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Full text of "Geschichte von Portugal"

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Geſchichte 


europaͤiſ chen Staaten. 


Herausgegeben 


von 


A. H. L. Heeren und F. A. ukert. 


ET ä 
Leu —A 





Geſchichte von Portugal, 


von 


Dr. Heinrich Shäfen 


Erfter Band. 





Hamburg, 1836. 
Bei Friedrich Perthes. 


.. 


Geſchichte 


von 


p ortugal 


von 





Dr. Heinrich Schäfer, 


orbentlichem Profeflor der Gefchichte an der Univerfität zu Gießen. 


Erfter Band. 


Bon der Entitehung des Staates bid 
zum Erlöfchen der echten burgundifchen 
Linie, 1383, 





‚ Hamburg, 1836. 
Bei Friedrich Perthes. 


D»DP 
52% 
„29 


VLV. 


Vorrede. 


Wohl jeder Geſchichtſchreiber, der ein groͤßeres Werk 
oder auch nur einen Theil deſſelben dem Drucke und 
ſomit dem oͤffentlichen Urtheile zu uͤbergeben im Begriffe 
ſteht, hat in Abſicht auf ſeine Leiſtung mancherlei auf 
dem Herzen, was er nicht ſowohl allen ſeinen Leſern 


als vornehmlich jenen, die ihn oͤffentlich beurtheilen wer⸗ 


den, zur Beruͤckſichtigung empfehlen moͤchte. Er freut 
ſich der guten alten Sitte, in einer Vorrede das ſa⸗ 
gen zu duͤrfen, was in dem Buche ſelbſt nicht ausge⸗ 
ſprochen iſt und Misdeutungen bder Ruͤgen veranlaſſen 
koͤnnte. Da aber die Vorrede, die auf dieſe Weiſe 
gleichſam ein Sprachzimmer fuͤr den Schriftſteller und 
den ihn beurtheilenden Leſer wird, zugleich ein Vorzim⸗ 
mer zu dem großen Auditorium iſt, da der Verfaſſer 


ſeine Herzensangelegenheiten, ſeine Entſchuldigungen und 


KRechtfertigungen bei offenen Thuͤren vorbringen muß 


N 


vıu | _ Borrede. 
und das große PYublicum für folhe Dinge gemeiniglich 
wenig Geduld zeigt, fo ift Kürze hier das erfte Gefeß. 


Der Verfaffer, der fich in jenem Fall befindet, eilt 


Daher, von dem Vielen, was auch ihm auf dem ‚Herzen 


Nliegt, nur Einiges auszuheben. 


Tadelnswerth möchte es zunaͤchſt fcheinen, daß er 
in der Geſchichte der erften Könige, namentlid Affon⸗ 
ſo's J., die Eleinen Kriege der Portugiefen mit den Mau— 
ren und Gaftilianern mit Ausführlichkeit erzählt, die er 
in den fpätern Zeiten felbft bei größern Kriegen ver- 
meidet. Allein für das damals fo befchränkte und 
ſchwach bevölferte Portugal waren jene Kriege Feine 
kleinen. Portugal muſſte in diefen Kämpfen für fein 
Beſtehen feine gefammten Streitkräfte aufbieten, — 
freilich nur eine Heine Schaar, aber eine Heldenſchaar, 
welche endlich die lange gefährdete Eriftenz des Vater— 
landes ruhmvoll durchfocht. Manches was in fpäterer 
Zeit, wenn ein Staat gleichjfam fertig ift, als unmwich- 
fig und geringfügig erſcheint, iſt es nicht, wenn er 


“ eben erſt im Entſtehen, im Werden begriffen if. Waf⸗ 


fen waren ohnehin der Ruhm des Zeitalters. 

Sn der Darftellung der fpätern Zahrhunderte find 
die Gegenftände, welche die Staatöverwaltung betreffen, 
vielleicht zu fehr gehäuft und ins Einzelne verfolgt, und 
der Verfaſſer glaubt gern, daß, ungeachtet der ſichtbar 
lebhafteren Theilnahme unſerer Zeitgenoſſen an geſchicht⸗ 
licher Darſtellung auslaͤndiſcher Staatsverfaſſungen und 


— 


ml En es EEE SEE nn nn mm . I11ss Eee 


Borrede. ix 


Verwaltungsweiſen, hier Manches von Manchem uͤber⸗ 
ſchlagen werden wird. Irrt er ſich aber nicht in der 
Richtung und den Fortſchritten unſerer politiſchen Auf: 
Märung, fo darf er bie Hoffnung Begen, daß jene Ge: 
genflände fich einer immer allgemeineren Theilnahme 
erfreuen werden; er hält es für eine Aufgabe des Ge- 
Thichtfchreiberd, dem Geifte ber Zeit, wenn er in fo 
loͤblichem Streben begriffen ift, Stoff zur Betrachtung 
und Bildungsmittel darzubieten. Wiewohl bisher, wie 
ed ſcheint, der flantörechtlichen Seite mehr Beruͤckſich⸗ 
tigung und Pflege in ber Gefchichte zu Theil geworden 
ald der flaatäwirthfchaftlichen, fo glaubt doch der Ver⸗ 
faffer, daß auch diefem Zweige fein Recht in der Ge 
fhichte dereinft werden dürfte Daß aber der Verfaf- 
fer hier in das Einzelne und Befondere eingegangen ift, 
werben Diejenigen nicht tadeln, die in dem Befondern, 
es mag nun von ber Gefchichte oder von der Erfah: 
tung geboten werden, ein wirkfames Gegenmittel (bis⸗ 
weilen wohl ein Gegengift) gegen Überfchägung der 
Theorie und Speculation in biefem Felde finden. 

Über die gewählte Anordnung und Vertheilung 
bes Stoffes, beſonders fofern er Die Staats und Volks⸗ 
Verhaͤltniſſe betrifft, möchte wohl erſt am Schluffe des 
Ganzen, wenigftend des Mittelalterd, ein vollftändiges 
Urtheil gefällt werden Tonnen. Der Verfafler erlaubt 
ſich bier vorläufig das Bewuſſtſein audzufprechen, daß 
er nur nach vielfeitiger Überlegung und forgfältiger Ab: 


x Borrede. 


wägung der Gründe für und wiber diefe und andere 
Anordnungen für die vorliegende fich entfchieden hat. 
Andere mögen Manches anders geftellt und vertheilt 
wünfchen; ob mit weniger Miöfländen und Nachtheilen, 
mögen wieder Andere entfcheiden. Noch lange werben 
die Anfichten über dieſen Punct der Gefchichtfchreibung 
. verfchleden bleiben. Doch lebt der Verfaſſer des Glau- 
bens, daß bei den Fortichritten diefer Kunft bier des 
Subjectiven immer weniger werden, und befonders in | 
der Behandlung der innern Staats» und Volls-Verhält- 
niffe, wofür in ber antiken Hifloriographie Fein Vorbild 
fih findet, der Spielraum der Willkür ſich verengern 
und allmälig eine gewiſſe Muftercompofition ſich bilden 
dürfte. Bis dahin fchienen dem Verfaſſer Einfach=- 
heit und Natürlichkeit die ficherften Leitfterne zu fein. 
Das innere Volks⸗ und Staatö-Leben in feiner ge= 
ſchichtlichen Entwicklung in diefen Iahrhunderten durch: 
weg abgefondert von ber Auffern Geſchichte darzuftellen, 
Eonnte ſich ber Verfaſſer nicht entjchlieffen. Die Kunde 
war meift nur fragmentarifch, ober in ihrer, aus dem. 
Bufammenhang ber politiichen Geſchichte geriffenen, Ab: 
geſondertheit hoͤchſtens einer Darſtellung in Moſaik fü 
big. Das allmaͤlige Übergehen, die ſanfte Verſchmel— 
zung ber Mittelitufen — ein Hauptmoment ‚ber Hiſto⸗ 
tie — Eonnte bier nicht dargeftellt werden. Doc, wäre 
dies auch erreichbar, wären der Vortheile noch mehr 
gewefen, — immer fchien der Verluft auf der andern - 


% 


Borrede. xt 
Seite noch größer. Der Verfaſſer hielt diefe Audfchei- 
dung und Abjonberung für eine Verfündigung an bem 
Sefammtbilde, eine Verftümmelung des Einen, um ein 
ganzes Bruchſtuͤck aus dem Anbern zu bilden. Was 
bleibt von Diniz's fechöundvierzigjähriger Regierung zus 


ruͤck, wenn man aus ihr ded Königs Staatöverwaltung 


wegnimmt? Hat ed Diniz an feiner Zeit verf chulbet, 
daß in der Gefchichte derfelben von ihm nur die drger- 
lichen Händel mit feinem Bruder und die noch acgeri- 
cheren mit ſeinem Sohne erzaͤhlt werden? 

Unangenehm und befremdend fällt eine gewiſſe Un- 
gleichheit in der Anfuͤhrung von Belegſtellen und litera⸗ 
riſchen Nachweiſungen auf. Sie find vorzüglich da ge 
hauft, wo der Verfaffer das Meifte gewiffermaßen neu 
Schaffen muſſte; fpärlicher da, wo Andere ihm vorge:. 
arbeitet hatten. Aber auch hier ‘glaubte er der Be: 
weife nicht überall entübrigt zu fein, fo lange ed, bei 
der großen Seltenheit portugiefifcher Gefchichtöwerfe in 
Deutfchland, einem Spotte ähnlich fieht, auf fie zum 


Nachleſen zu verweifen. Der Kürze wegen find fie je 


doch meift da weggelaffen worden, wo der Verfaſſer 
tächtigen orarbeiten von folchen Portugiefen folgen 
Tonnte, denen der gefammte Reichthum der gedrudten 


‚und ungedructen Gefchichtäquellen ihres Vaterlandes zu 


* Gebot ftand. Allein felbft einem Caetano do Amaral, 


einem Santa Rofa de Viterbo, einem J. Pedro Ri— 
beiro ift der Verfaſſer nur dann gefolgt, wenn er, fo-. 


xu VBorreb.e. | 

weit feine Mittel und Kräfte reichten, ‚von ihrer Gründ- 
lichkeit fi) vorher überzeugt hatte. Jene Ungleichheit 
aber mögen. ihm Diejenigen zu gut halten,“ die mit. ben 
Schwierigkeiten einer Vereinigung. der: Gefchichtsfor:: 
fchung, die hier. unabweislich war, mit der Geſchichts⸗ 
fhreibung für Die größere Claſſe der. Gebilbeten: Auer 
Nation befannt fd. . .... . : 


Gießen, im October 18385. 
Der Verfaſſer. 


a 64 


ı. 


. 


Inhalts: Überfigt, 


| Einleitung. 


Über bie alten Grenzen bes urfpränglihen Portu⸗ 
gals und bie Verwaltungsweiſe dieſes Landesbezirks 
kurz nor feiner Lostrennung von Caftilien. 


Eriter Zeitraum. 


Bon der Entftiehung bes portugiefifhen Staates bis 
zum Erldfchen der echten burgundifhen Linie, ober 
von der Regietung bes Örafen Heinrich bis zum Tode 
. des Königs Ferdinand. Vom J. 1095 bis z. J. 1383. 


Erſtes Bud. 


Bon der Entflehung bes Staates bis zu ber Erwerbung und 
gänzlichen Unabhängigkeit Algarve's, wodurch Portugal bleibende 
Grenzen erhält, oder von ber Regierung Heinrich’s bis zum Ende 
der Regierung Alfonſo's II, Die Zeiten der Eroberungen. Da: 
eben erfter Anbau des Landes und Entfiehung von Gemeinden. 
Anfang der Streitigkeiten zwifchen der höheren Geiftlichkeit und . 

ben Königen. on 1095 bis 1279, 


xır | Inhalts⸗überſicht. 


— 


Erſter Abſchnitt. Portugal unter Heinrich von Bur⸗ 
gund. Von 1095 bis 1112. 


Heinrich tritt als Comes Portugalensis auf, heirathet die na⸗ 
. türliche Zochter Alfonſo's VL und erhält mit ihr bas 
Land zwifchen dem Minho und Douro. Er benugt nad) 

des Königs Tode die Unruhen in Gaftilien, ftrebt fichtbar 

nach Unabhängigkeit und übt in Portugal Dandlungen eis 

ner unumſchraͤnkten Selbftherrfchaft. Sein Tod. . - - 


Zweiter Abſchnitt. Heinrichs Wittwe, Regentin von 


Portugal. Von 1112—1128. j 


Thereſia übernimmt die Regierung. Die Königstochter nennt 
fih Königin. Sie erhebt Anfprüde auf Ortfchaften jen 
feit des Minho. Krieg mit ihrer Schwefter Urraca, dann 
mit Alfonſo VII. Thereſia's Verhältniß zu dem Grafen 
Kr Deres. Der achtzehnjaͤhrige Infant Affonfo 

enriques behauptet gegen feine Mutter und ihren Günfts 
ling feine Rechte auf den Thron mit den Waffen in ber 
Hand. Schenkung an ben Erzbifchof von Braga. . - 


Dritter Abſchnitt. Regierung Affonfo’s J. 24. Sun. 
1128 bis 6. Dec. 1185. 


1) Bon feinem Regierungsantritt bis zur Annahme des Königs 
titel. Affonfo Infans, Princeps, Rex. 

Affonfo Henriques regiert felbft unter den Titel Infans. 
Den Krieg mit Caſtilien enbigt ein Waffenftillftand. 
Gründung Leirias ga Schutz gegen die Garacenen. 
Krieg gegen ben Kaifer von Spanien. Der Infant 
gibt zwar bie feften Pläge in Galicien heraus, nimmt 
aber nad dem Kriege den Titel Princeps an. Er 
dringt mit einem Heere in Alemtejo ein. Gieg bei 
Durique. Affonfo nennt fih König - - - . . .» 

2) Affonfo beruft die Gortes und verpflichtet ſich und feine 
Nachfolger de: Zahlung eines jährlihen Binfes an ben 
päpftlichen Stuhl. - . - 2 2 2 22... 

Die Corte von Lamego. Gegenftände ihrer Be⸗ 

fchlüffes die Ichronfolge, die Bedingungen des 

Verluftes und der Erwerbung bed Abeld, pein⸗ 

liche Vergehen und Strafen. . - ». .. = 

Affonfo I. verpflichtet fi und feine Nachfolger zur 

Bahlung eines jährlichen Zinfes an den — 5 — 

chen Stuhl. . a . . . “. “ ® . 0 


9 Eroberungen und Siege über die Saracenen. 


Eroberung Santarems. Belagerung und Einnahme Miffabons 


mit Hülfe von Kreuzfahrern. Affonfo orbnet bie Ber 
hältniffe der Mauren in Eiffabon, ertheitt ben chriftlis 
hen Einwohnern ein Ortsrecht und bringt das See⸗ 


Seite 


15 


24 


86 


47 


53 


Inhalts-Überſicht. 


8 
weſen in Aufnahme. Der folgenreichen Eroberung Liſ⸗ 


ſabons folgt die von Alcacer do Sal und Beja, wie 
die liſtige Einnahme Evoras, des Hauptortes von 
Alemtejooo.. 
4) Aufnahme aͤlterer und Gründung neuer Ritterorden in Por⸗ 
tugal. . . ® “ o eo » . . . “ . ® . . ®. . . 
Die Iempelrittr. . - - 2 020. 
Die Sobanniterritter. " 
Der Ritterorden von’ Avis. . 
5) Die letzten Zeiten Affonfo’s J. J 
Sein ungluͤcklicher Krieg mit dem Koͤnig von Leon, ſeinem 
Schwiegervater. Er wird deſſen Gefangener und muß 
die galiciſchen Orte zuruͤckgeben. Neue Kaͤmpfe mit 
den Saracenen. Affonſo's großer Sieg uͤber ſie bei 
Santarem. Gründung des Ritterordens bes heiligen 
Michaels vom Fluͤgel. An die Stelle des greiſen Af⸗ 
fonſo tritt der jugendlich kraͤftige Sancho und fuͤhrt 
die portugieſiſchen Streiterſchaaren gegen Sevilla. Die 
Saracenen greifen zu Land und fur See Portugal an. 
Erſter Seeſieg der Portugiefen unter der Anführung 
des Fuas Roupinho. Aufbruch des Miramulim mit 
ungeheuren Gtreitmaffen aus dem maurifchen Afrika 
. und. Spanien. Belagerung Santarems. Affonſo eilt 
sum Entſatz herbei und verbindet ſich mit feinem Sohne. 
Portugal gerettet durch einen glorreichen Sieg über 
die Ungläubigen, ben legten Affonfo's. Er flirbt 6. 
| December 1185. 2. 2 2 2 2 ern. 
6) Überfiht der Regierung und ber Verdienſte bes Königs 
Aion le 2 2 00 2 rn nn 


‚ 


xV 


eite 


58 


71 


. 72 


83 
83 


88 


Vierter Abſchnitt. Regierung Santos I. Vom 6. | 


Dec. 1185 bie 7. März 1211. 


1) Sancho's Eroberungen. 

Der König, obgleich tapfer, Eriegserfahren und fiegreich, 
denkt mehr darauf, feinem Lande bie Segnungen bes 
Friedens zu verfchaffen. Doch benust er die Ankunft 
einer Flotte mit Kreugfahrern in Liffabon, um mit 

rer Huͤlfe Silves zu belagern. Eroberung biefer 
fabt und anderer Orte in Algarve 1189. fügt 
zu dem Zitel Rex Portugalliae hinzu: et Algarbii, 
läfft aber nad dem Verluſte jener Stadt im 3. 1191 
dieſen Zufag wieder weg.. 0 2 0.2. 


2) Sancho's Verdienſte um das Land. 
Seuchen und Miswachs verheeren und entoölfern Portugal. 
Die Sararenen benugen bie Drangfale des Landes und 


een in daſſelbe ein. Silves geht wieder verloren. 
tele Portugiefen gerathen in bie Gefangenſchaft der 


102 


xvi Inhalts⸗-überſicht. 


E 
Ungläubigen. Mitten in biefer Noth erwirbt fich 


Sancho 1. durch Beförderung des Landbaues den Bei- 

namen el Lavrador, durch feine Sorge für den Auf: 

bau und die Bevölkerung der Flecken und Burgen, wie 

durch Ertheilung von Ortsrechten an eine Menge Ge: 

meinden den Ehrennamen el Poblador. Er befchentt 

und gewinnt für fi die Ritterorden. - - " . - 
8) Sancho's 1. Streitigkeiten mit den Bifchöfen von Porto und 
Soimbra. Einfchreiten des Papftes Innocenz IH. Tod 

des Könige 27. März 1211. . 2 0 2 000. 


4) Sancho's Zeflament. » 0 2 


Fünfter Abſchnitt. Regierung Affonfo's I. Vom 27. 
März 1211 bis 25. März 1223, 


1) Streitigkeiten Affonſo's II. mit feinen Schweftern. 

Sie befesen die Ortfchaften, die ihnen Sancho I. in feinem 
Zeftamente zum Unterhalte beflimmt hat. Der König 
von Leon unterflügt fie mit gewaffneter Hand. Sie 
rufen den Papſt Innocenz TI. um feinen Beiftand an. 
Verfahren der päpftlichen Unterfuchungsrichter. Fort: 
dauer bes Kriegs. Enburtheil des Papſtes. - . 


2) Deutfche und. nieberlänbifche Kreusfahrer helfen den Portus 
‚giefen Alcacer do Sal erobeen. . . .. . 
8) Affonfo’3 IT. Verdienſte um die Gefesgebung Portugals. 


Er gibt mehreren Gemeinden Ortörechte. Corte von Coim⸗ 
bra 1211. Die erften allgemeinen Gefege feit den 


eite 


109 


115 
126 


130 


157 


GCortes von Lamego. Ihr Inhalt. Verordnung für 148 


die Beamten bes Zöniglihen Haufe. . - » -» 
4) Affonfo’8 Streitigkeiten mit der Geiftlichkeit. 
Klagen des Erzbifhofs von Braga über den König. Cr 
thut diefen in ‚den Bann. Der Prälat flüchtet aus 
"dem Reiche. Einfchreiten des Papftes Honorius IIL 
und Verſchaͤrfung der Kirchenftrafen. Der König 
nimmt den Bann mit ins Grab 1223, . . . 


Sechſter Abſchnitt. Wie die portugieſiſche Kicche und 
Geiftlichkeit reich und mächtig wurde. 


148 


Wenige Diöcefankirchen bis in die Mitte des fechften Jahrhun⸗ ö 


derts in den Gegenden bes nachherigen Portugals. Grüns 
bung einer Menge Eleiner Kirchen und fogenannter Kloͤ⸗ 
fter zur Zeit der Weftgothen. Ihre Vervielfältigung nach 
der Entfernung der Saracenen. Die kirchlichen Stiftun- 
gen bleiben Eigehthum der weltlichen Gründer. Häufige 
Schenkungen an die Kirche. Beweggründe, Natur und 
Geltung diefer Schenkungen unter den Königen von Leon 
und in ben erften Zeiten des portugieſiſchen Staates. 
Verwirrung ber Gigenthumsverhäftniffe as religiöfe 


Inhalts⸗Üüberſicht. xy 


Seite 
Leben kommt mehr und mehr In Aufnahme Deo⸗Votas. 
Emparedadas. Berhältniß ber Familiares zu ben Kıöflern. 
Hoderungen ber Herdeiros und Anfang ihrer Bedruͤckun⸗ 
gen. Zortbauernde Vermehrung bed Grunbbefiges ber 
Kirche. Auflommen des geiftlichen Zehnten am Ende bes 
elften Jahrhunderte, Erweiterung ber perföntichen Vor: 
sechte des Sam 0 0 2 2 er 2 nenn. 152 


Siebenter Abſchnitt. Megierung des Königd Sancho II. 
Vom 25. März 1223 bis 21. Sept. 1245. 


1) Sancho's Wirken für den Frieden und im Frieden. 


Er legt die Streitigkeiten mit der Geiftlichleit, unter denen 
ber Vater geftorben, durch einen Vergleich mit jener 
® und einen andern mit dem Erzbifchof von Braga bei. 
Vertrag des Königs mit feinen: Vatersſchweſtern. Er 
ertheilt mehreen Srtfejaften Tora, . 0. 
2) Gancho's Eroberungen. 
Elvas, Serpa, Jurumenha, Atjufter, Aronches, das wich⸗ 
tige, Mertola, Cacella, Ahamonte und Zavira kommen 
in die Gewalt des Koͤnigs. Verdienſte der Ritter des 
Santiago⸗Ordens, vor allen des Komthur von Alcacer 
do Sal, Payo Peres Correa, bei dieſen Kriegsunter⸗ 
nehmungen. Der Komthur erobert die Orte in Al⸗ 
e mit Portugieſen fuͤr Portugal. Vertheidigung 
Sancho's gegen den Vorwurf ber Unthaͤtigkeit und Un⸗ 
erfahrenheit im Kriegg.. 1272 


3) Sancho's Streitigkeifin mit der Geiſtlichkeit. 
Klagen des Bifchofs von Porto über den König. Vergleich 
ifhen Beiden. SHeftigerer Streit mit dem Erzbi⸗ 
—* von Braga, der ſich mit ſeinen Beſchwerden an 
den Papft wendet. Nähere Angabe dieſer Beſchwerden. 
Die Drohungen des Papſtes bewegen den Koͤnig nach⸗ 
ueber ren 
4) Enthronung des Könige Sancho. 

Der portugiefifhe Adel. Die Peingen bes Haufes: Affonfo 
- und Zerdbinand, des Königs rüber, der Infant Pe⸗ 

‚ tee, Sancho's Oheim. Kitterliche Thaten und Schick: 

fale des Legtern. Mecia’s Einfluß auf ben König; ob 

fie feine Gemahlin war? Das allgemeine Misvergnuͤ⸗ 

gen benugen weltliche und befonders geiffliche Große, 

um ben König zu flürgen. Ihre Klagen bei bem apo- 
ftotifchen. Stuhle bewirken eine päpftliche Drohbulle. 
Portugiefifche Prätaten und weltliche Geſandte reifen 

nach Eyon. Innocenz IV. entfernt den König von der 
Regierung und überträgt fie dem Grafen von Bous 
Iogne, Affonfo. Wodurch fich biefer bem Papſt empfohs 

len hatte, und was er in Paris vor feinem Regie⸗ 
rungsantritt befchwören muß. Gene Ankunft in Por- 

* 


— 


178 


xviu Inhalts⸗Uberfichn 


kaͤmpfen noch fuͤr Sancho, der ſtandhafte und 
ſchlaue Pacheco in Celorico und Freitas in Coimbra, 
deſſen Treue dem König bis in's Grab folgte . . 183 


Achter Abſchnitt. Regierung Affonſo's IL on 1245 
bis 1279. 


Affonfo’8 Regierung unter drei Gefihtspuncte gefaflt: feine Er 
werbung Algarve’s, feine Staatsverwaltung, fein Kampf 
mit den Prälaten. 

1) Erwerbung Algarve’s. 
herer Umfang bes Landes. Schon Sancho I. nannte 
Beine „König von Algarve”. Croberungen Sancho's IL. 
Affonfo ILL entreifft Faro und andere Orte in Als 
garve den Mauren. Die Portugiefen überfchreiten die 
Guabiana. Krieg bes Königs von Gaftilien mit dem 
von Portugal; jener erwirbt bie Nusnieflung, dieſer 
behält das Eigenthbum von Algarve. Eine ber Bedins 
gungen des Vertrags zwifchen beiden Königen ift bie 
Vermählung Affonfo’s IL. mit Brites, der natürlichen 
Tochter Alfonfo’3 des Weifen. Die Kinder biefer Ehe 
werben erft nach dem erfolgten Tode der Gräfin Mas 
thilde von dem Papfte für rechtmäßig erklärt. Neue 
Verträge in Betreff Algarve's zwifchen dem caftilifchen 
und portugiefifchen Königs diefer verfpricht jenem funfs 
se kanças zum Deere zu ftellen. Der kleine Diniz 
ei dem Großvater in Sevilla. Der König von Ca» 
flitien entfagt allen Anſpruͤchen auf Algarve. Affons 
ſo's III. Anordnungen in diefem Lande. . - „ » 203 


2) Affonfo’s III. Staatöverwaltung- 
Seine Sorge für den Anbau des Landes, für die Anles 
gung von Drtfchaften, für ihre Bevoͤlkerung und Ges 
fggeöung. Bela, Melgaco. Die Cortes in Leiria 
1254. Angelegenheiten der Städte Santarem und 
Porto. Allgemeine Gefege zur Sicherheit des Eigen» 
Fan und der Perfonen. Gründung jährlicher Märkte. 


eftftellung der Preife der Waaren und Güter. Vers 
derbliche Münzveränderungen. Des Königs Schenkuns 
gen an bie Ritterorden; Mishelligkeiten mit diefen. 219 
8) Affonfo’s Streitigkeiten mit der höheren Geiftlichkeit. 

Die Erwartungen ber Prälaten vom König werben nicht 
erfüllt. Sie befchweren fi über Eingriffe in ihr Ei⸗ 
genthum und ihre Vorrechte. Sieben Bilchöfe reifen 

’ nad Rom, um Klage über Affonfo zu erheben. Gre⸗ 
gor X. erläfft eine Ermahnungsbulle an den König. 


InhaltssÜberfihe | Xxix 


| Seite 
Diefer weicht aus, verfammelt die Cortes und ver: 
fpricht Abhülfes aber der Papft erwartet vergeblich bes 
Könige Sefferung. Merkwürdige Bulle vom 4. Sept. 
1275. Gregor X. flirbt, und der ſchnelle Wechfel der 
folgenden Päpfte rettet den zaubdernden König. Jo⸗ 
bann XXI., ein Portugiefe, ſchickt einen Legaten nach 
. Portugal, ben Affonfo mit Audienzen binhält. Der 
Bruder Nicolaus lieft endlih in feierlicher Verfamms 
lung die päpftliche Bannbulle, 1277. In demfelben 
Zahre ftirbt Johann XXI Der König verſpricht auf 
: dem SKranlenbette Alles, was ihm ber Papft geboten, 
unbedingt zu erfüllen, wird vom Banne freigefprochen 
und ftirbe den 16. Febr. 179. . 0.00. 331 


Neunter Abfhnitt, Das Gemeindewefen in ben erfien 
Sahrhunderten des Staates. 


Vorbemerkung. L eo eo [ ® [ “ 9 eo « e eo ® 
1) Die zerflveute Bevölkerung verbinbet fi) zu Gemeinden. 
Das Land verödet durch die Kriege mit ben Mauren. Erfte 
Spuren ber Urbarmahung und des Wiederanbaues. 
Zerftreut liegende Grundſtuͤcke, Getreideſchoppen und 
Einzelwohnungen. Herdades, Aldeas, 'Celleiros u. f. w. 
Die Coireleiros und der Pobrabor des Könige. nt: 
ſtehung von Weilern und Dörfern an Flüffen, frucht- 
baren Stellen, an den Mauern ber Kiöfter und Gtäbte, 
Die Burgos. Die ummauerten Flecken und Stäbte. 
Die Landgemeinden wie die Stabtgemeinden fühlen das 
Bedürfniß gefchriebener Geſetze und fefter bürgerlicher 
Einrichtunge. —288 


2) Die Ortsrechte (Boraes). 
Wer ſie ertheilte. Die weſtgothiſche Geſetzſammlung kommt 
mehr und mehr auſſer Gebrauch; Urſachen bavon. 
Srundbeftandtheile und Entſtehungsweiſe dieſes Geſetz⸗ 
buchs; fein Zielpunct und feine Richtung. Verſchie⸗ 

denheit der Fotaes in diefen Beziehungen. . . . 246 


3) Äuflere Verfaffung der Gemeinden. 
Ihre Stellung gegen den König ober Berichtäheren. Claſ⸗ 
fen der Ortsbürger und Gemeindeangehörige. Peoes. 
Cavalleiros — Fidalgos und Villaos. Rechte berfelben. 
Infançoens. Viſinhos. 4 
4) Obliegenheiten ber Gemeindeglieder. 
Kriegspflichtigkeit und Ortsvertheidigung Apelibo, Aza⸗ 
ria, Foſſado. L } 0 “ 06 . . 0 3— . . 262 
5) Abgabenmweien, Leiſtungen. . . - . . 266 


6) Rechtspflege. 
Menige Beftimmungen in den Foraes über bürgerliche 
Gevichtsſtand 


Nechtsſtreitigkeiten. Gerichtsperſonen. 


237 


xx | Inhalts⸗überſicht. 


Seite 
en Peinliche Rechtspflege, Verbre⸗ 
chen und © . — o . .' eo L) eo 237 8 

—— een 482279 
Gerichtsſtand. 282 


Gerichtshandlungen. 282 
Peinliche Rechtspflege. Verbrechen und Strafen. 286 





Bweite8- Bud. 


Bon der Megierung bes Königs Diniz bis zum Tode Fernando's. 
Bon 1279—1383. 


Seite 
Erfter Abſchnitt. Regierung des Königs Diniz. Won 
1279—1325. 


. 1) Diniz bis zu feinem - Regierungsantritt. 

Diniz's Geburt, Erziehung und Unterriht. Cr erhält als 
Erbprinz einen befondern Hofftaat. Sein Regierungs- 
antritt. Gntfernung feiner Mutter von den Regie: 
rungsgeſchaͤften. Vermählung mit Ifabel von Aragonien. 298 


2, Auswärtige Verhältniffe: 
‚Der König wird, zunaͤchſt durch ben Zwiſt mit ſeinem Bru⸗ 
Affonſo, in die Zerwuͤrfniſſe Caſtiliens verwickelt. 
ini 8 Antheil an den bortigen ZThronftreitigkeiten. 
Er vermittelt ald Schiedsrichter den Frieden „rilden 
Caſtilien und Aragonien und huft die Ruhe In jenem 
Neiche herftellen. . . . . . . 804 


8) Innere Verhältniffes Diniz’s Otontövenwaltung. 


Er bereift wiederholt das Reich. Anbau des kandes, Berg: 
bau, Handel, Schifffahrt, Seemadt. . - 


4) sönig ig Dinig un und bie höhern Stande, bie Gepuäpit und 317 


A, Di Geiftichteit, 

Streitigkeiten und Verträge des Königs mitbem Klerus. 
Die fogenannten vier Eoncorbias bed Königs Diniz. 
Geſchichte der Amortifationsgefege. Während Di- 
nix auf der einen Seite dem Umfichgreifen des Kle 
rus Schranken feet, gewährt er auf der andern 
den Kirchen und Klöflern Scug gegen die Be: 
druͤckungen ber Erben ihrer Patrone (Herdeiros). 319 


Inhalis⸗überſicht. xxi 


B. Der Abel als Grundbeſitzer; bie Ritterorden. 
Die Inquirigdes. 


Den großen Grundbeſitz, welchen ber Abel zum 
Theil Schon unter den Königen von Leon erworben 
hatte, erweiterte und mehrte er unter den erften 
Königen von Portugal. Verſchiedene Arten von 
abeligen Gütern und damit verbundene Rechte und 
Freiheiten. Solares. Coutos. Honras. Behetrias. 
Unmäßige Erweiterung ber geundherrlihen Gerecht⸗ 
fame, und Waßregeln ber Könige fie zu beſchraͤn⸗ 
ten. Geſchichte ber früheren Inquiricdes. Ber: 
ſchiedene Unterſuchungen, ‘weiche Diniz anftellen 
laͤſſt. Misbraͤuche, die dadurch offenbar werben. 
Der König hebt alle Honras auf, weiche feit 1290 
neu gegründet ober erweitert worden fin. . . 886 


Die Ritterorden. i 


Der Nitterorden von Santiago in Portugal erhält 
einen befondern Meifer. . ... . . . . 84 


Die Tempelritter und ber Ghriflusorben. i 


Bunehmender Grunbbefig bes Tempelordens ſeit Af⸗ 
fonfo I. Vorrechte und Befreiungen, welche bie 
Päpfte im Laufe ber Zeit dem Orden bemwilligen. 
Berpfligtungen ber Ritter gegen bie Könige von 
Portugal. Kluges Benehmen .diefer gegen jene. 
Tadelioſigkeit des Orbens. Känig Dinig wird vom 
Papft nach Vienne eingeladens er ſchickt einige Abs 
geordnete dahin. Die portugiefifchen Zempelritter 
entziehen ſich ber Gefahr durch bie Flucht, und ber 
König nimmt ihre Güter gerichtlich in Beſchlag. 
Dinig’d Verbindung mit den Königen von Gaftilien 
und Aragonien. er Papft macht bei der Aufhe⸗ 
bung des Tempelordens eine Ausnahme zu Gunften 
diefer drei Fuͤrſten. Diniz verwirft den Bruder 
Stephan als Abminiftrator der QTempelgüter. Die 
Nitter ericheinen wieder in Portugal. Gtiftung 
des Ehriflusordens ober vielmehr Wiederherftellung 
des Tempelordens unter jenem Ramen. Diniz gibt 
m feine Güter zurüd und fchenkt ihm Gaftro- 
arim, ben Hauptfiß des Ordens. Neue. Orb: 
nungen und GEinrichtungen deſſelben. . . .. 853 


5) Die letzten Jahre des Könige. 
Seine Streitigkeiten mit dem Infanten Affonfo. Wiederhol- 
ter Ausbrudy der Feindfeligkeiten zwifchen Water und 
Sohn. Die Königin Ifabel vermittelt die Verföhnung 
Beider. Diniz erkrankt. Beine Anorbnungen und 
letzten Worte. 4370 


xxii | Inhalts⸗überſicht 


Seite 


Zweiter Abſchnitt. KRegierung Affonſo's IV. Won 
1325 - 1357. 


1) Die Cortes von Evora, 1325. Streit und Ausſoͤhnung 
zwifchen dem König und feinem natürlichen Bruber. Die 


Ehen zwiſchen ben portugiefifchen und caftilifchen Königs: 388 


familien. » “ 0 . [} o ® 2 ® [ ® 


2) Affonfo's Antheil an dem Sieg am Salado über die Sa⸗ 
racenen. 
Große Rüftungen des Königs von Marocco zu einem Einfall 
in das chriftliche Spanien. Die verföhnten Könige 


von Portugal und Eaftilien verbünden fich zur gemein: _ 


ſchaftlichen Abwehr der Gefahr. Belagerung von Ta⸗ 
riffa. Ein Sturm zerftört die caftilianifche Flotte. 
Die hriftlichen Könige rüdten mit ihren Heeren gegen 
die vereinigte Macht der Könige von Marocco und 
Granada. Schlaht und Sieg der Chriften am Galas 
do. Ungeheurer Verluft der Saracenen. Affonfo von 
EAN verſchmaͤht an der reichen Beute Theil 3 

ne men. “. . . ® oe . . eo ® e o 0 . . 


8) Ermordung der Ignez de Caſtro⸗ 
Affonfo’s IV. Tod. Blick auf ihn als Menſch und Regenten. 


Dritter Abſchnitt. Regierung bed Könige Pedro 1. 
Bon 1357—1367. | . 

1) Handlungen des Königs in Abficht auf Ignez de Caftro. 

Der König von Gaftilien, durch ein Freundſchaftsbuͤndniß mit 

Pedro von Portugal verbunden, liefert diefem die Moͤr⸗ 

der der Ignez aus. Zwei derſelben Läfft Pedro auf 

eine graufame Weife hinrichten. Schidfale bes ent⸗ 

benen Pacheco. Der König beſchwoͤrt, daß er mit 

gnez Eirchlich getraut geweſen. Zwei Beugen bekraͤf⸗ 

tigen es eidlich. Feierliche und öffentliche Verkündung 


der ftattgefundenen Vermählung. Zweifel der Zeitges. 


nofjen. Igneys Leiche, mit Zeichen der koͤniglichen 

Wuͤrde geſchmuͤckt, wird von einem zahlreichen Trauer⸗ 

gefolge von Coimbra nach Alcobaça geführt. . . 
2) Die Gortesverfammlung in Elvas im Jahre 1361. 


Beſchwerden und Anträge ber Gortes, Eönigliche Entfchlieffuns 
gen. Neue von Pedro eingeführte Geſchaͤftsordnung 
für die höchfte Staatsbehoͤrde. 

3) Pedro's Denk: . und Handelsweiſe, 
geftellt. . . “ ° [) . . . ® 

4) Pedro bereichert den Eöniglichen Schat nach dem SBeifpiele 
feiner Vorfaheen. - « - - 0... 


3% 


897 


. 405 


.in einzelnen Zügen bar: 
nenn. 264 


Snhaltsslberfige: xxıı 
Seite 


5) Pebro's Verhalten gegen Caſtilien. 
Er bewahrt ben Frieden mit biefem Reiche, trog 


dee Gier 
eintretenden gewaltfamen Ihronfolge. Tod des Königs. 434 


Bierter Abſchnitt. Regierung des Koͤnigs Fernando. 
Von 1367—1383. 


1) Bluͤhender Zuſtand Portugals bei Fernando's Regierungsan⸗ 
tritt. Charakter des Könige. - - 2 2: 0 0... 


2) Fernando's Streben nad} der Krone von Gaftilien. 


Sein Buͤndniß mit den Königen von Aragon und Granada, 
um gemeinfchaftlih mit biefen den König Henrique 
von Gaftilien zu befriegen. Bernando, obgleih von 
feinen Bunbesgenoffen unterflügt, führt den Krieg 
Läffig und ungeſchickt und fchliefft ganz unerwartet eis 
nen Vertrag mit dem Seinde ab. Gr gibt bie ihm 
verlobte aragonifhe Infantin Leonor auf und vers 
ſpricht die Infantin Leonor von Caſtilien zu heirathen. 

\ Verluft der in Aragonien hinterlegten Geldfumme. Er⸗ 
ſchoͤpfung des koͤniglichen Schatzes nad) dem Kriege. 
Fernando's Muͤnzverſchlechterung und andere verderb⸗ 


437 


liche Maßregen. - oo 0 0 0 0 een. 48 


8) Fernando's Vermaͤhlung mit Leonor Telles. 

Der König entführt Leonor ihrem Gatten, um fih mit { 
zu vermählen. Dadurch veranlaffter Volksaufſtand 
Liffabon. Leonor, auf den Thron erhoben, weiß fich 
einen großen Anhang zu verfhaffen. . . . .» -» 


4) Neuer Ausbruch des Kriegs mit Henrique von Gaftilien. 


anbo verbindet fih mit dem Herzog von 2ancafter gegen 
dem den König von Caſtilien. Dieſer, über Bernando’s 
Treubruch entrüftet und vergeblich bemüht Frieden zu 
erhalten, fällt mit einem ‚Heer in Portugal ein. Der 
portugiefifche König fieht von den Mauern Santarems 
erab den Feind nad) Liffabon ziehen. Ein Theil dies 
er Stadt wird ein Raub der Flammen. Der päpftli« 
che Legat Buy de Boulogne vermittelt den Frieden, 
deffen Bedingungen ber König von Caſtilien vorſchreibt. 
Zufammentunft beider Könige auf bem Zajo. Ihre 
Verhaͤltniſſe zu dem König von Aragonien. Die por: 
tugiefifche Snfantin Beatriz wird dem natürlichen Sohn 
des Königs von Gaftilien verlobt. - - . .. - 


5) Ränte der Königin. 


Leonore veranlafit durch berüdende Vorfpiegelungen ben Ins 
fanten Joad, feine Gemahlin, ihre eigene Schwefter, 


457 


zu ermorden. Schreckliche Enttäufchung bes Infanten. 466 


xxiy Juhalts—überſiqcht. 


Seite 
6) Fernando's Krieg mit König Juan I. von Gaſtilien. 

Der König von Portugal verfpricht feine oft verlobte Tochter 
Beatriz dem Sohne Juan's I. von: Eaftilien und er⸗ 
klaͤrt dieſem gleich darauf den Krieg. Der landesver⸗ 
wiefene. Andeiro unterhandelt insgeheim für Fernando 
einen Gülfövertrag mit dent Herzog von Lancafter. 
Andeiro und das königliche Paar im Thurme zu Eftre 
mos. Juan I. und Fernando rüften fi zu Land und 
zur See. Die portugiefifche Flotte wird von der caftis 

. lianifchen gefchlagen. Ankunft der Engländer in Liſ⸗ 
fabon. Die Infantin Bcatriz wird dem Sohne bes 
Grafen von. Sambribge vermählt. Betragen ber ang 
länder in Portugal. Anftößiges Verhaͤltniß der Kö: 
nigin zu Andeiro und Verhaftung Azevedo’3 und bed 
Großmeiſters von Avis durch die Raͤnle Leonorens. . 471 


7) Ausgang bed Kriegs mit Gaftilien und Lob bes Königs. 


Die Könige von Portugal und Caftilien führen ihre Heere 

gegen einander, Tchlieffen aber, ehe es zus Schlacht 

tommt, Frieden. - Bedingungen deſſelben. Die vers 

haſſten Engländer kehren in ihre Heimat zuruͤck. Bea⸗ 

triz mit dem caſtilianiſchen Infanten Fernando verlobt. 

Bald darauf bietet der König von Portugat die dem 

Sohne verlobte Beatriz dem Water zur Gemahlin an. 

Zeierliche Trauung des Königs Juan I. mit der por 
tugiefifchen Infantin. Tod bes Könige Fernando. 432 


Einleitung. 


Über die alten Grenzen bed urfprünglichen 

Portugals und die Verwaltungsweiſe diefes 

Landesbezirks kurz vor feiner Lostrennung 
von Caſtilien. 


VJener Landſtrich der pyrenaͤiſchen Halbinſel, aus welchem ge⸗ 
gen Ende des elften und im Anfange des zwoͤlften Jahrhunderts 
der portugieſiſche Staat ſich bildete, theilte bis dahin die Schick⸗ 
ſale Spaniens, beſonders ſeiner weitlichen ‚Hälfte, Seine Ge: 
fhichte biß zu diefem Zeitpuncte ift nur eine Wieberholung von 
dem, was die Gefchichte von Spanien bis zur Lostrennung 
Yortugals darftelt, oder wenn fie auf die Begebenheiten und 
Veränderungen, die auf jenem Gebiete fi ch ereigneten, fireng 
und ausfchlieffend fih befchränken will, ein Bruchſtuͤck, ein 
abgeriffenes Blatt, das für ſich allein ungentgend, ja unver 
ftändlich ift, und nur in dem wieberhergeflellten Zuſammen⸗ 
hange klaren Aufſchluß und vollftändige Befriedigung gewährt. 
Es ift die Aufgabe des Gefchichtfchreiberd von Spanien, das 
geoße Drama barzuftellen, das die vielen und verſchiedenartigen 
Völker, die den Schauplag der pyrenaͤiſchen Halbinfel nach 
und nach betreten haben, aufführten; der Gefchichtfchreiber von 
Portugal würde aus der Vorzeit diefed Landes nur verſtuͤm⸗ 
melte Scenen aus jenem Drama mittheilen koͤnnen. Ohne 
bervorftechende Eigenthuͤmlichkeit bietet dieſer a ber Halb: 
Schaͤfer Geſchichte Portugals 1. 


2 Einleitung. 


infel diefelben Erfcheinungen dar, welche das Ganze gewährt, 
ba eine befondere Verfaſſung und Berwaltung ihm zu Theil 
geworben ift, Feine andere Völker andere Neigungen und Ans 
fichten, andere Sitten und Lebensweiſen darin eingeführt haben. 

Nur die Lufitanier, die man unter der Herrfchaft der 
Karthager und Römer von den Hifpaniern unterfchied, fcheis 
. nen dem portugiefifchen Boden ausfchlieffend anzugehören. Aber 
die Grenzen ihres Landes, wie fie unter Auguftus beftimmt 
waren '), fallen Feineswegs mit den Grenzen des heutigen Pors 
tugals zufammen, und die Gefchichte von Spanien müffte die 
Schidfale diefed Volkes in ſich aufnehmen, wenn fie felbft die 
Vorgefchichte von Portugal unberührt laffen wollte. Das ganze 
Land zwifchen dem Douro und Minho, das jest zu Portugal 
gehört, wurde damals Galicien zugezählt. Die portugiefifchen 
Gebiete von Dlivenga, Mourão, Moura, Serpa und anderer 
Ortfchaften gehörten zu Bätica. Auf der andern Seite ers 
ſtreckten ſi ch die Grenzen Luſitaniens uͤber Staͤdte und Orte, 
die jetzt in Caſtilien liegen, wie Avila, Salamanca, Ciudad 
Rodrigo, Merida (alſo ſelbſt die Hauptſtadt Luſitaniens), Al⸗ 
cantara, Medellin, Truxillo, Caceres ). Überbies verſchwan⸗ 
den alle beſondere Zuͤge, durch welche die alten Luſitanier ei⸗ 
genthuͤmlich auf die Folgezeit haͤtten einwirken koͤnnen, und 
vielleicht noch für die ſpaͤtere portugieſiſche Gefchichte von Be⸗ 
deutung gewordeit. wären, bis auf. Die Iette Spur, als durch 
die Einwanderung und Herrfchaft germanifcher Völker und 
fpdterhin der Araber fremde Sprachen und Sitten, fremde Ges 
ſetze und Staatöeinrichtungen- Platz griffen. Der Darftellung 
jener Veränderungen. aber, die von den Gueven, Vandalen 
und -Alanen, von ven, Weftgothen und endlich von den Ara⸗ 
bern felbft innerhatb der Grenzen des fpätern Portugals hers 
beigeführt wurden, kann fich die Geſchithte von Spanien nicht 
entſchlagen; denn nicht Portugal, nicht Leon, nicht Gaftilien, 
fondern die pyrenaͤiſche Halbinfel war der Schauplag der wech⸗ 
ſelvollen Kämpfe und Schidſale jener Voikberſchaften. 


1) Plinius, Kb. III. cap. 1 und lib. IV. cap. 22. 


2) Historia e Memorias ‘da Academia Real das Sciencias de 
Lisboa. Tom. IX. p. 218. 


— — 


Einleitung. 3 


Unerlafflic aber und wichtiger als eine einfeitige und dar⸗ 
um unbefriebigenbe Überficht der Schickſale jenes Landſtriches, 
aus dem’ fpäter der portugiefifche Staat fich bildete, ift für 
beffen Gefchichte die Kenntniß feines Umfangs und feiner Gren« 
zen, ald er von Caſtilien allmdlig fich ablöfte, aus einem Lars 
beötheil in ein abgefondertes Land fich verwandelte und zu eis 
nem felbfländigen Ganzen fich erhob. Nicht minder wichtig und 
unerlafflich ift die Kenntniß feiner Verwaltung in ber legten. 
Zeit feiner Vereinigung mit Caſtilien, um, mit Beidem bes 
Fannt, im Stande zu fein, fo weit die Pärglichen Nachrichten. 
und Urkunden e8 geftatten, die flilen und faſt unmerflichen 
Übergänge von Abhängigkeit zur Unabhängigkeit wahrzunehmen 
und daraus das Näthfel diefer geräufchlofen Umwandlung 
zu loͤſen. 

Nachdem bad ben Mömern unterworfene Spanien feit 
Auguſtus aus drei großen Provinzen, Tarraconenfis, Lufitania 
and Bätica, beftanden hatte, theilte es Conſtantin bei ber. 
neuen Regierungsform, die er dem Reiche gab, in fieben Pros 
vinzen: Baͤtica, Luſitania, Gallaͤcia, Tarraconenfis, Carthagi⸗ 
nenſis, Baleares und Tingitana in Afrika. Luſitanien wurde 
nach Norden von dem Durius (Duero), nach Weſten und Suͤ⸗ 
den von dem Meere, und zwar füblich von dem Promontorium 
Sacrum (Cabo de 8. Vicente) bis zur Mündung bed Ana 
Guadiana) begrenzt. Gegen Zarraconenfis hin ift die Grenze 
Bufitaniend zweifelhaft, reichte aber jedenfalls nach Norboften 
weit uͤber die jetige Grenze von Portugal hinaus, während 
diefeß nach Suͤdoſten über bie Guadiana, Die Grenze des al- 
ten Luſitaniens, hinausgeht. Galicien, das erft feit Conſtan⸗ 
tin als befondere Provinz erfcheint, wurde füdlich vom Duero, 
weftlich und nördlich vom Meere eingefchloffen, indem es auch 
Aſturien und Gantabrien umfaflte ), und fließ öftlih an Cars 
thaginenfis, ohne daß die Scheidelinie und genau bekannt: ifl. 
As Gegend genannt, war: Gälicien viel befchränkter, indem 
Afturien und Gantabrien von ihm unterfchieben wurden. Von 
den heutigen Portugal gehörte demnach dad Land - zwifchen 
dem Douro und Minho zu Galicien. | 


1) Orosius, lib. VI. cap. 21. 
4* 


4 Einleitung. 


Unter der Regierung ber ſueviſchen Könige aͤnderten fich 
die Grenzen von Galicien und Lufitanien, indem zu.jenem ges 
rechnet wurde, was die Sueven in dieſem befaßen,. Die Städte 
Idanha, Eoimbra, Lamego und Viſeu mit ihren Gebieten, 
alfo das Land--zwifthen dem Douro und Mondego. Nachdem 
die Sueven von den Weftgotben befiegt worden: waren, bes 
fchränkte der König Receswinth Galicien im Süden auf feine 
alten Grenzen. So blieb e8, bis nach bem Einfall der Aras . 
ber alle biöherigen politifchen und kirchlichen Grenzen vers 
fchwanden. Als aber die chriftlichen Könige von Afturien und 
Leon die Ungläubigen wieder. aus Oalicien und einem Theil 
des heutigen. Portugald verbrängten,. wurbe auch die Suͤd⸗ 
grenze von Galicien wieder ausgedehnt. Sie liberfchritt nicht 
allein den Douro, fondern breitete fich ſelbſt bis zu den Ufern 
des Mondego aus, indem fie zu dem Gipfel der Serra da 
Eſtrella flieg und bis zum heutigen Guarda reichte, von da 
gerade nach Freiro de Espada = Eintra fich wendete, die Berge 
von Chaves durchfchnitt und an dem Reiche Leon hinlief. 
Died waren ‚bie Grenzen von Galicien im ‚Anfang des zehnten 
Sahrhunderts ». 

Erft als im der ſpatern Regierungszeit des Koͤnigs Al⸗ 
fons VI. (1072 - 1109) der Name Portucale erſcheint, nicht 
"mehr als Name sed Bezirks der Stadt: Porto, ſondern als 
Benennung eines von Galicien -abgefonderten verſchiedenen 
Gebiets, ſieht man auch die Grenzen von Galicien zuruͤckwei⸗ 
chen, nicht allein zu der alten Grenze des Douro, ſondern 
ſelbſt bis zum Minho, der noch. heute Galicien vpn Portugal 
trennt. In den Urkunden aus den letzten Zeiten des elften 
Jahrhunderts tritt Alfonſo VI: in dem Territorium von Por⸗ 
tucale als Koͤnig von Galicien auf, und ſein Schwiegerſohn, 

der Graf Raymund, der die beiden Statthalterſchaften von 


‚1) Im Jahre 988 ſagt Ramiro.If. in einer Schenkung an den Abt 
des Kiofters Eorväo: „et ad fratres, :qui in ipso militant Monasterio, 
quod fundatum est subtus monte Lauribano, in finibus Gallaeciae.““ 
Es ift demnach auffer Zweifel, daß Balicien bis zum Gebtet von Coim⸗ 
bra auf ber rechten Seite des Mondego ſich erſtreckte. Hlucidario das 
palavras, que em Portugal antiguamente se usaräo, por Joaquim de 
Santa Rosa de Viterbo. Tom. II. p. 6. ° 


Einleitung. 5 


Goimbra und Porto mit bem heutigen Galicien verbindet, 
heifit daher Dominus, Comes ober Princeps von ganz Galis 
den‘). Portucale ift jedoch im Augufl 1094 noch nicht, wie bald 
hernach, ein von Galicien getrenntes Landeögebiet, fondern die 
Stabt: Portus⸗Cale mit ihrem Bezirk, die bald allein, bald 
gemeinfchaftlich mit Coimbra von einem Statthalter regiert 
wird. Noch vor dem Ablauf des elften Jahrhunderts aber, 
nach der Vermählung ded Grafen Heinrich mit Therefia, ber 
Tochter Alfonfos VI., fing man an Portucale ald ein von 
Galicien verfchiebened und abgefondertes Land zu betrachten ). 
Urkunden vom Jahre 1097 zeigen, daß Heinrich von Burgund, 
des Königs Schwiegerfohn, den Landftrich zwifchen dem Minho 
und Tajo verwaltete und den Titel Graf von Portugal führte ?). 
Auf dieſes Gebiet befchränkte fich alfo damals Portugal; die 
Landſtrecken, die er Furz vor feinem Zode in Galicien befaß, 
batte er fpäterhin erobert. 

Die VBerwaltungsart diefer den Mauren entriffenen 
Länder, ben Umfang der Macht ihrer Worgefegten in dem 
Zeitsaum von ihrer Eroberung bis zur Regierung des Grafen 
Heinrich im Allgemeinen. Tennen zu lernen, bat und die Ges 
fhichte zwar nur wenige, ‘aber doch hinreichende Nachrichten 
aufbewahrt. Sie zeigen und die Beamten, die an der Spike 
ber Verwaltung der wichtigeren Städte und Landeögebiete ſte⸗ 
hen, mächtiger und weniger abhängig, ald man bisher anzus 
venen geneigt war. Sie beweifen, daß bie ; Grafen Rays 


ı 2) Sn einer Schenkung des Grafen Raymund v. 8 1098 an bie 
Einwohner vom Montemor o Velho nennt er fich totius Galleciae Prin- 
eope.: In einer andern. Urkunde von demfelben Jahre heiſſt es: Re 
guante in Toleto et Gallecia Adfonsus Rex, et Genero ejus Comes 
Baymundus Dominante Colimbria et Portugale. Elucidario, Adv. Pre- 
im. p. VII. 

2) liber die Annahme, daß ſchon früher Portugal ven Galicien ges 
trennt worben, vergl J. P. Ribeiro, Dissertagoes chronol, e crit. 
sobre a Historia e Jurisprudencia eccles. e civil, Tom. IV, Parte 1, 
Pag. 24 - 27. 

8) Comite D. Henrrico, genero supradicti Regis dominante a 
fiamiae Mineo usque in Tagum. Monarchia Lusit. liv. VIII. cap. 10. 
aus bein Liveo Preto ober das Boagöes da Sé de Ceimbra, ful.197. 


6 Cinleitang. 


mund und Heinrich nicht durch vielfältigere ober eigenthuͤmliche 
Verwaltungszweige, die ihnen etwa übertragen, oder durch bes 
fonbere Vorrechte, die ihnen verliehen worden, fondern einzig 
und allein durch ihre perfönlichen und verwandtſchaftlichen Vers 
bältniffe zum König höher geftellt waren als die bloherigen 
Statthalter. Der Anlaß und Zwed der Anſtellung diefer er⸗ 
ften Statthalter muffte fchon eine bedeutende Gewalt in ihre 
Hände legen. Bereits unter den weftgothifchen Königen vers 
einigten die Vorfteher der größern Städte und ‚ihrer. Gebiete, 
ald die natürlichen Oberrichter und die natürlichen Anführer 
des Aufgebot3 in ihren Bezirken, die Yufliz= und Militairge⸗ 
walt in einer Perfon, — eine Gewaltfülle, die ihrem Inha⸗ 
ber um fo mehr Spielraum überließ, je weniger fie. Durch eine 
geregelte Verfaſſung feharf umgrenzt. war. Jetzt aber brachten 
die häufigen Siege der Chriſten über Die Mauren neue Städte 
und Länder in die Gewalt der caftilifchen Könige, und diefe fahen 
fich genöthigt, ehe fie von ihren Zeldzügen in den Mittelpunct 
ihred Reiches zuruͤckkehrten, ausgezeichneten Anflhrern die ges. 
machten Eroberungen anzuvertrauen, theild um fie zu. fichern 
und gegen die unaufhörlichen Angriffe und Gefahren, womit 
die Mauren fie bedrohten, zu vertheidigen, theils um fie im 
Namen bed Königs zu verwalten, bie Eöniglichen Rechte in 
ihnen zu Üben und die koͤniglichen Gefälle erheben zu Iaffen. 
Zum Schuß gegen feindliche Einfälle, wie zur Eräftigen Bes 
hauptung der Regierungsgewalt muflte aber den Statthaltern 
in diefen neuen Befitungen eine bedeutende Kriegsmacht ans 
vertraut und uͤberhaupt eine auögebehnte Vollmacht verliehen 
werden. Diefe wurde erweitert in dem Verhältniffe, ald die neue 
Erwerbung wichtig, ihrer Lage wegen: gefährbet war, und ihre 
Entfernung von dem Mittelpuncte des Staates fchnelle Huͤlfe 
erfchwerte. Hatte überdies ein Anführer durch hervorftechende 
Tapferkeit und Kriegserfahrnng bei der Eroberung einer Stadt 
fi) Anfprüche auf ihre Verwaltung im Frieden erworben, und 
vielleicht ſchon vorher von feiner Tuͤchtigkeit in Regierungsge⸗ 
fhäften, die in der Meinung des Zeitalters den Friegerifchen 
Talenten weit untergeordnet war, ben König überzeugt, fo 
trug biefer wohl um fo weniger Bedenken, die Statthalter 
(haft zum Preis ded Siegerd zu machen, und durch Verlei⸗ 


Einleitung. 7 


bung einer auögebehnten Macht einen Dank abzufragen, ber 
zur Erwiederung deſſelben und zu fefterer Anhänglichkeit ver: 
pflichten follte. 

Ein erfreuliches Beifpiel zu dem Gefagten gibt und ein 
Mann, der, ald Krieger und Regierungsbeamter gleich auögee 
zeichnet, nicht lange vor ber Errichtung des Königreich Por⸗ 
tugal wahrhaft -Foniglihe Werdienfte um einen großen Theil 
des Landes fich erworben hat. Sisnand, geboren in Coim⸗ 
bra oder in beffen Gebiet, : worin er beträchtliche väterliche Guͤ⸗ 
ter befaß, war: ald Gefangener -mit andern. feiner Landsleute 
von dem Mausenfürften. Absnhabeth nach Sevilla gefchleppt 
worden, und hatte: fich Dort die Achtung der Mauren in ho⸗ 
hem Grade erworben. , Vielleicht der Wunſch, feine väterlichen 
Befigungen von der maurifchen- Herrfchaft befreit. zu fehen, 
gewiß noch. mehr die patriotifche Hoffnung , dem.-Lande feiner 
Bäter das Chriftenthbum und die. Unabhängigkeit wiedergeben 
zu koͤnnen — fein fpätered. Leben und Wirken berechtigt ‚zur 
Borausfegung edlerer Beweggründe — ließ ihn den Plan ent- 
werfen,  Coimbra dem Soche ber Ungläubigen zu entreiſſen. 
Er wufite den König Ferdinand dafür zu gewinnen, und das 
Unternehmen, bei dem Sisnands Unternehmungsgeiſt und mi⸗ 
litairiſche Zalente herrlich glänzten ‚ warb von dem fchönften 
Erfolg gekrönt. Der König, in ber Überzeugung, daß Feiner 
die Eroberung befjer behaupten und vertheibigen :; werde ‚als 
Derjenige, deſſen Anfchlägen und Zapferkeit man fie zunäcft 
verdanfte, ernannte Sisnand zum Statthalter von Coimbra 
und untergab ihm alle Ortſchaften und fefle Burgen der Um: 
gegend, die fein Schwert den Ungläubigen entrifien. hatte, fo 
daß fein Verwaltungsfreis nordoͤſtlich Lamego, das ſchon 1057 
erobert worben war, umfaflte, während, er wefllich vom Meere, 
nördlich vom Douro begrenzt wurde und füdlich an vie "Be 
figungen der Mauren flieg. Der Statthalter, der den Zitel 
Gonful oder auch Alvazir führte, erhielt die Obliegenheit fuͤr 
ten Anbau und die Bevölferung des ihm anvertrauten Ge- 
biete8 Sorge zu tragen, und warb ermächtigt nad) eigenem 
Ermeffen die erforderlichen Verfügungen und Anordnungen zu 
treffen und die nöthigen Befehle zu erlaffen ). Nach Ferbis 


1)... . deditque supradietus Rex mihi supradiclam terram ad 


10 


8 j Einleitung. 


nands Tode beftättgte ihn deſſ en Nachfolger Alfonſo VI., 

dem er ſehr geliebt wurde, in ſeinem Amt, und ſtellte vor den 
Grafen und allen Bornehmen bes Hofes feierlich eine Urkunde 
Darüber aus. 

Während die Leiftungen Sisnands beweiſen, wie ausgezeich⸗ 
net und vielſeitig ſeine Tuͤchtigkeit war und mit wie viel Grund 
die beiden Koͤnige ihr volles Zutrauen ihm ſchenkten, wie wuͤr⸗ 
dig ſein Schwert und ſein Richterſtab eines Lobes iſt, das 
ihm bie portugieſiſche Geſchichte bisher noch nicht nach Vers 
dienſt gezollt hat, zeigen ſie zugleich, wie ausgedehnt ſeine 
Macht wär und wie alle Zweige der Verwaltung in feiner 
Perſon fich vereinigten. Er vertheibigte nicht allein Eoimbra 
gegen feindliche Angriffe bis an fein Lebensende, fondern vers 
größerte die Stadt und feste fie in’ einen blühenden Zufland 
— ein Verdienft, das König Alfonfo felbft in dem Foral, den 
er biefer Stadt gab, lobend erwähnt. Er erwarb fih Vers 
bienfte um den Anbau und die Bevölkerung vieler Landftriche, 
legte mehrere Orte von neuem an und befeftigte fie, unter 
andern die Fleden Cantanhede und Zentugal, bie feſten Bur⸗ 
gen Foy be Arouce und Penella und den bebeutenden Flecken 
Montemor o Velho, der zu jener Zeit aus feinen Truͤmmern 
fi) erhob. Daß er Kirchen gegründet und reichlich auögeftats 
tet, andere, wie die von Coimbra, wiederhergeftellt habe, 
laͤſſt ſich ſchon von einem chriftlichen Ritter jener Zeit erwar⸗ 
ten, wenn es die Gefchichte auch nicht ausdruͤcklich erwähnte, 
Zur perfönlichen Anführung des Aufgebots und der Streiters - 
fchaaren feines Bezirks war er wohl amtlich verpflichtet, und 
wir fehen ihn an ihrer Spike in der Schlacht bei Badajoz 
gegen die Mauren kaͤmpfen; aber wäre er auch nicht natlırlis 
cher Anführer des Zuzuged aus feinem Landesbezirf gervefen, fo 
wide doch der König Alfonfo den bewährten Helden in ber 
Entfcheidungsftunde fehr ungern vermifft haben ). Endlich 


acdificandum et populandum, et faciendum cuncta quae mihi bene 
visa fuerint: et ut omnia quae ego mandavero ct firmavero, sint 
firma et bene stabilita in oımnibus saeculorum temporibus. Monar- 
chiaLusit. Liv. VIIIcap. 4. 


1) Mon. Las. 1. c. 


S 


Einleitung. 9 


war dem Statthalter Sisnand neben der gefammten Militärs 
gewalt die. höhere Juftizpflege in feinem Gebiete anvertraut. 
So wird unter feinem Vorſitz ein Rechtsſtreit verhandelt, den 
die Mönche von ©. Pebro de Arouca mit ben Erben ber 
Kirche von ©. Efteväo de Moldes hatten‘). Der Alvazir — fo 
heifft der Statthalter in der Regel, wenn er ald Richter aufs 


tritt — laͤſſt unter feinen Augen die Mönche den . erfoderlis 


den Eid ?) in die Hände feines Vicars Cidi Fredariz able 
gen, begibt fi dann felbft von Coimbra nach Arouca mit 


dem Beicheid, daß an einem beflimmten Tage im Beifein der 


Parteien und der Gemeindebehörde von Arouca Recht gefpros 
hen werben fol. Dies gefchieht durch Recesmondo, ber bort 
Bicar des Alvazirs und des Cidi Frebariz if. Während Sie: 
nand hier. fein. Amt ald ordentlicher Oberrichter verwaltete, 
verbankte er dagegen vornehmlich feiner anerkannten Einficht 
und Rechtlichkeit, daß ihm bie Entſcheidung einer wichtigen 
Streitigkeit ‚zwifchen der hohen Geiſtlichkeit übertragen wurde, 
und Alfonfo bewies dem Conful ein bei dem damaligen Ans 
fehn des. höhern Klerus hoͤchſt ausgezeichnetes Zutrauen, als 
er bei feiner und des ganzen Hofed Anwefenheit in Froila 
dem Stönand die Entfcheidung und Beilegung eines Streites 
anvertraute, der zwifchen dem Bifchof von Braga, Pedro, und 
dem von Drenfe, Hefronio, obwaltete °). 

So fehen wir den Statthalter neben der verfaffungss 
mäßigen und ordentlichen Gewalt, die er in faft allen Ver: 
waltungszweigen befißt, noch eine Delegirte. ausüben, und 
feine Macht in dem Maße erweitern, in dem feine Perfon in 
der Gunft des Königs fleigt und feine Leiflungen dem koͤnig⸗ 
lichen Zutrauen entfprechen. Aber auch ohne biefe perfünliche 
Stellung zum. König gewährte die amtliche Stellung jedem 


1) Querelantes se de ipso testamento, prevenerunt ante Alvazir, 
Domno Sisnando, qui Dominus erat in ipsa terra, in ipsis temporibus, 
et habuerunt ante illum cum ipsos intentores supra nominatos conten- 
tione etc. ©, bie ganze intereffante Urkunde bei Ribeiro, Dissert. 
Tom. III. Appendice de Documentos p. 45. Vergl. auch Elucidario 
verb. Alvazir. 

3) Sicut Lex Gothorum docet. 

3) Monarch. Lusit. ]. c. 


10 Einleitung. 


Statthalter wielumfaffende Befugniffe Er war ber Vorſtand 
einer wichtigern Stadt und ihres größern ober kleinern Be: 
zirks, trat zur Zeit ded Kriegs an die Spige der Landesbe⸗ 
waffnung und befehligte dad Aufgebot. Er war hoͤchſte Ju⸗ 
flizbehörde, die durch ihre Vigarios ohne weitere Berufung 
und Beichwerbe entfchied, und bei welcher die Parteien von 
den niebern Gerichten der Städte und Gemeinden Hülfe fuch- 
ten, indem der König nur dad Recht fich vorbehielt, in eini⸗ 
gen aufferordentlichen Fällen. das Urtheil der Ortögerichte zu 
reformiren. Kein Wunder daher, wenn in den Urkunden: je 
nee Zeit der Name des Statthalterd unmittelbar neben dem 
des Königs fleht "); wenn darin fein Amt und feine Würde 
mit Ausdruͤcken bezeichnet werden, die eine unbefchränfte Ne 
gierungsgewalt umſchlieſſen und den Statthalter auf gleiche 
Linie mit dem. König ſtellen °): 

Sogar ein Schritt zur Eiblichkeit geſchah, als dem Sis- 
nand, der bis zum Jahre 1092 erwähnt wird ‚in Ermange- 
Iung männlicher Nachkommen fein Zochtermann Martim Mo: 
niz in der Statthalterfchaft nachfolgte ). Die- Nachrichten 


1) Regnante Adefonso in Toleto, et Comite Reymondo in Galle- 
ia heiſſt es in dem Jeſtament bes Sueiro vom Jahre 1094. Espana 
sagr. Tom. 40. p. 

2) Imperador, Imperante, Regente, Domino etc. — Sisnand, ber 
in.einer Urkunde von RKorväo v. 3. 1086 ſich Consul de Coimbra nennt, 
und in Urkunden von Arouca balb Alvazir, bald Dominus oder Dux ges 
nannt wird, führt in einer Schenkung, die ein Priefter an Lorväo i. 3. 
1101 macht, ben Titel Imperator: In temporibus Rex Adfonsi, et Al- 
vasir Domno Sisnandi, Imperatore nostro etc. Wenn daher in einer 
Urkunde vom J. 1109 der Graf Heinrich eben fo genannt wirb (gener 
ejus [des Rönigs.Alfonfo] Enricho Imperator Portugalense), fo laͤſſt 
ſich daraus nichts fuͤr die Unabhaͤngigkeit des Grafen herleiten, um ſo 
weniger ba noch lange nachher, 1135, einem untergeordneten Beamten 
berfelbe Zitel beigelegt wirb: Ante illa Imperatore körmigius Moniz, et 
alios bonos homines, que ibi fuerunt in Civitate Sanctae Mariae. 
Kluoidario, verb. Imperador. 

‘ 8) Ego Martinus Preses Colimbrie, et gener Consulis Domni 
Sisnandi, qui pro eo in locum ejus successi, hoc quod Domino meo 
Imperatori complacuit. Confirmagao do Foral de Coimbra im Livro 
Preto da 86 de Coimbra, fol 7. 


