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Geſchichte
europaͤiſ chen Staaten.
Herausgegeben
von
A. H. L. Heeren und F. A. ukert.
ET ä
Leu —A
Geſchichte von Portugal,
von
Dr. Heinrich Shäfen
Erfter Band.
Hamburg, 1836.
Bei Friedrich Perthes.
..
Geſchichte
von
p ortugal
von
Dr. Heinrich Schäfer,
orbentlichem Profeflor der Gefchichte an der Univerfität zu Gießen.
Erfter Band.
Bon der Entitehung des Staates bid
zum Erlöfchen der echten burgundifchen
Linie, 1383,
‚ Hamburg, 1836.
Bei Friedrich Perthes.
D»DP
52%
„29
VLV.
Vorrede.
Wohl jeder Geſchichtſchreiber, der ein groͤßeres Werk
oder auch nur einen Theil deſſelben dem Drucke und
ſomit dem oͤffentlichen Urtheile zu uͤbergeben im Begriffe
ſteht, hat in Abſicht auf ſeine Leiſtung mancherlei auf
dem Herzen, was er nicht ſowohl allen ſeinen Leſern
als vornehmlich jenen, die ihn oͤffentlich beurtheilen wer⸗
den, zur Beruͤckſichtigung empfehlen moͤchte. Er freut
ſich der guten alten Sitte, in einer Vorrede das ſa⸗
gen zu duͤrfen, was in dem Buche ſelbſt nicht ausge⸗
ſprochen iſt und Misdeutungen bder Ruͤgen veranlaſſen
koͤnnte. Da aber die Vorrede, die auf dieſe Weiſe
gleichſam ein Sprachzimmer fuͤr den Schriftſteller und
den ihn beurtheilenden Leſer wird, zugleich ein Vorzim⸗
mer zu dem großen Auditorium iſt, da der Verfaſſer
ſeine Herzensangelegenheiten, ſeine Entſchuldigungen und
KRechtfertigungen bei offenen Thuͤren vorbringen muß
N
vıu | _ Borrede.
und das große PYublicum für folhe Dinge gemeiniglich
wenig Geduld zeigt, fo ift Kürze hier das erfte Gefeß.
Der Verfaffer, der fich in jenem Fall befindet, eilt
Daher, von dem Vielen, was auch ihm auf dem ‚Herzen
Nliegt, nur Einiges auszuheben.
Tadelnswerth möchte es zunaͤchſt fcheinen, daß er
in der Geſchichte der erften Könige, namentlid Affon⸗
ſo's J., die Eleinen Kriege der Portugiefen mit den Mau—
ren und Gaftilianern mit Ausführlichkeit erzählt, die er
in den fpätern Zeiten felbft bei größern Kriegen ver-
meidet. Allein für das damals fo befchränkte und
ſchwach bevölferte Portugal waren jene Kriege Feine
kleinen. Portugal muſſte in diefen Kämpfen für fein
Beſtehen feine gefammten Streitkräfte aufbieten, —
freilich nur eine Heine Schaar, aber eine Heldenſchaar,
welche endlich die lange gefährdete Eriftenz des Vater—
landes ruhmvoll durchfocht. Manches was in fpäterer
Zeit, wenn ein Staat gleichjfam fertig ift, als unmwich-
fig und geringfügig erſcheint, iſt es nicht, wenn er
“ eben erſt im Entſtehen, im Werden begriffen if. Waf⸗
fen waren ohnehin der Ruhm des Zeitalters.
Sn der Darftellung der fpätern Zahrhunderte find
die Gegenftände, welche die Staatöverwaltung betreffen,
vielleicht zu fehr gehäuft und ins Einzelne verfolgt, und
der Verfaſſer glaubt gern, daß, ungeachtet der ſichtbar
lebhafteren Theilnahme unſerer Zeitgenoſſen an geſchicht⸗
licher Darſtellung auslaͤndiſcher Staatsverfaſſungen und
—
ml En es EEE SEE nn nn mm . I11ss Eee
Borrede. ix
Verwaltungsweiſen, hier Manches von Manchem uͤber⸗
ſchlagen werden wird. Irrt er ſich aber nicht in der
Richtung und den Fortſchritten unſerer politiſchen Auf:
Märung, fo darf er bie Hoffnung Begen, daß jene Ge:
genflände fich einer immer allgemeineren Theilnahme
erfreuen werden; er hält es für eine Aufgabe des Ge-
Thichtfchreiberd, dem Geifte ber Zeit, wenn er in fo
loͤblichem Streben begriffen ift, Stoff zur Betrachtung
und Bildungsmittel darzubieten. Wiewohl bisher, wie
ed ſcheint, der flantörechtlichen Seite mehr Beruͤckſich⸗
tigung und Pflege in ber Gefchichte zu Theil geworden
ald der flaatäwirthfchaftlichen, fo glaubt doch der Ver⸗
faffer, daß auch diefem Zweige fein Recht in der Ge
fhichte dereinft werden dürfte Daß aber der Verfaf-
fer hier in das Einzelne und Befondere eingegangen ift,
werben Diejenigen nicht tadeln, die in dem Befondern,
es mag nun von ber Gefchichte oder von der Erfah:
tung geboten werden, ein wirkfames Gegenmittel (bis⸗
weilen wohl ein Gegengift) gegen Überfchägung der
Theorie und Speculation in biefem Felde finden.
Über die gewählte Anordnung und Vertheilung
bes Stoffes, beſonders fofern er Die Staats und Volks⸗
Verhaͤltniſſe betrifft, möchte wohl erſt am Schluffe des
Ganzen, wenigftend des Mittelalterd, ein vollftändiges
Urtheil gefällt werden Tonnen. Der Verfafler erlaubt
ſich bier vorläufig das Bewuſſtſein audzufprechen, daß
er nur nach vielfeitiger Überlegung und forgfältiger Ab:
x Borrede.
wägung der Gründe für und wiber diefe und andere
Anordnungen für die vorliegende fich entfchieden hat.
Andere mögen Manches anders geftellt und vertheilt
wünfchen; ob mit weniger Miöfländen und Nachtheilen,
mögen wieder Andere entfcheiden. Noch lange werben
die Anfichten über dieſen Punct der Gefchichtfchreibung
. verfchleden bleiben. Doch lebt der Verfaſſer des Glau-
bens, daß bei den Fortichritten diefer Kunft bier des
Subjectiven immer weniger werden, und befonders in |
der Behandlung der innern Staats» und Volls-Verhält-
niffe, wofür in ber antiken Hifloriographie Fein Vorbild
fih findet, der Spielraum der Willkür ſich verengern
und allmälig eine gewiſſe Muftercompofition ſich bilden
dürfte. Bis dahin fchienen dem Verfaſſer Einfach=-
heit und Natürlichkeit die ficherften Leitfterne zu fein.
Das innere Volks⸗ und Staatö-Leben in feiner ge=
ſchichtlichen Entwicklung in diefen Iahrhunderten durch:
weg abgefondert von ber Auffern Geſchichte darzuftellen,
Eonnte ſich ber Verfaſſer nicht entjchlieffen. Die Kunde
war meift nur fragmentarifch, ober in ihrer, aus dem.
Bufammenhang ber politiichen Geſchichte geriffenen, Ab:
geſondertheit hoͤchſtens einer Darſtellung in Moſaik fü
big. Das allmaͤlige Übergehen, die ſanfte Verſchmel—
zung ber Mittelitufen — ein Hauptmoment ‚ber Hiſto⸗
tie — Eonnte bier nicht dargeftellt werden. Doc, wäre
dies auch erreichbar, wären der Vortheile noch mehr
gewefen, — immer fchien der Verluft auf der andern -
%
Borrede. xt
Seite noch größer. Der Verfaſſer hielt diefe Audfchei-
dung und Abjonberung für eine Verfündigung an bem
Sefammtbilde, eine Verftümmelung des Einen, um ein
ganzes Bruchſtuͤck aus dem Anbern zu bilden. Was
bleibt von Diniz's fechöundvierzigjähriger Regierung zus
ruͤck, wenn man aus ihr ded Königs Staatöverwaltung
wegnimmt? Hat ed Diniz an feiner Zeit verf chulbet,
daß in der Gefchichte derfelben von ihm nur die drger-
lichen Händel mit feinem Bruder und die noch acgeri-
cheren mit ſeinem Sohne erzaͤhlt werden?
Unangenehm und befremdend fällt eine gewiſſe Un-
gleichheit in der Anfuͤhrung von Belegſtellen und litera⸗
riſchen Nachweiſungen auf. Sie find vorzüglich da ge
hauft, wo der Verfaffer das Meifte gewiffermaßen neu
Schaffen muſſte; fpärlicher da, wo Andere ihm vorge:.
arbeitet hatten. Aber auch hier ‘glaubte er der Be:
weife nicht überall entübrigt zu fein, fo lange ed, bei
der großen Seltenheit portugiefifcher Gefchichtöwerfe in
Deutfchland, einem Spotte ähnlich fieht, auf fie zum
Nachleſen zu verweifen. Der Kürze wegen find fie je
doch meift da weggelaffen worden, wo der Verfaſſer
tächtigen orarbeiten von folchen Portugiefen folgen
Tonnte, denen der gefammte Reichthum der gedrudten
‚und ungedructen Gefchichtäquellen ihres Vaterlandes zu
* Gebot ftand. Allein felbft einem Caetano do Amaral,
einem Santa Rofa de Viterbo, einem J. Pedro Ri—
beiro ift der Verfaſſer nur dann gefolgt, wenn er, fo-.
xu VBorreb.e. |
weit feine Mittel und Kräfte reichten, ‚von ihrer Gründ-
lichkeit fi) vorher überzeugt hatte. Jene Ungleichheit
aber mögen. ihm Diejenigen zu gut halten,“ die mit. ben
Schwierigkeiten einer Vereinigung. der: Gefchichtsfor::
fchung, die hier. unabweislich war, mit der Geſchichts⸗
fhreibung für Die größere Claſſe der. Gebilbeten: Auer
Nation befannt fd. . .... . :
Gießen, im October 18385.
Der Verfaſſer.
a 64
ı.
.
Inhalts: Überfigt,
| Einleitung.
Über bie alten Grenzen bes urfpränglihen Portu⸗
gals und bie Verwaltungsweiſe dieſes Landesbezirks
kurz nor feiner Lostrennung von Caftilien.
Eriter Zeitraum.
Bon der Entftiehung bes portugiefifhen Staates bis
zum Erldfchen der echten burgundifhen Linie, ober
von der Regietung bes Örafen Heinrich bis zum Tode
. des Königs Ferdinand. Vom J. 1095 bis z. J. 1383.
Erſtes Bud.
Bon der Entflehung bes Staates bis zu ber Erwerbung und
gänzlichen Unabhängigkeit Algarve's, wodurch Portugal bleibende
Grenzen erhält, oder von ber Regierung Heinrich’s bis zum Ende
der Regierung Alfonſo's II, Die Zeiten der Eroberungen. Da:
eben erfter Anbau des Landes und Entfiehung von Gemeinden.
Anfang der Streitigkeiten zwifchen der höheren Geiftlichkeit und .
ben Königen. on 1095 bis 1279,
xır | Inhalts⸗überſicht.
—
Erſter Abſchnitt. Portugal unter Heinrich von Bur⸗
gund. Von 1095 bis 1112.
Heinrich tritt als Comes Portugalensis auf, heirathet die na⸗
. türliche Zochter Alfonſo's VL und erhält mit ihr bas
Land zwifchen dem Minho und Douro. Er benugt nad)
des Königs Tode die Unruhen in Gaftilien, ftrebt fichtbar
nach Unabhängigkeit und übt in Portugal Dandlungen eis
ner unumſchraͤnkten Selbftherrfchaft. Sein Tod. . - -
Zweiter Abſchnitt. Heinrichs Wittwe, Regentin von
Portugal. Von 1112—1128. j
Thereſia übernimmt die Regierung. Die Königstochter nennt
fih Königin. Sie erhebt Anfprüde auf Ortfchaften jen
feit des Minho. Krieg mit ihrer Schwefter Urraca, dann
mit Alfonſo VII. Thereſia's Verhältniß zu dem Grafen
Kr Deres. Der achtzehnjaͤhrige Infant Affonfo
enriques behauptet gegen feine Mutter und ihren Günfts
ling feine Rechte auf den Thron mit den Waffen in ber
Hand. Schenkung an ben Erzbifchof von Braga. . -
Dritter Abſchnitt. Regierung Affonfo’s J. 24. Sun.
1128 bis 6. Dec. 1185.
1) Bon feinem Regierungsantritt bis zur Annahme des Königs
titel. Affonfo Infans, Princeps, Rex.
Affonfo Henriques regiert felbft unter den Titel Infans.
Den Krieg mit Caſtilien enbigt ein Waffenftillftand.
Gründung Leirias ga Schutz gegen die Garacenen.
Krieg gegen ben Kaifer von Spanien. Der Infant
gibt zwar bie feften Pläge in Galicien heraus, nimmt
aber nad dem Kriege den Titel Princeps an. Er
dringt mit einem Heere in Alemtejo ein. Gieg bei
Durique. Affonfo nennt fih König - - - . . .»
2) Affonfo beruft die Gortes und verpflichtet ſich und feine
Nachfolger de: Zahlung eines jährlihen Binfes an ben
päpftlichen Stuhl. - . - 2 2 2 22...
Die Corte von Lamego. Gegenftände ihrer Be⸗
fchlüffes die Ichronfolge, die Bedingungen des
Verluftes und der Erwerbung bed Abeld, pein⸗
liche Vergehen und Strafen. . - ». .. =
Affonfo I. verpflichtet fi und feine Nachfolger zur
Bahlung eines jährlichen Zinfes an den — 5 —
chen Stuhl. . a . . . “. “ ® . 0
9 Eroberungen und Siege über die Saracenen.
Eroberung Santarems. Belagerung und Einnahme Miffabons
mit Hülfe von Kreuzfahrern. Affonfo orbnet bie Ber
hältniffe der Mauren in Eiffabon, ertheitt ben chriftlis
hen Einwohnern ein Ortsrecht und bringt das See⸗
Seite
15
24
86
47
53
Inhalts-Überſicht.
8
weſen in Aufnahme. Der folgenreichen Eroberung Liſ⸗
ſabons folgt die von Alcacer do Sal und Beja, wie
die liſtige Einnahme Evoras, des Hauptortes von
Alemtejooo..
4) Aufnahme aͤlterer und Gründung neuer Ritterorden in Por⸗
tugal. . . ® “ o eo » . . . “ . ® . . ®. . .
Die Iempelrittr. . - - 2 020.
Die Sobanniterritter. "
Der Ritterorden von’ Avis. .
5) Die letzten Zeiten Affonfo’s J. J
Sein ungluͤcklicher Krieg mit dem Koͤnig von Leon, ſeinem
Schwiegervater. Er wird deſſen Gefangener und muß
die galiciſchen Orte zuruͤckgeben. Neue Kaͤmpfe mit
den Saracenen. Affonſo's großer Sieg uͤber ſie bei
Santarem. Gründung des Ritterordens bes heiligen
Michaels vom Fluͤgel. An die Stelle des greiſen Af⸗
fonſo tritt der jugendlich kraͤftige Sancho und fuͤhrt
die portugieſiſchen Streiterſchaaren gegen Sevilla. Die
Saracenen greifen zu Land und fur See Portugal an.
Erſter Seeſieg der Portugiefen unter der Anführung
des Fuas Roupinho. Aufbruch des Miramulim mit
ungeheuren Gtreitmaffen aus dem maurifchen Afrika
. und. Spanien. Belagerung Santarems. Affonſo eilt
sum Entſatz herbei und verbindet ſich mit feinem Sohne.
Portugal gerettet durch einen glorreichen Sieg über
die Ungläubigen, ben legten Affonfo's. Er flirbt 6.
| December 1185. 2. 2 2 2 2 ern.
6) Überfiht der Regierung und ber Verdienſte bes Königs
Aion le 2 2 00 2 rn nn
‚
xV
eite
58
71
. 72
83
83
88
Vierter Abſchnitt. Regierung Santos I. Vom 6. |
Dec. 1185 bie 7. März 1211.
1) Sancho's Eroberungen.
Der König, obgleich tapfer, Eriegserfahren und fiegreich,
denkt mehr darauf, feinem Lande bie Segnungen bes
Friedens zu verfchaffen. Doch benust er die Ankunft
einer Flotte mit Kreugfahrern in Liffabon, um mit
rer Huͤlfe Silves zu belagern. Eroberung biefer
fabt und anderer Orte in Algarve 1189. fügt
zu dem Zitel Rex Portugalliae hinzu: et Algarbii,
läfft aber nad dem Verluſte jener Stadt im 3. 1191
dieſen Zufag wieder weg.. 0 2 0.2.
2) Sancho's Verdienſte um das Land.
Seuchen und Miswachs verheeren und entoölfern Portugal.
Die Sararenen benugen bie Drangfale des Landes und
een in daſſelbe ein. Silves geht wieder verloren.
tele Portugiefen gerathen in bie Gefangenſchaft der
102
xvi Inhalts⸗-überſicht.
E
Ungläubigen. Mitten in biefer Noth erwirbt fich
Sancho 1. durch Beförderung des Landbaues den Bei-
namen el Lavrador, durch feine Sorge für den Auf:
bau und die Bevölkerung der Flecken und Burgen, wie
durch Ertheilung von Ortsrechten an eine Menge Ge:
meinden den Ehrennamen el Poblador. Er befchentt
und gewinnt für fi die Ritterorden. - - " . -
8) Sancho's 1. Streitigkeiten mit den Bifchöfen von Porto und
Soimbra. Einfchreiten des Papftes Innocenz IH. Tod
des Könige 27. März 1211. . 2 0 2 000.
4) Sancho's Zeflament. » 0 2
Fünfter Abſchnitt. Regierung Affonfo's I. Vom 27.
März 1211 bis 25. März 1223,
1) Streitigkeiten Affonſo's II. mit feinen Schweftern.
Sie befesen die Ortfchaften, die ihnen Sancho I. in feinem
Zeftamente zum Unterhalte beflimmt hat. Der König
von Leon unterflügt fie mit gewaffneter Hand. Sie
rufen den Papſt Innocenz TI. um feinen Beiftand an.
Verfahren der päpftlichen Unterfuchungsrichter. Fort:
dauer bes Kriegs. Enburtheil des Papſtes. - .
2) Deutfche und. nieberlänbifche Kreusfahrer helfen den Portus
‚giefen Alcacer do Sal erobeen. . . .. .
8) Affonfo’3 IT. Verdienſte um die Gefesgebung Portugals.
Er gibt mehreren Gemeinden Ortörechte. Corte von Coim⸗
bra 1211. Die erften allgemeinen Gefege feit den
eite
109
115
126
130
157
GCortes von Lamego. Ihr Inhalt. Verordnung für 148
die Beamten bes Zöniglihen Haufe. . - » -»
4) Affonfo’8 Streitigkeiten mit der Geiftlichkeit.
Klagen des Erzbifhofs von Braga über den König. Cr
thut diefen in ‚den Bann. Der Prälat flüchtet aus
"dem Reiche. Einfchreiten des Papftes Honorius IIL
und Verſchaͤrfung der Kirchenftrafen. Der König
nimmt den Bann mit ins Grab 1223, . . .
Sechſter Abſchnitt. Wie die portugieſiſche Kicche und
Geiftlichkeit reich und mächtig wurde.
148
Wenige Diöcefankirchen bis in die Mitte des fechften Jahrhun⸗ ö
derts in den Gegenden bes nachherigen Portugals. Grüns
bung einer Menge Eleiner Kirchen und fogenannter Kloͤ⸗
fter zur Zeit der Weftgothen. Ihre Vervielfältigung nach
der Entfernung der Saracenen. Die kirchlichen Stiftun-
gen bleiben Eigehthum der weltlichen Gründer. Häufige
Schenkungen an die Kirche. Beweggründe, Natur und
Geltung diefer Schenkungen unter den Königen von Leon
und in ben erften Zeiten des portugieſiſchen Staates.
Verwirrung ber Gigenthumsverhäftniffe as religiöfe
Inhalts⸗Üüberſicht. xy
Seite
Leben kommt mehr und mehr In Aufnahme Deo⸗Votas.
Emparedadas. Berhältniß ber Familiares zu ben Kıöflern.
Hoderungen ber Herdeiros und Anfang ihrer Bedruͤckun⸗
gen. Zortbauernde Vermehrung bed Grunbbefiges ber
Kirche. Auflommen des geiftlichen Zehnten am Ende bes
elften Jahrhunderte, Erweiterung ber perföntichen Vor:
sechte des Sam 0 0 2 2 er 2 nenn. 152
Siebenter Abſchnitt. Megierung des Königd Sancho II.
Vom 25. März 1223 bis 21. Sept. 1245.
1) Sancho's Wirken für den Frieden und im Frieden.
Er legt die Streitigkeiten mit der Geiftlichleit, unter denen
ber Vater geftorben, durch einen Vergleich mit jener
® und einen andern mit dem Erzbifchof von Braga bei.
Vertrag des Königs mit feinen: Vatersſchweſtern. Er
ertheilt mehreen Srtfejaften Tora, . 0.
2) Gancho's Eroberungen.
Elvas, Serpa, Jurumenha, Atjufter, Aronches, das wich⸗
tige, Mertola, Cacella, Ahamonte und Zavira kommen
in die Gewalt des Koͤnigs. Verdienſte der Ritter des
Santiago⸗Ordens, vor allen des Komthur von Alcacer
do Sal, Payo Peres Correa, bei dieſen Kriegsunter⸗
nehmungen. Der Komthur erobert die Orte in Al⸗
e mit Portugieſen fuͤr Portugal. Vertheidigung
Sancho's gegen den Vorwurf ber Unthaͤtigkeit und Un⸗
erfahrenheit im Kriegg.. 1272
3) Sancho's Streitigkeifin mit der Geiſtlichkeit.
Klagen des Bifchofs von Porto über den König. Vergleich
ifhen Beiden. SHeftigerer Streit mit dem Erzbi⸗
—* von Braga, der ſich mit ſeinen Beſchwerden an
den Papft wendet. Nähere Angabe dieſer Beſchwerden.
Die Drohungen des Papſtes bewegen den Koͤnig nach⸗
ueber ren
4) Enthronung des Könige Sancho.
Der portugiefifhe Adel. Die Peingen bes Haufes: Affonfo
- und Zerdbinand, des Königs rüber, der Infant Pe⸗
‚ tee, Sancho's Oheim. Kitterliche Thaten und Schick:
fale des Legtern. Mecia’s Einfluß auf ben König; ob
fie feine Gemahlin war? Das allgemeine Misvergnuͤ⸗
gen benugen weltliche und befonders geiffliche Große,
um ben König zu flürgen. Ihre Klagen bei bem apo-
ftotifchen. Stuhle bewirken eine päpftliche Drohbulle.
Portugiefifche Prätaten und weltliche Geſandte reifen
nach Eyon. Innocenz IV. entfernt den König von der
Regierung und überträgt fie dem Grafen von Bous
Iogne, Affonfo. Wodurch fich biefer bem Papſt empfohs
len hatte, und was er in Paris vor feinem Regie⸗
rungsantritt befchwören muß. Gene Ankunft in Por-
*
—
178
xviu Inhalts⸗Uberfichn
kaͤmpfen noch fuͤr Sancho, der ſtandhafte und
ſchlaue Pacheco in Celorico und Freitas in Coimbra,
deſſen Treue dem König bis in's Grab folgte . . 183
Achter Abſchnitt. Regierung Affonſo's IL on 1245
bis 1279.
Affonfo’8 Regierung unter drei Gefihtspuncte gefaflt: feine Er
werbung Algarve’s, feine Staatsverwaltung, fein Kampf
mit den Prälaten.
1) Erwerbung Algarve’s.
herer Umfang bes Landes. Schon Sancho I. nannte
Beine „König von Algarve”. Croberungen Sancho's IL.
Affonfo ILL entreifft Faro und andere Orte in Als
garve den Mauren. Die Portugiefen überfchreiten die
Guabiana. Krieg bes Königs von Gaftilien mit dem
von Portugal; jener erwirbt bie Nusnieflung, dieſer
behält das Eigenthbum von Algarve. Eine ber Bedins
gungen des Vertrags zwifchen beiden Königen ift bie
Vermählung Affonfo’s IL. mit Brites, der natürlichen
Tochter Alfonfo’3 des Weifen. Die Kinder biefer Ehe
werben erft nach dem erfolgten Tode der Gräfin Mas
thilde von dem Papfte für rechtmäßig erklärt. Neue
Verträge in Betreff Algarve's zwifchen dem caftilifchen
und portugiefifchen Königs diefer verfpricht jenem funfs
se kanças zum Deere zu ftellen. Der kleine Diniz
ei dem Großvater in Sevilla. Der König von Ca»
flitien entfagt allen Anſpruͤchen auf Algarve. Affons
ſo's III. Anordnungen in diefem Lande. . - „ » 203
2) Affonfo’s III. Staatöverwaltung-
Seine Sorge für den Anbau des Landes, für die Anles
gung von Drtfchaften, für ihre Bevoͤlkerung und Ges
fggeöung. Bela, Melgaco. Die Cortes in Leiria
1254. Angelegenheiten der Städte Santarem und
Porto. Allgemeine Gefege zur Sicherheit des Eigen»
Fan und der Perfonen. Gründung jährlicher Märkte.
eftftellung der Preife der Waaren und Güter. Vers
derbliche Münzveränderungen. Des Königs Schenkuns
gen an bie Ritterorden; Mishelligkeiten mit diefen. 219
8) Affonfo’s Streitigkeiten mit der höheren Geiftlichkeit.
Die Erwartungen ber Prälaten vom König werben nicht
erfüllt. Sie befchweren fi über Eingriffe in ihr Ei⸗
genthum und ihre Vorrechte. Sieben Bilchöfe reifen
’ nad Rom, um Klage über Affonfo zu erheben. Gre⸗
gor X. erläfft eine Ermahnungsbulle an den König.
InhaltssÜberfihe | Xxix
| Seite
Diefer weicht aus, verfammelt die Cortes und ver:
fpricht Abhülfes aber der Papft erwartet vergeblich bes
Könige Sefferung. Merkwürdige Bulle vom 4. Sept.
1275. Gregor X. flirbt, und der ſchnelle Wechfel der
folgenden Päpfte rettet den zaubdernden König. Jo⸗
bann XXI., ein Portugiefe, ſchickt einen Legaten nach
. Portugal, ben Affonfo mit Audienzen binhält. Der
Bruder Nicolaus lieft endlih in feierlicher Verfamms
lung die päpftliche Bannbulle, 1277. In demfelben
Zahre ftirbt Johann XXI Der König verſpricht auf
: dem SKranlenbette Alles, was ihm ber Papft geboten,
unbedingt zu erfüllen, wird vom Banne freigefprochen
und ftirbe den 16. Febr. 179. . 0.00. 331
Neunter Abfhnitt, Das Gemeindewefen in ben erfien
Sahrhunderten des Staates.
Vorbemerkung. L eo eo [ ® [ “ 9 eo « e eo ®
1) Die zerflveute Bevölkerung verbinbet fi) zu Gemeinden.
Das Land verödet durch die Kriege mit ben Mauren. Erfte
Spuren ber Urbarmahung und des Wiederanbaues.
Zerftreut liegende Grundſtuͤcke, Getreideſchoppen und
Einzelwohnungen. Herdades, Aldeas, 'Celleiros u. f. w.
Die Coireleiros und der Pobrabor des Könige. nt:
ſtehung von Weilern und Dörfern an Flüffen, frucht-
baren Stellen, an den Mauern ber Kiöfter und Gtäbte,
Die Burgos. Die ummauerten Flecken und Stäbte.
Die Landgemeinden wie die Stabtgemeinden fühlen das
Bedürfniß gefchriebener Geſetze und fefter bürgerlicher
Einrichtunge. —288
2) Die Ortsrechte (Boraes).
Wer ſie ertheilte. Die weſtgothiſche Geſetzſammlung kommt
mehr und mehr auſſer Gebrauch; Urſachen bavon.
Srundbeftandtheile und Entſtehungsweiſe dieſes Geſetz⸗
buchs; fein Zielpunct und feine Richtung. Verſchie⸗
denheit der Fotaes in diefen Beziehungen. . . . 246
3) Äuflere Verfaffung der Gemeinden.
Ihre Stellung gegen den König ober Berichtäheren. Claſ⸗
fen der Ortsbürger und Gemeindeangehörige. Peoes.
Cavalleiros — Fidalgos und Villaos. Rechte berfelben.
Infançoens. Viſinhos. 4
4) Obliegenheiten ber Gemeindeglieder.
Kriegspflichtigkeit und Ortsvertheidigung Apelibo, Aza⸗
ria, Foſſado. L } 0 “ 06 . . 0 3— . . 262
5) Abgabenmweien, Leiſtungen. . . - . . 266
6) Rechtspflege.
Menige Beftimmungen in den Foraes über bürgerliche
Gevichtsſtand
Nechtsſtreitigkeiten. Gerichtsperſonen.
237
xx | Inhalts⸗überſicht.
Seite
en Peinliche Rechtspflege, Verbre⸗
chen und © . — o . .' eo L) eo 237 8
—— een 482279
Gerichtsſtand. 282
Gerichtshandlungen. 282
Peinliche Rechtspflege. Verbrechen und Strafen. 286
Bweite8- Bud.
Bon der Megierung bes Königs Diniz bis zum Tode Fernando's.
Bon 1279—1383.
Seite
Erfter Abſchnitt. Regierung des Königs Diniz. Won
1279—1325.
. 1) Diniz bis zu feinem - Regierungsantritt.
Diniz's Geburt, Erziehung und Unterriht. Cr erhält als
Erbprinz einen befondern Hofftaat. Sein Regierungs-
antritt. Gntfernung feiner Mutter von den Regie:
rungsgeſchaͤften. Vermählung mit Ifabel von Aragonien. 298
2, Auswärtige Verhältniffe:
‚Der König wird, zunaͤchſt durch ben Zwiſt mit ſeinem Bru⸗
Affonſo, in die Zerwuͤrfniſſe Caſtiliens verwickelt.
ini 8 Antheil an den bortigen ZThronftreitigkeiten.
Er vermittelt ald Schiedsrichter den Frieden „rilden
Caſtilien und Aragonien und huft die Ruhe In jenem
Neiche herftellen. . . . . . . 804
8) Innere Verhältniffes Diniz’s Otontövenwaltung.
Er bereift wiederholt das Reich. Anbau des kandes, Berg:
bau, Handel, Schifffahrt, Seemadt. . -
4) sönig ig Dinig un und bie höhern Stande, bie Gepuäpit und 317
A, Di Geiftichteit,
Streitigkeiten und Verträge des Königs mitbem Klerus.
Die fogenannten vier Eoncorbias bed Königs Diniz.
Geſchichte der Amortifationsgefege. Während Di-
nix auf der einen Seite dem Umfichgreifen des Kle
rus Schranken feet, gewährt er auf der andern
den Kirchen und Klöflern Scug gegen die Be:
druͤckungen ber Erben ihrer Patrone (Herdeiros). 319
Inhalis⸗überſicht. xxi
B. Der Abel als Grundbeſitzer; bie Ritterorden.
Die Inquirigdes.
Den großen Grundbeſitz, welchen ber Abel zum
Theil Schon unter den Königen von Leon erworben
hatte, erweiterte und mehrte er unter den erften
Königen von Portugal. Verſchiedene Arten von
abeligen Gütern und damit verbundene Rechte und
Freiheiten. Solares. Coutos. Honras. Behetrias.
Unmäßige Erweiterung ber geundherrlihen Gerecht⸗
fame, und Waßregeln ber Könige fie zu beſchraͤn⸗
ten. Geſchichte ber früheren Inquiricdes. Ber:
ſchiedene Unterſuchungen, ‘weiche Diniz anftellen
laͤſſt. Misbraͤuche, die dadurch offenbar werben.
Der König hebt alle Honras auf, weiche feit 1290
neu gegründet ober erweitert worden fin. . . 886
Die Ritterorden. i
Der Nitterorden von Santiago in Portugal erhält
einen befondern Meifer. . ... . . . . 84
Die Tempelritter und ber Ghriflusorben. i
Bunehmender Grunbbefig bes Tempelordens ſeit Af⸗
fonfo I. Vorrechte und Befreiungen, welche bie
Päpfte im Laufe ber Zeit dem Orden bemwilligen.
Berpfligtungen ber Ritter gegen bie Könige von
Portugal. Kluges Benehmen .diefer gegen jene.
Tadelioſigkeit des Orbens. Känig Dinig wird vom
Papft nach Vienne eingeladens er ſchickt einige Abs
geordnete dahin. Die portugiefifchen Zempelritter
entziehen ſich ber Gefahr durch bie Flucht, und ber
König nimmt ihre Güter gerichtlich in Beſchlag.
Dinig’d Verbindung mit den Königen von Gaftilien
und Aragonien. er Papft macht bei der Aufhe⸗
bung des Tempelordens eine Ausnahme zu Gunften
diefer drei Fuͤrſten. Diniz verwirft den Bruder
Stephan als Abminiftrator der QTempelgüter. Die
Nitter ericheinen wieder in Portugal. Gtiftung
des Ehriflusordens ober vielmehr Wiederherftellung
des Tempelordens unter jenem Ramen. Diniz gibt
m feine Güter zurüd und fchenkt ihm Gaftro-
arim, ben Hauptfiß des Ordens. Neue. Orb:
nungen und GEinrichtungen deſſelben. . . .. 853
5) Die letzten Jahre des Könige.
Seine Streitigkeiten mit dem Infanten Affonfo. Wiederhol-
ter Ausbrudy der Feindfeligkeiten zwifchen Water und
Sohn. Die Königin Ifabel vermittelt die Verföhnung
Beider. Diniz erkrankt. Beine Anorbnungen und
letzten Worte. 4370
xxii | Inhalts⸗überſicht
Seite
Zweiter Abſchnitt. KRegierung Affonſo's IV. Won
1325 - 1357.
1) Die Cortes von Evora, 1325. Streit und Ausſoͤhnung
zwifchen dem König und feinem natürlichen Bruber. Die
Ehen zwiſchen ben portugiefifchen und caftilifchen Königs: 388
familien. » “ 0 . [} o ® 2 ® [ ®
2) Affonfo's Antheil an dem Sieg am Salado über die Sa⸗
racenen.
Große Rüftungen des Königs von Marocco zu einem Einfall
in das chriftliche Spanien. Die verföhnten Könige
von Portugal und Eaftilien verbünden fich zur gemein: _
ſchaftlichen Abwehr der Gefahr. Belagerung von Ta⸗
riffa. Ein Sturm zerftört die caftilianifche Flotte.
Die hriftlichen Könige rüdten mit ihren Heeren gegen
die vereinigte Macht der Könige von Marocco und
Granada. Schlaht und Sieg der Chriften am Galas
do. Ungeheurer Verluft der Saracenen. Affonfo von
EAN verſchmaͤht an der reichen Beute Theil 3
ne men. “. . . ® oe . . eo ® e o 0 . .
8) Ermordung der Ignez de Caſtro⸗
Affonfo’s IV. Tod. Blick auf ihn als Menſch und Regenten.
Dritter Abſchnitt. Regierung bed Könige Pedro 1.
Bon 1357—1367. | .
1) Handlungen des Königs in Abficht auf Ignez de Caftro.
Der König von Gaftilien, durch ein Freundſchaftsbuͤndniß mit
Pedro von Portugal verbunden, liefert diefem die Moͤr⸗
der der Ignez aus. Zwei derſelben Läfft Pedro auf
eine graufame Weife hinrichten. Schidfale bes ent⸗
benen Pacheco. Der König beſchwoͤrt, daß er mit
gnez Eirchlich getraut geweſen. Zwei Beugen bekraͤf⸗
tigen es eidlich. Feierliche und öffentliche Verkündung
der ftattgefundenen Vermählung. Zweifel der Zeitges.
nofjen. Igneys Leiche, mit Zeichen der koͤniglichen
Wuͤrde geſchmuͤckt, wird von einem zahlreichen Trauer⸗
gefolge von Coimbra nach Alcobaça geführt. . .
2) Die Gortesverfammlung in Elvas im Jahre 1361.
Beſchwerden und Anträge ber Gortes, Eönigliche Entfchlieffuns
gen. Neue von Pedro eingeführte Geſchaͤftsordnung
für die höchfte Staatsbehoͤrde.
3) Pedro's Denk: . und Handelsweiſe,
geftellt. . . “ ° [) . . . ®
4) Pedro bereichert den Eöniglichen Schat nach dem SBeifpiele
feiner Vorfaheen. - « - - 0...
3%
897
. 405
.in einzelnen Zügen bar:
nenn. 264
Snhaltsslberfige: xxıı
Seite
5) Pebro's Verhalten gegen Caſtilien.
Er bewahrt ben Frieden mit biefem Reiche, trog
dee Gier
eintretenden gewaltfamen Ihronfolge. Tod des Königs. 434
Bierter Abſchnitt. Regierung des Koͤnigs Fernando.
Von 1367—1383.
1) Bluͤhender Zuſtand Portugals bei Fernando's Regierungsan⸗
tritt. Charakter des Könige. - - 2 2: 0 0...
2) Fernando's Streben nad} der Krone von Gaftilien.
Sein Buͤndniß mit den Königen von Aragon und Granada,
um gemeinfchaftlih mit biefen den König Henrique
von Gaftilien zu befriegen. Bernando, obgleih von
feinen Bunbesgenoffen unterflügt, führt den Krieg
Läffig und ungeſchickt und fchliefft ganz unerwartet eis
nen Vertrag mit dem Seinde ab. Gr gibt bie ihm
verlobte aragonifhe Infantin Leonor auf und vers
ſpricht die Infantin Leonor von Caſtilien zu heirathen.
\ Verluft der in Aragonien hinterlegten Geldfumme. Er⸗
ſchoͤpfung des koͤniglichen Schatzes nad) dem Kriege.
Fernando's Muͤnzverſchlechterung und andere verderb⸗
437
liche Maßregen. - oo 0 0 0 0 een. 48
8) Fernando's Vermaͤhlung mit Leonor Telles.
Der König entführt Leonor ihrem Gatten, um fih mit {
zu vermählen. Dadurch veranlaffter Volksaufſtand
Liffabon. Leonor, auf den Thron erhoben, weiß fich
einen großen Anhang zu verfhaffen. . . . .» -»
4) Neuer Ausbruch des Kriegs mit Henrique von Gaftilien.
anbo verbindet fih mit dem Herzog von 2ancafter gegen
dem den König von Caſtilien. Dieſer, über Bernando’s
Treubruch entrüftet und vergeblich bemüht Frieden zu
erhalten, fällt mit einem ‚Heer in Portugal ein. Der
portugiefifche König fieht von den Mauern Santarems
erab den Feind nad) Liffabon ziehen. Ein Theil dies
er Stadt wird ein Raub der Flammen. Der päpftli«
che Legat Buy de Boulogne vermittelt den Frieden,
deffen Bedingungen ber König von Caſtilien vorſchreibt.
Zufammentunft beider Könige auf bem Zajo. Ihre
Verhaͤltniſſe zu dem König von Aragonien. Die por:
tugiefifche Snfantin Beatriz wird dem natürlichen Sohn
des Königs von Gaftilien verlobt. - - . .. -
5) Ränte der Königin.
Leonore veranlafit durch berüdende Vorfpiegelungen ben Ins
fanten Joad, feine Gemahlin, ihre eigene Schwefter,
457
zu ermorden. Schreckliche Enttäufchung bes Infanten. 466
xxiy Juhalts—überſiqcht.
Seite
6) Fernando's Krieg mit König Juan I. von Gaſtilien.
Der König von Portugal verfpricht feine oft verlobte Tochter
Beatriz dem Sohne Juan's I. von: Eaftilien und er⸗
klaͤrt dieſem gleich darauf den Krieg. Der landesver⸗
wiefene. Andeiro unterhandelt insgeheim für Fernando
einen Gülfövertrag mit dent Herzog von Lancafter.
Andeiro und das königliche Paar im Thurme zu Eftre
mos. Juan I. und Fernando rüften fi zu Land und
zur See. Die portugiefifche Flotte wird von der caftis
. lianifchen gefchlagen. Ankunft der Engländer in Liſ⸗
fabon. Die Infantin Bcatriz wird dem Sohne bes
Grafen von. Sambribge vermählt. Betragen ber ang
länder in Portugal. Anftößiges Verhaͤltniß der Kö:
nigin zu Andeiro und Verhaftung Azevedo’3 und bed
Großmeiſters von Avis durch die Raͤnle Leonorens. . 471
7) Ausgang bed Kriegs mit Gaftilien und Lob bes Königs.
Die Könige von Portugal und Caftilien führen ihre Heere
gegen einander, Tchlieffen aber, ehe es zus Schlacht
tommt, Frieden. - Bedingungen deſſelben. Die vers
haſſten Engländer kehren in ihre Heimat zuruͤck. Bea⸗
triz mit dem caſtilianiſchen Infanten Fernando verlobt.
Bald darauf bietet der König von Portugat die dem
Sohne verlobte Beatriz dem Water zur Gemahlin an.
Zeierliche Trauung des Königs Juan I. mit der por
tugiefifchen Infantin. Tod bes Könige Fernando. 432
Einleitung.
Über die alten Grenzen bed urfprünglichen
Portugals und die Verwaltungsweiſe diefes
Landesbezirks kurz vor feiner Lostrennung
von Caſtilien.
VJener Landſtrich der pyrenaͤiſchen Halbinſel, aus welchem ge⸗
gen Ende des elften und im Anfange des zwoͤlften Jahrhunderts
der portugieſiſche Staat ſich bildete, theilte bis dahin die Schick⸗
ſale Spaniens, beſonders ſeiner weitlichen ‚Hälfte, Seine Ge:
fhichte biß zu diefem Zeitpuncte ift nur eine Wieberholung von
dem, was die Gefchichte von Spanien bis zur Lostrennung
Yortugals darftelt, oder wenn fie auf die Begebenheiten und
Veränderungen, die auf jenem Gebiete fi ch ereigneten, fireng
und ausfchlieffend fih befchränken will, ein Bruchſtuͤck, ein
abgeriffenes Blatt, das für ſich allein ungentgend, ja unver
ftändlich ift, und nur in dem wieberhergeflellten Zuſammen⸗
hange klaren Aufſchluß und vollftändige Befriedigung gewährt.
Es ift die Aufgabe des Gefchichtfchreiberd von Spanien, das
geoße Drama barzuftellen, das die vielen und verſchiedenartigen
Völker, die den Schauplag der pyrenaͤiſchen Halbinfel nach
und nach betreten haben, aufführten; der Gefchichtfchreiber von
Portugal würde aus der Vorzeit diefed Landes nur verſtuͤm⸗
melte Scenen aus jenem Drama mittheilen koͤnnen. Ohne
bervorftechende Eigenthuͤmlichkeit bietet dieſer a ber Halb:
Schaͤfer Geſchichte Portugals 1.
2 Einleitung.
infel diefelben Erfcheinungen dar, welche das Ganze gewährt,
ba eine befondere Verfaſſung und Berwaltung ihm zu Theil
geworben ift, Feine andere Völker andere Neigungen und Ans
fichten, andere Sitten und Lebensweiſen darin eingeführt haben.
Nur die Lufitanier, die man unter der Herrfchaft der
Karthager und Römer von den Hifpaniern unterfchied, fcheis
. nen dem portugiefifchen Boden ausfchlieffend anzugehören. Aber
die Grenzen ihres Landes, wie fie unter Auguftus beftimmt
waren '), fallen Feineswegs mit den Grenzen des heutigen Pors
tugals zufammen, und die Gefchichte von Spanien müffte die
Schidfale diefed Volkes in ſich aufnehmen, wenn fie felbft die
Vorgefchichte von Portugal unberührt laffen wollte. Das ganze
Land zwifchen dem Douro und Minho, das jest zu Portugal
gehört, wurde damals Galicien zugezählt. Die portugiefifchen
Gebiete von Dlivenga, Mourão, Moura, Serpa und anderer
Ortfchaften gehörten zu Bätica. Auf der andern Seite ers
ſtreckten ſi ch die Grenzen Luſitaniens uͤber Staͤdte und Orte,
die jetzt in Caſtilien liegen, wie Avila, Salamanca, Ciudad
Rodrigo, Merida (alſo ſelbſt die Hauptſtadt Luſitaniens), Al⸗
cantara, Medellin, Truxillo, Caceres ). Überbies verſchwan⸗
den alle beſondere Zuͤge, durch welche die alten Luſitanier ei⸗
genthuͤmlich auf die Folgezeit haͤtten einwirken koͤnnen, und
vielleicht noch für die ſpaͤtere portugieſiſche Gefchichte von Be⸗
deutung gewordeit. wären, bis auf. Die Iette Spur, als durch
die Einwanderung und Herrfchaft germanifcher Völker und
fpdterhin der Araber fremde Sprachen und Sitten, fremde Ges
ſetze und Staatöeinrichtungen- Platz griffen. Der Darftellung
jener Veränderungen. aber, die von den Gueven, Vandalen
und -Alanen, von ven, Weftgothen und endlich von den Ara⸗
bern felbft innerhatb der Grenzen des fpätern Portugals hers
beigeführt wurden, kann fich die Geſchithte von Spanien nicht
entſchlagen; denn nicht Portugal, nicht Leon, nicht Gaftilien,
fondern die pyrenaͤiſche Halbinfel war der Schauplag der wech⸗
ſelvollen Kämpfe und Schidſale jener Voikberſchaften.
1) Plinius, Kb. III. cap. 1 und lib. IV. cap. 22.
2) Historia e Memorias ‘da Academia Real das Sciencias de
Lisboa. Tom. IX. p. 218.
— —
Einleitung. 3
Unerlafflic aber und wichtiger als eine einfeitige und dar⸗
um unbefriebigenbe Überficht der Schickſale jenes Landſtriches,
aus dem’ fpäter der portugiefifche Staat fich bildete, ift für
beffen Gefchichte die Kenntniß feines Umfangs und feiner Gren«
zen, ald er von Caſtilien allmdlig fich ablöfte, aus einem Lars
beötheil in ein abgefondertes Land fich verwandelte und zu eis
nem felbfländigen Ganzen fich erhob. Nicht minder wichtig und
unerlafflich ift die Kenntniß feiner Verwaltung in ber legten.
Zeit feiner Vereinigung mit Caſtilien, um, mit Beidem bes
Fannt, im Stande zu fein, fo weit die Pärglichen Nachrichten.
und Urkunden e8 geftatten, die flilen und faſt unmerflichen
Übergänge von Abhängigkeit zur Unabhängigkeit wahrzunehmen
und daraus das Näthfel diefer geräufchlofen Umwandlung
zu loͤſen.
Nachdem bad ben Mömern unterworfene Spanien feit
Auguſtus aus drei großen Provinzen, Tarraconenfis, Lufitania
and Bätica, beftanden hatte, theilte es Conſtantin bei ber.
neuen Regierungsform, die er dem Reiche gab, in fieben Pros
vinzen: Baͤtica, Luſitania, Gallaͤcia, Tarraconenfis, Carthagi⸗
nenſis, Baleares und Tingitana in Afrika. Luſitanien wurde
nach Norden von dem Durius (Duero), nach Weſten und Suͤ⸗
den von dem Meere, und zwar füblich von dem Promontorium
Sacrum (Cabo de 8. Vicente) bis zur Mündung bed Ana
Guadiana) begrenzt. Gegen Zarraconenfis hin ift die Grenze
Bufitaniend zweifelhaft, reichte aber jedenfalls nach Norboften
weit uͤber die jetige Grenze von Portugal hinaus, während
diefeß nach Suͤdoſten über bie Guadiana, Die Grenze des al-
ten Luſitaniens, hinausgeht. Galicien, das erft feit Conſtan⸗
tin als befondere Provinz erfcheint, wurde füdlich vom Duero,
weftlich und nördlich vom Meere eingefchloffen, indem es auch
Aſturien und Gantabrien umfaflte ), und fließ öftlih an Cars
thaginenfis, ohne daß die Scheidelinie und genau bekannt: ifl.
As Gegend genannt, war: Gälicien viel befchränkter, indem
Afturien und Gantabrien von ihm unterfchieben wurden. Von
den heutigen Portugal gehörte demnach dad Land - zwifchen
dem Douro und Minho zu Galicien. |
1) Orosius, lib. VI. cap. 21.
4*
4 Einleitung.
Unter der Regierung ber ſueviſchen Könige aͤnderten fich
die Grenzen von Galicien und Lufitanien, indem zu.jenem ges
rechnet wurde, was die Sueven in dieſem befaßen,. Die Städte
Idanha, Eoimbra, Lamego und Viſeu mit ihren Gebieten,
alfo das Land--zwifthen dem Douro und Mondego. Nachdem
die Sueven von den Weftgotben befiegt worden: waren, bes
fchränkte der König Receswinth Galicien im Süden auf feine
alten Grenzen. So blieb e8, bis nach bem Einfall der Aras .
ber alle biöherigen politifchen und kirchlichen Grenzen vers
fchwanden. Als aber die chriftlichen Könige von Afturien und
Leon die Ungläubigen wieder. aus Oalicien und einem Theil
des heutigen. Portugald verbrängten,. wurbe auch die Suͤd⸗
grenze von Galicien wieder ausgedehnt. Sie liberfchritt nicht
allein den Douro, fondern breitete fich ſelbſt bis zu den Ufern
des Mondego aus, indem fie zu dem Gipfel der Serra da
Eſtrella flieg und bis zum heutigen Guarda reichte, von da
gerade nach Freiro de Espada = Eintra fich wendete, die Berge
von Chaves durchfchnitt und an dem Reiche Leon hinlief.
Died waren ‚bie Grenzen von Galicien im ‚Anfang des zehnten
Sahrhunderts ».
Erft als im der ſpatern Regierungszeit des Koͤnigs Al⸗
fons VI. (1072 - 1109) der Name Portucale erſcheint, nicht
"mehr als Name sed Bezirks der Stadt: Porto, ſondern als
Benennung eines von Galicien -abgefonderten verſchiedenen
Gebiets, ſieht man auch die Grenzen von Galicien zuruͤckwei⸗
chen, nicht allein zu der alten Grenze des Douro, ſondern
ſelbſt bis zum Minho, der noch. heute Galicien vpn Portugal
trennt. In den Urkunden aus den letzten Zeiten des elften
Jahrhunderts tritt Alfonſo VI: in dem Territorium von Por⸗
tucale als Koͤnig von Galicien auf, und ſein Schwiegerſohn,
der Graf Raymund, der die beiden Statthalterſchaften von
‚1) Im Jahre 988 ſagt Ramiro.If. in einer Schenkung an den Abt
des Kiofters Eorväo: „et ad fratres, :qui in ipso militant Monasterio,
quod fundatum est subtus monte Lauribano, in finibus Gallaeciae.““
Es ift demnach auffer Zweifel, daß Balicien bis zum Gebtet von Coim⸗
bra auf ber rechten Seite des Mondego ſich erſtreckte. Hlucidario das
palavras, que em Portugal antiguamente se usaräo, por Joaquim de
Santa Rosa de Viterbo. Tom. II. p. 6. °
Einleitung. 5
Goimbra und Porto mit bem heutigen Galicien verbindet,
heifit daher Dominus, Comes ober Princeps von ganz Galis
den‘). Portucale ift jedoch im Augufl 1094 noch nicht, wie bald
hernach, ein von Galicien getrenntes Landeögebiet, fondern die
Stabt: Portus⸗Cale mit ihrem Bezirk, die bald allein, bald
gemeinfchaftlich mit Coimbra von einem Statthalter regiert
wird. Noch vor dem Ablauf des elften Jahrhunderts aber,
nach der Vermählung ded Grafen Heinrich mit Therefia, ber
Tochter Alfonfos VI., fing man an Portucale ald ein von
Galicien verfchiebened und abgefondertes Land zu betrachten ).
Urkunden vom Jahre 1097 zeigen, daß Heinrich von Burgund,
des Königs Schwiegerfohn, den Landftrich zwifchen dem Minho
und Tajo verwaltete und den Titel Graf von Portugal führte ?).
Auf dieſes Gebiet befchränkte fich alfo damals Portugal; die
Landſtrecken, die er Furz vor feinem Zode in Galicien befaß,
batte er fpäterhin erobert.
Die VBerwaltungsart diefer den Mauren entriffenen
Länder, ben Umfang der Macht ihrer Worgefegten in dem
Zeitsaum von ihrer Eroberung bis zur Regierung des Grafen
Heinrich im Allgemeinen. Tennen zu lernen, bat und die Ges
fhichte zwar nur wenige, ‘aber doch hinreichende Nachrichten
aufbewahrt. Sie zeigen und die Beamten, die an der Spike
ber Verwaltung der wichtigeren Städte und Landeögebiete ſte⸗
hen, mächtiger und weniger abhängig, ald man bisher anzus
venen geneigt war. Sie beweifen, daß bie ; Grafen Rays
ı 2) Sn einer Schenkung des Grafen Raymund v. 8 1098 an bie
Einwohner vom Montemor o Velho nennt er fich totius Galleciae Prin-
eope.: In einer andern. Urkunde von demfelben Jahre heiſſt es: Re
guante in Toleto et Gallecia Adfonsus Rex, et Genero ejus Comes
Baymundus Dominante Colimbria et Portugale. Elucidario, Adv. Pre-
im. p. VII.
2) liber die Annahme, daß ſchon früher Portugal ven Galicien ges
trennt worben, vergl J. P. Ribeiro, Dissertagoes chronol, e crit.
sobre a Historia e Jurisprudencia eccles. e civil, Tom. IV, Parte 1,
Pag. 24 - 27.
8) Comite D. Henrrico, genero supradicti Regis dominante a
fiamiae Mineo usque in Tagum. Monarchia Lusit. liv. VIII. cap. 10.
aus bein Liveo Preto ober das Boagöes da Sé de Ceimbra, ful.197.
6 Cinleitang.
mund und Heinrich nicht durch vielfältigere ober eigenthuͤmliche
Verwaltungszweige, die ihnen etwa übertragen, oder durch bes
fonbere Vorrechte, die ihnen verliehen worden, fondern einzig
und allein durch ihre perfönlichen und verwandtſchaftlichen Vers
bältniffe zum König höher geftellt waren als die bloherigen
Statthalter. Der Anlaß und Zwed der Anſtellung diefer er⸗
ften Statthalter muffte fchon eine bedeutende Gewalt in ihre
Hände legen. Bereits unter den weftgothifchen Königen vers
einigten die Vorfteher der größern Städte und ‚ihrer. Gebiete,
ald die natürlichen Oberrichter und die natürlichen Anführer
des Aufgebot3 in ihren Bezirken, die Yufliz= und Militairge⸗
walt in einer Perfon, — eine Gewaltfülle, die ihrem Inha⸗
ber um fo mehr Spielraum überließ, je weniger fie. Durch eine
geregelte Verfaſſung feharf umgrenzt. war. Jetzt aber brachten
die häufigen Siege der Chriſten über Die Mauren neue Städte
und Länder in die Gewalt der caftilifchen Könige, und diefe fahen
fich genöthigt, ehe fie von ihren Zeldzügen in den Mittelpunct
ihred Reiches zuruͤckkehrten, ausgezeichneten Anflhrern die ges.
machten Eroberungen anzuvertrauen, theild um fie zu. fichern
und gegen die unaufhörlichen Angriffe und Gefahren, womit
die Mauren fie bedrohten, zu vertheidigen, theils um fie im
Namen bed Königs zu verwalten, bie Eöniglichen Rechte in
ihnen zu Üben und die koͤniglichen Gefälle erheben zu Iaffen.
Zum Schuß gegen feindliche Einfälle, wie zur Eräftigen Bes
hauptung der Regierungsgewalt muflte aber den Statthaltern
in diefen neuen Befitungen eine bedeutende Kriegsmacht ans
vertraut und uͤberhaupt eine auögebehnte Vollmacht verliehen
werden. Diefe wurde erweitert in dem Verhältniffe, ald die neue
Erwerbung wichtig, ihrer Lage wegen: gefährbet war, und ihre
Entfernung von dem Mittelpuncte des Staates fchnelle Huͤlfe
erfchwerte. Hatte überdies ein Anführer durch hervorftechende
Tapferkeit und Kriegserfahrnng bei der Eroberung einer Stadt
fi) Anfprüche auf ihre Verwaltung im Frieden erworben, und
vielleicht ſchon vorher von feiner Tuͤchtigkeit in Regierungsge⸗
fhäften, die in der Meinung des Zeitalters den Friegerifchen
Talenten weit untergeordnet war, ben König überzeugt, fo
trug biefer wohl um fo weniger Bedenken, die Statthalter
(haft zum Preis ded Siegerd zu machen, und durch Verlei⸗
Einleitung. 7
bung einer auögebehnten Macht einen Dank abzufragen, ber
zur Erwiederung deſſelben und zu fefterer Anhänglichkeit ver:
pflichten follte.
Ein erfreuliches Beifpiel zu dem Gefagten gibt und ein
Mann, der, ald Krieger und Regierungsbeamter gleich auögee
zeichnet, nicht lange vor ber Errichtung des Königreich Por⸗
tugal wahrhaft -Foniglihe Werdienfte um einen großen Theil
des Landes fich erworben hat. Sisnand, geboren in Coim⸗
bra oder in beffen Gebiet, : worin er beträchtliche väterliche Guͤ⸗
ter befaß, war: ald Gefangener -mit andern. feiner Landsleute
von dem Mausenfürften. Absnhabeth nach Sevilla gefchleppt
worden, und hatte: fich Dort die Achtung der Mauren in ho⸗
hem Grade erworben. , Vielleicht der Wunſch, feine väterlichen
Befigungen von der maurifchen- Herrfchaft befreit. zu fehen,
gewiß noch. mehr die patriotifche Hoffnung , dem.-Lande feiner
Bäter das Chriftenthbum und die. Unabhängigkeit wiedergeben
zu koͤnnen — fein fpätered. Leben und Wirken berechtigt ‚zur
Borausfegung edlerer Beweggründe — ließ ihn den Plan ent-
werfen, Coimbra dem Soche ber Ungläubigen zu entreiſſen.
Er wufite den König Ferdinand dafür zu gewinnen, und das
Unternehmen, bei dem Sisnands Unternehmungsgeiſt und mi⸗
litairiſche Zalente herrlich glänzten ‚ warb von dem fchönften
Erfolg gekrönt. Der König, in ber Überzeugung, daß Feiner
die Eroberung befjer behaupten und vertheibigen :; werde ‚als
Derjenige, deſſen Anfchlägen und Zapferkeit man fie zunäcft
verdanfte, ernannte Sisnand zum Statthalter von Coimbra
und untergab ihm alle Ortſchaften und fefle Burgen der Um:
gegend, die fein Schwert den Ungläubigen entrifien. hatte, fo
daß fein Verwaltungsfreis nordoͤſtlich Lamego, das ſchon 1057
erobert worben war, umfaflte, während, er wefllich vom Meere,
nördlich vom Douro begrenzt wurde und füdlich an vie "Be
figungen der Mauren flieg. Der Statthalter, der den Zitel
Gonful oder auch Alvazir führte, erhielt die Obliegenheit fuͤr
ten Anbau und die Bevölferung des ihm anvertrauten Ge-
biete8 Sorge zu tragen, und warb ermächtigt nad) eigenem
Ermeffen die erforderlichen Verfügungen und Anordnungen zu
treffen und die nöthigen Befehle zu erlaffen ). Nach Ferbis
1)... . deditque supradietus Rex mihi supradiclam terram ad
10
8 j Einleitung.
nands Tode beftättgte ihn deſſ en Nachfolger Alfonſo VI.,
dem er ſehr geliebt wurde, in ſeinem Amt, und ſtellte vor den
Grafen und allen Bornehmen bes Hofes feierlich eine Urkunde
Darüber aus.
Während die Leiftungen Sisnands beweiſen, wie ausgezeich⸗
net und vielſeitig ſeine Tuͤchtigkeit war und mit wie viel Grund
die beiden Koͤnige ihr volles Zutrauen ihm ſchenkten, wie wuͤr⸗
dig ſein Schwert und ſein Richterſtab eines Lobes iſt, das
ihm bie portugieſiſche Geſchichte bisher noch nicht nach Vers
dienſt gezollt hat, zeigen ſie zugleich, wie ausgedehnt ſeine
Macht wär und wie alle Zweige der Verwaltung in feiner
Perſon fich vereinigten. Er vertheibigte nicht allein Eoimbra
gegen feindliche Angriffe bis an fein Lebensende, fondern vers
größerte die Stadt und feste fie in’ einen blühenden Zufland
— ein Verdienft, das König Alfonfo felbft in dem Foral, den
er biefer Stadt gab, lobend erwähnt. Er erwarb fih Vers
bienfte um den Anbau und die Bevölkerung vieler Landftriche,
legte mehrere Orte von neuem an und befeftigte fie, unter
andern die Fleden Cantanhede und Zentugal, bie feſten Bur⸗
gen Foy be Arouce und Penella und den bebeutenden Flecken
Montemor o Velho, der zu jener Zeit aus feinen Truͤmmern
fi) erhob. Daß er Kirchen gegründet und reichlich auögeftats
tet, andere, wie die von Coimbra, wiederhergeftellt habe,
laͤſſt ſich ſchon von einem chriftlichen Ritter jener Zeit erwar⸗
ten, wenn es die Gefchichte auch nicht ausdruͤcklich erwähnte,
Zur perfönlichen Anführung des Aufgebots und der Streiters -
fchaaren feines Bezirks war er wohl amtlich verpflichtet, und
wir fehen ihn an ihrer Spike in der Schlacht bei Badajoz
gegen die Mauren kaͤmpfen; aber wäre er auch nicht natlırlis
cher Anführer des Zuzuged aus feinem Landesbezirf gervefen, fo
wide doch der König Alfonfo den bewährten Helden in ber
Entfcheidungsftunde fehr ungern vermifft haben ). Endlich
acdificandum et populandum, et faciendum cuncta quae mihi bene
visa fuerint: et ut omnia quae ego mandavero ct firmavero, sint
firma et bene stabilita in oımnibus saeculorum temporibus. Monar-
chiaLusit. Liv. VIIIcap. 4.
1) Mon. Las. 1. c.
S
Einleitung. 9
war dem Statthalter Sisnand neben der gefammten Militärs
gewalt die. höhere Juftizpflege in feinem Gebiete anvertraut.
So wird unter feinem Vorſitz ein Rechtsſtreit verhandelt, den
die Mönche von ©. Pebro de Arouca mit ben Erben ber
Kirche von ©. Efteväo de Moldes hatten‘). Der Alvazir — fo
heifft der Statthalter in der Regel, wenn er ald Richter aufs
tritt — laͤſſt unter feinen Augen die Mönche den . erfoderlis
den Eid ?) in die Hände feines Vicars Cidi Fredariz able
gen, begibt fi dann felbft von Coimbra nach Arouca mit
dem Beicheid, daß an einem beflimmten Tage im Beifein der
Parteien und der Gemeindebehörde von Arouca Recht gefpros
hen werben fol. Dies gefchieht durch Recesmondo, ber bort
Bicar des Alvazirs und des Cidi Frebariz if. Während Sie:
nand hier. fein. Amt ald ordentlicher Oberrichter verwaltete,
verbankte er dagegen vornehmlich feiner anerkannten Einficht
und Rechtlichkeit, daß ihm bie Entſcheidung einer wichtigen
Streitigkeit ‚zwifchen der hohen Geiſtlichkeit übertragen wurde,
und Alfonfo bewies dem Conful ein bei dem damaligen Ans
fehn des. höhern Klerus hoͤchſt ausgezeichnetes Zutrauen, als
er bei feiner und des ganzen Hofed Anwefenheit in Froila
dem Stönand die Entfcheidung und Beilegung eines Streites
anvertraute, der zwifchen dem Bifchof von Braga, Pedro, und
dem von Drenfe, Hefronio, obwaltete °).
So fehen wir den Statthalter neben der verfaffungss
mäßigen und ordentlichen Gewalt, die er in faft allen Ver:
waltungszweigen befißt, noch eine Delegirte. ausüben, und
feine Macht in dem Maße erweitern, in dem feine Perfon in
der Gunft des Königs fleigt und feine Leiflungen dem koͤnig⸗
lichen Zutrauen entfprechen. Aber auch ohne biefe perfünliche
Stellung zum. König gewährte die amtliche Stellung jedem
1) Querelantes se de ipso testamento, prevenerunt ante Alvazir,
Domno Sisnando, qui Dominus erat in ipsa terra, in ipsis temporibus,
et habuerunt ante illum cum ipsos intentores supra nominatos conten-
tione etc. ©, bie ganze intereffante Urkunde bei Ribeiro, Dissert.
Tom. III. Appendice de Documentos p. 45. Vergl. auch Elucidario
verb. Alvazir.
3) Sicut Lex Gothorum docet.
3) Monarch. Lusit. ]. c.
10 Einleitung.
Statthalter wielumfaffende Befugniffe Er war ber Vorſtand
einer wichtigern Stadt und ihres größern ober kleinern Be:
zirks, trat zur Zeit ded Kriegs an die Spige der Landesbe⸗
waffnung und befehligte dad Aufgebot. Er war hoͤchſte Ju⸗
flizbehörde, die durch ihre Vigarios ohne weitere Berufung
und Beichwerbe entfchied, und bei welcher die Parteien von
den niebern Gerichten der Städte und Gemeinden Hülfe fuch-
ten, indem der König nur dad Recht fich vorbehielt, in eini⸗
gen aufferordentlichen Fällen. das Urtheil der Ortögerichte zu
reformiren. Kein Wunder daher, wenn in den Urkunden: je
nee Zeit der Name des Statthalterd unmittelbar neben dem
des Königs fleht "); wenn darin fein Amt und feine Würde
mit Ausdruͤcken bezeichnet werden, die eine unbefchränfte Ne
gierungsgewalt umſchlieſſen und den Statthalter auf gleiche
Linie mit dem. König ſtellen °):
Sogar ein Schritt zur Eiblichkeit geſchah, als dem Sis-
nand, der bis zum Jahre 1092 erwähnt wird ‚in Ermange-
Iung männlicher Nachkommen fein Zochtermann Martim Mo:
niz in der Statthalterfchaft nachfolgte ). Die- Nachrichten
1) Regnante Adefonso in Toleto, et Comite Reymondo in Galle-
ia heiſſt es in dem Jeſtament bes Sueiro vom Jahre 1094. Espana
sagr. Tom. 40. p.
2) Imperador, Imperante, Regente, Domino etc. — Sisnand, ber
in.einer Urkunde von RKorväo v. 3. 1086 ſich Consul de Coimbra nennt,
und in Urkunden von Arouca balb Alvazir, bald Dominus oder Dux ges
nannt wird, führt in einer Schenkung, die ein Priefter an Lorväo i. 3.
1101 macht, ben Titel Imperator: In temporibus Rex Adfonsi, et Al-
vasir Domno Sisnandi, Imperatore nostro etc. Wenn daher in einer
Urkunde vom J. 1109 der Graf Heinrich eben fo genannt wirb (gener
ejus [des Rönigs.Alfonfo] Enricho Imperator Portugalense), fo laͤſſt
ſich daraus nichts fuͤr die Unabhaͤngigkeit des Grafen herleiten, um ſo
weniger ba noch lange nachher, 1135, einem untergeordneten Beamten
berfelbe Zitel beigelegt wirb: Ante illa Imperatore körmigius Moniz, et
alios bonos homines, que ibi fuerunt in Civitate Sanctae Mariae.
Kluoidario, verb. Imperador.
‘ 8) Ego Martinus Preses Colimbrie, et gener Consulis Domni
Sisnandi, qui pro eo in locum ejus successi, hoc quod Domino meo
Imperatori complacuit. Confirmagao do Foral de Coimbra im Livro
Preto da 86 de Coimbra, fol 7.
Einleitung. 14
über diefen beginnen mit dem fechften März 1092 und gehen
bis zum zehnten Mai des folgenden Jahres, wo.er ald Statt
halter von Arouca aufteitt. Ob allein dad dankbare Anbenfen
an feinen Schwiegervater ihn zu dieſer Würbe erhoben "hatte,
und er gewiflermaßen blos von deſſen Verdienften zehrte, oder
ob er durch einen Einflußreichern unverfchuldet von Coimbra
verdrängt wurde, ober ob er nach bem weniger. bebeutenben
Arouca, wo er. große Güter befaß. '), freiwillig. ſich zuruͤckzog,
verfchweigt die Gefchichte. Genug, feit dem April 1094. fe
hen wir den Grafen Raymund, der mit einer :Ziochter:.ded
Königs Alfonfo VI, Urraca, vermählt ift, in Coimbra regies
ven. Hatte die Tochter eines Statthalters ihren Gatten zu gleis
her Wuͤrde zu erheben vermocht, fo: laͤſſt fich von. ber. Koͤnigs⸗
tochter noch Größeres erwarten und, bei dem Grafen Ray⸗
mund ein aͤhnlicher weiblicher ‘ Einfluß : vorausſetzen, wenn
man nicht ein bloßes Spiel’ des Zufalls ammehmer will; -Der
König feste, nachdem er Santatem‘;, iffabon und Cintta im
April und Mai 1093 erobert hatte, feinen Schwiegerfohn Rays
mund über dieſe wichtigen Eroberungen ). Sein Verwal⸗
tungöbezirt war in ber That ber ausgebehntefte, der bisher
‚einem Statthalter in diefen Gegenden anvertraut worden war.
Er umfaffte ganz Galicien *), das Land zwifchen dem Douro
und Minho, den Theil der Provinz Beira, der den Mauren
entriffen war, und felbft einen Strich von Eftremadura ; denn
Raymund nennt fi in einer Urkunde Graf von Galicien und
Santarem. Er regiert ald Statthalter dieſe Länder und
Städte bis zum Monat Auguft 1095.
Aber fehon im December veffelben Jahrs tritt der Graf
Heinrich ald Statthalter von Coimbra auf *) und nennt fi
Comes Portugalensis. Daß Heinrich in Porto fehon früher
D Monarch, Lus. liv. VIII. cap. 6.
2) Chronicon Lusit, sera 1131, in Espaia sagr. Tom. XIV.
p. 406.
8) Raymund nennt fich totius Galeciae Princeps, wie bereitd oben
bemerkt worden. Ä
4) Era 1133. XV. Kal. Januar. Regnante Adefonsus Rex in
Toleto, in Coliubria Comes Henricus.. Mon. Lus. liv. VIII. cap. 8,
2 Einleitung.
und allein regiert habe, wie Einige behaupten wollen, laͤſſt
ſich urkundlich nicht nachweiſen, wohl aber, daß noch im Mos
nat Auguft 1094 der Graf Raymund in Coimbra und Porto
zugleich⸗ die Statthalterwuͤrde bekleidete ). Heinrichs Verwal⸗
tungsbezirk erſtreckt ſich nun vom Minho bis zum Tajo ?),
waͤhrend Raymund, der noch bis im Jahre 1104 lebt °),
fortfaͤhrt ſich Graf von Galicien zu nennen, die ſidichen
Grenzen ſeiner Statthalterſchaft aber bis zum Minho, d. i.
bis zur heutigen Grenze zwiſchen Galicien und Portugal, zus
rucgewieſen ſi ſi est
A
wo das Sabi 1094 in 1095 zu berichtigen iſt. Bergt. Ribeiro, Dis
sertt. "Tom. II. p. 68. und Barbösa, Catalogo das Ralahas do Per-
tugal, pag. 43 n. 48.
1) ‚Regsante ia, Toleto, et Galleria Adfonsns Rex: et genere ejus
Comes Raymundus dominante Colimbria, et Portugale. Elucidario da
Lingua Port.. Advert. Prelim, pag- 8, aus einer Driginglurkunbe des
Kloſters von Arouca,
2) ‚Dominante a flunine Mineo usque, in a Tajum.
3). Risco, Reyes de Leon pag. 296.
Erfter Zeitraum.
Bon der Entitehung des portugiefifchen Staated
bis zum Erlöfchen der echten burgundifchen Linie,
' oder von der Regierung ded Grafen Heinrich '
bis zum Tode des Königs Ferdinand,
(Bom 3. 1095 bis 3. 3. 1383.)
.-
-
Erſtes Bud,
Bon der Entflehung des Staates bis zu der
Erwerbung und gänzlihen Unabhängigkeit
Algarve’8, wodurd Portugalbleibende Grens
zen erhält, oder von der Regierung Heinrichs
bis zum Ende der Regierung Alfonfo’s IM.
. Die Seiten der Eroberungen. Daneben erfter .
Anbau des Landes und Entflehung von Ges
ı meinden. Anfang der Streitigfeitenzwifchen
ı“ der höheren Geiftlihfeit und den Königen.
(Bon 1095 bis 1279) =
Erfter Abſchnitt.“
Portugal unter Heinrih von Burgund.
(on 1095 bi 1112.)
Heinrich tritt, ald Comes Portugalensis auf, heirathet die
nattırliche Tochter Alfonſo's VI. und erhält mit ihr das
Land zwifchen dem Minho und Dourg. Er benußt nad)
‚des Königs Tod die Unruhen in Gaftilien, ftrebt ficht-
bar nach Unabhängigkeit und übt in Portugal Hand⸗
lungen einer unumfchränften Selbftherrfchaft. Sein Zob.
Der Graf Heinrich war ber vierte Sohn Heinrichs von
Burgund, Enkel Roberts J., Herzogd von Riederburgund,
95
⸗
16 Erſter Zeitraum. J. Buch. 1. Abſchn.
und Urenkel des Königs Robert von Frankreich ) Mit an⸗
bern Rittern des füdlichen Frankreichs waren die burgundifchen
einander verwandten Grafen Raymund und Heinrich — in
welchem Jahre ift unbelannt — nad) Spanien gezogen, um
ihren Glaubensbrüdern in dem Kampfe gegen die Saracenen
beizuftehen. Heinrichs ausgezeichnete Geburt und Tapferkeit ges
wannen in dem Grade die Beachtung und Liebe Alfonfos VL,
Königs von Leon und Caſtilien, daß biefer ihm feine Tochter
Thereſia zur Gemahlin gab, nachdem er feine jüngere. Tochter
Urraca mit dem Grafen Raymund vermählt hatte. Diefe
hakte Alfonfo mit feiner zweiten Gemahlin Conftantia erzeugt;
Therefia Dagegen war ihm von der ebeln XRimene Muñoz, mit
ber ihn zärtliche Liebe, aber nicht Die Kirche werbunden hatte,
geboren worben *). Kein Denkmal bezeichnet uns inbeffen die
Zeit der Vermählung des Grafen mit Zherefia, und wir wifs
fen nur, daß fie vor den 13. Februar des Sahres 1095 faͤllt,
indem bie ditefte Urkunde, in welcher der Graf fi Schwies
gerfohn bes Königs nennt, von diefem Datum ift ’).
- Mit Hecht beginnen wir mit dieſem Sahre die Gefchichte
Portugals, denn mit feiner Gemahlin empfing der Graf
Heinrich zugleich die Herrfchaft und den Beſitz des Landes
zwifchen dem Minho und Douro, das Den Ungläubigen ents
riffen war und bereit den Namen Portugal führte. Leider
aber hat die Zeit auch die Schenfungsurfunde (wenn eine vorz .
handen war) und dad Zeflament -Alfonfos VI. untergehen laſ⸗
fer, und und nur leife Andeutungen vor diefer Mitgabe vers
.e
$) Sousa, Historia geneal. da Casa Roal Portugueza, liv. I.
cap. 1. Ant. Pereira de Figueiredo in den Memorias da. Acad.
Real. Lisboa 1825, Tom. IX. p. 270,
2) De non legitima valde tamen dilecta. Esp. sagr. Tom. XXI.
p. 347. Die ausfuͤhrlichſte und befriebigendfte Unterſuchung über bie
unechtheit der Thereſia f. in ben Memorias da Acad. Tom, IX. p.
27% — 291.
8) Henricus gener Regis cum uxore mea Tarasia, heiſſt e8 in eis
nem Privilegium, das der König Alfonfo VI. dem Klofter S. Servando
ertheilt. Mon. Lus. liv. 8. cap. 8, Vergl. auch Ribeiro, Dissert,
Tom. III. p. 80.
Heinrich von Burgund, 1095 — 1112. 17
goͤnnt ). Doc iſt und aus biefem Zeitraum eine Menge
Urkunden geblieben, die, zum Theil erft in neuefter Zeit ans
Licht gezogen und neben die fchon früher. gedruckten geftelt,
der fufenweifen Entwidelung der Selbfländigkeit und Unabs,
hängigkeit Portugals nachzugehen und geftatten ).
Um die politifche Stellung Portugals zu Spanien wäh:
send ber Regierung ded Grafen Heinrich richtig aufzufaffen,
miürffen wir die Zeiten vor dem Tode des Königs Alfonfo und
die nach demfelben unterfcheiden. So lange Heinrich Schwies
gervater lebte, blieb der Graf wohl immer in einem Abhäns
gigfeitöverhältniffe zu dem König Ob und wie bafjelbe
urkundlich feftgeftelt und auögefprochen, war dabei wenis
‚ger wichtig und entfcheidend. Der Schwiegervater und
der Tochtermann nahmen bei den Handlungen, die jened Vers
haͤltniß berührten, wohl mehr ihre Verwandtfchaft und perfäns
liche Verbindung ald eine ſcharf gezogene Suborbinationslinie
J
1) Der Chroniſt Alfonſo's VII. von Caſtilien fagt, indem er Thereſta's
Vermaͤhlung erwähnt: dotavit eam magnifice, dans Portugalensem ter-
ram jure haereditario. Esp. sagr. Tom. XXI. p. 847. In einer Urs
kunde, worin der Graf Heinrich im 3. 1097, 25. Ian., das Gebiet von
Santo Zyrfo dem Sueiro Mendez fchenkt, heifft es: Ego Comes Dom-
mus Henrrhicus una pariter cum Conjugia mea nomine Tarasia prolis
Adefonsi Principis totius Espanie .. . tibi Vasallo nostro fideli . . .
de hereditatibus, vel de hominibug . . . quos nobis dedit genitori no-
stro Rex Domnus Adefonsus pro nostra hereditate etc. Aus dem Urs
kundenbuch des Klofters Santo Tyrſo. Vergl. die Bemerkungen Ribeis
ro's über dieſe Urkunde in beffen Dissert. Tom. III. Part. 1. pag. 35
‚ unb beffetben Observagoes de Diplomatica p. 19 und 76.
2) Über das Verhältnig Portugals zu Spanien in dem erften Jahr⸗
hundert des jungen Staates hat zuerft die mühfame und gründliche Ars
beit eines Portugiefen der neueften Beit ein hHelleres Licht verbreitet.
3.9. Ribeiro, ber um bie Diplomatik und Gefchichte feines Vaterlandes
ſchon früher fig fo verdient gemacht hatte, hat im britten Bande feiner
Dissertagöes etc. Parte I. Appendix IX. Auszüge aus gedruckten und
ungedruckten Urkunden vom Ende des elften bis in die erſten Jahre des
dreizehnten Jahrhunderts in chronologiſcher Folge aufgeſtellt und mit kri⸗
tiſchen Erlaͤuterungen beleuchtet, die fuͤr die portugieſiſche Geſchichte und
ihre ſchwierige Chronologie in jenem Zeitraum neue Anhalt⸗ und Licht⸗
puncte darbieten und von keinem Geſchichtſchreiber dieſes Staates unbe⸗
achtet bleiben duͤrfen.
Schäfer Geſchichte von Portugal, L 2
18 Erfter Zeitraum. L Buch. 1. Abſchn.
zur Richtfehnur. Die Dankbarkeit des Ehrenmannes, wie ber
Graf fich dem König bewährt hatte, verbürgte den Gehorfam
des Eidams; und die Liebe zu dem Gatten und der geliebten
Zochter ließ Feine Negung ‚von politifcher Eiferfucht in dem
König auffeimen ). Was hatte auch der ſchon mächtige Al⸗
fond von dem Grafen eines jüngft eroberten, noch verheerten
und unangebauten Landchens zu fürchten! Kein Wunder, wenn
der König von Leon und Gaftilien dem Grafen Heinrich eine
Gewalt einrdumt, die, weil die Gefchichte ihre Schranken und
Srenzfteine nicht aufbewahrt hat, den neuern Portugiefen wie
eine unbefchränfte erfchten. Seben fihon Urkunden aus ‚dem
zehnten Sahrhundert die Grafen an die Seite, felbft an bie
Stelle. der Könige ), fo Finnen Bezeichnungen dieſer Art in
Urkunden aus der Regierungszeit des Grafen Heinrich noch
weniger befremden ’). Stand er gleich vor feier Vermählung
auf gleicher Stufe mit den bisherigen Statthaltern und Grafen,
fo flieg er Doch gewiß am Arm der Königstochter eine Stufe
höher hinauf, wenn ihm durch diefe Verbindung felbft nicht
der Befis, fondern nur die Verwaltung von Portugal gefichert
worden wäre. Die ‚öffentliche Meinung, die in jenen Jahr⸗
hunderten oft die Stelle des Staatörechtö vertrat, wies ihm
überdied einen hohen Rang und Gewalt in Fülle zu, um fo
freigebiger , je gewöhnlicher in den Augen des Volks eine in
Ausficht genommene einflige Würde und Gewalt die fpäter
wirklich überfommene weit überfleigt. In der That nennen
1) . . . benignitas, immo negligentia Adefonsi, tanquam consan-
-guineo et affini improvide deferebat. Roderic. Tolet. de rebb.
Hisp. lib. VII. c. 5. Wünfchenswerth wäre zu wiflen, worauf berfelbe
Schriftfteller die Äufferung gründete: coepit (Knricus) aliquantulum
rebellare, non tamen subtraxit hominium toto tempore vitae suae etc.
2) Secundum eas concesserunt- omnes Reges, et Comites, heifft es
in einer Urkunde bes Jahres 985 von Gütern, welche Bermudo I. ber
Kirche von Santa Maria in Leon zurüdgibt.
3) In der Urkunde, durch die der Graf Heinrich das Kiofter Lorväo
‚an die Kathedrale von Goimbra, 29. Zul. 1109, ſchenkt, droht er: Si
autem quilibet ‚Rex, aut Comes etc, — In einer Schenkung von Guͤ—
tern an das Klofter Paso de Soufa fagt ber Geber: Insuper componat
& Comite, vel à Rege, qui illa terra imperaverit.
Heinrich von Burgund, 1095 — 1112. 19
ihn ‚die Urkunden der Zeit mit einer Auszeichnung , bie ihn
tiber die biöherigen gewöhnlichen Statthalter und Grafen, wie
fie von den Königen von Leon und Caſtilien größern Landbe⸗
zirfen vorgefebt wurben , fichtbar emporhebt. Nie wird ihm
der Zitel Alvafir, hoͤchſt felten der Zitel Conſul gegeben, Ti⸗
tel, welche die Mächtigften und Ausgezeichnetften und feine
Vorgänger, z. B. Sisnand,: neben dem Grafentitel führten.
Mit einem und demfelben Ausdrud — Regnante — wird die
Regierung des Alfonfo und ded Grafen Heinrich zugleich bes
zeichnet ), während in frühern Urkunden die Regierung des
Königs und die Verwaltung des Grafen oder Statthalter ges |
wöhnlich durch verfchiedene Bezeichnungen ausgedruͤckt wurben.
Heinrich wird endlich von den Portugiefen gemeiniglich nicht
allein „Zürft” (Princeps), fondern „unfer Fuͤrſt“ ‚genannt 93
unter unzaͤhligen Urkunden findet ſich aber kaum eine, in der
einem bloßen Statthalter das Fuͤrwort „unſer“, das die diplo⸗
matiſche Sprache jener Zeit vornehmlich dem Regenten eignete,
beigeſetzt wird. Dieſer Auszeichnungen ungeachtet, die zum
Theil ſo nah an Bezeichnungen einer unumſchraͤnkten Herr⸗
ſchaft ſtreifen, laͤſſt ſi ch nicht laͤugnen, daß Heinrich, ſo lange
Alfonſo VL lebte, in’ einem Abhängigteitöverhältniffe zu ihm
fland 2).
1) Regnante Adefonsus Rex in Toleto, in Colimbria et Portu-
gale Comes Enrichus, Dominante Arouca Egas Godesendiz (vom 3.
1098). — Regnante in Toleto, et Gallecia Adefonso, in Colimbria
Comes Henricus (v. 3. 1100). — Regnante Adefonso Prineipe in Hi-
spania, in Colimbria Comite Erriou (v. 3. 0) und fo ungählige
Male. &. Memorias da Acad. Real, Tom, VI. p.
2%) Ego Comes Henrieus Portugalensium tie Princeps, Urs
unbe v. 3. 1107. — Principe nostro Comite Domnus Anricus, ebens
falls von 1107. — Begnante Principe nostro Adefonso Rex, et Co-
mite nostro Enrici Portugalense, v. J. 1102.
8) Regnante Rex Alfonsus, et sub eo, Principe nostro Comite
Domnus Anricus etc. Era 1145 (an. 1107) Kal. Augusti, heißt es in
einer Schenkungsurfunde, die im Cartorio des Kloſters Pendorada fich
findet. Ribeiro, ber mit ben Aufgellärteften feiner Landsleute bie pa⸗
triotifhe Neigung theilt, Portugals Unabhängigkeit Telbft fchon in ber
Wiege des Staates anzunehmen, war reblich genug, biefe Urkunde nicht
nur feinee Sammiung einzuverleiben, fondern auch ihre Echtheit unanges
2*
2 Erfter Zeitraum. 1. Bud. 1. Abſchn.
Alfonfo VI. flarb den 29. Juni 1109. Mit ihm, „bem
Schilde Spaniens”, wie ihn die Historia Compostellana nennt,
fan? nicht nur Caftiliend Ruhe ind Grab, aud die Schuß:
mehr, die man im füdlichen Portugal gegen die feindlichen
Einfälle und Empörungen der Almoraviden " feflgegründet
glaubte, fchien danieder gefunken: denn kaum war die Kunde
von Alfonfos Zode zu den Ungläubigen gedrungen, fo erhoben
fie fih ) und bemächtigten fich mehrerer ſuͤdlichen Grenzſtaͤdte.
Liffabon und Santarem gingen verloren; intra dagegen, das
ebenfalls in ihre Gewalt gerathen war, eroberte Heinrich ‚bald
wieder. Den Unfall, den die unvorbereiteten Portugiefen durch
den plößlichen Überfall einer ſtarken Saracenenfchaar in Va⸗
talandi erfuhren, und wobei felbft ihr Anführer Suarius Fro⸗
marigis fiel, verurfachte wohl zum Theil die Abwefenheit des
Grafen Heinrich, der eben feine Aufmerkfamkeit und Thätig-
Zeit vornehmlich den Unruhen zumenbete, die nach dem Tode
feines Schwiegervaters in Gaftilien audgebrochen waren.
Was hier die Ruhe fichern follte, die Vermählung Urra⸗
cas, der Wittwe des Grafen Raymımd, mit Alfonfo von
Aragonien, das untergrub und vernichtete fie. Chelicher Zwiſt,
im Bürgertpum nur auf den häuslichen Kreis befchräntt,
ſchlug in der Eöniglichen Burg höhere Flammen und zimbdete
einen Bürgerkrieg an, der langwierige und vielfaches Unheil
“über das Reich verbreitete ?). Caflilien, im Zwieſpalt mit fich
felbft und von Parteien zerriffen, ließ dem werbenden portu=
gieſiſchen Staate Zeit fich zu befefligen, und gab feinem be:
ginnenden Selbftherrfcher Luſt und Gelegenheit fi) wichtig zu
machen, und in ber ſchwankenden Wagſchale der feindlich ges
genüberftehenden Streitkräfte in. Caſtilien durch feinen Zutritt
den Ausfchlag zu geben. Während Caftilien im blutigen Zwiſt
des Pöniglichen Haufes und ber Parteien feine Kräfte zerſtoͤ⸗
rend gegen fich felbft kehrte, erkräftigte fich Portugal ſtill und
unbemerkt, und Heinrich fpielte nicht den Laftilifchen Vafallen _
taftet zu laſſen. Ribeiro, Dissert. Tom. III. p. 44. Num. 135,
Tom. I. Append. p. 236,
1) Chron. Lus. aera 1147 mense Jul.
2) Historia Compostellana, cap, 47. Esp, sag. Tom. XX.
Heinrich von Burgund, 1095 — 1112. 2
und natuͤrlichen Anführer der Eöniglichen Streiterfchaaren, fon:
dern der Bundeögenoffen derjenigen Partei, der ex nach freier
Wahl feinen Arm leihen wollte. Er erklärte fi zuerſt fuͤr
die offenbar gerechtere Sache Alfonſos gegen ſeine eigene
Schwaͤgerin, die durch ihren Stolz und ihre Herrſchſucht den
ganzen unheilvollen Streit angefacht hatte, und gewann durch
dieſe Verbindung in mehrfacher Beziehung. Von Aragonien
hatte er uͤberdies Nichts zu fuͤrchten. Alfonſo aber war Aus⸗
länder und blieb in feinem glaͤnzendſten Kriegsgluͤck immer
Aragonier. Den Unwillen, den Urracas berrifches Weſen
und anflößige Vertraulichkeit mit caftilifchen Großen in den
Herzen Vieler erregt hatten, fchwächte die Zeit. Dem Caſti⸗
lianer erfchien es wieder mehr und mehr beherzigenswerth,
daß Urraca feinem Volk angehörte und aus dem Föniglichen
Geblüte entfproffen war; und als endlich die Königstochter
in der Feſtung Aftorga von dem aragonifchen Heere einge:
fchlofien, belagert und geängfligt wurde, ward ihr bie Theil⸗
nahme, die dem Unterbrüdkten, dem weiblichen zumal, nie ver:
_ fagt wird. ‘Heinrich, dem Alfonfo’s Übergewicht über die ca
fliltanifche Partei bedenklich wurde, trat zu diefer über, ohne
in den Augen der Caſtilianer und Portugiefen zu verlieren; er
gewann vielmehr am meiften bei der Königin felbft, die ex fich,
nachbem er ihr feine Wichtigkeit fühlbar gemacht, zum Dank
verpflichtete.
Es unterliegt keinem Zweifel, daß Urraca an Heinrich
Landſtriche und Ortſchaften am rechten Ufer des Minho, in
Galicien und Leon, abtrat, ober vielmehr ihn im Beſitze der
dort gemachten Eroberungen ließ ); nur hat uns bie Beit Feine
Urkunden vergönnt, um diefe Erwerbungen näher zu bezeich
nen und den Preis Eennen zu lernen, für welchen Heinrich
der Königin feinen Beiſtand verfprochen hatte. Schwerlich
war aber unter den obmaltenden Umfltänden von einer Ober:
berrlichkeit der hülfsbebürftigen Beherrſcherin des zerriffenen
und gefchwächten Staates Über den fchlagferfigen und nicht
unmaächtigen portugiefifchen Grafen noch weiter die Rede. IA
ber Gedanke Tag nicht fern, daß ed dem Schwiegerfohn bed
1) Mon. Lus, liv. 8. cap. 14 unb cap. 28.
2 Erfſter Beitcaum. 1. Bud. 1. Abſcha.
verftorbenen Königs, dem fehlauen und kühnen Grafen, nicht
mislingen koͤnnte Anhang zu finden und Fuß zu fallen in
einem Lande, in dem die Thronfolge und die Rechte der Krone,
wie ed fchien, zweifelhaft geworden waren. In der Königin.
felbft mochte fich leicht die Beforgniß regen, daß der Graf
auch in Gaftilien ein Anfehn gewinnen dürfte, wie er e8 be.
reitö in Portugal befaß. Dem ſei indeffen wie ihm wolle,
gewiß bleibt, daß Die drei Jahre vom Tode ded Königs Al-
fond his zu dem des. Grafen dem Wachsthum und Gebeihen
ber Selbftändigfeit Portugals fehr förderlich waren.
Neben den Ereigniffen, wie fie aus dem Dunfel, bas
auf diefem Zwifchenraume ruht, :hervorfchimmern, laufen urs
Fundliche Beugniffe hin, die und in Abfiht auf Heinrichs Un-
abhängigkeit faft jeden Zweifel nehmen. Ohne des caſtiliani⸗
ſchen Regenten oder der Königin im entfernteften zu gedenfen,
nennt fih KHeinrih in Urkunden „von Gottes Gnäden
Graf und Herr von ganz Portugal”). Wir fehen
in diefer Zeit (fchon im September 1109) den Statthalter ei-
nes beträchtlichen Landeögebietd , dad er aus den Händen bed
Grafen hat, unter diefem ftehen, einen Großen vom erſten
Rang (Princeps), der feinen eignen Majorinus major hält *), —
eine Kette von Lehnsherrlichkeit, deren oberfler Ring offenbar
der Graf iſt; eined anderen Oberherrn wird wenigftens nicht
gebacht. Heinrich ertheilt endlich mehreren DOrtfchaften Koraes,
1) Schon einen Monat nad Alfonfo’s Ableben fagt der Graf in
der Urkunde, worin er das Klofter Larväo dem Biſchof Sohfalo v. Coim⸗
bra fchentt: Ego Henricus Comes, et uxor mea Tarasia .. . Ego
Henricus Dei gratia Comes, et totius Portugalis Dominus, Noch mehz
rere Belege f. bei Ribeiro, Diss. Tom. III. p. 52 ss.
2) Temporibus gloriosi Comitis Domini Enriqui, post mortem
Soceri sui, Domni Regis Adfonsi . . . in presentia de Egas Giratia,
qui tunc erat Magorinus mayor de Egas Gonsendiz, qui erat Domi-
nator, et Princeps terre illius, et tenebat ipsa terra de Sancto Sal-
vador, et de Tendales, cum alia multa, in suo aprestamo, de mano
de illo Comite Domno Enrico eto. Ribeiro, Diss. Tom. I. p. 237.
Elucidario, Supl. p. 47. Brandão (Mon. Lus. liv. 9.cap.7.) nennt bie,
fen Egas Goſendez unter den erften Fidalgos, welche Foraes ertheilten.
Er gab gemeinſchaftlich mit João Viegas ber Ville Gercancelhe im Bes
zirk von Beira i. 3. 1124 ein Ortsrecht.
Heinrih von Burgund, 1095 — 1112. 23
felbft folchen, Die deren fchon von Alfonfo V. erhalten haben.
Das wichtige Coimbra_namentlich, dem Alfonfo bereits (23. April
1093) ein Ortsrecht ertheilt hatte, empfängt (26. Mai 1111)
ein neued bon dem Grafen Heinrich, worin — was aller:
dings ungewöhnlih und ‚auffallend iſt — des früheren mit
Feiner Sylbe gedacht wird. So unbelannt und auch der
‚eigentliche Grund der Irrungen iſt, bie zwiſchen dieſer Stadt
und dem Grafen Heinrich obwalteten ') und in der Urkunde
angebeutet werben, fo geht doch aus biefer Elar hervor, daß
der 'neue oral zugleich den Zweck hatte, jene Irrungen bei⸗
zulegen und die Ausfshnung zwifchen dem Fürften und ber
Stadt zu verfiegeln *). Heinrich tritt hier als unabhängiger
Landesherr auf, umgeben von allen Großen und Beamten fei-
ned Hofe (omnis Scola Comitis), die mit ‚dem anweſenden
lichkeit der Ertheilung des Forals erhoͤhen und die Guͤltigkeit
feines Inhalts bekraͤftigen. Dieſer Act der Landesherrlichkeit,
der ın der Ertheilung .eines Ortsrechts an Soure in. demfel
ben Jahre und gleichfalls in Gegenwart der gefammten Scola
Comitis wiederholt wird, gehört zu den legten öffentlichen
Handlungen des Grafen. Er flarb im folgenden Jahre, 1112°),
in Aftorga. Seine Leiche wurde, ſeinem letzten Willen ge⸗
maͤß, nach Braga gebracht und in einer kleinen Capelle an
der biſchoͤflichen Kirche beigeſetzt.
1) Mon. Las. liv. 8. cap. 24,
2) Promittimus (sc. Henr. et T'heres.) non tenere in mente, vel
corde malam voluntatem, vel iram de hoc, quod nunc usque egistis
adversum nos, sed habebimus gratum quod collegistis nos, et hono-
rabimus vos, ut melius potuerimus, et neque in vestra Te, vel vestris
corporibus habebitis desonor vel perdida. Ribeiro, Diss. Tom. II,
p. 226, wo biefer wichtige Foral zum erften Mal vollſtandis und ſorg⸗
faͤltig abgedruckt iſt.
8) In den legten Tagen bes Aprils ober ben erſten bes Mais. Die
legte bekannte und unbezweifelte urkundliche Nachricht von Heinrich ift
vom zwölften April. Vergl. die erfchöpfende Abhandlung Ribeiro’s:
Sobre a Epoca da morte do Senhor Conde D, Henrique in den Dis-
sertt. T. I. Diss, IV,
24 Erfter Beiteoum, L Bud, 2. Abſchn.
Zweiter Abfhnitt.
Heinrihs Wittwe, Regentinvon Portugal.
(Con 1112 bis 1128.)
Thereſia übernimmt die Regierung. Die Koͤnigstochter
nennt fi Königin. Sie erhebt Anfprüche auf Ortfchaf:
ten jenfeit des Minho. Krieg mit ihrer Schwefter
Urraca, dann mit Alfonfo VIL Thereſia's Verhaͤltniß
zu dem Grafen Fernando Peres. Der achtzehnjährige
Infant Affonfo Henriques behauptet gegen feine Mutter
und ihren Günftling feine Rechte auf den Thron mit
den Waffen in der Hand. Schenkung an den Erz
bifchof von Braga.
Nach dem Tode des Grafen Heinrich ergriff Thereſia bie
Zügel der Regierung, da der Infant Affonfo Henriques erſt
zwei bis drei Jahre alt war. Bon männlichem Geift, klug,
. entichloffen, muthig und babei herrſchſuͤchtig, wuffte Die Regen⸗
tin, befonderd Caftilien gegenüber, eine Macht zu behaupten,
bie ihr Gemahl, vom Gluͤck begunftigt, durch Tapferkeit, Uns
ternehmungögeift und kluge Benutzung der Umflände und Zeitz
verhältniffe gegruͤndet und befeftigt hatte. Thereſia, die vor
dem Tode ihres Vaters und dem ihres Gatten den Titel In-
‚, fans, Infantessa, Cometissa führte, am gewöhnlichften aber
„Tochter des Königs Afonfo” fi) nannte und genannt wurde,
erhält feit dem Jahre 1115 in einigen unbeftrittenen Urkunden
ben Titel Königin, während fie in andern fortdauernd In-
fante ober zugleich auch Regina genannt wird ). Wurde fie
bei Lebzeiten ihres Gemahls bisweilen auch Königin genannt,
1) Ribeiro, Diss. T. III. p.34. Num. 99 ess. — „Mortuo En-
rico Comite, Portugalenses vocaverunt eam (Taraslam) reginam.
Chronic, Alphonsi Imp.
'
4
Heinrichs Witewe, Regentin, 1112 — 1128. 26
ſo geſchah dies nach der in Caſtilien damals üblichen Sitte,
wonach die Infantinnen, wie die Schweſtern des Könige, Koͤ
niginnen genannt wurden ). Man ſah und dachte ſich in
der ‚Koͤnigin“ nur die Koͤnigstochter. Jetzt aber, nach dem
Zobe bed Grafen Heinrich, als Thereſia Regentin von Porz
tugal geworden war, nahm jener Zitel eine andere Bedeutung
an. Der befchränfende und berichtigende Zufag „Gemahlin des
Grafen Heinrich”, war weggefallen, das Land aber, in den
legten Sahren unter und burch ihn zu einem felbfländigen
Staat erhoben, war zwar noch nicht ein Königreich, je
doch das Reich einer Königin geworben. Der anfangs
leere Höflichkeitstitel hatte einen bebeutungsvollen Sinn ges
wonnen und kuͤndigte eine Macht an, welcher ohne jenen Ums
fand die Wittwe ded Grafen, felbft wenn fie dieſe Macht
wuklich befeffen hätte, fchwerlich diefen Namen zu geben ges
wagt haben würde. Thereſia war die Frau nicht, die ein ihr
fo guͤnſtiges Spiel’ des Zufalld unbenugt ließ; fie nannte fich
jeßt geradezu Königin von Portugal?) und überließ es
dem ftillen, aber unfehlbaren Wirken der öffentlichen Meinung,
den Titel und das Amt zu vermitteln und zu vermählen —
jenen Beamten nicht unähnlich, die, nachdem fie den ‚Titel eis
nes Amtes erworben haben, die gutwillige Volksmeinung für
bie Füchtigkeit und das Recht zum Amt forgen und wirken
laſſen, und das Amt endlich der Regierung pſychologiſch ab⸗
noͤthigen.
Die Koͤnigin nahm nun eine ganz andere Stellung an,
nicht allein in Bezug auf ihre Unterthanen ?), fondern auch
ben Auslande, befonderd Gajtilien gegenüber. In einem Vers
1) Cum Comes Enricus ad petitionem uxoris suae Tarasiae, quae
Regina, quia Regis filia, dicebgtur et. Roderic. Tolet. de rebb.
Hisp. lib. 7. cap. 5.
2) Ego Infant. Donna Tarasia Regina de Portugal .... Ego
Infant. Donna Tarasia Regina Portugalensium. Bergl. Ri be eiro, Diss,
Tom. III. p. 59 e ss. Memorias da Acad. Real. Tom. VI. p. 8, wo
fi) mehrere Beifpiele finden.
8) In einer Urkunde vom 3. 1120, in ber ſich die Geiftlichen von
Bifeu dem Biſchof von Eoimbra untertoerfen, Bei eö: Visensis Clerici
coram Regina Donna Tarasia, et suis Baronibus . . . ipso permanente
26 Erſter Zeitraum. J. Buch. 2. Abſchn.
trag, den ſie mit ihrer Schweſter Urraca, der Königin von
Caſtilien, ſchlieſſt, treten beide Fuͤrſtinnen als unabhaͤngige Re⸗
gentinnen auf, indem ſie ſich gegenſeitige Freundſchaft geloben.
Die Königin von Caſtilien erkauft ſogar dieſe Freundſchaft
durch das Verſprechen, daß ſie mehrere Staͤdte und Bezirke
ihres Reichs an ihre Schweſter abtreten wolle, und gibt, ſo
nahe der Anlaß dazu lag, nicht die leiſeſte Andeutung von ei⸗
nem Recht, das ihr über Portugal zuſtehe). Urraca war
freilich offenbar im Gebränge, als fie fich zu dieſen bedeuten-
den Abtretungen verſtand. Ein anſtoͤßiger, blutiger Krieg,
den um jene Zeit beide Schweſtern gegen einander fuͤhrten,
ſcheint den Vertrag veranlaſſt zu haben.
Beide, von Herrſchſucht getrieben, ſahen jede in der. an-
dern mehr die NRegentin und Nebenbuhlerin in der Herrfchaft
als die (Halb). Schwefter und die Tochter eines und Deffel-
ben Vaters. Sie laſſen uns, bei dem Mangel an urkundli⸗
chen Nachrichten, in Zweifel, welche von Beiden zuerſt den
Samen der Zwietracht ſtreute und welche am wenigſten ſich
ſcheute das Blut ihrer und ihrer Schweſter Unterthanen zu
vergieſſen. Schon im Jahre 1116 ſehen wir beide Koͤniginnen
im Kriege gegen einander, indem Thereſia in Verbindung mit
Pedro Froilaz, dem Erzieher des jungen Königs von Galicien,
mit einem ſtarken Heere die Koͤnigin Urraca in Soberoſo ein⸗
ſchlieſſt). Lebhafter war der Kampf, als im Jahre 1121 bie
Koͤnigin Thereſia der Stadt Tuy und einiger benachbarten
Plaͤtze in Galicien ſich bemeiſtert hatte. Urraca, unterſtuͤtzt
von dem Erzbiſchof Diego von Compoſtella, den fie für bie
ſes Unternehmen gewonnen hatte, brach mit einem Heere ges
in fidelitate Reginae Donnae Tarasiae, sicut Episcopus fidelis debet
esse suo Regi et Domino terrae, J. Anastasio de Figueiredo, Nora
Historia da Militar Ordem de Malta em Portugal. Parte I, $. 8.
1)... que le sedat amica per fide . . . quomodo bona germana
ad bona germana . .. et dat Regina ad sua germana Zamora cum
suos directos etc. Mon. Lus. liv.8.cap.14. J. Barbosa, Catalogo
das Rainh. de Portug. p. 23. — Es ift unpaffend, diefen Vertrag in
bie Zeit bes Grafen Heinrich zu fegen, und — gegen ben Brauh —
Thereſia allein ober flatt ihres Gemahls ben Vertrag abfchlieflen zu laſſen.
2) Historia Compostell, lib. I. cap. 8. p. 216.
Heinrichs Wittwe, Regentin, 1112—1138, 27
gen ihre Schwefter auf, die fich jeboch auf die Nachricht das
von hinter den Minho zuruͤckzog. Je ficherer die Portugiefen
bier fich hielten, um fo mehr waren fie überrafcht, als fühne
Compoftellaner auf portugiefifchen Schiffen, deren fie ſich im
Minho bemaͤchtigten, oder durch Schwimmen das jenſeitige
Ufer zu gewinnen fuchten. Die Portugiefen ergreifen die Flucht,
Urraca und der Erzbifchof fegen mit dem übrigen Heer über
den Fluß, dringen in das Gebiet von Portugal ein) und
verheeren das feindliche Land mit Feuer und Schwert. Da
erlärt der Erzbiſchof unerwartet. daß ihn ſeine Pflicht mahne
mit den Seinigen in die Heimat zuruͤckzukehren. Urraca, im
Gefühl der Unzulaͤnglichkeit ihrer eigenen Streitkraͤfte oder
ſchon in der Abſicht, den vermeintlichen oder wirklichen Ver⸗
raͤther um ſo ſicherer zu verderben, beſtuͤrmt ihn mit Bitten,
ihr wenigſtens ſeinen perſoͤnlichen Rath und Beiſtand nicht zu
entziehen, wenn er auch ſeine Compoſtellaner, die ſchon beim
Ausruͤcken ſich ſchwierig gezeigt hatten, nicht laͤnger von der
erſehnten Heimkehr zuruͤckhalten koͤnne und wolle. Es geſchah;
der Erzbiſchof blieb, ſeine Streiterſchaaren kehrten zuruͤck.
Darauf wurde ein großer Theil von Portugal unterworfen,
ber Erzbifchof und die Königin belagerten Lanioſa, wo Therefia
fih befand, die caftilifchen Truppen flreiften bi8 an das Ufer
des Douro.
Unterbefl en verlautete Einzelnes von einem verderblichen
Plane, den ein verborgen gluͤhender Haß der caſtiliſchen Koͤni⸗
gin gegen den Erzbiſchof in ihrem Herzen ausgebruͤtet hatte.
Das Benehmen des Praͤlaten in dieſem Feldzuge, manche ſei⸗
ner fruͤhern Handlungen hatten die Koͤnigin mit Argwohn ge⸗
gen ihn erfuͤllt; ſie hielt ihn eines geheimen Einverſtaͤndniſſes
mit ihren Feinden ſchuldig und ſchwur ihm Rache und Ver⸗
derben. Dem Erzbiſchof blieb Urraca's Gefinnung gegen ihn
nicht unbekannt; felbft die Königin Thereſia, im geheimen
Verkehr mit den Vertrauten ihrer Schwefter, ließ dem Erzbi⸗
ſchof binterbringen, wie feine perfönliche Sicherheit bedroht
fei, und bot ihm in einer ihrer Feſten einen fichern Zuflucht:
ort an, oder Mittel, um in fein Erzbistum zu entfliehen.
1) Fluvium transmeant et Portugaliae fines ingrediuntur.
28 Erſter Zeitraum. 1. Bud. 2. Abſchn.
Diego, der die Koͤnigin Urraca eines ſolchen Frevels nicht fur
faͤhig hielt, that nichts fuͤr ſeine Sicherheit, und wurde wirk⸗
lich mit drei ſeiner Bruͤder und ihrer ſaͤmmtlichen Dienerſchaft
verhaftet.
Der Erzbiſchof von Braga, Pelagius, und der Biſchof
von Drenſe, die ebenfalls im caſtilianiſchen Lager ſich befan⸗
den und bedroht ſahen, ergriffen die Flucht. Jenen ſehen wir
im folgenden Jahre von der Koͤnigin Thereſia in Gefangen⸗
ſchaft gehalten, wahrſcheinlich aus keinem andern Grunde, als
weil er der Partei der Koͤnigin Urraca ſich angeſchloſſen hatte.
Papft Calixt I. ließ daher durch feine Legaten die Königin.
von Portugal und ihre Anhänger mit dem Bann und das
ganze Land mit dem Interdict bedrohen, wenn fie nicht in ei=
ner beſtimmten Friſt den Gefangenen und fei eine Leute freilaf>
- fen und der römifchen Kirche Genugthuung gewähren würde ').
Durch diefe Drohung geſchreckt, entließ die Königin ben Erz
bifchof *). Aber der Groll blieb in Vieler Herzen, und der ges ’
kraͤnkte Prälat half vier Jahre fpäter die Königin vom Throne
en. .
In wilden Aufruhr braufte ganz Santjago auf bei ver Nach⸗
richt von der Gefangennehmung feines Erzbifhofs durch die treu⸗
loſe Königin, und ihre hartnddige Weigerung den Gefangenen freis
zugeben feigerte die Erbitterung. Die meiften galicifchen Großen
erklärten fich fie den Erzbifchof und ſtellten Fluger Weiſe den juns
gen König Alfonfo Raymundez an ihre Spitze. Die erfchrodene Koͤ⸗
nigin muffte nachgeben und ſah fich noch in demfelben Jahre in
der bedrängteften Lage. Eine mächtige Partei ſtand drohend ihr
1) Hist. Compostell. lib. II. cap. 58. p. 330
2) Obgleich diefe Androhung ein Jahr nad jener Flucht flattfand,
fo wird man Schuld und Strafe doch nicht in der Zeit fo entfernt von
einander finden, daß ihre Zufammenhang unwahrſcheinlich würbe, wenn
man bedenkt, daß von ber Flucht bis zur Verbaftung, von biefer bis zur
Anzeige in Rom und bis zum Beſchluß und zur Belanntmadhung des
bedingten Bannſpruchs in längeren und kürzeren Zwiſchenraͤumen leicht
ein Jahr verflieffen konnte. Übrigens beginnt im 3. 1121 auch der maͤch⸗
tige Einfluß des Grafen Zerbinand. (Bergl. Ribeiro, Diss, Tom. I. p.
151.) Hatte vielleicht ein Anfinnen der Therefia an den Erzbifchof von
Braga, binfichtlich einer Zrauung mit dem Grafen, dem unfügfamen Praͤ⸗
laten jene harte Behandlung zugezogen ?
Heinrichs Wittwe, Regentin, 1112—1133. 29
gegenuͤber. Der Erbiſchof von Santjago ſchloß ſogar mit der
Königin Thereſia ein Buͤndniß ). Don einer Zuͤchtigung der
portugiefifchen Schwefter konnte nun nicht mehr bie Rebe fein,
wohl aber, bei Urraca's Hülfslofigkeit und Bedraͤngniß, von
einer Bitte um fchwefterliche Unterſtuͤtzung.
In diefe Zeit faͤllt wahrfcheinlich jener .obenerwähnte Vers
trag zwifchen beiden Schweflern (ber Urkunde fehlt das Das
tum); denn nur eine höchft bebrängte Lage, in welcher Urraca
fich befand, erklärt ihre freiwillige Abtretung fo beträchtlicher
Orte und Landeögebiete. Zugleich wirft diefer Vertrag, er
mag nun in biefer Zeit ober etwas früher ober fpäter abge
fchloffen, er mag vollzogen worden fein oder nicht, einiges
Licht: auf Thereſiens fpätere Unternehmungen gegen Caſtilien.
Man begreift nach feiner Kenntnißnahme, wie fchwer es ber
portugiefifchen Königin fallen mochte, den Erwerbungen jenfeit
des Minho zu entfagen, wie ihr anfänglicher Wunſch, Beſitzun⸗
gen jenfeit des Fluſſes, der mehr ein Verbindungsmittel als
eine Scheidewand war, zu haben, ober Die vielleicht fchon vom '
Grafen Heinrich befeffenen zu behaupten, wie dieſer Wunfch
in ihrem Geiſte allmdlig in die Meinung, daß ihr ein unbe
fireitbares Mecht auf jenen Beſitz zuflehe, fih verwandeln
konnte. Man begreift, ohne ihre Herrfchfucht allein ald Er:
ngögrund zu unterftelen, wie die Königin anderthalb
Jahre nach dem Tode der Urraca, weit entfernt den Sohn ders
felben als ihren Oberherrn anzuerkennen, vielmehr auf ihre
Macht und Hülfsquellen fich ſtuͤtzend mit einem Heere in Gas
licien einzubringen und Die an Portugal grenzenden Burgen
und Städte, namentlich das wichtige Zuy, mit Gewalt fich
wieder zu unterwerfen wagen mochte ). Nicht zufrieden mit
einer unfichern Eroberung, fuchte fie ihrer Herrfchaft: jenfeit
des Minho eine feſte Grundlage zu geben, indem fie dort neue
Feſten zum Schuß und Trutz erbauen ließ.
Diefe Keckheit der Königin brachte faft alle Fürften Spa-
niens, die dem König geneigt waren, in Bewegung. Alfonfo
1) Hist, Compostell. lib. II. cap. 40, 42,
2) Hist. Compostell. lib, II. cap, 85. Iila enim fastu superbiae
elata terminos justitiae egrediebatur, et nullum Regi servitium de
1127
30 Erfter Beitraum. J. Bud. 2. Abſchn.
rief, fo weit nur fein Aufgebot reichte, alle feine Vafallen und
Krieger, felbft den möchtigften Prälaten Galiciend, den Erzbis
ſchof von Santjago, zu den Waffen und führte ein fehr zahl:
reiches Heer. gegen die Königin. Solchen Streitkräften des Fein-
des war Thereſia nicht gewachſen, fie 309 fi) nad) Portugal -
zurüd. Das feindliche Heer aber folgte ihr nach und vers -
heerte ſechs Wochen lang das unglüdliche Land, bis durch
die Vermittelung des Erzbiſchofs von Santjago ein Friedens
vertrag zwifchen dem König und der Königin abgefchloffen
wurde und der Verheerung ein Ende: madıte.
Daß uns die Gefchichte gerade den Inhalt dieſes Ders .
trags nicht aufbewahrt hat, iſt doppelt zu beklagen, da dieſes
Mal die gegenſeitigen Rechte und Foderungen Caſtiliens und
Portugals wohl auf das ſchaͤrfſte ausgeſprochen und wahr⸗
ſcheinlich auf die Spitze getrieben wurden. Thereſiens dreiſte
Beſitzergreifung eines Theils von Galicien, die in Alfonſo's
Augen als eine herausfodernde Anmaßung erſcheinen muſſte
und ihn wie ſeine Anhaͤnger wirklich mit tiefem Unwillen er⸗
fuͤllte, die gluͤckliche Vertreibung der Koͤnigin aus Galicien,
ihre Zuͤchtigung in ihrem eigenen Lande, das Alles muſſte den
Koͤnig zur kraͤftigſten, entſchiedenſten Sprache gegen die por⸗
tugieſiſche Koͤnigin beſtimmen, ſeinen Foderungen und Anſpruͤ⸗
chen den Ausdruck einer ruͤckſichtloſen Strenge geben. Indeſſen
beurkunden die bisher angefuͤhrten Unternehmungen der Koͤni⸗
gin die unabhaͤngige Stellung, die ſie gegen Caſtilien nahm,
fo wie die folgenden Ereigniſſe beweifen, daß fie dieſe Stels
lung zu behaupten wuſſte. Nur wenn fie die Grenze ihres
Reichs feindfelig überfchritt, wied fie der König Alfonfo VIL _
mit gemwaffneter Hand in Diefelbe zurüd und beftrafte fie höchs
fiend mit der gewöhnlichen Strafe jener Zeit, mit der Ver
heerung ihres Landes. Die Selbſtaͤndigkeit ihres Staates
anzutaften oder mit oberherrlicher Hand in die Innere Verwal:
tung beffelben einzugreifen, feheint nie feine Abficht gewefen
zu fein. Xherefiend männlicher Sinn, ihr Eriegerifcher Unter
Regno quod ab illo tenere debebat, exhibere dignabatur: immo viris,
armis, atque opibus potens, fines Galleciae armato exereitu invade-
bat, et Civitates, atque Castra Portugaliae adjacentia, Tudam scili-
oet, et:alia suo jari atque dominio violenter subjugebat.
Heinrichs Wittwe, Regentin, 1112— 1128. 31
nehmungögeift, ihr Muth in Gefahren und ihre Beharrlichkeit
in ihren Planen, die in Diefer Beziehung den Grafen Hein:
rich nicht vermiffen lieffen, machten. wohl. auch jeden Verfuch
diefer Art fchwierig, wenn fie nicht jeden Gebanken daran
nieberfchlugen. Hätte doch der Känigin Herrfchfucht fie nicht
über die Grenzen ihres Reichs hinduögeriffen! Aber eben dieſe
Herrfchfucht, die fie über den Minho führte, verbunden mit
dem Mangel an echter Weiblichkeit, trieb fie auch im Schoofe
ihred Reichs über die Grenzen des Rechts und der Sitte.
Während fie aber dort nur bald verfchmerzte Verluſte erfuhr,
grub fie hier ihr eigenes Grab.
Therefia hatte mehrere Jahre nach dem Tode ihres Ge
mahls die Grafen Fernando Perez von Zraflamara und befz
fen Bruder Bermudo, Söhne des obenerwaͤhnten Grafen
Pedro Froilaz, Saltcier von Geburt, an ihren Hof gezogen
und. fie durch ein befonderes Vertrauen, das bald in Vers
traulichkeit außartete, auögezeichnet. Mit Bermudo, ihrem
nachherigen Zochtermann, foll fie zuerft in einem anftößigen
Verhaͤltniß gelebt haben. Der Graf Fernando verließ feine
rechtmaͤßige Gemahlin und trat mit der Königin in eine Ver
bindung , die weder ihn noch die Königin ehrte. Hatte vor
her Misgunft den Ausländer getroffen, fo traf den verbreche⸗
riſchen Sremdling nun Haß. Xherefia vergaß, was fie fich
felbft, was fie Portugal und dem rechtmäßigen Thronerben
fhuldig war, indem fie dem Grafen Ferdinand Über ihr Herz
(und ihr Reich) eine Gewalt einrdumte, die derjenigen eines
Gatten aͤhnlich war und die Nachwelt in Zweifel gelaffen
hat, ob fie von der Kirche geheiligt worben oder nicht‘). So
1) Die einzige Urkunde, welche bie eheliche Verbindung der Königin
Thereſia mit dem Grafen Ferdinand ausbrüdiich erwaͤhnt, ift eine Schen⸗
tung an das Klofter Monte de Ramo in Salicien, welhe Yepgs (in
feinee Histor, de S. Bento, Tom. .VII. Centur. n. 32) mittheilt, aus
dem Manrique (Annal. Cisterc. ad an. 1153. cap. 16) fie entlehnt
hat. Die hieher gehörigen Worte ber Urkunde, deren Original nad)
Hepe’s Zeiten Fein portugiefifcher Schriftftellee geprüft hat und das
nicht mehr vorhanden zu fein fcheint, find diefe: Ego Tarasia, bonae
memoriae Alfonsi Magni Hispaniarum Regis filia, Magni Comitis Hen-
rici quondam uxore, nunc vero Comitis Fernandi, Dei gratia Portu-
galis Regina... Hanc Cartam fieri jussi, una cum viro meo Fer-
32 Ergſter Zeitraum. J. Bad. 2. Abſchn.
zweifelhaft bie zweite Vermaͤhlung der Königin fein mag, fo
gewiß ift es, daß Therefia dem Grafen einen mächtigen Ein⸗
fluß und eine vielfache Iheilnahme an allen Regierungdges
fchäften geftattete. Seit dem Jahre 1121, alſo neun Sabre
nach Heinrich Tode, fügben wir ihn bei den wichtigften
Staatsverhandlungen mit dem Auslande genannt, und in vie
len Urkunden, welche bie innere Verwaltung betreffen, zum
Theil in der Eigenfchaft eines Statthalter von Coimbra, ſei⸗
nen Namen unterzeichnet.
Unterbeffen war Affonfo Henriques zum hoffnungsvollen
Juͤngling aufgeblüht. Seine würbevolle Geftalt, die Schöns
heit feiner Gefichtsbildung, ihre einnehmende Anmuth ), wa⸗
ren nur der duffere Ausdruck von Geiſtes⸗ und Gemüthsanlas
gen, deren Entfaltung den Portugiefen die fchönften Blüthen
und Früchte verfprach. In feinem vierzehnten Lebensjahre, 1124
am Pfingfifefle, wie ed bei Königen Sitte war, hatte ex dm
nando Perez, et cum filio meo Alfonso Henriques propria manu ro-
boravi ... Hoͤchſt auffallend ift ed, daß nur in einer Urkunde, die eine
Beſitzung in Galicien betrifft, jene eheliche Verbindung ausgeſprochen
iſt, während von mehr als funfzig portugiefifhen Urkunden, vom
J. 1121, worin Ferdinand fich zu unterzeichnen anfängt, bis zum Jahr
1128, worin Tcherefia und Ferdinand geftürzt werben (f. Ribeiro,
Diss. Tom. III. Append, IX. die Urkunden von ©. 73 bis 92), Keine"
einzige jenes Vorhaͤltniß erwähnt. Oft genug unterzeichnet ſich der Graf
Berdinand mit andern weltlichen und geiftlichen Großen, mehreremal in -
Urkunden von bemfelben Jahr (vergl. Mon. Lus, liv. 9. cap. 3), nie
aber ald Gemahl der Thereſia, wie fih der Graf Heinrich regelmäßig
unterzeichnete. überdies gedenkt Feine Chronik der ehelichen Verbindung
die Hist. Compost. (liv. 8. cap. 24) fagt unummunden: Fernando, qui
relicta sua legitima uxore, cum matre ipsius Infantis Regina Tarasia
tunc temporis adulterabatur. Aus ben günftigffen Stellen, die man
für die Anficht, daB Thereſia mit Ferdinand vermählt gewefen, anführen
Tann, laͤſſt fi nur ein einflußreicher Antheil des Grafen an den Regies
rungsgefchäften und ein vertrauliches Verhaͤltniß deſſelben zur Königin
entnehmen, aber Keine eheliche Verbindung. S. die Stellen neben einans
der geftellt in Ribeiro, Diss. Tom. I. p. 151. XAufferdem vergl. Mon.
Las. liv. 9. cap. 2 und 3, und Barbosa, Catalogo das Rainhas de
Port, p. 87,
1) .. . corpore decorus, pulcher adspectu et visu desiderabilis.
Chron. Lusit, p. 408.
Heinrichs Wittwe, Regentin, 1112 — 1128. 33
Kirchenaltar von St. Salvator in Zamora die Waffenruͤſtuͤng
ſich ferbft angelegt und fo, dem ritterlichen Geiſte feines Zeit-
alterd huldigend, die Weihe zu dem hohen Beruf, zu dem ihn
die Geburt beftimmt und die Natur fo herrlich ausgeftattet
batte,_fich felbft gegeben. Sieben und funfzig Iahre hindurch,
fo lange er regierte, legte er nur felten die Waffen nieder, ein
unermübdlicher Kämpe, wie ihn feine kriegsluſtige Zeit, fein
von Gefahren umringted werdendes Reich "heifchte, wie Die
Auffern und innern Feinde deffelben ihn nothwendig machten.
Es war ein duͤſteres Vorfpiel feiner Regierung, daß er
fhon als achtzehnjähriger Iungling mit den Waffen in der
Hand ') fein väterliches Erbe zu erfämpfen, von feiner eige⸗
nen Mutter zu erfämpfen veranlafft wurde, und über Blut
und Leichen den ihm gebührenden Thron befteigen: muffte. Die
Königin theilte nicht nur die Herrfchergewalt mit dem Gra⸗
fen Ferdinand und entfernte ihren Sohn, ungeachtet feiner
erreichten Volljährigkeit, von allen Regierungsgefchäften; fie
fuchte ihn felbft von der Thronfolge auszufchlieffen und dem
Ausländer die Herrfchaft zuzumenden. Der Infant, im Bes
wufftfein feiner unbeftreitbaren Rechte auf die Erbfolge und im
jugendlichen Vollgefuͤhl feiner Kraft und Züchtigfeit, ver
mochte nicht Yänger ein Unrecht zu dulden ?), das durch Nach-
giebigkeit ftart und gewaltig wurde ‘und bei längerer Frift
unlberwindlih zu werden drohte Er verfammelte feine
Freunde und gewann viele Edle, bie lieber ihren rechtmäßigen
und vielverfprechenden Fürften als eine herrfchfüchtige Frau
und einen verhafften Günftling und Ausländer am Staatsru⸗
der fahen. Sie verfprachen ihm Beiſtand mit ihrem Schwerbt
und Bermögen. Sobald die Königin Kunde davon erhielt,
zog fie, um den Sohn und feine Anhänger zu züchtigen, ihre
Streiterhaufen zufammen und ging an ihrer Spite auf Gui⸗
maraens los, wo der Infant mit feinen Verbündeten fich bes
fand. Bei St. Mamete, nahe bei Guimaraend, kam es
1) Adeptus est Regnum Portugallis in manu forti. Chron. Lus. I. c.
2) Quam injurfam valde inhonestam nullatenus ferre volens, (erat
enim jam grandevus aetate, et bonae indolis) convocatis amicis etc.
Ibidem.
Schäfer Geſchichte Portugals. T. 3
130
34 Erſter Zeitraum. J. Bud. 2. Abſchn.
zu einem blutigen Treffen zwiſchen Mutter und Sohn. Dieſer
ſiegte, Thereſia entfloh in die Burg Leganoſo, die Grafen Fer:
dinand und Bermudo, der Königin Schwiegerfohn, retteten fich
nach Salicien. Ein Berfuch des Letztern im Jahre 1131, eine.
Empörung gegen Alfonfo zu erregen, mislang ').
Seit jenem Unfall bei Guimaraens war die Königin, uns
fchädlich gemacht durch Alfonfo, in folche Unbebeutenheit ges.
funfen, daß die Chroniften fie fortan unbeachtet laſſen und
nach ihrem politifchen Zode nur noch ihren phyſiſchen erwaͤh⸗
nen. Bon allen einnehmenden Eigenfchaften des Weibes hatte
fie, wie es fcheint, allein Eörperliche Schönheit, die gefähr:
lichſte Mitgift der Natur, wenn nicht Feufche Seelenreinheit
fie adelt und ſchuͤtzt. Von den PVorzügen des Manned bes
| faß fie Entfchloffenheit, Muth und Unternehmungögeift dem
Feinde gegenüber; aber von einer Herrſchſucht und Sinnlichkeit
begleitet, die das natuͤrlichſte Muttergefühl, die Liebe zum eig«
nen Kinde, unterdrüdten, konnten jene männlichen Zugenden
ihr nur eine vorübergehende Bewunderung, Feine dauernde
Liebe und Achtung gewinnen.
Um fo leichter war e8 dem Infanten gelungen die Zahl
der Anhänger und Freunde, die ihm feine Mutter durch die
Bevorzugung der Ausländer fchon zugemwendet hatte, anfehnlich
zu vermehren. Neben denen, die mit unbeftimmten Hoffnuns
gen und Erwartungen der aufgehenden Sonne fich zufehrten,
wuſſten Andere, bie dem Infanten ihren Beiſtand zuficherten,
dem Juͤngling Verfprechungen abzuloden, die der erfahrene
Mann fchwerlich gegeben haben wirde. Bor Allen war es
der erfte Prälat Portugals, der Erzbifchof Pelagius von Braga,
eben derjenige, den die Königin einft empfindlich gefränft und
gebemüthigt hatte, ber jebt feinen Beiftand-*) am theuerften
verkaufte und dem unerfahrnen Prinzen Vorrechte und Frei⸗
heiten fuͤr ſich und ſeine Kirche abnoͤthigte, die in der Fol⸗
gezeit die Quelle unheilvoller Zerwuͤrfniſſe wurden.
1) Chron. Lus. aera 1169. Dieſer Verſuch konnte nicht die Abſicht
haben, „der Thereſia die Herrſchaft wieder zu verfchaffen”, wie ein neues
rer Gefchichtfchreiber meint, da Thereſia ein Iahr vorher geftorben war.
lb. aera 1168,
2)... ut tu sis adjutor meus, fagt die Vertragsurkunde.
Heinrichs Wittwe, Regentin, 1112 — 1128. 35
Alle Beſitzungen der Kirche St. Maria in Braga
mit allen Hoͤrigen, Freien und Unfreien, die dem Koͤnig un⸗
terthan find, ſollen befreit und bevorrechtigt fein (cautatae).
Wie des Infonten Großvater, der König Alfonfo, zum Bau
ber Kirche des heiligen Jacobs beigefteuert habe, fo verfpricht
der Infant zum Bau der Kirhe St. Maria in Braga bie
Geldmittel zu verwilligen. Die Eöniglichen Kirchen welche
Pfarrkirchen find, find dem Erzbiſchof untergeben, und kein
Late hat Gewalt über fie. Die Eöniglichen Klöfter entrichten
an den Erzbifchof eben ſo viel, als fie an feine Vorgänger ges
zahlt haben. Der Infant entfagt aller Regierungdgewalt in
der Stadt Braga; nur der Wille ded Erzbifchofd und feiner
Nachfolger fol hier gelten. Er verfpricht, wenn er die Res
gierung von Portugal angetreten habe, dem Erzbifchof die
Stadt und den erzbifchöflihen Stuhl mit allem Zugehdr in
Frieden und ohne allen. Widerfpruch zu Überlaffen. Er übers
trägt überdies dem Erzbifchof Alles, was an dem Hofe des
Infanten zum geiftlichen Amte (oflicium) gehört, wie die Bes
zuföverrichtungen des Hoffapland und bed Geheimfchreibers,
Alles was der Beſorgung bed erften Prälaten zulommt. Er
überläfft fi dem Rathe des Erzbifchofs und feiner Nachfol⸗
ger, deren Liebe er fich verfichert halte ).
Diefe großen Zugeflänpniffe, die unter der Vorausſetzung
des zu leiftenden Beiſtandes und eined gluͤcklichen Erfolgs bes
willigt wurden, waren in Affonfos firengbewachter Unmuͤndig⸗
keit bie erfle Handlung einer vorausergriffenen Selbftherrfchaft,
der Wendepunct einer brüdenden Abhängigkeit, in der bie
Regentin den rechtmäßigen Erbprinzen darniederhielt, zur freien
Selbftändigkeit.. Denn am 28. Mai 1128 flellte Affonfo
Henriquez die Urkunde tiber jene Verwilligungen dem Erzbis
fhof von Braga aus, und im folgenden Monat fehen wir
ihn von der mütterlihen Bevormundung befreit, ald Selbſt⸗
berrfcher und ohne die Königin die Urkunden und landeöherrlis
hen Schreiben unterzeichnen ?).
1) S. die Urkunde, zum erften Dal gedruckt in Elucid. T. FI. p. 851.
2) ©. die Urkunden in Ribeiro’s Dissert. T. III. App. von ber
Seite 93 an.
3"
36 Ecrſter Zeitraum. J. Buch. 3. Abſchn.
Dritter Abſchnitt.
Regierung Affonſo's L
(24. Sun. 1128 bis 6. Dec. 1185.) |
1) Bon feinem Regierungdantritt bis zur Annahme des
Königötiteld. Affonfo Infans, Princeps, Rex,
Affonfo Henriques regiert felbft unter dem Titel Infans.
Den Krieg mit Caſtilien emdigt ein Waffenſtillſtand. Gruͤn⸗
dung Leirias zum Schug gegen die Saracenen. Krieg gegen
den Kaifer von Spanien. Der Sufant gibt zwar die‘ feften.
Plaͤtze in Galicien heraus, nimmt aber nach dem Kriege den
Titel Princeps an. Er bringt mit einem Heere in Alem⸗
tejo ein. Sieg bei Durique. Affonfo nennt fi) König.
Unter dem Zitel Infans regierte Affonfo Henriques feit dem
24. Juni 1128 felbftändig '). Niemand macht ihm innerhalb
ber Grenzen feined Reichs feine Herrfchaft flreitig. Vol Selbſt⸗
vertrauen, das ihm der glüdliche Erfolg feiner erften Unterneh⸗
mung eingeflößt bat, ift er im Genufle der Unabhängigkeit,
die er in feinem Reiche fich erfämpft hat, nicht geneigt in
den VBerhältniffen zum Auslande ſich beſchraͤnken zu laſſen.
Er weigert ſich nicht allein die Oberherrlichkeit Caſtiliens an⸗
zuerfennen ?), fondern erhebt felbft die alten Anfprüche auf
mehrere Pläße in Galicien, befonderd auf das ftreitige Tuy.
Der Krieg zwifchen Portugal und Gaftilten bricht wieder aus.
Alfonfo Raymundez, mit den aufrührerifchen Großen in
feinen Staaten vielfach befchäftigt und zugleich im Kriege mit
1) Obtinuit ipse (Infans Inclitus Domnus Alfonsus) Principatum
et Monarchiam Regni Portugallis. Chron. Lus. aera 1166. In ciner:
Schenkungsurkunde vom fechsten April 1129 heiſſt eg: Ego Infans Al-
fonsus ..... ab omni pressura alienus, et Colimbriensium, ac totius
Urbium Portugalensium Dei providentia Dominus securus . effectus etc.
Elucidario Tom. I. p. 823.
2) Histor. Compost. lib. III. cap 24 im Anfang.
Regierung Affonſo's L, 11283 — 1485. 37
dem Könige von Aragonien, Tonnte nicht perfänlich gegen ben
portugiefifhen Infanten zu Zelde ziehen und übertrug bie
Führung des Kriegs einigen galicifehen Großen und dem Erz
bifhof von Compoftella, der aber, durch Krankheit gehindert,
nur geringe Hülfe ſchickte. Der Krieg wurde von caftilifcher
Seite um fo läffiger geführt, da die Zweideutigkeit der Ge-
finnungen einiger galicifchen Anführer die Thaͤtigkeit ihrer
Streiterhaufen lähmte. Um feften Fuß in Galicien zu faffen,
ließ Affonfo Henriquez die ſtarke Burg Celmes, in der Gegend
von Limia, erbauen, legte eine ausgeſuchte Mannfchaft, felbft
viele Edle aus feiner Umgebung in diefelbe und verfah fie
mit Mundvorrath. Dieſes dreifte Unterfangen des Infanten
bewog den König Alfonfo Raymundez feine anberwärtigen
Kämpfe hintanzufegen und mit flarker Heeresmacht nad) Ga:
licien aufzubrechen. An Streitkräften dem Feind überlegen,
eroberte er Celmes und machte die Beſatzung zu Gefangenen.
Dem Infanten war der Verluſt um fo fehmerzlicher, da ber
König den Plab von neuem befeftigen ließ ünd ihn aus einer
Angriffewaffe gegen Caſtilien in eine Schußwehr für Caſtilien
verwandelte. Unterdefien machten die Einfälle und Fortfchritte
der Saracenen an den füdlichen Grenzen von Leon und Ca⸗
flilien, die Ausfichten die in Aragonien fich eröffneten und alle
Aufmerkſamkeit in Anſpruch nahmen, die geringen Bortheile,
welche die Fortfeßung des Kriegs mit Portugal verfarach, den
König Afonfo Raymundez geneigt mit dem portugiefifchen
Infanten einen Waffenftilftand auf einige Zeit zu fchlieffen.
Auch diefem mochte die Ruhe erwünfcht fein... Er benugte fie,
um fein Land von einer andern Seite zu verwahren.
Die häufigen Einfälle und Plünderungen der Saracenen
im Gebiete von Coimbra hatten dem Infanten die Überzeu-
gung gegeben, daß er zum Schuge diefer wichtigen Beſitzung
in einer zu errichtenden neuen Feſte gleichfam eine Vorwache
aufftellen muͤſſe. Er wählte zu diefem Zwecke jenen prächtigen
Felfen von Leiria, der an der Spike eined von Suͤden nach
Norden fich Hindehnenden Berges auf der Straße von Liſſa⸗
bon nad) Coimbra den Blid des MWanderers feffelt. Hier in
einfamer Gebirgägegend feste er dem Werke der Natur, das
fie felbft zum Bollwerk des chriftlichen Portugals gefchaffen zu
38 Erfter Zeitraum. L Bud. 3. Abſchn.
haben ſchien, durch kuͤnſtliche Befeſtigung die Krone auf. Ei⸗
nem Krieger, deſſen Muth dem Feinde nicht weniger trotzte
als die Felſenburg, dem Pelayo Guterriz, vertraute er bie
Beſatzung. Leiria wurde in ber That für jene Gegend fo
wichtig, daß ein Chronift in ihm den Grund des gebrochenen
Muthes und Unternehmungsgeiftes der Saracenen finden will ').
. „ An der füblichen Grenze des Reichs geſchuͤtzt, fo viel es
möglich war, konnte der Infant feinen Blid unverwandt nad
dem Norden richten. Dort hatten fich in demfelben Jahre
Dinge ereignet, die auf den jungen, auf feine Macht und
feinen Ruhm fo eiferfüchtigen Fürften den tiefften .und lebhaf⸗
teflen Eindrud machen mufften. König Alfonfo Raymundez,
jest Oberherr über faft alle chriftliche Staaten der Halbinfel,
war in ber Kathedrale von Leon vor einer glänzenden Vers
fammlung von Großen, Fürften und. felbft gefrönten. Hdups
tern zum Kaifer von Spanien audgerufen worben. Der glors
reiche Zitel war das Zeichen einer Gewaltfülle, wie fie feit
Sahrhunderten in Spanien nicht gefehen worden, und ums
fhloß zugleich Anfprüche und Foderungen, welche ‚geltend zu
machen, dem Inhaber einer folchen Macht reichliche Mittel zu
Gebote flanden. War zu erwarten, ſobald Alfonfo VII jenen
Zitel zum Maßftabe feiner Anfprüche machte, daß er ber
Oberherrlichfeit über Portugal, welche Caſtiliens Krone fich
zueignete, entfagen werbet Oder wenn er fie behaupten
wollte, wer fonnte fie ihm entreiffen? Und wenn er ſelbſt
auf jene Oberberrlichkeit verzichtete, erlofch nicht Portugals
Stern vor Eaftiliend Sonne? Affonfo Henriquez fühlte Dies
gewiß lebhafter, als wir es ihm nachzufühlen vermögen, und
wir bürfen alle Gefühle, welche die Bruft eines jugendlichen,
ritterlichen, Eriegölufligen, ruhmbegierigen, durch fein erſtes Ges
fingen zu flolzen Hoffnungen emporgehobenen. Fürften bei die⸗
fem Ereigniß beftürmen Tonnten, vorausfegen, um uns bie
Unternehmung, bie er bald nach jener Kaiferfrönung ausfuͤhrte
und die allein die. Gefrhichte und erhalten hat, zu erklären.
Der Infant fühlte zugleich die Größe der Gefahr, die ihm .
drohte, und hatte Beſonnenheit und Klugheit genug, feine ges
1) Chron. Lus. aera 1178 unb Mon, Lus. lib, 9. cap. 25,
I
Regierung Affonfo’s L, 1128— 1185. 39
ringen Streitkräfte buch WBunbeögenofien und audwärtige
Kampfgehülfen zu verftärten, und auf dieſe Weife eine Poli⸗
tie zu befolgen, die damald, fo nah fie auch liegen mochte,
bei dem Einzelnftehen der Völker ımd dem Mangel an Ber:
bindungen unter den Staaten im Mittelalter nicht die ge
wöhnliche war. Er verband fich mit dem Fürften eines Reis
ches, das auf der entgegengefeßten Seite von Caſtilien lag,
mit Garfias, König von Navarra . So begann faft zu
gleicher Zeit am Minho und Ebro der Krieg gegen den ge
meinfchaftlichen Feind.
Während der König Garfiad den Kaifer an der Grenze
von Navarra befchäftigte, drang Affonfo Henriquez in Gali⸗
cin ein und nahm Zum nebft andern feſten Plägen weg.
Zugleich fielen die galiciihen Grafen Gomez Nuñez, des in
dem Gebiet von Torogno befehligte, und Roderigo Perez Bil
Iofo, der den feften Orten in Limia vorfland, von dem Kaifer
ab, tıbergaben dem Infanter von Portugal die ihnen anver-
trauten Drte und huldigten ihm. Der Befehlöhaber von Als
lariz, Fernando Joannis, dagegen, ein ausgezeichneter Krie:
ger, blieb dem Kaifer treu und rüftete fich mit feinen Bruͤ⸗
dern und feinen Freunden zum Widerſtande. Unterdeffen war
der Infant, nachdem er die eingenommenen Schlöffer hatte be:
feftigen laſſen, in fein Reich geeilt, wohin ihn wahrfcheinlich
die Einfälle der Mauren gerufen hatten. Als er mit feinem
‚Heerhaufen nach Limia zuruͤckkehrte, fand er die Grafen Fer⸗
nando Perez und Roderigo Vele und alle Befehlöhaber Ga:
liciens mit einander vereinigt und mit ihren fämmtlichen Streis
terfcharen im Anzug Die Heere ftoßen bei Gernefa auf eins
ander und e3 entfpinnt fich ein 'Iebhafter Kampf. Der Graf
Roderigo Vele wird mit Mehreren gefangen, burch feine zwei
Waffenträger aber wieder befreit. Endlich erklaͤrt ſich der Sieg
für die Portugiefenz die Galieier werben in bie Flucht gefchla:
gen. Die Früchte dieſes Sieges zu ernten war bem Infan⸗
ten nicht vergönnt. Ein Hülfefchrei der Seinigen rief ihn an
die ſuͤdliche Grenze feines Reichs, wo die Saracenen eingefal-
len waren, Die Feſte Erena, die Vormauer von Santarem,
1) Histor. Compost. lib. II. cap. 51. p. 589.
40 Eriter Zeitraum. J. Bud. 3. Abſchn.
Liffabon und Eintra, erflürmt und uͤber zweihundertfunfzig
Mann und mehrere Große niedergehauen hatten. Affonfo
Henriquez Fam zu fpdt, um die Feinde, die fich zuruͤckgezogen
hatten, zu züchtigen, und wendete fich fogleich wieder nad)
Galicien, wo der Statthalter von Limia, Fernando Joannis,
raftlos den Krieg fortfeßtee Der Infant, den fein kuͤhner
‚ Muth immer dahin z0g, wo der Kampf am heiffeften, Die
Gefahr am drohendflen war, wurde in einem folchen Gefecht
von einem Öalicier verwundet, und erft nach einiger Zeit Durch
ärztliche Hülfe wiederhergeftellt.
Unterdeffen hatte der Kaifer durch die Eroberung mehres
rer feſten Pläbe in Navarra, durch furchtbare Verheerungen
des platten Landes und durch die Unterwerfung des mächtige
fien Vafallen die Macht des Königs von Navarra fo fehr ges
brochen, daß Alfonfos perfönliche Anwefenheit nicht mehr noͤ⸗
thig fchien. Nachdem er die Bewachung der Grenze Caftiliens
von biefer Seite einigen caftilifchen Grafen übertragen hatte,
z0g er ein. ſtarkes Heer aus Leon an ſich, fiel pluͤndernd und
verheerend in Portugal ein und eroberte einige Burgen. Af⸗
fonfp Henriquez erkannte die Überlegenheit der feindlichen
Macht und dachte Darauf, feine Eleine Streiterzahl durch
Klugheit zu ergaͤnzen, indem er jedes Zuſammentreffen mit
dem geſammten Heere vermied und nur vereinzelte Haufen des
Feindes mit ſeiner ganzen Kraft angriff. So gelang es ihm
eine von dem Grafen Radimir angefuͤhrte Heerabtheilung zu
ſchlagen und den Anfuͤhrer ſelbſt gefangen zu nehmen. Dem
Kaiſer entging nicht die Abſicht ſeines Gegners, noch das Mis⸗
liche ſeiner eignen Lage im Feindesland. Er zog daher ſeine
Macht zuſammen und nahm eine feſte Stellung auf der An⸗
hoͤhe von Portella de Vice, im Angeſicht der Burg Penna de
Regina. Ihm gegenuͤber, aber an einem hoͤheren und ſchwer
zu erſteigenden Orte ſchlug der Infant ſein Lager auf. Ein
Thal ſchied beide Heere und wurde der Kampfplatz und die
Leichenſtaͤtte fuͤr Viele, die von Muth und Ruhmliebe getrieben
hinabſtiegen, um im ritterlichen Wettkampf) ihre Tapferkeit
vor Freund und Feind aufglaͤnzen zu laſſen.
1) Quod populares dicunt Bufurdium.
Regierung Affonfo’s L, 11281185, 41
Doch. zur Beluftigung waren dieſe Kämpfe zu ernft, für
die endliche Entfcheidung aber ohne Erfolg. Won beiden Sei:
ten fielen viele Ritter; mehrere vom erften Rang, felbft des
Kaiferd Bruder, Fernando Furtado, wurden gefangen. Beide
Heere fühlten das Nachtheilige ihrer Lage. Da ftellten
portugiefifche Große ihrem Fürften vor, wie ihre Krieger nicht
im Stande feien der großen Übermacht des Kaiferd lange zu
widerftehen, und dad Gluͤck, das ihnen heute Lächele, morgen
fih treulos von ihnen wenden koͤnne; welche Gefahren ihnen
zugleih von Seite der Saracenen brohten, und wie die Nies
dermeßelung ihrer Brüder in Erena, die im Frieden mit Ca⸗
flilien nie gefchehen wäre, leicht nur der Vorläufer eines groͤ⸗
Bern Ungluͤcks, das ihnen die Ungläubigen täglich bereiten koͤnn⸗
ten, werden bürfte.. Die Großen trugen auf den Frieden an.
Der Infant fühlte bie Wahrheit ihrer Vorſtellung und ſchickte
aus ihrer Mitte Friedensboten an den Kaifer '), der feiner
Seits nicht weniger Gründe hatte den Frieden zu wiünfchen.
Er konnte ſich nicht bergen, daß fi) das Gluͤck für feinen
Gegner erklärt habe, fein Heer feit feinem Einfall in Portugal
von vielen Unfällen getroffen worden fei und von roch groͤ⸗
Bern bedroht werde?). Alfonfo VII. zeigte fi dem Antrage
geneigt. Doch wurde vorläufig nur ein Vertrag auf einige
Jahre gefchloffen und von den portugiefifchen und caſtiliani⸗
ſchen Großen gewährleiftet, worauf ‚beide Fürften in einem
Zelte zufammentamen, bei einem gemeinfchaftlichen Mahle der
Berföhnung fih freuten und mit Kuß und Handſchlag fie
verfiegelten.
Die Portugiefen gaben die feften Pläge zuruͤck, : die fie
in Galicien befegt hielten, die Gaftilter diejenigen, die fie in
Portugal erobert hatten. Der Graf Radimir erhielt die rei:
heit wieder und die Kriegögefangnen wurden gegenfeitig aus:
1) Rad) dem Chron. Lusit. ließ zuerft der Kaifer Sriedensporfchläge
machen.
2) Videns Imperator, quod omnia prospera eveniebant Regi de
Portugal, et bona furtuna regebat eum, et quod Deus adjuvabat eum,
sibi autem omnia contingebant adversa, et quod si amplius cum eo in
malum voluisset .contendere, majora interim consequerentur detri-
menta. Chron. Lus. p. 411.
42 Erfter Zeittaum. 1. Bud. 3. Abſchn.
getaufcht. Die Grafen Roderigo und Gomez Nufiez entfernte
ber Infant ald die Urheber der Zwietracht zwifchen ihm und
dem Kaifer. Gomez, ber fi) nirgends in Spanien ficher
glaubte, floh über die Pyrenden und ward Mönch im Klofter
Clugny; Roderigo aber erhielt Verzeihung vom Kaifer und
wurde in ben Kreis der Großen feines Hofes aufgenommen )
Des wichtigften Streitpunctes, der Oberherrlichkeit Caſti⸗
liens über Portugal, gefhieht in den veröffentlichten Friedens⸗
bedingungen nicht die leifefte Erwähnung Wohl mochte ex
aber zur Sprache gekommen fein in jener geheimen Unterres
dung, bie zwifchen beiden Zürften bei ihrer Zuſammenkunft in
dem Zelte flattfand und von der uns ber Chronift leider
nichts berichtet und wohl nichtd berichten Fonnte, als baß fie
flattgefunden °). Aber wir dürfen arinehmen, daß der Eluge
Affonfo Henriquez auch hier feinen Vortheil und feine Rechte
nicht vergaß, und während er den Kaifer in jener Hinficht be=
ruhigte, fich nicht durch VBerfprechungen die Hände für bie
Zukunft band. Nicht allein die nächfte Folgezeit, das Verhal⸗
ten Gaftiliend bei den ſtets gefteigerten Anfprüchen des portu⸗
gieſiſchen Regenten und bei feiner immer freiern Entfaltung eis
ner unumfchränkten Selbftherrfchaft fcheinen Zeugniß davon zu
geben, — Affonfo Henriquez ftellt fich felbft Durch einen Ti⸗
tel, den er feit jener Zeit fich beilegt, eine Stufe höher als
bisher. Bid gegen das Ende des Jahrs 1136 nennt er fid
nämlich in den vielen von ihm auögeftellten Urkunden fo res
gelmaͤßig Infans, daß man fich geneigt fühlt bei den wenigen,
in benen er fich vor dieſer Zeit Princeps nennt, eine Unrichs
tigkeit ded Datums anzunehmen. Bon der Mitte des Jahres
1137 aber unterzeichnet er fich regelmäßig als Princeps von
Portugal ?) und macht ed dadurch mehr ald wahrfcheinlich,
1) Chron. Alphons. Imp. p. 851. Chron. Lusit. p. 411, wo aber
dieſer Krieg offenbar zwei Jahre zu fpdt angegeben wird. Der Friede
wurbe jebenfalls vor dem Jahr 1139 gefchloffen, da die Histor, Compost,,
die mit dem Jahr 1133 fchliefft, denfelben noch erwähnt.
2) Et locuti sunt soli secretius. Chron. Lus. p. 411.
By Vergl. Ribeiro, Dissert. T. III. die Urkunden Num. 270 bis
888 und Num. 839 bis 858, wo Affonfo Henriques den Königstitel an⸗
Kimmt.
Regierung Affonfo’s L, 1128— 1185. 43
daß durch jenen Friedensſchluß die flaatsrechtlichen Verhaͤltniſſe
. yoifchen Gaflilien und Portugal mehr günftig als nachtheilig
für das letztere Reich fich geftaltet hatten. War ed nicht ges
wiffermaßen ein Sieg Portugald über Spanien, Daß, nachdem
ber weit fehmächere Infant den allgewaltigen Kaifer von Spa⸗
nien in feinem Staate dreift herausgefodert hatte, und, vor
ſeiner Übermacht zuruͤckweichend, in feinem eignen Sande
zwar befämpft, aber nicht überwunden worden war, der Kais
fee am Ende hier Alles beim Alten ließ ober laffen muffte?
Welches Selbfigefühl, welch Vertrauen auf fen Gluͤck und
fane Waffen mufite diefer Krieg und dieſer Friede dem jungen
Fuͤrſten geben!
Zuverſichtlicher in ſeinem Innern und geſicherter gegen
Caſtilien konnte nun Affonſo Henriquez ſeine ganze Macht und
Thaͤtigkeit gegen die Saracenen richten. Zu den Beweggruͤn⸗
den, die er hinſichtlich des Kampfes gegen die Unglaͤubigen
auf der Halbinſel mit andern Fuͤrſten und Rittern theilte,
und die aus dem Zeitgeiſte, aus der rtlichkeit und Volks⸗
thuͤmlichkeit entfprangen, kamen bei ihm noch einige befondere
hinzu. Siege über die Saracenen, Eroberiffigen, die Portu-
gald Grenze erweiterten, unterwarfen ihm Lanbftriche, die ein=
jig und allein ihm unterthan waren und auch von feinen als
ten Beflgungen die lebte Spur der Abhängigkeit verwifchen
fonnten. Site hoben in den Augen feiner Unterthanen wie der
Nachbarftaaten fen Anfehn und feine Würde; denn den Spa:
niern und Portugiefen, vom König bi8 zum Leibeigenen her⸗
ab, war die Bekaͤmpfung der Ungläubigen ein Wert hohen
Verdienſtes hienieden und im Himmel. Überdies hatten bie
Saracenen für ihre feindlichen Einfälle im ſuͤdlichen Portugal
während Affonfos Krieg mit Caſtilien eine Züchtigung verdient.
Der Weg bis zum Zajo war geöffnet und gededt. Soure
batte fehon im Sahre 1111 vom Grafen Heinrich ein Orts⸗
techt erhalten und war 1128 von der Königin Therefia ben
Tempelherren, diefer Schusmauer der füblichen Grenzen des
Reichs, gefchenkt worden, und dieſe Ritter hatten bereits Ega,
Redinha und Pombal erbaut. Leiria und fein Gebiet hatte
Affonfo Henriquez im Jahre 1135, und Durem im Jahre
1136 ſich unterworfen, und im folgenden Jahre dem Flecken
44 Erfier Zeitraum. L Bud. 3. Abſchn.
Penella einen. Foral gegeben. Die Schlöffer Almourol, Zezere
und Gera waren von Gualdim Paes aus ihren Zrimmmern
wieder aufgerichtet, und ber Ießtere war in das Schloß Tho⸗
mar verwandelt worden 9.
So im Rüden durch chriftliche Burgen und Schlöffer bis
zum Tajo gebedt, brach Affonfo Henriquez mit einem Heere
in das maurifche Gebiet jenfeit des Tajo verheerend ein und
fland bald tief in Alemtejo. Auf die Nachricht davon zog der
Dali Ismar alle Zruppen die er aus Afrifa mitgebracht hatte
und alle Streiterhaufen aus den Gebieten von Sevilla, Bas
dajoz, Elvas, Evora, Beja, aus allen feften Plaͤtzen bis
Santarem zufammen, ein zahllofe8 und ungezähltes Heer, uns
tee dem fich felbft Frauen in Maͤnnerkleidung befanden, wie
man fpäter wahrnahm, ald man beren unter ben Getöbteten
auf dem Schlachtfelde fand. Vol Vertrauen auf ihre Menge
und fröhlichen Muthes rüdten die Saracenen heran. Affonfo
hatte mit feinem Eleinen Heere, nach feiner Gewohnheit, auf
einer vorragenden Anhöhe in ber Gegend von Durique fich
fefigefegt und fein Lager aufgefchlagen. Bald umzingelten ihn
die feindlichen Hkerhaufen von allen Seiten, vom frühen Mors
gen bis gegen Abend. Als die Saracenen dad Lager der Chris
fien anzugreifen und zu erflinmen im Begriffe ftanden, flürzte-
fi) eine auserlefene Schaar hriftlicher Ritter auf die Andrins
genden und trennte oder tödtete fie. Bei dem Anblicke ber
Derwüftung, die die chriftlichen Ritter um fich verbreiteten,
und ihres fichtbaren Vorfages, um jeden Preis den Sieg zu
erringen und eher den Tod als die Flucht zu fuchen, entfloh
Ismar mit den Seinigen. Ihm folgte bald das Heer, das
theild im Fliehen getödtet, theils zerflreut wurde. Ismar rets
tete fich, aber ein Neffe des Almoravidenherrfcherd, Namens
Homar Atogar, ward gefangen ?).
1) Elucidario, T. II. p. 77 verb. Ladera.
2) Ie mehr der Patriotifmus der ſpaͤtern Gefchichtfchreiber den Sieg
bei Durique auögemalt und ausgefhmüdt hat, um fo enger hat man
ſich Hier an die Quellen anzufchtieffen. Die ausführlichfte Nachricht, bie
aber freilich zur Veranſchaulichung und Erklärung diefer wichtigen Schlacht
ganz ungenügend ift, gibt bad Chron. Lusit. p. 423, das bis gum Jahr
Regierung Affonfo’s J. 1128 — 1185, 45
Diefer berlihmte Sieg der Portuegifen über die Sarace⸗ 11%9 «
nen bat feinen Namen von Durique, dem bebeutendften Orte 25. Juli
dee Gegend, in der er erfochten wurde. Genauer genommen
war das Schlachtfeld unterhalb des Fleckens Caſtro Verde, in
einem Thale zwifchen ben Fluͤſſchen Crobes und Xerges, die
in geringer Entfernung davon fi) mit einander vereinigen
und Darauf in die Guadiana fich ergieffen ').
Ze glänzender und folgenreicher diefe Trophäen waren,
und je binftigere und unbefriebigendere Nachrichten von ihnen
fih erhalten hatten, deſto gefchäftiger hat die Einbildungskraft
ſpaͤterer Schriftfteller die Luͤcken in der Befchreibung ausge:
füllt und auf die fchwachen und unfichern Umriffe die lebhaf:
teften Farben aufgetragen. Nach den dlteften Nachrichten war
dad Saracenenheer fehr zahlreich, Affonfos Kriegerfchaar dage⸗
gegen fehr klein, wie fich Died erwarten lAfft von dem Umfang
1184, dem vorlegten Regierungsjahr bes Königs Affonfo I., deſſen Tha⸗
ten es vorzugsweife berichtet, reicht. Sein Verfaſſer ift zwar Fein Zeit:
genoffe, aber ben Begebenheiten, die er aufzeichnet, doch fehr nah, wie
wir aus einer Äuflerung beffelben bei der Erwähnung der Eroberung von
Coimbra durch Almanfor („sicut a multis senibus audivimus“') fehlieffen
möffen, wenn wir es nicht ſchon aus ber genauen Angabe des Jahres,
Monats, Tages, felbft bisweilen der Stunde entnehmen wollen. Sehr
kurz iſt die Nachricht von der Schlacht im Chron. Coimbr. ober Livro
de Noa (Esp. sagr. Tom. 23 p. 330), aber in der Angabe des Tages
unb Jahres übereinflimmend. Dazu kommt noch bie kurze Mittheilung
bdes Chronicon Lamecense, das erft in der neueften Zeit an das Licht
gezogen worben if. Es findet fi) auf dem erften Blatt eines alten Mar:
tyrologiums bes bifchöflichen Stuhls von Lamego, und foll aus einem
Altern t. 3. 1260 von Martin Gongalvez, einem Öffentlichen Zabelliäo,
zufammengetragen und von einem Domherrn, Meftre Aires, auf Koften
bes Affonfo Paez, ber Decan biefes Bisthums war, verbeffert worden fein.
Ribeiro hat es zuerft druden laffen in f. Dissertacoes Tom. IV. App.
de Documentos p. 173. Da biefes Werk in Zeutfchland noch faft un:
befannt zu fein Tcheint, fo theile ich bie betreffende Stelle hier mit: In
: loco qui dicitur Oric fuit prelium inter Paganos et Christianos, pre-
side Rege Ildefonso Portugalense ex una parte, et Rege Paganorum
Examare ex altera, qui ibidem mortem fugiendo .. . sitio evasit,
in die S. Jacobi Apostoli mense Julii Er, 1177.
1) Mon. Lus. liv. X. cap. 1. Memorias da Academ. Real Tom.
IX, p. 808.
— — en
6 Erſter Zeitraum. J Buch. 3. Abſchn.
und der ſtarken Bevoͤlkerung des arabiſchen Spaniens, die
durch uͤberſeeiſche Streiterhaufen eben noch verſtaͤrkt war, und
von dem beſchraͤnkten, damals ſchwach bevoͤlkerten und durch
wiederholte Kaͤmpfe mit Caſtilien noch mehr erſchoͤpften Por⸗
tugal. Mit dieſer allgemeinen Angabe nicht zufrieden, hat der
Patriotiſmus der ſpaͤtern Portugieſen eine Zaͤhlung beider
Heere vorgenommen und in dem portugiefifchen 13,000 Mann,
im arabifchen 300,000, nad) Andern gar 406,000 Mann ge:
funden. Nach einer alten Überlieferung follen einhundert Sa⸗
racenen auf einen Portugiefen gefommen fein und der portus
giefifhe Fuͤrſt ſoll über fünf maurifche Könige (Statthalter)
den Sieg davon getragen haben. Man hat endlich den aner⸗
Tannten Helden der Schlacht noch höher zu flellen vermeint,
indem man ihn in unmittelbare Beruͤhrung mit Chriflus ge
bracht hat. Diefer fol, da Affonfo vor der Schlacht über bie
Muthlofigkeit feines Heeres niedergefchlagen und unfchlüffig
war, am Kreuze hangend dem Fürften erfchienen fein und ihm _
den Sieg und den befondern Schuß feines Reichs verfprochen
haben. Der Betrug hat diefe Sage benußt, um für den leicht
gläubigen Nationalftol; und dem Wunbderglauben gegen das
Ende des fechözehnten Jahrhunderts eine Urkunde zu ſchmie⸗
den, in welcher Affonfo Henriquez felbft die Wahrheit diefer
Erfcheinung mit allen Nebenumftänden feierlichft befchwört.
Wiewohl nun diefe Urkunde erwiefen unaͤcht ift ), fo bleibt
es doch bemerkenswerth, daß eine Überlieferung, die bis zu
den älteften Zeiten der Monarchie fich verfolgen laͤſſt, auf je
ned Wunder hindeutet und Umftände anführt, die von den in
jener Urkunde wmitgetheilten im Weſentlichen nicht verfchie
den find ?). ..
1) Memoria sobre os Codices Manuscritos, e Cartorio do Real’
Mosteiro de Alcobaga por Joaquim de S. Agostinho in den Memorias
de Litter. Portug. Tom. V. p. 837. — Elucidario, Tom. IL p. 329.
verb. Cruz. Damit flimmt ein ber Eritifhe Ribeiro in feinen Ob-
servacoes de Diplomatica Portug. p. 142 unb in feinen Dissertagoes,
Tom. UI. p. 64. Sein aufgeflärter Portugiefe glaubt jegt noch an bie
Üchtheit dieſer Urkunde.
2) Antonio Pereira de Figueiredo, Novos Testemunhos da
milagrosa Apparicäo de Christe a El Rei D. Affonso Henrigues.
Regierung Affonſo's L, 1181185. 47
Aus dem Zwielichte aller dieſer Wunder, Sagen und
Überlieferungen, deren Schauplak das Schlachtfeld von Durie
que ift, tritt und eine Thatſache hell und unbeftritten entges
gegen, bie fchönfte Trophäe Affonfos: der Königstitel, den er
feitvem annahm. Mag er ihn kurz vor der Schlacht angenoms
nien haben, was am wenigften wahrfcheinlich ift, oder, wie
eine weitverbreitete Sage will, womit auch die Urkunde der
Cortes von Lamego übereinftimmt, auf dem Schlachtfelde felbft
oder bald nach dem Siege, — gewiß ift, daß Affonfo feit
dem glücklichen Erfolge, ber fein Fühnes Unternehmen gegen
die Chriftenfeinde gekrönt hatte, in ben Urkunden nun beftän=
dig den Königätitel fich beilegte ).
2) Affonfo beruft die Corted und verpflichtet ſich und
feine Nachfolger zur Zahlung eines jährlichen Zinfes
an den päpftlichen Stuhl.
Dad Selbſtgefuͤhl des Zürften und das Nationalgefühl
feines Volkes, die beide durch den Sieg von Dutique einen
fo mächtigen Aufſchwung nahmen, erklären hinreichend Affon⸗
fo8 Annahme bed Königätiteld. Indeffen war der neue König
zu befonnen und umfichtig, als daß er bei jenem SHochgefühl
nicht zugleich klar eingefehen hätte, wie dies nur ber erſte
- Schritt war und zu feiner Sicherheit noch weitere Schritte nds
thig und unerlafflih wurden. Caſtiliens Widerſpruch ſah er
Lisboa 1786. Ciudados Litterarios 1791. pag. 336 vom Biſchof von.
Bein.
1) ©. flott Allee Ribeiro, Dissertt. Tom. III. p. 117 esse In
Urkunden von Vafallen wird Affonfo Henriques Thon vor biefem Zeitpunct
bisweilen König genannt. So heifft es in einer Schenkung an das Klo«
fer Pedroſo v. 3. 1131, alfo acht Jahre vor ber Schlacht von Durique:
Si contigerit me (Suario Telliz) mori in hac via, in qua Domnus
meus Alfonsus Rex jubet ire, scilicet ad Campus: eatis pro me etc.
Dies gibt au) Ribeiro zu, aber er verwirft dagegen die wenigen Ur⸗
kunden ober ihr Datum, in denen vor ber Schlacht von Durique Affonfo
ſich König nennt, und fcheint hierin zu weit zu gehen. Schon Brans
däo bemerkt: El Rey D. Afonso Henriques antes da batalha de Ou-
rique se nomeava ja Rey posto que raramente; depois della se inti-
tala Rey em todas as Escrituras. Mon. Lus. liv. X. cap. 1.
48: Erfter Zeitraum. L Bud 3. Abſchn.
mit Gewiffheit vorher, und er muflte zum voraus eine Macht
zu gewinnen fuchen, die ihn gegen den gewaltigen Kaifer zu
fohüßen geneigt und vermögend wäre. Er wendete fich Daher,
wie es fcheint, bald nach jenem Siege, an jene einzige Macht
auf Erden, die damals über den Kaifern fland, und auf der
Volksmeinung thronend, mit dem Worte mächtiger waltete als
die weltlihe mit dem Schwerdte. Der Kaifer Alfonfo that
wahrfcheinlich insgeheim Gegenfchritte, oder wenn er fie auch
unterließ, fo verlangten feine Macht und fein Anfehn eine vor⸗
fihtige und forgfältige Beruͤckſichtigung von Seite des roͤmi⸗
fhen Hofes. Died und der fchnelle Wechfel der Päpfte gegen
die Mitte des zwölften Jahrhunderts, der die perfänliche Stel⸗
Yung derfelben gegen die betheiligten Zürften oft und weſent⸗
lich änderte, mochte die Unterhandlungen in die Länge ziehen.
Überdies feffelten Affonfos Aufmerkfamkeit die Feindſeligkeiten,
welche die Mauren ba!d wieder erneuerten und von denen bie
Zerftörung von Leiria (1140), das der König jedoch im fol:
genden Jahre wieder aufbauen ließ '), ihm am fchmerzlichften
war, während auch ber Kaifer durch diefe Seinde vielfältig bes
fchäftigt wurde. Endlich, nachdem die Mauren in ihre Gren⸗
zen zuruͤckgewieſen worden, erfreute fi Affonfo einiger Muße
und eilte fie den innern Angelegenheiten feined Reiches zu
widmen ?). Noch waren, wie ed fcheint, die. Unterhandluns
gen mit dem Papfte nicht zum Abfcehluffe gediehen; doch lag
ein Schreiben von ihm vor, das einen günfligen Ausgang
hoffen ließ °).
Da fchritt der König zu einer Maßregel, die von einer
andern Seite ihn zum Ziel führen follte und wirklich führte,
Er verficherte fich weiflich einer andern Macht, welche dauernd
und innigft ſich zu verpflichten in feiner Hand wie in feinem
Willen lag, und die durch Treue und Anhänglichkeit immer.
mehr erftarkte und unüberwindlich werben konnte. Er gab zu:
gleich diefer Macht eine feftere Unterlage und die erften Grund⸗
1) Chron. Lus. p. 411 und Mon. Lus. liv. X. cap. 9.
2)... . habemus aliquantam respirationem, ne forte nos tempus
non habeamus portea etc.
8) Bonae Hitterae.
Regierung Affonfo’s L, 118 —1185. 49
zuge einer geregelten Verfaffung. Indem der König die Cors
te8 berief, verfammelte er den Kern der Nation um ſich und
ließ in feierlicher Stunde die Königswürde, die ihm bereits von
feinen Kampfgenoffen übertragen worden, von den angefehns
fin Stimmführern ſich beftätigen, und ihre Anhänglichkeit an
ihn laut und entfchieden fich ausfprechen. Er legte durch die
Beftftelung der Erbfolge dem Throne eine unerfchütterliche
Grundfeſte unter und entrüdte dadurch fich und fein Gefchlecht
hundert Wechfelfällen,, hob und zügelte zugleich den Adel durch
feſte Gefeße, die er diefem Stande in Betreff feiner Würde
und deren Verluft gab, und ließ endlich die Ausermählten der
Nation den dringendften Bebürfniffen der bürgerlichen Ord⸗
nung durd) die erflen Grundlinien einer zeitgemäßen allgemei⸗
nen Geſetzgebung abhelfen.
Die Cortes von Lamego.
Gegenſtaͤnde ihrer Berathung und ihrer Beſchluͤſſe: die Thronfolge,
die Bedingungen des Verluſtes und der Erwerbung des Adels,
peinliche Vergehen und Strafen.
Die erſte Ständeverfammlung wurde in Lamego im Jahre
1143 gehalten. Sie beftand aus der hohen Geiftlichfeit, nams
ih aus dem Erzbifchof von Braga und aus ben Bifchöfen
von Bifeu, Porto, Coimbra und Lamego, dann aus den Ed⸗
Ien des Hofes '), und aus den Abgeorbneten der Städte Coim⸗
bra, Guimaraes, Lamego, Viſeu, Porto und anderer. Auffer
diefen Yvaren eine Menge Mönche und Kleriker zugegen.
Als der König in der Kirche ©. Maria Almacave in Las
mego den Eöniglichen Thron eingenommen, erhob fich der Pros
curator des Königs, Laurentius Venegas, von feinem Sitze.
Der König Affonfo, ſprach er, den ihr auf dem Felde von
Durique zum Könige erhoben habt, hat euch hier verfammeln
laffen, damit ihr nach genommener Einficht der päpfllichen
1) Da in ber befannten Urkunde der Eortes von Lamego bie Unter
fhriften fehlen, fo kann man die viros nostrae Curiae infra positos
nicht genauer bezeichnen. Weiter unten in ber Urkunde werben fie viri
nobiles genannt.
Schäfer Geſchichte Portugals 1. 4
50 Erſter Zeitraum. J. Buch. 3. Abſchn.
Schreiben erklaͤret, ob ihr ihn zum Könige haben wollt? Alle
bejahen ed. Wie fol e8 gehalten werben, fragte er weiter,
ſoll Affonfo allein König fein oder follen es auch feine Söhne
werden? Er, fo lange er lebt, und feine Söhne nach feinem
Ableben, antworteten Alle einflimmig. Sie geben fofort dem
Könige das verlangte Zeichen. Darauf fland der Erzbifchof
von Braga auf, nahm aus den Händen des Abtes yon Lor-
vão die große goldene Krone, die angeblich von ben weftgothi-
ſchen Königen, die fie dieſem Kloſter gegeben hatten, her⸗
rührte, und feste fie dem Könige auf das Haupt. Diefer aber,
das entblößte Schwert, das er in den Schlachten geführt hatte,
in der Hand, fprach die Worte: „Gebenedeiet fei der Gott,
der mir Beiftand gefchenft hat! Mit diefem Schwerte habe ich
euch befreit und unfere Feinde befiegt; ihr aber habt mich zum
König und zu eurem Gefährten gemacht. Laſſt und nun Ge
feße fertigen, nach welchen unfer Land in Friede regiert werde.”
Die Verfammelten flimmten bei und gelobten für ſich und alle
ihre Nachkommen Gehorfam dem Könige. Darauf gingen bie
Bifchöfe, der Adel und die. Städteprocuratoren, vom Könige
dazu aufgefodert, an das Wer.
Die Geſetze, die nun berathen und abgefafft wurben, be:
trafen die Thronfolge, den Adel und die Rechtspflege.
Man befchlog mit der Thronfolge zu beginnen und
beflimmte darüber Folgendes. Die Erbfolge geht vom Was
ter auf den Sohn. Stirbt der ältefle Sohn bei Lebzeiten:
des Vaters, fo folgt der nächflältefte und fo fort. Stirbt
der König ohne Söhne, fo gebührt dem Bruder deffelben
die Nachfolge. Der, Sohn dieſes aber Tann nur dann Koͤ⸗
nig werben, wenn ihn die Stände bed Reiches, der Klerus,
die Procuratoren der Städte und ber Adel wählen. — Die
Frage des Föniglichen Procurators: ob die Erbfolge auch auf
die Züchter des Königs uͤbergehen folle? veranlaffte einen ſtun⸗
denlangen Streit, bis man fich dahin vereinigte: Hat der Koͤ⸗
nig Peine männlichen Nachlommen, wohl aber eine Zochter,
fo fol fie Königin fein. Sie darf aber nur einen edlen und
gebornen Portugiefen zum Gemahl nehmen, und bdiefer Tann
erft dann König genannt werben, wenn ein männlicher Sproffe
aus der Ehe vorhanden ifl. Im öffentlicher Verſammlung ſitzt
Regierung Affonfo’s L, 18 — 1185. 51
er ber Königin zur Linken, ohne die Reichöfrone auf dem
Haupte zu haben. Niemals aber fol das Reich an Auslaͤn⸗
der kommen, und wenn die Tochter des Koͤnigs mit einem
auslaͤndiſchen Fuͤrſten ſich vermaͤhlt, ſo ſoll fie nicht 8
nigin fein ’).
In Anſehung des Adels wurde Folgendes angeorbnet.
Zum höchften Adel (Nobilissimi) gehören Alle, die aud dem
Eöniglichen Gebluͤt entfproffen; zu ben Abdeligen bie weber
von Mauren noch von Juden abflammenden Portugiefen, bie
ben König, feinen Sohn oder Schwiegerfohn, ober die Reichs⸗
fahne im Kriege gerettet haben; die Söhne deſſen, ber in der
-Sefangenfchaft der Ungläubigen für den chriftlihen Glauben
das Märtyrertbum erlitten hatz derjenige, der im Kriege den
“feindlichen König oder: deſſen Sohn getödtet und die Fahne
berfelben erobert hatz "Ale am königlichen Hofe, die von Als
terd ber adelig find, und endlich follen Ale, die in der ‚großen
Schlacht bei Durique mitgefochten haben, zum Adel gehören
und wie ihre fämmtlichen Nachkommen Vafallen des Königs
beiffen. Adelige aber, die in der Schlacht die Flucht ergreifen,
mit dem Schwert oder der Lanze ein Weib fchlagen, den Koͤ⸗
nig ober deſſen Sohn oder die Reichöfahne in der Schlacht
nicht nach Möglichkeit retten, einen falfchen Eid ſchwoͤren,
dem König die Wahrheit verfchweigen, von der Königin und
ihren Töchtern Übel reden, zu den Mauren uͤberlaufen, Dieb:
ftahl begehen, den Namen Jeſu Chriſti entweihen, dem König
nach dem Leben trachten, — folche Adelige verlieren den Abel
"für fi) und ihre Nachkommen auf immer. |
Endlich wurden in Bezug auf Rechtspflege, beſon⸗
ders auf Vergehen und Strafen, folgende Verfügungen getroffen.
Ale Vortugiefen gehorchen dem König und den Alvazilen
der Ortfchaften, die im Namen ded Königs richten. Gerichtet
aber wird nach dieſen Geſetzen:
Wer zum erſten oder zweiten Mal einen Diebſtahl be⸗
geht, wird halb entkleidet an einem oͤffentlichen Ort den Vor:
1) Quia nunquam volumus nostrum Regnum ire fora de Portu-
galensibus, qui nos sua fortitudine Reges fecerunt, sine adjutorio
alieno per suam fortitudinem, et cum sanguine nostro.
4*
52 Erſter Beitraum. 1. Bud. 3. Abſchn.
uͤbergehenden bloßgeſtellt. Stiehlt er weiter, ſo wird er mit⸗
tels eines heiſſen Eiſens durch ein Zeichen am Kopfe gebrand⸗
markt. Wiederholt er ſofort den Diebftahl, fo wird er mit
dem Tode beftraft. Die Todesſtrafe darf aber nicht ohne des
Königs Befehl vollzogen werden.
Die Stau, welche Ehebruch treibt, fol, wenn ihr Gatte
"bei dem Alvazil Klage erhoben hat und genügende Zeugen bie
That beftätigen, mit ihrem Buhlen verbrannt werden, nad
dem dem König Anzeige von Allem gemacht worden ift.- ‚Wenn
aber der Mann nicht zugibt, daß die Ehefrau verbrannt
werde, fo muß auch der Buhle freigelaffen werden. Denn
das Geſetz will nicht, daß jene lebe und dieſer fterbe.
Ber einen Menfchen tödtet, wird, wer er auch fei, mit
dem Tode beſtraft. Wer einer Jungfrau von Adel Gewalt
anthut,. muß fterben; fein fämmtliches Vermögen fällt der
Jungfrau zu. Iſt fie nicht von Adel, fo muß er fie heira⸗
then, er mag abelig fein oder nicht.
