. — Bläne
ber Ungarn; Berufung Wladiſlaws von Polen; bie
Königin - Witwe Eliſabeth; die Geburt Ladislaus des
Nachgebornen; deſſen Krönung zum Könige von Un-
garn; Belegung Ofens durch König Wladiflam:
befien Anertennung und Krönung; Ausbruch bes Krie-
ge8; K. Friedrich III ; Gistra von Brandeis; Schwanken
bes Kriegsglücks; Abkommen zwiſchen Wladiflam und
Elifabeth; deren Tod; Waffenftillftand zwifchen König
Sriebrih III. und König Wlabiflam. S. 18. — Die
Parteien in Böhmen; Sorge für den Landfrieden; An-
ertennung bes Labislaus Poſtumus in den Nebenländern ;
Wahl H. Albrehtd von Baiern zum böhmifchen Könige;
deſſen Ablehnung; Anarchie in Böhmen; Taktik König
Friedrichs III. und Ulrih8 von Roſenberg. ©. 27. —
Eroberung Serbiens dur die Türken; Belagerung Bel-
grads; Johann Hunyady; deſſen Siege über die Türken;
Thätigleit des Kardinal Ceſarini; Vorbringen der Un-
garn bis zum Balkan, deren Rüdzug; Friedensanträge
bes Sultans; zebnjähriger Waffenftillftand; deſſen Bruch
durch die Ungarn; die Schlacht bei Varna; K. Wladiſlaws
Untergang. ©. 32.
Drittes Kapitel. König Friedrichs III. Verhältnis zu
feinem Bruder. — Die Bormundfhaft über Sig:
mund von Tirol, — Krieg mit den Eidgenofien . 4457
Abkommen H. Friedrichs von Steiermart mit feinem
Bruder Albrebt VI ©. 4. — Ihr Streit um bie
Bormundfchaft über Sigmund von Tirol; Anerkennung
H. Friedrichs. S. 44. — Neue Verträge zwifchen Frieb-
ih und Albrecht. S. 46. — Das Emporfommen ber
Grafen von Eilli; deren Kämpfe mit Friedrich; Albrechts VI.
Biindnis mit denfelben ; Abſchluß des Friedens. ©. 48. —
K. Friedrichs Bündnis mit den Zürichern; Krieg mit ben
Schweizern; die Armagnalen; Beendigung des Kampfes
mit den Eidgenofien. ©. 49. — K. Friedrich Streitig-
feiten mit den Tirolern wegen Fortdauer ber Bormund-
Ichaft über H. Sigmund; feine erzwungene Nachgiebig-
Inhalts⸗ Überſicht. vu
keit; Überlafiung ber weftlihen Borlande an ben Herzog
Albrecht. S. 52. — Die Folgen der Einigungstendenzen
8. Friedrichs. ©. 56.
Viertes Kapitel. Friedrichs III. Stellung zu Fire
und Reich während der eriten Periode feiner Re⸗
gierung. 57766
Streit zwiſchen dem Papſte Eugen IV. und dem Konzil
von Baſel; die kurfürſtliche Neutralität; die Haltung der
übrigen Reichsſtände, der Wiener Univerſität und Herzog
Albrechts VI. von Oſterreich. S. 67. — Abweichende
Tendenzen K. Friedrichs III.; deſſen Gewinnung durch
P. Eugen IV.; Obedienzerklärung der deutſchen Fürſten;
das Wiener Konkordat; Folgen des Scheiterns ber kirch⸗
lichen Reformbewegung. S. 59. — K. Friedrichs dy⸗
naſtiſche Politik; Beſtätigung der öſterreichiſchen Haus⸗
privilegien. ©. 64.
Fünftes Kapitel. Friedrichs III. Streitigleiten wegen
der Bormundfhaft über Ladislaus Poftumus . . 65-89
Verſchiedene Haltung ber Länder des Ladislaus
Poftumus. ©. 65. — VBedingungsweife Anerfennung
besjelben in Ungarn nad Wladislaws Falle; vergebliche
Berhandlungen mit K. Friedrich III; Wahl Hunyabys
zum Gubernator; befien Einfall in Ofterreih; Abſchluß
eines Waffenftillftandes. S. 66. — Sturz des walachi⸗
[hen Woywoden Drakul durch Hunyady; feine Ein-
miſchung in die Verbältnifie der Moldau. S. 70. —
Sein Krieg gegen die Türken; Niederlage auf dem Amſel⸗
felde ; Abſchluß eines Waffenftillftiandes. S. 71. — Stellung
Giskras von Brandeis; feine Kämpfe mit Hunyaby.
©. 73. — Hunyadys Ablommen mit König Friedrich.
&. 75. — Steigender Einfluß Georgs von Podiebrad in
Böhmen; Überfall von Prag; deſſen Wahl zum Reiche-
verweier. &. 76. — Traurige Lage Ofterreihs während
der vormundſchaftlichen Regierung; finanzielle Not nnd
Gewaltthaten der Söldnerführer und räuberifcher Adeliger.
©. 77. — Unzufrievenheit ber Ofterreiher mit König
Friedrich; Umtriebe Ulrich Eizingers; fein Bündnis mit
Öfterreichifchen Adeligen ; Auſchluß der Prälaten und Städte;
Einfegung einer proviforifhen Regierung ©. 79. —
K. Friedrichs Römerzug. ©. 84. — Anſchluß der Oberöfter-
I*
ym Juhalts⸗ Überſicht.
Eeite
reiher und der Grafen von Eilli au deſſen Gegner;
Bündnis der Öflerreicher, Ungarn, der Grafen von Cilli
und der Roſenberg. S. 84. — Verbindung bes Kaifers
mit dem Papſte; Friedrichs Mangel an Thatkraft. S.86. —
Angriff feiner Feinde auf W.-Neuftadt; Auslieferung bes
Ladislaus Poftumus durch den Kaiſer. S. 87.
Sechſtes Kapitel. Ofterreih, Ungarn und Böhmen
unter Ladislaus Poſtumus. 1(1452—1457.) . . 89-115
Ladislaus als felbftändiger Negent behandelt. S. 89. —
Bergeblihe Berbandblungen mit dem Kaiſer. S. 89. —
Einfluß Ulrichs von Eili. S. 91. — Hunyaby Haupt-
mann in Ungarn; Podiebrad Gubernator von Böhmen.
©. 92. — Sturz Ulrichs von Eilli dur Eizinger. S. 94. —
K. Ladislaus und die Böhmen; Haltung der Neben-
Yänder; Einfluß Georges von Podiebrad; Verluſt von
Auſchwitz. S. 95. — Stellung Hunyadys in Ungarn;
Unzufriebenbeit des Könige. S. 97. — Verhaßtheit Ei-
zingers in Ofterreih; Rücktehr Ulrichs von Cilli an ben
Hof. S.99. — Deſſen Verhältnis zu Hunyady. S. 100. —
Eindrud des Falls von Konflantinopel; Unterwerfung
Serbiens dur die Zürfen; Belagerung und Rettung
Belgrads; Tod Iohann Hunyadys. S. 101. — König
Ladislaus und Ladislaus Hunyady; Ermorbung Ulrichs
von Cilli; Verhalten des Königs; Stellung des Ladislaus
Hunyady; defien Hinrihtung; Aufftand feiner Freunde.
©. 107. — Streit de Kaifers und des Königs Labig-
laus um das Erbe des Cilliers. S. 113. — Hölzler,
Podiebrad und Eizinger. S. 114. — Tod des Königs
Ladislaus. S. 115.
Inhalts⸗ Überſicht. | x
Fünftes Buch.
Böhmen und Ungarn als Wahlreiche. — Hſterreichs
tieffter Verfall und Wiedererhebung. (1457 — 1493.)
Seite
Erſtes Kapitel. Der Streit um Öſterreich. — Die |
Wahl und Anerkennung nationaler Herrſcher in
Böhmen und Ungem . . 2. 2 2200... 119-150
Streit der Habsburger um Äſterreich; Zeitung bes
Landes. S. 119. — Anſprüche der Habsburger und
Wilhelms von Sacfen auf Böhmen; andere Bewerber;
Wahl Georgs von Podiebrad. ©. 121. — Haltung der
böhmischen Nebenländer. S. 124. — Schivierige Lage
Georgs; Forderungen der Katholiten; feine Verſprechungen.
©. 125. — Unterwerfung Mährens. S.127. — Krieg
Georgs gegen Ofterreich ; Abſchluß des Friedens S. 127. —
Ausgleich mit Wilhelm von Sadfen. ©. 128. — Hul-
digung der Schlefier und Laufiger; die Stadt Breslau.
S. 129. — Anfprüche Wilhelms von Sachſen und Kafl-
mirs von Polen auf Ungarn; die Anhänger und Gegner
ber Hunyady; Einigung beider Teile; Vertrag Georgs
von Podiebrad mit Matthias Hunyary; Wahl des Mat-
thia8 zum Könige, feines Oheims Szilaͤgyi zum Guber-
nator. ©. 130. — Haltung Ujlakys und Gistkras.
©. 134. — Charakter des 8. Matthiad. S. 135. —
Streit um Serbien. ©. 135. — Bündnis Szilaͤgyis
mit Sara und Ujlaky; Vorgehen des Königs gegen bie-
felben. S. 136. — Wahl 8. Friedrichs III. zum Gegen-
könige; Niederlage ber Ungarn bei Körmdnd. ©. 138. —
Untbätigkeit des Kaiſers; deſſen Bündnis mit Georg von
Böhmen. ©. 140. — Georgs Streben nad ber beut-
[hen Krone; Scheitern feiner Pläne ©. 142. — Stel-
lung Georgs zu Ungarn. ©. 144. — Befefligung ber
Herrſchaft des K. Matthias; deſſen Ausſöhnung mit
ſeinem Oheime; Unterwerfung der Brüderrotten und
Giskras. ©. 144. — Friede des K. Matthias mit dem
Kaiſer. S. 147.
x Imbarts-Überficht.
Seite
Zweites Kapitel. Streitigkeiten des Kaiſers Friedrich
mit den Oſterreichern und feinem Bruder Albrecht VI. 151—175
Ausplünderung Ofterreich8 durch Soldner⸗ und Räuber⸗
Banden. ©. 151. — Hungersnot infolge von Mißwachs
‚und Berfchlechterung der Münzen. S. 152. — Fehde
Frouauers gegen den Kaiſer. S. 154. — Klagen bes
Adels gegen den Kaifer; vergeblihe Verhandlungen.
©. 154. — Gemwaltthaten Fronauers. ©. 156. —
Beindfelige Haltung des Böhmenkönigs; Bündniſſe des
Erzherzogs Albrecht gegen feinen Bruder; Angriff des⸗
felben auf Nieberöfterreih; Anfhluß der unzufriedenen
Adeligen. S. 157. — Bermittelung Georgs von Böh-
men, Abſchluß eines Waffenſtillftandes. S. 160. —
Wiederausbruch der Feindjeligleiten; Bebräugung Wiens;
ſchlechte Stimmung der unteren Volksklaſſen; Sturz bes
faifertreuen Rated; Wolfgang Holzer. ©. 161. — An-
marſch des Kaifers; Haltung Holzers und der Wiener;
Aufnahme des Kaifers in die Stabt. ©. 164. — Em⸗
pörung der Wiener; Belagerung ber Burg; Berufung
bes Erzberzogs Albrecht; Eintreten Georgs von Böhmen
für den Kaiſer; vergeblicher Angriff auf Wien; Friede
von Korneuburg; Beweiſe der Dankbarkeit des Kaifers
gegen den Böhmenkönig. ©. 165. — Wiederausbruch
ber Feinpfeligkeiten. ©. 171. — Gewinnung Holzers
durch den Kaiſer; Verſuch der Überrumpelung Wiens;
Beſtrafung Holzers und feiner Genofin. ©. 172. —
Abſchluß eines Waffenftillftandes. S. 174. — Tod des
Erzberzogs Albrecht. S. 174.
Drittes Kapitel. Der Streit Sigmunds von Tirol
mit dem Bifchofe von Brixen. — Krieg mit den
Shwegern . . . .
Lage Tirols in der erften Zeit H. Sigmunds. &.175. —
Seine finanzielle Lage; die beiden Grabner. S. 176. —
Nikolaus von Eufa, Biſchof von Brixen; befien Auftreten
gegen das Klofter Sonnenburg und ben Herzog; feine
Forderungen; ber Überfall von Bruned. ©. 178. —
Berhängung von Bann und Interbili; Appellation des
Herzogs; Gregor Heimburg in Iunshrud. ©. 181. —
Bebentung und fleigende Erbitterung des Streites.
S. 183. — Vermittelung de8 Dogen von Benebig und
175—187
Inhalts · Aberficht.
Seit
des Kaiſers; Abſchluß bes Friedens. ©. 185. — Ber- j
Iuft des Thurgaus und anderer Gebiete in der Schweiz.
©. 186.
Viertes Kapitel. Georg von Böhmen und Matthias
von Ungarn . . ° . 187—237
Spannung zwifhen den Utraquiften und Katholiken
©. 187. — Lavieren des Königs Georg; Drängen bes
Papftes zum Gehorfam; Abjendung einer Gejandtfchaft
nah Rom; Annullierung der Kompaltaten durch B. Pins II.
©. 189. — Auftreten des Königs gegen den päpftlichen
Nuntius; Haltung der böhmiſchen Katholiten. S. 192. —
Georgs Plan eines europäiſchen Fürſtenbundes; Bermit-
telung bes Kaiſers. ©. 1%. — Weitere Schritte bes
Papfte gegen den König; Löjung der Untertbanen vom
Treueide. ©. 195. — Der Papft und die Breslauer;
ber böhmifche Herrenbund; Hinausfhiebung bes Kampfes
S. 196. — Endurteil des Papftes gegen Georg. S. 199. —
Ausbruch des Krieges; Überlegenheit des Königs. S. 199. —
Haltung Kafimird von Polen, des Kaijerd und anderer
Fürften. ©. 201. — 8. Matthias von Ungarn; feine
Berjönlichkeit,; Förderung des Humanismus, der Wiflen-
{haften und Künfte wie der materiellen Intereſſen;
Schaffung eines ftehenden Heeres. S. 203. — Kriege
mit den Türken; Eroberung der Grenzgebiete Bosniens;
Einftellung der Dffenfive. S. 207. — Beabfictigter
Aufftand der Siebenbürger. S. 212. — Krieg mit dem
Woymwoden der Moldau. ©. 213. — Verhältnis des K.
Matthias zu Georg von Böhmen; feine Verbindung mit
der tatbolifchen Liga und mit dem Kaiſer. ©. 214. — An⸗
fängliche Erfolge des 8. Matthias; feine Einſchließung
durch K. Georg; der Vertrag von Wilimow. &. 216. —
Gegenbemühungen ber päpftlihen. Partei; Wahl bes
Matthias zum Könige von Böhmen. ©. 217. — Wieder-
ausbruch des Krieges; Georgs Erfolge; fein Tod.
S. 218. — Wahl des polnischen Prinzen Wladiſlaw zum
Könige von Böhmen; Anträge des K. Matthias. S.221. —
Einfälle der Türken in die ungarifchen und öfterreichifchen
Länder. ©. 222. — Unzufriedenheit der Ungarn mit
dem Könige; Berufung des polnifchen Prinzen Kaftmir;
befien erfolglofer Einfall in Ungarn. ©. 224. — Ab»
ſchluß einer Wafſenruhe. S. 227. — Wiederausbrud
des Krieges; Stellung der Könige bei Breslau; Abſchluß
zu Inhalts⸗ Überſicht.
Seite
eines Waffenſtillftandes; der Friede von Ofen. S 228. —
Neue Einfälle der Türken. S. 230. — Steuerbewilli⸗
gungen des ungarifchen Neichstages; Nieberlage ber
Türken in der Moldau; Eroberung von Sabacz durch
K. Matthias. S. 232. — Erneuerung der NRaubzüge
ber Türken; Kämpfe in ber Moldau und Walachei;
Gleichgültigkeit des K. Matthias. S. 234.
Fünftes Kapitel. Kaiſer Grin III. und Meute
von Ungem . . . . . 237- 266
Beſſere Lage Ofierreichs nach dem Tode breite v1.
©. 237. — Ausbruch neuer Unruben; Einfall bes böh—
mifchen Prinzen Bictorin. ©. 238. — Aufftände in
Trieſt. S. 239. — Die Baumlircherfehde in Steiermark;
Hinrichtung Baumkirchers und Greißenederd. S. 239. —
Berbältnis des Kaifers zu Matthias von Ungarn; Ans
näherung des erfteren an ben König von Polen. ©. 242. —
Verbindung des K. Matthias mit unzufriedenen Ofter-
reihern. S. 246. — Bertrag zwilchen dem Kaifer und
dem Könige. S. 247. — Bruch diefeß Bertrags durch
Matthias ; Bündnis des Kaifers mit Polen und Böhmen;
Belehnung K. Wladiſlaws. ©. 248. — Kriegserflärung
des K. Matthias; Kämpfe in Ofterreih; Friede von
Gmunden. ©. 251. — Die Aufbringung der Kriegs-
entihädigung. ©. 254. — Bauernaufftand und Türken⸗
einfälle in Inneröfterreih. S. 255. — Der Kaifer und
das Erzbistum Salzburg; Bündnis des Erzbiſchofs mit
K. Matthias; Feindfeligkeiten der lingarn gegen den
Kaifer. S. 256. — Einfälle der Türken in die öfter-
reichiſchen und ungariſchen Länder; Niederlage derfelben
auf bem „Brotfelte” ; Angriffe der Ungarn auf die tür-
kiſchen Grenzländer; Abſchluß eines Waffenftillftandes.
©. 258. — Eroberung bes größten Teiles von Nieder-
und Inneröfterreih durch K. Matthias; befien Macht»
ſtellung. ©. 261. -
Sechſtes Kapitel. Die Erwerbung der burgundiſchen
Länder. — Die Wahl Merimlliars J. zum dniſqhen
Königee en . 266—291
Entftehung ber burgundiſchen Macht. S. 266. —
Pläne des Herzogs Philipp; ſeine Unterhandlungen mit
Inhalts⸗ Überſicht. xm
Eeite
dem Kaiſer. S. 268. — Erwerbungen Karls bes
Kühnen; Berpfänbung vorberöfterreiifcher Gebiete an
benfelben. S. 270. — Defien Unterhandlungen mit dem
Kaifer; die Zufammentunft in Trier. S. 272. — Karl
vor Neuß; Bewegung am Oberrhein gegen bie- bur-
gundifche Herrichaft; Friede und Bündnis H. Sigmunbs
von Ofterreih mit den Eidgenoſſen; Angriffe anf bie
burgundiſchen Länder; Karls Einigung mit dem Kaifer;
fein Tod. ©. 277. — Bebrängung der Herzogin Maria
durch Frankreich und deſſen Freunde; Vermählung mit
dem Erzherzoge Maximilian. S. 281. — Deſſen Kriege
mit Frankreich; Marias Tod und deſſen Folgen; Friede
von Arras. S. 282. — Aufſtände der Flandrer und
deren Begünſtigung durch Frankreich; Maximilians Ge-
fangenſetzung und Befreiung; Kämpfe mit ben Nieder⸗
ländern. ©. 284. — Bermählung Marimilians mit
Anna von Bretagne; deren Nötigung zur Ehe mit
Kart VIII von Frankreih; neuer Krieg; Friede von
Senlis. ©. 286. — Wahl Marimilians zum beutfchen
Könige. S. 290.
Siebentes Kapitel. Die Wiedergewinnung Oflerreich®
und die Neubefegung des ungariihen Thrones. . 291—3808
Verſuch der Wiebereroberung Öſterreichs; vergebliche
Unterhandlungen; Tod des Königs Matthias von Ungarn.
S. 291. — Deſſen uneheliher Sohn Johann Corvinus.
S. 293. — AUnfprüde der Habsburger auf Ungarn;
fonftige Thronkandidaten für die ungarifhe Krone.
S. 2%. — Der Wahlreihstag; tumultuarifhe Aus-
rufung des polnifchen Prinzen Albert; die Königinmwitwe ;
Niederlage des Johann Corvinus; Wahl und Krönung
Wladiſlaws von Böhmen. S. 296. — Einfall Alberts
von Polen in Ungarn. ©. 299. — Wiedereroberung
Oſterreichs durch K. Marimilian; defien Einmarſch in
Ungarn; Erſtürmung Stuhlweiſſenburgs; Meuterei der
Landsknechte und Rückzug. S. 299. — Wladiſlaws
Friede mit ſeinem Bruder Albert; Wiedereinnahme der
ungariſchen Beſitzungen Maximilians; der Friede von
Presburg; deſſen Beſtätigung durch die ungariſchen Stände.
S. 304.
IV Znbalts-Überficht.
Seite.
Achtes Kapitel. Tirol und die Borlande in der lebten
Zeit des Erzherzog Signund. — Tod des Raiene
Friedrich IL. -. . . rn . 808—318
Sigmunds kunffinnige und ſchöngeiſtige Beftrebungen.
©. 308. — Ausbeutung feiner Schwäche durch feine
Günftlinge und die Herzoge von Baiern; Verſchreibungen
. an biefe. S. 309. — Krieg gegen Venedig. ©. 312. —
Auftreten des Kaiſers und der Stände Tirol8 gegen
Sigmunds Näte; Nachgiebigleit des Erzherzogs; neue
Zerwürfniſſe; Sigmunds Abdankung. ©. 314. —
K. Friedrichs III. Tod. ©. 317.
Sechſtes Buch.
ſterreichs Erhebung zur europäiſchen Großmacht.
Seite.
Erſtes Kapitel. Maximilians I. Charakter und Madt-
verhältnife -. . . . . nee. 821—328
Charakterifiit Marimiltiang L; Ausdehnung feiner
Länder. S. 821. — Schilderung der Zeitverhältnifie;
Umgeftaltung des Kriegswefens ; Vergleichung feiner Hilfg-
quellen mit denen Frankreichs; nachteilige Wirkungen
einzelner feiner Eigenſchaften. S. 324.
Zweites Kapitel. Die Berfuche einer deutſchen Reichs⸗
an. een en. 829835
Unfertigleit der ſtaatlichen Verhältniſſe Deutſchlands.
©. 329. — Verſchiedenheit der Reformpläne K. Marimi-
Hand und der Fürften; die Beſchlüſſe des Wormier
Reichstags von 1495. ©. 330. — Schwierigkeiten in
der Durchführung ; geringe Erfolge der Reformbewegung.
©. 833.
Subalts-Überfiäht. xv
Drittes Kapitel. Marimilians I. Rivalität mit Frank⸗
rei. — Kämpfe mit den Schweigen. — Der
baieriſche Exbfolgeiieg - . » > 2 22020. 336-868
Rivalität zwiſchen Fraukreich und 8. Marimilian als
Erben der burgundifchen Länder. S. 335. — Einfluß
Frankreichs auf Italien; Politik des Ludovico Moro;
K. Maximilians Vermählung mit Blanca von Mailand;
fein Plan eines Angrifis auf die Türken; Ginfälle der-
felden. ©. 335. — Eroberung Neapels durch Karl VIII.
son Frankreich; Abſchluß der heiligen Liga; Karls Rüd⸗
zug. ©. 340. — Neue Rüftungen desſelben; Marimilians
erfolglofer Zug nad Italien. &. 343. — 8. Marimilian
und £ndwig XII. vou Frankreich. S. 346. — Urfachen
und Berlauf des Schweizertriegeß ; der Friede von Bafel.
©. 347. — Günftige Lage des franzöjifhen Königs trotz
der Doppelbeirat zwifchen den Häufern Habsburg und
Spanien; Eroberung von Mailand. ©. 354. — Hal-
tung des beutfchen Reichstags und des Reichsregiments;
Friedensliebe ber niederländifchen Regierung; Einigung
K. Marimilians mit Frantreih; Unaufrichtigleit beider
Zeile; Kampf um Neapel; die Berträge von Blois und
deren Bruch durch Frankreich. S. 355. — Der baieriſche
Erbfolgetrieg; Erwerbungen K. Marimilians; Beer⸗
bung des letzten Grafen von Görz. S. 360. —
Truppenbewilligung des deutſchen Reichstags; Tod bes
Erzherzogs Philipp; Marimilians weitgehende Pläne;
ungenügende Unterſtützung desſelben; mißglückter Römer⸗
zug; Annahme des Titels: „erwählter römiſcher Kaiſer“.
S. 364.
Viertes Kapitel. Der neunjährige Krieg gegen Venedig 369410
Beginn der SFeindfeligleiten gegen die Benetianer;
deren Eroberungen; Abſchluß eines Waffenftilifiandes.
©. 369. — Die Liga von Cambray; Beurteilung ber
Bolitit des Kaiferd. S. 372. — Defien ungenügende
Hilfsmittel; anfängligde Eroberungen. ©. 376. —
Seindfeligfeiten der Bauern gegen die Kaiferlihen; Ver⸗
luft Paduas und deſſen vergebliche Belagerung durch den
Kaifer; weitere Verluſte. S. 380. — Berbandlungen
bed Kaifers mit Sranfreih und Spanien; [pärlide Be⸗
wiligungen des beutfchen Reiches und der Erblande.
IVI
Inhalts⸗ Überſicht.
©. 382. — Haltung Ungarns. ©. 385. — Marimi-
tions Abhängigkeit von den Franzoſen. ©. 385. —
Abfall des P. Julius II. von der Liga; beflen Feind⸗
feligleiten gegen Frankreich; Scheitern feiner Abfichten.
©. 386. — Der Kongreß von Mantua. ©. 389. —
Refultatlofe Unterbandlungen bes Kaifer8 mit Venedig;
Eroberung Friauls durch die Kaiſerlichen. S. 391. —
Diplomatifhe Erfolge des Papſtes. ©. 393. — A.
Marimilians Plan, Bapft zu werden. S. 394. — Die
„Heilige Liga“ ; Überlegenheit der Sranzofen. ©. 395. —
Trennung des Kaifers von Frankreich; Verbrängung
der Franzofen aus Stalin. S. 396. — Bündnis bes
Kaifers mit dem Papfte, Venedigs mit Frankreich.
©. 398. — Niederlagen der Franzofen. S. 399. —
Kämpfe der Verbündeten gegen die Benetianer. S. 401. —
Angriffspläne gegen Frankreich; befien Einigung mit
Ferdinand von Aragonien; verkehrte Politik des Kaifers
und deren Folgen. S. 402. — Wiedereroberung Mai-
lands dur die Franzofen. S. 405. — Erfolglojer
Zug K. Marimilians gegen Mailand; der Vertrag von
Noyon; Waffenſtillſtand des Kaiferd mit Benedig; Er-
gebnifje des Krieges. S. 405.
Fünftes Kapitel. Böhmen und Ungarn unter Wla-
diſſaw II. und deſſen Beziehungen zu Marimilian I.
Berhandlungen über die deutſche Königswahl
Religidfe Zwiftigfeiten in Böhmen unter Wladislaw II;
Aufftand der Utraquiften in Prag; Ausgleich zwijchen
Katholiken und Utraquiften. ©. 411. — Berftändigung
ber Herren mit den Rittern; Streben des Adels nad
Beſchränkung ber Rechte der Bauern, der Städte und
bes Königs; Exrklufivität gegen Ausländer; Ergebnifie.
©. 413. — Die ungarifhe Wahllapitulation von 1490;
weitere Beſchränkungen ber öniglichen Gewalt. S. 416. —
Charakter K. Wladiflams II. ©. 418. — Lage ber
ungarischen Finanzen; Erbitterung bes Adels gegen bie
Hofpartei; Klagen über Unterſchleife. S. 420. — Ge-
walttbaten der Magnaten. S. 422. — Grenzfehden
zwifhen Türken und Ungarn; Niederlage der Kroaten;
Einfall Kinizfis in Serbien; Abſchluß eines Waffenftill-
flandes. ©. 423. — Bündnis des ungarifchen Könige
mit Venedig und dem Papſte; neuer Krieg mit ben
Geite
411—450
Inhalts-Überficht. xvı
Seite
Türken; Waffenſtillſtand. S. 427. — Finanznot und
Verſchwendung des Königs; deſſen Mißachtung bei ben
Ungarn; Reichstagsbeſchluß gegen die Erhebung eines
Ausländer$ auf den Thron; Streben Johann Zapolyas
nad) ber Krone. ©. 430. — Rüſtungen Marimilians I.
und der Böhmen; vorläufige Vertagung ber Pläne Za-
polyas; Bertrag Marimilians und Wladiflaws über
eine Doppelbeirat ihrer Nachkommen; Feindfeligleiten
Marimiliang gegen Ungarn; Abfchluß des Friedens;
Geburt de Prinzen Ludwig und neuer Ehevertrag.
©. 433. — Wiederausbruch des Krieges mit den Tür-
fen; Kreuzzugsprebigten; Ausbruch des Banernfrieges ;
befien Greuelthaten und Unterbrüdung; Knechtung bes
Bauernftandes. S. 437. — Vermehrung des Anfehens
Zapolyas; befien Gegner; Stellung des Kaifers Mar
zu Polen und Rußland; der Kongreß zu Wien 1515;
die Wiener Berträge und beren Bedeutung; Nieberlage
Zapolyas in Serbien; 8. Wladiſlaws Tod. ©. 443. —
8. Marimiliansg Bemühungen, feinem Enfel Karl bie
Nachfolge im Reiche zu verfchaffen; fein Tod. S. 448.
Sehftes Kapitel. Marimiliang I. organifatorifche
Thätigkeitt. .4604464
Einfachheit der Staatsverwaltung im früheren Mittel⸗
alter; Anderung der Verhältniſſe in der Neuzeit.
©. 451. — Mufter und Ziele der Reformen 8. Mari-
milians; die oberöfterreihifche und die nieberöfterreichifche
Ländergruppe; Einfegung fländiger „Regimenter“ in deu⸗
felben; Trennung der Finanzen von der Berwaltung
und Juſtiz; Oppofition der Stände in ben nieberäfter-
reichifchen Ländern; teilweiſe Nachgiebigfeit des Kaijere.
S. 452. — Erridtung von Neichsbehörben, bes Hof-
rate® und der Hofkammer; Fallenlaſſen derfelben.
©. 457. — Der Ausjhußlandtag in Innsbrud (1518)
und deſſen Beſchlüſſe; Maßregeln für bie Verteidigung
Tirol. ©. 459.
Eiebentes Kapitel. 8. Marimilian I als Förderer
der Wiffenfhaften und Künfe. . » 2 2.0. 464—418
Die Univerfitäten des Mittelalter; Kampf der Huma=
niften gegen bie alte Richtung; Die Anfänge des Huma⸗
nismus an der Univerfität Wien; deren Blüte und Ver—
zv | Inhalts-Überfigt.
Seite
fall im 15. Jahrhundert. S. 464. — Sorge 8. Mari-
miliang für die Univerfität; Berufung fremder Profeſſoren;
Sieg der humaniſtiſchen Richtung; Celtes; Cuſpinian;
Blüte der Univerfität. ©. 468. — Marimilians Sinn
für Ältere deutſche Litteratur; das Amrafer Heldenbuch.
©. 412. — Der „Teuerdank“ und ber „Weißkunig“.
©. 472. — Begünftigung ber Gefhichtsforfhung; Mari-
milians perfönlicher Verkehr mit Gelehrten. ©. 473. —
Förderung der Kunft; Ansgabe illuftrierter Prachtwerte;
das Gebetbuch des Kaifers; Arbeiten für das Grab-
bentmal besfelben. ©. 474.
Achtes Kapitel. Die Kaiferwahl von 1519 und die
Erbteilung zwifhen Karl V. und Ferdinand I. . 479-494
Plan ber Übertragung der Erblande am ben Erzherzog
Ferdinand, Mißtrauen Karls gegen dieſen. ©. 479. —
Die Wahl Karls V. zum Kaiſer. S. 481. — Die
Erwerbung Württemberg. S. 484. — Unruben
in den öfterreichifchen Erblanden. S. 485. — Über-
fafjung derfelben an den Erzherzog Ferdinand. ©. 489. —
Sinrihtung der Häupter der Ständbepartei in Nieber-
öfterreih. ©. 491. — Ferdinands Günſtling Sala-
manca; Unzufriedenheit in Tirol. ©. 492. |
Keuntes Kapitel. Die Anfänge des Proteftantismus
in den fterreichifhen Ländern und die Bauernaufe
Me en. 44—513
Bauernanfflände vor der Reformation; bie Erhebung
ber Bauern in Kärnten im Sabre 1478; der Bauern-
trieg in Imneröfterreih im Sabre 1515. ©. 494. —
Lage ber beutfchen Bauern am Ende des Mittelalters
und am Beginn der Neuzeit. ©. 496. — Kirchliche
Mißſtände in Deutſchland und Öfterreih; Schilderungen
auf dem Ausichußlandtag von 1518. S. 497. — Ur=
fadyen des Erfolgs Luthers; Ausbreitung des Luthertums
in ben öfterreichifchen Ländern. S. 500. — Ausbrud)
des Bauernkrieges in Deutfchland; Aufflände in Tirol,
Salzburg, Oberöfterreih und Steiermarl. ©. 504. —
Charakter der Erhebung in Tirol, die DMeraner Artilel;
der Landtag in Innsbrud; Sieg der gemäßigten Partei;
Unterwerfung ber wälfchtirolifhen Banern. ©. 507. —
Unterbrüdung des Aufftandes im Salzburgiſchen und
Zuhalts-Überfigt. xIıx
in Gtelermarf; letztes Anifladern ber Empörung im
Galzburgifhen. ©. 510.
Behntes Kapitel. Böhmen und Ungarn unter 8. Lud⸗
wig IL. — Des Könige Ende . . . . . 514—587
Zuflände in Böhmen unter 8. Ludwig UI. ©. 514. —
Letztwillige Anordnungen K. Wladiſlaws II. für Ungarn;
Ignorierung derſelben; Einſetzuug einer Regentichaft;
Charalter der einflußreihfien Perſönlichkeiten. ©. 515. —
Die Oppofitionspartei; vorlibergehender Erfolg Zapolyas ;
befien Mißgriff und vollfländiger Bruch mit der Hof-
part. ©. 517. — Korruption der geiſtlichen und
weltlichen Großen. S. 519. — Wieberausbrud des
Lürtentrieges; Berluft von Sabacz und Belgrad.
©. 520. — Gleichgültigkeit des Abendlandes; Maß⸗
regeln Ferdinands von Oſterreich. S. 523. — Fort⸗
ſchreiten des Aufloſungsprozeſſes in Ungarn; Nichtaus-
führung der Reichstagebeſchlüſſe; Charakter des Königs
Ludwig und feiner Gemahlin; Angriffe der Oppoſition
auf die Hofpartei; ftürmifche Adelsverſammlungen in
Peſt und Hatvan; Abfezung bed Palatins; fteigender
Haß ber Parteien; Sieg der Hofpartei. ©. 524. —
Drobender Angriff de8 Sultans; Mangelbaftigleit der
Berteidigungsmaßregeln; die Niederlage bei Mohäcs;
des Königs Untergang. ©. 531.
Eiftes Kapitel, Die Wahl Ferbinands von Oſter⸗
veih zum Könige von Böhmen und Ungarn . . 537-568
Anfprüche Ferdinands von Ofterreich auf Böhmen; Prü-
fung derſelben. S. 537. — Auffafiung ber Böhmen.
©. 540. — Die Kandidaten für den böhmiſchen Thron;
Ferbinands Anhänger; die Werbung feiner Geſandten.
©. 541. — Beanſpruchung des Rechts der Königewahl
durch den Fandtag; Erklärung ber Gefandten Ferdinands.
©. 543 — Werbung der baierifhen Gejandten.
©. 54. — Wahl bes Erzberzogs Ferdinand, For⸗
derungen ber böhmifchen Stände; Erflärungen Ferdinand;
Umtriebe der baierifhen Parteiz Ferdinands Krönung;
Einigung mit den Ständen über bie Wahllapitulation.
©. 544. — Anertennung Ferbinands und feiner Ge-
mahlin in den böhmischen Nebenländern. ©. 548. —
Bedeutung der böhmiſchen Königewahl. ©. 548. —
Ferdinands Aufprühe auf Ungarn; Auffaljung ber.
Inhalts⸗ Überſicht.
Ungarn. ©. 549. — Die Hofpartei und die Partei
Zapolyas; die Berfammlung in Tolaj; Wahl und Krö-
nung Zapolyas. &. 550. — Thätigfeit der öſterreichiſchen
Partei; die Königin Maria; der Reichstag in Pres-
burg; Wahl Ferdinands. S. 553. — Anerkennung
Ferdinande in Kroatien, Zapolyas in Slavonien.
©. 556. — Lage der beiden Gegenlönige; Zapolyas
Unthätigleit, Rüftungen Ferdinands; befien Bordringen
bi8 Ofen; Nieterlage Zapolyas bei Tokaj; Fall Frange-
pand. ©. 557. — Ferdinands allgemeine Anerlennung
und Krönung. S. 561. — Ausblid in die Zukunft.
©. 563.
Berihfigungen.
Seite 91,3. 2 v. u. tilge das Komma vor gewifienlos.
‚108, „ 7 v. un. lied beranrüdte ftatt herangerückt.
108, „ 11 lied den ®rafen ftatt dem Grafen.
164, ,„, 9 v. u. lies an ber Mur ftatt an M.
166, NR. 1, 3. 4 v. m. lies 294—852 ſtatt 294 362.
177, 3. 13 Lies ihm ftatt ihn.
180, „ 19 lie verlangte ftatt verlangt.
205, ,„ 9 lied Regiomontanus ftatt Regiomantanus.
226, , 8 v. u. lied gegen ftatt auf.
2'6, ,, 11.0. u. ließ erobert ftatt erorbert.
368, ‚. 16 lies erwerben ftatt verichaffen.
270 (Überſchrift) lies Erwerbungen flatt Eroberungen.
287, 3 13 v. u. lie Jahre ftatt Jahrr.
353, ,„ 4 v. u. lied König flatt Krieg.
355, ‚„ 1 lies hinderte ftatt hinderten.
362, ,„ 12 v. u. lied in Ausficht ftatt die Ausficht.
Eeite
Viertes Bud.
Die Yeriode der erfien Berbindung Böhmens
und Ungarns mit Öfterreih. (1437—1457.)
Huber, Geſchichte Öfterreicht. II. 1
Erſtes Kapitel.
Die Erwerbung Ungarns und Böhmens durch
Albreht V. von Oſterreich.
So fehr auch die drei Rändergruppen, welche gegenwärtig
den öſterreichiſch⸗ ungariichen Kaiſerſtaat bilden, bie ungarijche
Ziefebene, das böhmiſch⸗mähriſche Stufenland und bie Thäler
und Abhänge des im Often breit auseinander laufenden Alpen-
itoces, ihrem ganzen Charakter nach von einanber verjchieben
find, fo erjcheinen fie doch wieder durch die Bodengeftaltung
auf einander hingewiejen. Ungarn und bie dftlichen Alpenlänver
werden gemeinfam durch die große Pulsader, die Donau, mit
ihren wichtigften Nebenflüffen, der Drau und Sau, durchſtrömt,
und e8 bat dieſelbe um jo mehr die Aufgabe, den Verkehr
zwiichen dem Weften und Ojften zu vermitteln, da fie ber ein⸗
zige europätiche Strom ift, der einen weftöjtlichen Lauf hat.
Böhmen und Mähren gravitieren naturgemäß gegen Süden,
da e8 bier an jeder bejtimmten Grenze fehlt und Mährens
bedeutenbfter Fluß, die March, der Donau zufließt, während
biefe Länder fonft auf allen Seiten von Gebirgen eingefchlofjen
find, die den nah Norden laufenden Flüffen, der Elbe und
Ober, nur gerade einen Ausweg. geftatten.
Es find denn auch fehon in der Zeit der Römerberrichaft
Noricum und Pannonien Beftandteile eines Reiches gewejen
und ift die Eroberung der Gebiete nörbli von der Donau
1*
4 Erbanfprüde der Todter 8. Sigmunds.
wenigftens angeftrebt worden. Dasjelbe war dann auch unter
Rarl dem Großen und feinen Nachfolgern der Fall, und es hat
Jahrhunderte gebauert, bis fich zwiichen Ofterreich und Ungarn,
zwiſchen Diterreih und Böhmen-Mähren fefte Grenzen gebildet
haben. Als endlich Hier die Staaten ſich fonfoliviert hatten
und nad dem Ausfterben der Babenberger Öſterreich und
Steiermark berrenlojes Gut fchienen, wurden von Böhmen wie
von Ungarn aus, und zwar vorübergehend mit Erfolg, Verjuche
gemacht, diejelben zu gewinnen. in Jahrhundert fpäter ver»
folgte der geniale Rudolf IV. mit Harem Bewußtiein ven
Plan, dur eine Erbverbrüberung mit den Häufern Anjou und
Zuremburg eine dauernde Bereinigung Ungarns und Boͤhmens
mit Öfterreich herbeizuführen.
Nah dem Tode des Kaiferd Sigmund, des legten männ-
lihen Sprößlings des Haufes Luremburg, follte die Verwirk⸗
lichung dieſes Planes erfolgen, da deffen einzige Tochter mit
dem Herzoge Albrecht V. von Ofterreich vermählt war. Denn
nach den böhmiſchen Staatsgrundgejegen hatten in Ermanglung
von männlichen Sprößlingen die weiblichen Glieder des Herricher-
baujes ein Recht auf die Krone, und auch Ungarn wurde da⸗
mald als Erbreich angejehen. Sigmunds Gemahlin Maria
war nicht durch Wahl, jondern als die Tochter des Königs
Ludwig auf den Thron gelangt, und auch jetzt erkannten bie
ungariichen Stände an, daß Sigmunds Tochter Elifabeth ihre
„natürliche Herrin“ fei, „der in erjter Linie dieſes Reich ver-
möge des Rechtes der Geburt gebühre“ 1). Doch fcheint Herzog
Albrecht erfahren oder gefürchtet zu haben, daß feine ehrgeizige
Schwiegermutter Barbara, eine geborene Gräfin von Eilli,
feiner Nachfolge Schwierigkeiten in den Weg zu legen beabfichtige.
Er beraubte fie daher gleich nad dem Tode des -Kailers ?),
der am 9. Dezember 1437 in Znaim aus dem Leben fchied,
1) Elisabeth ... dominae nostrae naturalis..., quam
principaliter hoc regnum iure geniturae concernere dignoscitur.
Erflärung der Stände vom 30. Mai 1439 ap. Fejer XI, 257.
2) Nicht ſchon vor Sigmunds Tode. ©. Gefch. Ofterreihs II, 538.
N. 2.
Anerkennung Albrechts von Ofterreich in Ungarn. 5
ihrer Freiheit, und nahm fie mit ſich nach Ungarn, wo Sig⸗
munds Leichnam in Großwardein beigeſetzt werden ſollte. Schon
am 18. Dezember erkannten die ungariſchen Prälaten, Magnaten
und Adeligen, die in großer Zahl in Presburg ſich ein⸗
gefunden hatten, Albrecht und feine Gemahlin Elijabeth ein»
jtimmig al8 Herrider an. Am 1. Januar 1438 wurden beibe
in Stuhlweilfenburg gekrönt. Mit Zuftimmung der ungarischen
Großen ftellte num Albrecht feiner Gemahlin eine Urkunde aus,
wodurch er ausprüdlich beftimmte, daß, wenn er vor ihr mit
Tod abginge, fie und ihre Erben von den Ungarn ald Herren
anerkannt werden follten ), Da indeflen die Ungarn die Er-
fahrung gemacht batten, daß feit der Wahl Sigmunds zum
römischen Könige die Intereſſen ihres Neiches ſehr oft durch
die weltumfajjenden Pläne vesjelben beeinträchtigt worden waren,
jo mußte Albrecht ihnen das DVerjprechen geben, daß er die
beutfche Königskrone nicht ohne ihre Zuftimmung annehmen
würde. Als er aber am 18. März obne alle Bemühungen
von jeiner Seite durch die deutſchen Kurfürften einftimmig
gewählt ward ?), weigerten fi) doch auch die Ungarn nicht,
ihre Einwilligung zu geben. Von diefer Zeit an find bie
Habsburger bis zum Erldichen ihres Haufes im Beſitze ver
deutichen Königswürde geblieben, die bet ihrer immer mehr
zunehmenden Bebeutungslofigfeit und ihrem geringen finanziellen
Erträgniffe °) bald aufbörte, ein Ziel des Ehrgeizes zu fein.
Größere Schwierigkeiten fand die Anerlennung Albrechts
in Böhmen *), obwohl das Erbrecht jeiner Gemahlin bier am
1) Nach Schreiben Elifabetbs ap. Kollar, Analecta II, Y1ösqg.
2) W. Altmann, Die Wahl Albrehts II. zum römiſchen Könige
(Berlin, 1886), — Anfangs hatte fi der Kurfürft Friedrich I. von
Brandenburg aus dem Haufe Hobenzollern auf die Krone Hoffnung ge-
macht.
3) Nah K. Sigmunds Schreiben an die deutſchen Reichsſtände vom
30. Januar 1412 betrugen fhon damals die Einkünfte des Königs von
allen deutſchen Landen nicht über 13000 (Gold-) Gulden. Janſſen,
Frankfurts NReichScorrefpondenz I, 242.
4) Balady, Geh. Böhmens LIIL,3, 289ff. Caro, Geld. Bolens
IV, 166 ff.
6 Die Parteien in Böhmen.
wenigſten bejtritten werben konnte. Denn das Geſetz vom
7. April 1348 und übereinftimmend damit die goldene Bulle
hatten die weiblichen Sprößlinge des Hauſes Luxemburg aus
brüdlich für erbfähig erflärt, und wenn man fich darüber
binwegjette, jo mußten bie wiederholt beftätigten Erbverträge
zwilchen ben Quremburgern und Habsburgern in Kraft treten.
Aber die Verſchiedenheit der religiös. politischen Anſchauungen,
welche die Geichide Böhmens in ven letten Jahrzehnten be»
jtimmt Hatte, Tonnte auch auf die Nachfolgefrage nicht ohne
Einfluß bleiben. Nur die Katholiken und bie gemäßigten
Ralirtiner, zu denen die meilten Herren und bie Stäbte Prag,
Kuttenberg und einige andere gehörten, waren für die Ans
erfennung Albrecht. Die Taboriten und die radikalen Kalix⸗
tiner, alfo vie meiſten Nitter und zahlreiche kleinere Städte,
wollten feinen König, der feit Jahren der eifrigfte Gegner ber
bufitiichen Keter gewejen war und auch die Zechiiche Sprache
nicht verſtand. ‘Denn nicht bloß durch religiöſe Motive wurde
dieje Partei bejtimmt, jondern auch durch nationale, beſonders
buch ihren Haß gegen die Deutichen, gegen welche eine damals
in Umlauf gejegte Dentichrift alle Antipathieen aufzuregen juchte.
Es jollten daher die Böhmen (heißt e8 darin), wenn fie feinen
Herrn aus ihrer Nation haben könnten, einen von einer ans
dern jlavifchen oder von irgendeiner andern Nation auf ben
Thron fegen; denn mit ihnen und ihren Freiheiten wird es
unter jedem andern Könige beijer jtehen als unter einem
bentihen. Um Erbrecht oder Verträge kümmerte fich dieſe
Partei nicht, die noch auf durchaus vevolutionärem Boden
itand und für Böhmen das Recht ver freien Königswahl im
Anſpruch nahm.
Als am 26. Dezember 1437 der böhmiſche Landtag „zur
Wahl des Königs“ in Prag zuſammentrat und Kaiſer Sig-
munds Kanzler, Kaſpar Schlid, ein geborner Egerlänver, mit
beredten Worten die legten Wünjche feines verjtorbenen Herrn
vorbracdhte, da erflärten ſich nur die Katholiken und die ge-
mäßigten Utragquiften unter Ulrih von Nojenberg und dem
Oberftburggrafen Meinhard von Neuhaus für die bedingungs⸗
Doppelte Königswahl. 7
lofe Anerkennung Albrechts. Die Sechifch-hufitiiche Partei dar
gegen, deren bervorragendited Haupt Heinrich Ptacek von
Birkjtein war, ftellte die Forderung, daß die Wahl verſchoben
und zuerft die Bunkte feitgeitellt werden follten, von deren Ge⸗
nehmigung die Wahl Albrechts abhängig gemacht werben ſollte.
ALS diefes Verlangen vom Landtage abgelehnt wurbe, verließ
die Minorität in großer Aufregung den Saal. Um einen
vollftändigen Bruch zu verbüten, gab die öſterreichiſche Partei
nad. Beide Zeile einigten ſich dahin, Albrecht nur dann als
König anerkennen zu wollen, wenn er die Prager Kompaltaten
und die vom Kaiſer Sigmund im Jahre 1436 gemachten Vers
jprechungen beftätigte, die Rechte des Landes garantierte, alle
Berpfändungen von föniglichen und kirchlichen Beſitzungen an⸗
erkannte, die Königinwitwe Barbara in Freiheit fegte, Mähren
wieder an Böhmen zurüdgäbe und auch feine öfterreichifchen
Länder mit dieſem Reiche vereinigte, deſſen Herr ja er wie
feine Kinder fein würden. Da Albrecht diefe Bedingungen mit
Ausnahme des legten Punktes annahm, jo wurde er von ber
öfterreihiichen Partei Anfangs Juni 1438 in Iglau als König
anerkannt und am 29. Juni in Prag feierlich gekrönt.
Die Gegenpartei hatte aber troß der am Ende des Jahres
eingegangenen Verpflichtungen eine Antwort des Herzogs von
Dfterreich gar nicht abgewartet, fondern ſchon im Januar be-
ichloffen, die Krone Böhmens dem jungen polniichen Könige
anzutragen, um eine Vereinigung beider Reiche herbeizuführen.
Doc entichieden fich die böhmiſchen Gefandten, welche im März
1438 nad Krakau veiften, fchlieglich für Wladiſlaws elfjährigen
Druder Rafimir, vielleicht aus dem Grunde, weil eine polniſche
Konföderation im Jahre 1382 beichloffen Hatte, daß ihr König
im Lande bleiben müſſe. ine Verjammlung der antiöjters
reichiichen Partei in Melnik nahm den Prinzen Kafimir am
29. Mat als König an.
Der Bürgerkrieg war daher unvermeidlich |
Da die Abneigung gegen die Deutſchen auch unter ben
polniſchen Adeligen immer breiteren Boden gewann, und für
Polen, das mehrere ungariſche Vaſallenländer an fich gebracht
8 Kämpfe in Böhmen und Schlefien.
hatte, ein König von Ungarn, der auch Böhmen beberrichte,
in der That gefährlich jchten, jo Hatte fich der polniſche Reichs⸗
tag in Form einer Konföderation für die Kandidatur Kafimirs
ausgeiprochen, und es rüdten im Juni die Wohwoden von
Pojen und Kralau mit mehreren Tauſend Sölonern in Böhmen
ein, wo fie fich mit den Anhängern Ptadels und ven Taboriten⸗
führern Bedrich von Straänig und Peter Polak vereinigten.
Aber auch Albrecht wurde nicht bloß von den Angehörigen
feiner Länder, jondern auch von mehreren beutichen Reichs⸗
fürjten unterftügt. Nicht umſonſt hatte er die Deutichen auf
merkſam gemacht, wie gefährlich eine Vereinigung Polens und
Böhmens für das Neich fein würde, das mit Böhmen allein
genug zu Ichaffen gehabt babe. Mehrere Fürften, der Kurfürft
von Sadjen, der Herzog Ehriftoph von Baiern und der Sohn
des Rurfürften von Brandenburg, Albrecht (Achilles), fanden
fih Anfangs Auguft perfönlich mit Mannſchaft bei ihm ein.
Vor feinem faft zweifach überlegenen Heere zogen fich feine
Gegner in eine fejte Stellung vor Tabor und endlich nach
häufigen Scharmügeln in diefe Stadt felbft zurüd. Da fie
aber einer Schlacht auswichen, jo vermochte Albrecht doch Feine
Enticheivung herbeizuführen. Ebenſo wenig Erfolg hatten Unter»
banblungen, weil Albrecht die Forderung, daß er feine Tochter
dem Prinzen Kafimir vermähle und diefem dann Böhmen ab»
trete, umbebingt ablehnte. Vielleicht war es die Überzeugung
von der Unmöglichkeit der Eroberung Zabors, vielleicht bie
Nachricht von einer Bedrohung Schleſiens durch die Polen,
was Albrecht am 15. September zur Aufhebung ver Belage
rung jener Stabt bewog. In der That fiel Ende September
ber polnische König ſelbſt in Begleitung feines Bruders Kafimir
mit einem Heere in Schlefien ein und überſchwemmte unter
furchtbaren Verwüftungen einen großen Zeil dieſes Landes.
Erſt der eintretende Winter und das Herannaben des Königs
Albrecht, der im November über Zittau und Görlig gegen
Breslau 309, bewog die Polen zum Abzuge ).
1) H. Ermiſch, Schlefiens Verhältnis zu Polen und zu König
Einfall der Türken in Siebenbürgen. 9
Verhandlungen, die unter Vermittlung eines päpftlichen
Legaten und Bevollmächtigter des Bafler Konzild im Januar
1439 in Breslau geführt wurden, hatten auch jet fein Er-
gebnis, da Albrecht unerjchütterlich auf ſeinem Rechte bebarrte.
Doch wurde am 10. Februar in Namslau bis zum 24. Juni
ein Waffenftiliftand geichloffen, während deſſen Albrecht mit dem
polnischen Könige perfönlich zuſammenkommen ſollte. ‘Der
Papſt fegte dann noch eine Verlängerung besjelben bis zum
29. September durch. Auch zwilchen den in Böhmen fich
feindlich gegenüberftehenden Parteien kam eine Waffenruhe zu-
ftande.
Obwohl die Herrichaft Albrechts in Böhmen noch nicht
vollitändig gefichert war, begab fich derfelbe doch Ende April
1439 nad) Ungarn, wo beſonders die von den Türken drohende
Gefahr feine Gegenwart notwendig machte.
Im Sommer 1438 batte Murad II., geführt vom wa-
lachiichen Woywoden Drakul, einen Einfall in das ſüdliche
Siebenbürgen gemacht, das Land furchtbar vermwüjtet, zahlreiche
Bewohner getötet, eine noch größere Zahl, angeblich bei 70.000 !),
darunter alle Bewohner von Mühlenbah, in die Sklaverei
weggeführtt. Nur die größern befeftigten Städte wurden von
den Zürlen nicht eingenommen. Auch im folgenden Jahre
wendete der Sultan feine Waffen gegen Norden. ALS der
Deipot von Serbien, Georg Brankovich, der jein Mißtrauen
erregt hatte, vor ihm zu ericheinen und die Feſtung Semen-
Albrecht II. 1435—1439, in „Zeitſchr. f. Geſch. Schlefiens” XII, 237 ff.
Grünhagen, Geſch. Schlefiens I, 265 ff.
1) Diefe Zahl in Ann. Mellic. ad 1438. Die Frankfurter Geſandten
geben in Schreiben vom 19. Oktober 1488 gar mehr als 80000 an.
Janſſen, Reichscorrefpondenz I, 468. Vgl. auch Dukas, ed. Bonn.,
p. 206. Diugosz 1. XII, col. 708. Die fogen. inscriptio Coronensis
ap. Schwandtner ], 886, erſcheint im einzelnen auch bier nicht als
verläßlich Hammer und Zinteifen haben fich für dieje ganze Periode
viel zu ſehr an die fpäteren türkifchen Geſchichtſchreiber, beſonders Sea⸗
bebbin, gehalten, der ſowohl in chronologifcher wie in fachlicher Beziehung
viele Irrtümer enthält. Engel ift auch Bier voll von willkürlichen Be⸗
hauptungen.
10 Erhebung gegen die Deutſchen in Ofen.
dria auszuliefern ſich weigerte, belagerte er mit einem zahl⸗
reichen Heere und ſchweren Geihügen diefe Stadt. Da Ses
mendria einer der wichtigiten Schlüffel zum fünlichen Ungarn
war und Georg von Serbien mit feiner Gemahlin und feinem
Sohne Lazar die Zuflucht zum Könige Albrecht nahm, jo war
Hilfe dringend notwendig.
Allein die Ungarn waren wieder einmal in jolcher nationaler
Erregung, daß fie in ihrer Abneigung gegen die ‘Deutichen bie
von außen drohende Gefahr ganz überjaben.
Schon bei Albrechts eriter Anwejenheit in Ofen am 18. März
1438 hatte der Nationalitätenhbaß wahre Drgien gefeiert. ALS
ber Dfener Stabtrichter, nach den Beftimmungen des Stadt»
rechtes ein ‘Deutjcher, einen angejebenen Ungarn wegen eines
wirklichen oder angeblichen Verbrechens Hatte ertränfen laffen,
batten jeine Landsleute zu den Waffen gegriffen und, wütend
durch die Gaſſen der Stadt ſtürmend, mehrere ihnen begegnende
Deutjche getötet oder verwundet, und die Häufer der meift
deutfchen Kaufleute geplündert. Vergebens Hatte der als In⸗
quifitor in Dfen anwejende Franziskaner Jakobus de Marchta
die Raſenden zu bejänftigen gefucht; feine unverftandenen Worte
waren ſpurlos verhallt. Erft dem Ban Lapislaus Gara,
einem Better der Königin, jcheint dies gelungen zu fein *).
Auch jet hielten die ungarifchen Stände die Sicherjtellung
ihrer Vorrechte für wichtiger als den Schug ihres Reiches
gegen die Türken. Raum war Albrecht in Ofen angelommen,
jo verjammelten fich dafelbjt auch die Prälaten, Magnaten und
1) Sch folge bier dem in nationaler Beziehung unbefangenen und
gleichzeitigen Aeneas Sylvius, De viris illustr., in „Bibl. d. litter.
Bereing in Stuttgart” 1,3, 67, unb De statu Europae ap. Freher-
Struve II, 85, gegen Thwrocz IV, 25 ap. Schwandtner I, 237,
ber biefe Vorfälle dadurch veranlaßt werden läßt, ba die Deutfchen einen
Ungarn Namens Edtods, der gegen ihren Übermut die Rechte der Ungarn
bertrat, in ein Haus Jodten, bort zutobe marterten und dann in bie
Donan warfen. gl. Ebendorffer ap. Pez I, 853. Die Zeit giebt
ein Schreiben des Presburger Stabtrichterd und anderer Bürger an ben
Rat ihrer Stabt, bei Birk, Beiträge, in „Onellen und Forfhungen“,
©. 230, 0.1.
Beſchlüſſe des ungariſchen Reichstages. 11
Adeligen und verlangten von ihm die Genehmigung einer Reihe
von Artikeln, die zwar angeblich nur die Zuſtände unter den
früheren Königen beſonders Ludwig J. herſtellen ſollten, aber
doch manche wichtige Neuerungen enthielten und die königliche
Gewalt no mehr als früher beſchränkten ).. An die Spike
wird die Beſtimmung gejegt, daß der König ven PBalatin nur
nach dem Nate der Prälaten, Barone und Abeligen follte er»
nennen dürfen, weil derjelbe dem Könige vonjeite der Reichs“
bewohner und ven Neichöbewohnern vonjeite des Königs
Necht verichaffen und zwiſchen beiden Zeilen Richter jein kann
und fol. Der König follte dauernd in Ungarn feinen Wohns
fig nehmen und nicht bloß bei der Verteidigung des Reiches
und bei der Anderung des Geldes ſondern auch bei der Ver
heiratung jeiner Töchter nach den Rate jeiner Unterthanen
fich richten. Geiſtliche wie Laien waren gleich bemüht, alle
Laſten von fih abzumwälzen. Die Kirchen und Geiftlichen jollten
von allen Abgaben und Leiftungen außer dem Kriegspienfte frei
fein, die Edelleute, die überhaupt nur im Falle der äußerjten
Not aufgeboten werden follten, nicht verpflichtet jein, außer»
halb des Reiches Dienfte zu leijten, ſodaß Der König obne
deren Zuftimmung ben Feind weder jenjeitd der Grenzen ans
greifen, noch über die Grenze hinaus verfolgen konnte. Ob⸗
wohl dem Könige, dem in erxjter Xinie die Verteidigung des
Reiches oblag, die Pflicht auferlegt wurde, feine Soldaten zu
befolden, damit fie nicht den Einwohnern zur Laft fielen, jo
wurde boch bejtimmt, daß mehrere der wichtigften Steuern
wieder auf den Stand unter Ludwig I. berabgejegt werben
joliten. Das Hauptitreben der Ungarn ging aber wie einft
unter Sigmund dahin, alle Ausländer von ihrem Lande fern
zu halten und einen Einfluß der Bürger, die ja auch meiſt
Deutſche waren, nicht auflommen zu laſſen. Keinem Ausländer
oder Bürger follte vom Könige ein politisches oder militäriiches
Amt, eine kirchlihe Würde oder eine Beſitzung übertragen
1) Bollſtäudig ap. Katona XII, 882—900. Fejer XI, 243—259,
aud im Corpus jur. Hungar.
12 Erfolglofer Zug gegen bie Türken.
werben und biefelbe Verpflichtung auch für die Königin, den
Fürsten von Serbien und den Grafen von Eilli, die in Um
garn ausgedehnte Herrichaften beſaßen, und die Prälaten und
Magnaten gelten.
Dei der gefährbeten Lage bed Reiches blieb dem Könige
nichts übrig, als alle diefe Forverungen zu fanktionieren, wo⸗
rauf die fremden Beamten, bejonders Deutiche, entfernt und
burch neue erjettt wurden ).
Es hängt mit diefer Abneigung der Ungarn gegen bie
Deutichen und die Ausländer überhaupt zufammen, daß fie das
Anerbieten des Königs, die deutjchen Fürſten und andere
Chriſten gegen die Türken zubilfe zu rufen, ablehnten, da fie
allein ftarf genug wären und nur Ordnung und ein Haupt
brauchten. ALS aber Albrecht Ende Juli gegen vie Türken
aufbrach, feharten fich aus Eigennug, Kurzſichtigkeit oder Gleich"
gültigfeit gegen das Wohl des Vaterlandes jo wenige Ungarn
um feine Fahnen, daß er nicht wagen konnte, im Angefichte
des ſtarken feindlichen Heeres die Donau zu überjegen und die
Türken anzugreifen. Ohne etwas unternehmen zu können, ver-
weilte der König mehrere Wochen in der Gegend von Slan⸗
famen und Titel und mußte ruhig zujehen, wie Semendria
nach tapferer Verteidigung durch den älteiten Sohn des jer-
biihen Fürſten in die Hände des Sultans fiel und dann fait
ganz Serbien von den Türken eingenommen wurbe. Snfolge
des Aufenthaltes in ben fumpfigen Niederungen ver Theiß und
Donau brach unter den Ungarn bie rote Ruhr aus, und dies
rief eine folche Entmutigung hervor, daß der größere Zeil der⸗
jelben, namentlih die Zuzüge aus den Komitaten, noch vor
der Mitte des September nachhaufe Tief.
Die beim Könige anwefenden ungarijchen Großen ſahen
jet jelbit ein, daß gegen die Zürlen die bisherigen Anjtalten
nicht genügend jeien und daß man mit bloßen Redensarten
gegen fie nichts auszurichten vermöge. Sie verabredeten mit
1) Schreiben des Hans Kaldenbah an einen Frankfurter Ratsherrn
aus Dfen vom 21. Juni 1439, bei Janſſen, NReichScorrefpondenz I, 484.
Tod 8. Albrechts. 13
dem Könige und der Königin die Aufſtellung eines zahlreichen
Söldnerheeres, mit welchem jener im nächiten Frühjahre ing
Feld rücken folite, und zur Erhaltung desſelben die Einhebung
einer hohen Steuer im ganzen Lande. Albrecht veriprach, auch
auswärtige Fürſten, namentlich feine Vettern, um ihre Unter:
ftügung anzugeben ?).
Aber bis zum Frühjahr follte jich die Lage Ungarns nur
zu ſehr ändern. Die Ruhr ergriff endlich auch den König,
ber unvorſichtigerweiſe feinen Durft durch häufigen Genuß
von Melonen ftillte. Er wollte fich nad Wien bringen laſſen,
indem er meinte, wenn er nur dieje Stadt ſehen könnte, würde
er gefund werden. Aber auf dem Wege borthin in Neszmely
(zwilchen Gran und Raab) wurde er am 27. Dftober 1439
in einem Alter von erft zweiundvierzig Jahren vom Tode hin.
weggerafft.
Albrecht II. war eine von feinem Schwiegervater ſehr vers
ſchiedene Berfönlichleit geweien, mehr ein Dann der That als
der Rede, wie Aeneas Syloius ſich ausprüdt. Schon in feiner
äußern Ericheinung war dies ausgeprägt. Sein Körper war
groß und ftark, fein runder Kopf im allgemeinen wohl⸗
geformt, aber durch Hochgefchwollene Lippen und vorjtehende
Zähne entftellt, aus feinem bunfel gefärbten Geſichte leuchteten
große, furchteinflößende Augen). In Ungarn und Böhmen
fonnte er ſchon deswegen nicht populär werben, weil er bie
Sprache der meiften Bewohner nicht verftand. Aber wenn
auch nicht die Liebe, fo gewann er durch jeine Tüchtigkeit doc)
die Achtung feiner neuen Unterthanen. „Er war gut”, jagt ein
1) Url. vom 17. Sept. 1439 bei Gröf Teleki, Hunyadiak kora
Magyarorszägon X, 70. Über ben Krieg von 1439 im allgemeinen und
bie Eroberung Semenbriad buch Murab ſiehe Aeneas Silvius,
De viris illustr., 1. c. p. 68, und Europa, 1. c., p. 85. Ebendorffer
ap. Pez II, 8548q. Dlugosz, 1. X, col. 718. Dukas, p. 207 qq.
Chalkokondylas ed. Bonn., p. 245 qq.
2) Aeneas Sylvius, De viris illustr., p. 68, und Europa, p. 86.
Dlugoszl. c. 719.
14 Folgen des Todes K. Albrechts II.
böhmiſcher Chroniſt jener Zeit, „obſchon ein Deuticher, kühn
und mitleidig“ ?).
Zweites Kapitel.
Die Wirren während der Minderjährigfeit des
Ladislaus Poftumus bis zur Schlacht bei Varna.
(1439 — 1444).
—
Albrechts II. (V) früher Tod war ein ungeheurer Schlag
für das Reich, für die Kirche, für fein Haus und für feine
Länder.
Im Reiche arbeitete man ſchon lange an ber Einführung
politiicher Reformen befonders zur Herftellung des Landfriedens,
und man hatte von der Wirkſamkeit Albrechts, der bie Sache
gleich in die Hand genommen hatte, die beiten Doffnungen
gebegt, die jet zu Grabe getragen wurden.
Der zwilchen dem Papſte Eugen IV. und dem Konzil zu
Baſel, von dem man eine Reform der Tirchlichen Mißbräuche
erwartete, jhon lange währende Zwift war eben bamals in
offene Feinbfeligfeiten ausgebrochen. Infolge der feurigen Vor-
ftellungen des Kardinal Cejarini und der andauernden DBe-
mühungen des Kaiferd Sigmund hatte der Papft 1433 die
Auflöfung des Konzils widerrufen und die Vortfegung des.
jelben geftattet. Aber ein gebeihliches Zuſammenwirken zwifchen
beiden war nie mehr möglich geweien, die Spannung zwiſchen
beiden immer größer geworden. Das Konzil, auf dem nicht
bloß die Biſchöfe und Prälaten, ſondern aud Doktoren und
niebere Geiftliche Sig ımd Stimme erhielten, hatte die Annaten,
Palliengelver und andere Kirchliche Taxen abgejchafft, ohne für
1) Bartoss. ap. Dobner ], 204.
Seine Töchter. 15
einen Erjaß durch andere Einkünfte zu jorgen und hatte durch
Wiederheritellung des freien Wahlrechts der Kapitel und andere
Delrete die mit den größten Mißbräuchen verbundene Befugnis
des Papſtes zur Verleihung der wictigften und einträglichiten
kirchlichen Pfründen befeitigt. Dadurch gereizt hatte der Papit,
Derbandlungen mit den Griechen zur Herftellung ver kirchlichen
Union ald erwünjchten Vorwand benutzend, am 18. September
1437 das Konzil in Bafel für aufgelöft erklärt und ein anderes
nad) Ferrara berufen. Die in Bafel verfammelten Väter hatten
dann Eugen IV. am 24. Januar 1438 ſuſpendiert und endlich
am 25. Juni 1439 förmlich abgefegt und am 5. November
den Herzog Amadeus von Savoyen gewählt, der den Namen
Felix V. annahm. Aufgabe des römischen Königs als des
oberften Schirmvogtes der Kirche wäre e8 gewejen, das neue
Schiema zu bejeitigen und zugleich auf die Einführung der
notwendigen Reformen Binzuarbeiten.
Die Vereinigung Ungarns und Böhmens, in letzterem Lande
von Anfang an durch eine ſtarke Partei belämpft, war von
zu furzer Dauer gewejen, als daß fie als gefichert hätte gelten
Iönnen. Auch bedurfte Ungarn eines ebenjo angefehenen wie
fräftigen Königs, um ben immer vafcher und heftiger werdenden
Angriffen der Türken ftanvhalten zu können. Kaum dem
tüchtigften Manne wäre e8 gelungen, die ihm obliegenden Auf-
gaben im vollen Umfange zu erfüllen. Albrecht II. hinterließ
aber nur zwei Töchter, Anna und Elifabeth, jene fieben, dieſe
ein Jahr alt, und feine Gemahlin gejegneten Leibes.
Das Haupt des Haufes Dfterreih war jegt Friedrich von
der Steiermart, der ältere Sohn des Herzogs, oder wie er ſich
feit 1414 genannt hatte, Erzherzogs Ernſt.
Friedrich, der von den deutichen Kurfürjten, wie es jcheint
auf Betreiben feines Schwagers Friedrih von Sachſen, am
2. Februar 1440 auch zum Könige gewählt wurde, war eine
von feinem Vorgänger fehr verſchiedene Perfünlichleit ). Er
1) Eingehend hanbelt über bie erfte Zeit feiner Regierung I. Chmel,
Geſch. K. Friedrichs IV., 1. u.2. Bd. (bis 1452), Hamburg 1840. 1843,
16 Charakter 8. Friedrichs III.
war nicht ohne Kenntniſſe, gebildeter als die meiſten Fürften
feiner Zeit, konnte nicht bloß leſen und ſchreiben, ſondern ver-
ftand auch Iateiniih, wenn ibm auch ein tieferes Verſtändnis
und ein warmes Intereſſe für Kunſt und Wiſſenſchaft abgingen.
Seine Frömmigkeit war aufrichtig, feine Sitten muſterhaft;
jede Unmäßigfeit im Eſſen und Trinken, jede zweibeutige Rede
war ihm in tiefiter Seele zuwider. Zugleich war er fparfant,
faft geizig, auch verftändig in Beurteilung nabeliegender Ver⸗
bältniffe. Er bätte alfo einen mujterbaften Samilienvater und
braven Hauswirt abgegeben. Aber zum Regenten eines größeren
Neiches paßte er nicht. Ihn intereffierten vielmehr das Sammeln
und Ordnen von Edeliteinen und anderen Kleinodien, worin
er Kenner war, der Gartenbau und die Kultur von Trauben,
Äpfeln und Birnen als die ernften Gefchäfte der Regierung.
Wohl lebte in ihm der unerfchütterliche Glaube an die fünftige
Größe des Haufes Dfterreich, dem er in den auf jeinen Bauten
und Kleinobien angebrachten Buchftaben a e i o u „(Austriae
est imperare orbi universo“ oder „alls erdreich ift Ofterrich
undbertban”) ?) einen ebenfo prägnanten wie vieljagenden Aus-
drud gegeben hat. Uber um dieſes hohe Ziel zu erreichen,
bat er nur wenig gethan. Er war eine phlegmatiiche, fait
apatbifche Perfönlichkeit, der es an geiftigem Schwung und
Energie ganz fehlte. Wenn er burch zähes Feſthalten an feinen
Nechten manche Erfolge erzielte, wenigſtens vor Verluſten fich
ber überhaupt für diefe Zeit in feinen „Regeſten K. Friedrichs III.“, feinen
„Materialien“ u. |. w. reichhaltigen Duellenftoff veröffentlicht bat. Eine
eingehende Eharakteriftit Friedrich unter Anführung der Belege aus ben
verſchiedenen Schriften des Aeneas Sylvius u. |. w. bei ©. Boigt,
Enea Silvio I, 249 ff. Günftiger urteilen Bahmann, Deutfche Geſch.
J, 6ff. und Ranke, Deutfche Geſch. I*, 63ff., der aber mehr bie lekte
Zeit Friedrichs im Auge hat. — Friedrich beißt „ber Vierte”, wenn man
Friebrih „ben Schönen“ als König zählt. Aber bie zeitgendffiihen Ge-
ſchichtſchreiber bezeichnen Friedrich als „III“.
1) So erklärt dieſe Buchſtaben Friedrich ſelbſt in feinem 1437 be-
gonnenen, allerhand Notizen und Sentenzen enthaltenden, Memoranden⸗
buch bei Chmel I, 577f.
K. Albrechts II: Teftament. 17
bewahrte, jo lag der Grund viel mehr in glüdlichen Zufällen
und an der Schwäche feiner Gegner, als in feiner eigenen
Thätigfeit. Auch dieſes umerfchütterliche Beharren auf feinem
Nechte hängt übrigens doch mit einer Schwäche feines Charakters
zujammen, mit der Schwierigfeit, einen beſtimmten Entſchluß
zu fafjen, jo daß er die bringenpften Gejchäfte oft monatelang
unerledigt ließ, manchmal fo lange, daß eine Erlebigung über-
haupt nicht mehr notwendig war, weil fich unterbeffen bie
Berbältniffe geändert batten.
Friedrich war daher amt wenigften ver Mann, bie Stelle
auszufüllen, die ihm Albrecht II. zugebacht hatte.
Albrecht hatte in feinem Teſtamente, das er am 23. Dftober
1439, vier Tage vor feinem Tode, in Neszmely gegeben hatte !),
beftimmt, baß, wenn ihm ein Sohn geboren würde, deſſen
Mutter Elifabeth und der ältefte Bürft des Haufes Dfterreich,
alfo Friedrich von Steiermark, die VBormundichaft führen und
biefen ein Rat von neun Perjonen zur Seite ſtehen follte,
brei aus Ungarn, drei aus Böhmen und deſſen Nebenländern,
eine aus Prag und zwei aus Vfterreich, die von den Ständen
ber betreffenden Länder gewählt werden follten. Während ba-
durch eine einheitliche Regierung für alle Länder Albrechts ge
jchaffen wurde, follten in jedem einzelnen die Stände nad dem
Rate der Königin Elifabetb und des älteften Fürften von Oſter⸗
reich bis zur Volljährigkeit feines Sohnes die Umtleute und
Verweſer wählen. Seinen Wohnfit follte der junge Prinz in
Presburg nehmen, da dies allen feinen Ländern nahe und
wohl gelegen jet.
So intereffant aber auch dieſes Teſtament tft, indem es
den erjten Verſuch darjtellt, für die verjchievenen in der Perſon
Albrechts II. vereinigten Reiche eine Gejamtregierung zu organi
fieren, anberjeit8 aber den Ständen außerordentlich große.
1) Mit Weglaffung bes Eingangs bei Fr. Kurz, Ofterreih unter
8. Friedrich d. Vierten I, 239. Die Gründe, welche Chmel, K. Friedrich
L 426 ff. gegen die Echtheit besfelben und für eine Fälſchung durch
Eizinger vorgebracht bat, find ungenügend.
Huber, Geſchichte Öfterreihe. IL. 2
18 Beſchlüſſe der öſterreichiſchen Stände.
Befugniſſe zuerkennt, To ift e8 doch thatfächlich ohne jede Be⸗
deutung geblieben.
Nur die Stände von Oſterreich, bie fich gleich nach Albrechts
Tode in Perchtoldsdorf verfammelten, haben davon wenigſtens
Notiz genommen und dasjelbe mit den früheren Familienver⸗
trägen der Habsburger in Einklang zu bringen gefuht. Sie
erlannten den Herzog Friedrich vorläufig bis zur Nieverkunft
der Königin als Verweſer und, falls das zu erwartende Kind
ein Knabe wäre, als deſſen Vormund und im Namen bed«
felben als Regenten in Ojterreih an. Doc follte er bie
Rechte der Einwohner, bejonders der Stände, nicht verlegen,
die Einnahmen und Ausgaben nad dem Rate der Stände
verwalten und bie Amter nur mit Angehörigen des Landes
befegen. Sein jüngerer Bruder Albrecht VI., der ebenfalls
auf die Vormundſchaft Anfprüche erbob, wurde von den Ständen
abgewiefen. Falls von der Königinwitwe eine Tochter geboren
würde, jo jollten nach ber Anfchauung der dterreichiichen Stände
alle Glieder des Haufes Habsburg, Friedrich, Albrecht und
Sigmund von Tirol, Herren von Oſterreich fein *).
Während die Stände von Ljterreih zwar die Anfprüche
ber Köntginwitwe auf die Vormundſchaft ignorierten, aber bie
Rechte eines zu erwartenden Thronerben bereitwillig anerkannten,
machten fih in Ungarn ganz andere Beitrebungen geltend.
Zwar war auch bier das Recht in Teiner Weife zweifelhaft.
Die ungarifhen Stände felbit hatten wiederholt und noch nad)
Sigmunds Tode und im verfloffenen Mai auf bem Reichstage
in Dfen Eltfabeth und ihre Nachlommen als Erben des Thrones
anerkannt, und Elifabeth nahm denn auch nad) dem Tode ihres
Gemahls die Regierung ohne weiteres in ihre Hände. Aber
jet meinten viele, daß bei der großen Gefahr, welche von Den
Türken drohte, dem Lande weber mit einem Weibe, noch mit
einem Kinde geholfen fei und dag nur ein Mann bie Zügel
der Regierung zu führen und Ungarn gegen die anftürmenben
1) Die Urt. und Friedrichs Annahme ber Bedingungen der Stände
(vom 1. Dezember) bei Kurz a. a. O. I, 248 ff.
Pläne der Ungarn. 19
Veinde zu verteidigen vermöge. Verſchiedene Fürften wurden
von den um Neujahr in Ofen verfammelten Ständen ing
Auge gefaßt, darunter der König Wlabijlam von Polen und
Lazar, der jüngſte Sohn des in Ungarn lebenden Serbenfürften
Georg Brankovich. Wladijlam zählte zwar auch erſt funfzehn
Sabre, war alfo faum dem Senabenalter entwachlen. Aber
durch die Vereinigung Polens mit Ungarn hoffte man, ben
Türken eine große Macht entgegenjtellen zu können, jedenfalls
wurde eine Verbindung der Türken mit den Polen bintertrieben,
wie fie gerade damals Sultan Murad anftrebte, ver bereits
Geſandte nah Krakau abgeſchickt hatte. Die Vertreter ber
Berufung Wladiſlaws glaubten ihre Abfichten auch mit ben
Anforderungen des Rechtes vereinigen zu können, indem fie bie
Vermählung der Königin Elifabeth, der eigentlichen Erbin bes
Reiches, mit dem polnijchen Könige vorjchlugen, der freilich um
wenigftens funfzehn Jahre jünger war als fi. Das zu er⸗
wartende Kind von Albrecht follte, wenn e8 ein Knabe wäre, .
Böhmen und Diterreich erhalten, einem von Wladiſlaw zu
boffenden Sohne nur Ungarn zufallen.
Zange weigerte fi die Königin Elifabetd, die mit Sicher-
heit auf die Geburt eines Sohnes rvechnete, dieſen Forderungen
nachzugeben, obwohl auch ihr Vetter Ladislaus ara ihr dazu
riet. Erſt nah langem Sträuben gab fie unter gewiſſen
Dedingungen !) zur Vermählung mit dem polniichen Könige
1) willigat sich, den von Polan zu nemen. Aber doch hielt sie
jn drey sach für, die man wol wais. Ob sie das halten wolten, so
wolt sie den von Polan nemen. Aber sie wessat wol, daz sie der
dreien artikel kainen hielten, weder der von Polan noch ungrische
herren, und wolt damit ausgen aus der willigung, die sie getan het,
den von Polan zu nemen, fagt Eliſabeths Vertraute, die Aja ber kleinen
Brinzeifin Elifabetb, Helene Kottannerin, in ihren „Dentwärbig-
feiten“, S. 16. Welches biefe drei Artikel waren, wiflen wir leider nicht,
da die Inſtruktion für die nach Polen gehenden Geſandten bis jett nicht
aufgefunden if, und Aeneas Sylvius, Europa ap. Freher II, 86
nnd Epist. (ed. Basil.) no. 81, Dlugosz 1. XII, col. 719sgg. und
Thwrocz 1. IV, c. 28sqq. ap. Schwandtner I, 240sqgq., die für
die Borgänge in Ungarn nad Albrecht II. Tode und bie folgenden
9*
20 Berufung Wladiflans von Polen.
ihre Zuftimmung, vielleicht um nicht zu einer noch verbaßteren
Heirat gezwungen zu werben, vielleicht auch nur um Zeit zu
gewinnen. Der Bilhof Johann von Zengg und mehrere ber-
porragende weltliche Würdenträger begaben ſich nun nach der
Mitte des Ianuar 1440 al8 Gefandte nach Krakau, wo König
Wladiſlaw mit zahlreichen Großen verweilte.
Während in Krakau noch unterbandelt wurde, gebar Elilabeth
am 22. Februar in Comorn einen Sohn, dem fie den Namen
Ladislaus gab. Sie meldete dies nun gleich den Geſandten,
die nach Polen gegangen waren, und wiberrief die benjelben
gegebene Vollmacht, welche fie nur für den Fall ausgeftellt
haben wollte, daß fie feinen Sohn erbielte. In Wladiſlaw
und feinen Räten ftiegen nun in der That Bedenken auf, ob
er jet, wo Ungarn einen legitimen Thronerben hatte, dem
an ihn ergangenen Rufe Folge leiten ſollte. Da aber die
ungariihen Geſandten erklärten, fie ſeien von Elifabeth, die
übrigens auch fie als ihre gegenwärtige Königin und Herrin
bezeichneten I), für alle Fälle bevollmächtigt, jo nahm ber
Polenkönig die Wahl zum Könige von Ungarn an und fertigte
am 8. März die Urkunden aus, welche die Bedingungen feiner
Berufung auf den ungariichen Thron feſtſetzten. Wladiſlaw
verſprach, die Nechte und Freiheiten ver Ungarn zu bejtätigen
und aufrechtzuerhalten, mit polnischen Zruppen Ungarn gegen
die Türken und andere Feinde, wie mit ungarischen Polen
gegen die Tataren zu verteidigen, die Zips ohne Löſegeld wieder
Thronlämpfe unfere Hauptquellen find (Callimachi Hist. de rege
Vladislao und Bonfinius, Rer. Hung. decad., die jene nur willkürlich
ansgeſchmückt haben, follte man nicht mit ihnen auf gleiche Linie ftellen!)
darüber aud nichts Näheres bieten. Bon neueren Darftellungen vgl.
&aro IV, 2060ff. Szalay II, 18ff. Fehler-Klein II, 450ff.
Gröf Teleki, Hunyadiak kora Magyarorszägon I, 157sgg. (ein mit
außerordentlichem Fleiße gearbeitetes Wert, wo aber gleichzeitige und
fpätere Quellen wie gleichwertige benugt find).
1) Ex consensu serenissimae principis d. Elisabeth, reginae
Hungariae modernae, dominae nostrae ap. Katona XIII,
33. So auch K. Wladiſlaw in feiner Urkunde ibid. 27: principem d.
Elisabeth, eiusdem regni reginam modernam.
Krönung Labislaus des Nachgebornen. 21
zurüdzugeben, vor feiner Krönung die Königin Eliſabeth zu
heiraten, aber fie vor Ablauf des Trauerjahres nicht zur
Vollziehung der Ehe zu nötigen und ihrem Sohne Labislaus
zum Beſitze von Böhmen und Dfterreich zu verhelfen. Auch
auf Ungarn follte diefem fein Erbrecht gewahrt bleiben, wenn
er ſelbſt keine Kinder hinterließe ?).
Eliſabeth war entrüſtet, als ihr zwei der Geſandten,
Matthäus von Thalloͤcz, Ban von Croatien, und ber Oberſt⸗
truchjeß Emerich Marczali, die Vertragsurfunden überbrachten,
und ließ dieſe ins Gefängnis werfen. Sie war entichloffen,
ihrem Sohne feine Rechte auf alle Reiche, die fein Vater be-
jeffen Hatte, zu wahren. Ihr Vetter Ulrich von Cilli ftand
ihr als erfahrener Ratgeber zur Seite. Da ſich König Friedrich,
zufrieden, die Regierung in Ofterreich im feine Hände gebracht
zu haben, um feinen Mündel gar nicht kümmerte, fo übertrug
fie am 10. April die Vormundſchaft über ihren Sohn deſſen
energijcherem Bruder Albrecht VI. Diefer Schritt, zu dem fie
vielleicht der mit dem Könige Friedrich auf feindlichem Fuße
ftehende Ulrich von Eilli bewogen hatte, kann inveffen als fein
glücdlicher bezeichnet werden. Denn Albrecht, ein Fürft obne
Land, war wohl von einem glühenden Ehrgeize durchbrungen,
konnte ihr aber feine Hilfsmittel zur Verfügung ftellen und
wurde auch von niemandem ald Bormund anerlannt. Um
übrigens dem Königtume ihres Sohnes eine fejte NRechtöbafis
zu verichaffen, ließ Elifabeth denjelben am 15. Mai in Gegen-
wart der Biſchöfe von Raab und Veſzprim, des Herzogs Albrecht
bon Dfterreich, Ulrichs von Cilli und einiger Magnaten burch
den Erzbifhof von Gran mit ver Krone des heiligen Stephan,
die ihre vertraute Dienerin Helene Kottannerin ſchon im
Vebruar aus ihrem Aufbewahrungsort Viffegrad heimlich fort-
genommen Hatte 2), in Stuhlweifjenburg Trönen, ſodaß alle Be⸗
1) Die Urkunden bei Katona XIII, 23 und Chmel, K. Frieb-
rich II, 729.
2) Wie dies gefhah, fchilbert eingehend Helene Kottannerim in
ihren „Dentwärbigfeiten”, die überhaupt für alle Vorgänge am Hofe der
22 Beſetzung Ofens durch K. Wladiſlaw.
dingungen erfüllt waren, welche die Ungarn für die Recht⸗
mäßigkeit eines Königs verlangen,
Um bdiefelbe Zeit fiel aber Ungarns Hauptftabt in bie
Hände ihres Gegners. Wladiſlaw von Polen war durch Un⸗
ruhen in Litauen und durch finanzielle Schwierigkeiten länger
in Polen feftgehalten worden, als e8 feinen Ratgebern Tieb
war. Erſt am 22. April fam er mit einem polnischen Heere
von A000 Dann nah Käsmark, wo auch feine ungarischen
Anhänger fi bei ihm einfanden. Der eifrigfte von allen
war Simon von Rozgon, Biſchof von Erlau, den bie Königin
Elifabeth dadurch zu ihrem Todfeinde gemacht hatte, daß fie
nicht ihm fondern dem Dionys Szoͤchh das Erzbistum Gran
übertragen hatte. Während noch in Käsmark, wo Wladiſlaw
zwölf Tage blieb, polnische Patrioten dringend rieten, ber
König möge das ungarifche Unternehmen aufgeben, ftellte Rozgonyt
einen leichten Erfolg in Ausfiht und verjchaffte dadurch, be-
fonders vom Bilchofe Zbygniew von Krafau unterftügt, ben
entgegengefegten Beftrebungen das Übergewicht. Rozgonyi zog
dem Könige mit einer Truppenabteilung voraus, um bemfelben
den Befig von Ofen zu fihern. Der Balatin Lorenz von
Hedervaͤra ließ fi nach längerem Schwanken bewegen, dem
polnifchen Könige die Thore der Burg und der Stadt Ofen
zu öffnen. Am 21. Mai bielt Wladiflam in Ofen feinen
Einzug. Ein Verſuch Ulrihs von Cilli, fi der Hauptitabt
zu bemächtigen, kam zu ſpät. Ja Ulrich wurde bald darauf,
als er fi aus dem belagerten Raab retten wollte, jelbft
gefangen und erft nach längerer Zeit gegen Stellung von
Geiſeln proviſoriſch in Freiheit gejekt.
Da der Erfolg Wladislaws geſichert ſchien, kamen faſt alle
ungariſchen Biſchöfe und zahlreiche Große zu ihm, um ihm die
Huldigung zu leiſten. Auch Niklas von Ujlak, Ban von Machow,
der noch der Krönung des kleinen Ladislaus in Stuhlweiſſenburg
beigewohnt und den Knaben zum Ritter geſchlagen hatte, fand
Königin Eliſabeth vom Tode K. Albrechts bis zum Aufang des Juni 1440
eine wichtige Quelle ſind.
Thätigkeit der Königinmutter Elifabeth. 23
fich bei Wladiſſaw ein. Ja fogar der Erzbilchof Dionys von
Gran und Yadislaus Sara, Eliſabeths Vetter, ließen fich be-
wegen, unter Zuficherung ficheren Geleites nach Ofen zu fommen.
Gara wurde zur Übergabe Viſſegraͤss bewogen, aber dann
trotz des Geleitäbriefes einige Tage gefangen gehalten, weil
man ihm die Entfernung der Reichskrone aus diefer Feſte zur
Laſt legte. Der Kardinal⸗Erzbiſchof Szechh war jchwach genug,
mit den übrigen Mitgliedern des ungarifchen Neichdtages amt
29. Juni der Wahl Wladiflaws zum Könige beizujtimmten und
ihm am 17. Juli in Stuhlweiffenburg die Krone aufzufegen,
bie man in Ermanglung der Reichskrone dem Haupte Stephan
des Heiligen entnommen batte.
So ungünftig fih aber auch die Lage der Dinge für bie
Königin Elifabeth gejtaltete, jo verlor fie doch den Mut nicht.
Sie rief ihre Anhänger zu den Waffen und warf fich, um eine
mächtige Stüße zu erhalten, dem Könige Friedrich in die Arme.
Sie erfannte ihn endlich al8 Vormund ihres Sohnes an und
vertraute diefen wie Die ungariſche Königskrone feinem Schute
an. Friedrich lieh ihr nun mehrmals beveutende Geldſummen '),
freilich al8 vorfichtiger Geſchäftsmann nur gegen fichere Pfänder,
wie fie ihm benn für 2500 Dulaten ihre eigene Krone ?), für
8000 Dulaten die Stadt Ödenburg verfegen mußte. Mit
diefem Gelde warb fie namentlich böhmiſche Söldner, die leicht
zu haben waren, da die Taboriten und ihre Führer, nur an
den Krieg gewöhnt, mit Verleugnung ihrer früheren religiöſen
und politifchen Grundſätze jegt nur noch dem Erwerbe nach
jagten. Schon in Comorn hatte fih Johann Schmilausty
von Saar bei Elifabeth eingefunden und hatte fie mit 700 Dann
zur Krönung ihres Sohnes nah Stuhlweiffenburg begleitet.
Einem andern Sölbnerführer, Johann Giskra oder Jiskra von
Drandeis ®), den fie zu ihrem Feldhauptmann ernannte, ver-
1) Lichnowsky VI, Reg. Nr. 104. 118. 146. 151. 196.
2) Nicht die ungarifche Reichskrone. S. Birk, Beiträge zur Geld.
der Königin Eliſabeth von Ungarn und ihre® Sohnes K. Ladislaus
1440—1457, in „Duellen und Forſch. zur vaterl. Geſch.“ (1849), S. 214 ff.
3) Bol. über ihn und andere Sölonerführer Aeneas Sylvius, De
24 Schwanken bes Kriegsglüds.
traute fie die Verteidigung der nordweſtlichen Gegenden des
Reiches von der mähriichen Grenze bis Kaſchau an. Geftügt
auf die teils ſlaviſche teils deutſche Bevölkerung dieſer Gebiete,
beſonders auf die zahlreichen deutichen Städte, welche dem Sohne
des Königs Albreht die Treue wahrten, war Gisfra mit
feinem Unteranführer Zalafus von Oftrow den Anhängern des
polniichen Königs im ganzen entfchteven überlegen und nahm
auch mehrere Städte der Zip8 ein, jo daß die Verbindung
Wladiſlaws mit Polen gefährdet wurde. Eliſabeth felbft, bie
in Presburg ihren Sit auffchlug, bedrängte das dortige Schloß,
das in den Händen Stephan Rozgonyis, des Bruders des
Biſchofs von Erlau, war. Auch Ladislaus Gara und ber
Erzbiihof Dionys von Gran traten bald nach der Krönung
Wladillaws wieder zu ihr über. Des Erzbiſchofs Bruder
Thomas Szechy beunruhigte von Gran aus die Gegend von
Dfen und verbrannte fogar eine Vorftadt. Cara und andere
Große wurden zwar, als Wladiſlaw aus Polen zahlreiche Ver⸗
ſtärkungen erhielt, von Niklas Ujlaly und Johann Hunyady
bei Batalze! an der Donau nörblih von Mohacs geichlagen.
Auch Thomas Szechy und der Karbinal- Erzbilchof wurden zu
einem Waffenftillftande gezwungen. ‘Dagegen erlitt Wladiſlaws
Feldherr Stephan Banffy von Lindda am 1. März 1441
burch den Böhmen Ian Witoweg, den Hauptmann der Cillier,
bei Szamobor fünweitlich von Agram eine gänzliche Niederlage
und wurde ſelbſt gefangen. König Wladiſlaw, der nun perjün-
lich gegen die Eilfier in die ſüdweſtlichen Reichsgebiete 309 !),
bewog bieje zwar am 19. April zum Frieden. Uber ber von
ihm im Februar 1442 gemachte Verſuch, die Stadt Presburg
viris illustr. L c., p. 56—58. PBalady, Gef. Böhmens IV, 1, 508 ff.
Krones, Die böhmischen Söldner im öſtlichen Oberungarı, Programm
bes Gym. in Graz. 1862.
1) Er urtundet (in descensu exereituali oder campestri) am 14. März
sub castello Marmankev, am 2. April iuxta vallem Zenthgywrgwelge
(im Südweſten des Szalader Komitats), am 11. bei Körmönd. Cod. d.
petr. IV, 326. 327; VII, 459.
Abkommen zwiſchen Wladiſlaw und Elifabeth. 25
zu erobern, mißlang und in Oberungarn behauptete Giskra
bauernd das Üübergewicht 1).
So ſchwankte der Krieg ohne Enticheivung Hin und her,
und das Land wurde beſonders von ven Söldnerbanden furcht-
bar verwüjtet. Weder Wladiſlaw noch Elifabetb war ftark
genug, die Gegner nieberzumerfen und im ganzen Reiche fich
Anerkennung zu verichaffen. Ta nun Ladislaus Poftumus auch
in Böhmen nicht als König anerkannt wurde und Friedrich IIL.,
mit feinen eigenen Angelegenheiten beichäftigt, gar nichts für
feinen Mündel that, aber doch fich weigerte, dieſen feiner
Mutter auszuliefern, jo ward endlich auch die Königin Elifabeth
einem Abkommen mit Wlabiflaw geneigt. Der berebte und
gewandte Kardinal Julian Cejarini, den der Papit Eugen IV.
als feinen Legaten nach Ungarn fchidte, um den rieben in
dieſem Reiche herzuftellen und dadurch die Kräfte Ungarns und
Polens gegen die immer gefährlicher werdenden Türken verfüg-
bar zu machen, gab fich große Mühe, einen Ausgleich zuftande
zu bringen. Nach mehrmonatlichen Verhandlungen gelang es
endlich, im September 1442 den Abichluß eines Waffenitill-
ftandes zu bewirken und auch eine Bafis für den Frieden zu
finden, mit der fich Wladiſlaw wie Elifabeth zufrieden erklärten.
Zener jollte feinen Rechten auf Ungarn und. dem Königstitel
entjagen, aber mit voller Gewalt die Regierung dieſes Reiches
führen, bis Labislaus das fünfzehnte Lebensjahr vollendet hätte,
auch, wenn biejer früher oder ohne Nachlommen mit Tod
abginge, als fein Erbe ihm auf vem Throne folgen. Wlabiflaw
und fein Bruder Kafımir follten die beiden Töchter Eliſabeths
1) Bol. über die Kriege von 1440—1442 außer Dlugosz und
Thwroczl. e., unferen Hauptquellen, auch bie „Cillier Chronik”, ber-
ausgegeben von Krones R. v. Marchland, Kap. 21f., ©. 9Y6ff.,
und die Briefe bei Balady, Geh. von Böhmen IV, 1, 58 N. 51;
70ff., NR. 68. 69. 74; dann die Urk. 8. Wladiſlaws für Hunyaby von
1441, Oft. 8., im Cod. patr. IV, 329, durch welche die Angaben ber
beiden erfigenannten bezüglich der Schlacht bei Baͤtaſzek beftätigt werben,
Ur. von 1441, April 2., 1. c. VII, 459, und ben Friedensſchluß mit
dem Grafen von Cilli bei Chmel, Materialien I,2, 64, und ap. Ka-
tona XIII, 150.
26 Elifabeth8 Tod und deſſen Folgen.
beiraten und erjterer als Mitgift jeiner Gemahlin für 200 000
Gulden Schlefien al8 Heiratsgut erhalten. Zur Entſchädigung
für die Auslagen, die Polen bisher zugunften Wladiſlaws
gemacht hatte, follte es nicht bloß im Beſitze Rotrußlands
und der Moldau von Ungarn nicht mehr angefochten, fondern
auch die Zips ihm bleibend überlafjen werben.
Der Annahme diefer Bedingungen widerſetzten fich indefjen
bie ungarifchen Großen, vielleicht weil fie die Wahl und Krönung
Wladiſlaws nicht für ungültig erklären laſſen, vielleicht weil fie
auf die von Polen in Befig genommenen Länder nicht dauernd
verzichten wollten. Es blieb daher nichts übrig, als neue
Grundlagen für den Frieden zu juchen. Wieder machte Kardinal
Julian den Vermittler und brachte es endlich dahin, daß
Wladislaw felbit fi) um den 25. November zu Elifabeth nach
Raab begab, um mit ihr perfönlich zu unterhandeln. Der
Verkehr der Königin mit ihrem jungen und liebenswürbdigen
Gegner wie die Zureden des Karbinald blieben auf fie nicht
obne Einfluß. Wieder kam eine Einigung zujtande, deren Be
dingungen wir leider nicht Tennen. Wir haben nur die Ver
fiherung Eliſabeths, daß fie die Nechte ihres Sohnes nicht
verfürzen und fchädigen wolle !). Schon war in der Domkirche
von Raab der Abſchluß des Friedens in ungarilcher, polnischer
und deutfcher Sprache feierlich bekannt gemacht, als Elifabeth
infolge einer Dyſenterie und eines Unterleibsleidend, das fie
ven Arzten verbeimlicht Hatte, nach Furzer Krankheit am
19. Dezember 1442 aus dem Xeben fchieb.
Nach Elifabeth8 Tode traten wohl mehrere ihrer bisherigen
Anhänger auf die Seite des Königs Wladiflaw über. Allein
die hervorragendften, wie der Erzbilhof von Gran, Ladislaus
1) Schreiben der Königin Elifabeth an bie Stabt Presburg, bat. Raab,
17. Dez. 1442, in „Quellen und Forſch.“, S. 222. Dlugosz, 1. XII,
col. 7698qq., unfere einzige Quelle für die Verhandlungen zwifchen Wla⸗
diſlaw und Efifabeth, giebt leiver die Friedensbedingungen nicht an. Nach
col. 771 war einer ber Punkte auch jet die Vermählung Wlabiflams
mit Eliſabeths Älterer Tochter, während nad Aeneas Sylvius ap.
Kollar II, 116 Eliſabeth felbft den König heiraten follte.
Die Parteien in Böhmen. 27
Sara und Gisfra von Brandeis, hielten an der Idee des
Erbrechtes des jungen Ladislaus feit und wendeten fih um
Hilfe an deſſen Vormund, den König Friedrich. Dieſer brachte
auch Raab durch Zahlımg von 3000 Dukaten an die Komman-
banten in feine Hände. Aber wie er fich nie zu einem ener-
giſchen Handeln aufraffen konnte, jo that er auch in Ungarn
für Ladislaus nichts. Es gelang daher dem Kardinal Cefarint,
befien Ziel immer ein großer Türlentrieg war, ihn im Sommer
1443 zur Anknüpfung von Verhandlungen zu bewegen, bie
endlich zum Abſchluſſe eines zweijährigen Waffenſtillſtandes
zwiichen Friedrich und Wlabiflam und deren Anhängern auf
Grundlage des augenblidlichen Beſitzſtandes führten !.. Der
größte Zeil von Ungarn war fo für das Haus Habsburg
verloren.
Nicht viel beffer Tagen die Dinge in Böhmen ?).
Die beiden Hauptparteien, bie Kufitiich- nationale unter
Ptacek und die öfterreichifche unter Roſenberg und Meinhard
von Neubaus, ſtanden fich auch jet noch gegenüber, aber jene
hatte fonverbarerweile ihren Kandidaten Kaſimir von Polen
gerade jetzt fallen laffen, wo ibm burch den Tod feines Gegners
Albrecht von Dfterreich der Weg zum Throne geebnet fchien.
Ptacek und feine Sejinnungsgenoffen wollten jett nur über-
haupt einen König, der fich verpflichtete, die Prager Kompaktaten
in dem Sinne, den fie ihnen beilegten, dem Papfte und dem
Konzil gegenüber zur Geltung zu bringen und die Anerkennung
Rokycanas als Erzbiihof von Prag durchzufegen. Die un⸗
bejtreitbaren Rechte der Königin Elifabeth ignorierten fie voll⸗
ftändig. In diefer Beziehung nahm aber auch die dfterreichtiche
1) Beurkundet haben Friedrich III. und fein Bruder Albrecht biefen
Waffenftilftand erfi am 21. Mai 1444. Chmel, Reg. Frid. III., p. ıxı.
Doch ift er offenbar ſchon früher verabrebet worden, wie ja auch Giskra
mit dem Biſchofe Simon von Erlau als Bertreter des Königs Wladiſlaw
ihon am 1. Sept. 1443 bis 29. Sept. 1444 auf Baſis des gegenwärtigen
Beſitzſtandes einen Waffenftiliftand ſchloß. Teleki X, 135. Vgl. über
die Verhandlungen mit K. Friedrich Fepler- Klein II, 476ff.
2) Balady IV,1, 3ff.
28 Sorge für den Landfrieben.
Partei eine jehr zurüdhaltende Stellung ein. Nur die Schlefier
blieben dem Prinzip der Legitimität treu. Beſonders die Bred-
lauer wiejen die Lodungen des Könige Wladiflaw, der fie nach
Albrechts Tode zum Anfchluffe an Polen bewegen wollte, ener-
giſch zurüd 1).
In Böhmen einigten ſich auf einem allgemeinen Landtage
im Januar 1440 beide Parteien im „Friedensbriefe“ (list
mirny) dahin, daß die Kompaltaten und die Verjchreibungen
des Kaiſers Sigmund von allen gehalten und die Beftätigung
Rokycanas angeftrebt werden follte. Zugleich wurden mehrere
Streitigkeiten zwiſchen einzelnen Adeligen beigelegt und ber
Grundſatz ausgeſprochen, daß alle Tehden und Feindſeligkeiten
aufhören follten. Da aber für die Zeit, wo Böhmen feinen
König hatte, fogar die Gewalt ber oberften Landesbeamten
außer Wirkſamkeit geſetzt warb, fo blieb bie Herftellung des
Landfriedens den einzelnen Kreifen überlaſſen. Es wurden denn
auch im Laufe des März von den verjchievenen Kreisverfanm-
lungen entjprechende Anordnungen getroffen. Jeder Kreis wählte
einen Hauptmann und gab biefem einen Rat bei, mit dem er
alle Streitigkeiten fchlichten und Landfriedensbrecher beitrafen
jollte. Bier eifrig huſitiſche Kreife im Oſten jchloffen unter
fih noch einen befonderen Bund und wählten Heinrich Ptacel
zum Oberhauptmann, deſſen Macht und Einfluß dadurch noch
mehr ftiegen. Die Vornahme der Königswahl wurde auf ben
nächften Landtag verfchoben. Denn man batte fich nicht Bloß
über einen Kandidaten nicht verftänbigen können, ſondern war
nicht einmal darüber einig, wer den König zu wählen babe,
ob die Böhmen allein ober auch Vertreter der Nebenländer,
ob nur der Herrenftand ober auch die Nitter und Stäbte.
Eine Königswahl war eben in Böhmen etwas ganz Neues, da
e8 fich bei den bisherigen fogenannten Königswahlen immer
nur um die Anerkennung des zum Throne Berechtigten durch
den Landtag, alſo um eine Art Huldigung, gehandelt Batte.
1) H. Ermifd, Mittel- und Nicderfchlefien während ber königloſen
Zeit 1440—1452. „Zeitfehr. f. Geſch. Schlefiens”, XII, Afl.
Wahl H. Albrechts von Baiern. 29
Unterdeſſen gebar bie Königin Elifabetb einen Sohn und
bat nun die Böhmen, von einer Königswahl abzuftehen. Die
Schlefier, Ober⸗ und Nieber-Laufiger und ein Teil ber Mährer
leifteten auch ihr und ihrem Sohne die Huldigung !). Die
Böhmen aber ließen fich von ihrem Vorhaben nicht abbringen.
Nach langen und hitigen Streitigleiten über bie Srage, wem
das Necht der Königswahl zuftehe, ernannte der Landtag amt
15. Juni 1440 zur Vornahme derjelben einen Ausihuß von
18 Herren, 14 Nittern und 14 Vertretern der Städte, denen
dann noch der gewählte Erzbilchof Rokycana beigejellt wurde.
Bei den Beratungen des Ausjchuffes betonte zwar Ulrich von
Roſenberg die Rechte der Königin Eliſabeth und ihres Sohnes
und wies auch auf die Anjprüche der übrigen Habsburger in-
folge der früheren Erbverbrüderungen mit Böhmen Hin. Aber
es drang auch bier die Anficht Ptaceks durch, daß man dem
Lande einen König geben müſſe, welcher der Negierung gewachfen
fei, und daß es für Ladislaus genüge, wenn er einft als Mann
zur Regierung gelange. inter den verjchiedenen Fürjten, die
als Kandidaten in Vorſchlag gebracht wurden, famen der König
Wladiſlaw von Polen, für den die Zaboriten eintraten, ber
bejahrte Kurfürft Sriedrih von Brandenburg und ber Herzog
Albrecht von Baiern⸗München ernftlich in Betracht. Für ven
Vettgenannten wurde beſonders geltend gemacht, daß er einft
am Hofe König Wenzeld fi) die Kenntnis der böhmijchen
Sprache und Sitten angeeignet hatte. Er wurde denn auch
sach mehrtägigen Beratungen beinahe einjtimmig zum Könige
gewählt; ſelbſt Ulrich von Roſenberg batte für ihn geftimmt.
Dan wollte von ihm faſt dieſelben Bedingungen verlangen, die
man einſt an Albrecht von Dfterreich geftellt hatte, namentlich
auch die Einverleibung feines baieriſchen Anteild in das Reich
Böhmen fordern.
1) Nah Elifabeth8 Schreiben, dat. 27. Auguft 1440, bei Freyberg,
Sammlung Hifl. Schriften III, 67, wo eine Anzahl wichtiger Aktenftüde
„Zur Geſch. der Wahl Herzogs Albreht von Baiern zum König von
Böhmen” abgebrudt if. Vgl. auch Chmel, Friedrich IV., II, 26ff.
52 ff.
32 Neue Angriffe der Türken.
opponierte nie einem Beſchluſſe des Landtags zugunſten
Rokycanas und entwarf fogar jelbft das Geſuch, welches die
Stände im November 1446 an den Papſt richteten, um bie
Beitätigung desfelben wie der Kompaktaten zu erwirfen. Aber
im geheimen agitierte er dagegen, und gewiß nicht am wenigften
ift e8 feinen Ratſchlägen zuzufchreiben, daß der Papſt Nikolaus V.
alle religiöfen Wünſche der Böhmen ablehnte und der von ihm
im Frühjahr 1448 nach Prag geichicte Kardinal Carvajal bie
Utraquiften durch fein fchroffes Auftreten erbitterte. Freilich
verlor Roſenberg infolge feiner rein negativen Bolitif und
feiner Doppelzüngigfeit in Böhmen immer mehr an Anfehen,
und e8 wuchs dagegen der Einfluß Georgs von Podiebrad,
der nach Ptaceks Tode im Jahre 1444 in einem Alter von
erit vierundzwanzig Jahren von den eifrigeren Utraquijten als
Führer anerkannt worden war. Aber das erreichte Roſenberg
wenigftens, daß bis zum Jahre 1448 feine wefentliche Änderung
der Verhältniffe eintrat und daß, wenn auch das Haus Habe-
burg ‚nicht in den Beſitz Böhmens gelangte, wenigitend fein
anderer zum Könige gewählt warb.
Unterdeifen war in Ungarn durch den Untergang des Königs
Wladiſlaw eine vollftändige Anderung der Verbältniffe ein-
getreten.
Nah der Einnahme von Semendria im Sommer 1439
hatten die Türken Serbien erobert und Bosnien in noch größere
Abhängigkeit gebracht. Im Frühjahr 1440 griff Murad IL
Delgrad an, die einzige Stadt, die ihm den Weg nach Ungarn
noch veriperrte. Zu Waſſer und zu Lande wurde die Fejtung
bebrängt. Große Belagerungsmaſchinen ſchleuderten ungeheuere
Steine, um die Mauern niederzuwerfen und den Sturm zu
ermöglichen. Aber der Feſtungskommandant Johann von Tallovac
oder Thalldcz, Prior von Vrana, ein Bruder des Bands von
Kroatien, leitete Die Verteidigung mit folder Umficht, daß alle
Anftrengungen der Türken vergeblih waren. Die von ben
Ungarn zum erftenmale gebrauchten Kanonen, deren jede mit
fünf oder zehn Kugeln geladen wurbe, riffen beveutende Lücken
in die Reiben ber Belagerer. "Ein letter Verſuch des Sultans,
Herkunft Iohann Hunyabys. 83
durch Ausfüllung des Grabens mit Holz den Mauern nahe zu
fommen, wurde baburch vereitelt, daß Thalldczy während der
Nacht heimlich Pulver auf das Holz werfen und dann während
bes folgenden Sturmes anzünden ließ, ſodaß die herandringenden
Teinde elend verbrannten. Nach jechsmonatlicher Belagerung
mußte der Sultan von Belgrad abziehen, vor deſſen Mauern
er 17000 Mann verloren haben fol. Doc hatten die Türken
auf einem gleichzeitigen Streifzuge aus Stebenbürgen wieder
zahlreiche Bewohner weggeführt ?).
Im folgenden Jahre übertrug König Wladiflaw die Ver-
teidigung der üblichen Neichögebiete, welche von den Türken
häufig verbeerend heimgeſucht wurden, den beiden Banen Johann
Hunyady und Niklas Ujlaky, die er zur Belohnung für ihren
Sieg bei Bätafzet auch zu Woywoden von Siebenbürgen er-
nannt hatte. Erfterer war nicht von vornehmer Herkunft, der
Sohn eined Walachen Namens Woyf, ber in die ‘Dienfte des
Königs Sigmund getreten, an deflen Hofe Ritter geworden war
und von ihm im Jahre 1409 mit feinem Sohne Johann und
anderen Verwandten bie Burg Hunyad im ſüdweſtlichen Sieben⸗
bürgen erhalten hatte. Johann, der von diefer Burg ben
Namen führte, hatte fih ſchon im Dienfte Sigmunds und
Albrechts II. in den Kriegen gegen die Böhmen und Türken
jo hervorgethan, daß ihm noch weitere Güter geichenkt und er
zum Ban von Severin oder Zewrin an der gefährdeten Süd⸗
grenze ernannt worden war ?).
1) Die Beweiſe hierfür wie für die Kämpfe ber folgenden Jahre in
meiner Abhandlung: „Die Kriege zwifhen Ungarn und ben Türken
1440-1443, kitifh unterfuht”, Wien 1886. Sep.-Abbrud aus dem
„Archiv f. öfterr. Geſch.“ LXVIII, 159 ff.
2) Url. 8. Eigmunds von 1409 ap. Fejer X, 8, 492, 8. Wla-
biflaws von 1440 bei Teleki X, 89, und K. Labislaus’ von 1453
ibid. X, 347 qq. Die waladifhe Herlunft Hunyadys wird von gleich-
zeitigen Schrififtellern, Aeneas Sylvius ap. Freher-Struve II, 86
(natione Valachus fuit, haud altis natalibus ortus), der „Eillier Ehronit“,
herausgegeben von Krones, S.102 („aus dem landt Walachey pürtig
und eines geringen rittermessigen geschlechts), ſelbſt Thwrocz 1.IV,
. Huber, Geſchichte Öfterreichs. II. 3
3 Hunyadys Siege Über die Türken.
Hunyady, zum Krieger geboren, kämpfte auch jett gegen
die Türken mit großem Glücke. Schon im Jahre 1441 brachte
er dem Anführer der türkifchen Streitkräfte in Serbien, Iſak
Deg, der ihn bei der Heimkehr von einem Streifzuge angriff,
unweit Belgrad eine Schlappe bei. Im folgenden Sabre brach
Meſid Beg, der Anführer der türkifchen Truppen in Europa,
mit denſelben in Siebenbürgen ein, das in gewohnter Weile
auf das furchtbarfte verwüftet wurde, und drang bis Weißen-
burg (Karlsburg) vor. Hunyady, der gerade in Siebenbürgen
war, zog den Feinden mit einer in Eile geſammelten Zruppen-
char entgegen, fiel aber am 18. März bei Maros⸗ſzent⸗Imre
nördlich von Weißenburg in einen Hinterhalt und warb durch
die weit überlegenen Dsmanen von allen Seiten eingeſchloſſen.
Nur mit empfindlichen Verluften vermochte er fich zu retten.
Der fiebenbürgifche Biſchof Georg Lepes, der beim Überjegen
eines Baches vom Pferde ftürzte und in die Hände der Türken
fiel, warb enthauptet. Neich mit Beute und Gefangenen be-
laden ſetzte Mefid Beg die Verheerung Stebenbürgens fort.
Aber Schon nach einigen Tagen wurde er von Hunyady, der
unterdefien größere Kräfte gefammelt hatte, in der Nähe bes
früheren Rampfplates angegriffen und gefchlagen und auf der
Flucht mit feinem Sohne felbft getötet. Beute und Gefangene
wurden den Türken wieder abgenommen. Diejer Sieg Hunyadys
bewog den waladhiichen Woywoden Draful, von den Odmanen
abzufallen und dem ungarifchen Könige die Huldigung zu leiften.
Auch ein neues türkiſches Heer, das, angeblih 80000 Dann
jtarf, unter Schehabeddin Pafcha, um die Niederlage des eriten
zu rächen, noch im Sabre 1442 die Walachei furchtbar ver-
wüſtete und von da in Siebenbürgen einfallen wollte, war
nicht glüdlicher. Hunyady zog demfelben, ehe e8 noch die
cap. 30, p. 242 (nobili et claro Transalpinae gentis de gremio natus
etc.) übereinftimmend bezeugt, follte alfo von ben Ungarn nit mehr
beftritten werben. Spätere Schriftfteller nennen ihn Corvinus, wahr-
fcheinlich nach feinem Wappen. Spätere Sagen und Erbichtungen über
Hunyadys Herkunft befprehen Teleki I, 26fj. und W. Schmidt,
Die Stammburg der Hunyade (Hermannftabt, 1865), ©. 64ff.
Thätigfeit des Karbinals Eefarini. 85
Rarpaten überjchritt, mit den von ihm gefammelten Truppen
entgegen, griff e8 an und brachte ihm eine entjcheidende Nieder⸗
lage bei.
Hatte Hunyady nur mit einem Zeile der Kräfte Ungarns jo
glänzende Erfolge errungen, jo konnte man das Größte, viel-
leicht jogar die Vertreibung der Osmanen aus Europa, hoffen,
wenn man diefen die ganze Macht beider Neiche Wladiflams
entgegenjtellen Tonnte. Daher das Streben des Starbinals
Sultan Cefarini, in Ungarn den Frieden herzuftellen, eine Aus-
ſöhnung zwilchen Wladiſlaw und feinen Gegnern oder wenigftens
eine längere Waffenruhe herbeizuführen. „Zag und Nacht vente
ih an nicht anderes, als an ben Trieben dieſes Reiches und
an den Krieg gegen die Türken“, ſchreibt er am 28. Juni 1443
an den. König Friedrich '). Flammende Worte richtete er an
den König Wlabiflam und feine Räte wie an bie ungarifchen
Stände, welche bald nad Neujahr und wieder im Juni in Ofen
verjammelt waren. Die Hilfe des Papftes und der Ehriften-
- heit jtellte er den Ungarn in Ausfiht. Ihn unterjtügte auf
das Fräftigfte der vertriebene Georg Brankovich, der Serbien
wieder zurüdgewinnen und die Blendung und Entmannung
zweier feiner Söhne am Sultan rächen wollte Briefe, die
aus Raguſa und von Hunyady aus Belgrad eintrafen ?),
mußten die Kampfluft der Ungarn noch mehr entflammen.
Der Sultan, jchrieb letterer an den Defpoten von Serbien
auf Grund der Ausfagen eines Spions, jet durch die Söhne
bes Fürften von Karaman in Kleinafien dreimal befiegt worben
und auf einer Infel, auf die er fich geflüchtet, geftorben, fein
Sohn ohne Macht, Alien bis Brufa in den Händen der Fürjten
bon Karaman, die europäifchen Provinzen nur jchwach bejegt,
ſodaß, wenn die Ungarn mit 30000 Reitern in Serbien ein-
rüdten, die Türken alle Gebiete bis zum leere freiwillig
räumen würden.
In der That wurde vom ungarifchen Reichstage der Krieg
1) Chmel, Materialien L,2, 113.
2) Abgedrudt a. a. ©. 1,2, 114 ff.
3*
86 Angriffstrieg der Ungarn.
gegen bie Türken bejchlofien. Am 22. Juli 1443 brach ber
König, begleitet vom Kardinal Iulian und dem ‘Defpoten Georg,
von Dfen nach dem füdlichen Ungarn auf, wo ſich ihm Hunyady
mit feinen Leuten anfchloß. Das Heer fol nur 25000 Reiter
und Bogenjchügen gezählt haben, war jedenfalls nicht ſehr ftark.
Denn die Ungarn hatten, ba es fih um einen Angriffsfrieg
handelte, nicht ihre ganzen Streitkräfte aufgeboten, fondern nur
die Anwerbung von Söldnern beichloffen, zu denen noch die
Banderien einzelner Magnaten, Polen, Hilfsvölker des walachi⸗
ſchen Woywoden Wlad oder Drakul und einige Kreuzfahrer
kamen. Eine tiefere Bewegung hatten die Kreuzprediger nirgends
hervorgebracht und auch die Bemühungen, die Unterſtützung des
Königs Friedrich III. zu gewinnen, waren erfolglos geweſen.
Denn diefer mußte mit Recht Bedenken hegen, zur Vermehrung
der Macht und des Anſehens eines Türften beizutragen, der
feinem Vetter und Mündel die ungarifche Krone entrifjen hatte.
Deffenungeachtet nahm der Feldzug anfangs den günftigften
Berlauf. Langfam, aber unaufbaltfam drang der König von
Belgrad wahrfcheinlich über Kragujewag nach Krufchewat vor.
Da ſich nirgends ein größeres türfifches Heer zeigte und eine
Kleinere feinpliche Abteilung, auf die man ftieß, leicht befiegt
wurde, jo ward Hunyady vom Könige mit 12000 Reitern
vorausgeſchickt, um zu rekognoszieren, ob etwa feindliche Truppen
in der Nähe wären. Auf dem VBormarjche nahm der Woywode
Niſſa ein, das geplündert und dann dem Teuer preidgegeben
ward, und befiegte nach einander brei türkifche Heeresabteilungen,
die fich wahrfcheinlich in der Nähe diefer Stabt zu vereinigen
und dann ihn anzugreifen beabjichtigt hatten. Bet ihrer Ver⸗
folgung erfuhr er, daß in feiner linken Flanke ein großes
feindliches Heer, dem fich auch die flüchtigen Truppenteile ans-
gejchloffen Hatten, gegen das Lager des Königs ziehe. Auf diele
Nachricht kehrte er um, griff die Türken troß ihrer großen
Übermaht am 3. November in der Nähe von Niffa an und
erfoht einen glänzenden Sieg, 2000 Teinde bevedten das
Schlachtfeld, 4000, darunter ein Paſcha und mehrere Begs,
wurden gefangen und mit neun erbeuteten Fahnen dem Könige
Deren Rüdzug. 87
übergeben. Diejer Sieg war auch von großer moralifcher Bes
deutung, indem er das Vertrauen der chriftlichen Bewohner der
Balkanhalbinſel zu den Ungarn erweckte. Zahlreiche Bulgaren,
Serben, Bosnier und Albanefen fchloffen fich diefen an. Ohne
daß die Türken noch irgendwo Widerſtand verjuchten, drangen
die Ungarn nun in füböftlicher Richtung über Pirot nach Sofia
vor, alle Ortichaften und Burgen zerjtörend, die Einwohner
hinmordend. Selbſt Sofia ward dem Teuer preisgegeben.
Nun ftand der König vor den Päflen des Balkan, Hinter
denen, in PBhilippopel, der Sultan ein großes Heer gefammelt
hatte. Da die kürzeſte Straße nach Thracien, durch das
Trajansthor, von den Türken durch Befeſtigungen und Verhaue
unpaſſierbar gemacht worden war, ſo beabſichtigte Wladiſlaw
dieſen Paß zu umgehen, indem er von Sofia oſtwärts bis
Slatitza oder Isladi vordrang, von wo man durch das enge
Thal der Topolnitza nach Tatar Bazardſchik jenſeits des Trajans⸗
thores gelangen konnte. Aber auch dieſer Paß war von den
Türken befeſtigt und ſtark beſetzt worden. Die Ungarn ſuchten
ihn mit Gewalt zu nehmen und kämpften den ganzen Weih⸗
nacht8abend, um fich den Durchweg zu erzwingen. Aber troß
ihres Heldenmutes vermochten fie die Türken, welche bier alle
Vorteile des Terrains für fich Hatten, nicht von den Höhen
zu vertreiben. ‘Da zugleich der Mangel an Lebensmitteln bei
den Ungarn mit jevem Tage drüdenvder ward, jo blieb nichts
übrig, als den Rückzug anzutreten.
Der Anführer des türkifchen Heeres Kafım, Beglerbeg von
Europa, verfolgte die Ungarn, wurde aber bei Kunowitza
zwijchen Ak Palanla und Niffa durch Hunyady angegriffen und
geichlagen und mit mehreren Unteranführern, darunter Mahmud
Zichelebi, dem Schwager des Sultans, felbit gefangen. Deſſen⸗
ungeachtet wurde bei ver vollftändigen Erichöpfung des Heeres
der Rückzug nach Ungarn fortgeſetzt. Vergebens waren bie
Bemühungen des jerbilchen Deipoten, duch das Angebot einer
boben Geldſumme den König zum Überwintern in Serbien
und zur Fortführung des Kampfes zu bewegen, um fein Land
wieder zu erobern. Nachdem die untauglichen Pferde getötet,
58 Triedensanträge des Sultans.
bie Zelte und Wagen, die aus Mangel an ZJugtieren nicht mehr
fortgebracht werden konnten, verbrannt worden waren, 309 der
König weiter nach Belgrad und dann nach Ofen, wo er etwa
im Februar 1444 wieder eintraf.
Der Ausgang des Feldzuges Hatte zwar dem glänzenden
Verlaufe in den eriten Monaten durchaus nicht entiprochen,
da faft alle Eroberungen jchließlich wieder aufgegeben worben
waren. Aber im chriftlichen Abendlande machte ed doch einen
gewaltigen Eindrud, daß die gefürchteten Türken in zwei
Schlachten und mehreren Heineren Treffen befiegt, ein großer
Zeil ihres Reiches ohne Widerſtand durchzogen worden war.
Bon allen Seiten kamen nad Ofen Gefandte, um dem Könige
Glück zu wünſchen und ihn zur Tortfegung des Kampfes gegen
die Ungläubigen aufzumuntern. Der Papft, die Venetianer
und der reiche Herzog Philipp von Burgund verfpracen die
Abſendung von Kriegsfchiffen an den Hellefpont, um ven Über-
gang türkischer Truppen aus Aſien nah Europa zu bindern.
Obwohl die Polen ihren König dringend baten, endlich auch
feinem zerrütteten Erbreiche einige Aufmerkſamkeit zu fchenten,
und Giskra noch immer brobend in Oberungarn ftand, fo
beichloß boch der Neichötag in Dfen Ende April die Wieder»
aufnahme des Krieges und die Erhebung einer Steuer zu diefem
Zwede.
Da Tamen vom Sultan die günftigjten Friedensanträge.
Auf Murad Tonnten die Siege, welche die Ungarn in den
letten drei Jahren erfochten hatten, und die Nachricht von ben
Rüſtungen der Abenbländer zur See nicht ohne Eindrud bleiben.
Da in Kleinafien der Fürft von Karaman noch immer wider-
itand und kurz vorher auch faft ganz Albanten unter Anführung
bes Fürften von Croja, Georg Eaftriota oder Skanderbeg, ſich
erhoben und einem türkiſchen Heere eine blutige Niederlage bei-
gebracht hatte, jo fühlte er die Notwendigkeit, einen Zeil der
Beinde zur Ruhe zu bringen, um unterbefjen die übrigen nieber-
zuwerfen. Schon am Beginn dieſes Jahres, ald Wladiflaw
noch auf ferbiichem Boden ftand, fcheint er dieſem Friedensanträge
gemacht und die Herausgabe Serbiend wie die Fretlafjung der
Zebnjähriger Waffenſtillſtand. 39
geblendeten Söhne des Deſpoten Georg angeboten zu haben.
Georg jcheint dann die Unterbandlungen weitergeführt und auch
Hunyady für einen Frieden gewonnen zu haben. ‘Denn bie
Bedingungen, zu welchen der Sultan fich herbeiließ, fchienen in
der That günjtig. Er wollte Serbien mit allen Feſtungen von
Semendria und Golubag im Norden bis Novo Brdo und
Zelenigrad im Süden und den früher zu Serbien gehörigen
Teil Albaniend an Georg Brankovich zurücgeben, !) und bie
Dberhoheit Ungarns über die Walachei anerkennen, obwohl die
Fürſten beider Länder zugleich auch dem Sultan Tribut ent
richten jollten. Er wollte weiter für die Freigebung jeines
Schwagers und der andern Gefangenen 100000 Dukaten zahlen
und ſich verpflichten, dem Könige Wladiſlaw für jeven Krieg
25000 Dann zubilfe zu ſchicken 2). Auch den Ungarn jchienen
dieſe Bedingungen vorteilhaft. Auf einem Reichstage in Sze—
gedin um die Mitte des Juli ?) nahmen die geijtlichen und
weltlihen Großen mit dem Könige den Antrag des Sultans
an und jchloffen einen zehnjährigen Waffenftillftand, der von
beiden Seiten bejchworen wurde.
Wenige Tage darauf trafen von den Admiralen der chrift-
lichen Flotte Schreiben ein, welche meldeten, daß fie am Helle-
ſpont angelommen ſeien und Sorge tragen würden, die Rüd-
1) Dadurch mußte auch Bosnien von den Türken völlig frei werben.
Die Anerkennung der Herrfchaft Ungarns führt in ber That K. Ladislaus
in Urk. von 1453 ap. Katona XII, 878 als Folge der Siege von
1443 an. Nah Urt. des Königs Stephan Thomas (Sohns bes früheren
Königs Oftoja, der im Februar 1444 auf Tiwartfo II. gefolgt war) für
Hunyady vom 3. Juni 1444 bei Spieß, Aufflärungen, ©. 263, bat
benjelben K. Wlabiflaw in regem.... regni Bosne sollenniter instituit
et confirmarvit.
2) liber die Bedingungen vgl. mit Dlugosz 1. XU, col. 788sq,,
ber bierfür Hauptquelle if, Caro, Geſch. Polens IV, 339.
3) Daß dies erft am 1. Auguft gefhehen fei, ift doch nicht möglich,
wenn, wie Dlugoſz berichtet, der Bruch dieſes Friedens am 4. Auguft
damit begründet worden ift, daß bie Türfen die Bedingungen noch nicht
erfüllt hatten, obwohl ſchon zwanzig Tage verfloflen waren. Am 11. Juli
urtundet aber 8. Wladiſſlaw noch in Ofen. Chmel, Materialien I,2, 140.
4 Bruch des Waffenftillfiandes durch die Ungern.
kehr des Sultans, der ſich zur Bekämpfung des Fürften von
Karaman nach Kleinafien begeben hatte, zu hindern. Es jet
daber leicht, daS von Truppen entblößte Europa ganz von den
Türken zu befreien, wenn der König Wladiflaw rafch mit einem
Landheere nach Numelien ziehe. Auch der griechifche Kaifer
Johannes fchrieb in ähnlicher Weile, warnte vor einem Frieden
mit den treulojen Türken und ftellte jeine Unterftügung in
Ausfiht. Der Kardinal Julian, der durch den Frieden von
Szegedin das fchönjte Ziel feines Lebens, die Vernichtung der
Türkenherrſchaft, zerftört ſah, feuerte den ſanguiniſchen und
Hlaubenseifrigen König, auf den dieſe Briefe nicht ohne Ein-
drud geblieben waren, noch mehr zur Wiederaufnahme des
Krieges an. Er erllärte, Wladiflam babe gar nicht das Necht
gehabt, ohne Zuſtimmung des apoſtoliſchen Stuhles und binter
dem Rüden feiner Bundesgenofjen mit den Ungläubigen Frieden
zu ſchließen, und löfte ihn zur Beruhigung feines Gewiſſens
von dem Eibe, den er den Türken geleiftet hatte. Am 4. Auguft
ſchworen ver König und feine Großen einen neuen Eid, daß fie
am 1. September mit einem Heere in der Gegend von Orſova
fein und dann ungefäumt nach Rumelien vordringen würden,
um die Türken noch in dieſem Jahre aus Europa zu vertreiben.
Nicht am erften, fondern um den 24. September überjchritt
der König unterhalb Belgrad die Donau, um durch Das türfilche
Neich nach Gallipoli und Konftantinopel vorzudringen. Sein
Heer war noch Heiner al8 im vorigen Jahre. Die Polen,
welche die ihrem Lande jo nachteilige Bolitif Des Königs nicht
billigten, batten ſich fajt ganz fern gehalten. Auch von ben
ungarifhen Großen waren die meiften zuhaufe geblieben. Ein
Haufe Kreuzfabrer fiel nicht ins ©ewicht. Nur 16000 Weiter
hatte Wladiflaw unter feinem Kommando, bie aber nicht weniger
als 2000 Wagen zus Führung des Proviants und zur Weg-
bringung der Beute mit fich hatten. Georg von Serbien, zu-
frieven mit der Wiedergewinnung feines Reiches, wollte deſſen
Beſitz nicht Durch einen neuen Krieg mit den Türken auf das
Spiel fegen. Er verjagte nicht bloß dem ungarijchen Könige
jede Unterftügung, ſondern benachrichtigte auch den Sultan
Bormarfch bis ans Schwarze Meer. 4
von dem Friedensbruche desfelben und verweigerte dem Georg
Caftriota, der ein Hilfsheer von 30000 Mann in Ausficht
geftellt Hatte, den Durchzug durch fein Land.
Deffenungeachtet drang Wladiflaw, trauend den trügerifchen
Beriprechungen und von einem böjen Verhängniſſe getrieben,
raſch vorwärts. Schon am 6. Tage ftand er bei Widdin, mit
befien Belagerung er fich nicht aufhielt, am 26. vor Nikopolis,
deſſen Vorftabt nievergebrannt wurde. Hier ftieß der walachifche
Woywode Drakul mit 4000 Reitern zu ihm, ſodaß das Heer
jest 20000 Dann zählte. Bon da zog man über Schumla
und Pravadi, deren Burgen erjtürmt wurden, oftwärtd nad)
Barna, wo man am 9. November anlangte. Denn um ben
Päſſen des Balken auszuweichen, hatte man beichloffen, das
ganze Gebirge zu umgeben und längs der Küfte des Schwarzen
Meeres an den Boſporus vorzudringen.
Schon am Abend des folgenden Tages ſahen die Chriften
in geringer Entfernung die Lagerfeuer eines feindlichen Heeres.
Murad hatte auf Die Nachricht vom Friedensbruche des ungarifchen
Königs fchnell Friede mit dem Fürſten von Karaman geſchloſſen
und troß der chrijtlichen Flotte, die den Helleſpont bewachte,
mit feinen Truppen, 40000 Dann, den Übergang nach Europa
bewerkitelligt, indem er unbemerkt von berjelben auf Kauffahrtei⸗
ſchiffen *) zwiichen Konftantinopel und dem Schwarzen Deere
über den Bosporus feste. Nachdem er in Europa noch weitere
Verſtärkungen an fich gezogen Batte, zog er über den Balkan
gegen Nikopolis, und als er bier die Chriften nicht mehr fand,
Hinter diefen ber bi8 vor Varna. So ſah ſich das chriftliche
Heer in der übelſten Lage, vor fich eine weit überlegene feind-
liche Armee, hinter fich das Meer. Es blieb nichts übrig, ale
den Kampf mit den Türken aufzunehmen, zu fiegen over ebren-
voll unterzugeben. _
Am 10. November 1444 kam es bei Varna zur Schlacht.
Hunyady Hatte auf dem linken und rechten Flügel die Ungarn,
1) Es follen genuefifhe Kaufleute gewefen fein, die gegen gutes Gelb
ihre Schiffe dazu bergegeben haben.
42 Die Schladht bei Barna.
auf legterem auch, das Häuflein Kreuzfahrer unter dem Kardinal
Sultan aufgejtellt, in der Mitte ftanden der König mit einer
auserlejenen Schar von Rittern aus Ungarn und Polen, und
bie Walachen. Den rechten Flügel fommandierte der Biſchof
Johann von Großwarbein, den linken Hunyady ſelbſt. Bei
den Türken ftanden in der Front die Lebensreiter aus
Europa und Afien, hinter ihnen als Reſerve die Ianiticharen,
welche durch große eijenbejchlagene Sekichilde und außerdem
durch eijerne Pfähle in ihrer Front gededt waren. Die Ge
famtftärle der Türken wird, wohl übertrieben, auf wenigitens
100000 Dann angegeben. Der rechte Flügel der Ungarn
warb von den Türken unvermutet von der Seite ber angegriffen
und in die Flucht getrieben, wobei die Bilchöfe von Großwarbein
und von Erlau (Simon Rozgonyi) den Tod fanden. Auch
die Walachen wenbeten den Feinden den Rüden. Nur eine
Heine Abteilung unter dem SKarbinal Yultan und dem Ban
von Croatien, Franko Thallöczy, leijtete, um das Banner des
heiligen Ladislaus geſchart, tapfern Widerftand. Dagegen
drangen auf dem linken Flügel Hunyady und der König unauf-
baltfam vorwärts. Die afiatifchen Weiter wurden geworfen,
der Beglerbeg Karadſcha getötet, hierauf vom Könige auch bie
Abteilung, welche das Banner des heiligen Ladislaus verteidigte,
aus ihrer Bedrängnis befreit. Hunyady bat nun den König,
eine Reſerveſtellung einzunehmen, während er jelbit den Kampf
gegen die noch widerſtehenden Weiter Europas fortjette. Nach
langem hHartnädigen Ringen ſchien fich auch bier das Glück
den Ungarn zuzuneigen. Da ließ fich der König von feiner
Umgebung, welche Hunyady die Ehre des Sieges nicht allein
genießen laffen wollte, bewegen, zum Angriffe auf die bisher
noch intakten Janitſcharen vorzugehen, hinter denen der Sultan
jelbit ftand. In dichtem Kampfgewühle ward das Pferd bes
Königs verwundet, dieſer ftürzte und bauchte unter den Streichen
und Pfeilen der Janitſcharen jein junges Leben aus. Sein
abgejchlagenes8 Haupt warb dem Sultan gebracht, der früher
auch ſchon an bie Flucht gedacht Haben und fajt mit Gewalt
zurüdgebalten worden fein jol. Der Tall des tapferen Könige
K. Wladiſlaws Untergang. 43
wirkte auch lähmend auf die Chriften, die fich bald zur Flucht
wenbeten. Hunyady machte noch einen Verſuch, den Leichnam
bes Königs in feine Gewalt zu befommen, trat aber dann
ebenfalls einen eiligen Rüdzug durch die unmwirtlichen Gebiete
des öftlichen Bulgarien an die Donau an.
Teils auf-der Flucht, teils bet der Einnahme des chrift-
lichen Lagers fanden noch viele den Tod, darunter der Kardinal
Sultan Cefarini !), der auf diefe Weife den Eidbruch jühnte,
zu dem er den jungen König verleitet hatte 2). Hunyady kam
glüdlich in die Walachei, wurde aber bier vom Woywoden
Drakul, den er früher einmal beim Könige Wlabiflam der Un-
treue bejchuldigt haben ſoll, gefangen gehalten, bis ihm vie
Drobungen der Ungarn wieder die Freiheit verichafften.
Nachdem jo der gewählte König ein tragifches Ende gefunden
hatte, wendeten fich endlich die Ungarn dem Erblönige zu, ohne
Daß übrigens deſſen Vormund, durch andere Fragen in Anfpruch
genommen, für denfelben etwas anderes als diplomatiſche Drittel
ins Feld geführt hätte.
1) Bon den Türken läßt ihn Chalkokondylas, p. 337, getötet
werben. Nach Dlugosz, col. 810, brachte ihn bei der Überfahrt über
die Donau ein Walache, der fich feines Geldes bemächtigen wollte, ums
Leben. Nah Aeneas Sylvius in verjhiebenen Briefen und Werfen
ermorbete ihn ein Ungar al8 ben Verräter des Reiches.
2) Die Quellen über die Schladht bei Barna bat Zeißberg, Ana-
Iekten, in „Zeitfchrift für die öfterr. Gymn.“ 1871, ©. 81ff., kritiſiert.
Vgl. Caro, Geſch. Polens IV, 345, N. 1. Es haben faft nur zwei
größeren Wert, Chalkokondylas, p. 323—339, ber türfifde Nach-
- richten wiebergiebt, und Dlugosz 7985qq., ober vielmehr befien von
ihm vielfach entftellte Vorlage, der Brief, den Andreas de PBalatio,
ber felbft den Zug nah Varna mitgemacht, an ben Karbinal Lubwig ge⸗
fohrieben hat, ap. Prochaska, Litterae de clade Varnensi (Lwow
1882), zuerft benugt von Köhler, ©.M., die Schlachten bei Nifopoli
und Varna (Breslau 1882). Köhler hat auch bier den Wert der ver-
ſchiedenen Duellen zu wenig gewürdigt und aus benfelben mehr heraus-
gelefen, al8 barin fteht, wenn er auch manches richtig gefehen hat.
44 Abkommen H. Friedrichs von Steiermark mit feinem Bruder Albrecht.
Drittes Kapitel.
König Friedrichs ILL. Verhältnis zu feinem Bruder. —
Die Vormundſchaft über Sigmund von Tirol. —
Krieg mit den Eidgenofjen.
Seit Friedrich im Jahre 1435 felbftändig die Regierung
von Imneröjterreich übernommen hatte, war er faſt immer in
Streitigkeiten mit feinem Bruder Albrecht VI. verwidelt, bie
nie ganz aufbhörten, jo lange dieſer lebte.
Am 13. Mai 1436 jchloffen beide Brüder unter Vermitt-
lung ihres älteren Vetters Albrecht V., vorläufig auf jechs
Sabre, eine Übereinfunft, die fich in den wefentlichften Punkten
an die Hausorbnung von 1364 anſchloß. Beide follten ihre
gegenwärtigen Befigungen wie künftige Erwerbungen ungeteilt
lafien, aber Friedrich als der ältere diejelben mit aller &e-
walt, jevoh im Namen beiver, regieren und alle Lehen ver»
leihen. Albrecht follte, wenn er nicht bei feinem Bruder wäre,
nur fo viel Gewalt haben, als diefer ihm übertragen würde,
aber mit allem Notwendigen verjehen werden, ſodaß er feiner
Würde gemäß „fürftlic und jchön* Ieben könne 2). Dieſe unter»
georpnete Stellung ließ fich Albrecht VI. aber auf die Dauer
um fo weniger gefallen, ald er von ganz anderem Charafter,
ehrgeizig und thatenluftig, verjchwenderiih und gelbbebürftig
war und das Herlommen für eine Zeilung der Verwaltung
ſprach. |
Bald bot ſich ein Anlaß zu Streitigkeiten zwijchen beiden
Brüdern, als am 24. Juni 1439 ihr Oheim Friedrich von
Zirol mit Hinterlaffung eines noch nicht einmal zwölfjährigen
Sohnes, Sigmund, aus dem Leben jchied.
1) Chmel, Materialien 1,2, 29. Bgl. Zeißberg im „Ardiv für
öfterr. Geſch.“ LVIII, 385. Das Hausgefeg von 1364 f. in biefem
Werte 11, 285f.
Friebrih wird Vormund H. Sigmunds von Tirol. 45
Die Bormundichaft über den jungen Herzog hätte nach ber
Analogie früherer Fälle wohl dem Könige Albrecht II. als dem
älteiten Gliede des Haufes Öfterreich gebührt, warb aber aus
ſchließlich als Sache der leopoldintichen Linie angejeben, welche
der Theorie nach Inneröfterreich und Tirol noch in ungeteiltem
Beſitz hatte. Indeſſen machte nicht bloß Friedrich, fondern
auch fein Bruder Albrecht darauf Anſpruch, und beide begaben
fih perſönlich nach Tirol, um ihren Forderungen größeres Ge⸗
wicht zu verichaffen. Da aber das Recht Friedrichs als des
älteren nicht zu beftreiten war, ſo erfannten die tirolifchen
Stände („Adel, Stäbte und Gerichte”) nach längeren Verband»
fungen am 28. Yult ihn als Vormund Sigismunds und als
Negenten der von deffen Vater hinterlaſſenen Gebiete an.
Jedoch geichah dies nicht bedingungslos, wie das nach dem
Tode des Erzherzogs Ernft bei der Übernahme der Regierung
Inneröſterreichs durch Friedrich von Tirol der Fall geweien
war. Die Räte des verftorbenen Herzogs, beſonders fein Kanzler
Biſchof Georg von Briren, und die tirolijchen Adeligen waren
zu partifulariftiich gefinnt, als daß fie die Vereinigung ihres
Landes mit den inneröfterreichiichen Gebieten länger, als unbe-
dingt notwendig war, zugegeben hätten, und zu fehr auf thren
Vorteil bedacht, als Daß fie nicht gefucht Hätten, ihren Einfluß
auch während der Zeit der Vormundichaft im ähnlicher Weife
zu wahren, wie das die öfterreichiichen Stände im Jahre 1406
getban hatten. Ihrer Auffafjung Hatten fich auch die Stände
angeichlojfen, die ebenfall8 in dem jungen Sigmund weniger
einen Fürften des Haujes Habsburg als den Erben ihres lebten
Landesherrn erblicdten. Diefen Anſchauungen und Betrebungen
entiprachen die Bedingungen, welche die Adeligen an Friedrich
ftellen wollten und auch die Stände zu den ihrigen machten.
Friedrich ſollte verfprechen, für eine gute Erziehung feines
Mündels zu forgen, ihn während der Vormunbichaft in ber
Luft, Die er gewohnt fei, nämlich im Innthale, wohnen zu laſſen
und ihm nad) Verlauf von vier Jahren feine Länder mit allen
Kleinodien und dem von feinem Water binterlafienen Schate
unverzüglich einzuantiworten, widrigenfalls alle Beamten ihrer
46 Neue Berträge zwifchen
Eide und Pflichten gegen ihn ledig fein und nur dem Her⸗
zoge Sigmund geborchen follten. Bei allen Verfügungen, welche
bie Berfon Sigmunds beträfen, wie bei Käufen over Veräuße-
rungen von Befigungen follte Friedrich an den Rat und bie
Zuftimmung der Anwälte oder Negierungsräte gebunden fein,
die er aus den Tirolern wählen jollte ?).
Um zu verhüten, daß etwa fein Bruder Albrecht von den
ttroliihen Ständen als Vormund und Regent anerkannt würde,
nahm Friedrich dieje Forderungen derjelben ohne jedes Sträuben
an, vielleicht freilich mit dem Hintergedanfen, fih um die Ber-
iprehungen, bie er urkundlich gemacht, wenig oder gar nicht
zu fümmern. Wenigſtens trug er kein Bedenken, fchon bet
jeiner Abreiſe aus Zirol den erjten Punkt verfelben zu ver-
legen, indem er Sigmund nicht im Innthale ließ, fondern nach
Steiermark nahm, um ihn unter jeinen eigenen Augen erziehen
zu lajjen. Auch von den reichen Barvorräten, welche fich im
Nachlaſſe Friedrichs des älteren vorgefunden hatten 2), ſoll er
fi) manches angeeignet haben.
Wurde die Forderung Albrechts VL, an der Vormund⸗
ihaft über Sigmund und den Vorteilen derjelben teilnehmen
zu dürfen, zurückgewieſen, fo jegte diefer durch DVermittelung
der tiroliihen Stände doch durh, daß ihm Friedrich am
5. Auguft bezüglich ihrer väterlichen Erbichaft viel günftigere
Bedingungen bewilligte, al8 ihm vor brei Jahren zugejtanden
1) Chmel, Materialien I,2, 53. Über die voransgehenden Ber-
bandlungen ſ. Schweygers Chronik der Stadt Hall, berausgegeben
von Schönherr, ©. 31ff. Weitläufig handeln liber diefe Verhältnifie
P. Iuftinian Ladurner, Über H. Sigmunds Vormundſchaft 1439
bis 1446, im „Archiv für Geſch. Tirols” III, 23 ff. und (mit Ignorierung
der wertoollen Arbeit Laburners) A. Jäger, Der Streit der Tiroler
Landſchaft mit Kaifer (I) Friebri III. wegen ber Vormundſchaft über
H. Sigmund von Öfterreih 1439—1446, im „Arch. f. öfter. Gefchichte”
XLIX, 89ff., und deſſen „Geſch. der landſtänd. Berf. Tirols“ II, 2, 5ff.
2) Friedrich Hinterließ außer vielen Perlen und Edelſteinen, goldenen
und filbernen Geräten und Schmuckſachen 46 Zentner 86 Pfund unge»
münztes Silber und 14500 Dulaten und 54500 rheiniſche Gulden bar.
Brandis, Tirol unter Friedrich, S. 191.
Sriedrih und H. Albredt VI. 47
worden waren. Cr follte bezüglich feines Unterhaltes nicht
mehr von der Gnade feines Bruders abhängig fein, ſondern
während der nächſten drei Jahre die Einfünfte der Herrichaften
DBleiburg, Völkermarkt, Windifchgräg, Fürſtenfeld und halb
Judenburg erhalten. Außerdem ward bejtimmt, daß er während
diejer Zeit im Namen ber übrigen Glieder der leopolbinifchen
Linie auch die Regierung des größten Teiles der Vorlande
führen und zu den Einkünften aus venjelben noch jährlich
18000 rheiniihe Gulden von feinem Bruder erhalten Jolite.
Doch iſt diefer Vertrag nicht zur Ausführung gefommen.
ALS wenige Donate darauf Albrecht V. ftarb und nun Herzog
Friedrich auch noch die Regierung von Djterreih und die Vor⸗
mundſchaft über defjen nachgeborenen Sohn erhielt, erhob fein
Bruder neue Forderungen. Er verlangte nicht bloß gleiche Tei⸗
fung ihrer väterlichen Erbſchaft einichließlich des Geldes und
der beweglichen Habe, fondern auch der Vormundſchaft über
Sigmund von Tirol und der Regierung in Ofterreih. Fried⸗
rich wies dieſes mit Hinweilung auf den Vertrag von 1436
zurüd und wollte bis zum Ablauf desjelben feinem Bruber
hödhitens eine fire Summe von 8000 Pfund Pfennigen geben.
Auch die von beiden ernannten Schiedsrichter konnten fich nicht
einigen, famen aber am 3. März 1440 auf das Auskunfts-
mittel, die Einkünfte von Inneröfterreich abjchägen zu lajjen,
von welchen dann dem Herzoge Triebrich drei Fünftel, Albrecht
zwei Fünftel zugewiefen werben follten. Unterdejjen verbitterte
fih der Streit noch dadurch, daß die Königinwitwe Eliſabeth
die Bormundfchaft über ihren Sohn Ladislaus und die Landes⸗
veriwefung in Ober- und Niederöfterreih am 10. April dem
Herzoge Albreht allein übertrug. Erſt die Erhebung Wladi⸗
ſlaws von Polen auf den ungarifhen Thron und das Vorgehen
der Böhmen wie die Weigerung der djterreichiichen Stände,
Albrecht als NRegenten anzuerkennen, machte beiden Brüdern
die Notwendigkeit Far, bem verderblichen Zwiſt endlich ein
Ende zu machen. Am 23. Auguft 1440 kam daher ein Ber-
trag zuftande, nach welchen, wie das jchon im März die
Schiedsrichter der Herzöge in Ausficht genommen hatten, Als
48 Das Emportommen ber Cillier.
brecht zwei Fünftel der regelmäßigen Einkünfte von Inner⸗
öſterreich und zur Sicherſtellung derſelben beſtimmte Städte
und Schlöſſer erhielt ?).
Zufriedengeftellt war Albrecht VI. freilich auch jet noch
nicht, ja von Ehrgeiz und Abneigung gegen feinen Bruder ges
trieben nahm er feinen Anſtand, fih mit den Grafen von
Cilli zu verbünden, während e8 für Öfterreich eine Frage von
größter Wichtigkeit war, das Emporkommen biejes immer mäch-
tiger werdenden Gefchlechtes zu hindern. Nachdem Karl IV.
im Sabre 1372 die im Süden der Steiermarf reich begüterten
Herren von Sanned auf Bitten der Herzoge von Ufterreich
zu Grafen von Cilli gemacht und ihnen ihre Befitungen als
Reichslehen verliehen hatte, erhob Kaiſer Sigmund 1436 feinen
Schwager Friedrich von Eilli und deſſen Sohn Ulrih in den
Neichsfürftenftand und verlieh ihnen für die Grafichaft Cilli
und die feit 1420 infolge eines Erbvertrags damit vereinigten
Grafichaften Ortenburg und Sternberg in Kärnten alle Rechte
der übrigen NReichsfüriten.
So ftanden die Eilfier mit ihren Gebieten nicht mehr unter
ben Herzogen von Ofterreich, fondern benfelben gleichberechtigt
gegenüber, und es war dies um fo gefährlicher, als fie jeit
der Vermählung Sigmunds mit Friedrihs Schweiter auch im
jünweltlichen Ungarn ausgebehnte Gebiete erworben hatten. Ver-
gebens waren alle Bemühungen des Herzogs Friedrich, biejen
Alt des Kaiſers rüdgängig zu machen oder troß desſelben bie
Landeshoheit über die Gebiete der Eillier zu behaupten. Nicht
bloß Sigmund, ſondern wie es fcheint, auch Albrecht IL. war
aus verwandtichaftlichen Rückſichten dieſen gewogen. Wahrjcheinlich
noh im Jahre 1439 kam es zu Yeinbfeligfeiten, wobei bie
Zruppen der Eillier unter Führung des Böhmen Ian Witg-
1) Die Verträge zwiſchen H. Friedrich und Albrecht VI. bei Chmel
II,2, 56. 75—80. 82. Bgl. die Attenftüde ap. Kollar, Analecta II,
834sqg., bei Birk in „Quellen und Forſchungen“, ©. 237ff. und dazu
Zeißberg, Der öſterr. Erbfolgeftreit 1457—1458, im „Arch. f. öfterr.
Gef.” LVIII, 42ff.
Verhältnis K. Friedrichs zu denfelben und zu feinem Bruber. 49
we mehrere Burgen eroberten und zerftörten. Erſt nachdem
Elifabeth von Ungarn mit dem Könige Friedrich fich geeinigt
batte, vermittelte fie auch einen Waffenftillftand zwiſchen diefem
und den Grafen von Cilli. Als diefer im Frühjahr 1442 zu
Ende ging und Friedrich um biefelbe Zeit aus Öfterreich zur
Königsfrönung an den Rhein zog, fchloß Albrecht VI., der
ichon früher den Eilliern nahe geitanden, am 13. Mai mit
ihnen ein fürmliches Bündnis, das ausdrüdlich auch gegen feinen
Druder gerichtet war. Im Juni machten ihre Truppen einen
Einfall in Krain, wo fie aber weber Yaibach noch Rudolfswerth
einzunehmen vermochten. 1). Deſſenungeachtet gewährte Friedrich
nach feiner Rückkehr aus dem Reiche fowohl feinem Bruder als
auch den Grafen von Cilli günftige Friedensbedingungen. Dem
erjteren überließ er am 30. März 1443 für die nächſten zwei
Jahre die Hälfte aller Einkünfte von ven inneröfterreichtichen
Gebieten 2). Am 16. Auguft jchloß er auch mit den Grafen
Friedrich und Ulrih von Cilli Frieden und ein Bündnis und
erlannte ihre Erhebung in den Neichsfürftenitand ar. Ulrich
wurde dann vom Könige fogar in feinen Rat aufgenommen.
Dagegen ließen fich die Eillter zu einem Erbvertrage mit Oſter⸗
reich herbei, nach welchem im Talle des Ausfterbens ihres
Mannesſtammes ihre in Deutjchland gelegenen Befigungen an
die Habsburger, wie im umgefehrten Falle ein großer Teil
der öfterreichifchen Gebiete in Krain und Iſtrien an fie ober
ihre Nachkommen fallen ſollten ?).
Auf die Nachgiebigfeit Friedrichs gegen feinen Bruder und
bie Grafen von Cilli mögen die Pläne, welche er bezüglich
Tirols und der Vorlande verfolgte, nicht ohne Einfluß ge
weien jein.
In der Zeit der vormundichaftlichen Regierung über Sig-
1) Die Eilfier Ehronit, herausgegeben von Kronesv. Marchland,
Rap. 14—18, ©. 81ff. Bol. Chmel, Geh. K. Friedrichs IV., I, 280ff.
und Lihnomwsty VI, Reg. Nr. 119. 203. 262. 265f.
2) Kurz, Ofterreich unter 8. Friedrich IV., I, 254.
3) Chmel, Reg. Nr. 1509-1516. Vgl. 1581—1534.
Huber, Geſchichte Öfterreichg. IL. 4
50 K. Friedrichs Bündnis mit den Zürichern.
mund von Tirol machte nämlich König Friedrich den Verſuch,
mit Benutzung einer in der Eidgenoſſenſchaft ausgebrochenen
Spaltung einen Zeil der Befigungen zurüdzuerobern, welche
die Schweizer dem Haufe Habsburg entriffen Hatten ?).
Wegen der vom lebten Grafen von Toggenburg bei feinem
finderlofen Zode im Sabre 1436 Hinterlajfenen Gebiete war
zwifchen den Zürichern ımb ven eben jo eroberungsluftigen
Schwyzern und Glarnern ein Streit entftanden, ber einen
immer erbitterteren Charalter annahm. Da die übrigen Eid»
genoſſen fich ebenfall® gegen Zürich erklärten, jo ließ fich dieſes
von feiner Leidenſchaft foweit hinreißen, daß es Hilfe bei ben
alten Gegnern der Eidgenofien, den Habsburgern ſuchte. Im
Sommer 1442 wurde zwiſchen der Stadt Zürich und bem
Könige Friedrich, dem „älteften und regierenden Türften bes
Haufes ſierreich“, ein Bündnis abgeſchloſſen, wobei auch be
ftimmt ward, daß jene die toggenburgiichen Beſitzungen erhalten,
dafür aber die Grafichaft Kiburg an Ofterreich abtreten folite.
Bauend auf die Hilfe Zürichs verlangte Friedrich von ben
Schweizern die Herausgabe des Aargaus, den fie feinem Haufe
weggenommten hatten. Natürlich jchlugen dieſelben die Forbes
zung des Könige ab und griffen umgelehrt die Züricher wegen
ihres Abfall von der Eidgenoffenfchaft an. Friedrich gewann
zwar ben fchwäbifchen Adel, bejonders den St. Georgenſchild,
der gerne die übermütigen Bauern gezüchtigt hätte. Aber ger
rade deswegen verweigerten bie gegen ben Abel mißtrautichen
Reichsſtädte jede Hilfe, indem fie erflärten, daß der Krieg nicht
das Reich, fondern nur das Haus Ofterreich angehe. Da auch
Friedrich jelbft einer energiichen Kraftanfivengung nicht fähig
war, fo blieben die Züricher faft ohne Unterftügung und wurben
bart bebrängt.
1) Bgl. hierüber wamentlich die fogen. Klingenberger Ehronit, heraus⸗
gegeben von Henne, ©. 226ff., die „Sammlung ber eibgenöffiidhen
Abſchiede“ 2. Band, und die Darftellung bei DO. Henne-Am-Rhyn,
Geſch. des Schweizervoltes I, 393—429, K. Dändliker, Geſchichte der
Schweiz II, 101ff.,, Stälin, Wirtemb. Gef. III, 462ff., und Chmel,
K. Friedrich IV., an verſchiedenen Orten bes 2. Bandes.
Die Armagnalen. 61
Da wendete ſich Friedrich im Auguft 1443 an den König.
Karl VOL von Frankreich mit der Bitte, ihm die durch einen
löngeren Waffenftiliftand mit England verfügbar geworbenen
Söldner zu überlaffen, die man nach einem ihrer Anführer,
dem Grafen von Armagnac, Armagnalen nannte. Uber nicht
5000, wie Friedrich gewünicht hatte, ſetzten fich im Jahre 1444
in Bewegung, jondern 50000, ein Corps unter Anführung des
Königs felbft gegen Met und Elfaß, um, wie diefer offen er-
Härte, Die Rechte Frankreichs auf die Gebiete bis zum Rheine
zur Geltung zu bringen, ein zweite® von 30000 Mann unter
dem Daupbin gegen den Sundgau, wo ein Teil des beutichen
Adels fih ihm anſchloß, um zumächft gegen bie Schweizer zu
ziehen. Eine eidgenöffiihe Schar von 1200 bi8 1500 Mann,
welche fi am 26. Auguft 1444 bei St. Yalob ſüdöſtlich von
Baſel mit dem größeren Teile dieſes Corps in einen tolllühnen
Kampf einließ, wurde zwar fait bis auf den letzten Mann ver⸗
nichtet. Aber der Dauphin Hatte fo große Verluſte erlitten,
daß er den Krieg mit den Eidgenoffen, ven er immer nur als
Borwand betrachtet hatte, aufgab, mit biefen Frieden fchloß
und fich nach dem Elſaß wandte, wo fich die Franzoſen die
entjetlichiten Grauſamkeiten erlaubten. Statt nun die Reichs»
feinde mit dem Aufgebot aller Kräfte aus Deutfchland hinaus⸗
zuwerfen, unterhandelte man mit ihnen, König Friedrich aus
Schwäche, die Fürften aus Eigennuß, weil manche es nicht un-
gern fahen, wenn die Stäbte durch die Franzofen gebemütigt
wurden. Die Kurfürften von Trier, Köln und Sachſen fchloffen
fogar ein Bündnis mit dem franzöfifchen Könige. Allein bie
Bürger der Reichsftäbte im Elfaß und in Lothringen vereitelten
durch tapferen Widerftand alle Angriffe und Anjchläge der Fran⸗
zojen, und endlich fielen auch bie Bauern über ihre Schinder
ber. Nicht den Fürften und ber Neichöregierung jondern nur
dem Volke hatte es Deutichland zu verdanken, daß es dies⸗
mal vor Verluften bewahrt blieb und bie Franzofen um Oftern
1445 abzogen:!).
1) Bgl. au Barthold, Der Armegedenkiieg, in Raumers
4%
52 Beendigung des Krieges mit ben Schweizer.
Auch in den nächſten Sahren richteten die Öfterreicher gegen
bie Schweizer nicht8 aus, obwohl im Herbit 1444 Herzog Al-
brecht die Verwaltung der Vorlande und die Führung des
Krieges übernahm und der Markgraf Albrecht von Branden-
burg⸗Ansbach, die Grafen von Württemberg, der Markgraf
von Baden und mehrere Biichöfe ihm gegen die Eidgenoffen,
„die Verbruder des Adels und der Ehrbarkeit“, wieberbolt
Dienjte leiſtete. Am 9. Juni 1446 kam unter Vermittlung
bes Kurfürften Ludwig von der Pfalz eine Waffenruße und
nach mehrjährigen Verhandlungen endlich im Juli 1450 ein
Friede zwilchen Zürich und den Schweizern zuftande. Jene Stabt
mußte dem Bunde mit Öfterreich entfagen und wieder in bie
Eidgenoſſenſchaft eintreten, und infolge deſſen Hatten auch bie
Habsburger Feine Hoffnung mehr, den verlorenen Aargau an
fih zu bringen. Nur die Städte Rapperſchwyl, Winterthur,
Dieffenhofen und Aheinfelden, die nach der Achtung Friedrichs
von Tirol reichsunmittelbar geworden waren, hatte Ofterreich
infolge dieſes Krieges wieder an fich gebracht; Kiburg ver-
pfändete es fchon am 8. Yebruar 1452 für 17000 rheintiche
Gulden wieder an Zürich ?).
Daß Oſterreich den Eidgenoffen gegenüber gar feine Er-
folge erzielte, batte feinen Grund nicht bloß in der Schwäche
Friedrichs, ſondern auch in den Streitigfeiten, in bie er durch
feine eigene Schuld mit ben Tirolern verwidelt worden
war ?). |
Nach dem Vertrage, den Friedrich 1439 mit den Tiroler
Ständen geichlofien Hatte, wäre jeine vormundſchaftliche Regie
rung am 25. Juli 1443 zu Ende gewelen. Aber wie das
Streben des Königs immer dahin gegangen war, die Länder⸗
biftor. Taſchenbuch 1842. Janſſen, Frankreichs Rheingelüſte, ©. 6ff.
Bernoulli, Die Schlaht bei St. Jakob (Bafel, 1877). Püdert,
Die kurfürſtliche Neutralität, S. 223 ff.
1) Chmel, Materialien I,2, 472f.
2) Eingebend dargeftellt von P. Juſtinian Ladurner im „Archiv
für Gef. Tirols“ III, 60fl. A. Jäger im „Archiv f. öfterr. Gefchichte”
XLIX, 143 ff. und Geſch. ber Tanbfländ. Berfafjung II,2, 26ff.
Der tirolifche Vormundſchaftsſtreit. 68
teilungen in Oſterreich ganz zu befeitigen und die Regierung
aller habsburgiſchen Befigungen In der Perfon des Ülteften zu
fonzentrieren, jo wollte er auch troß feines urkundlichen Ver⸗
ſprechens die Regierung Tirols und ber Vorlande feinem
Mündel Sigmund vorenthalten. Sein einflußreicher Kammer⸗
meiſter Johann Ungnad, ein herrſchſüchtiger Steierer, ſoll ihn
dazu beſonders angejtachelt haben. Der junge Herzog, der in
Graz ganz in der Gewalt des Königs und ven Einwirkungen
ber Räte und Höflinge desfelben ausgeſetzt war, Tieß fich im
Juli 1443 bejtimmen, wegen feiner Jugend die Regierung der
von feinem Vater ererbten Länder noch auf weitere jech8 Jahre
jeinem Better Friedrich zu übertragen und ihm zu erfuchen, auch
bie Bormundichaft jo lange fortzuführen.
Aber die Tiroler hielten dieſen Vertrag für ungültig, weil
er ohne ihre Zuftimmung gefchloffen und dem jungen Zürften
nur abgezwungen oder abgejchmeichelt worden war, wie man aus
den Briefen jab, die Sigmund heimlich nach Tirol geichrieben
und worin er jeine Vertrauten gebeten hatte, ihm zu feiner
Freiheit und zu jeinen Landen zum verhelfen. Zum Geborfam
gegen Friedrich fühlten fie fich um jo weniger verpflichtet, als
nach beffen eigenem Neverje von 1439 nach dem Ablauf von
vier Jahren alle Beamten ihrer Eide gegen ihn entbunden waren.
Anfangs November 1443 verjammelte fi) daher der größere
Zeil der tiroliichen Stände beſonders bie Vertreter der Städte
und Gerichte eigenmächtig in Meran und beichlojjen, den Herzog
Sigmund zurüdzufordern, um biefem vor allem die Freibeit
und die Möglichfeit zu verfchaffen, nach feiner Überzeugung mit
dem Könige eine Vereinbarung zu treffen. Wenn biefer fich
weigerte, den Herzog ins Land zu jchiden, jo wollten fie von
ibm feine Befehle mehr annehmen, allen Beamten, die nicht
zu Sigmund hielten, den Gehorfam verweigern, die Einkünfte
für ihren Herzog felbft einheben und zugleich die Landesver-
teidigung organifieren, um einen etwaigen Angriff des Königs
mit Gewalt abzumehren. ine proviſoriſche Regierung mit dem
Kate von Meran als Mittelpunkt nahm die Verteidigung und
Regierung des Landes in die Hand. Faſt alle Evelleute und
54 K. Friedrichs Beftrebungen
Städte, auch der Biſchof Georg von Brixen und der Landes⸗
hauptmann Ulrich von Matſch, welche die Hänpter der von
Friedrich eingejegten Negentichaft geweien waren, fügten fich
nach und nach dieſen Beſchlüſſen; letterer trat an die Spike
der neuen tirolifchen Regierung. Nirgends wurde ber Lands
frieden geftört; nur die Stadt Trient, deren weltliche Verwal⸗
tung vom Biſchof Alerander dem Könige Friedrich übertragen
worden war, mußte durch eine längere Belagerung gezwungen
werben, am 5. April 1444 dem Herzoge Sigmund die Hul-
digung zu leiften.
Am Hofe des Königs war man in großer Verlegenheit.
Nachgeben wollte biefer um jo weniger, als Konrad von Kreig,
einst Hofmeifter Friedrichs von Tirol, ihm verficherte, daß Die
Etfchländer, die er hinreichend kenne, nicht lange aushalten und
beifammen bleiben würden. Anderſeits Mang die Drohung
Friedrichs, er werde benen von ber Etſch noch einen Strick um
den Hals Iegen, daß fie vor ihm auf die Kniee fallen müßten,
in feinem Munde wie die veine Selbftironie. Die Anwendung
von Waffengewalt gegen Tirol wäre damals auch einer Fräfti-
geren Perfönlichfeit als Friedrich nicht anzuraten gemejen, weil
einerſeits die Gefahr von den Eidgenofjen immer mehr wuchs,
auderſeits der franzöfifche König, der Sigmund infolge früherer
Verhandlungen mit deſſen Vater als Bräutigam feiner Tochter
Radegunde betrachtete, an der Spige eines zahlreichen Heeres
die Forderungen der Tiroler unterftügte Da Unterhandlungen,
welche zwilchen Friedrich und einer tiroliſchen Geſandtſchaft im
Auguſt 1444 in Nürnberg ftattfanden, ohne Erfolg blieben,
fo wollte der König die Länder Sigmunds zur Abfindung feines
ehrgeizigen Bruders Albrecht benugen. Am 31. Auguft 1444
übertrug er dieſem auf vier Sabre die Verwaltung ver öſter⸗
reichiſchen Vorlande und gleichzeitig für dieſelbe Dauer auch
die Regierung Tirols, das er mit Güte ober Gewalt in feine
Hände bringen follte. Doc behielt fich der König felbft bie
Hälfte aller Einkünfte von diefem Lande und zur Sicherftellung
berielben die Verwaltung der Städte Innsbrud und Hall, der
Salz: und Sifberbergwerte im Innthal und neun nordtiroliſche
und Verträge mit den H. Sigmund. 65
Schlöffer und Amter vor. Gegen die Tiroler ſchloß Friedrich
am 11. September jogar ein Bündnis mit dem Herzoge Lud⸗
wig dem Süngern von Baiern-Ingoljtadt, dem er dafür die
Mißhandlung und Gefangenhaltung feines greifen Waters ver-
zieh und die Würde eines Töniglichen Rates verlieh.
Indeſſen war diefer Anlauf zu einer energiichen Politik,
welche diesmal am wenigiten am Plage war, boch nicht von
Dauer. Wieder wurden Unterbandlungen angelnüpft, bie frei
lich eben fo rejultatlo8 blieben wie alle früheren. Endlich mußte
ſich Friedrich mit dem Gedanken vertraut machen, feinem Mündel
zwar nicht alle Befitungen feines Vaters, aber doch Tirol zu
überlafjen. Nur wollte er die Abhängigkeit, in der fi Sig-
mund befand, noch möglichit für ſich ausnuten und fich für
immer eine gewilje Oberherrichaft über ihn und feine Gebiete
fihern. Im Tebruar 1445 mußte Sigmund ihm mehrere
Herrſchaften in Oſterreich abtreten, die feinem Vater 1439
vom Könige Albrecht verpfändet worden waren, und außervem
veriprechen, wenn er einft Tirol erhielte, dem Könige Friedrich,
ber mit ihm „ungeteilter Erbe” dieſes Landes fei, auf Ver⸗
langen immer beizuftehen, in allen Dingen zu geborchen, ohne
deſſen Zuftimmung feine wichtigere Angelegenheit zu entjcheiden
und endlich die Überlaffjung der Vorlande an den Herzog Al
brecht zu genehmigen.
Es dauerte übrigens noch lange, bis Sigmund wirklich in
den Beſitz von Tirol kam, und nur dem energiichen Auftreten
der Stände, unter denen um bieje Zeit zuerit auch bie Prä⸗
Inten genannt werden, hatte er es zu verdanken, daß Friedrich
endlich nachgab. Nach den Verträgen, welche unter Vermitte-
Yung der Markgrafen Jakob von Baden und Albrecht von
Brandenburg und des Herzogs Heinrih von Baiern-Lanbshut
Ende März und Anfangs April 1446 in Wien geichloffen
wurden, follten während der nächſten ſechs Sabre die Länder
der leopoldiniſchen Linie ungeteilt bleiben, aber doch eine ge
ſonderte Verwaltung verjelben ftattfinden und zwar follte Fried⸗
rich Inneröfterreih, Sigmund Tirol und die Gebiete vom Arl-
berg und dem ern bis zum Boden» und Wallenftädter See, Als
56 Die Folgen der Einigungstendenzen K. Friedrichs
brecht den Heft der Borlande erhalten. Doc mußte fie
Sigmund noch zu bedeutenden Zahlungen an feine Bettern ver
pflichten, an Friedrich (30090 Dulaten und dazu jährlich 2000
Mark Silber), weil er als der Altefte des Haufes und als
römiſcher König größerer Mittel bebürfe, an Albrecht (während
der nächften ſechs Jahre jährlich 20000 rheiniiche Gulden) wegen
des geringeren Erträgnifjes feines Anteils und bes Krieges mit
ben Eidgenoffen.
Anfangs März 1450 trat Albrecht wahrſcheinlich wegen
ber Zerrüttung feiner Finanzen und der Schwierigkeit, bie ges
fährbeten Befitungen in der Schweiz zu behaupten, an Sig
mund gegen eine jährliche Geldſumme auf acht Sabre auch noch
den Thurgau, Freiburg im Ochtland und die Gebiete im öfte
lichen Schwaben ab, ſodaß er nur noch das Elſaß, den Breis⸗
gan, die Grafſchaft Hohenberg in Schwaben und einige kleinere
Befitungen behielt 1). Albrecht, ver ebenfo wie feine Gemahlin
Mechtild von der Pfalz einen regen Sinn für Wiffenichaft
befaß, gründete dann 1457 die Univerfität Freiburg im Breis⸗
gan, durch die er feinem Namen ein umvergängliches Denkmal
geihaffen hat.
So waren bie Verſuche König Friedrichs, die Einheit we⸗
nigftens unter den Ländern ber leopoldiniſchen Tinte herzuſtellen
und fich die oberfte Negierungsgewalt in benfelben zu fichern,
vollftändig gefcheitert, die Zeriplitterung war größer als je.
Das Ziel, das er erftrebte, war gewiß ein lobenswertes, ba
infolge ber teten Teilungen unter den Habsburgern ihre Macht
und ihr Einfluß nach außen ſehr geſunken, der Zuſammenhang
der Länder gelodert, das Streben der Stände, fich gegen jeden
Einfluß vonjeiten fremder Räte abzufchließen, immer größer
geworden war. Über auch die beiten Tendenzen können zum
Verderben ausichlagen, wenn der Boden, in den fie gepflanzt
1) Mehrere Verträge zwifchen beiden bei Chmel, Materialien 1,2,
307 fi. Im Herbſte 1455 fcheint Sigmund dem Herzoge Albrecht einige
ber 1450 abgetretenen ſchwäbiſchen Gebiete wieder zurüdgegeben zu haben.
Zeißberg im „Archiv f. öſterr. Gef.“ LVIII, 61f.
für defien Stellung zu feinem Bruber und Better. 57
werben follen, nicht genügend für ihre Aufnahme vorbereitet tft.
Damals war das Bewußtjein von der Notwendigfeit der Kon⸗
zentrierung aller ftaatlichen Kräfte leiver faft überall verſchwun⸗
den, nicht bloß in Öfterreich, fondern in ganz Deutfchland war
bie Landesteilung ein anerkannter Grundſatz des öffentlichen
Nechts, galt es al8 umbeftreitbar, daß jedes Glied eines Fürften-
Baufes Anipruch auf ein gefonvertes Gebiet Babe. Nicht auf
einmal, durch Gewalt oder Verlegung eingegangener Verträge,
fondern nur auf natürlichem Wege, durch das Abfterben ber
Nebenlinien, ließ fich die Einheit ver fürtlichen Gebiete wieder⸗
Beritellen. So Hat denn auch König Friedrich fein Ziel nicht
erreicht. Die Folge feiner Beitrebungen war nicht die Ver⸗
einigung ber öſterreichiſchen Länder, ſondern die Verfeindung
mit feinem Bruder und feinem Vetter, die ihm noch bittere
Früchte tragen follte.
Viertes Kapitel.
Friedrichs III. Stellung zu Kirche und Reich während
der erſten Periode feiner Regierung.
Die ununterbrochenen Streitigleiten, in welche Friedrich teil
mit feinem Bruder, teil mit den Ländern feiner Vettern, die
unter feiner Bormundichaft ftanden, verwidelt war, hätten not⸗
wendig auch auf feine Thätigfeit als Reichsoberhaupt lähmend
einwirken müfjen, felbjt wenn er fonjt ver Mann geweſen wäre,
mit Einficht und Kraft die Zügel der Regierung zu führen.
Für Deutichland war damals die wichtigfte Frage, welche
Stellung der neue König in dem Streite zwiſchen Papft Eugen IV.
und dem Konzil von Bajel einnehmen würde !).
1) Für das Folgende f. außer Chmel, Geſchichte K. Friedrichs IV.
58 Die kirchliche Neutralität Deutſchlands.
Die deutichen Kurfürften hatten vor der Wahl Albrechts IL.
am 17. März 1488 beichloffen, zwiichen dem Papfte und dem
Bafeler Konzil neutral zu bleiben und von feinem ber beiben
Zeile Befehle oder richterliche Enticheidungen anzunehmen.
Diejen Beſchluß Hatte dann auch der König Albrecht genehmigt.
Da die Vermittlung Deutfchlands von beiben Parteien umd
zwar noch entjchievener vom Komzil als vom Papfte abgelehnt
wurbe, alfo eine Einigung in weiter Ferne ftand, jo wollte
man fich wenigjtens die Ergebniffe der bisherigen Thätigleit
des Konzils auf dem Gebiete der kirchlichen Reform fichern.
Nach dem Vorgange Frankreichs nahm ein beuticher Reichs⸗
tag in Anweſenheit der Biſchöfe von Paſſau und Augsburg
als DBertreter des Königs am 26. März; 1439 bie Dekrete
des Konzil namentlich über die-vegelmäßige Wiederlehr der
Konzilien, der Provinzial- und Diöceſanſynoden, über die freien
kanoniſchen Wahlen zu den kirchlichen Amtern und die Bor
bildung der Gewählten, über die Abſchaffung der Annaten und
anberer Sporteln, die Beichränkung der Appellationen an den
Papft auf gewilfe Fälle u. f. w. mit einigen Modifikationen
an und verichaffte dadurch der veutichen Kirche eine geficherte
und felbftändigere Stellung, Abhilfe gegen viele Mißbräuche
und Schub gegen die bisherige Ausbeutung durch die italienijchen
Geiftlichen und päpftlichen Günftlinge. Es kam nun aber da,
zauf an, biefe Errungenichaften feftzuhalten und ihmen auch die
Anerkennung des Papſtes zu verſchaffen.
Dazu hätte freilich vor allem ganz Deutichland einig fein
müſſen. Aber die meijten Fürften und Neichsftäbte hatten von
Anfang an fich der Neutralitätserllärung der Kurfürften nicht
angeichloffen und wendeten fi) an den Papſt oder noch öfter
an das Konzil, um Kirchliche Amter oder Privilegien ober eine
gerichtliche Entſcheidung zu ihren Gunften zu erhalten. Selbft
(an verfchiebenen Orten des 2. Banbes), beſonders G. Boigt, Enea
Silvio de’ Piccolomini als Papſt Pius IL, 1. DB. und W. Püdert,
Die kurfürfilide Neutralität während des Basler Konzils. 1438—1448.