Einleitung. 14 


über diefen beginnen mit dem fechften März 1092 und gehen 
bis zum zehnten Mai des folgenden Jahres, wo.er ald Statt 
halter von Arouca aufteitt. Ob allein dad dankbare Anbenfen 
an feinen Schwiegervater ihn zu dieſer Würbe erhoben "hatte, 
und er gewiflermaßen blos von deſſen Verdienften zehrte, oder 
ob er durch einen Einflußreichern unverfchuldet von Coimbra 
verdrängt wurde, ober ob er nach bem weniger. bebeutenben 
Arouca, wo er. große Güter befaß. '), freiwillig. ſich zuruͤckzog, 
verfchweigt die Gefchichte. Genug, feit dem April 1094. fe 
hen wir den Grafen Raymund, der mit einer :Ziochter:.ded 
Königs Alfonfo VI, Urraca, vermählt ift, in Coimbra regies 
ven. Hatte die Tochter eines Statthalters ihren Gatten zu gleis 
her Wuͤrde zu erheben vermocht, fo: laͤſſt fich von. ber. Koͤnigs⸗ 
tochter noch Größeres erwarten und, bei dem Grafen Ray⸗ 
mund ein aͤhnlicher weiblicher ‘ Einfluß : vorausſetzen, wenn 
man nicht ein bloßes Spiel’ des Zufalls ammehmer will; -Der 
König feste, nachdem er Santatem‘;, iffabon und Cintta im 
April und Mai 1093 erobert hatte, feinen Schwiegerfohn Rays 
mund über dieſe wichtigen Eroberungen ). Sein Verwal⸗ 
tungöbezirt war in ber That ber ausgebehntefte, der bisher 
‚einem Statthalter in diefen Gegenden anvertraut worden war. 
Er umfaffte ganz Galicien *), das Land zwifchen dem Douro 
und Minho, den Theil der Provinz Beira, der den Mauren 
entriffen war, und felbft einen Strich von Eftremadura ; denn 
Raymund nennt fi in einer Urkunde Graf von Galicien und 
Santarem. Er regiert ald Statthalter dieſe Länder und 
Städte bis zum Monat Auguft 1095. 

Aber fehon im December veffelben Jahrs tritt der Graf 
Heinrich ald Statthalter von Coimbra auf *) und nennt fi 
Comes Portugalensis. Daß Heinrich in Porto fehon früher 


D Monarch, Lus. liv. VIII. cap. 6. 

2) Chronicon Lusit, sera 1131, in Espaia sagr. Tom. XIV. 
p. 406. 

8) Raymund nennt fich totius Galeciae Princeps, wie bereitd oben 
bemerkt worden. Ä 


4) Era 1133. XV. Kal. Januar. Regnante Adefonsus Rex in 
Toleto, in Coliubria Comes Henricus.. Mon. Lus. liv. VIII. cap. 8, 


2 Einleitung. 


und allein regiert habe, wie Einige behaupten wollen, laͤſſt 
ſich urkundlich nicht nachweiſen, wohl aber, daß noch im Mos 
nat Auguft 1094 der Graf Raymund in Coimbra und Porto 
zugleich⸗ die Statthalterwuͤrde bekleidete ). Heinrichs Verwal⸗ 
tungsbezirk erſtreckt ſich nun vom Minho bis zum Tajo ?), 
waͤhrend Raymund, der noch bis im Jahre 1104 lebt °), 
fortfaͤhrt ſich Graf von Galicien zu nennen, die ſidichen 
Grenzen ſeiner Statthalterſchaft aber bis zum Minho, d. i. 
bis zur heutigen Grenze zwiſchen Galicien und Portugal, zus 
rucgewieſen ſi ſi est 
A 
wo das Sabi 1094 in 1095 zu berichtigen iſt. Bergt. Ribeiro, Dis 
sertt. "Tom. II. p. 68. und Barbösa, Catalogo das Ralahas do Per- 
tugal, pag. 43 n. 48. 
1) ‚Regsante ia, Toleto, et Galleria Adfonsns Rex: et genere ejus 
Comes Raymundus dominante Colimbria, et Portugale. Elucidario da 
Lingua Port.. Advert. Prelim, pag- 8, aus einer Driginglurkunbe des 
Kloſters von Arouca, 
2) ‚Dominante a flunine Mineo usque, in a Tajum. 


3). Risco, Reyes de Leon pag. 296. 


Erfter Zeitraum. 


Bon der Entitehung des portugiefifchen Staated 
bis zum Erlöfchen der echten burgundifchen Linie, 
' oder von der Regierung ded Grafen Heinrich ' 
bis zum Tode des Königs Ferdinand, 


(Bom 3. 1095 bis 3. 3. 1383.) 


.- 


- 


Erſtes Bud, 


Bon der Entflehung des Staates bis zu der 
Erwerbung und gänzlihen Unabhängigkeit 
Algarve’8, wodurd Portugalbleibende Grens 
zen erhält, oder von der Regierung Heinrichs 
bis zum Ende der Regierung Alfonfo’s IM. 
. Die Seiten der Eroberungen. Daneben erfter . 
Anbau des Landes und Entflehung von Ges 
ı meinden. Anfang der Streitigfeitenzwifchen 
ı“ der höheren Geiftlihfeit und den Königen. 
(Bon 1095 bis 1279) = 


Erfter Abſchnitt.“ 
Portugal unter Heinrih von Burgund. 
(on 1095 bi 1112.) 


Heinrich tritt, ald Comes Portugalensis auf, heirathet die 
nattırliche Tochter Alfonſo's VI. und erhält mit ihr das 
Land zwifchen dem Minho und Dourg. Er benußt nad) 
‚des Königs Tod die Unruhen in Gaftilien, ftrebt ficht- 
bar nach Unabhängigkeit und übt in Portugal Hand⸗ 
lungen einer unumfchränften Selbftherrfchaft. Sein Zob. 


Der Graf Heinrich war ber vierte Sohn Heinrichs von 
Burgund, Enkel Roberts J., Herzogd von Riederburgund, 


95 


⸗ 


16 Erſter Zeitraum. J. Buch. 1. Abſchn. 


und Urenkel des Königs Robert von Frankreich ) Mit an⸗ 
bern Rittern des füdlichen Frankreichs waren die burgundifchen 
einander verwandten Grafen Raymund und Heinrich — in 
welchem Jahre ift unbelannt — nad) Spanien gezogen, um 
ihren Glaubensbrüdern in dem Kampfe gegen die Saracenen 
beizuftehen. Heinrichs ausgezeichnete Geburt und Tapferkeit ges 
wannen in dem Grade die Beachtung und Liebe Alfonfos VL, 
Königs von Leon und Caſtilien, daß biefer ihm feine Tochter 
Thereſia zur Gemahlin gab, nachdem er feine jüngere. Tochter 
Urraca mit dem Grafen Raymund vermählt hatte. Diefe 
hakte Alfonfo mit feiner zweiten Gemahlin Conftantia erzeugt; 
Therefia Dagegen war ihm von der ebeln XRimene Muñoz, mit 
ber ihn zärtliche Liebe, aber nicht Die Kirche werbunden hatte, 
geboren worben *). Kein Denkmal bezeichnet uns inbeffen die 
Zeit der Vermählung des Grafen mit Zherefia, und wir wifs 
fen nur, daß fie vor den 13. Februar des Sahres 1095 faͤllt, 
indem bie ditefte Urkunde, in welcher der Graf fi Schwies 
gerfohn bes Königs nennt, von diefem Datum ift ’). 

- Mit Hecht beginnen wir mit dieſem Sahre die Gefchichte 
Portugals, denn mit feiner Gemahlin empfing der Graf 
Heinrich zugleich die Herrfchaft und den Beſitz des Landes 
zwifchen dem Minho und Douro, das Den Ungläubigen ents 
riffen war und bereit den Namen Portugal führte. Leider 
aber hat die Zeit auch die Schenfungsurfunde (wenn eine vorz . 
handen war) und dad Zeflament -Alfonfos VI. untergehen laſ⸗ 
fer, und und nur leife Andeutungen vor diefer Mitgabe vers 


.e 
$) Sousa, Historia geneal. da Casa Roal Portugueza, liv. I. 
cap. 1. Ant. Pereira de Figueiredo in den Memorias da. Acad. 
Real. Lisboa 1825, Tom. IX. p. 270, 


2) De non legitima valde tamen dilecta. Esp. sagr. Tom. XXI. 
p. 347. Die ausfuͤhrlichſte und befriebigendfte Unterſuchung über bie 
unechtheit der Thereſia f. in ben Memorias da Acad. Tom, IX. p. 
27% — 291. 


8) Henricus gener Regis cum uxore mea Tarasia, heiſſt e8 in eis 
nem Privilegium, das der König Alfonfo VI. dem Klofter S. Servando 
ertheilt. Mon. Lus. liv. 8. cap. 8, Vergl. auch Ribeiro, Dissert, 
Tom. III. p. 80. 


Heinrich von Burgund, 1095 — 1112. 17 


goͤnnt ). Doc iſt und aus biefem Zeitraum eine Menge 
Urkunden geblieben, die, zum Theil erft in neuefter Zeit ans 
Licht gezogen und neben die fchon früher. gedruckten geftelt, 
der fufenweifen Entwidelung der Selbfländigkeit und Unabs, 
hängigkeit Portugals nachzugehen und geftatten ). 

Um die politifche Stellung Portugals zu Spanien wäh: 
send ber Regierung ded Grafen Heinrich richtig aufzufaffen, 
miürffen wir die Zeiten vor dem Tode des Königs Alfonfo und 
die nach demfelben unterfcheiden. So lange Heinrich Schwies 
gervater lebte, blieb der Graf wohl immer in einem Abhäns 
gigfeitöverhältniffe zu dem König Ob und wie bafjelbe 
urkundlich feftgeftelt und auögefprochen, war dabei wenis 
‚ger wichtig und entfcheidend. Der Schwiegervater und 
der Tochtermann nahmen bei den Handlungen, die jened Vers 
haͤltniß berührten, wohl mehr ihre Verwandtfchaft und perfäns 
liche Verbindung ald eine ſcharf gezogene Suborbinationslinie 


J 

1) Der Chroniſt Alfonſo's VII. von Caſtilien fagt, indem er Thereſta's 
Vermaͤhlung erwähnt: dotavit eam magnifice, dans Portugalensem ter- 
ram jure haereditario. Esp. sagr. Tom. XXI. p. 847. In einer Urs 
kunde, worin der Graf Heinrich im 3. 1097, 25. Ian., das Gebiet von 
Santo Zyrfo dem Sueiro Mendez fchenkt, heifft es: Ego Comes Dom- 
mus Henrrhicus una pariter cum Conjugia mea nomine Tarasia prolis 
Adefonsi Principis totius Espanie .. . tibi Vasallo nostro fideli . . . 
de hereditatibus, vel de hominibug . . . quos nobis dedit genitori no- 
stro Rex Domnus Adefonsus pro nostra hereditate etc. Aus dem Urs 
kundenbuch des Klofters Santo Tyrſo. Vergl. die Bemerkungen Ribeis 
ro's über dieſe Urkunde in beffen Dissert. Tom. III. Part. 1. pag. 35 
‚ unb beffetben Observagoes de Diplomatica p. 19 und 76. 


2) Über das Verhältnig Portugals zu Spanien in dem erften Jahr⸗ 
hundert des jungen Staates hat zuerft die mühfame und gründliche Ars 
beit eines Portugiefen der neueften Beit ein hHelleres Licht verbreitet. 
3.9. Ribeiro, ber um bie Diplomatik und Gefchichte feines Vaterlandes 
ſchon früher fig fo verdient gemacht hatte, hat im britten Bande feiner 
Dissertagöes etc. Parte I. Appendix IX. Auszüge aus gedruckten und 
ungedruckten Urkunden vom Ende des elften bis in die erſten Jahre des 
dreizehnten Jahrhunderts in chronologiſcher Folge aufgeſtellt und mit kri⸗ 
tiſchen Erlaͤuterungen beleuchtet, die fuͤr die portugieſiſche Geſchichte und 
ihre ſchwierige Chronologie in jenem Zeitraum neue Anhalt⸗ und Licht⸗ 
puncte darbieten und von keinem Geſchichtſchreiber dieſes Staates unbe⸗ 
achtet bleiben duͤrfen. 
Schäfer Geſchichte von Portugal, L 2 


18 Erfter Zeitraum. L Buch. 1. Abſchn. 


zur Richtfehnur. Die Dankbarkeit des Ehrenmannes, wie ber 
Graf fich dem König bewährt hatte, verbürgte den Gehorfam 
des Eidams; und die Liebe zu dem Gatten und der geliebten 
Zochter ließ Feine Negung ‚von politifcher Eiferfucht in dem 
König auffeimen ). Was hatte auch der ſchon mächtige Al⸗ 
fond von dem Grafen eines jüngft eroberten, noch verheerten 
und unangebauten Landchens zu fürchten! Kein Wunder, wenn 
der König von Leon und Gaftilien dem Grafen Heinrich eine 
Gewalt einrdumt, die, weil die Gefchichte ihre Schranken und 
Srenzfteine nicht aufbewahrt hat, den neuern Portugiefen wie 
eine unbefchränfte erfchten. Seben fihon Urkunden aus ‚dem 
zehnten Sahrhundert die Grafen an die Seite, felbft an bie 
Stelle. der Könige ), fo Finnen Bezeichnungen dieſer Art in 
Urkunden aus der Regierungszeit des Grafen Heinrich noch 
weniger befremden ’). Stand er gleich vor feier Vermählung 
auf gleicher Stufe mit den bisherigen Statthaltern und Grafen, 
fo flieg er Doch gewiß am Arm der Königstochter eine Stufe 
höher hinauf, wenn ihm durch diefe Verbindung felbft nicht 
der Befis, fondern nur die Verwaltung von Portugal gefichert 
worden wäre. Die ‚öffentliche Meinung, die in jenen Jahr⸗ 
hunderten oft die Stelle des Staatörechtö vertrat, wies ihm 
überdied einen hohen Rang und Gewalt in Fülle zu, um fo 
freigebiger , je gewöhnlicher in den Augen des Volks eine in 
Ausficht genommene einflige Würde und Gewalt die fpäter 
wirklich überfommene weit überfleigt. In der That nennen 


1) . . . benignitas, immo negligentia Adefonsi, tanquam consan- 
-guineo et affini improvide deferebat. Roderic. Tolet. de rebb. 
Hisp. lib. VII. c. 5. Wünfchenswerth wäre zu wiflen, worauf berfelbe 
Schriftfteller die Äufferung gründete: coepit (Knricus) aliquantulum 
rebellare, non tamen subtraxit hominium toto tempore vitae suae etc. 

2) Secundum eas concesserunt- omnes Reges, et Comites, heifft es 
in einer Urkunde bes Jahres 985 von Gütern, welche Bermudo I. ber 
Kirche von Santa Maria in Leon zurüdgibt. 


3) In der Urkunde, durch die der Graf Heinrich das Kiofter Lorväo 
‚an die Kathedrale von Goimbra, 29. Zul. 1109, ſchenkt, droht er: Si 
autem quilibet ‚Rex, aut Comes etc, — In einer Schenkung von Guͤ— 
tern an das Klofter Paso de Soufa fagt ber Geber: Insuper componat 
& Comite, vel à Rege, qui illa terra imperaverit. 


Heinrich von Burgund, 1095 — 1112. 19 


ihn ‚die Urkunden der Zeit mit einer Auszeichnung , bie ihn 
tiber die biöherigen gewöhnlichen Statthalter und Grafen, wie 
fie von den Königen von Leon und Caſtilien größern Landbe⸗ 
zirfen vorgefebt wurben , fichtbar emporhebt. Nie wird ihm 
der Zitel Alvafir, hoͤchſt felten der Zitel Conſul gegeben, Ti⸗ 
tel, welche die Mächtigften und Ausgezeichnetften und feine 
Vorgänger, z. B. Sisnand,: neben dem Grafentitel führten. 
Mit einem und demfelben Ausdrud — Regnante — wird die 
Regierung des Alfonfo und ded Grafen Heinrich zugleich bes 
zeichnet ), während in frühern Urkunden die Regierung des 
Königs und die Verwaltung des Grafen oder Statthalter ges | 
wöhnlich durch verfchiedene Bezeichnungen ausgedruͤckt wurben. 
Heinrich wird endlich von den Portugiefen gemeiniglich nicht 
allein „Zürft” (Princeps), fondern „unfer Fuͤrſt“ ‚genannt 93 
unter unzaͤhligen Urkunden findet ſich aber kaum eine, in der 
einem bloßen Statthalter das Fuͤrwort „unſer“, das die diplo⸗ 
matiſche Sprache jener Zeit vornehmlich dem Regenten eignete, 
beigeſetzt wird. Dieſer Auszeichnungen ungeachtet, die zum 
Theil ſo nah an Bezeichnungen einer unumſchraͤnkten Herr⸗ 
ſchaft ſtreifen, laͤſſt ſi ch nicht laͤugnen, daß Heinrich, ſo lange 
Alfonſo VL lebte, in’ einem Abhängigteitöverhältniffe zu ihm 
fland 2). 


1) Regnante Adefonsus Rex in Toleto, in Colimbria et Portu- 
gale Comes Enrichus, Dominante Arouca Egas Godesendiz (vom 3. 
1098). — Regnante in Toleto, et Gallecia Adefonso, in Colimbria 
Comes Henricus (v. 3. 1100). — Regnante Adefonso Prineipe in Hi- 
spania, in Colimbria Comite Erriou (v. 3. 0) und fo ungählige 
Male. &. Memorias da Acad. Real, Tom, VI. p. 


2%) Ego Comes Henrieus Portugalensium tie Princeps, Urs 
unbe v. 3. 1107. — Principe nostro Comite Domnus Anricus, ebens 
falls von 1107. — Begnante Principe nostro Adefonso Rex, et Co- 
mite nostro Enrici Portugalense, v. J. 1102. 


8) Regnante Rex Alfonsus, et sub eo, Principe nostro Comite 
Domnus Anricus etc. Era 1145 (an. 1107) Kal. Augusti, heißt es in 
einer Schenkungsurfunde, die im Cartorio des Kloſters Pendorada fich 
findet. Ribeiro, ber mit ben Aufgellärteften feiner Landsleute bie pa⸗ 
triotifhe Neigung theilt, Portugals Unabhängigkeit Telbft fchon in ber 
Wiege des Staates anzunehmen, war reblich genug, biefe Urkunde nicht 
nur feinee Sammiung einzuverleiben, fondern auch ihre Echtheit unanges 

2* 


2 Erfter Zeitraum. 1. Bud. 1. Abſchn. 


Alfonfo VI. flarb den 29. Juni 1109. Mit ihm, „bem 
Schilde Spaniens”, wie ihn die Historia Compostellana nennt, 
fan? nicht nur Caftiliend Ruhe ind Grab, aud die Schuß: 
mehr, die man im füdlichen Portugal gegen die feindlichen 
Einfälle und Empörungen der Almoraviden " feflgegründet 
glaubte, fchien danieder gefunken: denn kaum war die Kunde 
von Alfonfos Zode zu den Ungläubigen gedrungen, fo erhoben 
fie fih ) und bemächtigten fich mehrerer ſuͤdlichen Grenzſtaͤdte. 
Liffabon und Santarem gingen verloren; intra dagegen, das 
ebenfalls in ihre Gewalt gerathen war, eroberte Heinrich ‚bald 
wieder. Den Unfall, den die unvorbereiteten Portugiefen durch 

den plößlichen Überfall einer ſtarken Saracenenfchaar in Va⸗ 
talandi erfuhren, und wobei felbft ihr Anführer Suarius Fro⸗ 
marigis fiel, verurfachte wohl zum Theil die Abwefenheit des 
Grafen Heinrich, der eben feine Aufmerkfamkeit und Thätig- 
Zeit vornehmlich den Unruhen zumenbete, die nach dem Tode 
feines Schwiegervaters in Gaftilien audgebrochen waren. 

Was hier die Ruhe fichern follte, die Vermählung Urra⸗ 
cas, der Wittwe des Grafen Raymımd, mit Alfonfo von 
Aragonien, das untergrub und vernichtete fie. Chelicher Zwiſt, 
im Bürgertpum nur auf den häuslichen Kreis befchräntt, 
ſchlug in der Eöniglichen Burg höhere Flammen und zimbdete 
einen Bürgerkrieg an, der langwierige und vielfaches Unheil 
“über das Reich verbreitete ?). Caflilien, im Zwieſpalt mit fich 
felbft und von Parteien zerriffen, ließ dem werbenden portu= 
gieſiſchen Staate Zeit fich zu befefligen, und gab feinem be: 
ginnenden Selbftherrfcher Luſt und Gelegenheit fi) wichtig zu 
machen, und in ber ſchwankenden Wagſchale der feindlich ges 
genüberftehenden Streitkräfte in. Caſtilien durch feinen Zutritt 
den Ausfchlag zu geben. Während Caftilien im blutigen Zwiſt 
des Pöniglichen Haufes und ber Parteien feine Kräfte zerſtoͤ⸗ 
rend gegen fich felbft kehrte, erkräftigte fich Portugal ſtill und 
unbemerkt, und Heinrich fpielte nicht den Laftilifchen Vafallen _ 


taftet zu laſſen. Ribeiro, Dissert. Tom. III. p. 44. Num. 135, 
Tom. I. Append. p. 236, 


1) Chron. Lus. aera 1147 mense Jul. 
2) Historia Compostellana, cap, 47. Esp, sag. Tom. XX. 


Heinrich von Burgund, 1095 — 1112. 2 


und natuͤrlichen Anführer der Eöniglichen Streiterfchaaren, fon: 
dern der Bundeögenoffen derjenigen Partei, der ex nach freier 
Wahl feinen Arm leihen wollte. Er erklärte fi zuerſt fuͤr 
die offenbar gerechtere Sache Alfonſos gegen ſeine eigene 
Schwaͤgerin, die durch ihren Stolz und ihre Herrſchſucht den 
ganzen unheilvollen Streit angefacht hatte, und gewann durch 
dieſe Verbindung in mehrfacher Beziehung. Von Aragonien 
hatte er uͤberdies Nichts zu fuͤrchten. Alfonſo aber war Aus⸗ 
länder und blieb in feinem glaͤnzendſten Kriegsgluͤck immer 
Aragonier. Den Unwillen, den Urracas berrifches Weſen 
und anflößige Vertraulichkeit mit caftilifchen Großen in den 
Herzen Vieler erregt hatten, fchwächte die Zeit. Dem Caſti⸗ 
lianer erfchien es wieder mehr und mehr beherzigenswerth, 
daß Urraca feinem Volk angehörte und aus dem Föniglichen 
Geblüte entfproffen war; und als endlich die Königstochter 
in der Feſtung Aftorga von dem aragonifchen Heere einge: 
fchlofien, belagert und geängfligt wurde, ward ihr bie Theil⸗ 
nahme, die dem Unterbrüdkten, dem weiblichen zumal, nie ver: 
_ fagt wird. ‘Heinrich, dem Alfonfo’s Übergewicht über die ca 

fliltanifche Partei bedenklich wurde, trat zu diefer über, ohne 
in den Augen der Caſtilianer und Portugiefen zu verlieren; er 
gewann vielmehr am meiften bei der Königin felbft, die ex fich, 
nachbem er ihr feine Wichtigkeit fühlbar gemacht, zum Dank 
verpflichtete. 

Es unterliegt keinem Zweifel, daß Urraca an Heinrich 
Landſtriche und Ortſchaften am rechten Ufer des Minho, in 
Galicien und Leon, abtrat, ober vielmehr ihn im Beſitze der 
dort gemachten Eroberungen ließ ); nur hat uns bie Beit Feine 
Urkunden vergönnt, um diefe Erwerbungen näher zu bezeich 
nen und den Preis Eennen zu lernen, für welchen Heinrich 
der Königin feinen Beiſtand verfprochen hatte. Schwerlich 
war aber unter den obmaltenden Umfltänden von einer Ober: 
berrlichkeit der hülfsbebürftigen Beherrſcherin des zerriffenen 
und gefchwächten Staates Über den fchlagferfigen und nicht 
unmaächtigen portugiefifchen Grafen noch weiter die Rede. IA 
ber Gedanke Tag nicht fern, daß ed dem Schwiegerfohn bed 


1) Mon. Lus, liv. 8. cap. 14 unb cap. 28. 


2 Erfſter Beitcaum. 1. Bud. 1. Abſcha. 


verftorbenen Königs, dem fehlauen und kühnen Grafen, nicht 
mislingen koͤnnte Anhang zu finden und Fuß zu fallen in 
einem Lande, in dem die Thronfolge und die Rechte der Krone, 
wie ed fchien, zweifelhaft geworden waren. In der Königin. 
felbft mochte fich leicht die Beforgniß regen, daß der Graf 
auch in Gaftilien ein Anfehn gewinnen dürfte, wie er e8 be. 
reitö in Portugal befaß. Dem ſei indeffen wie ihm wolle, 
gewiß bleibt, daß Die drei Jahre vom Tode ded Königs Al- 
fond his zu dem des. Grafen dem Wachsthum und Gebeihen 
ber Selbftändigfeit Portugals fehr förderlich waren. 

Neben den Ereigniffen, wie fie aus dem Dunfel, bas 
auf diefem Zwifchenraume ruht, :hervorfchimmern, laufen urs 
Fundliche Beugniffe hin, die und in Abfiht auf Heinrichs Un- 
abhängigkeit faft jeden Zweifel nehmen. Ohne des caſtiliani⸗ 
ſchen Regenten oder der Königin im entfernteften zu gedenfen, 
nennt fih KHeinrih in Urkunden „von Gottes Gnäden 
Graf und Herr von ganz Portugal”). Wir fehen 
in diefer Zeit (fchon im September 1109) den Statthalter ei- 
nes beträchtlichen Landeögebietd , dad er aus den Händen bed 
Grafen hat, unter diefem ftehen, einen Großen vom erſten 
Rang (Princeps), der feinen eignen Majorinus major hält *), — 
eine Kette von Lehnsherrlichkeit, deren oberfler Ring offenbar 
der Graf iſt; eined anderen Oberherrn wird wenigftens nicht 
gebacht. Heinrich ertheilt endlich mehreren DOrtfchaften Koraes, 


1) Schon einen Monat nad Alfonfo’s Ableben fagt der Graf in 
der Urkunde, worin er das Klofter Larväo dem Biſchof Sohfalo v. Coim⸗ 
bra fchentt: Ego Henricus Comes, et uxor mea Tarasia .. . Ego 
Henricus Dei gratia Comes, et totius Portugalis Dominus, Noch mehz 
rere Belege f. bei Ribeiro, Diss. Tom. III. p. 52 ss. 

2) Temporibus gloriosi Comitis Domini Enriqui, post mortem 
Soceri sui, Domni Regis Adfonsi . . . in presentia de Egas Giratia, 
qui tunc erat Magorinus mayor de Egas Gonsendiz, qui erat Domi- 
nator, et Princeps terre illius, et tenebat ipsa terra de Sancto Sal- 
vador, et de Tendales, cum alia multa, in suo aprestamo, de mano 
de illo Comite Domno Enrico eto. Ribeiro, Diss. Tom. I. p. 237. 
Elucidario, Supl. p. 47. Brandão (Mon. Lus. liv. 9.cap.7.) nennt bie, 
fen Egas Goſendez unter den erften Fidalgos, welche Foraes ertheilten. 
Er gab gemeinſchaftlich mit João Viegas ber Ville Gercancelhe im Bes 
zirk von Beira i. 3. 1124 ein Ortsrecht. 


Heinrih von Burgund, 1095 — 1112. 23 


felbft folchen, Die deren fchon von Alfonfo V. erhalten haben. 
Das wichtige Coimbra_namentlich, dem Alfonfo bereits (23. April 
1093) ein Ortsrecht ertheilt hatte, empfängt (26. Mai 1111) 
ein neued bon dem Grafen Heinrich, worin — was aller: 
dings ungewöhnlih und ‚auffallend iſt — des früheren mit 
Feiner Sylbe gedacht wird. So unbelannt und auch der 
‚eigentliche Grund der Irrungen iſt, bie zwiſchen dieſer Stadt 
und dem Grafen Heinrich obwalteten ') und in der Urkunde 
angebeutet werben, fo geht doch aus biefer Elar hervor, daß 
der 'neue oral zugleich den Zweck hatte, jene Irrungen bei⸗ 
zulegen und die Ausfshnung zwifchen dem Fürften und ber 
Stadt zu verfiegeln *). Heinrich tritt hier als unabhängiger 
Landesherr auf, umgeben von allen Großen und Beamten fei- 
ned Hofe (omnis Scola Comitis), die mit ‚dem anweſenden 
lichkeit der Ertheilung des Forals erhoͤhen und die Guͤltigkeit 
feines Inhalts bekraͤftigen. Dieſer Act der Landesherrlichkeit, 
der ın der Ertheilung .eines Ortsrechts an Soure in. demfel 
ben Jahre und gleichfalls in Gegenwart der gefammten Scola 
Comitis wiederholt wird, gehört zu den legten öffentlichen 
Handlungen des Grafen. Er flarb im folgenden Jahre, 1112°), 
in Aftorga. Seine Leiche wurde, ſeinem letzten Willen ge⸗ 
maͤß, nach Braga gebracht und in einer kleinen Capelle an 
der biſchoͤflichen Kirche beigeſetzt. 


1) Mon. Las. liv. 8. cap. 24, 

2) Promittimus (sc. Henr. et T'heres.) non tenere in mente, vel 
corde malam voluntatem, vel iram de hoc, quod nunc usque egistis 
adversum nos, sed habebimus gratum quod collegistis nos, et hono- 
rabimus vos, ut melius potuerimus, et neque in vestra Te, vel vestris 
corporibus habebitis desonor vel perdida. Ribeiro, Diss. Tom. II, 
p. 226, wo biefer wichtige Foral zum erften Mal vollſtandis und ſorg⸗ 
faͤltig abgedruckt iſt. 

8) In den legten Tagen bes Aprils ober ben erſten bes Mais. Die 
legte bekannte und unbezweifelte urkundliche Nachricht von Heinrich ift 
vom zwölften April. Vergl. die erfchöpfende Abhandlung Ribeiro’s: 
Sobre a Epoca da morte do Senhor Conde D, Henrique in den Dis- 
sertt. T. I. Diss, IV, 


24 Erfter Beiteoum, L Bud, 2. Abſchn. 


Zweiter Abfhnitt. 
Heinrihs Wittwe, Regentinvon Portugal. 
(Con 1112 bis 1128.) 


Thereſia übernimmt die Regierung. Die Koͤnigstochter 
nennt fi Königin. Sie erhebt Anfprüche auf Ortfchaf: 
ten jenfeit des Minho. Krieg mit ihrer Schwefter 
Urraca, dann mit Alfonfo VIL Thereſia's Verhaͤltniß 
zu dem Grafen Fernando Peres. Der achtzehnjährige 
Infant Affonfo Henriques behauptet gegen feine Mutter 
und ihren Günftling feine Rechte auf den Thron mit 
den Waffen in der Hand. Schenkung an den Erz 
bifchof von Braga. 


Nach dem Tode des Grafen Heinrich ergriff Thereſia bie 
Zügel der Regierung, da der Infant Affonfo Henriques erſt 
zwei bis drei Jahre alt war. Bon männlichem Geift, klug, 
. entichloffen, muthig und babei herrſchſuͤchtig, wuffte Die Regen⸗ 
tin, befonderd Caftilien gegenüber, eine Macht zu behaupten, 
bie ihr Gemahl, vom Gluͤck begunftigt, durch Tapferkeit, Uns 
ternehmungögeift und kluge Benutzung der Umflände und Zeitz 
verhältniffe gegruͤndet und befeftigt hatte. Thereſia, die vor 
dem Tode ihres Vaters und dem ihres Gatten den Titel In- 
‚, fans, Infantessa, Cometissa führte, am gewöhnlichften aber 
„Tochter des Königs Afonfo” fi) nannte und genannt wurde, 
erhält feit dem Jahre 1115 in einigen unbeftrittenen Urkunden 
ben Titel Königin, während fie in andern fortdauernd In- 
fante ober zugleich auch Regina genannt wird ). Wurde fie 
bei Lebzeiten ihres Gemahls bisweilen auch Königin genannt, 


1) Ribeiro, Diss. T. III. p.34. Num. 99 ess. — „Mortuo En- 
rico Comite, Portugalenses vocaverunt eam (Taraslam) reginam. 
Chronic, Alphonsi Imp. 


' 


4 





Heinrichs Witewe, Regentin, 1112 — 1128. 26 


ſo geſchah dies nach der in Caſtilien damals üblichen Sitte, 
wonach die Infantinnen, wie die Schweſtern des Könige, Koͤ 
niginnen genannt wurden ). Man ſah und dachte ſich in 
der ‚Koͤnigin“ nur die Koͤnigstochter. Jetzt aber, nach dem 
Zobe bed Grafen Heinrich, als Thereſia Regentin von Porz 
tugal geworden war, nahm jener Zitel eine andere Bedeutung 
an. Der befchränfende und berichtigende Zufag „Gemahlin des 
Grafen Heinrich”, war weggefallen, das Land aber, in den 
legten Sahren unter und burch ihn zu einem felbfländigen 
Staat erhoben, war zwar noch nicht ein Königreich, je 
doch das Reich einer Königin geworben. Der anfangs 
leere Höflichkeitstitel hatte einen bebeutungsvollen Sinn ges 
wonnen und kuͤndigte eine Macht an, welcher ohne jenen Ums 
fand die Wittwe ded Grafen, felbft wenn fie dieſe Macht 
wuklich befeffen hätte, fchwerlich diefen Namen zu geben ges 
wagt haben würde. Thereſia war die Frau nicht, die ein ihr 
fo guͤnſtiges Spiel’ des Zufalld unbenugt ließ; fie nannte fich 
jeßt geradezu Königin von Portugal?) und überließ es 
dem ftillen, aber unfehlbaren Wirken der öffentlichen Meinung, 
den Titel und das Amt zu vermitteln und zu vermählen — 
jenen Beamten nicht unähnlich, die, nachdem fie den ‚Titel eis 
nes Amtes erworben haben, die gutwillige Volksmeinung für 
bie Füchtigkeit und das Recht zum Amt forgen und wirken 
laſſen, und das Amt endlich der Regierung pſychologiſch ab⸗ 
noͤthigen. 
Die Koͤnigin nahm nun eine ganz andere Stellung an, 
nicht allein in Bezug auf ihre Unterthanen ?), fondern auch 
ben Auslande, befonderd Gajtilien gegenüber. In einem Vers 


1) Cum Comes Enricus ad petitionem uxoris suae Tarasiae, quae 
Regina, quia Regis filia, dicebgtur et. Roderic. Tolet. de rebb. 
Hisp. lib. 7. cap. 5. 

2) Ego Infant. Donna Tarasia Regina de Portugal .... Ego 
Infant. Donna Tarasia Regina Portugalensium. Bergl. Ri be eiro, Diss, 
Tom. III. p. 59 e ss. Memorias da Acad. Real. Tom. VI. p. 8, wo 
fi) mehrere Beifpiele finden. 

8) In einer Urkunde vom 3. 1120, in ber ſich die Geiftlichen von 
Bifeu dem Biſchof von Eoimbra untertoerfen, Bei eö: Visensis Clerici 
coram Regina Donna Tarasia, et suis Baronibus . . . ipso permanente 


26 Erſter Zeitraum. J. Buch. 2. Abſchn. 


trag, den ſie mit ihrer Schweſter Urraca, der Königin von 
Caſtilien, ſchlieſſt, treten beide Fuͤrſtinnen als unabhaͤngige Re⸗ 
gentinnen auf, indem ſie ſich gegenſeitige Freundſchaft geloben. 
Die Königin von Caſtilien erkauft ſogar dieſe Freundſchaft 
durch das Verſprechen, daß ſie mehrere Staͤdte und Bezirke 
ihres Reichs an ihre Schweſter abtreten wolle, und gibt, ſo 
nahe der Anlaß dazu lag, nicht die leiſeſte Andeutung von ei⸗ 
nem Recht, das ihr über Portugal zuſtehe). Urraca war 
freilich offenbar im Gebränge, als fie fich zu dieſen bedeuten- 
den Abtretungen verſtand. Ein anſtoͤßiger, blutiger Krieg, 
den um jene Zeit beide Schweſtern gegen einander fuͤhrten, 
ſcheint den Vertrag veranlaſſt zu haben. 

Beide, von Herrſchſucht getrieben, ſahen jede in der. an- 
dern mehr die NRegentin und Nebenbuhlerin in der Herrfchaft 
als die (Halb). Schwefter und die Tochter eines und Deffel- 
ben Vaters. Sie laſſen uns, bei dem Mangel an urkundli⸗ 
chen Nachrichten, in Zweifel, welche von Beiden zuerſt den 
Samen der Zwietracht ſtreute und welche am wenigſten ſich 
ſcheute das Blut ihrer und ihrer Schweſter Unterthanen zu 
vergieſſen. Schon im Jahre 1116 ſehen wir beide Koͤniginnen 
im Kriege gegen einander, indem Thereſia in Verbindung mit 
Pedro Froilaz, dem Erzieher des jungen Königs von Galicien, 
mit einem ſtarken Heere die Koͤnigin Urraca in Soberoſo ein⸗ 
ſchlieſſt). Lebhafter war der Kampf, als im Jahre 1121 bie 
Koͤnigin Thereſia der Stadt Tuy und einiger benachbarten 
Plaͤtze in Galicien ſich bemeiſtert hatte. Urraca, unterſtuͤtzt 
von dem Erzbiſchof Diego von Compoſtella, den fie für bie 
ſes Unternehmen gewonnen hatte, brach mit einem Heere ges 


in fidelitate Reginae Donnae Tarasiae, sicut Episcopus fidelis debet 
esse suo Regi et Domino terrae, J. Anastasio de Figueiredo, Nora 
Historia da Militar Ordem de Malta em Portugal. Parte I, $. 8. 
1)... que le sedat amica per fide . . . quomodo bona germana 
ad bona germana . .. et dat Regina ad sua germana Zamora cum 
suos directos etc. Mon. Lus. liv.8.cap.14. J. Barbosa, Catalogo 
das Rainh. de Portug. p. 23. — Es ift unpaffend, diefen Vertrag in 
bie Zeit bes Grafen Heinrich zu fegen, und — gegen ben Brauh — 
Thereſia allein ober flatt ihres Gemahls ben Vertrag abfchlieflen zu laſſen. 
2) Historia Compostell, lib. I. cap. 8. p. 216. 


Heinrichs Wittwe, Regentin, 1112—1138, 27 


gen ihre Schwefter auf, die fich jeboch auf die Nachricht das 
von hinter den Minho zuruͤckzog. Je ficherer die Portugiefen 
bier fich hielten, um fo mehr waren fie überrafcht, als fühne 
Compoftellaner auf portugiefifchen Schiffen, deren fie ſich im 
Minho bemaͤchtigten, oder durch Schwimmen das jenſeitige 
Ufer zu gewinnen fuchten. Die Portugiefen ergreifen die Flucht, 
Urraca und der Erzbifchof fegen mit dem übrigen Heer über 
den Fluß, dringen in das Gebiet von Portugal ein) und 
verheeren das feindliche Land mit Feuer und Schwert. Da 
erlärt der Erzbiſchof unerwartet. daß ihn ſeine Pflicht mahne 
mit den Seinigen in die Heimat zuruͤckzukehren. Urraca, im 
Gefühl der Unzulaͤnglichkeit ihrer eigenen Streitkraͤfte oder 
ſchon in der Abſicht, den vermeintlichen oder wirklichen Ver⸗ 
raͤther um ſo ſicherer zu verderben, beſtuͤrmt ihn mit Bitten, 
ihr wenigſtens ſeinen perſoͤnlichen Rath und Beiſtand nicht zu 
entziehen, wenn er auch ſeine Compoſtellaner, die ſchon beim 
Ausruͤcken ſich ſchwierig gezeigt hatten, nicht laͤnger von der 
erſehnten Heimkehr zuruͤckhalten koͤnne und wolle. Es geſchah; 
der Erzbiſchof blieb, ſeine Streiterſchaaren kehrten zuruͤck. 
Darauf wurde ein großer Theil von Portugal unterworfen, 
ber Erzbifchof und die Königin belagerten Lanioſa, wo Therefia 
fih befand, die caftilifchen Truppen flreiften bi8 an das Ufer 
des Douro. 

Unterbefl en verlautete Einzelnes von einem verderblichen 
Plane, den ein verborgen gluͤhender Haß der caſtiliſchen Koͤni⸗ 
gin gegen den Erzbiſchof in ihrem Herzen ausgebruͤtet hatte. 
Das Benehmen des Praͤlaten in dieſem Feldzuge, manche ſei⸗ 
ner fruͤhern Handlungen hatten die Koͤnigin mit Argwohn ge⸗ 
gen ihn erfuͤllt; ſie hielt ihn eines geheimen Einverſtaͤndniſſes 
mit ihren Feinden ſchuldig und ſchwur ihm Rache und Ver⸗ 
derben. Dem Erzbiſchof blieb Urraca's Gefinnung gegen ihn 
nicht unbekannt; felbft die Königin Thereſia, im geheimen 
Verkehr mit den Vertrauten ihrer Schwefter, ließ dem Erzbi⸗ 
ſchof binterbringen, wie feine perfönliche Sicherheit bedroht 
fei, und bot ihm in einer ihrer Feſten einen fichern Zuflucht: 
ort an, oder Mittel, um in fein Erzbistum zu entfliehen. 


1) Fluvium transmeant et Portugaliae fines ingrediuntur. 


28 Erſter Zeitraum. 1. Bud. 2. Abſchn. 


Diego, der die Koͤnigin Urraca eines ſolchen Frevels nicht fur 

faͤhig hielt, that nichts fuͤr ſeine Sicherheit, und wurde wirk⸗ 
lich mit drei ſeiner Bruͤder und ihrer ſaͤmmtlichen Dienerſchaft 
verhaftet. 

Der Erzbiſchof von Braga, Pelagius, und der Biſchof 
von Drenſe, die ebenfalls im caſtilianiſchen Lager ſich befan⸗ 
den und bedroht ſahen, ergriffen die Flucht. Jenen ſehen wir 
im folgenden Jahre von der Koͤnigin Thereſia in Gefangen⸗ 
ſchaft gehalten, wahrſcheinlich aus keinem andern Grunde, als 
weil er der Partei der Koͤnigin Urraca ſich angeſchloſſen hatte. 
Papft Calixt I. ließ daher durch feine Legaten die Königin. 
von Portugal und ihre Anhänger mit dem Bann und das 
ganze Land mit dem Interdict bedrohen, wenn fie nicht in ei= 
ner beſtimmten Friſt den Gefangenen und fei eine Leute freilaf> 
- fen und der römifchen Kirche Genugthuung gewähren würde '). 
Durch diefe Drohung geſchreckt, entließ die Königin ben Erz 
bifchof *). Aber der Groll blieb in Vieler Herzen, und der ges ’ 
kraͤnkte Prälat half vier Jahre fpäter die Königin vom Throne 


en. . 
In wilden Aufruhr braufte ganz Santjago auf bei ver Nach⸗ 
richt von der Gefangennehmung feines Erzbifhofs durch die treu⸗ 
loſe Königin, und ihre hartnddige Weigerung den Gefangenen freis 
zugeben feigerte die Erbitterung. Die meiften galicifchen Großen 
erklärten fich fie den Erzbifchof und ſtellten Fluger Weiſe den juns 
gen König Alfonfo Raymundez an ihre Spitze. Die erfchrodene Koͤ⸗ 
nigin muffte nachgeben und ſah fich noch in demfelben Jahre in 
der bedrängteften Lage. Eine mächtige Partei ſtand drohend ihr 


1) Hist. Compostell. lib. II. cap. 58. p. 330 

2) Obgleich diefe Androhung ein Jahr nad jener Flucht flattfand, 
fo wird man Schuld und Strafe doch nicht in der Zeit fo entfernt von 
einander finden, daß ihre Zufammenhang unwahrſcheinlich würbe, wenn 
man bedenkt, daß von ber Flucht bis zur Verbaftung, von biefer bis zur 
Anzeige in Rom und bis zum Beſchluß und zur Belanntmadhung des 
bedingten Bannſpruchs in längeren und kürzeren Zwiſchenraͤumen leicht 
ein Jahr verflieffen konnte. Übrigens beginnt im 3. 1121 auch der maͤch⸗ 
tige Einfluß des Grafen Zerbinand. (Bergl. Ribeiro, Diss, Tom. I. p. 
151.) Hatte vielleicht ein Anfinnen der Therefia an den Erzbifchof von 
Braga, binfichtlich einer Zrauung mit dem Grafen, dem unfügfamen Praͤ⸗ 
laten jene harte Behandlung zugezogen ? 


Heinrichs Wittwe, Regentin, 1112—1133. 29 


gegenuͤber. Der Erbiſchof von Santjago ſchloß ſogar mit der 
Königin Thereſia ein Buͤndniß ). Don einer Zuͤchtigung der 
portugiefifchen Schwefter konnte nun nicht mehr bie Rebe fein, 


wohl aber, bei Urraca's Hülfslofigkeit und Bedraͤngniß, von 


einer Bitte um fchwefterliche Unterſtuͤtzung. 

In diefe Zeit faͤllt wahrfcheinlich jener .obenerwähnte Vers 
trag zwifchen beiden Schweflern (ber Urkunde fehlt das Das 
tum); denn nur eine höchft bebrängte Lage, in welcher Urraca 
fich befand, erklärt ihre freiwillige Abtretung fo beträchtlicher 
Orte und Landeögebiete. Zugleich wirft diefer Vertrag, er 
mag nun in biefer Zeit ober etwas früher ober fpäter abge 
fchloffen, er mag vollzogen worden fein oder nicht, einiges 
Licht: auf Thereſiens fpätere Unternehmungen gegen Caſtilien. 
Man begreift nach feiner Kenntnißnahme, wie fchwer es ber 
portugiefifchen Königin fallen mochte, den Erwerbungen jenfeit 
des Minho zu entfagen, wie ihr anfänglicher Wunſch, Beſitzun⸗ 
gen jenfeit des Fluſſes, der mehr ein Verbindungsmittel als 


eine Scheidewand war, zu haben, ober Die vielleicht fchon vom ' 


Grafen Heinrich befeffenen zu behaupten, wie dieſer Wunfch 
in ihrem Geiſte allmdlig in die Meinung, daß ihr ein unbe 
fireitbares Mecht auf jenen Beſitz zuflehe, fih verwandeln 
konnte. Man begreift, ohne ihre Herrfchfucht allein ald Er: 

ngögrund zu unterftelen, wie die Königin anderthalb 
Jahre nach dem Tode der Urraca, weit entfernt den Sohn ders 
felben als ihren Oberherrn anzuerkennen, vielmehr auf ihre 
Macht und Hülfsquellen fich ſtuͤtzend mit einem Heere in Gas 
licien einzubringen und Die an Portugal grenzenden Burgen 
und Städte, namentlich das wichtige Zuy, mit Gewalt fich 
wieder zu unterwerfen wagen mochte ). Nicht zufrieden mit 
einer unfichern Eroberung, fuchte fie ihrer Herrfchaft: jenfeit 
des Minho eine feſte Grundlage zu geben, indem fie dort neue 
Feſten zum Schuß und Trutz erbauen ließ. 

Diefe Keckheit der Königin brachte faft alle Fürften Spa- 
niens, die dem König geneigt waren, in Bewegung. Alfonfo 


1) Hist, Compostell. lib. II. cap. 40, 42, 


2) Hist. Compostell. lib, II. cap, 85. Iila enim fastu superbiae 
elata terminos justitiae egrediebatur, et nullum Regi servitium de 


1127 


30 Erfter Beitraum. J. Bud. 2. Abſchn. 


rief, fo weit nur fein Aufgebot reichte, alle feine Vafallen und 
Krieger, felbft den möchtigften Prälaten Galiciend, den Erzbis 
ſchof von Santjago, zu den Waffen und führte ein fehr zahl: 
reiches Heer. gegen die Königin. Solchen Streitkräften des Fein- 
des war Thereſia nicht gewachſen, fie 309 fi) nad) Portugal - 
zurüd. Das feindliche Heer aber folgte ihr nach und vers - 
heerte ſechs Wochen lang das unglüdliche Land, bis durch 
die Vermittelung des Erzbiſchofs von Santjago ein Friedens 
vertrag zwifchen dem König und der Königin abgefchloffen 
wurde und der Verheerung ein Ende: madıte. 

Daß uns die Gefchichte gerade den Inhalt dieſes Ders . 
trags nicht aufbewahrt hat, iſt doppelt zu beklagen, da dieſes 
Mal die gegenſeitigen Rechte und Foderungen Caſtiliens und 
Portugals wohl auf das ſchaͤrfſte ausgeſprochen und wahr⸗ 
ſcheinlich auf die Spitze getrieben wurden. Thereſiens dreiſte 
Beſitzergreifung eines Theils von Galicien, die in Alfonſo's 
Augen als eine herausfodernde Anmaßung erſcheinen muſſte 
und ihn wie ſeine Anhaͤnger wirklich mit tiefem Unwillen er⸗ 
fuͤllte, die gluͤckliche Vertreibung der Koͤnigin aus Galicien, 
ihre Zuͤchtigung in ihrem eigenen Lande, das Alles muſſte den 
Koͤnig zur kraͤftigſten, entſchiedenſten Sprache gegen die por⸗ 
tugieſiſche Koͤnigin beſtimmen, ſeinen Foderungen und Anſpruͤ⸗ 
chen den Ausdruck einer ruͤckſichtloſen Strenge geben. Indeſſen 
beurkunden die bisher angefuͤhrten Unternehmungen der Koͤni⸗ 
gin die unabhaͤngige Stellung, die ſie gegen Caſtilien nahm, 
fo wie die folgenden Ereigniſſe beweifen, daß fie dieſe Stels 
lung zu behaupten wuſſte. Nur wenn fie die Grenze ihres 
Reichs feindfelig überfchritt, wied fie der König Alfonfo VIL _ 
mit gemwaffneter Hand in Diefelbe zurüd und beftrafte fie höchs 
fiend mit der gewöhnlichen Strafe jener Zeit, mit der Ver 
heerung ihres Landes. Die Selbſtaͤndigkeit ihres Staates 
anzutaften oder mit oberherrlicher Hand in die Innere Verwal: 
tung beffelben einzugreifen, feheint nie feine Abficht gewefen 
zu fein. Xherefiend männlicher Sinn, ihr Eriegerifcher Unter 


Regno quod ab illo tenere debebat, exhibere dignabatur: immo viris, 
armis, atque opibus potens, fines Galleciae armato exereitu invade- 
bat, et Civitates, atque Castra Portugaliae adjacentia, Tudam scili- 
oet, et:alia suo jari atque dominio violenter subjugebat. 


Heinrichs Wittwe, Regentin, 1112— 1128. 31 


nehmungögeift, ihr Muth in Gefahren und ihre Beharrlichkeit 
in ihren Planen, die in Diefer Beziehung den Grafen Hein: 
rich nicht vermiffen lieffen, machten. wohl. auch jeden Verfuch 
diefer Art fchwierig, wenn fie nicht jeden Gebanken daran 
nieberfchlugen. Hätte doch der Känigin Herrfchfucht fie nicht 
über die Grenzen ihres Reichs hinduögeriffen! Aber eben dieſe 
Herrfchfucht, die fie über den Minho führte, verbunden mit 
dem Mangel an echter Weiblichkeit, trieb fie auch im Schoofe 
ihred Reichs über die Grenzen des Rechts und der Sitte. 
Während fie aber dort nur bald verfchmerzte Verluſte erfuhr, 
grub fie hier ihr eigenes Grab. 

Therefia hatte mehrere Jahre nach dem Tode ihres Ge 
mahls die Grafen Fernando Perez von Zraflamara und befz 
fen Bruder Bermudo, Söhne des obenerwaͤhnten Grafen 
Pedro Froilaz, Saltcier von Geburt, an ihren Hof gezogen 
und. fie durch ein befonderes Vertrauen, das bald in Vers 
traulichkeit außartete, auögezeichnet. Mit Bermudo, ihrem 
nachherigen Zochtermann, foll fie zuerft in einem anftößigen 
Verhaͤltniß gelebt haben. Der Graf Fernando verließ feine 
rechtmaͤßige Gemahlin und trat mit der Königin in eine Ver 
bindung , die weder ihn noch die Königin ehrte. Hatte vor 
her Misgunft den Ausländer getroffen, fo traf den verbreche⸗ 
riſchen Sremdling nun Haß. Xherefia vergaß, was fie fich 
felbft, was fie Portugal und dem rechtmäßigen Thronerben 
fhuldig war, indem fie dem Grafen Ferdinand Über ihr Herz 
(und ihr Reich) eine Gewalt einrdumte, die derjenigen eines 
Gatten aͤhnlich war und die Nachwelt in Zweifel gelaffen 
hat, ob fie von der Kirche geheiligt worben oder nicht‘). So 


1) Die einzige Urkunde, welche bie eheliche Verbindung der Königin 
Thereſia mit dem Grafen Ferdinand ausbrüdiich erwaͤhnt, ift eine Schen⸗ 
tung an das Klofter Monte de Ramo in Salicien, welhe Yepgs (in 
feinee Histor, de S. Bento, Tom. .VII. Centur. n. 32) mittheilt, aus 
dem Manrique (Annal. Cisterc. ad an. 1153. cap. 16) fie entlehnt 
hat. Die hieher gehörigen Worte ber Urkunde, deren Original nad) 
Hepe’s Zeiten Fein portugiefifcher Schriftftellee geprüft hat und das 
nicht mehr vorhanden zu fein fcheint, find diefe: Ego Tarasia, bonae 
memoriae Alfonsi Magni Hispaniarum Regis filia, Magni Comitis Hen- 
rici quondam uxore, nunc vero Comitis Fernandi, Dei gratia Portu- 
galis Regina... Hanc Cartam fieri jussi, una cum viro meo Fer- 


32 Ergſter Zeitraum. J. Bad. 2. Abſchn. 


zweifelhaft bie zweite Vermaͤhlung der Königin fein mag, fo 
gewiß ift es, daß Therefia dem Grafen einen mächtigen Ein⸗ 
fluß und eine vielfache Iheilnahme an allen Regierungdges 
fchäften geftattete. Seit dem Jahre 1121, alſo neun Sabre 

nach Heinrich Tode, fügben wir ihn bei den wichtigften 
Staatsverhandlungen mit dem Auslande genannt, und in vie 
len Urkunden, welche bie innere Verwaltung betreffen, zum 
Theil in der Eigenfchaft eines Statthalter von Coimbra, ſei⸗ 
nen Namen unterzeichnet. 

Unterbeffen war Affonfo Henriques zum hoffnungsvollen 
Juͤngling aufgeblüht. Seine würbevolle Geftalt, die Schöns 
heit feiner Gefichtsbildung, ihre einnehmende Anmuth ), wa⸗ 
ren nur der duffere Ausdruck von Geiſtes⸗ und Gemüthsanlas 
gen, deren Entfaltung den Portugiefen die fchönften Blüthen 
und Früchte verfprach. In feinem vierzehnten Lebensjahre, 1124 
am Pfingfifefle, wie ed bei Königen Sitte war, hatte ex dm 


nando Perez, et cum filio meo Alfonso Henriques propria manu ro- 
boravi ... Hoͤchſt auffallend ift ed, daß nur in einer Urkunde, die eine 
Beſitzung in Galicien betrifft, jene eheliche Verbindung ausgeſprochen 
iſt, während von mehr als funfzig portugiefifhen Urkunden, vom 
J. 1121, worin Ferdinand fich zu unterzeichnen anfängt, bis zum Jahr 
1128, worin Tcherefia und Ferdinand geftürzt werben (f. Ribeiro, 
Diss. Tom. III. Append, IX. die Urkunden von ©. 73 bis 92), Keine" 
einzige jenes Vorhaͤltniß erwähnt. Oft genug unterzeichnet ſich der Graf 
Berdinand mit andern weltlichen und geiftlichen Großen, mehreremal in - 
Urkunden von bemfelben Jahr (vergl. Mon. Lus, liv. 9. cap. 3), nie 
aber ald Gemahl der Thereſia, wie fih der Graf Heinrich regelmäßig 
unterzeichnete. überdies gedenkt Feine Chronik der ehelichen Verbindung 
die Hist. Compost. (liv. 8. cap. 24) fagt unummunden: Fernando, qui 
relicta sua legitima uxore, cum matre ipsius Infantis Regina Tarasia 
tunc temporis adulterabatur. Aus ben günftigffen Stellen, die man 
für die Anficht, daB Thereſia mit Ferdinand vermählt gewefen, anführen 
Tann, laͤſſt fi nur ein einflußreicher Antheil des Grafen an den Regies 
rungsgefchäften und ein vertrauliches Verhaͤltniß deſſelben zur Königin 
entnehmen, aber Keine eheliche Verbindung. S. die Stellen neben einans 
der geftellt in Ribeiro, Diss. Tom. I. p. 151. XAufferdem vergl. Mon. 
Las. liv. 9. cap. 2 und 3, und Barbosa, Catalogo das Rainhas de 
Port, p. 87, 


1) .. . corpore decorus, pulcher adspectu et visu desiderabilis. 
Chron. Lusit, p. 408. 


Heinrichs Wittwe, Regentin, 1112 — 1128. 33 


Kirchenaltar von St. Salvator in Zamora die Waffenruͤſtuͤng 
ſich ferbft angelegt und fo, dem ritterlichen Geiſte feines Zeit- 
alterd huldigend, die Weihe zu dem hohen Beruf, zu dem ihn 
die Geburt beftimmt und die Natur fo herrlich ausgeftattet 
batte,_fich felbft gegeben. Sieben und funfzig Iahre hindurch, 
fo lange er regierte, legte er nur felten die Waffen nieder, ein 
unermübdlicher Kämpe, wie ihn feine kriegsluſtige Zeit, fein 
von Gefahren umringted werdendes Reich "heifchte, wie Die 
Auffern und innern Feinde deffelben ihn nothwendig machten. 

Es war ein duͤſteres Vorfpiel feiner Regierung, daß er 
fhon als achtzehnjähriger Iungling mit den Waffen in der 
Hand ') fein väterliches Erbe zu erfämpfen, von feiner eige⸗ 
nen Mutter zu erfämpfen veranlafft wurde, und über Blut 
und Leichen den ihm gebührenden Thron befteigen: muffte. Die 
Königin theilte nicht nur die Herrfchergewalt mit dem Gra⸗ 
fen Ferdinand und entfernte ihren Sohn, ungeachtet feiner 
erreichten Volljährigkeit, von allen Regierungsgefchäften; fie 
fuchte ihn felbft von der Thronfolge auszufchlieffen und dem 
Ausländer die Herrfchaft zuzumenden. Der Infant, im Bes 
wufftfein feiner unbeftreitbaren Rechte auf die Erbfolge und im 
jugendlichen Vollgefuͤhl feiner Kraft und Züchtigfeit, ver 
mochte nicht Yänger ein Unrecht zu dulden ?), das durch Nach- 
giebigkeit ftart und gewaltig wurde ‘und bei längerer Frift 
unlberwindlih zu werden drohte Er verfammelte feine 
Freunde und gewann viele Edle, bie lieber ihren rechtmäßigen 
und vielverfprechenden Fürften als eine herrfchfüchtige Frau 
und einen verhafften Günftling und Ausländer am Staatsru⸗ 
der fahen. Sie verfprachen ihm Beiſtand mit ihrem Schwerbt 
und Bermögen. Sobald die Königin Kunde davon erhielt, 
zog fie, um den Sohn und feine Anhänger zu züchtigen, ihre 
Streiterhaufen zufammen und ging an ihrer Spite auf Gui⸗ 
maraens los, wo der Infant mit feinen Verbündeten fich bes 
fand. Bei St. Mamete, nahe bei Guimaraend, kam es 


1) Adeptus est Regnum Portugallis in manu forti. Chron. Lus. I. c. 


2) Quam injurfam valde inhonestam nullatenus ferre volens, (erat 
enim jam grandevus aetate, et bonae indolis) convocatis amicis etc. 
Ibidem. 


Schäfer Geſchichte Portugals. T. 3 


130 


34 Erſter Zeitraum. J. Bud. 2. Abſchn. 


zu einem blutigen Treffen zwiſchen Mutter und Sohn. Dieſer 
ſiegte, Thereſia entfloh in die Burg Leganoſo, die Grafen Fer: 
dinand und Bermudo, der Königin Schwiegerfohn, retteten fich 
nach Salicien. Ein Berfuch des Letztern im Jahre 1131, eine. 
Empörung gegen Alfonfo zu erregen, mislang '). 

Seit jenem Unfall bei Guimaraens war die Königin, uns 
fchädlich gemacht durch Alfonfo, in folche Unbebeutenheit ges. 
funfen, daß die Chroniften fie fortan unbeachtet laſſen und 
nach ihrem politifchen Zode nur noch ihren phyſiſchen erwaͤh⸗ 
nen. Bon allen einnehmenden Eigenfchaften des Weibes hatte 
fie, wie es fcheint, allein Eörperliche Schönheit, die gefähr: 
lichſte Mitgift der Natur, wenn nicht Feufche Seelenreinheit 
fie adelt und ſchuͤtzt. Von den PVorzügen des Manned bes 


| faß fie Entfchloffenheit, Muth und Unternehmungögeift dem 


Feinde gegenüber; aber von einer Herrſchſucht und Sinnlichkeit 
begleitet, die das natuͤrlichſte Muttergefühl, die Liebe zum eig« 
nen Kinde, unterdrüdten, konnten jene männlichen Zugenden 
ihr nur eine vorübergehende Bewunderung, Feine dauernde 
Liebe und Achtung gewinnen. 

Um fo leichter war e8 dem Infanten gelungen die Zahl 
der Anhänger und Freunde, die ihm feine Mutter durch die 
Bevorzugung der Ausländer fchon zugemwendet hatte, anfehnlich 
zu vermehren. Neben denen, die mit unbeftimmten Hoffnuns 
gen und Erwartungen der aufgehenden Sonne fich zufehrten, 
wuſſten Andere, bie dem Infanten ihren Beiſtand zuficherten, 
dem Juͤngling Verfprechungen abzuloden, die der erfahrene 
Mann fchwerlich gegeben haben wirde. Bor Allen war es 
der erfte Prälat Portugals, der Erzbifchof Pelagius von Braga, 
eben derjenige, den die Königin einft empfindlich gefränft und 
gebemüthigt hatte, ber jebt feinen Beiftand-*) am theuerften 
verkaufte und dem unerfahrnen Prinzen Vorrechte und Frei⸗ 


heiten fuͤr ſich und ſeine Kirche abnoͤthigte, die in der Fol⸗ 


gezeit die Quelle unheilvoller Zerwuͤrfniſſe wurden. 


1) Chron. Lus. aera 1169. Dieſer Verſuch konnte nicht die Abſicht 
haben, „der Thereſia die Herrſchaft wieder zu verfchaffen”, wie ein neues 
rer Gefchichtfchreiber meint, da Thereſia ein Iahr vorher geftorben war. 
lb. aera 1168, 

2)... ut tu sis adjutor meus, fagt die Vertragsurkunde. 


Heinrichs Wittwe, Regentin, 1112 — 1128. 35 


Alle Beſitzungen der Kirche St. Maria in Braga 
mit allen Hoͤrigen, Freien und Unfreien, die dem Koͤnig un⸗ 
terthan find, ſollen befreit und bevorrechtigt fein (cautatae). 
Wie des Infonten Großvater, der König Alfonfo, zum Bau 
ber Kirche des heiligen Jacobs beigefteuert habe, fo verfpricht 
der Infant zum Bau der Kirhe St. Maria in Braga bie 
Geldmittel zu verwilligen. Die Eöniglichen Kirchen welche 
Pfarrkirchen find, find dem Erzbiſchof untergeben, und kein 
Late hat Gewalt über fie. Die Eöniglichen Klöfter entrichten 
an den Erzbifchof eben ſo viel, als fie an feine Vorgänger ges 
zahlt haben. Der Infant entfagt aller Regierungdgewalt in 
der Stadt Braga; nur der Wille ded Erzbifchofd und feiner 
Nachfolger fol hier gelten. Er verfpricht, wenn er die Res 
gierung von Portugal angetreten habe, dem Erzbifchof die 
Stadt und den erzbifchöflihen Stuhl mit allem Zugehdr in 
Frieden und ohne allen. Widerfpruch zu Überlaffen. Er übers 
trägt überdies dem Erzbifchof Alles, was an dem Hofe des 
Infanten zum geiftlichen Amte (oflicium) gehört, wie die Bes 
zuföverrichtungen des Hoffapland und bed Geheimfchreibers, 
Alles was der Beſorgung bed erften Prälaten zulommt. Er 
überläfft fi dem Rathe des Erzbifchofs und feiner Nachfol⸗ 
ger, deren Liebe er fich verfichert halte ). 

Diefe großen Zugeflänpniffe, die unter der Vorausſetzung 
des zu leiftenden Beiſtandes und eined gluͤcklichen Erfolgs bes 
willigt wurden, waren in Affonfos firengbewachter Unmuͤndig⸗ 
keit bie erfle Handlung einer vorausergriffenen Selbftherrfchaft, 
der Wendepunct einer brüdenden Abhängigkeit, in der bie 
Regentin den rechtmäßigen Erbprinzen darniederhielt, zur freien 
Selbftändigkeit.. Denn am 28. Mai 1128 flellte Affonfo 
Henriquez die Urkunde tiber jene Verwilligungen dem Erzbis 
fhof von Braga aus, und im folgenden Monat fehen wir 
ihn von der mütterlihen Bevormundung befreit, ald Selbſt⸗ 
berrfcher und ohne die Königin die Urkunden und landeöherrlis 
hen Schreiben unterzeichnen ?). 

1) S. die Urkunde, zum erften Dal gedruckt in Elucid. T. FI. p. 851. 

2) ©. die Urkunden in Ribeiro’s Dissert. T. III. App. von ber 
Seite 93 an. 


3" 


36 Ecrſter Zeitraum. J. Buch. 3. Abſchn. 


Dritter Abſchnitt. 
Regierung Affonſo's L 
(24. Sun. 1128 bis 6. Dec. 1185.) | 


1) Bon feinem Regierungdantritt bis zur Annahme des 
Königötiteld. Affonfo Infans, Princeps, Rex, 


Affonfo Henriques regiert felbft unter dem Titel Infans. 
Den Krieg mit Caſtilien emdigt ein Waffenſtillſtand. Gruͤn⸗ 
dung Leirias zum Schug gegen die Saracenen. Krieg gegen 
den Kaifer von Spanien. Der Sufant gibt zwar die‘ feften. 
Plaͤtze in Galicien heraus, nimmt aber nach dem Kriege den 
Titel Princeps an. Er bringt mit einem Heere in Alem⸗ 
tejo ein. Sieg bei Durique. Affonfo nennt fi) König. 


Unter dem Zitel Infans regierte Affonfo Henriques feit dem 
24. Juni 1128 felbftändig '). Niemand macht ihm innerhalb 
ber Grenzen feined Reichs feine Herrfchaft flreitig. Vol Selbſt⸗ 
vertrauen, das ihm der glüdliche Erfolg feiner erften Unterneh⸗ 
mung eingeflößt bat, ift er im Genufle der Unabhängigkeit, 
die er in feinem Reiche fich erfämpft hat, nicht geneigt in 
den VBerhältniffen zum Auslande ſich beſchraͤnken zu laſſen. 
Er weigert ſich nicht allein die Oberherrlichkeit Caſtiliens an⸗ 
zuerfennen ?), fondern erhebt felbft die alten Anfprüche auf 
mehrere Pläße in Galicien, befonderd auf das ftreitige Tuy. 
Der Krieg zwifchen Portugal und Gaftilten bricht wieder aus. 

Alfonfo Raymundez, mit den aufrührerifchen Großen in 
feinen Staaten vielfach befchäftigt und zugleich im Kriege mit 


1) Obtinuit ipse (Infans Inclitus Domnus Alfonsus) Principatum 
et Monarchiam Regni  Portugallis. Chron. Lus. aera 1166. In ciner: 
Schenkungsurkunde vom fechsten April 1129 heiſſt eg: Ego Infans Al- 
fonsus ..... ab omni pressura alienus, et Colimbriensium, ac totius 
Urbium Portugalensium Dei providentia Dominus securus . effectus etc. 
Elucidario Tom. I. p. 823. 

2) Histor. Compost. lib. III. cap 24 im Anfang. 


Regierung Affonſo's L, 11283 — 1485. 37 


dem Könige von Aragonien, Tonnte nicht perfänlich gegen ben 
portugiefifhen Infanten zu Zelde ziehen und übertrug bie 
Führung des Kriegs einigen galicifehen Großen und dem Erz 
bifhof von Compoftella, der aber, durch Krankheit gehindert, 
nur geringe Hülfe ſchickte. Der Krieg wurde von caftilifcher 
Seite um fo läffiger geführt, da die Zweideutigkeit der Ge- 


finnungen einiger galicifchen Anführer die Thaͤtigkeit ihrer 


Streiterhaufen lähmte. Um feften Fuß in Galicien zu faffen, 
ließ Affonfo Henriquez die ſtarke Burg Celmes, in der Gegend 


von Limia, erbauen, legte eine ausgeſuchte Mannfchaft, felbft 


viele Edle aus feiner Umgebung in diefelbe und verfah fie 
mit Mundvorrath. Dieſes dreifte Unterfangen des Infanten 
bewog den König Alfonfo Raymundez feine anberwärtigen 
Kämpfe hintanzufegen und mit flarker Heeresmacht nad) Ga: 
licien aufzubrechen. An Streitkräften dem Feind überlegen, 
eroberte er Celmes und machte die Beſatzung zu Gefangenen. 
Dem Infanten war der Verluſt um fo fehmerzlicher, da ber 
König den Plab von neuem befeftigen ließ ünd ihn aus einer 
Angriffewaffe gegen Caſtilien in eine Schußwehr für Caſtilien 
verwandelte. Unterdefien machten die Einfälle und Fortfchritte 
der Saracenen an den füdlichen Grenzen von Leon und Ca⸗ 
flilien, die Ausfichten die in Aragonien fich eröffneten und alle 
Aufmerkſamkeit in Anſpruch nahmen, die geringen Bortheile, 
welche die Fortfeßung des Kriegs mit Portugal verfarach, den 
König Afonfo Raymundez geneigt mit dem portugiefifchen 
Infanten einen Waffenftilftand auf einige Zeit zu fchlieffen. 
Auch diefem mochte die Ruhe erwünfcht fein... Er benugte fie, 
um fein Land von einer andern Seite zu verwahren. 