Wenn Jemand mit Gewalt fremdes Gut an fi reifft,
fo bat der DBeeinträchtigte bei dem Alvazil zu klagen, und
diefer für beffen Zuruͤckſtellung zu forgen.
- Wer einen Andern verwundet, hat den- Schaden nach ber
Schaͤtzung des Alvazild zu erfegen und zehn Maravedis zu
bezahlen.
Wer einen Aloazil, einen Alcaiden, einen vom König
Abgeorbneten oder auch einen Sayom (Gerichtödiener) belei⸗
digt, fol, wenn er auch gefchlagen hat, mit einem heiffen
Eifen gebrandmarkt werden, im andern Fall funfzig Marave-
dis zahlen und den Schaden vergüten.
» Nachdem der Eönigliche Kanzler Albert diefe Geſetze, welche
die Rechtöpflege betreffen, vorgelefen hatte, billigte - fie die
Berfammlung und gelobte ihre Annahme, wie fie eö bei den
Gefegen über die Zhronfolge und bei denen, die, Dan Adel an⸗
gingen, beobachtet hatte.
Als darauf der Procurator des Königs wieber das Wort
nahm und fragte: ob die Staͤnde verlangten, daß der Koͤnig an
den koͤniglichen Hof von Leon gehen, dieſem oder irgend Jemandem
auſſer dem Papſt der ihn zum König gewählt habe V, ‚einen
1) War dies ber. Inhalt der bonae litterae ?
a
Regierung Affonfo’s L, 1128 — 1185. 53
Tribut entrichten ſolle? da ſtanden Alle auf, hoben ihre ent⸗
bloͤßten Schwerter in die Hoͤhe und riefen: „Wir ſind frei
und unſer König” ift frei! Unſere Hände haben uns befreit,
und der. König, der jenes zuläfit, flerbe! Und wenn er auch
König fein wird, regiere er nicht mehr uͤber uns!" — Und
der König mit ber Krone auf dem Haupte und dem Schwerte
in der- Hand erhob ſich ebenfalls. „Ihr wifft, fprach er, wie
viel Schlachten ich für eure Freiheit geliefert habe; ihr feid
Zeugen, Zeuge ift mein Arm und diefes Schwert. Wer jenes
sugibt, ber fterbe! und wäre er. mein Sohn oder Enkel, fo
regiere er nicht!” Alle riefen: „Wohlan! ſie ſterben, und der
Koͤnig der fremde Herrſchaft zulaͤſſt regiere nicht!“ Nochmals
ſprach der König: „So geſchehe es!“ ).
Affonſo I. verpflichtet ſich und ſeine Nachfolger zur Zahlung eines
jaͤhrlichen Zinſes an den paͤpſtlichen Stuhl.
Die Cortes von Lamego muſſten nothwendig Affonſos
Macht und Anſehn innerhalb ſeines Reichs befeſtigen und er⸗
hoͤhen und ſelbſt auf ſeine Verhaͤltniſſe zum Ausland einen
guͤnſtigen Einfluß aͤuſſern. Gleichwohl blieb dem Könige der.
Schuß des heiligen Stuhls hoͤchſt wünfchenswerth, und er
1) Sousa, Hist. gen. Provas Tom. I. p. 9. J. Anast. de Fi-
gueiredo, Synopsis chronolog. de Subsidios ainda os mais raros
para a Historia e Legislacäo Portuguesa. Tom. I. p. 2. Die Portus,
giefen haben allerdings, wie felbft der Verfaſſer der Synopsis bemerkt,
feine unumſtoͤßlichen Beweiſe für die Echtheit der Urkunde, weldje bie
Vethandlungen der Cortes von Lamego enthält. Aber fie beburften ihrer
auch nicht. _Die beftändige und allgemeine übereinſtimmung der Nation,
die dieſe Gefese zu allen Zeiten und unter den verfchiedenften Umftänden
als die Grundgeſetze bes portugiefifchen Staats anfah, genügte ihnen.
An der That enthalten fie Feine innern Gründe, die an ihrer Echtheit
Zweifel erregen Könnten. Auch find die Gefege über den Adel und die
bürgerlichen Vergehen und Strafen nie angetaftet worden. Die Angriffe
auf die Echtheit der Gefege Über die Thronfolge, die von ſpaniſchen Schrifte
ſtellern im SIntereffe ihres Hofes gemacht worden find, Eonnten den Glau⸗
ben ber Portugiefen an die Authenticität derfelben um fo weniger erſchuͤt⸗
teen, da die Teſtamente der Alteften Könige von Portugal, von Sancho I:
an, biefelben Beflimmungen und Grundfäge über die Erbfolge ausſprachen
und jene gewiffermaßen überflüffig machten.
MO Erfter Zeitraum. 1. Bud, 3, Abſchn.
durfte felbft ein großes Opfer, das er ihm brachte, nicht fcheuen.
Erſt unter.dem Pontificat von Lucius II. im Jahre 1144 ers
reichte Affonfo feinen Zweck, wenigftens ift erſt unter dieſem
Papſt die Feftftelung der Verhältniffe des Königs zum römis
ſchen Stuhl gewiß und auffer allem Zweifel, da die Urkun-
den, auf welche man eine frühere Feftflelung hat gründen
wollen, wenn nicht erwiefen unecht, doch fehr verdächtig find ).
As Ergebniß der zuverläffigen und unbeftrittenen Docus
mente), auf denen die Zinöpflichtigkeit der portugiefifchen Koͤ⸗
nige- gegen den römifchen Stuhl beruht, fleht Folgendes feſt.
Nach den Negeften des Papſtes Lucius II. verpflichtete
fich der König für fi) und feine Nachfolger, einen jährlichen
Zins von vier Unzen Gold an ben apoflolifhen Stuhl zu ent⸗
richten.” Späterhin wendete ſich Affonfo von neuem an ben
Papft Alerander IH., um die Anerkennung und Beftätigung
"des koͤniglichen Titels von ihm zu erlangen. In Anerkennung
1) Diefe Urkunden fi find: das Schreiben Affonfo’s an den Papft Ins
nioceng H., abgebrucdt in Monarch. Lus. liv.X. cap.10 und in Balusz.
Miscell. Tom. II. p. 220; dann die Antwort von Innocenz II., ober,
nad Anbern, von Lucius IL Hinſichtlich der Gründe gegen die Echtheit
beider Schreiben muß ich der Kürze wegen auf Ribeiro in f. Dissert.
Tom. I. p. 65 ss. verweifen.
2) Es find folgendes 1. Die Bulle Aleranders III. Manifestis pro-
- batum etc. vom Jahr 1179, 23. Mai, abgedrudt in ven Provas da
Hist. gen. Tom. J. p. 7. Sie ift die ältefte zuverläffige Urkunde, worin
des Senfus Erwähnung geſchieht. Die Stelle: Ad indicium quod prae-
scriptum Regnum Beati Petri juris existat, pro amplioris reverentiae
argumento, statuisti duas marcas auri annis singulis nobis nostrisque
successoribus persolvendas, quemcunque censum ad utilitatem nostram
successorumque nostrorum Bracarensi Archiepiscopo, qui pro tempore
‚ fuerit, tu et successores tui ourabitis assignare — biefe Stelle diente
den folgenden Päpften zur Richtſchnur und gewöhnlichen Formel. 2. Das
Schreiben von Innocenz ITI. an den König Sancho I., das mit den Wor⸗
ten Berenitatem Regiam beginnt, vom adıten Mai 1198 (bei Baluz.
Lib. I. Epist. 99), 8. Ein anderes Schreiben von bemfelben Papft an
ben König in bem nämlichen Sahr (Baluz. Lib. I. Ep. 441). 4. Ein
päpftl. Schreiben an venfelben (Baluz. Lib, I. Ep. 448). 5. Ein Schrei⸗
ben bes Papfted an feinen Nuntius Reiner (ib. Ep. 449). 6. Ein fol:
des von bem nämlichen Papft an den König Affonfo II. vom 16. Mai
1212 (ib. Lib. II. Epist. 24).
\
Regierung Affonfo’s.L, 1128 — 1185. 55
der großen Verdienſte, die fich Affonfo durch die Bekaͤmpfung
der Zeinde des Chriftenthums und die Verbreitung des chrift:
lichen Glaubens um bie Kirche erworben babe, nimmt ihn ber
heilige Vater unter feinen Schuß, feine Fönigliche Würde, fein
Reich und alle Orte, die er den Ungläubigen noch entreiffen
werde und auf welche kein benachbarter Kürft ein näheres Recht
befige. Er fpricht dad Verdammungsurtheil zum voraus über
Jeden aus, der ed wagen. würbe dad Reich zu beunruhigen,
feine Befigurigen zu fcehmälern oder die eroberten ihm vorzu⸗
enthalten. Der König macht fi) dagegen anbeifchig, einen
weitern 3ind von zwei Marken Gold alljährlich zu bezahlen,
den der jebesmalige Erzbifchof von Braga für den Papſt in
Empfang zu nehmen habe, und befchenft aufferdem den zeitis
gen Papſt mit der Summe von eintaufend Aureos. Aber wes
ber jene vier Unzen noch die zwei Marken Gold entrichtete
der König, fo lange er Iebte, wirklich. Sein Sohn und
Nachfolger Sancho I. wurde daher von dem päpftlichen Lega⸗
ten Michael, auf Befehl des Papftes Coͤleſtin LIL angegangen,
den bis dahin fällig gewordenen Genfus nachzuzahlen. Allein
Sancho I. erklärte die Koderung flr unftatthaft, da fein Das
ter eintaufend Aureos ') für zehn Jahre entrichtet habe, Diefe
aber feit dem Jahre 1179, in welchem fie bezahlt worden,
noch nicht abgelaufen fein. Die Sache blieb auf fich beru⸗
ben, bis Coͤleſtins unmittelbarer Nachfolger, Innocenz IU., in
einem Schreiben an denſelben Sancho ihm bemerklich machte,
dag jene Summe, die fein Water bezahlt habe, ein freied Ges
ſchenk deſſelben gewefen und nicht auf Rechnung des Genfus
gefegt werben Tönne, und daß baher die Reiftungen für bie
verfloffenen Sahre noch nachzuholen feien. Er wies feinen Le
gaten, den Cardinal Heiner, an, die Summe in Empfang zu
nehmen. Diefer erlangte auch, daß der König fünfhundert
umd vier Maravedid auszahlte, ald Leiftung der vier Ungen
Solo, die feit dem Jahre 1179 nicht entrichtet worden; in
Anfehung des fchuldigen Zinfes der einhundert Aureos bat ex
ben Papft, eine Entfcheidvung barlıber zu geben. Innocenz III.
ſchickte darauf dem König eine Abfchrift von dem Schreiben
1) Die heutigen Cruzados.
66 ° Erſter Zeitraum. I. Buch. 3. Abſchn.
ſeines Vaters, das er aus den Regeſten Alexanders II: nahm,
aus dem hervorging, daß jene eintauſend Aureos ein beſonde⸗
res Geſchenk waren, und beſtand auf der Zahlung des ruͤck⸗
ſtaͤndigen Zinſes, indem er die Betreibung dieſer Angelegenheit
dem Gardinal Reiner empfahl. Endlich erwähnte Innocenz II.
in der Bulle, in der er den König Affonfo IL. unter feinen
Schutz nahm, der jährlichen Leiſtung von Den zwei Marten
Gold, zu der er verbunden ſei '). |
Bei dem Dunkel, das auf den erften unterhandlungen
des Koͤnigs mit dem päpftlichen Stuhl, um deffen Schug und
die Beftätigung des Königstiteld zu erlangen, ruhet, koͤnnen
allein die eben erwähnten ſpaͤtern Anfoderungen der Päpfte
uns einigen Auffihluß geben, und das Licht der’ Folgezeit muß
und zur Aufhellung der dunkeln Gegenwart dienen. So nur
finden wir den. ſichern Anfangspund der Zinspflichtigkeit der
portugiefifchen Könige gegen den päpftlichen Stuhl, während
wir zugleich durch einen Blid in die nächfte Zukunft eine aus⸗
gedehntere Überficht über das Sachliche dieſes Verhältniffes ges
winnen. Das Ideale defjelben bleibt uns gleichwohl dunkel,
und um ed und zu erklären, find wir allein an den Geiſt und
die herrfchenden Anfichten jener Zeit gewiefen.
Da Affonfos Schreiben an den Papft ſich nicht erhalten
hat (dad daflır ausgegeben wird, ift verdächtig, fo daß aus
ihm eine Folgerungen gezogen werden bürfen), fo kennen wir
weder den Sinn, in welchem, noch die Bedingungen, unter
welchen Affonfo zu den Leiftungen an den apoftolifchen. Stuhl
fi) anheifchig gemacht hatte. Unbeachtet darf indeffen nicht
bleiben, daß in den päpfllichen Briefen und Bullen jene Leis
flung nie anderd als Genfus genannt wird, und daß fie
erft von den fpätern Chroniften Feudo genannt worben ift.
Gewiß hat man zu voreilig ‚die ſonſt herrſchenden Anfichten
jenes Zeitalter auch hier vorausge ſett. zu voreilig dem Allge⸗
meinen auf Koſten des Befondern gehuldigt, wenn man in
Folge des Verſprechens eined portugtefifchen Königs, dem paͤpſt⸗
lichen Stuhl für einen vorübergehenden Dienft jährlich eine
gewiffe Summe zu bezahlen, dad Königreich Portugal ſofort
1) Ribeiro, Dissert. Tom. I. p. 75.
|
Regierung Affonfo’s I, 118 —115. _ 57
zu einem Zehn der römifchen Kirche hat ſtempeln wollen. Das
mehrfache Vorkommen gleicher Erfcheinungen anderwärtd macht
ben Urkundenbeweis in einem einzelnen Falle nicht überflüffig,
und die Gefchichte muß auf der Hut fein, daß fie nicht aͤhn⸗
liche oder nur aͤhnelnde Verhältniffe durch eine gleiche Bes
zeichnung zu gleichen verfälfche. Überdies bleibt es immer bes
frembend, daß Affonfo bis and Ende feiner langen Regierung
biefen Zins nicht bezahlt, und wenn wir ihn auch der Pflicht
vergeffenheit und Nachläffigfeit zeihen wollen, dag die Paͤpſte
fih dabei beruhigen, und erft unter der Regierung von Affon-
ſos Nachfolger ein ſpaͤterer Papft die alte Schuld in Anregung
bringt. Dem fei jedoch wie ihm. wolle, dad Ereigniß wie es
vorliegt iſt begreiflich und mit Affonfos Lage und Charakter
vereinbar, vergegenwärtigt man fich bie religiöfe Pietät, bie
‚ damals felbft die aufgeklärteften Fürften gegen den Papft bes
feelte und die der Zeitgeift zu einer Cardinaltugend erhob;
bie Ausdruͤcke, die diefer Pietät entfloffen und die von. derfels
ben eben fo wenig gemeffen wurden, als die ungemeffenen Aus⸗
druͤckke, deren fich die Päpfte im Bewufſtſein ihrer Gewaltfülle
gegen die Fürften bedienten, diefer Pietät anftößig waren; bie
Fruchtbarkeit der Folgerungen, welche die Päpfte fpdter aus.
jenen Auddrüden ziehen Tonnten und wirklich zogen; bie
Überzeugung einzelner Fürften, die über ihrer Zeit fans
den, daß ihre Macht der päpftlichen benöthigt, und wenn
fie mit diefer einverftanden, unüberwindlich feiz die gewoͤhn⸗
lich gänzliche Unkunde ded Umfangs und der Grenzen ber
weltlichen und firchlihen Macht; den weiten Spielraum,
den dad Schwankende und Unbegrenzte biefer Gewalten ver
Derfönlichkeit weit weniger der Fürften als der Päpfte, die
faft allein diefen Spielraum zu benugen verftanden und ver⸗
mochten, eröffneten; endlich den fichern und glüdlichen Erz
folg, womit fie bei der Beſchraͤnktheit der Föniglihen Macht
in die Staatöverhältniffe eingriffen und fich Diefelben un⸗
terwarfen ').
1) Während für Portugals BZinspflichtigkeit gegen den röm. Stuhl
unverbächtige Urkunden neben den unbeftrittenen angeführt werben koͤn⸗
nen, beruht bie angebliche Zinspflichtigkeit Yortugals gegen das Klofter
Clairvaux, deſſen berühmter Abt Bernhard durch feine Verwendung für
58 Erfier Zeitraum. 1 Bud. 3 Abſchn.
3) Eroberungen und ‚Siege über die Saracenen.
Eroberung Santaremd. Belagerung und Einnahme if-
fabons mit Hülfe von Kreuzfahrern. Affonfo orbnet bie
BVerhältniffe der Mauren in Liffabon, ertheilt den chriftlichen
Einwohnern ein Ortsrecht und bringt das Seeweſen in Auf:
nahme. Der folgenreichen Eroberung Liffabons folgt die von
Alcacer do Sal und Beja, wie die Liflige Einnahme Evoras,
des Hauptortes von Alemtejo.
Nachdem es Affonfo gelungen war den Papft fir fich.
zu flimmen und fernen Schus durch das Verſprechen einer
jährlichen Leiſtung an den apoflolifchen Stuhl zu erfaufen, zeinte
er fich raſtlos thätig, fein Reich durch Siege Über die Sara⸗
cenen zu erweitern und den Glanz feiner Waffen auf feine
neue Krone flrahlen zu laſſen; nur durch eine ausgebehntere-
Affonfo bei dem Papft jenen jährlichen Zins feinem Kiofter erworben has
ben foll, auf einer einzigen, ſehr beftrittenen Urkunde. Diefer Lehnbrief
für das Klofter Glairvaur, den Brito (in feiner Chron. de Cister, cap. 5)
zuerft herausgab, findet fi in dem Archiv des Kloſters Alcobaga noch
aufbewahrt, und fest die neuere, unbefangenere Kritil in Stand feine
Echtheit zu prüfen. Ribe iro hat ſich das Verbienft erworben, in einer
befonderen Abhandlung: „Sobre a genuidade da Carta de Feudo.ho.
Mosteiro de Claraval, attribuida ao Senhor D. Affonso Henriques,*.
(Dissertt. Tom. I. p. 5% ess.) ſich diefe Aufgabe zu fegen, und fie mit
ber ihm eigenen Vertrautheit mit den Diplomen jener Zeit, mit Gelehr⸗
famkeit und Scharffinn geloͤſt. Seine Gründe gegen die Echtheit ber
Urkunde bier mitzutheilen, würde über die uns gefegten Grenzen weit hin⸗
ausführen. Daß König Iohann IV. in einer Schentung an das Klofker
Alcobaga i. 3. 1642 (Sousa, Provas Tom. IV. p 781) jenen Lehn⸗
brief beftätigt und durch ein Decret vom 17. April 1646 ben Zins an
das Klofter Clairvaux fortzuentrichten befiehlt, wie er denn auch bis auf
bie neueren Zeiten entrichtet worden ift, LAfit fi aus dem bis dahin un-
beftrittenen Glauben an bie Echtheit der Urkunde erklären. Mas quem,
bemerkt Ribeiro richtig, pode ignorar, Yuando buma cautelosa poli-
tica, nascida das circumstancias daquelles tempos, näo desse metivo
a este facto, poderia ainda ter outro; pois que até parece escuzado
o lembrar, que a piedade, a boa fe, e a rectidäo de hum Soberano
pöde alguma vez ser illudida, expedindo-se em seu nome Diplomas,
que melhor informados tem revogado. Tanto se reconhece: expressa-
mente no Preambulo do Alvarä de 20 de Setembro 1768. Bol. auch
Elucidario, Tom. I. verb. Alcobaga.
—
Regierung Affonfo’8 I, 1128 — 1185. 59.
Macht und ein erhöhteres Anfehn konnte er den fremden Schub
entbehrlich machen. Die Eroberungsplane aber, die er jetzt
entwarf, die Kühnheit, Klugheit und Kriegderfahrung, mit ber
er fie auöführte, erregten die Bewunderung feiner Zeitgenoffen
und geboten. den Königen und ſelbſt dem heiligen Water Ach
tung vor einem Fürften , der dad Schwert und das neue koͤ⸗
nigliche Scepter fo geſchickt und erfolgreich zu fuͤhren verſtand.
Die Eroberung von Santarem wurde feine erfle Tro⸗
phaͤe. Diefe Stadt, nach der Märtyrerin Sancta Irene fo
genannt, das alte Scalabis der Römer und ber ausgebehntefte
und volfreichfte unter den drei Conventus juridiei Lufitanieng,
wurbe von den Saracenen als eins ber ſtaͤrkſten Bollwerke ih:
ver Macht auf der Halbinfel angefehen. Sie hatten den Plag,
der Sftlich durch den Zajo, nördlich und ſuͤdlich durch abſchuͤſ⸗
fige Höhen gebedt war, nach der Abenpfeite zu, die allein
offen fland ; befefligt, und thaten von biefer durch Natur und
Kunft gleich ſtarken Feſte aus unaufhörlich Einfälle in das Gebiet
ihrer Feinde. Während Santarem dadurch der Schreden ber
Chriften war, lodte ed diefe -Durch die ſchon im Alterthum be⸗
ruͤhmte Fruchtbarkeit feiner Fluren jenfeit des Tajo, und bes
fonderd durch die erftaunlihe Schnelligkeit, womit bier bie
Hrüchte zur Reife eilten, zugleich mädtig an. Schon Al
fons VI. hatte daher ein Heer gegen den Ort geführt, aber
erfolglos wieder abziehen müffen. Die ſtarke Lage deſſelben,
feine forgfältige Befeftigung, die Menge feiner Einwohner und
der darin aufgehäuften Vorraͤthe lieffen den König von Portu-
gal das Fruchtlofe eines jeden Verſuches, Santarem durch Be:
lagerung einzunehmen, einfehen, und er befhloß darum durch
. einen nächtlichen Überfall fich der Stadt zu bemeiftern.
Das Fühne Wagniß gelang. Mit einem Eleinen, aber er:
lefenen Heerhaufen näherte fich der König von Coimbra aus,
den Feinden unbemerkt, der Stadt, deren innere Lage er
vorher durch einen Bertrauten hatte austundfchaften laſſen.
Einige Ritter erfliegen auf Leitern in nächtlicher Stille die
Mauern, drangen in die Stadt und Öffneten der portugiefi-
ſchen Kriegerfchaar die Thore. Die Überrafchung erzeugte Ver:
wirrung, und das Blutbad, das die Eingebrungenen unter
den Häuptern der Ungldäubigen antichteten, verbreitete einen
60 Erfter Zeitraum. J. Bud, 3. Abſchn.
Schreden, der die geringe Zahl der Portugiefen verbarg und
die beflürzte Menge in die Flucht trieb ‚oder unterwarf. Wo
Widerſtand ſich erhob, wo die Gefahr am höchften, der Sieg
am fchwerften war, erfchten und focht der König, aller Ab:
mahnungen und Bitten der Seinigen ungeachtet. Das Gluͤck
Frönte feine Kühnheit, zu feinem eignen Erſtaunen. Das Uns
ternehmen, das in tieffler Stille begannen wurde — der Koͤ⸗
nig hatte bei Todesſttafe Verfchwiegenheit geboten —, ward
fo trefflich ausgeführt, daß des Königs Ruhm laut und weit:
hin erfchallte.. Er felbft fah es ald die Krone feiner Kriegs
thaten an"). |
Die Beſtuͤrzung, die diefer große und plößliche. Verluft
unter den Mauren verbreitete, und die Siegesfreude, die das
Heer der Portugiefen und ale Chriftenherzen erfüllte, befchloß
der: König zu benugen, um neue Siege Über die Unglaͤubigen
zu erfämpfer. Oft und gern mochte fein Blick auf Liffabon
geweilt haben, nach Santaremd Fall die wichtigfle Stadt in
weitem Umkreife, „der Schild der Mauren”, ein Hauptpunct,
von dem aus fie oft Tod und Verheerung über die Chriſten
und ihre Länder verbreitet hatten. Schon 1140. hatte ber
König einen Belagerungsverſuch gewagt, aber feine fchwache
Macht war an der Größe des Widerſtandes gefcheitert. Die
Sicherheit, die ihm das nun chriftliche Santarem im Rüden
gewährte, und die Hülfsmittel die e8 ihm darbot, der En»
thufiafmus, den feine wunderähnliche Eroberung in feinem
Heere und feinem Volke entzündet hatte, lieffen ihn jetzt ein befs
feres Gelingen hoffen. Santarem wurde, fo weit ed Zeit und
Umftände erlaubten, in. guten Stand gefebt und ein mög»
lichſt ſtarkes Heer aus dem ganzen Reich zufammengezogen.
Unter dieſen Vorkehrungen und Ruͤſtungen verſtrich der Mo—⸗
nat April und ein Theil des Mai. Immer noch mochte des
Koͤnigs Streitkraft, verglichen mit der Staͤrke Liſſabons und
ſeiner Vertheidiger, ſchwach ſein und Affonſos Hauptmacht
auf ſeinem Selbſtvertrauen beruhen, als er mit ſeinem Heer
gegen Liſſabon anruͤckte. Da ſendete ihm der Himmel Huͤlfe,
woher er ſie nicht erwartete.
1) Chron. Lus. Era 1185. Monarch. Lus. Parte III. liv. 8. cap.
26. liv. 10, cap. 22—24 und Append. Escrit. I. 20.
Regierung Affonfo’s L, 1128 — 1185. 61
Eine Flotte mit Kreuzfahrern nahte ber portugiefifchen
Küfte. Die Mannfchaft von ungefähr funfzig Schiffen war
von einer Flotte von beildufig zweihundert englifchen und flan⸗
derifchen Schiffen, zu denen Fahrzeuge mit Pilgerfchaaren aus
Ein und andern am Rhein und an der Wefer gelegenen
Städten geftoßen waren, durch einen Sturm am Himmelfahrtd-
tage an bie Kuͤſte von Galicien verſchlagen worden und hatte
das Pfingſtfeſt in Santiago gefeiert. Darauf waren die Ver⸗
fhlagenen nach der Mündung des Douro gefegelt und hatten
bei Porto angelegt. Hier erwarteten fie elf Zage lang ben
Anführer der Zlotte, den Grafen Arnulf von Arefchot,. der in
jenem Sturm von ihnen getrennt worden war, und freuten
fi der reichlichen Lebensmittel, die ihnen auf Befehl des Koͤ⸗
nigs fuͤr geringe Preiſe verabfolgt wurden. Der Biſchof von
Porto, vom König beauftragt fie dort zu empfangen, feheint
fchon damals Unterhandlungen mit den Kreuzfahrern angefnüpft
‚zu haben, um fie zur Zheilnahme an der Belagerung und
Eroberung Liſſabons zu bewegen. Der Antrag war einladend.
Was fie in weiter Serne fuchten, warb ihnen ſchon bier in
ber Nähe geboten. Ihren frommen Eifer konnten fie auch hier
bethätigen, durch verdienftlichen Kampf gegen die Ungläubigen
den chriftlichen Namen verbreiten. Dem Ehrfüchtigen eröffnete
fih auch bier ein herrlicher Schauplag de Ruhmes, im Ans
geficht eines heldenmüthigen Volkes, deffen Dank zugleich zu
ernten war. Den Habfüchtigen lockte das reiche Liffabon mit
feinen morgenländifchen Schägen. Sein gerdumiger und ſchoͤ⸗
ner Hafen gewährte der Flotte eine freundliche Schiemftätte,
die Stadt, wenn chriftliche Brüder fie beherrfchten, eine wohl⸗
verforgte Herberge für jegt und die Zukunft. Alles foderte die
Kreusfahrer auf, an Liffabons Eroberung Theil zu nehmen ").
Nachdem fie den Grafen von Areſchot und die übrigen
Gefährten aufgenommen hatten, fuhren fie von Porto ab, lies
fen in den Tajo ein und legten, am Vorabend von Peter und
Paul, bei Kiffabon an. Sie ſchritten fogleicy zum Werk °),
ſchlugen ihre Zelte in der Nähe der Stadt auf und nahmen
1) Nunez de Liäo, Chron. de Affonso p. 115.
2) Dies macht die Annahme ber portugiefifchen Weſchichtſchreiber,
daß den Kreuzfahrern erſt nach ihrer Ankunft in Liſſabon der Antrag zur
1147
28. Jun.
62 Erfter Zeitraum, 1. Bud. 3. Abſchn.
ſchon den erften Julius Die Vorſtaͤdte ein. Mehrere Angriffe auf
die Mauern der Stadt wurden mit großem Verluft der Be
lagerer zuruͤckgewieſen. Man ſah fich genöthigt, vorerſt eine
längere Zeit auf die Verfertigung von Belagerungswerkzeugen
zu verwenden und brachte damit den ganzen Julius zu: Es
wurden am Ufer des Tajo zwei Therme von beträchtliche
Größe erbaut, einer auf der Morgenfeite, wo die Flanderer
aufgeftellt waren, der andere auf ber Weftfeite, wo die Eng:
länder ihr Lager hatten ). Zugleich richtete man vier Bruͤcken
auf ſieben Schiffen ein, um auf ihnen den Zugang zur Stadt
zu gewinnen. Am Tage Petri Kettenfeier wurden bie Bela⸗
gerungömafchinen an die Mauern gebracht, die Belagerer aber
mit großem Berluft an Menfchen von den Saracenen zuruͤck⸗
getrieben. Diefe zerftörten mit ihren Mafchinen die Thürme
und verbrannten bei einem gewaltigen Ausfall aus der Stadt
den Thurm der Engländer. Auch das Gerüft, das zum
Untergraben der Mauern dienen follte, warb ein Raub ber
Flammen, wobei felbft der Erbauer deſſelben dad Leben verlor.
Eine zahllofe Menge Chriften ſank unter den Pfeilen und Wurf⸗
werfen der Saracenen, die freilich auch nicht Wenige aus ihrer
Mitte fallen, fahen. Gleichwohl begannen die Belagerer, fo
fhmerzlich und entmuthigend ihnen der Verluft an Menfchen
und die Zerflörung ihrer Mafchinen war, von neuem die Er⸗
bauung und Herftellung ber Belagerungswerke. Ihre Hoff:
nung flieg mehr und mehr, ald der Mangel an Lebensmitteln
in der Stadt die Belagerten zu quälen anfing und der Hun⸗
. ger bier die ekelhafteſten Speifen nicht vwerfchmähte. Viele
Saracenen entwichen heimlich aus der Stadt und Übergaben
fich freiwillig den Chriften, von denen fie theild in den Schoo8
ihrer Kirche aufgenommen, theild aber enthauptet ober mit
Zheilnahme an ber Belagerung von dem König gemacht worben, unwahr⸗
ſcheinlich. Ich folge bier dem Augengeugen Dodekin.
1) Bei der Dürftigkeit der portugiefifchen Nachrichten über dieſe Be⸗
lagerung ift die übereinſtimmung eines portugiefifchen Berichts mit bem
eines deutſchen Mönche (f. weiter unten) in Abſicht auf die Stellung ber
Volkshaufen erfreulich. Vergl. Relatorio da Fundagäo do Mosteiro de
8. Vicente de Föra bei Brandäo, Mon. Lus. liv. 10. cap. 25. Ap- _
pend, Escrit, 21.
Regierung ‚Affonfo’ 8 L, 1128 — 1185. 63 .
verftümmelten Gliedem an die Stadt zuruͤckgetrieben wurden,
wo ihre Mitbuͤrger ſie dann ſteinigten.
Unter den Wechſelfaͤllen des Kampfes war ein Mann von
ausgezeichneter Kunſtgeſchicklichkeit ‚ ein Piſaner von Geburt,
thätig gewefen, einen hölzernen Thurm von aufferordentlicher
Höhe zu erbauen, an derfelben Stelle, wo ber Thurm der
Engländer zerſtort worden war. Das herrliche Kunſtwerk,
zu dem der Koͤnig die Mittel und das ganze Heer die Haͤnde
gegeben hatte, war um die Mitte des Octobers fertig gewor⸗
den. Zugleich hatten mehrere Soldaten große Hoͤhlungen unter
den Mauern der Stadt gegraben und ſie trotz aller Gegenbemuͤhun⸗
gen der Saracenen um dieſelbe Zeit, worin der Thurm vollen⸗
det worden war, zu Ende gebracht. In der Nacht vor Skt.
Gallus legten nun jene Soldaten Feuer an dad Holzwerk und
lieffen die Mauer in einer Länge von zweihundert Fuß nieber-
filirzen. Die Belagerer, durch das Getöfe der fallenden Mauer
geweckt, griffen zu den Waffen und eilten mit einem unge:
heuren Gefchrei nad) der Mauerlüde, in der Meinung, daß
fie nun ohne allen Widerſtand in die Stadt eindringen koͤnn⸗
114
15. £
ten. Aber die Saracenen, die durch ‚den Sturz der Mauer '
aufgefchredt worden, verwehrten wohlbewaffnet ihnen den Eins
gang und behaupteten hartnädig ihren Poften. Alle Angriffe
der Chriften waren fruchtlos, und fie fahen fich gendthigt nad)
fchwerem Berluft in ihe Lager zurüdzufehren. Noch in ber
nämlichen Nacht ftellten die Saracenen ihre Mauer wieder ber,
indem fie einen Wal von Erde und Steinen von der Höhe
eines Mannes aufwarfen und darauf eine Bruflwehr aus
Schiffsgebaͤlk und Hausthüren errichteten. Vergebens fuchten
die Chriften während der Nacht mit Pfeilen und Wurfwerken
den Feind von dieſen Arbeiten zu verfcheuchen ; vergebens ver-
fammelten fie fich bei anbrechendem Morgen und drangen in Maffe
por, um bie neue Schugwehr zu zerftören. Sie wurden wiederholt
zurücdgeworfen und lieffen eine Menge Verwundete und Zodte
auf dem Kampfplage zuruͤck. Endlich an Kraft erfhöpft und
foft von allem Rath verlaffen, flehten fie wehmuthsvoll Chrifti
Barmherzigkeit an '), und warfen ihren Blick, ihre legte Hoff:
1) Tandem nostri suis viribus et fere omni consilio destitnti in-
vocati lacrimabiliter Christi clementia etc.
64 Erfter Zeitraum. 1. Bud. 3. Abſchn.
nung auf jenen Thurm, das Kunſtwerk des piſaniſchen Mei⸗
ſters. An die Stadtmauer gebracht und mit einer Schaar Por⸗
tugieſen beſetzt, ragte der Bau drohend uͤber die Haͤuſer und
Thuͤrme der Saracenen empor und erfuͤllte die Belagerten mit
bangen Ahnungen, waͤhrend ein Haufe Lothringer die Sara⸗
cenen an der Mauerluͤcke mit aller Macht angriff. Indeſſen
entſprach die Tapferkeit der Portugieſen, die von dem Thurm
aus kaͤmpften und durch die Wurfwaffen der Feinde geaͤng⸗
ſtigt wurden, den gehegten Erwartungen nicht. Die Belager⸗
ten thaten einen Ausfall und wuͤrden den Thurm verbrannt
haben, wenn nicht eine Schaar Flanderer zufaͤllig hinzugekom⸗
men waͤre. Die Gefahr rief die Tapferſten unter ihnen zur
Vertheidigung des Thurmes herbei. Als die Saracenen fahen,
mit welchem Muth die Slanderer und ihre Kampfgefährten,
die Lothringer, den Thurm beftiegen und vertheidigten '), mit
welchem Erfolg die Chriften überhaupt die Stadt beftürmten,
gaben fie die längere Vertheidigung verfelben auf und boten
die Hand zum Frieden.
4147 Liffabon wurde nach einer fünfmonatlichen Belagerung
25. Det. den Siegern übergeben, den Saracenen jedoch erlaubt mit
Zuruͤcklaſſung der Waffen abzuziehen. Alles bewegliche Gut
wurde den Chriften ausgeliefert ). Der König war, alten
Nachrichten zufolge, erbötig, Die Hälfte der Stadt den Kreuz
fahrern zu überlaffen, wie er es vor ber Eroberung verfpros
chen hatte. - Sie aber verzichteten auf den Beſitz von liegens
den Gütern und auf den Antheil an der Herrfchaft über die
Stadt, begnügten fi) mit den Schägen, die ihnen bei ber
1) Wir Eennen bei diefem legten Act der Belagerung von Liffabon
nur die Zhaten der Flanderer und Lothringen, weil der Berichterftatter
zu ihrem Heerhaufen gehörte.
2) ©. die Berichte zweier Augenzeugen, ben Brief des Moͤnchs Dos
defin (Dudechinus) aus Oberlahnftein in HH. Wild. Gerdens Reifen
durh Schwaben u. ſ. w., Thl. IV. ©. 386—391, und den Brief des
flamländifchen Priefters Arnuf in E. Martene et U. Durand Col-
lect. ampliss. Tom. F. p. 800— 802. über beide Briefe und ihre Ver⸗
faffer vergl. 3. Willens Gefchichte der Kreuzzuͤge, Thi. III. Abth. 1.
©. 264 u. f. w. — Das Chron, Lusit. und das Chron. Coimbr, bes
rühren nur mit wenigen Worten bie Eroberung von Eiffabon.
Regierung Affonfo’s L, 1128 — 1185. 65
' Einnahme zu Theil geworden, und ſegelten, nachdem ſie in
Lifſabon uͤberwintert hatten, im Anfange bed Februars ihrem
Ziele, dem heiligen Grabe, zu.
Der Beſitz von Liſſabon erleichterte dem Koͤnig die Ero⸗
berung der benachbarten feſten Plaͤtze, die noch in der Gewalt
der Mauren waren. In kurzer Zeit unterwarf er ſich Cintra,
Almada, Palmela und andere Orte der Umgegend. In Liſſa⸗
bon ordnete er, im Geiſte ſeiner Zeit, vor Allem die kirchli⸗
chen Verhaͤltniſſe. Der Mangel an gebildeten Geiſtlichen in
Portugal, deſſen Daſein bis jetzt nur auf Waffen beruhte, und
deſſen Bewohner faſt immer im Lager lebten, noͤthigte den
Koͤnig die höheren kirchlichen Ämter mit Ausländern, die ihm
im Verkehr mit den fremden Pilgern vortheilhaft befannt ge
worben waren, zu befegen. So beftieg-ein Engländer, Nas
mens Gilbert, ein Geiftlicher von auögezeichneten theologifchen
Kermtniffen und von Eigenfchaften, die bdiefer hohen Winde
gewachſen waren, zuerft den bifchöflichen Stuhl von Liffabon,
der dem Erzbifchof von Braga untergeben wurde‘). An die
Spite der weltlichen Verwaltung von Liffabon wurde ein ed
lee Portugiefe, Pedro Viegas, geftellt, der erſte Alcaide ber ı
Stadt nach ihrer Eroberung.
Den Mauren, die in großer Anzahl in Liffabon zuruͤck⸗
geblieben waren und, ohne zum Chriftenthum überzutreten, per⸗
fönliche Freiheit genoffen (Mouros forros), gab ber König:
Affonfo ſpaͤterhin einen Freiheitd- und Sicherheitsbrief, der
jedem Chriften oder Tuben verbot‘ ihnen irgend ein Unrecht
i zuzuflgen, und den Mauren die Befugniß ertheilte, aus ih⸗
| rer Mitte einen- Alcaiden zur Schlichtung ihrer Rechtöftreite fich
zu wählen. Zugleich wurden in diefer Urkunde die Auflagen
beflimmt , welche die Mauren an den König entrichten follten.
Es waren deren viererlei. Die erfte, eine Kopffteuer von
einem Maravedi, zahlbar jährlich den erſten Januar, muffte
jede Perfon entrichten, fobald fie alt genug war, um fich den
nöthigen ‚Lebensunterhalt zu erwerben. Die Alfitra wurde
' von Gütern, Herden fowol ald Ländereien, bezahlt. Der Al:
zaqui beftand im’ Zehnten von allen Früchten. Die Qua⸗
— — — —
1) Mon. Lus. liv. X. cap. 30. Esp. sagr. Tom. XIV. p. 190.
Schäfer Gefhichte Portugals I. 5
66 Erfter Zeitraum. L Bud. 3. Abſchn.
rentena endlich betrug eins vos vierzig von Allem was der
Maure befaß. Überdies war- er zu perfönlichen Leiftungen ver-
pflichtet: die Weinberge der Krone zu bebauen und die Fei⸗
gen wie dad DI von den koͤniglichen Beſitzungen zu verkau⸗
fen 9). Daffelbe Gefeg gab Affonfo den Mauren von Alma:
da, Palmela und Alcacer do Sal.
| Die bürgerlichen Angelegenheiten der Chriften in Liſſabon
regelte der Foral, ben ber König im Mai 1175 der Stabt
ertheilte (einen dhnlichen erhielten zu gleicher Zeit Coimbra
und Santarem). Das Seewefen ward gehoben, indem der
Rang und die Rechte der Seeleute erhöhet und vermehrt wur⸗
"ven. Der Schiffspatron oder der Schiffshauptmann , zwei
Ruderer und ein Schiffözimmermann erhielten Vorrechte der
Gavalleiros ?). Die Freiheiten und Gerechtfame, die dad Orts⸗
recht von Liſſabon feinen Bürgern geroährte, verfchafften ihrer.
Tätigkeit und Betriebſamkeit ein weiteres Feld und größere
Sicherheit. Neue Bebürfniffe wurden gewedt, neue Erwerb
zweige und Kunftfertigfeiten bildeten fich im Verkehr mit dem
Sremdlingen, die, vom König eingeladen oder angelodt von
den Reizen ded Landes und der Ausficht auf ein bequemered
eben, von ben erflen oder von fpdtern Kreuzfahrern zurlid®
blieben und in Liffabon oder in der Umgegend fich anſiedel⸗
ten. Wie ed in der Regel gerade die regfamften und unter
nehmendften Köpfe meift aus den höheren Ständen waren,
die dem Meere fich anvertrauten, um im fernen Morgenlande
für ihre größeren Fähigkeiten einen größern Schauplag zu ſu⸗
chen, fo waren es von ihnen wohl die betriebfamften und fleif-
figften, Die, von den Erwerböquellen Portugals gefeffelt, das
Sichere der Gegenwart der unfichern Ferne und Zukunft vor:
zogen. Im Schatten einer geregelten Verfaſſung und zeitge-
mäßer Gefege, in Zolge eines vielfältig angeregten Lebens und,
Vertehrs nahm Liſſabon, bald nach ſeiner Eroberung durch
N Monarch. Lus. liv. XI. cap. 3, Ordenag. Affons. liy. IL.
tit. 99. Joäo de Sousa, Vestigios da Lingua arabica em Portu-
gal. Verb. Azagui.
2) De navigio vero mando ut alcaide, et duo spadalarii, et unus -
petintal, habeant forum militum. Foral de Lisboa.
Regierung Affonfo’s L, 1128-1185. 67
die Chriften, einen mächtigen Auffchwung. Seine herrliche
Lage am Tajo, faft in der Mitte Lufitaniens, fein vortreffli-
her Hafen am Weltmeer lieffen einen politifch=prophetifchen
Seift wohl ſchon damals ahnen, was es einft für Portugal
und für den Verkehr der Abend» und Morgenländer werden
“würde. Galt gleich in der Gegenwart Kiffabon nur für den
Hauptort von Eſtremadura und fein Hafen nur für einen be
quemen Ruhepund für Pilgerflotten, fo war doch Affonfo.
fcharffichtig genug, um im Geifte feiner weitausfehenden Plane
in dem eroberten Liffabon den Mittelpunct feines werdenden
Staates erbliden zu können, und die Schifffahrt war der Kindheit
weit genug entwachfen, um bie offenbaren Vortheile, die der
Hafen und bie Lage von Liffabon ihr darboten, wahrzuneh-
men und an fie große, wenn auch nur unbeftimmte Hoffnuns
gen zu knuͤpfen.
Die Eroberung Liffabons, von allen Eroberungen, durch
welche Affonfos Reich erweitert wurde, die wichtigfte und fol
genreichfte, wurde ber Ausgangspunct für weitere Erwerbun-
gen. Sm Sahre 1158 nahm Affonfo Alcacer do Sal, nachdem
er, von einer Flotte mit franzöfifchen und flanderifchen Kreuz
fahrern. unterftüßt, die Stadt zweimal vergeblich belagert hatte.
Bier. Sahre fpäter wurde Beja (Civitas Pace-Begia) durch eis
nen nächtlichen Überfall gewonnen. Die Eroberung von Evora,
dem Hauptorte von Alemtejo, war an fich -eben fo wichtig,
als fie durch die feltfame Weranlaffung merkwürdig iſt ').
GSirald, mit dem Beinamen ohne Surcht (Sempavor),
ein Ritter von ungemeiner Kraft und Verwegenheit, hatte ein
fchweres Verbrechen begangen und fi), um der Strafe zu ent
gehen, nach Alemtejo geflüchtet, Damals dem gewöhnlichen Zus
Huchtöorte für Verbrecher. In den Kriegen und Wirren jener
Zeit gefellten fich bald Andere zu ihm, mit denen’ er eine Zeit
lang Straßenraub trieb und Einfälle in dad Gebiet bald der
Mauren bald der Chriften that, um den Lebensbedarf zu ers
werben. Sein gewöhnlicher Aufenthalt waren die Berge von
Muro, unweit Evora. Einige Zeit führte Girald dieſes Le⸗
ben fort, deffen Gefahren mit den Übelthaten, zu denen bie
1) Chron. Lusit. und Chron. Conimbr.
5*
‘
115:
116,
68 Erfter Zeitraum. I Bud. 3. Abſchn.
fleigende Roth ihn fortriß, wuchfen. Er fühlte das Schmach⸗
volle dieſer Lebensweiſe, die ſeinen und ſeines Geſchlechtes Na⸗
men mit Schande brandmarkte und, fernen Kopf früher oder
fpäter dem Henfer verfallen ließ, und befchloß durch eine loͤb⸗
Tihe Großthat jene Schande auszutilgen, fich Verzeihung aus-
zuwirken und feinen guten Namen möglichft wieder her
zuſtellen.
Die Eroberung Evoras, auf das Giralds Blick ſo oft
fallen muffte, ftellte‘ fich dem Portugiefen und Ghriften da⸗
mals als die ruͤhmlichſte von allen Unternehmungen dar. Als
lein zum offenen Angriffe fehlten dem Ritter die Mittel, und
zu einem liftigen eignete fich nicht die Lage Evoras, das. zum
Theil hoch gelegen, von ebenen Feldern umgeben war und Fei-
nen Hinterhalt darbot. Nur auf der Weſtſeite, da wo jetzt
das Eiſtercienſerkloſter ſteht, erhob ſich eine Anhoͤhe, worauf
aber ein Thurm erbaut war, der den Mauren zur Wache
diente. Auf ihn richtete der ſchlaue Girald ſein Augenmerk
md gruͤndete er feinen Plan. Im einer geeigneten Naht
“ näherte er fi ch mit feinen Gefährten dem Thurm und erftieg
ihn höchft mühfem, da’ die Leiter, der einzige Zugang, des
Nachts wie gewöhnlich hinaufgezogen war. Er fand bed
Waͤchters Zochter, der die Bewachung in diefer Nacht anver
traut war, an ber Bruftwehr fchlafend, flürzte fie auf der
: Stelle hinab, drang in den Thurm und tödtete den fchlafenden
Mauren. Das erfte Gelingen hob den Muth und das Vers
trauen der Gefährten. Girald theilte diefe nun in zwei Haus
fen, von denen er ben einen in eine abgelegerie Gegend ſchickte,
der andern felbft anführte, um fi) des Thores von Evora zu
bemächtigen. Darauf gab er ven Bewohnern der Stadt ein
Zeichen, als ob fich Feinde in der Gegend, wohin er jenen
Haufen gefchidt hatte, zeigten. Das Zeichen ward in der Stadt
erwiedert, man griff zu den Waffen und ftürzte in großer
Verwirrung zum Stadtthore hinaus. Glrald wuſſte den Aus⸗
- ziehenden auszumeichen, drang mit den Seinen durch dad ofs
fen gelafjene Thor, das er mit einigen feiner Leute befekte,
in die Stadt, hieb nieder was zu widerftehen wagte, und be=
meifterte ſich mit eben ſo großer Verwegenheit als Geſchicklich⸗
keit in wenigen Minuten ber ganzen Stadt und ihrer Ber:
Regierung Affonfo’s IL, 1123— 1185. 69
theibigungsmittel. Voll Erftaunen fahen die ausgeruͤckten
Mauren, ald fie von ihrem Ausfall, dem auch jene von
Girald entfendete Schaar fchlau auögewichen war, zuruͤckkehr⸗
ten, da8 Thor von. Chriften befeßt. Das Unerhörte dieſes
Vorfalls, das Geheul und Wehflagen in der Stadt, Die
Schrednifje der Nacht machten: die Mauren beftürzt, doch grif:
fen fie mit dem Muth der Verzweiflung das Thor an, fanden
aber den hartnädigften Widerftand. Erfolglos anfämpfend
und zugleich im Rügen. angegriffen von jenem Chriftenhau-
fen, der ihnen auf ber Spur gefolgt war, verzweifelten fie an
der Wiedereroberung ihrer Stadt und fuchten, nachdem ihrer
viele gefallen, Rettung in der Flucht.
Girald gab dem König Affonfo ungefaumt Nachricht von
der glüdlichen Einnahme Evoras und foderte ihn auf, ſich
derfelben zu verfichern. Dies gefchab. Girald und feine Ge
fahrten erhielten Verzeihung und dem wieder geehrten Ritter
wurde Die fernere Beſchuͤtzung der Stadt, die er fo kuͤhn und
ſchlau den Ungläubigen entriffen hatte, anvertraut. Den zus
rudgebliebenen Mauren verſprach man bürgerliche Sicherheit. _
Viele blieben in der Stadt wohnen; ihre Nachfommen verliefs
fen erſt den väterlichen Herd, ald unter Emanuel der allger _
meine Berbannungsbefehl gegen alle Mauren auch fie aus
Evora: verftieß.
So kam der Hauptort von Alemtejo in die Gewalt der
Chriften, eine Stadt, an die ſich große Erinnerungen aus den
Zeiten der Römer, die Namen Viriathus und Sertorius knuͤ⸗
pfen, einer ber feüheften Lichtpuncte des Ehriftenthums auf
der Halbinfel und zur Zeit der Gothen ein angefehener Bi:
ſchofsſitz. Diefen ſtellte Affonfo Henriques, nachdem uͤber vier
hundert Sahre der Iſlam hier gelehrt worden war, wieder het,
ließ. DB. Sueiro zum erften Biſchof von. Evora, weihen und
wies der Kirche und dem Capitel reiche Einkuͤnfte an. Das
Ortsrecht, das der Koͤnig in dem naͤmlichen Jahr der Stadt
gab, ordnete die buͤrgerliche Verfaſſung ihrer Bewohner '),
und wurde gewiffermaßen ein allgemeines Hecht für die meiften
Ortfchaften in Alenitejo ”).
1) Ribeiro, Dissertt. 'Tom. III. Append. IX. p. 152. Num. 479.
2) Nova Malta Portugueza, Parte I, p. 444,
1166
70 Erfter Zeitraum. L Bud. 3. Abſchn.
An die Eroberung Evoras reihte fich in demfelben Jahre
bie von Moura, Serpa , Alconchel: und des feften und wichti⸗
gen Elvad. Der fiegreihe König üÜberfchritt felbft die Qua⸗
Diana, die Grenzen des alten Rufitaniens, und bemeifterte fich
eines Theils von Baͤtica; damit ſetzte er fi jest feinen Erobe⸗
rungen eine Grenze.
Doch ob er dieſe fich felber feßte, oder die Mauren fie ihm
vorzeichneten , laͤſſt fich nicht ausmitteln. Ohne Zweifel ftellte
ihm die noch immer furchtbare Macht der Saracenen und ihre
angeborene Tapferkeit einen mächtigen Widerfland entgegen,
und dem raftlos thatigen und unternehmenden König gelang
es erft nach vielen Sahrzehnten das zu erobern, was die Araber
einft in einem Jahre fich unterworfen hatten. Wohl dürfen
wir aber annehmen, daß Affonfo Henriques weniger aus eitler
Eroberungsfucht, als aus der Überzeugung, daß fein neuer Staat;
nur bei einem größern Umfang eine Achtung gebietende Stel
lung gegen die Nachbarftanten nehmen und behaupten Eönne,
die Grenzen feines Reichs zu erweitern bemüht war. Er
muffte einfehen, daß nur im unterbrochenen Kampfe gegen
dieſen unverfdhnlichen Feind Sicherheit flr feinen Staat zu '
finden war und daß ihm feine Lage fein Stillftehen erlaubte,
vielmehr ein ftetes Vorwärtöfchreiten zum Geſetz machte. Darum
fehben wir ihn in jedem Jahre mit einem SHeere gegen die Sa⸗
racenen ausziehen ').
Aber nicht. allein als König muffte er ſich den Kampf ge
gen die Saracenen zur Aufgabe feiner Regierung machen, auch
als Ritter war er verpflichtet, die Feinde, des chriftlihen Nas
mens unaudgefeßt zu bekämpfen. Der König galt;, nach den
Vorſtellungen bed Beitalters, für den erften Ritter feines Reiche,
und Affonfo war Überdies wirklich Mitglied einer Anftalt — des
Tempelordens —, deren Zweck Bekämpfung der Ungläubigen war,
und der er ald König zu viel verdankte, als daß er der Pflich-
ten des Ritters fich hätte entfchlagen duͤrfen. Die thätige und
fruchtbare Theilnahme der beftehenden Ritterorden an den Un-
1)... collegit exercitum suum, ut annis singulis solitus
est, adversus Sarracenos etc. Livro da Fundacäo de 8, Vicente
de Föra, in Mon. Lus. Part. 11. Append. Escrit. 21.
Fa
Regierung Affonfo’s I, 1128 — 1185. 71
ternehmungen gegen die Saracenen und ihre Verbienfte um bie
‚ Erweiterung und der Schuß der Grenzen von Portugal waren
fo offenkundig, daß man bie Nitterorden vervielfältigen zu
muͤſſen glaubte und daß man die vorhandenen gewiffermaßen
zu ben Urfachen der Eroberungen, Die neugegründeten zu ben
Folgen bderfelben zählen Tann.
3) Aufnahme älterer und Gründung neuer Ritterorden
in Portugal.
Waren geiflliche Ritterorden irgendwo Kinder des Beduͤrf⸗
niffes , der Zeit und Örtlichkeit, und haben fie irgendwo ben
wohlthätigen Abfichten, die bei ihrer Gründung vorfchwebten,
entfprochen,, fo war ed hier in Portugal. Ritter, die ihren .
Beruf nur im Kampfe und ihren Ruhm nur im Siege fuch-
ten, gerade chriftliche Ritter, Die im Feinde des Chriftenthums
ihren natürlichen Widerfacher, zugleich den Feind ihres Vaters
landes fahen, bedurfte damald Portugal. Seine Schwäche
muſſte, bei der oft erwachenden Eroberungsluft und dem na⸗
türlichen Ungeftüm ber Säaracenen, dem Portugiefen Beforg:
niffe für den feſten Beftand des Waterlandes einflößen. : Die
Eigenthümlichkeit biefer Feinde, mit denen ein bauernder
Friede , ſelbſt jede Verſoͤhnung unmöglich war, ſetzte die Por:
tugiefen in die Nothwendigkeit, auf diefer Seite ihres Landes
immermwährend eine Vorwache auszuftellen und gegen jeben
plöglichen Überfall das gezogene Schwert bereit zu. halten.
Aber wenn auch der Zeind des Vaterlandes nicht drohte, fo
feuerte doch der Religionseifer an, gegen die Ungläubigen zu
fämpfen und den Namen Jeſu auszubreiten. Der portugiefls
fche Ritter brauchte nicht ins ferne. Morgenland zu ziehen, um
bem Zeitalter feinen Zribut zu zollen; das Vaterland war fein
Morgenland, zwar nicht der Ort wo Chriſtus gewandelt, aber
der heilige Boden der Heimat, frühzeitig vol Kirchen und
Kiöfter, die von demfelben Feind, wie das heilige Land, be:
droht wurden. Hier wie dort konnte der chriftliche Ritter ſich
den’ Himmel erfämpfen und obendrein den zeitlichen Dank ſei⸗
ner Mitbürger. Vaterlandsliebe und Religionseifer gingen in
diefem Sinne hier Hand in Hand. Die Idee, die halb Eu:
: 72 Erfter Zeitraum. I Bud. 3. Abſchn.
ropa dem Drient zumwendete, lebte auch im Geiſte des portu⸗
gieſiſchen Ritters, aber fie verſchmolz ſich hier mit der Liebe
zum väterlichen Herd und mit der Kampfluſt für dieſen wie
für den chriftlichen Altar gegen den Erbfeind beiver. J
Freundlich bewillkommte man die anderwaͤrts entſtandenen
Ritterorden bei ihrem Eintritt in Portugal und bildete im
Schooſe deſſelben ihnen bald neue und ähnliche nach. Zu je:
nen gehören die Zempelritter und Johanniter, zu die
. fen die Ritter des Ordens von Avis und des heil.
Michaels. Der Einführung der erfleren, der Gründung der
legtern, ihrer Verfaffung und ihren Schickſalen waͤhrend der
Regierung des Koͤnigs Affonſo J. muͤſſen wir hier eine Stelle
goͤnnen. |
Die Zempeleitter.
Wenige Jahre nach der Entflehung des Ordens der Zem-
pelherren und noch vor dem Regierungsantritt Affonſos finden
wir Tempelritter in Portugal. Urkundlich treten ſie hier zum
erſtenmal im Fruͤhling 1128 auf, in demſelben Jahre, in wel⸗
chem der Orden vom Papſt Honorius II. auf der Kirchenver⸗
ſammlung von Troyes beſtaͤtigt wurde. Dieſe Kirchenverſamm⸗
lung ſcheint jedoch, ob ſie gleich ſchon im Januar (den 14.)
gehalten wurde, keineswegs die Verbreitung der Ritter nach
Portugal veranlaſſt zu haben. Die Erwerbung eines betraͤchtlichen
Beſitzthums, wie der Burg Soure, die ſchon im Jahre 1111
vom Grafen Heinrich einen Foral erhalten hatte, laͤſſt wohl
auf früher geleiftete Dienfte, wenigftend auf die gewonnene
Überzeugung von. der Nüslichfeit diefer Ritter zuruͤckſchlieſ⸗
fen, und überdies enthält die Urkunde vom April 1128, in
welcher der Zempelherren zum erften Mal gedacht wird, die
Beflätigung einer ihnen fchon früher gemachten Schenkung ').
Therefia erkannte die Wichtigkeit und Brauchbarkeit der Temp:
ler für das werdende Portugal; fie fpornte ihre Thaͤtigkeit an
und fledte ihnen fchon damals das Biel ihrer Beftimmung
1) Era 1166, 4. Kal. Aprilis. Ego Regina Tarasia magni Regis.
Alfonsi filia. .. Ego Comes Fernandus donum, quod Domina mea
Regina Militibus Templi donat, laudo et concedo. — Ribeiro,
Diss. Tom. III. App. p. 89. Num. 263,
Regierung Affonfo’6 1, 1128—1185. ° 73
“auf, indem: fie ihnen :auffer Soure. mit feinem Gebiet den
ganzen Landſtrich zwifchen, Coimbra und Leiria anwies, ber
damald noch unbebaut und in der Gewalt der Saracenen
war ').. Die Ritter gründeten bier bie. Burgen Pombal, Ega
und Redinha, ſo wie die erſten Kirchen in dieſen Gegenden, |
und bewiefen fich zu gleicher Zeit ala Anbauer des Landes und
Verbreiter des Chriſtenthums, ald Mehrer und Beſchuͤtzer des
beginnenden Staates.
Noch in demfelben Jahre, worin die Königin Thereſia dem
Drden jene beträchtliche Schenkung machte oder. heftätigte, be—
mächtigte ſich Affonſo Henriques des portugieſiſchen Thrones.
Der junge Orden verwaiſete indeſſen nicht dureh. den Fall ſei⸗
ner Wohithaͤterin; er wuchs vielmehr unter Thereſiens Sohn
und Nachfolger zu einer großartigen Koͤrperſchaft heran. Af⸗
fonſo war von der Bedeutſamkeit der Tempelritter ſo lebhaft
uͤberzeugt, daß er ſchon unter der Regierung ſeiner Mutter ſie
zu gewinnen bedacht war, als er insgeheim ſeiner Anhaͤnger
und Freunde ſich verſicherte, um von ihnen unterſtuͤtzt auf den
Thron, der ihm ſtreitig gemacht wurde, ſich zu ſchwingen.
Indem der Ordensmeiſter Bernaldus die Urkunde, worin der
Prinz dem Erzbiſchof von Braga fuͤr ſeinen Beiſtand dieſe
Stadt abzutreten verſpricht, mit unterzeichnet und dadurch. auf
gleiche Linie mit den unterzeichneten Großen des Hofes, den
Biihöfen und Prälaten tritt, zeigt er und die würdige Stel:
lung, die er als Haupt der Tempelritter in Portugal fehon
damald genommen hatte‘ 2). Es muffte dem Selbftgefühl der
felben nicht. wenig fchmeicheln und das Anfehn des Ordend
mächtig erhöhen, als der Regent bald darauf felbft in denfel-
ben trat’). Beide, der Orden und der König, woetteiferten
ſeitdem, jener in ritterlichen Kriegöthaten, Diefer in reichlichen
Schenfungen an feine Brüder, ihre Gefinnungen an den Tag
zu legen und zu bethätigen, und eine Kette von Verdienſten
der Ritter um die Erweiterung und Befchirmung der Landes:
1) Elucidario, verb. Ladera, Tom. II. p. 76 und 343,
2) ©. die Urkunde im Klucidario, Tom. Il. p. 351,
3) Im Sahre 1129 war er fehon aufgenommen . . . et pro amore
cordis mei, quem eiga vos habeo, et yuoniam in vestra fraternitate
et beneficio omni sum frater. Era 1167. 2. Id, Mart.
74 Erſter Zeitraum. J. Bud. 3. Abſchn.
grenzen und von koͤniglichen Bewilligungen und Vergebun⸗
ge an den Orden ſchlingt ſich durch die Tange Regierung
ffonfos L . | |
Nachdem Santarem erobert worben war (15. März 1147),
eilte der König das Gelübde, bad er gethan, zu erfüllen: ben
Zerhpelherren für ihre Großthaten bei dieſem wichtigen und
gefahrvollen Unternehmen alle Befisungen und Einkünfte ber
Kirche von Santarem eigenthuͤmlich zu überlaffen ). Da je
doch Santarem zum Sprengel ded Bisthums Liffabon gehörte
und diefe Stadt noch in den Händen der Saracenen war, "fo
follte, fobalb fie daraus befreit worden, ber Bifchof von Lif-
fabon mit den Tempelherren, unter ber Leitung bed Koͤ⸗
nigs, ein friedfiches Tbereinfommen treffen. Nach der Erobes
rung fuchten die Tempelherren wirklich mit dem erften Bis.
fchof des wieberhergeftellten Biöthums, zu deſſen Sprengel
‚die Kirchen von Santarem offenbar gehört hatten, fich zu
verfländigen, fanden aber wenig Bereitwilligfeit bei dem Bi:
ſchofe, und der König fah fich gendthigt, beide Parteien an
den’ Papft zu weifen und diefem die Entfcheidung zu überlafs
fen. Der Streit wurde endlich (1159) dadurch beigelegt, daß
der König den Tempelrittern das Gebiet von Gera?) (heüti-
gen Tages von Thomar) überließ, ein herrenlofes Gebiet, ba fchon
damals nicht zu ermitteln war, ob’ es einft zu Idanha oder
zu Coimbra oder zu Liffabon gehört hatte. Der Tempelorden
verzichtete auf alle Kirchen von Santarem, die er bisher bes
feffen, mit Ausnahme der Kirche von St. Jacob, in deren
Bells er blieb, und der Bifchof Gilbert entfagte allen An⸗
ſpruͤchen, die er auf die Kirchen, die in dem Bezirk von Gera
bereitö gegründet waren oder noch gegründet werden würden,
etwa machen Tönnte?). Bei dem Anbau und der Bevölkerung
.
1)... . facimus Kartam Militibus Templi de omni Ecclesiastico
Sanctae Herenae, ut habeant, et possideant ipsi, et omnes Successo-
res eorum jure perpetuo etc. ©. die Urkunde im Elucidario Tom. I.
. 853.
ö 2) Seine alten Grenzen ſ. im Elucidario, Tom. IL p. 10. verb.
Garda.
3) &. die Abtretungsurfunde im Elucidario, Tom. II. p. 358.
Vergl. Nova Malta Port, $. 22, N. 25. — Die Kirche des heil. Jacobs
—
Regterung Affonfo’s L, 41128 — 1185. 75°
diefee neuen Beſitzung, zu denen bie Tempelritter fich anhei⸗
(dig machten, durften fie jeboch Feinen Einwohner aus den
Königlichen Ländereien zwifchen dem Mondego und Tajo ohne
Erlaubniß des Koͤnigs aufnehmen, und wenn auch die Nie
derlaffung eines Unterthanen aus jener Gegend, die ohne Wifs
fen der Ritter gefchähe, diefen nicht zur Laſt gelegt “werden
foßte, fo waren fie doch verbunden, fobald fie Kenntnig
davon erhalten, den gefehwidrig Aufgenommenen fogleich zu entz
fernen. Die Bewohner von Gera folten das Ortsrecht von
Santarem annehmen ').
Sobald die. Tempelritter den Landſtrich von Cera in Be⸗
ſitz genommen hatten, dachten fie darauf einen geeigneten Ort
auszufuchen, den fie zum Hauptfib ihres Ordens in Portus
gal erheben Fünnten. Sie glaubten ihn auf der linken Seite
bed Fluͤßchens Thomar, auf den. faft ganz verfchwundenen
Truͤmmern des alten Nabantium. gefunden zu haben. Hier
gründeten fie an ber Stelle, wo. der Überlieferung nach einft
ein Kloſter geſtanden haben follte, die erfte Kirche Santa Mas
ria do Dlival und Dicht daneben ihr Haupteonventhaus, das
bis zur Erlöfchung des Ordens beftand °). Zugleich befchlofs
jen fie, eine Burg zur Vertheidigung bed Landes und für .rits
terliche Übungen aufzuführen. Da nun von der Burg von
Gera ſchon damals faft nur der Name übrig war (nicht eins
mal ihre Lage laͤſſt fich jest mit Gewißheit angeben) ; fo legs
ten: fie den erſten März .1160 °) den Grumdflein zu dem fe
ſten Schloffe von Thomar auf der: fehroffen Anhöhe weftlich
vom GConventhaus, auf der vechten Seite des Fluͤſſchens Tho⸗
mar, dad man damals mit dem Namen, den ihm feines füßen
in Santarem wurde darauf von einem geffttichen Orbensbruber verwaltet,
ber zuerft Sapellan, fpäter Prior genannt und ald Bifchof diefer
Kirche angefeben wurde, die anfangs eine Gollegialficche und endlich 1585
eine Sommende wurde.
1) ©. die Vertragsurfunde im Elucidario Tom. II. 357,
2) Als der Chriftusorden in Caſtro Marim feinen Sid nahm, wurbe
jenes Haus verlaffen und verfiel allmdlig, die Kirche aber wurde in eine
Parochialkirche verwandelt und von einem Vicar, einem geiſtlichen Bru⸗
der des neuen.Ordens, verwaltet.
3) ©. die Infchrift im Elucid. Tom. II. 359, ⸗
76 Erfier Zeitraum. 1 Bud. 3. Abſchn.
und Haren Waſſers: Wegen die Mauren gegeben hatten, be: ı
nannte, in der Solge aber mit Anfpielung auf die Stadt, die
es in der Vorzeit. binebt hatte, Nabäo hieß '. Während die
ftarfe Burg. von Zhomar auf der jähen Höhe fich flolz erhob, -
nahm .auch der Flecken gleiches Namens. feinen Urfprung und
erfreuete fih eined fo rafchen Gedeihens, daß er fchon im
Jahre 1162 eine. beträchtliche Anzahl von Einwohnern umfafite
und ber Orbensmeifter ‚Gualbim es für noͤthig erachtete ihnen
einen beſondern Foral zu ertheilen ?).
Der Gründung von Thomar folgten in naunterbrochener
Reihe : neue königliche Schenkungen an den Orden, ſowie Die
Anlegung neuer ober bie. Wiederherflellung . verfallener Ort:
fchaften ‚durch bie Ritter. :: Im Sahre 1165 fihenkte der Koͤ⸗
ig dem Ordensmeiſter "Ciualdim und den Nittern Idanha
velha und: Monfanto. Jenes, dad 1170. wohl bevölkert und
mit: Mauern umgeben wär, wurbe bald: hernach van den Sara⸗
cenen zerftört und erſt vom. König Sancho J. im. Sahre 1193
den Tempelrittern wieder übergeben °). . Sn Monfanto waren
fie gluͤcklicher: fie ſtellten das flarfe Schloß wieder. her, das
nad) .jeßt von jenem Orbendmeifter den. Namen Gualdım Paes
führt), und gaben: ihm 1174 .einen Foral“). Diefn Schen⸗
kungen folgten im Jahre 1169 Die Burgen Cardiga, Zezere,
denen der Ordensmeiſter Gualdim, nachdem ſie wieder aufge⸗
baut uͤnd bevoͤlkert worden, 1174 ein Ortsrecht ertheilte, "Ak
mourol, ſchon unter den Roͤmern bekannt und ijetzt von dem⸗
ſelben Ordensmeiſter aus ſeinen Truͤmmern wieder aufgerichtet
und mit einem Foral verfehens Auch die Burg von Pombal,
welche bie Zempelzitter. in einer wuͤſten Gegend noch innerhalb
des Gebiet der Saracenen gründeten, erhielt von Gualdim
ein Drtörecht 1176. Auſſer diefen Burgen und Schlöffern er
warben oder erbauten: fie fich währen Affonfog Regierung
Häufer in Evora, Eintra , Lisbon, Leiria, Santarem u. ſ. w.
1) Nach dem Verfaſſer des Elucid. J. c.
2) Er findet ſich gedruckt in den Memorias da Acad. Real Tom.
VIII. p. 109.
3) Klucid. Tom. 1. verb. Garda, m. 12,
4) Elucid. Tom. 1I. p. 300.
5) Ribeiro, Dissertt, Tom. III. p. 160.
Regierung Affonfo’s I, 1128— 1185. 77
Diefe vielfältigen. Schenkungen - und‘ Erwerbungen’ von
Burgen, Dörfern und Ländereien, von denen bie Beftätis
gungsbulle des Papftes Urban IN. vom Jahre 1186, indem fie
diefelben größtentheild aufzaͤhlt, eine Überficht am Ende der
Regierung Affonfos J. gewährt, bezeugen’ die große Freigebig⸗
feit des Königs gegen den Orden. Sie beurfunden zugleich
die Verdienfte, die fich die Ritter um den Anbau und die Bes
völferung des oͤden und verwuͤſteten Landes ‚erwarben. Eins
Öden und Wildniffe wurden unter ihrer forgfamen Leitung und
durch ihre rührige Thätigkeit mit Menfchen belebt, Dörfer und
Flecken entitanden und erblühten, wo der vieljährige Krieg und
der ‚Zeiten Elend faft jede Spur menfchliher Thaͤtigkeit vers
tilgt hatte '). Die verfallenen Mauern mancher Städte wurden
von ihnen wieder aufgebaut, und die Truͤmmer zerftörter Burgen
dienten wieder zu Bauſtuͤcken für größere und feftere Burgen.
Die zerfireute Bevölkerung fammelte fi ch auf einzelnen Puncten
und mehrte ſich ſchnell. Kaum find einige Jahrzehnte verfloſ⸗
fen, fo fodert die geftiegene Volkszahl Gefege und bürgerliche
Einrichtungen für die Gemeinde, und unter dem Schirm der
Geſetze wächft wiederum: die Bevölkerung.
Dem raftlofen Geifte des jugendlichen Ordens wurden
bald die Grenzen Portugald zu eng. Es genügt ihm nicht
den heimatlichen Boden gegen die Saracenen zu fehlten und
jelbft die feindlichen Grenzen anzugreifen. Cr bemeiftert ſich
wichtiger Puncte mitten in Feindesland, wie Pombal ?). Und
weil er den Muth dazu hat, fo gelingt ihm das Wagniß; er
macht eben dieſes Pombal, das er durch einen Überfall weg⸗
nimmt, zum feſten dauernden Sitz der Ritter. Es war oft
hinreichend dem Orden in der Ferne eine lodende Eroberung
zu zeigen, um fich ihrer unfehlbar zu vergewiffern. Affonfo
kannte feine ritterlichen Brüder fehr wohl und wagte im ge
meinfchaftlichen Spiel mit ihnen einen geringen Einſatz, als
er ihnen den dritten Theil von Allem, was er jenfeit des
Zajo, in Alemtejo, von den Mauren erobern werde, verfprach,
1) Wie in der wüften Gegend von Penna, „ubi oppidum, ad illius
terrae custodiam, construxistis,“ fagt von den Rittern die Beftätigungs:
bulle des Papftes Urban III. von 1186.
2) „In marca Saracenorum.“*
80 Erfter Zeitraum. 1. Bud. 3. Abſchn.
unfgeiömmen wurden, bis zum Ende des breizehnten Jahr⸗
hunderts zeigt uns dab Männer und Frauen, Berheirathete
und Unverheivathete als Mitbrüder und Familiengenof-
fen (Confrades', Familiäres oder Donatos) in den Orden ſich
Aufnehmen Hieffen. Sie hieffen hier. bald Frades, bald Con-
frades, bald quasi Frades. Viele Witwen von Adeligen tra
ten alö Fradas oder Fratrissas (Schweftern) in den Orden.
Die Eintretenden gaben ‚ur Beftreiturig ihres Unterhalts
dem Orden einen Zheil ihres Vermögens , der unter die Auf:
ficht der Drdensmeifter oder der erften Geiftlichen des Ordens
geftelle wurde, und ohne deren Erlaubniß nicht vertaufcht, ver:
fauft oder auf irgend eine Weiſe : veräuffert werden burfte.
Starben die Aufgenommenen , fo wurde diefes Vermögen Ei:
genthum des Ordens gleich feinem übrigen ; binterblieben Kin-
der, fo erhielten -diefe einen Theil. Niemand trat mit leeren
Händen in die Genofjenfchaft des Ordens. Affonfo Henriqued
war fchon im Jahre 1129 mit feinem Beifpiel glänzend vor:
angegangen und hatte dem Orden das nicht unmwichtige Soure
geſchenkt „aus Liebe zum Drden und weil er ald Bruder
bdeſſelben feiner Segnungen theilhaftig geworden” ). Die Va⸗
fallen, die ohne Ritter zu werden, doch als Brüder oder
Schweftern an den’ Segnungen bes Drbens.Antheil zu neh>
men wuͤnſchten, folgten dem Beifpiele des Regenten. Sie
fpendeten verhältnigmäßig mehr als dieſer. Mit Recht, denn
der König begehrte und bedurfte nur die voruͤbergehende Unter:
ſtuͤtzung des Ordens bei feinen Kriegsunternehmungen; fie aber
erwarben fich den vollen und dauernden Schuß defjelben und
erhielten durch Das Anfchlieffen an dieſe mächtige und ange:
fehene Körperichaft eine Stellung und perfönliche Sicherheit,
wie fie der Einzelne in jenem Sahrhundert auf andere Weife
zu erlangen nicht wohl im Stande war. Am üblichflen war
es, dem Drden den dritten Theil aller Habe zu überlaffen, vie
fämmtliche aber nach dem Tode des Geber, wenn er feine
Dettern oder Kinder hinterließ. Nicht felten wurde die Ver-
fügung getroffen, daß der ZTempelorden und der Zohan:
niterorden in das Vermaͤchtniß ſich theilen follten, ſodaß
1) Elucidario, T. I. p. 433,
Regierung Affonfo’s IL, 1123— 1185. ‚8
jeder ein Drittheil von aller Habe erhielt, oder ein Drits
theil in.-gleiche, Theile unter Beide getheilt wurde. Bald
gibt. der Eintretende nur fein bewegliche Vermögen dem Or:
den und bewahrt fein unbewegliches feinen Nachkommen,
bald überläfft er dem Orden alles Eigentbum und behält ſich
nur die Nutznieſſung auf Lebenszeit vor ').
So mannichfaltig die Beſtimmungen der Eintretenden über
ihr Vermögen find, fo mannichfaltig find die Bedingungen des
Eintritts. Während die Einen fich im Allgemeinen ausbebingen,
„daß fie Mitbrüder der Ritter würden im Leben und Stas
ben’, oder „daß der Orden fie gegen Ungemach und Bedruͤk⸗
kung nach Kräften fehlen fol”, und die näheren Bebinguns
gen wahrfcheinli dem Herkommen anheimftellen, verlangen
Andere, „daß der Drden fie in’ Kleidern und glei den ans
dern Brüdern in Koft unterhalte, fie hit dem nöthigen Gelbe
verforge,, ihren Söhnen Unterricht ertheile und ihnen bie Aufs
nahme in den Orden gewähre" ”). Das Verhältniß der Fa⸗
. miliared zu dem Orden glich in vielen Beziehungen dem bes
Vaſallen zum Lehnöheren, ja es wird in Urkunden ausdruͤck⸗
lich fo benannt’). Aber e8 zeichnet fich durch ein engeres Anz.
fchlieffen, eine größere Innigkeit und Xraulichkeit aus. Der
Mitbruder oder Familtengenoffe ift auch zugleich Hausgenoſſe
— anderer Beziehungen zarterer Natur nicht zu gedenken; er
betet mit dem Ritter in feinem Betzimmer, lebt mit ihm im
Zempelhaus 9). Solche Zempelhäufer fanden fich frühzeitig
1) Urkundliche Belege Yierzu f. in Nova Malta Portug. Parte T.
p. 114 — 116.
2) Ut vestiant nos ambos de brunetis, aut de verdie, mantos, et
sayas, et calcias; et dent nobis porziones, velud aliis Fratribus,
quando voluerimus: et recipiant nos, quasi alios F'rratres; et doceant,
et faciant nostros filios esse -Milites, qui aucti fuerint ad faciendum ;
et dent nubis de aliis pecuniis, quibus indiguerimus etc. heiflt es in
einer Urkunde von 1211, in der zwei Eheleute, bei ihrer Aufnahme in
den Orden, bemfelben die Hälfte von ihrem Vermögen vermachen.
8)... in tale que vos mihi bene faciatis, et me defendatis de
male ubi vos potueritis, et responder ego pro vestra vasala, et vos
pro meos seniores.. Nova Malta Portug. P. I. p. 115 Not.
4) Et sint nobiscum in nostra Oratione, et in Domibus Templi,
fagen die vier Zempelritter der Burg Amoriol, da fie für eine große
Schäfer Sefhichte Portugals I. . 6
9 Erſter Zeitraum. L Bud. 3. Abſchæ.
in vielen Flecken und Staͤdten des Reichs. In jedem war
ein Oratorium und ein Capellan, der die geiſtlichen Verrich⸗
tungen beſorgte. In den meiſten, vielleicht in allen Tempel⸗
haͤuſern lebten Familiares, die ihr Vermoͤgen zum Theil, nicht
ſelten ganz dem Orden geſchenkt hatten.
Es iſt einleuchtend, wie ſehr durch dieſe Menge kleiner
oder groͤßerer Erwerbungen auf ſo vielen Puncten des Landes
das Vermoͤgen und der Grundbeſitz der Tempelritter ſich ver⸗
groͤßern muſſten. Und als fie endlich vom Papſt Alexander II.
ſchon unter Affonſo's Regierung erlangten, daß ſie keinen Zehnten
zu entrichten brauchten von den Laͤndereien, die ſie mit eige⸗
nen Haͤnden oder auf eigene Koſten bebauten, und ſelbſt von
ſolchen nicht, die ſie pachteten um fie auszuſtellen), fo muſſte
der Anbau der Tempelguͤter bald einen Aufſchwung nehmen,
der einen großen Wohlſtand des Ordens auch von dieſer Seite
herbeifuͤhrte. Je wohlhabender aber der Orden wurde und je
mehr er zum Bewuſſtſein ſeiner Mittel und ſeiner Macht ge⸗
langte, um ſo mehr war er darauf bedacht laͤſtiger Beſchraͤn⸗
kungen ſich zu entledigen. Einen Beweis davon gab er ſchon
unter dem erſten König, als er die Kirchen des Ordens im
Gebiet von Zezere mit der urfpringlichen Mutterliche in Pay⸗
Nele, ebenfo die Kirchen ‚von Thomar der bifchöflichen Ges
richtöbarkeit zu entziehen wuffte und fie dem papftlichen Stuhl
untergab ?).
Die Kobanniterritter.
Frühzeitig Tieffen fich Sohanniter in Portugal nieder. Um
das Jahr 1130 wird ihrer in den Urkunden öfter. gedacht, und
noch früher, bald nach der Entftehung ihres Ordens, finden
fi Spuren ihrer Aufnahme in Portugal’). Wie die Tem:
Schenkung, bie ein gewiſſer Aires Dias und feine Frau an einen dieſer
Nitter gemacht haben, beide Eheleute als Bamiliares in dee Burg auf-
nehmen. Elucid. Tom. II. p. 350,
1) Summarium Privilegiorum quae Pontifices Sumi Militibuk
Templi concessere, in Henriquez Regula Constt, Ordinis Cistert.
p. 479.
2) Elucidario Tom. H. p. 361. Col. 1.
3) Esp. sagr. Tom. XXI. App. 3. p. 300 und Nova Malta Por-
tug. P. 1. $. 15 und P. II. $. 18 Ed. seg.
Regierung Affonfo’s L, 1128— 1185. 83
pelherren, fo nahm auch fie Affonfo Henriqued gern auf, gab
ihnen Güter und Einkünfte, mancherlei Vorrechte und Frei⸗
beiten. Zu ben früheften Befisungen bed Ordens gehörte Lera
unweit Porto. Hier hatten fie ein Hofpital, erbauten oder
vollendeten das Kloſter, in dem ihre Freived nach der Strenge
ihrer Regel lebten. Leça befaß das erfte Conventhaus des Or⸗
dens und galt für den Hauptfiß deffelben in‘ Portugal '). Sie
hatten ähnliche Obliegenheiten und ähnliche Gerechtfame wie
bie Zempelritter. Sie gelobten, ben chriftlichen Glauben mit
ben Waffen zu vertheidigen, jeglichen Beiſtand gegen die Fürs
ſten der Ungläubigen zu leiften, nie ohne Waffen und ohne
Pferd zu erfcheinen, nicht zu fliehen vor drei Feinden, ihren
Brüdern mit Waffen, mit Rath und That beizuftehen, vor Als
lem aber den Königen von Portugal treu zu fein‘). Die
Hoſpitalritter ſchwuren daher, wie die Tempelritter, dem Koͤ⸗
nig den Huldigungseid und weiheten ſich dadurch ſeinem
Dienfte ). Unter allen Privilegien ihres Ordens iſt jener
große Freibrief, den fie zugleich mit den Tempelrittern von Afs
fonfol. im Sabre 1157 erlangten und beffen Inhalt oben mitges
tbeilt worden iſt, ohne Zweifel das wichtigſte und umfaſſendſte.
Die Ähnlichkeit, man kann ſagen die Übereinftimmung,
bie der Sohanniterorden in feiner Entwidelung und in feiner
Schickſalen, in feinen rechtlichen Verhältniffen zu Staat und
zu Kirche wie in feinen Leiftungen und Pflichten gegen den
König, mit dem Tempelorden bis zu deſſen Auflöfung in Pors
tugal zeigt *), erlaubt ed hier blos auf biefe Andeutungen
fih zu befchränfen.
Der Ritterorden von Avis.
Der erſte Ritterorden, den ein portugieſiſcher König
gründete und von beffen Großmeifterftuhl einft ein Portugiefe
auf den Föniglichen Thron fteigen follte, wurde im Sahre 1162
geftiftet. Schon längere Zeit vorher, nad Einigen bald nah
1) Nova Malta, P. I. p. 59.
2) „Regibus Portugalliae fidelis ero.“
“ 3) Brito, Chronica de Cister. liv. II. cap. 27.
4) Nova Malta, P. I. p. 439.
6*r
84 Erfter Zeitraum. J. Bud. 8. Abſchn.
ber Schlacht bei Öurique, nach Andern im Jahre 1147, als
man die Eroberung von Santarem und Liffabon beabfi ichtigte,
hatte fi) eine Anzahl Ritter zu dem Zwecke verbunden, ge .
meinfchaftlich ihr Leben dem Kampfe gegen die Mauren zu
widmen. Durch Statute, die fie entwarfen und beobachteten,
brachten fie eine gewiffe Regelmäßigkeit und Ordnung in ihren .
Verein. Der König begünftigte die Ritter, indem er ihnen zu
ihrem Unterhalt und zur Beförderung ihrer Abfichten Ein:
Fünfte anwies. Einer Überlieferung zufolge foll Coimbra ihr
erfter Sig gewefen fein. Nach Evoras Eroberung im Jahre
1166 wurde diefe Stadt der Mittelpunct ihrer Verbindung,
der man den Namen „Orden von Evora” gab '). Der hohe
. Ruf, in dem die caftilianifchen Ritter von Calatrava fanden,
beftimmte die von Evora mit ihnen in eine Werbrüderung zu
treten. Sie hatten mehrere Einrichtungen mit einander ges
mein ?), daher die Brüder von Evora oft auch Hitter bon
Galatrava genannt wurden. Späterhin wurde der Orden von
Evora nach) Avid verlegt, da die benachbarten Drte jener
Stadt von der Herrfchaft der Saracenen befreit waren, die
Stadt felbft aber wegen ihrer Größe und zahlreichen Bevoͤl⸗
ferung weniger zum Ordensſitz fich zu eignen fchien. Affonfo IL
fchenkte den Rittern gleich nach feinem Regierungsantritt für
die guten Dienfte, die fie ihm, feinem Water und Großvater
geleiſtet hätten, den Drt Avid mit der Bedingung, daß fie da=
felbft eine Burg erbauten und bewölferten, die jedoch, wie ihre
übrigen Burgen, dem König und feinen Nachfolgern unter⸗
than fein follte ). Auch jest noch wurden die Ritter von
1) Vobis Magistro D. Gonsalvo Venegas, et omnibus Fratribus
Ordinem vestram in Elbora observantibus heifft es in einer Schenkung
bes Königs Affonfo I. an den Orden v. 3. 1181. Unter Sancho I. nennt
ſich Pelagio im Foral von Benevente „‚Mestre da Ordem de Evora.“
Mehr Beifpiele f in Additamentos e Retoques a’s Memorias para a
Historia das Inquiricöes dos primeiros Reinados impressas em 1815.
pag. 2 und 3.
2, 3. B. bei der Wahl des Meifters des einen ober bes andern Ors
dens geben bie Ritter beider Orden ihre Stimme; bie Ritter von Evora
unterziehen fich der Vifitation des Ordensmeifters von Galatrava.
8) Die Schenfungsurkunde in Sousa, Provas T. I. p. 12.
Regierung Affonfo’s L, 11285 — 1185. 85
Avis häufig Ritter von Calatrava genannt — eine Benennung
die von Sanchos I. bis Affonfos II. Regierung nicht unges
wöhnlic war‘).
Ihrer Regel zufolge find die gitter verpflichtet, die Re⸗
ligion mit Waffen zu vertheidigen, im Frieden Werke der
Liebe zu verrichten, Keuſchheit in der Ehe zu bewahren ?) und
das Gebiet der Mauren durch unaufhörliche Einfälle zu ver⸗
heeren.
Zur Friedenszeit verrichten ſie nach dem Aufſtehen ihr
Gebet und hoͤren die Meſſe, beobachten beim gemeinſchaftlichen
Mahle Stillſchweigen und faſten Freitags. Den Fremdling
ſollen ſie beherbergen, den Greis ehren, den Ordensmeiſter als
ihren Vater und Fuͤhrer betrachten. In Allem muͤſſen ſie die
Regel des heiligen Benedicts vor Augen haben.
Im Kriege tragen ſie Panzer, Schwert und Lanze, nach
dem Beduͤrfniſſe und der Tapferkeit eines Jeden. Von dem
was ſie im Kriege erwerben, geben ſie den Armen, den Wit⸗
wen und den Kirchen. Die von ihnen gefangenen Saracenen
ſollen ſie durch fromme Ermahnungen zum chriſtlichen Glaus
ben zu bekehren ſuchen. Erobern ſie eine Burg oder Stadt,
ſo haben fie den König davon zu benachrichtigen, feinem Be:
fehl gemäß Alles darin zu ordnen und ihm. ald Herrn des
Ortes unterthan zu fein.
Der Ordensmeiſter ift gleichſam ber Übrigen Führer durch
Rede und Beiſpiel, im Frieden wie im Krieg. Hat ein Rit—⸗
ter Befchwerde über ihn zu führen, fo fol er fi an den Abt,
den der Ciftercienfergeneral ihm bezeichnet, wenden, dieſem
die Klage vorbringen und von ihm das Urtheil nehmen. Von:
diefem Urtheil kann nur Berufung an den Papft, oder deſſen
Legaten, oder an den Pater Abt des Giflercienferordeng flattfinden.
1) Do que tudo se evidencia, que o mesmo titulo de Calatrava
dado 4. Ordem (hoje de Aviz), näo he estranho desde os Reinados
de D. Sancho I. atè o de D. Affouso Ill. Additamentos a’s Memor.
para a Hist. das Inquir. pag. 3. Xergl. au Mon. Lus. liv. XI.
cap. 1.
2) Die Ehe, urfprünglich den Rittern verboten, ſoll ihnen erſt ſpa⸗
ter erlaubt worden ſein.
86 Erſter Beitraum I. Bud. 3. CT
Bei der Wahl bed Großmeiſters und der andern Beam⸗
ten des Ordens wird dieſelbe Ordnung befolgt, die in der Ci⸗
ſtercienſerregel vorgeſchrieben iſt. Der Erwaͤhlte empfaͤngt die
Abzeichen der Wuͤrde aus der Hand eines Ciſtercienſerabtes
und legt in deſſen Hand den Eid ab. Er gelobt dem Papſt,
dem Koͤnig von Portugal und dem Abt, als Vertreter ſeines Or⸗
dens, Gehorſam, verſpricht, keine Guͤter des Ordens zu verkaufen
oder zu verſchenken, ſeine Ritter im Kampfe und in Gefahr nicht
zu verlaſſen, Burgen und Staͤdte ohne des Koͤnigs Geheiß nicht
zu uͤbergeben, ſeinen Befehlen Folge zu leiſten, ſeine Feinde
zu verfolgen, das Gebiet der Mauren zu verheeren, das Recht
des Reiches uͤberall zu vertheidigen und bereit zu ſein, zu je⸗
dem Krieg, den der Koͤnig fuͤhrt, bewaffnet auszuziehen.
Den in den Orden eintretenden Rittern ertheilt der Or⸗
densmeiſter ſelbſt die Inſignien. Iſt jedoch der Koͤnig oder
der Thronfolger gegenwärtig, fo verrichtet dieſer die Ceremonie
der Aufnahme. Wohnt zufaͤllig ein Abt des Ciſtercienſerordens
derfelben bei, fo ertheilt dieſer bie Ritterzeichen und nimmt
ben Huldigungseid ab").
Die Brüder von Avid waren Mönche und Ritter zugleich,
und die geiftlichen Brüder hielten fich anfänglich wie die Laien⸗
brüder für verpflichtet, zur Bekämpfung der Mauren ins
Feld zu ziehen. Diefe doppelte Pflicht des Mönchd und des
Ritters, die in einer Perfon. fich vereinigten, mufften fchwer -
auf derfelben laften: innerhalb des Drdenshaufes die Strenge
der Elöfterlichen: Zucht, Clauſur, Faſten, Schweigen und das
ermüdende Einerlei der religiöfen Übungen; aufferhalb des Or⸗
dendhaufes die Beſchwerlichkeit der Witterung, die Muͤhſe⸗
1) Regula Ordinis militaris Avisii a b. Joanne Cirita edita an,
1162 in Henriques, Regula et constitutiones Ordinis Cister. p. 481,
Caet. de Sousa, Provas da Hist, geneal. Tom. I. p. 13. Beide
. Herausgeber haben die Statuten bed Ordens von Avis ber Chron. de
Cister. von Brito (liv. V. cap. 11) entiehnt, wo fie zuerft gedruckt
erfchienen. Unbemerkt barf e& nicht bleiben, daß Brito, ber fie, feiner
Angabe nach, von einem alten Pergament abfchrieb, der Einzige ift, ber
diefe Urkunde gefehen hat. Die Unterfihrift: Petrus Proles Regis Par
Francorum et Magister novae Militiae bildet einen Knoten, den bie
Kritik viel leichter findet, als, bei der Annahme der Echtheit der Urkunde, -
zu löfen vermag. Vergl. übrigens Sousa, Hist. geneal. T. I. p. 42.
Regierung Affonfo's L, 1128 — 1185. 87
ligfeiten und Gefahren des Kriegs, Verftümmelung, oft ſchmerz⸗
voller Zod oder noch fehmerzvollere Gefangenfchaft. Und doch,
je größer Die Anflvengungen und Mühjfeligkeiten des Kriegsle⸗
bens waren, defto verbienftlicher. frhienen fie dem Ritter. Je⸗
der Sieg über die Feinde des chriftlichen Namens hob eine
Stufe höher im Himmel und der Zurädgekehrte labte in der
ftilen Zelle feine Einbildungsfraft an dem Lohn, der ihn jen⸗
feitö erwartete. . Er war nicht müßig gewefen, wenn er bad
Brevier ruhen ließ und das Schwert mit Saracenenblut färbte.
Diefes feltfame Verſchmelzen von Ritter-, Chriften- und
Mönckhöpflichten, dieſer Wechſel des befchaulichen Klofterlebens
mit dem Geräufche und den Drangfalen ded Krieges, biefer
Lebensverfehr nach innen und nad) auffen mit den Gebilden
und Ahnungen der überfinnlichen Welt und mit den Erfah:
zungen einer rauhen Wirklichkeit muffte Männer von einem
Muth und einer Unerfchrodenheit, daneben von einer Gemuͤths⸗
tiefe und Gottergebenheit bilden, wie fie nur jene Verhaͤltniſſe
in jener Zeit zu bilden im Stande waren. „Der Klang der
Trompeten macht eure Untergebene zu Löwen, und ber Ton der
Glocken verwandelt fie in fanfte Schafe," fagte König Sancho
von Caſtilien zum Abt Raimund, dem Stifter des Ordens von
Galatrava, als er bei einem Aufftande der Saracenen fah, mit
welchem Muth die Priefter und Kleriker ausyogen und welche
Tapferkeit fie im Gefechte zeigten, und darauf die wiürbige
Haltung und Sorgfalt bemerkte, womit fie im Chor den Got:
teödienft hielten. Erſt ald im Laufe der Zeit die Anzahl der
Drdensangehörigen fich fehr vergrößert hatte, ſchiẽden ſie ſich
in Bruͤder, die den Chordienſt verrichteten, und in andere,
welche Waffen trugen und ins Feld zogen ).
Die Nitter des Ordens von Avis fanden an Verdienften
um Fürft und Vaterland den Tempelherren und Sohanniter-
rittern keineswegs nach. Schon die oben angeführte Urkunde,
worin König Affonfo IT. ihnen den Ort Avis fchenft, zeigt,
in welchem guten Andenken bei ihm ihre Thaten unter den er:
ſten Königen von Portugal flanden. Alle drei Drden aber
wetteiferten in Zapferkeit und Eifer für ihren Glauben und
1) Monarch. Lus. liv. XI. cap. 1.
88 Erfter Beitraum. L Bud. 3. Abſchu.
Ä r
ihren vaͤterlichen Herd. Oft genug wird ihrer Verdienſte in
Urkunden der Zeit gedacht, und wie manche Heldenthat mag
fuͤr die Geſchichte verloren gegangen ſein, da die Portugieſen
jener Zeit lieber und beſſer fochten als ſchrieben. Beinahe je⸗
des Jahr zog Koͤnig Affonſo J. mit ſeinen Rittern und Krie⸗
gern ins Feld; unzaͤhlig waren die Kaͤmpfe, zu denen er ſie
anfuͤhrte, die Schlachten, die er lieferte‘). Nur die wichtigern
werden in ben Chroniken berührt und nur wenige war uns
vergönnt zu erzählen. Die lehten feines Lebens, wie die Un-
fälle, die den Eöniglichen Greis trafen, dürfen mit mit Still
ſchweigen Übergangen werben.
4) Die legten Zeiten Affonfos I.
Sen unglüdticher Krieg mit dem König von Leon, feinem
Schwiegervater. Er wird beflen Gefangene und muß
die galicifchen Orte zuruͤckgeben. Neue Kämpfe mit den Sa:
racenen. - Affonfos großer Sieg über fie bei Santarem. Gruͤn⸗
dung bes Nitterordend des heiligen Meichaeld vom Flügel.
An die Stelle des greifen Affonfo tritt der jugendlich Eräftige
Sancho und führt die portugiefifchen Streiterfchaaren gegen
Sevilla. Die Saracenen greifen zu Land und zur See Pors
tugal an. Erſter Seefieg der Portugiefen unter der Anfühs
rung des Fuas Roupinho. Aufbruch des Miramulim mit
ungeheuren Streitmaffen aus dem maurifchen Afrika und
Spanien. : Belagerung Santaremd. Affonfo eilt zum Ents
fag herbei und verbindet fich mit feinem Sohne. Portugal
‚gerettet durch einen glorreichen Sieg Über die Ungläubigen,
den legten Affonfos. Er flirbt 6. December 1185.
Nach der Eroberung von Evora fcheinen die Waffen des Koͤ⸗
nigs einige Iahre geruhet ober doch den Chroniften Feinen Stoff
gegeben zu haben. Erſt im Sabre 1169?) fehen wir Affonfo in
1)... nam praelia, quae gessit, nemo poterat annotare, fuerunt
namque multa et innumerabilia, non solum cum Paganis, sed etiam
cum Christianis, qui nimium invidentes ei volebant diripere, et inva-
dere Regnum ejus etc. Chron. Lus. aera 1163.
2) Das Chron. Lus. muß bier nad) dem Livro de Noa de Banta
Regierung Affonfo’s L, 1128--1185. 89
einem folgenveichen Kampf mit den Mauren in Badajoz bes
griffen. Nach einigen. Gefechten drang der König mit feinem
Heer in die Stadt; die Mauren zogen fich in die überaus
ſtarke Sefte derfelben zurüd. Kaum hatte der König von Leon
Kunde von dem Angriff der Portugiefen auf Badajoz erhalten,
fo verfammelte er in Eurzer Zeit ein Heer und z0g zum Ent:
ſatz Diefer Stadt heran. Er glaubte nicht allein nähere Rechte
auf Babajoz zu haben, das, nach Einigen, unter feinem
Schutze fland und ihm Zribut zahlte; der König von Portus
gal hatte ihm auch noch von einer andern Seite gegründete
Urfache zur Unzufriedenheit gegeben. Er nahm. fortwährend
bie Provinz Limia und mehrere Orte in Galicien, als angeb>
liche Mitgift feiner Mutter Zherefia, in Anfpruch, und hatte
nicht lange zuvor (1167) Limia und Zuron wirklich in Beſitz
genommen. Der König von Leon, ber feiner Seits durch den
Wiederaufbau von Ciudad Rodrigo die Portugiefen nicht we⸗
nig beunruhigt hatte, erfchien jegt mit einem Heere vor. Bada⸗
joz, um ben ruͤckſichtslos um fich greifenden Affonfo zu züchtigen
und feine Vortheile über einen Feind geltend zu machen, der
feine Streitkräfte, die durch die wiederholten Ausfälle der
Mauren bereit3 geſchwaͤcht waren, nun gegen zwei Feinde
tbeilen muſſte. Affonfos Streiterhaufen waren fehon mit dem
Bortrab ver Leonefen handgemein geworben, ald er, ben
Seinigen zu Hülfe eilend, dad Unglüd hatte, während er
durch das Stabtthor fprengte, an einem Riegel deffelben fich
nen Schenkel zu quetfhen. Dennoch ritt er ind Gefecht.
Da flürzte fein ebenfalls befchädigtes Pferd und zerbrach ihm
vollends das Bein. In diefer hülflofen Lage ward er von
den Feinden gefangen und vor den König von Leon gebracht.
Ferdinand empfing und behandelte mit Edelmuth feinen
Schwiegervater, erzeigte ihm alle feiner Töniglichen und per:
fönlihen Würde gebührende Achtung und ließ mit liebevoller
Sorgfalt feinen Beinbruch heilen. Affonfo SHenriqued Dages
gen zeigte fich zu jedem Opfer bereit; er fol felbft fein Reich
Cruz de Coimbra berichtigt und ftatt der Ära 1206 die Ära 1207 ale
die richtigere angenommen werben. Vergl. Esp. sagr. Tom. XXI.
p. 95.
1169
90 Erfter Zeitraum. i. Buch.” 3. Abſchn.
und feine Perfon zur Suͤhne dargeboten haben ). Der. be:
tagte, bisher immer gluͤckliche Sieger, jegt von einem jungen
FKirften, feinem eigenen Tochtermann, befiegt, gefangen und
übertroffen, weit übertroffen an Großmuth, mochte in einem
ſolchen Augenblid das begangene Unrecht tief empfinden, Thron
und Leben für nichts achten, nur um fich über fein Misge⸗
fchict zu erheben. Und doch übertraf ihn. fein ebler Gegner.
Er verlangte auf der Höhe des Sieged von dem gefangenen, .
verwundeten König weiter nichts, ald was er, auf gleicher
Linie des Gluͤcks mit ihm, vor dem Siege ‚verlangt hatt? —
fein Eigenthum oder was er dafür hielt: Limia, Turon und
die Übrigen Orte in Galicien, die er zu feinem Reiche rechs
nete. Affonfo verfprach fie herauszugeben, und. durfte darauf
nach Portugal zurückkehren. Aber er empfand fein Leben-lang,
zur wehmüthigen Erinnerung, die Bolgen feined Unfalls, konnte
nimnter fein Streitroß befleigen, nimmer feinen liebſten Pflich⸗
ten, den Pflichten des Ritters leben.
Obgleich dem Greiſenaltar nah, blieb Affonſos Einbil⸗
dungskraft jugendlich und nach wie vor empfaͤnglich fuͤr kuͤhne
Unternehmungen. Auch jetzt noch war ſein Blick faſt unver⸗
wandt auf die Saracenen gerichtet, deren Ungeſtuͤm er mit
feiner raſchen Thatkraft am liebſten begegnete, als ob ihr fübs -
liches Feuer fich dem Abendländer im lebenslangen SKampfe
"mit ihnen mitgetheilt hätte. Aber er muſſte nun andern Krie⸗
gern, die er gebildet oder die fein Beiſpiel angefeuert hatte,
es tıberlaffen feine Streiterfchaaren gegen Die Ungläubigen
zu führen.
Um während feine Aufenthalts in den Heilbädern von
Lafoes ?) feine Entfernung von ber maurifchen Grenze nicht
fühlbar werden zu lafjen, trug er noch im September deffel:
ben Jahres den Zempelrittern, die er fo bewährt gefunden, Die
Bertheidigung von Alentejo und die Fortſetzung der Erobe
1) Sed Rex Portugalliae, fagt der Erzbiſchof Roderich, gravis dis-
criminis attendens statum, confessus est se Regem Fernandum inde-
bite offendisse, et pro satisfactione Regnum obtulit, et personam.
Sed Rex Fernandus pietate solita mansuetus, suis contentus Regi
Portugalliae sua remisit.
2) Ribeiro, Diss. T. III. p. 156.
— —— ..
Dan. - ef Zt
Regierung Affonfd’s L, 1128 — 1185. 91
rungen auf, indem er ihnen ben britten Theil von Allem, was
er jenfeit des Tajo erwerben würde, unter gewiffen Bedin
gungen verfprach '). Darauf ſchickte er im folgenden Jahre
den Soncalo Mendez da Maya, vorzugöweife ber Kaͤmpe
(o Lidador) genannt, an der Spige einer auserlefenen Schaar
portugiefifcher Edlen gegen die Mauren. Ein doppelter Sieg
Trönte die glänzende Tapferkeit der chriftlichen Ritter. Doch
ihre Freude wurde getrlibt durch den Tod ihres Anführers,
bes fünfundneunzigjährigen Helden, der von Wunden bebedit
bald darauf feinen Geift aufgab °).
Den erlittenen Verluſt zu rächen und den Fleden auszu⸗
tilgen, verfammelte Juſuf, Beherrſcher der Almobaden in
Afrika und Andalufien, ein gewaltige Heer, feste mit ihm
nach Spanien über, verftärkte fih noch in Andalufien und
entfendete, während er felbft, wiewohl ohne ſonderlichen Er:
folg, in die Länder des Königs von Caſtilien einfiel, eitie ſtarke
Heerabtheilung gegen den König von Portugal. Affonfo be
fand fich in Santarem, als ihm die Nachricht von dem Eins
dringen und den Verheerungen eines mächtigen Saracenenhees
res in Alemtejo und von dem Vorhaben des maurifihen Ans
führers Abaraques, ten König in Santarem aufzufuchen, hins
terbracht wurde. Sofort traf diefer die nöthigen Vorkehrun⸗
gen, befeftigte den Ort, und bot feine Streiterhaufen auf.
Alles war wohl vorbereitet, ald der Feind erfchien. Da Af:
fonfo befürchtete, die Saracenen möchten den Mauern ber
Stadt fo nahe Fommen, daß ihm Fein Raum zu einer Schlacht,
die er beabfichtigte, uͤbrigblieb, ließ ex die Beherzteſten von
feinen Leuten ausruͤcken, um von einem günftigen Poften aus
jene entfernt zu halten. Die Portugiefen führten dies fo treff-
lich aus, daß die Zeinde mit Verluft fih zuruͤckzogen. Doc)
ber maurifche Zeldherr ward dadurch eben fo wenig beunruhigt
als durch den Verluſt an Mannfchaft, den eine längere Bela⸗
gerung unfehlbar mit fich führte; er vertraute auf die Größe
feines Heered. Affonfo aber fah ungern die Belagerung fich
1) ©. ben oben in der Geſchichte der Tempelritter angeführten
Vertrag.
2) Mon, Las. liv. 11. cap. 16 und 17.
1‘
11
92 Erfter Zeitraum. 1 Bud. 3. Abſchn.
-in bie Länge ziehen; es widerſtrebte feiner natürlichen Rafchheit
und gefährdete feinen Ruhm, mit dem er felbft bisher Andere be⸗
lagert hatte. Auch mochte die Furcht vor dem König von
Leon, der mit einem anfehnlichen Heer im Anzuge war und
bei dem er, der frühern Mishelligkeiten wegen, feindfelige Abs
fichten argwohnte, feinen Vorſatz, mit feiner Pleinen Schaar
eine Schlacht zu. wagen, zur Reife bringen. Alle Bedenklich⸗
keiten, alle Abmahnungen ver Seinigen fcheiterten an feiner
Seftigkeit. In fein Belt während der Nacht zuruͤckgezogen, em⸗
pfahl er fih und feine Schaar der Fürforge des Himmels, und
führte fie, geftärkt durch den Genuß des heiligen Sacraments,
mit Tagesanbruch in Schlachtordnung gegen den Feind. Es
begann ein heiſſer Kampf der lange unentſchieden blieb, bis
durch den Tod des Alferes Mor das Eönigliche Banner in die
Hände der Saracenen fiel. Sie ſchoͤpften Siegeshoffnung, und
die entmuthigten Portugiefen wären überwältigt worden, hätte
nicht der König, ihnen zu Hülfe eilend, vom Kriegswagen fich
berabgefchwungen, felbft zu Fuß mit Heldenmuth gefämpft und
fo gewaltig die Seinigen zur Nacheiferung fortgerifien, daß
nicht nur dad Banner wieder erobert, fondern der Feind zu
weichen gensthigt warb und endlich in der Flucht feine Ret⸗
tung fuchte. Die reiche Beute, die er zurüdließ, vertheilte der
König unter feine Krieger, befonderd unter Diejenigen, welche
die Fahne wieder erobert hatten; für fich felbft behielt er nut
die Ehre des Sieges.
Die Kunde. von diefem Stege der Chriften erreichte dem.
König von Leon, ald er noch drei Tagereifen von Santarem ents
fernt war. Er ließ dem Sieger durch eine Botfchaft Gluͤck
wuͤnſchen und ihm verkünden, daß fein Heerzug beabfichtigt
- habe ihm Hülfe gegen die Saracenen zu leiften. Affonfo war
dieſe Botfchaft um fo erfreulicher, da fie ihm des Königs freunds
liche Gefinnung verbürgte und alle Beforgniß eines Krieges
von diefer Seite zerftreute. Die Geſandten überbrachten ih-
vem König den Dank Affonfos, und zum Gefchen? und Zei:
chen feiner Gefinnungen die beften Stüde der eroberten Beute.
Diefer Sieg foll dem König von Portugal Anlaß zur
Stiftung eines neuen Ritterordend gegeben haben. Mitten im _
Feuer jenes Kampfes um die Fönigliche Sahne erfchien dem
Regierung Affonfo’s I, 1128 — 1185. 93
€
König, fo erzählt die Stiftungsurfunde des Ordens, ein be:
waffneter und beflügelter Arm, der für ihn flritt und den er
für den Arm des Erzengeld Michael, deffen Beiſtand er
angefleht hatte, hielt. Aus "Dankbarkeit fliftete Affonfo,
während feines Aufenthaltes im Klofter Alcobaga nach der.
Schlaht, den Orden des heiligen St. Michael vom
Flügel (del Ala), deffen Ritter den heiligen Michael als ih-
ren Schußpatron und den Abt von Alcobaca, der Die Gerichtd-
barkeit über fie hatte, als ihren Prälaten und Vorgeſetzten
anfahen. Die Zahl der Ritter, die von gutem Adel fein muff-
ten, beflimmte der König. Neben ben gewöhnlichen Ritter:
pflichten war ihre Hauptobliegenheit, daß fie in der Schlacht
um die Perfon des Königs fih aufhalten und die Fönigliche
Sahne befchügen muſſten). Da der König dem Orden keine
Güter und Einkünfte gab, fo Eonnte er nicht zu einiger Fe
fligkeit gedeihen und verfchwand fchon unter diefer Regie
rung wieder. |
Der Kampf vor Santarem war der legte, in welchem
der König perfönlich mitfocht und den er im eigentlichen
Sinn felbft gewann. Nur noch einmal, im vorlegten Jahre
feined Lebens, fehen wir ihn mit einem Heere gegen die Sa⸗
racenen ziehen, ohne jedoch, wie e8 fcheint, felbft mitzukaͤm⸗
pfen. Sein Eörperliches Leiden und fein hohes Alter raub⸗
ten ihm, wenn auch nicht den Muth, doch die Kraft. Mit
freudigem Auge aber konnte er auf einen Juͤngling hinfchauen,
der die verwaifete Feldherrnſtelle aufzufüllen und den greifen
1) Constitutiones Militum S. Michaelis sive de Ala in Henri-
ques Regıla, Constit. Ord. Cister. pag. 483. Henriques hat die
Urkunde entlehnt aus der Chronica de Cister. (liv. 5. cap. 19) von
Brito, der fie zuerft publicirt hat. Auch hier gilt, was von ben Sta:
tuten des Ordens von Avis oben bemerkt worden ift. Die Kritit kann
bier nur Verdacht erweden, den erwedten aber nicht befeitigen. (Vergl.
Ribeiro, Diss. T. IH. p. 153). Selbſt Brandä&o drüdt ſich nicht
fehr gläubig aus: Reconhecido el Rey D. Affonso disto (naͤmlich die
Erfcheinung bes bewaffneten Arms) dizem que instituio huma cavalla-
ria com a insignia da Aza. Jedenfalls ift die Jahrzahl der Urkunde
1167 unrichtig.
94 Erfter Zeitraum... I. Buch. 3. Abfhn.
König fortan zu vertreten ‚mit Kraft ausgeruͤſtt war. Es
war fein eigener Sohn ').
Sancho, geboren 1154 den 11. November (am heiligen
Martinstag, weshalb er auch in der Taufe den Namen Mar:
tin erhielt), war von feinem Vater am Tage Marid Himmel:
fahrt in Coimbra wehrhaft gemacht”) und fomit dem Kriegs:
und Ritterdienft feierlich geweiht worden. An der Seite feines
großen Vaterd wurde fein Friegerifcher Sinn frühzeitig geweckt,
feine Kraft weife geleitet, fein natürlicher Muth entzündet und
geſtaͤhlt. Im legten Jahrzehent der Regierung trat endlich der
in den Waffen’ grau gewordene Water vom SKriegöfchauplag
zuruͤck und läfft dort den Sohn den Ruhm eines trefflichen
Krieger, der in ben Augen ber Zeitgenoffen faft allein zum
Thron befähigte, und den Ruhm eined Saracenenbefiegers, der
gefetertfte bei den Portugiefen, erfämpfen.
Alle früheren Kriegsunternehmungen und Siege Sanchos
überftrahlte fein Bug gegen Sevilla. Seitdem bie Araber
diefe Stadt den Gothen entriffen hatten, war hier Fein chrifts
liches Heer gefehen worden. Darum flaunten die Mauren nicht
weniger ald die Chriften über Sanchos Muth und Verwegen⸗
heit, als er mit feinen Kriegerfchaaren in Zriana, eine Vorſtadt
von Sevilla, plündernd und verheerend einfiel. Die Sarace⸗
41178
1179
nen erhoben fih mit Macht. Es Fam zu einem Treffen; ber
chriftlihe Held fiegte und zog mit großer Beute in Die Hei⸗
mat zuruͤck ).
Indeſſen war dieſer Sieg mehr glänzend als nuͤtzlich; er
- bob Sanchos Ruhm, ohne Portugald Wohl zu fördern, und
fleigerte die Erbitterung des Zeinded. Im folgenden Jahre
z0g Aben Jakob, ein Sohn des Königs der Almohaden, ein
flarfes Heer zufammen, um den erlittenen Schimpf zu rächen,
fiel in Portugal ein, verbreitete überall Schreden und Verwuͤ⸗
1) Ao forte filho manda o lasso velho,
Os Tuusiadas Canto III. 75.
2) Chron. Lusit, aera 1192.
3) Ib. aera 1208, Ä
4) Chron. Lusit. aera 1216 und Chron. Conimbr.
Regierung Affonfo’s I, 1128 — 1185, v5
fung und belagerte Abranted am Ufer des Tajo). Doc)
vergeblid. Der Infant eilte herbei, um den Plag zu ent⸗
fegen, und nöthigte den Feind nach einem großen Verluſt
zum Abzug. Die Schande des fchlechten Erfolgs der ſarace⸗
nifchen Waffen vermochte Aben Iufuf, König von Marocco,
nicht zu verfchmerzen. Er fammelte ein zahlreiche Heer und
rüftete eine Flotte aus, um Portugal von der Land- und
Seefeite zugleich anzugreifen. Nachdem er an der Küfte von
Spanien gelandet war und bier Verſtaͤrkungen an ſich gezogen
hatte, fiel er in Portugal ein. Bei diefem Einfall wurde
wahrfcheinlich die Fefle Coruche eingenommen und gefchleift ?).
Darauf wandte er fich nach Ponte de Mois, um es zu bela=.
gern, ald Fuas Roupinho, der Fronteiro Mor jened Bezirks,
an der Spitze eined portugiefifchen Heeres heranrüdte, um
den Zortfchritten der Ungläubigen Einhalt zu thun. Fuas
entfprach den Erwartungen, Die man von ihm hegte, griff
kuͤhn und geſchickt die Saracenen an, ftredte einen Theil der:
ſelben auf das Schlachtfeld hin und zwang den andern zum
Rüdzug. —
Unterdeſſen verheerte die ſaraceniſche Flotte die Kuͤſte von
Setubal und Liſſabon. Die wenigen Fahrzeuge, welche Por:
——
—r
tugal befaß, reichten zum Schu und Widerfland nicht hin.
Man rüftete neue aus und vertraute die Beine Seemacht dem⸗
felben Helden an, der die Landmacht fo glüdlih und ruhm⸗
voll, angeführt hatte. Fuas fegelte aud dem Hafen von Liffas
bon, um ben Feind aufzuſuchen; er begegnete ihm an ber
Landfpige von Espichel, den 29. Julius 1180, Was ben
Portugiefen an Erfahrung im Seefriege fehlte, das erfehten
fie durch Muth und Unternehmungsgeift, und obgleich noch
nicht einheimifch auf dem Meere, zeigten fie ſich doch ſchon
damals gefchaffen für dieſes Element, das einft der Schau-
1) Chron. Lus. aera 1217. Im October wurde Abrantes belagert
und im December erhielt es ſchon ein Ortsrecht. Zwei Sahre nad) der
Berftörung von Coruche erhält auch diefer Ort einen Foral (25. Mai
1182), worin eö heifft: Volumus instaurare, atque pupulare Coruche,
quae a Saracenis abstulimus,
2) Ibid. aera 1218.
⸗
9060 Erſtet Zeitraum. L Bud. 3. Abſchn.
platz ihres Nationalruhms und ihrer Verdienſte um die Menſch⸗
heit werden ſollte. Der Sieg entſchied ſich fuͤr die jungen
Seekrieger, nachdem der Tod des feindlichen Anfuͤhrers Ver⸗
wirrung unter die Saracenen verbreitet hatte. Die meiſten
Schiffe der Feinde kamen in die Gewalt der Portugieſen. Die⸗
ſer erſte Seeſieg feuerte den Eifer des portugieſiſchen Volks
fuͤr Seeunternehmungen an. Der kuͤhne Fuas Roupinho lief,
wie Brandão erzählt '), zum zweiten Mal mit feinen Fahr:
zeugen von Lifjabon aus, fegelte längs der Küfte von Algarve
hin und überrafchte Ceuta, wegen feiner trefflihen Lage und
feiner Wichtigkeit fchon früh das Ziel der portugieſiſchen Er⸗
oberungskunſt. Es gluͤckte ihm, in dem unbewachten Hafen
mehrere Schiffe der Mauren wegzunehmen, mit der gemachten
Beute die Koſten der Ausruͤſtung zu beſtreiten und Liſſabon
gluͤcklich wieder zu erreichen. Ein aͤhnlicher Verſuch, den er
im Jahre 1182 gegen Ceuta machte, misgluͤckte jedoch und
Eoftete ihm das Leben; nur wenige Schiffe Fehrten nach Liſſa⸗
bon zurüd.
Zu Lande dauerte der Krieg mit Furzen Unterbrechungen
fort, aber alle feine Ereigniffe und Mechfelfälle waren nur
Vorſpiele jenes großen Kampfs, der fich jeßt vorbereitete. Die
Saracenen beabfichtigten nicht Geringeres, als mit einer un
geheuren Macht, welche dad Aufgebot aller Streitkräfte des mau⸗
rifchen Afrikas und Spaniens bilden follte, das Eleine Reich der
Portugiefen mit einem Male zu zertrummern und von hier aus
alle Länder der Halbinfel, in denen einft der Iſlam geherrfcht
hatte, ihm wieder zu unterwerfen 9. Eine dumpfe Bewegung
ging durch die weiten Länder ber abendländifchen Mauren, ans
geregt und geleitet von ihrem Beherrfcher Jufuf, Aben Jakub,
dem zweiten König aus der Familie der Almohaden. Diefer
Fuͤrſt von alter Araberwürde und Großfinnigkeit, ein Heiliger
in den Augen feines Volles ’), dabei vol Muth und Kriegs⸗
erfahrung, ertrug nur mit tiefem Unwillen die vielen Unfälle,
1) Mon. Lus, liv. XI. cap. 81 und 33.
2) Chron. Lusit. aera 1222.
5)... . dictus Rex asini, propterea quod semper asino vehere-
tur, et Propheta Sanctus a populo omni Saracenorum haberetur, 1. c.
Regierung Affonfo’s L, 1128-1185. 97
die in den leuten Zeiten die. Mauren betroffen, den geringen
Erfolg, den feine eigenen Zeldzüge gegen die Chriften der
\ Halbinfel gehabt hatten. Es waren befonders die Portugiefen,
die durch ihr dreiſtes Umfichgreifen auf Koften der Saracenen
und durch ihre wiederholten Siege zur Rache reisten. Nicht
allein, daß fie Eftremadura und Alemtejo nach und nach jenen
entriffen hatten, fie wagten jest feindliche Einfälle in Algarve und
Andalufien und erkühnten ſich fogar die Grenzen, welche Die
Natur ihnen gefeßt zu haben fchien, zu verlaffen, um die Kuͤ⸗
ften von Afrika zu beunruhigen. Und Dies Alles hatten fie
ausgefuͤhrt und führten fie aus mit einem Häuflein Streiter
mn me
und mit den Färglichen Mitteln eined kleinen Reiches.
Die weiten Länder: des Miramulim (Emir el mumenin,
Fuͤrſten der Gläubigen) dagegen, die er durch. Eroberungen
‚noch mehr ausgedehnt hatte, boten reiche Hülfsquellen bar.
Zahllofe Schaaren waren des Winkes ihres Beherrſchers ge
wärtig, ber in feinem Geifte und in der Sffentlichen Meinung
dad Mittel fand, folche Kräfte zu vereinigen und. dem Ziel
feiner Winfche und Hoffnungen, der Wiedereroberung Spa-
niend, entgegenzuführen. Ein Aufruf zum heiligen Kampf ge
gen die Chriften der Halbinfel, an alle mauriſche Fürften und
Statthalter gerichtet, die ihm theild unterworfen, theils ver-
bindet, theils felbft feine Söhne waren, feßte eine unuͤberſeh⸗
bare Menfchenmaffe in. Bewegung. Eine Menge Kriegsfchiffe,
-Sahrzeuge mit Lebensmitteln, Waffen und Belagerungsmafcht-
nen wurden ausgerüftet, Sevilla zum Sammelplat der Strei-
terhaufen, auch der überfeeifchen, beftimmt. Als Alles verfam-
melt, Alles vorbereitet war, brach der Miramulim mit feinem
Heere in Afrika auf, fegelte über die Meerenge und vereinigte
fih) mit dem großen Saracenenheere in Spanien. Sufuf er:
fah aus den Jahrbuͤchern der maurifchen Herrfcher, daß fein
Heer weit größer war als irgend ein maurifches, Das gegen
die Chriften in Spanien gefämpft hatte‘). Nicht weniger als
dreizehn theild ihm untergebene, theild verbündete maurifche
Könige fchloffen fich, nah Brandäo, dem Miramulim an.
Man verweilte nur kurze Zeit in Sevilla, um den Chris
1) Chron. Lus. aera 1222, p. 418,
Schäfer Geſchichte Portugals J. 7
98 Erſter Zeitraum. L Bud. 3. Abſchn.
ſten keine Zeit zu laſſen, Anſtalten zu ihrer Vertheldigung zu
treffen *. Bald drang das Heer, uͤberall Verwuͤſtung verbrei⸗
tend, in Portugal ein. Torres Novas widerfegte ſich zuerft,
‚büßte aber den Widerftand gegen den uͤbermaͤchtigen Anſturm
mit feiner Zerftörung. Darauf rüdte das ‘Heer auf Santa⸗
rem los, wo ber Infant mit der Bluͤthe feiner Krieger den
Feind erwartete, Sancho, ber von Jufufs Abſi chten auf San⸗
tarem benachrichtigt war, hatte dieſen Ort in einen ſo guten
Vertheidigungsſtand geſetzt, als es die Kuͤrze der Zeit und die
mangelhafte Befeſtigungskunſt jenes Jahrhunderts nur irgend
zuließ. Am zehnten Juli erſchienen die Feinde vor Santarem
und griffen am folgenden Tage die Feſte an. Der mauriſche
Ungeſtuͤm bed Angriffs fcheiterte an dem kraͤftigen Widerflande
und an ber feften Haltung der Portugiefen. Diefe flritten für
höhere Güter und fie befeelte Sanchos Name. Dagegen: ge
flattete die Menge der Saracenen bie entſtehenden Lüden in
ihren Reihen wieder auszufüllen und erfeßte bald wieber bie ſin⸗
kenden Kräfte. Mit friſchem Muthe wurde der Sturm Immer
wieberholt, fünf Zage lang. Die erfchöpften Portugiefen er
liegen der Anſtrengung, viele find verwundet, Sancho ſelbſt;
das Mauerwerk droht den Einſturz; bie Rage der Chriften
ſchien rettungslos.
Da erſcheint Affonſo, der greiſe Koͤnig, mit den Streiter⸗
haufen, die er ſchon bei dem Geruͤcht von Juſufs Zuruͤſtungen
aus den Provinzen Entre Minho e Douro und Beira nach
Coimbra gerufen hatte und num mit der Raſchheit eines Iüng-
lings dem bedrängten Sohne zuführt. Er allein gilt für ein
Heer, ein fieggemohntes Heer. Der auflebende Muth der Pors
1) Je umftänblicher das Chron. Lusit. bie Zurüftungen Juſufs ſchil⸗
dert, um fo mehr ift es zu bedauern, daß es bamit fchliefft und wir das
her beſchraͤnkt find auf die dürftigen und abweichenden Nachrichten, welche
fpätere Schriftftellee von der Belagerung Santarems und dem Giege der
Portugiefen geben. Wir enthalten uns ber Darftelung ber näheren Um⸗
fände, weil bei ber Verſchiedenheit ihrer Angabe bei den verfchiebenen
Schriftflelern die Wahrheit nicht mehr zu ermitteln iſt. Freilich liegen
grade in biefen näheren Umftänden die Erklärungsgründe biefes merkwuͤr⸗
bigen Sieges; aber wir wollen ihn lieber unerklaͤrt laffen als uns ber
Gefahr ausfegen ihn unwahr zu erklären.
- oT e— —
Regierung Affonfo’s L, 1128 — 1185.
tugiefen hebt wieber ihre Sache und bie Mauren ziehen fich
in ihr Lager zurüd. Sancho ruͤckt mit feiner Schaar aus der
Stadt und bereinigt fi fih freudig mit dem geliebten Helden.
Man befchliefft im Augenblid der Begeifterung die Verwir⸗
rung des Feindes zu benugen und ihm eine Schlacht zu
‚bieten. Sie beginnt, zum Nachtheil der Mauren, weil
ihnen der erfle Angriff, ihnen gewöhnlich der Worläufer des
Sieges, nicht: verftattet iſt. Ihrer Viele fallen, doch blei-
ben noch Viele; aber Miramulim, ihr Hauptanführer, ihr Hei⸗
liger, wird verwundet durch Feinbeshand ober einen Sturz vom
Pferd, und Beſtuͤrzung ergreift die Saracenen. Sie fliehen
und überlaffen den Chriften die reiche Beute ihres Lagers.
Miramulim ſtirbt beim Überſetzen uͤber den Tajo, oder, wie
Einige wollen, ſchon vorher an der empfangenen Wunde. Por⸗
tugal war gerettet und mit biefem Bollwerk vielleicht das
ganze chriftliche Spanien.
Der Sieg von Santarem, einer der herrlichften, die über
die Ungläubigen auf der Halbinfel erfochten wurden, war einer
der glänzendften Edelfteine in der Krone des koͤniglichen Hel:
ben. Der Ruhm dieſes Zaged war die feierlichfle und —
legte Steophe in dem Kriegögefange feines Lebens. Er ftarb
im folgenden Jahre (6. Dechr. 1185) in Coimbra, damals
ber gewöhnlichen Reſidenz der Könige, und wurde im Kloſter
von Santa Cruz, einer Stiftung feines frommen Sinnes,
beigeſetzt.
Te
Tau
+
1184
6) Überfiht der Regierung und der Verdienſte bes
Königs Affonfo I.
Will man nicht fchlechthin behaupten, daß Affonfo 1.
mehr als irgend ein fpäterer König für Portugal gethan habe,
fo darf man doch unbedenklich annehmen, daß Feiner mehr als
er gethan hat. Die Zeitumftände waren ihm allerdings guͤn⸗
flig, aber ihm bleibt doch das Werdienft ungefchmälert, fie
trefflich genügt zu haben. Der Portugiefe muß es ald eine
dankenswerthe Fuͤgung der Vorſehung anfehen, daß fie dem
erfien König eine Dauer ded Lebens und" der Regierung ver:
lieh, in der auch die weitausfehendften Plane und langwierigs
| *
—
100 Erſter Zeitvaum. 1. Buch. 3. Abſchn.
ſten Unternehmungen zur Reife und Vollendung gebeihen konn⸗
ten. Aber er wirb daneben nicht verfennen, daß fein Affonfo
Henriques die zwei Menfchenalter, bie ihm der Himmel fchenfte,
auch mit Thaten zweier Menfchenalter ausgefüllt hat. Ex
vertheidigte, fagt Die Chronik, ganz Portugal mit feinem
Schwert, erweiterte mit des Heren Hülfe die Grenzen ber
Ghriften, und mehrte das Gebiet der Gläubigen vom Mon:
dego, der neben den Mauern’ von Coimbra hinfliefft,, bis zum
Guadalquivir, der durch Sevilla frömt, und bis zum großen
und zum mittelländifchen Meere ). Er hat zuerft den Grund⸗
ftein des Staats fo feft gelegt, daß Caſtilien die Luft verlor,
feine Selbfländigkeit anzutaften. Durch die politifche Unab⸗
hängigfeit, die er Portugal gab, verhalf er feinem Volk zum
Selbftbewufitfein, wedte das Nationalgefühl und flößte den
Portugieſen den edlen Stolz auf. ihre Würde und Unabhaͤn⸗
gigfeit ein. Erſt feit Diefer Zeit gewannen fie einen inmern,
feften Charafter und xine dieſem entfprechende Auffere Haltung. -
Mit einem Wort, Affonfo I. machte dadurch, daß er Portu⸗
gal zur Unabhängigkeit erhob, die Bewohner deſſelben erſt zu
Portugiefen. Bon dem Augenblide an, wo er mit dem
Schwert in der Hand, und in feinem achtzehnten Lebensjahre
mit einer Selbftändigfeit, welche die frühe Entwidelung feiner
Thatkraft und Regententlugheit zeigt, den Thron, der ihm ges
buͤhrte, eroberte, bi8 zum lebten Lebenshauche, fiebenundfunf:
zig Sahre lang, befolgte er ein und daffelbe Ziel, die Unabs
hängigfeit feines Reichs und Volkes. Laͤſſt es gleich der krie⸗
gerifche Geift, der in feinem Zeitalter herrfchte, ungewiß, ob
und wie weit er nur diefem folgte, fo ift doch auffer Zweifel,
dag nur dad Schwert Portugals Beſtehen ſichern Tonnte und
bie Umftände weit mehr einen Heerführer als einen Regen-
ten foderten. Doch vernachläffigte Affonfo auch nicht die Kunft
der Unterhandlung, und zeigte fich in der Politif eben fo ge
hit ald im Zelde groß. Er kannte die Stärke ver geiftlis
hen Waffen in feinem „Seitalter, und wuflte den Papft für
fi) und feine Plane zu gewinnen. Er fammelte weislich den
Adel und die Stimmführer der Städte (in den Cortes von
1) Chron; Lus, aera 1165,
Regierung Affonſo's L, 118 — 1185. 101
Lamego) um ſich, zog diefe Stände in den Bereich feiner Ent:
würfe und feflelte fie an feine Perfon, indem er ihnen die
Wahl ihres Königs und ihrer Verfaffung anheim zu ftellen
fhien. Aufgeklärt genug, um die Wichtigkeit des ritterlichen
Adels für feine Zwecke vollkommen zu würdigen, begünftigte er
die Einführung fremder Ritterorden und fiftete neue. Indem ,
er dadurch die Muthigften, Kühnften und Edelſten in geord⸗
nete Reihen ftellte, und den Friegerifchen Unternehmungsgeift,
die Rubmliebe und den religiöfen Enthufiafmus in feine Dienfte
nahm, vereinigte er die thätigften und ebelften, bisher zerftreu- -
ten Kräfte in einem Punct, richtete fie auf ein Ziel und er:
baute auf diefe Weife eine unbefiegbare Schugwehr und Vor:
mauer an ben bedrohten Grenzen. So allein warb ed ihm
möglich, zwifchen ‚der ewig unruhigen Macht der Saracenen
und dem midtrauifchen, eiferfüchtigen und überlegenen Cafti-
lien wie zwoifchen zwei Feuern fich zu behaupten und felbft
auf Koften beider fi ch zu vergrößern. :So allein Eonnte es
ihm gelingen, als ein glüdlicher Zufall ihm Verſtaͤrkung zus
führte, den Saracenen jene Stabt am Tajo zu entreiffen, die
fodter der Mittelpunct des. Reichs, die Refidenz der Könige,
Die Niederlage der Schäße Imdiend und das Verbindungsmittel
des morgenlänbifchen und abendländifchen Handels werben
follte. Mit der Einnahme von Liffabon feßte er allen feinen
_ Eroberungen die Krone auf.
Müffen wir aber irgendwo beklagen, daß die Chroniken⸗
fchreiber meift nur Städteeroberungen und gelieferte Schlach⸗
ten aufgezeichnet haben, fo ift Dies bei Affonfo I. der Fall.
Wir lernen nur den Heerführer und König ‚ nicht den Men:
fchen Tennen. Einen Bli zu werfen in dad Gemach, in dem
er den hülfefuchenden Unterthanen empfängt und den Rath⸗
geber. bewillkommt, ober in den Kreis feines Familienlebens,
um den König ald Gatten und Vater kennen zu lernen, ober
in dad Heiligthum feiner Seele, um feine Lieblingsneigungen,
die Triebfedern feiner Handlungen, den Kern feines eigenthuͤm⸗
lichen Weſens zu entdeden, dad Alles iſt uns bei den hoͤchſt
duͤrftigen Nachrichten uͤber ihn nicht vergoͤnnt. Darum fehlt
auch dem Bilde, das wir uns von dieſem Koͤnig eitweiſen⸗
102 Erſter Beitraum: L Bug 4 Abſchu.
der Seelenausdruck des Reinmenſchlichen , das auch dem herr⸗
lichſten Antlitz eines Koͤnigs nicht fehlen darf.
Doch mehr uns als den Portugieſen mangeln die Zuͤge
zu dem Bilde von Affonſo Henriques. Noch lange nach fel-
nem Tode lebte der hochherzige Fürft in der ganzen Fülle ſei⸗
ner Eigenthümlichkeit im Andenken feines Volkes fort, und
die Portugiefen Tannten lange Zeit nichts Höheres auf den
Thronen der Erde als ihren erſten König. Seinen Nachfol⸗
gern warb er ein Vorbild, das die Edleren unter ihnen zur .
1174
Nacheiferung anfeuerte. So geſchah es, daß der erſte Koͤ⸗
nig von Portugal, der im Leben ſo Großes vollbracht hatte,
noch uͤber ſeinem Grabe Großes wirkte durch die ſtille Ge⸗
walt, die ſein erhebendes Andenken uͤber die Herzen ſeines
Volkes und ſeiner Thronfolger ausuͤbte.
Vierter Abſchnitt.
Regierung Sancho's I
(6. Der. 1185 bis 27. März 1211.)
Sancho's Eroberungen.
1) Der König, obgleih tapfer, kriegserfahren und flegreich,
denkt mehr darauf, feinem Lande die Segnungen des
Friedens zu verfchaffen. Doc, benugt er bie Ankunft einer
Flotte mit Kreuzfahrern in Liffabon, um mit ihrer Hülfe
Silves zu belagern. Eroberung dieſer Stadt unb anderer
Orte in Algarve 1189. Er fügt zu dem Titel Rex Portu-
* galliae hinzu: et Algarbii, läfft aber nach dem Verluſte jener
Stadt im 3. 1191 diefen Zufag wieber weg.
Sancho zählte ein und dreiſſig Jahre, als er den portu⸗
giefifchen Thron beftieg, nachdem er bereitd in feinem zwan⸗
zigften Lebensjahre mit Dulce, einer Tochter des Grafen von
Barcelona, Raymund Berengard XII, und Schweſter des Koͤ⸗
Regierung Sancho's L, 1185 — 1211. 103
nigs Alfonfo von Aragonien, fich vermählt hatte‘). Unter der _
Regierung feined Vaters war er nur ald Krieger aufgetreten ;
feine eigne Regierung aber bewies, daß er feine Priegerifchen
Talente nicht auf Koften feiner fanfteren Fuͤrſtentugenden gebil-
det hatte. Auch war die Aufgabe des Sohnes jegt eine andere,
als die feines Vaters gewefen war, und Sancho begriff
und löfte fie trefflih. Affonfos Regierung war eine Friegeris
fche wie Feine andere eines portugiefifchen Könige. Won bem
Augenblid an, worin ex dad Schwert z0g, um fich den Thron,
ber ihm gebührte, zu erfämpfen, bis zu bem Zeitpunct, wo
er nach dem leßten Siege bei Santarem ed nieberlegte, um in
Frieden zu Grabe zu geben, hatte der Kampf mit ben Fein:
den Portugald nur felten geruht. Man raftete nur, um frifche
‚Kraft zu fchöpfen. In den Eurzen Unterbrechungen des Krie⸗
ges that der König feinem frommen Eifer Genuͤge durch die
Gründung und Ausſtattung einer unzählige’ Dienge von Kir:
hen und Klöftern ?), unter denen’ Santa Maria in Alcobaca,
Santa Cruz in Coimbra und ©. Vicente in Liſſabon in ber
Folge die berühmteften wurden; ober er beförberte den Anbau
des Landes und die Anlegung von Ortfchaften, indem er, be:
fonderd in den legten Jahren feiner Regierung, eine große
Anzahl non Drtörechten (Foraes) ertheilte?). Was aber Afz
fonfo während der Eurzen Waffenruhe friedlich) angelegt und
geftiftet hatte, das zerflörte oft ſchon der nächfte Feldzug wie:
der und vermwüftete wohl nachholend, was bisher unverfehrt *
geblieben. Am Ende der Regierung Affonfo’s ſtellt Portugal
1) Chron. Lusit. aera. 1212. Nupsit Rex Sancius... . anno
regni D. Alfonsi 48. Das bier angeführte Regierungsjahr des Könige
Affonfo ift in das Jahr 46 zu verwandeln. Gegen bie Annahme, daß
Sancho erft 1175 ſich vermaͤhlt habe, Tpricht eine Urkunde von 117%,
welche bereits Dulcia als Gemahlin Sancho's unterzeichnet bat. Bi-
beiro Dissert. T. III. p. 160.
2, Einige zählen — doch wohl übertrieben — 150.
3) Wir nennen aus dieſer Zeit nur folgende: bie Ortsrechte von
Eiffabon, Coimbra und Santarem (alle drei vom Mai 1179), von Abrans
tes, Melgato, Coruche, Caldas b’Aregos, Palmela, Aguiar, Barcellos,
Gelorico, Marialva, Moreira, Trancozo 2. x. In ben legten Jahren
unterzeichnet fie neben dem Water zugleich Sandjos Ego Rex Alfonsus
. una cum filio meo, Rege Sancio,
104 Erſter Zeitraum. L Bud). 4. Abſchn.
ein Bild dar, deffen Ausmalyng wir der Phantafie unfrer
Lefer überlafjen wollen; denn die portugiefifhen Chroniften
bieten feine andern Züge ald die ber Zerflörung und Ver⸗
heerung, wie fie unter Voͤlkern, deren rohe ungezügelte Kraft
noch Durch den blinden Religionseifer der Chriften und Nicht:
chriften gefchärft ift, in diefem Zeitalter fich überall wieberho:
len, Feine andere Farbe als das Blut eines mehr als funfzig-
jährigen Krieges, dad jeden bewohnten Drt gefärbt hatte,. weil
jeber Ort mit dem Schwert erfämpft und wiederholt verthei⸗
digt werden muflte.
Affonfo I. hatte endlich feinen Beruf erfüllt; der Boden
war gewonnen. Seinen Nachfolgern und ruhigeren Zeiten -
muffte er ed düberlaffen ihn zu bebauen. Eine glüdliche Fuͤ⸗
gung für Portugal war ed, daß ein König ihm folgte, der
Maͤßigung genug befaß, um von dem Kriegöglüd und Sieges-
ruhm feiner Jugend nicht zu neuen Kämpfen und Eroberungd-
planen fich fortreiffen zu laſſen, und Weisheit genug, um ben
Pflug dem Schwerte vorzuziehen und die gefuntenen Mauern
der Städte und Fleden wieder aufzurichten. Nur dann griff
Sanyo hinfort zu den Waffen, wenn er des Reiched Sicher⸗
heit bebroht fah, oder wenn er mit kleinen Mitteln große
Vortheile- für Portugal zu erreichen hoffte, und ohne feine und
feines Staates Unabhängigkeit zu gefährden, fremde Maffen
in feine Dienfte nehmen Ponnte. Den lehteren Fall führte
wenige Jahre nach feiner Thronbefteigung ein ihm eben fo
guͤnſtiges als von ihm weife benutztes Ereigniß herbei.
Die Schredendfunde von Serufalems Fall (3. Oct. 1187)
"hatte ganz Europa in Bewegung gefeht. Der Enthufiafmus
für die Kreuzzüge flammte noch einmal auf und zahllofe
Schaaren von Pilgern zogen zu Land und zur See nach dem
Morgenlande hin. Eine Flotte von Kreusfahrern aus Däne
mark, Zlandern, Holland und Friedland, die aus drei und
funfzig, nach Einigen aus ſechs und achtzig Sahrzeugen be=
ſtand, wurde an die Küften von Portugal von einem heftigen
Stiturm verfchlagen und rettete fi in den Hafen von Liffabon.
Der König, davon benachrichtigt, begab fich fogleich von Sans
tarem, wo er fich aufbielt, in jene Stabt und befahl ihren
Bürgern, die Fremdlinge freundlich aufzunehmen und mit Les
. Regierung Sancho's F., 1185 — 1211. 105
bensmitteln zu verforgen. Da fie wegen wibriger Winde den
Hafen nicht verlaffen konnten, fo benubte dies Sancho, um
Unterhandlungen mit ihnen anzufnüpfen. Seit feiner Thron⸗
befteigung hatten. fich die Mauren wieder einiger Pläbe be:
meiftert, von denen aus fie die Umgegend und die portugiefi-
ſchen Grenzorte täglich beunruhigten. Um ſich Ruhe zu ver-
Ichaffen, kam der König auf den Gedanken, fremde Arme ges
gen einen Feind zu waffnen, dem er allein, felbft wenn er
feine gefammten Streitkräfte aufbot, nicht leicht gewachfen ‚war.
Seine Anträge fanden Eingang bei den fremden Rittern, und
es handelte fich nur noch darum, gegen welchen Ort man die
vereinten Kräfte richten ſollte. Die meiflen Gründe fprachen
und entfchieden fir Silves in Algarve, am Portimäo, der hier
ſchiffbar zu werden anfängt, eine reiche Niederlage von Lebens-
mitteln und eine Ruͤſtkammer der Saracenen, zugleich ein bes
rüchtigter Zufluchtsort der Seeraͤuber. Man kam überein: im
Dale des Gelingens fol der König die eroberte Stadt, die | |
Kreuzfahrer die erbeuteten Schäge haben.
Sofort ließ Sancho einen Heerhaufen unter der Anfüh-
rung bes Grafen Mendo de Soufa (oder Soufäo, wie man
damals fagte) gegen die Stadt anrüden; die Flotte fuhr in
einen Hafen bei Silved und feste die Mannfchaft ans Land..
Durch einen gemeinfchaftlichen Angriff auf die Stadt, den man
beſchloß und fogleich ausführte, Famen die ummauerten Vor⸗
ftädte in die Gewalt der Chriften, und der Feind zog fih,
nach beträchtlichen Verluſt, in die befefligte Stadt zurüd. Es
wäre jenen leicht geweſen auch in biefe einzubringen, hätte fie
nicht die Habſucht und Raubgier der Kreuzfahrer aufgehalten. Un⸗
terdeſſen hatte der König mehr Truppen verfammelt und rüdte
mit dem Kern berfelben gegen die Stabt, während eine von
ihm ausgeruͤſtete Flotte von vierzig Saleoten und vielen Fahr⸗
zeugen mit Lebensmitteln und Kriegsbedarf ſich der Stabt
näherte. Die Streitmaffen wurden ringe um die Stabt ver:
theilt, die Belagerungsmafchinen gerichtet, der Sturm begamn. -
Allein die Saracenen, ohne Hoffnung des Entfaßes, wehrten
fih aufs hartnädigfte; in dichter Menge fielen die feindlichen
Pfeile auf die Chriften. nieder, fo daß Sancho den Seinen ges
bot fi von den Mauern zu entfernen. Man befchloß nun
100 Erſtor Zeitraum. L Bud. 4 Abſchn.
dieſe durch Minen zu zerſtoͤren, aber der kundige Feind legte
Gegenminen an. Alle Verſuche ſcheiterten an der Wachſamkeit
und dem Muth der Belagerten. Der König ſah mit Betruͤb⸗
niß fo viele feiner Tapfern fallen und die Belagerung, die
fchon drei Wochen dauerte, faft ohne Erfolg ſich in die Länge
ziehen. Doch wollte er fie nicht aufgeben, ehe er alle Mittel
verfucht hätte. -Die Saracenen waren im Beſitze eined Bruns
nen, der fie mit trefflihem Waffer reichlich verforgte und ib-
nen unentbehrlich wie den Chriften wünfchenswerth war. Da
er in einem Bollwerk lag, das durch Thuͤrme ſtark befchügt
wurde, fo richtete der König die beften Streitkräfte gegen bie:
fen Punct, und es entfpann fich hier ein Kampf, der beiden
Theilen viele Menfchen koſtete. Die. Chriflen wurden endlich
Meifter des Bollwerks und febten nun auch von hier aus bie
Belagerung fort. Ihr langfamer Fortgang entmuthigte jedoch
die Kreuzfahrer; fie würden das Unternehmen aufgegeben has
ben, hätten nicht die Vorftellungen ihrer Priefter (fie hatten
beren 36 bei fih) ihren Enthufiafmus wieder entzündet und
fie zu einem wiederholten Sturme fortgeriffen. Während beffen
war der Mangel an Wafler in der Stadt fühlbar geworben,
die Noth flieg mit jedem Tage, die Hoffnung des Entfages
war längft verfchwunden. Da. famen einzelne Saracenen in
Das Lager des Königs, um für fich feine Gnade anzuflehen;
von ihnen erfuhr Sancho, wie ihre Glaubensgenoffen von dem
brennenden Durft gequält und getödtet würden. Aber auch bie
Portugiefen, nachdem fie bereits anderthalb Monat vor ber
‚Stadt erfolglos geftanden und gekämpft hatten, fingen an zu
murren; fie verlangten die Aufhebung ber Belagerung. Die
Kreuzfahrer dagegen ftellten dem König vor, wie unflug und
fchimpflich e8 fei, ein Unternehmen aufzugeben, das fo viel Blut
nekoftet und nun dem erfehnten Ausgang fo nahe ſei; fie er
innerten ihn zugleich an die Verpflichtungen, die er burch den
Vertrag mit ihnen übernommen habe. Doch bei Sancho be
durfte ed folcher Erinnerungen und Vorſtellungen nicht; er
freute ſich vielmehr, in dem Muth und der Ausdauer ber
Fremdlinge eine Stüße zu finden, an ber ex die wankenden
Gemüther feines Heerhaufens befeftigen Tonnte, und gelobte bie
Belagerung fortzufegen, bid er oder ber Feind unterliegen
Regierung Sancho's L, 1165 — 1211. 107
werde. Man befchloß darauf mit ungetheilter Kraft einen
neuen Sturm zu unternehmen, und entfernte die Kranken und
Weiber aud bem Lager. Diefe Bewegung, der Chriften bes
lebte noch einmal die Hoffnung der Belagerten, bald aber bes
nahm ihnen das Verharren des Feindes jeden Strahl derfel:
ben. Sie fahen fich dem jammervollften Elende preisgegeben.
Der unerträgliche Leichengeruch ihrer verfchmachteten Brüder
wurde ihnen ' fchredlicher als der Tod felbfl. Indem fie auf:
Rettung fannen, fahen fie diefe allein in Sancho's bekannter
Menſchlichkeit. Sie befchloffen fie anzuflehen.
Zwei der vornehmflen Mauren und der Alcaide der Stadt
begaben ſich in das Lager des Königs, um ihn um freien Abs
zug ihrer Glaubensgenoſſen mit ihrer Habe zu bitten. Sans
cho , erfchüttert von dem Elende, das in der Stadt herrfchte,
hätte mit Freuden diefe Gelegenheit ergriffen ihm ein Ende zu
_ machen, indem er zugleich das Ziel feiner Anftrengungen erreis
chen konnte; aber es bedurfte dazu der Einwilligung der Kreuze
fahrer, die, von Habgier, Rachfucht und Religionshaß befeelt,
den Tod Aller verlangten. Nur die verfühnenden Vorftelluns
gen, die eindringlichen Bitten des wmenfchenfreundlichen Königs
waren vermögend jene von ihrer unmenfchlichen Foderung ab»
zubringen und zu bewirken, daß ben Unglüdlichen das Leben
geſchenkt und ihnen geflattet wurde in ihren fchlechteften Kleis
dern abzuziehen. So gefchah ed. Die Fremden erhielten alle
Habe und Schäge, die fich in der Stadt vorfanden, und ver:
liefien damit die Küften Portugals. Der König nahm Sil
ved, damals den Hauptort Algarves, in Beſitz (Det. 1189) ')
und erhob ed zum Sitz eines Biſchofs). Auffer Silved eros
berte Sancho in Algarve Alyor, dad er dem Klofler Santa
1) Chron. Conimbr. an. 1190. Über das Jahr der Eroberung von
Silves vergl. Ribeiro, Tom. III. pag. 18%. Anmert᷑. b und pag. 186
Anmerf. c.
2) Consentiente et confirmante hoc Domno Nicolao ejusdem pro-
vinciae et regionis tunc temporis Pontifice — heifft e8 in der Schen»
kungsurkunde. Sancho ſchenkte dem Biſchof Nicolaus von Silves Mafra
und andere Grundbeſitzungen auſſerhalb Algarbe und wies ihm ſelbſt Ein⸗
kuͤnfte von den übrigen Bisthuͤmern von Portugal an. Mon. Lusitan.
Tom. V. Eserit. 16. (Urkunde dee Schenkung von Mafra.)
108 Erfter Zeitraum. J. Bud. 4. Abſchn.
Cruz in Coimbra ſchenkte (Dec. 1189), Lagos, das der Biſchof
von Silves, nach dem Wunſche des Königs, an S. Vicente de
Fora abtrat (1190), und das Schloß Abenemeci, das er dem
Kloſter Alsobaca zuwies (Febr. 1191) ).
Seitdem fügte Sancho in den Urkunden (ſeit dem Der.
diefes Sahres) zu dem Xitel Rex Portugalliae noch hinzu: et
Algarbii und einigemal Silvii?), ließ aber feit dem Verluſt
diefer Stadt (in den Urkunden vom April 1191 an) diefen
Zufag wieder weg — eine Gewiffenhaftigfeit, die in ben letz⸗
ten Sahrhunderten felten geworden ift.
Nur Eurze Zeit erfreute fich nämlich der König des Bes
fißed von Silves. Mit einem mächtigen Heere, das aus dem
maurifchen Afrifa und Spanien zufammengezogen worden war,
brach der Beherrfcher von Marokko, Jakub Aben Juſuf, auf,
ben Tod feines Bruders, jenes. bei Santarem unglüdlichen
Miramulimd , den Schimpf der Niederlage deffelben, vor Al:
lem aber den eignen Verluſt von Silves zu rächen. Er theilte
feine Streitermaffe' in drei Heerhaufen, von denen einer, unter
der Anführung feines Bruders, des Statthalter von Sevilla,
in Algarve einfiel und Silves belagerte, ein anderer, von bem
Miramulim felbft befehligt, oberhalb der Guadiana eindrang,
über den Zajo fegte und Torres Novas, das nad) der Zerftörung
duch den Miramulim Juſuf wieder aufgebaut worden war, eins
nahm. Die dritte Abtheilung führte der Statthalter von Cor⸗
dova durch Alemtejo gegen Evora, zerftörte und verbrannte
die Fruchtfelder und Weinberge der Umgegend. und vereinigte
fi) mit dem Miramulim, der fein Lager am Tajo aufgefchlas
gen hatte. Alle Drei hatten fich in der Verheerung und Plün-
- derung der Dörfer und Fluren, durch welche fie gezogen wa⸗
ren, einander uͤberboten; bie Einnahme ber Feſten und Städte _
folte nun den bisherigen Raub⸗ und Streif-Zug zu einer Ero-
berung erheben, ald der Miramulim plößlich von einer Krank⸗
1) Mon. Las. liv. 12. cap. 9.
2) Ribeiro baut wohl zuviel auf die Gleichförmigkeit und Stetig⸗
keit der Unterfchrifteformel, wenn er die Urkunden, in welchen Silvii
hinzugefügt wird, darum verbächtigt, weil ber bloße Zuſatz Algarbii ges
wöhnticher ifl. Cfr. Ribeiro, Tom. III. p. 184 Anmert. o.
Regierung Sancho's I, 1185-1211. 109
heit befallen wurde. Er hoffte noch: Zhomar ‚und‘. Abrantes
wegzunehmen , allein fein ſchnell feigended Leiden befchleunigte
feinen Ruͤckzug nad) Sevilla, wohin ihn. der Statthalter von
Cordova begleitete. Noch febte der Bruder des Miramulim
den Krieg oder vielmehr die Verheerungen in Algawe und
Alemtejo fort; fobald er jedoch. den Rüdzug. jener bernommen,
folgte er ihnen unverweilt nad). |
Sancho hatte bei der Kunde.von ben ungeheure Streits
fräften, die gegen ihn anrücdten, weislich eine Schlacht ver=
mieden und den Feind durch eine langwierige Belagerung, zu
der er ihn nöthigte, zu fehwächen gefucht. Er hatte fich dar⸗
auf beſchraͤnkt, Überall, wo feine Gegenwart nöthig und nüß-
Tich war, die fchleunigfte Hülfe zu bringen und durch Klugheit
und Schneligkeit zu erfegen, was ihm an Macht und: Hülfs-
Eräften abging. Der Erfolg ‚hatte feine Klugheit belohnt.
2) Sancho's Verdienite um dad Land.
Seuhen und Miswachs verheeren und entvölfern "Portugal.
Die Saracenen benugen bie Drangfale: des Landes und
fallen in daffelbe ein. Silves geht wieder verloren. Viele
Portugiefen gerathen in bie Sefangenfchaft der Ungläubigen.
Mitten in diefer Noth erwirbt fih Sancho I. durch Befoͤr⸗
berung bed Landbaues den Beinamen el Lavrador, durd)
feine Sorge. für den Aufbau und die Bevölkerung der Flecken
und Burgen, wie durch Ertheilung von Ortsrechten an eine
Menge Gemeinden den Ehrennamen el Poblador. Er be:
ſchenkt und geroinnt für ſich bie Ritterorden.
Nur fah er, nach dein Abzug der Feinde, mit Betruͤbniß |
‚bie Fluren eines Theils feiner Staaten zertreten, den Land⸗
bauer feine Lebendunterhaltes beraubt und dem bitterften
Elende preiögegeben. Als -wollte die Natur den Schauplag
von. Sancho’3 Fürftentugenden erweitern und diefe in ein gläns
zendes Licht ſtellen, ließ fie den WVerheerungen, bie in einem
Zheil bon Portugal die Menfchen angerichtet hatten, ihre eigs
nen Verheerungen im ganzen Reiche nachfolgen. Ungewöhns
liche und langanhaltende Regengüffe verdarben das Getreide
wie die Frucht des Weinſtocks und des Delbaumd; was noch
unverfehrt geblieben, verzehrte eine Unzahl von Würmern, bie
‚110 Erſter Beitraum. L Bud. 4 Abſqhu.
. in der Feuchtigkeit ſich erzeugt hatten. Darauf trat: eine Duͤrre
ein, bie den Anbau der Fluren unmöglich machte. Im Ge
folge diefer regellofen Naturereigniffe erfchien eine peftartige
Krankheit, die eine zahllofe Menfchenmenge hinwegraffte und
in manchen Gegenden in der fürchterlichften Geftalt fich zeigte.
Sroße Ortfchaften im Bisthum Porto farben aus bis auf eins
zelne Menfchen. Im Gebiet von Braga empfanden die von
ber Krankheit Exgriffenen, Männer wie Frauen, den entfeßlichs
fien Brand in den Eingeweiden und vom ungeheuren Schmerz
zum Wahnſinn getrieben, nagten fie an fich felbft, bis fie. ret=
tungslos den Geift aufgaben. Die Gefunden aber wurben
von fürrchterlichem Hunger gequält, Viele flarben daranz denn
eine Reihe von Misjahren hatte alle Lebensmittel verfagt, und
mühfem fuchte der Menfch zu feiner Nahrung dad wenige
Gras zufammen, das allein die karge Natur noch hervortrieb 9.
Die weife und milde Sorgfalt, womit der König beſon⸗
ders die niederen Stände feines Volks in ruhigen Zeiten hegte
und pflegte, verleugnete fi) gewiß nicht in ben Zeiten ber
Noth; aber feine Mittel mochten ebenfowenig hinreichen fol=
chem Elend abzuhelfen und folche Bebürfniffe zu befriedigen,
als fie. feinem Iandesvdterlichen Herzen genügten. Sie wurden
überdie8 noch in Anfpruch genommen von ben Feinden des
Baterlandes. | |
Die Ungläubigen erhoben fih, um von den Drangfalen,
von denen Portugal heimgefucht wurde, Vortheil zu ziehen;
fie durften jeßt hoffen nur geringem Widerftand zu begegnen.
Mit der anfehnlihen Macht, welche damals der Statthalter
von Sevilla befaß, griff er das unglüdliche Land an. Eine
Flotte unterflüßte den Angriff. Nach einer fchredlichen Vers
beerung der Landitriche, Die dad Heer durchzog, wurbe Alcacer
do Sal belagert, beftürmt und eingenommen. Ald die Einwohner
von Palmella, Cezimbra und Almaba fahen, wie das ftarfe und
wichtige Alcacer faft ohne Widerftanb gefallen war, verzmweifels
ten fie daran fich felbft vertheidigen zu koͤnnen, verlieffen ihre
Wohnſitze und flüchteten fich in andere, die ihnen mehr Sicher:
1) Nunes do Liäo, Chron, I. p. 169. Mon. Lusit. liv. 18.
Gap. 20, \
Regierung Sancho's L, 11855 —1214. 111
beit verfprachen. Der Statthalter ließ darauf die verlafienen
Drte von Grund aus zeritören. Dann wandte er fich gegen
Silves und drängte es fo gewaltig, daß die Chriften, um ihr
Leben und Vermögen zu retten, die Stadt übergaben ').. So
wurben die Mauren durch ihre große Überlegenheit an Streit=
fräften wieder Herren von Silves, und erſt Affonfo IH. entriß
ihnen dieſe Stadt und andere Orte in Algarve für immer.
Mishelligkeiten mit dem Könige von Leon hatten, wie ed
ſcheint, Sancho unterdeffen an den nördlichen Grenzen feines
Reichs befchaftigt ). Sobald diefe beigelegt waren oder noch
früher, ſchloß Sancho mit dem Statthalter von Sevilla einen
Waffenſtillſtand auf fünf Jahre ab, um feinem von allen
Drangfalen heimgefuchten Volke die erfehnte Ruhe zu verfchaf:
fen. Nun erft Eonnte der König dem Zuge feines Herzens
Der lebte Einfal der Mauren war fir Portugal befons
ders verberblich gewefen. Nicht allein, daß man den Chriften
ihre Habe geplündert und ihre Felder verwuͤſtet hatte, fie felbft.
waren in großer Zahl ihrem heimathlichen Herde entriffen und
in Gefangenfchaft über das Meer gefchleppt worden. Auſſer
dreibundert gefangenen chriftlichen Kriegern brachte der Statts
balter von Corbova nach der Eroberung von Silves noch
15,000 Sclaven nach Cordova, die je fünfzig in einer Reihe
zufammengekettet waren’). Nachdem die Bevölkerung bes
Landes ſchon durch Hunger und Elend, Durch Krankheiten
und Kriege fo fehr zufammengefchmolzen war, mochte die
Entziehung fo vieler arbeitfamen Menfchenhände durch Gefans
genfchaft fir den Augenblid das Härtefte fein. Denn eben
Hände, recht vieler Hände beburfte das Land. Die Flecken
und Städte waren zum Theil verlaffen, verödet und verfallen,
1) Conde, Historia de la dominacion de los Arabes en Es-
paäia, Tom. III. cap. 51. u
2, Er foll damals, nad) Andern einige Zahre Tpäter, die galiciſchen
Orte Zuy, Pontevedra und S. Yayo de Lombe ſich unterworfen haben,
die jedoch von feinen Nachfolgern in Folge von Verträgen wieder an die
Krone von Leon abgetreten wurben. Mon. Lus. liv. 12. cap. 19.
3) Conde, ibid.
112 Erfier Beitraum. I Buch. 4 Abſchn.
die Fluren verwuͤſtet und verwilbert. Eine ſchwere Aufgabe,
jene zu bevölfern und dieſe aufzubauen! König Sancho loͤſte
fie und erwarb fich den fchönen Beinamen el Poblador, el La-
vrador.
Auf fein Betreiben wurden viele wuͤſte Landſtriche, die er
armen Landbauern ſchenkte, von dieſen umgerodet, die vernach⸗
laͤſſigten und verwilderten Fluren von neuem gepfluͤgt und
angebaut. Geſchenke und Gunſtbezeugungen, die er den thaͤ⸗
tigſten und betriebſamſten Landwirthen bewilligte, belohnten den
Fleiß und munterten zu neuen Anſtrengungen auf. Der pors
tugiefifche Bauer freute fich, in feinem König den Freund und
Befchliger feines Standes zu fehen, und nannte ben König
mit Stolz el Lavrador. Gleiche Sorgfalt widmete: Sancho
ben Ortfchaften und Städten, die durch die Maurenfriege zum
Theil oder ganz zerflört waren. Er förderte eifrig die Aus⸗
befferung der verfallenen,, den Wiederaufbau der verwüfteten.
Sp erhoben fih aus ihren Trümmern Govilhäo- und Torres
Novas; die Stadt Viſeu und der Flecken Pinhel wurden ver-
fohönert, Monte mor o Novo (1201) ') und ber Zleden Va⸗
lença neu gegründet. Die bedeutenden Rechte und Freiheiten,
bie er in den Foraes vielen Orten ertheilte, Iuden bie zerſtreu⸗
ten und vereinzelten Menſchen in ihre Mauern ein, ermuthig⸗
ten ihren Fleiß, indem ſie den Gewinn deſſelben ſicherten, und
verliehen den Bewohnern nicht allein die Mittel, in großer
Anzahl neben einander zu leben, ſondern machten ihnen dieſes
Zuſammenleben ſelbſt zur Annehmlichkeit und allmaͤlig zum
Beduͤrfniß?). Indem Sancho dem Leibeigenen, der ein Jahr
lang eine Ortſchaft bewohnte, Die Freiheit fchentte?), entfernte.
. er Hinderniffe, die feinen Arm bisher gelähmt hatten, legte
1) Montem majorem volumus populare, Mon. Lus. liv. 12, cap. 28,
2) Das Nähere über diefen Gegenftand f. in dem Abfchnitt über die
Entftehung der Gemeinden und bie Verleihung von Ortsrechten.
3) Concedimus ut omnis christianus, quamvis sit servus, ex quo
Covillianam habitaverit per unum annum, sit liber et ingenuus, tam
ipse, quam progenies ejus. Foral de Covilhäo. Com estes et
outros privilegios, fagt Brandäo, creceo notavelmente a villa, e
he hoje huma das boas povoacödes, que ha neste Reyno etc. Mon.
Lus. liv. 12, cap. 8. J
| Regierung Sando'e I., 1185 — 1211. 113
Triebfebern einer neuen Thatigkeit und Betriebſamkeit in ſeine
Bruſt, regte und entfaltete in ihm Kräfte, die bisher geſchlum⸗
mert hatten. Se ſchwerer die Obliegenheiten der Bewohner
eines Ortes waren, je groͤßern Gefahren feine Lage fie auss
feste, befto bedeutendere Vortheile und: Vorrechte verlieh ih:
nen der König, um fie an den heimatlichen Herd und an
den vaterländifchen. Thron zu feſſeln. So gab er dem feſtge⸗
legenen Pinhel an der Grenze des Reichs, einer Schutzwehr
deſſelben, den Foral von Evora, den einſt Koͤnig Affonſo die⸗
ſem Orte fuͤr ſeine erworbenen Verdienfte gegeben hatte, be
freite die Einwohner von Pinhel von ber. Pflicht, die Mauern
und das Schloß zu bauen, die Pedida und bie Colheita an
ben König zu entrichten und erließ ihnen das Wegegeld (Por-
tagem) durch ganz Portugal — aufferordentliche Freiheiten,
deren fich die Bewohner in der Folge vollkommen würdig
zeigten '). Eine Reihe von Drtfchaften wurden fo von Sancho
mit Sorald befchenkt: Valhelhas, Penamocor (1209), Sor:
telha, Braganca, Sea, Gouven, Penella (1198), Figueiroo, Eos
vilhäa (1186), Folgofinho (1187) und die Stadt Guarda
(1199 ). Der Stifter. und Wiederherfteller fo vieler Burgen, .
Fleden und Städte, der forgfame Vater fo vieler aufblühens
den Gemeinden verdiente ‘vor allen feinen Nachfolgern den
Ehrerinamen — el Poblador — ben ihm das portugiefiſche
Volk gegeben hat.
Während auf diefe Weife Sancho für Stadt und Land
päterliche Sorge trug und ſomit den dringendften Anfoderun-
gen feiner Regierungszeit Genüge that, verfäumte er nicht
D Mon. Lus, liv. 12, cap. 11.
2) Zu diefen von Nunez de Lido angeführten füge ich noch fol
gende hinzu: Vizeun (1187), Penacoca (1192), Marmelar (1194), Pena:
dono (1195), Leiria (1195), Souto (1196), Souto major (1196), Sove⸗
rofa (1196), Gaftaicion (eod. an.), ©. Joäo da Pesqueira, Paredes,
Linhares und Anciäes (1198), Sifimbria (1201), Guyanes (1202), Ta⸗
boadelo, Fontes, Craftells (1202), Monte mör novo (1203), Ucovou (120%),
Reguengo de ©. Juliäo und Reguengo de S. Eypriano (1205), Reguengo
de Villa Nova (1205), Ranalde (1208), Andranes (1208), Billa Franca,
das der König 1200 dem flandrifchen Ritter Rollin und feinen Gefährten
aus Flandern ſchenkte.
Schäfer Geſchichte Portugals I. 8
114 Erſter Zeitraum. J. Bu. 4. Abſchn.
auch dem Ritter⸗ und Wehrſtande ſeine Aufmerkſamkeit zuzu⸗
"wenden. Mag dieſer in dem ſtets bedrohten und angefochte⸗
nen Staate bisher geleiflet hatte, verpflichtete zum Dank; der
abgeftattete Dank ließ wieder neue Leiflungen erwarten. Durch
reichliche Schenkungen fuchte daher Sancho die Ritterorden,
die Bluͤthe jenes Standes, immer enger an ſich und den
Thron zu knuͤpfen. Dem Orden von Santiago, der von Ca⸗
ſtilien aus in Portugal ſich auszubreiten angefangen hatte, gab
er durch die Flecken und Burgen Alcacere do Sal, Palmella,
Almada, Arruda feſteren Beſtand (28. October 1186). Die
Brüderfchaft von Evora, die fpäteren Ritter bed Avisor⸗
dens und ihren Meifler Goncalo Viegas befchenkte und ge
wann er burd die Orte Balhelhas, Alcanhede, Alpebriz
und Jurumenha (Januar 1187). Den lebteren Ort gab
er ihnen „im al ihn Gott ihm geben würde”, und feuerte
auf diefe Weife, wie fein Vater einft die Zempelherren, die
Kitter zu feiner Eroberung an, indem er ihnen ben Preis
derfelben vorbielt und zufichertee Die Zempelritter, fchon
reich durch Grundbeflgungen, und ihr Meifler Lopo Fernan⸗
dez, dem Sancho fehr gewogen war, erhielten das wichtige
Idanha velha (1197) (wogegen fie die Burgen Mougabouro
und Penasroyas an ben König abtraten), und neun Jahre
foäter auch Idanha nova ). Ungeachtet aber Sancho den Rit⸗
terorden dieſe Orte erbs und eigenthümlich überließ I fo war
er doch weit entfernt ber koͤniglichen Hoheitsrechte in denſel⸗
ben ſich zu begeben; er vergaß vielmehr nie in den Schen⸗
kungsurkunden die Stellung der Ritter zu dem Koͤnig anzu⸗
deuten und ihnen ihre Verpflichtungen gegen den Thron ein⸗
zuſchaͤrfen ). Der Güte feiner Abſichten und ber Weisheit
1) Elucidario II. verb, Garda, p. 12% und verb. Temprei-
ros, pag. 362.
2) Jure haereditario in perpetuum habendam .. .
8)... tali videlicet conditione, heifit e8 in ber Scenkungsurs
kunde für bie Nitter von Evora, ut mihi et universo semini meo in
regno succedenti cum eis fideliter serviatis, Ähnlich in der Schenkung
an den Orden von Santiago: tali oonditione,' ut mihi et nostris suc-
cessoribus cum eis obediendo serviatis. Den Zempelrittern wich in
bem Schenkungsbrief von Idanha aufgegeben: vos vero Nos, et cun-
Regierung Sandho’s L, 11851211. 116
feiner Maßregeln fich bewuſſt, mochte Sancho um ſo weniger
ſeine Rechte und Huͤlfsmittel in ſeinem Wirkungskreiſe geſchmaͤ⸗
ie fehen, feine Eräftige und wohlthätige Hand geiͤbent
wiſſen.
3) Sancho's J. Streitigkeiten mit den Biſchoͤfen von
Porto und Coimbra. Einſchreiten des Papſtes Inno—
con; TIL Tod des Königs 27. Maͤrz 1211.
Gleichwol befanden fich in Portugal ganze Städte und
Landſtriche, bie dem koͤniglichen Scepter nicht unterthan wa⸗
ren, Maͤchtige und Große, die in weltlichen Dingen ſich ſelbſt
gehorchten, in :geiftlichen aber einem fremden Herrſcher hul⸗
digten, ein ganzer Stand, ber, meiftentheild von ber koͤnigli⸗
chen Gnade ernährt und groß gezogen, fich berfelben nun über>
boben glaubte und in dem König nichts Andered mehr fah
als den gutmuͤthigen Spender von Länberbefis und Einkuͤnf⸗
ten, ber, fobalb er die Hand zurüdzog, flatt ded Dankes Tadel
verdiente und erntete. Sancho forgte vÄterlich für alle übrigen
Stände, jenen hielt er, wie ed fcheint, für verforgt. Wir
werden an einem andern Orte fehen, wie freigebig , wie ver
ſchwenderiſch Sancho's Vorfahren gegen ben Klerus fich be⸗
wiefen hatten, und wie frühzeitig diefer in der Sorge für fich
ſelbſt mündig geworben war. Der König mochte dies fühlen
und öffnete feine milde Hand lieber den Weltlichen, die ſich
um ihn und fein Vol verdient gemacht hatten‘). Wenn
er gleich im Geifte feines Beitalterd, ber auch über ihm wals
tete, viele Kirchen und Klöfter befchenkte*), und namentlich
das fromme Werk feined Vaters, den Klofterbau von Alco⸗
baca, zu dem jeber folgende König einen heiligen Denkſtein
ctos, qui de genere nostro nobis in Regno successerint, quandocun-
que voluerimus, tamquam Reges et Dominos vestros in ipso
loco recipiatis. Nova Malta Parte I. pag. 55. Anmerf. 83.
1) Seine reichen Schenkungen an bie Ritterorden find ſchon oben
worden; Vergabungen an einzelne Laien kommen unter ihm
viel häufiger vor als unter feinen Vorfahren. Vergl. die Urkunden aus
Sancho's Regierungszeit in Ribeiro, Dissert. Tom. III. p. 176 f
2) Berg. Mon, Lus. liv. 12. cap. 31.
g*
126 . Erfter Zeitraum. 1 Bud. 4. Abfan.
hinzuzufügen ſich für verpflichtet hielt, fortfeßte und. mit dem
Grundbefiß von Dtta bereicherte '), fo war er Doch weit ent
fernt den Klerus durch ‚einen umfaffendern erblichen Länder-
befiß zu feinem Mitherrfcher zu erheben und auf Koften ber
Eöniglichen Rechte die Firchlichen noch zu vermehren. Vielmehr
ging Sancho's Beftreben fichtlidy dahin, auch von diefer Seite
die Unabhängigkeit und Selbftändigkeit feines Throns zu wah-
ren. Nur mit einem gewiffen Widerſtreben ertrug er die Zins-
pflichtigfeit Portugald gegen den päpftlihen Stuhl, und er
hatte, wie wir in der Negierungsgefchichte des erflen Königs
gefehen haben, Innocenz den Dritten, ald Diefer ihm ben
von Affonfo verfprowenen Zins abfoderte, den Urkundenbeweis zu
führen genöthigt, einen Papſt, deſſen Wort fonft überall wil-
ligen Glauben zu finden gewohnt war: Um fo weniger. modte
der König, der Geiftlichkeit feines Landes gegenüber, von dieſer
Die Landesherrlichkeit beeinträchtigt fehenz; um fo weniger konnte
er ertragen, wenn Prälaten der portugiefifchen Kirche jene .
feither fo reichlichen Ausflüffe der koͤniglichen Milde und ihre
auf diefe Ausflüffe gegründete Macht zum Maßftabe ihrer An-
fprüche und neuer Foderungen machten. Es wurbe dies auch
bier in Portugal die wunde Stelle, an welcher die leifefte Be
rührung oder Verlegung empfindliche Schmerzen und lang-
dauernde Krämpfe verurfachte. Die bifchöfliche Stadt, Die
dem Reiche den Namen gegeben hatte, wurde auch der An-
fangspunct des vieljährigen Kampfes, der durch mehrere Re
gierungen ſich zog und einige Mal das ganze Reich =
ſchuͤtterte. |
Im Sahre 1120 hatte die Königin Thereſia dem Bifchof
von Porto, Hugo, einem Franzoſen von Geburt, dem fie fehr
gewogen war, Dice Burg von Porto ?) mit allem Zugehör und
alien Einkünften nebit mehreren Kirchen gefchenft). Drei
1) Sousa, Provas Tom. I. pag. 16. Urf. Num. 9.
2) d. h. bie neue Burg, fo genannt zum linterfchiche von der
alten Burg ber Stadt Porto, der nachherigen Villa Nova de Porto.
Klucidario 1. p. 216. col. 2,
3) ©. die Urkunde vom 18. April 1120 in Espag. sagr. Tom. 21.
p- 29%. Vergl. au Nova Malta P. J. p. 12. not. 5.
Regierung Sanchs's I, 1185-1211. 117
Jahre darauf ertheilte der Bifchof der Burg ein Ortsrecht, worin er
Die Leiflungen der Einwohner an ihren neuen Herrn feftftellte.
Hugos vier nächfte Nachfolger beftätigten diefen Foral '), bes
fefligten und erweiterten ihre landesherrlichen Rechte über ihre
Unterthanen und vergrößerten fortwährend ihren Grundbe⸗
ſitz. Während der Regierung Sancho's I. flanden die Bifchöfe
von Porto (Martin I. Perez von 1185 — 89, Martin II. Ro:
briguez von 1191— 1277) lange Zeit in gutem Vernehmen
mit dem König. Als die Bürger von Porto wider den -Bi-
ſchof, angeblich wegen Verlegung ihrer Ortörechte, fich empoͤr⸗
ten und fich feiner Herrſchaft zu entziehen trachteten, entſchied
Sancho zu Gunften des Biſchofs und bedeutete die - Bürger,
daß fie als Vaſallen deffelben ihm, als ihrem und der Stadt
Herrn, Gehorfam fhuldig wären?) Gr beftätigte- ſelbſt,
wahrfcheinlich in Folge jened Aufflandes, von neuem die Schen=
kung der Königin Therefia im Jahre 1200. Doch weder Diefe,
Beftätigung, noch jener günftige Urtheilsſpruch des Königs,
in den Bürgeraufftande konnte Mishelligkeiten zwifchen dem
Richter felbft und dem Bifchofe vorbeugen. Bei dem Dunkel, das
damals die Grenzen der Iandeshoheitlichen und gerichtöherrlichen,
der Föniglichen und Firchlichen Gewalt bedeckte, wäre Beftimmtheit
in den Ausdrüden, weiche die VBerhältniffe zwifchen dem König
und dem Bifchofe betrafen, und eine genaue Feftflelung der⸗
felben in der Schenkungsurfunde unerlafflich gewefen. Aber
eine folche Beftimmtheit fehlte dem Zeitalter in dem Ausdruck
ſowol wie in der Sache. Der Herrſchſucht und dem Ehrgeize
der Bifchöfe war dadurch ein. weiter, ungemeffener Spielraum
geöffnet, und ihrer ſtillen Gefchäftigkeit hatte Affonſo's halb⸗
hundertjähriger Saracenenkampf die Ihönfte Muße gewaͤhrt.