Paſtor, Geſchichte der Päpfte I, 251ff., hat biefe wichtige Frage fehr
kurz abgethan.
Die Haltung 8. Friedrichh. 50
die Kurfürſten traten nicht konſequent, wenigſtens nicht ent⸗
ſchieden genug, für die Neutralität ein. Auch die Univerſität
Wien, welche damals ebeno ſehr durch die Zahl der Stubenten
wie durch bie wilfenichaftliche Bedeutung mancher Profeſſoren
bervorragte und Maͤnner wie ben Theologen und Gejchicht-
fchreiber Thomas Ebendorffer non Haſelbach und den berühmten
Atronomen und Mathematiker Johann von Gmunden unter
ihren Lehrern hatte, blieb mit dem DBafeler Konzil und dem
von ibm erhobenen Gegenpapft in Verbindung. Die theo⸗
logiſche Fakultät ſprach fih in einem, Ende 1439 auf Ver
langen des Erzbiichofs von Salzburg abgegebenen, Gutachten
ausbrüdlich gegen die Neutralität und zugunften des Konzils
und für bie Gewalt vesjelben, ven Papft abzujegen, aus).
Der Erzbiſchof hat dann dasſelbe zur Richtſchnur feiner Haltung
genommen und mit feinem Klerus Felix V. als Papit am
erkannt. Auch Albrecht VI. von Öfterreich Hat dieſem Bapfte
gehuldigt.
Eine ganz andere Stellung nahm fein Bruder König Frie-
brich ein. Die Anerkennung der beutichen Neutralität, welche
bie Kurfürften nach jeiner Wahl von ihm verlangten, lehnte
er ab, doch nicht etwa weil er Neigung hatte, fich zugunften
des Bajeler Konzils und des von ihm erhobenen Oberhauptes
der Kirche zu erflären. Davor bat er fich forgfältig gehütet,
obwohl er Eugen ebenfo wenig als Bapft anerkannt hat. Sein
Streben ging längere Zeit dahin, beide Parteien zur Berufung
eines dritten Konzils zu bewegen, und er bat für dieſes Pro»
jet endlich auch die Kurfürften geivonnen. Aber Papft und
Konzil wollten gleich wenig Davon wiffen; Eugen IV. wies es
fogar in fchroffer Weile zurüd. Im Deutichland zeigte fich
baber wieder große Neigung, fich einfach dem Bajeler Konzil
und deſſen Papſte anzufchließen. Mit Mühe verhinderte der
König diefen Schritt und fegte die Fortdauer der Neutralität
1) Kint I, 163f. Aſchbach, Gefch. der Wiener Univerfität im erften
Jahrhundert ihres Beſtehens, S. 274f., und über Johann von Gmunden
©. 455 ff., Über Ebendorffer ©. 493 fi.
69 Aeneas Sylvins.
durch. Da aber an die Gründung einer von Rom ungab⸗
bängigen Nattonallirche niemand dachte, jo Tonnte bie New
tralität doch nur Mittel zur Wiederberftellung ver kirchlichen
Einheit aber nicht Selbitzwed fein, man mußte ſich enblich ent»
fcheiven. Auch für die Losjagung von Eugen IV. konnte kein
vernünftiger Politiker fich ausfprechen, ba das Konzil, jeit es
nicht mehr die Reform der Kirche fondern den Kampf gegen
den Papft als feine Hauptaufgabe anſah, in den meiften Län
dern jedes Anfehen verloren hatte. So ſchien jchließlich Doch
die Anerkemung Eugens IV. der einzige Ausweg aus dem
firchlichen Labyrinth zu fein und immer mehr neigte fich König
Friedrich Diefem Schritte zu. Man darf es ihm auch nicht zn
ſehr übelnehmen, daß er feinen Übertritt zum römiichen Papfte
möglichit teuer verkaufen wollte. Auch die andern Fürſten
ließen fich nicht von religiöſen Überzeugungen ſondern von Rück⸗
fichten auf ihren Vorteil leiten, wie denn überhaupt ver nad.
tefte Egoismus in jener Zeit bei Hohen und Niedern, Geifi-
lichen und Laien die eigentliche Triebfeder ihres Handelns bil-
dete. Aber bedauerlich ift es, daß Friedrich nicht das Interefje
Dentichlands, fondern nur das feiner Perſon und jeined Haufes
im Auge behielt, daß er nur fich die Vorteile fichern wollte,
die ihm Eugen IV. für feinen Übertritt im reichſten Maße zu
bewilligen geneigt war.
Sobald der Papft erfannte, daß der König in feiner bis-
berigen Haltung ſchwankend geworben fei, ſchickte er im April
1445 den Auditor der Rota, Carvajal, einen tüchtigen Suriften
und malellojen Charakter, angeblich zur Herftellung des Frie⸗
dens nach Ungarn, in ber That aber an ben Hof des römijchen
Königs, um diefen auf feine Seite herüberzuziehen. Den päpft-
lichen Legaten unterſtützten Friedrichs Kanzler Kaſpar Schlid,
den Eugen dadurch gewonnen hatte, daß er dem Bruder des⸗
felben Ende 1443 das erlevigte Bistum Freifing verlieh, und
Aeneas Sylvius Piccolomint, Sprößling einer vornehmen aber
perarmten fienefiichen Yamilie, der, nachdem er mit Eifer hu⸗
maniſtiſche Studien getrieben, als Schreiber eines dem Papfte
feindlichen Kardinals nach Baſel ‚gelommen, dort Selretär des
Gewinnung K. Friebrihs durch P. Eugen IV. 6
Gegenpapites Felix, endlich Sekretär in ber Neichölanzlei ge
worben war und babet immer nur nach Verbeſſerung feiner
materiellen Lage, nach Erhafchung einträglicher kirchlicher Pfründen
geitrebt Batte, ohne in den Priefterftand einzutreten. Dem
Rampfe zwiihen dem Papfte und dem Konzil war der ge
bildete Humaniſt innerlich gleichgültig gegenübergeftanden. „Wir
Saben alle ven Glauben“, fchreibt er Ende Dezember 1443
dem Reichskanzler Schlid, „den unjere Fürften haben; wenn
fie ©ötenbilder anbeteten, würden auch wir fie anbeten und
nicht nur den Papſt jondern auch Chriſtum verleugnen, wenn
die weltliche Gewalt dazu drängte" 2). Da er eine religidfe
Überzeugung bisher nicht gehabt hatte, fo brauchte er auch
keine aufzugeben, als er e8 in jeinem Intereſſe fand, endlich
für Eugen IV. einzutreten. Nach langwierigen Unterbandlungen
einigte fich Carvajal mit dem Könige über die Bedingungen,
umter welchen dieſer Eugen IV. als Papſt anerlennen wollte.
So hochgeſpannt die Forderungen auch waren, ver Papft hielt
es für gut, biejelben Anfangs Februar 1446 zu genehmigen.
Er geftattete dem Könige, zur. Vergrößerung jeines Anſehens
und zur Belohnung treuer Diener in feinen Erblanden an
Kathedral⸗ und Kollegiatlirchen hundert Benefizien zu vergeben,
verlieh ihm weiter für feine Lebenszeit das Necht, bei Erledigung
ber Bistümer Trient, Briren, Chur, Gurk, Zrieft und Piben
ober Pedena in Iitrien dem päpftlichen Stuble geeignete Per⸗
fönlichkeiten für diefelben zu bezeichnen, was für feine Stellung
zu Tirol und dem Oſten ber Schweiz wie Venedig gegenüber
bon Bedeutung war, und gab enplich ihm und feinen Nache
folgern die Befugnis, dem Papfte zur Bifitation der Klöfter
in ihren Erblanden tauglide Männer vorzufchlagen, wodurch
auch die landesherrliche Gewalt ver dfterreichiichen Fürſten be=
beutenb verftärkt ward. Weiter verſprach der Papft, dem
Könige die Kaiſerkrone, und zwar, wenn dieſer nicht nach Rom
fommen lönnte, in Bologna, Padua oder Treviſo zu verleihen
und ibm zur Beſtreitung der Koften die Erhebung eines
1) Aeneas Sylvius, Epist,, ed. Basil,, no. 54.
62 Obebienzerffärung der deutſchen Fürſten.
Zehnten von allen Pfründen an ven Mietropolitan- und Kathe-
dralkirchen und den Klöftern Deutichlands zu geftatten und
felbft 100000 rheiniſche Goldgulden beizuftenern, bie jebodh
erft zwei Jahre nach Friedrichs Erklärung zugunften des
Papſtes und nach der Herftellung des Gehorſams ber deutſchen
Kirche ausgezahlt werden follten ). Später ſoll diefe Summe
fogar auf 221 000 Dulaten erhöht worden fein, von denen
ein Zeil durch Eugens Nachfolger gezahlt werben follte 2).
Friedrich wagte freilich nicht offen für Eugen aufzutreten,
ebe e8 gelungen wäre, auch die deutſchen Fürften und Prälaten
auf deſſen Seite herüberzuziehen. Der Papft glaubte biefes
Biel durch Strenge erreichen zu können und entſetzte die Erz
bifchöfe von Köln und Trier, die in letter Zeit am entfchiedenften
gegen feine Anerfenmmg aufgetreten waren, als Ketzer ımb
Schismatiker ihrer Würden. So leicht ging die Sache nun
freilich nicht. Die abgefetten Erzbiichöfe fanden Unterftügung
bei den übrigen Kurfürjten, indem tim Kurverein zu Frankfurt
am 21. März 1446 alle Diitgliever dieſes Kollegiums fich zu
gegenfeitigem Beiftande verpflichteten und zugleich eine Reihe
von Forderungen, namentlih Genehmigung der wichtigiten
Dekrete des Bafeler Konzils, als Bedingung der Anerkennung
Eugens aufftellten. Dean mußte daher Doch wieder den Weg
ber Unterbanblungen einjchlagen, wobei ſich Aeneas Sylvius
als Bertreter des Königs und Albrecht von Brandenburg, der
Bruder des Kurfürften, um die Sache des Papftes befondere
Verdienſte erwarben. Durch Halbe Zugeftändniffe, deren Wer
deutung durch Einichaltung irgendeines Worbebaltes wieber
aufgehoben wurde, gelang ed, den Kurverein zu fprengen unb
durch Konzeifionen an die einzelnen Fürften einen nach dem
andern von der Oppofition gegen Eugen abzuziehen. Schon
am 7. Februar 1447 Yeifteten mit Aeneas Sylvius als Ge»
fandten des Königs auch die Bevollmächtigten mehrerer deutfcher
1) Sämtlihe Bullen bei Chmel, Materialien 1,2, 188 ff.
2) Nah Schreiben Gregor Heimburgs bei G. Voigt I, 446. Bgl.
aber Püdert, S. 49, N. 2.
Folgen des Scheiterns ber Ticchlihen Reformbewegung. 68
Fürften dem Papfte Gehorſam. Als dann Eugen IV. am
23. Februar ftarb und an deſſen Stelle der genchtete Karbinal
Parentucelli, ein Freund der Fünfte und Wilfenfchaften, als
Nikolaus V. auf ven Stuhl Petri erhoben wurde, traten bald
auch die letzten beutichen Kürften zu ihm über. Aeneas Shl-
vius erhielt zum Lohne für feine Berbienfte das Bistum Trieft,
nachdem er fich endlich zum Eintritt in dem geiftlichen Stanb
entichlofien hatte. Am 17. Februar fchloß dann König Trio
drich als Vertreter Deutichlands mit dem päpftlichen Legaten
Kardinal Carvajal das Wiener Konlordat, durch welches bie
Reformdekrete des Bafeler Konzils, auch jene, welche der beutiche
Reichstag ſchon im Jahre 1439 angenommen hatte, preis
gegeben und die Nechte, welche die Päpſte in Beziehung auf
bie Beiegung der kirchlichen Amter, vie Erhebung ver Ans
naten u. ſ. w. geübt hatten, größtenteil8 wieder anerkannt wurden.
Das Konzil mußte im Juli 1448 nach Laufanne überfiedeln,
ba Friedrich den Bürgern mit der Neichdacht drohte, und Töfte
fich im April 1449 auf, nachdem es auch feinerjeits Nikolaus V.
zum Papite gewählt hatte.
Sp war infolge der Haltung Friedrichs das Kirchliche
Schisma befeitigt, aber leider damit auch die Reformen, welche
die letzten Konzilien angeftrebt, teilweile auch fchon beichloffen
Batten. Da nun auch die Päpfte von fich aus nichts thaten,
um durch Einführung von Verbeſſerungen und durch freiwillige
Beſeitigung einiger der verbaßteften Anſprüche Die Unzufrieden⸗
beit der Völker zu mildern, im Gegenteile nicht einmal bie
Schranken achteten, die fie ſelbſt aufrichten geholfen hatten, und
fi) über die Beitimmungen der Konkordate hinwegſetzten, fo
ariff befonders in Deutfchland, das von der Kurie am meiften
ausgebeutet wurde, immer mehr die Anficht um fich, daß auf
dem Wege gütlicher Bemühungen eine Befeitigung des ‘Drudes
und der Mißbräuche nicht mehr zu erreichen ſei. Werben aber
von einer fo peffimiitiichen Stimmung einmal auch tiefere
Schichten ergriffen, fo iſt immer Gefahr, daß biejelbe fich
ſchließlich gewaltſam Bahn breche und eine Revolution ber-
porrufe.
64 8. Friedrichs dynaſtiſche Politik.
In politifcher Beziehung hat Friedrich als deuticher ‚König
fo gut wie gar nichts gethan. Es war fchon bezeichnend, daß
er nach feiner Wahl mehr als zwei Jahre verjtreichen Tieß,
bis er fich entichloß, fih zum Könige frönen zu laſſen. Vom
Sabre 1444 an it er dann fiebenundzwanzig Sabre, bis 1471,
gar nie mehr aus Ofterreich ins Reich gelommen. Die po=
Yitifche Neformbewegung, die unter Sigmund begonnen batte
und befonders befjere Einrichtungen zur Sicherung des Lands
friedens zum Zwede hatte, fchlief unter ihm ganz ein, obwohl
es an Projeften und patriotiichen ‚Rebensarten auch in biejer
Zeit nicht fehlte. Friedrich war eine zu phlegmatiiche Natur
und zu ſehr Feind aller Neuerungen, als daß er tiefgreifende
Reformen angeftrebt und diefe gar gegen den etiwaigen Wider⸗
ftand jener, deren Intereffen badurch gefährdet worden wären,
durchzuführen gefucht hätte. Er ſah den Vorgängen in Deutſch⸗
land, den zahlreichen hHeftigen Kämpfen zwiſchen den Fürſten
und den NReichsftäbten wie ziwiichen den verjchievenen Fürjten-
häuſern nicht gleichgültig, aber unthätig zu und beſchränkte fich
auf die Abjenbung von Gejandten und Dekreten, um bie jeber
fih nur ſoweit fümmerte, als es fein Intereſſe erforberte.
Auch Friedrich verfolgte eine ausjchlieglich dynaſtiſche Politik,
welche nur die Vergrößerung der Macht und der Befitungen
des Haufes Habsburg zum Ziele hatte. Aus diefem Grunde
bat er auch den unter Rudolf IV. gefälichten öfterreichtichen
Hausprivilegien ftaatsrechtliche Gültigkeit verjchafft, über deren
Urfprung man damals wohl nicht mehr unterrichtet geweſen
ift. Nachdem biefelben längere Zeit verichollen gewejen waren,
famen fie am Anfang des 15. Jahrhunderts wieder zum Vor⸗
ſchein. Ohne Zweifel auf Grund berfelben nahm Ernſt von
der Steiermarf 1414 den Titel Erzherzog wieder an; gleich
zeitig ließ Albrecht V. eine Abfchrift davon anfertigen. Am
6. Sanuar 1453 betätigte fie Friedrich III. als Kaifer, nach
dem er vorher die Zuſtimmung der Kurfürften eingeholt hatte,
indem er zugleich jenen Gliedern feines Haufes, die Steiermarl,
Kärnten und Krain innehätten, ven Titel Erzherzog verlieh.
Wegen des gejpannten Verhältniſſes, in dem er zu jeinen
Die Haltung der Länder bes Labislaus Poſtumus. 65
Vettern Sigmund von Tirol und dem Könige Ladislaus ftand,
Batte er dieſen den Erzherzogstitel vorenthalten. Von dieſer
Zeit an haben dieſe urjprünglich gefäljchten Privilegien un⸗
beftreitbare Gültigkeit, bilden fie einen Teil des beutichen
Staatsrechtes. Die öfterreichtichen Länder wurden baburch von
der NReichsgewalt und von den Pflichten gegen Deutfchlanv faft
ganz befreit und zu einem felbitändigen Staate im Staate ger
macht. Indeſſen ift Dies thatſächlich nicht von jo großer Bes
Deutung geweſen, weil bon dieſer Zeit an der Herzog von
Öfterreich zugleich immer * die deutſche Kaiſerwürde befleibet
Bat, ſodaß die Hilfsmittel der habsburgiſchen Befigungen doch
dem Reichsoberhaupte zugute gekommen find.
Fünftes Kapitel.
Friedrichs 11T. Streitigkeiten wegen der Vormundſchaft
über Ladislaus Poftumus.
Kaum nabten fich die Streitigfeiten Friedrichs III. mit den
Tirolern wegen der Vormundſchaft über den Herzog Sigmund
ifrem Ende, da wurde er in ernite Zwiftigfeiten mit ben
Ständen jener Länder verwidelt, auf welche fein Mündel
Ladislaus Poſtumus Anfprüche Hatte. Bon Anfang an hatten
ja nur die Öfterreicher die Nechte des nachgebornen Sohnes
Albrechts II. und die Vormundichaft Friedrichs ohne Zögern,
wenn anch nicht ohne Beringungen, anerlannt, während bie
Mehrzahl der Ungarn ben Polen Wladiſlaw auf ihren Thron
berief und auch die Böhmen anfangs das Necht ber freien
Königswahl beanfpruchten und ſpäter Ladislaus nur dann als
König anerkennen wollten, wenn er in ihr Land gebracht würde.
Huber, Geſchichte Öfterreichs. IIL. 5
66 Bebingungsweife Anerlennung des Labißlaus in Ungarı.
In Ungarn führte endlich die Kataftrophe bei Varna eine
Wendung der Dinge herbei. Lange wollte man zwar an ben
Zod des Königs Wladiſlaw nicht glauben. Die bunteften Ge⸗
rüchte über feine Rettung waren im Umlauf und wurbens
namentlich vom Palatin Lorenz Hederväry, der wohl auf bieje
Weife feine Stellung an ber Spike ber Lanbesregierung ver»
längern, vielleicht auch geheimen Plänen in Beziehung auf bie
Neubejeßung des Thrones Zeit zur Entwidelung verjchaffen
wollte, genährt und durch gefälichte Briefe unterftügt. ALS
endlich die befonnenen Leute fich über die Wahrheit doch nicht
mehr täufchen konnten, beriefen die Prälaten und Barone,
welche die Regierung führten, einen Reichstag nach Belt, ver in
ven letzten Zagen des April 1445 zuſammentrat. Hedervaͤrh
verfucchte auch jet noch jeine alten Künfte und behauptete, daß
Wladiſlaw wohlbehalten in Polen fei. Aber auf die Dauer
verfingen feine Intriguen doch nicht mehr. Dem Wunfche des
Adels entiprechend ftellte nach mehrtägigen Beratungen Niklas
Ujlaky den Antrag auf Wiederbefekung des Thrones und Ans»
erfennung des Sohnes Albrecht8 II. Der Reichstag ftimmte
am 7. Mai diefem Antrage bei und beichloß, wenn Wladiſlaw
nicht bis zum 30. Dat zurüdfüme oder die nach Polen zu
ſchickenden Gefandten nicht fichere Nachricht von feinem Leben
brächten, Ladislaus al8 Herrn anzunehmen; jedoch nur unter
der Bebingung, daß biefer mit der Neichsfrone ihnen vom
römifchen Könige ausgeliefert würde. Vorläufig wurden einige
Maßregeln zur Sicherung des Landfriedens beichloffen und zu
biefem Zwede für bie verichtedenen Yandesteile fieben Haupt⸗
leute ernannt, unter denen ſich neben Johann Hunyady und
Niklas Ujlaty auch Johann Giskra befand 1).
1) Teleki I, 456fl. Szalay III, 85ff. uub Tehler- Klein
II, 495 ff., die aber ohne Anhaltspunkt in den Quellen au bier Huny«
aby als leitende Perfönlichkeit anfehen, und aus einem fpäteren Schreiben
bes Aeneas Sylvius (Ep. ed. Basil. no. 78) an ben Erzbiſchof von
Gran, worin in alabemifcher Weife auch bie gegen bie Erhebung eines
einbeimifchen Magnaten ober die Einführung einer Republik fprechenben
Gründe erörtert werben, wohl mit Unrecht ſchließen, daß dies wirklich von
Unterhandlungen mit 8. Friedrich. 67
Die Abjenbung der Geſandtſchaft an ben König Friedrich
fonnte endlich nicht mehr Länger binansgefchoben werben, weil
biefer, gereizt durch räuberiſche Angriffe der Bewohner von
Ging auf feine benachbarten Befigungen, um die Mitte des
Juli mit einem Heere diefe Stadt angriff, fie mit mehreren
benachbarten Burgen einnahm und achtzig von ben Räubern
hinrichten ließ. Am 17. Auguft ?) 1445 Tamen der Karbinal
erzbifchof Dionhs von Gran und der Ban Nikolaus Sara und
andere Große mit einem außerordentlich zahlreichen Gefolge,
am 30. September auf befondere Einladung auch Niklas
Ujlaky mit 400 Pferden zu Friedrich nach Wien. Dieſer ftolge
Magnat jtieg nicht eimmal vom Pferde, als ihm ber vömijche
König bis zum Stadbtthor entgegenfam. Auch Giskra hatte
fih eingefunden, wurde aber von ben ungarischen Magnaten
mit Mißtrauen behandelt und fpäter von ihren Beratungen
ausgeſchloſſen.
Friedrich weigerte ſich anfangs unbedingt, auf die Forde⸗
zungen der Ungarn einzugeben. Er erklärte die Wahl bes
Ladislaus für überfläffig, da diefer Ungarn von Vater und
Mutter geerbt habe, ebenfo auch die Krönung, da dieſe fchon vor⸗
genommen worben fei. Nur dann wollte er endlich eine noch-
malige Krönung ohne Salbung geftatten, wenn bie Ungarn
eine ausprüdliche Erklärung abgäben, daß dadurch die aus ber
eriten Krönung entipringenden Rechte nicht beeinträchtigt würden,
manchen angefirebt worben fel. Hierfür wie flir bie folgenden Verhand⸗
lungen mit 8. Friedrich find außer den ſchon von Teleli, Szalay und
Fehler- Klein benugten Duellen, befonber8 Aen. Sylv., Ep. no. 81,
auch defien von G. Boigt im „Ardiv für öſterr. Geſch.“ XVI, 362 ff.
veröffentlichten Briefe (no. 138. 141. 142. 146. 149. 150. 153—155) zur
vergleihen. ©. au Knauz, Az orszagos tanäcs és orszäggyültsek
törtenete (Gefchichte des Reichſsrates und ber Neichstage) 1445—1452,
p. 18sgqg.
1) Nah Schreiben der ebenfalls anweſenden Presburger Abgefanbten
vom 20. Auguft bei Knauz 1. c. 32, ber mit Unrecht das Datum än⸗
dern wil. Am 18. Auguft bat auch ein Frankfurter die ungarifchen
Geſandten mit 300 Pferden in Wien getroffen. Janſſen, Reichscorre⸗
fpondenz I, 87.
5*
68 Abbruch der Unterhanblungen.
und wenn ibm genügende Garantieen geboten würden, Daß
Ladislaus mit der Krone wieder in feine Hände geliefert werben
würde. In der That war es Friedrichs Pflicht, die Rechte
feines Mündels nicht dadurch zu gefährben, daß er in Ungarn
die Wahl und nicht das Erbrecht als das Entſcheidende anſah.
Auch deswegen wird man ibm feinen Vorwurf machen bürfen,
daß er bie Erziehung besjelben felbft in den Händen behalten
wollte. Denn nicht bloß war er als nächiter Verwandter und
als der ältefte Habsburger der geſetzliche Vormund und als
folcher vom Vater wie von ber Mutter des Prinzen ausdrück⸗
Yich anerkannt. Sondern es ſprachen dafür auch fachliche Gründe.
Wie die Ungarn fo forderten auch die Böhmen, daß Labislaus
in ihr Land gebracht und in ihrem Sinne erzogen werde. Die
Erfüllung der Wünfche der einen hätte bie andern beleidigt,
eine einjeitige Erziehung im Sinne der Ungarn würde ihn feinen
andern Ländern entfrembet haben. Doch war Triedrich bereit,
ben Knaben auf ungariichem Gebiete, in Presburg, zu lafien,
wenn ihm die dortige Burg überliefert würbe. ‘Die Unter
banblungen zerichlugen fich endlich beſonders deswegen, weil bie
Ungarn dem römijchen Könige für die Rückgabe Des jungen
Prinzen feine anderen Sarantieen geben wollten als Eide und
beftegelte Urkunden, Friedrich aber fich damit nicht begnügte 1).
Da man da8 gegenfeitige tief gewurzelte Mißtrauen nicht zu
überwinden vermochte, fo reiften die ungariichen Gejandten im
Oktober unverrichteter Sachen ab.
Es drängte fi nun den Ungarn die Frage auf, ob fie an
dem Beichluffe vom 7. Mai fefthalten und für den unmünbigen
Ladislaus eine Negentichaft einfegen, oder ob fie einen andern
König wählen follten. In jevem Falle fonnten die hervor⸗
ragendften Magnaten verfuchen, ihren Ehrgeiz zu befriedigen.
Der Woywode von Siebenbürgen, Niklas Ujlaky, der fchon bet
der Abreife aus Wien offen auögefprochen, er wiſſe micht, ob
1) Balady IV,1, 142, nad einem Schreiben bes Kanzlers Schlid
vom 8. Oftober. Die namens bed Königs Friebri den ungarifchen Ge⸗
fanbten gegebenen Antworten in autbentifcher Form bei Teleki X, 173
Bis 179,
Wahl Hunyabys zum Reichsverweſer. 69
er Labislaus zum Könige haben werde, fuchte zunächſt eine neue
Königgwahl durchzuſetzen. Als er einſah, daß bei der gegen-
wärtigen Stimmung des Landes an bie Ausichliegung des
Ladislaus nicht zu denken ſei, verftändigte er fich) mit Hunyadyh
über eine Zeilung der oberjten Gewalt. Beide machten dann
heimlich dem Könige Friedrich den Antrag, für bie Nechte
feines Mündels einzutreten, wenn er fich bei feinen Anhängern
dafür verwendete, daß fie als Neichsregenten anerkannt und
bie Verleihung ver Ämter ihnen übertragen werde. Der Pa-
latin Hedervaͤry dagegen, der in Dfen wie auf feinem Eigen»
tume fchaltete und nicht einmal den Reichſtag in bie Stabt
ließ, fchlug zuerjt einen neuen Thronkandidaten in der Perjon
bes Sohnes des Herzogs Philipp von Burgund vor, und als
er damit keinen Anklang fand, fuchte er durch plumpe Lügen
feine gefäßrlichiten Gegner, Hunyady und Ujlafy zu entziveien.
Aber alle Intriguen fcheiterten Y. Der Reichstag, der ſich um
Pfingften 1446 auf dem Felde Raͤkos bei Peſt verfammelte,
bielt an dem Beichluffe, Ladislaus als König anzuerkennen, feit,
wählte aber am 5. Juni bis zur Auslieferung besjelben
Johann Hunyady, deſſen Popularität durch die Niederlage bei
Varna nicht erfchüttert worden war, zum Gubernator ober
Reichsverweſer. Nur wurden ihm in Beziehung auf bie Ge⸗
richtsbarkeit und die Finanzverwaltung wie auf die Beſetzung
der Bistlimer und die Vergebung der heimfallenden Oüter ber
deutende Beichränfungen auferlegt ?).
Die Ungarn machten noch einen Verſuch, vom römiichen
Könige die Auslieferung ihres Königs und bie Herausgabe ber
1) Ob der König Alfons V. von Neapel, der ſchon in biefem Jahre
und fortan bis 1455 in ben Beſitz der ungarifchen Krone zu kommen ſich
bemühte (Klaiéueojiniéié, Geld. Bosniens, &. 393, N.2. Palady,
Urkundl. Beiträge, S. 95) in Ungarn birelt Schritte dafür getban bat,
it unbelannt.
2) Hierüber wie Über bie folgenden Beziehungen zum K. Friedrich ILL.
haben Teleki I, 507 ff. und II, 6ff., Syalay III, 97 ff. und Feßler⸗
Klein II, 500ff. die Belege vollftändig gefammelt. Vgl. auh Chmel,
Geſch. K. Friedrichs IV., II, 316ff. 563 ff. 575 ff.
70 Hunyady und K. Friedrich.
Städte zu verlangen, die er in Ungarn teils als Pfand teils
mit Waffengewalt in feine Gewalt gebracht hatte. Da aud
Diesmal die Unterbandlungen feinen Erfolg. hatten und Friedrich
auf feinem Nechte bejtand, fo fiel Hunyady Ende November
1446 in Ofterreich ein und brannte alle offenen Ortfchaften
bi8 Wiener Neuftadt und Wien nieder. Obwohl Friedrich
non den Ofterreichern nicht unterftüßt wurde und baher ber
Verbeerung des Landes untbätig zuſehen mußte, fo bielt er
doch auch jet zäh an feinen Anfprüchen feſt. In der That
warb feine Ausdauer mit Erfolg gekrönt. Hunyady zog im
Dezember aus Diterreich wieder ab, und da ibm wohl über-
haupt weniger an ber Auslieferung des unmünbigen Könige
als an der Sicherung feiner Herrichaft lag, jo unternahm er
fortan gegen Friedrich Feine feindjeligen Schritte mehr. Es
kam neuerdings zu Unterbandlungen, zuerſt unter Vermittlung
des päpftlichen Legaten Carvajal in Ofen, dann unter ber
Friedrichs von Cilli in Radkersburg. Hier ſchloſſen die unga-
riichen Gejandten am 1. Juni 1447 einen zweijährigen Waffen-
jtilfftand, der die Hauptfrage, die Auslieferung des Könige
Ladislaus und der ungariichen Krone, gar nicht berührte und
Friedrich wie feinen Bruder Albrecht im Befige von Odenburg,
Güns, Eijenftadt und aller andern Städte und Orte ließ, die
fie im weftlichen Ungarn in ifren Händen hatten; nur Raab
mußte Friedrich gegen Erſatz der von ihm dafür gezahlten
3000 Dukaten herausgeben.
Hunyadys Streben ging bejonders dahin, durch glüdliche
.. Kämpfe gegen bie Türken fich Die Gunft der öffentlichen Meinung
zu fichern, die Scharte bei Varna auszuwegen und an feinen
Gegnern Race zu nehmen. Schon im Spätjommer 1446,
gleich nach feiner Ernennung zum ©ubernator, griff er die
Walachei an, um ben Woywoden Drakul, ber ihn vor zwei
Jahren gefangen genommen batte und bann fich mit ven Türken
verbunden haben follte, zu jtürzen und Dan oder Daniel, einen
Sohn des früheren Woywoden Dan, an deſſen Stelle zu fegen.
Da während der Schlacht die Walachen zu Dan übergingen,
ergriff Drakul die Flucht, wurde aber von jenem eingeholt und
Angriffstrieg gegen bie Türken. 1
mit feinem Sohne Hingerichtet ?). Auch in die Streitigleiten
zwifchen den verjchtebenen Gliedern des moldauiſchen Fürften-
hauſes miſchte ſich Hunyady ein, um auch vieles Land dem
ungariſchen Einfluſſe wieder zu unterwerfen 2).
Sein Hauptziel war aber immer der Kampf gegen die
Türken. Durch wiederholte Geſandtſchaften ſuchte er auch den
Papft und verſchiedene Fürſten des Auslandes zur Hilfeleiſtung
zu bewegen, ohne aber etwas anderes als ſchöne Worte oder
Vertröſtungen auf die Zukunft zu erhalten. Da wagte er allein
den Angriff auf die osmanifche Macht, die in den letzten Jahren
durd Kämpfe in Griechenland und mit dem albanefilchen Fürften
Georg Kaftriota bejchäftigt worden war. Nachdem er in ber
zweiten Hälfte des September 1448 mit einem nicht ſehr zahl⸗
reihen Heere 3), in dem fich auch walachiſche Hilfstruppen und
beutiche, polnifche und böhmifche Söldner befanden, bei Kubin
an der Mündung der Morawa die Donau überjegt batte,
drang er längs dieſes Flufjes mitten durch Serbien raſch nad
Süden und dann nach Weften vor. Wollte er fich mit Kaſtriota,
dem Helden Albaniens vereinigen und dann die Türkei an-
greifen? Da ftieß er auf dem „Amſelfelde“ *%), wo 1389 ber
Serbenfürft Lazar und der Sultan Murad I. den Tod ge
funden hatten, unvermutet auf ein türkifches Heer, das angeblich
150 000 Mann zählte und vom Sultan felbit geführt wurde.
Troß der großen übermacht der Türken wagte Hunyady am
1) Chalkokondylas 1. VII, ed. Bonn., p. 338sq. Nah Thw-
rocz, oc. 44 und Dlugosz XII, 34, ber den neuen Woywoden
Stancul nennt, hätte Hunyaby ben Drakul enthaupten laſſen. Über bie
Zet f. Katona XII, 5038qq. Die neueren ungarifchen Geſchicht⸗
ſchreiber machen daraus gegen die Duellen zwei Feldzüge, einen im Jahre
1445, ben andern 1446.
2) Caro IV, 474fl.
8) Nah Thwrocz 24000 Mann, nad Chalkokondylas bagegen
Deloves za Auxo owvaugpörepos & Tterpaxısuvolovs zul äntaxs-
xıllovs Inneas zur dudkas &pkpovro .. . dmpi Tas dioysilas. &p
&xdorns dt audtns dvo Yoınv Avdoe new, neltaorns Te äun xal
teleßoluorns.
4) Serbiſch Kossowo polje, ungarif Rigomezö.
72 Die Niederlage auf dem Amfelfelbe.
18. Oktober die Schlacht. Am erften Zage blieb der Kampf
umentichteben. Am zweiten aber unterlagen bie Ungarn troß
ihrer Tapferkeit: der erprüdenden Menge ber Feinde. Als end»
ih die Walachen zu den Türken übergingen, warf ſich bie
ungarifche Neiterei in vegellofe Flucht. Die bößmifchen und
beutichen Söldner, welche, hinter ven Streitwagen und Kanonen
aufgeftellt, fich nicht retten Tonnten, verteidigten fich noch am
Morgen des dritten Tages gegen die Angriffe der Ianiticharen
und verkauften ihr Leben auf das teuerjte. 17000 Chriften
jollen auf dem Amfelfelde ven Tod gefunden haben, darunter
Emerich Beljäczy, Woywode von Siebenbürgen, und fein Bruber
Ladislaus, Franko Thalloͤczy, Ban von Kroatien, Stephan
Baͤnffy von Lindva, der Oberjtthürhüter Emerich Marczallt,
Thomas Szechy, Bruder des Erzbiichofs von Gran, und Johann
Szetely, ein Verwandter Hunyadys 1). Dieſer felbit gelangte
unter manchen Gefahren und Abenteuern bis in die Nähe der
Donau, wurde aber dann in bie Hände des Fürſten Georg
von Serbien geliefert, der fich auch diesmal, überzeugt von ber
Unüberwindlichkeit der Türken, geweigert hatte, fich an Hunyady
anzujchließen, und dafür von dieſem mit der Verwüſtung feines
Landes beftraft worden war. Erjt nach zwei Monaten erhielt
Hunyady auf die Verwendung des ungariichen Reichsrates feine
Freiheit wieder, nachdem er die Rückgabe aller dem Deipoten
weggenommenen Städte und Schlöffer und die Verſchonung
dieſes Landes bei Tünftigen Teldzügen gegen die Türken ver«
1) Für die chronologifchen Daten und bie Richtung des Zuges ift bie
verläßlichfte Duelle Hunyabys Brief vom 30. Dezember 1448 ap. Katona
XII, 637 89q., mit defien Urkunden vom 8. bis 17. September aus
Kovin (Kubin) ibid. p. 689—601. In eine Detailfehilderung ver Schlacht
läßt ex ſich nicht ein; dagegen ift hierfür um fo meitläufiger Chalko-
kondylas ed. Bonn., p. 35dsqgq., befien Angaben man im einzelnen
freilich nicht Tontrollieren kann. Vgl. auch Dlugosz XII, 4680q.;
Thwrocz, cap. 46sqq.; Eillier Chronik, herausgegeben von Krones,
Kap. 25, ©. 107f. und Schreiben des Aeneas Sylvius an ben
Bapft vom 25. November 1448 ap. Pray, Ann. Hung. III, 7Osgaq.
Die neueren Gefchichtfehreiber bringen manche Angaben, bie an ben gleich“
zeitigen Quellen keine Stütze finden.
Giskra von Brandeis. 7B
ſprochen und als Geifel für die Einhaltung diefer Bedingungen
feinen Sohn Ladislaus zurücgelafjen hatte ). Hunyady wollte
gleich wieder den Krieg gegen bie Türken erneuern, wurde aber
fogar vom Papfte ermaßnt, ſich auf die Verteibigung zu be
ſchränken. Da er zugleich mit innern Feinden zu kämpfen hatte,
anderſeits Murads II. Sohn und Nachfolger Muhammed IL
wegen eines neuen Angriffs des Fürften von Karaman ben
Frieden mit feinen chriftlichen Nachbarn zu erhalten fuchte, fo
wurde im Jahre 1451 zwilchen Ungarn und den Türken ein
dreijähriger Waffenſtillſtand abgeichloffen 2).
Hunyady Tonnte ſchon deswegen den Krieg mit ben Türken
nicht fortiegen, weil er in Ungarn felbjt manche Gegner hatte.
Diele Magnaten waren auf den Emporlömmling eiferflichtig,
Giskra von Brandeis fein ausgefprochener Feind. ALS „oberfter
Feldhauptmann des Königs Ladislaus“ ®) war diefer noch Immer
der eigentliche Herr Oberungarns, das er durch Beſetzung ber
Städte und Burgen und burch befeftigte Lager (tabor) im
Zaume hielt. Die Bürger ber dortigen Städte mußten ihm
unter verjchiedenen Titeln bebeutende Summen zablen, bie
Bauern wurden von ihm und feinen Unterbefehlshabern, wie
von andern unabhängigen Banvenführern, dem Polen Komo⸗
vowsiy, Herrn des Liptauer Komitats, und Pongracz von
Szent⸗Mikloͤs, dem Beſitzer des Wanggebietes, mit Steuern
und Abgaben gedrüdt. Da entichloß fih Hunyady im Sabre
1449 zum Kriege gegen den gefürchteten Bandenführer und
„Huſiten“. Allein fein Schweiterfohn Thomas Szefely wurde
am 5. September bei Somos unweit Kafchau geichlagen, und
1) Die Bedingungen lernen wir aus ber Bulle des Bapftes Nitolaus V.
vom 12. April 1450 ap. Raynaldad a. 1450, no, 7 fennen, worin er
Hunyady von der Erfüllung bderfelben dispenfiert. Die Zwiftigleiten
wurden 1451 ausgeglihen durch die Verlobung der Enkelin Georgs,
Tochter bes Grafen Ulrich von Eilli, mit Matthias Hunyady, jlingerem
Sobne des Gubernators. Katona XIU, 778. Teleki X, 305.
2) Dukas, cap. 34, ed. Bonn., p. 233. Teleki X, 322.
8) Domini Ladislai Hungarie etc. regis capitaneus generalis nennt
ex fih in Urkunden von 1450 und 1451 bei Teleki X, 256. 297.
74 Kriege Hunyadys mit Giskra.
biejer felbft, und ziwar wie berichtet wird, von Giskra getötet,
fehr viele gefangen. Da brach Hunyady perfünlich gegen Giskra
auf und eroberte die Burg Moldawa oder Sepfi füdweftlich
von Kaſchau, deren Bejakung, Böhmen und Polen, er ein
Auge ausitechen und beide Hände wie die Nafenipige abbauen
ließ. Sieht man aber von der Verwüftung der burchzogenen
Gegenden beſonders des Gebietes von Kremmig ab, jo errang
Hunyady Feine wejentlichen Erfolge mehr. Er jchentte daher
einer Gefandtichaft ber polnischen Königin Sophia, welche ven
Krieg von der an Polen verpfänbeten Zips fern halten wollte,
Gehör und gab feine Zuftimmung zu einem Waffenftillftande
mit Giskra, der am 4. Dezember in Kremnig auf die Dauer
von acht Monaten abgejchloffen wurde ’). Im folgenden Früh»
jahr unterbandelten der Biſchof von Erlau und mehrere Magnaten
mit Gisfra über eine längere Waffenrube, die auch in Rima⸗
jzombat verabredet und dann vom ungariichen Reichstage ger
nehmigt wurde. Nach den Beitimmungen biejes Friedens, der
bi8 zur Übernahme ver Regierung durch den König Ladislaus
oder im Talle feines früheren Todes bis zur Wahl eines neuen
Königs dauern follte, blieb Giskra nicht bloß im Beſitze Ober-
ungarns, fondern es follte ihm auch von Hunyady eine große
Summe Geldes gezahlt werben, deren Reſt, 10600 Dufaten,
dann bie ungariichen Stände übernahmen 2). Hunyady hatte
weiter Giskra feine verwitwete Schweiter zur Ehe zu geben
verjprochen. Doc bot gerade dies den Anlaß zum Wieber-
ausbruch bes Krieges. ALS fich nämlich das Gerlicht verbreitete,
Hunyady wolle bei der Hochzeit Gisfra und die Seinigen er
morben lafjen, fchlug diefer los und bejette dad St. Stephans-
1) Diugosz XI, ölsqg. Brief des Aeneas Sylvius an Ear-
vojal vom 13. November 1449 im „Archiv für Bfterr. Geh.“ XVI,
3%. Bgl. Zeißberg, Poln. Geſchichtſchreibung, ©. 209 ff., der aber
aus Berfehen bie Urkunde über einen von Giskra und anderen Anhängern
bes K. Ladislaus am 30. November 1444 auf zwei Jahre gejchlofienen
Waffenſtillſtand im „Archiv für öfterr. Gef.” XXIL, 196 bier anführt.
2) Die Urkunden bei Katona XIU, 796 40q. Teleki X, 256.
gt. Teleki II, 1dlsgg. Szalay III, 129. Feßler-Klein 11,520.
Hunyadys Bertrag mit K. Friedrich. 75
Hofter unweit Loſoncz im Neograper Komitate. Hunyady griff
basjelbe mit großer Macht an, erlitt aber am 7. September
1451 durch Giskra ungeachtet feiner großen lÜberzahl, wie es
beißt infolge Verrates, eine gänzliche Niederlage. Als er aus
Niederungarn friegsgeübte Truppen herbeisog, behauptete er
zwar Giskra gegenüber das Übergewicht und nahm dieſem
mehrere Burgen weg. Uber bemielben einen enticheivenven
Schlag beizubringen vermochte er nicht ). Neben dem Guber-
nator von walachiſcher Abjtammung behauptete ver böhmiſche
Heerführer auch fortan eine ſelbſtändige Stellung.
Unter ſolchen Verhältniſſen wollte fih Hunyady wenigſtens
vonſeite der ausländiſchen Mächte Ruhe ſichern und für ſeine
Reichsverweſerſtelle eine möglichſt feſte Rechtsbaſis verſchaffen.
Am 22. Oktober 1450 ſchloß er in Presburg mit dem Könige
Sriedrich einen Vertrag, welcher zeigt, daß er nicht ver uns
eigennügige Charakter war, als den ihn die offiziellen Geſchicht⸗
Ichreiber des Hauſes der Eorvinen dargeftellt haben. Er ver
ſprach nämlih, den König Labislaus bis zur Vollenbung bes
achtzebnten Lebensjahres, aljo bis zum Februar 1458, in
Friedrichs Händen zu laffen und diefen ebenjo lange im Befitze
der Städte und Burgen, die er und bie Seinen in Ungarn
inne hätten, nicht zu beunrubigen oder beunrubigen zu lafien,
wogegen Friedrich zugab, daß er während dieſer Zeit Guber⸗
nator in. Ungarn bleibe, ihm gegen alle, die ihn daran hindern
wollten, feinen Beiſtand zufagte und gelobte, Ladislaus auch
nach. Erreichung des achtzehnten Jahres nicht aus jeiner Vor⸗
mundſchaft zu entlaffen, ohne ihn früher davon verftändigt zu
haben, und ihn dann bei Ladislaus mit feinem Rate und feiner
Hilfe zu unterftügen 2).
Einen ganz ähnlichen Verlauf Hatten die Creigniffe tm
Böhmen genommen °).
1) Dlugosz XII, 8i. Thwrocz, cap. 48. Ebendorffer
ap. Pez SS. II, 863sq. Über ben Kampf bei Lofonz f. auch das Ge-
dicht Michel Beheims in „Duellen und Forſchungen“, S. 46 ff.
2) Kurz, Ofterreih unter 8. Friedrich IV., I, 258.
3) BPalady, Seid. von Böhmen IV,1, 192ff., und befien „Urkund⸗
16 Einnahme Prags durch Georg von Pobiebrab.
Die Böhmen Hatten ihren König von Friedrich ebenfo
wenig erhalten wie die Ungarn troß aller Bemühungen und
der Drohung, einen andern zu wählen, was übrigens nicht fo
leicht geweien wäre, da fie unter fich nicht einig waren und der
Herzog von Baiern und König Friedrich einen ſolchen Antrag
abgelehnt hatten. Während biefer Zeit vergrößerte der talent»
volle, gewandte und rührige Georg von Podiebrad immer mehr
jeinen Einfluß, ſodaß er endlich glaubte, durch einen Staat
ſtreich die Herrichaft an fich reißen zu können.
Unter falſchen Vorwänden brachte er mit Hilfe feiner Ans
bänger ein bedeutendes Heer zujammen, bemächtigte fich in ber
Naht vom 2. auf den 3. September 1448 ver Stadt Prag,
jtürzte das dortige Regiment, nahm den Oberftburggrafen
Meinbard von Neubaus gefangen, der dann nach fünfmonat-
licher Haft im Februar 1449 ftarb, und verhalf in Prag dem
Hufitismus vollftändig zum Siege. Obwohl die Utraquiften
fich immer auf die Kompaktaten beriefen und durch dieſe ihnen
wohl der Kelch bewilligt aber nicht die Alleinherrichaft zugefichert
worden war, jo wurden boch jett alle aus Prag vertrieben,
welche den dorthin zurückkehrenden Rokycanag nicht al8 Erz
biichof anerkannten, namentlich das Fatholiiche Domkapitel und
bie deutſchen Magiſter und Stubenten, bie fich in legter Zeit
wieder in größerer Zahl eingefunden hatten.
Als Georg. einmal die Hauptftadt in feiner Gewalt hatte,
jtrebte er danach, auch die Negierung des ganzen Landes in
feine Hände zu bringen. Lange erreichte er fein Ziel nicht,
ba nicht bloß feine offenen Feinde, Ulrich von Rojenberg und
ber Sohn Meinhards von Neuhaus wie deren Freunde und
die ehemaligen Zaboriten, ihm feindlich entgegentraten, Jondern
auch manche feiner bisherigen Anhänger ihn nicht zu mächtig
werben lafjen wollten. Wiederholt verjuchte man den König
Briedrih zur Herausgabe feines Mündels zu bewegen, obne
freilih gegen die Zähigkeit Friedrichs etwas ausrichten zu
liche Beiträge zur Gefch. Böhmens und feiner Nachbarländer im Zeitalter
Georgs von Podiebrad (1450—1471)”, in „F. R. Austr. Dipl.“ XX.
Deſſen Wahl zum Reichsverweſer. 77
können. Wie mit Hunyady fo verftändigte fich Friedrich auch
mit Bobiebrad in einer Weiſe, die beiven zum Vorteile gereichte.
Um endlih Ruhe zu befommen, übertrug er felbft dieſem im
Ditober 1451 bis auf Widerruf die ganze Verwaltung Böhmens,
wogegen Podiebrad auch nicht weiter auf ver Auslieferung bes
jungen Ladislaus beftand. Am 27. April 1452 wählten dann
auch die böhmischen Stände Georg zum Verweſer des König-
reihe und gaben ihm einen Nat von elf Perſonen aus den
Herren, Rittern und Städten an die Seite, mit benen er bie
Regierung führen follte. Es gelang ihm nun bald, bie legten,
die noch widerjtrebten, die Reſte der Roſenberg⸗Neuhausſchen
Partei und die Taboriten, zur Anerlennung feiner Gewalt zu
zwingen und nun endlich dem Lande ben lang entbehrten Frieden
und die Bedingungen für die Wieberheritellung feines materiellen
Wohlſtandes zu verichaffen.
- Aber gerade in der Zeit, wo Friebrich fich mit den Macht⸗
babern der beiden hervorragendſten Reiche des Ladislaus endlich
geeinigt hatte, bereitete fich in Ofterreich eine Bewegung vor,
bie eine Kataſtrophe berbeiführte.
Die Zeit der vormundichaftlichen Negierung König Fries
drichs III. ?) gehört zu den traurigften Perioden, welche das
Herzogtum OÖſterreich erlebt hat. Nicht bloß fühlte man in
ber empfindlichſten Weife, daß die Fräftige Hand erlahmt fei,
welche die unbotmäßigen Adeligen und die raubluftigen Grenz
nachbarn im Zaume gehalten hatte; Sfterreich Fitt auch an
ben Folgen der Großmachtftellung, welche Albrecht II. vorüber»
gehend eingenommen hatte. Für eine würdige Ausſtattung bei
der Königskrönung in Ungarn, für den Krieg um Böhmen, für
bie Rüftungen gegen die Türken waren ſehr bebeutende Aus-
lagen notwendig geweſen, ſodaß fein Hubmeifter ober Finanz
miniſter Ulrich Eizinger für die drei Sabre vom Frühjahr 1437
1) ©. darüber Chmel, Geſch. K. Friedrichs IV., II, 30 -36. 84—89.
105—109. 115—137. 215. 252—258. 330—333. 572—598, ber fi)
beſonders auf urkundliche Materialien ftütt. Vgl. Ebendorffer ap.
Pez II, 858sgg.
78 Zufände Ofterreichs währen ber
bis zum Frühjahr 1440 ein Defizit von 12125 Pfund
Pfennigen oder fat 14000 Dukaten berechnete !). Dabei
waren nicht bloß bebentende Anleihen gemacht worden ?), jons
dern e8 waren auch viele Sölonerführer noch nicht bezahlt.
Diefe Rüdjtände zu deden, war für Friedrich als Vormund
des Sohnes Albrechts in der That nicht leicht, da Ungarn
und Böhmen, die Ladislaus nicht als König anerkannten, nichts
zahlten, ja, noch die Mittel zur Belämpfung der dortigen
Gegner aufgebracht werben jollten, die Stände ber übrigen
habsburgiſchen Länder für Dinge, die fie nicht direkt berührten,
fein Gelb bewilligten und bie Einkünfte aus Ofterreich doch nicht
groß genug waren, um aus ben’ Überjchüffen die Schulden des
Königs Albrecht zu zahlen. Als die Sälonerführer mit ihren
Forderungen nicht befriedigt wurden, griffen fie zu den Waffen
und fuchten fih durch Raub und Ausplünderung der Bürger
und Bauern bezahlt zu machen. Auch Ulrich Eizinger ſchickte
mit 150 andern Gläubigern im Mai 1441 dem König einen
Fehdebrief. Auf Das Drängen der öfterreichiichen Stände fchoß
enblich Friedrich das Geld zur Abfertigung der Söldnerführer
por. Obwohl fih mande verfelben eine bedeutende Herab-
minderung ihrer Forderungen gefallen laſſen mußten, fo be,
liefen fich die Gelder, welche Friedrich auszahlte oder doch
wenigftens zu zahlen verſprach, auf wenigftend 48000 Dufaten ?).
Es war diefe Summe um fo jchwerer hereinzubringen, als ber
Biterreichiiche Landtag gar feine außerorbentlihe Steuern ber
willigte, weil die einzelnen Stände ſich nie über den Anſatz zu
einigen vermocten und bie Adeligen verlangten, daß ibre
1) Chmel, Materialien I,2, 91. Ein Gulden wirb 1440 zu
6 Schilling 20 Pfennig (= 200 Pf.), 1441 zu 7 Schilling (= 210 Pf.)
berechnet. Lichnowsty VI, Reg. Nr. 45. 276.
2) So beim Kanzler Kaſpar Schlid von 20000 Dukaten, und 12000
Dutaten unter Bürgfchaft des Grafen Johann von Schaunberg. Kollar,
Analecta II, 878. Ehmel, Materialien 1,2, 178.
3) Lichnowsty VI, Nr. 45. 158. 247—250. 254—257. 263. 275
His 278. 288. 345. 350. 351. 379. 417—422. 441, 442. 471. 476 bie.
478. 575. 608.
vormundſchaftlichen Regierung K. Friebrichs. 79
Unterthanen geringer beſteuert werden ſollten als die der Prös
Iaten und als die Güter der Bürger.
Leider börten die Gewaltthaten mit der Bezahlung ber
Sölönerführer nicht auf. Manche verjelben fanden e8 bequem,
ohne jede Anftrengung auf SKoften ber Bürger und Bauern
ein angenehmes Leben zu führen. Pongraͤcz von Liptau und
Szent-Miflos, der fich eines großen Teiles des Gebietes zwiſchen
ber Wang und March mit den Stäbten Stalig und Holitich
bemächtigt hatte und dort wie ein jelbftändiger Fürſt fchaltete,
brachte auch einige Punkte in Ofterreich in feine Gewalt, baute
an verichiedenen Orten feine Tabor oder befeftigten Lager und
bebrüdte mit feinen Leuten, bvem Auswurfe ver kriegs⸗ und
raubluftigen Bevölkerung von Böhmen, Polen, Ungarn und
Deutichland, das ganze Gebiet von der Thaya bis zur Donau
und von der March bis Krems und Zwettl auf das furchtbarite.
Seinem Beifpiele folgten nicht bloß mährifche und böhmiſche,
jondern felbft öfterreichifche Adelige, jobaß die Bauern unter
bem Drude der Räuber erlagen, der Hanbelsverfehr geftört
ward und faft nur gegen hohe Abgaben an die Bandenführer
bewerkitelligt werben konnte. Wohl wurde manchmal eine
Raubburg eingenommen, die Verteidiger aufgehängt. Aber es
waren das nur Palliativmittel, fo lange man fich nicht ent»
ſchloß, mit dem Aufgebote größerer Streitlräfte den Räuberftaat
des Pongracz zu vernichten. Erft im Sabre 1450 kam es zu
einem Feldzuge gegen venfelben. Ulrich von Cilli, den Friedrich
an die Spite der Truppen geftellt hatte, nahm mehrere Schanzen
in Ofterreich weg, überfchritt dann die March, nahm Skalitz
ein und trieb den Pongräcz fo in die Enge, daß er fi dem
Johann Hunyady in die Arme warf, welcher fi dann bafür
verbürgte, daß von Ungarn aus Feine Einfälle nach Äſterreich
mebr gemacht werden follten ’).
Obwohl an der langen Fortvauer diefer Bedrängniſſe bes
Landes die Bfterreichiichen Stände nicht viel weniger ſchuld
1) Ehmel, Gewichte K. Friedrichs IV., II, 591ff. Bgl. auch Eifer
Ehronil, S. I1f.
80 Unzufriebenbeit der Ofterreicher mit 8. Friedrich.
trugen al8 der König Friedrich, jo iſt es doch begreiflich, Daß
fie in erfter Linie dieſem als dem Negenten des Landes zur
Laft gelegt wırden. War ja Sriebrich in Ofterreich nie populär
geweſen, ba feine Perfönlichkeit nicht Dazu angethan war, die
Liebe der Unterthanen zu gewinnen, und er bie meiſten öſter⸗
reichiſchen Adeligen binter feinen fteiriichen Günftlingen, dem
hochmütigen Kammermeiſter Johann Ungnad, dem Hofmeifter
Sohann von Neiperg und dem Marſchall Walter Zebinger weit
zurückſetzte. Auch machte e8 einen unangenehmen Eindrud, daß
ber König gewöhnlich in Graz oder in Wiener Neuftabt reſidierte,
Das im jener Zeit nicht als zu Lfterreich gehörig angefehen
wurde. Da Friebrich fih um dieſes Land wenig zu fümmern
ſchien und den Klagen über die Unficherheit, die fchlechte Münze
u. ſ. w. nicht abhalf, jo ift e8 natürlich, daß man die Augen
auf ben rechtmäßigen Erben des Landes warf, daß man glaubte,
eine eigene Regierung würde aller Not abzubelfen vermögen.
Schon Anfangs Februar 1447 Hatte ein Landtag in Korneu⸗
burg an den König bie Forderung geftellt, es jollte Ladislaus
in jein Erbland und nach feinem Hauptichloffe Wien gebracht
und ihm Leute nad) dem Nate der Stände an die Seite ge-
geben werben, was Friedrich natürlich den Öfterreichern ebenſo
abichlug wie den Ungarn und Böhmen. Bei der fteigenven
Unzufriedenheit brauchte nur ein Mann von Anfehen und Ein»
fluß die Leitung in die Hand zu nehmen, fo brach auch in
Oſterreich eine allgemeine Bewegung gegen den Negenten aus.
Diefer Dann war Ulrich Eizinger von Eizing, ein batrifcher
Adeliger, der, von Haus aus ohne Mittel, als Knabe zur Zeit
ber Regentſchaft des Herzogs Ernſt nach Ofterreich gekommen,
fpäter in die Dienfte Albrechts V. getreten war und bie Gunſt
dieſes Herzogs in einem folchen Grade gewonnen hatte, daß
biefer ihm mehrere Güter verlieh, ihn 1433 zum Hauptmann
von Eggenburg und Znaim, 1437 zum Hubmeijter ernannte
und enbli 1439 mit feinen Brüdern in den Freiberrnitand
erhob. Dan that ihm wohl nicht Unrecht, wenn man be
Bauptete, daß er die Würde eines Finanzminifterd auch zu feiner
eigenen Bereicherung benutzt habe; Thatfache ift, daß er von
Ulrich Eizinger. | 81
dieſer Zeit an Gut auf Gut kaufte und 1440 in der Lage
war, der Königinwitwe Eliſabeth bedeutende Summen vorzu-
ftreden ). Das Zerwürfnis mit dem Könige Friedrich war
Ende 1441 wieder ausgeglichen, ja Ulrich fogar in den Rat
des Königs aufgenommen ?) worden. Als aber Frievrih im
Auguft 1451 von feinem Bruder deſſen ungariiche Befigungen
Eifenjtadt und Forchtenftein faufte, während Albrecht mit Eizinger
die Verhandlungen darüber ſchon faſt zum Abfchluffe gebracht
batte, zeigte fich diefer im böchiten Grabe gekränkt und lehnte
auch den Antrag der beiden Fürften ab, die Entſcheidung ber
Rechtsfrage den öfterreichtichen Baronen zu übertragen. Ulrich
Eizinger, ein Dann von fehr beveutenden Fähigfeiten, kühn
und rührig, fchlau, gewandt und mit großen Rednergaben aus-
geftattet, aber auch von einem unbegrenzten Ehrgeize erfüllt,
wollte jegt die Unzufriedenheit der Ofterreicher über Das Regiment
Friedrichs benutzen, um fich in biefem Lande eine Stellung zu
verichaffen, wie fie Hunyady in Ungarn, Podiebrad in Böhmen
erworben hatte.
Es erleichterte die Ausführung feines Planes, daß Friedrich
gerade um biefe Zeit einen Zug nach Italien antreten wollte,
um feine Braut Eleonore von Portugal abzuholen und fich in
Rom zum Kaiſer frönen zu laffen. Daß er auch feinen Mündel
mit fich nehmen wollte, beuteten nun feine Feinde gegen ihn
aus, indem fie fagten, daß er benfelben in dem ungewohnten
italienischen Klima dem DVerberben preisgeben wolle. Auch daß
er die Regenten, welche in feiner Abwefenheit Ofterreich ver-
walten follten, eigenmächtig ernannte, ohne bezüglich der Perjonen
1) Viele Urkunden zur Gefchichte der Eizinger aus einem Diplomatar
bat Chmel in (Schmidl's) „Oſterr. Blättern für Literatur“ u. f. w.
1847, Nr. 59. 60. 65. 66. 71, und im „Archiv f. öſterr. Geſch.“ 1848,
I, Aff. und V, 21ff., mitgeteilt. Über fein Emporlommen berichtet von
einem ſehr feinblihen Standpunkte aus eine Denkſchrift von c. 1454,
im „NRotizenblatt” der kaiferl. Alab. 1857, ©. 231ff. und 245ff. und
fur; Aeneas Sylvius, Hist. Frid. ap. Kollar II, 183sqgq., ber
auch feine Abſtammung aus Baiern erwähnt.
2) Kollar, Analecta II, 1315.
Huber, Geſchichte Öfterreihs. IL. 6
B. 7 Bündnis öſterreichiſcher Adeliger gegen K. Friedrich.
den Rat der Stände einzuholen, bot neuen Grund zur Un⸗
zufriedenheit. Ulrich Eizinger lehnte den Eintritt in die Regent⸗
ſchaft ab und begann noch im Herbſte 1451 feine Umtriebe ).
Unter dem Vorwande, Befitftreitigkeiten mit den Herren
von Kichtenſtein ausgleichen zu wollen, hielt er in Mailberg bei
Laa eine Zufammenktunft mit mehreren Abdeligen und fuchte
fie gegen Friedrich aufzureizen. Er warf ihm die Vernach⸗
läſſigung Oſterreichs, defien finanzielle Ausbeutung für fremde
Zwede, die Vergeudung der herzoglichen Güter, die Zurüd-
jegung der öfterreichiichen Großen gegen feine fteiriichen Günft-
Yinge, einen Ungnad, Neiperg, Zebinger vor und ſetzte aus⸗
einander, daß der König die Bedingung, unter der man ihn
in Oſterreich als Regenten anerfannt babe, fich bei der Regierung
bes Landes an den Rat der Stände zu halten, verlegt babe,
und daß daher auch fie ihrer Pflichten gegen ihn entbunven
feien. Eizinger erreichte bier volljtändig feinen Zwed. Obwohl
außer ibm und feinen Brübern von hervorragenderen Adeligen
nur die Liechtenftein und Jörg von Kuenring in Mailberg an⸗
weiend waren, fchloffen fie doch am 14. Oftober im Namen
aller Brälnten, Herren, Ritter und Knechte, die ihr Siegel an
diefe Urkunde hängen würden, einen Bund, um die Auslieferung
ihres Erbherrn Ladislaus durchzuſetzen, der nach Oſterreich ger
bracht werben und bis zu feiner Volljährigkeit in Wien refidieren
ſollte. Bald traten ihnen mehrere Adelige bei und auf einer,
Ende Oktobers in Wullersporf unweit Mailberg gehaltenen Ver⸗
jammlung beichloffen fie die Abſendung einer ‘Deputation an
den König, um ihn zu erjuchen, er möge, ba er jegt nach Rom
1) Über die Borgänge in Ofterreich in ben Ießten Monaten bes Jahres
1451 Hat Chmel, Geh. K. Friedrichs IV., II, 640ff. auf Grund ber
Berichte des Aeneas Sylvius in feiner Hist. Frid. uud Ebendorffers, wie
ber einfchlägigen Altenſtücke (befonders in „Materialien“ 1,2, 356 ff.) er-
ichöpfend gehandelt. Die Form der von Aeneas Sylvius mitgeteilten
Reden iſt natürlich fein Eigentum. Uber feine Darftellung wirb durch
die Urkunden beflätigt. (U. G. Supan, Die vier lebten Lebensjahre
des Grafen Ulrich II. von Cilli, mit bei. Berückſichtigung ber Stände
Revolution in den Jahren 1451 und 1452, Wien 1868, ift wertlos.)
Anſchluß der Präfaten und Städte. 88
ziehen wolle, ihren Erbherrn nah Wien jenden, bamit nad
dem Teſtamente feines Vaters Albrecht vorgegangen, aljo wohl
ein VBormundichaftsrat aus den verichtebenen Ländern besjelben
eingefeßt werde. ALS Friedrich diefer Forderung gegenüber auf
jein Recht und auf die üblen Folgen hinwies, wenn die Wünfche
nur eines Landes berüdfichtigt würden, und eine Erledigung
diefer Angelegenheit nach feiner Nüdkehr von Nom in Ausficht
ftelfte, da beriefen Die Gefinnungsgenofjen Eizingers eigenmächtig
auf den 12. Dezember einen Landtag nad Wien. Vergebene
verboten der König und die von ihm beitellten Landesverweſer
ven Brälaten und Stäbten bie Teilnahme an vemfelben. Der
Nat von Wien weigerte fi wohl anfangs bie Verfammlung
in biefer Stadt tagen zu laffen. Aber Eizinger gewann die
Bürger für fih, unter deren Drude auch der Rat fi dem
Strome nicht mehr entgegenftenmte.
Hatten fih anfangs nur die Ritter und einzelne Barone
an Eizinger angeichloffen, jo fanden ſich auf dem Lanbtage in
Wien auch der größere Zeil der Brälaten und Vertreter ber
Stäbte ein. Hier entfaltete nun Kizinger feine Demagogen-
fünfte. Nachdem er durch glänzende Feſte und Gelage bie
richtige Stimmung hervorgerufen hatte, haranguierte er von
der Kanzel der Karmeliter „am Hof“ aus, auf der im Jahre
vorher der befannte Minorit Capiftrano feine feurigen Buß.
prebigten gehalten hatte, das zahlreich verfammtelte Voll. Um
eine größere Wirkung zu erzielen, führte er felbft des Ladislaus
zweite Schweiter Eliſabeth, die in Wien zurüdgeblieben war,
in fchlechten Kleidern vor und ließ im Namen verfelben durch
einen Wortführer den Ständen für ihr Ericheinen banken und
die Bitte ausiprechen, fie möchten ihr und ihres Bruders Elend
anſehen und bahin wirken, daß biefer in den Beſitz feiner Lande
tomme. Die Wirkung war eine vollftändige. Auch bie Städte
fündigten jet Friedrich den Gehorſam auf. Der. Landtag bes
ſchloß die Einfeßung einer proviſoriſchen Regierung von zwölf
Mitgliedern aus den verichievenen Ständen mit Ulrich von
Eizinger als oberften Hauptmann an ber Spige. An Friedrich
wurde ein Ultimatum erlaffen und noch einmal die Herausgabe
6*
84 Römerzug 8. Friedrichs.
feines Deündeld verlangt, widrigenfalls fie die Sache an deſſen
Königreihe und Verwandte bringen würben.
Friedrich war bereit8S um bie Mitte des Novembers von
Neuftadt nach Steiermark abgereift und jchon im Begriffe, den
Römerzug anzutreten, als er von den lebten Vorgängen Nach⸗
richt erhielt. Diele feiner Räte jprachen fi dahin aus, daß
er die Reife verſchieben und zuerft die Bewegung in Öfterreich
im Keime unterbrüden follte. Allein Friedrich hielt mit ge-
wohnter Zähigfeit an dem einmal Beichloffenen feit und meinte,
er könne ohne Verlegung feiner Ehre nicht alle Vorbereitungen
für den Zug nach Italien rüdgängig machen. Xieber, erflärte
er, wolle er die Bormundfchaft verlieren, als fein Beginnen
aufgeben. Ende des Jahres 1451 z0g er mit feinem Bruder
Albrecht ımd feinem Mündel, den er nur in feiner Umgebung
vor Entführungsverjuchen ficher glaubte, über die Alpen nad}
Rom, wo er am 19. März 1452 vom Papſte Nilolaus V.
zum Kaiſer gefrönt wurde. Es war die legte Kaiſerkrönung,
die in Nom vorgenommen worben iſt. Erft nach ver Mitte
des Juni fam er über Venedig und Villach nach Wiener Neu
ftadt zurüd.
Eizinger und feine Gefinnungegenofjen hatten die lange Ab-
weſenheit Friedrichs auf das beſte benugt. Sie hatten bie
Grafen von Cilli als die nächſten Verwandten des Ladislaus
und die übrigen Länder besjelben auf ihre Seite zu bringen
gejucht und nicht ohne Erfolg gearbeitet.
Die Prälaten, Adeligen und Städte Niederditerreich8 hatten
fich teild auf dem Landtage in Wien, teild in ber nächiten
Zeit größtenteild ihnen angeichloffen. Die Zahl der Siegel,
welche an bie Urkunde des Meailberger Bündnifjfes gehängt
wurben, ftteg nad) und nach auf mehr als 250). Noch vor
1) Daß dies nit fehr raſch geſchah, ergiebt fih wohl daraus, daß
fih unter biefen Siegen aud die ber Prälaten und Städte Oberöfter-
reich8 befinden, bie erft im Januar in bie Bewegung bereingezogen worden
find. Dies gilt wohl auch von ben bbhmiſchen Rojenberg, die ebenfalls
unter den Sieglern find. Die vollfländige Aufzählung der Siegler bei
Ehmel, Geſch. K. Friedrichs IV., II, 643, N.
Anwachſen der Bewegung gegen K. Friedrich. 85
der Mitte des Januar 1452 fagten auch die Stände von
Oberditerreich mit ihrem Landeshauptmanne, dem Brafen Johann
von Schaunberg, auf einem Lanbtage in Wels!) dem Könige
Friedrich al8 Vormunde und Negenten den Gehorſam auf.
Bon großer Wichtigkeit war ed, Daß fich auch die Grafen
von Cilli der Bewegung anſchloſſen. Ulrich hatte feit feiner
Ausjöhnung mit dem Könige Friedrich diefem manche ‘Dienfte
geleiftet und noch im Sommer 1450 den Feldzug gegen
Pongraͤcz von Sz. Millos geleitet. Aber ein gewiffer Groll
war doch ohne Zweifel in ihm zurücdgeblieben, und geringfügige
Kränkungen, wie etwa eine Zurüdjegung hinter anvere, mehr
begänjtigte, Räte ?) mochten leicht den glimmenven Funken zu
heller Flamme anfachen. Auch mußte ihm der Sturz des bis⸗
herigen Vormundes ſeines Vetter deswegen erwünſcht fein,
weil er erwarten konnte, daß der zwölfjährige Knabe einer
Leitung nicht entbehren können und dieſe ihm zufallen würde.
Nach dem Beiſpiele Ulrichs richtete ſich auch ſein Vater Friedrich.
Die Ungarn konnten das Vorgehen ver Oſterreicher nur
mit Freuden begrüßen, da dieſe ja dasſelbe verlangten, was fie
ſelbſt feit Jahren angeftrebt Hatten. Auch Hunyady wagte troß
feines Vertrages mit Friedrich III. nicht, der allgemeinen
Strömung fih offen entgegenzuftellen. Eine feftere Stellung
nahm in Böhmen Georg von Bodiebrad ein, der denn auch
der Abmachung mit dem Könige Friedrich treu blieb. Dagegen
fanben die Ofterreicher eifrige Unterftügung bei Georgs Feinden
beſonders Ulrih von Rofenberg und feinen Söhnen, und bet
ver katholiſchen Partei Mährens, dem Hauptmanne und mancen
Herren und den Städten dieſes Yandes wie beim Biſchofe von
Olmütz 3), indem fie bofften, daß unter der Regierung des
1) Chmel, Materialien 1,2, 368. Lichnowsky VI, Reg. Nr. 1613.
1617.
2) Diefe und andere Urſachen führen die Eillier Chronik, S. 92, und
Aeneas Sylvius, Hist. Frid. ap. Kollar I, 213, an.
3) Mitteilung der Verweier Oſterreichs an Sigmund von Tirol bei
Chmel, Materialien 1,2, 379.
3 Bündnis ber Gegner 2. Friedrichs.
katholiſchen Ladislaus ihr Einfluß maßgebend werben, der huſitiſche
Bubernator geftürzt werben mürbe.
Am 5. März 1452 verbündeten ſich in Wien alle Gegner
Friedrichs, Johann Hunyady und die Stände von Ungarn, bie
Dfterreicher, die Grafen Friedrich und Ulrich von Cilli und
aus Böhmen Ulrich von Nofenberg und jeine Söhne, um dem
Könige Friedrich den zwölflährigen Ladislaus und die ungartiche
Reichskrone wie alle in ben Ländern feines Mündels bejegten
Burgen und Gebiete zu entreißen und ben jungen König ben
teftamentarifchen Beitimmungen feines Vaters gemäß, aber
unter Ausichliegung Friedrichs, nach Presburg zu bringen ).
Sie ſchickten nun eine Gefandtichaft an ven Papſt, um dieſen
zur Unterjtügung ihrer Forderung zu bejtimmen. Aber Papit
und König, der eine durch firchliche, der andere burch politifche
Gegner bedroht, Hatten fich längſt enge aneinander angejchlofien.
Gerade zur Zeit der Krönung in Rom verlieh der Papft dem
Kaiſer zahlreiche neue Gnaden, teilweife auch finanzieller Natur,
Am 4. April erließ er am die Öfterreicher die drohende Auf
forberung, bei Strafe des Bannes, des DVerluftes aller kirch⸗
lichen Benefizien und Leben, der Ehrlofigfeit und des Interdiktes
alles, was fie gegen Friedrich unternommen, vüdgängig zu
machen und biefem Genugthuung zu leiften. Zugleich erlaubte
er diefem, auch Geiftliche, welche fih an ber Empörung wegen
ber Vormundſchaft beteiligten, gefangen zu nehmen und ihrer
Güter zu berauben, ohne beswegen in ven Bann zu fallen.
Ebenjo wenig wie die Bemühungen, den Bapft für fich zu ger
1) Die Urkunde dei Eh mel, Materialien I,2, 374. Die weiteren
Borgänge bis zur Auslieferung des Ladislaus nach der weitläufigen Dar⸗
fiellung des Aeneas Sylvius, Hist. Frid., p. 321sqg. 339sqq. (Hier
Augenzeuge), und ben kürzeren Berichten von Ebendorffer, p. 870,
in ber Eillier Chronik, S. 111, und bei Palady, Urkundl. Beiträge,
S. 50, wie nah den Alten bei Kurz, Ofterreich unter Friedrich IV.
I, 271ff., Chmel, Materialien I,2, 376ff., und IL, 1ff,, umd befien
Reg. Frid., p. 2960qq4., Teleki X, 323sqq. und bei Lichnowsky
VI, Reg. Nr. 1676 fi Bgl. die Darflellungen bei Balady IV,1, 302ff.
und Voigt, Enea Silvio II, 62ff. und die Erdrterungen Chmels in
den „Situngsber. ver Taiferl. Afab.” XVII, 63ff. und XXV, 163 ff.
Energielofigfeit K. Friedrichs. 5
winnen, Gatten die Verſuche der Aufftändiichen, ven mit ihnen
einverftandenen Ladislaus in Nom und auf der Nüdrelfe in
Florenz zu entführen, einen Erfolg.
Als der Kaifer am 20. Yuni?!) 1452 wieder in Wiener
Neuftadt anlangte, war feine Sache noch immer nicht verloren,
wenn er fie nicht felbft aufgab. Die öfterreichiichen Landes
verwefer waren noch nicht geräftet und fuchten fich erit durch
Eintreibung einer Kriegsftener die Mittel dazu zu verichaffen.
Dem Gubernator von Ungarn war e8 mit ber Forderung der
Auslieferung jeines Königs von Anfang an nicht Ernſt geweſen,
und er hatte ſich nur wegen der Stimmung bes Landes ben
Gegnern Friedrichs angefchloffen. Die Nofenberg konnten durch
Georg von Podiebrad in Schach gehalten werden. Selbit von
den hervorragenderen öſterreichiſchen Baronen waren manche
wie die Starhemberg, Sigismund und Albrecht von Ebersdorf,
Georg von Buchheim und zwei der Grafen von Schaunberg
bem Saifer treu geblieben und zur Unterftügung desjelben bereit.
Hätte diefer mit den ihm zur Verfügung ftehenden Truppen,
4000 Reitern und einer bedeutenden Zahl von Fußvollk, feine
Gegner raſch angegriffen, jo wäre die Zeriprengung und Nieder»
werfung berjelben ohne Zweifel gelungen. Aber Friedrich ließ
es auch diesmal an jeder Thatkraft fehlen. Er zögerte im ger
wohnter Weife und befchräntte ſich auf Abmahnungsichreiben,
auf die Drobung, für jeden Pfennig, den jemand an Eizinger
als Kriegsfteuer zahle, drei zu verlangen, und an bie Ver
jendung ber päpftlichen Bullen. Aber weder der Erzbilchof von.
Salzburg noch die Domberren von Paſſau Tießen biefelben
publizieren. Cizinger und Ulrich von Cilli appellierten im
Namen der Diterreicher auf Anftiften ver Wiener Theologen
von dem fchlecht unterrichteten an ven befjer zu unterrichtenben:
Bapit oder an ein allgemeines Konzil.
Friedrich glaubte nicht, daß feine Gegner. ein größeres Heer:
gegen ihn aufbringen würden, und beabfichtigte,. fie durch. Ber
fegung. der in feinen Händen befinvlichen Burgen. binzubalten,.
1) Diefen Tag giebt eine Notiz bei Palacky IV,1, 304, N. 254.
88 Auslieferung des Ladislaus Poſtumus.
bis ihre Mittel erſchöpft wären. Auch daß ſie ihm am 28. Juli
mehr als 500 Fehdebriefe ſchickten und nun Ulrich von Cilli
und Eizinger die Feindſeligkeiten begannen, brachte ihn noch
nicht zu einer anderen Anſicht, da ſie ſich zunächſt nach dem
Schloſſe Ort auf dem Marchfelde wendeten und dasſelbe be»
lagerten. Als aber dieſes erſtürmt und 500 Mährer und
Heinrich von Roſenberg, Ulrichs Sohn, mit bedeutenden Ber-
ſtärkungen bevangefommen waren, ba wenbeten fie fich unver»
mutet mit ungefähr 4000 Neitern, 12000 Fußgängern und
mebreren Gejhüten gegen Wiener Neuftabt. Am 28. Auguft
griffen fie die Kaiferlichen, welche die Zugänge zur Stadt zu
verteidigen fuchten, mit Übermact an, drängten fie zurüd und
wären mit ihnen in die Stadt eingedrungen, hätte nicht Andreas
Baumkircher, ein edler Steirer von riefigem Körperbaue und
ebenfo großer Kraft, mit einigen anderen fich den Feinden
entgegengeworfen und fie jo lange aufgehalten, bis es gelang,
das Stadtthor zu ſchließen.
Obwohl der Kaiſer nur 800 Reiter und ebenſo viele Fuß⸗
gänger bei ficb Batte und ber größte Zeil jeiner Streitkräfte
unter Nüdiger von Starhemberg zur Bekämpfung feiner Feinde
über die Donau geſchickt worben war, fo hätte er fich im feiten
Neuftadt wohl bis zur Ankunft genügender Hilfstruppen zu
balten vermoct, da 6000 Steirer und Georg von Podiebrad
mit faft 17 000 Mann bereits auf dem Marſche waren. Aber
der unkriegeriſche Fürft z0g Unterhandlungen vor und jchloß
unter Vermittlung des Erzbiſchofs von Salzburg, der Biichöfe
von Freifing umd Regensburg und jeines Schwagers, des jungen
Markgrafen Karl von Baden, in übereilter Weife einen Vertrag,
nach welchen er am 4. September feinen Mündel dem Grafen
Urih von Cilli überlieferte. Diejer follte den jungen König
bewahren, bis um Martini (11. November) auf einem Tage
in Wien, zu dem außer den Vertretern von Ungarn, Böhmen,
Mähren und Ofterreich auch bie genannten Vermittler, dann
die Herzöge Albrecht von Diterreich und Ludwig von Baiern
und Markgraf Albrecht von Brandenburg geladen werben
follten, über die Anfprüche der verjchtedenen Parteien und über
Ladislaus als felbfändiger Regent behandelt. 89
die weitere Ordnung ber vormundfchaftlichen Negierung ent⸗
ſchieden worden wäre.
Sechſtes Kapitel.
Öfterreich, Ungarn und Böhmen unter Labislaus
Poftumus. (1452 — 1457.)
— m
E8 war ein großer Irrtum, wenn der Kaiſer meinte, daß
er durch den Neuftäbter Vertrag feiner Sache nichts vergeben
babe, da ja erſt die Verfammlung in Wien über die zwilchen
ihm und den Untertbanen feines Mündels ſchwebenden Streitig-
feiten eine definitive Entfcheidung fällen follte. Wie feine Geg⸗
ner die Sache auffaßten, zeigte fich nach wenigen Tagen, da
Ulrich von Cilli den ihm anvertrauten jungen König dem
Wunfche der Ofterreicher gemäß am 13. September nach Wien
führte, wo er mit ungeheurem Jubel empfangen wurbe,
und man dieſen fortan wie einen jelbftändigen Herricher Re⸗
gierungsakte ausüben ließ 1). Triedri Hatte fich felbit ver
Drittel beraubt, einem Vertragsbruche vonjeite ber Öfterreicher
entgegenzutreten, da er noch am Tage, wo ber Friede in Neu-
ſtadt abgeſchloſſen ward, aus Sparſamkeitsrückſichten die Ent»
laſſung ſeiner Söldner angeordnet hatte.
Der Tag in Wien, der von zahlreichen deutſchen Fürſten
befucht wurde, beſchäftigte ſich denn auch gar nicht mehr ernſt⸗
1) Schon am 29. September verleiht Ladislaus das Munzmeiſteramt
in Wien an Wolfgang Holger. Lichnowsky VI, Reg. Nr. 1706. Für
die folgenden Borgänge und bie Verhandlungen in Wien und Neuflabt
ift leider wieder Aeneas Sylvius, Hist. Frid,, p. 398 89q., der zwar
ſehr gut unterrichtet, aber nicht unparteiiſch ift, faft bie einzige Duelle,
Bol. auh Kurz, Öfterreih unter 8. Friedrich I, 127 ff. Voigt, Enea
Silvio II, 73ff, und die Erörterungen von Chmel in „Situngßsber.
ber Tatferl. Akad.“ XXVIII, 473ff.
” Bergebliche Berkanbiungen mit dem Kaifer.
lich mit der Frage, welche Anordnungen bezüglich der Bormunb-
ſchaft getroffen werden follten, und es wurde Labislaus that
ſächlich als großjährig angeſehen. Die kaiſerlichen Geſandten,
unter denen Aeneas Sylvius Piccolomini, jetzt Biſchof von Siena
und einer der angeſehenſten Räte des Kaiſers, und Ulrich
Riederer, ein gewandter Yurift, die hervorragendften waren, ver-
Iangten bei den Berbanblungen, die übrigens erft nach Neujahr
begannen, mit beſonderem Nachdrucke Erſatz des Schadens, ber
ihrem Herrn zugefügt worden, und Beftrafung ber Schuldigen.
Die Ungarn und Oſterreicher antworteten mit ber Forberung,
daß der Kaiſer die ungariiche Krone und die Schlöffer und Ort-
ſchaften Herausgebe, die er in ihren Ländern in Befit hatte. Wenn
bie Geſandten Friedrichs Darauf hinwieſen, daß diefer bie ftreitigen
Gebiete teils als Pfand oder durch Kauf, teils in gerechtem
Kriege an fich gebracht Habe, und erklärten, daß dieſer fie nur
nach Wiedererftattung der gezahlten Summen und nad Zaß-
Iung einer Kriegsentſchädigung zurüctellen würde, fo antwor-
teten die Oſterreicher mit der Gegenforderung, daß der Kaiſer
bie Herrichaften, die er als Vormund in ihrem Lande ver-
pfändet hatte, mit feinem eigenen Gelde wieder auslöje.
Die vermittelnden Reichsfürſten, an deren Spite Albrecht
von Brandenburg ftand, brachten die Öfterreicher und Ungarn
endlich zu einem Angebote, deſſen Annahme fie befürworteten,
da günftigere Bedingungen nicht zu erlangen wären. Danach
folte der Kaiſer alle Güter, die ihm in Ungarn und Oſter⸗
reich verpfändet worden wären, behalten, die übrigen aber wie
bie ungarifche Krone zurüdgeben. Was er felbft anderen als
Pfand verichrieben hätte, follte er mit eigenem Gelde auslöfen,
aber von König Ladislaus zu diefem Zwecke 80000 Dulaten
erhalten. Da die ®ejandten nach ihren Inſtruktionen biefe
Vorſchläge nicht annehmen konnten, fo reiften die Fürften mit
Aeneas Sylvius und Ulrich Riederer wie mit Ulrich Eizinger
und dem Biichofe von Großwarbein als Gelandten des Ladis⸗
laus ?) nach Neuftadt, um den Kaifer zur Annahme derielben
1) Diefe beiden erwähnt Ebendorffer, p. 873.
Einfluß Ulrichs von Cilli. 9
33 beivegen. Friedrich fand das Angebot viel. zu niedrig und
ließ. den Bilchof von Siena, der fih warm dafür ausſprach,
feine Ungnade fühlen. Aber während einer fchlaflofen Nacht
befann er fich doch eines andern und beauftragte feinen: Bruder
Wbrecht, die Vertragspunkte aufzufegen. Nach bem von biefem
verfaßten Entwurfe, ber nom 26. März 1453 datiert ift!),
ſollte ver Kaifer in Ungarn Odenburg und das Schloß Forchten⸗
ftein als Pfand um 50000 Dulfaten behalten, Güns und Rech⸗
nit. wie die Königskrone herausgeben, für feine Forderungen
an Ofterreih 30000 Dulaten und als Pfand dafür Steyer
usd zwei andere Schlöffer. befommen und auch im Beſitze der
&üter bleiben, bie König Albrecht: an Triebrich von Zirol ver-
äußert und fpäter er am fich gebracht hatte. Aber auch dieſer
Vertrag, der in der That für den Kaifer vorteilhaft genug
geweſen wäre, kam nicht zur Ausführung, da Ulrich von Cilli
bie Beitätigung burch ben König Ladislaus vereiteltee Noch
beim Tode dieſes Könige. waren die Streitigleiten mit bem
Kaiſer nicht vollſtändig beigelegt.
Obwohl Ladiglaus vom Kaiſer eine ſehr gute Erziehung
erbalten hatte und auch reifen Verſtand und namentlich) eim
‚ausgeprägtes Bewußtfein von feiner Zöniglichen Würbe zeigte,
io war er doch in einem Alter von faum 13 Jahren noch un«
"möglich imftande, als wirklich jelbjtändiger Fürſt unter ben
ichwierigften Verhältniffen die Regierung zu führen. Es war
boch eigentlich nur bie Perjon des Vormunds gewechjelt worden,
indem der junge König fich zunächjt ganz von jeinem Vetter
Ulrich von Cilli leiten Tief. Nun ftand allerdings in Bes
ziebung auf den Charakter Ulrich Hinter dem Kaiſer weit zu⸗
rüd; er war ausichweifend gleich feinem Vater, als Politiker
ebenjo wie bie meiſten Großen feiner Zeit, gewiſſenlos. Aber
ar war ein energiiher und verftändiger Mann ?) und auch
3) ©&o bei Chmel, Materialien II, 46. Nach anderer Hſ. ap. Pez
Ik, 557, vom 28. Mär;
2) Consilio maturus und vir cordatus atque sagax nennt ihn
Aeneas Sylvius 1445 in Ep. 81 (ed. Basil.), der in feinen fpäteren,
92 Hunyady Hauptmann in Ungarn.
eifrig bedacht, die Intereffen des jungen Königs zu wahren
und deifen Autorität zur Geltung zu bringen. Doch mußte
er mit großer Vorficht handeln, da das Anſehen und die Macht
Hunyadys und Podiebrads in Ungarn und Böhmen zu tiefe
Wurzeln gejchlagen batten, als daß fie einfach Hätten befettigt
werden fünnen, und jebenfall® vermeiden, fich die bisherigen
Machthaber in den verjchievenen Ländern bes Königs zugleich
zu Feinden zu machen.
. Anfangs ſchloß fih Ulrih an die Ungarn und Johann
Hunyady ar, obwohl diejer in früheren Jahren fein entichievener
Feind, geweien war. Als Hunyady um Weihnachten 1452 die
Stelle eines Gubernators nieverlegte, ernannte ihn König Ladis-
laus, natürlich von Ulrich dazu beftimmt, zum erblichen Grafen
von Diltrig oder dem Nösnerlande und verlieh ihm eine Reihe
anderer Auszeichnungen ?). Wichtiger war es, daß Hunyady
tbatjächlich die Verwaltung Ungarns auch fortan behielt, indem
er während der Abwejenbeit des Königs zum oberiten Haupt-
mann besjelben und zum Verwejer der königlichen Einkünfte 2)
ernannt wurde. Es ſoll zugleich die Verabredung getroffen
worben fein, daß er dem Könige jährlich 24000 Dukaten ab-
liefern, von dem Weite ver Einkünfte aber die Koſten der Ver⸗
waltung des Reichs und der Yandesverteidigung bejtreiten jollte ®).
Oleichzeitig wurde Hunyadys Älterer Sohn Ladislaus zum Ban
nach 1452 gefchriebenen, Geſchichtswerken ihn wie alle Eillier nicht ſchwarz
genug ſchildern kann.
1) Teleki X, 34789q.. Beurkundet wurde alles in Presburg am
30. Sannar und 1. Februar 1453 nah eingeholter Zuftimmung des
ungarifchen ReichStages, aber die Verleihung der Grafſchaft Biftrig nad
der erſten Urkunde jhon in Wien vollgogen. Vgl. Ebendorffer,
p. 872,
2) So nennt fih Hunyady in Urkunden der folgenden Zeit. Beide
Titel bei Teleki X, 379, erflerer allein ibid. 395. 403. 417. 422. 475.
Vgl. ibid. II, 268, N. 4.
3) Aeneas Sylvius, Ep. 162 mit „ut ajunt“, in Hist. Frid.,
p. 449 als Thatſache. Daß Hunyady auch dem Grafen jährlih 12000
Dulaten verjprochen babe, bezeichnet Aeneas auch bier nur als Gerücht,
das er in obigem Briefe vom 12. Yuli 1453 noch nicht erwähnt.
Podiebrad Gubernator von Böhmen. 98
von Kroatien, fein Günftling Iohann Bit, Biſchof von Grof-
warbein, zum Sanzler des Königs ernannt ?).
Jetzt zeigte übrigens Johann Giskra, daß ihm die DVer-
teidigung der Rechte des jungen Labislaus nicht bloß ale
Vorwand für eigennütige Beſtrebungen gedient Gabe, ſondern
wirklich Herzensjache geweſen ſei. Der unbefiegte Krieger gab
auf Verlangen des Königs die von ihm in Oberungarn be
jeßten Städte und Burgen gegen eine Summe Geldes frei.
willig heraus 2), und man konnte hoffen, daß endlich biefe ſchwer
heimgeſuchten Gebiete die fehnlich gemwünfchte Ruhe finden würden.
Aber feine Banden wollten das lang gewöhnte Leben nicht fo
bald aufgeben. Einer ver früheren Unterbefehlshaber Giskras,
der Böhme Peter Affamit, fammelte die ‚Brüder“, deren
Zahl unter ihm bis auf 15000 Mann ftteg, da er nicht bloß
boden Solo zahlte, fondern auch mit feinen Leuten die Beute
teilte, und gründete im nörblichen Ungarn einen fürmlichen
Näuberftant. Den Mittelpunkt eines zweiten Brüderheeres
bildete Akſamits würdiger Genoffe Talafus, der auch fchon in
Iegter Zeit umabhängig von Giskra das Räuberhandwerk im
großen betrieben hatte. Ladislaus Hunyady, der mit einem
Heere gegen Akſamit geſchickt wurde, vermochte ihn micht zu
bezwingen. Um ihn weniger gefährlich zu machen, mußte man
ihn endlich in den Sold des Königs nehmen >).
Auh mit Georg von Pobiebrad fuchte fich Ulrich von Cilli
zu verftändigen. Am 2. Mai 1453 beftätigte König Ladislaus
denjelben nicht bloß als Gubernator von Böhmen, fondern
verlängerte ihm ſogar diefe Würde auf weitere ſechs Jahre.
Ale Beamten erhielten die Weifung, demſelben Gehorjam zu
leiften und die Einkünfte ihm an Stelle des Königs abzu-
liefern ®).
1) Teleki X, 365. 381. 383 zc. 2al. II, 277, N. 2 und 3.
2) Aeneas Sylvius, Epist. 162.
8) Aeneas Sylvius 1. c. und Europa ap. Freher II, 88.
Krones, Die böhmischen Söoldner Im öſtlichen Oberungarn, ©. 9ff.
4) Balady IV, 1, 325f.
u Sturz Ulrichs von Cilli.
Hatte fo Ulrich im Namen des Königs auf die Regierung
in Ungarn und Böhmen anf Lange Zeit verzichtet, fo fuchte
ex fich wenigftens auf die Verwaltung in Ofterreich einen maß-
gebenden Einfluß zu fichern. Dadurch mußte er aber mit Ul⸗
rich Eizinger in Konflift kommen, ver dasſelbe anftrebte und
mir zu dieſem Zwecke den Aufſtand gegen ben Sailer ange⸗
ſchürt Hatte. Eizinger Hatte die Prälaten, den niederen Abel
und bie Stäbte auf feiner Seite, während die Barone, viel
leicht aus Abneigung gegen den fremden Emporkömmling, mehr
dem Grafen von Cilli geneigt waren. Anfangs verichaffte
dieſem fein Einfluß auf den König das Übergewicht. Eizinger
ward im Sommer 1453 aus dem Rate vesjelben entfernt ?),
ja der Cillier ſuchte deſſen Macht vollftändig zu vermichten, in⸗
dem er dem König riet, von ihm die zahlreichen Ianbesfürft-
lichen Burgen zurüdzufordern, welche vemfelben nach und nad
übertragen worden waren ?). Aber fchlieplih fand der Graf
an Eizinger feinen Meifter. Als im September 1453 ein
öfterreichticher Landtag nach Korneuburg berufen wurde, um
für die bevorftehenbe Krönung des Königs in Böhmen Gelb»
mittel zu bewilligen, fo forderten bie Stände auf Veranlaffung
Eizingers in einer geheimen Sigung von Ladislaus Die Ent»
laffung des Cilliers. Der König fagte zu und übte die Kunft
der Berftellung, die er während der läſtigen Vormundichaft
gelernt hatte, dem Grafen gegenüber mit folcher Meiſterſchaft,
daß diefer von der ihm drohenden Gefahr feine Ahnung batte.
Nach der Rückkehr nach Wien, deffen Bürgerfchaft Eizinger un⸗
bedingt ergeben war, ließ diefer während ber Nacht die Burg
mit zahlreichen Soldaten befegen und fündigte am 28. Sep»
tember dem Gillier im Gegenwart und im Namen des Königs
fetne Entlafjung an. Der Graf, in Wien allgemein verhaft
1) Aeneas Sylvius, Hist. Frid., p. 447. Noch am 13. Mai
1453 zeigt 8. Ladislaus auf Nat Ulrih8 von Cilli fih ihm günftig.
Chmel, Materialien II, 52. Am 9. Juli ift Eizinger Zeuge des 8.
Ladislaus für Cilli. F. R. Austr. Dipl. II, 40. |
2) Nah des Grafen eigner Angabe in fpäterem Schreiben an bie
öfterreihifchen Stände ap. Kollar U, 1385 gg.
K. Ladislaus und die Böhmen. 5)
und vom Pöbel fogar mit. Steinwürfen eınpfangen, mußte froh
jein, daß er ohne Gefährdung feines Lebens aus ber Stabt
entlam !). |
Gewonnen bat freilich der König durch dieſe Anordnung
am wenigiten. Er mußte jett die ganze Negierungsgewalt in
Oſterreich bis zur Vollendung feines zwanzigften Jahres einem
Rate von zwölf Berjonen übertragen, von denen jever ber vier
Stände drei wählen folite ?).
Einen nicht größeren Einfluß erhielt Labislaus in Böhmen ?).
Seiner Krönung zum Könige hatten fich dort große Schwierig-
feiten entgegengeitelt. Ein Landtag, der um bie Mitte
bes Oktobers 1452 kurz nach der Befreiung des Ladislaus
m Prag zufammengetreten war, Hatte dieſem das Erbrecht
abgeiprochen, weil er deſſen Vater nicht als rechtmäßigen
König von Böhmen anſah, proflamierte ihn aber als gewählten
König, wenn er die an ihn gejtellten Bedingungen betreffend
die Gültigkeit der Sompaftaten und der von ben Böhmen mit
dem Kaiſer Sigmund geichloffenen Verträge und die Befür⸗
wortung der Wahl Rolycanas zum Erzbiichofe annähme.
Ladislaus fol den Böhmen anfangs auf ihre firchlichen Forde⸗
rungen mit jugendlichen Eifer geantwortet haben, wenn fie
ihn zum Könige haben wollten, foliten fie Chriften fein und
ſich zu demſelben Glauben befennen wie er. Aber nachdem
Podiebrad mit Ulrich von Cilli und Eizinger in Znaim längere
Zeit unterhandelt hatte, machte Ladislaus am 1. Mai 1453
doch den Böhmen die verlangten Veriprechungen. Sogar vie
Ungültigleit der Negierungshandlungen feines Vaters gab er
indirekt zu. Da die Böhmen Ladislaus nur auf Grund ihrer
Wahl als König zulaffen wollten, fo ärgerte es fie gewaltig,
daß die Mährer dieſem am 6. Juli als ihrem Herrn Die
1) Aenoas Sylvius, Hist. Frid., p. 404. 450sqq. Hist. Bohem.
cap. 61. Ebendorffer, p. 873. Cillier Ehronit, ©. 112f. Bol.
des Grafen Ulrih Schreiben ap. Kollar I, 1385 qq.
2) Kollar II, 1390—1404.
3) Balady IV,1, 314ff., und defien „Urkundl. Beiträge” in F. R.
Austr. Dipl. XX.
% Einfluß Georgs von Podiebrad.
Huldigung Teifteten, ohne deſſen Krönung in Prag abzuwarten,
die erft am 28. Dftober durch den Erzbilchof von Gran und
den Bifchof von Olmüg vorgenommen wurde. Die Bürger
von Breslau, welche die heftigſten Feinde der Hufiten waren
und in diefer Gefinnung dur den leidenfchaftlichen Buß⸗ und
Slaubensprediger Johann von Capiſtran noch mehr beftärkt
iwurben, weigerten fich überhaupt, dem Könige in Prag, mitten
unter Ketern zu huldigen. Erft als Ladislaus im Dezember
1454 nach Breslau fam, leifteten fie ihm die Huldigung aber
ausdrüdlich als ihrem „angeborenen Erbherrn“ ').
Auch nach der Krönung des Königs blieb Die Negierung
Böhmens faſt ansjchlieglich in den Händen Georgs won Podie-
brad, der nicht bloß Bubernator blieb, ſondern auch königlicher
Hofmeifter wurde. Es war dies eine der glücklichſten Zeiten
für das Neid. Der Friede im Innern wurde bergeftellt, bie
verwirrten Befigverhältniffe geregelt, die Finanzen georbnet.
Auch zwiſchen den Katholiken und Utraquiften beftanden im
ganzen friedliche Beziehungen. Georg felbjt war fein unduld-
ſamer Fanatifer, der die Unterbrüdung ber Katholiken anftrebte,
und mußte auch auf den eifrig Fatholiichen König Rückſicht
nehmen. Beide Religionsparteien ſtanden fich vollkommen gleich-
berechtigt gegenüber und teilten fich in die Landesämter. Auch
das Tatholiiche Domkapitel hatte zur Zeit der Königsfrönung
nah Prag zurückkehren dürfen. „Durch das Beſtreben des
Gubernators“, bemerkt felbft fein veligiöfer Gegner Aeneas
Sylvius im Jahre 1455 in einem DVortrage an den Papft,
„wurbe ganz Böhmen gleihfam ein Voll. Jedem wurde fein
Ritus gelaffen und eine Strafe gegen den verfügt, der den
andern Zeil der Ketzerei beichulbigte. So liegen der Wolf
mit dem Schafe, der Panther mit dem Jungen des Löwen
rubig bei einander“ *). Vergeſſen bat fich freilich Georg auch)
felbft nicht. Er erhielt von Ladislaus die Erlaubnis, das nom
1) Srünhagen und Markgraf, Lebens- und Befigurlunden
Schleſiens I, 83.
2) ©. Boigt, Enen Silvio II, 167.
Stellung Hunyadys in Ungarn. 97
Könige Sigmund um verhältnismäßig geringe Summen ver
pfändete Herzogtum Meünfterberg in Schleften, das Glaker
Land, die Stadt und Herrſchaft Kolin und verjchtebene böhmiſche
Burgen an fich zu löſen ?). Und bei aller Tüchtigkeit Georgs hat
das böhmifche Reich gerade in diefer Zeit einen dauernden
Berluft erlitten. Schon 1441 hatte ber Herzog Wenzel von
Aufhwig dem Könige von Polen für die Zurüdgabe ber ihm
entriffenen Stadt Zator die Huldigung geleiftet. Im Jahre
1453 mußte fein Bruber Johann, der unbejonnenermweile
einen Einfall in das polniiche Gebiet unternommen hatte, ſich
ebenfalls zur Huldigung berbeilaffen. Vier Jahre darauf Hat
dann Johann das Herzogtum Aufhwig um 50000 Mark
Groſchen ganz an Polen verfauft ?), ohne daß vonfeite Böhmens
irgendeine Einfprache erhoben wurde, vielleicht weil Kaſimir
von Polen 1454 des Königs Labislaus jüngere Schwefter
Elifabeth geheiratet Hatte.
Während aber im ganzen fich die Zuftände des böhmiſchen
Neiches immer mehr befferten und das Verhältnis zwifchen
dem jungen Sönige und dem Verweſer Böhmens wenigftend
äußerlich ein ſehr gutes war, geftaltete fich die Lage Ungarn
immer unglnftiger.
Auh in Ungarn war Labisfaus nur dem Namen nad
König und lagen alle militärifchen und finanziellen Befugniſſe
in den Händen Johann Hunyadys. Aber vefjen Stellung war
nicht fo feft wie gegenwärtig die Podiebrads. Er hatte unter
den Grofen zahlreiche Feinde, Die ihm vorwarfen, daß er das
Reich bebrüde und zwei ungarifche Heere wie den König Wladi—⸗
law dem Untergange preisgegeben habe ?). Schon am 13. Sep»
tember 1453 fchloffen mehrere frühere Gegner und Rivalen
1) Grünhagen und Markgraf a. a. ©. 11,150. Vgl. Palady
IV,1, 350f.
2) Eine Mark Groſchen „polnifher Zahl” Hatte 48 Stüde. Die ein-
(Hlägigen Urkunden bei Grünhagen und Markgraf a. a. O. II,
584. Vgl. G. Biermann, Zur Geſch. der Herzogtümer Zator und
Auſchwitz, in „Sitzungsber. der kaiſerl. Atademie XL, 620 fi.
3) Aeneas Sylvius, Hist. Frid. ap. Kollar II, 404 sq.
Huber, Geſchichte Öfterreih. TIL. 7
98 Unzufriedenheit bes Königs Ladislaus.
Hunyadys, der Karbinal-Erzbifchof Dionys von Gran, der Pa⸗
latin Ladislaus von Sara und der flebenbürgifche Woywode
Niklas von Ujlak, dann der Biſchof Andreas von Fünffirchen
und der Tönigliche Hofrichter Ladislaus von Paldcz eine Ver⸗
bindung, beren Tendenz gewiß gegen Hunyady gerichtet war,
wenn auch dieſer nicht genannt und nichts anberes verfügt
ward, als daß fie dem Könige Labislaus und „dem Lenker
feiner Angelegenheiten” Ulrich von Cilli gegen alle Ungehor-
famen und Rebellen immer beiftehen wollten I). Vielleicht war
es nur ein Schachzug gegen biefe Verbinbung, wenn nach bem
Sturze des Cillierd bei Gelegenheit der Königsfrönung in Prag
Johann Hunyady und der ungarifche Hoffanzler, Biſchof Jo⸗
hann von Großwardein, mit den Machthabern in den übrigen
Reichen, mit Georg von Podiebrad und befjen Freunden Alefch
und Zdenko von Sternberg und mit Ulrich Eizinger und deſſen
Brüdern auf ſechs Jahre ein Bündnis fchloffen, obwohl natürlich
auch bier der Nuten des Königs vorgefchoben wurde 2).
Wenn auch der König unmittelbar nad) feiner Befreiung
aus den Händen feines VBormundes fich felbft in demonftrativer
Weife für einen Ungarn erklärt hatte ®), warb er doch enblich
unzufrieben mit der Wendung, welche die Dinge bier nahmen.
Er Hatte einem ungarijchen Neichdtage, der im Januar 1454
in feiner Abweſenheit in Ofen gehalten wurde, eine Reihe von
Borichlägen gemacht, welche die Herftellung des inneren Trieben
und einer georbneten Rechtspflege, die Sicherung des Landes
gegen die Türken und eine befjere Verwaltung der königlichen
Einkünfte, aber unter Wahrung der Rechte der Stände, bes
zweckten. Es follten zur Einhebung der Steuern und Abgaben
verläßliche Beamte aufgejtellt, die Bezüge ber verfchievenen Per
fonen gejeglich firtert und ohne Zuftimmung bed Königs Teine
weiteren Ausgaben gemacht werben. Übrigens wünfchte ber
Köntg felbft, daß der Reichstag tüchtige und uneigennütige
1) F. R. Austr. Dipl. II, 30.
2) Ibid., p. 31.
3) Aeneas Sylvius, Hist. Frid., p. 402.
Verhaßtheit Eizingers. 9
Männer wähle, die ihm zur Erledigung ungarifcher Angelegen-
beiten al8 Räte zur Seite ftehen jollten, und zugleich die Er⸗
nennung eines größeren Rates in Ungarn felbft, um auf An-
trag des Königs wichtigere Fragen entjcheiden zu können, ba
bie Einberufung eines Reichſstages nicht immer möglich war !).
Der ungariiche Reichstag ging auf diefe Vorjchläge nicht ein
und beichloß zwar ganz zwedmäßige Maßregeln zur Abwehr
ber Zürfen, aber auch die Verwendung der meiften Einkünfte
für dieſen Zwed oder für Dinge, die dem Könige nicht not-
wendig Ichienen. Er beftätigte daher nur den auf den Türken⸗
krieg bezüglichen Zeil der Neichstagsbeichlüffe 2), verfagte aber
den übrigen feine Zuftimmung und beflagte fi in einem
Schreiben an den Palatin Ladislaus Sara bitter, Daß die
Verſammelten bie Löniglichen Einkünfte unter fich geteilt, auf
feine Bebürfniffe aber ganz vergejlen haben, daß gerade von
Ungarn, dem größten und vornehmiten feiner Reiche, am mwenig-
ften für ihn geforgt werde und daß ihm außer dem Töniglichen
Namen und einigen Einkünften von Salz faft nichtS bleibe ).
Es waren doch recht unnatürliche Zuftändel Der Befiger
zweier Königskronen und eines Herzogshutes, der nicht ohne
herfönlichen Ehrgeiz und Thätigkeitsdrang war, hatte in feinem
jeiner Länder eine wirkliche Macht. In Böhmen und Ungarn
regierte ein Magnat, in Djterreich ein ftändifcher Ausichuß, und
auch die Einkünfte wurden zunächit für die Bebürfniffe der Länder
oder zur Bereicherung der Machthaber verwendet, die dem König
nur ablieferten, was fie ihm zu geben für gut fanden. Übrir
gens waren die Unterthanen fo wenig zufrieden wie der König.
Wie Podiebrad, beſonders aber Hunyady unter den Großen
viele Gegner hatte, jo haften viele öfterreichiiche Barone Ulrich
. Eizinger, das Haupt der ftänbiichen Regierung, und warfen
ihm Eigennug, Vergeudung der Güter und Einfünfte des Her-
3098, Falſchmünzerei, Verhetzung der Stände unter einander
1) Birk, Beiträge in „Quellen und Forſch.“, S. 2451.
2) Abgebrudt ap. Katona XIII, 950-963. Die nicht beftätigten
find leider unbelannt.
3) Bei Birk a. a. O., ©. 223. F. R. Austr. Dipl. II, 8.
7 *
100 Uri von Cilli und Hunyaby.
und Gewaltthaten und Übergriffe verichtevener Art vor !). Sit
es ein Wunder, wenn ber junge König eine Änderung dieſes
AZuftandes anftrebte, wenn er mit Sehnjucht auf die Tage zurück⸗
blickte, wo noch Ulrich von Cilli ihm geleitet und wenigftens
anf das beſte für feine Bedürfniſſe gejorgt batte, und wenn
er ber Verwendung ber freunde besjelben Gehör jchentte?
Raum war er am 16. Februar 1455 aus Breslau nah Wien
zurüdgefehrt, fo erichten der Graf wieder an feinem Hofe, wo
er von ben Großen und dem wandelbaren Bolle mit Jubel
empfangen wurde ?).
Wie die Wiedereinjegung des Cilliers in feine frühere Stel-
fung für Eizinger das Signal war, um fih aus Wien auf
feine Güter zurüdzuziehen, fo jollte auch Hunyady bald bie
Wirkungen berjelben empfinden. Schon am 7. April verbanven
fich deffen Gegner Ladislaus Sara und Niklas Ujlaky mit Ul«
rih von Cilli zu gegenfeitigem Beiſtande in allen Angelegen-
beiten, die Ungarn und ihre Rechte beträfen ®). Es unterliegt
feinem Zweifel, daß dieſes Bündnis vorzüglich gegen Hunyady
gerichtet war und daß der Eillier, der auch in Ungarn bie oberfte
Negierungsgewalt auszuüben ftrebte, denſelben zu verbrängen
und ven König gegen ihn einzunehmen fuchte, wenn auch bie
weitergehenden Beichuldigungen des Grafen, daß er Hunbaby
nad Wien zu Ioden und bier zu töten beabfichtigt Habe *), un⸗
begründet oder wenigſtens übertrieben fein mögen. Doch kam
zunächſt noch eine Ausſöhnung zwiſchen dieſem und dem Grafen
Ulrich zuftande. Ja am 1. Auguft 1455 fchlofjen beide fogar
1) ©. bie im leidenfchaftlicften Tone gehaltene Anklagefchrift gegen
Eizinger aus biefer Zeit (nicht 1457) im „Notizenblatt” der kaiſerlichen
Akademie 1857, ©. (231 ff. und) 245 ff. und Eizingers Verteidigung gegen
andere Vorwürfe vom 22. Juli 1454, bei Birk, Beiträge a. a. O.,
©. 249f., wie Aeneas Sylvius, Ep. 127 (ed. Basil., p. 657), b. d.
5. Juli 1454. j
2) Aeneas Sylvius, Hist. Frid., p. 457. Am 15. $ebr. war
Uri no in Waraspin (Chmel, Materialien II, 78), am 20. ober
22., wie es fiheint, ſchon in Ofterreih. Boigt, Enen Silvio II, 132.
3) Teleki X, 437.
4) Aeneas Sylvius, Hist. Frid,, p. 457sgg.
Eindrud des Falls von Konftantinopel. 101
ein enge® Bündnis zu gegenleitiger Unterftügung gegen alle
Beinde und verabrebeten zur Befeftigung besielben eine Ver⸗
mählung ihrer Kinder, des Ladislaus Hunyady mit Ulrichg
Tochter Elifabeth '). Auch mit dem Könige jühnte fih Hunyady
im Frühjahre 1456 aus, nachdem die Spannung zwifchen ihnen
einen folchen Grad erreicht Hatte, daß leßterer nur mit einem
Löniglichen ©eleitsbriefe und in Begleitung feiner mächtigften
Anhänger an den Hof zu kommen gewagt hatte ?).
Dur) die von außen drohenden Gefahren wurben bie in»
neren Zwiftigfeiten für kurze Zeit zurückgedrängt.
Am 29. Mat 1453 hatte der Sultan Muhammed II. Kon» _
itantinopel nach langer Belagerung erobert und baburch bem
oſtrömiſchen Kaiferreiche ein Ende gemacht. Der Eindrud, den
diefe Kataſtrophe auf das chriftliche Abendland hervorbrachte,
war groß, aber nicht nachhaltig. In Deutichland wurden in
den Jahren 1454 und 1455 drei Reichstage, in Regensburg,
Srankfurt und Wiener Neuftadt, gehalten. Es wurden auf
denſelben von Aeneas Syloius al8 Vertreter des Kaiſers ſchöne
Reden gehalten, von verjchievenen Fürften großiprecheriiche Ver⸗
ſprechungen gemacht, aber nichts Definitives beichloffen, da weder
ver Kaiſer noch die Fürſten für einen Krieg gegen die Uns«
gläubigen wirklichen Eifer hatten, am wenigiten jih dafür in
Untoften ftürgen wollten. Die übrigen Zürften Europas waren
nicht opferwilliger. Die Päpſte Nikolaus V. und deſſen Nach»
folger, der greife aber feurige Calixt III., ließen bas Kreuz
predigen und Gelder einfammeln. Aber bie Prebiger, unter
denen der Minorit Johann von Gapiftran der berühmtelte
war, fanden überall Gleichgültigfeit oder Eiferfucht und Wider»
willen gegen den Bapft, ver unter dem Vorwande eines Kreuz.
zuge8 nur Geld in feine Kammer locke; nur beim gemeinen
1) Chmel, Materialien II, 82f., erneuert am 31. März 1456.
A. a. O., ©. 105.
2) Thwrocz 1. IV, c. 53, fälſchlich zu 1453. Beſchuldigungen bes
K. Labisfaus gegen Hunyaby vom 21. März 1457, bei Birk in „Duellen
und Forſch.“, ©. 255. Am 4. April 1456 urkundet 8. Ladislaus wieder
für Hunyady. Teleki X, 49.
104 Üble Lage Ungarns.
Schloß der Sultan dieſes durch eine auf der Donau erbaute
Flotille auch auf der Wafferfeite ein.
Die Mafregeln zur Abwenbung einer fo großen Gefahr
waren fo kläglich als möglich. Bon außen blieb Ungarn troß
aller Reichdtage und Kreuzbullen faft ohne Unterjtügung.
Gapiftran brachte allerdings aus Deutſchland, Böhmen, Schlejien
mid Polen wie aus Ungarn ſelbſt einige tauſend Kreuzfahrer
zufammen. Aber e8 waren faft alles Leute aus ben untern
Volksklaſſen, Handwerker, Bauern und Bettler, dann Studenten,
Geiftliche, Mönche und Klojterbrüber, beſonders Minoriten, alle
im Kampfe ungeübt, meift auch unbewaffnet, nur mit Rnitteln,
Stöden und Schleudern, höchſtens mit Schwertern verfehen.
Eine größere Zahl gut bewaffneter Leute aus Süpbeutfchland
und Dfterreich fam erft nach Ungarn, als die Türken bereits
von Belgrad abgezogen waren !). Ungarn jelbft war durch
Uneinigfeit unter den Großen und bie Eiferjucht gegen Hunyady
gelähmt. König Ladislaus, der, begleitet vom Grafen von Cilli
und dem fchon im vorigen Jahre wieder in feinen Rat aufs
genommenen Etzinger ?) im Januar nach Ungarn gelommen
war, dachte noch im April weniger an die Abwehr ver Türken
als an einen Feldzug gegen den Kaiſer, der ohne die verlangte
Entſchädigung die ungariſchen Grenzgebiete und die Reichskrone
nicht herausgeben wollte*). Anfangs Juni verließ Ladislaus
unter dem Vorwande einer Jagd Ofen und begab ſich nach
1) Anonymi Chron. Austriac. ap. Senckenberg, Selecta V, 13sq.
Nach dieſer gleichzeitigen Chronik, p. 12, belief fih die Zahl der Kreuz⸗
fahrer in Belgrad (Polen und Deutiche) auf 6000, ein von ben Nürn«
berger Hauptleuten am 15. Eeptember nachhauſe geſchickter Bericht an
K. Ladislaus, im „Anz. f. K. d. deutſchen Vorzeit“ 1863, ©. 253 ff.
giebt als Gefumtzahl der Deutſchen, Polen und Ungarn in Belgrad
mehr als 12000 Dann. Diefe Angaben verdienen viel mehr Glauben
als andere, viel höhere Schätungen, ja geben vielleicht noch zu bobe
Ziffern, va nah Dlugosz 1. XIII, col. 187 Capiftran nur cum 800
armigeris, meift Polen, nad) Belgrab fommt.
2) Lichnowsky VI, Nr. 2031. 2066 (vollſtändig Teleki X, 476.
490) und bie „Zeitung” bei Balady, Urkundl. Beiträge, ©. 9.
3) Balady, Geſch. Böhmens IV,ı1, 387—393.
Die Belagerung Belgrads. 105
Wien, um bier Truppen gegen die beranziehenden Türken zu
fammeln. Hunyadys Aufrufe blieben bei ben eiferjüchtigen
ungariichen Großen unbeachtet. Außer feinen eigenen ‘Dienft-
leuten fand fih nur Johann von Korogh, Ban von Machow,
mit geringer Mannſchaft bet ihm ein.
Die Verteidigung von Belgrad hatte Hunyady feinem
Schwager Michael Szilaͤghi anvertraut ). ALS die Türken,
welche Anfangs Juli die Belagerung begannen, dasſelbe immer
mehr bebrängten, beichloß er, ungeachtet feiner geringen Macht,
demielben Hilfe zu bringen. In Slankamen jammelte er uns
gefähr 200 Fahrzeuge, belud fie mit Mannſchaft, Waffen und
Lebensmitteln und griff damit am 14. Juli die türkifchen Schiffe
an, bie mit Ketten an einander befeitigt waren. Gleichzeitig
wurden biefe durch AO Kühne, welche mit Bewohnern von
Belgrad, geſchickten Bogenjhüten, bemannt waren, von hinten
gefaßt. Nach fünfjtündigem Kampfe war die türfiihe Schiffs-
reihe geiprengt, drei große Galeeren verfenkt, die übrigen, deren
Demannung meift tödlich verwundet war, zum Abzuge gezwungen.
Der Weg nad Belgrad war geöffnet, aber die Mannfchaft,
welche Hunyady und Capijtran dahin brachten, leider wenig
zablreich.
Eine Woche darauf war Belgrad bereit8 aufs äußerite
gebracht. Die Feftungsmauern mit den Türmen waren auf
einer Seite zufammengejchoffen, die Gräben ausgefüllt, c8 war,
wie Hunyady jpäter jchrieb, feine Feſtung mehr, jondern ein
ebenes Feld. Am Abend des 21. Yuli ordnete baber ber
Sultan den Sturm an, der die ganze Nacht und bis zum
folgenden Mittag fortvauerte. Wiederholt drangen die Türken
in die Stadt; fchon wehte endlich die Fahne mit dem Halb»
mond auf den Mauertrümmern; ſchon ftürmten die Feinde das
legte Bollwerk, die Burg; ſchon fol Hunyady felbjt an bie
Räumung berielben gedacht Haben. Doch fiegte bier endlich die
1) Diefen nennt al8 capitaneus Thwrocz 1. IV, c. 55, unb König
Ladislaus felbft in Url. vom 21. März 1457, in „Quellen und Forſch.“
©. 255.
106 Johann Hunyabys Tob.
Begeifterung der durch die Zurufe Capiftrand angefeuerten
Chriſten über die zahlveicheren Türken, welche teilweife im ben
Gräben durch ſchwefelgetränkte, angezündete Neifigbündel elend
verbrannt und endlich aus der Stadt binausgetrieben wurben.
Tollkühn drangen die Kreuzfahrer troß des Verbotes Hunyadys
ihnen nad. Sie gerieten zwar eine Zeit lang in Bebrängnis
und verloren fehr viele Leute. Als ihnen. aber Hunyady mit
den Ungarn zubilfe fam, jo bemächtigten fie fich vieler Geſchütze
und griffen ſelbſt das befeitigte türfifche Lager an. Da im
entſcheidenden Augenblide 6000 türkiiche Reiter, bie zur Deckung
des Donauufers entjendet gewejen waren, zurüdlehrten und bie
Chriſten im Rüden angegriffen, wurben bieje am Abende end-
lich zurüdgetrieben. Aber in ver folgenden Nacht trat ber
Sultan, der feine Artillerie und ven größten Teil der Janit⸗
icharen verloren hatte und felbft vurch einen Büchſenſchuß am
Schenkel verwundet worden war, in aller Stille den Rück⸗
zug an').
Die beiven Netter Belgrads und dadurch auch Ungarns
überlebten diefen Sieg nicht lange. Hunyady ftarb ſchon amt
11. Auguft mit Hinterlafjung von zwei Söhnen, Ladislaus und
1) Die Berichte über die Kämpfe um Belgrad (von denen einige ber
wichtigften leider noch nicht aufgefunden find) Hat Katona im 13. Banb
ziemlich vollftänbig gefammelt. Es kommen Hauptfächlih zwei Schreiben
Hunyadys an den Erzbiſchof von Gran und den König Labislauß,
leider nur ſehr ſummariſche Angaben enthaltend, zwei bürftige Schreiben
Eapiftrans, ber erwähnte Beriht im „Anz. f. K. d. deutſchen Vorzeit“
1863, Sp. 253, dann ber rubmrebige Bericht des Minoriten Sodann
von Tagliacozzo, eines Begleiters Eapiftrans, weiter Chalkokon-
dylas, p. 416sqq, Thwroczl.c., Dlugosz, 1. XIU, col. 186sgqg.
und Aeneas Sylvius, Hist. Frid., p. 460, unb Hist. Boh., c. 65,
in Betradt. Vgl. auch Ebendorffer, p. 878899. Bon den wid
tigften Vorgängen kaun man fih daraus ein annähernd richtiges Bild
maden. Doch darf man nicht alle erzählten Einzelnheiten verwerten
wollen, da die Duellen fih im Detail fehr oft wiberfprechen. Cine ver-
nünftige Kritit der Quellen bat ©. Voigt, Johannes von Eapiftrano,
in „Sybels Hiſt. Zeitſchr.“ X, 75ff., geliefert, der aber Chalkokondylas
überfehen bat.
K. Ladislaus und Ladislaus Hunyady. 107
Matthias, an der Peſt, Capiſtran folgte ihm am 23. Oltober
im Tode nach.
Unßerdeſſen waren aus Süddeutſchland auf der Donau
zahlreiche gut ausgerüftete Kreuzfahrer nach Wien gelommen
und nad Ofen weitergefahren, denen dann noch bei 3000
Ofterreicher folgten. Am 25. Auguft brach auch König Ladis⸗
laus in Begleitung des Herzogs Dtto von Baiern mit einer
Schar von Söldnern nah Ungarn auf, wohin ihm außer
mehreren böhmiſchen Herren auch Ulrich von Cilli folgte, ber
am 3. September mit Georg von Podiebrad in Mähren eine
Zuſammenkunft gehalten und einen Vertrag zu gegenfeitiger
Unterftügung gejchloffen Hatte. Anfangs Oktober begab fich ver
König nad Futak oberhalb Peterwardein, wohin ihm die Kreuz,
fahrer, Deutſche und Angehörige der böhmijchen Länder, un-
gefähr 6000 an der Zahl !), vorausgefahren waren, andere
nachfolgten. Hierher Hatte er auch die ungarifchen Großen
berufen, um mit ihnen über die Führung des Krieges gegen
die Türken und andere Angelegenheiten zu beraten. Allein
Ladislaus Hunyady, des Gubernators älterer Sohn, der mehrere
taufend Mann um fich gefammelt Hatte ?), erſchien erft dann
beim Könige, als ihm dieſer die urkundliche Verficherung ge«
geben hatte, daß fein Vater ald Reichsverweier und Hauptmann
die Staatseinkünfte getreu verwaltet babe und daß deswegen
feine Söhne nicht zur Rechenschaft gezogen werben follten ?).
Doc verſprach er dann dem Könige eivlich, Belgrad und andere
der Krone gehörige Burgen, die noch von feinem Vater ber in
feiner Gewalt waren, innerhalb einer bejtimmten Friſt zurück⸗
äuftellen. Auch mit Ulrich von Eilli erneuerte Ladislaus Hunyady
1) Diefe Zahl, welche Anonymi Chron. Austr. ap. Senckenberg,
Sel. V, 14 angiebt, fcheint mir glaubwürdiger als die 44000, welde ein
fonft gleichzeitiger Bericht bei Birk, Beiträge in „Quellen und Forſch.“,
S. 251, nad Belgrad kommen läßt.
2) Berichte der Nürnberger Hauptleute vom 15. Oft. und 4. Nov.,
im „Anz. f. 8. d. deutſchen Vorzeit“ 1863, Sp. 286 ff.
3) Pray II, 371. gl. die Urkunde Königs Labisfaus vom 21. März
1457, in „Duellen und Forſch.“, ©. 256.
108 Ermordung Ulrichs von Eili.
den Vertrag, den vor einem Sabre fein Vater wegen feiner
Vermählung mit der Xochter des Grafen gejchlojfen hatte.
Auch diefer Vertrag wurde feierlich befchworen. Nachvent ber
König Hierauf den Grafen Ulrich zum Hauptmann feines Heeres
ernannt hatte !), fuhr dasſelbe am 8. November mit bem
Könige nach Belgrad.
Ladislaus Hunyady war aus dem Lager zu Tutal dem
Könige nach Belgrab vorausgegangen unter dem Vorwande,
demſelben eine würbige Herberge bereiten zu wollen. Es läßt
fich nicht mit Sicherheit jagen, ob er ſchon damals entſchloſſen
war, dem Grafen von Eilfi, durch den er ganz in ben Hinter-
grund gebrängt zu werben fürchtete, aus dem Wege zu räumen,
oder ob er erft in Belgrad mit feinen Freunden den Plan
hierzu gefaßt hat. Wahrfcheinlicher tft das erſtere. Wenigſtens
wurde der Graf jelbft vom Erzbilchofe von Ealocja, von Reinold
von Rozgon und anderen Ungarn gewarnt, ſich nicht nach Bel-
grad zu begebent. Da aber jein Rat Friedrich Lamberger, den
auch ex in Begleitung des Königs und anderer Herzen von
Semlin nach Belgrad und ritt auf das Schloß.
Kaum hatten dieſelben mit wenigen Dienern die Zugbrüde
überfchritten, jo wurde bas Thor gefchloffen und feinem Be⸗
waffneten mehr der Eintritt gejtattet; die Kreuzfahrer mußten
in der Stadt lagern, während Die Burg ganz in ber Gewalt
der Bartet Hunyadys war. Schon am frühen Morgen des
folgenden Tages (9. November) Tieß Hunyady den Grafen unter
dem Borwande einer wichtigen Beratung aus der Meffe zu
fih laden. Als derſelbe nach Vollendung des Gottespienftes
erichien, empfing ihn Hunyady, bei dem fich auch fein Mutters⸗
bruder Michael Szilaͤgyi, Ladislaus von Kanifa und andere
feiner Anhänger befanden, mit heftigen Vorwürfen über fein
feindfeliges Verhalten gegen feinen Vater und ihn ſelbſt. Da
1) Michel Beheims Gebit in „Duellen und Forſch.“, &. 57,
B. 472 ff. „Cillier Chronik“, S. 121: „zu einen oberften baubtmann
(andere Hſ.: Veldt⸗haubtmann) in Ungarn“.
Verhalten bes Könige. 109
der Graf fich verteidigte, griffen die Magnaten zu ben Schwertern,
worauf auch der Cillter feine Waffe zog und Hunyady an der
Hand und am Haupte, Szilägyi am Arme verwundete und
noch andere verlegte. Geſchützt durch fein Panzerhemd leiſtete
er lange Widerſtand. Endlich aber wurde er vom berbeieilenden
Gefolge Hunyadys an den Füßen verwundet, zu Boden geworfen
und getötet, worauf man dem Leichnam noch das Haupt ab»
ſchlug. Graf Gregor von Korbavien und ein jechzehnjähriger
Züngling Namens Kepler '), die auf den Lärm ihm zubilfe
gekommen waren, hatten ihn nicht retten können, leterer war
jelbjt an den Fingern verwundet worden. Auch das Gefolge
des Eilfierd und der anderen nicht ungarifchen Begleiter des
Königs wurde ihrer Waffen und ihrer ganzen Habe beraubt.
Dem Könige ftellte Hunyady vor, der Eillier babe den
Kampf begonnen, ſodaß derjelbe von ihm in gerechter Notwehr
getötet worden fe. Da jener wie ein Gefangener in ben
Händen der Anhänger Hunyadys war, fo blieb ihm nichts
übrig, als das Geſchehene gutzubeißen und zu thun, was man
von ihm verlangte. Die Kreuzfahrer hätten zwar gern bie
Durg geftürmt und den Tod ihres Anführers gerächt, ließen
fih aber endlich im Auftrage des Könige von den Herren von
Roſenberg und Sternberg beruhigen. Unter dem Vorwande,
daß wegen ber vorgerlicten Jahreszeit ein Zug gegen die Türken
nicht mehr möglich ſei, fchicte fie der König unter Anführung
Wilhelms von Liechtenftein nachhaufe 2) und meldete zugleich
1) Er ift wohl der Sohn jenes Hanns Keppler von Selewitz, zu beijen
Gunften Ulrich von Cilli 1455 urkundet Chmel, Materialien LI, 78.
Bol. Lichnowsky VI, Nr. 2189. Nah PBalady, Geld. Böhmens
IV, 1, 402, war er ein Böhme Namens Kaplir von Sulowig.
2) Über den Zug nad Belgrad und die Vorgänge daſelbſt Haben wir
mehrere eingehende Berichte, die teils von Teilnehmern am Kreuzzuge
berrüßren, teild auf Mitteilungen von folchen beruhen, wie das Gebicht
Michel Beheims in „Quellen und Forſch.“, S. 57 ff., der von Birk
mit anderen einfchlägigen Aktenſtücken mitgeteilte Bericht ebd., S. 251f.,
das Schreiben bes öſterreichiſchen Hubmeiſters Konrad Hölzer bei
Palady, Urkundl. Beiträge, ©. 104. Anonymi Chron. Austr. ap.
Senckenberg, Sel. V, 15sggq., und bie „Eillier Chronit“, S. 119 ff.
110 Stellung bes Ladislaus Hunyady.
feinem treuen Giskra von Brandeis, den er auch gegen bie
Türken aufgerufen Hatte, baß fein Erſcheinen nicht mehr
nötig ſei !).
Nah der Wegräumung des einflußreichiten Natgebers des
Königs konnte fich Ladislaus Hunyaby in der That als ben
eigentlichen Regenten von Ungarn anjeben, bejonvders da ihm
der König notgedrungen auch die Würde eines Generallapitäng
verlieh 2), die früher fein Vater befleivet hatte. Im feiner Be-
gleitung begab fich der König von Belgrad nach Temesvar, wo
diefem die Witwe des verftorbenen Gubernators mit ihrem
jüngeren Sohne Matthias entgegenfam. Ein Meifter. der Ver⸗
ſtellungskunſt, zeigte fich der junge Fürft heiter, ja fröhlich, und
forderte auch die Witwe mit ihrem Gefolge zur Ablegung ber
Zrauerlleiver auf. Zugleich gab er die fchriftliche Verficherung,
daß er den Mord jeines Wetters an Ladislaus Hunyady und
beffen Bruder nie rächen würde, und leiftete darauf einen
feterlichen Eid auf Die heilige Hoftie 3). Dadurch ficher gemacht
und wohl auch auf ihre Macht und die Zahl ihrer Anhänger
vertrauend, zogen bie beiden Hunhady im Dezember mit dem
Jede Einzelfiheit wird man freilich denſelben nicht glauben dürfen, wie
fie auch in ſolchen nicht felten differieren, aber im ganzen verbienen fie
offenbar Glauben. Aub Ebendorffer, p. 881 8q., Dlugosz,
1. XII, col. 190 und 199sqq., Eilis Feind Aeneas Sylvius,
Hist. Frid., p. 463sq., ja ſelbſt Thwrocz 1. IV, cap. 58, wiber[prechen
ihnen im ganzen nicht, nur flellen die beiden lettgenannten die Ermordung
des Cilliers als nicht beabfichtigte Folge eines Wortwechſels zwiſchen ihm
und Humyado bar. Die neueren ungariſchen Hiftorifer haben fich auch
bier im weientlichen an ben fpäteren Bonfinius, den Hofhiftoriographen
der Hunyadys, gehalten, ber natürlich ben Bruder des Könige Matthias
als unſchuldig Hinzuftellen fucht.
1) Kaprinai, Hung. dipl. I, 110. Katona XIII, 1128.
2) Er führt dieſen Titel in Ur. vom 30. November ap. Katona
XIII, 1134
3) Thwrocz 1. IV, c. 59, teils durch Aeneas Sylvius, Hist.
Frid., p. 464 2qq., teils durch die Ausſage bes Königs ſelbſt in Urk.
vom 21. März 1457, in „DOuellen unb Forſch.“, S. 257, und bei Te-
leki X, 546, beflätigt.
Defien Hinrichtung. 111
Könige nach Ofen, deffen Burg fie mit ihren Leuten beſetzten,
ſodaß dieſer zunächſt auch Hier vollſtändig in ihren Händen war.
Ladislaus Hunyady beutete die Abhängigkeit des Königs von
ihm auch jetzt noch zur Vergrößerung feines Einfluffes aus,
indem er ſich von ihm zum Schatntelfter ernennen Tieß !).
Dan wird nicht behaupten können, daß der König fchon
damals die Abficht gehabt habe, die Hunyady zu verderben und
an ihnen blutige Rache zu nehmen. Aber außer Zweifel fteht,
daß der ehrgeizige und felbftbewußte Fürft entichloffen war, ſich
eine unabhängigere und würdigere Stellung zu verichaffen.
Schon furz nad feiner Ankunft in Ofen erklärte er den unga⸗
riichen Magnaten, daß er jeßt zu feiner Vernunft und zu feinen
Sahren gelommen fei, und daß er daher nun felbft regieren
wolle, und verlangte ihren Rat und ihren Beiſtand, um in
den Befit feiner Einkünfte zu fommen. Man wird bie um
jo begreiflicher finden, al® man den König an den notwenbigiten
Dingen Mangel leiden ließ und es einmal fogar an Holz zum
Kochen fehlte). Auch fanden fih in Ofen die alten Rivalen
der Hunyady, der Balatin Sara, der Woywode Niklas von
Ujlaf, der Hofrichter Ladislaus von Palocz, der Oberftthürbüter
Paul Banfiy von Lindva, der Böhme Giskra und andere, teil-
mweife mit zahlreicher Begleitung, bei ihm ein, bie ihm gegen
diejelben aufhegten und ihm zuredeten, er folle ven Mord feines
Oheims nicht ungeräct laffen. In der That ließ der König
am 14. März 1457 mit Unterftügung der Genannten und
anderer Großer feiner Neiche die beiden Hunyady, den Reichs⸗
kanzler Johann Vitéz, Biſchof von Großwardein, Ladislaus
von Kaniſa, Sebaſtian von Rozgon und andere, welche an der
Ermordung des Cilliers beteiligt waren oder Anſtifter geweſen
1) Er urkundet als tavernicorum regalium magister am 4. März.
1457 ap. Katona XII, 1145.
2) Aufzeichnungen bei Birk, Beiträge, in „Quellen und Forſch.“,
©. 232f. und 252f. Die Ungarn erflärten ihm nun, daß feine Einkünfte
fich jährlich auf 171000 Goldgulden beliefen, ohne jene, die zu den könig⸗
lichen Schlöffern gehörten, und jene, die Giskra inne Habe, und bie etwa
50000 Gulden ausmachen.
112 Aufftand der Freunde Hunyadys.
fein jollten, gefangen ſetzen. Zwei Tage darauf wurde ber
ältere Hunyady, den man beichuldigte, daß er fich gegen das
Leben des Königs und feiner Räte verfchworen babe, auf Grund
eines richterlichen Ausfpruches enthauptet t).
Der junge Fürſt war glüdlih, daß er jet „ein freier
regierenver König“ fei und daß e8 „niemanden mehr gebe, ber
ihn beberrihe”. Aber die blutige That und fat noch mehr
bie ungejchidte Art der Ausführung, indem das Haupt bes
Ladislaus Hunyady erjt beim vierten Streiche fiel, brachte in
Ungarn den übeljten Eindrud hervor. Das Voll, das den
Vater des Hingerichteten als Nationalhelden verehrte, gab feinem
Unwillen jo lauten Ausdrud, daß man bei Strafe an Leben
und Gut verbot, gegen dieje That fi zu äußern, und daß
ber König fich längere Zeit gar nicht mehr aus der Dfener
Burg hinauswagte?). Die Mutter der Hunyady, unterjtüßt
von ihrem Bruder Michael Szilaͤgyi, warb mit den reichen
Schäten ihres Gatten Söldner in Ungarn und feinen Nachbar⸗
ändern und begann den offenen Krieg gegen den König und
jeine Anhänger. In kurzer Zeit war ganz Siebenbürgen in
Sztlagyis Gewalt. Ihm gelang es auch, den berüchtigten
Pongrag von Sz. Millos, Grafen von Liptau, und. deifen
Brüder durch das DVeriprechen der Rückgabe der ihnen früher
entzogenen Burgen im wejtlichen Ungarn auf jeine Seite zu
1) Daß nur bie Ermorbung bes Eillierd dag Motiv geweſen ift,
fagt 8. Labislaus ſelbſt in Schreiben an die Rofenberg vom 15. März
bei Palady, Geſch. Böhmens IV, 1, 405. Die Rechtfertigung enthält
ber Schußbrief des Königs für die bei der Gefangenfeung der Hunyadys
beteiligten Großen bei Birk, Beiträge a. a. O., ©. 257, und Teleki
X, 546. Dieſelbe Anfhauung, teilweiſe vielleicht mit weiteren Aus—⸗
ſchmückungen, in ber „Hofmär aus Ungarn“, ebd. ©. 253f., im erwähnten
Sebihte M. Beheims und im Chron. Austr. gl. au Aeneas
Sylvius, Hist. Frid. 1. c.; Thwrocz, c. 59; Dlugosz, col 202;
Ebendorffer, l. c., die manches Detail geben, und bie Schreiben bes
Königs und Giskras an die Breslauer vom 14. und 17. März, und
andere Nachrichten bei Balady, Urkundl. Beiträge, ©. 107 ff.
2) Schreiben eines Preburgerd vom 22. März bei Birk a. a. O.,
©. 258.
K. Ladislaus und ber Kaifer. 118
*
bringen, ſodaß der König feinen verläßlichſten Anhänger Giskra
zum Hauptmann von Dberungarn ernannte und gegen Pongräcz
ſchickte ). Die Macht der Gegner warb verftärkt, als e8 den
vornehmſten Gefangenen gelang, aus ihrer Haft in Ofen zu
entfommen. Den König Telbit zog es aus Ungarn fort. Ende
Mai begab er fih aus Dfen nach Wien, wohin er ven Matthias
Hunyady als Gefangenen mit fi führte.
Auch das ohnehin gefpannte Verhältnis des Königs Ladis⸗
laus zum Kaiſer war durch den Tod Ulrichs von Cilli noch
mehr getrübt worden. Diejer beanſpruchte die in Deutſchland
gelegenen Gebiete desjelben, die Grafichaften Cilli, Ortenburg
und Sternberg auf Grund der Verträge von 1443, Ladislaus
den ganzen Nachlaß feines Wetters als nächjter Verwandter.
Obwohl die Räte, Burggrafen und Pfleger des Cilliers fich
zunächſt dahin einigten, mit ihren Herrichaften und Burgen ber
Witwe desjelben, Katharina von Serbien, zu Dienften zu ftehen,
dis diefer ein anſtändiges Wittum ausgeſetzt und über die An-
ſprüche der zahlreichen Prätenventen vor einem Reichsfürſten⸗
gerichte entichieden worden wäre, jo gelang es dann doch im
März 1457 dem Kaiſer, durch bebeutende Verſprechungen die
meilten Burggrafen und den oberften Hauptmann Ian Wittowek
zur Anerkennung feiner Herrichaft zu bewegen. Wittowet ließ
fih aber bald vom Könige Ladislaus gewinnen und überfiel am
30. April unvermutet die Stabt Eilli, wo der Kaijer am Tage
vorher eingetroffen war. Doch batte fich diejer aus der Stadt
nad dem feiten Schloffe Ober-Eilli begeben, das Wittoweg nicht
einzunehmen vermochte, fobaß vieler nach acht Tagen wieder
abzog. Es kam nun zu einem hartnädigen Kriege, und erft
nach dem Tode des Königs Ladislaus gelang ed dem Sailer,
Wittoweg wieder auf feine Seite zu bringen und den übrigen
BPrätendenten gegenüber teild durch Waffengewalt, teild durch
Geld und andere Konzeifionen feine Anſprüche zur Geltung zu
bringen ?).
1) Katona XIUI, 1163 699. Bgl. im allgemeinen Thwrocz
1. VI, cap. 618q., und von neueren Darftellungen Teleki II, 518 ff.
2) „Cillier Chronik“, ©. 129ff. und die von Birk im „Ardiv für
Huber, Geſchichte ſterreichs. II. 8
114 Hölzler, Pobiebrad und Eizinger.
Auf den König Ladislaus übte nach feiner Rückkehr aus
Ungarn ben größten Einfluß Konrad Hölzler, ver früher mehr
mals VBürgermeifter von Wien gewejen war, feit dem Dezember
1455 aber die Würde eines Hubmeijterd von ſterreich ber
kleidete. Hölzler, der mit eigenen Augen gejehen hatte, eine
wie unwürbige Stellung der König feit der Ermordung des
Grafen von Cilli eingenommen, und der auch zum Sturze bes
Ladislaus Hunyady beigetragen hatte, riet feinem Herrn, er
folle jet auch die Ubermacht Podiebrads und den Einfluß
Eizingers und feiner Freunde zu brechen juchen.
Der König war in der That um diefe Zeit über ben
Gubernator von Böhmen wegen verichiedener Eigenmächtigfeiten
desſelben aufgebracht. Doch war Podiebrad nicht ver Mann,
ver feine Macht fo leicht aus den Händen gab. Er verband
fih mit Ulrich Eizinger, und beide arbeiteten nun darauf bin,
den Einfluß Hölzlers zu vernichten. Als der König beide nad)
Wien berief, erichien Podiebrad an der Spite einer Schar von
800 Heitern und machte troß eines königlichen Geleitsbriefes
mit Eizinger an der Donaubrüde Halt, indem fie fich weigerten,
bie Stadt, deren Bürger dem Könige und dem Hubmeijter er»
geben waren, zu betreten. Von Eizinger unterftügt und mit
offener Zeindfchaft drohend jegte Podiebrad nach langen Unter-
bandlungen e8 durch, daß die bevorftehende Hochzeit des Königs
mit Magdolena, Tochter Karl VII. von Frankreich, nicht in
Wien, fondern in Prag gefeiert werden follte, wo derjelbe ganz
in feinen Hänben war. Kaum war Ladislaus am 29. Sep-
tember 1457 nad Brag gefommen, jo wurde Hölzler, da ex
die notwendigen Summen zur Ausrüftung einer glänzenden
Geſandtſchaft nad) Frankreich nicht liefern konnte, auf Andringen
feiner Feinde wegen Beleidigung des Königs feiner Stelle ent-
jet und von Podiebrad in Haft gebracht. So war der Ein-
fluß des Gubernators wieder gefichert und auf allen Seiten
juchte fich derfelbe Freunde und Anhänger zu verichaffen.. Der
öfter. Geſch.“ X, 201ff., Nr. 141ff., und XI, 141ff., teils in Auszügen,
teils vollftändig veröffentlichten Urkunden.
Tod des Königs Ladislaus. J 115
König wurde gendtigt, eine Geſandtſchaft an den Kaiſer zu
ſchicken, um fich mit diefem über die Cilliſche Erbfchaft zu ver-
gleichen. Auf ver Reife zu demfelben feste Ulrich Eizinger, der
an der Spike der Geſandtſchaft ftand, am 31. Oktober ben
DBürgermeifter, den Richter und den ganzen Stadtrat von Wien
ab und ernannte dafür feine Kreaturen ?).
Wie ſich das Verhältnis zwiſchen dem ebrgelzigen Könige
und dem allmächtigen Gubernator in Zukunft geftaltet haben
würde, vermag niemand zu fagen, da dieſe Trage infolge des
plöglichen Todes des jugendlichen Fürften keine natürliche Löſung
fand. Am Abend des 20. November 1457, nachdem er ein
Kind Zdenkos von Sternberg aus der Taufe gehoben, fühlte
der König ftarke Kopfichmerzen. Am folgenden Tage präfibierte
er zwar mehreren Gerichtöverbandlungen, aber dann ver-
ſchlimmerte ſich fein Übel, vielleicht auch infolge ungefchieter
ärztlicher Behandlung, und ſchon am 23. November hauchte
er in einem Alter von nicht einmal achtzehn Jahren feine
Seele aus.
Begreiflicherweiſe wurde auch in dieſem Falle die Vermutung
laut, der König ſei vergiftet worden. Georg von Podiebrad,
feine Gemahlin Johanna von Rozmital, Rokycana wurden als
Thäter bezeichnet. Doc ift der König ohne Zweifel an ber
Peft, einer Art von Beulentyphus, geftorben, die in Ungarn
gemwütet hatte und durch die SKreuzfahrer auch nach anderen
Ländern verbreitet worden war ?).
1) Über diefe letzte Regierungsperiode K. Ladislaus ſ. Bachmann,
Ein Jahr bohmiſcher Geſchichte, im „Arch. f. öſterr. Geſch.“ LIV, 37 ff.
2) S. die eingehenden Unterſuchungen von Palacky, Zeugenverhör
über den Tod K. Ladislaw's. Prag, 1856. Aus den „Abhandl. d. kgl.
böhm. Gef. d. Wiſſ.“, V. Folge, 9. B. Vgl. dazu dem gleichzeitigen
Bericht aus dem gl. baier. Reichsarchiv bei Bahmann, Urkunden und
Altenftüde zur öfter. Geſch. 1440—1471, in „F. R. Austr. Dipl.“
XLII, 204,
Fünftes Bud.
Böpmen nnd Yngarn als Wahlreiche. — Öfter-
reichs tieffler Berfall und Wiedererhebung.
(1457—1493.)
— — — — —
Erfles Kapitel.
Der Streit um Ofterreih. — Die Wahl und An-
erkennung nationaler Herricher in Böhmen und Un-
garn.
Nah dem früßzeitigen Ableben Ladislaus des Nachgeborenen
war dies bie wichtigfte Trage, ob bie von ihm beherrichten Län⸗
ber Ofterreich, Böhmen und Ungarn vereinigt bleiben und an
einen andern Habsburger fommen, oder ob fie neuerdings ge⸗
trennt werden würden. Die NRechtöfrage bezüglich der Nach⸗
folge lag in verſchiedenen Reichen in der That micht gleich,
und nur durch zielbewußtes, raſches und kräftiges Handeln
bätte e8 ben Habsburgern gelingen Lönnen, ihre Anſprüche
auf die Länder ihres verftorbenen Vetter zur Anerkennung
zu bringen. |
Aber ſchon die cilliſche Erbfolgefrage hatte die Glieder ber
leopoldinischen Linie neuerdings entzweit, indem nicht bloß ber
Kaifer, fondern auch deſſen Bruder Albrecht und Herzog Sig.
mund von Tirol auf die Hinterlaffenfchaft des letzten Cilliers
Anſprüche erhoben hatten. Der Tod ihres Vetters Ladislaus
warf nun einen neuen Zankapfel unter die uneinigen Gemüter.
Denn wenn es auch außer Zweifel ftand, daß das Erzherzog.
tum OÖfterreich den früheren Hausverträgen zufolge nach bem
Erlöichen der albertinifchen Linie des Haufes Habsburg an bie
leopolbinifche fallen mußte, fo entitand doch darüber Streit, ob
120 Der Streit um Öflerreich.
alle- Glieder oder nur eines ein Recht darauf hätte). Kaifer
Friedrich beanfpruchte als Ültefter des Haufes Ofterreich für
fih allein und verlangte daher von ben Ständen die Huldi-
gung. Dagegen erhob aber fein Bruder Albrecht, der gerade
in Wien anmwejend war, im eigenen Namen wie für jeinen
Better Sigmund lebhafte Einſprache. Dieje gingen von der
Anficht aus, daß Ofterreich der ganzen Linie zugefallen fei, was
nach den früheren Yamilienverträgen und dem ganzen Berlauf
der Geſchichte feit 1379 auch unzweifelhaft richtig war, und
verlangten daher einen gleichen Anteil an dieſem Lande wie
Friedrich.
Dei diefer Uneinigfeit der Fürften bejchloffen bie öfterreicht-
chen Stände, welche am 21. Januar 1458 in Wien zuſammen⸗
traten, jo lange jene fich nicht unter einander geeinigt hätten,
feinem Xeile zu geborchen und die Regierung des Landes jelbit
in bie Hände zu nehmen. Dieſe wurde bis zu einem neuen
Landtage den Grafen Bernhard von Schaumberg ımb Michael
von Maidburg und den Herren Wolfgang von Wallſee und
Ulrich Eizinger übertragen, von denen der lebte aber ſchon am
5. März vom Erzberzoge Albrecht gefangen gejettt wurbe.
Die Streitfrage wurde einigermaßen dadurch vereinfacht,
daß am 10. Mat der Herzog Sigmund das ihm gebührende
Drittel Öfterreichs feinem Vetter Albrecht abtrat und fi nur
die Einkünfte von demjelben vorbehielt, wogegen dieſer ihm den
Teil der Vorlande überließ, den er bisher innegehabt Hatte.
Es ftanden fich aljo nur noch Friedrich und Albrecht mit ihren
Unfprücen gegenüber. Aber erit am 27. Juni gelang es end«
lich den Ständen, zwilchen den beiden feindlichen Brüdern einen
Dergleich zu vermitteln, wonach Friedrich, vorläufig während
ber nächſten drei Jahre, Nieveröfterreich, Albrecht Oberöſterreich
verwalten, beide aber ein Drittel der Einkünfte an ben Herzog
Sigmund abliefern follten. Selbft die Wiener Burg war in
1) Erfchöpfend Handelt darüber Zeißberg, Der öfterr. Erbfolgeftreit
nah dem Tobe bed K. Labislaus Poſtumus (1457/58) im „Archiv für
öfterr. Geſch.“ LVIII, 67—169.
Anſprüche der Habsburger auf Böhmen. 121
drei Zeile geteilt worden. Albrecht beanfpruchte auch einen
Anteil an der Regierung der Stadt Wien, während der Kaiſer
dies verweigerte. Es wurde daher beſtimmt, daß die Bürger⸗
ſchaft einftweilen allen drei Fürjten die Huldigung leiſten und,
wenn dieſe ſich bis zum nächjten Landtage über die Einſetzung
bes Bürgermeifters, Richters und Stadtrates nicht verftändigen
Tönnten, in ihrem Namen bie Stände dieſe Ämter proviſoriſch
beiegen follten. Kin feindlicher Einfall der Böhmen führte end»
lich am 3. Auguft 1458 eine Einigung der beiden Brüder her-
bei, indem Albrecht gegen eine Entſchädigung von 82 000 Pfund
Pfennigen Nieveröfterreih mit Wien dauernd dem Kaijer Fried»
rich überließ. Mit der Teilung des Hauptlandes hatte die Zer-
jplitterung der öſterreichiſchen Befigungen ihren Höhepunkt er-
reicht.
Während die Habsburger um Oſterreich haderten, das ihnen
nie entgehen Tonnte, hatten fie Böhmen und Ungarn verloren,
auf deren Gewinnung jie vor allem mit vereinten Kräften
hätten binarbeiten follen.
Böhmen mit feinen Nebenländern beanfpruchten die Habs⸗
burger auf Grund der Erbverbrüberung, welche 1364 mit ben
Luxenburgern gejchlofjen und dann mehrmals erneuert worden
war. Doch konnte man dagegen mit echt") geltend machen,
1) Anders freilich U. Bahmann, Ein Jahr böhmiſcher Geſchiſchte,
„Archiv f. öſterr. Geſch.“ LIV, 62 ff. Aber feine Annahme, daß Albrecht V.
1438 nit als Schwiegerfohn K. Sigmunds, fondern auf Grund der
Erbverträge mit den Luremburgern als Köriig von Böhmen anerkannt
worden und mit. ibm „das ganze habsburgiſche Haus“ nachgefolgt fel,
läßt fih nicht halten, wie ſchon die von ihm ©. 64, N. 1 augeführte
Bitte 8. Sigmunds zeigt. Bezüglich des Thatfächlichen dagegen jchließe
ih mich für das Folgende ganz an Bachmanns gründliche Darflellung an.
Vgl. über bie böhmifche Königswahl und die folgenden Creigniffe auch
Palady, Geſch. Böhmens, IV. B., 2. Abtl. (1457—1471), und deſſen
gleichzeitig veröffentlichte „Urktunbliche Beitr. zur Geſch. Böhmens u. f. w.
im Zeitalter Georgs von Podiebrad“ (P. R. Austr. Dipl. XX), ©. Voigt,
Georg von Böhmen der Huffitentönig, in „Hiftor. Zeitfehr.” V, 421ff.
und deſſen „Enea Silvio” III, 428ff.,. und H. Markgraf, Über das
Berhältnis des K. Georg von Böhmen zu B. Pius II. 1458-1462, im
„Jahresber. d. kgl. Friedrichs-Gymn. zu Breslau“ 1867.
122 Kandidaten für die böhmiſche Königswürde.
dag die Rachlommen Karls IV. noch nicht erlofchen waren, ba
Ladislaus zwei Schweitern hinterlaſſen Hatte, welche Enkelinnen
des Kaiſers Sigmund waren. In ber That erhob Herzog
Wilhelm von Sacjen, der Bruder des Kurfürften Yriebrich,
als Gemahl Annas, der älteren Schweiter bes Königs Ladis⸗
laus, ja fogar König Kafimir von. Polen, der Gatte ber
füngeren Schweiter Eliſabeth, Anjprücde. auf bas böhmiſche
Reich. Der Kaiſer fuchte daher auch noch den Geſichts punkt
geltend zu machen, daß Böhmen als erlebigtes Neichölehen ihm
beingefallen ſei. Aber auch Hier wirkte die Uneinigleit ver
Habshurger nachteilig, indem nicht bloß Friedrich, jondern auch
Albrecht und Sigmund al8 Prätendenten auftraten und . einer
dem andern die böhmiſche Krone nicht gönnte. Kine. kräftige
Geltendmachung feiner Anſprüche aber verjuchte feiner, weil
alle zu ſehr durch den Streit um Ojterreich beichäftigt waren.
Da die Habsburger völlig unthätig blieben, fo trat Wil-
beim von Sadjen, der das Prinzip der Legitimität und bes
Erbrechtes vertrat, unter allen Bewerbern am meiften in ben
Bordergrund. Aber feit ben Wagen der Huſitenkämpfe, wo
man bem rechtmäßigen Könige den Gehorſam verweigerte, hatte
bie Idee des Erbrechtes bei fehr vielen Böhmen jede Kraft
eingebüßt. Hatten fie jogar Ladislaus nicht als Erb- ſondern
als Wahlkönig angenommen, jo wollten fie jeßt das feit langem
beanipruchte Wahlrecht endlich zur unbedingten Geltung bringen.
Diefen Rechtsboden erkannte namentlich der König Karl VII.
von Frankreich an, ver bie Böhmen durch die glänzenditen Ver⸗
ſprechungen zur Wahl feines Sohnes zu bewegen fuchte. Auch
einige beutiche Fürften, der Kurfürft Frievrih von Branden⸗
burg und fein Bruder Albrecht, und die Herzöge Ludwig von
Baiern⸗Landshut und Albrecht von Öfterreich wurden als Kan⸗
bidaten für eine Wahl genannt.
Doch fonnte keiner der fremden Fürften gegen Georg von
Podiebrad auffommen, der auch nah dem Tode des Königs
fein Amt als Oubernator nicht als erlojhen anſah und daher
alle Mittel in den Händen hatte, um feine eigene Erhebung zu
betreiben. Zugleih war Rokycana, ber Apminiftrator bes
Wahl Georg6 von Pediebrad 123
Prager Erzbistums, mit der utraquiſtiſchen Geiſtlichkeit in je
ber Weiſe, felbft vom ver Kanzel aus, für Georg als einen
Hufiten und Böhmen thätig. Auch der wiebere Wel mb dad
Bolt: maren ihm zugetban teils wezen jeine® Glaubens zud
feiner Rationalität, teils wegen der Tüchtigkeit, die er biöher
als Regent an den Tag gelegt hatte. Bon den Mitgliedern
bes hoben Adels waren manche, ſelbſt der Tatholiidhe Sdenko
von Sternberg, Oberfiburggraf von Prag, jeit langem wit
ihm befreundet, einzelne ſollen von ihm burg Geld oder Ber-
fpredhungen gewonnen worven ſein. Als nun Ende Februar
145% ber böhmiſche Landtag in Prag zuſammentrat unb über
die Beſetzung des Thrones beriet, obwohl er nicht ausdrücklich
zu biefem Zwecke einberufen worden war, da fammmelten fich
bichte Vollsmaſſen an, die unter Geidyrei die Wahl George
oder wenigitens eines Böhmen forderten und gegen bie Er⸗
hebung eines Deutſchen und überhaupt eines Fremden prote-
ftierten. Die Abgeorbneten von Bauyen und Görlig, die ein-
zigen. aus. den böhmiſchen Nebenländern, die überhaupt an⸗
weſend waren, bielten es unter foldden Umſtänden für gut,
Brag zu verlaſſen. Eine freie Wahl wäre bei diejer Stim-
mung der Prager kaum möglich geweien, obwohl der Landtag
die franzoͤſiſchen und ſächſiſchen Geſaudten ruhig anhörte. Die
fatboliiche Partei, welche die Zuſicherung voller Gleichberechti⸗
gung für die Anhänger der Kommunion unter einer Geſtalt
und bie Garantie ihrer bisherigen kirchlichen Pfründen und Be⸗
figungen verlangte, jcheint fich endlich auch gefügt zu haben,
als man die Beftätigung ihrer Forderungen bei der Königs.
rönung in Ausficht ftelte 1). Allen weiteren Beratungen machte
dann Sdenko von Sternberg dadurch ein Enbe, daß er am
2. März nach einer kurzen Umfrage unter jeinen Freunden
plößlih vor Podiebrad feine Kniee beugend ausrief: „Es lebe
Georg, unfer gnädigfter König und Herr!‘, worauf mehrere
1) ©. bie Berichte an die Stabt Eger vom 28. Febr. und 12/13. März
hei Bahmann, Url. und Aktenſtücke 1440-1471, in „F. R. Austr.
'Dipl.“ XLI, 212. 215, und die Artifel ibid. 237.
124 Haltung der böhmiſchen Nebenlänber.
Herren und endlich alfe Anmwefenden in benfelben Auf ein
ftimmten.
Während die Wahl Georgs in Böhmen faft allgemein mit
Freude begrüßt wurde, zeigten fich die Nebenländer Mähren,
Schleſien umd die Lauſitz, welche vorherrichend deutſch und faft
ganz katholiſch waren, feiner Anerkennung abgeneigt. Sie
fühlten fich jchon dadurch beleidigt und in ihren Rechten beein»
trächtigt, daß fie Georg, vielleicht gerade weil er ihre Stim⸗
mung Tannte, zur Königswahl nicht eingelaben Hatte, was bei
der Wahl eines neuen Königs, die nicht Böhmen allein, ſon⸗
dern alle Länder der böhmifchen Krone anging, ſchon der Natur
der Sache nach hätte geſchehen follen, und burch bie goldene
Bulle Karls IV. vom 7. April 1348, welche über Die Könige»
wahl handelte, ausprüclich vorgejchrieben war !). Dann batten
die Bewohner der Nebenländer immer am Grundſatze ver
Legitimität feitgehalten und hatten im Gegenfage zu den Böhmen
Albrecht V. von Öfterreih wie deſſen Sohn Ladislaus als
Erbherrn anerkannt. ine Pflicht, den von den Böhmen mit
Verlegung des Legitimitätäprinzips gewählten König als Herrn
anzunehmen, beftand daher für fie nicht. Auch Hätten ſich bie
Nebenländer mit Hilfe des von ihnen anerkannten Füriten und
feiner Freunde wohl vielleicht mit Erfolg gegen die Angriffe
der Böhmen verteidigen Tönnen, wären alle einig und von dem
feften Willen, ihre jelbftändige Stellung zu behaupten, erfüllt
geweſen.
Aber gerade die Einigkeit und Entſchiedenheit fehlte den
böhmiſchen Nebenländern. Schon über die Frage, wer als
rechtmäßiger Erbe des verſtorbenen Königs zu betrachten ſei,
gingen ihre Anſchauungen auseinander. Die meiſten Schleſier
und Lauſitzer waren für die Anerkennung Wilhelms von Sachſen,
bie Mährer neigten zu Ofterreich, deſſen Fürſten auch auf dieſes
Land Spezielle Rechte geltend machen Ionnten, da e8 1423 vom
1) „ipsius regis Boemie electionem ... prelatis, ducibus, prin-
cipibus, baronibus, nobilibus et communitati dieti regni et perti-
nenciarum eiusdem .. . damus, concedimus et donamus. (od.
Moraviae VII, 557.
Schwanken ber Mährer und Schlefier. 125
Könige Sigmund dem Herzoge Albrecht V. zu Leben gegeben,
und dadurch von Böhmen getrennt worben war. Unb in jedem
Lande gab e8 Männer, welche entweder mit ber. von ben
Böhmen getroffenen Wahl offen ſympathiſierten oder wenigſtens
nicht geneigt waren, für ihre abweichende Meinung entichieden
einzutreten oder gar bafür Opfer zu bringen. Die Mehrheit
des mähriichen Landtags erflärte fich ſchon in der erften Hälfte
des April zur Anerlennung Georgs bereit unter der Bedingung,
baß er ven Katholilen freie Religionsübung zufichere und Mähren
betreffende Angelegenheiten nur mit Zuziehung mähriſcher Räte
enticheive. Nur wenige katholiſche Adelige und bie beutichen
Städte Brünn, Olmüg, Iglau, Zuaim, Mähriſch⸗Neuſtadt und
Hradiih waren noch dagegen und unterbielten Verbindungen
mit Albrecht von Öſterreich, der jet die Rechte feines Haufes
zur Geltung zu bringen bemüht war. Aber auch diefe waren
nur aus religiöfen Gründen gegen den neuen Böhmenkönig.
Sie und der neue Bifchof von Olmütz, Protas von Boslowig,
ein Verwandter Georgs, einigten fich über gewiſſe Bedingungen,
unter denen fie demfelben zu huldigen geneigt waren. Nament⸗
lich wollten fie verlangen, daß er jelbft fich mit der römiſchen
Kirche vereinige und den ausſchließlich katholiſchen Charakter
der Städte nicht zu Ändern verfuche ). Auch die fchlefiichen
Stände, fo jehr die meiften Georg abgeneigt waren, kamen
über einen aufichiebenvden Beſchluß nicht Hinaus 2). Stanben
ja doch zwei Böhmen an ber Spike diefes Landes, Johann
von Rofenberg als bandeshauptmann und deſſen Bruder Jodok
als Biſchof von Breslau! |
Doch war Georgs Lage immerhin eine ſchwierige. Nicht
1) Bgl. mit Bachmann a. a. O. Zeißberg im „Arch. für öſterr.
Geſch.“ LVIII, 144fi.
2) Bgl. über die Vorgänge in Schleſien bie Hist. Wratislav. des
damaligen Breslauer Stadtſchreibers Peter Efchenloer, herausgeg.
von Markgraf in SS. R. Siles. VII (verläßlicher als bie fpätere deutſche
Bearbeitung, herausgeg. von Kuniſch, 2 Bde., 1827/28), und bie von
demjelben veröffentlichte „Politiſche Correfp. ber Statt Breslau”, ibid.
VIII, wie Grünhagen, Geh. Schlefiens I, 293 ff.
126 Georg und "die Katholiken.
bloß die Habsburger und die jächfiichen Herzoge, fondern auch
viele andere beutiche Fürften waren gegen ihn. In Schlefien
legte das mächtige Breslau offen jeine Feindichaft gegen ihn
an den Tag, während bie fchlefiiche Landesverſammlung, obwohl
fie an der Union mit Böhmen feithielt, wenigſtens entſchieden
betonte, daß fie nur einen „chriftlihen” König annehmen wolle:
Und daß er auch in Mähren. ohne weſentliche Konzeſſionen
religidjer Natur die Huldigung der größeren Stäbte auf fried-
lichem Wege nicht erlangen würde, Hatten bie von ihren ge-
faßten Beichlüffe ſehr wahrjcheinlich gemacht. In Böhmen felbft
verlangten bie katholifchen Herren vor der Krönung die Des
ftätigung der religidjen Forderungen ’), die fie fchon bei der
Wahl geftellt Hatten.
Schon längſt hatte ſich Georg ‚überzeugt, daß der Schwer»
punkt der Situation auf religidfem Gebiete Tiege und daß es
für ihn vor allem darauf ankomme, die Katholiten zu gewinnen
ober wenigſtens alles zu vermeiden, was fie mit noch größerem
Mißtrauen gegen ihn erfüllen könnte. Daher legte er den
größten Wert darauf, wenigitens die Krone in bergebrachter
Form und nicht etwa durch Rokycana zu empfangen. Da er
in jeinen eigenen Ländern feinen fatholifchen Bifchof hatte, weil
Prag unbejegt und der Bilhof von Olmütz noch nicht geweiht
war, jo wendete er fich fchon bald nach feiner Wahl an den
ihm eng verbundenen König Matthias von Ungarn mit der
Ditte, ihm einen von feinen Biſchöfen zu ſchicken 2). Der in
Ungarn weilende päpftliche Legat Carvajal, ber übrigens ſelbft
Ion am 20. März Georg zu feiner Erhebung auf den Thron
Glück gewünjcht Hatte, vermochte e8 nicht zu verhindern, daß
Matthias die Biſchöfe von Waiten und Raab nach Prag fandte.
Doch nahm der Kardinal diefen das Verſprechen ab, die Krönung
nur dann vorzunehmen, wenn Georg jeine Irrtümer, d. b. ven
Utraquismus abſchwöre. Sie wollten ſich denn auch wirklich
1) Bachmann, Url. und Attenflüde, S. 236—241.
2) Defien Antwort vom 15. März bei Palacky, Urkundl. Beiträge,
©. 188. Im allgemeinen verweiſe ich für das folgende auf Bachmann,
Ein Jahr Böhm. Geſch. tm „Archiv für dfterr. Geſch.“ LIV, 124 ff.
Unterwerfung Mäbrens. » 127
nur unter ber Bedingung Dazu berbeilafien, daß derſelbe dffent-
lich den verlangten Eid leifte. Georg, der hauptfächlich ben
Utraquiften feine Erhebung auf den Thron verdankte, konnte
dies unmöglich thun, ohne ſich mit feinen verläßlichiten Uns
hängern tödlich zus verfeinden und bie fefteften Stützen feiner
Herrſchaft zum Wanten zu bringen. Doch, ließ er fich endlich
herbei, am 6. Mat mündlich die Ketzerei abzuichwören und vor
Zeugen urkundlich und eidlich zu geloben, der römiſch⸗katholiſchen
Kirche und ben Päpften treu und geborfam zu fein, ihnen nad)
der Weife der übrigen chrijtlatholifchen Könige in der Einheit
des orthodoren Glaubens Gehorfam und Konformität zu er-
weilen und das ihm unterworfene Volt von allen Irrtümern,
Selten und Ketzereien und von allen der römiſchen Kirche
entgegenftehenden Artileln zur Beobachtung des orthodoren
Glaubens, zum Gehorſam, zur Konformität, zur Einheit und
zum Ritus und Kultus der römischen Kirche zurüdzubringen.
Es unterliegt feinem Zweifel, daß Georg mit dieſem Eibe,
dem am 7. Mai die Krönung folgte, die Kompaktaten preis»
gegeben bat, da ja die Konformität und die Einheit des Ritus
und Kultus beſonders barin betont waren. Daher arbeitete
auch fortan gerade die katholiſche Geiftlichleit eifrig für George
Anerkennung in den böhmiſchen Nebenländern.
Mähren, deſſen Landesbiſchof felbft der Krönung in Prag
beigewohnt hatte, fügte fi) bald, als der König Anfangs Juni
mit einem Heere erihien. Nur Iglau, dem Albrecht von
Oſterreich Truppen zubilfe geſchickt Hatte, hielt eine lange Be-
lagerung aus und konnte erit am 15. November bezwungen
werben.
Um ben Erzherzog Albrecht für die Unterftügung der wider-
ipenitigen Mährer und für die Gefangennehmung des mit
Podiebrad immer eng verbundenen Ulrich Eizinger. zu züchtigen,
ſchickte der böhmiſche König Anfangs Iuli Truppen nach Oſter⸗
reich, welche, von den Brübern und Freunden Eizingers unter»
ftügt, eine Reihe von Burgen einnahmen und das Land nörd⸗
ih von der Donau mit Feuer und Schwert verheerten. Als
der Erzherzog die Böhmen zurücorängte, bot Georg noch ein
128 . Georgs Friede mit den Habsburgern.
größeres Heer auf, mit dem er im Auguſt felbft Dfterreich
angriff. 2500 gut gerüftete Streitwagen und zu jevem zehn
Dann hatte er unter fi. Der Erzherzog mußte einen eiligen
Rückzug nach Korneuburg antreten. Wieder wurden die Gegen-
ven big zur Donau furchtbar verwüftet und ausgeraubt. Nur durch
den erfolgreichen Widerjtand der Städte Krems und Stein
wurde der Böhmenkönig aufgehalten.
Unterbeffen war aber zwiichen dem Kaifer und feinem Bruder
ein Ausgleich zuftande gefommen und Nieveröfterreih ganz an
jenen überlaffen worden. ‘Der Kaiſer Tieß daher ben König
auffordern, bie Feindfeligleiten gegen dieſes Land einzuftellen und
jeine Vermittelung anzunehmen. Georg war dazu bereit und
fam jelbft mit Friedrich an der Wiener Donaubrüde zufammen.
Am 2. Dftober 1458 warb ein Ablommen getroffen, wonach
alle Gefangenen, auch Ulrih Eizinger, in Freiheit gefeßt, alle
Eroberungen berausgegeben werden und die Herzoge Albrecht
und Sigmund Georg in feinen Ländern nicht mehr beunruhigen,
aljo ihn wenigftens indirekt al8 Herrn von Böhnten und deſſen
Nebenländern anerkennen follten. Auch der Kaiſer jtellte ihm
bie Belehrung mit Böhmen und der Kurfürftenwürbde in Aus⸗
fiht ?).
Durch die Verftändigung mit Ofterreih und bem Kaiſer
batte Georg zwar nicht den rührigſten, aber doch den hervor⸗
ragendſten feiner Gegner unſchädlich gemacht und fich den Rüden
gedeckt, wenn er gegen jene, die ihm noch die Anerkennung ver»
weigerten oder auf Böhmen Anſprüche erhoben, energtichere
Mafregeln ergreifen wollte. Dieje waren ohnehin in ihrer
Geſinnung ſchwankend. Mehrere fchlefiiche Fürften hatten fich
[bon von dem im April geichloffenen Bunde ferngebalten, ob»
wohl diefer eine Entichetvung hinausichob, und hatten mit Georg
Verbindungen angelnüpft. Herzog Wilfelm von Sadjen
weigerte fich, ven Schlefiern offen Beiſtand zu leiften, fo lange
1) Über biefen böHmifch - öfterreichifehen Krieg if außer Bachmann
a. a. O. S. 149—151 und 159ff. auch Zeißberg a.a. O., ©. 157 ff.,
zu vergleichen.
Ausgleih mit Wilhelm von Sachfen. 129
fte ſich nicht entſchieden für ihn erllärten, während dieſe ver-
Iangten, daß er zuerft ihnen feinen Schug zuſichere. Bald
brachen zwiichen den Hohenzollern, den mächtigften Freunden
bes ſächſiſchen Haufes, und ben Wittelöbachern Zerwürfniffe aus,
die e8 jenen nicht vätlich erjcheinen Tießen, auch noch mit bem
mächtigen Böhmenkönige zu brechen, ja biefen bald geradezu
zum Schiedsrichter in ben beutichen Angelegenheiten machten,
indem bie verfchiedenften Fürften um feine Gunft buhlten. Für
fih allein aber war der ſächſiſche Herzog viel zu ſchwach, um
feine Rechte dem böhmilchen Könige gegenüber zur Geltung
bringen zu können. Der Markgraf Albrecht von Brandenburg»
Ansbach nahm Die Vermittelung zwiichen Georg und dem Her.
zoge von Sachſen in bie Hand und brachte auf einem Tage in
Eger am 25. April 1459 einen Ausgleich zuftande. Wilhelm
gab für fih und feine Gemahlin alle Anfprühe auf Böhmen
und feine Nebenländer auf und jtellte mehrere Städte und
Burgen ſüdlich vom Erzgebirge zurüd, welche noch von den
Zeiten der Huſitenkriege ber in jächjifchen Händen waren. Da⸗
gegen ließ Georg eine Reihe früher böhmiicher Ortſchaften und
Schlöffer jenſeits des Erzgebirges als böhmijche Leben in ben
Händen der Herzoge. Für Stadt und Schloß Pirna zahlten
diefe dem Könige 20000 rheiniiche Goldgulden. Zugleich wurde
eine SDoppelheirat zwiichen beiden Häuſern verabredet, indem
bes Kurfürsten Friedrich Sohn Albrecht mit Zdena (Sidonia),
ber Tochter des böhmischen Königs, und Georgs Sohn Heinrich
mit Wilhelms Tochter Katharina vermählt werben follte ?).
Die Verzichtleiftung des Herzogs von Sachſen auf bie
Erbaniprüce feiner Gemahlin fprengte auch den jchlejiichen
Bund, der jchon längſt ins Wanken geraten war. Alle recht«
lihen Bedenken gegen die Anerkennung Podiebrads waren da»
mit befeitigt. Die religidien Sfrupel wurden dadurd zum
Schweigen gebracht, daß Georg den Schlefiern Schreiben des
1) Über das Verhältnis K. Georgs zu den deutfchen Fürften bis zum
Egerer Tage f. Palady IV, 2, 57%. Bachmann, Böhmen und
feine Nachbarländer, S. 9—69.
Huber, Geſchichte Öfterreihe. III. 9
130 Huldigung der Schlefier; die Stabt Breslau.
neu gewählten Papftes Pius IL, des befannten Aeneas Syl⸗
vius, überfenvete, welche ver heilige Vater an feinen „geliebteften
Sohn, den König von Böhmen“ richtete, um ihn zum großen
Fürftenkongreffe zu Mantua einzuladen, wo unter dem Vor⸗
fie des Papftes ein allgemeiner Kriegszug gegen die Türken
beichloffen werben follte. Es leifteten daher die Schlefier wie
die Städte der Oberlaufig Ende Auguft und im September
1459 Georg als ihrem Herrn die Huldigung.
Nur die Breslauer, die durch geiftliche und weltliche Agi-
tatoren in einen jo fanatiichen Haß gegen ben Fegerijchen und
sechiichen Böhmenkönig bineingehegt worden waren, baß eine
ruhige Würdigung der Verhältniffe ſich dort gar nicht mehr.
äußern durfte, und der Herzog Balthafar von Sagan waren
nicht zur Anerkennung Georgs zu bringen. Zwei päpjtliche
Legaten, die im November nach Breslau famen, um mit dem
Aufgebote aller Beredſamkeit die Bürger umzuftimmen, waren
kaum ihres Xebens ficher. Doch gelang es ihnen endlich, einen
Ausgleich zuftande zu bringen, nach welchem Abgeoronete der
BDreslauer am 13. Ianuar 1460 Georg um Verzeihung für
ihre bisherige Haltung baten und ihm Gehorſam gelobten, aber
für die formelle Huldigung eine Friſt von drei Jahren erhiel-
ten. Der Herzog Balthafar von Sagan wurde mit Waffen-
gewalt aus jeinem Gebiete vertrieben und das Herzogtum feinem
Bruder Johann übergeben. *)
Auch der Kaijer, der längere Zeit mit der Erteilung ber
Regalien gezögert hatte, änderte feine Haltung, als die Vor-
gänge in Ungarn ihm die Unterftügung des mächtigen Böh⸗
menkönigs wünjchenswert erfcheinen ließen.
In Ungarn hatten die Ereigniffe einen ganz ähnlichen Ver-
lauf genommen wie in Böhmen.
Auch auf dieſes Neich erhoben die Schwäger des verftors
benen Königs, Wilhelm von Sachſen und Kafimir von Bolen,
Anfprühe im Namen ihrer Gemablinnen und zwar eriterer
1) Balady
IV, 2, 106ff. Bachmann a. a. O., ©. 33ff. 7 ,
111ff. 141ff. non
Die Parteien in Ungarn. 131
nicht ohne Grund. Wohl gab es in Ungarn fein Geſetz,
welches das Erbrecht der weiblichen Glieder des regierenden
Haufes ausprüdlich anerkannt hätte. Aber auch die Anjous
waren wegen tbrer nur durch weibliche Glieder vermittelten
Berwandtichaft mit den Arpaden auf ben ungariichen Thron
gelangt, und die Ungarn batten ja wiederholt veriprochen, bie
Nachkommen der Königin Elifabeth, der Tochter Sigmunds,
als berechtigte Erben anzuerkennen.