Die häufigen Einfälle und Plünderungen der Saracenen 
im Gebiete von Coimbra hatten dem Infanten die Überzeu- 


gung gegeben, daß er zum Schuge diefer wichtigen Beſitzung 


in einer zu errichtenden neuen Feſte gleichfam eine Vorwache 
aufftellen muͤſſe. Er wählte zu diefem Zwecke jenen prächtigen 
Felfen von Leiria, der an der Spike eined von Suͤden nach 
Norden fich Hindehnenden Berges auf der Straße von Liſſa⸗ 
bon nad) Coimbra den Blid des MWanderers feffelt. Hier in 
einfamer Gebirgägegend feste er dem Werke der Natur, das 
fie felbft zum Bollwerk des chriftlichen Portugals gefchaffen zu 


38 Erfter Zeitraum. L Bud. 3. Abſchn. 


haben ſchien, durch kuͤnſtliche Befeſtigung die Krone auf. Ei⸗ 
nem Krieger, deſſen Muth dem Feinde nicht weniger trotzte 
als die Felſenburg, dem Pelayo Guterriz, vertraute er bie 
Beſatzung. Leiria wurde in ber That für jene Gegend fo 
wichtig, daß ein Chronift in ihm den Grund des gebrochenen 
Muthes und Unternehmungsgeiftes der Saracenen finden will '). 
. „ An der füblichen Grenze des Reichs geſchuͤtzt, fo viel es 
möglich war, konnte der Infant feinen Blid unverwandt nad 
dem Norden richten. Dort hatten fich in demfelben Jahre 
Dinge ereignet, die auf den jungen, auf feine Macht und 
feinen Ruhm fo eiferfüchtigen Fürften den tiefften .und lebhaf⸗ 
teflen Eindrud machen mufften. König Alfonfo Raymundez, 
jest Oberherr über faft alle chriftliche Staaten der Halbinfel, 
war in ber Kathedrale von Leon vor einer glänzenden Vers 
fammlung von Großen, Fürften und. felbft gefrönten. Hdups 
tern zum Kaifer von Spanien audgerufen worben. Der glors 
reiche Zitel war das Zeichen einer Gewaltfülle, wie fie feit 
Sahrhunderten in Spanien nicht gefehen worden, und ums 
fhloß zugleich Anfprüche und Foderungen, welche ‚geltend zu 
machen, dem Inhaber einer folchen Macht reichliche Mittel zu 
Gebote flanden. War zu erwarten, ſobald Alfonfo VII jenen 
Zitel zum Maßftabe feiner Anfprüche machte, daß er ber 
Oberherrlichfeit über Portugal, welche Caſtiliens Krone fich 
zueignete, entfagen werbet Oder wenn er fie behaupten 
wollte, wer fonnte fie ihm entreiffen? Und wenn er ſelbſt 
auf jene Oberberrlichkeit verzichtete, erlofch nicht Portugals 
Stern vor Eaftiliend Sonne? Affonfo Henriquez fühlte Dies 
gewiß lebhafter, als wir es ihm nachzufühlen vermögen, und 
wir bürfen alle Gefühle, welche die Bruft eines jugendlichen, 
ritterlichen, Eriegölufligen, ruhmbegierigen, durch fein erſtes Ges 
fingen zu flolzen Hoffnungen emporgehobenen. Fürften bei die⸗ 
fem Ereigniß beftürmen Tonnten, vorausfegen, um uns bie 
Unternehmung, bie er bald nach jener Kaiferfrönung ausfuͤhrte 
und die allein die. Gefrhichte und erhalten hat, zu erklären. 
Der Infant fühlte zugleich die Größe der Gefahr, die ihm . 
drohte, und hatte Beſonnenheit und Klugheit genug, feine ges 


1) Chron. Lus. aera 1178 unb Mon, Lus. lib, 9. cap. 25, 


I 


Regierung Affonfo’s L, 1128— 1185. 39 


ringen Streitkräfte buch WBunbeögenofien und audwärtige 
Kampfgehülfen zu verftärten, und auf dieſe Weife eine Poli⸗ 


tie zu befolgen, die damald, fo nah fie auch liegen mochte, 


bei dem Einzelnftehen der Völker ımd dem Mangel an Ber: 
bindungen unter den Staaten im Mittelalter nicht die ge 
wöhnliche war. Er verband fich mit dem Fürften eines Reis 
ches, das auf der entgegengefeßten Seite von Caſtilien lag, 
mit Garfias, König von Navarra . So begann faft zu 
gleicher Zeit am Minho und Ebro der Krieg gegen den ge 
meinfchaftlichen Feind. 

Während der König Garfiad den Kaifer an der Grenze 
von Navarra befchäftigte, drang Affonfo Henriquez in Gali⸗ 
cin ein und nahm Zum nebft andern feſten Plägen weg. 
Zugleich fielen die galiciihen Grafen Gomez Nuñez, des in 
dem Gebiet von Torogno befehligte, und Roderigo Perez Bil 
Iofo, der den feften Orten in Limia vorfland, von dem Kaifer 
ab, tıbergaben dem Infanter von Portugal die ihnen anver- 
trauten Drte und huldigten ihm. Der Befehlöhaber von Als 
lariz, Fernando Joannis, dagegen, ein ausgezeichneter Krie: 
ger, blieb dem Kaifer treu und rüftete fich mit feinen Bruͤ⸗ 
dern und feinen Freunden zum Widerſtande. Unterdeffen war 
der Infant, nachdem er die eingenommenen Schlöffer hatte be: 
feftigen laſſen, in fein Reich geeilt, wohin ihn wahrfcheinlich 
die Einfälle der Mauren gerufen hatten. Als er mit feinem 
‚Heerhaufen nach Limia zuruͤckkehrte, fand er die Grafen Fer⸗ 
nando Perez und Roderigo Vele und alle Befehlöhaber Ga: 
liciens mit einander vereinigt und mit ihren fämmtlichen Streis 
terfcharen im Anzug Die Heere ftoßen bei Gernefa auf eins 
ander und e3 entfpinnt fich ein 'Iebhafter Kampf. Der Graf 
Roderigo Vele wird mit Mehreren gefangen, burch feine zwei 
Waffenträger aber wieder befreit. Endlich erklaͤrt ſich der Sieg 
für die Portugiefenz die Galieier werben in bie Flucht gefchla: 
gen. Die Früchte dieſes Sieges zu ernten war bem Infan⸗ 
ten nicht vergönnt. Ein Hülfefchrei der Seinigen rief ihn an 
die ſuͤdliche Grenze feines Reichs, wo die Saracenen eingefal- 


len waren, Die Feſte Erena, die Vormauer von Santarem, 


1) Histor. Compost. lib. II. cap. 51. p. 589. 


40 Eriter Zeitraum. J. Bud. 3. Abſchn. 


Liffabon und Eintra, erflürmt und uͤber zweihundertfunfzig 
Mann und mehrere Große niedergehauen hatten. Affonfo 
Henriquez Fam zu fpdt, um die Feinde, die fich zuruͤckgezogen 
hatten, zu züchtigen, und wendete fich fogleich wieder nad) 
Galicien, wo der Statthalter von Limia, Fernando Joannis, 
raftlos den Krieg fortfeßtee Der Infant, den fein kuͤhner 
‚ Muth immer dahin z0g, wo der Kampf am heiffeften, Die 
Gefahr am drohendflen war, wurde in einem folchen Gefecht 
von einem Öalicier verwundet, und erft nach einiger Zeit Durch 
ärztliche Hülfe wiederhergeftellt. 

Unterdeffen hatte der Kaifer durch die Eroberung mehres 
rer feſten Pläbe in Navarra, durch furchtbare Verheerungen 
des platten Landes und durch die Unterwerfung des mächtige 
fien Vafallen die Macht des Königs von Navarra fo fehr ges 
brochen, daß Alfonfos perfönliche Anwefenheit nicht mehr noͤ⸗ 
thig fchien. Nachdem er die Bewachung der Grenze Caftiliens 
von biefer Seite einigen caftilifchen Grafen übertragen hatte, 
z0g er ein. ſtarkes Heer aus Leon an ſich, fiel pluͤndernd und 
verheerend in Portugal ein und eroberte einige Burgen. Af⸗ 
fonfp Henriquez erkannte die Überlegenheit der feindlichen 
Macht und dachte Darauf, feine Eleine Streiterzahl durch 
Klugheit zu ergaͤnzen, indem er jedes Zuſammentreffen mit 
dem geſammten Heere vermied und nur vereinzelte Haufen des 
Feindes mit ſeiner ganzen Kraft angriff. So gelang es ihm 
eine von dem Grafen Radimir angefuͤhrte Heerabtheilung zu 
ſchlagen und den Anfuͤhrer ſelbſt gefangen zu nehmen. Dem 
Kaiſer entging nicht die Abſicht ſeines Gegners, noch das Mis⸗ 
liche ſeiner eignen Lage im Feindesland. Er zog daher ſeine 
Macht zuſammen und nahm eine feſte Stellung auf der An⸗ 
hoͤhe von Portella de Vice, im Angeſicht der Burg Penna de 
Regina. Ihm gegenuͤber, aber an einem hoͤheren und ſchwer 
zu erſteigenden Orte ſchlug der Infant ſein Lager auf. Ein 
Thal ſchied beide Heere und wurde der Kampfplatz und die 
Leichenſtaͤtte fuͤr Viele, die von Muth und Ruhmliebe getrieben 
hinabſtiegen, um im ritterlichen Wettkampf) ihre Tapferkeit 
vor Freund und Feind aufglaͤnzen zu laſſen. 


1) Quod populares dicunt Bufurdium. 


Regierung Affonfo’s L, 11281185, 41 


Doch. zur Beluftigung waren dieſe Kämpfe zu ernft, für 
die endliche Entfcheidung aber ohne Erfolg. Won beiden Sei: 
ten fielen viele Ritter; mehrere vom erften Rang, felbft des 
Kaiferd Bruder, Fernando Furtado, wurden gefangen. Beide 
Heere fühlten das Nachtheilige ihrer Lage. Da ftellten 
portugiefifche Große ihrem Fürften vor, wie ihre Krieger nicht 
im Stande feien der großen Übermacht des Kaiferd lange zu 
widerftehen, und dad Gluͤck, das ihnen heute Lächele, morgen 
fih treulos von ihnen wenden koͤnne; welche Gefahren ihnen 
zugleih von Seite der Saracenen brohten, und wie die Nies 
dermeßelung ihrer Brüder in Erena, die im Frieden mit Ca⸗ 
flilien nie gefchehen wäre, leicht nur der Vorläufer eines groͤ⸗ 
Bern Ungluͤcks, das ihnen die Ungläubigen täglich bereiten koͤnn⸗ 
ten, werden bürfte.. Die Großen trugen auf den Frieden an. 
Der Infant fühlte bie Wahrheit ihrer Vorſtellung und ſchickte 
aus ihrer Mitte Friedensboten an den Kaifer '), der feiner 
Seits nicht weniger Gründe hatte den Frieden zu wiünfchen. 
Er konnte ſich nicht bergen, daß fi) das Gluͤck für feinen 
Gegner erklärt habe, fein Heer feit feinem Einfall in Portugal 
von vielen Unfällen getroffen worden fei und von roch groͤ⸗ 
Bern bedroht werde?). Alfonfo VII. zeigte fi dem Antrage 
geneigt. Doch wurde vorläufig nur ein Vertrag auf einige 
Jahre gefchloffen und von den portugiefifchen und caſtiliani⸗ 
ſchen Großen gewährleiftet, worauf ‚beide Fürften in einem 
Zelte zufammentamen, bei einem gemeinfchaftlichen Mahle der 
Berföhnung fih freuten und mit Kuß und Handſchlag fie 
verfiegelten. 

Die Portugiefen gaben die feften Pläge zuruͤck, : die fie 
in Galicien befegt hielten, die Gaftilter diejenigen, die fie in 
Portugal erobert hatten. Der Graf Radimir erhielt die rei: 
heit wieder und die Kriegögefangnen wurden gegenfeitig aus: 


1) Rad) dem Chron. Lusit. ließ zuerft der Kaifer Sriedensporfchläge 
machen. 

2) Videns Imperator, quod omnia prospera eveniebant Regi de 
Portugal, et bona furtuna regebat eum, et quod Deus adjuvabat eum, 
sibi autem omnia contingebant adversa, et quod si amplius cum eo in 
malum voluisset .contendere, majora interim consequerentur detri- 
menta. Chron. Lus. p. 411. 


42 Erfter Zeittaum. 1. Bud. 3. Abſchn. 


getaufcht. Die Grafen Roderigo und Gomez Nufiez entfernte 
ber Infant ald die Urheber der Zwietracht zwifchen ihm und 
dem Kaifer. Gomez, ber fi) nirgends in Spanien ficher 
glaubte, floh über die Pyrenden und ward Mönch im Klofter 
Clugny; Roderigo aber erhielt Verzeihung vom Kaifer und 
wurde in ben Kreis der Großen feines Hofes aufgenommen ) 

Des wichtigften Streitpunctes, der Oberherrlichkeit Caſti⸗ 
liens über Portugal, gefhieht in den veröffentlichten Friedens⸗ 
bedingungen nicht die leifefte Erwähnung Wohl mochte ex 
aber zur Sprache gekommen fein in jener geheimen Unterres 
dung, bie zwifchen beiden Zürften bei ihrer Zuſammenkunft in 
dem Zelte flattfand und von der uns ber Chronift leider 
nichts berichtet und wohl nichtd berichten Fonnte, als baß fie 
flattgefunden °). Aber wir dürfen arinehmen, daß der Eluge 
Affonfo Henriquez auch hier feinen Vortheil und feine Rechte 
nicht vergaß, und während er den Kaifer in jener Hinficht be= 
ruhigte, fich nicht durch VBerfprechungen die Hände für bie 
Zukunft band. Nicht allein die nächfte Folgezeit, das Verhal⸗ 
ten Gaftiliend bei den ſtets gefteigerten Anfprüchen des portu⸗ 
gieſiſchen Regenten und bei feiner immer freiern Entfaltung eis 
ner unumfchränkten Selbftherrfchaft fcheinen Zeugniß davon zu 
geben, — Affonfo Henriquez ftellt fich felbft Durch einen Ti⸗ 
tel, den er feit jener Zeit fich beilegt, eine Stufe höher als 
bisher. Bid gegen das Ende des Jahrs 1136 nennt er fid 
nämlich in den vielen von ihm auögeftellten Urkunden fo res 
gelmaͤßig Infans, daß man fich geneigt fühlt bei den wenigen, 
in benen er fich vor dieſer Zeit Princeps nennt, eine Unrichs 
tigkeit ded Datums anzunehmen. Bon der Mitte des Jahres 
1137 aber unterzeichnet er fich regelmäßig als Princeps von 
Portugal ?) und macht ed dadurch mehr ald wahrfcheinlich, 


1) Chron. Alphons. Imp. p. 851. Chron. Lusit. p. 411, wo aber 
dieſer Krieg offenbar zwei Jahre zu fpdt angegeben wird. Der Friede 
wurbe jebenfalls vor dem Jahr 1139 gefchloffen, da die Histor, Compost,, 
die mit dem Jahr 1133 fchliefft, denfelben noch erwähnt. 

2) Et locuti sunt soli secretius. Chron. Lus. p. 411. 
By Vergl. Ribeiro, Dissert. T. III. die Urkunden Num. 270 bis 
888 und Num. 839 bis 858, wo Affonfo Henriques den Königstitel an⸗ 
Kimmt. 


Regierung Affonfo’s L, 1128— 1185. 43 


daß durch jenen Friedensſchluß die flaatsrechtlichen Verhaͤltniſſe 
. yoifchen Gaflilien und Portugal mehr günftig als nachtheilig 

für das letztere Reich fich geftaltet hatten. War ed nicht ges 
wiffermaßen ein Sieg Portugald über Spanien, Daß, nachdem 
ber weit fehmächere Infant den allgewaltigen Kaifer von Spa⸗ 
nien in feinem Staate dreift herausgefodert hatte, und, vor 
ſeiner Übermacht zuruͤckweichend, in feinem eignen Sande 
zwar befämpft, aber nicht überwunden worden war, der Kais 
fee am Ende hier Alles beim Alten ließ ober laffen muffte? 
Welches Selbfigefühl, welch Vertrauen auf fen Gluͤck und 
fane Waffen mufite diefer Krieg und dieſer Friede dem jungen 
Fuͤrſten geben! 

Zuverſichtlicher in ſeinem Innern und geſicherter gegen 
Caſtilien konnte nun Affonſo Henriquez ſeine ganze Macht und 
Thaͤtigkeit gegen die Saracenen richten. Zu den Beweggruͤn⸗ 
den, die er hinſichtlich des Kampfes gegen die Unglaͤubigen 
auf der Halbinſel mit andern Fuͤrſten und Rittern theilte, 
und die aus dem Zeitgeiſte, aus der rtlichkeit und Volks⸗ 
thuͤmlichkeit entfprangen, kamen bei ihm noch einige befondere 
hinzu. Siege über die Saracenen, Eroberiffigen, die Portu- 
gald Grenze erweiterten, unterwarfen ihm Lanbftriche, die ein= 
jig und allein ihm unterthan waren und auch von feinen als 
ten Beflgungen die lebte Spur der Abhängigkeit verwifchen 
fonnten. Site hoben in den Augen feiner Unterthanen wie der 
Nachbarftaaten fen Anfehn und feine Würde; denn den Spa: 
niern und Portugiefen, vom König bi8 zum Leibeigenen her⸗ 
ab, war die Bekaͤmpfung der Ungläubigen ein Wert hohen 
Verdienſtes hienieden und im Himmel. Überdies hatten bie 
Saracenen für ihre feindlichen Einfälle im ſuͤdlichen Portugal 
während Affonfos Krieg mit Caſtilien eine Züchtigung verdient. 

Der Weg bis zum Zajo war geöffnet und gededt. Soure 
batte fehon im Sahre 1111 vom Grafen Heinrich ein Orts⸗ 
techt erhalten und war 1128 von der Königin Therefia ben 
Tempelherren, diefer Schusmauer der füblichen Grenzen des 
Reichs, gefchenkt worden, und dieſe Ritter hatten bereits Ega, 
Redinha und Pombal erbaut. Leiria und fein Gebiet hatte 
Affonfo Henriquez im Jahre 1135, und Durem im Jahre 
1136 ſich unterworfen, und im folgenden Jahre dem Flecken 


44 Erfier Zeitraum. L Bud. 3. Abſchn. 


Penella einen. Foral gegeben. Die Schlöffer Almourol, Zezere 
und Gera waren von Gualdim Paes aus ihren Zrimmmern 
wieder aufgerichtet, und ber Ießtere war in das Schloß Tho⸗ 
mar verwandelt worden 9. 

So im Rüden durch chriftliche Burgen und Schlöffer bis 
zum Tajo gebedt, brach Affonfo Henriquez mit einem Heere 
in das maurifche Gebiet jenfeit des Tajo verheerend ein und 
fland bald tief in Alemtejo. Auf die Nachricht davon zog der 
Dali Ismar alle Zruppen die er aus Afrifa mitgebracht hatte 
und alle Streiterhaufen aus den Gebieten von Sevilla, Bas 
dajoz, Elvas, Evora, Beja, aus allen feften Plaͤtzen bis 
Santarem zufammen, ein zahllofe8 und ungezähltes Heer, uns 
tee dem fich felbft Frauen in Maͤnnerkleidung befanden, wie 
man fpäter wahrnahm, ald man beren unter ben Getöbteten 
auf dem Schlachtfelde fand. Vol Vertrauen auf ihre Menge 
und fröhlichen Muthes rüdten die Saracenen heran. Affonfo 
hatte mit feinem Eleinen Heere, nach feiner Gewohnheit, auf 
einer vorragenden Anhöhe in ber Gegend von Durique fich 
fefigefegt und fein Lager aufgefchlagen. Bald umzingelten ihn 
die feindlichen Hkerhaufen von allen Seiten, vom frühen Mors 
gen bis gegen Abend. Als die Saracenen dad Lager der Chris 
fien anzugreifen und zu erflinmen im Begriffe ftanden, flürzte- 
fi) eine auserlefene Schaar hriftlicher Ritter auf die Andrins 
genden und trennte oder tödtete fie. Bei dem Anblicke ber 
Derwüftung, die die chriftlichen Ritter um fich verbreiteten, 
und ihres fichtbaren Vorfages, um jeden Preis den Sieg zu 
erringen und eher den Tod als die Flucht zu fuchen, entfloh 
Ismar mit den Seinigen. Ihm folgte bald das Heer, das 
theild im Fliehen getödtet, theils zerflreut wurde. Ismar rets 
tete fich, aber ein Neffe des Almoravidenherrfcherd, Namens 
Homar Atogar, ward gefangen ?). 


1) Elucidario, T. II. p. 77 verb. Ladera. 


2) Ie mehr der Patriotifmus der ſpaͤtern Gefchichtfchreiber den Sieg 
bei Durique auögemalt und ausgefhmüdt hat, um fo enger hat man 
ſich Hier an die Quellen anzufchtieffen. Die ausführlichfte Nachricht, bie 
aber freilich zur Veranſchaulichung und Erklärung diefer wichtigen Schlacht 
ganz ungenügend ift, gibt bad Chron. Lusit. p. 423, das bis gum Jahr 


Regierung Affonfo’s J. 1128 — 1185, 45 


Diefer berlihmte Sieg der Portuegifen über die Sarace⸗ 11%9 « 
nen bat feinen Namen von Durique, dem bebeutendften Orte 25. Juli 
dee Gegend, in der er erfochten wurde. Genauer genommen 
war das Schlachtfeld unterhalb des Fleckens Caſtro Verde, in 
einem Thale zwifchen ben Fluͤſſchen Crobes und Xerges, die 

in geringer Entfernung davon fi) mit einander vereinigen 
und Darauf in die Guadiana fich ergieffen '). 

Ze glänzender und folgenreicher diefe Trophäen waren, 
und je binftigere und unbefriebigendere Nachrichten von ihnen 
fih erhalten hatten, deſto gefchäftiger hat die Einbildungskraft 
ſpaͤterer Schriftfteller die Luͤcken in der Befchreibung ausge: 
füllt und auf die fchwachen und unfichern Umriffe die lebhaf: 
teften Farben aufgetragen. Nach den dlteften Nachrichten war 
dad Saracenenheer fehr zahlreich, Affonfos Kriegerfchaar dage⸗ 
gegen fehr klein, wie fich Died erwarten lAfft von dem Umfang 


1184, dem vorlegten Regierungsjahr bes Königs Affonfo I., deſſen Tha⸗ 
ten es vorzugsweife berichtet, reicht. Sein Verfaſſer ift zwar Fein Zeit: 
genoffe, aber ben Begebenheiten, die er aufzeichnet, doch fehr nah, wie 
wir aus einer Äuflerung beffelben bei der Erwähnung der Eroberung von 
Coimbra durch Almanfor („sicut a multis senibus audivimus“') fehlieffen 
möffen, wenn wir es nicht ſchon aus ber genauen Angabe des Jahres, 
Monats, Tages, felbft bisweilen der Stunde entnehmen wollen. Sehr 
kurz iſt die Nachricht von der Schlacht im Chron. Coimbr. ober Livro 
de Noa (Esp. sagr. Tom. 23 p. 330), aber in der Angabe des Tages 
unb Jahres übereinflimmend. Dazu kommt noch bie kurze Mittheilung 
bdes Chronicon Lamecense, das erft in der neueften Zeit an das Licht 
gezogen worben if. Es findet fi) auf dem erften Blatt eines alten Mar: 
tyrologiums bes bifchöflichen Stuhls von Lamego, und foll aus einem 
Altern t. 3. 1260 von Martin Gongalvez, einem Öffentlichen Zabelliäo, 
zufammengetragen und von einem Domherrn, Meftre Aires, auf Koften 
bes Affonfo Paez, ber Decan biefes Bisthums war, verbeffert worden fein. 
Ribeiro hat es zuerft druden laffen in f. Dissertacoes Tom. IV. App. 
de Documentos p. 173. Da biefes Werk in Zeutfchland noch faft un: 
befannt zu fein Tcheint, fo theile ich bie betreffende Stelle hier mit: In 
: loco qui dicitur Oric fuit prelium inter Paganos et Christianos, pre- 
side Rege Ildefonso Portugalense ex una parte, et Rege Paganorum 
Examare ex altera, qui ibidem mortem fugiendo .. . sitio evasit, 
in die S. Jacobi Apostoli mense Julii Er, 1177. 


1) Mon. Lus. liv. X. cap. 1. Memorias da Academ. Real Tom. 
IX, p. 808. 


— — en 


6 Erſter Zeitraum. J Buch. 3. Abſchn. 


und der ſtarken Bevoͤlkerung des arabiſchen Spaniens, die 
durch uͤberſeeiſche Streiterhaufen eben noch verſtaͤrkt war, und 
von dem beſchraͤnkten, damals ſchwach bevoͤlkerten und durch 
wiederholte Kaͤmpfe mit Caſtilien noch mehr erſchoͤpften Por⸗ 
tugal. Mit dieſer allgemeinen Angabe nicht zufrieden, hat der 
Patriotiſmus der ſpaͤtern Portugieſen eine Zaͤhlung beider 
Heere vorgenommen und in dem portugiefifchen 13,000 Mann, 
im arabifchen 300,000, nad) Andern gar 406,000 Mann ge: 
funden. Nach einer alten Überlieferung follen einhundert Sa⸗ 
racenen auf einen Portugiefen gefommen fein und der portus 
giefifhe Fuͤrſt ſoll über fünf maurifche Könige (Statthalter) 
den Sieg davon getragen haben. Man hat endlich den aner⸗ 
Tannten Helden der Schlacht noch höher zu flellen vermeint, 
indem man ihn in unmittelbare Beruͤhrung mit Chriflus ge 


bracht hat. Diefer fol, da Affonfo vor der Schlacht über bie 


Muthlofigkeit feines Heeres niedergefchlagen und unfchlüffig 
war, am Kreuze hangend dem Fürften erfchienen fein und ihm _ 
den Sieg und den befondern Schuß feines Reichs verfprochen 
haben. Der Betrug hat diefe Sage benußt, um für den leicht 
gläubigen Nationalftol; und dem Wunbderglauben gegen das 
Ende des fechözehnten Jahrhunderts eine Urkunde zu ſchmie⸗ 
den, in welcher Affonfo Henriquez felbft die Wahrheit diefer 
Erfcheinung mit allen Nebenumftänden feierlichft befchwört. 
Wiewohl nun diefe Urkunde erwiefen unaͤcht ift ), fo bleibt 
es doch bemerkenswerth, daß eine Überlieferung, die bis zu 
den älteften Zeiten der Monarchie fich verfolgen laͤſſt, auf je 
ned Wunder hindeutet und Umftände anführt, die von den in 
jener Urkunde wmitgetheilten im Weſentlichen nicht verfchie 
den find ?). .. 


1) Memoria sobre os Codices Manuscritos, e Cartorio do Real’ 
Mosteiro de Alcobaga por Joaquim de S. Agostinho in den Memorias 
de Litter. Portug. Tom. V. p. 837. — Elucidario, Tom. IL p. 329. 
verb. Cruz. Damit flimmt ein ber Eritifhe Ribeiro in feinen Ob- 
servacoes de Diplomatica Portug. p. 142 unb in feinen Dissertagoes, 
Tom. UI. p. 64. Sein aufgeflärter Portugiefe glaubt jegt noch an bie 
Üchtheit dieſer Urkunde. 

2) Antonio Pereira de Figueiredo, Novos Testemunhos da 
milagrosa Apparicäo de Christe a El Rei D. Affonso Henrigues. 





Regierung Affonſo's L, 1181185. 47 


Aus dem Zwielichte aller dieſer Wunder, Sagen und 
Überlieferungen, deren Schauplak das Schlachtfeld von Durie 
que ift, tritt und eine Thatſache hell und unbeftritten entges 
gegen, bie fchönfte Trophäe Affonfos: der Königstitel, den er 
feitvem annahm. Mag er ihn kurz vor der Schlacht angenoms 
nien haben, was am wenigften wahrfcheinlich ift, oder, wie 
eine weitverbreitete Sage will, womit auch die Urkunde der 
Cortes von Lamego übereinftimmt, auf dem Schlachtfelde felbft 
oder bald nach dem Siege, — gewiß ift, daß Affonfo feit 
dem glücklichen Erfolge, ber fein Fühnes Unternehmen gegen 
die Chriftenfeinde gekrönt hatte, in ben Urkunden nun beftän= 
dig den Königätitel fich beilegte ). 


2) Affonfo beruft die Corted und verpflichtet ſich und 
feine Nachfolger zur Zahlung eines jährlichen Zinfes 
an den päpftlichen Stuhl. 


Dad Selbſtgefuͤhl des Zürften und das Nationalgefühl 
feines Volkes, die beide durch den Sieg von Dutique einen 
fo mächtigen Aufſchwung nahmen, erklären hinreichend Affon⸗ 
fo8 Annahme bed Königätiteld. Indeffen war der neue König 
zu befonnen und umfichtig, als daß er bei jenem SHochgefühl 
nicht zugleich klar eingefehen hätte, wie dies nur ber erſte 
- Schritt war und zu feiner Sicherheit noch weitere Schritte nds 
thig und unerlafflih wurden. Caſtiliens Widerſpruch ſah er 


Lisboa 1786. Ciudados Litterarios 1791. pag. 336 vom Biſchof von. 
Bein. 


1) ©. flott Allee Ribeiro, Dissertt. Tom. III. p. 117 esse In 
Urkunden von Vafallen wird Affonfo Henriques Thon vor biefem Zeitpunct 
bisweilen König genannt. So heifft es in einer Schenkung an das Klo« 
fer Pedroſo v. 3. 1131, alfo acht Jahre vor ber Schlacht von Durique: 
Si contigerit me (Suario Telliz) mori in hac via, in qua Domnus 
meus Alfonsus Rex jubet ire, scilicet ad Campus: eatis pro me etc. 
Dies gibt au) Ribeiro zu, aber er verwirft dagegen die wenigen Ur⸗ 
kunden ober ihr Datum, in denen vor ber Schlacht von Durique Affonfo 
ſich König nennt, und fcheint hierin zu weit zu gehen. Schon Brans 
däo bemerkt: El Rey D. Afonso Henriques antes da batalha de Ou- 
rique se nomeava ja Rey posto que raramente; depois della se inti- 
tala Rey em todas as Escrituras. Mon. Lus. liv. X. cap. 1. 


48: Erfter Zeitraum. L Bud 3. Abſchn. 


mit Gewiffheit vorher, und er muflte zum voraus eine Macht 
zu gewinnen fuchen, die ihn gegen den gewaltigen Kaifer zu 
fohüßen geneigt und vermögend wäre. Er wendete fich Daher, 
wie es fcheint, bald nach jenem Siege, an jene einzige Macht 
auf Erden, die damals über den Kaifern fland, und auf der 
Volksmeinung thronend, mit dem Worte mächtiger waltete als 
die weltlihe mit dem Schwerdte. Der Kaifer Alfonfo that 
wahrfcheinlich insgeheim Gegenfchritte, oder wenn er fie auch 
unterließ, fo verlangten feine Macht und fein Anfehn eine vor⸗ 
fihtige und forgfältige Beruͤckſichtigung von Seite des roͤmi⸗ 
fhen Hofes. Died und der fchnelle Wechfel der Päpfte gegen 
die Mitte des zwölften Jahrhunderts, der die perfänliche Stel⸗ 
Yung derfelben gegen die betheiligten Zürften oft und weſent⸗ 
lich änderte, mochte die Unterhandlungen in die Länge ziehen. 

Überdies feffelten Affonfos Aufmerkfamkeit die Feindſeligkeiten, 
welche die Mauren ba!d wieder erneuerten und von denen bie 
Zerftörung von Leiria (1140), das der König jedoch im fol: 
genden Jahre wieder aufbauen ließ '), ihm am fchmerzlichften 
war, während auch ber Kaifer durch diefe Seinde vielfältig bes 
fchäftigt wurde. Endlich, nachdem die Mauren in ihre Gren⸗ 
zen zuruͤckgewieſen worden, erfreute fi Affonfo einiger Muße 
und eilte fie den innern Angelegenheiten feined Reiches zu 
widmen ?). Noch waren, wie ed fcheint, die. Unterhandluns 
gen mit dem Papfte nicht zum Abfcehluffe gediehen; doch lag 
ein Schreiben von ihm vor, das einen günfligen Ausgang 
hoffen ließ °). 

Da fchritt der König zu einer Maßregel, die von einer 
andern Seite ihn zum Ziel führen follte und wirklich führte, 
Er verficherte fich weiflich einer andern Macht, welche dauernd 
und innigft ſich zu verpflichten in feiner Hand wie in feinem 
Willen lag, und die durch Treue und Anhänglichkeit immer. 
mehr erftarkte und unüberwindlich werben konnte. Er gab zu: 
gleich diefer Macht eine feftere Unterlage und die erften Grund⸗ 


1) Chron. Lus. p. 411 und Mon. Lus. liv. X. cap. 9. 


2)... . habemus aliquantam respirationem, ne forte nos tempus 
non habeamus portea etc. 


8) Bonae Hitterae. 


Regierung Affonfo’s L, 118 —1185. 49 


zuge einer geregelten Verfaffung. Indem der König die Cors 
te8 berief, verfammelte er den Kern der Nation um ſich und 
ließ in feierlicher Stunde die Königswürde, die ihm bereits von 
feinen Kampfgenoffen übertragen worden, von den angefehns 
fin Stimmführern ſich beftätigen, und ihre Anhänglichkeit an 
ihn laut und entfchieden fich ausfprechen. Er legte durch die 
Beftftelung der Erbfolge dem Throne eine unerfchütterliche 
Grundfeſte unter und entrüdte dadurch fich und fein Gefchlecht 
hundert Wechfelfällen,, hob und zügelte zugleich den Adel durch 
feſte Gefeße, die er diefem Stande in Betreff feiner Würde 
und deren Verluft gab, und ließ endlich die Ausermählten der 
Nation den dringendften Bebürfniffen der bürgerlichen Ord⸗ 
nung durd) die erflen Grundlinien einer zeitgemäßen allgemei⸗ 
nen Geſetzgebung abhelfen. 


Die Cortes von Lamego. 


Gegenſtaͤnde ihrer Berathung und ihrer Beſchluͤſſe: die Thronfolge, 
die Bedingungen des Verluſtes und der Erwerbung des Adels, 
peinliche Vergehen und Strafen. 


Die erſte Ständeverfammlung wurde in Lamego im Jahre 
1143 gehalten. Sie beftand aus der hohen Geiftlichfeit, nams 
ih aus dem Erzbifchof von Braga und aus ben Bifchöfen 
von Bifeu, Porto, Coimbra und Lamego, dann aus den Ed⸗ 
Ien des Hofes '), und aus den Abgeorbneten der Städte Coim⸗ 
bra, Guimaraes, Lamego, Viſeu, Porto und anderer. Auffer 
diefen Yvaren eine Menge Mönche und Kleriker zugegen. 

Als der König in der Kirche ©. Maria Almacave in Las 

mego den Eöniglichen Thron eingenommen, erhob fich der Pros 
curator des Königs, Laurentius Venegas, von feinem Sitze. 
Der König Affonfo, ſprach er, den ihr auf dem Felde von 
Durique zum Könige erhoben habt, hat euch hier verfammeln 
laffen, damit ihr nach genommener Einficht der päpfllichen 


1) Da in ber befannten Urkunde der Eortes von Lamego bie Unter 
fhriften fehlen, fo kann man die viros nostrae Curiae infra positos 
nicht genauer bezeichnen. Weiter unten in ber Urkunde werben fie viri 
nobiles genannt. 

Schäfer Geſchichte Portugals 1. 4 


50 Erſter Zeitraum. J. Buch. 3. Abſchn. 


Schreiben erklaͤret, ob ihr ihn zum Könige haben wollt? Alle 
bejahen ed. Wie fol e8 gehalten werben, fragte er weiter, 
ſoll Affonfo allein König fein oder follen es auch feine Söhne 
werden? Er, fo lange er lebt, und feine Söhne nach feinem 
Ableben, antworteten Alle einflimmig. Sie geben fofort dem 
Könige das verlangte Zeichen. Darauf fland der Erzbifchof 
von Braga auf, nahm aus den Händen des Abtes yon Lor- 
vão die große goldene Krone, die angeblich von ben weftgothi- 
ſchen Königen, die fie dieſem Kloſter gegeben hatten, her⸗ 
rührte, und feste fie dem Könige auf das Haupt. Diefer aber, 
das entblößte Schwert, das er in den Schlachten geführt hatte, 
in der Hand, fprach die Worte: „Gebenedeiet fei der Gott, 
der mir Beiftand gefchenft hat! Mit diefem Schwerte habe ich 
euch befreit und unfere Feinde befiegt; ihr aber habt mich zum 
König und zu eurem Gefährten gemacht. Laſſt und nun Ge 
feße fertigen, nach welchen unfer Land in Friede regiert werde.” 
Die Verfammelten flimmten bei und gelobten für ſich und alle 
ihre Nachkommen Gehorfam dem Könige. Darauf gingen bie 
Bifchöfe, der Adel und die. Städteprocuratoren, vom Könige 
dazu aufgefodert, an das Wer. 

Die Geſetze, die nun berathen und abgefafft wurben, be: 
trafen die Thronfolge, den Adel und die Rechtspflege. 

Man befchlog mit der Thronfolge zu beginnen und 
beflimmte darüber Folgendes. Die Erbfolge geht vom Was 
ter auf den Sohn. Stirbt der ältefle Sohn bei Lebzeiten: 
des Vaters, fo folgt der nächflältefte und fo fort. Stirbt 
der König ohne Söhne, fo gebührt dem Bruder deffelben 
die Nachfolge. Der, Sohn dieſes aber Tann nur dann Koͤ⸗ 
nig werben, wenn ihn die Stände bed Reiches, der Klerus, 
die Procuratoren der Städte und ber Adel wählen. — Die 
Frage des Föniglichen Procurators: ob die Erbfolge auch auf 
die Züchter des Königs uͤbergehen folle? veranlaffte einen ſtun⸗ 
denlangen Streit, bis man fich dahin vereinigte: Hat der Koͤ⸗ 
nig Peine männlichen Nachlommen, wohl aber eine Zochter, 
fo fol fie Königin fein. Sie darf aber nur einen edlen und 
gebornen Portugiefen zum Gemahl nehmen, und bdiefer Tann 
erft dann König genannt werben, wenn ein männlicher Sproffe 
aus der Ehe vorhanden ifl. Im öffentlicher Verſammlung ſitzt 


Regierung Affonfo’s L, 18 — 1185. 51 


er ber Königin zur Linken, ohne die Reichöfrone auf dem 
Haupte zu haben. Niemals aber fol das Reich an Auslaͤn⸗ 
der kommen, und wenn die Tochter des Koͤnigs mit einem 
auslaͤndiſchen Fuͤrſten ſich vermaͤhlt, ſo ſoll fie nicht 8 
nigin fein ’). 
In Anſehung des Adels wurde Folgendes angeorbnet. 
Zum höchften Adel (Nobilissimi) gehören Alle, die aud dem 
Eöniglichen Gebluͤt entfproffen; zu ben Abdeligen bie weber 
von Mauren noch von Juden abflammenden Portugiefen, bie 
ben König, feinen Sohn oder Schwiegerfohn, ober die Reichs⸗ 
fahne im Kriege gerettet haben; die Söhne deſſen, ber in der 
-Sefangenfchaft der Ungläubigen für den chriftlihen Glauben 
das Märtyrertbum erlitten hatz derjenige, der im Kriege den 
“feindlichen König oder: deſſen Sohn getödtet und die Fahne 
berfelben erobert hatz "Ale am königlichen Hofe, die von Als 
terd ber adelig find, und endlich follen Ale, die in der ‚großen 
Schlacht bei Durique mitgefochten haben, zum Adel gehören 
und wie ihre fämmtlichen Nachkommen Vafallen des Königs 
beiffen. Adelige aber, die in der Schlacht die Flucht ergreifen, 
mit dem Schwert oder der Lanze ein Weib fchlagen, den Koͤ⸗ 
nig ober deſſen Sohn oder die Reichöfahne in der Schlacht 
nicht nach Möglichkeit retten, einen falfchen Eid ſchwoͤren, 
dem König die Wahrheit verfchweigen, von der Königin und 
ihren Töchtern Übel reden, zu den Mauren uͤberlaufen, Dieb: 
ftahl begehen, den Namen Jeſu Chriſti entweihen, dem König 
nach dem Leben trachten, — folche Adelige verlieren den Abel 
"für fi) und ihre Nachkommen auf immer. | 

Endlich wurden in Bezug auf Rechtspflege, beſon⸗ 
ders auf Vergehen und Strafen, folgende Verfügungen getroffen. 

Ale Vortugiefen gehorchen dem König und den Alvazilen 
der Ortfchaften, die im Namen ded Königs richten. Gerichtet 
aber wird nach dieſen Geſetzen: 

Wer zum erſten oder zweiten Mal einen Diebſtahl be⸗ 
geht, wird halb entkleidet an einem oͤffentlichen Ort den Vor: 


1) Quia nunquam volumus nostrum Regnum ire fora de Portu- 
galensibus, qui nos sua fortitudine Reges fecerunt, sine adjutorio 
alieno per suam fortitudinem, et cum sanguine nostro. 


4* 


52 Erſter Beitraum. 1. Bud. 3. Abſchn. 


uͤbergehenden bloßgeſtellt. Stiehlt er weiter, ſo wird er mit⸗ 
tels eines heiſſen Eiſens durch ein Zeichen am Kopfe gebrand⸗ 
markt. Wiederholt er ſofort den Diebftahl, fo wird er mit 
dem Tode beftraft. Die Todesſtrafe darf aber nicht ohne des 
Königs Befehl vollzogen werden. 

Die Stau, welche Ehebruch treibt, fol, wenn ihr Gatte 
"bei dem Alvazil Klage erhoben hat und genügende Zeugen bie 
That beftätigen, mit ihrem Buhlen verbrannt werden, nad 
dem dem König Anzeige von Allem gemacht worden ift.- ‚Wenn 
aber der Mann nicht zugibt, daß die Ehefrau verbrannt 
werde, fo muß auch der Buhle freigelaffen werden. Denn 
das Geſetz will nicht, daß jene lebe und dieſer fterbe. 

Ber einen Menfchen tödtet, wird, wer er auch fei, mit 
dem Tode beſtraft. Wer einer Jungfrau von Adel Gewalt 
anthut,. muß fterben; fein fämmtliches Vermögen fällt der 
Jungfrau zu. Iſt fie nicht von Adel, fo muß er fie heira⸗ 
then, er mag abelig fein oder nicht. 

Wenn Jemand mit Gewalt fremdes Gut an fi reifft, 
fo bat der DBeeinträchtigte bei dem Alvazil zu klagen, und 
diefer für beffen Zuruͤckſtellung zu forgen. 

- Wer einen Andern verwundet, hat den- Schaden nach ber 
Schaͤtzung des Alvazild zu erfegen und zehn Maravedis zu 
bezahlen. 

Wer einen Aloazil, einen Alcaiden, einen vom König 
Abgeorbneten oder auch einen Sayom (Gerichtödiener) belei⸗ 
digt, fol, wenn er auch gefchlagen hat, mit einem heiffen 
Eifen gebrandmarkt werden, im andern Fall funfzig Marave- 
dis zahlen und den Schaden vergüten. 

» Nachdem der Eönigliche Kanzler Albert diefe Geſetze, welche 
die Rechtöpflege betreffen, vorgelefen hatte, billigte - fie die 
Berfammlung und gelobte ihre Annahme, wie fie eö bei den 
Gefegen über die Zhronfolge und bei denen, die, Dan Adel an⸗ 
gingen, beobachtet hatte. 

Als darauf der Procurator des Königs wieber das Wort 
nahm und fragte: ob die Staͤnde verlangten, daß der Koͤnig an 
den koͤniglichen Hof von Leon gehen, dieſem oder irgend Jemandem 
auſſer dem Papſt der ihn zum König gewählt habe V, ‚einen 

1) War dies ber. Inhalt der bonae litterae ? 


a 


Regierung Affonfo’s L, 1128 — 1185. 53 


Tribut entrichten ſolle? da ſtanden Alle auf, hoben ihre ent⸗ 
bloͤßten Schwerter in die Hoͤhe und riefen: „Wir ſind frei 
und unſer König” ift frei! Unſere Hände haben uns befreit, 
und der. König, der jenes zuläfit, flerbe! Und wenn er auch 
König fein wird, regiere er nicht mehr uͤber uns!" — Und 
der König mit ber Krone auf dem Haupte und dem Schwerte 
in der- Hand erhob ſich ebenfalls. „Ihr wifft, fprach er, wie 
viel Schlachten ich für eure Freiheit geliefert habe; ihr feid 
Zeugen, Zeuge ift mein Arm und diefes Schwert. Wer jenes 
sugibt, ber fterbe! und wäre er. mein Sohn oder Enkel, fo 
regiere er nicht!” Alle riefen: „Wohlan! ſie ſterben, und der 
Koͤnig der fremde Herrſchaft zulaͤſſt regiere nicht!“ Nochmals 
ſprach der König: „So geſchehe es!“ ). 


Affonſo I. verpflichtet ſich und ſeine Nachfolger zur Zahlung eines 
jaͤhrlichen Zinſes an den paͤpſtlichen Stuhl. 


Die Cortes von Lamego muſſten nothwendig Affonſos 
Macht und Anſehn innerhalb ſeines Reichs befeſtigen und er⸗ 
hoͤhen und ſelbſt auf ſeine Verhaͤltniſſe zum Ausland einen 
guͤnſtigen Einfluß aͤuſſern. Gleichwohl blieb dem Könige der. 
Schuß des heiligen Stuhls hoͤchſt wünfchenswerth, und er 


1) Sousa, Hist. gen. Provas Tom. I. p. 9. J. Anast. de Fi- 
gueiredo, Synopsis chronolog. de Subsidios ainda os mais raros 
para a Historia e Legislacäo Portuguesa. Tom. I. p. 2. Die Portus, 
giefen haben allerdings, wie felbft der Verfaſſer der Synopsis bemerkt, 
feine unumſtoͤßlichen Beweiſe für die Echtheit der Urkunde, weldje bie 
Vethandlungen der Cortes von Lamego enthält. Aber fie beburften ihrer 
auch nicht. _Die beftändige und allgemeine übereinſtimmung der Nation, 
die dieſe Gefese zu allen Zeiten und unter den verfchiedenften Umftänden 
als die Grundgeſetze bes portugiefifchen Staats anfah, genügte ihnen. 
An der That enthalten fie Feine innern Gründe, die an ihrer Echtheit 
Zweifel erregen Könnten. Auch find die Gefege über den Adel und die 
bürgerlichen Vergehen und Strafen nie angetaftet worden. Die Angriffe 
auf die Echtheit der Gefege Über die Thronfolge, die von ſpaniſchen Schrifte 
ſtellern im SIntereffe ihres Hofes gemacht worden find, Eonnten den Glau⸗ 
ben ber Portugiefen an die Authenticität derfelben um fo weniger erſchuͤt⸗ 
teen, da die Teſtamente der Alteften Könige von Portugal, von Sancho I: 
an, biefelben Beflimmungen und Grundfäge über die Erbfolge ausſprachen 
und jene gewiffermaßen überflüffig machten. 


MO Erfter Zeitraum. 1. Bud, 3, Abſchn. 


durfte felbft ein großes Opfer, das er ihm brachte, nicht fcheuen. 
Erſt unter.dem Pontificat von Lucius II. im Jahre 1144 ers 
reichte Affonfo feinen Zweck, wenigftens ift erſt unter dieſem 
Papſt die Feftftelung der Verhältniffe des Königs zum römis 
ſchen Stuhl gewiß und auffer allem Zweifel, da die Urkun- 
den, auf welche man eine frühere Feftflelung hat gründen 
wollen, wenn nicht erwiefen unecht, doch fehr verdächtig find ). 
As Ergebniß der zuverläffigen und unbeftrittenen Docus 
mente), auf denen die Zinöpflichtigkeit der portugiefifchen Koͤ⸗ 
nige- gegen den römifchen Stuhl beruht, fleht Folgendes feſt. 
Nach den Negeften des Papſtes Lucius II. verpflichtete 
fich der König für fi) und feine Nachfolger, einen jährlichen 
Zins von vier Unzen Gold an ben apoflolifhen Stuhl zu ent⸗ 
richten.” Späterhin wendete ſich Affonfo von neuem an ben 
Papft Alerander IH., um die Anerkennung und Beftätigung 
"des koͤniglichen Titels von ihm zu erlangen. In Anerkennung 


1) Diefe Urkunden fi find: das Schreiben Affonfo’s an den Papft Ins 
nioceng H., abgebrucdt in Monarch. Lus. liv.X. cap.10 und in Balusz. 
Miscell. Tom. II. p. 220; dann die Antwort von Innocenz II., ober, 
nad Anbern, von Lucius IL Hinſichtlich der Gründe gegen die Echtheit 
beider Schreiben muß ich der Kürze wegen auf Ribeiro in f. Dissert. 
Tom. I. p. 65 ss. verweifen. 

2) Es find folgendes 1. Die Bulle Aleranders III. Manifestis pro- 
- batum etc. vom Jahr 1179, 23. Mai, abgedrudt in ven Provas da 
Hist. gen. Tom. J. p. 7. Sie ift die ältefte zuverläffige Urkunde, worin 
des Senfus Erwähnung geſchieht. Die Stelle: Ad indicium quod prae- 
scriptum Regnum Beati Petri juris existat, pro amplioris reverentiae 
argumento, statuisti duas marcas auri annis singulis nobis nostrisque 
successoribus persolvendas, quemcunque censum ad utilitatem nostram 
successorumque nostrorum Bracarensi Archiepiscopo, qui pro tempore 
‚ fuerit, tu et successores tui ourabitis assignare — biefe Stelle diente 
den folgenden Päpften zur Richtſchnur und gewöhnlichen Formel. 2. Das 
Schreiben von Innocenz ITI. an den König Sancho I., das mit den Wor⸗ 
ten Berenitatem Regiam beginnt, vom adıten Mai 1198 (bei Baluz. 
Lib. I. Epist. 99), 8. Ein anderes Schreiben von bemfelben Papft an 
ben König in bem nämlichen Sahr (Baluz. Lib. I. Ep. 441). 4. Ein 
päpftl. Schreiben an venfelben (Baluz. Lib, I. Ep. 448). 5. Ein Schrei⸗ 
ben bes Papfted an feinen Nuntius Reiner (ib. Ep. 449). 6. Ein fol: 
des von bem nämlichen Papft an den König Affonfo II. vom 16. Mai 
1212 (ib. Lib. II. Epist. 24). 


\ 


Regierung Affonfo’s.L, 1128 — 1185. 55 


der großen Verdienſte, die fich Affonfo durch die Bekaͤmpfung 
der Zeinde des Chriftenthums und die Verbreitung des chrift: 
lichen Glaubens um bie Kirche erworben babe, nimmt ihn ber 
heilige Vater unter feinen Schuß, feine Fönigliche Würde, fein 
Reich und alle Orte, die er den Ungläubigen noch entreiffen 
werde und auf welche kein benachbarter Kürft ein näheres Recht 
befige. Er fpricht dad Verdammungsurtheil zum voraus über 
Jeden aus, der ed wagen. würbe dad Reich zu beunruhigen, 
feine Befigurigen zu fcehmälern oder die eroberten ihm vorzu⸗ 
enthalten. Der König macht fi) dagegen anbeifchig, einen 
weitern 3ind von zwei Marken Gold alljährlich zu bezahlen, 
den der jebesmalige Erzbifchof von Braga für den Papſt in 
Empfang zu nehmen habe, und befchenft aufferdem den zeitis 
gen Papſt mit der Summe von eintaufend Aureos. Aber wes 
ber jene vier Unzen noch die zwei Marken Gold entrichtete 
der König, fo lange er Iebte, wirklich. Sein Sohn und 
Nachfolger Sancho I. wurde daher von dem päpftlichen Lega⸗ 
ten Michael, auf Befehl des Papftes Coͤleſtin LIL angegangen, 
den bis dahin fällig gewordenen Genfus nachzuzahlen. Allein 
Sancho I. erklärte die Koderung flr unftatthaft, da fein Das 
ter eintaufend Aureos ') für zehn Jahre entrichtet habe, Diefe 
aber feit dem Jahre 1179, in welchem fie bezahlt worden, 
noch nicht abgelaufen fein. Die Sache blieb auf fich beru⸗ 
ben, bis Coͤleſtins unmittelbarer Nachfolger, Innocenz IU., in 
einem Schreiben an denſelben Sancho ihm bemerklich machte, 
dag jene Summe, die fein Water bezahlt habe, ein freied Ges 
ſchenk deſſelben gewefen und nicht auf Rechnung des Genfus 
gefegt werben Tönne, und daß baher die Reiftungen für bie 
verfloffenen Sahre noch nachzuholen feien. Er wies feinen Le 
gaten, den Cardinal Heiner, an, die Summe in Empfang zu 
nehmen. Diefer erlangte auch, daß der König fünfhundert 
umd vier Maravedid auszahlte, ald Leiftung der vier Ungen 
Solo, die feit dem Jahre 1179 nicht entrichtet worden; in 
Anfehung des fchuldigen Zinfes der einhundert Aureos bat ex 
ben Papft, eine Entfcheidvung barlıber zu geben. Innocenz III. 
ſchickte darauf dem König eine Abfchrift von dem Schreiben 


1) Die heutigen Cruzados. 


66 ° Erſter Zeitraum. I. Buch. 3. Abſchn. 


ſeines Vaters, das er aus den Regeſten Alexanders II: nahm, 
aus dem hervorging, daß jene eintauſend Aureos ein beſonde⸗ 
res Geſchenk waren, und beſtand auf der Zahlung des ruͤck⸗ 
ſtaͤndigen Zinſes, indem er die Betreibung dieſer Angelegenheit 
dem Gardinal Reiner empfahl. Endlich erwähnte Innocenz II. 
in der Bulle, in der er den König Affonfo IL. unter feinen 
Schutz nahm, der jährlichen Leiſtung von Den zwei Marten 
Gold, zu der er verbunden ſei '). | 

Bei dem Dunkel, das auf den erften unterhandlungen 
des Koͤnigs mit dem päpftlichen Stuhl, um deffen Schug und 
die Beftätigung des Königstiteld zu erlangen, ruhet, koͤnnen 
allein die eben erwähnten ſpaͤtern Anfoderungen der Päpfte 
uns einigen Auffihluß geben, und das Licht der’ Folgezeit muß 
und zur Aufhellung der dunkeln Gegenwart dienen. So nur 
finden wir den. ſichern Anfangspund der Zinspflichtigkeit der 
portugiefifchen Könige gegen den päpftlichen Stuhl, während 
wir zugleich durch einen Blid in die nächfte Zukunft eine aus⸗ 
gedehntere Überficht über das Sachliche dieſes Verhältniffes ges 
winnen. Das Ideale defjelben bleibt uns gleichwohl dunkel, 
und um ed und zu erklären, find wir allein an den Geiſt und 
die herrfchenden Anfichten jener Zeit gewiefen. 

Da Affonfos Schreiben an den Papft ſich nicht erhalten 
hat (dad daflır ausgegeben wird, ift verdächtig, fo daß aus 
ihm eine Folgerungen gezogen werden bürfen), fo kennen wir 
weder den Sinn, in welchem, noch die Bedingungen, unter 
welchen Affonfo zu den Leiftungen an den apoftolifchen. Stuhl 
fi) anheifchig gemacht hatte. Unbeachtet darf indeffen nicht 
bleiben, daß in den päpfllichen Briefen und Bullen jene Leis 
flung nie anderd als Genfus genannt wird, und daß fie 
erft von den fpätern Chroniften Feudo genannt worben ift. 
Gewiß hat man zu voreilig ‚die ſonſt herrſchenden Anfichten 
jenes Zeitalter auch hier vorausge ſett. zu voreilig dem Allge⸗ 
meinen auf Koſten des Befondern gehuldigt, wenn man in 
Folge des Verſprechens eined portugtefifchen Königs, dem paͤpſt⸗ 
lichen Stuhl für einen vorübergehenden Dienft jährlich eine 
gewiffe Summe zu bezahlen, dad Königreich Portugal ſofort 


1) Ribeiro, Dissert. Tom. I. p. 75. 


| 


Regierung Affonfo’s I, 118 —115. _ 57 


zu einem Zehn der römifchen Kirche hat ſtempeln wollen. Das 
mehrfache Vorkommen gleicher Erfcheinungen anderwärtd macht 
ben Urkundenbeweis in einem einzelnen Falle nicht überflüffig, 
und die Gefchichte muß auf der Hut fein, daß fie nicht aͤhn⸗ 
liche oder nur aͤhnelnde Verhältniffe durch eine gleiche Bes 
zeichnung zu gleichen verfälfche. Überdies bleibt es immer bes 
frembend, daß Affonfo bis and Ende feiner langen Regierung 
biefen Zins nicht bezahlt, und wenn wir ihn auch der Pflicht 
vergeffenheit und Nachläffigfeit zeihen wollen, dag die Paͤpſte 
fih dabei beruhigen, und erft unter der Regierung von Affon- 
ſos Nachfolger ein ſpaͤterer Papft die alte Schuld in Anregung 
bringt. Dem fei jedoch wie ihm. wolle, dad Ereigniß wie es 
vorliegt iſt begreiflich und mit Affonfos Lage und Charakter 
vereinbar, vergegenwärtigt man fich bie religiöfe Pietät, bie 


‚ damals felbft die aufgeklärteften Fürften gegen den Papft bes 


feelte und die der Zeitgeift zu einer Cardinaltugend erhob; 
bie Ausdruͤcke, die diefer Pietät entfloffen und die von. derfels 
ben eben fo wenig gemeffen wurden, als die ungemeffenen Aus⸗ 
druͤckke, deren fich die Päpfte im Bewufſtſein ihrer Gewaltfülle 
gegen die Fürften bedienten, diefer Pietät anftößig waren; bie 
Fruchtbarkeit der Folgerungen, welche die Päpfte fpdter aus. 
jenen Auddrüden ziehen Tonnten und wirklich zogen; bie 
Überzeugung einzelner Fürften, die über ihrer Zeit fans 
den, daß ihre Macht der päpftlichen benöthigt, und wenn 
fie mit diefer einverftanden, unüberwindlich feiz die gewoͤhn⸗ 
lich gänzliche Unkunde ded Umfangs und der Grenzen ber 
weltlichen und firchlihen Macht; den weiten Spielraum, 
den dad Schwankende und Unbegrenzte biefer Gewalten ver 
Derfönlichkeit weit weniger der Fürften als der Päpfte, die 
faft allein diefen Spielraum zu benugen verftanden und ver⸗ 
mochten, eröffneten; endlich den fichern und glüdlichen Erz 
folg, womit fie bei der Beſchraͤnktheit der Föniglihen Macht 
in die Staatöverhältniffe eingriffen und fich Diefelben un⸗ 
terwarfen '). 


1) Während für Portugals BZinspflichtigkeit gegen den röm. Stuhl 
unverbächtige Urkunden neben den unbeftrittenen angeführt werben koͤn⸗ 
nen, beruht bie angebliche Zinspflichtigkeit Yortugals gegen das Klofter 
Clairvaux, deſſen berühmter Abt Bernhard durch feine Verwendung für 


58 Erfier Zeitraum. 1 Bud. 3 Abſchn. 


3) Eroberungen und ‚Siege über die Saracenen. 


Eroberung Santaremd. Belagerung und Einnahme if- 
fabons mit Hülfe von Kreuzfahrern. Affonfo orbnet bie 
BVerhältniffe der Mauren in Liffabon, ertheilt den chriftlichen 
Einwohnern ein Ortsrecht und bringt das Seeweſen in Auf: 
nahme. Der folgenreichen Eroberung Liffabons folgt die von 
Alcacer do Sal und Beja, wie die Liflige Einnahme Evoras, 
des Hauptortes von Alemtejo. 


Nachdem es Affonfo gelungen war den Papft fir fich. 
zu flimmen und fernen Schus durch das Verſprechen einer 
jährlichen Leiſtung an den apoflolifchen Stuhl zu erfaufen, zeinte 
er fich raſtlos thätig, fein Reich durch Siege Über die Sara⸗ 
cenen zu erweitern und den Glanz feiner Waffen auf feine 
neue Krone flrahlen zu laſſen; nur durch eine ausgebehntere- 


Affonfo bei dem Papft jenen jährlichen Zins feinem Kiofter erworben has 
ben foll, auf einer einzigen, ſehr beftrittenen Urkunde. Diefer Lehnbrief 
für das Klofter Glairvaur, den Brito (in feiner Chron. de Cister, cap. 5) 
zuerft herausgab, findet fi in dem Archiv des Kloſters Alcobaga noch 
aufbewahrt, und fest die neuere, unbefangenere Kritil in Stand feine 
Echtheit zu prüfen. Ribe iro hat ſich das Verbienft erworben, in einer 
befonderen Abhandlung: „Sobre a genuidade da Carta de Feudo.ho. 
Mosteiro de Claraval, attribuida ao Senhor D. Affonso Henriques,*. 
(Dissertt. Tom. I. p. 5% ess.) ſich diefe Aufgabe zu fegen, und fie mit 
ber ihm eigenen Vertrautheit mit den Diplomen jener Zeit, mit Gelehr⸗ 
famkeit und Scharffinn geloͤſt. Seine Gründe gegen die Echtheit ber 
Urkunde bier mitzutheilen, würde über die uns gefegten Grenzen weit hin⸗ 
ausführen. Daß König Iohann IV. in einer Schentung an das Klofker 
Alcobaga i. 3. 1642 (Sousa, Provas Tom. IV. p 781) jenen Lehn⸗ 
brief beftätigt und durch ein Decret vom 17. April 1646 ben Zins an 
das Klofter Clairvaux fortzuentrichten befiehlt, wie er denn auch bis auf 
bie neueren Zeiten entrichtet worden ift, LAfit fi aus dem bis dahin un- 
beftrittenen Glauben an bie Echtheit der Urkunde erklären. Mas quem, 
bemerkt Ribeiro richtig, pode ignorar, Yuando buma cautelosa poli- 
tica, nascida das circumstancias daquelles tempos, näo desse metivo 
a este facto, poderia ainda ter outro; pois que até parece escuzado 
o lembrar, que a piedade, a boa fe, e a rectidäo de hum Soberano 
pöde alguma vez ser illudida, expedindo-se em seu nome Diplomas, 
que melhor informados tem revogado. Tanto se reconhece: expressa- 
mente no Preambulo do Alvarä de 20 de Setembro 1768. Bol. auch 
Elucidario, Tom. I. verb. Alcobaga. 


— 


Regierung Affonfo’8 I, 1128 — 1185. 59. 


Macht und ein erhöhteres Anfehn konnte er den fremden Schub 
entbehrlich machen. Die Eroberungsplane aber, die er jetzt 
entwarf, die Kühnheit, Klugheit und Kriegderfahrung, mit ber 
er fie auöführte, erregten die Bewunderung feiner Zeitgenoffen 
und geboten. den Königen und ſelbſt dem heiligen Water Ach 
tung vor einem Fürften , der dad Schwert und das neue koͤ⸗ 
nigliche Scepter fo geſchickt und erfolgreich zu fuͤhren verſtand. 
Die Eroberung von Santarem wurde feine erfle Tro⸗ 
phaͤe. Diefe Stadt, nach der Märtyrerin Sancta Irene fo 
genannt, das alte Scalabis der Römer und ber ausgebehntefte 
und volfreichfte unter den drei Conventus juridiei Lufitanieng, 
wurbe von den Saracenen als eins ber ſtaͤrkſten Bollwerke ih: 
ver Macht auf der Halbinfel angefehen. Sie hatten den Plag, 
der Sftlich durch den Zajo, nördlich und ſuͤdlich durch abſchuͤſ⸗ 
fige Höhen gebedt war, nach der Abenpfeite zu, die allein 
offen fland ; befefligt, und thaten von biefer durch Natur und 
Kunft gleich ſtarken Feſte aus unaufhörlich Einfälle in das Gebiet 
ihrer Feinde. Während Santarem dadurch der Schreden ber 
Chriften war, lodte ed diefe -Durch die ſchon im Alterthum be⸗ 
ruͤhmte Fruchtbarkeit feiner Fluren jenfeit des Tajo, und bes 
fonderd durch die erftaunlihe Schnelligkeit, womit bier bie 
Hrüchte zur Reife eilten, zugleich mädtig an. Schon Al 


fons VI. hatte daher ein Heer gegen den Ort geführt, aber 


erfolglos wieder abziehen müffen. Die ſtarke Lage deſſelben, 
feine forgfältige Befeftigung, die Menge feiner Einwohner und 
der darin aufgehäuften Vorraͤthe lieffen den König von Portu- 
gal das Fruchtlofe eines jeden Verſuches, Santarem durch Be: 
lagerung einzunehmen, einfehen, und er befhloß darum durch 


. einen nächtlichen Überfall fich der Stadt zu bemeiftern. 


Das Fühne Wagniß gelang. Mit einem Eleinen, aber er: 
lefenen Heerhaufen näherte fich der König von Coimbra aus, 
den Feinden unbemerkt, der Stadt, deren innere Lage er 
vorher durch einen Bertrauten hatte austundfchaften laſſen. 
Einige Ritter erfliegen auf Leitern in nächtlicher Stille die 
Mauern, drangen in die Stadt und Öffneten der portugiefi- 
ſchen Kriegerfchaar die Thore. Die Überrafchung erzeugte Ver: 
wirrung, und das Blutbad, das die Eingebrungenen unter 
den Häuptern der Ungldäubigen antichteten, verbreitete einen 


60 Erfter Zeitraum. J. Bud, 3. Abſchn. 


Schreden, der die geringe Zahl der Portugiefen verbarg und 
die beflürzte Menge in die Flucht trieb ‚oder unterwarf. Wo 
Widerſtand ſich erhob, wo die Gefahr am höchften, der Sieg 
am fchwerften war, erfchten und focht der König, aller Ab: 
mahnungen und Bitten der Seinigen ungeachtet. Das Gluͤck 
Frönte feine Kühnheit, zu feinem eignen Erſtaunen. Das Uns 
ternehmen, das in tieffler Stille begannen wurde — der Koͤ⸗ 
nig hatte bei Todesſttafe Verfchwiegenheit geboten —, ward 
fo trefflich ausgeführt, daß des Königs Ruhm laut und weit: 
hin erfchallte.. Er felbft fah es ald die Krone feiner Kriegs 
thaten an"). | 
Die Beſtuͤrzung, die diefer große und plößliche. Verluft 
unter den Mauren verbreitete, und die Siegesfreude, die das 
Heer der Portugiefen und ale Chriftenherzen erfüllte, befchloß 
der: König zu benugen, um neue Siege Über die Unglaͤubigen 
zu erfämpfer. Oft und gern mochte fein Blick auf Liffabon 
geweilt haben, nach Santaremd Fall die wichtigfle Stadt in 
weitem Umkreife, „der Schild der Mauren”, ein Hauptpunct, 
von dem aus fie oft Tod und Verheerung über die Chriſten 
und ihre Länder verbreitet hatten. Schon 1140. hatte ber 
König einen Belagerungsverſuch gewagt, aber feine fchwache 
Macht war an der Größe des Widerſtandes gefcheitert. Die 
Sicherheit, die ihm das nun chriftliche Santarem im Rüden 
gewährte, und die Hülfsmittel die e8 ihm darbot, der En» 
thufiafmus, den feine wunderähnliche Eroberung in feinem 
Heere und feinem Volke entzündet hatte, lieffen ihn jetzt ein befs 
feres Gelingen hoffen. Santarem wurde, fo weit ed Zeit und 
Umftände erlaubten, in. guten Stand gefebt und ein mög» 
lichſt ſtarkes Heer aus dem ganzen Reich zufammengezogen. 
Unter dieſen Vorkehrungen und Ruͤſtungen verſtrich der Mo—⸗ 
nat April und ein Theil des Mai. Immer noch mochte des 
Koͤnigs Streitkraft, verglichen mit der Staͤrke Liſſabons und 
ſeiner Vertheidiger, ſchwach ſein und Affonſos Hauptmacht 
auf ſeinem Selbſtvertrauen beruhen, als er mit ſeinem Heer 
gegen Liſſabon anruͤckte. Da ſendete ihm der Himmel Huͤlfe, 
woher er ſie nicht erwartete. 
1) Chron. Lus. Era 1185. Monarch. Lus. Parte III. liv. 8. cap. 
26. liv. 10, cap. 22—24 und Append. Escrit. I. 20. 


Regierung Affonfo’s L, 1128 — 1185. 61 


Eine Flotte mit Kreuzfahrern nahte ber portugiefifchen 
Küfte. Die Mannfchaft von ungefähr funfzig Schiffen war 
von einer Flotte von beildufig zweihundert englifchen und flan⸗ 


derifchen Schiffen, zu denen Fahrzeuge mit Pilgerfchaaren aus 


Ein und andern am Rhein und an der Wefer gelegenen 
Städten geftoßen waren, durch einen Sturm am Himmelfahrtd- 
tage an bie Kuͤſte von Galicien verſchlagen worden und hatte 
das Pfingſtfeſt in Santiago gefeiert. Darauf waren die Ver⸗ 
fhlagenen nach der Mündung des Douro gefegelt und hatten 
bei Porto angelegt. Hier erwarteten fie elf Zage lang ben 
Anführer der Zlotte, den Grafen Arnulf von Arefchot,. der in 
jenem Sturm von ihnen getrennt worden war, und freuten 
fi der reichlichen Lebensmittel, die ihnen auf Befehl des Koͤ⸗ 
nigs fuͤr geringe Preiſe verabfolgt wurden. Der Biſchof von 
Porto, vom König beauftragt fie dort zu empfangen, feheint 
fchon damals Unterhandlungen mit den Kreuzfahrern angefnüpft 
‚zu haben, um fie zur Zheilnahme an der Belagerung und 
Eroberung Liſſabons zu bewegen. Der Antrag war einladend. 
Was fie in weiter Serne fuchten, warb ihnen ſchon bier in 
ber Nähe geboten. Ihren frommen Eifer konnten fie auch hier 
bethätigen, durch verdienftlichen Kampf gegen die Ungläubigen 
den chriftlichen Namen verbreiten. Dem Ehrfüchtigen eröffnete 
fih auch bier ein herrlicher Schauplag de Ruhmes, im Ans 
geficht eines heldenmüthigen Volkes, deffen Dank zugleich zu 
ernten war. Den Habfüchtigen lockte das reiche Liffabon mit 
feinen morgenländifchen Schägen. Sein gerdumiger und ſchoͤ⸗ 
ner Hafen gewährte der Flotte eine freundliche Schiemftätte, 
die Stadt, wenn chriftliche Brüder fie beherrfchten, eine wohl⸗ 
verforgte Herberge für jegt und die Zukunft. Alles foderte die 
Kreusfahrer auf, an Liffabons Eroberung Theil zu nehmen "). 

Nachdem fie den Grafen von Areſchot und die übrigen 
Gefährten aufgenommen hatten, fuhren fie von Porto ab, lies 
fen in den Tajo ein und legten, am Vorabend von Peter und 
Paul, bei Kiffabon an. Sie ſchritten fogleicy zum Werk °), 
ſchlugen ihre Zelte in der Nähe der Stadt auf und nahmen 

1) Nunez de Liäo, Chron. de Affonso p. 115. 