Kein biſchoͤflicher Nebenbuhler, kein laͤſtiger Vorgeſetzter war
überdies zu fuͤrchten; denn ſchon im Jahre 1115 war der Bi⸗
ſchof von Porto aller Metropolitanaufſicht entzogen und einzig
dem (fernen) Papft untergeben worden ’). Das erbliche Eigen:
1) Ribeiro, Diss. Tom.. II. p. 79.
2).Rodr. da Cunha, Catalogo dos Bispos do Porto, Parte I.
pag. 53.
3) Personam siquidem tuam, et Ecclesiaın ipsam Dei gratia re--
Sn
118. Erſter Zeitraum. L Bud. 4. Abſchn.
thum der Stadt war eine fefle Grimblage ber bifchöflichen
Macht, ein flarker Anhaltds und Ausgangs⸗Punct, um nad)
hoͤhern Dingen zu traten. Was einzelne Biſchoͤfe fich her⸗
ausnahmen, wiederholt fich herausnahmen, flempelte die Zeit
zu einem Rechte, und dem fpäteren Bifchof konnte als Recht
erfcheinen, was urfpränglich erfchlichen oder gewaltfam ufurs
pirt war.
Anders muffte fo Vieles in ben Augen eined Königs er⸗
fcheinen , deſſen Blick nicht auf den einen Stand ſich be
fhränkte, fonbern alle Stände, das gefammte Volk zu um:
faffen gewohnt war, ber den unterfien Gemeindsmann, den
armen Landbauer ehrte und ihm feine Rechte gegeben und ge⸗
fichert hatte, und der auf feine Töniglihe Macht ımb feine
Kronrechte um fo eiferfüchtiger war, ba fie ihm als Mittel
für edlere Zwede dienten. Kein Wunder, daß ſchon unter
Sancho und gerade unter ihm die koͤnigliche und bifchöfliche
Gewalt hart zufammenflieffen, und der Miston fortan fo oft
ſich wiederholte.
Der erfte Anlaß des Zwiefpaltes zwifchen dem Könige
und dem Bifchofe von Porto ift und leider unbefannt, aber
ein Vertrag, der zwifchen Beiden durch die Vermittelung bed
Papftes zu Stande kam und dem Streite ein Ende machen
foltte, zeigt und den Gegenftand defielben. Der König gibt
dad Derfprechen, dem Biſchof und den Seinigen feine volle
Gnade zu verleihen; das Bisthum und alle Befikungen un⸗
gefchmälert und unverfehrt dem Bifchof wieder zuruͤckzugeben,
ſowie Alles, was ihm oder den Seinigen entriſſen worden,
wieder zu erſtatten, nicht in die Angelegenheiten der Geiſtli⸗
chen des Bisthums weder ſelbſt noch durch Andere ſich zu mi⸗
fen, es fei denn daß er von dem Bifchof darum erfucht
wuͤrde; nicht felbft Mecht zu frechen, fonbern von dem Bis
fchof den Befcheid zu nehmen, wenn er Über einen Geiftlichen
feines Sprengeld Klage zu führen babe; bei Befchwerben über
stitutam sub nostram decrevimus tutelam specialiter confovendam, ea
te libertate donantes, ut nullius Metropolitani nisi Romani Pontificis,
aut Legati, qui ab ejus latere missus fuerit , subjectioni tenearis ob-
noxius etc. Cf. Esp. sagr. Tom. 21. p. 297.
—
Regierung Sancho's L, 11851211. 119
den Bifchof felbft das Urtheil von dem Erzbiſchof oder von
- bem Papft, wenn an biefen appellirt worben, zu empfangen;
feinen Unterthan des Biſchofs gegen Diefen in Schuß zu neh:
men, noch auf irgend eine Weiſe dem Bifchof in dem, was
feine Perfon, fein Amt und das Recht feiner Kirche betreffe,
befchwerlich oder hinderlich zu fein ).
Died waren Zugeſtaͤndniſſe, die wir mit bem befannten
Charakter und der Denkart Sancho's nicht leicht vereinbaren
koͤnnen, und bie und bei der gänzlichen Unkunde der voraus:
gegangenen Verhandlungen immer räthfelhaft bleiben werben,
wenn wir ben Schlüffel dazu nicht allein in ber biplomati-
ſchen Sefchilichleit und in dem Anfehn des hohen Vermitt⸗
lerö, des Papftes, finden wollen. Der Vertrag ermangelte
des erften Erforderniffes, der erflen Bürgfchaft eined jeden
Vertrags — der Mäßigung. Die Saiten waren in ber That
zu hoch gefpannt, als daß fie nicht bald hätten foringen müf:
fen. Der Biſchof fand bald Gelegenheit, feinen beleidigten
Stolz, den der Vergleich geftelgert hatte, und ben alten Groll,
den bie koͤniglichen Zugeſtaͤndniſſe hätten begraben follen, gegen
den König zu Auffern.
1) S. die urk. in Epist. Innocentü II. lib. 13. ep. 76, p. 449.
Nicht ganz Hbereinftimmend und ebenfalls ohne Datum ift das in Yen
Memorias da Academia Real das Sciencias de Lisbea Tom. VI, parte 2.
pag.. 78. Not. 6 zum Theil abgedruckte Schreiben Sancho's an den Bis
ſchof Martin. Das Verhättniß beibes Urkunden zu einander iſt bei ber
fragmentarifchen Mittheilung von Sancho's Schreiben nicht wohl befries
digend zu ermitteln. Daß jedoch biefer Vergleich zwiſchen dem König
umb dem Biſchof ben Streitigkeiten Beider, die ober folgen, vorausging,
erhellt aus dem 75. Br. bes Papftes Innocenz III: Cum enim super
varlis gravaminibus, quae . .. Rex exereuerat in eundem, dudum
compositio inter eos mediantibus delegatis nestris celebrata fuisset,
quam idem Rex, sicut patet ex authentico süo scripto, promisit se
fideliter servaturum, ipse demutn süper articnlis conteutis in ea ve-
nieng contra ipsam, adversus memoratum Episeopmn graviores innova-
vit calumnias, et saeviores angustias instauravit. Gebauer (portug.
Geſchichte &. 60) ſetzt den Vergleich irrig nach jenen Streitigkeiten und
nimmt an, daß fie durch ihn beigelegt worben. Auch hier bewährt fich,
daß Gebauer's Vorgänger, der alte Schmauß, bet dem Bertrag
die rechte Stelle anweift, beffer und forafältiger ſah.
120 Erfter Beitraum. LBud. 4 Abſchn.
Als im Jahre 1208 ') der Kronprinz Affonfo mit Urraca,
einer Tochter Königs Alfonfo VIII. von. Eaftilien, ſich ver
mählte, weigerte fi von allen portugiefifchen Prälaten allein
der Bifhof von Porto der Vermaͤhlungsfeier beizumohnen,
weil die Verlobten in (entfernter) Verwandtſchaft fländen, und
erklärte damit dieſe Ehe für ungefeßlih. Empfindlicher noch
mochte es dem Könige fein, daß ihm, als er durch die Stadt
Porto kam, der Bifchof mit feiner Geiftlichkeit nicht, wie es
doch alter Brauch war, entgegenfam. Grade von biefem
Bifchofe, dem er fo viel eingeräumt, zu befien Vortheil er fo
wichtiger Rechte fich begeben hatte, folched zu erfahren, muſſte
Sancho's Unmillen doppelt reizen. Wie er früher in der Rach⸗
giebigfeit die Grenzen vergefien hatte, fo vergaß er fie nun in
der Rache. Er ließ den Bifchof, den Dechanten und mehrere
Anhänger des Bifchofs gefangen nehmen und durch die Bürs
ger von Porto aufs fcharfite bewachen. Die Wohnungen eini=
ger Dombherren (canonici), die ded Bifchofd Partei ergriffen
hatten, wurden niedergeriffen und ihnen ihre Präbenden, felbft
ihre Reitpferde genommen. Vergebens appellirte der Bifchof
an den Papft, vergebens unterfagte er den Gottesdienft und
ſprach den Bannfluh aus. Die Schlöffer der Kirchthüren
wurden erbrochen, Ercommunidtte in die Kirche gelaffen, Ver:
florbene, die mit dem Bann belegt waren, beerdigt; viele
Domberren, die dem König ergeben waren, verachteten bad
wiederholt verkündete Interdict und hielten feierlichen Gottes⸗
dienſt. Fünf Monate lang faß der Bifchof in enger Haft;
felbft da er Frank wurde, durfte Fein Priefler ihm nahen,
um ihm den Zroft ded Sacramentd zu reichen. Endlich vers ;.,.
fprach er dem Willen des Königs fich zu ufterwerfen. und
wurde der Haft entlaffen. Da er voraudfehen konnte, wa er .
von dem König zu hoffen und zu fürchten hatte, und wie bie
fer vor Allem die Niederfchlagung der ergriffenen Appellation
an den päpftlichen Stuhl verlangen werde, fo entwich er in
1) Esp. sagr. Tom. 21. pag. 93. Die erfte Urkunde, in welder
die Königin Urraca mit unterzeichnet, ift vom März 1209. Ribeiro,
Diss. Tom. III. pag. 210.
Regierung Sancho's L, 1185 — 1211. 121
einer Nacht heimlich aus Portugal ‚und flüchtete nach Nom,
wo er „beinah.nadt" *) ankam.
Der Papft nahm ſich des Flüchtigen an und ertheilte
dem Archidiakonus von Zamora und dem Abte von Morerola
den Auftrag, von dem König Die Wiedererftattung des Geraub:
ten und Genugthuung für die Beleidigungen : zu verlangen,
zugleih ihn zur Beobachtung feines feüheren Vertrags mit:
dem Bifhof anzuhalten. Wenn der König in einer gewiffen
Friſt Feine Folge leiften würde, fo fol ihm der Eintritt in bie
Kirche, der Genuß aller Sacramente verweigert werben; allent:
halben wo er erfcheint, hört der Gottesdienft auf. Und wenn
die beiden Prälaten auf dieſe Weife feinen Starrfinn nicht
beugen tönnen, fo ſollen fie den Papft davon benachrichtigen,
„damit diefer, wenn die Krankheit fehlimmer wird, zu ihrer
Heilung eine flärkere Arznei verordne”. Die Diener des Koͤ⸗
nigd und Alle die ihm gegen den Bifchof behilflich gewefen,
folk der Bannftrahl treffen. Diefe Sentenz befahl Innocenz
an jedem Sonn: und Feiertage unter Glodengeläute und bei
brennenden Fadeln in der ganzen Didcefe von Porto feierlichft
zu verkünden ?).
So ſcharf diefe Maßregeln auch fcheinen mögen, fo kann
dieſes Verfahren gegen den Koͤnig ,‚ im Geiſte eines Innocenz
und im Sinne der Hierarchie jener Zeit, doch gemaͤßigt ge⸗
nannt werden. Der Koͤnig war in den Augen dieſes Papſtes
gewiß krank genug, um die Anwendung von ſtarken Arznei⸗
mitteln zu rechtfertigen. Aber Innocenz mochte die empfind⸗
liche Conſtitution Sancho's kennen und eine ſtufenweiſe Stei⸗
gerung der Mittel fuͤr angemeſſener halten als den alsbaldi⸗
gen Gebrauch durchgreifender und gewagter. Sein Vorgaͤn⸗
ger hatte ſchon einmal den Bannſtrahl an dieſem Koͤnig er⸗
probt. Als Koͤnig Alfons IX, von Leon mit der Tochter San⸗
cho's J., Thereſia, im J. 1190 ſich vermaͤhlt hatte, beauftragte
der Papſt ſeinen Legaten, die Vermaͤhlten wegen ihrer nahen
Verwandtſchaft zu trennen, und belegte, da ſie nicht Folge lei⸗
ſteten, die Reiche Leon und Portugal mit dem Interdict.
1) Quasi nudus — ſagt ber Papſt.
2) Innocentii III. Epist. lib. 18. epist. 75 und 57.
(
12 Erker Zeitraum. L Bud, 4. Abſchu.
Doch vermochte dies nicht den Sinn beider Koͤnige zu beugen.
Erſt nach Verlauf von fuͤnf Jahren, nachdem die gluͤckliche
Ehe mit drei Kindern geſegnet worden, kam Affonſo mit ſeinem
Schwiegervater überein, die Ehe zu trennen ), mehr jedoch
auf die Bitten ihrer Voͤlker als aus Gehorfam gegen den
Papft. Indeſſen hatte dev Widerftand zu lange gebauert, als
daß ber enbliche Sieg dem Papfte eine befondere Freude ges
währen konnte. Innocenz war wohl nicht begierig nach einem
folhen Sieg, der uͤberdem noch zweifelhaft war. . |
Der König konnte auf die Liebe feines Volks, auf bie
Anhänglichkeit faft aller Stände fich fügen. Der Landbauer
und ber Gewerbömann fingen ſchon an Etwas zu gelten und
wufften, daß fie Sancho verdankten, was fie galten. Des
Königs Schenkungen an die Orbensritter waren noch in zu
frifchem Andenken, als daß fie nicht dieſe ruͤſtige Koͤrperſchaft,
die Wache des Throns und eine Schupwehr bes Staats, flır -
ihren Wohlthaͤter hätten flimmen ſollen; die Züchtigung eines
übermüthigen Prälaten hatte fie gewiß nicht von ihm entfernt.
Selbſt auf einige Biſchoͤfe durfte er rechnen, vor allen auf
den Erzbifchof von Braga, Martin, der fchon als Bifchof von
Dorto ihm befreundet war, und auf dem erzbifchäflichen Stuhl
(feit 1189 °)) gleiche Gefinnungen für ihn bewahrte *). Ends
ih fand Sancho in feiner eignen Bruft die Kraft und ben
Muth, um dem Gewaltigſten, das feine Beitgenoffen fchredite,
bie Stirne zu bieten. Wie Innocenz Perfönlichkeit die Macht
des päpftlichen Stuhls erhöhte, fo verlieh, wenn auch in ge
ringerem Maße, Sancho's Perfönlichkeit dem portugiefifchen
- Zhron ein gewaltiged Anſehn, und die Angriffe: und Verthei⸗
digungs-Mittel hielten einander wenigflens in dieſer Hinficht
ziemlich das Gleichgewicht.
Ob diefe und ähnliche Rüdfichten den Papſt zu feinem
behutfamen Verfahren gegen den König beſtimmten, bleibt
freilich zweifelhaft; gewiß aber wirkten fie auf den König, als
er in feinee Handlungöweife beharrte und ſich nicht fürchtete
1) Henr. Fiorez,'Reynas Catholicas Tom. 1. p. 331 ff.
2) Espag. sagr. Tom. 21. pag, 86. "
$) Innocentii Epist. ib. 14. epist. 8. pag. 510.
Regierung Sancho's L, 1185 — 1211. 123
. den Umwillen des Papſtes von neuem zu reizen. Der Biſchof
von Coimbra hatte fich herausgenommen ben König wegen
feines Benehmens gegen Seiftliche und fogar wegen Verhältz
niffe feines Privatiebens ') zur Rebe zu fielen. Da jener
ruͤckſichtslos zufuhr, Sancho aber Teihe Beleidigung ungeahns
det ließ und fich nichts vergeben wollte, fo flieg die gegens
feitige Exbitterung Beier ſchnell auf den hoͤchſten Punct. Der
Bischof fprach in feinem Kirchfprengel den Bann über den
König aus und appellirte, damit der Erzbifchof von Braga
ihn nicht aufheben möchte, an den päpftlichen Stuhl. Per:
fönlich bei diefem bie Klage vorzubringen, wurde er Durch ben
König verhindert, der fich feiner Perfon bemächtigen ließ. Um
fo bitterer waren die Beſchwerden und Anfchulbigungen, die
der Biſchof dem Papft zu hinterbringen Gelegenheit fand.
Der König verleihe geiftliche Pfruͤnden wem er wolle, und
entreiffe fie denen, die der Bifchof in feinem Sprengel damit
begabt habe; er ſchicke Jäger, Pferde, Hunde und Vögel
Kloͤſtern zu, bie Feine ober wenige Einkünfte hätten, um fie
zu nähren und zu unterhalten; ex laffe Geiſtliche verhaf:
ten. und nöthige fie vor ihm ober vor weltlichen Richtern ihre
Rechtsſtreite zu führen, befchlige mit dem Wanne belegte Pers
fonen, verwehre den Geiftlichen aus dem Reiche oder in dafs
felbe zu geben, und wenn er ja jenes erlaube, fo muͤſſten fie
vorher einen Eid ſchwoͤren, daß fie nicht an den paͤpſtlichen
Hof gehen wollten, fonft würden fie beraubt und ins öffent
liche Sefängniß gefegt.
- Diefe Anfchulbigungen Tonnten, felbft wenn fie gegründet
waren, von der einen Seite als ungerechte Angriffe auf wirk⸗
liche oder vermeintliche Rechte angefehen werben; in ben Au-
gen des Papſtes aber waren fie hinreichend die fchärfften
Maßregeln zu rechtfertigen. Innocenz muffte ihnen. vollends
- Glauben fchenten und uͤberdies ſich felbft empfindlich gekraͤnkt
fühlen, als er von dem König Briefe „voll Unbefcheibenheit
und Anmaßung” erhielt. Sancho wirft in denfelben dem
1) „Der König habe eine Wahrfagerin bei fi, die er täglich um
Kath, frage.” Der Biſchof vertangte von ihm, daß er fie von ſich
entferne. '
124 Erſter Beitraum. L Bud: 4 Abſchn.
Papſte nicht allein unumwunden vor, „daß er Jedem, der ihm
Nachtheiliged von dem Könige zutrüge, willig und gern fein
Ohr zu leihen pflege, und nicht. erröthe vor allen Menfchen
ungeziemende Worte gegen ihn auszuſtoßen“; ey. fagt ihm
Dinge ind Angeficht, welche Innocenz mit Stilfchweigen zu
übergehen vorzieht. Fürwahr, fagt der Papft, Fein Fuͤrſt, fo
ni er auch fein möchte, hat an uns oder unfere Vorfahren
fo unehrerbietig und anmaßend zu fchreiben gewagt, es müflte
denn ein Ketzer oder ein Tyrann gewefen fein:
Nach folhen Aufferungen müfjten wir das Schlimmfte
von Sancho argmwöhnen. Doch ift ed gerade Innocenz felbft,
der es uns erfpart an Sancho irre zu werden und felbft im
fchärfiten Tadel, den er Über den König ausfpricht, uns den
aufgeflärten Fürften zeichnet, wie wir ihn feinem Wolke gegen:
über haben Eennen gelernt. Als „den Ausbruch einer Fegeris
ſchen Treuloſigkeit“ hebt nämlich Innocenz vor Allem jene
Auſſerung hervor, welche Sancho ſich gegen ihn erlaubt hatte:
„daß in denen welche Religion erheucheln und am meiften
bei Prälaten und Kleritern; das Bild des Wohllebens und des
Hochmuths auf Feine Weife beffer zerbrochen und vernichtet werben
koͤnne, ald wenn ihnen der Überfluß an zeitlichen Gütern, die fie
von ihm und feinem Vater zum größten Schaden des Neiched und
feiner Thronfolger befäßen, entzogen und feinen Söhnen und den
Dertheivigern des Reichs, die an Vielem Mangel litten, zu⸗
gewiefen würde.” Daß einer folchen Keerei, überbaupt dieſem
beleidigenden Schreiben der Papſt nicht alsbald den Bannftrahl
nachfolgen Meß, mochte in Innocenzend Augen, und in ihnen
nicht allein, als Mäßigung und Nadyficht erſcheinen. Einer
Verſoͤhnung aber glich es, als dieſer Papſt, waͤhrend er in andern
Laͤndern zum Vormund der weltlichen Macht ſich aufwarf und
den Richter der Koͤnige ſpielte, dem Koͤnig des kleinen Portu⸗
gals, der „anmaßender und unehrerbietiger als je irgend ein
großer Fuͤrſt“ an ihn geſchrieben hatte, gewiſſermaßen bie
Hand zum Frieden bot, indem er ihn dringend bat: „fich Doch
mit dem Maß, das ihm Gott gegeben, zu begnügen und
feine Hände nicht nach ben geiftlichen Rechten auszuftreden,
wie auch er bie feinen nicht nach den Föniglichen auöftrede,
ihm das Urtheil über die Geiftlichen zu laſſen, wie er es dem
Regierung Sancho's L, 1185 — 1211. 125
König über Die Laien laffe” ). Freilich konnten dieſe ſchlich⸗
ten Worte, wenn ber Geift eined Innocenz fie befruchtete,
eine Fülle von unerwarteten Folgerungen und fühnen Aus '
fprüchen hervortreiben; aber im Sinne des Zeitalter8 hatten fi ie
für fich den Schein der Mäßtgung, des klaren Rechte und ei⸗
ner einfachen: Loͤſung alles Zwiſtes.
Ob ſie in Sancho's Geiſt die Begriffe von koniglicher und
kirchlicher Gewalt und ihre gegenſeitigen Grenzen veraͤndert ha⸗
ben, koͤnnen wir nicht ſagen; wir wiſſen nicht einmal, ob das
paͤpſtliche Schreiben, das den 7. Maͤrz 1211 ausgefertigt wurde,
den König, der. den 27. deſſelben Monats ſtarb, noch lebend
fand. War dies der Fall, fo fand es ihn in einer Geiftes-
flimmung, in der die Macht der erflen Erziehung, gewohnter
Eindrüde,; der Vorurtheile und Anfichten des. Zeitalterd mit
verjingter ‚Stärke wirft und der Blick in das nahe Dunkel
einer unbefannten Welt zur Milde und Nachgiebigkeit ſtimmt.
Priefter folder fein Krantenbett umftanden, fein Gewiffen
umlagert haben, um ihm durch die Schrediniffe des nahen To⸗
des und der jenfeitigen Strafen Reue und — Schenkungen
an die von ihm gefränkte,. nun zu verfühnende Kirche und
Seiftlichkeit auszupreffen und abzubringen. Man hat Die be
trächtlichen Summen, die er in feinem Zeflamente den meiften
Bisthuͤmern und Klöftern vermachte I. zum Beweis angeführt.
ber diefes Teſtament errichtete er im Beifein mehrerer Bi-
fchöfe und Großen des Reichs und mit Zuſtimmung felbft des
Kronprinzen, Schon im October des Jahres 1209 °), zu einer
Zeit, in ‘der er der vollen Loͤrperkraft ſich erfreute, und mit
1) Innocentü In, Epistt. Ib, 14. 6p. 8.
2) Unbemerkt darf nicht bleiben, daß alle Geſchenke, bie der König
in feinem Zeftamente den Kirchen und Kiöftern verwilligte, allein in
Gerd, durchaus in feinem Grundbeſitz beftanden. Dieſer Umſtand Löft den
Widerſpruch, in’ben er durch dieſe Verwilligung mit feinen fenftigen
Grunbfägen gerathen zu fein ſcheinen ‚möchte, und laͤſſt uns auf feine
Anfichten von der Axt des Vermögen , das der Kirche und Geiftlichkeit
gebühre, fchlieffen.
3) Sousa, Provas J. Num. 10. p. 17. Schon im 3. 1188 oder
1189 Hatte Eaucho ein Teſtament gemacht, das Ribeiro — unſers
Wiſſens zuerſt — hat abdrucken laſſen Miss. Tom. III. pag. 116), und
auf das wir ſpaͤter zuruͤckzukommen genoͤthigt ſein werden.
15 Erſter Zeitraum. J. Bud. 4 Abfan.
bem Biſchof von Eoimbra und dem Papfle zerfallen, Beiden
trogig die Stime bot. Wohl aber lieg Sancho kurz vor feis
nem Tode fi Durch ben Erzbifchof von Braga, feinen viel-
jährigen treuen Fremd, vom Banne entbinden, und begte ba
Zutrauen zum Papfte, daß er die Handlung des Erzbiſchofs
beftätigen werde, wie er ſchon früher in’ feinem Zeflamente
vertrauendvoll den Wunſch audgebrüdt hatte, daß ber Papft,
den er darin mit einhundert Mark Goldes bebacht hatte, auf
der genauen Erfüllung des lebten Willens mit feinem ganzen
Anfehn halten möchte. Innocenz zeigt fich des edeln Zutrauend
würdig, mit dem Sancho fich und noch mehr feinen großen
Gegner ehrte, indem ex dem einen wie dem anbern entiprach,
Das Verfahren des Erzbifchofs, der „weiſe den rechten Zeit⸗
punct wahrgenommen habe”, billigte, dad Teſtament beſtaͤtigte
und aufrecht zu erhalten verfprach '). Die Freude, in dem
heiligen Vater, fich nicht getäufcht zu haben, wurbe Sancho
nicht zu Theil; denn erft den fechften und fiebenten Juni wur⸗
den die päpfllichen Schreiben ausgefertigt, nachbem er ſchon
den 27. März, in feinem fieben und funfzigften Lebensjahre, zu
Grabe gegangen war, und die Kunde davon — wunderbar ge
nug — nad zwei Monaten Rom noch nicht erreicht hatte.
\
4) Sancho's Teſtament.
Erſt nach ſeinem Tode enthuͤllt uns Sancho (in ſeinem
Teſtament) die Schaͤtze, die er waͤhrend einer Regierung von
26 Jahren geſammelt hatte. Denn nur unbedeutende oder gar
keine Baarſchaften hatte ihm ſein Vater hinterlaſſen, deſſen
mehr als halbhundertjaͤhriger Krieg alle koͤniglichen Einkuͤnfte
verzehrt, und indem eben dieſer Krieg den Pflug zertruͤmmerte
oder verfaulen ließ, die Quelle des Wohlſtandes, die einzige
jener Zeit, ausgetrocknet hatte. Sancho's Liebe zu ſeinem Volke
lehrte ihn die Mittel finden, die Arbeitſamkeit deſſelben zu ver⸗
mehren. Dieſe erzeugte in kurzer Zeit einen gewiſſen Natio⸗
nalwohlſtand, der das koͤnigliche Haus nicht darben ließ.
Seine Schatzkammer fuͤllte ſich, und Sancho ward die Beloh⸗
1) Epistt. Innocentii III. ib. 14. ep. 68. 59, =
Regierung Sancho's L, 1185 — 1211. 127
nung zu Theil, Die er verdient, aber auf biefem Wege wahrs
fcheinlich nicht erzielt hatte, Was der Weisheit unferer Tage
nicht immer einleuchten ober gelingen will, durch Beförberung
einer ungehinderten Betriebſamkeit den öffentlichen Wohlftand
zu heben und aus biefer Duelle vornehmlich die Beduͤrfniſſe
des Staated zu fhöpfen, das fcheint ber fchlichte Sinn Sans
cho's, Sahrhunderte vor der Geburt der Staatswirthſchaftslehre,
gefunden und gehbt zu haben. Ohne fein Volt zu bedruͤcken,
fammelte er nach und nach beträchtlihe Summen, legte fie
in den Zhürmen von Coimbra, Evora und Belver, den da⸗
maligen koͤniglichen Schaglammern, nieder, und mehrte fie
durch weife Sparfamkeit und ftrenge Wirtpfchaftlichkeit.
Die Beweife hierzu liegen in feinen beiden Teftamenten,
die und die Sefchichte aufbewahrt hat. In dem erflen, das
der König drei oder vier Jahre nach feinem Regierungsantritte
errichtete '), vermachte er dem Kronprinzen Affonfo 60,000 Ma⸗
ravedis, die in dem Thurme zu Coimbra, und 10,000 Mara: _
vedis, die in dem von Evora aufbewahrt würben. Nach des
Königs Ableben follen die Wormünder des Infanten dieſes
Geld unangetaftet Iafien, bis diefer zur Selbftändigkeit herans
gewachfen, und während diefer Zeit „Das Reich mit den Ein-
fünften bed Landes vertheidigen.“ Jedem der Infanten, Fer⸗
Dinand und Peter, beftimmt er 10,000 Maravedis, und jeber
ber Infantinnen, Xherefia und Sancha, auffer dieſer Summe
noch 100 Warten Silber, Dies war Allee was ber König
an baarem Gelbe vermachte, und wahrfcheinlich alle vorraͤthige
Baarſchaft der Eöniglichen Schatzkammer; wenigftend in bem
Thurme von Evora befanden fi nur jene 10,000 Maravebis,
die für den Kronprinzen beflimmt waren ?), Wie ganz anders
lauten dagegen die Bermächtniffe, welche Sancho nach unges
fähr 20 Jahren in dem Zeflamente vom Jahre 1209 ?) ans
orbnete. Dem Kronprinzen vermacht er bier 200,000 Maras
vebis in Coimbra und 6000 in Evora. Wohl, wenn auch
1) Ribeiro, Dissert. Tom. III. Append. p. 116.
2) Wir fchliefien dies aus ben Worten bes Teflaments: et illos
decem mille morabitinos, qui sunt in Elbora.
8) Sousa, Provas Tom. I. pag. 17.
| 128 Erſter Zeitraum J. Buch. 4 Abſchn.
nicht gleich wohl bedacht werden die uͤbrigen Kinder. Ihre
Zahl hat ſich uͤberdies ſehr vermehrt. Auſſer jenen, die ihm
feine Gemahlin Dulce geſchenkt hatte (5 Söhne und 6 Töchter ),
zählte er noch eine zahlreiche auffereheliche Nachkommenfchaft,
die er mit zwei Edelfrauen, Maria Anned de Fornellos, und
ker fhhnen Maria Paes Ribeira erzeugt hatte. Neben den
nobefigungen, die’ er ihnen gab, erhielt jeder uneheliche
Sohn 8000 "Maravedis, jede uneheliche Tochter 7000 Mas
ravedid. Weit zahlreichere und größere Summen vermachte
der König den Bisthlimern des Reichs, den meiften Kirchen
und Klöftern - und den verfchtedenen Ritterordenz; andere bes
ſtimmte er für mildrhätige und gemeinnügige Zwecke, wie für
die zum Theil von ihm felbft geftifteten Herbergen und Ho:
fpitäler für Arme, Kranke und Fremde (Albergarias) und für
“die Erbauung einer Brüde über den Mondego bei Coimbra:
So freigebig der König die Kirchen und Klöfter mit baa⸗
rem Gelde befchenfte, fo ſtreng hielt er an ſich mit Grundbes
fißungen; nicht eine Spanne Landes vermachte er dem Kleruß.
Wohl aber beflimmte er ganze Ortfchaften für feine Töchter
zum erblichen Eigenthum. Man hat angenommen, daß ber
König Sancho, befannt mit dem Geige feines Sohnes und
feiner :Lteblofigkeit gegen feine Gefchwifter, dieſe Durch die Zu⸗
ficherung eines feſten Beſitzthums von dem Bruder unabhän-
gig und deſſelben unbenöthigt habe machen wollen. Nimmt
man diefen Beweggrund und Vorwurf allein aus dem Teſta⸗
ment- (und ein anderes Zeugniß liegt, unſers Wiffend, nicht
vor), fo thut man dem Vater wie dem Sohne Unrecht. Schon
in dem Zeflamente vom Jahre 1188 oder 1189 beftimmte der
König den Schweftern des Kronprinzen mehrere Drtfchaften,
alfo zu einer Zeit, wo dieſer erft drei bis vier Fahre alt war
und Der Bater durch: jenen Beweggrund ein fchlechted Zu⸗
trauen in fein eigenes Blut und in feine väterliche Erziehungs:
kunſt gefest haben wirde. Man hätte vielmehr den König der
Kargheit gegen feine Toͤchter zeihen Eönnen, wenn er nicht
durch die Zuficherung von Grundgütern die verhältnigmäßig
geringe Baarfchaft, Die er ihnen hinterließ,. ergänzt hätte. Waͤh⸗
1) Sousa, Hist. geneal. Tom. I. pag. 87.
Regierung Sancho' J. 1185 —1211. 4209
rend er die Summe von 70,000 Maravedis, die er dem
‘“ Kronprinzen im erſten Teſtamente audgefebt hatte, im zweiten
auf 206,000 Maravedis erhöhte, vermehrte er, ungeachtet ber
anfehnlichen Vergrößerung des Töniglichen Schaßes, die aus⸗
gefegten Summen’ für jede Infantin nur um 100 Marken Sil⸗
ber. Den Ktonprinzen konnte er eher auf die Hülfsquellen
des Staatd anmeifen, wenn er diefen auch nicht flr eine Vers
forgungsanftalt anſah; aber einen anfländigen und ſichern Uns
terhalt gewährten jene Baarfchaften den Infantinnen wohl nicht.
Nach den Anfichten des Zeitalterd, das im Grundeigenthum
die ficherfte und ehrenvollfte Nahrungsquelle fah, und dem Koͤ⸗
nig die freie Verfügung über Theile des Reichs zu Gunſten
feiner Familie erlaubte, vermachte Sancho feine Töchtern meh⸗
rere Ortfchaften. Er fand Vermächtniffe diefer Art fo ange
meflen, daß er in Widerfpruch mit einer noch allgemeiner herr⸗
fehenden Anficht, die der Klerus predigte, dem Oberhaupte
defielben ind Angeficht behauptet hatte, „befler als den Geiſt⸗
lichen ertheile man bie zeitlichen Güter feinen Kindern und
den Vertheidigern des Reiches, die in Vielem Deangel litten” 9.
Nicht Mistrauen gegen feinen Sohn war e3 Demnach,
was ben König jene Anordnungen feines legten Willens treffen
hieß, fondern väterliche: Sorgfalt, die fich über alle feine Kins
der erflredte, und indem wir daher mit ben Gefühlen der Ach:
tung und Liebe von dem Vater fcheiden, koͤnnen wir ohne vors
gefaffte Meinung der Regierung des Sohnes und nahen.
1) ... Praelatis et Clericis . . . subtrahantur, et filiis tuis ac
regni defensoribus in multis patientibus indigentiam assignentur.
Epistt. Innocentii IIL. lib, 14. epist. 8. p. 611.
_
Schäfer Geſchichte Portugals I. 9
N
130 Erfer Zeitraum. Bud. 5. Abſchn.
Fuͤnfter Abfhnitt.
Regierung Affonfo’s IL!)
(27. März 1211 bis 25. März 1223.)
1) Streitigkeiten Affonfo’s IL mit feinen Schweftern.
Sie befegen die Drtfchaften, bie ihnen Sandyo I. in. feinem
Teflamente zum Unterhalte beftimmt hat. Der König
von Leon unterflügt fie mit gewaffneter Hand. Sie ru:
fen den Papft Snnocenz IIE um feinen Beiftand an. Ber
fahren ber päpftlichen Unterſuchungsrichter. Fortdauer des
Kriegs. Endurtheil des Papſtes.
San’ letzter Wille, der den Familienfrieden fichern follte,
inbem er den Hinterlaſſenen ein feſtes Auskommen beflimmte,
wurde eine Quelle des Samilienzwoiftes, der Anlaß. und Ges:
genftand eines unmatürlichen, blutigen Krieg zwifchen den Ge
ſchwiſtern. Dem Teflamente zufolge hatte der König feiner
Tochter Therefia, der gefchiebenen Gemahlin bed Königs von
Leon, ben erblichen Befig von Montemor o Velho und Es⸗
gueira zügefichert 5 nach ihrem Ableben follten beide Orte der
Snfantin Blanca zufallen. Der SInfantin Sancha war ber
Fleden Alemquer zum Eigenthum beftimmt, nach deren Tode
1) Affonfo, der erſtgeborne Sohn bes Königs Sancho I. und feiner
Gemahlin Dulce, geboren den 23. Aprit 1185, vermählte fi) im Jahre
1208 mit Urraca, einer Tochter des Königs Alfons IX. von Gaftilien.
Gegen die Annahme Barbofa’s (im Catal. das Rainhas), daß die Ver:
maͤhlung Affonfo’s ſchon i. 3. 1201 ftattgefunden, ſprechen die Unterfchrif:
ten der Töniglichen Urkunden. Die erfte, in welcher neben dem Kronprin-
zen Affonfo auch deffen Gemahlin Urraca angeführt wird, ift vom 5 März
1209. „Ego Sancius, Dei gratia, Portugal. Rex, una cum filiis meis,
Rege D. Alfonso, et uxore ejus Regina D. Urraca, et ceteris filiis,
et filiabus meis. — Bon biefer Zeit an wird ber „Regina D. Urraca“
in den Unterfchriften in dev Regel gedacht. Ribeiro, Dissert. T. III.
p. 210 esa.
4
Regierung Affonſo's IL, 1211— 1223. 131
die Infantin Berenguela benfelben haben ſollte. Der Krons
prinz Affonfo hatte bei der Errichtung des Teſtaments in bie
Hände feines Vaters, dann des Erzbifchofs von Braga, des Bis
ſchofs von Coimbra und des Abtes von Alcobaca den Eidfchwur
‚abgelegt, „daß er die Alles erfüllen und die Vollziehung je:
ner Anordnungen weber felbft hindern, noch zulafien wolle,
daß fie von Andern gehindert werde.“ |
Kaum aber hatte der König die Augen gefchloffen, fo
erhob fi) Hader zwiſchen Affonſo und ſeinen Schweſtern.
Dieſe hatten ſogleich von jenen Ortſchaften Beſitz genommen;
der König foderte deren UÜbergabe. Ob er fie ganz fir ſich
verlangte, oder ob erin ihnen nur als Oberherr anerkannt fein
wollte, nur die Iandeöherrlichen echte, die Huldigung ber _
Einwohner und die Einfegung der Alcaiden in Anfpruc nahm,
berichtet und Feine Urkunde. Neuere Schriftfleller fagen uns
freilich, was der König verlangt, was er für fich angeführt
habe, aber fie fagen und in Wahrheit bloß, was er für fich
verlangen. und anführen Eonnte. Alle ihre Mittheilungen laus
fen darauf hinaus, daß Affonfo, um bie legtwilligen Beſtim⸗
mungen über jene Burg umzufloßen und diefe feinen Schwes
fleen zu entreiffen, mit politiſchen Grimden den mahnenden
Eidſchwur zum Schweigen zu bringen fich bemüht habe. Wir
find nicht geneigt Affonſo's Gewiffen fo Vieles aufzubürben.
Einige Schuld trägt auch der Teſtator, der ed vernachläfligte
audbrüdlich zu beflimmen, daß dem König die Landeshoheit
über dieſe Orte nach wie vor bleiben follte — ein Recht der
Krone, das freilich fo fehr im Geifte der Zeit und der Lan⸗
besverfaffung begründet war, daß ed der ausdruͤcklichen Er:
wähnung kaum bedurfte. Affonfo hatte, wie es fcheint, unter
diefer Vorausſetzung die gewiflenhafte Beobachtung des legten
Willens feines Vaters befchworen, und handelte feinem ide
nicht zuwider, als er bei feinem Regierungsantritte von jes
nen Ortfchaften in Anfpruch nahm, was ihm feiner Überzeus
gung nach gebührte. Die Schweflern aber, die jene Vorauss
feßung nicht gelten laſſen wollten, "wiberfegten. fi ch dem und
riefen den Papſt um Beiſtand an.
Innocenz III. hatte bereits, auf Verlangen des Koͤnigs
Sancho, nicht allein das Teſtament im Allgemeinen beſtaͤtigt
9*
1211
Oct.
—
132 erſer Zeitraum. J. Buch. 5. Abſchn.
und ſeine genaue Befolgung geboten 1), ſondern auch insbe⸗
ſondere, auf Anſuchen der Infantinnen, die „von gewiſſen Leu⸗
ten Unluſt fuͤrchteten“, bald nach des Koͤnigs Ableben die ſaͤmmt⸗
lichen Grundbeſitzungen, die ihnen ihr Vater vermacht hatte,
unter feinen und des heiligen Peters Schutz geſtellt?). Der
Erzbifchof von Compoſtella und zwei fpanifche Biſchoͤfe wa⸗
ren vom Papft beauftragt worden dieſe Anordnungen auf-
vecht zu erhalten. Indeſſen fchien die Sicherheit, bie der ver-
forochene Schuß des heiligen. Vaterd den SInfantinnen ges
währte, fie nicht über alle Beforgniffe zu erheben; eine naͤ⸗
bere und fchleunigere Hülfe duͤnkte ihnen nöthig. Sie fuch-
ten und fanden ra bei dem ihnen verwandten König von Leon,
während fie felbft mit ihren Kriegern und Anhängern in dem
durch feine Lage flarken, damals faft uneinnehmbaren Monte:
mor fich befeftigten und jeden gewaltfamen Angriff. abzuweh⸗
ren fich ruͤſteten. Unwillig darüber, daß die Infantinnen durch
den Hülferuf im Auslande den Bruder befchimpften und
fremde Streiterhaufen in das Reich Iuden, eilte der König
nach Montemor, von einer Anzahl Krieger begleitet, die zu
feinem perfönlichen Schuß hinreichte, ohne die Beſorgniß zu
erregen, Daß er mit ihr den Drt angreifen oder belagern wolle.
Er ſchlug den Infantinnen vor, die flreitigen Burgen zuver-
Läffigen und ihnen getreuen Rittern zur Beſchuͤtzung anzuver⸗
trauen, alle Einkünfte diefer Orte für fich zu erheben, ihm
. aber in denfelben huldigen zu laſſen. So ſchien dem Könige
die Würde der Krone und die Einheit des Staates gewahrt,
zugleich dem legten Willen des Abgefchiedenen, der den Toͤch⸗
tern bloß einen anftändigen und feften Unterhalt zu fichern
' beabfichtigte, Genüge gethan ). Doch die Infantinnen, auf:
den Beiftand der geiftlichen und weltlichen Waffen fich flügend,
I) Mit Ausnahme deffen, was der König über einige Kiöfter zu
beftimmen ſich angemaft habe, cum justa canonicas sanctiones nulla sit
laicis de rebus ecclesiastieis attributa facultas disponendi. Innocen-
tii III. Epist. ib. 14. epist. 58,
2) Innocent. Epist. lib. 14. epist, i15. 116. 117,
3) Brandäo bemerkt richtig: Näo procedia el Rey D. Afonso
nesta -materiA com tao pouco fundamento, como se tem comuniente,
pois pedia resonhecimento, e conservacäo dos direitos Reaes, e ou-
Regierung Affonfo’s IL, 1211-1223. 133
verwarfen biefen Vorfchlag. Einige ihrer Soldaten in Mon:
temor (Affonſo Elagte Tpäterhin darüber bei dem Papft) flieffen
Schimpfworte gegen den König und feine Begleitung aus,
erhoben in feiner Gegenwart ihre Banner und riefen wiebers
holt: „Xeon, Leon!" Entrüftet über diefe Begegnung und den
MWiderftand der Schweitern Fehrte Affonfo nah Coimbra zu⸗
ruͤck, und hielt fich fir gerechtfertigt, wenn er der feindlichen
Gewalt i im Schoofe des Reichs die Fönigliche, der fremden bie
vaterländifche entgegenftellte.
Sofort nahm er Aveyras weg, das der Infantin Sancha
gehörte, belagerte Montemor und Alemquer, während leoneſi⸗
fche Streiterhaufen, unter der Anführung des Infanten Fer⸗
dinand, heranrüdten. Diefe verfuchten zwar vergeblid) jene
Burgen zu entfeßen, plünderten und verbrannten aber meh⸗
rere offene Orte der Umgegend und befeßten andere ). Eilf
fefte Schlöffer Famen in die Gewalt des - Königs von Leon.
Das ganze Reich ward erfchüttert, der blutige Kampf von beis
den Seiten mit der größten Erbitterung geführt. Wie dem
Könige die Schweftern, der Schwager, der eigene Bruder (der
Infant Peter) feindfelig gegenüber landen, fo der leoneſiſche
Nitter dem portugiefifchen, vielleicht dem eigenen Bruder oder
Vater. Dennoch würde Affonfo Über feine Feinde, Die heimis
ſchen wie die fremden, gefiegt und dem Lande die Ruhe wies
dergegeben haben, hätte er allein mit diefen Feinden zu Fam:
pfen gehabt. Mochte auch mancher Portugiefe, der in dem
Könige den hartherzigen Bruder zu fehen glaubte, von ihm
fi) wegwenden, mochte die Theilnahme, die für den Schwaz
chen und Unterbrüdten immer wacht, dem von männlicher
Übermacht bedrängten Weibe aber nie verfagt wird, den Ins.
tras cousas que os Summos Pontifices approvaräo, e derpois se vic-
räo a conceder. Mon. Lua. liv. XII. cap. 5.
1) Pluribns villis campestribus incendio devastatis, quaedam ca-
stra etiam occupavisse, quorum unum dicto fratri ejusdem Regis Por-
tugalliae (dem Infanten Peter, der als Anführer des Leonefifhen Heeres
dem noch fehr jungen Infanten Ferdinand beigegeben worden war) com-
miserit; caetera per se, et per filium suum contra justitiam detine-
ret. Aus dem Schreiben des Königs Affonfo IT. an den Papſt bei
Brandäo, Mon. Lus. liv. 18. chp. 5.
⸗ \
134 Erfter Zeitraum. L Bud. 5. Abſchu.
fantinnen in der Stille Anhaͤnger werben; — der Koͤnig war
doch im Beſitze der Macht, er vertheibigte die gefaͤhrdete Ein⸗
heit. und Unabhängigkeit des Stasızd und behauptete Die Wuͤrde
und Rechte der Krone im Innern ded Reiches und gegen
fremde Einmifhung. Der Beifall und die Anhänglichkeit ber
Vaterlandöfreunde konnten ihm nicht entgehen. |
Nun aber kam zu den moralifchen und politifchen Be
weggründen, welche die Portugiefen in Parteien getrennt unb
zur blutigen Zwietracht gereizt hatten, noch ein religioͤſer Bes
weggrund, nicht der fchwächfte: in- jenem Jahrhunderte, und
vermehrte die Verwirrung. Der Papft hatte dem Erzbifchofe
‚von Strigonia und dem Bifchof von Zamora den Auftrag
gegeben, den Streit in der Ebniglichen Familie zu unterfuchen.
Da Affonfo die Belagerung ber flreitigen Burgen nicht aufs
bob, fo wurde er und das Reich von ben paͤpſtlichen Unter:
fuchungsrichtern fo lange in den Bann gethan, bis er die Waf⸗
fen niederlegen und dem Ausfpruche des Papſtes fich unters
werfen werde. Doch bied Eimmerte den König wenig; er
appellirte an ben Papft und z0g im folgenden Jahre wieber
mit Heeresmacht vor die Burgen. Sie tamen endlich in feine
Gewalt. Nun erft ließ er dem Papfte fagen, daß er bereit
ſei zu einem gütlichen Vergleiche: Wahrfcheinlich auf Antrieb
des Königs ernannte Innocenz andere Bevollmaͤchtigte, Die
Abte der Giftercienferklöfter Cöpina und Offeira, die fich fos
gleich nach Coimbra begaben, um die beiden Parteien zu
vernehmen und ihre gegenfeitigen Befchwerden und Rechtfer⸗
tigungen zu prüfen. Auf das eidliche Verfprechen ded Königs,
daß er dem Ausfpruche des Papſtes fich unterwerfen wolle,
wurde der Bann unverzüglich aufgehoben ). Die Burgen gab
man bi8 zur Entfcheidung den Tempelrittern in Verwahrung.
Unverhofft aber thaten bie päpftlichen Commiffarien den Spruch:
„Daß der König feinen Schweftern für den ihnen zugefügten
Schaden 150,000 Goldgulden bezahlen folle.” Und da Affonfo
dem Spruche nicht nachlam, fo warb er von neuem in ben
Bann gethban. Die Größe jener Summe machte dem König
die Zahlung unmöglich; er wied dies nach, wie bie fchreiende
1) &. die päpftliche Abfolution in dee Mon. Las. liv. 18. cap. 4.
Regierung Affonfo’s IL, 1211— 1223. 135
Ungerechtigkeit, mit ber man gegen ihn, der von ben Schwe⸗
ftern und dem König von. Leon eben jo großen Schaden ers
‚ litten habe, verführe. Mit Recht Eonnte fein Sachwalter Leos
narbo, ein audgezeichneter Rechtögelehrter aus Mailand, be
baupten: „gegen den Zahlungsunfähigen habe man ben Bann: |
ftrahl gefchleudert, der nur den Widerfpenftigen treffen follte.“
Aber nicht allein ein unausführbares und ungerechted Urtheil
hatten die Unterfuchungsrichter gegeben; fie waren gar nicht
befugt irgend ein Urtheil zu fällen. Der Papft hatte ihnen
aufgegeben, „wenn’fie eine gütliche Vereinigung unter den
beiden Parteien nicht zu Stande bringen Eönnten, den Streit
hinreichend einzuleiten und feine Prüfung und Entfcheibung ihn:
zu uͤberlaſſen. Sie follten in diefem Falle den Parteien eine
gewiſſe Frift fegen, in welcher fie ihre Sache durch tüchtige
Procuratoren vor dem Papfte führen lieſſen und deffen Urtheil
empfingen “N,
Ohne zu wiffen, wie weit feine Richter ihre Vollmacht
überfchritten hatten, appellivte der König nochmal an den
Papſt. Diefer ernannte darauf neue Bevollmaͤchtigte, den
-Bifchof von Burgos und den Dechanten von Compoſtella,
und zeichnete ihnen das Verfahren, das fie beobachten, wie
die Entfcheidung, die fie im Namen des Papfted geben ſoll⸗
ten, vor?). Wunderlich genug lautet ed hierbei, wenn ber
rechtögelehrte Innocenz, nachdem in dem Proceß, der bei feis
nem Richterftuhl anhängig war, fehon mehrere Mal ein Urtheil
gefällt und Strafe (die fchwerfte, welche die Kirche über einen
König und fein eich verhängen kann) erfannt worden war,
nach fünf Jahren den päpftlihen Benollmächtigten zu unter
ſuchen aufgibt: „ob der König mit Necht die Maffen gegen
feine Schweitern ergriffen habe?" und auf diefe Weife damit
endigt, womit er hätte beginnen folen. Wenn er aber in
derfelben Inſtruction bemerflih macht, „wie es keineswegs
aus dem väterlichen Teflament hervorgehe, daß jene (ftreitigen)
Drte von der Ebniglichen Gerichtsbarkeit befreit fein follten‘ ?),
1) Innocent. Epistt. lib. 16. epist. 52.
2) Mon. Lus. Tom. IV, Append. Eiscrit. 8.
3) Nobiles quoque praedictae pro Castris ipsis exhiberent sine
136 Eefer Zeitraum. Lund 5. Abſchn.
fo ſcheint es, daß der König, mit der Behauptung, von der
er, wie wir annehmen birfen, gleich anfangd ausgegangen,
am Ende des Rechtsftreites bei dem Papft durchgedrungen war.
Der päpftliche Sprucd fiel endlih dahin aus: der Kits
chenbann, der über den König und das Reich auögefprochen
worden, if ungültig. Die Burgen follen den Tempelherren
ohne Nachtheil des Reichs und des Königs anvertraut werben,
fo dag der König die Hoheit über fie hat, die Schweſtern aber
die Einkünfte derfelben beziehen. Der erlittene Schaden beider
Parteien fol durch Unparteüfche ausgemittelt und wo moͤg⸗
lich gegenfeitig ausgeglichen werden. — Er war fehr beträcht-
lich. Die Königin Thereſia .verficherte, daß fie allein für Kries
gerfold, für Boten und Sachwalter in Rom 50,000 Gruzas
008 ausgegeben habe, der Verluft aber, den fie an Heerden,
Früchten, felbft an Schifföladungen erlitten habe, unberechen-
bar fei. Die Infantin Sancha, die ebenfalld dieſen Verluft
nicht anfchlägt, gibt ihre baaren Koften im erflen Kriege zu
‚ 14,626 Gold: Maravedis, im zweiten zu 15,607 an!) — in
der That fehr bedeutende Summen für jene Beil. Was ber
König Sancho demnach mühfam erfpart' und gefammelt , viel
leicht zum Theil unter Gewiffenszweifeln erworben ?), was er
unter feine Kinder vertheilt hatte, um ihre Unabhängigkeit,
Ruhe und Einigkeit zu fichern, das verfchlang die Feinbfelig-
keit der Gefchwifter gegen einander zu ihrem eigenen Unheil
und zum Verderben des unglüdlichen Landes, das der Schaus
platz des fchmachvollen Gefchwilterfriegs war.
So wurde für jest ein Familtenflreit beigelegt, in dem
weder die Vorficht ded Vaters, noch die Zärtlichkeit des Brus -
berö, noch die Weiblichkeit der Schweftern, noch die Gewife
fenhaftigfeit des Richters unfere Theilnahme erregt. Die ges
difficultatis obstaculo jura Regalia dicto Regi, cum per Patris testa-
mentum nullatenus appareret, quod eadem a ‚jurisdietione Regia ex-
empta fuissent.
1) Mon. Lus. Tom. IV. Escrit. 6.
: 2) Darauf deutet vieleicht die Beflimmung in dem Zeftament bin:
et de mea arca XCC. morabit. de quibus faciant pacari, quantum
invenerint quod accepi cum torto,
Regierung Affonfo’s HE, 12141 — 1223. 137
rechte, aber flmf Jahre verſpaͤtete Entſcheidung vermochte nicht
Diejenigen zu verfähnen, deren Geflihl durch das gegebene Ars
gerniß einer blutigen Gefchwifterfehbe im koͤniglichen Haufe
verlegt war, bie ihr Blut dabei vergoffen hatten, ihr Obdach
und ihre Fluren zerftört fahen. Die Unachtfamkeit bed Rich⸗
terd konnte nur einige Entfchuldigung finden in der Unermeffs
lichkeit feines Gerichtsſprengels, der beinah bie ganze Chriftens
beit umfafite und noch nach Oſten fich zu erweitern fixebte,
und in ber Menge und Wichtigkeit bee Proceffe, die bei feis
nem Richterftuhle anhängig waren.
Innocenz ftarb (16. Jul. 1216) wenige Monate, nachs
dem er durch fein Urtheil (vom 7. April) die innere Ruhe von
Portugal hergeftellt hatte. Sein Nachfolger auf dem heiligen -
Stuhle, Honorius IIL, eröffnete feine päpftliche Wirkſamkeit mit
einer Unternehmung, die für Portugal zufällig wichtig wurde,
mit der Anorbnung und Beförderung eined neuen Kreuzzugs.
2) Deutfche und niederländifche Kreuzfahrer helfen den
Portugiefen Alcacer do Sal erobern.
Man war durch frühere Erfahrungen zu ber Überzeugung
gekommen, die der Papft jest felbft durch ein Gebot ausfprach,
daß man nicht vereinzelt, fondern in größern Maffen und
mit zufammenflimmenden Mitteln das große Ziel, die Wieder⸗
eroberung bes heiligen Grabes, zu erreichen trachten follte. Der
tegfte Eifer für eine neue Kreuzfahrt zeigte fih im weftlichen
-Deutfchland, unter den Anwohnern des Niederrheins. Vor
Allen bewiefen die Bewohner Coͤlns und feines Sprengels eis
nen Enthufiafmus, den Honorius durch ein befonderes paͤpſt⸗
liches Schreiben zu loben und dadurch noch mehr anzus
feuern nicht verfäumte. Mit ihnen verbanden fich niederländis
ſche und friefifche Pilger. Nicht weniger ald 300 Schiffe wurs
den ausgeruͤſtet, um dieſe Schaaren nach dem heiligen Lande zu
führen. Sie verfammelten fih in Vlardingen an bey, Maas
und traten den 29, Mai 1217, unter der Anflhrung Gras
fen Wilhelm von Holland und Georg von Wied, die Seefahrt
an. Nach vielen Unfällen und Stuͤrmen, von denen bie Flotte
4138 Erſter Beitraum. L Bud. 3. Abſchn.
worden war, legte fie im Hafen von Lilfabon an,
(21. Jul.), um die befehädigten Schiffe ausbeſſern zu laſſen.
v Während bie Mannfchaft hier verweilte, begab. ſich bes
Bifchof diefer Stadt, Sueiro, begleitet von dem. Bifchof von
Evora, dem Abt Peter von Alcobaca und den Großmeiftern
ber Zempelritter, der Johanniter und des Santiago » Drdens
zu ben Anführern der Kreuzfahrer, und fuchte fie zu bewegen,
gemeinfchaftlih mit den Portugiefen die Feſte Alcacer bo Sal,
von wo aus die Saracenen umaufhörlich das portugiefifche Ge:
biet beunruhigten und verheerten, zu belagern. Zu ben Grün:
den, bie in ähnlichen Fällen ſchon angeführt worben, fügte
der Bifchof noch das Beifpiel früherer Kreuzfahrer hinzu, bie
bereits in Portugal unvergänglichen Ruhm und den Himmel
ſich erlämpft hätten, die vorgeruͤckte Jahreszeit, die fie ohnes
dies nöthigen werde in den Häfen von Stalien zu überwintern, .
die Zögerung ber mit dem Kreuz bezeichneten Könige und Für:
fien, deren Ankunft im Paläftina fie abwarten müflten, bie
Ausficht auf Die Beute und die reichen Mittel, die ihnen ber
Beſitz von Alcacer zur Eroberung des heiligen Grabes barbies
1217.
ten würde.
Die Grafen Wilhelm von Holland und Georg von Wie
hielten fogleich einen Kriegsrath mit den Ubrigen Anführern der
Mannfchaft und flimmten diefe für den Worfchlag, wie bes
Bifchofs Rebe fie felbft daflır geftimmt hatte Nur die Zrie
fen wollten fich von der genauen und möglichft baldigen Er⸗
füllung ihres Geluͤbdes nicht abhalten laffen. Sie trennten
fih von den Übrigen, verlieffen mit mehr als achtzig Schiffen
den Hafen von Liffabon und fegten ihren Weg nach dem hei-
ligen Grabe fort (27. Zul). Die Zurudbleibenden dagegen,
entfchloffen mit den Portugiefen zur Belagerung von Alcacer
do Sal ſich zu vereinigen, fuhren auf Meinen Kahrzeugen bis
Setuval, damals noch ein kleiner von Fiſchern ⸗bewohnter Ort
ohne Mauern, von da weiter bis vor Alcacer, wo fie, ohne
Widerſtand zu finden, an das Land fliegen. Einige Tage dar:
auf (JAug.) ſchloſſen fich ihnen mehrere portugiefifhe Große
mit zMreichen Kriegerhaufen an, die Nitterfchaft des heiligen
Jacob vom Schwert, angeführt von dem Commenthur Mar-
tin, dem Biſchof von Liſſabon, jetzt eben fo tapfer und unter:
[4
Regierung Affonfo’s HB, 1211 — 1223. 139 |
nehmend, ald vorher. berebt, an ber Spige einer rüfligen
Streiterfchaar. oo
Man hoffte und verfuchte im Sturm den Ort zu über
wältigen; aber er war ſtark befefligt mit Mauern, Thürmen
und Gräben; der zahlreichen Befagung fland ein muthiger Be
fehlshaber vor‘). "Der Angriff der Ehriften wurde abgemwiefen,
und um der Belagerung, zu der fie fich anfchidten, Trotz bie
ten zu koͤnnen, ein Aufruf an die maurifchen Statthalter An-
balufiend zum Entfag und Beiftand erlaffen. Die Bedraͤng⸗
niß ber Feſte, ihre‘ weitbefannte Wichtigkeit fehte das ganze
maurifche Spanien in Bewegung. Zahlreiche Heerhaufen, von
den Statthaltern (Königen) von Sevilla, Cordova, Jaen und
Badajoz angeflihrt, zogen heran und ftanden den 9. Sept. den
Chriften gegenüber. Diefe, nicht halb fo ſtark ald das Heer
der Saracenen, das ſich auf 40,000 Mann zu Fuß und 10,000
zu Pferd (nach Andern auf nahe an 100,000 Mann) belief,
entmuthigte der Anblid einer ſolchen Streitmaffe, bie zugleich
Den Muth der Belagerten erhöhte. Bald jedoch kehrte den
Ehriften das Selbflvertrauen zuruͤck. ine beträchtliche Vers
flärfung von Portugiefen und Leonefern, SIohannitern und
Tempelrittern, die in des folgenden Nacht zu ihnen flieflen,
vermehrte ihre wirkliche Macht. Ein Kreuzpanier, dad am“
Abend in der Luft erfchien, verkündete den Gläubigen ben
Steg’). Die Pilger, dem großen Kampfe gegen die Zeinde
des Gekreuzigten geweiht, durften und konnten nicht unruͤhm⸗
lich ihn hier eröffnen. Die Portugiefen aber waren des Ans
blicks ſchon gewohnt und eingeben? fo manches Sieged über
eine Mehrzahl von Mauren. Man rüftete fi) Darum vers
trauensvol zur Schlacht am Morgen des 10. Sept. .
Ein Faͤhnchen mit der Rechten fchwingend, mit ber’ Lin-
Ten den Schild vorfchügend, dad Streitroß Eräftig angefpornt,
rannte zuerft dee Commenthur Martin mitten unter bie Feinde.
1) Conde nennt in Abdallah Ebn Mohammed Ebn Wasir. Hi-
storia de la dominacion de los Arabes en Espaüia. T. II. cap. 56.
2)... quod in aöre apparuit vexillum crucis gloriosum exerci-
tui in victoriae signum, berichten die Bifchäfe und Orbensmeifler an den
Papfl. Manrique, Annal. Cisterc, ad an, 1217, cap. 4.
140 Erfter Zeitraum. L Buch. 5. Abſchn.
Dem Commenthur, der in einem Meinen Körper ein Löwen:
herz trug‘), flürzte muthig nach Peter Alvitis, der Tempel⸗
meifter. Andere, die nicht genannt werden, aber ed verdient
hätten genannt zu werben, folgten ihnen; die Schlacht war
bald allgemein, blieb aber lange unentfchieden. Was der Hels
denmuth der Chriften leiftete, fchrieben fie befcheiden und ſchwaͤr⸗
merifch einer Schaar von Engeln zu, die in Geftalt von weiß
gekleideten Rittern vom Himmel herab für fie gefochten habe.
Der Sieg war vollfiändig. 14,000 erfchlagene Saracenen bes
deckten das Schlachtfeld, unter ihnen die Statthalter von Cor⸗
bova und Jaen. Die Zahl der Gefangenen, die in die Ge:
walt der Chriften gerieth, die Menge der Koftbarkeiten, die
man in den Zelten fand, war unermeßlich.
Sp vollftändig auch diefer Sieg über das Saracenenheer
gewefen war, fo hielt fich doch Alcacer do Sal noch einen
Monat lang. Endlich, den 21. Octbr., fah fich die Fefte ges
nöthigt die Thore zu Öffnen. Man fand noch ungefähr 2050
Menfchen darin ) und überließ den Drt dem Großmeifter
von Santiago oder von Palmela, dem er fchon vorher ver-
fprochen worden und der während der Belagerung und ber
Schlacht auf das herrlichfte fich hervorgethan hatte.
Den glüdlichen Erfolg diefer Unternehmung berichteten die
Biſchoͤfe von Liſſabon und Evora, der Abt von Alcobaca und
die Großmeifter der verfchiednen Orden an den Papft und ba⸗
ten ihn zu geftatten, daß die Kreuzfahrer noch ein Jahr in
Portugal verweilten, um die Ungläubigen vollends aus Spa⸗
nien zu vertreiben, und daß die fremden Pilger und die mit
dem Kreuz bezeichneten Portugiefen der kirchlichen Beguͤnſti⸗
gungen ebenfo kheilhart ig würden, ald wenn fie perfönlich für
die Rettung des heiligen Stabes gefochten hätten 9. Hono⸗
rius aber antwortete: „jener glüdliche Erfolg möge die Por:
tugiefen und Spanier zu neuer Thätigkeit anfeuern, die Er:
1) Parvus corpore, corde leo.
2) Nah Eonde lieſſen die Chriſten mehr als 1000 mauriſche Rit⸗
ter enthaupten.
3) ©. das Schreiben bei Manrique, Annal. Cisterc. an. 1217,
cap. 4,
Regierung Affonfo’s IL, 1211 — 1223. 141
oberung Paläftinad bleibe jedoch die Hauptfaches von. ber Er-
füllung des Geluͤbdes koͤnne er mur diejenigen entbinden, die al
ler Mittel, um die Reife fortzufegen, ermangelten, oder die bei
der Belagerung von XAlcacer ihre Schiffe hergegeben hätten,
um Kriegszeug daraus zu fertigen Y.. Die Kreuzfahrer ver⸗
lieſſen daher, nachdem fie den Winter in Liſſabon in. Behag⸗
lichkeit zugebracht hatten ?), im Frühling 1218 den Hafen und
fegelten dem heiligen Grabe entgegen. '
Meder an dDiefer glorreichen Eroberung Hatte Affonfo I.
perfönlich Theil genommen, noch an dem Siege: von Novas
de Zolofa, der fünf Jahre vorher den chriftlichen Namen ver-
herrlicht hatte. Damals lebte der König mit feinen Schwe⸗
flern im Streite und war eben mit der Belagerung von Alem⸗
quer und Montemor befchäftigt; überdies machten bie feind-
lichen Einfälle der Leonefer in das Land zwifchen dem Minho
und Douro feine Gegenwart nöthig. Aber viele portugiefifche
Ritter und ein zahlreicher Haufen Fußvolk, die beide wohl
nicht ohne des Königs Zuftimmung oder Befehl dem chriſtli⸗
chen Heere fich anfchlieffen durften, theilten den Ruhm jenes
ag’); Während der Belagerung von. Alcacer do Sal aber
lag Affonfo, nach Brandäos Angabe‘), in Coimbra krank
Danieder. Mit Unrecht hat man daher dem König feine Ab⸗
wefenheit bei beiden Unternehmungen zum Vorwurf gemacht .
und ihm Unthätigfeit und Muthlofigkeit im Kriege zur Laſt ge:
legt. Anders urtheilt der Papft Honorius über ihn, indem
er Affonſo's Krlegsthaten im Kampfe gegen die Ungläu-
bige® ruͤhmend erwähnt‘), und die Eroberungen von Vei⸗
1) Raynaldus in Contin. Baron. ad an. 1217. Nro. 57. p. 414.
2) Tota hyeme ibidem bonanı ducens vitam. Godefr. Mon,
. 886. über das Ganze vergl. Wilkens Gefchichte ber Kreuzzuͤge.
heil VI. ©. 166 und ff.
3) Convenerunt etiam ad eandem urbem plerique milites. (i. e.
Cavalleiros) de partibus Portugalliae, peditum vero copiosa multi-
tudo, qui mira agilitate expeditionis onera facile sustinebant et au-
daci impetu impetebant. Roder. Tol,
4) Mon. Lus. liv. 13. cap. 10.
5) Manifestis probatum est argumentis, ſagt der Papſt in der
Bulle (von 1318), worin er dem König, der Sitte gemäß, das Reich be⸗
142 Erſter Beitraum. L Bud. 9. Abſchn.
ros, Monforte, Borba und Villa Vicoſa koͤnnen als Belege
fuͤr die Wahrheit der paͤpſtlichen Ausſage angeführt werben ).
Sonſt hat die Geſchichte jener Zeit, die gemeiniglich Waffentha⸗
ten bereitwilliger aufzeichnete als das ſtille Wirken des Scep⸗
ters, über die Kriegsereigniſſe dieſer Regierung und die pers
fönliche Tapferkeit des Königs und in einem Dunkel gelaffen,
aus dem nur einzelne Züge von Affonfo’3 Eriegerifhem Muth
hervorſchimmern. So zogen ihn einft die Seinen bei einem
Gefecht mit den Saracenen halbtodt und. mit Waffen bededt
unter Leichen hervor. In feinen fpdtern Jahren hinderte ihn
feine ungewöhnlihe Dide, die ihm auch den Beinamen
o Sordo gab, feine perfönliche Tapferkeit zu bethätigen. ,
Doch diefer bedurfte es nicht, um Affonfo II. den beffern
Regenten Portugals an die Seite- zu ſtellen; feine Werdienfte
um dieſes Land beruhen huf einer andern Art von Thaͤtigkeit.
3) Affonſo's II. Verdienſte um die Geſebgebung
Portugals.
Er gibt mehreren Gemeinden Ortsrechte. Cortes von Coimbra
1211. Die erſten allgemeinen Geſetze ſeit den Cortes
von Lamego. Ihr Inhalt. Verordnung fuͤr die Beamten
des koͤniglichen Hauſes.
Wie fein Water, fo erkannte auch Affonſo II. die Anfo⸗
derungen feiner Beit, und förderte mit ebenfoviel Eifer als
ftätigt, quod per sudores bellicos, et certamina militaria inimicorum
Christiani nominis intrepidus exstirpator, et propagator etc,
1) Auch Moura wurde in jener Beit erworben, aber nicht burch rits
terlihe Tapferkeit, fondern durch eine unrühmliche Lift portugiefifcher
Kitter. Ein Maure, Namens Buacon, Eigenthümer vieler Ländereien
in Alemtejo, hatte feiner Tochter Saluquia, die mit dem Mauren Bra:
foma, dem Beliger des Schloffes Arouche, verlobt war, den Ort Arucia
a nova, das nachherige Moura, das von jenem zehn Legoas entfernt war,
zum Brautfchag gegeben. Als der Verlobte zur Vermaͤhlung nad) Moura
reifte, ward er von einer Anzahl portugiefifcher Ritter und Soldaten eine
Stunde von Moura angegriffen und. mit feinen Begleitern getöbtet. Die
Shriften legten darauf die Kleider der Mauren an und zogen mit Zeichen
der Breude nah Moura, wo Saluquia an einem Zenfler ber Ankunft bes
⸗
Regierung Affonfo’s MM, 111—1223. 418°
Einfiht das Gemeindeweſen in feinem Reiche, indem er viele
neue Orte anlegen und bevölkern ließ oder die Berhältniffe
fchon beftehender Gemeinden ordnete und befefligte. Ex beftd-
tigte nicht allein viele Ortsrechte, bie feine Vorfahren den Ge
meinden ertheilt hatten"), fondern gab auch mehreren Ortſchaf⸗
ten neue Foraes, wie Contraſta (ſpaͤterhin Valenga do Minho
genannt) den 15. Aug. 1217, Ponteure und andern Orten. .
Trat der König bier in die Fußtapfen feines verdienftvo
len Vaters, fo erhob er fich Über dieſen durch einen mächti-
gen Schritt, den er weiter that, indem er von ber Munici⸗
palgefebgebung zur Reichsgeſetzgebung überging und ben Blid,
den er bisher nur auf vereinzelte Gemeinden befchräntt hatte,
tiber den gefammten Staat, ber alle Claffen feiner Bürger
ausbehnte. Gleich im erſten Jahre feiner Regierung verfant-
melte Affonfo die Corte in Coimbta) umd gab bier, mit Berar
thung und Zuſtimmung bes Erzbiſchofs von Braga und ſaͤmmt⸗
licher Bifchöfe, der Nicoshomens und Vaſallen des Reichs,
mehrere allgemeine Gefebe und Anorbnungen, die zum Theil
in das fpdtere Geſetzbuch von Affonfo V. übergegangen find,
„wenige, aber voll Weisheit und Humanität.”). Wir würs
Bräutigams harrte. Die verkteideten Säfte wurden eingelaffen. Bald
aber verkündete das Gefchrei der Saracenen in der Burg ben Irrthum.
Saluquia ftärgte fi von einem Thurm herab, um nicht in die Hände
der Chriften zu kommen. Dieſe gewannen leicht die Oberhand über bie
beftürzten Einwohner und behaupteten fih in bem Orte, ber feit jener
Zeit gemeiniglid) „das Schloß der Maurin’ genannt wurbe und ben Na⸗
men Moura erhielt. Nah einer Schenkungsurkunde der Kb:
nigin Brites bei Brandäo iv. 13. cap. 15.
13.8. ben Foral von Pedrogão, den von Palmella und andere.
&. Memoria para a Historia das Confirmacdes Regias. Lisboa 1816,
pag. 7. — Nova Malta Portug. P. I. p. 168.
2) Über die Gortes von Coimbra vergl. Brandäo, Mon. Lus.
Parte IV. liv. 13. cap. 21. — Mello Freire, Hist. jur. civil. Lu-
sit. p. 47, Ejusdem, Institutt. jur. civil. Lus. lib. IV. tit.7.$.7.
— Memorias da Academ. Real Tom. VI. Parte 2. p. 37. In dem
alten Foral von Santarem find die Gefege diefer Cortes zum Theil ent:
halten.
8) Ordenagöes do Senh. Rey D. Affonso V. Coimbra 1792.
Prefacäo p. 4.
144 Erſter Zeitraum. L Bud. 5. Abſchn.
den Affonfo’s II. fchönftes Lob verfchweigen, wenn wir biefe
Geſetze unerwähnt liefen. Ihre Überficht, fo weit fie durch
den Drud bekannt find, gewährt und nicht allein Mit
tel, den König ald Gefeßgeber zu würdigen; fie geflattet uns
auch, wenn wir die Zeit, in welcher, und bie Lage ded Vol
tes, für welche diefe Gefege gegeben wurden, ind Auge faffen,
einen aufklaͤrenden Blick auf die politifche Bildungsſtufe, auf
welcher die Portugiefen damals flanden. Man beabfichtigte
durch dieſe Geſetze theils die perſoͤnliche Freiheit zu
fördern, dad Kigenthum zu fihern und drüdende Abgaben abs
zuftellen, theils die bürgerliche Rechtöpflege zu regeln und
im peinlichen Verfahren jeder Übereilung vorzubeugen, theils
die Rechte der Kirche und. der Geifllichkeit zu befefligen und
kirchlichen Misbräuchen zu begegnen, fo wie für die Bekeh⸗
rung der Juden zum Ehriftenthbum fefle Beflimmungen zu'geben.
Jeder freie Mann darf ſich im ganzen Reiche den zum
Herrn wählen, den er will; nur folche entbehren dieſes Recht,
bie auf fremden Gütern anfdffig find und darum Feinen ans
bern Herm haben koͤnnen ald den Eigenthümer dieſer Erb⸗
güter. Dies warb verorbnet „zu Gunften der Freiheit, damit
jeder Freie frei über fich verfügen könne, wie ed ihm beliebt").
Wer gegen diefed Geſetz handelt, verliert, wenn er nad ei
ner dreimaligen Strafe von fünfhundert Soldos ſich nicht beſ⸗
fert, fein Vermögen und wird aus dem Lande verwiefen. —
Jeder darf fein Eigentbum verkaufen oder verpfänden; doch
hat der Bruder oder Verwandte, der ed Faufen oder einlöfen
will, das Näherrecht vor dem Sremden ). — Alle Häufer der
Adeligen wie der Unberittenen (Peoens) geniefien dad echt,
daß in ihnen Fein Todſchlag verübt werden darf’). — Nie
mand Fann vom König zur Ehe gezwungen werben, „benn
1)... e esto estabelecemos em favor da liberdade por tal que
o homem livre livremente possa fazer de sy o que Ihe aprouver.
Ordenag. Affons. liv. 4. tit. 25.
2) Ord. Affons. liv. 4. tit. 37.
3) Mon. Lus. liv. 18. cap. 21.
/
Regierung Affonſo's IL, 1211— 1223. 145
Ehen follen frei fein” ). — ‚Der alte Brauch, von allen Les
bensmitteln, die verkauft werben, ben dritten Theil für ben
König oder die grundherrlichen Ricoshomend zu erheben, fol
aufgehoben fein. Die Eöniglichen Beamten find gehalten, wenn
fie jene Gegenftände brauchen, fie für den laufenden Preis zu
Taufen?). — Strandet das Schiff eines Portugiefen oder eis
ned Auslaͤnders, fo bleibt das Eigenthum des Schiffsheren,
das an die Küfte oder in einen Hafen von Portugal getrieben
wird, unangetaftet, „denn es feheint ungerecht, daß dem Ver⸗
unglüdten noch weiterer Schaden von Menfchen zugefügt
werde’), —
Zur Entfcheidung von Rechtöftreiten follen koͤnigliche Rich⸗
ter angeftellt werden. — Den ungebührliden Appellationen
Schranken zu ſetzen, wird verflgt: im Fall eine Partei von
dem Urtheil des koͤniglichen Richterd an ben König appellirt,
dieſes Urtheil aber richtig gefunden wird, muß der Appellant,
wenn er Ritter oder Prälat ift, zehn Maravedis in Gold, ift
er ein Unberittener oder ein niederer Geiftlicher, fünf ſolcher
Maravedis zahlen‘). — Wenn der Koͤnig vielleicht in ber
Aufwallung des Herzens Jemand zum Tod oder zur Verſtuͤm⸗
melung verurtheilt, ſo ſoll dieſes Urtheil erſt nach zwanzig
Tagen vollzogen werden, wenn es bis dahin vom Koͤnig nicht
aufgehoben worden iſt * — Von Hochverraͤthern und Mein⸗
1) E os que som per prema non ham boa cima. Ord. Affons
Iiv. 4. tit. 10.
2) Ib. liv. 2, tit. 31. _
8) Ord. Affons, liv. 2, tit. 32.
4) Ib. liv. 3. tit. 108,
5) Mit Recht fagt Brandäo: „Es würde ein Verbrechen fein,
wenn wir ein Gefes anzuführen unterlieffen, das ber König (— man
Tann fagen—) gegen ſich feiber gab.” Porque a sanha soe embargar
0 corazäo que nom pode ver direitamente as cousas, por ende esta-
blecemos, que se por ventura no movimento de nosso corazäo a al-
guem julgarmos morte, ou que Ihe corteın algum nembro, tal sentenza
seja prolongada ata vinte dias, e des hi em diante sera a sentenza
a execuzäu, Se nos en este comenos näo revogarınos. Das Geſetz
ging über in die Geſetzſammlung von Affonfo V. liv. 5. tit. 70 in bie
Mancelina liv. 5. tit. 60 und in die Filippina liv. 5. tit. 158,
Schäfer Gefdichte Portugals L 10
| 146 Erſter Zeitraum. L Bud. 5. Abſchn.
eidigen, die zum Tode oder zu einer andern Strafe: verurtheilt
worden find, fallen alle ihre Güter ihren Erben zu und ber
önigliche Almurarife darf nichtö davon nehmen. Nur in dem
Galle, daß fie den Zod des Königs oder eines Gliedes ber koͤ⸗
niglichen Familie oder ihres Herrn beabfichtigt haben, oder
durch einen Richterſpruch der Bifchöfe für Keber erklärt wor-
den find, fällt dem Könige ihr Vermögen zu. SHinterlafien fie
eine Frau, fo behält diefe die Hälfte des Vermoͤgens ').
Die Gefeße und Rechte der römifchen Kirche follen beobach⸗
tet werben. Berordnungen die gegen bie Kirche gegeben wer-
‚den, find ungültig. — Der König und die Eöniglichen Beams .
ten find verpflichtet, die Kirchen , Klöfter und Mönche gegen
die Laien zu beſchuͤtzen. — Sene find nicht verbunden, an ben
König 'oder an diejenigen, die von ihm Ländereien haben, Col-
heitas ?) zu entrichten, oder in den Gemeinden an sffentlichen
‚Bauten, an Mauern und Thlrmen zu helfen oder .helfen zu
laffen ). — Damit nicht im Laufe der Zeit dad Grundvermoͤ⸗
gen der Klöfter und Kirchen fich allzufehr anhäufe zum Nach⸗
theil des Staates, fo follen fie Feines mehr erwerben, als
was zu den Anniverfarien und den übrigen Obliegenheiten flır
Verſtorbene erfoderlich if. Doch bleibt es jedem Kleriker un
benommen, Güter zu erwerben und mit ihnen nah Belieben
zu verfahren‘). — Die Kirchenpatrone follen zu Prälaten Lan:
beseingeborene wählen, und nur wenn unter diefen fich Feine
geeignete finden, die verbienftwollften Ausländer nehmen’). —
Der Jude der zum Chriftenthbum übergetreten ift, darf
bei Berluft feines Kopfes nicht wieder Sude werden °). Der
Sude kann feinen Sohn oder feine Tochter, die zum Chriſten⸗
thume fich befehren, nicht enterben, vielmehr empfangen fie fo=
1) Ord. Affons. liva 5. tit. 2,
2) Über biefe Abgabe f. weiter unten in dem %bgabenwefen über:
‚haupt.
8) Memorias da Academ. Real Tom. VI. p. 38.
4) Weiteres über diefes wichtige Gefeg muß eingm andern Orte
überlaffen werben.
5) Mon. Lus. liv, 13. cap. 21.
6) Orden. Affons. liv. 2. tit. 95.
Regierung Affonfo’s-IL, 1211—1223. 147
gleich ihr geſetzliches Erbtheil und leben nicht länger unter ihren
juͤdiſchen Altern ).
Mit derſelben Sorgfalt und Einſicht, mit der Affonſo II.
den geſammten Staatshaushalt in mehreren Beziehungen ord⸗
nete, regelte er auch bie Einzelnheiten feines Hausweſens
Eine Verordnung, welche der König im Juni 1222 erließ, bes
flimmte die Amtöverhältniffe und Obliegenheiten feiner Haus⸗
beamten *). Die höheren unter ihnen (Oventiales majores)
müffen dem König für Alles haften, was ihnen zur Verwah⸗
rung anvertraut worden iſt, und erfeßen, was Jſie davon vers
Vieren oder entwenden. Der König kann aufferdem fie noch an
ihrem Körper und Vermögen ftrafen. Die nieden Beamten
(Oventiales minores) werden von dem König, nicht von ben
höheren Hausbeamten angeftellt oder abgefegt, und nicht aus
ben Bebienten Diefer, fondern aus den Dienflleuten des Koͤ⸗
nigs genommen. Verliert oder entwendet der niedere Beamte
etwas ohne Mitwiffen des höheren, fo flraft der König jenen.
Wenn der König von den obern Beamten fich zahlen lÄfft,
was die untern. verloren oder entwendet haben, fo erhebt er
es felbft von ihnen, und die obern dürfen dem niedern Fein
weiteres Übel zufügen. Amtövergehen der legtern haben die
erftern anzuzeigen, die Beftrafung fteht jedoch dem König zu.
Bei perfönlicher Verhinderung der höheren Beamten Tönnen
fie nach genommener Ruͤckſprache mit dem Koͤnig taugliche
Stellvertreter ſchicken; genuͤgen dieſe aber dem Koͤnig nicht, ſo
ernennt er andere ſo lange, bis jene ihren Dienft. wieder
. antreten.
Diefe Verordnung für feine Hausbeamten "erließ Affonfo
im vorlegten Iahre feines Lebens, jene Reichsgeſetze im erſten
feiner Regierung. Sie dienen beide als Zeugnifle, daß er das
Wohl feines Staates durch feſte Gefeße zu fördern ſtrebte und
daß diefed Streben felbft in den legten Jahren feines Lebens
nicht erkaltete. Seine Bemühungen in der Gefeggebung was
ren um fo 1öblicher, da Ereigniffe den Anfang und dad Ende
u); Orden. Affons. liv. 2, tit. 79.
2) ©. die Verprönung in ber Mon. Lus. liv. 13. cap. 16. Datum
apud Santareın, mense Junto, Er, 1266.
10*
148 Erfter Beitraum, 1. Bud. 5. Abſchn.
feiner Regierungszeit beunruhigten, bie feine volle Aufmerk
ſamkeit und Thätigkeit in Anfpruch nahmen. Die unfeligen
Streitigkeiten mit feinen Schweftern füllten miehr als das erfte
Drittheil feiner Regierungszeit. Darauf folgten einige Jahre
Ruhe, Portugal erfreute ſich des innern Friedens, und Affonfo
Tonnte ungeftört der Verwaltung bed Reichs feine Sorgfalt
zuwenden. Bald aber erhoben fih Stürme von einer andern
Seite, verfolgten ihn bis ind Grab und brauften noch über
demfelben fort, |
4) Affonſo's Streitigkeiten mit ber Geiftlichkeit. |
Klagen des Erzbifhofs von Braga über ben König, Er thut
biefen in den Bann. Der Prälat flüchtet aus dem
Reiche. Kinfchreiten des Papftes Honorius II. und Ver⸗
fhärfung ber Kirchenftrafen. Der König nimmt den Bann
mit ind Grab 1223,
Affonſo's letzte Lebenszeit trübten Kämpfe mit jenem
Stande, der als Schooskind des Zeitalterd feine Macht ſchnel⸗
Ver und ficherer entwidelte, als es der Pöniglichen gelang, und
ber, weil alle feine Mitglieder jederzeit und überall nur Eins
wollten, diefes Eine ficherer erreichte, ald Die wechfelnden Koͤ⸗
nige ihre verfchiedenen Zwecke durch verfchiedene, oft ſchwer zu
vereinigende Mittel erreichten. Noch waren ed blos Fehden
mit einzelnen Prälaten, gewiffermaßen Zweikaͤmpfe, Vorſpiele
jened großen Kampfes, zu dem fich unter der folgenden Regie
rung der ganze Klerus von Portugal erhob, und der felbft
nach dem Sturze des Königs von dem Throne feiner Väter
noch nicht beendigt war. Aber dieſe WVorgefechte wurden ernft
genug, als fie das ganze Land mit dem fchauervollen Fluche
beluden und der Bannftrahl den König bis in den Sarg ver⸗
folgte. Affonfo’s Ankaͤmpfen gegen dad Eindringen der neuen
Grundfäge und XAnftalten, wie fie der Dominitanerprior
Sueiro Gomes in Portugal einzuführen bemüht war, muß
an einer andern Stelle weiter ausgeführt werben. Hieher aber
gehört des Königs Streit mit dem maͤchtigſten Prälaten ber
portugiefifchen Kirche über Gegenftände, die nicht allein unter
Regierung Affonfo’s IL, 1211—1223. 149°
Affonfo IL, fondern, als ihre Verwandtfchaft mit andern auch
dieſe anzog, binfort Iahrhumderte lang Zunder und Brennftoff
zum Krieg zwifchen dem Thron und dem Altar darboten.
Der Erzbifchof von Braga, Stephan Soares da Silva,
trat im Jahre 1220 ald Verfechter der Rechte des Klerus und
der Kirche auf, die der König, wie er behauptete, verletzt
babe. Er ermahnte diefen, daß er in Zukunft die Geiftlichen
nicht nöthige, vor dem weltlichen Richterftuhle zu erfcheinen,
in den Krieg zu ziehen, oder zu den Koften deffelben -beizu-
fleuern. Er befchwor ihn, die Hände von den Einkünften der
Kirche zu laffen, und die Ausfchweifungen, die von den Fi⸗
dalgos unter bem Titel von Patronen in diefem Punct began-
gen würden, nicht zuzugeben. „Ihrer Allgemeinheit wegen
ließ der König diefe Klagen, die neben gefeßlichen Rechten ber
Geiftlichkeit Eremtionen umfafften, welche allein von dem Willen
des Staatöoberhauptd abhingen, hingehen; er dufferte nur feis
nen Unwillen über dad Rauhe des Zadeld"'). Das heftige
Berfahren des Prälaten wurde mit einem noch heftigern er-
wiedert. Mit Pöniglicher Zuftimmung gefchahen gewaltfame
Angriffe auf die erblihen Güter des Erzbifchofd. Diefer er:
griff fofort die geiftlichen Waffen, Bann und Interdict, und
da diefe wohl verwundeten, aber nicht ſchuͤtzten, die Flucht ind
Ausland. Als die Sache vor den Papft gebracht wurde, fchlug
diefer anfänglich den Weg der Milde ein. Er ermahnte in eis
ner Bulle (vom 4. Ian. 1221), die an feine Bevollmächtig-
ten, die Bifchöfe von Tuy, Palencdia und Aflorga, gerichtet
war, den König zur Beſſerung und rieth in einem andern
Schreiben (vom 16. Jun. 1221) dem Erzbifchof, den König
von der Kirchenftrafe loszufprechen. Allein es erfolgte weder
die anempfohlene Losfprechung, noch bewirkten der erzbifchöfz
liche Bann und die päpftliche Ermahnung des Königs Beſſe⸗
rung. Nun greift Honorius IM. (gegen dad Beifptel, das
fein Vorgänger bei dem Vater ded Königs gegeben hatte) zum
Aufferften Mittel, weit über feine Befugniffe hinaus. Er ers
Läfft eine zweite Bulle (vom 22. Decbr. 1221), beginnt da;
1) Worte Ant. Saetano’s bo Amaral in den Mem. da Acad.
Tom. VI. p. 85.
. 10. Erſter Zeitraum. L Bud. 5 Abfche.
mit, daß er dem König ben üblichen Gruß verweigert und
ihm dies ausdrücklich fagt, damit er ed ja nicht überfehe, ſchil⸗
® dert fein Verbrechen mit ben glühenden ‚Farben der Bibel:
forache, verkündet ihm, daß er feinen Bevollmächtigten befoh-
len babe den Bann und dad Interdict auf dad ganze Reich
auszudehnen, und fchliefft mit der Drohung, daß er (falls der
König in der von den Commiffarien ihm gefesten Friſt Teine
Genugthuung leiften werbe) feine Unterthanen von bem Eid
der Zreue entbinden und das Reich Jedem überlaffen werde,
der e8 zu nehmen Luft trage). Umfonftz der König verharrte
in feinem Berfahren, weit entfernt dem Erzbifchof die ver:
langte Genugthuung zu gewähren. Noch einmal fchrieb Ho⸗
norius an den König, befchwor ihn fich durch Nachgiebigkeit
den Ruͤckweg in den Schoo8 und zu den Segnungen der Kirche
zu Öffnen, und fügte zu den eindringlichflen Ermahnungen bie
Drohung, „daß er nicht allein den Bannfluch werde häufiger
verkünden laſſen, bis er den Erzbifchof und den andern Bes
leidigten eine angemeffene Genugthuung gewährt haben werde,
fondern auch, wie er in feinem frühern Schreiben gedroht, bei‘
fleigender Halsflarrigkeit die Portugiefen von dem Unterthanens
eid losſprechen, alle feine Anhänger mit dem Banne belegen und
fein Land den Königen und Fuͤrſten zur Befigergreifung übers
laffen werde. Honorius vechnete, wie es fcheint, fo ficher
auf den gewünfchten Erfolg dieſes Schreibens, daß er den Erz
bifchof ermächtigte fogleich den Bann aufzuheben, wenn ber
König und feine Mitfchuldigen zum Gehorfam zurückkehren
| würden. Aber auch diefes Mal fah er fich in feiner Erwar⸗
1223 tung getäufcht. Affonfo flarb (den 25. März 1223) und nahm
5. März den Bann mit ind Grab. |
Daß der König auf dem Sterbelager buch fein Teſtament
noch den Papft habe verföhnen wollen, den er in der Fülle bes
Lebend nicht gefürchtet hatte, kann man nicht fehlechthin, wie
gefchehen ift, behaupten. Als Affonfo in feinem legten Willen
1) Mon. Lus. Tom. IV. Escrit. 12. „Poteris,‘ fagt ber Papſt,
- „non immerito formidare, ne omnes vassalos tuos a fidelitate tua pe-
nitus absolventes, exponamus occupandum Regibus, et Magnatibus,
ac aliis ‘quibuslibet terram tuam, ita quod cedat in jus perpotuum
occupantium etc.
F
Regierung: Affonfo’s IL, 211 — 1223. E 151
fein Reich und feine Kinder dem Schutze des heiligen Vaters
empfahl ') und dieſen, indem er ihm 3000 Maravedis aus⸗
feste, zum Bollftreder des Zeftaments ernannte?), Eonnte er
die Abficht nicht haben, durch dieſes Zutrauen und Gefchen?
den Papft zur Aufhebung des Banned zu bewegen. : Das Te:
ftament wurde fchon im November 1221 errichtet, die paͤpſt⸗
liche Bannbulle aber erſt den 22, December beffelben Zahres
ausgefertigt. Nur infofern koͤnnte man jene Abficht dem Ko:
nige unterlegen, als er die den Papft betreffenden Beſtim⸗
mungen des Zeflaments nicht abanderte, fondern fortgelten ließ,
nachdem ihn biefer mit dem Banne belegt hatte. Ruͤhmen
aber durften es die Geifllichen nicht, daß der König durch die
vielen Geldgeſchenke, die er ihnen und den Kloͤſtern in ſeinem
letzten Willen beſtimmte, vom Bann ſich zu befreien beabſich⸗
tigt habe; denn ruͤhmlich war es für fie nicht, wein ber. Koͤ⸗
nig dieſen Glauben auch nur hegen konnte.
Affonſo II. hinterließ feinem zwanzigiährigen Sohn Sans
cho den unheilvollen Kampf mit dem Erzbifchof und dem Papft
und damit einen Fluch, den er mit dem Banne nicht in das
Grab mitgenommen hatte. Ohne Fönigliched Gepränge war
der geächtete Vater im Klofter Alcobaca beigefegt worden, und
nicht ohne Bangigkeit fehen wir den Juͤngling den Thron be:
fteigen, über dem der Zorn des heiligen Vaters, wie eine fin:
ftere Gemwitterwolfe, aus der wiederholt der Blitzſtrahl zudt,
fo lange drohete. Das Gewoͤlk hatte ſich zwar getheilt, als
das Haupt des Staates in die Gruft gefunfen war, aber die
Schwuͤle blieb und ließ ein anderes ſchwereres Wetter ahnen.
Vergeblich eilte Sancho den Erzbifchof und die Geifklichkeit
Durch einen Vertrag zu verföhnen, um nicht feine Regierung
zu beginnen, wie fie fein Vater geendet hatte; es war nur ein
1) Et si ego mortuus fuero, rogo summum Pontificem tanquam
patrem et dominum, et terram coram pedibus ejus osculor, ut ipse re-
cipiat in sua commenda et sub protectione sua filios meos et Regnum,
©. das Teſtament Affonfo’s IT. in Sousa, Provas I. p. 34. .
2) Et rogo et deprecor dominum Papam, et osculor terram co-
ram pedibus ejus, quod ipse per suam sanctam pietatem faciat istam
meam mandam impleri et observari, ita quod nullus contra eam ve-
nire possit. l. c. \
162 Erſter Zeitraum. I. Bud. 6. Abſchn.
Waffenſtillſtand, nur geeignet dem Feinde Luſt und Muße zu
geben ſich zu ruͤſten, ſeine Schaaren und Streitkraͤfte zu zaͤh⸗
len und zu ſammeln, um mit geſammter Macht einen gewal⸗
tigern Kampf zu beginnen und einen groͤßern Sieg zu erringen.
Diefe Macht müffen wir vorher kennen lernen, ihren ge
ringen Anfang und ihr Wachsthum, ihre Natur und Wir-
‚ Tungsart, um, bekannt mit ihren Hülfsfräften und Mitteln, .
dem Kampfe des Altard mit dem Throne, der mit kurzen Uns
terbrechungen durch mehrere Regierungen fich hinzieht, mit aufs _
geklärterer Theilnahme folgen zu koͤnnen. Auch das Kleinfte
darf uns hier nicht gleichgültig fein, weil jene Macht auch
Das Kleinfte, das ihren Zwecken dienen konnte, nicht verfchmähte
und ungenuͤtzt ließ. Gerade in den fcheinbar unbebeutenden Eins
zeinheiten fpricht fich nieift das Eigenthümliche aus, dad bem
Betrachtenden den Blid in das befondere Volks- und Staats⸗
leben Öffnet und ihm zu einer fruchtbaren Vergleichung mit
dem Gemeinfamen anderer Völker und. Staaten fefte und zahl⸗
reiche Punde darbietet, rn.
Schöter Abſchnitt. 5
Wie Die portugiefifche Kirche und GeiftlichFeit reich *
und maͤchtig wurde.
Wenige Dioͤceſankirchen bis in die Mitte des ſechſten Jahr⸗
hunderts in den Gegenden des nachherigen Portugals.
Gruͤndung einer Menge kleiner Kirchen und ſogenannter Kloͤ⸗
ſter zur Zeit der Weſtgothen. Ihre Vervielfaͤltigung nach
der Entfernung der Saracenen. Die kirchlichen Stiftungen
bleiben Eigenthum der weltlichen Gruͤnder. Haͤufige Schen⸗
kungen an die Kirche. Beweggruͤnde, Natur und Geltung
dieſer Schenkungen unter den Koͤnigen von Leon und in den
erſten Zeiten des portugieſiſchen Staates. Verwirrung der
Eigenthumsverhaͤltniſſe. Das religioͤſe Leben kommt mehr
und mehr in Aufnahme. Deo⸗Votas. Emparedadas. Ver⸗
hältnig der Familiares zu den Kloͤſtern. Foderungen der
Kirche u. Klerus, bis Anfang d. 13. Jahrh. 153
Herbeiros und Anfang ihrer Bebruͤckungen. Fortdauernde
Vermehrung des Grundbeſitzes der Kirche. Aufkommen des
geiſtlichen Behnten am Ende bes elften Jahrhunderts. Er⸗
weiterung der perſoͤnlichen Vorrechte des Klerus.
Dis in die Mitte bes ſechſten Jahrhunderts war die Zahl
Der Parochialkicchen, die zu einer bifchöflichen Discefe gehoͤr⸗
ten, ſehr gering. Zu der Kathedrale von Lugo gehörten nur
fiebenundzwanzig Didcefankirchen, von denen elf Landesbezirks⸗
firchen (Pagenses ober Pagos) waren, bie zum Theil ihre Nes
benfirchen (Anexas oder Ruraes) hatten, Die Kathedrale von
Porto zählte fiebzehn Dioͤceſankirchen und fieben Pagos, bie
von Lamego fünf Kirchen, die von Viſeu fieben, die von Coim⸗
bra fünf, die von Idanha zwei oder drei. Im der Folge
machte das Chriftenthum hier große Fortfchrittes es erhob fih
eine Menge Parochiallicchen nicht allein in den größern Staͤd⸗
ten, fondern ſelbſt in kleinen Aldeas. Man unterſchied ſeit⸗
dem bier wie im übrigen Spanien Dioͤceſankirchen und ans
dere, die den Bifchöfen fpdter zugetheilt wurben (Igrejas Ofer-
cionaes). Den erflen Namen behielten die Kirchen, die, ges
wöhnlich ſchon früh, felbft zur Zeit der Römer gegründet, ims
mer ihren refpectiven Bifchöfen angehört hatten. Igrejas Ofer-
eionaes nannte man diejenigen Kirchen, die fpäterhin den. Kas
thedralen zugewiefen vwoorden waren, entweder von ben Könts
gen, die fie erobert, oder von den Stiftern,, die fie gegründet '
und dotirt, oder von folchen Befigern, die fie durch Taufh
oder Kauf erworben hatten.
Wie die weftgothifhen Könige bei der Eroberung von
Spanien die erworbenen Länder unter ihre Vaſallen theilten,
mit der Obliegenheit, auf eigene Koften ihre Leute in den Krieg
zu führen, fo vertheilten jene wieder die weitläufigen Beſitzun⸗
gen, die fie erhalten hatten, unter ihre Vaſallen. Zur geift
lichen Pflege für ihre Hörigen (Colonos oder Collacos), "die
oft mehrere Stunden von der Mutterficche entfernt wohnten,
errichtete man in jebem diefer Güter ober auf dem ‚größten
derfelben „eine Bleine Kirche oder ein Bethaus ober ein Klo:
fir”. Jene Kirchen waren meift fo Flein, daß man fie rich-
tiger Capellen heiffen würde, und biefe fogenannten Kloͤſter
454 Erſter Zeitraum. J. Bud. 6. Abſchn.
verdienten eher Einſiedeleien (Hermidas) genannt zu werben,
da fie nur von wenigen, oft nur von einem Mönche bewohnt
wurden ). Der Grundbefißger fliftete die Kirche zum Gottes⸗
haus für fich, fein Gefinde, feine Hausgenoffen und Gehörige,
in der Regel dicht an feiner Wohnung auf feinem Hofgut,
mit welchem die benachbarten Einzelnwohnungen und Weiler
(Decanias genannt), in denen die Hirten und Auffeher der Heer:
den und der Landwirthichaft lebten, verbunden waren und ges
meinfchaftlich eine Ortſchaft bildeten, die ihren Namen von je
ner Kirche oder dem ‚Heiligen, dem fie geweiht war, entlehnte.
Der Seiftliche, der Die gottesdienftlichen Verrichtungen in ber
Kirche befgrgte, legte, von der herrfchenden Neigung zum aſte⸗
tiſchen Leben, fortgezogen, wohl auch das Mönchd= ober
Einfiedlerkleid an und zog einige Gleichaefinnte und Lebens:
gefährten in den Kreis feines geiftlichen Stilllebends. Nun
nannte man die Kirche Klofter (Mosteiro). Nicht felten
wurde ber Grundherr felbft der Geiftliche feiner Kirche; war
er dies aber auch nicht, fo blieb er doch Eigenthümer derfel-
ben. Die Kirche oder das Klofter wurde als ein Theil feines
Eigenthums betrachtet. Sie blieben in der Familie des Grunds
herrn durch gefeßmäßige Erbfolge oder letztwillige Verfügung.
Eine und dieſelbe Kirche wurde bisweilen fogar in mehrere
Theile unter verfchiedene Erben getheilt, fo daß, wenn ein
Grunobefiger feine Güter bezeichnen wollte, er fich des Aus⸗
drucks bediente: „ſowohl das Weltliche als Geiftliche (die Kirs
chen und Klöfter) meined Vermoͤgens und Erbtheiles”. Die
- Kirchen wurden vererbt, vertaufcht, verkauft, verfchentt, wie
die weltlichen Güter und mit den weltlichen Gütern’). Da
diefe von jenen den Namen führten, fo betreffen die verfehies
denen Verträge, von denen und die Urkunden tbriggeblieben
1) Elucidario Tom. IT. pag. 46. Memor. de Litterat. Portug.
Tom. VII. p. 183. Die Gründlichfeit der Arbeit Caetano's bo
Amaral und die Menge urkundlicher Belege, die er beibringt, überhebt
uns einer ähnlichen Beweisführung.
2) In den Archiven von Pedrofo, Paco de Soufa, Pendorada, Vai:
ram, Braga, Porto, Coimbra, Lorväo u. f. w. findet man unzählige
Urkunden vom neunten bis zwölften Jahrhundert, welche Verträge biefer _
Art betreffen. Elucid. Tom. IL. p. 46.
Kirche u. Klerus, bis Anfang d. 13. Jahrh. 155
find, und durch welche, dem Anſcheine nad, Kicchen und Kloͤ⸗
fter aus einer Hand in die andere rechtlich übergingen, nicht
diefe allein, fondern das gefammte Beſi itzthum mit allen Rech⸗
ten und allem Zugehör.
Kirchen und Klöfter diefer Art wurden fchon vor. bem
Einfall und der Herrfchaft der Araber nicht wenige gegründet,
aber ohne Vergleich mehr, ald es den chriftlichen Waffen ge⸗
lang für die Pflanzungen des Chriſtenthums Boden zu ges
winnen und ihnen größern Schuß zu gewähren. Nicht allein
wurden diejenigen wieder aufgebaut, die von den Ungldubigen
zerftört worden waren, fondern e8 wurden auch ſehr viele neu
angelegt. Bei der Armuth der Zeiten war freilich ihr Bau
unanſehnlich, ihr Einkommen gering. Doc bald war ed nicht
mehr bloß die Menge der Kirchen und Klöfler, was bem
firchlichen Element ded Staates allmälig mehr Gewicht und
und Einfluß verlieh; e8 waren Dies die großen, bedeutenden
Schenkungen, welche die Könige wie die Privaten an bie
Kirchen und Klöfter, vorzüglich an die größern machten. Dies
fen ſchenkte man nicht allein beträchtlichen Grundbeſitz; fons
bern die kleinen Kirchen felbft, obgleich Beides unter Bedin⸗
gungen, die, wie wir. in der Folge fehen werden, den Kirchen
und Klöftern fehr laͤſtig wurden.
Weit entfernt, daß in der ganzen Zeit, worin ein Theil
des nachherigen Portugals den Königen von Afturien und Leon
- gehorchte, ein gefegliched Hinderniß den Kirchen die Erwers
bung von Grundgütern verwehrte, waren ed Die Könige viels
mehr felbft, die ihren Unterthanen die Bahn eröffneten und
fie zur Nachfolge einluden, indem fie den Handlungen ber
Sreigebigkeit gegen die Kirche, zu denen fich ihre Vafallen ent⸗
fchlieffen möchten, eine gleiche dauernde Wirkung zuſicherten
und in den Urkunden auf dad Verdienftliche folcher Schenkuns
gen hinwieſen). Nicht allein die großen Vaſallen, die in,
. . D König Ordogno I. fagt in ber Urkunde ber großen Schenkung,
die er der Kathedrale von Oviedo machte: Et mandamus, ut omnes con-
cessiones, quas a qualicumgue persona ingenua concessae fuerint us-
que in finem mundi Ovitensi Ecclesiae, talem roborem, et cotum ha-
beant, quales habent et nostrae concessiones. Esp. sagr. Tom. 16,
pag. 467. ne |
100 Erfler Beitraum. L Bud. 6. Abſchn.
dem weiten Bezirk ihrer Ländereien frei und unbefchränkt über
diefe verfügen konnten, flifteten daher Kloͤſter und Kirchen und
bereicherten fie; Jeder der Vermögen hatte um fie zu befchen=
Ten, folgte, diefem Zuge des Zeitalterd ). Selbft von bekehr⸗
ten und in Portugal angefiedelten Mauren Tommen folche
Stiftungen in Schenktungen vor, und ſogar den Leibeigenen
des Fiſcus hatten die Könige die Befugniß gegeben, einen
Fuͤnftheil ihrer Habe den Kirchen zu fchenten?). _
‚Die Beweggründe zu dieſen Schenkungen an die Kirche
erklären fi) aus dem. Geifte des Zeitalterd.‘ Die herr⸗
fihende Anficht von der Geiftlichfeit, daß fie in einem nähe
ven und innigen- Verkehr mit Gott und den Heiligen Ile
bend bei: Diefen „Vergebung der Sünden und das Heil der
Seele’ vermitteln Eönne, bewog Viele, durch Gefchenfe und
Spenden dieſen Stand fi geneigt zu machen und Gottes
Gnade zu erzielen, indem fie fein Haus und feine Diener reich-
lich beſchenkten“). Andere glaubten, daß fie durch göttliche
1) Eine Reihe folder Schenkungen an Kirchen und Kiöfter in dem
Landſtrich von Portugal, der zuerft wieder bevölkert wurde, ſiehe in den
Mem. de Litt. Port. T. VII. p. 179. Not. 216. Die meiften finden
ftatt in dem Bezirk von Porto, ber damals fehr ausgedehnt war, und in
dem von Coimbra. Die ältefte Schenkungsurkunde dieſer Art, die ſich in
den Archiven von Portugal findet, iſt v. J. 870. Eine aͤhnliche Reihe
ſolcher Vergebungen von den erſten portugieſiſchen Koͤnigen hat derſelbe
Verfaſſer in den Mem. da Acad. Real Tom. VI. p. 34 mitgetheitt.
Die Chroniken der Könige, ber geiftlichen und der Ritterorden find voll
von denfelben. Der Eundige Brandäo fagt bei Gelegenheit der Schen⸗
fung, bie ber König Sancho II. dem Kiofter Santa Cruz in Coimbra
mit dem Flecken Arouches machte, fobald er ihn erobert hatte: „Confor-
me ao costume daquelle tempo faziase doacäo das terras, tanto que‘
se ganhaväo, äs Ordens Militares, ou a Mosteiro, e Igreja notavel.“
2) „Et quicumque servorum nostrorum voluerit,“ fchliefft die Urs
kunde des Königs Ordogno I. zum Beften der Kathedrale von Oviedo
von 857, „licentiam habeat dandi Ecclesiae quintam partem suae
haereditatis. Spätere Könige beflätigten dies, nach Alfonfo VI. im J.
1086.
8) Pro animae meae, et parentum meorum remedio. Urkunde v.
926 .. . ut pro hec minima collata pro tuorum sanctorum nobis co-
piosa eveniat indulgentia etc. Schenkung v. 3. 1033. Pro remis-
sione delictorum meorum, unzählige Male,
N
Kirche m. Klerus, bis Anfang d, 13. Jahrh. 457
Borfchriften verbunden waͤren bie Kirche zu bereichern, und
es Fonnte den Verfaffern der Urkunden, die mehrentheild Geiſt⸗
liche waren, nicht fchwer fallen, auch ohne fehr bibelfeft zu
fein, Stellen aus der heiligen Schrift zu ihrer Gunft anzu⸗
führen oder zu verdrehen ). Dazu Famen die Beforgniffe, die
etwa durch eine Krankheit hervorgerufen wurben, die Furcht
vor dem Tode und vor den Schredniffen des juͤngſten Ges
richtö, wie fie eine kranke Einbildungsfraft und der fromme
Aberglaube jener Zeit malte”). Mit diefen religiöfen Beweg⸗
gründen vereinigten fich frühzeitig Auffere Ruͤckſichten, indem
man durch Schenkungen an die Kirche unter deren Schuß und
Schirm ſich flelte, und fich feinen Unterhalt und die Lebends _
bequemlichkeiten- für die Zukunft fichern konnte °).
Diefe Beweggründe, die vor der Entftehung des portu⸗
giefifchen Staates hier die gewöhnlichen waren, vervielfältigten
noch weit mehr unter den erften portugiefifchen Königen die
Schenkungen an bie Kirche. Andere Beweggründe, die nicht
weniger als jene zugleich in den fich fort entwidelnden Zeits
verhältniffen gegründet waren, traten hinzu; es wurde dabei
üblicher, Diefe wie jene in den Urkunden ausdruͤcklich anzuges
ben und mehr hervorzuheben. Eine Menge Schenfungen wurs
ben fortwährend gemacht, „um Vergebung ber Sünden zu ers
1) Et iterum David: vovete et reddite Domino Deo nostro. Et
iterum: tua sunt enim omnia, Domine, que de manu tua accepimus,
damus tibi. ‘
2) Mecum assidue meditatus sum magni judicii terribilem adven-
tum secundum prophete vaticinium : ignis (inquit) in conspectu ejus
ardevit, et in circuitu ejus tempestas valida advocavit celos sursum,
Item per Sofoniam de eo dicitur: Dies ire dies illa, dies tenebrarum
et calliginis. His et similibus conturbatus comminationibus, recordor
peccasse me super numerum astrorum olimphi etc. Urfunde von 1087.
3) Facio plazum ad Monasterium S. Johannis de corpus meum,
et de omnia mea hereditate , . . tali pacto, ut me contineatis in vita
mea de victum et vestitum, et ego faciam vestram operam, quam
mihi jusseritis. Et accepi de vobis in beneficia una moura, que
serviat me in vita mea, et post obitum meum : veniat ista moura et
mea hereditate .. . quantum habuerim ad monasterio Sancti Johan-
nis, Schenkung v. 3. 1078,
158 Erſter Zeitraum 1. Bud. 6. Abſcha.
langen”; andere, um begangene Verbrechen zu fühnen ”), und
wir fehen, wie em Cavalleiro in feinem Zeflament finfhundert
—— einer Kirche vermacht, um Meſſen vor dem Al⸗
zu fingen“ für die Seelen derer, die er felbft getöbtet, oder
er habe töbten lafien und helfen, ober bie er zu töbten ge
—* und befohlen habe”). Schenkungen wurden weiter
gemacht auf Veranlaffung von Pilgerfahrten, z. DB. nad) dem
heiligen Grabe; dann, um als Mitbruder und Familienge⸗
noffe (familiaris) in ein Klofter aufgenommen zu werden, um
flır ſich ımd feine Familie Wohnung, Kleidung und 2ebens-
unterhalt von dem befchenkten Klofter fi) auözubedingen, um
fich eine Grabflätte in einem Kiofter zu verfchaffen, um förm-
lich das Kioftergellibde abzulegen und der Regel eines Ordens
zu leben.
Die erſten Könige hatten noch befondere Gruͤnde, den
Klerus zu befchenten, Gruͤnde, die aus der bamaligen Lage
des Reiches und Thrones hervorgingen. Jenes war ein bei-
nahe fleter Kampfplas und der König war mehr im Felbla:
ger ald auf dem Zhrone. Wer die Waffen führen Eonnte,
muffte kämpfen, Kleriker wie Laim. Wie die weltlichen Grund⸗
herren ihre Vaſallen waffneten, fo mufften die Bifchöfe bie
ihrigen waffnen. Nicht felten umgürtete der Bifchof felbft das
Schwert und führte feine Streiterhaufen ins Feld. Und als
König Sancho I. bewilligte, daß die Äbte, Prioren und Kle
rifer nicht mit ihm und feinem Sohn in den Krieg zu ziehen
brauchten, fo galt dies doch nicht für den Fall, wenn die Sa⸗
racenen ind Land einfielen und gegen fie ausgeruͤckt werben
muffte‘). Er ſchien darum billig und war den Anfichten des
Zeitalterd gemäß, daß die Könige den Prälaten diefe Dienſte
mit Grundguͤtern und mancherlei Rechten belohnten. Wie
1) Pro nota calumnia, que feci in vestro cauto, scilicet duos
omicidios. Schenkungsurkunde v. 3. 1123.
2) Urkunde v. 3. 1288,
8) Concedo omnibus Abbatibus, et Prioribus, et Clericis totius
Regni mei, ut nunguam mecum veniant in exercitum, neque cum filio
meo, nisi contra Sarracenos, si intraverint in terram nostram., Schrei:
ben des Könige Sancho I. an den Biſchof von Porto.
Kirche w Klerus, bis Anfang d. 13. Jahrh. 459
konnte Überdies der König, nach einem errungenen Siege uͤber
die Chriftenfeinde, fein frommes Danfgefühl gegen den Hoͤch⸗
ſten beſſer ausbrüden und bethätigen, ald wenn er auf feinem
Altar die Schenkungsurfunde von Grundglitern, faft der eins
zigen Gabe diefer geldarmen Zeit, nieberlegte und bie Dies
ner Gottes, feine Lieblinge, mit Vorrechten und Bevorzugun⸗
gen reichlich ausſtattete?
Die Natur und Geltung der koniglichen Schenkungen an |
die Kirche lernen wir ſchon aus den Vergabungen ber frühes
ren Könige von Leon kennen. Sie beftehen nicht allein in Pa⸗
trimonialgütern der Regenten, ſondern felbft in Gütern der
Krone und Staatsguͤtern — ein Unterfchied, der bereits im
Königreiche Leon gemacht wurde). Sie erfreuen fich der koͤ⸗
niglichen Rechte, der: Freiheit von - Abgaben, von perfönlichen
und fächlichen Leiftungen, und genieffen die bürgerliche und
‚peinliche Gerichtsbarkeit”). Sie find nicht allein immerwäh-
rend und unwiderruflich (de juro e herdade, wie die heutigen
Portugiefen ed nennen), fondern dürfen, meift nach der aus⸗
drüdlichen Beflimmung des Geberd, auch nicht verduffert wer⸗
den’). Sie werden gleichwohl von jedem ber folgenden Koͤ⸗
nige (de Rei a Rei) beſtaͤtigt, weil die eigenthuͤmliche Natur
der Krongüter dies verlangte .und die Frömmigkeit der Könige
wie ihr Wohlwollen gegen die Kirche. fi willig dazu. fanden.
Wie die erften Könige von Portugal ebenfo freigebig ge⸗
gen die Kirche waren als die leonefifchen, fo hatten auch ihre -
Schenkungen einen ahnlihen Charakter. Wahrhaft Eöniglich
war das Gefchenf, das Affonfo Henriques, noch ehe er König
1) Donamus atque concedimus loca, quod est ex nostra proprie-
tate, heifit es in einem Diplom von Ordogno I. v. 3. 816. Esp. sagr.
Tom. 34,
2) Sine omni calumnia Regiae vocis, et sine omni servitio, et
censu Fisci Regis, vobis eos condonamus, et nullam nobis reddant
censuram seu servitium ab’ hodierno die, sed sint liberi et absoluti
a parte Regis homines in eodem commorantes,. Diplom von Alfonfo IF.
von 841. Esp. sagr. T. 40,
3) Nec donandi, nec vendendi, nec mutandi licentiam do, intus
sit integram, et inconvulsibilem per omnia secula etc. Diplom vom
Sahre 922. Kap, sagr. T. 18,
⸗
4600 Erfter Zeitraum. L Bud. 6. Abfhn-
dem Erzbifchof von Braga im Sabre 1128 zuſicherte ).
Eine ähnliche große Schenkung hatte fchon früher.(1120)' feine
Mutter, die Königin Therefia, dem Bifchof von Porto mit
der Burg von Porto, allem Zugehör und allen Einkünften ders
felben gemacht. Die fromme Freigebigkeit der portugiefifchen
Könige befchränkte fich inbeffen nicht blos auf die Ertheilung _
von Grundbefig und auf die Befreiung von landeöherrlichen
Abgaben; fie dehnte die Befugniffe, die‘ fie den Geſchenken bei⸗
flgte, bald auf einen bebenklicheren und verfänglichern Gegen-
fland aus, auf die bürgerliche und peinliche Gerichtöbarkeit und
auf das Recht, Beamten, welche die Rechtöftreite der Bewoh⸗
ner geiftlicher Zerritorien entſcheiden ſollten, zu emennen‘*).
Diefe Gerichtöbarkeit war bald in der vollftändigen Gutsherr⸗
lichkeit, die der Koͤnig einem Praͤlaten uͤber eine Ortsſchaft
gab, mitbegriffen, bald wurde ſie bei der Ertheilung des Be⸗
fitzthums mit mannichfaltigen, umfaſſenderen oder beſchraͤnken⸗
den Nebenbeſtimmungen ausbricktich angeführt. Bald verwils
ligten die Regenten bie Gerichtöbarkeit überhaupt, bald ins⸗
befondere die Befugniß, einen Richter zu ernennen, von dem
an den König appellirt werben follte, oder auch einen Mei-
rinho zu wählen, der die Schuldner auszupfänden, die Ver
brecher zu ergreifen und zu verhaften habe... Endlich wurde
bie Befreiung von dem Eöniglichen Gerichtöftande, deren fich die
Perfonen der Geiftlichen erfreuten, auch auf ihre Wohnun⸗
gen ausgedehnt ).
Kein Wunder, wenn nad einem folchen Worgange der
Könige auch von Privatleuten jede Art von beweglichen und
unbeweglichen Gütern, ganze Zamilien von Leibeigenen, mans
1) ©. oben ©. 73,
2) &o gab Affonfo I. i. 3. 1141 der Äbtiffin von Paberne die buͤr⸗
gerlihe Gerichtsbarkeit. In einer Schenkungsurkunde des Königs Af⸗
fonfo IL an das Kiofler ©. Vicente heifft es: . . . et praedicto Mo-
nasterio concedimus omnem jurisdictionem civilem et criminalem,
salvo homicidio, rauso et stercore in ore, et in his tribus habeatis
illud jus, sicut semper habuistis a tempore prino donationis sub certo
modo etc.
3) Memorias da Acad. Real T. VI. p. 40, wo auch eine Menge
Belege ſich finden.
Kirche u. Klerus, bis Anfang d. 13. Jahrh. | 161
cherlei Nechte, befonderd Patronatsrechte (damals unb noch
fpäter Heransas genannt) über Bleine Kirchen und Klöfter (As-
ceteria) an die großen Kirchen und Klöfter geſchenkt, wenn
Güter und Nechte der Krone, die vorher von den Königen
felbft vergabt oder beftätigt worden waren, nun ohne weitere
vom König eingeholte Erlaubniß dem Klerus gefpendbet und
von ihren Gebern ebenfo wie Pönigliche Schentungen für im⸗
merwährend und unwiderruflich erklärt werden. Indem bie
Wohlthaͤter der Kirche Jeden ber fih an bdiefen Schenkungen
vergreifen würde, nicht bloß mit Geldftrafen, fondern mit al
len Berwünfchungen und felbft mit dem Bannftrahl in ben
Schenkungsbriefen bebrohten, riefen fie die erfle Macht bes
- Beitalterd zum Schuß auf; der Aufruf wurbe aber erft viel
ſpaͤter eine leere Zormel ').
So häuften fi) durch Schenkungen aller Art, bisweilen
auch durch anftögige”) Beſitzungen auf Befigungen in den
Klöftern und Kirchen. Ja ihre Erwerbungen befchränften fich
nicht allein auf Schenkungen und VBermächtniffe, fondern - ges
fchahen auch durch Zaufch, Kauf, Pachtung und Nießbrauch ?).
Der große Güterreichthum, der auf diefe Weife den Kloͤ⸗
ftern und Kirchen zuwuchs, trug gleichwohl viel Zäufchendes
in fih. Viele Ermwerbungen waren mit Bedingungen und Las
ſten verbunden, die in der Zolge die güterreichiten Klöfter bis⸗
‚weilen in Dürftigkeit und drüdenden Mangel verfeßten. Der
Keim des Übel war früh gelegt worden.
Die Beinen Klöfter und Landfirchen waren, -wie oben
bemerkt worben ift, urfpringlich Eigenthum weltlicher Grund:
beſitze. Die Seiftlichen lebten von den Oblationen, bie ihnen
gereicht wurden, und von dem Ertrage der Eleinen Grund»
flüde, die man Passaes nannte. Diefe beftanden in einem
eingehegten und angebauten Stud Land bei der Parochial:
1) Memor. da Acad, Real, Tom, VII, p. 19 und 40.
2) In einer Schenkung eines Canonicus von Coimbra an bie Kirche
von Santa Maria vom Jahre 1186 heifft es: de illa mea vinea quam
babeo ... ut bibant inde semper vinum in capitulo, et ad manus
abluendas.
3) Belege dazu ſ. in den Memorias da Acad. R. T. VII. p. 25.
Schäfer Geſchichte Portugals I, 11
162 Erſter Zeitraum. L Bud. 6. Abſchu.
fische, dad ald Garten oder Obſtbaumſtuͤck zum Unterhalt . ver
Geiſtlichen und Kischendiener beflimmt war. Man unterſchied
danon noch den Beerbigungsplag fir die geiftlichen Brüder
(fpäter Adro genannt) '). Diefe Passaes, die auch Dextres
hieſſen, waren in früherer Zeit befchränkterr. Nach der Be
flimmung der Kirchenverfammlung von Ballabolid von 1144
follen fie bis auf dreiſſig „geometrifche Schritte” ringe um
die Kirche fich erfireden und zugleich zum Afyl für Berbre
cher, die aus ihnen nicht herausgezogen werben bürfen, dienen.
Jener Umfang gilt jedoch nur von Landfirchen und kleinen
Gotteshäufern, denn die Passaes der größerg Kirchen waren
ausgedehnter. Auch war ed, ungeachtet jener kanoniſchen Be
fimmung, den Gruͤnder der Kirche geftattet, das Baumftüd
. oder den Garten zum Nuben biefer zu vergrößern ?).
Die Herrſchaft der Mauren und die neue Beſitzergreifung
der. Chriften brachten Verwirrung in die Eigenthumsverhaͤlt⸗
niſſe jener Kirchen. und Kloͤſter. Die Grundſtuͤcke und Obla⸗
fionen., die zur Unterhaltung der Gotteähäufer, ver Geiftlichen
und Armen beftimmt gemefen waren, wurben jest von Bielen
zu Ihrem übrigen Beſitzthum und Erbe gefchlagen, viele Kit:
chengüter wurden in meltliche Befigungen verwandelt ’). Der
Misbrauch, mit dem die neuen Erwerber über das .Geiflliche
wie über das Weltliche der Kirchen willkürlich fchalteten, exs
flieg den höchften Grad bei den Berheerungen, welche Almans
for am Ende des zehnten Sahrhunderts in den Ländern Leon
und Portugal anrichtete. Alles gerieth in die größte Unord⸗
nung und Verwirrung, und als man im Sahre eintaufenbund:
eins- anfing das Land wieder zu bevölfern und die Kirchen
aus ihren Trümmern. wieder aufzubauen, riß Jeder an ſich
1) Concedimus ..... ad ipsum Looam Sanctum, atque Sancto Al-
tar o jam supra nominato XII. m. passales pro corpora sepeliendo
. et 2 XXII° passales pro tolerantia Fratrum. Schenkung an das Kilos
fler Arouca v. 951. Elucid. T. II. p. 20%,
2) Klucidario, verbo Passaes,
$) Alii autem e contrario in Villulis, et quibusdam Laicalibus
locis novas Eoclesias, et Monasteriola constituentes, tradiderunt illis
Ecclesias olim praeclaras, et celeberrima Monasteria servituti mand-
parunt. Aus dem Livro Fidei in Elucid. Tom; II. p. 45.
Kirche u. Klerus, bis Anfang d. 13. Jahrh. 163
was ihm gefiel, das Gut mochte ihm oder einem Andern ges
hört haben’). Die ehemaligen Kirchengüter Tamen in bie
Hände der Raien, die nach Gutduͤnken damit verfuhren. Der
Mangel an Bifchdfen oder die Abwefenheit der Kirchenhäupter,
die unglüdlichen Zeitverhältniffe, die Nothwendigkeit den Got⸗
tesdienſt wieder herzuftellen, veranlafiten die Könige von Leon
Jedermann zu ermächtigen „Kirchen zu bauen, die wie jedes
andere Befisthum theilbar wären‘ ?).
Unterdeffen war das religiöfe und Firchliche Leben immer
mehr in Aufnahme und Anfehn gefommen. Nicht nur weihs
ten fi ihm Mehrere; man hielt e8 auch. flr verdienftlicher,
denen, die fih ihm weihten, einen Xheil feiner Habe zu
fhenfen. Viele verlieffen die Welt und zogen fich in ein Kilos
ſter zuruͤck, um unter der Leitung eines geiltlihen Obern, aber
ohne Mönchögelübde, wie bad der Claufur und Armuth, zu
leiften oder firenge zu beobachten, durch Büßungen ihrem
Seelenheil bis zum legten Athemzug zu leben (Confessores) ?).
Befonders entfchloffen fich feit dem zehnten . Zahrhundert viele .
Frauen ein gottgeweihted Leben zu führen (weshalb fie Deo⸗
Votas hieffen) und mit befonderer Sorgfalt an ihrem Sees
Venheil zu arbeiten. Werheirathete, wie Jungfrauen und Witte
wen wurden Deo⸗Votas und lebten theild in Kiöftern, theils
in ihren Häufern oder in infiebeleien, theild in einzelnen
Kirchen unter der Leitung geiftlicher Vorgeſetzten. Die Vers
Hältnifje diefer Srauen zu den Klöftern, denen fie ſich anſchloſ⸗
fen, waren fehr verfchiebenartig. Bisweilen waren fie kaum ver
fchieden von geiftlichen Ordensfrauen, bisweilen waren fie bloße
Familiares. In Arouca ftand eine ,„Dienerin Gottes” (Fa-
mula de Deos) viele Jahre lang felbft dem. Klofter vor, unb
regierte es als Patronin, ohne das Kioftergellibde abgelegt
zu haben. Sie fchenkte ihm endlich 1156 ihr großes Vermoͤ⸗
gen und „alles was fie erworben habe, fo lange fie dem Klo⸗
1) Et cum venit tempus ista populatione, que est in E. 1089
populavit omnis populus guisque suam vel alienam hereditatem. Eluc.
Tom. I. p. 409.
2) Nacdı dem Verfaffer des Klucid. T. II. p. 99.
8) Elucid. T. I. p. 302.
11”
164 Erſter Beittaum. L Bud. 6. Abſchn.
fter vorgeftanden” )Y. Mehr noch als biefe „gotigeweihten
Frauen" bezeichneten den mächtigen Hang des Zeitalter8 zum
geiftlichen Leben andere Frauen, die feit dem zwölften Jahr⸗
hunderte in Portugal, gleihfam an der Stimme von Europe,
in den Ausfchweifungen einer religiöfen Schwärmerei, wie fie
fonft nur die Gluth Afrikas erzeugte, wetteiferten. Einzelne
dieſes Geſchlechts Tieffen, um ihre Sünden zu fühnen oder
durch qualvolle Selbftpeinigung des Himmels Seligfeit zu er⸗
. werben, aus eigenem Antrieb in eine Zelle fich verfchlieffen,
deren Thuͤre mit dem Augenblid: ihres Eintritt mit Steinen
zugemauert wurde. Wegen diefer Einfchlieffung zwifchen
Wände bhieffen fie Emparedadas. Der Eingefchloffenen (In-
elnsa) wurde nur eine Bleine Öffnung gelaffen, durch welche
fie. die unentbehrlichften Nahrungsmittel, felten mehr ald Brod
und Waſſer, erhielt, mit ihrem Beichtvater uͤber die Angele⸗
genheiten ihres Gewiſſens fprady und von ihm das Abendmahl
empfing. Erft nach ihrem Tode wurde die Mauerthüre wie
der geöffnet, um die Leiche der Entfeelten ind Grab (aus ei⸗
nen ins -andre) zu bringen ?).
Jene Deo-Votas mochten, da fie das Gelübde der Ar⸗
muth nicht thaten , den Klöftern wohl nur wenige Güter zus
wenden; weit weniger noch die Emparebadas, die überhaupt
felten waren. Aber Beide geben uns Zeugniß von der NRich:
tung, welche die Denfweife ded Zeitalterd genommen hatte.
Die herrfchenden Anfichten und Neigungen diefer Art fleiger:
ten dad Anfehn der Kirche und ihrer Diener aufferordentlich,
und dieſes gefteigerte Anfehn der geiftlichen Stiftungen und
Perſonen fchüste wiederum Alle, die mehr oder weniger nahe
fi) ihnen anfchloffen. Das innere Beduͤrfniß, dem unauf:
gellärten, aber um fo feurigeren Frömmigfeitögefühl in jener
Weiſe volle Genüge zu thunz das Auffere Beduͤrfniß, in
‚biefer Zeit roher Gewalt den Schuß des auf Erden wie im
Himmel angefehenften Standes ſich zu erwerben und zu
fihern: — beide waren Keime, die, in den Schoos dieſes Zeit-
1) Ea quae comparavi, dum illi Monasterio praefui. Elucid.
T. I. p. 436. "
2) Elucid. T. I. p. 395.
Kirche w Klerus, dis Anfang d. 13. Jahrh. 165
alter8 gelegt und in feinem Boden wurzelnd, der Kirche bie
ergiebigfte Ernte verfprachen.
Seit dem zehnten, befonders im elften Jahrhundert wurde
es immer mehr üblich, einen Theil feiner Güter oder alle einem
Klofter zu ſchenken, und bald perfünlich in den Dienft der
geiftlichen Körperfchaft zu treten und ihrem Firchlichen Vorſte⸗
her fich zu unterwerfen, bald mit dem Klofter in eine gewiffe
Verbindung fih zu ſetzen, um aller Wohlthaten und guten
Werke deffelben theilhaftig zu werden. Die Klofterangehöris
gen diefer Art nannte man Oblatos, Offertos, Donatos, Con-
donatos, Confrades oder Familiares. Sie waren weder eigents
liche Laien noch Mönche, fondern wenn fie im Klofter lebten,
„beftäntige Tiſchgenoſſen,“ oder wenn fie felbft in ihrem ei-
genen Haufe wohnten, „ein Zheil der geiftlichen Familie“.
Bald gab es Fein Klofter, das nicht mehrere folcher Familia⸗
red hatte. Ihrer ſechs, drei männlichen und drei weiblichen
Geſchlechts (Donatad oder Oblatad genannt) bildeten die ges
wöhnliche Zahl (Familiares do numero); waren fie uͤberzaͤh⸗
lig (supernumerarios) in einem Klofter, dann war ihre Anz
zahl gewöhnlich groß. Die Erften erhielten von dem Klofter
Nahrung, Kleidung und Schuhe; fie ‚bebauten in der Regel
felbft die Grundftüde, die nad) ihrem Tode dem Klofter zus
fielen. Die Andern nahmen nur an den geiftlichen Wohlthas _
ten deffelben Zheil und hinterlieffen nach ihrem Tode dem
Klofter ihren Körper und einige zeitliche Güter). Es wurde
Keiner Familiarid, der dem Klofter, dem er fich anfchloß, nicht
mehr oder weniger fchenkte. Nach dem Maße er gab, ge
dachte er zu empfangen, und Keiner fchlug wohl feine Gabe zu
‚gering an. |
Es konnte nicht fehlen, daß die vielen Familiares, bei
den ungemefjenen Foderungen, die fie für ihre Vermaͤchtniſſe
machten, bei dem damals fo geringen Ertrag bed Grundbe-
1) Offero ibi . . . meam vineam, cum domibus et arboribus suis,
quae est in Burgo de Meigion-frio ... . tali conditione mando haec,
ut fructum eorum in vitam meam retineam, et serviam monasterio ut
Amicus et Kamiliaris et post mortem meam libera remaneant
Monasterio. Urkunde von 1185 in Elucid. T. I, p. 431. Mehr Bei
fpiele f. in Memor, da Acad. Real T. VI. p. 57.
166 Erſter Zeitraum. 1. Bud. 6. Abſchn.
| figed und den Wechfelfällen biefes Einkommens, ven Kloͤſtern
oft ſehr laͤſtig fielen. Doch ungleich druͤckender wurden für fie
die zahllofen- Erben (Herdeiros) der Grimber jener Kirchen und
Kiöfter, die Nachkommen Aller, die dieſe beſchenkt hatten. Sie
betrachteten diefe Kirchen und diefe Vermächtniffe als das Pas
trimonium ihrer Väter, und fingen. an, nicht zufrieden mit
dem „Weltlichen“ diefer Stiftungen, auch an das „Geiſtliche“
die Hand zu legen und willkuͤrlich über dieſelben zu verfügen.
Ale die von jenen urfprimglichen Gründern nah oder fern
abftammten, nannten fi) Erben, Herdeiros , Padroeiros, Na-
turaes diefer Kirchen und Klöfter. Alle verlangten bie Aner⸗
fennung ihrer Patronatsrechte und foderten von den Stiftuns
gen ihrer Ahnen mancherlei Abgaben und Leiftungen, wie Ian:
tares, Comedorias, Caſamentos, Gavallarlas u. ſ. w.). Diefe
Foderungen veranlaſſten in der Folge die aͤrgſten Misbraͤuche
und Bedruͤckungen. Die Kloͤſter erhoben laute und wiederholte
Klagen über die Gewaltthaͤtigkeiten und Erpreſſungen ber Her-
“ deiros, und erſt nach manchen vergeblich angewandten Maß⸗
regeln Fonnten von den legten Königen biefed Zeitraums, wie
wir fpäter fehen werden, dem Unfuge Schranfen gefeßt wer⸗
den. In der Zeit, von welcher hier Die Rebe ift, war das
Übel noch nicht allgemein; wie ed aber doch ſchon jest bier
und da fich dufferte, zeigen und einzelne Beifpiele?). -
1) Über diefe Abgaben f. den Abfchnitt über das Abgabenweſen übers
haupt.
2) Zohannes Nuniz, Abt bes Kiofters Keffoios de Baſto wollte im
Sahre 1172 wegen der Drangfale, die ihm die Erben de
Klofters zugefügt hatten, biefes verlaffen und alle Güter, die ihm
eigenthümlich gehörten, dem Klofter entziehen. Mit Betrübniß vernahm
dies feine Mutter, Maria Nuniz, bie ebenfalls in dieſem Kloſter Lebte
und demfelben mehrere Güter, leibeigene Mauren und Mlaurinnen ge:
ſchenkt hatte. Sie ſuchte durch Bitten und Vorwürfe den Sohn zu bes
wegen jenen Vorſatz aufzugeben. Warum, ſprach fie unter Anderm mit
Thraͤnen, warum verläfft du mich, mein Sohn, da ich vom Alter vers
gehrt am Rande des Grabes ſtehe? Druͤcke mir erft bie Augen zu und
dann gehe hin, wohin es dir gefällt. Johannes, von diefen Worten und
ben Thränen der Mutter gerührt, erwiderte: Was foll ich thun, Mutter ?
Wenn fie fo bei euren Lebzeiten handeln, wie werben fie erft nad) eurem
Zobe handeln? Gewiß werben fie mich dann aus bem Klofter werfen.
Kiche u. Klerus, bis Anfang db. 13. Jahrh. 167
Unterdeffen mehrte fi dad Vermögen ber Kirche unges
hindert und fichtbar, felbft mitten im Kriege; feine Verhee⸗
rungen fonnten wohl die Srucht des Bodens zerflören, der
Boden aber blieb der Kirche. Ja der Grundbeſitz der Kirche
wurde gerabe in biefen flürmifchen und Eriegerifchen Zeiten um .
fo mehr erweitert, je geringern Werth das unfichere Eigenz
thum fir den Laien hatte und je mehr dieſer unter dem
Schirm der Kirche noch den einzigen Zufluchtöort, die einzige
Sicherheitsftätte fand. Königen und Rittern aber, die eines
folches Schutzes gerade nicht beburften, ſchien es billig, Das,
was fie von den Feinden des Chriftenthumd eroberten, bem
Gott der Chriften, feiner Kirche und feinen. Dienern wenig:
ftend zum Theil zuzumeifen.
Zu diefem erweiterten Grmdbefig kamen endlich noch im
Laufe der Zeit Einkünfte einer neuen Art. Am Ende des elf
ten Jahrhunderts fing man in Portugal an, die Verpflichtung
zum geiftlichen Zehnten (Decimas oder Dizimos) ') anzuerken⸗
nen; im zwölften war er ſchon allgemein üblih. in Drits
theil deffelben (Tercças Pontificaes) Jieferten die. Parochialfirs
chen an die Kathedrale ab; zwei Theile blieben den Äbten und
Dfarrern, die verpflichtet waren die Gotteshäufer zu unters
halten und bie Armen zu wmterflügen?). Im dem Ortsrecht,
das der König Sancho J. dem Orte Penamacor im Sabre
1209 gab (und ebenfo in den doraes von Proenea a Velha
Werfen ſie dich, verſetzte die Mutter, wider Recht aus dem Kloſter, ober
fügen fie die zu, was du nicht ertragen Fannft, dann übergebe ich dir
mein ganzes Erbe, das ich in dem Fleden Nuni befise, fo baß bu es
dein Leben ang benutzeſt und ed nach deinem Tode dem Klofter St.
Michael in Reffoios zufällt. Det Sohn verfprach ber Mutter, fie weder
im Leben noch im Tode zu verlaffen und einft feine Leiche neben ber. ihe
rigen in dem Kiofter beerbigen zu laffen. — Faſt wörtlich nach ber Bere
gleichsurfunde, wie fie Ribeiro (Dissert. T. I. Append. p. 253) aus
dem Archiv des Kiofters Reffoios hat abdruden laffen. Ein anderes Bei-
fpiel vom 3. 1196 f. in Memorias da Acad. Real T. VI..p. 69.
1) Verfchieden von dem weltlichen Zehnten, Dizima secular,
aus dem die Dctavos entftanden. Etucid., Supplemento pag. 85. Me-
mor. da Acad. Real, T. VI. p. 56.
2) Elucid. T. I. p. 845. T. II. p. 376. Supplemento p. 35.
4168 Erſter Zeitraum. J. Bub. 6. Abfcıhn.
und Salvaterra do Eſtremo) wurde reigefet, baß die Dizi⸗
mos und Primiciad an alle Kirchen- entrichtet werden follten.
Ein Drittheil fol dann dem Bifchof, ein anderes den Kleris
fern oder Pfarrern zugetheilt werden; das Übrige bleibt ben
Pfarrlindern, um damit die nöthigen Bebürfniffe, die Ge
baͤude, ben Kirchenfchmud, die Buͤcher und dergl. nad) dem
Ermefjen des Bifchofd und. feiner Pfarrer zu beftreiten 9.
I ft bei der Vermehrung der Grundgüter und der Ein-
Eimfte des Klerus der Einfluß, den das beginnende Anfehn
des Kirchenrechts und die Verbreitung der Grundfähe des roͤ⸗
mifchen Hofes auf jene Dinge ausübten, nicht zu verkennen,
fo tritt diefer Einfluß auf die Perfonen, die Rechte und
Breiheiten der Geiftlichkeit, noch flärfer hervor. Nicht nur
wurden die Geiftlichen, wie wir in ber Regierungdgefchichte
Affonfo’3 II. gefehen haben, fchon im Anfang des breizehnten
Jahrhunderts von allen Eöniglichen und gemeinheitlichen Abgas
ben und Leiſtungen befreit und unter den Schuß des Königs
und feiner Beamten geftelltz die begüterten Prälaten übten felbft
in ihren meiften Beſitzungen ſchon längere Zeit Die bürgerliche
und peinliche Gerichtsbarkeit aus, bei welcher Beguͤnſtigung
fie freilich auch von den Anfichten des Zeitalterd, das die Ju⸗
risdiction mit dem großen Grundbeſitz für untrennbar verbuns
den bielt, unterftügt wurden. Der Klerus verlangte und bes
hauptete feinen befondern Gerichtsſtand, feine Gerichte entfchies
den felbft über weltliche Vergehen feiner Angehörigen; ja fie
machten ſchon Verſuche, die Laien wegen gewiſſer Vergehen,
die ſie in ihren Gerichtskreis zogen, vor ihren Richterſtuhl
zu fodern.
Doch war alles dieſes bis jetzt erſt im Werden begriffen.
Die Elemente waren noch gemiſcht, aber ſie begannen zu gaͤh⸗
ren, um ſich zu ſcheiden. Anlaß und Stoff zu Irrungen und
Kaͤmpfen zwiſchen den Geiſtlichen und Weltlichen, der Kirche
1) Ecclesiae de Penamacör accipiant Primicias singulas fangas
de omni pane, et Decimam de pane, et de vino, et de omnibus fru-
ctibus, et pecoribus., Et Episcopus habeat tertiam partem, et Clerici
tertiam partem, et Parrochiani aliam tertiam, et expendant illam per.
Episcopum, et per Glericos Kcclesiarum: ubi rectum fuerit ... »
Elueid. T. II. p. 14.
Regierung Sancho's IL, 123 - 1245, 169
und dem Staate lagen in Menge da. Als der zuͤndende
Funke das Material einmal beruͤhrt hatte , griff das Feuer
weit und breit um ſich und gewann eine Gewalt, der nicht
mehr zu wehren war. Wie ſehr die Praͤlaten ſchon damals
ſich fuͤhlten, zeigten ſie, als ſie es wagten mit dem Koͤnig
es aufzunehmen. Die lange Dauer des Kampfes bewies bie
große Gewalt der Kirche in jenen Jahrhunderten, aber auch
die deſtigkeit der portugieſiſchen Koͤnige.
Siebenter Abſchnitt.
Regierung des Königs Sancho I.
(Vom 25.. März 1223 bi 21. Sept. 1245.)
1) Sancho's Wirken für den Frieden und im Frieden.
Er legt die Streitigkeiten mit der Geiſtlichkeit, umtee denen
der Vater geflorben, durch einen’ Vergleich mit jener und
einen andern mit bem Exzbifchof von Braga bei. Ver⸗
trag des Könige mit feinen Vatersſchweſtern. Er attheit
mehrern Ortſchaften Foraes.
Nach dem Tode feines Vaters eilte Sancho IE bie Streitig⸗
keiten mit der Geiſtlichkeit beizulegen. Schon im dritten Mo⸗
nat nach feinem Regierungsantritt ') berief er eine Verſamm⸗
Yung von Geiftlichen und Weltlichen nach Coimbra, worin bie
ftreitigen Puncte berathen wurden und endlich ein Vergleich,
den man unpaffend Concordia oder Concordata genannt hat ?),
zu Stande fam’). Er befteht aus zehn Artikeln. Den man
nichfaltigen Misbräuchen, die in Hinficht auf Einlagerungen,
1) Synopsis chronol. de subsid. para a Histor. da Legislac. Por-
tug. por An. de Figueiredo, Tom. I. p. 4.
2) Über das Unpaffende dieſer Benennung vergl. ebendaf. bie Ans
merk. a. pag. 8.
3) Pereira de manu regia, T. I. p. 813,
1223
uni
4170 Eeſter Beitraum. LBuch | 7. Abſcha.
Berkauf von Kirchenpatronaten, Grhebung von Bitiglichen Ges
ln, Beſitznahme eriedigter Kirchengäter und Gerichtsbarkeit
tiber Geiſtliche zum Schaden: der Kirche eingeriffen waren, wur:
den Schyanten gefett. Der König verfpricht, in Zukunft den
Kirchen und Klöftern Feine Hunde, Vögel und andere Thiere,
„ fowie keine Dienftleute zur Unterhaltung zuzuſchicken (Art. 7.)
und- nicht mehr: zu geftatten, daß ein Vaſall eine Kirche für
irgend einen Preid verkaufe oder verpachte (Art. 2). Er darf
fernerhin von den Kathebralfirchen und Klöftern die Gefälle,
die unter dem Namen Colheitas bekannt find, in der ſchon
unter feinen Vorfahren üblichen Weife erheben, nur fol er
bei feiner Durchreife darüber wachen, daß feine Beamten ſich
feine Bedruͤckungen erlauben (Art. 1). Er verfpricht, bei dem
Tode der Prälaten die Güter ihrer. Kirchen fich nicht anzueig-
nen (Art. 6.) und in die Nechtöftreitigkeiten der den Biſchoͤ⸗
fen untergebenen Geiſtlichen und Mönche, fofern fie nicht
MWeltliches betreffen ), fich nicht zu mifchen (Art. 8.). In
andern‘ Beftimmungen dieſes Vergleichs finden wir die erflen
Andeutungen und Umriſſe von Geſetzen, bie. in der philippi-
fihen Gefegfammlung nur in größerer Ausführlichkeit und
fchärferer Beſtimmtheit erfcheinen, wie in den Bellimmungen
über den Beiftand des weltlichen: Arms und über die Beru⸗
fung von dem geiftlichen Gericht an die Krone. Sancho ver:
pflichtet fich, die Kirchen und Geiftlichen zu vertheidigen, wenn
er von dem .Erzbifchof, den Biſchoͤfen und andern. Prälaten
darum angeſprochen wird ). Sin bifchöflichen Städten, in den
Ortſchaften und Coutos der Kirchen und Klöfter, in welchen
Drtörichter. ſind, follen bie Rechtsſtreitigkeiten durch diefe oder
ben Biſchof eneſchieden werden; ſprechen ſie aber nicht Recht,
fo ſoll es der Kuouͤnig. In Gegenſtaͤnden jedoch, die offenbar
vor das Gericht jener gehoͤren, ſoll keinerlei Berufung an den
König ſtattfinden ). u
Auffer dieſem Vertrag mit der gefammten Geiftlichfeit
fchloß der König noch einen befondern mit dem Erzbifchof von
1) Nisi in quantum fuerit laicale.
2) Art. 4. Orden. Phil. liv. II. tit. 8.
3) Art. 8. Orden, liv. I. tit. 9. $. 12,
Megierung Sancho's D., 1223-1245. 171
Braga ab, in welchem Sancho bemfelben bie Summe von
fechötaufend Cruzados zu zahlen und allen Schaden, bee un⸗
ter feinem Vater ber Kathedrale von Braga und den Kirchen
und Klöfteen bes erzbifchöflichen Sprengeld zugeflgt worben
ift, zu verguͤten verfpricht. Drei Geiftliche werben. ermächtigt
den Betrag des Schadens zu ermitteln, und funfzigtaufendb
Cruzados zur Beſtreitung deffelben von bem König nieberge:
legt. Der Erzbifchof verfpricht ſeinerſeits, ben König von
dem Kirchenbann loszufprechen, fobalb er fein Berfprechen er⸗
füllt haben werde, die Verflorbenen in geweihte Erbe zu be
graben, und folche, bie gegen dad Interdict beerbigt: worben,
wieder herausnehmen und nad der Vorſchrift der Kirche beess
digen zu laffen ').
Wenige Tage nach dem Abſchluſſe dieſes Vergleichs ver⸗
glich‘ ſich der König auch mit feinen Vatersſchweſtern uͤber bie
Ortfchaften,; bie unter ber vorigen Regierung fo blutige Feh⸗
ben veranlaflt hatten. Man kam :hberein, baß die Königin
Therefia und die Infantin Sancha [ebendlänglich im Beſitz der
feſten Orte Alemquer und Montemor und des Fleckens Es⸗
gueira bleiben ſollten. Nach: ihrem Ableben fielen jene, dem
Dertrage gemäß, ber Krone wieder anheim, Esgueira blieb
dem Klofter Lorväo. Auſſerdem wies der König feinen Muh⸗
men auf Lebenszeit jährlich viertaufend Maravedis auf die Ein:
kuͤnfte von Torres Vedras an, verfprach den Einwohnern von
Alemquer und Montemor Die Drtereihte, bie ihnen von jenen
Fuͤrſtinnen ertheilt worden, zu laffen, und ihnen wegen bes
Beiftandes, den fie dieſen geleiſtet "Hätten, Fein Leib zuzufligen.
Die Fürftinnen follten verbunden fein, Kriegsvolk aus dieſen
Drten, wie ed im Reiche iblich fei, zum Heere bed Königs
zu ftelen, und die. Fönigliche Münze in jenem Bezirke anzu⸗
nehmen. Der Bertrag wurde von beiden Seiten feierlich be
fehworen und von einer Anzahl portugiefifcher und leoneſiſcher
Nitter und Großen gegenfeitig verbürgt *).
1) Mon. Lus. Parte IV. Append, Escrit. 15.
2) Mon. Lus. Parte V. Append. Eser. 14. Nach einer Bufams
menkunft des Königs von Portugal mit dem König Ferdinand von Ca⸗
ftitin i 3. 1231 gab diefer endlich auch das fefte Schoß S. Eſteväo
‘
172 Erſter Zeitraum: J. Bud. 7: Abſchn.
Sobald der anſtoͤßige Familienzwiſt, den der Großvater
umabfichtlich entzüumdet, der Vater zwar gebämpft, aber nicht
unterbrüdt hatte, von Sancho IL völlig audgelöfcht worden
war, und der unfelige Zwieſpalt zwifchen dem König und der
Geiſtlichkeit in einen friedlichen Vergleich fich aufgelöft hatte,
wendete Sancho feine Zeit und Kräfte der Verwaltung feiner
Länder zu. Nach der guten Sitte feiner Väter bereifte er zu⸗
erft die Provinzen des Reichs, um mit eignen: Augen den Zu⸗
fland derſelben zu unterfuchen, yperfönlich das Gute zu für-
dern und den. Misbräuchen zu fleuern. So fehen wir ihn
ſchon im erften Jahre feiner Regierung das Land zwifchen dem
. Douro und Minho bereifen. Der Ort Sanguinhebo im Ge
1223
24. Dec.
1224
8. Mai.
biet von Panoyas erhält einen Zoral'). Auf einer Reife im
folgenden. Iahre gab der König den Orten Corva, Noura und
Muca Foraes. Im Iahre 1225 ertheilt er. denen, die in
Santa Eruz fi) anfiedeln, große Rechte und Freiheiten, und
im nädften Jahre erhalten Aureico, eigen und > anbere Flecken
Drtrechte .
2) Sandos Groberungen:
Elvas, Serpa, Jurumenha, Aljuſter, Aronches, das wich⸗
tige Mertola, Cacella, Ayamonte und Tavira kommen
die Gewalt des Koͤnigs. . Verdienfte der Ritter des
SantiagosDrbens, vor. allen des Komthur von Alcacer do
Sal, Payo Peres Correa, bei dieſen Kriegsunternehmungen.
Der Komthur erobert die Orte in Algarve mit Portugieſen
fuͤr Portugal. Vertheidigung Sancho's gegen den Vorwurf
der Unthaͤtigkeit und Unerfahrenheit im Krieg.
Sancho's friedliche Thaͤtigkeit ging bald in eine kriegeri⸗
ſche uͤber, die bei der ſtets gefaͤhrdeten Lage des Landes
de Chaves, das er zur Sicherheit ber Königin Thereſia bisher im Befig
gehabt hatte, an den König von Portugal wieder zurüd. Mon. Lus.
liv. 14. cap. 12,
1) F. N. Franklin, Memoria para servir de Indice dos Fo-
raes das Terras do Reino de Portugal (Lisboa 1816) pag. 243, 277,
236 und 237:
2) Mon. Lus. liv. 14, cap. 4.
Regierung Sandho’s IL, 12233—1%45. 173
der natürliche Beruf und die imerlaffliche Pflicht eines por⸗
tugiefifchen Königs war. Schon im zweiten Jahre feiner Re
gierung finden. wie Sancho im Kampf mit den Saracenen,
eben damit befchäftigt, die Umgegend®von Elvas zu verwuͤ⸗
fin‘). Im folgenden Jahre wird ber wichtige Ort erftürmt,
und bleibt feitbem in ber Gewalt bed Königs, der ihm zur
Beförderung des Anbaued und der Bevoͤlkerung brei Sabre
fpäter einen Foral, und zwar ben von Evora erteilt). Zaft
ununterbrochen feßt der König den Krieg gegen die Ungläus
bigen fort, erobert Serpa, Iurumenha und andere Orte jes
ner Gegend, und erwirbt fich durch feine Eroberungen, beſon⸗
ders in Algarve, felbft den Beifall des Papftes, ‚der in einem
Breve nachdruͤcklich anempfiehlt, ohne ausdrüdliches Verlangen
des heiligen Stuhls den König in feinem gluͤcklichen und heis
ligen Kampfe gegen die Ungläubigen nicht durch Kiechenftrafen
zu hindern. Die bereitd audgebrochenen Streitigkeiten bed
1229
Mai
Königs mit dem Bifchof von Porto, die unfere Aufmerkffams
keit bald länger befchäftigen werden, hielten Gregor IX. nicht
ab eine Bulle zu erlaffen, in der er, vol Freude über bie
Fortſchritte Der chriftlichen Waffen und voll Eifer für San-
cho's Nüftungen zu neuen Eroberungen, Allen, Die. mit dem
König oder feinem Heere gegen bie Ungläubigen zu Felde zie⸗
hen würden, diefelbe Vergebung der Sünde verfpricht , welche
die allgemeine Kirchenverfammlung den Kreusfahrern nach dem
heiligen Lande verfprochen habe ). Im folgenden Sahre wurde
Aljufter erobert. Darauf wendete fich der König in die Pro:
vinz Alemtejo und. entriß Aronched den Saracenen. Den Ein;
wohnern von Alva, Die bei: einem Angriff der Feinde ihre
Aldea fchlecht: vertheibigt hatten, befahl er fie zu räumen, und
wies fie ben Bewohnern des Sledend Freiro, die den ruͤhm—
1) Bzovio, Ann. eccles. an. 12:5. num, 8. Die Geſchichte von
Portugal wird unter Sancho II. ſo ſehr Kirchengeſchichte, die Angelegen⸗
heiten des Klerus verſchlingen ſo ſehr alles übrige, daß ſelbſt die Kriegs⸗
ereigniſſe, die jene Zeit ſonſt vorzugsweiſe gern berichtet, nur beilaͤufig
erwaͤhnt werden und bei den Kirchengeſchichtſchreibern geſucht werden
muͤſſen.
2) Mon. Lus. liv. 14. cap. 17.
$) Mon. Lus. Part. IV. Apend. Escrit. 16.
21. Oct,
1236
174 . Erfir Zeitraum. L Bud, 1. Abſchn.
lichſten Widerſtand geleiſtet hatten, zum Wohnſitz an). Wich⸗
tiger war die Eroberung von Mertola, das, von fruchtbaren
Fluren umgeben, den Gipfel eined Berges Erönte und einen
der fefteften Orte Porfigald bildete. Einft an der Aufferften
1240
1242
Grenze von Lufitanien und Bätica gelegen und des Handels
wegen häufig befucht, hatten es die Römer wegen feiner Wich⸗
tigkeit zu einem Municipium erhoben. Seine von Natur fefte
Lage, Eünftlich durch einen von der Guadiana auslaufenben
Canal befchlist, eignete nun den an ber Grenze von Algarve
und Andalufien liegenden, leicht zu vertheidigenden Ort zu eis
nen trefflichen Waffenplas, zu einem Bollwerk des fübäftlis
chen Portugals. Sancho erkannte die Wichtigkeit des erobers
ten Mertola und übergab es, um fich feinen Beſitz zu fichern,
den "Rittern von. Santiago, „die dahin ihren Convent legen
folten, zur Vertheidigung und Beſchirmung bed Reichs 2).
Seitdem Mertola in der Gewalt der Chriften war, breiteten
fie ihre Eroberungen im Süden immer weiter aus, unb bald
wurben die Grenzen von Algarve überfchrittenz; 1240 wurden
Cacella und Ayamonte erobert. Der glüdliche Erfolg feuerte .
zu größern Unternehmungen an, und Sancho bot dazu feine
gefammten Streitkräfte zu Land und zu Wafler auf. Eine
päpftliche Bulle?) ermahnte alle Portugiefen, den König’ auf
feinem Kreuzzuge gegen die Ungläubigen zu begleiten, und
„nerfprach Allen, die dem Kampfe ein Jahr lang fich weihen
oder zu ben Koften bed Kriegs nach Vermögen beifteuern
wuͤrden, Vergebung ber Sünden und Ablaß, denen gleich, bie
dem heiligen Grabe zu Hülfe eilten. Die. Eroberung von
Tavira in Algarve und einiger umliegenber Orte war die
Frucht diefer Anflrengungen: Daß auch Silved damals erobert
worben, wie Einige behaupten, ift nicht wahrfcheinlich.
Diefe Eroberungen waren für Portugal von großer Mich:
1) ©. die Urkunde in Mon. Lus. liv. 14. cap. 16.
2)... et ipsi debent ibi tenere conventum suum ad defensio-
nem et tuitionem, et quisitionem Regni mei, et quaerere mihi bonum
sicut Domino natural. M. L. liv. 14. cap, 19,
8) &ie fteht in Mon. Las, liv. 14. cap, 19,
Regierung Sancho's AL, 12231245. 475
tigkeit unb find es in gewiſſer Hinſicht felbft fir uns, indem
fie, in ihrem wahren. Verfolg dargeftellt, uͤber Segenflände
uns aufflären, bie ohne die Beruͤckſichtigung oder Würdigung
diefer Eroberungen, in Dunkel gehült oder in ein falſches
Licht geſtellt ſein wuͤrden.
Naͤchſt dem König, der an den meiſten dieſer Kriegsun⸗
ternehmungen perfünlich Antheil nahm, erwarben fick dabei die
Kitter des Sanctiagoordens, vor allen der Komthur von Alcacer
bo Sal, Payo Pered Correa, ausgezeichnete Verdienfte. Um diefe
zu belohnen, die Tapferkeit der Ritter nochmehr anzufeuern und
dieſen mächtigen Schild des ftetö bedrohten Vaterlandes gleiche
fam zu ftählen, ſchenkte ihnen der König die meiften erober-
ten Drte: Aljufter im Jahre 1235, Mertola und Alfajar de
Pena 1239, Sacella und Ayamonte 1240. und Zapira 1242
den 9. Januar). Die Schenkung von Tavira, dad ihnen
der König „aus frommer Freigebigfeit überlaffen babe‘, beftds
tigte noch befonbers der Papſt Innocenz IV.?). Da jener 1244
Komthur von Alcarer in der. Folge Großmeifter des Orbens 8. Se
von Sanctiage wurde, und feinen Wohnfig nach Caftilien,
an den urfprünglichen Drdensfig, verlegte, fo haben fich caſti⸗
liſche Schriftfteller ‚zu ber Annahme verleiten laffen, daß Peres
Correa jene Orte in Algarve fuͤr Caſtilien erobert habe. Allein
Correa war während jener Eroberungen noch bloß Komthur
von Alcacer do Sal, wo damals Die portugiefifchen Ritter
bes Sanctiagoordens ihren Convent hatten, und wurde erft im
Sahre 1242 Großmeifter des: gefammten Ordens, als Zavira,
bie lebte Eroberung in Algarve, bereits .in der Gewalt der
Portugiefen. war. Nur portugiefifche Ritter führte er big
auf dieſen Zeitpunct in den Kampf -gegen Die Saracenen, und
nur auf Befehl und. zum Theil unter: den: Augen des Königs
felbft fuͤhrte er fie an. Die eroberten Pläbe betrachtet Sancho
ald fein Eigentbum und fchenkt fie aus freiem Willen und
1) S. die Sqhenkungebriefe in Mon. "Las, Parte IV. Apend. Es-
critt, 14, 19, 20, 22,
2) Die Beftätigungsurfunde iſ dem ogerumgebele einverlelbt.
Mon. Lus. Racrit. 22.
176 WErſter Zeitraum. L. Buch. 7. Abſchn.
mit Zuſtimmung der Großen bes Reichs ben Ordensrittern ).
‚Er zählt dabei auf ihre treue Anhänglichkeit und fegt voraus,
daß fie ihn als „ihren natuͤrlichen Herrn” anerkennen ?). Kurz,
diefe Schenkungen beurfunden Elar und zur Genüge, daß jene
Eroberungen für Portugal und nicht für Caſtilien gemacht
wurben..
Eben diefe Eroberungen widerlegen zugleich ben Vor⸗
wurf, ben man dem König Sancho IL gemacht hat, daß er,
in träger Sorglofigkeit und Pflichtvergefienheit lebend, das
Reich gegen die Saracenen zu fchügen vernachläffigt habe.
Ein unglüdliches Geſtirn hat in der That über den Kriegs:
thaten diefed Königs gewaltet. Kein Geiftlicher feines Landes
und feiner Zeit (Andere fehrieben felten) hat fie aufgezeichnet,
und wir find genöthigt aus den Föniglichen Schenkungsur⸗
Funden über die den Mauren entriffenen Länder und. Ortfchafs
ten mittelbar auf feine Exroberungen zu fchlieffen. Schon
Brandäo fühlte die Ungerechtigkeit, mit ber man in biefer
Hinficht Sancho's Andenken verunglimpft hat. „Ich weiß
wohl, fagt er, daß ed Vielen etwas Neues fein wird, wenn
der König Sancho mit Krieg und Waffen befchäftigt und
nicht in einem geiftlichen Gewande erfcheint, oder gar flatt
der Moͤnchskutte den Helm fih auf dad Haupt febt. Aber
Jedem fol Genuͤge gefchehen mit Gründen, mit denen wir bie
fem König wiedergeben wollen, was ihm mit Recht gebührt.‘
Die Kriegsunternehmungen und Eroberungen, welche. Brandäo
darauf aus Urkunden nachweift ’) und Die in Kürze oben be
richtet worden find, beweifen, daß nach dem eriten Affonfo
keiner von Sancho’8 Vorfahren mehr für die Erweiterung der
Grenzen des, Reichs geleiflet hat ald dieſer König; fie zeigen,
dag Sancho's Mutter, ald fie zufolge- eined Geluͤbdes, bas fie
während einer lebenögefährlichen Krankheit des Knaben gethan
1) De mea spontanea voluntate et de assensu meorum Ricorum
hominum ... . cum omni jure regali, quod ibi habeo et habere debeo,
et cum omni jure Patronatus Ecclesiarum fagt ber König in der Urs
kunde der Schenkung an ben Orben.
2)... ut me diligant, et faciant sicut Domino naturali — und
ähnlich in den uͤbrigen Schenkungen an den Orben.
8) Mon. Lus. liv. 14, cap. 6, 7, 11, 14—16, 18—21.
| Regierung Sancho's I, 1223 — 1245. 47
hatte, demfelben zu Ehren bes heiligen Auguſtins eine Moͤnchs⸗
Tutte anlegte, keineswegs, wie Einige meinen, den Eriegerifchen
Sinn aus dem Sohn: getrieben hatte. Der herangewachfene
Sancho bewies nicht allein diefen, er entwidelte zugleich, was
Damals feltner war, Eluge und umfichtige Planmäßigkeit in feis
nen Sriegöunternehmungen. Nachdem er ſich des wichtigen
Elvas, ald Anhalt: und Ausgangs-Puncts, bemeiftert hat, ver
folgt er das Flußgebiet der Guadiana, nimmt längs berfel-
ben der Reihe nach die Hauptorte Serpa, Mertola u. f. w.,
verfichert fich der Mimdung der Guadiana durch die Erobes
zung von Ayamonte und Gacella, fo wie bed Schlüffeld zu
Algarve von dieſer Seite, Tavira’s, fehneidet auf biefe Weife
Das übrige maurifche Algarve ab, fchwächt burch diefe Trens
nung bie Macht der Saracenen in diefer Gegend und. bereis.
tet fo die völlige Eroberung von Algarve feinem Nachfol⸗
er vor.
8 Ein ſchwerer und ungerechter Vorwurf war es daher,
als Innocenz IV. in der Bulle von Jahre 1245, die des Koͤ⸗
nigs Vergehen aufzählte und feine Abfegung begründen follte,
ihm zur Laſt legte, „er habe die Länder der Chriflen in ber
Nähe der Saracenen nicht vertheidigt, fie aus Kleinmuth ben
Ungläubigen zur Verheerung oder Beſitzergreifung überlafs
fen” ). Der Vorwurf war um fo fihwerer und Tränkender,
je mehr der Portugiefe jener Zeit den Ruhm feines Königs
vor Allem in die Bekämpfung der Ungläubigen zu feßen pflegte. -
Mochte ſich Innocenz IV. nicht die Mühe nehmen die Regi⸗
fter feines Vorgaͤngers Gregors IX. zu durchblättern? Hier
konnte er aus der Feder eines Papftes das Lob Sancho's als
eines rührigen und glüdlichen Befämpfers der Saracenen lefen.
Dover dachte Innocenz nicht daran, daß die Eönigliche Schen⸗
fung des eroberten Tavira's an den Sanctiago⸗Orden, bie er
felbft feierlich beftätigt hatte, eine beträchtliche Erweiterung ber
“ Grenzen Portugals auf Koften der Saracenen voraudfegte?
Und endlih — wer war es, der ihn auf feiner Siegesbahn
hemmte? Hatte nicht Gregor IX. durch ein Breve (1232) ge
bieten müffen, daß man den König in dem heiligen Krieg
1) Sousa, Hist. geneal. Provas, T. I. p. 47.
Schäfer Geſchichte Portugals I.
178 Erſter Beltraum. L Bud. 7. Abſchn.
nicht Durch Kirchenſtrafen hinderte?) Es war ein hoher
Geiſtlicher es war der Biſchof von Porto, ber dieſes Breve
veranlafft hatte; er war. ed, ber ben Hader. mit dem König wie
der ermeuerte und einen Kampf entzündete, der, fchnell um ſich
greifend, immer flärfere Streitermaffen wider den Thron führte,
allen weitern Planen und Unternehmungen des Königs ein Ziel
fegte und dieſem felbft den Untergang brachte.
3) Sancho's Streitigkeiten mit der Geiſtlichkeit.
Klagen des Biſchofs von Porto über den König. Vergleich
zwiſchen Beiden. Heftigerer Streit mit dem Erzbiſchof
von Braga, der fich mit feinen Befchwerden an den Papſt
wendet. Nähere. Angabe diefer Beſchwerden. Die Drohun⸗
gen des Papſtes bewegen ben König nachzugeben.
Schon im Sahre 1227 hatte der Bifchof Sultan I. (1227
. — 1230) Klagen über des Königs Eingriffe in die Rechte und
Sreiheiten des Bisthums Porto bei dem Papft Honorius er
hoben, und Ddiefer dem Bifchof von Zamora und einigen dor:
tigen Prälaten aufgetragen, den König zur Beſſerung zu er
mahnen und nöthigenfalls mit Kirchenftrafen zu belegen. Noch
in demfelben Iahre hatte Gregor IX. die Drohung gefchärft ”),
mit welchem Erfolg, iſt unbekannt. Lebhafter wurde der Zwift
unter dem folgenden Bifchof, Pedro Salvador (1231 — 1247),
einem großen Eiferer für die Rechte feines Stuhle. Kaum
hatte er ihn beftiegen, fo eilte ev (1233) nach Rom, um über
die Unbilden, die feine Kirche von dem König zu erdulden
habe, Befchwerde zu führen. Der König reiffe die Gerichtä-
barkeit und die Vorrechte, die feine Vorfahren dem Bifchof
von Porto bewilligt hatten, gewaltfam an ſich, indem er tiber
bürgerliche Rechtshaͤndel und Streitigkeiten der Geiſtlichen zu
entfcheiden ſich anmaße, Die Geiſtlichen nöthige vor feinem
. Richterfluhl zu erfcheinen und aufferdem den DVafallen des
Bisthums anmuthe mit! dem König in den Krieg zu ziehen.
1)... ne a quoquam sine Sedis Apostolicae expressa voluntate
censuris ecclesiasticis gravaretur quamdiu sanctum bellum depugnaret.
2) Raynald. ad. an. 1227. Bzovio. an. 1227. num. 9,
Regierung Sancho's IL, 1223—12345. 179
Der Papft beauftragte (in einem Breve von 1233) den Bis
ſchof und zwei höhere Geiftliche in Zamora bie Sache zu un-
terfuchen und den König zu ermahnen, baß er fich folcher
Einmiſchungen und Bedruͤckungen enthalte; im Fall aber diefe
Ermahnung fruchtlos bleibe,. ben König aller Orten, wo er
ſich aufbalte, in den Bann zu thun. Gregor IX. felbft fchrieb
an den König.
Diefe Maßregeln hatten den Erfolg, dag ein Vergleich zu
Stande kam, in welchem der König alle Freiheiten und Rechte
Der genannten Kirche unangetaftet zu laffen verfprah. Er be
hielt fich jedoch vor, daß, im Fall die Mauren in feine Län-
der einfielen und er in Perfon gegen fie ausziehe, auch ber
Biſchof von Porto, gleich den andern Bifchöfen des Reichs,
mitzugehen verpflichtet ſei; Daß zwar bie rein geiftlichen Ges
genftände, wie Zehnten, Wucher, Simonie, Ehen und bergleis
chen, der Entfcheivung des Bifchofs verbleiben folten, in den
Rechtöftreitigkeiten zwifchen Geiftlichen und Laien aber allein
der Fönigliche Richter, ald Generalvicar ded Bisthums, erken⸗
nen duͤrfe. Übrigens ſchenkte der König bei diefer Gelegenheit
dem Bifchof und feiner Kirche das Patronat über Soalhäes
und Bedoido, fowie den Zehnten von dem Zehnten, den der
König, wie feine Vorfahren, von Allem was in der Stabt eins
geführt wurde, erhob. Der Bifchof und das Capitel erwirkten
von dem Papfte die Betätigung ded Vertrags, mit Ausnahme
jenes Artikels, der dem weltlichen Generalvicar die Entfcheis
dung uͤber Nechtöfälle zwoifchen Geiftlichen und Weltlichen vor⸗
behielt, und dem, ald dem Recht und ber Immunität ber
Kirche uͤberhaupt zuwider, ber Papft feine Zuflimmung vers
fagte ). Der Streit ſchien fomit beigelegt. Gregor erließ im
folgenden Sahre, 1234, die oben erwähnte Bulle, in welcder
er den König wegen feiner Siege uͤber die Ungläubigen belobte
und allen feinen Kampfgenoffen Ablaß verfprach ; er druͤckte da⸗
mit feine Zufriedenheit mit dem König aus.
Gleich zufrieden konnte der Biſchof fein. Aber wie einſt
unter dem erſten Sancho ein Biſchof von Porto, trotz der un⸗
1) Catalogo dos Bispos do Porto, Parte II. cap. 10. Mon. Lus
liv. 14, cap. 14.
12*
180 Erſter Zeitraum. L Bud. 7. Abſchn.
gemeffenften Zugeſtaͤndniſſe, bie ihm. der König gemacht hatte,
den alten Groll gegen diefen nicht vergaß und feinen Anma⸗
ungen Feine Schranken zu fegen wuffte, fo jest der Biſchof
_ Peter Salvador unter dem zweiten Sancho. Ungeachtet jenes
Vergleichs, der dem Bifchof fo gimflig war, und der freien
Geſchenke des Königs,‘ die Feine Bedingungen des Vergleich
bildeten, ungeachtet Sancho noch im Sahre 1245 den Fleden
Marachil in Algarve — eine neue Erwerbung von den Mau⸗
"ren — dem Bifchof fchenkte, war eben berfelbe Prälat ber
Erfte, der, wie wir fpäter fehen werden, bei dem Papfte in
Lyon Klagen gegen ben König vorbrachte, die befien Sturz
zur Folge hatten ').
Der Zwift des Biſchofs von Porto mit dem König war
nur ein Vorläufer des Sturmed, der immer näher gegen
Sancho heranzog. Er mar noch nicht lange und nur fchein-
bar beigelegt, als fich ein weit heftigerer und bebenklicherer
zwifchen dem Erzbifchof von Braga und dem König entipann.
Auch diefer wurde nicht von Grund aus gehoben. Die Ruhe,
die ihm folgte, war nur täufchend; fie verbarg das Zufammen-
zieben und die Anhäufung mehrerer Stoffe, deren Entwidelung
und Wirfungsweife wir zwar weiter nicht verfolgen können,
weil Fein Beobachter fie der Nachwelt gefchildert hat, deren
Dafein wir aber aus ihren Wirkungen und Ergebniffen nad)
zumweifen im Stande find. MWeltliche Elemente traten hinzu,
das Zerment aber war geiftlich.
Irrungen zwifchen Töniglichen Beamten und Geiftlichen
des Erzbisthumd Braga veranlafften den Erzbifhof von dem
König zu verlangen, daß er feinen Dienern und Beamten ver:
biete, im Die Angelegenheiten der Kirche ſich zu mifchen und
die Geiftlihen zu beunruhigen. Da der König dem Erzbifchof
nicht Genüge that, fo fchritt diefer. alsbald zur Ercommu-
nication der Töniglichen Beamten und wandte fich mit feinen
Klagen fofort an den Papft. Die Befchwerden Iaffen fich auf
acht Hauptpuncte zurädführen. 1) Die Eöniglichen Beamten
befshimpfen Die Geiftlichen und berauben fie in ihren Häufern,
indem fie in biefe unter dem Vorwand eindringen, die Wei:
1) Espafia sagr. T. XXI. pag. 101,
Regierung Sancho's IL, 1223—1245. 181
“ ber, bie fie darin fanden, herauszuholen );3 2) fie hindern den
Erzbiſchof ſtrafwuͤrdige Geiſtliche zu zuͤchtigen; 3) fie noͤthigen
jenen und die Geiftlichen durch’ Geloftrafen , im Heere zu Die
nen, die Leute und Pferde des Königs in ben ber Kirche ge-
hörigen Käufern aufzunehmen und zu unterhalten, ſowie die
Herbergskoſten und andere Laſten zu tragen; 4) ſie zwingen die
Geiſtlichen weltliche Anordnungen zu befolgen, wohin dieſe
gehoͤrt: „wenn Jemand bei Lebzeiten (inter vivos) oder in ſei⸗
nem letzten Willen Guͤter an eine Kirche oder ein Kloſter gibt
oder vermacht, fo dürfen dieſe ſie nicht annnehmen, noch auf
irgend eine andere Weiſe ſie erwerben“; 5) wenn Geiſtliche
wegen Guͤter vorgeladen werden und Einrebe gegen die Zu⸗
ſtaͤndigkeit des Gerichts vorbringen, ſo wird der Klaͤger ſo⸗
gleich in den Beſitz der Guͤter geſetzt, die Geiſtlichen aber be⸗
finden ſich in der Nothwendigkeit, entweder das Ihrige zu
verlieren, oder vor dem weltlichen Gericht zu erſcheinen, in
buͤrgerlichen und ſelbſt in peinlichen Faͤllen; 6) avenn der
Koͤnig uͤber geiſtliche Ortſchaften oder Kloͤſter, die von ihm
Feine Regalien nehmen, feinen Weg nimmt, ſo erpreſſt er
Geld von ihnen und befchwert fie mit Leiſtungen; 7) er ver⸗
fügt über kirchliche Dinge, indem er die Einkünfte erledigter
Kirchen an fich zieht, diefe mittlerweile Durch Laien verwalten
lafft, das Patronatrecht über einige, die fonft frei waren, fich
anmaßt, und fie mit fremden, unbefannten und unwuͤrdigen
Perfonen beſetzt; 8) er hat die Kirchen und Klöfter, ihre
Beamten und Pachter durch Erpreffungen unfähig gemacht
ihre eigenen Diener fernerhin zu unterhalten ?). |
Dffenbar laufen hier, wie ein -aufgeklärter Portugiefe,
Caetano do Amaral, richtig bemerkt hat, wirkliche Misbräuche
und Gewaltthätigkeiten der Weltlichen, ungemeffene Anmaßun⸗
gen und Übertreibungen der Geiftlichen unter: und nebeneinans
der hin. Wir find nicht im Stande hier Die Wahrheit von
dem Irrthum oder der Verfaͤlſchung ftrerige zu feheiden, weil
1) Nach einem alten Gefeg, dad Sancho I. gegeben haben foll, wa-
ven die Eöniglichen Beamten zu einer Hausunterfuhung für diefen Zweck
befugt.