E8 fand fih aber in Ungarn niemand, der für einen diejer
Prätenventen eingetreten wäre. Die ftärkfte Partei war bie
der Hunyady, an deren Spite die energiihe Wittwe des
Gubernators, deren Bruder Michael Szilayyi und Johann
Bits, Biihof von Großwarbein, des Gubernators früherer
Sefretär, ftanden. Dieſe arbeiteten auf jede Weiſe für bie
Erhebung des jungen Matthias Hunyady, der ald Gefangener
nach Prag gebracht worden war. Doc waren viele der ber:
porragenditen Magnaten, bejonders jene, welche die Hinrichtung
bes Yadislaus Hunyady veranlagt hatten, gegen die Wahl feines
Bruders, von dem fie fürchten mußten, daß er für ihre ba-
malige Haltung an ihnen Rache nehmen würde. inzelne,
wie der Palatin Ladislaus von ara, der mit dem Könige
Ladislaus verwandt war, und Niklas von Uilak, der an Iriege-
. riihem Ruhme wie an Macht Hinter Hunyady nicht weit zu-
rüdftand, konnten auf die Krone mit demfelben Rechte Anfpruch
erheben wie der junge Matthias, den nur die Verdienſte feines
Vaters empfablen. Auch der Kaiſer Friedrich hatte feine An-
bänger, darunter wohl auch den Böhmen Giskra, der unmög-
lih für einen der Hunyady fein konnte, gegen die er feit acht-
zehn Jahren fat ununterbrochen gefämpft Hatte.
Doch waren die Gegner der Hunyady von vornherein nicht
einig und verfolgten verjchiedene Ziele. Der Palatin fchloß
ihon am 12. Januar 1458 mit Elifabetb Hunyady und ihrem
Bruder Michael Szilagyi in Szegedin einen Vertrag, wonach
bieje ihm und feinen Freunden und Anhängern, darunter dem
Biſchofe von Fünfkirchen und dem Paul Baͤnffy von Lindva,
Verzeihung für alles Vergangene, beſonders für die Hinrichtung
9%
132 Bertrag Georgs von Podiebrad mit Matthias Hunyaby.
des Ladislaus Hunyady zuficherten, wogegen er feinen Beiſtand
veriprach, daß Matthias aus der Gefangenfchaft befreit und
zum Könige gewählt werde. Diefer follte Garas Tochter Anna
zur Srau nehmen und feinen Schwiegervater im Befite ber
Balatinswürbe, der Ofner Burg und aller übrigen Ämter und
Güter erhalten ’).
Unterbeffen waren übrigens anderwärts Verpflichtungen ein-
gegangen worden, welche die Ausführung dieſes Vertrages un«
möglih machten. Georg von Podiebrad, der die Erhebung
des Matthias Hunyady vorausfah und fich denjelben rechtzeitig
für immer verpflichten wollte, hatte ihn ſchon am Tage nad)
dem Tode des Königs Ladislaus aus feiner Gefangenichaft be
freit und in fein eigenes Haus aufgenommen und ihm wenige
Tage darauf feine neunjährige Tochter Katharina verlobt. ALS
am 13. Dezember 1457 ver Biſchof von Großwardein als
Bertreter der Hunyadyſchen Partei nach Prag Fam, um die
Roslaffung des Gefangenen zu erwirken, war biefer Wunfch
bereits erfüllt. Doch war es immerhin von Vorteil, daß dem
jungen Matthias bei feinen weiteren Unterhandlungen mit Pobie-
brad der gewandte und geichäftsfundige Biichof zur Seite ftand.
Denn auch jeinem Schwiegerfohne gegenüber wollte der böhmijche
Oubernator feinen Borteil wahren. Matthias mußte ihm
60000 Goldgulden zu zahlen veriprechen und mit ibm und
feinen Söhnen einen ewigen Bund fchließen ?). Dagegen bot
Georg fortan alle8 auf, um die Erhebung feines Fünftigen
Schwiegeriohnes auf den ungarilchen Thron zu bewirken.
Auch Szilägyi traf mit ebenjo großer Umficht wie Energie
alle Vorbereitungen, um die Wahl feines Neffen durchzujegen.
Er fammelte die Anhänger feiner Partei, vie befonders in
1) Teleki X, 565, fälfchlih zum 17. Januar, während die Urkunde
feria quinta proxima ante octavas festi Epiphaniarum datiert ift.
2) Beurtundet wurde dies freilich erft nach der Wahl bes Matthias
zum Könige und unter Garantie ungarifher Großer am 9. Februar in
Straſchnitz (Teleki X, 573ff.). Aber Matthias beruft fih darin aus-
drücklich auf feine Verſprechungen vor der Wahl. Über die 60000 Gulden
f. Balady IV, 2, 26, R., der e8 freilih nur ein „Geſchenk“ nennt.
Wahl des Matthias zum Könige von Ungarn. 135
Siebenbürgen und Niederungarn ſehr zahlreich war, und eine
große Anzahl von Söldnern um fih und fam mit nicht weniger
als 20000 Bewaffneten nach Peſt. Die ibm feindlichen
Magnaten, denen fi jegt auch Cara wieder angeichlofien hatte,
welcher nach der Verlobung des Matthias Hunyady mit der
Tochter Podiebrads auf die Ausführung des Vertrags vom
12. Januar nicht mehr rechnen konnte, zogen ſich auf bie
Ofner Burg zurüd. Doc ließen fie fich endlich zum Erfcheinen
in Peſt bewegen, als Szilaͤgyi verſprach, daß Matthias bie
Hinrichtung ſeines Bruders nie rächen würde, zugleich aber
auch erklärte, die Wahlfreiheit nicht gefährden zu wollen, und
als Garantie dafür feine Truppen aus Belt fort in bie Um-
gebung verlegte, freilich nicht jo weit, daß er fie nicht in jedem
Augenblide zur Hand gehabt hätte.
Die große Anzahl der Verſammelten war entjchieden für
die Wahl des Matthias, in dem man die Verbienfte jeines
Baters belohnen wollte. Auch der päpjtliche Legat Carvajal,
der von jenem eine energiiche Belämpfung der Türken erwartete,
verwendete ſich auf jede Weile zu deſſen Gunften. Deffen
ungeachtet machten die erwähnten Magneten noch immer
Schwierigkeiten, und die Beratungen wollten fein Ende nehmen.
Da wurden die Solvaten, welche teilmeile auf dem Cije der
zugefrornen Donau lagerten, des langen Wartens in ftrenger
Winterfülte überprüßig und riefen am Abend des 24. Januar
1458 Matthias zum Könige aus. Die Yubelrufe wurden
burch die zahliofen Volksſcharen, welche die Straßen von Belt
erfüllten, bis zum Sitzungsſaale des Reichstages fortgepflanzt
und brachten endli auch bier die Entſcheidung. Matthias
wurde zum Könige und, da er noch nicht einmal fünfzehn Sabre
zählte, fein Oheim Szilaͤgyi auf fünf Jahre zum Gubernator
gewählt ).
1) Über diefe Wahl haben wir bei Aeneas Sylvius, Europa,
Cap. 1 ap. Freber -Struve II, 87sq. Thwrocz l. IV, cap. 63,
und Dlugosz 1. XII, col. 220, nur jehr dürftige Nachrichten. Weit-
Yäufig aber untritifh it Kaprinai, Hungaria dipl. temporibus Matthiae
regis I, 317sqg. Teleki III, 1sqq, Szalay III, 201ff. und
134 Haltung Ujlakys und Giskras.
Georg von Podiebrad unterftügte den Bräutigam feiner
Tochter auch fortan in jeder Wetje, ſchon um dann mit beffen
Hilfe fein eigenes Ziel, die Herrichaft über Böhmen, zu erreichen.
Er bewog Gisfra zur Ablendung einer Gefandtichaft nad
Straihnig an der mährifch-ungarifchen Grenze, bis wohin er
jelbft feinen Schwiegerjohn begleitete, und brachte mit demſelben
einen Ausgleich zujtande. Auch Ujlaky, deſſen Tochter ſeit
1455 mit Podiebrads Sohne Heinrich verlobt war, verfprad)
dem Könige feine Unterftügung.
Ujlaky weigerte fich freilich dann trotzdem einige Zeit, an
den Hof zu kommen, unterwarf ſich aber endlich dem Könige
und ging als deſſen Vertreter zur Krönung Georges von Podie-
brad nah Prag. Giskra kündigte Ende März dem Könige
förmlich Fehde an, fammelte böhmiſche und polnische Söldner
um fich und fuchte fpäter den König Kaſimir von Polen zur
Geltendmachung feiner Anſprüche auf Ungarn zu bewegen Y.
Doch war diefer damals zu fehr durch den Krieg mit
dem deutſchen Orden in Anfpruch genommen, um fich aud)
mit Ungarn verfeinden zu können. Gegen Giskra und bie
andern Banbenführer in Oberungarn nahm der König anfangs
ihren früheren Genoſſen PBongrag von Sz. Millos in Sold
und als diefer Anfangs April ftarb, fandte er feinen Oberſt⸗
jtalfmeifter Sebaftian Rozgonyi gegen fie, der mit großem
Glücke kämpfte. Mehrere Burgen mwurben erobert, viele von
Seßler- Klein, III, 3ff., haben fih zu fehr an Bonfinius und andere
fpätere Quellen gehalten. Bol. auch Palacky IV, 2, 21ff. und Badı-
mann im „Archiv f. öfterr. Geſch.“ LIV, 74ff., von denen erfierer aber
die nad fpäteren Hindentungen des K. Matthias mit Ujlaky und Giskra
geichlofienen Bereinbarungen wohl mit Unrecht in die Zeit vor der Wahl
verlegt.
1) Schreiben des K. Matthias vom 15. 27. und 29. März 1458 bei
Palady, Urkundliche Beiträge, ©. 138. 142ff. Bol. ©. 149 und
Dlugosz XIII, 225sq., und über die folgenden Kämpfe ibid., 234,
bie von Katona XIV, 10dsgq. gefammelten Nachrichten, die Urf. des
8. Matthias für Sebaftian Rozgonyi ibid. p. 144, und die Berichte bei
Palady, Geſch. Böhmens IV, 2, 75, und in Mon. Hungariae hist.
Matyäs kiräly koraböl I, 10. 12. 17. 21. 29.
Charakter des Königs Matthias. 135
den Söldnern gefangen und im Kampfe getötet oder von den
Bauern totgefchlagen. Auch Akſamit fand in einem Treffen
bet Saͤrospatak feinen Untergang. Die vollftändige Vernichtung
der „Brüder“ gelang freilich noch nicht, da gleichzeitig von ben
Zürlen Gefahr drohte und Matthias bald auch mit feinem
Obeim und anderen Magnaten zerfiel.
Szilaͤgyi Hatte bei der Erhebung feines Neffen auf ben
ungariihen Thron offenbar die Hoffnung gehegt, im Namen
des jungen Königs felbft die Regierung zu führen. Aber in
Matthias Hatte er fich verrechnet. Diefer war in der harten
Schule des Lebens früh zum Manne gereift und zugleich mit
jeltenen Fähigkeiten begabt. Er bejaß fcharfen Verſtand, feiten
Willen, unermüdlichen Thätigkeitsdrang und ein ausgeprägtes
monarchiiches Selbſtbewußtſein. Zugleih war er falt und
jelbitjüchtig und unempfindlich gegen die Gefühle der Verwandt»
ihaft und Dankbarkeit, wenn fie mit feinen Interejjen kolli⸗
dierten. Bon niemandem ließ er fich als Werkzeug gebrauchen.
Kaum war Matthias in Ofen angelommen, fo übernahm
er jelbftändig die Zügel der Regierung. Seinen Oheim fanbte
er jhon im März an die füpliche Neichsgrenze, da beſonders
die Vorgänge in Serbien die Aufmerkiamfeit der ungariichen
Regierung in Anipruch nahmen.
Am 24. Dezember 1456 war der greife Despot Georg
geftorben und ſchon am 20. Januar 1458 auch deſſen Sohn
Lazar ihm im Tode gefolgt. Da diefer nur eine Tochter
Namens Helena hinterließ, jo machten feine zwei Brüder Gregor
und Stephan, die beide als Geifel vom Sultan Murad ge-
blendef worden waren, und ein natürlicher Sohn Gregor auf
bie Herrichaft Anſpruch. Stephan ftand in gutem Einvernehmen
mit Lazars Witwe, fein Bruder Gregor juchte den Beiſtand
des Sultans zu gewinnen, welcher aber Serbien jelbjt in jeine
Gewalt bringen wollte. Szilaͤgyi unterhandelte mit der Witwe
Lazars und deren Schwager, um fie zu beitimmen, dem unga⸗
riihen Könige, wenn nicht ganz Serbien, doch eine oder bie
andere Feltung an ber Donau abzutreten, wogegen fie Ber
figungen in Ungarn erhalten follten. Am Beginn des Sommers
136 Bündnis Szilagyis mit Gara und Ujlaky.
fendete der Sultan ein beveutendes Heer nach Serbien, wo es
fih mehrerer Kaftelle darunter auch der Feſte Golubag an der
Donau bemächtigte. Auf Verlangen Sziläghis zogen Ende
Auguft auch der König und der päpftliche Legat Carvajal, ver
überall das Kreuz hatte predigen lafjen, mit zahlreichen Truppen,
befonders Kreuzfahrern, nach dem füdlichen Ungarn. Ein Ein.
fall der Türken in Syrmien, wo fie großen Schaden anrichteten
und fehr viele Leute wegichleppten, wurde nach der Mitte des
September glüdlich abgewehrt, und es erlitten dieſelben auf
ber Flucht, beſonders aber beim Überfchreiten der Save, ber
deutende Verluſte. Umgekehrt vermehrte fich das Heer bes
Königs ununterbrochen ſowohl durch Zuzüge von Kreuzfahrern
wie durch ungartiche und ſlavoniſch⸗kroatiſche Edelleute. Auch
ber König Stephan Thomas von Bosnien, defien Sohn Stephan
Lazars Tochter heiraten und zugleich die Herrichaft über Serbien
erhalten jollte, drängte zum Kriege). Deffenungenchtet be-
ichränfte fih Matthias für jegt auf die Sicherung Belgrabs,
vielleicht weil er auf die fchlecht organifierten Kreuzfahrer fein
Vertrauen hatte, vielleicht weil er fih auf einen Zeil feiner
Magnaten nicht verlaffen zu können glaubte.
Szilaͤgyi Hatte e8 doch nicht gleichmütig hingenommen, daß
er von feinem Neffen einfach beijeite gefchoben worden war.
Am 26. Juli jchloß er mit zwei ausgeiprochenen Feinden bes
Haufes Hunyady, dem Palatin Ladislaus Sara und dem fieben-
bürgiihen Woywoden Nilla® Ujlaky, für die ganze Zeit ihres
Lebens ein Bündnis zu gegenieitiger Unterftügung gegen jeder⸗
mann, welden Standes er wäre, ber einen von ihnen ober
ihre Anhänger an ihrer Perſon oder ihren Befigungen jchädigen
wollte 2). Daß diefer Vertrag gegen den König gerichtet war,
1) Über alle diefe Vorgänge haben wir außer fehr bürftigen Notizen
bei Aeneas Sylvius, Europa, ap. Freher-Struve II, 93 und
Chalkokondylas, ed. Bonn., p. 459sq. nur Nachrichten in ben
Depeichen des venetianiichen Gefandbten, in Mon. Hung. Mätyas kiraly
koraböl, 1. Bd., die leider nur ſehr lückenhaft erhalten find, und vom
16. Juni 1458 bis 13. September, und vom 9. Oktober bis 14. März
1459 ganz fehlen.
2) Teleki X, 593.
Borgehen des Königs gegen biejelben. 137
unterliegt feinem Zweifel. Doch lam es zumächjt noch nicht
zum Bruche zwilchen diefem und jeinem Oheime. Szilaͤgyi
legte furz darauf die Würde eines Gubernators nieder. Das
gegen verlieh ihm der König die Grafichaft Biltrig, deren fich
fein Oheim nach der Hinrichtung des Ladislaus Hunyady bes
mächtigt hatte, und fchenkte ihm am 20. Auguft noch andere
Güter). Mehrere Wochen leitete Szilagyt noch die Grenz
verteidigung gegen die Türken, auch als der König fich perjönlich
nach dem Süden des Neiches begeben hatte. Auf einmal ließ
biefer Anfangs Dftober feinen Oheim in Belgrad verbaften,
ja e8 beißt fogar, daß er die Abficht gehabt habe, ihn hin⸗
richten zu laſſen und daß nur der Karbinal dies verhindert
babe 2). Wa8 die Veranlajfung dieſes ftrengen Vorgehens des
Königs geweien, ift leiver unbelannt. Das Wahrjcheinlichite
icheint doch, daß er Nachricht vom Bündniſſe feines Obeims
mit Sara und Ujlafy erhalten babe, da er um biejelbe Zeit
auch diefen ihre Ämter nahm und zum Palatin den Michael
Orſzaͤgh und zu Woywoden von Siebenbürgen den Sebaftian
und Johann Rozgonyi ernannte ?).
1) ap. Kaprinai II, 195. Szilagyi bat in diefer Urkunde auch
ben Titel „Graf von Biftrig”, aber nit mehr den noch am 26. Juli
geführten: „regni Hungarie gubernator“. In ähnlicher Weife berichtet
über den Vertrag zwifchen bem Könige und feinem Obeime ein päpftlicher
Legat (wahrſcheinlich der Erzbiichof Hieronymus von Kreta) in feinem
1462 verfaßten (italienifehen) Berichte an den Papft, in „Fortſetzung der
Allg. Welthiftorie” 49. Teil IL, 13, mitgeteilt von Engel.
2) Nach der erwähnten Relation wie nach einem Berichte bes vene-
tianifchen Gefandten in Ofen vom 13. Sept. 1459, in Mon. Hung. |. c.
1, 65. Was Bonfin., Dec. III, 1. 10 zu ganz falfcher Zeit über bieje
Gefangennehmung, den Befehl des Königs, Szilayyi binzurichten, und
deſſen Befreiung durch feinen Koch erzählt, trägt den Charakter der Sage
oder willtürliher Ausihmüdung an fih. — Die Zeit wird beftimmt durch
das Schreiben des Königs vom 8. Oftober an die Siebenbürger Sachſen
ap. Katona XIV, 101, worin er die Verhaftung Szilagyi$ propter
certas et rationabiles causas meldet, währenb ber venetianifche Gefandte
in Ofen am 9. Oktober, obwohl er gerade Nachrichten aus dem Lager
des Königs erhalten bat, davon noch nicht8 weiß. Mon. Hung. 1. c. I, 38.
3) Diefe belleiden die genannten Ämter nicht bloß am 10. Februar
138 Mahl des K. Friedrich zum Gegenkönige.
Dadurch tief gefräntt, beichloß Ujlaky mit feinen Freunden,
den Matthias zu ftürgen und einen andern König gegen ihn
aufzuftellen )Y. Ujlaky und Gara gewannen auch noch mandhe
andere Große, außer ihrem alten Gefinnungsgenofjen Paul
Baͤnffy von Lindva die Grafen von Pöfing und St. Georgen,
Johann Szechy, die auch in Ungarn begüterten beutichen
Sölonerführer Andreas Baumkircher, Grafen von Presburg,
Ulrih Srafeneder und Berthold von Ellerbach, wie den bes
rühmten Feldherrn der Eillier, Johann Witoweg, Ban von
Slavonien, ja ſelbſt einige frühere Freunde der Hunyady wie
Ladislaus von Kaniſa, Woywoden von Siebenbürgen, und deſſen
Bruder Nikolaus. Schon Ende November ſcheint es zwiſchen
ihnen und dem Könige zum offenen Bruch gekommen zu fein 2).
Um gegen dieſen genügende Unterftügung zu erhalten, trugen
fie die ungariiche Krone dem Kaiſer Friedrich an, deſſen
Streitigkeiten mit Ungarn wegen der ungarilchen Krone und
der in feinem Befige befinplichen Grenzſtädte noch immer nicht
gefchlichtet waren. Da der Kaiſer, welcher auf bie Unter⸗
ftügung des neuen Papftes Pius IL, feines früheren Sekretärs
Aeneas Sylvius Piccolomini rechnete, auf ihre Anträge ein«
ging, wählten ihn die genannten Großen und einige andere am
17. Februar 1459 in Güffing „als Verwandten des Könige
Ladislaus“ und weil er noch jeßt die Krone im Beſitze babe,
zum Könige von Ungarn. Ihnen fchloffen fich jpäter auch noch
der Biſchof von Siebenbürgen und Martin Frangipane, ®raf
von Zengg, an ®).
1459 ap. Kaprinai II, 245 unb Katona XIV, 192, fonbern
Michael Orſzagh erſcheint ſchon am 13. Oktober 1458 als Palatin. Cod.
d. patr. I, 355.
1) Relation tes päpftlihen Legaten vom Sabre 1462, I. c. Auch
ein Beriht an Franz Sforza von Mailand vom 23. Mai 1459, in
Mon. Hung. 1. c. I, 51, bezeichnet Ujlaty als Anftifter. .
2) Am Andreastage (30. Nov.) 1458 hatte ſich Labislaus von Kanifa
nach fpäterer Urkunde bes Königs Matthias ap. Kaprinai II, 294
von biefem aus Temedvar entfernt.
3) Die Urk. auf ber diefe Namen nachträglich beigefügt find, ap.
Kaprinai II, 249. Katona XIV, 196. Die Anfiht Baladys,
Die Schlacht bei Körmönd. 139
Auf die Nachricht von der ihm drohenden Gefahr war
Matthias aus Szegebin, wo ein um Neujahr 1459 gehaltener
Reichsſtag ein wichtiges Geſetz über die Landbesverteibigung be-
ihloffen Hatte !), gegen Ende Ianuar nach Ofen zurückgekehrt
und batte auch die Bilchöfe und weltlichen Großen bortbin ber
rufen, um zu ſehen, auf welche verjelben er fich verlaffen könnte.
Die Biſchöfe Tamen bis auf zwei alle, von den Magnaten und
hohen Adeligen eine ftattliche Anzahl. Dieſe leifteten ihm am
10. Februar neuerdings den Eid der Treue und veripracen
ihm ihren Beiltand gegen alle Rebellen und Nebenbubler, wos
gegen er ihnen eidlich ihre Rechte und Befigungen zuficherte ?).
Zugleich pflanzte er das nationale Banner auf und ließ im
ganzen Reiche verkünden, daß ber Kaiſer die ungariiche Sprache
austilgen wolle, zu deren Verteidigung alle Waffenfähigen bis
zum 24. April bei Peft ſich einfinden jollten, um unter An-
führung des Königs in das Feld zu ziehen ?).
Schon früher fchidte übrigens Matthias 3000 Mann unter
Simon Nagy von Szent-Marton gegen die Befiungen des
Kaiſers. Ihnen gegenüber ftanden 2000 Mann unter Ujlafy,
Baumkircher, Grafeneder, dem Grafen Sigmund von Pöfing
und Petolt Metich in der Gegend von Körmönd. Nagy wollte
am 7. April die Feinde überfallen. Doc waren dieſe gewarnt
worven und batten fich rechtzeitig zur Wehr geftellt. In einem
hitzigen Treffen, das vom frühen Morgen bis zum Abend
bauerte, wurden die Ungarn vollitändig geichlagen, und viele
fanden auch noch beim Rückzuge über die Raab den Tod. Aber
auch die Kaiferlihen hatten an Toten und Verwundeten jo
Geſch. Böhmens IV, 2, 76ff., daß die ungarifhen Rebellen anfangs
Georg von Podiebrad ober einen feiner Söhne hätten wählen wollen,
widerlegt Bahmann, Die ungarifche Krone und K. Georg von Böhmen
in „Zeitfehr. f. d. öſterr. Gymn.“ 1877, ©. 321ff.
1) ap. Kaprinai II, 228sqq. Katona XIV, 175sgqg.
2) ap. Kaprinai Il, 245. Katona XIV, 192.
3) Bericht des venetianiſchen Geſandten vom 14. März 1459 in Mon.
Hung. 1. c. I, 44.
140 Urfachen der Unthätigfeit des Kaifers.
große DBerlufte erlitten, daß fie ihren Sieg nicht verfolgen
fonnten ?).
Deſſen ungeachtet war der Kaiſer anfangs von den beften
Hoffnungen erfüllt. Er glaubte jest bald zur Krönung nach
Ungarn ziehen zu können und forderte am 15. April die Stadt
Devenburg auf, bis zum 24. fünfzig Dann nah Güns zu
ſchicken 2).
Es war wohl nicht bloß die gewohnte Energielofigfeit
Friedrichs, welche der Ausführung dieſes Vorhabens in ben
Weg trat. An der Fortſetzung ded Krieges mochte er auch
baburch verhindert werben, daß ber päpftliche Legat Earvajal
wegen ver Gefahr eines türkiichen Angriffs auf Ungarn alles
in Bewegung feste, um ihn zu einem Ausgleiche mit Matthias
zu bewegen. Schon am 23. April erichien er bei Friedrich
in Wiener Neuftadt ®), um das volle Gewicht feiner Perjön-
lichfeit zur Geltung zu bringen, und er fchien entjchloffen, nicht
obne günftigen Erfolg wieder abzureijen. Auch die nachgejuchte
Unterftügung des Papftes wurde dem Kaifer nicht zuteil. So
vorfichtig auch Pius IL. alle8 vermied, was jeinen früheren
Herren und Wohlthäter beleidigen fonnte, jo riet er ihm doch
von der Annahme der ungariichen Krone ab, um nicht vor
1) Ich folge dem gleichzeitigen Chron. Austriac. ap. Senckenberg
Sel. V, 78, für deſſen Berfafler Weiß, Geſch. der Stadt Wien I, 565f.
(2. Aufl.), einen Wiener Ratsherrn oder Stabtjchreiber hält. Das von
ihm angegebene Datum wie die Niederlage der Ungarn werben beftätigt
durch Bericht des venetianifchen Gefandten aus Ofen vom 11. April, in
Mon. Hung.1.c.1,47. Daß aud Sigmund von Pöſing und St. Georgen,
ben das Chron. nicht nennt, Anführer gewejen, fagt der Kaifer in Urk.
vom 19. Suni ap. Kaprinai H, 325. „Der Metſch“ ift offenbar der⸗
felde, den ber Kaifer in Urk. vom 1. Oktober im „Arch. f. öſterr. Geſch.“
XI, 153 erwähnt. — Was Diugofz und Bonfin über dieſe Schlacht
melben, ift vielfach offenbar erfunden, und noch unbaltbarer ift die Dar-
ftellung bei Teleki III, 133—142.
2) Cod. dipl. patr. Hung. IV, 396.
3) Chron. Austr. 1. c., p. 80, auch hier durch den Bericht bes
venetianifchen Gefanbten, ber den Legaten begleitet hatte, in Mon.
Hung. 1. c., p. 48, beftätigt. Leider fcheinen deſſen weitere Berichte ver⸗
loren zu fein. 0
Defien Bündnis mit Georg von Böhmen. 141
®ott die Verantwortung zu tragen, wenn Matthias mit ben
Türken Frieden fchließen müßte oder Ungarn, das bisher der
Schild der ganzen Chriftenheit geweien, ven wilden Barbaren
preisgegeben würde ”). |
Während der Kaiſer bald nad der Schlacht bei Körmönd
in Unthätigfeit verfant, war Matthias um fo mehr bemüht,
die unbeilvollen Folgen derjelben abzuwenden. Aber nicht durch
Strenge, jondern durch Milde Hoffte er zum Ziele zu fommen.
Schon am 19. April wurde der Witwe und den Kindern Des
fürzlich verftorbenen Ladislaus Sara Verzeifung und der Beſitz
ihrer Güter zugefihert ?). Auch den Brüdern von Kaniſa
machte er am 24. April, nachdem fie ihm Gehorſam gelobt
hatten, diejelben Berjprechungen 8).
Da der Kaiſer feine Anhänger in Ungarn nicht bloß nicht
zunehmen, jondern fi) vermindern ſah, jo fuchte er im Mai
1459 die Unterjtügung des mächtigen Böhmenkönigs zu ge-
winnen. Bon Eigennuß geblendet ließ fich Diefer in der That
nach längeren Unterhandlungen bewegen, demjelben gegen ven
Verlobten jeiner Zochter die Hand zu reichen. Friedrich, ber
fich jeit Iahren nur zwilchen Graz und Wiener Neuftabt oder
höchſtens Wien hin und ber bewegt hatte, begab fich ſelbſt mit
großem Gefolge nad Brünn, um die Verhandlungen mit Georg
zum Abichluffe zu bringen. Am 31. Juli erteilte er ihm bie
Belehnung mit dem böhmiſchen Reiche.
Während nun Georg fcheindbar als Vermittler zwiſchen
Friedrich und Matthias auftrat, unterhandelte er im Geheimen
mit dem Kaiſer über ein Bündnis und fehloß mit diefem in
ben eriten Tagen bes Auguft eine Reihe von Verträgen, welche
beide Fürften für immer auf das engite an einander Fetten
jollten. Beide verpflichteten ſich zu gegenfeitigem Beiſtande
gegen äußere Feinde wie gegen innere Widerfacher. Georg ges
1) d.d. Senis 2. Apr. 1459, ap. Kaprinai II, 288. Bgl. übrigens
p. 290—294, und im allgemeinen ©. Boigt, Enea Silvio III, 661ff.,
und Bahmann, Böhmen und feine Nachbarländer, S. 90 ff.
2) Teleki X, 616.
3) Kaprinai II, 294.
144 Befeftigung ber Herrſchaft des K. Matthias.
Dod war das Streben Georgs, die römiiche Königswürde
zu erlangen, nicht ohne wichtige und zwar nachteilige Folgen
für fein Verhältnis zum Könige von Ungarn, zum Katfer und
zur römiſchen Kurie.
Georg dachte zwar nicht daran, ſein Verſprechen, dem
Kaiſer im Notfalle auch mit Waffengewalt zum Beſitze Ungarns
zu verhelfen, auch wirklich zu erfüllen. Der ungariſche Thron⸗
ſtreit ſollte ihm nur als Mittel dienen, um den Kaiſer geneigt
zu machen, ſeine Erhebung auf den deutſchen Thron zu unter⸗
ſtützen. Er beſchränkte daher ſeine Thätigkeit zunächſt auf dem
Tage zu Brünn im Auguſt 1459 auf die Herbeiführung eines
Waffenjtillitandes bis zum 24. Juni des folgenden Jahres und
dann auf erfolgloje und auch wenig ernit gemeinte Ber»
mittlungsverfuche, und ſchloß fich, da der Katjer feinen Wünſchen
doch nicht entgegenfam, ſchon Ende 1460 wieder dem ungarijchen
Könige an und erneuerte den Vertrag über die Vermählung
feiner Zochter mit vemjelben ). Aber Matthias fühlte fich
ſchon durch diefe Schritte Georgs beleidigt und trat nie mehr
in jo vertrauliche Beziehungen zum Vater feiner Braut wie
anfang$.
Wurden jo die Bande, die den böhmiſchen König mit Un⸗
garn verknüpften, gelodert, jo fühlte fich auch der Kaiſer da⸗
durch gefräntt, daß Georg ihn vom deutichen Throne zu ver-
brängen trachtete und ihm die verjprochene Unterftügung gegen
Matthias Hunyady nicht leiſtete. Ohne die Hilfe des mächtigen
Böhmenkönigs konnte aber der Kaijer unmöglich hoffen, jeinen
Gegner zu verdrängen und ſich Ungarns mit Gewalt zu ber
mächtigen. Denn während er durch Unruben in Diterreich
gelähbmt ward, wußte Matthias feine Herrfchaft immer mehr
zu befeftigen. Schon Anfangs September 1459 ſteht Niklas
von Ujlat, der durch große Begünftigungen gewonnen worden
war, wieder auf feiner Seite. Er bringt es durch feine Ver⸗
mittlung dahin, daß die Grafen Johann und Sigmund von
1) Über Gregors Beziehungen zu Ungarn f. Bahmann a. a. O.,
©. 164—168; 185—187; 223—227; 254—257.
Ausfdhnung mit feinem Obeime. 145
Pöfing und Andreas Baumfircher, welche trog bes Waffen-
ſtillſtandes den Kampf in Ungarn fortgefegt und fich des feſten
St. Martinsberges durch Vertrag mit dem dortigen Abte !)
bemächtigt hatten, denjelben gegen Überlaffung von zwei Burgen
und Zahlung von 10 000 Dulaten wieder berausgaben. Noch
wichtiger war es, daß Matthias fich auch mit feinem Oheime
Szilaͤgyi wieder ausſöhnte, der aus der Gefangenfchaft ent-
lommen war und in wenigen Tagen zahlreiche Truppen ge-
fammelt und unter den Baronen viele Anhänger gefunden
hatte. Durch den Kardinallegaten Carvajal, feinen früheren
Freund, und den Erzbiſchof Dionys von Gran ließ, ſich dieſer
bewegen, am 1. September nach Ofen zu fommen, wo nach acht-
tägigen Verhandlungen ein Ausgleich zuftande fam. Es wurbe
ihm neuerbings der erbliche Befig der Grafſchaft Biftrig zu-
gefichert, wogegen er Lippa und anderes herausgab. Szilaͤghi
jollte auch wieder die Verteidigung Ungarns gegen die Türken
übernehmen, welche im Juni dem Sohne des bosnifchen Königs
das wichtige Semendria entriffen und dann auch die übrigen
Städte Serbiens erobert hatten. Wenn es ihm gelänge, ben-
jelben Semendria wieder wegzunehmen, follte er dieſe Feftung
erhalten und zum Despoten von Serbien ernannt werben ?).
1) Diefer, Thomas Debrentbei, noch im Februar unter ben Anhängern
des Matthias erwähnt, war dadurch beleidigt worben, daß ber König das
Bistum Agram, auf befien Stuhl er berufen worden, das aber ſeit De-
cennien zwiſchen verfchiebenen Biſchöfen fireitig war, feinem Günftlinge,
Johann Vitéz, Bifhof von Großmarbein, übertragen hatte. Vgl. barliber
auch Katona XIV, 391—413.
2) Ich entnehme biefe bisher unbelannten Nachrichten einem Berichte
an den Herzog von Mailand aus Ofen vom 13. Sept. 1459, in Mon.
Hung. Matyas kir. koraböl I, 64. Der Nicplo vajvoda, der den Ber-
‚trag mit den Grafen von Pöfing, Baumlircher und „Nandiebok “ (der
Nanlelreuter? Vgl. „Archiv f. öfterr. Geſch.“ XI, 153, Nr. IX) ver-
mittelt, kann faum ein anderer fein als Ujlafy, ber auch am 30. März
1460, al8 vayvoda Transilvanus regnique Sclavoniae et Machoviensis
banus, comitatum Sirigiensis (Simigiensis?) et Albensis comes ur-
tundend, Matthias regem nostrum nennt. Kaprinai II, 407. Aus
biefen Titeln Ujlakys jehen wir, wie viel ihm ber König gewährt hatte.
Huber, Gedichte Ofterreiche. ILL. 10
146 Bolftändige Beruhigung Ungarne.
AS feine Hauptaufgabe ſah e8 nun Matthias an, fein
Neich von den Rotten der böhmilchen und polnifchen „Brüder“
zu jäubern, die noch immer in einem großen Zeile des nörd-
lichen Ungarn die Herren ſpielten und die Bevölkerung in ber
unerträglichften Weife bedrückten. Teils durch Waffengewalt,
teil durch Geld wußten der König und feine Heerführer big
zum Frühjahre 1462 jämtliche Burgen und Raubnefter derfelben
in ihre Gewalt zu bringen und bie Anführer entweder zu ver-
treiben oder zur Unterwerfung zu bewegen !). Selbſt Gisfra,
der noch am 10. März 1461 tem Kaiſer als König von
Ungarn die Huldigung geleiftet hatte 2), jchloß im Mat 1462
unter günjtigen Bedingungen mit Matthias feinen Frieden.
Er unterwarf fih dem Könige, verſprach alle Burgen, die er
und bie jeinigen bisher noch behauptet hatten, zurüdzuftellen,
und gelobte vemjelben immer, bejonters gegen die Türfen, treu
zu dienen. Dafür verpflichtete ji der König, ihm bis zum
Ende des Jahres 40000 Dukaten zu zahlen, ihm eine Burg
jenfeitS der Theiß mit einem jährlichen Erträgnis von 1000
Dukaten zu ſchenken und ihn mit 150 Reitern in feinen Sold
zu nehmen °). Da um tiefelbe Zeit auch mit den Grafen von
Pöfing ein Ausgleich zuftande kam *), fo erfreute ſich das Land
einer Ruhe, wie nie mehr jeit dem Tode des Kaifers Sigmund.
Einzelne Große wie der wanfelmütige Ujlafy mochten dem
Emporkömmling noch grolfen und im geheimen ihre Hoch-
verräterifchen Intriguen weiterfpinnen °), die meiften Bewohner
1) Die Nachrichten hierüber Hat Katona XIV, 292sqq. 36lsgg.
447 sqq. 518—527 gefammelt.
2) Pray, Ann. III, 262.
3) Nach Bericht des venetianifchen Gefanbten aus Dfen vom 27. Mai
1462 in Mon. Hung. 1. c. I, 140. Bgl. die unbatierten Schreiben ap.
Katona XIV, 514—516. 528—530. 540. Nad Bonfin., Dec. III,
10 bat Gisfra die Burgen Lippa und Solymos erhalten. Aber was er
über die zwifchen ihm und Matthias gewechfelten Briefe mitteilt, dürfte,
wie fo vieles, von ihm erfunden fein.
4) Katona. c., p. 515.
5) Nach der oben erwähnten Relation des päpftlichen Legaten bei
Engela. a. ©. ſuchten Ujlaly und andere Barone gerade im Jahre
Unterhandlungen mit dem Kaifer. 147
Ungarns, bejonder® der niedere Klerus, die Bürger und
Bauern, welchen die Wohlthaten bes Friedens vorzüglich zugute
kamen, hingen mit treuer Anbänglichkeit an ihrem Könige,
vefien Thron nie fefter ftand als um bieje Zeit.
Diefer Sachlage mußte notwendig auch der Kaiſer Rechnung
tragen, jo zäh er auch an den einmal erworbenen Anjprüchen
feſthielt. Auch der Papſt Pius II. mahnte zum Frieden.
Nachdem der Fürftenkongreß, den er 1459 zur Zuftandebringung
eines allgemeinen Kriegszuges gegen die Türken nah Mantua
berufen Batte, ein glänzendes Fiasko erlebt hatte, wollte er
wenigſtens die Kräfte Ungarns gegen die Osmanen frei machen,
die mit immer größerem Ungeftüm an die Pforten dieſes Reiches
pochten. Zugleich war es für den Kaiſer von größter Wichtig.
feit, feinem Bruder Albrecht, mit dem er wieder vollitändig
zerfallen war, die ungariiche Unterftügung zu entziehen.
Anderſeits iprachen doch auch vom ungariichen Stand
punkte aus gewichtige Gründe für die Herftellung eines Friedens
mit dem Kaifer. So lange Matthias nicht mit der Reichskrone,
die noch immer in Friedrichs Händen war, geſchmückt war,
fonnte auch die Rechtmäßigkeit feines Königtums angefochten
werden, hatten unzufrievene Magnaten einen Vorwand zur
Anzettelung von Unruhen. Und dann fchien e8 geradezu eine
Lebensfrage für Ungarn, daß man endlich die ganze Aufmerk⸗
famteit dem Schuge der ſüdlichen Reichsgrenze gegen die Türken
zuwendete.
Des Matthias vertrauteſter Ratgeber Johann Vitéz, Biſchof
von Großwardein, begab ſich, angeblich ohne Auftrag vonſeite
ſeines Königs, bloß nach dem Rate einiger Prälaten und
Barone), im März 1462 aus Slavonien, wohin er von
Matthias gefchielt worden war, zum Sailer nad) Graz, wo
auch ein päpftlicher Xegat, Hieronymus Lando, Erzbijchof von
1462 den König von Böhmen zu bewegen, mit ihrer Unterftügung feinen
Sohn zum Könige von Ungarn zu maden. Über die Zeit fiehe Bach⸗
mann in „Zeitfohrift f. d. öfterr. Gymn. 1877, ©. 330f.
1) So behauptet 8. Matthias in feinem Schreiben ap. Katona
XIV, 527.
10*
148 Die Friedenspräliminarien.
Kreta, eingetroffen war. Unter Vermittlung desjelben einigte
fih der Kaiſer mit dem Bilchofe von Großwardein über bie
Bedingungen, unter denen er zu einem Frieden geneigt war.
Zum Erjag des Schadens, den er feit 1440 von den Ungarn
erlitten, jollten ihm 80000 Dukaten gezahlt werden, wogegen
er dann bie ungarifche Krone und die Stadt Odenburg heraus.
geben wollte. Dagegen follten die übrigen im Beſitze des
Kaiſers befindlichen Burgen und Städte, Forchtenſtein (Fraknoö),
Kobelsdorf (Kaboͤld), Eiſenſtadt, Güns und Nechnig mit den
Dazugehörigen Herrichaften in den Hänven Friedrichs und feiner
birelten Nachlommen bleiben, die beiden erfigenannten aber
nach jeinem Tode vom ungariichen Könige um 40 000 Dufaten
ausgelöft werben bürfen. Der Kaiſer, der nur infolge ge⸗
ztemender Berufung ben Titel eines Könige von Ungarn ar
genommen babe, follte denſelben lebenslänglich behalten dürfen.
Er jollte Matthias an Sohnes ftatt annehmen und von biefem
al8 Vater geehrt werben, auch beide fich gegenfeitig unterftüßen.
" Damit der Kaifer um fo geneigter wäre, die Intereffen Un-
garns zu fördern, wurbe bejtimmt, daß wenn Matthias ohne
Söhne mit Tod abginge, Friedrich ‚oder ein von ihm zu bes
ſtimmender Sohn, oder wenn er nicht mehr lebte, ein von den
Ungarn zu wählender Sohn ihm auf dem ungariſchen Throne
folgen follte. Die Zahlung obiger 80000 Gulden wie bie
Übergabe ber notwendigen Urfunden durch die Vevollmächtigten
des Könige Matthias und der ungariichen Großen follten in
Wiener Neuftabt erfolgen und darauf die Krone denſelben ein-
geantwortet werden ?).
1) Diefe Friedenspräliminarien vom 3. April 1462 inferiert in bie
Beftätigung bes Papſtes Pius II. vom 7. Mai 1463 ap. Theiner,
Vet. Mon. Hung. II, 375. Die Angaben bes venetianifhen Gefanbten
über biefen ertrag in Mon. Hung. Mätyds kir. koraböl I, 141g.
zeigen, wie genau berfelbe unterrichtet war. — Daß Matthias nach bem
Tode feiner gegenwärtigen Gemahlin fih nicht mehr follte verhelraten
bürfen, wie allerdings Dlugosz XII, 487 zum Jahr 1472 bemertt,
und Krones, Handbuch II, 456, und noch Bachmanun, Deutſche
Reichsgeſchichte I, 390, behaupten, ſteht weber in biefen Grazer Ab-
machungen noch in den Urkunden über ben befinitiven Friedensſchluß.
Ratifikation berfelben. 149
Der päpftliche Legat begab fich jelbft mit dem Biſchofe von
Großwardein nach Ungarn, um bie Ratifilation dieſer Friedens»
präliminarien zu betreiben. Zur Beratung berjelben berief
Matthias die Prälaten, Barone und Adeligen nach Ofen, wo
der Reichstag am 20. Mai eröffnet wurde. Man fand aller
dings die Bedingungen des Grazer Übereinfommens jehr drückend.
Allein um nur endlich die Krone zu erhalten, genehmigte ber
Reichstag ſchon am 26. Mai die angeführten Präliminarien.
Um die Summen aufzubringen, welche zur Befriedigung bes
Kaiſers und Gisfras notwendig waren, bewilligte der Neichstag
ausnahmsweiſe auch von den Adeligen eine hohe Steuer, wäh.
rend die Städte, die gar nicht berufen worden waren, vom
Könige im Verhältnis zu ihren Mitteln zur Beitragsleiftung
berangezogen wurden !).
Ungeachtet alles guten Willens vonjeite der Ungarn dauerte
es jehr lange, bis die 80000 ‘Dufaten verfügbar waren, die
man dem Kaiſer zahlen mußte. Auch war in den Grazer
Präliminarien bejtimmt worden, daß dieſe zur größern
Sicherheit vom Papite bejtätigt werben jollten, was vonjeite
desſelben erft am 7. Mat 1463 geihahb. Der Abſchluß des
befinitiven Friedens, über den die ungariichen Bevollmächtigten
mit den Gefandten des Kaiſers in denburg verhandelten 2),
Auch Spricht dagegen, daß ſchon wenige Wochen nah bem am Ende bes
Februar 1464 erfolgten Tode der Gemahlin bed Königs Matthias ber
Geſandte des Markgrafen Albrecht von Brandenburg am faiferlihen Hofe
von neuen Heiratsplänen zu berichten weiß („Archiv für öfterr. Geld.“
VII, 26.), und daß von 1465 an wegen der Vermäblung bes Matthias
eifrig verhandelt wurbe.
1) Bericht des venetianifhen Geſandten vom 27. Mai 1. c. beftätigt
und ergänzt buch die Urkunden bei Katona XIV, 527—548. Bgl.
Teleki XI, 35. Es ift baher irrig, wenu Bachmann a. a. ©. I,
389 jagt, daß bie ungarifchen Edeln die Annahme ber Bebingungen
verweigerten.
2) Befehl des Kaifers an die Stabt Odenburg vom 10. Juni 1468,
den ungariſchen Bevollmächtigten während ber Verhandlungen gehorſam
zu fein, im Cod. dipl. patr. V, 268. Datiert find bie Urkunden ber
ungarifchen Bevollmächtigten vom 19. Iuli aus Odenburg, die des Kaifers
vom gleihen Tage aus Wiener Neuftadt, bie Ratifikation vonfeite des
150 Krönung des K. Matthias zum Könige.
machte dann feine Schwierigleiten mehr. Die Beitimmungen
besjelben jchließen ftch faft wörtlich an die Grazer Abmachungen
an. Am 24. Yuli 1463 erfolgte in Wiener Neuftabt die
Auswechslung der Urkunden zwilchen dem Kaifer und den un⸗
garifchen Bevollmächtigten, die Zahlung der feftgefegten Geld-
fumme und die Übergabe der ungarifchen Krone !).
Matthias war glüdlih, als er endlich nach fechsjähriger
Regierung am 29. März 1464 feierlich zum Könige gekrönt
werben fonnte und fein Thron vor weiteren Anfechtungen ficher-
geftellt war. Aber auch der Kaijer konnte mit dem Ausgange
des Streites um Ungarn zufrieden fein. Faſt ohne Anftrengung
von feiner Seite, bloß durch feine gewohnte Taktik, einmal
erlangte Anfprüce nicht aufzugeben, hatte er eine große Geld⸗
fumme, den ficheren Befig mehrerer ungarifcher Grenzbezirke
und möglicherweije jogar für fich oder feine Nachlommen Aus-
fiht auf die ungarische Krone erlangt. Und auch unter weniger
günftigen Bedingungen hätte er einen Frieden mit Ungarn
wegen feines immer weiter gehenden Zerwürfniffes mit feinem
Bruder Albrecht und den Niederöfterreichern mit Freuden be-
grüßen müffen.
Kaifers vom 24. Juli, worauf am 26. Juli in Ofen bie vo.feite des
Könige Matthias erfolgt. Gebrudt find alle bei Katona XIV, 586
bi8 618 und Theiner, Vet. Mon. Hung. II, 382—391.
1) Obigen Tag geben bie ungarifhen Bevollmädtigten in. Schreiben
an bie Siebenbürger Sachſen ap. Teleki XI, 75 an.
Ausplünderung Oſterreichs durch die Söldnerbanben. 151
Bweiles Kapitel,
Streitigkeiten des Kaifers Friedrich mit den Ofter-
reichern umb feinem Bruder Albrecht VI.
In der zweiten Hälfte des fünfzehnten Jahrhunderts ging
bie mittelalterliche Staatsform in Deutichland ihrem Bankrotte
entgegen. Seitdem das Fußvolf und die Söldner im Felde bie
entſcheidende Rolle jpielten, hatte die feudale Kriegsverfajjung
ihre Bedeutung beinahe vollitändig eingebüßt, das Zeitalter der
ftebenden Heere fündete fih an. Aber während die Ausgaben
der Fürſten wegen der erhöhten Koften der Kriegführung, der
Zahlung von Sold, der Anschaffung von Geihügen und Pulver
wie wegen ded Sinkens des Geldwertes ununterbrochen jtiegen,
waren die regelmäßigen Einnahmen von den Negalien und
Domänen faft gleich geblieben oder gar durch Verkäufe, Ver⸗
pfändungen oder Verichenfungen verringert worden, jodaß eine
Zerrüttung der Finanzen die unausbleibliche Folge war. Der
Fürſt mußte ſich entweder durch Darlehen oder weitere Ver—
äußerungen feiner Güter und Einkünfte helfen, aljo feine Finanzen
noch mehr jchädigen, oder von den Ständen außerordentliche
Steuern verlangen, die nur ungern und in ungenügendem Maße
bewilligt wurden und bei öfterer Wiederholung oder längerer
Dauer allgemeine Unzufriedenheit hervorriefen.
Auch ein Fräftigerer und thätigerer Fürft als der Kaijer
Friedrich würde faum imftande gewejen fein, in Djterreich auf
die Dauer Ruhe und Ordnung aufrechtzuerbalten, da in Ungarn
und Mähren taufende von brotlojen Sölonern, die nur von
Raub und Beute lebten, zum Einbruche in das Land bereit
lagen und die Mittel zur Erhaltung einer jtändigen Truppen⸗
macht vollftändig fehlten, ohne die weder bie auswärtigen
Bandenführer noch die einheimischen Wegelagerer im Zaume
gehalten werden konnten. So fam es, daß die Not Ojter-
152 Verſchlechterung ber Silbermünzen.
reichs, welches jchon durch die Einbrüche der Böhmen im
Sommer 1458 und durch die von ihnen angerichteten Ver⸗
wüſtungen fchwer gelitten hatte, auch nach bem Frieden mit
dem Könige Georg fein Ende finden follte.
Was die Böhmen auf dem Marchfelve übrig gelaffen, das
nahm den Leuten Mladwandt oder Ladwenko weg, einer von
den damaligen Räubern im großen, ver zu beiden Seiten der
untern March mehrere „Tabor“ errichtet hatte und fein Hand»
wert auch noch fortjegte, nachdem ihm der Erzherzog Albrecht
mit den Wienern und einigen öfterreichtichen Adeligen am
29. März 1458 zwei feiner Raubnejter an der Marhmündung
weggenommen und von den 500 ©efangenen bei zweihundert
in Wien hatte aufhängen laffen. Erſt al$ im Sommer 1459
wieder zwei feiner Feſten von den Oſterreichern gewonnen wurden,
war diefem Unweſen für furze Zeit ein Ende gemacht ?).
Im Deai 1459 erfror ein großer Zeil der Weinreben, und
auch die Getreideernte war infolge ungünftiger Witterung eine
ſpärliche, ſodaß fchon deswegen die Preife des Getreides und
anderer Xebensmittel immer mehr ftiegen ?). Die Not erreichte
den Höhepunkt, als das Land mit ganz wertlofen Münzen
überſchwemmt wurde.
Da die Fürften das Münzrecht nur als eine gewinnbringende
Einnahmequelle betrachteten, jo war in Öfterreich wie in andern
Ländern das gebräuchlichite Geld, ver Silberpfenning, von dem
30 auf einen Schilling, 240 auf ein Pfund gingen, immer
mehr verjchlechtert worden. Hatte man in der Zeit des Herzogs
Rudolf IV. für einen ungariichen Goldgulden oder Dufaten,
den Hauptwertmeffer ber größeren Zahlungen wie bei Silber-
einfäufen, 96 Pfenninge geben müfjen, jo war berjelbe jchon
1399 auf 5 Schillinge oder 150 Pfenninge, während der fpäteren
Regierung bes Herzogs Albrecht V. (1422 —1435) auf 6
Schillinge und in den zwei folgenden Jahrzehnten infolge einer
1) Chron. Austr. ap. Senckenberg V, 55 89. 81. Eben-
dorffer ap. Pez II, 889. 892. 897. 904. „Copey- Bud der Stabt
Wien“. im F. R. Austr. dipl. VII, 120.
2) Ebendorffer, p. 896.
Die „Schinderlinge”. . 158
Verringerung des Gehaltes der Pfenninge, vielleicht auch des
Eindringens fchlechter Münzen von außen, nad und nad bis
auf 8 Schillinge oder ein Pfund geftiegen 9).
Den Anlaß zur folgenden Kataftrophe feheint ver Umftand
gegeben zu baben, daß die Herzoge von Baiern und füddeutiche
Grafen ganz wertloje Pfenninge und ähnliche Münzen ausprägen
ließen, von denen ganze Tonnen voll nach DÖfterreich geführt
wurden. ‘Dem verlodenden Beiſpiele folgte zuerft im Sommer
1458 der Erzherzog Albrecht in Oberdjterreih und dann auch
ver Kaifer ?), welcher jeine Münsftätten in Wiener Neuftadt,
Graz, Laibach und St. Veit an Spekulanten verpachtete, die
in großen Mengen ganz gebaltlofe Pfenninge und Kreuzer (à 4
Pfenninge) ſchlugen und fi) dadurch ungeheuer bereicherten. ‘Das
Übel wurde noch dadurch verfchlimmert, daß der Kaifer feinen
Söldnerführern Andreas Baumkircher, Ulrich Grafeneder, Ber-
thold von Ellerbadh, Ian von Wittoweg und dem Grafen von
Pöſing, ftatt ihnen die großen Soldrückſtände zu zahlen, bie
Erlaubnis zu Münzprägungen erteilte, was viejelben in ber
maßlojeften Weile ausbeuteten. Dieſe Pfenninge, das Volt
nannte fie Schinderlinge, hatten von Silber faum eine Spur
mehr in fih. Während der Pfenning im Sabre 1435 noch einen
Veingehalt von 0,25 Gramm gehabt hatte, enthielt der im
April 1460 zirkulierende nur noch 0,012, war alfo um mehr
als das zwanzigfache jchlechter.
Da ift e8 begreiffich, daß dieſe Pfenninge und Kreuzer allen
1) Schalt, Der Münziuß der Wiener Pfenninge in ben Jahren
1424—1480 (Wien 1880), auf bem ich auch bezüglich des Folgenden im
allgemeinen verweife. Vgl. für die vorhergehende Zeit noh Schalt in
„Mitteil. des Inftituts f. öſterr. Geſchichtsforſch.“ IV, 572 ff.
2) Daß nicht der Kalfer den Anfang gemadt bat, ſcheint mir nad
ben Angaben bes gleichzeitigen Chron Austr. 1. c., p. 92, wie bes Augs-
burgers Burkard Zint (Chroniten ber beutfchen Städte V, 112) nicht
zu bezweifeln. Auch ift das erſte Münzpatent bes Erzherzogs Albrecht,
das die Münze verfchlechtert, fhon vom 13. Juli 1458, das zweite, noch
ſchlimmere, vom 20. Mai 1459 (Chmel II, 159. 170), während nad
Chron. Austr., p. 93sq. das Münzen in Wiener Neuftabt erſt um ben
29. Sept. 1459 begann.
151 Hungersnot in Ofterreich.
Kredit verloren, daß niemand mehr anderes Geld al8 Gold»
gulden nehmen wollte und Dieje rapid, an manchen Zagen um
20 bis 30 Pfenninge, ftiegen und envlid einen Kurs von 6,
8, 10, ja von 12 Pfund Pfenningen erreihten. Der Handel
ſtockte vollftändig, die Preiſe der Lebensmittel und anderer
Waren wie anderjeit8 auch die Arbeitslöhne erreichten eine uns
gebeuere Höhe. Hatte no im Jahre 1458, wo doch eine
bedeutende Zeurung berrichte, ein Mutt Weizen 6 Pfund ge-
foftet, fo ftieg 1460 der Preis desjelben auf 32, nach einem
anderen Berichte gar auf 50 Pfund, ein Laib Brot auf 9
Scillinge, eine Henne auf 4, ein Haſe auf 10 Schillinge, ein
Ei auf 5 Pfenning. Mehrere Tage wurde in Wien gar fein
Brot und Wein verfauft, und e8 fam zu Scenen, welche die
des modernen Krachs noch überboten. Nicht bloß weinte Das
Volk und fchalt und fluchte über den Kaiſer und feine Räte,
fondern es erreichte wirklich das Elend ven höchſten Grad.
Manche mahlten getrodnete Baumrinden und machten daraus
Brot; andere ftarben Hungers; eine Witwe in Nußdorf tötete
aus Verzweiflung ihre zwei Kinder; andere verfauften die ihrigen
oder ftellten fie auf die Straßen oder jperrten fie in die Woh-
nung ein und gingen davon, um nicht dem Verhungern der⸗
felben zujeben zu müljen ?).
Wie dieſes verderbliche Münzunweſen, bei dem fich nur die
Münzpächter und einzelne Spekulanten bereicherten, eine Folge
einjeitiger Berüdjichtigung fiskaliſcher Intereſſen geweſen war,
fo galt dies auch von der Erhöhung der Mautaufichläge auf
Wein, Salz, Getreide u. ſ. w., die in ſolchen Sahren der
Teuerung geradezu unverantwortlich war.
Und trog der Geldmacherei um jeden Preis war Die
Regierung des Kaiſers nicht einmal imftande, den Landfrieden
zu jchügen und einen einzelnen Adeligen im Zaume zu balten.
Gamaret Tronauer, dem der Kaijer den Beſitz des Schloffes
1) ©. die Schilderungen und detaillierten Angaben im Chron. Austr.,
p. 9584q. und Ebendorffer, p. 896— 902. Bgl. auch „Copey⸗Buch
der Stadt Wien“, ©. 198ff., beſonders 203f.
Klagen des Adels gegen ben Kaifer. 155
Drt auf dem Marchfelde bejtritt, weil es deſſen verftorbenem
Bruder nur zur Hut übergeben worden jet, weigerte fich, feine
Anſprüche vor dem Gericht des Kaiſers geltend zu machen, fo
lange dieſes nur mit den Räten desjelben und nicht dem Her-
fommen gemäß mit einem Landmarihall und einbeimijchen
adeligen Beifigern bejegt wäre. ALS der Kater ihm nun das
Schloß durch das Gericht unter dem Vorſitze des Biſchofs von
Paſſau abjprechen Tieß und hierauf 2000 Böhmen aus Ungarn
in Sold nahm und durch Diefe und feine Leute nach längerer
Belagerung am 26. März 1460 Ort durch Beitechung des
Kommandanten in jeine Gewalt brachte, da fammelte auch
Sronauer böhmijche „Brüder”-Notten und jegte von der Kirche
in Schweinbarth am Weidenbache aus, die er in eine Feltung
umgewandelt hatte, feinen Raubkrieg fort. Mit feinen Leuten
wetteiferten in der Bebrüdung des Volkes die Sölpner bes
Kaijers, welche den Bauern nicht bloß ihre Lebensmittel, fondern
jelbjt ihre Kleider und Schuhe wegnahmen ?).
Der Adel, der auch durch den Münzunfug bedeutende Ver⸗
Iufte erlitt, indem ihm die Abgaben in wertlojen -Pfenningen
gezahlt wurden, machte feinem Unwillen gegen den Landes—⸗
herrn auf mehreren Verfammlungen Luft, die troß des Vers
botes des Kaiſers Ende 1459 und in den erften Monaten des
Jahres 1460 gehalten wurden. Auch jet ftand wieder Ulrich
Eizinger an der Spike der Unzufrievenen. Man Elagte über
bie Nichtbefegung des Landrechtes in orbnungsmäßiger Weile,
über die Störung des Landfriedens und die Unficherheit der
Straßen, über die fchlechten Münzen, über die Mautabgaben
von Getreide, Wein und Salz, über die Schwierigkeiten bei
Verleihung der Lehen und die dafür von der Kanzlei erhobenen
Zaren und andere Dinge. Da der Kaijer feine befriedigenden
Antworten gab, fo wendeten fich die Apeligen Anfangs März
an die Stände des Landes ob der Enns und an die Derzoge
1) Chron. Austr., p. 87sq. 100—109. 112. Ebendorfer, p. 900.
902sq. 915. Joannis Hindernbachii Cont. Aeneae Sylvii ap.
Kollar, Analecta II, 560sgqg.
156 Bergeblige Verhandlungen.
Albreht und Sigmund, ja jogar an den mit Eizinger be-
freundeten König von Böhmen als den „oberften Kurfürften”,
ber entweder zwilchen dem Kaifer und feinen Großen vermitteln
oder gar eine Entſcheidung treffen follte. König Georg, ber
in diefen Wirren ein geeignetes Mittel ſah, um auf den Kaiſer
in der deutichen Thronfrage einen Drud auszuüben, nahm fich
nach einigem Zögern ber öfterreichifchen Adeligen an und trat
als Vermittler auf, was den Kaifer gewaltig gegen ihn auf
brachte. Die langen Verhandlungen, die im Sommer 1460
in Wien ftattfanden, blieben fchließlih ohne Erfolg, obwohl der
Kaiſer bezüglich mehrerer Beſchwerden fich entgegentlommend
zeigte, bei einzelnen auch nachwies, daß fie unbegründet jeien.
Auc daß er die Forderungen, welche einige Adelige, bejonders
bie Eizinger, gegen ihn hatten, befriedigen wollte, genügte vielen
nicht. Sie verlangten, daß noch vor dem 29. September ein
Landtag einberufen werde, weil fie bezüglich ver Mautaufichläge
nicht ohne die übrigen Ständemitglieder fich zu etwas herbei-
laffen könnten. Gerade in diefen Dingen war Friedrich un⸗
gemein empfindlich; von feinen Untertbanen wollte er ſich zu
nicht8 zwingen laſſen. Um ven 10. Auguft wurden daher bie
Unterbandlungen abgebrochen, und die böhmijchen Geſandten wie
bie Adeligen verließen Wien 1). Kine weitere Einmiſchung bes
böhmischen Königs, unter deſſen Schug fich die Eizingeride
Bartei ftellte, wies der Katjer in ziemlich fchroffer Weife ab ?).
Um wenigftens dem ſchlimmſten Übelftande abzubelfen, ließ
ber Kaiſer befjere Pfenninge prägen, von denen 6 Schillinge auf
einen Dukaten geben jollten, obwohl ihrem wirklichen Werte
gemäß bald 8, in fpäteren Jahren fogar 9 und 10 Schillinge
für einen Goldgulden gezahlt werden mußten ?). Auch berief
er auf den 30. November einen Landtag nah Tulln, um Bilfe
1) Über diefe Verhandlungen ber Eizingerfchen Partei haben wir neben
bem eingehenden Berichte ap. Ebendorffer, p. 898—919 und Chron.
Austr., p. 87—115 zahlreiche Attenftüde bei Chmel, Materialien I,
184—214, und im „Copey⸗Buch der Stadt Wien“, S. 177—215.
2) Ebendorffer, p. 919sq. „Copey⸗Buch“, ©. 221.
3) Schalt a a. O., ©. 92ff.
Feinbfeligleiten Fronauers, Haltung des Böhmenkönigs. 157
gegen Fronauer zu erhalten und einen Ausgleich mit der Adels-
oppofition zuftande zu bringen. Der Landtag wurde aber fo
ſchwach bejucht, daß die Erichienenen den Kaiſer baten, er möchte
nach Weihnachten einen neuen berufen. Statt nun diefem
Wunſche nachzukommen oder felbft zur Untervrüdung Fronauere
energiihe Maßregeln zu treffen, begab fich Friedrich Ende
Dezember 1460 nach Wiener Neuftadt und im Februar gar
nad Graz und überließ Ofterreich fich felbft.
Jetzt fpielte Tronauer, der immer mehr Leute, befonders
Böhmen, um fich fammelte, geradezu den Herrn im Lande.
Nachdem er fchon im Auguft Triebenfee weggenommen und be
feitigt hatte, wo er nun wie ein Fürft von den vorbeifahrenden
Schiffen eine Mautabgabe erhob, fegte er im März 1461 über
die Donau, befeftigte mehrere Pläte, deren er fich bemächtigte,
brandichagte das ganze Land von Mautern und Hollenburg bis
in die Nähe von Wien und ließ fich von den Leuten die Hul-
bigung leiten. Ihn unterftügten jet offen viele Söldner des
Kaiſers, welche dieſer zu zahlen unterlaffen hatte, während der
Adel dem Unwefen ruhig zujah ?).
Unterdeſſen Hatte fich der böhmiſche König überzeugt, daß
der Kaiſer in der deutſchen Thronfrage freiwillig ſeinen Wünſchen
nicht entgegenlommen würde, und hatte fich entichloffen, gegen
deffen Willen die Krone an fich zu bringen. Daher war er
nun bemübt, demſelben auf allen Seiten Feinde zu erweden.
Während er noch im Oktober 1460 zugunften bed vom
ungariichen Könige bevrängten Gisfra hatte ins Feld ziehen
wollen 2), Inüpfte ex im November die Unterhandlungen mit
Matthias wegen der Vermählung feiner Tochter mit demfelben
wieder an und bradte im Januar mit ihm eine vollitändige
Einigung zuftande. Auf dem Fürftentage in Eger, auf dem
1) Ebendorffer, p. 917. 923. 926sq. 929. Chron. Austr., p. 117,
123. Vgl. Ehmel, Materialien II, 236, Nr. 179. Bahmann,
Deutſche Reichsgefchichte im Zeitalter Friedrich III. und Marx J., I, 23ff.
bat in der Schilderung ber Zuftände in Ofterreich im Jahre 1460 unb
Anfangs 1461 die Ereigniffe zeitlich einigermaßen burcheinander geworfen.
2) Balady, Urkundl. Beiträge, S. 233. Vgl. „Eopey- Buch“, S. 221.
158 Bündniſſe bes Erzberzogs Albrecht gegen ben Kaifer.
Georg feine Wahl zum römtifchen Könige durchzuſetzen bemüht
war, am 18. Yebruar 1461 ſchloß derfelbe auch mit dem Erz-
berzoge Albrecht, dem, Bruder des Kaifers, ein enges Bündnis
gegen biefen. Da infolge der unordentlichen Negierung des
Raifers, erflärte er, in Öfterreich Tange Zeit Kriege und Auf-
ruht geweſen und Gefahr jet, daß dieſes Land dem Haufe
Habsburg ganz verloren gehe, jo werde er dahin wirken, baß
alle Herren und Ritter, die fich unter feinen Schuß gejtellt,
dem Erzherzoge Albrecht unterthänig werden, und werde auf
feine Koften mithelfen, baß dieſer Ofterreih unter der Enns
erwerbe. Doch mußte Albrecht fich verpflichten, ihm dann
50000 Dukaten zu zahlen). Georg machte nun die öfter-
reichifchen Adeligen, die bei ihm Schu für ihre Freiheiten
fuchten, darauf aufmerfiam, daß außer dem Kaiſer noch zwei
vom Haufe Ofterreich wären, und gab ihnen ven Rat, fih an
einen von diefen zu wenden. Die Adeligen bätten nun zwar
Sigmund von Tirol feinem Vetter Albrecht vorgezogen und
trugen zuerft jenem die Herrfchaft über ihr Land an. Da aber
Sigmund, damals in einen Krieg mit den Schweizern veriwidelt,
ihnen eine ablehnende Antwort gab, jo wendeten fie fih an
den Erzherzog Albrecht, der natürlich ihren Wünfchen auf das
bereitwilligite entgegenfam und auf einer Zuſammenkunft in
St. Pölten und fpäter in Freiftadt alle Sachen mit ihren ins
Reine brachte. Auch Fronauer fchloß fich dem Erzherzoge an ?).
Ende März begab fich Albrecht nach Innsbrud zum Herzoge
Sigmund, mit bem er fich ebenfall$ vollftändig einigte, indem
er ihm für ven Fall des Todes des Kaifers die cillifchen Be⸗
figungen zuficherte und ihn, wenn er felbjt feine männlichen
Nachkommen ' binterließe, zum Erben feiner Länder einfekte.
Sigmund bracdıite dann ein Bündnis zwilchen feinem Vetter und
den Grafen von Görz zuftande, die vom Kaiſer furz vorher
zu einem ungünftigen Frieden gezwungen worben waren. Der
1) Bachmann, Reichsgeſchichte I, 30f.
2) Chron. Austr., p. 124sqq. In Freiſtadt urkundet Erzherzog
Albrecht am 28. April. Lichnowsky VII, Reg. Nr. 509.
Beginn bes Krieges. 159
Kreis der Feinde des Kaifers ward auf allen Seiten geichloffen,
al8 am 4A. April auch Matthias von Ungarn mit dem Erz
berzoge Albrecht ein Bündnis einging. Jener jollte gegen Enbe
des Juni Steiermark, dieſer Niederditerreich angreifen und beide
den Krieg fortiegen, bi8 der Kaiſer an diefen das Land nörd⸗
lich vom Semmering abgetreten, an Matthias die ungarifchen
Grenzgebiete und die Königskrone zurüdgeftellt hätte ?).
Zur Abwendung diefer Gefahren traf der Kaiſer ganz un«
genügende Maßregeln. Er mendete fih um Hilfe an den Bapft,
ermahnte die Reichsſtädte und die Fürjten zur Treue und forderte
die Stände der böhmiſchen Länder und Oberöſterreichs auf, den
König Georg und den Erzherzog gegen den Kaifer nicht zu
unterftügen. Aber er that nichts, um den Feinden eine zahl-
reihe Truppenmacht entgegenftellen zu fünnen. Wohl nahm
er im März den erprobten Giskra in feinen Dienft; aber bie
Mannſchaft, die er ihm mitgab, beichränfte ſich auf 300 Dann
und 1000 „Brüder“, mit denen verjelbe troß der Unterjtügung
burch die Wiener und die Bauern am Kahlenberge nicht einmal
gegen Fronauer etwas ausrichtete, während die Verwüftungen
und NRäubereien jeiner Leute die Abneigung gegen den Kaiſer
vergrößerten. Die meiften öfterreichiichen Landherren, die nicht
bereits offene Feinde Friedrichs waren, erklärten fich für neutral.
Ein Landtag, den der Kaiſer auf den 15. Juni nach Korneu⸗
burg berief, wurde fat gar nicht bejucht.
Am 19. Juni 1461 erklärte der Erzherzog Albrecht, daß
er fich entichloffen habe, Ofterreih unter der Enns in feine
Hände zu bringen, damit dieſes wenigſtens jeinem Fürjtenhaufe
erhalten bleibe, und kündigte jeinem Bruder den Krieg an.
Gleichzeitig fandten zahlreiche Adelige aus Ober⸗ und Nieder»
öfterreih, aus Böhmen und Mähren dem Kaiſer ihre Fehde⸗
brief. Am 30. Juni überjchritt der Erzherzog die Grenze von
Niederöfterreih, wo fich faft alle Adeligen wie Yronauer mit
jeinen Scharen ihm anfchloffen, rückte über Ips und St. Pölten
nah Zulln, deſſen Bejagung durch Verrat der Bürger über-
1) Bachmann, Reichsgeſchichte I, 33—38.
—
160 Not des Kaifers.
wältigt wurde, nötigte Giskra zum Rückzuge auf Wien, geivanı
Klofterneuburg und ftand ſchon am 1. Auguft in Hieging
unter den Mauern Wiens. Ein Verſuch, fih am 12. Auguft
mit Unterftügung einiger Parteigänger durch plößlichen Überfall
der Hauptſtadt zu bemächtigen, in ber auch bie Kaiſerin und
ber zweijährige Kronprinz Max fich aufhielten, fcheiterte an ber
Wachſamkeit und dem kräftigen Widerftande der Vürger und
ihrer Belagung. Aber trogdem war die Lage der Stabt eine
bevenklihe. Wohl war Wien mit Mauern, Qürmen und
Gräben ftark befeftigt. Auch waren, vom Kaiſer gejenvet, außer
Gistra auch Andreas Baumkircher, der Grafeneder und andere
Sölpnerführer mit einigen 100 Mann Ende Iuli noch recht
zeitig in die Stadt gelommen. Aber diefe war fo ungenügend
verproviantiert, daß fie eine lange Belagerung nicht aushalten
fonnte. Auch erbielt der Erzherzog noch in jeinem Lager bei
Schwechat bedeutende Verjtärfungen. Denn auf dem Marſche
gegen Wien Anfangs Yuli hatte er mit dem Herzoge Ludwig
von Baiern Landshut einen Vertrag geichloffen, wonach dieſer
ihm gegen Berpfändung von Neuburg am Inn und ‚mebrerer
Schlöffer wie gegen andere Verfprechungen 1000 Xeifige und
1000 Fußgänger zubilfe ſchicken follte.. Faft gleichzeitig mit den
Boiern famen am 26. Auguft aud 4000 ungariſche Reiter
und 1200 Fußgänger unter Anführung des Palatins Michael
von Orſzaͤgh und Reinolds von Rozgon. Im Notfalfe wollte
König Matthias felbft mit 10000 Maun zum Erzherzoge jtoßen.
Und wie der Kaifer in Gefahr war, ganz Ufterreich zu ver-
lieren, jo wurde gleichzeitig fein .VBorlämpfer im Reiche, der
Markgraf Albrecht von Branvdenburg-Ansbach, durch die Wittels-
bacher und deren Verbündete, bejonders zahlreiche böhmiſche
Zruppen, hart bevrängt.
Da wurde Friedrich durch ben König von Böhmen gerettet.
AUS Georg die Böhmen zum Kriege aufbot, weigerten fich
manche. Adelige, aus einem Anlafje, ver ihr Neich nichts angebe,
über die Grenze zu ziehen. Auch mochte er ſelbſt Bedenlen
tragen, fich den Raifer zu einer Zeit zum Todfeinde zu machen,
wo der Papſt Miene machte, wegen Nichterfüllung der von
Vermittelung Georgs von Böhmen. 161
ihm vor feiner Krönung gegebenen Verſprechungen ernftliche
Maßregeln gegen ihn zu ergreifen. Er ließ zwar viele feiner
Barone und Ritter dem Erzherzoge zubilfe ziehen und fchidte
Truppen gegen Albrecht von Brandenburg nach Tranfen. Uber
gleichzeitig bot er dem Kaiſer feine Vermittlung an. Lange
batte diejer fie zurückgewieſen. Bei der fteigenden Not indeſſen
übertrug er endlich dem böhmiichen Könige die Herbeiführung
eines Friedens mit feinen Teinden.
Am 8. Auguft kam eine aus den angefeßenften Perjonen
Böhmens beſtehende Gelandtichaft nach Wien und begab fich
von da zum Erzherzog. Obwohl aber auch der päpftliche
Legat Kardinal Beffarion feine Bemühungen mit denen ber
Böhmen vereinigte, wies Albrecht jeden Ausgleich zurück. Erſt
al8 die Gefandten mit der Abberufung aller Böhmen drohten
und auch die öfterreichtichen Adeligen fich der Fortiegung des
Krieges abgeneigt zeigten, gab er endlich nad. Ohne noch die
Zuftimmung feiner Verbündeten einzuholen, fchloß er am
6. September in feinem Bauptquartier zu Larenburg einen
" Bertrag, nach welchem die Feinbfeligfeiten bis zum 24. Juni
des folgenden Jahres eingejtellt werden und während vieler
Zeit der König von Böhmen bemüht fein follte, einen Frieden
zwilchen den verjchlevenen Parteien herbeizuführen ?).
Aber fo wenig in Ofterreich wie im Reiche vermochte König
Georg, der auch jegt feine Schaukelpolitik fortjegte, den Kämpfen
ein Ende zu machen. Im Oſterreich brachen bald nad dem
Larenburger Vertrage die Fehden wieder aus, da die Söldner
des Kaiſers von diefem fein Geld erhielten und fie ſich num
durch Raub und Plünderung auf Koften der Anhänger Albrechts
1) Bahmann hat in feiner „Reichsgeſchichte“ I, 39—113 über ben
Krieg in Ofterreich wie über die gleichzeitigen Vorgänge im Reiche fehr
eingehend gehandelt. Doc finden fich bei ihm einzelne Ungenauigkeiten.
So hat die Kaiferin die Wiener und die kaiferlihen Sölpner nicht beim
Überfalle Albrechts am 12. Auguft perſönlich zur Tapferkeit angefeuert
(S. 103), da feine Quelle, das Chron. Austr., p. 131, deutlich fagt, es
fei dies am 3. Auguft gefcheben, al8 der Erzherzog an Wien vorbei von
Hietzing nad) Inzersdorf 309.
Buber, Geſchichte Öfterreihs. III. 11
162 Bebrängung Wiens durch die Feinde des Kaifers.
bezahlt zu machen juchten, ja manche jogar dem Kaiſer jelbft
abfagten. Des Erzberzogs Hauptleute Jörg von Potendorf
und Nabuchodonnojor Nandenreutter, ein alter Bandenführer,
antworteten darauf mit Repreſſalien und befeftigten mehrere
Punkte in der Umgebung von Wien, die ihnen dann die Kaiſer⸗
lichen wieder zu entreißen fuchten. Die öfterreichiichen Stände,
bie fih im Dezember in Ziſtersdorf verfammelten, faßten eine
Reihe von Beichlüffen zur Herftellung des Landfriedens. Aber
der Kaiſer, der darin eine Verlegung der Nechte des Landes⸗
fürjten erblidte, that nichts, um die Ausführung berielben zu
fördern, ebenfo wenig aber auch, um burch Unterftügung jeiner
Anhänger, bejonders der treuen Wiener, ein Ende bes ver-
berblichen Krieges herbeizuführen. Er faß ruhig in Steiermart,
mit der Betreibung der Heiligiprehung Capiftrans und der
Gründung eines Bistums in Laibach beichäftigt.
Immer mehr Adelige, Brälaten und Städte Nieveröfterreichg
neigten fich dem Erzherzoge Albrecht zu. Faſt nur Wien hielt
noch treu zum Kaiſer. Aber dieſes wurde immer härter be
drängt. Die Hauptleute des Erzherzogs und verſchiedene Banden⸗
führer befegten rings um die Stadt die wichtigften Punkte
und bemmten jeden Verkehr mit verjelben, den Anbau der
Weingärten und der der Bürger, die Zufuhr von Lebene-
mitteln ?).
Dies konnte endlich nicht ohne Einfluß auf die Stimmung
der Wiener bleiben. Wien war nach der Haffiichen Schilderung
eines fo fcharfjinnigen Beobachters wie Aeneas Sylvius ?) um
die Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts eine der fchönften und
bevölfertiten deutſchen Stäbte, deren Einwohnerzahl man auf
50 000 Kommunikanten jchägte ?). Aber die Bevölkerung war
1) Bachmann I, 259-277.
2) Epist. 165 der ed. Basil., auch als Anfang ber Hist. Frid. ap.
Kollar II, 8—14.
3) Sp Aeneas Sylvius. M. Beheim, Buch von den Wienern,
©. 174, giebt die Zahl ber Einwohner von Wien und ben Borfläbten
anf 75000 an, was mit jener Schätung ungefähr übereinftiimmen würde.
Bgl. auch die weitläufige, teilmeife übrigens auf Aeneas Sylvius fußenbe
Schilderung in Bonfinii Rer. Hung. Dec. IV, lib. 5.
Schlechte Stimmung der unteren Volksklafſen. 168
leichtfertig, fittenlo8 und genußfüchtig, „verzehrte am Sonntage,
was fie die ganze Woche hindurch verdient bat”, war alfo
nicht geftählt gegen lange Entbehrungen. Auch bilbeten ber
Weinbau und Handel die Haupteinnahmsquelle zahlreicher Bürger,
und gerade dieſe waren feit mehreren Jahren durch Mißwachs,
Krieg und den Münzunfug verfiegt. Dagegen hatten bie Kriege
und bie Abwehr der Räuber und Bandenführer die Stabt in
Schulden gejtürzt, die jchon Anfangs März 1459 ſich auf mehr
al8 44000 Pfund Pfenninge beliefen und deren Zinjen mit
den gewöhnlichen Einnahmen um fo weniger gebedt werben
Ionnten, al8 mehr als ein Drittel der Häufer Geiftlichen und
Evelleuten gehörte, welche von ven ftäbtiichen Steuern frei
waren). Als nun die Scharen der Feinde um Wien ich
immer mehr verbichteten, die Not wie ber Steuerbrud immer
größer wurden, al8 auch die Profefforen der Univerfität, denen
ber Kaiſer fieben Vierteljahre keinen Gehalt mehr gezahlt hatte,
auf eine Anfrage wegen ber Auslegung des dem Kaiſer geleifteten
Treueides eine ausweichende Antwort gaben, biefer ſelbſt aber
gegen alle Bitten, perfönlih Hilfe zu bringen, taub zu bleiben
Ihien, da begannen die untern Vollksklaſſen in der Treue gegen
den Kaiſer zu wanken. Auch ver Rat gab am 21. Juli 1462
wenigſtens jeine Zuftimmung, daß in Wien ein Landtag zur
fammtentrete, um zu beraten, „wie das Land in Fried geſetzt
werde”, jedoch unter der Bedingung, daß die Anlommenden
einen Eid leifteten, dem Kaiſer und der Stabt nicht zu fchaben.
Als aber der Landtag Ende Juli in Wien fih verfammelte,
juchten die Gegner des Kaiſers im geheimen die Zünfte gegen
den Rat aufzuhegen, ver nicht auf das allgemeine Wohl jondern
nur auf feinen Brivatvorteil bevacht und ber vor allem Schuld
jet, daß ber Friede im Lande nie hergeftellt werden könne.
Die Wortführer der Unzufrievenen waren Hans Odenacker,
der Sohn eines früheren Badknechtes aus Regensburg, und
Dr. Hans Kirchheim, einer der berüßmteften Arzte Wiens und
Brofeffor der Medizin, ebenfalls kein Wiener feiner Herkunft .
1) Copey⸗Buch“, S. 171.
11*
164 Sturz bes faifertreuen Rates.
nach, jondern ein geborner Schwabe. Nach längeren Beratungen
drang im Auftrage der Verfchiworenen am 12. Auguft Dr. Kirch
beim im Harniih an der Spite von fechzig Bewaffneten in
das Ratshaus ein, nahm den Bürgermeilter Chriftian Brenner
und die Ratsherren gefangen und bemächtigte fich ver Gewalt.
Da aber Kirchheim wie Obenader als Eingewanderte mit den
Geſchäften zu wenig vertraut waren, fo Tießen fie zum Leiter
ber ftädtiichen Angelegenheiten von der Gemeinde den Wolfgang
Holzer wählen, einen ehemaligen Viehhändler von bedeutendem
Bermögen, der einft mit Eizinger in vertrauten Beziehungen
geftanden, wiederholt Mitglied des Rates und Münzmeifter ge-
wejen war und burch feine volfstümliche Beredſamkeit fich beim
Volle großes Anfehen erworben Hatte !).
ALS dieſe Umwälzung die Stellung Wtend zum Bruder-
jtreite mit einem Schlage veränderte, ftand der Kaifer an der
Spike eined Heeres von 6000 Mann in Brud an Mur. Nach
langen Verhandlungen hatte er die Stände von Steiermarf,
Kärnten und Krain zu einer Hilfeleiftung bewogen, auch einige
Söldnerführer angeworben. Am Abend des 22. Auguft erichien
er vor den Mauern von Wien.
Holzer, bauend auf die Anhänglichkeit der Mafjen wie auf
die Unterftügung der öfterreichiichen Adeligen trat auch dem
Kaiſer gegenüber mit großer Kedheit auf, verweigerte ihm wie
feinen Truppen den Eintritt in die Stadt und rüftete ſich zu
1) Über dieſe Verhältniſſe in Wien wie iiber bie folgenden Kämpfe bis
zum Tode Albrechts VI., bei denen dieſe Stadt ben Mittelpunkt der Er⸗
eignifje bildet, find die Hauptquellen das Chron. Austr., p. 154sqgq.,
Ebendorffer, Yölsgqg. und (bis zum Dezember 1462) Jo. Hinder-
bach ap. Kollar U, 563sqgq., alles Werte von Augenzeugen bei einem
großen Teile der Ereignifie, ebenfo wie Michael Beheims Bud von
den Wienern, 1462—1465, herausgegeben von Th. v. Karajan, befien
weitläufiges Gedicht freilich eine Schmäbfchrift im Interefje des Kaifers
iſt. Bol. auh Weiß, Geld. ber Stadt Wien (2. Aufl.) I, 246 ff. und
Bachmaun, Reichsgeſch. I, 294 352. 374-389. 443—460, ber das
von ihm benutzte urkundliche Material, fo weit es nicht früher gebrudt
war, nachträglich in F. R. Austr. Dipl. XLIV („Briefe und Acten zur
öfterreichifch-beutfehen Geſchichte“) publiziert bat.
Haltung Wiens gegenüber dem Kaifer. 165
energiicher Verteidigung. Dagegen wurben während der Nacht
400 Reiter des Erzherzogs Albrecht heimlich herbeigerufen und
vor dem Anbruch des Tages beim Schottenthore eingelaffen.
Drei Tage!) mußte der Kaiſer im Angefichte Wiens in einem
Lager bei St. Marr zubringen. Erſt als er wiederholte
Deputationen der Bürger und Stände in der freunblichiten
Weiſe empfangen und feierlich Verzeihung für alles Vorgefallene
zugefichert hatte, wurden ihm zum großen Verdruſſe der An⸗
hänger feines Bruders die Thore geöffnet und konnte er fich
am 25. Augujt mit feiner Gemahlin und feinem Sohne ver»
einigen.
Der Katjer vermochte fich freilich mit den Ständen auch
jegt über die Maßregeln zur Herbeiführung eines Landfriedens
nicht zu einigen, weil er, an feinen Nechten als Landesherr
fejthaltend, auch ihre Unterftügung zur Wiedergewinnung der
ihm und anderen entrijfenen Burgen und Güter in Anjpruch
nahm, fie aber, in ihrer Mehrheit dem Erzberzoge Albrecht
zugetban, aus ihrer Unthätigfeit nicht beraustreten wollten.
Nach kurzer Zeit zerfiel er auch mit den Wienern voll.
ſtändig. Dieſe Hatten in feiner Verjöhnlichkeit und Milde nur
einen Ausflug von Schwäche gefehen und wurben dadurch zu
noch übermütigerem Auftreten ermutigt. Längere Zeit verging,
bis die gefangenen Ratsherren aus dem Gefängniſſe entlaffen
wurden. Als dann der Kater in feiner Gegenwart und nicht
durch die ganze Bürgerichaft fondern nur durch den großen
Rat (die „Genannten“) einen Bürgermeifter und Stadtrat
wählen ließ, verweigerte die Gemeinde dieſen den Gehorſam
und wählte am 19. September Holzer zum Bürgermeifter und
Kirchheim, Ovenader und andere Gefinnungsgenoffen desſelben
zu Ratsherren; der Katjer wagte nicht, diejen die Beſtätigung
zu verweigern.
Hatten die Wiener ein folche8 Auftreten gewagt, als ver
Kaiſer noch von allen feinen Truppen umgeben war, jo mußte
1) Nah Bahmann I, 307, N. 1, nur zwei Tage, was aber den
genauen Angaben nicht bloß Hinderbachs, fondern auch des Chron. Austr.,
p. 162, wiberjpridt.
166 Empörung der Wiener.
man auf noch Ürgeres gefaßt fein, al8 am 24. September
bie Inneröſterreicher, deren Dienftzeit abgelaufen war, nache
baufe zogen und Friedrich auf Bitten der Wiener auch jeine
Sölpner entließ. Der Kaifer war aber wieder nicht in ber
Lage, diefen den vollftändigen Sold auszuzahlen, und der Wiener
Stadtrat weigerte ich, demjelben zu dieſem Zwede eine Summe
Geldes zu leihen. Dies batte die Folge, daß die Söldner
dem Kaiſer und der Stadt abjagten, die Bürger an der Ein-
bringung des Weines binderten und ihnen allen möglichen
Schaden zufügten. Auf Antrag Holzer beſchloß nun am
5. Oltober die Gemeinde, dem Kaiſer förmlich den Gehorſam
aufzufünden, ficb aller Eide und Pflichten ledig zu erklären und
ihm feine Abgaben mehr zu entrichten, bis fie ſich mit den
übrigen drei Ständen über das weitere Vorgehen geeinigt hätten.
Wenn Holzer dabei erklären ließ, daß dies dem Kaiſer und
feiner Familie feinen Schaden bringen folle und daß es ihm
nur um bie Herftellung des Landfriedens zu thun fei, jo war
dies nur darauf berechnet, naive Gemüter zu beruhigen, welchen
die Verlegung des Treueides Gewiſſensſkrupel verurjachte,
konnte aber jene nicht täufchen, die nicht auf die lohyalen Phrafen,
jondern auf die Handlungen Holzers ſahen. Schon vor feiner
Wahl zum Bürgermeifter hatte er den Nandenreutter, Haupt⸗
mann bes Erzberzogs Albrecht, beimlih um Zufendung von
500 Fußknechten gebeten. Am 6. Oktober, wo dem Satjer bie
Abfage in die Burg gebracht wurde, ließ er zwei der einfluß-
reichiten Räte besfelben, den Freifinger Dompropft Ulrich
Niederer, als er von einer Zaufe in die Burg zurückkehren
wollte, und Ulrich Grafeneder, Hauptmann in Odenburg, den
er in fein Haus lockte, verhaften und in den Kerker werfen.
Der Kaiſer begann denn auch fofort, die Burg in ver
teivigungsfäbigen Stand zu fegen. Als er auf bie freche
Forderung der Wiener, alle Bauten zu unterlaffen, eine ab-
ichlägige Antwort gab, fuchten ſtädtiſche Söldner am 16. Oftober
nad) dem Einbruche der Nacht Gerüfte zum Angriffe auf die
Burg aufzuführen. Da fie dabei vomjeiten der Beſatzung
Widerſtand fanden, begannen fie am folgenden Tage die Ber
Berufung bes Erzherzogs Albrecht. 167
ſchießung. Am 19. waren fchon drei Schanzen errichtet und
mit fchwerem Geſchütze armiert. Aber erſt am folgenden Tage
ichielten die Wiener dem Kaiſer eine förmliche Kriegserklärung,
nachdem fie ſchon vorher mehreren feiner Diener und Anhänger
in Wien ihr Vermögen weggenommen batten.
Dom 21. Oltober an wurde die Belagerung der Burg
mit größter Energie betrieben. 66 größere Gejchüße, von denen
vier Steine im Gewichte von drei Zentnern geichoffen haben
iollen, und eine Menge von Heineren Büchfen und Armbrüften
waren Tag und Nacht tbätig und überfchütteten die Burg mit
einem Dagel von Steinen und Pfeilen. Aber die Bejatung,
über 200 wehrhafte Krieger zählend, vereitelte alle Anjtrengungen
der DBelagerer. Der Kaiſer jelbjt legte wieberholt bei den
Verteivigungsmaßregeln feine Hand an. Nach mehr als einer
Woche hatten die Angreifenden noch nicht die geringiten Er»
folge erzielt, wohl aber nicht unbebeutende Verlufte erlitten.
Schon ließen viele Wiener den Mut finken, und nur Holzer
dachte an Feine Nachgiebigkeit. Doc ſah auch er ein, daß bie
Bürger ohne fremde Unterftügung die Burg nicht zu bezwingen
vermöchten, ebe dem Kaiſer Entſatz käme. Da bie öfterreichiichen
Adeligen, welde doch im Grunde auh am Aufſtande der
Wiener jchuld waren, jest ruhige Zufchauer des Kampfes
blieben, jo wendete ſich Dolzer an den Erzherzog Albrecht und
bat ibn, der Stadt zubilfe zu kommen und als Vormund
ihres Erbherrn, des jungen Maximilian die Regierung Dfter-
reichs zu übernehmen.
Abreht Hatte offenbar ſchon lange fehnjüchtig auf einen
Ruf der Wiener gewartet. Unverzüglich fammelte er Truppen,
z0g nach Nieberöfterreich und bielt am 2. November mit 600
Neitern feinen Einzug in Wien.
Um ven Anftand zu wahren, knüpfte er zunächſt mit feinem
Bruder Unterhandlungen an. Er verlangte von Friedrich, daß
er die Negierung Oſterreichs auf zwei oder brei Sabre einem
durch die vier Stände zu wählenden Rate überlajje, der im
Namen jeine® Sohnes Dear die Geichäfte führen und ben
Frieden berftellen wie alle Neuerungen bejeitigen follte, und
168 Eintreten Georgs von Böhmen für den Kaifer.
daß er das zur Entlohnung der Söldner notwendige Geld ber-
gebe. Als der Kaiſer jo demütigende Bebingungen zurückwies
und erflärte, eher folle die Burg fein Friedhof fein, da fagten
nach dem DBeilpiele des Erzherzogs auch viele Adelige demſelben
ab, und die Belagerung wurde mit noch größerem Eifer fort
gejegt. Nicht bloß ftellte der Erzherzog zwei neue große Ge⸗
Ihüge vor der Burg auf, fondern man verjuchte auch die ftarfen
Außenmauern, denen die Kugeln nichts anzubaben vermochten,
durch Untergrabung zum alle zu bringen over fich durch die
jelben einen Weg zu bahnen. in noch gefährlicherer Feind
als die Minen und riefigen Steinfugeln erhob fich in der Burg
jelbft, der Hunger. Schon waren von den Kriegern und Hof.
leuten, zujammten bei fechithalbhundert Köpfen, alle Lebensmittel
bis auf Erbſen und Gerſte aufgezehrt und auch von biejen nur
noch ein geringer Vorrat vorhanden, fo daß man ben Leuter
nur kleine Nationen geben konnte. Alle Hunde und Sagen,
jelbft ein alter Geier, der in der Burg gefüttert worden, und
ſchimmlige Brotrinden waren als Lederbiffen verzehrt worden.
In kurzer Zeit mußte die Not zur Ergebung zwingen.
Da, im Augenblide der größten Bedrängnis, nahte Hilfe
bon außen. '
Es war dem Kaiſer gelungen, bald nah dem DBeginne
der Belagerung feine in Wiener Neuſtadt weilenden Räte von der
jteigenden Gefahr zu unterrichten. Da der Verjuch eines Söldner»
führers, ſich durch Überfall ver Stadt Wien zu bemächtigen,
mißlang, fo beichloffen fie, fihb um Hilfe an den König von
Böhmen zu wenden. Baumlircher, der die Botſchaft übernahm,
reiſte Tag und Nacht mit folher Eile, daß er, am 27. Oltober
von Neuftadt aufbrechend, am 29. abends nach Prag gelangte.
Bon vierzig Reitern, die er mitgenommen, hatten nur drei ihm
zu folgen vermocht; die anderen waren auf dem Wege erlegen.
König Georg, der feine Pläne auf die deutiche Krone auf-
. gegeben hatte und wegen jeines Bruches mit dem Papite fich
die Gunft und Unterftügung des Kaiſers fichern wollte, erließ
noch am nämlichen Tage ein allgemeines Aufgebot und ſchickte
ſchon am Tage darauf ſeinen Sohn Victorin, Herzog von
Unterhandlungen mit dem Erzherzoge Ulbrecht. 169
Miinfterberg, und ben Oberfiburggrafen Zdenko von Sternberg
mit 800 Reitern nach Oſterreich. Mm 8. November folgte er
felbft mit einem Heere von 7000 Wiann, das durch bie nach⸗
ziehenden Adeligen bald auf 22000 Mann verſtärkt wurbe,
Schon ale Wictorin nach Korneuburg kam, fagte biefe
Stadt wie Krems und Stein den Wienern ab. Auch mehrere
oſter reichiſche Adelige fchloffen ſich ihm an. Nachdem ex mit
Unterftägung Fronauers, der, mit bem Erzherzoge zerfallen,
zum Kalfer übertrat, bei Ort die Donau Überfchritten Hatte,
vereinigten ſich mie Ihm auch des Kaiſers Bäte Vaumkircher
und Graf Ulrich von Schaumberg und mehrere Soldnerführer
mit Ihren Scharen, dann die Steirer, Kärntner und Krainer,
bie tro des Verbotes des Kaiſers eisen Landtag in Leibnitz
gehalten und dort einen Kriegszug zur Welrelung des Kaiſere
beſchloſſen hatten. Etwa B000 Mann ſtark zogen ſie am
18. November gegen Wien. Uls am folgenden Tage auch ber
König felbft In Korneuburg elntraf, anderfelt® Signale aus ber
Bury bie Außerftie Not verkündeten, verabrebete man auf ben
19. November einen allgemeinen Angriff auf dle Stadt. Der
ſKonig follte der Bruͤcke über die Donau fich bemächtigen und,
wenn die Wiener zu feiner Abwehr berbeiellten, die Truppen
feines Sohnes, Baumkirchere und bie Innerbſterreicher bie
Stadt von &ioweften bey angreifen. Da aber die Innere
Donaubrilte abgebrochen war und baber der Konig am Wors
dringen gegen bie Btabt verhindert warb, fo konnten fich bie
Bürger wie die Wannen des Erzherzogs ſämtlich gegen ba
übliche Beer wenden, weldes einen Sturm auf bie hoben
Dinuern in der Nähe des Schottentbore® unternahm, und
ſchlugen dasielbe mit bebeutenden Werluften zurück.
Der bbohmiſche König ſtand jetzt von weiteren Angriffen
auf Wien ab und knilpfte mit dem Erzherzoge Albrecht Unter⸗
handlungen an. Er hatte viellelcht von Unfang an nichté
anderes beabſichtigt, als den Kaiſer aus ben Händen der Wiener
zu befreien, nicht aber auch deſſen Bruder zu zUchtigen. Denn
er ſelbſt hatte ja dieſem wiederholt gelobt, Ihm zum Beſitge von
ganz Ofterreich zu verhelfen, und er mußte doch in einige Wer,
170 Friebe von Korneuburg.
legenheit geraten, wenn er jett an fein Veriprechen gemahnt
wurde. Auch war e8 für Georg, der immer nur feine eigenen
Intereſſen zu wahren fuchte, gewiß vorteilhafter, wenn ber
Erzherzog eine Stellung behauptete, die ihn auch fortan dem
Kaiſer gefährlich machte und diefem die Unterftügung des Böhmen⸗
königs notwendig erjcheinen ließ, als wenn Friebrich feiner Yeinde
vollftändig Herr wurde.
Es war freilich eine fchwierige Aufgabe, ein Ablommen zus
ftande zu bringen, das ven Kaiſer wie feinen Bruder befriebigte
und auch für die Wiener und deren Führer annehmbar erichien,
welche mit Recht bie Rache des jchwer beleidigten Monarchen
fürchten mußten. Erſt am 2. Dezember wurde in Korneuburg
der Triebe geichloffen, ver in der Form dem Kaiſer, der Sache
nach aber dem Erzherzoge günitig war. Es fjollten alle Ge⸗
fangenen fveigelafjen, auch alle vom Erzberzoge während ber
legten Kriege im Lande unter der Enns gewonnenen Burgen,
Städte und Herrichaften dem Kaijer zurückgeftellt werden. Doch
follte diefer die Regierung in Ofterreich mit allen Rechten und
Einkünften während der nächften acht Jahre gegen eine jährliche
Rente von 4000 Dukaten feinem Bruder überlajjen. Holzer
und fein engiter Anbang waren jogar mit dieſem Friedens⸗
ſchluſſe unzufrieven. Doch feste der Erzberzog, der die Bürger
zu einer Verjammlung in die Stephanskirche berief, durch fein
entſchiedenes Auftreten die Annahme vesjelben durch. Am
4. Dezentber öffneten fich endlich die Thore der Burg. Der
Kaiſer zog unter dem Schute des Herzogs Victorin nach Kor»
neuburg, die Kaiferin mit ihrem Hofgefinde, in grober Weile
verböhnt vom Wiener Pöbel, nach Wiener Neuftadt.
Die Dankbarkeit Friedrichs gegen den König Georg, der
ihn aus den Händen der wütenden Wiener Handwerker befreit,
ichien feine Grenzen zu lennen. Er erhob deſſen beide jüngeren
Söhne Heinrich und Hynko in den Reichsfürſtenſtand und er-
nannte ihn ſelbſt für den Tall feines Todes zum Obervormunde
bes Erzherzogs Marimilian, ja fogar, wenn auch biefer vor
Erreihung der Volljährigkeit mit Tod abginge, zu feinem
Nachfolger in den djterreichiichen Ländern, ein Recht, das von
Bruch besfelben. 171
ben übrigen Erben nur mit 100000 Dukaten follte abgelöft
werden bürfen. Auch verichrieb er ihm für bie verfprochene
Hilfe zur Unterwerfung derjenigen, bie fi der Einkünfte Öfter-
veich8 bemächtigt hätten, die Hälfte der Wein- und Salzfteuer
dieſes Landes. Später fette er die ohnehin geringen Leiftungen
Döhmens gegen das Reich noch auf die Hälfte herab, ſodaß
der König zum Römerzuge des Kaiſers nur noch 150 Mann
zu ftellen oder 150 Mark Silbers zu zahlen und nur bie
Neichstage in Nürnberg oder Bamberg zu bejuchen verpflichtet
jein jollte 2). Dagegen verfprach Georg dem Kaifer auch fortan
feine Unterftügung zur Behauptung feiner Herrichaft in feinen
Erblanden.
ſterreich ſollte ſich Leider auch jetzt noch des lang ent-
bebrten Friedens nicht erfreuen, weil es allen Parteien an
gutem Willen fehlte. Holzer, der Ichon während der Belage-
rung des Kaiſers vielen politiichen Gegnern ihr ganzes Ver⸗
mögen batte wegnehmen lafjen, fette auch nach dem Trieben
bie Plünderung der Häufer der kaiſerlich Gefinnten in einer
jo gründlichen Weiſe fort, daß nicht einmal ein Nagel an ber
Wand zurücdblieb. Als der Erzherzog nach langem Zögern
am 12. Dezember nach Korneuburg kam und vor jeinem kaiſer⸗
lichen Bruder fein Knie beugte, ſah ihn diefer nicht einmal an
und würdigte ihn Feines Wortes. Albrecht unterließ es, bie
weggenommenen Städte und Burgen dem Kaiſer zu übergeben,
von Mißtrauen erfüllt, daß diefer dann bie Herausgabe ver»
weigern würbe. Obwohl dies im Grunde nur eine Formalität
war, da Ofterreih „mit allen Stäbten, Schlöffern und Ge
meinden“ während der nächlten acht Jahre dem Erzherzoge
Albrecht überlaffen werden follte, jo nahm dies ber Kaiſer doch
zum Vorwande, um den Frieden für gebrochen zu erklären
und alle NRegierungsrechte in Djterreich wieder für fich felbft
1) Daß Friedrich aud alle Urkunden über den 1364 zwifchen ben
Habsburgern und Luxemburgern gefchlofienen Erbvertrag zurüdgeftellt
babe, wie Balady IV, 2, 266 fagt, ift unrichtig. Die Urkunden von
1364 und 1366 waren noch 1526 in Insbruck. S. „Böhmiſche Land⸗
tagsverbanblungen” I, 10f.
172 Mafregeln bes Kaifers.
in Anfpruch zu nehmen. Ohne fi um dieſe Dinge weiter zu
fümmern, war König Georg abgereilt.
Der Raifer war feft entichloffen, Diterreich mit Hilfe frember
Sölonerbanden wieder zu bezwingen. Um fich die Unterftügung
ber Brüderrotten zu fichern, zahlte er ihnen jegt ven rüd-
ftändigen Sold aus oder ftellte ihnen wenigſtens die baldige
Entrihtung in Ausfiht. Dem rafeneder verpfändete er bie
Stadt Brud an der Leitha, dem Baumfirher Korneuburg,
dem Zdenko von Sternberg Weitra, Krems und Stein mit
bem Auftrage, als fein „Hauptmann jenjeitS der Donau” den
Krieg gegen den Herzog Wbrecht, die Wiener und feine andern
Feinde in Ofterreich zu führen. Ljterreichifche Städte ja auch
Hdenburg und Brünn wurden auf Koften Wiens in materieller
Deziehung begünjtigt, dagegen die Zufuhr nach Wien in jeder
Weiſe erichwert und diefer Stadt der Blutbann entzogen. Auch
kirchliche Waffen fette der Kaiſer gegen die Wiener in DBe-
wegung. Don ihm veranlagt verbot der Papſt bei Strafe
des Banns allen Geiftlichen, einem von den Bürgern, die bei
der Belagerung der Burg beteiligt gewejen, außer im alle
der Zodesgefahr die Abjolution zu erteilen, eine Verfügung,
bie freilih von den Wienern nur mit Hohn aufgenommen
wurde. Auch jest traten wieder einige unbezahlte Söldner⸗
führer als felbftändige Friegführende Macht auf, fagten Anfangs
April 1463 dem Kaijer und dem Erzherzog ab und bebrüdten
die Leute in der Gegend von Wien, auf dem Zullnerfelde und
an der Zraijen mit Mord, Raub und Brand.
War es vorzüglich bie fteigende Bedrängnis gewelen, was
die Wiener zum Abfalle vom Sailer bewogen batte, jo konnte
e8 nicht ohne Einprud auf die Gemüter bleiben, als die Not
unter der Herrichaft des Erzherzogs Albrecht eher noch zunahım
und die Herjtellung des Friedens entfernter als je fchien. Die
Unzufriedenheit richtete fich naturgemäß beſonders gegen Holzer,
der in letzter Zeit die Seele der Umjturzpartei gewejen war.
Selbft jein Leben ward bedroht. Holzer, nie von fittlichen
Motiven, fondern immer nur vom Eigennuße geleitet, beachte
fich feinen Augenblid, feine Partei zu wechjeln, wenn ſein In⸗
Berfuch der Überrumpelung Wiens. 173
terefje e8 erforderte. Schon als fich zeigte, daß ber Korneu⸗
burger Vertrag nicht ausgeführt werden würbe, Inüpfte er,
vielleicht mißvergnügt darüber, daß der Erzherzog gegen feinen
Willen die Annahme desjelben durch die Wiener Durchgefegt Hatte,
geheime Unterbandlungen mit dem Kaiſer an, um biefem die
Stadt wieder in feine Hände zu liefern. Doch verlangte er
nicht bloß für fich und die Wiener Amneſtie, fondern auch eine
Geldentſchädigung und eine angefehene Stellung für den Erz-
berzog, um auch diefen leichter zu einem Ablommen zu bewegen.
Längere Zeit führte im Namen des Kaiſers Georg von Schön-
berg, Propft zu Presburg, mit ihm die Unterbandlungen. Nach»
dem dieſe eine Zeit lang gerubt hatten, ließ fie der Sailer
im März 1463 wieder aufnehmen. Nicht eine Entſchädigung
für den Erzherzog, wohl aber eine Belohnung von 6000 Dus
faten für Holzer ward in Ausficht geftellt und mit Diefem die
Ausführung des Planes feitgeftellt.
Am Karſamstag (9. April) früh wurden von Holzer 400
faiferlihe Söldner, Leute des Grafeneders, durch das Stuben»
thor in die Stadt gelafien. Im der Nacht vorher Hatte ber
Dürgermeifter die Näte und angeſehenſten Männer der Ger
meinde, bis 600, dafür gewonnen, indem er ihnen vorftellte,
daß der Erzherzog Söloner beit den Bürgern einquartieren
wolle, um von ihnen Geld zu erpreffen, und daß es notwendig
fet, für ven Schuß der Stabt zu forgen, ohne daß man dem
Fürften die Treue breche. Da den Katjerlichen niemand Wider-
Stand Teiftete, begannen biejelben fich zu zeritreuen.
Der Erzherzog war überrafcht, aber verlor die Befinnung
nit. Er ließ das Volf zu den Waffen rufen, die Stabtthore
fchließen und die Straßen mit Ketten abjperren. Nach furzem
Rampfe wurden die Zaiferlichen Söldner von der Übermacht
bezwungen und die meiften gefangen. Holzer entkam glücklich
aus der Stadt, wurde aber zwei Tage darauf in Nußporf
aufgegriffen und auf Befehl des Erzherzogs am 15. April ge-
vierteilt, fünf feiner Freunde, darumter Odenacker 1), enthauptet,
1) Ihr Todesurteil mitgeteilt von Zeibig, Mitteil. aus dem Kloſter⸗
neuburger Archive, ©. 11, in „Sylvefter-Spenden” (Wien) 1853.
174 Tod des Erzherzogs Albrecht.
viele andere Bürger gefoltert und nur nad Zahlung hoher
Geldſummen begnabigt. Selbſt Frauen wurben in fehnöber
Weiſe mißhanbelt.
Mit noch größerer Heftigkeit als früher entbrannte der
Krieg zwilchen den Anhängern und Sölönerführern des Kaiſers
und denen bes Erzherzogs bejonders zwiichen Wien und Wiener
Neuftabt und auf dem Marchfelde. Um feine Söldner be-
friedigen und die Koften feines verſchwenderiſchen Hofhalts ber
ftreiten zu können, mußte ber Erzherzog nicht bloß viele Ort-
ichaften und Einkünfte verpfänden, fondern er nahm auch wieder
verichtevenen Wiener Bürgern ihr ganzes Vermögen weg unter
dem Vorwande, daß fie kaiſerlich gefinnt feien.
Endlich gelang es den Bemühungen feiner Schweiter, ber
Markgräfin Katharine von Baden, und der Kaiferin Eleonore,
bie beiven feindlichen Brüder vom 1. September an zu einem
Waffenſtillſtand zu bewegen, während bejjen auf einem Land»
tage der Abſchluß eines Friedens angeftrebt werden jollte. Die
Stände erklärten fichb auch bereit, eine bedeutende Steuer zu
bewilfigen, damit die Söldner, ver eigentliche Krebsſchaden Oſter⸗
reichs, bezahlt und abgedankt werden könnten. Aber ein Triebe
fam nicht zuftande, da der Kaifer unter allen Umftänven von
feinem Bruder die Herausgabe von Niederöſterreich verlangte
und jeinerjeit8 fich weigerte, den Wienern unbebingte Amneftie
zu gewähren. An eine Nachgiebigkeit Triebrichg war um fo
weniger zu denken, als mehrere der hervorragendſten diterreicht-
ſchen Adeligen von feinem Bruder abfielen und zu ihm über
traten und feine Lage fich dadurch bebeutend verbefjerte.
Da führte der plögliche Tod des Erzherzogs Albrecht, der
nach furzer Krankheit am 2. Dezember 1463 nach ber Ber-
mutung vieler an Gift, thatſächlich aber wahricheinlih am
Beulentuphus ftarb, eine entfcheivende Wendung herbei. Die
Stände von Öfterreich unter der Enns und nach einigem Zö⸗
gern auch jene bes Landes ob der Enns erlannten nun Fried»
rich al8 Herrn an. Auch die Wiener juchten die GOnade bes
Kaiſers zu gewinnen und erhielten biejelbe unter der Bedingung,
daß fie Die zufammen gejchoffene Burg wieder reftaurierten
Anfängliche günftige Lage Sigmunds von Tirol. 175
und die vertriebenen faiferlich gefinnten Bürger für ihre Ver-
Iufte entichäbigten. Auf Oberöfterreih erhob zwar anfangs
Sigmund von Zirol Anſprüche. Doch gab er diefelben bald
zuguniten des Kaifer auf, da er in einen jehr gefährlichen
Streit mit dem Bilchofe von Brixen und dem Papſte ver-
widelt war !).
m — — —
Drittes Kapitel.
Der Streit Sigmunds von Tirol mit dem Biſchofe
von Brixen. — Krieg mit den Schweizern.
Die erſten Jahre der Regierung Sigmunds, der endlich
im Jahre 1446 von feinem Vormunde, dem Könige Friedrich
nach Zirol entlafjen worden war, ſchienen für dieſes Land eine
glüdliche Zukunft zu veriprechen 2).
Der junge, talentvolle und liebenswürdige Fürft, ber nicht
nur in allen ritterliben Künſten bervorragte, jondern auch
Sinn für Wiſſenſchaft und Kunft zeigte, war allgemein beliebt,
und das Land erfreute fich einer ungeftörten Ruhe, was noch
eine Folge bes kräftigen Auftretens feines Vaters war. Der
legte der DVBerbannten, Wilhelm von Starlenberg (Ulrich war
im. Auslande gejtorben), durfte nach Tirol zurüdkehren, und
erhielt einen Teil ver Befiungen feines Haufes zurüd.
Mit den Kirchenfürften, den Bilchöfen von Trient und
Driren, ftand Sigmund in den beiten Beziehungen, weil bort
Männer auf den biichöflichen Stühlen faßen, welche fich ruhig
1) Über die Vorgänge in Ofterreih nah H. Albrechts Tode f. Bach⸗
mann, Reichsgefchichte I, 503—519.
2) ©. darüber 3. Egger, Geſchichte Tirols I, 544ff. A. Jäger,
Geſchichte der landſtändiſchen Berfaffung Zirols II, 1, 70ff.
176 Die Biſchöfe von Trient und Brixen.
in das Verhältnis der Abhängigkeit von Tirol fügten, in. das
ihre Hochitifter gefommen waren. Nachdem im Jahre 1444
das Gebiet von Trient durch die tiroliihen Stände beſetzt
worben war, weil die Einwohner nicht mit ihnen gemeinjame
Sade gegen ben König machen wollten, gab der Tod des
Biſchofs Alerander von Mafovien am 2. Juni 1444 und die
doppelte Beiegung des Bistums durch Wahl des Domkapitels
und durch Ernennung des Papfte8 dem Herzoge Sigmund Ge»
legenheit, das Trientneriiche ganz in feine Hände zu bringen.
Er bewog nämlich Die beiden Rivalen noch im Jahre 1446
ihre Anſprüche in feine Hände zu vefignieren und brachte dann
das Bafeler Konzil dahin, einen ibm ganz ergebenen und füg-
ſamen Mann, Georg Hade, Bruder feines Marihalis, zum
Biihofe zu ernennen, die weltlihe Verwaltung des Stifts-
gebietes aber auf fünf Jahre ihm zu übertragen. Der Bilchof
von Brixen, Johann Nöttel, ſchon während der VBormundfchafts-
jtreitigfeiten ein eifriger Vertreter der Rechte Sigmunds, nahm
wie mehrere feiner Vorgänger da8 Amt eines Kanzlers des
Herzogs an, woburd er ganz an das Intereſſe desſelben ge-
fettet wurde.
Das eben am Beginn der Regierung Siegmunds entdedte
Silberbergwerf beit Schwaz bot eine jo reiche Ausbeute !), daß
ipätere Schriftfteller diefem Herzoge den Beinamen des Münz-
teichen gegeben baben.
Reich war num allerdings Sigmund nicht, im Gegenteil
fehr oft im Geldverlegenheit. Die großen Summen, die er
infolge der Verträge von 1446 und 1450 an den König
Friedrich und deffen Bruder Albrecht zahlen mußte ?), laſteten
fchwer auf dem Lande. Dann faufte er 1451 von der Marl
1) Die Aufzeihnungen aus den erfien Sahren find Teiber verloren.
Aber von 1471—1499 hat Georg Andorfer bloß vom Falkenſtein bei
Schwaz (e8 gab neben biefem im derjelben Gegend noch andere ergiebige
Stollen) 998500 Markt Silber gebramt. Jäger a. a. O., ©. 87f.,
und vefien „Beitrag zur tirolifch = falzburgiihen Bergwerksgeſchichte“ im
„Archiv f. öfterr. Geſch.“ LIII, 343 ff. 431ff.
2) ©. oben, S. 56.
Die beiden Grabner. 177
gräfin Elifabetb von Hochberg, einer geborenen Gräfin von
Montfort, um 35592 rheiniſche Goldgulden die Hälfte ber
Stadt Bregenz mit dem vorberen Bregenzer Walde und ber
Herriaft Hoheneck im Allgäu?). Auch verftand Sigmund,
ein weicher, umjelbitändiger Charakter, nicht hauszuhalten und
war viel zu freigebig und verfchwenderifh. Namentlich Tieß
er fi von feinen beiden Günftlingen Wiguleis und Bernhard
Grabner ausbeuten, fteirifchen Edelleuten, die er mit ſich nad
Tirol gebracht Hatte ). Nachdem er diefen zunächit mehrere
Herrichaften und Güter zur Verwaltung oder als Lehen übers
tragen hatte, waren fie bald in der Lage, ihm gegen ent-
- fprechende Vergütung hohe Geldfummen vorzuftreden. Bloß
in den Jahren 1451 und 1453 lieben fie ihn mehr als
100000 Goldgulden, wofür er ihnen einen großen Zeil von
Vorarlberg und Valſugana verpfändete. Selbſt der Biſchof
von Trient wurbe bewogen, ihnen zwei der feiteften Schlöffer
mit den dazu gehörigen Herrichaften zu übertragen. Dies und
die Verpfändung zahlreicher anderer Gebiete in Vorarlberg und
Schwaben an die Truchſeſſen von Walbburg bewogen endlich
den Erzherzog Albrecht gegen Sigmunds Günftlinge einzu«
fchreiten, die auch ſonſt bei feinen Verhandlungen mit feinen
Better jeinen Wünfchen entgegenarbeiteten. Er wendete ſich 1455
mit jeinen Klagen an die Stände von Tirol, welchen dieſe
Tremplinge ſchon lange verbaßt waren, um den Sturz der-
felben herbeizuführen. Sigmund wurde durch den tirolifchen
Landtag gezwungen, die Gradner nicht bloß aus feinem Rate,
fondern auh aus feinen Ländern zu entfernen und die ihnen
überlaffenen Schlöffer zurücdzufordern. Doch rüftete fi Bern-
1) Chmel, Materialien I, 2, 349. Das dem Grafen Ulrih von
Cilli 1459 verſprochenen Darlehen von 200000 Dukaten iſt wohl nicht
wirklich ausgezahlt worden, da Sigmund nie in den Befig der ihm bafür
verpfändeten Graffchaft Ortenburg in Kärnten (F. R. Austr. Dipl. II,
175) gekommen zu fein fcheint.
2) A. Jäger, Die Fehde der Brüder Vigilius und Bernhard Grabner
gegen den H. Sigmund von Tirol. Aus den „Denkfchriiten der kaiſerl
Alad.”, 9. Bd.) 1859.
Huber, Geſchichte ſterreiche. M. 12
178 Nitolaus von Cuſa, Biſchof von Briren.
hard zu energiſcher Gegenwehr und konnte erjt nach langer
Belagerung im Herbſte 1456 durch ein tiroliiches Heer unter
Anführung des Biſchofs Georg von Trient ‚zur Übergabe des
Schloſſes Bejeno bei Calliano (zwiſchen Zrient und Roverebo)
gezwungen werben. Obwohl ihm in dem mit dem Bilchofe
geichloffenen Bertrage ein Zeil feiner tiroliſchen Befigungen
zugefichert warb, flo er doch mit feinem Bruder nach ber
Schweiz, und beide wurden Bürger von Zürich, wo fie [päter
nicht ohne Erfolg die Eidgenoffen zu Feindſeligkeiten gegen den
Herzog aufreizten.
Noch wichtiger und von den berhängnisvollſten Folgen für
Tirol und das Haus Oſterreich begleitet iſt der Streit des
Herzogs Sigmund mit dem Kardinal Nikolaus von Cuſa,
Biſchofe von Brixen ).
Nikolaus Krebs von Cues an der Moſel, ein Mann von
niedriger Herkunft aber einer der gelehrteſten und tiefſinnigſten
Schriftſteller ſeiner Zeit, war anfangs einer der Vorkämpfer
für eine Kirchenreform, wie fie die Konzilien des 15. Jahr⸗
hunderts anftrebten, fpäter aber ein ebenfo entſchiedener Gegner
der in Baſel verfammelten Väter geweien. Zum Lohne dafür
wurbe er vom Papfte Nikolaus V. 1448 zum Kardinal, und
1450 gegen das kaum gefchloffene. Wiener Konkordat mit Um⸗
gehung des Wahlrechts des Domkapitels zum Biichofe von Brixen
ernannt, wogegen jowohl das Kapitel als auch der Herzog
proteftierten. - Erſt 1452 gelangte er in ben Befig feines
Hochitiftes.
Beitand jo von vornherein ein etwas geipanntes Verhält⸗
nis zwilchen dem Bilchofe und dem Herzoge, jo wurbe basjelbe
durch das Auftreten des Cuſaners in wenigen Sahren noch
mehr verichlimmert, obwohl Sigmund eine Zeit lang beutlich
das Streben an ven Tag legte, mit demſelben freundfchaftliche
Beziehungen zu unterhalten. Während er den Antrag des
1) Mit der fehr eingehenden und gründlichen Darftellung bei A. Säger,
Der Streit des Cardinals Nicolaus von Eufa mit bem Herzog Sigmund
von Öfterreich als Grafen von Tirol (2 Bde. Innsbruck 1861), iſt auch
©. Boigt, Enea Silvio III, 303—421 zu vergleichen.
Defien Auftreten gegen das Klofter Sonnenburg und den H. Sigmund. 179
Herzogs, wie mehrere feiner Vorgänger als Kanzler und Nat
in feinen Dienft zu treten, ablehnte, machte er bemjelben her⸗
gebrachte Batronatsrechte ftreitig und fuchte verichiebene Be⸗
ftimmungen der alten Privilegien feines Bistums, bie den
Rechten des Landesheren nachteilig waren, zur Geltung zu
bringen. Zugleich entfrembete er ſich das Volt durch Eingriffe
in alte Gebräuche und verlegte einzelne Aoelsgefchlechter, indem
er Schlöffer und Herrichaften feiner Kirche, welche dieſen ſeit
langem verpfändet waren, zuruͤcklöſen wollte. Als das Nonnen-
Hofter Sonnenburg bei Bruned mit feinen Unterthanen in einen
Streit verwidelt wurde und die Äbtiſſin Berena von Stuben
die Sache an den Herzog als Vogt und Landesfürjten brachte,
verbot ihr dies der Biſchof, der bie Vogtei und oberfte Ges
richtSbarkeit über das Klofter mit Unrecht für fich in Anipruch
nahm. Er benugte dann den Umftand, daß er vom Papfte
mit einer Reform der Klöfter in Deutichland beauftragt war,
um burch Einführung der ftrengften Klauſur den Nonnen jeden
Verkehr mit ihren Amtleuten und Unterthanen wie mit ber
tirolifhen Regierung und damit zugleich die Ausübung aller
weltlichen Rechte unmöglich zu machen. Da eben deswegen bie
Abtiſſin fich jeinen Neformen nicht fügte, wurde fie mit ihren
Mitichweftern 1455 gebannt umb abgejegt und endlich im Jahre
1458 gar mit Waffengewalt aus dem Klofter vertrieben.
Nachftellungen, welche dem Kardinal im Sommer 1457
auf einer Reife von Innsbruck nad Briren ein von ihm bes
einträchtigter Adeliger bereiten wollte, aber auf Befehl des
Herzogs unterließ und ‘welche die überjpannte Phantafie des
furchtfamen Karbinals ing Maßloſe vergrößerte, legte dieſer
ganz mit Unrecht dem Herzoge felbjt zur Laſt. Er floh nun
wegen ber angeblich feinem Leben vonfelte des Herzogs drohen⸗
den Gefahren auf das feſte Schloß Anpraz in Buchenftein,
warb im Benetianifchen Söldner zu feinem Schuge und ver-
Hogte Sigmund beim Papfte Calixt III., daß er ihn habe
fangen, ja fogar ums Leben bringen wollen. Er eriwirkte auch
wirklich ein päpftliches Schreiben, durch welches Sigmund mit
dem Banne und feine Länder mit dem Interbilt bebroht wurden,
12*
480 . . Forderungen: bes.:iBifchofß: Nilolaus.
mennier. ben:. Kardinal nicht: binnen: .:acht. Tagen in Freiheit
ſegte: Natürlich proteſtierte der Herzog gegen die Verhängung
einer Strafe, ohne daß man ihn verhört oder auch nur: vor⸗
geladen hube, und appellierte an den beſſer zu; unterrichtenden
Papit, indem er zugleich dem Viſchofe in einer eigenen Ur⸗
lunde volle Sicherheit garantierte.
Diefe angeblichen Nachſtellungen veranlaften ben Kardinal
im: Hexbſte 1467 zur Forderung, der Herzog ſolle ihm zu
ſeinerSicherheit die rings um Brixen gelegenen Schlöſſer und
Gerichte Rodeneck, Velthurus und Gufidaun abtreten. Er unter⸗
ſtuͤtzte dieſe Forderung ‘damit; daß er eigentlich viel mehr zu
verlangen berechtigt wäre, da die Herrſchaft und die Landgerichte
allenthalben im. Bistum Vrixen, im Ober⸗ und Unterinnthale,
im Pufſterthale und im: Norithale (Eiſackthale) bis zur Grenze
der Drientner Diözeſe wie alle Erz⸗ und Salzbergwerke ver
biſchöflichen Kirche als Eigentum gehörten, ven Grafen von
Tirol nur als Lehen verliehen und ihr Beſitz wegen verſäumter
Einholung der Belehnung vonſeite des Herzogs Sigmund ver⸗
wirktworden wäre. Bei weiteren. Unterhandlungen verlangt
er auch geradezu, daß der Biſchof als wahrer Herr des. Ann⸗
thales und Norithales anerkannt und alle Beſitzungen, welche
»der Herzog. Sigmund in dieſen Thälern von der Brixener
Kirche innehabe, als heimgefallene Lehen dieſer wieder. heraus⸗
gegeben werden follten. . Der Kardinal kam alſo auf die Rechts⸗
verhüliniſſe zurück, wie ſie einſt allerdings beſtanden ‚hatten,
welche aber durch die geſchichtliche Entwickelung mehrerer Jahre
hunderte und durch iehlreiche Berträge vollſtändig geändert
worden "waren.
Diefe Antnutaingen. mußten natutlich beim Herzoge Sigmund
wie bei:.dew Tirolern ungeheures Staunen und nicht geringe
Erbitterung :beruorrufen, und an biefem Punkte mußte auch
die Vermittelung des neuen Papfte® Pius II. ſcheitern, der
dem Herzoge in feiner Iugenb periönlich nahe geſtanden war.
: Denn wenn. auch Sigmund bereit war, alle® zu leilten, was
fein Vater geleijtet Hatte, . jo: wollte er bach: von dem, was
dieſer innegehabt, nichts aus. den Händen Tafien. Dem Papite
Seine Gefaugennehmung durch H. Sigmund. Wi
ertlaͤrte er übrigens auf dem Kongreſſe in Mantna, er: habe
an ihn nur appelliert, um. Schutz gegen den Mißbrauch ber
geiftlichen Macht des Biſchofs zu erlangen, nicht aber. meltlicher
Angelegenheiten wegen, beren Endigelbung v0, $ ben Bier ober
weltliche Richter gehͤödꝛe. :
Noch während der Verhandlungen machte ber Kardinal ben
Berluch, eine jeiner Yorderungen praktiſch burchzuführen, inbem
er die Knappen des Herzogs aus dem zwiſchen ihnen ftreitigen
Silberbergwerke Garnitein bei Elaufen mit Waffengewalt ver-
trieb. Da er zugleich das. vom Bapfte proviſoriſch aufgehobene
Interdikt Ende März 1460 auf. einer. Berfammlung feiner
©eiftlichfeit in Bruneck ernenerte und dent Herzoge drohte, er
werbe, wenn er buch Güte nichts audrichte, alle Brixner
Zehen, d. 5. nach feiner Auffafiung den größten Teil von Tirol,
dem Kaiſer übertragen, va faßte Sigmund ben verhängnis⸗
vollen Entichluß, den Angriffen des Biſchofs auf feine landes⸗
berrlichen Rechte mit Gewalt ein Ende zu machen.
Am Ofterfonntage (13. April) 1460 ließ der Herzog ben
Kardinal in Bruneck überfallen und einfchließen, zwei: Tage
Darauf folgte er jelbft mit zahlreichen Truppen und Belagerungsd-
geſchützen. Schon am folgenden Tage ſah ſich der Kardinal
unter Vermittlung feiner Domberren zur Übergabe bes feften
Schloſſes Bruned und zu einem ungünftigen Vertrage gezwungen.
Er mußte verjprechen, das Interdikt, ſoweit e8 auf. ihn an⸗
fomme, aufzuheben, alle Anfprüche auf die ererbten Beſitzungen
des Herzogs, fo Lange er lebe, ruhen zu laſſen, die Herrſchaft
Taufers, die er vom. Herzoge um :15000 Goldgnulden ger
lauft hatte, unentgeltlich zurückzugeben, ihm eine Schuld von
3000: Gulden :nachzulaffen. und. außerdem 10000 Gulden
Schadenerſatz zu zahlen und enblich bie Verwaltung feiner
Städte und Burgen dem Domtapitel zu überlaffen. Zugleich
- mußte er fich verpflichten, beim Papſte dahin zu wirken, baß
auch diefer das früher ausgeiprochene Interbilt mit feinen Bolgen
als abgethan anjehe und über den Herzog wegen dieſes Übers
fall8 keine neuen Strafen verhänge.
Kaum war aber der Herzog abgezogen, fo floh ver aardinal
182 VBerhängung von Bann mb Interbitt.
nah Italien, erklärte alle feine Zugeſtändniſſe für ungültig,
weil erzwungen, und forderte die Zurüditellung alles deſſen,
was feiner Kirche entriffen worben wäre. Der Papft auf das
äußerte erbittert über dieſen Angriff auf einen Kardinal und
die Güter der Brirner Fire, lud den Herzog zur Ver⸗
antwortung vor feinen Richterſtuhl. ALS ftatt des Herzogs
ein Bevollmächtigter desſelben, Dr. Lorenz Blumenau, eine
von Sigmund und 42 Äbten, Pfarrern und Vilaren unter
ichriebene Appellation „von dem fchlecht unterrichteter an ben
befjer zu unterrichtenden Papft“ überreichte, ſprach Pius IL
am 8. Auguſt 1460 den Bann aus über den Herzog und
alle feine Helfer, erklärte fie für infam und bürgerlich tot, und
alle ihre Güter der Kirche verfallen, verhängte über alle Länder
und Herrſchaften Sigmunds und feiner Mitſchuldigen das
Interdift und verbot allen Verkehr und allen Handel und
Wandel mit denjelben. Gegen Sigmunds Geſandten ließ der’
Kardinal Cuſanus einen Kekerprozeß einleiten und ihn unter
Auffiht von Wachen ftellen. Nur mit Lebensgefahr konnte
Blumenau nad) Tirol zurücgelangen. Ä
Um diefelbe Zeit erichien am Hofe zu Innsbrud ein Dann,
ber den Herzog Sigmund jchon früher wiederholt mit feinem
Rate unterftügt hatte und fortan enticheivend in ven Gang
biejer Streitigfeiten eingriff, nämlich Gregor Heimburg aus
Schweinfurt, lange Zeit Syndikus der Stadt Nilrnberg.
Heimburg, ein Dann von den glänzenditen Fähigleiten, veich
an Renntniffen und ein ſehr gewandter und fchlagfertiger Schrift.
fteller, war fchon längſt ein Hauptvorlämpfer ber Tirchlichen
Neformpartei Deutichlands, wobei er in timmer- entichiedenere
Oppofition gegen bie römtiche Kurie und das Bapfttum ge
treten war. Wir finden ihn. überall dort, wo es galt, gegen
bie politiiche Stellung und die finanziellen Anſprüche ver Päpfte
anzufämpfen. Er ift fortan auch das Organ Sigmunds von
Zirol in feinem Streite mit dem Papfte und dem Kardinal
Cuſanus.
Heimburgs Ankunft in Innsbruck machte ſich gleich bemerk⸗
lich in einem vom 13. Auguſt datierten Manifeſt des Herzogs
Peinzipielle Bedeutung des Gtreites. 158
an alle Epriftgläubigen und an alle Fürften, welche als Beſitzer
von Vogteien und ded Schutzrechtes über Kirchen und Prälaten
die gleichen Jutereſſen baben, wie er, und in einer Appellation:
am den Binftigen römiſchen Papft und an ein allgemeines Konzil.
Als dann Blumenau zurüdlam und berichtete, daß ver Bann⸗
fluch wirklich ausgeſprochen worden ſei, erneuerte der Herzog
bie Appellation und erklärte alle vom Papſte verhängten kirch⸗
lichen Strafen für ungerecht, für null und nichtig.
War der Kampf anfangs aus dem Streite über rein welt-
liche Dinge entftanden, über die Frage, ob die Landeshoheit des
Grafen von Tirol, wie fie fich geichichtlich herausgebildet hatte,
anerlannt werden müffe, oder ob der Biſchof von Briren bag
Recht babe, auf feine feit dem breizehnten Jahrhundert ganz
anßer Kraft geſetzten Privilegien zurüczugreifen, fo war er jet
anf ein ganz anderes Feld, auf das Firchliche Übertragen. Jetzt
handelte e8 ſich darum, ob Kirchenftrafen, die der Papft aus-
fpreche, unbedingt gültig ſeien, auch dann, wenn fie zu rein
weltlichen Zweden verhängt würben, wenn ber Papft felbft
Partei wäre. Dieſe Trage war bisher durch die Verbältniffe
oft nahe gelegt, aber noch nie jo Har geftellt, um fo weniger
gelöft worden. Es war ein Prinzipienftreit von größter Wichtig-
feit, ımb daher wurde er auch mit einer jo ungemeinen Heftig⸗
feit und Leidenſchaftlichkeit geführt.
Der Papit und der Kardinal entwidelten eine ungebeure
Thätigkeit, um ben Kirchenſtrafen auch bie entiprechende Wirkung
zu verfchaffen. Sie forderten den Raifer, mit dem Sigmund
noch nie auf gutem Fuße geftanden, auf, Tirol in Befig zu
nehmen, die Schweizer, Sigmunds Länder anzugreifen, die
Fürften und Städte, allen Verkehr mit Tirol abzubrechen, um
durch dieſe Hundelsiperre das Land zu ruinieren und infolge
defien zum Aufitande gegen jeinen Fürſten zu treiben. Zu
diefem Zwecke wurden felbft Raubritter gedungen, um den mit
Zirol verlehrenden Kaufleuten aufzulauern. Aber nirgends
als bei den Erbfeinden des Haufes Habsburg, den Eidgenoſſen,
hatten dieje Bemühungen Erfolg. Geiftlihe und weltliche
Fürſten erflärten fih für Sigmund over blieben wenigſtens
24 Steigenbe Erbiturung des Streites.
taub gegen alle Ermahnungen des Papftes; bie meiſten lichen
nicht einmal die päpſtlichen Strafhullen publizieren. In Tirol
ſtand nicht bloß das ganze Volfk ſondern auch. der bei weitem
größte. Teil. der Geiſtlichkeit auf der Seite des Herzog8.
Dao iufolge deſſen Sigmund auch nichts that, um bie Ver⸗
zeihung bes Papſtes zu erlangen; jo beſchloß dieſer nach energiſchere
Schritte zu unternehnen. Am' 28. Januar 1461 lud ex den
Herzog. Sigmund, „des Satans vorzüglichſtes Glied“, beit
Biſchof Georg: von Trient, Gregor Heimburg und Lorenz
Blumenau, die Räte und Hausgenoſſen des Herzogs, mehrere
Pralaten, die Brixner Domherren, alle Pfarrer und Geiſt⸗
lichen, welche gegen das Interdilt eine gottesdienſtliche Hand⸗
Yung verrichtet, wie alle Unterthanen Sigmunds, die einer ſolchen
beigewohnt, binnen fünfzig Tagen vor ſeinen Richterſtuhl
nach Rom, um ſich über ihre Rechtgläubigleit namentlich bes
züglich des Glaubens „an eine heilige, katholiſche und apoſtoliſche
Kirche” zu verantworten. Zur Verlündigung dieſer Bullen in
ben an Tirol angrenzenden Ländern wurden Franziskanermönche
ausgeſendet, die beſonders eifrig uud: xeigret ſchienen, auf die
Maſſe des Volkes zu wirken.
—Wiele Geiſtliche und Laien wendeten. ſich jetzt auch wirllich
mit. der Bitte um Abjolution- nach. Rom, nicht aber der Herzog
und das: Brixner Domkapitel, nicht-der 'größte. Teil der Unter«
thanen. Heimburg griff. in. einzelner Streitichriften und in
einer im Namen des Herzogs verfaßten -Wppellation den Papft
und feine Verfügungen immer heftiger an und überjchüttete
namentlid „Die ſummariſche Vorladung non mehr. alö hundert⸗
taufenb“ Menichen ohne Unterſchied des Gefchlechtes, Alters,
Krankheit oder Geſundheit, Kiadheit; Zugend, Verſtand oder
Unverfſtand“ mit der Lauge ſeines Spottes. Auch der Herzog
ſelbſt wurde in dem Dinge rückfichtsloſer, als der Papſt ſich
eifxiger: zeigte, ihhm Feinde zu exwecken. Er konfiszierte bie
Guter und Einkünfte ausländiſcher Kirchen, welche den päpft⸗
lichen Befehlen. Gehorſam leiſteten, ließ das erbitterte Volt
gegen Geiſtliche los, die das Interdikt beobachteten, und ſchaffte
bie 31. Monnen des Clariſſenlloſters in Brixen, welche dasſelbe
Endlicher Abflug des Friedens. 186
thaten, kt ihren geiſtlichen Beratern ſaͤmtlich aus dem PLande
Umgekehrt ließ der Papſt am 12. Februar 1462 bie‘ Vöor⸗
ladung des Herzogs, des Biſchofs von Trient, der tiroliſchen
Geiſtlichen und der Unterthanen Sigmundo erneuern mit Der
Erklärung, daß alle: für Ketzer erllart werben wiürden⸗ die
binnen: fünfzig Tagen nicht erſchienen.
Doch kam e8 nicht zu dieſem extremen Schritte, ber vie
Tiroler ‘mit dem Schickſale der Albigenfer und Huſiten bedrohte:
Berichievene Yürften hatten von Anfang: an das Vorgehen des
Bapftes mißbilligt, miehrere wie der Kardinalbiſchof von Auge⸗
burg und der Herzog Ludwig von: Baiern ſchon im Sommiet
1861: eine Ausföhnmg zuſtande zu Bringen verfucht. Auch
der Doge von Venedig bot fich als Vermittler an und brachte
es ‚dahin, daß beide Parteien: ihn als folchen anerlannten. Aber
die Verhandlungen, welche. fich mehr als anderthalb Jahre hin⸗
zozen, biieben erfolglos. Der PBapft forderte als notwendige
Vorbedingung der Aufhebung ber. Hrchlichen Strafen, daß Herzog
Sigmund um feine Losſprechung bitte; Diefer aber: wies eine
ſolche Zumutung ftets als eine Verlegung feiner Ehre zurück.
Denn durch die Abbitte würde er erflären, daß er wirklich im
Ban ſei; das fet er aber nicht, da berfelbe mit Unrecht über
ihn ausgefprochen worden und daher ungültig und unwirkſam
ſei. &r verlangte daher, daß der Papft einfach alle kirchlichen
Strafen zurücknehme. Da eine Einigung in dieſer prinzipiell
wichtigften Frage unmöglich ſchien, fo wurden bie Unterhaud⸗
lungen im Sommer 1468 abgebrothen. ' |
Da nahm fich endlich der Kaifer der Sache an, beſonders
nachdem Sigmund auf die Etbſchaft des Erzherzogs Albrecht
zu ſeinen Gunſten verzichtet hatte. "Dev Tod des Paͤpſtes
Bins II. und ‘des Kardinals Cuſanus, von denen der leßtere
am 11., ber erftere am: 14. Auguſt 1464 aus dem Leben
ſchieden, erleichterte den Abſchluß des Friebens. Sigmund
brauchte ſich perſönlich gar nicht zu demültigen, ſondern auf
Grund einer Vollmacht desſelben bat der Kaiſer für ſeinen
Vetter am 2. September den: päpfllichen Legaten um Ver⸗
zeihmg und Abſolution, worauf dieſer den Herzog vom
186 H. Sigmunds Krieg mit den Schweizern.
Banne und allen lirchlichen Strafen losſprach und das Interdikt
aufhob.
Mit Recht ſahen die Anhänger des Kardinals in der Art
und Weiſe, wie dieſer Streit beendet wurde, eine Niederlage
der kirchlichen Partei. Nachdem man ſo oft erklärt hatte, daß
es ſich hier um das Anſehen und die Freiheit der Kirche, um
die ganze Autorität des päpſtlichen Stuhles handle, nachdem
alle, ſelbſt die ſtrengſten Mittel der kirchlichen Strafgewalt in
Bewegung geſetzt worden waren, war dieſer Ausgang, wo der
Hauptſchuldige ganz ungeſtraft blieb, freilich in keiner Weiſe
befriedigend, man kann vielmehr ſagen, daß Sigmund als Ver⸗
treter der Staatsgewalt ſiegreich aus dem ſchweren Kampfe
hervorgegangen ſei.
Indirekt freilich hatte dieſer gonflikt für Sigmund und
das Haus Habsburg Verluſte zur Folge gehabt.
Schon im Herbſte 1458 hatten demſelben die Eidgenoſſen
mitten im Frieden die Stadt Rapperſchwyl weggenommen.
Doch war 'es damals den Bemühungen mehrerer Fürſten be⸗
ſonders des Königs von Frankreich und des Papſtes gelungen,
einen Krieg zu verhindern und eine Erneuerung des 1412 ges
ſchloſſenen fünfzigjährigen Friedens herbeizuführen. Aber gerade
der PBapft wechjelte auf die Nachricht vom Überfalle des Kar-
dinals Cuſanus in Bruned feine Haltung. In den Schweizern
glaubte er bie geeignetften und bereitwilligiten Werkzeuge zur
Vollſtreckung der kirchlichen Strafurtetle finden zu können, und
er forderte diefe, „feine beſonders geltebten Söhne”, wiederholt
auf, gegen den von der Kirche gebannten Herzog die Waffen
zu ergreifen. - Auch die Grabner pegten befonbers in Zũrich
gegen ihren früheren Gönner.
Die Eidgenoſſen, in ihrer Politik damals nur vom Eigen⸗
nutze geleitet, ſchlugen noch im Herbſte 1460 los. Sie er⸗
oberten Wallenſtadt, den Reſt des Sarganſerlandes und den
ganzen Thurgau und brandſchatzten einen großen Teil von Vor⸗
arlberg. Herzog Sigmund mußte unter den damaligen Ver⸗
bältniffen frob jein, daß die Biichäfe von Konſtanz und Bajel
zum großen Ärger des Papftes am 7. Dezember 1460 einen
Folgen ber Kompalten für Böhmen. 187
Waffenſtillſtand vermittelten, worauf am 1. Yumt 1461 auf
Grundlage des augenblidlichen Befigftandes ein fünfzehnjähriger
Friede gejchloffen wurde. Als die Schweizer ihren Zweck er»
reicht hatten, Liegen fie fich Durch feine Ermahnungen und ta»
beinden Schreiben des Papſtes beivegen, den Krieg fortzufüßren !).
Da. im Jahre 1452 auch das ijolierte Freiburg im Ochtlande
fich von Oſterreich losgeriſſen und dem Herzoge von Savoyen
angeſchloſſen hatte, um dann ſpäter in die Eidgenoſſenſchaft zu
treten, ſo waren bis auf Winterthur, das ſich im letzten Kriege
heldenmütig gegen die Angriffe der Schweizer verteidigt hatte,
able Befigungen links vom Oberrhein und ſüdlich won Bodenſee
für DOfterreich verloren. Auch Winterthur verpfändete Herzog
Sigmund 1467 um 10000 Goldgulden an die Stadt Zürich.
Diertes Kapitel.
Georg von Böhmen und Matthias von Ungarn.
Saft um diejelbe Zeit, wo der Herzog Sigmund von Tirol
ben fchweren Streit mit ber kirchlichen Gewalt zu beftehen
batte, brach auch in Böhmen der Kampf mit dem Papfttum
und befjen Verteidigern wieder auß.
Die Kompaltaten, bie 1433 zwilchen den Böhmen und dem
Konzil von Baſel abgejchloffen worden waren, hatten wohl zu-
nächjt dem Kriege ein Ende gemacht, aber die Berhältnifje in
Böhmen felbft wie die Beziehungen desfelben zur Kirche und
zu ihren Nachbarn auf feine fefte Grundlage geftellt. Der
1) 9. Jäger a. a. ©. II, 72ff. 111f. 125ff. 1427. 161 ff. 170. 179.
213ff. Jäger, Fehde der Grabner, in „Denkjchriften” IX, 279 ff. Dal.
®. Meyer v. Knonau, Aus mittleren und neueren Jahrhunderten,
S. 96 fl.
488 Uiröguihten' inud Katholiten.
gzröͤßte Teil der utraqutfitichen Böftnen wat mit den Kompat-
taten, deren wichtigfter Bunt der Laienkelch war, nicht zufrieven.
Sie verlangten außerdem die Kinderkommunion und kamen auch
fonft ben Beitimmtungen der Kompaltaten nicht genau nah.
Ihre Priefter unterließer «8, nach der Vorſchrift derſelben bei
der Austeilurig bes Sakraͤmentes unter Beiden Geftalten daran
zu erinnern, daß Chriſtus auch unter einer Geftalt ganz gegen-
wärtig und ber Kelch nicht zum Heile notwendig ſei, ja, fie
verbammiten Diejenigen, weldde die Kommunion unter einer
Geſtalt empfingen. Sie verwarfen nicht bloß manche kirchliche
Zeremonieen, ſondern leugneten auch das Fegefeuer, die Nütz⸗
lichkeit der Gebete für Verſtorbene, den Ablaß und die Zu-
Iäffigfeit der Heiligenbilder. Sie galten daher ben eifrigeren
Katholifen immer als Reber, obwohl Rokycana und feine Bartei
gegen alle weiter links ftehenden Utraquiften, wie die Taboriten
und die fogenannten Pilarven, ſehr ftrenge verfuhren und Kerker
und Tortur gegen ſie in Anwendung brachten. Rokycana zahlte
ben Ratholilen ihren Haß gegen die Hufiten reichlich heim.
Mit den katholiſchen Prieftern in Prag Hatte er immer-
währenden Streit. Auf feinen Antrieb wurden 1459 im
Namen des Königs in Prag und anderen utraquiftifchen Städten
zwei Verorbrüngen publiziert, wonach dort niemand in das
Bürgerrecht oder in eine Zunft aufgenommen oder zu einem
‚Handwerk zugelaffen werden, niemand eine Erbſchaft antreten
oder Eigentum erwerben, ja niemand Hrchlich getraut oder im
geiveihten Erdreich begraben werben follte, der nicht einen Eid
Ieiftete, daß er die Kommunion unter beiden Geftalten empfangen
und babei bleiben wolle !). Mochte der König noch fo fehr
wänfchen, daß beide Religionsparteien in feinem Reiche friedlich
1) Auf biefe Haltung Rokyeanas und ber utraquiftifhen Geiftlichen,
von Balady wie von dem hinter Palady an Solibität der Forſchung
- Übrigens weit zurädfiehenden M. Jordan, Das Königtum Georgs von
Podobrad (Leipzig 1861), ignoriert, hat G. Voigt, Georg von Böhmen,
ber Huffitenkönig, in v. Sybels „Hiflor. Zeitfchrift” V, 430 ff. auimerf-
fam gemacht. Vgl. Bachmann, Böhmen und ſeine Nachbarländer,
S. 282ff. |
Haltung der bbhmiſchen Katholiken. 198
fuſpendiert erllärte und dem Könige Meineid vorwarf, wert
er feinen bei der Krönung geleilteten VBerfprechungen nicht nach⸗
däme, ließ er einlerkern, obichon dieſer nicht einfach Löniglicher
Beamter. war, jondern jetzt als päpftlicher Legat zu ihm ge-
fommen war :und als ſolcher unter dem Schube bes Völker⸗
rechts ſtand ). Dies konnte nur als offener Bruch mit dem
Papfte angefeben werden. Xrotbem nahm Georg auch in ber
folgenden Zeit feine fo feſte Haltung ein, wie gleichzeitig Sig⸗
mund bon Tirol, Er fühlte fich eben im Innern nicht fo
Sicher wie diefer. Während die Tiroler ohne Ausnahme un-
entwegt zu ihrem Herzoge ftanden, konnte Georg nicht fo feft
auf feine Unterthanen bauen. Nicht bloß Die Breslauer waren
ihm feindlich; auch ein Teil der böhmifchen Großen nahm eine
bedenkliche Haltung ein. Als der König in der VBerfammlung
des 12. Auguſt an die Anweſenden die Frage richtete, ob fie
ihm beiftehen würden, wenn er wegen ber Kompaftaten mit
jemandem in Kampf geriete, ba fagte dies zwar Koftla von
Boftupie im Namen der Utraquiften zu. Aber der Wortführer
ver Katholiken, der Dberjtburggraf Zdenko von Sternberg, er-
Härte nach) einer Beratung feiner &laubensgenoffen: fie würben,
wenn es fih um die Ehre und Nechte der Krone handle, fich
verbalten, wie es treuen Unterthanen gezieme; mit den Kompal⸗
toten hätten fie nie etwas zu fchaffen gehabt; wie der König
wollten auch fie dem Glauben ihrer Väter treu bleiben und
fih nicht von der römischen Kirche trennen; ba der König ohne
ihren Rat beichloffen habe, die Kompaktaten zu fchügen, fo
mögen ihm auch diejenigen dabei helfen, die ihm dazu geraten
haben und ihrer bedürfen. ‘Diefelbe Erklärung wiederholte im
Namen ver Katholiken auf eine neue Anfrage des Königs ber
Biſchof Joſt von Breslau am folgenden Tage. Der Verſuch
Georgs, das ganze Reich zur Verteidigung der Kompaltaten
zu verpflichten, war vollftändig mißlungen.
Georg glaubte auch jet noch durch diplomatiiche Künfte
1) Balady IV, 1, M1ff. Jordan, 6. 110ff. Boigt II, 470ff.
Martgraf, ©. 30ff. Bachmann I, 227ff.
Huber, Geſchichte Öfterreihs. II. 13
104 Georgs Plan eines europäifchen Fürſtenbundes.
ein. entſchiedenes Vorgehen. des Papſtes gegen ihn verhüten zu
Lönnen::: Er fete auch. nach den Vorgängen des Auguft ken
biplomatifchen Verkehr mit dem Papfte, dem „heiligiten Vater“,
als „geborfamer Sohn“ desjelben, noch fort. Anverfeits ftrebte
er nun die Nealifiermg eines Planes an, den ein in jeine
Dienfte. getretener Franzoſe aus Grenoble, Antonio Marini,
ein induftrieller Gründer und politiiher Projektenmacher, Jaus⸗
‚gedacht hatte, den Plan nämlich, einen europätfchen Fürftenbund
zuſtande zu ‚bringen, deſſen Oberleitung außer ihm dem Könige
Ludwig XI von Frankreich zufteben follte. Indem man bie
Bertreibung der Türken aus Europa und die Eroberung Kon-
ſtantinopels auf die Fahne dieſes Bundes fchreiben wollte, glaubte
man für denſelben auch die Republik Venedig, die. Könige von
Ungarn. und Bolen, den Herzog Philipp von Burgund und
einen :ober. den andern beutichen Fürſten gewinnen zu können.
Ein ſolcher Verein der mächtigften Herrſcher Europas, Die Durch
einen: jtändigen Bundesrat zur Enticheidung aller Streitigfeiten
unter einander und mit fremden Fürſten vertreten fein follten,
mußte eine jo mächtige Stellung einnehmen, daß auch ver Papit,
der ebenjo wie der Kaiſer in den Hintergrund gedrängt worden
wäre, einem Mitglieve desſelben nichts anhaben fonnte. Gelang
gar dem Bundesheere, als deſſen Oberanführer fich Georg
ſelbſt dachte, die Vernichtung der Türkenherrſchaft in Europa,
fo. war e8 für den Papft geradezu eine Unmöglichkeit, denjenigen,
welcher die Ehriftenheit von ihrem Erbfeinde befreit hatte, für
einen Keter zu erflären und die Feindfeligfeiten gegen ihn fort
zujegen. Schade nur, daß dieſes Projekt des windigen Franzofen
ebenfo auf Sand gebaut war, wie der frühere Plan Martin
Mayrs, betreffend die Erhebung des böhmischen Königs auf
ben beutichen Thron. Obwohl ſich Venedig und Ungarn fehr
gern die Hilfe Europas gegen die Türken gefallen laffen wollten,
jo zeigten fie Doch Feine Neigung, die Sonderinterefjen des
böhmischen Könige zu unterftügen, und verlangten von Marini
vor allem Unterhanblungen mit dem Papfte. Auch Tranfreich
wollte wenigftens feine Verpflichtung zur Unterftügung George
gegen die Kurie übernehmen. Das einzige Ergebnis der langen
Weitere Schritte des Papftes gegen denſelben. 15
Unterbandlungen war ein- allgemein gebaltenes Freundſchafts⸗
bündnis zwißchen Frankreich und Böhmen, das niemanden be-
ftimmte Verpflichtungen auferlegte ’).
Bon wichtigeren Folgen war ed, daß Georg fih den Kaiſer
durch feine Rettung aus den Händen der rebelliichen Wiener
und durch die Unterftügung gegen feinen Bruder Albrecht zu
geoßem Dante verpflichtete. Auf die Bitten Friedrichs III.
julpendierte der Papft Ende 1462 vorläufig alle Firchlichen
Strafen gegen den Böhmenkönig, freilich unter lautem Weh⸗
Hagen über jein „unglücfjeliges Zeitalter, das arme Deutich-
Yand und die elende Chriſtenheit, deren Kaiſer nur von einem
ketzeriſchen König gerettet werben könne” 2). Auch ber Bilchof
von Breslau, Joſt von Roſenberg, fuchte burch feine Ver⸗
wenbung zuguniten des Königs beim Papite und anderen ein-
flußreichen Perjönlichfeiten einen vollftändigen Bruch zu verhüten,
um von feinem Baterlande die Gefahr eines neuen Bürger⸗
krieges abzuwenden, als deſſen Folge namentlich die Loßreißung
Schlefiend zu fürchten war.
Als ſich aber heramsftellte, daß der König nur Zeit zu
gewinnen und unterbeffen die wideripenftigen Breslauer zu
iſolieren fuche, da entjchloß fi) der Papft zu energifhem Vor⸗
geben. Am 16. Juni 1464 hielt derſelbe ein öffentliches
Ronfiftorium, bei welchem er Georg als meineidigen und rück⸗
fälligen Ketzer auffordern ließ, binnen 180 Tagen zur Ber-
antwortung vor dem apoftoliichen Stuhle zu erjcheinen ).
1) Martgraf, Über Georgs von Podiebrad Projeft eines chriftlichen
Fürftenbundes zur Bertreibung der Türken aus Europa u. ſ. w., in
v. Sybels „Hiflor. Zeitfchrift” XXI, 245—304, hat auf Grund nenen
Materials diefen Plan ſehr eingehend behandelt.
2) Schreiben am den Kaifer vom 31. Dezeinber 1462, in F.R. Austr.
Dipl. XX, 287.
3) Für die Vorgänge feit Auguft 1462 |. Balady IV, 2, 255—314.
Sordan, ©. 114ff. Voigt, Enea Silvio TUI, 481-501. Mart-
graf, Das Verhältnis des Königs Georg von Böhmen zu Papft Pins IL,
1462—1464, in „Forſch. 3. deutſchen Geſch.“ IX, 217258. Bach-
mann, Reichsgeſch. I, 398 -433; 476 -608.
13*
186 Löſung der Untertanen Georgs vom Treueide.
Zwar ftarb Pins IL. am 14. Auguſt, ehe noch die Citations-
bulle ausgefertigt war. Aber fein Nachfolger Paul II. aus
dem venetianifchen Gefchlechte ver Barbo ſtand mit ber ganzen
Kurie prinzipiell auf bemielben Standpunkte wie fein Bor
Hänger, und biplomatifche Rückſichten kannte ber ſtolze Venetianer
noch viel weniger als der gebildete Piccolomini. Nach einem
auf Bitten des Kaiſers wie bes böhmischen Königs unter-
nommenen DBerjuche, biefen durch Unterhandlungen zur Unter
werfung zu bewegen, nahm ver. Bapit das Verfahren gegen
denfelben wieder auf und überwies am 28. Juni 1465 bie
Angelegenheit einer Kommiſſion von drei Kardinälen, welche
am 2. Auguſt Georg von Podiebrad, „der ſich König von
Böhmen nenne”, binnen 180 Tagen perjönlich vor den apofto-
liſchen Stuhl luden, um fich wegen Keteret, Rückfall in dieſelbe,
Meineid, Kichenraub und Gottesläfterung zu verantworten.
Vier Tage Darauf gab der Bapft ſelbſt feinem Legaten in
Deutihland, Rudolf von Rüdesheim, Biſchof von Lavant,
Vollmacht, den Prozeß gegen alle Anhänger Georgs, auch wenn
fie Erzbiſchöfe, Biſchöfe, Könige oder Herzoge wären, einzuleiten
und alle Eheverträge und Bündniſſe mit demſelben wie alle
ihm geleifteten Untertbaueneive aufzulöfen. Am 8. Dezember
entband der Papft in feierlicher Weile alle Einwohner ber
bohmiſchen Länder vom Eid der Treue und der Unterthänigfeit
und verbot ihnen, einem ketzeriſchen Menfchen gehorfam zu fein,
Dienste zu leiften, Abgaben zu zahlen oder auch nur einen
Verkehr mit demjelben zu unterhalten.
Mit dieſen Maßregeln wäre allerdings noch nicht viel er⸗
geicht worden, da gerade damals ber Streit der Kurie mit
Sigmund von Tirol und andere Vorgänge in Deutfchland
gezeigt hatten, wie wenig man fich in diefer Zeit um die Be-
‚fehle, ja jelbft um die Bannbullen des Papftes kümmerte.
Aber eben deswegen war auch von Rom aus forgfältig alles
uorbereitet worben, damit dieſen Strafbullen auch bie Aus-
führung nicht fehle. Schon feit 1462 ftand ber Papft mit
allen unzufrievenen Elementen in ben Ländern Georgs, beſonders
mit den Breslauern, in Verbindung. Der biefen im Januar
Der bohmiſche Herrenbund. 197
1460 vom Könige für vie Hulbigung gewährte Termin wurbe
ihnen vom Papfte zuerft 1462 verlängert, dann denſelben
geradezu befoßlen, jo lange Georg fich der Kirche nicht unter-
werfe, ihm keinen Gehorſam zur leiſten. Jahrelang ſaß m
Breslau der Erzbiſchof Hieronymus von Kreta als päpſtlicher
Legat, der den Widerſtand gegen den König organiſierte und
ſich al8 Herren der Stadt, ja Schlefiens, benahm.
Bon Bedeutung wurde aber die Oppofition doch erit, als
fih im Jahre 1465 aus Mitgliedern des meiſt katholiſchen
hohen Adels der böhmifche Herrenbund bildete. Ihr Führer
war Zdenko von Sternberg, der früher Georgs innigfter Freund
geweſen, jet aber vollftändig mit ihm zerfallen war. Doch
waren bie Beweggründe der meiften Herren wohl nicht religtöfer,
- fonderen politiicher Natur, indem fie es umerträglich fanden,
daß Georg, der aus ihrer Mitte hervorgegangen, ja nicht ein»
mal einem der vornehmiten Gejchlechter entiproffen war, fich
nicht von ihnen leiten Taffen, fondern auch über fie eine kräftige
Herrihaft führen wollte und ihrem Streben nach Erweiterung
ihrer Befigungen oft entgegentrat, während er feinen Söhnen
Süter und Herrihaften, ja ganze Fürftentümer verlieh, wie
dies gerade Ende 1465 wieder mit dem von ihm eriworbenen
Fürſtentum Troppau geſchah 1). Wenigſtens ftelften fie jelbit
in ihrer Beſchwerdeſchrift, die fie im September 1465 an ben
böhmischen Landtag richteten, rein politifche Dinge in ben
Vordergrund, Daß Georg den Rat der Barone nicht einhole, daß
er feinem Sohne die Nachfolge zu verfchaffern gefucht, daß er
fie ohne vorhergegangene Zuftimmung wiederholt zu Kriegszügen
aufgeboten, ſchon zweimal eine allgemeine Steuer eingehoben,
beimgefallene Lehen nicht wieder weiter verliehen, jondern ein-
gezogen habe u. |. w. Als der König ihre Klagen zurückwies
und der Landtag fih auf befien Seite ftellte, ſchloſſen am
28. November ver Biſchof Ioft von Breslau, der jet much
anf die Wünfche der Kurie einging, und fechzehn Herren aus
1) Biermann, Geld. der Herzogthümer Zroppau und Jagerndorf,
S. 209 ff.
198 ‚Hinausfehiebung des Kampfes.
ben. Boinilien Ber Sternberg, Roſenberg, Hafenburg, Riefenburg,
Schwamberg, Neubaus, Gutftein, Neuß von Blauen, Ilburg
und Ronsberg bet einer Zuſammenkunft auf Sternbergs Schloffe
Grünberg auf fünf Sabre einen Bund zu gegenfetiger Unter
fügung gegen alle Angriffe:
MNoch kam es indeflen nicht zum. Rampfe. Die Herten
fühlten sich zu Schwach, um allein oder auch mit den Breslauern
den Krieg gegen den mächtigen König zu beginnen. Beſonders
Ber Biſchof Joſt von Breslau, obwohl perjönlich ein entſchiedener
Gegner des Kelches, fuchte noch immer das AÄußerſte zu ver-
hüten, weil er überzeugt war, daß die Katholilen ohne kräftige
auswärtige Unterjtütgung bein Könige nicht gewachlen fein. und
der Krieg nur zu ihrem Unbeile ausfchlagen würde. Der Biſchof
Protas von Olmütz aus dem Haufe Boskowitz fette auch jetzt
noch die Vermittlungsverfuche und. den. Verkehr mit dem Könige
fort, fodaß er vom Papfte mit der Temporalienſperre beftraft
und mit noch jtrengeren Maßregeln bevrobt wurde. —
Auch der König ſuchte einen Bruch zu vermeiden. War er
immer mehr ein Freund biplomatiicher Künfte als Fühnen
Dreinichlagens geweſen, ſo nahm dieſe Neigung um fo mehr
zu, je älter und je unbeiweglicher er wegen feiner Fettleibigkeit
wurde. Auch jett fuchte er bie Herren durch politische Kon⸗
zefftonen zu gewinnen, wodurch er: auch wirklich Johann von
Roſeuberg, des Biſchofs von Breslau Bruder, wieder auf feine
Seite brachte, und ſchloß mit ihnen, um Unterhandlungen
Raum zu gewähren, im Mat 1466 einen fürmlichen Waffen-
ſtillſtand, der bis Mitte Oltober dauern follte und dann noch
bis: zum 24. April 1467 verlängert wurde. - Auch. ben zum
legten Streiche: ſchon erhobenen Arm des Papftes hoffte er noch
aufhalten zu können, teils: durch direkte Unterhandlungen, teil®
durch Bermittlung des Kaifers, des Königs von: Ungarn unb
befreundeter deutſcher Fürften.” Da bei der Yfolierung und
wifennichafttichen Unfruchtbarkeit der - Utraquiften, die immer
mehr auf Das mechanifche Einlernen gewiſſer tbeologiicher Be
weismittel ſich beſchränkten, unter dieſen ſich keiner fand, ber
ſeine Sache mit der notwendigen Gewandtheit hätte vertreten
Endurteil des Papfies gegen: Georg. 199
können, Die böhmilchen Katholiten aber fich immer mehr: von
ihm abwenbeten, jo nahm er zuerft Martin Mayr. mit Zu⸗
ſtimmung ſeines gegenwärtigen Herru, bed Herzogs Ludwig von
Baiern, für die Abfaſſung ſeiner Staatsſchriften in ſeinen Dienſt,
bis im Sommer 1466 der mit dem Banne der Kirche beladene
Gregor Heimburg ſich an feinen Hof begab. Aber alle Be
müßımgen, die Kurie auf dem eingeichlagenen Wege aufzuhalten
und gegen die Rückſtellung der Kirchengüter, Zulaſſung eines
katholiſchen Erzbiſchofs, Übertritt der Zöniglicgen Familie zum.
römiſchen Ritus und das BVeriprechen eines Kreuzzuges gegen
die. Türken bie ftilljchtweigende Dulvdung ber Kompaktaten au
erlangen, wurden mit Hohn zurüdgewiefen. Wohl verlanute
die Kurie die Gefahr eines Glaubenskrieges unter den gegen»
wärtigen Verbältniffen nicht und zögerte auch nach Ablauf ver
dem Könige Georg gewährten Frift eine Zeit lang, die lebten:
Konfequenzen bes eingeleiteten Prozeßverfahrens zu ziehen. Aber
endlich riß fie der greife Karbinal Carvajal, das angejehenfte
Mitglied des ganzen Kollegiums, durch den Hinweis auf: bie
fiher. zu :erwartende Hilfe Gottes aus ihrem Schwanlen heraus.
Am 23: Dezember 1466 wurde vom Bapfte das Endurtell
publiziert, „Georg ober Jerſik von Kunftatt: und Podiebrad“
als rüdfälliger Ketzer und Ketzerbeſchützer, als Meineidiger und
Kirchenräuber aller Würden und Befitungen verluftig, feine.
Nachkommen. zu allen Amtern und Erbfchaften unfähig erklärt:
und feine Untertbanen von. allen Eiden und DVBerpflichtungen
entbunvden. In Denutichland und in anderen Länder wurde
das. Kreuz gegen den abgefegten Böhmenkoͤnig gepredigt.
.. Die Verurteilung Georgs durch den Papft machte auch der
unentichloffenen Haltung ber böhmilchen Herren ein Ende.
Deionders auf das Drängen: Sternbergs erklärten fie fich bereit,
zur: Ausführung ber. päpftlichen Sentenz mit Leib und ‚Gut
mitzumwirlen und jeden als König anzunehmen, ven: der. Papit
ihnen: geben würde, obwohl fie ihrerfeitd den König Kafımir
von Bolen oder einen feiner. Söhne als befonders geeignet Dazu
bezeichneten. . Zdenko von Sternherg. wurde vom Bapite als
Hauptmann der Katholiken beftätigt. und alle Gläubigen er⸗
20 Ausbruch bes Krieges.
mahnt, bis zus Einſetzung eines neuen Königs demſelben Bei⸗
ſtand zu leiften. Ende April 1467 nach Ablauf des Waffen-
ſtillftaudes begmmen von beiven Seiten die Teinbfeligfeiten 4).
Noch Hatten ch die Gegner Podiebrads nicht zu einer
gemeinjchaftlichen Liga: verbimden. Auf der einen Seite ſtanden
demſelben die böhmifchen Herren: mit der Stadt Pilſen gegen-
ber, auf der andern die Breslauer, mit denen übrigend ber
Biſchof Joſt am 21. April im Namen der Herren ein Bünd⸗
nis ſchloß. Erit als die Breslauer, in deren Mitte auch der
neue päpftliche Legat Bilchof Rubolf von Lavant feinen Sig
aufſchlug, im Mai in raſchem Anlaufe die Städte Münfterberg
und Frankenſtein mit den dortigen Burgen eroberten, ſagten
ih die deutichen Städte Mährens, Brünn, Olmüs, Zuatm
und Iglau, die fi unter ven Schug des Kaifers ftellten, wie
vie Laufiger, von Georg 108. . Auch der Biſchof Protad von
Olmütz veybündete fi enplich mit ven genannten Städten big
zur Aufftellung eines neuen Königs durch den Papſt ?).
Anverfeits blieben aber noch immer viele Katholiken, wie
Die Herren von Kolowrat, von Loblowig, Johann von Roſen⸗
berg, Wilhelm d. j. von Rieſenburg und Rabi, des Königs
Schwager Leo von Roſenthal (Rozmital), dann die Städte
ger, Ellbogen, Kaaden, Kommotau, Brürx, Auffig, Budweis,
ja ſelbſt die meiſten Prälaten, dem Könige treu oder beobachteten
wie die meiſten ſchleſifchen Fürften eine vorfichtige Neutralität.
Die Utraquiften ſtanden natürlich einmütig zum Könige, obwohl
dieſer ſich hütete, einen förmlichen Glaubenskrieg zu entflammen.
Das Glück des Krieges, der in einer Reihe von Belagerungen
mb kleineren Gefechten beſtand, neigte ſich daher bald auf bie
Seite des Könige. Im Böhmen wurden den Mitgliedern des
Herrenbundes mehrere Schlöfler entrifen, in Schleften durch
1) Für bie Greigniffe jeit dem Tode bes Papfte® Pins II. ſ. Palady
IV, 2, 315—438. Jordan, ©. 184-264. Martfgraf, Die Bil-
bung der katholiſchen Liga gegen König Georg von Pobiebrad, in v. Sy«
bels „Hifl. Zeitichr.” XXX VIII, 48—82 und 251—266. Bachmann,
Dentſche Reichsgeſch. I 544-596.
2) Über diefe Einzelbunde ſ. Markgraf a. a. O. ©. Böfl.
N
Haltung 8. Kaftmirs von Polen. 298
ven Primzen Bictorin Münſterberg und Frankenſtein wieder
erobert, wobei die Breslauer viele Gefangene verloren, ba
durch Denjelben der burch bie Brlünner belagerte Spielberg
entſetzt. Auch eine Schar bairiſcher Kreuzfahrer erlitt am
232. September bei Neuern eine empfinpliche Nieberlage. Die
Erfolge, welche vie Feinde des Königs im Felde errangen, wogen
die Nachteile bei weiters nicht auf, und es zeigte fich bald, daß
dieſelben nicht bloß nicht imjtande wären, Georg zu ftürzen,
jonderu daß fie auch demſelben auf die Dauer nicht zu wider⸗
fteben vermöchten, wenn fie nicht Unterftügung von außen er⸗
bielten:
Nun Hatte e8 der Bapft allerdings auch in dieſer Richtung
an Bemühungen nicht fehlen laſſen. Namentlich Hatte er ven
‚ König Rafımir von Polen zu gewinnen gejucht, der als Gemahl
einer Schweiter des Königs Lapislaus des Nachgebornen auch
für feme Söhne Erbanſprüche auf Böhmen. erheben konnte.
Um deſſen Hände frei zu machen, hatte der Papſt fogar den
bisher begünftigterr deutfchen Orden preisgegeben uud der Legat
Rubolf von Lavant am 19. Dftober 1466 zwiſchen dieſem
und dem Könige Kaſimir den Frieden von Thorn vermittelt,
durch welchen Weftpreußen an Bolen abgetreten und für Oft
preußen die Lehenshoheit desſelben anerkannt werben mußte.
Um aber eine Preifion gegen ven König Kaſimir ausüben zu
Körmen, hatte der Papft die Ratifilation dieſes Friedens von
ber Belämpfung der böhmiſchen Ketzer abhängig gemacht. Im
Mat 1467 trugen die katholiichen Herren dem polniſchen Könige
für: ſich oder einen feiner Söhne fürmlich die Krone ihres
Reiches an.
Kaſimir aber, obwohl nicht ohne Ehrgeiz, hatte feine Luft,
fein durch den langen Krieg mit dent deutichen Orden erſchöpftes
Reich in einen neuen weit ausfehenden Kampf zu verwideln.
Auch mißbilligte er grundfäglic Das Vorgehen des Papſtes
gegen Georg, indem er den Standpunkt vertrat, daß ein ge
falbter und gefrönter König gar nicht abgefetzt werven könne.
Zugleich ſcheint er ſchon damals die Hoffnung gehegt zu haben,
nach Georgs Tode auf friedlichem Wege die Wahl eines ſeiner
202 Georgs Überlegenheit.
Söhne durchzuſetzen. Er lehnte daher auch die verlockenden
Anträge, die ihn vom Papite und den aufſtändiſchen Unter⸗
thanen Georgs gemacht wurden, unter verfchtebenen Ausflüchten
ab, ja, juchte jogar einen Trieben zwilchen Georg und feinen
. Feinden zu vermittels,; was freilich dem böhmifchen Könige zum
Nachteile gereichte, da diefer auf Kaſimirs Wunfch feinen Gegnern
am 19. November 1467 einen Waffenftiltitan bis zum 26. Mai
bes folgenden Jahres bewilligtee Dadurch wurden nicht. nur
die Kräfte Georgs für lange Zeit lahm gelegt, fondern es
erbielten deſſen Seinde auf dem. im ber zweiten Hälfte des
Dezember in Breslau gehaltenen Kongreſſe Gelegenheit, ſich
fefter zu organifieres und fich zu einer katholiſchen Liga zu⸗
fammenzufchließen. Ä
: Obwohl diefe im päpftlichen Legaten Rudolf, ber nach dem
Tode Joſis von Roſenberg zum Bilchofe von Breslau gewählt:
wurde, ein energiſches und thätiges Haupt erhielt, war fie dem
Könige Georg wahrſcheinlich deffenumgenchtet nicht gewachſen, fo
lange Tein mächtiger Fürſt fich ihrer annahm. Und in biejer
Beziehung ftanden die Dinge für die Liga noch immer nicht
günstig. Der Kaifer, ven König Georg gerabe in der Zeit dee
Ausbruches bes Bürgerkrieges in Böhmen durch eine höchſt
unkluge Unterftügung ungehorfamer öfterreichiicher Adeliger- fich
zum Feinde gemacht hatte, würde zwar die Liga ſehr gern
unterjtügt haben, wurde 'aber Anfangs 1468 durch den Prinzen
Victorin in Oſterreich felbft angegriffen und hart bebrängt;
Der Kurfürft Frievrich von Brandenburg, bem der päpftliche
Zegat und. die katholiſche Liga im Februar 1468 bie böhmifche
Krone anboten, zeigte infolge des Abratens ſeines Bruders,
bes Markgrafen Albrecht,. auch Teine Neigung, fich in ben
bösmifchen Krieg hineinziehen zu laffen !). Die Herzoge von
:1) Über ben Krieg und bie. diplomatiſchen Verhandlungen f. Palacky
IV, 2, 438—504 und bie von Bachmann in F.R. Austr.. Dipl. XLII,
41ßagg. und XLIV, 628agg. mitgetellten Berichte; über die Stellung
Brandenburgs auch 3. ©. Droyfen,: Gel. der Preußifchen Politik
U, 1,: 341 $,, über bie Bolitit Kafimird von Polen Caro V, 1, 264 bis
985.’ .. .
8. Matthias won Ungern. 28
Sachſen fanden mit ihren Sympathieen entichieven auf Seite
Georgs '). Kurz, die Ausfichten für den Papft und bie Liga
waren im den erſten Dlonaten des Jahres 1468 nichts weniger
als gläczend. Es blieb ihnen baber nichts übrig, als ben
Anträgen Gehör zu geben, bie ihnen vom Könige Matthias
. vos Ungarn gemacht wurden.
Matthias war unftreitig einer ber tüchtigften Könige, die
Ungarn je gehabt hat. Obwohl er als Füngling mit vierzehe
Jahren unter fchwierigen Berbältnifien auf ben Thron gelangt
war, wußte er fich doch nach Iurzer Zeit eine gejicherte Stellung
zu erringen. Dit ſcharfem Blide verſtand er bie fähigften
Leute herauszufinden und hob fie ohne Rückſicht auf ihre Her
kunft zu den höchſten Stellen in Kirche und Staat, um fie
baum freilich, wenn fie fich nicht unbedingt ergeben zeigten, eben
jo rafch zu ftürgen. Auch perjönlich hatte er eine außerordent⸗
liche Arbeitsfraft. Alle von feiner Kanzlei ansgefertigten Alten-
ſtücke piltierte oder revidierte er felbft, alle einlaufenven ſah er
durch. Schon in feiner Jugend Hatte er fich nicht bloß eine
fihere Kenntnis der lateinifchen Sprache, jondern auch Ver⸗
ſtaͤndnis Des Deutihen und ber meiften ſlaviſchen Dialekte ver»
ſchafft. Mandhe Werke lateiniſcher Autoren, vorzüglich der
Militaͤrſchriftſteller Tas er ſelbſt, aber auch in tbeologilchen
Fragen war er nicht unbewandert. Der auflebende Humanis⸗
mus, zu deſſen berporragendften Bertretern in Ungarn bes
Königs Kanzler Johann Vitéz von Zredna, Biſchof von Groß»
warbein, fpäter Erzbifhof von Gran, und deſſen Neffe,
Johann von Eſezmicze (Janus Pannonius), Biſchof von
Fünfklirchen, ein leichtfertiger Dichter, gehörten ?), fand im
Matthias einen warmen Freund. Beſonders in den Ipäteren
Jahren feiner Regierung, nachdem er fich im Jahre 1476. mit
1) 9. Ermiſch, Stubien zur Geſchichte ber ſächfiſch⸗ bbhmiſchen Be
giehangen 1464—1471.
2) G. Botgt, Die Wiederbelebung des elaſſiſchen Alterthums
. Aufl.). II, 319ff. - Die litterariſche Bedeutung des Vitez ſchildert ber
ſonders Frakn6i, Vitez Janos élete (Leben bes Vohann Vitez), Buda-
pest, 1879.