2) Dies macht die Annahme ber portugiefifchen Weſchichtſchreiber, 
daß den Kreuzfahrern erſt nach ihrer Ankunft in Liſſabon der Antrag zur 


1147 


28. Jun. 


62 Erfter Zeitraum, 1. Bud. 3. Abſchn. 


ſchon den erften Julius Die Vorſtaͤdte ein. Mehrere Angriffe auf 
die Mauern der Stadt wurden mit großem Verluft der Be 
lagerer zuruͤckgewieſen. Man ſah fich genöthigt, vorerſt eine 
längere Zeit auf die Verfertigung von Belagerungswerkzeugen 
zu verwenden und brachte damit den ganzen Julius zu: Es 
wurden am Ufer des Tajo zwei Therme von beträchtliche 
Größe erbaut, einer auf der Morgenfeite, wo die Flanderer 
aufgeftellt waren, der andere auf ber Weftfeite, wo die Eng: 
länder ihr Lager hatten ). Zugleich richtete man vier Bruͤcken 
auf ſieben Schiffen ein, um auf ihnen den Zugang zur Stadt 
zu gewinnen. Am Tage Petri Kettenfeier wurden bie Bela⸗ 
gerungömafchinen an die Mauern gebracht, die Belagerer aber 
mit großem Berluft an Menfchen von den Saracenen zuruͤck⸗ 
getrieben. Diefe zerftörten mit ihren Mafchinen die Thürme 
und verbrannten bei einem gewaltigen Ausfall aus der Stadt 
den Thurm der Engländer. Auch das Gerüft, das zum 

Untergraben der Mauern dienen follte, warb ein Raub ber 
Flammen, wobei felbft der Erbauer deſſelben dad Leben verlor. 
Eine zahllofe Menge Chriften ſank unter den Pfeilen und Wurf⸗ 
werfen der Saracenen, die freilich auch nicht Wenige aus ihrer 
Mitte fallen, fahen. Gleichwohl begannen die Belagerer, fo 
fhmerzlich und entmuthigend ihnen der Verluft an Menfchen 
und die Zerflörung ihrer Mafchinen war, von neuem die Er⸗ 
bauung und Herftellung ber Belagerungswerke. Ihre Hoff: 
nung flieg mehr und mehr, ald der Mangel an Lebensmitteln 
in der Stadt die Belagerten zu quälen anfing und der Hun⸗ 
. ger bier die ekelhafteſten Speifen nicht vwerfchmähte. Viele 
Saracenen entwichen heimlich aus der Stadt und Übergaben 
fich freiwillig den Chriften, von denen fie theild in den Schoo8 
ihrer Kirche aufgenommen, theild aber enthauptet ober mit 


Zheilnahme an ber Belagerung von dem König gemacht worben, unwahr⸗ 
ſcheinlich. Ich folge bier dem Augengeugen Dodekin. 


1) Bei der Dürftigkeit der portugiefifchen Nachrichten über dieſe Be⸗ 
lagerung ift die übereinſtimmung eines portugiefifchen Berichts mit bem 
eines deutſchen Mönche (f. weiter unten) in Abſicht auf die Stellung ber 
Volkshaufen erfreulich. Vergl. Relatorio da Fundagäo do Mosteiro de 
8. Vicente de Föra bei Brandäo, Mon. Lus. liv. 10. cap. 25. Ap- _ 
pend, Escrit, 21. 


Regierung ‚Affonfo’ 8 L, 1128 — 1185. 63 . 


verftümmelten Gliedem an die Stadt zuruͤckgetrieben wurden, 
wo ihre Mitbuͤrger ſie dann ſteinigten. 

Unter den Wechſelfaͤllen des Kampfes war ein Mann von 
ausgezeichneter Kunſtgeſchicklichkeit ‚ ein Piſaner von Geburt, 
thätig gewefen, einen hölzernen Thurm von aufferordentlicher 
Höhe zu erbauen, an derfelben Stelle, wo ber Thurm der 
Engländer zerſtort worden war. Das herrliche Kunſtwerk, 
zu dem der Koͤnig die Mittel und das ganze Heer die Haͤnde 
gegeben hatte, war um die Mitte des Octobers fertig gewor⸗ 
den. Zugleich hatten mehrere Soldaten große Hoͤhlungen unter 
den Mauern der Stadt gegraben und ſie trotz aller Gegenbemuͤhun⸗ 
gen der Saracenen um dieſelbe Zeit, worin der Thurm vollen⸗ 
det worden war, zu Ende gebracht. In der Nacht vor Skt. 
Gallus legten nun jene Soldaten Feuer an dad Holzwerk und 
lieffen die Mauer in einer Länge von zweihundert Fuß nieber- 
filirzen. Die Belagerer, durch das Getöfe der fallenden Mauer 
geweckt, griffen zu den Waffen und eilten mit einem unge: 
heuren Gefchrei nad) der Mauerlüde, in der Meinung, daß 
fie nun ohne allen Widerſtand in die Stadt eindringen koͤnn⸗ 


114 
15. £ 


ten. Aber die Saracenen, die durch ‚den Sturz der Mauer ' 


aufgefchredt worden, verwehrten wohlbewaffnet ihnen den Eins 
gang und behaupteten hartnädig ihren Poften. Alle Angriffe 
der Chriften waren fruchtlos, und fie fahen fich gendthigt nad) 
fchwerem Berluft in ihe Lager zurüdzufehren. Noch in ber 
nämlichen Nacht ftellten die Saracenen ihre Mauer wieder ber, 
indem fie einen Wal von Erde und Steinen von der Höhe 
eines Mannes aufwarfen und darauf eine Bruflwehr aus 
Schiffsgebaͤlk und Hausthüren errichteten. Vergebens fuchten 
die Chriften während der Nacht mit Pfeilen und Wurfwerken 
den Feind von dieſen Arbeiten zu verfcheuchen ; vergebens ver- 
fammelten fie fich bei anbrechendem Morgen und drangen in Maffe 
por, um bie neue Schugwehr zu zerftören. Sie wurden wiederholt 
zurücdgeworfen und lieffen eine Menge Verwundete und Zodte 
auf dem Kampfplage zuruͤck. Endlich an Kraft erfhöpft und 
foft von allem Rath verlaffen, flehten fie wehmuthsvoll Chrifti 
Barmherzigkeit an '), und warfen ihren Blick, ihre legte Hoff: 

1) Tandem nostri suis viribus et fere omni consilio destitnti in- 
vocati lacrimabiliter Christi clementia etc. 


64 Erfter Zeitraum. 1. Bud. 3. Abſchn. 


nung auf jenen Thurm, das Kunſtwerk des piſaniſchen Mei⸗ 
ſters. An die Stadtmauer gebracht und mit einer Schaar Por⸗ 
tugieſen beſetzt, ragte der Bau drohend uͤber die Haͤuſer und 
Thuͤrme der Saracenen empor und erfuͤllte die Belagerten mit 
bangen Ahnungen, waͤhrend ein Haufe Lothringer die Sara⸗ 
cenen an der Mauerluͤcke mit aller Macht angriff. Indeſſen 
entſprach die Tapferkeit der Portugieſen, die von dem Thurm 
aus kaͤmpften und durch die Wurfwaffen der Feinde geaͤng⸗ 
ſtigt wurden, den gehegten Erwartungen nicht. Die Belager⸗ 
ten thaten einen Ausfall und wuͤrden den Thurm verbrannt 
haben, wenn nicht eine Schaar Flanderer zufaͤllig hinzugekom⸗ 
men waͤre. Die Gefahr rief die Tapferſten unter ihnen zur 
Vertheidigung des Thurmes herbei. Als die Saracenen fahen, 
mit welchem Muth die Slanderer und ihre Kampfgefährten, 
die Lothringer, den Thurm beftiegen und vertheidigten '), mit 
welchem Erfolg die Chriften überhaupt die Stadt beftürmten, 
gaben fie die längere Vertheidigung verfelben auf und boten 
die Hand zum Frieden. 
4147 Liffabon wurde nach einer fünfmonatlichen Belagerung 
25. Det. den Siegern übergeben, den Saracenen jedoch erlaubt mit 
Zuruͤcklaſſung der Waffen abzuziehen. Alles bewegliche Gut 
wurde den Chriften ausgeliefert ). Der König war, alten 
Nachrichten zufolge, erbötig, Die Hälfte der Stadt den Kreuz 
fahrern zu überlaffen, wie er es vor ber Eroberung verfpros 
chen hatte. - Sie aber verzichteten auf den Beſitz von liegens 
den Gütern und auf den Antheil an der Herrfchaft über die 
Stadt, begnügten fi) mit den Schägen, die ihnen bei ber 


1) Wir Eennen bei diefem legten Act der Belagerung von Liffabon 
nur die Zhaten der Flanderer und Lothringen, weil der Berichterftatter 
zu ihrem Heerhaufen gehörte. 


2) ©. die Berichte zweier Augenzeugen, ben Brief des Moͤnchs Dos 
defin (Dudechinus) aus Oberlahnftein in HH. Wild. Gerdens Reifen 
durh Schwaben u. ſ. w., Thl. IV. ©. 386—391, und den Brief des 
flamländifchen Priefters Arnuf in E. Martene et U. Durand Col- 
lect. ampliss. Tom. F. p. 800— 802. über beide Briefe und ihre Ver⸗ 
faffer vergl. 3. Willens Gefchichte der Kreuzzuͤge, Thi. III. Abth. 1. 
©. 264 u. f. w. — Das Chron, Lusit. und das Chron. Coimbr, bes 
rühren nur mit wenigen Worten bie Eroberung von Eiffabon. 


Regierung Affonfo’s L, 1128 — 1185. 65 


' Einnahme zu Theil geworden, und ſegelten, nachdem ſie in 
Lifſabon uͤberwintert hatten, im Anfange bed Februars ihrem 
Ziele, dem heiligen Grabe, zu. 

Der Beſitz von Liſſabon erleichterte dem Koͤnig die Ero⸗ 
berung der benachbarten feſten Plaͤtze, die noch in der Gewalt 
der Mauren waren. In kurzer Zeit unterwarf er ſich Cintra, 
Almada, Palmela und andere Orte der Umgegend. In Liſſa⸗ 
bon ordnete er, im Geiſte ſeiner Zeit, vor Allem die kirchli⸗ 
chen Verhaͤltniſſe. Der Mangel an gebildeten Geiſtlichen in 
Portugal, deſſen Daſein bis jetzt nur auf Waffen beruhte, und 
deſſen Bewohner faſt immer im Lager lebten, noͤthigte den 
Koͤnig die höheren kirchlichen Ämter mit Ausländern, die ihm 
im Verkehr mit den fremden Pilgern vortheilhaft befannt ge 
worben waren, zu befegen. So beftieg-ein Engländer, Nas 
mens Gilbert, ein Geiftlicher von auögezeichneten theologifchen 
Kermtniffen und von Eigenfchaften, die bdiefer hohen Winde 
gewachſen waren, zuerft den bifchöflichen Stuhl von Liffabon, 
der dem Erzbifchof von Braga untergeben wurde‘). An die 
Spite der weltlichen Verwaltung von Liffabon wurde ein ed 
lee Portugiefe, Pedro Viegas, geftellt, der erſte Alcaide ber ı 
Stadt nach ihrer Eroberung. 

Den Mauren, die in großer Anzahl in Liffabon zuruͤck⸗ 
geblieben waren und, ohne zum Chriftenthum überzutreten, per⸗ 
fönliche Freiheit genoffen (Mouros forros), gab ber König: 
Affonfo ſpaͤterhin einen Freiheitd- und Sicherheitsbrief, der 

jedem Chriften oder Tuben verbot‘ ihnen irgend ein Unrecht 
i  zuzuflgen, und den Mauren die Befugniß ertheilte, aus ih⸗ 
| rer Mitte einen- Alcaiden zur Schlichtung ihrer Rechtöftreite fich 
zu wählen. Zugleich wurden in diefer Urkunde die Auflagen 
beflimmt , welche die Mauren an den König entrichten follten. 
Es waren deren viererlei. Die erfte, eine Kopffteuer von 
einem Maravedi, zahlbar jährlich den erſten Januar, muffte 
jede Perfon entrichten, fobald fie alt genug war, um fich den 
nöthigen ‚Lebensunterhalt zu erwerben. Die Alfitra wurde 
' von Gütern, Herden fowol ald Ländereien, bezahlt. Der Al: 
zaqui beftand im’ Zehnten von allen Früchten. Die Qua⸗ 


— — — — 


1) Mon. Lus. liv. X. cap. 30. Esp. sagr. Tom. XIV. p. 190. 
Schäfer Gefhichte Portugals I. 5 





66 Erfter Zeitraum. L Bud. 3. Abſchn. 


rentena endlich betrug eins vos vierzig von Allem was der 
Maure befaß. Überdies war- er zu perfönlichen Leiftungen ver- 
pflichtet: die Weinberge der Krone zu bebauen und die Fei⸗ 
gen wie dad DI von den koͤniglichen Beſitzungen zu verkau⸗ 
fen 9). Daffelbe Gefeg gab Affonfo den Mauren von Alma: 
da, Palmela und Alcacer do Sal. 

| Die bürgerlichen Angelegenheiten der Chriften in Liſſabon 
regelte der Foral, ben ber König im Mai 1175 der Stabt 
ertheilte (einen dhnlichen erhielten zu gleicher Zeit Coimbra 
und Santarem). Das Seewefen ward gehoben, indem der 
Rang und die Rechte der Seeleute erhöhet und vermehrt wur⸗ 
"ven. Der Schiffspatron oder der Schiffshauptmann , zwei 
Ruderer und ein Schiffözimmermann erhielten Vorrechte der 
Gavalleiros ?). Die Freiheiten und Gerechtfame, die dad Orts⸗ 
recht von Liſſabon feinen Bürgern geroährte, verfchafften ihrer. 
Tätigkeit und Betriebſamkeit ein weiteres Feld und größere 
Sicherheit. Neue Bebürfniffe wurden gewedt, neue Erwerb 
zweige und Kunftfertigfeiten bildeten fich im Verkehr mit dem 
Sremdlingen, die, vom König eingeladen oder angelodt von 
den Reizen ded Landes und der Ausficht auf ein bequemered 
eben, von ben erflen oder von fpdtern Kreuzfahrern zurlid® 
blieben und in Liffabon oder in der Umgegend fich anſiedel⸗ 
ten. Wie ed in der Regel gerade die regfamften und unter 
nehmendften Köpfe meift aus den höheren Ständen waren, 
die dem Meere fich anvertrauten, um im fernen Morgenlande 
für ihre größeren Fähigkeiten einen größern Schauplag zu ſu⸗ 
chen, fo waren es von ihnen wohl die betriebfamften und fleif- 
figften, Die, von den Erwerböquellen Portugals gefeffelt, das 
Sichere der Gegenwart der unfichern Ferne und Zukunft vor: 
zogen. Im Schatten einer geregelten Verfaſſung und zeitge- 
mäßer Gefege, in Zolge eines vielfältig angeregten Lebens und, 
Vertehrs nahm Liſſabon, bald nach ſeiner Eroberung durch 


N Monarch. Lus. liv. XI. cap. 3, Ordenag. Affons. liy. IL. 
tit. 99. Joäo de Sousa, Vestigios da Lingua arabica em Portu- 
gal. Verb. Azagui. 

2) De navigio vero mando ut alcaide, et duo spadalarii, et unus - 
petintal, habeant forum militum. Foral de Lisboa. 


Regierung Affonfo’s L, 1128-1185. 67 


die Chriften, einen mächtigen Auffchwung. Seine herrliche 
Lage am Tajo, faft in der Mitte Lufitaniens, fein vortreffli- 
her Hafen am Weltmeer lieffen einen politifch=prophetifchen 
Seift wohl ſchon damals ahnen, was es einft für Portugal 
und für den Verkehr der Abend» und Morgenländer werden 
“würde. Galt gleich in der Gegenwart Kiffabon nur für den 
Hauptort von Eſtremadura und fein Hafen nur für einen be 


quemen Ruhepund für Pilgerflotten, fo war doch Affonfo. 


fcharffichtig genug, um im Geifte feiner weitausfehenden Plane 


in dem eroberten Liffabon den Mittelpunct feines werdenden 


Staates erbliden zu können, und die Schifffahrt war der Kindheit 
weit genug entwachfen, um bie offenbaren Vortheile, die der 
Hafen und bie Lage von Liffabon ihr darboten, wahrzuneh- 
men und an fie große, wenn auch nur unbeftimmte Hoffnuns 
gen zu knuͤpfen. 

Die Eroberung Liffabons, von allen Eroberungen, durch 


welche Affonfos Reich erweitert wurde, die wichtigfte und fol 


genreichfte, wurde ber Ausgangspunct für weitere Erwerbun- 
gen. Sm Sahre 1158 nahm Affonfo Alcacer do Sal, nachdem 
er, von einer Flotte mit franzöfifchen und flanderifchen Kreuz 
fahrern. unterftüßt, die Stadt zweimal vergeblich belagert hatte. 
Bier. Sahre fpäter wurde Beja (Civitas Pace-Begia) durch eis 
nen nächtlichen Überfall gewonnen. Die Eroberung von Evora, 
dem Hauptorte von Alemtejo, war an fich -eben fo wichtig, 
als fie durch die feltfame Weranlaffung merkwürdig iſt '). 
GSirald, mit dem Beinamen ohne Surcht (Sempavor), 
ein Ritter von ungemeiner Kraft und Verwegenheit, hatte ein 
fchweres Verbrechen begangen und fi), um der Strafe zu ent 
gehen, nach Alemtejo geflüchtet, Damals dem gewöhnlichen Zus 
Huchtöorte für Verbrecher. In den Kriegen und Wirren jener 
Zeit gefellten fich bald Andere zu ihm, mit denen’ er eine Zeit 
lang Straßenraub trieb und Einfälle in dad Gebiet bald der 
Mauren bald der Chriften that, um den Lebensbedarf zu ers 
werben. Sein gewöhnlicher Aufenthalt waren die Berge von 
Muro, unweit Evora. Einige Zeit führte Girald dieſes Le⸗ 
ben fort, deffen Gefahren mit den Übelthaten, zu denen bie 


1) Chron. Lusit. und Chron. Conimbr. 
5* 


‘ 


115: 


116, 


68 Erfter Zeitraum. I Bud. 3. Abſchn. 


fleigende Roth ihn fortriß, wuchfen. Er fühlte das Schmach⸗ 
volle dieſer Lebensweiſe, die ſeinen und ſeines Geſchlechtes Na⸗ 
men mit Schande brandmarkte und, fernen Kopf früher oder 
fpäter dem Henfer verfallen ließ, und befchloß durch eine loͤb⸗ 
Tihe Großthat jene Schande auszutilgen, fich Verzeihung aus- 
zuwirken und feinen guten Namen möglichft wieder her 
zuſtellen. 

Die Eroberung Evoras, auf das Giralds Blick ſo oft 
fallen muffte, ftellte‘ fich dem Portugiefen und Ghriften da⸗ 
mals als die ruͤhmlichſte von allen Unternehmungen dar. Als 
lein zum offenen Angriffe fehlten dem Ritter die Mittel, und 
zu einem liftigen eignete fich nicht die Lage Evoras, das. zum 
Theil hoch gelegen, von ebenen Feldern umgeben war und Fei- 
nen Hinterhalt darbot. Nur auf der Weſtſeite, da wo jetzt 
das Eiſtercienſerkloſter ſteht, erhob ſich eine Anhoͤhe, worauf 
aber ein Thurm erbaut war, der den Mauren zur Wache 
diente. Auf ihn richtete der ſchlaue Girald ſein Augenmerk 
md gruͤndete er feinen Plan. Im einer geeigneten Naht 
“ näherte er fi ch mit feinen Gefährten dem Thurm und erftieg 
ihn höchft mühfem, da’ die Leiter, der einzige Zugang, des 
Nachts wie gewöhnlich hinaufgezogen war. Er fand bed 
Waͤchters Zochter, der die Bewachung in diefer Nacht anver 


traut war, an ber Bruftwehr fchlafend, flürzte fie auf der 


: Stelle hinab, drang in den Thurm und tödtete den fchlafenden 
Mauren. Das erfte Gelingen hob den Muth und das Vers 
trauen der Gefährten. Girald theilte diefe nun in zwei Haus 
fen, von denen er ben einen in eine abgelegerie Gegend ſchickte, 
der andern felbft anführte, um fi) des Thores von Evora zu 
bemächtigen. Darauf gab er ven Bewohnern der Stadt ein 
Zeichen, als ob fich Feinde in der Gegend, wohin er jenen 
Haufen gefchidt hatte, zeigten. Das Zeichen ward in der Stadt 
erwiedert, man griff zu den Waffen und ftürzte in großer 
Verwirrung zum Stadtthore hinaus. Glrald wuſſte den Aus⸗ 
- ziehenden auszumeichen, drang mit den Seinen durch dad ofs 
fen gelafjene Thor, das er mit einigen feiner Leute befekte, 
in die Stadt, hieb nieder was zu widerftehen wagte, und be= 
meifterte ſich mit eben ſo großer Verwegenheit als Geſchicklich⸗ 
keit in wenigen Minuten ber ganzen Stadt und ihrer Ber: 


Regierung Affonfo’s IL, 1123— 1185. 69 


theibigungsmittel. Voll Erftaunen fahen die ausgeruͤckten 
Mauren, ald fie von ihrem Ausfall, dem auch jene von 
Girald entfendete Schaar fchlau auögewichen war, zuruͤckkehr⸗ 
ten, da8 Thor von. Chriften befeßt. Das Unerhörte dieſes 
Vorfalls, das Geheul und Wehflagen in der Stadt, Die 
Schrednifje der Nacht machten: die Mauren beftürzt, doch grif: 
fen fie mit dem Muth der Verzweiflung das Thor an, fanden 
aber den hartnädigften Widerftand. Erfolglos anfämpfend 
und zugleich im Rügen. angegriffen von jenem Chriftenhau- 
fen, der ihnen auf ber Spur gefolgt war, verzweifelten fie an 
der Wiedereroberung ihrer Stadt und fuchten, nachdem ihrer 
viele gefallen, Rettung in der Flucht. 

Girald gab dem König Affonfo ungefaumt Nachricht von 
der glüdlichen Einnahme Evoras und foderte ihn auf, ſich 
derfelben zu verfichern. Dies gefchab. Girald und feine Ge 
fahrten erhielten Verzeihung und dem wieder geehrten Ritter 
wurde Die fernere Beſchuͤtzung der Stadt, die er fo kuͤhn und 
ſchlau den Ungläubigen entriffen hatte, anvertraut. Den zus 
rudgebliebenen Mauren verſprach man bürgerliche Sicherheit. _ 
Viele blieben in der Stadt wohnen; ihre Nachfommen verliefs 
fen erſt den väterlichen Herd, ald unter Emanuel der allger _ 
meine Berbannungsbefehl gegen alle Mauren auch fie aus 
Evora: verftieß. 

So kam der Hauptort von Alemtejo in die Gewalt der 
Chriften, eine Stadt, an die ſich große Erinnerungen aus den 
Zeiten der Römer, die Namen Viriathus und Sertorius knuͤ⸗ 
pfen, einer ber feüheften Lichtpuncte des Ehriftenthums auf 
der Halbinfel und zur Zeit der Gothen ein angefehener Bi: 
ſchofsſitz. Diefen ſtellte Affonfo Henriques, nachdem uͤber vier 
hundert Sahre der Iſlam hier gelehrt worden war, wieder het, 
ließ. DB. Sueiro zum erften Biſchof von. Evora, weihen und 
wies der Kirche und dem Capitel reiche Einkuͤnfte an. Das 
Ortsrecht, das der Koͤnig in dem naͤmlichen Jahr der Stadt 
gab, ordnete die buͤrgerliche Verfaſſung ihrer Bewohner '), 
und wurde gewiffermaßen ein allgemeines Hecht für die meiften 
Ortfchaften in Alenitejo ”). 

1) Ribeiro, Dissertt. 'Tom. III. Append. IX. p. 152. Num. 479. 

2) Nova Malta Portugueza, Parte I, p. 444, 


1166 


70 Erfter Zeitraum. L Bud. 3. Abſchn. 


An die Eroberung Evoras reihte fich in demfelben Jahre 
bie von Moura, Serpa , Alconchel: und des feften und wichti⸗ 


gen Elvad. Der fiegreihe König üÜberfchritt felbft die Qua⸗ 


Diana, die Grenzen des alten Rufitaniens, und bemeifterte fich 


eines Theils von Baͤtica; damit ſetzte er fi jest feinen Erobe⸗ 


rungen eine Grenze. 
Doch ob er dieſe fich felber feßte, oder die Mauren fie ihm 
vorzeichneten , laͤſſt fich nicht ausmitteln. Ohne Zweifel ftellte 


ihm die noch immer furchtbare Macht der Saracenen und ihre 


angeborene Tapferkeit einen mächtigen Widerfland entgegen, 
und dem raftlos thatigen und unternehmenden König gelang 
es erft nach vielen Sahrzehnten das zu erobern, was die Araber 
einft in einem Jahre fich unterworfen hatten. Wohl dürfen 
wir aber annehmen, daß Affonfo Henriques weniger aus eitler 


Eroberungsfucht, als aus der Überzeugung, daß fein neuer Staat; 


nur bei einem größern Umfang eine Achtung gebietende Stel 
lung gegen die Nachbarftanten nehmen und behaupten Eönne, 
die Grenzen feines Reichs zu erweitern bemüht war. Er 
muffte einfehen, daß nur im unterbrochenen Kampfe gegen 


dieſen unverfdhnlichen Feind Sicherheit flr feinen Staat zu ' 


finden war und daß ihm feine Lage fein Stillftehen erlaubte, 
vielmehr ein ftetes Vorwärtöfchreiten zum Geſetz machte. Darum 
fehben wir ihn in jedem Jahre mit einem SHeere gegen die Sa⸗ 
racenen ausziehen '). 

Aber nicht. allein als König muffte er ſich den Kampf ge 
gen die Saracenen zur Aufgabe feiner Regierung machen, auch 
als Ritter war er verpflichtet, die Feinde, des chriftlihen Nas 
mens unaudgefeßt zu bekämpfen. Der König galt;, nach den 
Vorſtellungen bed Beitalters, für den erften Ritter feines Reiche, 
und Affonfo war Überdies wirklich Mitglied einer Anftalt — des 
Tempelordens —, deren Zweck Bekämpfung der Ungläubigen war, 
und der er ald König zu viel verdankte, als daß er der Pflich- 
ten des Ritters fich hätte entfchlagen duͤrfen. Die thätige und 
fruchtbare Theilnahme der beftehenden Ritterorden an den Un- 


1)... collegit exercitum suum, ut annis singulis solitus 
est, adversus Sarracenos etc. Livro da Fundacäo de 8, Vicente 


de Föra, in Mon. Lus. Part. 11. Append. Escrit. 21. 


Fa 


Regierung Affonfo’s I, 1128 — 1185. 71 


ternehmungen gegen die Saracenen und ihre Verbienfte um bie 
‚ Erweiterung und der Schuß der Grenzen von Portugal waren 

fo offenkundig, daß man bie Nitterorden vervielfältigen zu 
muͤſſen glaubte und daß man die vorhandenen gewiffermaßen 
zu ben Urfachen der Eroberungen, Die neugegründeten zu ben 
Folgen bderfelben zählen Tann. 


3) Aufnahme älterer und Gründung neuer Ritterorden 
in Portugal. 


Waren geiflliche Ritterorden irgendwo Kinder des Beduͤrf⸗ 
niffes , der Zeit und Örtlichkeit, und haben fie irgendwo ben 
wohlthätigen Abfichten, die bei ihrer Gründung vorfchwebten, 
entfprochen,, fo war ed hier in Portugal. Ritter, die ihren . 
Beruf nur im Kampfe und ihren Ruhm nur im Siege fuch- 
ten, gerade chriftliche Ritter, Die im Feinde des Chriftenthums 
ihren natürlichen Widerfacher, zugleich den Feind ihres Vaters 
landes fahen, bedurfte damald Portugal. Seine Schwäche 
muſſte, bei der oft erwachenden Eroberungsluft und dem na⸗ 
türlichen Ungeftüm ber Säaracenen, dem Portugiefen Beforg: 
niffe für den feſten Beftand des Waterlandes einflößen. : Die 
Eigenthümlichkeit biefer Feinde, mit denen ein bauernder 
Friede , ſelbſt jede Verſoͤhnung unmöglich war, ſetzte die Por: 
tugiefen in die Nothwendigkeit, auf diefer Seite ihres Landes 
immermwährend eine Vorwache auszuftellen und gegen jeben 
plöglichen Überfall das gezogene Schwert bereit zu. halten. 
Aber wenn auch der Zeind des Vaterlandes nicht drohte, fo 
feuerte doch der Religionseifer an, gegen die Ungläubigen zu 
fämpfen und den Namen Jeſu auszubreiten. Der portugiefls 
fche Ritter brauchte nicht ins ferne. Morgenland zu ziehen, um 
bem Zeitalter feinen Zribut zu zollen; das Vaterland war fein 
Morgenland, zwar nicht der Ort wo Chriſtus gewandelt, aber 
der heilige Boden der Heimat, frühzeitig vol Kirchen und 
Kiöfter, die von demfelben Feind, wie das heilige Land, be: 
droht wurden. Hier wie dort konnte der chriftliche Ritter ſich 
den’ Himmel erfämpfen und obendrein den zeitlichen Dank ſei⸗ 
ner Mitbürger. Vaterlandsliebe und Religionseifer gingen in 
diefem Sinne hier Hand in Hand. Die Idee, die halb Eu: 


: 72 Erfter Zeitraum. I Bud. 3. Abſchn. 


ropa dem Drient zumwendete, lebte auch im Geiſte des portu⸗ 
gieſiſchen Ritters, aber fie verſchmolz ſich hier mit der Liebe 
zum väterlichen Herd und mit der Kampfluſt für dieſen wie 
für den chriftlichen Altar gegen den Erbfeind beiver. J 

Freundlich bewillkommte man die anderwaͤrts entſtandenen 
Ritterorden bei ihrem Eintritt in Portugal und bildete im 
Schooſe deſſelben ihnen bald neue und ähnliche nach. Zu je: 
nen gehören die Zempelritter und Johanniter, zu die 
. fen die Ritter des Ordens von Avis und des heil. 
Michaels. Der Einführung der erfleren, der Gründung der 
legtern, ihrer Verfaffung und ihren Schickſalen waͤhrend der 
Regierung des Koͤnigs Affonſo J. muͤſſen wir hier eine Stelle 

goͤnnen. | 


Die Zempeleitter. 


Wenige Jahre nach der Entflehung des Ordens der Zem- 
pelherren und noch vor dem Regierungsantritt Affonſos finden 
wir Tempelritter in Portugal. Urkundlich treten ſie hier zum 
erſtenmal im Fruͤhling 1128 auf, in demſelben Jahre, in wel⸗ 
chem der Orden vom Papſt Honorius II. auf der Kirchenver⸗ 
ſammlung von Troyes beſtaͤtigt wurde. Dieſe Kirchenverſamm⸗ 
lung ſcheint jedoch, ob ſie gleich ſchon im Januar (den 14.) 
gehalten wurde, keineswegs die Verbreitung der Ritter nach 
Portugal veranlaſſt zu haben. Die Erwerbung eines betraͤchtlichen 
Beſitzthums, wie der Burg Soure, die ſchon im Jahre 1111 
vom Grafen Heinrich einen Foral erhalten hatte, laͤſſt wohl 
auf früher geleiftete Dienfte, wenigftend auf die gewonnene 
Überzeugung von. der Nüslichfeit diefer Ritter zuruͤckſchlieſ⸗ 
fen, und überdies enthält die Urkunde vom April 1128, in 
welcher der Zempelherren zum erften Mal gedacht wird, die 
Beflätigung einer ihnen fchon früher gemachten Schenkung '). 
Therefia erkannte die Wichtigkeit und Brauchbarkeit der Temp: 
ler für das werdende Portugal; fie fpornte ihre Thaͤtigkeit an 
und fledte ihnen fchon damals das Biel ihrer Beftimmung 


1) Era 1166, 4. Kal. Aprilis. Ego Regina Tarasia magni Regis. 
Alfonsi filia. .. Ego Comes Fernandus donum, quod Domina mea 
Regina Militibus Templi donat, laudo et concedo. — Ribeiro, 
Diss. Tom. III. App. p. 89. Num. 263, 


Regierung Affonfo’6 1, 1128—1185. ° 73 


“auf, indem: fie ihnen :auffer Soure. mit feinem Gebiet den 
ganzen Landſtrich zwifchen, Coimbra und Leiria anwies, ber 
damald noch unbebaut und in der Gewalt der Saracenen 
war ').. Die Ritter gründeten bier bie. Burgen Pombal, Ega 
und Redinha, ſo wie die erſten Kirchen in dieſen Gegenden, | 
und bewiefen fich zu gleicher Zeit ala Anbauer des Landes und 
Verbreiter des Chriſtenthums, ald Mehrer und Beſchuͤtzer des 
beginnenden Staates. 

Noch in demfelben Jahre, worin die Königin Thereſia dem 
Drden jene beträchtliche Schenkung machte oder. heftätigte, be— 
mächtigte ſich Affonſo Henriques des portugieſiſchen Thrones. 
Der junge Orden verwaiſete indeſſen nicht dureh. den Fall ſei⸗ 
ner Wohithaͤterin; er wuchs vielmehr unter Thereſiens Sohn 
und Nachfolger zu einer großartigen Koͤrperſchaft heran. Af⸗ 
fonſo war von der Bedeutſamkeit der Tempelritter ſo lebhaft 
uͤberzeugt, daß er ſchon unter der Regierung ſeiner Mutter ſie 
zu gewinnen bedacht war, als er insgeheim ſeiner Anhaͤnger 
und Freunde ſich verſicherte, um von ihnen unterſtuͤtzt auf den 
Thron, der ihm ſtreitig gemacht wurde, ſich zu ſchwingen. 
Indem der Ordensmeiſter Bernaldus die Urkunde, worin der 
Prinz dem Erzbiſchof von Braga fuͤr ſeinen Beiſtand dieſe 
Stadt abzutreten verſpricht, mit unterzeichnet und dadurch. auf 
gleiche Linie mit den unterzeichneten Großen des Hofes, den 
Biihöfen und Prälaten tritt, zeigt er und die würdige Stel: 
lung, die er als Haupt der Tempelritter in Portugal fehon 
damald genommen hatte‘ 2). Es muffte dem Selbftgefühl der 
felben nicht. wenig fchmeicheln und das Anfehn des Ordend 
mächtig erhöhen, als der Regent bald darauf felbft in denfel- 
ben trat’). Beide, der Orden und der König, woetteiferten 
ſeitdem, jener in ritterlichen Kriegöthaten, Diefer in reichlichen 
Schenfungen an feine Brüder, ihre Gefinnungen an den Tag 
zu legen und zu bethätigen, und eine Kette von Verdienſten 
der Ritter um die Erweiterung und Befchirmung der Landes: 


1) Elucidario, verb. Ladera, Tom. II. p. 76 und 343, 

2) ©. die Urkunde im Klucidario, Tom. Il. p. 351, 

3) Im Sahre 1129 war er fehon aufgenommen . . . et pro amore 
cordis mei, quem eiga vos habeo, et yuoniam in vestra fraternitate 
et beneficio omni sum frater. Era 1167. 2. Id, Mart. 


74 Erſter Zeitraum. J. Bud. 3. Abſchn. 
grenzen und von koͤniglichen Bewilligungen und Vergebun⸗ 
ge an den Orden ſchlingt ſich durch die Tange Regierung 
ffonfos L . | | 
Nachdem Santarem erobert worben war (15. März 1147), 
eilte der König das Gelübde, bad er gethan, zu erfüllen: ben 
Zerhpelherren für ihre Großthaten bei dieſem wichtigen und 
gefahrvollen Unternehmen alle Befisungen und Einkünfte ber 
Kirche von Santarem eigenthuͤmlich zu überlaffen ). Da je 
doch Santarem zum Sprengel ded Bisthums Liffabon gehörte 
und diefe Stadt noch in den Händen der Saracenen war, "fo 
follte, fobalb fie daraus befreit worden, ber Bifchof von Lif- 
fabon mit den Tempelherren, unter ber Leitung bed Koͤ⸗ 
nigs, ein friedfiches Tbereinfommen treffen. Nach der Erobes 
rung fuchten die Tempelherren wirklich mit dem erften Bis. 
fchof des wieberhergeftellten Biöthums, zu deſſen Sprengel 
‚die Kirchen von Santarem offenbar gehört hatten, fich zu 
verfländigen, fanden aber wenig Bereitwilligfeit bei dem Bi: 
ſchofe, und der König fah fich gendthigt, beide Parteien an 
den’ Papft zu weifen und diefem die Entfcheidung zu überlafs 
fen. Der Streit wurde endlich (1159) dadurch beigelegt, daß 
der König den Tempelrittern das Gebiet von Gera?) (heüti- 
gen Tages von Thomar) überließ, ein herrenlofes Gebiet, ba fchon 
damals nicht zu ermitteln war, ob’ es einft zu Idanha oder 
zu Coimbra oder zu Liffabon gehört hatte. Der Tempelorden 
verzichtete auf alle Kirchen von Santarem, die er bisher bes 
feffen, mit Ausnahme der Kirche von St. Jacob, in deren 
Bells er blieb, und der Bifchof Gilbert entfagte allen An⸗ 
ſpruͤchen, die er auf die Kirchen, die in dem Bezirk von Gera 
bereitö gegründet waren oder noch gegründet werden würden, 
etwa machen Tönnte?). Bei dem Anbau und der Bevölkerung 


. 


1)... . facimus Kartam Militibus Templi de omni Ecclesiastico 
Sanctae Herenae, ut habeant, et possideant ipsi, et omnes Successo- 
res eorum jure perpetuo etc. ©. die Urkunde im Elucidario Tom. I. 

. 853. 
ö 2) Seine alten Grenzen ſ. im Elucidario, Tom. IL p. 10. verb. 
Garda. 

3) &. die Abtretungsurfunde im Elucidario, Tom. II. p. 358. 

Vergl. Nova Malta Port, $. 22, N. 25. — Die Kirche des heil. Jacobs 


— 


Regterung Affonfo’s L, 41128 — 1185. 75° 


diefee neuen Beſitzung, zu denen bie Tempelritter fich anhei⸗ 
(dig machten, durften fie jeboch Feinen Einwohner aus den 
Königlichen Ländereien zwifchen dem Mondego und Tajo ohne 
Erlaubniß des Koͤnigs aufnehmen, und wenn auch die Nie 
derlaffung eines Unterthanen aus jener Gegend, die ohne Wifs 
fen der Ritter gefchähe, diefen nicht zur Laſt gelegt “werden 
foßte, fo waren fie doch verbunden, fobald fie Kenntnig 
davon erhalten, den gefehwidrig Aufgenommenen fogleich zu entz 
fernen. Die Bewohner von Gera folten das Ortsrecht von 
Santarem annehmen '). 

Sobald die. Tempelritter den Landſtrich von Cera in Be⸗ 
ſitz genommen hatten, dachten fie darauf einen geeigneten Ort 
auszufuchen, den fie zum Hauptfib ihres Ordens in Portus 
gal erheben Fünnten. Sie glaubten ihn auf der linken Seite 
bed Fluͤßchens Thomar, auf den. faft ganz verfchwundenen 
Truͤmmern des alten Nabantium. gefunden zu haben. Hier 
gründeten fie an ber Stelle, wo. der Überlieferung nach einft 
ein Kloſter geſtanden haben follte, die erfte Kirche Santa Mas 
ria do Dlival und Dicht daneben ihr Haupteonventhaus, das 
bis zur Erlöfchung des Ordens beftand °). Zugleich befchlofs 
jen fie, eine Burg zur Vertheidigung bed Landes und für .rits 
terliche Übungen aufzuführen. Da nun von der Burg von 
Gera ſchon damals faft nur der Name übrig war (nicht eins 
mal ihre Lage laͤſſt fich jest mit Gewißheit angeben) ; fo legs 
ten: fie den erſten März .1160 °) den Grumdflein zu dem fe 
ſten Schloffe von Thomar auf der: fehroffen Anhöhe weftlich 
vom GConventhaus, auf der vechten Seite des Fluͤſſchens Tho⸗ 
mar, dad man damals mit dem Namen, den ihm feines füßen 


in Santarem wurde darauf von einem geffttichen Orbensbruber verwaltet, 
ber zuerft Sapellan, fpäter Prior genannt und ald Bifchof diefer 
Kirche angefeben wurde, die anfangs eine Gollegialficche und endlich 1585 

eine Sommende wurde. 

1) ©. die Vertragsurfunde im Elucidario Tom. II. 357, 

2) Als der Chriftusorden in Caſtro Marim feinen Sid nahm, wurbe 
jenes Haus verlaffen und verfiel allmdlig, die Kirche aber wurde in eine 
Parochialkirche verwandelt und von einem Vicar, einem geiſtlichen Bru⸗ 
der des neuen.Ordens, verwaltet. 

3) ©. die Infchrift im Elucid. Tom. II. 359, ⸗ 


76 Erfier Zeitraum. 1 Bud. 3. Abſchn. 


und Haren Waſſers: Wegen die Mauren gegeben hatten, be: ı 
nannte, in der Solge aber mit Anfpielung auf die Stadt, die 
es in der Vorzeit. binebt hatte, Nabäo hieß '. Während die 
ftarfe Burg. von Zhomar auf der jähen Höhe fich flolz erhob, - 
nahm .auch der Flecken gleiches Namens. feinen Urfprung und 
erfreuete fih eined fo rafchen Gedeihens, daß er fchon im 
Jahre 1162 eine. beträchtliche Anzahl von Einwohnern umfafite 
und ber Orbensmeifter ‚Gualbim es für noͤthig erachtete ihnen 
einen beſondern Foral zu ertheilen ?). 

Der Gründung von Thomar folgten in naunterbrochener 
Reihe : neue königliche Schenkungen an den Orden, ſowie Die 
Anlegung neuer ober bie. Wiederherflellung . verfallener Ort: 
fchaften ‚durch bie Ritter. :: Im Sahre 1165 fihenkte der Koͤ⸗ 
ig dem Ordensmeiſter "Ciualdim und den Nittern Idanha 
velha und: Monfanto. Jenes, dad 1170. wohl bevölkert und 
mit: Mauern umgeben wär, wurbe bald: hernach van den Sara⸗ 
cenen zerftört und erſt vom. König Sancho J. im. Sahre 1193 
den Tempelrittern wieder übergeben °). . Sn Monfanto waren 
fie gluͤcklicher: fie ſtellten das flarfe Schloß wieder. her, das 
nad) .jeßt von jenem Orbendmeifter den. Namen Gualdım Paes 
führt), und gaben: ihm 1174 .einen Foral“). Diefn Schen⸗ 
kungen folgten im Jahre 1169 Die Burgen Cardiga, Zezere, 
denen der Ordensmeiſter Gualdim, nachdem ſie wieder aufge⸗ 
baut uͤnd bevoͤlkert worden, 1174 ein Ortsrecht ertheilte, "Ak 
mourol, ſchon unter den Roͤmern bekannt und ijetzt von dem⸗ 
ſelben Ordensmeiſter aus ſeinen Truͤmmern wieder aufgerichtet 
und mit einem Foral verfehens Auch die Burg von Pombal, 
welche bie Zempelzitter. in einer wuͤſten Gegend noch innerhalb 
des Gebiet der Saracenen gründeten, erhielt von Gualdim 
ein Drtörecht 1176. Auſſer diefen Burgen und Schlöffern er 
warben oder erbauten: fie fich währen Affonfog Regierung 
Häufer in Evora, Eintra , Lisbon, Leiria, Santarem u. ſ. w. 


1) Nach dem Verfaſſer des Elucid. J. c. 

2) Er findet ſich gedruckt in den Memorias da Acad. Real Tom. 
VIII. p. 109. 

3) Klucid. Tom. 1. verb. Garda, m. 12, 

4) Elucid. Tom. 1I. p. 300. 

5) Ribeiro, Dissertt, Tom. III. p. 160. 


Regierung Affonfo’s I, 1128— 1185. 77 


Diefe vielfältigen. Schenkungen - und‘ Erwerbungen’ von 
Burgen, Dörfern und Ländereien, von denen bie Beftätis 
gungsbulle des Papftes Urban IN. vom Jahre 1186, indem fie 
diefelben größtentheild aufzaͤhlt, eine Überficht am Ende der 
Regierung Affonfos J. gewährt, bezeugen’ die große Freigebig⸗ 
feit des Königs gegen den Orden. Sie beurfunden zugleich 
die Verdienfte, die fich die Ritter um den Anbau und die Bes 
völferung des oͤden und verwuͤſteten Landes ‚erwarben. Eins 
Öden und Wildniffe wurden unter ihrer forgfamen Leitung und 
durch ihre rührige Thätigkeit mit Menfchen belebt, Dörfer und 
Flecken entitanden und erblühten, wo der vieljährige Krieg und 
der ‚Zeiten Elend faft jede Spur menfchliher Thaͤtigkeit vers 
tilgt hatte '). Die verfallenen Mauern mancher Städte wurden 
von ihnen wieder aufgebaut, und die Truͤmmer zerftörter Burgen 
dienten wieder zu Bauſtuͤcken für größere und feftere Burgen. 
Die zerfireute Bevölkerung fammelte fi ch auf einzelnen Puncten 
und mehrte ſich ſchnell. Kaum find einige Jahrzehnte verfloſ⸗ 
fen, fo fodert die geftiegene Volkszahl Gefege und bürgerliche 
Einrichtungen für die Gemeinde, und unter dem Schirm der 
Geſetze wächft wiederum: die Bevölkerung. 

Dem raftlofen Geifte des jugendlichen Ordens wurden 
bald die Grenzen Portugald zu eng. Es genügt ihm nicht 
den heimatlichen Boden gegen die Saracenen zu fehlten und 
jelbft die feindlichen Grenzen anzugreifen. Cr bemeiftert ſich 
wichtiger Puncte mitten in Feindesland, wie Pombal ?). Und 
weil er den Muth dazu hat, fo gelingt ihm das Wagniß; er 
macht eben dieſes Pombal, das er durch einen Überfall weg⸗ 
nimmt, zum feſten dauernden Sitz der Ritter. Es war oft 
hinreichend dem Orden in der Ferne eine lodende Eroberung 
zu zeigen, um fich ihrer unfehlbar zu vergewiffern. Affonfo 
kannte feine ritterlichen Brüder fehr wohl und wagte im ge 
meinfchaftlichen Spiel mit ihnen einen geringen Einſatz, als 
er ihnen den dritten Theil von Allem, was er jenfeit des 
Zajo, in Alemtejo, von den Mauren erobern werde, verfprach, 


1) Wie in der wüften Gegend von Penna, „ubi oppidum, ad illius 
terrae custodiam, construxistis,“ fagt von den Rittern die Beftätigungs: 
bulle des Papftes Urban III. von 1186. 

2) „In marca Saracenorum.“* 


80 Erfter Zeitraum. 1. Bud. 3. Abſchn. 


unfgeiömmen wurden, bis zum Ende des breizehnten Jahr⸗ 
hunderts zeigt uns dab Männer und Frauen, Berheirathete 
und Unverheivathete als Mitbrüder und Familiengenof- 
fen (Confrades', Familiäres oder Donatos) in den Orden ſich 
Aufnehmen Hieffen. Sie hieffen hier. bald Frades, bald Con- 
frades, bald quasi Frades. Viele Witwen von Adeligen tra 
ten alö Fradas oder Fratrissas (Schweftern) in den Orden. 
Die Eintretenden gaben ‚ur Beftreiturig ihres Unterhalts 
dem Orden einen Zheil ihres Vermögens , der unter die Auf: 
ficht der Drdensmeifter oder der erften Geiftlichen des Ordens 
geftelle wurde, und ohne deren Erlaubniß nicht vertaufcht, ver: 
fauft oder auf irgend eine Weiſe : veräuffert werden burfte. 
Starben die Aufgenommenen , fo wurde diefes Vermögen Ei: 
genthum des Ordens gleich feinem übrigen ; binterblieben Kin- 
der, fo erhielten -diefe einen Theil. Niemand trat mit leeren 
Händen in die Genofjenfchaft des Ordens. Affonfo Henriqued 
war fchon im Jahre 1129 mit feinem Beifpiel glänzend vor: 
angegangen und hatte dem Orden das nicht unmwichtige Soure 
geſchenkt „aus Liebe zum Drden und weil er ald Bruder 
bdeſſelben feiner Segnungen theilhaftig geworden” ). Die Va⸗ 
fallen, die ohne Ritter zu werden, doch als Brüder oder 
Schweftern an den’ Segnungen bes Drbens.Antheil zu neh> 
men wuͤnſchten, folgten dem Beifpiele des Regenten. Sie 
fpendeten verhältnigmäßig mehr als dieſer. Mit Recht, denn 
der König begehrte und bedurfte nur die voruͤbergehende Unter: 
ſtuͤtzung des Ordens bei feinen Kriegsunternehmungen; fie aber 
erwarben fich den vollen und dauernden Schuß defjelben und 
erhielten durch Das Anfchlieffen an dieſe mächtige und ange: 
fehene Körperichaft eine Stellung und perfönliche Sicherheit, 
wie fie der Einzelne in jenem Sahrhundert auf andere Weife 
zu erlangen nicht wohl im Stande war. Am üblichflen war 
es, dem Drden den dritten Theil aller Habe zu überlaffen, vie 
fämmtliche aber nach dem Tode des Geber, wenn er feine 
Dettern oder Kinder hinterließ. Nicht felten wurde die Ver- 
fügung getroffen, daß der ZTempelorden und der Zohan: 
niterorden in das Vermaͤchtniß ſich theilen follten, ſodaß 


1) Elucidario, T. I. p. 433, 


Regierung Affonfo’s IL, 1123— 1185. ‚8 


jeder ein Drittheil von aller Habe erhielt, oder ein Drits 
theil in.-gleiche, Theile unter Beide getheilt wurde. Bald 
gibt. der Eintretende nur fein bewegliche Vermögen dem Or: 
den und bewahrt fein unbewegliches feinen Nachkommen, 
bald überläfft er dem Orden alles Eigentbum und behält ſich 
nur die Nutznieſſung auf Lebenszeit vor '). 

So mannichfaltig die Beſtimmungen der Eintretenden über 
ihr Vermögen find, fo mannichfaltig find die Bedingungen des 
Eintritts. Während die Einen fich im Allgemeinen ausbebingen, 
„daß fie Mitbrüder der Ritter würden im Leben und Stas 
ben’, oder „daß der Orden fie gegen Ungemach und Bedruͤk⸗ 
kung nach Kräften fehlen fol”, und die näheren Bebinguns 
gen wahrfcheinli dem Herkommen anheimftellen, verlangen 
Andere, „daß der Drden fie in’ Kleidern und glei den ans 
dern Brüdern in Koft unterhalte, fie hit dem nöthigen Gelbe 
verforge,, ihren Söhnen Unterricht ertheile und ihnen bie Aufs 
nahme in den Orden gewähre" ”). Das Verhältniß der Fa⸗ 
. miliared zu dem Orden glich in vielen Beziehungen dem bes 
Vaſallen zum Lehnöheren, ja es wird in Urkunden ausdruͤck⸗ 
lich fo benannt’). Aber e8 zeichnet fich durch ein engeres Anz. 
fchlieffen, eine größere Innigkeit und Xraulichkeit aus. Der 
Mitbruder oder Familtengenoffe ift auch zugleich Hausgenoſſe 
— anderer Beziehungen zarterer Natur nicht zu gedenken; er 
betet mit dem Ritter in feinem Betzimmer, lebt mit ihm im 
Zempelhaus 9). Solche Zempelhäufer fanden fich frühzeitig 


1) Urkundliche Belege Yierzu f. in Nova Malta Portug. Parte T. 
p. 114 — 116. 

2) Ut vestiant nos ambos de brunetis, aut de verdie, mantos, et 
sayas, et calcias; et dent nobis porziones, velud aliis Fratribus, 
quando voluerimus: et recipiant nos, quasi alios F'rratres; et doceant, 
et faciant nostros filios esse -Milites, qui aucti fuerint ad faciendum ; 
et dent nubis de aliis pecuniis, quibus indiguerimus etc. heiflt es in 
einer Urkunde von 1211, in der zwei Eheleute, bei ihrer Aufnahme in 
den Orden, bemfelben die Hälfte von ihrem Vermögen vermachen. 

8)... in tale que vos mihi bene faciatis, et me defendatis de 
male ubi vos potueritis, et responder ego pro vestra vasala, et vos 
pro meos seniores.. Nova Malta Portug. P. I. p. 115 Not. 

4) Et sint nobiscum in nostra Oratione, et in Domibus Templi, 
fagen die vier Zempelritter der Burg Amoriol, da fie für eine große 

Schäfer Sefhichte Portugals I. . 6 


9 Erſter Zeitraum. L Bud. 3. Abſchæ. 


in vielen Flecken und Staͤdten des Reichs. In jedem war 
ein Oratorium und ein Capellan, der die geiſtlichen Verrich⸗ 
tungen beſorgte. In den meiſten, vielleicht in allen Tempel⸗ 
haͤuſern lebten Familiares, die ihr Vermoͤgen zum Theil, nicht 
ſelten ganz dem Orden geſchenkt hatten. 

Es iſt einleuchtend, wie ſehr durch dieſe Menge kleiner 
oder groͤßerer Erwerbungen auf ſo vielen Puncten des Landes 
das Vermoͤgen und der Grundbeſitz der Tempelritter ſich ver⸗ 
groͤßern muſſten. Und als fie endlich vom Papſt Alexander II. 
ſchon unter Affonſo's Regierung erlangten, daß ſie keinen Zehnten 
zu entrichten brauchten von den Laͤndereien, die ſie mit eige⸗ 
nen Haͤnden oder auf eigene Koſten bebauten, und ſelbſt von 
ſolchen nicht, die ſie pachteten um fie auszuſtellen), fo muſſte 
der Anbau der Tempelguͤter bald einen Aufſchwung nehmen, 
der einen großen Wohlſtand des Ordens auch von dieſer Seite 
herbeifuͤhrte. Je wohlhabender aber der Orden wurde und je 
mehr er zum Bewuſſtſein ſeiner Mittel und ſeiner Macht ge⸗ 
langte, um ſo mehr war er darauf bedacht laͤſtiger Beſchraͤn⸗ 
kungen ſich zu entledigen. Einen Beweis davon gab er ſchon 
unter dem erſten König, als er die Kirchen des Ordens im 
Gebiet von Zezere mit der urfpringlichen Mutterliche in Pay⸗ 
Nele, ebenfo die Kirchen ‚von Thomar der bifchöflichen Ges 
richtöbarkeit zu entziehen wuffte und fie dem papftlichen Stuhl 
untergab ?). 


Die Kobanniterritter. 


Frühzeitig Tieffen fich Sohanniter in Portugal nieder. Um 
das Jahr 1130 wird ihrer in den Urkunden öfter. gedacht, und 
noch früher, bald nach der Entftehung ihres Ordens, finden 
fi Spuren ihrer Aufnahme in Portugal’). Wie die Tem: 


Schenkung, bie ein gewiſſer Aires Dias und feine Frau an einen dieſer 
Nitter gemacht haben, beide Eheleute als Bamiliares in dee Burg auf- 
nehmen. Elucid. Tom. II. p. 350, 

1) Summarium Privilegiorum quae Pontifices Sumi Militibuk 
Templi concessere, in Henriquez Regula Constt, Ordinis Cistert. 
p. 479. 

2) Elucidario Tom. H. p. 361. Col. 1. 

3) Esp. sagr. Tom. XXI. App. 3. p. 300 und Nova Malta Por- 
tug. P. 1. $. 15 und P. II. $. 18 Ed. seg. 


Regierung Affonfo’s L, 1128— 1185. 83 


pelherren, fo nahm auch fie Affonfo Henriqued gern auf, gab 
ihnen Güter und Einkünfte, mancherlei Vorrechte und Frei⸗ 
beiten. Zu ben früheften Befisungen bed Ordens gehörte Lera 
unweit Porto. Hier hatten fie ein Hofpital, erbauten oder 
vollendeten das Kloſter, in dem ihre Freived nach der Strenge 
ihrer Regel lebten. Leça befaß das erfte Conventhaus des Or⸗ 
dens und galt für den Hauptfiß deffelben in‘ Portugal '). Sie 
hatten ähnliche Obliegenheiten und ähnliche Gerechtfame wie 
bie Zempelritter. Sie gelobten, ben chriftlichen Glauben mit 
ben Waffen zu vertheidigen, jeglichen Beiſtand gegen die Fürs 
ſten der Ungläubigen zu leiften, nie ohne Waffen und ohne 
Pferd zu erfcheinen, nicht zu fliehen vor drei Feinden, ihren 
Brüdern mit Waffen, mit Rath und That beizuftehen, vor Als 
lem aber den Königen von Portugal treu zu fein‘). Die 
Hoſpitalritter ſchwuren daher, wie die Tempelritter, dem Koͤ⸗ 
nig den Huldigungseid und weiheten ſich dadurch ſeinem 
Dienfte ). Unter allen Privilegien ihres Ordens iſt jener 
große Freibrief, den fie zugleich mit den Tempelrittern von Afs 
fonfol. im Sabre 1157 erlangten und beffen Inhalt oben mitges 
tbeilt worden iſt, ohne Zweifel das wichtigſte und umfaſſendſte. 

Die Ähnlichkeit, man kann ſagen die Übereinftimmung, 
bie der Sohanniterorden in feiner Entwidelung und in feiner 
Schickſalen, in feinen rechtlichen Verhältniffen zu Staat und 
zu Kirche wie in feinen Leiftungen und Pflichten gegen den 
König, mit dem Tempelorden bis zu deſſen Auflöfung in Pors 
tugal zeigt *), erlaubt ed hier blos auf biefe Andeutungen 
fih zu befchränfen. 


Der Ritterorden von Avis. 

Der erſte Ritterorden, den ein portugieſiſcher König 
gründete und von beffen Großmeifterftuhl einft ein Portugiefe 
auf den Föniglichen Thron fteigen follte, wurde im Sahre 1162 
geftiftet. Schon längere Zeit vorher, nad Einigen bald nah 


1) Nova Malta, P. I. p. 59. 
2) „Regibus Portugalliae fidelis ero.“ 
“ 3) Brito, Chronica de Cister. liv. II. cap. 27. 


4) Nova Malta, P. I. p. 439. 
6*r 


84 Erfter Zeitraum. J. Bud. 8. Abſchn. 


ber Schlacht bei Öurique, nach Andern im Jahre 1147, als 
man die Eroberung von Santarem und Liffabon beabfi ichtigte, 
hatte fi) eine Anzahl Ritter zu dem Zwecke verbunden, ge . 
meinfchaftlich ihr Leben dem Kampfe gegen die Mauren zu 
widmen. Durch Statute, die fie entwarfen und beobachteten, 
brachten fie eine gewiffe Regelmäßigkeit und Ordnung in ihren . 
Verein. Der König begünftigte die Ritter, indem er ihnen zu 
ihrem Unterhalt und zur Beförderung ihrer Abfichten Ein: 
Fünfte anwies. Einer Überlieferung zufolge foll Coimbra ihr 
erfter Sig gewefen fein. Nach Evoras Eroberung im Jahre 
1166 wurde diefe Stadt der Mittelpunct ihrer Verbindung, 
der man den Namen „Orden von Evora” gab '). Der hohe 
. Ruf, in dem die caftilianifchen Ritter von Calatrava fanden, 
beftimmte die von Evora mit ihnen in eine Werbrüderung zu 
treten. Sie hatten mehrere Einrichtungen mit einander ges 
mein ?), daher die Brüder von Evora oft auch Hitter bon 
Galatrava genannt wurden. Späterhin wurde der Orden von 
Evora nach) Avid verlegt, da die benachbarten Drte jener 
Stadt von der Herrfchaft der Saracenen befreit waren, die 
Stadt felbft aber wegen ihrer Größe und zahlreichen Bevoͤl⸗ 
ferung weniger zum Ordensſitz fich zu eignen fchien. Affonfo IL 
fchenkte den Rittern gleich nach feinem Regierungsantritt für 
die guten Dienfte, die fie ihm, feinem Water und Großvater 
geleiſtet hätten, den Drt Avid mit der Bedingung, daß fie da= 
felbft eine Burg erbauten und bewölferten, die jedoch, wie ihre 
übrigen Burgen, dem König und feinen Nachfolgern unter⸗ 
than fein follte ). Auch jest noch wurden die Ritter von 


1) Vobis Magistro D. Gonsalvo Venegas, et omnibus Fratribus 
Ordinem vestram in Elbora observantibus heifft es in einer Schenkung 
bes Königs Affonfo I. an den Orden v. 3. 1181. Unter Sancho I. nennt 
ſich Pelagio im Foral von Benevente „‚Mestre da Ordem de Evora.“ 
Mehr Beifpiele f in Additamentos e Retoques a’s Memorias para a 
Historia das Inquiricöes dos primeiros Reinados impressas em 1815. 


pag. 2 und 3. 


2, 3. B. bei der Wahl des Meifters des einen ober bes andern Ors 
dens geben bie Ritter beider Orden ihre Stimme; bie Ritter von Evora 
unterziehen fich der Vifitation des Ordensmeifters von Galatrava. 


8) Die Schenfungsurkunde in Sousa, Provas T. I. p. 12. 


Regierung Affonfo’s L, 11285 — 1185. 85 


Avis häufig Ritter von Calatrava genannt — eine Benennung 
die von Sanchos I. bis Affonfos II. Regierung nicht unges 
wöhnlic war‘). 

Ihrer Regel zufolge find die gitter verpflichtet, die Re⸗ 
ligion mit Waffen zu vertheidigen, im Frieden Werke der 
Liebe zu verrichten, Keuſchheit in der Ehe zu bewahren ?) und 
das Gebiet der Mauren durch unaufhörliche Einfälle zu ver⸗ 
heeren. 

Zur Friedenszeit verrichten ſie nach dem Aufſtehen ihr 
Gebet und hoͤren die Meſſe, beobachten beim gemeinſchaftlichen 
Mahle Stillſchweigen und faſten Freitags. Den Fremdling 
ſollen ſie beherbergen, den Greis ehren, den Ordensmeiſter als 
ihren Vater und Fuͤhrer betrachten. In Allem muͤſſen ſie die 
Regel des heiligen Benedicts vor Augen haben. 

Im Kriege tragen ſie Panzer, Schwert und Lanze, nach 
dem Beduͤrfniſſe und der Tapferkeit eines Jeden. Von dem 
was ſie im Kriege erwerben, geben ſie den Armen, den Wit⸗ 
wen und den Kirchen. Die von ihnen gefangenen Saracenen 
ſollen ſie durch fromme Ermahnungen zum chriſtlichen Glaus 
ben zu bekehren ſuchen. Erobern ſie eine Burg oder Stadt, 
ſo haben fie den König davon zu benachrichtigen, feinem Be: 
fehl gemäß Alles darin zu ordnen und ihm. ald Herrn des 
Ortes unterthan zu fein. 

Der Ordensmeiſter ift gleichſam ber Übrigen Führer durch 
Rede und Beiſpiel, im Frieden wie im Krieg. Hat ein Rit—⸗ 
ter Befchwerde über ihn zu führen, fo fol er fi an den Abt, 
den der Ciftercienfergeneral ihm bezeichnet, wenden, dieſem 
die Klage vorbringen und von ihm das Urtheil nehmen. Von: 
diefem Urtheil kann nur Berufung an den Papft, oder deſſen 
Legaten, oder an den Pater Abt des Giflercienferordeng flattfinden. 


1) Do que tudo se evidencia, que o mesmo titulo de Calatrava 
dado 4. Ordem (hoje de Aviz), näo he estranho desde os Reinados 
de D. Sancho I. atè o de D. Affouso Ill. Additamentos a’s Memor. 
para a Hist. das Inquir. pag. 3. Xergl. au Mon. Lus. liv. XI. 
cap. 1. 

2) Die Ehe, urfprünglich den Rittern verboten, ſoll ihnen erſt ſpa⸗ 
ter erlaubt worden ſein. 


86 Erſter Beitraum I. Bud. 3. CT 


Bei der Wahl bed Großmeiſters und der andern Beam⸗ 
ten des Ordens wird dieſelbe Ordnung befolgt, die in der Ci⸗ 
ſtercienſerregel vorgeſchrieben iſt. Der Erwaͤhlte empfaͤngt die 
Abzeichen der Wuͤrde aus der Hand eines Ciſtercienſerabtes 
und legt in deſſen Hand den Eid ab. Er gelobt dem Papſt, 
dem Koͤnig von Portugal und dem Abt, als Vertreter ſeines Or⸗ 
dens, Gehorſam, verſpricht, keine Guͤter des Ordens zu verkaufen 
oder zu verſchenken, ſeine Ritter im Kampfe und in Gefahr nicht 
zu verlaſſen, Burgen und Staͤdte ohne des Koͤnigs Geheiß nicht 
zu uͤbergeben, ſeinen Befehlen Folge zu leiſten, ſeine Feinde 
zu verfolgen, das Gebiet der Mauren zu verheeren, das Recht 
des Reiches uͤberall zu vertheidigen und bereit zu ſein, zu je⸗ 
dem Krieg, den der Koͤnig fuͤhrt, bewaffnet auszuziehen. 

Den in den Orden eintretenden Rittern ertheilt der Or⸗ 

densmeiſter ſelbſt die Inſignien. Iſt jedoch der Koͤnig oder 
der Thronfolger gegenwärtig, fo verrichtet dieſer die Ceremonie 
der Aufnahme. Wohnt zufaͤllig ein Abt des Ciſtercienſerordens 
derfelben bei, fo ertheilt dieſer bie Ritterzeichen und nimmt 
ben Huldigungseid ab"). 

Die Brüder von Avid waren Mönche und Ritter zugleich, 
und die geiftlichen Brüder hielten fich anfänglich wie die Laien⸗ 
brüder für verpflichtet, zur Bekämpfung der Mauren ins 
Feld zu ziehen. Diefe doppelte Pflicht des Mönchd und des 
Ritters, die in einer Perfon. fich vereinigten, mufften fchwer - 
auf derfelben laften: innerhalb des Drdenshaufes die Strenge 
der Elöfterlichen: Zucht, Clauſur, Faſten, Schweigen und das 
ermüdende Einerlei der religiöfen Übungen; aufferhalb des Or⸗ 
dendhaufes die Beſchwerlichkeit der Witterung, die Muͤhſe⸗ 


1) Regula Ordinis militaris Avisii a b. Joanne Cirita edita an, 
1162 in Henriques, Regula et constitutiones Ordinis Cister. p. 481, 
Caet. de Sousa, Provas da Hist, geneal. Tom. I. p. 13. Beide 
. Herausgeber haben die Statuten bed Ordens von Avis ber Chron. de 
Cister. von Brito (liv. V. cap. 11) entiehnt, wo fie zuerft gedruckt 
erfchienen. Unbemerkt barf e& nicht bleiben, daß Brito, ber fie, feiner 
Angabe nach, von einem alten Pergament abfchrieb, der Einzige ift, ber 
diefe Urkunde gefehen hat. Die Unterfihrift: Petrus Proles Regis Par 
Francorum et Magister novae Militiae bildet einen Knoten, den bie 
Kritik viel leichter findet, als, bei der Annahme der Echtheit der Urkunde, - 
zu löfen vermag. Vergl. übrigens Sousa, Hist. geneal. T. I. p. 42. 


Regierung Affonfo's L, 1128 — 1185. 87 


ligfeiten und Gefahren des Kriegs, Verftümmelung, oft ſchmerz⸗ 
voller Zod oder noch fehmerzvollere Gefangenfchaft. Und doch, 
je größer Die Anflvengungen und Mühjfeligkeiten des Kriegsle⸗ 
bens waren, defto verbienftlicher. frhienen fie dem Ritter. Je⸗ 
der Sieg über die Feinde des chriftlichen Namens hob eine 
Stufe höher im Himmel und der Zurädgekehrte labte in der 
ftilen Zelle feine Einbildungsfraft an dem Lohn, der ihn jen⸗ 
feitö erwartete. . Er war nicht müßig gewefen, wenn er bad 
Brevier ruhen ließ und das Schwert mit Saracenenblut färbte. 
Diefes feltfame Verſchmelzen von Ritter-, Chriften- und 
Mönckhöpflichten, dieſer Wechſel des befchaulichen Klofterlebens 
mit dem Geräufche und den Drangfalen ded Krieges, biefer 
Lebensverfehr nach innen und nad) auffen mit den Gebilden 
und Ahnungen der überfinnlichen Welt und mit den Erfah: 
zungen einer rauhen Wirklichkeit muffte Männer von einem 
Muth und einer Unerfchrodenheit, daneben von einer Gemuͤths⸗ 
tiefe und Gottergebenheit bilden, wie fie nur jene Verhaͤltniſſe 
in jener Zeit zu bilden im Stande waren. „Der Klang der 
Trompeten macht eure Untergebene zu Löwen, und ber Ton der 
Glocken verwandelt fie in fanfte Schafe," fagte König Sancho 
von Caſtilien zum Abt Raimund, dem Stifter des Ordens von 
Galatrava, als er bei einem Aufftande der Saracenen fah, mit 
welchem Muth die Priefter und Kleriker ausyogen und welche 
Tapferkeit fie im Gefechte zeigten, und darauf die wiürbige 
Haltung und Sorgfalt bemerkte, womit fie im Chor den Got: 
teödienft hielten. Erſt ald im Laufe der Zeit die Anzahl der 
Drdensangehörigen fich fehr vergrößert hatte, ſchiẽden ſie ſich 
in Bruͤder, die den Chordienſt verrichteten, und in andere, 
welche Waffen trugen und ins Feld zogen ). 

Die Nitter des Ordens von Avis fanden an Verdienften 
um Fürft und Vaterland den Tempelherren und Sohanniter- 
rittern keineswegs nach. Schon die oben angeführte Urkunde, 
worin König Affonfo IT. ihnen den Ort Avis fchenft, zeigt, 
in welchem guten Andenken bei ihm ihre Thaten unter den er: 
ſten Königen von Portugal flanden. Alle drei Drden aber 
wetteiferten in Zapferkeit und Eifer für ihren Glauben und 


1) Monarch. Lus. liv. XI. cap. 1. 


88 Erfter Beitraum. L Bud. 3. Abſchu. 


Ä r 

ihren vaͤterlichen Herd. Oft genug wird ihrer Verdienſte in 
Urkunden der Zeit gedacht, und wie manche Heldenthat mag 
fuͤr die Geſchichte verloren gegangen ſein, da die Portugieſen 
jener Zeit lieber und beſſer fochten als ſchrieben. Beinahe je⸗ 
des Jahr zog Koͤnig Affonſo J. mit ſeinen Rittern und Krie⸗ 
gern ins Feld; unzaͤhlig waren die Kaͤmpfe, zu denen er ſie 
anfuͤhrte, die Schlachten, die er lieferte‘). Nur die wichtigern 
werden in ben Chroniken berührt und nur wenige war uns 
vergönnt zu erzählen. Die lehten feines Lebens, wie die Un- 
fälle, die den Eöniglichen Greis trafen, dürfen mit mit Still 
ſchweigen Übergangen werben. 


4) Die legten Zeiten Affonfos I. 


Sen unglüdticher Krieg mit dem König von Leon, feinem 
Schwiegervater. Er wird beflen Gefangene und muß 
die galicifchen Orte zuruͤckgeben. Neue Kämpfe mit den Sa: 
racenen. - Affonfos großer Sieg über fie bei Santarem. Gruͤn⸗ 
dung bes Nitterordend des heiligen Meichaeld vom Flügel. 
An die Stelle des greifen Affonfo tritt der jugendlich Eräftige 
Sancho und führt die portugiefifchen Streiterfchaaren gegen 
Sevilla. Die Saracenen greifen zu Land und zur See Pors 
tugal an. Erſter Seefieg der Portugiefen unter der Anfühs 
rung des Fuas Roupinho. Aufbruch des Miramulim mit 
ungeheuren Streitmaffen aus dem maurifchen Afrika und 
Spanien. : Belagerung Santaremd. Affonfo eilt zum Ents 
fag herbei und verbindet fich mit feinem Sohne. Portugal 
‚gerettet durch einen glorreichen Sieg Über die Ungläubigen, 
den legten Affonfos. Er flirbt 6. December 1185. 