2) Mon. Lus. Parte IV. Apend. Escrit, 18. Im Auszug in Me-
morias da Acad. Real. Tom. VI. p. 88.
182 Erſter Zeitraum. J. Buch. 7. Abſchu.
nur bie Berichte derer, bie zugleich Partei, Kläger und Richter
1238
15. Apr.
- waren, auf und gelommen find. Aber wir wollen bie Stimme
eines ihrer Amtöbrüder und Landsleute hören, eined unverbächtis
tigen Mannes, des verfiändigen Brandäo, der „wohl wuſſte, wie
diefe feine Anfüchten als Neuerungen unb eben nicht fehr anges
nehme Neuerungen in ber portugiefifchen Gefchichte erfchienen,
dem aber bie Pflicht, die Wahrheit zu fchreiben, nicht geftattete
von dem was er fir gewiß hielt abzuweichen“. Es war nichts
Anftößiged dabei, fagt er, baß bie Einkünfte erledigter Kir:
hen für den König erhoben wurden, noch dabei, daß man
die Schenfungen, die von frommen Menfchen an fie gemacht
wurden, hinderte. Erhoben Adelige kirchliche Einkünfte, fo
führten fie zu ihrer Entfchuldigung die uͤbermaͤßigen Ausgaben
an, zu denen die Führung des Kriegd fie nöthige und wozu
ihr Vermögen nicht hinreiche. Aus Diefem Grunde verlangten
fie, daß die Geiftlichkett einen Theil ihres Vermögens beis
fleuerez ein Verlangen, fagt Brandäo, das nicht ganz unbillig
iſt, wenn diefe Buziehung in den erlaubten Grenzen gefchieht,
die Geiftlichkeit mit Anfland darum erfucht wird, oder der
Papft auf Erfuchen Subfidien bewilligt. Als in ber Folge
die Dinge zu größerer Ruhe und Ordnung gelangten, wurbe
die Anordnung gemacht, daß die Klöfter Grundbefisungen, bie
Tie erworben hatten, in einer gewiſſen Zeit verfaufen mufften,
damit fie, an Weltliche zuruͤckkehrend, die Einkünfte der Geiſt⸗
lichen nicht mehrten und man auf diefe Weiſe dem Misbrauch,
der unter jenem Vorwand eingefchlichen war, begegnete. Schon
in jenen frühern Zeiten wollte man dieſe Misftände entfernen,
aber man ‚verftand ed noch nicht zweckmaͤßige Mittel anzu:
wenden ').
Die Beichwerden, die der Erzbiſchof in Rom vorbrachte,
hatten die Folge, daß der Papſt eine Bulle erließ, in der er
die Misbraͤuche, die und wie ſie ihm vorgeſtellt worden wa⸗
ren, auffuͤhrt und ruͤgt, ihre Abſtellung befiehlt und den Erz⸗
biſchof ermaͤchtigt, den Koͤnig, wenn er nicht Folge leiſten
würde, mit dem erneuerten Bann dazu zu zwingen, und endlich,
wenn er troß deſſelben von feinem Verfahren nicht ablaffe,
1) Brandäo in der Mon. Lus. liv. 14. cap. 17.
NKegierung Sancho's Il, 123-1245. 183
drohet, „daß die roͤmiſche Kirche auf eine andere Weiſe Rath
ſchaffen werde” ). Der König verſprach darauf In einem
Brief an ben Erzbifchof, „bie Artikel ber Kirchenfreiheit, die
in dem apoftolifchen Schreiben enthalten feien, beobachten zu
laffen und zur Vollziehung zu bringen‘ ?).
In den näcftfolgenden Jahren feste Sancho, We wir
oben gefehen, feine Kriegsunternehmung gegen bie Saracenen -
fort. Um feine Eroberungen immer weiter auszubreiteh und
zu fichern, rüftete er fich mächtig zu Land: und zur See. Der
Dapft rief. durch eine Kreuzbulle die Portugiefen zur Unter:
ftügung ihres Königs auf. Selbft die Juden fleuerten, zufolge
ihrer Obliegenheit bei jeder Ausruͤſtung einer Flotte, zu jedem
Schiff ein gutes Ankerfeil und einen Anker’). Solche Ruͤ⸗
ftungen berechtigten zu großen Erwartungen, und Sancho ent:
riß in der That einen Ort nach dem andern der Gewalt ber
Ungläubigen. Aber während er mit dem Schwert ih der
Hand ald Mehrer des Reichs immer neuen Boden zu erobern
trachtete, gewahrte er nicht, daß ber Boden, -auf dem er
ftand, unterhöhlt ward und den Einfturz drohte. Und wäh:
rend er an den Grenzen ded Reichs deffen Feinde bekaͤmpfte
und befiegte, erfchlitterten im Schooße des Vaterlandes fette
eigene Vaſallen und Blutöverwandte den "eigenen Thron.
.4) Entthronung ded Königs Sancho.
Der portugieſiſche Adel. Die Prinzen des Hauſes: Affonſo
und Ferdinand, des Könige Brüder, der Infant De:
ter, Sancho's Oheim. Nitterliche Thaten und Schiefale
des Letztern. Mecia’s Einfluß auf den König; ob fie feine
1) Romana Ecclesia super iis aliter auctoritste Domini provi-
debit. ©. die Bulle in Mon. Ing. Parte IV. Apend. Escrit. 18.
Sousa, Histor. geneal. Provas, T. J. pag. 40.
2) Das Schreiben, datirt von Guimaraes den 25. Nov. 1238, findet
ſich im erzbifchöflichen Archiv zu Braga, der Anfang defjelben überfegt
bei Brandäo Mon. Lus. liv. 14. cap 17.
3) ©. die Urkunde in den Dissertacöes chron. e crit. por J. P.
Ribeiro, T. III. App. p. 87. N. 35,
184 Erſter Zeitraum. J. Buch. 7. Abſchn.
Gemahlin war? Das allgemeine Misvergnuͤgen benutzen welt⸗
liche und beſonders geiſtliche Große, um den Koͤnig zu ſtuͤr⸗
zen. Ihre Klagen bei dem apoſtoliſchen Stuhle bewirken eine
paͤpſtliche Drohbulle. Portugieſiſche Praͤlaten und weltliche
Geſandte reifen nach Lyon. Innocenz. IV. entfernt den Koͤ⸗
Mg von der Regierung und überträgt fie dem Grafen von
Boulogne, Affonfo. Wodurch ſich dieſer dem Papſt empfoh⸗
len hatte, und was er in Paris vor feinem Regierungsantritt
befehwören muß. Seine Ankunft in Portugal und Sancho's
Flucht nach Eaftilien. Kiuges Benehmen Affonfo’s, um dfe
Portugiefen. für fi) zu gewinnen. Sancho, obgleich, von Cas
flitien mit einem Heere unterftügt, muß der geiftlichen Waffe
bes Grafen weichen. Einzelne Befehlshaber portugiefifcher Fe⸗
ften tämpfen noch für Sancho, ber ftandhafte und fchlaue Pachero
in Celorico und Freitas in Coimbra, deſſen Treue dem König
bis in's Grab folgte:
Der portugiefifche Adel jener Zeit. fand feine einzige Luft
unb feinen Beruf allein im Sriegöleben, deffen rohe und wilde
Gewohnheiten er nur zu oft ind bürgerliche Leben: uͤbertrug.
Auch hier follte das Schwert entfcheiven, was allein dad Ge-
feß hätte entfcheiden follen. Geſetze gab es überdied nur wes
nige in dem noch ungeregelten Staat, und die wenigen ermans
gelten der Kraft; die rohe Sitte, damald weit mächtiger als
bad Geſetz, hielt biefes in Ohnmacht danieder. Befremden
kann ed baher nicht, wenn wir auch hier den Adel in Fehden
wider einander fehen '); ihre Abwefenheit vielmehr; müffte be
fremden. Und doch wurden die Gewaltthätigkeiten und bie
1) Diefe Fehden fehen ficy überall gleich; doch als harakteriftifch
mag Folgendes hier eine Stelle finden. In einem Gefechte, das zwifchen
mehreren Großen und ihren Leuten bei Porto vorfiel, wurde das Pferd
eines vornehmen Ritters, Ruy Fafes, getödtet. Da diefer nicht gewohnt
war zu Fuß zu fechten, fo bat ex den Goncalo Robrigues de Aureu um
fein Pferd. Er erhielt es, doch unter der Bedingung, daß er ihm feine
Tochter D. Mecia Rodrigues zur Frau gäbe. Fafes verfprach es, wenn
er glüdlich aus dem Gefecht kommen würbe, und ‚hielt fein Besfpeeigen,
Mon. Lus. liv. 14. cap. 24.
Regierung Sandho’& IL, 12234145. 185
Selbfthülfe der mächtigen Großen: dem König Sancho zum
Verbrechen gemacht, als wären fie etwas Ungewöhnliches, Un-
erhörtes in jenem Jahrhundert, ald hätte man in andern Län-
dern auch nur daran gebacht, die Könige für die Unorbnun-
gen der Großen und des mächtigen Adels verantwortlich zu
machen. Wurde nicht von dieſem das Anfehn des Staatsober:
haupts gerade am empfinblichften verlegt, der König felbft
nicht felten ald der gemeinfame Feind angegriffen? Es war
sticht fchwer, der unruhigen Thaͤtigkeit des Adels einen feften
Zielpunct , der wilden Bewegung eine beftimmte Richtung zu
geben. Schlaue und unternehmende Köpfe Fonnten leicht die wi⸗
der einander gebehrten Kräfte nach einer einzigen Seite hins
wenden, einen gemeinfamen Feind vorfpiegeln und die vereis
nigte Streitmaffe zu beffen Verderben anführen. Die wiber:
firebenden Kräfte regten fih in Portugal, ſchlaue Lenker
warfen fi) auf. aus der Zahl der Großen’ und aus ber
Mitte jener Macht, die, ſtark durch die Intelligenz die ihr
einwohnte, noch flärfer durch die Öffentliche Meinung auf der
fie thronte, durch dieſe Zaubermittel leicht Die vereinzelten
Kräfte zu ihrem Zwecke vereinigte und gegen den fchulbig Er:
klaͤrten anzuführen vermochte Diefer fand fich.
Sancho II. war Finderlos, der Thronfolge fand daher eine
Veränderung bevor. Mehrere Prinzen ded Haufes mochten
ihre Blicke auf die Krone richten. Die nächften Anfprüche
hatte der Infant Affonfo, des Königs Bruder (geb. 1210 den
5. Mat), mit Mathilde, der Erbin der Graffchaft Boulogne,
vermählt. Ein jüngerer Bruder des Königs (wahrfcheinlich erſt
nad) dem Jahre 1217 geboren) war der Infant Ferdinand,
Befiter von Serpa, daher gewöhnlich Herr von Serpa ge
nannt. Gewaltthätigkeit, die er gegen Klöfter und Kirchen vers
übt hatte, nöthigten ihn nach. Rom zu reifen, um perfönlich
Abbitte bei dem heiligen Vater zu thun und ſich Ablaß zu
erwirfen, den er auch unter der Bedingung, daß er die Frei
heit der Kirche nie wieder verlegen wolle, erhielt). Aber em⸗
pfohlen für die Thronfolge hatte er ſich hier wohl nicht. Im
der Folge ging er nach Gaftilien, wo er im Kampfe mit den
1) Raynald. ad, an. 1239 num. 59 ess.
1856 Arſter Beiteraum, L’Bud. 7. Abſchn.
Saracenen Teine Eriegerifche Luſt befriebigte und feine Kirchen:
fürtden fuͤhnte. — Endlich lebte noch ein Vaters-Bruder San⸗
cho's U., der Infant Peter (geboren 1187), ein Mann, der in
dem Wechſel feiner duflern Lage und in raftlofer Bewegung
das Glüd feines Lebens fuchte und überall von unruhiger Ehr-
fucht verfolgt ward. Thatendurfſt oder Mishelligkeiten mit fei-
nem Bruder hatten ihn aus Portugal getrieben. Seitdem
wurde er .ein lebendiges Bild des uhfteten, irrenden Ritter:
lebens. Zuerſt ging er zum König von Leon und focht mit
emem Heer Leonefen für die Sache feiner Schwellen, der
Snfantinnen Therefia und Sancha, gegen ihren Bruder Af:
fonfo D., feste dann nach Afrika über und lebte eine Zeit lang
in Dienflen des Kaiferd von Maroflo ). Bon hier brachte er
die Überrefte von fünf heiligen Märtyrern des Minoritenorbens
nach Portugal, wo fie im Klofter Santa Cruz in Coimbra ˖
aufbewahrt wurden, Tehrte Darauf an den Hof von Leon zu-
ruf, nahm Theil an mehreren -glorreichen Eroberungen ber
Zeonefer und erwarb fi) namentlih den Ruhm, den Sieg
* bei Meriva vor Allen errungen zu haben; wandte ſich dann
nach Aragonien und leiftete feinem Neffen Iaymel., dem Er-
oberer, bei feinen Unternehmmmgen gegen die Saracenen treff-
lichen Beiftand. Hier vermählte er fich mit der Zochter und
‚Erbin ded Grafen Armengol VII. von Urgel, Aurembiaur,
bie ihm bei ihrem Tode 1231 die Graffchäft Urgel, ihre
echte auf Valladolid und mehrere Befißungen in Galicien
vermacte. Da ihm diefe flreitig gemacht wurden, fo ver:
taufchte er fie an feinen Neffen, den König Jayme J., für Ma:
jorfa und die beiliegenden Inſeln ?), reſidirte hier eine Zeit
lang und gründete den Dafigen bifchöflichen Stuhl, vertaufchte
wieder diefe Inſelherrſchaft gegen Segorbe, Morella und an⸗
dere Orte, ging mehrere Mal nach Caſtilien und ſchien ſeine
Perſon zu vervielfältigen, indem er überall, wo die caſtiliſchen
Waffen fiegten, voranglänzte.
1) As chriftlicher Prinz an einem mohamebanifchen Hofe — eine
auffallende, doch damals nicht feltene Erfcheinung.
2) ©. den Vertrag in Mon. Lus. T. V. Ap. Escrituras 2—4,
und in den Piovas gu der Hist, gen, von Sousa, T. I. num. 12,
Regierung Sancho’s IL, 1223 — 1245, 187
Zu der Zeit, als bie Befchwerben über ben König Sans
cho II. laut wurden, 1244, verließ. der Infant Majorca und
unterhielt in Portugal eimen Anhang, den er fich zu gewinnen
gewufit hatte. Wie konnte ihm auch ein folcher fehlen? Ihm,
der, ein Proteus des Ritterthums, den Zeitbegriffen von ber
Trefflichfeit feiner Koryphaͤen fo glorreich entfprach, der fo rit-
terlich der bebrängten Schweitern fi) angenommen, am Hof
des Miramulim ald chriftlicher Ritter geglänzt, voll frommen
Eifers fein Vaterland mit den wunderthätigen Leichen der fünf
Märtyrer beglüct und verherrlicht, bald in Leon, bald in Ara-
gon, bald in Gaflilien, überall feine. Tapferkeit und feinen
Heldenmuth, vor Allem im Kampfe gegen die Ungläubigen
bewährt hatte, Durch glüdliche Frauenliebe großer Laͤnderbeſitzer
geworden war, Gruͤnder eines Inſelſtaats, Stifter eines Bis⸗
thums — ihm hätte es nicht gelingen follen Anhänger, Ber:
ebrer zu finden? Anfprüche auf den portugiefifchen Thron
konnte er bei Lebzeiten der Brüder Sancho's freilich nicht ma⸗
chen; er verlangte; wie es fcheint, nur die Regentfchaft. Doc)
wer mifft die Wünfche und Pläne der Ehrfuht? Wie er auf
einen Anhang in Portugal rechnen konnte, fo durfte er auch
auf Jayme's Unterftügung zählen. Der Papft indeffen entz
fchied fich für den Grafen von Boulogne, der nach den Ges
ſetzen des Reichs das nächte Recht auf die Thronfolge befaß,
und wies dem Infanten Pedro in einem Breve, dad er an
ihn ergehen ließ, gewiffermaßen feine Stellung zu feinem Bru-
der Affonfo an, indem er ihn auffoderte demfelben bei feiner
Zhronbefteigung mit Rath und That behülflich zu fein. So
nahm Innocenz IV. mittelbar dem Infanten alle Hoffnungen
und Ausfichten — vielleicht zum Gluͤck Portugals; denn ob
der Ritter, der, vom flüchtigen Roſſe getragen, durch bie
Raſchheit feines Schwerted fih Ruhm erhafcht hatte, vom
Thron herab mit der ruhigen und befonnenen Stetigkeit, die
der Scepter verlangt, über feinem Volke gewaltet haben würbe,
das bleibt fehr zweifelhaft. Wir freuen und daher ihn auf
feiner bisherigen Bahn fortziehen zu fehen und begleiten ihn
noch eine Strede weiter. Wahrhaft ritterlich unterftüßte er nun
felbft feinen Neffen Affonfo in den Jahren 1247 und 1248,
1246
188 Urfter Beitraum. L Bud. 7. Abſchn.
in :benen der Bürgerkrieg das Meich verwirrte, und diente ihm
mit feinem Arm und Kopf, bis alle Portugieſen bern Thronfol⸗
ger Gehorſam gelobt hatten. Laͤnger aber hatte et hier die Ruhe
nicht. Beſorgt, ſein Schwert moͤchte roſten, ging er nach An⸗
daluſien, um dem Koͤnig Ferdinand bei der Belagerung von
Sevilla Huͤlfe zu bringen. Bald zog er mit dem Koͤnig im
Triumph in die Stadt ein und erhielt bei der Vertheilung der
eroberten Güter und Orte beträchtliche Beſitzungen zur Beloh⸗
nung feiner Dienfte. Aber Ruhe fand er erft im Sabre, 1258
— im Grabe.
Wie der Infant Peter, ſo hatte wohl jeder der Bruͤder
des Koͤnigs ſeine Anhaͤnger in Portugal, und wenn die In⸗
fanten auch nicht ſelbſt handelten, ſo handelten Andere in ih⸗
rem Namen. Den Umtrieben dieſer Parteien, die trotz ihrer Ver⸗
ſchiedenheit doch alle ein Ziel verfolgten, die Spitze zu bieten,
würde vielleicht ſelbſt einem kraͤftigerren Regenten, als es
Sancho war, ſchwer geworden ſein. Die Faͤhigkeit Raͤnke zu
vereiteln hatte ihm, wie es ſcheint, die Natur verſagt. Um ſo
freieres Spiel hatte die Hinterliſt. Man fand bald Anlaß und
Stoff zu Beſchwerden, oder glaubte oder gab vor, ihn gefun⸗
den zu haben; denn ob die Beſchwerden, die man uͤber ihn
erhob, gegruͤndet, alle oder theilweiſe gegruͤndet waren, ſind
wir nicht im Stande genuͤgend zu ermitteln. Wir beſitzen nur
die Acten des Klaͤgers, der ſich der Beweisfuͤhrung uͤberhoben
glaubte, oder vielmehr nur dasjenige aus ihnen, was er be
kannt werden zu laffen für gut fand, und woran der Richter
unmittelbar den Spruch knuͤpfte. Wo aber die Gefchichte
feine Thatſachen berichten kann, da fol fie auch Fein Urtheil
fällen. Ehrt fchon im gewöhnlichen Leben der Menfch fich
felbft und die Menfchheit, wenn er in Ermangelung von Thats
fachen und Mitteln zum Urtheil über den Nächften diefes lie⸗
ber zurücdhält, fo fol in ſolchem Falle die Gefchichte noch
forgfältiger vermeiden die Wahrheit zu gefährden; denn etwas
Heiligeres als fie kennt fie nicht. Und obgleich ihr Urtheil den
Zodten nicht mehr fehadet, fo muß doch dad Andenken an Hin:
gegangene ihrem Griffel ebenfo heilig fein, als der richtenden
Zunge der gute Name der Lebenden.
Regierung Sancho's IL, 123 —145 1901
wie wir fie bald fehen werben,. hätten fie allein ſchwerlich
verurfacht. Darauf hin arbeitete vor Allen ein Stand, der bie
fchlaffe Nachficht des Koͤnigs wohl gern fuͤr fich in Aufpruch
nahm, aber durchgreifende Strenge und Zhatkraft gegen alle
Andere vom König verlangte, Mit den Prälaten vereinigten
fi) mehrere Adelige, die ihren Haß gegen bie Günftlinge des
Königs und ihre ehrfüchtigen Abfichten unter der Maſke des
Eiferd für des Reichs Wohlfahrt und Die Würde des Throns |
verbargen, zum Sturze ded Königs.
Man brachte die Klagen über ihn vor ben päpftüichen
Stuhl, und Innocenz IV. erließ aldbald von Lyon aus eine \
Bulle an den König, in der er Die Befchwerben, wie fie ihm 1245
vorgeftelt worden, aufführt, den König zur Abſtellung derfel- 80. Mär
ben und zur fehuldigen Benugthuung ermahnt ‚und endlich
binzufügt: „Sollteft Du (was wir nicht glauben) in ber Ab⸗
ſtellung derſelben läffig fein, fo wird ber apoftolifche Stuhl
nicht umhin koͤnnen, zu Deinem und bed Reiches Wohl in
dieſer Hinficht ein angemeſſenes Mittel zu ergreifen ).“
Mittlerweile reiften einige portugiefifche Prälaten, der Erz-
bifchof Johann von Braga, der Bifchof Peter von Porto und
ber Bifchof Tiburcio von Coimbra nach Lyon, wo Innocenz IV.
damals auf der Kirchenverfammlung fich befand, um ihm ihre
DBefchwerden und — Wuͤnſche vorzutragen. Sie waren ges
wiß, daß fie-perfönli und mimdlic die Sache weit beffer
und mit mehr Erfolg betreiben würden. Mehrere weltliche
Große, unter denen Ruy Gomes de Britteiros und Gomes
Viegad als Abgefandte des Königs Sancho genannt werden,
begleiteten fie. Der erfle von Beiden, damals noch Infancäo,
wurde in der Zolge von Affonfo IH. zum Ricohomem erhb-
ben und legte durch diefe Beförderung eben Feinen Beweis
von feinem Eifer für Sancho's Sache, die er in Lyon hätte vers
fechten follen, ab.
Der Eifer und das Anfehn der Anklaͤger des Koͤnigs
mochten in Lyon leicht für Gruͤnde gelten, und Innocenz, der.
bier weit wichtigere Dinge befchäftigten, mochte dem König,
1) Raynald ad an. 1245. num, 6, Sousa, Provas Tom. L
num, 23, |
190 Erſter Zeitraum. J. Bud. 7. Abſchn.
lich mit Sancho IL im vierten Grade verwandt). Die roͤmi⸗
ſche Kirche durfte bei ihrer Strenge in dieſem Punct diefe
Vermaͤhlung ohne paͤpſtliche Dispenſation eben ſo wenig zu⸗
geben, als ſie die uͤblichen Vermaͤhlungsgebraͤuche jener Zeit
im Dunkel laſſen konnte. Wir koͤnnen daher die alte Überlie⸗
ferung, daß Mecia Sancho's Gemahlin geweſen, nur ſo deu⸗
ten, daß ſie mit der Abſicht es zu werden nach Portugal kam,
und in dieſer Vorausſetzung einige Mal in Urkunden ſich ſelbſt
Königin nannte”). Auch das koͤnnen wir, auf leiſe Andeu⸗
tungen ber Gefchichte geftügt, der Überlieferung zugeben, daß
Sandy in ben legten Jahren feiner Regierung einer gewiſſen
- Fahrläffigkeit und Schlaffheit, die ihm im Anfang derfelben
fremd war, ſich fehuldig machte, und daß Mecia diefe zu ihrem
Vortheil, der leicht dem Lande zum Nachtheil gereichen mochte,
zu benutzen wuffte ®).
Dieſe Zahrläffigkeit des Königs in feinen letzten Regie
rungsjahren, Mecia's nachtheiliger Einfluß auf ihn, Die ehr:
füchtigen Plane, welche die Infanten verfolgten, oder die uns
ter ihrem Namen verfolgt wurden, die Fehden einzelner Rit⸗
ter und Großen unter einander, diefe Urfachen zufammen konn⸗
ten wohl Unzufriedenheit im Reiche verbreiten und felbft hier
und da einen Aufftand erregen; aber eine Thronummälzung,
1) Affonfo Henriques I., König von Portugal,
Sancho IL, Urrac
König von Portugal, erfte Gemahlin Ferbinanbs IL,
Königs von Leon,
Affonfo II.,
König von Portugal, Alfons IX,,
König von Leon,
Sandyo IT., lo»
König von Portugal, Urraca,
Gemahlin des Lopo Dias de Haro,
Mecia Lopes de Haro.
2) Mon. Lus. T. V. Append. Escrit. 88.
8) Brandäo in der Mon. Lus. liv. 14. cap. 31 und liv. 17.
cap. 14. Vergl. auch die erfchöpfende Unterfuhung und Widerlegung
ber VBermählung Mecia's mit Sandjo II. in Barbosa, Catalogo das
Rainhas de Portugal, p. 161 etc.
Regierung Sancho's IL, 122314 191 |
wie wir fie bald fehen werden, hätten fie allein, ſchwerlich
verurſacht. Darauf hin arbeitete vor Allen ein Stand, der die
ſchlaffe Nachſicht des Koͤnigs wohl gern fuͤr ſich in Aufbruch
nahm, aber durchgreifende Strenge und Thatkraft gegen alle
. Andere vom König verlangte. Mit den Prälaten vereinigten
ſich mehrere Adelige, die ihren Haß, gegen bie Günftlinge des
Königs und ihre ehrfüchtigen Abfichten unter der Maſke des
Eifers für des Reichs Wohlfahrt und Die Würde des Throns |
verbargen, zum Sturze des Königs.
Man brachte die Klagen über ihn vor den päpftichen
Stuhl, und Innocenz IV. erließ alsbald von Lyon aus eine
Bulle an den König, in ber er die Befchwerden, wie fie ihm
vorgeftelt worden, aufführt, den König zur Abftellung derfel-
ben und zur fehuldigen Genugthuung ermahnt und endlich
binzufügt: „Sollteſt Du (was wir nicht glauben) in ber Ab⸗
ftellung derſelben laͤſſig fein, fo wird ber apoftolifche Stuhl
nicht umhin Eönnen, zu Deinem und des Reiches Wohl in
diejer Hinficht ein angemeffenes Mittel zu ergreifen ).“
Mittlerweile reiften einige portugiefifche Prälaten, der Erz-
bifchof Sohann von Braga, der Bifchof Peter von Porto und
der Bifchof Tiburcio von Coimbra nad) Lyon, wo Innocenz IV.
damals auf der Kirchenverfammlung fich befand, um ihm ihre
Befchwerden und — Wünfche vorzutragen. Sie waren ge
wiß, daß fie-perfönlich und mündlich die Sache weit beffer
und mit mehr Erfolg betreiben würden. Mehrere weltliche
Große, unter denen Ruy Gomes de Britteirod und Gomes
Viegas als Abgefandte des Königs Sancho genannt werden,
begleiteten fie. Der erfle von Beiden, Damals noch Infancäo,
wurde in der Folge von Affonfo III. zum Ricohomem erhb-
ben und legte durch dieſe Beförderung eben keinen Beweis
von feinem Eifer für Sancho's Sache, die er in Lyon hatte ver⸗
fechten ſollen, ab.
Der Eifer und das Anſehn der Anklaͤger des Koͤnigs
mochten in Lyon leicht fuͤr Gruͤnde gelten, und Innocenz, den
hier weit wichtigere Dinge beſchaͤftigten, mochte dem Koͤnig
1245
80. W)
1) Raynald ad an. 1245. num, 6, Sousa, Provas Tom. L
num, 23.
N
4192 Erſter Zeitraum. L Bud. 7. Abſchn.
des Pleinen Portugal nur eine vorübergehende Aufmerkſamkeit
ſchenken. In der That Fonnte die Bulle vom 30. März 1245
als Arzneis oder Droh⸗Mittel kaum gewirkt haben, fo folgte
ſchon der Todesſtreich, 24. Juli 1245. Sancho wurde von
der Regierung entfernt‘) und biefe feinem Bruder Affonfo,
Strafen von Boulogne, übertragen, der wegen feiner Ergeben⸗
beit, Redlichkeit und Umficht vielfältig empfehlenswerth ſei,
und dem König, im Fall er ohne einen rehtmäßis
gen Sohn ablebe, nach dem Rechte bes Reichs fols
gen werde. Die Thatfachen, die der Papſt ald Beweg⸗
gründe zu diefem aufferordentlichen Verfahren anführt °), find
diefelben, die in der Bulle Gregor’ IX, auf die er fi be
zieht, enthalten waren. Unter ihnen hebt Innocenz IV. haupts
fächlich die gewaltfame Beſitzergreifung der Kirchengüter her⸗
vor ımd fügt nur hinzu, „daß die Adeligen fich unterfingen
Ehen in verbotenem Grade zu fchlieffen”. Aufferdem ruͤgt er Die
1) Nah den Worten ber Bulle war es nicht bie Abficht des Pap⸗
ſtes, daß dem König Sancho oder feinem Cohn, wenn ex einen rechtmaͤ⸗
Bigen habe, das Reich genommen werden follte. Per hoc autem non
intendimus memorato Regi, vel ipsius legitimo filio, si quem habuerit,
praedietum Regnum adimere, sed potius sibi et eidem Begno destru-
ctioni exposito, ac vobis ipsis in vita ejusdem Regis, per solicitudi-
nem et prudentiam Comitis consulere supradicti. — Die Abfegungss
bulle, datirt von Lyon den 24. Juli 1245, hat Brandäo nad dem im
erzbiſchoͤflichen Archiv in Braga befindlichen Original abbruden laffen in
Mon. Lus. Parte IV. Append. Escrit. 23. Gin Theil berfelben fteht
in Corp. Juris Can. Cap. Grandi de supl. neglig. Praelat.
in 6,
2) Näo ha duvida, fagt Brandäo bei Gelegenheit der Abfegung
Sancho's, que foräo muy urgentes as causas que obrigaräo ao Sum-
mo Pontifice privar a el Rey D. Sancho do governo do Reyno, ea
mandar em seu lugar o Infante D, Afonso. Mal se pode disculpar
el Rey D. Sancho, nem nos o queremos livrar, nem ainda podemos,
pois ainda inserta no corpo do direito Canonico a Bulla de sua de-
‚ Posicäo em que vem apontadas as causas que moveräo ao Papa a
fazer hum estremo täo grande como foi excluir a hum Rey do go-
verno, e administracao de seu Reyno. Der wahrheitälicbende Mönch
konnte auch fehr fein fein!
Regierung Sandyo’s IL, 1223 — 1245 193
Unordnungen in der Reichsverwaltung und die Straſlofigkeit
der Verbrecher ).
Der Infant Affonfo hatte fich ſchon frůher auf eine vor⸗
theilhafte Weiſe dem Papſt bekannt gemacht und war ihm von
einer andern einflußreichen Seite empfohlen worden. Er hatte
ſich im Jahre 1235 mit Mathilde, der Erbin der Grafſchaft
Boulogne, der einzigen Tochter des Grafen Raynald von
Dammartin und der Graͤfin Ida von Boulogne, vermaͤhlt ).
Eine Mutterſchweſter des Infanten, die Koͤnigin Blanca von
Caſtilien und Mutter Ludwigs des Heiligen von Frankreich,
hatte dieſe Heirath, durch die ihre Partei am Hofe verſtaͤrkt
wurde, geſtiftet. Sie, nicht allein die ſchoͤnſte, ſondern zu⸗
gleich die kluͤgſte Frau ihrer Zeit, von ungemeiner Willenskraft
und Thaͤtigkeit, hatte auch, wie ihr Sohn Ludwig, auf den
ſie einen ſo großen Einfluß ausuͤbte, den Papſt mit Affonſo's
ausgezeichneten Faͤhigkeiten bekannt gemacht. Es fand ſich
bald Gelegenheit dieſe in Anſpruch zu nehmen. Das Vor⸗
dringen der Mongolen in Europa ſetzte um jene Zeit alle Laͤn⸗
der in Schrecken. Innocenz IV. rief die chriſtlichen Fuͤrſten
zu ben Waffen, und Affonfo’3 bekannte Tapferkeit beſtimmte
den Papft, ein befonderes Schreiben von Lyon aus an ihn zu 1244
richten, in welchem er ihn zur Vertheidigung der Chriftenheit 30. Ia
‚gegen die Barbaren auffodert ). Da diefer Kreuzzug nicht
zu Stande Fam, fo entfchloß fich der Infant die gemachten
1) Nur eine Stelle mag hier ftehen. Caeterum castra, villas, pos-
sessiones et alia jura Regalia idem Rex propter ipsius desidiam sui-
que cordis imbecilitatem deperire permittens, ac passim ac illicite
malignorum acquiescens consiliis alienans, taım personarum ecclesia-
sticarum quam secularium, nobilium et ignobilium, occisiones nefa-
rias, dum religioni non parcitur, nec sexui, nec aetati, rapinas, ince-
stus, raptusque monialium, et secularium mulierum, rusticorum ncgo-
tiatorum tormenta gravia, quae ipsis a nonnullis Regni praefati pro
extorquenda ab ipsis pecunia infliguntur, ecclesiarum et caemeterio-
rum violationes, et incendia, fractiones treugarum, et alia enormia
quae a sibi subditis Jibere committuntur, scienter tolerat, quin potius
tot tantisque malis, dum ea praestiterint impänita, consentire vide-
tur, et pandit aditum ad pejora.
2) Sousa, hist. geneal. T. I. pag. 165 und 169,
3) ©. das päpftliche Schreiben in der Mon. Lus. Jiv. 14, cap. 26.
Schäfer Gefhichte Portugals 1. 43
19, Erſter Zeitraum. L Bud. 7. Abſchn.
Ruͤſtungen gegen die Mauren in Spanien zu kehren und er⸗
langte von Innocenz IV. eine Bulle, in welcher diefer „dem
. Snfanten und Allen, die aus dem Königreich Portugal mit
ihm gegen die Saracenen ziehen würden, benfelben Ablaß zu⸗
ficherte, der den Kreuzfahrern nach dem heiligen Land verfpro:
chen worden ').” Auch diefe Unternehmung zerfchlug fih. Es
ift nicht unmwahrfcheinlich, daß Affonfo Kunde von der Lage
der Dinge in Portugal erhalten hatte und unter den Ruͤ⸗
fingen zu einem Kreuzzug gegen die Ungläubigen ganz an⸗
dere Plane verbarg. Jedenfalls hatte er ſich durch den Ei-
fer den er für die Befchirmung der Chriftenheit bewiefen, das
Wohlwollen des Papftes erworben, und Ddiefer zeigte fich jest
um fo geneigter den Infanten in, feinen Planen zu unter=
ftügen, je dringender ihn zugleich Die angefehenen und ein=.
flußreichen Prälaten, aus denen die portugiefifche Geſandtſchaft
beftand, empfahlen. Sobald fie in Lyon die Abfegungsbulle
des Königs von dem Papft ausgewirft hatten, reiſten fie ge
raden Wegs nach Paris, wo ber Graf von Boulogne Damals
ſich aufhielt. |
Könnten noch Zweifel über die Beweggrimde unb Ab⸗
ſichten diefer Entthronung und über die Perfonen bie fie betrie⸗
. ben obwalten, fo vermöchte der Eid, den Affonfo bei ber Über:
nahme der Regierung in Parid ſchwoͤren muffte, jeden Zweifel.
zu zerfireuen. Man glaubt in der That, die Kirche allein bilde
ben Staat, und dieſer wie fein Oberhaupt feien nur um der
Geiftlichkeit willen da, wenn man die Artikel durchlieft, die
der Infant am 21. September 1245 in dem Haufe des Kanz-
lers zu Paris befchwur. Die weltlichen Angelegenheiten des
Reichs bilden fo zu fagen nur die Ergänzung, nur ein Bei:
werk der Firchlichen. Die geringen Anfoderungen und Verbeſ⸗
ferungöwünfche, die hinfi chtlich jener die Praͤlaten an den
neuen Regenten ſtellen, ſtehen in einem ſo auffallenden Abſtand
von dem Zuſtande des Reichs, wie ihn die Abſetzungsbulle
ſchildert) — ein Bild der aͤrgſten Verwirrung und Zerruͤt⸗
tung des Staates durch des Königs Schuld — daß wir
1) ©. die Bulle ebendaf.
2) Man vergleiche nur die oben mitgetheilte Stelle aus ber Bulle.
Regierung Sando’s Il, 1223—12345, 4%
nicht wiffen, was wir in Zweifel ziehen ſollen, die Wahrheit
dieſer Schilderung oder den Patriotiſmus jener Vaterlands⸗
vertreter.
Der Graf von Boulogne gelobte eidlich: 1) den Gemeinden |
und Abdeligen, wie dem ganzen Bold, den Mönchen und der Geift-
Yichkeit des Reichs alle gute Gewohnpeiten, alle gefchriebene und
ungefchriebene Rechte zu halten, und alle Misbräuche, die un⸗
ter feinem Vater und Bruder eingefchlichen, abzufchaffen, wos
bin befonders, der gehöre, Daß bei einem gefchehenen Todtſchlag
von den Anmwohnenden” bed Getöbteten Geld gefobert werde,
felbft wenn der Thaͤter bekannt ſei; 2) in allen Orten, bie
dem König untergeben find, gerechte Richter einzufegen und
eine jährliche Unterfuchung anzuordnen, damit die Fahrläffigen
geftraft würden; 3) das Necht zu handhaben bei jedem Todt⸗
fehlag, befonders aber gegen Solche die felbft oder Durch Andere
einen Geiftlichen oder einen Mönch gefangen nehmen , beraus
ben, verwunden oder töbten, und die Strafe bei folchen Vers .
brechern fo zu feharfen, daß fie Allen zum Exempel diene ') ;
4) die Kirchen und Klöfter, die Klerifer und Mönche und
ihr Vermögen zu beſchuͤtzen, ihnen das Entriffene wieber er⸗
ftatten zu laſſen, den erlittenen Schaden zu verguͤten und zwar
nach dem Ermeffen der Prälaten, der Mönche und unverbäch-
tiger Gemeindsmaͤnner (hemens bons); 5. die Häufer und
Höfe, die unter der Regierung Sancho's zum Nachtheil Ans
derer, zumal Geiftlicher und Klöfter erbaut worden, ganz nie
derzureiffen ; 6) ‚Die Klöfter. und ihre Kirchen gegen Solche, bie
Das Patronat Über dDiefelben wegen ihrer oder ihrer Verwand⸗
ten Vergehen verloren haben, zu vertheidigen, fobalb er von
dem Bifchofe ded Orts davon in Kenntniß gefeßt worden ;
7) die Ercommunicirten die ihm angezeigt worden zu meiden,
ihnen, wenn fie in ihrem Trotz verharren, bie Beneficien, die
fie von dem König haben, zu entziehen, und bei fortgefeßter
Halsſtarrigkeit fchwerere Strafen, nad) dem Ermeflen der Prä-
Yaten, aufzulegen?); 8) mit Beirath der Prälaten gegen dieje⸗
1) Hier der Urfprung ber Schugbriefe, von denen die Ordenagao,
iv, J. tit. 3. $. 6 redet.
2) Vergl. Orden, liv. II, tit. 8. $. 5, 6, 7.
33*
196 Erſter Beittaum. I. Bud 7. Ablſchn.
nigen, welche Seiftliche, von denen fie excommunicirt worben,
beleidigen, Strafe zu verhängen und diefe ohne Anfehn ber
Perſon zu vollziehen ); 9) die Kolheitas nicht in baarem
Gelde zu erheben, auch nicht größere ald der Großvater erho⸗
ben habe, und zwar jährlich nur einmal, die Durchreife durd)
die zahlpflichtigen Drte aber möglichft zu befchleunigen , uͤber⸗
haupt die Artikel der Kirchenfreiheit zu halten und halten zu
laſſen; 10) die Misbräuche die bisher in Portugal flattges
funden, nad) Kräften und wie e3' die Praͤlaten mit Beruͤckſich⸗
‚tigung der Lage des Reichs zweddienlic finden, abzuftellen ;
11) das Reich treulich zu verwalten und Jedermann, Hohen
und Niederen, Reichen und Armen Recht zu verfchaffen;
12) der römifchen Kirche immer gehorfam und ergeben zu fein,
“wie ed einem Fatholifchen Fürften zieme, und ihre Ehre und
Erhebung nach Kräften zu fördern; 13. in allen Gefchäften
Die das Neich betreffen, mit Zurathziehung der Prälaten ober
einiger von ihnen, die mit Rüdficht auf Ort und Zeit am geeig-
netſten zugezogen werben koͤnnen, zu verfahren”).
„Waren die Prälaten unmäßig im Fodern, fo war ber
Infant nicht karg im Verſprechen“, fagt bei dieſer Gelegen-
heit Brandäo. Je freigebiger aber der Graf mit Verſprechun⸗
gen war, um fo weniger Zufrauen Tonnte man in bie Auf
richtigfeit feines Willens, jene auch zu halten, feben, und
wirklich hielt fich Affonfo durch die Clauſel, „daß er Alles hal:
ten wolle, unbefchabet feines und des Reiches Recht”, eine
Thuͤre offen, die er mit den hinzugefügten beruhigenden Wor⸗
ten: „ſo jedoch, daß alles oben Gefagte ftetd gültig und ſeſt
1) Cum contra novos morbos nova oporteant antidota prae-
parari. '
2) Item quod omnibus negotiis contingentibus statum bonum
Regni procedam cum consilio Praelatorum, vel aliquorum eorum qui
convenienter vocari potuerint secundum tempus et locum bona fide.
Das Schwebende und Unbeftimmte in der Beſchraͤnkung dieſes Artikels
durch den unmittelbar folgenden kann nur im Original empfunden wer
den: Per hoc autem sacramentum non intelligunt dicti Archiepiscopus
et Episcopi Comitem esse obligatum, et in dando et tollendo terras
Regni, et in pecuniis suis dandis teneatur sequi consilium Praelato-
rum, si melius sibi apparuerit, et hoc concedunt eidem.
Negietung Sancho's IL, 233— 1245. 497
bleiben fol" '), gleichfam nur beidrüdte, um den Eidabneh⸗
mern jede Beforgniß, daß er auf Ausflüchte finne, zu nehmen.
Aber die Folgezeit zeigte, daß er diefe Thüre weder verfchlof:
fen noch vergeflen hatte.
Nachdem der Graf diefe Artikel feierlich befchworen hatte,
überließ ex feiner Gemahlin, auf deren Klugheit und Einfich-
ten er bauen konnte, die Verwaltung ihrer Länder, und trat”
in Begleitung ber Prälaten und anderer portugiefi fcher Her:
ven bie fich in Frankreich befanden, die Reife nach Portugal
an. Gegen Ende des Jahres traf er in Kiffabon ein, das ihm
fogleich huldigte und dafür fchon im Anfang des folgenden
Sahres alle feine Rechte und Freiheiten beflätigt erhielt *).
Bei der Nachricht von Affonfo’3 Ankunft und dem Inhalt
der päpftlichen Bulle gerieth der König in Beſtuͤrzung. Er
hatte nicht geahnet, daß der Papft von den Grmahnungen,
die er kurz vorher an ihn hatte ergehen Yaffen, fofort und ohne
vorher auch ihn zu hören, zu dem Aufferften fchreiten werde;
denn zum Aufferften hätte es der König ſchwerlich kommen
laſſen. Nun aber war, wenigftend für den Augenblick, jede
Bermittelung unmöglih. Mit einer gewaltigen Waffe, mit
der päpftlichen Bulle, die alle Portugiefen zum Gehorfam ge
gen den Grafen von Boulogne ermahnte und den Erzbifchof
von Braga wie den Bifchof von Coimbra ermächtigte bie
Miderfpenftigen mit Kirchenftrafen zu belegen, griff Affonfo an
und ſchuͤtzte ſich zugleich. Einen Augenblid dachte der König
dem Infanten Gewalt entgegen zu fegen und waffnete in Eile .
Mannfchaft. Allein der Anblid ded großen Anhangs, den
Affonfo fand, flimmte ihn wieder um; er folgte dem Rath
feiner Bertrauten und floh nad Caftilien. Hier wurde er in
Toledo von dem ihm verwandten König mit hochherziger
Theilnahme aufgenommen. Ferdinand gab ihm hinlängliche
Truppen um in fein Reich zuruͤckkehren zu koͤnnen; ber cafli-
1) Haec omnia supradicta ego praefatus Comes servabo salvo
jure meo et Regni Portugalliae, ita tamen quod omnia supradicta
semper rata et firma permaneant, et in omnibus et per omnia ob-
servenutur. Sousa, Provas T. I. p. 53.
2) ©. die Urkunde in der Mon. Lus, liv. 14. cap, 27.
—
4898 Erſter Zeitraum. J. Buch. 7. Abſchn.
lianiſche Infant Alfons, viele Ritter und Herren aus Caſtilien
und Leon (unter ihnen auch Diego Lopes de Haro, Herr von
Biscaya), die beſten Anfichrer jener Länder, begleiteten das
Heer.
Sancho hatte das Reich mit der Hoffnung verlaſſen, daß
eine kurze Entfernung aus demfelben feiner Sache nicht ſcha⸗
den würde; aber dieſe Entfernmg hatte fiber fein Loos ents
ſchieden. Ste entmuthigte feine Anhänger und väubte ihnen
den Dereinigungspund. Viele glaubten einen König verlaffen
zu duͤrfen, ber feine eigene Sache verlaffen zu haben fchien.
Andern, die fhon ſchwankten, erleichterte des Könige Flucht
ben Abfol. Aus der Verwaltung des Reichd war der Mit:
telpunct , bie legte Triebkraft gewichen. Der verlaffene Thron
fehlen einem Andern offen zu flehen; er fchten den Unterthanen
das Recht zu geben, foger die Pflicht aufzulegen, fin ſich
felbft zu forgen. Je nothwendiger aber ein Regent geworben
war , deſto willkommener muſſte den Portugiefen ein Fuͤrſt
fein, ber ein Glied der Königsfamilie war und vom heiligen
Vater felbft zu den Stufen des Thrones, zu dem ihn feine
Perfönlichkeit nicht weniger ald das Reichsgeſetz berechtigte, ges
führt wurde. | |
Afonfo war ber Mann, der diefe Anforüche und Vor:
theile geltend und für fich erſprießlich zu machen verftand.
Durch fein einſchmeichelndes Benehmen, durch Güte und Her⸗
ablaffung gewann er die Herzen Vieler, Aller, bie in ben
Kreis feiner unmittelbaren Wirkſamkeit traten und von feiner
Perjönlichkeit berihrt wirden. Schlechte und widerſpenſtige
Bürger dagegen fchredite er durch feharfe Zuͤchtigungen. Ins
bem er ben Flecken und Städten ihre Freiheiten und Rechte
beftätigte, erwarb er fich ihr Zutrauen und durch Die gerechte
und kluge Erledigung vieler verjährten Nechtöftreite die Ach⸗
tung aller Unterthanen. Während die Geiftlichen aus den
Verſprechungen, die er gegeben hatte, hohe Erwartungen fchöpf:
ten und fich daran labten, faumte er nicht den Befehlshabern
der Feftungen, die ihm noch am fernften ftanden, vorzuftellen,
wie ber Befehl des heiligen Vaters und das Wohl des Reichs
ihnen zur Pflicht mache, ihm beizuftehen und feinen Eifer fuͤr
ba8 Beſte des Vaterlandes zu unterflügen. So wufite und
Regierung Sancho's II, 1223—1245. 199
fuchte Affonfo mit den mannichfaltigen Faͤden ber Liebe und
der Furcht, des Butrauens- und der Achtung, der Hoffnung
und des Pflichtgefühls die Portugiefen an fich zu ziehen und
zu fefleln, Eug und gewandt und unermuͤdlich thätig.
Daß er den Willen eined großen Theils der Nation für
ſich gewonnen hatte, zeigte die Schnelligkeit, mit der er, als
er die feindlichen Rüftungen in Gaftilien vernahnr, in wenigen
Tagen ein Heer 'verfammelte, das ſtark genug war feinem
Gegner die Spige zu bieten. Doch nur um feinen Worten
Gewicht und Anfehn geben zu Finnen, fchien er ed aufgeftellt _
zu haben. Er z0g, obgleich wohl gerüftet, den Weg der Un
terhandlung vor.” Das Waffenglüd blieb immer zweifelhaft,
ein Bruch, ein Krieg mit dem benachbarten Gaftilien bedenk⸗
lich; er konnte leicht verderblich werden. Der kluge Affonfo
verfuchte daher zuerſt die geiftliche Waffe, die ihm der Papfl
zum Schuß und Angriff gegeben hatte, und die, wermgleich
unblutig, doch tödtlich traf. Er ließ dem Infanten von Ca⸗
flilien und den Anführern des feindlichen Heeres die päpftliche
Bulle zeigen, Traft deren ihm die Regierung des Reichs uͤber⸗
tragen worden war. Alles was zu Gunſten bed Grafen
ſprach, warb dem Infanten vorgeftelt. Dabei unterſtuͤtzte je
nen der Erzbifchof von Braga, der durch die Guardiane ber
Franziskaner in Guarda und Covilhäo, feine Bevollmäcdtigte"),
Solchen, die Sarıcho8 Sache verfechten und der Bulle des heis
Yigen Vaterd zumider handeln würden, mit dem Bann droh⸗
ten. Dies wirkte. Der Infant kannte die Schärfe und Uns
fehlbarkeit des geiftlichen Schwertes; er flellte dem unglüdlis
chen Könige vor, wie andere Waffen hier Nichts vermöchten
und dem Papfte die Entfcheidung uͤberlaſſen werben mürffe.
Sancho, der lieber ald Privatmann in der Fremde, als ohne
feine vorige Würde und ruhmlos unter feinen Vaſallen leben
wollte, kehrte mit dem Infanten nach Caſtilien zuruͤck?).
Mehrere portugiefifche Befehlshaber festen beffenungeach-
tet die Vertheidigung der ihnen anvertrauten Feftungen fort
und weigerten fi fie ohne Befehl ihres Königs, dem fe
1) Die erzbifchöfliche Vollmacht f. in ber Mon. Lus. liv. 14. 0.29.
2) Mon. Lus. 1. c.
200 Erſter Zeitraum. 1. Bud. 7. Abſchn.
Treue geſchworen, dem Grafen zu uͤbergeben. Dieſer ſchickte
ſich daher an, mit gewaffneter Hand ſie zum Gehorſam zu
zwingen. Zuerſt wurde Obidos, das ſich widerſetzte, gewon⸗
nen, ob durch Sturm oder Übergabe, iſt unbekannt. Im Bis⸗
thum Coimbra gehorchte allein Montemor dem Grafen, alle
andere feſte Orte waren dem Koͤnige treu geblieben. Einzelne
Alcaiden, die hier und da ihre Feſten uͤbergaben, bezeichnete
die oͤffentliche Stimme als Hochverraͤther. Um ſo hoͤher wur⸗
den jene geprieſen, die dem Angriffe Muth und Ausdauer,
den lockenden Verſuchungen unerſchuͤtterliche Treue und Feſtig⸗
keit entgegenſetzten.
As Fernão Rodrigues Pacheco, der Befehlshaber ber fe⸗
ſten Burg Celorico, vom Grafen aufgefodert wurde fie zu
übergeben und wie andere portugiefifche Ritter ihn anzuers
kennen, antwortete er, daß er Feinem ‚Andern Gehorfam ers
weifen werde, fo lange König Sancho, aus defien Händen er
die Befehlöhaberwürde empfangen habe, noch lebe. Der-
Graf befchloß darauf mit Gewalt den Ort fi) zu unterwer-
fen, und Pacheco feste fi) in Vertheidigungsſtand. Die Bes
lagerung wurde mit großer Lebhaftigfeit betrieben, aber man
überzeugte fi bald, daß gegen die Entſchloſſenheit und Aus:
Dauer der Belagerten mit Waffen nichtd auszurichten wäre,
und Affonfo feßte fih Darum vor, den Ort auszuhungern. Sn
Furzer Zeit wurde auch, der Mangel an Lebensmitteln fühlber
und drüdend. Da rettete ein gluͤcklicher Zufall und die Lift,
mit der ihn der fchlaue Pacheco benußte. Als diefer eines
Morgens bei Tagesanbruch aufftand, um die Mauerwerke zu
befichtigen, fah er einen Reiher aus dem Fluffe Mondego, der
dicht an Celorico vorbeifliefft, fich erheben, mit einer großen
Forelle in den Klauen. Er flog gerade über die Feſte hin,
als ihm die frifche Beute entfchlüpfte und herabfiel. Pacheco
hob fie freudig auf, Tieß fie Föftlich zubereiten und fchidte fie
mit fehr feinem Brod, das er dazu eigens baden ließ, und
einigen Erfrifchungen dem Grafen zum Gefchent. „Er möge,
muflte ihm der Bote fagen, den Widerftand den er leifte, um
des Königs Sache aufrecht zu halten, nicht tadeln. Das
Amt, das er vom Könige erhalten habe, und die Pflicht der
Treue, zu ber ihn fein Eid verbinde, entfchuldigten ihn. Mit
Negterung Sancho's IL, 1223 — 12345. WI
dieſen Beweggründen verknuͤpfe er die Abficht, die Vertheidi⸗
sung fortzufegen, bi8 er von Sancho den ausbrüdlichen Be
fehl zur Übergabe oder die Nachricht von feinen Tode erhals
ten werde. Wolle der Graf auf der Belagerung beharren, fo
möge er es thunz die Feſte würde durch die Ritter fo vertheis
digt werden, wie.er ed bisher erfahren habe, und fei wohl
verforgt mit Lebensmitteln und Erfrifhungen, wie die beifoms
menden bewiefen, die er anzunehmen würdigen möge.” Der
Graf war betroffen, er argwöhnte einen geheimen Verkehr des
Befehlöhaberd mit der Umgegend. Doch antwortete er höflich
und nabm das Gefchent mit freundlicher Herablaffung an.
Aber er erwog die Schwierigkeiten, mit denen die Einnahme
Diefer, wie es fchien, fo wohl verforgten Burg verbunden wäre,
ben großen Verluſt, den eine längere Belagerung mit fich fühs
ren wuͤrde, und befchloß fie aufzuheben. Darauf führte er
feine Streiterhaufen gegen Coimbra. |
Hier fand Affonfo ähnliche Tapferkeit und Treue, nur
dort gepaart mit Überrafchender Lift, hier mit rührender Pie
tät. Martim de Freitas, Alcaide mor der Feſte von Coims
bra, hielt als ein treuer Vaſall feines Königs nicht allein eine
hartnddige Belagerung und die lebhafteſten Angriffe des Fein⸗
bes flandhaft aus; er hatte einen noch furchtbarern Feind im
Innern der Fefte felbft zu befämpfen — den Mangel und fein
Gefolge. Unerträglicher Hunger und Durſt quälten die Bes
fagung, flimmten fie für Die Übergabe der Feſte und erzeug-
ten Meutereien gegen ihren Befehlöhaber. Nur das. begei-
fternde Vorbild der Entfchloffenheit und Standhaftigkeit, ver
Zreue und Aufopferung, dad Freitas feinen Kampfgenoffen und
Leidenögefährten in feiner Perſon aufftellte, vermochte Die ver:
zagten oder fehwierigen Gemüther wieber. zu ermuthigen und
zu befeftigen. Unterdeffen Fam die Nachricht von Sancho's Tod
nach Coimbra und wurde auf Befehl des Grafeh den Belas
gerten in der Feſte bekannt gemacht. Alle hielten den XAlcais
den nun feiner Verpflichtungen für entbunden, nur er nicht.
Freitad verlangte von Dem Grafen fichered Geleit, um felbft
nach Toledo zu geben und von dem Xode des Königs fich
perfönlich zu überzeugen, zugleich Waffenſtillſtand für Die Seis
nen während feiner Abwefenheit. Der Graf bewilligte Beides
202 ÜErfier Zeitraum. L Bud. 7. Abſchn.
und Freitad machte fi auf den Weg. In Zolevo erfuhr er
von Augenzeugen ben wirklichen Tod ded Königs, dennoch ließ
ee fi fein Grab Öffnen, legte die Schlüffel von Coim⸗
bra in die Hände des Berblichenen, Tniete neben ihm nieber
und ſprgch die Worte: „So lange ich wuflte, mein Herr und
König, daß ihr lebtet, habe ich flr eure Sache die aͤufſerſten
Drühfeligfeiten ertragen, bie Schwachheit meiner Kampfgefaͤhr⸗
ten bald zu verbergen, bald in Muth zu verwandeln gewuſſt
und fie veranlafft die Bahn der Ehre fortzufegen. Alles was
fih von einem treuen, ftandhaften, durch den Eid der Treue
verpflichteten Gemuͤth erwarten läfft, glaube ich pünctlich er:
fuͤllt zu haben. Nun da ihr geflorben ſeid und ich euch bie
. Stadt nicht übergeben kann, will ich wenigftens Die Schlüffel
derſelben euch einhändigen, Damit ich meiner Verpflichtung ges
gen euch entlebigt bin, und die Übergabe der Stabt als eine
Perzichtleiftung von eurer Selte und nicht als ein Triumph
ber Waffen des Gegnerd erfcheinen möge. liber alles dies
ließ Freitas eine Urkunde ausfertigen und kehrte Damit zu den
Seinen zuruͤck. Alle lobten die Rittertreue des Alcaiden und
er uͤbergab fofort das feſte Schloß und die Stadt dem Gra⸗
fen, der von allen portugiefifchen Großen und Rittern begleis
tet fogleich feinen Einzug in diefelbe hielt ').
So fochten, fich felbft vergeffend und aufopfernd, treue
Vaſallen fire den König an den Stufen des Throns, den er
felbft verlaffen, für feine Sache, die er felbft aufgegeben hatte.
Aber ein fchlechter Fürft konnte der doch nicht geweſen fein,
dem die treuefte Ergebenheit fo eigentlich bis ins Grab folgte.
Er hatte fie lange verdient. — Die Zeit feined Lebens in To:
lebo bis zu feinem Tode 1248 füllten Bußuͤbungen und Ge:
bete, milde Werfe und fromme Stiftungen — alfo am Ende
doch eine Wirkſamkeit, zu der einft den wiedergeneſenen 9 Kna⸗
ben ſeine Mutter eingekleidet hatte.
1) Mon, Lus. liv. 14. capp. 28 —- 80.
Regierung Affonfo’s IL, 1245—1779. 203
x
Achter Abſchnitt.
Kegierung Affonfo’s UL
(Bon 1245 bis 1279.)
Affonſo's Negierung unter drei Gefichtöpuncte gefafft:
feine Erwerbung Algarpe's, feine Staatöverwaltung, fein
Kampf mit ven Prälaten.
1) Erwerbung Algarve; 7.
Früherer Umfang des Landes. Schon Sancho I. nannte fi
„König von Algarve”. Eroberungen Sancho's IL Af⸗
fonfo IM. entreiffe Faro und andere Orte in Algasve ben
Mauren. Die Portugiefen überfchreiten die Guadiana. Krieg
des Königs von Gaftilien mit dem von Portugal; jener ers
wirbt die Nusnieffung, diefer behält das Eigenthum von Als’
garve. Eine der Bedingungen bed Vertrags zwifchen beiden‘
Königen ift die Vermählung Affonfo’s IM. mit Brites, der
natürlichen Tochter Alfonſo's des Weiſen. Die Kinder diefer
Ehe werben erſt nach dem erfolgten Tode ber. Gräfin Ma-
thilde von dem Papſte für vechtmäßig erklärt. Neue Ver
träge in Betreff Algarve's zwifchen dem caſtiliſchen und pors
tugiefifchen König; diefer verfpricht jenem funfzig Lancas zum
Heere zu flellen. Der kleine Diniz bei bem Großvater in
Sevilla. Der König von Caftilien entfagt allen Anfprüchen
auf Algarve. Affonfo’s IT. Anordnungen In diefem Lande.
Sobald die Kunde von Sancho's Hinfcheiven nach Por:
tugal gefommen war, dachte man einmüthig darauf, dem bi8-
herigen Reichöverwefer, dem aͤlteſten Bruder des ohne recht:
mäßige Nachkommen verftorbenen Königs, die Krone, die ihm
nad) dem Reichsgeſetz gebührte, von dem Papfle zugebacht
und nach dem Willen Sancho’3 ') beflimmt war, aufzufegen.
1) In dem erften Zeflament, von dem wie freilich die Beit ber Ab-
faſſung nicht wiffen, ernennt ihn Sancho zu feinem Nachfolger: Et si
4
204 Erſter Beitraum. L Buch. 8. Abſchn.
Affonſo hatte bisher nur in der Eigenſchaft eines Verweſers,
wie es die paͤpſtliche Bulle angeordnet hatte, das Reich ver⸗
waltet ). Er Hatte ſich ſogar des Siegels der Grafen von
Boulogne, nicht des koͤniglich portugieſiſchen bei Regierungs⸗
handlungen bedient”). Nach Sancho's Tode berief er ſogleich
die drei Staͤnde des Reichs nach Liſſabon, wo er ſich eben be⸗
fand, und ließ ſich feierlich als Koͤnig huldigen. Er wurde
von Allen anerkannt.
Affonſo ſetzte als Koͤnig die Eroberungen ſeines Vorgaͤn⸗
gers fort, ertheilte noch weit mehr Gemeinden Ortörechte, gab
dem Reiche mehrere allgemeine Gefege und beftand wie San-
cho einen ſchweren Kampf mit der Geiftlichkeit. Wenn er in
diefen Dingen mehr Regfamkeit, Thatkraft und Klugheit ent:
widelte. als fein Bruder, ſo fodert die Gerechtigkeit nicht zu
überfehen, daß ihm auch das Gluͤck holder war. Der glüd:
liche Erfolg. feiner Wirkſamkeit wurde fein Lobredner ſchon um:
ter feinen Zeitgenoffen und die Geſchichte unterließ es nicht
‚fein Wirken unverkleinert der Nachwelt zu rühmen, während
Sancho's Geſchick duͤſtere Schatten auf fein Leben warf, felbft
feine Verdienfte unter die Trümmer feines Lebens und Wir:
tens begrub und der Gefchichte nur zerflreute und raͤthſel⸗
hafte Bruchſtuͤcke aufzulefen vergännte.
Der Glanzpunct der Regierung Affonſo's wurbe feine Er:
oberung Algarve's; fie eröffnet darum und der Zeitfolge wegen
feine Regierungögefchichte, Auf der Bahn eines flileren Ruhms
«werben wir ihn dann befchäftigt fehen dad Wohl feines Vol-
filium legitimun, vel filiam legitimam non habuero, mando quod fra-
ter meus Infans D. Alphonsus habeat meum Regnum integre et in
pace. Sousa, Provas T. I. p. 48.
1) Er führt den Titel: Comes Boloniensia, Procurator Regni Portu-
galiae per summum Pontificem, et Defensor, ober Visitator Regni per
Dominum Papam, Procurator Fratris sui, et Comes Boloniensis,
Ribeiro, Dissertt. T. IL p. 206.
2) Dies erhellt aus einer Urkunde v. 3. 1258, in welder gefagt
wird, daß der Pfarrer von Santa Maria de Barcellos fein Praͤſenta⸗
tionsfchreiben (Carta Appresentagäo) „Alfonsi Comitis Baloniae, tunc
procuratoris Rogni Portugalie, nunc Regis, sigillata sigillo Comita-
wus Boloniet‘, vorgegeigt habe, Ribeiro, Diss. T. IV. Add, p. 128.
Regierung Affonfo’a II, 1245 — 1279. 205
tes mit Sorgfalt zu fördern, vornehmlich durch größern An⸗
bau des Landes und zeitgemäßed Ordnen des Gemeindewefens,
worin der weife Vater feinem größern Sohne trefflich vorat⸗
beitete; wentger durch einige andere Verordnungen, die er für
den Handel und das Münzwefen erlieg und in denen er dem
unaufgeklärten Zeitalter feine Schuld abtrug. Die legten Jahre
feines Lebens trübten Mishelligfeiten und Kampfe mit dem
Klerus, deffen Anfichten und Foderungen er Liſt, Kühnheit und
eine in jener Zeit ungewöhnliche Unbefangenheit_entgegenfogte,:
deſſen Allgewalt er aber endlich ſtraͤubend fich fügte, ald bie
ernfte letzte Stunde, die der Verfühnung immer günftiger iſt
als dem Widerſtande, nahete.
Unter Algarve, „dem Lande nach Abend“, begriff man
zur Zeit der Maurenherrſchaft weit mehr als in der neuern
Zeit; es bezeichnete Laͤnder in Afrika und Spanien. Hier er⸗
ſtreckte es ſich vom Cabo de S. Vicente laͤngs der Kuͤſte hin
bis Almeria und umfaſſte viele Staͤdte und Orte Luſitaniens
und Andaluſiens. Von der zunaͤchſt gegenuͤber liegenden Kuͤſte
von Afrika hieß Algarve die ganze Landſtrecke von der Meer⸗
enge bis Tremeſen, Fez, Ceuta und Tanger, die fruͤher unter
dem Reiche Benamarim begriffen wurden. Aus jener weiten
Ausdehnung des diesſeitigen Algarve iſt es zu erklaͤren, wie
die Koͤnige von Portugal und Caſtilien ſich beide „Koͤnige von
Algarve“ nennen konnten, da jeder von ihnen Theile von die⸗
ſem Lande beſaß, und wie die Koͤnige von Portugal, als ſie
ſich Beſitzungen an der gegenuͤberliegenden Kuͤſte von Afrika
erwarben, den Titel „König des diesſeitigen und jenſeitigen Als
garve“ (Bey dos Algarves daquem e dalem mar em Africa) |
anzunehmen veranlafft wurden ').
Zum erften Mal nannte fih Sancho I. „König von en
garve“, ald er im Jahre 1189 Silves und mehrere andere
Ortfchaften jener Gegend erobert hatte, ließ aber nach dem
Berlufte diefer Eroberung an die Mauren (1191) dieſen Zus
jaß feines Ziteld wieder weg ?). Unter Sancho II. wurden
wieder mehrere Orte und Ländereien in Algarve von dem Kö:
1) Brandäo in der Monarch. Lausit. liv. 15. cap. 5.
©. oben in ber Regierungsgefchichte Sancho's I.
1249
6 Erſter Zeitraum J Bud. 8. Abſchn.
nig ober auf feine Beranlaffung erobert, einige von dem treffs
lichen Payo Peres Corren, der damals ald Komthur von Al
cacer do Sal mm portugiefifche Ritter zum Siege führte. Aber
auch nachdem Payo zum Großmeifter des Ordens von Sant:
iago erwählt worden war (1242) und Caſtilien zu feinem
Wohnſitz genommen hatte, febten die Portugiefen den Krieg
in Algarve fort. Noch im letzten Regierungsjahre Sancho's II.
wurde der von ben Saracenen eroberte Fleden Marachil in
Algarve dem Bifchof von Porto gefchentt. Über dieſe wie
über alle den Mauren entriffene Ortfchaften in Algarve ver:
fügte der König von Portugal ald Here und Eigenthümer der:
felben. Der König von Caftilien erhob damals Feine Anfprüche
und konnte Feine erheben, er war mit feinen Waffen noch nicht
in jene Gegenden gebrungen. |
Sobald der Graf von Boulogne, nach dem Tode feines
Bruders, den portugiefifchen Thron befliegen hatte und fi
darauf befeftigt ſah, ruͤſtete er fich zum Krieg gegen ‚die Mau:
ren, um ihnen den Theil von Algarve, der noch in ihren
Händen war, zu entreiffen. Er. brady mit einem Heere auf
und eröffnete den Feldzug mit einer lebhaften Belagerung Fa:
x08, wobei ihn eine portugieftfche Flotte unterflügte Als Die
Saracenen fich von. der Seefeite abgefchnitten, der Hoffnung
des Entfages beraubt, ihre Zahl täglich vermindert und allen
Drangfalen fich preisgegeben fahen, verlieffen der Alcaibe und
Almorarife die Stadt, um wegen ber Übergabe verfelben im
sortugiefifchen Lager mit dem König zu unterhandeln. Die
Übergabe wurde unter diefen Bedingungen verfprochen: Den
Saracenen ift freier Abzug mit ihrem Vermögen geflattet. Die
in der Stadt wohnen bleiben, zahlen an den Ködig. die naͤmli⸗
chen Abgaben, die fie bisher an den Miramulim entrichtet haben,
behalten ihr Vermögen. und ihre Häufer unverlegt und find
Vaſallen des Könige von Portugal, der fie vertheidigt und
dem fie wie Die Portugiefen ins Feld folgen, wie dieſe bie
Übrigen Unterthanenpflichten erzeigen. Faro wurde mit Por:
tugal vereinigt (Ende des Jahres 1249); ed wurde zugleich
der Ausgangspunct für weitere Eroberungen in Algarve. Bei
der Einnahme Albufeira's erwarb fich der Ordensmeiſter von
Avis, Martim Fernandes, mit feinen Rittern folche Verbienfte,
Begierung Affonfo's IL, 1245—1279. 27
daß fich der König bewogen fühlte den Ort den Rittern zu
ſchenken, um fie zu belohnen und ‘zugleich zu neuen Anſtren⸗
gungen anzufeuern ). Darauf führte Affonfo fein Heer ge
gen Loule. Die Saracenen ftellten fi ihm hier in Schlacht:
ordnung entgegen; aber vergeblich. Die Chriften drangen in
Loule ein und unterwarfen es, ebenfo Aliezur, dad fefte Schloß
Norches und alle Drte, die in jener Gegend bisher noch von
den Mauren behauptet worden waren. Nach diefen Erobes
rungen, die alle in dad Jahr 1249 fielen, verweilte ber Koͤ⸗
nig noch einige Zeit in Algarve, um deſſen Angelegenheiten in
Ordnung zu bringen; im Auguſt 1250 finden wir ihn wieder
in Coimbra.
Im folgenden Jahre oder ſpaͤteſtens im Jahre 1262 wur⸗
den Arouche und Aracena in Andaluſien den Mauren abge⸗
nommen’). Es war nicht das erſte Mal, daß die Portugie⸗
fear die Guadiana fiegreich uͤberſchritten. Sancho U. nament:
lich hatte auf der linken Seite dieſes Zluffes Eroberungen ge
macht und Moura, Serpa und Ayamonte dem portugiefifchen
Scepter unterworfen. Gaflilien dachte damals nicht daran,
diefe Erwerbungen dem Könige von Portugal flreitig zu ma⸗
chen, fo wenig ald die Guadiana zur Grenze zwifchen Caſti⸗
Yien und Portugal anzunehmen. Die Annahme, daß man bas
mals diefe Scheidelinte gezogen habe, ift eine Erfindung neuerer
Schriftfteler. Es war vielmehr herefchende Anſicht, daß alle
Länder der Halbinfel, welche bie Ungläubigen erobert hatten
und jest befaßen, den chrifllichen Zürften der Halbinfel gehörs
ten; wer von biefen fie erobere, fei ihe Here und Eigenthuͤ—
—
1) ... pro bono et fideli servitio, quod nobis fecistis, et dante
Domino facietis. Damus et concedimus vobis .. . castellum de Al-
bopheira in Algarbio cum omnibus suis terminis et directis quos ha- -
buit, quando erat in potestate Sarracenorum, et illud habeatis jure
hereditario ..., exceptis juribus et directie, quae Reges consuove-
runt habere .... et quod de praedicto castello nobis et nostris
successoribus faciatis illud quod debetis nobis facere de Avis et de
aliis possessionibus quas praedecessores nostri . , . vestro ordini in
Regno Portug. contulerunt, ©. die Schenkungsurkunde in Mon. Lus.
Parte IV. App. Escrit. 26. Datirt von Faro im März 1250,
2) Monarch. Lusit, liv. 15. cap. 12.
2085 Erſter Zeitraum. L Bud. -8 Abſchn.
mer von Rechts wegen. Mit dieſer Anficht befämpften Caſti⸗
lier, Leoneſen und Portugiefen, an verfchiedene Orten und von
einander entfernt, einen und benfelben Feind und entriffen
jeder fir fich demfelben eine Befigung nach der andern. Als
fi aber endlich die Eroberungen der chriftlichen Zürften bier
4248 berührten, beſonders feit der Einnahme Sevilla's, ald nad) dem
Tode Ferdinands Alfonfo der Weife die Regierung von Gafli-
lien und Xeon antrat (im Mai 1252), da dnderten fich die
Verhältniffe beider Reiche hinfichtlich ihrer Ländererwerbungen.
Mufften fchon die Eroberungen Affonfo’s IH. in Algarve den
König von Caſtilien beforgt machen, daß Portugal feine Gren⸗
zen zu weit außbehnen, feine Macht zu fehr vergrößern möchte,
fo waren die legten Eroberungen in Andalufien noch mehr ges
eignet dieſe Beforgniffe zu fleigern. Dort fehte am Ende das
Meer eine Schranke, hier nur die Macht der Saracenen, bie
offenbar immer fchwächer wurde, während auf ihre Koften
Affonſo's Macht ſich fort und fort verſtaͤrkte. Wundern Tann
es und daher nicht, wenn biefe fo nahe liegenden Gründe, de
nen ſich wohl noch andere und unbefannte anreihten '), eine
Spannung zwifchen beiden Fürften herbeiflihrten, die bald
nach der Thronbefteigung Alfonſo's des Weifen zu einem’ förm>
lichen Bruch Fam.
Mit Misfallen vernahm der Papft diefen Bruch und trat
ald Vermittler zwifchen beide Fürften. Er ermahnte fie die
Waffen nieberzulegen und die Entfcheidung des Streites ihm zu
überlaffen,, indem er hinzufligte, daß feine Abficht keineswegs
fei, Durch fein Schreiben in diefer Sache den König von Por:
1252 bis tugal irgend zu beeinträchtigen‘). Der Krieg dauerte nur et:
1253 was über ein Sahr. Alfonſo's Übermacht verfchaffte ihm in
bem Frieden, der 1253 gefchloffen wurde, die Einfünfte Als
1) Die Anfprüde Gaftitiend auf portugicefifche Ländereien, welche
Sandjo II. dem Alfonſo dem Vater, als dieſer noch Infant war, für den
ihm geleifteten Beiftand verfprochen haben fol, führen caftitifche Schrift:
fteller an, aber ohne alle Angabe der Quellen, aus denen fie diefe Rach⸗
richt gefchöpft haben.
2) Neque tamen esse aut fuisse intentionis suae per litteras hac
in re quidquam praejudicare velle Portugalliae Regi signifcavit ® at-
que declaravit. Bzovio, T. 13, an. 1253,
Regierung Affonfo’s IIL, 1245— 1279. 209
garve’3 auf Lebenszeit, während dem Könige von Portugal bad
Eigenthum. dieſes Landes blieb’). Doch Eonnte bei aller ſei⸗
ner Überlegenheit der König von Caftilien nicht erlangen, daß
ihm in dieſem Zeitraum irgend eine Handlung ber eigentlichen
und unmittelbaren Herrfchaft über Algarve geftattet wurbe.
Kaum war der Vertrag zwifchen beiden Königen gefchloffen,
fo eilte des Drdensmeifter von Avis fein Schloß Albufeira der
Abhängigkeit von Caftilien zu entziehen. Alfonfo der. Weife
wendet fich deshalb an den König von Portugal, damit biefer
darüber entfcheide, und Affonfo III. beftätigt in einem Schrei _
ben die Schenkung, die er zehn Jahre vorher gemacht hat ?).
Ein andermal maßt fich ber König von Caſtilien Hoheitsrechte
an, indem er einen feiner Vafallen zum Bifchof von Silves
ernennt.” Als aber diefer nad) Portugal kam, um des Ks
nigs Zuftimmung einzuholen, proteftirte Affonfo Dagegen durch
einen Act, der in ber Kathedrale von Liffabon (22. Ian.
1254) in Gegenwart amtlicher Zeugen vorgenommen und von
diefen urkundlich unterzeichnet wurde. . „Der König von Pors
tugal, heiſſt e8 darin, fei der wahre Herr und wahre Patron
der Stadt und Didcefe Silves und habe ben Bifchof für die
Kirche zu präfentiren und zu dotiren; der König von Caftilien
fei nur der Nusnieffer, nicht der Herr“ *). Endlich er
1) Die Urkunde des Vertrags zwiſchen beiben Königen findet ſich
war nicht mehr in dem Löniglichen Archiv in Portugal, aber fpätere auf
ihn bezügliche Urkunden zeigen uns das Weſentliche feines Inhalts.
2) ©. das Schreiben bes Königs Affonfo III. an den König von
Gaftilien vom 24. April 1260 bei Branbäo, Mon. Lus. liv. 15. cap. 5.
und neuerdings nach dem Original des koͤniglichen Archivs wieber gebruckt
bei Ribeiro, Dissert. T. I. p. 284, Der Wichtigkeit wegen führen
wir Folgendes daraus an: E avendo este Castello, eu pusi meus
pleytos, e myas convenenas Convosco, e assi como vos sabedes, de
guysa, que ouvestes de tener ou Algarve en vossos dias, assi como
jaz en nas cartas dos preitos, que sunt entre vos e my... . ERey
sabede que my plaz de vos delivrardes, e mandardes entregar ao
Maestre, e a0 Convento d’ Avyz esse Castello de Albofeyra, se a
vos praz, salvas nossas convenenzas en nos preytos, que sunt entre
vos e my, que esto nom possa emprezer a nossos preytos, nim a las
convenenzas, que sunt entre vos 6 my.
8) Aus dem Löniglichen Archiv abgedruckt in Men. Lus. Parte IV.
Schäfer Geſchichte Portugals I. 44
210 Erſter Zeltraum. LBud. 8 Abfem
Härte der Papft ſelbſt, ber, wie oben bemerft worden, als
Bermittier zwifchen beiben Königen in ihrem Gtreite über Al⸗
garve auftrat, bei einer fich barbietenden Beranlaffung, daß
Dadurch dem Könige von Portugal keinerlei Eintrag gefchehen
folle. Innocenz IV. hatte namlich ein Empfehlungöfchreiben
an den König von Gaflilien erlafien, worin er ihn erfuchte
einige portugiefifche Fibalgos in den Zoberungen, bie fie in
Portugal zu machen hätten, zu unterflügen. Es iſt nicht un⸗
wahrſcheinlich, daß diefe Portugiefen früher zu Sancho's Pars
tei gehört Hatten und num den Fahnen bes Königs von Ca⸗
Rilien folgten. Da dem Papfte die ängflliche Beſorgniß eini⸗
ger Portugiefen befannt wurde, es möchte jenes Schreiben
dem caftilifchen König zum erwinfchten Vorwande dienen, um
eine Handlung der Landeshoheit oder Gerichtäbarkeit über Por⸗
tugal auszuüben, fo erließ er eine zweite Bulle, bloß um zu
erflären, daß es in feinen erfien Schreiben nicht feine Abficht
geweſen, die Unabhängigkeit des Königs von Portugal und die
ſes Reiches auf irgend eine Weiſe zu beeinträchtigen ”).
Eine der Beringumgen jenes Vertrags von 1253, durch
den die Könige von Caſtilien und Portugal ihre Streitigkeiten
App. Escrit. 31. Auch bier müflen wir das Wichtigfte daraus woͤrtlich
mittheilen. Dominus Alfonsus Rex Portugalliae . . . protestatus fuit
eoram fratre Roberto ... Episcopo Silvensi, quem Dominus Rex
Casteliae miserat ad eundem Regem Portugalliae pro requirendo con-
sensu creationis suae, tanquam a vero patrono, quod licet placeret
ei de bono et honore suo, non tamen placebat ei de modo creatio-
nis et consecrationis suae, cum ipse Rex Portugalliae verus Demi-
nus, et verus Patronus civitatis, et dioecesis Silvensis eumdem debe-
ret praesentare, et donare ad Ecclesiam Silvensem. Et inhibuit ei-
dem Episcopo . .. quod non reciperet possessiones Keclesiasticas,
vel mundanas ad regnum Silvensem pertinentes, cum Rex Castellae
tanquam usufructuarius, et non Dominus eas sibi non posset dare etc.
1) Non por renpeito do proprio Rei queremos que saiba Vossa
Serenidade, e o declaramos pelo teor das presentes, que nossa inten-
gao näo foi, nem he, que Vos pela authoritate das sobreditas letras
exerciteis jurisdicgäo alguma sobre o dito Rei, ou Reino; ou que
pelas taes letras se siga algum prejuizo ao dito Rei, ou Reine. ©.
die Bulle vom 1. Oct. 1254 in der Überfegung bei Brandäo in ber
Mon. Lusit, liv. 15, cap. 17,
Negierung Affonfo’s IE, 195 1279. 218
beilegten, enthielt das Verſprechen des Koͤnigs von Vortugal,
mit der natürlichen Tychter Alfonſo's des Weiſen, Brites, die
er mit D. Mayor Gilhem aus dem vornehmen Sefchlechte ver
Guzman erzeugt hat, ſich zu vermählen. Obgleich Brites
noc nicht das zur Ehe erfoberliche Alter hatte, ſo führte fe
Affonfo DIL doch nach Portugal, wo fie den Xitel und bie
Rechte einer Königin anmahmz denn bereits in ber oben er:
wähnten Proteftation des Königs gegen ben Biſchof von Sil⸗
ves (22. Ian. 1254) unterzeichnete fie fi ch als Königin, und
ebenfo bald darauf in dem Foral von Bea (16. Zebr. 1254).
Diefe von der Politik gefchloffene Wermählung war verbreche:
riſch; denn feine Ehe mit der Graͤfin Mathilde war noch nicht
getrennt ‘). Daß dieſe kinderlos war — nur aus ber erflen
Ehe hatte Mathilde eine Tochter, Johanna — mochte für ei⸗
nen Affonfo II. ein ſtarker Grund zur Scheidung fein. Die
verftoßene Gemahlin Flagte bei dem päpftlichen Stuhl über
ihren Gemahl, und da diefer nicht zu bewegen war fich von
der Brites zu trennen und wieder mit feiner. erſten Gemahlin
zu leben, fo ward er vom Papft in den Bann gethan, in dem
er zwei Jahre blieb. Endlich flarb die Gräfin (1262). Biele
Prälaten des Reiches, denen das Wohl des Königs wie bed
Landes am Herzen lag, verfammelten fich darauf in Braga
und berathfchlagten, wie e8 fcheint unter der Leitung des da⸗
figen Erzbiſchofs, Uber Die Angelegenheit. Es wurde ein ge
meinfchaftliches Gefuch. an den Papft befihloffen. Sie baten
diefen, „ben König, der im Anfange feiner Regierung ımd bei
Lebzeiten feiner Gemahlin, der Gräfin von Boulogne, mit der
Tochter des Königs von Eaftilien, Brites, mit der er im vierten
Grade verwandt fet und die noch nicht das zur Ehe erfo⸗
derliche Alter gehabt ?), fich vermählt habe, um ben großen
und offenbaren Gefahren, die ihm und dem Reiche drohten,
1) Statt Aller vergl. ben Abſchnitt: O Infante D. Affonso Conde
de Bolonha näo teve filhos de sua primeira mulher a Condessa Ma-
thilde in Joze Barbosa’ s Catalogo das Rainhas de Por-
tugal, pag. 204.
2) De facto duxit uxorem, ex qua jam geminam prolem noscitur
suscepisse, nämlich den Infanten Dinig, geboren den 9. Dct. 1261, und
die Infantin Branca.
14*
212 | Erfier Zeitraum. J. Bud. 8. Abſchn.
zu entgehen, von den Wanne, in ben der Papft Alerander,
wie man fage, auf Anfuchen der Gräfin Mathilde, den Koͤ⸗
nig gethan habe, zu befreien, damit Beiden, dem Könige und
der Königin Brites, erlaubt fei in der Ehe zu leben und
ihre Kinder, die fie fchon erzeugt hätten ober noch erzeugen
wuͤrden, nach des Vaters Tode zur Thronfolge berechtigt feien‘‘').
Der Papft bewilligte die Bitte der Prälaten.
Daß der König aus Gründen der Politik feine erfie Ge
mahlin verftoßen und mit Brite fich vermählt habe, fpricht
das Schreiben der Prälaten an den Papſt unverhohlen aus.
Aber es deutet nur die großen und offenbaren Gefahren an,
die dem König und dem Reihe (in dem Kriege zwifchen Por⸗
tugal und Gaftilien) gedroht hatten”), keineswegs bie Vortheile,
die aus jener Vermählung dem Lande erwachfen wären. : Und
Doc) hätte man bier die Erwähnung eines fehr wichtigen Vor:
theils erwarten follen, der Enverbung Algarve's, das nach der
Annahme mehrerer, befonderd caftilifcher Schriftfteller, die cas
ftilifche Brites ihrem Gemahle zum Brautfchag mitbrachte.
Alein dieſes Schreiben fo wenig, al3 irgend eine andere Ur:
kunde der Zeit, erwähnt diefer Mitgift, und die Zeitfolge der
Ereigniffe widerlegt offenbar jere Annahme, Die Eroberung
Algarve’3 durch Affonfo II. war, wie oben erzählt wurde, fchon
im Jahr 1250 meift vollendet. Erſt im Mai 1252 trat Al
fonfo der Weife die Regierung an, begann ben Krieg mit bem
Könige von Portugal am Ende diefed Jahres und fchloß im
folgenden den Friedensvertrag, von dem Die Vermähluug Affonfo’3
mit Brites, die vor dem Suni 1253 flattfand, eine Bedin⸗
gung war. Was die auf Urkunden beruhende Darftelung ver
früheren Ereigniffe und ihre Zeitfolge in Anfehung Algarve’
ummiberfprechlich darthun, das wird Die Folgezeit in ein noch
helleres Licht feßen.
Jener Sriedendvertrag vom Jahre 1253 hatte Feineswegs
alle Streitanläffe abgefchnitten. Er war mehr Waffenſtillſtand
1) ©. das Schreiben der Prälaten, batirt von Braga im Mai 1262
in der Mon. Lus. liv. 15. cap. 27.
2) Propter gravia et evidentia quae sibi imminebant et Regno
pericula, evitanda heifft es in dem erwähnten Schreiben.
LG
Regierung Affonfo’s IL, 145— 1279. 213
ald Friebe, bemerkt ſchon Brandäo richtig. Die ſtaatsrechtli⸗
chen Verhältniffe Algarve’s, wie fie jenem Vertrage gemäß feſt⸗
geftellt worden, waren an fich und ihrer Natur nach fchwies
rig und gaben Misverfländniffen Raum. Sie feft, umzweis
beutig und alfeitig zu ordnen, wäre felbfl für einen heutigen
Stäntsrechtöfundigen und Diplomaten eine Aufgabe gemwefen,
an der er fein Meiſterſtuͤck mit Ehren hätte machen Finnen.
Daß die Vertragsurfunde gerade an dem krankte, was fie vor .
Misdeutungen ficherte, dürfen wir, ohne fie gefehen zu ha⸗
ben, annehmen; denn fehwerlich verleugnete fie die Schwaͤ⸗
chen, die jenem Zeitalter der Kindheit der Stantöpraris und
Diplomatie eigen waren. Doch wenn fie auch durch eine bes
flimmte und erfchöpfende Abfaffung gegen jede Anfechtung vers
wahrt gewefen wäre, — gewährten die beiden Könige, bie fie
abgefchloffen hatten, ihr eine‘ genuͤgende Bürgfchaft? Beide
gehörten nicht zu den Fürften, die in dem, was fie befaßen,
das Ziel und die Befriedigung ihrer Wünfche fahen. Die
oben angeführten Verfuche des Königs von Kaflilien zeigen, .
daß er immer geneigt war über Die Grenzen feiner Befugniffe
hinüber zu greifen und feine Übermaht zum Maßftabe feiner
echte zu machen. Der portugiefifhe Affonfo dagegen konnte
nur mit verhaltenem Unwillen in dem Befige eined Landes fich
beeinträchtigt fehen, das er mit feinem und feiner Kampfges
noffen Blut erobert hatte. Nicht dad darf und unter dieſen
Umftänden befremden, dag Algarve immer wieder Irrungen
und Mishelligfeiten zwifchen beiden Königen veranlafite, ſon⸗
dern daß diefe nicht wieder zu feindfeligen Ausbrüchen kamen.
Vielleicht war ed allein jene Frau, in welcher der eine Alfonfo
die Tochter liebte, der andere die Gattin ehrte und den mäch-
tigen Vater zu verlegen fich fcheute, Brites, die mit verſoͤh⸗
nender Hand die fchlagfertigen Waffen zuruchielt. Eben diefe
Familienverhältniffe mochten auch jegt neue Beftimmungen über
Algarve herbeiführen. Die vom Papft verlangte Legitimation
der Kinder Affonfo’3, welche ihm Brites gefchenft hatte und
die nun gefegmäßig und in der öffentlihen Meinung zur
Thronfolge berechtigt waren, mochte auch die Oberherrlichkeit
über Algarve wieder in Anregung gebracht und biefer Anger
244 - Erfer Zeitraum. L Buch. 8. Abſchu.
legenheit in der Seele des Großvaters eine beſſere Wendung
für feinen Enkel gegeben haben.
Richt lange nachdem das Gefuch der Prälaten um reis
fprechung bed ‚Königs vom Banne und um Legitimation fels
ner Kinder vom Papſte verwilligt worden war, ernannte ber
König Alfonfo der Weife, von Sevilla aus (20. April 1263),
den Großmeifter des Ordens von Santiago, Payo Correa,
ben Großmeifter der Zempelritter in den Reichen Leon, Pors
tugal und Gaftilien, Martim Nunez, und andere Fidalgos zu
Berollmächtigten, um in feinem Namen mit dem Könige von
Portugal einen Vergleich uͤber das Gebiet und die feſten Schloͤſ⸗
fer von Algarve, uͤber die Grenzen der Reiche Leon ımd Por
tugal und über andere Streitpuncte zu treffen). Die weites
ren Berhandlungen find und zwar unbekannt; aber im fol
genden Jahre (1264 5. Sun.) wechfelte man in Sevilla bie
Patente aus, durch weiche Die Grenzen zwifchen ben Reichen
Leon und Portugal feftgeftelt wurden”). Aronches und Ale
grete blieben, ber Übereinkunft gemäß, dem Reiche Portugal,
Marvan und Balenga Dagegen, wie die Nachbarorte des legs
ten nach Leon hin follten zu diefem gehören’). Beide Kb:
nige gelobten einander Sreundf haft und gegenfeitige Huͤlfe;
zwiſchen ihren Reichen fol ein freier Handel mit Brot, Wein
und andern Erzeugniffen flattfinden *).
Über Algarve wurden Beſtimmungen für die Folgezeit ges
macht, bie und zugleich über feine früheren Verhaͤltniſſe Auf-
fhluß geben. In einer von Alfons dem Weifen in Sevilla
den 20. Septbr. 1264 auögeftellten Urkunde erklärt er, daß
1) Avenienza, par, e amor, assi sobre los Castillos, y sobre la
tierra del Algarbe, como sobre lo partimento de los Reynos de Leon
y de Portugal, como sobre las otras contiendas e quezumes — etc.
Mon, Lus. liv. 15. cap. 14 und 30.
2) Die Vertragsurkunde ift überfehrieben: Litera super partitione
Regnorum Portugalliae et Legionis propter contendam quae erat in
allquibus locis. Mon. Lusit. liv. 15. cap. 30.
3) Man ſieht aus dem Vergleiche, wie Portugal bamals nicht an
Gaftitien grenzte, fondern an das Reich Leon, deffen Name in der Kolge
ſich allmaͤlig verlor, wie fein Begriff in dem von Caſtilien unterging.
. %) ©. bas Nähere in der Mon. Lus. Parte IV. App. Escrit. 29,
Regierung Affonfo’s IIL, 1245—1279. 245
ber König von Portugal alle Erbguͤter in Algarve theilen und
behandeln koͤnne, wie er es fich und feinem Lande zuträglich
finde; daß er den Bewohnern Algarve's einen Fuero, wie er
ihn zwedmäßig erachte, zu ertheilen befugt ſei; alle Schenkuns:
gen, bie der König von Gaftilien in Algarve gemacht habe, bes
figen und nad) Gutduͤnken damit verfahren dürfe, und Jeder,
der durch ein vichterliched Urtheil ober irgend etwas fich bes
ſehwert fühle, an Feinen Andern ald an den König von Por:
tugal zu appellien die Erlaubniß habe. „Diefe vier Dinge,”
fagt Alfons von Gaftilien, „die ih mit eurer Bemwilli:
gung mir auf Lebenszeit in Algarve vorbehalten hatte, über.
laffe ich euch für immer”). Der König von Portugal iſt
Dagegen verbunden, dem König von Leon, fo lange er lebt,
auf fein Verlangen funfzig Lancad oder Reiter zum Heere zu
fielen. Zur Bürgfchaft follen die feften Schlöffer in Algarve
in den Händen der Ritter Joäo d'Avoym und feines Sohnes
Pedro Eannes Portel, denen bisher die Verwaltung von AL
garve anvertraut gewefen, bleiben, fo daß dieſe, falls der Koͤ⸗
nig von Portugal der Verpflichtung hinfichtlih der funfzig
Lanças nicht nachfommen würde, fortfahren nach wie vor dem
König von Leon alle Einkünfte, wie er fie bisher als Frucht⸗
nieffer ded Landes Algarve erhoben habe, abzulifan.
Kaum waren drei Jahre verfloffen, fo wurde Algarve
auch von diefer legten Buͤrde der Abhängigkeit befreit. Im
Jahre 1267 gg Affonfo II. den Infanten Diniz, der damals
beinahe fieben Sahre zählte, nach Gaftilien reifen, um aus ben
Händen feined Großvaterd die Ritterwürbde zu empfangen und
— dies war wohl die wichtigere, wenn gleich nicht bie kund⸗
bare Abficht der Reife — von diefem bie Erlaſſung jener Ob:
liegenheit zu erbitten. Nach Xopez begleitete ihn die Königin
Brite dahin. Der Peine Diniz wurde von dem Könige in
Sevilla mit großen Feftlichfeiten empfangen und fo lange er
hier verweilte, mit einer Aufmerkſamkeit behandelt, an welcher
1) E quito a vös para seempre estas quatro cosas davan dichas,
que yo reteniad por vuestro otorgamiento para my en el Al-
‚garve en my vida por las cartas, que ende son fechas entre my e@
vos. Urkunde im Xöniglichen Archiv im Liv. d’ El Rey D. Af-
fonse III. fol. 14.
216 Erſter Zeitraum. J. Buch. 8 Abſchn.
die Liebenswuͤrdigkeit des Knaben und bie feinem Alter vorei⸗
lenden Geiſtesfaͤhigkeiten vielleicht nicht geringern Antheil hat⸗
ten, als die großvaͤterliche Liebe zu dem Enkel, dem kuͤnf⸗
tigen Thronfolger Portugals. Der Infant erhielt die Ritter⸗
würde und, obgleich mit anfaͤnglichem Widerſpruch einiger cas
ſtiliſchen Großen, bie Erlaſſung der funfzig Langas. Den
oben genannten Nittern, denen Alfonfo der Weife die Statt⸗
balterfchaft in Algarve übertragen hatte, ertheilt er ben Be
fehl’), alle feſte Schlöffer deö Landes, Tavira, Louls, ©. Mas
via de Faro, Paterna, Silves und Aliacur, „mit allem Zuges
hör und allen Einkünften, wie dad ganze Land Algarve, dem
König von Portugal zu überlaffen”, und entbindet die Ritter
des Eides der Treue, den fie ihm geleiftet, und- aller Verbind⸗
Hichkeiten, bie fie für ihn übernommen haben. An demfelben
Zag und Ort hebt Alfonfo von Caftilien ale frühern Ver:
träge, die er mit dem Könige von Portugal gefchloffen habe,
auf, gibt dad Land dem Sohne beffelben, Diniz, wie er mit
Zuſtimmung des Vaters es felbft beſeſſen, und verzichtet auf
alle Anſpruͤche auf Algarve”). Eine zweite Urkunde vom fie
benten Mai beffelben Jahres beftätigt die vorausgegangene ?).
„So erfeheint wieder unter ben Titeln bed Königs von Pors
tugal der Titel König von Algarve, wie aus den koͤnig⸗
lichen Urkunden erhellt, Die fortan audgefertigt wurden; das
Wappen Portugals ziert wieder der Beifag der Thuͤrme wie
zur Zeit deö erften Sancho, und die Vafallen ‚immer eiferfüch
tig auf bie Nationalunabhängigkeit, laſſen keine Handlung zu,
durch welche der König von Caſtilien irgend ein Recht:
1) Siehe die Urkunde, datirt Badajoz ben 16. Febr
Lus. liv. 15. cap. 33. .,
2)... sobre razom del Algarve, que nos ten
nuestros dias, & nos mas, el qual nos demos a D. Di
nos teniemos por vuestro otorgamiento
ende ayuda en nuestra vida con sincoenta cavalloı
Reyes de Espanha, sino contra nos etc. Mon. Lu:
8) Über. bie in der Überfegung von Duarte N
Worte, que vor dei, bie fid in Eeinee authentife
vergl. Beandäo in der Mon, Lus. liv. 15, cap. .
Acad. Real T. VI. p. 20.
Mesierung Affonfo’s IIL, 1245-1279. 217
das betreffende Gebiet auch nur von fern erzielte. :Die. Pro=
teftation des Bischofs von Silved, Bartholomeu, iſt ein merk⸗
würdiges Beiſpiel dieſes Nationalgeiſtes“). Sobald berfelbe 1270
nämlich von dem Bisthum Beſitz genommen hatte, ftellte er im März
gemeinfchaftlich ‚mit feinem Gapitel eine Urkunde aus, in welz
cher er den König von Portugal als rechtmäßigen Herrn von
Agarve und Patron feiner Kirchen feierlich anerkennt, und. bie
Nechte, die von dem Könige Alfonfo von Caſtilien feinen Vor⸗
gängern, Roberto und Garcia, verliehen worden, für nichtig
erklärt ).
So fehen wir demnach — um bie Erwerbungsweife dies
fe3 Landes mit einem Blicke zu überfchauen — Algarve zuerft
von Sancho I. großentheild erobert und nach wenigen Jahren
(1191) wieder verloren, zum zweiten Mal von Sancho II. und
feinem Bruder Affonfo ILL unterworfen, von dem Legtern in
der Bedrängniß an den Übermächtigen König von Gaftilien zur
Nusnieffung abgetreten (1253), nach zehn Sahren (1264) an
Portugal vollftändig wieder zurüdigegeben, nur mit ber Ver⸗
pflihtung dem caftilifchen König funfzig Neiter zu ftellen, bis
endlich auch diefe Buͤrde der Abhängigkeit dem König von
Portugal abgenommen wird und Alfonfo ber Weiſe alle An⸗
ſpruͤche auf Algarve aufgibt (1267) *
1) Worte Gartano’ 8 bo Amaral in den eben awahnten Me-
morias p. 20.
2) Considerantes D. Alfonsum Portugaliae Regem tatius Algarbii
Dominum verum esse, et ipsum totum Algarbium ad jus, et proprie-
tatem, ac dominium ejusdem .. . quantum ad usumfructum ac pro-
prietatem integre ac plenarie pertinere . .. et a nullo alio posse
possessiones, vel Jura Regalia, Ecclesias, seu Ecclesiarum jure pa-
tronatus conferri, seu donari, nisi ab eodeın solo Domino Rege Por-
tugalliae, qui ipsius Algarbiü, et omnium ipsius Algarbii Ecclesiarum
est verus Dominus ac patronus. Si igitur a quocunque Rege Ca-
stellae, ac Legionis .. . de facto (cum de jure non possint subsi-
stere) donationes quocumque tempore aparuerint, eas omnino frivolas,
et inutiles, atque invalidas reputamus . . . nec non litteris, confirma-
tionibus, seu Indulgentiis Apostolicis, si quae super hoc quocumque
tempore aparuerint, in perpetuum renuntismus. Mon. Lus. Tom. IV,
App. Escrit. 82,
5) Die Darftellung der Erwerbung Algarve’s, die bei dem Mangel
218 Erſter Zeitraum. L Bud. 8 Abſchn.
Sobald Affonfo III. ſich wieber im vollen Befike von Al:
garve fah, wendete er ber Verwaltung defielben feine Sorgs
falt zu. Er war bemüht die Bevoͤlkerung des Landes zu meh⸗
ren, ben Ortfchaften durch Ertheilung von Foraes ‚Haltung und
innere Ordnung zu geben, durch befonbere VBorrechte und Frei⸗
heiten, die er verlieh, zu Anfiebelungen einzuladen. : Er muflte
ben, Fleden und Stäbten um fo größere Vergünfligungen ge
währen, je entfernter fie vom Herzen des Reiched waren und
je mehr fie in der Nähe der Saracenen und an ber Kuͤſte des
"Meeres von feindlichen Angriffen zu Land und zur See fort
während bedroht wurden. Während feines Aufenthaltes in Liſ⸗
fabon im Auguft 1266 ertheilte der König den DOrtfchaften in
“ Algarve Foraed. Die Bewohner von Silves erhielten das
Ortsrecht von Liffabon felbft, nur mit noch mehr Beguͤnſti⸗
gungen’). Zu berfelben Zeit und in ähnlicher Weife gab Af-
fonfo den Orten Faro, Loule und Zavira Foraes. Befondere
Befisungen, welche die maurifchen Beherrfcher in dieſen Staͤd⸗
an urkunblichen Nachrichten an fich fchivierig ift, wird es noch mehr durch
die Parteilichkeit der Schriftiteller, die fi) dabei ein Ziel auffer bem
Begenftande festen, von biefem nur herbeizogen, was jenem bienlich fehien,
und das Dunkel, womit er-umgeben war, ftatt es aufzuhellen, nur be⸗
nusten, um ungebundener- und willtürlicher verfahren zu koͤnnen. Moͤ⸗
gen auch jest einzelne Puncte ungewiß, Fragen, bie hier aufgeworfen
werden koͤnnen, unbeantwortet bleiben, — bie Bauptfache ift klar und
auffer Zweifel, fobald man die vorhandenen Urkunden fprechen laͤſſt und
— worauf e3 bier fo fehr ankommt — bie Beitfolge ber Ereihniſſe feft
im Auge behält. Mit Recht durfte Brandäo fagen: Parece tudo isto
täo claro, täo certo, e täo palpavel, que quem oje em diante quizer
pör em duvida estes pontos, se deve ter por contumaz e indigno de
se persuadir con razöes, ou admittir a disputas. — Die Nachrichten,
welche Conde (T. IV. cap. 7) wie im Borbeigehen von dem Verluſt
Algarve’8 gibt, find der Chronologie entgegen und viel zu allgemein umd
unbeftimmt, als daß man auf fie ein befonderes Gewicht legen Tann;
man müflte denn, bloß weil fie nichtchriftliche find, fie den urkund⸗
lichen chriſtlichen vorziehen.
1) Facio cartam de foro vobis populatoribus de Sylves, forum,
usus et consuetudines civitatis Ulixbon., excepta jugada de pane,
quod vobis in perpetuum quito. Monarch, Lus. liv. 15. cap. 31.
Regierung Affonfe’s III, 4245 - 1279. 219
ten gehabt hatten, behielt fich auch Afenſo IH. vor für ſich
und ſeine Nachfolger )
\
2) Affonfo's IM. Staatöverwaltung.
Seine Sorge für den Anbau des Landes, für die Auleguͤng
von Ortſchaften, für ihte; Bevölkerung und Geſetzge⸗
bung. Beja, Melgaço. Die Eoites in Leirla 1254. Ans
gelegenheiten der Städte Santarem uud Porto. ' Allgemeine
Sefege zur Sicherheit des Eigenthums und der SPerfonen.
Gründung jährlicher Märkte. : Feſtſtellung : der Preiſe der
.Waaren und Güter. Verderbliche Muͤnzveraͤnderungen. Des
Koͤnigs Schenkungen an die Ritterorden; Miehenigteitrn
mit biefen:
Wie in Algarve, fo zeigte Affonfo IN. im ganzen Reiche
große Thätigkeit in der Befoͤrderung des Anbaues feiner Laͤn⸗
der. „Der König Affonfo TIL”, fagt Brandäo, „war einer
der Könige, die am meiften mit dem Wiederanbau und ber
Bevölkerung des Landes fich beſchaͤftigten.“ inige Gegenden
wurden ganz neu angebaut, andere, bie während, der Kriege
veröbet waren, wurben ber Cultur „wiedergegeben. . Mehrere
Drtfchaften wurden. angelegt, viele ausgebaut und beſſer befe⸗
fligt; die meiften Gemeinden, die noch Feine Foraes hatten, ers
hielten deren”). Die älteren Ortörechte wurden zum Theil bes
ſtaͤtigt, meift in Leiria zur Zeit der hier verfammelten Cortes
(1254, im Min).
Bor allen zog das wichtige Beja des Königs Aufmerks
ſamkeit auf fi. Obgleich der Pla& duch die VBerheerungen '
des Kriegs und der Zeit fehr gelitten hatte, fo galt er noch
immer für eines der ſtaͤrkſten Bollwerke des Reiche. Der Kb:
1) Im. Foral von Faro 3. B. Item retineo mihi et successori-
bus meis omnes tendas quas Reges Sarraceni solebant tenere tem-
pore Sarracenorum,
2) Die Menge der Foraes, welche Affonfo III. ertheilte, iſt unuͤber⸗
ſehlich; ein Bid auf 5. N. Franklin's Memoria para servir de In-
dice dos Foraes das Terras do Reino de Portugal, Relagam III, kann
davon überzeugen.
2: Ver Beitraum. L Bud. 8 Alm.
ug; lies ide won neuem befefligen, die Mauern audbeffern und
N ——— Gebaͤude der Stadt herſtellen. Der Biſchof
Martin von Evora verwilligte dazu zwei Drittheile des Zehn⸗
ten aller Kirchen in Beja auf zehn Jahre), nachdem Affonfo
ein Jahr zuvor der Stadt einen Foral gegeben hatte”). Ihre
Michtigkeit machte dem König eine größere Abhängigkeit Bes
jas won ber Krone wuͤnſchenswerth. Der Alcaide ſoll daher
wu) dem Ortsrechte zwar ein Eingeborner von Beja fein, aber
wicht von feinen Mitbürgern, wie es fonft üblich war, fondern
von bem koͤniglichen Statihalter von Beja gewählt werden ?).
Dem feſten Grenzorte Melgaco beftätigt ex das Ortörecht, das
ibm ber König Sancho IL gegeben hatte, und verlieh uͤberdies
feinen Einwohnern, deren 350 fein follen, dad merkwürdige
Vorrecht, daß fie einen portugiefifchen Ritter, der dem Poften
gewachfen fei und dem König zu huldigen habe, zum Alcai⸗
den der Feſtung ernennen dürften“). Unftreitig wollte Affonfo
Durch dieſe Begünftigung, deren fi) gewiß nur ſehr wenige
fefte Plaͤtze zu erfreuen hatten, die Bewohner einer Feſte fuͤr
ſich gewinnen, die durch ihre Lage an der Grenze von Ga
licien von, nicht geringer Bebeutfamfeit war. Vielleicht lag in
der ‚augenblictlichen Stellung Affonfo’3 gegen den König von
Gaftiien der Grund jener Beguͤnſtigung; jedenfall aber wa⸗
ren die Orundfäße, nach denen die Befehlshaber in ben feften
Plaͤtzen ernannt wurden, nicht überall die nämlichen, wie fchon
eine Vergleihung mit der eben erwähnten Anordnung in Beja
zeigt, und Affonfo wechfelte auch bier nach den Umftänden
feine Grundfäge und Maßregeln. — Andern Ortfchaften, die
gänzlich verfallen waren und wieberhergeflellt wurben, gab
der König biöweilen neue Namen. So erhielt Contrafta, das
bei einem feindlichen Einfall der Leonefen unter Affonfo I. zer⸗
1) ©. die Urkunde vom Jahr 1255 in Mon. Lus. liv. 15. cap. 18,
2) „Movudo pela spiracom de deus.“ (!) Der Foral fteht
in der Collecgäo de Ineditos de Historia Portugueza. T. V. p. 456
Ebenfo gab Affonfo IH. im folgenden Jahre dem alten Obemira einen
Koral: „motus inspiratione divina“.
.8) E o meu nobre homem, que beia de mim tever, non meta
hy outro alcayde, senom de beia,
4) Mon. Lus, I. c,
Regierung Affonfo’s IL, 1245 — 1279. 221
flört worden war und jegt wieber aufgebaut wurde, ben Na⸗
men Valença do Minho. Andere Orte endlich verbankten dem
Könige ihren Urfprung, 3. B. Diana foz de Lima und Monzon.
Naͤchſt der Gründung neuer Ortfchaften, ber Ausbeffe:
rung verfallener und der Ertheilung unzähliger Foraes nah⸗
men die innern Angelegenheiten einiger größern Städte, die
im Genuffe von Gemeinderechten über Eingriffe in diefelben
klagten oder in denen verfchievene Intereſſen wider einander
ftieffen, Affonfo’s Aufmerkfamfeit in Anfpruh. Theils um
Diefe Klagen anzuhören und über die Art ihrer Abhuͤlfe die
Stimme der Volksvertreter zu vernehmen, theild um durch
deren Zuſtimmung den Eöniglichen Entfcheidungen und Verfuͤ⸗
gungen ein empfehlenderes Anfehn zu geben, berief ber Koͤ⸗
nig im Maͤrz 1254 die drei Staͤnde der Cortes nach Leiria.
Vorzuͤglich waren es die Angelegenheiten der Staͤdte Santa⸗
rem und Porto, die hier zur Sprache kamen. Die Einwohner
von Santarem erhoben Beſchwerde uͤber mehrere Bedruͤckun⸗
gen, die ſich die koͤniglichen Beamten gegen ſie erlaubt haͤtten.
Man beruhigte die Buͤrger durch das Verſprechen, daß ihre
Foros in Zukunft ſtrenge beobachtet werden ſollten; jeder Be⸗
fehl, jedes Schreiben, das ihnen widerſtreite, wurde zum vor⸗
aus fuͤr nichtig erklaͤrt. Die eingeſchlichenen Misbraͤuche ſoll⸗
ten abgeſtellt werden, alle Freiheiten und Gerechtſame wurden
gewahrt, „der Zuſtand der Stadt, wie er in fruͤherer Zeit ge⸗
weſen, wurde wiederhergeſtellt“ ").
Schwieriger waren die Irrungen und Verwickelungen in
Porto, und ſie namentlich mochten die Zuziehung der Cortes
raͤthlich gemacht haben. In dieſer Stadt lag der Zunder zu ewig
ſich erneuernden Streitigkeiten zwiſchen den Biſchoͤfen und den
Koͤnigen. Dieſe konnten nicht verſchmerzen, daß jene durch die
allzugroße Freigebigkeit der Koͤnigin Thereſia nun der weltli⸗
chen wie der geiſtlichen Herrſchaft uͤber das wichtige Porto und
ſein Gebiet ſich erfreuten. „Mit Unwiſlen ertrugen einige Koͤ⸗
nige dieſe Herrſchaft und ſuchten ſie zu mindern, bis ſie die
weltliche Macht gänzlich an ſich geriſſen hatten”). Seitdem
1) Mon. Lus. I. c.
2) Worte Brandäo'“s in ber Mon. Lus, liv. 15. cap. 18,
222 Erfier Beitraum 1 Bud. 8. Aston.
der Fiſchfang im Douro.’) eintsäglicher, befonbers aber feitben
die Schiffahrtzauf diefem Fluſſe lebhafter wurde, und immer
mehr Fahrzeuge fremder Bölker in Hafen von Porto einkehr⸗
ten, bot dee Beſitz diefer Seeſtadt immer größern Reiz bar,
"und die Wuͤnſche der Könige wuchfen mit den Bortheilen ber
Bifchöfe Um wenigftend einen Theil diefer Bortheile mitzu⸗
genieffen, ließ Affonfo HI. Porto gegemüber die Villa nova de
Gaya (zum Unterfchied von der Villa velha fo genannt) anles
gen?) — eine wahre Schmarogerpflanze der Biſchofsſtadt —
und gab ihr, um fie in Aufnahme zu bringen, im Jahre 1255
einen Foral mit vielen Freiheiten und Vorrechten. In den
Cortes von Leiria feßte es dee König durch, daß der britte
Theil der geladenen Fahrzeuge, die den Douro paffixten, und
die Hälfte der franzöftfchen und andern ausländifchen Schiffe,
die in den Fluß einliefen ‚in Villa nova de Gaya ausladen
muſſten. Er erhob bier einen Theil der Zölle und Auflagen,
die bisher in der Stadt Porto, die dee König in diefen Cor:
tes Villa da Igreia nannte, an den Bifchof entrichtet worben
waren. Späterhin fchmälerte Affonfo IL die Macht und bie
Einkünfte diefes geiftlichen Zürften noch mehr und veranlaffte
dadurch neue Streitigfeiten °).
Bereits drei Sabre vor den Gortes von Leiria, in des
nen vornehmlich oͤrtliche Verhaͤltniſſe und Angelegenheiten ein=
zelner Gemeinden geordnet wurden, hatte der König mit Be⸗
rathung der Ricoshomens und Fidalgos eine Anzahl allgemei-
ner Geſetze erlaffen, die hauptfächlich die Sicherheit des Ei-
genthums und der Perfonen bezwedten. Wenn aud das Ge
1) Die Klagen des Biſchofs uͤber die eigenmaͤchtige Theilnahme des
Koͤnigs an der Fiſcherei im Douro wurden ſogar vor den paͤpſtlichen
Stuhl gebracht. Catalogo e Historia dos Bispos do Porto, Parte I,
pag. 92.
2) Espaüa sagr. T. XXI. p. 105.
: 8) Catalogo dos Bisp. de Porto, P. II. p. 94 und 98. Die vers .
Thiebenen Gefege und Anorbnungen, bie in ben Gortes von Leiria beras
then und befchloffen wurden, finden fi) im Livro de Leis antigas und
in den alten Yorues von Santarem und Beja. ©. den Fioro antigo von
Santarem in der Collecgao de Ineditos etc. T. IV. p. 531 Weſonders
die Costumes von 541 an), deu von Bela T. V. p. 456,
Regierung Affonfo’s HL, 128512779... 22
feß, das hier an der Spike fleht und nach dem Jeder, der in
die Wohnung eines Fidalgo einbringt, um ihm Übel zuzufuͤ⸗
gen, zum Schadenerfaß und zur Zahlung von dreihundert Mas
ravedis an den König verbunden iſt, — wenn auch Diefes Ges
feß die Fidalgos nur für fih und zu ihrer Sicherheit geben
lieffen, fo erzielten doch die übrigen offenbar da8 Gemeinwohl.
Mehrere find gegen den Diebftahl von Kleidungsſtuͤcken, bes
fonderd aber von Vieh, damals dem wichtigften beweglichen
Eigenthum, gerichtet. Die Größe der Strafe, die theild dem
König theils dem Beraubten zufällt, richtet fich nach der Gat⸗
tung des entwenbeten Viehes. Der Arbeiter fol in Friede le⸗
ben, Niemand barf ihn tödten oder ihm Übel zufügen wegen
eines Todtſchlags (homicidium), den fein Here verübt hat,
Mer feinen Feind töbtet, darf ihm nichts von dem, was er
bei ihm findet, rauben. Die Kirche, die in jenem Jahrhun⸗
dert nirgends fehlen durfte, tft auch bier, am Schluſſe der
peinlichen Gefebe, die blos von Laien (wie die Unterfchriften
zeigen) gegeben wurden, nicht vergefien. „Alle Kirchen follen
vom König vertheidigt und befchigt werben, wie fie ehebem
von feinem Vater und Großvater vertheibigt worden find.“
Mufften die Laien nicht, daß die Kirchenhäupter weder mit
dem Vater noch mit dem Großvater fonderlich zufrieden ges
wefen waren? Geiftliche hätten dem König ſchwerlich feine
legten Vorgänger ald Muſter von Schirmudgten der Kirche
aufgeftellt ').
Mitten unter diefen peinlichen Geſetzen findet fich ein po⸗
Yizeiliches, das in ber Folge Gaftilien mit Portugal theilte.
„Der Reifende darf in einem Orte, wo man ihm feine %es
benömittel verkaufen will, zwei „achtbare Männer (boni homi-
nes)” auffobern, dad was er bedarf zu ſchaͤtzen. Für den von
diefen feftgefeßten Preis müfjen ihm die Lebensmittel verabs
folgt werden. Weigern fich jene feine Bebürfniffe zu fchägen,
fo darf er es felbft thun, und fobald er bezahlt hat, fie neh⸗
men.” So unvollfommen diefe Anorbnung war, fo zeigt fie
wenigftend, daß der Verkehr fich zu regen anfing und ber
Geſetzgeber ihn zu fördern beäbfichtigte.
1) Mon, Lusit. T. IV. App. Escrit. 37. Sousa, Provay T. L.
pag. 53,
24 Erſter Zeitraum. J. Bud. 8. Abſchn.
Noch mehr ſprach ſich dies in der Gruͤndung von Jahr⸗
maͤrkten aus, zu deren Abhaltung in einer beſtimmten Zeit der
Koͤnig einzelne Orte berechtigte. So erhielt Covilhäa (Covel⸗
liana) die Erlaubniß, jährlich acht Zage vor dem Feſte ber
heil. Maria im’Auguft und eben fo lange nachher einen Jahr⸗
markt zu halten. Allen die diefen Markt befuchen, um zu
Faufen oder zu verkaufen, wird Sicherheit auf der: Hinz und
Ruͤckreiſe gewährleiftet. Wer den Markt befucht, darf acht
Tage vor Anfang defielben bis nach Ablauf von breiffig
Tagen wegen irgend einer Schuld im Reiche nicht verhaftet
werden, er müffte denn die Schuld auf dem Markte felbft
gemacht. haben. Wer einem Käufer oder Verkäufer Übel zus
fügt, zahlt fechötaufend Solidi Strafe an den König und hat
dem Verletzten doppelten Schabenerfaß zu entrichten ').
Diefe Anordnungen Tonnten ihre mohlthätigen Wirkungen
auf den Handel und Verkehr und dadurch auf den Landbau
und Gewerbfleiß nicht verfehlen. Um fo nachtheiliger aber
muffte eine andere Maßregel des Königs auf diefelben wirken, '
wenn nicht ihre Unauöführbarkfeit, die fich bald fund gab, je
dem fchädlichen Einfluffe ein Ziel gefebt hätte. Es war Dies
eine Verordnung, die den Preis der Lebensmittel, der rohen
wie der Gewerbserzeugniſſe des In⸗ und Auslandes feftftelltte.
Sie wollte demjenigen Stetigkeit gebieten, was eben fo noth⸗
wendig als wohlthätig den Wechſel und die Veraͤnderlichkeit
in feiner Natur trägt; fie gedachte das auf eine gerade Linie
zu bannen, was die menfchliche Thaͤtigkeit und die fchaffende
Natur zu ewigen Abweichungen nöthigen. Unter dem Volke
verbreitete Furcht vor einer Münzverdnderung hatte die natlır
liche Folge gehabt, daß die Preife der Waaren in dem Lande
zwifchen dem Minho und Douro zu einer ungewöhnlichen Höhe
gefliegen waren?). Die Gefahr, im Verkehr übervortheilt zu
1) S. die Stiftungsurfunde dom Aug. 1260 in Ribeiro's Diss.
T, III Append. p. 79.
2)... et ego scio pro certo, quod res venales et vende-
bantur, multo carius, quam solebant vendi et debebant, pro eo quod
timebant, quod ego frangerem monetam, et quia dioebant, quod tem-
pus britandi monetam apropinquabat,
K4
Regierumg Affonfo’s IIL, 1245 —1779. 2235
werben, muflte jeden Fremden vor dem Beſuche der Märkte
zuruͤckſchrecken, oder wenn er fie dennoch befuchte, ihn beftim-
men durch den möglich höchften Preis feiner Waaren den
Berluft, den ihm die fchlechte Münze drohte, zu decken. Um
diefen Übelftand zu heben, erließ der König, nachdem er mit
„den weifeften Ricoshomens feines Hofes, mit feinem Rathe,
den Prälaten und Rittern, mit Kaufleuten, Bürgern und acht:
baren Männern aus den Gemeinden‘ fich berathen hatte, eine
Verordnung, in welcher die Preife aller Gegenflände, die ges
kauft und verkauft: wurden, für das Land zwifchen dem Minho
und Douro feflgefeßt wurden ’), Wer gegen biefe Verordnung
handelte und vor Gericht deffen uͤberfuͤhrt wurde, muffte zur
Strafe dad Doppelte von dem, was er über ben gefeglichen
Preis von dem Käufer genommen hatte, bezahlen. Diefe Strafe
erhoben die koͤniglichen Ortsſchreiber gemeinfchaftlich mit zwei
Gemeindsmännern. Wer einen Defraubanten anzeigte, erhielt
ein Drittheil der Strafe, zwei Drittheile fielen dem Könige zu.
Daß die oben erwähnten Rathgeber bed Königs, die doch
wohl die ftaatswirthfchaftliche Sntelligenz feiner Regierung bil-
beten, die verderblichen Folgen biefer Verordnung nicht vor⸗
ausfahen, daß fie nicht zögerten ein Heilmittel anzuwenden, das
gefährlicher war als die Krankheit felbft, Dies ift weniger zu
wundern, als daß die offenbare Unausführbarkeit diefer Maß⸗
regel die Rathgeber des Königs nicht fogleich beftimmte die .
Maßregel aufzugeben. Berzeihlicher war der Miögriff für den
König. . Das Beiſpiel feines Schwiegervater Alfonſo des
1) Die Verordnung, aus dem Föniglichen Archiv abgebrudt in Ri» |
beiro's Dissert. T. IV. App. pag. 57—72. Das Intereffe, das biefe
Urkunde als ein Beleg für die tiefe Stufe, auf welcher die Staatswirth>
ſchaft damals ftand, darbietet, wirb übrigens weit überwogen durch das
Sntereffe, das fie für die Kenntniß des Landbaues (feiner Erzeugniffe,
ihrer verhältnigmäßigen Menge und Preife), der Viehzucht und Sagt
(der verfchiebenen Thiergattungen, bie in jener Zeit in Portugal gezogen
wurben ober wild lebten), der Gewerbe und Fabriken (der mannichfaltigen
Zeuge und Stoffe, ihrer größern oder geringern Seltenheit), des Handels
und Verkehrs (der Städte und Länder, aus denen bie ausländifchen Waa-
zen bezogen wurben) u. ſ. w. haben. Wären nur nicht fo manche Benennungen
und Ausbrüde, die in dieſer reichhaltigen Urkunde vorkommen, wahre
Hieroglyphen für uns! -
Schäfer Gefchichte Portugals J. 15
2265 Erſter Zeitraum. LBud. 8. Alan
Weiſen, der auf ähnliche Weile in Gaftilien fefte Preiſe für
alle Waaren geſetzt hatte, und der in ſtaatswiſſenſchaftlichen
Dingen damals fuͤr ein Orakel galt, mochte ihn ſo ſehr be⸗
waͤltigen, daß er des eigenen Nachdenkens in dieſem Puncte
ſich uͤberhoben glaubte ').
Auſſerdem ſchien dad Übel von einem andern geboten, das
gewiffermaßen Iandesublich geworben war unb dem König als
unvermeidlich erfcheinen mochte. Bereits die früheren Könige
von Portugal hatten von ihrem Kronrechte „Die Münze zu bre⸗
chen” 2), d. h. fie umzufchmelzen und ihren Werth zu erhöhen,
während ihr Gewicht vermindert wurde, fehon oft Gebrauch
gemacht, und die Vafallen hatten fich nur dann dieſer Maßres
gel wiberfegt, wenn diefe Erhöhung das Maß überfchritt ober
zu häufig vorgenommen wurde. Sie hatten ſogar, um einer
folchen Münzveranderung vorzubeugen, bisweilen eine. Abgabe,
Monetagio genannt, an den König entrichtet. Sancho I. ließ
die Münze feines Vaters umfchmelzen und Maravedis novas
prägen. Affonfo I. und Sancho II. fcheinen daſſelbe gethan
zu haben. Als Affonfo II. die Nothwendigkeit ausfprach, daß
die Münze verändert werden müffe, wie fie feine Vorfahren
bis zu feiner Regierung von Zeit zu Zeit verändert hätten, fo
bat ihn der größere Theil der GeiftlichEeit und des Volles ins
ftändig, daß er bis nach Verlauf der nächften fieben .Iahre *)
die Münze bei ihrem Gewicht laffen möchte, und machte fich
anheifchig, daß Jeder für die Beibehaltung diefes Münzfußes
einen gewiſſen Geldbeitrag fleuern ſolle. Der König bewilligte
dies und gefland damit feine Abficht ein. Der größte Theil
biefer Auflage war fchon bezahlt, als diefelben Geiftlichen und
mehrere Laien, die er Darüber zu Rathe zog, ihn verficherten,
daß dieſe Auflage dem Land und Volk zum größten Verberben
und felbft dem König zu nicht geringem Nachtheil gereiche.
Sie baten ihn Daher, für Die Beibehaltung des Münzfußes *)
1) Mon. Lus. liv. 16. cap. 3.
2) Quebrar a sua mooda ift ber eigenthümfliche Ausdruck, mo-
netam frangere.
3) Usque ad proximum septenium. Dies fheint die herkoͤmmliche
Friſt gewefen zu fein.
.%) Pro. conservatione ipsius monetae.
Regierung Atfonſors IIL, 12451279. 227
in Zukunft nie wieder eine Abgabe von fei nen Unterthanen zu
fodern, auffer jener, die feine Vorfahren bei der Muͤnzveraͤn⸗
derung zu erheben pflegten ). Er verforach ed „ zur Bewah⸗
rung ber Gerechtigkeit und des guten Herfommens im Reich“,
und ſchwor in die Hände des Bifhofs Martin von Evora
und auf die heiligen Evangelien, nie mehr bie Münze des
Reichs zu verkaufen oder verkaufen zu laffen, und auffer: je:
ner berfömmlichen Auflage Feine weitere zu erheben. Zu dem,
was er felbit treulich und fonder Gefährde gelobte, verpflichtete
er auch alle feine Nachfolger ?).
So blieb die Lage der Dinge, bis Affonfo im April 1264
ein neued Gefeß über das Münzwefen erließ. Al er anges
fangen habe, fagt der König hier, die neue Münze zu prä
gen, wie er der Meinung gewefen, daß es nach Recht unb
Herkommen ihm zuftände, hätten die Prälaten, Barone, Or⸗
densleute und das Volk fich befchwert gefühlt und erklaͤrt,
„Daß. er Dies weder dem Rechte noch dem Herkommen nach
thun Sonne und folle”. Sie hätten ihn deshalb erfucht bie
Cortes zu berufen, um durch diefe beftimmen zu laffen, wie
es mit ber Münzangelegenpeit gehalten werben; ſolle. Die Cor⸗
tes .wären in Coimbra verfammelt worden, und nachdem. ex
mit ihnen lange geftritten und verhandelt habe, verorbne und.
gebiete er nun mit ihrer freiwilligen und ‚gemeinfamen Einſtim⸗
mung: daß die alte Münze (vetus moneta) ayf ihren vorigen
Werth zurüchgefeht werben und bei bemfelben immer bleiben,
die neue Münze (nova moneta) aber, die er eben prägen. laffe,
ſtets wie die alte gelten folle, jedoch fo, daß bei allen Kaͤu⸗
fen, Verkaͤufen und bürgerlichen Gefchäften zwölf Denarü der
1) Nisi quod in fractione monetae praedecessores mei recipere
consueverint,
2) &. bie Urkunde in Form eines Töniglichen Schreibens an den
Grofßmeifter des Zempelordens in den brei Reichen, Martinho Nunes, in
Soufa, Provas T. VI. p. 347 als Ergänzung zum erften Bande ber
Provas. Schreiben von gleichem Inhalte erhielten die Großmeifter der
übrigen Ritterorden, der Abt von Alcobaca (Malta Portug. Parte II.
p. 25), und ſelbſt der Papft mit dem Zufage: Quo circa Sanctitati
Vestrae supplico humiliter et devote: Quatenus hoc factum pro liber-
tate et utilitate regni juramento firmatum dignemini confirmare.
15 *
228 Erfier Zeitraum. 7. Bu. 8. Abſchu.
neuen den Werth von fechszehn alten Denarii (sexdecim de-
narii de veteribus denariis) haben follten. Aufferdem, fährt
das Geſetz fort, wer zehn Livras und weniger ald zwanzig an
Werth befist, muß eine halbe Livra alter Münge an den Koͤ⸗
nig zahlen; wer zwanzig und weniger ald hundert hat, gibt
eine Livra; von einhundert bis eintaufend werden zwei Livras
entrichtet; von eintauſend drei; jede größere Summe fleuert
nicht mehr als drei‘). Die Abgabe wird in allen Theilen des
Reichs und von allen Perfonen erhoben, mit Ausnahme des
Erzbifchofs und drei ihm beliebiger Diener feines Haufed, aller
Biſchoͤfe und zwei Diener eines jeden, des Priord ded Johan⸗
niterorbend und der Großmeifter der Templer. und Avißritter
und zwei Diener eines jeden”). Diefe Auflage darf nur ein
Jahr lang erhoben werben. Nach Verlauf von vier Jahren
ift dem König geftattet eine neue Erhöhung der Münze vors
zunehmen, dann aber in feinem Leben nicht mehr. So fol
ed auch mit den Nachfolgern des Königs gehalten werben’).
Affonfo IIL ließ acht Jahre verflieffen, bis er von dem,
wozu ihn die Cortes von Coimbra ermächtigt hatten, Gebrauch
machte. Erſt im Jahre 1270 den erfien April ließ er bie
neue Muͤnzveraͤnderung eintreten, nachdem er fie vorher durch
ein Öffentliches Ansfchreiben *) feinem Volk angefündet hatte.
Obgleich Affonfo bei feinem Regierungsantritt unfreitig
ungewöhnliche Gelbmittel nöthig gehabt hatte, um fih auf
dem Throne zu befefligen, fo fcheint es doch nicht, daß Geld⸗
noth, die in der Regel feine Vorfahren zu ber verderblichen
Maßregel der Münzverfchlechterung verleitete, ihn in ben leg-
ten Zeiten feiner Regierung gedrängt habe; er würde fonft
wohl vier Jahre früher das benugt haben, was ihm angebos
1) Wie übermäcdtig war noch der Abel und Klerus in biefen Gortes !
2) Alfo auch nicht einmal jene drei Livras mochten die Reichften
der Nation zahlen!
8) ©. die Carta de Lei im Auszug in Malta Portug. Parte II.
p. 183. Vergl. damit Elucid. Suppl. p. 49.
4) E fago-vo-lo ante saber por seerdes certos do dia, que
mando acrezentar, e fazer essa moeda. S. das Ausfchreiben in Elu-
cid. T. II. p. 117. Ä Ä
u "Regierung Affonfo’s II, 145 —1279. 229
ten wurde. Wenn er gleichwohl auch jetzt wie vorbem ber
Münzveränberung ald einer Finanzquelle fich bediente, fo fins
det er, andere Gründe zu gefchweigen, in der Beſchraͤnktheit
ber Föniglichen Einkünfte in jener Zeit ſchon Entſchuldigung.
Nur aus den Fleinen Bächen konnte und durfte er fchöpfen,
die Fluͤſſe ſtroͤmten vergeblich für ihn’ vollauf; ja die bevors
vechteten, feuerfreien Großen leiteten jene lieber noch in biefe.
Daß er zu einem fo mislichen und verberblichen Finanzmittel
feine Zuflucht nahm, werben ihm diejenigen am erflen verzeis
hen, die zu einer Zeit, in ber die Staatswirthfchaft zur Wiſ⸗
fenfchaft gediehen ift, noch daſſelbe Mittel wählen, das Afs
fonfo und feine Rathgeber in einem Jahrhundert anmenbeten,
in dem bie Geburt diefer Wiffenfchaft noch nicht geahnet wurde
und die aufgeklärteften Staatsmänner in folchen Dingen im
Finftern tappten. Habfucht aber war ed gewiß nicht, was
ihn zu jenen landesuͤblichen Misgriffen trieb. Davon wuͤrden
ihn fchon Die vielen Schenkungen, die er an die Ritterorden
und Prälaten machte, freifprechenz; ober, wenn hierin Die rech⸗
nende Klugheit vielleicht flr mächtiger wirkend als die Hab:
fucht gelten möchte, die befondere Mildthätigkeit, die der Kos
nig gegen Arme übte und bie ihn einft, wie Brandäo er;
zählt, bei einer gewiflen Veranlaffung feine Hausgeräthe vers
pfänden ließ, um Bebürftige unterflügen zu Fönnen.
Doc) beherrfchte Klugheit Affonfv’s Freigebigkeit. Das wär:
nende, ihn fo nahe berührende Beifpiel feined Bruders, Sancho,
der durch die Verfchenkung fo mancher füniglichen Befißungen,
Einkünfte und Rechte wenig Dank geerntet, wohl aber feine
Macht gefehwächt hatte, mufite um fo tiefer auf ihn wirken,
je mehr er Luft und Kraft in fih fühlte, der Krone ihren
vollen Länderbefiß wieder zu verfchaffen, ihre Rechte und ih⸗
ren Glanz zu mehren. Daß Affonfo Inquiricoes im ganzen
Reiche anorbnete, um die Gerechtfamen der großen Grundbe⸗
figer prüfen zu laffen, mag hier nur berührt werben, damit
feine ber wichtigeren Regierungshandlungen bed Königs uners
wähnt bleibe; die weitere Erörterung diefer umfaflenden und
tief eingreifenden Maßregel muß einem andern Orte überlaffen
werden. König Sancho II. hatte fich vorzüglich bei der Er⸗
oberung von Algarve fehr freigebig bewiefer, indem er, wie
230 Erſter Zeitraum. I. Bud. 8, Abſchn.
wie oben gefehen, mehrere eben erworbene Ortfchaften dem
Drden von Santiago und namentlich ihrem verdienftvollen
Sroßmeifter Payo Correa, der damald noch Komthur von Als
cacer war, gefchenft hatte. Affonfo DIE, der diefen Ritter
ebenfalls hochfchäßte, hatte nicht allein ihm einige neue Orte
-überlaffen (1255) ), fondern auch den Rittern die Schenkungs⸗
urfunden von Sancho II. beftätigt (1265). Allein der König,
ber nach den Zeitumftänden Zweck und Mittel veränderte und
von dieſen nichts verlangte, ald daß fie zu jenem führten,
„fand neue Zweifel in dem was er fehon. bewilligt hatte‘ ?),
als er fi) im ruhigen Befis von Algarve fah und unums>
fehränkter Herr dieſes Landes geworden war. Es entfpann
fich zwifchen der Krone und dem Orden ein Streit, den end⸗
fih von beiden Seiten ernannte Schiedsrichter durch einen
Bergleich beilegten ’). Diefem zufolge blieb dem König die
Herrfchaft über Caſtro Marim, Cacela und Zavira*); daB
Datronat über mehrere Kirchen dieſer Orte fand dagegen dem
Orden zu, dem zugleich der Beſitz des Fleckens Aveiras und
verfchiedener Ländereien zugefihert wurde. Schiffsladungen,
die nach Mertola die Guadiana hinaufführen, follten die Ab-
‚gaben an den König entrichten. Affonfo’s Mishelligfeiten mit
dem Nitterorden von Avis waren bereitö etwas früher befeitigt
worden. Auch mit den Tempelrittern gerieth der König in
Grenzſtreitigkeiten (1272) 5 fie wurden ebenfalls durch Schieds⸗
richter ausgeglichen (1274).
Nicht fo bald und fo leicht wurde ein Kampf mit einem
andern mächtigen Stande des Reichs, mit der Geiftlichkeit,
beigelegt; das Feuer brannte vielmehr Jahre lang fort, bie
der König endlich auf dem Sterbebette durch die Erklärung
der unbedingteften Ergebung es auslöfchte.
1) Mon. Lus. liv. 15. cap. 19,
2) Brandäo in Mon. Las. liv. 15. cap. 38.
8) Den Vergleich ſ. ebendaf.
4) Am 7. Ian. 1272 verzichtete der Großmeifter feierlich auf dieſe
Ortſchaften.
Regierung Affonfo’s IIL, 1245 — 1279, 231
3) Affonſo's Streitigkeiten mit. der höheren
| Geiſtlichkeit.
Die Erwartungen der Praͤlaten vom Koͤnig werden nicht erfuͤllt.
Sie beſchweren ſich uͤber Eingriffe in ihr Eigenthum und
ihre Vorrechte. Sieben Biſchoͤfe reifen nah Rom, um
Klage Liber Affonfo zu erheben. Gregor X. erläfft eine Er:
mahnungsbulle an ben König. Diefer weicht aus, verfam:
melt die Corte und verſpricht Abhülfe; aber der Papft er
wartet vergeblich des Königs Beſſerung. Merkwürdige Bulle
vom 4. Sept. 1275. Gregor X. ſtirbt und der fchnelle
Mechfel der folgenden Päpfte rettet den zaudernden König.
Johann XXI, ein Portugiefe, ſchickt einen Legaten nad
Portugal, den .Affonfo mit Audienzen hinhält. Der Bruder
Nicolaus Heft endlich in feierlicher Verfammlung die päpft-
liche Bannbulle, 1277. In demfelden Jahre ſtirbt Jo⸗
hann XXL Der König verfpricht auf dem Krankenbette
Altes, was ihm der Papft geboten, unbedingt zu erfüllen,
wird vom Banne freigefprochen und ſtirbt den 16. Febr. 1279.
Die BVerfprechungen welche Affonfo den portugiefifchen
Mrälaten gegeben hatte,. waren in der That ungemeflen. So
leicht e8 dem Grafen von Boulogne geweſen fein mochte dieſe
Verfprechungen zu geben, fo ſchwer muffte es dem Koͤnige wer⸗
den fie in ihrem ganzen Umfange und mit aller Strenge zu
halten. Doch derfelbe Grund der ihm das Angeloben erleich-
tert hatte, erleichterte ihm auch die Laft der übernommenen
Verbindlichkeit und Pflicht. Wie wir Affonfo Tennen gelernt
haben, vermochte ein abgelegter Eidſchwur ihn in ber Verfol-
gung feines Zield weder irre zu machen noch aufzuhalten. Es
konnte ihm nur wenig Überwindung gekoſtet haben durch bie
Geiftlichkeit den Thron zu befteigen, aber um der Geiftlichkeit
willen darauf zu fiten und feinen Herrſcherſinn fchlummern
zu laffen, oder gar feiner NRegentengewalt zu Gunften ber
Kirche fich zu begeben, hätte einem Affonfo II. die peinlichfte
Überwindung gekoſtet. Was er that und gethan hatte für bes
Meiches Erweiterung, für die Winde des Staates und das
Wohl feines Volles lag offen vor Aller Augen. Er war feis -
232° Erſter Zeitraum. J. Buch. 8. Abſchn. ”
ner Kräfte inne geworden, fein Selbſtgefuͤhl widerſtrebte mehr
und mehr jeder Befchränkung. Das Volk verfannte nicht in
den Hortfchritten feiner bürgerlichen Wohlfahrt des Königs
Fräftiges und wohlthätiges Walten. Die Geiftlichkeit freilich
mochte ganz andere Dinge von ihm erwarten, Wunderdinge
in der Kirche wie im Staat, und als der König, in dem fie
ihe Gefchöpf fah, dem gegebenen Wort und ber erregten Hoff:
nung nicht entfprach, ward ihr Unwille über ihn um fo heftis
ger, ihre Erbitterung um fo gewaltiger.
Die erften Jahre des Königs verflrichen in Feldzuͤgen und
Regierungdgefchäften, unter Streitigkeiten und Verhandlungen
mit dem König von Caſtilien. Es war Elar, der König mufite
ſich auf dem Throne zu befefligen fuchen, er muffte darauf
1268
feine ganze Shätigkeit verwenden. Die Prälaten mochten darum
eine Zeit lang Nachficht mit dem König haben. Aber gerade
bie Befefligung Des Königs auf dem Throne machte ihn dann
auch weniger geneigt ber Geiftlichfeit in Allem nah Willen
zu leben, Indem er die Eönigliche Macht und die Rechte der
Krone zu wahren und weiter auszubehnen bemüht war, mochte
fih Affonfo Manches erlauben, was gegen die Intereffen ober
auch nur gegen die Erwartungen der Geiftlichen verſtieß. Sie
fingen an über Eingriffe in ihre Vorrechte und ihr Eigen»
thum zu Hagen. Sie machten dem König deshalb Vorftelluns
gen, baten, ermahnten, bedrohten ihn; vergeblich. Endlich
Schritten fie zu Kirchenftrafen. Die Befchwerden der Prälaten
wurden nach Rom gebracht. Clemens IV. fendete darauf fei-
nen Gapellan Falquini zur Unterfuchung nach Portugal, und
ein päpftliched Ermahnungsfchreiben follte die Sinnesänderung
des Königs bewirken; aber es verfehlte feinen Zweck wegen
bes bald darauf erfolgten Todes des heiligen Vaters. Die
Page der Dinge in Portugal wurde dadurch nur mißlicher.
Da fallen die Bifchöfe des Reichs einen „unerhörten Ents
ſchluß“ (wie Brandäo ſich ausdruͤckt). Ihrer fieben machen
fih auf den Weg nah Rom. Zum Erflaunen des Papftes
und der römifchen Gurie bringen fie hier ihre Klagen vor. Die
Entfcheidung jedoch verzieht fich, und ed fterben unterdeffen in
Rom der Erzbifchof von Braga und die Bifchöfe von Coim⸗
bra und Guarda. Auf Betreiben der übrigen Prälaten ers
Megierung Affonfo’s IIL, 1245—1279. 233 |
laͤſſt GregorX. an den König eine Ermahnungsbulle (28. Mai
1272) '), beauftragt an demfelben Tage zwei höhere Geiftliche
in Portugal, den Prior der Dominicaner und den Guardian
der Francifcaner in Liffabon, dem König die Bulle bekannt zu
machen und feine Antwort abzufodern. Die Befchwerden,
die über den König erhoben und ihm hier vorgelegt wurden,
befchränfen fich auf zwei Puncte, auf feine Befigergreifung
und Vorenthaltung von Kirchengütern und auf den Zwang, -
den er Geiftlichen auflege, in geiftlihen Rechtshaͤndeln und
in folchen Angelegenheiten, die vor den geiftlichen Gerichts⸗
ftuhl gehörten, vor dem koniglichen Sobrejuiz zu erfcheinen ?).
Als die Bevollmächtigten des Papftes die apoftolifchen Be⸗
fehle vollſtrecken wollten, verweigerte ihnen der König die Aus
dienz, indem er bald Unpäftlichkeit, bald Gefchäfte vorfchüste ).
Ihre Abficht konnte Affonfo dadurch nicht vereitein; er wollte
nur, wie es fcheint, ben Zon, in welchem fie fi) und und ih⸗
ren Auftrag anfündigten, herabflimmen. Sie wurden endlich
vorgelaffen und vollzogen die päpftliche Weifung. Der König
berief darauf, durch ein Ausfchreiben vom 18. Decbr. 1273,
die Corted nad) Santarem, verfprach in ihrer Verfammlung
ben Beſchwerden abzuhelfen, und gab allen Prälaten, Großen
und feinen Räthen „vollkommene Macht, alles Unrecht, das
von ihm oder von den Seinen begangen worden, wieder gut
zu machen ober machen zu laſſen *). Doch auch biefe Vers
1) Sie findet fi Handfchriftlich im erzbifchäftichen Archiv in Braga.
Den Anfang berfelben f. in der Mon. Lus. Parte IV. liv. 15. cap. 89..
2) Superjudex in Clericose t personas ecclesiasticas dicti Regnf
indebitam sibi jurisdictionem usurpans in causis ad Ecclesiarum forum
spectantibus cognoscere, aut de rebus ecclesiasticis judicare prae-
sumit.
3) Der PYapft ſagt ſelbſt in ber zweiten Bulle: Tanquam male sibi
conscius per diversas excusationes nunc infirmitatem nunc alia im-
pedimenta praetendendo etc,
4) E dei-Ihes oompridamente poder, que elles corregäo, e fa-
cäo correger todalas cousas, que acharem, e virem que foräo feitas
per mim, e pelos meus de meu Reino sem razäo, que se devem a
correger etc. heifft e8 in dem Töniglichen Schreiben vom 18. Dec. 1278
bei Brandäol. c.
234 Erſter Zeitraum. - 1. Bud, 8. Abſchn.
ſprechungen und Anordnungen blieben ohne Erfolg ). Das
Jahr 1274 verfloß und ein Theil bes folgenden; ber Papft
erwartete vergeblich des Königs Befferung.
Endlich glaubte er mit Strenge durchgreifen zu muͤſſen
und er erließ eine höchft merkwürdige Bulle (4. Sept. 1275).
Nachdem er in ihr alle Streitigkeiten durchgegangen , welche
bie Päpfte mit den Königen von Portugal feit den Zeiten
Sancho's J. geführt, Alles was die Päpfte gethan haben, um
dem Übel zu fleuern, Alles was fie namentlich Affonfo dem IH.
anempfohlen, er auch vor feiner Thronbefteigung verfprochen aber
nicht gehalten habe, verlangt der Papft, daß der König Die:
fen nachfomme und alle feine Thronfolger verbunden fein fol-
Yen, innerhalb Jahresfriſt nach ihrem Regierungsantritt daſſelbe
zu verſprechen, eine offene, mit Siegeln verſehene Urkunde
daruͤber auszuſtellen und den Biſchoͤfen des Reichs einzuhaͤndi⸗
gen. Ähnliches haͤtten alle koͤnigliche Beamten und Richter
vor ihrem Amtsantritt zu beſchwoͤren. Zur Erfuͤllung ſeiner
Verbindlichkeiten wurde dem Koͤnig eine Friſt von drei Mo⸗
naten anberaumt, und falls er in dieſer Zeit ſtuͤrbe, feinem
Nachfolger ein Jahr. Leiſtet der Koͤnig in dieſen drei Mona⸗
ten nicht Gehorſam, ſo treffen ihn in gewiſſen Zeitabſchnitten
immer gefchaͤrftere Strafen; zuerſt der oͤrtliche Bann, wenn
Affonſo nach Verlauf der drei Monate noch einen Monat ſich un:
gehorfam bemeift, nach einem weitern Monat der Wiberfpenftig-
keit ipso facto die Ercommunication, einen Monat fpäter wird die
Halsftarrigkeit mit dem allgemeinen Interbict des ganzen Reichs
beftraft: Verharrt endlich nach allem dieſem der König noch
brei Monate in feinem Starrſinn, fo fpricht der Papft feine
Unterthanen von dem Gehorfam los, entbindet fie des geleiftes
ten Eided und nimmt von ihm die Eönigliche Krone; Affonfo
kann fortan nicht mehr Patron der Kirche fein. Diefelbe
Strafe fol über ihn kommen, wenn er, nachdem er Beſſe⸗
rung verfprochen und den apoftolifchen Befehlen zu gehorchen
verheiffen hat, ihnen zumiderhandelt oder in ihrer Vollzie⸗
| '
1)... parum tamen de iis quae tantum verbaliter praetendebat,
realiter adimplevit, eo magis suae inobedientiae vitium detegens, quo
amplius illud obtegere satagebat, fagt bie päpftl. Bulle.
Regierung Affonfo’s IL, 1245 — 1279. 235
bung fich Sahrläffigkeit zu Schulden kommen laͤſſt. Die Ab⸗
ſolution von dem Allen behaͤlt ſich der paͤpſtliche Stuhl
ſelbſt vor. Auf die ſchuldigen Rathgeber des Koͤnigs faͤllt
die Strafe des groͤßern Bannes; ſind ſie geiſtliche, fo verlies
ren fie ihre Beneficien ).
So hart wollte der Himmel nicht geftraft wiſſen. Gre⸗
gor X. flarb am 10. Januar 1276. Imnocenz V., der am
21. defjelben Monats gewählt wurde, trug nur fünf Monate
die Ziare, Hadrian V. ſank vom päpftlichen Stuhl, den er
den 12. Juli beftiegen hatte, fchon den 18. Auguft ind Grab.
Diefer fchnelle Wechfel verzögerte die Vollziehung der Bulle.
Der König hatte von Tag zu Tag die Audienz verſchoben,
welche die paͤpſtlichen Legaten verlangten, um ihm bie Bulle
Gregors X bekannt zu machen, und Gregor war darüber ge⸗
florben. Auf ähnliche Weife hatte er die folgenden Päpfte bis
zu ihrem Tode hingehalten.
Endlich wurde Johann XXI., ein Portugiefe von Geburt,
gewählt (13. Sept). Eine Iebhaftere Theilnahme an den |
Firchlichen Angelegenheiten feined Vaterlandes mochte ihn bes
flimmen, gleich im Anfange des folgenden Jahres einen Legas
ten, den Franciſcaner Nicolaus, einen gebornen Spanier, nach
Portugal zu ſchicken. Der König nahm. wieder die Rolle des
Zauderers anz hoffte er alle Päpfte zu uͤberleben? In der er
ſten Audienz (Anfang Februar 1277) gefhah Nicht3 als daß
der König den Legaten um Abfchriften von allen Urkunden er-
fuchte. Die zweite (18. März) im Beifein der Großen des
Reichs hatte nicht mehr Erfolg. In einer dritten (28. März)
erklärte der König, „Daß er entfchloffen fei dem Papft Genüge
zu leiften, aber vorher ihm Gefandte zu ſchicken Willens ſei“.
Doc der Legat wollte nicht gelten laffen, daß die Berufung
an den Papft die Wirkung habe, die Kirchenftrafen aufzufchie-
ben, während der König behauptete, Alles fei aufgefchoben und
ausgefest fo lange er durch feine Gefandte dem Papft Vorftels
lungen machen laſſe. Als ber König in ber legten Zufammen-
£unft endlich im Born berausfuhr: „Gil Rebolo (Decan des
Bisthums Liffabon , ein Anverwandter des Papftes) hat mir
1) Raynald. ad an. 1275. n. 21— 27.
2% | Erſter Zeitraum. J. Buch. 8. Abſchn.
von Rom geſchrieben, der Papſt habe erklaͤrt, daß er jene
. teuflifche Verfuͤgung aufheben werde”; da foderte der Legat,
als der König bei feinem Vorſatze beharrte, die Anweſenden zu
Zeugen auf, las die Bulle feierlich vor und reifte Darauf ab").
Den 16. Mai beffelben Jahres (1277) flarb Papft Jo—
bann XXL, und dieſer Tod Fam dem König nochmals zu
flatten.
Am Anfange des Jahres 1279 erkrankte aber Affonfo
ſelbſt. Als er fein berannahendes Ende fühlte, ließ er einige
Geiftliche und Fidalgos des Hofes vor fein Krantenbeit rufen
und verfprach in ihrer Anwefenheit, daß er Alles, was ibm
vom Papft geboten worben, nun [hlehthin und unbes
dingt erfüllen ”) und was in feiner Macht fiehe, fogleich
vollziehen wolle; das Übrige werde fein Sohn vollſtrecken, der
es auch alöbalb verſprach. Auf diefes Verſprechen fprach den
König fein Beichtvater Efleväo , vordem Abt von Alcobaca,
von dem Banne los (17. Jan.). Nicht lange darauf flarb
Affonſo (16. Febr. 1279”). Seine Leiche wurde von Liſſa⸗
bon nach Alcobaca gebracht und nach feinem Willen neben
feinem Vater und feiner Mutter beigefekt.
1) Saetano do Amaral nady einer Urkunde im erzbifchöflichns
Archiv in Braga. Mem. da Acad. Real, T. VI. p. 9%.
2) Alfonsus Rex Portugalliae et Algarbii in mortis articulo con-
stitutus dixit, quod jam dudum intentionis suae fuerat jurare et stare
mandatis ecclesiae Romanae, sub conditione videlicet salvo jure regni
sui et filiorum et vasallorum suorum; modo vero volebat jurare sim-
pliciter et sine aliqua conditione. Aus einer noch vorhande⸗
nen Urkunde im Archin bes KGrgbistgung Eiffabon abgebeudt in ber Mon-
arch. Lus, Part. IV. liv. 15. cap. 47
3) Rad) dem Lirze den chites de 8. Cruz
Gemeindeweſen, in ben erſten Jahrhunderten. 237°
—
Neunter Abſchnitt.
Das Gemeindeweſen in den erſten Jahrhunderten
des Staates. |
Vorbemerkung.
Hervorſtechenden Grundfaͤden in einem Gewebe gleich ziehen
ſich durch die Geſchichte der erſten Jahrhunderte Portugals bie
Kaͤmpfe der hoͤheren Geiſtlichkeit mit dem Koͤnig und die Ent⸗
ſtehung und Ausbildung der Gemeinden. Ohne in naͤherer
Beziehung zu einander zu ſtehen, treten beide Gegenſtaͤnde ſo
ſtark hervor und find jenem Zeitraum fo eigenthümlich, daß
man denfelben den Zeitraum der Gemeindeentwides
lung und des kirchlichen Kampfes nennen Eönnte, nur
daß jene gleich nach der Entflehung des Staates anfängt und _
mit der Regierung des Königs Diniz allmälig aufhört, dieſer
dagegen erft nach Affonfo Henriqued (nach der Triegerifchen
Periode) beginnt, und fich bi8 in das erfle Drittel des funfs
zehnten Jahrhunderts fortzieht. Deffen ungeachtet weift ihnen
ihre befondere Natur und ihre Beziehung auf die politifche
Gefchichte eine verfchiedene Stelle an. Der Kampf ber Präs
laten mit dem König wird veranlafit durch bie fruͤh entz
widelte Macht oder Übermacht des Klerus, beren Urfachen
man wiflen muß; er wird geführt um kirchenſtaatsrecht⸗
Viche Puncte, die zu kennen unerläfflich tft, um diefen Kampf
zu begreifen. Die wiederholten Ausbruͤche beffelben find nur
AÄufferungen und Stadien des Übels, die den denfenden Zus
fhauer um fo begieriger machen, den Urfprung und lebten
Grund diefer Krämpfe in dem Staatskoͤrper zu erfahren. Das
her war ed erfoberlich, dem Verlaufe der Krankheit die An:
lage und Urfachen derſelben vorauszufchiden.
Anderd verhält es fich mit dem Gemeindewefen. Der
Gegenftand ift an fich verfländlich und jedem König wird fein
Verdienſt, wenn die Gefchichte berichtet, wie viele und welche
23 Erſter Zeitraum. IL Bud. Abſcha.
Gemeinden er gegrüntei ober durch Ortsgeſetze befeſtigt unb
geregelt habe. Gleichwohl würde tie Geichichte ihren Ben,
den fie im Lichte ter neuen Zeit hat kennen gelernt, vernach⸗
Iäifigen, wollte fie eö bei jenen Anteutungen bavenben I:fien.
Aus tem Gemeinteweien tiltete ſich meifi das Noifsleben mit
feinen verſchiedenen Richtungen und Einrichtungen, mir jeinem
Seifte und feiner Eigenthümlichkeit. Die Gemeinden bildeten
die vermittelnden Glieder zwifchen den Individuen und tem
Staat. Auf ten Gemeinden berubte das Staatsleben, fie
waren tie Zräger befielben in den erflen Sahrhunterten ter
Monarchie; denn der Staat war Damals weit mehr eine Menge
für fi) lebender Gemeinden, die nur in ber Anerkennung bes
Königs oder eines Gerichtöherrn ihre Gemeinfchaft empfanden,
als eine Gejanmtheit, die dem Geſetz und tem Willen eines
Einzigen unterthan war. Ein tieferes Eingehen in das Ges
meinbewefen, in feine Entſtehung und Fortbildung, fin Be
fen, feine inneren und duffern Bedingungen und Beziehungen
iſt daher nicht etwa bloß wichtig, es iſt unabweislich. Aber
Dieles Eingehen kann erfi hier feine Exelle finden, wo wir ten
Zeitraum, in ten ber Uriprung und die Entwidelung des Ge
meindeweſens fallt, zu überichauen im Etante find, und es
Darf nicht langer verjchoben werden, damit nicht durch das
Eindringen anderer fremder Elemente das Bild veruntreut,
das Auffajien deſſelben in feiner Reinheit erſchwert werde.
1) Die e zerſtreute Bevölkerung verbindet ſich zu
Gemeinden.
Das Land veroͤdet duch die Kriege mit den Mauren. Erite
Epur:n der Urbarmachung und des Wiederanbanes. Zer:
fireut liegende Grundſtuͤcke, Getreideſcheppen und Einzel⸗
wohnungen. Herdades, Aldens, Celleitos u. ſ. w. Die
Coireleiros und der Pobrador des Koͤnigs. Entſtehung von
Weilern und Dörfern an Fluͤſſen, fruchtbaren Stellen, an
den Mauern dir Kloͤſter und Städte. Die Burgos. Die
ummauerten Sleden und Städte. Die Landgemeinden wie
die Stadtgemeinden fühlen das Beduͤrfniß gejchriebener Geſetze
und feſter bürgerlicher Einrichtungen.
Gemeindeweſen, in ben erften Jahrhunderten. 239
Das urfprüngliche Portugal war. ein erobetted Land und
vergrößerte fich, bis es feine jegigen Grenzen erhielt, nur Durch
Krieg und Eroberungen. Diefer Umftand hat auf feinen Ent»
widelungögang ſichtbar eingewirkt und. eigenthümliche Erfcheis
nungen in ber Bevoͤlkerungsweiſe, in dem Volksleben, wie in
den Staatdeinrichtungen der. erften Jahrhunderte hervorgerufen.
Befonders einflußreich hat er fi auf ven erften Anbau des
Landes, auf die Entflehung, Stelung und PVerfaffung ber
Gemeinden bewiefen. Die. langwierigen und blutigen Kämpfe
mit den Saracenen hatten aller Orten die traurigften Spuren
binterlaffen. Biele Städte lagen in Truͤmmern, faſt ale Doͤr⸗
fer in Afche, unzählige Arbeiter und Landbauer hatte das feind⸗
liche Schwert oder Mangel und Elend hingerafft.. Die Felder
waren verwüftet und veröbetz denn der gewöhnliche Zweck ber
feindlichen Einfälle der Mauren wie der Chriſten war Fein ans
derer, ald: die Saaten abzufchneiden und die Fluren zu ver:
heeren. : Daher trat in vielen Gegenden von: Portugal nach
ihrer Eroberung der Fall ein, daß Land und Leute gewiſſer⸗
maßen in den Urzufland zurüdgeworfen waren. und dieſe mit
dem Urbarmachen und dem Anbau des Bodens von vorn ans
fangen mufiten, . Wir wähnen und in Die Zeiten nach ber
Schöpfung verfeßt, wenn wir, bie portugiefifchen Urkunden
aus den erften Jahrhunderten des Reichs von dem jungfräus
lichen Boden fprechen hören). Wir halten manche Rechtöbes
ſtimmungen heutiger Naturrechtölehrer nicht mehr für imagindr,
wenn wir von dem Recht des „tobten Feuerd'‘ (Fogo .morto)
lefen, das den portugiefifchen Colonen, der den rohen oder
längft verwilderten Boden umgerodet, das Darauf wuchernde
Geſtraͤuch und Unkraut abgefchnitten: und verbrannt hatte, in
1) Die Urkunden gebrauchen für das Urbarmadjen und ben Anbau
des jungfraͤulichen Bodens den bezeichnenden Ausdruck eyviguar,
deviginare (entjungfern).. . . mais .chantedes, e eyviguedes,
e facades hi quanto bem puderdes — E se arromperdes em monte
virgem des ende a quarta parte do pam e do vinho. Doc. de
Arnoia. In einer andern Urkunde heifft ed: Frater meus, qui in illa
habitat, de plantatura, quam ibi plantaverit, de terra etiam, quam
deviginaverit, Vam partem redat ipsis Canonicis. Doc. de Grij6
in Elucid,. T. I. p. 87% und Supplemento pag. 40.
240 Erſter Zeitraum. 1 Bud. 9, Abſchu.
ber Beſitzergreifung (ocempatio), bie er durch jene Bes
zeichnung (specificatio) erflärte, fehlikte und Jedem verbot
ihn von einem Befisthum zu vertreiben, dad Durch feinen Fleiß
angebaut und einträglich gemacht. worden war ). Der fo vers
wilderte Boden war in der Regel nicht befier ald der ganz
rohe, noch nie von Menfchenhänden bearbeitete, und bem ver⸗
einzelten Zandbauer, der jeden fremden Beiſtand entbehrend
bloß auf feine perfönliche Kraft beſchraͤnkt war, frommten
auch wenig manche landwirthſchaftliche Kenntniſſe und Erfah:
rungen, die aus früherer Beit ihm geblieben waren ober uͤber⸗
liefert worden, weil ihm in feiner kuͤmmerlichen Beſchraͤnkung
die Mittel fie anzuwenden und zu benutzen fehlten. Mit. ber
Nothdurft -ringend und nur darauf bedacht Dem Boden die
erften und umentbehrlichften Lebensbebürfnifie für ſich und feine
Familie abzugewinnen, muffte er lange Zeit in biefem engen
Kreife fich bewegen. Wir finden daher den Aderbau, nachdem
er nicht lange zuvor in jenen Gegenden unter ben Arabern fo
herrlich geblüht hatte, hier wieder in der Kindheit und bie
Bevölkerung auffer wenigen Städten und Flecken vereinzelt
und zerflreut. oo.
Diefe Vereinzelung und Zerftreuung ber Kräfte ließ ben
Landbau lange nicht gedeihen; fein geringer Fortgang und Er⸗
folg hemmten das Wachsthum der Bevoͤlkerung und damit die
Zortbildung der gefellfchaftlichen Ordnung. In einigen Provinzen
Portugals waren die einzigen Anzeigen menfchlichen Dafeins und
menschlicher Wirkfamkeit jene kleinen Ländereien, bie zwar jebess
mal ein Ganzes für fich bildeten, aber felten zufammenhingen,;
meift abgefonbert und zerflreut in einem größern oder Heinern
Umkreis umberlagen, mit einem Haufe, das zundchft zur Aufbes
wahrung der Früchte und zum Obdach für das Vieh beftimmt
war und gemeiniglich zugleich eine ärmliche Wohnung für den
Landbauer und deffen Familie umſchloß. Ein ſolches Gut
nennen die Urkunden jener Zeit bald Herdade (wofuͤr auch
Herbamento), bald Caſal, Coirela, Quinta, Predio ruflico,
Villa, Granja, Celeito, Propriebade, Alden, Alquaris, und
. 88 bietet fich auch hier Die oft bemerkte Erfcheinung dar, daß
1) Elucidario, verbo Fogo morte,
v
Gemeindewefen, in den erften Jahrhunderten. 241
ein Begriff oder ein Gegenfland, ber bei einem Volke fehr ges
wöhnlich und ihm vor Allem werth und wichtig ift, mit einer
Menge finnvermandter Ausbrüde bezeichnet wird.
Aldea oder Aldeola, heutigen Tages ein Eleines Dorf,
bezeichnete in den erften Jahrhunderten nichts weiter ald ein
einzelnes Haus mit einigen Ländereien, und noch im Jahre 1450
wird ein folches Alden genannt’). Daffelbe hieß Villa bis
zum Ende ded zwölften Jahrhunderts. Erſt feit den Zeiten
des Königs Affonfo MI. fing man an, einem größern Ort mit
einem Gemeinderath und einem Richter, der in erfler Inftanz
entfchied, diefen Namen zu geben. Herdade, was jebt ein
großes, für fich abgeſchloſſenes Gut bedeutet, bezeichnete vom
neunten bis funfzehnten Jahrhundert einen Fruchtfpeicher oder ein
Landhaus mit einigen Ländereien, die nicht nothwendig in eis
nem zufammenhängenden-Ganzen, fondern Öfter aus zerſtreut
liegenden Grundſtuͤcken beftanden. Es kann daher nicht be
fremden, wenn ein folches Gut zu verfchiedenen Zeiten feinen
Namen wechfelt, ohne feine Natur oder auch nur feinen Um⸗
fang zu verändern. Die Herdade wird bald Granja, bald
Gellartum genannt”). .
Obgleich alle diefe Benennungen im Allgemeinen als
gleichbedeutend in früherer Zeit gebraucht wurden, fo deutet doch
jede einzelne auf einen eigenthümlichen Urfprung oder Cha⸗
rakter. So wurden z. B. Herdades urfprünglich nur folche
Grundbefigungen genannt, die durch Erbfchaft und Nachfolge
vom Water auf den Sohn oder durch legtwillige Verfügung
erworben worden waren. Die Benennung Granja ober
Grancha fol, befonders ſeitdem bie Giftercienfermönche' nach
Portugal gekommen waren und folche Laͤndereien felbft bebau⸗
ten oder durch ihre Dienftleute bebauen lieſſen, gewöhnlich
geworben fein, wiewohl fie fehon vorher in Portugal nicht uns
befannt war.
Nach diefen Bauernhöfen theilten die erften portugiefifchen
Könige größere Landflriche ein, wobei man gewöhnlich das
Wort Coirella oder Quairella für eine Meierei gebrauchte,
1) Elucidario, verbo Aldea.
2) ©. die urkundlichen Belege hierzu in Klucidario, 1. c.
Schäfer Gefhichte Portugals I. 16
242 Erſter Zeitraum. Bud. 9. Ara
die hinreichende Ländereien zum Unterhalt eined Lanbbauers
mit feiner Familie und den \unentbehrlichfien Dienfiboten ums
faffte. Auf diefe Weiſe theilte der erfle Aftonfo, ald er bie
Fruchtſchoppen und Grundflüde von Panoyas verpachtete, Die
felben in acht Goirellas ein, von denen jede drei Quateiros
Fruͤchte, jeden von verfchiedener Getreibeart, als Zins (Fore)
liefern muſſte. König Sancho I. ließ in dem Foral, bad er
im Sahre 1188 Folgofa gab, Die ganze Gemarkung in zehn
Duairellas eintheilen. Um die eroberten wüflen und ums
bebauten Landflriche in Coirellas oder Caſaes einzutheilen
und unter die Anbauer zu vertheilen, damit fie von neuem
befielt und bewohnt winden, ermannte unb beauftragte
man unbefcholtene und zuverläffige Männer, die Eoireleiros
oder Quaireleiros, die aus den „achtbaren Männern” der Ge
meinde genommen wırden '). Won ihnen verfchieden war ber
Pobrador d' EI Rei, ein Eöniglicher Beamter ,. der bie
Beſtimmung hatte, über die Unterhaltung und Auöbefferung
der feſten Pläge, wie über alles, was die Bevoͤlkerung be
traf, befonders in ber Provinz Traz dos Montes, die vom
Anfang des Reiches an ſchlecht angebaut und bevoͤlkert war,
zu wachen. Obgleich fein Berufskreis auch über. das platte
Land fich erfiredte, fo fcheint doch die Sorge für Die ums
mauerten Drte und ihre Bevölkerung fein Hauptberuf geweſen
zu fein. Daher tritt er, wiewol feiner fchon unter Sancho I.
gedacht wird, vorzüglich unter den Affonfo IV. zunaͤchſt vor⸗
ausgehenden Rönigen in feiner ganzen Ihätigkeit und Wich⸗
tigkeit hervor.
In diefen Zeiten, namentlich unter und durch Affonſo ILI.
vervielfaͤltigten und vergroͤßerten ſich naͤmlich die Ortſchaften
in Portugal zuſehends. Zur Bearbeitung des Feldes wie zur
Sicherung des Eigenthums bedurfte man mehr und mehr des hel⸗
fenden und ſchuͤtzenden Armes Anderer, und ſo ruͤckten die Woh⸗
nungen der Landbauer einander naͤher. Ein Fluͤßchen, das die
Umgegend erfriſchte, die Heerden traͤnkte und die Bebürfniffe
des gemeinen Lebens bequem befriedigte, lockte mehrere An⸗
1) Santa Rosa de Viterbo nach Urkunden in Garda. Ela-
did. T. I. pag. 290.
Gemeindeweſen, in den erſten Jahrhunderten 243
bauer herbei, ihre Wohnungen reihten fidh laͤngs bem Ufer
bin und aus dem Nebeneinanderleben ward allmdlig ein ges
meinfchaftliches, ein gemeinheitliches. So bildeten — um nur
ein Beifpiel anzuführen — urfprünglich zehn Häufer am rech-
ten Ufer des Douro die Gemeinde Barqueiros, welcher Sans
cho U. einen oral gab (i. 3. 1223). Nicht die Landkarte al
lein, die in ben Urkunden jener Zeit fo. häufige Anführung _
von Bächen und Zlüffen ald Grenzen der Ländereien deutet
unleugbar auf dieſe Anziehungskraft des Waſſers. Hier und
da hatte die Natur den Boden mit größerer Fruchtbarkeit ge
fchwängert, dem menfchlichen Zleiffe winkte eine reichlichere
Ernte, und ohne Neid fah der Kandbauer in feiner Nähe den
Fremben fich anfiedeln. Die nahrhafte. mütterliche Erde konnte
noch Mehrere fpeifen; fie blieben nicht aus, und der Boden
brachte mehr hervor, weil man burch Arbeit ihn dazu auf
foderte. Die Wohnungen erhoben ſich Dichter neben einander,
fchloffen fich bald zu einem Weiler, der ſich allmälig zu einem
Dorfe erweitert. So waren es auch bier, wie überall, Bäche
und Flüffe, ein befferer Boden und eine günftige Lage, die
zur Anftedelung einluben, die Bevölkerung foͤrderten und bie
Landbewohner zu Pleinen oder größern Dorfgemeinden vereinig.
ten. Endlich vervielfältigten fich. die Einzelmohnungen in bee -
Nähe von größern Ortfchaften. Der leichte und Iohnende Abs
faß des Überfluffes, den ein regſamer Fleiß, eine forgfältige
- Wirthfchaftlichkeit neben Genuͤgſamkeit abwarf, führte zur Ans
fiedelung an den Mauern eines Fleckens, eined Städtchens oder
Kloſters, das nebenbei den Bedraͤngten in ver dufferften Ge
fahr Schuß gewähren und zur Zufluchtöftätte- dienen Eonnte.
. Auf diefe Weife entflanden ohne Zweifel die Burgos in
den erften Sahrhunderten Portugals. Verſchieden von dem,
was diefes Wort in andern Rändern, 5. B. in Deutfchland,
“bedeutet, verfleht man unter Burgo, wie ed in den portugiefis
ſchen Urkunden jener Zeiten vorfommt, eine Vorſtadt oder eis
nen Eleinen Ort neben einer Stadt, neben. einem Flecken oder
Klofter, von welchem der Burgo abhängig war, ob er gleich
bisweilen befondere Gefege, nach denen er regiert wurde, be
faß. Zum Beifpiel kann Guimaräed dienen. Don den Be
wohnern des Burgo, denen der Graf Heinrich einen oral
16*
4 Erſter Zeitraum. ı Bud. 9. Abſcha.
gab, waren die Einwohner der Billa Guimarães, bie er von
neuem ummauern ließ, verfchieden, indem jene den Borort be-
wohnten, der mit der Billa zwar verbumden war, aber auffer:
halb ihrer Mauern lag. Der Bewohner des Burgo hieß
Burgel, Burgez. Als die Giftercienfermönde von Frank:
reich aus nach Portugal ſich verbreiteten, nannten fie die Ort⸗
ſchaften die neben ihren Klöftern und unter deren Schuß ent-
landen, Burgos. Solche Orte find die Burgos Arouca,
Lorvão, Salzedas und Zarouca. Dem lestern verwilligte
Hapft Coͤleſtin IL, als er die Bullen feiner Vorgänger zu
Gunften diefes Klofterd im Sahre 1193 beflätigte, von neuem:
„daß in der Entfernung einer Legua von dem Klofter Fein
Haus ober Adelsfig gebaut werben dürfe, der Anfloß erregen,
die Ruhe und den Frieden der Mönche flören könne” ). Es
war den Klöftern nicht übel zu nehmen, wenn fie mächtige
Adelige von fi) und ihren Burgos, ihren Pflegekindern, ent:
fernt zu halten fuchten.
Nach einer ermuͤdenden Wanderung durch weite Land⸗
ſtrecken, in denen nur einzelne bebaute Grundſtuͤcke und aͤrm⸗
liche Haͤuſer, die erſten Anfaͤnge der wiederkehrenden Cultur,
und Ruhepuncte gewährten, Haͤuſer, die zunaͤchſt und haupt⸗
ſaͤchlich zu Getreideſchoppen und Viehſtaͤllen beſtimmt, dem Men⸗
ſchen nur nebenbei zu einem Obdache dienten, das ſo ganz
ſeinem kuͤmmerlichen Daſein entſprach, — nach einer ſolchen
Wanderung ſtehen wir nun vor den Mauern geſchloſſener, be⸗
feſtigter Flecken und Staͤdte und hoffen hier uns bequemlich
niederzulaſſen, um die mancherlei Fragen, die uns hierher ge⸗
fuͤhrt haben, beantwortet zu hoͤren.
Schon ihr aͤuſſeres Ausſehen kuͤndet einen verſchiedenarti⸗
gen Urſprung und eine abweichende Beſtimmung an; es laͤſſt
ſchon zum voraus auf Verſchiedenheit in ihren innern Verhält:
niffen und in der Stellung ihrer Bewohner fchlieffen. Die ur:
alten verwitterten Mauern einzelner Städte (Beja, Evora,
Lisbon, Braga u. a.) und ihre Bauart find Zeugen, daß bier
ſchon römifche Hände thätig waren und daß die Zerftörungen
nachfolgender Völker von einer jüngern Zeit ausgebeffert wor:
1) Elucidario, T. I. 216.
Gemeindeweſen, in ben erften Jahrhunderten. 245
den find. Wie aber die Grundlagen römifch find und in ber
Folgezeit Sueven, Weftgothen, Saracenen und Portugiefen
Steine herbeitrugen, um auszubefjern was fie zum Theil wol
felbft zerftört Hatten, fo mögen von allen diefen Völkern Spu⸗
ven in jenen Städten zurlidgeblieben fein, Nachkommen, Über⸗
refte diefer Völker felbft, wie volksthuͤmliche Einrichtungen und
Gebräuche derfelben. Die hervorragende Kathedrale eines an⸗
dern ummauerten Ortes oder das reiche Kioftergebäube das
über die niedrigen Bürgerhäufer fich erhebt, laͤſſt vermuthen,
daß hier Bedürfniffe und Ausflüffe Eirchlicher Stiftungen welt:
liche Wohnungen um Kirche und Klofter gereiht haben, und
daß die mehr Eirchliche Gemeinde auch in bürgerlicher Hinficht
anders eingerichtet und geordnet fein werde. Die flarfe Bes
feftigung eines dritten Ortes an der Grenze des Reichs oder der
fühne Bau einer Bergfefte mit ihren Wällen und Thuͤrmen zeigt,
daß die Nothwendigkeit des Schußed und der Vertheidigung
gegen dAuffere Feinde fie gegründet, die fortdauernde Gefahr
fie erweitert und bevölkert hat). Nur große Vortheile wer:
den fo fchwere Pflichten belohnen Eönnen, und nur große -
Vorrechte und Freiheiten werden den Bewohner, der unauf:
hörlich da8 Schwert mit dem Pflug vertaufchen muß, an diefe
ftet3 bedrohte Vorwache zu feffeln vermögen.
So verfchiedenartig indeffen auch der Urfprung und bie
Beftimmung diefer ummauerten Fleden und Städte fein moch-
ten und fd vielfältig hiernach in der That, wie wir in der
Folge fehen werden, die Verhältniffe, die Rechte und Pflichten
ihrer Bevölkerung fich geftalteten, fo theilten fie doch alle ein
und daffelbe Bebürfniß, die Nothwendigkeit einer geregelten
bürgerlichen Ordnung im Schooße der Gemeinde. Einer jeden
Gemeinde muffte alles daran liegen, durch eine feierlich aus⸗
geftellte Urkunde des Schußes ihres Gerichtäheren oder des
Königs verfichert zu fein, das Verhältniß der Gemeinde zu
demfelben, die Abgaben und Leiſtungen an benfelben feſtge⸗
ftelt, die Stellung der verfchiedenen Buͤrgerclaſſen unter ein:
ander geordnet, die Rechtöftreitigkeiten nach beftimmten Normen
entfchieden, vor Allem aber in diefer Zeit wilder Fehden und vos .
1) Soure, Thomar, Sea u. a.
256 . Erfter Zeitraum. 1, Bud), 8, Abſchn.
von Rom geſchrieben, der Papſt habe erklaͤrt, daß er jene
keufliſche Verfuͤgung aufheben werde“; da foberte der Legat,
als der König bei feinem Vorſatze beharrte, die Anwefenden zu
Zeugen auf, lad die Bulle feierlich vor und reifte darauf ab’).
Den 16. Mai deflelben Jahres (1277) ftarb Papft So:
hann XXL, und dieſer Zob Fam dem König nochmals zu
ſtatten.