204 Förderung des Humanismus,
ber gebilveten und prachtliebenven Beatrix von Neapel ver-
mählt Hatte, war der ungarifche Hof ver Sammelplatz italieniſcher
Schöngeifter, mit denen ſich der König jelbft gern unterhielt
und die ihn für feine Freigebigfeit in Gedichten und Geſchichts⸗
werfen zu den Sternen erhoben. Dichter, Nebner, Philoſophen,
Ärzte, Aftrologen, Theologen und Alleswiffer Hatten fich auf
den Ruf des Königs, oder um feine Gunſt und Unterftügung
zu gewinnen, am Hofe zu Ofen eingefunden ?). ‘Die größte
Bedeutung erlangte Anton Bonfini aus Ascoli, der obne
eingehende Studien, aber in eleganter Form den Livius nach⸗
ahmend, eine ungarifche Gefchichte fchrieb, welche eine fehr große
Berbreitung gefunden und bis auf die neueste Zeit außerordent- .
liches Anfehen genofjen Hat. Mit ungeheuern Koften juchte
ſich Matthias auch Abfchriften griechifcher und lateinifcher Klaſſiker
zu verfchaffen. Unter der Aufficht des der lateinifchen, griechijchen,
arabiichen und chaldäiſchen Sprache kundigen Raguſaners Yelir
ivaren in der zweiten Hälfte feiner Regierung in Ofen breißig
und auch in Florenz eine größere Zahl von Abjchreibern thätig,
um die bandjchriftlichen Werke des Altertums zu Topieren,
welche dann mit prachtvollen Initialen und Miniaturen aus-
geftattet und koſtbar eingebunden und im fchön beforierten
Bihliothefögebäude der Dfner Burg aufgeftellt wurden. Mit
etnem Aufwande von jährlich 33000 Dukaten brachte Matthias
eine Handjchriftenbibliothef zufammen, die mehrere taufend
Bände zählte und fich, wenn auch nicht an innerem Werte, fo
doch an Pracht und Umfang mit den berühmteften Bibliotheken
jener Zeit mefjen fonnte und einen der italienischen Humaniſten,
den Florentiner Naldus Naldius, fogar zu einem weitläufigen
Bobgebicht begeiftert bat 2).
1) Wertvolle Beiträge zur Charakteriftit des K. Matthias findet man
in ber Schrift: De egregie, sapienter et iocose dictis et factis Mat-
thiae I. regis von Galeotto Marzio, einem biefer Lobrebner, ap.
Schwandtner, R. Hung. SS. I, 534—565. Eine weitläufige Cha⸗
rakterſchilderung auch ap. Bonfinius, Dec. IV, lib. 4. 7 u. 8, und
non Neueren bei Mailath, Gef. der Magyaren (2. Aufl.) II, 256
bis 274, dem es freilich an Kritik fehlt, und Teleki V, 508—530.
2) Abel Eugen, Die Bibliothek des Königs Mathias Corvinns, in
—
der Wiſſenſchaften und Künfte. 205
Da fowohl die 1367 von Ludwig I. gegründete Univerfität
Tünffirchen wie eine jpäter vom Könige Sigmund in Ofen er-
richtete Hochichule nach kurzer Zeit wieder eingegangen waren,
erwirkte ſich Matthias wahrfcheinlich auf Betreiben bes Johann
Bitez und Janus Pannonius vom Papfte Paul IL. 1465
neuerdings bie Erlaubnis zur Errichtung einer Univerfität, bie
1467 in Presburg eröffnet wurde. Vitez gewann für diefelbe
mehrere hervorragende Profeſſoren wie den berühmten Aſtronomen
und Mathematifer Müller von Königsberg (Regiomantanus).
Auch einzelne Profejjoren der Wiener Univerfität erbielten
dort Urlaub, um in Presburg Vorlefungen zu halten. ‘Doch
Scheint dieſe Untverfität nach wenigen Jahren wieder eingegangen
zu fein, da der König Matthias eine Hochichule in feiner Haupt-
ftabt Ofen errichtete. Der frühzeitige Tod ihres Grünberg
machte freilich auch Diefer Univerfität bald ein Ende‘).
Reben den Wiſſenſchaften förderte Matthias befonders bie
Architektur und Kunft. Die früheren Refivenzichlöffer in Ofen
und Biffegrad wurden von ihm volljtändig umgebaut, in
ber luxuriöſeſten Weife -ausgeftattet und mit Gemälden und
plaftiichen Kunſtwerken geſchmückt.
Dabei ſuchte er das Land auch in materieller Beziehung zu
heben und berief zu dieſem Zwecke aus Italien Männer, die
eines rationelleren Feldbaues, der Käſebereitung, der Gärtnerei
„Literar. Berichte aus Ungarn“ II, 56 ff. (mit Unterſuchungen über bie
noch erhaltenen Hl. aus der Corviniana).
1) Abel, Egyetemeink a Közepkorban, Budapest 1881, in beutjchem
Auszuge: „Ungarifhe Univerfitäten im Mittelalter”, in ber „Ungar.
Revue” 1881, S. 496—514, der aber bie Presburger Univerfität erſt
nach dem Tode des K. Matthias eingehen läßt und ba® „universale
gymnasium‘“ in Ofen nicht für eine eigentliche Hochſchule, fondern nur
für ein theologifeh- philofophifches Fachſtudium hält. Daß bie Nachricht
des um 1585 ſchreibenden Heltat, K. Matthias habe ein für die Unter-
Bringung von 40000 Studenten und ihrer Profefloren beſtimmtes riefiges
Gebäude begonnen, auf einer falfchen Deutung ber Überrefte bes alten
römiſchen Standfagers berube, zeigt Fr. Salamon in „Budapesti
Szemle“ XLIII (1885), 321sgqg. Über bie älteren ungarifchen Uni-
verfitäten f. auch Denifle, Die Univerfitäten des Mittelalters I, 413 ff.
296 Schaffung eines ſiehenden Heeres.
kundig waren, um bie Renntuis biefer Zweige auch in Ungarn
zu verbreiten.
Bor allem aber. tagte Matthias als Kriegsmann hervor.
Ein geübter Reiter und gewandter Fechter, allen Strapazen
ſich unterziehend, war er bei den Soldaten, die er alle beim
Kamen zu nennen wußte, ſehr beliebt. ALS Beiſpiel ſeines
Mutes erzählte man fich, daß er bet der Belagerung ber
Feſtung Sabacz in einem Nahen im Angefichte der Feinde den
geeignetiten Angriffspunft zu entdecken gefucht, das er ein
anderesmal als Bauer verkleidet das türkiſche Lager ausgekund⸗
Schaftet Babe. Er ſchuf auch, und zwar zunächſt hauptſächlich
aus den Trümmern der Scharen Giskras und der Brüder-
rotten, ein ftebendes Heer, das Anfangs allerdings nur Hein
war !), aber fpäter in Beziehung anf Zahl wie auf taktiſche
Ausbildung alle andern im Abendlanbe übertraf. So brüdenb
aber auch die baburch notwendig werdenden Steuern waren
und fo fehr namentlih die Großen über die ewigen Sriege
und das bei aller Einhaltung der konſtitutionellen Formen oft
gewaltthätige Auftreten des Königs nrurrten, jo war er bach
bei den unteren Bolfsklafjen wegen feiner ftrengen Gerechtig-
teitöliebe und feiner Sorge für die Ruhe im Innern ſehr be⸗
liebt 2).
. Bet allen feinen glänzenden Eigenſchaften hat aber Matthias
ſeinem Lande weniger genützt, als man erwarten ſollte, und
zwar war die Haupturſache davon ſeine verkehrte auswärtige
Politik.
Die Intereſſen Ungarns hätten ihn nach Süden gewieſen,
mo es galt, gegen die Türken, welche das Abendland, in erfter
inte aber Ungarn, mit Überflutung bevroßten, fefte Dämme
aufzuführen.
1) Nach einem leider nur fummarifch bekannten Berichte bes vene-
tianiſchen Gefandten vom Dezember. 1463 in Mon. Hung. Mätyäs k.
koraböl I, 263. hatte der König damals 2000 Reiter und 5000 Fuß⸗
gänger zur Verfügung, zu denen noch 12.000 Keiter famen, melde die
Prälaten und Barone ftellten.
2) Über die inneren Berfältuif unter Matthias f. Feßler⸗Klein
IN, ieff.
Angriff der Türken auf die Walachei. 297
Es fehlte nicht an Mahnungen für Matthias, feine. ganze
Kraft gegen dieſe gefährlichen Feinde zu wenden. Wie er
Anfangs 1462 den Venetianern meldete, wurden durch bie
Zürlen in ben brei vorhergehenden Jahren allein wenigftens
200000 Bewohner aus Ungarn hinweggeſchleppt 1).
Im November 1460 wurbe fein Oheim Szilägyi, der als
„Bubernator von Siebenbürgen, Ban von Machow und General-
kapitän von Niederungarn 3)" mit ber Verteidigung des Neiches
gegen bie Türken beauftragt war, bei einem Streifzuge von
diefen Öftlich von Semendria gefchlagen und nach der Nieder
metzelnng des größten Teiles feiner Truppen gefangen und
damn in Konftantinopel mit 28 feiner Soldaten enthauptet ®).
Matthias, der damals noch vom Kaiſer Friedrich im Befitz
feiner Herrichaft bedroht und durch ben Kampf gegen bie
böhmiſchen Bruberrotten in Oberungarn in Anipruch genommen
war, wendete den Borgängen im Süben feines Reiches nur
geringe Aufmerkſamkeit zu.
Im Jahre 1461 entſchloß fich der walachiſche Wohwode
Wlad, Sohn ded 1446 hingerichteten Drakul, einer ber grau-
famften Würeriche, der den Woywoden Dan geftürzt Hatte,
zum Abfalle von den Zürlen und zu einem Bilndniffe mit
Ungarn. Den Verſuch des Sultans, ihn nah Konftantinopel
zu loden ober fich feiner Berfon durch Überfall zu bemächtigen,
beantwortete er mit einem Angriffe auf Bulgarien und mit
der Pfählung taufender von Türken, die in feine Hände ge
fallen waren. Als nun im Dat 1462 der Sultan felbjt mit
einem ungeheueren Heere in bie Walachei -einfiel, brachte Wlad
alle Weiher und Kinder wie ſämtliche Lebensmittel in die un-
wegfamen Wälder und beichräntte fich auch felbft auf die Nieder-
machung feindlicher Nachzügler und auf einzelne nächtliche An-
1) Mon. Hung. Mätyäs k. koräb6l I, 112.
2) Unter diefem Titel urkundet ee no am 6. Ottober 1460 in
Sitlos. Teleki X, 640.
3) Ebendorffer, p. 920, der obigen Monat angiebt, Bonfinius,
Dec. IV, lib. 1, ed. Poson. 1744, p: 425, zu ganz falfcher Zeit, und
über den Ort IV,4, p. 455. Bericht des venetianifchen Bailo in Ronfan-
tinopel vom 5. Februar 1461 in Mon. Hung. I, 67.
210 Kämpfe des Königs Matthias in Bosnien.
Türken gefchloffen Hatte ?), wendete er fich mit dem noch fchlag-
fertigen Teile feines Heeres nad Weiten, fiel in Bosnien ein,
eroberte mit Unterjtügung des Sohnes des Herzogs Stephan
Buleic, Wladiflam, und anderer Großer zahlreihe Burgen
zu beiden Seiten bed Verbas und endlich nach einer fait brei-
monatlichen Belagerung am Weibhnachtätage auch die ftarfe
Feſtung Jaica. Erft im Ianuar, ald die Strenge des Winters
bie Fortfegung des Krieges unmöglich machte, zog er ſich aus
Bosnien zurück, um fich endlich zum Könige Frönen zu laſſen.
Die Verwaltung des eroberten Teiles von Bosnien übertrug
der König feinem bisherigen Schatmeifter Emerich von Zapolya 2).
Im Sommer 1464, wo auch der Papit Pius II. an der
Spite eines chriftlichen Kreuzheeres zur See gegen die Türken
ziehen wollte, fchidlte der Sultan 20000 Mann nad) Bosnien
und folgte dann perfönlich mit weiteren Truppen nad. Über
einen Monat ſetzte er ber Feſtung Jaica mit Geſchützen von
ungeheuerer Größe und mit Minen hart zu und hatte bereits
einen Teil der Mauer zu alle gebracht, als ihn die Nachricht
von der Annäherung eines ungarifchen Heeres zum Abzuge von
der tapfer verteidigten Stabt bewog ?). Hierauf drang Matthias
im Oftober in das norböftliche Bosnien, die Landſchaft Uzora,
1) Theiner, Vet. Mon. Hung. II, 380. Am 8. September ur-
fundete Matthias noch in Nandoralba (Belgrad), am 23. Juni vorher
in Sutal. Teleki XI, 62. 76.
2) Uber feine Kriegsthaten im Jahre 1463 berichtet 8. Matthias feldft
an den Papft d. b. in oppido Dombro regni Sclavonie 27. Jan. 1464
ap. Katona XIV, 624sg. E66sqg. Pal. die übrigen ibid. p. 619
bis 638 und 652—666 gefammelten Stellen, wie die Notizen im Bericht an
die Stadt Frankfurt bei Sanffen, Reichscorreſp. II, 240 vom 25. Ian.
1464, und Mon. Hung. Mätyäs kir. koräböl I, 244, und Teleki III,
341—357, der fih nur zu viel auf Bonfinius verlaffen bat.
3) Na Bonfinius, Dec. III, lib. 1 (Schluß), ber fi übrigens
auch Hier, befonders in chronologifher Beziehung, noch immer al8 um«
zuverläffig erweift, führte Zapolya ungarifche Truppen berbei und ver-
breitete fi nur das Gerücht von dem Anmarfche des Königs, nah dem
unbdatierten Schreiben des Matthias ap. Katona XIV, 724 fcheint biefer
felbft das Heer geführt zu haben, Die Zeit ergiebt fi aus Mon. Hung.
l. ce. I, 286.
Einftellung der Offenfive vonfeite bes K. Matthias. 211
ein, erjtürmte die Feſtung Srebrenik, beſetzte das babet liegende
Silberbergwert, deſſen Ertrag auf jährlich 24000 Dukaten ger
Ihätt wurde, und belagerte dann die auf einem Berge gelegene
Feſtung Zwornik an der Drina. Das jchlechte Wetter und
die grumdlojen Wege machten aber endlich die Zufuhr von
Lebensmitteln unmöglih. ‘Da auch ein Sturm von ber tapferen
Beſatzung abgefchlagen wurde, jo ſah fich der König genötigt,
nach ber Mitte des November die Belagerung aufzuheben und
mit Zurüdlaffung eines Teiles des Belagerungsgefchüges ſich
nach Ungarn zurüdzuziehen !).
Nah der Eroberung der norbweitlichen und norböftlichen
Grenzgebiete Bosniens gab Matthias die Fortführung des
Offenſivkrieges gegen bie Türken auf, obwohl ihn der Papft
ununterbrochen dazu antrieb, und ſah fogar unthätig zu, wie
die Hercegowina, deren Fürſt ihn um Unterftügung bat, 1466
großenteild in die Hände der Türken fiel 2).
Da die Übrigen Mächte Europas mit Ausnahme Venedigs,
das fich ebenfalls nach Frieden fehnte, nicht zur Teilnahme am
Kampfe gegen die Ungläubigen zu beivegen waren, fo war es
für Ungarn in der That jchwer, jahrelang allein die Laſt des⸗
jelben zu tragen. Da das Landesaufgebot nicht verpflichtet
war, über die Grenze zu ziehen, das ſtehende Heer aber damals
noch jebr Hein war, jo mußte ein Eroberungäfrieg gegen die
Türken bauptfächli mit Söldnern geführt werben, die fehr
viel Geld koſteten *). Nun hatten allerdings die Karbinäle nach
1) ®gl. mit Bonfinius, Dec. IV, lib. 1 den interefianten Bericht
bes Grafen Sigmund von Pöſing, d. d. Koczsse 15. Dezember 1464
bei Bahmann, Briefe und Acten, in F. R. Austr. XLIV, 591 und
die Berichte au8 Venedig in Mon. Hung. 1. c. I, 297. 301. 306g.
2) Mon. Hung. 1. c. II, 5—7. 13. Bgl. 43. 47. 49,
3) Nach einem Berichte vom Jahre 1464 (nicht 1471) in Mon. Hung.
I, 232 war ber gewöhnliche Sold der ungarifchen Reiter tm Lande felbft
ober an beflen Grenze monatlih 3, jener der Fußgänger 2 Dulaten,
während die Deutfchen, Polen und Böhmen einen höheren Sold und
auch Erfa für alle Schäden (am Pferden u. f. mw.) forderten. Selbft
für eim Heer von nur 10000 Mann bätte alfo der Sold 300000 Du⸗
taten im Jahr betragen, mehr als bie regelmäßigen Einkünfte des Königs
14 *
212 Beabfichtigter Aufſtand der Siehenblirger.
dem Tode des Papftes Pius IL. im Auguft 1464 das von
diefem für den Kreuzzug gefammtelte Geld, 42500 Dukaten,
bem ungarifchen Könige geſchickt, wozu auch Tpäter noch einige
Heinere Sendungen bes Papftes Paul IL. und wieberholt einige
taujend Dulaten vonfeite Venedigs Tamen !).. Aber dieſe
Summen reichten zur Beftreitung ber Kriegskoſten bei weitem
nicht aus; das meiſte mußte in Ungarn ſelbſt aufgebradt
werben. Zur Vermehrung feiner Einkünfte fegte der König
auf einem Neichstage in Ofen im März 1467 eine Steuer-
reform durch, wonach der „Dreißigfte“, von dem fich ſehr viele
Perfonen und Körperjchaften Befreiungen verichafft Batten,
durch einen neuen Grenzzoll, den alle mit Ausnahme der Adeligen
entrichten follten, erjett werven, und ebenſo an bie Stelle des
bisherigen „Rammergewinns” eine nur andersbenannte, ber
alle außer dem Abel und ber Geiftlichfeit belaftende Steuer in
ber Höhe eines Fünfteldukatens von jedem Thore treten follte ?).
Ein zu fcharfes Anziehen der Steuerfchraube konnte aber
ſehr gefährlich werden. Schon am 18. Auguft 1467 verbanden
fih eine Anzahl von abeligen Sachſen und Szeklern Sieben-
bürgens im Namen ihrer Stammtesgenofjen zum Schutze ihrer
Treiheiten gegen die Unterdrüdungen bes Königs und wählten
bie fiebenbürgiichen Woywoden, die Grafen Johann und Sig⸗
mund von St. Georgen und Pöſing und Berthold von Eller⸗
bad, und die von Matthias zu erblichen Grafen der Zip
ernannten Emerich und Stephan von Zapolya zu ihren Leitern
und Anführern, indem fie fich verpflichteten, auch gegen ben
König zur Erreichung des angeführten Zieles einträchtig ein-
(ohne bie bireften Steuern, die vom Reichstage abhingen), da nach
bem Bericht des päpftlichen Legaten in „SFortfegung d. Allgem. Welt⸗
biftorie”, 49. Teil II, 16, derjelbe vom Salz 80—100000 Dulaten, von
ber Münze und ben Bergwerken 44—54000, von den Zöllen 82—100 000
und von ben Juden und bem Kupfer 80000 Dukaten, zufammen
236 000—284000 Dukaten einnahm.
1) Teleki XI, 124. Mon. Hung. 1. c. I, 291. 295. 311. 336.
343. 345.
2) Katona XV, 206sqq. Bgl. Teleki ILL, 506 ff.
Angriff des Königs Matthias auf die Moldau. 218
anber beizuftehen. Wenn fchon ber hervorragendſte Günftling
bed Königs, Emerich Zapolya, zum Aufftande bereit war,
fo mußte die Unzufriedenheit einen ſehr bebenklichen Grab er-
zeicht Haben. In der That ſchloſſen fih bald auch andere,
wie die Ungarn des Klaufenburger Comitates, der Bewegung
an. Ehe aber viefelbe noch das ganze Land ergriffen und fich
militäriſch genügend organifiert Hatte, erfchien der König in
ber zweiten Hälfte des September unvermutet mit einen Deere
. in Siebenbürgen und erregte unter den Aufſtändiſchen einen
jolchen Schreden, daß biejelben durch raſche Unterwerfung fich
zu retten ſuchten. Der König war Hug genug, gerabe die her⸗
vorragenbften Magnaten zu verjchonen und allen mit Aus
‚nahme der Haupträvelsführer Amneftie zu verfprechen, obwohl
er fpäter ben Siebenbürgern eine Gelbftrafe von 400000 Gold⸗
gulden auflegte und einige binvichten ließ ?).
Auch der Woywode Stephan von der Moldau, der unter
der Oberboheit Polens ftand, Toll die aufſtändiſchen Steben-
bürger begünftigt haben und dies eine der Urjachen geweſen
fein, weswegen Matthias noch Ende November mit einem Deere
durch ben Ditos Paß in deffen Land einbradh, um ihm zu
ftürgen und einen Prätendenten an deſſen Stelle zu feten.
As er aber, alle DOrtjchaften nieberbrennend, Über Roman
gegen Suczawa borbrang, wurde er am 15. Dezember ſüd⸗
1) Die wichtigfte Ouelle hierfür ift die von Firnhaber Im „Notizen-
blatt der. Tai. Akad.” 1852, ©. 193 ff. mit Erläuterungen mitgeteilte
Urk. vom 18. Auguſt 1467, aus ber ſich doch ergeben bärfte, daß bie
Erzählung des Bonfinius, Dec. 4, lib. 1, wonach bie Siebenblrger
den Grafen Johann von Pöfing fogar zum Könige ausgerufen hätten,
ſchwerlich richtig ift, obwohl auch im Schreiben bes K. Matthias vom
17. Auguft bei Palady, Geſch. Böhmens IV,2, 445, N. 295, und in
befien Urk. d. d. Thorda 3. Oft 1467 ap. Katona XV, 229 Johann
als Haupt der Abgefallenen bezeichnet wird. In Berichten des mai—
ländiſchen Gefandten in Venedig in Mon. Hung. 1. c. II, 67sq. und
918q. wird neben einigen Baronen, darunter uno chiamato Embrig
(Emerih Zapolya) auch der (Erz) Biſchof non Ealocja, der kurz vorher
auf Verwendung des K. Matthias die Karbinalgwürbe erhalten hatte,
unter ben Rebellen genannt. Im allgemeinen f. Teleki III, 532 ff.
214 Berhälinis des ungarifchen Königs zu Georg von Böhmen.
weftlih von biefer Stadt in Banya (Baja) bei Nacht vom
Woywoden überfallen und erlitt, wenn er auch ben Angriff
nach Bartem Kampfe zurüdichlug, jo empfindliche Verlufte, daß
er einen fchnellen Rüdzug antreten mußte !).
Bei der Erichöpfung Ungarns und der Unzufriedenheit vieler
feiner Bewohner würde man dem Könige keinen Vorwurf machen
fönnen, wenn er ben Krieg gegen die Türken eingeftellt und
fih auf die Verteidigung befchräntt hätte, um dem Lande Zeit
zur Erholung zu gönnen und erjt unter bejonders günjtigen
Berhältniffen den Kampf wieder aufzunehmen. Allein Matthias
dachte nicht daran, die Waffen ruhen zu laffen, nur wendete
er fie nicht mehr gegen die Ungläubigen. Nicht die Verteidigung
bes chriftlichen Glaubens und der abenbländifchen Kultur gegen
die wilden Türken ſah er fortan als das würbigfte Ziel feiner
Polttif an. Er begann vielmehr jekt Vergrößerungsplänen im
Weſten nachzujagen, die auf bie Dauer doch nicht zu realifieren
waren, während fte ihn hinderten, die Türken in nachhaltiger
Weiſe zu befämpfen und fein Neich gegen die von Süden her
drohenden Gefahren dauernd zu fchüten.
Seinem Schwiegervater Georg von Böhmen war er infolge
der zweibeutigen Haltung, welche diefer feit 1459 eingenommen
batte, längſt innerlich entfremdet. Als nun im Februar 1464
feine junge Gemahlin im Wochenbette ftarb ?2), war auch das
äußere Band, das ihn mit demfelben verknüpft hatte, abgerijjen.
Schon im Oktober 1465, wo der Papſt Paul IL fich zum
Bruche mit Podiebrad entichloffen hatte, bot Matthias jenem
feine Unterftügung an, „um die Zreulofigfeit der Gottlofen
zu zermalnten” 3). Der Papft. hatte damals von dieſem An-
erbieten feinen Gebrauch gemacht, weil dann die Tortfegung
des Türkenkrieges unmöglich geivefen wäre. Als aber König
Georg nicht bloß der katholiſchen Liga fich gewachſen zeigte,
1) Mit ben ungarifhen Darftellungen bei Thwrocz, lib. IV,
cap. 66 unb Bonfinius, Dec. IV, lib. 1, p. 427, ift aud die pol-
nifge bei Dlugosz, lib. XII, col. 416sqq. zu vergleichen.
2) Dlugosz XIII, 323.
8) Katona XV, 135.
Kriegserklärung des K. Matthias. 215
fondern auch ben Kaifer in Dfterreich bebrängte, und ber Papſt
jonft nirgends Hilfe fand, da warfen alle ihr Auge auf ben
König von Ungarn ’). Im Namen der Liga erſchien der Bifchof
Protas von Olmütz bei demfelben, um ihn zum Einfchreiten
zu bewegen, wobet er von den bifchöflichen Näten bes Matthias
eifrig unterftügt wurde. Gleichzeitig fand fich ein päpftlicher
Legat beim Könige ein. Auch der Kaifer, ber vom Prinzen
Victorin in die Enge getrieben wurbe, brängte ben König
Matthias zur Hilfeleiftung und foll ihm bafür ebenjo wie ber
Papſt Hoffnung auf die Würde eines römiichen Königs gemacht
baben 2). Sie begegneten damit übrigens nur den Wünjchen
bes ungarifchen Königs, ver fchon feit dem Herbite 1466 in
feinen biplomatifchen Noten einen ehr gereizten Ton gegen
Böhmen angeichlagen batte 3), als hätte er abfichtlich einen
Bruch herbeiführen wollen. Obwohl die Unterhandlungen,
welche die Türken jeit mehreren Iahren mit Ungarn und Venedig
über den Abichluß eines Friedens oder längeren Waffenftill
ftandes führten, bisher noch immer feinen Erfolg gehabt hatten
und überhaupt vonfeite der Pforte nicht jehr ernjtlich gemeint
gewejen zu fein fcheinen *), To Tieß fich Matthias doch zum
Angriffe auf Podiebrad bewegen, indem er mit Sicherheit er⸗
wartete, daß der Sieg ihm die böhmiſche Königsfrone bringen
würde Am 31. März 1468 erklärte er als Bundesgenoſſe
des Kaiſers und Beſchützer der böhmischen Katholiken dem
Georg von Podiebrad ben Krieg und rüdte unmittelbar darauf
1) Über ben folgenden Krieg zwifchen K. Matthias und Georg von
Podiebrad bis zum Tobe des Tetteren bat Palady IV,2, 500—664
eingehend und auf Grund forgfältiger Forſchung gehandelt, der einen Teil
ber benutten Alten fpäter in feinen „Urkundlichen Beiträgen“ (F. R.
Austr. XX, 523 qq.) veröffentlicht hat. Über die Haltung Polens fiehe
Caro V,1, 294—336.
2) So nad) einer 1469 von Matthias an K. Georg, von biefem an
Aldreht von Brandenburg gemachten Mitteilung. Palady, Urkundl.
Beiträge, S. 568.
3) Teleki XI, 164 ff.
4) Notizen darüber feit 1465 in Mon. Hung. I, 351; I, 71. 75.
79. 81.
216 Anfängliche Erfolge des K. Matthias.
durch Hfterreich, wo er ſich mit den Truppen des Kaiſers unter
Grafenecker vereinigte, gegen Znaim vor.
Das Heer des Matthias war nicht ſehr groß, indem es
nur aus etwa 11000 Reiſigen, darunter viele böhmiſche und
polniſche Söldner, und mehreren tauſend Fußgängern beſtand.
Aber es war kampfgeübt und mit großen und kleinen Geſchützen
und Kriegswagen auf das beſte ausgerüſtet. König Georg,
durch ben Aufitand eines großen Teiles feiner Unterthanen
gelähmt, vermochte denn auch bald ihm. nicht mehr zu. wider»
ftehen. Langſam, aber unaufhaltiam machte Matthias Fort⸗
ſchritte. Bis zum Oktober hatte er nach mehreren fiegreichen
Treffen ganz Mähren bis auf ven Spielberg bei Brünn, bie
Stadt Ungarisch Hradiſch und einige Kleinere Punkte, in ſeine
Gewalt gebracht. Auch die legten feiten Pläte, welche Georg
in Schlefien und der Laufig noch behauptet hatte, mit Aus
nahme von Troppau, waren zur Übergabe gezwungen worben.
In Böhmen felbit hatten fich Johann von NRofenberg und bie
Stadt Budweis ber Fatholifchen Liga angeſchloſſen.
Nachdem die ungarischen Stände im Herbfte eine außer-
orventliche Kriegsſteuer bewilligt hatten !), nahm Matthias nach
Neujahr 1469 den Krieg mit verftärkten Kräften auf. Am
12. Februar überlieferte die Beſatzung des Spielbergs, vom
Hunger bezwungen, bie tapfer verteidigte Feſtung. Schon. am
folgenden Zage trat Matthias mit feinem Deere den Zug nad
Böhmen felbft an, in der Abficht, zunächſt das reiche Bergwerk
bei Kuttenberg wegzunehmen, deſſen Erträgnid damals, vielleicht
allerdings übertrieben, wöchentlich auf 2600 Mark oder 13000
böhmifche Gulden geichätt wurde). Im größter Eile rückte
ex vor, ohne fich mit der Belagerung der Städte Leitomiſchl,
Hohenmauth und Chrudim aufzuhalten. Da aber König Georg
ihn bei Caslau mit einem Heere erwartete, das an Neiterei
zwar jchwächer, aber an Fußvolk dem feinigen bebeutend über-
legen war, jo ſchwenkte er nach Süden ab, vielleicht um fich
1) Katona XV, 858.
2) Palacky IV,2, 528.
Der Vertrag von Wilimom. 217
nach: Iglau zurückzuziehen. Plötzlich ſah er fich zwiſchen ben
mit tiefem Schnee bedeckten Höhen bei Wilimow von den
Döhmen auf allen Seiten eingeſchloſſen, die Ausgänge durch
Berhaue verfperrt. Nur durch einen Trieben glaubte er fich
noch retten zu fönnen. Er machte daher jenem ehemaligen
Schwiegervater Trievensanträge und jchloß mit demſelben bei
einer Zuſammenkunft unter vier Augen (um ben 27. Yebruar)
ein gebeimes Ablommen. Matthias verſprach „mit Hanbichlag,
Wort und Ehre”, beim Papfte es durchzufeken, daß Georg und
die Böhmen ben Gebrauch der Kommunion unter beiven Ge
italten. beibehalten dürften. Er teilte zugleich dent böhmiſchen
Könige die ihm vom Papfte und vom Kaiſer bezüglich der
rönriichen Königskrone gemachten Verfprechungen mit und bat
ihn auch um feine Stimme, wogegen er ihm die eroberten
Städte und Schlöffer wieder zurüditellen wollte Vorläufig
wurde bis zum 3. April ein Waffenftillitand geichloffen, während
deſſen beide Könige mit ihren Räten in Olmütz zufammen-
kommen follten, um einen definitiven Frieden zuftanbe zu bringen.
Die Nachricht von diefen Vorfällen rief bei den Gegnern
des böhmiſchen Königs einen ungeheueren Schreden hervor.
Der päpftliche Legat Lorenz Rovarella, Biſchof von Ferrara,
der eben auf einem Weichstage in Regensburg vergeblich einen
Kriegszug gegen bie böhmischen Ketzer durchzufegen bemüht ge
weien war, eilte perjönlich nah Olmütz, um eine Ausjöhnung
bes Königs von Ungarn mit Podiebrad zu bintertreiben. Auch
die Bilhöfe Rudolf von Breslau und Protas von Olmütz,
Zdenko von Sternberg und jeine Freunde wie Abgeoronete ber
"Breslauer und anderer Städte fanden fih in Olmütz ein,
während Georg in Sternberg blieb. Die Unterhandlungen
begannen aber erjt am 7. April, weswegen man den Waffen⸗
ſtillſtand verlängert batte.
.» Der päpftliche Legat ftelite jo übertriebene Forderungen, daß
Georg unmöglich darauf eingehen fonnte. Dieſer jollte mit feinen
Hausgenofjen zum fatholiichen Glauben übertreten, den Erz
feger Rokycana ausliefern, den König Matthiad zu feinem
Sohne annehmen und ihm jchon jegt von allen jeinen Unter-
®
218 Wahl des Matthias zum Könige von Böhmen.
thanen den Treueid ſchwören laſſen. Matthias follte alles be» -
halten dürfen, was er inne babe, und auch ben Erzbiſchof von
Prag und alle Geiſtlichen einfeken, um die Ketzerei auszutilgen.
Die Mitglieder der Tatholifchen Liga befchloffen ſchon am
12. April die Wahl des Matthias zum Könige von Böhmen,
um ibn feiter an fich zu ketten. Ste kamen damit übrigens
offenbar nur einen geheimen Wunſche desfelben entgegen, ba
jeine Bertrauten den Ligijten dazu geraten hatten. Denn für
Matthias war die Krone Böhmens befonders deswegen von
Wert, weil er durch ven Beſitz derjelben deutſcher Neichsfürft wurde
und als folcher mehr Ausfiht hatte, das letzte Ziel feiner
Wünſche, die römische Königskrone, zu erreichen. Wenn er troß»
dem mit der Annahme der Wahl zum Könige von Böhmen
zögerte, fo geichah es nur, um von ven päpitlichen Legaten ein
bindendes Verſprechen zu erhalten, daß fie ihm von Deutſch⸗
land 12000 Mann Hilfstruppen, oder, was ihm noch Tieber
gewejen wäre, woher immer 200 000 Goldgulden Subfidien
verichaffen würden.
So mußten die Unterbandlungen mit Georg notwenbig er-
folglo8 bleiben, und es war bloßes Gaufelipiel, wenn fie bis
zum 1. Dat fortgefegt wurden. Es wurde zwar noch eine
weitere Verlängerung des Waffenftiliftandes bis Neujahr be-
ſchloſſen. Aber Matthias gab zu, daß er am 3. Mat feierlich
zum Könige von Böhmen gewählt wurde, und ließ fich dann
in Mähren, Schlefien und bon den Saufigern die Hulbigung
leiften.
Die Annahme der böhmischen Krone durch Matthias zeigte
endlich dem Könige Georg, daß biplomatifche Mittel ihm feine
Rettung zu bringen vermöchten, und rief ihn zu feiner früheren
Thatkraft zurüd. Zugleich entjchloß er fich, um den Beiſtand
Polens zu gewinnen, vom böhmifchen Landtage mit Umgehung
feiner eigenen Söhne den Prinzen Wlabiflam, älteften Sohn
des Königs Rafimir, zu feinem Nachfolger wählen zu laſſen,
unter ber Bedingung, baß berjelbe ſich mit feiner Tochter
Ludmilla vermähle umd feine Söhne im Befige ihrer Herr-
Ihaften laſſe. Bei den rechigläubigen Polen erregte freilich der
Wiederausbruch des Krieges. 219
Gedanke an die Heirat des Prinzen mit einer Keberin großes
Entjegen, und Kaſimir jchob auch jett eine Entſcheidung hinaus.
Da Georg fih num auch durch den in Olmütz gefchloffenen
Waffenſtillſtand nicht mehr für gebunden bielt, jo begann er
Anfangs Juli 1469 auf allen Seiten ven Krieg und führte
benfelben um jo glüdlicher, als Matthias den größeren Tell
feiner Truppen entlaffen hatte. Zwar fiel der unbefonnene,
hitzige Prinz Victorin ſchon am 27. Juli bei Weflely an ver
March in die Hände der Ungarn. Aber in Böhmen wurben
die Mitglieder der Liga hart bebrängt, fo daß viele, wie bie
Haſenburg, Roſenberg, Schwamberg u. f. w. fih durch
Neutralitätsverträge zu retten fuchten. Die Oberlaufig und
Schlefien, wo nur Breslau noch immer großen Eifer für den
Krieg an den Tag legte, wurden von Böhmen her verwüſtet
oder gebrandichagt. In Mähren ward Ende Dftober das auf
allen Seiten mit Bafteien eingejchloffene Hradiſch vom Prinzen
Heinrich entjegt, die Ungarn unter perjönlicher Anführung des
Matthias in die Flucht getrieben. Selbft die Breslauer jehnten
fih endlich nach Frieden, und ihr Biſchof, der päpftliche Legat
Rudolf, Iprach fein Bedauern aus, daß der Papft im vieler
Sache jchlecht unterrichtet worden fei, und daß man dieſen Krieg
angefangen babe, deſſen Urheber ihre Seele mit jchwerer Sünde
belajtet hätten. Auch der Kaifer, gegen den Georg von Böhmen
den Herzog Karl von Burgund auf den deutichen Thron zu
bringen fuchte, zeigte feine Luft mehr, dem ungarifchen Könige
zum Befite von Böhmen zu verhelfen, da er diefen in Verdacht
batte, daß er feine Unterthanen gegen ihn unterjtüge, und er
durch deſſen Übermacht am meiften felbft bevroht worden wäre.
Im Jahre 1470 wurde der Krieg mit neuem Eifer auf
genommen, nachdem Matthias es durchgeſetzt Hatte, Daß ber
ungarifche Reichstag ihm von jebem Thore einen Dukaten, das
Fünffache der gewöhnlichen Steuer, bewilligt hatte 1), während
in Böhmen zur DVerteivigung des Reiches eine Landwehr ein-
geführt worden war. Doch auch in biefem Jahre, wo wieder
1) Katona XIV, 418.
220 Tod des Königs Georg.
das unglückliche Möhren den gewöhnlichen Kriegsſchauplatz bildete,
erfolgte Feine Entſcheidung. In einzelnen Xreffen waren die
Ungarn überlegen. Aber ein verheerender Einfall in Böhmen,
ben Matthias Ende Auguft über Hohenmauth Bis Caslau unter-
nahm, endete mit einem rvafchen Rückzuge, als ein böhmiſches
Heer unter Anführung der Königin Johanna herbeieilte. Am
Ende des Jahres war der ungarifche König ebenfo weit von
ver Eroberung des ganzen böhmifchen Reiches entfernt wie am
Anfang. Die Unzufriedenheit feiner Anhänger wurde immer
größer. Die Breslauer, deren Handelsverkehr gelähmt war,
Schalten und fluchten über die Geiftlichen ; die ſchleſiſchen Fürſten
waren jeden Augenblid zum Abfalle von Matthias bereit.
Selbft unter den Ungarn griff die Unzufriedenheit über die
Politik ihres Königs immer weiter um ſich.
Da Matthias auch einen Bruch mit dem Kaiſer fürchten
mußte, fo machte er Anfangs 1471 feinem Gegner Frievens-
anträge. Danach follte Georg bis zu feinem Tode die Re-
gierung in Böhmen behalten, aber von Matthias beerbt werden.
Dafür wollte diefer den Prinzen Victorin zum Türften von
Schlefien oder Mähren machen und zugeben, baß biefer ober
einer feiner Brüder ihm auf dem böhmiſchen Thron folge,
wenn er jelbjt feinen Sohn hinterließe. Sogar der Papft, bei
dem namentlich der König von Polen und die Herzoge von
Sachſen fih fir Georg verwendeten, zeigte fich geneigt, über
Die böhmifche Frage neue Verhandlungen einzuleiten.
Aber gerade als die Ausfichten für Georg fih auf allen
Seiten günftiger geftalteten, ftarb berfelbe am 22. März 1471
an der Wafjerfucht, nachdem genau einen Monat früher Roky⸗
cana, der erjte und einzige erwählte utraquiftiiche Erzbiſchof,
aus dem Leben geſchieden war.
Was Georg, dem als Politifer bei aller feiner Schlaubeit
die Nüchternbeit, die klare Berechnung feiner Machtmittel und
ber Tendenzen der übrigen Fürſten fehlte, auf dem Gipfel
ſeines Glückes angeftrebt hatte, Yöhmen zu einer ber erften
Mächte, fih zum Mittelpunfte des europätichen Staatenſyſtems
„zu machen, das hatte er freilich nicht erreicht. Sein Können
—
Wahl Wiabiflams von Polen zum böhmifchen Könige. 221
hatte dem phantaftifchen Wollen “nicht entjprochen. Aber ber
größte Theil des böhmischen Volles bewahrte ihm mit Recht
ein dankbares Andenken, da er e8 vor der Überflutung durch
bestegierige oder fanatifche Kriegerjcharen und vor einer gewalt-
ſamen, nicht ohne furchtbare Greuel durchführbaren Vernich⸗
tung feines Glaubens bewahrt und feine Selbftänbigfeit, wenn
auch. nicht feine Integrität, gerettet bat. Daß er aus bem
Leben abberufen wurbe, ehe er biefe Güter dauernd zu fichern
vermochte, war das größte Unglüd, das Böhmen unter ven
damaligen Verhältniſſen treffen konnte.
Die Böhmen nahmen jetzt auf ihren vor zwei Jahren ge⸗
faßten Beſchluß, den Prinzen Wladiſlaw von Polen als Nach-
folger Georgs anzuerkennen, Teine Rückſicht, ſondern fahen den
Thron als erledigt an. Georgs Söhne, von denen übrigens
Victorin noch als Gefangener in Ungarn lebte, fcheinen die
Krone felbft nicht gewünfcht zu Haben, die fie kaum zu be
haupten imftande geweſen wären. ‘Der Herzog Albrecht von
Sachſen, George Schwiegerjohn, Hatte unter den Adeligen ber
anftoßenden böhmiſchen Gebiete manche Anhänger, vermochte
aber doch nicht durchzudringen. AZugunften des Königs Mat—⸗
thias warfen die Anhänglichkeit der katholiſchen Liga und ber
Beſitz des größten Teiles von Mähren, Schlefien und ber
Zaufig ein bebeutended Gewicht in die Wagichale. Tür ihn
wirkte auch Prinz Vistorin, den er während des Aufenthaltes
desſelben in Ungarn burch Verjprechungen ganz für fich ge-
wonnen hatte. Dan nahm denn auch auf die ungarilche
Partei foweit Rüdficht, daß der Wahllandtag nicht In Prag,
fondern in Kuttenberg abgehalten wurde, wo außer den An-
bängern des Matthias auch der Biſchof Johann Bedenflaher
von Erlau und ber fiebenbürgische Woywode Nikolaus Cfupor
als deſſen Gejandte fich einfanden. Aber bei ben meiften Utra-
quiiten war Matthias, der bisher ihr Kartnädigfter und ges
führlichiter Feind gewejen war, zu verbaßt, ald daß fte fich
zur Unterwerfung unter deſſen Herrichaft hätten entichließen
Lönnen. Der Landtag wählte am 27. Mai ven fünfzehnjährigen
Prinzen Wlabillam von Polen, da nicht bloß bie nationale
222 Unzufriedenheit ber Ungarn mit Matthias.
Verwandtſchaft für diefen Tprach, ſondern deſſen Vater auch
die Unterftügung Böhmens mit feiner ganzen Macht und feine
fräftige Verwendung für bie Anerkennung der Kompaktaten
durch den Papft in Ausficht ftellte.e Am 22. Auguft wurbe
Wlabiflam durch einen polnifhen Biſchof in Prag gekrönt,
nachdem er die Aufrechtbaltung der Kompaltaten und ber Frei
beiten Böhmens gelobt hatte.
Natürlich dachte Matthias nicht Daran, zugunften des neuen
Königs auf feine Anſprüche zu verzichten, nachdem er für ben
böhmischen Krieg bereit8 mehr ald 2000000 Dukaten aufge
wendet hatte. Der päpftliche Legat Rovarella mußte ihn jekt
im Namen des Papites als König von Böhmen beftätigen.
Doch ftanden die Ausfichten anfangs für ihn nicht ſehr günftig.
Manche frühere Gegner des Feterifchen Georg, namentlich faft
alle oberjchlefiichen Zürften, ſchloſſen fich dem Fatholifchen Wla⸗
biflam an). Matthias erbot fich daher im Sommer 1471,
wenn feiner Krönung zum böhmiſchen Könige Teine Schwierig.
feiten bereitet würden, den Prinzen Wladiflaw an Sohnes
Statt anzunehmen und al8 Nachfolger anzuerkennen und auch
jelbft eine Tochter des polnifchen Königs zur Ehe zu nehmen.
Kaſimir wies aber biefe Anträge zurüd, da Matthias um diefe
Zeit in Gefahr war, nicht bloß Böhmen, fondern auch bie
Krone von Ungarn zu verlieren.
Die Ungarn wurden immer unzufrievener mit der Politik
ihres Königs und mit deſſen Kriegen gegen Böhmen, welche
ungeheure Summen verichlangen und das Neich wehrlos gegen
Süden machten. Schon im TFrühlommer 1469 Hatte der
Woywode Stephan von der Moldau einen Naubzug nad
Siebenbürgen unternommen und bald darauf neuerdings zu dem⸗
felben Zwecke ein Heer dorthin geſchickt?). Die Türken machten
von Bosnien und der Hercegomwina ber feit 1467 jedes Jahr
Einfälle in die angrenzenden ungariihen und venetianiichen
1) Über die Ereigniffe in Böhmen feit dem Tode des K. Georg ſiehe
Palacky V,1, 3—52. Bgl. Caro V,1, 336—350.
2) Dlugosz XIII, 445. 447.
Einfälle der Türken. 223
Gebiete, gegen Sebenico und Zara ober gegen Korbavien und
Zengg, wobei nicht bloß das Land vermwültet, fondern auch bie
Bewohner weggeichleppt wurden). Im Jahre 1469 fand
fogar ein dreimaliger Einbruch der türfifchen Nenner ftatt.
Ende März oder Anfangs April wurde das Gebiet der Grafen
von Korbavien und Zengg ausgeplündert 2), Im Mat drang
ein größerer Heerhaufen, der auf 10000 Mann gefchätt warb,
burch Kroatien über die Kulpa bis Krain vor. Vom Pfingit-
fonntage (21. Mai) an, wo bie Türken bei Möttling erfchienen,
verwüfteten fie zwei Wochen lang das Land bis unter die
Mauern von Laibah. Die Kirchen und Wohnungen mwurben
ansgeplündert und verbrannt, Kinder und alte Leute in Stüde
gehauen oder aufgeipießt, die Erwachlenen in bie Sklaverei
geführt. Erit als in Krain, wo von jedem Haufe ein Mann
geftellt werden follte, ein Heer fich fammelte und die Kroaten
ihnen den Rückzug abzujchneiven drobten, zogen fie fich mit
Zaufenden von ©efangenen nach Bosnien zurüd®). Ende
September kam wieder eine Schar in die Nähe, von
Agram und wurde nur Durch die bochangejchwollene Save am
Überfchreiten derſelben gehindert, währen fie am rechten
Ufer bis Gurkfeld ftreifte. Der Abel von Südungarn, ver fie
verfolgte, erlitt eine Niederlage *), Auch im Oftober 1470
1) Darüber nur furze Notizen in Mon. Hung. Matyas kir. koraböl
II, 67. 68. 75. 87. 90 (letzteres wohl auch von 1468).
2) Ibid. p. 101.
3) Berichte aus Venedig ibid. p. 117. 122.127. Unresti Chron.
Austr. ap. Hahn, Collectio I, 562. Unreft war damals Pfarrer zu
St. Martin am Techelsberge nörblid vom Wörther See. ©. über fein
Bert Krones im „Archiv f. öſterr. Geſch.“ XLVII, 421ff.
4) Bericht eines Egerer Gefanbten aus Wien vom 23. November in
F. R. Austr. Dipl. XLII, 482. Unreft, ©. 564. Urf. der Bürger
von Agram vom 3. Oftober ap. Katona XV, 406, wonach biefer Ein-
fall his diebus, videlicet post festum s. Michaelis arch. proxime prae-
teritum ftattfand. Dlugosz XII, 454 läßt ein ungeheures Heer der
Türken, als ſchon Schnee und Eis war, 518 in die Gegend von Cilli
borbringen, mas bie neueren SHiftorifer mit Unreht auf den im Mai
unternommenen Einfall beziehen.
224 Wirkung biefer Raubzüge auf bie Stimmung ber Ungarn.
wurden Siebenbürgen und Kroatien ausgeplünbert und ver-
beert und dann noch einmal um Weihnachten die ungariſchen
Grenzgebiete beimgejucht )y. Im Jahre 1471 erbauten bie
Zürlen zwiichen Belgrad und dem ungarifchen Zeile von Bos⸗
nien, um einen gefchügten Punkt zur Überfchreitung ver Save
zu gewinnen, bie Feſtung Sabacz, welche die Ungarn vergebens
zu erobern oder zu zerftören verjuchten 2). Zugleich begannen
diefelben wieder ihre Raubzüge. Nachdem Ifabeg, Statthalter
von Bosnien, Anfangs Mai das Gebiet bis unter die Mauern
von Spalato, Sebenico und Zara ausgeplündert hatte, drang
er mit einem Reitercorps Anfangs Juni unvermutet Durch
Kroatien bis Laibach und Krainburg vor, überjchritt dann
auch die obere Save, wobei die Türken durch das Sannthal
bis vor Cilli famen, und zog erft beim Anmarjche eines kärnt⸗
nerifchen Hilfscorp8 nach Bosnien zurüd. Auf 30000 wurden
die Menſchen gejchätt, welche getötet oder in die Sklaverei ge
führt wurden. Im Auguft drangen die Türken wieder bis in
bie Gegend von Agram, im November über den Karft bis in
bie Nähe von Görz vor ?).
Darf man fih da wundern, wenn jelbit patriotiſch geſinnte
Ungarn es mißbilligten, daß Matthias auch nach dem Tode
Georgs von Podiebrad den Kampf um die böhmiſche Krone
noch fortſetzte, während nach der Wahl des Prinzen Wladiſlaw,
ber auch auf die Hilfe Polens rechnen konnte, ein Erfolg immer
1) Dlugoszl. c. 461.
2) Bonfinii Dec. IV, l. 2, p. 440.
3) Alle drei Einfälle, vom Juni, Auguft und November, verzeihnet Un⸗
teft, S. 574, ven erften wie den Einbruch in Dalmatien auch der mai-
ländifhe Gefandte Gerard de Collis in Berichten aus VBenebig vom
13. Mai, 14. und 18. Juni in Mon. Hung. 1. c. II, 219. 224. Dlu-
gosz XIII, 4768q. erwähnt auch alle drei, teilt aber zugleich den erften
in drei, wobei das erfte- und zweite Mal je 20000, das dritte Mal
80000 Menſchen weggeführt worden wären und bie Türken das erfte Mal
3 Monate Krain verwüftet hätten. Gegen Ilwof, Die Einfälle ber
Osmanen in die Steiermark in „Mittheil. d. Hifl. Ver. f. Steiermark“
X, 222ff. glaube ich mich hauptſächlich an ben in ber Nähe Lebenden
Unreſt halten zu follen.
Berufung bes polniſchen Prinzen Kaftmir durch die Ungarn. 225
unwahrjcheinlicher wurde? wenn fie glaubten, Ungarn folle
mit den Nachbarn im Weiten und Norden fih ausfühnen und
feine ganzen Kräfte auf den Schug bed Reiches gegen bie
furchtbaren Feinde der Chriftenheit wenden? Da aber nicht
zu erwarten war, daß der eigenfinnige Hunyady fich zur Auf
gebung feiner Pläne entichließen würbe, jo follte er gejtürzt
und an feiner Stelle der zweite Sohn des polnischen Königs,
der junge Prinz Kaſimir, auf den ungarifchen Thron erhoben
werden. Bon 75 Komitaten jollen nach der Angabe eines
Bewunderers de Matthias nur 9, von ſämtlichen Prälaten
nur der Erzbiſchof Gabriel von Calocſa, von den herporragen-
deren Magnaten nur der Palatin Michael Orizagh dem Könige
unwandelbar treu geblieben fein. Das Haupt der Unzufriedenen
war der Graner Erzbiichof Johann Vitéz, der nicht bloß e8
mißbilligte, daß der König zum Zwecke des böhmifchen Krieges
auch die hohe Geiftlichfeit beftenerte, fondern fich perjönlich ges
kränkt fühlte, weil verjelbe ihm ven Zehnten des reichen Er.
trägniffes der Münze und andere Einkünfte vorenthielt und
ihm feinen neuen Günftling, den Erlauer Biſchof Idhann
Dedenjlaber ), einen Breslauer von niedriger Herkunft, vor-
zuziehen begann. Außer ihm werben fein Neffe Johann von
Cſezmicze, Biſchof von Fünfficchen, der Bilchof von Agram und
Neinold Rozgonyi als Häupter der Verſchwörung genannt.
König Kafimir von Polen war zwar perjönlih von über-
großem Ergeize wie von Thatendrang frei. Aber die Ausficht,
daß feine Söhne wie in Polen und Böhmen, fo auch in Ungarn
berrichen jollten, war doch zu verlodend, al8 daß er nicht
endlich auf die Anträge der ungarifchen Unzufriedenen hätte
eingehen jollen. Auch hatte er das Erbrecht feiner Gemahlin,
ber Schweiter Ladislaus des Nachgebornen, auf die Länder
besjelben immer feftgehalten. Auf das Drängen des Erz
biichof8 von Gran, des Bilhofs von Fünffirchen und bes
Reinold Rozgonyi ſendete er Anfangs Dftober 1471 feinen
1) So, d. h. Beckenſchlager, nicht Bedenfloer, wie er Immer genannt
wird, ſchreibt Efhenloer, fein Landsmann, den Namen.
Huber, Geſchichte Öfterreihs. IL. 15
226 Kafimirs erfolglofer Einfall in Ungarn.
Sohn Kafimir mit 12 000 Mann nad Ungarn, wohin auch
bie Truppen, welche Wladillam zur Krönung nach Prag be»
gleitet hatten, marjchieren follten. In dem am 20. September
erlaffenen Manifeſt, das der Graner Erzbifchof verfaßt haben
joll, trat Kaſimir als Erbe diefes Reiches auf und machte
dem Matthias feine Ufurpation, die Preisgebung des Landes
an die Türken und die Unterbrüdung feiner Bewohner zum
Vorwurfe. |
Allein Matthias batte durch Graner Domperren früh genug
von den Plänen feiner Gegner Nachricht erhalten. Noch im
Juli eilte er mit genügender Bedeckung aus Mähren nach
Ofen. Hier konzentrierte er alle verfügbaren Truppen und
berief dann auf den September einen Reichstag dahin, indem
er fich ftellte, al8 wenn er gegen niemanven einen bejtimmten
Verdacht hegte. Er verſtand es, die Verſchworenen teild durch
politifche Konzeljionen oder perjönliche Gunftbezeugungen und
Verſprechungen zu gewinnen (Ujlafy warb Zitular-König von
Bosnien), teil durch fein fichered Auftreten einzufchüchtern
und fo die Oppofition im Keime zu erftiden.
Als der Prinz Kafımir nach längerem Zögern endlih An⸗
fangs November über Kaſchau und Erlau gegen Pejt vordrang,
war in Ungarn bereits ein volljtändiger Umfchwung eingetreten.
Faft feiner der Großen ſchloß fih ihm an. Er mußte in
Hatvan Halt machen und fih dann in norbweitlicher Richtung
nach Oberungarn zurüdzieben, wo ihm auf Befehl des Graner
Erzbifchofs, der auch Verwejer des Bistums Neitra war, dieſe
Stadt mit der Burg die Thore öffnete. Er wäre vielleicht
jelbft in die Hände feines Gegners gefallen, wenn nicht Dlat«
thing aus Mißtrauen auf einen Teil feiner Truppen einen
ernftlihen Kampf vermieden hätte. Das polnifche Heer löſte
fich auf, indem die deutſchen Söloner nach Ablauf ihrer Dienit-
zeit nachhaufe zogen. Auch Kafimir verließ am 27. Dezemz
ber Neitra, das von der zahlreichen Beſatzung nach Turzer Be»
lagerung übergeben ward. Die wenigen fejten Pläke, die noch
in den Händen der Polen waren, wurden ihnen teilweife ſchon
in den nächſten Monaten wieder entriffen. Dem Iohann
Abſchluß eines Waffenſtillſtandes. 227
Vitéz, der fih in die Burg von Gran eingefchloffen hatte,
fiherte der König auf bie Verwendung mehrerer geiftlicher und
weltlicher Großen am 19. Dezember gegen Erneuerung bes
Treueides und DOffnung feiner Burgen feierlich Verzeihung zu,
was ihn nicht hinderte, ihn dann trotzdem einige Zeit gefangen
zu balten, nachdem er ihn unter falfchem Vorwande nach Ofen
gelodt Hatte. Als er freigelafien wurde, warb er unter bie
Aufficht des Biſchofs von Erlau geftellt, eine Demütigung,
die der Greis nicht lange überlebte. Denn jchon am 8. Auguft
1472 jhied er aus dem Leben, worauf der König Johann
Beckenſlaher zu jeinem Nachfolger auf dem ergbifchöflichen
Stuhle von Gran ernannte. Auch fein Neffe, der Bilchof
von Fünfkirchen, der fih nah Agram geflüchtet Hatte, ftarb
noch im nämlichen Jahre’).
Wenn auch Matthias durch jein eben fo kluges wie kräf—⸗
tige8 Auftreten die ihm drohende Gefahr glücklich abgewenbet Hatte,
fo fanb er doch für feinen Krieg gegen Böhmen bei ben Ungarn
nur geringe Unterftäßung und auch die Fatholiiche Liga war
nit für eine weitere Yortführung des Kampfes. Anverjeits
fehlte dem Könige Kafimir und feinem Sohne Wladiſlaw nicht
bloß die notwendige Energie fondern auch das Geld, um bie
ichwierige Lage, in ber fih Matthias eine Zeit lang befunden
batte, zu einem enticheivenden Schlage zu benugen. Da beibe
Teile gelähmt waren, fo gaben fie bereitwillig ven Wünfchen
des neuen Papſtes Sirtus IV. Gehör, der, um bie hriftlichen
Waffen gegen die Türken wenden zu können, auch zwilchen
Ungarn und Polen einen Ausgleich zuftande zu bringen bes
1) Sauptquelle für dieſe Vorgänge in Ungarn ift Dlugosz XII,
464. 470—473. 477 8q. und in zweiter Reihe Efhenloer, Geſchichten
von Breslau II, 217. 234. 246 ff. und bie ungarifhen Hiſtoriker Thw-
rocz 1. IV, cap. 67, und Bonfinii Dec. IV, 1.3. Bgl. bamit das
Manifeſt Kafimirs, die Gefee des Ofener Reichstags vom 18. Sept.
1471, und die Verträge mit dem Graner Erzbiſchof ap. Katona XV,
496. 511. 521. 554, wie die Berichte bei BPalady, Geſch. Böhmens V,1,
57, N. 36, und 59, N. 37. Bon neueren Darftellungen f. Teleki IV,
192. 227sqg. 244899. Fehler- Klein III, 91ff. Caro V,1, 350 ff.
15*
228 Der Kampf um Breslau.
mübt war. Schon am 31. März 1472 kam eine allgemeine
Waffenruhe zuftande, die dann bis in ben Sommer 1474
dauerte” Wieberholt fanden während diefer Zeit unter Ver⸗
mittlung des päpftlichen Legaten Marcus Barbo, Patriarchen
von Aquileja, Friedensverhandlungen ftatt, Die aber erfolglos
blieben, weil Matthias verlangte, daß ihm zum Erfah für
feine großen Kriegskoſten alle böhmiſchen Nebenlänver abge-
treten ober 1500000 Dufaten gezahlt und er außerdem als
Adoptivvater Wladiſſaws und bis zu feinem Tode auch als
Regent in Böhmen anerkannt werden jollte, was weder bie
Polen noch die Böhmen zugeben wollten.
ALS endlich der Krieg wieder ausbrach, fiel Kaſimir von
Polen Ende September 1474 mit einem Heere von angeblich
60000 Mann und 5000 Kriegswagen in Oberjchlefien ein
und überjchritt bei Krappitz die Ober, um auf dem linfen Ufer
verfelben fich mit feinem Sohne Wladiſlaw zu vereinigen, der
15—20 000 Mann aus Böhmen berbeiführte, und dann durch
bie Einnahme von Breslau wenigitens für Schlefien die Ent-
icheibung herbeizuführen. König Matthias Hatte einjchließlich
der Beſatzungen nur wenig über 6000 Mann und 900 Kriegs⸗
wagen zur Verfügung, mit denen er fich in einem verichanzten
Lager bei Breslau aufgeftellt Hatte). Aber feine Soldaten
waren fat alles Tampfgeübte Söloner, er ſelbſt im Kriege er»
fahren und zum Träftigften Widerſtande entichloffen, während
jeinen Gegnern ein tüchtiger, angefebener Anführer fehlte. Auch
litten die Polen infolge ihrer finnlofen Verwüftungen und ber
Niederbrennung Bunderter von Ortſchaften bald Mangel an
Lebensmitteln. Matthias ließ ihnen burch feine leichten Truppen
nicht bloß ihre Provianttransporte aus Polen und Böhmen
wegnehmen, jondern durch ein Streifcorps unter Stephan
BZapolya einen verheerenden Raubzug bi8 Meſeritz und Poſen
1) Um ſich gegen Angriffe von Norbbeutichland ber zu fichern, be=
ftätigte er jet den 1472 erfolgten Verlauf bes Herzogtums Sagan an
bie Herzoge von Sachſen unb erteilte biefen bie Belehnung. „Lehns⸗
und Beſitzurkunden Schlefiens“ I, 213ff.
Abſchluß des Friedens. 229
unternehmen, deſſen Vorftädte angezündet wurden. Bei ber
wachlenden Not ging daher Kafimir Anfangs November be-
reitwillig auf Unterbanblungen ein, welche Zdenko von Stern-
berg und andere böhmiſche Herren veranlaßt hatten. Am
15. November famen die Könige Kaſimir und Matthias per«
ſoönlich im Dorfe Groß-Mochbern vor Breslau zujammen und
wenige Tage darauf einigte man fich über den Abjchluß eines
Waffenitillftandes, der am 8. Dezember unterzeichnet ward und
Bis zum 25. Mat 1477 dauern follte.
Es Fam jpäter wohl noch zu einzelnen Feindſeligkeiten mehr
Iofaler Natur, aber zu feinem größeren Feldzuge mehr. Am
28. März 1478 wurde zwijchen den böhmischen und ungarifchen
Devollmächtigten in Brünn ein Friede vereinbart, dem aber
Matthias die Anerkennung verfagte. Doch fchloß er auf etwas
veränderter Grundlage am 30. September in Ofen neue
Präliminarien ab, die am 21. Yuli 1479 bei einer perjün«-
lihen Zuſammenkunft der Könige Matthias und Wladiſlaw in
Olmütz bejtätigt wurden. Nach ven Beitimmungen des Dfener
Friedens jollte Wladiflam nur im Befige von Böhmen bleiben,
Matthias dagegen außer dem Titel eines Königs non Böhmen
auch jämtliche Nebenländer, Mähren, Schlefien und die Lauſitz
behalten und Wladiflam ihm alles einräumen, was er bier
noch bejaß. Erft nach dem Tode des Matthias jollte Wladiſlaw
oder fein Nachfolger dieſe Länder um 400000 Dulaten wieber
einlöfen bürfen; doch follten fie ohne Löfegeld an Böhmen
zurüdfallen, wenn Matthias oder einer feiner Erben und Nach
folger nach dem Tode Wladiſlaws zu deſſen Nachfolger gewählt
würde !).
So war auch diesmal die Zurüdführung Böhmens in ben
Schoß der katholiſchen Kirche und die Vernichtung der utra-
quiftifchen Ketzerei nicht gelungen, obwohl die Päpfte fich nicht
1) Über die Borgänge in Böhmen und die Beziehungen zu Ungarn
feit der Krönung Wladiflaws f. Palacky, Geh. Böhmens V, 1, 53
bis 207. Vgl. Grünhagen, Geſch. Schlefiens I, 326 ff mit den Noten,
und Caro V,1, 357 ff.
230 Neue Einfälle der Türken
geicheut Hatten, zu dieſem Zwede die Wunden wieder aufzu⸗
reißen, die jeit der Beendigung des Hufitenfrieges befonders
unter ber forgfältigen Pflege Georgs von Podiebrad zu ver-
narben begonnen Batten. Dem böhmiſchen Staatswefen ſelbſt
war allerdings ein tötlicher Schlag beigebracht worden. Nicht
bloß der materielle Wohlitand war durch die zehnjährigen
Kämpfe ſchwer geſchädigt, die königliche Macht gelähmt, fondern
aller menjchlichen Vorausfiht nah das böhmiſche Reich ſelbſt
in Trümmer gejchlagen, da kaum je ein Herricher in ber Lage
war, für die Rücklöſung der Nebenländer die ungeheuere Summe
bon 400000 Dukaten zu zahlen.
Matthias batte Ende 1474 den Waffenftillftand mit Böhmen
und Polen befonders beöwegen gejchloffen, um endlich den
Wünjchen der Ungarn entiprechend alle Kräfte gegen die Türken
wenden zu Können. Denn auch nach 1471 hatten jie ihre Ein-
fälle in die norbweftlichen Nachbarländer fortgejegt und die—
jelben Greuelthaten verübt wie in ben vorhergehenden Jahren.
Im Sommer 1472 waren fie von Bosnien aus durch Kroatien
längs der Save bis Krain, vielleicht jogar bis in Die Gegend
von Pettau und Marburg, im September bis St. Daniele
in Sriaul, im November noch einmal bi8 Görz und Iſtrien
gedrungen ). Ende September 1473 erſchienen fie unter
Iſabeg, Krain über Sichelburg und Treffen bei Laibach vorbei
in zwei Tagen burchziehend, über den Paß der Kanker unver-
mutet bei Kappel in Kärnten, feßten über die Drau, raubten,
brannten und morbeten in der Umgebung von Klagenfurt bis
Feldkirchen und St. Veit und zogen mit taufenden von ©e-
fangenen über Bleiburg, Windiſchgrätz und Cilli nachhaufe ?).
1) Dlugosz XIII, 487. 2gl. Romanin, Storia doc. de Venezia
IV, 365. Die Annalen von St. Paul in Kärnten, mitgeteilt von Krones
im „Archiv f. öſterr. Gef.“ XLVIII, 510, N. 145 erwähnen einen Ein
fall in campo Drauensi in limitibus Marchpurge et Pettau um ben
29. Juni.
2) Dgl. mit Unreſt S. 578f. die Annalen von St. Paul a. a. O.,
N. 146, und die Notiz bei Dimitz, Geſch. Krains I, 286, N. 1, der
ſelbſt fich freilich zu viel auf Megifer, und ſolche die ihm folgten, ver=
laſſen hat.
u
in die ungarifchen und beutfchen Länder. 231
Schon Anfangs Juni 1474 drangen die Türfen wieder bis in
die Gegend von Laibach und ind Sanntbal, im Juli über die
Save bis Kreuz, Kopreinig, Warasdin und Pettau vor; im
Herbſte erfolgten neue Einfälle bis in das Karſtgebiet ?).
Die ungariſchen Gefchichtichreiber jener Zeit, Die als ihre Aufs
gabe nur die Verberrlihung des Königs anfahen, bielten es
nicht für der Mühe wert, von dem Elend, das die Türken
über Ungarn brachten, Notiz zu nehmen. Aber der damals
in der Nähe des Wörther Sees lebende Pfarrer Unreft faßt
das Ergebnis der bisherigen Türkenkriege in die kurzen aber
um fo ergreifenderen Worte zufammen: der Türke bat in
rain wohl den halben Zeil, in ber Grafihaft Cilli, in
Kärnten, am Karjt, in Iftrien einen großen Teil verbrannt
und an Leuten und Gut beraubt, das Krabatenland faft ganz
verbrannt und beraubt und das Volk verführt bis auf etliche
Städte und Schlöffer, die ſich noch halten, in dem Sager
(Zagorien) den meiften Zeil, in der Banſchaft im windiſchen
Lande (zwiſchen Sau und Drau), viel verbrannt und Leute und
Gut verführt, in Ungarn, wie man fchätt, den vierten Zeil
an Xeuten und Gut beraubt, in Siebenbürgen einen großen
Teil verberbt. In der Banfchaft fet oft zehn Meilen weit
fein Haus noch Menſch gewejen ?). Mag dieſe Schilderung
auch vielleicht etwas übertrieben fein, fo kann es doch feinem
Zweifel unterliegen, daß feit 1469 nicht bloß Inneröfterreich,
jondern auch die ungariſch-kroatiſchen Gebiete furchtbar gelitten
hatten.
Deffenungeachtet hätte König Matthias auch jet am
hiebften gegen die DVenetianer die Waffen ergriffen, die doch,
jett fie im Jahre 1463 mit ihm ein Bünbni gegen bie Türlen
geichloffen hatten, gegen diefe ununterbrochen gelämpft batten.
Nicht bloß 1469 Hatte er erklärt, er werde nur dann ben
1) Unreft, ©. 579. 581f. Annalen von St. Paul a. a. OD,
©. 509f., NR. 143. 146, wie das wahrfcheinfih in das Jahr 1474 zu
fegende Schreiben des Stephan Frangepane, Grafen von Zengg, vom
18. Juli, in Mon. Hung. Mätyas kir. koräböl. II, 260.
2) Unreft, S. 58lf.
232 Steuerbewilligungen für den Türkenkrieg.
Krieg gegen bie Türken wieder aufnehmen, wenn Venedig ibm
Dalmatien abtrete ); ſondern noch im Jahre 1473 Hatte er
mit dem Herzoge von Mailand, Galeazzo Maria Sforza, ein
Bündnis gejchloffen, in welchem beſonders ein gemeinfamer
Krieg gegen Venedig in Ausficht genommen war?) Als er
aber in dieſem Sabre für den Kampf gegen Polen eine Steuer
erheben wollte, erflärten ihm feine Barone, daß fie ihm eine
jolde nur für einen Türkenkrieg bewilligen würden 3). Es
zeigte fich dies um jo mehr gerechtfertigt, ald Anfangs Februar
1474 der ſerbiſche Paſcha Alibeg mit einem Schwarme unver“
mutet bis Großwardein borbrang, dieje pamals blühende Stadt
mit Ausnahme der Burg einnabm, ausplündberte und ver-
brannte, viele Einwohner mordete und mit reicher Beute und
zahlreichen Gefangenen ungefährdet nach Serbien zurüdfehrte *).
Auh tm Auguft verbeerte eine Schaar von etwa 10000
Türken die Niederungen bis zur weißen Körös und brachte um
ben 1. September einer ungariichen Abteilung, die fie troß
ihrer Minderzahl angriff, eine Niederlage bei 6).
Ein im Herbfte 1474 in Abwejenbeit des Königs gehaltener
Reichstag beichloß für Die Verteidigung des Landes gegen die
Zürlen von jedem Shore eine Steuer von einem Dufaten zu
erheben, beitimmte aber ausprüdlich, daß dieſe nicht für einen
andern Zwed follte verwendet werden dürfen 6). Auch der im
nächſten Frühjahre vom Könige einberufene Reichstag bewilligte
für dieſen Zwed die gleiche Steuer, deren Erträgnis man auf
eine halbe Million Dukaten [hätte %. Wenn ven Stebenbürger
-1) Dlugosz XIII, 461.
2) Mon. Hung. 1. c. II, 251—258.
3) Bericht an den Herzog von Mailand ibid. p. 245.
4) Alte Aufzeihnung ap. Katona XV, 725sgg. und ap. Kova-
chich, Script. minor. II, 11, und in etwas abweichender Faſſung im
fogen. Chron. Dubnic., in Hist. Hung. Fontes domestici SS. LI,
197sqq. Dilugosz XIII, 540 ſetzt dies erſt in die Zeit der Belagerung
von Sabacz, aljo ins Jahr 1476.
5) Chron. Dubnic., p. 199sq.
6) Katona XV, 738sgqg.
7) So ein Bericht an den Herzog von Ferrara aus Ofen vom 18. Juli
Kämpfe in der Moldau. 235
Sachſen wegen ihrer Armut geftattet wurde, ftatt diefer Steuer
eine Paufchalfumme von 10000 Dukaten zu entrichten !), To
iit dies ein Beweis, wie fehr auch ihr Gebiet durch die Ein-
fälle der Türken gelitten haben mußte, da früher gerade fie
durch Wohlhabenheit fich hervorgethan hatten.
Die Ausfichten für den Krieg waren diesmal günftig. Als
nah Neujahr 1475 ein türfiiches Heer von angeblich 100000
Mann und 20000 Bauern unter Suleiman Paſcha in die
Moldau einbrach, um den Woywoden Stephan der Botmäßigkeit
bes Sultans zu unterwerfen, ließ dieſer das ganze Gebiet,
durch das bie Feinde ziehen mußten, verwüſten und ihnen alle
Zufuhren abjchneiden, ſodaß fie bald in große Not gerieten.
Endlich griff fie Stephan, der ein Heer von 40—50000
Dann, unter diefen auch einige taufend Szeller und Ungarn
gefammelt hatte, am 10. Ianuar in ber Nähe des Fluſſes
Berlat in einem engen und waldigen Thale, wo fie von ihrer
Übermacht, bejonders ihrer zahlreichen Meiterei, feinen Gebrauch
machen fonnten, mit Ungeftüm an. Nach harten Kämpfen er-
griffen die Türken am Morgen bes britten Tages bie Flucht,
auf der fie ebenfo wie in der Schlacht ſelbſt ſehr große Ver-
Iujte erlitten 2), Um fih vor der Rache des Sultans zu
ihüten, bat der Woywode den ungarijchen König um jeinen
Beiftand und leiftete ihm dafür die Huldigung 3).
Um die Unterftügung der Walachen zu erhalten, entließ
1475, in Mon. Hung. 1. c. II, 272, dagegen ein Schreiben des Biſchofs
von Breslau an bie Görlitzer aus Neiffe bei Palady, Geſch. Böhmens
V,1, 136, R. 96, gar auf 1200000 Dulaten, während ein Bericht an
den Herzog von Mailand von 1476 in Mon. Hung., p. 334, meldet, ber
eine ſchätze das Erträgnis auf 300000 ber andere auf 400000 Dukaten.
Die Neihstagsbefchlüffe vom 29. Mai 1475 ap. Kovachich, Suppl.
ad Vest. Comit. Il, 240 qq.
1) Teleki XI, 537.
2) Bericht vom 24. Januar aus Torda an den König Matthias und
des Woywoden Stephan feldft vom 25. Sanuar in Mon. Hung. 1. c. II,
299—302. VBgl. Dlugosz XIII, 525sq., nah dem die Schlacht am
17. Januar ftattfant. |
3) Mon. Hung. 1. c. II, 272. Teleki XI, 540.
234 Eroberung von Sabacz durch K. Matthias.
Matthias den Woywoden Wlad Drakul aus feiner Haft und
fuchte ihm wieder die Anerkennung feiner früheren Untertbanen
zu verjchaffen ?).
Auch in feinem eigenen Lande machte Matthias umfaſſende
Rüſtungen, bie fich leider bis in den nächiten Winter hinzogen.
Erſt im Dezember fuhr er mit feinem Heere, einer Wlotille
von 100 Schiffen und zahlreichen Gejhügen die Donau hinab
nah Belgrad ?). Es galt der neu erbauten Feſtung Sabacz,
bie den Türken als Ausfallsthor für ihre Raubzüge nach Norden
diente. Nach einem tapferen Widerjtande von mehr als einem
Donate Tapitulierte die Belakung, die von 1300 auf 700
Mann zufammengefchwunden war, am 15. Februar 1476 °).
Doch feste Matthias den Angriffstrieg gegen die Ungläubigen
auch jett nicht weiter fort. Nachdem er ringe um Semendria
brei fefte Türme errichtet Hatte, kehrte er nach Ofen zurüd.
Um fo weniger ruhten bie Türken, die von Südweſten wie
von Süboften ber ihre Angriffe fortjegten. ‘Dort hatten fie
ihon im Auguft 1475 durch Kroatien einen Einfall in das
Draufeld bei Pettau unternommen, einigen hundert Inner⸗
öfterreichern, die fie verfolgten, an der Sottla eine empfindliche
Schlappe beigebracht und ſpäter während des ganzen Oktobers
Krain bis an die Grenze Kärntens verwüjtet. Im Jahre
1476 unternahmen fie zwei größere Züge nach Norbiveften. Im
Juli wüteten fie mit Mord, Raub und Brand in Krain und
bem angrenzenden Zeile Steiermark bis gegen Cili. Am
12. Dftober erjchienen die türfifchen Nenner, etwa 8000 Mann
ftarf, nachdem fie Krain im Fluge durchzogen hatten, von
1) Bericht an ben Herzog von Ferrara in Mon. Hung. |. c.
2) Ibid. p. 272. 279sqg. 285. 287. 297. Mon. Habsburg. I, 2,
79, ein Verzeichnis der Geſchütze u. f. w., wobei freilih die Angaben
über die Zahl ber Soldaten jehr übertrieben find.
3) Bericht des Biſchofs von Erlau an den Papft aus dem Königlichen
Lager vom 15. Februar, in Mon. Hung. 1. c. II, 343. Bar. IV, 317.
Wenn Bonfinius, Dec. IV, 1. 3, p. 453sq. unter Anführung genauer
Details Sabacz erſtürmt werben läßt, fo ift die8 nur ein neuer Beweis
für bie Unzuverläffigfeit desfelben auch noch in dieſer Zeit.
Fortdauer der Türkeneinfälle. 235
Weilfenfeld ber in Tarvis, wendeten fich dann über Arnoldſtein
gegen Villach, überjegten die Drau und drangen einerjeit8 am
Oſſiacher See vorbei ins Gurkthal, anderſeits längs bes
Wörther Sees über Klagenfurt, wo fie zwei Vorſtädte ver-
brannten, bi8 St. Paul und St. Andrä im Lavantthal vor.
Nachdem fie binnen fünf Tagen einen großen Teil von Kärnten
ausgeraubt und verheert Hatten, zogen fie plündernd und ſengend
über Windiſchgrätz, Cilli, Gurkfeld und durch das ſlavoniſche
Banat nachhauſe 1). Sowohl der Kaiſer als auch die Stände
bon Inneröſterreich thaten troß Einhebung hoher Kopfiteuern
nichts zur Abwehr der furchtbaren Teinde, gegen welche nur
die zahlreichen fejten Pläbe einigen Schuß boten. Auch der
König von Ungarn fette ihrem Vorbringen in diefer Richtung
nicht die geringjten Hinbernifje entgegen, obwohl auch Kroatien
daburch immer" mehr verwüftet und entuölfert wurde.
Mehr Wideritand fanden die Türken im jüdöftlichen Ungarn.
als Alibeg Ende Juni 1476 mit A—5000 Reitern von
Semendria aus vaubend bis in bie Gegend von Temesvar
vordrang, vereinigten mehrere ungarifche Heerführer ihre Streit»
fräfte, griffen die Feinde in der Gegend von Pozſezſen ſüdöſtlich
von Weißkirchen an und rieben diefelben großenteil® auf ?).
Im Juli 1476 drang der greife Sultan felbft mit einem
ſehr zahlreichen Heere, angeblich 90 000 Mann, darunter 9000,
die der walachiſche Woywode Radul Bazarad geftellt hatte, in
die Moldau ein. Eine türkiſche Flotte follte die Belagerung
ber Feftungen Kilia und Maurocaftro (Alfermann) unterjtügen,
während von Oſten ber 10000 Zataren die Moldau angriffen.
Dielen brachten die Moldauer bei Maurocaftro eine vollſtändige
1) Unreft, S. 589 ff. 604. 606 ff. Vgl. Ilwof, Einfälle ver O8-
manen in „Mittb. db. hiſt. Ber. f. Steierm.” X, 237ff., der aber den
„Cholmas Tag” bei Unreft ftatt für den Colomanstag (13. Oktober)
für den Kosmastag (27. September) hält.
2) Bonfinius, Dec. IV, l. 4, p. 455, deſſen Behauptung, daß ber
Kampf jenfeitS der Donau ftattgefunden habe, feiner eigenen Befchreibung
widerſpricht. Vgl. die Berichte vom 3. Juli und 8. September aus Ofen
in Mon. Hung. 1. c. II, 317. 325.
236 Kämpfe in ber Moldau und Walachei.
Niederlage bei. Gegen die Türken wendete der Woywode
Stephan dieſelbe Taktik an wie im vorigen Jahre, Wegführung
oder Vernichtung der Lebensmittel, Rückzug der Bewohner in
die Wälder, Überfall kleinerer türkiſcher Streifcorps. Doch
wurde er in der erften Hälfte des Auguft unweit Roman in
einen ernftlichen Kampf verwidelt und zum Rückzuge gezwungen,
worauf die Türken Niemku belagerten und bi8 vor Suczawa
und Choczim jtreiften. Mangel an Lebensmitteln und bie infolge
befjen im Heere wütenden Krankheiten wie die Nachricht, daß
der ungarifche Hofrichter Stephan Bathory von Siebenbürgen her
mit einer zahlreichen Armee heranrüde, bewogen den Sultan noch
im Auguft zu einem eiligen Rüczüge nach Bulgarien. Bathory,
Dberanführer der Truppen in Siebenbürgen, drang dann Ende
Dftober in die Walachet ein, die gleichzeitig der Wohtwode von
der Moldau angriff, jchlug ein walachifch-türkifches Heer von
18000 Mann bis zur Vernichtung, zwang den Woywoden
Radul Bazarad zur Flucht und fette ftatt desjelben den Wlad
Draful als Herren ein, nachdem er Bukareſt mit dem größten
Zeile des Landes erorbert hatte. Die Stegesbotichaft kam
gerade erwünjcht vor der Hochzeit des Königs mit Beatrix von
Neapel, die mit einem Glanze und einem Aufwande gefeiert
wurde, als wenn das Yand in volliter Blüte gejtanden und
nicht unter den NRaubzügen der Türken und dem Steuerdrude
gefeufzt hätte. Aber ſchon am Beginn des folgenden Jahres
ging nach einer Niederlage die Walachet wieder an die Türken
und deren Vaſallen Radul verloren, Wlad ſelbſt wurde durch
einen Diener binterliftig ermordet. Auch bie vor Semendria
errichteten Befeſtigungen wurden von den Türken wieder ge-
nommen }).
1) Einigermaßen zuſammenhängende Nachrichten über dieſe Kämpfe
in der Moldau und Walachei giebt Dlugosz XII, 544—549. 551.
Doch werden biefe durch Berichte in Mon. Hung. 1. c. Il, 316—326.
335. 339 und 1V, 325, vom 3. Juli und 8. September aus Ofen und
vom 1. Febr. 1477 an den Herrn von Mailand, vom 7. Aug. 1476 von
einem Diener Trafuls, vom 16. Auguft von Stephan Baͤthory, vom
4. und 8. Dezember vom Könige Matthias, wie durch die Schreiben Bä-
Beflere Lage Ofterreihs nach dem Tode Albrechts VI. 237 |
Deifenungeachtet unternahm Matthias nichts mehr zum
Schute feines Reiches gegen bie Türken. Wieder begann er,
von Haß und Ehrgeiz getrieben, einen Krieg im Weften, ber
jede nachhaltige Belämpfung der gefährlichiten Neichsfeinde un⸗
möglich machte, gegen den Kaiſer.
Die Urfachen lagen teild in ben innern Wirren in ben
öfterreichifchen Ländern, teil8 in der Stellung des Katjers zum
böhmischen Thronſtreite.
Fünfles Kapitel.
Kaifer Friedrich III. und Matthias von Ungarn.
—
Nach dem Tode des Erzherzogs Albrecht .am 2. Dezember
1463 hatte es den Anſchein gehabt, als follten enblich beſſere
Zeiten für das unglüdliche Dfterreich beranfommen. Kaifer
und Stände waren eifrig Hand in Hand gegangen, um Trieben
und Sicherheit im zerrütteten Lande wieder berzuftellen. Der
- Öiterreichiiche Landtag beiwilligte Ende 1465 eine bebeutenbe
Summe, um die Anfprühe der Sölpnerführer zu befriedigen
und die wilden Brüberrotten aus dem Lande zu bringen !).
ALS ein Zeil bverjelben im Frühjahr 1466 von Ungarn ber
thory8 an bie Hermannftäbter vom 2. Dftober aus Kronftabt und vom
11. November aus dem Lager bei Bulureft (Teleki XI, 570. 575) er-
gänzt und teilweife berichtigt. Vgl. auch Unreft, S. 605f. und 610,
und über bie Folgen der hoben Steuern in Ungarn Chron. Dubnic.,
p. 200.
1) Bahmann, Heichsgefchichte I, 532 ff. 609 ff. Die Verhandlungen
bes Landtags von 1465 jet in F. R. Austr. XLIV, 597ff. Über bie
Gewaltthaten der „Brüder“ noch im Herbfte 1465 f. den Bericht vom
6. Oktober aus Neuftadt an bie Frankfurter bei Sanffen, Reichscorre—⸗
ſpondenz II, 245 ff.
288 Ausbruch neuer Unruhen in Ofterreich.
wieder in Öfterreich einbrang und Pütten beſetzte, vereinigten
fih Oſterreicher und Ungarn gegen fie und drängten fie nach
Mähren, wo der größere Zeil vom König Georg in Sold ge
nommen wurde, während bie übrigen wieder in Ungarn ein⸗
brachen, fih in einem feiten Lager bei Koſtolan nördlich von
Tyrnau feitiegten und die Umgegend brandichagten und aus»
plünberten. Bon öfterreichiichen Truppen unterjtügt jchloß fie
König Matthias daſelbſt ein und brachte fie nach faft zwei⸗
monatlicher Belagerung durch Abjchneidung des Waſſers auf
das Auferfte, ſodaß, al8 der Verfuch, ſich durchzufchlagen, nur
wenigen gelang, bie übrigen fih am 29. Ianuar 1469 auf
Gnade und Ungnade ergaben. Von diefen wurden 200 mit
dem Oberanführer aufgehängt, von den übrigen 550 viele im
Kerker getötet 1).
Leider verjtand es der Kaifer auch jegt nicht, in feinen
Ländern eine geordnete Regierung berzuftellen, durch Energie
und kräftige Handhabung der Rechtspflege dem Adel zu im⸗
ponieren und feine Gläubiger immer rechtzeitig zu befriedigen.
Es brachen daher von Zeit zu Zeit immer wieder Unruhen
aus, bie bei den damaligen unklaren internationalen Verhälts
niſſen leicht auch Kriege mit auswärtigen Fürſten zur Folge
batten.
Als Albrecht VI. früherer Kanzler, Jörg von Stein, nach
einem mit dem Kaiſrr geichloffenen Vertrage das ihm ver-
pfändete Steier im Jahre 1465 zurüdgeben folite, verweigerte
er dies, vielleicht weil ihm das vertragsmäßig ausbedungene
Geld nicht zurücbezahlt war, und fette Ende 1466 der Ge⸗
walt Gewalt entgegen. Er fand einen Helfer an Wilhelm
bon Puchheim, dem bie SKatjerlihen das Schloß Rauhenſtein
bei Baden wegen einer Gewaltthat der Bejagung weggenommen
batten. Die beiden Abeligen, die fich dem König von Böhmen
als Diener unterwarfen und von ihm Hilfstruppen erhielten,
1) Balady IV,1, 522f. und IV,2, 401. 409ff. Pal. ben Bericht
bes Landmarfhall Jörg von Bottenborf, Anführer ber öfterreichifchen
Hilfstruppen, an bie Kaiferin, vom 31. Januar, in F. R. Austr. XLIV,
626.
Aufftände in Triefl. 239
begannen nun in Oberöſterreich einen verheerenden Krieg,
unter dem bejonders die Klöfter und Bauern zu leiven hatten.
Nur durch eine große Geldjumme Tieß fich Stein endlich zur
Nude bringen. Da man aber wieber mit der Zahlung ber.
jelben Schwierigkeiten machte, fo wendete er fich neuerdings an
Georg von Böhmen). Daß diefer nun Anfangs 1468 fogar
feinen Sohn Victorin einen Einfall in ſterreich unternehmen
lieg, iſt von welthiftoriichen Folgen gewejen, weil dies ben
Kaijer bewogen bat, gegen Böhmen den König Matthias von
Ungarn zu Hilfe zu rufen. j
Selbjt in den Erblanden Friedrichs, in den inneröſter⸗
veichtichen Gebieten, nahm die Unzufriedenheit in bevenklichem
Maße überhand.
In Zrieft bildete fich trog ber Begünftigung bes bortigen
Handel durch den Kaiſer eine antiöjterreichiiche Partei, welche
bie Failerlichgefinnten im Jahre 1467 aus der Stadt vertrieb.
Nah Weihnachten ftellten zwar öfterreichiiche Truppen den Ges
borjam wieder ber und die Stadt mußte am 28. Mat 1468
die unbedingte Herrihaft der Herzoge von Vjterreich aner-
fennen, was der Kaiſer benutte, um (am 3. Auguft) bie Be-
fugnifje jeiner Beamten dafelbft zu erweitern und fich naments
lih das Recht zu fihern, in der Stabt ein oder mehrere
Kaftelle zu errichten. Das ftrenge Regiment des Hauptmann
Niklas Lueger führte aber ſchon im Augujt zu einem Auf:
jtande ber untern Volfsklaffen und zur Vertreibung des Haupt.
manns und vieler der Bjterreichtichgefinnten. Erft im Sabre
darauf, im Auguft 1469 nahm Lueger die Stadt mit Waffen-
gewalt ein, ließ biejelbe plündern und die Hauptichulpigen
jtrenge beftrafen ?).
Sogar die Steiermark warb von der Bewegung ergriffen.
Das Haupt derfelden war Andreas Baumklircher, der früher
als Felvhauptmann dem Kaifer wiederholt die ichtigften
1) Kurz, Öflerreih unter 8. Friedrich IV., II, 74ff. Brit, Geſch.
des Landes ob ver Enns II, 150ff.
2) Rrones, Handbuch II, 427f. und bie daſelbſt, S. 425, ange-
führten Quellen.
240 Die Baumlircherfehbe.
Dienfte geleiftet hatte, aber jetzt mit demſelben zerfiel, vielleicht
weil er fich nicht genug belohnt glaubte, vielleicht weil er mit
dem Kaifer in finanziellen Tragen nicht ganz ausgeglichen war,
vielleicht aber auch nur, weil er deſſen Schwäche zur Vergröße⸗
zung feiner Güter benugen wollte. Auch daß er wegen mehrerer
Befigungen in Ungarn zugleih Vaſall des Königs Matthias
war, fonnte leicht Spannungen hervorrufen. Schon Ende
1467, alfo zur Zeit, wo Dberöfterreich durch Jörg von Stein
und Wilhem von Buchheim mit Krieg und Verwüſtung heim-
geſucht war, bildete fih auch in der Steiermark :ein Bund
gegen den Kailer, deſſen Haupt Baumkircher war, an bem
aber viele Edelleute teilnahmen, darunter außer Baumkirchers
Schwiegerſohne Johann von Stubenberg noch ein anderer
Stubenberg, ein Lamberg, ein Weiſpriach, zwei Windiſchgrätz,
Andreas Greißenecker und der auch in Ungarn begüterte Ber⸗
thold von Ellerbach ). Auf eine Anzeige zweier Verbündeter
wurden mehrere verhaftet, dann aber durch den Erzbiſchof von
Salzburg, Geſandte des Königs von Ungarn und des Herzogs
Sigmund von Tirol und inneröſterreichiſche Adelige im April
1468 ein Ausgleich zuſtande gebracht, ehe die Bewegung noch
recht zum Ausbruche gekommen war. Aber am 2. Februar
1469, während der Kaiſer auf einer Wallfahrt nach Rom be⸗
griffen war, jchlugen Baumfircher, Johann von Stubenberg
und einige andere unvermutet los, brachten raſch die Städte
Hartberg, Fürftenfeld, Feldbach, Marburg und Windiſch⸗Feiſtritz
und daß Schloß Wildon in ihre Hände und befetten dann
1) Diefe und mehrere andere nennt, allerdings mit fehr entftellten
Namen, als colligati con Pankerichier, ber als Gejandter des Herzogs
von Mailand an den Kaifer geſchickte Chriftoforus Bollatus in Beilage
zu einem Schreiben aus Graz vom 13. Juli 1469, aber bei einigen mit
dem Beifatze, daß fie fih fchon mit dem Kaiſer verſöhnt haben, und bei
Robertus Vindisglacer (Windifchgräger) und Georgius Clodaner mit
ber Bemerfung: „questi duij nella persona hano acusato tuti li altri.“
Mon. Hung. Maätyas kir. koraböl I, 131. Daß Greißeneder „von ber
Landleut wegen, jo mit ihm in Bündnis find“, bei Sigmund von Tirol
war, fagt ein Memoricle vom Jahre 1468 im ‚„Diplomatarium Habs-
burgense“. F. R. Austr. Dipl. II, 150.
Hinrichtung Baumlirchers. 241
and das ganze Mürzthal bis in bie Nähe von Brud. Im
turzer Zeit war ein großer Teil ber Steiermark in der Ge⸗
walt der Empörer. Nach ver Rückkehr des Kaiſers nach Kärn-
ten erließ berfelbe ein allgemeines Aufgebot. Am 5. April
überftelen die Oberfteirer unter Hans Ramung in Mürzzu«
flag 1500 Leute Baumfirchers unter dem Böhmen Safran,
erfchlugen oder verbrannten ben größten Zeil verfelben und
nahmen die übrigen gefangen’). Dagegen brachte Baumkircher
felbft, der vom norbweftlichen Ungarn ber neue Verftärkungen
erhalten hatte, dem Hauptmann ber kaiſerlichen Truppen, bem
böhmiſchen Sölonerführer Holub, am 19. Juli bei Fürftenfelo
eine empfindliche Niederlage bei und beraubte und verwüſtete
dann das ganze Land bis unter die Mauern von Graz. Noch
bis zum näcften Sommer dauerte der Krieg, wenn auch mit
geringerer Heftigfeit fort. Erft am 30. Juni 1470 kam auf
einem Generallandtage der brei inneröfterreichiichen Länder in
Völkermarkt, bei dem ber Kaiſer felbjt gegenwärtig war, nad
langen Unterbandlungen mit Baumlircher und feinen Genoffen
ein Abkommen zujtande. Der Kaifer verfprach denſelben Am- -
neitie und die Zurückſtellung der ihnen entriffenen Befitungen,
während fie die eroberten Städte und Schlöffer erft nah Be⸗
zablung der Forderungen ihrer Söldner im Betrage von
14000 Goldgulden herausgeben wollten. Da bie von ben
Ständen zu diefem Zwede bewilligte Kopfiteuer, welche jeder
vom Bilchofe und Grafen bis hinab zum Bettler in entſprechen⸗
den Abſtufungen zahlen follte, ſehr lange nicht einging, fo ver⸗
ging noch über ein halbes Jahr, bis bie Feinde das verwüftete
und ausgeplünderte Land volljtändig räumten.
Es müfjen aber auch dann noch einige Differenzen, viel,
leicht wegen der an Baumkircher verpfändeten Herrichaften,
übrig geblieben fein, zu deren Löſung Baumfircher unter Zu-
fage fihern Geleite8 nah Graz fam und auch, Greißeneder
1) Über dieſes Treffen f. außer Unreft, der Hauptquelle für bie
Baumklircherfehde, S. 561, auch den Bericht in F. R. Austr. Dipl.
XLII, 467.
Huber, Geſchichte Öfterreichd. III. 16
242 Beginn der Spannung
vom Kaiſer dahin berufen ward. Sobald letterer eingetroffen
war, ließ der Raifer am 23. April 1471 bie Stabtthore
ichließen und Baumkircher wie Greißeneder, über deſſen eigent-
liche Schuld. und gar nichts Näheres bekannt tft, verbaften und
noch am nämlichen Abend enthaupten, Stubenberg und andere
einkerfern )y. Was immer ben Kaifer zu biefer blutigen ®e-
walttbat beivogen haben mag, eingeichüchtert wurden dadurch
die Unzufrievenen nicht. Baumkirchers erwachjener Sohn und
einige Freunde besfelben griffen neuerdings zu den Waffen und
fonnten teilweife nur durch Geld zur Ruhe gebracht werden.
Auh auf das Verhältnis zwilchen dem Kaiſer und dem
Könige von Ungarn war die Baumfircherfeßde nicht ohne
Einfluß.
Friedrich hatte im Herbft 1468, ehe er die Reiſe nach
Stalien antrat, dem Könige für ein Jahr alle Einkünfte von
Oſterreich unter und ob der Enns verichrieben, wogegen Mat-
thias verjprach, während diejer Zeit Djterreich gegen alle An-
griffe von Böhmen her zu fchügen, ohne Zuftimmung des
Kaifers mit den Feinden feinen Frieden oder Waffenſtillſtand
zu jchliegen und demſelben gegen jeden, der in deſſen Ländern
einen Aufftand erregen würde, Hilfe zu leiften 2). Mußte es
den Kaiſer nun nicht mit Unwillen erfüllen, daß gerade Baum-
fircher, ver wegen feiner ungarijchen Befigungen ein Unterthan
bes Matthias war, ſich an die Spike ber fteieriichen Empörer
ftellte, daß ver König dem Kampfe ruhig zuſah, weitere Zu«
züge von Ungarn ber nicht hinderte und erft im Juli den Erz»
biihof von Gran nad Steiermark fandte, um einen Ausgleich
1) Fr. Krones, Andreas Baumkircher. Zur Geſch. ber Steiermarl
1457—1471. Graz, 1869. (Aus den „Mittb. d. hiſt. Ber. f. Steier-
marf”, 17. Heft.) Krones, Zeugenverbör Über Andreas Baumtirchers
Thatenleben und Ende. Wien, 1871. (Aus der „Zeitichrift f. die öfterr.
Gymn.“ 1871.) Krones, Quellenmäßige Beiträge zur Geſch. d. Steier-
mart 1462—1471, in „Beitr. z. Kunde fteierm. Geſchq.“ XI, 39ff.
Krones bat auch bie fpäteren Sagen Fritifiert.
2) Kurz, Ofterreich unter K. Friedrich IV., II, 244.
zwifchen bem Kaifer und bem Könige von Ungarn. 248
zu vermitteln )? Seiner Natur nach zu Mißtrauen geneigt,
batte Friedrich den ungarijchen König geradezu in dem Ver⸗
dacht, daß er abfichtlich die Unterftügung Baumkirchers durch
feine Unterthanen dulde, ja jogar daß der Einfall der Türken in
Krain mit Zuftimmung besjelben erfolgt fei, und daß er nach
bem bleibenden Beſitze ſterreichs ftrebe, deſſen Einkünfte ihm
zeitweilig überlaffen waren 2). Es ift auch in der That nicht
unwabricheinlih, daß Matthias, ärgerlich über den unbefriedi⸗
genden Erfolg im böhmifchen Kriege, wovon er die Schuld ber
lauen Unterjtügung vonjeite des Katjers zujchrieb, es nicht
ungern gejeben babe, daß diefem durch Baumkircher einige
Berlegenbeiten bereitet wurden. Es wurbe dann zwar noch
eine Verlängerung des Bünbniffes gegen Georg von Böhmen
befchlofjen und für MichaeliS (29. September) 1469 eine Zu-
ſammenkunft des Kaiſers mit dem ungarilchen Könige in Wien
verabredet. Als aber der Kaifer durch die Scharen Baum
firchers an der Abreife aus Graz verhindert wurde, jah Mat⸗
thias darin eine böje Abficht und fühlte fich dadurch ebenfo
beleidigt wie Friedrich durch bie Fortſetzung der Teinbfelig«
fetten vonjeite Baumkirchers 2). Nur der päpftliche Legat Ro⸗
varella foll den vollftändtgen Abbruch der Verhandlungen zwiſchen
beiden Monarchen verhindert haben. Matthias fchiete ben
Erzbifhof Johann Bild; von Gran und andere Räte nad
Wiener Neuftabt, wohin der Kaifer am 25. Oltober 1469
gefommen war. Aber die Forderungen, die er an ihn jtellte,
waren enorm. Der Kaifer follte dem Könige auch weiterhin
bie Zölle und Mauten in Ojterreich überlaffen, auf ben Titel
eines Königs von Ungarn verzichten, die Kurfürften und Reichs—
jtädte, wie er früher verjprochen, zur Hilfeleiftung gegen Böhmen
bewegen und dafür jorgen, daß er einen Erjat für Die 400 000
1) Nach Schreiben bes K. Matthias vom 21. Yuli 1469 bei Palady,
Urkundl. Beiträge, ©. 599.
2) Bericht des mailändifchen Geſandten aus Graz vom 1. Juli 1469,
in Mon. Hung. Mätyäs kir. koraböl U, 125.
3) Ibid., 205. Bericht besjelben vom 21. Januar 1470 (nicht 1471)
aus Wien. Bol. Lichnowsky VII, Reg. Nr. 1390. 1393.
16 *
244 Errfolgloſe Verhandlungen in Wien.
Dulaten erhalte, die er bereits für Sold ausgegeben Habe ?).
AS der Kaiſer ſich Anfangs Dezember nach Wien begab,
wurden die Verhandlungen durch den Graner Erzbiichof, ber
acht Tage vor Weihnachten dorthin kam, fortgeſetzt. Auch
jet verlangte biefer im Namen feines Herrn vom Kailer bie
Ablegung des ungariichen Königstiteld und wahrjcheinlich als
Erjab für die Koften des böhmilchen Krieges die Herausgabe
der ihm verpfändeten ungarifchen Grenzgebiete und die Rück⸗
zahlung der 80000 Dulaten, die er für die ungartiche Königs-
krone erhalten batte, weiter einen Ausgleih mit Baumkircher
und Amneftie für venfelben und endlich, was für den Kaiſer
das Beleivigendfte war, wenn der König nad Wien füme,
Einräumung zweier Thore der Stadt, in bie er 500 Be⸗
waffnete ſollte einführen dürfen. Als ver Kaiſer auf biefe
Torderungen nicht eingehen wollte, forderte Matthias feine
Gefandten zur augenblicklichen Abreife auf. Da kam es end-
lich zur Verabredung, daß der König unter ficherem Geleite
des Kaiſers nach Wien fommen und Hier durch die Räte beider
eine Vereinbarung zuftande gebracht werben, aber von Baum⸗
kircher feine Rede fein follte ?).
Es zeugt für die Spannung, die zwilchen beiden Türften
berrichte, dag Matthias mit feinen Räten, dem Erzbiſchofe
bon Gran, den Biſchöfen von Erlau und Fünffirchen, dem
fiebenbürgifchen Woywoden Nikfas Efupor, dem Zipfer Grafen
Emerich von Zapolya und Neinold Rozgonyi, fih um den
10. Februar 1470 erjt dann nach Wien begab, als der Kaijer
ihm und den Seinigen für den Aufenthalt, wie für die Heim⸗
teile volllommene Sicherheit zugefagt hatte 8). Auch konnte e8
1) Bericht des Egerer Gefandten vom 23. November 1469 (au8
Wien) in F. R. Austr. Dipl. XLII, 481.
2) Bericht des mailändifchen Geſandten vom 21. Sanuar 1470 1. c.
Als Grund für die Forderung von 80000 Dulaten giebt biefer an, baß
ber Kaiſer fie dem Könige für den böhmifchen Krieg verfprochen babe.
Doch ſcheint mir bier die Angabe des Diugosz XIII, 455 richtiger zu
fein.
3) Gegenurkunden des Köuigs und feiner Räte aus Brud d. d.
9. Februar 1470 bei Kurz II, 246f.
Annäberung des Kaiferd an den polnischen König. 245
ber Kaiſer nur als eine Kränkung anfeben, daß Matthias auch
ben Baumlircher al8 Begleiter mit fich genommen hatte. Wenn
berielbe nun auch die Forderungen wegen Rückzahlung ver
80000 Dukaten und Herausgabe der ungariichen Grenzgebiete
erneuert, ja jogar verlangt bat, daß der Kaiſer dem Baum⸗
kircher alle weggenommenen Zeiten zurüditelle und 4000 Dis
taten Schadenerſatz zahle, jo darf man fich nicht wundern,
wenn Friedrich den Wünſchen des Königs entgegenzulommen
fich. fträubte und fich nicht geneigt zeigte, zur Begründung einer
feiten Verbindung ihm feine einzige Tochter Kunigunde zur
Ehe zu geben. Boll Unwillen reifte Matthias enplich eines
Morgens ab, ohne vom Kaifer Abſchied genommen zu haben !).
Friedrich dagegen ſchickte nach Oſtern einen Agenten an Kafi«
mir von Polen, um ibm von einer engeren Verbindung mit
dem ungariichen Könige abzuraten 2). Ia auf einer Zufammen-
kunft, die der Kaifer Ende Juli mit mehreren deutſchen Fürſten
und den Gefandten des Königs von Polen in Villach hielt,
- wurde beichlofjen, daß Georg von Podiebrad König von Böhmen
bleiben ſollte 2). Wohl nur das Streben, Friedrich wenigſtens
von einer offenen Unterftügung Podiebrads abzuhalten, dürfte
ben ungariichen König bewogen baben, Baumlircher nicht weiter
zu unterftügen und einen Bruch mit dem Kaiſer zu vermeiden.
Allein der geheime Krieg zwilchen „Vater“ und „Sohn“
ging obne Unterbrechung fort. Wenn ver Kaifer gerade im
Dftober 1471, nachdem zwilchen Ungarn und Polen ein offener
Bruch erfolgt war, dem Könige Kafimir von dem in fiebzehr
1) Dlugosz XIII, 455 ift leider einzige Duelle. Doc wirb feine
Angabe über die Forderungen des Matthias zugunften Baumlirchers
durch die Entgegnung bes Kaifers auf deſſen 1473 ihm von jenem ge=
machten Vorwürfe in Mon. Habsburg. 1,2, 43 (=52) und jene über das
Refultat der Zufammenkunft duch Unreft, S. 565, und das Schreiben
des Rates von Eger in F. R. Austr. Dipl. XLII, 492 beftätigt.
2) Dlugoszl.c.
3) Palady IV,2, 646. Nach ber erwähnten Depefche des mai⸗
länbifohen Gefandten vom 21. Sanuar 1470 Hätte der Kaifer fih fogar
ſchon im Herbfie des vorigen Jahres einem Abkommen mit Pobiebrab.
geneigt gezeigt.
246 Berbinbung bes 8. Matthias mit unzufrievenen Öfterreichern.
Jahren nicht gezahlten Heiratsgute feiner Gemahlin Elifabeth
32 000 Dulkaten zu entrichten verſprach und dann im folgenden
Sommer trot feiner Geldnot, wie es fcheint, wirklich aus⸗
zahlte 1), jo war dies tbatjächlich nichtS anderes als eine Sub»
ſidienzahlung an ven gefährlichiten Feind des ungarifchen
Königs 2). Friedrich mußte eben wünſchen, daß Wlabijlam
von Bolen die böhmifche Krone behaupte, va diefer ald Sohn
einer Tochter Albrecht II. mit den Habsburgern verwandt
und feine Herrſchaft in Böhmen für Vfterreich viel weniger
gefährlih war, als die Vereinigung jenes Reiches mit Ungarn
unter einem jo ehrgeizigen und tbatkräftigen Fürften wie
Matthias.
Diefer bejann fi nun auch nicht, alle Minen gegen ben
Kaiſer fpringen zu laffen, deſſen Lage nur zu günftige An⸗
griffspunfte bot. Denn die vornehmſten djterreichiichen Adeligen,
Heinrich von Liechtenftein- Nikolsporf, Georg von Pottendorf,
Beit von Ebersporf, Hartnid von Puchheim, Sigmund Eizinger,
Gamaret Fronauer und viele andere waren mit demfelben
wieder zerfallen und erhoben Klage über Beeinträchtigung ihrer
Breibeiten und guten Gewohnheiten, während in ber That fie
fich Übergriffe erlaubt und eigenmächtig Zölle und Mauten zu
Waſſer und zu Lande erhoben zu haben fcheinen 8). Ihnen
Batte fich fogar Friedrichs bisheriger Feldhauptmann Ulrich
bon Grafeneck angeichloffen, ver die ihm zur Befriedigung
feiner Forderungen überlaffenen Einkünfte auch dann nicht
herausgeben wollte, als, wie wenigftens der Kaiſer, allerdings
nicht mit Recht, behauptete, dadurch die Schuld an ihn gezahlt
1) Chmel, Reg. Frid., no. 6482 und die Ouittungen vom 12. Aug.
1472, ibid. 6595 8q. (Orig. im Wiener Hausarchiv). Nah Dlugosz
XIII, 492sq. wären fie freilich feltft im Jahre 1473 noch nicht gezahlt
geweſen. |
2) Bgl. das Schreiben bes K. Matthias an die Brüber Starbemberg
vom 11. Oftober 1471 beit Chmel, Materialien II, 311 und das un⸗
datierte Rundſchreiben besfelben bei Eſchenloer IL, 253ff,, worin er
dem Kaiſer fogar den Aufftand des Jahres 1471 inUngarn zur Laſt legt.
3) ®gl. Chmel, Reg. Frid., no. 6203, und „Materialien“ II,
31dff.
Bertrag zwifchen dem Kaifer und dem 8. Matthias. 247
war, und ber fich Rechnung zu legen weigerte !). Als Anfangs
1472 die Unzufriedenen fi) an ven König Matthias wenveten,
wies diefer fie nicht zurüd, ja er drohte fogar, die durch ben
unmittelbar darauf geſchloſſenen Waffenftillftand mit Polen
entbehrlich geworvenen Söldner in die Länder des Kaiſers zu
ſchicken. Doch erflärte er fich dem päpftlichen Legaten, dem Bifchof
von Ferrara, gegenüber bereit, bie unzufrievenen fterreicher
zum Gehorſam zurüdzuführen und alles nach dem Willen des
Kaiſers zu thun, wenn diefer ihm den Titel eines Königs von
Döhmen gäbe ?). Obwohl der Kaiſer in einem geheimen Ver⸗
trage diefe Forderung bewilligte, nahm doch Matthias „als
König von Böhmen und oberfter Kurfürft“ am 13. Juni bie
dfterreichiichen Adeligen förmlich in feinen Schuß 3) und ließ
ipäter den Johann Zeleny von Schönau und andere Söldner.
führer aus Ungarn in Oſterreich einbredhen, wo fie Befefti-
gungen errichteten und ihre gewöhnten Näubereien begannen *).
Wieder begannen unter Vermittlung des püpftlichen Legaten
Berbandlungen, welche im September 1472 zu einem Ab»
fommen führten. Der Katjer veriprach meuerbings dem Könige
Matthias den böhmiſchen Königstitel zu geben, jedoch nicht vor
dem 8. November, da man bis dorthin von ben in Ausficht
genommenen Unterbandlungen zwiichen den Königen Matthias,
Kafimir und Wladiſlaw einen Ausgleich in ber böhmifchen
Trage erwartete. Matthias dagegen verpflichtete fich, bis zu
jener Zeit bie OÖfterreicher unter Zuficherung einer Amneſtie
zum Gehorſam gegen den Raifer zurüdzuführen und die Scharen
Zelenys und die übrigen Banden gegen Geld oder mit Gewalt
aus Öfterreich zu entfernen ö).
1) Dies ergiebt ſich aus Mon. Habsburg. I, 2, 11f. 65. Bgl.
Chmel, Reg. Frid., no. 5978, und deſſen „Daterialien” IL, 327 ff.
2) Angaben über diefe Verhandlungen und Verträge Mon. Habsburg.
1,2, 44f. (52f.) 715.
W a) ıla. 1,2, 3.
4) Diugosz XIII, 487. Eſchenloer II, 271. Ann. Mellic. M.
G. SS, ‚IX, 522.
5) Der Inhalt der in die Hände des päpftlichen Legateu beponierten
248 Bruch dieſes Bertrages.
Es war nicht Friedrich fondern Matthias, der diefe Ver⸗
träge verlegte. Er that nichts zur Beruhigung Ofterreichs,
blieb im Gegenteil auch fortan mit dem Unzufriebenen im
beiten Einvernehmen. Statt die Sölonerführer, die für bie
Räumung Oſterreichs Bedingungen ftellten, mit Waffenge-
walt dazu zu zwingen, bewog ex fie durch Geld zur Tibergabe
ihrer Befeſtigungen, behielt aber dieſe felbjt in feinen Händen.
Nur unter der Bedingung wollte er fie herausgeben, wenn ihm
der Kaiſer einen Tag und Ort beitimmte, wo er ihn mit
Böhmen belefnen würde‘). Eine Vermittlung, welche vie
deutſchen Kurfürften im Auguft 1473 verfuchten, um ein ges
meinfames Vorgeben gegen die Türken zu ermöglichen, blieb
ohne Erfolg, es kam nur zu gegenfeitigen Vorwürfen und
Nechtferchtigungsverfuchen. beiver Zeile 2). Der Kaiſer erkannte
baber auch nicht Matthias, jondern Wladillam als König von
Böhmen an und ſchloß im März 1474 gegen jenen wie gegen
die vebellifchen Dfterreicher ein Bündnis mit biefem und feinem
Dater Kaſimir von Polen), Um dem ungariichen Könige
den Boden für weitere Umtriebe zu entziehen, erklärte er fich
Anfangs 1475 geneigt, nach dem Wunſche der Stände Nieber«
öſterreichs auch mit Grafeneder und den unzufrieveneu öfter
reichtichen Adeligen ein Ablommen zu fchließen *).
König Matthias war in der nächiten Zeit durch den Krieg
gegen bie Türken und durch feine Hochzeit in Anſpruch ges
nommen. Doc hinderte ihn dies nicht, im Auguft 1476
wenigitens auf diplomatiſchem Gebiete den Streit mit Triebrich
Urkunden mit vorausgehenden Anträgen und Entwürfen u. f. w. Mon.
Habsburg. 1,2, 8—25.
1) Mon. Habsburg. 1,2, 25—28. 45 ff. (=53ff.) 57 ff. 64. 67. Vgl.
Ehmel, Materialien II, 312 und das Schreiben des 8. Matthias an
bie Ofterreicher vom 28. Juni 1473 bei Teleki XI, 495.
2) Mon. Habsburg. 1,2, 28—66, welche Altenftüde auch auf frühere
Borgänge manche Streiflichter werfen.
3) Lichnowsky VII, Reg. Nr. 1745f. 1750. Bol. Dlugosz XIII,
500 sq.
4) Chmel, Materialien II, 326—332.
Bilndnis des Kaifers mit Böhmen. 249
wieder aufzunehmen. Er beklagte fi nämlich durch einen
eigenen Geſandten, daß die Näte und Vertrauten des Kaifers
ihn der Begünftigung der Türken bejchuldigten, worauf Fries
drich einfach auf die Thatſache hinwies, daß gar nichts geſchehe,
um ben Einbruch derjelben duch Kroatien in die failerlichen
Erblande zu hindern. Bei der Fortiegung des Notenwechjels ?)
drohte Matthias mit Krieg, wenn der Kaifer, ber mit Grafen»
ecker und deſſen Freunden neuerbings zerfallen war und gegen
diejelben Truppen jammelte, und auch eine päpftlihe Bann⸗
bulle gegen fie erwirkt Hatte, von feinen Schritten gegen bie
jelben nicht abließe. Auch Grafeneder und Liechtenftein forderte
er am 24. Dftober auf, im Kampfe gegen den Kaiſer auszu-
Barren und mit biejem feinen Frieden zu ſchließen. Da ber
Kaiſer fich diesmal nicht abfchreden ließ, fondern Truppen
fammelte, mit denen er die Schlöffer der Aufftändifchen ans
‚griff, da kündeten ihm mehrere Hauptleute des ungarifchen
Königs Fehde an. Dagegen erneuerte Wlabiflam von Böhmen,
dem Matthias auch im Oktober ven Waffenfitliftand aufgejagt
Batte, Anfangs Dezember mit ibm das 1474 geichlofiene
Bündnis und veriprach, ihm längſtens in vier Wochen 3 big
4000 Mann zubilfe zu ſchicken, bis Mitte März aber perjün«
lich mit 10000 Mann nach Diterreih zu fommen, wo ber
Kaiſer mit einer gleichen Zahl fich anfchließen folite, um zuerft
gegen deſſen rebelliſche Unterthanen und dann gegen den König
Matthias zu ziehen. Dafür verſprach der Kaiſer, den König
Wladiſlaw gleich nach feiner Ankunft in Ofterreich mit Böhmen
zu belebnen.
Die faiferlichen Heerführer, unterftügt von 4000 Böhmen
unter Burian von Gutftein, führten diesmal den Krieg nicht
ohne Glück. Mehrere Burgen wurden den Aufitändifchen ent»
riffen, einige Adelige zur Unterwerfung bewogen. Auch Grafen⸗
edler mit feinem Sohne Wolf, die Pottendorf und Puchheim
ichloffen im März 1477 mit dem Kaiſer Frieden. Grafen⸗
ecker verpflichtete fich, dem Kaiſer gegen eine Summe von
1) Mon. Habsburg. 1,2, 79fi.
250 Belehnung K. Wladiflams mit Böhmen.
50000 Dukaten alle feine Beſitzungen in Ofterreich abzutreten
und das Land zu verlafien. Als Schiedsrichter Hatten beide
Parteien den Graner Erzbiihof, Johann Bedenflaher aner-
kannt, der ſich im Sabre vorher mit allen feinen reichen
Schägen heimlich nach Ofterreich begeben Hatte, wahrfcheinlich
aus Mißmut darüber, daß der in feinen Neigungen jo häufig
wechielnde König feine ganze Gunft einem neuen Liebling zur
wendete, dem Minoriten Gabriel Rangoni, einem Italiener,
der als päpftlicher Legat nach Ungarn gelommen und von
Matthias zum Biichofe von Erlau und zu feinem Kanzler er»
nannt worden war !). Der Erzbiihof Tieh auch dem Kaiſer
gegen gute Pfänder 37000 Dufaten, um obige Summe an
Grafeneder zahlen zu können.
Nur die Liechtenftein und Ebersdorf mit einigen anderen
Adeligen ſetzten ven Kampf noch fort. Der Railer ließ Eber
dorf unterhalb Wien belagern. Aber man richtete dagegen
nichts aus, obwohl der böhmifche König im Frübjahre 1477
dem Kaijer wieder einige taujend Mann zubilfe ſchickte. Ends
ih erichten Wladiſlaw ſelbſt mit 8000 Mann, worauf ihn
der Kaiſer am 10. Juni feierlich mit dem Königreihe Böhmen
belehnte. Aber. auch jegt war man vor Ebersdorf nicht glück⸗
liher. Mangel an Lebensmitteln und Sold rief beſonders
unter den Böhmen fo große Unzufriedenheit hervor, daB der
größte Zeil entweder in der Umgend plündernd herumftreifte,
oder nachhauſe 308. Die Belagerung von Ebersborf wurde
baber am 18. Juli aufgehoben, und Wladiſlaw ſelbſt fehrte am
21. Juli aus Wien beim, gerade in dem Zeitpunkt, als der
ungarifche König fich felbit zum Angriffe auf den Kaijer ent»
ichlofjen Hatte 2).
1) Über vefien Einfluß auf ben König ſ. den Bericht des mailändifchen
Gefandten vom 19. Mai 1476 in Mon. Hung. Matyaäs kir. koraböl II,
310sq. Im Januar 1476 nennt ihn’ ein anderer Gefandter „ben erften
und geliebteften” unb den „Augapfel bes Königs“. Ibid. p. 338g.
2) Bei dem vollftändigen Schweigen aller öſterreichiſchen Ehroniften
über die Kämpfe zwifchen dem Kaifer und ben aufftänbifchen Adeligen find
wir auf die bürftigen Notizen des Unreſt, S. 619 ff., und die noch all-
Kriegserlärung bes K. Matthias an den Kaifer. al
Schon am 12. Juni hatte Matthias dem Kaiſer den Krieg
erflärt, indem er ihm vorwarf, baß er fich mit Verlegung der
früher ihm gemachten Zuficherungen mit Ketzern und feinen
Beinden, den Polen, verbunden und dem Herrn der Reger bie
Belehnung mit Böhmen zu erteilen verfprochen habe !). Un-
gariiche Scharen machten bereit zur Zeit der Belagerung Ebers⸗
dorfs die Gegend zwilchen dem Semmering und Wien un-
ficher 2), während Matthias ſelbſt in Raab ein größeres Heer
fammelte. Venedig, der Biſchof von Forli, päpftlicher Legat,
und der Erzbiihof von Bari, der als Gefandter Ferbinands
von Neapel in Ungarn gewejen war, fuchten auch jest noch
den für die Chriftenheit fo verhängnisvollen Krieg zu ver-
hüten, und der Kaiſer zeigte fich nach dem Abzuge der Böhmen
natürlich jehr bereit dazu 9). Aber die Forderungen bes un»
gariihen Königs machten einen Frieden geradezu unmöglich, ins
dem er für den ihm vom SKailer angeblich bei verſchiedenen
©elegenbeiten zugefügten Schaden einen Erſatz von nicht we⸗
niger ald 754000 Dulaten verlangte ).
Anfangs August 1477 ftand Matthias an der Spike eines
jtattlichen Heeres, umgeben von feinen erprobteften Heerführern,
auf djterreichiichem Boden. Selbft jeine Gemahlin und Mutter
hatte er mitgenommen, um Zeugen jeines Triumphzuges zu
fein. In der That konnte der Kaiſer nicht wagen, fich ihm
im offenen Felde entgegenzuftellen, und 308 fich noch Ende Juli
gemeineren Angaben ap. Dlugosz XIII, 549sq. 555. 558sq. ange-
wiefen. Wichtiger find bie Urkunden in Mon. Habsburg. I,1, 470 und
499 ff.; 2, 264— 308, und bei Chmel, Materialien II, 333 — 344.
Bol. Balady V, 1, 141ff.
1) Die zwei Tage früher wirklich erfolgte Belehnung war ihm natür⸗
lich noch nicht befannt. Das Schreiben des K. Matthias an den Kaifer
und deſſen Ermwiderung in einem Deanifeft an bie Ungarn (deutſch und
Yateinifch) in Mon. Habsburg. I,2, 96 ff.
2) Berichte des mailändifchen Gefanbten ans Schottwien vom 6., aus
Neuftabt vom 8., aus Wien vom 23. Suli in Mon. Hung. Mätyas kir.
koraböl II,351 qq.
3) Ibid. p. 358sq. Berichte vom 23. und 24. Yuli.
4) Mon. Habsburg. 1,2, 111.
252 Angriff des ungarifchen Königs auf Ofterreidh.
nah Krems, ſpäter nach Steyer, enblich nach Gmunden zurüd.
Seine alten Gegner unter den öjterreichifchen Adeligen, die
Liechtenftein u. ſ. w., fchloffen fich natürlich dem Könige von
Ungarn an. Die Inneröfterreicher waren durch ihre eigene
Verteidigung in Anjpruch genommen, da nicht bloß die Türken
am Anfang des Mai einen Raubzug nach dem ſüdweſtlichen
Krain unternommen und fich einen ganzen Monat daſelbſt auf
gehalten hatten und im Dftober wieder nach Krain und von
da ind Venetianiſche bis Conegliano vorbrangen !), fonbern
auch Graf Yörg von Zagorien, der Sohn bes Johann Wittos
wei, die Steiermark angriff, den Markt Luttenberg nieder⸗
brannte, und der Gegend bi8 Marburg großen Schaden zus
fügte. Auch das Reich that nichts für den Kailer.
Matthias brachte denn auch ohme große Anftrengung bie
meiften Burgen und Ortichaften zwilchen ber Leitha, dem Sem⸗
mering und dem Wiener Walde, dann Klojier- und Korneu⸗
burg, endlich Tulln und St. Pölten in jeine Gewalt und fügte
dem Xande großen Schaden zu, indem bejonders feine Katzen,
die al$ leichte Reiter verwendet wurden, durch Raub⸗, Zer-
ftörungs- und Morbluft fich hervorthaten. Aber es fehlte doch
viel, daß ihm alles nach Wunsch gegangen wäre. Schon Haim⸗
burg, durch deſſen Belagerung er feiner Gemahlin ein ihr noch
unbelanntes Schaufpiel verichaffen wollte, vermochte er nicht
einzunehmen. Auch Wien, deſſen Belagerung am 14. Auguft
begonnen wurde, leistete ihm unter der Leitung des Grafen
Haug von Wervenberg erfolgreichen Widerſtand, ebenjo die
Schweiterftädte Krems und Stein, welde Paul Kinizſi und
der Böhme Johann Zeleny feit Anfang des Oktober bebrängten.
Bor Krems und Stein wie vor Wien erlitten die Ungarn
empfindliche Verlufte. Wiener Neuftadt wurde gar nicht ernſt⸗
lich bebroht 2). Zugleich erfuhr Matthias, daß die Türken im
1) Unreft, ©. 628f. Dlugosz XIII, 563. Die Zeit bes erften
Einfalls ergiebt ſich aus dem Schreiben bei Sinnacher, Beiträge zur
Geſchichte von Säben und Briren VI, 602.
2) Die mweitläufigften aber nicht immer verläßlichen Nachrichten über
biefen Krieg bringt Bonfinii Dec. IV, lib. 5, p. 463sqgq., kürzere
Der Friede von Gmunden. 3
- Oftober neuerdings in Kroatien eingebrochen ſeien und dort
großen Schaden angerichtet haben ).
Ein Friede erichten daher dem ungarifchen Könige eben fo
wünschenswert wie dem Kaifer und die Vermittler, bejonders
ber Papft, fanden mit ihren Vorftellungen jet bereitwilliges
Entgegentommen. Matthias ſchickte Schon Anfangs Oftober
Geſandte an den Kaiſer 2), die am 10. November einen Waffen-
ftillftand und endlich einen Frieden zuftande brachten. Am
1. Dezember wurbe diefer mit dem Sailer in Gmunden abge-
ſchloſſen und am 18. auch von Matthias in Korneuburg ratt-
fiztert. Friedrich mußte den König mit Böhmen belehnen und
allen feinen Unterthanen, welche e8 mit bemielben gehalten
hatten, Amneftie erteilen und ihnen alle entzogenen Güter zur
rüditellen, wogegen aber auch fie fortan dem Sailer Ges
horſam leiſten, die eigenmächtig errichteten Befeftigungen zer.
ftören und nicht mehr vom Könige in Schu genommen werben
follten. Weiter follten fich die Stände von Nieber- und Ober-
öfterreich verpflichten, dem Könige in zwei Sahresraten 100 000
Goldgulvden zu zahlen. In einem geheimen Vertrage ward
beftimmt, daß der Kaiſer den minderjährigen Johann Galeazzo
und feine Mutter des Herzogtums Mailand entjegen, das
Reichsvikariat über dasfelbe dem Schwager des Könige Mat
thias, Friedrich von Zarent, verleihen und biefem nach ber
Beſitznahme Mailands feine Tochter Kunigunde zur Ehe geben
follte. Sobald Friedrichs Vater Ferdinand von Neapel biejen
Vertrag beftätigt hätte, follte Matthias auf bie von den Dfter-
Dlugosz XIII, 560 sqg. Unreft, ©. 627f. 2gl. Linck, Ann.
Claraev. II, 250sqqg. und bie Notizen im Tagebuch des Wiener Arztes
Tichtel in F. R. Austr. SS. I, 4—6, wie die Schreiben ap. Rauch,
SS. III, 263 8qg.
1) Unref, ©. 629. Bgl. das Schreiben des K. Matthias vom
18. Oftober bei Teleki XII, 35.
2) Daß Matthias, nicht, wie Bonfint behauptel, Friedrich Friedens⸗
anträge gemacht bat, ſchreibt einer den ungariſchen Gefanbten, der Btichof
Gadriel von Erlau, päpftlicder Legat, am 7. Dftober. Mon. Hung. 1. c.
II, 360.
254 Die Aufbringung der Kriegsentfehäbigung.
reichern aufzubringenden 100000 Gulden zugunften des Kaiſers
verzichten 7).
Kam Mailand an den Schwager des ungariichen Königs,
umfaßte das Haus Neapel die italieniſche Halbinfel von Norden
wie von Süden, fo nahm auch Matthias jelbft eine imponierenve
. Stellung in Europa ein. Als Herr Ungarns und der böhmt-
ſchen Nebenlänver befaß er im Oſten dieſes Weltteild die aus»
gebehntefte Herrichaft. Durch feinen Schwager und Schwiegers
vater wie durch die Gunft des Papſtes, der in ihm die Haupt.
jtüge der Chriftenheit gegen bie Ungläubigen erblidte, übte er
in Italien einen maßgebenden Einfluß aus, wie anderſeits viele
deutſche Fürften, bejonders die WittelSbacher, mit ihm in ben
engiten Beziehungen ftanden. Auch mit den Schweizern batte
er in der legten Zeit Verbindungen angefnüpft, um mit biejen
gefürchteten Kriegern ein Bündnis oder wenigſtens einen Freund⸗
Ichaftsvertrag zuftande zu bringen ?). Der Kaifer war dann
auf allen Seiten von Matthias und feinen Freunden einge-
Ichloffen und an jeber freien Bewegung gehindert. Friedrich
bat daher auch nichts gethan, um die Beitimmungen bes ge-
heimen Vertrages zur Ausführung zu bringen und fich fo jelbit
die Kehle zuichnüren zu helfen. Im Februar 1479 verzichtete
übrigens Matthias ausprüdlich auf dieſes Projeft und fagte den
Raifer feines Wortes ledig, wogegen er nun bie Zahlung der
Kriegsentichädigung verlangte.
Der Kaiſer hatte auch während des Jahres 1478 mehrere
Landtage gehalten, um über die Zahlung der 100000 Gold—⸗
gulden zu beraten, und die Stände hatten troß der Oppofition
1) Die Urkunden über den Frieden und deſſen Ausführung bei Kurz
II, 258. Teleki XII, 37. Mon. Habsburg. I,2, 117ff. Über bie
Zeit der Ratifikation des Friedens durch K. Matthias, die auch vom
1. Dezember batiert worden if, fiehe die richtigen Bemerkungen von
Fr. Mayer, Über die Abdankung des Erzbiſchofs Bernhard von Salz⸗
burg und ben Ausbruch des dritten Krieges zwiſchen K. Friedrich und
8. Mathias von Ungarn (1477—1481) im „Archiv für öfter. Geſch.“
LV, 192, N. 5.
2) Ph. v. Segeffer, Die Beziehungen der Schweizer zu Mathias
Corvinus (Luzern 1860), ©. 18 ff.
Bauernaufftand und ZTürkeneinfälle in Inneröfterreich. 250
der alten Gegner Friedrichs und bes oberöfterreichiichen Adels
verſchiedene Steuern bewilligt. Doch war es fchwer, in dem
bermwüjteten und verarmten Lande eine ſolche Summe aufzu⸗
bringen. :
An eine Heranziehung der inneröfterreichiichen Laͤnder, welche
die öfterreichiichen Stände wünjchten, konnte gar nicht gebacht
werben. Denn dort, bejonders in Kärnten, waren jchon feit
einiger Zeit die Bauern jehr unzufrieden, daß die Stände fie
troß aller Steuern gegen die Türken nicht zu jchügen ver»
mochten. Als nun um Lichtmekß 1478 ber kaiferliche Verwalter
von Spital von den dortigen Bauern als Jahreszins für den
bisger gezahlten Aquilejer Pfenning zwei gemeine Pfenninge ver
„langte, was nur dem Wertverhältniffe beider entiprach und
anderswo jchon mehrere Jahre in Übung war, widerſetzten fich
diejelben und jchloffen einen Bund, der fich in wenigen Mo»
naten über ben größten Teil von Kärnten, ja jogar in das
Ennsthal in Oberfteiermark ausbreitete. Die Bauern hatten
ihre oberjten Bundherren, erhoben Steuern, forderten in dro—
bender Weife auch die andern Stände auf, mit ihren Xeuten
in den Bund zu treten, und ſprachen die Abfiht aus, fortan
jelbit ihre Richter und Pfarrer zu wählen und für fich und
nicht mehr für ihre Herren Abgaben zu entrichten. Dem Be
fehle des Katjers, ven Bund aufzulöſen, weigerten fie fich Folge
zu leilten. Gerade waren 3000 Bauern bei Goggau unweit
Tarvis verfammelt, als von Flitih ber über ven Paß Prebil
am 26. Juli ein türkiiches Streifcorps in Kärnten einbracdh,
die Bauern zeriprengte und mehrere Wochen lang den größten
Zeil von Kärnten bis in die abgelegenften Alpenthäler ausplünderte
und verwüſtete, worauf fie über Eilli nach Bosnien heimzogen. Es
war für die Innerdfterreicher ein ſchwacher Zroft, daß die türki«
ſchen Raubſcharen von Peter Zrinhi bei Jaicza überfallen und
großenteild aufgerieben wurben. Die Türken wurden dadurch
jo wenig abgeichredt, daß fie fehon im Auguft 1479 wieber
einen Einfall in das jüdöftliche Steiermark unternahmen, wo
fie unter andern Luttenberg einäjcherten ?).
1) Unreft, ©. 609. 631—643. Über die Bauernbewegung f. auch
258 Beginn ber Feinbfeligleiten dur Ungarn.
und ſeckauiſche Seiten mit feinen Befatungen zu verfeben. Und
da Hatte Matthias noch die Stirne, den Kaifer zu erfuchen,
er möge ihm den Durchzug durch feine Länder geftatten, damit
er die Denetianer befriegen könne, mit denen er wegen bes
Beſitzes der Injel Veglia in Streit geraten war, und die Ver
weigerung dieſes Wunjches als genügenden Grund zur Eröff-
nung ber Teinbfeligfeiten zu bezeichnen! In den Faſten des
folgenden Jahres wurden ſogar Frieſach, Gmünd, Sachſenburg
und andere falzburgiiche Schlöffer von ungariichen Truppen
unter Hans Haugwis von Seibersdorf bejegt. Damit nicht
zufrieden, Tieß Matthias dem Katjer felbjt Radkersburg und
nach längerer Belagerung Fürftenfeld und endlich durch Über-
fall auch Landftraß wegnehmen.
Damit, wie durch den im Sommer 1480 erfolgten Ein«
Bruch des ungarifchen Hauptmanns Zeleny in Oſterreich nörb-
lich von der Donau!) war der Friede gebrochen, wenn auch
eine Kriegserflärung noch nicht erfolgt war. Doch kam e8
noch zu keiner entjcheivenden Waffenthat.
Der Kaiſer, anfangs auch durch einen Grenzkrieg gegen
böhmifche Adelige gelähmt ?), vermochte nicht einmal eine ge-
nügende Macht zufammenzubringen, um bie Ungarn aus Inner«
Öfterreich zu vertreiben. Haugwitz und, als diefer im Herbite
1480 in Gefangenſchaft geriet, ver Böhme Panisko durchzogen
ganz Kärnten und die benachbarten Zeile von Oberfteiermart
und brandichagten die Bewohner und mit ihnen wetteiferten
die Söloner des Kaiſers. Um den Ruin der Einwohner zu
vollenden, drang Anfangs Auguft 1480 wieder ein türfiiches
Heer durch Krain in Kärnten ein, durchſchwärmte nicht bloß
einen großen Zeil dieſes Landes, befonders das Drau-, Gurk⸗
und Lavantthal, fondern auch das ganze Murthal in Steiers
mar! norbwärts bis vor Rottenmann, brannte alle Häufer,
Kirchen und unbefeftigten Ortichaften nieder und führte bie
Einwohner, die am Leben gelafjen wurden, aus Kärnten allein
1) Chmel, Reg. Frid., no. 7394.
2) Kurz, Ofterreich unter 8. Friedrich IL, 140 ff.
Einfälle der Türken In bie öfterreichifchen und ungarifchen Länder. 259
angeblich bei 500 Priefter, in die SHaverei ab 1). Es war
ein geringer Erfolg für den Kaiſer, daß ber Erzbiichof Bern⸗
bard von Salzburg im November 1481 endlich wirklich ab»
dankte und num ber Erzbiſchof Johann von Gran als fein
Nachfolger anerkannt wurde. Denn wenn die Ungarn bisher
im Namen des Salzburger Erzbiſchofs einen Teil Inneröfterreichs
bejegt gehalten Hatten, fo tbaten fie dies fortan im eigenen
Namen. Auch im Oktober 1483 kamen die Türken iwieber
bis ins fübliche Kärnten. Doch wurden fie biegmal auf
der Heimkehr am 29. Oktober von Matthias Gereb, Ban
von Kroatien, angegriffen und vollſtändig aufgerieben, bie mit⸗
geführten Gefangenen befreit?).
Wie dem Kaifer die Erichöpfung feiner Erblande und bie
Sleichgiltigkeit des Deutichen Reiches die Aufftellung eines
größeren Heeres unmöglich machten, ſo dem Könige Matthias
bie Kriege gegen die Türken, ‚welche gegen Norden vollkommen
freie Hand erhielten, da fie die Eroberung Albantens vollendet
und am 25. Januar 1479 auch mit Venebig einen vorteil
baften Frieden abgeichlofjen Hatten.
Im Auguft dieſes Jahres, während Matthias aus Olmütz,
wo er mit Wladiſlaw von Böhmen Frieden gejchloffen hatte, noch
nicht zurückgekehrt war, drang ein zaßlreiches türkiſches Streif-
korps von Südſteiermark her auch nach dem weftlichen Ungarn,
wenigſtens bis Eijenburg vor, von wo e8 außer großer Beute
taufende von Einwohnern wegführte.
Auf der andern Seite fiel ein türkiiches Heer von 43000
Mann, durch die Walachen beveutend verftärkt, noch im näm⸗
lichen Herbite in Siebenbürgen ein, das weit und breit aus⸗
geplündert wurde. AS die Türken mit reicher Beute nach-
hauſe Tehrten, griff fie der Wohywode Stephan Bathory mit
dem ftebenbürgiichen Aufgebote am 13. Oftober auf der Ebene
Kenyermezö („Brotfeld“) zwifchen Broos und Karlsburg an.
1) Unreſt, ©. 654f. Krones in „Beitr. z. K. ſteierm. Geſchq.“
VII, 37 und die Berichte in Mon. Habsburg, J,3, 208. 722—725.
2) Unreft, ©. 689. Schreiben des K. Matthias an ben Papft vom
6. November 1483. Mon. Hung. IV, 363.
17*
260 Erfolge der Ungarn.
Schon waren die Siebenbürger nach tapferem Kampfe in Ge⸗
fahr, übermannt zu werben, ein Zeil derjelben auf dem Rück⸗
zuge, Baͤthory jelbit verwundet. Da erſchien im Rüden ber
Feinde Paul Kinizfi, Obergeipan von Temesvar und General»
tapitän von Niederungarn, mit neuen Streitkräften. Bon
zwei Seiten gefaßt, erlitten die Türken eine vollftändige Nieder⸗
lage; ber größere Zeil ihres Heeres, wie e8 beißt, wenigſtens
30000 Mann, mit mehreren Anführern bevedte das Schlacht»
feld. Mitten unter den Leichen feierten die Ungarn beim Ein-
bruche der Nacht den teuer erkauften Sieg und hielten ein Ge⸗
lage mit Gefängen und Tanz, wobei ber riefige Kinizfi, der
e8 vom gemeinen Fußſoldaten zum Heerführer gebracht Hatte,
einen erjchlagenen Türken mit den Zähnen erfaſſend, einen
Reihen aufführtel ?)
Diefe vernichtende Niederlage ver Türken rief unter den⸗
jelben einen jo großen Schreden hervor, daß fie in der nächlten
Zeit Feinen Angriff auf Ungarn mehr wagten. Im Gegentetle
nahm dieſes die Offenfive wieder auf.
Im Frühſommer 1480 griffen die ungarifchen Feldherren
im Bunde mit dem Woywoden Stephan von der Moldau bie
Walachei an, jchlugen ein walachijch-türfifches Heer von 20 000
Dann mit einem Verluſte von 8000 Mann, drangen bis zur
Donau gegenüber von Nilopolis vor und eroberten einen großen
Zeil des Landes, ohne dieſes freilich dauernd behaupten zu
können ?). Anfangs November überjegte Kinizfi mit 32 000
Mann bei Rama die Donan, und drang nach einigen glück⸗
1) Über dieſe Schlacht Bringt Bonfinii Dec. IV, lib. 6, p. 479qg.
ben eingebenbften Bericht, ber freilich im einzelnen willkürlich ansgeſchmückt
if. Bol. damit das Schreiben de K. Matthias aus Ofen, 22. Oktober
1479 in Mon. Hung. Matyäs kir. koräbol. II, 394 und das fogen.
Chron. Dubnic. in Hist, Hung. Font. domest. III, 20184. Dlugosz
XIII, 586g.
2) Nach zwei gleihlantenden Schreiben der Königin Beatrir an ihren
Bruder und die Herzogin von Ferrara vom 9. Juli in Mon. Hung. II,
4365qg. Über neue Kämpfe bafelöft im Sommer 1481 f. das Schreiben
bes Königs Matthias ibid. IV, 360.
Waffenſtillſtand zwiſchen Ungarn und der Türkei. 261
lichen Gefechten durch) Serbien bis Kruſchewatz vor. Nach
einer zwölftägigen Verwüftung des Landes kehrte er mit reicher
Beute, begleitet von mehr al8 50000 Serben und 1000 Türken
mit ihren Familien, bie auf ungarifches Gebiet überfiebelten,
über die Donau zurüd. Gleichzeitig fiel Matthias felbit in
Bosnien ein. Das ganze Gebiet an ber oberen Bosna wurde
ausgeplündert und verwüſtet, felbft Vrhbosna, das heutige Se-
rajewo, ſchon damals eine der größten Städte der europätichen
Türkei, weggenommen, die Türlen wiederholt mit großem Ver⸗
Iufte gefchlagen. Die Ermübung feiner Leute, das fchlechte
Wetter, das Ausbleiben der vom Papfte und anderen ttalient-
chen Fürften in Ausficht geftellten Hilfe und fein geipanntes
Berhältnis zum Kaifer bewogen ihn aber nach wenigen Wochen
zur Rückkehr nach Agram, ohne daß er bie eroberten Gebiete
zu behaupten werjucht hätte). Und doch ſchien ein Krieg gegen
die Osmanen gerade jett größeren Erfolg zu verfprechen, ba
der gefürdhtete Sultan Muhammed II. Anfangs Mai 1481
ftarb und zwilchen feinen Söhnen Bajefiv TI. und Dſchem ein
Kampf um die Herrfchaft ausbrach. Deffenungeachtet gab
Matthias den Anerbietungen Bajefids Gehör und fchloß mit
ihm Ende 1483 einen fünfjährigen Waffenftillftand, ber bann
1488 auf weitere drei Jahre verlängert wurde. Ä
Zugute ift diefer Waffenftilfftand nur den Türken gefommen.
Denn gleich nach dem Abſchluſſe desſelben bemächtigten fte fich des
Reſtes der Hercegowina, wodurch die Südgrenze Ungarns noch
mehr gefährdet ward, und entriffen dem Woywoden der Moldau
Kilta und Aljerman, was dieſen bewog, fich ftatt an Ungarn,
wieder an bie Polen anzufchließen.
Sobald fih Matthias vor Angriffen vonjeite der Türken
1) Schreiben des K. Matthias an ben Papft aus Agram vom
14. Dez. 1480 in Mon. Hung. IV, 339, wodurch auch die Zeit biefer
Heerzlige fichergeftellt wird. Vgl. ibid. p. 847 das Schreiben vom 11. März
1481 und die offenbar falfch batierten- Briefe besfelben ap. Katona
XV], 282 und 395 (erfterer vollſtändiger Bei Teleki XII, 156) und
Bonfinius IV, 5, p. 476 zu 1479.
262 Erfolge ungarifcher Hauptleute in Ofterreich.
ficher fühlte, nahm er ven Kampf gegen ven Kaifer mit größerer
Energie auf.
Schon bisher war biefer den ungariichen Feldhauptleuten
nicht geivachien gewejen. Zwar entjekten ber Graner Erz
biichof und ver böhmiſche Sölpnerführer Wenzel Wléek um
Pfingften 1481, und zwar wahricheinlih während eines
kurzen Waffenſtillſtandes, das von den Ungarn belagerte
Marburg, erlitten aber dann bei einem Einfalle in Ungarn
empfindliche Verluſte 2). Im SOfterreich durchſtreifte Zeleny
ſchon anfangs 1481 ungeftraft das ganze Land von Wien bis
über bie Enns, alles brandfchagend oder verwüſtend?). “Die
weiteren Operationen wurden den Ungarn badurch erleichtert,
daß Johann von Hohenberg (jüblich von Lilienfeld) dieſelben
in feine Burgen aufnahm und daß auch die paſſauiſchen Städte
in Nieveröfterreih in die Hände der Ungarn kamen. Denn
auch in Paſſau wollte der Kaifer mit Genehmigung des Papftes
einen feiner Günftlinge, ven In diplomatiſchen Gefchäften viel
verwendeten Karbinal Georg Heßler, auf den biſchöflichen Stuhl
bringen, während das Kapitel den bairtichen Kanzler Georg
Mauerfircher wählte und im Herbfte 1481 die Städte Sankt
Pölten und Mautern, um fie vor dem Kaiſer zu fchügen, dem
Köntge von Ungarn verpfänbete. Das ganze Gebiet der Traifen
kam auf biefe Weife in die Gewalt der Feinde, die ed übrigens
kaum ſchlimmer trieben als die Taiferlichen Heerführer, mit
denen Frievrih um den Solo marltete, und manche Beamte
oder Edellente.
Noch war übrigens ber Krieg nicht erflärt und es wurde
auch unter Vermittlung teild päpftlicher Legaten teils beutfcher
Vürften über die Herftellung des Friedens verhandelt. Matthias
beteuerte immer feine Yriedensliebe und er mag auch anfangs
1) Unreft, S. 665f. Die Urkunden über den Waffenfillftand bei
Rurz IL 267-271.
2) Kurz II, 157f. Über die weiteren GEreigniffe ſ. 8. Schober,
Die Eroberung Nieberöfterreihs durch Mathias Corvinus in den Jahren
1482—1490. Wien, 1879. (Aus den „Blättern des Vereins für Landes⸗
Iunde von Nieberöfterreich”, Jahrg. 1879 und 1880).
.
Perfönliches Eingreifen des 8. Matthias. 268
mit Rüdficht auf die noch von ven Türken drohenden Gefahren
einem Ablommen nicht abgeneigt geweſen fein. Leider finb über
bie von beiden Seiten geftellten Bedingungen nur ſehr lüden-
bafte Nachrichten bekannt. Wenn aber der ungariiche König
im Herbite 1483 dem päpftlichen Legaten gegenüber fich bereit
erflärte, bie eroberten Drtichaften in die Hände des Papftes
zu geben, ver fie dem Kaiſer zurüditellen follte, falls ihm das
Deutiche Reich drei Sabre lang 10000 Reiter gegen die Türken
geſtellt Hätte, fo Hang biefe Bedingung wie Spott, da Matthins
wohl wußte, daß der deutſche Reichstag fich dazu nie herbei
lafjen würde. Es fcheint aber auch, daß ber Kaiſer und feine
Näte für den Frieden feine Opfer bringen wollten, weil fie
ſich in großen Illufionen wiegten und glaubten, daß ber um
gariiche König wegen Erichöpfung feiner Kräfte den Krieg nicht
mebr lange würde fortführen können ?).
Und doch Hatte Matthias damals bereits perſönlich mit
großem Erfolge den Kampf begonnen. Schon im Mat 1482
eröffneten die Ungarn die Belagerung des feiten Haimburg,
des Schlüffeld zu Oſterreich, die der König felbft von Pres-
burg aus leitete. Anfangs wurde ein ungarijches Korps unter
Stephan von Zapolya, Erbgrafen ver Zips, das die Belage⸗
zung veden follte, durch die Kaiferlichen zwifchen Hatmburg und
Bruck vollftändig geichlagen und bie Ungarn zur Aufhebung
der Belagerung gezwungen. Doch fammelte nun Matthias
ein noch größeres Heer, das die Kaijerlichen nicht mehr zu
durchbrechen vermochten. Am 5. Oktober ?) ergab fich daher
bie durch Hunger aufs äußerfte gebrachte Stadt, einige Tage
darauf auch die Burg. Bon da rüdte Matthias bis gegen
Wien vor und bejeßte mehrere Ortichaften in ber Umgebung
biefer Stabt, ſodaß die Zufuhr in biejelbe ſehr erſchwert ward.
1) Der interefiante Bericht des Legaten, bes Biſchofs von Eittä bi
Eaftello, ap. Pray IV, 162sq. Katona XVI, 500sqg.
2) Diefen Tag giebt der gleichzeitige Bericht eines Frankfurter ar
feinen Rat aus Wien bei Janſſen, Reichscorreſpondenz II, wor
den 80. September ber fpätere Bonfint.
264 Tapfere Berteibigung ber nieberöfterreichifchen Städte.
Um nicht Hier eingefchloffen zu werben, verließ ber Kaiſer An⸗
fange April 1483 bie Stabt, die er nicht mehr wieberfehen
ſollte, und 309 fih nah Graz zurüd. ‚Wenige Tage darauf
ergaben ſich auch die Bürger von ‚Klofterneuburg gegen ben
Willen ihres Rates.
Im Sabre 1483 wurden keine größeren Zruppenicharen
ins Feld geftellt. Der Kaifer Titt immer größeren Geldmangel,
je ausgebehntere Gebiete von ben Ungarn bejegt ober gebrand-
hatt wurden. Seine Unterthanen juchten fich zu helfen, wie
e8 ging, wie denn die Stände von Kärnten 1482 mit bem
ungarifchen Könige eigenmächtig Trieben fchloffen, den fie mit
10000 Goldgulden erfauften, und im Herbit 1483 die Wiener
ebenfalls durch Zahlung bedeutender Geldſummen fich die Er⸗
Yaubnis zur Weinleje erwirkten. Matthias wendete feine Auf-
merkſamkeit eine Zeitlang den türkifchen Angelegenheiten zu und
ließ fich vielleicht auch durch Die vom Papfte eingeleiteten Friedens»
verbandlungen von größeren Unternehmungen abhalten. Doch
eroberte er in biefem Jahre Güns !) und andere dem Kaifer
verfetste ungarifche Ortichaften.
Unmittelbar nach dem Abichluß des Waffenftiliftandes mit
ben Türken nahm Matthias den Krieg gegen ven Kaiſer mit
feiner ganzen Macht auf. Nicht die wenig zahlreichen Zruppen
bes verlaffenen Kaiſers, fondern nur die tapfere Verteidigung
ber niederöfterreichiichen Städte hinderte die Ungarn an raſchen
Fortſchritten. Zuerft wurde am 25. Yebruar 1484 DBrud an
der Leitha von den Ungarn nad längerer Belagerung erjtürmt
und unter den Einwohnern ein großes Blutbad angerichtet.
Korneuburg bielt eine mehr als fiebenmonatliche Belagerung
aus, und Iapitulierte erft am 1. Dezember 1484, als alle
Lebensmittel, Salz und Holz aufgezehrt und ein großer Zeil
der Stabt mit ber Burg durch Feuer zerftört war. Dadurch
warb Wien noch mehr gefährbet, beionders weil die große Kälte
“
1) Bor den 25. Januar 1483 „in eigener Perfon mit großer unferer
Arbeit”, wie er in Urk. von obigem Tage im Cod. d. patrius I, 371
fagt.
X
Fall Wiens und des größten Teils von Niederöſterreih. 265
ben Ungarn bie Überfchreitung der feftgefrorenen Donau, bie
Beſetzung des Praterd und die Wegnabme der Verſchanzungen,
welche die Brüden deckten, ermöglichte Bon allen Seiten
wurde Wien nun eingeichloffen, die Donau durch breifuche
Ketten und verſenkte Fäſſer abgeiperrt. Der Kaiſer, der ſich
ſchon im Dftober von Graz nach Linz begeben batte, that alles,
was in feinen geringen Kräften lag, um ber Stadt zu helfen,
vermochte fie aber nicht zu retten. Die Not, wie es beißt
dadurch gefteigert, baß einzelne reiche Bürger viele Lebensmittel
aufgejpeichert Hatten und zu Wucherpreifen verkauften, ſtieg
immer höher. Als infolgeveflen die untern Volksklaſſen eine
brobende Haltung einnahmen, beichloß der Rat, in dem ber
ungariiche König fchon feit Yängerer Zelt mehrere Anhänger
hatte, die Übergabe der Stab. Am 1. Juni 1485 hielt ber
König feinen feierlichen Einzug in Wien, worauf er fih von
den Ständen Nieberöfterreich8 die Huldigung leiften ließ.
Nach einander fielen nun die Heineren Stäbte in bie Ge⸗
walt des ungarifchen Königs, am 27. Juli Zulin, noch früßer
Pechlarn, dann, nachdem der Krieg einige Zeit mit geringerem
Eifer geführt worden war, Anfangs Yuli 1486 Stein, im
Auguft Ziftersporf und Feldsberg, am 30. September nad
längerer Belagerung Laa, am 12. Oftober Reg, am 22. No»
vember Engenburg, fpäter Zwettl). Wiener Neuftabt ver⸗
tetdigte der Kommandant Hans von Wulfersporf, von ben
treuen Bürgern unterftüßt, über ein Jahr gegen das [päter von
Matthias jelbft geführte ungarifche Heer, 8000 Fußgänger und
20000 Reiter, bi8 der Hunger auch ihn zwang, am 17. Auguft 1487
bie Feſtung zu übergeben 2). In Nieveröjterreich wurden nur
wenige Stäbte, wie Krems, Melt, Ips, Waidhofen und einige
Schlöſſer von den Kailerlichen behauptet. Auch von Kärnten
1) ©. hierüber auch ben Bericht bes ferrarefiihen Geſandten beim
ungarifchen Könige in Mon. Hung. Matyäs kir. korab6l III, 172. 186.
192. 198. 204. 213. 214. 216.
2) Bgl. die erwähnten Berichte wie bie Briefe der Königin Beatrir,
des Königs Matthias und bes befignierten Graner Erzbiſchofs Hippolyt
von Efte 1. c. 263. 268. 276. 288. 302. 319sq. 328.
268 Bläne bes Herzogs Philipp von Burgund.
für feinen Abfall von ben Engländern 1435 die Graffchaften
Macon und Auxerre und den größten Teil der Picardie zır
beiden Seiten ber Somme. |
So dehnte ſich Die Herrichaft Philipps von Burgund vor
der Nordiee bis an den Jura und in bie Nähe ver Alpen aus
und umfaßte die blühendſten, induſtriellſten und wohlhabendſten
Linder. Obwohl nicht Souverän, fondern Vaſall teil des
Königs von Frankreich teils des deutſchen Neiches ftand er bei
ber bamaligen Zerfplitterung beider Reiche an Macht über beiven,
wie er fich denn auch weigerte, vom Kaiſer Sigmund fich
mit den Ländern belehnen zu laffen, die er meift gegen bie Be⸗
ſtimmungen des Neichölehnrechtes an fich gebracht Hatte.
Schon Philipp ging mit dem Plane um, fich zu feiner
Macht auch den entiprechenden Titel zu verjchaffen, ein neues
lothringiſches Königreich zu gründen und dann vielleicht feinem
Haufe. auch die Kaiſerwürde zus verichaffen.
Die Not, in die König Friedrich durch die Schweizer und
Sranzofen geriet, beisog ihn 1445 zum Verſuche, die Unter-
ftügung des mächtigen Burgunders zu gewinnen. PHilipp kam
ihm mit großer DBereitwilligfeit entgegen, ba ihm gerade damals
viel daran gelegen war, fich den Befig bes neuerworbenen
Luxemburg zu fichern, auf welches die Böhmen wegen ber
früheren Zugehörigkeit dieſes Herzogtums zu ben Ländern ihrer
Krone, und Herzog Wilhelm von Sachen im Namen feiner
Gemahlin Anna, Enkelin des Kaijerd Sigmund, der Luxem⸗
burg als Mitgift verfchrieben worden war, Anipruch erhoben.
Die Unterbandlungen wurben zuerft durch Friebrichs Bruder
Albrecht VI., fpäter aber mit des Königs Näten Ulrich von
Cilli und dem Kanzler Kafpar Schlick geführt, der feine Hab⸗
ſucht auch hier in der unverichämteften Weije an den Tag legte,
indem er bem burgunbifchen Geſandten erflärte, er würde in
dieſer Sache um jo fleißiger fein, wenn er wüßte, um welchen
Preis er dem Herzoge dienen follte.
Philipps Forderungen waren allerdings jehr weitgehend.
Elifabeth, des Königs Ladislaus jüngere Schwefter, follte mit
feinem Sohne Karl vermählt und diefer alle Anfprüche des
Seine Unterbandlungen mit 8. Friedrich IH. 269
luxemburgiſchen Haufes auf das Herzogtum Luremburg abge
treten worben. Weiter follten alle Länder, welche ber Herzog
von Burgund innerhalb Deutſchlands beſaß, zu einem König⸗
reiche erhoben und dem neuen Könige nicht nur alle echte,
die dem Kaiſer in deſſen Ländern wie in Oftfriesland zuftanden,
Sondern auch die Lebenshoheit über Geldern, Jülich, Kleve,
Ders, Mark, Mörs und Lothringen, kurz über das ganze
weftliche Deutſchland übertragen werben. Als Grenze für das
neue Königreich wurde ver alte Umfang des lothringiſchen Reiches
zur Zeit der Karolinger vorgefchlagen. Unb dafür bot ver Herzog
nichts als für Friedrich und feinen Mündel Ladislaus die Hand
zweier portugiefiicher Infantinnen, Nichten feiner Gemahlin!
Um diefen Preis wollte denn boch Friedrich die Freundſchaft
des Burgunders nicht erlaufen. Er war bereit, der Prinzeffin
Elifabeth eine Mitgift von 70000 Goldgulden zuzufichern und
diefe auf Luxemburg anzuweilen, aber er wollte zugleich allen
andern ihre Anfprüche auf dieſes Land vorbehalten. Er er:
Härte auch feine Geneigtheit, den Herzog zum Könige von Bra-
bant zu machen und ihm als folchem alle feine in Deutjchland
gelegenen Gebiete zu unterwerfen. Aber er behielt dem Reiche bie
Lehenshoheit wie alle fonftigen Nechte vor und weigerte fich,
ihm andere Länder unterzuorbnen, weil er al8 „Auguftus” das
Reich zu mehren, nicht zu verkleinern und zu zerreißen verpflichtet
ſei. Da diefe Angebote dem Burgunder nicht wertvoll genug
Ihienen, brach er im Sommer 1448 bie Unterhanblungen ab’).
Ende 1462, wo der Kaifer durch feinen Bruder, wie jeine
Anhänger im Neiche durch die mit ihm verfeindeten Wittels⸗
bacher, Hart bedrängt wurde, warf er wieder jein Auge auf
Philipp von Burgund, ver ſich auch wegen feines fcheinbaren
Eifers für einen Kreuzzug der Fürſprache des Pabſtes erfreute.
Wieder erklärte er fich bereit, demſelben den Königstitel zu ver»
leihen und das Reichsvikariat in den wäljchen Landen jenjeits
1) Die Altenſtücke mitgeteilt von Birk in Chmels öſterreichiſchem
Geſchichtsforſcher I, 233—271 und in Chmels Materialien I, 165f.
205—208. 240-245. 274. 277. 287.
270 Eroberungen Karls bes Klibnen.
des Rheines zu übertragen, wie feinen Sohn Marimilian mit
Philipps Enkelin Darin zu vermählen. Als aber feine Lage
fih) etwas beſſerte, ließ er den Plan wieder fallen, obwohl
auch Albrecht von Brandenbung ihn eifrig befürmwortete und
darauf Hinwies, daß dieſes Heiratsprojeft zur Vermeßrung ber
. Macht des Haufes Ofterreich führen könnte 1).
Ohne daß Philipp fein Haupt mit der Köonigskrone ges
ſchmückt gefehen hätte, jchied er 1467 aus bem Leben. Aber
auch fein Sohn Karl der Kühne, ein ehrgeiziger, tapferer, ja
tollkühner, alles überftürzender Fürſt, hielt dieſelben Ziele feit.
Bor allem war er mit Erfolg bemübt, fein Reich buch bie
Erwerbung der dazwiſchen Tiegenden Gebtete zu erweitern und
zu arrondieren. Wie er das Bistum Lüttich in Abhängigkeit
von ſich brachte, fo bemächtigte er fich auch des Herzogtums
Geldern mit Zütphen, indem er fich des Herzogs Arnold, ber
von jeinem Sohne Adolf gefangen gehalten ward, annahm, ihm
1471 die Freiheit verjchaffte und ihn 1473 gegen 300 000
Goldgulden zur Abtretung feines Landes bewog.
Im Süden fuchte er feine Herrichaft bis zum Oberrhein
auszudehnen und auch Hier fchien er feinen Zweck zu erreichen.
Sigmund von Tirol, dem die Eidgenoffen nah und nach alle
habsburgiſchen Gebiete ſüdlich am Rhein entriffen hatten, war
bon biefen wegen ber Gewalttbätigfeiten vorländiicher Adeliger
gegen die ihnen verbünbeten Stäbte Mühlhauſen und Schaff-
haufen 1466 neuerbings befriegt und am 27. Auguft 1468 im
Frieden von Waldshut verpflichtet worden, denfelben bis zum
24. Juni des folgenden Jahres 10000 Gulden Kriegsent-
ſchädigung zu zahlen over ihnen bafür mehrere öfterreichtiche
Gebiete zu überlaffen ). Teils um das Geld aufzubringen,
teils um fich gegen weitere Angriffe der Schweizer ficher zu
ſtellen, wendete fih Sigmund auf den Rat des Kaiſers an
König Ludwig XI. von Frankreich, mit dem er bisher immer
1) Bachmann, Reichsgeſchichte I, 360f. 372f.
2) 8. Witte, Der Mühlhauſer Krieg. „Jahrbuch fiir Schweizeriſche
Geſch.“ XI, 259—332.
Berpfänbung vorberöfterreichifcher Gebiete an benfelben. 271
in freundfchaftlichen Beziehungen geftanden Hatte. Diefer wollte
- fih aber mit ven Schweizern umjoweniger verfeinden, als er
mit dem Herzoge von Burgund und anderen mächtigen VBafallen
ganz zerfallen war. Er Tieß daher eine Gefandtichaft,
bie Sigmund an ihn fchidte, ohne Erfolg abziehen und dem
Herzoge jelbft, der auf der Reife nach Frankreich fchon nach
Troyes gelommen war, melden, baß er feine Weiterreife nicht
wünſche. Run begab fih Sigmund im März 1469 zu Karl
dem Kühnen nach den Nieberlanben und entichloß fich ſogar,
befjen ‘Diener zu werden, wofür dieſer ihm feinen Schub bes
ſonders gegen bie Eidgenofjen zuficherte. Endlich ließ fich Sig.
mund auch roch bewegen, am 9. Mai dem Herzoge von Bur⸗
gund um 50 000 rheinifche Goldgulden bie Landgrafſchaft Ober-
elſaß mit dem Sundgau, die Grafichaft Pfirt, die Stäbte
Rheinfelden, Sedingen, Laufenburg und Waldshut, die Gräfe
haft auf dem Schwarzwalb und Schloß und Stadt (Alt)
Breiſach zu verpfänven, ober eigentlich zu geftatten, daß ber
Burgunder diefe von Sigmund ſchon großenteils verjeßten Ge⸗
biete von den jekigen Inhabern an ſich löſe. Thatſächlich
kam dies einer gänzlichen Abtretung dieſer Länder an ben
Burgunder gleich, der dadurch fogar auf dem rechten Nhein-
ufer feiten Fuß faßte. Denn wenn auh Sigmund ſich und
feinen Erben das Recht vorbehalten Hatte, dieſelben um obige
Summe unter Zurechnung der Einhaltungstoften zurüdzuldjen,
fo war e8 nicht wahrfcheinlich, daß die Herzoge von Ofterreich,
bie ohnehin immer in Geldnot waren, die erforderlichen Mittel
anf einmal aufbrächten, da Sigmund felbft erllärte, daß jchon
jegt die auf diefen Gebieten laſtenden Pfandjummen gegen
180000 Gulden betrügen !). Nur die Ausficht, die verlorenen
1) Der Beriht Sigmunds an ben Kaifer über feine Neife nach Frauk⸗
reich and Burgund und die Verhandlungen daſelbſt, noch vom Jahre
1469 (nicht 1470), mitgeteilt von Chmel in Mon. Habsburg. 1,2, 131 ff.
und mehrere auf bie Verpfändung bezügliche Urkunden in F. R. Austr.
Dipl. II, 223sqq. Weitere verzeichnet Chmel in Mon. Habsburg. 1,1,
3sqg. und Lihnomsty VII, Reg. Nr. 1349-1355. Bel. au
G. Kraufe, Beziehungen zmwifchen Habsburg und Burgund bis zum
272 Anträge des Herzogs Karl an ben Kaifer.
Gebiete in der Schweiz Wieder zu gewinnen und an den ver⸗
haßten Cidgenoffen Race zu nehmen, konnten Siegmund zu
einem jolchen Schritte beftimmen.
Auf den vergnügungsfüchtigen Herzog Sigmund machten
bie Pracht und der Reichtum des burgundiichen Hofes, an dem
er ſehr lange verweilte, einen gewaltigen Eindrud. In feinem
Geifte ftieg wieber ber Gebanfe auf, die blühenden Länder,
bie Karl beſaß, durch eine Vermählung der einzigen Tochter
besjelben mit dem Erzberzoge Maximilian an das Haus Djter-
reich zu bringen. Da Karl fich diefem Projekt nicht abgeneigt
zeigte, fo empfahl e8 Sigmund dem Katjer ). Da aber dem
Herzoge von Burgund unterbeffen von Georg von Böhmen,
der auch an demjelben eine Stütze zu gewinnen juchte, die
römiſche Königswürde angeboten worden war ?), fo glaubte
er auch vom Kaiſer basjelbe fordern zu dürfen, wenn er bie
gewünjchte Heirat bewilligen ſollte. Um biefen günftiger zu
ftimmen, ftellte er ihm auch feine Unterftügung zur DVertei«
Digung gegen die Türken, zur Berubigung feiner Länder und
zur Hebung des Reiches in Ausficht. Sigmund überbrachte
diefe Anträge des Herzogs im Juli 1470 perſönlich dem Kaiſer
nach Villach.
Welchen Wert aber auch Friedrich auf die Freundſchaft des
mächtigen Herzogs und auf die Heirat ſeines Sohnes mit der
Erbin desſelben legen mochte, ſo wollte er doch unter keiner
Bedingung denſelben bei ſeinen Lebzeiten zum römiſchen Könige
wählen laſſen, da er durch denſelben ſicher vollſtändig in den
Hintergrund gedrängt worden wäre und ſein eigener Sohn erſt
nach deſſem Tode die deutſche Krone hätte erlangen können.
Auch war die Wahl Karls zum römiſchen Könige ja gar nicht
Ansgang der Trierer Zufammenkunft im Jahre 1473. Graubenz, 1876
(Diff. von Göttingen), ©. 22ff., 8. Rauſch, Die burgunbifche Heirath
Maximilians L, ©. 16ff. und H. Witte, Zur Geſchichte der Entftehung
ber Burgunderkriege. H. Sigmunds von Öfterreih Beziehungen zu ben
Eidgenofien und zu Karl d. Kühnen 1469—1474 (Hagenau 1885), S.1ff.
1) Sigmunds erwäßnter Bericht 1. c.
2) Balady IV,2, 600. Rauſch, ©. 35f.
Erfolglofigkeit der Unterhandlungen. 278
Sache des Kaijers, fondern ver Kurfürften, bei deren Majorität
Sriedrih auf fein Entgegenlommen in dieſer Frage rechnen
durfte. Er lehnte daher biefen Punkt unter Hinweifung auf
feine Verpflichtungen gegen das Reich und die Kurfürften furz«
weg ab. Dagegen erbot er fich auch jet wieber wie im Jahre
1447, eines der Länder des Burgunders zu einem SKönigreiche
zu erheben und alle übrigen Reichslehen desſelben bamit zu ver-
einigen, unter der Bedingung, daß diefer vom Reiche die Bes
lehnung empfange und demfelben Gehorſam leiſte und daß er
dem Saifer und dem Herzoge Sigmund gegen alle Feinde im
Reiche und in den Rändern des Haufes Oſterreich beiftehe, na-
mentlich um biefem die Schweizer und Freiburg im Ochtland
wieber zu unterwerfen ?).
Karl Tehnte das Angebot, ihn zum Könige zu erheben, ge⸗
tade fo ab, wie früher fein Vater und gab fich zugleich den
Anjchein, als wenn er auch die römiſche Königswürde als eine
Laft anfühe, an die er nur gedacht habe auf das ‘Drängen
vieler in ber Meinung, daß der Kaifer dies wünjche, und um
bie Königswürde einft auf feinen Schwiegerfohn, ten Erzherzog
Marximilian, übertragen zu können ?). |
1) 8. Friedrichs „Antwort auf die Werbung und das Anbringen ber
Burgundiſchen des Heirath8 und anderer Sachen halben, fo 9. Sigmund
an fein kaiſerlich Gnaden gebracht bat“, in Mon. Habsburg. 1,1, 20 bis
24, was dann Sigmund am 26. Sept. 1470 dem Herzoge von Burgund
berichtet. Ibid. p. 10—13 = 25—28. Daß Sigmund an den Kaifer
nicht, wie Raufh ©. 38 und 198 meint, Geſandte geſchickt, fondern
ſelbſt die ihm von burgundiſcher Seite „in geſchrifft“ eingeantmorteten
Vorſchläge an den Kaiſer (nach Villach) gebracht habe, ſteht ausdrücklich
in des Kaiſers „Antwort“ und wird auch beſtätigt durch die Berichte bei
Janſſen, Reichscorreſpondenz II, 256, Nr. 412, und bei Gemeiner,
Negensb. Chronik III, 470, nach welch letzterem auch Kurgunbifche Räte
in Billach gemwefen wären. Doch fiheinen biefe fhriftlichen Vorſchläge bes
Herzogs von Burgund nach manchen ber Ausführungen bei Rauſch,
S. 197 ff., mit der Inftruftion desfelben bei Commines ed. Godefroy
IV, 392ff. nicht identiſch zu fein, ſondern biefe ind Jahr 1472 zu ge—
hören.
2) Schreiben an 9. Sigmund vom 15. Januar 1471. Mon. Habsb.
I,1, 13.
Huber, Geſchichte Öfterreichs. III. 18
274 Wiederaufnahme ber Unterhanblungen.
Die Unterhandlungen über das Hetratsprojeft fcheinen dann
einige Zeit gerubt zu haben. Karls Aufmerkſamkeit wurbe
durch den Sturz feines Schwagerd Eduard IV. von England
und durch Kämpfe mit dem franzöfiichen Könige in Anfpruch
genommen, ſodaß er nun andere Fürften, deren Unterftügung.
ihm für den Augenblick notwendig fchten, durch die Hand feiner
Tochter zu ködern fuchte. Der Kater jcheint nach den’ Forde⸗
rungen Karls ohnehin Keinen großen Eifer mehr dafür gehabt
zu baben. Auch Stgmund von Tirol machte im Herbjte 1471
einen Verſuch, mit den Eibgenoffen einen dauernden Frieden
zuftande zu bringen, ba er fich überzeugte, daß Karl fih zu
einem Kriege mit denfelben nicht bewegen laſſe 1). Als aber
das Verhältnis des Kaifers zu feinen Untertbanen und zum
Könige von Ungarn immer feindfeliger, die Raubzüge der Türlen
immer gefährlicher wurden und fein Verſuch, durch perjünlicdes
Ericheinen auf einem Reichstage in Regensburg im Sommer
1471 die deutichen Stände zu feiner Unterftügung zu beivegen,
vollftändig fehlihlug, da knüpfte er Ende 1472 die Verhand⸗
fungen mit dem Herzoge von Burgund wieder at.
Karl war freilich unterveffen in feinen Forderungen: nicht
mäßiger geworden. Auch bei den Verhandlungen, bie feine
GSejandten im Sommer 1473 mit dem Kaiſer führten, hielt
er an dem Verlangen feft, daß biefer fchon bei fetnen Lebzeiten
ihn zum römiſchen König mache, wie dann auch er nach Frieb«
richs Tode diefe Würde feinem Schwiegerfohne Marimilian
übertragen würde. Er fuchte Friebrich durch den Hinweis zu
födern, daß Mar durch die Vermählung mit feiner Tochter bie
größten und jchönften Länder der Chriftenheit befommen und
das Haus Djterreih auf diefe Weiſe mächtiger werden würde
als irgend ein anderes Haus der Welt, daß der Kaijer felbit
dur den Herzog Gehorfam finden, die Fürften und Städte
im Reiche ihm wieder unterthänig gemacht werden und er
1) Witte, ©. 9ff. gl. Mandrot, Etude sur les relations de
Louis XI., roi de France, avec les cantons Suisses im „Jahrbuch für
Schmeizer. Geſch.“ V, 145ff.
Die Zufammenkunft zu Zrier. 215
größeres Anfehen erlangen würbe, als irgend ein Kaiſer feit
dreihundert Iahren, und daß er auf dieſe Weije auch im bie
Lage käme, die Zürlen zu vertreiben. Nur im äußerften Falle
wollte fih Karl mit feiner Ernennung zum ftändigen Reichs⸗
vikar und mit ber Zuficherung ber Kurfürften begnügen, daß
fie ihn nach des Kaiſers Tode zu deſſen Nachfolger wählen
würden ?). |
Doch King die Erfüllung diefer Bebingungen, auch wenn
ber Raifer auf diefelben hätte eingeben wollen, nicht von dieſem
allein, fondern noch mehr von den Kurfürſten ab, und e8 war jehr
zu bezweifeln, daß biefe fich berbeilaffen würden, den mächtigen
und gewaltthätigen Herzog von Burgund zu ihrem Fünftigen
Herrn zu machen. Wohl. in der Hoffnung, dieſen durch per-
jönliche Verbandlungen zu einer Ermäßigung feiner Forderungen
zu bewegen, veranftaltete Friedrich nach deſſen Wunfche Ende
September 1473 mit ihm eine Zufammenkunft in Trier.
Abt Wochen waren die beiden Fürſten bier beifammen,
wobei Karl eine nie geſehene Pracht entfaltete. Vollſtändige
Aufffärung über bie Verhandlungen in Trier werben wohl nie
zu gewinnen. fein, weil fie meiſt zwijchen dem Kaiſer und dem
Herzoge unter vier Augen oder höchſtens unter Beiziehung ihrer
beriranteiten Räte geführt und fogar die anmwejenden beutichen
Fürften im biefelben nicht eingeweiht wurben. Doch laſſen fich
wenigſtens einige Hauptpunfte derſelben feftitellen 2). Anfange
ſcheint der Herzog feine frühere Forderung wegen der Wahl
zum vömiichen Könige aufrechterhalten, ver Kaiſer dieſelbe
ebenfo wie vorher verweigert zu haben. Nach einem Monate
war man fich gegenfeitig nicht einen Schritt näher gelommen,
1) Mon. Habsburg. I,1, 30 - 41.
2) Siehe die Zufammenftellung der Berichte bei Fr. Lindner, Die
Zufammenkunft 8. Friedrich IH. mit Karl dem Kühnen im Jahre
1473 zu Trier (Difi. von Greifswalde, 1876), S. 3—30 und 56ff.
Kraufe, S. 47ff. Rauſch, ©. 86ff. und 207f. Am wichtigſten iſt
jedenfalls das Schreiben bes Kurfürften Albrecht von Brandenburg an
Wilhelm von Sachen vom 13. November 1473 bei Müller, Reiche
Tags Theatrum V, 597 und Riedel, C. d. Brand. II,5, 201.
18 *
276 Scheitern ber Berhanblungen.
fo daß Karl mit feiner Abreife drohte. Um ihn zu bejchwich-
tigen, belebnte ihn der Katfer am 4. November mit dem kürz-
ih erworbenen Derzogtum Geldern und ging auch fonft in
feinen Anerbietungen jo weit, als er ohne grelle Verlegung
der Intereffen des Neiches geben konnte. Wie ſchon vor brei
Jahren erklärte er fich auch jegt bereit, die Länver, die Karl
innerhalb Deutichlands beſaß, und Burgund jelbft, zu einem
in männlicher und weiblicher Linie erblichen Königreiche zu er⸗
beben und damit auch Lothringen zu verbinden, bas für ein
dem Neiche beimmgefallenes Leben angejeben ward, da ber im
Juli verftorbene Herzog feinen Sohn, jondern nur einen Vetter
Namens Renatus Binterlaffen hatte. Außerdem wollte ex dem
Könige die Oberboheit über die Bistümer Utrecht, Lüttich,
Zoul und Verdun und einige benachbarte weltliche Gebiete
übertragen. Doch bielt er daran feit, daß dieſes Königreich
mit allen feinen Ländern unter ber Lehenshoheit des deutſchen
Reiches verbleibe, von biejem aljo nicht getrennt werde. Das
gegen jollte Karl feine Tochter mit dem Sohne des Kaiſers
vermählen. Schon bieß es, baß beide Fürften auf diefe Be⸗
dingungen bin fich geeinigt haben, daß Karl bes Kaiſers oberjter
Hauptmann werben und ibm fein Leben lang 10000 Reiter
gegen feine Feinde ftellen, daß er feiner bisherigen Verbindung
mit dem Könige von Ungarn entjagen, ibm auch Elſaß als
Mitgift feiner Tochter zurücdgeben wolle. Schon fahen alle
jene Reichsſtände, die fich biäher dem Kaiſer gegenüber wider»
ſpänſtig gezeigt batten, mit Bangen der Zukunft entgegen, wenn
dem Kailer der mächtige Burgunder zur Seite ftand.
An der Haltung der Häupter der Reichsſtände fcheiterte
denn auch fchließlich die Einigung. Der Kaiſer wäre bereit
gewefen, alle jene Punkte aus eigener Machtvolllommenbeit zu
gewähren, und meinte, es follte da niemand etwas barein reben.