Nach der Eroberung von Evora fcheinen die Waffen des Koͤ⸗ 
nigs einige Iahre geruhet ober doch den Chroniften Feinen Stoff 
gegeben zu haben. Erſt im Sabre 1169?) fehen wir Affonfo in 


1)... nam praelia, quae gessit, nemo poterat annotare, fuerunt 
namque multa et innumerabilia, non solum cum Paganis, sed etiam 
cum Christianis, qui nimium invidentes ei volebant diripere, et inva- 
dere Regnum ejus etc. Chron. Lus. aera 1163. 


2) Das Chron. Lus. muß bier nad) dem Livro de Noa de Banta 


Regierung Affonfo’s L, 1128--1185. 89 


einem folgenveichen Kampf mit den Mauren in Badajoz bes 
griffen. Nach einigen. Gefechten drang der König mit feinem 
Heer in die Stadt; die Mauren zogen fich in die überaus 
ſtarke Sefte derfelben zurüd. Kaum hatte der König von Leon 
Kunde von dem Angriff der Portugiefen auf Badajoz erhalten, 
fo verfammelte er in Eurzer Zeit ein Heer und z0g zum Ent: 
ſatz Diefer Stadt heran. Er glaubte nicht allein nähere Rechte 
auf Babajoz zu haben, das, nach Einigen, unter feinem 
Schutze fland und ihm Zribut zahlte; der König von Portus 
gal hatte ihm auch noch von einer andern Seite gegründete 
Urfache zur Unzufriedenheit gegeben. Er nahm. fortwährend 
bie Provinz Limia und mehrere Orte in Galicien, als angeb> 
liche Mitgift feiner Mutter Zherefia, in Anfpruch, und hatte 
nicht lange zuvor (1167) Limia und Zuron wirklich in Beſitz 
genommen. Der König von Leon, ber feiner Seits durch den 
Wiederaufbau von Ciudad Rodrigo die Portugiefen nicht we⸗ 
nig beunruhigt hatte, erfchien jegt mit einem Heere vor. Bada⸗ 
joz, um ben ruͤckſichtslos um fich greifenden Affonfo zu züchtigen 
und feine Vortheile über einen Feind geltend zu machen, der 
feine Streitkräfte, die durch die wiederholten Ausfälle der 
Mauren bereit3 geſchwaͤcht waren, nun gegen zwei Feinde 
tbeilen muſſte. Affonfos Streiterhaufen waren fehon mit dem 
Bortrab ver Leonefen handgemein geworben, ald er, ben 
Seinigen zu Hülfe eilend, dad Unglüd hatte, während er 
durch das Stabtthor fprengte, an einem Riegel deffelben fich 
nen Schenkel zu quetfhen. Dennoch ritt er ind Gefecht. 
Da flürzte fein ebenfalls befchädigtes Pferd und zerbrach ihm 
vollends das Bein. In diefer hülflofen Lage ward er von 
den Feinden gefangen und vor den König von Leon gebracht. 

Ferdinand empfing und behandelte mit Edelmuth feinen 
Schwiegervater, erzeigte ihm alle feiner Töniglichen und per: 
fönlihen Würde gebührende Achtung und ließ mit liebevoller 
Sorgfalt feinen Beinbruch heilen. Affonfo SHenriqued Dages 
gen zeigte fich zu jedem Opfer bereit; er fol felbft fein Reich 


Cruz de Coimbra berichtigt und ftatt der Ära 1206 die Ära 1207 ale 
die richtigere angenommen werben. Vergl. Esp. sagr. Tom. XXI. 
p. 95. 


1169 


90 Erfter Zeitraum. i. Buch.” 3. Abſchn. 


und feine Perfon zur Suͤhne dargeboten haben ). Der. be: 
tagte, bisher immer gluͤckliche Sieger, jegt von einem jungen 
FKirften, feinem eigenen Tochtermann, befiegt, gefangen und 
übertroffen, weit übertroffen an Großmuth, mochte in einem 
ſolchen Augenblid das begangene Unrecht tief empfinden, Thron 
und Leben für nichts achten, nur um fich über fein Misge⸗ 
fchict zu erheben. Und doch übertraf ihn. fein ebler Gegner. 
Er verlangte auf der Höhe des Sieged von dem gefangenen, . 


verwundeten König weiter nichts, ald was er, auf gleicher 


Linie des Gluͤcks mit ihm, vor dem Siege ‚verlangt hatt? — 
fein Eigenthum oder was er dafür hielt: Limia, Turon und 
die Übrigen Orte in Galicien, die er zu feinem Reiche rechs 
nete. Affonfo verfprach fie herauszugeben, und. durfte darauf 
nach Portugal zurückkehren. Aber er empfand fein Leben-lang, 
zur wehmüthigen Erinnerung, die Bolgen feined Unfalls, konnte 
nimnter fein Streitroß befleigen, nimmer feinen liebſten Pflich⸗ 
ten, den Pflichten des Ritters leben. 

Obgleich dem Greiſenaltar nah, blieb Affonſos Einbil⸗ 
dungskraft jugendlich und nach wie vor empfaͤnglich fuͤr kuͤhne 
Unternehmungen. Auch jetzt noch war ſein Blick faſt unver⸗ 
wandt auf die Saracenen gerichtet, deren Ungeſtuͤm er mit 


feiner raſchen Thatkraft am liebſten begegnete, als ob ihr fübs - 


liches Feuer fich dem Abendländer im lebenslangen SKampfe 


"mit ihnen mitgetheilt hätte. Aber er muſſte nun andern Krie⸗ 


gern, die er gebildet oder die fein Beiſpiel angefeuert hatte, 
es tıberlaffen feine Streiterfchaaren gegen Die Ungläubigen 
zu führen. 

Um während feine Aufenthalts in den Heilbädern von 
Lafoes ?) feine Entfernung von ber maurifchen Grenze nicht 
fühlbar werden zu lafjen, trug er noch im September deffel: 
ben Jahres den Zempelrittern, die er fo bewährt gefunden, Die 
Bertheidigung von Alentejo und die Fortſetzung der Erobe 


1) Sed Rex Portugalliae, fagt der Erzbiſchof Roderich, gravis dis- 
criminis attendens statum, confessus est se Regem Fernandum inde- 
bite offendisse, et pro satisfactione Regnum obtulit, et personam. 
Sed Rex Fernandus pietate solita mansuetus, suis contentus Regi 
Portugalliae sua remisit. 

2) Ribeiro, Diss. T. III. p. 156. 


— —— .. 


Dan. - ef Zt 


Regierung Affonfd’s L, 1128 — 1185. 91 


rungen auf, indem er ihnen ben britten Theil von Allem, was 
er jenfeit des Tajo erwerben würde, unter gewiffen Bedin 
gungen verfprach '). Darauf ſchickte er im folgenden Jahre 
den Soncalo Mendez da Maya, vorzugöweife ber Kaͤmpe 
(o Lidador) genannt, an der Spige einer auserlefenen Schaar 

portugiefifcher Edlen gegen die Mauren. Ein doppelter Sieg 
Trönte die glänzende Tapferkeit der chriftlichen Ritter. Doch 
ihre Freude wurde getrlibt durch den Tod ihres Anführers, 
bes fünfundneunzigjährigen Helden, der von Wunden bebedit 
bald darauf feinen Geift aufgab °). 

Den erlittenen Verluſt zu rächen und den Fleden auszu⸗ 
tilgen, verfammelte Juſuf, Beherrſcher der Almobaden in 
Afrika und Andalufien, ein gewaltige Heer, feste mit ihm 
nach Spanien über, verftärkte fih noch in Andalufien und 
entfendete, während er felbft, wiewohl ohne ſonderlichen Er: 
folg, in die Länder des Königs von Caſtilien einfiel, eitie ſtarke 
Heerabtheilung gegen den König von Portugal. Affonfo be 
fand fich in Santarem, als ihm die Nachricht von dem Eins 
dringen und den Verheerungen eines mächtigen Saracenenhees 
res in Alemtejo und von dem Vorhaben des maurifihen Ans 
führers Abaraques, ten König in Santarem aufzufuchen, hins 
terbracht wurde. Sofort traf diefer die nöthigen Vorkehrun⸗ 
gen, befeftigte den Ort, und bot feine Streiterhaufen auf. 
Alles war wohl vorbereitet, ald der Feind erfchien. Da Af: 
fonfo befürchtete, die Saracenen möchten den Mauern ber 
Stadt fo nahe Fommen, daß ihm Fein Raum zu einer Schlacht, 
die er beabfichtigte, uͤbrigblieb, ließ ex die Beherzteſten von 
feinen Leuten ausruͤcken, um von einem günftigen Poften aus 
jene entfernt zu halten. Die Portugiefen führten dies fo treff- 


lich aus, daß die Zeinde mit Verluft fih zuruͤckzogen. Doc) 


ber maurifche Zeldherr ward dadurch eben fo wenig beunruhigt 
als durch den Verluſt an Mannfchaft, den eine längere Bela⸗ 
gerung unfehlbar mit fich führte; er vertraute auf die Größe 
feines Heered. Affonfo aber fah ungern die Belagerung fich 


1) ©. ben oben in der Geſchichte der Tempelritter angeführten 
Vertrag. 


2) Mon, Las. liv. 11. cap. 16 und 17. 


1‘ 


11 


92 Erfter Zeitraum. 1 Bud. 3. Abſchn. 


-in bie Länge ziehen; es widerſtrebte feiner natürlichen Rafchheit 
und gefährdete feinen Ruhm, mit dem er felbft bisher Andere be⸗ 
lagert hatte. Auch mochte die Furcht vor dem König von 
Leon, der mit einem anfehnlichen Heer im Anzuge war und 
bei dem er, der frühern Mishelligkeiten wegen, feindfelige Abs 
fichten argwohnte, feinen Vorſatz, mit feiner Pleinen Schaar 
eine Schlacht zu. wagen, zur Reife bringen. Alle Bedenklich⸗ 
keiten, alle Abmahnungen ver Seinigen fcheiterten an feiner 
Seftigkeit. In fein Belt während der Nacht zuruͤckgezogen, em⸗ 
pfahl er fih und feine Schaar der Fürforge des Himmels, und 
führte fie, geftärkt durch den Genuß des heiligen Sacraments, 
mit Tagesanbruch in Schlachtordnung gegen den Feind. Es 
begann ein heiſſer Kampf der lange unentſchieden blieb, bis 
durch den Tod des Alferes Mor das Eönigliche Banner in die 
Hände der Saracenen fiel. Sie ſchoͤpften Siegeshoffnung, und 
die entmuthigten Portugiefen wären überwältigt worden, hätte 
nicht der König, ihnen zu Hülfe eilend, vom Kriegswagen fich 
berabgefchwungen, felbft zu Fuß mit Heldenmuth gefämpft und 
fo gewaltig die Seinigen zur Nacheiferung fortgerifien, daß 
nicht nur dad Banner wieder erobert, fondern der Feind zu 
weichen gensthigt warb und endlich in der Flucht feine Ret⸗ 
tung fuchte. Die reiche Beute, die er zurüdließ, vertheilte der 
König unter feine Krieger, befonderd unter Diejenigen, welche 
die Fahne wieder erobert hatten; für fich felbft behielt er nut 
die Ehre des Sieges. 

Die Kunde. von diefem Stege der Chriften erreichte dem. 
König von Leon, ald er noch drei Tagereifen von Santarem ents 
fernt war. Er ließ dem Sieger durch eine Botfchaft Gluͤck 
wuͤnſchen und ihm verkünden, daß fein Heerzug beabfichtigt 
- habe ihm Hülfe gegen die Saracenen zu leiften. Affonfo war 
dieſe Botfchaft um fo erfreulicher, da fie ihm des Königs freunds 
liche Gefinnung verbürgte und alle Beforgniß eines Krieges 
von diefer Seite zerftreute. Die Geſandten überbrachten ih- 
vem König den Dank Affonfos, und zum Gefchen? und Zei: 
chen feiner Gefinnungen die beften Stüde der eroberten Beute. 

Diefer Sieg foll dem König von Portugal Anlaß zur 
Stiftung eines neuen Ritterordend gegeben haben. Mitten im _ 
Feuer jenes Kampfes um die Fönigliche Sahne erfchien dem 


Regierung Affonfo’s I, 1128 — 1185. 93 


€ 


König, fo erzählt die Stiftungsurfunde des Ordens, ein be: 


waffneter und beflügelter Arm, der für ihn flritt und den er 


für den Arm des Erzengeld Michael, deffen Beiſtand er 
angefleht hatte, hielt. Aus "Dankbarkeit fliftete Affonfo, 
während feines Aufenthaltes im Klofter Alcobaga nach der. 
Schlaht, den Orden des heiligen St. Michael vom 
Flügel (del Ala), deffen Ritter den heiligen Michael als ih- 
ren Schußpatron und den Abt von Alcobaca, der Die Gerichtd- 
barkeit über fie hatte, als ihren Prälaten und Vorgeſetzten 
anfahen. Die Zahl der Ritter, die von gutem Adel fein muff- 
ten, beflimmte der König. Neben ben gewöhnlichen Ritter: 
pflichten war ihre Hauptobliegenheit, daß fie in der Schlacht 
um die Perfon des Königs fih aufhalten und die Fönigliche 
Sahne befchügen muſſten). Da der König dem Orden keine 
Güter und Einkünfte gab, fo Eonnte er nicht zu einiger Fe 
fligkeit gedeihen und verfchwand fchon unter diefer Regie 
rung wieder. | 

Der Kampf vor Santarem war der legte, in welchem 
der König perfönlich mitfocht und den er im eigentlichen 
Sinn felbft gewann. Nur noch einmal, im vorlegten Jahre 
feined Lebens, fehen wir ihn mit einem Heere gegen die Sa⸗ 
racenen ziehen, ohne jedoch, wie e8 fcheint, felbft mitzukaͤm⸗ 
pfen. Sein Eörperliches Leiden und fein hohes Alter raub⸗ 
ten ihm, wenn auch nicht den Muth, doch die Kraft. Mit 
freudigem Auge aber konnte er auf einen Juͤngling hinfchauen, 
der die verwaifete Feldherrnſtelle aufzufüllen und den greifen 


1) Constitutiones Militum S. Michaelis sive de Ala in Henri- 
ques Regıla, Constit. Ord. Cister. pag. 483. Henriques hat die 
Urkunde entlehnt aus der Chronica de Cister. (liv. 5. cap. 19) von 
Brito, der fie zuerft publicirt hat. Auch hier gilt, was von ben Sta: 
tuten des Ordens von Avis oben bemerkt worden ift. Die Kritit kann 
bier nur Verdacht erweden, den erwedten aber nicht befeitigen. (Vergl. 
Ribeiro, Diss. T. IH. p. 153). Selbſt Brandä&o drüdt ſich nicht 
fehr gläubig aus: Reconhecido el Rey D. Affonso disto (naͤmlich die 
Erfcheinung bes bewaffneten Arms) dizem que instituio huma cavalla- 
ria com a insignia da Aza. Jedenfalls ift die Jahrzahl der Urkunde 
1167 unrichtig. 


94 Erfter Zeitraum... I. Buch. 3. Abfhn. 


König fortan zu vertreten ‚mit Kraft ausgeruͤſtt war. Es 
war fein eigener Sohn '). 

Sancho, geboren 1154 den 11. November (am heiligen 
Martinstag, weshalb er auch in der Taufe den Namen Mar: 
tin erhielt), war von feinem Vater am Tage Marid Himmel: 
fahrt in Coimbra wehrhaft gemacht”) und fomit dem Kriegs: 


und Ritterdienft feierlich geweiht worden. An der Seite feines 


großen Vaterd wurde fein Friegerifcher Sinn frühzeitig geweckt, 
feine Kraft weife geleitet, fein natürlicher Muth entzündet und 


geſtaͤhlt. Im legten Jahrzehent der Regierung trat endlich der 


in den Waffen’ grau gewordene Water vom SKriegöfchauplag 
zuruͤck und läfft dort den Sohn den Ruhm eines trefflichen 
Krieger, der in ben Augen ber Zeitgenoffen faft allein zum 
Thron befähigte, und den Ruhm eined Saracenenbefiegers, der 
gefetertfte bei den Portugiefen, erfämpfen. 

Alle früheren Kriegsunternehmungen und Siege Sanchos 
überftrahlte fein Bug gegen Sevilla. Seitdem bie Araber 
diefe Stadt den Gothen entriffen hatten, war hier Fein chrifts 
liches Heer gefehen worden. Darum flaunten die Mauren nicht 
weniger ald die Chriften über Sanchos Muth und Verwegen⸗ 
heit, als er mit feinen Kriegerfchaaren in Zriana, eine Vorſtadt 


von Sevilla, plündernd und verheerend einfiel. Die Sarace⸗ 


41178 


1179 


nen erhoben fih mit Macht. Es Fam zu einem Treffen; ber 
chriftlihe Held fiegte und zog mit großer Beute in Die Hei⸗ 
mat zuruͤck ). 

Indeſſen war dieſer Sieg mehr glänzend als nuͤtzlich; er 


- bob Sanchos Ruhm, ohne Portugald Wohl zu fördern, und 


fleigerte die Erbitterung des Zeinded. Im folgenden Jahre 
z0g Aben Jakob, ein Sohn des Königs der Almohaden, ein 
flarfes Heer zufammen, um den erlittenen Schimpf zu rächen, 
fiel in Portugal ein, verbreitete überall Schreden und Verwuͤ⸗ 


1) Ao forte filho manda o lasso velho, 
Os Tuusiadas Canto III. 75. 


2) Chron. Lusit, aera 1192. 
3) Ib. aera 1208, Ä 
4) Chron. Lusit. aera 1216 und Chron. Conimbr. 


Regierung Affonfo’s I, 1128 — 1185, v5 


fung und belagerte Abranted am Ufer des Tajo). Doc) 
vergeblid. Der Infant eilte herbei, um den Plag zu ent⸗ 
fegen, und nöthigte den Feind nach einem großen Verluſt 
zum Abzug. Die Schande des fchlechten Erfolgs der ſarace⸗ 
nifchen Waffen vermochte Aben Iufuf, König von Marocco, 
nicht zu verfchmerzen. Er fammelte ein zahlreiche Heer und 
rüftete eine Flotte aus, um Portugal von der Land- und 
Seefeite zugleich anzugreifen. Nachdem er an der Küfte von 
Spanien gelandet war und bier Verſtaͤrkungen an ſich gezogen 
hatte, fiel er in Portugal ein. Bei diefem Einfall wurde 
wahrfcheinlich die Fefle Coruche eingenommen und gefchleift ?). 
Darauf wandte er fich nach Ponte de Mois, um es zu bela=. 
gern, ald Fuas Roupinho, der Fronteiro Mor jened Bezirks, 
an der Spitze eined portugiefifchen Heeres heranrüdte, um 
den Zortfchritten der Ungläubigen Einhalt zu thun. Fuas 
entfprach den Erwartungen, Die man von ihm hegte, griff 
kuͤhn und geſchickt die Saracenen an, ftredte einen Theil der: 


ſelben auf das Schlachtfeld hin und zwang den andern zum 


Rüdzug. — 
Unterdeſſen verheerte die ſaraceniſche Flotte die Kuͤſte von 


Setubal und Liſſabon. Die wenigen Fahrzeuge, welche Por: 


—— 


—r 


tugal befaß, reichten zum Schu und Widerfland nicht hin. 
Man rüftete neue aus und vertraute die Beine Seemacht dem⸗ 
felben Helden an, der die Landmacht fo glüdlih und ruhm⸗ 
voll, angeführt hatte. Fuas fegelte aud dem Hafen von Liffas 
bon, um ben Feind aufzuſuchen; er begegnete ihm an ber 
Landfpige von Espichel, den 29. Julius 1180, Was ben 
Portugiefen an Erfahrung im Seefriege fehlte, das erfehten 
fie durch Muth und Unternehmungsgeift, und obgleich noch 
nicht einheimifch auf dem Meere, zeigten fie ſich doch ſchon 
damals gefchaffen für dieſes Element, das einft der Schau- 


1) Chron. Lus. aera 1217. Im October wurde Abrantes belagert 
und im December erhielt es ſchon ein Ortsrecht. Zwei Sahre nad) der 
Berftörung von Coruche erhält auch diefer Ort einen Foral (25. Mai 
1182), worin eö heifft: Volumus instaurare, atque pupulare Coruche, 
quae a Saracenis abstulimus, 


2) Ibid. aera 1218. 


⸗ 


9060 Erſtet Zeitraum. L Bud. 3. Abſchn. 


platz ihres Nationalruhms und ihrer Verdienſte um die Menſch⸗ 
heit werden ſollte. Der Sieg entſchied ſich fuͤr die jungen 
Seekrieger, nachdem der Tod des feindlichen Anfuͤhrers Ver⸗ 
wirrung unter die Saracenen verbreitet hatte. Die meiſten 
Schiffe der Feinde kamen in die Gewalt der Portugieſen. Die⸗ 
ſer erſte Seeſieg feuerte den Eifer des portugieſiſchen Volks 
fuͤr Seeunternehmungen an. Der kuͤhne Fuas Roupinho lief, 
wie Brandão erzählt '), zum zweiten Mal mit feinen Fahr: 
zeugen von Lifjabon aus, fegelte längs der Küfte von Algarve 
hin und überrafchte Ceuta, wegen feiner trefflihen Lage und 
feiner Wichtigkeit fchon früh das Ziel der portugieſiſchen Er⸗ 
oberungskunſt. Es gluͤckte ihm, in dem unbewachten Hafen 
mehrere Schiffe der Mauren wegzunehmen, mit der gemachten 
Beute die Koſten der Ausruͤſtung zu beſtreiten und Liſſabon 
gluͤcklich wieder zu erreichen. Ein aͤhnlicher Verſuch, den er 
im Jahre 1182 gegen Ceuta machte, misgluͤckte jedoch und 
Eoftete ihm das Leben; nur wenige Schiffe Fehrten nach Liſſa⸗ 
bon zurüd. 

Zu Lande dauerte der Krieg mit Furzen Unterbrechungen 
fort, aber alle feine Ereigniffe und Mechfelfälle waren nur 
Vorſpiele jenes großen Kampfs, der fich jeßt vorbereitete. Die 
Saracenen beabfichtigten nicht Geringeres, als mit einer un 
geheuren Macht, welche dad Aufgebot aller Streitkräfte des mau⸗ 

rifchen Afrikas und Spaniens bilden follte, das Eleine Reich der 
Portugiefen mit einem Male zu zertrummern und von hier aus 
alle Länder der Halbinfel, in denen einft der Iſlam geherrfcht 
hatte, ihm wieder zu unterwerfen 9. Eine dumpfe Bewegung 
ging durch die weiten Länder ber abendländifchen Mauren, ans 
geregt und geleitet von ihrem Beherrfcher Jufuf, Aben Jakub, 
dem zweiten König aus der Familie der Almohaden. Diefer 
Fuͤrſt von alter Araberwürde und Großfinnigkeit, ein Heiliger 
in den Augen feines Volles ’), dabei vol Muth und Kriegs⸗ 
erfahrung, ertrug nur mit tiefem Unwillen die vielen Unfälle, 


1) Mon. Lus, liv. XI. cap. 81 und 33. 
2) Chron. Lusit. aera 1222. 


5)... . dictus Rex asini, propterea quod semper asino vehere- 
tur, et Propheta Sanctus a populo omni Saracenorum haberetur, 1. c. 


Regierung Affonfo’s L, 1128-1185. 97 


die in den leuten Zeiten die. Mauren betroffen, den geringen 


Erfolg, den feine eigenen Zeldzüge gegen die Chriften der 


\ Halbinfel gehabt hatten. Es waren befonders die Portugiefen, 


die durch ihr dreiſtes Umfichgreifen auf Koften der Saracenen 
und durch ihre wiederholten Siege zur Rache reisten. Nicht 
allein, daß fie Eftremadura und Alemtejo nach und nach jenen 
entriffen hatten, fie wagten jest feindliche Einfälle in Algarve und 
Andalufien und erkühnten ſich fogar die Grenzen, welche Die 
Natur ihnen gefeßt zu haben fchien, zu verlaffen, um die Kuͤ⸗ 
ften von Afrika zu beunruhigen. Und Dies Alles hatten fie 


ausgefuͤhrt und führten fie aus mit einem Häuflein Streiter 


mn me 


und mit den Färglichen Mitteln eined kleinen Reiches. 

Die weiten Länder: des Miramulim (Emir el mumenin, 
Fuͤrſten der Gläubigen) dagegen, die er durch. Eroberungen 
‚noch mehr ausgedehnt hatte, boten reiche Hülfsquellen bar. 
Zahllofe Schaaren waren des Winkes ihres Beherrſchers ge 
wärtig, ber in feinem Geifte und in der Sffentlichen Meinung 
dad Mittel fand, folche Kräfte zu vereinigen und. dem Ziel 
feiner Winfche und Hoffnungen, der Wiedereroberung Spa- 
niend, entgegenzuführen. Ein Aufruf zum heiligen Kampf ge 
gen die Chriften der Halbinfel, an alle mauriſche Fürften und 
Statthalter gerichtet, die ihm theild unterworfen, theils ver- 
bindet, theils felbft feine Söhne waren, feßte eine unuͤberſeh⸗ 
bare Menfchenmaffe in. Bewegung. Eine Menge Kriegsfchiffe, 
-Sahrzeuge mit Lebensmitteln, Waffen und Belagerungsmafcht- 
nen wurden ausgerüftet, Sevilla zum Sammelplat der Strei- 
terhaufen, auch der überfeeifchen, beftimmt. Als Alles verfam- 
melt, Alles vorbereitet war, brach der Miramulim mit feinem 
Heere in Afrika auf, fegelte über die Meerenge und vereinigte 
fih) mit dem großen Saracenenheere in Spanien. Sufuf er: 
fah aus den Jahrbuͤchern der maurifchen Herrfcher, daß fein 
Heer weit größer war als irgend ein maurifches, Das gegen 
die Chriften in Spanien gefämpft hatte‘). Nicht weniger als 
dreizehn theild ihm untergebene, theild verbündete maurifche 
Könige fchloffen fich, nah Brandäo, dem Miramulim an. 

Man verweilte nur kurze Zeit in Sevilla, um den Chris 


1) Chron. Lus. aera 1222, p. 418, 
Schäfer Geſchichte Portugals J. 7 


98 Erſter Zeitraum. L Bud. 3. Abſchn. 


ſten keine Zeit zu laſſen, Anſtalten zu ihrer Vertheldigung zu 
treffen *. Bald drang das Heer, uͤberall Verwuͤſtung verbrei⸗ 
tend, in Portugal ein. Torres Novas widerfegte ſich zuerft, 
‚büßte aber den Widerftand gegen den uͤbermaͤchtigen Anſturm 
mit feiner Zerftörung. Darauf rüdte das ‘Heer auf Santa⸗ 
rem los, wo ber Infant mit der Bluͤthe feiner Krieger den 
Feind erwartete, Sancho, ber von Jufufs Abſi chten auf San⸗ 
tarem benachrichtigt war, hatte dieſen Ort in einen ſo guten 
Vertheidigungsſtand geſetzt, als es die Kuͤrze der Zeit und die 
mangelhafte Befeſtigungskunſt jenes Jahrhunderts nur irgend 
zuließ. Am zehnten Juli erſchienen die Feinde vor Santarem 
und griffen am folgenden Tage die Feſte an. Der mauriſche 
Ungeſtuͤm bed Angriffs fcheiterte an dem kraͤftigen Widerflande 
und an ber feften Haltung der Portugiefen. Diefe flritten für 
höhere Güter und fie befeelte Sanchos Name. Dagegen: ge 
flattete die Menge der Saracenen bie entſtehenden Lüden in 
ihren Reihen wieder auszufüllen und erfeßte bald wieber bie ſin⸗ 
kenden Kräfte. Mit friſchem Muthe wurde der Sturm Immer 
wieberholt, fünf Zage lang. Die erfchöpften Portugiefen er 
liegen der Anſtrengung, viele find verwundet, Sancho ſelbſt; 
das Mauerwerk droht den Einſturz; bie Rage der Chriften 
ſchien rettungslos. 

Da erſcheint Affonſo, der greiſe Koͤnig, mit den Streiter⸗ 
haufen, die er ſchon bei dem Geruͤcht von Juſufs Zuruͤſtungen 
aus den Provinzen Entre Minho e Douro und Beira nach 
Coimbra gerufen hatte und num mit der Raſchheit eines Iüng- 
lings dem bedrängten Sohne zuführt. Er allein gilt für ein 
Heer, ein fieggemohntes Heer. Der auflebende Muth der Pors 


1) Je umftänblicher das Chron. Lusit. bie Zurüftungen Juſufs ſchil⸗ 
dert, um fo mehr ift es zu bedauern, daß es bamit fchliefft und wir das 
her beſchraͤnkt find auf die dürftigen und abweichenden Nachrichten, welche 
fpätere Schriftftellee von der Belagerung Santarems und dem Giege der 
Portugiefen geben. Wir enthalten uns ber Darftelung ber näheren Um⸗ 
fände, weil bei ber Verſchiedenheit ihrer Angabe bei den verfchiebenen 
Schriftflelern die Wahrheit nicht mehr zu ermitteln iſt. Freilich liegen 
grade in biefen näheren Umftänden die Erklärungsgründe biefes merkwuͤr⸗ 
bigen Sieges; aber wir wollen ihn lieber unerklaͤrt laffen als uns ber 
Gefahr ausfegen ihn unwahr zu erklären. 


- oT e— — 


Regierung Affonfo’s L, 1128 — 1185. 


tugiefen hebt wieber ihre Sache und bie Mauren ziehen fich 
in ihr Lager zurüd. Sancho ruͤckt mit feiner Schaar aus der 
Stadt und bereinigt fi fih freudig mit dem geliebten Helden. 
Man befchliefft im Augenblid der Begeifterung die Verwir⸗ 
rung des Feindes zu benugen und ihm eine Schlacht zu 


‚bieten. Sie beginnt, zum Nachtheil der Mauren, weil 


ihnen der erfle Angriff, ihnen gewöhnlich der Worläufer des 
Sieges, nicht: verftattet iſt. Ihrer Viele fallen, doch blei- 
ben noch Viele; aber Miramulim, ihr Hauptanführer, ihr Hei⸗ 
liger, wird verwundet durch Feinbeshand ober einen Sturz vom 
Pferd, und Beſtuͤrzung ergreift die Saracenen. Sie fliehen 
und überlaffen den Chriften die reiche Beute ihres Lagers. 
Miramulim ſtirbt beim Überſetzen uͤber den Tajo, oder, wie 
Einige wollen, ſchon vorher an der empfangenen Wunde. Por⸗ 
tugal war gerettet und mit biefem Bollwerk vielleicht das 
ganze chriftliche Spanien. 


Der Sieg von Santarem, einer der herrlichften, die über 


die Ungläubigen auf der Halbinfel erfochten wurden, war einer 
der glänzendften Edelfteine in der Krone des koͤniglichen Hel: 
ben. Der Ruhm dieſes Zaged war die feierlichfle und — 
legte Steophe in dem Kriegögefange feines Lebens. Er ftarb 
im folgenden Jahre (6. Dechr. 1185) in Coimbra, damals 
ber gewöhnlichen Reſidenz der Könige, und wurde im Kloſter 
von Santa Cruz, einer Stiftung feines frommen Sinnes, 


beigeſetzt. 


Te 


Tau 


+ 


1184 


6) Überfiht der Regierung und der Verdienſte bes 


Königs Affonfo I. 


Will man nicht fchlechthin behaupten, daß Affonfo 1. 
mehr als irgend ein fpäterer König für Portugal gethan habe, 
fo darf man doch unbedenklich annehmen, daß Feiner mehr als 
er gethan hat. Die Zeitumftände waren ihm allerdings guͤn⸗ 
flig, aber ihm bleibt doch das Werdienft ungefchmälert, fie 
trefflich genügt zu haben. Der Portugiefe muß es ald eine 
dankenswerthe Fuͤgung der Vorſehung anfehen, daß fie dem 
erfien König eine Dauer ded Lebens und" der Regierung ver: 


lieh, in der auch die weitausfehendften Plane und langwierigs 
| * 


— 


100 Erſter Zeitvaum. 1. Buch. 3. Abſchn. 


ſten Unternehmungen zur Reife und Vollendung gebeihen konn⸗ 
ten. Aber er wirb daneben nicht verfennen, daß fein Affonfo 
Henriques die zwei Menfchenalter, bie ihm der Himmel fchenfte, 
auch mit Thaten zweier Menfchenalter ausgefüllt hat. Ex 
vertheidigte, fagt Die Chronik, ganz Portugal mit feinem 
Schwert, erweiterte mit des Heren Hülfe die Grenzen ber 
Ghriften, und mehrte das Gebiet der Gläubigen vom Mon: 
dego, der neben den Mauern’ von Coimbra hinfliefft,, bis zum 
Guadalquivir, der durch Sevilla frömt, und bis zum großen 
und zum mittelländifchen Meere ). Er hat zuerft den Grund⸗ 
ftein des Staats fo feft gelegt, daß Caſtilien die Luft verlor, 
feine Selbfländigkeit anzutaften. Durch die politifche Unab⸗ 
hängigfeit, die er Portugal gab, verhalf er feinem Volk zum 
Selbftbewufitfein, wedte das Nationalgefühl und flößte den 
Portugieſen den edlen Stolz auf. ihre Würde und Unabhaͤn⸗ 
gigfeit ein. Erſt feit Diefer Zeit gewannen fie einen inmern, 
feften Charafter und xine dieſem entfprechende Auffere Haltung. - 
Mit einem Wort, Affonfo I. machte dadurch, daß er Portu⸗ 
gal zur Unabhängigkeit erhob, die Bewohner deſſelben erſt zu 
Portugiefen. Bon dem Augenblide an, wo er mit dem 
Schwert in der Hand, und in feinem achtzehnten Lebensjahre 
mit einer Selbftändigfeit, welche die frühe Entwidelung feiner 
Thatkraft und Regententlugheit zeigt, den Thron, der ihm ges 
buͤhrte, eroberte, bi8 zum lebten Lebenshauche, fiebenundfunf: 
zig Sahre lang, befolgte er ein und daffelbe Ziel, die Unabs 
hängigfeit feines Reichs und Volkes. Laͤſſt es gleich der krie⸗ 
gerifche Geift, der in feinem Zeitalter herrfchte, ungewiß, ob 
und wie weit er nur diefem folgte, fo ift doch auffer Zweifel, 
dag nur dad Schwert Portugals Beſtehen ſichern Tonnte und 
bie Umftände weit mehr einen Heerführer als einen Regen- 
ten foderten. Doch vernachläffigte Affonfo auch nicht die Kunft 
der Unterhandlung, und zeigte fich in der Politif eben fo ge 
hit ald im Zelde groß. Er kannte die Stärke ver geiftlis 
hen Waffen in feinem „Seitalter, und wuflte den Papft für 
fi) und feine Plane zu gewinnen. Er fammelte weislich den 
Adel und die Stimmführer der Städte (in den Cortes von 


1) Chron; Lus, aera 1165, 


Regierung Affonſo's L, 118 — 1185. 101 


Lamego) um ſich, zog diefe Stände in den Bereich feiner Ent: 
würfe und feflelte fie an feine Perfon, indem er ihnen die 
Wahl ihres Königs und ihrer Verfaffung anheim zu ftellen 
fhien. Aufgeklärt genug, um die Wichtigkeit des ritterlichen 
Adels für feine Zwecke vollkommen zu würdigen, begünftigte er 
die Einführung fremder Ritterorden und fiftete neue. Indem , 
er dadurch die Muthigften, Kühnften und Edelſten in geord⸗ 
nete Reihen ftellte, und den Friegerifchen Unternehmungsgeift, 
die Rubmliebe und den religiöfen Enthufiafmus in feine Dienfte 
nahm, vereinigte er die thätigften und ebelften, bisher zerftreu- - 
ten Kräfte in einem Punct, richtete fie auf ein Ziel und er: 
baute auf diefe Weife eine unbefiegbare Schugwehr und Vor: 
mauer an ben bedrohten Grenzen. So allein warb ed ihm 
möglich, zwifchen ‚der ewig unruhigen Macht der Saracenen 
und dem midtrauifchen, eiferfüchtigen und überlegenen Cafti- 
lien wie zwoifchen zwei Feuern fich zu behaupten und felbft 
auf Koften beider fi ch zu vergrößern. :So allein Eonnte es 
ihm gelingen, als ein glüdlicher Zufall ihm Verſtaͤrkung zus 
führte, den Saracenen jene Stabt am Tajo zu entreiffen, die 
fodter der Mittelpunct des. Reichs, die Refidenz der Könige, 
Die Niederlage der Schäße Imdiend und das Verbindungsmittel 
des morgenlänbifchen und abendländifchen Handels werben 
follte. Mit der Einnahme von Liffabon feßte er allen feinen 
_ Eroberungen die Krone auf. 

Müffen wir aber irgendwo beklagen, daß die Chroniken⸗ 
fchreiber meift nur Städteeroberungen und gelieferte Schlach⸗ 
ten aufgezeichnet haben, fo ift Dies bei Affonfo I. der Fall. 
Wir lernen nur den Heerführer und König ‚ nicht den Men: 
fchen Tennen. Einen Bli zu werfen in dad Gemach, in dem 
er den hülfefuchenden Unterthanen empfängt und den Rath⸗ 
geber. bewillkommt, ober in den Kreis feines Familienlebens, 
um den König ald Gatten und Vater kennen zu lernen, ober 
in dad Heiligthum feiner Seele, um feine Lieblingsneigungen, 
die Triebfedern feiner Handlungen, den Kern feines eigenthuͤm⸗ 
lichen Weſens zu entdeden, dad Alles iſt uns bei den hoͤchſt 
duͤrftigen Nachrichten uͤber ihn nicht vergoͤnnt. Darum fehlt 
auch dem Bilde, das wir uns von dieſem Koͤnig eitweiſen⸗ 


102 Erſter Beitraum: L Bug 4 Abſchu. 


der Seelenausdruck des Reinmenſchlichen , das auch dem herr⸗ 
lichſten Antlitz eines Koͤnigs nicht fehlen darf. 

Doch mehr uns als den Portugieſen mangeln die Zuͤge 
zu dem Bilde von Affonſo Henriques. Noch lange nach fel- 
nem Tode lebte der hochherzige Fürft in der ganzen Fülle ſei⸗ 
ner Eigenthümlichkeit im Andenken feines Volkes fort, und 


die Portugiefen Tannten lange Zeit nichts Höheres auf den 


Thronen der Erde als ihren erſten König. Seinen Nachfol⸗ 


gern warb er ein Vorbild, das die Edleren unter ihnen zur . 


1174 


Nacheiferung anfeuerte. So geſchah es, daß der erſte Koͤ⸗ 


nig von Portugal, der im Leben ſo Großes vollbracht hatte, 
noch uͤber ſeinem Grabe Großes wirkte durch die ſtille Ge⸗ 
walt, die ſein erhebendes Andenken uͤber die Herzen ſeines 
Volkes und ſeiner Thronfolger ausuͤbte. 


Vierter Abſchnitt. 
Regierung Sancho's I 
(6. Der. 1185 bis 27. März 1211.) 


Sancho's Eroberungen. 


1) Der König, obgleih tapfer, kriegserfahren und flegreich, 
denkt mehr darauf, feinem Lande die Segnungen des 
Friedens zu verfchaffen. Doc, benugt er bie Ankunft einer 
Flotte mit Kreuzfahrern in Liffabon, um mit ihrer Hülfe 
Silves zu belagern. Eroberung dieſer Stadt unb anderer 
Orte in Algarve 1189. Er fügt zu dem Titel Rex Portu- 

* galliae hinzu: et Algarbii, läfft aber nach dem Verluſte jener 
Stadt im 3. 1191 diefen Zufag wieber weg. 


Sancho zählte ein und dreiſſig Jahre, als er den portu⸗ 
giefifchen Thron beftieg, nachdem er bereitd in feinem zwan⸗ 
zigften Lebensjahre mit Dulce, einer Tochter des Grafen von 
Barcelona, Raymund Berengard XII, und Schweſter des Koͤ⸗ 


Regierung Sancho's L, 1185 — 1211. 103 


nigs Alfonfo von Aragonien, fich vermählt hatte‘). Unter der _ 
Regierung feined Vaters war er nur ald Krieger aufgetreten ; 
feine eigne Regierung aber bewies, daß er feine Priegerifchen 
Talente nicht auf Koften feiner fanfteren Fuͤrſtentugenden gebil- 
det hatte. Auch war die Aufgabe des Sohnes jegt eine andere, 
als die feines Vaters gewefen war, und Sancho begriff 
und löfte fie trefflih. Affonfos Regierung war eine Friegeris 
fche wie Feine andere eines portugiefifchen Könige. Won bem 
Augenblid an, worin ex dad Schwert z0g, um fich den Thron, 
ber ihm gebührte, zu erfämpfen, bis zu bem Zeitpunct, wo 
er nach dem leßten Siege bei Santarem ed nieberlegte, um in 
Frieden zu Grabe zu geben, hatte der Kampf mit ben Fein: 
den Portugald nur felten geruht. Man raftete nur, um frifche 
‚Kraft zu fchöpfen. In den Eurzen Unterbrechungen des Krie⸗ 
ges that der König feinem frommen Eifer Genuͤge durch die 
Gründung und Ausſtattung einer unzählige’ Dienge von Kir: 
hen und Klöftern ?), unter denen’ Santa Maria in Alcobaca, 
Santa Cruz in Coimbra und ©. Vicente in Liſſabon in ber 
Folge die berühmteften wurden; ober er beförberte den Anbau 
des Landes und die Anlegung von Ortfchaften, indem er, be: 
fonderd in den legten Jahren feiner Regierung, eine große 
Anzahl non Drtörechten (Foraes) ertheilte?). Was aber Afz 
fonfo während der Eurzen Waffenruhe friedlich) angelegt und 
geftiftet hatte, das zerflörte oft ſchon der nächfte Feldzug wie: 
der und vermwüftete wohl nachholend, was bisher unverfehrt * 
geblieben. Am Ende der Regierung Affonfo’s ſtellt Portugal 


1) Chron. Lusit. aera. 1212. Nupsit Rex Sancius... . anno 
regni D. Alfonsi 48. Das bier angeführte Regierungsjahr des Könige 
Affonfo ift in das Jahr 46 zu verwandeln. Gegen bie Annahme, daß 
Sancho erft 1175 ſich vermaͤhlt habe, Tpricht eine Urkunde von 117%, 
welche bereits Dulcia als Gemahlin Sancho's unterzeichnet bat. Bi- 
beiro Dissert. T. III. p. 160. 

2, Einige zählen — doch wohl übertrieben — 150. 

3) Wir nennen aus dieſer Zeit nur folgende: bie Ortsrechte von 
Eiffabon, Coimbra und Santarem (alle drei vom Mai 1179), von Abrans 
tes, Melgato, Coruche, Caldas b’Aregos, Palmela, Aguiar, Barcellos, 
Gelorico, Marialva, Moreira, Trancozo 2. x. In ben legten Jahren 
unterzeichnet fie neben dem Water zugleich Sandjos Ego Rex Alfonsus 

. una cum filio meo, Rege Sancio, 


104 Erſter Zeitraum. L Bud). 4. Abſchn. 


ein Bild dar, deffen Ausmalyng wir der Phantafie unfrer 
Lefer überlafjen wollen; denn die portugiefifhen Chroniften 
bieten feine andern Züge ald die ber Zerflörung und Ver⸗ 
heerung, wie fie unter Voͤlkern, deren rohe ungezügelte Kraft 
noch Durch den blinden Religionseifer der Chriften und Nicht: 
chriften gefchärft ift, in diefem Zeitalter fich überall wieberho: 
len, Feine andere Farbe als das Blut eines mehr als funfzig- 
jährigen Krieges, dad jeden bewohnten Drt gefärbt hatte,. weil 
jeber Ort mit dem Schwert erfämpft und wiederholt verthei⸗ 
digt werden muflte. 

Affonfo I. hatte endlich feinen Beruf erfüllt; der Boden 
war gewonnen. Seinen Nachfolgern und ruhigeren Zeiten - 
muffte er ed düberlaffen ihn zu bebauen. Eine glüdliche Fuͤ⸗ 
gung für Portugal war ed, daß ein König ihm folgte, der 
Maͤßigung genug befaß, um von dem Kriegöglüd und Sieges- 
ruhm feiner Jugend nicht zu neuen Kämpfen und Eroberungd- 
planen fich fortreiffen zu laſſen, und Weisheit genug, um ben 
Pflug dem Schwerte vorzuziehen und die gefuntenen Mauern 
der Städte und Fleden wieder aufzurichten. Nur dann griff 
Sanyo hinfort zu den Waffen, wenn er des Reiched Sicher⸗ 
heit bebroht fah, oder wenn er mit kleinen Mitteln große 
Vortheile- für Portugal zu erreichen hoffte, und ohne feine und 
feines Staates Unabhängigkeit zu gefährden, fremde Maffen 
in feine Dienfte nehmen Ponnte. Den lehteren Fall führte 
wenige Jahre nach feiner Thronbefteigung ein ihm eben fo 
guͤnſtiges als von ihm weife benutztes Ereigniß herbei. 

Die Schredendfunde von Serufalems Fall (3. Oct. 1187) 
"hatte ganz Europa in Bewegung gefeht. Der Enthufiafmus 
für die Kreuzzüge flammte noch einmal auf und zahllofe 
Schaaren von Pilgern zogen zu Land und zur See nach dem 
Morgenlande hin. Eine Flotte von Kreusfahrern aus Däne 
mark, Zlandern, Holland und Friedland, die aus drei und 
funfzig, nach Einigen aus ſechs und achtzig Sahrzeugen be= 
ſtand, wurde an die Küften von Portugal von einem heftigen 
Stiturm verfchlagen und rettete fi in den Hafen von Liffabon. 
Der König, davon benachrichtigt, begab fich fogleich von Sans 
tarem, wo er fich aufbielt, in jene Stabt und befahl ihren 
Bürgern, die Fremdlinge freundlich aufzunehmen und mit Les 


. Regierung Sancho's F., 1185 — 1211. 105 


bensmitteln zu verforgen. Da fie wegen wibriger Winde den 
Hafen nicht verlaffen konnten, fo benubte dies Sancho, um 
Unterhandlungen mit ihnen anzufnüpfen. Seit feiner Thron⸗ 
befteigung hatten. fich die Mauren wieder einiger Pläbe be: 
meiftert, von denen aus fie die Umgegend und die portugiefi- 
ſchen Grenzorte täglich beunruhigten. Um ſich Ruhe zu ver- 
Ichaffen, kam der König auf den Gedanken, fremde Arme ges 
gen einen Feind zu waffnen, dem er allein, felbft wenn er 
feine gefammten Streitkräfte aufbot, nicht leicht gewachfen ‚war. 
Seine Anträge fanden Eingang bei den fremden Rittern, und 
es handelte fich nur noch darum, gegen welchen Ort man die 
vereinten Kräfte richten ſollte. Die meiflen Gründe fprachen 
und entfchieden fir Silves in Algarve, am Portimäo, der hier 
ſchiffbar zu werden anfängt, eine reiche Niederlage von Lebens- 
mitteln und eine Ruͤſtkammer der Saracenen, zugleich ein bes 
rüchtigter Zufluchtsort der Seeraͤuber. Man kam überein: im 


Dale des Gelingens fol der König die eroberte Stadt, die | | 


Kreuzfahrer die erbeuteten Schäge haben. 

Sofort ließ Sancho einen Heerhaufen unter der Anfüh- 
rung bes Grafen Mendo de Soufa (oder Soufäo, wie man 
damals fagte) gegen die Stadt anrüden; die Flotte fuhr in 
einen Hafen bei Silved und feste die Mannfchaft ans Land.. 
Durch einen gemeinfchaftlichen Angriff auf die Stadt, den man 
beſchloß und fogleich ausführte, Famen die ummauerten Vor⸗ 
ftädte in die Gewalt der Chriften, und der Feind zog fih, 
nach beträchtlichen Verluſt, in die befefligte Stadt zurüd. Es 
wäre jenen leicht geweſen auch in biefe einzubringen, hätte fie 
nicht die Habſucht und Raubgier der Kreuzfahrer aufgehalten. Un⸗ 
terdeſſen hatte der König mehr Truppen verfammelt und rüdte 
mit dem Kern berfelben gegen die Stabt, während eine von 
ihm ausgeruͤſtete Flotte von vierzig Saleoten und vielen Fahr⸗ 
zeugen mit Lebensmitteln und Kriegsbedarf ſich der Stabt 
näherte. Die Streitmaffen wurden ringe um die Stabt ver: 
theilt, die Belagerungsmafchinen gerichtet, der Sturm begamn. - 
Allein die Saracenen, ohne Hoffnung des Entfaßes, wehrten 
fih aufs hartnädigfte; in dichter Menge fielen die feindlichen 
Pfeile auf die Chriften. nieder, fo daß Sancho den Seinen ges 
bot fi von den Mauern zu entfernen. Man befchloß nun 


100 Erſtor Zeitraum. L Bud. 4 Abſchn. 


dieſe durch Minen zu zerſtoͤren, aber der kundige Feind legte 
Gegenminen an. Alle Verſuche ſcheiterten an der Wachſamkeit 
und dem Muth der Belagerten. Der König ſah mit Betruͤb⸗ 
niß fo viele feiner Tapfern fallen und die Belagerung, die 
fchon drei Wochen dauerte, faft ohne Erfolg ſich in die Länge 
ziehen. Doch wollte er fie nicht aufgeben, ehe er alle Mittel 
verfucht hätte. -Die Saracenen waren im Beſitze eined Bruns 
nen, der fie mit trefflihem Waffer reichlich verforgte und ib- 
nen unentbehrlich wie den Chriften wünfchenswerth war. Da 
er in einem Bollwerk lag, das durch Thuͤrme ſtark befchügt 
wurde, fo richtete der König die beften Streitkräfte gegen bie: 
fen Punct, und es entfpann fich hier ein Kampf, der beiden 
Theilen viele Menfchen koſtete. Die. Chriflen wurden endlich 
Meifter des Bollwerks und febten nun auch von hier aus bie 
Belagerung fort. Ihr langfamer Fortgang entmuthigte jedoch 
die Kreuzfahrer; fie würden das Unternehmen aufgegeben has 
ben, hätten nicht die Vorftellungen ihrer Priefter (fie hatten 
beren 36 bei fih) ihren Enthufiafmus wieder entzündet und 
fie zu einem wiederholten Sturme fortgeriffen. Während beffen 
war der Mangel an Wafler in der Stadt fühlbar geworben, 
die Noth flieg mit jedem Tage, die Hoffnung des Entfages 
war längft verfchwunden. Da. famen einzelne Saracenen in 
Das Lager des Königs, um für fich feine Gnade anzuflehen; 
von ihnen erfuhr Sancho, wie ihre Glaubensgenoffen von dem 
brennenden Durft gequält und getödtet würden. Aber auch bie 
Portugiefen, nachdem fie bereits anderthalb Monat vor ber 
‚Stadt erfolglos geftanden und gekämpft hatten, fingen an zu 
murren; fie verlangten die Aufhebung ber Belagerung. Die 
Kreuzfahrer dagegen ftellten dem König vor, wie unflug und 
fchimpflich e8 fei, ein Unternehmen aufzugeben, das fo viel Blut 
nekoftet und nun dem erfehnten Ausgang fo nahe ſei; fie er 
innerten ihn zugleich an die Verpflichtungen, die er burch den 
Vertrag mit ihnen übernommen habe. Doch bei Sancho be 
durfte ed folcher Erinnerungen und Vorſtellungen nicht; er 
freute ſich vielmehr, in dem Muth und der Ausdauer ber 
Fremdlinge eine Stüße zu finden, an ber ex die wankenden 
Gemüther feines Heerhaufens befeftigen Tonnte, und gelobte bie 
Belagerung fortzufegen, bid er oder ber Feind unterliegen 


Regierung Sancho's L, 1165 — 1211. 107 


werde. Man befchloß darauf mit ungetheilter Kraft einen 
neuen Sturm zu unternehmen, und entfernte die Kranken und 
Weiber aud bem Lager. Diefe Bewegung, der Chriften bes 
lebte noch einmal die Hoffnung der Belagerten, bald aber bes 
nahm ihnen das Verharren des Feindes jeden Strahl derfel: 
ben. Sie fahen fich dem jammervollften Elende preisgegeben. 
Der unerträgliche Leichengeruch ihrer verfchmachteten Brüder 
wurde ihnen ' fchredlicher als der Tod felbfl. Indem fie auf: 
Rettung fannen, fahen fie diefe allein in Sancho's bekannter 
Menſchlichkeit. Sie befchloffen fie anzuflehen. 

Zwei der vornehmflen Mauren und der Alcaide der Stadt 
begaben ſich in das Lager des Königs, um ihn um freien Abs 
zug ihrer Glaubensgenoſſen mit ihrer Habe zu bitten. Sans 
cho , erfchüttert von dem Elende, das in der Stadt herrfchte, 
hätte mit Freuden diefe Gelegenheit ergriffen ihm ein Ende zu 
_ machen, indem er zugleich das Ziel feiner Anftrengungen erreis 
chen konnte; aber es bedurfte dazu der Einwilligung der Kreuze 
fahrer, die, von Habgier, Rachfucht und Religionshaß befeelt, 
den Tod Aller verlangten. Nur die verfühnenden Vorftelluns 
gen, die eindringlichen Bitten des wmenfchenfreundlichen Königs 
waren vermögend jene von ihrer unmenfchlichen Foderung ab» 
zubringen und zu bewirken, daß ben Unglüdlichen das Leben 
geſchenkt und ihnen geflattet wurde in ihren fchlechteften Kleis 
dern abzuziehen. So gefchah ed. Die Fremden erhielten alle 
Habe und Schäge, die fich in der Stadt vorfanden, und ver: 
liefien damit die Küften Portugals. Der König nahm Sil 
ved, damals den Hauptort Algarves, in Beſitz (Det. 1189) ') 
und erhob ed zum Sitz eines Biſchofs). Auffer Silved eros 
berte Sancho in Algarve Alyor, dad er dem Klofler Santa 


1) Chron. Conimbr. an. 1190. Über das Jahr der Eroberung von 
Silves vergl. Ribeiro, Tom. III. pag. 18%. Anmert᷑. b und pag. 186 
Anmerf. c. 

2) Consentiente et confirmante hoc Domno Nicolao ejusdem pro- 
vinciae et regionis tunc temporis Pontifice — heifft e8 in der Schen» 
kungsurkunde. Sancho ſchenkte dem Biſchof Nicolaus von Silves Mafra 
und andere Grundbeſitzungen auſſerhalb Algarbe und wies ihm ſelbſt Ein⸗ 
kuͤnfte von den übrigen Bisthuͤmern von Portugal an. Mon. Lusitan. 
Tom. V. Eserit. 16. (Urkunde dee Schenkung von Mafra.) 


108 Erfter Zeitraum. J. Bud. 4. Abſchn. 


Cruz in Coimbra ſchenkte (Dec. 1189), Lagos, das der Biſchof 
von Silves, nach dem Wunſche des Königs, an S. Vicente de 
Fora abtrat (1190), und das Schloß Abenemeci, das er dem 
Kloſter Alsobaca zuwies (Febr. 1191) ). 

Seitdem fügte Sancho in den Urkunden (ſeit dem Der. 
diefes Sahres) zu dem Xitel Rex Portugalliae noch hinzu: et 
Algarbii und einigemal Silvii?), ließ aber feit dem Verluſt 
diefer Stadt (in den Urkunden vom April 1191 an) diefen 
Zufag wieder weg — eine Gewiffenhaftigfeit, die in ben letz⸗ 
ten Sahrhunderten felten geworden ift. 

Nur Eurze Zeit erfreute fich nämlich der König des Bes 
fißed von Silves. Mit einem mächtigen Heere, das aus dem 
maurifchen Afrifa und Spanien zufammengezogen worden war, 
brach der Beherrfcher von Marokko, Jakub Aben Juſuf, auf, 
ben Tod feines Bruders, jenes. bei Santarem unglüdlichen 
Miramulimd , den Schimpf der Niederlage deffelben, vor Al: 
lem aber den eignen Verluſt von Silves zu rächen. Er theilte 
feine Streitermaffe' in drei Heerhaufen, von denen einer, unter 
der Anführung feines Bruders, des Statthalter von Sevilla, 
in Algarve einfiel und Silves belagerte, ein anderer, von bem 
Miramulim felbft befehligt, oberhalb der Guadiana eindrang, 
über den Zajo fegte und Torres Novas, das nad) der Zerftörung 
duch den Miramulim Juſuf wieder aufgebaut worden war, eins 
nahm. Die dritte Abtheilung führte der Statthalter von Cor⸗ 
dova durch Alemtejo gegen Evora, zerftörte und verbrannte 
die Fruchtfelder und Weinberge der Umgegend. und vereinigte 
fi) mit dem Miramulim, der fein Lager am Tajo aufgefchlas 
gen hatte. Alle Drei hatten fich in der Verheerung und Plün- 
- derung der Dörfer und Fluren, durch welche fie gezogen wa⸗ 
ren, einander uͤberboten; bie Einnahme ber Feſten und Städte _ 
folte nun den bisherigen Raub⸗ und Streif-Zug zu einer Ero- 
berung erheben, ald der Miramulim plößlich von einer Krank⸗ 


1) Mon. Las. liv. 12. cap. 9. 


2) Ribeiro baut wohl zuviel auf die Gleichförmigkeit und Stetig⸗ 
keit der Unterfchrifteformel, wenn er die Urkunden, in welchen Silvii 
hinzugefügt wird, darum verbächtigt, weil ber bloße Zuſatz Algarbii ges 
wöhnticher ifl. Cfr. Ribeiro, Tom. III. p. 184 Anmert. o. 


Regierung Sancho's I, 1185-1211. 109 


heit befallen wurde. Er hoffte noch: Zhomar ‚und‘. Abrantes 
wegzunehmen , allein fein ſchnell feigended Leiden befchleunigte 
feinen Ruͤckzug nad) Sevilla, wohin ihn. der Statthalter von 
Cordova begleitete. Noch febte der Bruder des Miramulim 
den Krieg oder vielmehr die Verheerungen in Algawe und 
Alemtejo fort; fobald er jedoch. den Rüdzug. jener bernommen, 
folgte er ihnen unverweilt nad). | 

Sancho hatte bei der Kunde.von ben ungeheure Streits 
fräften, die gegen ihn anrücdten, weislich eine Schlacht ver= 
mieden und den Feind durch eine langwierige Belagerung, zu 
der er ihn nöthigte, zu fehwächen gefucht. Er hatte fich dar⸗ 
auf beſchraͤnkt, Überall, wo feine Gegenwart nöthig und nüß- 
Tich war, die fchleunigfte Hülfe zu bringen und durch Klugheit 
und Schneligkeit zu erfegen, was ihm an Macht und: Hülfs- 
Eräften abging. Der Erfolg ‚hatte feine Klugheit belohnt. 


2) Sancho's Verdienite um dad Land. 


Seuhen und Miswachs verheeren und entvölfern "Portugal. 
Die Saracenen benugen bie Drangfale: des Landes und 
fallen in daffelbe ein. Silves geht wieder verloren. Viele 
Portugiefen gerathen in bie Sefangenfchaft der Ungläubigen. 
Mitten in diefer Noth erwirbt fih Sancho I. durch Befoͤr⸗ 
berung bed Landbaues den Beinamen el Lavrador, durd) 
feine Sorge. für den Aufbau und die Bevölkerung der Flecken 
und Burgen, wie durch Ertheilung von Ortsrechten an eine 

Menge Gemeinden den Ehrennamen el Poblador. Er be: 
ſchenkt und geroinnt für ſich bie Ritterorden. 
Nur fah er, nach dein Abzug der Feinde, mit Betruͤbniß | 

‚bie Fluren eines Theils feiner Staaten zertreten, den Land⸗ 

bauer feine Lebendunterhaltes beraubt und dem bitterften 

Elende preiögegeben. Als -wollte die Natur den Schauplag 

von. Sancho’3 Fürftentugenden erweitern und diefe in ein gläns 

zendes Licht ſtellen, ließ fie den WVerheerungen, bie in einem 

Zheil bon Portugal die Menfchen angerichtet hatten, ihre eigs 

nen Verheerungen im ganzen Reiche nachfolgen. Ungewöhns 

liche und langanhaltende Regengüffe verdarben das Getreide 
wie die Frucht des Weinſtocks und des Delbaumd; was noch 
unverfehrt geblieben, verzehrte eine Unzahl von Würmern, bie 


‚110 Erſter Beitraum. L Bud. 4 Abſqhu. 


. in der Feuchtigkeit ſich erzeugt hatten. Darauf trat: eine Duͤrre 
ein, bie den Anbau der Fluren unmöglich machte. Im Ge 
folge diefer regellofen Naturereigniffe erfchien eine peftartige 
Krankheit, die eine zahllofe Menfchenmenge hinwegraffte und 
in manchen Gegenden in der fürchterlichften Geftalt fich zeigte. 
Sroße Ortfchaften im Bisthum Porto farben aus bis auf eins 
zelne Menfchen. Im Gebiet von Braga empfanden die von 
ber Krankheit Exgriffenen, Männer wie Frauen, den entfeßlichs 
fien Brand in den Eingeweiden und vom ungeheuren Schmerz 
zum Wahnſinn getrieben, nagten fie an fich felbft, bis fie. ret= 
tungslos den Geift aufgaben. Die Gefunden aber wurben 
von fürrchterlichem Hunger gequält, Viele flarben daranz denn 
eine Reihe von Misjahren hatte alle Lebensmittel verfagt, und 
mühfem fuchte der Menfch zu feiner Nahrung dad wenige 
Gras zufammen, das allein die karge Natur noch hervortrieb 9. 

Die weife und milde Sorgfalt, womit der König beſon⸗ 
ders die niederen Stände feines Volks in ruhigen Zeiten hegte 
und pflegte, verleugnete fi) gewiß nicht in ben Zeiten ber 
Noth; aber feine Mittel mochten ebenfowenig hinreichen fol= 
chem Elend abzuhelfen und folche Bebürfniffe zu befriedigen, 
als fie. feinem Iandesvdterlichen Herzen genügten. Sie wurden 
überdie8 noch in Anfpruch genommen von ben Feinden des 
Baterlandes. | | 

Die Ungläubigen erhoben fih, um von den Drangfalen, 
von denen Portugal heimgefucht wurde, Vortheil zu ziehen; 
fie durften jeßt hoffen nur geringem Widerftand zu begegnen. 
Mit der anfehnlihen Macht, welche damals der Statthalter 
von Sevilla befaß, griff er das unglüdliche Land an. Eine 
Flotte unterflüßte den Angriff. Nach einer fchredlichen Vers 
beerung der Landitriche, Die dad Heer durchzog, wurbe Alcacer 
do Sal belagert, beftürmt und eingenommen. Ald die Einwohner 
von Palmella, Cezimbra und Almaba fahen, wie das ftarfe und 
wichtige Alcacer faft ohne Widerftanb gefallen war, verzmweifels 
ten fie daran fich felbft vertheidigen zu koͤnnen, verlieffen ihre 
Wohnſitze und flüchteten fich in andere, die ihnen mehr Sicher: 


1) Nunes do Liäo, Chron, I. p. 169. Mon. Lusit. liv. 18. 
Gap. 20, \ 


Regierung Sancho's L, 11855 —1214. 111 


beit verfprachen. Der Statthalter ließ darauf die verlafienen 
Drte von Grund aus zeritören. Dann wandte er fich gegen 
Silves und drängte es fo gewaltig, daß die Chriften, um ihr 
Leben und Vermögen zu retten, die Stadt übergaben ').. So 
wurben die Mauren durch ihre große Überlegenheit an Streit= 
fräften wieder Herren von Silves, und erſt Affonfo IH. entriß 
ihnen dieſe Stadt und andere Orte in Algarve für immer. 
Mishelligkeiten mit dem Könige von Leon hatten, wie ed 
ſcheint, Sancho unterdeffen an den nördlichen Grenzen feines 
Reichs befchaftigt ). Sobald diefe beigelegt waren oder noch 
früher, ſchloß Sancho mit dem Statthalter von Sevilla einen 
Waffenſtillſtand auf fünf Jahre ab, um feinem von allen 
Drangfalen heimgefuchten Volke die erfehnte Ruhe zu verfchaf: 
fen. Nun erft Eonnte der König dem Zuge feines Herzens 


Der lebte Einfal der Mauren war fir Portugal befons 
ders verberblich gewefen. Nicht allein, daß man den Chriften 
ihre Habe geplündert und ihre Felder verwuͤſtet hatte, fie felbft. 
waren in großer Zahl ihrem heimathlichen Herde entriffen und 
in Gefangenfchaft über das Meer gefchleppt worden. Auſſer 
dreibundert gefangenen chriftlichen Kriegern brachte der Statts 
balter von Corbova nach der Eroberung von Silves noch 
15,000 Sclaven nach Cordova, die je fünfzig in einer Reihe 
zufammengekettet waren’). Nachdem die Bevölkerung bes 
Landes ſchon durch Hunger und Elend, Durch Krankheiten 
und Kriege fo fehr zufammengefchmolzen war, mochte die 
Entziehung fo vieler arbeitfamen Menfchenhände durch Gefans 
genfchaft fir den Augenblid das Härtefte fein. Denn eben 
Hände, recht vieler Hände beburfte das Land. Die Flecken 
und Städte waren zum Theil verlaffen, verödet und verfallen, 


1) Conde, Historia de la dominacion de los Arabes en Es- 
paäia, Tom. III. cap. 51. u 

2, Er foll damals, nad) Andern einige Zahre Tpäter, die galiciſchen 
Orte Zuy, Pontevedra und S. Yayo de Lombe ſich unterworfen haben, 
die jedoch von feinen Nachfolgern in Folge von Verträgen wieder an die 
Krone von Leon abgetreten wurben. Mon. Lus. liv. 12. cap. 19. 

3) Conde, ibid. 


112 Erfier Beitraum. I Buch. 4 Abſchn. 


die Fluren verwuͤſtet und verwilbert. Eine ſchwere Aufgabe, 
jene zu bevölfern und dieſe aufzubauen! König Sancho loͤſte 
fie und erwarb fich den fchönen Beinamen el Poblador, el La- 
vrador. 

Auf fein Betreiben wurden viele wuͤſte Landſtriche, die er 
armen Landbauern ſchenkte, von dieſen umgerodet, die vernach⸗ 
laͤſſigten und verwilderten Fluren von neuem gepfluͤgt und 
angebaut. Geſchenke und Gunſtbezeugungen, die er den thaͤ⸗ 
tigſten und betriebſamſten Landwirthen bewilligte, belohnten den 
Fleiß und munterten zu neuen Anſtrengungen auf. Der pors 
tugiefifche Bauer freute fich, in feinem König den Freund und 
Befchliger feines Standes zu fehen, und nannte ben König 
mit Stolz el Lavrador. Gleiche Sorgfalt widmete: Sancho 
ben Ortfchaften und Städten, die durch die Maurenfriege zum 
Theil oder ganz zerflört waren. Er förderte eifrig die Aus⸗ 
befferung der verfallenen,, den Wiederaufbau der verwüfteten. 
Sp erhoben fih aus ihren Trümmern Govilhäo- und Torres 
Novas; die Stadt Viſeu und der Flecken Pinhel wurden ver- 
fohönert, Monte mor o Novo (1201) ') und ber Zleden Va⸗ 
lença neu gegründet. Die bedeutenden Rechte und Freiheiten, 
bie er in den Foraes vielen Orten ertheilte, Iuden bie zerſtreu⸗ 
ten und vereinzelten Menſchen in ihre Mauern ein, ermuthig⸗ 
ten ihren Fleiß, indem ſie den Gewinn deſſelben ſicherten, und 
verliehen den Bewohnern nicht allein die Mittel, in großer 
Anzahl neben einander zu leben, ſondern machten ihnen dieſes 
Zuſammenleben ſelbſt zur Annehmlichkeit und allmaͤlig zum 
Beduͤrfniß?). Indem Sancho dem Leibeigenen, der ein Jahr 
lang eine Ortſchaft bewohnte, Die Freiheit fchentte?), entfernte. 
. er Hinderniffe, die feinen Arm bisher gelähmt hatten, legte 


1) Montem majorem volumus populare, Mon. Lus. liv. 12, cap. 28, 

2) Das Nähere über diefen Gegenftand f. in dem Abfchnitt über die 
Entftehung der Gemeinden und bie Verleihung von Ortsrechten. 

3) Concedimus ut omnis christianus, quamvis sit servus, ex quo 
Covillianam habitaverit per unum annum, sit liber et ingenuus, tam 
ipse, quam progenies ejus. Foral de Covilhäo. Com estes et 
outros privilegios, fagt Brandäo, creceo notavelmente a villa, e 
he hoje huma das boas povoacödes, que ha neste Reyno etc. Mon. 
Lus. liv. 12, cap. 8. J 


| Regierung Sando'e I., 1185 — 1211. 113 


Triebfebern einer neuen Thatigkeit und Betriebſamkeit in ſeine 
Bruſt, regte und entfaltete in ihm Kräfte, die bisher geſchlum⸗ 
mert hatten. Se ſchwerer die Obliegenheiten der Bewohner 
eines Ortes waren, je groͤßern Gefahren feine Lage fie auss 
feste, befto bedeutendere Vortheile und: Vorrechte verlieh ih: 
nen der König, um fie an den heimatlichen Herd und an 
den vaterländifchen. Thron zu feſſeln. So gab er dem feſtge⸗ 
legenen Pinhel an der Grenze des Reichs, einer Schutzwehr 
deſſelben, den Foral von Evora, den einſt Koͤnig Affonſo die⸗ 
ſem Orte fuͤr ſeine erworbenen Verdienfte gegeben hatte, be 
freite die Einwohner von Pinhel von ber. Pflicht, die Mauern 
und das Schloß zu bauen, die Pedida und bie Colheita an 
ben König zu entrichten und erließ ihnen das Wegegeld (Por- 
tagem) durch ganz Portugal — aufferordentliche Freiheiten, 
deren fich die Bewohner in der Folge vollkommen würdig 
zeigten '). Eine Reihe von Drtfchaften wurden fo von Sancho 
mit Sorald befchenkt: Valhelhas, Penamocor (1209), Sor: 
telha, Braganca, Sea, Gouven, Penella (1198), Figueiroo, Eos 
vilhäa (1186), Folgofinho (1187) und die Stadt Guarda 
(1199 ). Der Stifter. und Wiederherfteller fo vieler Burgen, . 
Fleden und Städte, der forgfame Vater fo vieler aufblühens 
den Gemeinden verdiente ‘vor allen feinen Nachfolgern den 
Ehrerinamen — el Poblador — ben ihm das portugiefiſche 
Volk gegeben hat. 

Während auf diefe Weife Sancho für Stadt und Land 
päterliche Sorge trug und ſomit den dringendften Anfoderun- 
gen feiner Regierungszeit Genüge that, verfäumte er nicht 


D Mon. Lus, liv. 12, cap. 11. 