Am Anfange des Jahres 1279 erkrankte aber Affonſo
ſelbſt. Als er ſein herannahendes Ende fuͤhlte, ließ er einige
Geiſtliche und Fidalgos des Hofes vor ſein Krankenbett rufen
und verſprach in ihrer Anweſenheit, daß er Alles, was ihm
vom Papſt geboten worden, nun ſchlechthin und unbe—⸗
dingt erfüllen ) und was in feiner Macht ſtehe, ſogleich
vollziehen wolle; das Übrige werde fein Sohn vollſtrecken, der
ed auch alöbald verfprach. Auf diefes Verfprechen fprach ben
König fein Beichtvater Eſteväo, vordem Abt von Alcobaca,
von dem Banne los (17. Jan.). Nicht lange darauf flarb
Affonfo (16. Febr. 1279). Seine Leiche wurde von Liffe-
bon nad Alcobasa gebracht und nach feinem Willen neben
feinem Vater und feiner Mutter beigefeht. Ä
\
1) Gaetano bo Amaral nach einer urkunde gm n erssfäsicnn
Archiv in Braga. Mem. da Acad. Real, T. VI. p. 9
2) Alfonsus Rex Portugalliae et Algarbii in mortis articulo con-
stitutus dixit, quod jam dudum intentionis suae fuerat jurare et stare
mandatis ecclesiag Romanae, sub conditione videlicet salvo jure regni
sui et filiorum et vasallorum suorum; modo vero volebat jurare sim-
pliciter et sine aliqua conditione. Aus einer noch vorhandes
nen Urkunde im Archiv des Erzbisthums Liffabon abgedruckt in der Mon-
arch. Lus, Part. IV. liv. 15. cap. 47.
8) Rad) dem Livro dos obitos de S. Cruz,
Gemeindeweſen, in ben erſten Jahrhunderten. 237°
—
Neunter Abſchnitt.
Das Gemeindeweſen in den erſten Jahrhunderten
des Staates. |
Vorbemerkung.
Hervorſtechenden Grundfaͤden in einem Gewebe gleich ziehen
ſich durch die Geſchichte der erſten Jahrhunderte Portugals die
Kämpfe der höheren Geiftlichkeit mit dem König und die Ent:
flehung und Ausbildung der Gemeinden. Ohne in näherer
Beziehung zu einander zu flehen, treten beide Gegenftände fo
ſtark hervor und find jenem Zeitraum fo eigenthümlich, daß
man denfelben den Zeitraum der Gemeindeentwides
lung und des kirchlichen Kampfes nennen könnte, nur
Daß jene gleich nad) der Entftehung des Staates anfängt und ,
mit der Regierung ded Königs Diniz allmdlig aufhört, dieſer
Dagegen erft nad Affonfo Henriqued (nach der Triegerifchen
Periode) beginnt, und fich bis in das erſte Drittel des funfs
zehnten Sahrhunderts fortzieht. Deffen ungeachtet weiſt ihnen
ihre befondere Natur und ihre Beziehung auf die politifche
Gefchichte eine verfchiebene Stelle an. Der Kampf der Prä-
Iaten mit dem König wirb veranlafft durch die früh ents
widelte Macht oder Übermacht des Klerus, Deren Urfachen
man willen muß; er wird geführt um Firchenflaatsrechts
Viche Puncte, die zu kennen unerläfflich ift, um diefen Kampf
zu begreifen. Die wiederholten Ausbrüche deſſelben find nur
AÄufferungen und Stadien des Übels, die den denkenden Zus
fhauer um fo begieriger machen, den Urfprung und lebten
Grund diefer Krämpfe in dem Staatskoͤrper zu erfahren. Das
her war es erfoderlih, dem Verlaufe der Krankheit die Anz
lage und Urfachen derfelben vorauszufchiden.
Anders verhält ed fich mit dem Gemeindewefen. Der
Gegenftand ift an fich verftändlich und jedem König wird fein
Berdienft, wenn die Gefchichte berichtet, wie viele und welche
2 ⸗
2398 Eeſtet Zeitraum. L Bud. 9, Abſchu.
Gemeinden er gegrlinbet ober durch Ortögefebe befefligt und
geregelt ‚habe. Gleichwohl würde die Gefchichte ihren Beruf,
den fie im Lichte der neuern Zeit hat kennen gelernt, vernach-
läffigen, wollte fie es bei jenen Andeutungen bewenden laſſen.
Aus dem Gemeindewefen bildete fich meift das Volfsleben mit
ſeinen verfchiedenen Richtungen und Einrichtungen, mit feinem
Geifte und feiner Eigenthümlichkeit. Die Gemeinden bildeten
die vermittelnden Glieder zwifchen den Individuen und dem
Staat. Auf den Gemeinden beruhte das Staatöleben, fie
waren die Zräger deffelben in den erften Sahrhunderten der
Monarchie; denn der Staat war damals weit mehr eine Menge
für fich lebender Gemeinden, die nur in der Anerkennung des
Königs ober eines Gerichtöheren ihre Gemeinfchaft .empfanden,
als eine Gefammtheit, die dem Geſetz und dem Willen eines
Einzigen unterthan war. Ein tieferes Eingehen in das Ges
meindewefen, in feine Entftehung und Fortbildung, fein Wes
Ten, feine.inneren und duffern Bedingungen. und Beziehungen
iſt daher. nicht etwa bloß wichtig, es if unabweislich. Aber
dieſes Eingehen kann erſt hier ſeine Stelle finden, wo wir den
Zeitraum, in ben der Urſprung und die Entwidelung des Ge-
meindeweſens faͤllt, zu überfchauen im Stande find, und es
darf nicht laͤnger verfchoben werden, damit nicht durch das
Eindringen anderer fremder Elemente das Bild veruntreut,
Das Auffaſſen deſſelben in ſeiner Reinheit erſchwert werde.
1) Die dzerſtreute Bevoͤlkerung verbindet ſich zu
Gemeinden.
Das Band veroͤdet durch die Kriege mit den Mauren. Erſte
Spuren der Urbarmachung und des Wiederanbaues. Zer⸗
fireut liegende Grundſtuͤcke, Getreidefchoppen und Cinzels
wohnungen. Herdades, Aldens, Gelleivos u. f. wm. Die
Coireleiros und der Pobrador des Königs. Entſtehung von
Weilern und Dörfern an Flüffen, fruchtbaren Stellen, an
den Mauern der Klöfter und Städte. Die. Burgos. Die
ummauerten Sleden und Städte. Die Landgemeinden wie
die Stabtgemeinden fühlen das Beduͤrfniß gefchriebener Gefege
und fefter bürgerlicher Einrichtungen.
Gemeindeweſen, in ben erfien Jahrhunderten. 239
Das urfprüngliche Portugal war ein erobertes Land und
vergrößerte fich, bis es feine. jetzigen Grenzen erhielt, nur durch
Krieg und Eroberungen. Diefer Umftand hat auf feinen Ent»
widelungsgang fichtbar eingewirkt und, eigenthümliche Erſchei⸗
nungen in ber Benölferungsweife, in dem Volksleben, wie in
den Staatdeinrichtungen der. erfien Jahrhunderte hervorgerufen.
Befonders einflußreich hat. er fi auf ven erften Anbau des
Landes, auf die Entflehung, Stellung und Verfaffung der
Gemeinden. bewiefen. Die. langwierigen und blutigen Kämpfe
mit den Saracenen hatten aller Orten die traurigften Spuren
binterlaffen. Biele Städte lagen in Trümmern, faſt ale Doͤr⸗
fer in Aſche, unzählige Arbeiter und Landbauer hatte das feind-
liche Schwert oder Mangel und. Elend hingerafft.. Die Felder
waren verwüftet und verödetz denn der gewöhnliche Zweck der
feindlichen Einfälle der Mauren wie der Chriſten war Fein ans
derer, aldi die Saaten abzufchneiden und die Fluren zu vers
heeren. Daher trat in vielen’ Gegenden von: Portugal nach
ihrer Eroberung der Fall ein, daß Land und Leute gewiſſer⸗
maßen in den Urzuftand zurickgeworfen waren. und dieſe mit
dem Urbarmachen und dem Anbau des Bodens von vorn ans
fangen muſſten. Wire wähnen und in die Zeiten nach der
Schöpfung verfegt, wenn wir, die portugiefifchen Urkunden
aus den erften Jahrhunderten des Reichs von dem jungfräus
lichen Boden fprechen hören). Wir halten manche Rechtsbe⸗
flimmungen heutiger Naturrechtölehrer nicht mehr für imagindr,
wenn wir von dem Recht bed „todten Feuers‘ (Fogo morto)
Iefen, das den portugtefifchen Colonen, der den "rohen ober
Kängft verwilderten Boden umgerodet, dad darauf mwuchernde
Geſtraͤuch und Unfraut abgefchnitten: und verbrannt hatte, in
1) Die Urkunden gebrauchen für das Urbarmachen und den Anbau
des jungfrdulihen Bodens den bezeichnenden Ausdruck eyviguar,
deviginare (entjungfern) . . . mais chantedes, e eyviguedes,
e facades hi quanto bem puderdes. — E se arromperdes em monte
virgem des ende a quarta parte do pam e do vinho. Doc, de
Arnoia. In einer andern Urkunde heifft es: Frater meus, qui in ille
habitat, de plantatura, quam ibi plantaverit, de terra etiam, quam
deviginaverit, Vam partem redat ipsis Canonicis. Doc, de Grii-
in Elucid. T. I. p. 87% und Supplemento pag. 40... : -
240 Erfter Beitraum. L. Bud. 9 Abſchn.
ber Beſitzergreifung (oceupatio), die er durch jene Bes
zeichnung (specificatio) erklärte, fchliste und Jedem verbot
ihn von einem Befisthum zu: vertreiben, Das durch feinen Fleiß
angebaut und einträglich gemacht: worben war ‘). Der fo vers
wilderte Boden war in der Regel nicht befier als der ganz
rohe, noch nie von Menfchenhänden bearbeitete, und dem ver
einzelten Landbauer, der - jeden fremden Beilland entbehrend
bloß auf feine perfönliche Kraft befchränft war, frommten
auch wenig manche Iandwirthfchaftliche Kenntniffe und Erfah:
rungen, die aus früherer Zeit ihm geblieben waren ober übers
liefert worden, weil ihm. in feiner Tümmerlichen Beſchraͤnkung
die Mittel fie anzuwenden und zu benutzen fehlten. Dit. der
Nothdurft ringend und nur darauf bedacht bem ‚Boden die
erften und unentbehrlichften Lebensbebürfniffe für fich und feine
Familie abzugewinnen, muffte er lange Zeit in biefem engen
Kreife fich bewegen. Wir finden daher den Aderbau, nachdem
ee nicht lange zuvor in jenen Gegenden unter ben Arabern fo
herrlich geblüht hatte, bier wieder in der Kindheit und bie
Bevoͤlkerung auffer wenigen Städten und Flecken vereinzelt
und zerftreut. oo.
Diefe Vereinzelung und Zerſtreuung ber Kräfte ließ ben
Landbau lange nicht gedeihen; fein geringer Forfgang und. Ers
folg hemmten das Wachsthum ver Bevoͤlkerung und damit die
Sortbildung der gefellfchaftlichen Ordnung. In einigen Provinzen
Portugals waren die einzigen Anzeigen menfchlichen Dafeins und
menfchlicher Wirkſamkeit jene kleinen Ländereien, Die zwar jedes⸗
mal ein Ganzes für ſich bildeten, aber felten zuſammenhingen,
meift abgefondert und zerftreut in einem größern ober Heinern
Umkreis umberlagen, mit einem Haufe, dad zundchft zur Aufbes
wahrung der Früchte und zum Obdach für das Vieh beftimmt
war und gemeiniglich zugleich eine drmliche Wohnung für ben
Landbauer und deſſen Familie umſchloß. Ein ſolches Gut
nennen die Urkunden jener Zeit bald Herdade (wofuͤr auch
Herdamento), bald Caſal, Eoirella, Quinta, Predio ruftico,
Vila, Granja, Celleiro, Propriedade, Alden, Alquaria, und
. 8 bietet fich auch hier die oft bemerkte Erfcheinung dar, daß
1) Elucidario, verbo Fogo morto.
.
Gemeindeweſen, in den erſten Jahrhunberten. 241
ein Begriff oder ein Gegenſtand, der bei einem Volke ſehr ge⸗
woͤhnlich und ihm vor Allem werth und wichtig iſt, mit einer
Menge ſinnverwandter Ausdruͤcke bezeichnet wird.
Aldea oder Aldeola, heutigen Tages ein kleines Dorf,
bezeichnete in den erften Jahrhunderten nichts weiter ald ein
einzelnes Haus mit einigen Ländereien, und noch im Iahre 1450
wird ein folches Aldea genannt). Daffelbe hieß Villa bis
zum Ende des zwölften Jahrhunderts. Erſt feit den Zeiten
des Königs Affonfo II. fing man an, einem größern Ort mit
einem Gemeinderath und einem Richter, der in erfter Inftanz
entfchied, diefen Namen zu geben. Herdade, was jest ein
großes, für fich abgefchloffenes Gut bedeutet, bezeichnete vom
neunten bis funfzehnten Sahrhundert einen Sruchtfpeicher oder ein
Landhaus mit einigen Ländereien, die nicht nothwendig in eis
nem zufammenhängenden-Ganzen, fondern oͤfter aus zerftreut
liegenden Grundftüden beftanden. Es kann daher nicht bes
fremden, wenn ein folches Gut zu verfchtebenen Zeiten feinen
Namen wechfelt, ohne feine Natur oder auch nur feinen Um⸗
fang zu verändern. Die Herdade wird bald Granja, bald
Gellarium genannt”). .
Obgleich alle diefe Benennungen im Allgemeinen als
gleichbedeutend in früherer Zeit gebraucht wurden, fo deutet doch
jede einzelne auf einen eigenthiimlichen Urfprung oder Chas
rakter. So wurden 3. B. Herdades urfprünglich nur folche
Grundbefigungen genannt, die durch Erbſchaft und Nachfolge
vom Water auf den Sohn oder durch lestwillige Verfügung
ervorben worden waren. Die Benennung Granja oder
Grancha foll, befonders feitdem die Giftercienfermönche nach
Portugal gekommen waren und folche Ländereien felbft bebau⸗
ten oder durch ihre Dienftleute bebauen lieſſen, gewöhnlich
geworden fein, wiewohl fie fehon vorher in Portugal nicht uns
befannt war.
Nach diefen Bauernhöfen theilten die erften portugiefifchen
Könige größere Landflriche ein, wobei man gewöhnlich das
Wort Coirella oder Qunirella für eine Meierei gebrauchte;
1) Elucidario, verbo Aldea,
2) ©. die urkundlichen Belege hierzu in Klucidario, I, ©
Schäfer Gefchichte Portugals I. 16
242 Erſter Zeitraum. L Buch. 9. Abſchn.
die hinreichende Ländereien zum Unterhalt eines Landbauers
mit ſeiner Familie und den unentbehrlichſten Dienſtboten um⸗
faſſte. Auf dieſe Weiſe theilte der erſte Affonſo, als er die
Fruchtſchoppen und Grundſtuͤcke von Panoyas verpachtete, die⸗
ſelben in acht Coirellas ein, von denen jede drei Quateiros
Fruͤchte, jeden von verfchiedener Getreibeart, als Zins (Foro)
liefern muſſte. König Sancho I. ließ in dem Foral, das er
im Jahre 1188 Zolgofa gab, die ganze Gemarkung in zehn
Quairellas eintheilen. Um die eroberten wuͤſten ımb uns
bebauten Landflriche in Coirellas oder Caſaes einzutheilen
und unter die Anbauer zu vertheilen,; damit fie von neuem
beſtellt und bewohnt würden, ernannte und beauftragte
man unbefcholtene und zuverläffige Männer, die Eoireleiros
ober Quaireleiros, die aus den „achtbaren Männern” der Ges
meinde genommen wurden ’), Bon ihnen verfchieden war ber |
Pobrador d' EI Rei, ein Pöniglicher Beamter, Der bie
Beftimmung hatte, über die Unterhaltung und Auöbefferung
der feften Pläge, wie über alles, was die Bevoͤlkerung be
traf, befonderd in der Provinz Traz dos Montes, die vom
Anfang des Reiches an fchlecht angebaut und bevölkert war,
zu wachen. Obgleich fein Berufskreis auch über. das platte
Land fich erſtreckte, fo fcheint Doch die Sorge für bie um:
mauerten Orte und ihre Bevölkerung fein Hauptberuf gewefen
zu fein. Daher tritt er, wiewol feiner ſchon unter Sancho I.
gedacht wird, vorzüglich unter den Affonfo IV. zundchft vor:
: ausgehenden Königen in feiner ganzen Thaͤtigkeit und Wich⸗
tigkeit hervor.
In dieſen Zeiten, namentlich unter und durch Affonſo III.
vervielfältigten und vergrößerten ſich nämlich bie Srticaften
in Portugal zufehende. Zur Bearbeitung des Feldes wie zur
Sicherung des Eigenthums bedurfte man mehr und mehr des hels
fenden und fihüßenden Armes Anderer, und fo rüdten die Woh⸗
nungen der Landbauer einander näher. Ein Flüßchen, das die
Umgegend erfrifchte, Die Heerden traͤnkte und die Beduͤrfniſſe
deö gemeinen Lebens bequem befriedigte, lockte mehrere Anz
1) Santa Rosa de Viterbo nad Urkunden in Garda. Elu-
cid. T. I. pag. 290.
Gemeindeweſen, in beit erſten Jahrhunderten. 243
bauer herbei, ihre Wohnungen reihten ſich laͤngs dem Ufer
bin und aus dem Nebeneinanderleben warb allmdlig ein ges
meinfchaftliches, ein gemeinheitliched. So bildeten — um nur
ein Beifpiel anzuführen — urfprünglich zehn Häufer am rech⸗
ten Ufer des Douro die Gemeinde Barqueiros, welcher Sans
cho U. einen Foral gab (i. 3. 1223). Nicht die Landkarte al-
lein, die in den Urkunden jener Zeit fo. häufige Anführung
von Bächen und Flüffen ald Grenzen der Ländereien deutet
unleugbar auf diefe Anziehungsfraft des Waſſers. Hier und
da hatte die Natur den Boden mit größerer Fruchtbarkeit ges
feywängert, dem menfchlichen Fleiffe winkte eine reichlichere
Ernte, und ohne Neid fah der Landbauer in feiner Nähe den
Fremden fich anfiedeln. Die nahrhafte. mütterliche Erde konnte
noch Mehrere fpeifen; fie blieben nicht aus, und der Boden
brachte mehr hervor, weil man durch Arbeit ihn dazu auf:
foderte. Die Wohnungen erhoben fich Dichter neben einander,
fchloffen fi bald zu einem Weiler, der ſich allmdlig zu einem
Dorfe erweiterte. So waren es auch bier, wie überall, Bäche
und Zlüffe, ein befferer Boden und eine günftige Lage, die
zur Anfiedelung einluden, Die Bevölkerung foͤrderten und bie
Landbewohner zu Pleinen oder größern Dorfgemeinden vereinig.
ten. Endlich vervielfältigten fich die Einzelmohnungen in dee
Nähe von größern Ortfchaften. Der leichte und lohnende Abs
ſatz des Überfluffes, den ein regſamer Fleiß, eine forgfältige
. Wirthfchaftlichkeit neben Genuͤgſamkeit abwarf, führte zur Ans
fiedelung an den Mauern eines Fleckens, eines Staͤdtchens oder
Kloſters, das nebenbei den Bedraͤngten in der dufferfien Ge
fahr Schuß gewähren und zur Zufluchtöftätte. dienen konnte.
. Auf diefe Weife entflanden ohne Zweifel die Burgos in
ben erften Sahrhunderten Portugals. Verſchieden von dem,
was dieſes Wort in andern Ländern, 3. B. in Deutfchland,
bedeutet, verfteht man unter Burgo, wie es in den portugiefis
fehen Urkunden jener Zeiten vorkommt, eine Vorſtadt oder eis
nen Eleinen Drt neben einer Stadt, neben einem Fleden ober
Klofter, von welchem der Burgo abhängig war, ob ee
bisweilen befondere Geſetze, nach denen er regiert wurd
ſaß. Zum Beifpiel kann Guimaräes dienen.
wohnern bed Burgo, denen der Graf Hein
244 Erſter Zeitraum. L Bud. 9. Abſchn.
gab, waren bie Einwohner der Villa Guimaräes, die er von
neuem ummauern ließ, verfchieben, indem jene den Vorort be .
wohnten, der mit der Villa zwar verbunden war, aber auffer-
halb ihrer Mauern lag. Der Bewohner des Burgo hieß
Burgel, Burgez. AS die Ciſtercienſermoͤnche von Frank:
reich aus nach Portugal fich verbreiteten, nannten fie die Ort:
ſchaften die neben ihren Klöftern und unter deren Schuß ent⸗
flanden, Burgos. Solche Orte find die Burgos Arouca,
Lorvao, Salzedas und Zarouca. Dem lestern verwilligte
Papſt Coͤleſtin IH, als er die Bullen’ feiner Vorgänger zu |
Sunften diefes Klofterd im Jahre 1193 beftätigte, von neuem:
„daß in der Entfernung einer Legua von dem Klofter Fein
Haus ober Adelsſitz gebaut werden dürfe, der Anftoß erregen,
die Ruhe und den Frieden der Mönche ftören Einne” ). Es
war den Klöftern nicht übel zu nehmen, wenn fie mächtige
Adelige von fich und ihren Burgos, ihren Pflegefindern, ent:
fernt zu halten fuchten.
' Nach einer ermuͤdenden Wanderung durch weite Land⸗
ſtrecken, in denen nur einzelne bebaute Grundſtuͤcke und aͤrm⸗
liche Haͤuſer, die erſten Anfaͤnge der wiederkehrenden Cultur,
und Ruhepuncte gewährten, Haͤuſer, die zunaͤchſt und haupt:
fachlich zu ©etreidefchoppen und Viehftällen beftimmt, dem Men
ſchen nur nebenbei zu einem Obdache dienten, das fo ganz
feinem fümmerlichen Dafein entfprah, — nach einer folchen
MWanderung ftehen wir nun vor den Mauern gefchlofjener, bes
feftigter Flecken und Städte und hoffen hier uns bequemlich
nieberzulaffen, um die mancherlei Fragen, die und hierher ges
führt haben, beantwortet zu hören.
Schon ihr Aufferes Ausfehen kuͤndet einen verfchiedenarti-
gen Urfprung und eine abweichende Beflimmung an; es laͤſſt
fhon zum voraus auf Verfchiedenheit in ihren innern Verhält:
niffen und in der Stellung ihrer Bewohner fchlieffen. Die ur:
alten verwitterten Mauern einzelner Städte (Beja, Evora,
Lisbon, Braga u. a.) und ihre Bauart find Zeugen, daß hier
ſchon römifche Hände thätig waren und daß die Zerftörungen
nachfolgender Völker von einer jüngern Zeit ausgebeffert wor:
1) Elucidario, T. I. 216,
Gemeindeweſen, in ben erften Jahrhunderten, 245
den find. Wie aber die Grundlagen römifch find und in ber
Folgezeit Sueven, Weftgothen, Saracenen und Portugiefen
Steine herbeitrugen, um auszubeffern was fie zum Theil wol
ſelbſt zerftört hatten, fo mögen von allen diefen Völkern Spu⸗
ren in jenen Städten zuruͤckgeblieben fein, Nachkommen, Übers
vefte dieſer Wölker felbft, wie volksthuͤmliche Einrichtungen und
Gebräuche derfelben. Die hervorragende Kathedrale eines ane
dern ummauerten Ortes oder das reiche Kloftergebäude das
über die niedrigen Bürgerhäufer fich erhebt, laͤſſt vermuthen,
daß hier Bebürfniffe und Ausflüffe Firchlicher Stiftungen welt
liche Wohnungen um Kirche und Kloſter gereiht haben, und
daß die mehr Firchlihe Gemeinde auch in bürgerlicher Hinficht
anders eingerichtet und geordnet fein werde. Die flarfe Bes
feftigung eines dritten Ortes an ber Grenze des Reichs oder der
fühne Bau einer Bergfefte mit ihren Wällen und Thürmen zeigt,
daß die Nothwendigkeit des Schußed und ber Vertheidigung
gegen duffere Zeinde fie gegründet, die fortdauernde Gefahr
fie erweitert und bevölkert hat). Nur große Vortheile wer:
ven fo fchwere Pflichten belohnen koͤnnen, und nur große -
Vorrechte und Freiheiten werden den Bewohner, der unauf:
hoͤrlich das Schwert mit dem Pflug vertaufchen muß, an diefe
ſtets bedrohte Vorwache zu feffeln vermögen.
So verfchiedenartig indeffen auch der Urfprung und die
Beftimmung diefer ummauerten Flecken und Städte fein moch⸗
ten und fo vielfältig hiernach in der That, wie wir in ber
Folge fehen werden, die Verhältniffe, die Rechte und Pflichten
ihrer Bevölkerung fich geftalteten, fo theilten fie doch alle ein
und daffelbe Bebürfniß, die Nothwendigkfeit einer geregelten
bürgerlichen Ordnung im Schooße der Gemeinde. Einer jeden
Gemeinde muffte alles daran Itegen, durch eine feierlich aus⸗
geftellte Urkunde des Schutzes ihres Gerichtäheren oder bed
Königs verfichert zu fein, das Verhältnig der Gemeinde zu
demfelben, die Abgaben und Keiftungen an denfelben feftge:
ſtellt, die Stellung der verfchiedenen Bürgerclaffen unter
ander georbnet, die Rechtöftreitigkeiten nach beftimmten Non
entfchieden, vor Allem aber in diefer Zeit wilder Fehden m"
1) Soure, Shomar, Sea u. a.
246 Erfter Beitraum. L Bud. 9. Abſchn.
ber Ausbrüche der Leidenfchaften die fo häufigen Verletzungen
des Eigenthumd und des Lebens ihrer Mitbürger beftraft und
gemindert und endlich die mancherlei Vorrechte und Freiheiten,
bie fich die eine oder Die andere Gemeinde bei befondern An⸗
Läffen erworben hatte, urkundlich gewahrt zu fehen. -
2) Die Ortsrechte (Foraes).
Mer fie ertheilte. Die weſtgothiſche Geſetzſammlung kommt
mehr und mehr auſſer Gebrauch; Urſachen davon. Grund⸗
beſtandtheile und Entſtehungsweiſe dieſes Geſetzbuchs; ſein
Zielpunct und ſeine Richtung. Verſchiedenheit der Foraes
in dieſen Beziehungen.
—Dieſes eben geſchilderte, fo allgemeine als dringende Be⸗
duͤrfniß der Gemeinden ſuchte nnd fand Abhuͤlfe im Laufe der
Zeit. Vom Anfang des zwölften Iahrhunderts bis zum Ans
fang des vierzehnten, von den legten Jahren des Grafen Hein⸗
rich bis zum Ende der Regierung des Koͤnigs Diniz, beſon⸗
ders unter Affonſo II, erlangten die meiſten Gemeinden Por:
tugals Ortsrechte, Foraes, ſo daß dieſe eine hervorſtechende
Eigenthuͤmlichkeit dieſes Zeitraums bilden und in demſelben
die Bluͤthe des Gemeindeweſens ſich entfaltet. Nicht allein
die Koͤnige, die Prinzen, eheliche und auſſereheliche, gaben den
Ortſchaften Foraes; auch die Großen des Reichs, die Groß⸗
meiſter der Ritterorden und die Praͤlaten ertheilten deren in
nicht geringer Anzahl den Gemeinden, die ihnen untergeben
waren ). Die Ortörechte der letztern wurden gewöhnlich von
dem König: fpäterhin beftätigt. Bisweilen gab dieſer gemein-
Ichaftlich mit einem Drtöheren einen Foral?). Schien dem Kös
1) Eine Menge Foraed, die von geiftlichen und weltlichen Großen
einzelnen Ortfchaften vom Jahr 1102 bis zum Jahr 1347 ertheilt wor⸗
ben find, in chronologifcher Folge aufgezähtt f. in Memor. da Acad,
Real, T. VII. p. 851. |
2) In dem Boral, das der erfte Affonfo im Jahr 1183 den Eins
wohnern von Caldas d’Aregos, wo Nuno Sanchez Gerichtsherr war ev⸗
theilte, heifft eg: Ego Rex Alfonsus .... placuit mihi... una cum
Nuno Sanches, qui tenet de me Aregos, ut faceremus Cartam.
Gemeindewelen, in den erften Jahrhunderten. 247
nig ein Foral vorzüglich zwedmäßig, oder warb er von meh⸗
reren Seiten verlangt, fo erhielten biöweilen mehrere Drte, ja
die meiften einer ganzen Provinz die in ähnlichen Verhältnifs
fen fich befanden, einen und denfelben Foral. So erneuerte
König Affonfo das Forum, das fihon Ferdinand der Große
den Gemeinden Pesqueira, Penella, Paredes, Souto, Linha⸗
red, Anciaend gegeben hatte, und das den Anbau und Die
Bevölkerung von ganz Eftremadura erzielen follte‘). Der
Fuero von Avila in Gaflilien ging, nachdem er in Evora ein⸗
geführt und einheimifch geworben war, von diefer Stadt auf
die meiften größern Ortfchaften in Alemtejo über, während der
von ihm verfchiedene Fuero von Salamanca in vielen Orten
und Gebieten der noͤrdlichen Provinzen von Portugal Ein⸗
gang fand ?).
Die herrfchende Vorliebe für Ortsrechte und ihre uͤberaus
ſchnelle Verbreitung durch das ganze Reich zeigen offenbar,
daß der Geiſt des Zeitalters ſie verlangte und daß dieſer von
den bisher geltenden Geſetzen und Rechten allmaͤlig ſinken ließ,
was ihm nicht mehr zufagte. Als Portugal ſich ablöfte von
Gaftilien, theilte e8 noch eine geraume Zeit. mit diefem Staate
diefelben Gefeße. Die Sammlung der weftgothifchen Geſetze
namentlich galt in Portugal wie in Caſtilien fortdauernd als
allgemeines Geſetzbuch und wird in Schenfungsurkunden, Te⸗
ſtamenten, Verträgen und richterlichen Urtheilen aus den er
ſten Zeiten des Staates häufig angeführt). Allmälig aber
1)... Regis Ferdinandi, et Alfonsi Filii ejus, quos scimus ..
Extrematuras amplificare, et eum bono foro fiducialiter populare. ©.
den $oral in Memoria para a Historia das Confirmacöes Regias . . .
collegidas pelos Discipulos da Aula de Diplomatica no Auno de 1816
para 1816. Documento No. 35 p. 101.
2) Joz& Anastasio de Figueiredo in Nova Historia da Militar
Ordem de Malta em Portugal. Parte I. p. 444.
3) In einem Kaufbrief vom 13. Febr. 1099 Heifft-es: Magnum
est enim titulum donationis, et venditionis, et contramutationis actu
largitatis que nemo potest.e neq. foris lex proicere, sed tenendum,
et habendum sicut fuit ordinatum ... . in Lex Codice in Libro V.
et titulo VII. etc. In einem Tauſchvertrag vom Jahr 1115: Sieut
dicit in Lex Gotorum, ut valeat contramutatio sicut et hemptio ete.
Roh im Jahr 1162 finden ſich die Worte im oral von Covas:
2 Erfier Zeitraum. I Bud. 9. Abſchn.
werden diefe Anführungen feltener bis fie zulegt gänzlich vers
fchwinden. Die Koften, welche damals die Anfchaffung eine
Abfchrift von diefer an Umfang nicht unbeträchtlichen Geſetz⸗
fammlung den Gemeinden verurfachen muffte, die Schwierig
feit Richter und Beamte zu finden, welche vertraut genug mit
diefer inhaltreichen Gefeßgebung und ihrer Sprache, deren
Kenntniß immer feltner wurde, fich bewiefen — dies waren
nur duffere Umflände, die jedoch immer unguͤnſtig auf den
Gebrauch und das Fortgelten diefer Sammlung wirken konn⸗
ten. Allein das Geſetzbuch an fi, fein Geift, der eine große '
Monarchie zu ordnen und zu regeln beflimmt war, eignete
fich wenig fir jene kleinen Gemeinden, die eben fo viele alleins
fiehende bürgerliche Vereine bildeten. Unter ganz andern Um:
fländen und Zeitverhältniffen war dieſes Gefegbuch entſtanden,
für andere Zwecke abgefafft und erlaffen worden. Dem Gefeks
geber der auffeimenden Gemeinden dagegen lag ed ob, ihre
verfchiebene Entftehungsart, wie ihre jegige Lage, ihre mans
nichfaltigen Beduͤrfniſſe und ihre Hülfsmittel zu befragen und
zu Rathe zu ziehen, und dem was der alte Brauch und Die
neugeftaltende Zeit geboten, willig die Feder zu leihen. Aus
andern Elementen befland der Fuero juzgo, aus andern bilde«
ten fich die Foraes.
In den weftgothifchen Gefegen iſt der mächtige Einfluß
der hohen Geiftlichkeit unverkennbar. Diefelben Kirchenvers
fammlungen, die den König auf den Zhron erhoben, gaben
dem Reich auch Gefebe, zwar zunaͤchſt nur kirchliche, Die aber
bei der Allgewalt des fpanifchen Klerus den Staat, das bür-
gerliche, felbft das häusliche Leben vielfach umfchlangen; oft
aber auch rein politifche, die den Thron, die Ritterburg wie
canit Gotorum, ut rem donatam, si presentibus tradita fuerit, nullo
modo repetatur a donatore, sed per testes, et per scripturam convin-
cit. Diefes Beifpiel. mag zugleich, wenn es beflen bedarf, zum Beleg
dienen, baß auch die Foraes gefegliche Beſtimmungen des weftgothifchen
Geſetzbuches in fih aufnahmen. Eine Menge urkundlicher Anführungen
diefed ober findet fich zufammengeftellt im Eluc. T. IL. p. 67, in den
Mem. da Acad. Real das Sciencias de Lisboa, T. VII. p. 357 et ss.
in ber Nova Hist. da Militar Ordem de Malta em Portug. Parte I,
p. 16.
| Gemeindeiwefen, in ben erſten Sahrhunderten. 249 |
die Bauerhütte gleich fehr berührten. Der Antheil, ‚ven die
Großen vom Laienftande an diefen wie an jenen Geſetzen hats '
ten, war fehr gering, und die Zuflimmung des Volks war
vielleicht nicht bedeutfamer ald jenes dreimalige Fiat! womit
das frankfurter Volt noch in den lebten Zeiten ber deutfchen
Kaifer die Wahl des Neich5oberhauptes beftätigte. Ans dieſen
Gefegen der Conctlien befteht ein Theil der weftgothifchen Ges
feßfammlung. Und die andern Geſetze derfelben — floffen fie
nicht gleichfalls meift aus der Feder der Geiftlichen? Geiftliche
waren bie Beichtväter, die Rathgeber, die Geheimfchreiber, die
Staatöfecretaire der Könige Sahrhunderte lang. Es dauerte
überall lange, bis die Ritter häufiger fich entfchloffen das ges
ſchickt und glänzend geführte Schwert, den Ruhm des Zeital-
terd, mit der oft undankbaren Feder zu vertaufchen und den
Prälaten, der das Privilegium der Schreibfunft hatte und dem
eö nach feiner und der Welt Meinung gebührte, von dem feſt⸗
behaupteten Poſten zu verdrängen. Diefe Zeit war noch weit
entfernt. Gerade unter den weftgothifchen Königen genoß der
fpanifche Klerus auch in Diefer Beziehung fein erſtes goldenes
Zeitalter, das er nur verlängert, nicht verfchönert zu fehen
wünfchen konnte.
Darauf aber folgten fchlimme Zeiten. Mofcheen erhoben
fi neben den Kathebralen oder diefe wurden: in jene verwans
delt, die prächtigen Wohnungen der Prälaten ſanken in Truͤm⸗
mern, die Hirten flohen und Die Reichthümer die fie aufge:
hauft hatten wurden eine Beute der. Sieger. Die Abteien,
Bisthümer und Erzbisthümer lebten nur noch in der Erinnes
rung der Menfchen '). Seitdem fich allmälig wieder ein chrift:
1) Nunc igitur — heifft e8 im Concilium von Oviedo 1. 3. 811 —
quicumgue in praefatis Sedibus (ndmlid) Braga, Dume, Zuy, Iria,
Coimbra, Vifeu, Lamego u. f. w.) inventi fuerint Episcopi, ad Conci-
lium vocentur, eisque, sicuti et nobis, in Asturiis mansiones singulae
dentur, quibus quisque sua necessaria teneat, ne, dum ad Concilium
tempore statuto venerit, victus supplementum ei deficiat. Asturiarum
enim patria tanto temporum spatio est distenta, ut non solum viginti
Episcopis in ea singulae mansiones possint attribui, verum etiam.. .
triginta Praesulibus ad vitae subsidia valeant impendi singula loca
. .. Infra quorum montium (Asturiarum) ambitum . . . possunt vi-
248 Erſter Zeitraum. I. Bud. 9 Abſchn.
werden dieſe Anfuͤhrungen ſeltener bis ſie zuletzt gaͤnzlich ver⸗
ſchwinden. Die Koſten, welche damals die Anſchaffung einer
Abſchrift von dieſer an Umfang nicht unbetraͤchtlichen Geſetz⸗
ſammlung den Gemeinden verurſachen muſſte, die Schwierig⸗
keit Richter und Beamte zu finden, welche vertraut genug mit
dieſer inhaltreichen Geſetzgebung und ihrer Sprache, deren
Kenntniß immer ſeltner wurde, ſich bewieſen — dies waren
nur aͤuſſere Umſtaͤnde, die jedoch immer unguͤnſtig auf den
Gebrauch und das Fortgelten diefer Sammlung wirken konn⸗
ten. Allein dad Geſetzbuch an fich, fein Geift, der eine große '
Monarchie zu ordnen und zu regeln beflimmt war, eignete
fich wenig fir jene kleinen Gemeinden, die eben fo viele alleins
ftehende bürgerliche Vereine bildeten. Unter ganz andern Um:
fländen und Zeitverhältniffen war dieſes Gefegbuch entftanden,
für andere Zwecke abgefafft und erlaflen worden. Dem Geſetz⸗
geber der aufleimenden Gemeinden dagegen lag ed ob, ihre
verfchiedene Entftehungsart, wie ihre jegige Lage, ihre man-
nichfaltigen Beduͤrfniſſe und ihre Hülfsmittel zu befragen und
zu Rathe zu ziehen, und dem was der alte Brauch und die
neugeftaltende Zeit geboten, willig die Feder zu leihen. Aus
andern Elementen befland der Fuero juzgo, aus andern bilde
ten fich die Soraes.
In den weftgothifchen Geſetzen ift der mächtige Einfluß
ber hohen Geiftlichkeit unverkennbar. Diefelben Kirchenver:
Tammlungen, die den König auf den Thron erhoben, gaben
dem Reich auch Gefebe, zwar zundchft nur Firchliche, die aber
bei der Allgewalt des fpanifchen Klerus den Staat, das buͤr⸗
gerliche, felbft das häusliche Leben vielfach umſchlangen; oft
aber auch rein politifche, die den Thron, die Ritterburg wie
canit Gotorum, ut rem donatam, si presentibus tradita fuerit, nullo
modo repetatur a donatore, sed per testes, et per scripturam corivin-
cit, Diefes Beifpiel mag zugleich, wenn es deſſen bedarf, zum Beleg
“dienen, daß auch bie Foraes gefegliche Beftimmungen des weftgothifchen
Geſetzbuches in fih aufnahmen. Eine Menge urfundlicher Anführungen
dieſes oder findet fich zufammengeftellt im Eluc. T. IL. p. 67, in den
Mem. da Acad. Real das Sciencias de Lisboa, T. VII. p. 357 et ss.
in ber Nova Hist. da Militar Ordem de Malta em Portug. Parte I,
p. 16.
| Gemeindewefen, in ben erften Sahrhunberten. 249 |
die Bauerhütte gleich fehr berührten. Der Antheil, ‚den bie
Großen vom Laienflande an diefen wie an jenen Geſetzen hats
ten, war fehr gering, und die Zuflimmung des Volks war
vielleicht nicht bedeutfamer als jene& breimalige Fiat! womit
das franffurter Volk noch in den lebten Zeiten der beutfchen
Kaifer die Wahl des Reichsoberhauptes beftätigtee Aus diefen
Gefegen der Concilien befteht ein Zheil der weftgothifchen Ges
feßfammlung. Und die andern Gefehe derfelben — floffen fie
nicht gleichfal3 meift aus der Feder der Geiftlichen? Geiftliche
waren die Beichtväter, die Nathgeber, Die Geheimfchreiber, die
Staatöfecretaire der Könige Iahrhunderte lang. Es dauerte
überall lange, bis die Ritter häufiger fich entfchloffen das ge-
ſchickt und glänzend geführte Schwert, den Ruhm des Zeitals
ters, mit der oft undankbaren Feder zu vertaufchen und ben
Prälaten, der das Privilegium der Schreibfunft hatte und dem
es nach feiner und der Welt Meinung gebührte, von dem feſt⸗
behaupteten Poften zu verdrängen. Diefe Zeit war noch weit
entfernt. Gerade unter den weftgothifchen Königen genoß der
fpanifche Klerus auch in diefer Beziehung fein erfted goldenes
Zeitalter, das er nur verlängert, nicht verfchönert zu fehen
wünfchen Fonnte.
Darauf aber folgten fchlimme Zeiten. Mofcheen erhoben
ſich neben den Kathedralen oder diefe wurden: in jene verwans
delt, die prächtigen Wohnungen der Prälaten ſanken in Truͤm⸗
‚mern, die Hirten flohen und die Neichthümer die fie aufge
häuft hatten wurden eine Beute der. Sieger. Die Abteien,
Bisthümer und Erzbiöthümer lebten nur noch in der Erinnes
rung der Menfchen '). Seitdem ſich allmälig wieder ein chrift:
1) Nune igitur — heifft e8 im Concilium von Oviedo i. 3. 811 —
quicumque in praefatis Sedibus (nämlich Braga, Dume, Tuy, Iria,
Coimbra, Vifeu, Lamego u. f. mw.) inventi fuerint Episcopi, ad Conci-
lium vocentur, eisque, sicuti et nobis, in Asturiis mansiones singulae
dentur, quibus quisque sua necessaria teneat, ne, dum ad Concilium
tempore statuto venerit, victus supplementum ei deficiat. Asturiarım
enim patria tanto temporum spatio est distenta, ut non solum viginti
Episcopis in ea singulae mansiones possint attribui, verum etiam. .
triginta Praesulibus ad vitae subsidia valeant impendi singula loca
. .. Infra quorum montium (Asturiarum) ambitum . . . possunt vi-
250 Erfler Zeitraum. L Bud. 9. Abſchn.
licher Koͤnigshof bildete, zum Theil uͤber Länder, die erſt noch
erobert werden ſollten, ſah man an demſelben Biſchoͤfe in par-
tibus inſideliam in Menge. Oviedo ward „die Stadt der
Biſchoͤfe“ genannt. Dee Nimbus ihrer frühern Macht war
geblieben „ die Macht felbft aber verfchwunden , da ihr Nerv,
Länderbefiß, abgefchnitten war. Der fpanifche Klerus muſſte,
al8 den Ungläubigen die Länder “und Städte nach und nach
wieder entriffen wurden, gerade wieder von vorn anfangen;
er muſſte fich befchenten laſſen. Gluͤcklich genug fand er die
Herzen und Hände der gläubigen Könige und Ritter offen
und erhielt bald reichlich, was ihm abging, und was ihm Die
fonft armen Eroberer auch allein ſchenken Eonnten.
Aber was nuͤtzten der Geifllichkeit die weiten Landſtrecen,
die unter dem eiſernen Tritte des Krieges verwuͤſtet worden
und die der Saracene nach einem Kampfe auf Leben und Ted
allein zurücgelafien hatte? Die größern Gemeinden waren
verarmt und auf dem platten Rande erhob fich in weiter Bde,
wie wir geſehen haben, nur hier und da eine ärmliche Hütte
von emem Landbauer bewohnt, deſſen Eleiner Ader nur noth:
duͤrftig ihn und feine Familie nährte, für einen. Dritten aber
nicht8 abwarf. ‘ Hände, viele und fleiffige Hände waren nöthig
um den verwilderten Boden wieder anzubauen, die Schäße zu
graben und den Überfluß zu fchaffen, auf den die Prälaten im
Drud der Gegenwart und in der Erinnerung an bie vers
fhwundenen goldenen Zeiten, einzig ihre Hoffnung auf eine
beſſere Zukunft bauen konnten. Einzufehen, daß man für jetzt
allen weitern Planen und Anfprüchen entfagen müffe, um nur
auf jenes Eine dad Noth that dad Auge zu heften, dazu ge:
hörte nicht einmal fo viel Politif, als der Klerus jederzeit be:
wiefen hat. Die vereinzelten zerftreuten Landbauer mufiten in
Gemeinden zufammengezogen werden, damit fie durch gegen:
feitige Unterflüßung und eine weife Vertheilung der Arbeit mit
befierm Erfolg thätig fein Eonnten. Man mufite dad Loos
derfelben verbeffern, ihnen eine Reihe von Vorrechten und Frei⸗
beiten bewilligen, die ihnen das Zufammenleben und gemein-
ginti Episcopi mansiones singulas obtinere, suisque Sedibus extra
_honeste providere.
| Gemeindeweſen, in ben erfien Jahrhunderten. 251
fame Wirken wünfchenswerth und feine Vortheile einleuchtend
machten; man muffte ihnen Schuß gewähren, der ihren Er-
werb und den freien Genuß der Früchte ihres Fleiſſes ficherte
und fie zu neuer Thätigkeit ermuthihte und anfpornte. So war
die Lage der Dinge, ald die erften Drtögefege den entflchenden
Gemeinden gegeben wurden, und man fieht leicht ein, daß ber
Einfluß, den die höhere Geiftlichkeit auf dieſe Foraes ausüben .
Eonnte, fehr gering war und die Macht des Bebürfniffes und
felbft die Klugheit dem Prälaten nur eine wohlthätige Ein⸗
wirfung erlaubte oder gebot.
Die Veranlaffung und der Zweck der Foraes, die Zeiten
und Urheber ihrer Abfaffung begründeten zwifchen den Orts⸗
rechten und den weftgothifchen Geſetzen einen wefentlichen Uns“
terfchied und gaben jenen einen eigenthümlichen Charakter.
- Einheit der Kirche war das Prindp, von welchem die Ges
feßgebung der Concilien ausging und auf welche fie Alles zus
ruͤckfuͤhrte. Eine Idee die dem Klerus mehr oder weniger
Far vorfchwebte war fein Ziel und feine Richtſchnur in den
Kirchengefegen, denen fich die Menfchen und die Verhältniffe
fügen follten und muſſten. Die Ereigniffe und Erfahrungen
des Lebens gaben gewöhnlich nur den Anlaß zur Berathung;
die Motive und Zielpuncte der Geſetze lagen in einer andern
Region. Bei aller Mannichfaltigkeit der individuellen Anfich
ten und Wuͤnſche welche die Geiftlichen unter einander trennen
mochten, vereinigten fie fi) doch der Welt und den Laien ges
geniüber in dem einen Pund. Eine gewifje Einheit waltete
auch in demjenigen Theile der weitgothifchen Gefeßgebung, der
nicht von den Kirchenverfammlimgen audgefloffen war und Die
Hierarchie wenig oder nicht berührt. Wie die Kirche, fo
firebte auch die Monarchie nach Einheit. So abhängig auch
ber König von der Geiftlichkeit war und fo fehr deren Beſtre⸗
bungen zum Theil dem monarchiſchen Princip widerftreiten
mochten, fo galt doch der König für den Mittelpunct der Ges
walten und der Gefeßgebung, und dem Volke wie den weltlichen
Großen gegenuͤber befreundete fich oft das Eirchliche Princip mit
dem monarchifchen. Immer aber ging die Geſetzgebung ber
weftgothifchen Monarchie und der wefigothifchen Kirche, fie
mochten nun einzeln oder vereinigt auftreten, mehr oder wenis
—3
.%2 Erſter Beitraum. 1 Bud, 9. Abſchn.
ger von einer Theorie aus, welcher fie die Anfoderun⸗
gen und Berhältniffe des bürgerlichen Lebend zu unter
werfen bemüht war. Dem SIndividuellen und Praftifchen
wurde feltener fein Recht. Drang auch die Gewalt der
Umftände und des Beduͤrfniſſes dem Gefeßgeber eine erfah-
rungsgemaͤße Anfiht auf, das daraus ‚hervorgehende Geſetz
büßte im Gefüge des Syſtems leicht feine Natürlichkeit und
Tauglichkeit ein.
Nicht fo bei den Ortsgeſetzen. Die Gefeggebung fand
den Stoff dazu vor; fie ſchuf ihn nicht, fie ordnete ihn nur
und fprach die Anfoderungen bie in ihm lagen aus. Über—⸗
bie war das Firchliche Element den Foraes fremd. Sie wur:
den nur für Laien gegeben und gingen faft nur von Laien
aus. In dem feltenen Fall, wo ein Bifchof einer ihm unter:
gebenen Gemeinde ein Ortörecht ertheilte, war er biefer nur
der Gerichtöherr, nichtd mehr und nichtd weniger als was ber
“weltliche Gerichtöhere andern Orten war '). Der Zweck und
die Beflimmung der Foraed lag zu nah und zu offen vor
Augen, ald daß ein geifllicher ober weltlicher Gerichtö= oder
Landes⸗Herr unbemerkt feine weithin zielenden Plane in die
Foraes verflechten, die Saat des Eigennußed der reifenden
Zukunft anvertrauen fonnte, wenn man auch eine tiefe Ab⸗
fichtlichkeit vorausfegen wollte, die dem Zeitalter fremd war.
Überdies bedurfte es nicht einmal gelehrter Kenntniffe und der
geubten Feder der Geiftlichen zur Abfaffung diefer Gefebe.
Mancher Brauch, manches Herkommen war hier oder dort,
oder überall durch Wiederholung fo unmandelbar heilig ge:
worden, fo genau ausgefprochen, dem Richter und der Partei
fo gegenwärtig, daß fie durch die Aufzeichnung dem Gedächt:
niſſe der Zeitgenofjen nicht fefler eingeprägt wurden, als es fo
viele ungefchriebene Gewohnbheitsrechte blieben, auf welche fich
die frühern und fpätern Foraes beziehen und berufen, und de⸗
ven Aufzeichnung für die Mitwelt eben fo überflüffig war, als
1) Das Ortsrecht, das der Bifchof und das Gapitel von Evora bem
Orte Alcasovas, der jenem gehörte, im Jahre 1229 gab, war Fein ande:
res als ber befannte Koral von Evora. Monarch. Lus. Tom. V. App.
Escrit. 7.
Gemeindewefen, in ben erſten Jahrhunderten. 253
fie für uns wuͤnſchenswerth geweſen wäre. Manche Beſtim⸗
mungen der Ortörechte Eonnten mit denfelben Worten nieder:
gefchrieben werden, mit denen fie fhon lange vorher von
Mund zu Mund gegangen waren. Der einfache Schreiber
war bier der befte, und daß man Feine ausgezeichnete Styliften
Dazu ausfuchte, weiß Jeder, der mit der Sprache der Foraes
eine Zeit lang gerungen und fich abgemühet hat.
Diefe Gefege und andere aus früherer Zeit, die. bis Das
hin ungefchrieben waren und bei der Aufzeichnung wohl eine
fchärfere Beftimmtheit heifchten, hatten fich aus oͤrtlichen und
zeitlichen, oft fehr individuellen Bebürfniffen und Verhältniffen
bervorgebildet und auf der fproffenreichen Leiter der Gewohn⸗
heit aus wiederholten Gebräuchen bet Nechtdentfcheidungen zu
feften Gerichtönormen, aus vorübergehenden und zufälligen An-
muthungen und Foderungen zu dauernden Rechten, aus frei=
willigen Leiftungen zu Zwangsobliegenheiten erhoben und ver
härtet. Die Beflimmungen in den Foraed, die, dem Geſetz⸗
buch der Weftgothen entlehnt, die Herrfchaft dieſes Volkes
iıberlebt hatten, waren im Laufe der Zeit in die öffentliche
Stimme fo völlig übergegangen, mit dem bürgerlichen Leben
fo verfchmolzen, daß fie aus bemfelben eher von felbft hervor:
gegangen als von auffen geboten zu fein fchienen. Aber auch
die neuen Gefege der Zoraed die nicht in entfernter Vergan⸗
genheit wurzelten, entfeimten dem Leben und der Erfahrung
und waren dad Ergebniß des bürgerlichen Zufammenlebens
und der Volksthuͤmlichkeit, wie diefe durch Ort und Zeit be
dingt fich gefaltet hatten. Selbft die Freiheiten und Vorrechte,:
die wir als Ausflüffe der Eöniglichen oder grundherrlichen
Gnade anfehen müffen, hatten in den beflehenden Verhältnif:
fen ihre Beweggründe und waren Gefchenfe, welche ein Blick
auf die Beduͤrfniſſe und Anfoderungen der Zeit dem Landes:
und GerichtösHern dringend empfahl.
So find alle Gefebe der Foraes das treue Abbild der An⸗
fihten, Sitten und Gebräuche des Volkes, fie find Kinder der
Zeit, die fich und ihr Jahrhundert, wenn gleich durch Sprache
und Denfart und oft faft unverftändlich, doch immer treuhers ..
zig und unverfälfcht ausfprechen. Sie find darum vorzüglich
geeignet uns mit dem Entwidelungsgang und der Bildunaaæ-
24 Erſter Beitraum. 1 Bud. 9, Abſchn.
flufe der Portugiefen jener Iahrhunderte befannt zu machen,
und von keiner andern Seite ift ed und vergönnt fo in das
Innere der gefellichaftlichen Ordnung und des bürgerlichen Les
bens jener Zeit einzubringen, wie durch diefe Ortsgeſetze. Sie
zeigen und die Stellung der Gemeinden überhaupt,
‚wie' die Verhältniffe ihrer verfchiedenen Bürgerclaffen
zu einander, deren Rechte und Pflichten. Sie führen
und unter die Streiterfchaaren des Aufgebots, an die Zoll
ftätte, in die Gerichtsftubes fie halten uns in den herr=
fhenden Verbrechen und üblichen Strafen, womit fie ung
befannt machen, einen treuen Spiegel der damaligen Volks⸗
thuͤmlichkeit der Portugiefen vor.
3) Xuffere Berfaffung der Gemeinden.
Ihre Stellung gegen ben König ober Gerichtöheren. Claſſen ber
Ortsbuͤrger und Semeindeangehörige. Peoes. Cavalleiros
— Fidalgos und Villaos. Rechte derſelben. Infançoens.
Viſinhos.
Nach den Begriffen jener Zeit gehoͤrte das Land dem
- König, eigenthuͤmlich; er hatte es erobert. Darum durfte er
es auch verfchenfen, und wir feben, wie er den Gemein
den ganze Gemarkungen zum ewigen Beſitz ertheilt). Auch)
die Waldungen, die Quellen und Flüffe in der Gemarkung
gehörten gewöhnlich der Gemeinde). Daß der König gleich-
wohl den Hoheitsrechten über diefe Gemeinden und Gemein-
bebefigungen nicht entfagte, zeigen und die Foraes, die von
Prälaten oder Ordensmeiftern ihren Ortfchaften gegeben wur:
den, und andere Urkunden, in denen fich der König die koͤnig⸗
lichen Rechte ausdruͤcklich vorbehält ). Diefe Rechte die gewiſ⸗
1) Damus Civitati Bragantie et populatoribus ejus totam Bra-
gantiam, et Lampazas, cum suis terminis, ad possidendum in perpe-
taum. Foral von Braganza in ber Memoria para a Hist.
das Confirmacöes Regias p. 106. -
2) Montes, fontes et flumina sint Concilii. oral von Penamocor.
8)... ut populetis illam (civitatem Egitaniensem) cum populo
et Clero: salvo mihi et successoribus meis jure Regali, fagt König
Gemeindeweſen, in ben erſten Jahrhunderten. 255
fermaßen ungertrennlih von der Krone waren, wurden ges
wöhnlich bei den koͤniglichen Schentungen und Veraͤuſſerungen
von Grundbeſi itzungen und Ortſchaften ſtillſchweigend ausge⸗
nommen und in der Regel gar nicht oder nur im Allgemeinen
erwähnt ). In einer Urkunde Affonſo's III. vom Jahre 1259
werben jedoch folgende namentlich aufgeführt: Annadaa, Col-
lecta, Moeda, Hoste, Appellido, Fossado, Justica, Servieo,
Adjuda ?),
Die koͤniglichen Rechte zu wahren, den Zuzug zum Kriegäheer
vorzubereiten, das Aufgebot zur Vertheidigung des Wohnorts
anzuführen, die Abgaben und Strafen für die Krone zu er
heben, war in jeber Gemeinde ein koͤniglicher Beamter ans
geftelt. Er hatte feinen Sig in einem Föniglichen Gebäube
des Ortes (in der heutiger Caſa da Camara), das faſt in al-
len Foraes erwähnt wird, im Palacio, der durch die koͤnig⸗
lichen Infignien, Die daran prangten, gewiffermaßen als koͤnig⸗
licher Pallaſt bezeichnet war, in den die koͤniglichen Gefaͤlle
und Auflagen floſſen und aus dem die koͤniglichen Verfuͤgun⸗
gen und Gnadenbezeigungen verkuͤndigt wurden. In biſchoͤf⸗
lichen oder gerichtsherrlichen Orten ſtand neben dem koͤnigli⸗
chen Palacio noch der biſchoͤfliche oder gerichtsherrliche mit
gleicher Beſtimmung fuͤr den Beamten des Biſchofs oder Ge⸗
richtsherrn. Die Palacios waren den Geſetzen der Foraes nicht
Sancho II. dem zum Biſchof von eiffabon erwaͤhiten Vincenz, da er ihm
den Auftrag gibt Idanha zu bevoͤlkern.
1) In der Schenkung, welche Sancho II., den Tempelrittern im J.
1244 mit den Töniglichen Rechten in Salvaterra und Idanha macht,
nimmt er ausbrüdtich folgende aus: quod recipiant monetam meam: et
quod dent inde mihi Collectas: et quod eant in exercitum meum et
in meam anuduvam: et alia jura, secundum quod habeo, et illa ha-
bere debeo in aliis Castellis, et Villis, quae praedictus Ordo Templi
in Regno meo habet.
2) Monarch. Lus. liv. XV, cap. 24. Diefe Ausdrüde werben
weiter unten erflärt werden. In Anfehung der Rechtspflege (Just
waren bereits unter Affonfo III. Veränderungen eingetreten, bie bi
König geftatteten die Justica in den Kreis der Töniglichen edhte
ziehen.
236 Erxſter Zeitraum. L Bud. 9. Abſchn.
unterworfen '): Dem Palacio gegenüber ſtand dad Gemeinde
haus, Concilium, der Mittelpunct der Gemeindeverwaltung
und der Si ber Rechtöpfleg. Der Ort, wo die Verſamm⸗
ungen der Gemeinde, wenigftens im fpdtern Mittelalter ge
halten wurden, hieß Soral”). Die Beamten des Palacio er-
nannte der König, die der Gemeinde (ded Conciliums) wählte
diefe aus ihrem Schooße, felbft den Ortsrichter.
Den Kern der Gemeinde bildeten die Aderbauer, die Ge
werbtreibenden und die Handelsleute. Sie alle wurden Tri-
butarii genannt, weil fie die Steuerpflichtigen der Gemeinde
waren; am gemwöhnlichiten aber Pedites Peoes) in Folge ih⸗
ter Kriegöpflicht, der fie aus Mangel an Mitteln nur zu Fuß
genügen fonnten. Wer eine Alden, ein Gefpann Ochfen, vier
zig Schafe, einen Efel und zwei Betten befaß, muflte ein
Yferd anfchaffen und unterhalten ’). Der Tributarius, fobafd
er fein eigned Pferd zum Kriegsdienſt befteigen Fonnte, flieg
fomit eine anfehnliche Stufe höher in der bürgerlichen Gefell-
fchaft; denn beritten 34 fein, war, wie es fcheint, hinreichend
. um Miles zu. werden. Konnte der Gemeinddmann aber Mi-
les fein, fo befaß er neben den Pflichten auch alle Vorrechte
und Vortheile des Miles*) Die Eintheilung der Ortsbuͤr⸗
ger in Pedites und Milites. war die durchgreifendfte, und in=
dem dieſe Eintheilung die gefammte Bürgerfchaft erfchöpfte,
zeigte fie zugleich, wie vorwaltend die Ruͤckſicht auf den Kriegs:
dienſt und die Ortövertheidigung war. Der Bürger wurde
mehr als Krieger denn ald Bürger angefehen, und galt in der
Gemeinde urfprünglich nur fo viel ald er im Felde Leiftete.
Die Cavalleiros, wie man bie Milites in der Volks⸗
ſprache nannte, fchieden ſich wieder in Gavalleiros oder
Efeudeiros Fidalgos, die gemeiniglich ſchlechthin und ohne
1) Venarii, et barrarii domus de Penamocor habeant unum fo-
rum, exceptis domibus Regis et Episcopi. oral von Penamocor.
2) No Carvalho de sete pedras, foral onde se fazem as Audien-
cias do Julgado de Penafiell. Doc. de Bostelio de 1431, 1451 e 1481.
3) Foraes von Penamocor, Montes mor, Graväo.
4) Et tributarius si potuerit esse habeat morem militum. Foraes
von Coimbra und Thomar. In der Überfegung bes letztern heifft es:
E se o Peom poder seer Cavalejro, aia foro de Cavaleiro.
Gemeindeweſen, in ben erften Jahrhunderten. 257
nähere Bezeichnung Miltted genannt wurden, und in Gavals
leiros oder Eſcudeiros Billaos (Caballarii oder Milites Bis
lani, Nichtabelige).. Die erften konnten als Fidalgos de Lin⸗
hagem nach den alten Geſetzen fuͤnfhundert Solidi Wehrgeld
anſprechen,“ und durften ihre Solares (Grundbeſitzungen) in
Honras (Freiguͤter) verwandeln (honrar)). Die letzten wa=
ren ohne Adel einfache Landbauer; ſie erhielten ein geringeres
Wehrgeld und entbehrten jenes Vorrecht der Fidalgos in An⸗
ſehung der Solares.. Da ſte aber ſoviel Vermoͤgen beſaßen,
daß ſie ein Pferd halten konnten, ſo genoſſen ſie aus dieſem
Grunde keine geringe Vorrechte und Befreiungen. Der Ca⸗
valleiro Peom oder Villao iſt wie der Fidalgo von der Auf:
lage der Jugada befreit. Kauft er von dem Peom (oder Tri⸗
butarius) einen Weinberg, fo wird diefer abgabenfrei; ebenfo
wird e8 alle Habe der. Frau, die er. aus dent Stande der
Steuerpflichtigen heirathet. Vor Gericht theilt er die Rechte
bes Fidalgo’8 oder Infançoms eined- fremden Gebiets *), und
hat bei der. Eidesleiftung zwei Eideöhelfer‘ (vor .dem Peom)
voraus’). Kein Sayam (Gerichtsdiener) darf .an dad ‚Haus
des Gavalleiro ein gerichtlidjes Ladungszeichen machen... Hat er
etwas Geſetzwidriges gethan ;: fo erfcheint ex vor Gericht und
empfängt fein Urtheil nach. dem Geſetz ). Faͤllt dem Caval⸗
leiro daS Pferd, fo. gibt: ihm, wenn: er imvermögend ift ein
anderes zu. faufen, ber König ein anderes. Erhaͤlt er aber
auch Feines von diefem, fo bleibt er doch in Ehren und in feis
nen Rechten bis er fo, viel erworben hat, bag er fich ein ans
deres kaufen kann. Gr behält den Rang des Miles auch wenn
fein vorgeruͤ gles Alter ihm nicht mehr erlaubt Kriegsdienſte
1) Das Nähere daruͤber wird an einer andern Stelle erörtert werben.
2) Dies war das Gewoͤhnliche. In dem oral von Braganza wird
der Peom vor Gericht dem Cavalleiro ganz gleich geftellt‘ Si pedon
vestre ville percusserit Cavallerium, aut Cavailarius- pedonem, equa-
.liter pectent ad invicem, et equale judicium habeant
vallarii de vestra Civitate, - Koral von Braganza.
3)... et in juramento troucant super. illos cum duoe
. 4) E .se alguum Cavaleiro: fezer algus «0
venha ao Concellie, e seia: julgade direitamente?
Schäfer Geſchichte Portugals I.
258 Erſter Zeitraum. L Buch. 9. Abſqhn.
zu thun. Seine Witwe geniefft gleiche Ehre und Mechte wie
* Lebzeiten ihres Gatten. Ohne ihre und ihrer Verwandten
Einwilligung Tann weder fie noch ihre Tochter zu einer ehe⸗
lichen Verbindung gezwungen werben '). Den Inbegriff aller
Vorrechte und Sreiheiten ber Milites. nennen die Foraes ge:
wöhnlich marem Militum, biöweilen auch consuetudinem 9).
Obgleich dadurch, daß ſowol die Cavalleiros Villaos als
die Cavalleiros Fidalgos unter den Milites begriffen: werben,
die genaye Scheidung beider Claſſen wenigſtens für und er
fehwert wird, fo ift es doch keinem Zweifel unterworfen, baß
die Trennung in Ritter von Geburt.und in unabelige
Berittene ſchon frühzeitig finttfanb und anserkdlih ers
wähnt wird’). Zur Zeit des Königs. Affonfo DIL fing man
in Portugal an, der Benennung Fidalgo oder Filho @algo
fi zu bedienen, um die Cavalleiros. und Eseudeiros de Lin-
hagem von jenen, die ed nicht von Geburt waren, zu unter
ſcheiden. So verfügte diefer König in: dem Foral, den ee den
Einwohnern von Villa Real gab, daß der Alcaibe Mor ber. -
Burg fietd ein Cavalleiro „Film de alge“, dem fimfhundert
Solidi Wehrgeld gebührten, fein folle. Den Cavalleiros vom
Geburt entiprachen die Escudeiros von Gebint‘). Sie unter⸗
ſchieden fich von jenen nur dadurch, daß fie den Rang ber
Cavalleiria noch nicht erlangt hatten,. und es traf ſich daher
oft , daß der Vater Caballeiro ‚ber Sohn Escubeirs in war.
Iy) Zoraes bon Coimbra, Thomar, Villa de Moz, Gravão
2) Vos, qui eſtis cives Milites, istam consuetndinem
firmiter dono, fügt bie’ Königin Therefia im oral von Mu v. J. 1128.
3) In dem Foral, den der König Affonfo Henriques im Jahr 1135
dem Flecken Leiria gab, heifft e8: Quod si fuerit miles, cujus domus
faerit disrupta, detur inde medietas illi, et alia medietas Regi. Si
vero fuerit peon, duplet ille quod rapuerit, et det. 500 solidos Regi.
Si miles. per naturam ibi perdiderit eqnum suum, et reouperare
non potuerit, seınper stet in foro militis. Alius vero milds, qui
non fuerit per naturam, si perdiderit equum, stet in foto duos’
annos ... Peon si habuerit equum, stet miles si valt. °
4) Dem Zoral zufolge, das der König Dinig der Burg Welorlto de
Baſto gab, ſoll der Alcaide Mor derſelben ſiets ein Fidalgo fein,
„quemdam militem, vel qomdan 8 Boutiforum fillumde algo.*
Gemeindeweſen, in ben erſten Sahrhunderten. 259
Die Ritterwuͤrde Tonnte nur von dem König, oder in.
deſſen Auftrag durch die Ricoshomens ertheilt werden. .. Als
dieſe zur Zeit des. Königs Diniz diefes Föntgliche Vorrecht ei-
genmächtig an fich: gteben wollten und die Gavalleiros. in
Menge den öffentlichen Leiftungen und: Auflagen, zum großen
Schaden der Aderbauer. und. Gewerböleute, fich zu entziehen
ſuchten, widerfeßte fich.dem der König und verbot den Ricos
bomens durch ein beſonderes Geſetz (im J. 1305) bie Erthei⸗
lung ber Ritterwuͤrde ). Ermaͤchtigte der Koͤnig einen‘: An⸗
dern zu dieſer Handlung, ſo galt auch hier wie in Spanien?)
die Regel: nur ein: Ritter kann zum Ritter fchlagen. . -.
Höher ald die biöher erwähnten Adelsclaſſen flanden bie
Infanceoend. Daß man unter ihnen nicht die Neffen des Koͤ⸗—
nigs oder die Brüder des Kronprinzen zu verftehen habe, bat
Santa Rofa de Viterbo genügend bdargethan‘). Die einzige
Stelle in den Ortörechten von. Coimbra und Thomar, wonad)
„Der :Snfancom im. diefen Orten ten Haus und Teinen Mein:
berg haben darf, wenn ve nicht mit ber übrigen Einwohnen
dafelbft: wohnen und mit ihnen biefelben. Laften und Leiftungen
theilen will‘), *' tönmte ‚jene Behauptung widerlegen. Gleich:
wol ift eine befriedigende. Klarheit nicht zu gewinnen; nur
das iſt auffer Bweifel, daß die Infançoens im Portugal Fi⸗
dalgos von höherem Rang und größerem Grunbbefig waren,
üb.er den Gavalleiros und ziemlich tief unter den Ricos⸗
homens fanden. Diefe Stellung weifen den‘ Infancoens na⸗
mentlich die Werzeichniffe der. Unterhaltungskoften an, die von
den Kirchen und Klöftern an fie entrichtet. werben mufften. _
Nach dieſen Verzeichniſſen folgen einander die Adelsclaſſen uͤber⸗
haupt in dieſer abſteigenden Stufenreihe: Ricomem, Snfangom,
Cavalleiro, Escubeiro‘).
1) Memor. da .Academ. Real T. VI. p. 173, od dem Lir. An-
tig. das Leis fol, 66.
2) Partida. II, tit. 31. ley 11.
$) Elucidar.. T. II. p. 87. nn au Bit; iro in den Obser-
vacöes de Diplom. "Portng. p. 4
4) Et servire sicuti vos, -
5) In einer Inquirigao, bie Bu e bes -Könige, Eftevão
Soares, in Betreff ber M * Mae he Percos im
260 Erſter Zeitraum. J. Buch. 9 Abſchn. |
Alle diefe Adelsclafien, mit Ausnahme der Ricoshomens,
werben als Mitgliever der Gemeinde in den Foraes erwähnt.
Auffer ihnen zaͤhlten mehrere Ortſchaften zu ihren Gemeinbes
angehoͤrigen eine eigenthlimliche Gattung von Bürgern, bie
. man Visinhos (Nachbarn) nannte. Ihnen war geftattet, Guͤ
:tee und Grundſtuͤcke in ben Gebieten gewiſſer Städte und Flek⸗
ken, die von. neuem bevölkert wurden, zu befiten. Die Vi⸗
ftichos, geößtentheild vom hohen Abel und zu den Umgebun:
gen des Königs gehörig, waren für jene Berechtigung. bie Pas
teone diefer Gemeinden am Hofe, führten ‚hier deren Rechts⸗
haͤndel, beforgten ihre Angelegenheiten und unterftüten ihre
Geſuche). Aber es gewann weder - die Gerechtigkeitöpflege
. - fonderlich. durch diefe Einrichtung, noch fcheinen die Vortheile
der Gemeinde diejenigen, bie fi die Vifinhos auf Koften
ihrer Glienten. machten, überwogen zu haben. Der König Pe
ter L; ein großer Eiferer für firenges Recht, erlaubte nicht,
daß an feinem ‚Hofe „eine Perfon, die ben. Gemeinden vers
‚pflichtet, ober ein Gemeindenachbar“ ) fi aufbielt, damit
deſſen Einfluß ober .Anfehn nicht etwa bie Lauterkeit der Ju⸗
ſtiz beeinträchtigte. Den Einfluß, den mächtige Viſinhos am
Hofe zum Vortheil ihrer Gemeinden ausübten, konnten fie
“noch leichter und außgedehnter zu ihrem eignen Vortheil in
Jahr 1811 anftellte, heiſſt es: Achei que essa Kigreja era a mer so-
fraganha do mosteiro de Moreira, e a outra men touseya nesta ma-
‚neira; que desvende ao Ricomem oito soldos, e ao Infancom
quatro soldos; e ao Cavalleiro dois soldos; e ao Escudeiro
hum soldo; e os filhos nom levarem mais que a tercz mentras, que
os Padres forem vivos; e isto ser huma vez no anno.“ Vergl. auch
Cod. Affons. liv. I. tit. 44. 8. 23 und 26, wo ben Condes 20 homes
de bestas, den Ricos-homes 12, den Infangdes 7, ben Cavalleiros und
Escudeiros nur 4 angerechnet werben.
1) &o wurben zur Beit bes Königs Affonfo II. mehrere Große feis
nes Hofes von den Gemeinden Evora, Beja und andern als Bifinhos
“ aufgenonmmen, und genoffen alle Vorrechte, deren fich biefe Communen
erfeeuten. Im J. 1211 verkaufte die Gemeinde Metjom frio dem Affonfo
Pires ein But, und machte ihn zugleich zu ihrem Viſinho, „bamit er ihr
beiftehe und fie vertheidige gegen Jeden, der z fe zu beunzupigen wage.”
Docum. de Tarouca im Elucid. T. II. p. 405
2) „kessoa alguma obrigada, ou visinha "dos Conselhos,
Gemeindeweſen, in. ben erften Sahefundersen, 261 |
ben Gemeinden ferbft mißbrauchen, und daß biefe, wenigftens
in fpäterer Zeit, wohl einfahen und zum Theil erfahren hats
ten, wie fehr ihr Gemeindewefen dadurch gefährdet wurbe, -
fchlieffen wir aus der entfchiedenen Seftigkeit, womit manche
Gemeinde gegen Viſinhos und deren gefeßwidrige Eingriffe ſich
wehrte und verwahrte). Selbſt wenn bie Viſinhos in dem
gefeblichen Schranken fich hielten, fo genoffen fie alle Vers
theile und Worrechte der Ortöbürger, ohne deren Laften zu
tragen. Ihre Befigungen waren als Güter von Cavalleiros
fteuerfrei, und. da fie in ber Regel abwefend und in der Ge
meinde gewöhnlich nicht einmal wohnhaft waren, fo konnten
fie zum perfönlichen Kriegsdienſt von Seite der Gemeinde
nicht zugezogen werden. Ihre Stellung zu ihren Mitbürgern
befreite fie von einer der erften Pflichten bed Gemeindsmannes
— von der DVertheibigung bed heimatplichen Herdes.
1) Die Gemeinde Pinhel z. B. ließ ſich nie auf cachdarbriee unb
Schenkungen an Viſinhos ein. Als i. 3. 1874 der König Ferdinand ihr
alle Gerechtfame und Freiheiten, bie ihr die Könige ertheilt hatten, beſtaͤ⸗
tigte, bekräftigte er ihr auch insbefondere das Vorrecht, „baß keine Gas
valleiros, Feine Frauen von Abel (Donas), Feine Fidalgos, DOrbensritter,
noch andere mächtige Perfonen Grunbftüde in diefem Flecken oder in fels
nem Gebiet kaufen oder erwerben durften, indem, wenn fie bisweilen
fotche erworben hätten, bie Gemeinde jedesmal durch richterliche Entſchei⸗
dung fie abgewiefen habe, ſodaß jenes Privilegium ſtets in Kraft geblies
ben wäre.’ König Johann I. beftätigte. dafjelbe 1386 gleichfalls und
verbot den Zabelliaens folche Verkaufsurkunden auszufertigen, bei Strafe
ber Ungüftigkeit und bes Verluſtes ihrer Stellen. Dennoch erwarb ſich
ein angefehener Fidalgo, Gongalo Vasques Gontinho, insgeheim einige
Häufer an ber Mauer von Pinhel und ergwang ſich von einigen Glie⸗
deren ber Gemeinde einen Rachbarbrief (Carta de Visinhanga). Aber bie
Gemeinde zgerftörte jene Häufer mit gewaffnetee Hand, auf den Grund
bin, „daß mit Pinhel Leine Großen in nachbarlihen Berhättniffen flüns
den“ (näo visinharem com Pinhe) nenhuns Poderosos), Als biefer Fi⸗
dalgo im Kriege gegen Caſtilien von dem König zum Marſchall und Grenz⸗
ſtatthalter der Comarca von Beira ernannt wurde und mit ſolcher Amts⸗
gewalt nach Pinhel kam, hielt die Furcht die Einwohner eine Zeitlang ab
ſich Recht zu verſchaffen. Doch nach dem Kriege fiel das richterliche Urs
theil in Iegter Inſtanz zum Borthell den Demeinde ans, bie ſich freute
einen „fo boͤſen Nachbar“ entfernen Nach dem Elucidar.
verb, Visinh»
Br Eriter Zeitraum. I. Bud. 9. Abſchn.
Ä 9 Obliegenheiten der Gemeinbeglieer
grẽgepflichtigkeit und Ortsvertheidigung. Apelido, Aarla, Foſſado.
Zu den erſten and unerlafflichften Obliegenheiten der Orts⸗
bfirger gehörten: der Zuzug zum koͤniglichen Kriegäheer (hir
em hoste), die Abwehr faracenifcher Angriffe auf Grenzorte, die
perfönliche Beſchuͤtzung der Mitbürger bei ihren gemeinfamen
und gemeinnugigen Werrichtungen aufferhalb - der Ortömauern.
Diefe DVerpflichkiingen waren hervorgegangm aus ber - eigen-
thuͤmlichen Entſtehungsweiſe Portugald und wurben fort⸗
dauernd geboten Durch die Lage des Reiche. : Won einem'fchmas
len Landſtriche ven: einzelnen Städten, als Ausgangspuncten,
war ed durch Eroberung bis zu’ feinen - jetzigen Grenzen er⸗
weitert worden: Burg fuͤr Burg und Stadt für Stadt hat⸗
ten die fiegreichen Waffen ber Könige nach und nach erfämpft.
Haft jede Ortfchaft war eine Zeit lang Grenzort gewefen und
mitten im Binnenlande lagen jest Städte und Schlöffer, die
laͤngere oder kürzere Zeit Grenzfeflen und Borwachen des Reis
- ches gewefen waren. Diefer Umftand hatte auf die Stellung
der Ortöbürger, auf ihre Rechte und Pflichten einen fo durch⸗
greifenden Einfluß ausgeübt, daß ihre Dadurch entflandenen
bürgerlichen Einrichtungen mit der veränderten Lage dieſer Orte
nicht fogleich fi) aud veränderten. Diefe Einrichtungen wa⸗
ren im Laufe der Zeit mit.ihrem Gemeindeweien fo tief und
innig verwachſen, daß die Gefahr, die ſie hervorgerufen und
ſo lange in Wirkſamkeit erhalten hatte, laͤngſt verſchwunden
ſein konnte, ehe man darauf dachte, das uͤberfluͤſſig Gewordene
aufzugeben und zu entfernen. In dem anderthalb Jahrhun⸗
derte, in dem die meiſten Foraes ertheilt wurden, zeigte ſich
die Gefahr ſtets drohend, und ſo lange die Macht der Mau⸗
ren nicht gaͤnzlich gebrochen, dieſer Feind nicht fuͤr immer aus
Portugal und von ſeinen Grenzen vertrieben war, blieben An⸗
ſtalten gegen dieſe Gefahr nothwendig.
Um ben eben fo unerwarteten und ploͤtzlichen als vers
derblichen Einfällen und Angriffen der Saracenen begegnen zu
koͤnnen, wurden nicht allein am Tage auf hohen und freien
Drten Wächter (Atalayas) ausgeftellt, fonbern auch des Nachts
Gemeindewefen,.in den erſten Jahrhunderten. 363
Wachen (Sculcas in dee Sprache der Foraes) angeorbnet‘),
die bei dem geringften verbächtigen Gerdufche ihre Mitbürger
mit den Worten: Mauren im Land, Mauren im Sand! Eins
wohner zu ben Waffen! ?) aufriefen. Auf diefen Ruf erhoben
ſich Alle, die irgend die Waffen führen Eonnten, in Muſſe.
Man nannte dieſes ploͤtzliche und laute Aufrufen einer ganzen
Gemeinde, um gemeinfam und bewaffnet den Feinden, bie bad _
Land raubend, verheerend und mordend. hurchflteiften, entge⸗
gen zu ziehen, Appellidar a terra, das geruͤſtete Aufgebot ſelbſt
Apelido ’). Ihm zu folgen war: jeder Ortsbuͤrger, ber höchfle
wie der geringfte, verpflichtet. Jeder fallte für die Heimat, für:
den bedrohten. Herd die Waffe ergreifen. Der Cavalleito,
der fich dieſer natürlichen Pflicht‘ entzog, muſſte zehn So:
lidi, der. Peom im ſolchem Falle bie ‚Hälfte on bie Mits
bürger zahlen“). Nur der im Dienfte eines Andern ſtand
(er hatte Feinen eignen Herd zu fehügen) war: befreit. Da es
fih hier nicht um bie Vertheidigung bed Baterlandes, fons
dern der Vaterſtadt handelte, und eine längere und weitere
Entfernung der. waffenfähigen Bevölkerung bedenklich und ges
faͤhrlich war, fo verfolgte. man gemeiniglich ben Feinde: nur ſo
1) In dem Foral, ben Affonfo Henriques i. 3. 1187 Penella un:
weit Coimbra gab, werben bie Atalayas bed Feldes von den, Vigias ober
Arrocovas ber. Mauer unterfchieden: De illa Atalaya Rex (ein Titel, den
der Infant bier anticipirt), medis, et habitatores alla media: de Vigi-
lia de muro Rex media, et habitatores alia media. Bon ben Atas
Yayas, het Wachthuͤrmen (denn biefe Bedeutung kat das Wort ehen-
falls) auf benachbarten Höhen, welche die ganze Umgegenb "beherrfchten,
gaben die Wächter bei der Annäherung bes Feindes den bedrohten Ort:
haften. beftimmte Zeichen, am Tage durch Rauch, des Nachts mit Feuer.
Solcher Atalayas aus jener Zeit finden ſich noch jegt in Portugal. Die
eigentliche Nachtwache befand fich auf der Dauer der Burg ober Stadt
ſeibſt. Klucid. T. I. p. 139. 146.
2) Mouros na terra, Mouros na torren moradores
äs armas!“
8) Elucid. T. I. p. 122.
4) Foraes von Monte⸗mor, Graväo, P
u. f. w,
Br
20% Erfter Zeitraum, 1 Bud. 2 Abſchn.
weit, daß man an dem naͤmlichen Tage an den Wohnort zu⸗
ruͤckkehren konnie ).
Beſchwerlicher war die Lage der Orte, die unmittelbar
an. bad Gebiet der Saracenen grenzten. -Ihre Bewohner durf⸗
ten nicht wagen . einzeln ihre Mauern zu verlaſſen, ba jene
unaufhoͤrlich die Felder durchſtreiften, "die Unvorfichtigen und
‚ Behrlofen ergriffen und in Gefangenfchaft fchleppten. Nur
unter. dem Schuge einer bewaffneten ſtarken Mannfchaft gin⸗
gen’; fit daher. auf bie Berge, um: bad erfoberliche . Holz zu
fällen; und während.die Einen dieben, aufluden und wegfuh⸗
ren, muſſten die Andern bisweilen im heiſſen Kampfe die Ar⸗
beiter ſchuͤtzen. Man nannte eine ſolche militairiſche Holzfaͤl⸗
lung Azaria?).. Es war hart, daß von dem mit Schweiß und
oft mit Blut Errungenen ein Zünftheil an den König abges
geben werben muſſte ).
: :Baren dieſe gemeinfamen Unternehmungen, : die Azaria .
wieder Apelido, burch das Recht und die Pflicht der Selbſt⸗
vertheibigung geboten, fo war eine Gattung berfelben nur in
dem echte des Staͤrkern gegründet und obgleich Tandesüblich
und gefeglich. erlaubt, darum nicht weniger ein Zug der Roh⸗
heit jened Jahrhunderts. In dem Monat, worin das Getreide
fich der Reife nähert, rüdte man in Maffe und gewaffnet aus,
um die Srüchte, welche die Feinde gezogen hatten, abzufchneis
den und einzufammeln. Man bemeifterte fi) zu dem Ende
der feindlichen Zluren, verwahrte ‚und befeftigte fich leicht im
Vertiefungen und Gräben (fossas) und befchränkte ſich nur
auf: die DVertheidigung und den Schuß derer, die mit bem
Ausziehen oder Abfchneiden der Früchte und des Zutterd bes
Ichäftigt waren. Einen folchen gemeinfamen Ausfall, der rafch
und unerwartet audgeführt wurde, nannte man fossado*)..
1) Burgeses tam longe vadant in apellido, quomodo in ipso die
possint revertere in domos suns. $oral von Gonft. de Panoyas.
2) Bon dem alten Aza (im Spanifchen hacha), Haue, Art. Noch
jegt heiffen in Portugal Achas „mit der Art gefpaltene Holzſtuͤcke.“
3) De Azaria nobis Vam partem: vobis IVor sine ulla Alcaida-
ria. Foral von Soure; aͤhnlich in Thomar, Cea, Alcanede und andern
Grenzorten.
2) Elucidario, T. I. p. 476.
Gemeindeweſen, in den. erſten Jahrhunderten. 265
Auffer Cavalleiros, Edcubeiros und ordentlicher Kriegsmann⸗
fchaft beftand er aus Peoes, Landleuten und Arbeitern , welche
die Beute einzufamnteln und fortzufchaffen hatten. Der Kös
nig felbft und die Bifchöfe nahmen. Feinen Anſtand, dieſem
Auszug auf Raub’), diefem Beutemachen beizumohnen. Ein
Drittheil der Cavalleiros blieb in dem Orte zurüd, die uͤbri⸗
gen waren nach den meiften Foraes verpflichtet, zum Foſſado,
der in der Regel jährlich nur ein Mal ſtattfand, auszuzie⸗
ben. Der Zahrläffige zahlte zehn Solidi?). Wo es allzu
gefährlich war den Drt von dem meiften Cavalleiros zu ent⸗
blößen, 308 nur der dritte Theil derfelben aus. So in der
Burg Moz, die an der oft bedrohten Grenze von Leon lag;
mit warmen Brod in der Feldtafche verfehen, folte der Ca:
valleiro von Moz an dem nämlichen Zage in bie Burg zu⸗
ruͤckkehren ?),
Es ereignete fi. biöweilen, daß bie Cavalleiros, bei dem
Foſſado wie bei der Azaria, im Kampfe mit den Mauren
Pferde erbeuteten. Das erſte, das der Portugieſe den Fein⸗
den abnahm, gehoͤrte ihm; von allen uͤbrigen, die in ſeine
Hände fielen, erhielt der Landesherr den fünften Theil bes
wahren Werthed. So beftimmten ed mehrere Ortsrechte *)..
Kaum haben wir einen Blick in dad Keben und Treiben
der Gemeinden geworfen, fo floßen wir auf Abgaben und Ges
“
1) E de roubo, e de Fogado non dedes senon ao Adail as
duas partes, e a vos fiquem as duas. So brüdt die Überfegung bes
Sorald von Thomar, die im Anfang bes vierzehnten Jahrhunderts ges
macht wurde, bie Worte des urfprünglich lateiniſchen Forals aus: De
preda de Fossado non detis nisi ad Zagam duas partes, vobis re-
maneant duae.
2) Foraes von Montes mor, Graväo, Penamocor u, f. w.
8) Et non faciatis Fossado, nisi cum vestro Seniore una vice
in anno; ita ut.levetis panem calidum in alforges, et ipso die rever-
tatis ad vestrum Castellum. oral von Moz, von König Affonfo Hen⸗
riques i. 3. 1162 ertheilt. Über Alforges vergl. Joäo de Sousa,
Vestigios da lingaa arabica em Portugal, verb. Alforges,
‘ 4) Milites qui fueriat in fossade, vel in zuardie, omnes Caballos
qui se perdiderint in algara, vel in u⸗ ı eroctetis eos sine
quinta, et postea detur nobis quinta di ' son Penamocor;
ähnlich In den Joraes von Kim mor u. f. w.
‚ähr-
6 Erſter geitra um. L Bud... 9 Äsfen.
Kälte, bie an den König ober Gerichtsherrn entrichtet werden,
Abgaben vom dem mit gewaffneter Hand ſo mahſam errunge⸗
nen Holzbedarf ber Gemeinde, wie.von ber Beute umd Dem
gefeglichen Raube. Bei jevem Schritte in der Gemeinde neh⸗
men num aͤhnliche Leitungen und ‚Auflagen der Ditsbirger
unfere Aufmerkfamkeit in Anuſpruch, und wie biefelken faſt in
alten bürgerlichen Berhältniffen und begegnem, fo : lernen wir
durch ſie auch faſt alle buͤrgerliche Verhaͤltniſſe mehr oder we⸗
niger genau kennen. Zur Kenntniß des Abgabenweſens hat
uns. die Überficht der Buͤrgerclaſſen der Gemeinde, wie ihrer
gemeinfanien Pflichten und Unternehmungen eine nothwendige
Vorbereitung und einen natürlichen übergang bangeboten.
5) Abgabenweſen. Beiftungen.
Während die meiften Verhaͤltniſſe des Staates wie bes
bürgerlichen Lebens in jenen Iahrhunderten auch in Portugal
fehr einfach erfcheinen,, . ftellt fich das Abgabenmwefen vielfach
verwidelt und verfchlungen und höchft beziehungsreich dar. Es
bildet nicht eine "Seite der Staatäverwaltung und Verfaſſung,
feinen befondern, für fich beflehenden Theil derfelben; es um⸗
fafft gewiffermaßgen alle Seiten und Theile, greift in alle ein,
und indem ed zu feinem Verfländnig die Kenntniß aller Ver:
hältniffe vorausfegt, verbreitet es zugleich Licht über alle Ver⸗
häftniffe. Es zieht fich durch die lange Kette aller Stände,
vom Leibeigenen, ber, von allen Mitteln entblößt, nur die
Kraft feines Armes zu fleuern vermag, bis zum König hinauf,
überfpringt Feinen Ring, berüdfichtigt vielmehr die Beziehung
eined jeden zum andern. Es begleitet den Steuerpflichtigen'
durch alle Lebenöftufen, verläfft ihn felbft am Sarge nicht und
mehrt noch durch feine Härte die Thraͤnen der Hinterbliebenen
(Loitosa). Rur für den ſchwer erfchwinglichen baaren . Mara:
vedi laͤſſt es den Pflichtigen fich losfaufen vom Schweiffe ber
Feſtungsarbeiten und des Schanzengrabens (Anuda), und fodert
fogar im Vertheidigungskampfe gegen die Feinde Antheil von
der errungenen Beute. Selbft indie Gerichtöftube dringt der
Steuererheber, um vom Verbrecher die gewöhnlich einzige Strafe
die ihn trifft, die Geldbuße zu fobern (Coima). Er ſtehi uͤber⸗
“ .
Gemeindeweſen, in den eriten Jahrhunderten. 267
al am Weg und Steg (Portagem), und fo dürftig auch ‚Der
Gewinn ift den dee kuͤmmerliche Handel: und ‚Verkehr jener
Zeit abwirft, der Zoll nagt unaufhoͤrlich daran und verfolgt
die Waaren durch alle Hände, durch. die fie gehen (Passagem).
Am fchwerften aber laftet das Abgabenwefen auf ben Erzeug-
niffen ded Landbaued und der Viehzucht (Jugada, Montado),
bamald gerade ben faſt einzigen Hülföquellen und Nerven
des Stagted, und lähmt den Arm wie den Lebensmuth des
armen Adermannes und Viehzüchterd, der allein die zahlrei⸗
chen Stände der Benorrechtigten wie den König nährte und
unterhielt... Im Klerus endlich fieht der Hörige nur -einen
zweiten Seren, ber-in feinen Foderungen nicht milder ift als
der weltliche (Dizima). Und in allen Diefen verfchiedenen Staͤn⸗
den, BVerhältniffen ‚und Beziehungen gilt nirgend. eine allge
meine Regel, nirgend eine feſte Norm. Beſchraͤnkungen, Aus⸗
nahmen , Vorrechte, Befreiungen wechfeln in allen Claſſen der
bürgerlichen Geſellſchaft. Beinah in: jedem Fleden, in jeber
Stadt ändert die Abgabe ihre Natur, ihr Maß; nirgend ein
Syftem, ein Gleichſtellen; faft überall das Eigenthümlichfte,
Perfönliched und Örtliches.. J |
Die Menge der Abgaben und Leiflungen, die in. den
Drtörechten und Urkunden der erften Iahrhunderte des Stans
tes erwähnt werben ‚ iſt unzählig).. Zur leichtern - Überficht
theilen wir fie in drei Claſſen?): erſtens, perfönliche Leiſtun⸗
gen oder Erſatz derfelben durch einen Geldbeitrag; zweitens
Strafgefälle, die aus der Verurtheilung wegen begangener Ver⸗
brechen flofienz drittens Abgaben, die unmittelbar auf Guͤ⸗
1) Werben ja im Elucidario allein die Namen von mehr als zwei⸗
hundert (worunter freilich ‚einige Synonyme find) aufgeführt. Eine ers
ſchoͤpfende Darftellung ber Leiſtungen und Abgaben würde, wäre‘ fie auch
möglich (manche Benennungen und Ausbrüde find felbft den Portugiefen
zweifelhaft und unverftändlich geworden), bie Grenzen bed ung geftatteten
Raumes und gewiß auch die Grenzen ber Gebulb ber meiften Lefer über:
fchreiten. Wir beſchraͤnken uns daher auf die uͤblichſten und bedeutend⸗
ften und berüdfichtigen babe zugleich folche, die auf die Verhaͤltniſſe bes
Volkes und Staates einiges Licht werfen.
2) Wie Eaetano bo Amaral in den Mem. da Acad, Real,
T. VI. p. 146,
288 Erſter Zeitraum. L Bud. -9. Abſchn.
ter gelegt waren, ober bie einen Theil. bes Ertrag ber Grund⸗
güter bildeten, oder die als ein Zeichen der Anerfennung ber
Gerichtöherrlichkeit entrichtet wurden, oder die man von dem
Handel und Verkehr bezog. . Auffer diefen feſten und ordentlis
chen Abgaben verlangten bie Könige bei befondern Veranlaſ⸗
fungen oder in Zeiten dringender Noth noch aufferorbentliche und
freiwillige Hülfen (Pedidos).
Zu der erften Claſſe zählen wir bie Fossadeira und Adua,
ben Castellatico, die Lobos, bie Carreira und in gewiſſer Be⸗
ziehung die Emtruviscada. |
Die perfönlichen Leiftungen der Gemeindeglieder bei dem
Foſſado, der wie ber Apelido blos im Vortheil und zum
Schuß der Gemeinde geſchah, koͤnnen nur inſofern hierher ge⸗
zogen werden, als ſie in Geld verwandelt werden durften, das
zwar zur Beſtreitung der Koſten des Foſſado beſtimmt war, in
der Folgezeit aber hoͤchſt wahrſcheinlich in die koͤnigliche Schatz⸗
kammer floß. Man nannte den Geldbeitrag, den der Pflich⸗
tige ſtatt der perfönlichen Leiſtung fir den Foſſado zahlte;
Fossadeira '). Indeſſen war diefe Abgabe nicht immer ein Er⸗
fat fuͤr die zu leiftenden Dienfte, fondern oft eine Strafe fuͤr
die Unterlaffung der obliegenden Pflicht). Von ber Foffadeira
(wie von dem Foſſado) befreiten übrigens die Könige manche
Gemeinden, weil fie an feindlichen Grenzen lagen. oder befons
bere Verdienfte um die Krone und dad Reich fich erworben
hatten 9.
Adua) nannte man eine gewiſſe Abgabe in Geld, die
zur MWiederherflelung oder neuen Aufführung der Mauern,
. Xhürme, Gräben und Befeſtigungswerke, die zur- Landesver⸗
theidigung erfoderlich waren, entrichtet wurde. - Bisweilen bes
) Et qui non fuerit ad fossado, pecte pro foro V ff pro fos-
sadeira. oral von Gaftello:Branco v. 3. 1213.
2) Et Omem de Sancta Cihice, qui non fuerit in appellido cum
suos vicinos, ‚pectet uno morabitino., Et si dixer: non lo ovi; juret
cum duos vicinos. oral von Santa Cruz be Billariga von 1225,
8) Elucidario T. I. p. 475.
4) Anuduva, Annaduva, Anuda, Aduba, Anubda, Anuguera, Anu-
diva und Annaduva.
Gemeindeweſen, in ben erften Zahrhunderten. 209
zeichnete man mit. dieſem Worte auch einen Haufen gemeiner
Leute, die an ſolchen Befeſtigungswerken zu arbeiten verbun⸗
den waren. In einigen Gegenden des Landes waren die Orts⸗
einwohner zu dieſen Arbeiten an ihrem Wohnfige verpflichtet.
Aber da dieſe Arbeiten oft ſehr ausgedehnt und anſtrengend
waren, fo wurden bie Unterthanen aus ber näheren ober fer
nern Umgegend noch zugezogen. Die Befugniß, die Adua zu
"verlangen, gehörte: zu den Rechten, die ſich der König bei
Verſchenkung von Ortfchaften ald unveräufferliche und von ber
Krone nicht zu trennende vorzubehalten pflegte. Die Anubis
vas, fie mochten nun perfönlich ober in Geld ‚geleiftet werben,
wurden, wie es fcheint, oft fehr brüdend, und erregten bie
Unzufriedenheit dı8 Volkes, wie man aus einem Erlaffe bes
Königs Affonfo III. vom 3. 1265, der in ‚den Cortes vor
Santarem 1284 wieder . vorgebracht wurde, erficht. Um
den Klagen über biefe Leiflung abzuhelfen, wurde von “fs
fonfo III. verordnet:
Der König darf nie Gelb flatt ber Adua verlangen.
Solche bie auf fremden Gütern wohnen und an ihre Herren
eine gewiffe Abgabe entrichten (die Jugarıi), Kranke und Schwächz
liche, Pilger, Neuverheirathete im eriten Sahr, Dienftboten,
gewiffe Gewerbsleute, wie Müller, Bäder u.f. w., Arme bie
nichtö zu leben haben, Kleriker und abdelige Schilöfnappen find
von der Abua befreit; ebenfo Alle die es nach den Ortsrechten
und dem Lanbesbraud fi find. Die zu diefer Leiftung Verpflich⸗
teten find ed nur im Krieg und in Zeiten dringender Noth.
Sie können nur durch die Prätored, die Alvaziles und Ortes
richter zur Arbeit genöthigt werben ).
Unter dem Castellatico (ber Burgbaufteuer) verfland man
eine gewiſſe Abgabe, welche die Vafallen zur Erbauung ober
Auöbefferung der Burg ihres Ortes oder der Burgen eines
gewiffen Bezirks jährlich entrichten mufften. In den. erfien
Zeiten des Staates gab es nicht leicht eine Gemeinde, bie
nicht ihre Burg hatte. Nachdem aber die Mauren vertrieben
worben und biefe zahllofen Burgen unnüig ſchlen⸗
dieſe Abgabe, au! * deren Entrichtung felbft die N
1) &. die Urkunde im Elucid. T. L. p. ar
270 Erſter Beltraum. 1 Bud, 9. Abſchu.
Geiſtliche verpflichtet waren, zum Aufbau aber zur Wiederher⸗
ſtellung ber feften Pläge an ber Grenze bed Reichs verwendet.
Die Gemeinden kamen endlich überein, den britten Theil ihres
Einkommens an: bie Krone zu zahlen und biefer Die Sorge für
bie Landesbefeſtigung zu empfehlen. . So hörte der Castellatico
auf,.und am feine Stelle.traten die Tergas der Gemeinden ').
Die Menge Wölfe, Die in manchen Gegenden Portugals,
beſonders an der Kuͤſte des Meeres und an ben Ufern größe
rer Fluͤſſe fich zeigten, wurden biöweilen eine furchtbare Land⸗
plage. Sie verzehrten die. Heerben und griffen felbft die Hir⸗
ten an. Es wurde daher an.jebem Sonntage von ben Orts⸗
einwohnern Jagd auf fie gemacht, von der allein die Galeoten⸗
fchiffer, wenn die Gefahr nicht befonberd groß war, befreit _
wurden ?). Diefe perfönliche Leiflung, die auch in eine‘ Gelb-
abgabe verwandelt werden . konnte, wurde Lobos genannt”).
- Die Carreira (der Krohngang oder die Frohnfuhr) war
eine Leiftimg, die der Pflichtige zu Fuß, oder mit. feinem Zug⸗
thiere ober mit einem Wagen, bald an einen beflimmten Drt,
bald nach Gutbimken des Königs oder des Gerichtäheren bles
fem jährlich einmal zu thun verbunden war. Da man eine
Öffentliche Boten, noch weniger Poften hatte, fo war biefe
Leiftung in jenen Zeiten fehr gewöhnlich *). 2
| Endlich gehörte zu den uͤblichſten Leiſtungen die Emtru-
viscada °), eine Obliegenheit, nach welcher „der Emphyteute,
Colon oder Vaſall“ verbunden war, wenn ber König ober ber
Gerichtsherr das Vergnügen des Fifchfanges genieſſen wollte,
jaͤhrlich einmal dabei behuͤlflich zu ſein und zugleich zu einer
Erfriſchung des Herrn und ſeines Gefolges beizutragen. In
der ‚Folge wurde es gebräuchlich, diefen Beitrag zu.entrichten,
auch wenn der Koͤnig nicht bei dem Fiſchfang zugegen war
| 1 Elucid. T. I. p. 247, T. IL p. 876.
2) Cod. Affons, liv. I. tit. 69. S. 4.
6) Elucid, T. IL p. 97.
4) Beifpiele f. in Elucid. T. I. 241.
5) Entorviscada, Introviscada und Troviscada.
9
Gemeinbawefen, In ben erften Jahrhunderten. - 274
ober dieſer gar wicht flattfand. Haft alle Wohnungen in ber
Nähe fifchreicher Waſſer waren ber Eıntruviscada unterworfen ).
Eine andere Quelle des sSffentlichen Einkommens waren’
bie Geldbußen, womit man begangene Verbrechen beftrafte.
Se feltener in jenen Jayhrhunderten das Geld, je ſchwerer es
zu erſchwingen war‘ un fo empfindlicher war dieſe Strafe,
und wir fehen Saber bie ſchwerſten Verbrechen, ‚uber die man
in fpäterer. Zeit Körperftrafen verhing , in dieſer mit Geldſtra⸗
fen belegt. Sie wurden gemeiniglich mit ben Worten voz,
voz e coima, carritel, calumnia, deren. Erörterung in der
Darftellung ber peinlichen Bechiöpfge ihre- ‚Stelle finden wird,
bezeichnet.
Die dritte Glaffe der Abgaben umfaffte bie meiſten und
eintraͤglichſten. Bei dem kuͤmmerlichen Zuſtande, in dem ſich
die Gewerbe und der Handel damals befanden, boten der
Landbau und die Viehzucht die Hauptquelle der oͤffentlichen
Einkuͤnfte dar. Auf dem Landbauer und Viehzuͤchter laſteten
die meiſten und druͤckendſten Auflagen. Dahin gehoͤrten vor⸗
nehmlich die Ingada, Der Montatico und die Ferros.
Die Jugnda war eine Abgabe von jedem Joche Ochſen,
mit dem .auf einem Boden, der biefer Abgabe unterworfen
war (terra jugadeira), ein gewiſſes Maß (ein MA) Weisen
ober Mais ausgeftellt wurde. Eben fo nannte man Jugada
die Abgabe, Die gewiſſe Ländereien von bem Getreide, . das
man barauf. fdete, und den Erzeugnifien, die man darauf ges
warn, entrichteten. Es gab Jogados von Brod, von Bein,
von Lein?).
Aufferdem unterfchieb man bie Jognda nova von Der Ju-
gada velha. Diefe hatten die Milites oder Cavalleiros zu lies
fern, die ein Jahr lang Fein Pferd befaßen; jene entrichteten
diejenigen, die das Gebiet von Vifen von neuem anbauten und
bevölferten ). Ob die Jugada nova nur in Viſeu ˖ vorkam, iR
nicht zu ermitteln,
1) In ben Inquiricöes des Königs Affonfo III. von 1258 kommt
häufig vor, daß die Hausbefiger „vadant ad introviscadam Regin. “6
2) Elucid. T. II, p. 62,
8) Completo anno, ei cavallum non habuerit, det sua 'Jugada.
272 Erſter Beitraum. LBud. 9. Abſchn.
‚Bu ben Abgaben von ber Viehzucht gehörte der Monta-
- fico (auch) Montadego und Montado), der für. das Weiden ber
Heerden in ber Gemarkung einer fremden Gemeinde oder einer
gutöherrlichen Länderei bezahlt wurde. Affonfo II. erlieg 1261
an den Meifter des Tempelordens und deſſen Komthure in
Portugal ein Schreiben, in dem er ſie benachrichtigt, daß er
den Montado, den ſie in den Ortſchaften und Landbezirken
des Ordens zum Schaden und Verderben ſeiner Vaſallen im
Übermaße erhoͤben, zum Gegenſtande einer Berathung mit den
Großen feines Hofes gemacht habe. Zufolge derfelben befehle
er, daß fie (und bie übrigen Orbensleute) eine von ihren Ort⸗
haften auswählen folten, in welcher allein ihnen Tünftig ge:
flattet werde den Montado zu erheben, und daß bier biefe
Abgabe nicht mehr betragen dürfe, ald fie in ben dem König
zugehörigen Orten betrage, nämlich: „von einer Heerde Kühe
eine Kuh, von einer Heerde Schafe vier Hammel, aber nichts
von Schweinen, Stuten und andern Viehgattungen.” Zugleich
wurde den Nittern verboten, ben Portagem von Waaren und
Derfonen, bie durch ihre Orte gingen, zu nehmen ').
Ferros (duch Ferraduras) nannte man die Abgabe, die
der Emphyteute oder Colon zur Anfchaffung der Hufeifen. ents
richten muffte. Sie wurbe gewöhnlich in Natur geliefert und
beftand dann in fo vielem Eifen, ald zum Hufbeſchlag erfos
derlih war”). Bisweilen wurde fie in baarem Gelbe, nad
Maßgabe des jedesmaligen Eifenwerthes, bezahlt. Die Abs
gabe war drüdend, da ber Pflichtige gewöhnlich: viele Eifen
bezahlen muffte ’). Ä
Bon den Früchten und Erzeugniffen des Bodens wurde
bier ein Viertheil (Quartos), bort ein Achttheil (Outavos),
an einem andern Orte ein Dreiffigtheil (Trintena) ents
Et illos Jugarios, qui venerint populare meam terram, veniant nd fo-
rum de Jugada nova, oral, den die Königin Thereſia 1123 Bifeu gab.
1) Elacid. T. II. p. 151. Supplemento p. 53.
2) Quando illo Senior dederit ferrum, que faciant ferraduras et
Clavos pro ad illum. oral von Gea von 1186.
8) Elocid. T. I. p. 446.
Stmeindewefen, in ben erſten Jahrhunderten. 273
richtet). Es herrfchte hierin die größte Mannichfaltigkeit und
Berfchiebenheit.
Zu den Abgaben, bie urſpruͤnglich als ein Zeichen der
Anerkennung der Grundherrlichkeit von den Pflichtigen entrich⸗
tet wurden, gehoͤrt der Condado, den der Emphyteute oder
Vaſall an den Herrn aus jenem Grunde (jure Domini) bes
zahlte. Er beftand gewöhnlich in einem Fifche oder einem
Stud Wildpret, was von beiden dent Gerichtöheren am an⸗
genehmften war?). Der Condado wird in ben alten Ortörechs
ten fehr häufig erwähnt. "Man nannte die Emphyteuten, bie
zur Entrichtung der Wilbpretäabgabe (foro de Montaria oder
foro do monte) verbunden waren, gemeiniglic) Foramontaos,
und mehrere Ortfchaften, die gegenwärtig ben Namen Fora-
montaos und. Fermontoens führen, haben fich im Laufe der
Zeit aus den Käufern, die den Foro do monte zu bezahlen
hatten, gebildet und fi) nach ihnen genannt’). Nicht im-
mer beftand jedoch diefe Abgabe in einem Stud Wildpret oder
in mehreren; bisweilen verfland man unter dem Condado do
monte , wie auch der Foro do monte genannt wird, die Ob⸗
Tiegenheit des Pflichtigen, in Gefellfchaft des Gerichtöheren ober
feines Mordomo mig Waffen und Hunden die Berge zu durch⸗
ftreifen. Aus — des Vaſallen erwuchs wie⸗
derum die Verbindiſchkeit des Herrn, daß er denen, bie ihn
auf ſolche Weiſe auf der Jagd begleiteten, einmal des Tages
reichlich Lebensmittel geben muſſte (Conductar) ‘).
1) Beifpiele |. in den Memor. da Acad. Real, T. VI. pag. 151.
Not. a.
2) Nach dem Foral, den Affonfo Henriques den Einwohnern von
Baldigem gab, muffte jedes Haus den „Condado de monte et non
de rivulo“ entrichten.
8) Elucid, Suppl. p. 43.
4) Nach dem Foral, den der König Ferdinand Eſtremadura gab,
Affonfo Henriques fpäter Annahm und Affonfo II. 1218 beftätigte, war
verorbnet: Et cum ipso Rege, vel cum Vicario suo, una vice in anno
currere montem; et quantumcunque invenerint, sive carnes, sive “=l-
les, totum erit de Rege, aut de suo Vicario. Et ipsa die, qu
currerint ad montem, ipse Rex, vel Vicarius ejus, debet una vu
die conductare ipsos homines, qui cum eo currerint
Elucid. T. I. p. 301.
Schäfer Geſchichte Portugals I.
274 Erfter Beitraum. J. Bud. 9 Abſchn.
Bei dem Mangel an Herbergen, die zum Unterhalt des
wandernden Hoflagerd gehörig mit Lebensmitteln verfehen was
zen, führten die Anfichten der Zeit,. wie fie die Könige und
Srundherren von ihren Rechten und von ben Pflichten ihrer
Unterthanen hatten, ſehr natuͤrlich auf Leiſtungen wie die Col-
heita, bie von ben Vaſallen an den König oder Gerichtäheren,
wen er in das Land Fam, entrichtet werben muffte, einmal
jährlich. Kam er nicht, fo zahlte man auch Nichte. Im Laufe .
ber Zeit wurbe es jeboch eingeführt, daß dieſe Abgabe entrich⸗
bet werben mufite, auch wenn ber König nicht erfhin. Die
Colkeita war in der Regel eine Naturalleiftung, wurbe aber
fpäter gewöhnlich in Gelb verwandelt. So erhielt König Die
niz von ber Gemeinde Lamego jährlich einhundert Livras flatt
der Colheita, welche die Gemeinde bisher in Naturalien ges
Befert hatte‘).
Gleiches oder Ähnliches bezeichnen die Wörter Comedara,
Procuracao, Vida, Visitacao, Parada und Jantar. Der legte
Ausdruck kommt insbefondere fehr häufig vor. Unter Sauter °
verfland man eine gewiffe Abgabe in Lebensmitteln, welche bie
Städte, Flecken, Klöfter, Capitel und Militairorden zum Uns -
wenn er als hoͤchſter Beamte de fli5 zur Bers
waltung und Handhabung derfelben das Reid
durchreiſte. Als fpdter unter veränderten Verhaͤltniſſen bie
Könige folche Reifen allmdlig eingehen lieffen, hörte auch bie
terhalt des Landesherrn und feines eh liefern mufften,
. Abgabe des Jantar auf, ober Fam ald Einfommen oder Ges :
ſchenk an Privaten. Den Iantar erhielten auf ähnliche Weiſe
die Prälaten, wenn fie ihre Kirchen vifitirten, und die Ges
richtsherren, wenn fie ihre Ländereien befuchten. Die Kirchen :
und Klöfter waren verbunden einmal im Sabre den Iantar an.
ihren Bifchof zu entrichten”). Nebenfirchen (Anexas) ober
folche, die von Kiöftern geftiftet worden, waren gewöhnlich
von dieſer Leiftung befreit. Dennocd verlangten fie die Bi⸗
1) Elueid, T. I. p. 291.
2) Per singulos annos Prandium in Cenvbio supradicto Episcopo
detur, uti mos est Episcoporum, fagt ber Bifchof Gongalo von
. Coimbra bei der Wieberherftellung bes Kloſters Lorväo i. 3. 1116,
Gemeindeweſen, in ben erften Jahrhunderten. 275
fchöfe und erhoben fie bisweilen mit Gewalt; der Biſchof
Peter IL von Coimbra that den Pfarrer einer folchen Kirche
wegen des verweigerten Jantars in ben Bann ').
Keiner der Gründe, die für den Jantar fprachen, Tonnte
für Die Almeitiga angeflhrt werden — ein Fruͤhſtuͤck, das der
Mordomo oder Preftameiro, der die Föniglichen Gefälle erhob
und maß, in Anſpruch nahm und erhielt. Die Miöbräuche,
die fich bei diefer Leiftung einfchlichen, nöthigten die Könige
der Habfucht ihrer Beamten einen Zügel anzulegen. Man be
flimmte dem Mordomo genau, was und wieniel er verlangen
dinfe. Es war namentlich Affonfo IU. der, ebenfo aufmerk⸗
fam auf Misbräuche als bereitwillig fie abzuflelen, die Klagen
der Gemeinde Lamego über Erpreffungen diefer Art einer ge
nauen Unterfuchung unterwerfen ließ und nach einer Bera⸗
thung mit den Räthen feines Hofed die gegenfeitigen Pflichten
der Betheiligten feftftelte Den Ricohomem, den er dem Be
zirk von Lamego vorgefegt hatte, machte er mit „feinem Leib
und Vermögen” für jebe Überfchreitung und Erpreffung bes
Mordomo oder Preflameiro verantwortlich ”). |
Ebenfo wenig wie die Almeitiga auf Rechtlichkeit ges
gründet und der Umflände wegen, unter benen fie gefobert
wurde, weit verhafiter und gewöhnlich härter war die Loitosa
(Luctosa, Luctuosa), eine Abgabe, die bei dem Tode einer
Perfon, die herkoͤmmlich dazu verpflichtet war, entrichtet wer:
den muſſte und zwar in ber Zeit zwifchen dem Ableben und
dem Leichenbegängniffe. Wie ed zu einer Zeit Brauch war,
daß die Vaſallen des Königs’ über ihre Pferde und Waffen
nicht Iestwillig verfügen Fonnten, indem dieſe dem Landesherrn
ald Luctuosa blieben und er damit demjenigen ein Geſchenk
machte, der an der Stelle des Abgefchiedenen fortan diente;
wie nach einem alten Herfommen „die Witwen die Luctuosa
bezahlten”, um ſich wieder verheirathen zu biürfen: auf aͤhn⸗
liche Weife wurde es in einigen Gegenden Portugald einge -
führt, daß bei Dem Tode des Emphyteuten die Luctuosa als eing
1) Pro Prandio, que non dedit ei. meuam dederunt. Doc.
von Lorväo im Elucid,. T. II. p. 89
2) &. die Urkunde ir
276 Erſter Beitraum. J. Bud: 9. Abſchn.
landesherrliche Abgabe entrichtet wurde. Sie beſtand in im
gend einem werthvollen Stuͤck des beweglichen Nachlaſſes ).
Blos auf dem Grunde uͤberlegener Gewalt, wie es ſcheint,
beruhte der Maninhadego (Maninhado, auch Maneria), eine
Auflage, die nur in einzelnen Gegenden des Landes vorkam,
wie in den Gebieten von Braganza und Miranda und in der
Provinz Traz os montes. Namentlich war es das Kloſter
Caſtro de Avelans, das ſie verlangte und immer weiter ver⸗
breitete, indem es den verſchiedenen Orten, die es durch
Schenkungen und ſelbſt durch Ungerechtigkeiten erwarb, Orts⸗
geſetze ertheilte, die den Unterthanen dieſe Leiſtung auflegten.
Der Maninhadego von Avelans beſtand darin, daß das Klo⸗
ſter den dritten Theil von allen Guͤtern erbte, die ſeine Un⸗
terthanen, die verheirathet waren und ohne Kinder ſtarben
(mochten ſie auch deren gehabt haben), hinterlieſſen. Ungeachtet
dies gegen die Foraes von Braganza und andern Orten jener
Gegend war?), fo dauerte doch der Misbrauch fort, und es
gelang erſt in der folgenden Periode den Klagen der bethei⸗
ligten Gemeinden Gehoͤr zu verſchaffen und den „böfen
Brauch” (mao custame) auszurotten ?).
Als Auflagen auf den Handel und Verkehr werben am
bäufigften der Portadigo und Passagem erwähnt.
Der Portadigo (Portatico, aud) Portagem) war eine an ben
König zu leiftende Abgabe von allen Gütern und Lebensmits
teln, die in den Flecken, Städten und Contos, die ihre befons
dere Gerichtsbarkeit Hatten, eingeflhrt und verkauft wurden.
Bon den erften Zeiten Portugald an gab es viele Orte, bie
nebft ihren Gebieten von ber Entrichtung des Portagemsd im
ganzen Reiche befreit waren; fie erfreuten fich dieſes Vorrechts
durch die Foraes, bie ihnen die Könige ertheilt hatten‘). An⸗
1) Elucid. T. II. p. 98.
2) Damos a vös, e outorgamos por Foro: que todo morador
da Cibidade de Breganga, que fillos ouver, non seia maneiro:
quer seia o fillo morto, quer vivo . . . K'os que molleres non ouve-
rem, non seiam maneiros. oral von Braganza.
8) Elucid. T. II. p. 112.
4) Nengum pobrador da Cibidade de Braganca en todo meu
Gemeindeweſen, in ben erften Jahrhunderten. 277
dere waren allein in ihrem Gebiet, in. welchem eine geawiffe
Körperfchaft oder ein befonderer. Gerichtöherr gebot, von dem
Dortagem befreit). Der Betrag der Abgabe war nach den
verfchiedenen Ortörechten fehr verfchieden ?); erft unter. Dem
König Manoel fuchte man. Gleichförmigkeit in den Portagem
zu bringen.
Don ihm verfchieden war ber Paffagem, eine Abgabe, die
Jeder zu entrichten hatte, der mit Waaren durch ein Gebiet
ging, wenn er fie gleich nicht in dem Orte felbft einführte ).
Megen der aufferordentlichen Miöbräuche, die bei ihrer Eyhes
bung ftatt anden, wurde fie in der Folge gänzlich aufgehoben.
Die Juden bezahlten die Juderega (auch Judenga), eine
Kopffteuer von dreiffig Dinheiros, die fie zur Erinnerung und
Strafe, daß fie Chriftum für eben fo viel verkauft hatten,
entrichten mufften *).
Auffer diefen feften und ordentlichen Auflagen foderten bie
Könige in Zeiten ber Noth ober bei befondern Anldffen noch
aufferordentliche: Fintas, Talhas, Servicos, Peitas und
Pedidos, d. h. „freiwillige Hülfen”, bie den ‚Gemeinden in bes
flimmten Summen aufgelegt und gemeiniglicy nach Köpfen ans
gefchlagen und erhoben wurden. Auch die Gerichtöherren ers
laubten fich folche Auflagen auszufchreiben. Die Könige aber
erklärten bald, daß dies allein. ihnen zuflehe, und verboten
ben Prälaten und weltlihen Grundherren ſolche Hülfen von
ihren Unterthanen zu erheben. Unbemerkt darf nicht bleiben,
daß diefe Auflagen erfl in der ‚weiten Hälfte biefes Zeitraums.
Regno nom dia Portage, fagt König Sandıo in dem oral von Bra⸗
ganza.
1) 3. B. in dem Foral, den bie Tempelritter Thomar gaben: Non
dedes Portagem, nen alcavdla, nen de comer as guardas da Cidade
ou da porta.
2, Einen Tarif für die verfchiedenen Güter in dem Foral von Gra⸗
väo f. in den Ineditos T. V. p. 8755 einen andern in dem Foral
von Gaftello-:Branco im Eluc. T. II. p. 230.
8) Sie hieß auch, ba fie allein bei dem Betreten eines fremden Ges
bietes bezahlt wurde, Pedagio, quasi a pedibus. Eluc. T. II. p. 229.
4) Eluc. T. U. p. 61.
S
278 Erſter Zeittaum. L Bud. 9. Abſchn.
üblich wurden, und ihrer daher in den doraes ſelten oder nicht
gebacht wird’). |
6) Rechtöpflegee
Wenige Beſtimmungen ih den Foraes uͤber bürgerliche Rechtsſtrei⸗
tigkeiten. Gerichtsperſonen. Gerichtsſtand. Gerichtshand⸗
lungen. Peinliche Rechtspflege, Verbrechen und Strafen.
Einfach wie die bürgerlichen Werhältniffe jener Zeit waren
in. der Regel auch die Streitigkeiten, bie ſich Uber das Mein
und Dein entfpannen, und bie Formen, nach denen fie ge⸗
flüchtet wurden. Der fhlichte Sinn fand und beurtheilte
‚ Veicht, was die rohe Keidenfchaft veruͤbt hatte, oder die ſtrei⸗
tenden Parteien, von Selbftfucht und Eigennuß befangen,
dem Rechte zuwider verlangten. War nur der Richter nicht
durch Neigung oder Abneigung für oder gegen eine Wartet
. gewiffermaßen felbft in den Rechtsſtreit verwidelt, fo war fein
Blick leicht Hell und ſcharf genug, ben "wahren Thatbe⸗
fand zu überfchauen und ben Widerfkreit der Meinungen und
Leidenfchaften der fireitenden Theile unparteiifh zu beurtheis
len. Wenige bürgerliche Gefeße waren zur Entfcheidung hin⸗
reichend, und einfach und an Zahl gering wie diefe "waren
auch die Formen, bie den Gang des gerichtlichen Verfahrens
beftimmten. Obgleich größtentheild nicht niebergefchrieben (bie
Foraes enthalten daruͤber äufferfi wenig), konnten diefe Formen
doch dem Gedächtniffe der Richter nicht entfallen. Indem fie
tägfich wieberfehrten in Öffentlicher Verfammlung, prägten fie
füch tiefer ein als der gefchriebene Buchſtabe, und wurden für
das Leben und Beduͤrfniß um fo anwendbarer und zweck⸗
mäßiger, je fhärfer und lebenskraͤftiger Die Erfahrung fie aus:
prägte. Bürgfchaften gegen Verfälfhungen und ungeſetzliche
Abweichungen lagen in der Öffentlichkeit des Verfahrens, in
ber freien Wahl des Richterd, den die Gemeinde aus ihrem
Schooße erfor, und in der Mehrzahl der „achtbaren Männer“
(boni hommes). So finden wir in biefen Dunkeln Jahrhun⸗
1) Ordenag. liy. II. tit. 49, Zr
Semeindewefen, in ben erften Jahrhunderten. 279
derten bier eine Weisheit, die wir nur darum nicht bewun-
dern, weil fie der fchlichte Verſtand, vom Beduͤrfniß geleitet,
eher gefunden.ald erfunden bat. Doch um nicht von
der Höhe unferd Jahrhunderts herab die Einrichtungen der
Borzeit in falfchem Lichte zu fehen, um nicht ald Weisheit
zu rühmen, was vielleicht nur das Merk unfers Geiftes ift,
und als Unverfland und Unmiffenheit zu bezeichnen, was nux
wegen unferer Unkunde uns fo erfcheint, müffen wir bei bem
Buͤck auf die Kindheit der portugiefifchen Rechtöpflege aller
Anfichten und Kenntniffe unferer Zeit uns entfchlagen, um
unbefangen jene wahrnehmen zu Eönnen. Zugleich dürfen wir
nicht vergeffen, daß wir den mangelhaften Rechtözuftand auch
nur mangelhaft Tennen. Denn nur fümmerliche Überrefle, raͤth⸗
felhafte Bruchſtuͤcke hat uns die in jenen Iahrhunderten feltene
Schreibfunde, die flille Verheerung der Zeit und Portugals
neueres trauriged Geſchick, das den Bemühungen patriotifcher
Gefchichtöfteunde, die noch vorhandenen vaterländifchen Rechts⸗
und Gefchichtöquellen der Worzeit zu veröffentlichen, fo feind⸗
felig entgegentritt, zu benugen vergönnt ). | |
Gerihtsperfonen.
Ihre Anzahl war gering. Bon den früheften Seiten an.
werben Pönigliche Oberrichter in den Comarcas, bie Maiorinos,
erwähnt. Es gab deren in der Regel fo viele, ald man Co⸗
marcas oder Provinzen des Königreichs zählte. Ihr Amt wurde
gewöhnlich mit dem Worte Tenens, dad dem heutigen Lugar⸗
tenente entfpricht, bezeichnet. Zur Zeit des Königs Affonfo IIL
1) DierBemerkung dürfte hier nicht überfläffig fein, daß ſich der
Berfaffer bei der folgenden: Darftellung ausfchlieffend an dasjenige. gehal:
ten bat, was bie Foraes ber erſten Jahrhunderte Über bie Rechtspflege
darbieten. Er beabfichtigte diefe in ihrer Unverfehrtheit und Eigenthuͤm⸗
lichkeit nach den Koraes barzuftellen, bevor fremde Ginflüffe, wie das
roͤmiſche Recht, bie weitere Ausbildung ber Töniglihen Macht u. |. w. auf .
fie einwirkten. Die Weränberungen, die durch die Einführung des roͤmi⸗
ſchen und kanoniſchen Rechts u. |. w. in der Juſtizverfaſſung und in dem
gerichtlichen Verfahren herbeigeführt wurben, Tonnen‘ er
Bande dargeſtellt werben.
'
280 Erfier Zeitraum. J. Bud. 9. Abſchn.
zaͤhlte man ſieben Tenentes). Die Maiorinos oder Meirin⸗
hos wurden von dem Koͤnig ernannt. Ihre Jurisdiction war
ſehr ausgedehnt und erſtreckte ſich ſelbſt über die Adeligen und
Fidalgos. Sie nahmen Kenntniß von dem, was in den Orts⸗
gerichten gefchah, und führten den Vorſitz bei wichtigen Rechts⸗
fleeitigkeiten. Von ihnen fand Feine weitere Berufung auffer
an den König flatt”). Won den Maiorinos mores find zu un⸗
terfcheiven Die Maiorinos menores, die von jenen ernannt wur⸗
den, und deren Rechtfprechung auf gewifje beflimmte Gegen:
fände befchränft war ?).
Als den Mittelpunct der gerichtlichen Xhätigkeit aber, als
ben eigentlichen Sitz der bürgerlichen und peinlichen Gerechtig-
teitöpflege in jenen Sahrhunderten muß man die Drtögerichte
anfehen. Die ordentlichen Ortsrichter, die bald Judiees,, bald
Alcaides, bald Alvaziles hieffen, wurden von der Gemeinde
felbft und zwar aus ihrer Mitte gewählt). Sie durften nicht
von Adel und Feine Patrone von Klöftern und Kirchen (Her-
deiros) fein. Dem Richter halfen die Homines boni das Recht
finden. Sie mufften dem Stande der Freien ®) angehören und
feheinen zugleich den Gemeinderath gebildet zu haben‘). In
welchem Berhältniffe die „achtbaren Männer” zum Richter
1) Den oral von Aguiar da Beira, ben Affonfo IIT. 1258 diefem
Flecken gab, unterzeichneten fieben Maiorinos als Tenentes folgender
Bezirke: „Braganciam, Ripam Minii, Sansam, Lamecum, Trans Ser-
ram, Pannoyas, Bayam.‘
2) Ebenfo in Leon und Eaftilien, ſ. Partidas, Part. II. tit.9. 1ei 28.
8) Wie man ſchon im erften Drittel des vierzehnten Jahrhunderts
anfing den Meirinhos den Namen Corregidores zu geben; über ben Bes
zuföfreiß u. f. m. ber Lestern f. den folgenden Band.
4) Iudex et Alcaide sint vobis ex naturalibus Colimbriae. Foral
von Goimbra, Ebenſo der Foral von Thomar. — Mittantur per bene-
placitum Concilli, heiſſt es im oral von Penamocor. — Hle Alcalde
quem vos amardes et que quesieritis ponite illum, — im Foral von
Sernancelhe u. ſ. w.
5) Senioribus. oral von Gernancelhe.
6) Ante presentiam bonorum hominum, per quos civitas Colim-
bria regebatur, heilt es in einem Urtheilöfpruc zu Gunften bes Kloſters
S. Jorge vp. 3. 1179. Ribeiro, Dissertt, T. IIL p. 166.
Gemeindeweſen, in ben erften Jahrhunderten. 281
ſtanden, welche Proceßhandlungen ihnen und welche dem Rich:
ter zuftanden, ift nicht befriedigend zu ermitteln. Dürfte man
auf den Ausdrud Juratos, mit dem der Foral des Fleckens
Boa Jejua fie bezeichnet, ein befonderes Gewicht legen, fo
würde er uns ihre Amtöverrichtungen deuten. Ihre Beſtim⸗
mung feheint in der That Feine andere gewefen zu fein, als
mit Ruͤckſicht auf die ihnen vorgelegten Beweiſe nad) ihrer
Überzeugung die Wahrheit oder Nichtwahrheit derjenigen That:
fachen zu ermitteln und feftzuftellen, auf welche der Richter
das Geſetz in Anwendung brachte, und namentlich bei Ankla⸗
gen wegen Verbrechen zu beflimmen, ob der Angeklagte bie
ihm zur Laſt gelegte That begangen habe oder. nicht, und in -
jenem Fall, ob diefelbe die Natur und das Gepräge eines
DVerbrechend habe oder nicht. Bei wichtigen Proceſſen, die
unter dem Vorſitze bed Maiorino, unterftüßt von feinen Unter:
richtern (suis judicibus et suis saionibus), geführt wurden,
fiheinen fie mehr die Zeugen und Wächter der Gefehmäßigkeit
und Richtigkeit des gerichtlichen Verfahrens abgegeben zu haben ').
Auffer den ordentlichen Richtern und „achtbaren Mäns
nern’ werden von Gerichtöperfonen noch die von der Gemeinde
gewählten Sayones, bald als Gerichtädiener, bald als Voll:
zieher der peinlichen Urtheile, in den Foraes genannt. Der
Sayom war ein wahrer Proteus auf dem Gebiet der Juſtiz
und kommt hier in den Urkunden vom zwölften bis zum vier
zehnten Sahrhundert in den verfchiebenften Amtöverrichtungen
und Geftalten vor. Während er auf der einen Seite ald achte
barer Gehülfe bei den Gerichtöverhandlungen erfcheint, tritt er
auf der andern Seite ald Scherge, Scharfrichter, Henkersknecht
auf, und fein Name wird gewifjermaßen ein Schimpfname ”).
1) Defendit ipse Domnus Didacus (Prior bes Klofters Palacioli)
ipsam hereditatem ..... per suum testimonium et suum juramentum,
et per judicium roctum testimonio bonorum multorum hominum, ibi
adsistentium, et per istum plazum: et fuerunt ipsi juratores ( folgen
die Namen dieſer). S. die ganze Urkunde von 1109 bei Ribeiro,
Diss. Tom. J. p. 288. .
2)... . igualmente foi chamado Bayr | netulante,
e disposto a commetter insultos, com : ügsaforo,
fagt Santa Rofa be Biterbe -
| 282 Erfer Beittaum, L Bud, 9. för.
Als Rechtsbeiſtaͤnde, Anwalte und Vertreter werden, je⸗
doch ſeltener in den Foraes als in andern Urkunden jener Zeit,
die Assertores, bie Rectorss und Exquisiteres erwähnt. Fuͤr
alle Rechtöfachen,, die den Landesherrn betrafen (querelae de
Palatio), war der Richter felbft der Vertreter (Vozeiro) '). Wer
fih gegen einen Mitbürger zum Rechtsbeiſtand eines Untertha-
nen aus einem fremden Gebiete aufwarf, muffte zehn Solidi
bezahlen, von denen ein Siebentel dem Ortsherrn zufiel.
Gerichtsſtand.
Dem Gerichtsſtande des Klaͤgers folgte der Beklagte,
wenn dieſer aus einem andern Gerichtsbezirk gebuͤrtig war als
jener. In den Foraes des zwoͤlften und dreizehnten Jahrhun⸗
derts wird faſt jedesmal beſtimmt, daß die Bewohner der
Ortſchaften, welchen die Foraes gegeben werden, nicht verbun⸗
den ſein ſollen die Grenzen ihres Weichbildes bei Rechtsſtrei⸗
tigkeiten mit Auswaͤrtigen zu uͤberſchreiten. In der Regel iſt
in ſolchem Falle die Gerichtsſtaͤtte an der aͤuſſerſten Grenze des
Gerichtsſprengels?), bisweilen, wenn dieſe durch einen Fluß
gebildet wird, auf der Bruͤcke über denſelben ?). |
Gerihtshandlungen.
Jedem gerichtlichen Verfahren muffte eine Klage voraus-
gehen, und ohne einen Kläger brauchte Niemand dem Richter
Rede zu ſtehen ). Der amtlichen Vorladung fcheint eine auf
fergerichtliche Auffoderung des Klägers an den Beklagten, ihm
fein Recht zu gewähren, in Anmwefenheit von Zeugen voraus-
gegangen zu fein; war Died nicht gefchehen, fo durfte ein ge
1) Foraes von Montesmor und Graväo.
2) In capite suorum terminorum (in Cabos). Foral von Zouro.
8) Et si habitor de Lirena habuerit intentionem cum extraneo,
habeat judicium in ponte de Lirena. oral von Leiria von 1180.
4) Homines de Penamocor non respondeant sine rancuroso. Foral
von Penamocor. Ad Judicem nulli respondeat nadi sine rancuroso.
oral von Santa Eruz.
Gemeindeweſen, in den erften Jahrhunderten. 283
richtliches Einſchreiten ‚nicht ſtattſinden ). Die gerichtliche
Vorladung geſchah entweder durch ein Schreiben (Carta) , oder
ein gerichtliches Zeichen (Sello de Juiz). Da in jenen Zeiten
nur wenige Richter die Feder führen und die Vorladungen
ſchreiben Eonnten, fo gaben fie dem vorladenden Gerichtödiener
(Sayom, auch Porteiro genannt) irgend ein Zeichen (Sinal),
ein Kreuz, eine Ziffer oder einen willlinlichen Namenszug,
den fie mit der Feber zogen oder mit bem Siegel aufdruͤck⸗
ten N. Mer auf diefed Ladungszeichen, dad der Gerichtöbies
ner in dem Haufe des Beklagten vor Zeugen abgab oder an
demfelben anhing, nicht erfchien, oder wer dieſes Zeichen vers
legte, muffte einhundert Solibi an den Richter bezahlen ’).
Wer fich nach einer Friſt von drei Tagen noch weigerte vor
Gericht zu erfcheinen und das Urtheil zu nehmen, wurde dazu
gezwungen *).
Die Unterſuchung und Beweisfuͤhrung geſchah unmittel⸗
bar (per exquisam directam) oder mittelbar (per judicium d. i.
durch Sottesurtheil. Von der letztern Verfahrungsart finden
ſich mehrere Beiſpiele. An dem Grabmal des ehrwuͤrdigen
Komthur von Leſſa, Gortia Martins, bewahrte man lange
Zeit ein Pflugeifen, bas die Frau eines Schmiedes, Die man
des Ehebruchs fälfchlih angeklagt hatte, glühend auf dem
Arme bis an jenen heiligen Ort getragen hatte, um ihre Uns
fhuld zu beweifen. Tareja Soares, von fehr angefehenen Al⸗
1) Domus alicnjus non sigilletur, nisi antea vocetur ad directur,
heifft e8 in mehreren Foraes. Will man biefen Sinn bier nicht gelten
laſſen, fo würden biefe Worte bedeuten: ber Sayon barf Fein Haus mit
dem Merkmal ver Auspfänbung bezeichnen, ehe ber Gegenftand durch
ein vichterliches Urtheil entfchleden iſt. Zu berüdfichtigen ift aber bie
Stelle im Zoral von Soure: Sagion non eat domum alicujus sigillare:
sed si aliquis fecerit aliquod illicitum, veniat in Concilium, et judi-
cetur recte.
2) Sigillare, sigillum, sello do Juiz nad dem Fuero
Juzgo. Eluc, T. I. p. 324 und 311. In einem Gefeg von Affonfo II.
heifft dieſes Zeichen, fuste: Be o nosso Porteiro, quer com letras,
quer com fuste, quer per si, for fazer eixecugom contra aliquem etc.
Elucid. Suppl. p. 44.
3) Foraes von Montesmor und Caftello:Branco.
4) Si noluerit gratis recipere judicium, recipiat invitus.. \"
254 Erſter Beitraum. L. Bud. -9. Abſchn.
teen in Ripa⸗Douro geboren, an einen Adeligen verheirathet und
bereits Mutter von drei Töchtern und einem Sohn, wurde von
ihrem Gatten der ehelichen Untreue beſchuldigt. Ihre Ber
“ wandten wollten durch Zweikampf (Desaflio) ihre Unfchuld dar⸗
thunz fie aber gab dies nicht zu, fondern unternahm felbft
ihre .Vertheidigung, indem fie in der Stadt Braga ein glüs
hendes Eifen umverfehrt trug (oder über ein folches ging).
Ihr Gatte, darüber erftaunt, erkannte feinen Irrthum, warf
fih zu ihren Füßen und bat fie um Verzeihung. Tareja aber
wendete fich fir immer von ihm und begrub fich, von ihren
tern begleitet, im Klofter Arouca, damit ihre audgezeichnete
Schönheit nicht von neuem Veranlaffung zum Verdacht werde‘).
| In allen Rechtöftreiten, bei denen eine Unterfuchung durch
Zeugen möglih war, muffte fie von dem Richter und den
„achtbaren Männern“ vorgenommen werden; das Gottes⸗
urtheil war hier nicht zulaͤſſig ). Die Beweisfuͤhrung in ber
orbentlichen Unterfuchung gefchah in der Hegel durch Zeugen,
felten durch Urkunden. Im einigen Gebieten konnten allein
die boni homines Zeugen fein, in andern hing bie Geltung
des Zeugnifjes von dem Stande bed Zeugen ab. Nach dem
Zoral des Fledend Zouro galt das Zeugniß des Gavalleiro fo
viel ald das des Infançom, und Das der Peoens fo viel als
das der Cavalleiros Villaos. Die Zahl der Zeugen durfte
nach einem Gefege von Affonfo IM. nicht dreiſſig überfteigen.
Frauen wurden nur in gewiffen Rechtöftreitigkeiten als Zeus
gen zugelaffen. Wer die Wahrheit verweigerte, muffte fo
viel zahlen, ald durch dieſe Weigerung verloren ging’). Wer
ein falfched Zeugniß ablegte, fiel in eine Geldſtrafe von fechzig
Solidi, wovon ein Siebentel dem Landesherrn gehörte; der
Meineidige wurbe überdied aus der Gemeinde geftoßen *).
1) Santa Rofa de Biterbo nad einer Schenkung ber Tareja an
das Kloſter Arouca vom Jahr 125%. Eluc. T. I. p.447.
2) Omnes intentiones tam nostri Mordomi quam nostrorum homi-
num sint per inquisitionem bonorum hominum, de illis rebus unde
potuerit habere esquisam (Jdirectam fügt der Foral von Pombal hinzu)
et non per Judicium. Foral von Befere.
8) Foral von Pombal. .
doraes von Penamocor und Graväo.
Gemeindeweſen, in ben erſten Jahrhunderten. 285
‚ Nachdem die Parteien vernommen, bie Zeugen abgehört
worden waren, gab ber Richter in’ Gegenwart der boni homi-
nes und ber befheiligten Parteien den Befcheid '). Zur Nichts
ſchnur dienten ihm dabei die Gefege und Beſtimmungen, die
in ben Foraes niedergelegt waren, wohl auch, wenn biefe
ſchwiegen, die weftgothifchen Gefege?), Die jeboch feltener in
den Ortörechten als in dem Gerichte am Eöniglichen Hofe ers
wähnt werben. Verſagten beide die nöthige Auskunft und
Richtſchnur, fo war der Richter an die Urquelle des Rechts, an
feine Vernunft, gewiefen und gab die Entfcheidung nach feis
nem beften Wiffen und Gewiffen ). Die Partei die fich durch
das Urtheil des Ortörichterd befchwert fand, konnte ihr Recht
bei dem Gerichtöheren oder, im Einiglichen Gebiet, bei dem
König verfolgen. Solche Befchwerden kommen in den Foraes
unter dem Namen Querimoniae oder Querimad vor, und aus
ihnen entftanden bei der weitern Ausbildung des. Gerichtövers
fahrend die Aggravos (Berufungen).. Dft aber unterfagten
die Gerichtöherren die Berufung an den König. Wer fih in
ihrem Gebiete weigerte das Urtheil von dem Ortsgericht ans
zunehmen und fich unterfing an ben König fich zu wenden,
fiel in eine Strafe von zehn Maravebis und muffte den Drt
verlaſſen; feine Güter fielen der Gemeinde zu‘).
1) Et devenimus inde Cresconi ante Domino Egas Moniz, et Ibi
Sesnando Odoris, et alii filii benenatorum, et exquisierunt ut ego
Froila non habebat ibi in illas hereditates nulla causa, nisi herentia
in Sancto Petro de Arauca. Et viderunt homines bonos, et domine
Egas, ut ipsa cambiatione firmiter extitisset pro hac sententia, et
ideo placuit mibl. Mon. Lus, lib. 9. cap. 12 und 13, wo noch mehe
rere Rechtöftreite mit ihren Entſcheidungen angeführt werben.
2) Qui vocem vestram pulsaverit, illud castrum pariat in qua-
druplum, et Regiae quomodo liber judicum praecipiat. oral von -
Soure.
3) Totas intentiones judicent Alcaide de Villa vestra per suam
cartam, et alias intentiones judicent secundum suum sensum sicut
melius poterit, oral von Zouro.
4) Qui fuerit cum querimonia de suo vicino a Rege,
quesierit recipere judicium de vestros juratos, p. X mrs, et «
Villa, et remaneat haereditate in manu de vestro ‘
von Boa de Iejta, von Martinho Pirez 1252 ertheilk,
286 Euer Beitraum L Bud. 9. Abſchn.
Peinliche Rehtöpfiege,
Verbrechen und Strafen.
Zahlreicher find in den Foraes bie Geſetze und Beſtim⸗
mungen Über Verbrechen und Strafen ald über bürgerliche
Rechtsſtreite. Die rohe -Leidenfchaft des kriegeriſchen Volkes,
die weder in der Sitte und Denkweiſe noch in der Geiftes:
bildung Schranken fand, entbrannte ſchnell und fehritt eben
fo ſchnell zur Selbfthälfe und Gewaltthat. Was ein Richter⸗
ſpruch friedlich beigelegt hätte, ward Anlaß und Quelle des
Verbrechens. Das ernfimilde Wort des Rechts, das, zwiſchen
dem aufglimmenden Funken ber Leidenfchaft und ber Gewalt
that verföhnend gefprochen, biefe abwenden konnte, warb von
ihe überholt und der Richter muffte nım frafen, wo er ben
fhöneren Beruf, Frieden zu fliften und Misklaͤnge zu loͤſen,
. hätte uͤben mögen. So: häuften ſich Verbrechen auf Werbre
chen und wurden Strafen nothwendig; beide heifchten mehr
Beflimmungen und Geſetze als bie bürgerlichen Rechtöfbeeite.
Aber fo häufig auch die Verbrechen waren, fo wenig
zahlesich waren ihre Arten. Rachſucht, Habgier, rohe Ge
Schlechtöluft traten am ſtaͤrkſten hervor und waren bie ge
wöhnlichften Leidenſchaften. Die Foraes bezeichnen auch ihre
Ausbrüche und Gewalthandlungen ald die Hauptverbrechen ').
Was die Ortörechte noch weiter zu den Hauptverbrechen zäh:
Ien, find nicht Aufferungen anderer Leidenſchaften, fondern die⸗
ſelben, nur mit der Rohheit gepaart, wie fie der tiefen Bil⸗
dungöftufe des Menfchen eigen if: gewaltfamer Einbruch und
Lixo em boca. Bei jenem flürzt die Leidenfchaft der Rach⸗
fucht oder Habgier, jeden Umweg, den diefe Leibenfchaften bei
bem befonnenen Gebildeten burchfchleichen, verfchmähend, ge:
rabezu auf das Ziel los und erfaflt plöglich ihr Opfer; bei
dem „Koth im Munde” (Lixo em boca) ift die Gemeinheit
und NRohheit der Rache und des Pöbelmuthwillens in ihrem
Elemente.
1) Non sit inter vos calumnie, nisi rausum, et homigidium,
et stercus in ore, et casa disrupta cum m armis, et furtum.
Foral von Abiul, 1175.
d
Gemeindeweſen, in ben erſten Jahrhunderten. 287
Als Hauptverbrechen bezeichnen die Foraes: Mord und
Zodtfchlag, gewaltfame Entführung und Nothzucht, Einfteden
von Koth in ven Mund, Diebflahl und Einbrud in ein Haus‘).
Der Mord (omezio) wurde fehr verfchieben geftraft. Nach
dem alten Foral von Lourinhaa, den Affonfo II. im Jahre 1218
beftätigte, „fol der Mörder (matador), wenn er ergriffen wers
den kann, lebendig begraben und der Erfchlagene über denſel⸗
ben gelegt werden. Kann er nicht ergriffen werben, fo zahlt
er an den Prätor (hier Alcaide) dreihundert Solidi und ſetzt
fih mit den Verwandten des Getoͤdteten“?). In der Regel -
wurbe der Mord mit einee Geldbuße von breihundert, biswei⸗
len fogar nur mit einhundert Solidi beflraft ), wobei unter
fchieven wurbe, ob der Xhäter aus der Gemeinde des Ers
ſchlagenen war oder nicht. Nur ber Fremde, der einen Orts⸗
bürger erſchlug, zahlte 300 Solidi; tödtete aber dieſer ben
Bewohner eined andern Orts, fo bezahlte ee baflır nichts *).
Diefe Begünftigung des Eingebornen gegen den Auswärtigen
fann in einer Zeit nicht befremden, im welcher jebe Gemeinde
vereinzelt dafland, in dem Mitgliede einer andern nur den
Frembling fah und Nechte nur fich beilegte, einer andern Ger
meinde aber Feine zugefland. Von dem Thron herab gibt noch
fpät ein portugiefifcher König die Erklärung: „Der Grund if,
daß der Foro ſich mehr bezieht auf diejenigen die. ihn verlangt
haben ald auf Fremde; denn jene haben ihn mehr flr fich ver-
langt ald fir Andere” °).
Um fo wichtiger war auch in biefer Beziehung bei einem
Mord oder Todtſchlage die Frage, wer der Thaͤter fei.- Daher
wohl der feltfame Gebrauch im. Gebiete von Lamego, daß
1) Belege ſ. in Elucid, T. IL p. 96. 9.
2) Elucid. ebendaf.
3) Toraes von Montes mor und Graväo.
4) Se o morador da vossa Villa matar a outro que nom for de
vossa Vila, mom peyte por el ne migalla: e se matar o de fora ao
da vossa Villa, per%e por el COO sscldes. Foral von Braganca von
1187, .. EN
5) König * m Gejes in den Ordenac,
Affons, liv.
288 . Erfter Beitraum. L Bud. 9. Abſchnu.
wenn bier ‚der getödtete Leichnam eines Menſchen gefunden
wurde und man den Thäter nicht kannte, der nächft gelegene
Drt oder das nächfie Gebiet verbunden war an den Böniglis
chen Morbomo dreiffig Maravedis zu zahlen, oder nachzuwei⸗
fen, wer ihn getöbtet habe, ober auf welche Weife er geſtor⸗
ben ſei. König Affonſo IV. hob in ben erſten Cortes die er
hielt den Gebrauch auf.
Der Gemeindsmann der einen Fremden erſchlug, weil er
mit Gewalt Lebensmittel oder andere Guͤter ſich genommen
hatte, wurde ſo wenig als ſtrafbar angeſehen, daß derjenige
der bei dem Koͤnig oder Gerichtsherrn Klage uͤber dieſen Mord
erhob, einhundert Maravedis zur Haͤlfte an den Landesherrn
und zur Hälfte an die Gemeinde zahlen muſſte)).
Der ftrafbare Zodtfchläger oder Mörder ?) dagegen wurde
neben der Geldftrafe, in die er verfiel, aus dem Gebiet, in
dem er das Verbrechen begangen hatte, als ein Zreulofer, Ver⸗
räther und Zodtfeind der Verwandten des Erfchlagenen vers
wiefen. Der Zamilienrache verfallen, ward er wenigftend von
der Furcht aller Orten verfolgt. Auch andere Verbrechen auf
denen keineswegs Todesſtrafe ftand, felbft größere Befchimpfung
- wurden mit der Strafe eines „Moͤrders“ belegt, indem ber
Schuldige dad Vaterland verlaffen und feine übrigen Zage als
Berwiefener verleben muffte ).
Das zweite Hauptverbrechen war der Rauso*), unter
dem man, nicht allein den Raub oder die Entführung eines
Mädchens verftand, das bei feinen Aeltern oder Verwandten
Iebte und gewaltfam von dem Entführer an einen andern Ort
zur Befriedigung der Gefchlechtsluft gebracht wurde, fondern
auch jede Gemwaltthat die an einer weiblichen Perfon, fie
1) Zorass_von Monte-mor und Graväo.
2) Omiziero, Homeziäm, Homizial, Homicida.
8) Et qui in termino de Molas filia aliena rouxaverit extra sua
voluntate, pectet CCC soldos ad rancurosum, et exeat Omiziero.
oral von Moz; ebenfo in Gaftello-:Branco, Santa Cruz da Billarica.
4) Rauxo, Rösse, .Roxo, Rouso, Rouxo von Raptum, Rapto;
vergl. Elucid. T. U. p. 266.
Gemeindeweſen, in ben erfien Jahrhunderten. 289
mochte ledig oder verheirathet oder Wittwe fein, wiber ihren
Pillen verübt wurde (Aforciar).
Die Frauen und Maͤdchen unterfchieden fich in den vers
fchiedenen Ständen und Lebensverhältniffen durch ihren Kopfs
putz. Ein großer Unterfehied fand flatt zwifchen einer Frau
die eine Haube trug (andar com touca), und einer: die im
bloßen Haare ging (em cabello). Die Wittwen erfchienen mit
bedecktem Kopfe, die verheiratheten Frauen mit unbedecktem,
aber die Haare gebunden und zufammengehefte. Die Maͤd⸗
chen und Iungfrauen dagegen, bie noch unter der väterlichen
Gewalt ftanden, überhaupt alle Unverheivathete, gingen ohne
Kopfbevedung mit herabhängendem Haare. Bon ihnen fagte
man: im Haare bleiben oder fein (remanere, aut esse
in capillo). Wurde nun eine Wittwe mit kurzem Haare und
mit einer Haube, oder eine Unverheirathete mit unbes
dedtem Haupte und ungebundenem Haare von einem
Manne gewaltfam angegriffen und ſchrie fie innerhalb drei
Tage in der Straße gegen den Thaͤter, fo war diefer verbun-
ben gegen diefe Anklage ſich zu vertheidigen, indem er zwölf
Zeugen, die feine Unfthuld ausfagten, ſtellte. Konnte er dieſe
nicht beibringen, fo muffte ee 30 Maravedis zahlen, 23 an
die Klägerin und 7 an bie Kammer (Palacio). Klagte fie
aber nicht binnen drei Tagen ‘unmittelbar nach der That, fo
blieb der Thäter frei von der Strafe, wenn er blos fchwur,
daß er das Verbrechen nicht begangen habe’). Sonft galt
als Regel: wer ein Mädchen gegen ihren Willen entführt, zahlt
300 Solidi, halb oder den fiebenten Theil an den Ortsherrn,
und halb oder das Übrige an den Kläger, fett ſich (avenha-se)
mit den Xltern des Mädchens umb geht ald Homicida in’s
Ausland 2). Dagegen fiprachen viele Ortörechte den Auswärs
1) Si fuerit mancipia in capilo, aut cum touca, et venerint ras-
cando per illa cal, et dixerit: Folam (i.e. rem mecum violenter ha-
buit), pro nomine salvet se cum duodecim; et si non potuerit salvar,
pectet triginte. mgeahltises, et s a Palatio. Et si non venerit
rascando usiue tauiRMMEBEEE. Turet, sive tertium exiat de calumpnia.
Koral von Ca * bo Gabor von Sancho II. ertheilt
1225: Meanco, Penamocor, Braväs.
mier da Beira, Moz.
19
202 Erſter Zeitraum L Buch. 9. Abſchn.
ſich der offenen Hand bediente, und wenn Blut kam, 124 &os
lidi u. ſ. w.). Ein Stich mit der Lanze oder dem Speer
warb gebüßt mit 100 Solidiz ging er durch ben Körper, mit
20 Solidi?). Wer einem Andern den Arm zerbrach oder einen
Zahn oder ein Auge ausfchlug, muffte an den Verletzten für
jedes Glied 100 Solidi entrichten, von denen ber ſiebente Theil
dem Ortsherrn zufiel ). Mehr noch ind Einzelne geht dad.
Ortsrecht von Gernancelbe *) und beftimmt Weit geringere:
Strafanfäge: für ein Ohr 15 Modios °), für die Nafe 50,
ein Auge 50, beide Augen 100, eine Hand 50, beide Hände
100, einen Bahn 5, .einen Finger 5, eine Zehe 5 Modios,
ſaͤmmtlich halb dem König und halb dem Verletzten ober feis
nen Verwandten. Bon allem Übrigen abgefehen — wie fehr
bat die Cultur unferer Zeit die Begriffe von dem Werth und
der Tauglichkeit der einzelnen Glieder des menfchlichen Körpers
verändert! Welche Betrachtungen überhaupt reihen fich an jene
Beflimmungen!
Öffentliche Ehrenverlegimgen ımd Beſchimpfungen wırs
den (mit Ausnahme des obenerwähnten Lixo en boca) eben:
falls zu den geringeren Vergehen gezählt, jeboch mit aller
"Strenge beftraft. So viele Schimpfreben Jemand gegen einen
Andern auöftieß, fo viel mal drei Solidi muffte er, nach dem
Foral von Lourinha, an den Beſchimpften erlegen und eben
fo viel an den Praitor). Das Weib das eine ehrbare Frau
ohne Grund befhimpfte, erhielt zur Strafe fünf Ruthenftreiche
(Varangadas) auf das bloße Hemd; und die Mannsperfon,
1) Zoral von Gonftantim de Panoyas. Über einzelne Berleßungen,
Eontuftonen u. f. w. und ihre Strafen vergl. Elucid. T. I. 448. verb.
Feridas chans ober negras, und ebendaf, T. II. p. 210 verb.
Pena de Sangue. |
2) Foral von Caſtello⸗Branco.
3) Foraes von Monte⸗-mor und Graväo.
4) Gedruckt in den Mem, da Acad. Real, T. VI. p. 7.
5) über Modio vergl. Eluc. T. IT. p. 141.
6) Si aliquis dehonestaverit aliquem, quantos deostos ei dixerit,
tantos tres solidos ei pectet, et Praetorl alios tantos.
Gemeindeweſen, in den erſten Jahrhunderten. 291
bewegte. Faſt alle Ortsgeſetze eifern gegen dieſes „Abſcheu⸗
liche” (nefando), vie fie es ſchlechthin nennen, ohne es ver:
bannen zu koͤnnen. König Diniz ſah fi) genöthigt auf einen
Srevel, der den hundertjährigen Gefegen und Verpönungen,
der allen Zortfchritten dee Sittigkeit Sohn fprach, Todesſtrafe
zu ſetzen ).
Wer des vierten Hauptverbrechens, des Diebſtahls (far-
tam), fich ſchuldig machte, muſſte das Neunfache des Geftohle:
nen bezahlen. Der Beraubte erhielt zuvoͤrderſt das Entwen-
dete oder deffen Werth volfländig wieder und theilte die uͤbri⸗
gen acht Theile mit dem Richter zu gleichen Zhellen ?).. Nach
dem oral von Santa Cruz da Billarica wurden dem Dieb
aufferdem noch die Ohren abgefchnitten, - und. wenn er zum
zweiten Male flahl, lieſſen die Alcaiden ihn tödten ?).
Endlich wurde zu den angefuͤhrten vier Hauptverbrechen
noch ein fuͤnftes in den meiſten Foraes angefuͤhrt: gewaltſa⸗
mer, bewaffneter Einbruch in ein Haus ). Er wurde in der
Regel mit finfhundert Solidi beftraft.
Als geringere Vergehen wurden koͤrperliche Berlehungen
und Berftümmelungen angefehen. Alles war hierbei genau bes
ruͤckſichtigt und beflimmt, das Mittel und die Art der Ber:
letzung, das Glied oder dee Körpertheil Die verlegt wurden, ber
Betrag der Geldftrafe die den Thäter treffen follte.: Wer mit
geballter Fauſt fchlug , iahue zwoͤlf Denare; fünf Soli, m wer
1) Estabelecemos e Poemos por Ley, que todo homen, c ou mol-
her, que a outrem meter merda em boca, ou mandar meter, moira
porem. Ordenag. Affons. liv. V. tt. 32. $. 1. p. 127. Der abfcheus
lihe Gebrauch hat felbft in der neueren Zelt unter der Hefe des Porta:
giefifchen Volkes nicht aufgehört- Eluc.. T. Il. p. 96.
2) Foral von Penamocorz oder die Kammer erhielt den ſiebenten
Theil, wie es im Foral von Graväo beſtimmt war.
3) Eluc. T. II. p. 185.
4) ... GM digrupke; cum armis aut cum feridas, aut fregerit
portas, et intraverik vim. Foral, den bas Kloſter Lorvão
dem Flecken Abit ı dierumperit casaın, qui passet
limimare cum ' „nceis, aut cum spdtis, aut
cum cnltal tet quingentos. soh-
dos ıı cot.
292 Erſter Zeitraum L Buch. 9. Abſchn.
ſich der offenen Hand bediente, und wenn Blut kam, 124 &os
lidi u. ſ. w.). Ein Stich mit der Lanze oder dem Speer
ward gebüßt mit 100 Solidi; ging er durch den Körper, mit
20 Solidi ?). Wer einem Andern den Arm zerbrach oder einen
Zahn oder ein Auge ausfchlug, muflte an den Verletzten für
jedes Glied 100 Solidi entrichten, von denen ber fiebente. Theil
dem Ortsherrn zufiel‘). Mehr noch ind Einzelne geht das
Ortsrecht von Gernancelhe *) und beflimmt weit geringere:
Strafanfäge: für ein Ohr 15 Modios ), für die Nafe 50,
ein Auge 50, beide Augen 100, eine Hand 50, beide Hände
100, einen Bahn 5, .einen Finger 5, eine Sehe 5 Modios,
fämmtlich halb dem König und halb. dem Verletzten ober feis
nen Verwandten. Bon allem Übrigen abgefehen — wie fehr
bat die Eultur unferer Zeit die Begriffe von dem Werth und
der Tauglichkeit der einzelnen Glieder des menfchlichen Körpers
verändert! Welche Betrachtungen überhaupt reihen fi) an jene
Beflimmungen! |
Öffentliche Ehrenverlegimgen ımb Befchimpfungen wur⸗
den (mit Ausnahme des obenerwähnten Lixo en boca) eben:
falls zu den geringeren Vergehen gezählt, jedoch mit aller
"Strenge beftraft. So viele Schimpfreden Iemand gegen einen
Andern ausſtieß, fo viel mal drei Solidi muffte er, nach dem
Foral von Lourinha, an den Belchimpften erlegen und eben
fo viel an den Prätor‘). Das Weib das eine ehrbare Frau
ohne Grund befchimpfte, erhielt zur Strafe fünf Ruthenftreiche
(Varangadas) auf das bloße Hemd; und die Mannöperfon,
1) Zoral von Gonftantim de Panoyas. Über einzefne Verletzungen,
Eontufionen u. |. w. und ihre Strafen vergl. Elucid. T. I. 448. verb.
Feridas chans ober negras, und ebendaf, T. II. p. 210 verb.
Pena de Sangue.
2) Foral von Caſtello⸗Branco.
3) Foraes von Monte⸗mor und Graväo.
4) Gedruckt in den Mem. da Acad. Real, T. VI. p. 7.
5) über Modio vergl. Eluc. T. IT. p. 141.
6) Si aliquis dehonestaverit aliquem, quantos deostos ei dixerit,
tantos tres solidos ei pectet, et Praetorl alios tantos.
Gemeindeweſen, in ben erſten Jahrhunderten. 293
bie ben guten Namen eined veblichen Mannes ober einer ehr:
‚ baren Stau verunglimpfte, erhielt doppelt fo viele). Wenn
eine Perfon einer andern Hurerei vorwarf, einem Manne ins
Angeficht fagte, daß er Zegulo de fulana fei, ober einer Frau,
daß fie Zegoniava com fulano ?), und dies‘ bei der Unterſu⸗
hung nicht durch Zeugen beweifen Tonnte, wurde in eine
Strafe von dreifſig Solidi, die bee Kammer zufielen, verurs
theilt und wie ber „Todtſchlaͤger“ aus dem Orte verftoßen,
als habe er auch den Leib des Mitbürgers ober der Mitbuͤr⸗
gerin.gemorbet, wie er die Ehre und ben guten Namen ver:
nichtet hatte. Der Kloflerbruber der einen andern einen So⸗
bomit (fodidineul) oder Verräther,. einen Krägigen oder Dieb
fchalt, muffte 5 Solidi an die Brüderfchaft zahlen und erhielt
Schläge). Wie die Rohheit jener Zeit in Schimpfreben ſich
ergoß und bie fertigfte Zunge gemeiniglich als die fündhaftefte
fih bewies, fo war ed auch die muthwillige Derbheit jener
Zeit, die gegen dad verleumderifche Glied eine eiferne Zunge
erfann. In dem Gemeindehaufe des Fledend Sanceriz bei
. Braganza fah man noch in neuerer Zeit einen Zaum, welcher
Meibern, deren böfe Zunge an dem guten Leumund Anderer fic)
vergangen hatte, zur Strafe angelegt wurde. Eine eiferne Zunge
bedeckte den Mund, das Kinn umfpannte ein ſtarker Ring, uͤber
die Nafe liefen Eiſen, eine Kopfbedeckung hing damit zuſam⸗
men, bie Zügel waren an einer Schnalle hinten befeftigt *).
Die ſpaͤtern Jahrhunderte haben die Strafe aufgehoben; war
fie unnöthig geworben ober erfolglos ?
Bei dieſen geringeren Vergehen, der Förperlichen Vers
1) Foral von Atouguia-
2) Diefe Ausprüde find bis jetzt noch nicht befriedigend erklärt,
Vergl. Elucid, T. II, 415, verb. Zegoniar. Im Foral von Eſtre⸗
mabdura heifft eg: Si homo, aut mulier dixerit ad suum vicinum, vel
ad suam vicinam, Zegulo de foam, aut Zegonia com foam, et non
potuerit gutorgar cum Inquisitione: pectet XXX sol. ad Palacium,
et exeat homeziam.
3) Elucid. T. I. 468,
4) Ibid, T. I. p. 416,
294 Erſter Zeitraum. I Bud. 9. Abſchn.
letzung und Kraͤnkung bed guten Namens, wie bei. jenen
Hauptverbrechen richteten ſich die Strafen, wie ſchön aus
dem Bisherigen erhellt, theils nach "dem Stande des Thaͤters,
theils nach. dem Gegenftande, theils nach den Umſtaͤnden, um:
ter welchen das Unrecht begangen wurde. Man glaubte Das
mals And noch lange, daß ed Stufer des Standes. und Ran
ges gebe, bie über der Strafe des Verbrechens . flimden ober
wenigſtens deren Strenge milderten, wenn fie gleich nicht von
Verbrechen abhielten ). Daß von dem &tanbe. des Thäters
abgefehen, die Strafe genau nad, dem Gegenflande abgemeſſen
wurde, ift aus ben oben angeführten Geldbußen fuͤr Börperliche
Verlegungen und Verſtuͤmmelungen erfichtlich.. Endlich waren
ed Ort und Umſtaͤnde, welche die Strafe veränderten. Wer In
der Kirche oder im Gemeindehauſe oder auf dem Marktplatze
an einem Andern fich vergriff, muſſteᷣ ſechzig Solidi bezah⸗
In”). Wer eine Frau im Beiſein ihres Mannes ſchlug,
büßte mit dreiſſig Solidi 9).
Die Geldſtrafen für Die Verbrechen (calampnins , coimas,
multas) fielen, wie es fchon aus dem Obigen fich exgiebt, zum
Theil der Töniglichen Kammer, die man bamald unter dem
Palacio verſtand, zu und bildeten eine Hauptquelle ber koͤnig⸗
lichen Einkünfte. Am einträglichften mochten die Strafen für
die oben genannten Hauptverbrechen fein. Die Rechtfprechung
über ‘diefe wie bie Erhebung jener*) behielt fich der König
gewöhnlich vor, wenn er gleich bei Verſchenkung von Lände-
reien und Ortſchaften nebft der damit verbundenen niederen
Gerichtöbarkeit der Entfcheidung und Beftrafung geringerer
Vergehen entfagte. Doch find auch die Falle nicht felten, dag
bei ſolchen Vergabungen und Entaͤuſſerungen der Koͤnig aller
1) über die Vorrechte des Cavalleiro vor Gericht ſ. oben S. 90.
- 2) Foraes von Penamocor und Grapäo.
3) Foraes von Moz und Graväo. x
4) Voz, e Coima, In diefer Beziehung heifft dann, wenn beide
Worte in den Urkunden mit einander verbunden werben, Voz fo viel als
Carritel, und Coima fo viel als Calumnia: „die Anrufung (die Befug:
niß der Rechtſprechung) und die Strafe.”
Gemeinbewefen, in ben erſten Iaprhunbeten. 295
feiner Rechte in jener Beziehung fich begab '). Der Antheil,
den die koͤnigliche Kammer von den Geldſtrafen erhielt, be
trug in der Regel ein Siebentel, biöweilen bie Hälfte Dem
Alcaiden, ber bie Straffumme zu beflimmen hatte, lag auch
die Pflicht ob, bei einem gefchehenen Diebflahl dem Beraubs
ten da8 entwendete Eigenthum oder den vollftändigen Werth
deffelben (Cahdal), zu deffen Erflattung der Dieb verurtheitt
worden war, zu verfchaffen und die weitere Gelbftrafe, die er
zu zahlen hatte, fo. zu theilen, Daß ſechs Theile der Kläger
(Rancuroso), den fiebenten der Landesherr erhielt *).:
Sm Übrigen vollzog der Sayom oder der Meirinho das
- Urtheil. Seine Amtöthätigkeit eröffnete auch das gerichtliche
Verfahren gegen Berbrecher; denn nur dem Sayom ober dem
Meirinho fand es zu, ben zu ergreifen, gegen ben des Königs
Hülfe laut angerufen warb (Aqui d’EI Rei) °), oder über befs
fen Gewaltthat Jemand Klage erhob (Vox de Carritelo oder
fohlehthin Vox)*). Zur Verhaftung durfte aber der Sayom
nur dann fhreiten, wenn ein Kläger erfchien und Zeugen vors
handen waren. Auch war erfoberlih, bag der Gegenflanb
der Klage wenigftens fünf Maravedis betrug‘). Der Ber:
1) &o entfagt Affonfo I. bei der Schenkung bes Couto von Barra
an das Klofter Celica i. 3. 1175 allen Königlichen Rechten, die er bort
befige, nämlich der Herdade, Voz, e Calumpnia, und bedroht mit
ſchwerer Strafe Jeden, der in biefem Couto „onlampnlam afiquam
fecerit.“*
2) De quocumgue furto colligat suo Domino suo Cabdal, et par-
tat illa Calumpnia, et det Septima a Palacio, per manu de Alcaldes,
oral von Moz, 1162 von Affonfo Henriques ertheilt.
3) Was in einigen Foraes auch mit dem Worte rascar bezeichnet
wid.
4) Eluci, T. I. p. 240.
5) Sagion, et Maiordomus non ponant Caritel, nisi cum auctore,
et testibus: Et non sit illud Caritel, nisi de V marav Baur don
Viſeu. — Et istas calumpnias non respondeat sine rancu
curoso non valeat sua cherimonia sine testimonium bo
mum. oral von Conftantim be Panoyad.
2% Erfter Zeitraum. J Buch. 9. Abſchn.
brecher muffte ,‚ nach dem Foral von Barcelos, an bemfelben
Tage an dem er bie That verübt hatte ergriffen werden; an
den folgenden Tagen konnte man ihm nichts ‘mehr an-
haben ’).
1) Non peetem Carritel de nasum (d. h. wenn Blut aus der Naſe
floß, Eonnte nicht darum allein des Königs Hüife angerufen werben), et
si fecerint Calumpniam in alia parte, et ipso dis aprehenderint eos,
‚pectent eam per forum suae Villas: ot ei in ipso die- non aprehende-
rint eos, in alio nihil respondeant.
Zweites Bud, .
Von der Regierung des Königs Diniz bis
zum Tode Fernando’,
(Bon 1269 bis 1383.)
Das Königreich, in der vorigen Periode bis zu feinen
bleibenden Grenzen erweitert und zur vollen Unabhaͤn⸗
gigkeit gereift, befchränkt fi) nun auf jene und ver-
harret unangefochten in diefer. Nur noch einmal wird
neben Caftilien auch Portugald Fortbeftehen von einem
unermeßlichen Saracenenheer bedroht; aber Portugal geht
mit feinem König aus dieſer Gefahr glorreich hervor.
Gaftilien denkt nicht mehr daran, dem benachbarten Por-
tugal bie Selbftändigkeit fireitig zu machen. Diefes
wendet nun feine Kräfte anf die innere Entwicklung.
Unter dem Schuge und der Pflege mehrer Eräftiger,
für Volkswohl beforgter Könige diefer Periode erhebt
fi) der dritte Stand durch Landbau, Handel und Schiffs
fahrt. Fortwährende Streitigkeiten der Geiftlichkeit mit
den Königen. Der Einfluß der Päpfte, überhaupt fchon
geſchwaͤcht, wirkt auch hier fehwächer in dem Maße bie
koͤnigliche Macht erftarkt. Überdies treffen biefe Strei-
tigkeiten mit der kraͤftigen Perfönlichkeit zweier Könige
(Diniz und Pedro) zufammen. Der Kirche wird im
unmäßigen Erwerbe von Grundbeſitz ein geſetzt.
Weniger gluͤcklich ſind die Könige ir *- “ung
298 Erfter Zeitraum. D. Bud. 1. Abſchn.
der Misbraͤuche, welche die Adeligen mit ihren grund⸗
herrlichen Vorrechten treiben. Dagegen kommt die Juris⸗
diction in den Gemeinden immer mehr in die Haͤnde
der Könige, welche beguͤnſtigt von dem allmaͤlig ein-
dringenden römifchen Rechte diefes wieder begünftigen.
Das Eönigliche Anfehn von Affonfo II. auf Kraft und
Klugheit, von Diniz auf Gerechtigkeit und roͤmiſches
Recht, auf Menfchenfreundlichkeit und Volksliebe, von
Afronfo IV. auf Kühnheit, von Pedro auf ſchreckende
Strenge gebaut, verfällt wieder unter Fernando's ver⸗
achtlihem Wankelmuth.
Erſter Abſchnitt.
Regierung. bes Koͤnigs Dinis.
(Bon 1279 bis 1335.) . .
1) Diniz bis zu feinem Regierungdantritt.
Diniz's Geburt, Erziehung und Unterricht. Er erhält als Erb:
prinz einen befondern Hofſtaat. Sein PRegierungsanttitt.
Entfernung feinee Mutter von den Regierungsgeſchaͤften.
Vermählung mit Iſabel von Aragonien.
Diniz wurde am 9. October 1261 in Liſſabon geboren. Von
dem Tage feiner Geburt, der durch die Kirche dem heiligen Dio-
nyfius, dem Areopagiten, geweiht ift, erhielt er den Namen.
Sm Geifte der Zeit fliftete er in der Folge zu Ehren diefes
Heiligen, in welchem er feinen Schußpatron und Fürfprecher
bei Gott verehrte '), mehrere Kirchen in dem Bisthume Liffabon
1)... . a honra de Deos e da Virgem Maria, e de Säo Dinis
em aujo dia naci, e que tenho por meu padrom para com Deos,
fagt Diniz felbft bei Erwähnung feiner frommen Stiftung. Mon. Lus,
liv. 16. cap. 1.
Megierung des Königs Diniz, 1279 — 1325.. 299
und namentlich. dad prächtige Klofter S. Diniz de Odivellas
für Giftercienferinnen ). Sein Geburtsort Liſſabon, die ges
wöhnliche Reſidenz Affonſo's II, der in dem Kampfe mit feis
nem Bruder Sancho II. in diefer Stadt eine Hauptſtuͤtze
gefunden und für fie eine befondere Vorliebe gewonnen hatte,
wurde für Diniz, wie fein Geburt» und Namendtag, ber
Gegenftand einer zarten und natürlichern Pietätz er felbft fprach
diefe Geſinnung gegen die Stadt, in welcher er geboren, ges
tauft, erzogen und fpäter gekrönt worden, vier und zwanzig
Sabre fpäter in öffentlicher Verſammlung laut aus ?).
Je trefflichere Geiſtes⸗ und Gemüth-Anlagen der Prinz
ſchon als Kind verrieth, um fo mehr beforgt war fein Vater,
ihre Pflege und Entwidlung den gefchidteflen Händen anzus
vertrauen. Er wählte zum Erzieher und Führer den Lourenco
Gonfalvez Magro, einen Nachfommen ded großen Egas Montz,
jened erften Erzieherd des Königs Affonfo Henriques. Das
Andenken an diefen Ahnen, beffen Verdienſte um Portugal
und feinen erften König im Gedächtniß ber Portugiefen noch
fortlebten, und die Tuͤchtigkeit des gewählten Erziehers lieffen
ed vergeffen, daß er ein uneheliher Sohn des Goncalo Viegas
Magro war; einen Affonfo IH. Eonnte dies in der Wahl nicht
irre machen. Als ein fehöner Zug in Diniz's Charakter ver
dient bemerkt zu werden, baß Dankbarkeit — der Herold vies
‚ ler Zugenden — gegen feinen Erzieher den jungen Fuͤrſten auf
den Thron begleitete. Er ſchenkte dem Führer feiner Jugend
ven Fleden Arega und machte damit zu Gunften Magro’8
eine Ausnahme, ald er alle‘ Gefchenfe und Verwilligungen an
Grundgütern, zu welchen er im Anfange feiner Regierung fich
hatte bewegen laffen, in der Folge widerrief und aufhob °).
Mas diefer Führer begonnen hatte, ward mit gleicher Sorgfalt
1) Sousa, Provas T. I. Num, 12. p. 105,
2) E disse mais em todo seu Reyno com que ouvesse maiores
dividos de bem, ga com o conselho de Lisboa, ga hy nacera, e hy
fora criado e bautizado, e hy fora Rey. Mon. Lus. Tom, V, Ap-
pend. Escrit. 18,
3)... . „meu amo por criancga e por servi o que me fez.. .. .
nem le que eu Ihe revogasse desta doasom.“ Mon. "Im lv. 16,
cap. 3.
300 Erſtet Zeitraum. I. Bud. 1. Abſchn.
fortgefeßt von einem fpätern Erzieher, Nuno Martins de
Chacim, welchen Diniz bei feiner Thronbefleigung zum Mors
bomo mor erhob und ben er uns durch diefe Beförderung zu
einem ber wichtigften Staatdämter ald den Mann bezeichnet,
von welchem er woahrfcheinlid zu den Regierungsgeſchaͤften
vorbereitet worden war.