Karl dagegen verlangte die Einwilligung der Kırfürften, ohne
die fo wichtige Fragen bisher nicht erlebigt worben waren.
Diefe aber waren nicht geneigt, den ſtolzen Burgunber noch
mächtiger zu machen und befjen weite Gebiete dann in die Hände
ber Habsburger kommen zu laffen. Denn mußte dann nicht
B- u... ar u ig ..
Karl der Kühne vor Nenf. 217
bie Bedeutung ber Neichsitände, vor allem ihr eigener Einfluß,
ganz in den Hintergrund gedrängt werden? Die Räte ber
abwejenden Kurfürften erklärten daher, ohne ihre Herren nichts
bewilligen zu können, die perfönlich anweſenden, die Erzbifchöfe
von Mainz und Trier, verfagten geradezu ihre Zuftimmung.
Konnte fich daher Karl ver Erfüllung der ihm vom Sailer
gemachten Beriprechungen nicht ficher fühlen, jo zeigte auch er
feine Neigung, feine bisherigen Freunde und Bundesgenoſſen,
Matthias von Ungarn und Frievrih von der Pfalz, beffen
Bekriegung der Kaiſer vor allem wünfchte, preiszugeben ober
gar belämpfen zu helfen. Der Kaijer foll auch vom Könige
Ludwig von Frankreich, Karl Zodfeinde, gegen biefen aufe
gereizt worben fein. Da fo die Ausficht auf eine Kinigung
immer mehr dahinſchwand, fo reilte der Sailer am 25. No»
vember vor Tagesanbruh aus Trier ab, ohne fich vom Herzoge
auch nur verabichievet zu haben.
Karl, der ſchon Vorbereitungen für feine Krönung getroffen
Batte, war über das Scheitern feiner Pläne höchlich entrüjtet
und ſuchte num feinen Einfluß am heine in Oppofition gegen
den Kaiſer auszubreiten, wozu ihm die Wirren im Kölner
Erzftifte Anlaß gaben. Der Erzbiichof Ruprecht, ein Bruder
Friedrichs von der Pfalz, war wegen feiner willfürlichen Re⸗
gierung mit feinen Ständen und dem Kapitel vollftänbig zer»
fallen, jo daß biejes ihn abgejegt und den Landgrafen Hermann
von Heffen zum Aominiftrator gewählt hatte. Da der Kaiſer
biefen anerlannte, wendete fich Ruprecht an Karl von Burgund,
übertrug ihm die Schirmvogtei über das Erzbistum und ber»
ſprach ihm außerdem für feine Unterftügung eine große Geld»
entihädigung. Ende Juli 1474 erichien biefer mit einem
ftattlichen Heere im Erzftifte und begann die Belagerung von
Neuß, in das fih Hermann von. Heflen ſelbſt zurücdgezogen
Batte.
Karl kam aber bald in eine fehr fchwierige Lage. Neuß
widerſtand zehn Monate Yang allen Stürmen ber Burgunder,
und unterbeffen fammelte fih, nachdem auf einem Reichstage
in Augsburg der Krieg gegen Karl beichloffen worden war,
278 Die Bewegung am Oberrhein gegen bie burgumbdifche Herrfchaft.
fett dent Dezember 1474 unter der Anführung des Kurfürften
Albrecht von Brandenburg als Feldhauptmanns ein Reichsheer,
das wenigftens an Zahl dem burgundiſchen bebeitend überlegen
war).
Schon früher hatte fih am Oberrhein gegen Karl eine ges
fährlihe Bewegung erhoben.
Die ſtramme, ja drüdende Regierung feines Statthalters
Peter von Hagenbach ?) Hatte bewirkt, daß bie Einwohner ber
ihm von Sigmund von Tirol verpfändeten Gebiete fich wieder
unter bie frühere Herrichaft zurückſehnten. Ebenſo lebhaft war
der Wunſch der Eidgenoffen und einiger Reichsſtände des ſüd⸗
weftlichen Deutichland, die ftätig anwachſende Macht des bur-
gundiſchen Herzogs aus ihrer Nähe zu verbrängen, da beffen
unerfättlicher Ehrgeiz auch ihre Selbſtändigkeit bedrohte. Schon
Anfangs 1473 Hatten die Städte Straßburg, Bafel, Kolmar
und Schlettftabt, und die Bilchöfe von Straßburg und Baſel
einen Bund unter fich gefchloffen, und einen folchen auch mit
den Eidgenoſſen zuftande zu bringen gefucht. ‘Diefe, auch von
Hagenbach vielfach beleidigt, waren nicht bloß dazu bereit, ſon⸗
bern fuchten jett ‘auch einen Ausgleich mit Öfterreich herbei
zuführen. Da Sigmund von Tirol, vom burgunbiichen Herzoge
immer mit leeren Verſprechungen abgefpeift, bie Hoffnung auf
Unterwerfung der Schweizer aufgegeben Batte, fo ſuchte er
wenigſtens die verpfändeten oberrheiniichen Gebiete wieder an
fih zu bringen, was ohne das Geld der Neichsftäbte und bie
Waffendilfe der Eidgenoſſen unmöglih war. Um biefen Zwed
zu erreichen, war er bereit, zugunften dev Schweizer auf alle
Gebiete, die fte feinem Haufe abgenommen hatten, zu verzichten
und mit benfelben nicht Bloß, wie es bisher immer gejcheben
war, einen Waffenſtillſtand auf eine gewilfe Anzahl von Jahren,
fondern einen bauernden Frieden zu ſchließen. Da fo bie
1) Markgraf, De bello Burgund. a Carolo Audace contra ar-
chiep. Colon. suscepto. Berol. 1861.
2) 9. Witte, Zur Geſchichte ber burgundiſchen Herrſchaft am Ober-
rhein 14691473, in „Zeitſchr. f. d. Geſch. d. Oberrheins“ N. F. J,
129 ff.
a In Br un. - “ De
Angriffe auf die burgundiſchen Länder. 279
Intereſſen aller diejer Parteien in ihrer Richtung gegen Bur⸗
gund fich begegneten, jo kam leicht eine Einigung zwifchen ihnen
zuftande. Am 30. März 1474 wurde unter DVermittelung
eines franzöfiihen Geſandten zwiſchen Sigmund im Namen
Oſterreichs und den Schweizern in Konftanz ber Friede, bie
„ewige Richtung”, und dann zwifchen beiden und den Städten
und Bilhöfen des Oberrheins auf zehn Jahre ein Bündnis ab-
geichloffen. Die Städte liehen dem Herzoge die zur Auslöſung
ver Pfandichaften nötige Summe, und fie und bie Schweizer
veriprachen ihre Hilfe gegen Karl, fall diefer die Herausgabe
ber bverpfändeten Gebiete verweigerte. ALS Dies wirklich der
Tall war, erhoben fich, nachdem an einzelnen Drten ſchon früher
Aufftände ausgebrochen waren, die Einwohner überall gegen bie
‚welihe Tyrannei“ und nahmen am 11. April auch den Statt-
halter Hagenbach in Breifach gefangen, der am 9. Mai dem
Haſſe des Volles geopfert und enthauptet wurde ).
Die Schweizer und ihre Verbündeten griffen jogar bie bur-
gundiſchen Erblande an. Anfangs November 1474 fielen fie
in die France Comté ein und eroberten nach einem Siege
über ein burgundilches Entſatzheer die Stadt Hericourt. Im
folgenden Frühjahr erfolgte ein neuer Einbruch. Auch Karls
Erbfeind, Ludwig XI. von Frankreich, der mit den Schweizern
und am 31. Dezember 1474 auch mit dem Kaifer ein Bündnis
ſchloß, begann nach längerem Zögern im folgenden Mai bie
Beindfeligkeiten und nahm einige Städte in der Picardie weg.
Karl jelbjt wurde vor Neuß, das noch immer fich behauptete,
von einem immer mehr anwachſenden Neichsheere bedroht.
Da trat auf einmal eine Wendung ein. Der Papft Batte
fih in letzter Zeit ernftlihe Mühe gegeben, den Frieden in
Mitteleuropa berzuftellen, ohne den eine Abwehr der immer
weiter vorbringenden Türken unmöglich war. Nach dem Bruche
1) 8. Dändliker, Urfacden und Vorfpiel der Burgunderfriege (Zürich
1876), ©. 31f. Rauſch, ©. 97f. Witte, Burgunderfriege,
S. 29ff. Für den Reichäkrieg gegen Karl von Burgund und den Aus-
gleich mit dem Kaifer wie die weiteren Ereigniſſe bis zu Karls Tode ſiehe
Rauſch, S.107—158.
280 Karla Einigung mit dem Kaifer.
zwiichen dem Kaiſer und dem Herzoge von Burgund hatte er
den Biſchof von Forli nach Deutichland geſchickt, um bie beiden
Fürſten wieder zu verjöhnen. Die Vermittelung besielben
wurde auch von mehreren Fürften unterjtügt, auch des Kaiſers
Feldhauptmann Albrecht von Brandenburg war einem Aus»
gleiche geneigt. Da dem Sailer jelbit mehr baran liegen
mußte, den Herzog zu gewinnen ald zu vernichten, fo fam ein
Präliminarfriede zuftande, ber am 28. Mai 1475 bekannt
gemacht wurde. Karl bob die Belagerung von Neuß auf,
leiftete dem abgeſetzten Erzbilchofe Ruprecht keine Unterftügung
mebr und gab feine Zuftimmung zur Vermählung feiner Tochter
mit dem Eraberzoge Maximilian. Der Kaifer dagegen fcheint
ibm ftilljchweigend ben Herzog von Lothringen und die Schweizer
preisgegeben zu haben.
Auh mit dem franzöfiichen Könige brachte Karl am
13. September eine neunjährige Waffenruhe zuftande, befjen
Spite gegen Ofterreich und die Schweiz gerichtet war, indem
dem Herzoge das Recht vorbehalten wurde, Pfirt und Eljaß
wieder in feine Gewalt zu bringen und die Eidgenofjen zu bes
friegen, wenn fie dieſen Ländern Hilfe leifteten ). Es ging
ein Zug tiefer Verlogenheit durch die Welt, und jeder bielt
es für erlaubt, jelbit feinen Verbündeten in jedem Augenblide
zu verraten.
Bon allen Seiten fichergeftellt, warf fich der Burgunder
jegt auf Lothringen, das er mit der Hauptftabt Nanch in we⸗
nigen Wochen eroberte, und dann auf die Schweizer, welche in
biefem Jahre auf Koften des mit ihm verbündeten Savoyens
und ſavoyardiſcher Vaſallen Eroberungen gemacht und das
Gebiet bi8 zum Genfer Sce unterworfen hatten. Der Raifer
ſah ruhig zu, da Karl enblih am 17. November im Lager
vor Nanch Vollmacht zum Abſchluß eines definitiven Frieden
gab und am 6. Mai 1476 auch erklärte, daß im November
die Vermählung feiner Tochter mit deſſen Sobne jtattfinden
follte. Auch Sigmund von Tirol ſchloß am 1. Januar einen
breimonatlichen Waffenftillitand.
1) Mandrot, Etude, im „Jahrbuch f. Schwelzer. Geſch.“ VI, 216f.
—
5
Der Fal Karls von Burgund. 231
Trotzdem follte Karl an den Schweizern unüberwinbliche
Gegner finden. Am 2. März 1476 wurde er bon den viel
ichwächeren Eidgenofien bei Grandſon und noch entichievener
am 22. Juni bei Murten gefchlagen, wo er mwenigftend 10 000
feiner beten Krieger verlor. Als er bierauf Nanch belagerte,
deſſen fich der Herzog Renatus wieder bemächtigt hatte, wurde
er am 5. Januar 1477 von den Lothringern und jchweize-
riihen Soldtruppen neuerdings befiegt und fand dabei felbft-
ein tragiiches Ende.
Der Kaiſer war natürlich bemüht, bie vereinbarte Vers
mählung jeines Sohnes mit Karl Tochter und Erbin jegt
zur Ausführung zu bringen und benjelben die burgundiſch⸗nieder⸗
ländifchen Gebiete zu fichern )). Doch mußte er ſich vorläufig
auf die Abſendung von Briefen und Gejandten beichränfen, da
feine Kräfte durch den Aufſtand der öfterreichiichen Adeligen und
bie drohende Haltung des ungariichen Königs gelähmt waren.
Und doch wäre es dringend notwendig gewefen, feinen Sohn
mit Geld und Truppen verſehen nad den Nieberlanden zu
ſchicken, da deſſen Braut von allen Seiten bebrängt wurde.
Als Karl der Kühne unter ven Streichen feiner Feinde jeine
Seele ausgehaucht hatte, waren infolge ber ewigen Kriege und
ber Gewaltherrſchaft der letzten Herzoge fein Schat geleert,
jein Heer zertrümmert, feine Unterthanen, bejonders die Bürger
ber großen Städte, unzufrieven. Lubwig XL von Frankreich
war entichloffen, dieſe günftige Gelegenheit zur Erwerbung eines
großen Teils der Länder Karls zu benugen, während er bie
entfernteren als Köder für deutſche Fürſten bereit hielt, bie
feine Pläne zu unterftügen bereit wären. Konnte er nicht Die Hand
Marias für feinen fiebenjährigen Sohn Karl erhalten, fo wollte
er wenigſtens die Picardie, Artois und Flandern wie das Herzog-
tum und die Freigrafichaft Burgund für Frankreich gewinnen,
die er als erledigte Kronlehen in Anfpruch nahm, obwohl die
Tranche Comté deutſches Neichslehen, die übrigen Länder allers
1) Bgl. mit der Darftellung bei Rauſch, S. 159ff. auch die Akten⸗
ftüde in Mon. Habsburg. I,1, 137 gg. ſelbſt.
234 Marias Tod und defien Folgen.
1482 infolge eines Sturzes vom Pferde, nachdem fie ihrem
Gemahle drei Kinder geboren hatte, von denen zwei, der bald
vierfährige Sohn Philipp und die zweijährige Tochter Mar⸗
garetha, fie überlebten.
Für Marimilian war dies nicht bloß in perfönlicher, ſon⸗
dern auch in politticher Beziehung ein furchtbarer Schlag. Troß
vieler guten Eigenfchaften war es ihm bisher nicht gelungen,
die Zuneigung der Niederländer zu erwerben, deren Sprache
er noch nicht einmal recht verſtand. Obwohl feine Gemahlin
in ihrem Teſtamente ?) ihn zum Vormunde ihrer Kinder und
zum Regenten ihrer Länder beftimmt hatte, jo feßten bie flan»
driſchen Städte, voran bie ftolzen enter, doch einen Regent⸗
Ihaftsrat ein, der jedes jelbjtändige Vorgehen des Fürften un⸗
möglich machte. Aufgeitachelt vom franzöfiichen Könige Tnüpften
fie jogar eigenmächtig Friedensunterhandlungen an, wozu endlich
auch Maximilian jeine Zuftimmung geben mußte, ba gleich-
zeitig Geldern ſich zugunften jeines alten Herzogsgeichlechts
zu erheben drohte und auch der Kaiſer, vom ungarifchen Könige
bevrängt, ibm nicht Helfen fonnte. Am 23. Dezember 1482
wurde der Friede von Arras abgefchloffen. Durch diefen wurden
das Herzogtum Burgund und die Picardie ftillichweigend an
Frankreich überlaffen. Artois, die Franche Comté, Macon,
Auxerre, Charolais und Bar fur Seine ſollte die junge Prin—
zeifin Margarethe als Mitgift erhalten, die bei reiferem Alter
den Dauphin heiraten ſollte. Doch jollten dieſe Gebiete, wenn
Margaretha Feine Kinder erhielte, wieder an ihren Bruder
Philipp zurüdfallen. Jene Städte, welche in dieſen Gebieten
von den Franzoſen bejegt waren, blieben auch fortan vorläufig
in der Gewalt derſelben. Wenn Philipp ohne Erben mit Tod
abginge, jollte jeine Schweſter in allen Ländern ibm folgen.
Margaretha wurde bald darauf zur Erziehung nach Frankreich
gebracht.
Obwohl am 30. Auguft 1483 dem ränfevollen Ludwig XI.
Maximilians defignierter Schwiegerfohn, Karl VIIL auf dem
1) Bom 24. März 1482 bei Lichnowsty VIII, DCCXXXI.
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Kriege und Aufftänbe. 235
franzöſiſchen Throne folgte und nun in Frankreich innere Wirren
ausbrachen, fo dauerten die Intrigen gegen Maximilian doch auch
jest noch fort. Die Flandrer, welche diefen nicht als Negenten
anerkannten und felbft feinen Sohn ihm vworentbielten, wurben
von Anna von Beaujen, der energiichen und berrichlüchtigen
Schweſter des ſchwächlichen Karl VIIL, nicht bloß ermutigt,
fondern auch mit Truppen unterftügt. Erſt nach längeren
Kämpfen vermochte der Erzherzog die flandriſchen Stäbte, zu.
zulegt Ende Juni 1485 auch das reiche Gent, zu bezwingen
und zur Anerkennung jeiner Regierung und zur Auslieferung
feines Sohnes zu nötigen. Kine Kriegsentichädigung von
700000 Goldgulden war bie Strafe für den bisherigen Un-
gehorſam.
. Obwohl gerade in denſelben Tagen ſein Vater flüchtig
Oſterreich verlaffen hatte und im Reiche die Mittel zur Wieder
erlangung besjelben zu gewinnen bemüht war und bie energijche
Mitwirkung dazu vor allem Marimiltans Pflicht gewejen wäre,
jo beſchloß dieſer Doch den Krieg gegen Frankreich fortzujegen,
um an Anna von Beaujen Nache zu nehmen. Er verband
fih mit ihren Gegnern, ven Herzogen von Orleans und
Dretagne und anderen franzöjiichen Großen, um die Negentin
aus der Nähe des Könige zu entfernen und bie zentraliftiiche
Umgeftaltung Frankreichs aufzuhalten. Allein jeine Verbündeten
wurben gefchlagen, feine Zruppen von den Franzoſen befiegt.
Neuerdings erhoben fich gegen ihn die mächtigften Städte Flan⸗
derns, die fich über die Begünftigung fremder Näte und Be
amten, über die Ausfchweifungen ver Soldaten, über Verlegung
ihrer Privilegien, über Unterlafjung der Rechnungslegung be=
Hagten. ALS er perfönlich fich nach Flandern begab, um bie
Unzufriedenheit zu bejchwichtigen, ward er von den Bürgern
von Brügge am 1. Februar 1488 gefangen genommen, mehrere
feiner Räte und Anhänger bingerichtet, er felbft am Leben bes
droht oder in Gefahr, an Frankreich ausgeliefert zu werben.
Erft al8 unter perfönlicher Anführung feines greilen Waters
ein Neichäheer von mehr als 20000 Mann beranzog, erhielt
er nach viertbalbmonatlicher ftrenger Haft feine Freiheit wieder,
256 Kämpfe mit den auffländifchen Niederländern.
nachvem er eiblich ven Aufſtändiſchen Amneſtie zugefichert, ja
fogar verjprocen hatte, auf die Regierung. in Flandern zu⸗
gunjten eined aus den vornehmſten Adeligen beſtehenden Rates,
bem auch ber Prinz Philipp ausgeliefert werben follte, ganz zu
verzichten und die Union ber niederländiſchen Brovinzen und bie
Stellung verjelben unter den Schuß Frankreichs anzuerlennen.
Marimilian felbft fcheint auch die Abficht gehabt zu haben,
biefe ihm abgebrungenen Verpflichtungen zu halten. Aber fein
Vater und die bet ihm befindlichen Fürſten glaubten folche
Gewaltthaten nicht ungeftraft laſſen zu dürfen und bielten weder
fih noch Marimilian felbft durch einen Vertrag für gebunden,
den nur Zwang biltiert und die Todesfurcht beichworen hatte.
Unter furchtbaren Verwüftungen drang das Neichsheer, bem
auch Mar fich anjchloß, in Flandern ein, das anderſeits durch
ein franzöfiiches Hilfscorps unterftügt wurde. Nicht bloß bie
Flandrer behaupteten fich, fondern auch Brabant fiel nach ber
Heimkehr der meiſten Reichötruppen größtenteild in bie Hände
der Aufſtändiſchen. Ohne die verlornen Gebiete bezivungen zu
haben, verließ Marimilian am Ende des Jahres 1488, bald
nach feinem Bater, die Niederlande, um die Wiedereroberung
Oſterreichs zu verfuchen. Auch der von ihm zurüdgelaffene
Generalſtatthalter, Herzog Albrecht von Sachfen vermochte
trotz feiner Energie und kriegeriſchen Tüchtigkeit die Flamländer
nicht zu unterwerfen.
Da führten die auswärtigen Verhältniſſe eine Wendung
berbei. Ä
Am 9. September 1488 war Marximilians Bundbesgenoffe,
ber Herzog Franz von Bretagne, mit Hinterlaffung einer zwölf
jährigen Tochter Namens Anna geftorben, nachdem er kurz vorher
nach einer durch die Franzoſen erlittenen Niederlage fich ver-
pflichtet hatte, feine Zochter nicht ohne Zuftimmung des Königs
zu vermäßlen. Jetzt waren die in mehreren Feſtungen zurüd-
gebliebenen franzöfiichen Zruppen die Herren im Lande. Über
bie meift keltiſche Bevölkerung war der Herrichaft Frankreichs
abgeneigt und auch die benachbarten Mächte fuchten einen jo
bedeutenden Machtzuwachs desjelben zu verhindern. Ferdinand
Aunna von Bretagne. 287
bon Aragonien, der den franzdflichen König zur Herausgabe
ber verpfaͤndeten Grafſchaften Rouſſillon und Eerbagne zwingen
wollte, wie Heinrich VII. von England ſchickten den Bretagnern
Hilfstruppen. Unter Vermittlung des erfteren kam auch am
14. Februar 1489 ein Bündnis des legteren mit Maximilian
zuftande, welches biefem im Kampfe gegen die Niederländer bie
Unterftägung Englands verfchaffte. Um die gefährliche Koalition
zu |prengen, machte Karl VIEL Friedensanträge, auf die Mar
um fo Tieber einging, ba er feine ganze Macht gegen Ungarn
wenden konnte, wenn er im’ Weiten freie Hand erhielt. Nach
dem Bertrage, den er am 22. Juli 1489 in Frankfurt zugleich
im Namen feines Sohnes Philipp mit dem Könige von Frank⸗
reich fchloß, ſollte diefer die Blandrer zur Unterwerfung bewegen,
im Notfalle Telbft gegen fie Hilfe Teiften, während in dem
Streite um das Herzogtum Burgund und einige andere Gebiete
auf einer Zufammenkunft beider Fürften eine Verftändigung
angeitrebt werben jollte. Infolge der Bemühungen franzöfiicher
Geſandter wie der kriegeriſchen Erfolge Albrechts von Sachſen
ſchloſſen die Flandrer am 30. Dftober 1489 den Vertrag von
Montils⸗les⸗Tours, durch welchen fie fich zur Unterwerfung in
bemütigenden Formen, zur Anerkennung der Regentichaft Maxi⸗
miltans und zur Zahlung von 300 000 Goldthalern verpflichteten.
Zu Ende waren die Unruben in den Niederlanden freilich auch
jegt noch nicht, erft im Jahrr 1492 gelang e8 dem Herzoge
Albrecht, ven legten Widerſtand zu brechen. Und wieder wurden
die Aufftändiichen von Frankreich aufgehegt und unterjtügt, da
ber Krieg zwilchen dieſem und Marimilian nach kurzer Zeit
wieder ausbrach.
Nah dem Frankfurter Vertrage hatte Karl VIII. ver
Iprochen, der Herzogin Anna die von ihm in der Bretagne
eroberten Städte zurüdzugeben, wenn ihr Land auch von den
Engländern geräumt würde. Doch ift biefer Artikel nicht zur
Ausführung gefommen, da Anna nicht wünfchen fonnte, jchuß-
108 den Franzoſen preisgegeben zu werden, und ber engliiche
König nicht geneigt war, feine fefte Stellung in der Bretagne
aufzugeben. Auch der franzöfiiche König machte Schwierigfeiten.
288 Annas Vermählung mit Karl VIII. von Frankreich.
Da ſuchte Maximilian den Knoten dadurch zu burchhauen, daß
er jelbjt um die Hand der Herzogin Anna anbielt, die ihm
ſchon durch ihren Vater einmal in Ausficht geftellt worben war.
Anna willigte ein und Ende 1490 Tieß fih Mar durch Proku⸗
ration mit ihr vermählen.
Karl VIIL, der e8 für eine Lebensfrage für Frankreich anſah,
die Vereinigung der Bretagne mit einem fremden Staate zu
verhindern, ließ Truppen in das Land einrüden und brachte
durch Gewalt und Gelb bald das ganze Land bis auf bie
Hauptftadt Rennes in feine Hände. Da Mar durch die un⸗
garische Angelegenheit und den Willen feines Vaters im Oſten
zurückgehalten warb und auch die Niederländer feine Gemahlin
nicht unterſtützten, ja teilweife im Aufftand waren, fo fah fi
Anna, deren eigene Umgebung bereits vom franzöfiichen Könige
gewonnen war, endlich gezwungen, das Hart beprängte Rennes
am 15. November 1491 zu übergeben. Hatte fie ſich anfang
noch die Erlaubnis erwirkt, fich zu ihrem Gemahl zu begeben,
fo Tieß fie fich bald umftimmen und reichte fie dem franzöſiſchen
Könige die Hand, mit dem fie am 6. Dezember bie Hochzeit
feierte. Die Difpens von ihrer Ehe mit Marimilian batte
der Bapft Innocenz VIII. bereit8 heimlich erteilt.
Mar war wütend über die ihm zugefügte doppelte Kränkung,
daß fein eigener Schwiegerfohn ihm jeine Gemahlin und deren
Land entriffen hatte, während feine Tochter auch jetzt noch in
Tranfreich zurüdgehalten wurde. Wenn er fortan ein leiden⸗
Ihaftlicher Feind Frankreichs geweſen ift, jo bat dieſe An⸗
gelegenheit vielleicht am meilten dazu beigetragen. Und um
feine Berlegenheit zu vermehren, entließ Karl VIIL. den Sohn
bes vertriebenen Herzogs von Geldern, der 1487 in fran-
zöfifche Sefangenfchaft geraten war, im folgenden Frühjahr aus
feiner Haft, worauf verjelbe von den früheren Untertbanen
feines Vaters freudig ald Herr anerkannt wurde. Vergebens
ſuchte Dar für den Rachekrieg gegen Frankreich die Unterſtützung
ber beutichen Fürften zu gewinnen; nur in fehr geringem Maße
ward ihm bdiejelbe zuteil. Auch das Bündnis mit England
und Spanien balf ihm wenig. Heinrich VIL, der Einmiſchung
Friede von Senlis. 289
in die Angelegenheiten des Feſtlandes abgeneigt, ließ fich ſchon
am 3. November 1492 durch hohe Geldſummen zum Trieben
bewegen, und feinem Beijpiele folgte am 19. Januar Spanien,
als der franzöfifche König Rouffillon und Cerdagne zurüdgab.
Deffenungeachtet führte Mar den Krieg glüdlihd. Don
ben Niederlanden aus ward durch Überfall die Feftung Arras
gewonnen und gegen alle Angriffe der Franzoſen behauptet.
Ende des Jahres 1492 fiel Maximilian jelbft mit einem Söldner⸗
beer in die Franche Comté ein, deren Einwohner, der fran-
zöftfchen Herrichaft abgeneigt, ihn unterftügten. Siegreich drang
er über Beſangon bis Salins vor. Am 19. Januar 1493
wurde ein franzöfiiches Heer bet Dournon unweit Salins von
Friedrich von Kappel geichlagen, worauf faft die ganze Frei-
grafihaft für die Franzoſen verloren ging. Dies machte
Karl VIIL einem Frieden geneigt, da er, die Eroberung Neapels
planend, fich ven Rüden freizumachen fuchen mußte. Unter
Bermittelung ver Eidgenofjen wurde am 23. Mat 1493 ver
Friede von Senlis gejchlojjen, nach deſſen Beitimmungen ber
franzöfiihe König an Morimilian feine Tochter Margareta
auslieferte und auf die früher als deren Mitgift an Frankreich
überlafjenen Grafichaften Artois, Franche-Comté und Charolais
verzichtete. Die in Artois noch von den Tranzofen befetten
Städte Hesdin, Aire und Bethune follten fie behalten, bis der
Erzherzog Philipp nach Vollendung des 20. Lebensjahres bem
Könige für die von ihm abhängenden Gebiete den Lehenseid
geleiftet Hätte, ebenjo die Grafichaften Macon, Auxerre und Bar
an der Seine, bis über deren Zugebörigfeit auf dem Rechtswege
entſchieden wäre ?).
So war doc endlich der Beſitz faft aller Länder Karls des
Kühnen für das Haus Habsburg gefichert, und, was für bie
Zukunft Europas noch wichtiger war, es war verhindert worben,
daß fie an das feit den engliichen Kriegen raſch im Innern
1) Über die Beziehungen Maximilians zu Frankreich und bie Vor-
gänge in den Niederlanden feit dem Frieden von Arras f. Ulmanı,
Kaiſer Marimilian L, I, 10—46. 65—75. 84. 115—187.
Huber, Geſchichte Oſterreichs. II. 19
290 Wahl Marimilians zum deutfchen Könige.
erftarlende und nach außen um fich greifende Frankreich fielen.
Nicht bloß alle jene burgumbdijch-niederländiichen Gebiete, bie
zum Deutſchen Netche gehörten, waren für dieſes wieder gerettet,
fondern auch die franzöſiſchen Wafallenländer Flandern und
Artois. Während Deutjchland infolge des Schwindens des
Gemeinſinns fih immer mehr auflöfte und nicht mehr imjtande
war, feine Grenzen zu ſchützen, erhob fich wenigftens im Weften,
langgeitredt vom Norden bis zum Süden, Dieje neue bab$-
burgifhe Macht, die ſtark genug war, ein weiteres Vorjchreiten
bes franzöfiichen Reichsfeindes zu hindern.
Auch dafür war gejorgt, daß die Habsburger ſich nicht in
direkten Gegenſatz zur Reichsgewalt fegen, jondern vielmehr
dieſe unterftügen und verftärken fonnten. Obwohl der alte
Kaiſer Friedrich felbft, um ja von der feinen fchwachen Händen
entfinfenden Macht nichts einzubüßen, lange Zeit der Wahl
eines Nachfolgers bei feinen Lebzeiten widerftrebte, hatte Dari-
milian doch ſchon vor ſechs Jahren jeine Wahl zum römischen
Könige durchgejeßt. Alle Kurfürften mit Ausnahme des Könige
von Böhmen, den man fonderbarer Weife, angeblich aus Mangel
an Zeit, gar nicht eingeladen, batten am 16. Februar 1486
dem Erzherzoge ihre Stimme gegeben, manche allerdings nicht,
ohne fich bedeutende Verjprechungen von diejem machen zu lafjen.
Auch feinem Vater hatte er, wie es fcheint, die Zuficherung
gegeben, daß er feine wirkliche Negierungsgewalt in Anſpruch
nehmen würde !).
Friedrich III. zeigte vieles zähe Anklammern an feine bis-
herigen Befugnijje auch in andern Tragen. Als die Reichs⸗
ftände gleichzeitig auf dem Reichstage in Frankfurt Vorſchläge
madten, um dem Kammergerichte, das feit der Zeit König
Sigmunds an die Stelle des Fatferlichen Hofgerichtd getreten
war, dem Sailer gegenüber eine größere Unabbängigfeit zu ver-
Ichaffen und die Ausübung einer Kabinetsjuftiz unmöglich zu
machen, weigerte fich Friedrich entjchieden, darauf einzugehen ?).
1) Ulmann, Die Wahl Marimilians I. „Forſch. 3. deutſchen Geſch.“
XXII, 131—158.
2) 3. A. Tomaſchek, Die höchſte Gerichtöbarteit des beutfchen
RE
Verſuch der Wiebereroberung Ofterreichs. 291
So lange er lebte, war jeder Verſuch einer Neichsreform aug-
ſichtslos.
Siebentes Kapitel.
Die Wiedergewinnung Sſterreichs und die Neu—
beſetzung des ungariſchen Thrones.
Die Kurfürſten hatten den allerdings auch perſönlich beliebten
Erzherzog Marimilian Hauptjächlich deswegen zum Könige ge
wählt, um zur Wiedereroberung der füboftdeutichen Herzog⸗
tümer, welche auch fie für eine Pflicht des Reiches anfahen,
einen angejebenen, jugendlich Fräftigen Führer zu erhalten und
bafür auch die Mittel der Niederlande zu gewinnen ). Allein
Max ließ fih zunäcft in den Kampf der franzöjiichen Großen
gegen ihren König und die ihn lenfende Schweiter bineinziehen,
und wurde dann dur jeine Gefangenjchaft in Brügge und
durch die Belriegung der Flandrer daran gehindert, den Ojter-
reichern zubilfe zu fommen. Auch die Mittel, welche die veut-
ſchen Stände nach langem Feilſchen im Juni 1487 dem Kaiſer
endlich gegen Ungarn zur Aufitellung eines Heeres bewilligten,
waren jo unbedeutend und die votierten Gelder wurden ents
weder gar nicht oder fo langſam gezahlt, daß der Neichshaupt-
mann Herzog Albrecht von Sachen ?) nur aus jeinen eigenen
Mitteln ein Heer von 5000 Mann zufammenbracte. Da nun
Königs und Reiches im XV. Jahrhundert. „Sigungsber. b. faif. Akad.”
XLIX, 521—612. Über die Entfichung des Kammergerichtes vgl.
®. Seeliger, Das deutſche Hofmeifteramt im fpäteren Mittelalter,
©. 115ff.
1) Ulmann in „Forſchungen“ XXII, 146f.
2) Vgl. über feine Thätigkeit mit Schober, ©. 132. auch
R. Strewer, H. Albrecht von Sachſen als Reichsfeldherr gegen bie
Ungarn 1487. (Greifswald. Difj. 1882.)
19*
294 Des K. Matthias uneheliher Sohn Johann Eorvinus.
Matthias hatte in den legten Jahren, wo er jeve Hoffnung
auf eheliche Nachlommenfchaft aufgegeben hatte, alles in Be⸗
wegung gejegt, um Johann die Nachfolge zu fihern. Er hatte
ihm ar feinem Hofe den Rang eines königlichen Prinzen ein-
geräumt, batte fich bei feierlichen Gelegenheiten durch ihn ver-
treten laſſen, hatte ihn mit Gütern und Befigungen überhäuft
und ihm ausgedehnte Herrfchaften in Ungarn, darunter bie
Srafihaft Hunyad und die „Herzogtümer” Munkaͤes und Liptau
(mit Thurocz und Arva), und die meift durch Waffengewalt
oder Einfchüchterung erworbenen fchlefiichen Herzogtümer Troppau,
Leobihüß, Loslau, Toſt, Beuthen und Kofel verliehen und noch
weiter bie Anwartfhaft auf Glogau und DIS verfchafft, Hatte
ihn 1487 durch Profuration mit dem Sproffen eines fürft-
lihen Haufes, nämlich mit Blanca, der Schweiter des mai-
ländiichen Herzogs Stan Galeazzo vermählt ?) und war dann
im Sommer 1489 auch bemüht gewejen, die ungariichen
Großen und Städte zum etblichen Verſprechen zu beivegen, den»
jelben als jeinen Nachfolger anzuerkennen. Damals hatte
namentlich die Königin Beatrix dagegen gearbeitet, wie fie denn
auch ihren Gemahl mit Bitten bejtürmte, daß er ihr troß ber
Abneigung der Ungarn gegen ein Weiberregiment die Nachfolge
verichaffe. Matthias hatte dann die Abficht gehegt, feinem
Sohne mit dem Befige der böhmijchen Nebenländer den Titel
eines Könige von Böhmen zu übertragen, und nur ber Tod
jheint ibn an der Ausführung dieſes Planes gehindert zu
baben ?).
1) Nicht Hloß verlobt, wie die neueren Darfteller annehmen. Der
Wortlaut bes Ehevertrags läßt barliber feinen Zmeifel. Vgl. auch die
Url. von 1493 Über die Auflöfung ihrer Ehe durch den Papſt ap.
Theiner, Mon, Hung. II, 540.
2) Bonfinii Dec. IV. 1. 7. 8 (ed. Poson. 1744), p. 497. 500.
506. 509. 511. Die Heiratsverträge mit Blanca von Mailand und andere
einſchlägige Urkunden herausgeg. von Chmel im „Archiv f. öfterr. Geſchq.“
I,1, S1ff. Über die darin erwähnten fehlefifchen Gebiete f. Grünhagen
a. a. O. I, 344 und Balady V,1, 309ff.. Ein Verſprechen der Stabt
Schäßburg wegen der eventuellen Anerlennung Johanns bei Teleki
XII, 456. Bgl. die Berichte ap. Theiner, Mon. Hung. I, 529.
Ansprüche der Habsburger auf Ungarn. 295
Wäre Johann Corvinus feinem Vater ähnlich gewefen, fo
wäre er vielleicht trog feiner unehelichen Geburt und der Ab»
neigung der Königinwitwe imftande geweſen, fich jett des unga-
riihen Thrones zu bemächtigen, da außer andern Schlöffern
die Königsburg in Ofen und BVilfegrad mit der Königskrone
und allen Schäßen feines Vaters in feinen Händen, die Feſtungs⸗
fommandanten für ihn in Eid und Pflicht genommen, von
den Großen immerbin mande für feine Erhebung waren
und unter dem niedern Adel fich das Haus Hunyady immer
großer Sympathieen erfreut hatte. Aber dieſer Jüngling hatte
weber die Kraft noch die Klugheit feines Vaters und Groß-
vaters. Bei dem Wahlreichdtage, den die Königinwitwe mit
einigen Großen für ven 17. Mat auf das Feld Raͤkos bei Belt
einberufen batte !), jcheint er eine ganz paſſive Rolle gefpielt
zu haben, und es zeigte fich bald, daß nicht er, fondern einer
der andern Bewerber den Sieg davon tragen würbe.
Nach den Beftimmungen des Friedens von 1463 follte dem
Könige Matthias ver Kaiſer Friedrich oder ein von ihm zu
beftimmenver Sohn auf dem Throne folgen. König Mar, der
vorausſetzte, daß fein alter Vater zu feinen Gunſten auf bie
eigenen echte verzichten würde, forderte ſchon am 19. April
1) Über die Wahlverhandlungen bringt die eingehendſten Berichte
Bonfinii Dee. IV, 1. 9, p. 5l6sgg., ber feit 1486 ſelbſt am ungariſchen
Hofe Iebte, alfo hierüber gut unterrichtet fein Tonnte. In der That wirb
feine Darftelung durch die Berichte des damals in Ofen weilenden Ge—
fandten des Herzogs von Mailand in Mon. Hung. IV, 161sqg. und
eines ferrarefifchen Agenten ibid. p. 425 qq. in den meiften Hauptpunften
beflätigt und vielfach ergänzt. Bon befonberer Wichtigkeit find die Depeſchen
bes erfteren vom 20. und 23. Juni und 12. Juli ibid. 221. 227 u. 237,
welche über die Vorgänge auf dem Wahlreihstage zufammenfafiende Be-
richte geben. Daber glaube ich von den Angaben bes Raguſaner Mönches
Tubero in deſſen doch bebeutend fpäter gejchriebenen Commentarii ap.
Schwandtner H, 118sqg., ber in manden Punkten mit Bonfini in
Widerſpruch ift, keinen Gebrauch machen zu bürfen. Fraknöi V., IL
Uläszlö kiralylya valasztasa (die Wahl Wlabiflaw II. zum Könige) in
„Szazadok “‘ 1885, ©. 1ff. 97ff. 193 ff. bat auch ungebrudte Berichte
des päpftlihen Nuntins benubt, bie aber nicht viel Neues zu enthalten
feinen. Vgl. auh Palacky V,1, 335 ff.
296 Tumultuarifche Ausrufung Alberts von Polen zum Könige.
von Innsbruck aus die ungariichen Stände auf, ihn als König
anzuerkennen. Neben ihm und Johann Corvinus traten zwei
Söhne des Königs Kafimir von Polen, Wladislam von Böhmen
und, begünftigt von feinem Water, deffen jüngerer Bruder Jo⸗
Kann Albert als Kandidaten auf, die fi auf die Anfprüche
ihrer Mutter, der Schweiter des Ladislaus Poftumus, ftüßten,
aber auch einer Erhebung durch Wahl nicht entgegen waren.
Die Ungarn nahmen denn auch das Recht in Anipruch, den
Thron durch Wahl zu befegen, auch jchon deswegen, um das
Königtum nicht zu ſehr erftarken zu laffen und ein jo ener-
gifches Negiment, wie e8 Matthias geführt hatte, für die Zu-
funft unmöglich zu machen. Gegen Marimilian wenbeten fie
daher beionders ein, daß er die Krone „aus Gerechtigkeit“ ger
fucht Habe. Gerade deswegen wollten fie ihn nicht, damit
nicht dadurch ihrer „Freiheit“ Abbruch gethan würde.
Det der großen Zahl der Thronbewerber war den ver-
ſchiedenſten Intriguen und den eigennügigiten Beftrebungen das
Thor geöffnet. Um die Freiheit der Wahl zu fichern, hatten
einzelne Bijchöfe und Magnaten Tauſende von bewaffneten Ge⸗
folgsleuten mitgebracht, ſodaß man, noch ehe alle erſchienen
waren, die Zahl der Perſonen auf 9—10000 ſchätzte.
Da die Großen lange nach dem feſtgeſetzten Tage eintrafen,
begann der Reichstag erſt am 7. Yunt, und zwar mit der
Ausarbeitung einer Wablkapitulation, welche die „Freiheit“ bes
Reiches, wie fie vor Matthias gewejen war, wieder berjtellen
jollte.. Schon am erften Tage, wo gar nicht über die Wahl
verhandelt wurde, warb von den Vertretern einiger Komitate,
angeftiftet, wie man glaubte, vom Biſchof von Waigen, einem
Bruder des Woywoden Stephan Baͤthory, in tumultuarijcher
Weiſe Albert von Polen zum Könige ausgerufen. Der ener-
giiche Widerſpruch des Woywoden brachte ihre Stimmen aller»
dings zum Schweigen. Doch Hinberte dies Albert nicht, fich
fortan als König von Ungarn zu betrachten.
Die meilten und einflußreichiten Biichöfe und Magnaten
waren von Anfang an für Wladislaw von Böhmen, veffen
Wahl auch einen fonft faft unvermeindlichen Krieg um den Beſitz
Sünftige Ausfihten Wladiſlaws von Böhmen. 297
der böhmtichen Nebenländer verhüten konnte. Der durch die
Gunſt des Matthias fo raſch emporgelummene Stephan Zapolya,
jegt Statthalter in Ofterreich, der doch felbft einft dem Johann
Corvinus gefehworen hatte, war fehon bald nach dem Tode bes
Matthias für Wladislaw gewonnen worben, da ihm diefer außer
anderem verſprach, die an Polen verpfändeten Zipfer Städte
zurüdzulöien und ibm als erblichen Grafen der Zip8 zu vers
leiden I). Auch der Kanzler des verjtorbenen Königs, ber
Mährer Johann Pruiß 2), Biſchof von Großwarbein, trat noch
vor Beginn des Reichstages offen zur böhmifchen Partei über.
Er gewann dafür neben andern auch den Biihof von Raab,
Thomas Bakacs, indem er ihm die Kanzlerwürbe in Ausficht
ftellte 2). Die ehrgeizige Witwe des Matthias, die unter allen
Umftänden Königin von Ungarn bleiben wollte, wenn fie nicht,
was fie eine Zeit lang anjtrebte, Gemahlin des fünftigen Kaiſers
werden konnte, ftellte den Anhängern Wladislaws ihren Einfluß
und ihre Schäße zur Verfügung, als man ihr Hoffnung machte,
daß diejer ihr die Hand reichen würde. Johann Corvinus
jelbft ließ fih am 17. Juni bewegen, mit den ungarijchen
Biihöfen und Magnaten einen Vertrag zu jchließen, wodurch
er fich verpflichtete, einem durch die Mehrheit der Stände er»
wählten Könige die Krone zu überliefern und feine Jchlefiichen
Herzogtümer mit Ausnahme von Troppau abzutveten, wogegen
er zum Könige von Bosnien und zum lebenslänglichen Herzoge
von Slaponien ernannt werden follte und ihm außer dem Beſitze
der ihm vom Könige Matthias in Ungarn verliehenen Herr»
ihaften und andern Vorteilen auf Lebenszeit die Würde eines
Bang von Kroatien und Dalmatien zugefichert ward t).
Bier Lage früher waren Lorenz Ujlafy, der Sohn des ver»
1) Url. vom 8. Mai in Schedins, Zeitfhrift f. Ungarn 1804 IV.
317.
2) Der richtige Name war Johann Filipec; der Name Pruiß if
wohl aus feinem Heimatsorte Prosnig in Mähren korrumpiert. Siehe
PBalady V,1, 230, R. 169.
3) Fraknéi a. a. O., ©. 16, 0.1.
4) Kovachich, Suppl. ad Vest. comit. II, 271.
298 Wahl Wladiſlaws von Böhmen.
ftorbenen Niklas, neben Zapolya ber begütertſte Magnat Ungarns,
der Biihof Sigmund von Fünffirchen, Sohn eines in Ungarn
teich gewordenen deutichen Geldwechslers, und andere Magnaten
mit ihren Anhängern, im ganzen 6000 PBerjonen, nad Ofen
gefommen. Dieje ließen fich durch den Erzbifchof Peter Varday
von Caloeſa für Johann Corvinus gewinnen, bet dem fie am
leichteften ihre Rechnung zu finden bofften.
Wiederbolt jchien es nun zwilchen beiden Parteien zum
Kampfe zu fommen. Als es hieß, daß die böhmilche Partei
die in Mähren ſtehende fchwarze Legion heranzuziehen beab-»
fichtige, die fie Durch Geld gewonnen batte, wollte Johann auf
das Betreiben feiner Anhänger am 1. Juli mit allen Schäßen
nach dem ſüdlichen Ungarn und Slavonien ziehen, wo fie thre
meilten Beſitzungen hatten, um dort neue Streitfräfte zu
fammeln. Doch wurde er durch Bathory und Kinizſi am
4. Juli an der Sarviz eingeholt und geichlagen, mehrere der
Seinigen getötet oder gefangen, bie übrigen zerjtreut und feine
Schätze erbeutet oder von feinen eigenen Leuten geraubt.
Da er jo völlig unſchädlich gemacht und die meilten Adeligen
aus den Komitaten nad Erichöpfung ihrer Mittel bis auf je
zwei Vertreter von Peſt nachhaufe zurüdgefehrt waren, proflas
mierten die Zurüdgebliebenen am 15. Juli 1490 Wladislaw
von Böhmen als König. Um die Königinwitwe Beatrix zu
befriedigen, bveren Geld man auch noch fortan brauchte, war
am Zage vorher beitimmt worden, daß der König fie zur Ges
mahlin nehmen follte!). Freilich ijt ihr dann gerade auf
Wunih der ungariihen Stände dieſes Veriprechen jchmählich
gebrochen, ja fie jogar ihres Wittums beraubt worden.
Nachdem Wladislam die ibm vorgelegten Bedingungen,
welche die königliche Gewalt ſehr befchränften, beftätigt hatte,
wurde er am 18. September in Stublweiffenburg gekrönt und
zwar durch den Bilchof von Agram, da der damalige Erzbiſchof
Hippolyt von Ejte, ein Schweiterfohn der Königin Beatrir,
1) Fraknöi a. a. O., ©. 196, und Über das weitere Verhalten der
Ungarn unb des Königs der Beatrix gegenüber S. 205ff.
Einfall Alberts von Polen in Ungarn. 299
welcher ber Proteftion des Matthias feine Würde verbanlte,
noch ein Knabe war. Johann Corvinus trug dem Könige bie
Krone vor, da diefer ihm fchon gleich nach feiner Ankunft im
Rande den Vereinbarungen Johanns mit den ungariichen Großen
entiprechend ven Vertrag vom 17. Juni beftätigt hatte und ihm
neben jeinen Gütern die Würde eines Herzogs von Slavonien
und eines Bans von Sroatien verlieh }).
Dagegen war ein Kampf mit den beiden andern Präten-
benten nicht zu vermeiden.
Albert von Polen brady Ende Juli mit 8000 Dann in
Ungarn ein, wo fih unter andern Stephan von Rozgon und
Blaſius Magyar, einer ber gefeiertiten Heerführer des Königs
Matthias, ihm anjchloffen, und drang raſch bis zur Donau
vor. Schon am 8. Auguft ftand er vor Peft. Eine perjön.
liche Zuſammenkunft der beiden Brüder blieb ohne Ergebnis;
als Feinde gingen fie auseinander. Mangel an Lebensmitteln
nötigte zunächft Albert, fich bis über die Theiß zurückzuziehen,
worauf er einen kurzen Waffenftiliftand ſchloß, um die Unter-
bandlungen fortzuführen. Doch kam auch jest feine Einigung
zuftande. Mit dem Angebote Wladislaws, zugunften jenes
Bruders auf die Nachfolge in Polen zu verzichten und ihm das
Herzogtum Glogau zu überlaffen, begnügte fich diefer nicht.
Zu der von Albert geforderten Abtretung Siebenbürgensd oder
einer Entichädigung von 300 000 Dukaten konnte ſich Wladislaw
nicht berbeilaffen. Während nun diejer die Vermittelung feines
Vaters nachjuchte, belagerte Albert Kaſchau und verwültete das
nördliche Ungarn bis Großwardein und Erlau, das großenteilg
eingeäjchert wurde ?).
Noch gefährlicher war König Marimilian. ALS die Wahl
ber ungariichen Stände am 15. Juli gegen ihn entichieden Batte,
beſchloß er fein Recht mit den Waffen in der Hand geltend zu
machen. Die dfterreichiichen Länder wurden zur Stellung von
1) Fraknoöi, ©. 199. 202. 204. 210.
2) Bonfinius IV, 10, p. 527-530. Bericht des mailänbiichen
Geſandten vom 8. Sept. Mon. Hung. IV, 262.
300 Eroberung Öſterreichs durch K. Marimilian.
Truppen aufgefordert und Söldner geworben, wozu man ſich
durch kleine Darlehen und Verpfändungen mühſam die Mittel
verſchaffte. Eine bedeutendere Summe, nämlich 50000 Gul⸗
ben, bewilligten nur die Stände Tirols ihrem neuen Xandes-
berın; doch wurde das Geld ſehr langſam flülfig gemacht.
Bor allem fuchte Mar den Ungarn feine Erblande zu ent-
reißen, wa® um jo leichter gelang, als die Einwohner ver
ungarifchen Herrichaft herzlich fatt, ihm dagegen perjönlich zu-
gethan waren, ſodaß fie ihn unterftügten, wie fie konnten, und
ibn überall als Netter empfingen.
Als er um die Mitte des Auguft nach der Eroberung von
Hartberg und Voitsberg aus der Steiermark über den Semme-
ring vordrang und nad Wegnahme von Schottwien und Klam
vor Wiener Neuftadt erfchten, öffneten ihm die Bürger am
17. Auguft jelbjt die Thore der Stadt und nötigten die unga-
riihe Befagung, fich in die Burg zurüdzuziehen. Zwei Tage
darauf zog er unter dem Jubel der Bevölkerung in Wien ein,
wo die Bürger ſchon Anfangs Juli eine Schar feiner Lands⸗
Inechte in die Stadt gelaffen hatten. Der ungariiche Statt-
halter Stephan Zapolya Batte fih nah Zurüdlaffung einer
Beſatzung in der Burg bereits früher geflüchtet. Die ungarn-
freundliche Gefinnung des Rates, der von Marimilian eine
Beitrafung für die frühere Haltung befürchten mochte, hatte fich
der allgemeinen Strömung gegenüber als machtlos erwiefen.
Am 29. ergab fich auch die Burg, als die Mauern durch das
Schwere Geſchütz teilmeife zufammengejchoffen worden waren und
der König alles für den Sturm vorbereitete. Schon früher
waren Baden, Zulln und mehrere öfterreichiiche Schlöffer durch
die Leute Marimilians genommen worden. Den Kommandanten
von Brud an der Leitha Batten die Einwohner gefangen ge-
nommen und zur Übergabe der Burg genötigt. Klofterneuburg
wurde von Marimilian ſelbſt am 9. September erobert, bie
Burg von Hatmburg und Mautern durch die Landsknechte mit
Sturm genommen. Andere Städte, wie Stein, St. Pölten
ergaben fich freiwillig. Auch manche Adelige fuchten jet die
Gnade des Kaifers zu erhalten. Nur einige Burgen in ber
Weitere Erfolge besfelben. 301
Gegend von Wiener Neuſtadt und den größten Teil des Landes
nördlich von der Donau behaupteten noch die ungariſchen
Truppen .
Am 4. Oktober brach Maximilian von Wien gegen Ungarn
auf und überjchritt mit einem Heere von 16—18000 Mann,
zum größern Zeile jübdeutichen Landsknechten, die ungartiche
Grenze. Mehrere deutſche NReichsfürften, darunter Georg von
Daiern mit 800 Weitern, und deſſen Vetter Chriftoph hatten
fih ihm angefchloffen. Bereits waren mehrere ungarijche
Magnaten aus ven ſüdweſtlichen Lanbesteilen, wie die Kaniſay
und ber Zavernicus Nikolaus Hederräry offen zu ihm über-
getreten. Ja auch die bervorragenditen Parteigänger des Jo⸗
hann Corvinus, Ujlaky, der Biſchof von Fünffirchen u. |. w.
batten nach dem Unterliegen ihres Kandidaten Verbindungen
mit Marimilian angelnüpft. Jakob Szelely, Befehlshaber der
ungariihen Zruppen in Inneröfterreich, der ebenfalls zu den
Anhängern des Corvinus gehörte, hatte mit Marimilian am
17. September einen Waffenftiliftand gejchloffen, nach dem er.
die von ihm bejekten Städte und Schlöffer Radkersburg,
Bettau, Feijtrig, Windifchgräg, Yavamünd, Landftraß u. |. w.
wie Waraspin und andere Zeiten vorläufig behalten, aber
feine Feindſeligkeiten fich erlauben ſollte. Won den weftungari-
ſchen Städten hatten fich einzelne, wie Ovenburg, Güns, Rech⸗
nig bereit8 früher ar bie vorausgeſendeten Heerführer Mari⸗
milians ergeben und nur teilweife Aufihub der Huldigung
erwirkt.
Da Wladillam von Böhmen nicht der Mann war, eine
große Energie zu entfalten, und er auch durch den gleichzeitigen
1) Schober, S. 159ff., der aber die Angaben bei Titel, ©. 54f.,
teifweife überfehen bat. Ulmann I, 86f. Daß Mar bie Feinbfelig-
feiten gegen die Ungarn nicht früher begann, lag aber gewiß nicht, wie
diefer annimmt, in deſſen vorübergehenden Zwiftigfeiten mit feinem Vater,
ber anfangs anf feine eigenen Anfprüche nicht verzichten wollte, ſondern
darin, daß er zuerft das Nefultat der ungarifhen Königswahl abwarten
mußte. Bgl. auch die Briefe Florian Waldaufs bei Kraus, Mari-
milians I. Beziehungen zu Sigmund, ©. 26 ff.
302 Bordringen Marimilians bis Stublweifjenburg.
Angriff feines Bruders, duch den Abfall der Anhänger Cor⸗
vins und die Lauheit feiner eigenen Wähler gelähmt war, fo
fand Marimilian nirgends einen ernftlichen Widerftand. Rafch
brang er über Eifenftadt und Obenburg nad Steinamanger
vor, das fih am 19. Dftober ergab, überfchritt am 23. Of-
tober die Raab und zog über Rendek nach Veſzprim, deſſen
Biſchof Johann Vitéz ſchon vor der Ankunft des Königs in
feinem Biichofsfige demjelben gegen die Zuficherung bes Bis—⸗
tums Wien feine Schlöffer zu öffnen veriprochen hatte. Bereits
wantte Wladijlams Thron, da nicht bloß deſſen Gegner, wie
Ujlaky, der Biſchof von Fünfkirchen und der Erzbiſchof von
Calocſa, jondern auch der eigennüßige Zapolya und andere
Große dem Könige Marimilian im geheimen ihren Übertritt
in Ausficht ftellten, andere offen huldigten, bald auch vie
Kroaten und Siebenbürger günftige Zuficherungen machten.
Freilich täufchte man fich im königlichen Hauptquartier über
die Zuverläjfigfeit diefer Herrn nicht. „Ein Ungar ijt ein
Unger, deſſen ©lauben und Treue ganz unftet it“, jchreibt
um dieſe Zeit Maximilians Sekretär an Sigmund von Tirol.
Aber gerade weil die geijtlichen und weltlichen Großen haupt-
fächlih von Eigennug bejtimmt wurden, fonnte man um jo
ficherer den Anfchluß derſelben an Marimilian erwarten, wenn
das Kriegsglüd diefem hold blieb. Und in der That jchien
dies der Fall zu jein. Wohl Tiefen infolge der ftrengen Kälte
mande Landsknechte davon. Aber fein Feind ließ fich im
Felde ſehen, feine Stadt leijtete Wiverftand. Stuhlweiffenburg,
das allein der Aufforderung, fich zu ergeben, feine Folge leijtete,
ward am 17. November von den böhmtichen Söldnern und
den deutſchen Landsknechten im erjten Anlaufe eritürmt und
von der wilden Soldatesfa 8—900 Bewohner erjchlagen, die
Stadt geplündert, jelbft die Kirchen nicht geichont, bis der
König die wilden Krieger zu zügeln vermochte. Mehrere unga-
riſche Große, wie Szekely, Ladislaus Kaniſay, Nikolaus Szoͤchy
fanden ſich jetzt im Lager Maximilians ein. Der Weg nach
Ofen, das nur noch wenige Tagmärſche entfernt und ungenügend
befeſtigt war, ſtand offen, und Mar war entſchloſſen, denſelben
——
Menterei der Landsknechte und Rückzug. 308
raſch anzutreten. Da fagten ihm feine Landsknechte den Ges
horſam auf.
Was jo oft im der Gefchichte Oſterreichs ſich wiederholt,
daß finanzielle Verlegenheiten die Ausbeutung ber militärijchen
Erfolge hinderten, geihah auch damals. Schon in Rendek hatte
Marimilian mit acht feiner Räte den Landsfnechten für bie
Zahlung ihres Soldes Bürgichaft leiften müſſen. Nach ver
Einnahme Stuhlweifjenburgs ftieg ihre Unzufriedenheit, vielleicht
weil Die zuerft in die Stabt eingedrungenen böhmifchen Söldner
ihnen beim Plündern zuvorgefommen waren. Sie verlangten
jegt einen boppelten Sold, wahrſcheinlich als gebräuchlichen
„Sturmfold”, und Anteil an der Beute. Da der König nicht
bie Mittel hatte, ihre Forderung zu befriedigen, verlangten
fie ihre Entlaffung. Alle Verfprehungen Maximilians waren
nicht imjtande, fie zum Weitermarihe zu bewegen. Ohne
bie Landsknechte fühlte fih aber der König zum Angriffe auf
Dfen zu ſchwach, da nun auch die in Mähren ſtehende ſchwarze
Legion des Könige Matthias zur Verteidigung heranzog. Es
blieb ihm nichts übrig, als der Rückzug nach Oſterreich, nad»
dem er in Stuhlweiffenburg und den andern eroberten Pläten
genügende Bejagungen zurücgelaffen hatte. Am 4. Dezember
brach Maximilian von Stuhlweifjfenburg auf, den 23. Tam er
nach Wiener Neuftadt, deſſen Burg unterbeffen auch erobert
worden war ?).
Marimiltan beabfichtigte im folgenden Sommer einen neuen
Feldzug gegen Ungarn zu unternehmen, wofür er die Hilfe der
beutjchen Reichsſtände zu erlangen hoffte. Daß feine Stellung
auch nach Antritt des Rückmarſches nicht als hoffnungslos an⸗
1) Die wichtigſten Quellen für den Feldzug Marimilians in Ungarn
find das Journal de voyage du roy Maximilien en Hongrie und ber
Bericht des Ritters Michel von Ehenheim im „Archiv f. öfterr. Geſchq.“
III, 448—457 mit anderen von Firnhaber, ebb. ©. Aldff. Aabge-
drudten Aktenſtücken wie die Schreiben des königlichen Sekretär Florian
Waldauf an Erzberzog Sigmund von Tirol bei V. v. Kraus, Mari-
milians I. Beziehungen zu Sigmund, ©. 33ff. und Bonfinius V,1,
p. 533sqq. Andere Quellen verzeichnet Ulmann I, 96fl.
304 Wladiſlaws Friebe mit feinem Bruder Albert.
gejeben wurde, beweiſt der Umftand, daß gerade damals neben
andern Ungarn, darunter dem Kommandanten der Burg zu
Agram, der reiche Biſchof von Fünfkirchen ihm die Huldigung
leijtete, wofür er bemjelben zu feinem Bistum noch das Erz
bistum Salzburg zu verichaffen verſprach ).
Bald aber trat eine Änderung der Verhältniffe zu Un«
gunjten Marimilians ein. Durch feinen Rüdzug erhielt Wla-
diſlaw freie Hand gegen feinen Bruder Albert, der das von
ihm belagerte Kaſchau noch immer nicht einzunehmen vermocht
batte. Als nun jener mit einem bedeutenden Deere beranzog,
ichielte der König Kafimir von Polen Gejandte ind Lager
besjelben, um zwiichen beiden Söhnen eine Ausjöhnung zus
ftande zu bringen. Am 20. Februar wurde bei Kaſchau der
Friede geichloffen, wonach Albert gegen Überlaffung ver fchlefi«
chen Herzogtümer Glogau-Sagan, Toſt und Kojel mit Leob⸗
ihüß, der Städte Jägerndorf und Beuthen und gegen die An⸗
wartichaft auf die Herzogtümer Ols-Wohlau und Troppau
feinen Anfprüden auf Ungarn entjagte, mit der Beltimmung
jedoch, daß dieſe Gebiete ohne weiteres an Wladiſlaw zurück⸗
fallen follten, wenn Albert König von Polen würde ?).
Bon diefer Seite gefichert, bejchloffen die Ungarn die Wieder,
eroberung der füdweftlichen Neichsteile, die in die Hände Mart-
miltans gefallen waren. Durch Berpfändung von Krongütern
und königlichen Einkünften verichaffte man fich die Mittel zur
Bezahlung der Soldtruppen.
Während Kinizfi das Gebiet zwifchen der Drau und dem
Platten-See wieder unterwarf, und Johann Corvinus die Bes
fagung der Burg von Agram, die Szefely vergebens zu ent«
jegen verjuchte, zur Kapitulation zwang, begann Bathory mit
dem Dauptheere, dem ſich dann auch der König anſchloß, in
der eriten Hälfte des Juni die Belagerung von Stuhlweiljen-
burg. Da durch den Anmarjch Kinizſis das ungarische Heer
1) „Archiv f. öfterr. Geſchq.“ ILL, 432 fi.
2) Befter Abdruck, aber mit Weglaffung der nicht auf Schlefien be-
züglichen Beftimmungen, in „Lehns⸗ und Befigurfunden Schleſiens“
I, 39 ff. Vollſtändig ap. Katona XVII, 155. Pray IV, 219.
und mit bem Könige Marimilian. 305
auf 40000 Mann anwuchs und jeder Entfag ausblieb, ergab
fih am 29. Juli die Dejakung. Länger, wenigitens bis in
ben September, hielt fi) Veſzprim, das die Ungarn nun be-
logerten. Nicht nur die meiften ungarifchen Eroberungen waren
jo für Marimilian verloren, felbft feine Erblande wurden bes
droht; beſonders beläjtigten die ungarijchen Bejagungen im nörd⸗
lichen Öfterreih die umliegenden Ortjchaften !).
Der deutſche Reichstag "Ehe dem Könige nur eine unge
nügende Unterjtügung bewilligt. Da nun zugleich der Bruch
mit Frankreich wegen ber Bretagnefchen Frage erfolgte und
der Kaiſer feinem Sohne jede Geldunterftügung verweigerte,
gab Marimilian dem Wunfche feines Vaters, der fein Leben
in Ruhe beichließen wollte und zwilchen beiden Königen einen
Frieden herbeizuführen bemüht war, Gehör und ernannte Be
vollmächtigte zu Unterhandlungen, die Ende Augujt in Pres-
burg oder Haimburg beginnen follten. Auch Wladijlaw war
zu großen Opfern bereit, da auf die Nachricht von feiner
ichweren Erfranfung, die er fich in den Sümpfen vor Stuhl.
weilfenburg geholt hatte, fein Bruder Albert wegen Nichtaus-
führung einiger Beſtimmungen des Friedensſchluſſes neuerdings
die Feindjeligfeiten begonnen batte, und das ſüdliche Ungarn
durch Einfälle der Türken beimgejucht wurde.
Am 7. November 1491 wurde in Presburg von den Bes
vollmächtigten ber Friede unterzeichnet und vom Könige Wladi⸗
law am 6. Dezember in Ofen, von Marimilian am 20. Des
zember in Innsbrud und vom Raifer am 14. Januar in Linz
ratifiziert.
Die Bedingungen entfprachen faft genau jenen, welche in
dem 1463 zwifchen Frievrih und tem Könige Matthias ger
fchloffenen Frieden enthalten waren. Wladiſlaw und feine
1) Für diefe Kämpfe ift leider Bonfinius V,2, p. 54ösgg. faft
einzige Quelle. Unreft, S. 749f. ift furz, Tubero ap. Schwandt-
ner, II, 17isgg. lüdenhaft. Vgl. auch Katona XVII, 181 gg.
Szalay 1II,2, 28ff. Die Angabe aber, daß aud Steinamanger von
den Ungarn erobert worben fei, wirb durch Art. 35 des Friedensvertrages
vom 7. November widerlegt.
Huber, Eeſchichte ſterreichs. IL. 20
806 Die Bedingungen des Presburger Friedens.
männlichen legitimen Erben follten im Beſitze des ungarijchen
MNeiches bleiben, aber auh Marimilian den Titel eines Könige
von Ungarn führen. Wladiſlaw und das Reich find verpflichtet,
die alten Berjchreibungen (von 1463) wegen der Nachfolge
zu beftätigen und zu erneuern, ſodaß, falls Wladiſlaw ohne
Söhne oder dieſe ohne männlihe Nachkommen mit Tod ab-
gingen, Ungarn „ipso facto“ auf Marimilian und deſſen direkte
Leibeserben übergeben folltee Der König muß daher jobald
ale möglich einen Reichdtag berufen, auf dem die Stände
diefen Bertrag annehmen und fich verpflichten jollen, im ange»
gebenen Falle Maximilian, oder wenn er nicht mehr lebte,
jenen von feinen männlichen Nachfommen, ven fie wählen
würden, als legitimen König anzuerkennen. Auch alle Brälaten
und die herborragenderen weltlichen Würbenträger jollen beim
Antritte ihres Amtes eidlich die Aufrechthaltung dieſer Ber
ftimmung geloben. Wladiſlaw joll fih bemühen, auch bie
böhmischen Stände zur Wahl Marimiliand oder feiner Erben
zu bewegen, wenn er feine Söhne binterliche. Wie Friedrich nach
dem Vertrage von 1463, jo joll auch Maximilian im Befige von
Eilenjtadt, Güns und andern weitungariichen Ortjchaften gelafjen
und die von den Ungarn eroberten Pläte ebenfo wie die Städte
und Burgen in den öfterreichtichen Ländern zurücgegeben werben,
während der römijche König die übrigen ungariichen Städte
räumen muß. Natürlich fichern beide Teile den Anhängern
des andern Amneftie zu. Zum Erſatz für die Kriegskoſten
muß Wladiſlaw dem römiſchen Könige binnen zwei Jahren
100000 ungariihe Dukaten zahlen.
Die ungarifchen Stände, die Wladiſlaw auf den 2. Februar
1492 nad Ofen berief, waren über einzelne Bedingungen
dieſes Friedensſchluſſes, beſonders wohl über die Zuficherung
der Thronfolge an die Habsburger, ſehr ungehalten. Eine jo
große Nachgiebigfeit fchten jet nicht mehr notwendig, da Albert
von Polen von Zapolya, der die fchwarze Legion, 7000 Böh⸗
men, aus Öſterreich am fich gezogen hatte, am 1. Sanuar in
ber Nähe von Kaſchau vollitändig bejiegt und neuerdings zum
Vrieden gezwungen worden war. Der Reichslanzler Thomas
Defien Ratifilation durch die ungariſchen Stände. 807
Bakacs, Biſchof von Raab, und Stephan Baͤthory, bie vor»
nebmften unter den ungariichen Bevollmächtigten, wurden
geradezu als Verräter bezeichnet. Doc gelang es endlich
bejonders dem Kanzler, die aufgeregten Gemüter zu beſchwich⸗
tigen. Am 7. März erflärten bie Bifchöfe und übrigen Prä—
laten, 70 Magnaten im Namen der übrigen Barone, Großen
und Adeligen Ungarns und Siebenbürgens, 63 Magnaten im
Namen der übrigen Barone und Edeln Kroatiens und Sla-
voniens und mehrere freie Städte, daß fie den Artikel wegen
der eventuellen Nachfolge Marimilians und feiner Erben „auf
dem wegen biejer Angelegeubeit einberufenen Neichötage in Ofen
öffentlich und feierlich angenommen und einzelne venjelben in
Gegenwart der Gejandten des römiſchen Könige befchworen
baben” !).
Ob das Recht, welches die Habsburger auch jet wieder
auf Ungarn erhielten, je in Kraft treten würde, Bing freilich
weniger von einem gejchriebenen Vertrage ab, als von der
Kraft, mit welcher derſelbe einjt geltend gemacht werben konnte.
1) Diefe wie ſämtliche auf dem Frieden und befien Ausführung be-
züglichen Urkunden hat Firnhaber 1849 im „Archiv f. öfterr. Geſchq.“
III, 466ff. veröffentliht. Daraus ergiebt ſich, daß die Übrigens auch der
Darftellung des Bonfinius, p. 549 wiberfprechende Behauptung ber
älteren ungarifchen Hiſtoriker, der Friede fei wohl von einzelnen Großen,
aber nicht von ben ungarifhen Ständen beftätigt worden und es feien,
weil der König nicht das Necht gehabt babe, eigenmächtig Über die Nach»
folge im Reiche Verfügungen zu treffen, bie bezüglichen Punkte für Ungarn
unverbindlich gewefen, fi nicht halten laſſe. Auch jpäter haben Sza-
fay IIl,2, Alff. und Feßler- Klein III, 244ff. aus dem Umftande
daß ber Friede, und zwar, wie erfterer meint, infolge der Weigerung bes
Komitatsadels, nicht in die Reichsſstagsakten aufgenommen worden ift,
geſchloſſen, derfelbe fei vom Reichſstage gar nicht oder „nicht vorſchrifts-
mäßig“ angenommen worben. Allein Friedensichlüffe, zu benen nach dem
damaligen ungariſchen Staatsrechte die Zuftimmung des Reichstags nicht
erforberlich war, wurden in jener Zeit überhaupt nicht in bie Reichstags⸗
Alten aufgenommen. Daß übrigens der Artitel wegen der Erbfolge auf
dem Reichstage „öffentlich und feierlich” angenommen worden fei, jagen
bie Beurfundungen aller Stände, und wir können dieſe doch nicht alle
als Lügner bezeichnen.
20*
808 Erzberzog Sigmund von Tirol.
Im nämlichen Iahre, wo Marimiltan die an Ungarn ver-
lornen Zeile der öfterreichiichen Herzogtümer meiſt mwieberge-
wonnen bat, brachte er auch das feit mehreren Menfchenaltern
bavon getrennte Tirol infolge der Abdanfung des Erzberzogs
Sigmund in feine Hände.
Adıtes Rapitel.
Tirol und die Vorlande in der letzten Zeit des Erz-
herzogs Sigmund. — Defjen Abdankung. — Tod
des Kaifers Friedrich IL.
—
Nach dem Abichluffe der „ewigen Richtung” mit den Eid»
genojfen im Jahre 1474 erfreuten fich die Länder des Herzogs,
oder wie er fich feit 1477 mit Bewilligung des Kaiſers nannte,
Erzberzogg Sigmund eines geficherten Friedens, der nach
1461 überhaupt nur durch Lokal beichränfte Kriege unterbrochen
worden war. Sigmund hatte nie ernite Kämpfe, fondern nur
ritterliche Spiele, die Jagd und die Pflege des Schönen geliebt.
Wie er den Reizen des fchönen Geſchlechts nicht widerſtehen
konnte, jo bat er auch die fchönen Künfte vorzüglich in ber
zweiten Hälfte feiner Regierung eifrig geförbert ?).
Beſonders das Kunſthandwerk, das in jener Zeit von der
eigentlichen Kunſt nicht fo fcharf getrennt war wie heutzutage,
Bat unter ihm eine außerorbentlihe Blüte erreiht. Der Bau
zahlreicher Schlöffer, die nah Sigmunds Namen bezeichnet
wurben, unb mehrerer Kirchen, boten der Architeltur, der
1) D. Schönherr, Die Kunftbeftrebungen Erzherzogs Sigmund von
Tyrol. „Jahrbuch d. kunſthiſt. Samml. d. Allerhöchſten Kaiferhaufes“
I, 182—212.
Kunftfinnige und fchöngeiftige Beftrebungen. 809
Plaftit und der Malerei Gelegenheit, fih zu entfalten. “Die
großen Silbermünzen (die Vorbilder der fpätern Thaler), die
Sigmund, der erſte deutiche Fürft, in jeiner Münzftätte in
Hall prägen ließ, beſonders aber die in feiner Zeit gejchnittenen
Siegelftempel zeigen Korrektheit der Zeichnung und Schönheit
der Form. Die landesfürftlihe Harniichichlägerei in Mühlau
bet Innsbruck erfreute fich eines europätichen Rufes. Nicht
bloß deutſche Fürften, fondern auch die Könige von Neapel
und Portugal bezogen daher Harniiche, was legterer fogar als
eine bejondere Gunſt betrachtete. Die Ichönften Nüftungen,
welche die Amrafer Sammlung aus diejer Zeit enthält, ftammen
aus Mühlen. Daß Golpfchmiede und Cmailleure am ver⸗
jchwenberifchen und galanten Fürften einen guten Runden hatten,
iſt ſelbſtverſtändlich.
Auch den damaligen humaniſtiſchen Dichtern, mit denen
beſonders ſein Sekretär und ſpäterer Rat Doktor Johann
Zuhsmagen aus Hall einen regen Verkehr unterhielt, erwies
er ſich günftig, wofür dieſe feine zweite Heirat, feine Beziehungen
zu Karl von Burgund oder einen Straßenbau befangen oder
auch ihm poetiſche Bettelbriefe ſchickten ). Aber auch ein
„Redenbuch“, ein deutſches Heldenbuch, ließ er 1463 für fich
abichreiben. Mit ihm wetteiferte in der Wertfchägung ver Dicht-
kunſt jeine Gemahlin, bie feingebilvete Eleonore von Schott.
land, die ſelbſt den franzöfiichen Roman „Pontus und Sidonia“
ind Deutjche überfegte und mit Holzichnitten verziert in Auge.
burg druden ließ ?).
Diefes funftfinnige und jchöngeiftige Zreiben am Hofe zu
Innsbruck Hatte aber doch auch feine Schattenfeiten, indem
Sigmund mit feinen Cinfünften nicht ausreichte, da die an
1) 4. Zingerle, Beiträge 3. Geſch. d. Philologie I, 96. 103. 123.
125—138, aus einer Sammlung der an Fuchsmagen gefchidten Gedichte
verfchiedener Humaniften. Über Fuchsmagen ſelbſt ſ. S. Ruf in „Zeit
ſchrift d. Ferbinandeums f. Tirol“ III $. XXI, 93—119.
2) Schönherr a. a. O. S. 200f. Bol. auch Kirhlehner, Aus
ben Zagen H. Sigmunds des Miünzreihen und 8. Marimilians I.
(Linz, 1884), S. 16f.
310 Ausbeutung der Schwähe Sigmunds durch feine Günftlinge
Schwäche grenzende Güte biefes Fürften von feinen Günftlingen
oft in der gewifjenlofeften Weile ausgebentet wurde. Wie Dies
in den erften Jahren feiner Regierung durch bie Grabner ges
ſchehen war, fo thaten es im fpäteren Alter desjelben, wo
auch feine geiftigen Fähigkeiten und feine Willenskraft in bedenk⸗
lihem Maße abnahmen, andere ). Der Vogt Gaubenz von
Matſch, Graf von Kirchberg, 1478—1482 Landeshauptmann
von Tirol und feit 1486 Oberfthofmeifter des Erzherzogs, die
Grafen Georg von Sargans und Oswald von Thierftein, der er
berzogliche Kanzler Johann Dieggenegg werben neben anderen
als diejenigen bezeichnet, welche auf Sigmund den größten Ein-
flug übten. Beſonders berüchtigt war die „Spießin“, bie
Witwe des Ritters Spieß, Hofmeifterd ber Erzherzogin Ele-
onore, welche im Bunde mit andern Weibern und tm Ein-
verftändnis mit manchen Räten bes Erzberzogs Teufel bannte
und fich von Leuten, die fie in Ofen und Mauern verfteckte,
al8 angeblichen Teufeln auf ihre Fragen die verabredeten Ant»
worten geben ließ, was benügt wurde, um Sigmund gegen
Perjonen, die nicht zur Clique gehörten, ‚einzunehmen. Manche
wurden auf folche Ausfagen Hin eingeferfert und gefoltert. Ja
man brachte dem Erzherzog fogar den Glauben bei, daß feine
eigene Gemahlin Katharina von Sachſen, die er 1484, vier
Sabre nach dem Tode der Eleonore von Schottland, geheiratet
batte, ihn vergiften wolle. Dann hieß e8 au, daß zweiund⸗
ſiebzig Perfonen fich verichworen hätten, um dem Erzherzog zu
vergeben und das Land den Schweizern zu überantiworten, was
der Landeshauptmann Gaudenz von Matſch auch benukte, um
viele foltern und martern zu laffen. Daß dieſe Hofclique
1) Über die letzte Regierungsperiode umb bie Abdankung Sigmunds
f. P. Iuftinian Ladurner, Die Vögte von Matſch, in „Zeitichr. bes
Ferdinandeum“ III. F. XVII, 66ff. 4. Jäger, Der Übergang Tirols
u. f. w. von dem Erzh. Sigmund an ben röm. 8. Marimilian von
1478—1490. „Ardiv f. öferr. Geſch.“ LI, 297—448, im weientlichen
wieder abgebrudt in besfelben Verf. „Gel. d. landſtändiſchen Berfaflung
Tirols“ II, 2, 300ff. Bol. 8. v. Kraus, Marimilians I. Beziehungen
zu Sigmund von Tirol 1490 —14%, ©. fl.
und burch bie Herzoge von Baiern. 811
isren Einfluß auf den Erzherzog auch in finanzieller Beziehung
ausbeutete, kann wohl kaum einem Zweifel unterliegen.
Die Geldnot Sigmunds fuchten nun bejonder8 die Her«
zoge Albrecht von Batern- Münden und Georg von Baiern⸗
Landshut zu benugen, um, unterjtügt von ben Räten desjelben,
feine Länder am fich zu bringen. Denn Sigmund felbft hatte
wohl über vierzig uneheliche Kinder, aber Feine legitime Nach
kommenſchaft, nachdem ein Sohn von Eleonore von Schott.
land in ver Wiege geftorben war. inerjeits balfen ihm die
baieriſchen Herzoge mit Geld aus und ließen fich dafür Gebiete
verpfänden oder abtreten. Anderſeits fuchten fie ihn gegen dem
Katjer, feinen nächften Verwandten und Erben, einzunehmen,
indem fie ihm die Überzeugung beibrachten, daß derjelbe ihn
ber Regierung berauben und zu einem Pfründner machen oder
gar vergiften wolle. Bon 1478—1483 verichrieb Sigmund
dem Herzoge Albrecht 216 000 rheiniiche Goldgulden auf nord»
tiroliihe Burgen und Gerichte und auf das Bergwerk in
Schwaz, wogegen diefer ihm jeinen Beiftand verſprach, baß er
bei der Regierung bleibe ). Albrecht übte auf Sigmund einen
folden Einfluß, daß diefer ihm um Neujahr 1487 die in
Innsbruck befindliche Tochter des Kaiſers, Kunigunde, ver-
mählte. Und dies geſchah, obwohl ihr Vater, der anfangs
diejer Heirat nicht entgegen gewejen war, wenn Albrecht die
Berichreibungen auf tirolifche Gebiete zurüditellte, erbittert über
die Wegnahme der Reichsſtadt Regensburg durch Albrecht feine
Zuftimmung zurüdgezogen batte, wobei zur Entſchuldigung
Sigmunds nur angeführt werden kann, daß er wahrjcheinlich
felbft durch einen gefälichten Brief des Kaifers bintergangen
worden ij. Wenige Wochen darauf verfchrieb er dem Herzoge
Albrecht jogar 1000000 Goldgulden?) auf Tirol und bie
1) Nah dem fpäter zu erwähnenden Schreiben des Kaiſers vom
15. Auguſt 1487 find diefe Berfchreibungen burch bie tirolifchen Stände
rüidgängig gemacht worben.
2) So Säger im „Archiv“ LI, 326, R.2 und Lanbftänd. Berfaflung
11,2, 812, 8.2. Nah Lihnomwsty VIII, Reg. 923 zwar nur 100 000
Gulden. Aber nach gütiger Mitteilung des Geh. Rates v. Löher enthält
812 Krieg gegen Venedig.
Borlande, wenn er vor demſelben ohne männliche Leibeserben
mit Tod abginge, mit der Beitimmung, daß der Herzog obige
Länder folange innebaben follte, bis Ddiefe ungeheure Summe
von Sigmunds Erben bezahlt würde. Dem Herzoge Georg
verlaufte er 1486 um 52000 Gulden bie bisher dem Biſchofe
von Augsburg verpfändete Markgrafſchaft Burgau und im Juli
1487 beiden Herzogen um den Spottpreis von 50000 Gulden
bie gefamten Vorlande mit Ausnahme von Vorarlberg.
Die baierijchen Herzoge werben auch bejchuldigt, daß fie,
um Sigmundd finanzielle Verlegenheiten zu fteigern, ihn zum
Kriege gegen die DVenetianer angeftachelt haben, ben er kurz
vor dem Verkaufe der Borlande begonnen hatte.
In der That ift e8 nicht wahricheinlih, daß der unfriege-
riſche Fürſt bloß auf den Wunfh des Biihofs Ulrich von
Trient und der Grafen von Arco, die ihre an Venedig ber=
Iorenen Befitungen ?) wieder zurücdgewinnen wollten, fich zum
Angriffe auf die mächtige Republik ?) entfchloffen hätte, wenn
nicht feine Räte, die ganz von den baieriichen Herzogen um⸗
jtrieft waren, ihn dazu angetrieben hätten.
Streitigfeiten zwijchen den Grafen von Arco und ben bes
nachbarten venetianischen Untertbanen zum Anlaß nebmend, ließ
Sigmund im März 1487 die Bergwerfe in Primiero und Val⸗
fugana bejegen, welche venetianiichen Privaten gehörten, und
dann nah vorausgegangener Kriegserflärung am 23. April
auf der Bozner Meſſe 130 venetianiiche Kaufleute verhaften
und ihre Waren konfiszieren. Gleichzeitig griff jein Hofmeifter
Gaudenz von Matih mit 8000 Mann NRoveredo an und zwang
das Regeſt Arrobens (die Urkunde felbft ift nicht mehr vorhanden) wie
das Driginal des darauf bezüglichen Bertrages zwiſchen ben Herzogen
Albreht und Georg vom 18. Februar (= Lichnowsky, Nr. 929)
im baierifchen Reichsarchiv zehenmal hundert tausent guldin reinisch.
1) ©. dieſe Geſchichte IL, 506. 515. 518.
2) ©. für das Folgende Gottfr. PBrimiffer, Der Benezianifche
Krieg unter dem Erzh. Sigmund 1487, im „Sammler für Geld. und
Statiftit von Tirol“ II, 97—280. gl. Romanin, Stor. doc. di
Venezia IV, 425 80q.
Die Schlacht bei Ealliano. 313
nach heftiger Beſchießung die Stadt und am 30. Mai aud
das Schloß zur Übergabe. Der Anführer der Venetianer,
Julius Cäſar von Varano da Camerino, der mit einem bes
beutenden Heere in der Nähe ftand, hatte der Belagerung un.
thätig zugefehen und wurde daher durch den berühmten Robert
von Sanjeverino erjegt. Da diefer auch Verftärkungen mit
fich brachte, fo hielten fich beide Teile im Felde das Gleich⸗
gewicht, obwohl in einem Gefechte bei Ravazzone am 4. Yuli
der Sohn Sanfeverinos in ©efangenichaft geriet und dieſer
jelbft nur durch die Aufopferung feines Sohnes gerettet wurde.
Da 309 ſich Gaudenz von Matſch aus noch nicht genug
aufgeflärten Urfachen, vielleicht wegen Unzufriedenheit feiner
Söldner ?), zurüd und Löfte jein Heer auf, nachdem er in Ro⸗
verebo eine Heine Beſatzung und in Trient den in den Kriegen
gegen Karl von Burgund erprobten Friebrih von Kappel mit
3000 Reitern und einigen Yußtruppen zurüdgelafien batte.
Snfolge deſſen fiel Roveredo am 25. Juli wieder in die Hände
ber Benetianer, worauf Sanfeverino das Schloß Stein (Pietra)
bei Galliano belagerte, das fein Vorrüden nad Zrient hemmte.
Hier wurde er durch Friedrich von Kappel mit einer Kleinen
Neiterichar, den Bürgern von Zrient und dem Landſturm der
benachbarten Gemeinden am 10. Auguft in ſehr ungünftiger
Stellung angegriffen und troß feiner Übermacht volljtändig ge=
ſchlagen. Mehrere taujend Wenetianer fanden teils in der
Schlacht, teil in den Fluten der Erich den Tod, unter leh-
teren auch Sanfeverino, dem König Marimilian 1493 im
Dome von Trient ein jehr fchönes Denkmal errichten Tieß 2).
1) ©. die Erörterungen Brimiffers a. a. O., S. 137ff. An Be
ftehung bes Matſchers durch die Venetianer möchte ih aber mit ben
Neneren nicht glauben, ba biefer fortan noch mehr als früher in Gelb-
verlegenheiten ift (f. Laburner a. a. O., ©. 107ff.) und in dieſer
Beziehung weber von ben tirolifchen Ständen noch vom Kaiſer ein Vor⸗
wurf gegen ihn erhoben worden ift.
2) Eine Abbildung bes fteinernen Sargbedel8 mit bem überlebens-
großen Bilde des Feldherrn in Hochrelief, ein Wert des „Steinmetz“
Lukas Maurus, bei Schönherr a. a. ©. S. 19.
814 Auftreten der Stände Tirols gegen Sigmunbs Näte.
Kappel war zu jchwach, um dieſen glänzenden Sieg ver⸗
folgen zu können, da auch fein Feines Heer nicht unbedeutende
Berlujte erlitten hatte und er wegen der Abneigung der tiroli«
ſchen Stände gegen den Krieg feine Verftärkung erhielt. Beide
Zeile beſchränkten fich auf die gegenfeitige VBerwüftung ber Grenz.
gebiete. Die Bemühungen des Papftes, an den fich Venedig,
und bes Kaiſers Friedrich, an ben ſich die Stände von Tirol
gewendet hatten, führten dann nach langen Verhandlungen am
13. November zum Abjchluffe eines Friedens, wonach Die gegen»
feitigen Eroberungen zurückgegeben und die venetianiichen Kauf⸗
leute für ihre Waren entichädigt werden follten.
Die eigenmächtige Veräußerung der VBorlande, wozu Sig⸗
mund nach den djterreichiichen Familienverträgen gar nicht das
Recht hatte, und die Gefahr, daß auch Tirol an Baiern ver-
loren gebe, bewog den Kaijer, fih an mehrere Städte und
wahrfjcheinlich auch an andere Perjonen dieſes Landes zu wenden
umd fie zum Feſthalten am Haufe Ofterreich aufzufordern. ALS
num am 16. Auguft 1487 ein Landtag in Hall zulammentrat,
erhoben die Stände die lauteften Klagen über die ganze Wirt-
ihaft am Hofe Sigmunds, über das Treiben feiner Umgebung,
über die Verletzung der Landesrechte, über die Einkerferung
und Yolterung Unfchuldiger, über das unerhörte Verbot, gegen
das Regiment und deren Vertreter etwas zu jagen, bejonders
aber über ben leichtfinnig begonnenen und für die materiellen
Sntereffen des Landes und feines Fürften jo nachtelligen Krieg
gegen Venedig. Entichieden wurde die Entfernung und Bes
ftrafung der ungetreuen Regenten und die Erſetzung derſelben
durch andere verlangt. Das Auftreten der Stände erhielt eine
Stüge durch ein während der Verhandlungen eintveffendes
Schreiben des Kaijers !), der fie förmlich dazu aufforberte.
Der im Grunde jehr gutmütige Erzherzog gab bem Ver⸗
langen der Stände nach und erjegte feine bisherigen Räte und
1) Aus Nürnberg vom 15. Auguft. Alfo kann es nicht, wie Jaͤger
fagt, vor den Berkanblungen eingetroffen fein. Auch iR dem Kaiſer die
Eröffnung des Landtages ſchon bekannt.
Nachgiebigkeit des Erzherzogs. 315
Hofbeamten durch andere, die er aus einer ihm vom Landtage
vorgelegten Liſte wählte.
Noch viel weiter gehende Konzeſſionen machte Sigmund im
November auf einem Landtage in Meran, bei dem auch Ver⸗
treter der Vorlande und Geſandte des Kaiſers und bes Königs
Marimilian anmejend waren. Er überließ den Ständen auf
drei Sabre die ganze Verwaltung jeiner Gebiete, wogegen Dies
jelben die Ordnung der zerrütteten finanziellen Verhältniſſe,
die Entichäbigung der DVenetianer und die Tilgung feiner
Schulden übernahmen. Der Erzherzog wurde auf ein Ein-
fommen von wöchentlich 200 Gulden beichräntt, fein Hofftaat
ſehr reduziert und er ganz von einem burch die Stände Tirols
und der Vorlande gewählten Rat abhängig gemacht, ohne deſſen
Wiſſen und Willen er auch nicht die geringfte Verfügung treffen
durfte. Er geitattete endlich, daß feine Unterthanen ſchon jetzt
für den Fall feines Ablebens ohne männliche Nachlommen dem.
Kaiſer und jeinem Sohne die Huldigung leifteten, und ſprach
ihnen, fall8 er eine feiner Herrſchaften dem Haufe Ofterreich
zu entfremben fuchte, das Hecht zu, fofort ein anderes Mit-
glied besjelben zum Lanbesfürjten zu nehmen.
Am Anfange des folgenden Jahres kam der Kaifer felbft
nach Innsbrud. Wie er überhaupt in diejen Jahren, wo er
offenbar von tüchtigen Räten umgeben war, fich viel thätiger
zeigte als früher, jo legte er in der tiroliichen Frage eine ganz
ungewöhnliche Rührigkeit und Energie an den Tag. Am
8. Januar 1488 wurden Sigmunds frühere Näte und deren
Genoſſen in die Reichsacht erklärt, und dann der Erzherzog
auch beivogen, die im Sabre vorher in Form einer teftanen-
tarischen Verfügung zugunften Albrechts von Baiern gemachte
Verſchreibung von 1000000 Gulden zu widerrufen. Um bie
baieriſchen Herzoge zur Rückgängigmachung des Verlaufs von
Burgau und der übrigen Vorlande zu bewegen, fuchte der Kaiſer
. auf dieſelben durch den fchwäbiichen Bund einen Drud audzu-
üben, der gerade um biefe Zeit auf Betreiben feines Rates,
des Grafen Haug von Werbenberg, von den durch bie Ver⸗
größerungsgelüfte der Wittelöbacher in ihrer Selbftändigleit bes
816 Erzherzog Sigmunds Abdankung.
brobten PBrälaten, Grafen, Herren, Nittern und Reichöftäbten
Schwabend gegründet wurde und dem auch Erzherzog Sig—
mund beitreten mußte‘), Dom Bunde, der durch den An⸗
ſchluß benachbarter Fürjten zu einer bedeutenden Macht wurde,
mit Krieg bedroht, gab Herzog Georg 1489 gegen Rüdzahlung
der Kaufſumme Burgau heraus und entſagte feinen Anfprüchen
auf die Vorlande. Mit dem Herzoge Albrecht von Baiern,
dem ber Kaifer wegen der Vermählung mit feiner Tochter und
ber Wegnahme Regensburg auf das heftigſte zürnte, und ben
er im Januar 1492 fogar in die Acht erklärte, brachte der
König Mar erit im Mai diefes Iahres einen Ausgleich zujtande,
wobei derjelbe Regensburg herausgeben und auf die ihm vom
Erzberzoge Sigmund verjchriebenen Geldſummen verzichten
mußte. |
Unterbejfen war in Zirol eine enticheivende Wendung ein-
getreten.
Der Erzberzog Sigmund wollte fih die Landesordnung
von 1487, durch die er aller NRegierungsgejchäfte entkleivet und
fein Hofſtaat jo ſehr verkleinert worden war, auf die Dauer
nicht gefallen Lafjen, obwohl 1489 fein Wochengeld auf das
Doppelte erhöht wurde. ‘Der Erzherzog wurde von Abneigung
gegen die ihm an die Seite gegebenen Räte, die Räte von
Mißtrauen gegen den Fürften erfüllt, ſodaß fie jelbit den freien
Verkehr desfelben mit ihren Gegnern zu hindern fuchten. Immer
mehr erweiterte jich die Kluft zwijchen beiden. Als Anfangs
März 1490 im Auftrage des Kailer der König Marimilian
zur Herbeiführung eines Ausgleichs in Innsbruck erjchien, er-
hoben beide Zeile vor den verjammelten Ständen die beftigiten
Anklagen und Beichuldigungen gegen einander. Da gab Sig.
mund am 16. März die unerwartetete Erklärung ab, daß er
zugunften jeines Vetters Maximilian auf die Regierung jeiner
Länder verzichte. Doch hatte ihm biejer jährlich 52000 Gul⸗
ben, das Drittbalbfache vefjen, was er zulegt von den Stänben
1) Bgl. mit B. Schweizer, Vorgefhichte und Gründung bes Schwä-
bifden Bundes, S. 87ff., au Ulmann, 8. Marimilian I., I, 5öff.
Umfhwung in ber legten Zeit K. Friedrichs III. 817
bezogen hatte, und das Recht, überall im Lande zu jagen und
zu fiichen, zugefichert. Yon Marimilian auf das aufmerkfamfte
behandelt, aber ohne jeden Einfluß auf den Gang der Ereig-
niffe, hat dieſer beim Volke jehr beliebte Fürft noch ſechs Jahre
verliebt. Am 4. März 1496 ſank er im 69. Lebensjahre ins
Grab.
So erlebte der alte Kaiſer Friedrich noch die Erhöhung
feines Haufes zur Tpäteren Größe. Oft in Gefahr, von dem
Kurfürften des Thrones entjegt zu werden, 1485 aus feinen
eigenen Ländern flüchtig, Sabre lang ohne bie notwendigften
Mittel herumziehend, ſah er endlich feine Länder wieber ers
obert, Tirol mit ben übrigen Befigungen des Haufes vereinigt
und baburch auch die verberblichen Länderteilungen bejeitigt,
ſah feinen Sohn als Negenten ber ausgedehnten und blühenden
Niederlande und als Nachfolger auf dem Kaiferihrone und
fonnte endlich hoffen, daß feine Nachlommen auch noch in bem
Defit von Ungarn kommen würben. Es war ein Umfchwung,
wie man ihn felten erlebt, ven aber freilich auch nicht Fried
richs Kraft, fondern eine höhere Fügung herbeigeführt hat.
Die letzten Jahre feines Lebens feit dem SHerbfie 146%
brachte Friedrich in Linz zu, nach der Sitte der Zeit fid; viel
mit Alchhmie und Aftrologie beichäftigend, aber nod; immer:
eiferfüchtig feine Negierungsrechte wahrend. Endlich zumchı:
die Natur dem greifen Kaiſer gegenüber feine Wedie gersen
Er wurde ſchwächer und fehwächer, feine Sehen inner: ze:
ab, Bald griff der Brand ber Alten noh weiter sm ir. =
Arzt Hoffte ihm durch Ubnahme eines Schentels a:
können, und fein Zuftand befferte fih auch uw. __ --
barb fich der durch Alter und Leiden erkkäphe ig - er
eine fehr große Vorliebe für rohes ht ss ———
daß er am 14. Auguft 1493, einem dumme. er
etwas Warmes zu ſich genommen kase. irn - — —
und Waſſer darauf trank, we eur ——
Folge Hatte. Fünf Tage deze’. zu -- me |
in einem Alter von 78 Aminen 2 see —
1) Über zriedre c | en
818 K. Friedrichs III. Tod.
er achtundfünfzig Jahre in ſeinen Erblanden, mehr als drei⸗
undfünfzig in Deutſchland regiert hatte.
feine Leiden ſ. J. Grünbeck, Hist. Frid. et Maximiliani in Chmels
öfterr. Gefchichtsforfcher I, 72ff. und Cuspinian, De Caesaribus (ed.
1601), p. 412. Einige Notizen auch bei V. v. Kraus, Marimilians
vertranlicher Briefwechfel mit Prüfchent, S. 83 ff.
Sechſtes Bud).
Öfterreihis Erhebung zur enropäifhen Großmacht.
322 Merimilians Vorliebe für Jagd und Kämpfe.
Steinböde, Wildfchweine oder Büren, obwohl man damals bet
der Unvollkommenheit der Teuerwaffen die Tiere nicht von
ficherer Stelle aus erlegen konnte, fondern ihnen auf Yanzen-
wurfweite nahe kommen oder mit dem Schwerte den Kampf
gegen fie aufnehmen mußte. Wieverholt iſt jein Leben dabei
n Gefahr gefommen, wenn er fich etwa plöglich einem Bären
oder Eber gegenüber befand, oder wenn auf den Bergen Tirol
berabrolfende Steine ihn zu zerichmettern oder eine Lawine
ihn mit fi in die Xiefe zu reißen drohte, oder als auf ber
Martinswand bei Zirl, wo er fich verjtiegen, im Geftein alle
Baden des Steigeiſens feines hinteren Fußes bis auf einen
einzigen brachen und er fich fchlieglich nur durch jeine Geſchick⸗
lichkeit und die Unterjtügung feines Jägers zu retten vermochte !).
Marimilian empfiehlt übrigens feinen Nachkommen bie Jagd
auch deswegen, weil fie dem Fürſten Gelegenheit biete, mit
feinen Untertbanen in Berührung zu kommen, deren Wünſche
kennen zu lernen, ihren Beſchwerden abzuhelfen ). Das machte
ihn ja beim Volle fo populär, daß er fich gern unter dasjelbe
mifchte, an den Zeiten und Unterbaltungen vesjelben, an Tänzen
und Schieübungen teilnahm, daß er mit Bauern und Hand»
werfern ebenfo gut zu verkehren verftand, wie mit Fürften und
vornehmen Damen. Neben der Iagd liebte er beſonders die
Turniere, worin er die ftärfiten Ritter überwand. Aber nicht
nur in allen vitterlichen Übungen war er Meifter, auch im
erniten Kampfe jtellte er jeinen Mann. In der Schlacht
fämpfte er allen voran, ftürzte fich in das dichtefte Hand⸗
gemenge, nahm ed mit mehreren Feinden zugleih auf. Schon
dies zeigt, daß er mehr Ritter als Feldherr geweien iſt. Jedoch
. hätte ex einen vortrefflihen Kriegsmintjter abgegeben. Für
1) 8. Kirchlechner, Über Maximilian als Jäger und im bef. über
das Abenteuer des Kaifers auf ber Martinswand. „Iahres-Bericht ber
k. k. Ober-Realfchule in Linz”, 1885, wo auch über die Ausbildung der
daran fih knüpfenden Sage gehandelt ift.
2) Siehe 8. Marimiliang I. geheimes Jagdbuch, herausgegeben von
Karajan (Wien, 1858), ©. 24, wo intereflante Bemerkungen über bie
Jagd, die Ausrüftung dazu u. f. w. ſich finden.
Sein Iuterefie für geiflige Beftrebungen und Staatsangelegenheiten. 328
militärtiche Angelegenheiten hatte er ein hervorragendes organi⸗
fatorifches Talent, wobei er für das Große ebenfoviel Sinn
und Verſtändnis zeigte wie für das Kleine. ‘Die Landsknechte 1),
burch welche der Auf deutſcher Eriegeriicher Tüchtigkeit wieder
zu Ehren gebracht wurde, find teilweile feine Schöpfung,
mehrere Gattungen von Belagerungd- und Feldgeſchützen fein
Werl. Und wie Mar überhaupt von feinem phlegmatilchen
Vater vollitändig verſchieden war und das feurige ſüdländiſche
Blut feiner Mutter fih in ihm geltend machte, jo zeigte er
für die verfchiedenften Dinge, auch für bie geiftigen Beftrebungen,
Interefie. Es Hatte Feine nachteiligen Folgen gehabt, daß auch
dem Saiferjohne von feinem Lehrer Peter Engelbrecht, bem
ipäteren Bilchofe von Wiener Neuftadt, die Feinheiten bes
Lateiniſchen und der Dialektik mit Schlägen eingebleut worben
waren 2), Die Künfte und Wifjenfchaften fanden an ihm einen
warmen Gönner, wie er denn auch jelbjt auf verfchievenen Ge-
bieten fehriftftelleriich thätig war 3) und, unterjtügt von einem
vortrefflichen Gedächtniffe, acht Sprachen, außer Deutich und
Lateiniſch auch Franzöſiſch, Italieniſch, Spaniih, Vlämiſch,
Engliſch und Windiſch verſtand, in den vier erſten auch gewandt
und elegant ſich ausdrüdte *). Auch für Staatsangelegenheiten
hatte er Verſtändnis und Intereſſe, ſodaß einer ſeiner ver⸗
trauteſten Räte ſich einmal darüber beklagt, daß „Se. Majeſtät
alles ſelbſt angeben, durchſehen und korrigieren will“ 5). Sein
1) ©. über biefe das hübſche Büchlein von H. v. Zwiedieneck—
Südenhorft, Kriegsbilder aus der Zeit der Landsknechte. Stuttgart,
1883.
2) Cuspinian |. c., p. 485.
3) Nach einer Aufzeichnung in ber Wiener Hofbibliothet bat er fol-
gende Bücher felbft gemadt: „Grab, Ehren, Weife Kunig, Teuerdant,
Freydank, Triumphwagen, Stammchronit, der Stamm, Artalerey, bie
fieben Luſt⸗Gezirk, Wappenbuch, Stallbuch, Platnerey, Jägerey, Valknerey,
Kücherey, Kellnerey, Fiſcherey, Gärtnerey, Baumeiſterey, Moralität, An⸗
dacht St. Jürgen.“ Lambecius, Bibl. Caes. Vindob., lib. II, 969.
4 Srünbed in Chmels Oſterr. Geſchichtsforſcher J, 9. Bgl.
„Weißkunig“, ©. 74. 138—145.
5) Cyprian von Sarnthein an Paul von Liechtenſtein 3. April 1509,
bei Kraus, Marimilians I. vertraulicher Briefwechſel, S. 121.
21*
94 Ausdehnung ber Länder Marimilians.
ganzes Leben ging überhaupt in Wirken und Schaffen auf.
Nie Tonnte er müßig fein; ſelbſt auf der Jagd und beim Efjen
gab er feinen Räten Aufträge oder diktierte feinen Schreibern.
Zugleih war Morimilian ald Regent der öfterreichiichen
Länder in einer weit günftigeren Lage als feine letzten Vor⸗
Hänger. Nach langer Trennung waren fie unter ihm zum
erſtenmale wieder vereinigt worden und zu dieſen waren durch
feine Heirat mit Maria von Burgund auch noch die Niever-
ande gefommen. Faft der ganze Süden und Weften Deutjch-
lands, ein Länderkomplex von mehr ald 3000 Quadrat-Meilen
war in Marimiltans Händen, was ihm auch als beutjchem
Könige ein ganz anderes Gewicht geben mußte, als wenn er
ber Herr eines einzelnen Fürſtentums geweſen wäre.
Wenn Maximilian deſſen ungeachtet als König nicht fo
viel geleiftet bat, al8 man erwarten durfte, jo lag der Grund
in erfter Linie in den Verhältniffen, welche dadurch bejtimmt
wurden, daß feine Regierung in die Zeit des Überganges vom
Mittelalter in die Neuzeit fällt, ja was die ftaatlichen Zuſtände
betrifft, ſchon mehr der letteren angehört.
Was das Mittelalter in politiicher Beziehung beſonders
von ber Neuzeit unterjcheivet, ift das Vorwalten der Formen
des Lehenweſens und Torporativer Gejtaltungen, die der Macht
der Negierungen fehr enge Schranken jegten. Gegen Ende des
Mittelalters war nun aber das Streben der Fürſten faft überall
babin gerichtet, ihre Gewalt zu vergrößern, Adel und Stäbte,
wo bieje früher eine jelbjtänbigere Stellung eingenommen hatten,
in größere Abhängigkeit von der Krone zu bringen, die Rechte
ber Lanbftände zu beſchränken und an die Stelle des Lehens—⸗
verbandes die Verwaltung durch landesfürſtliche Beamte zu
ſetzen.
Das Maß, in welchem dies den einzelnen Fürſten gelang,
war auch für die äußere Machtſtellung entſcheidend, vorzüglich
infolge der Umgeſtaltung des Kriegsweſens. Schon im 14. Jahr⸗
hundert hatte in den Kämpfen der Schweizer und der nieder⸗
ländiſchen und deutſchen Städte das Fußvolk gegenüber den
ſchwergerüſteten, bepanzerten Ritterheeren wieder größere Des
m
Umgeftaltung des Kriegsweſens. 325
deutung erlangt. Beſonders durch Zizle war das Fußvolk
noch mehr ausgebilvet worden. Da nach dem Ende der Huftten-
fümpfe die unbejchäftigten böhmiſchen Krieger fcharenweile tm
ben Dienft fremder Yürften traten und auch die Söhne ber
Schweizerberge fih gern als Söldner anwerben ließen, jo
verbreitete fich diefe Form der Kriegsführung über den größten
Teil von Europa. Die Wichtigkeit des Fußvolks wurde noch
erhöht burch die Erfindung des Schießpulvers und die Ber
wenbung besfelben im Kriege. Hatte man dasjelbe feit dem
britten Jahrzehnt des vierzehnten Jahrhunderts gewöhnlich nur
für ſchwere Gefchüge zur Belagerung von Städten und Schlöfjern
verwendet, jo begann man gegen das Ende des fünfzehnten
Sahrhunderts auch das Fußvolk teilweife mit Handfeuerwaffen
zu verfeben, und bamit war das Übergewicht desielben ent-
ſchieden. Denn der töplichen Kugel erlag auch ver jchiwer-
bepanzerte Ritter ſchon in einer Entfernung, wo fein Schwert
und feine Lanze noch ganz unwirkſam waren, und die Schlachten
wurden daher bald nicht mehr durch die Ritter, ſondern durch
bie Infanterie entjchieven. Nicht jo fehr die perfönliche Tapfer⸗
feit des einzelnen, als die Zahl und Übung der Krieger gaben
fortan den Ausſchlag. Je geübter ein Schüke war, befto
fiherer traf er feinen Mann, und auch die nicht mit Schieß-
gewehren, jondern mit Hellebarden oder langen Spießen bewaff-
neten Fußgänger, bie in gejchloffenen Vierecken fampften, waren
obne eine gewiffe Ausbildung wenig brauchbar. Geübte Truppen
hatten deswegen immer das Übergewicht gegenüber rvafch zur
fammengerafften Miltzen. Daher entjtanden jett ſtehende Heere,
bie anfangs zwar wenig zahlreich waren, aber immer mehr
anwuchſen. Neben den ftändig unterhaltenen Soldaten gab es
auch noch ſehr viele andere Leute, die aus dem Kriege ein Ges
werbe machten und jedem dienten, der fie gut zahlte. Stehende
Heere oder Geld zur Anwerbung von Sölonern wurden fortan
für die Machtverhältniffe der Staaten die maßgebenven Faktoren.
| Dies war auch die Urjache, daß unter den europätichen
Staaten gegen Ende des 15. Jahrhunderts Frankreich ent»
ſchieden der mächtigfte wurde.
56 Verhältnis der Macht Frankreichs und K. Marimilians.
Das franzöfiiche Königtum war aus den jchweren Kriegen
mit England ſehr gekräftigt hervorgegangen. Um vie Uns
abbängigfeit des Landes, als deren Repräfentant der König
erichten, zu retten, jcharten fich alle um den Monarchen und
gewährten ihm bereitwillig die Mittel, die zur Behauptung ver
Selbſtändigkeit Frantreih8 notwendig waren. Im Jahre 1439
bewilligten die Stände dem Könige die Erhebung einer all
gemeinen Abgabe nicht bloß in feinen unmittelbaren Gebieten,
fondern auch kon ben Unterthanen der Großen. Dieſelbe jollte
allerdings zunächſt nur für die Befoldung ber Truppen während
des Krieges bejtimmt jein. Aber fie blieb auch nach dent
Frieden und bildete den Anfang einer vegelmäßigen Beſteuerung.
Auf diefe Weiſe konnte ein befolvetes ftehendes Heer gejchaffen
werden, das zwar nicht groß war, aber einen feiten Stern für
die übrigen Zruppenteile bildete. Zugleich erhielt den König
baburch die Mittel zur Anwerbung von Schweizern, der beften
Sußtruppen jener Zeit, die fich der König 1474, wo Frankreich
und die Eidgenofjen gegen Karl von Burgund gemeinjamte
Intereſſen hatten, durch einen dauernden Vertrag ficherte. Da
zugleich die meilten großen Kronleben durch das Abjterben ihrer
Beſitzer fait gleichzeitig wieder an bie Krone zurüdjielen, fo
wurden die Kräfte der ganzen Nation dem Könige zur Ver⸗
fügung gejtellt, der auch in ihrer Verwendung fo gut wie uns
beichränft war, weil die Generalftände nicht mehr berufen
wurden, die Provinzialftände aber auf innere Angelegenheiten
beichräntt waren.
In einer ganz anderen Lage befand fi) Maximilian. Im
feinen Erblanden gab es weber ein ſtehendes Heer noch eine
regelmäßige Beſteuerung aller Unterthanen. Er mußte feine
Kriege entweder mit Milizen führen, die gewöhnlich nicht außer
Landes dienten und langſam zufammenzubringen und weniger
tüchtig waren als geübte Soldaten, oder mit Sölonern, die
viel Geld Fofteten. Aber wenn man von den Erträgnifjen der
teilweife verpfändeten Bergwerke, Mauten und Domänen und
einigen indirekten Steuern abfieht, konnte Max feine Ab»
gaben erheben ohne Bewilligung der Landſtände. Gerade
Schlechter Stand der Finanzen bes letzteren. 827
in den reichften Provinzen, ben Nteberlanden, hatten bie Stände
eine ſolche Macht, daß ohne ihre Zuftimmung nichts durch»
geführt werben konnte. Diefen waren aber die Interefien, bie
Max in andern Ländern, etwa in Italien oder gegen bie Türken
verfocht, ganz fremd, ſodaß fie nur felten, gewöhnlich nur foweit
e8 zur Dedung der Niederlande jelbft notwendig war, Abgaben
für Kriegszwecke bewilligten. Seit dem Herbfte 1494 ſtand
zudem nicht mehr Marimiltan felbit, fonvdern fein num mit
16 Jahren für volljährig erflärter Sohn Philipp an der
Spike der niederländiſchen Negierung, bet der bald partifula»
riitiiche Tendenzen und Abneigung gegen Dar fich geltend
machten. In Deutſchland endlich war die Macht des Königs
jeit emem Yahrhunderte immer mehr zuſammengeſchwunden.
Selbſt wenn der Reichstag einmal geneigt war, etwas zu bes
willigen, jo geſchah e8 bei dem jchleppenven Geichäftsgange
meistens micht früh genug, unb die bewilligten Mittel waren nur
langſam flüffig zu machen oder gingen auch gar nicht ein.
Det der Beſchränktheit der finanziellen Mittel, die dem
Könige zur Verfügung ftanden ?), wirkte e8 boppelt nachteilig,
daß derſelbe nicht zu ſparen verftand. Nicht daß er für fich
große oder koſtſpielige Bedürfniſſe gehabt Hätte, er Hat nur
für Kunſt und Wiffenichaft bedeutendere Ausgaben gemadht.
Dagegen gab er anderen mit wollen Händen, indem er glaubte,
daß Sparfamfeit eine mit der Würde des Kaifers unvereinbare
Eigenfchaft ſei. Freilich hat gerade dies nicht wenig dazu bei-
1) Ulmann I, 838 ff. berechnet die regelmäßigen Einnahmen aus
den Erblanden mit Einfluß der Erträgnifie der Bergwerle nad ben
Angaben Duirinis, Macchiavellis und anderen Anhaltspunkten auf un«
gefähr 600000 Gulden jährlich. Allein nad ben Erhebungen der Räte
Erzherzog Sigmunds warfen bie tirolifchen Bergwerke, denen jene ber
anderen Länder bei weitem nicht gleichkamen, Im Jahre 1478 nur 79 440,
die gefamten Einnahmen Tirols 104082 rhein. Gulden ab (Jäger,
Landſtändiſche Verf. Tirols II, 2, 283). Ich würde daher nach den von
Ulmann fonft angeführten Daten die regelmäßigen Einkünfte von ben
Erblanden auf höchſtens 400000 rhein. Gulden tarieren, von denen nach
einer Berfügung bes Königs vom Jahre 1499 100000 Gulden für dem
Sofftaat beftimmt wurden.
828 Marimilians Unbeſtändigkeit in Ausführung feiner Pläne.
getragen, ihn populär zu machen. Aber- auf feine Finanzen
tonnte e8 nur zerrüttend wirken.
Noch ſchädlicher waren andere Eigenjchaften feines Charakters.
Schon ein venetianifcher Gefandter, der längere Zeit bei ihm
in Deutichland war, hebt e8 als einen Fehler Maximilians
bervor, daß er bei allem Reichtum an politiichen Ideen fie
nicht vechtzeitig auszuführen veritanden habe. Nachdem er ſchon
einen Plan gefaßt, Hätten fich feinem Geifte neue Wege gezeigt,
die ihm beſſer ſchienen, dieſe feien wieder von neuen, anfcheinend
zwechentiprechenderen, verbrängt worden, und fo jei er von Plan.
zu Plan geiprungen, und die Gelegenheit zur Ausführung ihm
entjchlüpft ). Der tiefere Grund der Inkonſequenz, die man
Maximilian nicht mit Unrecht zum Vorwurfe macht, lag aber
boch darin, daß er die Mittel zur Erreichung feiner politiichen
Zwede zu wenig in Anfchlag zu bringen verftand. Daher
faßte er bald einen Plan ins Auge, der wenigftens mit ben
ihm zur Verfügung ftehenden Mitteln nicht zu erreichen war,
bald verfolgte er zu viele Zwede auf einmal. Er ftürmt an⸗
fange raſch dem Ziele entgegen, aber mitten im glüdlichen
Vordringen geben ihm die Kräfte aus, und er muß fich ohne
Erfolg zurücziehen. Ein anderesmal verfiegen ihm gar bie
Hilfsquellen fchon, ehe er zur Ausführung fchreiten Tann. Das
ber kommt es, daß gerade jene Bläne, die nur durch Konjequenz
in der Durchführung und durch zwedmäßige Verteilung der
Mittel auf die ganze Zeit der Unternehmung gelingen konnten,
meift fcheiterten; und es unterliegt feinem Zweifel, daß eine
falte, alle Verbältnifje genau berechnende Natur unter den da⸗
maligen Verhältniſſen mehr erreicht haben würde, al8 der ritter-
Tiche, fanguiniihe Marimilten, von dem der König Ferdinand
von Aragonien einmal fagte, daß er, wenn er fich eine Sache
gedacht habe, auch ſchon glaube, daß fie gethan jet ?).
1) Quirini a. a. DO, ©. 27.
2) Nah Depeſche Fr. Eornerd an den Senat von Benebig vom
19. Mär; 1508 bei de Leva, Storia docum. di Carlo V. I, 102.
Unfertigleit der ſtaatlichen Verhältniſſe Deutſchlands. 829
Zweites Kapitel.
Die Verſuche einer deutſchen Reichsreform.
— — —
Die wichtigſte Frage beim Beginne der Regierung Maxi⸗
milians J. war jedenfalls die, ob es gelingen würde, dem
Deutſchen Reiche eine Organiſation zu geben, welche es ber
fähigte, dem Könige zur Behauptung der Machtſtellung nach
außen und der Ruhe im Innern die notwendigen Hilfskräfte
zu liefern.
Es Hatten fich in Deutfchland nach und nach Zuftände ent⸗
widelt, vie allen Begriffen eines georbneten Staatsweſens Hohn
ſprachen. Es war weder durch gefetliche Beitimmungen noch
durch Gewohnheitsrecht feftgeftellt, wer die oberſte Reichsgewalt
zu üben habe, ob der König allein, ob die Kurfürſten, die ſeit
Wenzel und Sigmund immer größere Bedeutung beanſprucht
und teilweiſe auch erlangt hatten, oder ob der Reichstag mit
dem Könige. Es war zweifelhaft, wer auf dem Neichstage zu
ericheinen berechtigt ſei, ob nur die Kurfürjten und Fürſten,
oder auc Vertreter der Neichsftädte, die erſt in den lebten
Jahren Friedrichs III. regelmäßig zu venfelben zugezogen,
aber von den Fürften nicht als gleichberechtigter Faktor an⸗
gejeben wurden. Auf den Neichstagen felbft entſchied nicht Die
Mehrheit, jet es ber Stimmen, jet e8 der Kurien; nur durch
Zuftimmung aller konnte ein Beichluß zuftande fommen, und nie
mand war da, der Die Ausführung erzwungen hätte. ‘Die Wirkungen
folder Zuftände wurden nach und nach auch dem blödeften
Auge fihtbar. Während Branfreich, Spanien und England
ih immer mehr fonjolidierten, und jelbft Ungarn und Polen
fih auf Koften ihrer Nachbarn zu vergrößern vermochten, bot
Deutichland das Bild des tiefiten Verfalls. Man vermochte
weber im Innern Fehden und Kriege zu verhindern und ben
Landfrieden aufrecht zu erhalten, noch das Anfehen des Reiches
2
330 Verſchiedenheit der Reformpläne Marimilians und der Fürſten.
nach Außen zu wahren und den Verluſt mancher Grenzland⸗
fehaften wie Weftpreußens und vorübergehend auch Öfterreiche
zu verbüten.
Schon fett längerer Zeit waren von Berufenen und Uns
berufenen verſchiedene Pläne einer Reichsreform auf das Tapet
gebracht worden, und auch jebt waren über die Notwendigfeit
einer ſolchen König und Stände einig, Aber über bie Art ver
Ausführung gingen ihre Anfichten aus einander. Die Fürften,
befonvers die Kurfürften, wollten nicht bloß von ihren bis⸗
berigen Befugnifjen nicht3 aufgeben, fie wünjchten eine folche
DOrganifation der ftaatlichen Verhältniſſe, welche Die ganze
Neichöregierung in ihre Hände gebracht hätte. Marimilian
Dagegen bielt eine weitere Beſchränkung der ohnehin geringen
Tatjerlichen Gewalt von vorneherein für unthunlich und ftrebte
nach ſolchen Einrichtungen, welche ihm die Mittel Tieferten, um
zur Erreichung feiner Ziele ein Heer zu unterhalten. Sein
Hauptzwed war eine energifche Politik nach außen, er wollte
bie reichen Kräfte bes deutſchen Volkes auf große nationale
Ziele lenken, durch Erfolge nah außen auch im Innern das
Bewußtſein der Zufammengehörigfeit heben. Dagegen hatten
die Kurfürften für die auswärtigen Tragen weder Sinn noch
Berftändnis; fie wollten vor allem die innern Angelegenheiten
in ihrem Sinne orbnen und famen dadurch notwendig in Kon»
flift mit dem Könige, der es für das Wichtigfte anfah, die Macht
des Reiches nach außen zu wahren und dadurch auch fih und
jeinem Haufe eine maßgebende Stellung in Europa zu fichern.
Die öffentliche Meinung war übrigens entſchieden auf Seite
Maximilians, der es meifterhaft verstand, durch Wort und
Schrift auf das Bolt zu wirkten). Nicht bloß die Humantiften,
die fich mit den Ideen des altrömiichen Kaiſertums erfüllt
hatten, wollten an der Spige der mächtigen Nation einen
ſtarken Kaiſer und bie Fürften ibm untergeorbnet ?). Auch Die
1) Siehe Gothein a. a. O., ©. 54ff.
2) 8. Hagen, Zur politifden Geſchichte Deutſchlands, ©. 175 ff.
Sanffen, Geſch. des deutfchen Volkes I®, 111. 2525. 519 ff. 537.
Beichlüffe des Wormſer Reichstags von 1495. 351
untern Bolfsflaffen fahen in Max „ben von der Vorſehung
auserwählten Kämpfer gegen bie deutichen Erbfeinde, Türken
und Franzoſen“ und wünfchten zugleih, daß er fih an ihre
Spike ftelle und alle andern Gewalten, Fürften und Abel wie
Prälaten vernichte !). Im diefen auseinandergehenden Zielen.
des Kaiſers und ber Fürften liegt die Haupturjadhe, daß auch
jest die Neformbewegung nicht zu einer Einigung Deutichlands
und zu einer mwejentlichen Kräftigung der Reichsgewalt führte.
Indeſſen wurden doch einzelne Nejultate erzielt.
Nachdem Marximilian fchon jeit feiner Wahl zum Könige
mit den Neichsjtänden über verjchiedene fragen verbanbelt und
Konzeifionen in Ausficht geftellt Hatte, Yegte der Führer ber»
felben, der Kurfürſt Berthold von Mainz, auf dem erften
Neichdtage, den der König nach dem Tode feines Vaters im
Worms hielt, im April 1495 ihren Neformplan vor. Ders
jelbe umfaßte drei Punkte, ein unabhängiges Reichsgericht zur
Aufrechtbaltung des Friedens im Innern, ein NeichSregiment
oder einen Reichsrat zur Führung der Regierungsgeichäfte und
eine allgemeine Reichsſteuer. Von der Annahme diejer Forde⸗
rungen machten die Stände die Unterjtügung des Königs in
feinen auswärtigen Unternehmungen, gegen die Türken und bie
in Italien eingedrungenen Franzoſen, abhängig.
Über drei Monate wurde zwifchen dem Könige, ber bie
ohnehin geringen königlichen Rechte nicht noch weiter beichränten
laſſen wollte, und den Ständen darüber verhandelt, ehe man
fich zu einigen vermochte. Es wurde nun nicht mehr wie
früher auf eine beftimmte Anzahl von Jahren, fonbern' ein
ewiger Landfriede eingeführt und allen, auch den Fürſten, jebe
Fehde wie die Unterftügung von Landfrievenshrechern bei Strafe
der Reichdacht unterfagt. Damit jeder jein Recht fände, wurbe
ftatt des früheren Fatferlichen Hofe oder Kammergerichtes, das
der Perſon des Königs folgte, ein Neichölanmergericht mit
einem ftänbigen Site (zunächſt in Sranffurt) eingeführt, welchent
4) Geiger, Remaiffance und dumaniemus, © . 344. Ianffen
I, 539, R. 2; II, 406ff.
832 Reihslammergericht und gemeiner Pfennig.
felbft die Befugnis zuerkannt wurde, die Acht zu verbängen.
Um es vom Kaiſer ganz unabhängig zu machen, follte biefer
nur den Präfiventen ernennen bürfen, auf die Beſtellung ber
ſechzehn Mitglieder aber gar Teinen Einfluß haben, indem ſechs
von den Kurfürften ernannt, zehn von den Ständen, und zwar
acht aus Bertretern der Fürften, zwei aus den Städten ge-
wählt werben follten. Für diejes Entgegenlommen bes Königs,
deſſen richterliche Gewalt dadurch jehr befchränft ward, be
willigten ihm die Stände auf vier Jahre den fogenannten
gemeinen Pfennig, eine Abgabe, die Halb Vermögens⸗ oder
Einfommenfteuer, halb Kopfiteuer war. Alle Perſonen, die
über fünfzehn Sabre zählten, follten von einem Vermögen
von 500 Gulden oder von 50 Gulden Rente einen halben
rheiniſchen Gulden, von 1000 Gulden einen ganzen Gulden
entrichten; 24 Perionen, die weniger ald 500 Gulden befäßen,
follten zujammen einen Gulden zahlen. Fürſten und andere
Reichsſtände follten fich felbft anſchlagen. Bei aller Unvoll-
kommenheit war bie Einführung diefer allgemeinen Reichsſteuer
ein großer Fortichritt, weil der Grundjag anerfannt war, Daß
alle die Pflicht Hätten, zur Beitreitung der Bedürfniſſe des
Neiches beizutragen, und weil mit der Anfchauung gebrochen
war, daß die Zahlung einer Steuer gegen bie „deutſche Frei⸗
beit“ jei.
Die Verfügung über das Erträgnis des gemeinen Pfennigs
hätte nach dem urfprünglichen Projekte der Stände das Reichs⸗
regiment erhalten follen, welches in ähnlicher Weile wie das
Reichskammergericht zufammengefegt werden ſollte. Aber nicht
bloß die Verwendung der Reichseinkünfte, auch die Aufrecht-
haltung des Friedens, die Vollziehung der Urteile des Kammer-
gerichtes, die Verteidigung des Reiches gegen auswärtige Feinde,
die Anwerbung und Bezahlung der Söldner, die Anftellung der
Kriegshauptleute mit Ausnahme des Oberanführers, kurz die
ganze NReichsregierung war dem Neichsregimente zugedacht. ‘Die
Gewalt des Königs, der ebenjo wenig wie ein Fürft ohne Zus
ftimmung dieſes Negiments einen Krieg anfangen oder ein
Bündnis fchließen durfte und nur bie oberjte Kriegführung und
Schwierigleiten in ber Durchführung. 888
einige Ehrenrechte behielt, follte vollſtändig befeitigt werben zu⸗
gunften eines ReichBrates, der mit Ausnahme bes Präfidenten
von den Ständen gewählt, nach der Art feiner Zufammen-
fegung wie nach anderen Beftimmungen aber ganz von ben
Kurfürften abhängig geworden wäre. ES war nichts anderes
beabfichtigt als eine Abfchaffung der Monarchie auf gejeßlichem
Wege, und die Erjegung derjelben durch eine Fürftenariftokratie,
bie ihren Beruf und ihre Befähigung dazu bisher noch in Teiner
Weile dolumentiert hatte, J
Man wird es Maximilian nicht zum Vorwurfe machen
dürfen, wenn er der Einführung dieſes Regiments ſich wider⸗
ſetzte, wenn er ſich nicht freiwillig in die Stellung eines vene⸗
tianiſchen Dogen hinabdrängen ließ. In dieſem Punkte gaben
die Stände nach. Die Forderung des Reichsregiments ward
fallen gelaſſen, dafür aber beſtimmt, daß der Reichstag jährlich
zuſammentreten und die Entſcheidung der dem Reichsrate zu⸗
gedachten Angelegenheiten ihm vorbehalten werden ſollte ).
Es fam nun alles darauf an, ob die neuen Einrichtungen
auch feite Wurzeln zu fchlagen und fih zu entwideln ver-
mochten.
Da zeigte fih nun allerdings, wie fchwer es war, für
Deutſchland einheitliche Inftitutionen zu ſchaffen und denſelben
die allgemeine Anerkennung zu fihern. Mehrere Fürften und
Stände, felbft einzelne Kurfürften, erklärten fich gegen das
Kammergericht, das ihre eigene Gerichtsgewalt beichräntte.
Bald ging dasjelbe fogar wieder ein, da der König den Präfi-
benten für andere Gejchäfte verwenvete und bie Beiſitzer, die
aus den Einkünften des Reiches bezahlt werden follten, aus
Mangel an folchen feine Bejoldung erhielten. Denn am meiften
Widerjtand fand die bejichloffene Reichsſteuer. Der Adel, der
unglüdlicher Weiſe auf ben Reichstagen gar nicht vertreten war,
1) ©. über den Reichſstag in Worms und die demfelben vorbergehen-
den Verhandlungen feit 1486 Ulmann I, 292—390. Bgl. Rante,
Deutihe Geh. I, 66bff. Sanffen I, 522. V. v. Kraus, Das
Nürnberger Reichsregiment, S. 40 ff.
331 Geringe Erfolge der Reformbewegung.
veriveigerte bie Entrichtung bes gemeinen Pfennigs, weil er nur
zum Kriegsdienſte verpflichtet ſei. Auch in vielen fürftlichen
Gebieten ging nichts ein, teils weil, wie in Baiern, die Land⸗
flände Schwierigkeiten machten, teils weil die Fürſten felbft
feinen Ernit zeigten. Selbit in den Nieverlanven, wo Maxi⸗
miltans Sohn regierte, wurde nicht8 gezahlt. Man batte dem
Könige in Worms 150000 Gulden bewilligt und ihm geftattet,
in biefer Höhe ein Darlehen aufzunehmen, das aus den Er»
trägniffen des gemeinen Pfennigs zurüdgezahlt werben follte.
Aber fat niemand wollte auf diefe unfichere Hypothek hin ein
Geld leihen, und in der That waren nad zwei Jahren erft
14000 Gulden eingegangen ?). Um die Stände opferwilliger
zu ftimmen, ließ fih Maximilian im Jahre 1500 die Ein»
führung des Reichsregiments gefallen, obwohl er fich bewußt
war, daß dies einer Abdankung gleichfam. Als aber das Regi-
ment gleich eine der bisherigen gerabe entgegengefette auswärtige
Politit verfolgte, die auch für das Reich weder ebrenvoll noch
vorteilhaft war, brachte er dasſelbe wieder zu Falle, und die
Kluft zwilchen ihm und den Ständen warb eine fo tiefe, daß
eine Kataftrophe drohte und man von der Abjekung des Königs
ſprach. Doch gewann Maximilian gerade in der nächſt fol⸗
genden Zeit an Anjehen und Einfluß, und es fam 1505 auch
zur Wiedereinführung des Kammergerihtd. Um ven Urteilen
besjelben auch die Ausführung zu fichern, wurde im Jahre
1512 auf Antrag des Kaiſers das Reich in zehn Kreife geteilt,
in jedem ein Hauptmann mit beigeorbneten Räten ernannt,
und alle Einwohner des Kreifes verpflichtet, denſelben bei ber
Aufrechthaltung des Landfriedens zu unterftügen. Die bur-
gundiſch⸗niederländiſchen Gebiete bildeten den neunten, die öfter-
reichiſchen Erblande den zehnten Kreis?). Die Idee einer
1) Über die Ausführung der Wormfer Beſchlüſſe und bie folgenden
Reichstage bis 1498 |. Ullmann I, 390—403; 522—602. Bol. Kante
I, 78 ff.
2) Dagegen wurde Böhmen mit feinen Nebenländern in bie Kreis⸗
verfafjung gar nicht einbezogen, wie man benn auch ben König weder
1486 zur Königswahl noch zu dem ReichStagen berief, fo daß dieſes Reich
aus dem beutichen Staatsverbande fo gut wie ausgefchleben war.
Marimilians Rivalität mit Frankreich. 835
allgemeinen Reichöfteuer wurde freilich für immer zu Grabe
getragen, und das Prinzip der Selbftänpigleit der Territorien
erhielt vefinitiv den Sieg über das der Reichseinheit. Als
ein Reichstag in Köln im Jahre 1505 dem Könige eine Unter-
ftügung gegen Ungarn bewilligte, wurden bie Truppen nad
einer Matrilel auf die einzelnen Territorien verteilt, und von
da am ift dies bei Bewilligungen von Reichsſteuern immer der
Tall geweſen.
Drittes Kapitel.
Marimilians I. Rivalität mit Frankreich. — Kämpfe
mit den Schweizern. — Der baierifche Erbfolgefrieg.
Als Marimilian I. nach dem Tode feines Water bie
Regierung Deutichlands und der dfterreichiichen Erblande über-
nahm, hatte er die langen Kämpfe mit Frankreich gerade durch
den Frieden von Senlis beendet. Aber die Feindſchaft zwiichen
Frankreich und Burgund, die Marimilian von feinem Schwieger-
vater geerbt hatte, war zu tief gewurzelt und im Gegenſatze
der Intereffen begründet, ald daß nicht auch fortan eine
Spannung hätte bleiben folen. Auch wenn nicht einzelne
Tragen erſt fünftiger Enticheivung überlafjen worden wären,
hätte Marimiltan auf Frankreich ein wachſames Auge haben
müffen, das fo wenig aufrichtig feinen Anjprüchen auf einen
Zeil der burgundifcheniederländiichen Gebiete entjagt hatte, als
er auf die an Frankreich verlornen Gebiete derjelben.
Verſchärft wurde der Gegenſatz noch durch die Stellung
beider Könige zur apenninijchen Halbinfel.
Italien gehörte feit dem Ende des 14. Jahrhunderts nur
noch dem Namen nach zum Reiche, und die Macht des Königs
886 Einfluß Frankreichs auf Italien.
äußerte fich höchſtens noch in einzelnen Stanveserhöhungen. Um
die. Mitte des 15. Jahrhunderts war es foweit gelommen, Daß
Friedrich III. feinen Römerzug nicht mehr als Herricher. unter»
nehmen Tonnte, jondern fich dafür wie für eine fpätere Reiſe
von den einzelnen Herren und Kommunen Geleitsbriefe aus⸗
ftellen ließ. Als im Jahre 1447 das Geichlecht der Visconti
mit dem Herzoge Philipp Maria erlofch, riß trog des Wider⸗
ipruches des deutſchen Königs, von dem Mailand zu Leben
ging, der Gemahl feiner natürlichen Zochter, der tapfere Con⸗
bottiere Franz Sforza, dieſes Herzogtum an fih. ‘Der König
konnte nichtö dagegen tbun und begnügte fich in feiner Weife
damit, daß er allen Bemühungen Sforzas, von ihm die Be⸗
lehnung zu erhalten, einen paſſiven Widerſtand entgegenfette.
Den Einfluß, welchen das eich verlor, fuchte das empor-
ftrebende Frankreich an ſich zu bringen.
Zwei Seitenlinien des franzöfiichen Königshauſes Hatten ja
nicht unbegründete Anſprüche auf italienijche Fürftentümer, bie
Anjous auf Neapel, der Herzog Ludwig von Drleand auf
Mailand, da feine Großmutter Valentine eine Schweiter des
Herzogs Philipp, des letzten Visconti, gewejen war, während
die Sforza nur von einer unebelichen Zochter desſelben ab⸗
ftammten. Frankreich jelbit faßte vorübergehend auf ver
apenniniichen Halbinjel feſten Buß, indem das von Innern und
äußern Gefahren bedrohte Genua ſich 1458 dem mächtigen
Nachbarftaate unterwarf. ALS diefe Stadt nach wenigen Jahren
das fremde Joch wieder abjchüttelte, ließ fi) Ende 1463 Franz
Sforza vom franzöfiichen Könige damit belehnen, obwohl Genua
noch unter Karl IV. die deutiche Oberherrichaft anerkannt hatte.
Das verichaffte ja überhaupt dem franzöfiichen Könige in Italien
einen überwiegenden Einfluß, daß alle dortigen Mächte, . auch
die dem Namen nach mit einander verbündeten, von gegen»
jeitigem Mißtrauen erfüllt, gegen einander intriguierten und
um die Gunſt Frankreichs bublten. Obwohl Ludwig XI. alle
belog und betrog, wurde doch in den legten Jahren feiner
Regierung „jein Hof der Wallfahrtsort für die Hilfsbepürftigen
italienijhen Mächte und fein Thron der Gnadenſtuhl, vor
Die Politit des Lubovico Doro. 887
welchem bie Geſandten Italiens, klagende unb bittenve, nie
fehlten” 1). Wie ein Damollesjchwert King die franzöſiſche In⸗
tervention über Italien, welche die dortigen Regierungen felbft
herbeizurufen jich nicht jcheuten, wenn fie durch ihre Nachbarn
debrängt wurden. Schon 1484 hatte Venedig die Franzofen
zur Geltendmachung ber Anſprüche auf Neapel und Mailand
aufgerufen 2). Damals hatte dieß Feine weiteren Folgen gehabt,
weil Frankreich nah dem Tode Ludwigs XI. durch innere
Kämpfe gelähmt und durch offene und verfteckte Feindſeligkeiten
gegen Marimiltan al8 Negenten der Niederlande in Anſpruch
genommen wurde. Anders war e8, als eine folche Einladung
an den jungen, ebrgeizigen Karl VIII. zu einer Zeit erging,
wo er feine Gegner im Innern niedergeworfen oder verſöhnt
und durch den Abichluß des Friedens mit Marimilian, England
und Spanien fi) den Rüden gedeckt hatte und wo er zugleich
von neapolitanijchen Entigranten ununterbrochen aufgereizt wurde,
—die durch das Erlöichen der Anjous auf ihn übergegangenen
Anfprühe auf Unteritalien geltend zu machen.
Der Auf ging diesmal von Mailand aus. Galeazzo, der
durch feine Ausjchweifungen und feine Grauſamkeit berüchtigte
Sohn Franz Sforzas, war 1476 dem Haſſe feiner Gegner
zum Opfer gefallen und fein achtjähriger Sohn Gian Galeazzo
unter ber vormundfchaftlichen Regierung feiner Mutter Bona
als Herzog anerkannt worden. Aber fchon 1480 wurde bieje
burch Ludovico Moro, des Ermordeten Brupder verdrängt, ber
die Gewalt auch dann noch in den Händen behielt, als jein
Mündel volljährig geworden war. ‘Da biejer mit einer Entelin
des Königs Ferdinand von Neapel vermählt war, fürchtete er
von diefem angegriffen zu werden und fuchte fich eine rechtliche
und materielle Stüte am Auslande zu verjchaffen. Jene jollte
ihm der römiſche König, diefe Brankreich bieten. Dem franz»
fiichen Könige ftellte er feine Unterftügung bei einem Angriffe
1) 8. Bufer, Die Beziehungen der Mediceer zu Frankreich während
ber Sabre 1434—1494, ©. 221, wo überhaupt biefe Verhältniffe am
Harften dargelegt find.
2) Bufer, ©. 239f.
Huber, Geſchichte Öfterreiche. III. 22
883 8. Marimilians Bermählung mit Blanca von Mailand.
auf Neapel in Ausficht, für den auch fhon im Sommer 1493
die Rüftungen begonnen wurden !), Maximilian fuchte er das.
durch zu bewegen, ihn mit Mailand zu belehnen, daß er ihm
die Hand feiner Nichte Blanca, der ehemaligen Braut Johanns
Corvinus, und eine reiche Mitgift anbot. Schon am 24. Juni
1493 wurde der Ehevertrag abgeſchloſſen. Maximilian ver=
ſprach, nach dem Tode feines Vaterd dem Ludovico die Bes
lehnung mit dem Herzogtum Mailand zu erteilen. Dieſer
ficherte feiner Nichte eine Mitgift von 300000 Dukaten zu.
Am 9. März 1494 feierte der König in Hall in Tirol das
Beilager mit Blanca, die freilich feine erfte Gemahlin nicht zu
erjegen vermochte und feinem Herzen je länger deſto ferner ges
treten tft ?).
Es wäre wohl Aufgabe Marimilians gewejen, nach ber
Übernahme der Regierung in Deutichland die Zeftfegung der
Tranzojen in Italien zu hindern und diefer Halbinjel wenigſtens
die Unabhängigkeit zu fichern, wenn ſich ſchon bie beutfche
Herrichaft nicht mehr herſtellen ließ. Aber Charakter und In⸗
tereffen weiten ihn nach einer andern Richtung Hin. Die Ver⸗
nichtung ber immer gefährlicher werdenden türkiichen Macht,
bie Wiebereroberung Konſtantinopels, die Vereinigung ber
Krone Oftroms mit jener des abenplänbiichen Kaiſertums, das
war der Traum des fchwärmeriichen Jünglings gewejen, das
galt auch dem gereiften Manne als die fchönfte Aufgabe eines
hriftlichen Helden. Und nicht bloß ideale Motive beftimmten
Maximilian zur Ausführung diejes Planes, als er jelbftändiger
Herricher geworden war. Wenn nicht Ungarn, auf das er
nad dem Frieden von 1491 eventuelle Erbanfprüche hatte, ja
wenn nicht feine eigenen Erblande durch die Horden der Un»
gläubigen überflutet und ganz zugrunde gerichtet werben jollten,
jo mußte man durch eine kräftige Offenfive ftarle Dämme
gegen fie aufführen, man durfte fich nicht darauf beſchränken,
1) Über die Polttit Ludovico Sforzas in den Jahren 1493 und 1494
j. Romanin, Storia doc. di Venezia V, 9sgg.
2) Ulmann I, 218ff.
Sein Plan eines Angriffs auf die Türken. 839
binter den Mauern einiger feiter Pläte fich gegen bie ein»
gebrungenen Ungläubigen zu fchügen. Und daß man fich wegen
einiger Sabre der Ruhe nicht dem Gefühle ver Sicherheit hin⸗
geben dürfe, zeigte fich gerade um biefe Zeit, indem ber Sultan
im Sabre 1492 nach dem Ablaufe des Waffenftillftandes bie
ungariihen Grenzfeftungen angreifen und im Jahre barauf
Siebenbürgen verheeren Tieß und tm Auguſt 1493 Jakub
Paſcha von Bosnien ber durch Kroatien in Steiermark einfiel
und die Gegenden um Cilli und Pettau vermwüftete und aus«
plünderte. Als Marimiltan im Oftober mit Truppen herans
zog, waren bie Türken mit ihrer Beute bereitd nachhauje
gezogen. Der günftige Ausgang dieſes Raubzuges ermutigte
bie Türken ſchon im Herbfte des folgenden Jahres zu einem
neuen Einfalle in die fteterifch-Traineriichen Grenzgebiete ).
Schon im Jahre 1493 machte Marimilian dem ungartjchen
Könige Vorfchläge, deren Kern darin beitand, daß er an der
Spite der Ungarn den Krieg gegen die Zürlen führen, das
Deutſche Reich, der Papft, Venedig und andere Mächte zur
Stellung von Hilfstruppen oder zur Zahlung von Subſidien
bewogen werben follten. Auch bie Vermählung mit Blanca
von Mailand Hing mit biefen Plänen zufammen. Ihre Aus
fteuer follte die Mittel für den Türkenkrieg bieten, ihr Oheim
auch jonft das Unternehmen fördern. So wichtig fchien dem
römijchen Könige ber Krieg gegen die Ungläubigen, daß er fich
auch durch den bevorftehenden Angriff ver Franzoſen auf Neapel
nicht von demſelben abhalten laſſen wollte, wenn er auch durch
biplomatifche Mittel den Bruch zwifchen Karl VII. und dem
Könige von Neapel zu verhüten fuchte 2).
1) Ilwof, Die Einfälle der Osmanen, in „Mitt. d. hiſt. Ber. für
Steiermart” XI, 207 ff.
2) Über die Pläne Marimilians betreffend ben Türkenkrieg f. UT-
mann I, 203—218. 232f. Wenn aber derſelbe S. 269ff. behauptet,
daß Mar die Eroberung Neapels geduldet babe, weil ibm dafür fran-
zöfiſche Unterſtützung zur Beraubung Venebigs in Ausficht geftellt worben
fei, fo fehlt es für die Abficht eines Angriffs auf Venedig vonfeite Mari-
milians an jebem Beweife, wie Bahmann in „Götting. gel. Anz.“
1885, ©. 335 ff., mit Recht betont bat.
29%
840 Eroberung Neapels dur Karl VIII. von Frankreich.
Da kamen aus Italien Nachrichten, gegen die Maximilian
unmöglich gleichgültig bleiben fonnte.
Aunfangs September 1494 war Karl von. von Frankreich
mit einem zahlreichen Here, bei dem fich ſehr viele Schweizer
und deutſche Solbfnechte befanden, in Oberitalien erſchienen
und bann, nachdem er einige Zeit durch Krankheit aufgehalten
worden war, gegen Süben vorgedrungen. Bon feinen Gegnern
wurde Piero von Medicis, nachbem er zu ſpät feine Gunft ger
fucht, vom Volle vertrieben, der Papft Alerander VI. eitn-
geſchüchtert und zur Flucht in die Engelsburg genötigt. Florenz
wie der Papft wurden gezwungen, feinen Truppen die wichtigften
Plige einzuräumen. Bei feiner Annäherung ftürzte auch ber
Thron ber Aragonejen zufammen. König Ferdinand II., zu
deſſen Ounften fein verbaßter Vater Alfons nach kurzer Negie-
rung der Krone entfagt Hatte, floh auf die Injel Ischia, feine
Städte und Burgen ergaben fi den Franzofen, die am
22. Februar 1495 in die Hauptitadt ihren Einzug bielten.
Im größten Zeile von Italien fpielte der franzöfiiche König
ben Herrn. Bon Neapel aus wollte Karl, in deſſen ſchwäch⸗
lichem Körper eine ehrgeizige Seele wohnte, das türkiſche Reich
angreifen, die Ungläubigen aus Europa vertreiben, fein Haupt
mit der Krone von KRonftantinopel, wenn möglich auch von
Serufalem, ſchmücken. Man fchrieb ihm zugleih, wenn auch
mit Unrecht, die Abficht zu, den Papſt zur Verleihung ber
abendländiichen Kaiſerkrone an ihn zu nötigen oder auch den⸗
jelben abzujegen und mit Hilfe eines Konzild eine Reform der
Kirche einzuführen ').
Dadurch fühlten ſich aber nicht nur die italienifchen, ſon⸗
dern auch manche ausländiihe Mächte gefährpet.
Ludovico Moro, der nicht am wenigften das Crfcheinen
des franzöftichen Königs veranlaßt hatte, ward bald durch das
1) Über bie Borgäuge in Italien f. im allgemeinen Ranke, Gefdichten
ber xromanifchen und germaniſchen Böller (S. W. XXXIU. XXXIV),
Havemann, Gef. der italieniſch⸗franzöſiſchen Kriege von 1494—1515,
bie freilich im Einzelnen vielfach nicht mehr genügen. Vgl. and Ro-
maninl. c. und Gregorovius, Geld. d. Stabt Rom VII, 342 ff.
Beunruhigung ber übrigen Möchte. 341
berriiche. Auftreten. besielben und ‚durch die Feſtſetzung bee
Herzogs von Drleans in Aſti für feine eigene Exiſtenz bejorgt.
Ferdinand von Aragonien fürchtete, daß Karl VIII. die An⸗
Sprüche der Anjous nicht bloß auf Neapel, ſondern auch auf
Sizilien zur Geltung bringen wolle. Aüch glaubte er, wenn
ſchon die unechte Linie des aragoniichen Hauſes aus Neapel
verbrängt werben follte, beſſere Anſprüche auf dieſes Weich zu
baben als der König von Tranfreih. Venedig jah mit Be⸗
ſorgnis das bisherige Sleichgewicht zwiſchen den Staaten
Italiens zerſtört. Auch ber König Marimilian erinnerte ſich
jest doch, daß Oberitalien und Toskana einst zum Weiche ge-
hört batten. Schon Anfangs November, als eben die erjten
Tranzojen die Apenninen überichritten batten, ſuchte er mit
Denedig über die italienischen Angelegenheiten Unterhandlungen
anzufuäpfen. Als der Doge fich dazu bereit zeigte, ſchickte er
im Januar von den Nieverlanden aus Gejandte an bie
Signoria, um eine enge Verbindung mit derfelben zuftande zu
bringen. &r wollte vor allem, um etwaige Abfichten des
franzöfiichen Königs auf die abendländiſche Kaiſerwürde zu durch
kreuzen, in den nächiten Faſten jelbjit den Römerzug unter,
nebmen und vom Papite jich Frönen zu laſſen, wozu Venedig
ihm den Durchzug durch fein Gebiet geftatten ſollte. Er ließ
ber Republik aber auch den Antrag machen, als Derr der
öſterreichiſchen Erblande mit ihr auf fünfundzwanzig Sabre ein
Bündnis zu jchließen, nach welchem jeder Teil den andern mit
10000 Mann unterftügen follte.
In Venedig jammelten ſich nach und nach die Gejanbten
aller antifranzöfiichen Mächte. Doch war e8 nicht leicht, Die
verjchiebenen Interejjen und Bejtrebungen unter einen Hut zu
bringen. Lodovico Moro wollte ein Eingreifen Maximilians
in die Verhältniſſe Italiens ebenjo wenig wie die Feſtſetzung
der Franzoſen; die Deutichen, fagte er den venetianiichen Ger
jandten, würden wenig befjer fein al8 jene. Er riet, man
jolfe die Könige von Rom und Spanten dur Zahlung von
Subfidien zum Angriffe auf Frankreich jelbjt bewegen und das
durch Karl zum Rückzuge aus Italien zwingen, ein Plan, den
32 Abſchluß der Heiligen Liga.
auch Marimilian vorübergehend gebegt hat. ‘Diefer war
anderſeits anfangs gegen die Aufnahme Lodovicos in bie
Liga, weil die öffentliche Meinung demſelben ven im Oftober ein⸗
getretenen Tod jeines Neffen Gian Galeazz0, des Bruders ber
Königin Blanca, zur Laft legte. Erft die Nachricht von ber
Eroberung der Stadt Neapel und bes ganzen Königreiches
brachte die Unterhandlungen zum Abjchluß.
Am 31. März 1495 wurde die „heilige Kiga” unterzeichnet.
Die Teilnehmer waren der Bapit, König Dar, Ferdinand und
Iſabella von Spanien, Benedig und Mailand, die fih auf
fünfundzwanzig Sabre zur Aufrechthaltung der Ruhe in Italien,
ber Würde des päpftlichen Stuhles und der echte des römiſchen
Reiches verbanven und gegen Angriffe anderer Mächte fich ihre
Befigungen garantierten. Jedes Glied follte 12000 Mann,
der Papft die Hälfte ftellen.. Diefer wie Mailand und Venedig
verpflichteten fich, bem Könige Diax bei feinem Nömerzuge den
Durchgang zu geftatten, Iettere, ihm auch Truppen zu tellen.
Sit der Vertrag, foweit er für die Offentlichleit bejtimmt war,
durchaus defenfiver Natur, fo haben geheime Artikel wahr⸗
ſcheinlich als Zweck die Vertreibung der Franzojen aus Italien
Bingeftellt ?).
Um nicht von feinem eigenen Reiche abgefchnitten zu werben,
trat Karl VIIL, die Hälfte feine8 Heeres zur Behauptung
Neapels zurücdlaffenn, am 20. Mai den Rüdzug nah Ober
italien an, wo ber Herzog von Orleans in der eriten Hälfte
des Juni durch die Wegnahme Novaras die Feindſeligkeiten
gegen ben Herzog von Mailand begann. Ungehindert gelangte
der König durch die Päfje des Apennin, drängte das ihm ent»
gegenftehende mailändiſch⸗venetianiſche Heer burch die Schlacht
bet Fornovo am Zaro (am 6. Juli) zur Seite und kam,
wenn auch nicht ohne bedeutende Verlufte, glüdlich nach Afti.
1) Dies ſcheint, da die Eriftenz geheimer Artikel durch Sanuto fefl-
ſteht, faft ſelbſtverſtändlich, wenn auch die von Guicciarbini angegebenen
Details falfch find, wie Ulmann I, 287ff. dargethan bat. Über bie
vorausgegangenen Unterhandlungen f. ebd. S. 275 ff., und dazu Bad-
mann a. a. O.
Rüdzug und neue Rüfungen ber Franzoſen. 848
Untervefien Batten die mailändiihen und venetlantichen
Xruppen, durch ungefähr 7000 Deutiche, die Martmilion
ſchickte, verftärkt, die Belagerung von Novara begonnen, zu
deſſen Entſatz der franzöftiche König viel zu ſchwach war. Aber
gerade ald die durch Hunger und Krankheiten aufs äußerfte
gebrachte Beſatzung die Stadt übergab, erfchienen zur Unter
ftüßung des Herzogs von Orleans 20000 fchweizertiche Söldner
in Oberitalten. Dadurch erſchreckt fchloß der Herzog von Mat-
land am 9. Oktober den Separatfrieven von Vercelli, wonach
er zwar dem Namen nad Mitglied der Liga bleiben durfte,
aber dem franzöfiichen Könige bei jedem Angriffe auf Neapel
den Durchzug zu geftatten und Hilfe zu leiften verſprach, wäh.
vend dagegen ber König den Herzog von Orleans gegen Mai⸗
land nicht unterftägen follte.
Zur Zeit, wo die feindlichen Scharen ſich in Oberitalien
gegenüberftanden, batte Ferdinand von Neapel, unterftügt von
ſpaniſchen Truppen und einer venetianifchen Flotilfe, den Kampf
um fein Erbreich begonnen. Schon am 7. Juli kam bie Haupt⸗
ftabt infolge einer Erhebung der Einwohner in feine Hände,
im Oltober ftel auch die Citadelle. Als dann päpftliche Truppen
und gegen Abtretung mehrerer apulifcher Hafenjtäbte auch ein
venetianiſches Corps ihm zubilfe Tam, wurden die Franzoſen
immer mehr eingeengt. Aber noch behaupteten dieſe ausgedehnte
Gebiete, und das Erjcheinen von Verftärfungen aus der Heimat
würde bald wieder einen Umſchwung bewirkt haben.
Sn der That begann Karl nach feiner Rückkehr über bie
Alpen neue NRüftungen und fchloß mit fchweizerifchen Kantonen
Verträge, die ihm die Arme ber beften Solotruppen jener
Zeit ficherten. Das Feſthalten der Herzogin von Savoyen,
der Markgrafen von Montferrat und Saluzzo wie bes Frei⸗
Staates Florenz an der Verbindung mit Frankreich und ber
Beſitz einiger Städte und Burgen in Mittelitalien hätten dem
Könige eine neue Unternehmung gegen Neapel jehr erleichtert.
Am meiſten hatte eine ſolche Ludovico Moro zu fürchten,
der die Bedingungen des Friedens nicht aufrichtig erfüllt hatte
und für ben bie Anſprüche bes Herzogs von Orleans auf Mai»
344 8. Marimilians Suöftdienvertrag mit Mailand und Benebig.
land eine fiete Gefahr bildeten. Auch Venedig mußte die Franz
zofen von der Rombarbei noch mehr als von Unteritalien fern
zu halten fuchen. Beide Mächte luden baber im Frühijahr
1496 ben römiſchen König ein, perfünlih einen Zug nach
Italien zu unternehmen.
Niemand Hätte lieber in die Verhältniſſe der apenniniſchen
Halbinſel eingegriffen als der feurige, thatenluſtige Maximiliau.
Aber im verfloſſenen Jahre hatten die Reichsſtände ihm jede
Unterftätsung verweigert, bis die Enticheivung in Italien ge⸗
fallen war. Nur mit den Mitteln feiner Erblande ‚hatte er
einige taufend Mann ausrüften können. Endlich Hatte man
ihm ben gemeinen "Pfennig bewilligt. Doch wurbe derſelbe
wicht gezahlt, und nicht einmal ein Anlehen konnte er daraufhin
erhalten. Wenn er nicht den Borgängen in Stalien ganz
gleichgültig zuſehen wollte, jo blieb ihm nichts übrig, als mit
ben ihm non jeinen veicheren Bundesgenoijen angebotenen
Subfidien ein Heer aufzuftellen. Zur Unterhaltung von 6000
Mann auf die Dauer von drei Monaten wollten Mailand
und Venedig je 80000 Dukaten zahlen und außerbem einige
taufend Schweizer in Sol nehmen. Wenn die NReichsftände,
die der König auf Anfangs Auguft nach Lindau berief, nur
einige Unterjtügung gewährten, jo fonnte in Verbindung mis
ben Zruppen Mailands, Venedigs, des Papftes, Neapeld und
Spaniens den Franzoſen eine impojante Macht entgegengeftellt
werden. Kein Wunder, daß ber fanguinische Maximilian von
diefem Kriege nicht bloß die Vernichtung der franzöfiichen
Bartei in Italien, jonbern auch eine bauernde Schwächung
Frankreichs felbft durch Losreißung mehrerer Grenzprovinzen
erwartete!
Allein die Neichsftände, bie gegen jebe Einmilchung des
Königs in die Verhältniffe Italiens waren, zeigten ſich oppo⸗
fitioneller als je. Zugleich jchlug die Stimmung in Venedig
volfftändig um, als e8 fchien, daß der franzöfifche König wegen
der Erichöpfung feiner finanziellen Mittel und feiner Ver⸗
gnügungsfucht wenigſtens vorläufig den Gedanken eines Zuges
nach Italien fallen gelafien habe. Am liebſten Hätte jett die
Sau erfolglofee Bug nad Italien. 845
Signoria des dentichen König ganz aus Italien ferngehalten,
da er fie nur hindern konnte, ihren Vergrößerungsplänen nach
zujagen. Da fich dies erfolglos. zeigte, verjagte fie ibm
wenigftens das von ihm begehrte Darlehen und zögerte fogar
mit der Auszahlung der verfprochenen Subfwien. Nur durch
Vorſchüſſe der Fugger und ähnliche Mittel konnte fich Mar
einiges Gelb verichaffen.
Sp kam es, daß dieſer nach einer Zuſammenkunft mit
dem Herzoge von Mailand am 16. Auguſt 1496 mit nur ge⸗
ringer Begleitung von Mals her die Alpen überſtieg und daß
mit allen ſpäter eingetroffenen Verſtärkungen ſeine Truppen
ſich nur auf etwa 4000 Mann beliefen. Sein Plan ging
dahin, an der Spitze ber Truppen der Verbündeten Aftt weg⸗
zunehmen, das, bem Herzoge von Orleans gehörig und vom
franzöfiſchen Truppen befegt, ein Pfahl im Fleiiche des Herzogs
von Mailand war, dann Meontferrat, Saluzzo und Savohen
zum Anſchluß an die Liga zu nötigen und fo den Franzojen
die Alpenpäfle zu verjperren. Der Plan mußte fallen gelaffen
werden, weil Venedig gegen jede Unternehmung war, welde
bie Macht und Sicherheit des Herzogs von Mailand vermehrte,
Man beſchloß, bafür einen Feldzug nach Mittelitalien zu unter
neßmen, Piſa, das beim Einbruch der Franzofen von Florenz
abgefallen war, zu unterftüben und durch Einnahme von Livorno
zu kräftigen, Florenz jelbit zur Aufgebung des franzöfiichen
Dündniffes zu zwingen. Aber auch hierzu leiftete Venedig nur
zoͤgernd unb nur ungenügende Hilfe. Da zugleich auch Ober»
ttalien gegen die in Aſti liegenden Franzoſen bejegt bleiben
mußte, jo waren die Kräfte, die Dar gegen Blorenz zur Ber
fügung batte, im keiner Weife ausreichend. Die Belagerung
von Livorno mißlang infolge der geringen Truppenzahl, ver
herbſtlichen Stürme und Regengüſſe und bes Eintreffens einiger
franzöfticher Kriegsſchiffe, Ohne etwas ausgerichtet zu haben,
kam Mor um Weihnachten nach Tirol zurüd, um noch einmal
den Verſuch zu machen, buch feine perfönliche Einwirkung bie
Reichsſtände zum Kampfe gegen Frankreich hinzureißen *).
1) Über den Feldzug Marimilians nach alien und die damit zu⸗
846 K. Marimilian und Ludwig XI. von Frankreich.
Aber wenn biefelben ſchon unzufrieven gewefen waren, baß
Dearimilian ohne ihre Zuftimmung den italteniichen Krieg ber
gonnen hatte, jo war durch den ruhm⸗ und erfolglofen Aus
gang desſelben ihre Neigung zur Unterftügung des Könige
nicht größer geworden. Daß Karl VIIL Italien fich felbft
überließ, daß er den Verluft ver letzten daſelbſt noch behaupteten
Städte hinnahm, ohne ernftlihe Gegenmaßregeln zu treffen,
ſchien die Gleichgültigkeit der deutſchen Fürften und Städte zu
rechtfertigen.
Ohne noch etwas gegen Italien unternommen zu Baben,
ftarb Karl VIII von Frankreich am 7. April 1498 im Alter
bon erſt achtundzwanzig Jahren, ohne Hinterlaffung von Erben,
und es folgte ihm fein Vetter Ludwig von Orleans, der nicht
bloß die Anſprüche auf Neapel aufrechtbielt, fondern auch durch
Annahme des Titels eines Herzogs von Mailand noch weiter
gehende Abfichten an den Tag legte. Anderſeits forberte
Maximilian vom neuen Könige die Herausgabe des Herzogtums
Burgund und ließ, obwohl ihm feine Verbündeten ihre Unter,
ftügung verweigerten, im Sommer 1498 7000 Dann einen
Einfall in Frankreich unternehmen. Da aber das Neich nichts
für ihn that und fein eigener Sohn ſich mit Frankreich im
Unterhandlungen einließ und dann gegen Herausgabe ber von
ben Franzoſen in Artois bejegten Städte für die Lebensdauer
Ludwigs XI. ausdrücklich feine Anſprüche auf das Herzogtum
Burgund ruhen zu laſſen verſprach, fo fchloß auch er einen
Waffenſtillſtand und zog feine Truppen zurüd. Treulos brachen
nun die Franzofen in die Franche Comtd ein und nahmen
mebrere Ortichaften weg. Zornglühend trieb fie Marimilian
wieder hinaus, ging aber dann, von allen Seiten fich verlaffen
ſehend, eine fechsmonatliche Waffenrube ein.
Zroß biefer Haltung feines Sohnes ftürzte fih nun ber
König in einen Krieg gegen ben Herzog von Geldern, deſſen
ſammenhängenden Ereigniffe J Ulmann I, 404—521, der freilich In
feiner Beurteilung des Königs Hier faft noch ſchwarzgalliger iſt als ge=
wöhnlich.
Die Schweiz unb das Deutſche Reich. 847
Erfolg doch nur den Niederlanden zugute gelommen fein
würbe!). Diefer noch dazu refultatloje Angriff auf Gelvern
war um fo unbeſonnener, als gerade jet Marimilian alle
feine Kräfte Hätte beiſammenhalten follen. Denn nicht nur
war mit Frankreich noch fein Friede geichloffen, fondern es
. war aud ein Krieg gegen die Schweiz unvermeidlich geiworben.
So lange die dortigen Landgemeinden und Städte unter
ber Herrfchaft Ofterreichs geftunden hatten, war ihr ganzes
Streben dahin gegangen, unmittelbar unter das Reich zu
fommen. Als aber die Eidgenoſſen endlich ihr Ziel erreicht
und die Reichsunmittelbarkeit erlangt hatten, ba zeigte es fich,
daß fie unter dem Reiche eben nichts al8 den Schatten ber
damaligen Zentralgewalt veritanvden Hatten, welche jedes Glied
thun ließ, was es wollte, daß fie aber, ſobald ihnen das Reich
als wirkliche Macht entgegentrat, auch von diefem nichts mehr
wifjen wollten, fondern völlige Unabhängigkeit anftrebten. Was
Deutichland fich erjt durch Einführung des ewigen Landfriedens
und des Kammtergerichtes zu verichaffen bemüht war, Ruhe im
Innern und Rechtsficherheit, das Hatten ja die Schweizer fchon
längft. Die Burgumnderfriege hatten ihnen auch eine angejehene
Stellung unter den Mächten Europas verichafft und das
Selbftbewußtfein derfelben außerordentlich gehoben. Da ſo bie
Berbindung mit dem Reiche ihnen feinen Vorteil brachte, die
Zahlung des gemeinen Pfennigs ihnen vielmehr Opfer aufer-
legt hätte, weigerten fie fich auch, die Beichlüffe des Reichstags
von Worms anzueriennen. Urteile des Kammergerichts fahen fie
als Angriffe auf ihre Freiheit an, ja fie forderten die Eremtion
von demſelben nicht bloß für bie eidgendifichen Kantone, fondern
auch für die mit diefen nur verbündbeten Städte, wie bas im
Herzen Schwabens gelegene Rottweil. Wie wenig fie fich noch
als Angehörige des Deutſchen Reiches fühlten, zeigten ihre enge
Verbindung mit Frankreich, das an einzelne einflußreiche Per⸗
fünlichfeiten wie an ganze Kantone regelmäßige Benfionen zahlte,
und die vertragsmäßige Stellung von Söldnern zu deſſen Heeren,
1) Ulmann I, 583—632.
B48 Ofterreih und Graubünden.
während dem veutichen Könige ähnliche Anjuchen konſequent abs»
geichlagen wurden. Wenn Deutſchland die Selbjtändigleit der
Schweiz nicht freiwillig anerkennen wollte, blieb nichts übrig
al8 ber Krieg, ver auch ſchon im Jahre 1497 auözubredhen
drohte.
Maximilian Hätte benjelben gerne vermieden und machte
teoß der Unzufriedenheit Bertholds von Mainz, des Führers
der Neichsftände, den Schweizern einige Konzeſſionen. Er hätte
fich begnügt, wenn biefe ihm wenigſtens in der auswärtigen
Bolitit nicht feindlich entgegengetreten wären, wenn fie ihre
friegsluftigen Söhne gegen Solo in jeine Dienfte hätten treten
laſſen. Aber das franzöfiiche Geld und die bejonderd in ben
demofratiihen Kantonen trog der ewigen Richtung von 1474
noch immer Tebendige Antipathie gegen Oſterreich trugen den
Sieg davon.
Sp war der Bruch unvermeiblid. Die Stimmung wurbe
noch mehr verbittert durch den Gegenſatz zwiichen ven ſchweize⸗
rifhen Bauern und ven fchwäbiichen Adeligen, welche jene durch
Schmähungen kränkendſter Art reisten, wo fie nur konnten.
Den nächſten Anlaß zum Kriege gaben aber die Verbält-
niſſe Graubündens. Da fich die Orafengewalt der Herzoge
von Öfterreich als Beſitzer der tirolifchen Grafſchaft Vintſchgau
bis Pontalt (oberhalb Zerneg) im Engadin erjtredte, anderjeits
der Biſchof von Chur viele Befigungen im Vintſchgau big
hinab nach Meran batte, jo Freuzten ſich die Rechte und An-
fprüche beider in einer Weife, daß die Streitigkeiten faft nie
aufhörten. Im letzter Zeit hatte Oſterreich feine Stellung da⸗
durch verftärkt, daß es durch Kauf vom Grafen von Montfort
und vom Vogte von Matich die zehn Gerichte in Prättigau,
Davos und den anftoßenden Gebieten erworben hatte, während
anderjeit8 die durch Die Bildung von drei Bünden gefräftigten
Dewohner der Gegenden am obern Rhein und obern Inn ein
weiteres Vorrücken der Macht Ofterreichs nicht mehr dulden
wollten. Gerade um die Zeit, wo zwifchen Deutichland und
ber Schweiz das Kriegsfeuer fich jeven Augenblick zu entzünden
drohte, waren zwilchen Zirol und dem Bilchofe von Chur neue
Ausbruch der Feinbfeligfeiten. 849
Streitigkeiten ausgebrochen, zu beren Beilegung ‚die tiroliiche
Landesregierung wenig guten: Willen zeigte. - Des Biſchofs
namen fi die Bündner an, freilich nicht aus Liebe zu diefem,
fondern aus Abneigung gegen Diterreich, und um fich gegen
dieſes eine Fräftige Stüte zu fichern, fchlofien fie einen Bund
mit den Eidgenoſſen. Infolge deſſen ließ Die tiroliiche Regie⸗
rung Ende 1498 die Grenzpunkte in Verteidigungszuſtand
ſetzen und befahl der waffenfähigen Mannſchaft, ſich zum Aus⸗
rücken bereit zu halten, da man einen Angriff der Bündner
und Schweizer befürchtete.
Noch einmal machte man einen Verſuch, den Bruch zu ver⸗
meiden. Am 10. Jamar 1499 fand in Feldkirch eine Zu⸗
ſammenkunft der Parteien ftatt, und es ward daſelbſt eine
zweimonatliche Waffenruhe verabredet. Aber durch die Schuld
der öſterreichiſchen Beamten wurden die Bündner wie die
tiroliſchen Kriegsleute im Vintſchgau nicht davon benachrichtigt.
Als nun letztere zur Verſtärkung ihrer Stellung das an der
Grenze gelegene Frauenkloſter Münſter beſetzten, wurden ſie
von den Büuͤndnern wieder hinausgeworfen. Dieſe forderten
jett die Eidgenofien, die tiroliihe Regierung den jchwäbtichen
Bund zur Hilfeleiftung auf. Um daß Äußerſte zu verhüten,
entichloß fich der Biihof von Chur zu großen Konzefjionen.
Am 2. Februar ſchloſſen er und der Anführer der Bündner
bei Glurns mit dem tiroliichen Landeshauptmann Leonhard
‘von Vols und dem Feldhauptmann Sigmund von Welsberg
einen Vertrag, der für ſterreich fehr günftig war. Schon
zogen auf beiden Seiten die Truppen ab.
Es ift fehr zweifelbaft, ob die tirolifhe Regierung diefen
Vertrag, deſſen Abichluß fie dem Landeshauptmann in ftrengem
Zone zum Vorwurfe machte, zur Ausführung gebracht hätte.
Die Entſcheidung brachten die Vorfälle im Rheinthal. Durch
Die übermütigen Nedereien der ſchwäbiſchen Bundestruppen
gereizt, zündeten die Schweizer am 6. Februar einige Häufer
an, worauf die Schwaben den Quzienfteig und das Städtchen
Maienfeld wegnahmen. Infolge deſſen brachen auf der ganzen
Linie vom Vintſchgau bis Baſel die Feindjeligfeiten aus, und
350 Siege der Schweizer über die ſchwäbiſchen Bunbestruppen
es wurde ber Krieg mit furchtbarer Wildheit geführt. Überall
wurde geraubt und gebrannt, bie Einwohner halbnackt in bie
Winterfälte binausgetrieben. Doch waren die Schweizer infolge
ihrer einbeitlicheren Leitung und der Abhärtung wie ber größeren
Disziplin ihrer Krieger ihren Gegnern bei weiten überlegen.
Der König war anfangs fern in ven Nieverlanvden. Der
Ihwäbtiche Bund, deſſen Glieder die Laften des Krieges mög⸗
lihft von fih abzumälzen fuchten und um möglichit billiges
Handgeld untaugliche Knechte anwarben, werzettelte zudem feine
Truppen längs der weiten Grenze und verzichtete auf jede
friegeriihe Initiative, jodaß die Schweizer die Zeit wie bie
Drte des Angriffs frei wählen fonnten.
Auf allen Punkten waren die Schweizer fiegreih. Schon
am 11. Februar nahmen fie den Xuzienfteig wieder ein und
trieben dann ihre Gegner, alles ausplündernd und zerftörend,
beit Feldkirch vorbei bis zum Bodenjee, wo fie ihnen am
20. Februar in einem Treffen bet Harb fchwere Verlufte beis
braditen. Ganz Vorarlberg bi8 auf die feiten Städte wurbe
gezwungen, ven Eidgenoſſen zu buldigen. Am 22. März liefen
2500 Landsknechte, die ind Solothurnſche eingefallen waren,
por 800—1000 Schweizern nach kurzem Kampfe am Bruder-
holz (jüdlich von Baſel) feige davon. Ein ſchwäbiſches Bundes-
beer von etwa 5000 Mann unter dem Grafen von Fürften-
berg wurde am 11. April, als es beutebeladen und teilweije
betrunfen von einem glüdlichen Streifzuge nad Conſtanz zurüd-
febrte, von 1500—2000 Schmweizern am Schwaberloh ſüd⸗
weitlih von dieſer Stadt überfallen, das ganze Geihüg ihm
abgenommen und das feige Fußvolk nur durch die Neiteret vor
Bernichtung bewahrt. Umgekehrt fielen die in Zirol ſtehenden
Heerhaufen Ende März ind Engadin ein, zündeten die Dörfer
an, töteten viele Bewohner und führten mehrere taufend Stüd
Dieb weg, worauf die Schweizer auch zur Räumung Vorarl⸗
bergs genötigt wurben. Gegen wetiere Angriffe juchten fich bie
bei Fraſtenz lagernden beutichen Truppen durch ftarfe Vers
ihanzungen zu decken, welhe am Fuße des die Straße von
Vaduz nah Feldkirch wie die Ebene zwilchen Feldkirch und
wie über die Tiroler. 31
Braftenz flanfierenden Berges angelegt und mit 1500 Schwager
Bergfnappen, dem „ftählernen Haufen”, bejegt wurden. ine
Abteilung des fchweizeriichen Heeres, das in einer Stärke von
10000 Mann am 20. April von Vaduz ber vordrang, um⸗
ging die Schanze über ven fteilen Berg ber, ſodaß bie Be⸗
fagung in die Mitte genommen und überwältigt warb. Hierauf
warb auch die Hauptmacht bei Sraftenz angegriffen und nad
mehrftündigem Kampfe geichlagen. 3000 Mann follen vie
Deutichen bier verloren haben.
Erft jetzt kam der König aus Geldern nach Oberbeutjchland,
bemüht, auch das Reich zur thätigen Zeilnahme am Kriege zu
bewegen, der doch teilweife durch das Streben, die Schweizer
zur Anerkennung dev Reichsgeſetze zu bewegen, hervorgerufen
worden war. Aber die wenigiten Fürften und Städte Tümmerten
fih um die Mahnungen des Königs, da ja der Krieg nur Oſter⸗
reich angehe. Auch der ſchwäbiſche Bund war zu feinen größern
Opfern zu bewegen. Bejonvers litt Maximilian dur) Mangel
an Geld, ohne das Feine Soldaten aufzutreiben, die ange
worbenen nicht unter ver Fahne zu halten waren. Mit Mühe
brachte er 7000 Mann zujammen, wit denen er über ben
Arlberg zog, wahrjcheinlih um in Verbindung mit ven im
Vintſchgau ftehenden Truppen, etwa 8000 Mann, von bort aus
die Eroberung Graubündens zu verfuchen.
Ehe er aber dort anlangte, war die Lage vollftändig ges
ändert. Nach der Mitte des Mai fammelten fich im Münſter⸗
tbale 6300 Graubündner mit der Abficht, von Hier nach
Vintſchgau einzubrechen. Da bie Ziroler nahe am Ausgange
des Thales an der Calva, wo die Berge dasjelbe am meiſten
einengen, eine ausgedehnte und ftarfe Schanze angelegt Hatten,
fo fuchten fie diejelbe wie bet Fraſtenz durch ein Umgehungs-
mandver in die Hände zu bringen. In der Nacht vom 21. auf
den 22. Mat zogen 2000 Bündner über ben am linken Ufer
des Rambaches ſich erbebenden Berg und kamen am Morgen
auf verfchtevenen Wegen auf bie Ebene zwilchen Laatſch und
Schleiß. Statt mit feinen in der Nähe ftehenden Truppen
über die ermübeten und zerftreuten Feinde berzufollen, fcheint
352 Leiden ber. Bewohner durch Hungersnot.
ber unfähige Oberanführer der Ofterreicher, der Schwabe
Ulrich von Habsberg, völlig unthätig geblieben zu fein, bis die⸗
ſelben fich gefammelt Hatten und nun ihrerſeits den Kampf
gegen die am untern Rambach an der Marenger Brücke ftehen-
ben Diterreicher begannen. Hart genug war berjelbe, und. bie
Umgehungskolonne wäre wahrjcheinlich aufgerieben worben, wenn
die aus ben tiroliichen Adeligen beftehende Neiterei eingegriffen
und biejelbe im Rüden gefaßt hätte. Nach fünfftündigem Ringen
gelang es endlich der Hauptmacht der Bündner, die Schanze
zu erobern und dann die Ofterreicher an ver Marenger Brücke,
die nun von zwei Seiten umfaßt wurden, zu überwältigen.
4000-5000 Dann an Zoten und Gefangenen, wie bie Ge⸗
ſchütze und das Hauptbanner verloren die Ofterreicher *), deren
Überrefte in paniſchem Schreden bis Meran flohen. Aber auch
die Graubündner hatten viele Leute eingebüßt und verfolgten
den Sieg nicht. Nach der Ausplünderung und Nieverbrennung
aller Ortichaften von Mals bis Schlanders traten fie den
Rückzug an.
Als fieben Zage nad der Schlacht der König nach Vintjch-
gau kam, fand er feinen Feind mehr. Anderſeits aber Tonnte
an die Eroberung Graubündens bei der Demoralifierung der
Zrümmer bes tirolifhen Heeres nicht mehr gedacht werben.
Schon der Mangel an Lebensmitteln hätte die Anſammlung
größerer Scharen unmöglih gemacht. Die armen Gebirge.
thäler vermögen ja in gewöhnlichen Zeiten ihre Bewohner ohne
Zufuhr von außen nicht zu ernähren. Jetzt waren zu beiden
Seiten der Grenze alle Vorräte aufgezehrt oder vernichtet.