2) Zu diefen von Nunez de Lido angeführten füge ich noch fol 
gende hinzu: Vizeun (1187), Penacoca (1192), Marmelar (1194), Pena: 
dono (1195), Leiria (1195), Souto (1196), Souto major (1196), Sove⸗ 
rofa (1196), Gaftaicion (eod. an.), ©. Joäo da Pesqueira, Paredes, 
Linhares und Anciäes (1198), Sifimbria (1201), Guyanes (1202), Ta⸗ 
boadelo, Fontes, Craftells (1202), Monte mör novo (1203), Ucovou (120%), 
Reguengo de ©. Juliäo und Reguengo de S. Eypriano (1205), Reguengo 
de Villa Nova (1205), Ranalde (1208), Andranes (1208), Billa Franca, 
das der König 1200 dem flandrifchen Ritter Rollin und feinen Gefährten 
aus Flandern ſchenkte. 

Schäfer Geſchichte Portugals I. 8 


114 Erſter Zeitraum. J. Bu. 4. Abſchn. 


auch dem Ritter⸗ und Wehrſtande ſeine Aufmerkſamkeit zuzu⸗ 
"wenden. Mag dieſer in dem ſtets bedrohten und angefochte⸗ 
nen Staate bisher geleiflet hatte, verpflichtete zum Dank; der 
abgeftattete Dank ließ wieder neue Leiflungen erwarten. Durch 
reichliche Schenkungen fuchte daher Sancho die Ritterorden, 
die Bluͤthe jenes Standes, immer enger an ſich und den 
Thron zu knuͤpfen. Dem Orden von Santiago, der von Ca⸗ 
ſtilien aus in Portugal ſich auszubreiten angefangen hatte, gab 
er durch die Flecken und Burgen Alcacere do Sal, Palmella, 
Almada, Arruda feſteren Beſtand (28. October 1186). Die 
Brüderfchaft von Evora, die fpäteren Ritter bed Avisor⸗ 
dens und ihren Meifler Goncalo Viegas befchenkte und ge 
wann er burd die Orte Balhelhas, Alcanhede, Alpebriz 
und Jurumenha (Januar 1187). Den lebteren Ort gab 
er ihnen „im al ihn Gott ihm geben würde”, und feuerte 
auf diefe Weife, wie fein Vater einft die Zempelherren, die 
Kitter zu feiner Eroberung an, indem er ihnen ben Preis 
derfelben vorbielt und zufichertee Die Zempelritter, fchon 
reich durch Grundbeflgungen, und ihr Meifler Lopo Fernan⸗ 
dez, dem Sancho fehr gewogen war, erhielten das wichtige 
Idanha velha (1197) (wogegen fie die Burgen Mougabouro 
und Penasroyas an ben König abtraten), und neun Jahre 
foäter auch Idanha nova ). Ungeachtet aber Sancho den Rit⸗ 
terorden dieſe Orte erbs und eigenthümlich überließ I fo war 
er doch weit entfernt ber koͤniglichen Hoheitsrechte in denſel⸗ 
ben ſich zu begeben; er vergaß vielmehr nie in den Schen⸗ 
kungsurkunden die Stellung der Ritter zu dem Koͤnig anzu⸗ 
deuten und ihnen ihre Verpflichtungen gegen den Thron ein⸗ 
zuſchaͤrfen ). Der Güte feiner Abſichten und ber Weisheit 


1) Elucidario II. verb, Garda, p. 12% und verb. Temprei- 
ros, pag. 362. 

2) Jure haereditario in perpetuum habendam .. . 

8)... tali videlicet conditione, heifit e8 in ber Scenkungsurs 
kunde für bie Nitter von Evora, ut mihi et universo semini meo in 
regno succedenti cum eis fideliter serviatis, Ähnlich in der Schenkung 
an den Orden von Santiago: tali oonditione,' ut mihi et nostris suc- 
cessoribus cum eis obediendo serviatis. Den Zempelrittern wich in 
bem Schenkungsbrief von Idanha aufgegeben: vos vero Nos, et cun- 


Regierung Sandho’s L, 11851211. 116 


feiner Maßregeln fich bewuſſt, mochte Sancho um ſo weniger 
ſeine Rechte und Huͤlfsmittel in ſeinem Wirkungskreiſe geſchmaͤ⸗ 
ie fehen, feine Eräftige und wohlthätige Hand geiͤbent 
wiſſen. 


3) Sancho's J. Streitigkeiten mit den Biſchoͤfen von 
Porto und Coimbra. Einſchreiten des Papſtes Inno— 
con; TIL Tod des Königs 27. Maͤrz 1211. 


Gleichwol befanden fich in Portugal ganze Städte und 
Landſtriche, bie dem koͤniglichen Scepter nicht unterthan wa⸗ 
ren, Maͤchtige und Große, die in weltlichen Dingen ſich ſelbſt 
gehorchten, in :geiftlichen aber einem fremden Herrſcher hul⸗ 
digten, ein ganzer Stand, ber, meiftentheild von ber koͤnigli⸗ 
chen Gnade ernährt und groß gezogen, fich berfelben nun über> 
boben glaubte und in dem König nichts Andered mehr fah 
als den gutmuͤthigen Spender von Länberbefis und Einkuͤnf⸗ 
ten, ber, fobalb er die Hand zurüdzog, flatt ded Dankes Tadel 
verdiente und erntete. Sancho forgte vÄterlich für alle übrigen 
Stände, jenen hielt er, wie ed fcheint, für verforgt. Wir 
werden an einem andern Orte fehen, wie freigebig , wie ver 
ſchwenderiſch Sancho's Vorfahren gegen ben Klerus fich be⸗ 
wiefen hatten, und wie frühzeitig diefer in der Sorge für fich 
ſelbſt mündig geworben war. Der König mochte dies fühlen 
und öffnete feine milde Hand lieber den Weltlichen, die ſich 
um ihn und fein Vol verdient gemacht hatten‘). Wenn 
er gleich im Geifte feines Beitalterd, ber auch über ihm wals 
tete, viele Kirchen und Klöfter befchenkte*), und namentlich 
das fromme Werk feined Vaters, den Klofterbau von Alco⸗ 
baca, zu dem jeber folgende König einen heiligen Denkſtein 


ctos, qui de genere nostro nobis in Regno successerint, quandocun- 
que voluerimus, tamquam Reges et Dominos vestros in ipso 
loco recipiatis. Nova Malta Parte I. pag. 55. Anmerf. 83. 

1) Seine reichen Schenkungen an bie Ritterorden find ſchon oben 

worden; Vergabungen an einzelne Laien kommen unter ihm 

viel häufiger vor als unter feinen Vorfahren. Vergl. die Urkunden aus 
Sancho's Regierungszeit in Ribeiro, Dissert. Tom. III. p. 176 f 

2) Berg. Mon, Lus. liv. 12. cap. 31. 

g* 


126 . Erfter Zeitraum. 1 Bud. 4. Abfan. 


hinzuzufügen ſich für verpflichtet hielt, fortfeßte und. mit dem 
Grundbefiß von Dtta bereicherte '), fo war er Doch weit ent 
fernt den Klerus durch ‚einen umfaffendern erblichen Länder- 
befiß zu feinem Mitherrfcher zu erheben und auf Koften ber 
Eöniglichen Rechte die Firchlichen noch zu vermehren. Vielmehr 
ging Sancho's Beftreben fichtlidy dahin, auch von diefer Seite 
die Unabhängigkeit und Selbftändigkeit feines Throns zu wah- 
ren. Nur mit einem gewiffen Widerſtreben ertrug er die Zins- 
pflichtigfeit Portugald gegen den päpftlihen Stuhl, und er 
hatte, wie wir in der Negierungsgefchichte des erflen Königs 
gefehen haben, Innocenz den Dritten, ald Diefer ihm ben 
von Affonfo verfprowenen Zins abfoderte, den Urkundenbeweis zu 
führen genöthigt, einen Papſt, deſſen Wort fonft überall wil- 
ligen Glauben zu finden gewohnt war: Um fo weniger. modte 
der König, der Geiftlichkeit feines Landes gegenüber, von dieſer 
Die Landesherrlichkeit beeinträchtigt fehenz; um fo weniger konnte 
er ertragen, wenn Prälaten der portugiefifchen Kirche jene . 
feither fo reichlichen Ausflüffe der koͤniglichen Milde und ihre 
auf diefe Ausflüffe gegründete Macht zum Maßftabe ihrer An- 
fprüche und neuer Foderungen machten. Es wurbe dies auch 
bier in Portugal die wunde Stelle, an welcher die leifefte Be 
rührung oder Verlegung empfindliche Schmerzen und lang- 
dauernde Krämpfe verurfachte. Die bifchöfliche Stadt, Die 
dem Reiche den Namen gegeben hatte, wurde auch der An- 
fangspunct des vieljährigen Kampfes, der durch mehrere Re 
gierungen ſich zog und einige Mal das ganze Reich = 
ſchuͤtterte. | 
Im Sahre 1120 hatte die Königin Thereſia dem Bifchof 
von Porto, Hugo, einem Franzoſen von Geburt, dem fie fehr 
gewogen war, Dice Burg von Porto ?) mit allem Zugehör und 
alien Einkünften nebit mehreren Kirchen gefchenft). Drei 


1) Sousa, Provas Tom. I. pag. 16. Urf. Num. 9. 


2) d. h. bie neue Burg, fo genannt zum linterfchiche von der 
alten Burg ber Stadt Porto, der nachherigen Villa Nova de Porto. 
Klucidario 1. p. 216. col. 2, 


3) ©. die Urkunde vom 18. April 1120 in Espag. sagr. Tom. 21. 
p- 29%. Vergl. au Nova Malta P. J. p. 12. not. 5. 


Regierung Sanchs's I, 1185-1211. 117 


Jahre darauf ertheilte der Bifchof der Burg ein Ortsrecht, worin er 
Die Leiflungen der Einwohner an ihren neuen Herrn feftftellte. 
Hugos vier nächfte Nachfolger beftätigten diefen Foral '), bes 
fefligten und erweiterten ihre landesherrlichen Rechte über ihre 
Unterthanen und vergrößerten fortwährend ihren Grundbe⸗ 
ſitz. Während der Regierung Sancho's I. flanden die Bifchöfe 
von Porto (Martin I. Perez von 1185 — 89, Martin II. Ro: 
briguez von 1191— 1277) lange Zeit in gutem Vernehmen 
mit dem König. Als die Bürger von Porto wider den -Bi- 
ſchof, angeblich wegen Verlegung ihrer Ortörechte, fich empoͤr⸗ 
ten und fich feiner Herrſchaft zu entziehen trachteten, entſchied 
Sancho zu Gunften des Biſchofs und bedeutete die - Bürger, 
daß fie als Vaſallen deffelben ihm, als ihrem und der Stadt 
Herrn, Gehorfam fhuldig wären?) Gr beftätigte- ſelbſt, 
wahrfcheinlich in Folge jened Aufflandes, von neuem die Schen= 
kung der Königin Therefia im Jahre 1200. Doch weder Diefe, 
Beftätigung, noch jener günftige Urtheilsſpruch des Königs, 
in den Bürgeraufftande konnte Mishelligkeiten zwifchen dem 
Richter felbft und dem Bifchofe vorbeugen. Bei dem Dunkel, das 
damals die Grenzen der Iandeshoheitlichen und gerichtöherrlichen, 
der Föniglichen und Firchlichen Gewalt bedeckte, wäre Beftimmtheit 
in den Ausdrüden, weiche die VBerhältniffe zwifchen dem König 
und dem Bifchofe betrafen, und eine genaue Feftflelung der⸗ 
felben in der Schenkungsurfunde unerlafflich gewefen. Aber 
eine folche Beftimmtheit fehlte dem Zeitalter in dem Ausdruck 
ſowol wie in der Sache. Der Herrſchſucht und dem Ehrgeize 
der Bifchöfe war dadurch ein. weiter, ungemeffener Spielraum 
geöffnet, und ihrer ſtillen Gefchäftigkeit hatte Affonſo's halb⸗ 
hundertjähriger Saracenenkampf die Ihönfte Muße gewaͤhrt. 
Kein biſchoͤflicher Nebenbuhler, kein laͤſtiger Vorgeſetzter war 
überdies zu fuͤrchten; denn ſchon im Jahre 1115 war der Bi⸗ 
ſchof von Porto aller Metropolitanaufſicht entzogen und einzig 
dem (fernen) Papft untergeben worden ’). Das erbliche Eigen: 


1) Ribeiro, Diss. Tom.. II. p. 79. 

2).Rodr. da Cunha, Catalogo dos Bispos do Porto, Parte I. 
pag. 53. 

3) Personam siquidem tuam, et Ecclesiaın ipsam Dei gratia re-- 


Sn 


118. Erſter Zeitraum. L Bud. 4. Abſchn. 


thum der Stadt war eine fefle Grimblage ber bifchöflichen 

Macht, ein flarker Anhaltds und Ausgangs⸗Punct, um nad) 
hoͤhern Dingen zu traten. Was einzelne Biſchoͤfe fich her⸗ 
ausnahmen, wiederholt fich herausnahmen, flempelte die Zeit 
zu einem Rechte, und dem fpäteren Bifchof konnte als Recht 
erfcheinen, was urfpränglich erfchlichen oder gewaltfam ufurs 
pirt war. 

Anders muffte fo Vieles in ben Augen eined Königs er⸗ 
fcheinen , deſſen Blick nicht auf den einen Stand ſich be 
fhränkte, fonbern alle Stände, das gefammte Volk zu um: 
faffen gewohnt war, ber den unterfien Gemeindsmann, den 
armen Landbauer ehrte und ihm feine Rechte gegeben und ge⸗ 
fichert hatte, und der auf feine Töniglihe Macht ımb feine 
Kronrechte um fo eiferfüchtiger war, ba fie ihm als Mittel 
für edlere Zwede dienten. Kein Wunder, daß ſchon unter 
Sancho und gerade unter ihm die koͤnigliche und bifchöfliche 
Gewalt hart zufammenflieffen, und der Miston fortan fo oft 
ſich wiederholte. 

Der erfte Anlaß des Zwiefpaltes zwifchen dem Könige 
und dem Bifchofe von Porto ift und leider unbefannt, aber 
ein Vertrag, der zwifchen Beiden durch die Vermittelung bed 
Papftes zu Stande kam und dem Streite ein Ende machen 
foltte, zeigt und den Gegenftand defielben. Der König gibt 
dad Derfprechen, dem Biſchof und den Seinigen feine volle 
Gnade zu verleihen; das Bisthum und alle Befikungen un⸗ 
gefchmälert und unverfehrt dem Bifchof wieder zuruͤckzugeben, 
ſowie Alles, was ihm oder den Seinigen entriſſen worden, 
wieder zu erſtatten, nicht in die Angelegenheiten der Geiſtli⸗ 
chen des Bisthums weder ſelbſt noch durch Andere ſich zu mi⸗ 
fen, es fei denn daß er von dem Bifchof darum erfucht 
wuͤrde; nicht felbft Mecht zu frechen, fonbern von dem Bis 
fchof den Befcheid zu nehmen, wenn er Über einen Geiftlichen 
feines Sprengeld Klage zu führen babe; bei Befchwerben über 


stitutam sub nostram decrevimus tutelam specialiter confovendam, ea 
te libertate donantes, ut nullius Metropolitani nisi Romani Pontificis, 
aut Legati, qui ab ejus latere missus fuerit , subjectioni tenearis ob- 
noxius etc. Cf. Esp. sagr. Tom. 21. p. 297. 


— 


Regierung Sancho's L, 11851211. 119 


den Bifchof felbft das Urtheil von dem Erzbiſchof oder von 
- bem Papft, wenn an biefen appellirt worben, zu empfangen; 
feinen Unterthan des Biſchofs gegen Diefen in Schuß zu neh: 
men, noch auf irgend eine Weiſe dem Bifchof in dem, was 
feine Perfon, fein Amt und das Recht feiner Kirche betreffe, 
befchwerlich oder hinderlich zu fein ). 

Died waren Zugeſtaͤndniſſe, die wir mit bem befannten 
Charakter und der Denkart Sancho's nicht leicht vereinbaren 
koͤnnen, und bie und bei der gänzlichen Unkunde der voraus: 
gegangenen Verhandlungen immer räthfelhaft bleiben werben, 
wenn wir ben Schlüffel dazu nicht allein in ber biplomati- 
ſchen Sefchilichleit und in dem Anfehn des hohen Vermitt⸗ 
lerö, des Papftes, finden wollen. Der Vertrag ermangelte 
des erften Erforderniffes, der erflen Bürgfchaft eined jeden 
Vertrags — der Mäßigung. Die Saiten waren in ber That 
zu hoch gefpannt, als daß fie nicht bald hätten foringen müf: 
fen. Der Biſchof fand bald Gelegenheit, feinen beleidigten 
Stolz, den der Vergleich geftelgert hatte, und ben alten Groll, 
den bie koͤniglichen Zugeſtaͤndniſſe hätten begraben follen, gegen 
den König zu Auffern. 


1) S. die urk. in Epist. Innocentü II. lib. 13. ep. 76, p. 449. 
Nicht ganz Hbereinftimmend und ebenfalls ohne Datum ift das in Yen 
Memorias da Academia Real das Sciencias de Lisbea Tom. VI, parte 2. 
pag.. 78. Not. 6 zum Theil abgedruckte Schreiben Sancho's an den Bis 
ſchof Martin. Das Verhättniß beibes Urkunden zu einander iſt bei ber 
fragmentarifchen Mittheilung von Sancho's Schreiben nicht wohl befries 
digend zu ermitteln. Daß jedoch biefer Vergleich zwiſchen dem König 
umb dem Biſchof ben Streitigkeiten Beider, die ober folgen, vorausging, 
erhellt aus dem 75. Br. bes Papftes Innocenz III: Cum enim super 
varlis gravaminibus, quae . .. Rex exereuerat in eundem, dudum 
compositio inter eos mediantibus delegatis nestris celebrata fuisset, 
quam idem Rex, sicut patet ex authentico süo scripto, promisit se 
fideliter servaturum, ipse demutn süper articnlis conteutis in ea ve- 
nieng contra ipsam, adversus memoratum Episeopmn graviores innova- 
vit calumnias, et saeviores angustias instauravit. Gebauer (portug. 
Geſchichte &. 60) ſetzt den Vergleich irrig nach jenen Streitigkeiten und 
nimmt an, daß fie durch ihn beigelegt worben. Auch hier bewährt fich, 
daß Gebauer's Vorgänger, der alte Schmauß, bet dem Bertrag 
die rechte Stelle anweift, beffer und forafältiger ſah. 


120 Erfter Beitraum. LBud. 4 Abſchn. 


Als im Jahre 1208 ') der Kronprinz Affonfo mit Urraca, 
einer Tochter Königs Alfonfo VIII. von. Eaftilien, ſich ver 
mählte, weigerte fi von allen portugiefifchen Prälaten allein 
der Bifhof von Porto der Vermaͤhlungsfeier beizumohnen, 
weil die Verlobten in (entfernter) Verwandtſchaft fländen, und 
erklärte damit dieſe Ehe für ungefeßlih. Empfindlicher noch 
mochte es dem Könige fein, daß ihm, als er durch die Stadt 
Porto kam, der Bifchof mit feiner Geiftlichkeit nicht, wie es 
doch alter Brauch war, entgegenfam. Grade von biefem 
Bifchofe, dem er fo viel eingeräumt, zu befien Vortheil er fo 
wichtiger Rechte fich begeben hatte, folched zu erfahren, muſſte 
Sancho's Unmillen doppelt reizen. Wie er früher in der Rach⸗ 
giebigfeit die Grenzen vergefien hatte, fo vergaß er fie nun in 
der Rache. Er ließ den Bifchof, den Dechanten und mehrere 
Anhänger des Bifchofs gefangen nehmen und durch die Bürs 
ger von Porto aufs fcharfite bewachen. Die Wohnungen eini= 
ger Dombherren (canonici), die ded Bifchofd Partei ergriffen 
hatten, wurden niedergeriffen und ihnen ihre Präbenden, felbft 
ihre Reitpferde genommen. Vergebens appellirte der Bifchof 
an den Papft, vergebens unterfagte er den Gottesdienft und 
ſprach den Bannfluh aus. Die Schlöffer der Kirchthüren 
wurden erbrochen, Ercommunidtte in die Kirche gelaffen, Ver: 
florbene, die mit dem Bann belegt waren, beerdigt; viele 
Domberren, die dem König ergeben waren, verachteten bad 
wiederholt verkündete Interdict und hielten feierlichen Gottes⸗ 
dienſt. Fünf Monate lang faß der Bifchof in enger Haft; 
felbft da er Frank wurde, durfte Fein Priefler ihm nahen, 


um ihm den Zroft ded Sacramentd zu reichen. Endlich vers ;.,. 


fprach er dem Willen des Königs fich zu ufterwerfen. und 
wurde der Haft entlaffen. Da er voraudfehen konnte, wa er . 
von dem König zu hoffen und zu fürchten hatte, und wie bie 
fer vor Allem die Niederfchlagung der ergriffenen Appellation 
an den päpftlichen Stuhl verlangen werde, fo entwich er in 


1) Esp. sagr. Tom. 21. pag. 93. Die erfte Urkunde, in welder 
die Königin Urraca mit unterzeichnet, ift vom März 1209. Ribeiro, 
Diss. Tom. III. pag. 210. 


Regierung Sancho's L, 1185 — 1211. 121 


einer Nacht heimlich aus Portugal ‚und flüchtete nach Nom, 
wo er „beinah.nadt" *) ankam. 

Der Papft nahm ſich des Flüchtigen an und ertheilte 
dem Archidiakonus von Zamora und dem Abte von Morerola 
den Auftrag, von dem König Die Wiedererftattung des Geraub: 
ten und Genugthuung für die Beleidigungen : zu verlangen, 
zugleih ihn zur Beobachtung feines feüheren Vertrags mit: 
dem Bifhof anzuhalten. Wenn der König in einer gewiffen 
Friſt Feine Folge leiften würde, fo fol ihm der Eintritt in bie 
Kirche, der Genuß aller Sacramente verweigert werben; allent: 
halben wo er erfcheint, hört der Gottesdienft auf. Und wenn 
die beiden Prälaten auf dieſe Weife feinen Starrfinn nicht 
beugen tönnen, fo ſollen fie den Papft davon benachrichtigen, 
„damit diefer, wenn die Krankheit fehlimmer wird, zu ihrer 
Heilung eine flärkere Arznei verordne”. Die Diener des Koͤ⸗ 
nigd und Alle die ihm gegen den Bifchof behilflich gewefen, 
folk der Bannftrahl treffen. Diefe Sentenz befahl Innocenz 
an jedem Sonn: und Feiertage unter Glodengeläute und bei 
brennenden Fadeln in der ganzen Didcefe von Porto feierlichft 
zu verkünden ?). 

So ſcharf diefe Maßregeln auch fcheinen mögen, fo kann 
dieſes Verfahren gegen den Koͤnig ,‚ im Geiſte eines Innocenz 
und im Sinne der Hierarchie jener Zeit, doch gemaͤßigt ge⸗ 
nannt werden. Der Koͤnig war in den Augen dieſes Papſtes 
gewiß krank genug, um die Anwendung von ſtarken Arznei⸗ 
mitteln zu rechtfertigen. Aber Innocenz mochte die empfind⸗ 
liche Conſtitution Sancho's kennen und eine ſtufenweiſe Stei⸗ 
gerung der Mittel fuͤr angemeſſener halten als den alsbaldi⸗ 
gen Gebrauch durchgreifender und gewagter. Sein Vorgaͤn⸗ 
ger hatte ſchon einmal den Bannſtrahl an dieſem Koͤnig er⸗ 
probt. Als Koͤnig Alfons IX, von Leon mit der Tochter San⸗ 
cho's J., Thereſia, im J. 1190 ſich vermaͤhlt hatte, beauftragte 
der Papſt ſeinen Legaten, die Vermaͤhlten wegen ihrer nahen 
Verwandtſchaft zu trennen, und belegte, da ſie nicht Folge lei⸗ 
ſteten, die Reiche Leon und Portugal mit dem Interdict. 


1) Quasi nudus — ſagt ber Papſt. 
2) Innocentii III. Epist. lib. 18. epist. 75 und 57. 


( 


12 Erker Zeitraum. L Bud, 4. Abſchu. 


Doch vermochte dies nicht den Sinn beider Koͤnige zu beugen. 
Erſt nach Verlauf von fuͤnf Jahren, nachdem die gluͤckliche 
Ehe mit drei Kindern geſegnet worden, kam Affonſo mit ſeinem 
Schwiegervater überein, die Ehe zu trennen ), mehr jedoch 
auf die Bitten ihrer Voͤlker als aus Gehorfam gegen den 
Papft. Indeſſen hatte dev Widerftand zu lange gebauert, als 
daß ber enbliche Sieg dem Papfte eine befondere Freude ges 
währen konnte. Innocenz war wohl nicht begierig nach einem 
folhen Sieg, der uͤberdem noch zweifelhaft war. . | 

Der König konnte auf die Liebe feines Volks, auf bie 
Anhänglichkeit faft aller Stände fich fügen. Der Landbauer 
und ber Gewerbömann fingen ſchon an Etwas zu gelten und 
wufften, daß fie Sancho verdankten, was fie galten. Des 
Königs Schenkungen an die Orbensritter waren noch in zu 
frifchem Andenken, als daß fie nicht dieſe ruͤſtige Koͤrperſchaft, 
die Wache des Throns und eine Schupwehr bes Staats, flır - 
ihren Wohlthaͤter hätten flimmen ſollen; die Züchtigung eines 
übermüthigen Prälaten hatte fie gewiß nicht von ihm entfernt. 
Selbſt auf einige Biſchoͤfe durfte er rechnen, vor allen auf 
den Erzbifchof von Braga, Martin, der fchon als Bifchof von 
Dorto ihm befreundet war, und auf dem erzbifchäflichen Stuhl 
(feit 1189 °)) gleiche Gefinnungen für ihn bewahrte *). Ends 
ih fand Sancho in feiner eignen Bruft die Kraft und ben 
Muth, um dem Gewaltigſten, das feine Beitgenoffen fchredite, 
bie Stirne zu bieten. Wie Innocenz Perfönlichkeit die Macht 
des päpftlichen Stuhls erhöhte, fo verlieh, wenn auch in ge 
ringerem Maße, Sancho's Perfönlichkeit dem portugiefifchen 
- Zhron ein gewaltiged Anſehn, und die Angriffe: und Verthei⸗ 
digungs-Mittel hielten einander wenigflens in dieſer Hinficht 
ziemlich das Gleichgewicht. 

Ob diefe und ähnliche Rüdfichten den Papſt zu feinem 
behutfamen Verfahren gegen den König beſtimmten, bleibt 
freilich zweifelhaft; gewiß aber wirkten fie auf den König, als 
er in feinee Handlungöweife beharrte und ſich nicht fürchtete 


1) Henr. Fiorez,'Reynas Catholicas Tom. 1. p. 331 ff. 
2) Espag. sagr. Tom. 21. pag, 86. " 
$) Innocentii Epist. ib. 14. epist. 8. pag. 510. 


Regierung Sancho's L, 1185 — 1211. 123 


. den Umwillen des Papſtes von neuem zu reizen. Der Biſchof 
von Coimbra hatte fich herausgenommen ben König wegen 
feines Benehmens gegen Seiftliche und fogar wegen Verhältz 
niffe feines Privatiebens ') zur Rebe zu fielen. Da jener 
ruͤckſichtslos zufuhr, Sancho aber Teihe Beleidigung ungeahns 
det ließ und fich nichts vergeben wollte, fo flieg die gegens 
feitige Exbitterung Beier ſchnell auf den hoͤchſten Punct. Der 
Bischof fprach in feinem Kirchfprengel den Bann über den 
König aus und appellirte, damit der Erzbifchof von Braga 
ihn nicht aufheben möchte, an den päpftlichen Stuhl. Per: 
fönlich bei diefem bie Klage vorzubringen, wurde er Durch ben 
König verhindert, der fich feiner Perfon bemächtigen ließ. Um 
fo bitterer waren die Beſchwerden und Anfchulbigungen, die 
der Biſchof dem Papft zu hinterbringen Gelegenheit fand. 
Der König verleihe geiftliche Pfruͤnden wem er wolle, und 
entreiffe fie denen, die der Bifchof in feinem Sprengel damit 
begabt habe; er ſchicke Jäger, Pferde, Hunde und Vögel 
Kloͤſtern zu, bie Feine ober wenige Einkünfte hätten, um fie 
zu nähren und zu unterhalten; ex laffe Geiſtliche verhaf: 
ten. und nöthige fie vor ihm ober vor weltlichen Richtern ihre 
Rechtsſtreite zu führen, befchlige mit dem Wanne belegte Pers 
fonen, verwehre den Geiftlichen aus dem Reiche oder in dafs 
felbe zu geben, und wenn er ja jenes erlaube, fo muͤſſten fie 
vorher einen Eid ſchwoͤren, daß fie nicht an den paͤpſtlichen 
Hof gehen wollten, fonft würden fie beraubt und ins öffent 
liche Sefängniß gefegt. 

-  Diefe Anfchulbigungen Tonnten, felbft wenn fie gegründet 
waren, von der einen Seite als ungerechte Angriffe auf wirk⸗ 
liche oder vermeintliche Rechte angefehen werben; in ben Au- 
gen des Papſtes aber waren fie hinreichend die fchärfften 
Maßregeln zu rechtfertigen. Innocenz muffte ihnen. vollends 
- Glauben fchenten und uͤberdies ſich felbft empfindlich gekraͤnkt 
fühlen, als er von dem König Briefe „voll Unbefcheibenheit 
und Anmaßung” erhielt. Sancho wirft in denfelben dem 


1) „Der König habe eine Wahrfagerin bei fi, die er täglich um 
Kath, frage.” Der Biſchof vertangte von ihm, daß er fie von ſich 
entferne. ' 


124 Erſter Beitraum. L Bud: 4 Abſchn. 


Papſte nicht allein unumwunden vor, „daß er Jedem, der ihm 
Nachtheiliged von dem Könige zutrüge, willig und gern fein 
Ohr zu leihen pflege, und nicht. erröthe vor allen Menfchen 
ungeziemende Worte gegen ihn auszuſtoßen“; ey. fagt ihm 
Dinge ind Angeficht, welche Innocenz mit Stilfchweigen zu 
übergehen vorzieht. Fürwahr, fagt der Papft, Fein Fuͤrſt, fo 
ni er auch fein möchte, hat an uns oder unfere Vorfahren 
fo unehrerbietig und anmaßend zu fchreiben gewagt, es müflte 
denn ein Ketzer oder ein Tyrann gewefen fein: 

Nach folhen Aufferungen müfjten wir das Schlimmfte 
von Sancho argmwöhnen. Doch ift ed gerade Innocenz felbft, 
der es uns erfpart an Sancho irre zu werden und felbft im 
fchärfiten Tadel, den er Über den König ausfpricht, uns den 
aufgeflärten Fürften zeichnet, wie wir ihn feinem Wolke gegen: 
über haben Eennen gelernt. Als „den Ausbruch einer Fegeris 
ſchen Treuloſigkeit“ hebt nämlich Innocenz vor Allem jene 
Auſſerung hervor, welche Sancho ſich gegen ihn erlaubt hatte: 
„daß in denen welche Religion erheucheln und am meiften 
bei Prälaten und Kleritern; das Bild des Wohllebens und des 
Hochmuths auf Feine Weife beffer zerbrochen und vernichtet werben 
koͤnne, ald wenn ihnen der Überfluß an zeitlichen Gütern, die fie 
von ihm und feinem Vater zum größten Schaden des Neiched und 
feiner Thronfolger befäßen, entzogen und feinen Söhnen und den 
Dertheivigern des Reichs, die an Vielem Mangel litten, zu⸗ 
gewiefen würde.” Daß einer folchen Keerei, überbaupt dieſem 
beleidigenden Schreiben der Papſt nicht alsbald den Bannftrahl 
nachfolgen Meß, mochte in Innocenzend Augen, und in ihnen 
nicht allein, als Mäßigung und Nadyficht erſcheinen. Einer 
Verſoͤhnung aber glich es, als dieſer Papſt, waͤhrend er in andern 
Laͤndern zum Vormund der weltlichen Macht ſich aufwarf und 
den Richter der Koͤnige ſpielte, dem Koͤnig des kleinen Portu⸗ 
gals, der „anmaßender und unehrerbietiger als je irgend ein 
großer Fuͤrſt“ an ihn geſchrieben hatte, gewiſſermaßen bie 
Hand zum Frieden bot, indem er ihn dringend bat: „fich Doch 
mit dem Maß, das ihm Gott gegeben, zu begnügen und 
feine Hände nicht nach ben geiftlichen Rechten auszuftreden, 
wie auch er bie feinen nicht nach den Föniglichen auöftrede, 
ihm das Urtheil über die Geiftlichen zu laſſen, wie er es dem 


Regierung Sancho's L, 1185 — 1211. 125 


König über Die Laien laffe” ). Freilich konnten dieſe ſchlich⸗ 
ten Worte, wenn ber Geift eined Innocenz fie befruchtete, 
eine Fülle von unerwarteten Folgerungen und fühnen Aus ' 
fprüchen hervortreiben; aber im Sinne des Zeitalter8 hatten fi ie 
für fich den Schein der Mäßtgung, des klaren Rechte und ei⸗ 
ner einfachen: Loͤſung alles Zwiſtes. 

Ob ſie in Sancho's Geiſt die Begriffe von koniglicher und 
kirchlicher Gewalt und ihre gegenſeitigen Grenzen veraͤndert ha⸗ 
ben, koͤnnen wir nicht ſagen; wir wiſſen nicht einmal, ob das 
paͤpſtliche Schreiben, das den 7. Maͤrz 1211 ausgefertigt wurde, 
den König, der. den 27. deſſelben Monats ſtarb, noch lebend 
fand. War dies der Fall, fo fand es ihn in einer Geiftes- 
flimmung, in der die Macht der erflen Erziehung, gewohnter 
Eindrüde,; der Vorurtheile und Anfichten des. Zeitalterd mit 
verjingter ‚Stärke wirft und der Blick in das nahe Dunkel 
einer unbefannten Welt zur Milde und Nachgiebigkeit ſtimmt. 

Priefter folder fein Krantenbett umftanden, fein Gewiffen 
umlagert haben, um ihm durch die Schrediniffe des nahen To⸗ 
des und der jenfeitigen Strafen Reue und — Schenkungen 
an die von ihm gefränkte,. nun zu verfühnende Kirche und 
Seiftlichkeit auszupreffen und abzubringen. Man hat Die be 
trächtlichen Summen, die er in feinem Zeflamente den meiften 
Bisthuͤmern und Klöftern vermachte I. zum Beweis angeführt. 
ber diefes Teſtament errichtete er im Beifein mehrerer Bi- 
fchöfe und Großen des Reichs und mit Zuſtimmung felbft des 
Kronprinzen, Schon im October des Jahres 1209 °), zu einer 
Zeit, in ‘der er der vollen Loͤrperkraft ſich erfreute, und mit 


1) Innocentü In, Epistt. Ib, 14. 6p. 8. 

2) Unbemerkt darf nicht bleiben, daß alle Geſchenke, bie der König 
in feinem Zeftamente den Kirchen und Kiöftern verwilligte, allein in 
Gerd, durchaus in feinem Grundbeſitz beftanden. Dieſer Umſtand Löft den 
Widerſpruch, in’ben er durch dieſe Verwilligung mit feinen fenftigen 
Grunbfägen gerathen zu fein ſcheinen ‚möchte, und laͤſſt uns auf feine 
Anfichten von der Axt des Vermögen , das der Kirche und Geiftlichkeit 
gebühre, fchlieffen. 

3) Sousa, Provas J. Num. 10. p. 17. Schon im 3. 1188 oder 
1189 Hatte Eaucho ein Teſtament gemacht, das Ribeiro — unſers 
Wiſſens zuerſt — hat abdrucken laſſen Miss. Tom. III. pag. 116), und 
auf das wir ſpaͤter zuruͤckzukommen genoͤthigt ſein werden. 


15 Erſter Zeitraum. J. Bud. 4 Abfan. 


bem Biſchof von Eoimbra und dem Papfle zerfallen, Beiden 
trogig die Stime bot. Wohl aber lieg Sancho kurz vor feis 
nem Tode fi Durch ben Erzbifchof von Braga, feinen viel- 
jährigen treuen Fremd, vom Banne entbinden, und begte ba 
Zutrauen zum Papfte, daß er die Handlung des Erzbiſchofs 
beftätigen werde, wie er ſchon früher in’ feinem Zeflamente 
vertrauendvoll den Wunſch audgebrüdt hatte, daß ber Papft, 
den er darin mit einhundert Mark Goldes bebacht hatte, auf 
der genauen Erfüllung des lebten Willens mit feinem ganzen 
Anfehn halten möchte. Innocenz zeigt fich des edeln Zutrauend 
würdig, mit dem Sancho fich und noch mehr feinen großen 
Gegner ehrte, indem ex dem einen wie dem anbern entiprach, 
Das Verfahren des Erzbifchofs, der „weiſe den rechten Zeit⸗ 
punct wahrgenommen habe”, billigte, dad Teſtament beſtaͤtigte 
und aufrecht zu erhalten verfprach '). Die Freude, in dem 
heiligen Vater, fich nicht getäufcht zu haben, wurbe Sancho 
nicht zu Theil; denn erft den fechften und fiebenten Juni wur⸗ 
den die päpfllichen Schreiben ausgefertigt, nachbem er ſchon 
den 27. März, in feinem fieben und funfzigften Lebensjahre, zu 
Grabe gegangen war, und die Kunde davon — wunderbar ge 
nug — nad zwei Monaten Rom noch nicht erreicht hatte. 


\ 


4) Sancho's Teſtament. 


Erſt nach ſeinem Tode enthuͤllt uns Sancho (in ſeinem 
Teſtament) die Schaͤtze, die er waͤhrend einer Regierung von 
26 Jahren geſammelt hatte. Denn nur unbedeutende oder gar 
keine Baarſchaften hatte ihm ſein Vater hinterlaſſen, deſſen 
mehr als halbhundertjaͤhriger Krieg alle koͤniglichen Einkuͤnfte 
verzehrt, und indem eben dieſer Krieg den Pflug zertruͤmmerte 
oder verfaulen ließ, die Quelle des Wohlſtandes, die einzige 
jener Zeit, ausgetrocknet hatte. Sancho's Liebe zu ſeinem Volke 
lehrte ihn die Mittel finden, die Arbeitſamkeit deſſelben zu ver⸗ 
mehren. Dieſe erzeugte in kurzer Zeit einen gewiſſen Natio⸗ 
nalwohlſtand, der das koͤnigliche Haus nicht darben ließ. 
Seine Schatzkammer fuͤllte ſich, und Sancho ward die Beloh⸗ 


1) Epistt. Innocentii III. ib. 14. ep. 68. 59, = 


Regierung Sancho's L, 1185 — 1211. 127 


nung zu Theil, Die er verdient, aber auf biefem Wege wahrs 
fcheinlich nicht erzielt hatte, Was der Weisheit unferer Tage 
nicht immer einleuchten ober gelingen will, durch Beförberung 
einer ungehinderten Betriebſamkeit den öffentlichen Wohlftand 
zu heben und aus biefer Duelle vornehmlich die Beduͤrfniſſe 
des Staated zu fhöpfen, das fcheint ber fchlichte Sinn Sans 
cho's, Sahrhunderte vor der Geburt der Staatswirthſchaftslehre, 
gefunden und gehbt zu haben. Ohne fein Volt zu bedruͤcken, 
fammelte er nach und nach beträchtlihe Summen, legte fie 
in den Zhürmen von Coimbra, Evora und Belver, den da⸗ 
maligen koͤniglichen Schaglammern, nieder, und mehrte fie 
durch weife Sparfamkeit und ftrenge Wirtpfchaftlichkeit. 

Die Beweife hierzu liegen in feinen beiden Teftamenten, 
die und die Sefchichte aufbewahrt hat. In dem erflen, das 
der König drei oder vier Jahre nach feinem Regierungsantritte 
errichtete '), vermachte er dem Kronprinzen Affonfo 60,000 Ma⸗ 
ravedis, die in dem Thurme zu Coimbra, und 10,000 Mara: _ 
vedis, die in dem von Evora aufbewahrt würben. Nach des 
Königs Ableben follen die Wormünder des Infanten dieſes 
Geld unangetaftet Iafien, bis diefer zur Selbftändigkeit herans 
gewachfen, und während diefer Zeit „Das Reich mit den Ein- 
fünften bed Landes vertheidigen.“ Jedem der Infanten, Fer⸗ 
Dinand und Peter, beftimmt er 10,000 Maravedis, und jeber 
ber Infantinnen, Xherefia und Sancha, auffer dieſer Summe 
noch 100 Warten Silber, Dies war Allee was ber König 
an baarem Gelbe vermachte, und wahrfcheinlich alle vorraͤthige 
Baarſchaft der Eöniglichen Schatzkammer; wenigftend in bem 
Thurme von Evora befanden fi nur jene 10,000 Maravebis, 
die für den Kronprinzen beflimmt waren ?), Wie ganz anders 
lauten dagegen die Bermächtniffe, welche Sancho nach unges 
fähr 20 Jahren in dem Zeflamente vom Jahre 1209 ?) ans 
orbnete. Dem Kronprinzen vermacht er bier 200,000 Maras 
vebis in Coimbra und 6000 in Evora. Wohl, wenn auch 


1) Ribeiro, Dissert. Tom. III. Append. p. 116. 
2) Wir fchliefien dies aus ben Worten bes Teflaments: et illos 


decem mille morabitinos, qui sunt in Elbora. 
8) Sousa, Provas Tom. I. pag. 17. 


| 128 Erſter Zeitraum J. Buch. 4 Abſchn. 


nicht gleich wohl bedacht werden die uͤbrigen Kinder. Ihre 
Zahl hat ſich uͤberdies ſehr vermehrt. Auſſer jenen, die ihm 
feine Gemahlin Dulce geſchenkt hatte (5 Söhne und 6 Töchter ), 
zählte er noch eine zahlreiche auffereheliche Nachkommenfchaft, 
die er mit zwei Edelfrauen, Maria Anned de Fornellos, und 
ker fhhnen Maria Paes Ribeira erzeugt hatte. Neben den 
nobefigungen, die’ er ihnen gab, erhielt jeder uneheliche 
Sohn 8000 "Maravedis, jede uneheliche Tochter 7000 Mas 
ravedid. Weit zahlreichere und größere Summen vermachte 
der König den Bisthlimern des Reichs, den meiften Kirchen 
und Klöftern - und den verfchtedenen Ritterordenz; andere bes 
ſtimmte er für mildrhätige und gemeinnügige Zwecke, wie für 
die zum Theil von ihm felbft geftifteten Herbergen und Ho: 
fpitäler für Arme, Kranke und Fremde (Albergarias) und für 
“die Erbauung einer Brüde über den Mondego bei Coimbra: 
So freigebig der König die Kirchen und Klöfter mit baa⸗ 
rem Gelde befchenfte, fo ſtreng hielt er an ſich mit Grundbes 
fißungen; nicht eine Spanne Landes vermachte er dem Kleruß. 
Wohl aber beflimmte er ganze Ortfchaften für feine Töchter 
zum erblichen Eigenthum. Man hat angenommen, daß ber 
König Sancho, befannt mit dem Geige feines Sohnes und 
feiner :Lteblofigkeit gegen feine Gefchwifter, dieſe Durch die Zu⸗ 
ficherung eines feſten Beſitzthums von dem Bruder unabhän- 
gig und deſſelben unbenöthigt habe machen wollen. Nimmt 
man diefen Beweggrund und Vorwurf allein aus dem Teſta⸗ 
ment- (und ein anderes Zeugniß liegt, unſers Wiffend, nicht 
vor), fo thut man dem Vater wie dem Sohne Unrecht. Schon 
in dem Zeflamente vom Jahre 1188 oder 1189 beftimmte der 
König den Schweftern des Kronprinzen mehrere Drtfchaften, 
alfo zu einer Zeit, wo dieſer erft drei bis vier Fahre alt war 
und Der Bater durch: jenen Beweggrund ein fchlechted Zu⸗ 
trauen in fein eigenes Blut und in feine väterliche Erziehungs: 
kunſt gefest haben wirde. Man hätte vielmehr den König der 
Kargheit gegen feine Toͤchter zeihen Eönnen, wenn er nicht 
durch die Zuficherung von Grundgütern die verhältnigmäßig 
geringe Baarfchaft, Die er ihnen hinterließ,. ergänzt hätte. Waͤh⸗ 


1) Sousa, Hist. geneal. Tom. I. pag. 87. 


Regierung Sancho' J. 1185 —1211. 4209 


rend er die Summe von 70,000 Maravedis, die er dem 
‘“ Kronprinzen im erſten Teſtamente audgefebt hatte, im zweiten 
auf 206,000 Maravedis erhöhte, vermehrte er, ungeachtet ber 
anfehnlichen Vergrößerung des Töniglichen Schaßes, die aus⸗ 
gefegten Summen’ für jede Infantin nur um 100 Marken Sil⸗ 
ber. Den Ktonprinzen konnte er eher auf die Hülfsquellen 
des Staatd anmeifen, wenn er diefen auch nicht flr eine Vers 
forgungsanftalt anſah; aber einen anfländigen und ſichern Uns 
terhalt gewährten jene Baarfchaften den Infantinnen wohl nicht. 
Nach den Anfichten des Zeitalterd, das im Grundeigenthum 
die ficherfte und ehrenvollfte Nahrungsquelle fah, und dem Koͤ⸗ 
nig die freie Verfügung über Theile des Reichs zu Gunſten 
feiner Familie erlaubte, vermachte Sancho feine Töchtern meh⸗ 
rere Ortfchaften. Er fand Vermächtniffe diefer Art fo ange 
meflen, daß er in Widerfpruch mit einer noch allgemeiner herr⸗ 
fehenden Anficht, die der Klerus predigte, dem Oberhaupte 
defielben ind Angeficht behauptet hatte, „befler als den Geiſt⸗ 
lichen ertheile man bie zeitlichen Güter feinen Kindern und 
den Vertheidigern des Reiches, die in Vielem Deangel litten” 9. 
Nicht Mistrauen gegen feinen Sohn war e3 Demnach, 
was ben König jene Anordnungen feines legten Willens treffen 
hieß, fondern väterliche: Sorgfalt, die fich über alle feine Kins 
der erflredte, und indem wir daher mit ben Gefühlen der Ach: 
tung und Liebe von dem Vater fcheiden, koͤnnen wir ohne vors 
gefaffte Meinung der Regierung des Sohnes und nahen. 


1) ... Praelatis et Clericis . . . subtrahantur, et filiis tuis ac 
regni defensoribus in multis patientibus indigentiam assignentur. 
Epistt. Innocentii IIL. lib, 14. epist. 8. p. 611. 


_ 


Schäfer Geſchichte Portugals I. 9 


N 


130 Erfer Zeitraum. Bud. 5. Abſchn. 


Fuͤnfter Abfhnitt. 
Regierung Affonfo’s IL!) 
(27. März 1211 bis 25. März 1223.) 

1) Streitigkeiten Affonfo’s IL mit feinen Schweftern. 


Sie befegen die Drtfchaften, bie ihnen Sandyo I. in. feinem 
Teflamente zum Unterhalte beftimmt hat. Der König 
von Leon unterflügt fie mit gewaffneter Hand. Sie ru: 
fen den Papft Snnocenz IIE um feinen Beiftand an. Ber 
fahren ber päpftlichen Unterſuchungsrichter. Fortdauer des 
Kriegs. Endurtheil des Papſtes. 


San’ letzter Wille, der den Familienfrieden fichern follte, 
inbem er den Hinterlaſſenen ein feſtes Auskommen beflimmte, 
wurde eine Quelle des Samilienzwoiftes, der Anlaß. und Ges: 
genftand eines unmatürlichen, blutigen Krieg zwifchen den Ge 
ſchwiſtern. Dem Teflamente zufolge hatte der König feiner 
Tochter Therefia, der gefchiebenen Gemahlin bed Königs von 
Leon, ben erblichen Befig von Montemor o Velho und Es⸗ 
gueira zügefichert 5 nach ihrem Ableben follten beide Orte der 
Snfantin Blanca zufallen. Der SInfantin Sancha war ber 
Fleden Alemquer zum Eigenthum beftimmt, nach deren Tode 


1) Affonfo, der erſtgeborne Sohn bes Königs Sancho I. und feiner 
Gemahlin Dulce, geboren den 23. Aprit 1185, vermählte fi) im Jahre 
1208 mit Urraca, einer Tochter des Königs Alfons IX. von Gaftilien. 
Gegen die Annahme Barbofa’s (im Catal. das Rainhas), daß die Ver: 
maͤhlung Affonfo’s ſchon i. 3. 1201 ftattgefunden, ſprechen die Unterfchrif: 
ten der Töniglichen Urkunden. Die erfte, in welcher neben dem Kronprin- 
zen Affonfo auch deffen Gemahlin Urraca angeführt wird, ift vom 5 März 
1209. „Ego Sancius, Dei gratia, Portugal. Rex, una cum filiis meis, 
Rege D. Alfonso, et uxore ejus Regina D. Urraca, et ceteris filiis, 
et filiabus meis. — Bon biefer Zeit an wird ber „Regina D. Urraca“ 
in den Unterfchriften in dev Regel gedacht. Ribeiro, Dissert. T. III. 
p. 210 esa. 


4 


Regierung Affonſo's IL, 1211— 1223. 131 


die Infantin Berenguela benfelben haben ſollte. Der Krons 
prinz Affonfo hatte bei der Errichtung des Teſtaments in bie 
Hände feines Vaters, dann des Erzbifchofs von Braga, des Bis 
ſchofs von Coimbra und des Abtes von Alcobaca den Eidfchwur 
‚abgelegt, „daß er die Alles erfüllen und die Vollziehung je: 
ner Anordnungen weber felbft hindern, noch zulafien wolle, 
daß fie von Andern gehindert werde.“ | 
Kaum aber hatte der König die Augen gefchloffen, fo 
erhob fi) Hader zwiſchen Affonſo und ſeinen Schweſtern. 
Dieſe hatten ſogleich von jenen Ortſchaften Beſitz genommen; 
der König foderte deren UÜbergabe. Ob er fie ganz fir ſich 
verlangte, oder ob erin ihnen nur als Oberherr anerkannt fein 
wollte, nur die Iandeöherrlichen echte, die Huldigung ber _ 
Einwohner und die Einfegung der Alcaiden in Anfpruc nahm, 
berichtet und Feine Urkunde. Neuere Schriftfleller fagen uns 
freilich, was der König verlangt, was er für fich angeführt 
habe, aber fie fagen und in Wahrheit bloß, was er für fich 
verlangen. und anführen Eonnte. Alle ihre Mittheilungen laus 
fen darauf hinaus, daß Affonfo, um bie legtwilligen Beſtim⸗ 
mungen über jene Burg umzufloßen und diefe feinen Schwes 
fleen zu entreiffen, mit politiſchen Grimden den mahnenden 
Eidſchwur zum Schweigen zu bringen fich bemüht habe. Wir 
find nicht geneigt Affonſo's Gewiffen fo Vieles aufzubürben. 
Einige Schuld trägt auch der Teſtator, der ed vernachläfligte 
audbrüdlich zu beflimmen, daß dem König die Landeshoheit 
über dieſe Orte nach wie vor bleiben follte — ein Recht der 
Krone, das freilich fo fehr im Geifte der Zeit und der Lan⸗ 
besverfaffung begründet war, daß ed der ausdruͤcklichen Er: 
wähnung kaum bedurfte. Affonfo hatte, wie es fcheint, unter 
diefer Vorausſetzung die gewiflenhafte Beobachtung des legten 
Willens feines Vaters befchworen, und handelte feinem ide 
nicht zuwider, als er bei feinem Regierungsantritte von jes 
nen Ortfchaften in Anfpruch nahm, was ihm feiner Überzeus 
gung nach gebührte. Die Schweflern aber, die jene Vorauss 
feßung nicht gelten laſſen wollten, "wiberfegten. fi ch dem und 
riefen den Papſt um Beiſtand an. 
Innocenz III. hatte bereits, auf Verlangen des Koͤnigs 
Sancho, nicht allein das Teſtament im Allgemeinen beſtaͤtigt 
9* 


1211 
Oct. 


— 


132 erſer Zeitraum. J. Buch. 5. Abſchn. 


und ſeine genaue Befolgung geboten 1), ſondern auch insbe⸗ 
ſondere, auf Anſuchen der Infantinnen, die „von gewiſſen Leu⸗ 
ten Unluſt fuͤrchteten“, bald nach des Koͤnigs Ableben die ſaͤmmt⸗ 
lichen Grundbeſitzungen, die ihnen ihr Vater vermacht hatte, 
unter feinen und des heiligen Peters Schutz geſtellt?). Der 
Erzbifchof von Compoſtella und zwei fpanifche Biſchoͤfe wa⸗ 
ren vom Papft beauftragt worden dieſe Anordnungen auf- 
vecht zu erhalten. Indeſſen fchien die Sicherheit, bie der ver- 
forochene Schuß des heiligen. Vaterd den SInfantinnen ges 
währte, fie nicht über alle Beforgniffe zu erheben; eine naͤ⸗ 
bere und fchleunigere Hülfe duͤnkte ihnen nöthig. Sie fuch- 
ten und fanden ra bei dem ihnen verwandten König von Leon, 
während fie felbft mit ihren Kriegern und Anhängern in dem 
durch feine Lage flarken, damals faft uneinnehmbaren Monte: 
mor fich befeftigten und jeden gewaltfamen Angriff. abzuweh⸗ 
ren fich ruͤſteten. Unwillig darüber, daß die Infantinnen durch 
den Hülferuf im Auslande den Bruder befchimpften und 
fremde Streiterhaufen in das Reich Iuden, eilte der König 
nach Montemor, von einer Anzahl Krieger begleitet, die zu 
feinem perfönlichen Schuß hinreichte, ohne die Beſorgniß zu 
erregen, Daß er mit ihr den Drt angreifen oder belagern wolle. 
Er ſchlug den Infantinnen vor, die flreitigen Burgen zuver- 
Läffigen und ihnen getreuen Rittern zur Beſchuͤtzung anzuver⸗ 
trauen, alle Einkünfte diefer Orte für fich zu erheben, ihm 


. aber in denfelben huldigen zu laſſen. So ſchien dem Könige 


die Würde der Krone und die Einheit des Staates gewahrt, 
zugleich dem legten Willen des Abgefchiedenen, der den Toͤch⸗ 
tern bloß einen anftändigen und feften Unterhalt zu fichern 


' beabfichtigte, Genüge gethan ). Doch die Infantinnen, auf: 


den Beiftand der geiftlichen und weltlichen Waffen fich flügend, 


I) Mit Ausnahme deffen, was der König über einige Kiöfter zu 
beftimmen ſich angemaft habe, cum justa canonicas sanctiones nulla sit 
laicis de rebus ecclesiastieis attributa facultas disponendi. Innocen- 
tii III. Epist. ib. 14. epist. 58, 

2) Innocent. Epist. lib. 14. epist, i15. 116. 117, 

3) Brandäo bemerkt richtig: Näo procedia el Rey D. Afonso 
nesta -materiA com tao pouco fundamento, como se tem comuniente, 
pois pedia resonhecimento, e conservacäo dos direitos Reaes, e ou- 


Regierung Affonfo’s IL, 1211-1223. 133 


verwarfen biefen Vorfchlag. Einige ihrer Soldaten in Mon: 
temor (Affonſo Elagte Tpäterhin darüber bei dem Papft) flieffen 
Schimpfworte gegen den König und feine Begleitung aus, 
erhoben in feiner Gegenwart ihre Banner und riefen wiebers 
holt: „Xeon, Leon!" Entrüftet über diefe Begegnung und den 
MWiderftand der Schweitern Fehrte Affonfo nah Coimbra zu⸗ 
ruͤck, und hielt fich fir gerechtfertigt, wenn er der feindlichen 
Gewalt i im Schoofe des Reichs die Fönigliche, der fremden bie 
vaterländifche entgegenftellte. 

Sofort nahm er Aveyras weg, das der Infantin Sancha 
gehörte, belagerte Montemor und Alemquer, während leoneſi⸗ 
fche Streiterhaufen, unter der Anführung des Infanten Fer⸗ 
dinand, heranrüdten. Diefe verfuchten zwar vergeblid) jene 
Burgen zu entfeßen, plünderten und verbrannten aber meh⸗ 
rere offene Orte der Umgegend und befeßten andere ). Eilf 
fefte Schlöffer Famen in die Gewalt des - Königs von Leon. 
Das ganze Reich ward erfchüttert, der blutige Kampf von beis 
den Seiten mit der größten Erbitterung geführt. Wie dem 
Könige die Schweftern, der Schwager, der eigene Bruder (der 
Infant Peter) feindfelig gegenüber landen, fo der leoneſiſche 
Nitter dem portugiefifchen, vielleicht dem eigenen Bruder oder 
Vater. Dennoch würde Affonfo Über feine Feinde, Die heimis 
ſchen wie die fremden, gefiegt und dem Lande die Ruhe wies 
dergegeben haben, hätte er allein mit diefen Feinden zu Fam: 
pfen gehabt. Mochte auch mancher Portugiefe, der in dem 
Könige den hartherzigen Bruder zu fehen glaubte, von ihm 
fi) wegwenden, mochte die Theilnahme, die für den Schwaz 
chen und Unterbrüdten immer wacht, dem von männlicher 
Übermacht bedrängten Weibe aber nie verfagt wird, den Ins. 


tras cousas que os Summos Pontifices approvaräo, e derpois se vic- 
räo a conceder. Mon. Lua. liv. XII. cap. 5. 

1) Pluribns villis campestribus incendio devastatis, quaedam ca- 
stra etiam occupavisse, quorum unum dicto fratri ejusdem Regis Por- 
tugalliae (dem Infanten Peter, der als Anführer des Leonefifhen Heeres 
dem noch fehr jungen Infanten Ferdinand beigegeben worden war) com- 
miserit; caetera per se, et per filium suum contra justitiam detine- 
ret. Aus dem Schreiben des Königs Affonfo IT. an den Papſt bei 
Brandäo, Mon. Lus. liv. 18. chp. 5. 


⸗ \ 


134 Erfter Zeitraum. L Bud. 5. Abſchu. 


fantinnen in der Stille Anhaͤnger werben; — der Koͤnig war 
doch im Beſitze der Macht, er vertheibigte die gefaͤhrdete Ein⸗ 
heit. und Unabhängigkeit des Stasızd und behauptete Die Wuͤrde 


und Rechte der Krone im Innern ded Reiches und gegen 


fremde Einmifhung. Der Beifall und die Anhänglichkeit ber 
Vaterlandöfreunde konnten ihm nicht entgehen. | 
Nun aber kam zu den moralifchen und politifchen Be 
weggründen, welche die Portugiefen in Parteien getrennt unb 
zur blutigen Zwietracht gereizt hatten, noch ein religioͤſer Bes 
weggrund, nicht der fchwächfte: in- jenem Jahrhunderte, und 
vermehrte die Verwirrung. Der Papft hatte dem Erzbifchofe 
‚von Strigonia und dem Bifchof von Zamora den Auftrag 
gegeben, den Streit in der Ebniglichen Familie zu unterfuchen. 
Da Affonfo die Belagerung ber flreitigen Burgen nicht aufs 
bob, fo wurde er und das Reich von ben paͤpſtlichen Unter: 
fuchungsrichtern fo lange in den Bann gethan, bis er die Waf⸗ 
fen niederlegen und dem Ausfpruche des Papſtes fich unters 
werfen werde. Doch bied Eimmerte den König wenig; er 
appellirte an ben Papft und z0g im folgenden Jahre wieber 
mit Heeresmacht vor die Burgen. Sie tamen endlich in feine 
Gewalt. Nun erft ließ er dem Papfte fagen, daß er bereit 
ſei zu einem gütlichen Vergleiche: Wahrfcheinlich auf Antrieb 
des Königs ernannte Innocenz andere Bevollmaͤchtigte, Die 
Abte der Giftercienferklöfter Cöpina und Offeira, die fich fos 
gleich nach Coimbra begaben, um die beiden Parteien zu 
vernehmen und ihre gegenfeitigen Befchwerden und Rechtfer⸗ 
tigungen zu prüfen. Auf das eidliche Verfprechen ded Königs, 
daß er dem Ausfpruche des Papſtes fich unterwerfen wolle, 
wurde der Bann unverzüglich aufgehoben ). Die Burgen gab 
man bi8 zur Entfcheidung den Tempelrittern in Verwahrung. 
Unverhofft aber thaten bie päpftlichen Commiffarien den Spruch: 
„Daß der König feinen Schweftern für den ihnen zugefügten 
Schaden 150,000 Goldgulden bezahlen folle.” Und da Affonfo 
dem Spruche nicht nachlam, fo warb er von neuem in ben 
Bann gethban. Die Größe jener Summe machte dem König 
die Zahlung unmöglich; er wied dies nach, wie bie fchreiende 


1) &. die päpftliche Abfolution in dee Mon. Las. liv. 18. cap. 4. 


Regierung Affonfo’s IL, 1211— 1223. 135 


Ungerechtigkeit, mit ber man gegen ihn, der von ben Schwe⸗ 
ftern und dem König von. Leon eben jo großen Schaden ers 
‚ litten habe, verführe. Mit Recht Eonnte fein Sachwalter Leos 
narbo, ein audgezeichneter Rechtögelehrter aus Mailand, be 
baupten: „gegen den Zahlungsunfähigen habe man ben Bann: | 
ftrahl gefchleudert, der nur den Widerfpenftigen treffen follte.“ 
Aber nicht allein ein unausführbares und ungerechted Urtheil 
hatten die Unterfuchungsrichter gegeben; fie waren gar nicht 
befugt irgend ein Urtheil zu fällen. Der Papft hatte ihnen 
aufgegeben, „wenn’fie eine gütliche Vereinigung unter den 
beiden Parteien nicht zu Stande bringen Eönnten, den Streit 
hinreichend einzuleiten und feine Prüfung und Entfcheibung ihn: 
zu uͤberlaſſen. Sie follten in diefem Falle den Parteien eine 
gewiſſe Frift fegen, in welcher fie ihre Sache durch tüchtige 
Procuratoren vor dem Papfte führen lieſſen und deffen Urtheil 
empfingen “N, 

Ohne zu wiffen, wie weit feine Richter ihre Vollmacht 
überfchritten hatten, appellivte der König nochmal an den 
Papſt. Diefer ernannte darauf neue Bevollmaͤchtigte, den 
-Bifchof von Burgos und den Dechanten von Compoſtella, 
und zeichnete ihnen das Verfahren, das fie beobachten, wie 
die Entfcheidung, die fie im Namen des Papfted geben ſoll⸗ 
ten, vor?). Wunderlich genug lautet ed hierbei, wenn ber 
rechtögelehrte Innocenz, nachdem in dem Proceß, der bei feis 
nem Richterftuhl anhängig war, fehon mehrere Mal ein Urtheil 
gefällt und Strafe (die fchwerfte, welche die Kirche über einen 
König und fein eich verhängen kann) erfannt worden war, 
nach fünf Jahren den päpftlihen Benollmächtigten zu unter 
ſuchen aufgibt: „ob der König mit Necht die Maffen gegen 
feine Schweitern ergriffen habe?" und auf diefe Weife damit 
endigt, womit er hätte beginnen folen. Wenn er aber in 
derfelben Inſtruction bemerflih macht, „wie es keineswegs 
aus dem väterlichen Teflament hervorgehe, daß jene (ftreitigen) 
Drte von der Ebniglichen Gerichtsbarkeit befreit fein follten‘ ?), 


1) Innocent. Epistt. lib. 16. epist. 52. 
2) Mon. Lus. Tom. IV, Append. Eiscrit. 8. 
3) Nobiles quoque praedictae pro Castris ipsis exhiberent sine 


136 Eefer Zeitraum. Lund 5. Abſchn. 


fo ſcheint es, daß der König, mit der Behauptung, von der 
er, wie wir annehmen birfen, gleich anfangd ausgegangen, 
am Ende des Rechtsftreites bei dem Papft durchgedrungen war. 

Der päpftliche Sprucd fiel endlih dahin aus: der Kits 
chenbann, der über den König und das Reich auögefprochen 
worden, if ungültig. Die Burgen follen den Tempelherren 
ohne Nachtheil des Reichs und des Königs anvertraut werben, 
fo dag der König die Hoheit über fie hat, die Schweſtern aber 
die Einkünfte derfelben beziehen. Der erlittene Schaden beider 
Parteien fol durch Unparteüfche ausgemittelt und wo moͤg⸗ 
lich gegenfeitig ausgeglichen werden. — Er war fehr beträcht- 
lich. Die Königin Thereſia .verficherte, daß fie allein für Kries 
gerfold, für Boten und Sachwalter in Rom 50,000 Gruzas 
008 ausgegeben habe, der Verluft aber, den fie an Heerden, 
Früchten, felbft an Schifföladungen erlitten habe, unberechen- 
bar fei. Die Infantin Sancha, die ebenfalld dieſen Verluft 
nicht anfchlägt, gibt ihre baaren Koften im erflen Kriege zu 
‚ 14,626 Gold: Maravedis, im zweiten zu 15,607 an!) — in 
der That fehr bedeutende Summen für jene Beil. Was ber 
König Sancho demnach mühfam erfpart' und gefammelt , viel 
leicht zum Theil unter Gewiffenszweifeln erworben ?), was er 
unter feine Kinder vertheilt hatte, um ihre Unabhängigkeit, 
Ruhe und Einigkeit zu fichern, das verfchlang die Feinbfelig- 
keit der Gefchwifter gegen einander zu ihrem eigenen Unheil 
und zum Verderben des unglüdlichen Landes, das der Schaus 
platz des fchmachvollen Gefchwilterfriegs war. 

So wurde für jest ein Familtenflreit beigelegt, in dem 
weder die Vorficht ded Vaters, noch die Zärtlichkeit des Brus - 
berö, noch die Weiblichkeit der Schweftern, noch die Gewife 
fenhaftigfeit des Richters unfere Theilnahme erregt. Die ges 


difficultatis obstaculo jura Regalia dicto Regi, cum per Patris testa- 
mentum nullatenus appareret, quod eadem a ‚jurisdietione Regia ex- 
empta fuissent. 

1) Mon. Lus. Tom. IV. Escrit. 6. 

: 2) Darauf deutet vieleicht die Beflimmung in dem Zeftament bin: 
et de mea arca XCC. morabit. de quibus faciant pacari, quantum 
invenerint quod accepi cum torto, 


Regierung Affonfo’s HE, 12141 — 1223. 137 


rechte, aber flmf Jahre verſpaͤtete Entſcheidung vermochte nicht 
Diejenigen zu verfähnen, deren Geflihl durch das gegebene Ars 
gerniß einer blutigen Gefchwifterfehbe im koͤniglichen Haufe 
verlegt war, bie ihr Blut dabei vergoffen hatten, ihr Obdach 
und ihre Fluren zerftört fahen. Die Unachtfamkeit bed Rich⸗ 
terd konnte nur einige Entfchuldigung finden in der Unermeffs 
lichkeit feines Gerichtsſprengels, der beinah bie ganze Chriftens 
beit umfafite und noch nach Oſten fich zu erweitern fixebte, 
und in ber Menge und Wichtigkeit bee Proceffe, die bei feis 
nem Richterftuhle anhängig waren. 

Innocenz ftarb (16. Jul. 1216) wenige Monate, nachs 
dem er durch fein Urtheil (vom 7. April) die innere Ruhe von 
Portugal hergeftellt hatte. Sein Nachfolger auf dem heiligen - 
Stuhle, Honorius IIL, eröffnete feine päpftliche Wirkſamkeit mit 
einer Unternehmung, die für Portugal zufällig wichtig wurde, 
mit der Anorbnung und Beförderung eined neuen Kreuzzugs. 


2) Deutfche und niederländifche Kreuzfahrer helfen den 
Portugiefen Alcacer do Sal erobern. 


Man war durch frühere Erfahrungen zu ber Überzeugung 
gekommen, die der Papft jest felbft durch ein Gebot ausfprach, 
daß man nicht vereinzelt, fondern in größern Maffen und 
mit zufammenflimmenden Mitteln das große Ziel, die Wieder⸗ 
eroberung bes heiligen Grabes, zu erreichen trachten follte. Der 
tegfte Eifer für eine neue Kreuzfahrt zeigte fih im weftlichen 
-Deutfchland, unter den Anwohnern des Niederrheins. Vor 
Allen bewiefen die Bewohner Coͤlns und feines Sprengels eis 
nen Enthufiafmus, den Honorius durch ein befonderes paͤpſt⸗ 
liches Schreiben zu loben und dadurch noch mehr anzus 
feuern nicht verfäumte. Mit ihnen verbanden fich niederländis 
ſche und friefifche Pilger. Nicht weniger ald 300 Schiffe wurs 
den ausgeruͤſtet, um dieſe Schaaren nach dem heiligen Lande zu 
führen. Sie verfammelten fih in Vlardingen an bey, Maas 
und traten den 29, Mai 1217, unter der Anflhrung Gras 
fen Wilhelm von Holland und Georg von Wied, die Seefahrt 
an. Nach vielen Unfällen und Stuͤrmen, von denen bie Flotte 


4138 Erſter Beitraum. L Bud. 3. Abſchn. 


worden war, legte fie im Hafen von Lilfabon an, 


(21. Jul.), um die befehädigten Schiffe ausbeſſern zu laſſen. 


v Während bie Mannfchaft hier verweilte, begab. ſich bes 
Bifchof diefer Stadt, Sueiro, begleitet von dem. Bifchof von 
Evora, dem Abt Peter von Alcobaca und den Großmeiftern 
ber Zempelritter, der Johanniter und des Santiago » Drdens 
zu ben Anführern der Kreuzfahrer, und fuchte fie zu bewegen, 
gemeinfchaftlih mit den Portugiefen die Feſte Alcacer bo Sal, 
von wo aus die Saracenen umaufhörlich das portugiefifche Ge: 
biet beunruhigten und verheerten, zu belagern. Zu ben Grün: 
den, bie in ähnlichen Fällen ſchon angeführt worben, fügte 
der Bifchof noch das Beifpiel früherer Kreuzfahrer hinzu, bie 
bereits in Portugal unvergänglichen Ruhm und den Himmel 
ſich erlämpft hätten, die vorgeruͤckte Jahreszeit, die fie ohnes 
dies nöthigen werde in den Häfen von Stalien zu überwintern, . 
die Zögerung ber mit dem Kreuz bezeichneten Könige und Für: 
fien, deren Ankunft im Paläftina fie abwarten müflten, bie 
Ausficht auf Die Beute und die reichen Mittel, die ihnen ber 


Beſitz von Alcacer zur Eroberung des heiligen Grabes barbies 


1217. 


ten würde. 