Sp waren ed demnach) geborene Portugiefen, denen das
Kleinod feiner Charatterbildung anvertraut wurde, bie im
Geifte des portugiefifchen Volkes einen portugieſiſchen König
zu erziehen berufen waren. Zum Unterricht des Prinzen
wählte Affonfo Lehrer aus Frankreich, aus einem Lande, in
welchem Wiffenfchaft und Geiftesbildung damals ſchon welter
vorgefchritten war. Sein früherer Aufenthalt in dieſem Reiche
mochte ihm jetzt die Auswahl geeigneter Lehrer erleichtern. Bon
ihnen wurbe wahrfcheinlich die Liebe zur Poefie in dem em⸗
pfänglihen Juͤnglinge angefacht. Was fie fonft feinem Geifte
gaben, mochteihn aufklären, konnte aber wohl einen Charakter
nicht berüden, der an ben Grunbfägen feiner Erzieher, Mäns
ner feines Volles, hielt und Stüße fand. Wie im Menfchen
überhaupt, fo ruht im Fürften die Kraft im Gemuͤth; fie
werde gepflegt und geftärft von ben Beften und Ebelften feis
nes Volkes. Weniger bedenklich ift der wifjenfchaftliche Unter
richt durch Ausländer, dad umgekehrte Verhältniß aber faft
immer gefährlih. Man fchmeichelte fich im Eöniglichen Juͤng⸗
linge, der fo rafche Fortfchritte in Kenntniffen machte, dad Eben>
bild feines Großvaterd zu fehen ), Alfonfo’8 bed Weifen, ben
fein 3eitalter ald ein Orakel des Wiffens und der Gelehrſam⸗
keit bewundert. Doch Diniz war zu etwas Beſſerem be⸗
ſtimmt; er ſollte den Beinamen des Weiſen im wahren
Sinne des Wortes verdienen. Der gelehrten Richtung, welche
ihm ſeine Lehrer vielleicht gegeben haben wuͤrden, hielt ſein
Geſchick ein wohlthaͤtiges Gegengewicht; es ließ ihn ſeinem
Berufe nicht untreu, nicht Gelehrten auf Koſten des Fuͤrſten
werden. Koͤnig Affonſo III. wurde vier Jahre lang von koͤr⸗
perlichen Leiden und Kraͤnklichkeit heimgeſucht, und der Thron⸗
folger muſſte ſich jede Stunde bereit halten das Ruder des
1) Mon. Lus. T. V. liv. 16. cap. 8.
Regierung bes Königs Diniz, 12779— 1325. 301
Stanted zu ergreifen und bie Regierungdgefchäfte zu übernch«
men. Auf diefe wurde demnach ſchon frühe des Infanten Auf⸗
merkſamkeit hingewiefen '), und wie er zeitig lernte der Thron
als den Ort feiner Beſtimmung zu betrachten und auf ihn
feine geiftigen Beſtrebungen zu beziehen, fo wurden auch feine
Erzieher und Lehrer gemahnt und gewöhnt diefen Geſichts⸗
punct feft zu halten.
Auch der Vater theilte indeffen das Verdienſt, dem rafch
fich entwidelnden Sohn zur frühen Selbftändigkeit verholfen zu
haben, indem er unter ben portugtefifchen Königen der erſte
war, ber den Erbpfinzen ein befonderes Haus bilden ließ.
Nachdem Diniz das fechzehnte Jahr zurückgelegt hatte, bewils
Tigte ihm ber König 40,000 Libras als jährliches Einkommen,
beftimmte ihm eine Anzahl Fidalgos zur Umgebung und Dies
nerfchaft und fegte deren Beſoldung feft ). ben jene an⸗
dauernde Kränklichkeit des Vaters und die Frühreife des Soh⸗
ned veranlafiten wohl zundchft diefe Anordnung Affonfo’d. Es
ſcheint felbft feine Abficht gewefen zu fein, bei den Streitigs
teiten mit dem Klerus, die neben den weltlichen Regierungds
gefchäften des Königs Sorgfalt in feinen legten Jahren in
Anfpruch nahmen, ben Infanten Diniz zum Negierungögehüls
fen zu nehmen. Affonfo’3 hellem Blick konnte nicht entgehen,
daß er dadurch allein, während er fich felbft Exleichterung vers
fchaffte, den Nachtheilen eines plöglichen Überganges des Erb⸗
prinzen aus der Zuruͤckgezogenheit und Unerfahrenheit bes
Privatlebend ohne vorausgegangene Verſuche und Übungen in
ben ſchweren Beruf des felbfithätigen Herrfchers zuvorkommen
koͤnnte. Durch die Anorbnung eines eigenen Haufes für den
Erbprinzen mochte der König jenen Schritt vorbereiten wollen.
Endlid aber hatte Affonfo IU. noch einen befondern Grund,
von allen portugiefifchen Königen zuerft dem Erbprinzen ein
eigenes Haus einrichten zu laſſen. Es mufite ihm viel daran
liegen, daß fein Sohn Diniz in den Augen ber Portugiefen
1) Mon. Lus. lib. 16. cap. 14.
2) Das Verzeichniß ber Perfonm, welche ben Hofflaat des Erb *
prinzen ausmachen ſollten, wie des Silbergeraͤthes, das dem daushan
deſſelben überwiefen wurde, ſ. in Mon. Las. T. V. App, Bas
302 Erſter Zeitraum. I. Bud. 1. Abſchnu:
als ihre Eimftiger Landesherr erfchien, und Affonfo bezeichnete
ihn dem Wolfe durch jene Anorbnumg als den rechiniäßigen
Zhronfolger. Affonfo LIE, der von der bisherigen Thronfolge
abweichend eine Seitenlinie eröffnet hatte, war gleichwol ben
Geſetzen des Reichs gemäß, auf bie ſich auch bie päpfkliche
Bulle berief ), feinem Bruder Sancho IL auf dem Thron
gefolgt. Nach eben diefen Reichögefeken mufjte nun nad
Affonſo's Tod zu einer neuen Wahl gefchritten werben, und
nur auf dieſem Wege konnte und durfte fein Sohn zum Thron
gelangen. Doch wenn auch in bem vorliegenden Falle bie
Wahl in ben Augen ber Portugiefen überfläffig ſchien und
dieſe nicht eiferfüchtig waren ein ihnen gebührendes Recht nur
16. Febr.
1279
darum zu üben, um es in Kraft zu erhalten, fo konnte boch
bie Erbfolge unter Affonſo's Söhnen felbft zweifelhaft und
fleeitig werben, und Die Folge zeigte ed, daß und worauf ein
juͤngerer Bruder des Infanten Diniz Anfprüche an.ben Thron
gründete. Solchen Zweifeln und Streitigkeiten vorzubeugen und
Portugal vielleicht vor einem Bürgerkrieg zu bewahren, ließ
Affonfo den Sohn, der nach feinem Tode Thronfolger fein
follte, fehon bei. feinen Lebzeiten als folchen auftreten und als
folchen ſich darftellen. Affonfo ging noch weiter: er nannte
Diniz in einer Urkunde „feinen Erftgebomen und Erben” 2).
Seitdem ward es Iblich, den Kronerben mit Diefan Beinamen
zu bezeichnen, nachdem man alle Söhne des Königs ohne Un-
terfchied Infanten oder felbft Könige, wie die Töchter Infan-
tinnen oder Köriiginnen genannt hatte.
Acht Monate nach der Einführung des erbprinzlichen Hof:
ſtaates flarb der König. Dem ZThronfolger warb fogleich mit
ben gewöhnlichen Feierlichkeiten gehuldigt ). Im erften Jahre
theilte Diniz die Regierung mit feiner Mutter; wir ſehen fie
1) Qui eidern Regi, si absque legitimo decederet filio, jure
Regni succederet. Die Worte „jure Regni“, bemerkt Brandao
(Mon. Lus. liv. 16. cap. 10.), find nicht fätfchlich in den Zert einge:
fhoben, fondern finden fi) in der Originalurfunde und in allen Abs
fchriften.
2) Filius, primogenitus et haeres. ©. die Urkunde in Mon. Lus,
T. V. liv. 16. cap. 5. und Append, Escrit. 1,
5) Mon. Lws. liv. 16. cap. 18,
Regierung bes Koͤnigs Diniz, 1779 — 1325. 303
mit den Räthen des Könige, Durão, Biſchof von Evora, Joäo
de Avoim und Frei Alfonfo Pires Farinha, Regierungsgefchäfte
erledigen ). Diefe gemeinfchaftliche Herrfchaft dauerte jeboch
nicht lange. Diniz ergriff die erfte Gelegenheit, von einer Mit-
regentin ſich unabhängig zu machen, deren Herz vielleicht mehr
an Gaftilien und an dem verwandten Königshaufe hing, als
es ſich mit der Eiferfucht der Portugiefen auf ihre Unabhäns
gigfeit, zumal in Bezug auf Gaftilien, vertragen mochte. Um
die Eintracht zwifchen feiner Zochter und feinem Enkel herzu-
ftellen, reife Alfonfo, ber Vater, nach Badajoz und lud den
jungen König zu emer Unterredung an der Grenze von Por-
tugal ein. Diefer ging nun zwar nad) Elvas, aber nicht bis
Badajoz und wich der Unterrebung aus. Widerſpruch gegen
den Großvater hätte diefen wie Diniz's Geflhl verlegt und
Nachgiebigkeit führte leicht zur Abhängigkeit. Sein Nichter:
feheinen beleidigte zwar gleichfalld den caftilifchen König; aber
es war ein flummes Zeichen feines feflen Willens, felbft und
allein zu regieren, und Alfonfo, nicht länger in Zweifel ber
Diniz's Abfichten, Eehrte nach Sevilla zurüd. Die Königin
Brites zog fpdter den Aufenthalt in Gaftilien dem in Portus
gal vor.
Bald darauf trat in den Kreis der Töniglichen Familie
eine andere Frau, welche wol Diniz’8 Herz, aber nicht fein
Reich zu beherrfchen berufen war — feine Gemahlin Sfabel.
Nicht lange nach feiner Thronbefteigung hatten mehrere Große
den jungen König darauf aufmerkfam gemacht, wie wünfchens-
werth feine Vermählung wäre. Die Lebhaftigkeit und Reiz
barkeit feiner Natur fchienen ihn mit Gefahren zu bedrohen,
gegen welche ihn in der Folge felbft die Ehe nicht fchüßte.
Darauf ließ der König durch drei angefehene Männer um die 1280
aragonifche Infantin Sfabel werben, eine Zochter Peters IIL
von Aragonien und der Conſtanze von Neapel, der Tochter
Manfreds und Enkelin des Kaiferd Friedrich II. Zwei Sahre
1) In einer Urkunde vom 18. März 1379, durch weldye die Privie
legien bes Kloſters Bouro beftätigt wurden, heiſſt eb am Schtuffe: Rege
mandante per Dominam Reginam et per Do: u Klborens.
. tenenteın vicem Reginae’ ’ y, 16,
cap, 26.
a
m .a
304 Eriter Zeitraum. IL Bud. 1. Abſchn.
nachher wurde die Wermählung mit Kabel, die zugleich
24. Sun.
1282
durch Schönheit, Geift und Tugend ſich auszeichnete, voll
zogen. -
2) Auswärtige Verhältniffe.
Der König wird, zunaͤchſt duch den Zwiſt mit feinem Bruder
Affonfo, in die Zerwuͤrfniſſe Caſtiliens verwidel. Diniz's
Antheil an den dortigen Thronſtreitigkeiten. Er vermit⸗
telt als Schledsrichtet den Frieden zwifchen Caſtilien und
Aragonien und hilft die Ruhe in jenem Reiche herftellen.
Ungeachtet jenes Misverftändniffes mit Alfonfo von Caflis
lien erfreute ſich Diniz in ben erften Iahren feiner Regierung
des Gluͤckes, mit den Nachbarftaaten in Frieden zu Teben.
Allein es war leicht vorauszufehen, daß die Unruhen, welche
nicht lange hernach in Caſtilien ausbrachen, das gute Verneh⸗
men zwifchen Portugal und Gaftilien gefährden würden; und
als Alfonfo’3 Tod den Leidenfchaften und Raͤnken der vers
ſchiednen Kronprätendenten einen freieren Spielraum eröffnete,
dad Reich von Parteiungen zerriffen und vom Bürgerkrieg
erſchuͤttrt warb, Fonnte Das nahe Portugal nicht unberührt,
Das verwandte Königshaus nicht parteilos bleiben .. Es
war Diniz's eigener Bruder, der ihn unvermerft in Die caflis
lifchen Händel hineinzog.
Der Infant Affonfo (geb. 8. Zebr. 1263) war nach dem
Tode der Gräfin Mathilde von Boulogne, Affonfo’s II. erfter
Gemahlin, geboren worden, Diniz Dagegen noch bei ihrem
Leben. Darum behauptete der Infant, daß die Krone ihm
gebuͤhre; Diniz, in ungefeglicher Ehe erzeugt, fei unfähig auf
dem Throne zu folgen. Er behauptete dies öffentlich und uns
umwunden. Solche Aufferungen, aus dem Munde eines Ohn⸗
mächtigen, würde Diniz vielleicht unbeachtet gelaffen haben,
hätte nicht Affonfo’3 Stellung in Portugal und fein Verhaͤlt⸗
niß zu Gaftilien ihnen ein gefährliches Gewicht verliehen. Der
Infant war Herr von Portalegre, Caſtello de Vide, Arronches,
Marvin, Lourinhäo und andern Orten, welche ihm fein Vater
3) Mon. Lus. T. V. lib. 16. cap. 20.
.
Regierung des Königs Diniz, 1279— 1325. -305
binterlaffen batte ) und welche ihm: burch ihre Befeſtigung
und mehr noch durch ihre Lage in der Nähe der caflilianifchen
Grenze eine nicht unbedeutende Macht und Stuͤtze darboten.
Dur feine Gemahlin Biolante, eine Tochter des Infanten
Manuel. eines Sohnes Ferdinands HL von Eaftilien, war er
mit vielen -caftilianifchen Großen verfchwägert. .:Diefe Vers
woandtfchaften und jene Befigungen gewährten ihm Mittel ges
nug, unter. den flreitenden Parteien in Caſtilien fich einen
Anhang. zu: fehaffen. Bald wurde fein Hof der. Sammelplag
misvergnügter Großen, die, aus Gaftilien verdrängt oder ges
flüchtet, mit dem Snfanten fich verbündeten und nun gemein:
fchaftlich mit ihm in ihr Vaterland feindlich einftelen: Als König
Sancho IV. bei Diniz darüber Beſchwerde erhob, glaubte die
fer nicht länger einen Bruder Ichonen zu dürfen, ber ben
Bürgerkrieg, welcher das nahe Caftilien in Verwirrung ſtuͤrzte,
auch nach Portugal zu pflanzen drohte. Der Koͤnig brach mit
einem. Heere auf, belagerte den Infanten in Portalegre und
zwang ihn endlich die Drte Marväo und Portalegre mit ihren
Burgen einem portugtefifchen Ritter fo lange in Verwahrung
zu geben, bis der Zwiefpalt zwifchen ihnen ausgeglichen fein
werde, - Durch die Vermittlung ber Königin Sfabel wurde
endlich der ‚Streit beigelegt. Der König verſprach dem Ins
fanten- jährlich eine gewiffe Summe zu zahlen .und ihm für
jene Ortfchaften die Fleden Sintra, Qurem und andere in
ver Comarca von Liſſabon zu Üüberlaffen. So wurde der In:
fant von ber verführerifchen Grenze Caſtiliens entfernt.
Diniz aber war unterdeffen zundchft und vornehmlich
durch den Zwift mit feinem Bruder in die Thronſtreitigkeiten
Gaftiliend vermwidelt worden, und konnte bei aller Liebe zum
Frieden nicht vermeiden an dem Bürgerkrieg in dem Nach:
barreiche und an ben Parteiungen in dem verwandten Könige-
hauſe Antheil zu nehmen. Um dieſen Antheil gehörig nach⸗
zuweifen und zu würdigen, müfjte hier die politifche Gefchichte
Gaftiliend während der Regierung Sanchos IV., der Minders
jährigeit und Herrſchaft Ferdinands IV. mit aller Umſtaͤnd⸗
lichkeit dargeſtellt werden — eint Umftändlichkeit, welche Fein
1) Die Urkunden ſ. m u N. 80, u. 31.
Schäfer Geſchid 20
1290
1300
306 | Erſter Zeitraum. I. Bud, 1. Abſchn.
anderes Ergebniß liefern wuͤrde als die Überzeugung des Le⸗
ſers, daß eben dieſe Mitwirkung des Koͤnigs Diniz mehr fuͤr
Caſtilien als für Portugal wichtig war und daß bier wenig
für die Regierungsgeſchichte des Königs Diniz auszubeuten: ifl.
Das MWichtigfte was aus Diniz's Theilnahme an den Bege⸗
benheiten in Caſtilien hervorging, war unflxeitig der Vertrag,
der im Jahre 1297 zwifchen Portugal und Gaftilien gefchlof:
1305
fen wurde. . Um ben Frieden zwifchen beiden Reichen zu be
feftigen unb dem Jungen Ferdinand: Diniz's Schaut zu fichern,
wurdr feflgefept, daß Zerbinanb (geb. 6. Dechr. 1285) mit
ber Tochter des portugiefifchen Könige, Tonflanna (geb; 3.
Sehr. 1290), fobald fie dad erfoberliche Alte erreicht haben
wirde, nach emgeholter päpftlicher Erlaubnig fich vermäblen
ſolle; für Diniz's Sohn dagegen, ben portugieſiſchen Dron⸗
erben (geb. 8. Febr. 1291), wurde Die caftilianifche Infantin
Brited (geb. 1293) zur Gemahlin beſtimmt. Daß dem Ders
trage gemäß an Portugal die Orte Dlivenza, Conjuela,
Major und ©. Felix abgetreten werben follten, bewies wie
hoch die Königin Maria den Beiſtand bes portugiefffchen Koͤ⸗
nigs anſchlug.
Dinizs Benchmen in dieſem Kriege muſſte abrigens ſo
beſchaffen ſein und in den Augen der verſchiedenen ſtreitenden
Parteien, felbft der Gegner des Königs fo erſcheinen, Daß es
berm volles Wertrauen auf feine Einficht und Mechklichkeit ers
zeugte und verdiente. Nicht leicht vertraut und unterwirſt man
fi einem Schiedsrichter, dem man nicht den richtigen und
Plaren Blick in die wahre Lage des Streites, nicht ben unbe
ftechlichen Sinn für Recht und Billigkeit zutraut. Diniz aber
hatte den Ruhm in Campillo den Frieden zwifchen Gaftitten
und Aragonien als Schiedsrichter gu vermitteln und bald dar⸗
auf, mit Beihuͤlfe des Königs von Aragonien, einen Vergleich
zwifchen dem König Zerbinand von Gaftilien und Alfonſo de
Lacerda zu Stande zu bringen und dadurch endblih, nach fo
vielem Blutvergieffen, die Ruhe in Caſtilien herzuftellen. Seine
Berdienfte um dieſes Reich find augenfaͤllig, Caſtilien muffte ſie em⸗
pfinden, wenn es fie auch nicht laut anerkannte. Portugal erntete
davon freilich Feine Vortheile; aber es durfte fich des Ruhmes
freuen, den fein König unter den Fuͤrſten der Halbinfel ſich
Megierung des Königs Diniz, 1279 — 13%. 307
erworben hatte und genoß. Doch beffen bedurfte der Portu⸗
giefe nicht um feinen König mit Stolz zu nennen. Was Diniz
im Schooße feined Reiches geshan und geleitet hatte, . war
größer als jenes und war eigentlich die Grundlage und Be
dingung feine Anfehnd unter ben Fuͤrſten, ber- Nerv. feines
auswärtigen Einfluffes. Hier, innerhalb der Grenzen tens
Baterlandes, in dem ſtillen Ruhm einer geräufhlofen, aber
Eräftigen und weifen Pflege ber Volksmohlfahrt muͤſſen wir
dasjenige fuchen, was ihn unter den Fuͤrſten ſeines Jahr⸗
hunderts auszeichnete und ihn den Trefflichſten, die in feinen
und in: allen ‚Zeiten bie Throne zierten, anreihte::: . :
Gern kehren wie daxrum, den Schauplag der Kriegsereig⸗
niſſe und Sriebendunterhamblungen verlaſſend, zuruͤck, um in
Portugal ſelbſt den jungen König zu begruͤßen md ihm im
feinen Wirken unter den pottugieſiſchen Ballen von ſeinem
Regierungantrit an zu Ti
3) Shnine Vethaltuiſe Diniz 8 Staatsberwaltung
Er bereiſt wiederholt das Reich. Anbau des kandes Bezhau,
"Sande; Schifffahrt, Seemacht.
Nachdem Diniz’s Mutter nur kurze Zeit die Regierunge⸗
geſchaͤfte mit ihm getheilt hatte, entwand ſich ber. neunzehn:
jährige König diefem Einfluffe, ald ob er der. Mit und Nach⸗
Melt ihr Urtheil ber ihn erleichtern wolle, da nun Yes, was
vom Thron ausging und geſchah, allein als ſein Werk gelten
ſollte. Die Art wie Diniz ſeine erlangte Unabhaͤ ngigkeit beuügte,
bewies zur Genüge, daß ex diefe nicht erſtrebt hatte, um etwa
feinen Saunen ungebunden zu leben und, einer Aafigen. Be
ſchraͤnkung entrüdt, die Reize einer zwedlofen Wilfür zu ge
nieffen. - Seine regſame und abſichtsvolle Herrſcherthoͤtigkeit
gleich nach ‚feinem Regierungsantritt,. feine fpäteren. Leiflungen
faft in allen Zweigen der. Stpatiperwaltung. erſchlieſſen uns
ſeine Beweggruͤnde und Abſichten 5. moxten in ‚feiner. Wirk
ſamkeit nicht gelähmt, in. dem & " b Ausführen ſei⸗
ner Regierungsplaͤne i Willen, felbf
nicht oder vielleicht am lichen, ge
3068 Erſter Beitraum. I. Bud. 1. Abſchn.“
hemmt fein. Daneben mochte das Beblirfniß eined jeben feu⸗
rigen und thatbegierigen Geiſtes, ftei in weiteren Bahnen fich
zu bewegen, den König antreiben feine Freilaſſung fich ſelbſt
zu ertheilen, : anderer verborgene: (vielleicht weniger beler)
Dilebfedern zu geſchweigen.
Gleich im Anfang feiner Reglerung folgte Diniz der Ale
ten Sitte :feiner Vorgänger, indem er fein Land bereifte, um
die Vortheile. der eigenen Anſchauung zu geniefien und auf
dieſe fein. Urtheil zu gründen, die Mängel und Gebrechen in
ihrem Sige fo Ins Auge zu faffen,-baß er in ihnen felbft bie
ficherften Mittel zur Abhülfe zu finden vermoͤge. Sobald er
das Nöthigfte am Hofe und für‘ die Regierung des Landes
angeordnet ‚hatte, trat er, ſchon im Anfang des Aprils, feine
erfte Reife an, zimächft nach: Alemtejo, dann in andere Co⸗
marcas. Der erſte Ort ber Rich feiner landesvaͤterlichen Fuͤr⸗
forge erfreute, war ber Flecken Alcaçovas; ſein fruchtbarer
Boden, ſein Überfluß an Wild und Fiſchen, ſeine geſunde
Lage zog den König an. Er ließ in ber alten. Burg des
Ortes ein Tönigliches Schloß bauen und befchloß ‘ben Flecken
mit einer Mauer zu umgeben. Den oral ben der Bifchof
von Evora 1259 Alcacovasd ertbeilt hatte (e8 war ber von
Evora), beftätigte der König (1379). Darauf wendete er fich
nach andern Drten in Alemtejo. Diefer Provinz "widmete
Diniz eine ganz befondere Sorgfalt, weil fie berfelben vor«
zugöweife bedurfte. Nach Verhaͤltniß ihres beträchtlichen Ume
fangd war fie. noch wenig bevoͤlkert und gleichwohl verfprach
ihre natürliche Fruchtbarkeit eine zahlreiche Volksmenge zu
nähren. Schon Diniz's Großvater, Affonfo II., Hatte dies er
Fannt und auf Förderung des Anbaues und der Bevoͤlkerung
diefes Provinz gedacht. Man hatte bie fchlecht ober gar nicht
bebauten Strecken unter mächtige Perfonen vertheilt, welche
fie wieder ihren Golonen zur Bewirthfchaftung übergaben.
Seitdem waren manche verfallene Drtfchaften woieberhergeftellt,
andere an geeigneten Puncten angelegt worden, einzelne waren
überbied neu zu Alemtefo hinzugelommen. Die Ergiebigkeit
des Bodens und die immer zunehmende Bevölkerung, der ans
fehnliche Umfang und die Lage gegen Eſtremadura und Anda⸗
Iufien gaben Alemtejo eine Wichtigkeit, welche der umfichtige -
Regierung bes Königs Diniz, 1779— 1325. 309
Diniz zu würdigen verſtand. Auf jegliche Weife ſuchte er
darum den. Anbau biefer wichtigen Provinz zu befördern, war
aber auch zugleich ‚darauf bedacht fie der Krone wieder näher
zu bringen. Mehrere Orte und Ländereien, welche von ber
Krone loögeriffen oder veräuffert worden waren, wurden ihr
wieder einverleibt, die Grundherren in andern Comarcas ents
ſchaͤdigt ). Als Diniz dem Infanten Affonſo, wie wir oben
geſehen, Arronches, Portalegre und Marvão nahm und ihm
daflır Drtfchaften in dem Bezirk von Liffabon abtrat, hatte ex
neben ber Abficht, den Bruder von ber Grenze Gaflifieng, wo
er fo gefährlich war, zu entfernen, zugleich jene, in Alemtejo
wieder mehr Grundbefig und fefteren Fuß zu gewinnen.
Daft das ganze erfte Jahr verwandte der König darauf
bie Städte und Gemeinden zu befuchen, an Drt und Stelle
ihre Gerechtfamen und Privilegien zu beftäftigen, für gute
und fchnelle Rechtöpflege zu ſorgen, die zweckmaͤßigſte Befeſti⸗
gung der Grenzen des Reiches in allen Comarcas anzuord⸗
nen”). Die Freude an dem jungen König, als er ſich zum
erften Mal feinen Unterthanen zeigte, gewann ihm ihre Liebe,
und ald er fpdter von Zeit zu Zeit in ihre Mitte immer wies
berfehrte und in der landesvaͤterlichen Fuͤrſorge fuͤr ſein Volk
ſeine Liebe zu ihm kund gab, erkannte es in ihm „den Vater
des Vaterlandes“ (Pai da Patria) und nannte ihn fo aus vols
Ier Bruſt. Der Landbauer, von bed Königs Sorge für ihn,
für fein Wohl und fein Gewerbe aus eigner Anficht uͤberzeugt,
gab ihm fol; feinen eignen Namen (Lavrädor) und ehrte fi)
und ihn damit. Häufiger noch als. feine Vorfahren ſehen wir
Diniz das Königreich bereiſen und muͤſſen ur beklagen, daß
uns die Geſchichte ſo magere Nachrichten von dieſen Berufs⸗
reiſen des Koͤnigs aufbewahrt hat. Denn hier, dem Volke
gegenuͤber oder vielmehr im Kreiſe des Volkes, wuͤrde ſich uns
Diniz's Weſen und Weiſe als Menſch und als Koͤnig mehr
als irgendwo erſchloſſen, ſich klar und belehrend gezeigt haben.
Welchen herrlichen Kranz haͤtte die Geſchichte aus dieſem in⸗
nigen Verkehr zwiſchen Fuͤrſt und Unterthan aus den hier
1) Mon. Lus, T, VE. Lin. 18. cap. 7 und 21.
2) Mon. Lus. T. V. Liv. 16. cap: 27.
410 Erſter Zeltraum. 1. Bud. 1. Abfqn. ”
geihöpften Fufferungen, Zügen unb Handlungen winden Fön
nen, wäre fle eben fo thaͤtig imd dem Zeitalter fo meit vor:
gefchritten gewefen, als es ber ‚König war! So aber müffen
wir und damit begnägen, bie wenigeh zerſtreuten Blätter aufs
ulefen, welche die Zeit nicht vertocht und bie Geſchichte auf⸗
hewahrt hat.
Dem Blick und ber Fuͤrſotge Diniy’s war fein Gegen:
fand, der das Wohl feines Volkes ‚betraf, fremd, und der ges
ringſte feiner Unterthanen, fühlte er fich in feinen Rechten ge-
kraͤnkt, fand’ bei dem König Schub und Hülfe Go jene
Yemen in Liſſabon, denen bie Mildthaͤtigkeit des erſten Koͤnigs
von Portugal fuͤr ewige Zeiten ein Almoſen zu ſichern gedachte,
deſſen Betrag mit dem Fleiſſe des Empfaͤngers ſtieg. Als
naͤmlich Affonſo Henriques Liſſabon von den Mauren erobert
hatte und das Gebiet dieſer Stadt unter die Ritter und Krie⸗
ger, die ihn bei dieſer Unternehmung begleiteten, vertheilte,
ordnete er an, daß der Gemeinderath das Feld von Valada,
dad zur Gemarkung von Liſſabon gehörte, alljaͤhrlich unter
diejenigen Einwohner vertheilen follte, welche ihrer Armuth
wegen feine Ländereien befäßen. Geltdem wurbe, ſo lange
Affonfo I. regierte, von den Gemeindebeamten alle Jahre eine
Lifte der Armen aufgeitellt und danach das Feld unter fie ver:
theilt. Allmdlig aber fuchten Adelige und Mächtige der Ums
gegend, von der aufferordentlichen Fruchtbarkeit dieſes Feldes ')
angelodt, die Armen daraus zu verbiängen und ſich in ben
Beſitz diefer Ländereien zu fegen. Schon unter Sancho 1.
wurden Klagen über- Beeinträchtigungen der. Armen erhoben;
eine Verfügung des Königs (6. Dec. 1180) "verfchaffte jedoch
Abhülfe und ſtellte die urfprüngliche Einrichtung wieder her.
Unter Uffonfo U. erzeugte die Habfucht der Adeligert ähnliche
Beichwerben, bie Gerechtigkeit des Königs gewährte aber aͤhn⸗
lichen Schutz. Trotz der wiederholt eingeſchaͤrften Beſtimmun⸗
. gen der Könige drängten ſich von neuem unter Diniz's Res
gierung Adelige in dad Eigentum der Armen von Liffabon
1)... . Balata dietus, in quo frumentum, ut a Jisbonae incolis
et plerisque populis Algarbi fertur, quadragesimo ab jactis seminibus
colligitur die, et qnidem mensura centump!icata, Geogr. Nub.
Regierung bes Königs Diniz, 1279 — 1325. 311
ein. Der-König aber hielt durch eine nachbrüdliche Verfuͤgung
(San. 1284) die urfprüngliche Beſtimmung ber milden Stif⸗
tung aufrecht ). Achtung für die Anordnung eines gefeierten
Ahnherrn, Gerechtigfeitsfiehe und landesvaͤterliche Sorgfalt für
die unterdruͤckten Armen mochten ihn zundchft dazu beſtimmen;
doch lag auch der Gedanke nicht fern, daß. die vielen fleifjigen
Hände, die auf diefen Beetchen ihre Lebenshebürfniffe zu ers
zielen gefchäftig waren und dem Boden um ſo mehr abgewans
nen, ba fie allein für ſich arbeiteten, zugleich dem Gemeinwohl
mehr frommten, als wenn biefe Ländereien, ins Befibe ber
Aeligen, von fremden Haͤnden für fremde Herren bebaut und
in ihrer natürlichen Fruchtbarkeit nur laͤſfig unterſtuͤzt und
genugt würden. Wie forgfältig feine Aufmerkfamkeit auf einen
regeren und audgebehnteren Anbau des Landes gerichtet war,
Davon geben mehrere Verfuͤgungen des Königs Zeugniß. Wir
führen nur den Auftrag bier an, den er feinem Esmoler ex
theilte, dad unangebaute Sumpfland von Ulmar, un Gebiet
von Leirig, unter die Pridangehörigen zu vertheilen ). Den
Flecken Mirandela her an, einer fehr ungünfligen Stelle Ing,
hie Diniz an feine gegenwärtige verpflanzen ), und noch jetzt
fol die Lage von Mirandela des Königs Umficht bezeugen.
Große Sorgfalt verwandte er auf den Wiederaufbau und bie
Ausbefferung verfallener Drtfchaften, auf die Befefligung und
Verſchoͤnerung der Städte Viele Fleden und über funfzig
fefte Schlöffeer wurden neu gegründet ). Liffabon verbanfte
ihm viele: neue Gebäude und die Straße Run Nova dos
Ferros.
Gegenſtaͤnde der Staatswirthſchaft, die bisher unbeachtet
geblieben, beſchaͤftigten Diniz's Regententhaͤtigkeit. Um den
Bergbau zu heben, ertheilte der König im Jahre 1290 denen
1) Bu Branbäo’s Zeiten war fie gänzlich in Bergeffenheit gerathen.
„Tauto prevalece contra 3 piedade o interesse!“ Mon. Lus. liv. 16.
cap. 86, ..
2) Mon. Laus. liv. 17. cap. 9.
3) Mon. Lus, liv. 16. cap. 28.
4) Belege hierzu f. in Duarte Nuucz do Lian, | Cronica del
Rei D. Diuis p. 7%, 75,
312 Erfter Zeitraum. IL Bud. 1. Abſchn.
- ein Privilegtum, welche in dem Golbbergwerk von Adica zwi⸗
fchen Almada und Cezimbra, das feit:Santho’& I. Beiten- bes
baut wurde, arbeiteten ). Die Bebeutfamkeit des Bergwerks
von Adica gab Veranlaffung, daß Alle, die in den Goldminen
von ganz Riba Tejo befchäftigt waren, Adiçceiros genannt wurs
den ). Dem Sancius Petri, feinen Serchäftögenoffen und
Nachlommen, ertheilte der’ König fir immer die Erlaubniß,
in ganz Portugal und Algarve auf Eifen zu graben, unter
der Bedingung, daß er ein Fünftheil des gewonnenen Erzes
und ein Zehntheil des reinen Eifend an den König liefere und
die aufgelegten Zölle und Abgaben entrichte ®).
Während dieſe Maßregein bed Könige Aufmerkſamkeit
auf bisher unbeachtete Zweige der Staatsverwaltung wie fein
Streben beurfunden, über Alles, was bad Gemeinwohl bes
- rührte, feine Thätigkeit zu verbreiten, beweifen fie zugleich, daß
die Betriebfamkeit in Portugal erwacht war und auf neue
Mittel des Erwerbes zu finnen anfing. Ein lebhafterer Vers
Fehr begann daneben fich zu entwiden, als Wirkung und
Urfache zugleih. Er entwidelte ſich von felbft und Diniz
hielt nur den Schild des koͤniglichen Schußes Über bie -Blüthe
einer freien Entfaltung. So beftätigte er (1293) die Hans
delsordnung, welche Die Kaufleute des ganzen Reich unter fich
errichtet hatten. Ihr zufolge follen alle Barken, die Über eins
“hundert Tonnen enthalten und in portugiefifchen Häfen für
Flandern, England, die Normandie, Bretagne oder La Rochelle
geladen werden, zwanzig Soldos und folche, die unter einhun⸗
dert tragen, zehn Soldod Fracht zahlen. Wenn eine Barfe
von infänbifchen Kaufleuten befrachtet wird, um über See
nach einem ber eben genannten Länder zu gehen, fo foll von
ihr ebenfoviel erhoben werben. Davon empfangen die bethei-
ligten Kaufleute an dem Orte, wohin die Ladung beftimmt
iſt, einhundert Silbermarken; das Übrige bleibt in dem Lande
und zwar da, wo fie es fire gut finden. Diefe Anordnung
hatte urkundlich den Zweck, demjenigen, der in jenen Ländern
1) Mon. Lus. liv. 16, cap. 31, ..
2) Elscid. T. I. p. 54.
$) ©. die Urkunde bei Ribeiro, Diss. T. 11. p. 85.
Regierung des Rönige Diniz, 1279-1325. 313
Gefchäfte zu verrichten ober zum:’Beflen und zur Ehre Pors
tugald etwas zu unternehmen habe, bie. bazu erfoberlichen
Geldmittel auf diefe Weife zu verfchaffen .. Zwiſchen den
englifchen und portugiefifchen Handelsleuten befland fehon laͤn⸗
gere Zeit ein freundfchaftlicher Vertrag ”), ber von den Könis
gen beider Reiche befhüst wurde. Diniz und Eduard ers
neuerten ihn; ben portugiefifchen Kaufleuten wurben Eönigliche
Geleitöbriefe zugefichert, die Eins und Ausfuhr wie ber
Waarenhandel in England unter der Bebingung geftattet, daß
die Portugiefen bie üblichen Abgaben entrichteten und die Ges
febe des Landes beobachteten ). Dad Seeweſen, das in ber
Folge den portugiefifchen Namen auf allen Meeren und in den
vier Welttheilen verherrlichen follte, gefchichtlic) bis zu feiner
Wiege zu verfolgen, hat uns bie Vorzeit nur dürftige Bruch⸗
ſtuͤcke hinterlaffen, leife Spuren von Küftenfahrten und Eleinen
Seegefechten,, fpdrliche Andeutungen von almäligen Fortſchrit⸗
ten. Die Portugiefen felbft haben es bis jest vernachläffigt
die Blüthe des Ruhmes, den fie auf dem Meere erwarben,
in ihrem Keime und in deſſen allmäliger Entwidelung zu ers
forfchen. Sie haben einen Geiflesgenuß verfchmäht, der dem
Landeseingebornen, dem Erben jened Ruhmes fo natürlich, ihm
viel leichter und erquidlicher iſt, als dem fernen Fremdling.
Muͤhſam nur liefet dieſer die zufälligen Aufferungen auf, die
ein Chronift wie im Vorbeigehen fallen laͤſſt, ober ‚die halb⸗
verfiändlichen Worte einer Urkunde, die in ganz. anderer Abs
ficht abgefafft worden ift, und entläfft den Lefer bed Geſam⸗
melten noch weit unbefriedigter, als ben Sammelnden felbft
das erfolglofe Nachforfchen gelafjen hat.
Aus dem Dunkel des erſten Jahrhunderts ber Monarchie
1) ©. bie Urkunde in Ribeiro’s Diss, T. I. p. 170. N. 62.
2)... quod nos de foedere unionis et amoris, quod inter
vestros et nostros Mercatores hactenus extitit, fagt der König von
England in einem Schreiben an den König Dinig i. 3. 1808. Rymer,
foedera I. 4, p.
5) —æ vestris literas nostras de salvo et sogero OR .
ductu veniendi in Regnum nostrum,.morandi et redeundi cum rebus „,
et mercimoniis suis, ac negotiandi de eisdem, prout sibi utile 'e fan
perspexerint, favorabiliter duximus concedendas, Ib, . en
244 Erſter Zeitraum. I Bud. 1. Abſchn.
glänzt und Fuas Roupinho als Anflıhrer einer Anzahl von
Sahrzeugen, bie ber Eifer für den Nationalruhm eine Flotte
genannt Hat, entgegen. ken diefer Eifer hat diefen Sees
beiden mit einan fo: blendenden Glanze umgeben, daß bie
wahre Geftalt des Marmes nicht mehr zu erforfchen iſt. Seine
Perfönlichkeit wird fo großartig geſchildert, daß bie Seemacht,
am deren Spige er gegen bie Mauren kaͤmpfte, in ben Hinten
grund tritt und von feinem Schatten verbunfelt wird.
Die fogenannten Flotten Hefen, fo lange der ‚Hof in
Goimbra feinen Sig hatte, von der Mimdung bed Mondego
aus; nach der Eroberung von Liffabon wurden hier Öffentliche
Seemagazine errichtet und Schiffe erbaut. Das ganze See
wefen 309 fich allmalig dahin und fchon zur Zeit Sancho's L
wurde die Armada nach Liffabon verlegt. Die Anordnung
biefes Königs in dem Foral, den er diefer Stabt ertheilte ober
beftätigte, daß Die Peoes in Liffabon nicht gegen ihren Willen
zum Seedienft verwendet werben follten '), Idfit es zweifelhaft,
ob fie von einer gewifjen Abneigung diefer Buͤrgerclaſſe gegen
den Seebienft hervorgerufen, oder durch einen vom König
angewendeten unb von ber oͤffentlichen Stimme gemisbilligten
Zwang veranlafft wurde; jedenfalls aber beweift fie, daß ber
Seedienft jebt mehr Menfchen in Anfprucd nahm. Wie unter
Sancho IE auch bie Juden zu Leiſtungen für dad Seeweſen
zugezogen wurden, indem fie zu jedem Schiffe dad vom König
ausgerüftet warb, einen Anker und ein Anterfeil zu liefern
verbunden waren, tft bereitö früher bemerkt worden. Unter
demfelben König wird des Föniglichen Arfenald in dem Pfarzs
fporengel S. Magdalena in Uffabon erwähnt °).
Anſehnlicher wurde die Marine während ber Regierung
Affonſo's II. Er unterhielt eine flärfere Flotte, womit er der
maurifchen 'entgegentrat, ftand dem König von Gaftilien zur
See bei und wurde wegen feiner Seemacht vom Papfl zum
4) Nunquam intrent in navigium meum pedites contra suam vo-
luntatem; sed in eorum sit beneplacito venire per terram aut mare
ia obsequium meum, Foral von Eifjabon.
2) In einer Urkunde von. 1237 heifft es von Käufern in Liſſabon:
Quas habemus in parochia S. Marias Magdaleuse circa palatium
navigiorum Regis,
Regierung des Königs Diniz, 179-135. 315
Belftand in dem Heiligen Krieg eingelaben ). Affonſo's M.
Nachfolger endlich, Koͤnig Diniz, ber mit bett Blicke des
Genies die Wichtigkeit des Seeweſens fuͤr Portugal wie die
guͤnſtige Lage dieſes Landes fir den Seehandel und Verkehr
mit dem Auslande wahrnahm, wendete jenem eine Sorgfalt
zu, welcher Nichts entging was ſeinem Zwecke dienen konnte.
Die Kuͤſte, welche damals den feindlichen Einfaͤllen der Mau⸗
ren von Afrika und Granada noch ſehr ausgeſetzt war, wurde
beſſer bevoͤlkert. Paredes, fuͤr den Handel und Fiſchfang ſo
vortheilhaft gelegen und wegen der Naͤhe von Leiria, in deſſen
Comarca Diniz ſo gern dem Vergnuͤgen der Jagd lebte, dem
König doppelt werth, erhielt von ihm einen Foral (1282) und
wurde auf jede Weiſe gehoben. Bon dreiffig Einwohnern,
welche der Ort anfänglich zählte, flieg feine Volkszahl unaufs
hörlich bis auf Manoeld Zeiten. Aber eine feindliche Natım
fiegte zulegt Uber Die Beſtrebungen der Menfchen. Von der
nahen Sandebene trieben die Winde, die hier von allen Seis
ten ungehindert wehten, den Sand allmälig nach Parebes hin,
bedeckten die Häufer und verfandeten ben Hafen, ber endlich
ganz verlaffen wurbe, Eine Einfledelet bezeichnete fpdter den
Ort, dem unter Diniz die Schiffe zugefegelt waren, wie in
den fpdtern Zeiten bie Einwohner von Leiria in jährliche
Wallfahrt auf Marik Geburt von ber Landfeite ihm zumans
derten. Was Diniz in Hinfiht auf Paredes nicht ahnen
konnte, fah er von Leiria voraus; er flirchtete, daß beffen
fruchtbare Flur von den nahen Sandhügeln, die ein heftiger
Seewind oft in Bewegung fehte, einft bebedft werden möchte.
Um den beweglichen Boden jener Anhöhe zu feffeln und Lei⸗
rind gefegnete Umgebung gegen die Stürme vom Meer her
zu fehügen, ließ der weitfehende Landesvater jene Huͤgel mit
Fichten anfden ?) und ward fo der Schöpfer jener herrlichen
Wälder, die das Schiffbauholz hergaben, auf das Portugal
feine nachherige Größe baute. Während der König auf eine
ftärfere Bevölkerung der Küfte hinarbeitete, fegte er zugleich
vie Flotte im einen“ fo’ ahfeßnfichen Stand, daß er nicht nur
1) Mon. Lus. ir, 16.
2) Mon. Lus, ir,
—R
1. Febr.
1317
316 Erſter Zeitraum. U. Buch. 1. Abſchn.
die feindlichen Angriffe der Mauren von der Seeſeite mit
Nachdruck zuruͤckweiſen konnte, ſondern ſelbſt Unternehmungen
gegen die Kuͤſte von Afrika wagen durfte. Daneben ſchuͤtzte
und belebte die Marine den aufbluͤhenden Handel mit Eng⸗
land, Flandern und Nordfrankreich.
Je wichtiger die koͤnigliche Flotte fuͤr den Seehandel und
die Beſchuͤtzung der Kuͤſte war, deſto angelegentlicher dachte
der Koͤnig darauf, an die Spitze der Seemacht einen Mann
zu ſtellen, der die Kenntniſſe und Erfahrungen ſeines Zeitalters
in ſich vereinigte. Er richtete darum, als die Stelle des Al⸗
mirante mor durch den Tod des Nuno Fernandes Cogominho
erledigt war, ſein Augenmerk auf das Mutterland ſo mancher
ausgezeichneter Seemaͤnner, auf Genua und gab zwei Rittern
ſeines Hofes, welche als koͤnigliche Geſandte in Avignon ſich
aufhielten, den Auftrag, einen zu jener wichtigen Stelle be⸗
faͤhigten Genueſen aufzuſuchen. Ihre Wahl fiel auf Micer
Manoel, aus dem edeln Geſchlecht der Pezagno, der alsbald
nach Portugal reifte, Uber die Bedingungen, unter 'melchen er
bie Abmiralöftelle zu übernehmen Willens war, mit bem König
ſich verfländigte und darüber einen Vertrag mit demſelben
abſchloß ).
Der Genueſe verſpricht des Koͤnigs Vaſall zu ſein, lei⸗
ſtet ihm den Eid der Treue, befehligt feine Flotte und führt
fie, auf bed Königs Geheiß, gegen beffen Feinde, fie mögen
nun Mauren oder Chriften fein. Ex geht im Eöniglichen Dienft
nicht anderd in See ald auf wenigftens drei Galeeren. Überall
wacht er nach Vermögen für den Nuben und bie Ehre des
Koͤnigs und bewahrt die ihm anvertrauten Geheimniffe. Zwan⸗
zig des Seewefens kundige Genuefen werben ald Alcaides be
Sales und. Araizes in der portugiefifchen Marine angeftellt
und von dem König befoldet, wenn fie im Dienfte deſſelben
befchäftigt find. Sind fie hier unnöthig, fo darf fie der Ad⸗
miral für feine eigenen Handelögefchäfte verwenden, indem er
fie auf feine Koften unterhält. Entfliehen oder fterben einige
von ihnen, fo hat. fie der Admiral durch andere zu erfegen.
Ihm ſteht die Gerichtsbarkeit über die gefammte Fönigliche
1) ©. bie Urkunde des Vertrags in Mon. Lus. liv. 18. cap. 56.
Regterung des Koͤnigs Diniz, 1279-1325. 317
Seemannfihäft zu, in ben Häfen.von Portugal, wie uͤberall
wo fich die Flotte beſindet. Der Abmiral erhält den fünften
Theil von..dem, was er ‚mit ber Löniglichen Flotte, ‚gewinnt
oder von dem $einde erbeutet; er empfängt. gewiſſe Grund⸗
güter in Portugal zum erblichen Eigenthum. Sein aͤlteſter
ehelicher Sohn huldigt nach: dem Tode ſeines Vaters dem
Koͤnig oder deſſen Nachfolger, uͤbernimmt dieſelben Pflichten
und tritt in dieſelben Rechte und Beſitzungen ein. GHinterlaͤſſt
der Admiral Eeinen rechtmäßigen Erben, ſo fallt das kehen
wieder der Krone anheim.
Manoel Pezagno, der wegen ſeiner Zreue und biplomas
tifchen Geſchicklichkeit aufferdem zu ‚mehreren. wichtigen: Sens
bungen von bem König verwendet. wurde,bekleidete bie
Admiralswuͤrde - noch längere Beit nuter Dina, Rahlelge—,
Affonſo W. u
4) aing Dimz und die böhen Srlude, die eig Ä
und der Adel. —
So zog, le aus dem Bisherigen erbeit, Khrig Dinis
ben Anbau und bie Bevoͤlkerung des Landes, die Anlegung
ober Wiederherflelung unzähliger Flecken und Burgen, bie
Befefligung und Verſchoͤnerung der Städte, ben Bergbau und
Handel, die Schifffahrt und das Seewefen in den Bereich des
koͤniglichen Fuͤrſorge und Thaͤtigkeit. Im allen diefen Ver⸗
waltungözweigen wirkte und bewegte fi) Diniz meift unges
hindert; in einigen kam er nur ber freien Entwidlung ber
Volksthätigkeit entgegen, und das Volk, gewohnt ihn auf dem
Wege zu feinem Wohl zu finden, vertraute ihm ſelbſt da, wo
ihm des Königs Abfichten nicht gerade einleuchteten. Auch in
biefer Beziehung galt, was man zu Diniz’8 Beit von ihm
zu fagen pflegte: „König Diniz vermag Alles, was er will“).
Anderd verhielt es fich da, wo er dem Klerus und Adel gegens
über fland und Maßregeln ergriff, welche die Intereſſen diefer
Körperfchaften beruͤhrten. Diefe Stände no be. zu bes
günftigen als fie von dem Zeitalter begünf . fonnte
1) El Rei D. Diniz fes tudo:.«
318 . Eifer Zeitraum. IL Bud. 4. Abſchn.
einem: Diniz ‚nicht in. den Sinnkommen; es wibnfrite: fels
nen Anfichten von ber: Rechten der Krone, von Han Wohl
des Staates, Insbefonbere von dem zeitgewaͤßen Bebürfniffen
bes dritten Standed, deſſen Wichtigkeit der König: erfannt
hatte. Die Fuͤlle ber Vorrechte und Freiheiten .aber; deren: fich
ber: oe: und die Geiſtlichkeit erfreuten, erzeugten in dieſen
Koͤrporſchaften nichts weniger als ben: Geiſt der Genuͤgſam⸗
keit,vielmehr der Natur det Menſchen und Dinge. gemaͤß
ein Streben: nach Vermehrung ‚ib Erweiterung: der wirklichen
oder vermeintlichen Rechte, — ein Streben, das Immer lauter
und üungefchauter in Übertreibungen, Anmaßungen und Miss
brauchen ſich and that. Unb als ihm Diniz zu begegnen. be
ſchloß; ſtieß er, wie feine: Vorgänger, uͤberall auf Hinderniſſe
und -iderftand, In bes verfchiebenen Weiſe diefes Wider
flanded, den der König bei den Prälaten und Adeligen fan;
offenbarte fich die Verſchiedenheit ihrer Macht. Iene, die fchon
einmal: rinen „portugieflihen König vom Thron geſtirzt und
einen andern darauf geſetzt ober dabei geholfen hätten und bie
in enggefehloffenen Reihen ;"geftthrt‘ oder wenigſtens unterftügt
von einer mächtigen ‚Hand jenfeit ber Pprenden, gewaltig eins
berfehritten , „begannen einen. foͤrmlichen Kampf. ober festen
vielmehr den Tängft geführten fort. Der Adel dagegen, weni⸗
‚ger ſtark durch Einheit, wagte. Feine ‚offene Fehde und fireute
nur Hinderniffe und Schwierigkeiten in den Weg. .
Die Schilderung jened Kampfes, den die Geiſtlichkeit mit
dem König. gleich nach feiner Xhronbefleigung wieder aufnahm,
weil den. Berfprechungen Affonſo's und Dinizs nicht alsbald
die wirklichen Leiſtungen nachfolgten, ſo wie die Angabe der
Maßregeln, welche Diniz zur Ausrottung kirchlicher Miss
braͤuche ergriff, muß die Darſtellung der Beſtrebungen des
Königs, die beiden uͤbermaͤchtigen Stände in die Schranken
zuruͤckzufuͤhren, eröffnen; die Mittel, welche er anwanbte um
den Unordnungen und Anmaßungen des Adels zu ſteuern,
moͤgen den dargeſtellten Reibungen zwiſchen dem Thron und
der Kirche folgen. Aber wie geneigt zugleich Diniz war, beide
Staͤnde gegen ungerechte Bedruͤckungen zu ſchuͤtzen, darf weder
bei dem einen noch bei dem andern uͤberſehen werden. Den
Schutz, welchen der Koͤnig den Kloͤſtern gegen die Erpreſſungen
Megierung des Königs Diniz, 127915. 319
ber Herbeiros gewährte, haͤtte den Klerus mit dem König
verföhnen follen. Die ſchirmende, vettende Hand, welche Diniz
über den anfehnlichften Xheil, den’ Kern bed Adels, über die
Kitterorden, hielt, als die portugiefifchen Ritter von. Calız
trava ihre Heil in der Zrennung von Caſtilien fuchten und aid
bie Stürme, welde in Frankreich die Tempelherren vernichtet
hatten, fie auch. in: Portugal mit dem Untergange bedrohten,
— dieſe Hand muſſte dem Adel zeigen, daß Diniz wohler⸗
worbene Rechte zu ehren und bie Berbienfte eines jeden. Stans
des zu wirdigen wuſſte und daß er bei feinen Schritten nicht
fih, fondern allein das Gefammiwohl feiner Portuglefen m
Auge hatte.
A. Die. Beifticheit
Stteitigkelten und Verträge des Königs mit dem Klerus, Die
fogenannten vier Concordias des Könige Diniz. Geſchichte
der Amortifationsgefege, Während Dinlz auf der einen Seite
dem Umfichgreffen des Klerus Schranken fest, gewährt er
auf der ambern den Kiethen und Rloͤſtern Schug gegen die
Bedruͤckungen der Erden Three Patrone (Herdeiios).
Diniz hatte feinem Bater verfprochen, dasjenige, was er
zum Beſten der Kirche und ber Geiftlichkeit nicht mehr ſelbſt
eführen Tonne, nad) feinem Hinſcheiden ind Werk zu ſetzen.
Er ſchickte Deshalb, fobald er den Thron beftiegen hatte, Ges
fandte an ben Papſt; Nicolaus HI. ftarb aber (22. Auguft
1280), ehe bie Unterhandlungen bed Königs und der Prälaten,
die ebenfalld Abgeordnete nach Rom gefendet hatten, bafeibft
zum Biel geführt worden waren. Darauf hielt die höhere
Geiftlichkeit eine Verſammlung in Suarda, welcher von Seite
des Königs einige Ricoshomens beiwohnten, und ſtellten hier,
nach einer Dreimöchentlichen zwiftigen Berathung, die Puncte eines
Vergleichs auf, den man zur Befldtigung an den neugewählten
Papft Martin IV. (22. Febr. 1281) zu fcid loß.
Vorher aber begab ſich Die Verſammlung nach der
König damals fich aufhielt, und erla
Beide Parteien richteten fofort: Schrei
30 -Eifter Zeitraum: MW Bud. 1. Abſchn.
puncte und bie drausgegangenen Verhandlungen an.ben Papft
(24. April 1282) 9).
Der ‚König gibt in feinen Schreiben dem papſt mit klu⸗
ger Feinheit zuerſt zu verſtehen, in welcher Eigenſchaft er ihn
in diefer Angelegenheit anerkenne, naͤmlich mehr in der eines
Friedensvermittlers als in ber. bes. hoͤchſten Richters; „weil
Du, ſchreibt: er, auf: Erden: vollfommen bie: Stelle deſſen vers
trittft der: uns Frieden fchafft, Indem er aus den beiven Reis
hen>ded. Himmels und der Erdeeined macht; des Vermittlers
zwifchen.. Gott und. den Menfchen, Iefus. Chriſtus.“ De
König. herichtet dann die Entflehungsweife..ber; Vergleichsartis
Tel, bezeugt feine Beiſtimmung und bittet den Papft,. „fie zu
beftätigen, damit fie eine dauernde Fefligfeit erlangten. Allein
fie fanden Anftoß in. Rom und Martin IV. wollte fie nur mit
gewiffen Veränderungen und Zuſaͤtzen genehmigen. Der König
ober, nicht gefonnen fie in biefer Form in ben Cortes, wie
ihm angemuthet wurde, anzunehmen, beſchwerte ſich bei Ho⸗
norius IY., der unterdeſſen auf den paͤpſtlichen Stuhl gekom⸗
men war April 1285). Doc auch dieſer ſtarb vor der
Erledigung des Streites und erſt unter Nicolaus IV. (feit
dem 22. Febr. 1288), der auf Antrieb des Erzbiſchofs von Braga
und der Biſchoͤfe von Coimbra, Silves und Lamego , welche
perfönlich. in Rom waren, ber Sache mit Eifer fi) annahm,
fam ein. Vergleih zu Stande‘ (7. März 1289). ‚Sobald
diefer von. einem der Eöniglichen Procuratoren (der andere war
krank) im Namen des Königs in Rom befchworen worben
war; fnrach ber Papft den König von:den. Kirchenfirafen los
und hob das Interdict auf, aber jene follten Diniz ipso facto
von Neuem treffen, wenn er binnen vier Monaten feinem
Verfprechen nicht Genüge gethan haben würde; ja der Papft
drohte, bei laͤngerer Widerfeglichkeit eines portugiefifchen Koͤ⸗
nigs, feine Unterthanen von. dem Eid der Treue loszuſagen?).
1) Sie finden ſich überfegt in der Mon. Lus. Parte V. liv. 16,
cap. 86., aus dem Eönigl. Archiv Liv. I. de Diniz. fol. 51,
2) E se por ventura cousa que Deos nom manda, algün Rey de
Portugal em tal maneira amoestado despresar as ditas cousas,,..
podera temer, que nom tam soumente a Eygreja de Roma irä contra
Regierung bes Könige Diniz, 1Y9—1325. 321
Diniz verfprach in ben Cortes, bie er zu dieſem Zwecke in
Liſſabon verfammelte und in denen. er den vierzig Artikeln des
Vergleichs feine feierliche Beiflimmung gab, Folge zu leiften‘).
Er leugnete die meiften Zhatfachen, über die der Klerus Kla⸗
gen erhob, und wir find genöthigt viele der Beſchwerden, fo:
fern fie gegen Diniz gerichtet waren, für ungegründet zu hals
ten, da diefer fo entfchieden und wieberholt erklärte, Daß er
nicht den mindeften Anlaß dazu gegeben habe. - Auch fpricht
die Art, in welcher mehrere Klagen vorgebracht werben ?), kei⸗
—— fuͤr die zweifelsfreie Richtigkeit und Zuverlaͤſſigkeit
der Angaben des Klerus. Gleichwohl verſprach der Koͤnig,
ſolche Dinge kuͤnftig ſich nicht zu Schulden kommen zu laſſen
und den Beſchwerden moͤglichſt abzuhelfen. Wir duͤrfen die
Puncte nicht mit Stillſchweigen uͤbergehen, um welche ein ſo
vieljaͤhriger Kampf gefuͤhrt wurde und welche man jetzt durch
Beſtimmungen feſtſtellte, die als Richtſchnur fuͤr die Folgezeit
eine Stelle in dem erſten allgemeinen Geſetzbuche fanden.
Vor Allem erhoben die Praͤlaten bittere Klagen uͤber Ge⸗
waltthaͤtigkeiten und Bedruͤckungen, welche ſie in Anſehung ihrer
Guͤter wie ihrer Perſonen erfahren haͤtten. „Du haſt, ſagten
ſie, wie man uns angezeigt hat, deine gierigen Blicke auf
das Eigenthum der Kirchen geworfen, die Güter und Ein—
fünfte ber Kirchen von Braga, Coimbra, Viſeu und Lamego
genommen unb behalten, und in Braga, deſſen Beſitz und
Herrſchaft allein der Kirche von Braga zuſteht, einen Alcaiden
aus eigener Macht eingeſetzt.“ Der Koͤnig entgegnete, daß er
jenen Kirchen Nichts genommen und, was ihnen von ſeinem
elle poendo geeral, antredicto em todo o dito, e em toda sa terra,
mas ainda ira contra elle absolvendo es vassallos d’omenagö, e do
juramento, que Ihi som conteudos de guardar; e ira contra elle, que
Ihi pora antredicom, que nom possa husar do padroada, que ha em
nas Eygrejas desse Reyno“ etc,
1) Das urkundliche Verfprechen des Königs ift der Bulle des 8 Pap-
fted Nicolaus vom 17. März 1289 einverleibt. Mon, Lus. liv. 16. cap. 63,
Über die Cortes von Liffabon 1289 f. Memorias de Litter. Port. T.U.
p- 59.
2) 3. B. „Wir haben fagen gehört u. f. w. Ningen -
die ung angezeigt worden, haben wir gebAr+
Schäfer Geſchichte Portugals 1.
322 Erſter Beitraum. U. Bud. 1. Abſchn.
Vater entzogen worben, zurüdigegeben habe, Sei noch etwas
rhdftändig, fo werde er es wiedererflatten. Einen Alcdiden
habe er nicht eingefegt noch werde er einen einfegen '). Man
beſchuldigte ferner den König: er habe viele Parochialkirchen
mit ihren Einkünften an fich gezogen und fie willkürlich wie
der an Weltliche und Geiftliche gegeben ?); er zwinge, um ſei⸗
nen Willen durchzufegen, die Prioren und Äbte auf ihre Prio⸗
rate und Abteien zu verzichten, befonderd in denjenigen Kids
fern , von melchen er der Patron zu fein behaupte; er lafle
zur großen Gefahr für. Die Kirche in dem ganzen Reich Unters
füchungen tiber die Patronate und Güter der Kirchen anftellen,
und wenn er finde, daß das Patronat einer Kirche ihm ges
höre, nehme er fogleich Alles in Anfpruch,- wenngleich Diefe
Kirche feit undenklichen Zeiten ein Befisthbum der Herren ge
wefen wäre’); von den Kirchen aber, deren Patron er fei,
fodere er neue und ungewöhnliche Auflagen *); er nöthige
bie Geiftlichen und Kirchen die Abgabe (Talha) zur Erbauung
und Ausbefferung der Städte und Ortfchaften, gleich den Laien,
zu entrichten °) und lege Schwierigkeiten in den Weg, wenn
eine Kirche an eine andere ein Grundſtuͤck vertaufchen wolle ®).
‚Dem Allen widerfprach der König, und lebhafter noch leugnete
er, daß er die Geiftlichen perfönlich mishandeln laſſe, den Erz⸗
bifchof und die Bifchöfe mit dem Tod bedrohe, fie bisweilen
in den Kirchen und Klöftern Durch Juden und Mauren oder durch
feine Beamten gefangen halten und bewachen, Die Bedienten
(Sergentes). der Bifchöfe vor ihren Augen ‚töbten ober ihnen
die Ohren abfchneiden laffe ); daß er und feine Beamten bie
Geiftlichen verhafteten und fie nicht an die Bifchöfe, wenn dieſe
ed verlangten, auslieferten, vielmehr die fo WVerhafteten durch
Verweigerung. ber Lebensmittel oder auf andere Weife töbten
1) Art. 30,
2) Art. 32.
8) Xrt. 18,
4) Art. 22,
5) Art. 11.
6) Art. 26.
7) Art: 19.
Regierung des Königs Diniz, 1279-13. 323
tieffen ). Geiftliche und Mönche endlich würben vom König,
von feinen Leuten und den Ricoshomend durch Worte und
Handlung befchimpft, biöweilen zu großem Ärgerniß von ihrer
Kleidung ganz entblößt ). Der König behauptete von dem
Allen auch nicht Das Mindefte jemals gethan oder mit Wiffen
zugelaffen zu haben, und verſprach gegen Adelige, die folches
wagen würden, fireng zu verfahren.
Mie der König jeden ungerechten Vorwurf ber Prälaten,
daß er fie an Ihren. Gütern und Perfonen verlegt habe, zuruͤck⸗
wies, fo lehnte er auch jede Befchuldigung einer gefeßwidrigen
Einmifhung in die Befegung geiftlicher Stellen, eines wider-
rechtlichen Eingriffs in die geiftliche Gerichtsbarkeit mit Ent⸗
fehiebenheit ab. Die GeiftlichEeit befchwerte fich, der König
nöthige die Bifchöfe Solche, die er zu geiftlichen. Stellen‘ praͤ⸗
fentire, anzunehmen und zu beftätigenz; weigerten fie fich deffen,
fo laffe er durch feine Leute Befis von jenen Kirchen nehmen
und deren Einkünfte durch Eönigliche Beamte erheben ). Er
pflege, wenn eine Kirche zwiefpältige Patrone habe und dieſe
verſchiedene Perfonen präfentirten, der Bifchof aber nach feiner
beften Überzeugung einen von beiden beftätige und gegen: den
andern, ber mit Gewalt fich eindrängen wolle, den weltlichen
Arm des Königs zur Hülfe auffodere, den von der Kirche zu⸗
rüdgewiefenen gegen den von ihr angenommenen zu begünfligen
und zu unterflüben ). Der König ſchicke, klagen die Prälaten
weiter, wenn Kathebralkicchen erledigt wären, allgemeine Schteis
ben an bie Capitel und befondere an die einzelnen Stiftöherren,
um ihnen Geiftliche feines Hofes ober andere, von welchen-er
mehr Fügfamkeit in feinen Willen und weniger Eifer fin bie
Rechte der Kirche erwarte, zu. empfehlen und füge zu der Bitte
Drohungen. Das Letztere leugnete der König - und verfprach
in feinen Empfehlungäfchreiben nicht zu fobern, daß fie feinen
andern ald ben von ihm erbetenen wählen follten ). 2
1) Art. 14. :
2) Art. 17.
3) Art. 19. .r
4) Art. 20. ' un
5) Art. 38.
N
-
324 Erſter Zeitraum. IL Bud. 1. Abfehn. Ä
Indem ſich ber. König hier bereitwillig zeigte das Frühere
Herkommen einzuhalten, verſprach er zugleich bei den Be⸗
fchwerden, welche: die Prälaten über Eingriffe des Königs in
die Gerichtöbarkeit der Kirche erhoben, auf den Kreid.ded ges
meinen Rechts und älterer Beſtimmungen fich zu befchränken,
während er andere Eingriffe, deren er befchuldigt warb, ges
rabezu leugnete. Zu jenen gehört. die Klage, daß ber König
Rechtöftreitigkeiten, namentlich über Vermächtniffe, die vor ben
geiftlichen Gerichtöftuhl gehörten, an den Töniglichen Hof ziehe
und auf diefem Wege dad Vermögen verftorbener Geifllichen
fih aneigne '); daß der Sobrejuiz, wenn Prälaten und andere
Geiftliche fich weigerten in Streitigkeiten über kirchliche Eins
fünfte und Gegenftände am Hofe zu erfcheinen, bennoch im
diefen Fallen. entfcheide, ungeachtet ihm Feine Gerichtsbarkeit
daruͤber zuftehe, und daß er Geiftliche, Die nach Rom appellirs
ten, ald Ungehorfame (por revees) ihres Rechtes verluflig ers
klaͤre). Den Vorwurf aber, den die Geiftlichkeit dem König
machte, daß er die Prälaten, Capitel ober Gonvente, welchen
er ein Recht oder ein lang beſeſſenes Gut zu entreiffen beabs
fichtige, nöthige mit ihm dem Ausſpruche von Schiedsrichtern
fih zu unterwerfen und fie im Meigerungsfall ihred Ungehors
famd wegen’) durch den Oberrichter des Hofed (Sohrejuiz da
Corte) verurtheilen laffe, — diefen Vorwurf wies. der König
ald8 ungegründet zurüd*). ‚Ebenfo die Befchulbigung, daß
der König, wenn von einem geiftlichen Gericht ein Enpbefcheid
ertheilt würde, denfelben nicht vollziehen, fondern die dem Kläs
ger zugefprochene Sache für fich felbft in Befig nehmen laffe‘).
Belegte, Elagten die Prälaten weiter, der Erzbifchof oder ein
Biſchof, wenn es die Gerechtigkeit vperlange, einen‘ Untertha=
nen, eine Kirche oder Drtfchaft des Königs mit dem Bann,
fo werde jener Prälat durch Drohungen gezwungen bie aus⸗
gefprochene Kirchenftrafe zu widerrufen, oder, werm er deſſen
1) Art. 29.
2) Art. E5.
8) Per razom da reveria.
4) Art. 34.
5) Art. 4.
Regierung des Königs Diniz, 1279 — 1325. 325
fih weigere, gefangen gefest und feiner Güter beraubt ').
Die Ercommunieirten felbft ‚pflegten in einem folchen Fall, fo:
gleich fich zu vereinigen und unter fich feftzufegen, Daß keiner von
ihnen den Zehnten an die Kirche entrichten oder dieſer das Ge:
ringfte vermachen folle?). Bifchöfe und Kirchenvorfteher, welche
ihre Pfarrkinder mit dem Banne beftraften, weil fie den ſchul⸗
digen Zehnten und: die Abgaben verweigerten, laffe der König
aus dem Lande verjagen und ihrer Güter berauben ’). Werbe
eine Gemeinde des Königs durch papftliche oder bifchöfliche
Richter mit dem Interdict belegt, dann verbiete fie .oder der
König Jedermann bei ſchwerer Strafe, einem Geiftlichen Waa⸗
ren zu verkaufen, ihn in ein Haus aufzunehmen und ihm
„Feuer und Waſſer zu geben”. Und dieſes Verbot werde an
bem betheiligten Orte und allerwärtd durch Ausrufer befannt
gemacht *).
Diefe und Ahnliche "Eingriffe in bie geiftfiche Gerichtös
barkeit, dieſe Verlegungen der wirklichen oder vermeintlichen
Rechte der Kirche, deren die Prälaten den König befchuldigten,
diefer aber keineswegs geftändig war, fehienen den Vorwurf,
den die Geiftlichfeit dem König machte, zu rechtfertigen: daß
er „baran arbeite, die Freiheiten der Kirche zu vernichten,” ins
dem er die höhere wie die niedere Geiftlichkeit, die Städte und
Ortſchaften der Bifchöfe hart bedrüde und mit unerträglichen
Laften befchwere, endlich den Eid, den er geſchworen, die Freiheit
der Kirche zu bewahren, vergeffe und breihe‘). „Enthalte dich,"
fahren die Prälaten im feierlichen Zone der priefterlichen Mahs
nung und des heiligen Eiferd fort, „enthalte dich der Ver⸗
legung der Freiheit! Mer fie verlekt, befchädigt die große
Feſte, in welcher der Eatholifche Glaube lebt und welche dem
Lande des Königs zur Zierde dient. Enthalte dich des Rau⸗
bes heiliger Gegenflände, zu deren BVertheidigung dich der
1) Art. 9.
2) Art. 7.
3) Art. 2. *
4) Xıt.6. . Br |
5)...nom 4 s britador do juramento.
Art. $1. n
326 Erſter Zeitraum. IL Bud. 1. Abſchn.
Geber und Vertheiler aller Reiche mit bem zeitlichen Schwert .
umgiirtet hat! Enthalte dich der Mishandlung und Verfol⸗
gung der Perſonen, die dir Gott empfohlen hat und die als
fein erlefened Volk feinen Namen verherrlichen ſollen; und
enthalte du! Dich nicht allein, fondern nöthige auch beine
Unterthanen fich deffen zu enthalten Y1”
Der König verfprah am Schluffe ded Vertrags, „die
Anordnungen und Landesbräuche, die wider die Freiheit der
Kirche und den friedlichen Zuftand des Reichs eingeführt wors
den, weder felbft zu beobachten noch beobachten zu laffen, bie
Kiche und ihre Perfonen vielmehr in voller Freiheit zu ers
halten.” Doch fügt der König hinzu: „wenn mit der Prälas
ten Einwilligung irgend etwas für den guten, friedlichen Zus
ftand des Reichs und zum feften Landeöbrauch angeordnet wird,
fo ſtimmen die Praͤlaten bei, daß man es beobachte, ſofern
es eine Anordnung nach Vernunft und Recht und nicht gegen
die Freiheit der Kirche iſt ). “
Sobald das Interdict im Reich aufgehoben war und Thron
und Kirche ausgeſoͤhnt fchienen, beftätigte der Papſt in einer
Bulle vom 13. Auguft 1290 die in Liffabon geftiftete Univers
fität, die fpdterhin (1308) nady Coimbra verlegt wurde ?).
Der Zriede, den jener Vertrag erzielen follte, währte
nicht lange. Es entflanden bald wieder neue Mishelligfeiten
zwifchen der Geifklichkeit und dem König, deren Anläffe uns
jedoch unbekannt find. Brennftoff lag überall in Menge vor⸗
raͤthig. Der Klerus hatte zuviel erworben, ald daß. er nicht
noch mehr zu erwerben hätte begekren follen, und Diniz war
Davon zu fehr uͤberzeugt und dabei zu eiferfüchtig auf feine
1) Art. 88.
2) e se algiia cousa foi hordenada de consentimento dos Prela-
dos por böo pacifico estado do Regno, e per costume afortellazado,
consentirom os Prelados, que se guarde, a tanto que seja costume
com razom, e com direito, e que nom seja contra a livridooem da
Igreja. Art. 409.
3) Noticias Chronologicas da Universidade de Coimbra p. 41 u.
93, in der Colleccam dos Documentos e Memor. da Acad. Real da
Historia Portug. Anno de 1729. Näheres über biefen Gegenftand f, im
folgenden Bande. "
Regierung des Königs Diniz, 1279— 1325. 327
Thronrechte, um ber Geiſtlichkeit und ber Kirche gegenüber
ruhig zuzufehen. Die Allgemeinheit der Ausbrüde, in welchen
der lebte eben erwähnte Artikel des Vergleichs abgefafft war,
eröffnete der Willfür ein weites Feld; flatt Misverftändniffen
vorzubauen, leiftete er ihnen wahrfcheinlich Vorfchub. Es ers
hoben fich neue Zwiftigkeiten, zu deren Beilegung weitere elf
Artikel '), die man jenen hinzufügte, befchloffen und auögefer-
tigt wurden. In einigen derfelben wird die uͤbermaͤßige Aus:
Dehnung, welche die Geiftlichen ihren Gremtionen gaben, bes
ſchraͤnkt; in andern wird die Vertheidigung und der Schuß
des Königs gegen die Gewaltthätigfeiten und Bedruͤckungen,
worüber die Geiftlichen fich befchwerten, biefen zugefichert und
beftätigt.
Allein die Ruhe, die man von diefen Artikeln erwartete,
war gleichfalls von Furzer Dauer. Kaum waren zwei Jahre
verfloffen, fo erhoben einige Bifchöfe neue Beſchwerden, die
man durch neue Erklärungen zu erledigen fuchte. In den zehn
Artikeln, die auf diefe Weiſe feftgeftellt wurden, bezeichnet der
König von neuem Fälle, in welchen die Geiftlichen das Vor⸗
recht des eignen Gerichtöftandes genieffen follen, befeitigt noch:
mals Misbräuche, welche bei der Firchlihen Erwerbung von
Gütern ftattfanden, und beftdtigt einige Artikel bed voraus⸗
gegangenen Vertrags ). Nachdem man durch diefe zehn Ar⸗
titel die allgemeinen Verhältniffe zwifchen ter Geiftlichkeit und
dem König feftgefest hatte, wurben an demſelben Tage mit
den einzelnen Bifchöfen und ihren Gapiteln befondere Verträge
abgefchloffen, durch welche man, unbefchabet der allgemeinen
kirchlichen Verhältniffe, die Angelegenheiten ber bifchöflichen
Gapitel zu ordnen die Abficht hatte’).
1) Gabriel Pereiva nennt fie die zweite Concordia des Königs
Diniz. Sie ftehen in den Ordenag.. Affons. liv. II. tit. 2,
2) Die Eönigliche Verordnung, welche den’ Klagen der vier Biſchoͤfe
abzuhelfen bezweckt und welche von Pereira die dritte Concordia des Koͤ⸗
nigs Diniz genannt wird, wurde am 23. Aug. 1292.55 erlaffen
und bildet den 3. Zit. des 2. Buchs der Ordenag. ' pr
ſchrift: „Carta d’El.Bey D. Diniz sobre os €
3) Mon. Lus. liv. 17. cap. 16,
328 Erſter Zeitraum. N. Bud. 1. Abſchn.
Sechzehn Jahre verftrichen, wie e8 fcheint, ohne Störung
des friedlichen Verhältniffes zwifchen dem König und den Praͤ⸗
laten. Im Jahre 1309 erhoben die Geiftlichen von neuem
Klagen. Sie befchwerten fi), daß die weltlichen Gerichte
- wieder die Immunität des Priefterftandes verlegt hätten und
nicht den -apoftolifchen Befchlüffen und Beflimmungen gemäß
. verführen. „Faſt Alles, fagt Brandäo, was in diefen Be
fehwerden vorgebracht wurde, war ſchon in den früheren ge.
fagt worden und ſchien daher mehr eine Wiederholung des bes
reits Abgeftellten ald eine neue Beſchwerde uͤber Geſetzwidrig⸗
Zeiten, welche Niemand bemerkt hatte. Wenn ein Rüdfall in
die letztere flattfand, was bie Geiftlichen zu zeigen fih be
mühten, fo gewährte ihnen der König Genugthuung, indem
er in Allem ihnen guͤnſtig antwortete, ohne feine Kronrechte
zu beeinträchtigen ).“ In den zweiundzwanzig Artikeln,
aus welchen die neue Erklärung des Königs beftand, beftätigte
er theild die früheren Verträge, theild erklärte und erläuterte
er -fie, befonderd in Anfehung bes bevorrechtigten Gerichts
flandes, den die Geiftlichfeit übermäßig ausdehnte °).
Bei weitem der erheblichfte von diefen Artikeln und ber
wichtigfte Punct in den lebten Verträgen des Königs Diniz
mit der Geiftlichfeit betraf die Firchliche Erwerbung von Grund:
gütern. Erſt diefem König gelang ed hierin Schranken zu
feßen, und erft das Übermaß des eingeriffenen Misbrauchs rief
die Überzeugung von der Nothmwendigkeit, daß bier durchge⸗
griffen werden muͤſſe, den Entſchluß und den Muth, einen
Damm gegen die Alles verſchlingende Habſucht der Kirche auf:
zurichten, hervor. Wie das Übel ſchon vor der Entftehung
Des portugiefifchen Staates in dieſen Gegenden Wurzeln ges
1) Mon. Lus. Parte VI. liv. 18. cap. 84,
2) E porque, fügt ber Chronift hinzu, esta materia de queixas
erdinariamente pecca por excesso, me parece, que assim succedeu
na prezente etc.“
8) Diefe Artikel, welche am erften Auzuft 1309 in Eiffabon unter:
zeichnet wurden, nennt Pereira de Caftro (de Manu Reg. Part. I,
n.117.) die vierte Concordia des Königs Diniz. Cie bilden ben 4. Tit.,
liv. 2. der Ordenag. Aftons,
!
Megierung bes Königs Diniz, 1779— 13%. 329
fhlagen hatte und unter den erften Königen fehnell und weit
um ſich griff, ift bereit oben ) nachgewiefen worden. . Diefe.
häufigen Schenkungen und Vergabungen an Kirchen und Kids
fter drohten im Kaufe der Zeit die meiften Ländereien in bie
todte Hand zu bringen, den größten Theil des Reiches dem
Krummftab zu unterwerfen ). Überdies erlieffen die erften
portugiefifchen Könige, aus misverftandener Freigebigkeit und
Frömmigkeit, den Kirchen oft Die landesherrlichen Abgaben,
und veranlafften fo den Glauben oder beftdtigten die von an⸗
derer Seite eindringende Anficht, daß die Priefter jene Bes
freiung nicht der Gnade des Landesherrn verdankten, fondern
fih ihrer nach dem göttlichen Rechte erfreuten, und daß es
eine ftrafbare Gottlofigkeit fei, jenes Vorrecht auf irgend eine
Meife anzutaften. Endlich gab Sancho J. den ungeflümen Bit:
ten ober vielmehr den Drohungen einiger Bifchöfe nach und
erklärte die Geifllichen frei von der Entrichtung ber Colheitas
und vom Kriegsdienft (auffer bei feindlichen Einfällen der Sa⸗
racenen). War es zu verwundern, wenn bie fo bevorzugten
Priefter die Meinung hegten und zu ‚verbreiten fuchten, daß
fie und ihre Güter auch von der höchften Gewalt des Königs
befreit feien? Diefe Meinung hätte hier entftehen und ſich gel⸗
tend machen müffen, wenn fie auch nicht über Die Pyrenden
heruͤber eingewandert wäre. »
Als nun die Dinge fo weit gelommen waren, trieben fie
bie weltliche Macht auf Abhülfe zu denken. Das Dunkel,
das die Grundfäße des Staatörechtd damals umhüllte, Bonnte
nicht verhindern, daß nicht biöweilen ein Lichtftrahl durchbrach,
der die Augen der Könige über ihre unveräufferlichen Kron⸗
rechte erleuchtete. Affonfo II. war der erſte portugiefifche Koͤ⸗
nig, der, nachdem unter und zum Theil durch feinen Vater
das Übel fchon hoch geftiegen war, Maßregeln dagegen ergriff
oder ältere vergeffene Anordnungen wieder in das Gedaͤchtniß
rief und in ber feierlichen Ständeverfammlung von neuem
1) Im fechften Abfchnitt des erften Buches. m
2) . . . „sabendo por verdade, que as Horde& bu
parte do meu Regno,* fagt König Dir "
1891, Ordenag. Afſons. liv.-2. dit. 16, .
330 Erfter Zeitraum. IL Bud. 1. Abſchn.
verkünden ließ ). Der Nero ded Anfehns und der Macht
der Geiftlichen war der Grundbefit. In dem Maß biefer be
fchränkt wurbe, ward jener gefchwächt. Affonfo II. griff Daher
das Übel an der Wurzel an, als er, wie wir oben geſehen,
in den Cortes, Die er im erſten Sahre feiner Regierung in
Goimbra hielt, ein Gefeß erließ, das der Kirche in der Ers
werbung von Grundgütern engere Grenzen ſetzen follte ?).
Allein dieſes Gefeß war weber allgemein und unbedingt, noch
zeigte es fich. wirffam genug. Es verbot ausdruͤcklich nur den
Ankauf von Gütern), nahm von diefem Verbot felbft die
1) Es fcheint in der That, daß fehon früher eine Verordnung über
diefen Gegenftanb vorhanden war. In einem Privilegium, bas König
Affonfo I, glei im Anfang feiner Regierung ertheilte, und das einer
Beftätigungsurkunde der Privilegien des Königs Johann II. in ber Übers
ſetzung einverteibt ift, wird gefagt, daß ber König „fez Couto . .. aos
presentes Freyres, e seus socessores de todas aquellas cousas, que
até aquelle dia delle dito Rey, ou doutros tevessem aqueridas, ou
possoyssem, e daquellas cousas} que daquelle dia por diante per
sua consecam, ou per conselho de boons varooes aquerisse * etc.
In einer Schenkung, die berfelbe König Affonfo dem Abt Johann von
S. Salvador de Craſto madt, bewilligt er ihm die Erlaubniß,
Srundgüter zu erwerben und andere, die ihm durch Schenkungen und
Vermaͤchtniſſe zu Theil würden, zu befigen. Memor. da Acad. Real,
T. VI. p. 75. Not. b.
2) Wegen feiner Wichtigkeit und weil es bei Brandäo (Mon.
Lus. P. V. liv. 17. cap. 8) und Gabkiel Pereira (de manu regia,
T. I. p. 844.) fehlerhaft gedrudt ift, mag das. Wefentliche des Gefepes .
bier eine Stelle finden. . . . . stabelegemos, que daqui adeante nẽhũa
cousa (oder, wie es richtiger in einer andern Überfegung heifft, cassa)
de religiö nö conpre nẽhũa possissom, tirädo pera universsayro de
nosso padre, ou nosso. E damos a elles lecenca daverem possissöer,
ou outras cousas pera outra maneyra aguisada. Pero non tolhemos
a nenhuü Clerigo poder de comprar possissöes, 6 de fazerem dellas
o que quiserem. E se per ventuyra alguem contra esta nossa cöste-
tigö quiser hir, perca quanto der pola possissom por pea. Nach dem
Livro das Leis Antigas abgedruckt in den Memor, da Acad.R, T.VII.
p. 57. Appendice 54,
5) In diefem Sinne faſſt fpäter König. Dinig das Geſetz. „Que
näo somente näo quer El Rei que comprem herangas, mas que ainda
por forca Ihes occupa as que de muito tempo a esta parte possuem.
Respondem: consentem os Prelados e Procuradores d’El Rei, que
Regierung des Königs Dintz, 1279 — 1335. 331
Kleriker (d. i. hier Canonici) aus und geflattete Schenkungen
für Anniverfarien. Seine Wirkfamkeit aber fcheiterte an der
zunehmenden Gewalt der eindringenden kanoniſchen und römis
fchen Anfichten und Grundfäge, denen die Könige felbft un-
willfürlich -huldigten, an den Anordnungen einzelner Biſchoͤfe
zu Gunſten der Gütererwerbung der Kirche '), an ben unkla⸗
ren und ſchwankenden Anfichten der Könige von ben Rechten
und Grenzen der Pirchlichen und Pöniglichen Macht ”) und end⸗
ich an den Borurtheilen der Laien, die nicht einfahen, warum
fie der Freiheit, über ihre Güter zu Gunften der Kirche zu
verfügen und fich Dadurch der Seligfeit des Himmels zu. vers
ſichern, entfagen follten. Kein Wunder, daß Affonfo’3 Geſetz
erfolglo8 blieb und daß während feiner ganzen Regierung und
unter feinen Nachfolgern Sancho I. und Affonfo IH. die Kirs
chen und Klöfter durch Schenkungen und felbft durch Anfauf
Grundgüter erwarben.
Es war dem König Diniz vorbehalten, was Andere ges
wollt aber nicht vermocht hatten, mit Klugheit und Zeftigkeit
durchzufegen. Er verordnete nicht allein, daß das in Vergeſſen⸗
heit gerathene Gefeß Affonfo’3 II. erneuert werde und in volle
Wirkſamkeit trete, fondern daß alle von den Orden und Geifts
lichen feit feiner Thronbeſteigung bereits erfauften Güter in
Sahresfrift wieder verfauft werben follten ’) und ſchnitt fo alle
nesta parte se guarde a lei d’EI Rei D. Affonso seu avö, que he
nesta etc.“ Art. 2. der zweiten Concordia des Königs Diniz.
1) 3. 3. die Verfügung einer unter dem Biſchof Mattheus in
Liffabon 1271 ‚gehaltenen Synode: daß, fo oft Jemand aus dieſer Didcefe
ein Zeftament mache ohne Beifein des Pfarrers oder -einer von ihm ers
‚nannten Perfon, die Parodie den dritten Theil der Güter des Teſtators
erben folle.
2) Stellte ja Affonfo II. ſelbſt dicht neben das Gefeh, das der Er⸗
werbung von Grundgütern und dem Umfichgreifen der Kirchenmacht zu
fieuern den Zweck hatte, die Beflimmungen: que as sas leys seiam
guardadas, e os dereitos da santa egreia de Roma; convem a saber,
que se foren fectas ou estabelegudas contra elles, ou contra a santa
egreia, que non valhä, n& tenhä etc. 4
3) Durch ein i. 3. 1286 erlaffenes Geſetz und dur” ein koͤniglich
Schreiben von bemfelben Jahre an Vaſco Peres und an ben P
332 Erſter Beiteaum I. Bud. 1. Abſchn.
vorgefpiegelten Käufe ab, Durch welche die Geiftlichen oft das
Geſetz zu umgehen oder zu vereiteln fuchten. Am burchgrei-
fendften aber war das Geſetz, das der König auf die Vor⸗
ftellungen vieler angefehener Männer vom Laienftande und nad
reiflicher Berathung mit den Großen und Räthen feines Hofes
in Coimbra 1291 bekannt machte. Ihm gemäß durfte von
den Befigungen folcher, die in einen geiftlichen Orden traten,
bei ihrem Zode Nichts an diefen fallen, dieſem Nichtd verkauft,
geſchenkt oder auf irgend eine Weife verduffert werden. Wollte
jemand für fein Seelenheil etwas vergaben, fo konnte er ein
Drittel feines Vermögens verkaufen, zwei Drittel blieben ben
Erben. Jenes Drittel durfte aber nur an foldye Perfonen ver:
Fauft werden, von welchen ed nicht an geiftliche Orden gebracht
wurde; die zwei Drittel konnten nur folchen Perfonen‘ verblei-
ben, welche Peine Drdensangehörige waren. Diejenigen bie
feine rechtmäßigen Erben hatten, konnten über ihre Güter frei
verfügen, nur nicht zu Gunſten geiftlicher Stiftungen ).
Daß diefe Geſetze des Königs Diniz während feiner Re
gierung auch.befolgt und in ihrem ganzen Umfang vollzogen
wurden, bezeugen viele gleichzeitige Urkunden, die noch jest in
den portugiefifhen Archiven fich finden ). Mehrere Könige
der fodteren Zeit, Zernando, Affonfo V., Manoel, Filippe IL
und III., Sofe, erneuerten und beftätigten Diniz's Amortiſa⸗
tionsgeſetze.
Wohl mochten dieſe Geſetze den Klerus erbittern, aber
Zabelliäo von Arouca; dann durch die zweite Concordia von 1289, die
dritte von 1290 und bie vierte von 1309.
1) Ordenag. Affons. liv. 2. tit. 15. 8. 3. Auch abgedrudt in
Souſa's Provas T.I. p.65. Mell. Freirji Hist. juris civil. Lusit.
p. 60. und öfter.
2) Bon mehreren, die in den Mem. da Acad. Real,- T. VII. p. 60.
mitgetheilt find, führen wir nur eine vom Jahre 1311 an, worin
ber König Diniz der Äbtiffin von Tarouquella erlaußt, für ihr Kiofter.
ein Grundftüd zu behalten, das fie gekauft habe „zu Fußbedeckungen für
die Klofterfrauen, um zur Frühmeffe gehen zu Eönnen, ba ber Ort fehr
kalt fei.” Der König erkiärt in der Urkunde, daß der Ankauf mit koͤnig⸗
licher Erlaubniß gefchehen fei, mit der Bedingung, daß das Grundftüd
nah dem Tode der Käuferin an einen Laien gebracht werde. "
Regierung des Königs Diniz, 1279—1325. 333
diefer konnte doch nicht den König darum ber Ungerechtigkeit
zeihen ; die Prälaten mufften vielmehr Diniz's Unpärteilichkeit
und Fönigliche Gefinnung ehren und ſich zum Danf verpflichtet
fühlen, als er die Kirchen und Kloͤſter gegen Die Gewaltthaͤtig⸗
keiten und Bedruͤckungen ſchuͤtzte, welche ſich die zahlreichen
Nachkommen der Gruͤnder und Patrone jener Stiftungen er⸗
laubten.
Wie die Grundherren, welche Kirchen und Kloͤſter ge⸗
ſtiftet oder beſchenkt hatten, fo verlangten’ auch die Nachkom⸗
men diefer Grundherren, bie ſich Herdeiros (Erben) ober Na-
turaes jener Firchlichen Stiftungen nannten, ald Anerkennung
ihres Patronatrechts verfchiedene Abgaben, Comedorias, Pousa-
dias, Casamentos und Cavallarias. $ür Comedoria (auch Co-
medura) brauchte man bisweilen auch die befannteren, oben‘)
erklärten Ausbrüde Colheita und Jantar. Unter Pousadia wurde
das Recht der Einlagerung, die Befugniß Herberge zu verlan⸗
gen verftanden. Cavallaria nannte man „ben Abgabentheil,
den man an die Männer zu entrichten hatte, Casamento den⸗
jenigen, welchen die Frauen erhielten, entweber "weil er zur
Vermehrung ihres Heirathöguted ober zu einer Beifteuer und
Unterſtuͤtzung ihrer ſchon vollzogenen Ehe beftimmt war ).“
Auf diefe Gefälle und Leiftungen legten die Naturaes gleich
Anfangs großen Werth, weil fie die Frömmigkeit ihrer Alts
vordern, der Gründer von Kirchen und Kloͤſtern, in rühms
lichem Andenken erhielten und den grundherrlichen Rang, bie
gutöherrliche Würde bezeichneten. Mehr und mehr aber ver=
drängte der Gewinn, ben die Stiftungen abwarfen, dieſe ebles
ren Rüdfichten, als fich im Laufe der Zeit die Erben und
Nachkommen in fchnell wachfendem Verhaͤltniſſe vervielfältig-
ten, und unter der großen Menge derfelben erzeugte, wie ges
wöhnlich, der Eigennuß fchneller und mehr Mishräuche, als
die frühere Standeseitelfeit deren erzeugt haben mochte. Die
Herdeiros hatten fich fo fehr vermehrt, Daß z. B. das Klofter
Grijo 208, dad Klofter ©. Send de Monte⸗longo, dad in
ber Folge mit ber Collegialficche von Guimaräcs ſich verband,
1) Erſtes Buch, neunter Abſchnitt, 5.
2) Elucidario, T. I. p. 245,
a
334 Erfier Beitraum. 1. Bud. 1. Abſchn.
273, bad Kloſter Pedroſo gar 374 Herdeiros zählte. Anbef
fen war es nicht Die große Menge biefer Erben, welche für
Die Klöfter eine druͤckende, faft unerträgliche Laft wurde; manche
Herbeiros beeinträchtigten bie Klöfter noch durch einen unver
fchleierten. und um fo Fränfenderen Betrug, indem fie Abga⸗
ben, welche erſt dann fällig wınden, wenn ihre Söhne die
Kitterrüftung anlegten ober ihre Töchter fich verheiratheten,
zum voraus foberten und die Gründe und Thatſachen, welche
ihnen: ein Recht zu diefen Foderungen geben follten, nicht nad)
wiefen. Andere fcheuten fich nicht Gewalt zu üben, indem fie
bald in die Güter der erledigten Kirchen, die den Klöftern ge
hörten, fich eindrängten, bald dieſe mit zahlreihen Familien
heimfuchten und dadurch zu übermäßigen Ausgaben nöthigten,
fo daß ben Kiöftern Faum ſo viel übrig blieb, als fie zu ihrem
eigenen Unterhalt nothwendig beburften ’).
Die Kiöfter führten vielfaͤltig Beſchwerde bei den Koͤni⸗
gen und erwirkten von ihnen verfchiebene Verfügungen zur
Abhilfe jener. Unprdnungen. In den Corte von Guimaräc
41261 ergriff Affonfo II. Maßregeln gegen die eingeriffenen
Misbraͤuche ?), allein mit ‚geringem Erfolg. Der Unfug nahm
unter Affonfo’3 Nachfolger überhand, befonderd in der Provinz
Entre Douro e Minho, und unter dem Gerdufch bed Kriegs,
den ber König damald führte, hörte man kaum die Klagen
der Klöfter Über die Bedruͤckungen der Adeligen. Doch Diniz
hatte fuͤr die Seufzer der Unterdruͤckten ein leiſes Gehoͤr. Er
berief die Cortes nach Guimaräed, an den Mittelpunct ber
Provinz und den Hauptſitz ihres Adels, um das Übel an Ort
und Stelle mit ber Wurzel auszurotten ’), gab den Befehl
(4. Aug. 1307), daß die Gefege feines Vaters über dieſen
Gegenftand ftreng beobachtet werden follten, und ließ, um bie
Anläffe zu Ungerechtigfeiten zu befeitigen., durch feinen Meis
rinho —— mor des Landes Entre Douro e Minho beſtimmen, wie
2 Memor. da. Acad, Real T. VI. p. 66.
2) Degtedos do Sür. Rei D. Affonso III. sobre as comedorias, e
pousadias dos fidalgos nos Mosteiros, e Igrejas etc. noch vorhanden
im koͤniglichen Archiv.
8) Mon. Lus. T. VII. liv. 3. cap. 2.
Regierung des Königs Diniz, 12791335. 335
viel jedes Klofter, nach Maßgabe feiner Einkünfte, der Zahl
und des Ranges feiner Patrone, zu entrichten verbunden ſei 9.
Deffen ungeachtet dauerten die Klagen, der Klöfter über ihre
Herdeiros fort”), und dieſe Klagen waren nicht ungegründet
oder übertrieben. Bei der Unterfuchung, welche die Befchwers
den des Abtes von Tibäes Über die Erpreffungen, die troß ber
Föniglichen Verfügung von den Adeligen in feinem Klofter ver:
übt worden, veranlafiten, flellte fich heraus, daß biefes Klo=
fter nur 160 Maravedis Einkünfte und 60 Moios Brod und
Wein bezog, ber Herdeiros aber, an welche es Penſionen bes
zahlen muffte, mehr als vierzig Tamilien waren, welche nah
an zweihundert Perſonen zaͤhlten. Koͤnig Diniz befahl endlich
(1315) jene Abgaben auf die Haͤlfte herabzuſetzen. Nur be⸗
ſchraͤnken konnte er den Misbrauch, ihn ganz aufzuheben ver⸗
mochte er nicht. ine aͤhnliche Erfahrung machte fein Nachs
folger, ald er in dem erften Jahre feiner Regierung die Klöfter
von dieſen Leiflungen gänzlich befreien wollte. Das Übel.
bauerte unter Affonfo’3 IV. und Pedro's Regierung fort >).
Alle Heilmittel welche von ben Königen angewendet wurden,
waren von geringem Erfolg. Man fuchte felbft bei den Paͤp⸗
ſten Hülfe und ließ den Bannftrahl und das Interdict gegen
den Unfug richten, ber vecht eigentlich dem geiftlichen Richters °
ftuhl anheim zu fallen fhten. Aber diefer fo wenig als der
weltliche bezwang in dieſer Periode das Übel, und erft in ber
folgenden, unter ber Regierung des Königs Ioäo IL, ward es
ganz gehoben.
Nicht geringer ald die Anmaßungen der Adeligen in ben
Befigungen und dem Eigenthum der Kirchen und Klöfler wa⸗
ren ihre Anmaßungen auf ihren Ritterglitern, bie Übertreibung |
und der Misbrauch ihrer Vorrechte und Freiheiten in Bezug
auf den König und Landeöherrn.
1) Naͤmlich: dem Rico-homem zwölf Laibe Brod zu zwei Dinheiros
als Santar und ſechs zum Abendtifh, dem Infancäo fechs zum Santar
und drei zum Abendtiſch; dem Gavalleiro vier zum Jantar und zwei zum
Abendtifch.
2) ©. die Klagen ber Fbeifin zdes Kloſters Vairam i. J. 1811 t
Ribeiro's Dissert. T. I. p.
8) Memor. da Acad. Real T. VI. p. 67.
336 Erſter Zeitraum. IL Bud. 1. Abfın.
| B. Der Adel ald Grundbefiger; die Ritterorden.
| | Die Inguiricdes ).
Den großen Srundbefig, welchen der Adel zum Theil ſchon unter
den Koͤnigen von Leon erworben hatte, erweiterte und mehrte
er unter den erſten Koͤnigen von Portugal. Verſchiedene
Arten von adeligen Guͤtern und damit verbundene Rechte
und Freiheiten. Solares. Coutos. Honras. Behetrias.
Unmaͤßige Erweiterung der grundherrlichen Gerechtſame und
Maßregeln der Koͤnige ſie zu beſchraͤnken. Geſchichte der
fruͤheren Inquirigöes. Verſchiedene Unterſuchungen, welche
Diniz anſtellen laͤſſt. Misbraͤuche, die dadurch offenbar
werden. Der Koͤnig hebt alle Honras auf, welche ſeit 1290
neu gegruͤndet oder erweitert worden ſind.
Die Gruͤnder des portugieſiſchen Staates fanden viele
Edle bereits im Beſitze eines betraͤchtlichen Grundeigenthums,
das ſie unter den Koͤnigen von Leon erworben hatten. Es
war billig, daß die Vaſallen des Koͤnigs, deren Schwert den
Mauren das Land wieder entriß und oft jeden Fuß breit mit
Blut erkaͤmpfen muſſte, belohnt wurden; Grundbeſitz aber war
in jenen Zeiten faſt das Einzige, womit man groͤßere Dienſte
bezahlen konnte. Es war zugleich ſtaatsklug, jene Vaſallen
durch die Grundherrlichkeit mit einer Macht und einem Anſehn
zu bekleiden, welche ſie in Stand ſetzten ihre Untergebenen
auch im Frieden in Gehorſam zu halten; die zuͤgelloſe Rohheit
des Eriegerifchen Volkes, die allgemein herrfchende Selbfthälfe,
Die Ohnmacht der Gefege oder deren gänzlicher Mangel, die
Entfernung ded Königs fchienen Died zu verlangen. Was uns
ter den Königen von Leon billig und ſtaatsklug gewefen wer,
war ed nicht minder unter den Gründern des portugiefifchen
1) A historia economica do nosso Reino daquelle periodo nunca
se podera dicer exacta se näo tirar o seu fundo, igual-
mente dos Foraes primitivos, que destas Inquiricöes,
fagen mit Recht die Verfaffer der Memorias para a Hist. das Inquiri-
cöes, Introducgäo, p. 5. .
Regierung bes Königs Diniz, 1279 — 1325. 337
Staates. Sie hatten noch einen Grund mehr, ihre. großen
Bafallen durch Belohnumgen und Auszeichnungen an fi zu
feffeln: ihr noch nicht befefligter Zhron machte ihnen folche
Stüsen 'wünfchenswerth, ja unentbehrlih. Sie bebienten fich
biefer Vaſallen, um die Eroberungen, die zur Erweiterung und
fefteren Begründung des urfprünglich fo kleinen Staats noth:
wendig waren, fortzufegen. Je mehr Tapferkeit die Edlen be-
wiefen und je größere Landftreden den Mauren entriffen wur:
den, um fo weniger burfte der König karg fein mit Beloh-
nungen und Schenkungen. So erhielten die bisherigen Grund⸗
herren noch mehr Güter oder auögedehntere Rechte, mancher
aber, der allein Zriegerifche Tapferkeit befeffen hatte, wurde
nun ein reicher Grundbefier. \
Mit dem Grundbefige an und für fi) waren damals ge-
wife Rechte und Freiheiten natürlich unzertrennlich verbunden;
fie wuchfen gleichfam: aus dem Boden, wuchfen von felbft aus
ihm. Die Eönigliche Gnade, die ben verdienten Krieger mit
liegendem Eigenthum befchenkte, brauchte kaum jene Rechte
namhaft hinzuzufügen, fie waren inwohnende Eigenfchaften des
größeren Grundbefiged. Dem König genügte die Oberherrlich-
feitz der Hof und der Staat bedurften wenig. Nur im Krieg
fliegen die Bebürfniffe; dann aber diente der begüterte Grund:
herr mit Leib und Gut, mit feinem ganzen Aufgebot.
Durch diefe Erwerbungen von Grundguͤtern, mit welchen
gewiffe Gerechtfame und Befreiungen verbunden waren ober
wurden, entftanden die Solares, die Honras, die Coutos.
, Die Solared, nach den Foraes und alten Urkunden die
feften MWohnfige der Grundherren ), waren für die Großen.
die Grundlage ihrer Macht und ihres Anſehns. Auf diefen
Solared bauten fie zu ihrer Selbftvertheidigung, befonders ge⸗
gen plögliche Überfälle der Mauren, Thuͤrme und fefte Bur-
gen, von welchen hier und da in ben Provinzen biö heute
1) Et homines de Aquilari, qui homines tenuerint in suas haere-
ditates, aut in suos Solares, & non fuerit ibi suo Senior. „«
Et non serviat ad nullo homine, nisi a suo Senior, in cujus Iold
sederit. oral von Aguiar von 1258; ebenfo im Foral von Moz 116
Daher die Benennung Solarega (Solarengo, Solariago) für den A
beiter, Colon, Hörigen u. f. w., der auf dem Solar eines
Schäfer Gefhichte Portugals I. 22
338 Erfter Zeitraum. I. Bud. 1. Abſchn.
überreſte fich erhalten haben ). ‚Zur Zeit des Friedens erhiel⸗
ten nur Grundherren hoͤheren Ranges die Erlaubniß ſolche
feſte Schloͤſſer zu bauen, und nur bei beſondern Anlaͤſſen und
aus beſonderer Verguͤnſtigung geſtatteten ed die Könige 9).
Öfter geſchah dies, als kein auswaͤrtiger Feind, kein Sarace⸗
neneinfall mehr drohte, und der unruhige, kriegeriſche Adel ſeine
Kampfluſt in Fehden mit ſeines Gleichen, mitten im Schooße
ſeines Vaterlandes, zu befriedigen pflegte. Wie in dieſen Feh⸗
den ein maͤchtiger Grundherr dem andern feindlich gegenuͤber
ſtand, ſo die Burg des einen der des andern. Auffallend
genug finden dieſe Fehden gerade unter Diniz, einem ſo ge⸗
achteten und kraͤftigen Koͤnige, ſtatt. Aber er war freilich auch
der Erſte, der den kriegsluſtigen Adel nicht mehr gegen die
Mauren fuͤhrte und zu fuͤhren genoͤthigt war, und gegen das
Ende ſeiner Regierung erzeugte die unheilvolle Zwietracht im
koͤniglichen Hauſe verderbliche Parteiungen im Reiche und naͤhrte
die Fehdeluſt. Dem Koͤnig drang ſich bald die Nothwendigkeit
auf, zu gebieten, daß mehrexe jener Thuͤrme niedergeriſſen
wuͤrden, und durch Geſetze, die er erließ, dem Misbrauche zu
ſteuern. Noch Affonſo IV. hatte jedoch mit dem fortwuchern:
ben Unkraut zu Fämpfen und muſſte in der Zeit, in welcher der,
blutige Zwiſt, den er einft mit dem eigenen Vater gehabt hatte,
durch den mit dem eigenen Sohn gerächt wurde, firenge Maß:
regeln gegen Fehdebuͤndniſſe ergreifen ). Daß die Solares,
diefe Sige mächtiger Adeligen, welche die Könige einft ben
1) Namentlich in der Provinz Entre Douro e Minho. Da von
bier aus der Kampf mit ben Mauren begonnen wurbe und dee Hof der
erften Könige in Guimaraens feinen Sid zu nehmen pflegte, fo hatten
auf die Großen mehr Ruhe, um fich auf ihren dortigen Solares einzus
richten und zu befefligen. Memor, da Acad, Real T. VI. p. 115.
2) Mon. Lw, T. VI. liv, 19. cap. 27., wo ber König Diniz
während ded Krieges mit feinem Sohne dem Mem Rodrigues de Vajcon«
celos, einem Anhänger bes Königs, erlaubt ein feftes Haus in
feinem Gouto von Penagate zu feiner und feiner Familie Vertheibigung
zu erbauen.
8) Belege hierzu f. in ven Mem. da Acad, Real T. VI. p. 116.
Aus diefen Föniglichen Verfügungen gingen die Segurancas Reaes hervor,
‚von welchen tit, 122. liv. 3, der Ordenag. Affons. handelt.
Regierung des Königs Diniz, 1279 — 1325. 339
verbienten Wertheibigern Ben Zhrones und Vaterlandes geſchenkt
hatten, von ihren Enkeln in Angriffswaffen zum Theul gegen
die Koͤnige ſelbſt verwandelt werden wuͤrden, ahneten jene
freilich nicht.
Umfaffender als der Kustrud Solar und mehr das Wes
fen des Gegenflandes bezeichnenh maren hie Menermungen
Couto und Honra.. Schon vor dee Entſtehung des portu⸗
giefifchen Staates nannte man bie Übertragung und Ausſtat⸗
tung eines Grumdbefißed mit gewiffen Vorrechten und Bez
freiungen coutar und folde Beſitzungen felbft Onutos '). Der
nämlichen Ausdruͤcke bedienten ſich bie erften portugieflfchen
Regenten ?), indem fie bald ſchlechthin erllärten, daß fie „ein
bevorrechtigtes Gut vergabten“ (fazino Omuto, da Jedermann
wuſſte, was dies bebeutete und umfchloß), bald die Befreiuns
gen und Vortechte einzeln anführen, welche das Mefen bes
„bevorrechtigten“ (coutado) Beſitzthums begründeten. Die
Privilegien und Gremtionen ber Contos beftanden hauptfäch-
lich darin, daß dieſe von vielen koͤniglichen Auflagen befreit
waren und folglich der Mordomo des Königs oder der Erhe⸗
ber der Eöniglichen Gefälle dieſes Gebiet nicht betreten durfte )).
In diefer weitern Bedeutung umfaflt das Wort Couto auch
Dasjenige, was man in jener Zeit unter Honra verftand,, und
wenn in der audgeftellten Urkunde (Carta de Couto) die Abs
gaben und Leiftungen angeführt wurden, von welchen die Ges
fchenfnehmer befreit fein follten, fo waren ed. biefelben, von
welchen in der Folge die Honras befreit waren. Auch wurde
die Honra auf diefelbe Art gefliftet wie der Couto, indem ihre
Gründung bald durch Grenzfteine (Marcos), welchen man
oft den Namen Coutos gab, bald durch eine Urkunde (Carta)
1) Eine Reihe von Belegen ſ. in Memor. de Litter. Port. T.VII.
p. 175.
2) Facio, atque coneedo ... . Cartans de Cauto... Hoc
autem cautum facio tibi .. . Cauto igitur tübi illud . . . Monaste-
rium etc. heiſſt eö in ber Carta de Couto, welche bie Königin Thereſia
dem Kloſter S. João de Pendorada 1123 gab, |
8) „Coutar huma terra, fagte be Rönig Diakı fd Viterbe,
he escusar os seus moradores de hoste, a de f: a
e de toda a peita.“
340 Erfer Zeitraum. I. Bud. 1. Abſchn.
des Königs, bald durch die Fönigliche Fahre (Pendao), die
mah in ber Honra aufrichtete, bezeichnet wurde ). Die
Gtleichförmigkeit der Wirkungen, welche die Gründung der
Honra wie des Couto mit fich führte, hatte die Folge, daß in
den Urkunden jener Zeit beide Benennungen biöweilen verwech⸗
felt und vermifcht wurden ?). Gleichwohl ift nicht zu leugnen,
daß .man fie oft von einander unterfcheiden muß’), und daß
von Honras die Rede ift, die in einem Couto enthalten find *).
Die eigenthimlichen Züge aber, durch welche fie von einander
verfchieden waren, mit Zuverläffigkeit zu beflimmen und urs
Bundlich nachzuweifen, ift bis jegt den Portugiefen felbft noch
nicht gelungen und wird bei der Dunkelheit und Unbeflimmt:
heit der gleichzeitigen Urkunden ſtets große Schwierigkeiten
darbieten.
Auſſer den Coutos und Honras wird noch eine andere
Art bevorrechtigter Güter erwähnt, die Behetria°). Das
Vorrecht, auf welchem die eigenthümliche Natur der Behetria
beruhte, bezog fich nicht fowohl auf Die Grundherren als auf
die Ortfchaften und ihre Bewohner 9), welchen es Die Könige
1) „Interrogatus si est honorata per pendonem, per cautum,
vel per Cartam D. Regis, dixit quod non, sed est honorata per
Dominum Sueire Reymondo‘ heifft es in einer der erften Inquiricdes
des Königs Affonfo III.
2) Man findet Couto e Honra, ſelbſt Honra do Couto.
3) In einer Inquirigao von 1258 heiſſt es, daß der König von
Pertugat und Graf von Boulogne „‚mandavit inquirere totam terram
de inter Cadavum, & Barrosum, & Chavias..... omnia jura, que
ibi habet. & debet habere. nova & vetera. tam de Regalengis. quam
de foris. quam de forariis. quam de jure patronatus Ecclesiarum.
quam de Honoribus. quam de Cauti s“ etc. Nova Malta Part. 2.
$. 118,
4) Beifpiele f. in Memorias da Acad. Real T. VI. p 124.
5) Auch Beatria, Byatria und Beetria.
6) Et homo de Tauro, qui se tornaverit ad dominum alium, qui
ei benefaciat, sua casa, et sua hereditas, et uxor sui, et filü
sui ut sint liberi per forum de Tauro. Foral von Zauro. Et
todo homine de Mollas, qui se tornar ad alium seniorem ut ei
benefaciat. Foral von Mo;
Regierung des Königs Diniz, 1279—13235. 341
oder die Gerichtöherren bewilligten, gewöhnlich zur Belohnung
für geleiftete Kriegsdienfte und ald Sporn zu einem regfame:
ren und ausgedehnteren Anbau. Es beftand die Beguͤnſtigung
darin, „daß den Ortfchaften, die fich derfelben erfreuten, Feine
andere Herren gegeben oder von ben Königen beftätigt wurden,
als folche, welche die. verfammelte Gemeinde gemeinfchaftlich
mit ihren Richtern, Beamten und Homens bons wählte *),
und deren Wahl nur für die Lebenszeit des Gewaͤhlten, ober
fo lange als derfelbe die bei der Wahl vorgefihriebenen Bedin-
gungen erfüllte, gültig war ).“
Vorrechte, wie fie. den Coutos, Honras und Behetrias
bewilligt und einverleibt wurden, konnten nicht lange ohne
Misbraͤuche, die wachſenden Misbraͤuche nicht lange ohne Ver⸗—
ſuche der Abhuͤlfe beſtehen. Die Groͤße der Verwilligungen
gab den Bevorrechtigten ein Gefuͤhl der Wichtigkeit, welche
ſie in den Augen des Koͤnigs und Gebers haben muͤſſten, und
dieſes Gefühl wurde für fie leicht der Maßſtab neuer Fode⸗
rungen, ein Beweggrund zu Anmaßungen. Die Unbeftimmts
beit, die nah Form und Inhalt in. den Stiftungs⸗ und.
Schenkungsurkunden lag, der Mangel an. fcharfer Begrenzung
der verfchiedenen Gewalten im Staate, Die Unbedeutfamfeit und
Abhängigkeit, worin eine zahlreiche Claſſe von Staatsangehöris
gen noch lebte, gaben der Liebe zur Unabhängigkeit, dem Stres
ben nach Ungebundenheit und Eigenmacht einen weiten Spiel
raum. Fuͤhlen und wahrnehmen mochten bie Könige fchon
früh die einfchleichenden Misbrauche; aber . bald woufiten ..fie
nicht wie ihnen abzuhelfen fei, bald konnten fie es nicht,; weil
fie eben Jene, welche ſich Misbräuche zu Schulden. kommen
lieſſen, ſchonen mufften und nicht entbehren Tonnten, ober weil
fie zu ohnmächtig waren, um ben ergriffenen. Maßregeln den
1) Et tu, aut quicumque istam hereditatem habuerit, sitis vas-
salli cujuscumque volueritis, fagt der Graf Heinrich in einer Schens
Eungsurfunde von 1110, in welcher er fünf Häufer in Billa Boa be
Satan zu einer Behetria erklärt. Gewoͤhnlich beifft es: „ut non demus
vobis seniorem , nisi quale 2 or Iandavaritis,'
2) Jose Anastasle sido, Memoria para dar huma
idea justa do que erdo wi Memor, de Litter. Port.
T.1. p. 114. |
E =
342 Erfter Zeitraum. IL Bud. 1. Abſchn.
gehörigen Nachdtuck zu geben. Als die Könige endlich ihre
Macht mehr befefligt und erweitert fahen, und bie großen
Nachtheile, die aus ber Menge ber bevprrechtigten Grundguͤter
für die Krone entflanden, bie zunehmenden Miöbhräuche, bie
das koͤnigliche Anfehn fo fühlbar beeinträrhtigten, immer ſtaͤrket
und offener hervortraten: da waren auch die Könige eifriger
darauf bedacht jenen Nachtheilen und Misbraͤuthen zu begegnen
und abzubelfen. Alltin dieſe Misbraͤuche hatten im Kaufe ber
Zeit fo tiefe Wurzeln gefchlageh und die Inhaber der Wor:
theile fteiften fich fo fehr auf ihre Rechte, bag die Maßregein,
welche man wiederholt ergriff um jene auszurotten und Diefe
in den gefeßlichen Kreis ihrer Gerechtfamen zuruͤckzuweiſen und
zu bannen, nur den Beweis lieferten, wie fihwierig, ja bei
nahe unausfuͤhrbar ein folches Unternehmen war.
Obgleich vor ber Regierung Affonſo's DL Feine all gemti⸗
nen „Unterfuchungen” (Inqulrisöes) Uber die bevotrechtigten
Grundguͤter ftattfanden, fo kommen boch einige befonbere
ſchon in den fruͤheſten Zeiten vor. Die Altefte noch vorhandene
Urkunde, welche eine folche Unterfuchung anorbnet, Fällt in dus
Jahr 1127 und iſt von ber Königin Thereſta und Dem re
fen Fernando ausgeftelt ). Eine ähnliche Unterſuchung ließ
der König Sancho J. vornehmen”). Die erſte allgemeine
ordnete Affonfo IE i. J. 1220 an und ließ Alles, was feit
feinem Urgroßvater, dem Grafen Heinrich, in Abficht auf
Hontad und Coutos Hefchehen war, einer genauen Prüfung
unterziehen. Aus ben Verhandlungen berfelben erficbt man,
daß der größte Theil der Ländereien, welche als Hontas Ye
fefien wurden, von Föniglichen Auflagen gänzlich frei waren);
wenige nur bezahlten noch bad „Viertheil“ oder der ‚‚Behnten.“
Ditfer Maßregel ungeachtet fanden umter der Regierung Sancho's
. D) Menorlas para a Historia das Inguiricdes dos primeitos Rei-
nados de Portugul.celligidas pelos Discipules da Aula de -Dipköihatica
no anne de 1814 para 1815. Documeäto L.
2) Rex Domnus Sancius Senex mandavit inquirire ipsum casale.
8) Was durch bie Worte: „un faciunt ullam forum Düo Regi“
ausgedruͤckt wurbe.
4
Regierung des Könige Diniz, 1991325. 343
Gefegwidrigfeiten und Unosdmmgen flatt, und dauerten, ba -
ihnen diefer König einen nur ſchwachen Damm enigegenſettte,
ımter dem Grafen von Boulogne eine Beit lang fort ').
Affonfo IH. muffte es anfänglich dulden, bis er auf bem
Zbrene hinlänglich fich befeftigt hatte, Die von ihm endlich
. 1258 angeorbnete allgemeine Unterfuchung erſtreckte fich
üben verfchiebene Landesbezirke, deren jeder befondern Unter:
fuchungsbeamten (Enqueredores) übertragen wurde’). Auch
diefe Unterfuchung bob dad Übel nicht; das Unkraut wus
cherte fort.
Affonfo’s IM. Sohn und Nachfolger hatte nicht lange die
Megierung angetreten, als er biefem Gegenftande feine beſon⸗
dere Sorgfalt widmete. Dimiz kannte eben fo gut die Rechte
des Thrones, als er Kraft und Willen befaß, fie zu behaup⸗
ten und gegen Beeintraͤchtigungen zu fehligen. Seine firenge
Gerechtigkeitöliebe bewahrte ihh auf Der andern. Seite vor Eins
griffen in fremdes Eigenthum, vor Verlegung wohlerworbener
Mechte feiner Vaſallen und Unterthanen. Man pflegte in fei-
ner Zeit zu fagen: „um fein Vermögen zu fichern, bebarf man
feinen andern Anwalt als den König Diniz ).“ Wiederholt
bereifte er die Comarcas des Reichs, um fich in jener Bezie⸗
hung die genauefle Kenntniß von dem Stande der Dinge zu
verfchaffen, fah Aberall mit eigenen Augen, hörte die Klagen
und Bedruͤckungen at und erforfchte an Ort und Stelle ihren
Grund, wie die zwedimäßigften Mittel ihrer Abhuͤlfe. Durch
eigene Anfchauung mit der Lage der Verhältniffe vertraut,
durfte er dann um fo unbedenklicher Andern übertragen, was
er perfönlich nicht bewerkſtelligen konnte. Zuerfl im Jahre
1284 ließ Diniz Unterfuchungen über die Patronate, Nie koͤnig⸗
lihen Befigungen (Reguengos) und Abgaben (Foros) im un:
tern Beira und Entre Douro .e Minho anftellen * Bier
Sahre fpater (1288) bewogen ihn die Bitten der Cortes von
1) Belege hierzu . in den Memor. da Acad. Real T. VI, p.130,
2). Mem. das Inquirigöes pag, 41. Die Unterfuchungen ver einzel
nen Landesbezirke heiflen Alcadas.
3) Mon. Lus. liv. 16. oap. 52,
4) Mem. das Inquir, p. 73,
344 Erſter Zeitraum. 1. Bud, 1. Abfchn.
Guimataend, welche das. Anfuchen der Ständeverfammlung
von Liffabon (1285) ') wieberholten, eine Commiffion niebers
zufegen (1290), um allgemeine Unterfuchungen über die Hon⸗
ras und die in ihnen eingeriffenen Unordnungen und Miss
braͤuche anzuftellen. Diefer erften Commiffion folgte im Sabre
1301 eine zweite, eine dritte 1303, eine vierte 13079). Be
fondere Unterfuchungen fanden noch zwifchen dieſen allgemeinen
flatt. Jene Commiffionen befchäftigte nicht etwa bloß die Be
fchräntung ober Aufhebung (Devaſſäo) der Honras, welche in
früheren Zeiten gegründet worden waren; die Verhandlungen
ſchon der zweiten Commiffion zeigen: vielmehr, wie feit der er-
ſten, welche die Vernichtuug vieler Honras verfügt hatte, Die
Biſchoͤfe, Ricoshomens, Cavalleiros und Kleriker, troß Diefer
Maßregel und: zum großen Nachtheil für die Föniglichen Rechte
and Einkünfte, eine Menge neuer Honras geftiftet und andere
ungebührlich auögedehnt hatten). Der Fönigliche Erlaß von
1307, wonach die legte Commiſſion niedergefeßt wurde, wies
berholt Diefelben Klagen über die Errichtung neuer Honras und
die ungefegliche Vergrößerung der Altern *). Daß in ber Re
gierung eines -fo Elugen, Träftigen und geachteten Königs, wie
Diniz war, immer von neuem bie Nothmwendigkeit wiederkehrte
diefe Misbräuche zu bekämpfen, bemeift, wie tiefe Wurzeln Das
Übel gefchlagen und wie innig es ſich mit den übrigen Lan⸗
beöverhältniffen verzweigt hatte, wie mächtig und gewaltig bie
höheren Stände waren und wie hoch fie ihre Anmaßungen
fleigerten. Die mannichfaltigen Misbräuche, die mit den Hon⸗
rad getrieben wurden, fchildert und das Schreiben bed Königs,
in welchem er die legte allgemeine Unterfuchung in feiner Re:
gierung verordnete °).
1) Ibid. Documento 14.
2) Ib. p. 78. 96. 99. 10%.
8) „Que essa enquiricö filhada, e aberta e poblicada per dante
sua Corte, porgue achara que as faziam novamente, e sen Razõ
per Juizo deytou muytas dessas honrras en devasso
etc. Carta de Diniz 1301.
4)... tinham feito honras agora novamente e Accrescentarö
nas velhas que tragiam dante etc. Carta de Diniz 1307.
5) Ordenagöes Affons. liv. II. tit. 65
‘
Regierung des Königs Diniz, 1279 —1325. 345
Die Adeligen verboten dem Porteiro (dem Steuererheber)
des Königs, ihre Honras zu betreten, oder Necht zu fodern
vor dem Drtörichter, wie Dies bisher gebräuchlich gewefen.
Sie erklärten den Ort, an. welchem die Landbauer irgend. eine
Abgabe an. fie zu entrichten hätten, für eine Honra und be
freiten ihn dadurch von allen Abgaben und Leiſtungen an den
König. Sie bevorrechtigten auf gleiche Weife den Ort, in
welchem fie einen Sohn fäugen und erziehen liefen, weshalb
folhe Orte Amadigos oder Paramos genannt wurden ').
Wollte ein Landbauer fein Haus oder Gut frei machen, fo
bat er einen Fidalgo, den nächft wohnenden Herrn einer Honra,
feinen Sohn ihm zu geben und in feinem Haufe von feinem
Meibe ihn ernähren zu laſſen. Das Haus diefer Saͤugamme
wurde dann von den Ültern des Kindes gefchügt und zur
Honra erklärt, welche ihre Zreiheiten und Rechte über ben
ganzen Ort und fogar über deſſen Nachbarfchaft ausbreitete 2).
Und dieſes Vorrecht befchränkte fich nicht nur auf Die Lebens⸗
zeitz die Adeligen behaupteten, Daß es auf ewig ihren Nach⸗
kommen verbleiben muͤſſe. Nicht zufrieden mit dem örtlichen
Privilegium, verlangten Andere noch ein perfönliches, das fich
über alle Güter erſtrecke, die fie in andern Landesbezirken be>
fäßen. Der Unfug war fchon unter dem König Affonfo II,
eingefchlichen; unter Diniz ‚wurde ed gewöhnlicher, Söhne von
Fidalgos in den Einiglichen Gebieten (Reguengos) erziehen zu
laſſen, und diefen Dadurch alle Rechte und Einkünfte, die der
König Hier befaß, zu entziehen. Nicht genug; fchon die Er⸗
laubniß, den Sohn, den ein Fibalgo mit einer Beifchläferin
erzeugt hatte (Filho de Barregaan), fäugen zu dürfen, gewährte
jene aufferordentlichen Vorrechte, fchmälerte die Thronguͤter und
verleste, die Rechte und — die Ehre der Krone. Um dieſem
argen Misbrauche ein Ende zu machen, verbot der König im
3. 1290 die Söhne von Fidalgos in den Reguengos erziehen
1) Paramo, Paranho. „Emparom o Amo em quanto hé vivo, e
desde os Amos som mortos, emparom .o Iuwar: nondo-Ihe o nome
Paranho, isto he, emparado, ou « %4o por Honra,
heifft es in einer Inquiricao unter be
246 Erſter Zeitraum. IL Bud). 1. Abfchn.
zu laſſen und einem Orte, auf den Grund hin, daß ein un⸗
ehelicher Sohn eines Adeligen hier erzogen werde, bie Vor⸗
rechte der Honra zu geben ). Aufferdem erflärten die Fidals
908 und Ricoshomens koͤnigliche Güter, die fie kauften und
an fich brachten, fir Honras, um fie von ben Abgaben, welche
der König bisher von ihnen erhoben hatte, zu befteiens ebenfo
bie Häufer, die fie vor den Klöftern und Kischen zum zeit:
lichen Kebensunterhalt befäßen ?); die Wohnungen three erbs
zinspflichtigen "Arbeitäleute, Die darum der ſchuldigen Leiſtun⸗
gen an bie koͤnigliche Kammer fich entbunden wähnter. Ja
ed reichte bin, daß der Sohn eines Adeligen acht über vier:
zehn Tage in dem Haufe eines Landbauerd wohnte, um biefem
den Beſitz jenes Vorrechted zu verfchaffen, und einige biefer
Leute behaupteten eben bafjelbe anfprechen zu bärfen, als Ab:
koͤmmlinge von Herren der Honra, ob fie gleich ihrer Armuth
wegen nicht als ſolche behandelt worden, indem fie Handwerke
und Gewerbe, die mit ban Adel unerträglich fein , getrieben
hätten ).
Ale diefe und ähnliche Misbraͤuche, die durch bie Houras
veranlaſſt wurden, deſchloß der König Diniz mit einem Mal
abaufchneiben, indem er dutch eine Verordnung sum 2. Ottbr.
41307 ale Honras, welde feit dem Jahre 1290 nengegrünbet
ober erweitert worden, aufhob und vernichtete ). Die Ber:
ordnung wurde vollzogen und feheint, fo’ lange Din; tegierte,
die beabfichtigte Wirkung gehabt zu haben *).
1) Outro sy julgeu, que en nenhaum logar hu oriarem Filho de
Barragaa non seja honrado por razom da crianga, GS. die Ver-
fügung in Ribeiro, Dissert. T. Il. p. 166. Vergl. au Elucid.
Suppl. p. 45. n
° 2) Tinhäo em prestimo.
8) Ordenacöes Affons. liv. II. tit. 65. Mon. Lus. T. V. liv. 16,
oap. 69 u. 70. Memor. da Acad. Real T.VI. p.186—139, Memor.
para a Hist. das Inquiricöes, Documentos Nr. 25 u. 26.
4) Mandou que todalas honras que forom feitas de novo, ou
acrecentadas as velhas, que nom valham, e que sejam todas em de-
vasso des o tempo da dita Era de mil e trezentos e vinte e octo
annos des a dita Inguiricom. Ordenag. Affons, liv. II tit. 65.
S. 19.
5) Schon unter Diniz Nachfolger Affonfo IV. wurde es für nöthig
Regierung bes Könige Diniz, 1279 - 1325. 347
Die Ritterorden.
Wie es eine und dieſelbe koͤnigliche Hand war, weiche
die Misbräuche in der Kirche ausrottete und eben diefe Kirche
gegen Bedruͤckungen befhüste, fo war ed eine und biefelbe
£önigliche Hand, die den Anmaßungen des Adels fteuerte und
eben benfelben Abel in feinem engeren und wohlthätigen Vereine
und befferen Streben befchirmte. Der König unterftühte die
portugiefifchen Ritter des Ordens von Santiago, ald ſie zu
ihrem und ihres Waterlandes Bellen, von dem caftilianifchen
Großmeifter fich trennend, einen befondern Meifter fich zu ges
ben bemüht waren. Er rettete den Zempelorden in Portugal,
indem er ihn im der Stunde der Gefahr verfchwinden und, ald .
diefe vorliber war, ihn von neuem erſtehen und unter anderem
Namen zu: einem verjüngten Leben erbluͤhen ließ.
Der Nitterorden von Santiago in Portugal erhält einen be: |
fondern Meifter.
Ritter dieſes Ordens hatten ſchon unter dem erſten Af-
fonfo Eingang in Portugal gefunden, ohne bier, wie ed fcheint,
förmlih aufgenommen und gleichfam gefeglich eingewiefen
worben zu fein. Das Anfehn, das der Drben in Leon und
Caſtilien genoß, und ber Geift der’ Zeit.empfahlen ihn auch
hier; des Landes Bebürfniß gab ihm das Bürgerrecht, Af⸗
fonfo I. ertheilte ihm Grundbefiß und die folgenden Könige
folgten feinem Beifpiele Von Sancho I. erhielten die Ritter,
wie wir in feiner Regierungsgefchichte gefehen haben, Alcacer,
Palmella, Almuda und Arruda '). Sancho I. fchenkte ihnen
während und nach der Eroberung von Algarve ‚ wegen ihrer
Verdienfte um diefelbe, mehrere Ortfchaften in dieſem Lande;
die Ritter erwarben fich bier vor allen Andern Rechte und
erachtet, neue Inquirigdes vorzunehmen. Cie betrafen ſeitdem mehr bie
Gerichtsbarkeit der Grundherren, und würden fchon darum, ande Wi:
die Zeitfolge es nicht foberte, paflenber an einer andern Stelle ihre F
ſtellung finden.
.1) Nova Malta, P. I. p. 56. ii
348 Erſter Zeitraum. I. Bud. 1. Abſchn.
Laͤnder ). Ihr Orden hatte feinen Sitz im Kloſter Santos
o Velho in. Liffabon, das ihnen zur Aufnahme der rauen
und Töchter der Komthure, wenn dieſe ind Feld zogen, auch
fortwährend blieb. Nach der Eroberung von Alcacer do Sal,
unter Aftonfo IL, nahmen fie hier ihren Sitz, verlegten ihn
dann, unter Sancho IL, in dad eben eroberte Mertola und
zulegt nach Palmella ?). Indaſſen ftanden die Ritter des Dr:
dens unter dem Großmeifter von Caſtilien und mufften fich
den Anorbnungen und Bifitationen defjelben unterziehen. .
Diefe Abhängigkeit von dem Auslande hatte fchon laͤngſt
den Königen von Portugal miöfallenz fie verlegte und. beein:
trächtigte ihre Winde und Selbftändigkeit und ſchadete dem
Reiche wie dem Orden felbfl. Bei dem großen Umfange der
Befigungen und den mannichfaltigen Verhältniffen des Ordens,
welche in Gaftilien, und Leon die Aufmerkfamfeit und Thaͤtig⸗
keit des Drdenshauptes in Anfpruch nahmen und, weil fie
ihm näher lagen, auch wohl feine Theilnahme mehr feffelten,
bei der beträchtlichen Entfernung des Großmeifters, der nur
felten bie portugiefifchen Orbenöhäufer befuchen, nur oberfläch-
lich fie überwachen konnte, war die Vernachläffiging derfelben
fo natürlich, daß wir der Klagen darüber, die eine päpftliche
Bulle. und aufbewahrt hat, zum Beweiſe kaum bedürfen ?\.
Diefe Vernachläffigung aber hatte den Verfall des Ordens in
Portugal wie die Verfchleuderung feines Vermögens und feis
.1) Ib, pag. 146.
.2) Mon. Lus. liv,. 11, cap, 25.
3) Ad nostrum siquidem pervenit auditum, quod, cum Magister
vestri Ordinis, ob multa, et ardua, quae sibi ratione commissi Of-
ficii frequentius imminent, exequenda reddatur quamplurimum occu-
patus, ipsumque propter multitudinem locorum ejusdem Ordinis, quae
extra Portugalliae, et Algarbi Regna consistunt, oporteat persaepe
discurrere, ac in locis moram contrahere supradictis, praefatus Ordo '
in Regnis ipsis non modicum in apiritualibus, et temporalibus susti-
net detrimentum, cum occasione hujusmodi Castra, possessiones, ac |
bona mobilia et immobilia Ordinis memorati adeo destructa, et dis-
sipata gnoscantur, quod, nisi per Apostolicae Sedis salubre, celereque
remedium obvietur, verendum occurrit, prout jam lucidis innotescit
indiciis, ne totalis subseguatur. Sousa, Provas, T. I. p. 92.
Regierung des Königs Diniz, 1279 — 1325. 349
ner Güter in biefem Lande nad) fich gezogen, zum großen
Schaden bed Drdend und des Staated. Noch verderblicher bes
wiefen fich für Beide die Misbräuche und Nachtheile, Die aus
jenem Abhängigkeitöverhältniffe hervorgegangen waren. Auf
den Großmeifter, der meift in Caſtilien und Leon befchäftigt
oder im Krieg für bie caftilifchen Könige thätig war, Tonnten
die portugiefifchen Könige, wenn fie feiner bedurften, nicht nur
nicht rechnen; er 309 felbft die Ordensritter aus Portugal und
entblößte dadurch das Reich. Dieſes muffte die kraͤftig⸗
ſten Arme, nicht felten in der Stunde der Gefahr, entbeh-
ren, die Einfünfte und Schäge der Ordensbeſitzungen floffen
ind Ausland, Unorbnungen riffen ein bei der häufigen oder
langen Abwefenheit der Ritter, Verfchleppung und Zerrüttung
ihres Vermögend war unvermeidlich. Nicht genug. Bon Af:
fonfo J. an hatten die Könige von Portugal viele Schlöffer
und Flecken dem Ordensmeifter und den Rittern unter der Be:
dingung und mit der Verpflichtung überlaffen, daß fie Dem
König von Portugal, als ihrem Herrn, im Kriege gegen Die
Mauren beiftünden. Mehrere diefer Schlöffer lagen an ber
Grenze von Leon und Gaftilien, als Schugwehren gegen diefe
Reiche. Aber in den Kriegen mit eben denfelben hatten die
Könige von Portugal fehen müffen, wie nicht allein der Groß⸗
meifter, fondern felbft portugiefifche Ordensritter, die feinem
Befehle folgten, auf der Seite des Feindes flanden, wie Da:
fallen Portugald wider Portugal flritten, bedeutende Kräfte
und Mittel, welche Portugal angehörten, diefem entzogen und
dem Feinde zugewendet wurden, um auf ſolche Weiſe verſtaͤrkt
gegen das eigene Vaterland gerichtet zu werden. Doch dieſes
Übel, fo verderblich für den Augenblick, war voruͤbergehend;
andere waren dauernd und führten einen unerfeglichen Verluſt
mit fih. Daß der Großmeifter die Waffen und Pferde wie
das Vermögen der portugiefifhen Ritter, welche mit Tod abs
gingen, fich anzueignen pflegte, mag als ein geringer Nach-
theil für den Orden und das Reich hier nur berührt werben.
Die vielen Veräufferungen der Ländereien und Güter des
dend an Weltliche waren folgenreicher und für den O
verberblicher. Waren Diefe Laien Landeseingeborene. fa »
ten jene Veraͤuſſerungen weniger fühlbar für ben
.
| ®
350 Erſter Zeitraum I. Bud. 1. Abſchn.
fie konnten unter Umftänden ihm felbft erfprießlich werben,
Aber ein unerfeglicher Verluft und Nachtheil war ed fir Die
Krone und dad Reich, wenn dieſe Grundbeſitzungen bes Or⸗
dens von Portugal Ioögeriffen und an den König von Caſtilien
veräuffert wurden. So vertaufchte ein Großmeifler von Caſti⸗
lien zwei Drtfchaften an der Grenze von Andelufien, Aiamonte
und Alfgiar de Pena, welche von dem portugiefifchen Affonſo HL
erobert und dem Orden geſchenkt worden waren, an ben Koͤ⸗
nig Alfonfo den Weifen gegen zwei andere Flecken, Eſtepa und
Caſtro de la Reina, und bereicherte auf dieſe Weiſe Die Ritter
um den König von Caſtilien auf Koften der portugiefifchen
Kitten und der portugiefifehen Krone ).
Ale diefe Nachtheile und Misbräuche waren zu groß und
zu augenfällig, als daß die Könige von Portugal fie hätten
überfehen Tonnen. Diefe hatten auch bereits ihre Abſtellung
und Entfernung von den Großmeiftern verlangt und auf Tren⸗
nung bes Ordens gebacht, jedoch ohne Erfolg. König Diniz,
von dem Nugen und der Notwendigkeit einer folchen Tren⸗
nung um fo lebhafter überzeugt, je mehr belehrende Erfahrun-
gen ihm feine Vorfahren hinterlaſſen hatten, dabei eiferfüchtig
auf feine Unabhängigkeit, auf die Ehre der Nation und bie
Wuͤrde des Staates, Flug genug um den rechten Zeitpunct zu
erfpähen und eben fo Fräftig als muthig ihn zu benußen, griff
den Plan feiner Vorgänger wieder auf und führte ihn glücklich
aus. Er ließ durch die Abgeordneten, die er zur Beilegung
feiner Streitigkeiten mit der portugiefifchen Gelftlichkelt nach
Rom geſchickt hatte, gerade in dem Augenblid‘, worin bie
Stimmung des Papſtes Nicolaus IV. in Anfehung jener Firch-
lichen Angelegenheiten dem König befonders günftig zu fein
fhien, jenen für den Zrennungsplan gewinnen. Die Tönig-
lichen Gefandten führten ihren Auftrag fo gefchidt aus, daß
fie, noch ehe der Vertrag mit dem Klerus abgefchloffen wurde,
eine päpftliche Bulle (16. Sept. 1288) auswirften, nach wels
cher ben porfugiefifchen Rittern erlaubt wurbe einen beſondern
Meifter für Portugal zu wählen, der jedoch unter dem Große
—
1) Mon. Lus. liv. 16. cap. 59.
Regierung des Königs Diniz, 1279— 1825. 351
meifter in Caſtilien ftehen ſollte ). Nachdem eine zweite
Bulle i. I. 1290 diefe Anordnung beftdtigt hatte”), ernanne.
ten dreizehn portugiefifche Drdensritter, denen dad Wahlrecht
zuftand, den erſten Ordensmeiſter von Portugal. Einſtimmige
Mahl bezeichnete João Fernandes als den Würdigften. Ex
half fogleich mehreren Beſchwerden ab, die über den caftilianie
fchen Großmeifter geführt wurden. "
‚Ungeachtet Papft Coͤleſtin V. noch Durch zwei Bullen i.
3. 1290 °) die Zrennung beftätigte, fand fie von Seiten bes
Großmeilterd den lebhafteſten Widerſpruch. Diefer erlangte
fogar von Bonifacius VII, daß er die Anordnungen feiner
Vorgänger (Nicolaus’ IV. und Cöleftin’3.V.) aufhob, und den
Ordensrittern von Portugal bei Strafe der Ercommunicatior
befahl ihren Meifter wieder abzufhaffen, mit den caſtiliani⸗
fchen Rittern ſich zu vereinigen und dem Großmeifter in Cas
flilien in ber Weife wie vordem untergeben zu fein. Kaum '
aber war Bonifariuß zu Grabe gegangen, fo wählten -fich die
Portugiefen wieder einen eigenen Ordensmeißer. Darauf bes
fahl, auf Anfliften der Caſtilianer, Papft Johann XXIL (in eje
nem Breve vom 17. April 1317) dem König Diniz, den por⸗
tugieflfchen Meifter fogleich abzufegen und die Ritter zu noͤthi⸗
gen zum Gehorfam gegen den Großmeifter zuruͤckzukehren.
Die Portugiefen Iegten auf der Stelle Einfprache in Rom ein,
und Diniz nahm ſich der Sache lebhaft an. Seine Gefandten
(unter ihnen der oben erwähnte Admiral, ber Genuefe Manoel
Pezagno) mufften dem Papft nochmals alle Gruͤnde für bie
Zrennung des Ordens und die Ernennung eines neuen Meis
ſters in Portugal vorſtellen. Dem wiederholten Einwurfe der
Gaftilianer, daß Fein Staat, Feine bürgerliche Ordnung mit
1) Et dicti Ordinis Provincialem in ejnsdem Regni Magistrum
assumere libere valeatis, qui praefati Ordinis, et personarum, ao
bonorum ejus in spiritualibus, et temporalibus curam, et administra-
tionem libere in Portugalliae, et Algarbi Regnis habeat, & »*ꝛt
supradictis Magistro ejusdem Ordinis visitztione, et correcti
taxat legitimis per eum faciendis tantummodo reservatis etq.
2) Sousa, Provas. T. I. p. 91,
3) Ib. 92, 93,
352 Erſter Zeitraum. I. Buch. 1. Abſchn.
u zwei Häuptern beftehen könne, entgegnete der König‘, wie ja,
der Trennungsbulle gemaͤß, der Meiſter in Portugal der Viſi⸗
tation uͤnd Gerichtsbarkeit des Großmeiſters untergeben ſei,
und berief ſich auf den Orden von Avis, deſſen Meiſter unter
dem Großmeiſter von Calatrava ſo lange Zeit ſtehe, ohne daß
jemals in dieſem Orden Streitigkeiten daruͤber entſtanden waͤ⸗
ren‘). Der dritte Meiſter von Portugal, Pedro Escacho, der
4316 gewählt worben war, behauptete ſich trotz des ſteten
Widerſpruchs der Caftilianer, in feiner Würde, ebenfo wie der
zweite, Lourenco Annes, bis zu feinem Lebensende ſich be:
hauptet hatte, und Johann XXI, von den Gründen bes '
Königs überführt, fprach fich endlich. (in einer Bulle v. 1320)
zu Gunſten Portugals aus. Pedro Eöcacho ward vom apo⸗
ſtoliſchen Stuhle beftätigt ?).
Seitdem arbeitete diefer Meifter mit großer Sorgfalt und
Zhätigkeit an der Abftelung der Misbräuche, die unter der
nachläffigen Verwaltung der caftiltanifchen Großmeifter einge
riffen waren, nahm nüßliche Verbefferungen vor, fuchte dem
Orden, fo weit ed möglich, Die veräufferten Güter wieder zu
verfchaffen und erwarb ihm viele Privilegien. Died Alles ges
fchah unter der Mitwirkung zweier Gapitel, welche er in Al
cacer do Sal (1322), wohin man den Convent von Mertola
“verlegte, und im Ordenshauſe in Liffabon, wo von ben Drei:
zehn (dos Treze) ein Großcomthur (Commendador mör) ge:
wählt wurde, verfammeln ließ. Der Orden wurde in fechzig
Gommenden eingetheilt, feine Verfaffung durch neue Statuten
geordnet. In Turzer Zeit hob er fich mächtig, gewann duffere
Macht und innere Fefligkeit, und Fündete, nachdem er ſchon
in der erften Capitelverfammlung, worin ber erſte Ordensmei⸗
ſter gewählt worden war, durch ein eigenes Siegel und Ban-
. ner das Gepräge der Selbftändigkeit angenommen hatte, nun
1)... sunt provinciales Magistri, qui in visitatione, et cor-
rectione tantummodo sunt dicto generali Magistro de Calatrava sub-
jecti: cum tantum horum Ordinum eadem sit cum Ordine de Cala-
travia professio, idem habitus, eadem observantia regularis, laͤſſt der
König durch feine Abgeorhnete entgegnen. Mon. Lus, liv. 16. cap. 60.
2) Mon. Lus. liv. 19, cap. 20,
Regierung bes Königs Diniz, 179— 13. 353 _
diefe Selbftändigfeit auch durch eine Präftige und würbige
Haltung an’).
Um viefelbe Zeit, in welcher der Santiagoorden in Por:
tugal die Erlangung feiner Selbfländigkeit dem König Diniz
verdankte, verdankten ihm die Zempelritter ihre und ihrer Guͤ⸗
ter Rettung.
Die Tempelritter und der Chriftusorden.
Bunehmender Grundbefig bed Tempelordens felt Affonfo L Bor
rechte und Befreiungen, welche: bie Päpfte- im Laufe der Beit
dem Orden bewilligen. Verpflichtungen bee Ritter gegen bie
Könige von Portugal. Kluges Benehmen diefer gegen jene.
Zadellofigkeit des Ordens. König Diniz wird vom Papft
nach Vienne eingeladen; er ſchickt einige Abgeordnete dahin.
Die portugiefifchen Tempelritter entziehen fi bee Gefahr
duch bie Flucht, und der König nimmt ihre Güter gerichtlich
in Beſchlag. Dinizs Verbindung mit den Königen von Ca⸗
ftilien und Aragonien. Der Papft macht bei der Aufhebung
des Tempelordens eine Ausnahme zu Gunften dieſer drei
Fürften. Diniz verwirft den Bruder Stephan 'als Admini-
firator ber Tempelguͤter. Die Ritter erſcheinen wieder in
Portugal. “Stiftung des Chriſtusordens oder vielmehr Wie
derherſtellung des Tempelordens unter jenem Namen. Diniz
gibt ihm’ feine Güter zuruͤck und fchenkt ihm Caftro : Maxim,
den Hauptfig des Ordens. Menue Drbnungen und Einrich-
tungen deffelben.
Bereits unter der Regierung Affonſo's I. hatte, wie bort
berichtet worden ift, der Orden der Tempelritter einen mächtis
gen Auffhwung. genommen. Neben beträchtlichem Länderbefig
hatte er fehr bedeutende Vorrechte und Freiheiten fi) erworben.
Zeigten ſich nun auch die Nachfolger Affonſo's I. weniger frei⸗
gebig gegen biefen Orden, theild weil bie. andern NRitterorden,
die neben demfelben fich erhoben u bien, eine
gleiche Beruͤckſichtigung anſprachen, ie ſpaͤtern
1) Mon. Lus. iv, 19.4
Shäfer Geſchichte Vortug
354 Erſter Seitraum. IL Bud. 1. Abſchn.
Könige zu Verſchenkungen auf Koften der Krone immer wenis
ger fich geneigt fühlten: fo erweiterte ſich doch im Laufe ber
Zeit der Umfang der Ländereien und weit mehr noch bei Um:
fang ber Gerecktfamen des Zempelordend augenfällig. Über⸗
dies war auch das Eleinfte Grundflüd, das .ein Privatmann
oder ein König in der fpätern Zeit den Rittern fchenkte, immer
werthvoller, weil der Landbau und die Bevölkerung in ftetem
Fortſchreiten begriffen waren. Doch ohne Vergleich wichtiger
als dieſe Grunderwerbungen waren für den Orden Die
großen Vorrechte und Freiheiten, welche ihm die Paͤpſte zu
verfchiedenen Zeiten verwilligt hatten. Die lange Reihe ber
. Gerechtfamen und Befreiungen, die der Orden bis zu feiner
Aufhebung von dem apoftolifchen Stuhl erhielt, bildet einen
großen Freibrief, der die Ritter zu der aufrichtigften Dankbar⸗
keit gegen die Päpfle verpflichten muſſte, wenngleich es biefen
nur einen Feberzug Toftete, um, ohne den geringflen eigenen
Verluft, die größte Fülle von Rechten dem Orden zuzuwenden.
Das Recht der Tempelherren, von ben Ländereien, die
fie felbft bebauten, oder auf ihre Koften bebauen liefen, keinen
Zehnten zu entrichten, das, wie in ber Regierungsgefchichte
des erften Königs bemerkt worden ift, der Papſt Alexander III.
ihnen. verliehen hatte, wurde ihnen von mehreren Päpften bes
flätigt, und Clemens IV. befahl, gegen Diejenigen, welche dies
fen Zehnten erheben wollten, gerichtlich zu verfahren. Urban IIL
(14185 — 1187) erlaubte den Rittern an Orten, welche fie den
Ungläubigen entriffen, Kirchen zu bauen und dieſe dem apos
ftolifchen Stuhle unmittelbar zu untergeben. Die Religiofen
des Ordens follten, Fraft einer Bulle des Papftes Innocenz IIL
(1198— 1216), von ihren Lebensbebürfniffen weder den Pors
tagem, nody irgend eine Abgabe zu entrichten verbunden fein,
und Clemens TV. verbot in der Folge den Tempelrittern unter
irgend einem Namen eine Abgabe aufzulegen, ed müffte denn
“auf befondern Befehl des apoftolifchen Stuhles gefchehen. Ins
nocenz IH. feste aufferdem fefl, daß die Prälaten weder Anges
hoͤrige des Ordens noch Kirchen deffelben mit der Ercommunis
cation oder dem Interdict belegen birften, und daß die Tem⸗
pelritter nicht verpflichtet fein Schreiben, welche gegen bie
Privilegien des Ordens verlangt und ertheilt‘ worben, Folge
u
Regierung des Koͤnigs Diniz, 179 — 1325. 355
zu leiften; würden in den Verfügungen die Zempelritter nicht
ausdruͤcklich erwähnt, fo follen folche Schreiben für fie uns
gültig fein. Honorius IL (1216—1226) gebot den Prälaten,
folche, die an einen Zempelbruder Hand anlegten,“ mit der Er-
communication zu beftrafen und nicht eher Davon Ioszufprechen,
bis fie die fchuldige Genugthuung geleiftet hätten und nad
Rom gereift wären. Selbft Diejenigen feien zu ercommuniciren,
die einen Templer feined Pferdes ober eined andern Gutes be
raubt hätten. Einer Bulle Alerander’s IV. (1254 — 1261)
zufolge muͤſſen die Bifchöfe Diejenigen Geiftlichen, welche
von Tempelrittern für Kirchen ihres Ordens präfentirt worden,
annehmen, und koͤnnen biefe nicht zwingen jenen Klerikern
vorher einen angemefjenen Unterhalt zu beflimmen. Clemens IV.
(1265 —1268) legte den Bifchöfen die Verpflichtung auf, ges
gen folche ein gerichtliche Verfahren einzuleiten, die gegen bie.
Häufer und Güter der Templer gewaltfam verführen, biefen,
was ihnen durch ein Zeflament vermacht worden, vorenthielten,
gegen ihre Privilegien etwas unternähmen, ben Zehnten von
ihren Ländereien oder ihren Einkünften foberten u. f. w. Er
geftattete ihnen fich Priefter zu wählen, welche bie gottes⸗
dienftlichen Verrichtungen bei ihnen beforgten, in Sachen ihres
Drbens ein Zeugniß ablegen zu Fönnen, ohne daß fie von
jemand mit Gewalt dazu gezwungen werben bürften. res
gor X. (1271— 1276) ſprach die Ritter von ber Verbindlich
Feit frei, zu den Hllfsgeldern, welche flr die Befreiung bes
heiligen Grabes aus den geifllichen Einkünften entrichtet wur⸗
ven, beizufteuern. Benedict XI. endlich beftätigte noch in den
Jahren 1304 und 1305 alle Vorrechte und Freiheiten, welche
von feinen Vorgängern und von den Königen den Xempels
rittern jemals verliehen worden ').
Privilegien und Eremtionen von folchem Umfange und
folcher Bedeutſamkeit würden dem Thron leicht verberblich und
gefährlich geworben fein, hätte nicht die weife Vorficht ber
portugiefiichen Könige dem Orden zugleich Verpflichtungen auf
1) ia Biöliägkenem quse Pontifices Summi Militibus -
Templi oonessserss- « asitanias desumptum: in quo eadem
Privilegia inteern- Regula, Const. Or-
dinis Cistert.
>
nA
»
356 Erfter Beitraum. I. Bud. 1. Abſchn.
gelegt und Schranken vorgezeichnet, welche jenen ein heilfames
Gegengewicht hielten. 1. Belämpfung der Mauren und Unters
ſtuͤzung des Königs im Krieg gegen die Ungläubigen wurde
den Tempelrittern zur erften Pflicht gemacht, wenn ihnen bie
Könige oder felbft Private Ländereien ſchenkten ). 2. Ziehen
fie ins Feld, fo haben fie felbft die Koſten zu beflreiten und
erhalten feinen Sold vom König; vielmehr find fie verbunden,
wenn der König oder feine Söhne und Ricoshomens durch
ihre Ländereien Fonmmen, ihnen Herberge und Lebensmittel zu
geben ). 3. Ohne ausdrüdliche, Erlaubniß des Königs dürfen
fie nichts von ihrem Vermögen dem Großmeifter des Ordens,
der in Paläftina feinen Sig hatte, fchiden ). 4. Es ift ih:
nen nicht geftattet etwas von ihren Befigungen willkuͤrlich
zu veräuffern, wohl aber ficht dem König das Recht zu, über
diefelben zu verfügen und fie ihren Söhnen und andern Rit⸗
tern des Reiches, Die fich größere Verdienfle erworben haben,
zu verleihen. 5. Der portugiefifche Orbensmeifter Tann nur
mit Zuftimmung des Königs gewählt werden; auch darf er
nicht ohne Erlaubniß des Landesheren aus dem Reiche gehen,
fei e8 nun zu einer Kreuzfahrt nach Paldftina, oder in bad
benachbarte Andalufien oder Granada zum Beiſtand des Koͤ⸗
nigs von Gaftilien. Wenn es dem Orbensmeifter erlaubt wird
1) „Que era certo que os Tempreyros serviä el Rey cötra
Mouros, & cötra todoutro defendimäto do seu Reyno,“...e que sem-
pre forom teudos a servir fielmöte polas dictas cousas os Reis de
Portugal cö cavalos & cö Armas & con todolos seus e:ı ssas proprias
despesas. E en quanto aos dictos Reis prouguesse. nö Ihis deter-
minhando tẽpo per quanto devessem servir Mays serviriä El Rey
quanto fosse asa voontade . & tevesse por bö&. Inquiricäo vom
Sabre 1314 in Nova Malta Portug. Parte I. p. 56.
2) Artigo 14 berfelben Inquirigäo, gedruckt ebendaſelbſt Seite
440. Anmerk. 167. |
BB)... „ era certo que nöhüas Rendas de Vilas nö de Castelos
que os dictos Templeyros ouvessö no Reyno de Port’ que nö ousariä
ende levar nehüa cousa ao Maestre da Alen Mar senö per lecöca
del Rey de Portugal . ca diziä os Reis de Port’ . que queriä que
as dietas Rendas & averes se despendessem na ssa terra de Port’
& a defendessem a Mouros . & que assy o faziä.“ Ibid. Art. 4.
Nov. Malta Port, P. I. p. 57.
Regierung des Königs Diniz, 1279—13%.. 357
zu folchen Zwecken fich zu entfernen, fo muß er einen Stells
vertreter zurüdlaffen, den der König, zu beflimmen berechtigt
ift ). 6. Sollte je ein Ordensmeiſter aus Paldftina für Por:
tugal gewählt werben, fo koͤnnte er ohne die Beftätigung des
Königs die Stelle nicht antreten”). 7. Die gewählten Or⸗
densmeiſter huldigen nicht allein dem König, fondern auch dem
Kronprinzen, und fehwören, Diefen nach des Vaters Ableben
als ihren Heren anzuerkennen. 8. Die portugiefifchen Ordens⸗
meifter dürfen nur Portugiefen in den Drden aufnehmen.
9. Nur an dem Orte, den der Landesherr beflimmt, und nur
in Gegenwart eined weltlichen Bevollmächtigten, den der Koͤ⸗
nig dazu ſchickt, iſt es den Rittern geftattet ein Gapitel zu
halten °). u |
Die portugiefifchen Könige hatten nicht allein die Klugheit
gehabt, die Eräftigen Arme und unternehmenden Feuerkoͤpfe,
welche andere Fürften und Länder ausfendeten, um dad heilige
Grab zu erobern und zu vertheidigen, zum Schuße des eignen
Herbed und zur Erweiterung der Grenzen des Reichs zu ver:
wenden und fo bem thörichten Hange des Beitalterd eine für
Portugal wohlthätige Richtung zu geben; fie forgten mit glei
cher Klugheit dafür, daß die portugiefifche Ritterfchaft, Die zu
einem Schilde des Thrones und Baterlandes beflimmt war,
nicht in eine Angriffswaffe gegen diefe fich verfehrte, und dieſes
mächtige und heilfame Element des Staates nicht in ein über-
mächtige8 und gefährliches ausarten konnte. Sie wachten
darüber, Daß die Bedingungen, unter welchen fie die Tempel:
ritter aufnahmen und mit Ländereien befchenften, fo wie bie
Schranken, womit fie ihr Machtgebiet begrenzten, fletd in
frifchem Andenken bei dem Orden fich erhielten. Sie machten
regelmäßig Gebrauch von den oberherrlichen Rechten, die fie
1)... . „nö feyxava senö qual El Rey mädava & tijnha por
be.“ Art. 8. der Inquirigäo von 1314 in Nov. Malta Port.
P. I. p. 83.
2) „Que se algü Maestrı ha pera seer Maestre en Port’ q
nö entraria no Reyno de Pf nd per mädado dee Rey de
Portugal. E nö seeria } ang voötade.“ Ibid.
3) Monarch. I- Bi.
358 | Erſter Zeitraum. IM Bud. L Abſchn.
der Krone vorbehalten hatten, ahndeten jede Verletzung der⸗
ſelben, und uͤbten ſelbſt, wie es ſcheint, dieſe Rechte bisweilen
nur darum aus, um fie nicht/ auffer Kraft kommen zu laſſen.
Mehr als einmal nahmen die Könige Tempelrittern, mit denen
fie unzufrieden waren, die ihnen anvertrauten feften Schlöffer
und Feflungen, und gaben fie andern, zu denen fie mehr Zus
trauen hegten. König Affonfo II. entließ einen Tempelritter,
bem der Ordensmeiſter die Obhut über das Schloß Caſtel⸗
branco übertragen hatte, und feste an feine Stelle einen andern.
König Diniz verfuhr mit mehreren Befigungen und Schlöffern
des Ordens auf ähnliche Weife, einzig, wie ed fcheint, um baB -
Recht nicht durch Unterlaffung beffelben zu verlieren ).
Eine fo forgfältige, faſt eiferfüchtige Aufficht, mit welcher
die Koͤnige uͤber die Rechte der Krone wachten, ohne die Rit⸗
—
Auguſt
1
ter in der freien Entwidelung ihrer Berufsthätigfeit zu hem⸗
men, erklärt und zum Theil die merkwuͤrdige Thatfache, die
bei der endlichen Unterfuhung ihres MWandeld und Betragens
ſich ergab: in ben zweihundert Jahren fiel ihnen nichts zu
Loft, als daß fie einen ausländifchen Ritter, einen "Neffen des
letzten Großmeifterd, aufgenommen hatten. Nie wichen bie
portugiefifchen Templer von der Zreue ab, die fie dem König
ſchuldig waren, und während die Zempelritter in Caftilien und
Leon gegen ihren König ſich auflehnten und offnen Krieg führs
ten, zeigten fich jene ſtets voll Anhänglichkeit an Fürft und
Baterland.
So lebten die Tempelritter in Portugal, als dee Bifchof
von Liffabon, Johannes, nebft mehreren Prälaten, von dem Papft
308 Clemens V. die Weifung erhielt, das Betragen und den Lebens
wanbel ber Zempelritter in Portugal einer genauen Prüfung
zu unterwerfen. Man fand nicht bei ihnen, was der Papft
gern gefunden hätte. Diefer hatte bereitd ein Jahr früher Durch
eine Bulle (vom 12. Aug. 1307) dem König Diniz die Nach:
richt ertheilt, daß er eine allgemeine Kirchenverfammlung nad)
Vienne zu berufen Willens fei, um über die Zempelritter zu ent-
fcheiven. Er hatte den König Dringend eingeladen perfönlich fich
1) Mon. Lus. ibid.
Regierung des Königs Diniz, 1279 — 133. 359
einzufinden '), ‚die Werbrechen der‘ franzöfifchen Tempelberren Ä
gefchildert und den portugiefifchen Bifchöfen befohlen in Vienne
zu erfcheinen, um auch die Vergehen der Ritter ihrer Nation
ind Licht zu ſtellen.
Diniz fah den Sturm von ferne fommen und ruͤſtete ſi ch,
ehe er uͤber Portugal hereinbrach, ihm begegnen zu koͤnnen.
Die weiſe Planmaͤßigkeit und Umſicht, womit der Koͤnig in
dem großen Proceß gegen den Tempelorden zu Werke ging,
laͤſſt uns vorausſetzen, daß er fruͤhzeitig den Gang, den er
nehmen wollte, ſich vorzeichnete. Diniz kannte die Macht des
Papſtes und des Klerus, den Einfluß Beider auf das Volk.
Ihm, der ſein Zeitalter begriff, weil er uͤber ihm ſtand, konnte
bei allem Selbſtgefuͤhl, das ihn beſeelte und emporhob, nicht
einfallen ben Maßregeln des Papſtes offene Gewalt entgegen
zu ſtellen. Nur durch berechnende Klugheit und Borficht war
bier etwas auszurichten. Über die Tempelritter in Portugal,
über Das, was fie dem Throne und dem Reiche biöher gewe⸗
fen waren, wie fie gelebt und gewirkt hatten, — barlıber
ftand wohl feine Anficht, fein Urtheil längft fell. Er hielt
fie nicht nur für ſchuldlos, fondern felbft für wohlthätig und
nüglich, und ihre Verfolgung muſſte ihm eben fo unflug als
ungerecht erfcheinen. Um fo weniger zeigte er fich bereit, fein -
Land zu verlafjen und von feinem Wolfe fich zu entfernen, um
in Vienne ein ſchon voransgefälltes Verbammungsurtheil, dad
feiner unabhängigen Herrfchergewalt nicht weniger, als feiner
Staatöklugheit und feinem Rechtögefühl widerſtrebte, durch feine
Anmefenheit gewiffermaßen zu beftätigen. Er ſchickte indefjen
einige Bifchöfe dahin, wahrfcheinlich mit Verhaltungsvorſchriſten,
deren Verluſt wir zu bedauern haben.
Der Koͤnig blieb zu Hauſe darum nicht muͤßig. Er ließ
gegen Die Tempelritter ein gerichtliches Verfahren einleiten, je⸗
doch nicht ein folches, wie es der Papft im Sinne hatte, und
Clemens V. wurde fo lange getäufcht, bis feine Enttäufchung
dem König und dem Orden nicht mehr nachtheilig werben
konnte. Die portugiefi iſchen Tempelritter hatten ſich, wenn
Bee aa aan.
1) Serenitatem tuam re et, hortamur, quatenus studeas
personaliter interesse. 1 u
—X
360 Erſter Zeitraum. I Bud. 1. Abſchn.
nicht auf des Königs Rath, doch gewiß mit feiner Zuflimmung,
dem Ungewitter, dad ihnen drohte, durch die Flucht ind Aus⸗
land entzogen; Feiner war verhaftet worden. Sofort nahmen
Fönigliche Procuratoren die meiften Güter des Ordens in An
ſpruch, weil fie, ihrem Vorgeben nach, wiberrechtlich won ber
Krone getrennt worden wären, und verführen gerichtlich gegen
die Ritter. So wurden am 27.Nov. 1309 die Fleden Pom⸗
bal, Soure, Ega und Redinha wieder der Krone zugefptochen,
wobei ald Richter der Bifchof von Liſſabon, der Francifcaners
prior dafeibft und Maeftre Joanne das Leis thätig waren;
eben fo i. 3.1310 die Fleden und Schlöffer Idanha a velhe,
Salvaterra do Eſtremo, Rosmaninhal und andere 9. Diefe
Proceſſe wurden mit einer Eilfertigkeit entfchieben, Die dem
fonftigen gefeßlichen Rechtögang Diefer Regierung fremb war.
Auffer dem König erhoben auch mächtige Geiftliche und Klöfter,
unter mancherlei Vorwand, Anfprüche auf Ländereien des Tem⸗
pelordend. Allein der König befahl, wegen der Abwefenheit
bed Ordensmeiſters und ber Ritter, diefe Foderungen ruhen zu
laſſen und. die flreitigen Befigungen mit Befchlag zu belegen,-
bis die Templer ihre Sache vor dem Papft vertheidigt und
von ihm das Endurtheil empfangen hätten ?).
» Auf folhe Weife waren allmdlig die fämmtlichen Güter
bed Ordens in die Hände ded Königs gelommen. Damit war
fhon viel gewonnen. Dennoch konnte ſich Diniz nicht bergen,
daß er allein nicht mächtig genug war dem Verlangen bed
päpftlichen Stuhld zu widerftehen. Wenn aber diefer über bie
Güter des Ordens einft verfügen follte, welch’ ärgerlicher Ein
griff in die Kronrechte, auf welche der König fo eiferfüchtig
"war! Welcher Nachtheil für das Reich, wenn die aus dem
Staatöverbande geriffenen Flecken und Schlöffer einem fremden
Intereſſe folgten! Der König muſſte fich eine Stüße im Aus⸗
lande fuchen, und fand fie da, wo gleiche Gefahren und gleiche
Vortheile ein und dafjelbe Beduͤrfniß hervorgerufen hatten, in
Gaftilien. Die Unterhandlungen mit dem König Ferdinand,
feinem Schwiegerfohne, begannen fchon t. 3. 1309 und führten
1) Mon. Lus. lib. 18. cap. 25.
2) Mon. Lus. ibid.
Regierung des Königs Diniz, 179135. Hi
den 21. Ian. 1310 einen Vertrag herbei, durch den fich beide
Koͤnige gegenſeitig verpflichteten, im Fall einer endlichen Auf⸗
hebung des Ordens, die Giiter und Einkuͤnfte deſſelben ihren
Laͤndern zu erhalten und jene gegen Jedermann zu vertheidi⸗
gen‘). Eine Nationalſynode, die auf Befehl des Papſtes in
demfelben Jahre. nach Salamanca berufen wurde, um ben
Lebendwandel und dad Betragen der Tempelritter in den Reis
chen Caftilien, Leon und Portugal zu unterfuchen, mochte bie
beiden Könige mit neuen Beforgrüffen erfüllen. Das Ergebs
niß diefer Kircherverfammlung aber war der Art, daß ed den
König Diniz in der Meinung, die er von den Zempelrittern
hegte, auf die erfreulichfle Weiſe beſtaͤrken muſſte. Nach einer
genauen Unterfuchung der Angefchuldigten wurden fie von den
1310
‚verfammelten Prälaten, unter welchen die Bifchöfe von. Liſſa⸗
bon und Garda ſich befanden, einflimmig für unfchuldig ers
klaͤrt. Daß die Verfammlung der heiligen Väter die ganze
Sache der höchften Entfcheivung des Papftes überließ, konnte
einen Diniz in feiner Überzeugung nicht wanken machen ?).
Die Könige von Caftilien und Leon hatten den König
von Aragonien eingeladen dem Vertrag beizutreten. Jayme IL,
l
1) . . . que nos e vos que nos paremos a lo emparar e a lo
defender contra todos aquellos que lo demandar quisieren etc. G.
den Vertrag in Mon. Lus. liv. 18. cap, 26.
2) De vinctis atque supplicibus quaestione habita, caussaque
cognita, pro eorum innocentia pronunciatum communi Patrum suffra-
gio: ad Pontificem tamen Romanum rejecta totius rei summa delibe-
ratio. Mariana, liv. 15. oap. 10. Aguirre, collectio max.
concill. Hispan. T.V. p. 230. Beachtenswerth ift jene ungedruckte
und wahrfcheinlich verloren gegangene Urkunde, die in der Kirche von
Orta aufbewahrt wurbe und bie ben VBefchluß der Kicchenverfammlung
von Salamanca enthielt. En este instrumento, fagt Pineda, ber
biefe Notiz mittheilt, se contenia, como por mandado del Papa havian
hecho pesquisa por toda Kspaüa, sobre la vida y costumbre de los
Templarios, y testificaron los alli afırmados, que no hallaron contra
ellos cosa que se les pudiesse acusar en Julde, hle conver-
sacion, y exemplo; y que assi lo daban jurad B sus
nombres, en Salamanca. Vergl. Rodriguez ' Dis
sertaciones histor, del order 1.
plarios. p. 107.
362_ Erſter Zeitraum IE Bud. 1. Abſchn.
‚der fi) mit jenen in gleicher -Lage befand, beobachtete feitbem
ein mit dem ihrigen übereinflimmendes Verfahren. Er pflich
tete der Aufmunterung des Königs Diniz bei, „baß fie .alle
brei Eins fein wollten in der Behauptung ihres Rechts‘ *),
verfprach, feinen Gefandten am päpftlichen Hofe denfelben Weg,
ben die portugtefifchen und caftilifchen Abgeoroneten in den
Unterhandlungen eingefchlagen hätten, vorzuzeichnen, und von
Alem was in der Sache: gefchehen werde, den König zu be
nachrichtigen, wie er von ihm benachrichtigt zu werben hoffte*).
Steiche Sefinnungen hatte Jayme IL ſchon ein Jahr früher
gegen ben König Ferdinand von Caſtilien geäuffert, und diefem,
als er gemeinfchaftlich mit dem König Diniz den Erzbifchof
von Braga an den Papft abordnete, zugefagt, feinen Geſand⸗
ten an ben heiligen Stuhl übereinftimmende Verhaltungsbe
fehle zu geben, „damit der Papft und ber ganze päpftliche
Hof erkenne, wie in diefem und in Allem die Sache des Kb:
nigs von Caftilien, des Königs von Portugal und bie feinige
durchaus eine und biefelbe fei" ?).
Diefer vereinigte Widerftand dreier Könige wirkte Als
Clemens V. i. 3. 1312 zur wirklichen Aufhebung des Tempel:
ordens fchritt und alle Güter defjelben den Sohannitern zu:
ſprach, machte er zu Gunſten jener drei Fuͤrſten eine Aus-
D „Como todos tres fuessemos unos a catar nuestro drecho,“
2) Carta del Rey de Aragon D. Jayme 4 D, Dionis, Rey de
Portugal, Barcelona 12, Jul, 1312, aus dem Arch. R. Barcin. re-
gestr. templariorum fol. 318. abgebrudt in J. L. Villanueva, Viage
literario & las iglesias de Espana. T. V. p.225,
S) En guissa quel papa et toda la corte conoscha que en esto,
et en todas cosas el fecho de vos et del rey de Portugal et nuestro
es todo uno, Carta del Rey Jayme & Fernando IV. Rey de Castillo,
Barcelona 17. Aug. 1311 im Viage liter. T. V. p. 206. Wie ber
König von Aragonien einen Richombre und einen Savallero zu Gefanbten
gewählt hat, fo empfiehlt er auch dem König von Gaftilien keine Geiſt⸗
liche, fondern Laien zu dieſem Gefchäfte zu verwenden, „por que nos
parege que seria bien que log vuestros mandaderos otrossi fuesen
legos et personas tales que fuesen pora razonar et; defender tal fecho
oom este; porque mas cumple razonar lo legos que clerigos.“
Regierung des Königs Diniz, 17913. 43
nahme von ber allgemeinen Verfügung ). Er ſetzte ihnen je
doch eine peremtorifche Zrift feſt, im welcher fie fich. über bie
Berwendung biefer Güter mit bein apoflolifchen Stuhle beneh⸗
men und vereinigen follten. - Zum Adminiſtrator der portugies
fifchen Ordensbeſitzungen ernannte ber Papft den Bifchof Ste
phan von Porto, ben aber Diniz ald einen ihm verbächtigen
Mann verwarf. Als diefer Freyre noch, wie König Diniz fich
ausdrüdte, „mit dem Querfad auf der Schulter umberging
und Almofen bettelte, hatte der König fich feiner angenoms>
men, ihn zu feinem Beichtvater und in der Folge (1310) zum
Biſchof von Porto erhoben. Vol Zutrauen zu einem Manne
der Gluͤck und Ehre ihm verdankte, ſchickte er ihn als feinen
Bevollmächtigten auf die Kirchenverfammlung nach Vienne und
vertraute ihm die hochwichtige Angelegenheit des Tempelordens
an. Vierzigtaufend Libras, die der König ihm einhändigen,
ließ, follten die Koften feines Aufwandes beftreiten und zugleich
feiner Überredungskunft gewichtigen Nachdrud geben. Aber
mit dem Glüd des Prälaten war auch fein Hochmuth geſtie⸗
gen; feine Selbftfucht hatte alles Danfgefühl gegen feinen.
Wohlthäter in ihm erflict, Dem Blide befjelben entrücdt und
fern von dem Urtheil feiner Mitbürger, arbeitete er ungefcheut
nur für feine eigenen Zwecke und Vortheile und verwendete
Dazu die erhaltene Summe. Er trug fich mit dem Plan, den
bifchöflichen Stuhl von Liffabon zu befleigen und feinem Nef:
fen den von Porto zu verfchaffen, als ber Tod des Biſchofs
von Braga, der während der Kirchenverfommlung in Vienne
ftarb, ihm Ausfichten zur Erreichung feiner Wünfche eröffnete.
Der König wollte ihn nach Braga verfeßen, aber dem Ehrgeiz
bes Prälaten verfprach das einflußreichere Liffabon einen größes
ren und günftigeren Schauplag, und Stephan, bex feine Stellung
1)... . hospitali seu hospitalis ordini supradictis praefata bona
concedenda duximus et etiam unienda, bonis ejusdem ordinis militiae
templi in regnis et terris ... . Castellae, Aragonum, Portugalliae, et
_ Majoricarum Regum illustrium extra regaum Franciae consistentibus
dumtaxat exceptis, quae ab unione, concessione et applicatione hujus-
modi ex certis causis excipienda duximus et etiam excludenda.
Befchluß des Papftes in Vienne vom 2. Mai-1312 in der Mon. Lus.
liv. 18. cap. 44.
HA Erſter Zeitraum. I Bud. 1. Abſchn.
zu nligen verſtand, erwirfte von dem Papft, daß der Biſchof
von Liffabon nach Braga, er felbft nach Liſſabon verfeßt wurde
(Octbr. 1312), und fein Neffe fpäter den bifchöflichen Stuhl
von Porto erhielt '). Im Liffabon finden wir ihn in der Folge,
in dem unbeilvollen Zwiſte zwifchen Vater und Sohn, als offenen
Feind des Königs, mehr ald verbädhtig dad Feuer der Zwie⸗
tracht zu ſchuͤren, dann landesfluͤchtig und am päpftlichen Hofe
gefchäftig feinen Zürften und Wohlthäter zu verleumben.
Dies war ber Mann, den der Papft zum Adminiſtrator
dee Güter ded Tempelordens ernannte, den ber König aber
verwarf. Er war ed auch, ber), flatt die Verhandlungen mit
. dem päpftlichen Stuhl zu befchleunigen und das vom König
ihm geſteckte Biel zu erfireben, dieſes feinem eignen Vortheil
aufopferte und .jene in die Länge zu ziehen durch feine Raͤnke
wohl am meiften beitrug. Einen Theil der Schuld ber viel
jährigen Verzögerung trägt freilich auch der Prior der Iohans
niter, Efteväo Vaſques Pimentel, der während feiner Anweſen⸗
beit am päpftlichen Hofe emfig- für feinen Orden wirkte, und
noch immer hoffte, demfelben auch die fpanifchen und portugie
fifchen Güter der Tempelritter zuwenden zu koͤnnen. Doc
hatte, wie es feheint, der Prior in Diniz's Augen weit weni:
ger Schuld, da biefer ihm noch fpäterhin fein Zutrauen
ſchenkte ). Jedenfalls aber würden die Verhandlungen fich
nicht durch volle fechd Jahre hingezogen haben, hätte nicht
das Verlangen des Königs in dem Papfte felbft und in ber
päpftlichen Curie den hartnädigften Widerſtand gefunden. Ins
deſſen trotz dieſes Widerſtandes, troß ber Gegenbemühungen
des Priors und der Raͤnke des Biſchofs von Liſſabon ſiegte
ber König endlich am paͤpſtlichen Hofe ob, und erreichte auch
hier, was er mit feflem und lauterem Willen, mit Klugheit
und Ausdauer erſtrebt hatte.
In Portugal hatte Diniz unterdeffen ganz in der Stile
vorgearbeitet. Als die Aufhebungsbulle hier verkündet worden
war, hatte diefer Schlag nichts treffen Tönnen, weil nichts
porhanden war. Die Ritter waren verfchwunden, die Güter
1) Espana sagr. T. XXI. p. 114 ess.
2) Mon. Lus. liv. 18, cap. 50.
-
Negierung bes Königs Diniz, 1279—13235. 365
in Diniz's Gewalt, den päpftlichen Adminiſtrator hatte der
König zuruͤckgewieſen. Die Iohanniter durften nicht wagen,
bier wie in den andern Ländern die Befigungen, ded Tempels
orbend an fich zu ziehen, fo fehr fie danach gelüften: mochte.