AS der Gejchichtichreiber Willibald Pirkheimer, der als An⸗
führer des Nürnberger Kontingents im Zöniglichen Heere war,
einen Zug nach dem Wormfer Joch unternahm, um eine von
Mailand hergeſchickte Proviantladung in Empfang zu nehmen,
fand er auf dem Marjche bei einem abgebrannten Dorfe zwei
alte Weiber, welche eine Herde von 400 Kindern, bleich und
1) Nach dem Bericht des tirolifchen Landeshauptmanns im „Anzeiger
f. Schweiz. Geſch.“ N. F. I, 181, freilich nur 2000 Mann.
Der Friede von Bafel. 858
abgemagert, hinaus auf die Wiefe führten, um mit Kräutern
ihren Hunger zu ftillen. Die Väter, erklärten ihm die Weiber,
feten im Sriege gefallen, die Mütter aus Hunger und Elend
umgefommen, fie erwarte ein ähnliches Schickſal. Auch eine
öfterreichiiche Zruppenfchar, die unter dem Truchſeſſen Johann
von Walbburg über die Berge einen Zug nad Oberengabin
unternahm, mußte nach Anzünbung aller Dörfer bis Hinauf
nad) Samaden den Rüdzug antreten, da bie Feinde nirgends
ftand hielten, aber der Hunger mit allen feinen Schreden ſich
einſtellte.
Maximilian ging daher wieder über den Arlberg zurück,
um noch einmal ben Verſuch zu machen, die Reichsſtände, ber
fonders den ſchwäbiſchen Bund, zu größeren Opfern hinzu⸗
reißen und zu einem energiichen Angriff auf bie Schweizer zu
bewegen. Aber überall traf er auf Entmutigung und Mangel
an Opferwilligteit. Beſonders nachdem im Weften Graf Hein-
rih von Fürftenberg, der mit 15 bis 16000 Dann das Schloß
Dorned an der Birs belagerte, infolge feiner fträflichen Sorg⸗
Iofigfeit am 22. Juli von den Schweizern überfallen und ge»
tötet, fein Heer geichlagen worden war, wollte niemand mehr
von der Fortjegung des Krieges etwas wilfen. Notgedrungen
gab Dear jeine Zuftimmung zu Unterbandlungen mit ven
Schweizern, die troß franzöfischer Intriguen unter Vermittlung
des Herzogs von Mailand am 22. September 1499 zum
Frieden von Bafel führten. Die von beiden Zeilen gemachten
Eroberungen wurden herausgegeben, ſodaß Ofterreich wieder in
den Beſitz des Prättigau fam. Indem aber auch fonft der
Zuftand vor dem Sriege bergeftellt und zugleich alle beim
Kammergerichte gegen die Schweiz anhängigen Prozeffe durch
den Mdidg nievergefchlagen wurden, warb die Eidgenofjenichaft
tbatjächlih ganz unabhängig vom Weiche, um das fie fich
auh in ihrer auswärtigen Politif nicht im geringjien mehr
tümmerte !).
1) Über diefen Krieg und befien Vorgeſchichte |. befonders Tr. Brobft,
Die Beziehungen der ſchweizer. Eidgenofienichaft zum beutfeen Reiche in
Huber, Seihichte Öfterreihs. III.
Ik
®
7
354 Doppelbeirat zwifchen den Häufern Habsburg und Spanien.
Niemand Hatte zunächft von diefem Kriege zwiſchen Deutich-
lanb und der Schweiz größeren Vorteil als Frankreich. Es
war Ludwig XII. gleich nach feiner Thronbefteigung gelungen,
den Ring feiner Gegner vollftändig zu fprengen. Schon am
14. Juli 1498 ſchloß Heinrich VII. von England, der 1496
auch der heiligen Liga beigetreten war, mit Frankreich Frieden.
Deſſen Beiſpiele folgte am 5. Auguft Ferdinand von Aragonien,
obwohl er mit dem Haufe Habsburg durch doppelte Bande
der Verwandtichaft vereinigt war, da nach den Anfangs 1495
getroffenen Verabrenungen feine zweite Tochter Iohanna am
21. Oftober 1496 den Erzberzog Philipp und im Frühjahr
darauf fein Sohn, der Kronprinz Don Juan, deffen Schwefter
Margareta geheiratet Hatte, die freilich fhon am 4. Oftober
wieder Witwe geworden war. Venedig, mit Ludovico Moro,
welcher der Republik den Beſitz Piſas nicht gönnen wollte,
vollftändig zerfallen, bot dem Könige Ludwig fogar ein Bündnis
an, und basjelbe that ver Papſt Alexander VI., der mit frans
zöfiicher Unterftügung feinem natürlichen Sohne, dem berüchtigten
Cefare Borgia, ein Fürftentum verichaffen wollte. So- blieben
von allen Gegnern Frankreichs nur noch der König Maximilian
und der Herzog von Mailand, der vollſtändig ifoliert war, als
jener in den Krieg mit ven Schweizern verwidelt und dadurch
an einer Unterjtügung Ludovicos gehindert ward.
Jetzt war der Entichluß des franzöfiichen Königs gefaßt.
Während er fi durch Geld und Verfprechungen auch für bie
nächiten zehn Jahre das Recht der Söldnerwerbung in ber
Schweiz ficherte, jhloß er am 9. Februar 1499 einen Bund
mit Venedig, das ihm gegen Überlaffung Cremonas und des
Gebietes im Often der Adda feine Unterftüägung zur Eroberung
Mailands zuficherte. Vergebens begte Lodovico den Venetianern
die Türken auf den Hals; er konnte feinem Schidjale nicht
mehr entrinmen. Der Krieg zwilchen dem Könige Dar und
den Jahren 1486—1499, im „Archiv f. Schweiz. Geld.“ XV, 67—181.
A. Jäger, Der Engebeiner Krieg im Jahre 1499, in „N. Zeitſchr. des
Ferdinandeums für Zirol“ u. f. w. IV, 1—227. Ullmann a. a. O.
J. 647-799.
Eroberung Mailands durch die Franzofen. 865
den Eidgenofjen hinderten nicht bloß den erfteren an der Unter⸗
ftügung des Herzogs, fondern machte es diefem auch unmöglich,
in ber Schweiz Truppen zu werben. Da er durch ben zu.
nehmenden Steuerdruck fich auch feine Unterthanen entfrembet
hatte, fo brach beim Angriffe des franzöfiichen Heeres feine
Serrichaft wie ein Kartenhaus zufammen. Am 6. September
1499 zogen die Franzojen in Mailand ein, nachdem Lodovico
vier Tage vorher feine Hauptftabt verlaffen und fich mit feiner
Familie und feinen Schägen nach Zirol geflüchtet Hatte. Als
er dann am Anfang des folgenden Jahres mit Hilfe ſchweizeriſcher
und deutſcher Söldner fein Land zurüderobern wollte und,
unterjtüßt durch die Abneigung der Mailänder gegen die drückende
Herrſchaft der Franzofen, bereits ben größten Teil desfelben in
feine Gewalt gebracht hatte, fiel er, von den Schweizern ver⸗
raten, am 10. April 1500 in die Hände der Feinde, bie ihn
als Gefangenen nad Frankreich abführten.
Am nämlihen Tage eröffnete Marimiltian den Reichstag
in Augsburg, auf dem er noch einmal verfuchen wollte, bie
Stände zu einer ausgiebigen Hilfeleiftung gegen Frankreich zu
bewegen, deſſen König die Herrichaft über Italien und bie
Kaiſerkrone an fich reißen und bie öfterreichifchen Erblande und
das Reich felbjt bebrohen würde. Berthold von Mainz, aud)
iegt ber Führer der Neichsftände, benutte diefe Stimmung
Marimilians, um ihn zur Genehmigung des Neichsregimentes
zu bewegen, das unter dem Vorſitze des Königs oder feines
Stellvertreters über Tragen der auswärtigen und inneren Politik,
über militäriiche und finanzielle Angelegenheiten entjcheiden und
durch die Art feiner Zufammenfegung dem Einfluffe des Königs
entrüdt und wefentlih von den Fürften, befonders den Kur⸗
fürften, abhängig fein folte. Max ftimmte zu, weil ihm bie
Stände dafür die Einführung einer bleibenden Reichskriegsver⸗
faffung mit einer eigentümlichen Kombinterung von Aushebung
und Befteuerung in Ausficht ftellten, von der er ſich ein Heer
von 30000 Mann und die Mittel zu ihrer Bezahlung ver-
ſprach.
Doch nur zu bald zeigte es ſich, daß man ihm auch dies⸗
23*
806 K. Mar und das Nürnberger Reichsregiment.
mal wieder genarrt habe. Die ſchönen Beſchlüſſe über bie
Aufftellung eines Reichsheeres blieben auf dem Papiere. Das
gegen ſchlug das Reichsregiment, deſſen Seele wieder der Erz
bifhof von Mainz war, eine ber bisherigen Politik des Königs
diametral entgegengefette Richtung ein, ſchloß mit dem fran-
zöfifchen Könige einen Waffenftilfftand, ohne auch nur die tta-
lieniſchen Vaſallen einzufchliegen, ftellte dvemfelben die Belehnung
mit Mailand in Ausficht und gab dem franzöfiichen Gefanbten,
der Maximilian burch den Vorwurf der Beſtechlichkeit in frecher
Weiſe beleidigte, ein Zeugnis feines Wohlverhaltens mit !).
Darf man fih da wundern, wenn nun auch Marintilian um
das Regiment, für das auch viele Reichsſtände jehr geringes
Intereſſe zeigten, fich nicht mehr kümmerte, wenn er endlich jelbft
mit dem franzöfiichen Könige, dem er bei der Gleichgültigkeit
ber beutichen Stände doch nichts anzuhaben vermochte, fich aus⸗
zugleichen bereit war, um wenigſtens auch die Vorteile bavon
für ſich zu ernten?
Die Friedensliebe der niederländiichen Negterung und bie
Beziehungen des Erzherzogs Philipp zu Spanien fpielten dabei
eine wichtige Rolle.
Als um Herbft 1496 der Sohn Marimiliand die zweite
Tochter Ferdinands von Aragonien und JIſabellas von Caſtilien
gebeiratet hatte, konnte niemand vermuten, daß Dies zu einer
Erwerbung Spantens dur das Haus Habsburg führen würde,
da die Prinzelfin Johanna einen Bruder und eine ältere Schweiter
hatte. Allein in fürzefter Zeit ftarben alfe hinweg, welche dem
Erbrechte verjelben vorangingen, im Oktober 1497 der Kron⸗
prinz Don Yuan, deſſen Gemahlin fi in gefegneten Umftänven
befand, aber dann ein totes Kind zur Welt brachte, 1498 die
ältejte Infantin Iſabella, die Gemahlin des Königs von Por-
tugal, und im Juli 1500 auch deren Sohn Miguel. Da nun
die Gemahlin Philipps die Erbin der vereinigten caftilifch«
aragoniichen Länder geworden war und derſelbe dieſes echt
1) Ranke, Deuiſche Gefchichte I, 93 ff. Janſſen, Gefch. d. beutfchen
Boltes I, 533. 8. v. Kraus, Das Nürnberger Reihsregiment, ©. BL ff.
Die Verträge von Blois und beren Bruch. 859
mit ber deutfchen Oppofition aufgebe. Auch fein Sohn Philipp
von Burgund hatte fich enger dem franzöjilchen ‚Könige an⸗
geichloffen, als er mit feinem Schwiegervater aus verjchiedenen
Gründen zerfallen war. Philipp vermittelte eine neue Ver⸗
bindung zwifchen feinem Vater und dem Könige von Frankreich,
beren Ergebnis die Verträge von Blois am 22. September
1504 waren. Dearimilian veriprach jest, Ludwig XII. binnen
drei Monaten mit Mailand zu belehnen, und zwar für fi
felbft und feine Söhne oder in Ermangelung von folchen für
feine Tochter Claudia gemeinjhaftlih mit ihrem Bräutigam
Karl. Ludwig gelobte, ſich nicht in die Angelegenheiten bes
Deutichen Reiches einzumifchen. Beide verpflichteten fich, mit
Terbinand von Aragonien über Neapel feinen Separatvertrag
zu fchließen, ftellten aber bemjelben den Beitritt zu ihrem Bünd⸗
niffe frei, wenn er feinen Anteil an Neapel feinem Enkel Karl
und die Verwaltung desjelben dem Erzherzoge Philipp abträte,
worauf auch Ludwig fein Recht auf die Hälfte Neapels auf
feine Tochter übertragen würde. Falls Ludwig XIL. ohne Sohn
jtärbe, fo follten. die Herzogtümer Bretagne, Burgund und
Mailand (mit Afti und Genua) an Philipp zugunften Karls
und Claudias fallen, Iettere beiden Herzogtümer auch bann,
wenn die Beirat diejer beiden durch Frankreichs Schuld unter
bliebe.
Da dieje Verträge nur durch vorübergehende politiiche Kon-
jtellationen veranlaßt und vonjeite des franzöſiſchen Königs, wie
Maximilian wohl einjah, auch gar nicht ernftlich gemeint waren,
jo famen fie ebenjo wenig zur Ausführung wie die verwandten
Verträge von Trient. Kaum batte ver Kardinal von Amboije im
April 1505 in Hagenau im Namen feines Königs von Max bie
Belehnung mit Mailand erhalten und die Verträge beichworen,
jo widerrief Ludwig mit Difpens besjelben Kardinals zunächit
im geheimen die DVermählung feiner Tochter mit dem Erz
berzoge Karl und verlobte fie mit feinem Vetter, dem Thron.
folger Franz von Angoulöme, was dann im Mat des folgenden
Jahres auf einer Ständeverfammlung auch öffentlich geſchah.
Denn eine Vereinigung der Habsburger mit Spanien gegen
0 Erlsſchen ber Landshuter Linien bes Hauſes Wittelsbach.
Frankreich war jetzt nicht mehr zu fürchten, ba Pilipp mit
feinem. Schwiegervater um bie Regierung von Caſtilien ftritt,
welche die Königin Iſabella auf ihrem ZTotenbette im November
1504_ nicht ihrer ſchwermütigen Tochter Johanna oder deren
Gemahle, fondern ihrem Gatten übertragen hatte, ſodaß Fex⸗
dinand fogar mit Frankreich ein Bündnis ſchloß !). u
Für Maximilian hatte dieſe Verbindung mit. dem Konige
von Frankreich immerhin einen großen Vorteil, indem biefer
dadurch gehindert ward, ihm in ben deutſchen Angelegenheiten,
namentlich im baterifchen Erbfolgefriege Schwierigleiten zu bes
reiten. |
Am 1. Dezember 1503 war Georg der Reiche von Baiern⸗
Landshut mit Hinterlaffung einer Tochter, Elifabeth, geftorben.
Obwohl nach den baierifchen Familienverträgen deſſen Gebiete
an den Herzog Albrecht IV. von Baiern-Münden und beijen
Druder Wolfgang hätten fallen follen, Hatte er doch in einem
geheimen Teſtamente feine Länder wie feine Schäße feiner Tochter
vermacht, die er 1499 mit Ruprecht, bem britten Sohn des
Kurfürften Philipp von der Pfalz, vermäßlte. Ruprecht brachte
auch beim Tode feines Schwiegervaters die Schlöffer von Lands⸗
but und Burghaufen in feine Gewalt, während die Stände ihm
wie Albrecht die Hulbigung verweigerten und ven König baten,
bie Entſcheidung des Streites in jeine Hand zu nehmen.
Recht und Politif forderten Maximilian auf, ſich zugunften
des Herzogs Albrecht auszufprechen. Denn dieſer war fein
Schwager, während das pfälziiche Haus feit einem halben Jahr»
hundert dem Kaifer Oppofition gemacht hatte und auch ber
Kurfürft Philipp immer, ſelbſt zur Zeit der Reichskriege, mit
1) Über die Beziehungen Marimiliang zu Frankreich von 1501 big
1506, wofür Le Glay, Negociations diplom. entre la France et
l’Autriche, T. I, p. 19sqq., wichtige8 Material veröffentlicht Kat, ſiehe
Lanz, Einleitung zum 1. B. ber Mon. Habsburgica, 2. Abtl., S. 60ff.
de Leva, Storia docum. di Carlo V. in correlazione all’ Italia I,
70844. P. Schweizer, Die Verträge von Blois, in „Korfhungen zur
deutſchen Geſch.“ XIX, 1ff.,, und für die Sabre 1501 und 1502
2. dv. Kraus, ©. 154 ff.
8. Raximilians Beteiligung am Erbfolgekriege. 561
Frankreich die engften Verbindungen unterhalten hatte. Er er-
teilte bern auch ſchon amt 9. Dezember dem Herzoge Albrecht
die Belehnung und forberte die Landſchaft zur Huldigung auf.
Doch fuchte er auch fein Intereffe“, wie er fich ausprüdke,
zu wahren und einige baieriſche Gebietsteile am fich zu bringen,
bie ihm zur Abrundung der dfterreichiichen Länder befonders
wichtig ſchienen. Much war er bereit, um einen frieplichen Aus⸗
gleich zu ermöglichen, dem Pfälzer ein Drittel der Beſitzungen
ſeines Schwiegervater® zu verfchaffen. Dieſer wies aber bie
Borfchläge des Könige, vor allen die von demſelben geforberten
Abtretungen, zurüd. Ehe noch eine rechtliche Entjcheivung ges
fallt war, gab die emergiiche Herzogin Eliſabeth durch bie Weg»
nahme der Stadt Landshut am 17. April 1504 das Zeichen
zum Ausbruche des Krieges.
Albrecht IV. wurde nicht bloß vom Könige, fondern auch
vom ſchwäbiſchen Bunde ımb mehreren alten Gegnern der Pfalz
unterftügt. Ruprecht batte faſt nur feinen Vater für ſich; doch
boten ihn die Schäte ſeines Schwiegervater8 die Mittel, zahl-
reiche boͤhmiſche Söldner und deutſche Landsknechte zu werben.
In Baiern, in der Oberpfalz und in ben Rheingegenden wurde
gefämpft und dabei die beimgejuchten Gebiete volljtändig aus—⸗
geplündert, viele Ortichaften nievergebrannt. König Maximilian
bemächtigte fich zuerft ohne Mühe ver an ven pfälztihen Kur⸗
fürften verpfänbeten Reichslandvogtei von Hagenau und ver
Ortenau und nahm biefe für Ofterreich in Befig. Der Kur
fürft von der Pfalz beichränkte fich weientlich auf die Ver⸗
teidigung feiner Gebiete. Im Baiern dagegen zeigte fich bie
pfälziiche Partei ihren Gegnern vollftändig gewachfen, obwohl
Ruprecht ſelbſt jchon am 20. Auguft von der Ruhr hinweg»
gerafft wurde. Um bier eine Enticheivung herbeizuführen, z0g
Mar im Auguft vom Rheine an die Donau, vereinigte fich
mit dem Herzöge Albrecht, dem Markgrafen Friedrich von Ans»
bach und Baireut, dem Herzoge Erich von Braunfjchweig, feinem
Schwager, mit ſchwäbiſchen Kreistruppen und dem Striegsvolfe
der Nürnberger und warf fi damit einem böhmijchen Söldner⸗
beere von 3000 Fußgängern und 900 Weitern entgegen, das
362 Marimilians Sieg bei Wenzenbach.
über Cham nach Baiern marjchierte. Am 12. September kam
e8 beit Wenzenbach norböftlich von Negensburg zur Schlacht. Die
böhmiichen Fußgänger, die Hinter großen, mit Ketten und eijernen
Klammern verbundenen Setzſchilden auf einer Anhöhe aufgestellt
waren, hielten fich jehr wader und ftanden wie die Mauern,
obwohl die Feinde ihnen an Zahl doppelt überlegen waren.
Marimilian jelbft, der an der Spige eines Neiterhaufens fie
angriff, wurde durch eine mit Hafen verjehene Lanze vom Pferbe
geriffen und wäre vielleicht verloren geweſen, wenn ihn nicht
Erich von Braunſchweig mit eigener Lebensgefahr gerettet hätte.
Endlich aber wurden die Reihen der Böhmen zeriprengt, wenig-
ſtens 1500 getötet, mehr al8 700 gefangen, aber von Marie
miltan in ritterlicher Weiſe großenteil8 nachhaufe entlafjen.
Bon bier zog Marimilian gegen Kufftein, deſſen Pfleger
Hans Pienzenauer ebenjo wie der von Nattenberg ihm bereits
im Juni gehuldigt hatte und dafür in feinem Amte beftätigt
worden, aber im Auguft beim Erjcheinen einer pfälzifchen Heeres»
abteilung auf die Seite Ruprechts übergetreten war. Auch
jet, wo der König am 3. Dftober mit einem Deere von
wenigitendg 5—6000 Dann, meift Tirolern und Vorarlbergern,
por Kufftein erſchien, wies Pienzenauer, vertrauend auf bie
Seitigleit der Wälle und Mauern, bie Aufforderung zur Unter,
werfung zurüd. Einer feiner Unterbefeblshaber, Wamolt, der
eine Schar von 200 Böhmen kommandierte, jtellte zwar nad
breitägiger Beſchießung der Stadt die Übergabe derfelben bie
Ausfiht. Da aber die Gefchüge der Belagerer in den erften
Zagen feine große Wirkung hervorgebracht hatten, fo wurde er
ichlieglich feinem Worte untreu, was den König fo erzürnte,
baß er erflärte, wenn noch einmal jemand von einem DBertrage
rede, fo werde er ihm ins Angeficht fchlagen, das ihm das Blut
berabrinne. Max fette daher mit größerem Eifer als anfangs
die Beſchießung fort und den ungeheueren Steinkugeln, welche
feine jet in Thätigkeit geſetzten vier „Hauptſtuck“ ſchleuderten,
bielten auch die ftärkften Mauern nicht ftand. ALS ſchon
mehrere Türme zufammengejchoffen und alles zum Sturme vor»
bereitet war, ergab fih am 12. Dftober die Dejagung ber
Die Eroberung von Kufſtein. 363
Stadt, welcher der König trotz feiner früheren Äußerung Leben
und Eigentum zuficherte.
Die Entrüftung Marimilians erhielt aber neue Nahrung,
als Pienzenauer, der jetzt die Übergabe des Felſenſchloſſes in
Ausficht ftellte, wenn binnen vier Wochen fein Entſatz käme,
fich nicht mit einer Friſt von 14 Tagen begnügte und bie ihm
gewährte Waffenruhe von anderthalb Tagen zur ftärkeren Ber
feftigung des Schloffes benutzte. Durch die Niejengefchüge, bie
Marimilian von Innsbrud kommen ließ, wurbe basjelbe aber
in wenigen Tagen jo zujammengeichofien, daß Pienzenauer und
feine Leute mit flehenden Worten und gefalteten Händen um
Gnade baten. “Der erbitterte König wies aber jet die Kapi⸗
tulation zurüd, entichloffen, bie Feftung mit Sturm zu nehmen
und die ganze Beſatzung über die Klinge jpringen zu laſſen.
Diefe fuchte fih am Morgen des 17. Oktober durch einen
geheimen Ausgang zu retten, wurde aber ergriffen und auf
Defehl Maximilians dem Henker übergeben. Schon waren
Pienzenauer, Wamolt und 18 andere enthauptet, als es den
Bitten Erichs von Braunfchweig, des Fürften von Anhalt und
anderer Bornehmer gelang, den 26 übrigen Schonung zu er»
wirken ’).
Noch mehrere Monate zog fich der verheerende Krieg bin,
bi8 endlih im Februar 1505 ein Waffenftillftand geſchloſſen
wurde. Am 30. Juli diktierte der König auf einem Reichstage
in Köln den mürbe geworbenen Parteien die Sriebensbedingungen.
Für die Söhne des verjtorbenen Pfalzgrafen jollte aus Neu-
1) Neben 3. Würdinger, Kriegsgefehichte von Bayern von 1347
Bis 1506 II, 174—279, der am gründlichfien über ben baierifchen Erb-
folgelrieg gehandelt bat, f. fpeziell über die Belagerung von Kufftein bie
Berichte des kölniſchen Ratsſekretärs Stebufh vom 5., 12. und 17. Oft.
aus der Nähe von Kufftein bei Höhl baum, Mitth. aus dem Stadt-
archiv von Köln XI, 32 ff. und die Schreiben aus bem Lager vor Kuf-
flein an den Kanzler Sarnthein vom 10. und 11. Oft, und 8. Marie
milians an feine Gemahlin vom 18. Oft., die O. Reblid im 9. B.
ber „Mitt. des Inſtituts“ veröffentlichen wird und mir ſchon jet gütigft
mitgeteilt hat. Dadurch werben die Erzählungen Späterer oder ferner
Stehender vielfach berichtigt.
864 Dergrößerung Ofterreich8 durch baieriſche und görziſche Gebiete.
burg und aus ben meiften baieriſchen Beſitzungen nördlich von
ber Donau ein neues Fürſtentum, die fogenannte junge Pfalz
gebilvet werben, bie übrigen Befitungen bes Herzogs Georg
an Albrecht IV. und deſſen Bruver fallen. Maximilian erhielt
für fein „Intereſſe“ außer einigen kleineren Gebieten von ber
Pfalz die Landvogtei Hagenau und bie Ortenau, von Baiern
bie ſchwäbiſchen Orafichaften und Herrichaften Kirchberg, Weiſſen⸗
born und Marftetten, bie fich an die Markgrafihaft Burgan
anfchlofien, Neuburg am Inn und die Städte und Herrichaften
Kufftein, Kigbühel und Nattenberg mit dem baieriichen Zeile
des Zillerthales. Durch letztere, die zu Tirol geichlagen wurden,
erhielt Tirol gegen Norboften eine geficherte Grenze, wie es
kurz vorher durch das Pulterthal im Oſten arrondiert worden
wor. Denn am 12. April 1500 war Leonhard, der lette ber
Grafen von Görz, in Lienz geftorben, worauf Marimilian zahle
reichen früheren Erbverträgen entiprechend deſſen Gebiete, bie
Grafſchaft Görz mit Gradisca und Idria, ausgedehnte Befigungen
in Kärnten, bie Stadt Lienz und das Bufterthal bis zur Mühl»
bacher Klauſe, foweit es nicht den Hochſtiftern Brixen oder
Freiſing gehörte, in Befig nahm. Da das Buftertbal und
Lienz mit Tirol vereinigt wurden, jo erhielt dieſes in wenigen
Jahren gegen Often feine jeige Ausdehnung, wenn man bavon
abfieht, daß die falzburgiichen Befigungen im Brixenthal, Zillere
thal und Windiſch⸗Matrai noch in das heutige Tirol hereinragten.
Der glückliche Ausgang des baierifchen Erbfolgefrieges mußte
auch Marximilians Anjehen im Reiche heben, bejonders da tm
Dezember 1504 auch fein berborragenbfter Gegner unter den
Fürften, der Erzbiihof Berthold von Mainz, geitorben und
burch den Markgrafen Jakob von Baden, einen Verwandten
bes Königs, erjett worden war. Den Plan, für feinen Sohn
Philipp aus Tirol. ein Kurfürjtentum zu machen, jete er zwar
nicht durch. Dagegen bewilligte ihm der Reichstag in Köln,
dem er bezüglich der Herjtellung des Reichskammergerichtes ent
gegentam, auf ein ganzes Jahr 4000 Mann, um bie Ungarn
zur Uchtung des von ihnen gebrochenen Erbfolgevertrages von
1491 zu nötigen.
Tod des Erzherzogs Philipp. 865
Marimilian hatte gehofft, mit den ihm in Köln bewilfigten
Mitteln im günftigen Falle auch feinen lange verzögerten Römer⸗
zug unternehmen zu können. Sein Sohn, der Anfangs 1506
nach Caftifien zog, um fetne Rechte auf die Regierung biefes
Reiches geltend zu machen, follte ihn dabei von der See Ber
unterftügen. Philipp ward auch von den Caſtilianern als
Herr anerfannt und nötigte feinen Schwiegervater zur Auf
gebung feiner Anfprücde. Aber ſchon am 25. September wurbe
er von einem Bigigen Fieber hinweggerafft, worauf ſich bie
Saftilianer doch den König Ferdinand, Frankreichs Bundes⸗
genofjen, als Regenten für Philipps älteren Sohn, ven ſechs⸗
jährigen Erzherzog Karl, gefallen ließen. Auch Venedig hielt
an feiner Verbindung mit Frankreich feſt und verweigerte Maxi⸗
milian den Durchzug nach Rom, wenn er nicht, wie fein Vater,
ohne Begleitung eines Heeres Täme!). Dieſer konnte baber
nicht Hoffen, ohne ausgiebige Unterftügung des Reiches an Frank⸗
reich für den Bruch der Verträge von Blois und Hagenau
Rache zu nehmen und demſelben die Herzogtümer Burgund
und Mailand zu entreißen, die nach ven in Blois felbft ge-
troffenen Verabredungen an feinen Enkel Karl fallen follten.
Er berief daher auf das Frühlahr 1507 einen Reichstag
nad Conſtanz, der auch fehr zahlreich befucht wurde. Mit
feurigen Worten ſchilderte Maximilian den Ständen die vom
Könige von Frankreich drohenden Gefahren und die Abficht
besjelben, die deutiche Nation für Immer ver Kaiſerwürde zu
berauben, und forderte biejelben zu einträchtigem Handeln
und zu fchneller Bewilligung von Geld und Voll auf, damit
er imſtande wäre, die Katferfrone zu empfangen, die Franzofen
aus Mailand zu vertreiben und überhaupt bie verlorenen Reichs⸗
gebiete wieder zurüdzuerobern. Er forderte 10000 Dann zu
Roß und 20000 zu Fuß und meinte, daß Dies feine Schwierig-
feiten bieten fönne, da 60000 reifige Pferde und zehnmal
Bunderttaufend Fußknechte in deutſchen Landen wären.
Wenn Dearimiliaon jo Hohe Forderungen ftellte, fo that
1) Romanin V, 177sgg.
866 Marimilians weitgehende Pläne.
er dies freilich wahricheinlich in der Überzeugung, daß er bie-
felben in jedem Falle ohne bebeutende Abftriche nicht durch⸗
jegen würde. In der That bewilligten ihm die Reichsſtände
nach dreimonatlichen Verhandlungen auf ein halbes Jahr nur
3000 Reiter und 9000 Maun zu Fuß oder für lebtere eine
Summe von 120000 Gulden. Auch wollten fie von einem
Kriege gegen Frankreich ohne vorhergehende Verhandlungen
nichtö willen und ſetzten e8 durch, daß eine Gejandtichaft an
den König Ludwig geſchickt wurde, um deſſen Abfichten gegen-
über dem Reiche zu erforſchen. Mar war übrigens auch fo
in der rofigften Laune. Er boffte mit den Truppen aus ben
dfterreihifchen und den burgundiichen Ländern ein Heer von
30000 Mann zufammenzubringen, mit dem er um jo mehr
ausrichten zu können glaubte, als er Ausficht Hatte, diesmal
bie Schweizer nicht in ben Reihen feiner Gegner, ſondern unter
jeinen Fahnen kämpfen zu fehen. Denn eine Gejandtichaft der»
felben, die in Conjtanz erjchien, erklärte ihre Bereitwilligfeit,
dazu mitzuwirken, daß die Kaiſerkrone nicht in andere ald in
deutiche Hände komme. Da der König fich bereit zeigte, bie
Eidgenoſſenſchaft vom Kammergeriht und von den jonftigen
Pflichten gegen das Reich zu befreien, jo verjprachen fie, ale
„Verwandte“ des Reichs in deſſen Sold 6000 Mann zu ftellen,
damit Marimilian die Kaiſerkrone erlange.. Schon nahm diejer
in feiner fanguinifchen Stimmung weitere großartige Unter«
nehmungen in Ausfiht. Nach dem Empfang der Kaijerkrone
und ber Ordnung ber PVerbältniffe Staliend wie Burgunds
wollte er, wie er den Ständen erflärte, perſönlich einen Zug
gegen die Ungläubigen unternehmen !).
Aber nur zu bald follte er aus feinen jchönen Träumen
aufgeweckt werben! Bei den Schweizern trug auch diesmal das
franzöſiſche Geld über das deutſche Nationalgefühl den Sieg
1) Über die Verhandlungen in Konftanz find bie vollſtändigſten Nach-
richten bei Janffen, Reichscorreſpondenz II, 700 —741, worauf ih auch
für die fpäteren NeichStage verweife. Vgl. aud bie fonftigen bafelbft
eitierten Duellen.
Ungenügenbe Unterſtützung besfelben. 367
davon. Schon Ende Juli konnte ein franzöfifcher Gefanbter
dem Vizekönig von Mailand aus Zürich melden, daß diefelben
dem Könige zur Verteidigung biejes Herzogtums fo viele Truppen
jtellen würden, als berjelbe wünfchte )Y. Auch die Reichsſtände
zeigten bei Ausführung der Conftanzer Beichlüffe ihre gewohnte
Saumjeligfeit. Ihre Kontingente, die am 16. Oftober in Con⸗
ſtanz fein follten, trafen meiſt entweder fpäter ober gar nicht
beim Könige ein. ‘Die Niederlande, wo im Namen des jungen
Karl für Marimiltan feine Huge Tochter Margareta, Witwe
bes Herzogs bon Savoyen, die Regierung führte, vermochte
fich ſelbft kaum des Herzogs von Geldern zu erwehren, der im
geheimen von Frankreich unterftügt wurde. Auch die Stände
jeiner Erblande, die Marimilian übrigens erft auf den 2. Te-
bruar 1508 berief, waren weit davon entfernt, die Wünfche
besjelben im vollen Umfange zu erfüllen. ‘Der Landtag in
Linz bewilligte für den Römerzug ftatt der geforderten 1500
zu Roß und zu Fuß nur 400 Fußknechte auf drei Monate ?),
andere wahrjcheinlih vor dem Ausbruche des Krieges mit Ve-
nedig gar nichts. Nur der tiroliiche Landtag, der jchon 1506
für den Römerzug 50000 Gulden votiert Hatte, bewilligte An-
fange 1507 für denfelben Zwed 1000, und wenn ein Krieg
entjtände, 5000, ja im Fall der Not 10000 Mann ?).
So war das Heer Marimilians, das fi Anfangs 1508
in Südtirol fammelte, groß genug, um das Mißtrauen DVe-
nedigs wachzurufen, das ihn auch jet nur mit geringer Be
1) de Leva ], 100.
2) Pritz, Geſch. des Landes ob ber Enns II, 200. Geforbert hatte
ber König von Ofterreich unter ber Enns 3000, von Steiermark mit der
Grafſchaft Cilli 2300, von Öfterreih ob ber Enns 1500, Kärnten 1500,
Krain mit Görz 1500, alfo von ben fogen. nieberöfterreihifehen Ländern
9800 Mann. Krones, Landtagsweſen der Steiermark, in „Beitr. zur
Kunde ſteierm. Geſchichtsq.“ TI, 106. Vgl. ebb. VI, 83, mwonad ein
fteirifcher Landtag in Marburg kurz vor dem 1. März 16000 Gulden
„wider die Venediger“, mit denen alſo wohl der Krieg ſchon ausgebrochen
war, bewilligt bat.
3) Brandis, Landeshauptleute, S. 388. Sinnader, Beiträge
VII, 109.
868 Mar „erwählter römiſcher Kaifer”.
gleitung durch feine Gebiete ziehen laſſen wollte, aber wie er
felbft fürchtete, zu Kein, um den Wiberjtand der Republik
brechen und fich den Durchzug erzwingen zu können.
Unter ſolchen Verhältniſſen entjchloß fih Maximilian zu
einem Schritte, ver boch eigentlich einen Bruch mit ber mittel»
alterlichen Kaiferivee barftellte. Am 4. Februar 1508 ließ er
im Dome zu Trient in Gegenwart der dort anwejenden Fürſten
und Großen des Reiches nach vorausgegangenen firchlichen Feier»
lichkeiten durch feinen Nat Matthäus Lang, Biſchof von Curl,
verfünden, baß er ben Titel eines „erwählten römiichen Kaiſers“
angenommen babe!). Damit fprah er aus, daß das Recht
auf die Kaiferwürbe fchon durch die Wahl zum römifchen Könige
erworben werde, der Papft alſo auch nicht das Recht Habe,
biejelbe von Deutichland zu trennen und fie etwa dem Könige
von Frankreich zu übertragen. Fortan haben auch die römiſch⸗
deutichen Könige den Kaifertitel gleich nad der Krönung in
Aachen angenommen, und nur Karl V. Bat fich überhaupt noch
vom Papfte krönen laſſen. Doch hat der Papft Julius II.
gegen biejed Vorgehen Maximilians um fo weniger Einwendung
erhoben, als berfelbe fein Recht, ihn zum Kaifer zu krönen,
ausdrücklich anerkannte. Denn einen Nömerzug Darimiliang,
namentlich an der Spike eines Heeres, hatte auch er zu hinter»
treiben geſucht?) und er war froh, wenn derſelbe fih mit
obigem Auswege zufriedenftellte.
1) Berichte von Angenzeugen aus ben nächften Zagen, in „Forſch.
3. deutichen Geſch.“ I, 71, und bei Janſſen, Reichscorreſpondenz II,
742. Über die falfche Darftellung Fuggers ſ. Ranke, Deutſche Geld.
I*, 346 ff.
2) M. Broſch P. Julius IL, ©. 138ff.
Eröffnung der Feindfeligkeiten gegen Venedig. 569
Diertes Kapitel.
Der neunjährige Krieg gegen Venedig.
Um den Franzofen das Herzogtum Mailand zu entreißen
und um bie wirklichen ober vermeintlichen Abfichten Ludwigs XIL
auf die Kaiferfrone für immer zu vereiteln, war Maximilian
um Neujahr 1508 über die Alpen gezogen, ein Krieg mit Ve⸗
nedig entitand daraus. War der Kaiſer der Signoria fchon
fett ihrer zweideutigen Haltung im Sabre 1496 abgeneigt, fo
erbitterte ihn die hartnädige Verweigerung des Durchzugs burch
ihr Gebiet fo ſehr, daß er ſich troß jeiner feindſeligen Stel-
lung zu Frankreich in den Kampf gegen die mächtige Republik
jtürzte.
Schon am Tage nach den Feierlichkeiten in Trient ſchickte
er von Valſugana aus 2000 Fußknechte über die Berge in
das Gebiet von Vicenza, wo fie die Sette Comuni und eine
Reihe anderer Ortſchaften bejegten. Oleichzeitig brang ber
Markgraf Friedrich von Brandenburg im Etichlande gegen Ro⸗
veredo vor. Auf dem öftlichen Kriegsichauplate, wo Erich von
Braunichweig das Oberfommando erhielt, eroberte Sirt Trautſon
mit 1300 Fußknechten Ampezz0 und das Thal Cadore, worauf
man fih zum Angriffe auf das Schloß Peuteljtein anfchidte,
das den Zugang von Zoblah im Bujtertbal her veriperrte.
Obwohl der Markgraf von Brandenburg infolge des Wider-
ſtandes von Roveredo und der ftarten Belegung der Päſſe im
Etſchthale mit feinen ſchwachen Streitkräften nicht weiter vor⸗
zubringen vermochte, und Die Sette Comuni nach wenigen Ta⸗
gen wieder hatten geräumt werden müfjen, ſah der Kaifer im
feinem unverwüftlichen Optimismus bereit: die ftolze Signoria
befiegt zu feinen Füßen liegen. „Die DVenetianer”, fchreibt er
am 1. März dem Kurfürften von Sachſen, „malen ihren Löwen
mit zwei Füßen im Meere, ben dritten auf dem platten Land,
Huber, Geſchichte Öfterreihg. IL. 24
870 Eroderungen ber Benetianer.
den vierten im Gebirge. Wir haben den Fuß im Gebirge bei-
nabe ganz gewonnen, es fehlt nur noch an einer Rlaue, bie
wir mit Gottes Hilfe in acht Zagen haben wollen; dann
benten wir ben Fuß auf dem platten Xande auch zu er»
obern“ }).
Aber fchon in den nächſten Jagen trat ein vollitänbiger
Umſchwung ein. Während die Reichstruppen nach Ablauf ihrer
balbjährigen Dienftzeit nachhaufe zogen und die Stände ber
meijten Erblande mit ihren Bewilligungen Targten, ftellten bie
Benetianer, die auch von ben Franzoſen unterftügt wurden,
zahlreiche Heere ins Feld, mit denen fie auf allen Punkten zur
Offenſive übergingen.
In Cadore wurde Trautjon, der einige hundert Dann Ber-
jtärfungen erhalten hatte, aber e8 an den notwendigen Vor⸗
fichtsmaßregeln fehlen ließ, vom venetiantichen General Bars»
tolomeo d’Alviano am 2. März unvermutet angegriffen und
er felbft mit dem größten Teile der Seinigen, fat 1800 Dann,
nad tapferem Widerftande getötet, bei 500 gefangen. Hundert
Deutſche waren von den im venetianischen Heere befindlichen
Albanejen enthauptet worden, weil dieſen für jeden eingelieferten
Kopf ein Dukaten veriprochen worden war. Don da wendete
fih d'Alviano im April gegen die dfterreichifchen Befigungen in
Friaul, nahm Cormons weg, worauf ſich Pordenone freiwillig
ergab, eroberte Görz, deſſen Eaftell Andreas von Liechtenftein
aus Mangel an Pulver übergeben mußte, dann Duino und
Wippah, zwang am 6. Mai Trieſt, das gleichzeitig von der
venetianiichen Flotte angegriffen ward, durch ein mehrtägiges
Bombardement zur Ergebung, überichritt Anfangs Juni den
Karft, nahm Adelsberg und bedrohte Laibach. In der zweiten
Hälfte des Mai eroberten die Venetianer auch den größten
Zeil des döjterreichiichen Iftrien mit Pifino, während das da⸗
mals auch zu Öfterreich gehörige Fiume (St. Veit am Flaum)
durch die Flotte bejett ward. Unthätig Hatten bie innerölter-
reichiichen Länder den Tortichritten der Venetianer zugeſehen,
1) Bei Ranke, Deutſche Gef. I, 119.
Borbereitung einer Koalition gegen Benebig. 878
der Städte Faenza und Rimini wie fchon früher Ravenmas
bemächtigt hatte. Seit er den päpftlichen Stuhl beſtiegen hatte,
war die Gründung einer umfafjenden Koalition gegen Venedig
einer feiner Lieblingsgedanken.
Schon Im September 1504 beim Abichluffe der Verträge
von Blois war auch ein Bündnis zwifchen dem Papite, Lud⸗
wig XII. und Maximilian gegen Venedig unterzeichnet und eine
Zeilung ihres Gebietes in Ausficht genommen worden; doch
war es damals wenigſtens dem franzöfiichen Könige nicht ernſt
damit geweien. Im Sommer 1507 jhidte der Papit den
Kardinal von Santa Eroce, Bernardino Sarvajal, nach Deutjch«
land, um zwiſchen Dearimilian und Ludwig XII. Frieden her⸗
zuftellen, ber die notwendige Vorausjegung für eine Koalition
gegen Venedig war. Damals war bei Mar die Abneigung
gegen Frankreih und der Wunfch, vemjelben Mailand zu ent»
reißen, noch zu ſtark, als daß er auf den Wunfch des Papftes
eingegangen wäre. Als er fich aber Anfangs Februar 1508
zum Kriege gegen Venedig entichloß, ſchickte er jelbit einen
Agenten an ben franzöfiichen König und gab ihm einen fertigen
Vertragsentwurf mit, deſſen Artifel der päpftliche Legat mit
einigen Räten bes Kaiſers und ben Geſandten des Königs
von Aragonien vereinbart hatte. Danach wollte der Sailer
gegen Zahlung von 100000 Golbfronen Ludwig XII. neuer»
dings mit Mailand belehnen und auf die Vermählung der Prin-
zeffin Claudia mit feinem Enkel verzichten. Die Hauptfache
war aber der Vorfchlag eines Angriffs- und Verteidigungs⸗
bünbniffes gegen Venedig, von deſſen Befigungen der Kaifer
Roveredo, Friaul, Trevifo, Padua, Birenza und Brefcia mit
Balcamonica, der franzöfiihe König die Übrigen ehemals mai—⸗
ländiichen Gebiete erhalten follte. Dem Papfte und den Königen
- von Ungarn und Aragonien follte der Eintritt in biefe Kiga
zur Wiebergewinnung ber ihnen von Venedig entzogenen Bes
figungen freigeftellt bleiben '). Noch brüftete fih der franzd-
1) Broſch, P. Julius II. S. 154 ff. und 838ff. die Anmerkungen
33-36. Der Entwurf war bem kaiferlichen Agenten von feinem Haus⸗
874 Die Liga von Cambray.
fiiche König mit feiner Vertragstreue und erklärte, ohne Venedig
nie einen Vergleich eingeben zu wollen. Als aber biefes dann
mit dem Kaiſer einen dreijährigen Waffenſtillſtand unterzeichnete
und in dieſen wohl Frankreich, aber nicht, wie der König
wünfchte, auch den Herzog von Geldern einjchloß, ſodaß dieſer
den Angriffen Marimilians preisgegeben war, ba wechjelte
Ludwig XIL plöglich feine bisherige Politik und fuchte num
jelbit ein Bündnis mit dem Kaiſer.
In Cambray, wo Ludwigs allmächtiger Miniſter, der Kar⸗
binal von Amboife, mit Marimilians Tochter Margareta und
beffen vertrauteftem Rate, dem Bilchofe Matthäus Lang, tim
Beiſein eines ſpaniſchen und englifchen Geſandten, eine Zufammen-
kunft bielt, wurde am 10. Dezember ein geheimer Bund ab-
geichloffen, deſſen Hauptzwed eine volljtändige Aufteilung der
Veltlandsbefigungen Venedigs war. Der zur Veröffentlichung
beftimmte Friedensvertrag zwilchen dem Kaiſer und Frankreich
war nur Nebenfache, obwohl er injofern von Wichtigkeit war,
al8 er die Verträge von Blois und Hagenau mit Weglaffung
der Heirat zwilchen Karl und Claudia erneuerte, die Belehnung
des franzöfiichen Königs und feiner männlichen und weiblichen
Nachkommen mit Mailand und dafür die Zahlung von 100 000
Goldthalern feitiegte und die Enticheidung des Streites mit
dem Herzoge von Geldern, für den einftweilen ein einjähriger
Waffenftillftand verabredet ward, einem Schiedsgerichte über»
trug. Diejer Friede war die Vorbedingung für bie Liga gegen
Venedig, an der der Papſt, der Kaiſer und die Könige von
Frankreich und Aragonien teilnehmen follten, um bie ®ebiete
wieder zu gewinnen, welche die Republik ihnen entrijjen hatte.
Dana follten an den Papft die Städte der Romagna, an
den König von Aragonien die von Venedig bejegten Hafenjtädte
in Apulien, an den Kaifer Roverevo, Verona, Padua, Vicenza,
Zrevifo und Friaul mit den Befigungen des Batriarchates
Aquileja wie die im lebten Kriege dem Haufe Ojterreich ent-
bern, einem Freunde Venedigs, während er fchlief, geftohlen und abge
fhrieben und dem venetianiichen Geſandten eingehänbigt worden!
Berlkehrtheit ber Politit des Kaifers. 875
rifienen Gebiete, an den König von Frankreich Breſcia, Ber⸗
gamo, Crema und Cremona mit Zugehör fommen. Der Krieg
follte am 1. April begonnen und von allen fo lange fortgejeßt
werben, bi8 der angegebene Zwed erreidt wäre. Um bem
Railer, der 40 Tage jpäter losichlagen durfte, einen anftändigen
Borwand zum Bruche des dreijährigen Waffenftillitandes zu
bieten, follte der Papſt denjelben auffordern, als Beſchützer ber
Kirche diefer zur Wiedergewinnung ihrer Befigungen Beiftand
zu leiften. Dem Herzoge von Savoyen zur Eroberung des
Königreichs Chpern, dem Herzoge von Ferrara und dem Mars
grafen von Mantua zur Erlangung der ihnen durch Venedig
entzogenen ®ebiete wurde ber Beitritt zur Liga freigeftellt.
Auch der König von Ungarn fjollte aufgefordert werden, fich
berjelben anzufchließen und den Venetianern bie Befiungen
abzunehmen, die fie von feinem Weiche unrechtmäßig in Befit
hätten. Um ven beabfichtigten Raubfrieg mit dem Schein des
Rechtes zu umbüllen, follte ver Papit Bann und Interdikt
gegen den Dogen und die Signoria von Venedig und alle ihre
Untertbanen und Länder ausiprechen und bie Verbündeten auf
fordern, ihm den weltlichen Arm zu leihen ?).
Es war jcheinbar ein großer Erfolg vonfeite des Kaiſers,
daß es ihm gelungen war, Frankreich von Venedig zu trennen
und dieſes vollitändig zu tjolteren, und daß er fo Ausficht er»
bielt, nicht bloß die im legten Jahre verlorenen Gebiete, fon»
dern auch das ganze Land bis zum Po und zum Mincio in
feine Hände zu bringen. Im Grunde wird man aber doch
den Abſchluß dieſer Liga als einen großen politiichen Tehler
Marimilians bezeichnen müſſen. Denn er half dem franzöfie
chen Könige die letzte Macht in Oberitalien vernichten, welche
bemjelben noch einigermaßen das leichgewicht gehalten hatte,
und unterjtüßte jo jelbjt die Begründung des franzöfiichen
Übergewichte® auf der apenniniſchen Halbinfel. Denn darüber
1) Die Verträge (lateinifh) bei Dumont, Corps diplom. IV,1,
109 gg. und in franzöfifcher Überfegung bei Le Glay, Negociations I,
226 8909. Bol. dazu Lanz, ©. 93ff.
876 Berweigerung einer Unterſtützung burch das Reich.
konnte er fich doch bet aller Überfchägung feiner Kräfte kaum
täufchen, daß fein Einfluß nicht weit über feine unmittelbaren
Beſitzungen hinausreichen, und von bem Frankreich weit über-
flügelt werden würde. Und wenn es dann, da jedes Duum⸗
virat zur Einheit bindrängt, zwijchen ihm und Frankreich um
die Herrſchaft in Stalten zum Kampfe Tam, jo hätte er ein»
jeben folfen, daß feine Hilfsmittel denen feines Rivalen fchwer-
ih gewachlen ſein würden.
Noch ſchlimmer freilich als die Teilnahme Maximilians
an der Liga jelbft war bie Art und Weife, wie der Krieg von
jeiner Seite geführt wurde. Denn wieder ftürzte er fich in
ben Kampf, ohne fich früher verfichert zu haben, baß ihm bie
notwendigen Kräfte zur Verfügung ſtehen würden, und als er
dann ind Feld rüden wollte, zeigte es fich, daß feine Hoffnungen
großenteild auf Sand gebaut waren.
Der deutſche Reichdtag, den ber Kaiſer am 22. April 1509
perjönlich eröffnete, verweigerte mit nie dageweſener Einftimmig-
feit jede Unterftügung, weil man der Kriege, welche dem Reiche
bisher mehr Schande als Ehre und Vorteil gebracht hatten,
überhaupt müde und beſonders ein Angriff auf Venedig fchon
wegen der Handelsſtörungen nichts weniger als populär war.
Auch die Erblande bewilligten viel weniger, ald ver Kaifer
erwartete. Kine Verjammlung von Vertretern der fogenannten
nieberöfterreichiichen Länder (Oſterreich unter und ob ber Enns,
Steiermart, Kärnten und Krain), die während bes Februar
und Anfangs März im Beiſein von Delegierten aus dem Elſaß
in Salzburg tagte, weigerte fich entjchieden, auf die Forderungen
des Kaifers einzugehen, wonadh von 100 Pfund Grunprente
auf ſechs Donate ein Neifiger (jchwerer Reiter) und vier Fuß-
Inechte geftellt werben follten. Nur einen Neifigen und zwei
Fußgänger von 200 Pfund Rente bewilligten fie!) und zwar
nur auf vier Monate. Auch jollten ihre Truppen nicht früher
1) Das machte nach Angabe ber Vertreter des Landes ob der Enns
vom Sabre 1518 im „Archiv für öſterr. Geſchq.“ XIII, 268, für ihr
Land 120 Pferde und 240 Fußknechte, für Ofterreich unter ber Enns
S60 Pferde und doppelt fo viele Fußknechte.
Spärliche Bewilligungen ber Erblande. 877
in das venetianiſche Gebiet einrüden, als bis ber Kaiſer per-
ſönlich den Feldzug eröffnet Hätte !). Der Kaiſer machte dann
noch wenigſtens bei den Ständen des Landes unter ber Enns
einen Verſuch, fie zur Bewilligung von einem Neifigen und
vier Fußgängern auf ſechs Monate zu bewegen ober, wenn
ihnen das zu bejchwerlich wäre, fie dahin zu bringen, daß im
ganzen 2000 Weiter und A000 Fußknechte geftellt und von
biefen 1000 Weiter und 1000 Fußgänger durch bie fünf
nieberöfterreichiichen Herzogtümer, 500 Reiter und 1000 Zuß-
Inechte von den oberen Landen (Tirol und den Vorlanden) aus-
gerüftet und zu biefen noch 500 Hufaren und 2000 Böhmen
geworben werben follten. Allein bie Stände lehnten jede weiter
gehende Forberung ab ?). Denn foweit ging damals der Pa-
triotismug nie, daß die Stände, auch wenn es einen Kampf
gegen einen gefährlichen auswärtigen Feind galt, ohne weiteres
auf die Wünfche bes Landesfürften eingegangen wären und bie
Rückſicht auf ihre Privatinterefjen dem Wohle und der Ehre
des Baterlandes nachgefegt hätten. Der tiroliiche Landtag, ber
in der zweiten Hälfte des Januar in Bozen verfammelt war,
zeigte fich opferwilliger, aber nur um das eigene Land zu ver-
teidigen. Anfangs verweigerte derjelbe mit Hinweiſung auf bie
Erichöpfung infolge des vorjährigen Krieges jede Unterjtügung.
Erit als die Vertreter der tirolifchen Regierung die Erklärung
abgaben, daß fie fortan ohne Wifjen und Willen der Yand-
ichaft Teinen Krieg anfangen würden, bewilligten die Stände
5000, wenn biefe nicht genügten, 10000, und im Notfalle
fogar 20000 Mann ?). Gegen die Abficht des Kaiſers, den
1) Dimit, Geſch. Krains LI, 11f. Bol. Schönherr, Der Krieg
8. Marimiltans I. mit Venedig 1509 (Wien, 1876, aus bem „Organ
ber militär-wifienfchaftlicgen Vereine”), S. Sf.
2) ©. die Altenftüde im „Archiv f. öfterr. Geſchq.“ XIII, 321—333.
3) Die Mitteilung über die hier gefaßten Beſchlüſſe aus einer Ge-
ſchichte der tirolifhen Landtage, im „Archiv f. Süddeutſchland“ I, 293 ff.,
und daraus bei A. Jäger, Geſch. der landfländ. Berf. II,2, 455f,, er-
Hält erſt ihre wahres Licht wie anderſeits ihre Beftätigung durch die Be—
richte bei M. Sanuto VII, 722, 735. 740. 742. 745.
878 Niederlage der Benetianer bei Agnabello.
tiroliihen Landtag auf die Mitte des April noch einmal zu
berufen und von demielben die Stellung von 6000 Fußyängern
und 200 Reitern auf vier Monate zu verlangen, jprach fich
ber Marichall der Regierung, Paul von Liechtenftein, von vorn»
herein aus. ‘Denn nach den großen Opfern, welche das Land
im vorigen Kriege gebracht, würden fich die Stände ohne guten
Grund und ohne Aussicht auf Fräftige Mitwirkung von anderen
Seiten nicht leicht mehr in einen Krieg gegen die Venetianer
ftürzen laffen ?).
Um wenigftens einige taufend Söldner anwerben und Pros
piant wie das notwendige Kriegdmaterial beiftellen zu können,
mußte der Kaiſer fih durch Verpfändung von Zöllen, Berge
werfen und anderen Einnahmsquellen Geld zu verichaffen
juchen 2).
Deſſenungeachtet batten die Kaijerlichen anfangs große Er-
folge, weil fie nur die Xorbeeren von den Waffenthaten der
Franzoſen zu pflüden brauchten.
Die Benettaner, welche jchon im Dezember die eriten Nach»
richten über die gegen fie abgeichloffene Liga erhalten 3) und
infolge deſſen eifrig gerüftet Hatten, ſchickten ihr Hauptheer,
2000 Weiter und 20000 Fußgänger, nach ver Lombardei, in»
dem fie mit Recht ven König von Frankreich für ihren gefähr-
lichſten Gegner anſahen. Aber infolge des fchlechten Zujammen-
wirkens ihrer beiden Feldherren, des feurigen Alvtano und bes
zagbaften Grafen Pitigliano, wurde die Hälfte desielben am
14. Mai bei Agnadello geichlagen und faft aufgerieben, Alvtano
jelbjt gefangen, während die andere Hälfte, vemoralifiert, einen
1) Schreiben aus Innsbrud vom 7. April 1509 Hei Chmel, Urkunden,
Briefe u. ſ. w., S. 314.
2) Schönherr, ©. 10f.
8) Romanin V, 189sqgq., auf befien gründliche Forfchungen neben
ben reichhaltigen Berichten bei Sanuto, T. VII und IX, bezüglich
alles deſſen, was Benebig betrifft, verwiefen werden fann. Für den Krieg
mit dem Kaifer im Sabre 1509 f. außer Sanuto und Romanin auch
Schönherr, ©. 38ff., wie die Notizen in Schreiben 8. Marimilians
bei Le Glay, Correspondence I, 152. 159. 162. 176. 182. 1%.
\
Eroberungen ber Katferlichen. 879
übereilten Rückzug antrat. Mit einem Schlage ftürzte num
bie Herrichaft Venedigs über das Feſtland zufammen. Die
wichtigften Städte der Lombardei ergaben fich ohne Widerftand
den Franzofen. Verona ſchloß vor dem Grafen Pitigliano vie
Thore. Die Stäbte der Romagna und die apuliichen Häfen
räumte die Signoria freiwillig, um den Papft und Ferdinand
bon Aragonien von den Teinden abzuziehen. Auch dem Katfer
bot die Republik die Rüdjtelung der im legten Sabre eroberten
©ebiete, die Anerkennung der Lehenshoheit des Reiches über
ihre Befiungen in Oberitalien und die Zahlung eines jähr-
lichen Zinjes für Diefelben an. Doch gewährte dieſer dem ves
netianijchen Geſandten Giuftintano als einem Exkommunizierten
nicht einmal die Erlaubnis, fich zu ihm zu begeben *).
In der That konnte Marimiltan hoffen, durch den Krieg
viel größere Erfolge zu erringen. Als feine Truppen, etwa
15000 Wann ſtark, am 1. Juni von Xrient aus ihre Operas
tionen begannen, fanden fie zunächit gar Teinen Feind vor fidh.
Roveredo ergab fich ohne Widerftand dem Kaifer, Riva mit
den umliegenden Ortichaften dem Bilchofe von Zrient. Die
Bürger von Verona öffneten dem kaiſerlichen Geſandten beim
franzöfifchen Könige, Andrea da Burgo, die Thore ihrer Stadt,
ebe noch das kaiferliche Heer durch die Veronejer Elauje bis
zu ihren Mauern vorgeprungen war. Dasſelbe tbaten bie
Bürger von Bicenza und Padua. Nur durch große Begünſti⸗
gungen wurde der Abfall Treviſos verhindert. Im Oſten
wurden durch die Mannichaften, welche die niederöfterreichtichen
Länder geftellt hatten, Görz, Trieft, Duino, Mitterburg, Fiume
und andere im legten Jahre verlorene Ortichaften bejet, welche
bie Benetianer, teil um den Katjer zu verföhnen, teils um
ihre Kräfte zu konzentrieren, freiwillig räumten. Auch von
den Stäbten im Gebirge ergaben fih Bafjano und Feltre
ſchon Anfangs Juni den Kaiferlihen. Als dann Marimilian
1) Romanin V, 213sq. 219. 2gl. Sanuto VIII, 290. 298.
299. 309. 317. 818. 485. Daraus ergiebt fi) von felbft, daß weber bie
angebliche Rebe Giuſtinians, noch bie Antwort des Kaifers echt find.
880 Feindſeligkeiten ber Bauern gegen bie Kaiferlichen.
ſelbſt, dem nun auch ber tiroliiche Landtag Zruppen gegen: die
Venetianer bewilligt hatte, Anfangs Juli mit einigen taufend
Mann durch Valſugana nach Feltre vorbrang, wurde von bier
aus die Stadt Belluno gewonnen, deſſen Kaftell durch den
Kaiſer nach wenigen Tagen ebenfall8 zur Ergebung bewogen
ward. Da auch Serravalle den Kaiferlichen die Thore öffnete,
war der Rüden vollitändig gededt, wenn Marimilian, wie es
bieß, die Belagerung von Treviſo unternahm, der einzigen
größeren Stabt, welche die Venetianer auf dem Feſtlande noch
bejaßen. Er Hatte zu diefem Zwecke bereits fchwere Gejchüge
von Innsbruck über den Brenner und dann auf der Etſch nach
Berona bringen laffen !) und dem Herzoge Erich von Braun-
jchweig, dem „obrijten Feldhauptmann jeiner niederöfterreichiichen
Lande”, der an der DOftgrenze von Friaul ftand, Auftrag ger
geben, fih mit ibm zu vereinigen ?), als plöglich eine vollftän«
dige Wendung eintrat.
Während viele Städte in ber Zeit der böchiten Gefahr das
Banner der ſtolzen Republit mutlos verließen, zeichnete fich die
Landbevölkerung durch unmwandelbare Treue gegen ihre Herrichaft
aus und nahm gegen die Feinde eine jehr feindſelige Haltung
ein. Die Bauern rotteten ſich zufammen, beunrußigten bie
Kaiferlichen, fchnitten ihre Verbindungen ab, zerftörten Die
Brücken und überfielen auch Beinere Abteilungen verfelben.
Die ftrengfte Behandlung derjelben, die Verbrennung ber Ort-
ſchaften und die Niebermegelung der mit den Waffen Ergriffenen,
brachte feine bleibende Wirkung bervor. Da ein bebveutendber
Zeil des ohnehin nicht zahlreichen Heeres durch die Bekämpfung
und Beobachtung der Bauern in Anſpruch genommen wurde,
io Hatte der Kaifer nicht einmal Truppen genug, um die ges
wonnenen Städte mit Binreichenden Beſatzungen zu verjeben.
1) Sanuto VIII, 528.
2) Aus Maroflica vom 14. Juli, im Iunshruder Statthaltereiarchio
Max. 1, 44. Der Auszug bei Schönherr, ©. 43, ift ungenau und
unrichtig motiviert. Auch find Feltre und Belluno nicht durch Erich von
Braunfchweig erobert worben, ſondern ſchon früher in ben Hänben ber
Kaiferlichen geweſen.
Berluft Paduas und defien Belagerung duch den Kaifer. 381
Diefe Haltung der Landbevölkerung wie die oft an ben
Zag tretende Anbänglichleit der untern Volksklaſſen in den
verlornen Städten, bie Schwäche der Railerlichen, die Lauheit
des franzöfiichen Königs, welcher nach Gewinnung der lombar⸗
bifehen Gebiete Venedigs, einer Zuſammenkunft mit dem Kaiſer
ausweichend, fih vom Kriegsichauplage zurüdzog, und die Hoff
nung, den Papit und Terbinand von Aragonien von ber Liga
abziehen zu können, machten der venetianischen Negierung wieder
Mut. Gerade als der Kaifer die Vorbereitungen zur Bes
lagerung von Treviſo traf, gingen ihre Truppen zur Offenfive
über. Schon am Morgen des 17. Juli bemächtigte fich der
Provveditore Andrea Gritti durch Überfall des fchwachbefegten
Padua. Wenige Tage darauf fielen Serravalle, Feltre und
Belluno, wo nur die Burg von den Kaiferlichen behauptet
ward, in die Hände der venetianiichen Truppen, bie überall
bon der Bevölkerung unterftügt wurben.
Um Padua wieder zu gewinnen, zog der Kaiſer vor ber
Mitte des Auguft felbft vor dieſe Stadt. Er vereinigte unter
feinen Fahnen nach und nach ungefähr 22 000 Dann, darunter
auch 3000 franzöfiiche Reiter (500 Lanzen) und ſpaniſche und
ttalienijche Hilfstruppen. Als endlich fein ſchweres Geihüg an⸗
gelommen war, begann er am 15. September die Belagerung,
die er periönlich leitete. Doch war Padua, wo Pitigliano das
Kommando übernommen hatte, von mehr als 14000 Dann
beſetzt, ſodaß man die Stadt nicht einmal von allen Seiten
einzufchließen vermochte. Ein Verfuh, Padua durch Ableitung
des Backhilione zur Ergebung zu zwingen, wurde durch einen
erfolgreichen Ausfall vereitelt. Die Angriffe auf bie Stadt
fcheiterten teil$ infolge des Widerſtandes der ſtarken Beſatzung,
die auch von den Einwohnern eifrig unterftütt wurde, teil$ in⸗
folge der Verräterei einzelner Hauptleute, welche die Venetianer
von allen beabfichtigten Unternehmungen unterrichteten. Wohl
wurde am. 20. September eine Baftion mit Sturm genommen.
Aber die jet auffliegenden Meinen, welche bie Venetianer ges
legt Batten, und das Teuer der Bejagung nötigten bie Katjer-
lichen, die bei 500 Mann verloren, die Schanze wieder zu
882 Weitere Berlufte ber Kaiferlichen.
räumen. Nachdem am 29. September noch ein weiterer Sturm,
der den Angreifenden 1000 Mann koſtete, mißlungen war, bob
der Kaiſer die Belagerung auf!) und kehrte Ende Oftober
nah Tirol zurüd. Selbft der größte Zeil feines Heeres Löfte
fih auf, da feine Geldmittel volljtändig erichöpft waren. Daher
gingen auch Vicenza, Balfano, Feltre und Belluno, kurz mit
Ausnahme von Verona, defjen Beſatzung auch durch Franzojen
und Spanter verjtärkt war, alle wichtigeren Pläße im Laufe
des Novembers an die Venetianer verloren. Auf dem dftlichen
Kriegsichauplage, wo Erich von Braunfchweig das Oberlommando
führte, ftanden die Sachen für den Kaijer noch fchlimmer, da
die Aufgebote der niederöfterreichifchen Länder wenig leifteten
und nach Ablauf ihrer Dienftzeit wieder heimzogen, eine weitere
ipärliche Bewilligung aber erſt im Oltober erfolgte ). Nach»
bem Ende Juli Civivale vergebens angegriffen worden war,
blieben die Kailerlichen längere Zeit ganz unthätig. Erſt zwei
Dionate darauf entrifjen fie den Venetianern zwei Burgen auf
dem Karjt, welche diefelben noch fett dem vorigen Sommer bes
bauptet hatten, von denen aber die eine bald wieder verloren
ging. Fiume wurde am 2. Oktober durch die venetianijche
Flotte unter Trevifano erobert und nach vollftändiger Ausplün-
derung und Verübung aller möglichen Greuelthaten gänzlich
niedergebrannt 8).
An der Möglichkeit verzweifelnd, bie ihm durch den Vertrag
von Cambray zugefprochenen Gebiete mit eigenen Kräften ge-
1) ©. bierüber auch das interefjante Wert von Gloria, Padova
dopo la lega stretta in Cambrai (Padova, 1863).
2) Die Stände von Kärnten bewilligten auf zwei Donate 200 (1)
Mann, die von Steiermark 12000 Pfund. Schönherr, ©. 48f.
Krones in „Beitr. 3. 8. fleierm. Geſchq.“ VI, 83f. Bon ben OÖfter-
reichern und Krainern wird man e8 dann wohl auch für wahrſcheinlich
Balten dürfen.
3) Über diefe Borgänge auf biefem Kriegsichauplage vgl. mit Sanuto
auch die Selbftbiographie Sigmunds von Herberftein in „F. RB. Austr.
SS.“ I, 7384q. und die Schreiben des Biſchofs von Laiba und Erichs
von Braunfchmweig an den Kaifer vom 3. und 6. Okt. bei Chmel a. a. O.
©. 320ff.
Berhanblungen bes Kaifers mit Frankreich unb Spanien. 888
winnen zu können, ja in Gefahr, neue Berlufte zu erleiden,
warf fi der Kaiſer ganz dem Könige von Frankreich in die
Arme, obwohl diefer ihn nur foweit unterjtüßte, als notwendig
war, um feine Ausjöhnung mit Venedig zu verhüten und durch
bie Fortdauer des Kampfes feine Kräfte für lange Zeit lahm
zu legen. DBereitwillig ging Maximilian auf einen ihm vom
Könige Schon im Sommer gemachten Vorſchlag ein, den Krieg
bis zur vollftändigen Vernichtung Venedigs fortzufegen. Zur
nächſt fam es ihm aber darauf an, wenigftens die Gebiete in
jeine Gewalt zu bringen, die ihn in Cambray zugefichert worben
waren. Um den franzöfiichen König zu bewegen, entiweber im
eigenen Solde ibm 1200 Lanzen und 8000 Fußgänger mit
entiprechender Artillerie zu fenden, oder ihn mit 600 Lanzen
und einem ‘Darlehen von 100000 Kronen zu unterftügen,
wollte er ihm alle in Italien zu machenden Eroberungen außer»
balb des Gebietes von Verona als Pfand überlafjen, bis mit
den Einkünften von denſelben die Kriegskoften oder das Dar»
leben getilgt wären. Ja er bot fogar dem Könige den Ober-
befehl im Kriege gegen Venedig an, felbft wenn er perfönlicdh
beim Heere anweſend wäre. Auch den König Ferdinand fuchte
der Kailer auf Drängen Ludwigs XII. dadurch bei der Liga
feitzubalten, daß er denjelben als Regenten in Caſtilien aner-
kannte, bis fein Enkel Karl zwanzig Jahre alt geworden wäre !),
Um aber auch felbjt mit einem feiner Stellung entiprechen-
ben Heere im Felde erjcheinen zu können, wendete ſich Mari⸗
milian wieder an die Stände feiner Erblande und an ben
deutichen Reichstag, den er auf ben 13. Januar 1510 nad
Augsburg berief.
Eine Träftige Unterftügung des Kaiſers wäre jet wirklich
im Intereffe Deutſchlands gewejen. Denn das kann doch feinem
Zweifel unterliegen, daß es für dieſes unter allen Umftänden
von großer Wichtigleit war, eine beberrichende Stellung am
1) Über die Verhandlungen zwifchen dem Kaiſer und Frankreich, wie
K. Ferdinand feit Ottober 1509 f. Le Glay, N£gociations I, 260 3qq.
Bel. Lanz, ©. 104 ff.
384 Bewilligungen des Reiches und der Erblande.
Südabhange der Alpen innezuhaben, um ſo mehr jetzt, wo Gefahr
war, daß das ſchöne Italien und das für das Leben der Völker
noch immer maßgebende Papſttum in Abhängigkeit von Frank⸗
reich kämen. Leider gingen aber die Hoffnungen Maximilians
auch jetzt nicht in Erfüllung, und für die Mißerfolge Deutſch-—
lands fällt doch viel weniger dem Kaifer als den Fürften und
Städten die Schuld zu. Mochte Marimilian fich auch Teicht-
finnig, obne genügende Vorbereitung in Kriege ftürzen, fo batte
er doch eim richtiges Gefühl für die Größe des Neiches, während
die Stände fih nur durch nadten Egoismus, burch die Scheu
vor jedem Heinen Opfer leiten ließen. VBergebend wies der
Katjer darauf hin, daß er die Grenzen des Reiches erweitert,
Burgund und die Niederlande für dasſelbe wiebergewonnen,
durch feine Erbverträge mit Ungarn dem Reiche einen Schild
gegen die Ungläubigen verichafft habe. Die Stände Batten
für alles nur taube Obren, wenn fie auch die Verweigerung
der vom Raifer verlangten Hilfe in der Höhe ber Eonftanzer
Beſchlüſſe mit Höflichen Redensarten verfüßten. Nach langem
Marten bewilligten fie endlih im Mat, da auch der franzö—⸗
fiiche Gefandte fih warm dafür verwendete, 1800 Reiter und
6000 Fußgänger auf ein halbes Jahr. Doc machte der Katfer
auch diesmal die Erfahrung, daß zwiichen Beichluß und Aus”
führung eine weite Kluft fei. Nur der geringere Zeil der bes
willigten Soldaten wurde wirklich geftellt.
Bon den Erblanven zeigte nur Tirol, das beim Kriege
gegen Venedig in erjter Linie intereffiert, aber auch am meiften
in materieller Beziehung geichäbigt war, noch immer große
Opferwilligkeit. Ein Landtag in Bozen bewilligte im Dezember
1509 auf weitere neun Monate 4590 Mann !). Die Deles
gierten der nieberöfterreichiichen Länder, die der Kaiſer im Jahre
1510 auch nach Augsburg berufen Hatte, fchon längft mit der
inneren Politik des Katfers, wie mit der Tortfekung bes
Krieges unzufrieden 2), forderten vor allem Abhilfe zahlreicher
1) Brandis, Gef. d. Lanbeshauptlente, S. 403 ff.
2) subditi nostri ... . incipiunt murmurare, fchreibt der Kaifer ſelbſt
am 16. Nov. 1509 bei Le Glay, Negociations I, 284.
Die Haltung Ungarns. 385
Beichwerben, die bejonders die Verwaltung betrafen. Erſt als
ber Kaiſer ihren Wünfchen teilweiſe nachgab 1), zeigten fich auch
bie Stände entgegentommender und ließen ſich zu einer Steuer
berbei, um auf vier Monate Truppen gegen die Venetianer zu
unterhalten ?).
War jo die Hilfe, die der Kaifer vom Reiche und feinen
Erblanden erbielt, weder bedeutend noch rechtzeitig auf dem
Kriegsichauplage, jo feheiterten auch Die wiederholten Bemühungen,
Ungarn zum Anfchluffe an die Liga und zum Angriffe auf
Dalmatien zu bewegen ?). ‘Die Leiter des ungarijchen Staates
wollten zwar die Not Venedigs benuten, um von dieſem bie
freiwillige Überlaffung Dalmatiens oder wenigftens eine Erhöhung
der Subfidien von jährlichen 30000 Dulaten zu erlangen,
welche die NRepublif ſeit 1504 dem Könige zugefichert hatte.
Um aber biejen Zwed durd einen Krieg zu erreichen, fehlte es
dem Könige an Kraft und noch mehr an Geld, dem Adel an
Opfermwilligleit. Ein durch die Magnaten und Delegierte des
niederen Adels am 5. Juli 1510 gefaßter Beichluß, daß der
König zur Wiedereroberung Dalmatiens einen Feldzug unter-
nehme, wurde von einfichtigen Polititern von vornherein nicht
ernjt genommen, und um fih durch Drohungen zu großen.
Opfern beftimmen zu lajjen, waren die venetiantichen Staats⸗
männer viel zu jchlau und zu zäbe.
Sp war Marimilian 1510 in einer noch viel ungünjtigeren
Stellung als im Jahre vorher und hielt e8 daher für befler,
1) Die Augsburger Libelle vom 10. April 1510 betreffen teilweife
alle filnf nieberöfterreichifchen Länder, teilweife die einzelnen. Vgl. darüber
Adler, Die Organifation der Sentralverwaltung unter K. Marimilian L,
©. 276ff.
2) Wenigſtens willen wir dies vom fleirifchen Landtag, der am
21. April 1510 28000 Pfund bewilligte, die auf Pfingfien (20. Mai)
in Graz eingezabhlt werben follten. Krones, Vorarbeiten, in „Beitr.
3. 8. fteierm. Geſchq.“ III, 103 und VI, 84.
3) Eingebend handelt darüber befonders auf Grund der venetianifchen
Geſandtſchaftsberichte W. Fraknoi, Ungarn und die Liga von Cambray
1509—1511. Budapeſt, 1883.
Huber, Geſchichte Öfterreich. III. 25
388 Scheitern der Abfichten des Papftes.
Krieg ohne Energie führten, möglich ward, die in vielem Jahre
verlornen Plätze mit Ausnahme von Legnago wieder in ihre
Gewalt zu bringen.
Dagegen fcheiterten die Abfichten des Papſtes vollitändig.
Das Unternehmen auf Genua mißlang. Die Schweizer, die
im September, gegen 10000 Mann ftark, bi8 vor Como ge-
fommen waren, erhielten infolge ber Gegenwirkungen des Kaijers
und des Königs von Frankreich Befehl zur Heimkehr und
leifteten biefem auch Folge, da fie Mangel an Lebensmitteln
Yitten. Bon den andern Mächten aber, auf die der Papſt ges
rechnet hatte, fchloß England mit Frankreich einen Freundſchafts⸗
vertrag, Ferdinand von Aragonien blieb aufjeite des Kaiſers,
dem er im Sommer einige Truppen zur Behauptung VBeronas
gejendet hatte, Marimilian jelbjt war weiter als je entfernt,
mit Venedig Frieden zu jchliefen und fich, dem Wunjche des
Papftes entiprechend, an die Spite der Liga gegen Frankreich
zu ftellen. Sein Haß gegen die Nepublif ließ ihn jogar bie
Rückſichten auf das Wohl der Chriſtenheit beijeite fegen, indem
er Anfangs Juni 1510 von Augsburg aus einen Agenten an
den Paſcha von Bosnien fchidte, um die Pforte zum Ans
griffe auf die Befſitzungen Venedigs im Oriente, bejonvers
auf die albanefishen und dalmatiniichen Küjtenftädte zu bes
wegen ).
Der franzöfiihe König aber ging mit geiftlichen und welt-
lichen Waffen gegen ven Papft vor. Auf den September 1510
berief er die Prälaten feines Reiches zu einer Synode nad
Tours, wo fich diefelben für einen Angriff auf ven Papft zur
Abwehr feiner Übergriffe und für die Einberufung eines all-
gemeinen Konzild zur Reform der Kirche und zur Abftellung
der tn berjelben berrichenden Mißbräuche ausſprachen. Dann
ließ er durch jeine italienijche Armee den Papit angreifen, der
1) Broſch, S. 197f., mit den Noten 7—11 ©. 3475. VBgl. Ro-
manin V, 252sq. Benebig ſelbſt hatte freilich fehon im September
«1509 die Unterftügung des Sultans zu erlangen geſucht. Romanin
V, 233g.
Der Kongreß von Mantua. 389
troß feines Alters und feiner firchlichen Würde felbft ins Feld
gezogen war.
Um ben Kaiſer, feinen einzigen Bundesgenoſſen, an feiner
Seite feftzuhalten, erneuerte er am 17. November 1510 in
Blois mit ihm den Vertrag von Cambray und veriprach ihm
nicht bloß zur Eroberung der in dieſem ihm zugeficherten Städte
im nächften Sabre 1200 Lanzen und 8000 Mann Fußvolk zu
jenden, ſondern ihm auch als Herzog von Mailand zum Römer»
zuge und zum Empfange der Kaiſerkrone feinen Beiſtand zu
gewähren !).. So groß und geachtet, erllärte er, wolle er ihn
machen, wie feit Karl dem Großen fein Kaiſer mehr geweſen.
Da aber Ferbinand von Spanien nur unter der Bebingung
jeine weitere Unterftügung zur Ausführung des Vertrages von
Cambray zufagte, daß der Kaifer die Wirche nicht befämpfe, fo
bewog bdiejer den König von Frankreich, die Zuftimmung dazu
zu geben, daß unter feiner Vermittlung auf einem Kongreß in
Mantua eine Ausgleichung zwifchen diefem und dem Papfte
angeftrebt werde. Falls ber Papft fich hartnäckig zeigte, follten
freilih der Kaifer und König Ferbinand zur Ausführung der
Beichlüffe von Zours, alfo auch zur Einberufung eines gegen
den Papft gerichteten Konzils mitwirken. Ein folches konnte
für Julius II. um fo gefährlicher werben, als er durch fein
weltliches Treiben und fein Friegerifches Auftreten in weiten
Kreifen Anftoß erregte und fünf Rarbinäle, darunter folche von
großem Anfeben, ihn verlafjen und fich unter franzöfiichen Schuß
nach Mailand begeben hatten.
Um die Mitte des März 1511 kamen bie Geſandten des
Kaiſers, Frankreichs, Spaniens und Englands in Mantua zu-
jammen. Marimiltan Hatte einen feiner gewiegteften “Diplo,
maten, ven Gurker Biſchof Matthäus Lang gejchiekt, deſſen
Bemühungen im Sinne feines Herrn dahin gerichtet waren,
den Papft wieder mit Frankreich zu verjöhnen, dadurch Venedig
zu iſolieren und bie Liga von Cambray im früheren Umfange,
1) So fchreibt wenigftens der Kaifer am 27. Sanuar 1511 an ben
Rat von Frankfurt. Sanffen, NeichScorrefpondenz II, 827. Bud
390 Scheitern der Unterhanblungen.
vielleicht noch durch England verftärkt, wieder berzuftellen. Um⸗
gelehrt fuchten der Papit und Venedig den Biſchof und Durch
biefen den Kaifer zu gewinnen, um dann mit vereinten Kräften
über die Sranzofen berfallen zu können. Die Unterbandlungen,
die jpäter Lang mit dem Papfte jelbit in Bologna führte,
fonnten freilich unmöglich zu einem Ergebniffe führen, da bie
Ziele und Wünjche der verfchiedenen Mächte zu weit auseinander
gingen. Venedig wollte nicht bloß nichts von dem bisher noch
behaupteten Gebiete abtreten, ſondern den Kailer gegen Zahlung
eines jährlichen Lehenszinſes auch zur Abtretung Veronas be-
wegen. Lang bagegen forverte im Namen feines Herrn von
Venedig die Herausgabe aller Befigungen in Oberitalien mit
Ausnahme von Padua und Zrevijo, die e8 vom Reiche zu
Lehen nehmen und für die e8 einen jährlichen Zins von 100 000
Dufaten entrichten follte, außerdem noch eine einmalige Zah»
lung von menigitend 200000 Dufaten. Der Papit kam
biefen Forderungen joweit entgegen, daß er wohl nie die Zur
ſtimmung der Signoria erlangt haben würde. Er veriprad,,
e8 bewirken zu wollen, daß Venedig Friaul an den Patriarchen
von Aquileja, die übrigen Befigungen auf der Terra firma
außer Padua und Treviſo an den Kaiſer abtrete, dieje beiden
Städte aber vom Reiche zu Leben nehme. Dem Biichofe felbft
bot er den Kardinalshut, die Würde eines Legaten tn Deutjch«
land, das Patriarchat von Aquilefa und andere einträgliche
Benefizien an. Die Venetianer verjprachen demſelben nach
Abſchluß des Friedens 10000 rheinifche Gulden und kirchliche
Pfründen mit einem jährlichen Erträgniffe von 4000 Dukaten
oder einen Gehalt in der gleichen Höhe. Aber auch die lodend-
ften Anerbietungen vermochten den Biichof feiner Überzeugung
nicht untreu zu machen. AndererjeitS war der Papft nicht zu
bewegen, jich von Venedig zu trennen und von der Bekriegung
bes Herzogs von Ferrara abzulafien. Im Gegenteile ſchleuderte
er gerade jett den Bann gegen die Behörden aller Tombarbijchen
Städte, weil fie den König von Frankreich in feinen Firchen-
feindlichen Beftrebungen unterftügten, und indirekt gegen ben
Monig ſelbſt. Lang, der als Stellvertreter des Kaiſers mit
Unterbandlungen tes Kaifers mit Venebig. 391
ungebeurem Selbjtbewußtjein, „wie ein König“, in Bologna auf-
getreten war, brach daher Ende April die Verbandlungenab !).
Die fünf Kardinäle, die vom Papfte abgefallen waren, bes
riefen nun auf den 1. September ein allgemeines Konzil nach
Pila, zu dem fie Julius II. felbft einluden. Zugleich rückte
das franzöfiiche Heer unter dem Marſchall Zrivulzio in den
Kirchenitaat ein, zwang den Papjt zur Flucht aus Bologna,
bemächtigte fich Diejer wichtigen Stadt und zeriprengte die
päpftlich-venetianifchen Truppen, welche diejelbe hätten verteidigen
jollen.
Hätte der Kaijer in Italien eine fchlagfähige Armee gehabt,
jo würde auch er jetzt auf Erfolge haben boffen können. Aber
vieler hatte wieder die Mittel zur Krieaführung nicht aufgebracht
und mußte die wichtigfte Zeit unthätig in Innsbrud zubringen,
wo er fih mit Jagen auf den Bergen unterhielt 2). Unter
ſolchen Verhältniſſen glaubte er Anträge der venetianiichen
Regierung, welche die Anknüpfung von Friedensverhandlungen
wünjchte, nicht jchroff abweifen zu jollen. Das Angebot, das
ibm gemadht wurde, war freilich) weder ſehr vorteilhaft noch
ebrenvoll, indem der Beſitzzuſtand wie vor dem Kriege wieder
bergejtellt werden, aljo der Kaifer das wichtige Verona und
die andern bisher noch behaupteten venetianiichen DOrtichaften
herausgeben und jeine Waffen gegen feinen bisherigen Bundes»
genoffen, den König von Frankreich, wenden ſollte. Dafür
wollte Venedig 500000 rheiniſche Gulden zahlen, die ehemals
zum Weiche gehörigen Gebiete vom Kaijer zu Lehen nehmen
und einen jährlichen Zins dafür entrichten und verjprach dem-
jelben zugleich jeine Unterjtügung wie jene des Papfted und der
Könige von Aragonien, Portugal und England zur Eroberung
bes Herzogtums Mailand. Auch jegt wollte die Signoria
1) M. Sanuto XIU, 127. 147. 160. 351. Coccinius, De
bello Maximiliani cum Venetis ap. Freher-Struve II, 542. Lettres
de Louis XII. 11, 96. 139. gl. Romanin V, 256. Broſch, S. 220
und 353, N. 46—48.
2) Gattinara an Margareta von Ofterreih 20. Inli 1511 bei
Le Glay, Negociations I, 422. >
392 Eroberung Friauls durch die Kaiferlichen.
wieder den Biſchof von Gurk durch Erneuerung der ihm jchon
in Bologna gemachten Anerbietungen für vie Herbeiführung
bes Friedens zu interejfieren juchen ?). Später zeigten fich die
- Benetianer zwar zur Verzichtleiftung auf Verona bereit. Doc
wurden die Verhandlungen, die im Augujt in Toblach geführt
wurden, nach einem Monate abgebrochen, da der Kaiſer den
König von Frankreich nicht im Stiche laffen, Venedig biejen
nicht in den Frieden einſchließen wollte und fich nicht auch zur -
Abtretung von Vicenza berbeiließ 2).
Unterbeffen Hatte der Kaifer doch einige Tauſend Mann be-
ſonders aus Tirol zufammengebracht, welche in Verbindung
mit den franzöfiichen Hilfsvölfern unter la Paliffe Anfangs
Auguft von Verona aus die DOffenfive gegen die Venetianer
ergriffen. Da diefe ihre Kräfte in Padua und Treviſo konzen⸗
trierten, deren Behauptung fie für das Wichtigfte anſahen, fo
fielen die meiften Städte zwilchen der Etich und der Piave,
darunter Vicenza, Feltre und Belluno, ohne Widerftand in die
Hände der Verbündeten. Auf die Nachricht, das: Friaul von
den Benetianern faft gar nicht bejegt fei, wendeten fich nun bie
Kaiferlichen, etwa 8000 Dann ftark, unter dem Oberfommifjär
Chriſtoph, Biſchof von Laibach, und dem oberiten Feldhaupt⸗
mann Jörg von Liechtenftein, um die Mitte de8 September
nad) Oſten, befette Conegliano, Sacile, Pordenone und andere
Städte, brachten Udine zur Übergabe und eroberten die Feſtung
Gradisca. Nach der Unterwerfung Friauls, wo nur vereinzelte
Plätze wie Oſopo für Venedig fich hielten, kehrten die Kaiſer⸗
lihen Anfangs Oktober wieder an die Piave zurüd, um ver-
eint mit den Franzoſen Treviſo anzugreifen. Aber die Bes
lagerung unterblieb, fei es, weil man fich zu jchwach fühlte,
fet eg, weil die Franzoſen mit den Kaiferlichen auf fchlechtem
Fuße ftanden, oder weil der franzöfiiche König feine Hilfstruppen
bei der vorgerüdten Jahreszeit nach der Lombardei zurüdrief.
1) Romanin V, 259sa.
2) Le Glay, Negociations I, 438. gl. 431. 4383. Sanuto XII,
304. 330. 337. 351. 376. 379. 385. 398. 399. 401. 404. 437.
Diplomatifche Erfolge bes PBapftes. 393
Da nun auch das Fatjerliche Heer fich auflöfte, jo eroberten
die Venetianer Vicenza, Beltre, Belluno und Friaul, mit Aus
nahme bes tapfer verteibigten Grabisca, in wenigen Wochen
wieder zurüd ). Bleibenden Wert hatte e8 nur, daß Leonhard
von Völs, Landeshauptmann von Tirol, nachdem ein Landtag
in Brixen neuerdings 5000 Mann auf vier Monate bewilligt
batte, im Herbſte die Bergfeiten Kofel (Covelo) an der Brenta
und ‚Peuteljtein in Ampezzo, lebtere unter Mitwirkung des
Raifers felbft, zur Übergabe zwang ?).
Während Venedig im Felde den Kaiferlichen und Franzoſen
ſtandhielt, war der Papſt auf biplomatifchen und kirchlichem
Gebiete thätig. Um das Konzil zu Piſa unſchädlich zu machen,
berief er felbjt am 18. Juli 1511 auf den April des folgenden
Jahres eine allgemeine Kirchenverfjammlung nach dem Lateran,
um die Reform der Kirche in die Hand zu nehmen. Schon
Ende Juni machte ihm der König Ferdinand von Aragonien,
welcher in der Befeftigung des franzöfifchen Übergemwichtes in
Italien auch eine Gefahr für fich erkannte, den Antrag, ihm
zur Eroberung Bolognas Hilfe zu leiften. Anfangs Auguft
waren die Unterhandlungen jo weit gebiehen, daß eine Liga
gegen Frankreich zwifchen dem Papfte, Spanien, England und
Benedig dem Abfchluffe nahe war. Da verfiel Julius II. am
17. Auguft in eine fchwere Krankheit, und jchon nach wenigen
Zagen bielt man ihn für verloren; ja er wurbe fogar einmal
für tot gehalten. Er genas zwar dann wieder; aber es hieß,
er könne unmöglich mehr Yange leben.
1) Bol. mit den Berichten bei Sanuto: Coccinius, 546 sqg,,
den Brief der Führer der Saiferlihen aus Collorebo bei Udine vom
21. September bei Chmel, ©. 333, und jenen des Girolamo Savor-
gnano vom gleichen Tage aus Ofopo, im „Arch. stor.“. Nuova seriell, 2,
p. 24, wie das Ausfchreiben des Kaifers felhft aus Toblach, 8. Oltober
1511, in „N. Zeitfehr. d. Ferbinandeum” VIII, 151.
2) Brandis, Landeshauptleute, S. 422. Bol. die urkunblichen
Notizen bei FI. Orgler, Leonhard Colonna Freiherr v. Völs, S. 14f.
(Programm ber Gymn. in Bozen 1859) und Sanuto XII, 548. 550.
551. 562; XII, 157. 161. 166. 171. 182. 184. 192.
394 K. Marimilians Plan, Papft zu werben.
Damals tauchte in Marimilian, der am 31. Dezember
Witwer geworben war, der abenteuerliche Plan auf, jelbft Bapit
zu werben, oder, wenn Yulius Il. mit dem Leben davon käme,
wenigitensd die Ernennung zum Koadjutor desſelben durchzuſetzen.
Sein Bertrauter, Bilchof Lang, ſollte nah Rom geben, um
die Sache zu betreiben. Zur Beftechung der Kardinäle und
anderer einflußreicher Berjonen wollte er 300000 ‘Dufaten
aufwenden, die jein Rat Paul von Xiechtenjtein gegen Ber
pfändung von vier Truhen mit faiferlichen Kleinodien von den
Fuggern zu erbalten juchen ſollte. Er rechnete außer auf feine
Dufaten auf die Hilfe der Römer, befonders der Colonna und
Drfini, vie feinen franzöfiich oder ſpaniſch gefinnten Papſt wollten,
wie auf die Unterjtügung des Königs Terdinand, der fich mit
dieſem Plane unter der Bedingung einverjtanden erklärt hatte,
daß Marimilian auf die Kaiſerwürde zugunjten des Enkels beider,
des Erzberzogs Karl, verzichte. Nicht ohne Ironie jchreibt
Marimilian jeiner Tochter Margareta, er würde Priejter und
dann Heiliger werden und fie würde nach feinem Tode ihn als
jolchen verehren mülfen ). In Wirklichkeit mochte es freilich
dem Kaiſer weniger um den Ruf der Heiligfeit und um die
dreifache Krone zu thun jein als um die Gelegenheit, Herr des
1) Die Schreiben 8. Marimilians an Paul von Liechtenftein aus
Briren vom 16. September, bei Goldaſt, Polit. Reihshändel (Franf-
furt, 1614), ©. 428 (wo der authentifche deutfche Text ift, von dem bie
lateiniſche Überfegung in den „‚Lettres du roi Louis XII.“ III, 325
vielfach, und zwar weſentlich abweicht), und an die Herzogin Margareta
vom 18. September bei Le Glay II, 37. X. Jäger, Über 8. Mari—
milians Berhältnis zum Papſtthum („Situngsber. db. kaif. Akad.” XTI. 8.)
bat zwar nachzumeilen gejucht, daß die Ausdrücke in dieſen Briefen alle-
gorifch gemeint feien und daß der Kaifer damit nur feinen Plan andeuten
wolle, einen ihm ergebenen Mann auf den päpftlihen Stuhl zu bringen.
Allein fie find zu beftimmt, als daß eine ſolche Auslegung zuläffig wäre.
©. dagegen auch Lanz, Einleitung, S. 118; W. Böhm, Hat 8. Mari-
milian I. im 3. 1511 Papft werden wollen? (Berlin, 1873) und Broſch,
P. Julius IL, ©. 335, N. 17, der einen Beleg dafür bringt, daß noch
im Dezember zwifhen K. Ferdinand und dem Kaifer darüber verhandelt
worden ift.
Die „heilige Liga”. 3%
Kirchenjtaates zu werden und fo in Italien feften Fuß zu faffen,
nachdem alle jeine fonjtigen Verjuche mißlungen waren. ‘Der
ganze Plan zerplatte aber wie eine glänzende Seifenblafe, da
Julius II. vollftändig genas und nur mit noch größerer Energie
gegen feine Feinde, beſonders den König von Frankreich vor»
ging.
Am 24. Dftober jchleuderte der Papit den Bann gegen
bie jchismatifchen Kardinäle, welche das Konzil nach Piſa bes
rufen hatten. Dasſelbe wurde zwar troßdem am 1. November
eröffnet, aber, da fich der Kaifer ganz gleichgültig gegen das⸗
jelbe verhielt, nur von wenigen Prälaten bejucht, die von
Tranfreich abhängig waren, und mußte wegen ver drohenden
Haltung des pijaniichen Volkes jchon nach wenigen Tagen nad
Mailand verlegt werben.
Am 5. Oktober wurde in Rom die zwilchen dem Bapfte,
Verdinand von Aragonien und Venedig abgeſchloſſene „Heilige
Liga“ feierlich befannt gemacht. ALS ihr Zweck ward Die
Wiedereroberung Bolognas ımd die Herjtellung der Integrität
des Kirchenftantes angegeben. Dem Raifer und dem König
von England wurde ber Beitritt offen gehalten. Noch mehr
rechnete man auf die Unterjtügung der Schweizer, welche, vom
franzöfiichen Könige in leßter Zeit vernachläffigt und gekränkt
worden waren und jich daher durch das Geld des Papftes und
das Zureden des zum Kardinal ernannten Schinner gegen den⸗
jelben gewinnen ließen.
Anfangs waren die Franzoſen der heiligen Liga gegenüber
bei weitem im Borteil. Ihr jugendlicher, aber tüchtiger Führer
Gaſton von Foir, Ludwigs XII Schwefterfohn, erftürmte im
Februar 1512 Breſcia, deſſen fich die Venetianer mithilfe der
Bewohner bemächtigt hatten, und brachte am Dfterfonntage
(11. April) dem fpanijch-päpftlichen Heere bei Ravenna eine
vollitändige Niederlage bei.
Aber der Tod des heldenmütigen Führers hatte die Folge,
daß die Franzofen dieſen Sieg gar nicht benußten, und in
furzer Zeit trat ein gänzlicher Umſchwung ein, wozu die Haltung
des Kaiſers nicht wenig beigetragen bat.
39% Trennung: des Kaiferd von Frankreich.
Der Ausgang des Feldzugs von 1511 hatte Marimilian
überzeugt, daß die Unterftügung Frankreichs weder ausgiebig
noch anhaltend genug fein würde, um ihn in den Beſitz der
Städte zu bringen, welche ihm der Vertrag zu Cambray zu-
geiprochen hatte. Er trat daher, ohne daß er fich noch von
Tranfreich trennen wollte, in immer engere Beziehungen zumt
Bapite, der ihm einen günftigen Frieden mit Venedig in Aus⸗
ficht ftellte. Um dem franzöfifchen Könige den letzten Bundes⸗
genofjen zu entziehen, follte die Republik dem Kaiſer Verona
und Vicenza überlaffen. Da die Signoria trog der Drohungen
des Papſtes und des Königs Ferdinand jede Gebietsabtretung
verweigerte, fette jener e8 wenigftens dur), daß am 6. April
zwifchen dem Kaiſer und Venedig ein zehmmonatlicher Waffen-
ſtillſtand abgejchloffen wurde, wofür letzteres 40000 ‘Dulaten
zahlte), Damit hatte der Kaiſer den enticheivenden Schritt
getban. Er fchloß fich noch nicht der heiligen Liga an und
blieb äußerlich jogar noch Frankreich Verbündeter. Aber er
nahm eine Haltung ein, welche biefem nachteilig, jener günftig
war. Er geftattete nämlich ben Schweizern, die, 18000 Mann
ftark, dem Papfte zuhilfe ziehen wollten, ihren Weg durch Tirol
nach Verona zu nehmen, fo daß fie fih Ende Mai mit den
Venetianern vereinigen und auf diefe Weife mit Artillerie und
Neiterei verjehen werben konnten ?). Und in biejem entjchet-
denden Augenblide, wo eine große Macht fich gegen die Lom⸗
barbei und die Romagna in Bewegung fette, gab der Kaiſer
- ven im franzöfiichen Solde ftehenden Lanböfnechten, mehreren
taufend Dann, meiftens Zirolern und Schwaben, die in Brefcia
und bei Ravenna wejentlich zum Erfolge beigetragen hatten,
den ſtrengſten Befehl, das franzöfiiche Heer zu verlajjen. Auf
eine Verftärfung aus der Heimat durften bie franzöfiichen Feld⸗
herren auch nicht rechnen, ja, fie mußten noch einen Zeil der
ſchweren Reiterei bortbin fenden, weil Heinrich VIII. von Eng-
1) „Lettres de Louis XII“ III, 217. Sanuto, XIV, 96. Bgl.
Broſch, S. 249.
2) Vgl. auch W. Giſi, Der Antheil der Eidgenoſſen an der euro-
päiſchen Politik in den Jahren 1512—1516, S. 42 ff.
Derbrängung der Franzoſen aus Italien. 397
land mit dem Könige Ferdinand, jeinem Schwiegervater, ein
Bündnis gejchloffen und einen gemeinfamen Angriff auf das
ſüdliche Frankreich verabredet hatte.
Unter ſolchen Verbältniffen wagten bie Franzoſen gar feinen
Verſuch, den Ligiſten in Italien Wiverftand zu leiften. “Die
Romagna wie das Herzogtum Mailand räumten fie bis auf wer
nige Buntte freiwillig, und Hinter ihnen ftürzte alles zufammen,
was fih an Frankreich angelehnt hatte. Genua erhob fih und
wählte einen Dogen. Florenz wurbe durch die Spanier über-
wältigt und wieder den Medici übergeben. In Mailand wurde
durch die Schweizer im Einverftändnis mit dem Bapfte der
junge Marimilian Sforza, der Sohn Ludovico Moros, als
Herzog eingeſetzt, obwohl der Kaiſer und Ferdinand von Ara⸗
gonien die Übertragung dieſes Landes an ihren Enkel, ven Erz
berzog Karl, gewünfcht hätten. Und während das franzöfifche
Banner in Italien in den Staub fant, verlor auch der König
von Navarra, ein Bundesgenofje Ludwigs XIL, fein Reich an
bie Spanier. Das Übergewicht Frankreichs, vor kurzem noch
jo drohend, jchien vollkommen gebrochen, in Stalien der Ein⸗
fluß Spaniens und der Schweizer überwiegend.
Der Kaiſer war bei allen diefen Vorgängen unthätiger Zus
ichauer gewejen. Er Hätte zwar guten Grund gehabt, offen
gegen Frankreich aufzutreten, weil der König den Herzog von
Geldern, der jchon vor längerer Zeit den Krieg in den Niebere
landen wieder begonnen hatte, mit Geld unterjtüßte. Aber
feine Kaſſen waren leer, feine Einkünfte verpfändet, feine Erb»
Iande erichöpft und zu feinen nennenswerten Bewilligungen
mehr zu bewegen ?), der deutſche Neichdtag, den er auf Oftern
1512 nad) Trier berufen hatte und fpäter nach Köln verlegte,
gegen feine Forderungen taub.
Dei ver Schwäche feiner eigenen Kräfte mußte Marimiltan
fih um fremde Stüßen umſehen. Es waren bie einerjeits-
1) ©. bezüglich der inneröfterreichifchen Länder Krones in „Beitr.
zu 8. fteierm. Geſchq.“ VI, 86f., und Dimitz II, 16f., bezüglih Tirols
4. Jäger 11,2, 470ff.
398 Bündnis des Kaifers mit dem Papſt,
Heinrih VIIL. von England, mit dem feine Tochter Marga-
reta fchon lange über ein Separatbündnis verbandelte ?),
anderjeitS der Bapft, dem jehr viel daran lag, den Kailer zur
Anerkennung des Tateranenfiihen Konzils zu bewegen, und ber
an demielben zugleich ein Gegengewicht gegen den immer mehr
um fich greifenden Einfluß des fpanifchen Königs auf der ita-
lieniſchen Halbinfel zu erhalten fuchte. Es war dem Papſte
fehr erwünjcht, daß Anfangs November 1512 Matthäus Lang
als Bevollmächtigter des Kaifers nad Rom fam. Um diejen
zu gewinnen, machte er deſſen Forderungen den Venetianern
gegenüber vollftändig zu den feinigen. ‘Diele jollten zugunften
des Kaiſers auf Verona und Bicenza Verzicht leiften und für
die Belehnung mit Padua und Zreviio 250000 Dukaten
zahlen und einen jährlichen Lebenzing von 30000 ‘Dufaten
entrichten. Da biejelben auch jest diejes Verlangen abjchlugen
und umgefehrt die Herausgabe von Verona verlangten, wofür
fie dem Kaiſer lebenslänglich eine Summe Geldes jährlich zahlen
wollten, fo unterzeichnete der Bapit am 19. November 1512
ein Bündnis mit dem Kaiſer und verfprach ihm gegen die An-
erfennung des lateranenfilchen Konzils, mit weltlichen und kirch⸗
lihen Waffen gegen Venedig einzufchreiten, wenn dieſes den
erwähnten Forderungen nicht nachgäbe ?). Es war eine der
legten wichtigeren Handlungen Julius’ IL, der am 21. Februar
1513 aus dem Leben ſchied und auf dem päpftlihen Throne
ven Kardinal Johann von Medici als Papft Leo X. zum Nach⸗
folger hatte.
Die natürliche Folge diefes päpftlich-Faijerlichen Bünbniffes
war, daß das bedrohte Venedig den Lockungen des franzöfiichen
1) Zu dem hierüber fon von Le Glay, Correspondence, ver-
öffentlichtem Briefwechſel zwifhen dem Kaifer und feiner Tochter bat
Brewer, Lettres and papers, foreign and domestic of the reign
of Henry VIIL, Vol. I, die Berichte der englifchen Gefandten am Hofe
Margaretas mitgeteilt.
2) ®gl. Romanin V, 27784q. Brojd, ©. 264ff. Der Bifchof
son Gurk hatte auch diesmal die ihm vom Papfte angebotene Karbinals-
würde mit Nüdfiht auf dem Dienft des Kaifers abgelehnt. Bericht Han—
nart8 ans Rom vom 23. November, bei Le Glay, Negoc. I, 515.
Benebigs mit Frankreich. 399
Königs, der ihm alle früheren Befigungen in ber Xombarbei
mit Einjchluß von Eremona in Ausficht ftellte, Gehör gab und
am 23. März 1513 in Blois mit vemjelben eine Allianz
ſchloß. Wenige Zage darauf famen auch die Unterbandlungen
zwijchen Heinrich VIII. und dem Kaiſer zum Abſchluſſe. So
ſtanden jett Srankreich und Venedig gegen den Kaijer, Spanien,
England, den Papft, den Herzog von Mailand und deſſen eif-
rigite Beſchützer, die Schweizer, denen berjelbe für jeine Ein
jegung bie Gebiete des Teſſin überlaffen und eine große Summe
Geldes gezahlt hatte, wie er auch ruhig zuſah, als die Grau-
bündner das Veltlin mit Chiavenna in Befig nahmen. Die
Überlegenheit der Gegner Frankreich ſchien außer Zweifel, und
biefe Überzeugung fand ihren Ausprud in dem am 5. April
abgejchlojfenen Bunde zwifchen dem Kaifer und England. Denn
als Ziel desjelben wurde die Wiedereroberung aller franzofi-
ſchen Gebiete bingeftellt, welche früher einem ver verbünbeten
Fürſten gehört hatten, alſo aller Länder, die einjt im Beſitze
der Herzoge von Burgund oder der Könige von England ge-
weien waren. Zu biefem Zwecke follten auch Spanien und
der Papft mitwirken und feiner der Verbündeten ohne Zuftim-
mung der übrigen die Waffen nieberlegen pürfen. Vom Norden,
vom Djten und vom Süden jollte Frankreich angegriffen und
nicht bloß geihwächt, ſondern volljtändig zerftücdelt werben.
Doch krankte auch diefe Koalition an dem gewöhnlichen Übel
einer folchen, daß ihre Mitglieder von verjchiedenen Interefien
geleitet und teilweife von Eiferfucht gegen einander erfüllt
waren. Es gelang nicht einmal, alle Durch einen gemeinjamen
Bundesvertrag zu vereinigen, und nur burch Cinzelverträge
waren bdiejelben mit einander verknüpft. Ja Ferdinand von
Spanien, der an den Phrenaen Ruhe Haben und feine Ver—⸗
bündeten nicht zu mächtig werden lafjen wollte, ſchloß fogar am
1. April mit Frankreich für die Dauer eines Jahres Warffen-
jtillftand, der nur für Italien nicht verbinvdend jein jollte.
So fonnten ungeachtet der großen Zahl der Feinde bie
Franzoſen die Dffenfive beginnen. Verſtärkt durch zahlreiche
deutiche Landsknechte, die troß des Verbotes des Kaiſers in
400 Niederlagen der Franzofen bei Novara und Guinegate.
ben Dienft des Königs traten, zogen biejelben im Mai 1513
gegen Mailand, Der Angriff veriprach Teichten Erfolg, da
ber Herzog infolge feiner Schwäche und der Habjucht und Ge⸗
waltthätigkeit feiner Beſitzer die Anhänglichkeit feiner Unter-
tbanen. verloren hatte und von Oſten ber ein venetianijches
Heer unter Alviano gegen die Adda z0g, während die Spanier
unthätig zujaben. Im kurzer Zeit war faſt das ganze Herzog.
tum mit der Hauptſtadt in den Händen ver Feinde, Mari-
milian Sforza felbjt in Novara eingejchloffen, jener Stabt,
bie jchon für jeinen Vater jo verhängnisvoll geworden war.
Am 6. Juni aber wurde das franzöfiiche Heer in der Näbe
biejer Stadt durch die Schweizer gänzlich geichlagen und zum
Rückzuge über bie Alpen gezwungen, worauf auch Alviano wieder
über ‚die Etſch zurüdging.
Nun wendeten fich die Waffen der Verbündeten gegen Frank⸗
reich ſelbſt. Ende Juni drang der englifche König mit einem
jtattlichen Heere, bei dem auch viele nieverländijche und deutſche
Söloner waren, von Calais aus in Frankreich ein und ber
lagerte die Zeitung Therouenne in der Grafſchaft Artois. Ob-
wohl der Kaiſer, der nach den Niederlanden kam, wegen der,
Neutralität derjelben Fein Heer zur Verfügung hatte, litt e8
ihn nicht, dem Kampfe untbätig zugujehen. Schon im Februar
batte er dem englijchen Könige, der ihn um die Überlafjung
zweier Heerführer gebeten, melden lajjen, er ſelbſt wolle Chef
und Hauptmann der englijchen Armee fein !). Jetzt fand er
fih in eigener Berfon mit zweihundert Neitern im englijchen
Lager ein und ftellte feinem Verbündeten feine Kriegserfohrung
zur Verfügung. Unter feiner Anführung fiegten die Engländer
am.16. Auguft über die Sranzojen, welche Therouenne zu ent⸗
fegen verjuchten, bei Quinegate, wo er vor 34 Jahren
die eriten Xorbeeren um jeine jugendliben Schläfe gewunden
batte. Die Folge dieſer glänzenden Schlacht, der „Sporen-
ichlacht”, wie man fie nannte,. weil. die Branzojen ſich mehr
ber Sporen als der Schwerter bebient Hatten, war die Kapi⸗
:. 1).Le.Glay, Correspgndange II, 95.
Kämpfe der Verbündeten gegen bie Venetianer. 401
tulation der belagerten Feſtung. Am 9. September wurbe
dann Frankreichs Berbündeter Jakob IV. von Schottland, ber
mit einem zahlveichen Heere in England eingefallen war, bei
Flodden geichlagen und mit 8000 Mann getötet. Gleichzeitig
waren, dem Wunfche des Kaifers Folge gebend, 30000 Schweizer,
durch Failerlihe Truppen, bejonders Artillerie und Reiterei,
unter dem Herzoge Ulrich von Württemberg verftärkt, nach
Burgund vorgedrungen und batten fich zur Belagerung ver
ſchlecht befeftigten Hauptftadt Dijon angeſchickt. Von zwei über⸗
legenen Heeren war Frankreich bedroht.
Deffenungeachtet ging diefer gefährlihe Sturm faft ohne
Schaden vorüber. Der Gouverneur von Dijon, la Tremouille,
bejtach einen Zeil der fchweizeriichen Hauptleute und bewog bie
Eidgenofjen am 13. September zu einem Frieden, indem er bie
Verzichtleiftung Frankreich auf Mailand und die Zahlung von
400000 Kronen verſprach. Der König verweigerte die Des
jtätigung dieſes Vertrages, und die Schweizer waren geprellt;
aber der Zwed, den Abzug derfjelben aus Frankreich zu ber
wirfen, war erreiht. Ebenſo zog der König von England
nachhaufe, nachdem er den Franzoſen noch Tournay entriſſen
batte.
Der Krieg gegen Venedig brachte ebenjo wenig wirkliche
Erfolge, obwohl die Verbündeten diesmal im Felde überlegen
waren. Wie ein Angriff Alvianos auf Verona mit bebeuten-
bem Berlufte zurücgeichlagen ward, jo vermochte Cardona, der
Vizekönig von Neapel, dem fich die Kailerlichen unter Georg
von Freundsberg und anderen Führern anſchloſſen, Padua nicht
zu nehmen. Daß er dann bis Meftre und Malghera vor-
drang, diefe Ortichaften und die ſchönen Landhäuſer der vene-
tianiſchen Nobili niederbrennen und mehrere Kanonenſchüſſe gegen
Venedig abfeuern ließ, machte einigen Eindrud, war aber mi⸗
Titäriih von feiner Bebeutung. Im Gegenteil wurde er auf
feinem Rückzuge gegen Verona durch Alviano jehr in die Enge
getrieben und wäre zu einem gefährlichen Rückzuge durch Die
Gebirgsthäler gezwungen worben, hätte er nicht am 7. Oktober
bei Motta norpöjtlih von Vicenza nach verzweifeltem Kampfe
Huber, Geſchichte Öfterreihe. TIL. 26
402 ‚ Kämpfe in Friaul.
über die nachjegenden PVenetianer einen glänzenden Steg er⸗
fochten !). und fih dadurch für die nächſte Zeit Ruhe ver-
ſchafft.
NMur in Friaul wurde auch während des Winters fortge⸗
fampft. Der Graf Chriſtoph Frangepane bemächtigte fih am
13, Dezember durch Verrat der Seeſtadt Marano, die für ben
Handel Venedigs mit Friaul von Wichtigkeit war, entjegte Diefen
Platz, als die Venetianer feine Wiedereroberung verjuchten,
brachte neuerdings Friaul mit Udine und Cividale in feine Gewalt
und eröffnete fih durch die Wegnahme von Chiufa die Ver⸗
bindung mit Kärnten. Nur in der Bergfefte Djopo behauptete
ih Girolamo Savorgnano anderthalb Monate gegen ein furcht«
bares Artilleriefeuer und wiederholte Stürme, bis am 30. März
1514 Alviano die Kaiferlihen zur Aufhebung der Belagerung
zwang und biefelben zerjtveute ?). Nun ging auch Friaul big
auf Gradieca und Marano für den Kaiſer wieder verloren.
Letzteres wurde von den DVenetianern belagert und Frangepane
bei einem Ausfalle gefangen. Aber zunächit gelang e8 dem
Hand von Auersberg, den der Kaijer mit Truppen aus Inner«
öfterreich, der Stadt zuhilfe ſchickte, diejelbe zu verproviantieren.
Als die Feinde die Belagerung fortiegten, brachte ihnen Graf
Niklas von Salm, der Hauptmann mit der eilernen Hand,
wie ihn die DVenetianer nannten, am 12. Juli cine gänzliche
Niederlage bei, nahm ihren Anführer Vetturi gefangen und
erbeutete ihr ganzes Geſchütz.
War Frankreich im Sabre 1513 ohne wejentliche Verlufie
aus dem Kriege hervorgegangen, jo jchien im folgenden Jahre
bie age gefährlicher zu werden. Am 17. Dftober 1513 wurde
in. Life zwiſchen dem Kaifer, England und Spanien ein Vers
trag geichloffen, wonach alle drei Mächte im fünftigen Sommer
1) Eine Darftellung des ganzen Zugs nach dem an deu Kaifer ge-
langten Berichte von deſſen Sekretär bei Le Glay, Négoc. I, 5522qg.
Bel. Raute, ©. 315f. Romanin V, 187sgg.
2) Bon diefen Kämpfen Tiefern ein lebendiges Bild die Briefe Savor⸗
gnanos im Arch. stor,, N. serie II,2, 28—59. Bgl. auch Herberſteins
Selöftbiographie in F. R. Austr. SS. I, 79f.
Einigung Ferdinands von Aragenten mit Frankreich. 408
den Kampf gegen Frankreich wieder aufnehmen, der Kaiſer
zur Aufftellung einer Armee von 10000 Mann an ber Nord-
grenze Frankreich von England 200000 Goldkronen erhalten
und König Ferbinand zur Eroberung Guyennes für England
mitwirken follte. Um das Bündnis zu- befeftigen, follte bie
Schon längſt in Ausficht genommene Heirat des Erzherzogs Karl
mit der Schweiter des englifchen Königs, Marta, im nächften
Mat vollzogen und biefer für ben all, baß Heinrich VII.
ohne Kinder ftürbe, das Erbrecht in England som Parlamente
zugefichert werben ?).
König Yerdinand Hatte aber auch jest nicht im Sinne, ben
Verpflichtungen nachzukommen, bie fein Vertreter in Lille ein"
gegangen Hatte. Er war im feinem eigenen Intereife der konſe⸗
quentefte Vertreter der europäiſchen &fleichgewichtspolttil. Er
wollte die Franzoſen von Italien fernhalten. Aber er wollte
auch den Kaifer und den Erzberzog Karl nicht zu mächtig
werben lafien, da er fürchtete, biefer könnte feine Anfprüche
auf die Regierung Caſtiliens geltend machen und Neapel an
fich zu bringen fuchen. Er bot daher beritwillig dem franzöfi-
ſchen Könige die Hand, welcher die gegen ihn geichloffene Liga
zu zerreißen bemüht war. Um dieſes Ziel zu erreichen, machte
Zubwig XII. dem Bapfte Konzeffionen auf kirchlichem Gebiete
und gab fich den Anfchein, auf das ohnehin verlorene Herzog.
tum Mailand Verzicht Teiften zu wollen. In einem am 1. De⸗
zember zwijchen Ludwig und Ferdinand gefchloffenen Vertrage
wurde beftimmt, daß des erfteren jüngere Tochter Renata einen
ber beiden Enkel Ferbinands heiraten, Mailand mit Genua ihr
zur Mitgift gegeben, mit gemeinfamen Kräften erobert und bie
zur Vermählung in bie Hände des Königs Ferdinand gegeben
werben ſollte. Dem Kaifer und dem Könige von England,
1) Brewer 1, 685. 699. Bgl. Ranke, S. 317. Die folgenden
talelboffopartigen Wanblungen ber gegenfeitigen Stellung ber europäifcher
Mächte bis 1518 Kat Lanz, S. 139—212, forgfältig und eingehend dar⸗
gelegt, und an ihn bat fih de Leva I, 174 qq. faft überall, oft wört-
N, angeſchloſſen. Vgl. au Brewer I, lviff. Hier Tönnen natlrlich
nur die Hauptpunkte hervorgehoben werden.
26*
404 Verkehrte Politit des Kaiſers.
letzterem aber nur gegen bie Herausgabe von Tournay, war
der Beitritt freigeftellt. |
Aber gerade gegen bieje beiden war der Vertrag gerichtet.
Heiratete einer der beiden Enkel Marimilians die Prinzeffin
Renata, fo mußte entweber auf ven lang gehegten Plan einer
Vermählung des Erzherzogs Ferdinand mit der Tochter bes
Königs von Ungarn und Böhmen verzichtet, oder es mußte
der Ehevertrag zwilchen dem Erzberzoge Karl und der Schwefter
des engliichen Königs gebrochen worden. Des Kaifers Tochter
Margareta warnte auch wiederholt ihren Water, er möge
Frankreich und dem Könige Ferdinand nicht zu viel trauen,
und möge nicht feinen aufrichtigften und leiſtungsfähigſten
Bundesgenoffen, Heinrich von England, von fich ftoßen. Maxt-
milian Ließ fich auch diesmal ködern, bejonder® da Ludwig XII.
auf Ferdinands Vorfchlag nad dem Tode feiner Gemahlin des
Kaiſers Enkelin Eleonora zu heiraten verfprad. Er rvechnete
auf die Gejchidlichfeit des Königs Ferbinand und auf befien
Einflug auf feinen Schwiegerfohn Heinrich VIII. wie auf bie
Schwäche dieſes Fürften und gab nicht nur felbft dem fpant-
ichen Könige feine Vollmacht zum Abichluß eines einjährigen
Waffenſtillſtandes mit Frankreich, fondern verbürgte fich auch
dafür, daß Heinrich diefen Verträgen, die am 13. März 1514
in Orleans unterzeichnet wurden, beitreten würde.
Die natürliche Folge davon war, daß fich der englifche
König vom Kaiſer trennte und dem Könige von Frankreich an⸗
ſchloß, der gar nicht daran dachte, die dem Kaiſer gegenüber
eingegangenen Verpflichtungen zu halten. Am 7. Auguft wurben
in London die Verträge unterzeichnet, nach denen Ludwig XII.
Heinrichs VII. Schweiter Maria beiraten follte und Beide
Könige ſich nicht bloß ihre gegenwärtigen Befigungen garan-
tierten, fondern ſich auch zur Eroberung jener, bie ihnen recht»
Yich gehörten, Hilfe zuficherten.
Wie ſehr Hatte fich die Lage ſeit einem Jahre zu Frankreichs
Gunſten geändert! Mit England war es verbündet, gegen
Spanien wenigftend noch für einige Zeit gefichert. Der Papft
Leo X., ber feinem Bruber und feinem Neffen ein Neich in
Wiedereroberung Mailands durch bie Franzofen. 405
Italien verihaffen wollte, ſchwankte zwilchen den verichievenen
Großmächten Hin und ber, da er nicht wußte, durch weſſen
Unterftügung er dieſen Zwed am leichtejten erreichen könnte.
Venedig, das der Papft wieder einmal zur Abtretung Veronas
und Vicenzas an den Kaiſer zu bewegen fuchte, beichloß geradezu,
den König von Tranfreih zu einem neuen Zuge nach Italien
zu ermuntern und ihm bafür feine Hilfe zu verfprechen. Lud⸗
wig XII. 309 daher bereits feine Truppen zulammen, um fie
nach Ablauf des Waffenftillftandes mit Spanien und dem
Kaiſer über die Alpen zu fenden, als ihn am 1. Januar 1515
ber Tod binwegraffte.
Sein Neffe und Nachfolger, der junge und ehrgeizige Franz
von Angoulöme, führte den Plan desfelben nur mit noch größerer
Energie aus. Es hinderte ihm nicht, daß der Papft, ver Kaiſer
und Ferdinand von Spanien unter Einbeziehung der Schweizer
und des Herzogs von Mailand am 3. Zebruar in Rom ein
Bündnis ſchloſſen; denn im enticheivenden Augenblide blieben
diefelben doch unthätig. Im Auguft 1515 308 Franz I. mit
einem jo ftattlichen Heere, wie Frankreich noch feines über bie
Alpen gejendet, nach Italien, befiegte, im entjcheivenden Augen⸗
blide durch die eintreffende venetianische Reiterei unterſtützt,
nach harten Kämpfen, die vom Abende des 13. bis zum Nady«
mittage des 14. September bauerten, die Schweizer bei Mari-
gnano (Melegnano), nahın Mailand ein und führte dem Herzog
Marimilian als Gefangenen nad Frankreich, wo er gegen Ver-
zichtleiftung auf feine Anſprüche als franzöfifcher Penfionär fein
Leben beſchloß. Die Schweizer, die bei Marignano ungeheure
Verluſte erlitten batten und unter einander uneinig ware,
gaben es nun auf, die Role einer Großmacht zu jpielen;
der größere Zeil der Kantone fchloß gegen hohes Geld Frieden
mit Sranfreih. Auch der Papſt, der die Unterhandlungen mit
Franz I. nie abgebrochen Batte, traf jet mit vemfelben ein
Abkommen. Dan trug fih jogar mit Plänen zur Eroberung
Neapels. |
Um fo fefter glaubten jet die übrigen Mächte zufammen-
balten zu follen. Am 19. Oktober jchloß Heinrich VIII. von
406 Zug 8. Marimilians gegen Mailand.
England, der vom franzöfiichen Könige durch die Einmiſchung
in bie Verbältniffe Schottlands beleidigt worden war, mit
Zerbinanb von Spanien ein gegenjeitiges Schutzbündnis. Zus
gleich war. derſelbe bereit, hohe Subfidien zur Aufbringung
eines fehweizeriichen. Sölbnerheeres zu zahlen, welches, vom
Kater mit Neiterei und. Artillerie verfeben, vie Franzoſen aus
Mailand vertreiben follte. Ein gewandter Agent, Dr. Bace 9),
wurve im Herbſte 1515 abgefenvdet, um die Schweizer vom
Anfchluffe an Frankreich abzuhalten und zur Ausführung Der
Wanſche Englands zu bewegen. |
Das englische Gelb that jeine Wirkung. Im Februar
1516 fetten fich 17000 Mann aus: jenen Schweizerfantonen,
die. noch in feindfeliger Stellung gegen Frankreich verbarrten,
durch Graubünden und das Etjchthal nach Verona in Bewe⸗
gung, um ſich mit den Satferlichen: zu vereinigen. Da auch
die Stände Tirol® und ber ſchwäbiſche Bund dem Katfer einiges
Geld bewilligt hatten, ſo ftand diefem jet ein Heer von we⸗
nigftens 30000 - Mann zur Verfügung, und er ftellte. nn an
die Spitze desſelben.
Am: 11. März brach Dorimilian bon Verona auf er⸗
zwang ſich bei Peschiera den Übergang über den Mincio, nö⸗
tigte die Venettaner und Franzoſen zur Aufhebung der Belage⸗
zung von Breſcia, welches nach ber früheren Räumung Italien
durch bie: Franzoſen in feine Hände gefommen war,. überichritt
den Oglio und am Ofterfonntage, ven 23. März, bei Cara⸗
vaggio auch die Adda und erſchien am Tage darauf in der
Nähe von Mailand, in das fich die Franzoſen unter dem Her⸗
zoge von Bourbon zurüdgezogen Hatten. Ein vafcher Angriff
auf diefe Stabt ſchien das Schickſal der Franzoſen, die ihm
1) Seine Berichte wie jene des ſchon Tange beim Kaijer beglaubigten
Robert Wingflelb, bie Brower, Letters and papers I,1, 281sqg. mit-
geteilt Hat, bilden eine ber wichtigſten Quellen für bie folgenden Ereig-
niſſe. Vgl. auch bie Einleitung dazu, xuıvf[., und den im wefentlichen
fich darauf ſtützenden Effay von Pauli, Diplomatie im Jahre 1516, in
„Hiſtor. Zeitſchrift“ XIV, 269 ff, wie Giſi a. a. O., ©. 200 ff.
Deflen unerwarteter Rildzug. 497
bisher nirgends einen ernftlichen Aöibertanb. entgegenzuſeben
gewagt hatten, zu befiegeln. . = .:.
Da erklärte ver Kaiſer auf einnial, daß er ſich zurächiehen
mülfe. Er begründete: biefen unerwarteten Schritt. mit der
Schwierigleit ber Verpflegung... ba ihm ber. Feind an: Reiterei
überlegen jet, und mit ber Mißſtimmung feiner Truppen, beuen
man wegen bes Ausbleibens der. engliichen Subfidien. ihren
Sold nicht zahlen konnte. Auch erhielt gerape im entſcheidenden
Augenblicke Bourbon Verftärkungen, beſonders aus den franzöftich
gefinnten Kantonen der Schweiz. Auf eine höhnende Einlabung
des. Herzogs, zu ihm nad) Mailand zu kommen und mit ibm
zu trinken, forderte ev zwar venjelben zum Kampfe heraus und
rückte am 26. April vor Mailand, wo er fein Heer in Schlacht-
oronung aufftellte. - Als. aber Bourbon fich innerhalb der
Mauern hielt und die Niederbrennung der Vorſtädte von Mair
land zeigte, daß er entichlofjen jei, Diefe Stadt auf Das äußerſte
zu verteidigen, da ließ ſich der Kaiſer nicht: mehr. halten und
trat mit feiner Reiterei und Artillerie ben Rückzug in nord⸗
öftlicher Richtung an!) Schon am 3. April ftand er am
Oglio füpli am Lago d’3feo.. In Lovere?) am Nordende
dieſes Sees wäre er von den Seinigen, bie ihn :einen -„Apfels
könig“, einen „Stroblönig” u. ſ. w. fchalten, beinahe erfchlagen
worden. Endlich nur noch von einigen Hundert tivolifchen
Kriegsfnechten begleitet, gelangte er um die Mitte des April
ans Bal Camonica durch tiefen Schnee über den Paß Tonale
1) Wir haben leider feine verläßlichen Nachrichten, bie uns über bie
Motive des Kaijers genügend aufflärten. Die engliſchen Geſandten Pace
und Wingfield, welche im kaiſerlichen Lager waren und ung (bei Brewer
1,1, Ixx ff. und 489) über die äußerfichen Vorgänge berichten, kannten
biefelben felbft nicht und konnten nur mitteilen, was der Kaifer erklärte.
Vgl. auch 1. c., p. 543, no. 1885.
2) Dies ift ohne Zweifel das „Lorfers“ bei Kirchmair in „F. R.
Austr. 88.“ 1], 437, jedenfalls nicht Lavis nörblid von Trient, wie Zorye
b’Oglio nicht an der Mündung biefes Fluſſes Liegen kaun und Terzilas,
von wo aus ber Raifer am 16. und 18. April fehreibt, nicht nordöſtlich
von Trient liegt, fondern Terzolas anf dem Sulzberg zwiihen Male
und Caldes ifl. Ä .
A408 - Der Vertrag von Noyon. .
nach dem Sulz und Nonsberg und von da an bie Etſch.
Sein in Italien zurüdgelaffenes Heer löfte fich größtenteil® auf,
indem die Schweizer nachhaufe zogen.
Der militärifche Ruf wie das Anfehen des Kaiſers hatten
durch ben Ausgang dieſes Teldzuges einen ſchweren Schlag er»
fitten, und nur zu bald machten fich die Wirkungen fühlbar.
Schon am 26. Mai wurde die Belakung von Breſcia durch
bie Venetianer und Franzofen zur Übergabe diefer Stadt ge
zwungen, worauf dieſelben bie Belagerung Veronas unter-
nahmen. Doch wurde dieſe Feſtung infolge der Unterſtützung,
bie fie von Tirol ber erhielt, gegen wiederholte Angriffe glück⸗
lich behauptet.
Der Zug gegen Mailand war das lebte aktive Eingreifen
des Kaiſers in die ttalieniichen Angelegenheiten gewejen. Zortan
wanbelte er die Bahn, bie ihm die Räte feines Enkels vor»
zeichneten.
Schon um Neujahr 1515 hatte Marimilian dem Drängen
der Niederländer nachgeben und ben Erzherzog Karl aus
feiner Vormundſchaft entlafjen müfjen. Doch ließ fich dieſer
auch fortan von fremden Leuten lenken, beſonders von feinem
früheren Hofmeifter Wilhelm von Eroy, Herrn von Chieèores.
Die niederländiichen Räte wollten aber vor allem Ruhe haben,
namentlich vor Frankreich, das ihrem Lande am gefährlichiter
war, und fuchten baber gleich mit bemjelben unter wenig
günftigen Bedingungen ein Freundſchaftsbündnis zuftande zu
bringen, fo ſehr ber Kaifer e8 auch mißbilligte. Auch als dem
Erzberzoge Karl nach dem Tode feines mütterlichen Großvaters
Ferdinand am 23. Sanuar 1516 die fpanifche Monarchie mit
Neapel, Sicilien und Sardinien zufiel, blieb die Politik feiner
Räte diejelbe, obwohl Franz I. durch Unterftügung des Herzogs
von Geldern und bes vertriebenen Königs von Navarra wie
durch die Vorbereitungen zu einem Angriffe auf Neapel feine
wahre Geſinnung beutlich genug an den Tag legte. Der Ver⸗
trag, den die Bevollmächtigten beider Könige am 13. Auguft
1516 in Noyon fchloffen, war für Karl in feiner Weile günftig.
Denn feine Verlobung mit Louiſe, der erſt ein Jahr alten
Waffenſtillſtaud des Kaifers mit Benebig. 409
Tochter des franzöfiichen Könige, welcher biefer feine Anjprüche
auf Neapel abtreten wollte, verbanimte ihn auf Tange Sabre
zur Eheloſigkeit und ftellte feine Nechte auf Neapel In Frage.
Zugleich wurde Hier verabredet, daß der Kaifer Berona binnen
zwei Monaten gegen eine Summe von 200000 Dukaten an
Venedig zurückgeben follte.
Marimilian war nun freilich mit dieſer Beftimmung, welche
ihn des letzten feiten Punktes in Italien beraubte, burchaus
nicht einverftanden !), und fuchte von England zur Fortſetzung
bes Krieges weitere Subfidien zu erhalten. Da aber bie
Schweizer am 29. November mit Frankreich ven ewigen Frieden
jchloffen, der ihnen jede Unterftügung ver Feinde besfelben
unterfagte, fo unterzeichnete Karl, eine ihm vom Kaiſer er»
teilte Vollmacht in einigen Punkten überichreitend, im Namen
besfelben am 3. Dezember den Vertrag von Brüffel, wonach
auch Diefer gegen die angegebene Summe in die Abtretung
Beronas milligte und mit Venedig einen Waffenſtillſtand auf
anderthalb Jahre fchloß. Der Kaiſer, dem jett jelbit bie Stände
Tivold die nachgefuchten Subſidien vermweigerten ?), fügte fich,
feste aber einem befinitiven Frieden mit Venebig noch immer
Hinderniffe entgegen. Nur zur Verlängerung des Waffen-
ſtillſtandes auf weitere fünf Sabre ließ er fih am 31. Yult
1518 bewege.
Wenn Morimiltan dahin gejtrebt Hatte, den Einfluß bes
Kaiſers in Italien berzuftellen und einen Zeil der Halbinjel
wieder unter feine unmittelbare Herrichaft zu bringen, fo war
1) Wenn R. Pauli, Diplomatie des Jahres 1516, in „Hift. Zeit-
ſchrift“ XIV, 283 ff, die Anficht vertritt, daß dies nur „Pofjenfpiel”,
„Spiegelfechterei” gewefen fei, fo hat er Beweiſe dafür nicht beigebracht,
fo wenig wie für feine Vermutung (S. 279), baß geheime Anträge bes
FTeindes den Nüdzug Marimiliand von Mailand veranlaßt hätten. - Er
gebt ebenfo wie Brewer in ber „Preface“ zum 2. B., ber fih aber
worfichtiger Äußert, von der nach der Darftelung Baumgartens doch nicht
mehr haltbaren Vorausſetzung aus, daß Marimilian und bie Räte feines
Entels unter einer Dede geipielt hätten.
2) Brandis, Lanbeshanptlente, ©. 435 ff.
410 DiefErgebnifie des Keieges.
dieſer Plan vollſtändig geſcheitert. Im Süden Italiens herrſchten
auch fortan die Spanier, im Norden waren die Franzoſen
übermächtig, und nur das Deutſche Reich blieb von dieſem
Lande, das in früheren Jahrhunderten ſo enge mit ihm ver⸗
bunden geweſen war, gänzlich ausgeſchloſſen. Daß es ſo ge⸗
kommen war, hatten doch nicht am wenigſten die deutſchen
Reichsſtände verſchuldet, welche nach dem Jahre 1507 ſich den
Vorgängen in Italien gegenüber völlig gleichgültig verhalten
hatten. Ohne daß der Kaiſer dies von Anfang an beabſichtigt
hatte, endete der neunjährige Krieg mit Venedig nur mit einer
Vergrößerung ber dfterreichiichen Erblande. Außer ein paar
Plätzen in Friaul blieben dem Katfer die Eroberungen, bie er
innerhalb der Alpen gemacht hatte, nämlich die Feltungen
Eovelo und Peutelftein mit Ampezzo, die Städte Roveredo
und Riva, welch legteres dem Biſchofe von Trient überlaffen
ward,. die fogenannten vier BVilariate Ala, Avio, Mori und
Drentonico und bie Ortfchaften Nago und Torbole am Barda-
fee. _ Diefe Gebiete wurben unter dem Namen der welichen
Konfinien mit Tirol vereinigt, welches dadurch auch im Süden
eine den natürlichen Verhältniſſen entiprechende, militärtjch
Haltbare Grenze befam. Freilich war biefer Gewinn durch
einen vieljährigen Krieg, ber troß aller Opfer, bie Tirol ges
bracht ?), die Verpfändung eines großen Teils der Kammer
güter und die Anhäufung einer ungeheuren Schulvenlaft 2)
“notwendig gemacht hatte, ſehr teuer erfauft worden.
Südlicher als bei feinen italieniihen Plänen war Maxis
miltan bei feinem Streben, feinem Haufe auf irgendeine Weife
die Nachfolge in Ungarn und in Böhmen zu fichern.
1) Die tirolifgen Stände behaupteten 1517, baß fi ihre Leiftungen
in ben Kriegen felt 1499 auf 2000000 Gulden belaufen. A. Jäger
11,2, 489. Dagegen treten freilih die Bewilligungen ber audern Erb⸗
Under fehr zurück!
2) Nach Brandis, Geſch. der Landes hauptleute von Tirol, S. 454,
ber fih offenbar auf amtlide Quellen ftütt, betrugen im Sabre 1518
bie Schulden bes Katfers an die Kauflente allein 512741 Marl Silber,
182412 Zentner Kupfer und 330310 Gulden an barem Gelbe.
Religiöfe Zwwifigteiten in Bohmen nuter Wladiſlaw I. AH
I... r .r Ye fi FLEVFEF" . .*
at, Nie
" Säuftes Rapitel.. ee
Böhmen und Ungarn unter Wladiflaw u, unb deffen
Beziehungen zu Maximilian J. — Berhandlungen
| über die deutſche Konigswahl. =
‚Die Ungarn satten nach bem Tode des Konigs Matthias
um. Sabre 1490 unter. den verſchiedenen Kandidaten gerade
jenen auf den Thron geboben, ver am mentgften im. Rufe der
Tüchtigkeit ſtand.
Wladiſlaw IL Hatte ſich während einer neungefujäßrigen
Regierung in Böhmen als einen König ohne geijtige Fähigleiten
ohne feften Willen und ohne Kraft bewielen, der die Parteien
thun ließ, was fie wollten ). Nur in. xeligiöjen Fragen zeigte
der König manchmal einen eigenen Willen, indem er Die Katho⸗
Iilen und Die. gemäßigten Utraquiften bei der Belebung .;der
ftantlichen und . ftädtifchen Amter begünftigte und calixtiniſche
Geiftliche,, die ihrer Überzeugung auf der Kanzel in gar zu
jchroffer Form Ausdruck gaben,: verbaften und in den Kerler
werfen ließ. Da auch einige Mitglieder des katholiſchen Herren-
Bundes, als fie ihre während des Krieges verlornen Güter. in
Böhmen wieder zurüderhickten, bie utraquiftijchen. Geiſtlichen
and vdenjelben vertrieben, ſo nahm die Aufregung. unter den
Hnfiten immer mehr zu. Auf .einem-Landtage im Mai 1481
weigerte fich die utraquiftiiche Majorität geradezu, die Tönige
lichen Propofitionen in Beratung zu ziehen, ſo lange ihren
religiöfen Beſchwerden nicht abgeholfen wäre. Gegen den König
wurden heftige Klagen erhoben, daß er die bei feiner Wahl
eingegangenen Bedingungen nicht erfüllt, namentlich - für bie
Einſetzung eines utraquiſtiſchen Erzbiſchofs nicht geſ orgt habe.
: 13 3 verweiſe für die Zuftände Bbhmens unter Wiabiſlaw u. anf
Balady, der in den beiden Abteilungen bes 5. Bandes feiner Geſchichte
Böhmens“ diefe Periode mit großer Ausführlichleit behandelt hat.
u2 Kufflaub ber Utraquiſten in Prog.
Im Jahre 1482 verbanden fich einige Städte des Saazer mie
Städte und Adelige des Königgrätzer Kreiſes zu gegenſeitigem
Schutze wider alle Bedrückung vonfeiten des Königs und der
katholiſchen Herren, und von dieſen Punkten aus verbreitete ſich
bie Bewegung über das ganze Land. Auf mehreren Zuſammen⸗
Züinften- beichloffen bie ‚Utraquiften, gegen jede Beeinträchtigung
ihres Glaubens einander Beiſtand zu leijten.
Da die Häupter der Prager Städte, die ber König aus
den gemäßigteften Utraquiften genommen hatte, bei allen dieſen
Borgängen eine laue Gefinnung zeigten und fich von biefen
Beichlüffen fern bBielten, fo brach am 24. September 1483,
während der König wegen ber Pet fih in Trebitſch aufbielt,
gegen fie ein wütender Aufitand los ). Auf ein durch einen
ntraguiftiichen Geiftlichen vom Turme der Teinkirche gegebenes
Glodenzeichen jtürmten bewaffnete Volkshaufen nach dem Rat⸗
hauſe der Altſtadt, jchlugen den Richter und mehrere Ratsherren
tot und warfen bie Leichname zu ben Tenftern hinab. Dase
felbe gejchah fieben Ratsherren in ber Neuftabt, bie teilweiſe
noch lebend zu ven Fenftern hinabgeftürzt wurden. Zwei Lage
darauf wurden bie DBürgermeifter ber Alte und Neuftadt wie
der SKleinjeite und ſechs Schöppen enthauptet, nachdem man
ihnen auf der Folter das Geſtändnis abgepreßt hatte, baß fie
den Plan gehabt Hätten, über ihre Gegner berzufallen, 80 ber»
jelben zu ermorben und alle utraquiftiichen Priejter aus der
Stadt zu verjagen. Auch die Klöfter wurden überfallen, Kelche
und Monjtranzen, Meßgewänder und Bücher geraubt, bie
Mönche vertrieben, der Abt von Wyſchehrad erträntt. Daran
ſchloß fih eine Hete gegen die Juden, denen man nicht einen
Nagel an der Wand ließ. Auch die Deutichen, bei britthalb
Hundert, wie es heißt, wurden ausgeplünbert, bei Wafler und
Drot eingefperrt, einige fogar dem Hungertode preisgegeben,
dann alle Gegner des Kelches aus Prag verbannt. Sogar
1) Bgl. über diefen mit Palady V,1, 250ff. die von Bachmann
in „Mitth. des Vereins f. Geſch. d. Deutſchen“ XIX, 253 ff. mitgeteifte
„Passio Pragensium“ mit den vorangefgidten Erörterungen.
Ausgleich zwiſchen Katholiten und Utraquiften. 418
das Prager Schloß wurde vom. zaghaften Burggrafen den
Aufrührern übergeben. - Der König: mußte alle dieſe Greuel⸗
thaten ungeftraft lafien, da die Mehrheit der Stände mit den
Pragern ſympathiſierte und jede Unterftügung gegen biefelben
verweigerte. Ja Wladiſlaw wurde nach feiner Rückkehr im
die Hauptftabt durch einem fanatifchen Prager fogar. perfönlich
geihmäht und bedroht, fo daß er fortan jeine Reſidenz anf
dem Hradſchin aufſchlug. |
Doch fcheint gerade das Übermaß ber Glaubenswut die
Kraft desſelben erſchöpft zu haben. Auf einem Landtage, ber
im März 1485 in Kuttenberg verſammelt war, kam es zu
einem Ausgleiche zwiſchen den Katholilen und Utraquiften, der
81 Jahre in Kraft bleiben follte. Die Kompaktaten follten
nach ihrem Wortlaute Geltung behalten, beide Religion
parteien gleichberechtigt neben einander leben, auch die. Unter-
tbanen derſelben ihres Glaubens wegen nicht beeinträchtigt
werben. Die Geiftlichen ſollten fich auf die Predigt des Wortes
Gottes und die Sorge für die Moral beichränten, aber nicht
gegen Andersgläubige eifern. Bon Heineren Reibungen . ab»
gefeben tft ver veligidie Friebe fortan lange in Böhmen nicht
mehr geitört worben.
Obwohl wiederholte Verſuche der Utraquiften, auch mit
Rom eine Einigung zuftande zu bringen, an ber Unnachgiebig-
feit ver Päpfte fcheiterten, fo bildete doch von biefer Zeit an nicht
mehr die Berſchiedenheit des Glaubens, ſondern der Gegenſatz
ber Intereffen zwiſchen ben verſchiedenen Ständen den Grund
einer tiefgehenden Spaltung des böhmiſchen Volles. Die Herren
wollten bie Schwächung bes Bürgertums, die eine Folge ber
Bufitiichen Bewegung gewejen war, endlich zur bauernden Grün⸗
dung ihrer Herrichaft ausnügen. Indem fie fi im Jahre
1487 mit den Nittern über die Bejekung bes Prager Land⸗
rechtes, des oberjten böhmifchen Gerichtshofes, verjtändigten
und benjelben 8 bon 23 Stellen überließen, fanden fie bei
ihren Beftrebungen auch an ben Rittern Verbündete, welche
während den Olaubensitreitigfeiten mit den Städten Hand in
Hand gegangen waren. Schon im Yahre 1479, gleich nach der
414 Streben bes Adels nach Beſchränkung der Rechte der Bauern,
Herſtellung bed Friedens mit. Ungarn, Hatte der Abel die erſten
Verſuche in dieſer Richtung gemacht und er ruhte nicht, bis er
ſeine Ziele wenigſtens teilweiſe erreicht hatte. |
Die Bauern wurden 1487 geſetzlich der Freizügigkeit be⸗
raubt und, da ſie infolge der Ausdehnung der grundherrlichen
Gerichtsbarkeit auf dieſelben jedes Rechtsſchutzes entbehrten, ohne
Rückſicht auf ihre bisherigen Leiſtungen mit willkürlichen Ab⸗
gaben und Fronden belaſtet, ſo daß viele derſelben, wie ein
böhmiſcher Rechtsgelehrter jener Zeit ſchreibt, ihre Güter ver⸗
ließen und fich als Räuber, Mörder und Brandſtifter dem
Berbrechen ergaben, oder ſich gegen ihre Herren erhoben und
bewaffnet in die Berge zogen. Nicht einmal Heiden und
Zürfen, bemerkt derſelbe, laſſen ſich ſolche Widerrechtlichkeit zu⸗
ſchulden kommen wie die böhmiſchen Adeligen. Fortan ſchmachtete
der. Bauernſtand in Böhmen und Mähren mit wenigen Aus«
nahmen in den Feſſeln der brüdenbften Leibeigenichaft ?).
Ebenſo wenig wie um die Rechte der Bauern fünmerten
fih die böhmijchen Herren um die Privilegien der Städte. In
ihren rechtlichen wie in ihren materiellen Interefjen wurden
dieſe beeinträchtigt. Obwohl diefen 3. B. die ausſchließliche
Befugnis zugeiprochen war, innerhalb der ftäbtiichen Bannmeile
Dier zu brauen, begannen nun auch bie Adeligen, in ver Nähe
der Städte Brauereien anzulegen und den Bürgern ben Ver-
kauf des Bieres auf ihren Gütern zu verbieten. Die Könige
hätten nicht das Recht gehabt, die Rechte des Adels zu be
ichränfen, urteilte das Landrecht 1493 auf eine Klage. der
Stadt Chrudim über Berlegung ihrer Privilegien. Auch bie
ſtädtiſche Gerichtsbarkeit wirrde durch das in ven Händen bes
Adels befindliche Landrecht eingejchränkt. Zugleich begann dieſer
die politiiche Stellung des Bürgertums zu untergraben. Schon
im Sabre 1479 ſtellten die Herren die Forderung auf, „daß
Bezüglich Mäfrens vgl. J. A. Tomaf Set, Recht und Berfaffung
ber Markgraffhaft Mähren im XV. Jahrhundert, ©. 49-79, der ſich
mit Recht entfchteben gegen Paladys unbiftorifhe Annahme ausfpriät,
daß Sörigfeit und Leißeigenfchaft den böhmiſchen Ländern früher fetmb
und Folge des Einfluffes deutſcher Zuftände geweſen ſeien.
der Gtäbte:und'bes Mönig.: 415
Dürger an den: allgemeine: Sandbtugen:;; wo: bie Barone und
Ritter zuſammenkommen, um über das ‘allgemeine Wohl und
die Nechte des Landes zu beraten , keinen Zeil baben follten“;
Da der König felbft unter dem Einfluffe feiner: abeligen ‚Räte
im Jahre 1484 fich gegen die Behauptung ber Stäbte am
ſprach, daß fte nicht verpflichtet feiern, wo fie nicht mitgeraten
bätten, jo fühlte fich dev. Adel um jo mehr angefpornt, in biefem
Streben nicht nachzulaffen.. In der auf einem Landtage des Jahres
1500. von den Herren und Rittern beſchloſſenen ſogenannten
Wladiſlawſchen Landesordnung wurde das Recht zu Änderungen
berjelben ausjchlieglich den Herren und Rittern zugefprochen
und erllärt, daß die Städte nur dann mitzuwirken hätten,
wenn es fich um ihre eigenen Ungelegenbeiten handelte. ‘Die
Protefte und Vorſtellungen der Städte halfen nichts. Es
wurde vom Adel fogar behauptet, daß die Städte kein freier
Stand feten, weil fie der königlichen Kammer zinspflichtig ſeien;
fowie die Herren zu keinen Beichlüffen die Zuftimmung ihrer
Untertdanen brauchten, jo noch weniger der König die feiner
Stäbte, die ibm in allem zum Gehorſam verpflichtet feien und
einfach dem nachkommen müffer, was die Herren und Ritter
mit dem Könige für Recht erklären. Auch Wladiſlaw ftefite
jih In dem Streite der Stände auf die Seite des Adels, bes
jtätigte die Landesorbnung und entjchted in den meiften Punkten
gegen bie Städte. Nur bei ver Wahl des Könige, bei Steuer-
bewilligungen und der Ausſendung eines Heeres fprach er ihnen
ein Stimmrecht zu. Erjt im Jahre 1508, als die Städte
unter ſich ein Bündnis gejfchloffen Hatten und fich nicht ein-
Ichüchtern ließen, gab der Adel in diefem Punkte nad und er»
Härte, daß die Städte als dritter Stand zu den Beratungen
auf den Yandtagen ‚beigezogen ‚werben jollten.
Wie die. Rechte der Städte fo follte auch die Gewalt des
Königs zugunften des Adels befchränkt werben. Im Jahre 1497
wurde derſelbe dahin gebracht, daß er dem Heimfallörechte, dem
Rechte der Krone auf bie Güter ber ohne Nachkommen oder
nabe Seitenverwandte verjtorbenen Adellgen, auf ewige Zeiten.
entjagte. Ein Landtag bes. Sahres 1499 beftimmte, daß ber
416 Erfiufivität des böhmischen Adels gegen Ausländer.
König Landesämter nur mit Zuftimmung bed Derren- und
Ritterſtandes follte vergeben dürfen. Im Jahre 1508 er»
Härte ber König felbft, daß er die Landesämter nach dem Rate
der oberiten Beamten und feiner Räte, die Stellen der Ge⸗
richtSheifiger nach dem Rate der Übrigen bejegen ſollte. 1499
verpflichtete ſich Wladiflam auch in feierlicher Weife, daß weder
er noch jeine Nachfolger das echt haben follten, ohne die
Zuftimmung des ganzen Landes Schlöffer oder Güter in Böhmen
ober ben damit vereinigten Ländern zu verſchenken, zu verkaufen
ober zu verpfänden. Da Wladiſlaw feit feiner Wahl zum
Könige von Ungarn meift außer Landes Iebte und nur noch
jelten nach Böhmen kam, jo fonnte fich die Herrichaft bes
Adels in dieſem Reiche ungebemmt befeftigen.
Natürlich zeigte fich die Exrklufivität des böhmiſchen Adels
auch in anderen Verfügungen. Nach unten wie nach außen
juchten ſich die Herren abzufchliegen. Einem Ausländer follte
niemand feine Güter ohne Bewilligung des Könige abtreten
dürfen, dieſer aber nur mit Zuftimmung des Landtages feine
Genehmigung erteilen. Wer bagegen handelte, follte ehrlos
jein und aus dem Lande verwiefen, das Gut dem Ausländer
weggenommen und zum allgemeinen Beſten konfisziert werben.
Es entiprang teilmeife demſelben Geifte und nicht bloß dem
Streben nad, größerer Deutlichkeit, wenn in Mähren 1480,
in Böhmen 1495 „für ewige Zeiten“ bejchloffen wurde, daß
alle Eintragungen in die Landtafel und in die damit in Der-
bindung ftehenden Bücher nur noch in Sechifcher Sprache follten
jtattfinden dürfen.
Die unbeſchränkte Herrichaft einer ausfchlieglich Zechiichen
Ariftofratie mit einem machtlofen König an ber Spige und
mit gefügigen Bürgern und gefnechteten Bauern unter fich, das
war das Ideal der böhmischen Adeligen gewefen, und dieſes
Ideal Hatten fie im Verlaufe der Regierung Wladiflaws II.
faft vollftändig vealifiert.
Den Ungarn war die Schwäche Wlabiflaws natürlich nicht
unbekannt gewejen, als fie ihn nach dem Tode des Königs
Matthias auf ihren Thron beriefen, ja gerabe fie dürfte ein
Die ungarifhe Wahllapitulation von 1490. 417
Hauptgrund geweſen fein, daß jie ihn den anderen Kandidaten
vorzogen. Denn in welchem Geifte fie die Regierung fortan
geleitet ſehen wollten, zeigt bie Wahllapitulation, die Wladiſlaw
am 31. Juli 1490 nach Überfchreitung ber Grenze beftätigen
mußte. Er veriprach alle Einwohner Ungarns bei ihren alten
Rechten und Freiheiten zu erhalten, und unter feinem Vor⸗
wande zum Schaden berfelben irgendwelche Neuerungen ein-
zuführen, „wie das König Matthias getban hatte”, die durch
diefen eingeführten aber wieder abzufchaffen. Namentlich wollte
er nie bie Steuer von einem Gulden (Dufaten) verlangen,
jondern ſich mit den regelmäßigen Einfünften der Töniglichen
Kammer begnügen und die durch Matthias und deſſen Ge-
mahlin auf unrechtmäßigem Wege in Befig genommenen Güter
den früheren Eigentümern wieder zurüdjtellen. Er gelobte,
größtenteild in Ungarn zu refidieren, nur Ungarn zu feinen
Räten und Beamten zu nehmen, nur Inländern die Eirchlichen
Würden wie bie ftaatlichen ÄAmter zu übertragen und Be-
figungen zu verleihen und nie hemmend in die WRechtöpflege
einzugreifen ober jemandem an feiner Perfon oder feinem Ver⸗
mögen zu jchaden. Er verpflichtete fich endlich, alles zu ge-
nehmigen und zu bejtättgen, was die Prälaten und Barone bis
zu feiner Krönung „für die Freiheit und die Ruhe des Neiches*
beichloffen hätten ?).
Auf dem Reichdtage, den Wladiſlaw zur Beſtätigung bes
Friedens mit Djterreich auf den 2. Februar 1492 nah Ofen
berufen hatte, fehritt die Reaktion gegen das Regierungsſyſtem
bes Königs Matthias noch weiter vorwärts. Alle Neuerungen,
bie berjelbe auf dem Gebiete des Heer- und Steuerwefens ein-
geführt Hatte, wurden auf Verlangen der Stände wieder ab-
geichafft und der Zuſtand wieder hergeftellt, wie ex unter den
Königen Sigmund und Albrecht gewejen war. Statt der all-
gemeinen &renzzölle wurde wieber der Dreißigfte mit ben zahl-
reichen Befreiungen von bemielben, ftatt der erhöhten Grund⸗
ftener in Ungarn der alte „Kammergewinn“ von !/, Dukaten
1) Corpus jur. Hungar. I, 255, au ap. Katona XVII, 46.
Huber, Geſchichte Öfterreie. IIL 27
418 Weitere Beſchränkungen der Gewalt des Könige.
von jedem Bauernhofe, in Siebenbürgen ver Fünfzigfte, in
Slavonien die Mtarderfelliteuer eingeführt. Zugleich wurbe
ausdrücklich beftimmt, daß der König nicht das Mecht habe, zu
einem Kriege außerhalb des Neiches ein Aufgebot zu erlafien.
Auch bei einem Angriffe auf Ungarn felbft follten die Prälaten
und Abeligen nur dann aufgerufen werben bürfen, wenn bie
Söldner des Königs und die Neichswürbenträger den Feinden
nicht gewachſen wären. ‘Die Reichsbarone oder eriten Würden⸗
träger, bie Herzoge Johann Corvinus und Lorenz von Ujlak,
Stephan Zapolya, Erbgraf der Zips, die Grafen von Pöfing
und St. Georgen, von Corbavien und die Frangepane follten
ihr eigenes Banderium haben, von benen jedes aus 200 ſchwer⸗
bewaffneten und 200 leichtbewaffneten Reitern oder Hufaren,
ein halbes Banderium aus 200 Reitern bejteben ſollte. Die
Übrigen follten von 20 Bauernhöfen !) einen gut gerüfteten
Reiter, von den Eovelleuten mit nur einem Gute ohne Hörige
je 10 einen Weiter ftellen. Zugleich wurde bie Gewalt des
Königs dadurch beichränkt, daß er ohne Zuftimmung feiner
Barone und Prälaten nur 100 Bauern follte verfchenfen
bürfen. Bezüglih des Palatins, „ver dem Könige gegenüber
den Reichsbewohnern und ben Reichsbewohnern gegenüber bem
Könige Recht zu verichaffen hat“, wurde beftimmt, daß ihn ber
König nur nach dem Rate der Prälaten und Barone und mit
Zuftimmung der Adeligen ernennen follte 2). Jetzt erhielt biefe
Würde Stephan von Zapolya.
Wladijlam II. war nicht ver Mann, den Verfall ver könig⸗
lihen Macht in Ungarn aufzuhalten. Die verfchiedeniten Be⸗
richte ftimmen darin überein, daß er von feltener Gutmütigfeit
war, aber nicht die Eigenfchaften beſaß, die dem ungariichen
1) Nach einem Reichstagsbeſchluſſe von 1498, 8 16, nur noch von
36 Höfen.
2) Corp. jur. Hung. I, 257, au ap. Katona XVII, 339sqgq.
Bon den 108 Artikeln, von denen übrigens manche beſonders auf bem
Gebiete der Yuftizpflege auch wirkliche Verbeflerungen enthielten, fommen
für die oben angeführten Beftimmungen bie SS 9, 18—21, 26, 27 und
33 in Betradt.
420 Traurige Finanzzuftände in Ungarn.
nahme von Alter und Kränklichleit wurbe er träge, gleichgültig
gegen das Geinige und verfchiwenderifch, nicht aus freiem
Willen, fondern durch die Zudringlichkeit derjenigen, bie ihn
mit ungerechten Bitten beftürmten und die er nur auf dieſe
Weiſe loswerden Tonnte. Auch ein böhmifcher Edelmann von
hohem Anjeben und großer Einfiht, Wilhelm von Pernftein,
bat über Wladiſlaw defien Sohne geichrieben: „Der veritorbene
König Hat fich durch feine Güte in dieſen Königreichen vielfach
gejchadet; denn wer ausbauernd etwas von Sr. Gn. verlangte,
erhielt alles“ ?).
Gerade die legte Eigenichaft Wladiſſapws wurde von ven
eigennüßigen Großen in der gewiſſenloſeſten Weiſe ausgebeutet.
Nicht nur ließen fie fich Gehalte zahlen, die für jene Zeit un—
verhältnismäßig hoch waren, wie denn 3. B. Stephan Zapolya
als Palatin jährlih 6000, ale Hüter der Krone und ber
Burg von Vilfegrad 1000, für die Hut der Burg Saros
2000 Dukaten bezog, Johann Corvinus ald Ban von Kroatien
einen Gehalt von 10000, der Woywode von Siebenbürgen,
der auch die Verpflichtung hatte, 200 Mann zu unterhalten,
von 12000, der Schatmeijter von 4000 Dulaten Hatte. Die
Magnaten und Prälaten, der Balatin voran, erwirkten auch,
wenn eine allgemeine Neichöftener beichloffen ward, vom Könige
für ihre Unterthanen und Diener Befreiung von berjelben,
und Tießen fich trogdem, falls fie etwa einmal bei einer be-
fonderen Feierlichkeit größeren Aufwand machten, vom Könige
zur Vergütung bedeutende Summen zahlen oder auch unter
anderen Vorwänden Gejchenfe machen. Kein Wunder, daß bie
Einfünfte nie ausreichten, daß man ben Kommandanten ber
Grenzfejtungen den Solo für ihre Soldaten nicht ſchicken konnte,
daß ſelbſt Stalltnechte und Kutjcher jahrelang auf ihren Lohn
warten mußten, und daß troßdem der König fich genötigt
jah, ſchon im Jahre 1494 mit Zuftimmung der Magnaten
von jedem Bauerngute eine Steuer von einem Dukaten ein-
1) Bei Palady V,1, 342. Bgl. ebd. V,2, 339, N. 252, ein ähn-
liches Schreiben Heinrichs von Nofenberg.
Erxbitterung bes niederen Adels gegen die Hofpartei. 421
zufordern, was in der letten Zeit des Königs Matthias Negel
gewejen, aber in Wladiſſaws Wahllapitulation ausdrüdlich ver⸗
boten worden war. Da die vornehmften Prälaten und Mag⸗
naten ihre Leute befreien ließen oder die Steuer fonft nicht
zahlten, und ihr Beiſpiel auch bei vielen Edelleuten Nach»
abmung fand, jo brachte die Steuer freilich ftatt ungefähr
200090 Dulaten nur die Hälfte diefer Summe ein, wozu
bann noch die Gelder fommen, die man nach einem willlür-
lihen Anjage den Städten, den Stiebenbürger Sachen und den
Juden auferlegte ). Da dies bei weiten nicht genügte, um
bie Bebdürfnijfe des Staates und Hofes zu befriedigen, jo ver»
langte man fchon im Yahre 1495 vom Neichstage die Ber
willigung der gleichen Steuer.
Der zunehmende Drud der Steuern, welche die geiftlichen
und weltlichen Großen nicht zahlten oder auch für fich einhoben,
rief eine große Erbitterung des niederen Adels gegen die Hofr
partei hervor, deren Häupter der Palatin Stephan Zapolha,
der Kanzler Thomas Balacs, ein ränkejüchtiger Egoift, der
ih aus niederem Stande zum Biſchofe von Raab, dann von
Erlau und endlich zum Erzbiichofe von Gran aufſchwang, und
einige andere Biichöfe waren. Schon auf dem Neichötage von
1495 kam dieſer Gegenfag zum Ausbruce. ‘Die Adeligen
1) Sehr interefjante Auffchlüffe über die Einnahmen und Ausgaben der
Jahre 1494 und 1495 giebt das Registrum omnium proventuum re-
galium . . . . per rev. dom... ... episcopum Quinqueecclesiensem
thesaurarium regie majestatis ..... . perceptorum, das Engel in
feiner Geſchichte der ungarifchen Nebenländer (Fortſetzung der Allgem.
Weltbiftorie, 49. Teil, I, 17— 181) verdffentliht hat. Bgl. die von
Kovachich, Suppl. ad Vestigia comit. II, 305—321 mitgeteilten
Boranfhläge von 1504 und einem andern Jahr befonders die Ausgaben
für die Hut ber Grenzgebiete und Feſtungen betreffend. Giuftinian giebt
in feiner Relation von 1503 bie regelmäßigen Einnahmen bes Königs
(ohne die Thorfteuer) gewiß zu Hoch auf 220000 Dulaten an, barunter
von Salzbergwerlen 50000, von drei Gold⸗ oder Silberbergwerten 39000.
In der Ietsten Seit Wladiflaws waren bie Einnahmen nad der Relation
Surianos vom Jahre 1516 (Magyar törtenelmi tar XXV, 53) fehr be=
deutend gefunten, wenn auch die Gefamtfumme, 141000 Dukaten, nad
ben Einzelangaben zu Klein ift.
422 Klagen über Unterfchleife.
weigerten fich, eine höhere Steuer zu zahlen, als in der Wahl⸗
fapitulation Wladiſlaws fejtgefegt worden war, bonnerten gegen
die Großen, welche die Steuergelder in ihren Sad jtedten und
die Freiheiten bes Adels beeinträchtigten, und verlangten Re⸗
formen. Die DMagnaten ergriffen den jchlauen Ausweg, daß
fie zwei Bifchöfe und die Protonotare mit der Ausarbeitung
neuer Geſetze beauftragten, wa® jo lange Zeit in Anſpruch
nahm, daß die meiften Adeligen, welche die Koften des Aufent-
baltes in Ofen nicht mehr zu bejtreiten vermochten, die Haupt»
ftabt verließen. Die zurücbleibenden, teilweife von den Großen
beftochen, ließen fich dann leicht zur Bewilligung der verlangten
Steuer bewegen, worauf der Reichstag auf den Oktober ver»
tagt wurbe ?).
Als nad) jeinem Wiederzufammentritt im Jahre 1496 der
Adel neuerdings feine Klagen über den Steuerbrud erhob und
behauptete, man habe in fech8 Jahren fchon 1800000 Dur
faten gezahlt, opferte man dem Haſſe desfelben den Schaß-
meilter Sigismund Ernft, Biſchof von Fünflirchen, und deſſen
Unterfchagmeifter Dombay. Beide wurden von einer Kom⸗
milfion des Unterſchleifes ſchuldig erklärt, erjterer zu einer
Geldftrafe von 400000 Dufaten verurteilt, Dombah, ber
nicht in der Lage war, durch eine hohe Summe fich loszu⸗
faufen, in den Kerker geworfen ?).
Daß die unbotmäßigen Magnaten die Schwäche des Könige
zu Übergriffen und Gemwaltthaten benugten, daß jede Sicherheit
verihwand, kann nicht Wunder nehmen. Aber daß Stephan
1) Bonfinii Dec. V, 1. 5, p. 572g.
2) Mit diefer Nachricht fchließt Leider das Werk des Bonfiniuß,
der für die erften Jahre Wlabiflams II. reichhaltige und im ganzen ver=-
läßliche Nachrichten bat. Das früher erwähnte Registrum proventuum
regalium giebt übrigens feine Anhaltspunkte für die Behauptung, daß
größere Summen veruntreut worben feien. Aber wie beftechlich der Biſchof
von Fünftichen und Thomas Balacs waren, ergiebt fih aus der Klage
bes Johann Eorvinus von 1498, im Cod. dipl. patrius IV, 439, daß
er biefen beiden Bifchöfen an Pretiofen und SHerrichaften mehr als
100 000 Dutaten gegeben babe, damit fie ihn im Befite der Woywoden⸗
würde über Kroatien und Slavonien immer zu erhalten verfpracen.
Gewalttbaten der Magnaten. 423
Zapolya, der als Palatin nad dem Könige der oberjte Hüter
des Rechtes war, es jeinen Standesgenoſſen in diefer Beziehung
noch zuvortbat und dem Johann Corvinus außer andern
Gütern durch eine förmliche Belagerung eine Burg entriß !),
zeugt doch von einem bejonderen Verfall der moralijhen und
politiihen Anjchauungen. Um die Befehle des Königs küm⸗
merte er fich jo wenig wie andere. Daß Wladiſlaw ſich ein-
mal ermannte und gegen den ftolzen Lorenz von Ujlak, welcher
den Biichöfen des füdlichen Ungarns Burgen und Güter weg»
genommen batte, wie gegen deſſen Genoſſen Lorenz Kishors
vaͤthy und den Sohanniterprior von Vrana im Jahre 1494
einen förmlichen Feldzug unternahm, ihm die meiften jeiner
Burgen wegnahm und ihn zur Unterwerfung zwang, war eine
Ausnahme und wird dadurch erklärt, daß Ujlaky fich gegen
ihn immer beſonders widerjpenftig gezeigt hatte und ihn einen
Ochſen zu nennen pflegte, und daß er von den zahlreichen und
mächtigen Feinden desſelben angejtachelt und eifrig unterjtüßt
wurde. Und fchließlich gab er ihm doch feine Güter unter
der nad dem Geſetze jelbitverftänplichen Bedingung zurüd,
daß fie, wenn er ohne Kinder mit Tod abginge, an den Staat
fallen ſollten ?).
Dei dem zunehmenden Verfalle Ungarns war es ein Glück,
daß auf dem türkiichen Throne ſeit 1481 der rubeliebende
Bajeſid II. faß, der bei feinen Kämpfen mit den afiatiichen
Fürſten und teilweife auch mit Venedig nicht auch noch einen
ihweren Kampf mit Ungarn führen wollte. |
Als der noch von Matthias geichloffene Waffenſtillſtand im
Jahre 1491 fein Ende erreichte, unternahmen allerdings bie
Statthalter der türkiichen Grenzprovinzen räuberiiche Einfälle
in die benachbarten ungariichen Gebiete, einerjeitd ind Banat,
wo fie Temesvar verbrannten, anderſeits nach Kroatien, von
wo eine Schar nah Mitte des September nach dem ſüdöſt⸗
1) Bonfinii Dec. V, 1.3, p. 557sg.
2) Ibid. 1. 4, p. 566 sqq. Tubero ap. Schwandtner II, 203.
Bol. Sinfiniens Relation a. a. O.
421 Grenzfehden zmwifchen ten Türken und Ungarn.
lichen Rrain bis in die Nähe von Laibach torbrang. Doch
wurde dieſe Abteilung von den kraineriſchen Bauern unter An
führung einiger Edelleute überfallen und großenteil® erjchlagen.
Auch die in Kroatien eingebrungenen erlitten an der Unna
eine Niederlage und verloren an Toten und Gefangenen bei
3000 Mann 1).
Im Jahre 1492 beabſichtigte der Sultan ſelbſt mit einem
großen Heere Ungarn anzugreifen. Als er aber erfuhr, daß
der Thronkampf durch die Friedensſchlüſſe mit Maximilian und
Albert von Polen beendet und daß umfaſſende Verteidigungs⸗
maßregeln getroffen worden ſeien, zog er wieder nachhauſe.
Die Verteidigung der ſüdöſtlichen Grenzgebiete leitete mit
Erfolg hauptſächlich Paul Kinizſi, „Graf von Temesvar und
Generalhauptmann von Niederungarn”, ber mit ben Türken
in Beziehung auf wilde Grauſamkeit wetteiferte.e Er Tieß
:ürtiiche Gefangene an Mühlräder binden oder jchinden, andere
bei langlamem Teuer braten oder mit auf den Rüden gebun⸗
benen Händen den Schweinen zum Fraße vorwerfen ?). Kinizfi
beraubte ſich übrigens jelbft der beften Krieger, indem er bie
in Szegebin lagernde fchwarze Legion, welche fich wegen Nicht-
zahlung des Soldes verichievene Gewalttbaten zuichulden kommen
ließ, im Auguft 1492 mit Soldaten und raſch gefammelten
Bauern und Bürgern unvermutet überftel und nach vergeblicher
Gegenwehr zur Ergebung zwang, worauf das Corps aufgelöft
und in verſchiedene Truppenabteilungen geftedt wurde, joweit
die Böhmen nicht vorzogen, das Land zu verlajfen und rad
Dfterreih und Mähren zu ziehen °).
Während nun im Sommer des folgenden Jahres der
ungarifhe Kanzler mit dem Könige Marimilten, der jeine
Unterftügung gegen die Türken anbot, über die Bedingungen
eines Bundesvertrages unterhandelte und man fi) tarüber
jtritt, welcher von beiden Zeilen den Oberbefehl erhalten
1) Bonfinii Dee. V, 1. 2, p. 547. 550. Unresti Chron. Austr.,
p. 7508q. VBgl. Dimitz, Geſch. Krains I, 295f.
2) Bonfinius 1. c, p. 551, und lib. 3. p. 552—554.
3) Bonfinius 1. c, p. 5ö3sqg. Tubero, p. 184sqq.
Niederlage der Kroaten. 425
ſollte ?), fiel Jakub Paſcha von Bosnien her mit 8000 Dann
duch Kroatien in Südſteiermark ein und plünberte die Gegend
von Cilli bis gegen Marburg vollftändig aus. Als er, ba
beutiche Truppen fich gegen ihn jammelten, mit Beute und
Gefangenen beladen nachhaufe zog, verlegte ihm der Ban von
Kroatien, Emerich Derenc’önyi, an der Spike der Kroaten
bet Ubdina im Gebiete von Corbavien ven Weg, wurde aber
von ven beijer bewaffneten Türfen vollitändig geichlagen. 5700
Chriſten, darunter der Sohn und Bruder des Bans, ein
Graf Frangepane, ein Graf von Corbavien und andere
Edelleute bevedten das Schlachtfeld, Derencſenyi felbit mit
einem andern Frangepane war unter ben Gefangenen ?). Als
König Marimilian in der zweiten Hälfte des Oftober mit
einem Heere nach Steiermart fam, war die nächite Gefahr
vorüber, und er begnügte fich mit einer jtärferen Belegung der
Örenzgebiete, von wo aus im Notfalle auch den Kroaten Hilfe
geleiftet werben follte. |
Wie wenig dies aber ausreichte, wie ungeeignet überhaupt bie
\chwerfälligen beutfchen Krieger zum Schuge des offenen Landes
gegen die raſchen türkiichen Weiter waren, zeigte fich ſchon im
Herbfte des folgenden Jahres, wo die wilden Horden nad
Überfehreitung der untern Save neuerdings Slavonien, Kroatien
1) Ulmann, 8. Maximilian I, 207 ff.
2) Tubero, p. 200. Bonfinii Dec. V, lib. 3, p. 554sqgq., nad
welchem Jakub Pafcha durch Bernardin Frangepane gerufen worden wäre,
dem der Ban nah Wegnahme mehrerer Schlöſſer auch Brebir entreißen
wollte, wa8 aber nicht ganz wahrfcheinlich ift, da in diefem Kalle Jakub
Paſcha ſchwerlich Kroatien ruhig durchzogen und fih nad Steiermart
gewendet hätte. Auch der Tag, den Bonfin für die Schlacht bei Ubdina
angiebt, 9. September, kann nicht richtig fein, wenn K. Marimilian ſchon
am 8. September in Tirol von der Niederlage der Chriſten Nachricht hat,
wie fih aus Lihnomsty VII, Reg. Nr. 1981, ergiebt. Vgl. auch bie
Schreiben daſ. Nr. 1980. 1994. 2000 und Unrest, p. 793sq. Be-
züglich des Ortes halte ih mid ar Tubero, da mit dieſem Seabebbin bei
Hammer (2. Aufl.) I, 642 übereinfiimmt. Bonfin nennt das Gebiet
von Modrus. Daß die große Niederlage, welche die Türken 1493 bei
Billach erlitten Haben follen, eine Erfindung Megifers ift, Braucht wohl
nicht weiter auseinander geſetzt zu werben. '
426 Abſchluß eines Waffenſtillſtandes.
und die anſtoßenden Gebiete von Krain und Steiermark bis
Cilli und Pettau durchſchwärmten, viele Ortſchaften nieder⸗
brannten und zahlreiche Bewohner, darunter den Prior des
Kloſters Seitz hinwegſchleppten, ohne daß die Beſatzungen der
benachbarten Städte und Burgen ihre Gewaltthaten zu hindern
vermochten 1).
Auch vonfeite der Ungarn war nichts zur Abwehr ges
icheben. Doch unternahm Rinisfi, obwohl ihn ein Schlagfluß
bereit8 der Sprache beraubt hatte, mit dem fiebenbürgifchen
Woywoden Draͤgſy im Dftober 1494 mit 14000 Reitern
einen Streifzug nach Serbien, durchjtreifte zwei Wochen lang,
ohne Widerftand zu finden, das Land bis zu den Bergen, ver»
brannte die Vorſtädte von Semendria und brachte reiche
Beute an Menſchen und Vieh nachhauſe. Die von ihm be-
antragte Belagerung von Semenbria unterblieb fchon wegen
des Todes des alten Haudegens ?). Doc jcheint immerhin
diefer Zug auf den Sultan nicht ohne Eindruck geblieben zu
jein, indem er im folgenden Jahre eine zehnjährige Waffen-
rube anbot. Diejelbe wurde auf drei Jahre abgefchlofjen 3),
wobet die Pforte fich verpflichtete, alle Streifzüge in ungartiche
Gebiete und durch dieſe in die öfterreichiichen Länder zu unter»
laſſen.
Dieſe Bedingung wurde freilich nicht eingehalten und auch
während des Waffenſtillſtandes die ungariſchen Grenzgebiete
ebenſo wie Krain und andere benachbarte Länder durch kleinere
Reiterſcharen verheert und ausgeplündert ). Da auch Polen
durch Türken und Tataren mit gleicher Wut heimgeſucht ward,
jo ſchloß Wladiſlaw mit ſeinem Bruder, dem Könige Albert,
am 20. Juli 1498 ein Bündnis, das am 16. April des
folgenden Jahres erneuert ward und namentlich jeden Separate
1) Unrest, p. 794sq. gl. Bonfinii Dec. V, 1. 4, p. 568.
2) Bonfinius 1. c., p. 53648q. Über einen im Frühjahr unter-
nommenen glüdlihen Streifzug nad Serbien ſ. ibid. 1. 3, p. 559.
3) Ibid. 1. 5, p. 571.
4) ©. die Klagen K. Wladiflams in der Inftruftion für den 1498 (?)
an den Sultan abgeſchickten Gefandten ap. Katona XVII, 39—53.
Bündnis mit Venedig und dem Papſte. 427
frieden unterjagte. Doch Hinderte dies die Ungarn nicht, kurz
darauf den Waffenjtillitand mit der Pforte neuerdings zu ver
längern !) und ruhig zuzufehen, wie die Türken, nachdem fie
nun den Krieg gegen Venedig begonnen hatten, im Herbſte
1499 durch Kroatien in Friaul einfielen.
Im Orient hart bebrängt, im Befige der dalmatiniſchen
Küſtenſtädte gefährdet, juchte die wenetianische Regierung ben
König von Ungarn zu einem Angriffe auf die Türken zu be
wegen. Ihre Bemühungen wurden auch durch den Papit
Alerander VI. unterjtügt, welcher die Ungarn durch die Auss
jicht auf eine Koalition fait aller chriftlichen Mächte zu er»
mutigen bejtrebt war. Während die ungariichen Prälaten gegen
den Krieg waren, von dem fie nur Steuern erwarteten, zeigten
jich die weltlichen Großen einem folchen an fich nicht abgeneigt.