Die Grafen Wilhelm von Holland und Georg von Wie 
hielten fogleich einen Kriegsrath mit den Ubrigen Anführern der 
Mannfchaft und flimmten diefe für den Worfchlag, wie bes 
Bifchofs Rebe fie felbft daflır geftimmt hatte Nur die Zrie 
fen wollten fich von der genauen und möglichft baldigen Er⸗ 
füllung ihres Geluͤbdes nicht abhalten laffen. Sie trennten 
fih von den Übrigen, verlieffen mit mehr als achtzig Schiffen 
den Hafen von Liffabon und fegten ihren Weg nach dem hei- 
ligen Grabe fort (27. Zul). Die Zurudbleibenden dagegen, 
entfchloffen mit den Portugiefen zur Belagerung von Alcacer 
do Sal ſich zu vereinigen, fuhren auf Meinen Kahrzeugen bis 
Setuval, damals noch ein kleiner von Fiſchern ⸗bewohnter Ort 
ohne Mauern, von da weiter bis vor Alcacer, wo fie, ohne 
Widerſtand zu finden, an das Land fliegen. Einige Tage dar: 
auf (JAug.) ſchloſſen fich ihnen mehrere portugiefifhe Große 
mit zMreichen Kriegerhaufen an, die Nitterfchaft des heiligen 
Jacob vom Schwert, angeführt von dem Commenthur Mar- 
tin, dem Biſchof von Liſſabon, jetzt eben fo tapfer und unter: 


[4 


Regierung Affonfo’s HB, 1211 — 1223. 139 | 


nehmend, ald vorher. berebt, an ber Spige einer rüfligen 
Streiterfchaar. oo 

Man hoffte und verfuchte im Sturm den Ort zu über 
wältigen; aber er war ſtark befefligt mit Mauern, Thürmen 
und Gräben; der zahlreichen Befagung fland ein muthiger Be 
fehlshaber vor‘). "Der Angriff der Ehriften wurde abgemwiefen, 
und um der Belagerung, zu der fie fich anfchidten, Trotz bie 
ten zu koͤnnen, ein Aufruf an die maurifchen Statthalter An- 
balufiend zum Entfag und Beiftand erlaffen. Die Bedraͤng⸗ 
niß ber Feſte, ihre‘ weitbefannte Wichtigkeit fehte das ganze 
maurifche Spanien in Bewegung. Zahlreiche Heerhaufen, von 
den Statthaltern (Königen) von Sevilla, Cordova, Jaen und 
Badajoz angeflihrt, zogen heran und ftanden den 9. Sept. den 
Chriften gegenüber. Diefe, nicht halb fo ſtark ald das Heer 
der Saracenen, das ſich auf 40,000 Mann zu Fuß und 10,000 
zu Pferd (nach Andern auf nahe an 100,000 Mann) belief, 
entmuthigte der Anblid einer ſolchen Streitmaffe, bie zugleich 
Den Muth der Belagerten erhöhte. Bald jedoch kehrte den 
Ehriften das Selbflvertrauen zuruͤck. ine beträchtliche Vers 
flärfung von Portugiefen und Leonefern, SIohannitern und 
Tempelrittern, die in des folgenden Nacht zu ihnen flieflen, 
vermehrte ihre wirkliche Macht. Ein Kreuzpanier, dad am“ 
Abend in der Luft erfchien, verkündete den Gläubigen ben 
Steg’). Die Pilger, dem großen Kampfe gegen die Zeinde 
des Gekreuzigten geweiht, durften und konnten nicht unruͤhm⸗ 
lich ihn hier eröffnen. Die Portugiefen aber waren des Ans 
blicks ſchon gewohnt und eingeben? fo manches Sieged über 
eine Mehrzahl von Mauren. Man rüftete fi) Darum vers 
trauensvol zur Schlacht am Morgen des 10. Sept. . 

Ein Faͤhnchen mit der Rechten fchwingend, mit ber’ Lin- 
Ten den Schild vorfchügend, dad Streitroß Eräftig angefpornt, 
rannte zuerft dee Commenthur Martin mitten unter bie Feinde. 


1) Conde nennt in Abdallah Ebn Mohammed Ebn Wasir. Hi- 
storia de la dominacion de los Arabes en Espaüia. T. II. cap. 56. 
2)... quod in aöre apparuit vexillum crucis gloriosum exerci- 
tui in victoriae signum, berichten die Bifchäfe und Orbensmeifler an den 
Papfl. Manrique, Annal. Cisterc, ad an, 1217, cap. 4. 


140 Erfter Zeitraum. L Buch. 5. Abſchn. 


Dem Commenthur, der in einem Meinen Körper ein Löwen: 
herz trug‘), flürzte muthig nach Peter Alvitis, der Tempel⸗ 
meifter. Andere, die nicht genannt werden, aber ed verdient 
hätten genannt zu werben, folgten ihnen; die Schlacht war 
bald allgemein, blieb aber lange unentfchieden. Was der Hels 
denmuth der Chriften leiftete, fchrieben fie befcheiden und ſchwaͤr⸗ 
merifch einer Schaar von Engeln zu, die in Geftalt von weiß 
gekleideten Rittern vom Himmel herab für fie gefochten habe. 
Der Sieg war vollfiändig. 14,000 erfchlagene Saracenen bes 
deckten das Schlachtfeld, unter ihnen die Statthalter von Cor⸗ 
bova und Jaen. Die Zahl der Gefangenen, die in die Ge: 
walt der Chriften gerieth, die Menge der Koftbarkeiten, die 
man in den Zelten fand, war unermeßlich. 

Sp vollftändig auch diefer Sieg über das Saracenenheer 
gewefen war, fo hielt fich doch Alcacer do Sal noch einen 
Monat lang. Endlich, den 21. Octbr., fah fich die Fefte ges 
nöthigt die Thore zu Öffnen. Man fand noch ungefähr 2050 
Menfchen darin ) und überließ den Drt dem Großmeifter 
von Santiago oder von Palmela, dem er fchon vorher ver- 
fprochen worden und der während der Belagerung und ber 
Schlacht auf das herrlichfte fich hervorgethan hatte. 

Den glüdlichen Erfolg diefer Unternehmung berichteten die 
Biſchoͤfe von Liſſabon und Evora, der Abt von Alcobaca und 
die Großmeifter der verfchiednen Orden an den Papft und ba⸗ 
ten ihn zu geftatten, daß die Kreuzfahrer noch ein Jahr in 
Portugal verweilten, um die Ungläubigen vollends aus Spa⸗ 
nien zu vertreiben, und daß die fremden Pilger und die mit 
dem Kreuz bezeichneten Portugiefen der kirchlichen Beguͤnſti⸗ 
gungen ebenfo kheilhart ig würden, ald wenn fie perfönlich für 
die Rettung des heiligen Stabes gefochten hätten 9. Hono⸗ 
rius aber antwortete: „jener glüdliche Erfolg möge die Por: 
tugiefen und Spanier zu neuer Thätigkeit anfeuern, die Er: 


1) Parvus corpore, corde leo. 

2) Nah Eonde lieſſen die Chriſten mehr als 1000 mauriſche Rit⸗ 
ter enthaupten. 

3) ©. das Schreiben bei Manrique, Annal. Cisterc. an. 1217, 
cap. 4, 


Regierung Affonfo’s IL, 1211 — 1223. 141 


oberung Paläftinad bleibe jedoch die Hauptfaches von. ber Er- 
füllung des Geluͤbdes koͤnne er mur diejenigen entbinden, die al 
ler Mittel, um die Reife fortzufegen, ermangelten, oder die bei 
der Belagerung von XAlcacer ihre Schiffe hergegeben hätten, 
um Kriegszeug daraus zu fertigen Y.. Die Kreuzfahrer ver⸗ 
lieſſen daher, nachdem fie den Winter in Liſſabon in. Behag⸗ 
lichkeit zugebracht hatten ?), im Frühling 1218 den Hafen und 
fegelten dem heiligen Grabe entgegen. ' 

Meder an dDiefer glorreichen Eroberung Hatte Affonfo I. 
perfönlich Theil genommen, noch an dem Siege: von Novas 
de Zolofa, der fünf Jahre vorher den chriftlichen Namen ver- 
herrlicht hatte. Damals lebte der König mit feinen Schwe⸗ 
flern im Streite und war eben mit der Belagerung von Alem⸗ 
quer und Montemor befchäftigt; überdies machten bie feind- 
lichen Einfälle der Leonefer in das Land zwifchen dem Minho 
und Douro feine Gegenwart nöthig. Aber viele portugiefifche 
Ritter und ein zahlreicher Haufen Fußvolk, die beide wohl 
nicht ohne des Königs Zuftimmung oder Befehl dem chriſtli⸗ 
chen Heere fich anfchlieffen durften, theilten den Ruhm jenes 
ag’); Während der Belagerung von. Alcacer do Sal aber 
lag Affonfo, nach Brandäos Angabe‘), in Coimbra krank 
Danieder. Mit Unrecht hat man daher dem König feine Ab⸗ 
wefenheit bei beiden Unternehmungen zum Vorwurf gemacht . 
und ihm Unthätigfeit und Muthlofigkeit im Kriege zur Laſt ge: 
legt. Anders urtheilt der Papft Honorius über ihn, indem 
er Affonſo's Krlegsthaten im Kampfe gegen die Ungläu- 
bige® ruͤhmend erwähnt‘), und die Eroberungen von Vei⸗ 


1) Raynaldus in Contin. Baron. ad an. 1217. Nro. 57. p. 414. 


2) Tota hyeme ibidem bonanı ducens vitam. Godefr. Mon, 
. 886. über das Ganze vergl. Wilkens Gefchichte ber Kreuzzuͤge. 
heil VI. ©. 166 und ff. 

3) Convenerunt etiam ad eandem urbem plerique milites. (i. e. 
Cavalleiros) de partibus Portugalliae, peditum vero copiosa multi- 
tudo, qui mira agilitate expeditionis onera facile sustinebant et au- 
daci impetu impetebant. Roder. Tol, 

4) Mon. Lus. liv. 13. cap. 10. 


5) Manifestis probatum est argumentis, ſagt der Papſt in der 
Bulle (von 1318), worin er dem König, der Sitte gemäß, das Reich be⸗ 


142 Erſter Beitraum. L Bud. 9. Abſchn. 


ros, Monforte, Borba und Villa Vicoſa koͤnnen als Belege 
fuͤr die Wahrheit der paͤpſtlichen Ausſage angeführt werben ). 
Sonſt hat die Geſchichte jener Zeit, die gemeiniglich Waffentha⸗ 
ten bereitwilliger aufzeichnete als das ſtille Wirken des Scep⸗ 
ters, über die Kriegsereigniſſe dieſer Regierung und die pers 
fönliche Tapferkeit des Königs und in einem Dunkel gelaffen, 
aus dem nur einzelne Züge von Affonfo’3 Eriegerifhem Muth 
hervorſchimmern. So zogen ihn einft die Seinen bei einem 
Gefecht mit den Saracenen halbtodt und. mit Waffen bededt 
unter Leichen hervor. In feinen fpdtern Jahren hinderte ihn 
feine ungewöhnlihe Dide, die ihm auch den Beinamen 
o Sordo gab, feine perfönliche Tapferkeit zu bethätigen. , 

Doch diefer bedurfte es nicht, um Affonfo II. den beffern 
Regenten Portugals an die Seite- zu ſtellen; feine Werdienfte 
um dieſes Land beruhen huf einer andern Art von Thaͤtigkeit. 


3) Affonſo's II. Verdienſte um die Geſebgebung 
Portugals. 


Er gibt mehreren Gemeinden Ortsrechte. Cortes von Coimbra 
1211. Die erſten allgemeinen Geſetze ſeit den Cortes 
von Lamego. Ihr Inhalt. Verordnung fuͤr die Beamten 

des koͤniglichen Hauſes. 


Wie fein Water, fo erkannte auch Affonſo II. die Anfo⸗ 
derungen feiner Beit, und förderte mit ebenfoviel Eifer als 


ftätigt, quod per sudores bellicos, et certamina militaria inimicorum 
Christiani nominis intrepidus exstirpator, et propagator etc, 


1) Auch Moura wurde in jener Beit erworben, aber nicht burch rits 
terlihe Tapferkeit, fondern durch eine unrühmliche Lift portugiefifcher 
Kitter. Ein Maure, Namens Buacon, Eigenthümer vieler Ländereien 
in Alemtejo, hatte feiner Tochter Saluquia, die mit dem Mauren Bra: 
foma, dem Beliger des Schloffes Arouche, verlobt war, den Ort Arucia 
a nova, das nachherige Moura, das von jenem zehn Legoas entfernt war, 
zum Brautfchag gegeben. Als der Verlobte zur Vermaͤhlung nad) Moura 
reifte, ward er von einer Anzahl portugiefifcher Ritter und Soldaten eine 
Stunde von Moura angegriffen und. mit feinen Begleitern getöbtet. Die 
Shriften legten darauf die Kleider der Mauren an und zogen mit Zeichen 

der Breude nah Moura, wo Saluquia an einem Zenfler ber Ankunft bes 


⸗ 


Regierung Affonfo’s MM, 111—1223. 418° 


Einfiht das Gemeindeweſen in feinem Reiche, indem er viele 
neue Orte anlegen und bevölkern ließ oder die Berhältniffe 
fchon beftehender Gemeinden ordnete und befefligte. Ex beftd- 
tigte nicht allein viele Ortsrechte, bie feine Vorfahren den Ge 
meinden ertheilt hatten"), fondern gab auch mehreren Ortſchaf⸗ 
ten neue Foraes, wie Contraſta (ſpaͤterhin Valenga do Minho 
genannt) den 15. Aug. 1217, Ponteure und andern Orten. . 

Trat der König bier in die Fußtapfen feines verdienftvo 
len Vaters, fo erhob er fich Über dieſen durch einen mächti- 
gen Schritt, den er weiter that, indem er von ber Munici⸗ 
palgefebgebung zur Reichsgeſetzgebung überging und ben Blid, 
den er bisher nur auf vereinzelte Gemeinden befchräntt hatte, 
tiber den gefammten Staat, ber alle Claffen feiner Bürger 
ausbehnte. Gleich im erſten Jahre feiner Regierung verfant- 
melte Affonfo die Corte in Coimbta) umd gab bier, mit Berar 
thung und Zuſtimmung bes Erzbiſchofs von Braga und ſaͤmmt⸗ 
licher Bifchöfe, der Nicoshomens und Vaſallen des Reichs, 
mehrere allgemeine Gefebe und Anorbnungen, die zum Theil 
in das fpdtere Geſetzbuch von Affonfo V. übergegangen find, 
„wenige, aber voll Weisheit und Humanität.”). Wir würs 


Bräutigams harrte. Die verkteideten Säfte wurden eingelaffen. Bald 
aber verkündete das Gefchrei der Saracenen in der Burg ben Irrthum. 
Saluquia ftärgte fi von einem Thurm herab, um nicht in die Hände 
der Chriften zu kommen. Dieſe gewannen leicht die Oberhand über bie 
beftürzten Einwohner und behaupteten fih in bem Orte, ber feit jener 
Zeit gemeiniglid) „das Schloß der Maurin’ genannt wurbe und ben Na⸗ 
men Moura erhielt. Nah einer Schenkungsurkunde der Kb: 
nigin Brites bei Brandäo iv. 13. cap. 15. 


13.8. ben Foral von Pedrogão, den von Palmella und andere. 
&. Memoria para a Historia das Confirmacdes Regias. Lisboa 1816, 
pag. 7. — Nova Malta Portug. P. I. p. 168. 


2) Über die Gortes von Coimbra vergl. Brandäo, Mon. Lus. 
Parte IV. liv. 13. cap. 21. — Mello Freire, Hist. jur. civil. Lu- 
sit. p. 47, Ejusdem, Institutt. jur. civil. Lus. lib. IV. tit.7.$.7. 
— Memorias da Academ. Real Tom. VI. Parte 2. p. 37. In dem 
alten Foral von Santarem find die Gefege diefer Cortes zum Theil ent: 
halten. 


8) Ordenagöes do Senh. Rey D. Affonso V. Coimbra 1792. 
Prefacäo p. 4. 


144 Erſter Zeitraum. L Bud. 5. Abſchn. 


den Affonfo’s II. fchönftes Lob verfchweigen, wenn wir biefe 
Geſetze unerwähnt liefen. Ihre Überficht, fo weit fie durch 
den Drud bekannt find, gewährt und nicht allein Mit 
tel, den König ald Gefeßgeber zu würdigen; fie geflattet uns 
auch, wenn wir die Zeit, in welcher, und bie Lage ded Vol 
tes, für welche diefe Gefege gegeben wurden, ind Auge faffen, 
einen aufklaͤrenden Blick auf die politifche Bildungsſtufe, auf 
welcher die Portugiefen damals flanden. Man beabfichtigte 
durch dieſe Geſetze theils die perſoͤnliche Freiheit zu 
fördern, dad Kigenthum zu fihern und drüdende Abgaben abs 
zuftellen, theils die bürgerliche Rechtöpflege zu regeln und 
im peinlichen Verfahren jeder Übereilung vorzubeugen, theils 
die Rechte der Kirche und. der Geifllichkeit zu befefligen und 
kirchlichen Misbräuchen zu begegnen, fo wie für die Bekeh⸗ 
rung der Juden zum Ehriftenthbum fefle Beflimmungen zu'geben. 

Jeder freie Mann darf ſich im ganzen Reiche den zum 
Herrn wählen, den er will; nur folche entbehren dieſes Recht, 
bie auf fremden Gütern anfdffig find und darum Feinen ans 
bern Herm haben koͤnnen ald den Eigenthümer dieſer Erb⸗ 
güter. Dies warb verorbnet „zu Gunften der Freiheit, damit 
jeder Freie frei über fich verfügen könne, wie ed ihm beliebt"). 
Wer gegen diefed Geſetz handelt, verliert, wenn er nad ei 
ner dreimaligen Strafe von fünfhundert Soldos ſich nicht beſ⸗ 
fert, fein Vermögen und wird aus dem Lande verwiefen. — 
Jeder darf fein Eigentbum verkaufen oder verpfänden; doch 
hat der Bruder oder Verwandte, der ed Faufen oder einlöfen 
will, das Näherrecht vor dem Sremden ). — Alle Häufer der 
Adeligen wie der Unberittenen (Peoens) geniefien dad echt, 
daß in ihnen Fein Todſchlag verübt werden darf’). — Nie 
mand Fann vom König zur Ehe gezwungen werben, „benn 


1)... e esto estabelecemos em favor da liberdade por tal que 
o homem livre livremente possa fazer de sy o que Ihe aprouver. 
Ordenag. Affons. liv. 4. tit. 25. 


2) Ord. Affons. liv. 4. tit. 37. 
3) Mon. Lus. liv. 18. cap. 21. 


/ 
Regierung Affonſo's IL, 1211— 1223. 145 


Ehen follen frei fein” ). — ‚Der alte Brauch, von allen Les 
bensmitteln, die verkauft werben, ben dritten Theil für ben 
König oder die grundherrlichen Ricoshomend zu erheben, fol 
aufgehoben fein. Die Eöniglichen Beamten find gehalten, wenn 
fie jene Gegenftände brauchen, fie für den laufenden Preis zu 
Taufen?). — Strandet das Schiff eines Portugiefen oder eis 
ned Auslaͤnders, fo bleibt das Eigenthum des Schiffsheren, 
das an die Küfte oder in einen Hafen von Portugal getrieben 
wird, unangetaftet, „denn es feheint ungerecht, daß dem Ver⸗ 
unglüdten noch weiterer Schaden von Menfchen zugefügt 
werde’), — 

Zur Entfcheidung von Rechtöftreiten follen koͤnigliche Rich⸗ 
ter angeftellt werden. — Den ungebührliden Appellationen 
Schranken zu ſetzen, wird verflgt: im Fall eine Partei von 
dem Urtheil des koͤniglichen Richterd an ben König appellirt, 
dieſes Urtheil aber richtig gefunden wird, muß der Appellant, 
wenn er Ritter oder Prälat ift, zehn Maravedis in Gold, ift 
er ein Unberittener oder ein niederer Geiftlicher, fünf ſolcher 
Maravedis zahlen‘). — Wenn der Koͤnig vielleicht in ber 
Aufwallung des Herzens Jemand zum Tod oder zur Verſtuͤm⸗ 
melung verurtheilt, ſo ſoll dieſes Urtheil erſt nach zwanzig 
Tagen vollzogen werden, wenn es bis dahin vom Koͤnig nicht 
aufgehoben worden iſt * — Von Hochverraͤthern und Mein⸗ 


1) E os que som per prema non ham boa cima. Ord. Affons 
 Iiv. 4. tit. 10. 


2) Ib. liv. 2, tit. 31. _ 
8) Ord. Affons, liv. 2, tit. 32. 
4) Ib. liv. 3. tit. 108, 


5) Mit Recht fagt Brandäo: „Es würde ein Verbrechen fein, 
wenn wir ein Gefes anzuführen unterlieffen, das ber König (— man 
Tann fagen—) gegen ſich feiber gab.” Porque a sanha soe embargar 
0 corazäo que nom pode ver direitamente as cousas, por ende esta- 
blecemos, que se por ventura no movimento de nosso corazäo a al- 
guem julgarmos morte, ou que Ihe corteın algum nembro, tal sentenza 
seja prolongada ata vinte dias, e des hi em diante sera a sentenza 
a execuzäu, Se nos en este comenos näo revogarınos. Das Geſetz 
ging über in die Geſetzſammlung von Affonfo V. liv. 5. tit. 70 in bie 
Mancelina liv. 5. tit. 60 und in die Filippina liv. 5. tit. 158, 

Schäfer Gefdichte Portugals L 10 


| 146 Erſter Zeitraum. L Bud. 5. Abſchn. 


eidigen, die zum Tode oder zu einer andern Strafe: verurtheilt 
worden find, fallen alle ihre Güter ihren Erben zu und ber 
önigliche Almurarife darf nichtö davon nehmen. Nur in dem 
Galle, daß fie den Zod des Königs oder eines Gliedes ber koͤ⸗ 
niglichen Familie oder ihres Herrn beabfichtigt haben, oder 
durch einen Richterſpruch der Bifchöfe für Keber erklärt wor- 
den find, fällt dem Könige ihr Vermögen zu. SHinterlafien fie 
eine Frau, fo behält diefe die Hälfte des Vermoͤgens '). 

Die Gefeße und Rechte der römifchen Kirche follen beobach⸗ 
tet werben. Berordnungen die gegen bie Kirche gegeben wer- 
‚den, find ungültig. — Der König und die Eöniglichen Beams . 
ten find verpflichtet, die Kirchen , Klöfter und Mönche gegen 
die Laien zu beſchuͤtzen. — Sene find nicht verbunden, an ben 
König 'oder an diejenigen, die von ihm Ländereien haben, Col- 
heitas ?) zu entrichten, oder in den Gemeinden an sffentlichen 
‚Bauten, an Mauern und Thlrmen zu helfen oder .helfen zu 
laffen ). — Damit nicht im Laufe der Zeit dad Grundvermoͤ⸗ 
gen der Klöfter und Kirchen fich allzufehr anhäufe zum Nach⸗ 
theil des Staates, fo follen fie Feines mehr erwerben, als 
was zu den Anniverfarien und den übrigen Obliegenheiten flır 
Verſtorbene erfoderlich if. Doch bleibt es jedem Kleriker un 
benommen, Güter zu erwerben und mit ihnen nah Belieben 
zu verfahren‘). — Die Kirchenpatrone follen zu Prälaten Lan: 
beseingeborene wählen, und nur wenn unter diefen fich Feine 
geeignete finden, die verbienftwollften Ausländer nehmen’). — 

Der Jude der zum Chriftenthbum übergetreten ift, darf 
bei Berluft feines Kopfes nicht wieder Sude werden °). Der 
Sude kann feinen Sohn oder feine Tochter, die zum Chriſten⸗ 
thume fich befehren, nicht enterben, vielmehr empfangen fie fo= 


1) Ord. Affons. liva 5. tit. 2, 

2) Über biefe Abgabe f. weiter unten in dem %bgabenwefen über: 
‚haupt. 

8) Memorias da Academ. Real Tom. VI. p. 38. 

4) Weiteres über diefes wichtige Gefeg muß eingm andern Orte 
überlaffen werben. 

5) Mon. Lus. liv, 13. cap. 21. 

6) Orden. Affons. liv. 2. tit. 95. 


Regierung Affonfo’s-IL, 1211—1223. 147 


gleich ihr geſetzliches Erbtheil und leben nicht länger unter ihren 
juͤdiſchen Altern ). 
Mit derſelben Sorgfalt und Einſicht, mit der Affonſo II. 
den geſammten Staatshaushalt in mehreren Beziehungen ord⸗ 
nete, regelte er auch bie Einzelnheiten feines Hausweſens 
Eine Verordnung, welche der König im Juni 1222 erließ, bes 
flimmte die Amtöverhältniffe und Obliegenheiten feiner Haus⸗ 
beamten *). Die höheren unter ihnen (Oventiales majores) 
müffen dem König für Alles haften, was ihnen zur Verwah⸗ 
rung anvertraut worden iſt, und erfeßen, was Jſie davon vers 
Vieren oder entwenden. Der König kann aufferdem fie noch an 
ihrem Körper und Vermögen ftrafen. Die nieden Beamten 
(Oventiales minores) werden von dem König, nicht von ben 
höheren Hausbeamten angeftellt oder abgefegt, und nicht aus 
ben Bebienten Diefer, fondern aus den Dienflleuten des Koͤ⸗ 
nigs genommen. Verliert oder entwendet der niedere Beamte 
etwas ohne Mitwiffen des höheren, fo flraft der König jenen. 
Wenn der König von den obern Beamten fich zahlen lÄfft, 
was die untern. verloren oder entwendet haben, fo erhebt er 
es felbft von ihnen, und die obern dürfen dem niedern Fein 
weiteres Übel zufügen. Amtövergehen der legtern haben die 
erftern anzuzeigen, die Beftrafung fteht jedoch dem König zu. 
Bei perfönlicher Verhinderung der höheren Beamten Tönnen 
fie nach genommener Ruͤckſprache mit dem Koͤnig taugliche 
Stellvertreter ſchicken; genuͤgen dieſe aber dem Koͤnig nicht, ſo 
ernennt er andere ſo lange, bis jene ihren Dienft. wieder 
. antreten. 
Diefe Verordnung für feine Hausbeamten "erließ Affonfo 
im vorlegten Iahre feines Lebens, jene Reichsgeſetze im erſten 
feiner Regierung. Sie dienen beide als Zeugnifle, daß er das 
Wohl feines Staates durch feſte Gefeße zu fördern ſtrebte und 
daß diefed Streben felbft in den legten Jahren feines Lebens 
nicht erkaltete. Seine Bemühungen in der Gefeggebung was 
ren um fo 1öblicher, da Ereigniffe den Anfang und dad Ende 


u); Orden. Affons. liv. 2, tit. 79. 


2) ©. die Verprönung in ber Mon. Lus. liv. 13. cap. 16. Datum 
apud Santareın, mense Junto, Er, 1266. 


10* 


148 Erfter Beitraum, 1. Bud. 5. Abſchn. 


feiner Regierungszeit beunruhigten, bie feine volle Aufmerk 
ſamkeit und Thätigkeit in Anfpruch nahmen. Die unfeligen 
Streitigkeiten mit feinen Schweftern füllten miehr als das erfte 
Drittheil feiner Regierungszeit. Darauf folgten einige Jahre 
Ruhe, Portugal erfreute ſich des innern Friedens, und Affonfo 
Tonnte ungeftört der Verwaltung bed Reichs feine Sorgfalt 
zuwenden. Bald aber erhoben fih Stürme von einer andern 
Seite, verfolgten ihn bis ind Grab und brauften noch über 
demfelben fort, | 


4) Affonſo's Streitigkeiten mit ber Geiftlichkeit. | 


Klagen des Erzbifhofs von Braga über ben König, Er thut 
biefen in den Bann. Der Prälat flüchtet aus dem 
Reiche. Kinfchreiten des Papftes Honorius II. und Ver⸗ 
fhärfung ber Kirchenftrafen. Der König nimmt den Bann 
mit ind Grab 1223, 


Affonſo's letzte Lebenszeit trübten Kämpfe mit jenem 
Stande, der als Schooskind des Zeitalterd feine Macht ſchnel⸗ 
Ver und ficherer entwidelte, als es der Pöniglichen gelang, und 
ber, weil alle feine Mitglieder jederzeit und überall nur Eins 
wollten, diefes Eine ficherer erreichte, ald Die wechfelnden Koͤ⸗ 
nige ihre verfchiedenen Zwecke durch verfchiedene, oft ſchwer zu 
vereinigende Mittel erreichten. Noch waren ed blos Fehden 
mit einzelnen Prälaten, gewiffermaßen Zweikaͤmpfe, Vorſpiele 
jened großen Kampfes, zu dem fich unter der folgenden Regie 
rung der ganze Klerus von Portugal erhob, und der felbft 
nach dem Sturze des Königs von dem Throne feiner Väter 
noch nicht beendigt war. Aber dieſe WVorgefechte wurden ernft 
genug, als fie das ganze Land mit dem fchauervollen Fluche 
beluden und der Bannftrahl den König bis in den Sarg ver⸗ 
folgte. Affonfo’s Ankaͤmpfen gegen dad Eindringen der neuen 
Grundfäge und XAnftalten, wie fie der Dominitanerprior 
Sueiro Gomes in Portugal einzuführen bemüht war, muß 
an einer andern Stelle weiter ausgeführt werben. Hieher aber 
gehört des Königs Streit mit dem maͤchtigſten Prälaten ber 
portugiefifchen Kirche über Gegenftände, die nicht allein unter 


Regierung Affonfo’s IL, 1211—1223. 149° 


Affonfo IL, fondern, als ihre Verwandtfchaft mit andern auch 
dieſe anzog, binfort Iahrhumderte lang Zunder und Brennftoff 
zum Krieg zwifchen dem Thron und dem Altar darboten. 
Der Erzbifchof von Braga, Stephan Soares da Silva, 
trat im Jahre 1220 ald Verfechter der Rechte des Klerus und 
der Kirche auf, die der König, wie er behauptete, verletzt 
babe. Er ermahnte diefen, daß er in Zukunft die Geiftlichen 
nicht nöthige, vor dem weltlichen Richterftuhle zu erfcheinen, 
in den Krieg zu ziehen, oder zu den Koften deffelben -beizu- 
fleuern. Er befchwor ihn, die Hände von den Einkünften der 
Kirche zu laffen, und die Ausfchweifungen, die von den Fi⸗ 
dalgos unter bem Titel von Patronen in diefem Punct began- 
gen würden, nicht zuzugeben. „Ihrer Allgemeinheit wegen 
ließ der König diefe Klagen, die neben gefeßlichen Rechten ber 
Geiftlichkeit Eremtionen umfafften, welche allein von dem Willen 
des Staatöoberhauptd abhingen, hingehen; er dufferte nur feis 
nen Unwillen über dad Rauhe des Zadeld"'). Das heftige 
Berfahren des Prälaten wurde mit einem noch heftigern er- 
wiedert. Mit Pöniglicher Zuftimmung gefchahen gewaltfame 
Angriffe auf die erblihen Güter des Erzbifchofd. Diefer er: 
griff fofort die geiftlichen Waffen, Bann und Interdict, und 
da diefe wohl verwundeten, aber nicht ſchuͤtzten, die Flucht ind 
Ausland. Als die Sache vor den Papft gebracht wurde, fchlug 
diefer anfänglich den Weg der Milde ein. Er ermahnte in eis 
ner Bulle (vom 4. Ian. 1221), die an feine Bevollmächtig- 
ten, die Bifchöfe von Tuy, Palencdia und Aflorga, gerichtet 
war, den König zur Beſſerung und rieth in einem andern 
Schreiben (vom 16. Jun. 1221) dem Erzbifchof, den König 
von der Kirchenftrafe loszufprechen. Allein es erfolgte weder 
die anempfohlene Losfprechung, noch bewirkten der erzbifchöfz 
liche Bann und die päpftliche Ermahnung des Königs Beſſe⸗ 
rung. Nun greift Honorius IM. (gegen dad Beifptel, das 
fein Vorgänger bei dem Vater ded Königs gegeben hatte) zum 
Aufferften Mittel, weit über feine Befugniffe hinaus. Er ers 
Läfft eine zweite Bulle (vom 22. Decbr. 1221), beginnt da; 


1) Worte Ant. Saetano’s bo Amaral in den Mem. da Acad. 
Tom. VI. p. 85. 


. 10. Erſter Zeitraum. L Bud. 5 Abfche. 


mit, daß er dem König ben üblichen Gruß verweigert und 
ihm dies ausdrücklich fagt, damit er ed ja nicht überfehe, ſchil⸗ 
® dert fein Verbrechen mit ben glühenden ‚Farben der Bibel: 
forache, verkündet ihm, daß er feinen Bevollmächtigten befoh- 
len babe den Bann und dad Interdict auf dad ganze Reich 
auszudehnen, und fchliefft mit der Drohung, daß er (falls der 
König in der von den Commiffarien ihm gefesten Friſt Teine 
Genugthuung leiften werbe) feine Unterthanen von bem Eid 
der Zreue entbinden und das Reich Jedem überlaffen werde, 
der e8 zu nehmen Luft trage). Umfonftz der König verharrte 
in feinem Berfahren, weit entfernt dem Erzbifchof die ver: 
langte Genugthuung zu gewähren. Noch einmal fchrieb Ho⸗ 
norius an den König, befchwor ihn fich durch Nachgiebigkeit 
den Ruͤckweg in den Schoo8 und zu den Segnungen der Kirche 
zu Öffnen, und fügte zu den eindringlichflen Ermahnungen bie 
Drohung, „daß er nicht allein den Bannfluch werde häufiger 
verkünden laſſen, bis er den Erzbifchof und den andern Bes 
leidigten eine angemeffene Genugthuung gewährt haben werde, 
fondern auch, wie er in feinem frühern Schreiben gedroht, bei‘ 
fleigender Halsflarrigkeit die Portugiefen von dem Unterthanens 
eid losſprechen, alle feine Anhänger mit dem Banne belegen und 
fein Land den Königen und Fuͤrſten zur Befigergreifung übers 
laffen werde. Honorius vechnete, wie es fcheint, fo ficher 
auf den gewünfchten Erfolg dieſes Schreibens, daß er den Erz 
bifchof ermächtigte fogleich den Bann aufzuheben, wenn ber 
König und feine Mitfchuldigen zum Gehorfam zurückkehren 
| würden. Aber auch diefes Mal fah er fich in feiner Erwar⸗ 
1223 tung getäufcht. Affonfo flarb (den 25. März 1223) und nahm 
5. März den Bann mit ind Grab. | 
Daß der König auf dem Sterbelager buch fein Teſtament 
noch den Papft habe verföhnen wollen, den er in der Fülle bes 
Lebend nicht gefürchtet hatte, kann man nicht fehlechthin, wie 
gefchehen ift, behaupten. Als Affonfo in feinem legten Willen 


1) Mon. Lus. Tom. IV. Escrit. 12. „Poteris,‘ fagt ber Papſt, 

- „non immerito formidare, ne omnes vassalos tuos a fidelitate tua pe- 

nitus absolventes, exponamus occupandum Regibus, et Magnatibus, 

ac aliis ‘quibuslibet terram tuam, ita quod cedat in jus perpotuum 
occupantium etc. 


F 


Regierung: Affonfo’s IL, 211 — 1223. E 151 


fein Reich und feine Kinder dem Schutze des heiligen Vaters 
empfahl ') und dieſen, indem er ihm 3000 Maravedis aus⸗ 
feste, zum Bollftreder des Zeftaments ernannte?), Eonnte er 
die Abficht nicht haben, durch dieſes Zutrauen und Gefchen? 
den Papft zur Aufhebung des Banned zu bewegen. : Das Te: 
ftament wurde fchon im November 1221 errichtet, die paͤpſt⸗ 
liche Bannbulle aber erſt den 22, December beffelben Zahres 
ausgefertigt. Nur infofern koͤnnte man jene Abficht dem Ko: 
nige unterlegen, als er die den Papft betreffenden Beſtim⸗ 
mungen des Zeflaments nicht abanderte, fondern fortgelten ließ, 
nachdem ihn biefer mit dem Banne belegt hatte. Ruͤhmen 
aber durften es die Geifllichen nicht, daß der König durch die 
vielen Geldgeſchenke, die er ihnen und den Kloͤſtern in ſeinem 
letzten Willen beſtimmte, vom Bann ſich zu befreien beabſich⸗ 
tigt habe; denn ruͤhmlich war es für fie nicht, wein ber. Koͤ⸗ 
nig dieſen Glauben auch nur hegen konnte. 

Affonſo II. hinterließ feinem zwanzigiährigen Sohn Sans 
cho den unheilvollen Kampf mit dem Erzbifchof und dem Papft 
und damit einen Fluch, den er mit dem Banne nicht in das 
Grab mitgenommen hatte. Ohne Fönigliched Gepränge war 
der geächtete Vater im Klofter Alcobaca beigefegt worden, und 
nicht ohne Bangigkeit fehen wir den Juͤngling den Thron be: 
fteigen, über dem der Zorn des heiligen Vaters, wie eine fin: 
ftere Gemwitterwolfe, aus der wiederholt der Blitzſtrahl zudt, 
fo lange drohete. Das Gewoͤlk hatte ſich zwar getheilt, als 
das Haupt des Staates in die Gruft gefunfen war, aber die 
Schwuͤle blieb und ließ ein anderes ſchwereres Wetter ahnen. 
Vergeblich eilte Sancho den Erzbifchof und die Geifklichkeit 
Durch einen Vertrag zu verföhnen, um nicht feine Regierung 
zu beginnen, wie fie fein Vater geendet hatte; es war nur ein 


1) Et si ego mortuus fuero, rogo summum Pontificem tanquam 
patrem et dominum, et terram coram pedibus ejus osculor, ut ipse re- 
cipiat in sua commenda et sub protectione sua filios meos et Regnum, 
©. das Teſtament Affonfo’s IT. in Sousa, Provas I. p. 34. . 

2) Et rogo et deprecor dominum Papam, et osculor terram co- 
ram pedibus ejus, quod ipse per suam sanctam pietatem faciat istam 
meam mandam impleri et observari, ita quod nullus contra eam ve- 
nire possit. l. c. \ 


162 Erſter Zeitraum. I. Bud. 6. Abſchn. 


Waffenſtillſtand, nur geeignet dem Feinde Luſt und Muße zu 
geben ſich zu ruͤſten, ſeine Schaaren und Streitkraͤfte zu zaͤh⸗ 
len und zu ſammeln, um mit geſammter Macht einen gewal⸗ 
tigern Kampf zu beginnen und einen groͤßern Sieg zu erringen. 

Diefe Macht müffen wir vorher kennen lernen, ihren ge 
ringen Anfang und ihr Wachsthum, ihre Natur und Wir- 
‚ Tungsart, um, bekannt mit ihren Hülfsfräften und Mitteln, . 
dem Kampfe des Altard mit dem Throne, der mit kurzen Uns 
terbrechungen durch mehrere Regierungen fich hinzieht, mit aufs _ 
geklärterer Theilnahme folgen zu koͤnnen. Auch das Kleinfte 
darf uns hier nicht gleichgültig fein, weil jene Macht auch 
Das Kleinfte, das ihren Zwecken dienen konnte, nicht verfchmähte 
und ungenuͤtzt ließ. Gerade in den fcheinbar unbebeutenden Eins 
zeinheiten fpricht fich nieift das Eigenthümliche aus, dad bem 
Betrachtenden den Blid in das befondere Volks- und Staats⸗ 
leben Öffnet und ihm zu einer fruchtbaren Vergleichung mit 
dem Gemeinfamen anderer Völker und. Staaten fefte und zahl⸗ 
reiche Punde darbietet, rn. 


Schöter Abſchnitt. 5 
Wie Die portugiefifche Kirche und GeiftlichFeit reich * 
und maͤchtig wurde. 


Wenige Dioͤceſankirchen bis in die Mitte des ſechſten Jahr⸗ 
hunderts in den Gegenden des nachherigen Portugals. 
Gruͤndung einer Menge kleiner Kirchen und ſogenannter Kloͤ⸗ 
ſter zur Zeit der Weſtgothen. Ihre Vervielfaͤltigung nach 
der Entfernung der Saracenen. Die kirchlichen Stiftungen 
bleiben Eigenthum der weltlichen Gruͤnder. Haͤufige Schen⸗ 
kungen an die Kirche. Beweggruͤnde, Natur und Geltung 
dieſer Schenkungen unter den Koͤnigen von Leon und in den 
erſten Zeiten des portugieſiſchen Staates. Verwirrung der 
Eigenthumsverhaͤltniſſe. Das religioͤſe Leben kommt mehr 
und mehr in Aufnahme. Deo⸗Votas. Emparedadas. Ver⸗ 
hältnig der Familiares zu den Kloͤſtern. Foderungen der 


Kirche u. Klerus, bis Anfang d. 13. Jahrh. 153 


Herbeiros und Anfang ihrer Bebruͤckungen. Fortdauernde 
Vermehrung des Grundbeſitzes der Kirche. Aufkommen des 
geiſtlichen Behnten am Ende bes elften Jahrhunderts. Er⸗ 
weiterung der perſoͤnlichen Vorrechte des Klerus. 


Dis in die Mitte bes ſechſten Jahrhunderts war die Zahl 
Der Parochialkicchen, die zu einer bifchöflichen Discefe gehoͤr⸗ 


ten, ſehr gering. Zu der Kathedrale von Lugo gehörten nur 


fiebenundzwanzig Didcefankirchen, von denen elf Landesbezirks⸗ 
firchen (Pagenses ober Pagos) waren, bie zum Theil ihre Nes 
benfirchen (Anexas oder Ruraes) hatten, Die Kathedrale von 
Porto zählte fiebzehn Dioͤceſankirchen und fieben Pagos, bie 
von Lamego fünf Kirchen, die von Viſeu fieben, die von Coim⸗ 
bra fünf, die von Idanha zwei oder drei. Im der Folge 
machte das Chriftenthum hier große Fortfchrittes es erhob fih 
eine Menge Parochiallicchen nicht allein in den größern Staͤd⸗ 
ten, fondern ſelbſt in kleinen Aldeas. Man unterſchied ſeit⸗ 
dem bier wie im übrigen Spanien Dioͤceſankirchen und ans 
dere, die den Bifchöfen fpdter zugetheilt wurben (Igrejas Ofer- 
cionaes). Den erflen Namen behielten die Kirchen, die, ges 
wöhnlich ſchon früh, felbft zur Zeit der Römer gegründet, ims 
mer ihren refpectiven Bifchöfen angehört hatten. Igrejas Ofer- 
eionaes nannte man diejenigen Kirchen, die fpäterhin den. Kas 
thedralen zugewiefen vwoorden waren, entweder von ben Könts 
gen, die fie erobert, oder von den Stiftern,, die fie gegründet ' 
und dotirt, oder von folchen Befigern, die fie durch Taufh 
oder Kauf erworben hatten. 

Wie die weftgothifhen Könige bei der Eroberung von 
Spanien die erworbenen Länder unter ihre Vaſallen theilten, 
mit der Obliegenheit, auf eigene Koften ihre Leute in den Krieg 
zu führen, fo vertheilten jene wieder die weitläufigen Beſitzun⸗ 
gen, die fie erhalten hatten, unter ihre Vaſallen. Zur geift 
lichen Pflege für ihre Hörigen (Colonos oder Collacos), "die 
oft mehrere Stunden von der Mutterficche entfernt wohnten, 
errichtete man in jebem diefer Güter ober auf dem ‚größten 
derfelben „eine Bleine Kirche oder ein Bethaus ober ein Klo: 
fir”. Jene Kirchen waren meift fo Flein, daß man fie rich- 
tiger Capellen heiffen würde, und biefe fogenannten Kloͤſter 


454 Erſter Zeitraum. J. Bud. 6. Abſchn. 


verdienten eher Einſiedeleien (Hermidas) genannt zu werben, 
da fie nur von wenigen, oft nur von einem Mönche bewohnt 
wurden ). Der Grundbefißger fliftete die Kirche zum Gottes⸗ 
haus für fich, fein Gefinde, feine Hausgenoffen und Gehörige, 
in der Regel dicht an feiner Wohnung auf feinem Hofgut, 
mit welchem die benachbarten Einzelnwohnungen und Weiler 
(Decanias genannt), in denen die Hirten und Auffeher der Heer: 
den und der Landwirthichaft lebten, verbunden waren und ges 
meinfchaftlich eine Ortſchaft bildeten, die ihren Namen von je 
ner Kirche oder dem ‚Heiligen, dem fie geweiht war, entlehnte. 
Der Seiftliche, der Die gottesdienftlichen Verrichtungen in ber 
Kirche befgrgte, legte, von der herrfchenden Neigung zum aſte⸗ 
tiſchen Leben, fortgezogen, wohl auch das Mönchd= ober 
Einfiedlerkleid an und zog einige Gleichaefinnte und Lebens: 
gefährten in den Kreis feines geiftlichen Stilllebends. Nun 
nannte man die Kirche Klofter (Mosteiro). Nicht felten 
wurde ber Grundherr felbft der Geiftliche feiner Kirche; war 
er dies aber auch nicht, fo blieb er doch Eigenthümer derfel- 
ben. Die Kirche oder das Klofter wurde als ein Theil feines 
Eigenthums betrachtet. Sie blieben in der Familie des Grunds 
herrn durch gefeßmäßige Erbfolge oder letztwillige Verfügung. 
Eine und dieſelbe Kirche wurde bisweilen fogar in mehrere 
Theile unter verfchiedene Erben getheilt, fo daß, wenn ein 
Grunobefiger feine Güter bezeichnen wollte, er fich des Aus⸗ 
drucks bediente: „ſowohl das Weltliche als Geiftliche (die Kirs 
chen und Klöfter) meined Vermoͤgens und Erbtheiles”. Die 
- Kirchen wurden vererbt, vertaufcht, verkauft, verfchentt, wie 
die weltlichen Güter und mit den weltlichen Gütern’). Da 
diefe von jenen den Namen führten, fo betreffen die verfehies 
denen Verträge, von denen und die Urkunden tbriggeblieben 


1) Elucidario Tom. IT. pag. 46. Memor. de Litterat. Portug. 
Tom. VII. p. 183. Die Gründlichfeit der Arbeit Caetano's bo 
Amaral und die Menge urkundlicher Belege, die er beibringt, überhebt 
uns einer ähnlichen Beweisführung. 

2) In den Archiven von Pedrofo, Paco de Soufa, Pendorada, Vai: 
ram, Braga, Porto, Coimbra, Lorväo u. f. w. findet man unzählige 
Urkunden vom neunten bis zwölften Jahrhundert, welche Verträge biefer _ 
Art betreffen. Elucid. Tom. IL. p. 46. 


Kirche u. Klerus, bis Anfang d. 13. Jahrh. 155 


find, und durch welche, dem Anſcheine nad, Kicchen und Kloͤ⸗ 
fter aus einer Hand in die andere rechtlich übergingen, nicht 
diefe allein, fondern das gefammte Beſi itzthum mit allen Rech⸗ 
ten und allem Zugehör. 

Kirchen und Klöfter diefer Art wurden fchon vor. bem 
Einfall und der Herrfchaft der Araber nicht wenige gegründet, 
aber ohne Vergleich mehr, ald es den chriftlichen Waffen ge⸗ 
lang für die Pflanzungen des Chriſtenthums Boden zu ges 
winnen und ihnen größern Schuß zu gewähren. Nicht allein 
wurden diejenigen wieder aufgebaut, die von den Ungldubigen 
zerftört worden waren, fondern e8 wurden auch ſehr viele neu 
angelegt. Bei der Armuth der Zeiten war freilich ihr Bau 
unanſehnlich, ihr Einkommen gering. Doc bald war ed nicht 
mehr bloß die Menge der Kirchen und Klöfler, was bem 
firchlichen Element ded Staates allmälig mehr Gewicht und 
und Einfluß verlieh; e8 waren Dies die großen, bedeutenden 
Schenkungen, welche die Könige wie die Privaten an bie 
Kirchen und Klöfter, vorzüglich an die größern machten. Dies 
fen ſchenkte man nicht allein beträchtlichen Grundbeſitz; fons 
bern die kleinen Kirchen felbft, obgleich Beides unter Bedin⸗ 
gungen, die, wie wir. in der Folge fehen werden, den Kirchen 
und Klöftern fehr laͤſtig wurden. 

Weit entfernt, daß in der ganzen Zeit, worin ein Theil 
des nachherigen Portugals den Königen von Afturien und Leon 
- gehorchte, ein gefegliched Hinderniß den Kirchen die Erwers 
bung von Grundgütern verwehrte, waren ed Die Könige viels 
mehr felbft, die ihren Unterthanen die Bahn eröffneten und 
fie zur Nachfolge einluden, indem fie den Handlungen ber 
Sreigebigkeit gegen die Kirche, zu denen fich ihre Vafallen ent⸗ 
fchlieffen möchten, eine gleiche dauernde Wirkung zuſicherten 
und in den Urkunden auf dad Verdienftliche folcher Schenkuns 
gen hinwieſen). Nicht allein die großen Vaſallen, die in, 


. . D König Ordogno I. fagt in ber Urkunde ber großen Schenkung, 
die er der Kathedrale von Oviedo machte: Et mandamus, ut omnes con- 
cessiones, quas a qualicumgue persona ingenua concessae fuerint us- 
que in finem mundi Ovitensi Ecclesiae, talem roborem, et cotum ha- 


beant, quales habent et nostrae concessiones. Esp. sagr. Tom. 16, 
pag. 467. ne | 


100 Erfler Beitraum. L Bud. 6. Abſchn. 


dem weiten Bezirk ihrer Ländereien frei und unbefchränkt über 
diefe verfügen konnten, flifteten daher Kloͤſter und Kirchen und 
bereicherten fie; Jeder der Vermögen hatte um fie zu befchen= 
Ten, folgte, diefem Zuge des Zeitalterd ). Selbft von bekehr⸗ 
ten und in Portugal angefiedelten Mauren Tommen folche 
Stiftungen in Schenktungen vor, und ſogar den Leibeigenen 
des Fiſcus hatten die Könige die Befugniß gegeben, einen 
Fuͤnftheil ihrer Habe den Kirchen zu fchenten?). _ 

‚Die Beweggründe zu dieſen Schenkungen an die Kirche 
erklären fi) aus dem. Geifte des Zeitalterd.‘ Die herr⸗ 
fihende Anficht von der Geiftlichfeit, daß fie in einem nähe 
ven und innigen- Verkehr mit Gott und den Heiligen Ile 
bend bei: Diefen „Vergebung der Sünden und das Heil der 
Seele’ vermitteln Eönne, bewog Viele, durch Gefchenfe und 
Spenden dieſen Stand fi geneigt zu machen und Gottes 
Gnade zu erzielen, indem fie fein Haus und feine Diener reich- 
lich beſchenkten“). Andere glaubten, daß fie durch göttliche 


1) Eine Reihe folder Schenkungen an Kirchen und Kiöfter in dem 
Landſtrich von Portugal, der zuerft wieder bevölkert wurde, ſiehe in den 
Mem. de Litt. Port. T. VII. p. 179. Not. 216. Die meiften finden 
ftatt in dem Bezirk von Porto, ber damals fehr ausgedehnt war, und in 
dem von Coimbra. Die ältefte Schenkungsurkunde dieſer Art, die ſich in 
den Archiven von Portugal findet, iſt v. J. 870. Eine aͤhnliche Reihe 
ſolcher Vergebungen von den erſten portugieſiſchen Koͤnigen hat derſelbe 
Verfaſſer in den Mem. da Acad. Real Tom. VI. p. 34 mitgetheitt. 
Die Chroniken der Könige, ber geiftlichen und der Ritterorden find voll 
von denfelben. Der Eundige Brandäo fagt bei Gelegenheit der Schen⸗ 
fung, bie ber König Sancho II. dem Kiofter Santa Cruz in Coimbra 
mit dem Flecken Arouches machte, fobald er ihn erobert hatte: „Confor- 
me ao costume daquelle tempo faziase doacäo das terras, tanto que‘ 
se ganhaväo, äs Ordens Militares, ou a Mosteiro, e Igreja notavel.“ 

2) „Et quicumque servorum nostrorum voluerit,“ fchliefft die Urs 
kunde des Königs Ordogno I. zum Beften der Kathedrale von Oviedo 
von 857, „licentiam habeat dandi Ecclesiae quintam partem suae 
haereditatis. Spätere Könige beflätigten dies, nach Alfonfo VI. im J. 
1086. 

8) Pro animae meae, et parentum meorum remedio. Urkunde v. 
926 .. . ut pro hec minima collata pro tuorum sanctorum nobis co- 
piosa eveniat indulgentia etc. Schenkung v. 3. 1033. Pro remis- 
sione delictorum meorum, unzählige Male, 


N 


Kirche m. Klerus, bis Anfang d, 13. Jahrh. 457 


Borfchriften verbunden waͤren bie Kirche zu bereichern, und 
es Fonnte den Verfaffern der Urkunden, die mehrentheild Geiſt⸗ 
liche waren, nicht fchwer fallen, auch ohne fehr bibelfeft zu 
fein, Stellen aus der heiligen Schrift zu ihrer Gunft anzu⸗ 
führen oder zu verdrehen ). Dazu Famen die Beforgniffe, die 
etwa durch eine Krankheit hervorgerufen wurben, die Furcht 
vor dem Tode und vor den Schredniffen des juͤngſten Ges 
richtö, wie fie eine kranke Einbildungsfraft und der fromme 
Aberglaube jener Zeit malte”). Mit diefen religiöfen Beweg⸗ 
gründen vereinigten fich frühzeitig Auffere Ruͤckſichten, indem 
man durch Schenkungen an die Kirche unter deren Schuß und 
Schirm ſich flelte, und fich feinen Unterhalt und die Lebends _ 
bequemlichkeiten- für die Zukunft fichern konnte °). 

Diefe Beweggründe, die vor der Entftehung des portu⸗ 
giefifchen Staates hier die gewöhnlichen waren, vervielfältigten 
noch weit mehr unter den erften portugiefifchen Königen die 
Schenkungen an bie Kirche. Andere Beweggründe, die nicht 
weniger als jene zugleich in den fich fort entwidelnden Zeits 
verhältniffen gegründet waren, traten hinzu; es wurde dabei 
üblicher, Diefe wie jene in den Urkunden ausdruͤcklich anzuges 
ben und mehr hervorzuheben. Eine Menge Schenfungen wurs 
ben fortwährend gemacht, „um Vergebung ber Sünden zu ers 


1) Et iterum David: vovete et reddite Domino Deo nostro. Et 
iterum: tua sunt enim omnia, Domine, que de manu tua accepimus, 
damus tibi. ‘ 


2) Mecum assidue meditatus sum magni judicii terribilem adven- 
tum secundum prophete vaticinium : ignis (inquit) in conspectu ejus 
ardevit, et in circuitu ejus tempestas valida advocavit celos sursum, 
Item per Sofoniam de eo dicitur: Dies ire dies illa, dies tenebrarum 
et calliginis. His et similibus conturbatus comminationibus, recordor 
peccasse me super numerum astrorum olimphi etc. Urfunde von 1087. 


3) Facio plazum ad Monasterium S. Johannis de corpus meum, 
et de omnia mea hereditate , . . tali pacto, ut me contineatis in vita 
mea de victum et vestitum, et ego faciam vestram operam, quam 
mihi jusseritis. Et accepi de vobis in beneficia una moura, que 
serviat me in vita mea, et post obitum meum : veniat ista moura et 
mea hereditate .. . quantum habuerim ad monasterio Sancti Johan- 
nis, Schenkung v. 3. 1078, 


158 Erſter Zeitraum 1. Bud. 6. Abſcha. 


langen”; andere, um begangene Verbrechen zu fühnen ”), und 
wir fehen, wie em Cavalleiro in feinem Zeflament finfhundert 
—— einer Kirche vermacht, um Meſſen vor dem Al⸗ 

zu fingen“ für die Seelen derer, die er felbft getöbtet, oder 

er habe töbten lafien und helfen, ober bie er zu töbten ge 
—* und befohlen habe”). Schenkungen wurden weiter 
gemacht auf Veranlaffung von Pilgerfahrten, z. DB. nad) dem 
heiligen Grabe; dann, um als Mitbruder und Familienge⸗ 
noffe (familiaris) in ein Klofter aufgenommen zu werden, um 
flır ſich ımd feine Familie Wohnung, Kleidung und 2ebens- 
unterhalt von dem befchenkten Klofter fi) auözubedingen, um 
fich eine Grabflätte in einem Kiofter zu verfchaffen, um förm- 
lich das Kioftergellibde abzulegen und der Regel eines Ordens 
zu leben. 

Die erſten Könige hatten noch befondere Gruͤnde, den 
Klerus zu befchenten, Gruͤnde, die aus der bamaligen Lage 
des Reiches und Thrones hervorgingen. Jenes war ein bei- 
nahe fleter Kampfplas und der König war mehr im Felbla: 
ger ald auf dem Zhrone. Wer die Waffen führen Eonnte, 
muffte kämpfen, Kleriker wie Laim. Wie die weltlichen Grund⸗ 
herren ihre Vaſallen waffneten, fo mufften die Bifchöfe bie 
ihrigen waffnen. Nicht felten umgürtete der Bifchof felbft das 
Schwert und führte feine Streiterhaufen ins Feld. Und als 
König Sancho I. bewilligte, daß die Äbte, Prioren und Kle 
rifer nicht mit ihm und feinem Sohn in den Krieg zu ziehen 
brauchten, fo galt dies doch nicht für den Fall, wenn die Sa⸗ 
racenen ind Land einfielen und gegen fie ausgeruͤckt werben 
muffte‘). Er ſchien darum billig und war den Anfichten des 
Zeitalterd gemäß, daß die Könige den Prälaten diefe Dienſte 
mit Grundguͤtern und mancherlei Rechten belohnten. Wie 


1) Pro nota calumnia, que feci in vestro cauto, scilicet duos 
omicidios. Schenkungsurkunde v. 3. 1123. 

2) Urkunde v. 3. 1288, 

8) Concedo omnibus Abbatibus, et Prioribus, et Clericis totius 
Regni mei, ut nunguam mecum veniant in exercitum, neque cum filio 
meo, nisi contra Sarracenos, si intraverint in terram nostram., Schrei: 
ben des Könige Sancho I. an den Biſchof von Porto. 


Kirche w Klerus, bis Anfang d. 13. Jahrh. 459 


konnte Überdies der König, nach einem errungenen Siege uͤber 
die Chriftenfeinde, fein frommes Danfgefühl gegen den Hoͤch⸗ 
ſten beſſer ausbrüden und bethätigen, ald wenn er auf feinem 
Altar die Schenkungsurfunde von Grundglitern, faft der eins 
zigen Gabe diefer geldarmen Zeit, nieberlegte und bie Dies 
ner Gottes, feine Lieblinge, mit Vorrechten und Bevorzugun⸗ 
gen reichlich ausſtattete? 


Die Natur und Geltung der koniglichen Schenkungen an | 


die Kirche lernen wir ſchon aus den Vergabungen ber frühes 


ren Könige von Leon kennen. Sie beftehen nicht allein in Pa⸗ 
trimonialgütern der Regenten, ſondern felbft in Gütern der 


Krone und Staatsguͤtern — ein Unterfchied, der bereits im 
Königreiche Leon gemacht wurde). Sie erfreuen fich der koͤ⸗ 
niglichen Rechte, der: Freiheit von - Abgaben, von perfönlichen 
und fächlichen Leiftungen, und genieffen die bürgerliche und 
‚peinliche Gerichtsbarkeit”). Sie find nicht allein immerwäh- 
rend und unwiderruflich (de juro e herdade, wie die heutigen 
Portugiefen ed nennen), fondern dürfen, meift nach der aus⸗ 
drüdlichen Beflimmung des Geberd, auch nicht verduffert wer⸗ 
den’). Sie werden gleichwohl von jedem ber folgenden Koͤ⸗ 
nige (de Rei a Rei) beſtaͤtigt, weil die eigenthuͤmliche Natur 
der Krongüter dies verlangte .und die Frömmigkeit der Könige 
wie ihr Wohlwollen gegen die Kirche. fi willig dazu. fanden. 

Wie die erften Könige von Portugal ebenfo freigebig ge⸗ 


gen die Kirche waren als die leonefifchen, fo hatten auch ihre - 


Schenkungen einen ahnlihen Charakter. Wahrhaft Eöniglich 
war das Gefchenf, das Affonfo Henriques, noch ehe er König 


1) Donamus atque concedimus loca, quod est ex nostra proprie- 
tate, heifit es in einem Diplom von Ordogno I. v. 3. 816. Esp. sagr. 
Tom. 34, 

2) Sine omni calumnia Regiae vocis, et sine omni servitio, et 
censu Fisci Regis, vobis eos condonamus, et nullam nobis reddant 
censuram seu servitium ab’ hodierno die, sed sint liberi et absoluti 
a parte Regis homines in eodem commorantes,. Diplom von Alfonfo IF. 
von 841. Esp. sagr. T. 40, 

3) Nec donandi, nec vendendi, nec mutandi licentiam do, intus 


sit integram, et inconvulsibilem per omnia secula etc. Diplom vom 
Sahre 922. Kap, sagr. T. 18, 


⸗ 


4600 Erfter Zeitraum. L Bud. 6. Abfhn- 


dem Erzbifchof von Braga im Sabre 1128 zuſicherte ). 
Eine ähnliche große Schenkung hatte fchon früher.(1120)' feine 
Mutter, die Königin Therefia, dem Bifchof von Porto mit 
der Burg von Porto, allem Zugehör und allen Einkünften ders 
felben gemacht. Die fromme Freigebigkeit der portugiefifchen 
Könige befchränkte fich inbeffen nicht blos auf die Ertheilung _ 
von Grundbefig und auf die Befreiung von landeöherrlichen 
Abgaben; fie dehnte die Befugniffe, die‘ fie den Geſchenken bei⸗ 
flgte, bald auf einen bebenklicheren und verfänglichern Gegen- 
fland aus, auf die bürgerliche und peinliche Gerichtöbarkeit und 
auf das Recht, Beamten, welche die Rechtöftreite der Bewoh⸗ 
ner geiftlicher Zerritorien entſcheiden ſollten, zu emennen‘*). 
Diefe Gerichtöbarkeit war bald in der vollftändigen Gutsherr⸗ 
lichkeit, die der Koͤnig einem Praͤlaten uͤber eine Ortsſchaft 
gab, mitbegriffen, bald wurde ſie bei der Ertheilung des Be⸗ 
fitzthums mit mannichfaltigen, umfaſſenderen oder beſchraͤnken⸗ 
den Nebenbeſtimmungen ausbricktich angeführt. Bald verwils 
ligten die Regenten bie Gerichtöbarkeit überhaupt, bald ins⸗ 
befondere die Befugniß, einen Richter zu ernennen, von dem 
an den König appellirt werben follte, oder auch einen Mei- 
rinho zu wählen, der die Schuldner auszupfänden, die Ver 
brecher zu ergreifen und zu verhaften habe... Endlich wurde 
bie Befreiung von dem Eöniglichen Gerichtöftande, deren fich die 
Perfonen der Geiftlichen erfreuten, auch auf ihre Wohnun⸗ 
gen ausgedehnt ). 

Kein Wunder, wenn nad einem folchen Worgange der 
Könige auch von Privatleuten jede Art von beweglichen und 
unbeweglichen Gütern, ganze Zamilien von Leibeigenen, mans 


1) ©. oben ©. 73, 

2) &o gab Affonfo I. i. 3. 1141 der Äbtiffin von Paberne die buͤr⸗ 
gerlihe Gerichtsbarkeit. In einer Schenkungsurkunde des Königs Af⸗ 
fonfo IL an das Kiofler ©. Vicente heifft es: . . . et praedicto Mo- 
nasterio concedimus omnem jurisdictionem civilem et criminalem, 
salvo homicidio, rauso et stercore in ore, et in his tribus habeatis 
illud jus, sicut semper habuistis a tempore prino donationis sub certo 
modo etc. 


3) Memorias da Acad. Real T. VI. p. 40, wo auch eine Menge 
Belege ſich finden. 


Kirche u. Klerus, bis Anfang d. 13. Jahrh. | 161 


cherlei Nechte, befonderd Patronatsrechte (damals unb noch 
fpäter Heransas genannt) über Bleine Kirchen und Klöfter (As- 
ceteria) an die großen Kirchen und Klöfter geſchenkt, wenn 
Güter und Nechte der Krone, die vorher von den Königen 
felbft vergabt oder beftätigt worden waren, nun ohne weitere 
vom König eingeholte Erlaubniß dem Klerus gefpendbet und 
von ihren Gebern ebenfo wie Pönigliche Schentungen für im⸗ 
merwährend und unwiderruflich erklärt werden. Indem bie 
Wohlthaͤter der Kirche Jeden ber fih an bdiefen Schenkungen 
vergreifen würde, nicht bloß mit Geldftrafen, fondern mit al 
len Berwünfchungen und felbft mit dem Bannftrahl in ben 
Schenkungsbriefen bebrohten, riefen fie die erfle Macht bes 
- Beitalterd zum Schuß auf; der Aufruf wurbe aber erft viel 
ſpaͤter eine leere Zormel '). 

So häuften fi) durch Schenkungen aller Art, bisweilen 
auch durch anftögige”) Beſitzungen auf Befigungen in den 
Klöftern und Kirchen. Ja ihre Erwerbungen befchränften fich 
nicht allein auf Schenkungen und VBermächtniffe, fondern - ges 
fchahen auch durch Zaufch, Kauf, Pachtung und Nießbrauch ?). 

Der große Güterreichthum, der auf diefe Weife den Kloͤ⸗ 
ftern und Kirchen zuwuchs, trug gleichwohl viel Zäufchendes 
in fih. Viele Ermwerbungen waren mit Bedingungen und Las 
ſten verbunden, die in der Zolge die güterreichiten Klöfter bis⸗ 
‚weilen in Dürftigkeit und drüdenden Mangel verfeßten. Der 
Keim des Übel war früh gelegt worden. 

Die Beinen Klöfter und Landfirchen waren, -wie oben 
bemerkt worben ift, urfpringlich Eigenthum weltlicher Grund: 
beſitze. Die Seiftlichen lebten von den Oblationen, bie ihnen 
gereicht wurden, und von dem Ertrage der Eleinen Grund» 
flüde, die man Passaes nannte. Diefe beftanden in einem 
eingehegten und angebauten Stud Land bei der Parochial: 


1) Memor. da Acad, Real, Tom, VII, p. 19 und 40. 

2) In einer Schenkung eines Canonicus von Coimbra an bie Kirche 
von Santa Maria vom Jahre 1186 heifft es: de illa mea vinea quam 
babeo ... ut bibant inde semper vinum in capitulo, et ad manus 
abluendas. 

3) Belege dazu ſ. in den Memorias da Acad. R. T. VII. p. 25. 

Schäfer Geſchichte Portugals I, 11 


162 Erſter Zeitraum. L Bud. 6. Abſchu. 


fische, dad ald Garten oder Obſtbaumſtuͤck zum Unterhalt . ver 
Geiſtlichen und Kischendiener beflimmt war. Man unterſchied 
danon noch den Beerbigungsplag fir die geiftlichen Brüder 
(fpäter Adro genannt) '). Diefe Passaes, die auch Dextres 
hieſſen, waren in früherer Zeit befchränkterr. Nach der Be 
flimmung der Kirchenverfammlung von Ballabolid von 1144 
follen fie bis auf dreiſſig „geometrifche Schritte” ringe um 
die Kirche fich erfireden und zugleich zum Afyl für Berbre 
cher, die aus ihnen nicht herausgezogen werben bürfen, dienen. 
Jener Umfang gilt jedoch nur von Landfirchen und kleinen 
Gotteshäufern, denn die Passaes der größerg Kirchen waren 
ausgedehnter. Auch war ed, ungeachtet jener kanoniſchen Be 
fimmung, den Gruͤnder der Kirche geftattet, das Baumftüd 
. oder den Garten zum Nuben biefer zu vergrößern ?). 
Die Herrſchaft der Mauren und die neue Beſitzergreifung 
der. Chriften brachten Verwirrung in die Eigenthumsverhaͤlt⸗ 
niſſe jener Kirchen. und Kloͤſter. Die Grundſtuͤcke und Obla⸗ 
fionen., die zur Unterhaltung der Gotteähäufer, ver Geiftlichen 
und Armen beftimmt gemefen waren, wurben jest von Bielen 
zu Ihrem übrigen Beſitzthum und Erbe gefchlagen, viele Kit: 
chengüter wurden in meltliche Befigungen verwandelt ’). Der 
Misbrauch, mit dem die neuen Erwerber über das .Geiflliche 
wie über das Weltliche der Kirchen willkürlich fchalteten, exs 
flieg den höchften Grad bei den Berheerungen, welche Almans 
for am Ende des zehnten Sahrhunderts in den Ländern Leon 
und Portugal anrichtete. Alles gerieth in die größte Unord⸗ 
nung und Verwirrung, und als man im Sahre eintaufenbund: 
eins- anfing das Land wieder zu bevölfern und die Kirchen 
aus ihren Trümmern. wieder aufzubauen, riß Jeder an ſich 


1) Concedimus ..... ad ipsum Looam Sanctum, atque Sancto Al- 
tar o jam supra nominato XII. m. passales pro corpora sepeliendo 
. et 2 XXII° passales pro tolerantia Fratrum. Schenkung an das Kilos 

fler Arouca v. 951. Elucid. T. II. p. 20%, 

2) Klucidario, verbo Passaes, 


$) Alii autem e contrario in Villulis, et quibusdam Laicalibus 

locis novas Eoclesias, et Monasteriola constituentes, tradiderunt illis 

Ecclesias olim praeclaras, et celeberrima Monasteria servituti mand- 
parunt. Aus dem Livro Fidei in Elucid. Tom; II. p. 45. 


Kirche u. Klerus, bis Anfang d. 13. Jahrh. 163 


was ihm gefiel, das Gut mochte ihm oder einem Andern ges 
hört haben’). Die ehemaligen Kirchengüter Tamen in bie 
Hände der Raien, die nach Gutduͤnken damit verfuhren. Der 
Mangel an Bifchdfen oder die Abwefenheit der Kirchenhäupter, 
die unglüdlichen Zeitverhältniffe, die Nothwendigkeit den Got⸗ 
tesdienſt wieder herzuftellen, veranlafiten die Könige von Leon 
Jedermann zu ermächtigen „Kirchen zu bauen, die wie jedes 
andere Befisthum theilbar wären‘ ?). 

Unterdeffen war das religiöfe und Firchliche Leben immer 
mehr in Aufnahme und Anfehn gefommen. Nicht nur weihs 
ten fi ihm Mehrere; man hielt e8 auch. flr verdienftlicher, 
denen, die fih ihm weihten, einen Xheil feiner Habe zu 
fhenfen. Viele verlieffen die Welt und zogen fich in ein Kilos 
ſter zuruͤck, um unter der Leitung eines geiltlihen Obern, aber 
ohne Mönchögelübde, wie bad der Claufur und Armuth, zu 
leiften oder firenge zu beobachten, durch Büßungen ihrem 
Seelenheil bis zum legten Athemzug zu leben (Confessores) ?). 
Befonders entfchloffen fich feit dem zehnten . Zahrhundert viele . 
Frauen ein gottgeweihted Leben zu führen (weshalb fie Deo⸗ 
Votas hieffen) und mit befonderer Sorgfalt an ihrem Sees 
Venheil zu arbeiten. Werheirathete, wie Jungfrauen und Witte 
wen wurden Deo⸗Votas und lebten theild in Kiöftern, theils 
in ihren Häufern oder in infiebeleien, theild in einzelnen 
Kirchen unter der Leitung geiftlicher Vorgeſetzten. Die Vers 
Hältnifje diefer Srauen zu den Klöftern, denen fie ſich anſchloſ⸗ 
fen, waren fehr verfchiebenartig. Bisweilen waren fie kaum ver 
fchieden von geiftlichen Ordensfrauen, bisweilen waren fie bloße 
Familiares. In Arouca ftand eine ,„Dienerin Gottes” (Fa- 
mula de Deos) viele Jahre lang felbft dem. Klofter vor, unb 
regierte es als Patronin, ohne das Kioftergellibde abgelegt 
zu haben. Sie fchenkte ihm endlich 1156 ihr großes Vermoͤ⸗ 
gen und „alles was fie erworben habe, fo lange fie dem Klo⸗ 


1) Et cum venit tempus ista populatione, que est in E. 1089 
populavit omnis populus guisque suam vel alienam hereditatem. Eluc. 
Tom. I. p. 409. 