Selbft einen Verfuch des Papſtes, uͤber Güter der portugiefis
fchen Templer zu verfügen, wuſſte Diniz zu vereiteln. Jo⸗
hann XXI, der nach Clemens V. den päpftlichen Stuhl bes
fliegen hatte, nahm \fich heraus feinem Sünfllinge, dem Cars
dinal Bertrand, den Fleden und dad Schloß Thomar mit
feinem Gebiet und feinen Einfünften, eine der anfehnlichften
Befigungen des Ordens, zu fchenfen (1317) Die Sache ers
regte Auffehn. Der König verhielt fich anfcheinend ruhig, vers
anlaffte aber den Exrbprinzen und mehrere Große des Reichs
zu einem entfchiedenen, fürmlichen Widerfpruche. Darauf uns
terließ der Cardinal die Befißergreifung, wozu eine päpftliche
Bulle ihn ermächtigt hattes es war .nicht weiter Die Rebe von
der Schenkung ). Der Papft aber hatte die Erfahrung ges
macht, daß ex auf Feine Unterflügung, weber bei dem Throns
erben noch bei den Großen, wo feine Vorgänger fie fo oft
gefucht und gefunden hatten, rechnen durfte Auch Tonnte
ihm nicht entgehen, daß ber König von Portugal im Sinne
feines Volkes handelte, wenn er dem Tempelorden Schuß ges
währte. Wirklich erfchienen, ſobald der erfte Sturm vorüber
war, bie Ritter, einer nach dem andern , wieber in Portugal,
Man vwied ihnen Ruhegehalte auf die in Beſchlag genommes
nen Güter an, behanbelte die Ritter mit Achtung und ließ fie
in öffentlichen Urkunden und Handlungen fic „ehemalige Tem⸗
pelritter“ (quondam Milites)) nennen.
So war die Lage der Dinge in Portugal, als eine Bulle
des Papftes Johann XI. vom 15. März 1319 °) die Grüns
dung eined neuen Ritterordens in biefem Reiche verkündete und
anorbnete. Es war in der That Fein anderer als ber Tempel⸗
orden, den jene Bulle unter einem andern Namen wieber in's
Leben rief. Der. Papſt nannte ihn Ehrifiusorben (Ordo
1) Mon. Lus, Parte VII. liv. 4, cap. 3. Num. 3.
2) ©. die Urkunde bei Brandäo liv. 18. cap. 26.
5) Sousa, Provas T. I. p. 80, u
366 Erſter Beitraum U. Bud. 1. Abſchn.
_Militiae Jesu Christi), die Ritter Chriſtusritter (Milites Christi).
Dies war der Name, der den Tempelrittern fchon früher in
Öffentlichen Urkunden, die ihren Orden betrafen, gegeben wor⸗
den war, und fie felbft hatten ihn, abwechfelnd. mit der Be
nennung „Zempelritter, bei bürgerlichen Handlungen ſich beis
gelegt '). Die Chriſtusritter follten der Regel der Ciftercienfer
folgen; diefe war auch bie Megel, nach welcher die Tempel⸗
ritter lebten. Der Abt von Alcobaca ift, ber Bulle zufolge,
ber geiftliche Vorgeſetzte der Ehriftusritter und nimmt, fo oft
er es väthlich findet, die Vifitation und Correctur des Ordens
„an Haupt und Gliedern“ vor; Denfelben Beruf hatte Derfelbe
Abt bei ven Templern. Wie bei dieſen, fo find der Groß
meifter und die andern Vorgeſetzten bed Chriftusordens vers
pflichtet, ehe fie ihr Amt antreten, dem König ben Eib ber
"Treue zu leiften. Wie den Tempelrittern verboten war Güter
ihres Ordens zu verduflern, fo auch ben Ehriftusrittern; ande
ver Übereinſtimmungen zwifchen beiden Orden zu geſchweigen.
Das der Papft den Meifter vom Avisorden, Gil Mars
tins, zum Großmeifter des Chriſtusordens ernannte, barf nicht
befremben. Die Aviöritter folgten der Regel der Giftercienfer,
wie die Tempelherren, und es glich dieſes Verfahren bes Paps
ſtes einem damals nicht ungewöhnlichen, wonach man einen
Meligiofen. einer Abtei berief, um die Angehörigen einer andern
von der nämlichen Regel in ihre Pflichten und Berrichtungen
einzumeifen und bie im Anfehn gefunfene Abtei in Aufnahme
zu bringen. Auch ernannte der Papft nur dieſes Mal einen
Großmeifter, und nahm ihn aus dem Avisorden, einen Mann,
welchen auögezeichnete Zugenden und Fähigkeiten zu biefer
Hürde empfahlen *). Nach feinem Ableben ſollen, der Stif⸗
tungsbulle gemaͤß, die Bruͤder des neuen Ordens einen Groß⸗
meiſter, der nothwendig aus ihrem Orden genommen werden
muß, ſelbſt waͤhlen.
Alle beweglichen und unbeweglichen Guͤter, welche der
Tempelorden in Portugal und Algarve beſeſſen hatte, ſeine
1) Als Belege dienen die Urkunden aus der Regierungszeit Affonfo’s I.
im Klucidario“ T. II. p. 867.
2) Mon, Lus. liv. 18, cap. 4.
Regierung des Könige Diniz, 179—13%. 367
fämmtlichen Befigungen mit allaı Rechten und Freiheiten wur⸗
den dem Chriftusorben ald Eigenthum zugefprochen. Der Koͤ⸗
nig Diniz, der in diefer Angelegenheit bisher nur ben Ruf ber
Klugheit fi) erworben, daneben aber auch den Vorwurf ber
Habfucht und Ungerechtigkeit gegen die Tempelritter fich zus
gezogen hatte, enthuͤllte jebt eine Uneigennügigkeit und Rechts
lichkeit, Die um fo überrafchender und verbienftlicher waren, je
länger die Klugheit ihn genöthigt hatte, fie zu verbergen und
fich felbft dem Miskennen und dem Tadel der Welt Jahre lang
auszuſetzen. Er befahl nicht allein (26. Nov. 1319) ale Bes
figungen des Tempelordens, Die er an fich gezogen hatte, benz
Chriftusorden zu übergeben '), und erklärte alle gerichtliche Urs
theile, durch welche er bei der Aufhebung des Tempelordens
deffen Eüter fich hatte zufprechen laſſen, für nichtig; er ließ
den Chriftusrittern fogar alle Einkünfte, welche die Föniglichen
Almorarifes von den Gütern des Tempelordens feit feiner Er⸗
loͤſchung erhoben hatten, nachbezahlen”). Er fchenkte endlich,
um feinem Werke die Krone aufzufeben, das von Natur ſtarke
Gaftro-Marim in Algarve, das die Templer nie befeffen hats
ten, dem Chriftusorben und beflimmte ed zum Hauptſitze deſ⸗
felben °). |
Hier, in Caſtro⸗Marim, hatte num auch der Ehriftuss
orden urfprünglich feinen Convent und bier lebten bie erften
Novizen, die in den Orden traten. Nach ben Regiftern befs
felben, die in dem Archiv von Thomar, das in ber Folge wies
der der Hauptfig der Chriftuöritter wurde, fich finden, waren
1) In dem Schreiben, durch das er dem Chriftusorben die lecken,
Schloͤſſer und Ortſchaften Soure, Yombal, Ega, Rebinha, die in Eſtre⸗
mabıra und in dem Bisthum Coimbra lagen, und Idanha nova unb
velha, BSalvaterra, Segura, Proensa und Rosmaninhal, ſaͤmmtlich tm
Bisthum Guarda, zu übergeben befahl, jagt der König: „que a Ordem .
de Christo se tinho feito em Reformagäo da Ordem do 'Templo, que
se desfez.““ Klucidario T. II. p. 874.
2) Mon. Lus. liv. 19. cap, 4.
3) Der König hatte bereits vor ber Belannt
bulle den Papft von feiner Abficht, dem Orben b' »achen,
durch feine Gefandten in Kepntniß ‚gelebt, we ke
jener Ort erwähnt wird. PER er ee
ten, wurden durch Kirchenflrafen dazu gezwungen ’). Der vors
368 Erfter Zeitraum. DM. Bud. 1. Abſchn. I
die Erſten, die der Großmeiſter in Caſtro⸗Marim aufnahm,
ehemalige Tempelritter; ja, was noch merkwuͤrdiger iſt, Tem⸗
pelritter, die, der Freiheit ſich mehr freuend, zur Aufnahme
in den neuen Orden innerhalb drei Monaten ſich nicht melde⸗
malige Tempelmeiſter ſelbſt, Vaſco Fernandes, ſtarb (1223)
als Komthur von Monte⸗ alväo und Profeſſe des Chris
fiusordens *
Sobald eine Anzahl Ritter eingekleidet worden war, dachte
der neue Großmeiſter darauf, Durch neue Ordnungen und Ge
11. Jun.
. 1321
18. Nov.
1321
fege dem Drden Haltung und Fefligkeit zu geben, feine Wer:
foffung zu verjüngen und feine Verwaltung zu regeln. Er
verfammelte zu dem Zwecke in Liffabon, in dem vormaligen
Gonventhaufe der Tempelherren, ein Gapitel, dad größtentheils
aus früheren Mitgliedern diefed Ordens beſtand. Die Eonflis
tutionen der Ritter von Calatrava wurden zum Grunde gelegt.
Nach Maßgabe der Einkünfte des Chriftusorbend wurde fefl:
gefeßt, daß er wenigftens vier und achtzig Mitglieber zählen
folle, von denen neun und fechzig Ritter (Freires Cavaleiros),
die übrigen geiftlihe Brüder (Freires Clerigos) fein follten.
Auffer diefen wurben weitere zehn Ritter beflimmt, den Groß
meifter beftändig zu begleiten. Sie durften Feine Commenden
befigen und mufften aus dem für die Drdensmeifter = Tafel
(meza Mestral) beflimmten Vermögen unterhalten werben,
wozu die Einkünfte, die der Orden aus feinen Befikungen in
den Gebieten von Liffabon, Alemquer und Santarem (mit
Ausnahme der Commenden Pinheiro und Cafevel) zog, ange
wiefen wurden ). Nicht lange nach dieſem Capitel flarb Gil
Martind. Er hinterließ den Orden in einem geehrten und
blühenden Zuflande, und nahm den Ruf eines für feine Pflege:
befohlenen redlich beforgten und eifrig thätigen Meiftere und
Vaters mit ind Grab.
Nicht ohne inniges Wohlwollen mochte Diniz in den letz⸗
ten Jahren ſeiner Regierung auf ein Inſtitut hinblicken, das
1) Mon. Lus. lib, 19. cap. 10.
2) Elucid. T.IL p. 374.
3) Mon. Lus. Parte VI. liv. 19. capp. 25 u, ‚2.
Regierang bes Königs Diniz, 1279—1325, 369
er vom Untergang gerettet und mit verjüngter Lebenskraft be⸗
ſeelt hatte. Und wie wuͤrde ſich das Auge des hochſi innigen
Fuͤrſten erheitert haben, haͤtte es die herrlichen Fruͤchte ſchauen
koͤnnen, zu welchen er die Keime in den Schoos des gerette⸗
ten Ordens gelegt hatte. Haͤtte er nur ahnen koͤnnen, wie
hundert Jahre ſpaͤter ein Großmeiſter dieſes Ordens, der un⸗
ſterbliche Infant Heinrich, am Vorgebirge San Bicente, gleich=
fam an der Stirn der europdifchen Fungfrau, den großen Ge-
banken fafite, mit den Mitteln, die ihm der Orden darbot '), :
die Infeln und Länder zu entbeden, bie er im Geifte lange
vorhergefehen hatte; wie Die Orbendritter für ihren woeitftre-
benden Unterfuchungögeift, dem das Kleine Portugal zu enge
ward, einen größern Schauplag fuchten; wie fie den unbe:
Fannten Ocean dugchfegelten und in andern Welttheilen den
Grundſtein zu der Größe legten, die ihrem Eleinen Vaterlande
einmal in der Weltgefcjichte zu Theil werden folltee Das
ahnete Diniz nicht, fo wenig als daß jene prächtigen. Fichten:
wälder, die er in ber Beit, in der er für die Rettung des
Ordens fo thätig war, auf den Hligeln bei Leiria fäen ließ,
damit die heftigen Seewinde nicht mit dem Sande der Meeres-
füfte die fruchtbare Flur feines lieben Leiria °) bededten und
begruben, — daß dieſe Fichtenwälder einft das Bauholz zu den
Schiffen liefern wuͤrden, auf welchen die Drdensritter "und
Seehelden Portugals Herrſchaft über dad Meer ausbreiten und
einen Handel, der zwei Welttheile mit einander verknuͤpfte,
vorbereiten ſollten. Welch' eine Saat vermag die wohlthaͤtige
und feſte Hand eines weiſen Fuͤrſten in die unabſehlichen,
fruchtbaren Gefilde der Zukunft zu ſtreuen!
1) Mon. Lus. Parte VI, liv. 19. cap. 14.
2) Bon dem Schloffe, das ber König. in Leiria, feinem Lieblings⸗
aufenthalt, hatte, ſind noch Truͤmmer vorhanden. Balbi, Kasai statisti-
que sur le Royaume de Portugal, T. II. p. 183.
8
Schaͤfer Geſchichte Portugals J. 24 |
30 Erſter Beitraum. N. Bug. 4. Abſcha
5. Die legten Jahre des Königs.
Seine Streitigkeiten mit dem Infanten Affonſo. Wieberholter
Ausbruch der Feindfeligkeiten zwiſchen Water und Sohn. Die
Königin Iſabel vermittelt die Verföhnung Beider. Diniz er
krankt. Seine Anordnungen und letzten Worte.
Des vielen Guten und Großen, das in langer Regierung
Diniz geſtiftet und gepflegt hatte, am Ende derſelben ſich uns
verkuͤmmert zu erfreuen, war ihm nicht vergoͤnnt. Fehler und
Unvorſichtigkeiten ſeines Privatlebens hinderten in ihren Folgen
den Koͤnig, mit ſeinem Volk das Gluͤck zu theilen, das er ihm
zu bereiten ſo ruͤhmlich geſtrebt hatte. Sie, im engen Kreiſe
der Familie verſchuldet, fuͤhrten landeskundige Irrungen herbei,
die den Segen ſeiner Regierung wieder zum Theil zu zerſtoͤren
drohten und den Abend ſeines Lebens truͤbten.
Der Infant Affonſo, der kuͤnftige Thronerbe, hatte kaum
ſein ſechſtes Jahr zuruͤckgelegt, als ihm der Koͤnig ein eigenes
Haus einrichten ließ, fruͤher und glaͤnzender, als er ſelbſt als
Erbprinz (zuerſt unter den portugieſiſchen Infanten) ein Haus
gehabt hatte. „Dieſer Beguͤnſtigung, aͤuſſerte ſpaͤterhin Diniz
in oͤffentlicher Verſammlung, haͤtten ſich die fruͤheren Infanten
von Portugal nicht erfreut. Sein Großvater Affonfo II. habe,
obgleich verheirathet und Vater mehrerer Kinder, in dent Haufe
feines Vaters gelebt und Fein eigenes gebildet” ). In einem
Alter, in welchem Feine fremde Hand die väterliche zu erfeßen
vermag, begab fich Diniz eines Theils feines väterlichen Eins
flufjes und konnte nicht verhüten, daß Andere fich deffelben be⸗
mächtigten, und, mehr ihr eigenes als bes Prinzen Wohl ind
Auge faflend, ihren felbftfüchtigen Planen früh vorarbeiteten.
Den Sohn, ber nach und nad dem Water fich entfrembet
fühlte, mit Mistrauen gegen denfelben zu erfüllen, wurbe ben
Dienern und Umgebungen des Prinzen nicht ſchwer. Der Koͤ⸗
nig felbft fcheint Anlaß Dazu gegeben zu haben. Er zeigte fo
1) Mon. Lus, Parte V. liv. 16. cap. 14, Parte VIL kim &.
cap. & a liv. 1, ap &
Regierung. des Königs Diniz, 1279 - 1325. 371 ⸗
viel Vorliebe fuͤr ſeinen natuͤrlichen Sohn Affonſo Sanches,
daß es den Unzufriednen gelang, das Geruͤcht, der Koͤnig wolle
ihn für. rechtmaͤßig erklaͤren und ihm die Thronfolge zuwenden,
auszuſtreuen und ihm Glauben zu verſchaffen. Seitdem gluͤhte
der Funke der Eiferſucht in Affonſo's Bruſt und erloſch nicht
wieder. Die Anhaͤnger des Prinzen trugen emſig zu und
ſchuͤrten das Feuer. Sein Haus wurde der Sammelplatz der
Unzufriednen, ein Zufluchtsort fuͤr Unruhſtifter, welche die
Strafe der Gerechtigkeit verfolgte, fuͤr Alle, die den Koͤnig zu
fuͤrchten hatten und den Infanten zu gewinnen hofften. Bald
nahmen Vornehme und Geringe Theil an dem Familienzwiſt,
der im koͤniglichen Hauſe ſo leicht die Mauern durchbricht und
ſeinen Schauplatz uͤber das Koͤnigreich ausdehnt. Diniz ſah
ſich genoͤthigt einen Landesbefehl zu erlaſſen, in welchem er
bei ſchwerer Strafe verbot die oͤffentliche Ruhe zu ſtoͤren.
Die Vorſtellungen, die der König dem Infanten machte, was
ren vergeblich, und felbft die Bemühungen ded Papſtes, den
dad aͤrgerliche Auffehn, das diefe Zerwuͤrfniſſe erregten, ver⸗
anlafjt hatte dem Bifchof von Evora die Beilegung berfelben
ana Herz zu legen, blieben erfolglos. Der Infant fuhr fort
piejenigen zu verfolgen, Die fich als treue Anhänger des Koͤ⸗
nigs bewiefen; des Vaters Ungnade reichte hin, um bei dem
Sohne freundliche Aufnahme zu finden Den Ritter Ramon
de Cardona wollte der Infant in Gegenwart bes Königs toͤd⸗
ten, weil er Diefem fagte, daß Affonfo’3 Bedienten gegen das
Leben des Königs und den Staat fich verfthworen hätten, und
nachdem Ramon in ber Folge wegen hochberrätherifcher Ab⸗
fihten aus dem Reiche verwiefen worden war, nahm ber
Prinz fich deffen an, führte einen Briefwechſel mit ihm und
ſchaͤmte fich nicht eben denfelben, den er zum Theil wegen fel-
ner Treue gegen den König hatte tödten wollen, zu begünftis
gen, ald er zum Verräther an dem König geworden war.
Einen nachtheiligen Einfluß auf den Infanten dufferte
feine Schwiegermutter, die Königin Maria von Caſtilien, mit
der er, um fich der Regierung zu bemächtigen, geheime Ein
verftändniffe unterhielt. Diefe waren dem König nicht
Fannt. Als daher Maria von Gaftilien den König
fchriftlich um die Erlaubniß bat, daß der Infant Affe
€
A
/
372 Erfter Zeitraum. HD. Bud. 1. Abfhe.
in Fonte Grimaldo befuchen duͤrfe, verweigerte Diniz feine
Zuffimmung, mißrieth ald Vater und verbot ald König dem
Prinzen die Reife. Deſſen ungeachtet erfolgte dieſe. Nach
Affonfo’3 Unterredbung mit feiner Schwiegermutter an ber
Grenze beider Reiche, erbreiftete fich die caftilifche Königin dem
Vater ded Infanten anzumuthen, Daß er die Regierung feinem
Sohne überlaffen möchte, und ließ den König in Zweifel, „von
wem er eine größere Beleidigung erfahre, von dem betheiligs
ten Sohn oder der vermittelnden Schwiegermutter Y.“ Noch
aber hegte der König die Überzeugung, daß „dieſe Barbarrien
des SInfanten nicht natürliche Früchte feines Herzens feien,
fondern Einfläfje der verderblichen Geſellſchaft, die ihn um:
gebe ).“
Eben dieſe Umgebungen des Infanten waren es in der
That, die immer ii neuem fein Miötrauen ımd feine Eifer
ſucht reizten. Man hinterbrachte ihm, daß der König, bamit
er feinem natürlichen Sohne die Krone zuwenden könne, um
deffen Legitimation bei dem Papſte nachgefucht habe; eine be
fondere Gefandtfchaft fei deshalb, wiewohl unter einem andern
Vorwande, an den apoflolifhen Stuhl abgefchit worben.
Gefchäftig verbreiteten de3 Infanten Anhänger dieſes Gerlicht,
das zugleich die Schritte. und das Benehmen Affonfo’s gegen
feinen Water zu rechtfertigen fchien. Der Infant fammelte
unterdeffen Kriegsmannfchaft, fuchte feinen Anhang zu verflär:
ten und das Volk für fich zu gewinnen. Um jenen Beſchul⸗
digungen und Umtrieben feines Sohnes zu begegnen, betheuerte
der König nicht allein felbft die Unmwahrheit jened Gerüchte,
fondern bewog auch den Papft, daß er die Prälaten und
Großen des Reichs in befondern Schreiben überführte, wie
der König nie ein Anfinnen diefer Art an ihn oder feine Bor:
gänger gemacht habe. Damit noch nicht zufrieden, erließ Diniz
ein Manifeft, in welchem er über Affonſo's Gefinnungen und
Unternehmungen gegen ihn öffentlich Beſchwerde führte. Aber
1) Mon. Lus. Parte VII. liv. 4. cap. 4.
2) „Näo säo, fagt Diniz den verfammelten Großen, Rittern unb
Drbensmeiftern, e$tas barbaridades naturaes partos de sua inclinagäo,
säo influencias dag zuins cempanhias, que o rodeäo.* |, c.
Regierung bes Königs Diniz, 1279—1325. 373
felbft in diefem Manifeft fanden der Infant und feine Anhaͤn⸗
ger Gift; der König, behaupteten fie,” beabfichtige dadurch nur,
Affonfo bei dem Volk verhafft zu machen, daſſelbe für feinen
Sohn zu flimmen und für deſſen Thronfolge vorzubereiten.
Die Kluft zroifchen Vater und Sohn wurde immer größer,
und der Infant fehritt endlich zu Thätlichkeiten. Er fiel mit
einem Kriegerhaufen in das Land zwifchen dem Douro und
Minho ein, deffen Bewohner den Berführungsverfuchen treue
Anhänglichkeit an den König entgegengefegt hatten. Alle
die fih nicht für den Infanten erflärten, erfuhren bittere
Drangfal.. Darauf näherte ſich Affonfo der Stadt Coimbra
und bemächtigte fi durch geheime Einverftändniffe Leirias.
Der König fah fich gezwungen Gewalt mit Gewalt zu ver:
treiben, zog feine Kriegsſchaaren zufammen und ridte an ihrer
Spige gegen Leiria. Bei feinem Anzuge überließ Affonfg die
Vertheidigung des Ortes fernem Feldherrn, um fich Santarem,
- das der König eben verlaffen hatte, zu unterwerfen. Es ge
lang dem Infanten die unvertheidigte Stadt nebft dem feſten
Schloſſe einzunehmen. Mittlerweile eroberte der Koͤnig wieder
Leiria, zuͤchtigte mit gerechter Strenge Alle, die den Infanten
bei der Einnahme des Platzes unterſtuͤtzt hatten, und wendete
ſich darauf nach Santarem, um auch dieſe Stadt wieder zum
Gehorſam zuruͤckzufuͤhren. Der Infant hatte fie bereits
verlaſſen.
Unterdeſſen war auf Anſuchen des Koͤnigs der Biſchof
von Evora, Gerardo, von dem Papſt ermaͤchtigt worden mit
Kuchenſteafen wider die Stoͤrer der öffentlichen Ruhe zu ver:
fahren. Daflr drangen, dem Papft und dem König zum
Hohn, Affonfo Nonoes und Nugno Barreto, die e8 mit dem
Infanten hielten, in Eftremos, wo fich der wuͤrdige Biſchof
aufhielt, gewaltfam ein und ermordeten ihn (5. März 1321).
Um diefelbe Zeit bemühte fich auch der König von Aragonien,
Durch einen vertrauten Abgeordneten den aͤrgerlichen Zwift in
dem töniglichen Haufe beizulegen und die Verföhnung zwifchen
Vater und Sohn zu vermitteln. Aber Jayme's Bemühungen _
1320
hatten fo wenig Erfolg als alle biöherigen. Vielmehr ward”
der Infant vom fleigenden Haß gegen feinen mai Ken RArr
der, ber fich fortwährend um den König befand,
374 Erſter Zeitraum. 1. Bud. 1. Abſchn.
Argwohn gegen dieſen wieder zu offenen Feindfeligfeiten fort
geriffen. Er hatte fich bereits mehrerer feſter Plaͤtze bemeiften,
und Goimbra mit Hülfe der vornehmflen Einwohner eingenom
men. Guimaraens, das‘ Affonfo’3 Streiterhaufen im Stum
zu nehmen hofften, wurde nur durch die Feſtigkeit des Drte
und die Tapferkeit feines Befehlöhabers dem König erhalte
Als diefer den Verluſt Coimbra’8 erfuhr und die Partei de
Snfanten von Zag zu Tag wachſen fah, z0g er ſchnell fen
Kriegsvolk zufammen und führte ed gegen Coimbra. Auf de
Kunde davon hob Affonfo fogleich die Belagerung von Gut
maraend auf und eilte mit feiner Schaar der bedrohten Statt
zu Hilfe Man fürchtete ein blutige Zuſammentreffen be
Sohnes mit dem Bater.
Mit befümmertem Herzen vernahm die Königin Iſabe—
bie Zeindfeligfeiten zwifchen ihrem Gemahl und ihrem Sohn,
und begab fich unverzüglich auf den Weg, um der Schmed
eines folchen Kampfes vorzubeugen. Sie fam in dem Augen
bi an, ald men im Begriffe fland ein Treffen zu Liefer,
und eilte, von mehreren Prälaten des Reichs begleitet, zuerſt
in das Lager ihres Gemahls. Hier ſtellte ihm Iſabel die trau
tigen Folgen einer Schlacht vor, fie möge nun gewonnen
oder verloren werden, indem in beiden Füllen feine treuen
Unterthanen das Opfer derfelben würden. Aber der erzürnte
Vater gab ihren Vorftelungen fein Gehör. Darauf begab fih
die Königin in das Lager ded Sohnes, und befchwor dieſen
von einem Vorhaben abzulaffen, das ihn ber Gefahr ausſetze
an den eignen Vater Hand anzulegen. Sie führte ihm bie
Ehrerbietung zu Gemüthe, die er dem Monarchen, dem er fein
Dajein verdanke, ſchuldig fei, den Gehorfam, den eine liebende
Mutter für ihre Ermahnungen zum Frieden und zur Verſoͤh⸗
nung zwifchen dem Sohn und Gatten erwarten bürfe, die
Dortheile und Segnungen, die dem Reiche erwachfen würden, '
wenn er der unheilvollen Fehde jett ein Ende made. Sie
verficherte ihn, Daß ihm die Thronfolge gewiß fei, was auch
Verleumder, gegen die er nicht genug auf der Hut fein Eönne,
ihm einflüftern möchten.
Die mütterlihen Ermahnungen flimmten den Infanten
zum Frieden; nur Diniz fchien fortwährend abgeneigt und erfi
Begterung des Königs Diniz, 1779—13%. 375
nach einer nochmaligen Unterrebung mit ihm gelang es ber
Königin, unterfligt von bem Prinzen Pedro, den König zu
bewegen, daß er vier Tage lang bie Waffen ruhen ließ, um
durch Bevollmächtigte von beiden Seiten einen Vergleich zu
vermitteln. Er Fam nicht zu Stande. Darauf flellte der Koͤ⸗
nig feine Truppen zum Angriffe auf, um, fobald der Waffen-
ſtillſtand abgelaufen, in Coimbra einzubringen. Die Befakung
that einen Ausfall; es Fam zu einem Gefecht, in dem auf
beiden Seiten viel Blut vergofien, aber nichts entfchieden
wurde,
Sn der Hiße des Kampfes mochte weber der Vater noch
der Sohn dad Ärgerniß fühlen, das den Beſſeren unter dem
Volk das bier vergoffene Blut gab. Um fo tieferer Kummer
ergriff die Koͤnigin; aber er laͤhmte nicht ihre Sorgſamkeit, er
befluͤgelte ſie vielmehr. Wie ein Friedensengel eilte ſie vom
Vater zum Sohn, vom Sohn zum Vater, ermahnte, warnte,
bat, flehte mit der unwiderſtehlichen Zaubergewalt einer weiſen
und liebenden Gattin und Mutter, und ſtimmte endlich bie
wibderftrebenden Gemüther für einen friedlichen Vergleich.
Um deſto ungehinderter und ficherer diefen zu Stande zu
bringen, wurde befchloffen, daß der König mit feinem Kriegs:
volk nach Leiria, der Infant mit dem feinigen nach Pombal
ziehen folle. Zur Abfchlieffung des Vergleichs wurben von
beiden Seiten Bevollmächtigte ernannt; vor Allem aber folte
die Königin Wermittlerin fein. So wurden folgende Artikel
fefigeflelt. Der König überläfft feinem Sohne die Stadt
Goimbra, den Flecken Monte⸗mor o velho und die Burg von
Porto, damals die einzige Befeſtigung diefer Stadt. Er be
willigt ihm für feine Haus⸗ und Hofhaltung jährlich) noch
eine angemeffene Zubuße, die auf fefte Einkünfte der Krone
angewiefen if, und macht fich verbindlich, fein Schloß und feine
Wohngebäude auf eine genügende und anfländige Weife ein-
richten und ausfchmüden zu laffen. Er verfpricht, den Grafen
von Barcellos wieder in Gnade aufzunehmen und ihm feine
eingezogenen Güter und Einkünfte zuruͤckzugeben, wie überhaupt
Allen, welche die Partei des Prinzen gegen ben König er-
griffen haben, zu verzeihen und ihnen die deshalb verwirkte
Strafe zu erlaffen. Dagegen verpflichtet ſich der Infant, aus
132.
376 Erſter Bettraum. IL Bud. 1: Abſchn.
feiner Gefelfchaft und feinen Befigungen alle Frevler zu wei
fen, damit die Gerichte fie ergreifen und die Schuldigen bes
firafen Eönnenz für keinen derfelben fi zu verwenden, viel
mehr alle Strafbaren, deren er habhaft werden koͤnne, auszu⸗
liefern: Er verfpricht in Bezug auf die Ortfchaften und Laͤn⸗
der, die er zufolge dieſes Vertrags erhält, den Huldigungseib
in die Hände des Königs zu leiften, Die neuerworbenen Be
fisungen der Krone zu erhalten und ohne Zuftimmung bes
Königs weder Krieg zu führen, noch Frieden zu fchlieffen.
Er gelobt, von diefem Tage an ein gehorfamer Sohn und
treuer Vaſall des Königs zu fein, allen Königlichgefinnten die
Gewaltthätigkeiten, die fie gegen ihr verübt, zu verzeihen, und
alled in Diefer Beziehung Geſchehene ald nicht gefchehen zu
betrachten. Zu Aller Freude wurden dieſe Artifel vom König
wie vom Infanten angenommen. Jener beſchwor fie feierlich)
am Altar von S. Simäo in keiria, mit ihm die vornehmften
Herren und Beamten feined Hofes. Der Infant gelobte ihre
Befolgung in Pombal, am Altar von ©. Martinho; feinen
Eid bekräftigten die angefehenften Fidalgos feiner Partei und.
auf feine Bitte die Königin und fein Halbbruder ). Darauf
fehrten die beiderfeitigen Streiterhaufen in ihre Heimat zuruͤck.
Affonfo ging, auf Veranlaffung der Königin nach Leiria, um
dem Vater feine Findliche Ehrerbietung und Liebe auszudruͤcken;
feine Anhänger begluͤckwuͤnſchten den König. In allen Staͤd⸗
ten und Ortfchaften des Reichs wurde die Ausfühnung und
der Friede in der Pöniglichen Familie öffentlich gefeiert. Nach
einer gefährlichen Krankheit, die der König kurz darauf über:
fland, und in welcher er fein zweites Teſtament machte (20.
Sun. 1322) ®), nahm fein natürlicher Sohn, Affonfo Sanches,
um jeden ÖStreitanlaß zu meiden und nicht des Erbprinzen
Neid zu erregen, von dem König Abfchied und begab fich nach
Abuquerque, das ihm gehörte.
1) Mon. Lus. T, VII. liv. 4. cap. 10.
2) Ein früheres errichtete er ben 8. April 1299, als er gegen feinen
Bruder Affonfo zu Felde zog. Mon. Lus. Tom. V. Escrit. 385. Das
zweite, dad mit dem lesten vom 31. Dechr. 1324 übereinftimmt, ſteht
in Mon. Lus. T. VI, Escrit. ullima. Sousa (Provas T.I. Num. 11.
pag. 99.) theilt das zweite mit. ,
Megierung bes Königs Diniz, 1279 — 1325. 377
Kaum ein Jahr nur dauerte die Ruhe. Affonfo Sans
che, von dem caftilianifchen Infanten Philipp unterflügt, wat
- nach Portugal zuruͤckgekehrt, und hatte von dem König er
Yangt, daß er fih an feinem Hofe aufhalten durfte. Der
Erbprinz verbarg feine Empfindlichkeit darlıber unter neuen
Foderungen, die er auf den Rath. feiner Vertrauten an den
König machte, indem er auf eine Erhöhung feiner Einkünfte
zum Unterhalt feines Haufes antrug. Beforgt, Affonfo möchte
zu mächtig werben, wenn feine Mittel noch vermehrt würden,
antwortete ihm der König, daß dies ohne Zuflimmung der
Reichsſtaͤnde nicht gefchehen koͤnne, und ließ diefe gegen Ende
des Detoberd einberufen. Sie verwarfen dad Gefuch des In⸗ 1323.
fanten, der fofort voll Verdruß nach Santarem ging, wo ed
feinen Höflingen leicht wurbe, den nur fehlummernden, nicht
erlofchenen Funken der Eiferfucht und des Haffes wieder ans
zufachen und den Kronerben zu bereden, mit gewaffneter Hand
vor Liffabon, wo der König durch feine Strenge die Gemuͤ⸗
ther von fich entfernt habe, die verletzte Ehre wiederherzus
ftelen. Als die Kunde von der Anndherung des Infanten
mit feinen Streiterhaufen zu dem König gelangte, ließ er
auf der Stelle ihm befehlen, ſich zurüd zu begeben. Doch
Affonfo achtete nicht des Befehls und feste feinen Zug mit
fliegenden Fahnen fort. Darauf ruͤckte Diniz, höchft aufge
bracht über die Schritte des dibelberathenen Sohnes, an ber
Spige des Föniglichen Kriegsvolkes ihm entgegen. Sfabel
aber, die fromme Friebensftifterin, beftieg unverweilt ihr Maul-
thier, um mit verfühnender Hand den Sohn und Gatten
wieder zur Eintracht zu leiten. Sie fand Beide nahe bei Lu⸗
miar, eben im Begriff ein Treffen zu liefern. Noch einmal
gelang ed der weifen, liebenden Mutter und Gattin, mit Huͤlfe
des würdigen Bifchofs von Liffabon, der fie begleitet hatte,
einem blutigen Kampfe zwifchen Vater und Sohn vorzuber
gen und Beide zur friedlichen Rüdkehr zu bewegen. Der K-
nig zog nicht lange hernach felbft nach Santarem, das immer
ein Lieblingsaufenthalt für ihn geweſen war und feit eink
Zeit dem Erbprinzen und feiner Familie zum Wohnſitz dient
Wiewohl Diniz vor feiner Ankunft dafelbft feinen Set"
fen ließ, daß er ihn bier nicht im geringften®!
378 Erfter Zeitraum. U Bud 1 Asſchn.
werbe, fo fah diefer body mt misgimſtigem Auge, wie faı
natürlicher Bruder ſtets um bie Perion feines Baters war.
Bald entflanden Reibungen, felbii blutige Fehden zwijchen
den Hausbedienten des Königs und des Erbprinzen, und Bel
fahen ſich genöthigt dagegen einzuſchreiten. Man fürdkek
einen neuen Bruch zwiihen Vater und Sohn, und dachte
auf Mittel demjelben vorzubauen. Dem König warb vorge
fhlagen, dem Infanten jährlich weitere zehntaufend Live
Einkünfte zu verwilligen, dem Affonfo Sanches die Würk
eines Sherhofmeifters des königlichen Haufes zu entziehen um
ihn von feiner Perfon zu entfernen. Es koſtete Diniz ſchwer
Überwindung diefe Opfer zu bringen; doch um die Ruhe bei
Landes zu erhalten, gab er den Bitten der Räthe und Her
zen feines Hofes nad), und verließ felbft, damit er jeben A»
lag zum Unfrieden meide, Santarem, um feinen Sig in &
fabon zu nehmen. "
Hier wurde Diniz nicht lange darauf unwohl. Gin
Reiſe, die er dennoch unternahm, verfchlimmerte feinen Zu
fand; fein vorgerüdtes Alter machte ihn bedenklich. Da zeigte
ſich wieder die Königin Ifabel, wie immer im entfcheidenden
Zeitpunct, in dem fchönen Beruf ihrer edeln Wirkfamteit, in
dem fie den Snfapten von Zeiria, wo er ſich aufhielt, an ba3
Krankenbett ded Königs rief. Sie hoffte mit Recht, die m
vertilgbare, mächtige Stimme der höheren Menfchennatur
werde an ber Schwelle der Ewigkeit ihre Kraft bewähren und
alle Misklänge der Leidenfchaften libertönen oder in den Wohl
ang des Friedens auflöfen. Sobald Affonfo erfuhr, in
welcher Gefahr der Vater ſchwebe, brach er mit geringer Be
gleitung unverzüglih auf. Sein Inneres war bewegt. Er
Aufferte mehrere Mal unterwegs, wie fehmerzlich es ihm fei, daß
ihm die Zeit nicht erlaube feinem Water Die tiefe Reue zu
beweifen, die er über die Beleidigungen, die er ihm zugefügt
habe, empfinde. Der Franke Greis empfing den wiederkehren:
den Sohn mit Ausdruden der Xiebe, reichte ihm wieberholt
die Hand zum Kuffe hin und ertheilte ihm mehrere Mal den
Segen. Um dem König mehr Bequemlichkeit verfchaffen zu
Tonnen, ließ ihn der Infant in einer Sänfte nad) Santarem
-
Regierung bes Königs Diniz, 1279 — 1323. 879
= tragen, wo er im Gefühl des herannahenden Todes gegen
Ende des Decemberd die legten Anorbnungen traf.
⸗ Die Richtigkeit des Urtheils und die Klarheit des Ges
ſtes, Deren ſich der König in der Bluͤthe feiner Lebenskraft er⸗
= freut hatte, blieb ihm im ganzen Berlauf feiner Krankheit-
. Während berfelben befchäftigte ihn eben fo fehr das Wohl
: feined Reiches, ‚ald das Heil feiner Seele. Schon gegen Ende 25. Nov,
des Novemberd hatte Diniz, auf Antrieb des Biſchoſs von
Liſſabon, Gonealo, der in feiner Krankheit flets um ihn und
: fein Rathgeber in geiftlichen Dingen war, einen Landesbefehl‘
erlaffen, in dem er allen Beamten des Reichs gebot, über der
Beobachtung des Vergleichs, den er mit dem römifchen Hofe
und ben portugiefifchen Prälaten abgefchloffen hatte, zu was
chen, da die Bifchöfe darüber Elagten, daß jener Vergleich
nicht gehörig befolgt werde. Die. Eöniglihen Hausbeamten
ließ Diniz im Laufe des Novembers und Decemberd Rech⸗
nung ablegen, befeitigte alle Anftände und Streitanläffe, und
machte es fich zur angelegentlichflen Sorge, fein Hausweſen
wie ben Staatöhaushalt in einem wohlgeoroneten Zuftande
feinem Thronfolger zu hinterlaffen. Während er bemüht war
den Pflichten des Regenten Genüge zu thun, war er nicht
weniger beforgt, die Beduͤrfniſſe eines chriftlichen Sinnes zu
befriedigen. “Mit der Innigkeit eines frommen Gemuͤths, das
in den Wirren einer arbeitoollen und ereignißreichen Regierung
die Richtung nach einem höhern Leben nicht verloren hat, und
nun an der Pforte deffelben feiner Beftimmung fich näher ge:
ruͤckt fühlt, unterhielt ſich König Diniz in ben Abendflunden
feines Lebens mit Geiftlichen, die durch Sittlichfeit und Wif-
fenfchaft fi ihm empfahlen, über die wichtigflen Angelegen=
heiten feines Geifles. Die Zheilnahme, die er, der Vater
feines Volkes, im ganzen Reich erregte, hatte während feiner
langen Krankheit eine große Menge Geiftlihe und Weltliche
in Santarem verfammelt. Jeder, auch der Geringfie, wollte
nody einmal die theuren Züge des geliebten Königs fehen.
Man fchien erft jest, da fein Verluft fo nahe bevorftand, die
ganze Größe deffelben zu fühlen. Doc, was ein Jeder felbft
fühlte, vergaß er im Hinblid auf das, was die Ki
ihren kranken Gatten that und empfand. Naͤchſt ih
1
®.-
330 Erſter Zeitraum. II. Bud. 1. Abſchn.
ſie die allgemeinſte Theilnahme, und erwarb ſich durch ihre
Zaͤrtlichkeit, Umſicht, Geduld und fromme Standhaftigkeit
Aller Liebe und Verehrung. Ihr tiefer Schmerz hinderte fie
nicht, raſtlos thätig zu fein fin ihren Gemahl. Als ob aufs
fer ihr Niemand ihn zu pflegen vermöge, verrichtete Die Köniz
gin die geringften Dienfte einer gemeinen Krankenwaͤrterin.
Ihre Tiebevolle Sorgfalt feffelte fie Zag und Naht an bes
Königs Krankenlager, und nur fo lange feine Minifter in An:
gelegenheiten des Reiches mit ihm arbeiteten, entfernte fie fich
in dad Betzimmer der koͤniglichen Burg, um für ihn de
Himmels Hülfe und Gnabe zu erflehen. |
‚ Im ben erften Tagen ded Jahres 1325 ſchien endlich bie
legte Stunde des Königs gelommen. Als er feiner Auflöfung
fi) nahe glaubte, ließ er feinen Sohn Affonfo, feinen Enkel
Pedro, die Infantin Brites, feine Schwiegertochter, die uͤbri⸗
gen Kinder und mehrere Prälaten und Herren des Hofes um
fein Bett verfammeln und nahm von ihnen Abfchied. „Die
Beweife der Gnade, fprach er, Die ich von meinem Schöpfer
empfangen habe, find fo groß, die Leiftungen, durch bie ich
meine Erfenntlichkeit daflır auszudrücken bemüht war, find fo
gering, daß diefer Gedanke allein vermögend ift die Abſchieds⸗
flunde mir fchwer zu machen. Sonft habe ich- mein Hinfchet-
den weder zu beklagen noch zu fürchten; denn es fehlt mei-
nem Leben nicht an Gluͤck, da mic, Gott zum König des
portugiefifchen Volkes gefchaffen hat, und ich fehe bei meinem
Tode mein Ziel nicht etwa verfehlt, fo daß ich die Fortdauer
meines Lebens wünfchen, feinen WBerluft bedauern muͤſſte. So
ftehen meinem Hinfcheiden Feine Hinderniffe mehr im Wege,
und wenn ihm noch etwas entgegenftehen koͤnnte, fo wäre es
nur das, daß mir Feine Zeit vergönnt worden, um euch Al
len Beweiſe der Liebe, bie ich zu euch empfinde, zu geben.
Denn diefe Liebe ift fo groß, daß ich bei meinem Töniglichen
Mort fchwöre: der Vater eines Seden von euch kann nur
eine gleiche, Feine größere Liebe empfinden. Wenn ich fie aber
nicht Allen erwied, wie ich winfchte und follte, fo fuchet die
Schuld in den Unrühen, die meine legten Tage trübten und
mich den Faden der Erinnerung verlieren lieſſen. Diefe Erin:
nerung hinterlaſſe ich dir, mein Sohn! fuhr er fort (indem
Regierung bes Königs Diniz, 1279—1325. 381
er die Augen auf den Infanten richtete), damit du in meis
nem Namen die Pflichten erfülleft, die ich nicht erflillen konnte.
Bor Allem empfehle ich dir die größte Liebe zu deinem Wolke,
denn du wirft der König des beften und treueften Volkes, das
irgend ein Eatholifcher oder heibnifcher Fürft regiert. Übe da⸗
ber dein Fönigliches Amt mehr mit Liebe und Sanftmuth, denn
als unumſchraͤnkter Herrſcher. Alles wirft du mit geringer
Anftrengung verwalten, wenn du durch Männer von Uneigens
nügigfeit und gefundem Rath regierfi, geheime Anhänger da⸗
gegen, Zwifchenträger, die an den Böniglichen Einkünften na⸗
gen, und Unruhſtifter fern von dir haͤltſt. Übe Gerechtigkeit
und verlege fie in. feinem Yunct aus irgend einer trdifchen
Ruͤckſicht; denn Diefelbe Gerechtigkeit, Die Du bei deinen Va⸗
fallen übft, wirft du bei Gott finden. Dad Wort, dad bu
gibft, fei einem Eidſchwure . gleich, weder Zuneigung noch
Furcht verleite Dich ed zu brechen. Nimm dies als ein Erb⸗
theil von mir an, daß ich nie in einer Sache, die ich vers
fprochen, mein Wort zurüdgenommen habe; der König, der
feine Berfprechungen nicht hält, wuͤrde befjer Fein Reich ha⸗
ben, als daß er darin ald Lügner erfunden werde. Sei eher
geneigt zur Barmherzigkeit ald zur Strenge in ber Gerechtig⸗
feitöpflege; denn es ift mehr werth, wegen Menfchenfreundlich-
feit geliebt, a8 wegen Strenge in der Handhabung des Rechts »
gefürchtet zu werben. Doch weil du Died und Alles, was ex:
foderli iſt um ein Reich zu regieren, weifft, fo empfehle ich
dir allein die Ausfuͤhrung deſſelben. Euch aber, meine ge⸗
treuen Vaſallen, empfehle ich Gehorſam gegen den’ König,
den euch Gott gegeben hat, und dem Gott, wie ich vertraue,
ein koͤnigliches Gemüth ſchenken wird, damit ihr nicht in Un⸗
frieden mit ihm lebt und er durch Ungehorfam gekraͤnkt werde.
Die Angelegenheiten des Reiches hinterlaſſe ich in einem Zu⸗
ſtande, der mir wenig Urſache zur Unzufriedenheit mit mir
gibt, da ich Sorge getragen, daß er ber beſte fein möge, ſeit⸗
dem Portugal Könige befigt. Die Gefege, die ich zur Mes
gierung des Reichs gegeben habe, ermahne ich *
folgen, denn ein ſchlecht befolgtes Geſetz gleicht
ten, der keinen Einfluß hat. In der Über⸗
Alles beobachten werdet, wie ed euer
382 Erfise Zeitraum IL Bub 4. Abſchn
finnungen erwarten laffen, und im Gefühl meiner zumehmens
den Schwäche, die den Lebensfaden jeden Augenblid fallen zu
laſſen droht, breche ich hier ab und fchlieffe meine Rede da
mit, daß ich die Königin, meine Gattin, bie hier anmwefend
und deren Liebe zu euch bekannt genug ift, Allen empfehle.
Meine Liebe zu ihr, war fie zu einer Zeit nicht fo groß, möge
ed nun fein, da ich die Königin euch empfehle; denn ich hege
das Vertrauen, daß durch fie mein Name gefannt ‚ und das
Reich geehrt werde.‘ ')
Der König fprach diefe Worte mit fo viel Anmuth, daß
alle Anwefenden neue Hoffnung fchöpften, ihn wieder genefen
zu ſehen. Iener wuͤrdevolle Ernft, verſchmolzen mit jener ans
ziehenden Zraulichkeit, die ihn: immer ausgezeichnet und bes
gleitet ‚hatten, verliefen ihm auch auf dem Öterbelager nicht,
und ſchienen feine ungebrochene Lebenskraft zu bezeugen. Doch
nach wenigen Tagen erlofch-diefer Strahl der Hoffnung; Dis
niz Ende nahte fichtbar. Er verlangte die heiligen Sacra⸗
mente und empfing fie mit großer Rührung. Bid zum legten
Augenblick blieb ihm fein Elares Bewuſſtſein. Faſt mit dem
- ‘legten Athemzuge fprah er die Worte: „Sch fterbe, lieber
Sohn, und nur ein Gedanke beunruhigt mich bei der Erin
nerung an beine Mutter, der ich in meinen jüngern Jahren
einigen Verdruß verurfacht habe. Was du, mm dir zu ges’
nügen, des Vergangenen wegen mir erweifen möcteft, das
erweife nun ihr, reichlich in Liebe; meinen und ihren Segen
wirft du dafür haben." Darauf von dem Sohne fi wer
Jan. dend, fagte er der Königin das legte Lebewohl und verſchied,
35 ein Grucifir in der Hand, bald nachher.
1) Mcn. Lus. Parte VI. liv. 19, cap. 41.
Regierung Affonfo’s IV, 1326 — 1357. 383
Zweiter Abſchnitt.
Regierung Affonfo's IV.
Bon 1325 bis 1357...
I) Die Corte von Evora,. 1325. Streit und Aus-
föhnung zwifchen dem König und feinem natürlichen
Bruder. Die Ehen zwifchen den portugiefifchen und
caſtiliſchen Koͤnigsfamilien.
Affonſo IV. eröffnete feine Regierung mit der Einberus 7. Jan.
fung der Neichöflände nach Evora. Eine feierliche Huldigung 1325
ber Corte mochte dem König um fo weniger überflüffig ſchei⸗
nen, da die Zerwürfniffe im Löniglichen Haufe Parteiungen
im Reiche erzeugt hatten, der natürliche Bruder bed Königs,
Affonfo Sanches, wohl noch Anhänger zählte und die frühes
ren Gegner des jegigen Königd, wenn auch nur aus Furcht
vor ihm, Zweifel in Anfehung der Thronfolge in manchem
Gemuͤth gefliffentlich erregten. Bon Affonfo’3 Staatsklugheit
und früh gedufferter Eiferfucht auf fein ausfchlieffendes Recht
auf die Krone laͤſſt es ſich ſchon erwarten, Daß er von der
Ständeverfammlung, die er bald nach dem Tode feines Va⸗
ters berief, den Eid der Treue und die Huldigung gefobert
habe, wenn auch nicht gleichzeitige Urkunden ed ausdruͤcklich
fagten ).
Nachft der Huldigung betrafen die Verhandlungen und
Befchlüffe diefer Cortes die Leiftungen der Klöfter an ihre
Patrone, und die Vorrechte, welche die Grundherren für ihre
1) Eu fazendo Cortes en Kivorg .... pera me receberem por
Rey, e. por Senhor, e me fazerum ‚Menagem, e me conhogerem Sen-
horio, e devido natural, come ® Benhor ... e pera livrar
com des algumas outeas cor- ” servico, e prol dos
meus Reynos etc. fagt unbe, in Ribeiro
Dis. T.1. 94.
384 Erſter Zeitraum 1. Bud. 2. Abſchn.
Güter anfprachen, — Gegenftände, die, wie im vorigen Ab:
fehnitte berichtet worden, mehrere Regierungen hindurch die
höchfte Staatöbehörde befchäftigt hatten und immer wieder
Klagen und wiederholte Reformverfuche hervorriefen. Auſſer⸗
dem feffelten. die Verhältniffe der Mauren und Juden die Auf:
merkjamkfeit der NReichöverfammlung. Diefe Fremdlinge durften
nur in ben ihnen angewiefenen und genau begrenzten Stadt
vierteln wohnen, innerhalb dieſer allein ihre religiöfen Übun-
gen und Gebräuche vornehmen, und nur am Tage und in eb
ner fie unterfcheidenden Tracht ihren Wohnbezirk verlaffen.
Ihr Umgang mit den Chriflen war überdies vielfach befchränkt.
Indeſſen hatte der Verkehr mit diefen im Laufe der Zeit bie
Scheidewand zwifchen beiden zum Theil niebergeworfen und bie
Abneigung der Chriften gegen die Ungläubigen vermindert. Mau:
ren und Juden hatten die Abzeichen ihrer Kleidung in Stoff
und Form allmälig verändert; die Unterfcheidungsmerkmale
verfchwanden nach und nah. Man fürchtete fittliche und bir
gerliche Nachtheile für die chriftliche und bürgerliche Gefellfchaft,
und fchärfte darum in den Cortes von Evora von neuem und
nachdruͤcklich ein, daß fein Maure oder Jude ſich oͤffentlich
zeigen duͤrfe, ohne ein gewiſſes Abzeichen, das ſeinen Ur⸗
ſprung und verſchiedenen Glauben ankuͤnde, zu tragen"):
Wichtiger als dieſe Angelegenheit mochte endlich fuͤr den Koͤ⸗
nig eine andere ſein, die er hier zur Sprache brachte. Es
war der Antrag: die Guͤter ſeines natuͤrlichen Bruders, als
eines Friedensſtoͤrers und des eigentlichen Urhebers alles bis⸗
herigen Ungluͤcks, einzuziehen und ihn ſelbſt fuͤr immer aus
dem Lande zu verweiſen. Erhoben die Stände dieſen Antrog
zum Befchluß, fo hätte der König das Gehäffige deffelben
wenigftend zum Theil von fich gemwälzt, den gewaltthätigen
Schritt in der Öffentlichen Meinung gemildert und deffen Aus:
führung gefichert. Die Stände follen, voll Verwunderung und
Unwillen über: diefe Anmuthung, die Antwort fchuldig geblies
ben fein. Man übergab, wie es fcheint, die Sache der Ver:
geffenheit, aus welcher wir fie nicht zu ziehen vermögen, um
1) Mon. Lus. T. VI. liv. 6, cap. 2.
Regierung Affonfo’s IV., 1325—1357. 385
mit genligender Kenntniß den Grad der Schuld eined jeden
Betheiligten gewiſſenhaft abzuwägen.
Nur das ift gewiß, daß Affonfo IV. das. Mistrauen und
den Haß, den er als Erbprinz gegen feinen Bruder gehegt
hatte, felbft auf dem Zhron und im unbeftrittenen Beſitze def:
felben nicht ablegte, und daß er nach jener Ständeverfamm:
lung feindſelig gegen Affonſo Sanches auftrat. Vergebens
ſchrieb dieſer einen Brief voll Unterwuͤrfigkeit an den Koͤnig,
betheuerte darin ſeine Unſchuld und verſprach, mit derſelben
Treue, womit er ſeinem Vater gedient habe, auch ihm zu
dienen. Der König verharrte bei feinen Geſinnungen. Nun
fiel Affonfo Sanches, unterflüßt von dem caftilianifchen In⸗
fanten Philipp, mit feinen "Streiterhaufen in Portugal ein
und richtete große Verheerungen an. Der Großmeifter von
Avis, der an ber Spike einer anfehnlichen Kriegsfchaar ihm
entgegenzog, warb geſchlagen. Des Infanten Glüd im
Relde, vielleicht noch mehr die Vermittelung ber Königin Iſa⸗
bel, die auch unter dieſer Regierung zur Eintrachtsſtifterin in der
Töniglichen Familie berufen zu fein fehien, führte endlich bie
Verföhnung beider Brüder herbei. Affonfo Sanches erhielt
wieder feine Beſitzungen Mebelin und Albuquerque. Er farb
wahrfcheinlich im 3. 1329 ').
Mehr noch ald die Unterflüsung, welche Affonfo Sarıches
in Caftilien gefunden hatte, brachten die Verwidlungen, die
in diefem Reiche flattfanden, den König von Portugal in
vielfältige Beruͤhrung mit Caftilien. Hier hatte Alfonfo XT.,
um in ven Parteiungen, die bei feinem Regierungsantritt bie:
ſes Reich verwirrten, den mächtigen und unruhigen Herzog
Juan Manuel von Villena auf feine Seite zu ziehen, um bie
Hand feiner Tochter Conftanza ſich beworben. Der Herzog,
vol Freude und Stolz, feine Tochter zur Königin erhoben zu
fehen, und vol Hoffnung Einfluß auf die Regierung zu ge
winnen, hatte fogleich feine Einwilligung gegeben. Das Ber:
loͤbniß war zu Valladolid im November 1325 gefeiert, die
Che aber wegen Conſtanzens Jugend noch ni“ I. wor:
. den. Juan Manuel ergriff fogleich des K Bald
1) Sousa, Histor, geneal, T
Schäfer Geſchichte Portugals 1
386 Erſter Zeitraum. IL Bud. 2. Abfchn.
aber entflanden Mishelligkeiten zwifchen Beiden. Der Herzog
verließ die ihm amvertraute Stelle eines Grenzbefehlähabers
(Adelantamiento de la Frontera) und zog fih nach Chinchilla
in Murcia zurüd‘, ohne den König davon zu benachrichtigen
und feinem Befehle, gegen die Mauren ind Feld zu ziehen,
Folge zu leiften. Gonftanza entfernte. fih vom Föniglichen
Hofe. Diefe Mishelligkeiten. benugte der König von Portus
gal, um einen Lieblingsplan feiner Gemahlin. Beatrir, bie
Bermählung ihrer Tochter Maria mit Alfonfo XI, audzufüh
ren. Die Vortheile diefer Verbindung leuchteten bem König
von Caſtilien ein; fein Verdruß über Juan Manuel und bie
Furcht vor dem unruhigen Unternehmungdgeifte dieſes maͤchti⸗
gen Großen machten ihn noch geneigter auf den Antrag eins
zugehen. Der Antrag wurde von einem andern nicht minder
annehmbaren begleitet und unterftügt, indem ber König von
Portugal zugleich eine Vermaͤhlung feines Erbprinzen mit
Blanca, der Tochter des Infanten Peter von Caflilien, vor
flug. Durch diefe Verbindung famen die väterlichen Erb⸗
länder der Blanca, welche einem Andern eine gefährliche
Macht verliehen hätten, wieder an den König von Gaflilien,
da der portugiefifche König ſich anheifhig machte, der Infans
tin ähnliche Beſitzungen in Portugal einzurdumen. Bei die
fen Ausfichten zauderte Alfonfo XL nicht mit Maria von
Portugal fich zu verloben. Der Ehevertrag wurbe 1328 ab
gefchloffen '), Ort und Zeit zum Empfang ber Gemahlin fefl:
geſetzt; doch verzögerte Diefen den Ausbruch der Feindſeligkei⸗
ten, welche Iuan Manuel bei der Nachricht von des Königs
neuer Verlobung anfing. Conſtanza war während ber Unters
handlungen von Alfonfo XL nah Xoro gefchidt worben
(Octbr. 1327), wo fie auf Befehl des Königs von dem Alcai⸗
den in Gewahrfam gehalten wurde, bis die Vermählung mit
der Infantin von Portugal vollzogen war (im Sept. 1328),
worauf Conflanza im November defjelben Jahres ihrem Va⸗
ter zurücigegeben wurde”). Bald nachher vermählte fich
1) Er fteht in Sousa Provas-TT. I. p. 288.
2) Florez, Memorias de las Reynas catholicaee, Secunda Ed.
T. 2. p. 008.
Regierung Affonfo’s IV., 1325—1357. 387
uch der Kronerbe von Portugal mit Blanca, der Tochter des
nfanten Peter von Gaftilien, die ihrem Gemahl fogleich nach
)ortugal folgte ’).
Meder die eine noch die andere dieſer von ber Politik
efchloffenen Verbindungen war glüdlich. Afonfo’s XI. Ehe
lieb lange Zeit kinderlos; feine Deffiung einen Kronerben
ı erhalten verfchgand allmaͤlig. Um ſo mehr mochte er in
inen Augen Entſchuldigung finden, als er, von unerlaubter
jebe zu D. Leonore aus dem edlen Gefchlechte der Guzman
itbrannt, mit ihr einen Sohn erzeugte (1330), der freilich,
ech feine Geburt von der: Thronfolge auögefchloffen, jene
yoffnung doch nicht erflillte und nur ein öffentlicher Beweis
r Untreue des Königs gegen die Königin, ein Vorwurf für
nen und eine Kraͤnkung für diefe war. Zur Freude des Koͤ⸗
igs und bed Reiches gebar die Königin endlich einen Sohn.
Nein Alfonfo brach darum den Umgang mit Leonore nicht
J.. Vielmehr gewann fie durch die Schönheit ihrer Geſichts⸗
dung, die Neize ihres Geiftes, Die liebenswürdige Anmuth,
it welcher fie bemüht war in Allem dem König zu Gefallen
ı Ieben, immer mehr Gewalt über ihn, fo daß fie nicht
lein feine Geliebte, fondern felbft feine Rathgeberin in den
eiften Dingen war?). Den Sram, den darüber die Koͤni⸗
n empfand, vermochte wohl ihr Vater in Portugal ihr nach⸗
fühlen.
Auch bier war Die zwiſchen dem Kronerben und der ca⸗
lianiſchen Infantin geſchloſſene Ehe nicht gluͤcklich. Blan⸗
’8 koͤrperliche Leiden vernichteten alle Hoffnung auf einen
hronfolgr. Man dachte fchon darauf die Verbindung aufs
löfen. Auf Anfliften des Kanzlerd der Königin Maria,
ernando’3 Rodriguez de Valboa, eines vertrauten Freundes
van Manuel’8, wurde der Plan entworfen, den Erbprinzen
it Conftanza, der reihen Erbtochter des Herzogs, zu ver
ählen. Der Plan wurde mit allen Gruͤnden, die ihn em⸗
eblen Eonnten, den verfammelten Gortes in Santarem (1334)
1) Mon. Lus, T. VI H-
2) Florez.l, ı
1335
388 Erfter Zeitraum. 1. Bud. 2. Abſchn.
vorgelegt und von ihnen genehmigt"). Je mehr der Stol
des Herzogs durch die früher eröffnete und wieder verſchwun⸗
dene Ausficht, feine Tochter auf einem Königäthrone zu fehen,
erregt worden war, um fo mehr fühlte"er fich gefchmeichelt,
als Gonftanzend Hand von dem portugiefifchen Kronerben ge
fucht wurde. Dreihunderttaufend Dobras in Golb, welce
er feiner Tochter zur Mitgabe verfprach, ſchienen durch ihren
Klang feine Freude und feinen Stolz ubrüdenz; es war
eine Summe, welche zu jener Zeit felbft nur wenige Könige
töchter dem Gemahl mitzubringen im Stande waren. Die
übrigen Bedingungen der Ehe waren fo, wie fie Eluge Vor
ficht und die Erfahrungen, welche Iuan Manuel mit feine
Tochter, der Erbprinz mit Blanca gemacht hatte, an die Hand
gaben. Der Herzog verfpricht Freundfchaft und Buͤndniß mit
der Krone von Portugal, und verpflichtet fih, ihr mit fena
Perfon und feinen Ländern beizuftehen, wann und wie «8 e-
foderlich fei, nur nicht gegen bie Kirche ober gegen feinen ne
tuͤrlichen König, dem er nach Necht und Vernunft zu dienen
fich fehnldig erachte. Dagegen fol ihm der König von Por
tugal Hülfe Leiften, fo oft er fie fucht umd bebarf. Conſtanza
berrfcht in den Ländern, die ihr zum Unterhalt ihres Haufe
gegeben werden, frei und unbefchränft, wie die Königin Brl
ted und andere Königinnen von Portugal in ben ihrigen ge
berrfcht ‚haben. Dem Vater der Infantin ift erlaubt Die ver
heirathete Tochter fo oft er will zu fehen, und zu, dem Imede |
fo lang ed ihm beliebt in Portugal zu verweilen. Wem
Conftanza das Alter der weiblichen Reife erreicht Haben wir
(und nicht unfruchtbar ift), fo darf der Prinz feinem andern
Weibe beimohnen?), Iſt das zweite Kind ber Che (man
hoffe zu Gott, das erfte werde ein Prinz fein) ein Sohn,
und verlange Diefen ber Herzog zum Nachfolger in feinen
Ländern, fo fol er ihm ohne Widerrede gegeben werden
Solgt Fein zweiter Sohn, fo wird dem Infanten Peter, Con⸗
1) Mon. Lus. T. VII. liv. 7. cap. 6 u. 7. Memor. da Litter.
Port. T. II. p. 68.
2) Die Schmach dieſes Artikels trägt der König: von Safliiie ;
Alfonfo XL. u
f
1) !
|
Regierung Affonfo’s IV., 1325 — 1357. 389
ftanzens Gemahl, ober ihrem Exrfigebornen die Exbfolge in ie
nen Ländern zu Theil; biefe duͤrfen auf Beinerlei Weife mit
der Krone von Gaflilien vereinigt werben ')
Muffte ſchon die Verfloßung der Blanca den König von
Gaftilien beleidigen, fo verurfachte Die Vermaͤhlung des portu:
giefifchen Kronprinzen mit der Tochter Juan Manueld, deſſen
Berbindung mit Portugal ihn unter den beftehenden Umſtaͤn⸗
den fo gefährlich machte, dem König Alfonfo XI. einen noch
empfinblicheren Verdruß. Das unſelige Verhältnig, in wel
chem er felbft mit feiner Gemahlin lebte, war nicht geeignet,
ihn, aus Ruͤckſicht auf die Königin, zur Schonung ihrer Ver:
“wandten zu bewegen. Alfonfo XI zeigte auch fogleich feine
Empfindlichkeit, indem er Conftanza, bie Verlobte des portu-
giefifchen Kronerben, in Caftilien zurüchielt. Darauf griff der
König von Portugal zu ben Waffen. Es Fam zu mehreren
Gefechten zwifchen der portugiefifchen und caftilianifchen Flotte,
in welchen die legtere, als die flärfere, die Oberhand behielt.
Endlich vermittelten der Papft und der König von Aragonien
einen Vergleich zwifchen beiden Kronen.
Man verſprach von beiden Selten, alle gegenfeitig zuge:
fügten Beleidigungen und veruͤbten Feindfeligkeiten einander zu
verzeihen und zu vergeffen, und diejenigen Städte und Fe
ftungen, welche die eine Partei der andern weggenommen
10. Jul.
1339
habe, fogleich wieder herauszugeben. Die Infantin Conſtanza
fol, um fich mit dem Infanten Peter zu vermählen, nad
Portugal geführt werden, wann und wie fie will. Die Ins
fantin Blanca dagegen wird als unfrudhtbar entlaffen und
kehrt nach Gaftilien zuruͤck; fie behält jedoch ihren ganzen
Brautfchag und Alles was fie fpäter erhalten hat. Der König
von Caſtilien verpflichtet fich, die D. Leonor Nufiez von Stund
an zu entfernen, und feine Gemahlin mit der ihr fchuldigen
Liebe und Achtung zu behandeln. Beide Könige verfprechen
fi) erfoderlichen Falls gegenfeitigen Beiſtand und geftatten
dem König von Aragonien, wenn er will. ben Beitritt zu
diefem Friedensvertrag. Ohne des Anbei Himemung darf
1) Mon. Lus. T. VII. lir
390 Erfier Zeitraum. II. Bud, 2, Abſchn.
feiner der beiden Könige Frieden oder Waffenflilftand mit den
Mauren von Granada oder Afrika fchlieffen ').
2) Affonſo 8 Antheil an bem Sieg am Salado über
die Saracenen.
Große Rüftungen des Königs von Marocco zu einem Einfall in
das chriſtliche Spanien. Die verföhnten Könige von "Por
tugal und Gaftilien verbünden fich zur gemeinfchaftlichen Abs
wehr der Gefahr. Belagerung von Tariffa. Ein Sturm
zerſtoͤrt die caftilianifche Flotte. Die chriftlichen Könige ruͤcken
mit ihren Heeren gegen die vereinigte Macht der Könige von
Marocco und Granada. Schlacht und Sieg der Chriften
am Salado. Ungeheurer Berluft der Saracenen. Affonſo
von Portugal verfhmäht an der reihen Beute Theil zu
nehmen.
Der lebte Artikel des Friedenöfchluffes zwifchen ben Ks
nigen von Caſtilien und Portugal wurde bald der wichtigere
für beide Fürften, oder war es vielmehr fihon. Ohne die
Furcht vor den Mauren würbe der König von Caſtilien nicht
ſo bereitwillig die Hand zum Frieden geboten haben; in dem
Grad aber Alfonſo jenen Feind zu fuͤrchten hatte, war ihm
der Beiſtand ſeines Schwiegervaters wuͤnſchenswerth. Der
furchtbare Sturm, der von Suͤden her uͤber das chriſtliche
Spanien hereinzubrechen drohte, gebot die häuslichen Zwiſtig⸗
Beiten einzuftellen, und ermahnte die einander grolenden Ver⸗
wandten zur Einigkeit und zum freundfchaftlichen Beiftande.
Die aufferordentlichen Kriegsrüftungen, welche der König von
Marocco, Abul Haffan, machte, erfüllten den König von Ca
flilien mit gerechten Beforgniffen. Durch die Tollkuͤhnheit feis
ned Admirald, Zenorio, der mit wenigen caftilianifchen Fahr⸗
zeugen Die flarfe maurifche Flotte angegriffen und in einem
unglüdlichen Gefechte feinen und feiner Schiffe Untergang ge
funden hatte, war die caftilianifche Seemacht, die ohnedies
1) Mon. Lus. Tom, VII. liv. 3. cap. 18. Cronica del Rey D.
Alonsv XI. cap. 216,
Regierung Affonfo’d IV., 1325 —1357. 391
damals unbedeutend war, beinahe gaͤnzlich zu Grunde gerichtet
worden. In dieſer Bedraͤngniß hatte der König’ feine Ge⸗
mahlin erfucht, daß fie ihren Water bewegen möchte Die pors
tugieftfche Zlotte, die fih in gutem Stande befand, ihm fo
lange zu überlaffen, bis die feinige wiederhergeftellt fe. Ma-
ria, damals in Sevilla, hatte fogleich ihren Kanzler mit eis -
nem fehr beweglichen Schreiben an ihren Water geſchickt, ihm
die Gefahren, welche Spanien bedrohten, gefchildert und ihn
dringend gebeten, mit feiner Seemacht ihrem Gemahle fo lange
beizuftehen, bis die caflilianifche Flotte wieder gehörig ausge⸗
rüftet wäre ‘). Der König von Portugal’ verſprach feinen Bei⸗
fland zur See, und die Flotte erfchien zur Freude bed caftis
Kanifchen Königs kurz darauf, unter ber Anführung Pezagno’s,
vor Sevilla; doc weigerte fih der Befehlshaber der Weis
fung Alfonfo’8 XI, mit der Flotte die Meerenge zu deden,
Folge zu leiſten. Er fuͤrchte, erklaͤrte er, die allzugroße
Uberlegenheit der mauriſchen Seemacht, und koͤnne nur vor
Cadiz eine vortheilhafte Stellung nehmen. Wahrſcheinlich
folgte Pezagno geheimen Verhaltungsbefehlen ſeines Koͤnigs.
Unterdeſſen hatten die Galeeren Abul Haſſan's, waͤhrend
die Meerenge von chriſtlichen Schiffen entbloͤßt war, binnen
fuͤnf Monaten mehr als ſechzigtauſend Mann mit Waffen und
Lebensmitteln uͤbergeſetzt. Die meiſten Mauren hatten auch
ihre Weiber und Kinder mit fich geführt, weil man nicht
zweifelte, daß der König von Marocco die ganze Halbinfel
feiner Gewalt unterwerfen werbe. ine unermefllihe Mens
fchenmenge ergoß fich über die Kuͤſte Spaniens, die noch un:
ter maurifcher Herrfchaft fland. Mit der fleigenden Gefahr
war fr Caſtilien die Nothwendigkeit des Friedens mit Portus
gal und das Einverftänoniß beider Kronen dringender gewor⸗
den. Da ſchickte der König Alfonfo XL einen Gefandten an
feinen Schwiegervater, ließ ihm danken flie die ihm geleiftete
Huͤlfe, bat ihn für ‚ihre gemeinfame Sicherheit fernerhin
wirkfam zu fein, und machte. ihm den Vorſchlag, feiner Seits
geeignete Männer zu ernennen, Durch welche ber :
schen den koͤniglichen Häufern von Portugal u
1) Florez, Mem. de las Beynas, T.
23. Sept.
1340
[4
392 Erfter Zeitraum. I Bud. 2. Abſchn.
auögeglichen und die lang erfehnte Einigkeit herbeigeführt
werden möge. Affonfo IV. nahm ben Vorſchlag mit Freude
auf. So kam der oben erwähnte Friede zu Stande. Con:
ftanza, von ihrem Water bis an die portugiefifche Grenze be
gleitet, wurde hier von den vornehmften Herren empfangen
und nach Liffabon geführt, wo ihre Vermählung mit bem
Infanten Peter mit großer Pracht gefeiert wurde. Die ge
fehiedene Blanca kehrte nach Caſtilien zuruͤck und legte im
Klofter lad Huelgas in Burgos den Schleier an.
Sobald Abul Haflan von dem zwifchen Caſtilien und
Portugal gefchloffenen Frieden und Buͤndniſſe Kunde erhielt,
foderte er den König von Granada auf, feine Kriegsvoͤlker be
reit zu halten, damit fie jeden Augenblid zu den feinigen flo
Gen Fünnten. Died geſchah. Auch der König von Portugal
z0g feine Streiterhaufen zufammen und feste ben König von
Saitilien davon in Kenntniß. Bald erfuhr man, daß Abul
Haflan die Abficht habe, die Stadt Zariffa, deren Beſatzung
Alfonfo von Caſtilien einige Zeit vorher hatte verſtaͤrken laſſen,
zu belagen. Es wurde fchnell noch ein caftilianifcher Heer⸗
haufen in den Pla geworfen. Zehn Tage fpäter erfchienen
bie Könige von Marocco und Granada vor Tariffa, und fchid:
ten ſich an den Platz zu erflürmen. Die Beſatzung benach⸗
richtigte den König davon und that häufige Ausfälle. Unter
defien hatte Alfonfo XI eine Fleine Flotte (15 Galeeren, 12
Schiffe und 4 Fahrzeuge) audgerüftet und ſchickte fie in bie
Meerenge; die portugiefifche, die in Cadiz lag, erhielt
Befehl, fich mit jener zu vereinigen; aber fie folgte nicht, aus
unbekannten Gründen. Ald die caftilianifche Flotte auf ber
Höhe von Tariffa erfchien, überlieffen fich die Belagerten ber
größten Freude; Abul Haffan dagegen fürchtete mit Recht,
wenn zu der caftilianifchen Flotte noch die portugiefifche ſtoße,
feine Verbindung mit Afrika abgefchnitten zu fehen. Und in
der That wagten ſchon jegt die Eleinen Fahrzeuge, welche ihm
Lebensmittel zuführen folten, nicht mehr ſich zu nähern, aus
Furcht weggefangen oder in Grund gebohrt zu werben. Die
Theurung, welche dadurch im Lager der Saracenen entftand,
bewog Abul Haffan Untethandlungen mit dem Feinde anzu=
fnüpfen, um Zariffa durch Vergleich in feine Gewalt zu be;
Regierung Affonfo’s IV, 1325—1357. 393
kommen 9. Da erhob fich plößlich ein heftiger Sturm und
fehleuderte die meiften caftiltanifchen Schiffe nach der Küfte zu.
Nur der Admiral von Caftilien, der Prior von ©. Juan,
rettete fich mit drei Galeeren; die übrigen wurden nach Gars
thagena und an die Küfte von Walencia verfchlagen ?). Diele
Shriften kamen im Meere um; bie fich retteten fielen in bie
Gewalt der Saracenen.
Nach diefem Ungluͤck, das die caftiltanifche Flotte betrofs
fen hatte, hielt der König Krieggrath. Man beſchloß Tariffa
zu entſetzen, es moͤge auch die ſchwerſten Opfer koſten. Die
Koͤnige von Portugal und Aragonien wurden zu dem gefahr⸗
vollen Unternehmen eingeladen. Jenen ließ Alfonſo XI. durch
ſeine Gemahlin bitten, ungeſaͤumt mit ſeinem Heere aufzubre⸗
chen und, uͤber Badajoz ſeinen Zug nehmend, mit ihm ſich
zu vereinigen. Die Belagerten in Tariffa ermuthigte man
durch die Ausficht auf baldige Huͤlfe zur Ausdauer, und gab
ihnen die nöthigen Vorſichtsregeln. Unerwartet fchnell ftand
Affonfo von Portugal mit feinem Heer vor Sevilla, wo er
von dem caflilianifchen König und einem glänzenden Gefolge
mit allen Zeichen der Hochachtung empfangen wurde. Nach
kurzer Raſt brachen beide Könige an der Spitze eines ſtarken
Heeres von ‚Sevilla auf, und rüdten in Fleinen Zagemärfchen
vor, um bie Vereinigung der einzelnen Streiterhaufen mit der
Hauptmaffe zu erleichtern. Unterdeſſen Fer such die Nachricht
ein, daß zwölf aragonefifche Galeeren, von Pedro Moncaba
geführt, angelangt wären; fie erhielten die Weifung, auf ber
Höhe von Zariffa ſich aufzuftellen. " Endlich wurden die chrift:
lichen Könige das feindliche Heer anſichtig. Der König von
Granada hatte fein Lager neben dem des Königs von Marocco
aufgefchlagen. Nachdem man über den Zufland des mauri-
Ichen Heeres und Lager wie über Die Lage ber hriftlichen
Befasung in Tariffa forgfältig Kunde eingezogen hatte, ward
im Kriegsrathe befchloffen, daß der König von Caſtilien den
Abul Haffan, Affonfo von Portugal den König von Granada
angreifen ſolle. Die Befagung von Tariffa warb verftärkt,
hung — _
1) Cronica del R- TE. cap. 245,
2) Ib. cap. 248. - Mali:
394 Erſter Zeitraum. IL. Bud. 2. Abſchn..
damit. fie deſto Eräftiger dem Feind in den Rüden fallen koͤnne.
Enplih nahm bei Anbruch des Tages der König von Caſtilien
das heilige Sacrament, alle Chriften aus Gaflilien und Por⸗
tugal folgten feinem Beifpiele; darauf ruͤckte man. in Schlacht⸗
ordnung dem Feinde entgegen.
Nah am Fluſſe Salado flieffen die Chriften auf einem
mauriſchen Heerhaufen, ber fich bier aufgeftellt hatte, um ik
nen den Übergang zu verwehren. Ein Angriff der Gaftilianer
auf diefe Saracenenfchaar wurde das Vorſpiel der berühmten
Schlacht, die von jenem Fluſſe den Namen erhalten Hat. Sie
. bemächtigten fich, nachdem fie den Übergang erzwungen, einer
Anhöhe jenfeitd des Fluſſes umd griffen, durch einen Ausfall
ber Belagerten unterflügt und mit biefen vereinigt, das Lager
des maurifchen Königs an. Dreitaufend Reiter und achttau⸗
fend Mann maurifches Fußvolk wurden niedergehauen, che ſich
bie Chriſten des Lagerd bemeifterten. Sobald Afonfo von
Gaftilien ſah, daß dad Treffen begonnen hatte, ging er mit
der Hauptfchaar über den Flug und kam, während eine Abs
theilung voreilte, um eine Anhöhe voraus zu befegen, in per:
fönlihe Gefahr, worin er ausgezeichneten Muth und Zapfers
feit bewies. Man eilte dem König zu Hülfe und nun erſt
warb der Kampf allgemein und blutig. Der Eaftilianer Freude
darüber, daß fie ihren tapfern König gerettet haften, belebte
ihre Kampfluft; den Saracenen fing der Muth an zu finten,
und als fie erfuhren, daß die Befagung von Tariffa einen
glücklichen Ausfall gethan habe und daß das maurifche Lager
verloren fei, ergriffen fie ie die Flucht. Unter den Fliehenden
ward von den Chriften ein großes Blutbad angerichtet.
Der König von Portugal war an einer andern Stelle,
aber ungehindert über den Salado gegangen, und hatte mit
feinen Portugiefen und den Gaflilianern, welche ihm von ſei⸗
nem Schwiegerfohn anvertraut worden, ungeſaͤumt den Kb
nig von Granada angegriffen. Der erfle Widerfland war
hartnädig; doch gelang es endlich Affonfo IV. die Reihen ber.
Feinde zu trennen und fie fammt ihrem König in die Flucht
zu ſchlagen. Im Fliehen vereinigten fie fich mit den Trupf
pen des Königs von Marocco, welche vor Alfonfo von Ca⸗
flilien flohen. Wen man von ihnen erreichte, warb niederge⸗
Regierung Affonfo’s IV, 1325 —1357. 395
bauen. : Der König von Granada e ee, obgleich lebhaft ver:
folgt, in der Nacht nad) Marbellaz ul Haſſan rettete ſich
uͤber Algezira nach Ceuta.
Von 400,000 Mann zu Fuß und 60,000 zu Pferd, 80. Oct!
woraus das Heer der Ungldubigen beftand, kamen 200,000 1320
Mann in der. Schlacht von Salado um. Die chriftlichen Koͤ⸗
nige zählten nur 40,000 Mann Fußvolk und 18,000 Reiter, und
follen nur zwanzig Mann verloren haben. Die Spanier fahen
biefen Sieg ald ein Wunder an, mit Recht, wenn man ihren
Glauben an diefe geringe Einbuße theilt. Der Verluſt der
Saracenen war fehwer zu berechnen, jedenfalls aber fehr groß.
Sobald der König von Marocco in fein Reich zuruͤckgekehrt war,
erzählt ein Genuefe, welchen Abul Haſſan über das Meer fchickte,
um über feine gefangenen und getödteten Frauen und Söhne,
wie über verfchiedene Große feined Reichs Erkundigungen einzu⸗
ziehen, ließ er die Zählungäliften (Alcamices), in welchen bie
Namen Aller, die über dad Meer gegangen, aufgezeichnet was
ven, herbeiholen und fand, Daß von ihnen 400,000 Menfchen
fehlten. Aufferdem fagten mehrere Mauren dem König, ihre
Glaubensgenoffen, die gegen die Chriften ins Zeld gezogen,
wären fünf Monate lang täglich auf ſechzig Galeeren überges
fahren, die Übriggebliebenen aber in zwoͤlf Galeeren in funfs
zehn Tagen zuruͤckgekehrt 9.
Unermefftiche Reichthliimer wurden im Lager ber. Saraces
nen gefunden. Sie zu fehägen war nicht möglich, da der Sol
dat die gemachte Beute meift unterfchlug, und viele nach Ara⸗
gonien und Navarra fich begaben, um das Entwendete nicht
abliefern zu müffen. Die Schäge, die in das Ausland gingen,
waren fo groß, daß in Paris, Valencia, Barcelona, Pam⸗
pelona und andern Orten, wo fie in Umlauf kamen, das
Gold und Silber um den fechften Theil des gewöhnlichen Wer-
thes herabfant ). Was an Geld und Koftbarkeiten von ber
Beute an den König von Gaftilien geliefert wurde, befahl er
in einen Saal ber Eöniglichen Burg zu bringen und Die ge
fangenen Saracenen vor dad Thor derfelben zu führen. Dann
1) Cronica del RäyAlenso XI. cap. 254.
DI. ap, i
396 Erfter Zeitraum. I. Bud. 2. Abſchn.
Iud er den König von Portugal dahin ein und bat ihn, von
der reichen Beute fich auszuwählen, was und foviel ihm gefiel.
Affonfo ſchlug jedes Geſchenk aus und begnügte fi) mit dem
Ruhm, den ihm fein Antheil an dem glorreichen Sieg erwor⸗
ben hatte. Nur auf dringendes, anhaltendes Bitten feines
. Schwiegerfohned nahm er von den Gefangenen ben Neffen
Abul Hafſans, Aboan, und einige andere vornehme Mauren,
von Koftbarkeiten einige Säbel mit Evelfteinen befegt, und eis
nige andere Kleinodien an, zum Andenten an ben großen Sieg
der Chriften über die Ungläubigen. Dagegen war er nicht- zu
bewegen, von der großen Menge bed Geldes, bad erbeutet
worden, das Geringfte anzunehmen.
Sp wenige zeitliche Vortheile ber Sieg von Salabo den
König von Portugal brachte, fo wenige brachte er feinem
Bolfe. Aber er gewährte beiden höhere Güter: dem König
einen filberreinen Ruhmglanz und jene Selbftbelohnung, welche
die uneigennüßige Hingebung an eine große Sache in fich
trägt; dem portugiefifchen Wolfe das flolze Hochgefühl, an dem
großen Zage, den die Chriftenheit feierte, ruhmvollen Antheil
zu haben. Darum darf auch diefe Kriegsthat, eine Föftliche
Perle in Affonſo's Krone und ein herrlicher Denkſtein in ben
Erinnerungen der Nation, in den Iahrbüchern Portugals nicht
unerwähnt bleiben. Und galt jener Kampf nur etwa dem
Ruhm der Portugiefen? Galt er nicht auch der Sicher:
heit, dem Fortbeſtehen des Staates? Wenn Abul Haſſan
über die Gaftilianer geftegt hätte, würde er dann die Portus
giefen gefchont haben? Und hätten dieſe allein wiberftehen
koͤnnen?
Die Verdienſte, die der Koͤnig von Portugal um ſeinen
Schwiegerſohn ſich erworben hatte, indem er ihm, der Kraͤn⸗
kungen ungeachtet, die er ſeiner Tochter zugefuͤgt hatte, ſo be⸗
reitwillig und uneigennuͤtzig den kraͤftigſten Beiſtand leiſtete,
ehrte Alfonſo von Caſtilien. Er begleitete ſeinen Schwieger⸗
vater, nach dem Siege von Salado, bis nach Cazalla de la
Sierra, wo er unter Ausdruͤcken der Verehrung und Erkennt⸗
lichkeit Abſchied von ihm nahm. Seitdem lebten Beide in voll⸗
kommener Eintracht. Der König von Caſtilien ſoll den Um⸗
gang mit Leonore von Guzman abgebrochen und feine Ge:
Regierung Affonfo’s IV., 1325 — 1357. 397 |
mahlin fortan mit Achtung und Liebe behandelt haben. Die
Gefahr, worin fein Thron und fein Reich gefchwebt hatte, und
der Edelmuth, womit ihn Affonfo von Portugal aus derfelben
hatte retten helfen, mufiten einen zu tiefen Eindrud auf ihn
machen, ald daß fie in feinem Gedaͤchtniß fpurlos blieben.
Der König von Portugal aber fah mit der Ruͤckkehr des ehe
lichen Friedens am Hofe feines Schwiegtrfohnes, auch an ſei⸗
nem Hofe das Familiengluͤch das er lange entbehrt hatte, zu⸗
ruͤckkehren.
Doch nur auf kurze Zeit. Ein duͤſteres, verhängnißvolles
Geſchick waltete über feinem Haufe. Affonfo IV. konnte den
Frieden ba nicht erwarten und feffeln, wo er felbft zuerft der
Stimme der Natur den Krieg erklärt hatte. Um zu fühnen
und an fich felbft zu rächen, was er gegen feinen Water Diniz
verfchuldet. hatte, muffte Affonfo — fo fehlen es eine höhere
Hand zu fügen — den eigenen Sohn durch) eine erfchlitternde
That gleichjam herausfodern.
3. Ermordung ber Ignez de Gaftro.
Affonfo’s IV. Tod. Blick auf ihn als Menfhen und Regent.
Mit der Infantin Conſtanza, der Gemahlin des Infanten
Peter, war D. Ignez de Gaftro, eine Tochter des Pedro Fer⸗
nandez de Gaftro, ald Verwandte und Hoffräulein nad) Por:
tugal gefommen. Ihre ausgezeichnete Schönheit und Anmuth
bezauberte und fefjelte das Herz des Infanten, der mit dem
feinem Charakter eigenen Feuer fich einer Liebe hingab, die fein
Inneres um fo unbefchränkter beherrfchte, jemehr er fie vor
den Bliden feiner Gemahlin und feines Vaters zu verbergen
bemüht war. Dennoch konnte fie der Imfantin nicht unbes
Tannt bleiben. Diele ſuchte mit kluger Maͤßigung der Leiden⸗
ſchaft nur Schwierigkeiten in den Weg zu legen, und hoffte,
als ſie D. Ignez die Pathenſtelle bei dem Infanten Luiz ver⸗
treten ließ, durch dieſe geiftliche Verwandtſchaft ide⸗
wand zwiſchen ihrem Gemahl und D. Ignez
Aber die Schwierigkeiten fachten die Flamme nur
an. Conſtanza ftarb fchon im Jahre 134
398 Erſter Zeitraum. D. Bud. 2. Abſchn.
dem fie kurz vorher (18. Octbr.) von dem Infanten Ferdinand,
dem nachherigen Thronfolger Pebro’d, entbunden worben war").
Sram über jene Leidenfchaft ihres Gemahls fol, nach Eini-
gen, ihren Tod befchleunigt haben.
Der Infant, der bis zu ihrem Hinfcheiden feine Gemah⸗
Im mit aller Achtung behandelt batte, war nun befreit von
dem heiligen Bande, das er in feinem Innern wohl ſchon
laͤngſt zerriſſen hatte, uͤberließ ſich ſeitdem mit weniger Ruͤck⸗
ſicht ſeiner Liebe zu Ignez und lehnte mehrere einladende Ver⸗
maͤhlungen, die ihm ſein Vater vorſchlug, ab. Vier Pfaͤnder
der Liebe, welche Ignez dem Infanten nach dem Tode ſeiner
Gemahlin ſchenkte, ſchienen das Geruͤcht zu beſtaͤtigen, daß
Beide insgeheim vermaͤhlt ſeien. Man glaubte es zu Beider
Ehre. Aber Pedro leugnete die Verbindung hartnaͤckig gegen
ſeinen Vater. Was ihn dazu bewog, berichten uns die Chro⸗
niſten nicht und konnten wohl auch nicht berichten, was in
der verſchloſſenen Seele Pedro's vorging und was zum Theil
ihm ſelbſt nicht klar wurde. Er ahnete nicht, daß einſt der
Schmerz uͤber den Verluſt der Geliebten ihm ein Geſtaͤndniß
abdringen werde, das, jetzt gethan, das Verbrechen wahrſchein⸗
lich abgewendet haͤtte. Er wurde indeſſen von der Koͤnigin
ſeiner Mutter, und von dem Erzbiſchof von Braga, Goncalo
Dereira, gewarnt vor dem, was zu feinem Verderben im Ge
heimen vorbereitet wurde. Allein diefe Warnungen, die ihm
leere Drohungen fehienen, feine natürkiche Furchtlofigkeit, bie
Liebe zu Ignez und der Glaube an bie Rechtlichkeit feines
Vaters lieffen ihn forglos auf feinem Pfade fortwandeln. Uns
terbefien bereitete das Verbrechen die blutige That vor, und
fuchte auch die Eönigliche Hand dafür zu gewinnen.
Mit neidifchem Auge und wachfendem Haffe hatten viele
Große am Hofe und die Vertrauten des Königs das Anfehn
betrachtet, welches Ignez's Brüder, beide Caftro, Fernando und
Alvaro Perez, bei dem Infanten genoffen. Daß fie Ausländer
waren, reichte hin fie verhafft zu machen. Schon Conftanza
hatte viele Gaftilianer, die in ihrem Dienſte flanden, nad
Portugal mitgebracht. Ihre Zahl vermehrte fich hier, befon-
ı) Barbosa, Catalogo das Rainhas de Portugal. p. 292. .
Reoterung Affonfo’s IV., 135—1357. 390
ders feitdem Peter der Graufame den caftilianifchen Thron bes
ftiegen hatte. Diele Misvergnügte verlieffen ihr Vaterland,
und harrten im nahen Portugal auf beffere Zeiten und auf
die erfehnte Ruͤckkehr. Andere, von des Königs Grauſamkeit
verfolgt, retteten ſich auf portugiefiihen Boden und fanden
hier eine gaftlihe Aufnahme. Der Infant behandelte die
. Landsleute feiner Geliebten mit rüͤckſichtsvoller Aufmerkfamteit;
von den Brüdern der Ignez wurden fie als Willkommene freundlich
begrüßt. Um fo erbitterter waren bie Adeligen und die Höflinge
Affonfo’s IV. über jene Sremblinge, die, wenn auch nicht uns
ter diefer Regierung, deſto mehr in der folgenden ihr Anfehn
zu beſchraͤnken und ihren Einfluß zu untergraben brobten.
Ignez wurde ald der Anziehungspunct, die VBefchügerin und
Gönnerin der verhafften Ausländer angefehen, und ob fie
gleich nach ihrem jegigen geringen Einfluffe, und vielleicht auch
nach ihrer Denkart ihre Landsleute nicht auf Koften der Pors
tugiefen begünftigen konnte und mochte, fo fürchtete man doch
Schlimmes für die Zukunft. Auf Ignez warfeh daher bie
Mächtigen am Hofe und die Vertrauten des Königs al? ihren
Haß. Indem fie ihn unter dem Scheine der Sorge: für das
Wohl und die Ruhe ded Reichs und der Eöniglichen Familie
verbargen, ftellten fie. dem König vor: wie Die Wohlfahrt des
Staates ed fobere, daß der Infant fich wieder vermähle, diefer
aber wegen feiner Liebe zu Ignez und bei feiner Zärtlichkeit
für ihre Kinder jede anderweitige Vermaͤhlung ablehnen werde;
wie die Brüder der Ignez, die beiden Caſtro, ſchon mächtig
in Gaftilien, noch mächtiger in Portugal zu werden anfingen,
und ihre Ehrfucht und Herrfchbegierbe, indem fie ihren Neffen
auf dem portugiefifhen Throne zu fehen hofften, die Rechte
und felbft das Leben des Infanten Berdinand, des Sohnes
der Infantin Conftanza, gefährdeten. Diefe bange Beſorgniß,
diefe drohende Gefahr, die über dem rechtmäßigen Thronerben
fehwebe, werbe nur ber Tod der Ignez entfernen. Er warb
befchloffen. |
Von Montemor, wo ber blutige Entfchluß gefafft wurde,
ging der König, von vielen Großen und Abeligen, unter an-
dern Alvaro Goncalves, dem Meirinho mor des Reichs, Pedro
Coelho und Diogo Lopes Pachero, Herrn von Ferreira, welche
400 Erfter Zeitraum. Bud. 2. Abſchn.
die vornehmften Rathgeber des Königs in diefer Angelegenkei
waren, begleitet, nach Coimbra. Hier, im Klofter Santa
Glara, lebte D. Ignez mit ihren brei Kindern (eind war ge
florben) fchuld= und harmlos. Als fie die plögliche Ankunft |
des Königs mit vielen bewaffneten Rittern vernahm, burd-
fuhr eine fchredliche Ahnung ihre Seele. Ihr und ihrer Kin
der Leben zu retten, ſah fie jeden Ausweg verfchloflen; de
Infant hatte fi) — dies war bem König befannt — auf ei
nige Tage auf die Jagd begeben. Bleich wie dad Bild be}
Todes, zwei ihrer Lieblinge auf den zitternden Armen, warf
fi) Ignez zu den Füßen des Königs, ald er in das Kloſter
eintrat. „Herr! ſprach fie, warum willſt du mich töbten, ohme
Urfachet Dein Sohn ift Zürft, ihm konnte und Tann id
nicht widerftehen. Habe Erbarmen mit mir, mit einem Weibe!
Toͤdte mich nicht ohne Grund! Und wenn bu Fein Mitleid
mit mir haft, fo habe es mit diefen, deinen Enkeln, beinm
Blute!“ Diefe und Ahnliche Worte, welche ber verhängnif:
volle Augenblid dem Mutterherzen eingab, ihre Thraͤnen, der
ruͤhrende Anblick ihrer Kinder, Tieblicher Wefen von unbefchreib;
licher Schönheit, ergriffen, erfchltterten den König. Er zu;
fi) aus dem Zimmer zurüd und fchien die Stimme zu hören,
die in feinem eignen Innern für Ignez's Unſchuld ſprach. Aber
die NRachfüchtigen ängftigte nun auch die Furcht vor ben Fol:
gen des mislungenen Unternehmens, vor ber Rache. ded erzuͤrnten
Anfanten. Sie beftürmten von neuem den gerlihrten, wankenden
König mit vorgefpiegelten Gefahren, womit die Unglüdsftifterin
Thron und Waterkanb bedrohe, und mifchten bittern. Zabel de
Königs wegen feines Wankelmuths unter die gefteigerten Be
forgniffe und Befürchtungen '). Gedrängt und beſtuͤrmt von
allen Seiten entfielen ihm die Worte: „Thut was ihr wollt!"
Sie thaten es.
Ohne ein anderes Verbrechen, als daß fie Liebe mit Liebe
erwibert hatte ”), fiel Ignez als fchuldlofes Opfer Des lang:
1) A! Senhor, hörte man die Morbfüchtigen fagen, a ese escar-
nio vimos nos cä: que se perca Purtugal por esta molher! Acen-
heiro, Cronicas. pag. 109.
2D)..... s6ö por ter sujeito
O coracadö a quem soube vencella. "Lnusiad. Canto III. v. 197.
Negierung Affonfo’s IV., 1325 — 1357. 401
verhaltenen Haſſes. Diefelben Ritter, bie das Todesurtheil
über fie gefprochen, vollzogen es auch und befledten ihre Hände
als Henker, wie fie ihr Gewiffen als Rathgeber beflect hatten.
Zugleich viffen fie den König zu einer Unthat fort, die wie ein
fchweres, düfteres Gewoͤlk über feiner Regierung ſchwebt, und
auf fie einen Schatten wirft, den der Menfchenfreund ſo gern
aus ihr vertilgen moͤchte.
Des Himmels Gericht und Strafe, ſagt ein gottesfurch—⸗
tiger Chroniſt, erging uͤber den Koͤnig Affonſo, als ſein Sohn
ſich feindlich wider ihn erhob, wie er einſt wider ſeinen Vater
Diniz fi) erhoben hatte‘). Aber Pedro hatte bisher feinem
Vater alle Eindliche Achtung erwiefen, und Affonfo muffte —
fo fchien ed die Vorfehung zu fügen — um feinen Sohn ge:
gen fich zu empoͤren, ihm erſt die andere, liebfte Hälfte feines
Lebens hinmorden.
Ein namenlofer Schmerz ergriff den Infanten, als er
nach feiner Ruͤckkehr die blutige Leiche feiner Ignez erblidte.
Nur die Gluth feiner Liebe, als diefe ihren Wonnemonat
feierte, glich dem Übermaße dieſes Schmerzes. Bald aber
wechfelte mit dieſem Gefühle ein anderes, weniger ebeles, aber
nicht weniger heftiges, das fchnell feine ganze Seele einnahm,
— NRachbegierde. Gegen jede Mahnung von auffen und ins
nen taub, fuchte fie unverwandt ihr Opfer. Mit ven Brüdern
der Gemordeten, den beiden Gaftro und ihren Verwandten,
mit einem Streiterhaufen, fo groß er ihn in ber Eile zuſam⸗
menraffen Eonnte, fiel Pedro in die Provinzen Entre Douro e
Minho und Tras 08 Montes verheerend ein, ſchreckte vor allen
die Eöniglichen Städte mit Feuer und Schwert, und firafte,
von blinder Leidenfchaft getrieben, die Eöniglichen Untertha=
nen (welche bald feine eigenen werden follten), um an bem
König Rache zu Üben. Erft als fein wilder Verheerungszug
an Porto feheiterte, das der Erzbifchof von Braga, Goncalo
Pereira, vom König beauftragt, mit Kraft und Entfchloffenheit
1)... ..e porque este houve letijos e volltas com Ell Bei,
Denys seu pai, cujo sabedor da cullpa Deos que he direito Iufg)
que este Rei seu filho o Ymfämte Dom Pedro fose, comtra
Azenheiro, Cron. p. 108.
Schäfer Geſchichte Portugals I. 2
402 Erſter Zeitraum. D. Bud. 2. Abſchn.
befchirmte, als die eindringlichen Vorſtellungen dieſes Prälaten,
deffen Einfihten und wohlwolende Gefinnungen der Infant
ſtets verehrt hatte, diefen auf die Bahn ber Pflicht zuruͤd⸗
wiefen und ihn fich felber wiedergaben, als die rührenden
Ermahnungen, die mütterlichen Bitten der Königin in Guima
rüed das Herz bed Sohnes milder flimmten, warb eine Aus
föhnung zwiſchen Vater und Sohn möglich.
5. Aug. Es wurde in Canavefed ein förmlicher Vertrag zwiſchen
1355 Beiden abgeſchloſſen. Der Infant verſprach Allen, welche zu
bem Tod der Ignez mit Rath und That beigetragen, Verzei⸗
hung; der König gelobte fie Jedem, ber mit dem Infanten
Partei gegen ihn ergriffen habe. Zugleich verpflichtete fid
Pedro, künftig in Allem ein treuer Vaſall ded Königs und ein ges
borfamer Sohn zu fein, und alle Unruheftifter und Strafwuͤrdige
aus feinem Umgange und feinen Befigungen zu entfernen
Aufferdem beflimmten einige Artikel den Antheil, welchen be
Erbprinz an den Regierungshandlungen fortan nehmen ſolle)
Die Vertragsurkunde wurde durch einen feierlichen Eid, ben
der Infant in Canavefed, Affonfo in Guimaräed und bie Ks
nigin in Porto ablegte, bekräftigt, und durch eine Anzahl
Ritter von beiden Seiten befchworen und gewährleiftet 2).
Nicht volle zwei Jahre überlebte der König die Verſoͤh⸗
nung mit feinem Sohne. Affonfo mochte indeſſen empfunden
haben, daß auch das feierlichfte Verfprechen des Infanten bie
Mörder der Ignez nicht vor neuen Ausbrüchen feiner Mache
1) Der König geftattete, daß ber Infant überall im Reiche, wo
er fich aufhielt, die volle Königliche Iurisbiction in bürgerlichen wie in
peinlichen NRechtöftreitigkeiten üben, und in feinem Namen bie Itrtheile,
Beſchluͤſſe und Verfügungen erlaſſen dürfe; daß feine Duvibores über alle
Gorregidoren und Richter des Königs erkennen könnten, in Allem jedoch
nach den Gefegen des Reichs und ohne deren geringfte Berlegung verfah⸗
ven follten. Zobesurtheile, Amtöverlegungen und Vermögenseinziehungen
müfften, ehe fie vollzogen würben, bem König vorgelegt werben, bamit
diefer verfügen Eönne, was ihm babei zweckdienlich fchien. Wei den oͤffent⸗
lichen Bekanntmachungen durch Ausrufer follte die Formel beobachtet wer
den: „Auf Befehl des Königs, feines Vaters, und in feinem Namen
gebietet der Pring” u. f. w.
2) Nunez do Liaö, Cron, del Rei D. Afonso IV. p. 187.
Mon, Lus. Parte VII. liv. 10. cap. 20,
Regierung Affonfo’s IV. 1325 — 1357. 403
fchligen werde. Er ließ deshalb, als er in Lifjabon, wo er
die legte Zeit lebte, fein herannahendes Ende fühlte, Diogo
Lopez Pacheco, Alvaro Goncalves und Pedro Coelho, die vors
nehmften Rathgeber und Vollitreder des Mordes, vor fich
fommen, und gab ihnen im Beifein ded Prior von Crato,
Goncalvez Pereira, den Rath, fo ſchnell als möglich und felbft
mit Hintanfeßung ihres Vermögens, das Reich zu verlaffen,
um im Auslande eine Sicherheit zu fuchen, welche fie nach
feinem Zode in Portugal fehwerlich finden würden. Sie folgs
ten feinem Rathe und flüchteten fi nah Caſtilien. Bald
Darauf farb Affonfo IV. 28. Mat 1357. Ignez's Tod und
feine Folgen fcheinen in feinen legten Tagen feine Seele am
meiften befchäftigt zu haben. Ihr unfchuldig vergoffenes Blut
bezeichnete ja auch die einzige Unthat, welche fein Alter be
flecft hatte, wie der Ungehorfam gegen feinen Vater Diniz und
ber Haß gegen feinen Halbbruber der einzige Zabel war, der
feine Jugend traf ').
Man hat von Affonfo IV. gefagt, Daß er ein undankbarer
Sohn, ein ungerechter Bruber, ein graufamer Vater gewefen
ſei. Wohl möchte es fchwer fein, den König in diefen Bezie⸗
hungen zu rechtfertigen oder auch nur zu entfchuldigen. Es
find gerade die zarteſten Gefühle der menfchlichen Bruft, welche
bier verlegt wurden und welche jeden Berfuch einer Ber:
theidigung des Angellagten fogleich vereiteln. Am fchwerften
möchte Affonfo als Sohn zu entfchuldigen fein; das moralifche
Urtheil aber, dad wir hiebei auf der Stelle zu fällen geneigt
find, ermangelt der geſchichtlichen Unterlage. Die und erhalte:
nen Nachrichten von dem wahren Verhälthiffe zwifchen Vater
und Sohn find fo dürftig und ungenügend, der Verwicklun⸗
gen aber bier fo viele möglih und wahrſcheinlich, daß eine
klar und volftändig angeftellte Klage faft eben fo fchwer iſt,
als eine Widerlegung berfelben. Über des Königs Verfahren
gegen feinen Bruder find die Nachrichten nicht befriedigender;
aber hier, wie bei feinem Benehmen gegen feinen Sohn, liegen
1) Naö havia em el Bel “ng reprehender, senäo
maculata sua mocidade com »nptra seu pai, 0 vel-
hioe com o sangue da im» Lias. p. 190.
1357
404 Erfter Zeitraum. I. Bud. 2. Abſchu.
gewiffe Erklärungsgründe klarer vor. Affonfo ſah in fich mehr
den Negenten, ald daß er auf die Stimme des Menfchen in
feinem Innern horchte. Die Grundfäge, die er ald Regent
glaubte befolgen zu müffen, orbnete er denen unter, welde
ihm ald Menfchen hätten werth fein follen. Wenn jene fpra
chen, mufften diefe fehmweigen. Jenen folgte er, als er vom
Throne herab hart, ja graufam gegen feinen Bruder und fe-
nen. Sohn handelte. Wie jedoch feine Bruderliebe ſchwaͤcher
wor als feine Sohnesliebe, fo hielt er feine Regentenpflichten
gegen feinen Sohn, der ficher fein Thronfolger wurde, für
dringender, ald gegen feinen Bruder, der ihm die Krone kaum
freitig machen konnte! Im diefen Anfichten beftärkte ihn Die herr:
ſchende Politif des Zeitalter, das die Schuld mit ihm theilte.
Nur die Staatöflugheit ſchloß Ehen und loͤſte fie auf mit
gleicher Leichtigfeitz die Stimme der Humanität und ber Liebe
blieb dabei unberüdfichtigt. Pedro's Herz mochte immerhin
bluten, ald Ignez von ihm geriffen und niebergefloßen wurde,
ed war in den Augen des Vaters eine ſtreng gebotene, un:
vermeinliche Regentenhandlung. Im Übrigen hielt der König
in feinem Haufe auf Zucht und gute Sitten; feine Ehe mit
Brites konnte man glüdlich nennen, und Alfonfo’s XI. Lebens:
wandel würde er auch dann ſtrenge getabelt haben, wenn feine
Tochter nicht das Opfer deffelben gewefen wäre. Gleichwol füh:
len wir und nicht hingezogen zu dieſem Fürften, und Eönnen ihm
ald Sohn, Bruder und Vater unfere Liebe nicht zumenben.
Aber er verdient ald Regent unfere Achtung. Auf Dem Thron
Dachte er koͤniglich; hier, wo er feinen eigentlichen Beruf fand
und feine eigentliche Beſtimmung fah, war feine Denkungs:
weife hochherzig. Daß er der aufopfernden Hingebung an
eine große Sache und edler Großmuth fähig war, bewies er,
ald er feinem Schwiegerfohne, der ihn empfindlich gekraͤnkt
hatte, in großer Gefahr am Salado Hülfe brachte. Bor Al:
lem empfanben es feine Unterthanen, daß er feine Regenten
pflichten über Alles fegte. Ihr Wohlſtand gebieh unter feine
Fräftigen Regierung, und nur Unglüdsfälle die nicht in de
Königs Hand fanden, unterbrachen und hemmten Die.fortfchre:
tende Entwidlung der Kräfte ded Landes und feiner Bewoh⸗
ner: ein furchtbares Erdbeben, das Liffabon i. 3. 1344 ver
Regierung des Königs Pedro L, 1357 —1367. 405
heerte, und die Peſt von 1348, welche einen großen Theil dei
portugiefifchen Bevölkerung hinwegraffte. Daß die Wunden,
welche diefe Unfälle dem Lande fchlugen, fo bald wieder ver⸗
narbten, verdankt es wohl vorzüglich dem weifen Schuße, den
der König durch Handhabung der Gefege der freien Entfal-
tung der Volksthaͤtigkeit angebeihen ließ. Er hielt auf firenge
Nechtöpflege und ſchuͤtzte mit Träftiger Hand einen Jeden in
feinem Eigenthbum. Die Wünfche und Beduͤrfniſſe des Volkes,
die in den verfchiedenen Corteöverfammlungen, die er berief’),
auögefprochen wurden, hörte und befriebigte er mit landesvaͤter⸗
licher Sorgfalt. Hier und bei andern Gelegenheiten gab er uͤber
verfchiedenartige Gegenflände der Staatsverwaltung eine Menge
Geſetze und Verordnungen ?), deren Zweckmaͤßigkeit ihnen bie
Aufnahme indie fpätern Gefeßfammlungen verfchafft hat.
Dritter Abſchnitt.
Regierung des Königs Pedrol.
(Bon 1357 bis 1367.)
1. Handlungen des Königs in Abfihr auf Ignez de
Caſtro.
Der Koͤnig von Caſtilien, durch ein Freundſchaftsbuͤndniß mit Pe⸗
dro von Portugal verbunden, liefert dieſem die Moͤrder der
Ignez aus. Zwei derſelben laͤſſt Pedro auf eine grauſame
Weiſe hinrichten. Schickſale des entflohenen Pacheco. Der
Koͤnig beſchwoͤrt, daß er mit Ignez kirchlich getraut geweſen.
1) Cortes von Evora 1325, von Santarem 1831, ebendaſelbſt 1884,
Cortes von Coimbra 1335, von Santarem 1340, von Liſſabon 1852.
Die in den Cortes gegebenen Geſetze, ſofern fie in die Ordenag. Affons.
aufgenommen worben, finden fich nachgewiefen in den Memor. de Litter.
Portug. T. II. p. 61.
2) Sie müflen an einer andern Stelle berädfichtigt werben.
406 Erſter Zeitraum. D. Bud. 8 Abſchn.
Zwei Zeugen befräftigen es eidlich. Feierliche und öffentliche
Verkuͤndung der fattgefundenen Vermaͤhlung. Zweifel ber
Beitgenofien. Ignez's Leiche, mit Zeichen ber koͤniglichen
Mürde geſchmuͤckt, wird von einem zahlreichen Trauergefolge
"von Coimbra nah Alcobaga geführt.
Als Pedro (geb. 8. April 1320) Im fiebenundbreiffigften
Lebensjahre den ‚näterlichen Thron beftieg, erfreute fich das
Reich der Ruhe im Innern und bed Friedend mit den Nach
barländern. Es lag Fein Anlaß vor zu irgend einem Zerwuͤrf⸗
niffe mit Spanien oder einem entfernteren Staate ). Die
war das Merk und Verdienft Affonfo’3 IV., ein ſchoͤnes Erbe,
das er feinem Sohne hinterließ. Pedro wuffte es zu ſchaͤten;
er erhielt den Frieden, ſo lange er lebte.
Um ihn mit Caſtilien zu befeſtigen, ſchickte der Koͤnig bald
nach ſeinem Regierungsantritt den Ayres Gomes da Silva und
Goncçalo Annes de Beja als Geſandte an den König Pedro,
um die Vertraͤge, die zwiſchen beiden Kronen beſtanden, zu
erneuern und zu beſtaͤtigen. Der Koͤnig von Caſtilien, dem
die Freundſchaft Portugals um ſo erwuͤnſchter ſein muſſte, je
beunruhigender die ſchwierige Stimmung in ſeinem Reiche
wurde, empfing die portugieſiſche Geſandtſchaft mit ſichtbarem
Wohlgefallen, und erwiederte ſie, indem er Fernando Lopez
de Stunigna in gleicher Abſicht an den Koͤnig von Portugal
abordnete. Im folgenden Jahre kamen caſtilianiſche Geſandte,
ber Oberſchatzmeiſter des Königs, Samuel Levi, der Alguazil
mayor von Sevilla, Gutierez Tello und Gomez Fernandez be
Soria, nad Evora, wo fich der König damals befand, und
fchloffen ein neues Buͤndniß mit demfelben ab. Jeder Theil
verpflichtete fich, „der Freund der Freunde und der Feind der
Feinde ded Andern zu fein,” und ihm, fo oft er aufgefodert
werben würde, mit feiner Land» und See Macht beizuftehen.
Man zielte- damit auf Aragonienz allein der König von Pors
1) EI (D. Pedro) per morte del Rei achou o Regno sem nen-
huma briga, per que ouvesse daver contenda com nenhum Rei da
Espanha, nem doutra provencia mais alomjada. Lopes, Cron. d’EI
Rei D, Pedro p 37. in ber Collecgaö de Livros ineditos de Historia
Portuguesa. Tom. IV,
MNegierung des Könige Pedro L, 1357 — 1367. 407
tugal verfprach uͤberdies ausdruͤcklich, den von Caſtilien in
feinem Kriege mit Aragonten zu unterflüßgen, und warb fonach
den Verträgen untreu, welche feine Vorgaͤnger für fi) und
ihre Nachfolger mit dieſer Krone gefchloffen und mehrere Mal
beftätigt hatten '). Bermählungen zwifchen der portugiefifchen
und caftilianifhen Königsfamilie follten den Bund und bie
Freundfchaft beider Negenten befiegeln. Die Infantin. Beatriz,
ältefte Xochter des Könige Pedro von Caſtilien, wurde zur
Gemahlin ded Infanten Fernando, des portugiefifchen Thron⸗
erben, beſtimmt. Die Infanten João und Diniz, der Ignez
Söhne, wurden mit den caftilianifchen Infantinnen Conſtanza
und Sfabel, Töchter der Maria de Padilla, verlobt.
Ob bereits in biefem Vertrage zwifchen ben Königen von.
Gaftilien und Portugal die gegenfeitige Auslieferung der Fluͤcht⸗
linge, wie Einige annehmen, durch einen geheimen Artikel
feftgefegt wurde, oder ob, was wahrfcheinlicher iſt, einige Zeit
barauf der König von Gaftilien, gedrängt von Aragonien, des
portugiefifchen Beiſtandes bebürftiger, und befannt mit Pebro’s
heiffem Wunſche, die Mörder der Ignez in feiner Gewalt zu
haben, den König von Portugal durch das Verfprechen ihrer
Auslieferung fich geneigter machen wollte, ift nicht zu er⸗
mitteln. Doc nur die Zeit der Übereinkunft beider Könige
ift ungewiß; fie felbft, von dem König von Gaftilien zuerft
eingeleitet, wird durch ihre Vollſtreckung beurfundet, Durch ein
Creigniß, das die yortugiefifche und noch. mehr bie caſtiliani⸗
fhe Nation mit Schrecken und mit gerechtem Umwillen gegen
ihren Koͤnig erfüllte”). Der König von Portugal machte ſich
anheiſchig, die caflilianifchen Adeligen und Ritter, die (aus
Furcht vor des Königs Graufamkeit) einen Zufluchtdort in
Portugal gefucht und gefunden hatten, Mem Rodriguez Teno⸗
rio, Ferrand Gudiel von Toledo und Kortun Sanchez Calderon,
dem König auszuliefern. Pedro von Portugal verlangte bages
gen bie Mörder der Ignez, die, vor feiner Mache fliehend, auf
1) Lopes, Cron. p. 38. ”
2) Muito perdeo el Rei de sua boa fama per ale
este, o qual foi avudo em Portugal e em Castella por
ınal. Lopes, Cron. p 85.
1360
408 Erſter Beitraum. I. Bud. 3. Abſchn.
caftilianifchem Boden auch der Strafe entflohen zu fein hofften,
Alvaro Gonçalves, Meirinho mor, Pedro Coelho und Diogo
Lopes Pacheco ’).
Die Auslieferung gefchah. Die caftiliantfchen Ritter wur:
den in Sevilla hingerichtet. Die Portugiefen Gongalves und
Coelho wurden gefangen nach Santarem geführt, wo fie das
Todesurtheil erwartete. Pedro genügte nicht die Strenge beö
Gerichts; er befledte fi und fein Andenken durch Büge em:
pörender Grauſamkeit. Dem Pedro Coelho ließ er das Her
durch die Bruft, dem Alvaro Goncalves das feine durch bie
Achfel heraudgiehen. Sie ertrugen den ungeheuren - Schmer
mit Ealtem Muthe. „Lege, ſprach Coelho zu Dem Henker, ber
ihm das Herz auszuziehen im Begriff war, lege die Hand an
die linke Seite und du wirft ein Herz finden, ſtaͤrker als das
eines Stiered und treuer ald das eined Pferdes”). Darauf
wurden beide Verbrecher, während der König an Tafel faß,
vor feinen Augen auf dem Plage vor der Eöniglichen
verbrannt. Ä
Pacheco war entlommen. Ein Bettler, dem er oft U
mofen gegeben hatte, vernahm, ald die Thore der Stadt, wor:
in Pacheco lebte, gefchloffen wurden, die Gefahr, in welcer -
fein Wohithäter fchwebte, und eilte ihn davon zu benachrichti
gen. Es gelang: ihm verdachtlos das Stabtthor fich oͤffnen
zu laſſen und dem unkundigen Pacheco, der: mit den Seinigen
gerade auf der Sagd war, die Schredendfunde zu binterbrin-
gen. Auf des Bettlerd Rath z0g der Ritter deſſen aͤrmliche
Kleidung an, fhlug den Weg nad) Aragonien ein und erreichte
bie Grenzen von Frankreich, wo er bei dem Grafen Henrique
de Traſtamara eine Sreiftätte fand. Jener arme Mann aber
hatte nicht allein dem Pacheco das Leben gerettet; die Vorſe
hung wollte, daß er auch dem König ein Verbrechen erfparte.
Kurz vor feinem Tode erinnerte fich Pedro auf dem Kranken:
bette, wie er nach der Hinrichtung des Alvaro Gonçalves und
1) Auffer den portugiefifchen Chroniken vergl. P. Lopez de Ayals,
Cronica del Rey D. Pedro. p. 811.
2) Ch. Rodr. Acenheiro, Cronicas dos Reis de Portugal,
p. 126. in ber Collegaö de Livros ineditos de Hist. Portug. T. V,
Regierung des Königs Pedro LJ, 1357 — 1367. 409
Dedro Coelho von der Unfchuld des entflohenen Pacheco am
Morde der unglüdlichen Ignez fich "überzeugt habe, befahl das
Urtheil über ihn zu vernichten und ihm alle feine Güter zu⸗
ruͤckzugeben. Pedro's Sohn, dem König Fernando, warb nad
feinem Regierungsantritt der Seelengenuß, dieſen lebten ver-
föhnenden Willen feines Vaters zu vollziehen ').
Pedro hatte dem Andenken der unglüdlichen Ignez und
feinem unverföhnlichen Rachegefühl die Mörder derfelben . ges
opfert. Einem .edleren Gefühle feine Herzens that er nicht
lange nachher Genüge. Er befchloß die Ehre der Unglüdlichen
noch über ihrem Grabe zu retten, indem er vor allen Großen
des Reich und vor feinem ganzen Volke feine Vermaͤhlung
mit der Hingefchiebenen öffentlich befenne. In Gegenwart ſei⸗
ned Mordomo mer, ded Grafen von Barcellos, des Joäo
Affonfo, feines Kanzler, des Vaſco Martins de Soufa, bed
Meftre Affonfo das Leys und Ioad Efteves, feiner-Vertrauten
und vieler andern Ritter und Großen des Reichs, fo wie des
Tabelliad Gonzalo Pires, den er nach Gantanhede befchieben
hatte, fchwur hier der König, die Hände auf das Evangelien:
buch legend, einen feierlichen Eid: daß er vor fieben Jahren
mit D. Ignez de Caſtro, als feiner rechtmäßigen Gemahlin,
in Braganza ſich habe trauen laſſen und mit ihre als folcher
bis zu ihrem Tode gelebt habe; daß er aber die eheliche Vers
bindung bei Lebzeit feines Vaters verfchwiegen, aus Mistrauen
und Furcht vor demfelben ). Die Rüdficht falle nun weg,
und er fühle fich gebrungen, um jeben Zweifel bei Andern zu
zerftreuen und fein Gewiffen zu erleichtern, Öffentlich jene Ver:
mählung zu befennen. Er befahl varauf dem anmwefenden
Tabelliäo, Jedem, der ed verlangen würde, eine Urkunde dar⸗
über auszuftellen. oo
Drei Tage ſpaͤter verfammelten fi in Coimbra, in dem 18, zu
Gebäude, wprin damals die Vorlefungen über die Decretalen 1364
gehalten wurden, der Graf von Barcellos, Vaſco Martins
de Souſa und Meftre Affonfo das Leys, mit Zuziehung des
* Tabelliad Geral des Reichs. Hier gelobten der Bifchof von
1) Lopes, Cron. d’El Rei Pedro. p. 114.
2) Urfundlich: „por receio e temor que del avia.“
40 Erſter Zeitraum. IL Bud. 3. Abſchn.
Guarda, Sil, und der Guadaroupa des Königs, Efleväo Las
bato, welche ald Zeugen der Vermählung vorgeladen waren,
durch einen feierlichen Eid auf das Evangelienbuch, daß fie
in diefer Angelegenheit die Wahrheit ausfagen wollten. Jeder
wurde einzeln befragt. Der Bifchof bezeugte durch einen Eid»
ſchwur, Daß ex ald Dechant des Bisthumd, was er Damals
gemwefen, vor ungefähr fieben Jahren (des Monatd und Tages
erinnere er ſich nicht) in Braganza von dem damaligen Ss
fanten in das Fönigliche Zimmer, worin D. Ignez de Gaflro
fich befunden habe, gerufen worden wäre, und auf die Erklaͤ⸗
rung des Prinzen, er wolle fie zu feiner Gemahlin nehmen,
beide unverweilt nach den Gebräuchen der Kirche getraut habe,
Daffelbe beſchwur Efteväo Lobato, der ald alleiniger Zeuge ber
Vermaͤhlung beigewohnt hatte; er erinnerte fih noch, Daß fie
an einem erften Januar flattgefunden habe).
Während diefe Zeugen abgehört und ihre Ausfagen nieder
gefchrieben wurden, verfammelten fich zu den oben Genanntn
noch die Bifchöfe von Kiffabon, Porto und Viſeu, der Prior
von Santa Cruz in Coimbra, viele andere höhere und niebere
Geiſtliche, Edle und Kitter, eine große Menge Volkes. Nach⸗
bem der Verſammlung Stille geboten, hielt der Graf von
Barcellos einen Öffentlichen Vortrag, worin er die wefentlichen
Puncte der flattgefundenen Vermählung, wie fle von dem König
Öffentlich geftanden und befchworen, von den Zeugen ausgefagt
und durch einen feierlichen Eid befräftigt worden, zufammens
fafite ). Noch konnten Bedenklichkeiten obwalten in Hinficht
auf die Rechtmäßigkeit der Ehe nach den Gefeßen- der Kirche,
da der Infant und Ignez in verwandtfchaftlihen Verhaͤltniſſe
fianden ). Um auch »iefe zu entfernen, ließ der Graf eine
päpftlihe Bulle vom 18. Februar 1325 vorlefen, in welche
1) Instrumento, porque El Rey D. Pedro recebeo por pa-
lavras de presente a D. Ignez de Castro, aus dem Torre do Tombo
gedruckt in Sousa’s Provas. Tom, I p. 275. Berg. auch Lopen
Cron. p. 72 ess,
2) Den Vortrag hat wörtli Lopes, Cron. p. 74.
5) Em ser a dita D. Enez sobrinha do Rey D. Pedro que ora
he filha de seco Primo com Irmaö.
Regierung des Königs Pebrok, 1357 — 1367. 411
Papft Johann XI. dem Infanten erlaubte, ungeachtet der
Verwandtfchaft mit der Verlobten, die Ehe zu fehlieffen ').
Ungeachtet aller diefer Beweiſe, Zeugniffe und Eide follen
fehon damals, fo berichten die Chroniften, Zweifel an ber
Wahrheit der Vermählung des Infanten mit Ignez vege ges
worden und die Meinungen der Zeitgenoffen, felbft derer, Die
jener feierlichen Verſammlung beigemohnt hatten, getheilt ges
weten fein. Während die Einen dem koͤniglichen Wort und
den Eidfchwüren der Zeugen Glauben ſchenkten, hielten Andere
die angebliche Wermählung fin erdichte. Wenn fie wirklich
ftattgefunden, Aufferten diefe, und vom Infanten aus Zurcht
vor Affonfo verheimlicht worden wäre, was habe nach bei
Vaters Tod den König gehindert, fogleich zu erklären, was
er erft jest nach vier Jahren erfläre? Auch fei e8 ſchwer zu
glauben, meinten Andere, daB man von einem fo merkwiͤndi⸗
gen Ereigniffe, wie die heimliche Trauung eines Thronerben
gegen den Willen ded Vaters und der Großen, den Monat
und Tag vergeffen habe, zumal wenn ed, wie von einem ber
Zeugen ausgefagt worden, der erfle Januar, ein fo leicht gea
merkter Zag, gewefen fei. Andere dagegen fanden darin ges
rade einen Beweis fir die Zuverläffigkeit der Zeugen; ihre
Ausfagen winden fonft m Tag und Monat des Ereigniffes
ficherlich uͤbereingeſtimmt haben ?).
Diefelben Leidenfchaften, welche Ignez in das Grab ges
ſtuͤrzt hatten, konnten auch ihre Ehre über demfelben und felbft
ben Glauben an die Wahrheit der Eidſchwuͤre ihres koͤniglichen
Ehrenretterd und Fürfprecherd hinmorden. Zwar die gehaffte
Ignez war nicht mehr zu fürchten, aber ihre. Söhne lebten
noch, und an fie knuͤpften fi nun Befürchtungen und Hoff
nungen, die Leidenfchaften des Haffes ımd der Liebe. Bon
biefen beherrfcht und durch fie getrennt, flanden fchon Damals,
1) Die Bulle tft der obenerwähnten Urkunde, welche bie Kinder ber
Ignez, die Infanten Joäo und Diniz und bie Infantin Beatriz, von
den Verhandlungen über die Bermählenga “ieflen, einverleibt.
Sousa, Provas. T. I. p. 278. ’
2) Lopes, Cron, p. 76 wm. "yon. del
Rei D, Pedro. p. 218,
42 Erſter Zeitraum. U. Bud. 3. Abſchn.
wie es fcheint, zwei Parteien in Portugal feindlich gegenein-
ander, und Parteihaß entftellte oder leugnete jene Thatſache;
er macht uns den Zweifel wie den Glauben daran verbächtig.
Mehr aber als damald der Parteihaß fuchte achtzehn Jahre
fpdter die Politik den Glauben an die Vermählung Pebro’s
mit Ignez zu erfchüttern, ald die Folgen derfelben und bie
Rechte, welche man daraus herleitete, gewichtuoller, für Thron
und Land einflußreicher wurden. Als entfchiebener Beſtreiter
der gefchloffenen Ehe trat ein Mann Öffentlich auf, der zu
jener Zeit für dad Drafel der Rechtöfunde in Portugal galt.
João das Regras, deffen Geift und Beredtſamkeit João IL
nicht weniger verdankte, ald dem unbefiegten Schwert feine
Gonnetable Alvares Pereira, befämpfte in der entfcheibenben
Stunde , in welcher die Neihöftände in Coimbra (1385) die
Zhronfolge beftimmen ſollten, mit allen Waffen, die ihm feine
vielgeuͤbte Schlauheit, fein juriftifcher Scharffinn. und feine na⸗
türliche Wohlredenheit darboten, eine Xhatfache, die feinem
Ziel, der Erhebung des Großmeiflerd von Avis auf den por
tugiefifchen Thron, entgegenftand ). Wohl mochten alle 3u
börer erflaunen über die Dinge, die fie hier hörten und von
denen fie vorher nichts gewuſſt hatten 9. Das Erftaunen
laͤhmte ihre Zungen; aber die ganze Werfammlung zauberte
mit ihrem Glauben, und wir müffen es nicht minder. Es re
den zu und Worte, gefprochen von dem, in deſſen Seele die
Zhatfache feſt und Elar fliehen muffte, und in einer Stunde,
in welcher der Nebel der Taͤuſchung finft und die Wahrheit
mit unwiderftehlicher Gewalt ihr Recht fodert. Pedro nennt
in feinem Zeflament, das an dem Tage vor feinem Hinſchei⸗
den ausgefertigt wurde, die Infantin Ignez feine Gemah⸗
lin’). Er wiederholt bier, gleichſam vor dem Sarge, ber
1) Seine Xufferungen über Pedro's Vermählung mit Ignez find
am grünblichften geprüft und widerlegt von Barbosa, Catal, das
Rainhas. p. 313 — 832,
2) Foraö todos muy espantados por ouvir taes cousas de que
antes parte naö sabiad, Fern. Lopes, Cronica d’EI Rey D,
Joaö I. Part. I. cap. 191.
5) Item mandamos, que entreguem aos filhos da Infante D. Ig-
nez, que outro si foy nossa mulher, a quinta de Canidelo, que
Regierung bes Königs Pedrol, 1357 — 1367. 413
feine Leiche am folgenden Tage aufnehmen follte, das Geftänd-
niß, das er fech8 Jahre vorher in jener feierlichen Verſamm⸗
lung abgelegt und befehworen hatte.
Nach diefer Verſammlung befchlog nun ber. König, ber
Ehrenrettung feiner Gemahlin die Krone aufzufegen. Er gab
Befehl, ihre Leiche in Alcobaca feierlich zu beftatten, und ließ
ihr in diefem Eöniglichen Klofter, der Ruheſtaͤtte feiner Ahnen,
ein prächtiged Grabmal von weiſſem Marmor errichten. Ein
Standbild auf demfelben flellte Ignez de Caſtro mit der Krone
auf dem Haupte ald Königin dar, ein rührendes Denkmal der
Liebe für die Mit: und Nachwelt. Darauf wurden ihre Über-
tefte aus dem Klofter Santa Clara, wo fie bisher geruhet hatten,
genommen, emporgerichtet, mit den Zeichen der koͤniglichen Würde
geſchmuͤckt und in Eoflbare Gewänder gehült. Ihren Saum
füfften die Ritter und Großen des Reiches zum Zeichen und
ald Anerkennung ihrer Unterthänigkeit ). Der Sarg, der, mit
goldgeſtickten Tüchern reichlich umhangen, ihre Leiche umfchloß,
wurde von Coimbra bi8 Alcobaca, fiebzehn Legoas weit, von
Nittern getragen. Viele Große und Prälaten, Edelfrauen,
Kitter, Geiftliche folgten ihr in langem Zuge. Tauſende von
Menfchen flanden auf beiden Seiten des Weges mit brennen
den Fackeln, fo daß diefe den ganzen Trauerzug und bie
Straße von Coimbra bis Alcobaca erhellten. Hier angelangt,
wurden ihre Überrefte feierlich der Grabftätte anvertraut, neben
welcher der König eine ähnliche für fich errichten ließ, damit
er im Tode an der Seite feiner Gemahlin ruhe. So wurde
era sua, 6 todo aquello, que della ouvemos, como no deviamos pera
o darem por sa alma, como ella mandou em seu testamento. Sousa,
Provas. T. I. p. 279. Der Königin Brites, der Mutter Pedro’s, war
defien Ehe mit Ignez nicht blos bekannt, fondern fie erkannte ſchon meh⸗
rere Jahre vor Pedro's oͤffentlichem Belenntniffe ihre Rechtmäßigkeit
offenbar an. Würde fie fonft, bei ihren ftrengen Grundfägen, in ihrem
Zeftament vom Sahre 1368 die Söhne der Ignez Infanten genannt,
und biefe Enkel in ihrem legten Willen eben fo gut bedacht haben, als
die Kinder der Infantin Conſtanza? S. das Teſtament in Sousa’s
Provas. T. I. p. 228
1) Diefe Eingelheit entnehmen wir nur neuer on Ge:
fchichtfchreibern; die uns zu ‚Gebote flehenden Gh 12,
Nunez do Lioö und Azenheiro enthalten m
413 Erſter Zeitraum. TIL Bud. 8 Abſchn.
D. Ignez wie zwifchen zwei unabfehlichen Sternenreihen zur
ewigen Ruhe gebracht. Die Ewigkeit ihres Andentens bhienie
ven ift ihr Durch das unauslöfchliche Mitgefühl in jeber Mes
ſchenbruſt gefichert.
2. Die Corteöverfammlung in Elvas im Fahre 1361.
KBefchwerden und Anträge der Corte, koͤnigliche Entſchlieſſungen.
Neue von Pedro eingeführte Geſchaͤftsordnung für die hoͤchſte
Staatsbehoͤrde.
In dem naͤmlichen Jahre, in welchem Pedro durch die
oͤffentliche Ehrenrettung der Ignez de Caſtro und ihre feierliche
Beiſetzung als Koͤnigin den Angelegenheiten ſeines Herzens
und ſeiner Familie Genuͤge that, bewies er durch Regierungs⸗
handlungen, daß ihm nicht minder das Wohl ſeines Volkes
am Herzen lag. Er berief die Staͤnde des Reichs, „um einige
Beſchwerden kennen zu lernen, welche, wie man ihm geſagt habe,
ſeine Unterthanen uͤber Bedruͤckungen koͤniglicher Beamten er⸗
hoben haͤtten, und welchen der Koͤnig nach Recht und Gerechtigkeit
abzuhelfen willens ſei). Am 23. Mai 1361 verſammelten ſich in
Elvas die Infanten, der Erzbiſchof von Braga und die Biſchoͤfe
des Reiches, die Übte und Prioren, viele Ricoshomens unb
Fidalgos, wie die Abgeorbneten der Städte und Fleden. Die
Letztern trugen ihre Beſchwerden und Gefushe mündlich und
fchriftlich vor. Der König beantwortete jeden Antrag einzeln,
- nachdem er ihn mit feinen Raͤthen und mit den Einfichtsvoll
ften des Reichs berathen hatte. Auf gleiche Weife verfuhr ex
mit den Befchwerben des Klerus. So entflanden die neunzig
allgemeinen Artikel, welche die Anträge des dritten ober viels
mehr des weltlichen Standes und die Eöniglichen Entfchlieffun
gen enthalten; ebenfo die dreiunddreiffig Artikel, welche die
Klagen und Gefuche der Geiftlichkeit und die Antworten bes
1) Worte der Einleitung gu dieſen Corteöverhandlungen. Memorias
para a Historia, e Theoria das Cortes geraes, que em Portugal
se celebraraö . . . pelo 2° Visconde de Santarem. P. IL, Documen-
tos. p. 3. Ä |
Regierung des Könige Pedrol, 1357-1367. 415
Königs begreifen). Viele Befchwerben der weltlichen Stände
betrafen Gegenftände, worüber in den unter Affonfo IV. ge
haltenen Cortes Geſetze gegeben worden waren, über deren
Derlegung oder Nichtbeachtung man jest klagte. Vorzuͤglich
werden die Corted von Kiffabon vom Jahre 1352 in jener Bes
ziehung erwähnt, und es bleibt daher zweifelhaft, da Pedro's
Negierungsantritt ungefähr in die Mitte zwifchen den Corted
von Liffabon und den jegigen in Elvas fällt, ob die Vernach⸗
laffigung jener Gefege mehr den legten Regierungsjahren Afs
fonfo’8, oder den erſten Pedro's, oder beiden gleich fehr zur Laſt
gelegt werden muß.
Die meiften Artikel der Corted von Elvas betreffen Be⸗
ſchwerden Über die Eöniglichen Beamten, bald über Vernach⸗
laffigung ihrer Veruföpflichten, bald uͤber Überfchreitung ihrer
Befugniffe und ihrer Amtögewalt, befonderd über Eingriffe
berfelben in die Gerechtfame und Freiheiten der Gemeinden,
und wir finden hierin wenigſtens einen Erflärungsgrund,
wenn auch Feine Rechtfertigung der bisweilen an Grauſamkeit
grenzenden Strenge Pedro's gegen pflichtvergeffene Beamte.
Neben den Klagen über Beamtendrud und den Bitten um
Aufrechthaltung der Vorrechte der Gemeinden bilden die Ans
träge auf Entfernung der Hinderniffe, die dem Aderbau und
bem Verkehr im Wege fländen, einen Theil des Inhalts Dies
fer Cortesverhandlungen. Steifinnig und unverhohlen legen die
Gemeinden felbft folche Befchwerden vor, welche die Perfon
und den Hof des Königs angehen. Nächft dem Gemeindewes
fen ift die Juſtizverwaltung vornehmlich Gegenftand dieſer
Ständeverfammlung.
In der Bereitwilligfeit, womit der eben nicht leicht zu
beruͤckende Koͤnig den erhobenen Beſchwerden abzuhelfen und
die gewuͤnſchten Maßregeln zu nehmen verſpricht, liegt zugleich
1) Dieſe find ſaͤmmtlich ber erſten allgemeinen Geſetzbuch, ben Or-
denagoens do Rey D. Affonso V. einverleibt worden, und bilden bem
fünften Zitel des zweiten Buches mit ber Überfchrift; Dos Artigos,
que forom acordados em Elvas antre El Rey D. Pedro, e a Clere-
zia. Von den Artikeln des weltlichen Standes finden fi eipu
zig in jener Gefegfammlung.
416 Erſter Zeitraum. I, Bud. 3. Abſchn.
deſſen Eingeſtaͤndniß, daß jene Beſchwerden gegründet feien,
und während wir hiebei Pedro's entfchiedenen Willen, den
Wuͤnſchen feines Volkes entgegenzulommen und deſſen Wohl
auf jede Weife zu fördern, ehren lernen, gewähren uns bie
wichtigeren Anträge dieſer Cortes belchrende Blide in ben
Semeindehaushalt und auf den Zuftand des Volkes und ver:
Finden und deſſen Wünfche und Beduͤrfniſſe.
Daß die Gemeinden die Betätigung ihrer Gerechtfame,
Freiheiten und Gewohnheitörechte von dem König verlangten‘),
würde mehr im Sinne jened Gebrauch zu verſtehen fein,
wonach fie Feine Gelegenheit verfäumten, ihr gutes altes Recht
im Gebächtniffe des Königs wieder aufzufrifchen und zumal
von jedem neuen Herrfcher feierlich befldtigen zu laffen. Allein
die Gemeinden Plagen bald darauf, daß die Almorarifer und
andere Eönigliche Beamten in mehreren Orten täglich) gegen
ihre alten Rechte und Freiheiten bandelten”), ohne jedoch bei
biefen Klagen auf genauere Angaben und Nachweifungen (we
nigftens nicht fehriftlich) fich einzulaffen. Der König verlangt
Diefe, und verfpricht eben fo allgemein, über der Aufrechthals
tung ihrer Privilegien wachen zu wollen. Auf ein bedenkliche:
red Necht bezog fich die. Beſchwerde Uber die Eöniglichen Gor-
regidores, daß diefe die Ordnungen (Posturas), welche einige.
Gemeinden zu ihrem Wohl und zur Abwendung jeglichen
Schadens ſich felbft gaben, oft widerriefen; fie verlangten,
daß jene deshalb zur Strafe gezogen würden. Der König be
willigte ihnen died, wie dad Recht der Autonomie, nach wie
vor, jeboch mit der ausbrüdlichen Bedingung, daß ihre Ge
meindeordnungen nie den Beftimmungen diefer oder früherer
Cortes wibderftreiten dürften‘). Ehenfo foderten fie das ur:
alte, ihnen durch die Foraes verliehene Recht, ihre Ortsrich⸗
ter (die Juizes und Alvazis) felbft zu wählen, wieder zuruͤck,
da in mehreren Orten der Gebrauch eingedrungen war, daß
der König die Richter mit großen Beſoldungen, welche bie
1) Art, 14.
2) Art. 29.
3) Art. 21.
Regierung des Königs Pedro I. 1357—1367. 417
Gemeinden zahlen mufften, anftellte, obgleich diefe, wie fie
behaupteten, eben fo taugliche Perfonen in ihren Orten hät
ten. Der König fah fich genöthigt ihr altes Recht ihnen
wieder zuruͤckzugeben und ſich diefer Eingriffe zu enthalten ”).
Mit ihnen hing ein anderer Eingriff des Königs in die Com⸗
mwmalverfaffung zufammen. Er ertheilte Gemeindeangehörigen
Freibriefe, wodurd fie von ber Verpflichtung, Gemeindebeam⸗
ten, Vormuͤnder oder Euratoren zu werden, entbunden wur
den. Es entftand daher Mangel an brauchbaren Männern, die
ganze Laft fiel auf Wenige, und gerade oft die Faͤhigſten ent:
zogen ſich auf jene Weife dem Gemeindedienft, der fichtbar
darunter litt). Auf die Beſchwerde der Gemeinden, daß,
wenn der König in einer Ortfchaft eintehre, die ihn begle-
tenden Ricoshomend und andere. Große fi) bei ehrbaren Wit⸗
wen und bei Frauen, deren Männer gerade abwefend wären,
einlagerten und dadurch den guten Namen derfelben gefähr
deten, erwieberte ber König, daß die Einlagerung Fünftig
nicht anders als mit feiner ausdruͤcklichen Erlaubniß gefchehen
fole ). Er verfpricht den Gemeinden feinen Töniglichen Bei⸗
ftand, wenn Mächtige fich weigerten, wie e8 an einigen Or⸗
ten gefchehen, den gefeglichen Foderungen der Gemeindebeam-
ten Folge zu leiften, und diefe aus Zurcht vor jener Gewalt
ihre Amtspflichten zum großen Nachtheil der Commune vernach⸗
läffigten. Die Eöniglichen Gorregidores find in dieſem Kalle
angewiefen, jene Mächtige zur Erfüllung ihrer Obliegenheiten
gegen die Gemeinden zu zwingen‘). De König verfpriht
ferner durch eben diefelben Corregidores die Bifchöfe und Äbte
wie die Ordensmeiſter anzuhalten, daß fie ihre Häufer in ben
1) Art. 9. Nicht unbemerkt dürfen wir den Wink des Königs
laffen: e facam direito e Justica de guisa que nom ajamos razom de
tornar a ello pera Ihis seer tranhado. Nad der Antwort des Königs,
wie fie in den Orden. Affons. (liv. 8. tit. 125) fich findet, darf kein
Beamter vor Ablauf von drei Jahren von der Gemeinde wieder gewählt
werden.
2) e os logares ficayam por hy peior regudos. Art. 45
3) Art. 56,
4) Art. 72.
Schäfer Geſchichte Portugals I. 27
448 Erſter seitraum I. Bud. 3. Abſchn.
Städten und gleiten ausbeffi em, die wüften Ländereien unb
Weinberge, die fie in den Gemarkungen: der Gemeinden bes
figen, bebauen und außftellen lieffen ). Während die Gemeins
den die großen geiftlichen und weltlichen Grundbefiger aufs
muntern und felbft nöthigen mufften ihre Laͤndereien zu bes
fielen, ſahen fie fich felbft in ihrer Iandwirthfchaftlichen Thaͤ⸗
tigkeit gehemmt und Flagten, daß ein Zodfeind der Zandleute‘)
die Srüchte ihred Fleiſſes ernte umd verzehre, fie felbft in Ar-
muth ſtuͤrze und viele Aldeas und auch koͤnigliche Laͤndereien
in wuͤſte Einoͤden verwandele, — das Wild, das zu toͤdten
ihnen verboten ſei). Der König geſtattete es allenthalben
zu toͤdten, auſſer an den Orten, wo es ſchon fruͤher von ſei⸗
nem Vater und ihm gehegt worden waͤre. Er zeigte ſich
gleich bereitwillig, andere Hinderniſſe des Ackerbaues und der
Biehzucht, der Flußſchifffahrt und des Handels, auf welche er
aufmerkſam gemacht wurde, zu entfernen *).
Naͤchſt diefen Gegenfländen, die dad Gemeinwohl und
dad Gemeindewefen betrafen, war ed .die mangelhafte Juſtiz⸗
verwaltung, welche Befchwerden veranlaffte und neue Ges
fege oder die beſſere Handhabung der beftehenden nöthig
machte.
Schon in Gortesverfammlungen unter Affonfo IV. war
feftgefeßt worden, daß die Gorregidored der Comarcas in
Rechtöftreitigkeiten, die vor. den Richterſtuhl der Ortsrichter
gehörten, nicht entfcheiden follten. Deffen ungeachtet glaubten
die Stände Urfache zu haben, über unbefugte Eingriffe der
Corregidores in die Ortögerichte zu lagen, um fo mehr, da
bie Gemeinden aus Furcht vor diefen Beamten nicht wagten
ihnen zu wiberfprechen, und fie Feine gefegliche Strafe in
1) Art. 1, 2,
2) Emygos mortaaes dos homens da nossa terra.
8) .... e que parecia muy sem razom veer dampnar a vinha
ou a lavoira porque se aviam de mantar e que lhi custava grande
. algo a lavrar e a fruytar e noın ousar de toruar hy e que ja por
direito se fosse homem que he melhor e de mays nobre condicom e
Iho fezess poderia hi tornar. Art. 85.
4) Art. 77, 13, 12 uw. a.
Negierung des Könige Debro L, 1357 —4367. 410
Schranken hielt. Der König befahl, bie von feinem Vater
deshalb erlaffenen Verordnungen fireng zu befolgen, und ging
Dabei fo gerade und durchgreifend. zu Werke, daß er den Cor⸗
regidored gebot eine Abfchrift von ben Amtsoorfchriften, bie
er ihnen gegeben habe, einer jeden Gemeinde ihrer Comarcas
mitzutheilen, damit dieſe beurtheilen koͤnne, ob der Corregidor
ihnen gemäß handle‘). Auf gleiche Weiſe verbot der König,
in Folge erhobener Befchwerben der Stände, den Corregidores
und Ouvidores die Entſcheidung in Sachen, Die in die Polis
zeigerichtöbarfeit (Almotacaria) der Gemeinden, bie benfelben
von jeher zugeflanden habe, einfchlügen. Über diefe Gegen⸗
ftände follten allein die Almotaces der Gemeinden entfcheiven,
von beten nur an die Ortörichter (Juizes ordinhairos) appellirt
werden duͤrſe. Won den Urtheilen dieſer finde keine weitere
Berufung flatt?). Es wurben ferner die Fälle beftimmt, im’
welchen NRechtshändel und Werhaftete an ben Eöniglihen Hof
gebracht werden follten”).. Diejenigen die wegen Vergeben .
angeklagt waren, erhielten Sicherheitöbriefe (Cartas de segu-
ranca), kraft deren Solche, die man eined Todtſchlages befchuls
digte, vor den Eöniglichen Ouvidores, und Solche, die many
geringerer Vergehen ſchuldig hielt, vor den Ortsrichtern fichers
geftellt wurden, bis über ihre Verhaftung gerichtlich erkannt
worden war. Nur die Verbrechen des Verrathes und Mein⸗
eides konnten auf diefe Wohlthat keinen Anfpruch "machen *);
Der koͤnigliche Mordomo fol in Zukunft Perfonm, bie er
verhaftet habe, dem ordentlichen Richter, wenn dieſer ihre
Auslieferung verlange, unter Teinerlei Vorwand vorenthalten.
Sie follen vielmehr, ehe man fie ind Gefängmiß führt, vor
ben Richter geftellt werden‘). Der Klage der Stände, daß
Fidalgos und andere geehrte Bürger, die von den Corregido⸗
res verhaftet worden, biöweilen neben gemeine, mit Ketten
1) Art. 11. Ordenag. Affons. liv. 1. tit, 28,6. 7.
2) Art. 6. oo ——
8) Art. 82, Ordenag. Affons. liv. 5. tit. 56. 28
4) Art. 54. Ordenac. Alfons, liv. 6. at
5) Art, 11. —
450 Erſter Zeitraum. IL Bud. 3. Abſchn.
gefeffelte Werbrecher eingekerkert und mit biefen in die Ge
sichtöftube geflihrt würden, warb durch angemeffene Maße:
geln abgeholfen”), Auf die Befchwerbe der Fidalgos und
Savalleiros, daß, ungeachtet ihrer Verdienfle um den Thron und
das Meich, ungeachtet ihrer mohlerworbenen Rechte und Frei:
heiten: auf Eöniglichen Befehl bei ihnen die Folter und. beſon⸗
ders Schläge angewendet würben,. in Fällen, in denen das
Geſetz fie nicht geſtatte, verfprach der König, nur nach ben
beftehenden- Sefegen zu verfahren, und bie Vorrechte bes
Wels zu ehren?). Überhaupt wurde die Folter oft geſetzwi⸗
vilg von Den : Eorregibored und ben Richtern angewendet.
Sie bedienten ſich ihrer vornehmlich in der Unterfuchung ge
den: Solche, die eines Vergehens verbächtig waren, auf dem
die-Folter-fland, und verweigerten den Angefchuldigten die
Appellation / woche fie dieſe ergreifen wollten. Oft ‘aber fand
is fich, daß Der Verdacht ungegründet war und der Gefol-
terte :fehuloles: den: Schmerz und die Schande erduldet hatte.
Pedro wies dem Gebrauch der Folter in die Schranken des
GSeſetzes und befahl Die Appellätion in diefem Falle anzu:
nehmen’). -
* Mähren: bie Stände Beſchwerde erhoben. über Gewalt:
misbrauch der koͤniglichen Beamten und gefegwibeige Anwen⸗
dung der Unterfuchungsmittel, klagten fie zugleich über die
Entziehung des geſetzlichen Beiſtandes vor dem Richterſtuhl
and: jeglichen Rathes in Rechtshaͤndeln. Schon vor Pedro's
Regierung hatte man bie Advocaten vielfältig heſchuldigt, daß
fle bis Proceſſe unnöthig verlängerten, . die Parteien überfor-
detten u. I. m; Die dagegen. esgriffenen Maßregeln wareh
dä Erfelg geblieben, und jene.Rlage dauerte fort. Pedro,
Des im: Eie für Reit und Gerhtigeit leicht zum ' Kuffefien
1.
1) Art. 79.
2) Art. 88," Ordenac. Aflond.- iv. 5. tit. 89%: Sie Hapten: .
que por esto ficavam defamados em tanto que ja se dhi em deante
nom aviad,;por homens pera ‚praga nem pera conversar antre boas
companhas que ab nosso sorvige” e ewperamento da nossa terra
fazia mester. ..
8) Art. 71. Ord. Aff. liv. 5. tit. 88.
To
Regierung des Königs Pedro L, 1357—1367. 421
fchritt, glaubte das Übel: mit der Wurzel auszureiffen, Indem
er ben Befehl gab, daß weder am Hofe, noch im ganzen
Reich Advocaten geduldet werden follten '). Aber die Cortes
von Elvas flellten ihm vor: „wie das Volk fich gedruͤckt fühle
durch Das jüngft erlaffene Geſetz, dem gemäß Jedem bei. Le-
benöftrafe und Verluſt ded Vermögens an die Krone verboten
fei, der Advocat, Procurator, Beiltand und Rathgeber eines
Andern in Rechtöftreitigfeiten Öffentlich oder insgeheim zu fein,
auffer wenn er von dem König ausdrüdlich dazu ernannt "
worden wäre. Es bünfe ihm wunderlih, daß ihre Väter,
Söhne, Verwandten und Freunde, ihre Hausgenoſſen, Dienft:
boten und Arbeitsleute, die des echtes gänzlich unkundig,
ber Kundigen Rath und Beiftand entbehren follten. Sie ver: .
lören deshalb oft ihr gutes Recht und ihre Eigenthum. Nie
mand möchte mehr fich Kenntniffe erwerben, weil er fie nicht
benugen dürfe, und fo werde der Mangel an Rechtöverftändi-
gen immer fühlbarer werden. Sie bäten Daher den König zu
verfügen, daß Jedem erlaubt fei in feinen Nechtöftreitigkeiten
Rath und Beiſtand bei Rechtderfahrnen nach Gutdünfen zu
fuchen.” Die Gemeinden nahmen felbft das alte Herkommen,
wonach in den Städten und Ortfchaften die Beamten berfel:
ben und die Gemeinderäthe ihre Advocaten und Sachwalter
ſich felbft wählen und ernennen durften, ohne vorher Durch
Eönigliche Schreiber dazu ermächtigt zu fein, als ein Recht in
Anſpruch. Der König fah fich gendthigt, das Eine wie das
Andere zu bewilligen. Nur follte mächtigen und angefehenen
Perſonen verboten bleiben Sachwalter und Bertheidiger ‚eines
Andern zu fein, wie dies bereitö in. den Cortes von Santa⸗
rem (Art. 54) unter Affonfo IV. feflgefegt worden war ?).
Endlich befchwerte fi) der dritte Stand über Eingriffe
der geiftlichen Gerichtöbarkeit in Die der Ortörichter, über Be
drüdungen von Seite der geiftlichen Erbeber u. f. w.°).
Aber dieſe Befchwerden beziehen fich ebenfo wie die breiund-
dreiffig Beſchwerden, welche der Klerus in-t 3 fıber
1) Lo pes, Cron. d’EI Rei D, Pedrr T m
2) Art. 36 u. 37. un
8) Art. 49. 58. 60.75. =.
“=
423 Erſter Beitraum. IL Bud. 3. Abſchn.
Beeinträchtigung feiner Vorrechte und Freiheiten vorbrachte,
mehrentheild auf frühere Beſtimmungen und Verordnungen,
und koͤnnen nur’ im Zufammenhang mit diefen begriffen und
gewürdigt werden. Sie werden deshalb in der Darftelung
der Verhältniffe der Geiftlichkeit eine paſſendere Stelle finden.
Der Klerud und die weltlichen Stände begegneten fich
vhbrigens in einer Befchwerde, die den König felbft oder viel
mehr feine Gefchäftsführung, die Erledigung der an ihn ge
‚ richteten Gefuche, betraf. Beide wichen nur darin von einan-
der ab, daß der Klerus feine Klagen über Verzögerung, na⸗
mentlich durch die häufige Abwefenheit des Königs während
der Jagdzeit, allgemein faffte; die weltlihen Stände aber
bauptfächlich Über das Werbot des Königs, nach einer abſchlaͤ⸗
Higen Refolution zum zweiten Mal in der nämlichen Sache eins
zukommen, fich befchwerten‘). Diefe Beſchwerden bezogen
fih auf eine neue Gefchäftsordnung, welche im Frühling Dies
ſes Jahres?) der König ſich ſelbſt und ſeinem Staatsrath vor⸗
gezeichnet hatte, und die in ihren Hauptzuͤgen hier mitgetheilt
wird, weil ſie in mehrfacher Hinſicht unſere Aufmerkſamkeit
rabient.
Alle an den König gerichtete Geſuche werben bei dem
Eferibäo da Puridade eingereicht. Diefer gibt fie fofort einem
Schreiber, der fie an diejenigen Defembargabores, in deren
Geſchaͤftskreis fie gehören, vertheilt. Bei Gefuchen, die auf
dem gewöhnlichen Wege erledigt werden koͤnnen, laffen bie
Defembargabored Die Refolutionen ſogleich durch ihre Schreis
ber auöfertigen, fo daß an demfelben oder am folgenden Tage
die Nachfuchenden abgefertigt fein muͤſſen. Bittfchriften, wels
V)y Art. 88. der Anträge der weltlichen Stände und Art. 83. ber
Beſchwerden des Klerus.
2) Die Verordnung ift zwar ohne Datum, aber Ribeiro, der fie,
unſeres Wiffens, zuerft dem Druck übergeben hat (in feinen Dissertagöes
sobre a Historia etc. 'Tom. I, Append. p. 309), fand fie zwifchen Ur:
Zunden vom 14. und 15. April der Era 1399. Das Wefentliche biefer
Geſchaͤftsordnung hat Lopes in feine Cron. d’El Rei D. Pedro,
cap. 4 mitgetheilt, offenbar nach jener Urkunde In ber Genauigkeit,
womit er fie benugt bat, finden wir eine neue Buͤrgſchaft für die Zuver⸗
laͤſſigkeit diefes Ghroniften auch wohl in andern Puncten feines Werkes.
’
Regierung des Königs Mebro KL, 1357—1367. 423
che Snadefachen oder den koͤniglichen Schag betreffen, Idfit ein
Bereador durch‘ feinen Schreiber in. die Ementa (ein Buch,
in welchem die Hauptpuncte der koͤniglichen Erlaffe, Schen⸗
Tungöbriefe und Gnabenbewilligungen kurz aufgeführt wurden)
einzeichnen. Zugleich fchreibt der Eferibäo den Inhalt der
Petitionen noch befonders auf. Diefe Nachweifung bleibt in
den Händen des Defembargadors, der fie hat eintragen laſſen,
und dient bei der Erledigung der in der Ementa aufgeführten
Sefuhe, wenn fie der König mit dem Defembargador ge:
meinfchaftlich bucchgeht, zur Controlle. Stimmen die Gefuche
in beiden der Zahl nach nicht uͤberein, fo trifft denjenigen, dem
das Verfehen zur Laft fallt, die Tönigliche Ungnade. Nach
der Erledigung der Petitionen theilt der Defembargador bie
Entſchlieſſung des Königs den Betheiligten mit, und läflt an
demfelben Zag oder fpäteftend am folgenden die Refolutionen
oder Urkunden duch die Schreiber ausfertigen. Diejenigen,
‚die den König mit neuen Bittfchriften beläftigen '), oder noch
länger am Hofe verweilen, nachdem ihnen die königliche Ent-
ſcheidung mitgetheilt worden, follen, wenn fie Perfonen von
Mang find, eine gewiffe Geldftrafe erlegen, find fie von ge
meinem Stande”), zwanzig Stodfchläge auf dem öffentlichen
Platz erhalten.
Um dem König die Unannehmlichkeit zu exfparen, Daß:
ihm die bewilligten Gefuche zweimal vorgelegt würden (in der
Ementa und in den Cartad), und um den Geſchaͤftsgang zu
befchleunigen, wurde folgende Einrichtung getroffen. Wenn
der König ein Geſuch gewährte, fo muffte der Defembargado,
der die Auöfertigung beforgte, fogleich in Gegenwart des Koͤ⸗
nigs die Art, in der er es bewilligt, in dad Buch der Ementa
nieberfchreiben. Died unterzeichnete ber König auf der Stelle
eigenhändig. Im der Regel muffte der Kanzler bei dieſer Un⸗
terzeichnung zugegen fein. Diefem ſchickte dann der Deſem⸗
1) Über diefen Punkt namentlich befchwerte fich der dritte Stand in
den Gortes von Elvas. Der König verordnet, daß die Geſuche mit ſorg⸗
fältiger Genauigkeit (com femenga) geprüft werden follten.
2) pessoa röfece (von fece, Hefe; re iſt Verſtarkuns e Ma;
griffe).
44 Erſter Zeitraum. I. Bug. 3. Abſchn.
bargador, der die Ausfertigung der koͤniglichen Cartas zu beſor⸗
gen hatte, dieſe zur Unterſchrift und Unterfiegelung nebſt ver
von dem König unterzeichneten Ementa (zum urkundlichen
Beleg der Übereinſtimmung und zur Befeitigung eines jeden
Anftanded). Dies muffte an dem nämlichen Zag oder ſpaͤte⸗
fiens bis zum Mittag des folgenden gefchehen.
War der König auf die Jagd gegangen unb über vier
Tage abwefend, fo verfammelten fih Alle, in deren Ge
ſchaͤftskreis die eingelaufenen Bittſchriften gehörten, zur ge
meinſchaftlichen Berathung derfelben. Glaubten fie ein Ge
ſuch abfchlagen zu müfjen, fo waren fie verpflichtet ihre.
Gründe dem König umftändlih und fehriftlich vorzulegen.
Hielten fie die Bewilligung für angemeffen, fo ſchickten fie
Die Ausfertigung durch einen Defembargador aus ihrer Mitte,
der dem König ihre Beflimmungdgründe entwideln muffte, -
demfelben . zur Unterfchrift zu. Auf dieſe Weife wurbe der
König von Allem was in feiner Abwefenheit in Regierungsfa-
hen am Hofe gefchah, in Kenntniß geſetzt ’).
3) Pedro's Denk» und Handlungsweiſe, in einzelnen
Zügen dargeftellt.
.. Die eben erwähnte Gefchäftsorbnung und jene Gefſetze,
‚ die in Zolge der Befchwerden der Corted von Elvas gegeben
wurden, beurkunden Pedro's ernften Willen, die Wünfche und
. Bedürfniffe feiner Unterthanen zu beberzigen, ihre Wohlfahrt
auf jede Weife zu fördern und den Gang der Staatöregie
rung nach feflen Grundfägen zu regeln. Daß die Anordnun⸗
gen bes Königs auch von ihm gehandhabt wurden, verbirgt
uns fein Charakter und berichten die Chroniften ausdruͤcklich ?).
Ja, feiner Strenge gegen Übertreter der Gefege verdankt er
1) E por esta guisa vera Ei Rey todo o que se livra na sua
Corte, e avera a terra Dembargo,.e sera EI Rey partido de muito
nojo, e de muito aficamento.
- 2) „Foi mujto manteedor de suas leis e grande executor das
semtengas iulgadas.““ Lopes, Cron. d’el Rei Pedro I. cap. 1.
Regierung des Königs Pedro L, 1357— 1367. 425
das Lob und die Ehre, ihrer wegen hat er den Schimpf und
den Tadel .verfchuldet, welche die Beinamen, die ihm bie
Nachwelt ertheilt hat, ausbrüden ). Seine Härte und Grau:
ſamkeit gegen die fchlafenden Wächter ber Gefehe, gegen
pflichtvergeffene Beamten, gegen Spelforger von aͤrgerlichem
Lebenswandel laffen fich, bei der fonfligen Milde und Heiter:
Zeit feines Wefens, nur aus feinem ſchnell aufwallenden Zorn
über jede Verlegung der Gefebe, aus feinem affertvollen Eifer
für deren ſtrenge Vollſtreckung erklären.
In dieſem Eifer Fannte Pedro Fein Maas und Feine Grens
zen. „Er begann, fagt Nunez do Liaö, das Urtheil mit ber
Bolftredung, und die Strafe galt ihm für die Schuld.“
Auf einer Reife nach Porto erfuhr der König, daß der Bis
fchof diefer Stadt, ein reicher und geehrter Prälat, die Gat⸗
tin eines angefehenen Bürgers daſelbſt entehrt habe, dieſer
aber, aus Zurcht vor dem Bifchof, der ihn mit dem Tode
bebrohe, bei dem König deshalb zu Hagen nicht wage. So:
bald Pedro in der Stadt angefommen war, ließ er den Bi:
ſchof in die koͤnigliche Burg entbieten, vorgeblih um in
Dienftfachen mit ihm zu fprechen. Die Thürhüter des Schlof-
ſes waren vom König angewiefen, fobald der Prälat in das
Eönigliche Zimmer eingetreten wäre, alle feine Bedienten wie .
die Eöniglichen Leute aus der Burg zu entfernen und felbft
den Raͤthen des Königs den Eintritt hicht zu geftatten. Es
gefchah. Als Pedro mit dem Bifchofe fi allein fah, ent-
Eleidete er ihn mit eigener Hand bis auf das Unterfleid, und
foderte ihn auf, das Verbrechen, deſſen ex beſchuldigt wor⸗
den, einzugeftehen, während er die Peitfche, die er gewöhnlich
bei fich trug, drohend fhwang. Die aus der Burg Gewies
fenen, mit des Königs Charakter wohl bekannt, argwohnten
Schlimmes und eilten zum alten Grafen von Barcellos, zum
Großmeiſter des Chriftusordend und andern vertrauten Räthen
des Königs, um deren Vermittlung zu erflehen. Diefe Ta-
men, wagten jedoch nicht, des Eöniglichen Verbotes wegen,
in das Zimmer zu bringen, bis endih bee ""* da Pu:
1) „O Justiceiro“, R Crn” dor
Grauſame).
426 Erfter Zeitraum. u, Bud. 8. Abſchn.
ridade, Soncalo Vaſques de Goed, unter dem Vorgeben, bag
er dringende Schreiben des Königs von Caftilien dem Regen⸗
ten einzuhändigen habe, die Erlaubniß zum Eintritt erwirkte.
Nur durch die ftärfften und eindringlichfien Vorftellungen, bie
fie dem König über dad Unanftändige, Ungerechte und wegen
feiner Folgen fo Gefährliche : feines Verfahrens machten, ges
Yang es ihnen den Born des Königs zu befänftigen und ihn
zu bewegen von dem Bifchofe abzulaffen ').
Vergeblich ſchuͤtzten Geiftliche, die fich weltficher Berge .
ben fchulbig gemacht hatten, ihre Gerechtfamen und Freiheiten
vor, wonach fie nur vor dem geiftlichen Richterſtuhl Rede
fiehen und von diefem Strafe annehmen wollten. Der über
ein veruͤbtes Verbrechen entrüftete Pedro fah nur die Schuld
“und die Strafe erkannte in diefer Beziehung keinen bevor:
rechteten Stand an umd berüdfichtigte Feinen Rang. Er hielt
ſich für berufen, parteiſche Urtheile geiftlicher Richter über
weltliche Vergehen ihrer Standeögenoffen zu berichtigen, und
ihre zu gelinde Strafe mit aller Strenge der weltlichen Macht
zu ſchaͤrfen). Wenn er nach diefer Anficht handelte, fo Tonnte
er felbft gefeßliche Beflimmungen, die in den Cortes von El:
v8 zwifchen ihm und der Geiftlichkeit feftgeflelt worden wa⸗
ren ?), für ſich anführen, obgleich wir annehmen dürfen, daß
- ein Pebro im Augenblid des Handelns weniger von jenen,
ald von den Eingebungen feines lebhaften Gefuͤhls fich bes
flimmen ließ. — Während einft der König in Evora ſich be
fand, Hagte ihm eine Frau aus Santarem, daß ein angefes
1) Lopes, Cron. cap. ?.
2) Mas assi ardia o coracom delle de fazer justica dos maoos,
que nom queria’ sua jurdigom, aos clerigos tanbem dordeens pe-
quenas como de majores; e se Ihe pediam que o mandasse entregar
a seu vigairo, dizia que 0 posessem na forca, e que assi o entre-
gassem a Jesus Christo que era seu Vigairo, que fezesse delle di-
reito no outro mundo; e el per seu corpo os quexia puniz e ator-
mentar. Lopes, l. c. cap. 7.
| 8)... e facam (nämlich die Bifchöfe oder ihre Vicare) direito, e
justiga per tal guisa, que Nos nom ajamos razom de tornar a
ello; e mandamos que as nossas Justicas nom metam a tormento
nenhun Clerigo, nem o degradem sem razom. ©. ben gangen Ars
titel im Cod. Affons, liv. 2. tit. 5. art. 5.
x
Regierung des Königs Pedro L, 1357—1367. 427
hener Geiftlicher diefer Stadt ihren Mann ohne irgend einen
Grund getödtet habe. Der König berubigte fie mit dem Ver⸗
fprechen, daß er bei feiner nächlten Anwefenheit in Santarem
ihrer gedenken werde. Er hielt Wort. Als er nämlich einige
Zeit darauf in dieſe Stadt Fam, trug er einem kraͤftigen
Steinhauer, der ihm gerade in die Augen. fiel und der jenen
Geiftlichen kannte, auf, biefen zu tödten. Jener vollführte
die That während einer Proceffion und wurde, da er nicht
durch die Flucht fich retten konnte, ergriffen und eingekerkert
Darauf gab der König den Befehl, den lebten Sprud in
biefer Sache ihm zu überlaffen, jener Frau aber gebot er
dem Gefangenen das Efien zu bringen, und das Geld dazu .
von dem Eöniglichen Almofenier fi) geben zu laſſen. Nach⸗
dem der Proceß bis zum Endurtheil gediehen war, baten die
Anverwandten des Geifllichen, ald Kläger, den König um bie
legte Entfcheidung. Er ließ die Acten fi) vorlegen Mab vor
ben verfammelten Defembargadored Wort für Wort vorlefen,
fanb aber nirgends jenen Mann erwähnt, ben der Geiftliche
getödtet hatte. Pedro ftellte fich als fei ihm diefe That un-
befannt und fragte Die Richter, ob der Geiflliche zanffüchtig
geweſen oder irgend ein Verbrechen begangen habe, woburd)
- feine Ermordung veranlafft worden wäre. Er habe einft, ers
wieberten Die Defembargadores, einen Mann getöbtet, fei aber
der Strafe dafür fchon ledig. Auf Pedro's Frage, welche
Strafe er für diefen Mord erlitten habe, vernahm er, daß er
von dem geiftlichen Gericht verurtheilt worden, Feine Meffe
mehr zu lefen und der Verrichtungen feines Ordens ſich zu
enthalten. Darauf gab der König folgenden Beſcheid: in
Betracht, daß das geiftliche Gericht dem erwähnten Kleriker
fir den an einem Weltlichen verübten Mord Feine andere
Strafe gefebt bat, ald dag ihm fein priefterliches Amt ge⸗
nommen werben fol, fo wird von dem weltlichen Richter dem
angellagten Steinhauer bei Zobeöftrafe verboten, fein Ge:
werbe fernerhin zu treiben. Der König ließ den Verurtheil⸗
ten fogleich berbeirufen, verheirathete ihn mit dr Wü ° ”
Getoͤdteten, und gab Beiden hinreichende Mittel, m.
das Steinhauerhandwerk leben zu können ').
3) Nunez do Liaö, Cron. del Rei D, Pedr
48 - Erfier Beitranm. II. Bud, 3. Abſchn.
Es war nicht etwa ein befonderer Haß ober“ Widerwille
gegen die Geiftlichen, was den König zu Diefer Strenge an
triebs er flrafte jeden Zrevel, der. zumal von einem Vorneh⸗
men’ an einem Oeringern aus dem Volk verübt wurde, und
ſchonte felbft den Schuldigen nicht, der in irgend einer Be
ziehung dem Töniglichen Haufe näher fiand und auf des Koͤ—
nigs Gnade rechnen mochte‘). So verurtheilte er zwei Edel
Inaben, Die lange Zeit in feinem Dienft am Hofe gelebt hat:
ten, zum Tode, weil fie einen Juden, der mit Spezereim
handelte, im freien Felde feiner Waaren beraubt und ihn
Dann getöbtet hatten. „Ihr thut wohl daran,” fagte dev Koͤ⸗
tig mit bitterm Lächeln, als die Ergriffenen vor ihn gebracht,
wurden, „baß ihr, wenn ihr das Raͤuberhandwerk ergreifen
‚ und Menfchen auf den Straßen morben wollt, zuerft an den
Juden es lernt und nachher zu den Chriften übergeht." Waͤh⸗
rend DR König dies und Ähnliches fprach, ging er unruhig
auf und ab und fchien ber vieljährigen Dienfte, welche bie
. bisher unbefcholtenen Iünglinge ihm geleiftet hatten, gerührt
zu gebenfen. Man fah einigemal Thraͤnen in feinem Auge.
Diöglih aber wandte er fih mit firengem Blicke gegen fie,
tadelte fcharf ihr Vergehen, hielt wieder ein und hörte auf bie
Fuͤrbitten der Anwefenden, auf alle Gründe, die man für die
Milderung der Strafe vorbrachte. Umfonftz der König be
harrte auf dem Urtheil und fagte wiederholt: „fie werben von
den Juden zu den Chriften übergehen". Die Juͤnglinge wur:
den enthauptet ?).
Wenn und der Chronift diefes Königs berichtet, Daß er
die ergriffenen Verbrecher aus den entfernteflen Theilen des
Reichs habe vor fich bringen laffen und, kamen fie zur Effens:
zeit an, fogleih von ber Zafel aufgeftanden fei, um ihnen
auf der Zolter das Geſtaͤndniß ihrer Schuld auszupreffen;
daß er, bei hartnädiger Weigerung, felbft Hand anlegte, fie
entkleidete und graufam fchlug, bis fie eingeftandenz daß er
1) 2... teendo tal igualdade em fazer direlto, que a nen-
‚ huum perdoava os erros que fazia, por criacom nem bem quere
que com el ouvesse. Lopes I. c. cap. 6,
2) Lopes, 1. c.
Regierung des Königs Pedro L, 1357—1367. 429
überall eine Peitſche in feinem Gürtel mittrug, um fie zu
folchem Zweck immer zur Hand zu haben, — wenn, uns Lo⸗
pes dies berichtet, .fo möchten wir und wegwenden von einem
FKürften, ber. am Strafen feine Freude zu haben ſchien ) und der
die önigliche Würde über dem Amt ded gemeinen Schergen
vergeflen konnte. Dann Öffnen uns aber jene Thraͤnen, von
denen Pedro's Auge benett war, jener Kampf in feinem In⸗
nern, ehe er das Todesurtheil über die beiden Juͤnglinge aus⸗
fprach, einen wohlthuenben, verföhnenden Bli in feine Seele,
und wir möchten feine Grauſamkeiten lieber Berirrungen eines
Veidenfchaftlichen Eiferd für firenge Gerechtigkeit nennen. Von
diefem Eifer ließ fich der König. zu einem Verfahren gegen
Verbrecher hinreifien, das feine Raͤthe nicht weniger misbil⸗
Iigten ?) als wir. Selbſt feine Anfichten von Verbrechen und
ihrer Beſtrafung fcheinen aus keiner andern Quelle gefloffen
zu fein. Sie waren nicht fowol Früchte bes befonnenen
Nachdenkens, als eines im Dienfle Iebhafter Gefühle und
mächtig aufwallender Gemlithöbemegungen flehenden Verſtan⸗
des, der Allem, mas jene begehren, ‚willig fein &epräge lich.
Man fagte dem König oft; daß er auf leichte Vergehen zu
fchwere Strafen febe. Seine Antwort war dann: „Die
Strafe welche die Menfchen am meiften fürchten, iſt der Tod;
wenn fie durch die Furcht vor Diefem nicht vom Unrecht ſich
abhalten Yafien, fo find die andern Strafen erfolglos. Gut
ift es, Einen oder Zwei aufzuhängen, um die Andern alle zu
firafen. "Wer vermag bier zu enticheiden, ob. diefe nat
Urfache oder Wirkung feiner Strenge wart WWermochte «8
wohl Pedro felbft ?
Diefe bisweilen graufame Strenge traf in’ der Regel nur
die Wornehmeren und Mächtigen: Beamte, die fh Beſte⸗
ungen oder Bedtuckungen zu Schulden kommen Tieffen, Geiſt⸗
liche, die durch ihren Lebenswandel Beiſpiele aufftellten, die fie aus
1) Fazer nos maos cruezas, fero e —
Eram os seus mais oertos refrigerios,
Os Lusiadas, ,
2)... . e pero que dello mujto e ne
e outros alguna, 2.
40 Eifer Zeitraum. N. Bud. 3. Abſchn.
Seelſorgern in Seelverberber verkehrten, frevelnde Adelige und
Mächtige, deren Straflofigkeit dem Bürger und Landmann
Die Geſetze als Feffeln feines Standes erfcheinen Tief. Das
Volk Eonnte bei der Strenge des Königs gegen folche Richten,
Geiſtliche und Adelige nur gewinnen. . Wie Diefe immer feine
Gegenwart fürchten -mufiten, fo durfte jenes immer auf fie
hoffen. Denn „wie der Corregibor amtlich feine Comarca
bereite, fo der König das Reich; hatte er einen Theil
deſſelben befucht, fo vergaß er nicht einen andern zu fes
ben, ſodaß er felten ‘über einen Monat an jedem Orte vers
weilte Y.“ |
Gecgen die Graufamfeit, die ihren Si& in einem büftern
und menfchenfeindlichen Gemuͤthe hat, vertheidigen den König
feine freundliche Herablaffung auch gegen den Geringften feines
Volkes, feine leicht fich oͤffnende Zutraulichkeit, Die in ben
Augen ernfler Menfchen fogar feinem Anfehn Eintrag that ”),
vor Allem fein natürlicher Frohſinn, der in der Menfchenbruft
nie neben. Grauſamkeit wohnt. . Ein Freund hbeiterer Feſte
und durchgreifender Leibesübungen, liebte er vorzüglich den
Tanz, und gab fich diefem Vergnügen mit einer Leidenfchafts
lichkeit amd Auögelaffenheit hin, die der ihm näher lebende
Lopes kaum begreiflich fand, und die wir mit unfern Begriffen
von Föniglicher Würde nicht wohl vereinbaren Fünnen. Nicht
allein daß et bei Seftlichkeiten Tag und Nacht tanzte; wenn
er von Almada über den Strom nach Liffabon fuhr und ihm
die Bürger mit Tanzen und Spielen, wie ed damals Sitte
war, enfgegenzogen, dann fprang er wohl aud dem Schiffe
und tanzte mit ihnen bis zum Eöniglichen Palaſt. Einft, da
er in Liffabon des Nachts nicht fchlafen konnte, ließ er feine
Leute weden, den João Mateus und Lorenzo Palos mit ihren
langen filbernen Trompeten (biefe zog er allen andern Inſtru⸗
menten vor) herbeirufen und Fadeln anzünden; dann ging es
in hellem Zuge tanzend dur die Stadt. Der Zrompeten
Klang und das Lärmen der luſtigen Schaar wedte die Schla:
fenden. Die Neugierde rief fie an die Fenſter. „Man freute
1) Lopes, Cron. cap. 1.