Aber bet der Lage ihrer Finanzen glaubten auch fie ohne be-
deutende Subſidien einen folchen nicht führen zu fünnen. Mit
den Berfprechungen des Bapftes, der dem Könige bie Erträg-
nifje des Subiläumsablaffes, der Zehnten von den ungarifchen
Kirchengütern und einer Kreuzzugsjteuer anbot, wollten fie
jih nicht begnügen, weil die Einnahmen davon zu unficher
idhtenen oder nur auf ihre Schultern gefallen wären. „In
Ungarn ift das Jubiläum wenig geichätt“,, fchrieben die vene-
tianiichen Gefandten 2). Venedig jelbjt, fuchte von den Forde-
rungen Ungarns möglichit viel herunterzuhandeln. Es dauerte
daher über ein Jahr, bis man zu einem Ergebnifje fam, ob»
wohl der Graner Erzbiichof Thomas, „der zweite König“, wie
ihn die venetianiichen Gejandten nennen ?), dieſe eifrig unter»
jtügte, um durch Verwendung der Signoria den Kardinalshut
zu erlangen. Erſt am 13. Mai 1501 wurde zwilchen bem
1) Auf zwei Sabre nach Tubero, p. 236, wa8 mit einer Bemerkung
Giuftinians bei Sanuto III, 1177 und 1315, daß derſelbe mit dem
24. Februar 1501 zu Ende gebe, freilich nicht ganz übereinfiimmt. Die
Zeit des Abfchluffes läßt fih nicht genau angeben, da die Nachrichten,
die Sanuto regiftriert, ſich widerſprechen.
2) Sanuto III, 702, di Hongaria 22. Auguft 1500.
3) Sanuto III, 239.
428 Erfolge der Ungarn gegenüber den Türken.
Papite, Venedig und dem Könige Wladillam ein Bündnis ab⸗
gefchlojfen. Der Bapft veriprah für die Dauer des Krieges
jährlich 40000, Venedig 100000 Dulaten zu zahlen und Die
Zürlen zur See anzugreifen, während die Ungarn den Rampf
zu Lande führen follten '),
Die Streitkräfte, welche Ungarn an der Grenze von Bos⸗
nien und Serbien aufitellte, waren freilich troß biefer Sub-
fivien nicht bedeutend, und man dachte auch an feinen ernftlichen
Eroberungstrieg, obwohl die Verhältniffe nicht ungünftig geweſen
wären, da die Hauptmacht der Türken im Peloponnes ftand,
wo fie den DVenetianern mehrere Küftenftäbte entriffen Hatte.
Es waren nur Raubzüge im großen Stile, die man unter»
nahm. Joſa von Som, Kinizfis Nachfolger im Kommando
in Niederungarn, drang im Oktober 1501, um einen Einfall
ber Türken zu rächen, mit ungefähr 14000 Mann von Bel:
grad aus in Serbien ein, plünderte und verbrannte die fpär-
lihen Dörfer, pfählte und röftete die Einwohner, fchlug ein
paar türkiiche Heerhaufen, bie jich ihm entgegenjtellten, und
nahm 1000 Mann gefangen ?). Umgekehrt wurde ein türfifches
Corps, das in Kroatien einftel, vom dortigen Woywoden
Johann Eorvinus befiegt ?). Im folgenden Sommer begann
ber Sohn des Iskender Paſcha, Statthalters in Bosnien, mit
10000 Dann die Belagerung von Jaicza, wurde aber von
Johann Tarczat, der unter dem Schuge von 4500 Dann die
Feſtung zu verproviantieren fuchte, am 2. und 3. Juli mit
einem Berlufte von 1000 Toten und 400 Gefangenen ge=
1) Die Verhandlungen nad den bei Sanuto III, 235. 239. 287.
316. 356. 365. 371. 375. 381. 398. 400. 469. 509. 512. 566. 586.
596. 701. 791. 867. 868. 881. 929. 957. 980-984. 985. 1009. 1055.
1102. 1158. 1177. 1207. 1245. 1315. 1320. 1452sq. 1478 — 1480.
1535—1538. 1549—1551. 1599. 1603. 1611. 1621 und IV, 41 ge=
fammelten Depefchen di Hongaria etc. Bgl. Giuftinians Relation
a. a. O.
2) Nah Schreiben Giuſtinians vom 13. und 24. Oktober und vom
13. und 19. November bei Sanuto IV, 172. 179 und 187, und Giu-
ffintans Relation von 1503.
3) Sanuto IV, 177.
Abſchluß einer fiebenjährigen Waffenrube. 429
ichlagen 1). Im Herbjte 1502 eroberte Graf Beter von Pöſing,
Woywode von Siebenbürgen, Widdin und joll bi8 unter bie
Deauern von Nilopolis vorgedrungen fein. Doc wurde nicht
einmal Widdin zu behaupten gejucht, obwohl dies eine Vor⸗
mauer für das Zewriner Banat gebildet hätte 2). Anderſeits
griff Sofa von Som Bosnien von Norbojten her an, während
Corvin mit feinen Zruppen in Yateza jtand. Vereint hatten
fie ein Heer von 20000 Mann. Bei der Schwäche ber in
diefem Lande befindlichen türkiichen Zruppen erwartete man
große Erfolge und war mit Recht ſehr enttäujcht, daß Som
fih auf den Wiederaufbau einiger von den Türken zerftörten
Burgen bejchränfte >).
So gering indefjen auch die Energie war, mit ber bie
Ungarn den Krieg führten, fo hatte ihr Eingreifen doch vie
Folge gehabt, daß der Sultan, da auch fein Verhältnis zu
Perfien ein ſehr gejpanntes ward und die Flotten der chrift-
lichen Seemächte die Küſten des Ägäiſchen Meeres beunrubigten,
Ion im Sommer 1502 Frievensanträge machte. Sowohl
Benedig als auch Ungarn gingen auf die Verhandlungen ein.
Während aber erſteres einen dauernden Frieden fchloß, ließ fich
Ungarn nur zu einem Waffenftillftand auf fieben Jahre herbei,
der Anfangs 1503 vereinbart und am 20. Auguft vom Könige
1) Ibid. IV, 284 nah Beriht vom 9. Iuli, beftätigt durch einen
Beriht vom gleichen Tage (aber fälfchlich von 1503) bei Palacky V,2,
60, N. 36. Es ift dies offenbar derſelbe Sieg, den Istvanfi, Hist.
de rebus Hung., 1. IV, p. 30, dem Johann Corvinus zuſchreibt und ben
die neueren Hiftorifer ins Jahr 1500 verlegen, wo ja der Waffenftillftand
noch fortdauerte. Es ift überhaupt ein Fehler, wenn man Iſtvaͤnfi, der
ein volles Jahrhundert ſpäter gefehrieben hat und auch mit feinen Vorlagen
fehr willtürlich verfahren if, für dieſe Zeit als verläßliche Onelle benützt.
2) Sanuto IV, 373, nad Briefen aus Ofen vom 83. bis 11. Oft.
Das Borbringen bis Nilopolis berichtet Iſtvaͤnfi, der aber allem Anfcheine
nad irrig auch bei biefer Expedition den Johann Eorvinus beteiligt fein
läßt.
3) Dürftige Notizen bei Sanuto IV, 449. 4718q. 493. 494. 502.
563. 570 619, von 1502, Nov. 15. bis 1503, Sanuar 9. Bgl. Gin-
ftinians Relation von 1503.
450 Finanznot und Verſchwendung des Könige.
Wladiſlaw ratifiziert ward '). Nicht bloß die Woywoden ber
Walachei und Moldau und bie Stadt Raguja, über die Ungarn
troß ihrer Tributpflichtigfeitt an die Pforte noch immer bie
Oberhoheit beanjpruchte, ſondern alle chriftlichen Mächte, vie
ihren Beitritt erklären wollten, wurden in den Vertrag ein⸗
geichlojfen. Den Türken wurde ausdrücklich unterfagt, durch
Ungarn in andere chriftliche Länder Einfälle zu unternehmen.
Obwohl Ungarn diefen Krieg, wenn auch ohne große Er»
folge, jo doch im ganzen mit Ehren geführt Hatte, jo waren
doch die Folgen feine günftigen. Trotz ber Subfidien Venedigs
und des Papftes hatte der König zur Beftreitung der Koften
manche feiner Einkünfte verpfänden müſſen?) welche die Finanz-
not in der nächiten Zeit noch vergrößerten. Wladillaw trug
diefen Verhältniffen zu wenig Rechnung; und wenn er auch
perjönlich ohne große Bebürfniffe war, da er nur ein leivenichaft-
licher Liebhaber der Jagd gewefen zu fein jcheint, jo warf er für
feine Gemahlin Anna von Candale, eine Verwandte des fran«-
zöfifchen Königs, die er 1502 geheiratet hatte, das Gelb mit
vollen Händen weg. Wenn er unmittelbar nach dem Kriege
verjelben in Genua ein Halsband um 6000 Dukaten kaufen
ließ und ihr wenig fpäter wieder SKleinodien im Werte von
mehr als 20000 Dulaten fchenkte®), fo ließ fich dies um fo
weniger rechtfertigen, als man in der Kaffe ftäte Ebbe hatte
und die DVenetianer, die auch nach Beendigung des Krieges an
Ungarn jährlich eine Unterftügung von 30 000 Dukaten zahlten,
immer um Vorſchüſſe bejtürmen mußte. Auch entſprach es
gewiß nicht der Würde des Staates, daß die Königin ber
Republik, deren Tochter fie fich mit Vorliebe nannte, den
Wunſch nach einer jährlichen Provifion ausfprechen ließ *).
Der König verlor bei den friegeriihen Ungarn auch des⸗
wegen alle Achtung, weil er während des letzten Türkenkrieges
1) Vollſtändig in „Magyar törtenelmi tar“ XXIV, 81.
2) Giuftinians Relation von 1503.
3) Sanuto V, 195 und 1052 zu 1503, Oftober 23., und 1504,
März 28., nach Berichten der Gefchäftsträger Venedigs in Ungarn.
4) Ibid. V, 823 zu 1504, Februar 7.
Reichstagsbeichluß gegen Erhebung eines Ausländers auf den Thron. 481
nie zu bewegen gewejen war, fich jelbft an die Spike eines
Heeres zu ftellen. Im Gegenſatze zu Wladiſlaw ftrahlte nun
das Bild des Königs Meatthiad in erhöhtem Glanze. Man
ſcheute fih auch gar nicht, dies den König fühlen zu laſſen,
alle Übeljtände ihm allein, und nicht feinen Ratgebern zur
Laſt zu legen. Es war der höchſte Grad von NRüdfichtslofig-
feit, wenn der Reichstag im Oktober 1505 feine Beichlüfjfe ?)
mit den Worten einleitete, daß der gegenwärtige, Verfall Un-
garnd davon berfomme, weil es oft von fremden Königen re-
giert worden fei, die nur auf ihre Privatinterejjen bedacht, fich
immer mehr der Unthätigleit und der Ruhe ald dem Kriege
bingegeben haben. Die eingeftreute Bemerkung, daß Wladiſlaw
die Ungarn nicht nur gnädig und nach ihren Freiheiten rvegiere,
ja manche derfelben erneuert habe, fonnte dem Stachel, der in
biefen Worten lag, feine Schärfe nicht nehmen. Infolge deſſen
faßten die Stände einjtimmig den Beichluß, daß fie, falls Wla-
billaw oder ein [päterer König ohne männliche Erben mit Tod
abginge, nie einen Ausländer, fondern nur einen Ungarn zum
Könige wählen und jeden fremden Fürſten, der dieſes Reich,
oder einen Zeil desſelben an fich zu reißen juchte, einhellig
Widerſtand leijten würben.
Die nächſte Veranlafjung zu diefem Beichluffe war ohne
Zweifel Wladiflams jchlechter Geſundheitszuſtand. Schon am
10. Sanuar 1504 war er während des Eſſens von einem
leichten Schlaganfalle getroffen worden, der ihm vorübergehend
die rechte Seite und Zunge gelähmt hatte. Die Anfälle hatten
ih im Juni und im Oktober 1504 erneuert ?). Starb der
König, dem jeine Gemahlin bisher nur eine Tochter Namens
Anna geboren hatte, ohne männliche Nachkommen, jo fiel Un-
garn nah dem Predburger Frieden von 1491 an Marimis
lian von Ofterreih. Aber wie diefe Beitimmung ſchon beim
Abfchluffe des Friedens in Ungarn einen ungebeuren Sturm
1) ap. Katona XVII, 425—435.
2) Sanuto V, 766—769. 828—830; VI, 36. 83, nach Berichten
des venetianifchen Gefhäftsträgers, und vom Oftober nad Berichten aus
Capodiftria und Beglia.
—X
432 Streben Johann Zapolyas nach der Krone.
hervorgerufen batte, jo hatten ſich die Stände kurz darauf ent-
ichloffen gezeigt, fich um diejelbe gar nicht zu Fünmern. Be—
reits im Jahre 1498 hatte der Reichstag den Beichluß gefaßt,
daß, wenn der König ohne Erben ftürbe, Fein fremder Gejanbter
zu den Verhandlungen über die Neuwahl zugelajjen werben
ſollte *), und damit die Abficht angedeutet, alle Ausländer vom
Throne fernzußalten. Jetzt gab es zwar unter ben welt⸗
Iihen Großen feinen, ber durch jeine Stellung und jein An-
jeben von vornherein zur Herrichaft berufen erichienen wäre,
da der Woywode Stephan Baͤthory 1492, der Palatin Stephan
BZapolya 1499, Johann Corvinus im Dftober 1504 geftorben
waren. Aber Zapolya hatte von jeiner Gemahlin, der Her-
zogin Hedwig von Zeichen, als Erben feines Namens und feiner
Neichtümer zwei Söhne, Johann und Georg Binterlafien, von
denen der ältere, obwohl noch kaum vollftändig erwachien, an⸗
getrieben von jeiner ehrgeizigen Mutter 2), feine Augen auf bie
Krone des heiligen Stephan zu richten begann, die feinem Un—⸗
garn mehr unerreichbar fjchien, fett der Sohn Johann Hunyadys
fie getragen hatte. Seine Beitrebungen wurden von denjenigen,
welche gegen die Herrichaft Maximilians wie überhaupt jedes
Ausländers waren, wenn nicht veranlaßt, jedenfalls unterjtüßt.
Schon Anfangs Juni 1505, wo ein Reichstag gehalten wurde,
ſcheint Johann Zapolya verlangt zu haben, daß ihm Die zwei⸗
jährige Prinzeſſin Anna zur Ehe gegeben und er als Nach
folger Wladiſſaws auf dem Throne anerkannt werde. Da aber
ver König, beeinflußt von feiner energiichen Gemahlin, die nicht
einen Emporlömmtling, jondern einen der Enkel des deutſchen
Königs zum Schwiegerſohn haben wollte, dieſe Forderung abfchlug,
jo fam c8 zwilchen Zapolya und der Königin zu einem offenen Zer⸗
würfnifje, und man befürchtete fogar Wladijlaws Vertreibung ?).
1) Artitel 45 ap. Katona XVIII, 137.
2) Dies fagt Sigmund von Herberftein in feiner Selbftbiographie
in „F. R. Austr. SS.“ I, 103. Zapolyas Alter giebt der venetianifche
Geſandte Suriano 1516 auf 28 Jahre, deſſen Nachfolger Bon 1519 auf
34 Sabre an. Magyar törtenelmi tar XXV, 55. 154. Bgl. Mon.
Hung. Dipl. V, 140.
3) Dies wird bei der an den deutſchen Reichstag geftellten Forderung
Vorläufige Bertagung biefer Pläne. 433
Dazu ift ed nun allerdings nicht gefommen. Denn auf
die Nachricht von den Vorgängen in Ungarn verlangte König
Maximilian vom deutſchen Neichätage, der damals in Köln
verjammelt war, Unterftügung, um Wladiſlaw und feiner Ge⸗
mablin beizuftehen und feine eigenen Rechte auf die Nachfolge
in Ungarn aufrecht zu erhalten. Im der That bewilligten ihm
diesmal die Stände auf ein Sahr 4000 Mann. Da aud in
Böhmen zur Unterftügung des Königs das Landesaufgebot ein-
berufen und Nüftungen unternommen wurden, jo hielt e8 Za—
polya für Hug, vorläufig jeine Pläne zu vertagen und durch
DBermittelung des polniichen Prinzen Sigismund, des Bruders
Wladiſlaws, eine Ausſöhnung mit der Königin zu fuchen. Wie
wenig er aber daran dachte, jeinen ehrgeizigen Beitrebungen
für immer zu entjagen, zeigen die offenbar zu feinen Gunften
im folgenden Dftober gegen die Wahl eines Ausländers ges
faßten Beichlüffe des ungariichen Reichstages, bei welchem er
felbft mit 2000 Reitern erjchienen war‘). Der Erzbiſchof
Thomas von Gran, der jhon mit Stephan Zapolya befreundet
gewejen und von dieſem zum Mitvormund jeiner Kinder
eingejegt worden war, der Palatin Emerich Perenyi und
8. Marimilians (bei Janſſen, Reichscorreſpondenz II, 689.) behauptet,
und daß e8 nicht aus ber Luft gegriffen war, beweift das zugunften
Wladiſlaws in Böhmen erlafiene Aufgebot (Balady V,2, 117). Der
Bruch Zapolyas mit der Königin ergiebt fih aus dem Schreiben des
böhmischen Kanzlers vom 15. Juli 1505 bei Palady a. a. O., N. 80,
über die Wiederausfühnung. Daß Zapolya vor Ludwigs Geburt die
Hand ber Prinzeffin Anna zu erlangen ſuchte, aber die Königin gegen
diefe Mesalliance war, fagt ber gleichzeitige Nagufaner Tubero ap.
'Schwandtner II, 335, und ift aud an fi wahrſcheinlich. Daß im
Suni 1505 ein ungarifcher Reichstag abgehalten ward, ergiebt fi aus
der allerdings gar zu lakoniſchen Notiz des Sanuto VJ, 188 zum
19. 3uni di Hongaria: certa dissension fra quelli signori e diete si
fa. Ebd. p. 193 zum 19. Juli, di Hongaria, piü lettere Di le dis-
cordie di fioli fo dil conte palatino (de8 Stephan Zapolya). Einen
genauen Einblid in den Gang der Erxeigniffe erhält man allerdings beim
Mangel eines gleichzeitigen ungarifchen Hiftorifers nicht.
1) Sanuto VI, 252, di Hongaria zum 4. November.
Huber, Geſchichte Öfterreiche. II. 28
434 Bertrag über eine Doppelheirat zwifchen Habsburgern und Iagellonen.
andere Große ſcheinen damals noch feine Pläne unterftügt zu
baben !).
Allein Wladillam war mit den Tendenzen der nationalen
Partei durchaus nicht einverjtanden und fuchte fie zu vereiteln.
Schon um die Mitte des Dezember iſt ein ungariicher Ge-
jandter beim Könige Martmilian in Linz, der mit ihm in ver«
traulichſter Weiſe unterhandelt 2). Mit einer neuen ungarijchen
Geſandtſchaft ſchloß Marimilian am 20. März 1506 in Wiener
Neujtadt einen Vertrag, wonach jein zweiter Enfel Ferdinand
mit Wladijlamd Tochter Anna und das damals von der un-
gartichen Königin, die guter Hoffnung war, zu erwartende Kind,
falls e8 ein Knabe wäre, mit feiner Enkelin Maria vermählt
werben follte. Dieſer Vertrag, der Zapolyas ehrgeizige Pläne
für immer zerjtören jollte, wurde ſchon am 27. März in Ofen
vom Könige Wladillam und feiner Gemahlin Anna beftätigt
und dem römtichen Könige für den Fall des Todes Wladiſlaws
die VBormundichaft und der Schuk der Kinder besjelben über«
tragen 8).
Es ift leiver völlig unbelannt, was Maximilian bewogen
bat, troß des freundichaftlichen Entgegenfommens des Königs
Wladiſlaws, der mit ihm felbit gegen den Willen feiner Großen
in denburg eine Zufammenfunft halten wollte, Anfangs Mai
burch feine Leute die Teindjeligkeiten beginnen und die ungaris»
ichen Grenzgebiete verwüften zu laffen. Es war jedenfalls eine
ſehr unkluge Politif, wenn er nur an den ungariichen Großen
für die Beichlüffe des legten Reichsſctages Nache nehmen wollte,
Denn wenn Wladiſlaw nicht die Entrüjtung und den Haß aller
Ungarn gegen fich beraufbeijchwören wollte, konnte er unmöglich
biejem Kampfe rubig zuſehen. Obwohl Marimilian gleichzeitig
Geſandte nach Dfen ſchickte, welche die Erklärung abgaben, daß
er auch fortan ein Bruder des ungariichen Königs fein wolle
1) Szalay III, 2, 120f. Bgl. ©. 88, N. und ©. 97.
2) Nah Schreiben des venetianifchen Gefandten bei Sanuto VI, 276,
3) Kollar, Auctar. dipl. ad Ursini Velii hist. de bello Pannon.,
P. 324g. extr., auch ap. Katona XVIII, 439sqg.
Friede zwiſchen 8. Mar und Ungarn. 435
und nicht8 anderes verlange, als daß die Ungarn ihre eiblichen
Derpflichtungen ibm gegenüber hielten, jo wurde doch am
7. Mai der Krieg erklärt und die Aufftellung eines Heeres
unter Anführung des Biſchofs von Fünffirchen, Georg Szal
maͤry, angeordnet ?).
Es zeigte fich aber jett Har, daß die Ungarn wohl ſtark
in Worten, aber nicht geneigt waren, für bie Verteidigung ber
Unabhängigkeit ihres Neiches Opfer zu bringen. Es jcheinen
nicht jo viele Zruppen zufammengelommen zu fein, daß man
fih den Deutfchen Hätte entgegenftellen können. Eifenftabt, Oden⸗
burg und Preösburg fielen in bie Hände der Zruppen Marl
milians. Die £roatifchen Grafen Johann Frangepane und Jo⸗
hann von Corbavien wie Johann von Kanifa traten zu dem⸗
jelben über. Durch bie Niederbrennung einiger äfterreichiicher
oder fteirifcher Dörfer ?) wurden dieſe Erfolge nicht aufge
wogen.
Doch waren die Verbandlungen auch nach dem Ausbruche
der Feinbfeligfeiten nie ganz abgebrochen worden. Auf einem
ungarijchen Neichötage, den der König nach Stuhlweifjenburg
einberufen hatte, ftanden jich zwar bezüglich der Frage, ob man
beim Mangel eines männlichen Thronerben Maximilian oder
Zapolya als König anerkennen follte, die Meinungen der Prä-
laten und Barone fchroff gegenüber. Am Ende gaben aber
doch auch die Stände ben von Wladiſlaw an Marimilian ges
ſchickten Geſandten am 24. Yunt unbedingte Vollmacht zum
Abſchluſſe eines Friedens. Diefer wurde am 19. Juli in Wien
unterzeichnet und vom Könige Wlabillam am 5. Auguft be-
ftätigt. Der römische König hat darin ſich und feinen Erben
alle Rechte auf Ungarn ausprüdlich vorbehalten, während die
ungariihen Bevollmächtigten die Anerkennung derjelben abge-
lehnt zu haben fcheinen, da fie nur die Haltung jener Artikel
1) Sanuto VI, 342sq. gl. 332 (zum 30. April). 336. 338. 840
(zum 18. Mai) und die Schreiben bei Szalay IIL,2, 123ff. und Bei
Palady V,2, 120. |
2) Sanuto VI, 370. 375 di Elemannia. Bgl. den Friedensvertrag.
28*
456 Geburt des Prinzen Ludwig und neuer Ehevertrag.
verfprachen, welche mit Übereinftimmung beider Teile gemein-
Ichaftlich abgefaßt worden wären ’).
Doch ſchien gerade dieſe Frage ihre Bedeutung verloren zu
haben, da am 2. Juli dem ungariichen Könige ein Prinz ge-
boren worden war, welcher nach dem Fürften, unter dem Un⸗
garn die größte Ausvehnung gehabt Hatte, ven Namen Ludwig
erhielt 2). Die Königin Anna ftarb aber am 26. Juli an
einem Wochenbettfieber, das man ungeſchickterweiſe durch einen
Aderlaß zu befeitigen gejucht Hatte.
Dearimiltan juchte feinen Nachlommen den Beſitz der Länder
Wladiſlaws auch unter den durch Ludwigs Geburt geänderten
Verhältniffen zu fihern. Er fand aud beim Könige Wladiſlaw
bereitwilliges Entgegenfommen, da biefer ebenfalls eine Familien»
verbindung mit dem Taiferlichen Hauje jeder andern vorzog und
fich für den Fall eines Türkenkrieges die Unterftügung ſter⸗
reichs und Deutichlands fichern wollte. Im Sabre 1507 wurde
ben fchon im Jahre vorher gejchlojjenen Verträgen entiprechend
in bindender Form eine Doppelheirat zwilchen den Nachkommen
beider Könige verabredet. Einer von Marimilians Enteln,
Karl und Ferdinand, jener nämlich, der zum Nachfolger im
Erzherzogtum Oſterreich, in der Grafichaft Tirol und in den
dazu gehörenden Fürjtentümern und Provinzen beftimmt werden
würde, jollte die ungariſche Prinzeffin Anna, deren Bruder
Ludwig aber Marimiliand jüngjte Enkelin Katharina oder,
wenn fie früher mit Tod abginge, deren Schweiter Maria hei-
raten 8).
1) Die Friedensurfunden und die vorausgehenden Vollmachten bei
Katona XVIIl, 444-457. 2gl. Sanuto VI, 346sq. 349. 856.
357. 370. 375 5q. 380.
2) Sanuto VI, 3758q. und 388, nad) Berichten bes venetianifchen
Geſchäftsträgers. Daß der Prinz noch nicht vollkommen ausgebildet ge-
wejen und deswegen in bie Häute frifch gefchlachteter Tiere gelegt worben
fei, berichtet Leine ältere Duelle.
3) Die Urkunde 8. Wiadiflaws vom 12. November 1507 bei Katona
XVII, 522. Bol. bei Sanuto VII, 1368q. den Bericht vom 18. Auguft
aus Ungarn über die Abfendung eines Gefandten (wahrſcheinlich des frü⸗
beren Großwarbeiner Biſchofs Pruiß, der in den Franzisfaner Orben
getreten war) an K. Maximilian in biefer Angelegenheit.
Wieberausbruch des Krieges mit ben Türken. 457
Wie gewaltig aber die Gegenftrömung zugunften Zapolyas
in Ungarn noch immer war, fieht man daraus, daß diefer vom
Neichötage des Jahres 1507 neben dem Balatin zum Generals
kapitän bes Reiches ernannt und mit wichtigen Gefchäften be«
auftragt ward !), daß er drei Jahre fpäter vom Könige das
Amt eines Woywoden von Siebenbürgen erhielt und daß Wla-
billam auch die VBermählung feines Bruders Sigismund, Königs
von Polen, mit Johanns Schwefter Barbara unterjtügte, obs
wohl dies die Hoffnungen des ehrgetzigen Mannes noch mehr
jteigern mußte.
Auch traten bald Ereigniffe ein, welche das Anfehen Zapos
lyas bei den Ungarn außerordentlich vermehrten.
Der im Jahre 1510 zu Ende gehende Waffenftiliftand mit
der Pforte fonnte bei der Friebensliebe Bajeſids II. wiederholt
verlängert werden 2). Anders gejtaltete fich die Lage, als biefer
Sultan im Frühjahre 1512 durch feinen Friegeriihen Sohn
Selim I., einen leidenſchaftlichen Feind der Chriften, geftürzt
ward. Zwar war auch dieſer nicht gerade gegen die Verlängerung
der Waffenrube, da er anfangs mit jeinen Brüdern, dann mit
dem Schab von Perfien zu fämpfen hatte und endlich den Krieg
gegen die Mameluken begann, um ihnen Shrien und Ägypten
zu entreißen. Aber die Unterbandlungen zwifchen Ungarn und
dem Sultan zogen ſich jahrelang Hin, und unterdeffen nahmen
die Paſchas der Grenzprovinzen die gewohnten Raubzüge wieder
auf, die von ungariichen Generalen nad Kräften abgewehrt
und eriwibert wurden.
Schon im Herbit 1512 nahmen die Türken den Ungarn
drei Burgen, wahrjcheinlih in Bosnien, weg, erlitten dagegen
durh Stephan Baͤthory, Grafen von Temes und Befehls⸗
baber in Niederungarn, bei Belgrad eine Schlappe; einen mit
acht Pferden befpannten Wagen voll Zürfentöpfen ſchickte Baͤ⸗
tbory an den König Auch im folgenden Sabre dauerten bie
1) Katona L. c. 48ösqg.
2) Wir haben barliber nur venetianifche Berichte bei Sanuto X, 22.
130. 760. 851; XI, 44. 45. 164. 673; XII, 240. 586; XIII, 197,
438 Wirkung ber Kreuzprebigten auf die Bauern.
Angriffe der Türken noch fort; mehrere Burgen in Kroatien
und im dalmatiniichen Birmenlande wurden von ihnen erobert,
bis gegen Agram und Zemesvar das Land ausgeraubt und
verwüſtet *). Erſt ein Sieg, den Peter Beriszlö, Biſchof von
Beizprim und Vizeban von Kroatien, am 16. Auguft 1518
bei Koftainicza an ber Unna erfodht, wo bie Zürfen 3000
Tote und Gefangene verloren, wie ein gleichzeitig von Zapofya
gegen den Willen des Königs unternommener Zug bis unter
die Mauern von Semenbria verfchafften den Ungarn für einige
Zeit Ruhe. Aber die Unterhandlungen über den Abichluß eines
dauernden Waffenſtillſtandes hatten noch immer nicht zu einem
Ergebnifje geführt, und man war in Ungarn in großer Angft,
daß die gewaltigen Nüftungen des Sultans gegen dieſes Reich
gerichtet jeien und daß Selim tm Sabre 1514 einen Zug bis.
Peſt und Dfen beabfichtige.
Da kam im März 1514 der Karbinalerzbiihof von Gran
Thomas Bakacs, der wegen bes lateranenfiichen Konzils in Rom
gewefen war, nad Ungarn zurüd, verfehen mit einer Bulle
des Papftes Leo X., die ihm auf drei Jahre zum Zwecke eines
Krieges gegen die Türken zum Xegaten in Ungarn und ganz
Oftenropa ernannte ?). Trotz bes Abratens der hervorragend⸗
ften Mognaten ließ er in Ungarn das Kreuz gegen bie Uns
gläubigen prebigen.
Diefer Aufruf Hatte bejonders bei den Bauern, welche mit
dem zunehmenden Berfall der Zöniglichen Gewalt von den
Großen immer mehr bebrüdt wurden ®), ganz unerwarte Wir⸗
tungen. In jolchen Maſſen ftrömten biejelben an verjchievenen
Orten, bejonders in Ofen und Peft zufammen, daß den Herren
offenbar vor ihnen bange wurde. Sene verlangten, daß man
ihnen Anführer gebe und der Adel fie beim Kampfe gegen bie
1) Sanuto XIV, 272. 549; XV, 346. 408; XVI, 57. 241. £61.
291. 326. 409. 475. Für die folgende Zeit die Auszüge aus Sanuto
im „Magyar törten. tar‘‘ XXIV, 240sqg.
2) Vom 15. Juli 1513 ap. Theiner, Vet. Mon. Hung. II, 594.
3) Manches darüber bei Neuftabt, Ungarns Berfal am Beginn
des XVI. Jahrhunderts. „Unger. Revue” 1885, ©. 338 ff.
Ausbruch bes Bauernfrieges. 439
Türken unterftüge. Da aber unterbeifen ein Schreiben des
Sultans Selim eingetroffen war, daß er die mit feinem
Bater abgefchloffene Waffenruhe Halten wolle ?), fo erflärte
der Karbinal auf das Drängen der Magnaten den Kreuz«
fahrern, nachdem man fie unter einem guten Vorwande aus
Dfen und Peſt entfernt hatte, daß man ihre ‘Dienfte nicht
mehr brauche und daß fie nachhaufe ziehen follten. Die Kreuz«
fahrer (kurocok), durch einige in ihren Reiben befindliche Briefter
und Mönche mit großem Glaubenseifer erfüllt, wollten indeſſen
von einem Frieden mit den Ungläubigen nichts willen. Da
ihnen zugleich die Bilchöfe und Magnaten eine für die Heim-
reife erbetene Geldunterſtützung verweigerten, jo begannen bie
zügellojen Haufen auf den Gütern der Adeligen zu rauben
und verübten verjchiedene Gewaltthaten. So ging diefer Kreuz.
zug um die Mitte bes Diat in einen furchtbaren Bauernfrieg
über. Denn nachdem einmal der Boden des Gefeges verlafjen
war, fannten die rohen Banden, unter denen ſich auch viele
beruntergelommene Edelleute befanden, für ihre wilden Leiden⸗
ſchaften feine Schranken mehr. Die Adelsſitze wurden audges
plündert und niebergebrannt, viele Herren auf Pfähle geftect,
Frauen und Töchter gejchändet.
Der von den Bauern gewählte Anführer Georg Dozia,
ein Szefler, der fich furz vorher bei Belgrad durch einen glüd-
lichen Zweilampf mit einem Türken einen Namen gemacht
batte, jirebte eine vollitändige Vernichtung der Adelsherrichaft
an. „Fürſt und oberjter Hauptmann des gefegneten Volkes
der Kreusfahrer, nur des Königs von Ungarn und nicht der
Herren Untergebener“ nennt er fih in einem Schreiben. In
alle Dörfer und Stäbte jenbete er einen blutigen Pfahl und
drohte allen Bewohnern mit dem Tode und dem Verluſte ihrer
Güter, wenn fie fich ihm nicht anfchlöffen. In der That fol
die Zahl der Aufftändiichen auf wenigftend 60000 Mann ges
ftiegen fein. ‘Die Gefahr und Angſt des Königs und ver bei
1) Sanuto in „Magyar törtönelmi tar“ XXIV, 249 nad Bericht
des venetianifchen Gejanbten vom ... April.
440 Gefangennehmung be8 Bauernführers Dozfa.
ihm in der Ofener Burg befindlichen PBrälaten und Magnaten
war um fo größer, als das Gefindel in Ofen und Peſt mit
den Bauern ſympathiſierte. Nach allen Teilen Ungarns wie
nach den böhmischen Ländern ergingen Wladifſlaws Hilferufe.
Dozſa, der feine Haufen auch militärifch zu organifieren
verftand, Hatte fich ſchon im Mai gegen Stephan Baͤthory,
den Befehlshaber in Niederungarn, gewendet, venfelben befiegt
und zur Flucht über die Maros gezwungen, die Stabt Cſanaͤd
eingenommen, den dortigen Bilchof Nikolaus Ejäfy pfählen und
mehrere hervorragende Adelige, die in feine Hände fielen, Hin«
richten laffen. Bon da wendete er fich nach Temesvar, wohin
Baͤthory fich zurüdgezogen hatte, und belagerte dieſen im dor⸗
tigen Schloffe, welches wegen der ftäten Türkengefahr fehr ſtark
befejtigt worden war.
Während Dozſa nun mehrere Wochen vor Zemesvar Yag,
zog ein Haufe von 3000 Dann am Ende des Juni gegen
Peft, um fich diefer Stadt zu bemächtigen. Doch wurde bera
fefbe von Johann Bornemiſza, dem Befehlshaber ver Ofener
Burg, mit 1000 Mann angegriffen und volfftändig aufgerieben,
400 Dann getötet, der Reſt meift gefangen. Don diefen wurde
ber größte Zeil nachhauſe entlaffen, nachdem die Bauern die
Erklärung abgegeben hatten, daß fie nur durch Zwang in biefe
Gefellichaft gefommen feien, 16 Hauptichuldige aber am fol«
genden Tage gepfählt.
Ungefähr einen Monat darauf kam auch der Woywode Jo⸗
bann Zapolya mit 22000 Dann aus Siebenbürgen dem be
lagerten Temesvar zubilfe. ALS er im Angefichte der Feinde
jtand, ließ er verkünden, daß alle, die fich von ihrem Führer
trennten, gejchont werben würden. Wurde ſchon dadurch Un⸗
ficherheit in die Reihen der Bauern gebracht, fo ward ent«
ichetvend, daß Dozſa felbft bei einer Refognoszierung von Peter
Petrovicd verwundet und gefangen wurde. Das Heer löfte
fih auf, ein Zeil ftürzte fich in die vegellofe Flucht, die anderen
wurden niedergehauen oder gefangen.
Zapolya. jchändete feinen Sieg durch barbariiche Grauſam⸗
keit, die fich ſelbſt durch bie vorhergehenden Greuelthaten ber
Blutige Unterbrüdung bes Auſſtandes. 441
Bauern nicht genügend rechtfertigen ließ. Auf feinen Befehl
wurbe der veriwundete Dozia an einen glübend gemachten Sefjel
gebunden, mit glübenden Zangen gezwickt, mit ciner glühenden
etiernen Krone gekrönt und dann mehrere von jeinen Leuten,
die man lange hatte bungern lafien, gezwungen, vom Fleiſche
ihres noch lebenden Anführers zu eijen. Endlich ward dieſer
enthauptet und gevierteilt, das Haupt nach Szegebin, bie üb-
rigen Xeile jeines Leibes nach anderen Städten geſchickt. Auch
von feinen Leuten wurden viele hingerichtet.
In ähnlicher Weiſe verfuhr man in Ofen beſonders gegen
gefangene Geiftlihe. Ein Priefter wurde gevierteilt, ein Mönch
gebraten, am Tage darauf ein Geiftlicher gepfählt, ein zweiter
geräbert, ein dritter gevierteilt.
Noch ftand außer einigen Hleineren Haufen ein Prieſter
Namens Lorenz Meizaros im Felde, deſſen Heer man auf
16000 Köpfe ſchätzte. Auch diejes wurbe burch die Truppen
Zapolyas aufgerieben, Lorenz felbft aber, den man als ben
Hauptanftifter der von Dozſa verübten Greuelthaten bezeich-
nete, ſcheint ji durch die Flucht gerettet zu haben, ijt wenig-
ſtens nie in die rächenden Hände feiner Gegner gefallen. 40000,
nad) anderen gar 70000 Menſchen, darunter 400 Edelleuten
bat dieſer Krieg das Leben gefoftet ?).
1) Für die Gefchichte dieſes Bauernkrieges haben ſich die ungariſchen
Hiſtoriker hauptſächlich an Sftvan fi gehalten, ber allerdings den zu⸗
ſammenhängendſten und detaillierteſten Bericht giebt, aber, da er mehrere
Menſchenalter fpäter ſchrieb, doch nur Glauben verdienen kann, wo er
ſich auf ältere Berichte ſtützt. Manche Angaben, z. B. daß bei Temesvar
eine förmliche Schlacht geliefert worden ſei, ſtehen mit allen anderen Be⸗
richten in Widerſpruch. Bon den Zeitgenoſſen iſt Cuspinianus,
Diarium de congressu Maximiliani etc. im Anhange zur Ausgabe de
Caesaribus von 1601, p. 497, nur kurz, Tubero ap. Schwandtner
II, 329 qq. zeigt Fi infolge feiner räumlichen Entfernung ebenjo wie
der beifpielloß ungebilbete Georg Sirm. Mon. Hung. 88, I, höngg.,
mangelhaft unterrichtet. Auch ber von Sanuto zum 27. Februar 1615
aufgenommene Beriht des Janus Vitalis Panormitanın and Nom
(„Magyar törtenelmi tar“ XXIV, 2958gg.) hat nur ungenane Made
richten. Die 1519 verfaßte Stauromachia des Stephanun Tanrinuns
Stierschſel) ap. Engel, Mon. Ungrica, p. 118—184, if das Miert
442 Knechtung des Bauernftandes.
Der Adel benutzte diefen Aufftand der Bauern, um unter
dem bequemen Vorwande einer gerechten Strafe alle Ver⸗
fügungen, welde in früherer Zeit von einzelnen Königen zur
DVerbefferung ver Lage derjelben getroffen worden waren, zurüd-
zunehmen und ben ganzen Stand in die bärtefte Leibeigenſchaft
berabzubrüden. Nach den Beſchlüſſen, welche ber auf ben
18. Oktober berufene Reichstag faßte '), ſollten nicht bloß alle
Anführer und die Anftifter ver Bewegung wie alle, welche Mord⸗
tbaten begangen oder rauen und Jungfrauen entehrt Hätten,
noch nachträglich Hingerichtet, und die am Aufſtande Beteiligten
zur Vergütung alles angerichteten Schadens und zur Zahlung
bes Wergeldes für die erichlagenen &delleute angehalten werben,
jondern alle Bauern für immer der Treizügigfeit beraubt und
ihren Grundherren unterworfen jein. Jeder Bauer follte feinem
Herrn einen Tag in der Woche Fronpienjte leijten, von allen
Seldfrüchten und vom Weine den Zehnten entrichten und außer
ben bisherigen Abgaben jährlich einen Dukaten zahlen und
zwölf Hühner, zwet Gänje und je zehn zufammen ein gemäftetes
Schwein liefern. Jedem Bauern, bei dem man fortan eine
Büchſe fände, follte die rechte Hand abgehauen, Fein Dann von
bäuerlicher Herkunft vom Könige auf einen bijchöflichen Stuhl
erhoben werben, widrigenfalls niemand verpflichtet wäre, ihm
einen Zehnten zu entrichten.
Die Adelsherrſchaft wurde dadurch noch mehr befeftigt, daß
eines Humaniften, ber dem poetiſchen Zwede die geſchichtliche Treue ge-
opfert bat. Am verläßlichfien find die von Palacky, Geld. Böhmens
V,2, 300ff. und 311f. mitgeteilten Schreiben bes böhmiſchen Kanzlers
Sternberg, des Königs Wlabiflam und Lews von Rozmital, wie der Be-
richt bes alten böhmischen Annaliften, dann ber von Sanuto zum 2. Sep⸗
tember 1514 eingereichte Brief eine® Nicolo de Zuanne an Chriftofal
Morofini aus Ofen („Mag. tört. tar“ 1. c. 277—280). Bol. aud
(ibid. 289) einen Bericht aus Laurana, die Berichte des ungarischen Ge-
fandten in Ofen, der am 13. Mai noch nicht8 von Unruhen meldet, vom
29. Juli und 14. Auguſt, bei Sanuto (ibid. p. 261. 276) wie die Ur-
funden ap. Katona XVIII, 720. 726—729, und in „Szazadok“
1872, ©. 439—446.
1) Katona XVII, 729aqq. Auch im Corp. Jur. Hungar. I, 325.
Steigendes Anfeben Zapolyas. 443
gerade in diefer Zeit Stephan Verböczy, Protonotar bes Juder
Curiä, den Entwurf eines Gefetzbuches vollendete, deſſen Ab-
faffung er infolge eines Reichstagsbefchluffes vom Jahre 1507
übernommen hatte. Verböczy brachte den Wuft der. bie.
berigen Gelege und Gewohnheiten in ein gewiſſes Syſtem, und
ba fein Werk !), ungeachtet e8 von Mängeln nicht frei war,
einem dringenden Bebürfniffe abhalf und vom Könige am
Schluſſe des Neichstages von 1514 beftätigt, wenn auch dann
nicht befiegelt und publiziert warb, fo bat es über brei Jahr⸗
hunderte gefegliche Anerkennung gefunden. Damit hatten aber
auch alle damaligen politiichen und jozialen Vorrechte der Ade-
figen für immer eine bauernde gejegliche Grundlage erhalten.
Am meijten aber hatte Zapofya gewonnen, den man nad)
der Niederwerfung der Bauern al8 „Befreier des Reiches“ bes
zeichnete 2). Hatte diejer ehrgeizige Mann fchon füher nach der
Krone geftrebt, fo glaubte er jet, wo er von ver Volksgunſt
getragen war, noch eher anf biefelbe fich Hoffnung machen zu
dürfen, wenn dem betagten Könige vielleicht auch jein ſchwäch⸗
liher Sohn bald in das Grab nachfolgte.
Doch fehlte e8 auch nicht an hervorragenden Männern,
welche den Plänen des Woywoden entgegenarbeiten. An ber
Spite verjelben ftanden der Palatin Emerich Perenyi und der
Kanzler Georg Szakmaͤry, Biſchof von Fünffirchen, der neben
dem Primas auf den König den größten Einfluß Hatte. Als
Gegner Zapolyas arbeiteten fie naturgemäß im Intereſſe des
Kaijers und für den Abjichluß der im Sabre 1507 verabredeten
Doppelheirat zwiichen dem Haufe der Iagellonen und. den Habs-
burgern, durch die fie auch am beten für. ihre eigenen Inter⸗
ejlen forgten. Denn wenn Wladiſlaw, wie man vorausjehen
fonnte, vor ber Erreichung der Volljährigkeit ſeines Sohnes
ftarb und der Sailer als Vormund und Regent in deſſen
1) Tripartitum opus juris consuetudinarüi incliti regni Hungariae
betitelt. |
2) vien chiamato liberator regni berichtet ber venetianifhe Ge-
fandte bei Sanuto zum 12. September („Mag. törtön. tar“ XXIV,
282).
444 Stellung des Kaifers Mar zu Polen und Rußland.
Reichen anerkannt wurde, jo fonnte die thatfächliche Ausübung
ber oberftien Gewalt ihnen nicht entgehen, da es tem Kaiſer
unmöglich war, fi) dauernd in Ungarn aufzuhalten 1). |
Seit dem Jahre 1510 hatte Maximilian mit dem Könige
Wladillam über die Ausführung der Heiratsangelegenheit eifrig
unterhandelt. Nicht weniger als zehnmal ift fein Gejanbter
Cuſpinian, der Superintendent der Wiener Univerfität, vom
Sahre 1510 bis zum Ausbruche des Bauernkrieges am unga«
rifchen Hofe gewefen ?). Einige Zeit jcheint Wladiſſaws Bruder
Sigismund, König von Polen, den Wünfchen des Kaiſers ent«
gegengenrbeitet zu haben. Denn diefer hatte das Deutſchordens⸗
land Preußen von der Lehenshoheit Polens zu befreien gefucht,
und eine weitere Machtvergrößerung des Haufes Habsburg war
ihon aus biefem runde gegen das Intereffe Polens. Auch
war es natürlih, daß Sigismund bie Krone Ungarns nad
dem Erlöjchen der dort regierenden Linie ber Jagellonen am
Tiebjten auf dem Haupte feines Schwager Zapolya gejehen
hätte, wenn es nicht vielleicht gelang, dieſelbe feinem eigenen
Haufe zu verfchaffen.
Um die Kräfte des polnijchen Krieges lahm zu legen, ſuchte
der Kaiſer eine Koalition zum Schutze des deutſchen Ordens
zuſtande zu bringen und verbündete ſich im Jahre 1514 gegen
Polen namentlich mit dem ruffiihen Großfürjten Wafilji IIL,
der feit 1512 mit Polen im Kriege war ?). Die Wegnahnte
der Feſtung Smolenst durch die Ruſſen erjchredte Sigismund
troß eined bald darauf erfochtenen glänzenden Sieges fo jehr,
daß er wenigitend den Kaiſer von Feinbfeligfeiten abzuhalten
juchte, und er wurbe in dieſer Gefinnung beftärkt durch feinen
1) gl. über die Parteiverhältnifie in Ungarn das Schreiben, welches
wahrfcheinlich der Erzbifhof von Caloeſa, Gregor Frangepane, ein At
bänger Zapolyas, im Sabre 1512 an den polnifchen Unterfanzler Szyb-
lowiedi gerichtet hat, in Acta Tomic. III, 297 gg.
2) Nach den Angaben in feinem ZQagebuche „F. R. Austr. SS.“ I,
403 gg.
3) ©. Fiedler, Die Allianz zwiſchen Maximilian I. und Wafitji
Ivanovie in „Sigungsber. d. kaif. Atad.“ XLIII, 183 ff.
Der Kongreß zu Wien 1515. 445
Kanzler Szydlowiecki und den Vizekanzler Tomtict, welche ihre
Würden den Empfehlungen bes Königs Wladiſlaw, alfo der
Derwendung des Hoffanzlers Szalmäry, des Hauptes ver
fotjerlicden Bartei in Ungarn, verdankten, während Zapolya
gegen Zomidt gearbeitet hatte. Im November 1514 trafen
Cuſpinian und Szydlowiecki in Ofen eine Übereinkunft, daß tm
Februar des folgenden Jahres die Könige von Ungarn und
Polen in PBresburg, der Kaifer in Haimburg fich einfinven
"und dann über den Ort einer Zuſammenkunft fich einigen
ſollten.
Wladiſlaw und Sigismund erſchienen denn auch Ende des
März 1515 in Presburg. Dagegen blieb der Kaiſer, vielleicht
durch andere Geſchäfte feſtgehalten, vielleicht auch aus Mangel
an Geld, ruhig in Augsburg und kam erſt am 10. Juli nach
Wien, als ſein Geſandter der Kardinal Matthäus Lang bereits
bie wichtigſten Fragen erledigt hatte. Der Einladung Mari⸗
milians Folge leiſtend, begaben ſich auch die Könige Sigismund
und Wladiſlaw mit ſeinen Kindern am 17. Juli nach Wien,
wo der Kaiſer ſeine zahlreichen Gäſte durch die glänzendſten
Feſte ) ebenſo wie durch feine bezaubernde Liebenswürdigkeit
entzückte.
Hier wurden am 22. Juli die Verträge unterzeichnet, welche
das öſterreichiſche und das böhmiſch⸗- ungariſche Herrſcherhaus
auf das innigſte mit einander verknüpften. Der ungariſche
Kronprinz Ludwig wurde mit des Kaiſers Enkelin Maria und
der Kaiſer ſelbſt mit der ungariſchen Prinzeſſin Anna ver⸗
mählt 2), doch früher ausgeſprochen, daß dieſe Ehe Maximilians
mit Anna ungültig ſein ſollte, wenn einer ſeiner Enkel, Ferdi⸗
nand oder Karl, binnen einem Jahre die Ehe einginge. Voll—
zogen follten die Ehen erft werden, wenn die Gatten ein ent«
1) Der engliſche Geſandte Wingflelb, ber in feinen Depefchen eingehende
Schilderungen liefert, ſchätzt die Koften auf 200000 Golbgulden! Bre-
wer, Lettres and papers D, 1, 202, no. 766.
2) celebrata et firmata sunt sponsalia per verba matrimonialia
et de praesenti, alfo nicht eine bloße Verlobung, wie bie neueren Ge⸗
ſchichtſchreiber annehmen.
446 Die Wiener Verträge und ihre Bebentung.
Iprechendes Wer erreicht hätten. Es geſchah die im Sabre
1521, nachdem ſchon im März 1516 der Erzherzog Ferdinand
die Vollmacht ausgejtellt hatte, die Ehe mit der Prinzeſſin
Anna durch Prokuration abzufchliegen. Um den ungarifchen
Kronprinzen noch enger mit dem Hauje Habsburg zu verbinden,
nahm ihn der Raifer am 20. Juli an Sohnes Statt an, er»
nannte ihn zum Reichsvikar und übertrug auch bie Kaiſerwürde
auf denfelben, indem er die Kurfürften aufforderte, nach jeinem
Tode benjelben zu feinem Nachfolger zu wählen. Ernſt bat*
Maximilian diejes Verſprechen freilich nicht genommen. Denn
er wußte wohl, daß die Kurfürften ſich um dieſen Wunſch
wenig fümmern und auch Ludwig als Reichsvikar fich nicht gefallen
lafien würden. Auch bat ihn diefer Schritt nicht abgehalten,
jelbft mit allem Eifer für die Wahl feines älteren Enkels zu
wirken. Auch die Adoption Ludwigs war eine leere Forma
lität, da zugleich ausgejprocden wurde, daß dadurch dem Erb»
rechte der Erzberzoge Karl und Ferdinand und ihrer Schweitern
nicht gejchadet werben follte. Das Ganze war nichts als eine
glänzende Seifenblafe, wie fie Maximilian öfters vor Den
Augen eitler Männer aufjteigen ließ, ohne freilich immer den
entiprechenden Eindruck bervorzubringen ?).
Dagegen hat Marimilian dur die Wiener Verträge doch
große Vorteile erzielt. Blieb ber ungariihe Kronprinz am
Leben, und erhielt er Nachkommen, ſo jaß in der Ofner Königs⸗
burg eine Dynaſtie, welche mit ver habsburgiſchen jehr nahe
verwandt war, und aller Vorausficht nach für lange Zeit mit
biefer befreundet blieb. Starb er ohne Erben, jo konnte
während feiner Lebenszeit feine Gemahlin die Gelegenheit wahr«-
nehmen, die öfterreichiiche Partei zu verftärfen und zu organi»
1) Über die Wiener Verträge und bie vorhergehenden Verhandlungen
feit 1511 f. &. Liste, Der Eongreß zu Wien im Jahre 1515. „Forſch.
zur deutſchen Geſch.“ VII, 463—558. Bol. H. Ulmann, MarimilianL
ig dem CEonflicte zwifchen dem deutſchen Orben in Preußen und Polen,
ef. in den Sahren 1513—1515, ebd. XVII, 89ff., und Liste, Ter
Wiener Eongreß von 1515 und bie Politik Marimilians I. gegenüber
Preußen und Bolen, ebd. S. 445 ff.
Niederlage Zapolyas in ber Türkei, 447
fieren, damit dann der Nachfolge des Haufes Habsburg feine
Hinderniſſe entgegengejegt würden. Dabei war ed von-Wichtig-
feit, daß Ludwigs einzige Schwefter mit dem. Erzherzoge Ferdi⸗
nand vermählt war, da jene beim finverlojen Ableben ihres
Bruders in Böhmen die vechtmäßige Thronfolgerin war, während
ihr Erbredht in Ungarn den Anjprücen der Habsburger, bie
fih auf die Friedensichlüjfe von 1491 und 1506 ftüßten, nicht
bloß nicht entgegenftand, ſondern diejelben verſtärkte. Es war
ihon dadurch viel erreicht, daß Anna jet zur weiteren Er-
ziehung in die Hände des Kaiſers überliefert und bamit jebe
Möglichkeit, fie mit Zapolya oder einem anderen Gegner des
Haufes Habsburg zu vermählen, für immer abgefchnitten warb.
Daher hatten denn auch die meijten Magnaten, welche im
Gegenſatz zur Mehrzahl der Biſchöfe Anhänger Zapolyas waren,
in Presburg alles in Bewegung geſetzt, um ben Abjchluß der
Heiratöverträge mit dem Hauje Habsburg zu Hintertreiben.
Der Woywode ſelbſt hatte fich trog wiederholter Einladung
geweigert, am Kongrejje teilzunehmen. Er unternahm unter»
deſſen eigenmächtig einen Angriff auf eine türkiiche Grenzburg
zwiichen Belgrad und Semendria, indem er hoffte, als Über
winder der Ungläubigen zurüdzufehren und dann, getragen von
der Gunſt des ungariichen Adels, feine Forderungen auch dem
Könige gegenüber durchiegen zu können. Aber nicht den Xorbeer-
franz des Siegers gewann er, jondern er erlitt nicht ohne
eigene Schuld eine jchmähliche Niederlage ') und verjegte da—
durch jeinem Anſehen einen Schlag, von dem er fich längere
Zeit nicht mehr erholte. Daher erhob fich jet in Ungarn
gegen die Wiener Verträge nicht die geringfte Oppofition ?),
und als Wladiſlaw II. am 13. März 1516 ftarb, wurde von
ihm den fchon in Wien getroffenen Verabredungen entjprechend,
1)Tubero ap. Schwandtner Il, 335. Georg. Sirm,, p. 7TLsqq.
Vgl. Sanuto in „Mag. tört. tar“ XXV, 13, nad Bericht des vene⸗
tianifchen Gefandten in Ungarn vom 14. Mai, wonach Zapolyas Nieder-
lage am Anfange dieſes Monats ftattgefunden baben muß.
2) ©. Liste in „Forſch.“ VII, 550ff., ber namentlih auch das
Märchen Iftvanfis von der Oppofition des Palatins widerlegt.
448 8. Marximilians Bemühungen, feinem Entel Karl
ber Kaiſer neben Sigismund von Polen al8 Obervormund
des zehnjährigen Königs Ludwig beitellt.
Wie Marimilian durch die Wiener Verträge jeinen Nache
fommen Ausfiht auf den Befig von Ungarn und Böhmen
verichafft hatte, jo fuchte er auch jeinem älteren Enkel Karl
von Spanien die Nachfolge auf den Kaiſerthron zu jichern.
Unmöglih fonnte er fich dieſer Trage gegenüber noch länger
gleichgültig verhalten, nachdem Franz I. von Franfreih im
Trühjahre 1517 mit einzelnen beutjchen Kurfürjten Verhand⸗
lungen angelnüpft und ihnen große Summen und andere Vor-
teile in Ausficht gejtellt Hatte, um für ven Fall der Erledigung
ber Kaiſerwürde ihre Stimme zn erhalten, und demſelben noch
im nämlichen Sabre von den Erzbiichöfen von Trier und Mainz,
dem Markgrafen von Brandenburg und dem Nheinpfalzgrafen
mehr oder weniger bindende Zuſicherungen gemacht worden
waren !).
Im Sommer 1518 auf einem Reichötage in Augsburg
ſuchte Maximilian durch perfönliche Einwirkung auf die Kurs
fürften diejelben jeinen Wünjchen geneigt zu machen. Freilich
blieb nichts übrig, als die Verſprechungen, welche Frankreich
gemacht hatte, noch zu überbieten. Den Kurfürſten von Branden-
burg gewann der Kailer dadurch, daß er dem Erbprinzen Die
Hand feiner Entelin Katharina und eine Mitgift von 400 000
Goldgulden zuficherte. Deſſen Bruder Albrecht, Erzbiihof von
Mainz und Magdeburg, dem der Kaiſer gerade die Kardinals⸗
würde verichafft hatte, ſollte 52000 und eine Penfion von
8000 ©oldgulden, der Kurfürft von der Pfalz 100000 und
1) S. darüber wie liber die folgenden Bemühungen 8. Marimilians
und Karls ſelbſt Mignet, Une Election à l’empire „Revue des deux
mondes“ 1854 V, 209sqgq. G. de Leva, Stor. doc. di Carlo V.
I, 280599. Droyfen, Geſchichte der Preußiſchen Politit II, 2, 88 ff.
R. Rösler, Die Kaiſerwahl Karls V., ©. 26fl. C. v. Höfler,
Carls J. (V.), Königs von Aragon und Caſtilien, Wahl zum römiſchen
Könige. Wien 1873 (aus dem „Sitzungsber. d. kaiſ. Akad.“, 70. Bd.).
Baumgarten, Die Politik Leos X. in dem Wahlkampf der Jahre
1518 und 1519. „Forſch. zur Deutſchen Geſch.“ XXIII, 521fj. Baum-
garten, Geſch. Karls V. I, 107 ff.
die Nachfolge im Reiche zu verfchaffen. 449
eine Penfion vom jährlich 6000 Goldgulden, der Erzbifchof von
Köln 20000 und jährlich 6000 Goldgulden erhalten. Auf
für die Räte einzelner Kurfürften wurde bas Geld nicht gefpart.
Am 27. Auguft erhielt dann Maximilian von den Kurfürſten
von Mainz, Köln, Pfalz und Brandenburg und den Gefandten
des Könige Sigismund von Polen ald Vormünder des böhmi⸗
Ihen Königs das urkundliche Veriprechen, daß fie Karl von
Spanien zum römiſchen Könige wählen würden. Nur zwei
Kurfürften Hatten fich dieſer Zuficherung nicht angefchloffen, ver
Erzbiichof von Trier, weil er die Erhebung bes franzöftichen
Königs wünfhte, und ber Kurfürft von Sachſen, ver bi zur
Wahl jelbjt freie Hand behalten wollte. Die Mehrheit fchien
gefichert, und man glaubte, fpätejtens im Januar in Frankfurt
die Wahl Karls vornehmen zu können.
Indeſſen waren aber doch noch verjchiedene Schwierigkeiten
zu bejeitigen. Daß Karl die ungeheueren Summen zur Ers
kaufung der Kurfürften und ihrer Räte, die fich im ganzen
auf 550000 Goldgulden beliefen, in dem durch viele Kriege
erichöpften Spanien nicht jo bald aufbrachte, war noch das
wenigſte. Schwerer wog die von feinen Gegnern erhobene
Einwendung, daß nach dem bisherigen Herlommen ein römijcher
König nur gewählt werden konnte, wenn nicht fchon ein folcher
vorhanden war, aljo wenn Marimilian die Kaijerfrone em-
piangen hatte, und daß durch eine Bulle Clemens IV. die Vers
einigung Neapels als eines päpftlichen Lebens mit dem Kaiſer⸗
reiche ausprüdlich unterfagt worden war. Nur ver Bapft
fonnte von dieſem Verbote bispenfieren, nur er Maximilian
zur Kaiſerkrone verhelfen, die er, da biefer nicht nah Rom
ziehen fonnte, nach Trient fenden und bier demſelben durch zwei
Kardinäle auffegen laſſen ſollte. Dazu war aber Leo X. nicht
zu bewegen. So fehr er auch die Übergriffe des mächtigen
Frankreich fürchtete, fo bangte e8 ihm doch noch mehr vor
Karl von Spanten, wenn diefer zu feinen ausgebehnten Reichen
auch noch die Kaiſerwürde erhielt. Beſonders aber glaubte er
für feinen heißgeliebten Neffen Lorenzo mehr Gewinn an Gelb
und Befigungen vom franzöſiſchen ald nom ſpariſchen Konige
Huber, Geſchichte Ofterreichs. III.
450 K. Marimilians I. Tod.
herausſchlagen zu können. Daher ließ er dem Kaiſer ſchöne
Worte geben, verweigerte aber die Erfüllung der Wünſche des⸗
ſelben und ſchloß ſich immer enger dem Könige von Frank⸗
reich an.
Während der franzöſiſche König die Verzögerung einer Ent.
ichetvung zur Anktnüpfung neuer Verhandlungen mit den deutſchen
Kurfürjten benugte, fand Morimilion ein unerwartete Ende.
Bon Augsburg war derjelbe im Herbſt 1518 nach Tirol ge
reift, wo die Wirte von Innsbruck jein Hofgefinde nicht auf-
nehmen wollten, weil bie Regierung ihnen die Koften eines
früheren Aufenthaltes des Kaijers, 24000 Gulden, noch nicht
bezahlt Hatte. Diefe Schmach regte den Kailer jo auf, daß er
von einem ernitlichen Unwohlſein befallen wurde. Trotzdem
zeifte er teils zu Schiff auf dem Inn, teil in einer Sänfte
getragen, im November weiter nach Öfterreih, fam aber nur
bis Wels, da fein Zuftand ſich immer mehr verichlimmerte.
Hier ward der früher fo Fräftige Kaifer in einem Alter von
noch nicht einmal fechzig Sahren am Morgen des 12. Januar
1519 vom Tode binweggerafft ?).
Sechſtes Kapitel.
Marimilians I. organifatorifche Thätigkeit.
Niemand wird behaupten wollen, dag Maximilians I. aus-
wärtige Politik immer eine den Verhältniffen entfprechende und
erfolgreiche gewefen tft, obwohl fie in ihrer Geſamtwirkung ſehr
1) Über den Auftritt in Innsbruck als Anlaß der Erkrankung fiehe
Kirhmair in „F. R. Austr. SS.“ I, 441. Bol. ©. v. Herberftein
ibid, p. 141. Auch Cuspinian, De Caesaribus, p. 491, ber bie
letzten Lebenstage des Kaifers genau fchildert, bemerkt: Maximilianus in
Oeniponte cum suis agens, in iram commotus, febrim incidit oc- -
cultam.
Einfachheit der Staatsverwaltung im früheren Mittelalter. 451
viel zur Entftehung der fpäteren Großmachtftellung Öfterreichs
beigetragen bat. Aber aufer Zweifel fteht es, daß fich dieſer
Fürſt um die Organifation der Verwaltung ber öfterreichtfchen
Erblande, die dann vielfach als Mufter für die Einrichtungen
in den andern beutichen Territorien gedient bat, ‚große und
bleibende Verdienſte erworben babe”).
Auf diefem Gebiete waren auch Reformen am notwenbigften,
ba die bisherigen Einrichtungen infolge der Anderung ber Ver⸗
bältniffe und ber Ausbehnung der Befigungen Marimilians in
keiner Weiſe mehr genügten.
So lange die Auffaſſung des früheren Mittelalters vor⸗
waltete, daß die wichtigſte Pflicht der Staatsgewalt die Wahrung
des Rechtes und die Sorge für die Erhaltung des Friedens
ſei, war es allerdings nicht ſchwer, mit wenigen Kräften ſelbſt
mehrere Länder zu regieren. Denn die Aufgabe des Fürſten
und der ihm zur Seite ſtehenden Räte war es nur, die oberſten
Beamten zu ernennen, für den Schutz des Landes gegen aus⸗
wärtige Feinde und für die Sicherung des Landfriedens im
Innern zu ſorgen und zur Erfüllung dieſer Aufgaben und zur
Erhaltung des Hofſtaates die notwendigen Mittel aufzubringen,
welche noch in der Regel aus den Erträgniſſen der Kammer⸗
güter und der Regalien floſſen. Zur Erledigung der Geſchäfte,
mit denen ſich der Fürſt ſelbſt mehr oder weniger abgab, ge⸗
nügte daher außer ſeinen häufig wechſelnden Räten ein einziges
1) Seit dem Erſcheinen meiner akademiſchen Rede: „Gefchichte ber
öfterreihifchen Verwaltungsorganifation bis zum Ausgange bes achtzehnten
Jahrhunderts“ (Innsbruck 1884) ift das umfangreiche Werk von S. Adler,
Die Organifation der Eentralverwaltung unter 8. Marimiltan I. (Leipzig
1886), erfohienen, in dem ein außerordentlich reiches Material iiber biefen
Gegenſtand mitgeteilt, aber unzwedmäßig angeorbnet worben if. Über
Fehler im einzelnen f. die (fehr ſcharfen) Nezenftonen von ©. v. Below
in Zarndes „Literar. Eentralbl.” 1886, Sp. 1076 ff. und in v. Sybels
„Hiſt. Zeitſchr.“ LVII, 285. Bol. auch Th. Fellner, Zur Gefd.
ber öfter. Eentralverwaltung (1493 — 1848) in „Mitth. des Inftit. für
öfterr. Geſchichtsforſchung“ VIII, 258 ff., der eine ſehr Mare Überficht Aber
bie organiſatoriſche Thätigfeit Maximilian und einige Zuſätze zu Adlers
Buch liefert, und Ulmann I, 822f.
29 %
452 Anderung ber Verhältniſſe in ber Neuzeit.
Zentralbureau mit einem Kanzler und einigen Beamten. Der
Schwerpunkt der Verwaltung, die fich aber faft ausſchließlich
auf die Finanzen und die Rechtöpflege bezog, lag tn ven einzelnen
Ländern und in den autonomen Städten.
Mit dem Beginne der neueren Zeit änderten ſich aber die
Anfchauungen über die Aufgaben der Staatsgewalt. Nicht mehr
bloß für die Pflege des Rechtes und für die Herbelichaffung
der dem Fürften notwendigen Geldmittel, fondern auch für das
materielle und geiftige Wohl der Untertbanen jollte dieſelbe
forgen. Auch das Eindringen bes römilchen Rechtes, welches
das altveutiche mündliche Verfahren nach und nach verbrängte,
und zugleich den Grundſatz der Berufung von den niederen
Gerichten an ein höheres, ja an ben Landesherrn, zur Geltung
brachte, Hatte eine Vermehrung der Beamten und ber Kanzlei»
arbeiten zur Folge und fteigerte namentlich die Geichäfte am
Hofe. Indem die Vafallenheere immer mehr dur Söldner
erjegt wurden und auch für die Ausrüftung der Truppen mit
Geſchütz und anderen Teuerwaffen, für die Beiftellung von
Pulver und Kugeln, Proviant und Fuhrwerk in umfaffendem
Maße Vorſorge getroffen werden mußte, erwuchien ber Re⸗
gierung neue Arbeiten und Laſten. Für bie gefteigerten Ans»
forderungen, welche jetzt an die Staatsgewalt gejtellt wurden,
reichten bie regelmäßigen Einkünfte von ben fürftlichen Domänen
und den Regalien, befonders im Falle eines Krieges, bei weiten
nicht mehr aus. Es blieb nichts übrig, als fih an die Stände
zu wenden, bie nach langem eilichen entweder außerordentliche
Steuern bewilligten oder auch für eine gewiſſe Zeit, meift einige
Monate, ein eigenes ftändiiches Truppencorps ftellten. Dafür
nahmen fie aber auch einen größeren Einfluß auf bie Verwal.
tung in Anſpruch, und e8 ward notwendig, die DBefugniffe der
jtändiichen und Iandesfürftlichen Beamten gegenjeitig abzugrenzen.
Marimilion war zu verftändig, um nicht einzujehen, daß
die bisherigen Einrichtungen unter den veränverten DVerhält-
niffen nicht mehr ausreichten. Auch hatte er in den Nieder⸗
landen ein ausgebildetes Verwaltungsſyſtem kennen gelernt,
deſſen Vorzüge gegenüber den Zuftänden in ben öfterreichiichen
Mufter und Ziele der Reformen. 8. Marimilians, 455
Ländern ihm nicht entgehen konuten. Vor allem aber war er
entichloffen, fich eruftlich um das Reich zu fümmern, nieht aber,
wie jein Vater gethan ‚hatte, den Dingen daſelbſt einfach ihren
Lauf zu laffen und nur in. einzelnen Fällen. ſeinen Willen zur
Geltung zu bringen, Dafür war die. notwendige Vorausſetzung
ein längeres Verweilen in Deutjchland, eine manchmal vielleicht
jahrelang bauernde Abweſenheit aus feinen Erblänvern, in denen
nun für eine bleibende Stellvertretung gelorgt werden mußte.
Als Mufter für feine organifatoriihe Thätigkeit auf dem Ge-
biete der Verwaltung dienten ihm die Einrichtungen ber Nieder»
Iande, teilweile aber auch jene von Tirol, welche in dieſer Zeit
viel volllommener waren als jene in ven andern öfterreichiichen
Gebieten. Freilich darf man nicht glauben, daß der König
mit einem fertigen Plane an feine Aufgabe berangetreten ſei
und diejen während jeiner ganzen Regierung konſequent feſt⸗
gehalten habe. Das jeweilige Bedürfnis bat feine Maßregeln
veranlagt, und wiederholt bat er früher getroffene Einrichtungen
abgeändert ober ganz fallen gelaffen. Aber es tft doch falſch,
wenn man gejagt bat, er fer über ein fortwährendes Experi⸗
mentieren nicht Binausgefommen '). Die Grundgedanken feiner
Keformen, Erſetzung des Feudalſtaates durch den Beamten⸗
ftant, Errichtung ftändiger Negierungstollegien, welche auch in
Abweſenheit des Landesfürſten die Geſchäfte leiteten, und Kräfs
tigung ber Stantögewalt, bat er nie aufgegeben und manche
feiner Einrichtungen Haben feine Negierung überbauert und,
vielleicht mit einigen Abänderungen, Jahrhunderte lang bie
Grundlage für die Verwaltung Oſterreichs gebildet.
Die öfterreichiichen Erblande zerfielen infolge der früheren
Länderteilungen in zwei Gruppen, in die nieberdfterreichiiche,
befteßend aus den fünf Herzogtümern ſterreich unter und
Öfterreich ob der Enns, Steiermark, Kärnten und Rrain, umd
in die oberöfterreichiiche, zu der Tirol und die Vorlande in
Schwaben und Elſaß gehörten. As ibm fein ‚Vetter Erz
berzog Sigmund im Sabre 1490 bie leteren Gebiete abtrat,
| 1) Ulmann IL, 828.
454 Einfeung der „Regimenter” in Innsbrud und Wien.
mußte er wegen des Krieges mit Ungarn Innsbruck bald wieber
verlafien. Er übertrug num, an bie bisherigen tiroliſchen Ein-
richtungen fich anlehnend, die Regierung einem Kollegium von
zwölf „Statthaltern und Räten“, welche zunächſt während feiner
Abweienheit die politiiche Verwaltung und die Suftizpflege über-
nehmen jollten. Für die Finanzangelegenheiten und das Rech⸗
nungsweſen beftellte er am Anfange des Jahres 1491 vier
eigene Räte oder Anwälte mit den notwendigen Hilfsbeamten,
für die fih im Jahre 1495 zuerft der Name Raitkammer
(Rechnungokammer) findet. Im ähnlicher Weile jette er nach
dem Tode feines Vaters im Jahre 1493, da er fich nach dem
Neiche begeben mußte, für die Dauer jeiner Abwejenheit über
die fünf niederöfterreichiſchen Länder ein „Regiment“, beftehend
aus einem Hauptmann und ſechs Statthaltern und Räten oder
Regenten, ein, um alle Gefchäfte zu erledigen, die ihm als
Landesfüriten zuftänden. Die politiſche und Finanzverwaltung,
bie oberfte Suftigpflege und die Sorge für den Landfrieben,
jelbft das Recht, Lehen zu verleihen, wurden benfelben über⸗
tragen. Im folgenden Jahre wird auch für bie niederöſter⸗
reichifchen Länder eine „Schab-" oder Rechnungskammer er»
wähnt, Bat alfo auch Hier eine Trennung des Finanzweſens
von der politiichen Verwaltung und der Juſtiz ftattgefunden,
wie dies in den Niederlanden jchon feit langem der Fall war.
Die Überzeugung, daß e8 dem Könige nicht möglich fei,
neben der Sorge für bie auswärtige Politik und bie Gejchäfte
des Reiches fich auch um die Detaild der Verwaltung in feinen
Erblanden zu kümmern, führte dahin, daß bie beiden Negi-
menter in Innsbruck und Wien, bie anfangs nur für die
Dauer der Abweſenheit Marimilians eingejegt worden waren,
einen ftändigen Charakter erhielten.
In Tirol, wo 1498 das Regiment neu organifiert wurde,
geichab dies Ende des Jahres 1499. Dem Regiment, das
aus einem Landhofmeifter, einem Marfchall, einem Kanzler
und fünf „Otatthaltern und Regenten“ zufammengefeßt war '),
1) Landhofmeiſter war bis zu K. Marimiliang Tode Michael von
Woltenftein, Marſchall Paul von Liechtenftein und nach befien 1513 er-
Die Behörden in ben nieberöfterreichifchen Ländern. 455
jtand auch fortan in Zirol und den Vorlanden die Ausübung
ber landesfürftlichen echte, die Verwaltung, oberſte Yuftiz-
pflege, Militär und Bolizeigewalt und die Verleihung ber
Erblehen zu. Jedem Unterthan follte e8 freiftehen, fih um
Rat und Beiſtand an das Regiment zu wenden. ALS oberfter
Gerichtähof für Eigen, Leben, Bergwerke und anderes follte
dasſelbe alle Vierteljabre in Innsbruck Sitzungen balten. Die
Rattlammer für die Finanzverwaltung und bie Kontrolle des
Rechnungsweſens ftand dem. Regiment im allgemeinen als jelb-
ſtändige Behörde gegenüber, wenn auch in gewifien Fällen eine
Berufung von berjelben an dieſes geftattet war. Die Kanzlei
war für beide Kollegien gemeinfam.
Das Behördenweſen in ben nieberöfterreichiichen Sändern
erhielt feine dauernde DOrganifation in den Jahren 1501 und
1502 und zwar nach dem Muſter des tiroliihen. Auch Hier
wurde bleibend ein Regiment mit dem Site in Linz, beſtehend
aus einem oberjten Hauptmann und Statthaltern und Näten,
für die Regierungsgeichäfte, eine Raitkammer in Wien und
eine eigene öfterreichifche Kanzlei eingerichtet. Doch wurde dem
nieberöfterreichtichen Negimente die Ausübung ber dem Landes⸗
fürften zuftehenden Juſtizhoheit nicht übertragen, fondern ale
Appellationd- und Lebengericht ein eigenes Hof⸗ (jeit 1502
Kammergericht) in Wiener Neuſtadt eingeſetzt.
Indem bie nieveröfterreichifchen Herzogtümer unter gemein-
fame Behörden geftellt wurden, warb auch in. jtiaatsrechtlicher
Deziehung eine engere Verbindung zwilchen ihnen herbeigeführt.
Wiederholt haben in ben Tpäteren Jahren der Negierung
Marimilians gemeinfame Ausſchußlandtage ftattgefunden, wo
Delegierte der Stände aller fünf Länder Beratungen pflogen.
Während übrigens die oberöiterreichiichen Behörden fortan
obne wefentliche Störung und ohne Anfeindung vonfeite ber
folgten Tode Georg von Firmian, Kanzler Oswald von Haufen und
von 1501 an Cyprian von Northeim oder Serntein (Sarntbein), zugleich
Borftand ber Hoffanzlei. Liechtenftein und Sarntbein waren neben
M. Lang des Kaifers einflußreichfte Räte.
456 DOppofition in ben nieberöfterreichifchen Ländern.
Stände weiter fungierten, erhob fich in ven mieberöfterveichiichen
Ländern eine lebhafte Oppofition dagegen. Bartikulariftifche
und politifche Gründe waren dabei im Spiele. Die Stänbe
der Steiermarf und wahrfcheinlich auch anderer Provinzen ber
Hagten fich, daß die Prozeſſe und andere Angelegenheiten außer
Landes entjchieven würden. Man erhob Beichwerde über das
Rammergeriht in Wiener Neuftadt, das von allen Unter
tbanen Klagen und von den Entjcheivungen anderer Gerichte
Appellationen annahm, ohne Rüdficht darauf, daß dadurch bie
Zandesfreiheiten verletzt, die richterlichen Befugniffe des Land⸗
marſchalls oder Landeshauptmanns über die Mitglieder bes
Herrn» und Ritterſtandes eingefchräntt oder ignoriert wurben.
Auch gegen die unzwedmäßige örtliche Trennung der oberiten
Behörden wurden Vorftellungen erhoben. Ein Ausſchußlandtag
in Mürzzufchlag im November 1508 verlangte nicht bloß Die
Befeitigung des verhaßten Kammergerichts, ſondern auch bie
Einfegung eines neuen, ftändiichen Negiments, in das jedes Der
fünf Länder zwei Vertreter ſchicken follte. Bei Verweigerung
dieſer Forderung erklärten die Abgeordneten für den bamaligen
Krieg gegen Venedig feine Subfidien bewilligen zu wollen.
Auf den Ausichußlandtagen in Salzburg im Tebruar 1509
und in Augsburg im Frühjahr 1510 wurden dieje Beſchwerden
und Wünſche neuerdings vorgebracht.
Unter dem Drude der auswärtigen Verhältnifje ſah fich
der Kaiſer gezwungen, einen Schritt zurückzuweichen und den
ſtändiſchen Forderungen wenigſtens teilweiſe nachzugeben. Wie
er mit Rückſicht auf den bevorſtehenden Krieg gegen Venedig
anfangs 1509 das oberöſtereichiſche Regiment für die nächſten
drei Jahre durch vier ſtändiſche Vertreter verſtärkt hatte, ſo
machte er im April 1510 den Niederöſterreichern ebenfalls die
Konzeſſion, daß in das Regiment auch Vertreter der Stände
aufgenommen oder wenigſtens bei der Zuſammenſetzung die
einzelnen Länder berückſichtigt werden ſollten. Doch wies er
das Verlangen, daß das Regiment bei Erledigung einer Stelle
ſich ſelbſt ſollte ergänzen dürfen, unbedingt zurück. Er behielt
ſich ſelbſt die Ernennung vor, wenn auch das neue Mitglied
Die Errihtung des Hofrates. 457
aus demſelben Lande und demſelben Stande genommen werben
jollte, vem das frühere angehört hatte !), Diefem neuen Re—
gimente, das nun anf Wunfch des Landes unter der Ems von
Linz nach Wien verlegt ward, wurben jett auch richterliche
Befugniffe übertragen und das Kammergericht in Wiener Neu-
ftabt, deſſen Kompetenz jchon in den vorausgebenden Jahren
mehrfach eingefchränkt worden war, ganz aufgehoben. Wie in
Oberöfterreih waren fortan auch in Niederöiterreih das Re⸗
giment und die Raitlammer die oberjten Regierungsbehörben
und erftere8 auch in der Zufammenfegung dem Negimente in
Innsbruck ähnlich gemacht, indem es ebenfalls aus je einem
Landhofmeifter 2), Marſchall, Kanzler und einer Anzahl von
Statthaltern und Räten bejtand.
Über den beiden Flügeln, welche Marimilian für bie Ver-
waltung feiner Erblande ſchon bald nach feinem Negierungs-
antritte aufgeführt hatte, jollte fich nach feinem uriprünglichen
Plane auch ein einheitlicher Oberbau erheben und zwar ſollte
berjelbe jowohl für das Neich, wie für die Erblande beſtimmt
jein. Doch bat ver König für die Organifation der oberſten
Zentralverwaltung weber mit gleicher Konfequenz noch mit
gleichem Erfolge gewirkt wie für die Orbnung ber Landes⸗
verwaltung.
Im Februar 1498 erfolgte die Errichtung eines Hofrates,
welcher dem Hoflager des Königs folgen und diefem zur Seite
als oberfter Gerichtshof und oberjte Regierungsbehörde für Das
Reich wie für die Erblande fungieren ſollte. Er ſollte aus
1) Aus biefer von Adler, S. 279, angeführten Beftimmung ergiebt
ſich doch wohl, was er leugnet, daß auf die verſchiedenen Länder Rückſicht
genommen werben follte und der Kaifer auf das Recht der freien Er-
nennung ber Mitglieber des Regiments verzichtet Bat. Auch Fellner
a. a. O. ©. 264, nimmt eine Verſtärkung des Regiments durch ſtän⸗
difche Vertreter an.
2) Diefer Titel findet ſich für ben früheren oberften Hauptmann feit
1514. Das Amt bekleidete Wolfgang von Polheim, ver 1512 ftarb; feit
1514 Georg von Nottal; das eines Marfhalls Hans von Buchheim,
Berwalter des Kanzleramts war Dr. Johann Schneibpöd.
468 . Die: Hoflunmer.
einem Statthalter (dem Herzoge Friedrich von Sachſen), einem
Hofmeifter (Georg von Baiern), einem Hoflanzler (Dr. Stürzel)
und mehreren Regenten bejteben, durch Stimmenmehrheit
Beſchlüſſe faffen und nad der Beitimmung bes: Königs für
alle Händel, Sachen und Geſchäfte kompetent fein, „die künftig
vom heiligen Weiche deutſcher Nation, gemeiner Chriften-
beit oder von unſern erblichen Fürftentümern und Lanben
berfließen, ferner flr Sachen, welche ben Hof und deſſen Ber-
wandte betreffen.” Alle Angelegenheiten, welche früher der
König allein oder mit beliebig beigezogenen Räten entichieven
batte, wurden alſo jett einem ftändigen Kollegium zugewielen.
Für die Entichetdungen der Landesregierungen bildete: der dor
rat die lette Initanz.
Gfeichzeitig wurde, ebenfalls am Hofe, als oberfte Finanz
behörde eine Hofkammer eingeſetzt, die aus Melchior von
Meckau, Biichofe von Briren, als Vorſitzenden und vier anderen
Statthaltern und: zwei Schagmeiftern, einem für das Reich
und einen für bie Erblande, beſtand. Dieſelbe ſollte Die
oberjte Aufficht über die Finanzwerwaltung und deren Organe
führen, die Ausgaben anweiſen und die Überfchlffe von ven
Einnahmen aus den Erblanden und dem Reiche in Empfang
nehmen. Die Kontrolle über die Rechnungen wurde indefſen
der Schatlammer oder Raitkammer in Immsbrud zugewieſen,
wo fih auch bie Buchhaltung und das Archiv!) befanden, Da
dieſe Stabt wegen ihrer Lage in der Mitte der öſterreichiſchen
Erblande am meiften als Sitz ftändiger Zentralbehörden ge
eignet war. Doch wurde der Hoftammer eine gewiſſe Ober⸗
aufſicht vorbehalten.
Wie gegen die gemeinſamen Regierungen der öfterreichifchen
Zändergruppen vonjeite der Stände der Einzelländer Oppo-
fition gemacht wurde, fo gegen bie Zentralbehörden am Hofe
ponjeite des Neiches. Und hier zeigte Maximilian weniger
Widerſtandskraft als dort. Schon im September 1498 gab
1) ©. and D. Schönherr, Die Archive in Tirol, in „Mitth. ber
Centralcommiffion” N. 5. X, 631.
Sallenlafien der Zentralbehörden für das Neid. 450
er auf die Borftellungen des Reichserzkanzlers, des Erzbiſchofs
bon Mainz, zu, daß Altenftildte, welche er als deuticher König
ausftellen ließe, nicht vom Hoflanzler, fondern in der Reichs⸗
kanzlei ausgefertigt werben follten !), Das im Jahre 1500
eingeſetzte Reichsregiment entzog dann allen 1498 errichteten
Zentralbehörden, beſonders dem Hofrate den feiten Boden.
Der König gab zunächſt jede Hoffnung auf eine gebeihliche
Wirkſamkeit im Reihe auf und ging mit um jo größerem
‚Eifer an die Organifation der Verwaltung feiner Erblande, in
denen er jegt mit Recht den Schwerpunkt feiner Macht er»
fonnte. Aber auch nach der Befeitigung des Reichsregiments
griff er nicht mehr auf die Einrichtungen des Jahres 1498
zurüd. Wir finden zwar auch fpäter noch einen Hofrat.
Aber es fehlt ikm eine feſte Organifation, ein beſtimmter
Sitz und eine genaue Abgrenzung feiner Befugniſſe. Der
König trifft unter Beiziehung beliebiger Räte feine Enticheinungen.
Auch die Hofkammer verliert ihre urſprüngliche Bedeutung,
nicht am wenigjten infolge des Eingreifens des Kaifers In
ihre Befugniffe, indem er es nicht unterlaffen konnte, unab-
bängig von ihr Geldanweiſungen zu machen. Gerade auf bem
Gebiete der finanziellen Zentralverwaltung finden fi das
größte Schwanken, Die meiften Veränderungen.
Erſt nach der Beendigung des venetlanifchen Krieges wurde
das Werl der Reform wieder aufgenommen. Und dabei ift
es beuchtenswert, daß Maximilian die ind Auge gefußten Eins
richtungen nicht mehr durch einfache landesfürſtliche Dekrete,
jondern durch eine Vereinbarung mit ben Ständen ins Leben
zu rufen beabfichtigte und daß er nicht an die einzelnen Ränder
oder Ländergruppen fich wendete, fondern eine Verfammlung
von Vertretern aus allen Erblanden berief. Wäre auf dieſer
Grundlage fortgebaut worden, fo würde fich ſchon im 16. Jahr⸗
hundert eine gemeinſame Verfaſſung für alle öfterreichtichen
Länder entwidelt baben.
1) E. Roſenthal, Die Behörbenorganifation K. Ferdinands I,
„Archiv f. öfterr. Geſch.“ LXIX, 94f.
480 Der Ausſchußlandtag in Innshrud im Jahre 1518.
Auf ven 16. November 1517 berief ver Kaiſer Delegierte
ber. Stände aus den verjchievenen Ländern nach Donauwörth,
während gleichzeitig ein beutfcher. Neichdtag in Augsburg ab-
gehalten werben follte. Die Abgeordneten follten beraten über
einen großen Kriegspları gegen die Türken, wonach alle dhrift-
lichen Mächte gegen viejelben zu Felde ziehen und ver Kampf
im. dritten Sabre mit der Eroberung Konftantinopel® beendet
werben follte, über den Abſchluß eines Friedens mit Venedig
oder, wenn diefer nicht zuftande käme, über die notwendigen
Nüftungen zur Tortführung des Krieges, über gegenfeitige
Unterftügung ber öfterreichifchen Länder, falls eines derſelben
durch eine benachbarte Macht angegriffen würde, über bie Ein-
jetung eine® Hofrates als oberjter Behörde und guter Landes.
regierungen, und endlich, was wohl ein Hauptzweck bei ber
Einberufung der Verſammlung gewefen war, über die Be
willigung von Gelbmitteln zur Einlöſung ber verpfänbeten
Kammergüter und landesfürſtlichen Einkünfte, wie zur. Er-
haltung bed Hofftaates und der KRegierungsbebörben. Um bie
Abgeordneten dieſen Forderungen geneigter zu machen, wurbe
ihnen freigeftellt, auch. ihrerſeits Wünſche und Beſchwerden
vorzubringen ?).
Infolge der Vorſtellungen der tiroliſchen Stände und des
Nichterſcheinens der deutſchen Reichsſtände in Augsburg wurden
aber die Ausſchüſſe nach Innsbruck berufen, wo um bie Mitte
de Januar 1518 die Verfammlung durch die kaiſerlichen
Kommiffäre eröffnet: wurde und im März auch der Kaiſer fich
einfand. - Es waren 70 Delegierte erichienen, nämlich 35 aus
ben nieveröftegreichtichen Derzogtümern, 8 aus Tirol, 5 aus
ben verſchiedenen görzifchen Gebieten und 22 aus den zahl
reichen Herrichaften in Schwaben und Elfaf. Doc fanden
1) Die Vorlagen wie bie Verhandlungen hat einer der Delegierten,
der Prälat Georg von Klofterneuburg, aufgezeichnet und Zeibig im
„Archiv f. öfterr. Gefchichtsg.” XIII, 203—316 in weitläufigen Auszügen
mitgeteilt. Vgl. auh Brandis, Lanbeshauptleute von Tirol, ©. 439
bis 494, wo die Innsbrucker Libelle vom Mai 1518 vollfländig abge
drudt find.
Finanzielle und militäriſche Beſchlüſſe dedſelben. 41
nr einzelne gemeinſame Sitzungen ſtatt. Gewöhnlich ver⸗
handelten die Ausſchüſſe der einzelnen Länder oder Länder
gruppen für fich allein und verlehrten mit den übrigen ſchrift⸗
fh, wie dies auch zwiſchen den “Delegierten unb ven
Kommiſſären des Kaiſers in der Regel ber Tall war. Im
einem Ausnahmsfalle erfcheint der Landeshauptmann von
Zirol, Leonhard von Völs, als: Wortführer der Der] amm⸗
lung ),
Die Ausichüfje der Stände vertraten mit allem Nachdrucke
eine Friedenspolitik. Sie ſprachen ſich nicht bloß entſchieden
gegen eine Erneuerung des Kampfes mit Venedig aus, ſondern
ſie ſtellten auch die Forderung, daß der Kaiſer fortan ohne
Wiſſen und Willen der Erblande keinen Angriffskrieg beginne.
Nur unter der Vorausſetzung, daß der Friede nicht geſtört
würde, bewilligte der Ausſchußlandtag dem Kaiſer in vier
Jahresraten 400 000 Gulden, von denen Oſterreich unter und
ob der Enns 120000, Steiermark, Kärnten und Krain
100000, Tirol mit den Hochſtiftern Brixen und Trient
120000, die Vorlande 60000 übernahmen. Ein Drittel
follte dem Kaiſer zur leichteren Beſtreitung der Koften ber
Hofhaltung und der Negierung übergeben, zwei Drittel von
den ftämbifchen Verorbneten zur Auslöjung ver den Kaufleuten
in Berjat gegebenen Silber- und Rupfervorräte und zur Rüde
löſung der verpfänbeten Kammergüter verwendet werben.
Auch auf den Wunſch des Kaifers, daß Vereinbarungen
zur gegenjeitigen Unterſtützung ber verfchiebenen Länber im
Falle eined Angriffs getroffen werden möchten, gingen bie
Ausſchüſſe ein, aber zunächſt nur auf fünf Jahre. Soweit
war das Gefühl der Zufammengehörigfeit aller habsburgiſchen
Erblande auch jet noch nicht erftarkt, daß die Bedrohung
eines Landes auch von den andern als eine Gefährdung ge-
fühlt, die Abwehr mit vereinten Kräften als etwas Selbit-
verſtändliches angeſehen worden wäre. Auch war die Milttäre
macht, welche fich die ober- und bie nieveröfterreichifchen Laͤnder
1) Zeibig a. a. O. ©. 297. Bol. ©. 270.
42 Maßregeln für die Verteidigung Tirols.
gegenſeitig zuſicherten, nur eine ſehr geringe, nur 1000 ge⸗
rüftete Pferde ober 500 Pferde und monatlich 5000 rheiniſche
Gulden. Etwas größer waren die Streitlräfte, mit benen fich
bie nieberöfterreichtichen Länder im Falle eines Einfalls gegen-
feitig beiftehen follten.
Umfaffende Maßregeln für die Lanbesverteibigung und
zwar obne zeitliche Beſchränkung waren nur in Tirol ſchon
im Sabre 1511 unter der Einwirkung des venetianifchen Krieges
burch das fogenannte elfjährige Landlibell zwilchen dem Kaiſer
und den Ständen vereinbart worden. Danach follten bei
einem feindlichen Angriffe je nach der Größe ber Gefahr 1000
bi8 5000, 5000 bis 10000, 10000 bis 15000, 15000
bis 20000 Dann aufgeboten werden. Bei einem Anjchlage
von 5000 Mann follten 1800 Mann durch die Hochitifter
Brixen und Trient, die Prälaten und den Abel, 2400 Mann
durch Die Stäbte und Gerichte Tirold, 500 Mann durch bie
Herrichaft Lienz und das Pufterthal, 300 Mann durch bie
ehemals baierifchen Städte und Gerichte Rattenberg, Kufftein
und Kitzbühel geftellt werben und ber Kaiſer dieſen b⸗ bis
600 Reiſige zu Pferb beigeben, auch die Geichüge und bie
Munition liefern und einem Neifigen monatlich fünf, einem
Fußknechte zwei Gulden Sold zahlen. Bei einem plößlichen
Einfalle der Feinde follte in den zunächit bedrohten Gebieten
der Lanbfturm aufgeboten werben !). Es ift diefes Landlibell
die Grundlage für alle tirofifchen Zuzugsordnungen bis sum
Beginme diefes Jahrhunderts geblieben.
Auf dem Ausſchußlandtage von 1518, deſſen Verhand⸗
lungen fich bis in den Mat Hinzogen, einigte ſich Maximilian
mit den Delegierten auch über eine Reihe organtiatoriicher
Maßregeln. Die bisherigen Negimenter für Niever- und
Oberöfterreich 2) blieben beftehen, doch follte der Sit des
erfteren auf Wunfch ber. Snneröfterreicher probeweile für ein
1) Brandis, Landeshauptlente, S. 412—422.
2) Unter dem Innsbruder Regimente ſtand mit befchränkteren Voll-
machten ein Regiment in Enfisheim für die wefllichen Borlanbe.
Beichlüffe in Beziehung auf die Verwaltung. 468
Jahr nah Brud an dev Mur verlegt werben. Der Bor
derung ber Nieberöfterreicher, Daß ibr Regiment. mit Ein⸗
geborenen befett werden follte,. gab der Kaiſer nur teilweiſe
nach; er behielt ſich das Recht vor, auch einige „Ausländer”
zu Mitgliedern zu ernennen. Dagegen machte er bei der Er⸗
richtung eines Hofrates, der die oberjte Behörde für politifche,
Juſtiz⸗ und finanzielle Angelegenheiten ‚bilden jollte, den par⸗
tiulariichen Beſtrebungen weitgehende Zugeſtändniſſe. Bon
den achtzehn Mitgliedern besfelben follten fünf (Adelige und
Doktoren) aus dem Reiche, fünf von Nieveröfterreih (aus
jedem Herzogtum eines), zwei aus Tirol und zwei aus ben
porberöjterreichiichen Landen genommen werden und alles ehr-
bare, veritändige und geborne „Lanbleute” fein. Die Er-
nennung biefer Hofräte wie ber Mitglieder des Regiments
wollte der Kaifer für jegt mit Willen und Willen der Aus
Ihüffe vornehmen. Diefen follte der Kaijer dann noch einen
Hofmeifter, Marſchall, Kanzler und Schagmeifter beigeben.
Der Hoflanzler war für das Neich wie für die Erblande ge
meinfam. Der Hofrat follte alle Sachen in voller Sikung
verhandeln. Nur „geheime und große Sachen“, alſo diplo⸗
matiſche Angelegenheiten, burfte der Kaiſer felbit over mit
Beiziehung bloß einiger Hofräte erledigen, worin fich bie
Keime des jpäteren geheimen Rates zeigen.
Die Ausichüffe hatten verlangt, daß die Angelegenheiten der
Erblande bloß von den ober- und nieveröfterreichiichen Hof-
räten entfchieven werben jollten. Doch wies der Kaiſer bie
Ausichliegung der Hofräte aus dem Reiche von der Verhand-
lung über öfterreichifche Angelegenheiten ab; „denn“, bemerlte
er, „Ofterreich gehört doch auch zum Reich“. Ebenſo wenig
genehmigte er für die Verwaltung des Kammergutes die Ein-
jegung einer eigenen Hoflammer mit einem ftändigen Site
in ben Erblanden und die Errichtung einer eigenen Rait⸗
fammer für die nieberöfterreichifchen Herzogtümer. Die Ge
Ihäfte der Hoffammer wurden dem Schameifter zugewiefen,
welcher Mitglied des Hofrates war. Die Einnahmen aus
ben verſchiedenen Ländern follten an den Kammermeiſter ober
464 Zwed und Lehrplan
Einnehmer- General abgeliefert werben. Die Prüfung aller
Rechnungen verblieb der Naitlammer in Innöbrud, welche nur
durch Nieberöfterreicher verftärkt werden follte.
Die Beichlüffe des Innsbruder Ausichußlandtages find in
wichtigen Punkten nicht zur Ausführung gelommen. Nament-
lich der Hofrat war noch nicht Tonftituiert, als ber Kaiſer
durch den Tod feiner Wirkſamkeit entrüdt warb.
Siebentes Rapitel.
K. Marimilian I. als Förderer der Wiſſenſchaften
und Künſte.
—
Man ſollte e8 nicht für möglich Halten, daß ein Monarch,
ber jo viel und teilweile fo verjchtevene Länder zu regieren
batte, der mit feinen Plänen alle Reiche der abendländiſchen
Chriftenheit umfaßte und mehr als die Hälfte feiner Re-
gierungszeit in ſchwere Kriege verwidelt war, noch Luft und
Muße fand, fih um Künfte und Wifjenfchaften zu kümmern
und mit den hervorragendſten Vertretern derjelben einen leb-
baften Verkehr zu unterhalten. Und doch fpielte Marimilian I.
nicht bloß deren Gönner, ſondern er liebte es, mit Gelehrten
und Künftlern zu verkehren, er ging mit Verſtändnis auf ihre
Deftrebungen ein, ftellte ihnen würbige Aufgaben und freute
fih der Erzeugniſſe ihres Geiſtes.
Eine neue Zeit war auch auf dem Gebiete der Wifjenfchaften
und Künſte angebrochen und wirkte namentlich auch umgeftaltend
auf die Univerfitäten, in denen fich doch das geiftige Leben
noch vorzüglich konzentrierte.
Die Univerfitäten des Mittelalters waren vorberrichend
firchliche Anftalten, Die e8 fich zur befonderen Aufgabe ſetzten,
der Univerfitäten des Mittelalters. 465
dem Klerus eine höhere Bildung zu verfchaffen und ihn zu
befähigen, die Kirche, ihre Lehren und Einrichtungen durch
Wort und Schrift zu verteidigen. Als ihren Hauptzwed ſahen
fie e8 daher an, die Schüler durch Übung in der Logik und
Dialektif zu tüchtigen Kämpfern heranzubilden. Nicht die Ver-
mebrung der Schätze der Wiljenichaft, fondern die geſchickte
Berwendung der bisherigen jtrebte man an. Sa, bei ven
überwiegend dialektiſchen Übungen beſchränkte man fich abficht-
lich auf einen fehr engen Kreis, um den Stoff um fo voll
jtändiger zu beberrfchen Y). In der artiftifchen (pbilofopbifchen)
Fakultät, welche, wie unfer Oymnafium die Vorbereitung für
das Studium in den anderen Fakultäten bildete, wurben bie
jieben jogenannten freien Künfte gelehrt, im erften Jahrgange
(dem Trivium) neben ver lateinifchen Grammatik und Nhe-
torif (mit Poetif) Hauptfächlich Logik als Zeil der Dialektik,
im zweiten (dem Quadrivium), die übrigen Teile der Dialektik
(Phyſik, Ethik, Metaphyſik), Arithmetik und Geometrie, Muſik
und Aſtronomie, und zwar die philoſophiſchen und natur⸗
wiſſenſchaftlichen Fächer vorzüglich auf Grund entſtellter Über-
fegungen des Ariftoteles und der Schriften feiner Erflärer.
In der juridiſchen Fakultät beichäftigte man ſich anfangs fait
nur mit fanoniihem, erſt ſpäter auch mit römiſchem Rechte,
wofür es in Wien noch gar feine Lehrfanzel gab. Für bie
Vorträge in der mebdizinifchen Fakultät bilveten die Werte
des Galenus, Hippofrates und Adicenna mit ihren Erklärern
die Grundlage. Doch fanden in Wien fett 1433 auch ziem-
lich regelmäßige anatomifche Demonftrationen ftatt ?). Die
Theologie zerfiel in die heilige Schrift und deren Erllärung
und in die fcholaftifche Theologie oder Dogmatik ?). In allen
1) ©. hierüber mit befonderer Rüdfiht.auf Wien R. Kint, Geld.
ber kaiſerl. Univerfität zu Wien I, 74fl.
2) Borübergehend ſchon 1404 durch acht Tage. Kink J, 172. Afch-
bach, Gef. der Wiener Univerfität im erſten Jahrhundert ihres Be-
ſtehens, ©. 324.
3) Baulfen, Gef. des gelehrten Unterrichts vom Ausgange des
Mittelalters, S. 14ff. Kint I, Bf. Aſchbach, E. 85ff.
Huber, Geſchichte ſterreichs. III. 30
466 Kampf der Humaniften gegen die alte Richtung.
Zweigen war aber die Hauptfache nicht der Vortrag, ſondern
die Disputationen, die bet dem beichräntten Umfange des
Willens immer mehr in haarſpaltende Subiilitäten ausarteten.
Das ganze geiftige Leben verborrte, die Univerfitätsftudien
gingen in leeren Formelkram unter und wurden zu einem
reinen Handwerke.
Doh Schon feit langer Zeit bereitete jich dagegen eine
Reaktion vor.
Seit der Diitte des 14. Jahrhunderts, ſeitdem Petrarca
die eigene Begeifterung für die Schriftjteller Roms auch in
ben Herzen anderer zu entflammen gewußt, hatte das Studium
der römifchen, ſpäter auch der griechiſchen Klafjifer in Italien
eine immer mehr wachlende Ausdehnung erlangt. Mit jugend-
lihem Eifer verſenkten fich die hervorragendſten Geiſter in bie
Werke der alten Dichter und Vhilofophen, Redner und Ge-
Tchichtfchreiber, in denen fie eine ganz neue Welt fanden, jpürten
die verjtaubten Handfchriften in den Klofterbibliothefen auf,
Tchrieben fie ab, bis die Erfindung der Buchdruderkunft ihre
weitere Verbreitung ermöglichte, ſtudierten und erflärten fie
und ſuchten diefelben nach Inhalt und Form fich anzueignen
und mit mehr oder weniger Glück nachzuahmen. Dieſe
Humaniften Italiens, die nichts höher ſchätzten als die Form,
jahen mit Verachtung oder wenigſtens gleichgültig herab auf
alles, was bisher im Leben und an den Hocjchulen am meiften
gegolten hatte und als höchite Weisheit verehrt worden war.
Die Streitluftigeren begannen einen leivenjchaftlihen Kampf
gegen bie bisherige Lehrmethode, gegen die Scholaftif in der
Theologie und Philofophie, gegen die abjtruje Gelehrſamkeit
ber Suriften und [potteten beſonders „über die barbarijchen
Kunftausprüde ihrer Gegner, ihre rohe, verderbte Sprache,
ihre unfruchtbare Dialektik, ihre verjchrobenen Sophismen, ihre
albernen Disputationen“ !). Ihr Sieg war entjchieven, als
1) ©. Voigt, Die Wieterich:bung des cla'fiih nm Altertums (2. Aufl )
11, 458.
Die Anfänge des Humanismus an ber Univerfität Wien. 467
fih auch Fürſten und Häupter der Nepublifen, Kardinäle und
Päpfte in die Reihe ihrer Gönner ftellten.
Auch im Norden der Alpen fand der Humanismus nach
und nach Verbreitung, als zablreihe Vertreter desfelben
während der Konzilien von Konjtanz und Bafel jahrelang in
Deutichland fich aufgehalten, Aeneas Sylvius Piccolomini eine
einflußreihe Stellung unter den Kanzleibeamten und Räten
des Kaifers Friedrich III. eingenommen hatte. Einer der
Suriften am kaiſerlichen Hofe, Johann Hinderbach, fpäter
(1465— 1486) Biſchof von Zrient, Hat al® Zeil einer Fort-
jegung der von Aeneas verfaßten Gejchichte Friedrichs III. eine
Schilderung des im Jahre 1462 ausgebrochenen Krieges des
Kaiſers mit feinem Bruder Albrecht geliefert und dabei auch
dejjen Stil und Darftellungsweile nachzuahmen gefucht. Auch
an der Wiener Univerfität, über deren Profeſſoren doch Aeneas
die Lauge ſeines Spottes ergießt '), la8 der berühmte Mathe-
matifer und Ajtronom Georg von Peuerbach zwilchen 1454
und 1460 über Virgils Aeneide, über Juvenals Satiren und
über die Gedichte des Horaz, deſſen Schüler Johann Müller
von Königsberg (Negiomontanus) 1461 über Virgils Eklogen,
andere um diejelbe Zeit über Schriften Eiceros, über Terenz
und Yucan. Allein Peuerbach ſtarb fchon 1461, Müller ver-
ließ gleich darauf Wien, und erft von 1471 an wurben burch
Dernhard Perger aus Stanz und andere wieder bäufigere
Borlefungen über römijche Schriftfteller gehalten, nicht ohne
daß die „Ülteren“ das Emporkommen der „Jüngeren“ zu
bindern gejucht hätten 2). Inzwifchen geriet aber die vor
furzem noch jo blühende Univerfität infolge der fteten Kriege,
häufiger anftedenvder Krankheiten und der ungarifchen Occupation
in immer tieferen Verfall, ja drohte ſogar ſich aufzulöfen.
Während im Jahre 1451 nicht weniger ald 771 (darunter
404 Rheinländer und Süddeutſche) und noch 1470 564 Stu-
denten neu immatrifuliert worden waren, ſank die Zahl der.
1) In der oben, ©. 162, citierten Schilderung der Stadt Wien.
2) Kint I, 178f. Aſchbach, ©. 353f.
30 *
468 Sorge 8. Marimilians für bie Univerfität Wien.
Immatrifulationen 1483 auf 42, 1484 auf 18 herab ’). Auch
von den Brofejjoren zogen beim Ausbleiben der Schüler ja
fogar des Gehaltes viele fort. Das wiljenfchaftliche Leben
batte faſt aufgehört.
Erjt mit der Regierung Maximilians J. begann für die Wiener
Univerfität eine neue Periode, die Zeit des Humanismus ?).
Es war von entiheidenden Folgen, daß nach der Wieder-
gewinnung Wiens der bisherige Magiiter Bernhard Berger,
der jchon früher für die Hebung der klaſſiſchen Studien in
Wien thätig geweſen war, zum Superintendenten oder Kurator
der Univerfität ernannt wurde und das unbebingte Bertrauen
des Königs erwarb. Ihn unterjtüsten bei feinen Bemühungen
zugunſten der Hochſchule der Faiferliche Rat Johann Fuchsmagen
aus Hall in Tirol und Marimilians Protonotar Johann
Krachenberger aus Paſſau.
Marimilian fam den Tendenzen feiner Näte mit feinem
Sinn und jugendlihem Eifer entgegen und fuchle der Wiener
Univerfität die frühere hervorragende Stellung wieder zu ver⸗
Ichaffen und fie der veränderten Zeitrichtung gemäß umzugeftalten.
Er führte zuerjt das Studium des römiſchen Rechtes ein, wo⸗
für zweit Profefjoren angeftellt wurden, und gründete auch neue
Lehrkanzeln für Mathematik, Poetif und Rhetorik. Aus
1) Kint I, 145 NR. Auch 1482 hatte die Gefamtzahl der Scholaren
faum 200 betragen. Aſchbach, Die Wiener Univerfität und ihre Huma—
niften (Geſch. der Wiener Univerfität, 2. Bd.), ©. 7, N. 1. Über bie
Berehnung der Geſamtzahl aus der Zahl der neu Immatrifulierten fiehe
Paulfen, Die Gründung der deutſchen Univerfitäten im Dittelalter,
in „Hiſt. Zeitſchr.“ XLV, 289 ff., der den früheren Annahmen über fehr
hohe Zahlen mit Recht entgegentritt, wenn auch ev vielleicht bie Zahlen
etwa8 zu niebrig angenommen bat. Zu hoch ift jedenfalls die Behaup⸗
tung in Bonfinii Dec. IV, 1.5, daß die Zahl der Studenten in Wien
bie und da 7000 betragen habe.
2) ©. über diefe Zeit Kink I, 192ff. Aſchbach II, Alff. und
darin auch bie Biographieen der einzelnen Humaniften. Vgl. auch ben
hübſchen Auffag von A. Horamig, Der Humanismus in Wien. „Hif.
Taſchenbuch“, VI. Folge II, 137—200, und die entfprechenden Artikel
in der „Aligem. deutſchen Biographie”.
Sieg der humaniſtiſchen Richtung. 469
Deutjchland und Italien wurden angeſehene Profejforen für
Wien gewonnen, 3. B. ſchon 1493 für römiſches Recht der
Venetianer Hieronymus Balbi, damals Profeflor in Padua,
übrigens das Urbild eines frivolen, aufgeblajenen und jtreit-
jüchtigen Humaniften, deſſen unruhiger Geiſt e8 auch in Wien
nicht lange aushielt, für Theologie einige Jahre darauf der
Minorit Johann Ricuzzi aus Camerino (daher Camers genannt).
Aus Ingolftadt wurden 1497 die Mathematiker Johann
Stabius, ein geborner Oberöfterreicher, und Andreas Stiborius
und der berühmte Dichter und Humaniſt Konrad Pidel, ge
nannt Geltes, berufen, der die Xehrfanzel für Poetil und Nihe-
torif erbielt. Die bumaniitiiche Nichtung wurde gegenüber der
bisher faft ausschließlich Herrichenden Scholajtil in jeder Weije
begünftigt, jo baß die Univerfität, die immer mehr zur Staats⸗
anjtalt wurde, den bisherigen Charakter einer geiftlichen Korpo-
ration verlor und die artiftifche Fakultät, die bisher nur als
Borbereitungsanftalt bejonders für die Theologie gedient hatte,
eine jelbftändige Stellung erhielt. Über lateinifche Schriftiteller
wurden jett regelmäßige Vorleſungen gehalten und der Beſuch
ber humaniftifchen Vorträge für die Erlangung des Magifter-
grades an der artiftifchen Fakultät obligatorifch gemacht. Durch
Angelus Eofpus aus Bologna wurden auch ariechiiche Schrift«
iteller gelefen und erklärt. Die Eafjiihen Studien blühten
immer mehr auf, und befonders berrichte eine rege Thätigfeit
für die Herausgeber der alten Schriftjteller. Aufonius, Clau«
dien, Horaz, Ovid, Perfius, Plautus von den Dichtern, Florus,
Yuftin, Salluft, des Tacitus Germania, Überjegungen des
Diodor und Zonaras von den Hiftorifern, verichievene Werte
Ciceros murden in Wien herausgegeben, wobei Cufpinian,
Ricutius und der Schweizer Joachim von Watt (Vadianus),
von 1510—1518 Brofeffor in Wien, eine bejondere Thätig«
feit entwidelten.
Bei weitem der hervorragendfte als Lehrer und Gelehrter
war Konrad Geltes, deſſen früher jo unftäte Natur erſt in
Wien ſich heimifch fühlte, der aber leider fchon 1508, noch
nicht einmal 50 Jahre alt, ein frühes Ende fand. Er war
470 Konrad Celtes.
ein eleganter lateinifcher Schriftfteller und Dichter (der erite
Deutjche, der 1487 vom Kaifer zum Dichter gefrönt worden
ift) und was damals in Deutfchland noch felten war, auch des
Griechiſchen und Hebrätichen fundig. Aber er war zugleich ein
Dann von allgemeiner Bildung, der nicht bloß auf die Form,
fondern auch auf die Realien Gewicht legte und fich für die
Vergangenheit des deutſchen Volfes interejjierte. Er veröffent-
lichte daher neben römifchen Schriftjtellern wie Upulejus, Auſonius,
Zragddien des Seneca und der Germania des Tacitus, auch
die lateiniſchen Komödien und biftorifchen Gedichte der Ganders⸗
beimer Nonne Hrotswit aus der Zeit Ottos 1. und das TYatei-
nilche Epos des Guntherus Ligurinus über die Thaten Friedrich
Barbaroſſas, das man mit Unrecht lange Zeit ihm felbft zu—
geichrieben hat. Auf feinen Forfchungsreifen am Rhein fand
er da8 fogenannte Itinerarium Antonini, das uns auf zwölf
Blättern ein Bild der Straßenzüge des römiichen Reiches im
dritten Jahrhundert mit den daran gelegenen Städten, Yager-
plägen u. ſ. w. bietet, wurde aber durch die Koſten des Stiches
und Durch den Tod an der Herausgabe desfelben verhindert ?).
Seine Borlefungen in Wien erftredten fich auch auf die älteſte
Geſchichte Deutſchlands im Anfchluß an die Germania des
Zacitus und auf andere Zeile der deutſchen und allgemeinen
Geſchichte. Celtes war auch der erfte Leiter der vom Kaifer
Mar gegründeten Wiener Hofbibliothef. Um die humaniftiichen
und mathematiſch⸗phyſikaliſchen Studien zu heben, fette er 1501
bei feinem Gönner Maximilian die Errichtung eines eigenen
Seminars, das Collegium poetarum et mathematicorum, an
der Univerfität durch, an dem er Borftand der bumaniftilchen,
fein Freund Stabius Leiter der mathematifchen Abteilung ward,
das aber 1508 wieder einging. Celtes war auch die Seele. der
Sodalitas litteraria Danubiana, einer Art von Privatafademie
1) Er vermachte e8 daher feinem Freunde Peutinger in Augsburg
(daher tabula Peutingeriana). Später gelangte e8 in ben Befig ber
Herzoge von Savoyen und fam enblich durch den Prinzen Eugen auf bie
Wiener Hofbibliothet.
Blüte der Univerfität. 471
zur Förderung der humaniftiichen Studien, die er 1490 auf
einer feiner Wanderungen in Dfen gegründet hatte, aber 1497
nach Wien verpflanzte. Deutjche und Italiener, Ungarn, Böhmen
und Polen waren Mitglieder, der Veſzprimer Biſchof Johann
Vitéz, zugleich Adminiftrator des Wiener Bistums, und nach
bejfen Tode im Jahre 1499 Krachenberger (Grachus Pierius)
Präfivent. Nach Eeltes’ Tode löſte auch diefe Geſellſchaft fich
auf.
Neben Celte8 war der beveutendfte unter den Wiener
Humaniften Johann Spießhaimer, genannt Cufpinian, ein ge-
borner Schweinfurter, der ſchon als Jüngling von 18 Jahren
im Jahre 1491 in Wien, ohne Brofeffor zu fein, über Yatei-
niſche Klaffiler la8 und 1493 vom Könige Maximilian zum
Dichter gekrönt wurde. Er ward nun Profeffor und 1501 an
Pergers Stelle Superintendent der Univerſität und wirkte als
folder auf eine größere Berüdfichtigung der Nealien hin, wie
er denn auch ſelbſt als Herausgeber römijcher und mittelalter-
licher Geſchichtsquellen und als Gefchichtfchreiber thätig geweſen
ift. Der Raifer, deſſen befonderer Gunſt fich Eufpinian er-
freute, verwendete ihn fehr oft zu diplomatiſchen Gejchäften be-
ſonders zu den Unterhandlungen mit Ungarn.
Durch die warme Fürforge des Kaijers erreichte die Wiener
Univerfität in ben erften Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts
nicht bloß eine neue Periode wiſſenſchaftlicher Blüte, ſondern
auch des äußeren Anjehens. In den Jahren 1515—1517 ließen
fich jährlich über 600 Studenten neu immatrifulieren !), welche
Zahl damals Feine der deutſchen Univerfitäten aud nur an-
näbernd erreicht bat. Dabei betrug die Zahl der Ausländer
wenigftens drei Viertel aller Hörer. Beſonders die Weitdeut-
ſchen und Schweizer fuchten mit Vorliebe Wien auf; wenigſtens
bie Hälfte der Studierenden gehörte ihnen an. Selbſt die be-
1) So nad Kint I, 226, N. Nah Aſchbach II, 125 betrug der
neue Zuwachs in ben beiden erften Decennien des 16. Jahrhunderts jähr-
lich gar 600 bis 800 Studierende. Über die anderen deutſchen Univerfi-
täten f. die Zufammenftellungen bei Baulfen a. a. O., S. 293 ff.
472 Das Amraſer Heldenbuch und der Teuerbanf.
rühmte Barifer Univerfität, meinte der Humanijt Glareanus,
ftebe Hinter der in Wien zurüd ').
In vorteilhaften Gegenſatze zu den italienischen Humaniften,
aber mit Celtes, Cufpinian und anderen Humaniften Deutfch-
lands übereinftiimmend, Hatte Diarimilian auch Sinn für die
Vergangenheit des eigenen Volkes. in glänzender Beweis
hierfür iſt das in jeinem Auftrage geichriebene fogenannte
Amrafer Heldenbuh, in dem die „beiten vollstümlichen und
bhöfifchen Gedichte der mittelbochdeutfchen Zeit" geſammelt wor⸗
den find. Dadurch allein ift neben manchen anderen poetijchen
Erzeugniffen eines der großen deutichen Volksepen, die Gudrun,
vor dem Untergange bewahrt worden.
Die mittelhochdeutichen Epen baben auch teilmeile als
Mufter gedient für den „Teuerdank“, welcher die vom Kaiſer
auf der Jagd, im Kriege u. |. mw. zu verichiebenen Seiten be=-
ſtandenen Abenteuer jchildert und zwar in Form einer Allegorie,
indem dieſe Gefahren dem Helden Teuerdank (Marimilian)
auf ferner Brautfahrt zur Königin Ehrenreich, der Tochter des
Könige Ruhmreich (Karl von Burgund) durch Ehrenreichs
Hauptleute „Fürwittig“ (jugendlicher Übermut und Leichtſinn),
„Unfalo“ (unglückliche Zufälle) und „Neidelhart“ (Neid feiner
Feinde) bereitet werden. Der Plan dieſes umfangreichen, aber
recht einförmigen und trockenen, moraliſierenden Gedichtes iſt
vom Kaiſer ſelbſt entworfen und, wie es ſcheint, die meiſten
Geſänge auch urſprünglich von ihm ausgeführt worden. Das⸗
ſelbe iſt dann von Maximilians Sekretär und Rate Melchior
Pfinzing, Propſt in Nürnberg, vollendet und, nicht zu ſeinem
Vorteile, auch umgearbeitet worden ?).
Stellt der ‚Teuerdank“ die Thaten des kühnen Jägers und
Ritters in poetifchem Gewande dar, fo ſollte deijen Abftammung,
Ausbildung in den verjchievdenften Wifjenfchaften und Tertigfeiten,
Bermählung und friegerifche Unternehmungen in einem profai-
1) Kink I, 227 N.
2) ©. die Unterfugungen v. C. Haltaus in der Einleitung zu
feiner Ausgabe des Theuerdank (1836).
Der Weißkunig; Begünftigung der Geſchichtsforſchung. 473
ſchen Lebensbilde, dem „Weißkunig“, geſchildert werden. Die
Ausführung wurde Maximilians Geheimſchreiber Mar Trehtz⸗
Saurwein, einem Tiroler, übertragen, der ſich für die Vor⸗
geichichte am jchriftliche Quellen, für die Kriege feit 1478 an
Mitteilungen des Kaiſers ſelbſt Hielt, die ihm berjelbe zu ver-
ihiedenen Zeiten bruchſtückweiſe diktiert bat. Die Vorliebe
Maximilians für die allegorifche Einkleidung fpricht fich auch
in diefem Werfe aus, indem die einzelnen Perfonen meift nicht
mit Namen genannt, jondern mit Barben unterfchieven find,
wie etwa bet ritterlichen Spielen die Helden durch die Farben
ihres Gewandes fenntlich gemacht wurden. Selbft die geogra-
phiichen und chronologifchen Beitimmungen find im Hauptteile
des Weißkunig weggelafjen, ver auch nie vollendet worden ift,
weil der große Kreuzzug gegen die Ungläubigen, der ven Ab»
Ihluß der Thätigkeit Maximilians bilden jollte, nie unternommen
werden fonnte !).
Aber nicht bloß das Andenken feiner eigenen Thaten wollte
Maximilian der Nachwelt überliefern, auch die Gefchichte feines
Geſchlechtes und feiner Länder wie die Vergangenheit des Deut-
Ihen Reiches und Volkes juchte er aufhellen zu laffen. Mit
Net bat man darauf bingewiefen, daß er zur biftoriichen
Forſchung eine Ähnliche Stellung eingenommen babe wie in
unjferem Jahrhundert der Freiherr von Stein oder der König
Maximilian IL von Baiern ?). ‘Durch verfchiedene Gelehrte,
befonders den Mathematiker und Geographen Johann Stabiug,
den er zu feinem Hiftoriograpben ernannte, und deſſen &e-
1) Der Weißfunig blieb auch bis zum Jahre 1775 ungebrudt. Setzt
wird er mit den alten Holzfehnitten neu herausgegeben im „Jahrbuch
der kunſthiſtor. Sammlungen des allerböhften Kaiferhaufes”, VI 8.
©. über das Wert R. v. Tilienceron im „Hift. Taſchenbuch“, 5. Folge
III, 321 ff., und über Treyg-Saurwein die Unterfuhungen von D.Shön=-
berr, im „Ardiv f. öfterr. Geſch.“ XLVIII, 355 fi.
2) 4A. Horamik, Nationale Gefchichtfchreibung im fechszehnten Jahr⸗
Hunderte. „Hiſt. Zeitſchr.“ XXV, 67fj. Über die Berdienfte 8. Mari-
milians um die nationale Geſchichtſchreibung ſ. auch v. Wegele, Geld.
ber Deutichen Hiftoriographie, S. 91 fl.
414 K. Marimilians perfönliher Verkehr mit Gelehrten.
bilfen, feinen Kaplan Yadislaus Suntheim aus Ravensburg,
einen Zögling der Wiener Univerfität, und Jakob Diennel oder
Manlius in Freiburg, einen geborenen Bregenzer, ließ er in
den Klöitern, Bibliotheken und Archiven Deutichlands, Frank⸗
veich8 und Italiens Forſchungen anitellen, um alte Chroniken
und Urkunden aufzufuchen und die Quellen zu verzeichnen, Die
wichtigeren abzufchreiben )). Noch auf dem Todbette Tieß fich
der Kaiſer in fchlaflofen Nächten durch Manlius Abjchnitte aus
der öfterreichifchen Gefchichte vorlefen ?). Dabei war der VBer-
kehr, den Maximilian mit den Gelehrten unterhielt, ein durch⸗
aus vertraulicher und ungeziwungener. „Der Kaiſer“, jagt der
Franzoſe Froiſſart, „nennt jie nicht bloß feine Freunde, fondern
er behandelt fie auch als ſolche. Es giebt gewiß feinen zweiten
Herricher, der fich jo willig belehren ließe von denen, die mehr
gelernt haben als er, und ber felbft jo reichen Geifies ift, daß
er fchon durch jeine Fragen belehrt” 8). Beſonders nahe jtan-
den ihm der Nürnberger Patrizier Willibald Pirfheimer, der
Mittelpunkt eines ausgedehnten Kreiſes von Humaniften und
Künftlern und felbit ein eleganter Gefchichtichreiber,, und der
Augsburger Konrad Beutinger, den ber Kaifer nicht bloß in
politiihen Angelegenheiten oft verwendete, jondern auch im
wiffenichaftlihen Fragen häufig zu Rate zog und mit ber
Überwachung vieler feiner Fünftlerifhen Unternehmungen be-
traute *).
Denn vor allem als Förderer der Kunſt hat fih Mari-
milian große Verdienſte und einen gefeierten Namen er-
worben.
Die Kunft follte nad den Ideen des Kaiſers vorzüglich
1) Aſchbach II, 366ff., 377 ff. Über Manlius fiehe auch Laſchitzer
im „Jahrb. der kunſthiſt. Samml. d. allerh. Kaiferhaufes” IV, 79ff.
2) Laſchitzer, ©. 85. Bol. Cuspinianus, De Caesaribus,
p. 491.
3) Bei Janſſen I, 134.
4) Herberger, €. Peutinger in feinem Berbältnifie zum 8. Mori»
milian I. (Augsburg 1851). Vgl. Geiger, Renaiſſance und Huma-
nismus, ©. 369-382.
Ausgabe iluftrierter Prachtwerke. 445
feiner Verherrlichung dienen und dabei mit der Poefie, der
Wijjenichaft und dem Leben Hand in Hand gehen. Auf dieſe
Weile „entjtanden illuftrierte Prachtwerfe, die, joweit fie nach
des Kaiſers Abfichten vollendet wurden, für alle Zeiten als
typographiſche und Fünftlerifche Meiſterwerke daſtehen werden” 7).
Die erfte Ausgabe des „Teuerdank“, die 1517 erichien,
ift mit nicht weniger al8 118 Holzichnitten geziert, wofür Hans
Schäufelein und andere Meijter nach den eigenen Ideen des
Kaiſers die Zeichnungen geliefert haben. Dasjelbe follte mit
dem „Weißfunig” gefcheben, für deſſen Illuſtration beſonders
Hans Burgkmair thätig geweſen tit.
Bereits 1511 war eine illuftrierte „Genealogie“ der Vor»
fahren Diarimilians mit Zeichnungen von Burgkmair erjchienen.
Daran jchloß fi eine Sammlung der Heiligen, von denen
man annahm, daß fie zu den Habsburgern in irgendeiner ver-
wandtichaftlichen Beziehung jtänden, mit Text von Manlius
und Zeichnungen von Leonhard Bed, der auch für den Teuer»
dank und Weißkunig thätig gewejen iſt. Ein beſonderes Pracht⸗
werk ſollte der „Triumphzug“ oder „Triumphwagen“ Maris
milians werden, welcher von dieſem ſelbſt in allen Details er-
funden, von Treytz⸗Saurwein redigiert und von Albrecht Dürer
entworfen worden iſt, worauf die Skizzen zur Vervielfältigung
durch den Holzſchnitt auf nicht weniger als 137 Zafeln ?) an
verfchiedene Künftler, namentlid an Dürer und Burgkmair ger
geben worben find. iner ähnlichen Idee verdankt auch die
„Ehrenpforte“ ihre Entitehung, ebenfalls ein Werft Dürers,
das nad) den damaligen Vorftellungen von einem Triumph
bogen der römiſchen Raiferzeit Darftellungen aus der Gejchichte
Marimiliand mit erläuternden Verſen von Stabius und in
der Mitte den Stammbaum des Haufes Ofterreich enthält, an
beffen oberftem Ende Marimilian felbft, umſchwebt von Sieges-
1) R. Mutter, K. Marimilian I. als Kunftfreund. „Orenzboten“
1884, I, 134.
2) Nah einer von Schönherr im „Jahrb. der funfthift. Samml. d.
allerh. Kaiſerhauſes“ II,2, LXXXIX, no. 1366 mitgeteilten Notiz ſollte
der Triumphwagen eigentlih aus 210 „Formen“ beftehen.
476 Künſtleriſche Berzierung des Gebetbuches K. Marimilians,
göttinnen, thront. Es iſt „das Großartigſte, was jemals für
den Holzichnitt gejchaffen wurde“. Setzt man die Abdrüde der
92 Holzitöde zufammen, jo mißt das Blatt nicht weniger als
103 Buß in der Höhe, 9 in der Breite. Wie manche andere
fünstleriiche Unternehmung ift leider auch die „Ehrenpforte”
bei Maximilians Tode noch nicht vollendet gewefen ?).
Ein Kaifer, der feine ftändige Reſidenz hatte, fondern ruhe—
los von Stadt zu Stadt z0g oder im Felde lag, fonnte nicht
daran denfen, einen glänzenden Palaſt zu bauen und mit
Statuen und Bildern zu ſchmücken. Aber er wollte wenigjtens
Proben von der Hand der damaligen hervorragendften beit»
chen Maler befigen „und zwar in einem Buche, das er tag-
täglich in der Hand führte und das zu feinem intimiten Ge—
brauche beftimmt war, in feinem &ebetbuche 2)“, deren Gebete
und Palmen er wahrfcheinlich ſelbſt ausgewählt und geordnet,
teilweife vielleicht auch verfaßt hat. Die breiten Pergament-
ränder ließ er mit Zeichnungen von Albrecht Dürer, Lukas
Kranach, Hans Burgkfmair, Baldung Grien, Altvorfer und
Dürerd Bruder Hans mit Zeichnungen verzieren, von welchen
bejonders jene Dürerd von großem fünftlerifchen Werte find.
Aber wenn auch bei jeinen Lebzeiten feine eigentliche Heimat
ber Steigbügel, der Sattel jeine Refidenz war, wie ein geift-
voller Kunfthijtorifer ſich ausdrückt 3), jo wollte er doch nach
jeinem Tode in einem feiner würdigen Grabdenkmale ruhen.
Spätejtend um das Jahr 1505 faßte Marimiltan den
Plan, ſich ein großartiged Maufoleum zu errichten. So weit
1) Mit der von Muther a. a. O., S. 133ff. und 185ff. gegebenen
Skizze vgl. M. Thaufing, Dürer (2. Aufl.) II, 114ff. und die neuen
prachtvollen Ausgaben im „Sahrb. d. kunſthiſt. Samml. d. allerh. Kaiſer⸗
baufes“ I, IV— VI, mit Unterfuhungen von Scheftag über ben
„Triumph“, Laſchitzer über die „Heiligen“, Chmelarz über die „Ehren
pforte” und A. Schulk über den „Weißkunig“.
2) Mutbera. aD, ©. 131. Bgl. Thaufing I, 127ff. und
Chmelarz im „Sabrb. d. funfihiftl. Samml.“ III, 88ff., über bie zweite
in Beſançon aufbewahrte Hälfte, die das Münchner Eremplar ergänzt,
aber leider auch einige Lücken hat.
3) Thaufing II, 114.
Arbeiten für fein Grabdenkmal. 477
die noch erhaltenen Angaben einen Schluß geftatten, jollte Des
Kaiſers ehernes Bild in fnieender Stellung die Mitte eins
nehmen und bagfelbe zunächit von kleineren Bildern der Heiligen
aus dem Haufe Habsburg, in weiterer Entfernung aber von
den mehr als lebendgroßen vergoldeten Erzitatuen der Ahnen
Maximilians und einiger Lieblingshelden desjelben (Theodorich,
Arthur oder Artus, Karl dem Großen und Gottfried von
Bouillon) umgeben werden. Sein Hofmaler Gilg Seglichreiber
aus München arbeitete feit 1505 an den Zeichnungen zu den
Grabbildern, wobei Maximilian ſelbſt mit dem Künftler die
Detaild beiprah und Korrekturen anordnete. Zugleich wurde
im Sommer 1508, nachdem ſich Unterhandlungen mit Peter
Viſcher, Nürnbergs berühmtejtem Erzgieker, wahrjcheinlich zer-
ſchlagen hatten, ebenfall® aus Nürnberg Stephan Godl mit
mehreren Gejellen berufen, der in Mühlau bei Innsbrud, dem
Site der berühmten und jeßt unter der Leitung Seujenhofers
nach mehr aufblühenden Harniichjchlägerei, eine Kunftichule für
Erzgießerei errichten und in derjelben bejonders Tiroler beran-
bilden jollte. Indeſſen vergingen troß des Drängens des
Kaiſers viele Jahre, bis das Werk wejentlich geförvert ward.
Seplfchreiber, der nicht bloß die Zeichnungen Yieferte, jondern
mit den ihm beigegebenen Leuten aucd das Modellieren, Gießen
und Zijelieren der großen Statuen bejorgte, Tcheint eine echte
Künftlernatur gewefen zu fein und viel verfprochen, aber wenig
gearbeitet zu haben. Auch fcheint der Bau einer neuen Gief-
hütte, manchmal aud die Schwierigfeit, während des vene-
tianiichen Krieges die notwendigen Mittel zu liefern, ihn auf-
gehalten zu haben. Bis zum Jahre 1513 war erft eine der
großen Statuen gegoffen, andere in Vorbereitung und auch)
Ipäter ging die Sache troß aller Verſprechungen Seplichreibers
nur langjam vorwärts. Als er endlich im Sommer 1518
vom Kaiſer des Dienſtes enthoben wurde, waren von 28 großen
Statuen erit zwölf, teils im Guffe mehr oder weniger vollendet
teil8 wenigſtens mobelliert. Won den kleineren Statuen hatte
Godl bis zu diefer Zeit 19 gegoffen, und ed wurde ihm nun
auch der Guß der großen übertragen.
418 Auffhub der Vollendung durch K. Maximilians Tod.
Wahricheinlih ward der Kaifer durch das langſame Bor-
ſchreiten des Guſſes in Mühlau bewogen, dazwilchen auch an
anderen Orten arbeiten zu lafien. Im Sabre 1513 lieferte
Peter Bilcher die Statuen Arthurs und Theodorichs, die an
fünjtleriihem Wert alle anderen weit überragen, obwohl auch
bie noch ganz oder teilweife von Seflichreiber herrührenden zu
ben hervorragendſten Yeiftungen ber deutſchen Kunſt diefer Zeit
gehören. Auch in Augsburg wurden unter PBeutingers Leitung
vom Bildhauer Jörg Mufchgat und den Erzgießern Hans und
Laur Zotman 32 eberne Brujtbilvder für das Grabmal des
Kaiſers angefertigt, die aber vollitändig verloren find !).
Denn leider bat der frühe Tod des Kaifers auch die Aus-
führung dieſes Werkes verhindert. Erſt nach langer Unter-
brechung wurde dasſelbe durch Morimilians Enkel König Ferdi⸗
nand wieder aufgenommen und mit manchen Abänderungen
vollendet und dann in Innsbrud aufgeftellt, obwohl Maximilian
jelbjt feinem Zeftamente gemäß in Wiener Neuftadt beigejet
worden war. Bon allen fünftlerifchen Unternehmungen Maxi⸗
milians ift fein Grabdenkmal das beveutendfte, und es wird
auch in den jpäteften Gejchlechtern das Andenken eines Fürften
lebendig erhalten, der wie fein anderer in jenem Jahrhundert
bie deutſche Kunft mit Liebe und Berftändnis gepflegt und ge-
fördert bat.
1) Über die Gefchichte diefes Denkmals bis zum Jahre 1519 Haben
erft die Forihungen D. Schönherrs im „Ardiv f. Geſch. und Alter-
tumskunde Zirol8” I, 1—60, Licht verbreitet. Bol. damit jekt auch
befien „Urkunden und Regeften aus bem f. f. Stattbalterei- Archiv in
Innsbrud”, im Jahrb. d. kunſthiſt. Samml.“, II. B., 2. Abteilung.
©. auch Lübke, Gefchichte.der Plaftif, S. 665 F. 672ff.
Pan der Übertragung Ofterreih8 an Erzherzog Ferdinand, 479
Achtes Kapitel.
Die Kaiferwahl von 1519 und die Erbteilung zwifchen
Karl V. und Ferdinand 1.
Db das Haus Habsburg nah dem Tode Dlarimilians I.
die Kaiferwürde zu behaupten vermöchte und ob die Erblanve
mit dem fpanifch-niederländischen Reiche Karls verbunden würden
oder als ſelbſtändiger Staatsförper innerhalb des Deutichen
Kaiferreiches Tortbejtänden, da8 war die Frage, von beren
Löſung die fünftige Entwidelung ſterreichs abbing.
„Nach dem feit der Erhebung des Haufes Habsburg in
Diterreich geltenden Gewohnheitsrechte waren die Erblande
immer als Gelamtbefig betrachtet worden, und e8 fonnte daher
feinem Zweifel unterliegen, daß biefelben an beide Enkel Maxi⸗
milians fallen mußten, wenn auch Karl als der ältere die
oberite Gewalt beanjpruchen durfte. Indeſſen lag e8 gewiß
nahe, diefelben an Ferdinand allein zu überlaffen, da Karl bes
reits der Erbe der Königreiche Caſtilien, Aragonten, Neapel,
der Inſeln Sieilien und Sardinien, der burgundiich-nieber-
ländiſchen Gebiete und der neu entdedten Länder in Amerifa
war, deren Ausdehnung fich noch gar nicht ermeflen ließ. ‘Der
Plan, die öfterreichiichen Erblande dem Erzherzoge Ferdinand
zu übertragen, wurde offenbar ſchon beim Abjchlufje der Heirat
verträge mit Ungarn in den Jahren 1506 und 1507 ernitlich
ins Auge gefaßt, wenn auch nie eine ausdrückliche Verfügung
getroffen worden ijt. Auf dem Ausichußlandtage in Innsbrud
im Sabre 1518 baten die Delegierten den Raifer, er möge die
Erbichaftsangelegenheiten jeiner Enkel bezüglid der Erblande
noch bei Lebzeiten ordnen, damit nicht nach feinem Tode
Streitigfeiten entftänden, auch möge Ferdinand in die diter-
reichischen Länder gebracht werden. Der Kaifer erwiderte, er
habe mit Karl darüber verhandelt, aber ohne Erfolg, da dieſer
480 Mißtrauen K. Karls gegen Ferdinand.
die Sache bis zu Ferdinands Volljährigkeit verichteben wolle,
damit er verfichert fei, daß derjelbe die getroffene Vereinbarung
auch halten würde’). So war bei Marimiliand Tode pie
Trage noch nicht entfchieden, und berfelbe ſetzte in feinem Teſta⸗
mente vom 6. Sanuar 1519 ?) feine beiden Enkel zu Erben ein.
Den öſterreichiſchen Yändern waren beide bisher vollitändig
fremd geblieben und fern von ihrem Großvater herangewachſen.
Karl verlebte feine ganze Yugendzeit in den Nieberlanden ;
Niederländer waren feine Erzieher, das Vlämifche feine Mutter-
Tprache, während er Deutih auch als Kaifer nie vollitändig ge-
lernt bat. Ferdinand war in Spanien, wo er am 10. März
1503 das Licht der Welt erblidte, unter den Augen jeines
mütterlihen Großvaters Ferdinand von Aragonien erzogen
worden, und er verlieh diejes Land erit, als er ſchon falt er-
wachlen war. Gewiß ift dies nicht ohne Einfluß auf die Ent-
widelung ſeines Charakters geblieben; bier ift ihm die ſireng
religiöfe Richtung eingeprägt worden. Doch iſt diefe bei ihm,
der von Natur aus zur Milde und Mäßigung neigte, nie in
Fanatismus ausgeartet, und fein zwar nicht genialer aber klarer
Geiſt hat es ihm möglich gemacht, ſich auch in die deutjchen
Verhältniſſe bineinzufinden.
Ferdinand war ber Liebling feines mütterlihen Großvaters
gewefen, und man hat wohl geglaubt, daß diefer ihm mit Über-
gehung feines älteren Enkels zum Erben einfegen würde.
Auch fpäter waren Karl und deſſen niederländiihe Räte von
Mißtrauen gegen Ferdinand erfüllt und fürchteten, daß un⸗
zufriedene ſpaniſche Große ihn feinem Bruder als Regenten
des Meiches entgegenftellen Fönnten. Als Karl im Herbfte 1517
fih nach Spanien begab, um felbft die Regierung diefes Landes
zu übernehmen, wurde Ferdinand ſehr argwöhniſch behandelt
und endlid im Frühjahr 1518 nad) den Niederlanden gejchidt,
wo er unter der Aufficht feiner Tante Margareta lebte.
1) „Archiv f. öfterr. Geſch. XIII, 229 (Art. 11), 274.
2) Bolftändig bei Bucholtz, Geſchichte der Regierung Ferdinand I.
I, 476 ff.
Die Kandidaten für die Kaiſerwürde. 481 .
Auch bei der neuen Kaiferwahl *) traten fich die Interefien
beider Brüder entgegen.
Der Verſprechungen, welche die Mehrzahl der deutſchen
Kurfüriten auf dem Neichätage in Augsburg zuguniten Karls
von Spanien gegeben Hatten, hielten fie fich durch den Tod
des Kaiſers entbunden. Das Ausbieten ihrer Stimmen, das
Markten der Bewerber um biejelben begann von neuem.
Die Zahl der Kandidaten war eine jo große, wie fie nie ge»
weien, da das Anjeben der Kaiſerwürde infolge der umfafjenden
Thätigkeit Marimilians in letzter Zeit doch ſehr geitiegen war
und man namentlich erfannte, daß fie einem mächtigen Fürſten
einen nicht zu unterjchägenden Nechtstitel für die verjchiedenften
Anfprüche bieten konnte. Nicht bloß Karl von Spanien und
Franz I. von Frankreich traten offen als Bewerber auf.
Auch vie Räte Ludwigs von Ungarn beichloffen, die Ver—
Iprechungen, welche der Kaifer demſelben im Jahre 1515 ge-
macht hatte, geltend zu machen und zu verlangen, daß jener
als Maximilians Nachfolger anerfannt werde. Ebenjo jchidte
Heinrih VII. von England im Mai einen Geſandten nach
Deutfchland, um die Stimmen ber Kurfürſten für fich zu ger
winnen. Nicht minder trug fich der Kurfürſt Joachim von
Drandenburg mit der Hoffnung, fein Haupt mit ber Kaijer-
krone geſchmückt zu jeben.
Doch Hatten Ludwig von Ungarn, der noch nicht einmal
volljährig war, und Heinrich von England von vornherein
feine Ausficht auf den Thron. Joachim non Brandenburg
genoß perjönlich fein großes Anfehen, und es fprach gegen ihn
wie gegen alle deutſchen Fürften der Umftand, daß Teiner als
1) ©. darüber außer den S. 448 angeführten Werten und Abhand⸗
lungen von Mignet, Droyfen, de Lena, Rösler, Höfler und Baumgarten
noch Lanz, Einleitung ©. 2160ff. Ranke, Deutfche Geſch. 1% 240 ff.
Zanffen, Gefchichte des deutſchen Volles I, 580ff. Liste, Des pol-
nifhen Hofes Berhältnis zur Wahl K. Karls V. in „Hiftor. Zeitſchr.“
XVI, 46ff. und die Abhandlungen und Mitteilungen von R. Pauli,
Liste, Rezek, Baumgarten und Neuſtadt in „Forfch. 3. bentfchen
Geſch.“ I. VII. IX. XVIO. XXXII. und XXV. 8b.
Huber, Geſchichte fterreichs. ILL. 31
482 Nivalität Karls von Spanien und Franz I: von Frankreich,
mächtig genug galt, um das Anſehen des Neiches nah außen
zu wahren und im Innern Frieden und Drbnung anfrechtzu-
erhalten. Aus diefem Grunde lehnte auch Friedrich von Sachlen,
der ſonſt vielleicht Ausficht auf die Krone gehabt Hätte,. jebe
Wahl ab.
Biele Anhänger des Haufes Ofterreih hätten die Wahl
bed Erzherzogs Terbinand gewünfcht, der im Rufe ftand, mehr
Geiſt zu befißen als fein langſam fich entwidelnder Bruder,
und fih ganz der Regierung Deutichlande widmen konnte.
Selbit die Regentin der Niederlande, Maximilians Fuge Tochter
Margareta und deren Räte fprachen fich in einem Schreiben an
Karl vom 20. Februar dahin aus, daß dieſer in bie Wahl feines
Bruders willigen möchte, wenn es den franzöfifchen Umtrieben
gelänge, ihm die Kurfürften abwenbig zu machen. Aber Fer⸗
binand war noch ohne eigenen Länderbeſitz und hätte ohne bie
Gunſt feines Bruders weder die Hand nad ber Krone aus
ftredden noch fie mit Würde tragen können. Karl war ſehr
entrüftet über die ibm von feiner Zante gemachte Zummtung,
auf die Krone zu verzichten. Er wolle, antwortete ex ihr,
biefelbe erringen, es fofte, was e8 wolle. Die Wahl Ferdinands
würde nur den Franzoſen nützen, welche, wenn ihr König nicht
burchzufegen wäre, einen britten al8 Kandidaten aufzuftellen,
Ferdinand von feinem Bruder zu trennen, die Macht des Hauſes
Habsburg zu vernichten wünjchten. Seinem Bruder verſprach er,
gleich nach Erledigung der Wahlangelegendeit fich mit der Teilung
der Erbichaft ihres Großvaters zu bejchäftigen und fich dabei ihm
gegenüber als Bruder zu benehmen; er möge ja entgegen.
gejegten Einflüfterungen kein Gehör ſchenken.
Sp Tamen doch nur zwei Bewerber ernitlich in Betracht,
Karl von Spanien und Franz I. von Frankreich.
Dem franzoſiſchen Könige war es unerträglich, daß Larl,
der wegen einiger burgundiſchniederländiſcher Gebiete ſein Bafall
war, die höchite weltliche Würbe der Chriftenheit und bamit
den Vorrang ihm gegenüber erlangen follte. Aber auch das
Intereſſe Frankreichs verlangte, daß Karl, deſſen Befigungen
dieſes ſchon jet von Norden und Süben umfaßten, nicht auch
Abneigung ber Deutſchen gegen die Wahl eines Ausläubere. 483
noch die Herrſchaft über Dentfchland erlange. ‘Daher fekte
Tranz alle Mittel in Bewegung, um feinem Rivalen den Rang
abzulaufen und feine eigene Wahl zu erwirken. Drei Millionen
Goldthaler, nach jetzigem Gelde 160 Milfionen France, äußerte
er, wolle er verwenden, um zum Ziele zu kommen. Da auch
ver Papſt Leo X., obwohl er eigentlich die Wahl eines weniger
mächtigen Türften für das vorteilhafteſte gehalten Hätte, im
Intereſſe jetner Familie feinen Einfluß zugunften des franzöfifchen
Königs anwendete, und diefem Vollmacht gab, für feine Wahl
den Erzbifchöfen von Trier und Köln den Karbinalshut, dem
von Mainz die Würde eines päpftlichen Legaten in Deutſch⸗
land in Ausficht ftellen, jo ſchien eine Zeit lang wirklich die
Mehrheit der Wähler für ven franzöftichen König zu fein.
Auf die Stimmen der Kurfürften von Brandenburg, Trier
und Pfalz konnte er fiher, auf die von Mainz und Köln,
“ vieleicht auch Böhmen, wuahrjcheinlih rechnen. Um für ben
Tall einer zwiefpaltigen Wahl feine Gegner raſch nieberwerfen
zu können, ftellte er ein Heer an der DOftgrenze feines Reiches
auf und ließ auch in Dentichland jelbft durch mehrere erkaufte
Fürſten Truppen werben.
Aber gerade dies Hat ihm nicht wenig gefchabet. Der ge
waltthätige Herzog Ulrich von Württemberg, der mit dem von
Frankreich geſchickten Gelbe ein Heer zuſammengebracht und bie
Reichsſtadt Reutlingen überfallen und unterworfen hatte, wurde
wegen dieſes Landfriedensbruches vom fchwäbifchen Bunde aus.
jeinent Lande getrieben, und das Bundesheer nahm dann eine
Aufftellung in der Nähe von Frankfurt, angeblich um die Frei⸗
beit der Wahl zu fichern, in der That aber um auf die Kur⸗
fürften einen Drud zugunften Karls auszuüben. Der Abel
und die Bürger, bet denen Martmilian jo populär gemejen
war, übertrugen ihre Liebe auch auf deſſen Enkel und die Ab-
neigung gegen die Wahl eines Ausländers, befonders ber Haß
gegen Frankreich äußerte fich in ben Rheingegenden in jehr
fräftiger Weile. Man glaubte, die Kurfürften würden erfchlagen
werden, went fie den franzöftihen König wählten. Da nun
auch die Bevollmächtigten Karls es an Gelb und Verſprechungen
81*
484 Wahl Karls V.
nicht fehlen Tießen und bie Kurfürften vom ebrgeizigen und
berrichjüchtigen Franzoſenkönige die Unterbrüdung der „veutfchen
Freiheit“, von Karl aber, der oft aus Deutichland abweſend
fein mußte, die Förderung ihrer eigenen Macht und die Er-
richtung des lange angeftrebten Neichsregiments erwarteten, To
geitalteten fich die Ausfichten für Karl immer günftiger. Die
Kurfürften von Trier und Brandenburg ftanden mit ihren
Sympathieen für Frankreich ſchließlich ganz iſoliert. Auch der
Papſt Tieß, als er die Unmöglichkeit erfannte, die Wahl Karls
zu hindern, den früher dagegen erhobenen Proteft fallen. Am
28. Juni vereinten fich alle Stimmen auf Karl von Spanien.
Doch hatten die Kurfürſten ihre Vorrechte zu fihern und
zu erweitern verfucht durch eine vom neuen Könige auszuftellende
Berjchreibung ?), durch welche dieſer namentlich verfprechen
mußte, ein aus Deutjchen bejtehendes Neichöregiment unter Bei-
ziehung einiger Kurfüriten und Fürſten einzufegen und ohne
Zuftimmung der Stände oder wenigjtens der Kurfürjten mit
feinem fremden Staate ein Bündnis zu jchliegen und im Namen
des Reiches Teinen Krieg anzufangen, alfo auch in Beziehung
auf die auswärtige Politik fih Schranken fegen zu laſſen. Es
war das erjtemal, daß der neugewählte König eine Wahl-
Tapitulation bejchwören mußte, was von da an Regel ge-
blieben ift.
Der Befit Württembergs, deſſen fich ber ſchwäbiſche Bund
am Frühjahr bemächtigt hatte, erwies fich für die vielföpfige
Körperichaft bald als eine La. Man hatte anfangs die Ab-
ficht gehabt, vasfelbe Ulrich unmündigem Sohne Chriftoph zu
überlafien, für ben namentlich deifen Obeime, die Herzoge von
Baiern, fich verwendeten. Es zeigte fich aber bald, daß das
infolge der Mißwirtſchaft Ulrichs erjchöpfte und verjchuldete
Land nicht imftande fein würde, dem Bunde die hohen Kriegs-
foften zu vergüten. Da nun Ulrich um die Mitte des Auguft
neuerbings einen Verjuch machte, fein Herzogtum zurüdzuerobern,
1) ©. über diefe und beren Genefl8 DO. Walk in „Forſch. 3. deut⸗
ſchen Geſch.“ X, 218ff.
Die Erwerbung von Württemberg. 485
jo griff im Bunde die Anficht, daß nur ein mächtiger Fürft
basjelbe gegen weitere Angriffe zu behaupten vermöge, immer
weiter um fih. Da wurde e8 den kaiſerlichen Kommiflarien,
deren Seele der Nieberländer Max von Zevenbergben war,
nicht ſchwer, den Bund für die Abtretung bes Landes an Dfter-
veich zu gewinnen. Am 6. Februar 1520 wurde der Vertrag
geichloffen, vurch welchen der Bund Württemberg gegen Erjat
ber Kriegsfoften in der Höhe von 210000 Gulden an Karl V. als
Erzherzog von Dfterreih und feine Erben überließ. Der
Kaiſer bevachte fich zwar lange, dieſes Abkommen zu genehmigen,
da er ohnehin in der größten finanziellen Bedrängnis war und
mehrere Kurfürften fich für Ulrich verwendeten. Da aber
biefer felbjt auf Unterhandlungen nicht einging, jo wurde ber
Vertrag Doc) endlich ratifiziert ). Die zerftreuten öfterreichifchen
Befigungen in den Vorlanden wurden durch die Erwerbung
Württembergs zu einer fompaften Mafje vereinigt, gegen welche
bie zahlreichen kleinen Reichsſtände Schwabens vollftändig in
den Hintergrund traten und durch welche auch die Eidgenofjen
in Schach gehalten werben fonnten.
Ye mehr aber die Befigungen des Hauſes Habsburg fich
vergrößerten, um jo deutlicher ftellte fich die Unmöglichkeit her⸗
aus, daß Karl allein die Regierung verfelben in den Händen
behielte. Denn die Sorge für die Behauptung des Faiferlichen
Anſehens, die Negierung Spaniens, wo im Sommer 1520
ein ſehr gefährlicher Aufjtand ausbrach, der Niederlande und
Italiens wie die Rivalität mit Frankreich mußten diefen immer
in Weſteuropa feithalten, während die Lage der dfterreichiichen
Erbläuder dringend die Gegenwart eines eigenen Regenten er-
forderte. Hier waren nämlich ſehr gefährliche Unruhen aus⸗
gebrochen, welche die Gewalt des Landesfürſten ernftlich be-
brobten 2).
1) 3. Wille, Die Übergabe des Herzogtums Württemberg an Karl V.
„Forſch. 3. deutſchen Geſch.“ XXI, 521ff.
2) Am grünblichfien handelt darüber V. v. Kraus, Zur Gefchichte
Dfterreich8 unter Ferbinand I. 1519—1522. Ein Bild flänbifcher Partei-
fümpfe (Wien 1873). Bgl. damit Dimitz, Geſch. Krains LI, 67 ff.
486 Sturz bes nieberöfterreichifchen Regiments durch bie Stände.
Der Kaiſer Max batte in einen Zufake zu feinem Teftantente
beftinumt, daß bis zu weiteren Verfügungen feiner Entel bie
Mitgliever der Regimenter und -die übrigen Beamten ibre
Stellen behalten follten. Das nieberöfterreichtiche Regiment,
deſſen bervorragenbfte Mitglieder Georg von Rottal als oberfter
Hauptmann, Dr. Johann Schneivpöd als Kanzler, Lorenz
Saurer als Vizedom und der Biſchof von Wien, Georg von
Slatkonia, waren, Batte ſich aber bei den Ständen und ben
Wiener Bürgern fehr unbeliebt gemacht; Willfürherrjchaft,
Eigennug, Beftechlichkeit, Telbft Lanbesverrat wurben ben Mit⸗
gliedern desjelben vorgeworfen. ALS nun, vom Negimente be
rufen, am 28. Januar der Landtag ſterreichs unter der Enns
in Wien zufammentrat, bilvete fich gleich eine Iebhafte Oppo⸗
fition. gegen die Fortdauer der Gewalt besfelben. Obwohl die
Regierung fich bereit erklärte, bis zur Ankunft der Landesfürſten
fih durch einen ſtändiſchen Beirat zu verftärlen, verweigerte
ihr doch die Mehrheit der Herren und Nitter unbedingt die
Anerkennung. Diefe Partei nahm bis zum Empfang ber
Huldigung durch die neuen Zandesfürften die Negierung für Die
Stände in Anfpruch, der Hulbigung aber, erklärte fie, müſſe
die Beftätigung der Landesfreiheiten durch den Fürften voran⸗
geben.
Die Stimmung der Bevölkerung Wiens verhalf biefer
Partei zum Siege, obwohl der Bürgermeijter Kirchhofer und
der Stadtrat dem Regiment bereitd ben Eid ber Treue ge»
ichworen hatten. Noch vor dem Zufammentritte des Landtags
Hatte die ſtädtiſche Oppofition unter Führung des Univerfitäts-
profeffors Martin Siebenbürger, genannt Capinius, eines an⸗
gejehenen NRechtsanwaltes, es durchgeſetzt, daß der Stadtrat
duch 53 „Genannte oder Mitgliever des großen Bürger»
ausjchuffes verjtärkt wurde. Als nun die Stände, welche fich
über die Anerkennung des Regiments nicht einigen konnten, ven
jonderbaren Beſchluß faßten, die Entſcheidung dieſer Trage dem
Rate und der Gemeinde der Stadt Wien zu übertragen, ba
Iprachen fich die „Genannten“ entjchieden im Sinne der Oppo⸗
fition aus, und endlich wurde auch der Bürgermeifter, der jogar
——
Berbalten ber Stände in den übrigen Erblanden. 487
am Leben bebroßt warb, gezwungen, fich gegen das Negiment
zu erflären. Da ſich die Vertreter der übrigen Städte im
Landtage nach dem Beifpiele Wiens richteten, fo hatten jetzt
bie Gegner bes Regiments die Majorität, zu der am Ende
jelbft der Landmarichall Kaſpar von Wollersporf übertrat.
Der Landtag errichtete jekt eine neue Landesordnung und
ſetzte ein ſtändiſches Regiment ein, beſtehend aus 64 Mitgliedern;
16 ans jedem Stande, von denen der vierte Teil als „Land-
räte” mit dem Landmarſchall, Untermarichafl und Lanpfchreiber
jtändig die Regierung führen follte Dieſe Landräte, unter
denen die Herren Michael Eizinger von Eizing und Hanns von
Buchheim, Doktor Stebenbürger und beffen Geſinnungsgenoſſe
Hanns Rinner, ehemals Stadtrichter und DBürgermeifter von
Wien, bie bervorragenditen waren, rifjen num die ganze Regierung
an ſich, bejegten die Stellen mit ihren Anhängern, bemächtigten
fih ver Iandesfürftlichen Einkünfte und ließen fogar, als gäbe
e8 keinen Landesfürften mehr, eigene Münzen prägen. Die
Mitglieder des alten Regiments fanden nirgenbsmehr Gehor-
am :und mußten fi nach Wiener Neuftabt In Sicherheit
beingen. Ä
In den anderen nieberöfterveichfehen Ländern, Steiermart,
Renten, Krain und Ofterreich ob der Ens, erlaubten ſich die
Stände keine offenen Eingriffe in die Befugniſſe des Landes⸗
fürften. Aber alle Landtage ignorierten doch das bisherige
Regiment vollftändig und übertrugen die Verwaltung einem
ſtändiſchen Ausichuffe.
Kur in Tirol ging ber Landtag wie fpäter der von biefem
beftelite ftändifche Ausichuß mit dem dortigen Negimente ein-
trädytig Hand in Hand, und man traf eine Reihe zweckmäßiger
Maßregeln zum Schutze des vandes nach außen. Aber bier
geriet bald das Landvolk in Aufruhr infolge des großen
Schadens, welden das vom Kaifer Mar forgfältig gehegte
Wild an den Feldern ber Bauern angerichtet hatte. Trotz
der Verordnungen ber Stände fielen alt und jung, Männer
und Weiber über das verbaßte Not- und Schwarzwild ber.
Die Bauern erklärten, der Kaiſer habe ihnen auf feinem Tod⸗
488 Unruhen in Tirol; Befchwichtiguug ber Gemüter.
bette das Wild vermacht; auch hätten fie jet feinen Landes⸗
fürften, da Karl aus Spanien nicht in Diele Lande kommen
würde; bemnach hätte auch das Regiment feine Gewalt. mehr.
Vergebens fuchten Abgeordnete des ſtändiſchen Ausſchuſſes die
Bauern zu beſchwichtigen; ſie mußten froh ſein, daß ſie ſelbſt
mit dem Leben davon kamen. Als einmal die Bande der
Ordnung gelöſt waren, griff die Anarchie immer weiter um
ſich. Es gab keinen Gehorſam mehr, klagt der damalige Hof-
richter des Kloſters Neuſtift. „Auf Straßen und bei den
Städten wurden die Leute erſtochen, erwürgt und erſchlagen,
und niemand war mit dem andern in Frieden. Die Edeln
trauten den Bauern, die Bauern den Pfaffen und Handwerkern
nit. Es war ganz keine Orbnung. Endlich ſchlugen fich die
Gerichtsleute allenthalben zufammen und machten Bündnifſe
mehr als je." Bis in den Sommer 1520 dauerten die Zu-
ſammenrottungen der Bauern fort, und erft die Nachricht von
ber Ankunft des Katjers in den Niederlanden wirkte abkühlend
auf die erregten Gemüter !).
Auch in den meiſten nieveröfterreichiichen Ländern gejtalteten
fih die Verhältniſſe günftiger. für die Regierung. Nicht bloß
bie Stände der inneröfterreichifchen Herzogtümer und Öſter⸗
reichs ob der Enns hatten in den erſten Monaten des Jahres
1520 ben vom Kaiſer ernannten Rommifjären die Huldigung
geleitet. Auch im Lande unter der Enns verlor die Oppo⸗
fition immer mehr an Boden und fah fich enblich faft nur
auf die Stadt Wien beſchränkt. Aber es ftellte ſich doch auch
immer deutlicher heraus, daß fich Dfterreich nicht als Annex
1) Kirchmairs Dentwürdigfeiten, feit 1519 gleichzeitig aufgezeichnet,
in „F. R. Austr. SS.“ I, 441ff. Dieje bat offenbar Dr. Angerer
von Angerburg im feinem 1526 verfaßten „Hoch Stüfft Brirner- Neu-
ftüfft und beren benachbarthen orthen ſonderbarn Zuefähl und Begeben-
beiten von a. 1507—1525”, aus denen Th. Mairhofer im „Progr.
d. Gym. zu Brixen”, 1862, Stüde in moderner Umformung mitgeteilt
bat, großenteils wörtlich abgefchrieben und nur mit einigen Zufäten ver-
mehrt. Nah ihm bat die Zahl der 1520 Erfchlagenen 2900 betragen.
Bol. auh Brandis, Geſch. der Landeshauptleute, ©. 501ff. Sin-
nacher, Beiträge VII, 171ff. Egger, Geich. Tirols II, 8Off.
Überlafiung ber niederöſterr. Herzogtümer an Erzherzog Ferbinand. 489
der Ipanifchniederlänbifchen Monarchie regieren laſſe. Was
tonnte übrigens auch der unmittelbare Beſitz der öſterreichiſchen
Länder für Karla V. Weltitellung für einen Wert haben, da
dur den Kaiſer Max die Tandesfürftlichen Einkünfte aus den⸗
felben, Bergwerke, Saltnen, Zölle und Gerichte, großenteils
berpfänbet worben waren !) und daher kaum die notwendigften
Ausgaben davon gedeckt werben Tonnten? Auch konnte ber
Erzherzog Ferdinand doch nicht ohne eigenen Landbeſitz gelafien
werden, wenn man die Eheverträge mit dem böhmiſch⸗ungariſchen
Königshauſe zur Ausführung bringen wollte. Denn daß nicht
Karl felbft die Primeifin Anna heiraten fonnte, wie deſſen
Bevollmächtigter Andrea da Burgo ben Ungarn während ber
Verhandlungen über bie Raifermahl verjprochen Batte, unterlag
feinem Zweifel. War er ja mit der Tochter des Königs von
Frankreich verlobt, den er bei feiner gegenwärtigen jchwierigen
Lage durch einen Bruch des Eheverſprechens ſich nicht zum
offenen Feinde machen durfte, und bejtürmten ihm auch die
Könige von Portugal und England mit Anträgen zugunften
ihrer Töchter.
Karl V. gab daher auf das Drängen ber ungarifchen Ge-
fandten am 7. November 1520 die Erklärung ab, daß er
ſelbſt verhindert fer, die Prinzeffin Anna zur Gemahlin zu
nehmen, und daher einverftanven fei, daß fein Bruder Die be-
reits abgeſchloſſene Ehe vollziehe. Zugleich erbot er fich, dieſem
zu feinem Unterbalte die fünf unteren öſterreichiſchen Herzog-
tümer (Ofterreich unter und ob der Enns, Steiermark, Kärnten
und Krain) zu übergeben und biefe zu einem Königreiche zu
erheben. Wenn aber Ferdinand e8 vorzöge, durch Kommiſſäre
feine Anfprüche unterfuchen zu laſſen, fo erklärte Karl fich auch
Dazu bereit. Auf Grund dieſes Anerbietens fam auf dem
Wormſer Reichstage am 28. April 1521 ein Vertrag zwijchen
beiden Brüdern zuftande, der indeſſen jedem das Recht wahrte,
1) „Alle oder faft alle Renten und Einkünfte unferer Länder find
verpfändet“, Hagt Ferdinand in einer Inftruftion für den an K. Karl
geſchickten Geſandten vom November 1522 bei Baumgarten II, 198.
Bezüglih der Einkünfte Tirols |. Kirhmair, ©. 443.
400 ODer Brüffeler Bertrag.
wenn er ſich verkürzt glaubte , eine neue Erbteilung zu ver⸗
langen 1).
Ferdinand begab fich daher von Worms unmittelbar nach
ben öfterreichifchen Herzogtümern, feierte am 26. Mat in Pinz
feine Hochzeit mit Anna von Ungarn und Böhmen und empfing
perjönlich die Huldigung feiner Unterthanen. Schon jetzt, als
es fih um bie Errichtung eimer neuen Regierung für Nieber-
Öfterreich . handelte, konnte man fehen, daß ein ſtrammeres
Regiment eingeführt werben, daß bie gemütliche Art und Weife,
mit der früher zwiſchen Fürften und Ständen verhandelt wor⸗
den war, einem anderen Tone Platz machen würde.
Am Ende des Jahres begab ſich der Erzherzog nach den
Niederlanden, um von ſeinem Bruder eine günſtigere Regelung
der Erbſchaftsfrage zu erwirken. Denn gegen die früheren
Verträge hatten Die Stände von Krain und Kärnten ſehr ernſt⸗
liche Vorſtellungen erhoben, da infolge derſelben die öſter⸗
reichiſchen Beſitzungen in Friaul, Trieft, die Grafſchaft Görz
mit allen früher damit verbundenen Gebieten, die windiſche
Mark und die kärntneriſche Grafſchaft Ortenburg zum Anteile
Karls geſchlagen, alſo von jenen beiden Herzogtumern aus⸗
gedehnte Gebiete, die durch ihre Lage auf das engſte mit ihnen
verbunden waren, getrennt und zu den Beſitzungen eines
fremden Fürften geſchlagen worden wären. Karl V. trat nun
in der That ſeinem Bruder auch dieſe Gebiete ab. Ja durch
den Brüſſeler Vertrag vom 7. Februar 1522 überließ er ihm
aus „aufrichtiger brüderlicher Liebe“ außerdem auch Tirol mit
Vorarlberg, der Martkgrafſchaft Burgau, der Landvogtei in
Schwaben und ben Grafichaften Hobenburg, Nellenburg und
alle jonftigen Befigungen in Schwaben. Weiter übertrug er
ihm das Elſaß mit dem Sundgau und der Landvogtei Hagenau
wie den Breisgau, aber nur auf Lebenszeit, indem nach Ter-
dinands Tode diefe Länder an den Kaifer oder jenen feiner
Erben, der Burgund innebätte, zurüdfallen ſollten. Endlich
1) Diefe und bie folgenden Teilungsverträge im Auszuge bei Bucholtz
I, 154 fi.
Beurteilung ber Länberteilung zwiſchen Karl und Ferdinand. 491
trat er für einige Einkünfte, die Ferdinand von: Aragonien
feinem jüngeren Enkel in Spanien vermacht Hatte, dieſem auch
noch das Herzogtum Württemberg ab. Doch follte dieſer
Bertrag ſechs Jahre geheim gehalten werben, fo daß Werbinand
in Tirol und den Borlanden bie Regierung zunäcft nur als
Karls Statthalter führte. Da ihm Dies manche Schivierigleiten
bereitete, jo übertrug ibm der Kailer im Jahre 1525 Tirol
offen. Im Jahre 1540 bat Karl dann auch auf den Rüdfall
des Elſaſſes und ber damit verbundenen Gebiete verzichtet. :
+ Durch die Verträge von Worms und Brüffel wurden Die
weiten Befitzungen des Hauſes Habsburg wieber getrennt und
zwei Linien, die fpanifche und bie öſterreichiſchdeutſche, gebilbet.
Jene übernahm es, die Machtftellung des Haufes in Weſteuropa
zu. behaupten, beſonders Frankreichs Lim-fich-gveifen zu hindern.
Dieſe erhielt vorzüglich nach der Erwerbung Ungarns die Auf⸗
gabe, das chriſtliche Abendland, namentlich das Deutſche Reich,
gegen die vom Südofſten heranſtürmenden Türken zu ber
teidigen. Indem bei dieſem Abkommen die Niederlande nicht
der deutſchen ſondern der ſpaniſchen Linie überlaffen wurden,
iſt allerdings ihre Trennung von Deutichland vorbereitet
worben. Wenn man indefien bedenkt, daß Frankreich nach dem
Verluſte Mailands gerade nah Norden und Often fein Gebiet
vorzufchteben. fuchte, daß aber die deutſche Linie unmöglich im-
ſtande gewefen wäre, zur Zeit der höchſten Macht ver Türken
auch den Kampf gegen die Franzoſen mit Erfolg zu beftehen,
jo wird mar zugeben müfjen, daß diefe Art der Zeilung auch
den Intereſſen Oſterreichs und Deutſchlands entfprochen hat.
Erſt im Iımi 1522 kam Erzherzog Ferdinand wieder nach
SOfterreich zurück. Daß er fich, ohne Wien zu berüßren, nach)
Neuftadt ‚begab, mußten die Häupter ber ſtändiſchen Bewegung
von 1519 als ein fehlimmes Vorzeichen anjeben. Er febte.
nun zur Enticheivung der Streitigkeiten zwijchen dem alten
Regimente und beffen Gegnern einen Gerichtshof von zwölf
Perſonen ein, faft ausjchlieplih Fremde, welche beiden Teilen
fern geftanden, aber freilich auch mit den Rechtsverhältniſſen
Dfterreich nicht vertraut waren.
492 Beſtrafung ber Häupter ber Stäubepartei in Oſterreich.
Am 10. Juli begann der Gerichtshof die VBerbandlungen.
Der Erzherzog jelbjt führte dabei den Vorfik, obwohl er ber
deutſchen Sprache noch nicht recht mächtig war !). Am 23. wırrde
das Urteil verkündet. Es ward ausgeiprochen, daß Das Regintent
vermöge des Teftamentes Kaiſer Maximilians wie früherer An-
ordnungen vollkommen berechtigt geweſen jet, die Verwaltung zu
führen; dagegen babe e8 deſſen Gegnern nicht zugeftanden, Ver⸗
ſammlungen zu berufen, die Regierung zu entjegen und eine nette
- Ordnung aufzurichten. Es wurde der Ständepartet namentlich
zum Verbrechen angerechnet, daß fie auf die landesfürftlichen Ein⸗
fünfte ihre Hand gelegt, die Beamten in ihren Eid genommen,
Münzen geſchlagen und den Blutbann verliehen hatte, und
wurden beswegen alle für ftraffällig ertlärt. Der Erzherzog ſah
nun zwar den Ständemitglievern die Strafe nach, behielt ſich
aber vor, gegen die Urheber ber Rebellion einzujchreiten.
Sogleich wurden Eizinger, Buchheim, Stebenbürger und Rinner
und acht andere Wiener Bürger verhaftet und ihnen der
Prozeß gemacht. Eizinger und Puchheim wurden am 9., Sieben-
bürger, Rinner und vier Wiener Bürger am 11. Auguft in
Neuſtadt öffentlich enthauptet. Sie ftarben al8 bie Bertreter
einer Idee, die fich überlebt Hatte, als bie Vorkämpfer bes
partifulariftiichen Ständewejens, das fich über ein Jahrhundert
lang ver Ianvesfürftlichen Gewalt als gleichberechtigt, ja als
übergeorbnet, an die Seite geftellt hatte, aber einem energifchen
und durch einen mächtigen Rückhalt gebedten Vertreter des
modernen Abjolutismus gegenüber beim erjten Zufammtenftoße
zerichellte.
Auch die Freibeiten der Stadt Wien wurden zugunften der
Gewalt des Landesfürften befchnitten, ihre bisherige Autonomie
vernichtet, die Verwaltung derfelben der Aufficht des Staates
unterworfen ?).
Entfrembete dieſes ftrenge Vorgehen gegen bie angejehenften
Mitglieder der ftändifchen Partei dem Erzberzoge Ferdinand
1) ©. Baumgarten I, 19, N.
2) K. Weiß, Gefhichtsg. der Stadt Wien. 1. Abteil.: I. A. To-
maſchek, Die Rechte und Freiheiten ber Stabt Wien I, ıxxff.
Unzufriedenheit in Tirol. 498
bie Gemüter eines großen Teiles ber Oſterreicher, ſo war die
Stimmung in Tirol, wohin ſich derſelbe im Frühjahr 1523
begab, feine beſſere. Er ftand damals unbebingt unter dem
Einfluffe feines Schatmeifterd Gabriel Salamanca, eines
Spaniers, dejjen Herrſchaft man um jo fchwerer ertrug, als
er weder bie Sprache noch die Verbältniffe des Landes Tannte
und e8 nicht verjchmähte, für jeine eigene Kaffe zu forgen.
Auh wurde die Stellung Ferdinands dadurch erſchwert, daß
er nicht als Landesfürft, jondern nur als Karls Statthalter
auftreten konnte. Doch fette man es durch, daß der Landtag
dem Erzherzoge zur Einlöfung ber verpfänbeten Kammergüter
145000 Gulden und feiner Gemahlin 5000 Gulden bewilligte,
Summen, wie fie jelbft der populäre Raijer Max nie erlangt
batte. Denn der Zrienter Biſchof Bernhard von Cles ver
jeiner finanziellen Not durch ein einträgliches Hofamt abzuhelfen
jtrebte, und der von Brixen, Sebaftian Sprent, der am
Fürſten eine Stüge gegen fein Kapitel und den ihm abgeneigten
hohen Adel fuchte, jtellten fich unbedingt auf die Seite Fer—
dinands. Auch die Meitgliever der Regierung glaubten nur
durch unbedingtes Entgegenfommen gegen die Wünſche Des
Hofes den Befig ihrer Ämter und Pfandſchaften vetten zu
innen, und fie zogen ihre zahlveichen Freunde unter dem Abel
mit fich, während der mit ihnen zerfallene Landeshauptmann
Leonhard von Vöols ebenfalls die Gunft des Erzherzogs und
feines Günftlings zu erlangen bemüht war. Als aber ber
größere Teil der Mitgliever der Regierung dann doch befeitigt,
ſelbſt Nichttiroler für diefelbe ernannt und die Finanzverwaltung
ganz von Salamanca abhängig gemacht ward, berrichte unter
dem Adel große Unzufriedenheit. Beſonders aber murrten bie
unteren Vollsklaſſen über den Einfluß eines Fremden und ben
zunehmenden Steuervrud. Man fürchtete, wenn nicht bald
Abhilfe getroffen würde, „fo möchte wohl Schweiz Tirols Herr
und Meifter werben”, und felbjt der Kaiſer bielt e8 auf bie
Berichte feiner Agenten Bin für notwendig, auf die Befeitigung
Salamancas binzumirken ').
1) Baumgarten II, 320. 334, durch den alles, was Kirchmair,
494 Bauernanfftänbe vor der Reformation.
Die Abneigung gegen diefen Spanier ift auf den Ausbruch
des Bauernaufitandes, der im Jahre 1525 auch Tirol wie
andere oͤſterreichiſche Länder ergriff, nicht ohne Einfluß geweſen.
Wenntes Kapitel.
Die Anfänge des Proteftantismus in den öfterreidht-
Schen Ländern und die Bauernaufftänbe.
Es wäre ein großer Irrtum, wenn man glaubte, Auf-
jtände ber Bauern in Deutichland feien eine Frucht der Re-
formation geweſen. Sie reichen bis in bie Zeit Der Kriege
gegen bie Hufiten zurüd, deren Lehren auch bei den ohnehin
von Abneigung gegen die reichen Geiftlichen erfüllten beutichen
Bauern vielfach Anklang fanden. Seit dem Beginne des letzten
Viertels des 15. Jahrhunderts entfteht bald in dieſem, Bald
in jenem Zeile des Reiches eine aufrühreriiche Bewegung unter
den Bauern, ein „Bundſchuh“, wie man biefelben nach ihrem
Symbole, dem bäuerlichen Riemenſchuh, nannte !). Auch Die
öfterreichtichen Länder waren nicht unberührt geblieben, wenn
auch die Urſachen Lokaler Natur fein mochten. Wie im Jahre
1478 die Unzufriedenheit über Steuerdruck und Türlennot eine
Erhebung der Bauern in Kärnten und im fteiriichen Ennstbal
hervorgerufen hatte?), jo Hatten ähnliche Urfachen im Jahre
1515 einen Bauernkrieg in Inmerdfterreich zur Folge). Die
S. 459ff., über den Haß ber Tiroler gegen Salamanca fagt, beftätigt
und ergänzt wirb. Bol. auch Brandis, Landeshauptlente, S. 536 ff.
1) ©. über dieſe Aufſtände und Verſchwörungen und deren (teilweiſen)
Zuſammenhang mit dem Hufitismus Janſſen ILie, 396 ff.
2) ©. oben, S. 255.
3) Am grünblichftien handelt über ihn Fr. M. Mayer im „Archiv
f. dſterr. Geſch.“ LXV, 55136.
Der Bauerufrieg in Iunerdfterreich (116). 48
Steuern, welche die Stände dem Kaiſer Marimilian zu feinem
Kriege gegen Venedig bewilligten, zablten fie. in ber Regel nicht
jelbft, fondern wälzten fie auf, ihre Hinterſaſſen ab. Auch für
fih fordern viele Grundherren, deren Einkünfte felbjt durch bie
Zürfeneinfälle gejchmälert worben waren, von ihren Bauern
erhöhte Leitungen an Gelb, Naturalien und Noboten ober
trieben die bisherigen wenigſtens mit größerer Strenge ein.
Die Bauern, ohnehin infolge ver ungünftigen politiichen Ver⸗
bältnifje in übler Zuge, ‚wollten aber neue Laften nicht über»
nehmen, jondern beftanden auf ihrem „alten Rechte“ (stara
pravda). Ä |
Den Anlaß zur Erhebung boten die Gewaltthaten George
von Thurn, ber von feinen Bauern in der Gottichee (im Fe⸗
bruar oder Anfangs März 1515) erjchoffen wurde. In kurzer
Zeit verbreitete fich die Bewegung über ganz Krain. Überall
rotteten fich die Bauern zujammen und verbanden fich etolich
zum Kampfe für ihr „altes Recht“. Vergebens forderte ber
Kaijer, der einer an ihn nach) Augsburg gefendeten Deputation
die Aufrechterbaltung der alten Rechtsverhältniſſe veriprach, die
Bauern zur Nieverlegung ber Waffen und zur Auflöjung ihres
Bundes auf. Vielmehr begannen fie nach der Mitte des Mat
den offenen Kampf. Mehrere Schlöffer wurben erobert und
ausgeplündert, teilweije auch zerftört, einige Evelleute getötet.