2) Nunez de Liaöd, I. c. p. 211.
Regierung bes Königs Pebrol, 1357-1367. 431
ſich den König fo fröhlich zu fehen.” So verftrich ein Theil
der Nacht; dann kehrte Pedro in die koͤnigliche Burg zurüd,
lieg ſich Wein und Obſt zur Erfrifchung reichen und fchlums
merte ermübet ein’).
Sonft war die Jagd des Königs Lieblingserholung, fo
daß fein Chronift Loped von ihm fagen konnte: „Auf drei
Dinge vornehmlich verwendete der König feine meifte Zeit, auf
Die Rechtöpflege und die Geichäfte der Regierung, auf die
Sagd, die er fehr liebte, und auf Zänze und Feſtlichkeiten.“
Eine Menge Jäger (mocos de monte), die er bielt, Hunde
und Vögel aller Art vermehrten dieſe Iagdfreuben.
Edler aber als diefe raufchenden Freuden der Jagd und bed
Zanzes war feine Freude am Geben. Freigebigfeit war ihm
Beduͤrfniß des Herzens und Regentenpfliht. Man hörte ihn
oft fagen: „An dem Tage, an dem ber König nichts gibt,
verdient er nicht König genannt zu werben.” Damit er mög»
lichſt Viele erfreuen koͤnnte, ließ Pedro Eleine Münzen und
Schmudfachen von Silber und Gold zum Verſchenken fertigen.
„Macht mir, fprach er zu ben Seinen, den Gürtel loder, das
mit ich mich frei bewegen und die Hanb (zum Geben) recht
weit auöftreden Tann.” Am freundlichften und reichlichften
fpendete er, wenn mit feiner Zreigebigkeit fich feine Dankbar⸗
feit vereinigte. Dienfte, die man ihm ober feinem Vater ers
zeigt hatte, befohnte er Eöniglih und entzog Teinem, was
ihm Affonfo IV. gegeben hatte; Tieber fügte er neue Gefchenfe
hinzu ?).
So erfcheint und Pedro's Charakter in den Zügen,” bie
und die Gefchichte aufbewahrt hat, in ſcharfen Gegenſaͤtzen ):
das Liebenswürdigfte neben Verabſcheuungswuͤrdigem, ein mils
der Sinn ber Freigebigkeit, fo zartfühlend, daß er mit kind⸗
licher Pietät Die Schenkungen bed abgefchiedenen Waters ehrte
1) Lopes, l. c. cap. 14.
9 Lopes,l.c. cap. 1. Nun. do Liad. p. 211. ⸗-
8) Schon Nunez do Liaö fühlte dies. Estas tam desvalr
maneiras e costumes del Rei se contaräo, porque rarammmte --
riäo em. hum mesmo homem, e muito menos sei
p. 212,
432 Erſter Zeitraum. IL Bud, 3. Abſchn.
und mehrte, Dankbarkeit, die unter den Tugenden nie allen
fteht, und — Härte und Grauſamkeit in einer und berfelben
Bruſt. Eine und diefelbe Hand, bie in ber einen Stunde fid
weit ausſtrecken möchte, um mit den Wohlthaten, die fie fpen-
det, vecht Viele zu erfreuen, und. bie in der andern Stunde
die Peitfche fchwingt, um dem Angefchuldigten durch graufame
Streiche dad Geftändniß auszupreſſen oder den überwiefenen
Verbrecher zu züchtigen. Wunderbar fühlen. wir uns bald an
gezogen, bald abgeftoßen von diefem feltfamen und feltenen
Fürften, bald von Liebe zu ihm, bald von Unwillen gegen ihn
bewegt. Doch nicht aus diefen Gefühlen dürfen wir unfer
Urtheil über ihn fchöpfen. Die Gerechtigkeit, die er erfirebte,
und die ihn fein Zeitalter und der Sturm feiner Gefühle nicht
erreichen lieffen, find wir ihm fchuldig, im Lichte unfrer Zeit
und in der Ruhe unferer Betrachtung. Der Fürft, der fo oft
wiederholte: „Wenn ihr nicht die Gefege verlegte, fo wuͤrdet
ihr auch mich nicht beleidigen,” der fonach in. feiner Perfon
den erſten Vertreter ber Gefebe fah, Geſetz und König in
einen Begriff faffte, — er verdient wohl, daß wir von feis
nem Standpuncte aus, mit feinen Augen feine Handlungen
betrachten und beurtheilen. Pedro aber, der fich des Strebens
nach Gerechtigkeit fo innig bewufft war, in beffen Seele bie
Idee der Geſetzmaͤßigkeit fo lebendig waltete, hielt er fich
wohl für ungerecht, für hart und graufam ?
Doc-dem fei wie ihm: wolle, fein Volk ‚fühlte fich wohl
bei feinen Fehlern wie bei feinen Tugenden, bei feinem fiber:
maß im Belohnen und im Beflrafen. Daß feine übermäßige
Strenge dem Volke nicht weh that, vielmehr ihm zu gut Fam,
haben wir gefehen. Das Ungewitter traf nur die hervorragen⸗
ben Bäume, den nievern Wald erquicdte der milde Regen.
Bedenklicher iſt immer eine zu große Freißebigkeit eines Fuͤr⸗
ſten; Hunderte werden gedruͤckt, damit Einer durch die Bönigliche
Gabe erfreut werde. Doch nicht fo bei Pedro. „Bei aller
Sreigebigkeit regierte er fo, Daß er ohne irgend eine Bedruͤckung
feines Volkes, und ohne ihm (ungerechte) Auflagen aufzubuͤr⸗
den, vieles Geld fammelte und damit den Scha& vergrößerte,
Regierung bes Königs Pebrol, 1357 — 1367. 439
den ihm feine Vorfahren hinterlaffen hatten ).“ Wie er das
Letztere bewerfftelligte, ift merkwürdig genug, um unfere Aufe
merkſamkeit einen Augenblid dabei verweilen zu laſſen
4. Pedro ‚bereichert den koͤniglichen Schag nad) dem
Beifpiele feiner Vorfahren.
Der König beobachtete bei der Erhaltung und Vermehs
rung des öffentlichen Schatzes daffelbe Verfahren, dad von feis
nen Vorfahren befolgt worden war. Sahr fir Jahr hatten
fich dieſe durch die Oberauffeher ihres Vermögens (Veedores de
sur fazenda) von allen Ausgaben, die durch Gefandtichaften
und andere Staatöbebürfniffe veranlafft worden waren, fo wie
von allen Eöniglichen Einkünften eine Überficht vorlegen laſſen,
um dad Verhältniß jener zu diefen zu ermitteln: Fand fich,
wie ed gewöhnlich war, ein Überfchuß, fo gaben die Könige
Befehl, dafuͤr Gold und Silber einzukaufen. Zu diefem Zwecke
unterhielten fie in allen dazu geeigneten Städten Wechöler
(Cambadores), die das Privilegium hatten, das Gold und
Silber den Einwohnern abzufaufen. Nach Verlauf eines Jah⸗
red lieferte jeber Cambabor ab, was er eingehandelt hatte, und
erhielt von jedem Gold und Silberftül ein Gewiffes für
feine Mühe. Diefed God und Silber wurde nun in bie
Burg von Liffabon gebracht und in einent fehr feflen Thurme
bafelbft, der eigens dazu erbaut war (a torre alvarräa), aufs
bewahrt. Einen Schlüffel zu dieſem Staatsſchatze hatte ber
Guardian der Sranciscaner, einen andern der Prior der Do⸗
minicaner, einen dritten ein Beneficiat des Bisthums dieſer
Stadt. Ähnliche Thuͤrme mit gleicher Beftimmung befanden
ſich in den Föniglichen Burgen in Santarem, Porto, Coimbra
und andern Städten. Die Bereicherung diefer Schatzkammern
fah man als eine heilige Pflicht der Könige, ald eines der
löblichften Verdienfte ihrer Regierung an. Wenn ein König
verfchied und bei der Öffentlichen Trauer das Gute und Große,
1) Worte eines Schriftftellers, der Pebro’s 6
fchärffte tadelt und nie in den Verdacht der Vorliebe
gelommen if. Nun. do Liaö, l/ e. p. 8
Süöäfer Geſchichte Portugals I.
434 Erfter Zeitraum. U. Bud. 3. Abſchn.
das er gethan, Lobpreifend erwaͤhnt ward, unterließ man nie
vor Allem zu ruͤhmen, daß er in ſo viel Jahren ſeiner Re⸗
gierung ſo viel Gold und Silber im Thurme niedergelegt
habe; je groͤßer die Summe war, deſto herrlicher ſein Lob.
Nachdem Pedro die Regierung einige Zeit angetreten hatte,
duͤnkte es Einigen, daß dieſer König nicht Willens ſei den
geerbten Schatz nach der guten alten Sitte ſeiner Ahnen zu
vermehren. Ein wohlwollender Vertrauter des Königs Joas
Eſtrvez, machte ihm deshalb Vorſtellungen. Pedro, fuͤr jeden
Rath, der des Staates Wohl erzielte, empfänglich, billigte
fie, ließ ſich von jenem eine fchriftliche Überficht der Eöniglichen
Einnahmen und Ausgaben aufftellen und fand nach genauer
Durchficht, daß er, nad Abzug der üblichen und unvermeibs
lichen Ausgaben, allein in den Burgthurm in Liffabon jährlich
bis auf 15,000 Dobras ') Tiefen konnte. Sofort befahl ex
den Überfbuß feiner Einkünfte jährlih in ber Töniglichen
Schatzkammer nieberzulegen. „Doch, fügte der König hinzu,
auch ber thut nicht wenig, der den geerbten Schatz bewahrt:
und mit den Einkünften des Reiches ausreicht, ohne das Wolt
zu drüden und ihn dad Geringfte von dem Fragen zu
nehmen °)."
5. Pedro's Verhalten gegen Gaftitien.
Er bewahrt den Frieden mit diefem Reiche, trog der hier eintre⸗
tenden gewaltfamen Thronfolge. Zod des Könige,
So regierte Pedro, gleich entfernt von Geiz und Vers
ſchwendung, ohne Bedruͤckung feines Volkes, mild im Geben
und nur hart im Sirafen, das Königreich in tiefem Frieden,
als im legten Jahre feiner Regierung die Ereigniffe im be
nachbarten Caſtilien die glüdliche Ruhe zu unterbrechen droh⸗
ten. Die wiederholten Graufamkeiten des caftilianifchen Koͤ—
nigs hatten die Gemüther feiner Unterthanen nach und nad
1) Eine Dobra Portuguesa, wie fie unter Pedro gefchlagen wurben,
hatte den Werth von 147 Reis und enthielt vier Libras und zwei
Soldos.
2) Lopes, l.c. cap. 12%
Regierung des Königs Pedrol, 1357 — 1367. 435-
gänzlich von ihm entfernt und die Zahl feiner Anhänger bis
auf wenige vermindert; nachdem fein Bruder Henrique in
Burgos gekrönt worben war, ſank Pedro in völlige Htilflofig-
keit. In diefem Zuftande wandte er ſich von Sevilla aus an
den König von Portugal, bat ihn um feinen Beiftand und 1366
ſchickte ſeine Tochter Beatriz mit einer anfehnlichen Geld⸗
fumme nad) Portugal, damit fie, dem beflehenden Vertrage
zwifcher beiden Königen gemäß, hier dem Infanten Fernando
vermählt werde. Unterdeffen vernahm man in Sevilla, wo
Pedro ſich aufhielt, Die Annäherung des Königs Henrique,
und jener, auch dort verhafft und von einem Aufruhr der
Einwohner bedroht, verließ mit der Kleinen Kriegsſchaar,
die ihm noch treu geblieben, in großer Eile die Stadt. Er
nahm feinen Weg über Serpa nad Coruche in Portugal.
Bon hier aus ließ er feinem Neffen, dem König von Portugal,
der ſich in feinem Schloffe zu Vallada bei Santarem befand,
feine Ankunft melden. Pedro fühlte dad Bedenkliche der Lage,
in die er durch feinen Oheim gerieth, und lief ihn bitten
nicht weiter vorzurüden, fondern dort zu verweilen, bis er ihm
nähere Nachricht geben werbe.
Sogleich verfammelte der König feine Raͤthe und die
Großen des Reich zu einer gemeinfchaftlichen Beratyung, "wozu
auch der eben abmwefende Infant Fernando berufen wurde. Die
Meinungen waren getheiltz denn Pflicht und Klugheit waren
hier fchwer zu vereinen. Selbſt jene, die fir die Aufnahme
und Unterſtuͤtzung des vertriebenen Pedro, mit welchem ihr
König durch Bande der Verwandtfchaft und feierlich gefchloffes
ner Verträge verbunden war, flimmten, konnten fich nicht
bergen, daß alle ihre Hilfsmittel nicht hinreichten einen Koͤ⸗
nig wieder auf den Zhron zu heben, den der gerechte Haß
feines Volkes von demfelben geftürzt hatte, und der nun, von
Allen verlaffen und verflogen, nur auf fremde Huͤlfe ſich
ſtuͤtzen wollte. Auf der andern Seite fehien es unmöglich einen
König zu verdrängen, ber bereits in dem ruhigen Beſitze des
Reichs war und, v I aelieht, uͤber die Herzen feiner
Unterthanen wie KON llen feines Staates gebot.
Der Koͤr flilianern den ver:
Poße: fogar flrch-
436 Erſter Zeitraum. OD. Bud. 4. Abſchn.
ten den eignen Thron zu erſchuͤttern, wenn er die Sache bes
verabfeheuten Fürften zur feinigen machte. Zudem war aud
der portugiefiiche Infant Fernando der Gemahlin bes Königs
Henrique von Gaflilien verwandt (fie war eine Schweſter fe
ner Mutter Conftanze), und bei dem Abwägen der beiderſeiti⸗
gen Gruͤnde hob eine Verwandtſchaft die andere auf. Die
Klugheit gewann endlich die Oberhand. Man beſchloß in den
ſchonendſten Ausdruͤcken dem Koͤnig den Beiſtand zu verwei⸗
gern und die Infantin Beatriz, mit welcher Fernando ſich
durchaus ‚nicht vermaͤhlen wollte, ihrem Vater zuruͤckzuſchicken.
Es geſchah.
Pedro, hoͤchſt entruͤſtet daruͤber, wandte ſich nun mit ſei⸗
nen Streiterhaufen nach Albuquerque, das ihm aber die Thore
‚ verfchloß, nachdem man einige feiner Leute hinausgeworfen
hatte. So überall zurüdgewiefen, bat Pedro den König von
Portugal ihm fichered Geleit zu gewähren, Damit er buch
fein Land nach Galicien, wo er noch auf einigen Anhang
rechnete, fich begeben koͤnne. Dies ward ihm bewilligt. Einige
portugiefifche Ritter begleiteten den unglüdlihen Zürften bis
Lamego, wo fie von ihm reichlich befchentt wurden; Dann 308
er allein mit den Seinen, nur ungefähr zweihundert Mann
zu Pferd, bis an die Grenze von Galicien.
Unterdeffen war der König Henrique nad) Sevilla gekom⸗
men und von den Einwohnern diefer Stadt mit offenen Ar⸗
men empfangen worden. Ungeachtet der freudigen Aufnahme,
‘ die er aller Orten gefunden hatte, hielt er ein gutes Verneh⸗
men mit dem König von Portugal für wünfchenswerth, und
Pedro's Verhalten gegen feinen Oheim, dad dem König von
Gaftilien befannt geworden, ließ dieſen friedliche Gefinnungen
von jener Seite hoffen. Henrique faumte daher nicht ſchon
von Sevilla aus dem portugiefifhen König ein Freundfchafts:
buͤndniß anzutragen, das auch bald darauf durch bevollmaͤch⸗
tigte Sefandte an der Grenze beider Reiche, am Ufer ber
Caya, feierlich abgefchloffen wurde. Er bewirkte. aufjerbem
durch feine Vermittlung, die er in diefem Vertrage verfpro-
chen hatte, daß nicht lange nachher die Kronen von Aragonien
und Portugal fi einander wieder näherten und bie. alten
.
Regierung bes Königs Bernando, 1367— 1383. 437
Verträge, die einft Fernando und Diniz in Agreda gefchloffen
hatten, ernenert wurden.
Kaum aber hatte der König von Portugal den Frieden,
den fein Reich im Innern genoß, fomit auch nach auffen
hin gefichert, fo flarb er, nach einer zehnjaͤhrigen Regierung. ir
„Solche zehn Iahre hat Portugal niemald gehabt,” fagte über
feinem Grabe das Volt ) — ein fchöner Lobfpruch aus feis
nem Munde! Herrlicher noch verkündete den Ruhm feiner
Megierung der blühende Zuſtand, in welchem er das Reich
hinterließ.
Vierter Abſchnitt.
Regierung des Koͤnigs Fernando.
(Von 1367 bis 1383.)
1. Bluͤhender Zuſtand Portugals bei Fernando's Regie⸗
rungsantritt. Charakter des Koͤnigs.
Seit Affonſo II. war Portugal in ſtetem Fortſchreiten
begriffen. Auf verſchiedenen Wegen, aber mit demſelben Ziel
im Auge hatten die Koͤnige ſeit jener Zeit an der Entwicklung
der Kraͤfte des Landes und der Betriebſamkeit des Volkes ge⸗
arbeitet, oder auch nur die natuͤrliche Entwicklung Beider in
ihren Schutz genommen. Affonſo III. war der Schoͤpfer und
Schirmer unzaͤhliger Gemeinden geweſen; in der Beachtung
des dritten Standes hatte er ſeinem Sohne die Bahn gelichtet.
Diniz, der den Landbau den Nerven des Staates nannte,
wirkte in ſechsundvierzigjaͤhriger Regierung fo, daß der Lands
mann zu Vermögen, durch Vermögen zu Anfehn und. einer
gewiſſen Vedeutſamt⸗· te, mehr Rechte foderte und
1) R diziam au = 45008 NUmMoa onve em
Portugal, com- »-Pudeo, Lopes,
***
N
438 Erſter Beitraum. IL Bud. 4 Abſchn.
von der Weisheit des Königs erhielt. Größere Beduͤrfniſſe
und reichlicherer Gewinn machten nun ben-Gewerbämann xuͤh⸗
tiger. Neben dem Landbauer und Handwerker erhob fich der
Kaufmann, Beide erregend, belebend und belohnend. Alle Drei
verbrüdert bildeten einen Stand, der zwar unter Diniz Schon
vorhanden war, aber erft unter ihm und meift durch thn als
dritter Stand ehrenhafter hervortrat ‚und fich geltend machte.
Schon dadurch wurde der ungebührlichen Überwucht des Adels
und Klerus im der Wagfchaale der Stände des "Staates ein
natürliches Gegengewicht gegeben. Allein Diniz befchnitt ütber-
dies an jenen Bevorrechteten, was als Misbrauch oder als
verderblich wirkend ſich Fund that. Affonfo IV. hielt mit flar-
fem Arm den fchüßenden Scepter über dem Privateigenthum;
ed Fonnte fich ungeflört mehren und mehrte fich ungeachtet
großer Unglüdäfälle, wie der ‚menfchenverzehrenden Peft, die
das Land heimfuchten. Pedro's firenge Haushaltung hielt das
Übertommene wie das felbft Erworbene zufammen; was er
freigebig bingab, floß ja den Seinen zu. Nur Verbrecher
nannten ihn graufamz der redliche, fleiffige Bürger und Land:
bauer freute fich feines geficherten Erwerbed und genoß unver:
Eümmert feiner Arbeit Lohn. So konnte ein zehniähriger
Friede feine Segnungen über das Land ausbreiten. Der Über:
flug an Erzeugniffen des Bodens floß ind Ausland, Reichthuͤ⸗
mer kehrten Dagegen zuruͤck; freilich mit den Waaren aus der
Fremde auch neue Beduͤrfniſſe. Aber dieſe rveizten nur noch
mehr zu größerer Anftrengung, zu mehrfeitigerer Betriebſam⸗
keit. Das Volk wurde reicher; fein König konnte nicht arm
bleiben.
Ws Fernando den Thron beftieg, war er der reichfte Koͤ⸗
nig, den man bis dahin in Portugal gefehen hatte. Er fand
einen beträchtlichen Schag vor, den fein Vater und feine Vor⸗
fahren gefommelt hatten. In dem Burgthurme in Liffaboen
alleta lagen 800,000 Goldſtuͤcke (pesas douro) und 400,000
Silbermarken (marcos de prata), aufler andern Münzen und
vielen Koftbarkeiten. Ähnliche Summen und werthuolle Gegen:
ftände waren noch an mehreren Orten ded Königreich nieder:
gelegt. Auflerdem betrugen die Eöniglichen Einkünfte jährlich
800,000 Livras, ungefähr 200,000 Dobrad. Der Ertrag der
Megierung des Königs Fernando, 1367 — 1383. 439
Alfandega in Liſſabon und Porto war fo bedeutend, daß er.
fchon Lopes kaum glaublich ſchien; er betrug vor Fernando’s
Megierungsantritt in der erflen Stadt, ein Jahr ind andere
gerechnet, 35 bis 40,000 Dobras, auffer gewiſſen Zehnten,
welche die Afandega zu erheben hatte. Eine große Menge
Fremder hielt fich Des Handeld wegen in Biffabon auf, Genüe
fen, Lombarden, beſonders Mailänder, Corfen, Majercaner,
Aragoneſen, Bifcayer und Andere. Die franden Handelsleute
von einem Wolf allein umfafite nicht mehr ein Haus; jedes
Bolt Hatte zu feinen Herbergen und Niederlagen viele Häufer
nöthig, und bie Könige bewilligten ihnen Privilegien und
Freiheiten, die für die portugiefifche Krone fehr einträglic)
waren. Ein rafcher Umtaufch, eine ſtarke Ein= und Aus:
fuhr belebten ben Verkehr. Hauptgegenflände der legten wa:
ven Wein, DI und Sal. Man fand in einem Jahre, daß
in Liffabon allein 12,000 Zonnen Wein im Herbft eingeladen
wurden, auffer dem, ber bei einer zweiten Labung im März
ausgeführt wurde. In dem Hafen dieſer Stadt zählte man
nieht felten 450 ausländifche und inländifhe Kauffahrteifchiffe.
Das Zuftrömen fo vieler Fremden von verfchiedenartigen Na:
tionen ſchien die Öffentliche Sicherheit in Liffabon, das damals
noch nicht einmal ummauert war, zu gefährden, und man
ordnete daher, wenn eine befonderd große Anzahl fremder
Schiffe vor der Stadt lag, in derfelben Nachtwachen zu Fuß
und zu Pferd zur Sicherheit der Straßen an ").
Mas vier Könige nacheinander gefammelt und gewirkt
hatten, Dad ward von einem verfchleudert und zum Theil zer:
ſtoͤrt. Fernando erfchöpfte den gefüllten Staatsſchatz und zer:
ruͤttete das Vermögen vieler Unterthanen. Der Charakter war
«8, der jenen wier Königen das Gepräge von Landesvaͤtern ge:
geben hatte, und der Mangel an Charakter war ed, der dem
wohlbegabten Fernando nicht geflattete ein vorzüglicher und
auch Fein fchlechter König zu fein. In Affonfo II. lebte ein
fefter Sinn fir des Bolles fahrt und die Würde des
Staated. Von Diniz wa id er konnte es auf
1) Fernär "-"nando in der
Collecgäo de Lx& p. 125.
40 Erſter Zeitraum. IL Bud. 4. Abſchn.
bem Todbette Öffentlich von fich fagen), daß er nie die Uns
wahrheit gefagt, nie fein Wort gebrochen habe. Der Geift
ſeiner Staatöverwaltung war Gerechtigkeit und Milde ohne
Schwäche. Gerecht war auch fein Sohn Affonfo IV.; allein
ber fanfte Hauch der Milde feines Vaters ging ihm ab. Seine
Kraft gebot Achtung, doch hatte fie bisweilen etwas Schroffes
und gewann ihm Feine Liebe. In Pedro fchien endlich die
Natur das Gerechtigkeitsgefuͤhl gleihfam auf die. Spitze zu
treiben, feine Strenge artete oft in Graufamteit aus. AS
bätte fich die Natur erfhöpft, zeigte fie fich in feinem Sohn
erfchlafft ). Sie hatte Fernando manche fehöne Geiſtes⸗ und
Gemuͤths⸗Gabe gefchentt, allein fie hatte ihm den Nerven, ben
Halt derfelben verfagt, — den Charakter. Charakterlofigkeit
aber, im bürgerlichen Leben bisweilen noch von Vortheil, wird
auf dem Throne das. Verderblichfte für Volk und Staat.
Fernando (gebor. 31. Octbr. 1345) war zweiundzwanzig
Sahre alt, eben in der Bluͤthe des Lebens, ald er ben Xhron
beftieg. Seine anfehnliche Geflalt und feine wahrhaft koͤnig⸗
liche Haltung fchienen ihn dem Throne zu eignen. Wer ihn
auch nicht kannte, hielt ihn unter vielen Männern fogleich fir
den König *). Dabei war fein Körper überaus mohlgebildet,
feine Gefichtsbildung anziehend und voll Anmuth; er galt für
ben fchönften Mann feiner Zeit”). Eine ungemeine Stärke
und Gewandtheit, deren er fih von Natur erfreute, hatte
der Süngling durch Eörperliche Übungen vermehrt und erhöhet.
Im Zweikampf, im Turnieren und Lanzenrennen, in allen
ritterlichen Künften that es ihm Keiner zuvor. Alle uͤbertraf er
in der Stärke ded Armes *), und Wenige vermochten gleich
ihm das Schwert .zu führen und dad Roß zu tummeln. Er
liebte die Jagd leidenfchaftlih. Mit flnfundvierzig berittenen
1) Do justo, e duro Pedro nasce o brando,
(Vede da natureza o desconcerto!)
Bemisso, 6 Sem cuidado algum, Fernando.
Os Lusiadas, Canto III. 138.
2) Lopes, l. 0, pag. 123.
8) Nunez do Liäo, pag. 870.
4) Era mujto bragelro, fagt Lopes.
Regierung des Königs Fernando, 1367—1383. 44
Falknern, auffer denen zu Fuß und einer Menge Icgerburfche,
309 er aus zu ben Freuden der Jagd, und fagte wohl, er
werde nicht cher zufrieden fein, bis in Santarem eine Straße.
fo bevölkert fei, daß .in ihr hundert Falfner wohnten. Alle
Gattungen von Vögeln wurden ihm auf der Jagd nachgeführt,
fodaß vom größten bis zum kleinſten fich Feiner in die Luft
erheben Tonnte, ohne fich, ehe ihn fein fchneller Flug in Sichers
heit brachte, von einem Feinde feined Gefchlechtes ergriffen zu
feben. Das fllchtigfte Wild vermochte nicht der nacheilenden
Menge der Iagdhunde, die den König begleiteten, zu ents
.„ Tommen ’).
Wandte ſi ch Fernando von der Erholung und dem Ge⸗
nuſſe, den ihm die Jagd gewaͤhrte, zu den Arbeiten der Re⸗
gierung, ſo zeigte er Verſtand und * mehr Einbildungskraft.
Aber jener war mehr thaͤtig als tief, dieſe mehr lebhaft als
ſtark. Sie ließ ihn mit Leichtigkeit Plane entwerfen, zu deren
Ausfuͤhrung ſein reger Verſtand ſchnell Mittel und Wege er⸗
ſann. Dieſe Leichtigkeit im Erfinden erzeugte in ihm ben
Slauben, daß er mit gleicher Leichtigkeit das Entworfene ins
Merk ſetzen, alle Schwierigkeiten bewältigen, alle Anſtaͤnde
und Hemmmiffe befiegen werde. Die Ausführung machte ihm
um fo weniger Sorge, da ihm bei der Wahl der Mittel ihr
fittlicher Werth felten Bedenklichkeiten verurfachte; er verlangte
vom Mittel nichts, ald daß es zum Ziele flhrte. Auch ſchei⸗
terten feine Plane in der Regel nicht an den Schwierigkeiten,
Die fich bei der Ausführung etwa erhoben; Fernando’ Unbe⸗
ſtaͤndigkeit ließ jene meiſt gar nicht oder nur zum Theil zur
Ausführung kommen, denn ihm ging die Ausdauer des Wil
lens, die nachhaltige Zhatkraft gänzlich ab, Weil aber feine
Diane nicht in die Wirklichkeit traten, ſo wurde ber König
auch weniger durch die Hinderniffe, Die fich jenen in den Weg
ftellen mufiten, belehrt und entbehrte der beften Lehrerin, der
Erfahrung. So ward feine Eitelkeit, die ihm die tiefften Ein-
fihten in die Staatöhändel vorfpiegelte und Rath feis
ner verfaffungsmäßigen und wohlmeinenbe aͤhen
1) S. die ſchoͤne Beſchreibung u -
pes. p. 144.
442 Erfter Zeitraum. N. Bud. . 4 Abſchn.
ließ, immer mehr genährt. Bertrauend nuf feine vermeintlich
Gewandtheit in der Kunft der Unterhaudlung. und in ber Staats:
Elugheit, mit der er andere Herrfcher nach feinen Launen und
Abfichten zu gängeln hoffte, in der Wahl der Mittel wenig
gewifienhaft, dabei vol Unbeflänbigkeit und Wankelmuth, zer:
riß Fernando Freundſchaftsbuͤndniſſe, die er fo eben. gefchloffen
hatte, und. knuͤpfte neue mit feinen: Feinden an, immer bereit
feierliche Eide leichtſinnig zu ſchwoͤren und ebenſo leichtſinnig
zu brechen, weil er in ihnen nur Mittel ſah Andere zu bie
den, fich felbft aber der Verpflichtungen überhoben wähnte,
fobald fie feine neuen Entwürfe durchkreuzten und ſtoͤrten
Wie der König in den Frauen nur bad finnlich Reizende liebte
(gleichwol ihnen eine unbefchränkte Gewalt über fein Gemäth
und in feinem Herrfcherkreife geftattete) und jenem leidenfchaft-
lich und unmäßig fi hingab, fo zeigte er ſelbſt in Bezug
auf feine Tochter unedle Begriffe von Frauenliebe und Ehe⸗
gluͤck; denn Beatriz's Herz war ihm ein Spielball feiner wet⸗
terwendifchen Politik, „Ihre Hand nur dazu gut, immer new
Projete zu. ſpinnen. In den wechjelnden Verträgen, die er mt
fremden Fürften ſchloß, wurbe Beatriz fünfmal vermählt und
dem veränderlichen Sinne ihres Vaters zum Opfer gebracht. Wie
Eonnte der König bei folcher Denfart und Unbeftändigfeit im
Verkehr mit fremden Fuͤrſten Achtung im Auslande gewinnen?
Unbeftändigfeit allein ift fchon das Grab auch der politifchen
Würde.
Sm Yuslande, wo er vornehmlidy nur von Piefer Seite
gekannt war, genoß darum der König weit weniger Achtung
als in feinem Reiche. Hier famen ihm Eigenfchaften zu ftat-
ten, die ihm Vornehme und Geringe geneigt machten. Seine
aufferorbentliche Freigebigkeit bereitete ihm Lob im Munde
der Hoben und Niedern, die fich jener zu erfreuen batten.
Sein König vor ihm hatte die Fidalgos fo reichlich befchenkt
wie Fernando, ungeachtet bie Zeiten vorüber waren, in wel
chen die Klugheit gebot durch Schenkungen den Abel an
Fuͤrſt und Thron zu feffen. Er erhob Viele in den Stand
der Fidalgos und liebte ihren Umgang; wie ein Vater um
den hingefchiebenen Sohn, fo weinte Fernando bei dem Tode
Regierung des Königs Fernando, 1367-—1383. 443
des geringften .Efeudeire '). _ Dem Wolf gefiel des Königs:
Herablaffung und Artigkeit, feine Sanftmuth wid Milde; audy
erfreute es fich feiner Freigebigkeit. So erflärt es ſich, daß
Fernando, mit Eigenfchaften und Zugenden begabt, die fir
feine Perfon einnahmen und ‚manche Untugend überfehen. Hieffen,
von feinen Unterthanen mehr geliebt wurde, ald man e& von
einem Kürften anzunehmen geneigt ift, der durch feine Fehler
feinem Lande fo verderblich ward ?). Verderblich aber war in
der That feine Regierung für Portugal, ungeachtet mehrerer
guter Geſetze und Verordnungen, bie der König erließ ). Die
Quelle des vielfältigen Unheils, das über Portugal kam, war
bauptfächlich Fernando's Perfönlichfeit. Darum ift fein Cha⸗
rakter der Schlüffel zu feiner Regierung, feine Regierungsge⸗
fchiehte der Commentar zu feiner Charakfterfchilderung.
» |
2. Fernando's Streben nad) der Krone von Caftilien.
Sein Buͤndniß mit den Königen von Aragon und Granada, um
gemwinfchaftlich mit biefen ben König Henrique von Caſtilien
zu befriegen. Fernando, obgleich, von feinen Bundesgenoſſen
unterſtuͤtzt, führt den Krieg laͤfſig und ungeſchickt und fchliefit
ganz unerwartet einen Vertrag mit bem Feinde ab. Er gibt
die ihm verlobte aragonifche Infantin Leonor auf und verfpricht
die Infantin Leonor von Caſtilien zu heirathen. Verluſt ber
in Aragonien ‚hinterlegten Geldſumme. Erſchoͤpfung des koͤ⸗
niglichen Schatzes nach dem Kriege. Fernando's Muͤnzver⸗
ſchlechterung und andere verderbliche Maßregeln.
Sobald Fernando die Regierung angetreten hatte, erneuerte
es, auf die Einladung des Königs von Aragonien, den alten
Bund, der zwifchen diefer und ber portugiefifchen Krome be:
ftand. Die aragonifchen Gefandten. waren noch nicht abgereift,
als ein Abgeorbneter des Königd Henrique von Gaflilien in
1) Foi gram criador de fidallgos, e ævit⸗ companheiro com
elles etc. Lopes |. c.
2) Nuuez do Liäo, p. 871.
3) Sie werden im folgenden Band
44 Erſter Beitraum. IL Bud. 4. Abſchn.
April
1367
ähnlicher Abſicht am portugieſiſchen Hofe erfehlen. Fernando,
der, ſolange ſein Vater lebte, dem Koͤnig Pedro dem Grau⸗
ſamen ſich guͤnſtig bewieſen hatte, zeigte ſich nun nach ſeiner
Thronbeſteigung bereit, dem natuͤrlichen Bruder deſſelben, dem
Grafen von Traſtamara, der unter dem Namen Henrique II
zum König von Caftilien fi erhoben hatte, feinen Beiſtand
zu verfprechen und mit ihm ein Freundfchaftsbimdnig zu
ſchlieſſen. Man erneuerte und beftdtigte die Verträge, die
zwifchen Fernando's Vater, König Pedro von Portugal, und
Henrique von Gaftilien gefchloffen worden waren). Als je
doch Fernando bemerkte, daß die Angelegenheiten des Königs
Henrique eine fchlimme Wendung nahmen und diefer nad)
der Schlacht von Najera gensthigt war, das Reich zu ver
laſſen, that der König von Portugal nicht nur Nichts, um
bie Sache feined Bundesgenoffen aufrecht zu halten, fordern .
errichtete fogar einen Bund mit feinem Gegner, Pedro bem
Grauſamen ?). Allein nicht lange darauf kehrte Henrique nach
Gaftilien zuruͤck und befefligte fich auf dem Thron, nachdem
er den König Pedro mit eigner Hand in Montiel getöbs
tet hatte.
Faft hätte man von Fernando’ Politik erwarten dürfen,
daß er dem obfiegenden Henrique fich wieder zumenden werde;
aber nun erft nahm er fich der Sache Pedro's eifrig an, ans
geblich um ihn zu rächen, in der That aber um die Anſpruͤche,
bie er felbft auf den Thron von Caſtilien erhob, geltend zu
machen. Er rüftete feine Land= und Seemacht, um die Städte
und Flecken in Gaftilien und Galicien, die fich für ihn erflärs
ten und unter feinen Schuß begaben ), zu befchirmen, und
den König Henrique, den er einen Verräther und Mörder
nannte, aus feinen Staaten zu vertreiben; er nahm den Zitel
„König von Gaftilien” an und ließ Münzen mit dem portu-
‚giefifchen und caflilianifchen Wappen prägen. Wie Henrique
1) Lopes, Cronica. cap. 1.
£) Lopes, 1. ce. cap. 13,
8) Ciudad Rodrigo, Ledesma, Alcantara, Valencia d’Alcantars,
Zemora, Tuy, Corufa, Santiago, Lugo, Orense, Padron, Salva-
tierra etc.
!
Regierung des Königs Fernando, 1367— 1383. 445
die Güter aller derjenigen, welche Fernando's Partei ergriffen,
einzog, fo nahm diefer den Anhängern Henrique’s ihre Bes -
figungen und verfchenfte fie an folche, die ihm befreundet, ers
theilte aufferdem vielen caftilianifchen Flecken und Städten bes
Deutende Vorrechte, und gab einer Reihe caftilianifcher Adeli⸗
gen und Großen portugiefifhe Drtfchaften und Ländereien.
„Die Meinigen, fagte Fernando, als ihm feine Räthe deshalb
Vorwuͤrfe machten, haben Häufer und Güter, in denen fie
behaglich leben koͤnnen; jene aber, die verlaffen find, haben
gute Herbergen nöthig und müffen mit Gefchenfen unterftügt
werden.” Cr bat daher die Seinen den Fremdlingen alle
Ehre zu erzeigen und feste felbft den Ruhm eines guten Fis
dalgo in ein ſolches Benehmen gegen jene Hülflofe. Die -gute
Aufnahme lodte eine Menge Gaftilianer an den portugiefifchen
Hof, wo ihnen eine größere Auszeichnung zu Theil wurde
als den Landeseingebornen felbft ').
Immer aber war die Zahl der fo gewonnenen caftilianis
ſchen Anhänger, auf deren Beifland Fernando zählte, fehr ges
ring; die Menge der Portugiefen dagegen, Die durch die Be⸗
günftigung der Ausländer fich gekraͤnkt fühlten und deren Ans
hänglichkeit an den König erfaltet: war, um fo größer. Diefem
fonnte nicht entgehen, daß er zu einem Unternehmen wie bie
Entthronung Henrique's einer mächtigern Hülfe bedurfte. Er
bewog zu diefem Ende den maurifchen König von Granada
einen Bund gegen Henrique von Gaftilien mit ihm zu fchlieffen,
und. bemühte ſich den König Pedro von Aragonien ebenfalls
auf feine Seite zu ziehen, indem er um die Hand feiner Toch⸗
ter Leonor, die dem caftilianifchen Infanten Iuan, Henrique’8
Erftgebornem, verfprochen war, werben ließ. Sernando erhielt
deren Zuficherung und leitete auf dieſe Weiſe einen Vertrag
mit dem König. von Aragonien ein, kraft deffen dieſer fich
verbindlich machte, zwei Jahre lang mit feiner Macht gegen
Hentique von Caſtilien Krieg zu führen, Bundes
genoffen Fernando ald König und Hen u:
Staaten anzuerkennen, mit Ausnahme
der Herrfchaft Molina und ber
1) Lopes, I. c. cap. 27. Nun.
446 Erſter Zeitraum: IM. Bud. 4. Abſchn.
Utiel, Mora, Cañete, Medinaceli, Cuenca, Almazen, Soria
and Agreda, die der Krone von Aragonien zugetheilt werden
follten. Der König von Portugal verpflichtete fich Dagegen,
fimfzehnhumdert- Lanzen auf feine Koften auszuruͤſten und
dem König vom Aragonien ſechs Monate lang zu überlaffen,
zugleich fo viel Gold und Silber nach Aragonien zu ſchicken, als
‚.nöthig, um das zum Sold für jene Schaar erfoderliche Geld
‚369
in aragonifchem Münzfuß zu fohlagen. Als Bürgen des Ver
trages blieben einige portugiefifche Adelige in Aragon; dem
König Fernando dagegen wurde zu feiner Sicherheit das Schloß
von Alicante übergeben ').
Geftust auf den Beiftand der Könige von Granada und
Aragonien, fiel Fernando an der Spitze eines kleinen Heeres
in Galicien ein, verheerte die Felder und nahm Coruña nebſt
einigen andern Orten ein. Da er aber hier Befatzungen zu⸗
ruͤcklaſſen muſſte, ſo ſah er feine Streiterhaufen bald ſo ge⸗
ſchwaͤcht, daß er bei dem Anzuge des caſtilianiſchen Heeres
ſich zuruͤckzuziehen genoͤthigt war. Man ſah Fernando auf
einer Galeere nach Porto zuruͤckkehren. „Der Feldzug, ſagt
Lopes, war der Art, daß es fuͤr den Koͤnig ehrenvoller gewe⸗
fen wäre, wenn er ihn unterlaffen hätte” Henrique hielt
fih nicht damit auf, die von portugiefifchen Zruppen befeßten
Orte wieder zu erobern, fondern drang unverweilt mit feinem
Heere in Portugal ein, nahm Braga weg, -richtete uͤberall
große DVerheerungen an und belagerte Guimaraens. Unter:
deffen hatte der König von "Portugal neue Streitfräfte gefam-
melt und ließ feinen Gegner zum Zweikampf herausfodern.
Henrique bot ihm dagegen eine Feldſchlacht an; jener zögerte,
Da wurde der König von Caftilien von einem Unfall benach⸗
richtigt, der feine Gegenwart in feinen Staaten dringend noͤ⸗
thig machte.
Der König von Granada, Mohammed hatte, dem gege⸗
benen Verſprechen getreu, feinem Bundesgenoſſen Sernando zu
Gunſten eine mächtige Diverfion: gemacht, indem er Algezira
369
weggenommen und gefchleift hatte. Den Verluſt diefer Stadt,
bie fo wichtig für Andalufien, ja für ganz Gaftilien war, fo
1) Lopes, I. c. cap. 29. Zurita, Anal. liv. 10. cap. 10,
Regierung des Königs Fernando, 1367 —1383. 447
theuer dem König, deſſen Bates fie mit der größten Anfteen=
gung erobert hatte, empfand Henrique höchft ſchmerzlich. Er
hob fogleich die Belagerung von Guimaraend auf und eilte
nach feinen Staaten, um weitern Unfällen und Verluſten vor:
zubeugen. Unterwegs nahm er wie im Flug noch mehrere
Orte weg. Fernando dagegen, obgleich fo tröfflich von feinem
mauriſchen Bundesgenoffen unterſtuͤtzt und durch die glüdliche
Wendung feiner Lage zur regſten Tchätigfeit aufgefodert, ent⸗
ließ zum Theil feine Fampfluftigen Portugiefen oder vertheilte
fie an den Grenzen. Unter Murren über ihren König zogen
jene ab, diefe verhöhnten oder fühnten feine Schwäche durch
die Kuͤhnheit und Zapferfeit, die fie bei ihren Einfällen in.
Gaftilien bewieſen). Nach dieſem mislungenen Feldzug zu Land
ließ Fernando ſeine Flotte zu einer Seeunternehmung gegen 23, Febr.
Saftilien ruͤſten. Aber ein furchtbarer Sturm, der in Liffabon 1370
die traurigfte Verwuͤſtung anrichtete, befchädigte auch die im
Hafen liegende Flotte. Doch warb fie bald wiederhergeſtellt
und lief, 23 Gaͤleeren und 24 Schiffe ſtark, nach dem Gua-
dalquivir aus. . Allein auch fie Fehrte nach mancherlei Schick⸗
folen und einem großen Verluſt an Mannfchaft wieder zuruͤck,
ohne einen andern Nuben geftiftet zu haben, als daß fie Se:
villa und feiner Umgegend vielen Schaden zugefügt hatte.
„Der Körtig verſchwendete (auch hier) ſeine Schaͤtze und ver⸗
lor ſeine Mannſchaft mit wenig Vortheil fuͤr ſeinen Staat
und feine Ehre ).“
Fernando's Verfahren war nicht geeignet den Eifer ſei⸗
ner Bundesgenoſſen fuͤr ihn anzufachen. Der Koͤnig von
Granada, der fuͤr Fernando's Sache ſich thaͤtiger bewieſen
hatte als dieſer ſelbſt, ließ ſich zu einem Waffenſtillſtande mit
Caſtilien bewegen; Pedro von Aragon, der vielleicht nie Wil⸗
lens geweſen war dem Koͤnig von Portugal Opfer zu brin⸗
gen, ſchien den Verlauf der Dinge abzuwarten. Der portu⸗
gieſiſche Koͤnig ſelbſt, mehr auf Andere als auf ſich geſtuͤtzt,
mehr in Unterhandlungen und Buͤndniſſen, fuͤr die er ſich die
1) Pedro Lopez de Ayala, Cronica del Rey D. Earique
segundo, afi. 2369..cap. 15.
2) Lopes, I, o. cap, 4.
h
1371
48 Erſter Zeitraum. U. Bud. 4 Abſchn.
größte Gefchidlichkeit zufraute, als in dem Flug und beharr
lic) geführten Schwert fein Heil fuchend, fendete von neuem
eine prachtvolle und Eoftbare Sefandtfchaft nach Aragonien, um
ben König zur thätigeren Zheilnahme am Kriege und zur Abs
fendung der Infantin Leonor zu bewegen. Allein Pedro hielt
feine Tochter zurüd, indem er die Verzögerung ber päpftlichen
Erlaubniß zur Vollziehung der Ehe vorfchob. In Anfehung
der Kriegshülfe vereinigten ſich Beide dahin, daß fie neue Ars
titel zu dem alten Vertrag hinzufügten, ohne dadurch die Uns
terhandlungen zu Ende zu bringen und ohne den gegenfeitigen
Erwartungen zu genügen. Die Koften und Bemühungen, bie
‚ber König Fernando aufgeboten hatte, waren vergeblich; er war
wieder andern Sinned geworden, und wir fehen ihn, ben
Bundeögenoffen, den Freund, den Verwandten und Schwies
gerfohn des Königs von Aragonien, ohne Nüdficht auf den
beflehenden Vertrag und troß des gegebenen Wortes, mit feis
nem. Feind und Gegner, dem König Henrique, ein Freunds
ſchaftsbuͤndniß fchlieffen ). Das Verdienfl der Verföhnung
beider Könige gebührt zunächft ben beiden Legaten, Die ber
Papſt Gregor XL nad) Spanien gefchidt hatte, um den Fries
ben auf der Halbinfel zu vermitteln. Ihre Bemühungen wurs
den durch einen glüdlichen Erfolg gekrönt. Unter ihrer Mit:
wirkung wurde ber Friede durch Bevollmaͤchtigte von beiden
©eiten zu Alcoutin abgefchloffen. Beide Könige verfprachen,
als Treunde und Bundesgenoffen- fid) gegenfeitigen Beiſtand
zu leiften und alle Pläbe, die fie im Kriege einander genom⸗
men hätten, zurüdzugeben. Fernando verpflichtete ſich, mit
der Tochter des Königs Henrique, der Infantin Leonor, fich
zu vermählen. Zur Bürgfchaft des Vertrags, der die nähern
Beflimmungen feftfegte, überließ jeder König dem andern eine
gewiffe Anzahl Schlöffer ?).
Sobald der König von Aragonien Kunde von Fernando's
Treuloſigkeit und feinem Bündniffe mit Henrique von Gaftilien
1) Aesta concordia veo el Rei com’ mao conselho, sem primeiro
teer comprimento com el Rei de Aragäo, com que stava concertado,
como parente, 6 amigo, e sogro, e em cujo poder tinha tanto the-
souro, que por isso perdeo. N. do Liaö,l. c. p. 259.
2) Ayala, af. 1371. cap. 6. Lopes, cap. 53.
460 Erſter Zeitraum. U. Bud. 4. Abſchn.
bermuͤnzen, erhoͤhete willkuͤrlich den Werth der geringhaltigen
neuen und ſetzte fie den werthvollen alten gleich). Vorneh⸗
me und Geringe, felbft die Handeldleute wurden getäufcht und
lieffen ſich täufchen durch diefe Münzfpeculation?). Als aber
dieſes Geld von geringem Gehalt und hohem Werth in Ums
lauf kam, gewiflermaßen eine Kippers und Wipperzeit in Pors -
tugal eintrat, und die Nachtheile dieſer Münzverfchlechterung
von allen Seiten hervorbrachen und fich Fund thaten, erhob
dad Wolf bittere Klagen. Man ftellte dem König vor, „daß
durch die vielen Geldforten von widerfprechendem und wanbel:
barem Gehalt und Gepräge, die er nach feinem Gutduͤnken
- gefchlagen und im Lande in Umlauf gebracht habe, die Preife
der Dinge bis zu einer aufferordentlichen Höhe, weit über den
wahren Werth, gefteigert worben wären; daß die gemeinen
Leute vielfältigen Betrügereien fich preisgegeben fähen, indem
fie aus Unfunde eine Geldforte mit der andern verwechfelten,
- und daß endlich Viele es wagten Geld auffer Landes zu ver:
fälfhen, dann wieder einzuführen und unter bad umlaufende
zu mifchen.“ Das Volk empfand ficherlid noch mehr und
größere Nachtheile von jener Münzverfchlechterung, als es hier
anflhrte ober die Gefchichte und berichtet 5; manche dieſer
Nachtheile begriff es nicht. Doch waren feine Klagen laut
genug, um den König zu bewegen auf Abhülfe zu denken.
Er fuchte fie in einer neuen Müngveränderung, indem er bie
1) ©. die Werthbeftimmung und. Veränderung ber verfchiebenen
Münzforten bei Lopes I. c. cap. 55.
2) E era espamto da simprizidade das gentes, nom soomente
do poboo meudo, mas dos privados del Rei e de seu conselho, que
mandavom rogar com prata aa moeda que Iha comprassem, emtem-
demdo que faziam mujto de seu proveito, por que a comprarom a
dezooito livras de dinheiros Alfonsys e davamlhe por ella vijmte @
sete livras que eram vijmte e sete barvudas, non paramdo mentes
aa fragueza da moeda, mas aa multiplicacom das livras. E mujtos
mercadores que aviam dhir ao Algarve e a outras partes do Reino,
hiam aa moeda, a davom vijmte e huum soldo de dinheiros meudos
por a barvuda, por levar seus dinheiros em mais pequeno logar,
nom sabemdo nem esguardamdo a gram perda que se Ihe daguello
seguia. Lopes |, c.
Regierung des Könige Fernando, 1367 — 1383. 451
verſchiednen Gelbforten beinahe auf die Hälfte des bisherigen
Werthes herabfegte‘‘). Der Erfolg entfprach nicht der geheg⸗
ten Abficht und Erwartung, und ein Miögriff führte nach je
nen Schritten, zumal in jenem Beitalter ſtaatswirthſchaftlicher
uUnkunde und Unerfahrenheit, nothwendig zum andern. Der
König verminderte abermals den Werth der Münze um ein
Betraͤchtliches, fo daß z. B. die Barbuda, bie er von zwan⸗
zig Soldos auf vierzehn herabgefegt hatte, num gar auf zwei
Soldos und vier Dinheiros niedergedruͤckt wurde. Umſont;
der König fah nun die Preife der Lebensbeduͤrfniſſe zu einer
unerhörten Höhe fleigen und wähnte dem abzuhelfen durch
Anordnung fefter Preife für ale Gegenftände*). Jede einzelne
Provinz erhielt nach Maßgabe ihrer Fruchtbarkeit und Lage
ihren befondern Zarif?). Den Böniglihen Beamten wurde
bie Weifung gegeben, den Preisanfag, auffer bei jenen vorge
ſchriebenen Gegenftänden, überall auch da anzuwenden, wo fie
es für „gut und angemeſſen“ hielten; fo wurde felbft ber Ge—
findelohn feftgefegt. Damit jedoch der König die Anorbnun
gen der Beamten in biefer Beziehung beurtheilen und beauf⸗
fichtigen Fönne, wurden fie verpflichtet, Abfchriften von ihren
Anfägen an die hoͤchſte Staatsbehoͤrde einzufchiden. Indeſſen
griff der König immer tiefer ein in das Eigenthum und bie
Rechte feiner Unterthanen. Sich ſtuͤtzend auf ein aͤlteres Ge
feß, wonach in Zeiten der Noth Ieder gewungen werden konnte,
zum Unterhalt und Bedarf feiner Mitbürger den eigenen Vor
rath für einen angemeffenen Preis zu verkaufen, gab er den
Befehl, alles Getreide, das auf ben Fruchtböben der Grund
herren oder Pächter aufgefpeichert läge, zuerſt zu verfaufenz
dann, wenn dies nicht ausreiche, Diejenigen welche Getreide
ernteten, zu deſſen Verkauf zu nöthigen, und wenn endlich
die Noth erfobere, eine Vertheilung ber Frucht, vorzunehmen,
1) Die Barvubas, bie 20 Golbos galten, auf 145 bie Pillartes
von 5 Solbos auf 3+5 bie Reass be 8 Soldos u. f. w.
2) Hordenou almotagaria
452 Erfter Beitraum. 1. Bud. 4 Abſchn.
dieſes Gefchäft zwei Gemeindsmännern, einem angefehenern
des Ortes und einem unbefcholtenen und verfländigen aus Dem
niedern Volf, zu übertragen. Kein Fruchtboden irgend eines
Grafen oder Fidalgo, eines Bifchofs oder Abtes fei von jener
- Verordnung audgefchloffen, und Jeder ber Getreide befiße und
ed ganz oder zum Theil verheimliche, fol des verheimlichten,
wie feined übrigen Vermögens, verluftig gehen; e8 fällt der
Krone anheim ‘). Die Gefchichte fchildert uns die Wirkun:
gen bdiefer und jener Anorönungen und Gefege, deren Be:
tanntmachung fchon einen Nothftand vorausfegte, nicht wei:
ter. Doc bedarf ed auch kaum einer folchen Schilderung;
die Zolgen diefer Maßregeln find jedem Denkenden offenkundig.
3) Fernando's Vermaͤhlung mit Leonor Telles.
Der Koͤnig entfuͤhrt Leonor ihrem Gatten, um ſich mit ihr zu
vermaͤhlen. Dadurch veranlaſſter Volksaufſtand in Liſſabon.
Leonor, auf den Thron erhoben, weiß ſich einen großen
Anhang zu verſchaffen.
Waͤren auch die Mittel, welche Fernando anwendete, um
die Wunde, die er ſelbſt geſchlagen hatte, zu heilen, zweck⸗
maͤßiger geweſen, als ſie es wirklich waren, ſo konnte er durch
ſie doch nicht im Geiſte ſeines Volks die Überzeugung tilgen,
daß er ebenſo ſchlecht hausgehalten, als den Krieg geführt
habe, und daß durch fein Verfchulden der Tönigliche Schatz
erfchöpft, Durch feine Misgriffe das Wermögen des Volks zer:
rüttet worden wäre. Lieben konnte man einen Landesherrn
nicht, der fo wenig als Landesvater fich zu erweifen bedacht
war. Ein anflößiger Schritt, den der König in jener Zeit
that, brachte ihn um alle Achtung und erregte den lauten
Unwillen des Volks.
Innerhalb fuͤnf Monate — ſo war es in dem Friedens⸗
vertrage feſtgeſetzt — ſollte der Koͤnig Fernando mit Leonor
1) Lopes l. c.
Regierung des Königs Sernanbo, 1367 — 1383. 453
von Caſtilien ſich vermählen. Während der Zeit verliebte ex
fi in die Gattin des Joäo Lourenco da Cunha, D. Leonor
Telles de Menezes, und vergaß Uber dieſe Leonore noch ſchnel⸗
ler die caftilianifche, als er Diefe tiber Die aragonifche vergeffen
hatte. In dem Schloffe des Königs in Liffabon wohnte zu:
gleich feine Schwefter D. Beatriz, die als das einzige weib⸗
liche Glied des Eöniglichen Haufes zur Erhöhung feines Glan⸗
zes mit einer Menge Hoffrauen von edler Geburt fich umge:
ben hatte‘). Da gefchah es, daß Leonor Telled von Beira
aus, wo fie wohnte, ihre Schwefter, D. Maria Telles, eine
der Hoffrauen der Infantin, befuchte. Ihre Reize bezauberten
den" König fo fehr, daß er bald von der glühendften Leiden:
fchaft beherrfcht wurde. Eine Zeit Yang verbarg er diefe,
‚dann öffnete er fich zuerft Leonorend Schwefter, Maria, die
jener an Schönheit nicht nachfland, in allen weiblichen Zu:
genden fie aber übertraf. Sie ftellte dem König vor, wie
‚unverträglich eine folche Leidenfchaft mit feiner und ihrer
Schwefter Ehre wäre; wie ihre Schwefter verheirathet, Die
Gattin eines geehrten Fidalgo, eines angefehenen Vafallen und
Verwandten des Königs ſei; wie der König‘ einer Infantin
von Föniglichem Geblüt, die in jeder Hinficht der Krone fich
würdig zeige, die Vermaͤhlung verfprochen habe, und diefe Vermaͤh⸗
lung für eine Hauptbedingung des Friedensvertrag gelte, deren
Verlegung von neuem alle Drangfale bed Kriegs über Portugal
bringen werde. Diefe und ähnliche Vorftellungen waren fruchtlos;
Fernando's ungeftüme Leidenfchaft wollte nur den Beifall
Maria's, ihre Beihülfe, nicht ihre Gegenerinnerungen. Der
König behauptete, daß die Ehe ihrer Schwefter ungültig fei,
weil fie ohne die zwifchen fo nahen Verwandten erfoderliche
Dispenfation (die aber, nach Mehreren, wirklich flattgefunden
hatte) gefchloffen worden wäre; er zweifelte nicht, daß er fich
feiner Verpflichtung gegen die caftilifche Infantin ohne nach⸗
theilige Solgen werde entziehen Fönnen. Gegen die Stimme
des eigenen Gewiſſens und der öffenf Meinung hatte die
1) Der König hatte es feiner T meflen, .
daß man das vertrauliche Zuſa ebr
als unanftändig hielt. Nune:
—
454 Erſter Zeitraum. UV. Buch. 4. Abſchn.
Leidenſchaft ihn taub gemachtz dem, was ihn nicht beruͤhrte,
glaubte er nicht begegnen, nicht Rede ſtehen zu muͤſſen. Wie
daher die Vorſtellungen der Maria Telles vergeblich waren,
ebenſo waren es die noch ernſteren, die ihr Oheim dem Koͤ⸗
nig machte. Überdies brannte das Feuer fchon auf beiden
Seiten. Leonor Telles, uneingeden? des heiligen Bandes, das
ſie mit Lourenco verknüpfte und das bereitö einen Knaben,
das Unterpfand ihrer Liebe, mitumfchlang, gleichgültig gegen
die Schande, die fie auf den Thron mitbringen würde, nährte
die Slamme, die den König verzehrte, und warb von dem
Glanze der Ausfichten, die ihre Eitelkeit ihre vorzauberte, ge
blendet und bethört.
Mit Ungeduld betrieb Fernando die Ehefcheidung, und
Loureneo, der den gefährlichen Boden, worauf er fland, er
Tannte, rettete fein Leben mit feinem Harme nach Eaftilien‘).
Den König Henrique ließ Fernando durch Abgeordnete bitten,
daß er ihn feiner Verpflichtung gegen die Infantin entbinden
möchte, da er mit einer Edeln feines Reiches fich zu vermaͤh⸗
len gefonnen fei, verfprach dagegen alle übrigen Beflimmun-
gen des zwifchen ihnen beſtehenden Vertrags puͤnctlich zu er⸗
fuͤllen. Henrique willigte ein, aus Liebe zum Frieden und
weil ihm, einen ſolchen Verluſt zu verſchmerzen, wohl nicht
ſchwer fallen mochte ?).
Der König von Portugal freute ſich fehr des glücklichen
Erfolgs Diefer Sendung; es war ein neuer Triumph feiner
Politik. Doc war damit nicht das Nationalgefühl der Por-
tugiefen befchwichtigt, das, durch jene Vorgänge verlegt, in
feinen Regungen und Auſſerungen ſich nicht irre machen ließ.
Dieſes oͤffentliche Gewiſſen zeigte ſich beſorgter fuͤr des Koͤnigs
Ehre als fein eigenes, und redete, als dieſes verſtummt
ſchien. Nicht allein die Großen des Reichs misbilligten jene
Verbindung des Koͤnigs, ſelbſt das Volk murrte daruͤber. Es
trat in jenen Tagen aller Orten zuſammen, beſprach und ta⸗
delte des Koͤnigs Schritte und druͤckte ſeinen Unwillen hier
Lopes cap. 57. N. do Liäo, p. 262
2) Ayala, aü. 1371. cap. 7.
Negierung bes Königs Fernando, 1367 — 1383. 455 .
mehr, dort weniger laut aus. Der Pulsfchlag des National:
gefühls fchlug am färkften in Liffabon, der gewöhnlichen Re=
fivenz des Königs und gewiffermaßen ſchon der Hauptflabt
des Reiches. Unvorfi ichtig ließ der König Leonor Telles ins-
geheim hierher bringen. Da gefchah ed, daß an breitaufend
Menfihen von allen Gewerben und alle mit Waffen verfehen
ſich in der Stabt zufammenrotteten, fofort einen Elugen, be
redten und kuͤhnen Mann, den Schneider Fernäo Vaſquez,
zu ihrem Führer wählten und mit ihm vor die Eönigliche
Burg lärmend zogen. Zernando, daruͤber erfchroden, ließ
die Volksmenge frägen, was fie hierhergeführt: habe. Vaſ—⸗
quez ergriff dad Wort, machte dem König fühlbar, wie feht
feine Ehre und des Keiches Mohlfahrt durch jene Verbindung
leiden muͤſſte, erflärte, daB das Volk fie nie zugeben werde,
und bat den König, eine ebenbürtige Gemahlin, welche Nor:
fugal einen rechtmäßigen Thronfolger hoffen ließ, zu nehmen.
Obgleich Vaſquez im Sinne des Volks gefprochen hatte, brach
Diefes, wie es denn, in Mafle verfammelt, nie Maß im
Reden und Handeln kennt, am Ende in laute Vorwürfe und
wilde Bewegungen aus. Dadurch gefchredt, ließ ihm der
König erwiedern, Daß er mit Leonore nicht vermählt fei und
fidy nicht vermählen werde; er wolle morgen im Klofter ©. .
Domingos ihnen Allen dies perfönlich und feierlich erklären.
Eine weit größere Menfchenmenge, fämmtlic) bewaffnet, ver:
fammelte fi daher am folgenden Tag in und vor ©. Do: -
mingod und erwartete den König. Er erfchien nicht, denn
er hatte mit Leonore während der Nacht heimlich die Stadt
verlaffen und den Weg nach Santarem eingefchlagen. Als
des Königs Flucht der erwartungsvollen Menge befannt wurde
und fie fich hintergangen fah, brach ihr Zorn los und fließ die
ehrenrührigften Schmähungen gegen den König und befonderd
gegen Leonor Telles aus. De gefährlicher ein folcher Aufftand
werden. fonnte, um fo mehr dachte man darauf ihn zu unter:
drüden und zu beftrafen. Zernäo Vaſquez und die vornehm⸗
fien Schulbigen wurden ergriffen, dem Einen die Füße, dem
Andern bie Melnlin. alnehe: + Mehrere retteten fich Durch die
Flucht. m ihrem Gemahl den Bes
{ ſerungen uͤber fie
456 Erſter Zeitraum. I. Bud. 4 Abſchn.
ausgefundfchaftet und beftraft werden follten. Das Volk ver:
flummte nun zwar, aber fein Haß grub fich deſto tiefer ein.
Mit jenen Straferkenntniffen und Befehlen erfuhr es zugleich
‚die vollzogene Bermählung Fernando's mit Leonore').
Beide waren mehrere Tage fortgereift, bis fie endlich in
dem Klofter Leca in Entre Douro e Minho anhielten. Hier
ließ fich der König in Gegenwart vieler Großen und Präla-
ten trauen und darauf die gefchloffene Ehe im Reiche befannt
machen. Seitdem nannte ſich Zeonore „Königin. Auf Be
fehl des Königs hatten bei dieſer Gelegenheit alle Großen des
Reichs, Männer und. Frauen, fowie alle Procuratoren ber
Städte die Hand der Königin geküfft. Nur der Infant Di:
niz hatte fich deffen geweigert; Leonore, meinte er, müffe viel-
mehr ihm die Hand Elffen. Daß ihn dafür "der König nicht
wirklich mit dem Dolche durchbohrte, wie er ed zu thun im
Begriffe war, verhinderten allein Fernando's und Diniz Hof
meifter.
Wie Diniz dachte, mochte noch mancher Große denken,
ungeachtet er der Königin gehuldigt hatte. Dies konnte fich
Zeonor nicht verhehlen, und wie fehr fie von Seiten des Volks
gehaflt werde, hatte fie in Liffabon und andern Orten ſchmerz⸗
lich genug erfähren. Sie vernachläffigte darum Nichts, was
ihr die Zuneigung des Volks und die Anhänglichfeit der Ade⸗
ligen und Großen erwerben konnte. Ihre feltene Schönheit
und reizende Anmuth, die Eluge Geiftesgewandtheit und Uns
terhaltungsgabe, die einfchmeichelnde Sanftheit, durch welche
fie Alles, was in ihren perfönlichen Kreis trat, für fich einzu⸗
nehmen und zu feffeln verftand, Famen ihr hierbei fehr zu _
flatten. Sie zeigte fich leutfelig und freigebig gegen Alle, die
ihre Unterflügung anfprachen, und entließ Keinen, ber ihr
nahete, ohne ihm etwas Verbindliche gefagt oder ihn zum
Danf verpflichtet zu haben. Den Adel gewann _fie durch)
Schenkungen von Gütern, Ertheilung hoher Ämter und Wür-
den, durch Heirathen, die fie fliftete”). Am meiften hob und
begünftigte fie ihre Anverwandte, die weiblichen durch eheliche
1) Lopes cap. 60 61. Liäo, p. 254 ess.
2) Eine Neihe von Beifpielen f..bei Lopes, cap. 69.
%
Regierung des Königs Fernando, 1367 — 1383. 457
Verbindungen mit den angefehenften edeln Familien, ‚die Maͤn⸗
ner, indem fie. diefelben zu Befehlshabern der bebeutendften
Schlöffer und Feften des. Reichs ernennen ließ. Ihr Brubder,
der Graf João Affonfo Telo, wurde zum Alcaide mor von
Kffabon, das als die vornehmſte Stadt des Königreichs auf
dieſes ſchon einen fichtbaren Einfluß auszuüben begann, er=
nannt, und genoß ald Bruder der Königin damals Fein ges
ringeres Anfehn als die Infanten, des Königs Söhne und
Brüder '). Diefe verbargen indefjen ihre Empfindlichkeit dar:
über; nur Diniz trat bald offen und feindfelig gegen den
Hof auf.
4) Neuer Ausbrud) des Kriegs mit SHentique von
Caſtilien.
Fernando verbindet ſich mit dem Herzog von Lancaſter gegen den
Koͤnig von Caſtilien. Dieſer, uͤber Fernando's Treubruch
entruͤſtet, und vergeblich bemuͤht Frieden zu erhalten, faͤllt
mit einem Heer in Portugal ein. Der portugieſiſche Koͤnig
ſieht von den Mauern Santarems herab den Feind nad) Liſ⸗
fabon ziehen. Ein Theil diefer Stadt wird ein Raub der
Flammen. Der päpftliche Zegat Guy de Boulogne vermit-
telt den Frieden, defien Bedingungen der König von Caſti⸗
lien vorfchreibt. Bufammenkunft beidee Könige auf dem
Zajo. Ihre Berhäteniffe zu dem König von Aragonien.
Die portugiefiihe Infantin Beatriz wird dem natürlichen
Sohn des Königs von Caſtilien verlobt.
Johann, Herzog von Lancafler, Sohn des Königs
Eduard IM. von England, war mit ber Infantin Conftanza,
der Alteften Tochter des Königs Pedro von Caſtilien, vermählt,
und gründete darauf Anfprüche auf den caftilianifchen Thron;
er hatte bereitö den Titel „König von Caſtilien“ angenommen.
Um feinen Bemühungen mehr Nahdrud zu geben, lüd er
den König von Portugal, obgleich dieſer felbft um die cafti-
lianiſche Krone fih bewarb, zu einem Bunde gegen den Kö:
1) Nunez do Liäo, p. 269,
458 Erſter Zeitraum. I. Bud. 4. Abſchn.
| nig von Caſtilien. Bernando ging fogleich Darauf ein unb
1372
verfprach in dem Vertrag, der zwifchen beiden Zünften in
Braga gefchloffen (Sul. 1372) und bald hernah in England
betätigt wurde, dem Herzog in dem Krieg, den er gegen bie
Könige von Caftilien und Aragonien zu führen im Begriffe
ftehe, mit feinen Streitkräften beizuftehen und dieſe auf eigene
Koften zu unterhalten. Die Verbündeten festen unter fich feft:
was der König von Portugal in Gaftilien wegnehme, mit
Ausnahme von Städten, Feften und Landesgebieten, folle ihm
gehören; was in Aragonien in Befiß genommen werde, ver
bleibe dem, der es genommen habe.
Nur in einer faſt unbegreiflihen Launenhaftigfeit und
höchft unmännlicyen Unbeftändigkeit laͤſſt fich ein Erklaͤrungs⸗
grund dieſes neuen Buͤndniſſes fuchen; eine Rechtfertigung
deffelben möchte man fchwerlich finden oder auch nur verſu⸗
hen. Der Vertrag war unflug, unpolitifcy und treulos zus
gleich, dabei fo wenig dem Volkswillen gemäß, daß Fernando
feine Abgeordneten heimlich nach England ſchickte, weil er wohl
wuſſte, daß die Portugiefen diefen Schritt ihres Königs nicht
billigen würden. So geheim derſelbe indefjen gehalten wurde,
fo war er doch im Reiche hier und da ruchbar geworben.
Die Eaftilianer, die in Portugal fi) aufhielten, regten fich.
fogleich und unternahmen feindliche Einfälle in Galicien, wo
fie des Schloffes Viana ſich bemädhtigten. Im Angeficht von
Liffabon ließ Fernando einige Schiffe fpanifcher Unterthanen
aus Vifcaya und Afturien ohne allen Grund wegnehmen ').
Diefe Vorgänge konnten dem König von Gaftilien nicht
lange unbekannt bleiben. Weniger um ſich der Wahrheit, an
der er nicht. zweifeln Tonnte, zu vergewiſſern ‚ als um die
Geſinnungen des Koͤnigs, die Stimmung in Portugal und
die Streitkraͤfte deſſelben zu erforſchen und zur Erhaltung
des Friedens, den er ſehr wuͤnſchte, noch einen Verſuch zu
machen, ſchickte Henrique von Caſtilien den Diogo Lopes
Pacheco an den Koͤnig Fernando, jenen Portugieſen, der nach
Ignez's Ermordung ſein Vaterland zweimal geflohen, und in
der Schule mannichfaltiger Schickſale ſeinen Blick geſchaͤrft
1) Ayala, an. 1372, cap. 3.
”
Regierung des Königs Fernando, 1367 — 1383. 459
und feine Zunge gebt hatte‘). Pacheco durchfchaute bald
Fernando's Geſinnungen, die: innere Lage feines Hofes und
Reiches, gewann insgeheim den Infanten Diniz und mit ihm
mehrere misvergnügte Portugiefen für feinen Herrn, und
durfte diefem bei der Ruͤckkehr an den caftilianifchen Hof die
Ausficht eröffnen, daß er bei der ſchwierigen Stimmung des
portugiefifehen Adels und Volkes und bei den geringen Ver:
theidigungsmitteln,, die der König von Portugal bereit halte,
denfelben mit großem Vortheil und Erfolg angreifen koͤnne.
So entrüftet Henrique von Gaftilien über Zernando’s Treulo:
figfeit war, fo fehr war ihm doch daran gelegen den Frieden
mit Portugal zu erhalten. Bevor er daher zum Aufferften
fchritt, wollte er noch einen lebten Verſuch machen, und
ſchickte den Bifchof von Siguenza an den portugiefifchen Hof,
einen Mann, von defien Klugheit und Befonnenheit man Alles
erwarten durfte Der Prälat wuſſte das Eindringliche der
Borftellungen, die er dem König machte, durch weile Ermah⸗
nungen, leife Vorwürfe und Drohungen, die er gefchidt ein⸗
mifchte, zu fchärfen. Vergeblich bemühte fi) Fernando durch
Gegenbefchuldigungen feine eigene Schuld von fich abzumälgen
und den gefafften Entfehluß, feinen bisherigen Bundesgenoffen
zu befriegen, unter mancherlei Ausflüchten zu verbergen.
Ebenſo vergeblich führte der Bifchof dem König zu Gemüth:
„Daß nur derjenige Friede ein wuͤrdiger und glüdlicher fei,
der auf dem Willen, nicht auf Worten beruhe” ’). Der Koͤ⸗
nig konnte den Bifchof nicht täufchen, und dieſer vermochte
nicht jenen, der fonft fo wanbelbar, von feinem Vorhaben
abzubringen. „Gott, der alle Dinge weiß”, rief vor allen an=
1) Pacheco hatte zuerft bei Henrique von Gaftilien eine gute Aufs
nahme gefunbens er focht längere Zeit für beffen Sache und genoß bes
Königs Vertrauen und eine ehrenvolle Auszeichnung. Die Sehnfucht
nad) dem Vaterlande führte ihn, nach Pedro's Tode, in daſſelbe zurüd,
und Fernando fegte ihn wieder in feine Güter eins er wurde Ricohomkro
und Mitglied des Löniglichen Rathes. Da er fich aber gegen Ferna
Vermählung mit Leonor erklaͤrte, fo fiel er in Ungnabe, floh mit |
Söhnen den portugiefifhen Hof und fınd wieder Gicherbeit unb
trauen bei dem König Henrique in Gaftilien. Lopes om
2) Lopes cap. 69.
460 Erſter Zeitraum. IL Bud. 4 Abſchn.
wefenden Herren König Henrique, ald ihm der Biſchof den
Erfolg feiner Sendung erzählte, — „Gott weiß, Daß ih
nicht den Willen hatte mit Fernando Krieg zu führen, fon
dern in Friede und Freundfchaft mit ihm zu leben gebachte.
Nun aber, da ich Krieg mit ihm haben fol, will ich ihn aud
nicht auffchieben, fondern auf der Stelle beginnen.‘
Alle Anwefenden flimmten für den Krieg, nur riethen fie
damit bis zum Frühling zu zögern. Allein der König, darauf
bedacht den Vortheil des erften Angriffs und der Überrafchung
des Unvorbereiteten zu. erhafchen, drang fofort an der Spike
eined Heered mitten im December (1372) von Zamora aus
in Portugal ein, nahm Almeida, Pinhel, Linhares, Celourico
und die Stadt Viſeu, in deren Gomarca ber Infant Diniz
fi mit ihm vereinigte, gab feinem Admiral in Sevilla Be
fehl, mit zwölf Galeeren zu feiner Unterftüsung nach Liffabon
zu fegeln, wandte fich felbft nach Coimbra, wo die Großmei⸗
fler von Santiago und Calatrava mit ihren Streiterhaufen,
wie die aufgebotene Mannfchaft aus Andalufien zu. ihm flie
Gen. So verflärft ſchlug er fein Lager in der nächften Um⸗
gebung von Coimbra auf, und ſchickte ſich an, Diefe Stadt ein:
zufchlieffen. Der König von Portugal hatte fie bei der Ans
näherung des caftilianifchen Heeres verlaffen und fih nad
Santarem gewendet; die Königin dagegen war zurüdgeblieben
und wurde hier von der Infantin Beatriz, der nachherigen
Königin von Gafltilien, entbunden. Aus NRüdficht auf die
Möchnerin brach Henrique mit feinem Kriegsvold auf, um
geraden Weges auf Lilfabon loszugehen, ald er in Torresno⸗
vas Fernando’s Aufenthalt in Santarem erfuhr, ihm eine
Schlacht zu liefern befchloß, den König aber fo unentfchloffen
und troß der Bereitwilligkeit feiner Unterthanen ihn zu unter:
fiügen fo fehlecht gerüftet fand, daß Henrique da, wo Feine
Gefahr drohte und Feine Ehre zu ernten war, vorüberzog und
in ber Hauptfladt das Königreich und den König zu befiegen
fich vorfeßte. Fernando fah von den Mauern von Santarem
herab das caftilianifche Heer nach Kiffabon ziehen. War fchon
ber plögliche Einfall deffelben für die Portugiefen überrafchend,
fo war für fie noch weit überrafchender, daß er von Ddiefer
Seite, die durch des Königs Gegenwart und Kriegsfchaar ge:
Regierung bes Königs Fernando, 1367—1383. 461
ſchuͤtzt ſchien, geſchah. Niemand glaubte, daß der König den
Feind fo tief in dad Land und gleihfam über feine Perfon
hin werde dringen laffen. Darum war man nirgend darauf
bedacht feine Habe zu fichern und zum Kampfe ſich zu rüften.
Das portugiefifche Volt ſaß am Mittags: oder Abendtifch,
ging feinen Gefchäften eder Vergnügungen nad), während ber
Seind fhon im Weichbilde der Stadt oder Ortfchaft fand,
und plünberte, was ihm preisgegeben war ).
As die Bewohner von Kiffabon erfuhren, daß das ca=
flilianifche Heer an Santarem vorübergezogen fei und der
König Nichts zur Abwehr des Feindes und zu ihrer Vertheis
digung gethan habe, ergriff fie Beflürzung. Die untere Stadt
war ganz offenz ihre flarfe Bevölkerung und die Neichthümer,
die hier aufgehäuft waren, hatten keinen andern Schuß als
die alten Mauern der obern Stadt. Dorthin flüchtete man
Daher in großer Haft und Verwirrung Das Koftbarfte. Unter
deffen war der König vor die Stadt geruͤckt und nahm fein 23. Feb
Lager in dem hochgelegnen Franciscanerflofter. Auch das cas 1373
ſtilianiſche Gefchwader zeigte fi) bald darauf vor Liſſabon
(7. März). Um ed abzuhalten, rüftete man in aller Eile vier
Galeeren und mehrere Schiffe aus, leitete fie aber fo fehlecht,
dag die feindlichen Fahrzeuge in den Zajo eindrangen, meh⸗
rere portugiefifche wegnahmen und die übrigen nöthigten fich
höher in den Fluß zurüdzuziehen. Das caftilianifche Geſchwa⸗
der ward Meifter des Hafend und Meered. Das: Landheer,
das in der untern Stadt zerfireut lag, fammelte Beute oder
focht in blutigen, aber nichts entfcheidenden Scharmuͤtzeln mit
den Portugiefen, die auf Fernando's Befehl in die befefligte -
obere Stadt fich geworfen hatten. Da bemerkten jene, daß
mehrere, dicht an der Mauer gelegene Häufer ihnen hinderlich
waren, ben Gaftilianern dagegen zum Schuge dienten, und
zumdeten fie‘ aus dieſem Grunde an. Kaum gewahrten bies
die Gaftilianer, fo plünderten fie alle Häufer und legten an
mehreren Stellen Zeuer an, „ann“. wie fie fagten, „ben Por⸗
tugiefen, die den Anfang ; „ zu helfen und bie
Stadt wirklich abzubremmm ganze Rua nova,
1) Lopes « ».
462 Erſter Zeitraum. D. Bud. 4 Abſchn.
die Pfarreien S. Joäo und S. Magdalena, der Wohnbezirk
der Juden, überhaupt der befte Theil der Stadt ein Raub
der Flammen '). Nicht glüdlicher für die Portugiefen fiel der
Kampf aus, der fich zwifchen galicifchen Großen, die mit ih:
ren ÖStreiterhaufen in Portugal verheerend eingefallen waren,
und dem portugiefifchen Adel mit feinem Aufgebot im Gebiet
Entre Douro e Minho entfponnen hatte Da überdies die
aus England erwartete Hülfe ausblieb, fo wurde Fernando
bald eined Krieges müde, den er wider alled Recht und alle
Klugheit begonnen hatte und unbefonnen und ungefchicft führte,
der ihm felbft nur Schande, über fein Volk nur Unglüd und
Verderben brachte, und die Portugiefen ihm gänzlich entfrems
den muffte.
Um fo willkommener waren ihm die wiederholten Vor
fhläge zum Arieden, die ihm der Gardinalstegat Guy be
Boulogne, den der Papft fchon früher zur Beilegung der
Mishelligkeiten zwifchen den Königen von Portugal und Ca
ftilien nach Spanien gefchidt hatte, machte. So leicht es je
doch dem Legaten fiel Fernando für den Frieden zu flimmen,
fo ſchwer wurde ed ihm die Zuflimmung des Königs von
Caftilien zu bewirken, nicht etwa weil diefer den Krieg wollte,
fondern weil er einen Frieden verlangte, an deſſen Seftigkeit
Fernando's veränderlicher Sinn ſich ohmmächtig erweife. Den
9. März eifrigen Bemühungen ded Legaten gelang es endlich, den Frie
1373 den zu Stande zu bringen. Der König von Caſtilien fchrieb
die Bedingungen vor, und Zernando muſſte fich ihnen fügen.
Er machte ſich anheifchig, mit dem König von Gaftilien und
feinen Nachfolgern ſtets im Frieden zu leben, .und fich mit
ihm, wie mit dem König von Frankreich gegen den König
von England und den Herzog von Lancafter zu verbinden;
dem König von Gaftilien drei Sahre lang, fo oft er ſechs oder
mehr Galeeren gegen England ausrüfte, mit zwei bewaffneten
Galeeren beizuftehen; den Englandern, die in die Häfen von
Portugal Fämen, weder Lebensmittel noch Waffen zu geben,
noch irgend einen Beiftand zu gewähren, vielmehr fie aus
bem Reiche zu verweifen und dazu, wenn feine Macht nicht
1) Ayala, an. 1373. cap. 8, 4,5. Lopes cap. 77,
\
Regierung bes Königs Fernando, 1367 — 1383. 463
binreiche, den König von Caſtilien aufzufodern; achtundzwan⸗
zig namhafte Gaftilianer, die fich bei ihm und in Portugal
aufhielten, innerhalb dreiffig Tage aus dem Königreiche zu
entfernen; dem Infanten Diniz, dem Diogo Lopes Pacheco
und allen Portugiefen, die in Henrique's Gunft fländen, wie
allen portugiefifchen Ortfchaften, die ihm gehuldigt Hätten, zu
verzeihen, und jenen ihre Güter zurüdzugeben. Die Vermaͤh⸗
lung der Schweſter Fernando's „Beatriz, einer Tochter des
Koͤnigs Pedro und der Ignez de Caſtro, mit dem Bruder des
Königs von Caſtilien, Sancho, den König Alfonfo mit Leonor
von Guzman erzeugt hatte, follte die Verföhnung beider Koͤ⸗
nige befeftigen und ihren Vertrag befiegen. Alle portugiefis
ſche Prälaten und Herren, zwanzig Städte und Fleden, wel
che König Henrique auswählte, mufften den Frieden beſchwoͤ⸗
ren; eine Geldbuße von 30,000 Marken Gold und jede ers
finnliche weltliche und geiftliche Strafe wurde dem angedroht,
der den Frieben verlegte. Zu Unterpfändern erhielt der König
von Gaftilien eine gewiffe Anzahl portugiefifher Ortſchaften,
und ald Geifeln mehrere Portugiefen von hohem Rang, aufs
fer ihnen ſechs Bürgersföhne aus Liffabon, vier aus Porto
und gleich viele aus Santarem, die fi) Heinrich felbft aus-
wählen durfte, auf drei Jahre ausgeliefert ).
j Darauf Famen beide Monarchen, jeder in einer reich ges 7. Apri
fchmüdten Barke, auf dem Tajo zufammen. Zwifchen beiven 1373
hielt die Barke, die den päpftlichen Legaten trug, bier in
Wahrheit einen Friedensboten und geiftlihen Vermittler. Er
freute ſich fichtbar eines Werkes, das er großentheild fein
nennen konnte?). Beide Zürften begrüßten einander freund-
lich, befhworen den Frieden und befprachen dad Nähere feis
ner Beſtimmungen; dann Fehrte jeder in fein Reich zuruͤck ).
1) Ayala, an. 1373. cap. 6. Lopes, cap. 82. Nun. do
Liäo p. 286.
2)... . prazemdolhe muito da boa aveemza que vija antrelles.
Lopes L eo
3) „Quante en heariondo venho!« fagte Fernando mit dem Aus⸗
druck der I iu Saas Mikes is ee an’d Land flieg, und bezeichnete
damit her eriaue, beffen Anhänger er
Heu satte.
464 Erſter Zeitraum. I. Bud. 4 Abſchn.
Zwei Tage darauf wurde, dem Vertrag gemäß, das Bei:
lager des Grafen Sancho mit der Infantin Beatriz in Velada
gefeiert. Zum großen Schmerz des Königs von Caſtilien
fam jener bei einem Aufruhr in Burgos im folgenden Jahre
ums Leben; feine Witwe Beatriz wurde bald nachher von ei
ner Tochter, der nachherigen Königin Leonor von Aragonien,
entbunden. /
Sobald der Friede zwifchen Fernando von Portugal und
Henrique von Gaftilien hergeftellt war, fann jener Darauf, an
— ge
Aragonien flr erfahrene Beleidigungen fich zu rächen und de
erlittenen Schadens wegen an ihm fih zu erholen; namhaft
. erwähnt wird nur die VBorenthaltung der mehrgedachten Gelb:
1374 fich daher, auffer dem oben erwähnten Vertrag, noch befonz:
derd gegen Pedro von Aragonien '). Indeſſen war ed, wie
fumme. Die Gelegenheit, Aragonien zu züchtigen, fchien jetzt
gefommen. Der mit Fernando ausgeföhnte Henrique von
Gaftilien hatte, wie e8 fchien, nicht weniger Urfache zur Uns
zufriedenheit mit dem König Pedro und erhob ebenfalls Tode
zungen an benfelben. Aragonien aber, gebrängt von Genua
und Sayme von Majorca, verfprach den Königen von Caſti⸗
lien und Portugal einen leichten Sieg. Beide verbündeten
ed fcheint, dem König von Caſtilien weniger ernſt; er ſah
fi vor, daß er, ohne Fernando zu beleidigen, mit Pedro
bald Frieden fchlieffen Eonnte, und eröffnete unter dem Scheine
eines Vermittlers zwifchen Beiden dem Erften die Ausficht,
ihm die vorenthaltene Summe von dem Anden zu verfchaf:
fen ). Wirklich glich fi Henrique von Gaftilien, aus Liebe
‚ zum Srieden und um dem König von Frankreich, dem er zu
1375
Dank verpflichtet war, beiftehen zu koͤnnen, nicht lange her
nach mit Pedro von Aragonien aus; die früher beabfichtigte,
aber durch Misverftändniffe verzögerte Vermählung des caſti⸗
lianifchen Snfanten Suan mit Leonor von Aragonien wurde
vollzogen’). Fernando hatte vergeblich gerüftet und erwar⸗
tete vergeblich die Ruͤckzahlung der Geldfumme. Gleichwol
1) Die gegenfeitigen Verpflichtungen f. bei Lopes cap. 92.
2) Nunez do Liäo p. 295.
5) Ayala, an, 1375 cap. 1.
Regierung des Königs Bernando, 1367 — 1383. 465
wuffte Henrique ſchlau den Frieden mit dem getäufchten Koͤ⸗
nig von Portugal zu erhalten, indem er für feinen natuͤrlichen
Sohn Zadrique um die Hand der Tochter Fernando's, Bea⸗
triz, werben ließ. Der Wichtigkeit wegen wurde dad Geſuch
den in Leiria verfammelten Cortes vorgelegt. Sie genehmig-
ten es und huldigten am folgenden Tag der Infantin als
Thronfölgerin, im Fall Fernando ohne männliche Erben fer:
ben würde.
Indeſſen Eonnte der König von Portugal jenen in Ara
gonien erlittenen Verluſt nicht verfchmerzen, noch der Luft, ſich
deshalb zu rächen, wiberftehen. Da er den König von Ca⸗
flilien mit dem von Aragonien verfühnt fah, wandte er fich
nun an den Sohn des Königs von Frankreich, den Herzog
von Anjou, und fchloß mit biefem in Parid einen Vertrag
ab, um gemeinschaftlich mit ihm in Aragonien einzufallen und
fi q hier zu entſchaͤdigen. Allein es blieb auch dies Mal bei
Novbr
1376
1377
dem bloßen Bertrag '). Leicht, ſcheint ed, ſchloß man Ver⸗
träge mit Fernando, weil man fi) Fein Gewiffen daraus
machte ebenfo leicht fie wieder zu brechen. Die Misachtung,
in welcher der König bei den benachbarten Fürften fland, ent:
309 jebem Vertrag, den er mit ihnen fchloß, feine feftefte
Stüge, und Zernando, ohne Treue und Zuverlaͤſſigkeit, hatte
nicht einmal eine Leidenfchaft, die flarf und andauernd genug
gewefen wäre, um über feine Launenhaftigkeit laͤngere Zeit
die Oberhand zu behaupten und Die Dauer eines gefchloffes
nen Vertrags zu gemährleiften. Die Rache, welche der Kb:
nig wiederholt Aragonien gefehworen hatte, warb vergeffen
über Raͤnke, die in jener Zeit an feinem Hofe gefpielt
wurden,
1) Mas se esta guerra ouve alguum comeco, ou que se fez
sobreste, negogio, nos per livros, nem escripturas,. nenbuuma cousa
podemos achar que mais posess emos em escriptoz' ud: ag =
temdemos que nom. Lopes, cap. 97.
Schäfer Geſchichte Portugals J.
466 Erſter Zeitraum. A. Bud. 4 Abſchn.
5) Raͤnke der Koͤnigin.
Leonore veranlafft durch beruͤckende Vorſpiegelungen den Infanten
Joad, ſeine Gemahlin, ihre eigene Schweſter, zu ermorden.
Schreckliche Enttaͤuſchung des Infanten.
Um jene Zeit verliebte ſich Fernando's Bruder, der In⸗
fant Ioad, in die Schwefter der Königin, D. Maria Telles,
Wittwe des Alvaro Diaz de Soufa, eined reichen und ange
fehenen, aus koͤniglichem Geblüt abflammenden Fidalgo. D.
Maria ftand noch in der Blüthe der Jugend und Schönheit,
erfreute fich wegen ihres reinen Wandels der allgemeinen Ad:
tung und lebte, von vielen Frauen und einer zahlreichen Die:
nerfchaft umgeben, in einem glänzenden Wohlftande, ven ihr
die Einkünfte des Großmeiſterthums des Chriftusordens, das
man ihrem Sohne anvertraut hatte, und beträchtliche eigene
Güter gewährten. Sittfam und Hug, wie fie war, wies fie
“alle Anmuthungen ded Infanten, die mit ihrer Tugend un
vereinbar waren, zurüd und erflärte ihm, daß fie nur als
feine Gemahlin ihm Gegenliebe erweifen Tünne und waͤnde.
- Darauf vermählte ſich der Infant mit ihr insgeheim. Gleich⸗
wol blieb die Verbindung der Königin nicht lange verborgen.
Sie hätte ihre Schweſter lieber einem einfachen Edelmann als
dem Infanten vermählt gefehen. Wohl wiffend, wie allgemein
geliebt und geachtet ihre Schweiter Maria war, konnte eine
Vergleichung, die fie zwifchen ihr und fich felbft anftellte, nur
Neid und Eiferfucht in ihrer Seele erregen; von einer Frau,
die ed an ihrer Schweſter haffte, daß, fie einft bei den unziem⸗
lichen Anträgen des Königs mehr die weibliche Ehre und Tu⸗
gend als die Leidenfchaft der verehelichten Schwefter bedacht
hatte, — von einer folchen Frau durfte man Dies annehmen.
Aber nicht allein Eiferfucht muffte jene Vermählung in der
Seele der Königin entzuͤnden; Leonere konnte fich felbft qud-
lender Beforgniffe für ihr eigenes Anfehn und die Fortdauer
ihred mächtigen Einfluffes nicht erwehren. Der Infant war
wegen feiner trefflihen Anlagen und ritterlihen Tapferkeit im
ganzen Königreich gefchägt und geehrt. Mit Ausfichten auf
Regierung des Königs Fernando, 1367— 1383. 467
den Thron vermählte er fich mit einer Frau, bie dieſes Thro⸗
nes eben ſo wuͤrdig geachtet wurde als er, und die, mit der
Koͤnigskrone und daneben mit dem Kranze eines unbefleckten
Rufes geſchmuͤckt, jene von ſo Vielen gehaſſte Koͤnigin Leonore
verdunkeln, ſie um ihr Anſehen und ihren Einfluß bringen
muſſte. Die Gefahr war groß und gar nicht ſehr entfernt.
Des Koͤnigs Geſundheitsumſtaͤnde verſchlimmerten ſich ſichtbar;
die Koͤnigin fuͤrchtete fuͤr ihn und noch mehr fuͤr ſich. Wie
Leonore aber durch ein Verbrechen auf den Thron geſtiegen
war, ſo ſuchte ſie ſich nun durch Verbrechen auf demſelben
zu behaupten, und legte mit der ihr eigenen Hinterliſt, die
vor keinem Verbrechen, wenn es nur zum Ziele fuͤhrte, zuruͤck⸗
bebte, die dunkle Frevelthat an. |
“ . Sn einer traulichen Unterhaltung, die ihr Bruder, ber
ihr ganz ergebene Graf Joaõ Affonfo Tello, mit dem: Infans
ten Ioad hatte, muffte jener fcheinbar zufällig und wie aus
ſich fchöpfend die Aufferung hinwerfen, wie ed der Wunſch
der Königin fei, daß ſich Ioad mit der Infantin Beatriz, ih:
rer Tochter, vermählen. möchte, und wie fie, da ihr der Him⸗
mel feinen Sohn gefchenkt habe, der nach dem Ableben ihres
Gemahls das Reich erbe, ihre Zochter lieber mit ihm verhei⸗
rathet fehe, ald mit dem Herzog von Benavente, einem Sproͤß⸗
ling des caftilianifchen Stammes, von welchem Portugal fo
viel Übels erbuldet habe. Es fei ihr ſchmerzlich, daß fich dem
ein Hinderniß entgegenftelle, da, wie ihr erzählt worben, ber
Infant mit ihrer Schwefter Maria fich verbunden habe. Wäre
dies der Fall, fo koͤnnte freilich nicht gefchehen, was fie fo
ſehr wünfche.
Diefe Worte erregten einen furchtbaren Zwiefpalt in ber
jungen, reizbaren Seele des Infanten; feine Ruhe war ente
flohen. Unterdeſſen wurden noch Einige in den verruchten
Raͤnkeplan gezogen, Diego Affonfo de Zigueiredo, der Haus:
bofmeifter des Infonten, und Garfia Affonfo do Sabrade,
‚Komthur von Elvas, einer feiner Räthe. Der junge
warb von auffen wie von innen beſtuͤrmt, fühlte fih «
nach der Höhe des Throne hinaufgelodt, bald zu feiner.eb
Gemahlin hingezogen. Da warf einer der Mi
die Gefchichte hat den Namen des Verruchten mi
30 x
468 Erfter Zeitraum. u. Bud. 4 Abſchn.
koͤnnen — Zweifel an ber Treue feiner Gattin in feine Seele,
und warf damit in diefe einen Feuerbrand, deffen Gluth ihm
die Befinnung zerftörte.
Bon diefem Gedanken verzehrt und verfolgt eilte der Ins
fant nach Coimbra, wo feine Gemahlin fich befand, ohne,
wie er fonft pflegte, bei ihrem Sohne, dem Großmeifter des
Chriftusordens, in Thomar zu verweilen. Diefer fchöpfte
Argwohn und benachrichtigte Davon fchleumigft feine Mutter;
auch vom Hofe kamen ihr warnende Binfe zu Maria je
doch, Feiner Schuld fich bewufft und voll Zutrauen zu ihrem
Gemahl, blieb furchtlod. Als der Morgen graute, kam ber
Infant mit den Seinen vor Coimbra an, ließ mehrere ver:
felben zuruͤckk und ritt mit wenigen vor das Haus feiner Ges
mahlin. Ste fchlief noch, ihre Kammer war verfchloffen.
Load ließ Die Thuͤre gewaltfam aufbrechen und überhäufte
die durch das Geraͤuſch Erwachte und Erfchrodene mit Vor:
würfen: fie habe das Geheimniß ihrer Trauung, das fie ges
gen Alle hätte bewahren follen, verrathen und dadurch ihn
in Gefahren geftürztz fie habe ihre Ehre durch Untreue bes
fleckt und verdiene eher den Tod, als fernerhin feine Gattin
zu fen. Maria betheuerte ihre Unſchuld und bat den Infan⸗
ten, einen Augenblid die Dienerfchaft zu entfernen und fie zu
hören, damit fie jeben Argwohn zerſtreue. „Ich bin nicht
gekommen,” entgegnete Soad, „um mit Dir Worte zu. wech:
ſeln,“ riß mit diefen Worten die Dberdede, in die ſich Ma-
ria eingehuͤllt hatte, da fie ihrer Kleider nicht habhaft werben
fonnte, binweg und warf Die Unglüdliche auf den Boden.
Bon dem Schamgefühl, das den Gatten verlaffen hatte, er
griffen, entfernten fich die Umftehenden oder verhüllten ihr
Geficht, laut aufweinend, als fie die fittfame Frau faſt ganz
entblößt erblidten. Der Infant aber verfegte ihr mit dem
Dolch, den ihr eigener Bruder ihm gegeben hatte, einen Stich
in die Bruft, nahe an dem Herzen, einen zweiten in den Un⸗
terleib, worauf die Unglüdliche, Gott und die heilige Jungs
frau um Barmherzigkeit für ihre Seele flehend, unter herz
zerreiffenden Klagen und im Blute fchwimmend - den Geift
aufgab. Ein unbefchreiblicher Sammer erfüllte dad Haus, Die
ganze Stadt. Die That erfchien um fo grauenvoller, da ihr
Regierung bes Königs Fernando, 1367—1383. 469
Beweggrund unbekannt war. Jeder druͤckte Die Kiebe, bie ex
für die Ermordete im Leben gefühlt hatte, jet durch die
Größe des Schmerzed über ihr traurige Gefchid aus.
Gleich nach dem Morde war der Infant mit feinen Bes
gleitern davongeritten, unabgefeßt bis nach Sampaio, ſechs
Legoas von Coimbra, mo er die zurüdgelaffenen Gefährten
erwartete und wieder um fich verfammelt. Dann hatte er
ſich nad) Beira gewendet und trieb fi mit den Seinen in
ben Drtfchaften von Riba de Coa umher. Sobald er ven er-
ften Eindrud der That von der Zeit verwifchte glaubte, ließ
er den König und die Königin um Begnabigung für fich und
die Seinen bitten; „erlange er fie nicht, fo werde er Das Reich
verlaffen und im Auslande, wo er Nichtd zu fürchten habe,
Schutz ſuchen.“ In der That ließ die edle Herkunft der D.
Maria und ihre Vermandtfchaft mit vielen vornehmen Häufern
den Infanten die Rache faft aller Großen des Reichs fürchten,
und fchon war ihm hinterbracht worben, daß der Großmeifter
des Chriftusordend, der Sohn der Ermordeten, und die Gra⸗
fen Joad Affonfo und Goncalo, ihre Brüder, fich vereinigt
hätten, um den Mörder aufzufuchen. Um fo nöthiger war
diefem die Gnade und der Schuß ded Hofes, und er glaubte
beide von derjenigen, auf deren Antrieb er fein Gewiſſen und
feine Hand mit dem Blute feiner Gattin befleckt hatte, zuver⸗
fichtlich erwartert zu dürfen. Die Königin hatte, ald fie Die
Ermordung ihrer Schweſter vernahm, den tiefften Schmerz
erheuchelt und erwirkte nun, nachdem fie eine Zeit lang durch
vorgefpiegelte Schwierigkeiten und Zögerungen die Portugiefen
zu täufchen bemüht gewefen war, von dem König die Be
gnadigung des Infanten. SIond kehrte an den Hof zurüd.
Die 150 Reiter, die man ihm zur fchügenden Begleitung auf
der Reife gab, zeigten jedoch, daB man mit feiner Begnadi⸗
gung nicht zugleich feine perfönliche Sicherheit für verbärgt
hielt. Der Infant wurde von dem König, ber Königin und
ihren Brüdern am Hofe wohl aufgenommen.
Diefe gute Aufnahme, die freundliche Zraulichkeit, mit
der man Anfangs den Infanten hier behandelte, beftärkte ihn
in dem Glauben, daß er nun am Biel: feiner Wünfche, der
de 55 il
4658 Erſter Zeitraum. IL Bud. 4. Abſchn.
Eönnen — Zweifel an der Treue feiner Gattin in feine Seele,
und warf damit in Diefe einen Feuerbrand, deſſen Gluth ihm
die Beſinnung zerftörte.
Bon diefem Gedanken verzehrt und verfolgt eilte der Ins
fant nach Coimbra, wo feine Gemahlin fich befand, ohne,
wie er fonft pflegte, bei ihrem Sohne, dem Großmeifter des
Chriflusordens, in Thomar zu verweilen. Diefer fchöpfte
Argwohn und benachrichtige bavon ſchleunigſt feine Mutter;
auch vom Hofe kamen ihr warnende Winke zu. Maria je
doch, Feiner Schuld fich bewufft und vol Zutrauen zu ihrem
Gemahl, blieb furchtlod. Als der Morgen graute, kam ber
Infant mit den Seinen vor Coimbra an, ließ mehrere der-
felben zurüd und ritt mit wenigen vor ba8 Haus feiner Ges
mahlin. Sie fchlief noch, ihre Kammer war verfchloffen.
Load ließ die Thuͤre gewaltfam aufbrechen und überhäufte
die durch das Geraͤuſch Erwachte und Erfchrodene mit Vors
würfen: fie habe das Geheimniß ihrer Trauung, das fie ges
gen Alle hätte bewahren follen, verrathen und dadurch ihn
in Gefahren geftürztz fie habe ihre Ehre durch Untreue bes
fleckt und verdiene eher den Tod, als fernerhin feine Gattin
"zu fein. Maria betheuerte ihre Unſchuld und bat den Infans
ten, einen Augenblid die Dienerfchaft zu entfernen und fie zu
hören, damit fie jeden Argwohn zerſtreue. „Ich bin nicht
gekommen,“ entgegnete Ioad, „um mit bir Worte zu. wech:
feln,” riß mit diefen Worten die Oberdede, in bie fi) Ma-
ria eingehüllt hatte, da fie ihrer Kleider nicht habhaft werben
fonnte, hinweg und warf die Unglüdliche auf den Boden.
Bon dem Schamgefühl, das den Gatten verlaffen hatte, ers
griffen, entfernten fich die Umftehenden oder verhüllten ihr
Seficht, laut aufweinend, als fie die fittfame Frau fafl ganz
entblößt erblidten. Der Infant aber verfeßte ihr mit dem
Dolch, den ihr eigener Bruder ihm gegeben hatte, einen Stich
in die Bruft, nahe an dem Herzen, einen zweiten in den Un
terleib, worauf die Unglüdliche,. Gott und die heilige Jungs
frau um Barmherzigkeit für ihre Seele flehend, unter ber
zerreiffenden Klagen und im Blute ſchwimmend : den Geift
aufgab. Ein unbefchreiblicher Jammer erfüllte das Haus, Die
ganze Stadt. Die That erfchien um fo grauenvoller, da ihr
Regierung bes Königs Fernando, 1367—1383. 469
Beweggrund unbefannt war. Jeder druͤckte die Liebe, bie ex
für die Ermordete im Leben gefühlt hatte, jetzt durch die
Größe des Schmerzes uͤber ihr trauriged Geſchick aus.
Gleich nach dem Morde war der Infant mit feinen Bes
gleiten Davongeritten, unabgefeßt bis nach Sampaio, ſechs
Legoad von Coimbra, wo er die zurüdgelaffenen Gefährten
erwartete und wieder um fich verſammelte. Dann hatte er
fi) nach Beira gewendet und trieb ſich mit den Seinen in
den Ortfchaften von Riba de Coa umher. Sobald er den er-
ften Eindrud der That von der Zeit verwifchte glaubte, ließ
er den König und die Königin um Begnadigung für ſich und
die Seinen bitten; „erlange er fie nicht, fo werde er das Reich
verlaffen und im Auslande, wo er Nichts zu fürchten habe,
Schuß fuchen.” In der That ließ die edle Herkunft der D
Maria und ihre VBermandtfchaft mit vielen vornehmen Häufern
den Infanten die Rache faft aller Großen des Reichs fürchten,
und fchon war ihm hinterbracht worden, daß Der Großmeifter
des Chriftusordens, der Sohn der Ermordeten, und die Gra-
fen Soad Affonfo und Goncalo, ihre Brüder, fich vereinigt
hätten, um den Mörder aufzufuchen. Um fo nöthiger war
diefem die Gnade und der Schuß ded Hofes, und er glaubte
beide von derjenigen, auf deren Antrieb er fein Gewiffen und
feine Hand mit dem Blute feiner Gattin befledt hatte, zuver⸗
fichtlich erwartet zu dürfen. Die Königin hatte, als fie die
Ermordung ihrer Schweſter vernahm, den tiefften Schmerz
erheuchelt und erwirkte nun, nachdem fie eine Zeit lang durch
vorgefpiegelte Schwierigkeiten und Zögerungen die Portugiefen
zu täufchen bemüht gewefen war, von dem König die Bes
gnadigung des Infanten. Joad kehrte an den Hof zurüd.
Die 150 Reiter, die man ihm zur fchügenden Begleitung auf
der Reife gab, zeigten jedoch, daß man mit feiner Begnadi⸗
gung nicht zugleich feine perfönliche Sicherheit für verbärgt
hielt. Der Infant wurde von dem König, der Königin und
ihren Brüdern am Hofe "wohl aufgenommen.
Diefe gute Aufnahme, die freundliche ZTraulichfeit, mit
der man Anfangs den Infanten hier behandelte, beftärkte ihn
in dem Glauben, daß er nun am Ziel: feiner Wünfche, der
470 Erfter Zeitraum. I. Bud. 4 Abſchn.
Vermählung mit der Königstochter, fiehe. Die Königin aber
war weit entfernt, für dieſe Verbindung zu flimmen. Gie
wollte berrfchen, fo lange fie athmete, fürchtete nach des Koͤ⸗
nigs Zode ihren großen Einfluß zu verlieren und fah daher
ihre Zochter welt lieber in Gaftilten verheirathet. Durch mans
cherlei Anftände und Ausflüchte wurde der Infant eine Zeit
lang hingehalten. Endlich fchredlich enttäufcht und aller ſei⸗
ner Hoffnungen beraubt, verließ er den Hof und floh in bie
‚ Provinz Entre Douro e Minho, dann nach Beira. Das trau
rigfte Leben war hier fein Loos. Er fah ſich und Die Seinen
bald von allen Mitteln des Unterhalt entblößt und der bit:
terſten Noth preisgegeben. Vom Hofe verlaffen, von ben
meiften Großen gehafft und verfpottet, vom Volke verachtet,
mehr noch fich felbft verachtend, wandte ex ungern fein Auge
nach innen. Er hatte feine Gemahlin, das reine und edle
Weib, verloren, eigenhändig die Unfchuldige hingemordet, und
dieſes biutigen und theuren Opfers ungeachtet weber Beatriz
noch die Augficht auf den Thron erworben. Ja die wuchernde
Strafe feiner Unthat follte noch fpdt über dem Grabe feines
Bruders fortwirken, indem fie ihm die gerechten Hoffnungen
und Anfprüche auf den Thron, auf den er ohne jene Unthat
wahrfcheinlich geftiegen fein würde, vernichtet. Lag gleich
diefe Strafe noch verborgen im dunkeln Schooße der Zukunft,
‚fo konnte er doch fchon jeßt fie ahnen, und fie muffte ihm
fein Leben im Waterlande noch herber machen. Aber, nicht
einmal der Aufenthalt in dieſem war ihm vergännt. Won
der Nachricht verfolgt, daß ber Sroßmeifter des Chriftusorbens
und der Graf Goncalo ihn fuchten, um den Zod der Mutter
und Schwefter an ihm zu rächen, floh er der Grenze Portus
gals zu, in das Schloß Villar mayor, wo er nicht weiter
verfolgt zu werden hoffte Umfonfl. Die Kunde, dag Mas
ria's Rächer am naͤchſten Morgen hier eintreffen würden, trieb
ben Unglüdlichen mit ſechs BBegleitern noch in ber Nacht fort,
uͤber die Grenze feines Vaterlandes, nad) San Felizes de los
Gallegos, einem caftilianifchen Ort, wo feine Schwefter Bea-
triz, die Witwe des Grafen Sancho, lebte. Hier blieb er,
bis König Henrique ihn an feinen Hof kommen ließ und mit
Megierung des Königs Fernando, 1369 — 1383. 471
feiner Tochter Conſtanza vermählte‘). Doch nur kurze Zeit
follte ex fich des gaftfreundlichen Schwiegervaterd freuen. Hen⸗
rique flarb fchon 1379 (29. Mai). Die Thronbefleigung
Juan's L veränderte bald wieder die Verhaͤltniſſe zwifchen den
Föniglichen Familien von Gaftilien und Portugal.
6) Zernando’s Krieg mit König Juan I. von Gaftilien.
Der König von Portugal verfpricht feine oft verlobte Tochter Bea⸗
triz dem Sohne Juan's L von Gaftilien und erklärt dieſem
gleich darauf den Krieg. Der landesverwielene Andeiro un:
terhandelt insgeheim für Zernando einen Hülfsvertrag mit
dem Herzog von Lancafter. Andeiro und das Königliche
Paar im Thurme zu Eſtremos. Juan I und Fernando
rüften fi zu Land und zur See. Die portugiefifche Flotte
wird von der caftilianifchen gefchlagen. Ankunft der Eng:
länder in Liffabon. Die Infantin Beatriz wird dem Sohne
des Strafen von Cambridge vermählt. Betragen der .Eng:
länder in Portugal. Anftößiges Verhältniß der Königin zu
Andeiro, und Verhaftung Azevedo’s und bes Großmeiſters
von Avis durch die Raͤnke Leonorens.
Die Geburt des Erbprinzen Henrique, des kuͤnftigen
Thronfolgerd IuansL, erzeugte in diefem den Gedanken, ſchon
jetzt eine bereinflige Vermählung des Prinzen mit der achtjähe
rigen Beatriz, der Kronerbin von Portugal, einzuleiten. Un⸗
geachtet die portugiefifche Infantin bereit3 dem Herzog von
Benavente zugefagt war, ließ der König von Caſtilien für feis
nen Sohn um ihre Hand werben. Fernando, gewohnt das
Herz feiner Tochter als den Spielball feiner Laune und als
ein Mittel feiner wetterwendifchen Politit zu betrachten, wils
ligte ein, und beide Könige fchloffen durch) Bevollmächtigte
den Ehevertrag für ihre Kinder ab. Es wurde auf den Grund
ihrer nahen Verwandtfchaft”) weiter feftgefegt: wenn von dem
1) Lopes, cap. 100-106. N. do Liad, pag.299ess. Sousa,
Hitor. geneal, T. XI. p. 615.
2) Dee König von Gaftitien war sin Sohn ber mit Henrique II.
472 Erfter Zeitraum. 1. Buch. 4 Abſchn.
fünftigen Ehepaar ein Theil ohne rechtmäßige Erben ſterbe
fo ſolle der Überlebende die Nachfolge zugleich in den, Staaten
des verftorbenen haben. Um dem Vertrag eine feftere Gewähr
zu verfchaffen, verlangte König Fernando, daß er von ben
Gortes in Eaftilien beftätigt werde. Dies gefchah. In Soria,
wohin Suan die Stände berief und der König von Portugal
Bevollmächtigte von feiner Seite fchidte, wurde zuerſt das
Verlöbnig des Erbprinzen von Gaftilien mit der Kronerbin
von Portugal, dann die Zhronfolge in beiden Reichen, wie fie
der Vertrag anorbnete, von den Ständen. ded Reihe in Ge
genwart des Königs Juan I. feierlich befldtig. Es wurben
Urkunden darlber audgeftelt und von der Werfammlung be
fhworen. Daffelbe follte in. Portugal gefchehen, .und Juan
ordnete wirklich Bevollmächtigte dahin ab. Eine Verfammlung
der Cortes fcheint aber hier nicht ftattgefunden zu haben, benn
nirgend findet fich eine Spur davon.
Doch ob eine folche in Portugal gehalten wurbe oder
nicht, ob durch fie jener Vertrag gewährleiftet und dem Koͤ⸗
nig von Gaftilien verbürgt wurde oder nicht, das war für
Fernando und in Abficht auf ihn gleichgültig. Ex ließ ſich
durch die Gorted fo wenig binden, als durch Die heiligften
Schwuͤre und die feierlichlten Verträge. Mit vemfelben Leicht:
finn, womit er Vertraͤge ſchloß und befchwor, zerriß und
übertrat er fie auch wieder. Eine moralifche Seite hatten fie
gar nicht für ihn. Nur phyſiſcher Zwang oder Furcht konn⸗
ten feine gewiffenlofe Launenhaftigkeit gefangen haltenz gaben
dieſe ihn los, fo vermochten weber Pflicht noch Ehre ihn zu
feffeln. Fernando's Raͤthe mochten died noch öfter erfahren,
als wir e8 aus den Thatfachen, welche die Gefchichte uns ers
halten hat, entnehmen. Und doch, wie mochten fie den Kös
nig anflaunen und verachten, als er fie bald nach dem Ab⸗
fhluffe des Vertrags mit dem König von Gaftilien verfammelte,
und ihnen feinen Plan, eben diefem König den Krieg zu er-
klaͤren, eröffnete und zur Berathung empfahl, Ihr Erflaunen
vermählten Sohanna, der König von Portugal ein Sohn der an Peter
den Strengen verheiratheten Conſtanza, beide Töchter des Herzogs Juan
Manuel’s.
Negierung bes Königs Fernando, 1367 — 1383. 473
ließ fie kaum überlegen, ob dieſer Entfhluß des Königs mehr
feinem Verſtande ober feinem Gewiffen zur Laſt fiel; denn es
war eben fo lächerlich als treulos, daß er, wie er feinen Raͤ⸗
then erflärte, die Unbilden, die er von dem (verftiorbenen)
König Henrique erlitten habe, namentlich die Verbrennung eis
nes Theil von Liſſabon, an feinem Sohne, dem König Juan,
rächen wolle, „ber wol dad Reich, aber vielleicht nicht das
Gluͤck von feinem Vater geerbt habe". — Was ein gerader,
reblicher und kluger Sinn einem ſolchen Vorhaben entgegen-
fegen Eonnte, das erwieberten bie Eöniglichen Raͤthe). Doch
ber König wollte nicht den Rath ber Nedlichkeit und echten
Klugheit. „Ich verlangte”, fagte er lächelnd dem alten Gra⸗
fen, ber im Namen feiner Amtögenoffen ihm Vorſtellungen
über fein Vorhaben machte, „ich verlangte eure Meinung dar⸗
über, wie der Krieg gegen Gaftilien am beften geführt würde,
nicht darüber, ob es gut fei ihn zu unternehmen. Da er
von mir ſchon befchloffen if, fo mag mir nun Gott Rath
geben, ‚wie ich ihn führen fol.’
Hätte doch der König die Räthe, die er Über die Art der
Kriegführung befragen wollte, auch daruͤber befragt, ob er
den Krieg unternehmen folle oder nicht! Darliber aber hatte
er ſich mit Solchen berathen, die er freilich hier-nicht nennen
konñte und Eluger Meife verſchwieg. Die Königin Eonnte in
ihrem Innern einem Vertrag nicht beiflimmen, der ohne ihr
Mitwirken gefchloffen worden war und ihren Einfluß nach
Fernando's Tod gefährdete. Da fie indeffen den Vertrag
nicht hintertreiben konnte, fo verbarg fie ihre Misbilligung,
und erwartete, um feine Wirkungen vereiteln zu Finnen, von
der Zukunft einen Ausweg. Er fand fich bald.
Suan Fernandez de Andeiro, ein Galicier von Geburt
und einer der caftilianifchen Unterthanen, die zufolge des legten
1) „E ora pois a Deos prougue de vos poer com el Rei Dom
Hemrrique em paz, e el he ja morto, e vossr terra esta dassessego,
parege nos que nom he razom nem .dereitr demovaaes a
fazer tal guerra, moormente com’ tas ” droniessas,
quaaes vos e nos todos sobrelle ' ”-apes,
cap. 114,
Di
47% Erſter Zeitraum. IL Bud. 4. Abſchn.
Vertrags, den König Henrique IL mit Fernando gefchlofien
hatte, von diefem aus Portugal entfernt werben follten, war
nach England entflohen, wo er bei dem Herzog von Lancafter
und deffen Bruder, dem Grafen von Cambridge, eine gute
Aufnahme gefunden hatte. Der König, von Portugal unter
hielt insgeheim einen Briefwechfel mit Andeiro, und ließ
durch ihn den Herzog, der felbft noch immer feine Anſpruͤche
auf den caftilianifchen Thron geltend zu machen hoffte, aufs
fodern ihm in dem Kriege gegen Caftilien beizuftehen. Die
Unterhandlungen hatten einen glüdlichen Erfolg, und als man
daruͤber übereingefommen war, wann, wie und mit wie viel
Mannfchaft die Engländer den König Fernando unterflügen
follten, verließ Andeiro England und landete unerkannt in
Porto. Bon da begab er fich indgeheim nach Eſtremos, wo
der König ſich damals aufhielt, und Iebte in einem Gemache
des großen Thurmes, der in der dafigen Burg fich befand
und in deſſen Zimmern der König und die Königin ihre Ruhe
fiunden zu halten pflegten, eine längere Zeit verborgen.
Hier hatten Fernando und Leonore Gelegenheit, wenn bie
Hofleute fich entfernt hatten, den Galicier zu jeder Stunde
des Tags und der Nacht zu fprechen. Arglos gegen den ver:
trauten Flüchtling, ließ ihn der König bisweilen mit feiner
Gemahlin allein. Die Unterredungen Beider führten zu einer
Vertraulichkeit, die der Anfangspund und Erklaͤrungsgrund
mehrerer fpätern Ereigniffe und Verwicklungen wurde"), und
die fehon damals bei den Wenigen, bie fie beobachten konn⸗
ten, Anfloß und Argwohn erregte. Da dem König Alles
daran lag, daß die bisherige Anwefenheit des verbannten Ga⸗
liäciers verborgen bliebe, fo veranftaltete "er, daß Andeiro fich
heimlich nach Leiria begab, dort fich entdedte und anftellte,
als ob er eben erſt vom feiner Reife im Auslande anfäme.
Der König, davon benachrichtigt, fpielte den Erzuͤrnten, lleß
den verwegenen Verbannten verhaften, jeboch nicht lange
1) E foi esta afeccom dambos tam grande, que todo o que se
depois seguio, que adeante ouvirees, daqui ouve seu primeiro co-
mego. Lopes, cap, 115.
Megierung des Königs Fernando, 1369— 1383. 475
darauf mit der Weifung, bei Todesſtrafe das Königreich zu
verlaffen, wieder in Freiheit feßen ').
Unterdeffen zeigten fich die Früchte jener heimlichen Unter:
rebungen im Thurme zu Eſtremos. Der König, des Beiſtan⸗
des der Engländer durch den galicifchen Unterhändler verfichert
und für den neuen Staatsſtreich von der Königin ganz gewon⸗
nen, erklärte, wie aben erzählt worden, unerwartet feinen Raͤ⸗
then, daß er dem König von Caſtilien den Krieg erklären wolle,
war es nun, um die Gefinnungen feiner Räthe zu erforfchen,
ober, wie Lopes meint, um von ihnen nicht nachher den Vor:
wurf zu bören, daß er ihnen vorher Nichts davon gefagt
habe.- Ungeachtet aller Vorficht, Die der König aufbot, um
feinen Plan geheim zu halten, konnte er dem König von Ca⸗
ftilien nicht lange ein Geheimniß bleiben. Jene Vorgänge
’ gingen anfänglich als ein dumpfes Gerücht im Königreiche um:
ber. Als aber dem König Juan hinterbracht wurde, daß ber
Graf von Cambridge Anftalten treffe, mit zweitaufend Mann
nach Portugal überzufegen, und während man am caftiliani-
fhen Hofe davon redete, Die Nachricht einlief, DaB auch der
König von Portugal zum Kriege fich rüfle, konnte fi) König
Juan über Fernando's Abficht nicht länger täufchen. Er traf
ungefäumt die nöthigen Gegenvorkehrungen, ließ feine Streiter:
haufen an der Grenze von Portugal zufammenziehen und be:
fahl feinem Abmiral in Sevilla, die Flotte bereit zu halten,
Den Ausbruch der Feindfeligfeiten verzögerten die Unruhen,
die der Graf von Gijon, des Königs Bruder, im Einverftänd-
nig mit den Portugiefen in Gaftilien erregte, fie wurden jes
boch bald gedämpft ?). |
Mittlerweile hatte der König von Portugal eine beträchts
liche Landmacht verfammelt und eine der caftilianifchen über-
Iegene Flotte in Liffabon ausrüften laſſen. Da ed an Rude⸗
rern fehlte, fo ließ Zernando Zeldarbeiter und andere Arbeits⸗
Leute mit Gewalt zum Seedienft zwingen, und erregte dadurch
Unmuth bei dem Volke. Am elften Jul. 1381’ ging die Flotte,
21 Galeeren, 4 Schiffe und eine Saleote ſtark, unter der
1) Lopes, cap. 115.
2) Ayala, Cronica del Rey D. Juan I. an, 1381. cap
476 Erſter Beiteaum IL Bud. 4 Abſchn.
Anflıhrung des Grafen João Affonfo Tello, des Bruders ber
Königin, unter Segel, traf mit der caftilianifchen, die nur
aus 17 Schiffen beftand, bei Saltes zufammen und wurde,
nachdem fie unachtfamer Weife durch Trennung ſich geſchwaͤcht
17. Zur. hatte, von dem erfahrmen Admiral der Caftilianer, Fernando
1381 Sanchez de Tobar, angegriffen und gänzlich gefchlagen. Zwan⸗
zig portugiefifche Galeeren kamen in die Gewalt des Feindes,
mit ihnen der Admiral felbft und alle Mannfchaft, Die nicht
durch Schwert gefallen war '). Ä
Während der Sieger, der caftitianifche Admiral, in Per:
fon (mad ihm zum Vorwurf gemacht wurde) Die gefangenen
Portugiefen nach Sevilla brachte, erichienen die Schiffe der
Engländer vor Liffabon und legten ſich im Hafen vor Anker
Dreitaufend Soldaten, mehrere Caftilianer, die nach England
geflüchtet waren, fliegen and Land, an ihrer Spike ber Graf
von Cambridge, Edmund, ein- Sohn bed Königs Eduard, mit
feiner Gemahlin und feinem Sohne, die von dem portugiefl:
ſchen Hofe glänzend empfangen und beherbergt wurden. Einige
Zage darauf fchloffen die Engländer mit dem König Fernando
einen Vertrag ab, dem gemäß die Infantin Beatriz (fie durfte
in feinem Vertrage, den ihr Vater ſchloß, fehlen) mit Eduard,
dem achtiährigen Sohne ded Grafen, dereinft fich vermählen
folte, und der König ſich anheifchig machte, den englifchen
Truppen den Sold und die erfoberlichen Pferde. zu ftellen.
Mit derfelben Schonungslofigkeit, womit Fernando die Feld:
arbeiter zum Seedienft gezwungen hatte, ‚befahl er je&t allen
Eigenthümern von Pferden im ganzen Reiche Diefe gegen Be:
zahlung (die aber ausblieb) abzuliefern, fchenkte die fchönften
derſelben in Menge den angefehenften Engländern, und bewies
gegen dieſe überhaupt eine Freigebigkfeit, die mit den uner-
ſchwinglichen Kriegsbedürfniffen und der Noth der Unterthanen
in grellem Widerfpruche ftand *). Die Freude des Königs über
diefe erfehnten Fremdlinge, die ihm zu Hülfe gekommen, war
fo groß, daß fie Alles über ihn vermochten.. Ihr Anführer,
der Graf von Cambridge, bewog ben König nicht allein bei
1) Ayala, an, 1381, cap. 4,
2) Lopes, cap. 129.
—
Regierung bes Königs Fernando, 1367— 1383. 477
der zwiefpältigen Papftwahl den Papſt Clemens VIL, fir ben
er fich erklärt hatte, wieder aufzugeben und dem in Rom
lebenden Urban VI. die Obedienz zu erweifen, weil ſich Eng-
land flr diefen erklärt hatte; er erlangte felbft von dem König
und der Königin, daß in ber zahlreichen Verſammlung von
Prälaten und weltlichen Herren, Die zur feierlichen Anerfens
nung dieſes Papfte berufen wurde, das vorläufige Beilager
des jungen Eduard mit der Infantin Beatriz in der bei den
Englaͤndern uͤblichen Weiſe und noch an demſelben Tage ge⸗
feiert wurde. Das kleine Ehepaar wurde in Gegenwart der
Verſammlung in ein praͤchtig geſchmuͤcktes Bett gelegt, mit
einer koſtbaren Decke, auf welcher zwei große Figuren, die
eines Koͤnigs und einer Koͤnigin, geſtickt waren, bedeckt, und
von einem engliſchen Biſchof und dem von Liſſabon eingeſegnet.
Das Seltſame des Schauſpiels ließ vielleicht die Portugieſen
nicht fuͤhlen, daß ſie unter dieſen Umſtaͤnden die vaterlaͤndiſche
Sitte der fremden nicht hintanſetzen durften, daß die Eng⸗
laͤnder auf portugieſiſchem Boden ſich wohl ihrer Landesge⸗
braͤuche haͤtten begeben und den portugieſiſchen ſich fuͤgen
ſollen.
Ward indeſſen durch das Auslaͤndiſche nur ein empfind⸗
liches Nationalgefuͤhl hie und da verletzt, ſo gaben die engli⸗
hen Soldaten den Portugieſen bald ſtaͤrkere und dringendere
Srimde zu Klagen. Sie hatten fi in Liffabon und der Um:
gegend verbreitet, plünderten, wo fie etwas fanden, und mor-
beten, wo ihnen ber geringfte Widerfland entgegengefegt wurde.
Ihr Übermuth und die Verachtung, die fie den Portugiefen
bezeigten, die freche Gemaltthätigkeit, womit fie das ander?
Geſchlecht zur Befriedigung ihrer rohen Lüfte zwangen, empoͤr⸗
ten das ganze Volt, Hohe und Niedere. Aber Niemand wagte
Klage zu führen bei dem König, weil er Jedem, der die Fremd»
linge beleidigen würbe, die fchwerfte Strafe angedroht hatte.
Befchwerden biefer Art wied er ohnehin an den Grafen von
Gambribge, und als eine Mutter, die ihren Säugling vor fich
hinhielt, um bie Streiche eines Wuͤtheriche Die fchon ihren
Mann getroffen hatten, abzuwehren, bai dwert
zerfpalten fehen muſſte und die bie‘ "Anig
gezeigt wurden, warb auch fie a r
478 Erſter Zeitraum. D, Bud. 4 Abſchn.
aber gab in folchen Fallen hoͤchſtens das Verfprechen, dem Ver:
legten Recht zu fchaffen, dachte aber nicht weiter Daran, und
hörte die Klagen der Portugiefen eben fo Ealt an als bie
Bitten ihres ſchwachen Königs, der genug gethan zu haben
glaubte, wenn er den Grafen von Zeit zu Zeit gerfuchte nicht
zuzugeben, daß feine Leute fo das Land zu Grunde richteten.
Das UÜbfrmaß der Freveltbaten reizte endlich das Volk zur
Rache und Selbſthuͤlfe: es toͤdtete heimlich ſo viele Englaͤnder,
daß kaum zwei Drittheile derſelben ſpaͤterhin in ihre Heimat
zuruͤckkehrten ’).
Einen Theil des Haſſes, den die Engländer auf füh lu⸗
den, verfchuldete und erfuhr diejenige, Die jene herbeigerufen
hatte, die Königin. Sie, vom Volle mit Recht als die Mit:
fchuldige betrachtet, erregte in jener Zeit immer mehr den Un:
willen und lauten Zadel der Nation, Es traten die Zolgen
von dem ans Licht, was, der Welt verborgen, im Thurme zu
Eſtremos begonnen und verhandelt worden war.
Während fi der Hof in Evora befand, erfchienen am
einem heiffen Tage der Graf Gonealo, Leonorend Bruder,
und Iuan Fernandez. de Andeiro, von Schweiß bebedt, im
Zimmer der Königin. Da jene Feine Tücher hatten, um fich
abzutrocknen, fo zerriß diefe einen Schleier und gab jedem die
1) Die Betrachtungen, welche Nunez bo Liad an die Erzählung
der Frevel, die ſich diefe Hülfsvslker in Freundes Land erlaubten, Enüpft,
find für alleBeiten gefchrieben. Isto se contou tam meugamente para se
entender quanto devem fugir os Principes, e as Republicas , de tra-
zer a seus Reinos e casas ajudas de estrangeiros, pois a guerra que
wuidavaö fazer aos imigos fazem primeiro aos seus. Porque como a
gente que se poem a soldo para a guerra, he pola moor parte mal
- costumada, e de pouca consciencia, pois se alougaö para matar ho-
mees, e saö-homöes necessitados, que näo teem officios, nem remedio
de vida, ou se o teem, 'seguem aquella vida por mais ociosa, näo
podem onde staö deixar de fazer semelhantes insultos & violencias,
‚.moormente se os Capitaös com severidade, e boa disciplina os näo
enfread. Achegase a isto starem juntos em hum corpo, que nem po-
dem ser castigados, e teem atrevimento hüs com outros para tudo,
6 serem pola maior parte homöes de baxa maneira, e da fez do povo,
cuja natureza propria he exereitarem crueldade. A qual com menos
dano e perigo seu executaö nos amigos que os recolhem, que nos
imigos que Ihes resistem.
Regierung bed Königs Fernando, 1367—1383. 479
Hälfte. Mit Recht fand man biefes Benehmen der Königin,
zumal in Abficht auf Andeiro, unanfländig; mehr noch war
es eine Xufferung, die der Ginftling bei dieſer Gelegenheit
ber Königin im Vorbeigehen zuflüfterte und worüber dieſe
lächelte). Eine der Hoffrauen, welche die Aufferung vernoms
men hatte, theilte fie ihrem Gemahl, Goncalo Vaſquez de
Azevedo, mit. Diefer, ein angefehener Fidalgo, der Königin
verwandt und ein Vertrauter bed Königs, verrieth im Verlauf
einer Unterhaltung mit jener, daß ihm jene Aufferung bekannt
war, und machte der Königin das Unanftändige derfelben auf
eine empfindliche Weife fühlbar. Von dem Augenblid an war
in Leonorend Seele der Untergang Azevedo's befchloffen. Won
dem Manne, der ihr ind Angeficht das zu fagen wagte, durfte
fie feine Verfchwiegenheit in Anfehung ihrer Vertraulichkeit
mit dem ausländifchen Günftling erwarten; fie fürchtete Ge⸗
“ fahr und Schande für ihn, wie für fich felbfl. Azevedo muſſte
aus dem Wege gefchafft werden, und mit ihm zugleich ber
Einzige im Königreich, der, von Föniglihem Blut entfproffen,
dieſes zu rächen fich berufen fühlen Fonnte, der Großmeifter
des Avisordens, der natürliche Bruder ded Königs; alle ans
bern Großen waren durch die Bande der Verwandtfchaft und
Dankbarkeit mit Leonore verbunden und ihr verpflichtet. Ihrer
Schlauheit und Hinterlift gelang ed den Schein eines Einver:
fländniffes, in welchem beide Männer mit Gaftilien finden,
auf fie zu werfen, und auf diefe Anfchuldigung hin von dem
König einen Verhaftsbefehl zu erwirken, Eraft deffen ver Be⸗
fehlöhaber von Evora die Angeklagten ind Gefängniß führen
ließ. Mit dem Grunde ihrer Verhaftung unbekannt, Tieffen
fie den Grafen von Cambridge, der in Villa Vicofa fich bes
fand, bitten, für ihre Zreilaffung bei dem König fich zu ver
wenden, ober wenigſtens ihnen die Urfache ihrer gefänglichen
. Einziehung anzugeben. „Er habe damit nichts zu fchaffen,
erwiederte der Graf, und wenn fie gegen den König etwas
verfchuldet hätten, fo wäre es fehr gut, daß fie dafür geſtraft
' ed
1) „Senhora, mais chegado e mais husado queria
pano, quamdo mo vos ouvessees de dar, que eat-
e a Rainha comegou de rijnr desto. Lopes;
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ya Aur⸗incich auhukalın. Am folgenden Nr: va a
1 ſelbſt zum Koͤnig, ber, voll Erflaunen, ven tem Yıla
niaas zu wilfen behauptete, tem Befehlshaber aber iranges
&illidywrigen auflegte. Alle Herren des Hofes befuchten an
tiefem Aage vie Gefangenen, nur Andeiro nicht; er fchien dadurch
ſich ſelbſt als den Urheber der fchwarzen Zhat anzuflagem
As die Königin dieſe gefcheitert fah, dachte fie nun allein
barauf, bie Schuld und den Schein derfelben von fich zu
waͤlzen. Sle legte bei dem König eine Zürbitte für die Ge
fangenen ein, und ber Graf von Cambridge vereinigte feine
Regierung des Königs Fernando, 1367-1383. 481
Bitten mit benen der Königin. Wie hätte Fernando folchen
Bittenden widerſtehen Eönnen! Jene wurben darauf, nad
zwanzigtägiger Haft, freigelaffen und gaben der Königin für
ihre Gnade den Handkuß. Auſſer dem König fcheint Feiner
der Betheiligten Durch diefe Begnadigungsfcenen getäufcht wors
den zu fein. Die Verftellung feierte bier ihren Zriumph; ſi ie
wurde noch geehrt, obgleich Ale fie erkannten ).
7. Aunsgang. des Kriege mit Caſtilien und Tod des
Koͤnigs.
Die Rönige:v -von n Portugal und Gaftilien führen Ihre Heere gegen
einander, fchlieffen aber, ehe es zur Schlacht: Eommt, Frieden. _
- Bedingungen beffelben. Die verhafften Engländer: kehren in
ihre Heimat zuruͤck. Beatriz mit dem caftilianifchen Infanten
Sernando verlobt. Bald darauf bietet ber König” von Pors
tugal bie dem Sohne verlobte Beatriz dem Water zur Ges
- mahlin an. Seierliche Trauung des Königs Suan I. mit ber
portugiefifchen Infantin. Tod des Königs Bernando,
Zwiſchenſpiele diefer Art konnten auf den Gang des Kriegs,
den Zernando gegen Gaftilien begonnen hatte, nur flörend und
nachtheilig wirken. Indem fie die Liebe zum koͤniglichen Haufe,
fir das allein der Kampf geführt wurbe, erfalten lieſſen, vers
leideten fie dem Wolfe immer mehr einen Krieg, ber ohnehin
feinen Wünfchen und Vortheilen entgegen war. Auch war ber
Niederlage der Flotte bald die Einnahme von Almeida gefolgt,
das der König von Eaftilten gleich nach feinem Einfall in Por-
tugal belagert hatte, ohne ſich Durch die Ankunft der Engländer in
Liffabon in diefer Belagerung irre machen zu laffen. Nachdem
Syan lin den eroberten Plag eine ſtarke Befagung gelegt hatte,
kehrte er in fein Reich zurüd, ließ aber feine Kriegsvoͤlker an der
Grenze deffelben flehen. Um den Kampf gegen den verftärkten
Feind mit mehr Nachdrud zu führen, ordnete er neue Rüftuns
gen an, vermehrte die Landmacht und beſaht alle Schiffe in
1) Lopes, cap. 139—148. Nun. do ae. 829 —
Sqcaͤfer Geſchichte Portugals I.
482 Erfier Zeitraum. IM Buch. 4 Abſchn.
"ven ‚Häfen von Galicien und Viſcaya auszuräfen, um mbg
lichſt bald nach Lifjabon fegeln zu koͤnnen, und. jede. "weitere
Hilfe, welche England ben Portugiefen etwa ſchicken koͤnnte
zurückzuweiſen. Auch Zernando fäumte nicht alle zum Felt:
1383
zuge nöthigen Borbereitungen zu treffen. Seine jämmtlichen
Kriegöfcharen verfammelte er in Elvas, und errichtete, von
den Engländern dazu veranlafft, bei. dieſer Gelegenpeit- zwei
neue Wuͤrden, die eines Connetable und eines Marſchalls; mit
jener bekleidete er den Grafen von Arraiolos, Alvaro Pirez de
Caſtro, mit dieſer den Gonçalo Vaſquez de Azevedo. Da der
Koͤnig von Caſtilien glaubte, Fetnando beabfichtige einen Eins
fall in Eſtremadura, fo führte er fein Heer, das aus fünf:
taufend Lanzen, funfzehnhundert * Reitern „und einer
dajoz, in —E Seinem —e folgte der *
nig von Caſtilien, und beide Heere ſtanden eine laͤngere Zeit
ſchlagfertig einander gegenüber, ohne dag weiter etwas gefchah,
als daß kampfluſtige Ritter. im Angefichte beider Heere ihre
perſoͤnliche Zapferfeit erglängen lieſſen.
Unterdeffen waren wohlgefinnte Männer von. beiden Sei⸗
ten — von welcher zuerſt, iſt unbekannt — bemüht den Frie⸗
den zu vermitteln. Die Englaͤnder entbehrlich zu machen und
dieſe laͤſtigen Huͤlfsvolker aus dem Reiche zu entfernen, war
der Wunſch aller portugieſiſchen Großen und Ritter, gewiß
nicht weniger aus Haß und Neid, als aus Vaterlandsliebe
und Sorge fuͤr des Landes Wohlfahrt. Damit indeſſen die
Fremdlinge nicht zu fruͤh die einleitenden Schritte zur Verſoͤhnung
der Portugieſen und Caſtilianer bemerkten, gingen die Abge⸗
ordneten, die der eine Koͤnig ins Lager des andern ſchickte,
heimlich und nur des Nachts dahin. Endlich fand man eine
Ubereinkunft. Die Infantin Beatriz, die portugieſiſche Thron⸗
erbin, ſollte mit dem Infanten Fernando, dem zweiten Sohn
1) Ayala, añ. 1388,
Megierung'des Könige Fernando, 1367—1383. 483
bes Königs von Gaftilien, vermählt werden, Es wünfchte dies
der König von Portugal, weil durch Diefe Werbindung der
Infant Fernando einft den Thron von Portugal beitieg, ohne
Daß dieſes Meich mit Gaftilien vereinigt wurde, was geſchehen
wäre, wenn Beatriz mit dam’ Infahten Henrique, dem Throns
folger Caſtiliens, fich verbunden hätte. — König Iuan gibt
— ſo wurde weiter beflimmt — dem Koͤnig von Portugal Die
zwanzig Galeeren, die fein Admiral in dem Geetreffen ihm
abgenommen, wieder zurüd, und fest alle gefangene Portus
giefen, namentlich ſeinen⸗· Admiral, den Grafen Ioad Affonfo
Zello, in Freiheit. Der König von Caſtilien übernimmt es,
dem Grafen Edmund und feinen Truppen die Schiffe zur
Ruͤckkehr nach England, gegen Entrichtung der Überfahrtsko⸗
fen, zu ſtellen. Denn Fernando's Flotte war vernichtet, Die
caftittanifche aber lag fegelfertig vor Liffabon. Den Englän«
dern, fo aufgebracht fie über diefen Ausgang waren, blieb
Nichts uͤbrig, als die dargebotenen Schiffe zu befleigen und ein
Lund zu verlaffen, in welchem fie manches Unheil geftiftet und
wenig Ehre geerntet hatten. Sie waren die einzigen Miöver-
gnügten uͤber dieſen Friedensſchluß, der im caftilianifchen wie
yortugiefifchen Heere die größte Freude verbreitete. Als ihn
der Zrompetenflang verkimdete, fah man Viele ſich auf Die
Knie werfen, um Gott für den Frieden zu danken ). Auch
der Papft Clemens VII. hatte fich der veränderten Gefinnung
des Königs von Portugal zu erfreuen, indem er jest von dem⸗
felben die Obedienz erhielt, die nicht lange vorher fein Gegner
Urban erhalten hatte.
Der Infantin Vermaͤhlung mit dem Prinzen Fernando
war gleich nach dem Friedensabſchluſſe gefeiert worden. Doch
auch diefe vierte Vermählung ber Beatriz ſollte nicht ihre lebte
fein. Bei feiner Ruͤckkehr nach Gaftilien erfuhr König Iuan
den Tod feiner Gemahlin. Seinen Schmerz über diefen Ver:
luſt theilte das ganze caflilianifche Volk, denn Leonore war eine
Zierde ihres Gefchlechtd und des Thrones von Gaftilien gewe-
fen. Fernando dagegen, der von ſolchen Rüdfichten wenig be⸗
rührt wurde, fah nur von der hingefchiedenen Königin bie
1) Lopes, cap. 154.
31*
454 Erſter Beitraum. D. Bud. 4 Abſcha⸗
Stelle, die durch ihr Ableben erledigt war, unb Tonnte es
nicht über fich gewinnen, feiner ſtets wachſamen und erfindeis
ſchen Staatöweisheit die Ausführung eines neuen Heirathsplans,
den fie fogleich erfonnen, zu verfagen. Er bot feine vielver⸗
lobte ’) Zochter dem Bater eben bed Infanten,. dem er erſt
fürzlich fie vermählt hatte, zur Gemahlin an.
Daß der Infant Zernando noch fo fehr jung war, ber
König von Portugal aber, der feiner Kränklichfeit wegen fein
Lebensende nicht mehr fern fah, feiner Zochter Beatriz die
portugiefifche Krone zu fihern lebhaft. wünfchte, — dies mochte
leicht von den Beweggrimden bed veränderten Heirathöplanes,
bie man anführte, der vernünftigere fein. Die Wahl des Ge
fandten, den man zu biefem Zwecke an den König von Caſti⸗
lien abordnete, die Vortheile, welche diefe neue Verbindung
der Königin Mutter verfprach, und die Bedingungen, unter
denen fie wirklich abgefchloffen wurde, verrathen deutlich, daß
die Königin dabei die Hand im Spiele hatte. Ihr Liebling,
der nunmehrige Graf von Durem, wurde als Gefandter nad
Gaftilien geſchickt, wo er, von einer großen Anzahl von Kit
tern und Schildträgern begleitet, von denen die angefehenften
den Dienft bei ihm thaten, und von einem langen Zug von
hundert Maulthieren und ihren Zreibern gefolgt, anfam und
durch feinen pomphaften Aufzug den Gaflilianern Stoff zu
Spöttereten darbot. Er fand den König Juan zu Pinto und
entledigte fich des Auftrags feines Herrn. Man traute zwar
dem wanfelmüthigen Kernando nicht; allein der Infantin Hand
mit der Krone hatte fuͤr den caftilianifchen König einen maͤch⸗
tigen Reiz. Vor diefem trat jenes Miötrauen in den Hinter:
grund, und überdies mochte Suan ſich ſtark genug fühlen, um
den König von Portugal nöthigenfalld zur Treue zwingen zu
Eönnen. Bei der Berathung mit den vertrauten Großen, von
welcher der caftilianifche König feine Antwort abhängig machte,
fanden daher die gegründeten Gegenerinnerungen einiger Raͤthe
des Königs Feinen Anklang; er folgte denen, die für feine
Wuͤnſche Gründe beibrachten. Darauf wurde der Erzbifchof
1) E se podia, fagt Nun. do Liaö, bem verificar nelle (Fer-
nando) o proverbio de casar a filha com muitos genrogs,
Megierung bes Könige Fernando, 1367 — 1383. 485
von Santiago, fein Großkanzler, nach Portugal abgefandt, um
die näheren Bedingungen der Vermaͤhlung mit dem Koͤnig und
der Koͤnigin zu beſprechen, und wenige Tage nachher ſchloß
der bevollmaͤchtigte Praͤlat den Heirathsvertrag ab,
Ihm zufolge erbt, wenn der Koͤnig Fernando keinen Sohn
erhaͤlt, die Infantin Beatri nach des Vaters Tode die portu⸗
gieſiſche Krone, und ihr Gemahl nimmt den Titel „Koͤnig von
Portugal“ an. Dem Sohn oder der Tochter, von Koͤnig
Juan mit Beatriz erzeugt, gebuͤhrt die Thronfolge. Überlebt
der Infantin Mutter, die Koͤnigin Leonore, ihren Gemahl, ſo
regiert ſie ſo lange, bis jener Sohn oder jene Tochter das
vierzehnte Jahr erreicht hat, und ſomit die Regierung anzutre⸗
ten befaͤhigt iſt. Vater und Mutter hoͤren dann auf, ſich
Koͤnig und Koͤnigin von Portugal zu nennen. Stirbt
Beatriz ohne maͤnnliche oder weibliche Nachkommen, ſo
gehoͤrt die Krone einer andern Tochter Fernando's, wenn
ihm die Koͤnigin Leonore oder eine andere rechtmaͤßige Ge⸗
mahlin noch eine ſchenken ſollte. Ermangelt aber Fernando,
wie ſeine Tochter Beatriz, ſolcher Nachkommen, dann faͤllt das
Koͤnigreich Portugal an den König Juan, wie in einem gleis
chen Falle das Königreich Caſtilien an den König Fernando
fallen fol’).
Juan von Caſtilien genehmigte den Vertrag, den in feis
nem Namen der Großfanzler mit dem König von Portugal
obgefchloffen hatte, und ſchickte fi an, feine Werlobte, ber
Übereinkunft gemäß, an der Grenze von Portugal in Empfang
zu nehmen. Zu diefem Ende wurden bie weltlichen und geifts
lichen Großen Caſtiliens nach Badajoz eingeladen; der König
begab fich bald darauf felbft dahin. Die Königin von Por:
tugal begleitete, von einem glänzenden Hofflaat und den por⸗
tugiefifchen Großen umgeben, die Infantin nach Eftremos,
wohin ihr der Erzbifhof von GCompoftela, als Großkanzler
1) ... que en este caso los dichos Regnos de Portugual fiquen
al dicho Rej de Castilla, e por esta misma manera sobceda el dicho
'Rej de Portugual en los Regnos de Castilla, faleciendo el dicho Rej
de Castilla, e la Iffante su ermana sin sobcesores legitimos de linea
derecha. ©. ven ganzen Vertrag in Sousa, Provas. T.I. p.296 esse.
Veroh auch Ayala, cap. 5. Lopes, cap. 1%,
13
\
456 Erſter Zeitraum. I Bud. 4. Abſchn.
von Gaftilien, entgegenfam, um im Namen feines Königs
deffen Verlobung mit der Infantin zu feiern. Seitdem warb
Beatriz Königin von Gaflilien genannt. Darauf geſchah die
perfönliche Verlobung des Königs und der ˖ Infantin in Elvas,
diefe wie jene mit vielen Förmlichkeitn. Noch an demfelben
Tage nahm Juan Abfchied von ber Königin Leonore, und
führte feine Verlobte nach Badajoz, wo Beide in der Kathedrale
von dem Erzbiſchof von Sevilla unter großen Feierlichkeiten getraut
wurden ). Der Trauung folgten in Portugal wie in Caſtilien
wiederholte Eidedleiftungen und Huldigungen der verſchiedenen
Stände, feierliche Beeidigungen auf den zwifchen Gaftilien und
Portugal gefchloffenen Vertrag. Nicht leicht iſt ein Staats:
vertrag fo oft und förmlich befchworen, fo alfeitig und viel-
fach mit Vorbehalten, Verwahrungen und Bedingungen gleich-
fam verpfählt worden). Die Fürften bewiefen einander fo
wenig Zutrauen, daß auch die Völker Mistrauen fchöpfen
muflten. War ed darum den Portugiefen zu verargen, daß
fie troß der Verwahrungen fürchteten mit Caſtilien vereinigt
zu werden und Portugal durch jenen Vertrag für verkauft
und verrathen hielten )?
Der zunehmenden Kränklichfeit wegen hatte König Fer:
nando der Vermählungsfeterlichkeit fchon nicht beimohnen koͤn⸗
nen; feine Körperleiden verlieffen ihn feitdem nicht wieder.
Cr fah in den legten Tagen des Octobers 1383 fein Ende
nahen und ließ fich in einer Nacht von Almaba, wo er ſich
aufhielt, nach Liffabon bringen. Als er hier das Sacrament
empfing und über die Artikel des Glaubens, wie es gebräuch-
lich war, gefragt wurde, antwortete er: „Alles dieſes glaube
ich als treuer Chrift, und glaube weiter, daß Gott mir dieſes
1) Lopes befchreibt fie cap. 167. |
2) Este foi, fagt Nun. do Liaö, o mais jurado contrato que
se vio, e o mais acautelado, mas o peor guardado, como
adiante se diraa. |
8) E pesava mujto a todollos Portugueeses, assi fidallgos, come
comuum poboo, com taaes comveengas da sucessom do Regno, por
aazo da doeinga del Rei, teemdo que per taaes trautos se Portugal
vemdia. Lopes, cap. 171. |
Regierung bes Königs Fernando, 1367 — 1383. 487
Reich gegeben hat, um Recht und Gerechtigkeit barin zu hand⸗
haben; aber ich habe ed durch meine Schuld fo gethan, daß
ich der Gottheit davon fehr. fchlechte Rechnung ablegen werde.‘
Bei diefen Worten brach er in bittere Thränen aus und flehte
Gott um Verzeihung an. Angethan mit einem Srancifcaner: 2%
kleide verfchieb er am 22. October. Die Königin Leonore wohnte, 1
obgleich es damals üblich war, der Beftattung ihres Gemahles
nicht bei, angeblich weil fie unwohl fei und nicht gehen koͤnne.
Ihr MWegbleiben erregte und befchäftigte das ihr abholde Volk
weit mehr, ald ed ihre Erfcheinung gethan hätte Das Volt
ſchlug gleihfam noch einmal Leonorend Lebensgefchichte auf
und durchlief fie tadelnd; es Fonnte der Königin nicht verzeis
ben, daß fie ihrem Gatten Die legte Liebe und Ehre verweigert
hatte. Wäre fie an feinem Grabe erfchienen, ſchwerlich würde
an diefer Stätte der Tadel laut geworden fein, und bie zulegt
bewiefene, wenn auch erheuchelte Pietät hätte über manches
Vergangene den Schleier der Vergeffenheit gezogen oder wenigs
ſtens das ſcharfe Urtheil gemildert. j
u DE A AL 428 &
478 Erſter Zeitraum. D. Buch. 4. Abſchn.
aber gab in ſolchen Faͤllen hoͤchſtens das Verſprechen, dem Ver⸗
letzten Recht zu ſchaffen, dachte aber nicht weiter daran, und
hoͤrte die Klagen der Portugieſen eben ſo kalt an als die
Bitten ihres ſchwachen Koͤnigs, der genug gethan zu haben
glaubte, wenn er den Grafen von Zeit zu Zeit gerfuchte nicht
zuzugeben, daß feine Leute fo das Land zu Grunde richteten.
Das Ubkrmaß der Frevelthaten reiste endlich das Volk zur
Rache und Selbſthuͤlfe: es toͤdtete heimlich ſo viele Englaͤnder,
daß kaum zwei Drittheile derſelben ſpaͤterhin in ihre Heimat
zuruͤckkehrten ').
Einen Theil des Haſſes, den die Engländer auf füh lu⸗
ben, verfchuldete und erfuhr diejenige, die jene herbeigerufen
hatte, die Königin. Sie, vom Volke mit Recht ald die Mit:
ſchuldige betrachtet, erregte in jener Zeit immer mehr den Un:
willen und lauten Zabel der Nation. Es traten die Folgen
von dem and Licht, was, der Welt verborgen, im Thurme zu
Eftremos begonnen und verhandelt worben war.
Während fich der Hof in Evora befand, erfchienen an
einem heiffen Zage der Graf Goncalo, Leonorend Bruber,
und Juan Fernandez. de Andeiro, von Schweiß bebedit, im
Zimmer der Königin. Da jene Peine Tücher hatten, um fich
abzutrocknen, fo zerriß dieſe einen Schleier und gab jedem bie
1) Die Betrachtungen, welche Nunez bo Liad an die Erzählung
der Frevel, bie ſich dieſe Hülfsnölker in Freundes Land erlaubten, Enüpft,
find für alleBeiten gefchrieben. Isto se contou tam meugamente para se
entender quanto devem fugir os Principes, e as Republicas,, de tra-
zer a seus Reinos e casas ajudas de estrangeiros, pois a guerra que
wudavaö fazer aos imigos fazem primeiro aos seus. Porque como a
gente que se poem a soldo para a guerra, he pola moor parte mal
. costumada, e de pouca consciencia, pois se alougaö para matar ho-
möes, e saö-homöes necessitados, que näo teem officios, nem remedio
de vida, ou se o teem, seguem aquella vida por mais ociosa, näo
podem onde staö deixar de fazer semelhantes insultos & violencias,
ı moormente se 03 Capitaös com severidade, e boa disciplina os näo
enfreaö. Achegase a isto starem juntos em hum corpo, que nem po-
dem ser castigados, e teem atrevimento hüs com outros para tudo,
e serem pola maior parte homẽes de baxa maneira, e da fez do povo,
cuja natureza propria he exercitarem crueldade, A qual com menos
dano e perigo seu executaö nos amigos que os recolhem, que nos
imigos que Ihes resistem,
Regierung des Königs Fernando, 1367— 1383. 479
Hälfte. Mit. Recht fand man dieſes Benehmen der Königin,
zumal in Abficht auf Andeiro, unanfländig; mehr noch war
e3 eine Aufferung, die der Gimftling bei diefer Gelegenheit
der Königin im Borbeigehen zuflüfterte und worlber dieſe
lächelte '). Eine der Hoffrauen, welche die Äufferung vernom⸗
men hatte, theilte fie ihrem Gemahl, Goncçalo Bafquez de
Azevedo, mit. Diefer, ein angefehener Fidalgo, der Königin
verwandt und ein Vertrauter bed Königs, verrieth im Verlauf
einer Unterhaltung mit jener, daß ihm jene Aufferung bekannt
war, und machte der Königin das Unanfländige derfelben auf
eine empfindliche Weiſe fühlbar. Bon dem Augenblid an war
in Leonorens Seele der Untergang Azevedo's befchloffen. Won
dem Manne, der ihr ind Angeficht das zu fagen wagte, durfte
fie feine VBerfchwiegenheit in Anfehung ihrer Vertraulichkeit
mit dem ausländifchen Gimflling erwarten; fie fürdytete Ge⸗
* fahr und Schande für ihn, wie für fich felbfl. Azevedo muſſte
aus dem Wege gefchafft werden, und mit ihm zugleidy ber
Einzige im Königreich, der, von koͤniglichem Blut entfproffen,
dieſes zu rächen ſich berufen fühlen konnte, der Großmeifter
des Avisordens, der natürliche Bruder des Königs; alle ans
dern Großen waren durch die Bande der VBerwanbtfchaft und
Dankbarkeit mit Leonore verbunden und ihr verpflichtet. Ihrer
Schlauheit und Hinterlift gelang ed den Schein eines Einver:
fländniffes, in welchem beide Männer mit Gaftilien ftünden,
auf fie zu werfen, und auf diefe Anfchuldigung hin von dem
König einen Verhaftöbefehl zu erwirken, kraft deſſen der Be
fehlshaber von Evora die Angeklagten ins Gefängniß führen
ließ. Mit dem Grunde ihrer Verhaftung unbefannt, liefien
fie den Grafen von Cambridge, der in Billa Vicofa fi) be
fand, bitten, für ihre Zreilafiung bei dem König fich zu ver
wenden, oder wenigſtens ihnen die Urfache ihrer gefänglichen
Einziehung anzugeben. „Er habe damit nichts zu fchaffen,
erwieberte der Graf, und wenn fie gegen den König etwas
verfepulbet hätten, fo wäre es ſehr gut, daß fie baflır gefiraft
1) „Senbora, mais chegado e mais husado queria eu de vos o
pauo, quamdo mo vos ouvessees de dar, que este que me vos daaes: “
e a Rainka comecon de rijar desto. Lopes, cap. 139.
—
480 Erſter Zeitraum. I. Buch. 4. Abſchn.
wuͤrden.“ Dieſe Antwort ließ die Gefangenen das Schlimmſte
fuͤrchten. Ihre Furcht theilte das Volk, dem die Aufſehn er⸗
regende Verhaftung ſo hoher Perſonen nicht lange verbor⸗
gen blieb.
Indeſſen argwohnte man nicht begangene Verbrechen bei
dieſen Männern, die bisher im beſten Rufe ſtanden, ſondern
die Raͤnke einer Frau, die ſchuldbefleckt den Thron beſtiegen,
durch ihr ſpaͤteres Leben die Schuld des früheren nicht ges
fühnt, vielmehr dem Öffentlichen .Mistrauen und Tadel ftets
neue Nahrung und reichlicheren Stoff gegeben hatte. Ihr ans
ſtoͤßiges WBerhältnig zu dem Galicier Andeiro fuchte fie zwat
zu verfchleiern, indem fie feine Gemahlin an den Hof zog unb
mit Auszeichnungen und Gunftbezeigungen überhäufte. Jeder⸗
mann aber hatte feinen Argwohn gegründet und beflätigt ge
funden, ald nad) dem Tode des Grafen von Durem, des
Oheims der Königin, auf deren Betreiben jene Graffchaft ih⸗
rem Sünftlinge Andeiro ertheilt wurde. Seing Gewalt über
Die Königin blieb eben fo wenig verborgen, als ihre Gewalt
über den König, und man gewöhnte fi den Schlüffel zu
jedem auffallenden Ereignijle, dad vom Hofe ausging, in dem
Dunkel der Raͤnke zu fuchen, Die hier von der Königin und
ihrem Günftlinge gefpielt würden. Als daher dem Befehls⸗
haber von Evora ein Eöniglicher Befehl zukam, daß er bie
Gefangenen enthaupten laffen folle, zögerte er, und troß eines
gefchärften Befehls, der bald dem erften folgte und in dem
der König feinen Unwillen darüber ausprüdte, daß der erſte
nicht fogleich vollzogen worden, wuſſte Vaſco Martims — fo
hieß der Befehlshaber — eben fo Flug ald edel, noch einmal
den Todesſtreich aufzuhalten. Am folgenden Morgen begab er
ſich felbft zum König, der, voll Erflaunen, von dem Allen
nichts zu wifjen behauptete, dem Befehlshaber aber ſtrenges
Stillfchweigen auflegte. Alle Herren des Hofes befuchten an
diefem Tage die Gefangenen, nur Andeiro nicht; er ſchien Dadurch
fi felbft al& den Urheber der fchwarzen That anzuflagen
Als die Königin diefe gefcheitert fah, dachte fie nun allein
darauf, die Schuld und den Schein derfelben von fih zu
wälzen. Sie legte bei dem König eine Fürbitte für die Ge
fangenen ein, und der Graf von Cambridge vereinigte feine
" Regierung bed Königs Fernando, 1367-1383. 481
Bitten mit denen der Königin. Wie hätte Fernando folchen
Bittenden . widerftehen können! Jene wurden darauf, nach
zwanzigtägiger Haft, freigelaffen und gaben der Königin für
ihre Gnade den Handkuß. Auffer dem König fcheint Feiner
der Betheiligten durch diefe Begnadigungsfcenen getäufcht wors
ben zu fein. Die Verſtellung . feierte hier ihren Triumph; ie
wurde noch geehrt, obgleich Alte fie erfannten ).
7. Anegang, des ariegs mit Caſtilien und Tod des
Koͤnigs.
Die Konige v von n Portugal und Gaftitien führen ihre Heere gegen
einander, fchlieffen aber, ehe es zur Schlacht‘ kommt, Frieden: _
- Bedingungen deſſelben. Die verhafften Engländer: Lehren in
ihre Heimat zurüd. Beatriz mit dem caftilianifchen Infanten
Sernando verlobt. Bald darauf bietet der König’ von Porz
tugal die dem Sohne verlobte Beatriz dem Vater zur Ges
mahlin an. Feierliche Trauung des Königs Suan J. mit ber
portugiefiihen Infantin. Tod des Königs Fernando.
Zwifchenfpiele dieſer Art konnten auf ven Gang bes Kriegs,
‚ben Zernando gegen Gaftilien begonnen hatte, nur flörend und
nachtheilig wirken. Indem fie die Liebe zum Eöniglichen Haufe,
für das allein der Kampf geführt wurde, erkalten lieffen, vers
leideten fie dem Volke inumer mehr einen Krieg, der ohnehin
feinen Wuͤnſchen und Vortheilen entgegen war.. Auch war ber
Niederlage der Flotte bald die Einnahme von Almeida gefolgt,
das der König von Caſtilien gleich nach feinem. Einfall in Por⸗
tugal belagert hatte, ohne ſich Durch die Ankunft der Engländer in
Liffabon in Diefer Belagerung irre machen zu laffen. Nachdem
Juan L in den eroberten Pla& eine ſtarke Beſatzung gelegt hatte,
kehrte ex in fein Reich zurüd, ließ aber feine Kriegsvoͤlker an der
Grenze deffelben flehen. Um den Kampf gegen den verftärkten
Feind mit mehr Nachdrud zu führen, ordnete er neue Rüftuns
gen an, vermehrte die Landmacht und befahl alle Schiffe in
1) Lopes, cap. 1399—148. Nun, do Liaö, p. 325. 829 —
9
Sqaͤfer Geſchichte Portugals I. 31
452. Erſter Zeitraum. MH Bud. 4 Abſchn.
"ven Häfen ‚von Galicien und Viſcaya auszurüflen, um mög
tichft bald nach Liſſabon fegeln zu können, . und. jede (weitere
Hülfe, welche England den Portugiefen etwa ſchicken koͤnnte,
‚ zurüdzwmoeifen. Auch Fernando ſaͤumte nicht. alle zum: Feld⸗
1353
suge nöthigen Vorbereitungen zu treffen. Seine fämmtlichen
Kriegsfcharen verfammelte er in Elvas, und errichtete, von
den Engländern. Dazu veranlafft, Kei. diefer Gelegenheit. ‚zwei
neue Würden, bie eines Connetable und eines Marſchalls; mit
jener bekleidete er den Grafen von Arraiolos, Alvaro Pirez de
Gaftro, mitt diefer den Goncalo Vafquez de Azevedo. Da der
König von Gaftilien glaubte, Fernando beabfichtige einen Eins
fall in Efiremabura, fo führte er fein Heer, das aus fünf:
taufend Lanzen, funfzehnhundert leichten Reitern und einer
großen Anzahl Bogenſchuͤtzen beſtand, nach BadajozY.. Der
Koͤnig von Portugal ſtellte darauf das ſeinige, das mit Inbe⸗
griff der Engländer gegen fechätaufend Lanzen ſtark war, nebſt
einer gleichfalls großen Zahl Bogenſchuͤtzen auf dem Felde von
nig von often und beide Br fanden eine längere Zeit
fchlagfertig einander. gegenüber, ohne daß weiter etwas gefchah,
als daß kampfluſtige Ritter. im Angefichte beider: ‘Deere ihre
perfönliche Tapferkeit erglaͤnzen lieffen.
Unterdeffen waren mwohlgefinnte Männer von beiden Ski:
ten — von welcher zuerft, ift unbefannt — benräht den Frie⸗
den zu.vermitteln. Die Engländer entbehrlich zu machen und
diefe laͤſtigen Huͤlfsvolker aus dem Reiche zu entfernen,. war
der Wunfch. aller portugiefifchen Großen und Ritter, gewiß
wicht weniger aus Haß ımd Neid, ald aus Vaterlandsliebe
und Sorge. für des Landes Wohlfahrt. Damit indeſſen die
Fremdlinge nicht zu früh die einleitenden Schritte zur. Berfähnung
ber Portugiefen und Caſtilianer bemerkten, gingen die Abge⸗
orbneten, bie der eine König ind Lager des andern ſchickte,
heimlich und nur des Nachts dahin. Endlich fand man eine
Übereinkunft. Die Infantin Beatriz, die portugieſiſche Thron:
erbin, follte mit dem Infanten Sernando, dem zweiten Sohn
1) Ayala, an. 1388,
Megierung'des Königs Fernando, 1367—1383. 483
bes Königs von Gaftilien, vermaͤhlt werden. Es wuͤnſchte dies
der König von Portugal, weil durch Diefe Verbindung ber
Infant Fernando einft den Thron von Portugal beftieg, ohne
Daß dieſes Reich mit Gaffilien vereinigt wurde, was geſchehen
wäre, wenn Beatriz mit dem’ Infahten Henrique; dem Thron⸗
folger Caſtiliens, ſich verbunden hätte. — König Yuan gibt
— ſo wurde weiter beflimmt — dem Koͤnig von Portugal bie
zwanzig Galeeren, die fein Admiral in dem Geetreffen ihm
abgenommen, wieder zuruͤck, und fest alle gefangene Portus
giefen, namentlich feinen. Admiral, den Grafen Ioad Affonfo '
Zello, in Freiheit. Der König von Caſtilien übernimmt es,
dem Grafen Edmund und feinen Truppen bie Schiffe zur
Ruͤckkehr nach England, gegen Entrihtung ber Überfahrtsko⸗
ften, zu fielen. Denn Fernando's Flotte war vernichtet, die
caftilianifche aber lag fegelfertig vor Liffabon. Den Englän-
dern, fo aufgebracht fie Über dieſen Ausgang waren, blieb
Nichts Abrig, als die dargebotenen Schiffe zu befleigen und ein
Lund zu verlaffen, in welchem fie manches Unheil gefliftet und
wenig Ehre geerntet hatten. Sie waren die einzigen Miöver-
gnügten über diefen Friedensſchluß, ber im caftilianifchen wie
gortugiefifchen Heere die größte Freude verbreitete. Als ihn
ber Trompetenklang verkündete, ſah man Viele fih auf die
Knie werfen, um Gott für den Frieden zu danken ). Auch
der Papft Clemens VII. hatte fich der veränderten Gefinnung
des Königs von Portugal zu erfreuen, indem er jest von dem⸗
felben die Obedienz erhielt, die nicht lange vorher fein Gegner
Urban erhalten hatte.
Der Infantin Vermaͤhlung mit dem Prinzen Fernando
war gleich nach dem Friebensabfchluffe gefeiert worden. Doc)
auch diefe vierte Wermählung ber Beatriz ſollte nicht ihre letzte
fein. Bei feiner Ruͤckkehr nad Gaftilien erfuhr König Juan
den Tod feiner Gemahlin. Seinen Schmerz Über diefen Ber:
luſt theilte das ganze caflilianifche Volk, denn Leonore war eine
Zierde ihres Gefchlechtd und des Throne von Caflilien gewe⸗
fen. Fernando dagegen, der von folchen Rüdfichten wenig be⸗
rührt wurde, fah nur von der hingefchiedenen Königin bie
1) Lopes, cap. 154.
31*
484 Erſter Beiteaum.. H. Bud. 4. Abſchn⸗
Stelle, bie durch ihr Ableben erkedigt war, und konnte es
nicht über fich gewinnen, feiner ſtets wachfamen und erfinberis
fehen Staatöweisheit die Ausführung eines neuen Heirathsplans,
den fie fogleich erfonnen, ziz verfagen. Er bot feine vielver-
lobte ) Zochter dem Water eben des Infanten, dem er erſt
Fürzlich fie vermählt hatte, zur Gemahlin an.
Daß der Infant Fernando noch fo fehr jung wear, ber
König von Portugal aber, der feiner Kränklichkeit wegen fein
Lebensende nicht mehr fern fah, feiner Zochter Beatriz die
portugiefifche Krone zu fichern lebhaft, wünfchte, — dies mochte
leicht von: ben Beweggründen des veränderten Heirathöplanes,
bie man anführte, der vernünftigere fein. Die Wahl des Ge:
fandten, den man zu diefem Zwecke an den König von Caſti⸗
‚ lien abordnete, die Vortheile, welche dieſe neue Werbindung
ber Königin Mutter verfprach, und die Bedingungen, unter
denen fie wirklich abgefchloffen wurde, verrathen deutlich, daß
bie Königin dabei die Hand im Spiele hatte. Ihr Liebling,
der nunmehrige Graf von Durem, wurbe als Gefandter nad)
Gaftilien geſchickt, wo er, von einer großen Anzahl von Rit-
tern und Schildträgern begleitet, von denen die angefehenften
den Dienft bei ihm thaten, und von einem langen Zug von
hundert Maulthieren und ihren Zreibern gefolgt, anfam und
durd) feinen pomphaften Aufzug den Caftilianern Stoff zu
Spöttereien darbot. Er fand den König Juan zu Pinto und
entledigte fich des Auftrags feined Herrn. Man traute zwar
dem wankelmuͤthigen Kernando nicht; allein der Infantin Hand
mit der Krone hatte fr den caftilianifchen König einen maͤch⸗
tigen Reiz. Vor diefem trat jenes Midtrauen in den Hinter:
grund, und überdies mochte Suan fi ſtark genug fühlen, um
den König von Portugal nöthigenfalld zur Treue zwingen zu
Eönnen. Bei der Berathung mit den vertrauten Großen, von
welcher ber caftilianifche König feine Antwort abhängig machte,
fanden daher Die gegründeten Gegenerinnerungen einiger Käthe
des Königs einen Anklang; er folgte denen, die für feine
Wuͤnſche Gründe beibrachten. Darauf wurde der Erzbifchof
1) E se podia, fagt Nun. do Liad, bem verificar nelle (Fer-
nando) o proverbio de casar a filha com muitos genros,
Regierung des Königs Fernando, 1367 — 1383. 485
von Santiago, fein Großkanzler, nad) Portugal abgefandt, um
die näheren Bedingungen der VBermählung mit dem König und
der Königin zu befprechen, und wenige Zage nachher ſchloß
der bevollmächtigte Prälat den Heirathövertrag ab,
Ihm zufolge erbt, wenn der König Fernando einen Sohn
erhält, die Infantin Beatriz nach des Vaters Tode die portu⸗
giefifche Krone, und ihr Gemahl nimmt den Titel „König von
Portugal” an. Dem Sohn oder der Tochter, von König
Juan mit Beatriz erzeugt, gebührt die Thronfolge. Überlebt
13
ber Infantin Mutter, die Königin Leonore, ihren Gemahl, fo
regiert fie fo lange, bid jener Sohn oder jene Tochter das
vierzehnte Jahr erreicht hat, und fomit die Regierung anzutres
ten befähigt ift. Vater und Mutter hören dann auf, fi
König und Königin von Portugal zu nennen. Stirbt
Beatriz ohne männliche oder weibliche Nachkommen, fo
gehört die Krone einer andern Tochter Fernando’s, wenn
ihm bie Königin Leonore oder eine andere rechtmäßige Ge⸗
mahlin noch eine ſchenken ſollte. Ermangelt aber Fernando,
wie ſeine Tochter Beatriz, ſolcher Nachkommen, dann faͤllt das
Koͤnigreich Portugal an den König Juan, wie in einem gleis
chen Falle das Königreich Caſtilien an den König Fernando
fallen fol").
Juan von Gaftilien genehmigte den Vertrag, den in ſei⸗
nem Namen der Großfanzler mit dem König von Portugal
obgefchloffen hatte, und ſchickte fih an, feine Verlobte, der
Übereinkunft gemäß, an der Grenze von Portugal in Empfang
zu nehmen. Zu biefem Ende wurden die weltlichen und geiſt⸗
lichen Großen Gaftiliend nad) Badajoz eingelaben; ber König
begab fich bald darauf felbft dahin. Die Königin von Por⸗
tugal begleitete, von einem glänzenden Hofftaat und den por⸗
tugiefifhen Großen umgeben, bie Infantin nach Eſtremos,
wohin ihr der Erzbifhof von Compoftella, als Großkanzler
1) ... que en este caso los dichos Regnos de Portugual fiquen
al dicho Rej de Castilla, e por esta misma manera sobceda el dicho
Rej de Portugual en los Regnos de Castilla, faleciendo el dicho Rej
de Castilla, e la Iffante su ermana sin sobcesores legitimos de linea
derecha. ©. ven ganzen Vertrag in Sousa, Provas. T. J. p.296 esse.
Vergk au) Ayala, cap. 5. Lopes, cap. 158,
456 Erſter Zeitraum. I Bud. 4. Abſchn.
von Caſtilien, entgegenfam, um im Namen feines Königs
deffen Verlobung mit der Infantin zu feiern. Seitdem warb
Beatriz Königin von Gaflilien genannt. Darauf geſchah die
perſoͤnliche Verlobung des Königs und der ˖ Infantin in Elvas,
dieſe wie jene mit vielen Foͤrmlichkeiten. Noch an demſelben
Tage nahm Juan Abſchied von der Koͤnigin Leonore, und
fuͤhrte ſeine Verlobte nach Badajoz, wo Beide in der Kathedrale
von dem Erzbiſchof von Sevilla unter großen Feierlichkeiten getraut
wurden ). Der Trauung folgten in Portugal wie in Caſtilien
wiederholte Eidesleiftungen und Huldigungen ber verfchtedenen
Stände, feierliche Beeidigungen auf den zwifchen Gaftilien und
Portugal gefchloffenen Vertrag. Nicht leicht iſt ein Staats:
vertrag fo oft und förmlich befchworen, fo allfeitig und viel-
fach mit Vorbehalten, Verwahrungen und Bedingungen gleich-
fam verpfählt worden ?). Die Fürften bewiefen einander fo
wenig Zufrauen, daß auch die Völker Mistrauen fchöpfen
mufften. War es darum den Portugiefen zu verargen, Daß
fie trog der Verwahrungen fürchteten mit Caſtilien vereinigt
zu werden und Portugal durch jenen Vertrag für verkauft
und verrathen hielten ’)?
Der zunehmenden Kraͤnklichkeit wegen hatte König Fer:
nando der Vermählungsfeierlichkeit fchon nicht beiwohnen Eön-
nen; feine Körperleiden verlieffen ihn feitdem nicht wieder.
Er fah in den legten Zagen des October 1383 fein Ende
nahen und ließ ſich in einer Nacht von Almaba, wo er fich
aufhielt, nach Liffabon bringen. Als er hier dad Sacrament
empfing und über die Artikel des Glaubens, wie es gebräuch-
lich war, gefragt wurbe, antwortete er: „Alles dieſes glaube
ich als treuer Chrift, und glaube weiter, daß Gott mir dieſes
1) Lopes befchreibt fie cap. 167.
2) Este foi, fagt Nun. do Liad, o mais jurado contrato que
se vio, e o mais acautelado, mas o peor guardado, como
adiante se diraa,
8) E pesava mujto a todollos Portugueeses, assi fidallgos, come
comuum poboo, com taaes comveencas da sucessom do Reguo, por
aazo da doeinga del Rei, teemdo que per taaes trautos se Portugal
vemdia. Lopes, cap. 171.
Regierung bes Königs Fernando, 1367— 1383. 487
Reich gegeben hat, um Recht und Gerechtigkeit darin zu hand⸗
haben; aber ich habe es durch meine Schuld fo gethan, daß
ih der Gottheit davon fehr. fchlechte Rechnung ablegen werde.
Bei diefen Worten brach er in bittere Thränen aus und flehte
Gott um BVerzeihung an. Angethan mit einem Francifcaner-
Pleide verfchied er am 22. October. Die Königin Leonore wohnte,
obgleich es damals üblich war, der Beftattung ihres Gemahles
nicht bei, angeblich weil fie unwohl fei und nicht gehen koͤnne.
Ihr MWegbleiben erregte und befchäftigte das ihr abholde Volk
weit mehr, als ed ihre Erfcheinung gethan hätte. Das Volk
ſchlug gleichfam noch einmal Leonorend Lebensgefchichte auf
und durchlief fie tadelnd; es Fonnte der Königin nicht verzeis
ben, daß fie ihrem Gatten Die letzte Liebe und Ehre verweigert
hatte. Wäre fie an feinem Grabe erfchienen, fchwerlich wirde
an diefer Stätte der Tadel laut geworden fein, und Die zuleßt
bewiefene, wenn auch erheuchelte Pietät hätte über manches
Vergangene den Schleier ber Vergeffenheit gezogen oder wenig⸗
ſtens das fcharfe Urtheil gemildert.
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DER AR 424 88