Bald jchlugen die Wellen ver Bewegung über die Örenzen
Kraind hinaus. Süpfteiermarf bis hinauf nah Graz und
Sleisdorf, wie die fünlichen und öſtlichen Thäler Kärntens
wurden davon ergriffen. Selbſt einzelne Kleinere Städte und
Märkte fympathifierten mit den Bauern. Die Bemühungen
kaiſerlicher Kommiſſäre und jtändifcher Abgeordneter, die Auf
ftänbijchen zur Ruhe zu bringen, waren erfolgloe. Es blieb
fein anderes Mittel als die Anwendung der Gewalt. Doc
genügte eine geringe Mannichaft, 350 Mann jtändiicher Zruppen
und 300 vom Kaiſer gejenvete Fußfnechte unter dem Landes:
verweſer von Kärnten, Veit Welzer, und bem ftetriichen Landes—
bauptmann Sigmund von Dietrichitein, um in ber zweiten
Hälfte des Juni die Baueruhaufen in den verichievenen Gegen,
496 Gunſtige Lage ber beutfchen Bauern.
den Kärntens zu zeriprengen und zur Unterwerfung zu zwingen.
Die gefangenen Anführer wurden am nächſt beiten Baume
aufgehängt. In Steiermark brachte der von ben inneröjter-
reichiichen Rändern gewählte Feldhauptmann Georg von Herber⸗
ftein, ein erprobter Kriegemann, an ber Spite von 1500
Mann zu Roß und zu Fuß Anfangs Juli den Bauern eine
blutige Niederlage bei Cilli bei, überjchritt dann bei Neichen-
burg die Save und unterwarf auch die Bauern Kraind. Bis
Ende Auguft war der Aufftand überall unterdrüdt. Hinrich
tung ber Rädelsführer, Geloftrafen gegen vie Aufitändtichen
und Erhöhung der Örundgiebigleiten um einige „Bund-Pfennige“
jollten die Bauern für immer von dem Gedanken an eine Er-
bebung gegen ihre Herren und die Errichtung von Bünden ab⸗
ſchrecken. Dagegen fand ver Wunich des Kaiſers, die Urfachen
ber Unzufriedenheit der Bauern durch eine Unterjuchung ihrer
Lage und eine Regulierung und Ermäßigung ihrer Leijtungen
zu bejeitigen, bei den Stänven feinen Anklang.
Man wird nicht behaupten können, daß der Grund ber
Bauernaufftände in Deutjchland überall Die gedrückte Lage ge-
weſen jet, wie dies in den imneröfterreichiichen Ländern, bie
durch häufige Zürleneinfälle und Steuerdrud erjchöpft waren,
obne Zweifel der Fall gewejen tft. Denn die Verhältniffe der
deutichen Bauern waren damals in materieller wie in recht.
licher Beziehung im allgemeinen viel günftiger als in ben fol
genden Jahrhunderten. Auch die Hörigen Batten, wie die Hof.
vechte oder Weistümer zeigen, beftimmte Rechte, Yreizügigkeit,
Selbjtverwaltung und eigene Gerichtsbarkeit in weniger wich.
tigen Angelegenheiten. Wie gut es den Bauern am Ende des
15. und am Anfange des 16. Jahrhunderts in materieller
Beziehung erging, jieht man daraus, daß in vielen Gegenden
Deutichlands täglich zweimal Fleiſch auf den Tiſch fam und
fogar dem Gejinde und den gut gezahlten Taglöhnern häufig
Wein gereicht wurde ?).
1) Zahlreiche Belege bei Sanffen I, 307. 314ff. Au Gothein,
Die Lage des Bauernſtandes am Ende bes Mittelalters, vornehmlich tu
Berihlimmerung berfelben am Beginn der Neuzeit. 497
Aber die Abgaben und Leiftungen, bie anf den Bauern
Tafteten, waren doch recht zahlreich und oft drückend !), und ges
rade um diefe Zeit trat eine Verichlimmerung ihrer Lage eim.
Snfolge des koloſſalen Lurus und der Ausbeutung des Volkes
durch die großen Handelegejellichaften, welche die Preiſe auch
notwendiger Gegenftände ungeheuer in die Höhe trieben, ge
rieten viele Bauern wie die Handwerker in den Städten in
Schulden. Auch das Umsfich-greifen: des römijchen Rechts, das
ganz andere foztale und politiiche Zuftände zur Vorausſetzung
hatte, wirkte ungünftig auf die Lage des Bauernftandes ein,
indem bie in jenem gebilbeten Beamten die Hörigkeit in bie
Leibeigenjchaft überzuführen, den Anteil der Hof- und Marl.
genofjen an Wald und Weide zu beieitigen, die Selbftverwaltung
abzujchaffen fuchten. Auch war eine Vermehrung der Steuern
unvermeidfich, da infolge ber gefteigerter Anforderungen und
des Sinkens des Geldwertes die Fürften und Grundherren mit
ihren bisherigen Einnahmen nicht mehr ausreichten. Eine Ver⸗
größerung der bisherigen Abgaben und Leiſtungen wollten fich
aber die Bauern um fo weniger gefallen lafien, als fie. da⸗
mals noch allgemein bewaffnet waren und die großen Erfolge
der demofratiichen Elemente in der Schweiz auch ihr Selbit-
bewußtfein gefteigert hatten. Es ermwachten fogar unter ben
Bauern Ideen, weldye auf die Bejeitigung jedes Unterthanen-
verbandes, anf die Abichaffung jeder Herrichaft als ber Des
Kaiſers und Papftes binausgingen. Nur daß die Erhebung
der Bauern in den verichievenen Zeilen des Weiches bisher
nicht gleichzeitig erfolgt war, hatte ihnen ihre Gefährlichkeit ges
nommen, ihre Unterbrüdung erleichtert. Aber ein.auf alle
zugleich wirkender Anlaß mußte faft notwendig eine allgemeine
Revolution hervorrufen.
Diefen Anlaß bot bie religiöje Bewegung, welche zunächft
durch Luther hervorgerufen und durch die Mißſtände in der
Südweſtdeutſchland, „Weſtdeutſche Zeitſchr.“ IV, 1ff. meint, daß nicht
die wirtſchaftlichen Zuftände tie Bauernaufftände verurfacht haben.
1) Eingehende Unterſuchungen bezüglid Ofterreih8 bei 3. Ezerny,
Der erfle Bauernaufftand in Oberöfterreih 1525, ©. 1—5l.
Huber, Geſchichte Öfterreichs. III. 32
4% Kirchliche Mißſtände in Ofterreich wie in Deutfchland.
Kirche und die darüber in Deutichland herrſchende Unzufrieden⸗
beit ermöglicht worden ijt.
Seitdem das Konzil von Baſel mit geringem Geſchick und
noch geringerem Erfolg eine Reform der firchlichen Zujtände
angejtrebt hatte, waren dieje nicht beijer, jondern eher jchlechter
geworden. „Die Verleihung mehrerer Pfründen an eine und
biefelbe Perfon; die Übertragung der höheren Würden nur an
die Hoc» und Döchitgeborenen, die Gier nah Vermehrung
tirchlichen Beſitzes; die Ausnugung des deutichen Volkes durch
bie ungemefjenen Geldanforderungen des römijchen Hofes, den
ärgerlichen Lebenswandel eines großen Teiles des Welt- und
Ordensklerus; die Üppigfeit und Schwelgerei an ven Höfen
jo mancher geiltliher Fürſten; gemwinnüßgige Ausnutzung des
Heiligen; äußerliche Frömmigkeit und hanpwerfsmäßige Ver-
richtung kirchlicher Übungen“ bezeichnet auch ein ftreng kirch—
licher Geſchichtsſchreiber 1) als die jchweren Schäden, an denen
die damalige Kirche krankte.
Daß auch die öfterreichiichen Länder davon nicht frei waren,
zeigen die Klagen, welche auf dem Ausichußlandtage in Inns⸗
brud im März 1518 die weltlichen Delegierten ohne Wider-
ſpruch vonjeite der Geiftlichen über die firchlichen Zujtände err
hoben 2) und bie vorzüglich in der Habjucht und Sittenlojigfeit
des Klerus wurzelten. Obwohl die deutfche Kirche die reichfte
der Welt war und man berechnete, daß ein Drittel des ganzen
Grundeigentums fi in ihren Hänven befinde ®), jo juchten
doch deren Glieder ihren Befig noch immer zu vermehren.
Geiftliche, die von der römiſchen Kurie oder einem Fürſten be»
günftigt wurden, bäuften Pfründe auf Pfründe, Stifter und
Klöſter fuchten fich die beiten Pfarreien zu inforporieren. Die
Inhaber guter Pfründen, die vor allem darauf fahen, „wie
viel fie in Abjentia tragen”, verjteigerten diejelben und gaben
1) Sanffen II, 6.
2) Nah den Aufzeichnungen bes Prälaten von stlofternenburg im
‚Archiv f. öſterr. Geſchq.“ XI, 247—251.
3) Janffen I, 601.
Schilderungen auf dem Ausfhuß-Landtage von 1518. 499
ben Pfarrern Meine Befoldung, hielten auch nicht die hin⸗
reichende Anzahl von Hilfsgeiftlichen, jodaß die immer mehr
anmwachienden Stiftmeffen !) nicht gehalten werden fonnten
und man fich von der Verpflichtung, die geftifteten Meffen zu
fejen, durch Radierungen in den Kirchenbüchern freimachte.
Wenn bei den höheren ®etftlichen Gelderwerb ver einzig
maßgebende Gefichtspunft war, fo darf man fich nicht wundern,
wenn e8 bei ihren meift Ichlecht bezahlten Vilaren nicht anders
war und fie ihr Amt als Einnahmsquelle ausbeuteten. „An einigen
Drten (lagen die Delegierten) verlangen die Priefter für das
Seelgeräte (Beerdigung u. |. w.) eines Mannes einen Sterbe-
ochlen, einer Frau eine Sterbefub, auch dann, wenn nicht mehr
Vieh auf den Gütern tft, oder aber einen anſehnlichen Geld⸗
betrag, den fie im Laufe der Zeit fort und fort gejteigert haben;
fonft berauben fie dieſe Perjonen des geweihten Erdreiches“.
„Die Priefter nehmen Geld für die Sünd, erlauben den offen»
baren Ehebruch gegen Empfang von Geld und Zins, fo fie
barauf jchlagen, und geben damit zu der Sünde Urfach, abjol-
vieren auch die Zotfchläger von Geldes wegen und ftrafen bie
Sünde im Sädel.” Früher aus guten Willen geftattete Samm⸗
lungen juchten bie Geiftlichen in eine bleibende Abgabe von
Wein, Getreide, Käfe und Tleiich zu verwandeln. An manchen
Drten unterfingen fich die Briefter auch, Weinſchänken zu halten,
„wodurch in ihren Häufern viel Rumor und manchmal Tot—⸗
ſchläge vorfallen“.
Daß das äußere Auftreten und das fittliche Verbalten folcher
Priefter zu Tadel Anlaß gab, tft wohl felbftverftänplich und
wird auch ausprüdlich bezeugt. Die Delegierten behaupten,
daß diejelben zu nicht geringem Ärgerniſſe des gemeinen Mannes
unehrbare und umnpriefterliche Kleidung und felbjt den Laien
verbotene Wehr trugen und fogar mit Büchſen bewaffnet das
1) Eine einzige abelige Dame ftiftete 1473 zu ihrem Seelgeräte 1000
Seelenmefien; die Zahl der geftifteten Meſſen flieg in St. Florian zu
Ende des 15. Jahrhunderts über 1700, darunter für ein Glieb ber
Familie Starhemberg allein 365. A. Ezerny, Aus dem geiftlichen Ge-
ſchäftsleben in Oberöfterreih im fünfzehnten Jahrhundert, ©. 52.
32*
500 Urſachen bes Erfolgs Luthers.
Saframent zu den Kranken brachten, daß fie rauften und ein-
ander ſchlugen und verlegten, daß fie verbächtige Dienftboten
bielten und offen mit ihren Dirnen zubaufe faßen, „als wenn
diefe ihre gegebenen Weiber wären".
Mit diefen Klagen über die Habſucht und Sittenlofigfeit
der Geiftlichen ftimmen Außerungen des Erzbifhofs von Salz
burg und feiner Suffragane volllommen überein !).
Unter ſolchen Verbältniffen darf man fich nicht wundern,
daß die Angriffe, welche zahlreiche Humaniften jener Zeit gegen
bie Kirche und deren Vertreter und Lehren richteten, einen fo
empfänglichen Boden fanden und daß das Auftreten Luthers
von fo gewaltigen Folgen begleitet war. Unter anderen Um⸗
ftänden würde das Anfchlagen der 95 Thejen gegen einzelne
Mißbräuche bei Verkündigung des päpftlichen Ablaffes (am
31. Oktober 1517) und die daran fich knüpfende Polemik wohl
Streitigkeiten unter den Theologen, aber feine tiefer gehende
Dewegung im Volle hervorgerufen haben. Damals aber, wo
das Anſehen des Klerus erichüttert, die Entrüftung über bie
Ausbeutung Deutſchlands durch die römische Curie in weite
Kreiſe verbreitet war, fanden bie leivenjchaftlichen Angriffe
Luthers gegen den Papft, die Curie und die privilegierte Stel-
lung der Geiftlichen allgemeinen Beifall und fehr viele gerade
der evelften und gebilvetften Männer Deutſchlands wendeten
ihm ihre Sympathieen zu, weil fie infolge deffen eine Reform
der Tirchlichen Zuftände erwarteten.
Auch in den öjterreichtichen Ländern fand Luther zahlreiche
Anhänger.
Anfangs fette fi der Verbreitung feiner Lehren niemand
ernjtlich entgegen, da der Erzherzog Ferdinand erft im Sabre
1521 nach den Erblanden kam, ein Teil der Regenten aber
1) Ezerny, Der erfte Bauernaufftand, S. 64ff. Auch ber Erz⸗
herzog Ferdinand fagt in einer Inftruttion für einen an feinen Bruder
geſchickten Geſandten im Jahre 1524, die Iutheriiche Bewegung fei haupt-
ſächlich dadurch entſtanden, quod fere universus ecclesiasticus ordo re-
ferat magis carnem et seculum quam spiritum et religionem. „Arc.
f. öſterr. Geſchq.“ 1,2, 111.
Ausbreitung des Luthertums im Erzherzogtum Ofterreih, 501
jelbjt zum Luthertum hinneigte. Sirchenfeindliche Bücher wurden
z. B. in Wien lange ungehindert gebrudt und verbreitet. Als
bie theologiſche Fakultät dagegen Schritte thun wollte, fand fie
weder bet der Stadt noch beim Wiener Bifchofe Georg Slat-
fonia irgendwelche Unterjtügung. Nicht einmal die Belannt-
machung der päpftlichen Bulle, welche die Lehren Luthers ver-
dammte, konnte die Fakultät durchlegen, da Rektor und Statt»
balter entjchievden dagegen waren. Wie konnte man übrigens
von den Laien ein energiiches Auftreten gegen das Luthertum
erwarten, wenn der Biſchof rubig zufab, wie bis zum Sabre
1524 jelbit in der Burgfapelle ketzeriſche Lehren geprebigt
wurden, und es geftattete, daß Baul Speratus, ehemals ‘Dom-
prebiger in Würzburg, dann in Salzburg, ber öffentlich mit
feiner Frau fich zeigte, im Sanuar 1522 die Kanzel in ber
Stephansfirche beftieg und gegen die Slloftergelübde und für
bie Priejterehe und bie Rechtfertigung durch den Glauben allein
predigte? Erſt als Slatkonia jtarb und im November 1523
Johann von Revellis Biſchof von Wien ward, wurden auf
Defehl des Erzherzogs Ferdinand ftrengere Maßregeln ergriffen.
Mehrere Geiftlihe wurben eingeferfert, ein Wiener Bürger,
Kaſpar Tauber, der fich weigerte, feine Anfichten zu widerrufen,
am 17. September 1524 bingerichtet !).
Deffenungeachtet griff das Luthertum immer weiter um fich,
da zahlreiche Geiftliche, befonders Barfüßermönche, dasfelbe be-
gierig ergriffen und verbreiteten und auch die angefebenften
Adeligen fich demſelben anſchloſſen. Schon 1521 hatte ber
Landeshauptmann des Landes ob der Enns, der reihe Wolf-
gang Sörger, feinen älteften Sohn an den fächfiichen Hof nad)
Wittenberg geſchickt, um ihn von Luther unterrichten zu lafjen.
Im Juni 1525 ftellten fogar die Stände Oberöfterreih8 an
ben Erzherzog die Bitte, er möge geftatten, daß das Evan
gelium „lauter und ohne Zufag” geprebigt werde ?).
1) Kink L1, 237ff. und L,2, 120ff. TH Wiedemann, Geld.
der Reformation und Gegenreformation im Lande unter der Enns J,
10—44,
2) Eerny, Der erfte Banernaufftand, ©. 53 ff., mit näheren Angaben
über die Ausbreitung bes Proteftantismus in Oberöſterreich.
502 in Inneröſterreich und Tirol.
Etwas langſamer verbreitete ſich das Luthertum wahrjchein-
ih in den innerdjterreichiiben Herzogtümern, bie geringeren
Berlehr mit Nord- und Mittelveutichland hatten. Aber an
Belennern fehlte e8 demielben auch Hier nicht. Bezüglich Krains
Hagt der Biſchof von Laibach, im Oftober 1525, daß Prediger
widerwärtige Sachen auf die Kanzel brädten und baß die unter
dem Erzpriefter des Patriarchen von Aquileja ftehenden Geift-
lichen fürzlich die Meſſe nicht mehr in ver bisherigen Form
gelejen Hätten ?).
Um fo zahlveichere Anhänger fanden die neuen Lehren ver-
hältnismäßig früh in Tirol.
Schon im Jahre 1521 fam Dr. Jakob Strauß aus Baſel,
einer der erjten Verehrer Luthers, von Berchtesgaden her ins
Innthal und predigte zuerft in Schwaz und dann feit dem
Sunt in Hall unter ungeheuerem Zulaufe von Bürgern und
Bauern, ſodaß ihm die Kirche im Trauenklofter zu Hall zu
Hein warb und er in ber großen Pfarrlirche und bet ſchönem
Wetter oft auch im Freien feine Lehren verkündete. ‘Den Bor»
ladungen des Biſchofs von Brixen und deſſen Befehle, das
Predigen zu unterlaffen, leijtete er feine Folge, weil der Stabts
rat und die Bürger von Hall auf feiner Seite ftanden und
auch das Regiment in Innsbrud den Wünjchen des Biſchofs
nicht entgegenfam. Erſt als diefer im April 1522 der Res
gterung amzeigte, daß er fih an den Sailer gewendet babe,
fegte diefe beim Nate von Hall die Entlafjung des Prediger
dur. Aber jchon im September wurde Urban Regius, che»
mals Profeſſor in Ingolftadt, dann Domprediger in Augs—
burg, als Prediger angeftellt, der in gleichem Geiſte wirkte.
Nah einem Sabre mußte freilich auch er weichen. Aber der
Same, den diefe beiden Männer ausgeftreut, ift gewiß nicht
aller auf unfruchtbares Erdreich gefallen. Gerade in Hall
wurden 1523 Iutheriiche Bücher und Schriften öffentlich ver⸗
fauft und gefauft 2).
1) Dimit II, 194.
2) ©. Ruf, Dr. Jacob Strauß und Dr. Urban Regius. „Archiv
für Geſch. Tirols“ II, 67ff. Bgl. denfelben a. a. O. IIL 354, und
Berbreitung wiedertäuferiſcher Anfichten. 503
Auch unter den einheimiichen Klofter- und Weltgeiftlichen
fanden die Lehren Luthers vielfach Beifall. Im Sabre 1523
wurde ein Chorherr von Innichen eingeferfert, weil er in ber
Umgegend und im Thale Billgratten lutheriſche Traktätlein
und Artikel verbreitet hatte). Im Frühjahre 1524 ſah ſich
die Regierung in Innsbrud veranlaßt, eine Kommilfion in das
Eifterctenferflofter Stams zu jchiden, wo ein Weltpriefter im
feinen Predigten für lutheriſche Anfchauungen Propaganda
machte und auch bei den Mönchen Beifall fand. In faft allen
Zellen fanden die Kommiffäre Yuthertiche Schriften. Sechs
Ordensprieſter weigerten fich entjchieven, ihren Glauben abzus
Ichwören, „Luther ift noch nicht überwunden”, erklärten fie.
Zum Schuge der Geiftlichen erfchienen nicht bloß die Gottes-
bausleute in Waffen, jondern auch die Bauern der ums
liegenden Gerichte, ohne indeffen diesmal zu Thätlichkeiten zu
Ichreiten 2), Um dieſelbe Zeit predigten in Schwaz, dem Site
zahlreicher Bergfnappen, zwei Franzisfanermönche, die aus dem
dortigen Klojter ausgetreten waren und, wie e8 hieß, jelbit als
Arbeiter eintreten wollten. Auch Weltgeiftliche waren an manchen
Drten im gleihen Sinne thätig 3). Selbft ein Schneidergeſelle
aus Nieder: Bintl predigte in Brixen auf offenem Plage „wider
die hriftliche Ordnung, geiftliche und weltliche Obrigkeit und ge»
meine Priejterjchaft” *).
Diejes Auftreten eines Laien hängt wahricheinlih mit ber
Verbreitung wiedertäuferiſcher Anfichten zufammen, die auch in
Tirol früh Anhänger fanden. Schon im Jahre 1524 wurden
in Innsbrud drei Männer Hingerichtet, von denen einer „bei
400 Seelen in fol verdammten Irrtum verführt gehabt” 5).
Fr. Waldner, Dr. Jakob Strauß in Hall und. feine Predigt am grünen
Donnerstag 1522. „Zeitfchr. d. Ferbinandeum“, 3. Folge XXVI, 3ff.
1) Sinnuader, Beiträge VII, 194f.
2) Schönherr, Das Luthertfum im Klofter Stams. „Arc. f. Geſch.
Tirols“ II, 82 ff.
3) ©. Rufa. a. O. III, 355.
4) Sinnader, Beiträge VII, 195.
5) Brandis, Landeshauptleute, S. 541.
504 Ausbruch des Bauernkrieges in Deutfchland.
Die Lehren Qutbers, welche durch wandernde Prediger und
zahllofe Slugichriften in populärem Zone überall hin verbreitet
wurden, Tonnten unter den unteren Volksklaſſen nur umwälzend
wirten. Schon die fuftematiiche Untergrabung der Achtung vor
ben bisher am fefteften begründeten Autoritäten mußte auch
das Anſehen jener Gewalten untergraben, die nicht direkt an«
gegriffen wurden. Wenn man den Bauern die evangelijche
Vreibeit predigte, jo faßten fie den Begriff der Freiheit all«
gemein und dehnten ihn auch auf die ftaatlichen und fozialen
Berbältniffe aus. Wenn man ihren die Menfchenfatungen als
Zeufelöwerf Hinjtellte, jo begannen fie zu unterfuchen, ob denn
die Leibeigenichaft und die verjchiedenen Abgaben und Leiftungen
in der Bibel begründet feier. Nachdem man dem Vollke un«
zäbligemale erflärt hatte, daß die Kirche fih nur vom Schweiße
des Volkes gemäjtet babe, zog biefes den Schluß, Daß es er»
laubt jei, das ihm Abgepreßte wieder an fich zu ziehen und bie
Kirhengüter zu plündern und für fich in Anjpruch zu nehmen.
Bei der allgemeinen Unzufriedenheit mit ven beftehenden Ver⸗
bältniffen und der gewaltigen Gährung, die jchon lange im
Volke befonders unter den Bauern herrichte, darf man. fich
nicht wundern, wenn enblih bie Spannung auf gewaltiame
Weiſe fich Luft machte.
Schon im Jahre 1524 rotteten fi die Bauern in einigem
Herrſchaften des ſüdlichen Schwaben zuſammen und veriweigerten
ihren Herrn bie bisherigen Dienfte und Abgaben. Im Fe⸗
bruar 1525 erhoben fich die Allgäuer Bauern, aufgereist von
zahlreichen Prebigern, und gleichzeitig die Bauern am Boden⸗
fee. Im einigen Wochen verbreitete fich. der Aufftand mit allen
feinen Greueln über das nördliche Schwaben, Franken und
Thüringen bi8 Sachlen, anberjeitS längs des Rheins abwärts.
bis Koblenz und in die Nähe von Trier. Zahlreiche Stäbte,
in denen bie unteren Volksklaſſen das. Übergewicht hatten,
fchloffen fih den Bauern an. Auch die ftäbtiichen Obrigleiten
Iympathifierten mehrfach mit der Bewegung, foweit fie gegen
den Klerus und die hergebrachten Firchlichen Zuftände gerichtet
war.
Die Erhebung der Banern in Tirol. 505
Die Wogen, welche der Sturm in Schwaben aufgewühlt,
Ichlugen auch nach den Thälern Tirols hinüber, wo das Volk
ichon feit Tängerer Zeit in großer Erregung war und ver«
ſchiedene Gewaltthaten begangen batte, ſodaß in Brixen allein
binnen brei Wochen 47 Perſonen deswegen bingerichtet wurben.
Am 10. Mat 1525 befreiten bie Bauern ber Brirner Gegend
den Peter Paßler, einen Puftertbaler, der wegen Landfriedens⸗
bruchs zum Tode geführt wurde. Im der Nacht des 11. Mai
drangen bie wilden Scharen, angefeuert von ben Bürgern
Brixens, in diefe Stadt ein, plünderten und verwüſteten bie
Häufer der dortigen Geiftlichen und Aoeligen, zogen Hierauf,
5000 Mann ftark, nach dem Klofter Neuftift und raubten es
vollftändig aus, ſodaß es einen Schaden von 25000 Gulben
erlitt. Zu ihren Oberften wählten fie nun den Michael Gaiß⸗
mayr, eines Knappen Sohn von Sterzing, der früher Schreiber
des Landeshauptmanns, bierauf Sekretär des Biſchofs von
Brixen gewejen war und bie radikalſten politifchen und fozialen
Anfichten vertrat.
„Run“, bemerkt ver damalige Hofrichter in Neuftift, „ging:
im ganzen Land das Plündern der Pfaffen an. Es gab feinen
noch fo armen Priefter, er mußte das Seine verlieren. Das
nach überfielen fie viele Edelleute und ververbten deren viele;
denn niemand konnte fich fo ſchnell zur Wehr richten.” Bon
Briren aus verbreitete fich der Aufſtand einerfeits nach dem
weftlichen PBuftertbal, wo das Nonnenklojter Sonnenburg aus.
geplündert ward, anderfeit8 den Eifad abwärts in Die Gegend
von Bozen, von da die Etſch binauf über Meran bis ins
Bintichgau und Togar hinüber nad dem Nons- und Sulzberg
und binab in die Umgebung von Trient. Mehrere Klöſter
und zahlreiche Pfarrhäufer, auch einige Schlöffer wurben aus»
geraubt und verwüftet, im Kloſter Steinach bei Meran mehrere
Nonnen ermordet. Im Ober⸗Innthale wurde das Klofter
Stams ausgeplündert. In der Gegend von Innsbruck und
Hall fanden Zufammenrottungen der Bauern ftatt. Der ver»
haßte Salamanca hatte fich rechtzeitig nach Bayern geflüchtet ').
1) ©. im allgemeinen Egger II, 90ff., und dazu befonders Kirche
506 Die Aufftände im Salzburgifcgen, in Oberöfterreih u. Steiermarf.
Der Aufftand in Tirol war auch für Die Salzburger das
Signal zum Losihlagen. Um den Auffahrtstag (25. Mai)
erhoben ſich die Bergknappen in der Gaſtein und die Bauern
im Pinzgau, dem tirolifchen Brirenthal und anderen Thälern
„zur. Beſchützung des Evangeliums”, rüdten nah Salzburg,
wo die untern Volsklaſſen fich ihnen anfchloffen, und belagerten
den ſchon früher unbeliebten Erzbiichof, den Kardinal Matthäus
Lang, auf der Feſte Hohenjalzburg, um ihn zur Abdantung zu
zwingen ?).
Aus dem Salzburgiichen griff die Flamme der Empörung
auch nach dem Lande ob ber Enns hinüber. Am 1. Juni ew
griffen die Bewohner von St. Georgen im Attergau die Waffen,
und von da aus verbreitete fich die Bewegung auch nad) den
benachbarten Herrichaften. Wenn e8 auch bier zu feinen ſchwe⸗
teren Ausfchreitungen oder gar zu Blutvergießen fam und bie
Bauern den Weg der Verhandlungen einjchlugen und durch
eine Deputation an ben in Innsbruck weilenden Erzherzog eine
Abhilfe ihrer Beſchwerden durchzujegen juchten, jo wurden doch
überall den Grundherren die Abgaben und Roboten verweigert ?).
In Auffee und in der Gegend zwilchen Wien und Neuftabt
waren die Bauern jchon im Dat in Gährung ?). Nach ver
Erhebung der Salzburger griff die Empörung unter den Bauern
und Bergfnappen Oberjteiermarfs noch weiter um fich.
Eine allgemeine Umwälzung ſchien wie in Deutichland fo
auch in den öfterreichiichen Ländern bevorzujtehen und beim
Mangel ftehender Heere war es fchwer, den Aufitand nieder⸗
zuwerfen. Faſt wehrlos jaß der Erzberzog Ferdinand in Inns⸗
bruck, überall von Gefahren umringt.
mair, ©. 466. 470ff. Angerer im „Programm von Brixen“ 1862,
S. 14ff. (mit den Noten). Brandis, ©. 54ff. Sinnader VII,
205ff. P. Suftinian Ladurner, Der Bauernrebell im Nons⸗ und
Sulzberge. „Archiv f. Geſch. Tirols“ IV, 8bff. Ruf, ebd. III, Bö3fl.
1) ©. A. Bihler, Salzburg’8 Landes-Geſch., ©. 311.
2) Ezerny, ©. 75ff.
3) Bericht des nieberöfterr. Hofrats an Erzh. Ferdinand vom 22. Mai
im „Notizenblatt ber kaiſ. Atad.“ 1859, ©. 68. Bericht ©. v. Dietrich“
flein im „Archiv. f. öfter. Geſchq. XVII, 136.
— ———— — - - ni nee.
u Ar
Charakter der Erhebung in Tirol. 607
Defjenungeachtet verlor derſelbe den Mut nicht, umd nach
wenigen Monaten hatten ſich die dunklen Gewitterwolfen zer-
jtreut, wenn auch noch in einzelnen Gegenden ber Donner
rollte.
Es war von großer, vielleicht entſcheidender Wichtigkeit,
daß in jenem Lande, wo die Bauern am webrbafteften waren,
und von den Zerrainverhältniifen am meijten begünftigt worden
wären, ſich fehr viele am Aufitande gar nicht beteiligt und
auch die anderen nach wenigen Tagen wieder einigermaßen be-
rubigt hatten. Die tiroliihen Bauern konnten ſich nicht über
den Drud der Herren beklagen, da die meijten ihre Güter als
freies Eigen beſaßen. Auch hatten fie bier eine Vertretung auf
dem Lanbtage, fie waren gewöhnt, dieſen al8 das Forum zu
betrachten, dem bie Entſcheidung der Landesangelegenheiten zu⸗
komme. Als der Erzherzog die Einberufung eines Landtages
veriprach, hörten wenigitens die offenen Gewalttbaten faft über«
all auf, und die Gerichte gingen an die Beratung ihrer Bitten
und Beſchwerden, bie der Regierung überreicht wurden.
Die Bauern der Meraner Gegend beriefen zu dieſem
Zwede trot des Verbotes des Erzherzogs je zwei Abgeordnete
aller Städte und Gerichte, aus deren Beratungen ein geradezu
revolutionäres Programm hervorging. In 106 Artikeln wurde
eine vollftändige Umgeftaltung der polittichen, religidjien und
fozialen Verbältniffe Tirols in Ausficht genommen. An bie
Spite wurde die Forderung geftellt, daß die Grafſchaft Tirol
mit ihren Bistümern, Klöftern, Sclöffern und ®erichten nur
dem SLandesfürften gehören, alle Einkünfte berjelben dieſem
überantwortet werben, dagegen aber auch der Erzherzog ohne
Bewilligung des Landes nichts verpfänden oder verſchenken jollte.
Die Bistümer und Klöfter, bis auf höchſtens drei mit einer
beſchränkten Zahl von Mönchen, vor allem die Bettelklöſter,
folften aufgehoben, in jevem Gerichte nur ein Pfarrer beis
behalten werden, die Briefter das Wort Gotted und das Evan
gelium ohne Zufag (wie Luther lehrte) verfünden !) und fich
1) Auch in der „Supplication“ ber innthaliſchen Gerichte Tauer,
Rettenberg, Sonnenburg u. f. w. (bei Rapp, Über das vaterlänbifche
NT
508 Die Verhandlungen des Tiroler Landtags.
ebrbar und ftandesgemäß aufführen, fein Geiſtlicher mehr als
eine Pfründe befigen und perfönlich biefelbe verjehen, Die Städte
und Gerichte das Recht haben, ihren Pfarrer felbft zu wählen
und zu entiegen, alle Stolgebühren abgeichafft, Vermächtniſſe
an. Geiftliche verboten, von dem Überfluffe der reichen Pfarreien
und Pfründen in jeder Stabt und jedem Gerichte ein Spital
gegründet und Hausarme unterjtügt werben.
In politiicher Beziehung verlangten fie Bejegung der Re⸗
gierung in. Innsbrud mit verftändigen, ebrlichen Lanbleuten,
bie ven Zandesbrauch kennen, nicht mit fremden Geiftlichen oder
Doktoren, Gleichheit aller vor Gericht, bejchleunigtes Verfahren,
Aufhebung der Aſhle, Wahl der Gerichtöbeamten durch die Ge⸗
meinden, Abjchaffung aller örtlichen Statuten und Gebräuche
und Einführung eines gleichen Nechtes für das ganze Land und
alle Stände, wie gleicher Maße und Gewichte, Freigebung der
Jagd und Filcherei, Verbot der großen Handelsgeſellſchaften
und des Verkaufes und Wuchers, endlich vollftändige Aufhebung
der Leibeigenjchaft, der Roboten und mancher anderer Leiftungen
und Abgaben ').
Diefe Meraner Artikel jollten die Grundlage für die Be-
ratungen des Landtages bilden, der am 12. Juni in Innsbruck
exöffnet wurde. Die Verhandlungen drohten ſehr ſtürmiſch zu
werden. Die Vertreter der Bauern, teilweile der radilaliten
Richtung angehörend, gaben anfangs den Ton an. Die Geijt-
lichen wurden von vornherein von der Teilnahme ausgeichloffen.
Der Adel, ohnehin entmutigt, wurde nur zugelafjen unter der
Bedingung, daß er in allen billigen Sadıen zu den Bauern
balte. Bon der Abftimmung nah Ständen ſah man ganz ab,
und es wurde das Einkammerſyſtem eingeführt.
Der Landtag machte in der That die von der. Dieraner
Verſammlung aufgejtellten Forderungen zu feinen eigenen und
Statutenwefen. „Beiträge zur Geſchichte 2c. Tirols“ V, 189ff., vgl. 29)
wurbe diefe Forderung in den Vordergrund geftellt.
1) Jörg, Deutfchland in der Nevolutions- Periode von 1522— 1526,
©. 537 ff.
Einigung bed Erzherzogs mit bemfelben. 509
legte fie durch feinen Sprecher, den DBürgermelfter von Inns⸗
bruck, dem Erzherzoge vor. Diefer zeigte aber trot feiner
Jugend und feiner bebrängten Lage eine große Teitigfeit. Im
feiner Antwort machte er darauf anfmerliam, daß er nur
Oubernator von Zirol jei und ohne Wiſſen des Kaifers feine
neuen Statuten machen könne, daß die, allerding® notwendige,
Neformierung des geiftlidhen Standes nicht Sache eines Fürften,
fondern aller chriftlichen Herricher fei, daß bie geforderte Sä⸗
Tularifierung der Bistümer Brixen und Trient ohne Buftim-
mung des Reichsoberhauptes unmöglich, die Einziehung der
Kirchengüter eine Rechtsverletzung, alfo auch gegen das Evan»
gelium fei, die Wegnahme ber Güter ausländtfcher Kirchen
auch einen Krieg heraufbeſchwören Tonne. Da nun unterbefien
die Heere der beutichen Bauern von den Fürften und dem
ſchwäbiſchen Bunde nad einander gefchlagen und meiſt auf-
gerieben tworben waren, fo erhielt auch auf dem tirolijchen
Landtage die gemäßigtere Partei das Übergewicht. Ander⸗
ſeits machte der Erzherzog den Bauern, für deren Wünfche
ſich nicht Bloß die Bürger, fondern in manchen Dingen auch)
bie Adeligen ausiprachen, in politifcher und religiöſer Beziehung
nicht unweſentliche Zugeftändniffe. Er nahm am 21. Juli die
weltliche Verwaltung des Hochſtiftes Briren „bis auf eines
gemeinen Konziliums ober des heiligen Reiches Reformation“
in ſeine Hände !) und genehmigte eine neue Landesordnung,
bas „fünfundzwanzigjährtge Landlibell“, in welcher auf die For⸗
derungen der Bauern mehrfach Rückſicht genommen wurbe.
Manche bisherige Abgaben an bie Grundherren wurben abge
Ihafft oder vermindert; alle Roboten, bie nicht wenigſtens
fünfzig Sabre beftanden hätten, follten aufgehoben, Bauerngüter,
deren Überbürbung durch eine gerichtliche Unterſuchung feftgeftellt
würde, erleichtert werben. "Auch ber Wunfch nach Einführung
gleiher Maße und Gewichte wurde erfüllt ?). In einer provi⸗
1) Bucholtz IX, 642F.
2) Eine foftematifche Zuſammenſtellung des Inhalts dieſer Tiroler
Landesordnung von 1526 (in welchem Jahre fie gedruckt ward) bei Rapp
510 Unterbrüdung bes Aufftandes in Wälſchtirol
joriih „bis auf ein gemeines Konzil oder Erläuterung des
Reiches“ eingeführten „Dronung bes geiftlichen Standes“ "wurde
unter andern verfügt, daß bie ©eiftlichen in weltlichen An⸗
gelegenheiten der weltlichen Gerichtsbarkeit unterworfen, alle
Pfarrer und Kapläne vom Landesfürjten, welchem die Obrig-
feiten, Städte und Gerichte zwei ober drei geeignete Perſön⸗
lichkeiten vorzuichlagen hätten, ernannt und, wenn fie ſich uns
gebübrlich aufführten, auch wieder abgejegt werben jollten ?).
Allen, welche die Landesordnung annähmen, wurde Amneftie
veriprochen, wenn fie fortan ruhig blieben und für den an
gerichteten Schaden Erſatz leijteten. Dagegen follten neue Auf
jtände mit Gewalt unterprüdt und ftrenge beftraft werben.
Aber nur die Wälfchtiroler, die Bauern der Umgebung
von Trient, in Baljugana und auf dem Nons⸗ und Sulzberg,
ſetzten vie Teindjeligfeiten gegen den Biſchof von Zrient und
den Adel fort. Erſt eine Reihe blutiger Schlappen, vie fie
im Laufe des September erlitten, bewog fie zur Nieberlegung
der Waffen, zur Zahlung von Gelobußen und zur Auslieferung
der Näpelsführer, die dann, meijt in der graufamften Weiſe,
hingerichtet wurden ?). Deutſchtirol war durch die größere
Beionnenheit der Bewohner und durch die Huge Nachgiebigkeit
bes Lanvesfürften vor den Greueln bewahrt worden, von
welchen in den meilten Zeilen Deutichlands die Erhebung und
Niederwerfung der Bauern begleitet war.
Mit der Beruhigung Tirols war der Aufitand in Salzburg
und den anjtoßenden Ländern tioliert und bamit Die größte
Gefahr von Djterreich abgewenbet.
Ein Teil des jalzburgiichen Bauernheeres, bei 4000 Mann,
unter Michael Grueber hatte noh am frühen Morgen des
3. Juli den fteirifchen Landeshauptmann Sigmund von Dietriche
ftein, der mit einigen hundert Mann jtändijcher Truppen und
böhmijcher Söldner, von Xeoben ausmarjcierendn, Mautern,
a. a. O., ©. 33ff., und Oberweis in Haimerls „Vierteljahrsfchrift
f. Rechts- und Staatswiſſ.“ XVII, B. Sep.-Abbrud: Wien 1866.
1) „Archiv f. Süddeutſchlaud“ I, 305ff. Obermweis a. a. O. II, 41 ff.
2) Egger II, 110.
und im Salzburgifchen. 5ii
Kottenmann und das fteirtiche Ennsthal unterworfen hatte, in
Schladming überfallen und mit mehreren Evelleuten und einem
Zeile der Böhmen gefangen genommen, während die deutfchen
Knechte meilt zu den Feinden übergetreten waren. Dietrich
jtein wurde durch jeine ehemaligen Soldfnechte, die ihm ritter-
liches Gefängnis zugelagt hatten, vor der Gefahr errettet, von
den Wütenden Bauern geipießt zu werden. Die gefangenen
Böhmen und Hufaren dagegen wurden auf dem Plate in
Schladming enthauptet ?).
Die Erhebung der Salzburger hatten die Herzoge Wilhelm
und Ludwig von Baiern zu benugen gefucht, um entweder im
Einvernehmen mit den Aufitändifchen das Erzitift zu fäfularifieren
oder wenigſtens den bevrängten Erzbiichof zu bewegen, ihren
jüngiten Bruder Ernit, Verweſer des Bistums Paffau, zum
Koadjutor zu ernennen. Bei der Wichtigkeit, welche dieſes Erz—
bistum für Djterreih hatte, in dem ein großer Zeil feiner
Befigungen lag, fonnte der Erzherzog Ferdinand dieſen Um⸗
trieben wie dem Aufitande gegenüber nicht gleichgültig fein.
Er gab fich redliche Mühe, zwiichen dem Ewbiſchofe und feinen
Untertbanen eine Ausjöhnung zuftande zu bringen, und fegte
e8 wenigitend durch, daß am 7. Juli die Feinpfeligfeiten vor»
läufig aufhörten. Allen Unterbandlungen wurde aber ein Ende
gemacht, als der jchwäbiihe Bund nad) der Vernichtung des
Aufitandes im füdweftlichen Deutichland auf Betreiben des
baiertichen Kanzlers Leonhard Ed im Augujt 4000 Mann
unter Georg von Freundsberg gegen Salzburg jchidte. Doc
vermochte man die ftarkbefeftigte Stadt nicht zu nehmen und
die Aufjtändiichen erhielten in ven legten Tagen des Augujt
ſehr günftige Bedingungen. Die Landichaft mußte 14000 Gulden
zahlen und fich dem fchwäbilhen Bunde auf Gnade und Un-
gnade ergeben, erbielt aber zugleich die Zuficherung vollftändiger
Amneſtie ?).
1) Dietrichfteind eigener Bericht im „Archiv f. öſterr. Geſchq.“ XVII,
135—148.
2) Bihler, ©. dldff. Jörg, ©. 548ff. W. Vogt, Die baye-
riſche Politit im Bauernkrieg, S. 292 ff.
612 Strenge gegen bie Aufftändiſchen in Steiermarf.
Vom Ende des Juli bis zum Ende des September wurden
auch die oberöfterreichiichen Landgemeinden ohne Blutvergießen
zur Ruhe gebracht. Hinrichtungen fanden in diefem Lande, wo
auch die Bauern ihre Hände von Blut rein gehalten hatten,
nur ganz vereinzelt ftatt. Selbft die Rädelsführer kamen meijt
mit einer Gelobuße davon, welche in geringerem Maße auch
die übrigen traf, die an bewaffneten VBerfammlungen over am
Bauernbunde teilgenommen, oder den Herrichaften die Abgaben
verweigert hatten. Einer jummarijchen Beitrafung aller Bauern
ohne Rüdficht auf ven Grad ihrer Verichuldung, wie fie bie
nieverditerreichiiche Regierung beabfichtigt hatte, waren die Stände
bes Landes ob der Enns felbft mit Entjchiedenheit und Erfolg
entgegengetreten ").
Mit ungemeiner Strenge ging man gegen die Aufitän-
bilchen in der Steiermark vor. Graf Niklas Salm, Anführer
der ftändiichen Truppen Inneröfterreich8 und ber landesfürſt⸗
lihen Söloner, brannte Anfangs Oktober nicht bloß dem Be⸗
fehle des Wiener Hofrates entiprechend Schladming vollftändig
nieder, fondern plünderte und verbrannte auch bie umliegenden
Ortichaften, äjcherte Johnsbach ſüdöſtlich von Admont ein, wo
Verſammlungen der Aufwiegler ſtattgefunden hatten, brand⸗
ſchatzte Eiſenerz und ließ die Rädelsführer, die in ſeine Hände
fielen, hinrichten und ihre Häuſer zerſtören ?).
Die Härte, mit der man bier wie in vielen andern Ges
bieten Deutichlands gegen die Nebellen ohne Rüdfiht auf ben
Grad ihrer Verſchuldung verfuhr, bat übrigens dazu beigetragen,
daß im nächiten Sabre an manchen Orten neue Ausbrüche er-
folgten. Wie der Karbinalerzbiihof von Salzburg fchreibt,
bielten fih „viele hundert verloffene Knechte und Buben von
Schladming und andern Landen, die fich font nirgends ficher
wiſſen“, im Pinzgau und andern Gerichten im Gebirge auf ?),
wo fie natürlich nicht unterliegen, die Bauern aufzuwiegeln.
1) &zerny, ©. 141—187.
2) Seine Berichte von Oberleitmer mitgeteilt im „Notizenblatt b.
taif. Atad.“ 1859, ©. 87 ff.
3) Jörg, ©. 644. 645.
—
Letstes Anffladern der Empörung im Salzburgifcenr. 513
Andererjeit8 plante der radikale Michel Gaißmayr mit den
Flüchtlingen aus Schwaben und Tirol, die ſich in die Schweiz
. gerettet hatten, wie mit den Bewohnern von Davos und
Prättigau einen Einfall in Tirol und die Gegenden am Boden⸗
fee. Selbft mit den Franzojen und Benetianern trat er in
Verbindung. Die Umtriebe Gaißmayrs wurden von der Re—
gterung in Innsbruck entvedt, und fein Bruder Hans infolge
vefien gevierteilt. Im Pinzgau dagegen erhoben fich die Bauern
Ende März 1526 wirklich, bewogen auch die Bewohner ber
Seitentbäler und die Pongauer zum Anjchluß, nahmen das
Drirentbal ein und belagerten Rajtadt. Erft als Truppen bes
Schwäbifchen Bundes von Norden, Öfterreicher unter Niklas
von Salm von Steiermark ber vorbrangen, wurde Ende Juni
Raſtadt entjegt, die Bauern zerjtreut und unterworfen, die
Hauptleute und Rädelsführer Hingerichtet. Gaißmayr, der den
Salzburgern zubilfe gefommen war, z09 Anfangs Juli mit
1600 Bauern und Yandsfnechten über den Tauern nach Puſter⸗
thal, vermochte aber weder Bruned noch die Mühlbacher laufe
zu nehmen und floh dann vor den verfolgenden Truppen über
die Berge ins Venetianiihe, wo er mit offenen Armen auf
genommen ward. Er feßte feine Umtriebe gegen Oſterreich
fort, bis er von einem Meuchelmörver, der den auf feinen
Kopf gefegten Preis verdienen wollte, 1532 ermordet mwurbe !).
Es war höchſte Zeit, daß die Ruhe in den öfterreichiichen
Erhlanden bergeftellt und die Kräfte des Erzherzogs Ferdinand
verfügbar wurden. Denn ſchon im Augujt 1526 erfolgte in
Ungarn die Kataftrophe, welche dvemjelben den Weg zum Throne
von Böhmen und Ungarn bahnte.
1) Bidler, S. 334ff. Egger II, 117ff.
Huber, Geſchichte Öfterreihd. III. 33
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Abel die Hetrſchaft Äh ven Hänveh hehabt/ ſb lite Di Minde
Hyrigtelt feines Sohnts wbtbig vieſen Suftand. mtr Kb
Befeftigen. Die Rehterkitig wiurbe Haupkfächtich"von weh!
Bdhitten hefüihte, (tet "denen der Sherfrbiirgirf Boeriko "Ken
oh Rofental bber Rouillat buch feinen" Einfluß ind" Bald
Durch. feinen Reichtun berubrragte.
e" verinochten "fie "niche‘ hergütelen
zwiſchen "beim Übel und’ denn" ai * dauerten langer
nö fbet, "dA jener" die Heched'" tin “die mäterieffen"Stterefjen
Ber. Sthok il Bekahfn “kg "io" bie Yaßtlofen" —— ||
\
gegen Dtefe in Schug Hahn. "NE endlich Die grähbt ſchen Di”
feiten einigermaßen in ben Hintergeiitb‘ ten, &tyanne \inforge
ves Emdringens des Luthertums rei — FH Ange
hen ein und Entlinfte ſchanden ie, Mmehr —
weit "bie hochadeligen Beamten deſoſders Hr ätgehiige” 9
wär" Rofemel fie als Pfand ihr die von ihnen aufhertchneten
goibru ſgen in Befitg nahtien und die/Erträgtiffe "ber Stetten,
vie" yöht gährdtäge vleberholl bewilligt Atben the” die
zaͤblimg der Schubih berkettbeten;"Hohtbe 4 famaitieli
Tafchen ſtectien Wie wenig man ſich“ un’ "Bein Wbrnige noch
kümmerte, zeigte am deutlichſten der Umſtand, daß Landtags ·
befchläffe, ohne va man beffeit: Senegrigiig ei du ARE noch⸗
gefucht Häkte, "in bie Landkofel eitgeriägen und’ da auteae all⸗
a enolfhs Knig
" Sir nos Nenn.
J » Die efere or Kent m ben dentſchen, lettere in 7
Atenftücen vor. Ich glaube bie deutſche Form gebrauchen zu ſollen.
gemein bindende Belere. erlänt chen
Leptwillige Anorduungen 8. Wlabiflaws IL für Ungarn. BE
Ludwig felbft die Regierung übernahm und fih im März 1522
nach Böhmen begab, führte pin nur eine vorübergehende Ände⸗
rung der Berhältnife % Pilz im Sebruar 1523 die
bisherigen Landesbenmtih —I — A gezwungen und durch
Minner erfegt, einer, —5 der koniglichen Gewalt
nicht abgeneigt waren. u aber der König "bald darauf wieder
nad Ungarn zurückkehrte, itat faft alles wieder in das alte
Geleiſe zurück. Die beſchloſſene Reform der Landesordnung
unterhlieh. Lew von Rojental, ‚für, den, Sigismund, von, Polen
und die katholiſche Partei wigkten srhie ſchon nach zwei Zahren
wieder das Amt des Operitburag em von, Prag und Damit ben
ana, a da ‚per Canbesbermel 33 Ber Sarl, von
— Rönig, ih, heine Herten“ 3)
— infolge —— Ent,
— die Eryiepung
‚Branpenburg,, feinem
dh ‚sohann 2 Borner
hiſchefe Thonae
wi König Sigismund, » vc on En ? g n Bruder, ernannt,
m letztere Berfügung, kümmerte ſich aber ber ungariſche Reichs⸗
der, am Anfang, des Ku 1516 gefalten wurde, nicht img
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Se —— dth am feinen" —* ai rm
geteilt von Neuftabt in „Ungar. Revue“ 1884, ©. 88ff, und bes
veneticuiſchen Geſandten —— ven 24. Mary, Än: „Magyar tört.
tar KV 48; je ;
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516 infegung, einer „Regentaft.
geringften. Opne ſich mit den Obervormündern ing Par
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16 erlangen zu Föntieh — Iran Katen
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doſ aſhen
H Bericht Suriaues- vonbzIa Naish Pu: p·. Ab egq.. IRatefen
Finalrelation sbid.,-p. A6sg. | Einen, gleichzeitigen ungariſchen Geſchicht -
ſchreiber von einiger Bedeutung. hat * damals leiber nicht gegeben;. bi
fpäteren, denen man gewöhnlich folgt, erweifen fi al8 unzuverläffig.
2) Acta "Tomleiana‘ IV, 118. Cuspinianus, ‚De 'Csesaribus,
p. 490, und defien Tagebuch in F. R. Austr. 88. I,-408sgg. Bericht
des venetianiſchen Gefandten Bor vom-15. Sul 1517, in Magyar. tört.
tär XXV, 77. > .
3) Der Inhalt feines Teſtameütes ap. Katona XIX, 212sgq.
— — ——— —— ———— nn — —— — —
Die dwoſ nsparlei. 517
jo. daß trotpem im Reiche pas aeihah,, ioas er dollte N). "Ber
Markgraf von Brandenburg, welcher Durch, jeine, Vermäplung
mit, der. Witwe des Iehann & img ausgebehnte efiglungen
in. Ungarn erworben ‚hatte, war ;e „perggungsiüch Er,
ber. troß, ‚ber, elenden Binangyuftände „auch den König, au ' bie
gleiche Bohn leitete _.
Den Maguaten,, be der dem Woymoben "yon. ‚Sieben
bürgen, und dem Balatin, war ‚am meiſten Bornemiſza der
haßt, vielleicht weil er nicht, ihrem, Kreiſe angehörte, vieleicht
auch, weil er wirklich auf dag, Wehl des Königs und” Reiches
ſah Shun uchten „298 allem Bi Put ber. ‚Hiener Burg
juchte dies ſchon im Bere 1517
2000 Mann nach Dfen 308 9 Au „einem Neicetane, der
auf Georgi, (24. April) 1518 einberufen war, mollie die
Partei Zapolyas wegen ber Jugend des Könige die Wafl eines
Gubernators durchſetzen, indem fi „boffte, daß ihr, Haupt zu
diejer Würde, erhoben ‚werben . wůrde Durch die " Sefanbten
des Koſere und des Königs, von Polen, wurde die Yusfüprung
Dieiss, Planes, vereitelt, ebenjo, wie bie Abſicht des päpftlichen
Nuntins Nikolaus von ‚Schönderg, ‚eines, Preoigermönches, die
Ungarn, zu beftimmen, daß gie ih zur Büprung eines Türken
Trieges. die Ernennung eines Haupin nes durch, den. Bapft
gefallen liefen 3). Do. errang, Die ‚Dppofitionspartel noch im
Herbfte, bes, nämlichen Zahres auf, einem Reichötage au Bäcs
1) Relation Bons vom Jahre 1519, in „Magyar. tört. tär“ XXV,
153 5gq.
2) Dies wird man auch nach feiner · Verteidigung durch L-Meuftabt,
Markgraf Georg von Brandenburg ale Erzieher am ungariſchen Hofe
Brediau 1883) zugeten wagen; wenn ·auch · vlele Vorwurk umheuiuntet
ſind. . DZ u Dee 2) 2
8): &im intereſſantes Shreisen ihm an ben: König von Boten. mit
Klagen über bie-Zuftände Ungarns in „Acta: Tomie“.-Ey., 414 qq.
4) ©. ſein Schreiben an Bathory vom; 34, Mäxg1518. Ap- Eatons
XIX, 69. Bgl. Neuftabt, ©. 52.
5) Herberftein, ber. ſelbſt ugter. den kaiſerlichen Geſanden war,
in feiner Selbſidiographie. F. R. Austr. SS. I, 133ngg.
518 VBorübergehen der Sieg der Oppofittom."
einen wichtigen Erfolg. Es wurde die: Einfegung :eines:henen
Regierungsrates beſchloſſen, deſſen Zuſammenſetzung faft durch⸗
aus Zapolya günſtig war: Denn unter den vier Waßnauen
war er ſelbſt und neben ihm ber Palatin und Stephan Bi
thory, die bisher mie ihm Hand in Hand gegangen: warett.
Unter ven vier aus dem Praͤlatenſtande Gewählten warn Nabe
Bakacs und Szahnäth der Erzbiſchof von: Calbeſa id vr
Bifchof von Siebenbürgen, die ſchon lange feine Anhänger ie
weſen waren. Um ben Vertretern des niedern Adels, Sailer
dem Zapolya bie: meiften Verehrer hatte, das Übergewichtzu
fichern, wurde die Zahl: derſelben auf ſechzehn erhöhtund Ve⸗
ſtimmt, daß, wie von ihnen, ſo auch von den Mognateh:änib
Praͤlaten immer mur die Hälfte anweſend ſein und dibſe nilcht
das Recht Haben ſollten, ohne jene einen: Beſchluß zu fuſſen
Die Ordnung der zerrütteten Finanzen, die Einlöſung der vet⸗
pfändeten Staatsgüter mittelſt der bewilligten Steuern/ eine
beſſere Verwaltung wurde den neuen Regenten zur⸗ Pflicht ge⸗
macht Deo SW zaphll Halt,
+ Aber ſchon nach wenigen Mondun erben Veen
feige SETURR Berlin
Nach dem Tode Marimilians beſchlofſen— dien Rare dus
ungarifchen Königs, nicht nur für ihren Herren am: die Ralfer:
krone fich zu bewerben, fondern wich defſen Schweftet Anna,
die Braut des Erzherzogs Ferdinand, nach Ungarn’:zrück
zurufen. Da dies einen vollftändigen Bruch' mit ben Hauſe
Habsburg zur Folge haben mußte, und Zapofya fich neuerbings
auf die Hand der Prinzeffin Anna Hoffnung machen durfte,
jo näherte fich dieſer jeinen biöherigen Gegnern und erwies
benfelben die Gefälligfeit, daß er in die Ausjchließung der dem
niebern Adel angehörigen Regentichaftsmitglieder aus dem könig⸗
lichen Rate einwilligte. Doch nur zu bald trat eine Wendung
ein. Die Ungarn fanden weder bei Venedig und dem BPapfte,
1) Die Beichlüfie dieſes Reichſtags ap. Katona XIX, 978qq. Bal.
ben Bericht Bons vom 3. November und veffen Finalrelation im „Mag.
tört. tar XXV, 112. 152.
Vollſtändiger Bruch⸗ Zapolyg;d .upit ‚ber, Hofpartei. 49
die fie, um die, Unterſtützung bet; per Kaiſerwahl -augingen,
irgendein. Entatgenkommen noch donnten ſie ſich Hoffnung auf
die Grimmen der Kurfürſten machen. Die Uberugung Sn
der Unmöglichkeit, gegenuber ‚wem Hauſe Habsburg: einen: Erfolg
zu erringen, wie „bie. Beſtechang ber: Biichdfe, Spalmirk-‚uon
Zunfkirchen und Salfay .onm. MWoipen: bush den Fgiferlicken
Geſandcen Suipinian führten pers öfterreichiichen Partei, von: ver
früher mit Ausnahne Beorg& ven Brandenburg und Bere
miſzas alle %) fich abgewendet hatten, die meiſten Magngten
wieder zu. Zapolya ſah nicht, bloß ſeine hochfliegenden Pro⸗
jelte meuerdings verejtelt, ſondern er erlebte auch: noch die
Kränlung, daß bei der; Baſetzung der erledigten Palatinswürde
Ende Mini 1519 nicht er, ſondern Stephan Baͤthory gewählt
wurde ?). Der Bruch zwiſchen der Hofpartei, der nun auch
Baͤthory beitrat, und Zapolyg: war: ein unbeilbarer..-,. . .
- Übrigens gewannUngarn zunächſtegleich wenig, mochte, bie
eine abet. bie andere Partei: Das: Übergewicht. erhalten. : Denn
allen Magnaten, Geijtlichen wie Laien, mit fehr wenigen ‚Auge
nahmen war das Pflichtgefühltigegenüber. dem. Staate gang ab»
banden gefommen, faſt alle jchienen zu glauben, daß derſelhe
nur dazu da ſei, ihnen ‚vie Mittel zum Befriedigung ihrer. Ge⸗
nußſucht zu liefern. Jeder würde 48, für Beſchränktheit gehalten
haben, wenn gr. Die Gelegenheit, einen Griff in die, Staatskaſſe
zu. thun, nicht benutzt hätte, was natürlich Die, Folge hatte,
daß dieſelbe immer, leer war, beſonders da bie Bergwerke, die
ergiebigiten Einnaßmäquelle, an die Thurzö und Die mit. ihnen
verwandten Fugger -verpfänbet waren, Aber. auch andere Ge⸗
legenheiten; fich zu bereichern, wurben nicht verfchmäht. Philipp
More, der 1521 jtatt des zum Primas ernannten Georg
Szakmaͤry das Bistum Fünfficchen erbielt, Hatte eine. diplo⸗
1) Szakmäry ſchon feit dem Wiener Kongrefie 1515, weil ihn ber
Kaifer dem Graner Erzbiſchofe gegenüber vernachläffigt hatte. Bericht
Surianos 1. c. 55.
2) Liste, Zwei Beiträge zur Wahlgeſchichte K. Karls V., in „Forſch.
zur beutfchen Geſch.“ VIII, 166—171, bat biefe Berhältnifie gewiß rich-
tiger aufgefaßt als die ungarifchen Hiſtoriker.
3” Gänglicer Berfall des Ayasıöweiene.
matiſche Milfion nach Veuedig „au, Einlaufe großen Waren⸗
borväte benutzt, ‚die ‚er, dann mit, großem Bsafitsin Ungorn
bertaufte, Nuch Yabislaus Spaltay, „Biichof, von Waiben, ndcutn
von Erlau, ‚der 1529 „Kanzler murde,,, Hiels,nd: waikt/feingr
Doppelwürde, f ewinnxeiche Dandelögafchäfte uu
treiben. Das, Geld wur ‚Bon, pen. Greben ip; üpniaen
Gelagen durchgebracht, bei denen, jich auch, die eybittarfteu Feinde
ufammenfanben,. oder, für teuere vᷣferde und prãchtig getleidetes
8, häftigen „Stoßeg; don aufen umn
ingen Einſichtigeren
‚trat, up; zu hold ei yuirszadyan
Viepjhenakteraihre
eñ gewendet, fie hatten
iehlüce „Halbinieb mit Albauien,
Meeres die Reſte vom Kelein⸗
ohne Cinfluß darauf geweſen iſt. Aber:-ihre Allgemeinen‘ Schilderungen
werden auch durch Herberſtein s Selbſtbiographle, S, 186, bie Mit-
teilungen bes öſterreichiſchen Geſandten Anbrea da Burgo, das
Schreiben des Hanns Schweinpech, eines deutſchen Edelmanns im
Gefolge der Königin Maria, bei Stögmann, Über die Briefe bes
Andrea ba Burgo, „Sit.-Ber. b. kaif. Atad.“ XXIV, 166.224. (Der
bier erwähnte „parlawyss“ ift ohne Zweifel Bornemiſza) und durch bie
unten angeführten Berichte ber päpftligen Nuntien beflätigt.
Wiederausbruch bed Turleulrieges. 321
afien, das nördliche Meſopotamien I einen Teil don Armenien
erobert und · enbtich: imn Jahre 18 alich noch dag Reich, der
heſtuͤrgt und dadurch ihre
pterhber 1520 folgte
Herrſchaft erweitert und
auf. Selim J. ſein Sohn
nueer den vielen tüchligen · Suftäiten, “bi
über 'die- Türken gehertfcht hatteu· je
= See rer der ee Ügyptens juni den
Johannitern · biei-Onfel Rhodus entreißen wollte, Hatte, noch, im
Frühiabr 1019 sit ingatii eineit breijäprigen Warfeufiuhtand
' INCH
ber: —— We zu derhänbelin, he tüte
des Könige: vubwig "hätten" at j ale dütayf ‚gingegen folle
Da Unganni zur Fü img
vorbereitet und amt
zu aerwarien· wii
der·tbisher sage ſunhtih bhn Der" S
Etliche, Ka
hittal bie Wegnapme
behaupteten Selten
Srebenil: wäh: ShrElifanrehterer Hoaliicer Schlöffet, durch
die Paſchas ver Helene | hir verhindern gewußt!
leichter die Auszahlung einer alten · Zorderung ihres Königs
burcjjegem: zu Tönıten, ſo ichten ſie den Abſchluß der Verhand-
lungen mit · beit’ Sultan ur Erledigung dieſer Angelegen»
heit hinaitszuziehen ) elen den rürtiſchen Geſandten
zuxück. Bo
Unserdefien- ‚hatte Erleinen Verdeltniſſe in Aſien ge⸗
orbnet- und befchloß nun vor allem, Ungarn unſchadlich zu
machen aid’ ſich aunächft' der Seftungen an.der Save zu ber
1) Theiner, Mon. Hung. II, 626.
2) So Rellt die Sahe'Maffato a. a. O, dar. Daß ber Sultan
von Ungarn einen jahrlichen Tribut gefordert Habe, fagt derſelbe nicht.
52 Verluß son Sabacz uud: Velgrad.
mächtigen. „Sm Juni: 16584 rückte an, mit 20000 Mlgun,
unter denen freilich ‚nun;B0 000 wirkbiche Soldaten inren; Inud
zaͤhlreichen Geichügen an. bie ungariſche Grenze und beganu ie
Belagerung von Sabacz und Belgrade Dieſe waren ob Der
fiöten Kriegsgefahr greulich vernachläfßigt; Sabocz hatte iu
400, Belgrad, Ungarns Hauptbollwerk gegen dien Türfen;;uur
700 ,:oder gar nur 400 Manm Beintungs:-heiben:: fahlteisee
ar Munition, Belgrad ſogar an größeren Ranorenyı:dd..bie
dortigen Gefchüge im. Jahre 1515 bei: ber: unglüdfichenuugper
dition Zapolyas veddoren ud bis ijetzt md micha eijumal
durch andere erſetzt worden waven u —
Obwohl man in Ungarn glaubte, daß der Salat rad
wegs auf Ofen marſchieren und: das ganze Reichnſeinem Herr⸗
ſchaft unterwerfen wolle, geſchah doch auch jetzt Techn wengi czutt
ernätlichen Abwehr: der Feinde. MDer König bot ;pe: nel; amd
bie: Magnaten auf, ‚erfuthte; auch ‚wie ‚Stänkbe:rber: Hhpıntichen
Ränder. um Hilfe:und ſtellta den übrigen Fürſten; Cungpas die
drohende Gefahr vor. Aber IUnnr : den. Enshergun: Fentisand
ſchickte auf Bitten ſeiner Gemahlin 3000Fußganger. n51 Vie
böhmiſchen Landesbeamten ſchobent Die :inbersufung:; desEKand⸗
tages ſolange hinaus, Pak: .dier.ıbewilkigten runpeniugucdgöt
famen. Die Ungarn ſelbſt ließen ;fich: mehr won WEifexſucht,
Eigennutz und Bequemlichkeit als vomn ver :Xiehe ur; Vater⸗
lande leiten... Zapolya, der unbemeghich in; Qiebentürgenskiteb;
wurde. ſogar beſchuldigt, daß er bes Untergang: des Reicheſnnah
den Fall ſeines Herren wiünfce;: um dann: mit Hilfe sjeinex
Leute jeues wieder aufzuvichten und fi zum Königezumnchen).
Ludwig II. hatte ſich trotz ſeiner Jugend am 15. Julli perſdn⸗
Lich ins Lager zu Teeny ſüdlich von Ofen begeben. Aber am
8. Auguſt hatten ſich erſt 4000 Mann bei ihm eingefunden.
Auch als ſich das Heer ſpäter ſehr bedeutend vergrößerte, wollte
man nichts gegen die Türken unternehmen. So fiel Sabacz
1) Naſſaro a. a. O. (bei Firnhaber, ©. 81, in M. tört. tar XXV;
288), der fonft dem Woymoden als einem Freunde Venedigs günftig ift.
Bgl. die Bemerkung Lews von Rofental in feinem Schreiben kom
28. September bei Palady V,2, 437.
Sa
LIIIIIII
Gleichgiltigleit des Abendlandes. 53
trog tapferer Verteidigung »dev: kleinen Beſatzung unter Simon
Logody, die zuletzt, als die Stadt nicht: mehr. zu Halten ‚war,
bei einem. Ansfalle ven Haldentod fand. Soſah⸗ manruhig
zu, wie Semlin, Szalankamen und andere: Drichaften Syr⸗
miens eittgenommen und groͤßtenteils eingeäſchert wutden. So
unternahm man auch nicht den geringſten Verſuch, Belgrad
Rettung zu bringen, ſo daß die dortigen Befehlshaber, Blafins
Olaͤh und Johann Both, zuerſt die Stadt räumen und endlich,
als duvch eine Mine ein Stück der Burgmauer zum Falle' ge⸗
bracht war, dem Drängen der ſerbiſchen Einwohner nachgebend,
am 28. Auguſt nach faſt fünfzigtagigem Wirerſanre auch var
Citadelle übergeben. mußten). ; .
Noch einmal. 308 fich— SEultiman, DET. durch Kampfe und
Krankheiten: fehr "viele Leute: verloren hatte, zurück, um den
Zohanmitera die Inſel Rhodus zu :entreißen, was ihm auch
1522: gelang, aber 100900 Mann koftete. Noch einmal -war
den Ungarn und den übrigen chriftlichen Staaten Europas: Zeit
zu umfaſſenden Rüftungen :gelaffen, um :gegen: die von !pen
Türken drohende Gefahr umfaienve Schutzmaßregeln zu tveffen.
Aber im: Abendlaube. brach gerade 1521 ein erbitterter
Krieg zwiſchen dem Kaiſer und Frauz J. von Frankreich aus,
bev; als er am 24. Februar 1525 bei Pavia in bie Gefangon⸗
ichaft ‚geriet, fich fogar mit der. Bitte: um Hilfe an den Sultan
wendete. Der König Sigismund von. Polen, der Oheim bed
ungariſchen Rönigs,. war lelbft durch deu Kampf wit Türken
und Tataren in Anipruch genommen. ‘Die. Deutichen berieten
auf mehreren Neichstagen über die Türkenhilfe. Der Kaiſer
erklärte jih damit einverftanden, daß die ihm für den Römer»
zug bemilligten 24000 Dann zum Schuge Ungarns gegen die
1) Ich Habe mich auch hier an die gleichzeitigen Berichte: bie Briefe
des Königs Ludwig an Sigismund von Polen in Acta Tomic. V, 388.
389. 392. 401, das Schreiben Maffaros a.a. O., ©. 76f. und an
Tubero ap. Schwandtner II, 370sgg. gehalten, da man nicht weiß,
06 Iſtvanfi, der letzteren ausgeichrieben bat, für feine Erweiterungen ver⸗
läßliche Quellen gehabt Kat. Bgl. auh Cuspinianus, De Caesa-
ribus, p. 490.
524 aniaubihung zut gemeinter didbiegbeliaſe
,nglaubigen Verwendet würden. ; über. do8, Ergebnis war Dei
ben. Reichötag 1522 Dem Exaherzog Ferdinaud, guf drei, Monate
3909. Lanpötnechte ‚bewilligge, ann ‚hie; feoatiigen, Örenzpläge: „zu
bejegen , ‚pie eine Vormauer für ‚das. im Frühjahr 1,522,,.npn
ben Türken heimgeſuchte ‚rain -mwie für. :Steigemgzf. bildeten 1),
Der..Erzberzog: jelbft; verſprach bei einer: Konfexenz.: mit; ‚Den
Konige Ludwig und .‚peifen, Nöten im Herhſte 1523 für den
nächſten Sommer die Stellung, on -2,10u0- Mann zu einem
Seldzuge ‚gegen ‚die ‚Türken; wogegen die ‚Ungarn. und, Bühnen
mit 60000 Mann ins, ;Felp rücken jollten. „Aber der ri
herzog, dem übrigens bie Ayfbriugung.,und..Erhaftung, einer
jolden.. Macht ebenfalls kaum. möglich geweien,-wärg,,.. Yrüdt
jeinem Bruder gegenüber ‚Die Befürchtung, aus, Die Verfprechmgen
der. Ungarn würden, bei ben, bortigen Zuftänden nur, Rauch
isin, und jenes. Neich und dann a ſeine Landerngexloxen
geben A. : hun in.
In .der Eat. ging ber, Auftöfnagsprageh in Ungayu;gerabe
in den: nächſten Jahren. noch zafcher. vorwärts der; u 37 jr
„Muter dem. erjten Eindrucke, des Verluſtes von Heei
voueri⸗ der Reichstag von Geiftlichen und⸗ Adeligen, Hürgezu
und: Bauern Steuern in giner Höhe, daß manndamit ein un⸗
Deren der gegen die Tüten, päte erhalten, Funen,, As
-ı Er BE F 19 F art, 707 td x „nudarz
1) saniten L, a oa AN CE —— nbinca ſr
212: re tepNn tun Iti.
‚HB: Screifen ‚an. ben. ier vom, ‚18. Degember,, 1009 in. nAHacher
und, Forſchungen“ S. ME +...
3.6. darüber befonderg, bie ‚Berichte bes —— ———
trägers Vincenzo Guiddto vom "Dejember 1883 bis "in
1985" ad" defien‘ Srnaktklatiön mit anderen Altenſtücken —— we
Firnhaber a. a. D.,:81 105 138; :undi:in“Mag.. törk. Aa RK,
wie bie: Berichte des -päpfilichen; ;RegntenRaybinal-Gampregaio,nm bei
Geſanhten Baron von, Burgio vom Auguft 1524 bis nad Der Bülach
bei Mohäcs:. » Relations ‚atgrum, ponfißigiorum ©. alg 2. erie bet
„Mon. Vaticana Bist. reghi” Hüng. illüstr.*, wie bie era teitindiülite
und’andertöeitigen: Diäteriäte Sri: Soden dt) Ungatn dor der Schracht
BE: Mohaͤes. Ans dem Ungatiſchen von J. H. S'ich wicke r Gubpen
1886).
8 Ludwig I und ‚feine Gemahlin. 92
aber das Zeuer der Begeifterung und des Batriotismus ver»
raucht art; wurden dleſe! Abgaben die in der That faſt un⸗
erſchwinglich geweſen waren entweder gar nicht gezaͤhltlover
beeſchwanven ih’ bern” Taͤſchen kr: Einnehmer.“Mano beſchloß
Geſetze zur Orgamſierung? ber Re id hir Beſelligung
mancher Mißbruuche in der Werwaͤltung. Aber "rs aller
Strafbeitimmintigen‘ führte harte" ie DREI Kluft
zwiſchen beim nidberin Adel, Br vomnden veſten Geſmnungen
erftllt, Aber ein unbewufteb Werk eüg In den Herden Zapolhas
und’ feiner! Kreinbe' war, A oe dDen Malgnaten · Anb
Blfchöfen wurde immer gehhet et Ra hicht iumftande;
ſich beide Partelen un terztlorditen! NG OBES NE νσ.νιν
"Denn Ludwig IEZ derEnde id Bent: Ramen nuch Perf
bie Heer Aber ee Beziehunte et
ſehr ſeinent Water ahnlichn Er wär für EB unv
unſelbſtaͤndite wie dieſer vnd konume niemandent etwas abſchlagen,
war auch von feinen Erziehern in die Regierungsgeſchäftélgüet
nicht“einherbeiht norsert. rate Kühigin⸗ Maria⸗ don fteiireich,
mit der er im Januar: 1523 Maine Hoͤchzelt feierle Ari: die auf
ihren Gemahl Febr: ’Froken: EKinfluße ktlangte hatte? zwar' einen
viel ähnllegeren Geift ag: ibiiſer "ber" fie War: boch· "och
zu jung ind’ Aunerfahten, ie Sa ten zu können.“ Mich
fit Das unge Bader Konigecnfolge ſeiner! er
ziehung, die Königin infolge ihres lebhaften Naturells, vecht
vergnügungsſüchtig, Hehte Schutanfgreien,. Tänze, ‚Turniere ‚und
andere Unterbaltungen, die Geld Ffojteten und von erniteren
Beihäftigingen!abysgen.- Damit Blafia and; manche Beutice
an, ven Hof gekommen waren und jet außer? Geblege voht
Brandenburg auch ber fallerliche Sefanbie PN will, „Andrea
da Burgo, dann feit 1523 der weniger. ‚uneigennägige Iphann
Schnaitpedh, beim Könige und der Königin viel. galt; sIpr murde
der Haß der Ungarn gegen :die Deutichentinisch miebb'gefteigerk::
Der Markgraf wurde auch endlich in Den‘ "Hinbecgriribl "ger
brängt durch den Kanzler Ladislaus Szalfay," den ‚Sohn eing®
Schufters, der nach dem Tode Szakmaͤrys igar Erliahr.1524
Erzbtihof von Gran ward, obwohl er fich bisher noch micht
528 Angriffe ber Oppofition gegen bie Hofparktei.
eimmal zum Priefter Hatte: weihen baſſen. Ezalltay bemutte ben:
Haß der Ungarn gegen das auch in; Ungaren;- befunbers: bei:
den Dentichen, ut fich greifenbe Luthertum;u dege:Sewrg':yapr
neigte, um dieſem den feiten Bodem unter den Füßem wege
zuziehen. Er bildete nm, nachbein er auch Schuditpedih:: tr
fein Intereſſe gezogen: batte, mit bem Inder Curiä Ambroſtus
Saͤrkaͤnhy und dem Erlauer Biſchof Paul VBarday, bie ifmir ma
bedingt ergeben waren, ein Triumvirat,“, das EOuaden, Merht
Ehren und Bistümer verkaufte” und Angersit thatzalich he
herrſchte N) Zu BIER TapE ta Ir 92 Ten
Als Ludwig nach ao. al einfähriger: — ——
Böhmen im April 1523: nach Ungarn zurückkanmt, erhpl bei
Reichstag, auf. dem die Anhänger Zapolhas das Ubergewicht
hatten; gegen den Palatin! Stephan: Baͤthory und deſſen Bruder
Andreas wegen Unterſchlagung von Gelder, Brägnitt Tehleckter:
Mümen, Einverſtändnifſes mit‘ ber: Türben bie heftigftenl Au⸗
klagen; die gewiß falfch oßer wenigſtens übertrieben Mare: ins
verlangte som: König: beffen Abſetzung, widrigenfalls seht mir
Verweigerung jeder Kriegshilfe: drohte. Esſ blöeb nwentfelben
nichts’. übrig, als Baͤthory vorübergehend feier; Wikedetigun
entſeten, ohne einen anderin Tun deſſen⸗ Stelle watlen jet
laffen.: . 2a line ru enge BρHιν—
TB Safe 1524 wagte der. König den Reichſtug yakiniche
eingubernfen;; worauf Zapolya und rinige iderei Nroße Meh
mit dem Plane trugen, eigenmächtige einen "Sole zu uaiahr
laſſen, am durch dieſen ber" Kötige "einen: EGnbertutos:an wie:
Seite zu geben, "alle Deutſchen non Höfe zumwerjgen sind der⸗
Gelbdverſchwendung ein Endes zu machen. Schon rüber än wis:
ſchiedenen Komitaten Privatverſammlungen ſtatt.: Uur wigſen
Umtrieben die Spitze abzubvechen, ſchrieb endlich noch: dev Abniy⸗
einen Reichſtag anuf den 8: September dach Ofen Auer Gfkich-
zeig forberte ernaber⸗ Vena 'bem: "böhenifehen et:
A ir Tor) antik
eingehendſte Darle ung in ber » e n Rupti
36 F io. de Kon ” ie Kr
bie- Relation bet: ‚senettänifäen Sefittöten ve Bien abrre & er
80. 136. da meieneg To Ni ie MID
Stiirmifche Adelsverſammuinng bei Belt. BR.
ihm 56000 Mann zuhilfe zu: ſchicken, was daun in Ungarn
einen großen Sturm heworrief. &.Die Oppofition dounerts
gegen: ben Eigennutz und die Welllin- ber: Magnaten unb bew
Einfluß der Fremden und war nach darüber eutrüſtet, daß
Stepden, Büthsry in die Wurde eines Palatins wieder ein⸗
geſetzt wurde: Die: Hofparter machte es Zapolyca um dem’
Temeſer Grafen Peteru Perenhuzum Borwurfe ‚:bap: fie es
unteriafien :. hatten die voninden Türken bedrängte Teftung:
Severin: zu entſetzen, die als dus kette Bollwerk des: Reiches
an der untern Donau angeſehen worden war. Ihre Abſetzung
unterhlieh nur: im deririvautimg j'vaß fie: ſelbſt ihre Amter
nieberdegten, was aber mamı Berähhi tbati 0°: sm: emaizt
: 3: Neichötage:veai-Suhres:1528 fanden ſich die Adeligen
am 10. Mai bewaffnet aufibem :Iafos-tein:: Ste; tobten
gegen den Palatin, der dert’ Berluft:Belgrabsı. verſchuldet gegen
den: Primas, ber bei Ausfichrung Dernfrüheren: Reichstags“
beichlüffe: hintertriebeni haben gind aka: Sohn times Echufters
den Übel shaffe,;.i gegen diengchlachta Münze, gegen: den Schatz⸗
meiſter Smerich: Szerencſts rinen getauften Juden, gegen die
deutſche Höfliuge. Birnen: fünf Tagen ſollten dieſe vertrieben,
der Geſandte ne: Kaiſers und Venedigs; als einer meik: Den:
Türken befreundeten Macht, entfernt, Szerencſes verbrannt, der
Staatarat anngeſtaltes· und durch Mitglieder des Adols amgfänzt
werdeni- "Wine Diepusakinn von 6ul Mitgliedern verlaugte vom⸗
Könige: dig Erfülling-bieferSörbernnngen:. Als dieſer teikweife:
eine ausweichende Antwort gab; beiehloffein: fie;: daß sber gmige:
Adel, nie Meipperem;peirfönlich,: von den Unbemittelteren Berz:
treter, bei: Strafe des Laembeaverrates amuꝰ a. um: bewaffnet·
in Hatvan / nordoͤſtlich woni Belt ſicht einfinden follke, um für
Die. Zutereſſen/ deb Reiches u ſorgent 93.8 ic maduirinn:
Bergebeus werbanden fichn mun bie Biſchoſe nik: vor⸗
nehmſten; MWagnaten zeit; gegeuſeitigen Underſtützung.:r Bergebans
unterſagte der König die Hatvaner Verſammlung. Es zeigte
fi Halb, hie Vemtn "ch Safpiaredh Yen wne
.. Da. faßte der ſhiche „Wruner Exzbifhöf. den Wlan, ben.
Sturm, der ihm nicht am wenigften bebrohte, dadurch von Tich-
. als
3 Tie Eerrammminor ia Tomen.
abzufenten, daß er ten Hof bewea, mit Yapelvı und ter
Arelöpartei tich zu vertraxen und benielben tie anderen Gegner
zu orfern. Gr gewann fir Dielen Gedanken zunächft bie Königin,
die bei der iteiaenten Net Des Reiches erniter wırte und maf-
aebenden Einfluß amt die Staatsgeſchäfte zu erlangen Tuchte,
und durch dieſe auch ihren unſelbſtändigen Gemabl. Cr eimigte
ſich dam mit Zapolya und dem geiftigen Haupte ber Adels⸗
partei, Stephan Verbẽcih, indem er dieſem Einführung von
Reiormen, jenem materielle Vorteile, namentlich die Güter des
reihen Ujlato zufante, welche demſelben einit zugefichert;; aber
nach Ujlakys finderlofem Tode, als: der Krone heimgefallen,
von der Kegterung vorenthalten worden waren. Zugleich fuchte
man auf die Stimmung des Adels dadurch einzuwirken, daß der
Hof einen Teil ſeiner deutſchen Beamten entließ und der kaiferlichen
Geſandten und Georg von Brandenburg aus dem Lande ſchickte.
Trotz der Warnungen ber Magnaten begab ſich mm ber
König mit den oberjten Würbenträgern und deren Gefolge, bei
3000 Dann, am 2. Juli nach Hatvan, wo 7000 bewaffnete
Adelige ſich eingefunden hatten. Der König wurde mit Ehr⸗
furcht empfangen. Dagegen verlangte Verbdczy ale Üortführer |
des Adels die Entfernung der ungetreuen Räte, bie an allen
Übeln ſchuld feien, und veren Erſetzung durch Patrioten und
die Verſammlung zollte ſeinen Worten ſtürmiſchen Beifall.
Baͤthory und Saͤrkaͤny, die ſich zu rechtfertigen verſuchten,
wurden mit Geſchrei und Vorwürfen empfangen, To‘ daß fie
in der Nacht aus Hatvan entflohen. Bergebens erklärte es
der König für eine Ungerechtigkeit, daß man jemandem ohne
Unterſuchung und Rechtsſpruch fein Amt entziehe. Der Abel
blieb bei ſeiner Forderung, rief Berböczy als Palatin aus und.
verteilte zugleich die anderen Steichdämter unter bie ihm font. .
pathifcheften Magnaten. Dieſen Eingriff in bte Rechte der’ Krone
wies zwar der König zurüd. ' Dagegen beitätigte er bie Wahl
Berbögzys zum Palatin und verſprach auch eine neue Beſetzung
der Yandesämter, die Aufnähite von Mitgliedern des niedern
Adels in den Staatsrat und die Erfüllung anberer Wiünfche
der Verſammlung.
Steigender Haß. ber: Parteien. 529:
„Dex. Adel und mit ihm Zapolya, der. an: Macht: und
Einfluß. ſelbſt den Kömigi.übepktair besten ihren: Bieter,
reicht, die Perwaltung des Meiches: lag in den ‚Dänen der
Palatig · may. ain — ——
gewanhter. Bolkärebinr, aber keina Berfönlichteit, non: Thautraft
unp.. faatsmännifchen .Afhigfeitan: sıikliv...bie;. Beſſerung "ber:
finanzielen Sage, und. tür die Ficherung des Reiche gegen‘ bie. :
Türlen, gelchah keit, mach, wenigen als frkger; Von ber Steuer,
welche bie Hatvauer Berſaznmlung hewilligt hatte, wurde nicht
einmal die Hälfte, ‚eingezaplty ; Dex König, der ſchon ſein Silber ⸗
zeug, an die Zuden verpfändet Habkeyınkennte. las bie: not⸗
wendigſten Bedürfniſſe jeineg, Tafel wesen u helm mit‘ ige:
einige, Gulden zu, leihen. zus une rail
Die, Örenzfeftungen wighen Aesmachläfigty. ie, —E
truppen und hie Tſchailiſteun Welchedie antare Donau bewachten,
liefen teilweiſe davon, weil ſie. nig einen: Sold erhielteit; wen den.
Kommpnhgaten entſagte einey, ach ‚hem,ambern ;feinen: Gtetfung,
um nicht, für „den fichexen Berluft deſ ͤhm, anpertrauten Plagee:
büßen, ‚zu, ‚müfjen. „Der: Rüpig) und bie, GtantBräte: machten
ſich gegenſeitig Vormürfe und ſchoben einander; die Verarworte.
lichfeit für, Die ‚traurigen, Zuſſände deg Reiches un: st:
Der, DR der, Parteien, zuge durch / bie Borgaͤuge in Saar.
nur, ug, geiteigert ‚worben..., Schon, in der exſten Sitzung des
neuen Staatsrates (am, 11,190, 4625), hatte Baͤthory, Der:
fich,, noch ‚immer als , zechtmäßigen, ‚Palstinbetrashtete,- feinen :;
des Kenig.. wie der.n aimnzunehman geſcht. 93
ud eine sage, Verbindung, ii ——8 dem Guaner Erz⸗
biſchol und dem neuen Schatzmeſter Johann Döcn· zu ſtärlen.
Andgrerjeits flog auch, aͤchory mis DefraynhetenusRngnaten. :
und, ogengpmen Edellfuten. ‚ng, Konfähesafionu.pie ſchon Enbe
Suhl, aus zweihundert Mitgliedern beftandu er charalterlofe
ftfüchtige. Erzbiſchef von Erau ſtande auch :mit,ohiefer:::
„geheimen Benebungen. Auch derrknn ka mit
—— "asia Öfterreihe. III. A
530 Siceg der Hoſpaxtei.
‚auf eine Gelegenheit, una: die Berfügiungen, die ihm innHatoan
abgezwungen worden waren, wieder manjufjiohen._ Als ihm ie
RPartei⸗ Baͤthorys durch Ben früheren Sihakameiften: Abe
Thurzo bie. Wiederherſtellung Den königlichen Bervalt am frühe xen
Umfange in Ausſicht ſtellte, ſchlaß ef, ch; won:hesiMkigin
dazu exrpumtert, unbedingt derſelberæẽ au zum venbtend⸗ſich smit
ihr zum. Sttzurze des gegeravärkigen Gyklemdi- so sinsrie:
a Konföderiertena) Tuchten; ven: mittleren Adebn Deitsuif
den · übexrwegenden Einfluß des Rlemabelineiterlähtigiiune, Kir
ſich nzu gewinnen zund nahmennaucht hiele permögenslafe Edel⸗
Jente in ihren Dienſt, rien: ſich heimnkünftigene Reichstagen hits
Abexgewicht gu fichern;.: fit gaplveigeng bewaffneten Sefplge hen
Aneligen und Bauern, Bätsorp alles mitbOR Meitersunsauen
die Magnaten amı-24. April: 152% nach Ofen. Baulfirtämkt,
früher eines der Häupter der Adelspartei, der ſeinem Gefttitung
untreu; geworden, way ihr, Wongtfübrer. wicen!! dnaran2E
ec: Parböezyn Haktamıfirh- Miele: Aremıbenaundc We⸗
finmungsgenoſſen geichart. ı.„Mhen Den: mächtigſte Mocen dieſer
Partei; Johann -Zappkya Heß, ihn inn St bliebr dem
Reichstage fern, ‚weil Dan. aberkte »Serichtshaf tere VBerbijenſ
Porſtze in. der: Steeitiache, anegen ber: üten Nijbakyqngegenabti
augyriten: ber. Krone enkihienenaßgtte.nntiu® 130 mad , nJun
nn Das Berlaugen: Bethorhe, Da: iiukie ungelneinbenmeile
‚sytzegene,.. Ühirbe-e: Walesius ‚mieheri Juuischklitzsivarde,
wwurdarvom Meichstage „mil: Beifallınufaenemmemsic Rerboh
aa; Daher fein Ak dtubie Hände ee und loh,
Hin: Tem Reben fünchtend, mitnlehmm Fchwieggroter und Varted⸗
genojien, Michael; Boe, Hei Rachtuuus Sienumufuiin Muto am
Sehlas Kemitat., Wegn damitichegnügten; ſich er Haf unitue
Begreichen: Maghotenn micbtrr· Dar· Renig rexflacche Berboczyr uls
Begführegu des Poylles ünnobgeſetigz Diese Reitstag Iprarksäher
Release Mc
nyına sIHLÄBUTEUAD IT mind ug moflalbiad Bnuttg Inda
DEE EUER EU PIE TUT TARRS NG) rast. TE EHEN Er Bi
RN dalEndack Tre ———— —
reis mei mennel ban run zröſtimmaß
u...
“:
Drohender Augriff-des Sultans. 81
aus und: verfügte bier Eluzlehicug Ahree GüterBäthoryer⸗
hielt: wieder bie Palatinswirrve/ und es ward verfügt,: daß diefe
fortan lebenstanglich fein: ſolte. 1. Die Beſchluſſe Bert Hatbaner
Berſciumlung ini fir Auugülnze erllärt! Unve! den Konige
in. Beziehung aufitsie Werwaltung DIE Ernennunß ſeiner Räte
und Beamten und idien Sorgettfür die? Lundesverteſbigung uñ⸗
beſchränkte Gewalt zugeſprochtunMoch! geſchah twies nicht aus
‚einem‘ tieferen iipolltiſchen Prinzipuf ſonderniwiei vet Sprecher
der Stamben vem Konige Ausdruͤcktich lite, um Beh Eintreten
dies Unglucks Se / Verantwortunggon: ſichiabſtulzent Ju Fönnen.
Auch⸗ durften bie Mär het daß ahr Einfluß
Dabeizu hy: Kine! VBonnriinben bnige7her Augeſichts des
drohenden MNuterganzsn ea) NR Vuhlg! RE,
er licht zu nern Bo ee autobeatiſcheongerſchaft
einfuhreſ wet ernin nd nimng na Ba ven
Während Ungarn HoHiitianden! Parteikanipfen zerriffen
Wear Suleiman die Wuůckon wolche ber Kampfumt Rbodus
moo wie reißen ſrinet Heeres gerifſen,r dus gefüllt vnd den: Auf⸗
ſtaud? ves Soatthaltersuvon Ästen medergeſchluigen Die? mc⸗
are Reglevungchatte⸗os eure, ie Zeit ebeiffiitäke
Polen zund Abſchlufſereines Laungeren Wuffenftillſtandes Fir Be⸗
nutzen, den der Sultan Vingeboten Hirte, vbwohl ahnt reiſich
btumn w cicht reanſt jeweſen iind neo Mira ae mar
vow aderſchiroectsn Seiteuwle ſicheeſteſi Nechrichterni Sie
naar Die Bahr Tec tere unternehuien
werdelun MWertemianihorchie Sinhner iMiedeyn Fläubig! alifo Jesus
Grtucht n dot Bo, Waßo men ee ver⸗
ſchont blͤlenu würbe oNuchheals vie Meddung trilli waße wer
Sultan m 28. Aprilowon Monfiuntindpel gegenimgtorden win⸗
Zebvorhene it, wurden wochen ernſtichen: ehgeniilaßregein net
griffemcen Devpr Sualltsrut, voo obennil der⸗ Keſligeauseſehlafen
Kalte, ia län HT Degen gino End use,
ohne etwas bejchloffen zu haben. Die Steuerrüditände waren
Bi einzutzeiben, Das KHixchenſilhex, mongn big, Hälfte ‚für. den
heiligen Sieg. verwendet wardenſollta wire .banilärsglichen
Kommiffären nur nach langem Sträuben überliefert: und forte
34*
582 Gleichgutrigteit in den Reihen, 8. Ludwigs.
nicht Schnell, in bares Seth verwandelt werben, & fe te das
Ber an allein, an — an Bl alı Weben mit in
— Könige, dm Üngerftign „ser
Öftsrreich, det bie, Sache Ungnene\ als feine”
mußte, ‚mat dur, bie Afitände der, e
Ion feier den Ungat
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Fali Peterwarbeins. 588
‚.. Obwohl bag. türtiſche Heer, A
an Die Donar, infolge beftiger egengüffe nur. ‚Tangfaut vor
wärts Fam und ber Sultan erjt am 2. Juli in Belgrad, eine
traf, jo hatte man in Ungarn, noch ‚immer nicht jo, viele Truppen
aufgebracht, daß man, ‚den deinen "den Übergang ı ‚über, die Say
hätte ſtreitig machen tönen, Wären dieſe raſch gegen Ofen
marichiert, fo würben fie fi, des Reiches ohne ernſtlichen
Widerjtand bemächtigt Gaben, Dog tar. ein fühnes Bote
dringen damals den, Türfen m Der Sropmefit Ihrabim
und ber Paſcha von "Belgrad griffen zunäcit am 9. Juli mit
der Vorhut, 35—40 000 Mann, das befeſtigte Pellrwerden
andas eine Beſatzung von 1000 dußſ— fofbaten,,, die ‚Hälfte
päpitfiche ‚Soldtruppen,, date. Dieſe Schar, unter Führung
des Georg Alapt, verteibigte biefen Plag mit, äußerfter Tapferr
feit, ſchlug mehrere Stürme ab und hielt ſich felbit mod,
als ſchon ein Teil der. Mauern „sulammengecpoffen mar.
Erit als am 28 Sul ‚Auffliegenpe Deinen eine neue breite
Breſche geöffnet hatten, gelang der Sturm, Die ganze Ber
jagung, ‚bis auf 90 Dann, die fi, in einen feften, Turn
zurüchgegogen hatten ‚und freien ‚Abzug erhielten, fan,, den
Heldentod.
Durch die tapfene Ber Ding, Belerivarbeins ‚hatte Ungarn
eine neue ‚Snabenfri, erhalten. Aber jie ward nicht mit ſolchem
Eifer denuht wie, die — es erfordert, hätte, Als ber
König, dem, Drängen des Adele nachgebend am 20. Juli aus
Dfen nach Süden aufbrad), begleiteten ihm nicht ‚einmal 4000
Dann, Auch jest fanden, ich die Magneten und, Bifgöfe mit
ihren, Banberien und bie Adeligen aus den Komitaten . ſehr
Tangfam in Tolna ein, "das zum Sammelplage deg deeres
beſtimmt war, Det Sönig wollte einen Teil feiner Streit“
‚fräfte, unter Anführung,, des Palating Bäthory gegen Eſſel
ſchiden, um den Zielen ben Übergang über die Drau zu
wehren. Aber die Großen und die Xbeligen erflärten, nach
ihren Privilegien feien fie nur mit dem Könige ſelbſt gegen
584 Zuftand bed ungarifchen: Heeres. "
ben Feind zu ziehen. werpflichtet. “Damit fie, nicht sifww-’eigewe
Zeigheit durch den König decken könnten, wie derjelbe tunen
ins Geſicht fagte, befahl bicſer am.xk4. Angaft- ſelbſt Sen:Anf«
brug gegen bie Drau. > man Der MOMERYE“
. Schon Hanb man in der Nähen Dee Beinbes;-ir ‚man: hätte
weder ein beträchtliches Heer noch einen: Oberfeldherrn ed‘
Niklas Salm, der ſich in ven Kriegen Oſterreichs gegen Beedig‘
und bie Bauern hervorgethan, hatte unter Hinweifung aufiſelne
ſchwache Geſundheit abgelehut. Graf Chriſtoph Fraugepane,
der im Juni 1525. mit 6. bis 7000 Mann: a6 vouinden
Türken fchon aufs änßerfte gebrachte Faicza eutſetzt und wars
proviantiert hatte, aber dann, weil er? keine Belohnungtochlelt
nach reinem heftigen Auftritte mit dem: Graner Etzbiſchoß ven
Hof verlaſſen Hatte, war dem an ihm ergangenen Rufe ebenjo
wenig gefolgt. Von den Ungarn war ver Palatin Frünklich
und. unbeliebt, Zapolha noch fern, da er infolge: widerſpoechen⸗
der Befehle lange nicht gewußt hatte, :ob er zum Könige ziehen
ober: burch- die Walachei in Bulgarien: eindredhenijoltte. Ye
wurde Paul Tomory zum Obergeneral beftellt, der fichiieinft
als tapferen und tüchtigen Führer im kleinen Kriegebewieſen
Batte, bann in den Mmoritenorden getreten &warkuni:tfeit
1523. als Erzbiſchof von Calocfa mit: Eifer: no Umſicht bie
Verteidigung bes fühnlichen: Ungarn gegen. die: Türken Steleitet
batte, aber freilich ohne Erfahrung. zur Juͤhrung eines grüßeren
Heeres: war. Georg Zapolya wurde Ihn. un diesil@eitsiigen
geben, big deſſen Bruder y ber: Worwode von. u. Sheßenbhogen,
ankäme. J „ah - ahiipehr‘T HIN
Tomory eilte nun mit etwa 10 600. Reiten: Jegen ‚vie
Drau, um den Übergang der Feinde über diefen Fluß zu hin-
bern, erhielt aber bald: die Nachricht, daß ‚ein -beheutender Teil
derſelben dieſen bereits bei... Efſek überichritten . habe: ‚Ber
König und feine Räte waren: nun ber Meinung, man ſolle ſich
nach Ofen ober einem andern feſten Platze zurüdgiehen, "big
Zapolya mit den Siebenbürgen, Chriſtoph Trangepane, mit
den endlich in Bewegung: geſetzten Kroaten und die Truppen,
die von den böhmiſchen Ländern ber auf dem Marſche: waren,
. Träugen ber Adeligen zum. Saumpfe. 535
angekommen ‚wären, :Abers bie adeligen Krieger, denen Tomory
die Frage vorlegte, als iwenn wan nicht im Angeſichte eines
übermächtigen Feindes, ſondenmm aufe dem Raͤkos geweſenwäre,
verachteten in ihrem Übermute die Türken, deren Heen großen⸗
teils aus. unkriegeriſchem und unbewaffnetem Gefindel beſtehe,
ſchimpften über die feigen Pfaffen ‚amd: verlangten, daßder
König fie. in Die. Schlacht führe. Selhſt Tomory iwurde von
dieſem übergroßen Selbſtvertrauen angeſteckt, obwohl er auf
die Frage des Königs zugab, dag: der Sultan wenigſtens 70000
tüchtige Soldaten uud 300 Geſchütze bei; ſich babe; die Ungarn
aber nur 20000 Mann hätten, unter denen auch eine Schar
Bohmen unter dem Grafen Schlickunnd 4000 vom: papftlichen
Nuntius geworbene Mährer und Polen waren. Da ein Wopt⸗
führer der Soldaten ; neuexdingsgegen Die. Verſchiebung bed
Kampfes ſich ausſprach „und: ein. Rückzuge bei Der Rähe des
Feindes und der: großen Zahl feiner: ſchnellen Reiterein auch
nicht ohne Gefahr ſchien,ſo, beſchloß man; in der Ebene
ſüdlich von Mobars.. ftehen zu kubleiben und eine: lat
mageni:: 333 0 tu Ta] Shane.
Vn ben. nächſten —— noch yerfihiebene Beritärlangen
namentlich aus Slavonien unter bet: Ban Tran; Batthyunmyi
und demnAgramer Biſchofe Simon Erdödy, auch 9 Kanonen,
die aus Wien. geſendet worden waren. Aber auch, jetzt betrug
die Zahlder Ungarn. höchſtens 000. Mann 9). Trotzdem
wurden alle Vorſichtsmaßregeln unterlaſſen, auch fein Verfuch
geuracht,: den Aufmarſch Des. türkiſchen Hoeres zu ſtören.
Ka Nachmittag des 29. Auguft griff der Sultan die Ungarn
‚ Nadhben er.' “fe ſchon mehrere & Stunden durch einen Teil
BE ai. 0 Tran di
4) Der damulige anger Srephaun Br labaries, vBiſchof von Syt⸗
mien, der fiir bie Vorgänge ſeit ven; Aufbruche ans Ofen, "die Schlacht
bei Wohaͤes un die ehe Ma — wichtigſte Duelle if}
han 'Ber-in ben letzten 1 rien. ———— —— — a.
wert: bie Ungarn. ſchon früher 20000::Masın ſtark made. !.
536... Nichralpge;her lingammihri Mohichn
ſeiner Keith beunruhigt ‚hatte... Anfangs Imarfeschte kintgarnı
Die Zeinde zurück, und kühn brangentfie:ig deven Reihengein,
338 fe, unmittelbar. ‚HoF, ben Heſchüren ſtanden. Der ⸗Wirlung
dexſelben und. der Überzahl, der Feinde, Din. mon. allen s@ndten
Auf ſie, ejndrangen, verigorbfen. Fe, ht: lauge ſtaueguhalten.
Nach anderthalb Stunden man ihr Heex ernichtet. Deni größte
.. Zeil, darunter Die. Erzbiſchoöfe a ran mund Ealocka, Fünf
„Bildäfe,. Veors Bapolga, Bahann Prasiff;hengegeweiträne,
unde Ambros Sarlaup, der frühere Nberſtlandrichten und mehnere
„‚anbere Magnaten, 50q. popnehma. und; ſehewele-geringere
Edelleute bebedten. a, Echlachtfelg. AS Gefangene dieiiider
ESultzan ‚am ‚folgenden, Tage enthaupten. Nur „einige lanſend
‚Mann. getteten. ſich. durch Dig; lfpchin Nahen Eänigeiner
alüctlich ‚enttonpnen.,., Ybgn beim Übexjepengines konft ambeteu-
tenden, damals aber; ſtark ‚angeishipplienen : Bades: übexſchlug
ſich fein Pferd uud, begrub ihn im: Supfe, unmfikene: er
„Ihwer,..hemoffnete. und abenattzta Fürſt ſich anicht himehr czu
getten. vermochte. +... uptsk: one: Hhin Bruni Androgur
Nach ber, Bernickung. des ‚unanziichen-Heeiiindagırlingsuen
webrlos zu Suleimans Füßen. Zwar Ham sBanaita mit
15000 bi8 20000 Mann!) bei Szegedin. Aber .wie er
feinen Mari von Siebenbürgen her keineswegs jo bejchleunigt
batte, wie der König ihm befohlen, jo ſah er auch jeßt ben
Geſchicken feines Vaterlandes unthätig zu. Für die Befchul-
Digung, daß er jchon We mit dem Sultan geheime Ein-
verſtändniſſe —— fbe , 0:98 zwar an jedem ſtich⸗
haltigen Beweiſe. D lite ed jtch, daß er wohl den Ehrgeiz
aber ‚nicht ‚bie Brake, den Mut babe, Andprtinedt Unler⸗
gange zu retten. ij zip maugin Hl” on;
Ohne ben "geringften Widerftand drang Suleiman nach
Dfen vor, das die Königin und die reicheren Bürger mit ihrer
und Pper dio ur oder tie binilsuh zu mshrü 1
Er ol ke bie — Astra“ ad‘ Hin ie
gerbinahbs L anm FEN Lane Mocgärttal von BL gilbbenthe
Hong: hist, ‚Piplain. L: 46i1;l Die geanmiulich Jangagenurte IFagl!O OMWTR
Jebenfallß berief as hen. sruhit nd UND.
Abzug er Vlirkenitiaih · Verheerung Ungarns. 387
At beſten Habe verlaffen. hatten. TI ieuVerteidigiing der Stadt
uoder wenigſtens ber: Burgi: dachte nleniand. Am 10) Septem⸗
berzog⸗· der Sultan ninn ungarus Hauptftabteeinen vie Eirtige
1 Date darauf Bon feinen Horden großenteils Ungkaͤſcheri wurde.
ad die⸗ Übrigen Ortſchaften wo Ber Doku bis ine” Platten⸗
fee und bio gegen Monk, mit Auonahute⸗ einiger" Wie "wie
er Buvgen bon Funflirchen, EL 77.772 und ee und “Der
Stabter Etuhlweiſſtaburg, Erg ah ſRomorn wurden 'ans-
geruubtt. und verbrannt zahlloſerenſchen erſchlagen·n ‚Später
traf has Gebiet· zwiſchen Bert und‘ der Theiß Yasjelbe Kos.
Auf: 200:000 hätt Ver BAHR Reichskanzler Biſchof· Bro⸗
—darios die Zahl der Perfonen, ie in⸗ Ungarn wingeſchlachtet
. oder; Sllaven?“ hinwegheführt Wurden: ſinb. Der“ ganze
Felvyug erhiert berhaupt den Chatater "chen Hope Auub-
90909; ba Sultman iso kinf?igie" Nachricht von!idrufftaͤnven “in
Kleinaſien aind · wetzen der NUGe des BWinters Eude September
de Ruckzug antrat in Of ame” Ven anbern eroberlen Pölten
außerhalb Syrmiens nicht einmal Befatungent'Huirhätieg. Nuf
Vientlcheiduug ber angmichen Ebfslyefruhe⸗ zabii ber” Sultan
mr: kinen Einfluß. „ei ‚a3 CRISDIHD- J
u 2429 NG: SEE si 1 hiue id: ir} .
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‚Die Wahl: Kerbinkabs: Yon Steck Ah Rötie
—RX dr 3 Hper
von ‚Böhmen und Ungarn.“ F Hut
bon Mau Gunıd SRRÜTSCRE wg a gun
eds ie nf νν NOTE ninius Bad ent mar mt.
Der Erzherzog Ferdinand war gerade im Begriffe, jeinem
Druber gegen, ben, Mapft,,, Menehig und „aubege, itglieniſche
Slaaten. pie geen hen Köhis og entcei von Zirok::ane
neine anſehnliche Truppenmacht zuhilfen zu Führen />:ul8- am
9. September bie ſichere Nachricht vom Tode ſeines Sqhwagers,
538 Anſprüche Ferdinands pon Ofterzeich auf Böhmen.
des Königs Ludwig von: Böhmen undi Ungarn;neintraf. : Dies
gab. ſeiner Politik, die fich; bisher hauptfächlich fit; die: War
gänge imcſüdlichen und: meftlicke: Bimepa ::intereffiert hatte,
eine ganz: ee Richtung... Det ſah er es für: feine Aufgabe
an, die Ideen zu verwirklichen, für. welche jchon jeie; Groß⸗
vater und Urgroßvater den Boden ſorgfältig vorbereitet hatten,
und die Anſprüche feines Hauſes auf die verwaiſtenReiche
geltend. zu machen. Denn, wenn er. auch aufangs über die:
früherer Zeit geſchloſſenen Verträge im einzelnen ‚nicht “genu
unterrichtet war, jo hegte er. doch die ſichere Uberzengung daß
ſein eigenes Recht oder Das; feinen: Gemahlin: Anne, Ber Gchweiter
Ludwigs, jo feft begrundet ei doß :06 nieht ernftich angefochten
werden könne. Sr ng. Hi 5
Bezüglich Böhmens 3. ft, —— dab Recht. Feiner
Gemahlin nuf die Abſtammung verjelber vom vorletzten Könige
Wladiſtaw, fein eigenes anf :.die verſchiebenen Erbverträge,
welche ‚die Habsburger mit den bbhmiſchen Hervſchern geſchlofſen
batten. Auf: Tetteven “Bunkt:Hlegte er indeffen bako.Felbft: fein
großes Gewicht mehr, ida mann Kotz alles Nachforichansi: mir
die Urkunden über die in den Jahren 1364 und 1366 zwiſchen
den Häuſern Habsburg und Luxemburge abgeſchlofſfenenErb⸗
verbrüderung fand. : Dieſe konnten aber suumögliih für Die
Erbfolge nach dem Erlöſchen des Manusſtammes der böhmiſchen
Sagedomen maßgebend Jen. ei sw x. Begenieil: batteır:sbie —
Ga a 7 A ARTE
1) Faſt glecheitin ecfienen Aber die PFEIORN Rönigensähl. Pen Yo
beiten vor DO. Gluth, Dis. Wahl Ferdinands4. zum Einig von Möhmen
1526, in „Mitth. d. Vereine f. :Geihr;h. Deutſchen in Bühnen. AV,
198— 230 und 211— —302,. und N. Reiel, Geſch. ber, R ie ng Ferdi⸗
nands I. in Böhmen. 1. Kerbihands f. "ih und "RER erutigdanttilt
(Brag 1878), die beide auch Thor Va Maibtlät: behinken konnten, bag
dann Gindely, Die bbhmiſchen Lanbtagsverhandknngen und Sanbtahds
beichtäfle vom Jahre 1526 bis auf die Beet 1. * AT (rider a
ländern KSildert tert of tyra
.. Das Erdreiht ſeiner⸗ Gemahlin. 589
Burger ſelbſt ſtillſchwaeigend anf: ihre früher evworberen:: An
fprüche.:verzichtet, ‚unbe ſie die von den Böhmen nach dent
Tode des Ladislaus ;Boftumeerigemählten Könige.’ Georg nun
Wladiſſlaw anerfannten.:: Nur in⸗allgemeinen Ausdrücken Hat
der Ermherzotz auch. Mile Ban auf ‚Die : Vertrge· hin⸗
geiwizjen. io UL mgei ng in Wa le Wed
Mm fo. entſchiedener —8 hielt erinnt amt: Erbrechi⸗
ſriner Gemabin feſt, welches: ur ber Thaf nach. den. böhmtiehen
Staatsgrundgeſetzen: garnicht. angefschten. werben fomfte. Denn
die mit: Zuftiminung: :der böhmiſchen Großen ‚getroffene Ver⸗
fügung' Karls IV: von: 134& wiendies goldene Bulle von 1356;
hatten ja das: Wahlrecht der Bohmen Awdrücklich auf den Fall
beſchränkt, daß vom königlichen Stamme auch fein: weiblicher
Spaöðßliug mehr vorhanden wäre,: und —dieſes Geſetz war, wenn
auch wiederholt verletzazaſdoch nie: aufgehöben: worden: Auch
hatte der König Wladiſlaw noch im Suhre 1510 durch einen
Majeſtätsbrief jeine, Toten: Unna; Die jetzige Gemahlin Fer⸗
dinanbsn don. Oſterreich, sal&:rschbe ak legitime Erbin oo
Böhmen „erklärt, wenn ſein Sohn: Ludwig oa Gsben mit LTod
abginge y
Aus: dem Evbrechte ſeiner: Gemahlin⸗ ziaubie der Ersberyog
nat dem ‚Hertonmen. aber. auch. tin: Recht für ſich :felbit ab⸗
leiter zu⸗ dürfen, ta: Johann non: Luremburg und Albrecht V.
son Oſterreich: infolge ihrer, Vermählung mit böhmiſchen
Prinzeffinnen Könige von Böhmen geworden waren. Eine
feierliche :Sejamdtichaft; .welde er. inısben: zweiten: Hälfte bes
September nach ‚Böhmen: ſchiden -woffte, ſollte daher dem
Landesverweſer Karl von Münſterberg atlären, daß Land und
Leute nach Erbrecht wie nach dem Anhalt einiger, Verträge an
ben Erzberzog und deſſen, Gemahlin, gefallen ſeien und daß, es
dieſem zuſtehe, viefelben:sfär: ſich und ſeine Gemahlin in ſeine
Hände zu bringen, zu degieren und zu beſchirmen. Ja um
feiner. Überzeugung deutlich Ausdruck zu heben; beabfichtigte
Ferdĩnand ſogar bie Annahnie ‚beB Höhmifchen Röniggtitelg, ein
Plou. deſſen Ausführung ven den vechängnißbaliften öelgen
hätte fein fünnen. is.
588 Anſprüche Ferdinands nu‘ Dfterreich auf Böhmen.
ded Könige Yanwig von: Böhmen unbisliugarn,iseintvaf Dies
gab: feiner Politik, Die ſich bisher: hauptſfächlich fürn: Die: Wowr
gänge imſüdlichen undimeitlicen (imfepa::ihterelfiert: hatte,
eine ganz: menei-Nichtung..: Det had‘ er :esifür: feine: Aufgabe
an, die Ideen zu verwirklichen, fim..welche .Achon: fein: Groß⸗
vater und Urgroßvater den Boden ſorgfältig vorbereitet hatten,
und: vie Anfprliche feines: Hauſes auf die vorwaiſten s@teiche
geltend. zu machen. Denn, wenn er atsch gufangs über tere
früherer Zeit. geſchloſſenen Berträge.: im einzgelnen nicht. :gennt
unterrichtet war, ſo hegte er; doch Die: fcheye: kiberzgengung;t daß
fein eigenes Recht oder. das feinen: Gemahlin: Anna, ber Gchweiter
Ludwigs, ſo feft begründet: ſei, daß es nicht ernftlich angefochten
werden könne. itite ν I
Bezüglich Böhmens 9): ſtützte Ferdinaud das: Rechtſeiner
Gemahlin auf die Abſtammung derſelben nom vorletzten Könige
Wladiſtaw, ſein eigenes auf die verſchiebdenenErbverträge,
welche die Habsburger mit den bbhmiſchen Hervſchern geſchlufſen
hatten. Auf letzteren Punktelegte er indeffen bald felbftiein
großes Gewicht mehr ‚dar: men⸗Kotz alles Machforſchenst mitt
die Urkunden über die in den Jahren 1364 und 1366 zwiſchen
den Häuſern Habsburg und Luxemburg« abgeſchlofſenenErb⸗
verbrüderung fand. : Dieſe konnten aber suumdgiiih für dbie
Erbfolge nach dem Exrlöſchen des Mannsſtammes der böhmiſchen
Jagellonen maßgebend ſein.“ Im Segenteil:: hatten die Habs⸗
in ni ge HE PL
1): Pafrgleichzeitig erſchienen er Ile bbhmiſche Königeitahl: bie Ass
beiten von O. Gluth, Die, Wahl Ferdinands J. zum Ränig von Höhmen
1526, in. „Mittb. d. Vexeins f. Heſſhez. Deutſchen in Böhmen, Ay
198-230 und 271802. und U, Rezet, Gef. ber Regierung derdi-
nands I. in Böhmen. 1.’ Ferdihande T. WÄhl und Reglerutigeanttitt
(Prag 1878), die’ beide auch ſchon Bad" Maletlal beurntzen tonn ten/ bas
dann Gindely, Die bbhmiſchen Landtagsverhandtungen und Sandtogss
heſchlüſſe vom Jahre: 1526 bis auf die Reuzeit, 1. Bd., 187.7 (feiden- Acker
weile nur Lechiſch Herausgegeben, hHgt Gluth hat bie entlſheidenden Ge⸗
fihtepuntte, —— Natur, finrer bes,
aber mit der Wahl Fersft; Wrßtend Meder Auch noch die Verhandtu ken
bis nach Der) Krönung mb die Anerkentiung Ferdinabs in ben NEE
ländern ſchildert. ä nint :äd
,. Das Erbreiht jeiner-Semahlin. .: . z:. 589
burger ſelbſt Stilffehiwergend:. anf: ihre: früher: erworbemen: : An⸗
ſprüche verzichtet, indem ſie die von den Böhmen nach dem
Tode des, Ladislaus Pofummstigewählten Könige: Georg und
Wladiſſlaw anerkannten. Ya iu callgemeinen Ausdrücken hat
der Erzherzog audı. ſpater noch anf Die „Derttäge” bins
gewieſen 5. on F way sd alien fr ANEI Pad
. Um io: entfchiepener begegeit: ‚hielt: Ferbinanb amt. Exbrechte
feiner- Gemahlin feht, welches ur ver Thaf nach. den. böhmischen.
Staatsgrundgeſetzeg: gar micht augefochten werben konnte. Deun
die: mit: Zuſtimmung der⸗ böhmiſchen· HEroßen ‚getroffene : Ver⸗
fügung Karls IV. von 1348 wie! dies goldene Bulle von 1366
hatten ja das. Wahlrecht der Bohmen: drücklich auf Den Fall
beſchränkt, daß vom königlichen Stamme auch fein: weiblicher
Sprößling mehr vorhanden wäre,: und Epteled :Sejeh ‚mar; "wenn
anch wieberhalt. verletßt;. ipod: nie: aufgehoben worden. Auch
Hatte der König Wladiſſaw noch im Buhre 1510 durch einen
Majeſtätsbrief ſeine Toten. Anna, Die jetzige Gemahlin Fer⸗
dinands don.Ofterreich, saldıgichte ak legitime 'Exbin non
Böhmen er, wenn ſein Bon Ludwig oh Oben mit Tod
abginge, a Zoch. in, in
.: Aus: dem: Exbreste: feines. Gemaglin: glaubte ver. erstering
nach dem Hexkommen aber. auch ein Recht für ſich :felbit ab⸗
leiten gu dürfen, da Johanwinen. Yupemburg: und. Albrecht V.
von. Hſterreich; infolge: ißrexrio Bermählung mit böhmiſchen
Prinzeffinnen Könige von Böhmen geworden waren. Eine
feierliche. Geſandtſchaft, welde er in:sben: zweiten. Hälfte des
September nach Böhmen: ſchiden wollte, ſollte daher bem
Landesverweſer Karl von Münſterberg eiffären, voß Rand und
Leute nad). Erbrecht wie nach dem Inhalt einiger Verträge. a
ben Erzherzog und befien. Gemahlin, gefallen” ſeien und daß es
dieſem zuſtehe, dieſelben Aür ſich und ſeine Gemahlin in ſeine
Hände zu bringen, zu degieren und: au beſchirmen. a um
feiner. Überzeugung deutlich Ausdruck m “geben; beabſichtigte
Ferdinand ſogar bie Annahnie des höhnüſcheü Röniggtitele, ein
Plau, deſſen Ausführung von den verhanguigholtnnen dolzen
hätte ſein können. Non.
an
542 Die Werbung ter Sciaudten res Erzherzozs Ferdinand: - -
und” bedentende Gunmuen für verſchiedene Abelige, beſorrers
Noſental, im Ausficht ſtellten and alle ſchwankenden Giientenie
burg ven: Anſchluß an die Siterreiciidhe Partei wenigftens nicht
ſchlechter geſiellt ſein wollten "8 Brig Die BahE: eines Dergont
von Bahn. :: 2 Br ee
Als am 6. Oftober.-der — femnmeittat Ai
nur noch ze Kandidaturen ernſilich amfreche, die Ferdinands von
erteich uno. Wieder Wittelsbacher; alle aeren Bewerber
hatten keiue nennenewerten: Anhanget gefnben. Leiw von Rofen⸗
sat: hätte“ am liebften: wie: Wohl eines Königs bertagti:sind
einen Gubernator wahlen laffen/ imsenr "er: hoffte, vaßdieſe
Wurtde ihm zufallen nundi hm Birch ber. weg zum Ehrom⸗
gebahnt werden: wie Don wur 3: wind onakem
© Exrzherzog· Feroinand ihatte vori'den’ pero von: Baicin
vorzüglich das vorausu patz en: Bereits ee: frierliche Oeſandt
Ft: Prag; Güte zugäggent jene ae! der Abſenbunge eiet
folchen zu Take gerögert Kitten: Wie dterreichtſchenn Geſandten
brachten ſchon in der erfie eigemlichen Siuung: des KrnBisds;
Bi Ottobernihre Werbung nor; mobei:fie:ipen'gifteiftionen,
welche micht vie Baht; ſondernn vie Annuhmen Yersikakds
forverken, mit Den ihnen ierkeilten Natſchlägen MER
einigen’ Fichten. :i IN Sprecher p ans bon Sumheniberg ‚TS
Area dc," aachen
war nd? Erboaſeiner Ponigeceiche uns Schtere 1baräaiiek
fer tale un Erſherzsg nunis jenem Rüchſtcht vn
bie Bra rt inatzn ntichfteh lutsverwandiſchufe
bleſelbeno hzoffteno Due Big) BON ee zus vieſeni
Re ee erg aber ber, vaß
wenn er au nicht, bi ’ te, Perwandte ber, ‚egten, önige
zur Kamaplin FRE tänbe ‚bis, ‚ir belonhene ‚Siehe umb
Bamergunguivedialhen ,. sie, weilanb Karten Mayimifiens wi die
Ruchbavbſchaſt Yeriokänker hbeffeil — —
ih Pi —— —
g itfe "Vedentp ben: Wäber .hloß, ©
en en ai
Bitten und Begehren, daß bie Stände Yin "zu: —— —*
Beanſpruchung des Rechts der Königswahl durch bie. Stände 503
König. und Königin, fich- gefallen lafſen und gunehmen möchten:
Dagegen erbieten quch dieſe Fich,: Me. Regierung. ſo zu. führen;
daß jeber bei jeinen Rechten und die Krone ‚bei - ihren: Ehren
bleibe; alle... Stände . und Perſonen bei ihren Freiheifen zu
ſchirmen und die Staatsſchulden mit Beirat der Stine, ohne
Melone ung: ber: Lanpichaft ya bezahlen. *
Wabrand die vſterreichiſchen —*— in 1srften Rinie au
ie das Exhrecht Ferdinands zata; deiner: Gemahlin betont: ud
das Bart „Wahl! ſorgfältig ver mieden hHatten, beſchloſſen: ie
Ständenquf Antrag Dat, Ohexfilandſchreihens ver. allem. ihre
Landesprivilegien prüfensze: laflestın) Es! hoh Died, auch Gelegen;
beit, ene GEntſcheidung binansznichaben mas: jpwohl.der baie⸗
riihen Partei erwünfcht war, weil noch ‚immer. feine: feieykiche
Sefanbtichaft augelenmmenswar,; alsnquch dem Obepſiburggrafen,
bey. Die? Mahl: he: lange a. perzägeranTuchte,. bis nie maiſt auf
Öfferreichiicheg Weite: ſtyhan dam Niktenzand ſtädtijchen Abgebrd⸗
neten „wagen. her Koſten, Re ein. küngexen, Aufenthalt ‚in: Prag
exfoxdexte, sben Landtagtvexlaſſan, bätten, >: mi nahe sehn;
res eh wurdezward PomnKaupex md. en übrigen
Anhangern Terbinani®, „henanssfid aurdce porgeſchrittenen
Utxaquiſſetniminde Bier böhmiſchen Brüder, anſchboſſen, vereitelt:
Aber, inbaungiauE Dim Mectäfragerzeigts ſich dev. Landtag den
Anſchauungen deinen günſtighanſcinchon ihm gewählauer
Maid prache ſich am 1 IR dahin ans, Daßeie Stända
den rent: Bann „die Gemahlin Ferdi⸗
nandaamn nes. Erhexchtea merbaſtig newerden/ xWil die, sieben Bed
Kehzaitenihres Waters; aßgeſtattet, Und datzn wexheixgtet prden
Ih) wdwjan habt weder annlicher amch en
af ge —D UT —2— 1; Misfku a Si veiſung zul
daß ke il tet * — * ich —
vid ich Lachl zu iven re id, — — —
— * nicht —————
real, Yan, iſichodig har weht ufndig Urkunde
m Ne 1 Hl ung 4 I Ki
a en en ———
—— — — ad And. ner a ort
544 Werbung der baierifchen Gefanbten.
binterlafjen; jedes Erbrecht: gehe aber nur vor. jih und nicht
zurüd d. h. gebe nur auf hirefte Nachkommen. nicht auf Seiten-
verwandte über. In biefem Sinne wurde auth :bie Urkunde
von 1348 gedeutet, ‚obwohl dieſe ganz. allgemein: von weib-
lichen Gliedern des regierenden Haufe: ipricht. Daß der Aus⸗
ſchuß nebenbei die Phraſe einfließen Heß, er wolle niemandem
etwas ab» oder zuſprechen, änderte nichts. an der ſchwer wie⸗
genden Thatjache, Daß den Ständen: für diesmal das Recht ver
freien Königewahl zuerkannt wurte. Der Landtag jchloß. fich
ſtillſchweigend den Ausführungen des Ausichuffes an. M
Die öfterreichiihen Geſandten verkannten die Tragweite
dieſes Beſchluſſes nicht, nahmen aber: mit. großer Gewandtheit
Stellung zu vemjelben. : Schon am folgenden Tage erichtenen
fie im Landtage und gaben die Erklärung ab, fie hätten ge«
glaubt, daß. feine freie Wahl notwendig wäre und daß die
Stände. auf ihr Anfuchen: den ‚Erzherzog und feine Gemahlin
zu Königen annehmen würden. Wenn aber dies nicht geichebe,
fo Sprachen fie, „ihres gnäbiger. Bern Recht vorbehalten“, die
Hoffnung aus, daß die Ständermit Rüdficht auf die :übrigen
für Ferdinand Iprechenden Gründe denſelben vor anderen zu
diejer Krone fommen laſſen würden. Zugleich unterließen: ſie
nichts, um. die böhmiſchen Großen -einzeln. zu: gewinnen. Be⸗
fonders Johann Mrakſchy von Naskau, Pfleger "von. Droſen⸗
dorf, der gewandteſte und rührigſte von allen, entfaltete ‚eine,
außerordentliche Thätigfeit. _ iR
Während ſich nım der —* über eine. Weihe Boni:
tifeln .einigte,- die man dem zu wählenden Könige zur Sanktion
vorlegen· wollte, aber. dann ohne: weiteres als Geſetz “ir bie
Landtafel eintragen ließ, kam endlich auch die baieriſche Ge⸗
ſandtſchaft an, die. ſich in offizieller Form um die Wahl eines
ber beiden Herzoge bewarb. Jetzt hatte auch die baieriſche
Partei, die bisher der Pornahme der Wahl: mit allen: Mitteln
entgegengearbeitet hatte, ‚ein n Suteröffe on eine Antſcheunz
hinauszuſchieben. gel? |
- Am. 20. Oftober wurde Dom: Lanbtagen ein usſchuß von
24 Mitgliepern, je acht aus jedem; Stande, gewählt, um eine
Wahl des Erzherzegs Ferbinanb. 345
Vorwahl zu treffen und den am tauglichften Befundenen beit
Ständen vorzwichlageni: "ES warentſcheidend, daß es noch im
letzten Augenblide gelang, den noch immer einflußreichen Lew
von Roſental duvch verſchledene Zuficherungen bei onders finan⸗
zieller Natur für den Erzhorzog zur gewinnen, gegen defſen
Wahl nun in der Kommiſſion niemand ‚mehr Schwierigkelten
erhob. Um im Landtage ſelbſt auf keinen Widerſpruch zu ſtoßen
und Erörterungen zu vermeiden, welche beſonders file jene un⸗
angenehm hätten fein können, die wie Lew ihre Partel'gewechfelt
hatten, ſtellte der Ausſchuß den Antrag, daß jene Perſon, über
bie er ſich geeinigt bitte;; als Käfig ausgerufen werden ſollte.
Nachdem ver Landtag: zugeſtimmt Hatte, wurde Erzherzog Fer⸗
dinand am 23. Oltober vom Ausfchuſſe einſüimmig gewühlt
und am folgenden Tage zue großen Überraſchung der baierl⸗
ſchen Geſandten, die noch bis zum⸗letzten Augenblick auf einen
günftigen Ausgang gehofft: Hatten, als! König: proflamiert.:-
Ende Movember wing eine böhmiſche Geſanbiſchaft, aus je
ſechs Vertretern der drei: Stände beftehenb, nad) Wien ab,
um bem ‚Erzberzoge. ſeint Wahl zumt Könige zu melden und
ihm die vom vandtage beſchloſſenen Areiel zur Beftätigung
vorlegen: : : tig Budo!
Es onen einzelne: ‚jegr: weitgehane Gorberungen welche
bie - Stände darin aufgeſtellt⸗ hatten: Es ſollte 5: B. bei Leb⸗
zeiten bed. Königs: aiemand, auch nicht ſein Erbe, zum Nach⸗
folger gewählt, ver König nie gekrönt werden, ehe er den Krö⸗
nungs Eid geleiftetsund ‚ven Ständen Ihre Rechte und Freiheiten
beftätigt hätte. »ı Bein Rantwgbenntter ſollie ohne rechtliche Er⸗
kenntnis der Abrigen: Beumtern;: Ranbogrechtäbeifiger- und: könig⸗
lichen Räte ſeines Amtesentſetzt werden. Der König ſollte
feinen Hof für gewöhnlich in Boihmen haben, wenn er aber
zeitweilig das Land verlaſſen Inüßte,.bie- Regierung nur Ein⸗
geborenen, und zwar nur näch Mat des bohmiſchen Landtags,
angertraut: werden. In böhmifcheni Angelegenheiten follte der
König nur böhmifche Näte oder folche aus den Nebenländern
zuziehen, zu Ausfertigungen derſelben ſich hut der böhmiſchen
Nanzlei bedienen und die Amter in Boͤhmen und ‚den dazu ger
Huber, Geſchichte ſterreiche. IT. |
546 Forderungen ber böhmischen Stände.
börigen Ländern ausichließfich mit geborenen Böhmen beſetzen.
Gegen die beiden Glaubensbekenntniffe der Katholiken und Utra-
quiſten ſollte ſich der König nach deu. ziwiichen den Ständen ge-
troffenen Vereinbarungen gleich gerecht verhalten. -
Auch Died genügte den Ständen noch nicht. Die Depu:
tierten ſollten auch noch die Außsitellung eigener Majeſtätsbriefe
erwirlen, daß Ferdinand die böhmtichen Nebenländer als. König
von Böhmen regieren und gegen: die Anſprüche Ungarns fihern
würde, und daß die Stände ihn aus freiem Willen gemäß ihren
‚Freiheiten, nicht aber infolge‘ einer: Verpflichtung zum Könige
gewählt Hätten. Auch die goldene Bulle Karls IV. über die
Köntgewahl follte der König im Sinne. der Stände dahin er-
läutern, daß nur: männliche Nachkommen oder eine unverhei⸗
ratete Tochter des letter Könige ein Erbrecht hätte.
Ferdinand ſah wohl ein, wie gefährlich einige der vom
Landtage aufgejtellten Artikel, namentlich das Verbot der Wahl
und Krönung eines Könige bei Lebzeiten des regierenden Fürften
und die Beichränfung des Landesherrn in Beziehung anf die
Entfernung der einmal ernannten: Beamten, für die Gewalt
der Krone werden könnten. Letzteres mußte den Einfluß der
Herren, die gegenwärtig im Beſitze der Landesämter waren,
verewigen, erjtere® dem Landtage Gelegenheit geben , bei: jeder
neuen Königswahl dem Erben des Verftorbenen neue Bedin⸗
gungen vorzufchreiben und die Macht der Stände auf: Koften
des Könige zu erweitern. Er gab: zwar ohne: Anftand die
Erllärung ab, daß die Stände ihn freiwillig zum Könige ge-
wählt hätten, ımd jtellte die gewünſchte Verficherung wegen der
AZugebörigfeit der Nebenländer zur böhmifchen Krone. aus. Aber
weber zur verlangten Erläuterung: der goldenen Bulle Karls IV.
noch zur Beftätigung der einzelnen vom Landtage angenommenen
Artikel ließ er fich herbei. Da infolge veffen die Deputation
mit ihrer Abreife drohte, jah er fich Doch genötigt, eine wenig-
ften® teilweije entgegenfommende Haltung einzunehmen, um nicht
noch im letten Augenblide die Krone zu verlieren. In einer
Urkunde vom 13. Dezember verfprad er, den Prager Kompak⸗
taten volle Gültigkeit zu verichaffen und auch mit dem. Papſte
Modifikation derfelben. | 547
über deren Beftätigung zu verhandeln, die böhmiſchen Stände
bei ihren Rechten und Freiheiten zu fchügen, Ausländer weder
zu Landes⸗ oder Hofämtern; noch zu geijtlichen oder ftädtifchen
Würden zuzulaffen ‘oder mit ſolchen die böhmiſchen Schlöffer
und Städte zu bejeßen, auch feine zur: böhmiichen Krone ge⸗
börigen Länder oder Güter verjelben zu entfremben. Dies
waren Punkte, die ſchon König Wladiſlaw bei feinet Wahl be-
willigt und ſpäter auch deſſen Sohn beftätigt Hatte. Da:
genen lehnte Ferdinand die Beſtätigung des neuen Gefegent-
wurfes auch jett ab und: ließ den Deputierten durch den
Trientner Biſchof Bernhard von Cles erklären, daß er über
die Naclafjung einzelner: Artikel, die ihm beichwerlich, dem
Königreihe und den Ständen aber ohne Nuten feien, nad
feiner Ankunft in Böhmen. mit dem Landtage verhandeln
werde.
Die Ungufriedenbeit; welche dieſe Feſtigkeit Ferdinands bei
den böhmiſchen Oligarchen hervorrief, wollten die Anhänger
Baierns, denen ſich auch Lew von Roſental vorübergehend
wieder anſchloß, zur Hinausſchiebung der Krönung benutzen, um
für weitere Umtriebe Zeit zu gewinnen. Der baieriſche Kanzler
Leonhard Ec reichte bereitwillig ſeine Hand dazu und ſprach
ſogar die Hoffnung aus, daß, wenn der Papft und die Vene⸗
tianer über den Kaiſer den Sieg erlangten, nicht bloß dieſer
aus Italien verdrängt, ſondern auch der Erzherzog aus den
deutſchen Ländern verjagt werden könnte !). Doch vereitelte
Ferdinand dieſe Pläne durch ſeine ſchnelle Reiſe nach Prag,
wo er am 24. Februar 1527 zum Könige gekrönt würde.
Bor und nad ber Krönung unterbandelte der König mit
den boͤhmiſchen Ständen über die Zurüdnahme oder Modifika⸗
tion ‚einiger jener Yorderungen, die fie in der Wahlfapitulation
gejtellt batten. Da es amch unter den Böhmen eine Partei
gab, welche gegen eine weitere Schwächung ber füntglichen ®e-
walt war, und andere Große durch Nachgiebigfeit die Gunſt
des neuen Herrſchers gewinnen wouten, ſo hatten die Be-
: 1) Böhmifche ganbiagsverbanbfngen I, 191—19.
35 *
548 Ferdinands Anerkennung in ben bbhmijſchen Nebenlänbern.
mühungen Ferdinands gerabe in ben wichtigften Punkten Er-
folg. Die Stände gaben die Erklärung‘ ab, Daß, wenn ber
König einen volljährigen Erben Hätte; dieſer and bet Xebzeiten
feines Vaters gekrönt werden könne.” Bei ber Erfegung uns
tauglicher Landesbeamten follte ber König nicht an die Zu⸗
ftimmung, fondern nur an bie Einhofung des Rates ber übrigen
Beamten, Räte und Lanbrechtsbeifiger gebunden fein. Auch
bezüglich der Forderung, daß zur Entſcheidung böhmiſcher An-
gelegenheiten nur böhmiſche Räte beigezogen werben follten,
gingen die Stände auf die Anſchauungen des Königs ein, ber
dies als unzweckmäßig bezeichnete, weil viele Angelegenheiten,
wie die Verwaltung der Bergiverfe und Regalien und der Fi-
nanzen überhaupt, in Böhmen und den anderen Ländern ganz
gleicher Natur wären und daher auch am beiten gemeinichaftlich
verwaltet würden, wobei oft auch Fremde guten Kat er-
teilen könnten. Gegen den Einfluß frember Räte in finan-
stellen Angelegenheiten wurde feine weitere Einwenbung ers
hoben.
War Ferdinand troß der Yinfprlihe feiner Gemahlin PAR
Tächlich doch nur durch Wahl König von Böhmen geworden,
jo fam in den Nebenlänbern, welche auch über die Ausſchließung
ihrer Vertreter von der Königswahl fehr unzufrieben waren,
eine ganz andere Anfchauung zur Geltung. Die Stände von
Mähren gaben ſchon Anfangs November die Erklärung ab,
daß die Königin Anna eine rechte und geborene Erbin der
Markgrafichaft jet, weil fie ihrem Vater und dejjen Erben ven
Eid der Unterthänigkeit geleiftet hätten, und daß fie daher bie
Königin und nach ihr deren Gemahl als Herrn annehmen.
Auch die Stände von Schlefien nabmen Anfangs ‘Dezember
beide Majeftäten zu Erblönig und. Königin an. ühnlich lautete
die Auferung der Stände der Laufit 2). Ä
Daß Ferdinand, wenn auch nur durch Die Wahl der Stände,
in Böhmen fo raſch und auf frieblihem Wege zur Krone ges
1) Die Alten über bie Vorgänge in ben Nebenländern in „Die böh⸗
mifhen Landtagsverhandluugen“ I, 89—118. Bol. Rezek, S. 72ff.
Zerdinande Anſpruche auf Ungarn. 59
langte, war von größter, Bebeutung. . . Einmal handelte e8 ſich
bei der böhmiſchen Königswahl um die ganze Stellung des
Hauſes Habsburg in Deutſchland. Wäre namentlich einer der
. Herzoge von Baiern gewählt warden, welche damals die Haupt.
vertreter der antikaiſerlichen Fürſtenpolitik waren, jo wäre ver
Einfluß der Habsburger .auf das. höchite bedroht gewefen, wahre
ſcheinlich hätte jich ‚in Zukunft auch. die. Kaiferwürde nicht be:
haupten ‚lafjen. ‚Ohne. die Kräfte. Böhmens hätte, Ferdinand
aber auch. feine: Wahl zum ungariichen Könige. ſchwerlich durch⸗
zuſetzen vermocht, mit Böhmen wäre wahrſcheinlich auch Ungarn
verloren geweſen. In Prag wurden alſo damals nicht bloß
die Geſchicke Oſterreichs, ſondern auch die Europas entſchieden.
Biel, - größere Schwierigkeiten. ‚machte die Geltendmachung
ber Anfprüche des Haufes Habsburg auf Ungarn !), obwohl
biejelben, unbejtreitbar warem ... ...
Über, die rechtliche Grundlage derſelben war fich ber Erʒ
herzog Ferdinand anfangs freilich auch hier nicht klar. Er
glaubte infolge feiner. Vermählung mit der Tochter des Königs
Wladiſlaw IL_ zu einer einfachen Beſitzergreifung des ungariſchen
Meiches. Schreien zu können. Aber. wenn auch die Anjous als
weibliche „ Seitenverwandte der Arpaden auf den ungariſchen
Thron gelommen und. daun die Tächter Ludwigs I. und Sig.
munbs ‚wie deren Gatten als Dessen anerlannt worden waren,
m rd 7 a.
1) Das febr ind Detatt gehende gründliche Werk von Jaszay P.,
A magyar nemzet napjai a mohargi..visz uban. (Die Tage der une
gariſchen Natjon nach dem Verderben bei Mohaͤcs, Peſt 1846), auf wel⸗
chem die Darſtellung der Ereigniſſe bis zum Beginn bes Jahres 1527
bei beit neueren ungariſchen Hlftorikern, wie Graf Mailath, Gefch. ber
Magharen, 2. Aufl. III, 1." Feßler⸗Klein III, 399ff. u. f- w., im
weentlihen beruht, war mir Teiber wicht: zugänglich. Ich ſtütze mich
bauptjählich- einerfeits, auf-bie-von. Fraknöi .V., Monumenta comitialia
regni Hungarise 1. T. herausgegebenen Atenftüde- und. auf beffen. wert- -
volle Einleitungen dazu, anderſeits auf die Darftellung von St. Smolka,
Ferdinand I. Bemühungen um die Krone von Ungarn, Wien 1878
(Arch. f. öſterr. Geſch. LVII, 1—172), der das fchon von Jaͤſzay benützte
Wiener. Staatsarchiv noch forgfältiger ausgebeutet unb. das gebrudte
Material ſehr fleißig benützt hat.
550 " Auffaflung der Ungarn.
fo batte doch der ungartfche- Reichstag nach dem Tode Vadis⸗
laus des Nachgeborenen ein :Erbrecht der Schweitern verfelben
nicht mehr anerkannt und einen König gewählt. In Ungarn
gab es auch Fein Neichsgefek, auf das fich Ferdinand zuguniten -
feiner Gemahlin hätte berufen Tönnen. Im Gegenteile hatten
die zwiſchen Dfterreich und Ungarn- in den: Jahren 1463 und
1491 gejchloffenen Verträge die weiblichen Glieder geradezu von
der Erbfolge ausgefchlofen, indem ſie den Habsburgern ſchon
beim Deangel männlicher Nachkommen des Königs die Nachfolge
zuficherten. Dieſe Verträge mußte Zerbinand für das Maß—⸗
gebende anjeben. Denn wenn auch bie Beftimmungen des
Friedens von 1463 durch die fpäteren Kriege zwifchen Matthias
und dem Kaiſer Friedrich befeitigt fein mochten, jo ſprach doch
auch der Presburger Triebe von 1491, der 1506 erneuert
worden war, den Nachlommen des Kaifere Dear, welchen von
ihnen die Stände wählen würden, ein Recht auf die ungarifche
Krone zu.
Aber die Nechtsfrage war für den Gang der Ereigniffe in
Ungarn ebenjo wenig entjcheivend wie in Böhmen. Auch in
Ungarn beanfpruchte man allgemein: für die Stände das Recht,
einen neuen König zu wählen. “Die zugunſten der Habsburger
Iprechende Beitimmung des Triebens von Presburg, erflärte
man, fei obne Rechtskraft, weil die Stände dazu nicht ihre
Zuftimmung gegeben hätten. Der Erzherzog konnte leider biefe
Behauptung nicht widerlegen, da die wichtigite Urkunde, welche
die Annahme dieſes Vertragsartifeld durch die ungariichen Land⸗
jtände enthielt, 1493 vom Könige Maximilian dem Rate von
Augsburg zur Aufbewahrung übergeben worden und volljtändig
in Vergefienheit geraten war !). Ferdinand ſah auch bald ein,
daß nicht Gründe des Rechtes, ſondern nur materielle Mittel
zum 3iele führen könnten, und er bebachte fich auch nicht, die⸗
jelben anzuwenden.
Die zwei Parteien, welche ſich unter ben beiden legten
Königen gebildet hatten, die Hofpartei oder die Partei ber
1) Firn haber im „Arch. f. 8. öfterr. Geſchichtsq.“ III, 381f.
Die Hofpartei und die Partei Zapolya's. 551
Magnaten, und die Oppoſitionspartei unter Führung Zapolyas,
beſtanden auch jetzt noch fort. Jene, deren vornehmſtes Glied
jetzt der Palatin Stephan Baͤthory war, ſchloß ſich an bie
verwitwete Königin Maria, die Schweſter Ferdinands, an, die
ſich vor den Türken nach Presburg geflüchtet hatte. Die Gegen⸗
partei hielt ſcoon um die Mitte des Oktober eine Verſamm⸗
lung in Tokaj, einer Beſitzung Zapolyas, wohin der Erlauer
Biſchof Paul Vaͤrday Magnaten, Adelige und Vertreter der
Städte aus den mäher liegenden Landesteilen berufen batte.
Die Zahl der Erjchienenen war. nicht groß; von den Biſchöfen
war nur Paul von Erlau, von: den Magnaten außer Japolya
der Temeſer Graf Peter Perenyi, Befehlshaber in Nieder»
ungarn, der Reichejchagmeifter Johann Doͤczy und einige andere,
von jtäbtiichen Vertretern nur ſolche aus Oberungarn ober
vielleicht gar nur die von. Kaſchau anwejend !), aber mehrere
Adelige, die ſich ſchon in früheren Parteikämpfen als eifrige
Anhänger Zapolyas bewiejen hatten. Die Wahl des Woywoden,
der nach der Vernichtung des füniglichen Heeres mit ‚feinen
Truppen thatjächlih Herr von Ungarn war, obwohl er zur
Berteidigung besjelben nicht das Geringite getban Hatte, ſtand
bei ven meijten Mitglievern ver VBerfammlung wohl von vorn-
berein feit, und es beburfte nicht der Beredſamkeit Verböczys,
um die Gemüter für diefen Plan zu gewinnen. Man glaubte,
daß fich durch deſſen VBermählung mit der Königinwitwe Varia
auch ein Ausgleich mit Terbinand erzielen lafjen würde. Aber
Zapolya förmlich zum Könige auszurufen, wagte man doch
nicht, da der größte Teil des Neiches in Tolaj gar nicht ver-
treten war und die PVerfammlung doch eigentlich nur einen
privaten Charakter batte. Die Anwejenden beriefen Daher zum
1) Daß im Einfabungsjchreiden zum Reichstag vom 17. Oktober in
Mon. comitialia I, 10, der nah Aufzählung der Magnaten und Ade⸗
ligen noch beigefllgte Pafſus: „ceterique universi nobiles et pociores
superiorum et inferiorum parcium regni, item oratores nobilium Sicu-
lorum et Saxonum regni Transsylvani necnon Cassoviensis et aliarum
liberarum civitatum parcium superiorum “ nicht wörtlich zu nehme
fei, ift mir nicht zweifelhaft.
562 Wahl Zapolyas zum Könige.
Zwecke ver Königswahl auf den 5. NRowember einen Reichstag
* Stuhlweiſſenburg, indem zugleich erllärt ward, daß
alle Nichterſcheinenden als Landesverräter beſtraft werden
würden.
Daß die Zwiſchenzeit eifrig benutzt wurde, um für Zapolha
neue Anhänger zu gewinnen unb alles, was zugmmfter besfelben
ſprechen Tonnte, in das günftigfte Licht zu fielen, iſt felbft-
verftändlich. Deſſen ungenchtet war der Reichstag in Stuhl⸗
weiſſenburg nicht jehr zahlreich befucht. Selbft Adelige waren
nur aus den benachbarten Komitaten,. und auch dieſe nicht im
großer Zahl gelommen. Nur von ven Bilchöfen war. ber
größere Teil anwejend. Die Magnaten tagten in der Stadt,
die Adeligen außerhalb derſelben. Man betonte is beiden. Ber-
fammlungen vor allem den Beichluß des umgariichen Reiche-
tages vom Sabre 1505, daß nie mehr ein Ausländer, ſondern
nur ein geborener Ungar zum Könige gewählt werben. joflte.
Am meiften trat aber die Abneigung gegen die. Deutichen zu⸗
tage. Das Ergebnis jtand von vornherein feſt. Am’10. Ro» |
vember wurde Johann Zapolya als König ausgerufen. Einer
ber Gefandten Ferbinands von Diterreich, ber .in ver Ber |
ſammlung des Adels zu reden verjuchte, wurde jchon nach den
eriten Worten von Verbeczy, ber auch bier Die erſte Rolle |
fpielte, unterbrochen. Die aufgeregten Abeligen brangen ‚mit
den Waffen auf ihn ein; er mußte froh fein, daß er mit dem
Leben davon kam.
Am folgenden Tage fand bie Krönung ſtatt. Da die beiden
Erzbifchöfe von Gran und Calocfa bei Mohaͤes den Tod ge-
funden Hatten, fo wurde fie vom älteften ver anweſenden
Biihöfe, Stephan Podmaniczky von Neitra, vorgenommen.
Bom Könige wurde dann Paul Vaͤrday zum Erzbilchofe von
Gran, Verböczy zum Kanzler, Perenyi, der neben Zapolya
Kronhüter gewefen war, zum Woywoden von Siebenbürgen
ernannt. Die Herrichaft Zapolyas ſchien feit begründet.
Siebenbürgen und faft ganz Ungarn mit ver Hauptftabt Ofen
waren in feinen Händen. Auch die Stimmung der europäiſchen
Mächte war ihm günftig, da der größte Zeil derfelben damals
Thätigleit der öflerreifchen Partei. 658
mit dem Kaiſer verfeindet war. - Von den Königen von Frank⸗
reich und England, vom Bapfte, von den Venetianern und von
den Herzogen von Baiern wurde er als König anerlannt; von
Frankreich und Baiern erhielt er Ermunterungen ober gar
Hufsverfprechungen ). -
Deſſenungeachtet gab Ferdinand, der unterdeſſen bereits
zum Könige von Böhmen gewählt worden war, auch in Ungarn
ſeine Sache nicht verloren. Seine Hauptſtütze war ſeine
Schweſter Maria, die ohne Rückſicht auf ihr eigenes Interefſe,
nur das Wohl ihres Hauſes ind Auge faflend, in jeder Weiſe
für ihn thätig war und auch Inpolyas Antrag, fie zu heiraten,
entichteven zurüdwied. Ste war es auch, welche die Unier-
handlungen mit den ungarischen Großen vorzüglich leitete. Aber
die Zahl ihrer Anhänger war anfangs nicht groß, da gerade
bie Reihen der Hofpartei durch die Kataftrophe von Mohaͤcs
ſtark gelichtet worden waren. ‘Doch war e8 von großer Wichtige
fett, daß der Palatin Stephan Baͤthory auch jet der öfter»
reichiſchen Partei fich anjchloß, weil er nach der ungarifchen
Berfaflung der Stellvertreter des Königs war und nur er
das Recht hatte, in. gefetlicher Weiſe einen Reichstag ein⸗
zuberufen.
| Als Zapolya und. feine: Freunde die ungarifchen Stände
nach Stuhlweiſſenburg gelaben hatten, fchrieben auch die Königin
und ber Palatin um ben 19. Oltober einen Reichdtag auf den
25. November nach Komorn aus. Das Einberufungsichreiben
wurde auf den 9. Oktober zurüdfdatiert 2), um es als früher
erlaffen darzuftellen als die Ladung Zapolhas. Doch war in
demſelben als Gegenſtand ber Beratung nicht die Königswahl
ſondern nur das Wohl und die BVerteidigung des Reiches bes
zeichnet, weil Ferdinand den Anfchauungen der Wiener Hofräte
entiprechend nach der Wahl Zapolyas noch entichiebener als
früher daran fejthalten zum mäffen glaubte, daß er ein Recht
1) Smolka, ©. 117 fi. Feßler— Klein III, 418 ff. Vol.
Sanffen III, 13ff. (13. Aufl.).
2) Dies kann nah den Darlegungen Smoltas, S. 74ff., der das
zuaft erfannt bat, keinem Zweifel unterliegen.
564 Verſprechungen Ferdinands von Ofterreid.
auf den ungariihen Thron babe, und er daher den Ständen
ein Wahlrecht nicht zueriennen wollte.
Der Reichdtag trat ührigens nicht in Komorn zujammen,
Das unterdeſſen in Zapolyas Hände gefallen war, jonvern in
Presburg und zwar erjt im Dezember.
Unterdeſſen wurde alle® gethan, um die Zahl der. Anhänger
Serdinands zu vergrößern. Dieſer veriprach allen, bie durch
den Beitritt zur Öfterreichifchen Partei Verlufte erleiden würden,
Ipäteitens binnen zwei Jahren Erſatz derſelben und fagte ihnen
auch zu, daß er fie bei ver Vergebung geiftlicher und weltlicher
Ämter anderen vorziehen würde. Mehreren Herren, vor allen
dem Balatin und dem Ban von Kroatien, Franz Batthyhaͤnhi,
wurden auch bedeutende Geldzahlungen in Ausficht geftellt,
teilweije freilich für die Verpflichtung, im Dienfte Ferdinands
Zruppen zu unterhalten. Als weiterer Köder wurben die Be
figungen der Anhänger Zapolyas Hingeftellt, die eingezogen
werben follten. Im allgemeinen veriprach Ferdinand, alle
Stände Ungarns bei ihren Freiheiten, Belegen und Einrich-
tungen zu erhalten und zu fchügen, die Beitimmungen ber
goldenen Bulle Andreas II. zu beobachten, Ausländer nicht in
den ungarifchen Rat aufzunehmen und ihnen feine Amter oder
firchlichen Würden zu verleiben. Auch gab er troß der Be
tonung feines Rechtes auf Ungarn jest die Erklärung ab, daß
er nur „mit Wiffen und Willen der Stände zum Könige an-
genommen werben wolle“, wies aljo die Bornahme einer Wahl
wenigſtens nicht unbedingt zurüd.
Deflenungeachtet wurde ber Reichstag nicht zahlreich be-
ſucht, aus den entfernteren Landesteilen wohl auch deswegen
nicht, weil biefelben in der Gewalt Zapolyas und jeiner Freunde
waren und weil man fich dort durch offenes Auftreten zu-
gunjten Ferdinands den größten Gefahren ausgejeßt hätte.
Außer Baͤthory und Battbyanyt waren von hervorragenden
Berfönlichkeiten nur die Biſchöfe Szalahazy von Velzprim und
Drodarics von Syrmien, Ludwigs II. Kanzler, der Oberjt-
ſchenk Alerius Thurzoͤ und ein paar andere Magnaten und
und Pröpfte anwelend. Um eine größere Zahl von Adeligen
Der Reichstag in Presburg. 555
wenigſtens aus der Umgebung zuſammenzubringen, wurde die
Eröffnung des Reichstags bis zum 16. Dezember verſchoben.
Schon am. erften Tage ging man zur Verhandlung ber
Thronfrage über. Alle Gründe, welche für Ferdinand und
gegen Zapolya Tprachen, wurden mit großer Geſchicklichkeit her⸗
vorgehoben, wobei bie Rollen entfprechend verteilt worden
waren. Der Palatin erflärte nach einer lebhaften Schilderung
der traurigen Lage des Landes, daß, wenn je, Ungarn jeßt
einen mächtigen Herricher brauche, der imftande wäre, bie ber-
lorenen Örenzfeftungen wiederzugeiwinnen und einen neuen Angriff
der Türken abzuwehren, daß e8 aber unter den benachbarten
dürften feinen gebe, der die Macht dazu Hätte, als Ferdinand von
Dfterreih. Das Haupt der öſterreichiſchen Geſandten, Chriftoph
NRauber, Biſchof von Laibach, gab tm Namten feines Herren
die Erklärung ab, daß diefer für das Wohl Ungarns, für Die
Stoerftellung feiner Freiheiten, für die Heritellung feiner
früheren Grenzen und für beffen Verteidigung gegen alle Feinde
nicht bloß jeine Macht und feine Habe, jondern aud die Hilfe
des Kaiſers, des Dentichen Reiches und aller Verwandten an-
biete; er gab weiter den Ungarn zu bedenken, ob fie denn für
fich allein kräftig genug wären, ven Türken zu widerſtehen, be-
ſonders wenn fie fih auch noch ihre Nachbarn, die Böhmen
und ganz Deutichland zu Feinden machten, und ob namentlich
Zapolya dies zu leiften imftande wäre, der bisher fchon jo viel
Unglüd über das Land gebracht babe; er betonte dann, Daß
Verbinand, obwohl er vermöge der Verträge von 1463 und
1491 hätte ein Erbrecht geltend machen und mit den Waffen
gegen den Uſurpator auftreten können, doch alle® nur von
der Übereinftimmung, von der Wahl der Nation erwarte 1),
1) So nah Fraknéi in Mon. comitialia I, 49 (vgl. 51, R. 1)
nach einer gleichzeitigen Aufzeichnung. Nah Smolka a. a. O., ©. 68,
hätte der Gefandte Ferdinands Hecht viel fchärfer betont und erklärt,
Ferdinand hege nicht den geringften Zweifel, daß bie Berfammlung ihn
zum Könige anneßmen würde, er würde aber auch fonft famt feinem
Bruder fein evidentes Recht nicht fallen Lafien können. Diefe Erklärung
würde allerdings der Inſtruktion K. Ferdinands entfprechen. Aber es ift
556 Wahl Ferbinands in Ungarn und Kroatien.
und widerſprach endlich ven auögeftreuten Gerüchten, daß
Ferdinand die Freiheiten des Landes verlegen. und die Amter
Ausländern übertragen würde. Die Räte ber Königin Maria
führten aus, wie oft in Ungarn jchon ein König infolge der Ver⸗
mählung mit einer Prinzeifin der früheren Dynajtie oder durch
Derwandtichaft von weiblicher Seite auf den Thron gekommen
jet, und warnte die Verfammlung, fich den Kaiſer und König
von Böhmen zu Feinden. zu machen, da biefer fein und feiner
Gemahlin ofjenbares Recht nicht fallen-Tafjen würde. Hierauf
wurde nach den Auseinanverfegungen des geſetzeskundigen
Palatinal-Protonar Franz Revay der Reichstag in Stuhl
weifjenburg mit allen feinen Beichlüffen für ungejeglich er-
Hört, vor allem deswegen, weil er nicht vom Palatin, der allein
bazu berechtigt gewejen wäre, ausgefchrieben worden jei, und
alle Anhänger Zapolyas aufgefordet, ihn binnen vierzig Tagen
zu verlafien. Am 17. Dezember wurde dann derdinand ein⸗
ſtimmig zum Könige gewählt.
Wie die Ungarn ſelbſt bei der Wahl des adnigs nicht
einig waren, ſo gingen auch die Nebenländer verſchiedene
Wege.
Am. günitigften war für Serbinand die Stimmung in
Kroatien, deſſen Feſtungen ſchon jeit mehreren Jahren. durch
dijterreichiiche Truppen unter Dans Katzianer und ‚Nikolaus
Juriſich bejegt und gegen bie Türken gejchügt wurben.. Ver⸗
treter diejed Landes: waren jchon auf dem Neichätage in Pres⸗
burg anwejend. Am 1. Januar 1527 wurde dann auch auf
einem eigenen Landtage in Ezettin, an dem ber. Bilchof- von
Knin, Grafen von Corbavien, Zrinyi, Frangepan und Blagah
und viele andere Magnaten und Adelige teilnahmen, Ferdinand
mit feiner Gemahlin auf Grund der früheren Verträge und
der Wahl zum ungarijchen Könige „als wahrer, legitimer und
bie frage, ob nicht die Geſandten mit Nüdfiht auf die Anfchauungen
der Ungarn eine mildere Form gewählt Haben. Ein Auszng ber Reben
findet fih auch In einer für den engliihen Gefanbten verfaßten Denkſchrift
über bie Rechte K. Ferdinands in Mon. Hung. Dipl. V, 98sqg.
Anertennung Zapolyas in Slavonien. 557
natürlicher König und Herr des Reiches Kroatien gewählt,
anerfannt und angenontmen” und ausdrücklich auch das Erb⸗
recht ſeiner Nachkommen betont.
Im benachbarten Slavonien dagegen, worunter Man da⸗
mals die Komitate Agram, Kreuz und Warasdin verſtand,
herrſchte von Anfang an eine große Antipathie gegen die
Deutſchen. Lieber als dieſen unterthan ſein, würde man ſich
ben Türken ergeben, erklärten dort Adel und Bolt’).
Chriſtoph Frangepane, Graf von Zengg, Veglia und Modrus,
welcher ſich nach der Schlacht bei Mohaͤes energiſch der Ver⸗
teidigung des Landes gegen bie Türken annahm und dafür von
den Abeligen” Slavoniens unb einiger benachbarter Komitate
Ungarns zum Beichüger und Negenten ausgerufen ward, nahın
wenigſtens eine abwartende Stellimg ein. Anfangs November
begab er ſich aber zur Königin Maria nach Presburg, wohin
ihm fein Freund Simon Erdödy, Bifchof von Agram, bereits
borausgegangen war. Doch verlangte er für fich die Stelle
eines oberften Befehlshabers, für Erdödy das Erzbistum Gran.
ALS Ferdinand zögerte, auf feine Forderungen einzugehen, reiſte
ber ehrgeizige Magnat gleich nach Stuhlweiffenburg zu Zapolya,
ber ihm die gewünſchte Stelle und Die Würbe eines Bans von
Kroatien "und Slavonien ,‚ wie feinem gleich unzuverläffigen
Freunde Erdödy das reiche Bistum Erlau verlieh, nachdem er
über Gran bereits verfügt hatte. Frangepan fette e8 dann
auf einem Landtage in Dombro am 8. Januar 1527 durch,
daß die Stände Slavoniens fich mit dem Beichluffe des ungari-
ſchen Neichstage® vom Jahre 1505 wegen der Ausſchließung
der Ausländer einverftanden erflärten und Johann Zapolya zum
Könige wählten. Doch mußte Frangepan fich eiblich verpflichten,
auf bie Herftellung des Friedens zwifchen ben beiben Gegen-
königen hinzuwirken.
Ferdinands Lage war übrigens anfangs eine ſehr ungünſtige.
Denn von Ungarn beſaß er nichts als einen kleinen Streifen
1) Nach Schreiben Chriſtoph Frangepans an Dandolo in Mon. comit.
Hung. I, 75, N. 1.
658 Lage Ferbinands und Zapolyas.
an der Weſtgrenze mit den Stäbten Presburg, Altenburg und
Dedenburg; ja felbft der Burg von Presburg war er nicht
einmal Herr, da ihr Kommandant, der alte, auf den Tod
kranke Johann Bornemilza, ihn zwar als König anerkannte,
aber feine deutſchen Truppen in diefelbe aufnahm. Seine
ungariichen Anhänger waren teilweile von ihren Gütern aus-
geichloffen und ihrer Einkünfte beraubt, jo daß fie in Presburg
mit ihren Dienern empfindlichen Mangel litten, da er ihnen
die verfprochenen Geldſummen teils nicht zahlen konnte, -teil®
nicht zahlen wollte, weil er das Geld lieber für die Ausrüftung
eine Heeres verwendete. Er ſelbſt war fern von Ungarn, da
er fih in Böhmen und feinen Nebenländern krönen und huldigen
hieß. Die Stimmung feiner Anhänger war baber eine jehr
bedenkliche. Mehrere wie der Kanzler Brodarics, Bilchof
von Syrmien, und ber Prior von Vrana, Johann Tahyh,
Ipäter felbft der Ban Batthyaͤnyi traten zu feinen Gegnern
über !).
Um fo günjtiger fchien Die Stellung Zapolyas. Ein Reiche
tag, den er auf den 17. März 1527 nach Dfen berief, war
von den meilten Bilchöfen, zahlreichen Magnaten und ben Ab-
geordneten faft aller Komitate und Städte befugt. Er jtellte
wirklich eine Vertretung des ganzen Landes dar. Auch bie
Stimmung bätte ſich Zapolya nicht befier wünjchen tönnen.
Der zehnte Zeil der beweglichen Habe aller Einwohner, Jauch
ber Prälaten und Magnaten, wurde ihm bewilligt. - Zugleich
wurde er aufgefordert, die Güter derjenigen, welche Ferdinand
zum Könige von Ungarn ausgerufen hätten, wegzunehmen un
feinen Getreuen zu übertragen. Ein rafcher und Träftiger An-
griff, zu dem Frangepan jchon lange geraten hatte, würde bie
wenigen offenen Anhänger Ferdinands bald zur Unterwerfung
oder zur Flucht aus dem Lande gezwungen haben.
1) Über die Lage in ben nächſten Monaten nad der Wahl Ferdinands
handelt eingehend Smolfta, ©. 77ff. Vgl. aud die aus dem Frühjahr
1527 ſtammende Dentichrift für ben König von Frankreich zugunſten
Zapolyas in Mon. Hung. Dipl. V, 14dsqg.
Zapolyas Unthätigkeit, Rüſtungen Ferbinanbs. 559
Aber ſchon jegt zeigte es fich, daß Zapolya feiner Aufgabe
in feiner Weife gewachſen ſei. Sen Mangel an Energie und
Harer Einficht in die Verbältniffe ließ bald auch die Zuneigung
feiner eigenen Anhänger gegen ihn erfalten. Statt raſch wenig.
jtend einige Truppen zu fammeln, bis er die Mittel zur Auf-
jtellung einer größeren Macht erhielt, und mit biefen über feine
Gegner herzufallen, ging er den König Sigismund von Polen,
feinen Schwager, um feine Bermittelung zur Herbeiführung
eines Ausgleichs mit bem Könige Ferdinand an und ließ fich
am 14. April zu einer vom polnifchen Kanzler mit dieſem
vereinbarten Waffenrube bis zur Mitte bes Juni herbei, die
ihm, folange fein Nivale noch nicht zum Kampfe bereit war,
Verbinand und defien Anhängern gegenüber die Hände band !).
Die Unterhandlungen, die unter polntfcher Vermittelung in der
eriten Hälfte des Juni in Olmütz geführt wurden, blieben jelbit-
verftänblich erfolglos, da fich Ferbinand zu benjelben überhaupt
‚nur berbeigelaffen hatte, um Zeit zu feinen Rüftungen zu ger
winnen.
Eine Summe von 100000 Dukaten in Wechſeln, die er
im März von ſeinem Bruder erhielt, Subſidien, welche ihm
die böhmiſchen Stände und die Landtage einzelner Erblande be-
willigten, Darlehen, die man von den Fuggern und Anderen
wie von der Stadt Breslau erhielt ?), ermöglichten bie Auf-
ftellung eines Heeres, das zwar nicht zahlreich, aber tüchtig und
gut ausgerüftet war. Auch bie Herzoge Georg von Sachen
und Erich von Braunfchweig hatten ihm Hilfstruppen gefchiet.
Die ganze Heeredmacht. betrug 8000 Fußgänger und über
3000 außerlefene Reiter ), Den Oberbefehl hatte Ferbinand
1) Smolta, &. 131ff.
2) Die Aufzäglung der Summen bei Oberleitner, Öfterreichs
Finanzen und Kriegsweſen unter Ferdinand I. im „Archiv für öfter.
Geſchq.“ XXI, 33. Bgl. böhmiſche Landtagsverhandlungen I, 237, und
bezüglich der Steiermart Krones, Vorarbeiten, in „Beitr. 3. K. fleierm.
Geſchq.“ IV, 11f.
3) Nach Angabe des Ursinus Velius, De bello Pannonico, ed.
Kollar, p. 6, der ſelbſt im Dienfte Ferdinands ben Feldzug mitgemacht
560 Ferdinands Vormarſch bis Ofen.
fhon im Mai dem Markgrafen Kafimir von Brandenburg
übertragen. Unter ihm Tommanbdierten der Graf Niklas
Salm d. ä., Hand Kaktaner, der oberjte Feldzeugmeifter Leiſſer
und andere in den Sriegen bes Kaiſers Maximilian erprobte
Heerführer. Am 30. Juli ging Ferdinand felbft ins Lager bei
Theben und Presburg ab; am 31. wurde er vom Palatin und
feinen anderen Anhängern an ber Spite von 400 Reitern an
ber Grenze Ungarns empfangen und leiftete ben verlangten
Eid auf die Gejege und Freiheiten des ungarifchen Reiches,
namentlich die goldene Bulle Andreas II.
Zapolya traf dieſer Angriff volllommen unvorbereitet. Er
hatte nicht einmal ſo viele Truppen zur Verfügung, um den
Marſch ſeines Gegners irgendwie zu beunruhigen, geſchweige
denn aufzhalten. Auch alle Feſtungen an der Donau, Raab,
Totis, Komorn, Gran, Viſſegraͤd ergaben ſich dem Könige
Ferdinand. Nur Komorn und die Burg von Gran hatten
überhaupt eine Verteidigung verſucht, ohne daß ihre Mauern -
den glühenden Kugeln der gut bedienten Geſchütze lange zu
wiberfteben vermochten. Auch mehrere der bisherigen An⸗
bänger Zapolyas, darunter auch Batthyaͤnyi, fanden fich in
feinem Lager ein. Schon am 23. Auguft !) hielt Ferdinand
in Ofen feinen Einzug, nachdem Sapolye dasſelbe verlafien
hatte.
und benjelben, vielfach als Augenzeuge, befchrieben Hat. Mit feiner Er-
zählung ift die liberfichtliche Darftellung zu vergleichen, welche 8. Ferdinand
in einem Briefe an den König von England vom 22. Auguſt in Mon.
Hung. Dipl. V, 166sgg. giebt.
1) Sein Einberufungsfchreiben zum Reichſtage in Mon. comit. I, 148
ift zwar aus Ofen vom 20. Auguft datiert, und biefer Tag wirb all-
gemein als ver feines Einzugs in Ofen angenommen. Aber fein in
voriger Note ermähnter Brief an den König von England vom 22. Aug.
it noch in castris nostris ad civitatem nostram regiam Budensem in-
fra Pest positis gefchrieben und auch Urs. Velius, p. 19, fagt: pri-
die calendas Septembres, cum iam decimum diem rex Ferdinandus
ante Budam in castris mansisset“, was auf den 22. Auguft ald Tag
der Ankunft hinweiſt. Der Einzug fand nad demſelben (p. 15) am
folgenden Morgen ſtatt.
Niederlage Zapolyas bei Tokaj. 561
Die Verfolgung desſelben wurde wegen der ſchweren Er⸗
krankung des Markgrafen Kaſimir dem Grafen Niklas Salm
übertragen und zu dieſem Zwecke 3000 — 4000 Fußgänger ),
1000 ſchwere deutſche und 1300 leichte Reiter mit 19 Ge-
Ihügen unter fein Kommando gejtellt, 700 Weiter ſpäter ihm
nachgeſchickt. Zapolya zog fich vor ihm bis Tokaj zurüd, be-
ſchloß aber bier am 27. September vor Anbruch des Tages
mit einem Zeile feiner Truppen einen Überfall feines Lagers,
den er mit feiner ganzen Macht zu unterjtügen veriprach.
Da der Angriff indeffen Salm nicht unvorbereitet traf
und die Ungarn große Verlufte erlitten, jo trat Zapolya den
Nüdweg über die Theiß an, der für feine Scharen um fo
verbängnisvoller ward, als er die Brüde, um fich vor ben
verfolgenven Feinden zu jchügen, zu früh abbrechen ließ. Nicht
weniger al8 2000 Mann, ein Sechstel feines Heeres, und feine
Artillerie batte er bier eingebüßt. Er begab fich nun mit den
Trümmern feines Heeres über Großwarbein nach Siebenbürgen,
um bier neue Kräfte zu ſammeln. Aber auch ‚bier war. feine
Stellung unterwühlt infolge der Bemühungen ded Hermann
ſtädters Georg Neicherstorffer, Sekretärs des Königs Ferdinand,
der bereit Kronſtadt auf feine Seite gebracht Hatte und mit
bem bort gejammeltern Heere bald auch in Hermannſtadt Auf-
nahme fand ?). Die Sache Zapolyas jtand um jo verzweifelter,
als am nämlihen Tage, an dem er die Nieberlage bei Tokaj
erlitt, - fein thätigfter und tüchtigfter Anhänger Chriſtoph
Trangepan bei der Belagerung von Waraſsdin tödlich ver-
wundet wurde und dann deſſen Truppen auseinander liefen ?).
Alle diefe Erfolge Ferbinands konnten auf die Stimmung
der Ungarn nicht ohne Eindruck bleiben. Auf dem Neichstage,
1) 3000 giebt Urs. Velius, p.21; 4000 8. Ferdinand in Schreiben
an feine Tante Margareta, worin er Über den Sieg Salms eingehende
Nachriägten giebt, in Mon. Hung. Dipl. I, 67sgg.
2) Sein Bericht mitgeteilt von I. K. Schuller im „Ardiv für K.
öſterr. Geſchq.“ XXI, 233 fi. |
3) Joh. Zermegh ap. Schwandtner II, 388sqg., ber ſelbſt
in Frangepans Heer war. Bgl. Urs. Velius l. c., p. 25.
Huber, Geſchichte Öfterreihs. IL. 36
562 Allgemeine Anertennung und Krönung Ferbinande.
ben er zum 29. September nad Dfen ausgejchrieben batte,
erfchienen auch mehrere der berporragenditen Anhänger Zapolyag,
einige Sage [päter, vielleicht bewogen durch den Ausgang Des
Treffens bei Zofaj, auch der Graner Erzbifchof Vaͤrday und
ber fiebenbürgifche Woywode Peter Perenyi.
Nachdem Ferdinand am 6. Oktober in der Berfammlung
der Magnaten, am 7. vor den Vertretern des Adels und der
Städte feine Rechte auseinandergeſetzt hatte, wurde er allgemein
als König anerkannt. Am 3. November wurde er in Stubl-
weifjenburg, und zwar, da Vaͤrday vom Papſte ald Erzbifchof
von Gran noch nicht bejtätigt war, wie früher Zapolya, durch
den Bifchof von Neitra feierlich gefrint. In diefer Beziehung
war gerade ber Übertritt Perenyis von großer Wichtigkeit ge-
weien, weil er als Kronhüter die Reichsinſignien in feinen
Händen hatte, jo daß e8 nur dadurch möglich warb, die von
den Ungarn fo bochverebrte Krone des Heiligen Stephan auf
das Haupt Ferdinands zu ſetzen. Perenyi wurde daher auch
in der Würde eined Woywoden von Siebenbürgen betätigt,
während die Krone jetzt der Hut bed verläßlichen Palatine
Baͤthory anvertraut ward. Bon den übrigen Anhängern
Ferdinands wurde Thomas Szalahazy zum Reichölanzler und
Biſchof von Erlau, Alexius Thurzoͤ zum Oberftlandesrichter
ernannt und fie wie andere mit Gütern bejchenft ). ‘Dagegen
wurden Zapolya und Verböczy für Feinde des Vaterlandes er-
Härt und feine übrigen Anhänger, namentlich der Bilchof Erdödy
von Agram, zwei Banffy, der Prior Johann Tahy und Franz
Homonnay, wie die Obergefpäne ebenfalld mit der Strafe des
Hochverrats bedroht, wenn fie nicht binnen drei Wochen vor
dem Könige erjcheinen würten. Auch die Stände von Slavonien
leijteten jest tem Könige Ferdinand die Hulbigung und ebenfo
erfannten die drei Nationen Siebenbürgens, die Ungarn, Szekler
und Sacfen auf einer Verfammlung in Moarosvafarbely den
von Terbinand gejendeten Kaſpar Horoath als Statthalter
an ?).
1) gl. Katona XX, 203sqg.
2) Fraknöi in Mon. comit. I, 161. 168.
Ausblick in die Zukunft. 563
Was Friedrich III. und Marimilian I. mit fo großer Aus-
dauer angejtrebt hatten, die Erwerbang Böhmens und Ungarns
für das Haus Habsburg, war endlich erreicht. Ob aber bie
Bereinigung diefer Reiche mit OÖfterreich eine bleibende fein’
würde, vermochte damals fein Menſch vorauszufehen. Darüber
durfte man fich jedenfalls Feiner Täufchung Hingeben, daß noch
große Schwierigkeiten zu überwinden fein würden. ‘Denn nicht
die Überzeugung, daß die Verbindung biefer drei Ländergruppen
allen zum Vorteile gereichen würbe, hatte diejelbe berbeigeführt,
jondern das Interefje einflußreicher Perſönlichkeiten, perlönliche
Sympathieen und Antipathieen die Wahl des Erzherzogs
Verdinand zum Könige von Böhmen und Ungarn bemirft.
Daß die Gründung einer kräftigen Monarchie an der mittleren
Donau angefichtS der von den Türken drohenden Gefahren
geradezu eine Lebensfrage für Mitteleuropa jei, ſahen gewiß
nur wenige von den maßgebenden Perjönlichkeiten ein. Wie
die böhmischen Stände darüber dachten, zeigt ihr Beſchluß,
ihrem ermwählten Könige vorftellen zu laſſen, daß fie es für
nütlicher hielten, wenn er nicht König von Ungarn wäre, weil
der Schub dieſes Reiches gegen die Türken ungebeuere Kojten
verurfachen - und jeine häufige Gegenwart daſelbſt notwendig
machen würde !). In Ungarn war der Haß gegen die Deutjchen
in weiten Kreifen lebendig, und nur zu viele dachten im Innern
wie die Bewohner Slavontens, daß fie lieber ven Türken als
jenen untertban jein möchten. Es beburfte daher jedenfalls
noch großer Anftrengungen und umfichtigen Vorgehen, wenn
es gelingen follte, Zapolya ganz aus Ungarn zu verdrängen,
das Reich gegen die Türken zu fehügen und das Mißtrauen
gegen das Haus Habsburg, mit dem man die Herrichaft der
Deutjchen identifizierte, zu überwinden.
1) Die böhmifchen Landtagsverbandlungen und Lanbtagsbefchlüffe 1,37.
—-- —
Drud von Friedr. Andr. Perthes in Gotha.
UNIVERSITY OF MICHIGAN.
Mm
3 9015