2) Nacdı dem Verfaffer des Klucid. T. II. p. 99. 


8) Elucid. T. I. p. 302. 
11” 


164 Erſter Beittaum. L Bud. 6. Abſchn. 


fter vorgeftanden” )Y. Mehr noch als biefe „gotigeweihten 
Frauen" bezeichneten den mächtigen Hang des Zeitalter8 zum 
geiftlichen Leben andere Frauen, die feit dem zwölften Jahr⸗ 
hunderte in Portugal, gleihfam an der Stimme von Europe, 
in den Ausfchweifungen einer religiöfen Schwärmerei, wie fie 
fonft nur die Gluth Afrikas erzeugte, wetteiferten. Einzelne 
dieſes Geſchlechts Tieffen, um ihre Sünden zu fühnen oder 
durch qualvolle Selbftpeinigung des Himmels Seligfeit zu er⸗ 
. werben, aus eigenem Antrieb in eine Zelle fich verfchlieffen, 
deren Thuͤre mit dem Augenblid: ihres Eintritt mit Steinen 
zugemauert wurde. Wegen diefer Einfchlieffung zwifchen 
Wände bhieffen fie Emparedadas. Der Eingefchloffenen (In- 
elnsa) wurde nur eine Bleine Öffnung gelaffen, durch welche 
fie. die unentbehrlichften Nahrungsmittel, felten mehr ald Brod 
und Waſſer, erhielt, mit ihrem Beichtvater uͤber die Angele⸗ 
genheiten ihres Gewiſſens fprady und von ihm das Abendmahl 
empfing. Erft nach ihrem Tode wurde die Mauerthüre wie 
der geöffnet, um die Leiche der Entfeelten ind Grab (aus ei⸗ 
nen ins -andre) zu bringen ?). 

Jene Deo-Votas mochten, da fie das Gelübde der Ar⸗ 
muth nicht thaten , den Klöftern wohl nur wenige Güter zus 
wenden; weit weniger noch die Emparebadas, die überhaupt 
felten waren. Aber Beide geben uns Zeugniß von der NRich: 
tung, welche die Denfweife ded Zeitalterd genommen hatte. 
Die herrfchenden Anfichten und Neigungen diefer Art fleiger: 
ten dad Anfehn der Kirche und ihrer Diener aufferordentlich, 
und dieſes gefteigerte Anfehn der geiftlichen Stiftungen und 
Perſonen fchüste wiederum Alle, die mehr oder weniger nahe 
fi) ihnen anfchloffen. Das innere Beduͤrfniß, dem unauf: 
gellärten, aber um fo feurigeren Frömmigfeitögefühl in jener 
Weiſe volle Genüge zu thunz das Auffere Beduͤrfniß, in 
‚biefer Zeit roher Gewalt den Schuß des auf Erden wie im 
Himmel angefehenften Standes ſich zu erwerben und zu 
fihern: — beide waren Keime, die, in den Schoos dieſes Zeit- 


1) Ea quae comparavi, dum illi Monasterio praefui. Elucid. 
T. I. p. 436. " 


2) Elucid. T. I. p. 395. 


Kirche w Klerus, dis Anfang d. 13. Jahrh. 165 


alter8 gelegt und in feinem Boden wurzelnd, der Kirche bie 
ergiebigfte Ernte verfprachen. 

Seit dem zehnten, befonders im elften Jahrhundert wurde 
es immer mehr üblich, einen Theil feiner Güter oder alle einem 
Klofter zu ſchenken, und bald perfünlich in den Dienft der 
geiftlichen Körperfchaft zu treten und ihrem Firchlichen Vorſte⸗ 
her fich zu unterwerfen, bald mit dem Klofter in eine gewiffe 
Verbindung fih zu ſetzen, um aller Wohlthaten und guten 
Werke deffelben theilhaftig zu werden. Die Klofterangehöris 
gen diefer Art nannte man Oblatos, Offertos, Donatos, Con- 
donatos, Confrades oder Familiares. Sie waren weder eigents 
liche Laien noch Mönche, fondern wenn fie im Klofter lebten, 
„beftäntige Tiſchgenoſſen,“ oder wenn fie felbft in ihrem ei- 
genen Haufe wohnten, „ein Zheil der geiftlichen Familie“. 
Bald gab es Fein Klofter, das nicht mehrere folcher Familia⸗ 
red hatte. Ihrer ſechs, drei männlichen und drei weiblichen 
Geſchlechts (Donatad oder Oblatad genannt) bildeten die ges 
wöhnliche Zahl (Familiares do numero); waren fie uͤberzaͤh⸗ 
lig (supernumerarios) in einem Klofter, dann war ihre Anz 
zahl gewöhnlich groß. Die Erften erhielten von dem Klofter 
Nahrung, Kleidung und Schuhe; fie ‚bebauten in der Regel 
felbft die Grundftüde, die nad) ihrem Tode dem Klofter zus 
fielen. Die Andern nahmen nur an den geiftlichen Wohlthas _ 
ten deffelben Zheil und hinterlieffen nach ihrem Tode dem 
Klofter ihren Körper und einige zeitliche Güter). Es wurde 
Keiner Familiarid, der dem Klofter, dem er fich anfchloß, nicht 
mehr oder weniger fchenkte. Nach dem Maße er gab, ge 
dachte er zu empfangen, und Keiner fchlug wohl feine Gabe zu 
‚gering an. | 

Es konnte nicht fehlen, daß die vielen Familiares, bei 
den ungemefjenen Foderungen, die fie für ihre Vermaͤchtniſſe 
machten, bei dem damals fo geringen Ertrag bed Grundbe- 


1) Offero ibi . . . meam vineam, cum domibus et arboribus suis, 
quae est in Burgo de Meigion-frio ... . tali conditione mando haec, 
ut fructum eorum in vitam meam retineam, et serviam monasterio ut 
Amicus et Kamiliaris et post mortem meam libera remaneant 
Monasterio. Urkunde von 1185 in Elucid. T. I, p. 431. Mehr Bei 
fpiele f. in Memor, da Acad. Real T. VI. p. 57. 


166 Erſter Zeitraum. 1. Bud. 6. Abſchn. 


| figed und den Wechfelfällen biefes Einkommens, ven Kloͤſtern 


oft ſehr laͤſtig fielen. Doch ungleich druͤckender wurden für fie 
die zahllofen- Erben (Herdeiros) der Grimber jener Kirchen und 
Kiöfter, die Nachkommen Aller, die dieſe beſchenkt hatten. Sie 
betrachteten diefe Kirchen und diefe Vermächtniffe als das Pas 
trimonium ihrer Väter, und fingen. an, nicht zufrieden mit 
dem „Weltlichen“ diefer Stiftungen, auch an das „Geiſtliche“ 
die Hand zu legen und willkuͤrlich über dieſelben zu verfügen. 
Ale die von jenen urfprimglichen Gründern nah oder fern 
abftammten, nannten fi) Erben, Herdeiros , Padroeiros, Na- 
turaes diefer Kirchen und Klöfter. Alle verlangten bie Aner⸗ 
fennung ihrer Patronatsrechte und foderten von den Stiftuns 
gen ihrer Ahnen mancherlei Abgaben und Leiftungen, wie Ian: 
tares, Comedorias, Caſamentos, Gavallarlas u. ſ. w.). Diefe 
Foderungen veranlaſſten in der Folge die aͤrgſten Misbraͤuche 
und Bedruͤckungen. Die Kloͤſter erhoben laute und wiederholte 
Klagen über die Gewaltthaͤtigkeiten und Erpreſſungen ber Her- 


“ deiros, und erſt nach manchen vergeblich angewandten Maß⸗ 


regeln Fonnten von den legten Königen biefed Zeitraums, wie 
wir fpäter fehen werden, dem Unfuge Schranfen gefeßt wer⸗ 
den. In der Zeit, von welcher hier Die Rebe ift, war das 
Übel noch nicht allgemein; wie ed aber doch ſchon jest bier 
und da fich dufferte, zeigen und einzelne Beifpiele?). - 


1) Über diefe Abgaben f. den Abfchnitt über das Abgabenweſen übers 
haupt. 

2) Zohannes Nuniz, Abt bes Kiofters Keffoios de Baſto wollte im 
Sahre 1172 wegen der Drangfale, die ihm die Erben de 
Klofters zugefügt hatten, biefes verlaffen und alle Güter, die ihm 
eigenthümlich gehörten, dem Klofter entziehen. Mit Betrübniß vernahm 
dies feine Mutter, Maria Nuniz, bie ebenfalls in dieſem Kloſter Lebte 
und demfelben mehrere Güter, leibeigene Mauren und Mlaurinnen ge: 


ſchenkt hatte. Sie ſuchte durch Bitten und Vorwürfe den Sohn zu bes 


wegen jenen Vorſatz aufzugeben. Warum, ſprach fie unter Anderm mit 
Thraͤnen, warum verläfft du mich, mein Sohn, da ich vom Alter vers 
gehrt am Rande des Grabes ſtehe? Druͤcke mir erft bie Augen zu und 
dann gehe hin, wohin es dir gefällt. Johannes, von diefen Worten und 
ben Thränen der Mutter gerührt, erwiderte: Was foll ich thun, Mutter ? 
Wenn fie fo bei euren Lebzeiten handeln, wie werben fie erft nad) eurem 
Zobe handeln? Gewiß werben fie mich dann aus bem Klofter werfen. 


Kiche u. Klerus, bis Anfang db. 13. Jahrh. 167 


Unterdeffen mehrte fi dad Vermögen ber Kirche unges 
hindert und fichtbar, felbft mitten im Kriege; feine Verhee⸗ 
rungen fonnten wohl die Srucht des Bodens zerflören, der 
Boden aber blieb der Kirche. Ja der Grundbeſitz der Kirche 
wurde gerabe in biefen flürmifchen und Eriegerifchen Zeiten um . 
fo mehr erweitert, je geringern Werth das unfichere Eigenz 
thum fir den Laien hatte und je mehr dieſer unter dem 
Schirm der Kirche noch den einzigen Zufluchtöort, die einzige 
Sicherheitsftätte fand. Königen und Rittern aber, die eines 
folches Schutzes gerade nicht beburften, ſchien es billig, Das, 
was fie von den Feinden des Chriftenthumd eroberten, bem 
Gott der Chriften, feiner Kirche und feinen. Dienern wenig: 
ftend zum Theil zuzumeifen. 

Zu diefem erweiterten Grmdbefig kamen endlich noch im 
Laufe der Zeit Einkünfte einer neuen Art. Am Ende des elf 
ten Jahrhunderts fing man in Portugal an, die Verpflichtung 
zum geiftlichen Zehnten (Decimas oder Dizimos) ') anzuerken⸗ 
nen; im zwölften war er ſchon allgemein üblih. in Drits 
theil deffelben (Tercças Pontificaes) Jieferten die. Parochialfirs 
chen an die Kathedrale ab; zwei Theile blieben den Äbten und 
Dfarrern, die verpflichtet waren die Gotteshäufer zu unters 
halten und bie Armen zu wmterflügen?). Im dem Ortsrecht, 
das der König Sancho J. dem Orte Penamacor im Sabre 
1209 gab (und ebenfo in den doraes von Proenea a Velha 


Werfen ſie dich, verſetzte die Mutter, wider Recht aus dem Kloſter, ober 
fügen fie die zu, was du nicht ertragen Fannft, dann übergebe ich dir 
mein ganzes Erbe, das ich in dem Fleden Nuni befise, fo baß bu es 
dein Leben ang benutzeſt und ed nach deinem Tode dem Klofter St. 
Michael in Reffoios zufällt. Det Sohn verfprach ber Mutter, fie weder 
im Leben noch im Tode zu verlaffen und einft feine Leiche neben ber. ihe 
rigen in dem Kiofter beerbigen zu laffen. — Faſt wörtlich nach ber Bere 
gleichsurfunde, wie fie Ribeiro (Dissert. T. I. Append. p. 253) aus 
dem Archiv des Kiofters Reffoios hat abdruden laffen. Ein anderes Bei- 
fpiel vom 3. 1196 f. in Memorias da Acad. Real T. VI..p. 69. 


1) Verfchieden von dem weltlichen Zehnten, Dizima secular, 
aus dem die Dctavos entftanden. Etucid., Supplemento pag. 85. Me- 
mor. da Acad. Real, T. VI. p. 56. 


2) Elucid. T. I. p. 845. T. II. p. 376. Supplemento p. 35. 


4168 Erſter Zeitraum. J. Bub. 6. Abfcıhn. 


und Salvaterra do Eſtremo) wurde reigefet, baß die Dizi⸗ 
mos und Primiciad an alle Kirchen- entrichtet werden follten. 
Ein Drittheil fol dann dem Bifchof, ein anderes den Kleris 
fern oder Pfarrern zugetheilt werden; das Übrige bleibt ben 
Pfarrlindern, um damit die nöthigen Bebürfniffe, die Ge 
baͤude, ben Kirchenfchmud, die Buͤcher und dergl. nad) dem 
Ermefjen des Bifchofd und. feiner Pfarrer zu beftreiten 9. 

I ft bei der Vermehrung der Grundgüter und der Ein- 
Eimfte des Klerus der Einfluß, den das beginnende Anfehn 
des Kirchenrechts und die Verbreitung der Grundfähe des roͤ⸗ 
mifchen Hofes auf jene Dinge ausübten, nicht zu verkennen, 
fo tritt diefer Einfluß auf die Perfonen, die Rechte und 
Breiheiten der Geiftlichkeit, noch flärfer hervor. Nicht nur 
wurden die Geiftlichen, wie wir in ber Regierungdgefchichte 
Affonfo’3 II. gefehen haben, fchon im Anfang des breizehnten 
Jahrhunderts von allen Eöniglichen und gemeinheitlichen Abgas 
ben und Leiſtungen befreit und unter den Schuß des Königs 
und feiner Beamten geftelltz die begüterten Prälaten übten felbft 
in ihren meiften Beſitzungen ſchon längere Zeit Die bürgerliche 
und peinliche Gerichtsbarkeit aus, bei welcher Beguͤnſtigung 
fie freilich auch von den Anfichten des Zeitalterd, das die Ju⸗ 
risdiction mit dem großen Grundbeſitz für untrennbar verbuns 
den bielt, unterftügt wurden. Der Klerus verlangte und bes 
hauptete feinen befondern Gerichtsſtand, feine Gerichte entfchies 
den felbft über weltliche Vergehen feiner Angehörigen; ja fie 
machten ſchon Verſuche, die Laien wegen gewiſſer Vergehen, 
die ſie in ihren Gerichtskreis zogen, vor ihren Richterſtuhl 
zu fodern. 

Doch war alles dieſes bis jetzt erſt im Werden begriffen. 
Die Elemente waren noch gemiſcht, aber ſie begannen zu gaͤh⸗ 
ren, um ſich zu ſcheiden. Anlaß und Stoff zu Irrungen und 
Kaͤmpfen zwiſchen den Geiſtlichen und Weltlichen, der Kirche 


1) Ecclesiae de Penamacör accipiant Primicias singulas fangas 
de omni pane, et Decimam de pane, et de vino, et de omnibus fru- 
ctibus, et pecoribus., Et Episcopus habeat tertiam partem, et Clerici 
tertiam partem, et Parrochiani aliam tertiam, et expendant illam per. 
Episcopum, et per Glericos Kcclesiarum: ubi rectum fuerit ... » 
Elueid. T. II. p. 14. 


Regierung Sancho's IL, 123 - 1245, 169 
und dem Staate lagen in Menge da. Als der zuͤndende 


Funke das Material einmal beruͤhrt hatte , griff das Feuer 


weit und breit um ſich und gewann eine Gewalt, der nicht 
mehr zu wehren war. Wie ſehr die Praͤlaten ſchon damals 
ſich fuͤhlten, zeigten ſie, als ſie es wagten mit dem Koͤnig 
es aufzunehmen. Die lange Dauer des Kampfes bewies bie 
große Gewalt der Kirche in jenen Jahrhunderten, aber auch 
die deſtigkeit der portugieſiſchen Koͤnige. 


Siebenter Abſchnitt. 
Regierung des Königs Sancho I. 
(Vom 25.. März 1223 bi 21. Sept. 1245.) 


1) Sancho's Wirken für den Frieden und im Frieden. 


Er legt die Streitigkeiten mit der Geiſtlichkeit, umtee denen 
der Vater geflorben, durch einen’ Vergleich mit jener und 
einen andern mit bem Exzbifchof von Braga bei. Ver⸗ 
trag des Könige mit feinen Vatersſchweſtern. Er attheit 
mehrern Ortſchaften Foraes. 


Nach dem Tode feines Vaters eilte Sancho IE bie Streitig⸗ 
keiten mit der Geiſtlichkeit beizulegen. Schon im dritten Mo⸗ 
nat nach feinem Regierungsantritt ') berief er eine Verſamm⸗ 
Yung von Geiftlichen und Weltlichen nach Coimbra, worin bie 
ftreitigen Puncte berathen wurden und endlich ein Vergleich, 
den man unpaffend Concordia oder Concordata genannt hat ?), 
zu Stande fam’). Er befteht aus zehn Artikeln. Den man 
nichfaltigen Misbräuchen, die in Hinficht auf Einlagerungen, 


1) Synopsis chronol. de subsid. para a Histor. da Legislac. Por- 
tug. por An. de Figueiredo, Tom. I. p. 4. 


2) Über das Unpaffende dieſer Benennung vergl. ebendaf. bie Ans 
merk. a. pag. 8. 


3) Pereira de manu regia, T. I. p. 813, 


1223 
uni 


4170 Eeſter Beitraum. LBuch | 7. Abſcha. 


Berkauf von Kirchenpatronaten, Grhebung von Bitiglichen Ges 
ln, Beſitznahme eriedigter Kirchengäter und Gerichtsbarkeit 
tiber Geiſtliche zum Schaden: der Kirche eingeriffen waren, wur: 
den Schyanten gefett. Der König verfpricht, in Zukunft den 
Kirchen und Klöftern Feine Hunde, Vögel und andere Thiere, 
„ fowie keine Dienftleute zur Unterhaltung zuzuſchicken (Art. 7.) 
und- nicht mehr: zu geftatten, daß ein Vaſall eine Kirche für 
irgend einen Preid verkaufe oder verpachte (Art. 2). Er darf 
fernerhin von den Kathebralfirchen und Klöftern die Gefälle, 
die unter dem Namen Colheitas bekannt find, in der ſchon 
unter feinen Vorfahren üblichen Weife erheben, nur fol er 
bei feiner Durchreife darüber wachen, daß feine Beamten ſich 
feine Bedruͤckungen erlauben (Art. 1). Er verfpricht, bei dem 
Tode der Prälaten die Güter ihrer. Kirchen fich nicht anzueig- 
nen (Art. 6.) und in die Nechtöftreitigkeiten der den Biſchoͤ⸗ 
fen untergebenen Geiſtlichen und Mönche, fofern fie nicht 
MWeltliches betreffen ), fich nicht zu mifchen (Art. 8.). In 
andern‘ Beftimmungen dieſes Vergleichs finden wir die erflen 
Andeutungen und Umriſſe von Geſetzen, bie. in der philippi- 
fihen Gefegfammlung nur in größerer Ausführlichkeit und 
fchärferer Beſtimmtheit erfcheinen, wie in den Bellimmungen 
über den Beiftand des weltlichen: Arms und über die Beru⸗ 
fung von dem geiftlichen Gericht an die Krone. Sancho ver: 
pflichtet fich, die Kirchen und Geiftlichen zu vertheidigen, wenn 
er von dem .Erzbifchof, den Biſchoͤfen und andern. Prälaten 
darum angeſprochen wird ). Sin bifchöflichen Städten, in den 
Ortſchaften und Coutos der Kirchen und Klöfter, in welchen 
Drtörichter. ſind, follen bie Rechtsſtreitigkeiten durch diefe oder 
ben Biſchof eneſchieden werden; ſprechen ſie aber nicht Recht, 
fo ſoll es der Kuouͤnig. In Gegenſtaͤnden jedoch, die offenbar 
vor das Gericht jener gehoͤren, ſoll keinerlei Berufung an den 
König ſtattfinden ). u 

Auffer dieſem Vertrag mit der gefammten Geiftlichfeit 
fchloß der König noch einen befondern mit dem Erzbifchof von 


1) Nisi in quantum fuerit laicale. 
2) Art. 4. Orden. Phil. liv. II. tit. 8. 
3) Art. 8. Orden, liv. I. tit. 9. $. 12, 


Megierung Sancho's D., 1223-1245. 171 


Braga ab, in welchem Sancho bemfelben bie Summe von 
fechötaufend Cruzados zu zahlen und allen Schaden, bee un⸗ 
ter feinem Vater ber Kathedrale von Braga und den Kirchen 
und Klöfteen bes erzbifchöflichen Sprengeld zugeflgt worben 
ift, zu verguͤten verfpricht. Drei Geiftliche werben. ermächtigt 
den Betrag des Schadens zu ermitteln, und funfzigtaufendb 
Cruzados zur Beſtreitung deffelben von bem König nieberge: 
legt. Der Erzbifchof verfpricht ſeinerſeits, ben König von 
dem Kirchenbann loszufprechen, fobalb er fein Berfprechen er⸗ 
füllt haben werde, die Verflorbenen in geweihte Erbe zu be 
graben, und folche, bie gegen dad Interdict beerbigt: worben, 
wieder herausnehmen und nad der Vorſchrift der Kirche beess 
digen zu laffen '). 

Wenige Tage nach dem Abſchluſſe dieſes Vergleichs ver⸗ 
glich‘ ſich der König auch mit feinen Vatersſchweſtern uͤber bie 
Ortfchaften,; bie unter ber vorigen Regierung fo blutige Feh⸗ 
ben veranlaflt hatten. Man kam :hberein, baß die Königin 
Therefia und die Infantin Sancha [ebendlänglich im Beſitz der 
feſten Orte Alemquer und Montemor und des Fleckens Es⸗ 
gueira bleiben ſollten. Nach: ihrem Ableben fielen jene, dem 
Dertrage gemäß, ber Krone wieder anheim, Esgueira blieb 


dem Klofter Lorväo. Auſſerdem wies der König feinen Muh⸗ 


men auf Lebenszeit jährlich viertaufend Maravedis auf die Ein: 
kuͤnfte von Torres Vedras an, verfprach den Einwohnern von 
Alemquer und Montemor Die Drtereihte, bie ihnen von jenen 
Fuͤrſtinnen ertheilt worden, zu laffen, und ihnen wegen bes 
Beiftandes, den fie dieſen geleiſtet "Hätten, Fein Leib zuzufligen. 
Die Fürftinnen follten verbunden fein, Kriegsvolk aus dieſen 
Drten, wie ed im Reiche iblich fei, zum Heere bed Königs 
zu ftelen, und die. Fönigliche Münze in jenem Bezirke anzu⸗ 
nehmen. Der Bertrag wurde von beiden Seiten feierlich be 
fehworen und von einer Anzahl portugiefifcher und leoneſiſcher 
Nitter und Großen gegenfeitig verbürgt *). 


1) Mon. Lus. Parte IV. Append, Escrit. 15. 


2) Mon. Lus. Parte V. Append. Eser. 14. Nach einer Bufams 
menkunft des Königs von Portugal mit dem König Ferdinand von Ca⸗ 
ftitin i 3. 1231 gab diefer endlich auch das fefte Schoß S. Eſteväo 


‘ 


172 Erſter Zeitraum: J. Bud. 7: Abſchn. 


Sobald der anſtoͤßige Familienzwiſt, den der Großvater 
umabfichtlich entzüumdet, der Vater zwar gebämpft, aber nicht 
unterbrüdt hatte, von Sancho IL völlig audgelöfcht worden 
war, und der unfelige Zwieſpalt zwifchen dem König und der 
Geiſtlichkeit in einen friedlichen Vergleich fich aufgelöft hatte, 
wendete Sancho feine Zeit und Kräfte der Verwaltung feiner 
Länder zu. Nach der guten Sitte feiner Väter bereifte er zu⸗ 
erft die Provinzen des Reichs, um mit eignen: Augen den Zu⸗ 
fland derſelben zu unterfuchen, yperfönlich das Gute zu für- 
dern und den. Misbräuchen zu fleuern. So fehen wir ihn 
ſchon im erften Jahre feiner Regierung das Land zwifchen dem 


. Douro und Minho bereifen. Der Ort Sanguinhebo im Ge 


1223 
24. Dec. 


1224 
8. Mai. 


biet von Panoyas erhält einen Zoral'). Auf einer Reife im 
folgenden. Iahre gab der König den Orten Corva, Noura und 
Muca Foraes. Im Iahre 1225 ertheilt er. denen, die in 
Santa Eruz fi) anfiedeln, große Rechte und Freiheiten, und 
im nädften Jahre erhalten Aureico, eigen und > anbere Flecken 


Drtrechte . 


2) Sandos Groberungen: 


Elvas, Serpa, Jurumenha, Aljuſter, Aronches, das wich⸗ 
tige Mertola, Cacella, Ayamonte und Tavira kommen 
die Gewalt des Koͤnigs. . Verdienfte der Ritter des 
SantiagosDrbens, vor. allen des Komthur von Alcacer do 
Sal, Payo Peres Correa, bei dieſen Kriegsunternehmungen. 
Der Komthur erobert die Orte in Algarve mit Portugieſen 
fuͤr Portugal. Vertheidigung Sancho's gegen den Vorwurf 
der Unthaͤtigkeit und Unerfahrenheit im Krieg. 


Sancho's friedliche Thaͤtigkeit ging bald in eine kriegeri⸗ 
ſche uͤber, die bei der ſtets gefaͤhrdeten Lage des Landes 


de Chaves, das er zur Sicherheit ber Königin Thereſia bisher im Befig 
gehabt hatte, an den König von Portugal wieder zurüd. Mon. Lus. 
liv. 14. cap. 12, 

1) F. N. Franklin, Memoria para servir de Indice dos Fo- 
raes das Terras do Reino de Portugal (Lisboa 1816) pag. 243, 277, 
236 und 237: 

2) Mon. Lus. liv. 14, cap. 4. 


Regierung Sandho’s IL, 12233—1%45. 173 


der natürliche Beruf und die imerlaffliche Pflicht eines por⸗ 
tugiefifchen Königs war. Schon im zweiten Jahre feiner Re 
gierung finden. wie Sancho im Kampf mit den Saracenen, 
eben damit befchäftigt, die Umgegend®von Elvas zu verwuͤ⸗ 
fin‘). Im folgenden Jahre wird ber wichtige Ort erftürmt, 
und bleibt feitbem in ber Gewalt bed Königs, der ihm zur 
Beförderung des Anbaued und der Bevoͤlkerung brei Sabre 
fpäter einen Foral, und zwar ben von Evora erteilt). Zaft 
ununterbrochen feßt der König den Krieg gegen die Ungläus 
bigen fort, erobert Serpa, Iurumenha und andere Orte jes 
ner Gegend, und erwirbt fich durch feine Eroberungen, beſon⸗ 
ders in Algarve, felbft den Beifall des Papftes, ‚der in einem 
Breve nachdruͤcklich anempfiehlt, ohne ausdrüdliches Verlangen 
des heiligen Stuhls den König in feinem gluͤcklichen und heis 
ligen Kampfe gegen die Ungläubigen nicht durch Kiechenftrafen 
zu hindern. Die bereitd audgebrochenen Streitigkeiten bed 


1229 
Mai 


Königs mit dem Bifchof von Porto, die unfere Aufmerkffams 


keit bald länger befchäftigen werden, hielten Gregor IX. nicht 
ab eine Bulle zu erlaffen, in der er, vol Freude über bie 
Fortſchritte Der chriftlichen Waffen und voll Eifer für San- 
cho's Nüftungen zu neuen Eroberungen, Allen, Die. mit dem 
König oder feinem Heere gegen bie Ungläubigen zu Felde zie⸗ 
hen würden, diefelbe Vergebung der Sünde verfpricht , welche 
die allgemeine Kirchenverfammlung den Kreusfahrern nach dem 
heiligen Lande verfprochen habe ). Im folgenden Sahre wurde 
Aljufter erobert. Darauf wendete fich der König in die Pro: 
vinz Alemtejo und. entriß Aronched den Saracenen. Den Ein; 
wohnern von Alva, Die bei: einem Angriff der Feinde ihre 
Aldea fchlecht: vertheibigt hatten, befahl er fie zu räumen, und 
wies fie ben Bewohnern des Sledend Freiro, die den ruͤhm— 


1) Bzovio, Ann. eccles. an. 12:5. num, 8. Die Geſchichte von 
Portugal wird unter Sancho II. ſo ſehr Kirchengeſchichte, die Angelegen⸗ 
heiten des Klerus verſchlingen ſo ſehr alles übrige, daß ſelbſt die Kriegs⸗ 
ereigniſſe, die jene Zeit ſonſt vorzugsweiſe gern berichtet, nur beilaͤufig 
erwaͤhnt werden und bei den Kirchengeſchichtſchreibern geſucht werden 
muͤſſen. 

2) Mon. Lus. liv. 14. cap. 17. 

$) Mon. Lus. Part. IV. Apend. Escrit. 16. 


21. Oct, 


1236 


174 . Erfir Zeitraum. L Bud, 1. Abſchn. 


lichſten Widerſtand geleiſtet hatten, zum Wohnſitz an). Wich⸗ 
tiger war die Eroberung von Mertola, das, von fruchtbaren 
Fluren umgeben, den Gipfel eined Berges Erönte und einen 


der fefteften Orte Porfigald bildete. Einft an der Aufferften 


1240 


1242 


Grenze von Lufitanien und Bätica gelegen und des Handels 
wegen häufig befucht, hatten es die Römer wegen feiner Wich⸗ 
tigkeit zu einem Municipium erhoben. Seine von Natur fefte 
Lage, Eünftlich durch einen von der Guadiana auslaufenben 
Canal befchlist, eignete nun den an ber Grenze von Algarve 
und Andalufien liegenden, leicht zu vertheidigenden Ort zu eis 
nen trefflichen Waffenplas, zu einem Bollwerk des fübäftlis 
chen Portugals. Sancho erkannte die Wichtigkeit des erobers 
ten Mertola und übergab es, um fich feinen Beſitz zu fichern, 
den "Rittern von. Santiago, „die dahin ihren Convent legen 


folten, zur Vertheidigung und Beſchirmung bed Reichs 2). 


Seitdem Mertola in der Gewalt der Chriften war, breiteten 
fie ihre Eroberungen im Süden immer weiter aus, unb bald 
wurben die Grenzen von Algarve überfchrittenz; 1240 wurden 
Cacella und Ayamonte erobert. Der glüdliche Erfolg feuerte . 
zu größern Unternehmungen an, und Sancho bot dazu feine 
gefammten Streitkräfte zu Land und zu Wafler auf. Eine 
päpftliche Bulle?) ermahnte alle Portugiefen, den König’ auf 
feinem Kreuzzuge gegen die Ungläubigen zu begleiten, und 
„nerfprach Allen, die dem Kampfe ein Jahr lang fich weihen 
oder zu ben Koften bed Kriegs nach Vermögen beifteuern 


wuͤrden, Vergebung ber Sünden und Ablaß, denen gleich, bie 


dem heiligen Grabe zu Hülfe eilten. Die. Eroberung von 
Tavira in Algarve und einiger umliegenber Orte war die 


Frucht diefer Anflrengungen: Daß auch Silved damals erobert 


worben, wie Einige behaupten, ift nicht wahrfcheinlich. 
Diefe Eroberungen waren für Portugal von großer Mich: 


1) ©. die Urkunde in Mon. Lus. liv. 14. cap. 16. 


2)... et ipsi debent ibi tenere conventum suum ad defensio- 
nem et tuitionem, et quisitionem Regni mei, et quaerere mihi bonum 
sicut Domino natural. M. L. liv. 14. cap, 19, 


8) &ie fteht in Mon. Las, liv. 14. cap, 19, 


Regierung Sancho's AL, 12231245. 475 


tigkeit unb find es in gewiſſer Hinſicht felbft fir uns, indem 
fie, in ihrem wahren. Verfolg dargeftellt, uͤber Segenflände 
uns aufflären, bie ohne die Beruͤckſichtigung oder Würdigung 
diefer Eroberungen, in Dunkel gehült oder in ein falſches 
Licht geſtellt ſein wuͤrden. 

Naͤchſt dem König, der an den meiſten dieſer Kriegsun⸗ 
ternehmungen perfünlich Antheil nahm, erwarben fick dabei die 
Kitter des Sanctiagoordens, vor allen der Komthur von Alcacer 
bo Sal, Payo Pered Correa, ausgezeichnete Verdienfte. Um diefe 
zu belohnen, die Tapferkeit der Ritter nochmehr anzufeuern und 
dieſen mächtigen Schild des ftetö bedrohten Vaterlandes gleiche 
fam zu ftählen, ſchenkte ihnen der König die meiften erober- 
ten Drte: Aljufter im Jahre 1235, Mertola und Alfajar de 
Pena 1239, Sacella und Ayamonte 1240. und Zapira 1242 
den 9. Januar). Die Schenkung von Tavira, dad ihnen 
der König „aus frommer Freigebigfeit überlaffen babe‘, beftds 
tigte noch befonbers der Papſt Innocenz IV.?). Da jener 1244 
Komthur von Alcarer in der. Folge Großmeifter des Orbens 8. Se 
von Sanctiage wurde, und feinen Wohnfig nach Caftilien, 
an den urfprünglichen Drdensfig, verlegte, fo haben fich caſti⸗ 
liſche Schriftfteller ‚zu ber Annahme verleiten laffen, daß Peres 
Correa jene Orte in Algarve fuͤr Caſtilien erobert habe. Allein 
Correa war während jener Eroberungen noch bloß Komthur 
von Alcacer do Sal, wo damals Die portugiefifchen Ritter 
bes Sanctiagoordens ihren Convent hatten, und wurde erft im 
Sahre 1242 Großmeifter des: gefammten Ordens, als Zavira, 
bie lebte Eroberung in Algarve, bereits .in der Gewalt der 
Portugiefen. war. Nur portugiefifche Ritter führte er big 
auf dieſen Zeitpunct in den Kampf -gegen Die Saracenen, und 
nur auf Befehl und. zum Theil unter: den: Augen des Königs 
felbft fuͤhrte er fie an. Die eroberten Pläbe betrachtet Sancho 
ald fein Eigentbum und fchenkt fie aus freiem Willen und 


1) S. die Sqhenkungebriefe in Mon. "Las, Parte IV. Apend. Es- 
critt, 14, 19, 20, 22, 


2) Die Beftätigungsurfunde iſ dem ogerumgebele einverlelbt. 
Mon. Lus. Racrit. 22. 


176 WErſter Zeitraum. L. Buch. 7. Abſchn. 


mit Zuſtimmung der Großen bes Reichs ben Ordensrittern ). 
‚Er zählt dabei auf ihre treue Anhänglichkeit und fegt voraus, 
daß fie ihn als „ihren natuͤrlichen Herrn” anerkennen ?). Kurz, 
diefe Schenkungen beurfunden Elar und zur Genüge, daß jene 
Eroberungen für Portugal und nicht für Caſtilien gemacht 
wurben.. 

Eben diefe Eroberungen widerlegen zugleich ben Vor⸗ 
wurf, ben man dem König Sancho IL gemacht hat, daß er, 
in träger Sorglofigkeit und Pflichtvergefienheit lebend, das 
Reich gegen die Saracenen zu fchügen vernachläffigt habe. 
Ein unglüdliches Geſtirn hat in der That über den Kriegs: 
thaten diefed Königs gewaltet. Kein Geiftlicher feines Landes 
und feiner Zeit (Andere fehrieben felten) hat fie aufgezeichnet, 
und wir find genöthigt aus den Föniglichen Schenkungsur⸗ 
Funden über die den Mauren entriffenen Länder und. Ortfchafs 
ten mittelbar auf feine Exroberungen zu fchlieffen. Schon 
 Brandäo fühlte die Ungerechtigkeit, mit ber man in biefer 

Hinficht Sancho's Andenken verunglimpft hat. „Ich weiß 
wohl, fagt er, daß ed Vielen etwas Neues fein wird, wenn 
der König Sancho mit Krieg und Waffen befchäftigt und 
nicht in einem geiftlichen Gewande erfcheint, oder gar flatt 
der Moͤnchskutte den Helm fih auf dad Haupt febt. Aber 
Jedem fol Genuͤge gefchehen mit Gründen, mit denen wir bie 
fem König wiedergeben wollen, was ihm mit Recht gebührt.‘ 
Die Kriegsunternehmungen und Eroberungen, welche. Brandäo 
darauf aus Urkunden nachweift ’) und Die in Kürze oben be 
richtet worden find, beweifen, daß nach dem eriten Affonfo 
keiner von Sancho’8 Vorfahren mehr für die Erweiterung der 
Grenzen des, Reichs geleiflet hat ald dieſer König; fie zeigen, 
dag Sancho's Mutter, ald fie zufolge- eined Geluͤbdes, bas fie 
während einer lebenögefährlichen Krankheit des Knaben gethan 


1) De mea spontanea voluntate et de assensu meorum Ricorum 
hominum ... . cum omni jure regali, quod ibi habeo et habere debeo, 
et cum omni jure Patronatus Ecclesiarum fagt ber König in der Urs 
kunde der Schenkung an ben Orben. 

2)... ut me diligant, et faciant sicut Domino naturali — und 
ähnlich in den uͤbrigen Schenkungen an den Orben. 

8) Mon. Lus. liv. 14, cap. 6, 7, 11, 14—16, 18—21. 


| Regierung Sancho's I, 1223 — 1245. 47 


hatte, demfelben zu Ehren bes heiligen Auguſtins eine Moͤnchs⸗ 
Tutte anlegte, keineswegs, wie Einige meinen, den Eriegerifchen 
Sinn aus dem Sohn: getrieben hatte. Der herangewachfene 
Sancho bewies nicht allein diefen, er entwidelte zugleich, was 
Damals feltner war, Eluge und umfichtige Planmäßigkeit in feis 
nen Sriegöunternehmungen. Nachdem er ſich des wichtigen 
Elvas, ald Anhalt: und Ausgangs-Puncts, bemeiftert hat, ver 
folgt er das Flußgebiet der Guadiana, nimmt längs berfel- 
ben der Reihe nach die Hauptorte Serpa, Mertola u. f. w., 
verfichert fich der Mimdung der Guadiana durch die Erobes 
zung von Ayamonte und Gacella, fo wie bed Schlüffeld zu 
Algarve von dieſer Seite, Tavira’s, fehneidet auf biefe Weife 
Das übrige maurifche Algarve ab, fchwächt burch diefe Trens 
nung bie Macht der Saracenen in diefer Gegend und. bereis. 
tet fo die völlige Eroberung von Algarve feinem Nachfol⸗ 
er vor. 
8 Ein ſchwerer und ungerechter Vorwurf war es daher, 
als Innocenz IV. in der Bulle von Jahre 1245, die des Koͤ⸗ 
nigs Vergehen aufzählte und feine Abfegung begründen follte, 
ihm zur Laſt legte, „er habe die Länder der Chriflen in ber 
Nähe der Saracenen nicht vertheidigt, fie aus Kleinmuth ben 
Ungläubigen zur Verheerung oder Beſitzergreifung überlafs 
fen” ). Der Vorwurf war um fo fihwerer und Tränkender, 
je mehr der Portugiefe jener Zeit den Ruhm feines Königs 
vor Allem in die Bekämpfung der Ungläubigen zu feßen pflegte. - 
Mochte ſich Innocenz IV. nicht die Mühe nehmen die Regi⸗ 
fter feines Vorgaͤngers Gregors IX. zu durchblättern? Hier 
konnte er aus der Feder eines Papftes das Lob Sancho's als 
eines rührigen und glüdlichen Befämpfers der Saracenen lefen. 
Dover dachte Innocenz nicht daran, daß die Eönigliche Schen⸗ 
fung des eroberten Tavira's an den Sanctiago⸗Orden, bie er 
felbft feierlich beftätigt hatte, eine beträchtliche Erweiterung ber 
“ Grenzen Portugals auf Koften der Saracenen voraudfegte? 
Und endlih — wer war es, der ihn auf feiner Siegesbahn 
hemmte? Hatte nicht Gregor IX. durch ein Breve (1232) ge 
bieten müffen, daß man den König in dem heiligen Krieg 


1) Sousa, Hist. geneal. Provas, T. I. p. 47. 
Schäfer Geſchichte Portugals I. 


178 Erſter Beltraum. L Bud. 7. Abſchn. 


nicht Durch Kirchenſtrafen hinderte?) Es war ein hoher 
Geiſtlicher es war der Biſchof von Porto, ber dieſes Breve 
veranlafft hatte; er war. ed, ber ben Hader. mit dem König wie 
der ermeuerte und einen Kampf entzündete, der, fchnell um ſich 
greifend, immer flärfere Streitermaffen wider den Thron führte, 
allen weitern Planen und Unternehmungen des Königs ein Ziel 
fegte und dieſem felbft den Untergang brachte. 


3) Sancho's Streitigkeiten mit der Geiſtlichkeit. 


Klagen des Biſchofs von Porto über den König. Vergleich 
zwiſchen Beiden. Heftigerer Streit mit dem Erzbiſchof 
von Braga, der fich mit feinen Befchwerden an den Papſt 
wendet. Nähere. Angabe diefer Beſchwerden. Die Drohun⸗ 
gen des Papſtes bewegen ben König nachzugeben. 


Schon im Sahre 1227 hatte der Bifchof Sultan I. (1227 
. — 1230) Klagen über des Königs Eingriffe in die Rechte und 
Sreiheiten des Bisthums Porto bei dem Papft Honorius er 
hoben, und Ddiefer dem Bifchof von Zamora und einigen dor: 
tigen Prälaten aufgetragen, den König zur Beſſerung zu er 
mahnen und nöthigenfalls mit Kirchenftrafen zu belegen. Noch 
in demfelben Iahre hatte Gregor IX. die Drohung gefchärft ”), 
mit welchem Erfolg, iſt unbekannt. Lebhafter wurde der Zwift 
unter dem folgenden Bifchof, Pedro Salvador (1231 — 1247), 
einem großen Eiferer für die Rechte feines Stuhle. Kaum 
hatte er ihn beftiegen, fo eilte ev (1233) nach Rom, um über 
die Unbilden, die feine Kirche von dem König zu erdulden 
habe, Befchwerde zu führen. Der König reiffe die Gerichtä- 
barkeit und die Vorrechte, die feine Vorfahren dem Bifchof 
von Porto bewilligt hatten, gewaltfam an ſich, indem er tiber 
bürgerliche Rechtshaͤndel und Streitigkeiten der Geiſtlichen zu 
entfcheiden ſich anmaße, Die Geiſtlichen nöthige vor feinem 
. Richterfluhl zu erfcheinen und aufferdem den DVafallen des 
Bisthums anmuthe mit! dem König in den Krieg zu ziehen. 


1)... ne a quoquam sine Sedis Apostolicae expressa voluntate 
censuris ecclesiasticis gravaretur quamdiu sanctum bellum depugnaret. 
2) Raynald. ad. an. 1227. Bzovio. an. 1227. num. 9, 


Regierung Sancho's IL, 1223—12345. 179 


Der Papft beauftragte (in einem Breve von 1233) den Bis 
ſchof und zwei höhere Geiftliche in Zamora bie Sache zu un- 
terfuchen und den König zu ermahnen, baß er fich folcher 
Einmiſchungen und Bedruͤckungen enthalte; im Fall aber diefe 
Ermahnung fruchtlos bleibe,. ben König aller Orten, wo er 
ſich aufbalte, in den Bann zu thun. Gregor IX. felbft fchrieb 
an den König. 

Diefe Maßregeln hatten den Erfolg, dag ein Vergleich zu 
Stande kam, in welchem der König alle Freiheiten und Rechte 
Der genannten Kirche unangetaftet zu laffen verfprah. Er be 
hielt fich jedoch vor, daß, im Fall die Mauren in feine Län- 
der einfielen und er in Perfon gegen fie ausziehe, auch ber 
Biſchof von Porto, gleich den andern Bifchöfen des Reichs, 
mitzugehen verpflichtet ſei; Daß zwar bie rein geiftlichen Ges 
genftände, wie Zehnten, Wucher, Simonie, Ehen und bergleis 
chen, der Entfcheivung des Bifchofs verbleiben folten, in den 
Rechtöftreitigkeiten zwifchen Geiftlichen und Laien aber allein 
der Fönigliche Richter, ald Generalvicar ded Bisthums, erken⸗ 
nen duͤrfe. Übrigens ſchenkte der König bei diefer Gelegenheit 
dem Bifchof und feiner Kirche das Patronat über Soalhäes 
und Bedoido, fowie den Zehnten von dem Zehnten, den der 
König, wie feine Vorfahren, von Allem was in der Stabt eins 
geführt wurde, erhob. Der Bifchof und das Capitel erwirkten 
von dem Papfte die Betätigung ded Vertrags, mit Ausnahme 
jenes Artikels, der dem weltlichen Generalvicar die Entfcheis 
dung uͤber Nechtöfälle zwoifchen Geiftlichen und Weltlichen vor⸗ 
behielt, und dem, ald dem Recht und ber Immunität ber 
Kirche uͤberhaupt zuwider, ber Papft feine Zuflimmung vers 
fagte ). Der Streit ſchien fomit beigelegt. Gregor erließ im 
folgenden Sahre, 1234, die oben erwähnte Bulle, in welcder 
er den König wegen feiner Siege uͤber die Ungläubigen belobte 
und allen feinen Kampfgenoffen Ablaß verfprach ; er druͤckte da⸗ 
mit feine Zufriedenheit mit dem König aus. 

Gleich zufrieden konnte der Biſchof fein. Aber wie einſt 
unter dem erſten Sancho ein Biſchof von Porto, trotz der un⸗ 


1) Catalogo dos Bispos do Porto, Parte II. cap. 10. Mon. Lus 
liv. 14, cap. 14. 


12* 


180 Erſter Zeitraum. L Bud. 7. Abſchn. 


gemeffenften Zugeſtaͤndniſſe, bie ihm. der König gemacht hatte, 
den alten Groll gegen diefen nicht vergaß und feinen Anma⸗ 
ungen Feine Schranken zu fegen wuffte, fo jest der Biſchof 
_ Peter Salvador unter dem zweiten Sancho. Ungeachtet jenes 
Vergleichs, der dem Bifchof fo gimflig war, und der freien 
Geſchenke des Königs,‘ die Feine Bedingungen des Vergleich 
bildeten, ungeachtet Sancho noch im Sahre 1245 den Fleden 
Marachil in Algarve — eine neue Erwerbung von den Mau⸗ 
"ren — dem Bifchof fchenkte, war eben berfelbe Prälat ber 
Erfte, der, wie wir fpäter fehen werden, bei dem Papfte in 
Lyon Klagen gegen ben König vorbrachte, die befien Sturz 
zur Folge hatten '). 

Der Zwift des Biſchofs von Porto mit dem König war 
nur ein Vorläufer des Sturmed, der immer näher gegen 
Sancho heranzog. Er mar noch nicht lange und nur fchein- 
bar beigelegt, als fich ein weit heftigerer und bebenklicherer 
zwifchen dem Erzbifchof von Braga und dem König entipann. 
Auch diefer wurde nicht von Grund aus gehoben. Die Ruhe, 
die ihm folgte, war nur täufchend; fie verbarg das Zufammen- 
zieben und die Anhäufung mehrerer Stoffe, deren Entwidelung 
und Wirfungsweife wir zwar weiter nicht verfolgen können, 
weil Fein Beobachter fie der Nachwelt gefchildert hat, deren 
Dafein wir aber aus ihren Wirkungen und Ergebniffen nad) 
zumweifen im Stande find. MWeltliche Elemente traten hinzu, 
das Zerment aber war geiftlich. 

Irrungen zwifchen Töniglichen Beamten und Geiftlichen 
des Erzbisthumd Braga veranlafften den Erzbifhof von dem 
König zu verlangen, daß er feinen Dienern und Beamten ver: 
biete, im Die Angelegenheiten der Kirche ſich zu mifchen und 
die Geiftlihen zu beunruhigen. Da der König dem Erzbifchof 
nicht Genüge that, fo fchritt diefer. alsbald zur Ercommu- 
nication der Töniglichen Beamten und wandte fich mit feinen 
Klagen fofort an den Papft. Die Befchwerden Iaffen fich auf 
acht Hauptpuncte zurädführen. 1) Die Eöniglichen Beamten 
befshimpfen Die Geiftlichen und berauben fie in ihren Häufern, 
indem fie in biefe unter dem Vorwand eindringen, die Wei: 


1) Espafia sagr. T. XXI. pag. 101, 


Regierung Sancho's IL, 1223—1245. 181 


“ ber, bie fie darin fanden, herauszuholen );3 2) fie hindern den 
Erzbiſchof ſtrafwuͤrdige Geiſtliche zu zuͤchtigen; 3) fie noͤthigen 
jenen und die Geiftlichen durch’ Geloftrafen , im Heere zu Die 
nen, die Leute und Pferde des Königs in ben ber Kirche ge- 
hörigen Käufern aufzunehmen und zu unterhalten, ſowie die 
Herbergskoſten und andere Laſten zu tragen; 4) ſie zwingen die 
Geiſtlichen weltliche Anordnungen zu befolgen, wohin dieſe 
gehoͤrt: „wenn Jemand bei Lebzeiten (inter vivos) oder in ſei⸗ 
nem letzten Willen Guͤter an eine Kirche oder ein Kloſter gibt 
oder vermacht, fo dürfen dieſe ſie nicht annnehmen, noch auf 
irgend eine andere Weiſe ſie erwerben“; 5) wenn Geiſtliche 
wegen Guͤter vorgeladen werden und Einrebe gegen die Zu⸗ 
ſtaͤndigkeit des Gerichts vorbringen, ſo wird der Klaͤger ſo⸗ 
gleich in den Beſitz der Guͤter geſetzt, die Geiſtlichen aber be⸗ 
finden ſich in der Nothwendigkeit, entweder das Ihrige zu 
verlieren, oder vor dem weltlichen Gericht zu erſcheinen, in 
buͤrgerlichen und ſelbſt in peinlichen Faͤllen; 6) avenn der 
Koͤnig uͤber geiſtliche Ortſchaften oder Kloͤſter, die von ihm 
Feine Regalien nehmen, feinen Weg nimmt, ſo erpreſſt er 
Geld von ihnen und befchwert fie mit Leiſtungen; 7) er ver⸗ 
fügt über kirchliche Dinge, indem er die Einkünfte erledigter 
Kirchen an fich zieht, diefe mittlerweile Durch Laien verwalten 
lafft, das Patronatrecht über einige, die fonft frei waren, fich 
anmaßt, und fie mit fremden, unbefannten und unwuͤrdigen 
Perfonen beſetzt; 8) er hat die Kirchen und Klöfter, ihre 
Beamten und Pachter durch Erpreffungen unfähig gemacht 
ihre eigenen Diener fernerhin zu unterhalten ?). | 
Dffenbar laufen hier, wie ein -aufgeklärter Portugiefe, 
Caetano do Amaral, richtig bemerkt hat, wirkliche Misbräuche 
und Gewaltthätigkeiten der Weltlichen, ungemeffene Anmaßun⸗ 
gen und Übertreibungen der Geiftlichen unter: und nebeneinans 
der hin. Wir find nicht im Stande hier Die Wahrheit von 
dem Irrthum oder der Verfaͤlſchung ftrerige zu feheiden, weil 


1) Nach einem alten Gefeg, dad Sancho I. gegeben haben foll, wa- 
ven die Eöniglichen Beamten zu einer Hausunterfuhung für diefen Zweck 
befugt. 

2) Mon. Lus. Parte IV. Apend. Escrit, 18. Im Auszug in Me- 
morias da Acad. Real. Tom. VI. p. 88. 


182 Erſter Zeitraum. J. Buch. 7. Abſchu. 


nur bie Berichte derer, bie zugleich Partei, Kläger und Richter 


1238 
15. Apr. 


- waren, auf und gelommen find. Aber wir wollen bie Stimme 


eines ihrer Amtöbrüder und Landsleute hören, eined unverbächtis 
tigen Mannes, des verfiändigen Brandäo, der „wohl wuſſte, wie 
diefe feine Anfüchten als Neuerungen unb eben nicht fehr anges 
nehme Neuerungen in ber portugiefifchen Gefchichte erfchienen, 
dem aber bie Pflicht, die Wahrheit zu fchreiben, nicht geftattete 
von dem was er fir gewiß hielt abzuweichen“. Es war nichts 
Anftößiged dabei, fagt er, baß bie Einkünfte erledigter Kir: 
hen für den König erhoben wurden, noch dabei, daß man 
die Schenfungen, die von frommen Menfchen an fie gemacht 
wurden, hinderte. Erhoben Adelige kirchliche Einkünfte, fo 
führten fie zu ihrer Entfchuldigung die uͤbermaͤßigen Ausgaben 
an, zu denen die Führung des Kriegd fie nöthige und wozu 
ihr Vermögen nicht hinreiche. Aus Diefem Grunde verlangten 


fie, daß die Geiftlichkett einen Theil ihres Vermögens beis 


fleuerez ein Verlangen, fagt Brandäo, das nicht ganz unbillig 
iſt, wenn diefe Buziehung in den erlaubten Grenzen gefchieht, 
die Geiftlichkeit mit Anfland darum erfucht wird, oder der 
Papft auf Erfuchen Subfidien bewilligt. Als in ber Folge 
die Dinge zu größerer Ruhe und Ordnung gelangten, wurbe 
die Anordnung gemacht, daß die Klöfter Grundbefisungen, bie 
Tie erworben hatten, in einer gewiſſen Zeit verfaufen mufften, 
damit fie, an Weltliche zuruͤckkehrend, die Einkünfte der Geiſt⸗ 
lichen nicht mehrten und man auf diefe Weiſe dem Misbrauch, 
der unter jenem Vorwand eingefchlichen war, begegnete. Schon 
in jenen frühern Zeiten wollte man dieſe Misftände entfernen, 
aber man ‚verftand ed noch nicht zweckmaͤßige Mittel anzu: 
wenden '). 

Die Beichwerden, die der Erzbiſchof in Rom vorbrachte, 
hatten die Folge, daß der Papſt eine Bulle erließ, in der er 
die Misbraͤuche, die und wie ſie ihm vorgeſtellt worden wa⸗ 
ren, auffuͤhrt und ruͤgt, ihre Abſtellung befiehlt und den Erz⸗ 
biſchof ermaͤchtigt, den Koͤnig, wenn er nicht Folge leiſten 
würde, mit dem erneuerten Bann dazu zu zwingen, und endlich, 
wenn er troß deſſelben von feinem Verfahren nicht ablaffe, 


1) Brandäo in der Mon. Lus. liv. 14. cap. 17. 


NKegierung Sancho's Il, 123-1245. 183 


drohet, „daß die roͤmiſche Kirche auf eine andere Weiſe Rath 
ſchaffen werde” ). Der König verſprach darauf In einem 
Brief an ben Erzbifchof, „bie Artikel ber Kirchenfreiheit, die 
in dem apoftolifchen Schreiben enthalten feien, beobachten zu 
laffen und zur Vollziehung zu bringen‘ ?). 

In den näcftfolgenden Jahren feste Sancho, We wir 
oben gefehen, feine Kriegsunternehmung gegen bie Saracenen - 
fort. Um feine Eroberungen immer weiter auszubreiteh und 
zu fichern, rüftete er fich mächtig zu Land: und zur See. Der 
Dapft rief. durch eine Kreuzbulle die Portugiefen zur Unter: 
ftügung ihres Königs auf. Selbft die Juden fleuerten, zufolge 
ihrer Obliegenheit bei jeder Ausruͤſtung einer Flotte, zu jedem 
Schiff ein gutes Ankerfeil und einen Anker’). Solche Ruͤ⸗ 
ftungen berechtigten zu großen Erwartungen, und Sancho ent: 
riß in der That einen Ort nach dem andern der Gewalt ber 
Ungläubigen. Aber während er mit dem Schwert ih der 
Hand ald Mehrer des Reichs immer neuen Boden zu erobern 
trachtete, gewahrte er nicht, daß ber Boden, -auf dem er 
ftand, unterhöhlt ward und den Einfturz drohte. Und wäh: 
rend er an den Grenzen ded Reichs deffen Feinde bekaͤmpfte 
und befiegte, erfchlitterten im Schooße des Vaterlandes fette 
eigene Vaſallen und Blutöverwandte den "eigenen Thron. 


.4) Entthronung ded Königs Sancho. 


Der portugieſiſche Adel. Die Prinzen des Hauſes: Affonſo 
und Ferdinand, des Könige Brüder, der Infant De: 
ter, Sancho's Oheim. Nitterliche Thaten und Schiefale 
des Letztern. Mecia’s Einfluß auf den König; ob fie feine 


1) Romana Ecclesia super iis aliter auctoritste Domini provi- 
debit. ©. die Bulle in Mon. Ing. Parte IV. Apend. Escrit. 18. 
Sousa, Histor. geneal. Provas, T. J. pag. 40. 

2) Das Schreiben, datirt von Guimaraes den 25. Nov. 1238, findet 
ſich im erzbifchöflichen Archiv zu Braga, der Anfang defjelben überfegt 
bei Brandäo Mon. Lus. liv. 14. cap 17. 

3) ©. die Urkunde in den Dissertacöes chron. e crit. por J. P. 
Ribeiro, T. III. App. p. 87. N. 35, 


184 Erſter Zeitraum. J. Buch. 7. Abſchn. 


Gemahlin war? Das allgemeine Misvergnuͤgen benutzen welt⸗ 
liche und beſonders geiſtliche Große, um den Koͤnig zu ſtuͤr⸗ 
zen. Ihre Klagen bei dem apoſtoliſchen Stuhle bewirken eine 
paͤpſtliche Drohbulle. Portugieſiſche Praͤlaten und weltliche 
Geſandte reifen nach Lyon. Innocenz. IV. entfernt den Koͤ⸗ 
Mg von der Regierung und überträgt fie dem Grafen von 
Boulogne, Affonfo. Wodurch ſich dieſer dem Papſt empfoh⸗ 
len hatte, und was er in Paris vor feinem Regierungsantritt 
befehwören muß. Seine Ankunft in Portugal und Sancho's 
Flucht nach Eaftilien. Kiuges Benehmen Affonfo’s, um dfe 
Portugiefen. für fi) zu gewinnen. Sancho, obgleich, von Cas 
flitien mit einem Heere unterftügt, muß der geiftlichen Waffe 
bes Grafen weichen. Einzelne Befehlshaber portugiefifcher Fe⸗ 
ften tämpfen noch für Sancho, ber ftandhafte und fchlaue Pachero 
in Celorico und Freitas in Coimbra, deſſen Treue dem König 
bis in's Grab folgte: 


Der portugiefifche Adel jener Zeit. fand feine einzige Luft 
unb feinen Beruf allein im Sriegöleben, deffen rohe und wilde 
Gewohnheiten er nur zu oft ind bürgerliche Leben: uͤbertrug. 
Auch hier follte das Schwert entfcheiven, was allein dad Ge- 
feß hätte entfcheiden follen. Geſetze gab es überdied nur wes 
nige in dem noch ungeregelten Staat, und die wenigen ermans 
gelten der Kraft; die rohe Sitte, damald weit mächtiger als 
bad Geſetz, hielt biefes in Ohnmacht danieder. Befremden 
kann ed baher nicht, wenn wir auch hier den Adel in Fehden 
wider einander fehen '); ihre Abwefenheit vielmehr; müffte be 
fremden. Und doch wurden die Gewaltthätigkeiten und bie 


1) Diefe Fehden fehen ficy überall gleich; doch als harakteriftifch 
mag Folgendes hier eine Stelle finden. In einem Gefechte, das zwifchen 
mehreren Großen und ihren Leuten bei Porto vorfiel, wurde das Pferd 
eines vornehmen Ritters, Ruy Fafes, getödtet. Da diefer nicht gewohnt 
war zu Fuß zu fechten, fo bat ex den Goncalo Robrigues de Aureu um 
fein Pferd. Er erhielt es, doch unter der Bedingung, daß er ihm feine 
Tochter D. Mecia Rodrigues zur Frau gäbe. Fafes verfprach es, wenn 


er glüdlich aus dem Gefecht kommen würbe, und ‚hielt fein Besfpeeigen, 
Mon. Lus. liv. 14. cap. 24. 


Regierung Sandho’& IL, 12234145. 185 


Selbfthülfe der mächtigen Großen: dem König Sancho zum 
Verbrechen gemacht, als wären fie etwas Ungewöhnliches, Un- 
erhörtes in jenem Jahrhundert, ald hätte man in andern Län- 
dern auch nur daran gebacht, die Könige für die Unorbnun- 
gen der Großen und des mächtigen Adels verantwortlich zu 
machen. Wurde nicht von dieſem das Anfehn des Staatsober: 
haupts gerade am empfinblichften verlegt, der König felbft 
nicht felten ald der gemeinfame Feind angegriffen? Es war 
sticht fchwer, der unruhigen Thaͤtigkeit des Adels einen feften 
Zielpunct , der wilden Bewegung eine beftimmte Richtung zu 
geben. Schlaue und unternehmende Köpfe Fonnten leicht die wi⸗ 
der einander gebehrten Kräfte nach einer einzigen Seite hins 
wenden, einen gemeinfamen Feind vorfpiegeln und die vereis 
nigte Streitmaffe zu beffen Verderben anführen. Die wiber: 
firebenden Kräfte regten fih in Portugal, ſchlaue Lenker 
warfen fi) auf. aus der Zahl der Großen’ und aus ber 
Mitte jener Macht, die, ſtark durch die Intelligenz die ihr 
einwohnte, noch flärfer durch die Öffentliche Meinung auf der 
fie thronte, durch dieſe Zaubermittel leicht Die vereinzelten 
Kräfte zu ihrem Zwecke vereinigte und gegen den fchulbig Er: 
klaͤrten anzuführen vermochte Diefer fand fich. 

Sancho II. war Finderlos, der Thronfolge fand daher eine 
Veränderung bevor. Mehrere Prinzen ded Haufes mochten 
ihre Blicke auf die Krone richten. Die nächften Anfprüche 
hatte der Infant Affonfo, des Königs Bruder (geb. 1210 den 
5. Mat), mit Mathilde, der Erbin der Graffchaft Boulogne, 
vermählt. Ein jüngerer Bruder des Königs (wahrfcheinlich erſt 
nad) dem Jahre 1217 geboren) war der Infant Ferdinand, 
Befiter von Serpa, daher gewöhnlich Herr von Serpa ge 
nannt. Gewaltthätigkeit, die er gegen Klöfter und Kirchen vers 
übt hatte, nöthigten ihn nach. Rom zu reifen, um perfönlich 
Abbitte bei dem heiligen Vater zu thun und ſich Ablaß zu 
erwirfen, den er auch unter der Bedingung, daß er die Frei 
heit der Kirche nie wieder verlegen wolle, erhielt). Aber em⸗ 
pfohlen für die Thronfolge hatte er ſich hier wohl nicht. Im 
der Folge ging er nach Gaftilien, wo er im Kampfe mit den 


1) Raynald. ad, an. 1239 num. 59 ess. 


1856 Arſter Beiteraum, L’Bud. 7. Abſchn. 


Saracenen Teine Eriegerifche Luſt befriebigte und feine Kirchen: 
fürtden fuͤhnte. — Endlich lebte noch ein Vaters-Bruder San⸗ 
cho's U., der Infant Peter (geboren 1187), ein Mann, der in 
dem Wechſel feiner duflern Lage und in raftlofer Bewegung 
das Glüd feines Lebens fuchte und überall von unruhiger Ehr- 
fucht verfolgt ward. Thatendurfſt oder Mishelligkeiten mit fei- 
nem Bruder hatten ihn aus Portugal getrieben. Seitdem 
wurde er .ein lebendiges Bild des uhfteten, irrenden Ritter: 
lebens. Zuerſt ging er zum König von Leon und focht mit 
emem Heer Leonefen für die Sache feiner Schwellen, der 
Snfantinnen Therefia und Sancha, gegen ihren Bruder Af: 
fonfo D., feste dann nach Afrika über und lebte eine Zeit lang 
in Dienflen des Kaiferd von Maroflo ). Bon hier brachte er 
die Überrefte von fünf heiligen Märtyrern des Minoritenorbens 
nach Portugal, wo fie im Klofter Santa Cruz in Coimbra ˖ 
aufbewahrt wurden, Tehrte Darauf an den Hof von Leon zu- 
ruf, nahm Theil an mehreren -glorreichen Eroberungen ber 
Zeonefer und erwarb fi) namentlih den Ruhm, den Sieg 
* bei Meriva vor Allen errungen zu haben; wandte ſich dann 
nach Aragonien und leiftete feinem Neffen Iaymel., dem Er- 
oberer, bei feinen Unternehmmmgen gegen die Saracenen treff- 
lichen Beiftand. Hier vermählte er fich mit der Zochter und 
‚Erbin ded Grafen Armengol VII. von Urgel, Aurembiaur, 
bie ihm bei ihrem Tode 1231 die Graffchäft Urgel, ihre 
echte auf Valladolid und mehrere Befißungen in Galicien 
vermacte. Da ihm diefe flreitig gemacht wurden, fo ver: 
taufchte er fie an feinen Neffen, den König Jayme J., für Ma: 
jorfa und die beiliegenden Inſeln ?), reſidirte hier eine Zeit 
lang und gründete den Dafigen bifchöflichen Stuhl, vertaufchte 
wieder diefe Inſelherrſchaft gegen Segorbe, Morella und an⸗ 
dere Orte, ging mehrere Mal nach Caſtilien und ſchien ſeine 
Perſon zu vervielfältigen, indem er überall, wo die caſtiliſchen 
Waffen fiegten, voranglänzte. 


1) As chriftlicher Prinz an einem mohamebanifchen Hofe — eine 
auffallende, doch damals nicht feltene Erfcheinung. 

2) ©. den Vertrag in Mon. Lus. T. V. Ap. Escrituras 2—4, 
und in den Piovas gu der Hist, gen, von Sousa, T. I. num. 12, 


Regierung Sancho’s IL, 1223 — 1245, 187 


Zu der Zeit, als bie Befchwerben über ben König Sans 
cho II. laut wurden, 1244, verließ. der Infant Majorca und 
unterhielt in Portugal eimen Anhang, den er fich zu gewinnen 
gewufit hatte. Wie konnte ihm auch ein folcher fehlen? Ihm, 
der, ein Proteus des Ritterthums, den Zeitbegriffen von ber 
Trefflichfeit feiner Koryphaͤen fo glorreich entfprach, der fo rit- 
terlich der bebrängten Schweitern fi) angenommen, am Hof 
des Miramulim ald chriftlicher Ritter geglänzt, voll frommen 
Eifers fein Vaterland mit den wunderthätigen Leichen der fünf 
Märtyrer beglüct und verherrlicht, bald in Leon, bald in Ara- 
gon, bald in Gaflilien, überall feine. Tapferkeit und feinen 
Heldenmuth, vor Allem im Kampfe gegen die Ungläubigen 
bewährt hatte, Durch glüdliche Frauenliebe großer Laͤnderbeſitzer 
geworden war, Gruͤnder eines Inſelſtaats, Stifter eines Bis⸗ 
thums — ihm hätte es nicht gelingen follen Anhänger, Ber: 
ebrer zu finden? Anfprüche auf den portugiefifchen Thron 
konnte er bei Lebzeiten der Brüder Sancho's freilich nicht ma⸗ 
chen; er verlangte; wie es fcheint, nur die Regentfchaft. Doc) 
wer mifft die Wünfche und Pläne der Ehrfuht? Wie er auf 
einen Anhang in Portugal rechnen konnte, fo durfte er auch 
auf Jayme's Unterftügung zählen. Der Papft indeffen entz 
fchied fich für den Grafen von Boulogne, der nach den Ges 
ſetzen des Reichs das nächte Recht auf die Thronfolge befaß, 
und wies dem Infanten Pedro in einem Breve, dad er an 
ihn ergehen ließ, gewiffermaßen feine Stellung zu feinem Bru- 
der Affonfo an, indem er ihn auffoderte demfelben bei feiner 
Zhronbefteigung mit Rath und That behülflich zu fein. So 
nahm Innocenz IV. mittelbar dem Infanten alle Hoffnungen 
und Ausfichten — vielleicht zum Gluͤck Portugals; denn ob 
der Ritter, der, vom flüchtigen Roſſe getragen, durch bie 
Raſchheit feines Schwerted fih Ruhm erhafcht hatte, vom 
Thron herab mit der ruhigen und befonnenen Stetigkeit, die 
der Scepter verlangt, über feinem Volke gewaltet haben würbe, 
das bleibt fehr zweifelhaft. Wir freuen und daher ihn auf 
feiner bisherigen Bahn fortziehen zu fehen und begleiten ihn 
noch eine Strede weiter. Wahrhaft ritterlich unterftüßte er nun 
felbft feinen Neffen Affonfo in den Jahren 1247 und 1248, 


1246 


188 Urfter Beitraum. L Bud. 7. Abſchn. 


in :benen der Bürgerkrieg das Meich verwirrte, und diente ihm 
mit feinem Arm und Kopf, bis alle Portugieſen bern Thronfol⸗ 
ger Gehorſam gelobt hatten. Laͤnger aber hatte et hier die Ruhe 
nicht. Beſorgt, ſein Schwert moͤchte roſten, ging er nach An⸗ 
daluſien, um dem Koͤnig Ferdinand bei der Belagerung von 
Sevilla Huͤlfe zu bringen. Bald zog er mit dem Koͤnig im 
Triumph in die Stadt ein und erhielt bei der Vertheilung der 
eroberten Güter und Orte beträchtliche Beſitzungen zur Beloh⸗ 
nung feiner Dienfte. Aber Ruhe fand er erft im Sabre, 1258 
— im Grabe. 

Wie der Infant Peter, ſo hatte wohl jeder der Bruͤder 
des Koͤnigs ſeine Anhaͤnger in Portugal, und wenn die In⸗ 
fanten auch nicht ſelbſt handelten, ſo handelten Andere in ih⸗ 
rem Namen. Den Umtrieben dieſer Parteien, die trotz ihrer Ver⸗ 
ſchiedenheit doch alle ein Ziel verfolgten, die Spitze zu bieten, 
würde vielleicht ſelbſt einem kraͤftigerren Regenten, als es 
Sancho war, ſchwer geworden ſein. Die Faͤhigkeit Raͤnke zu 
vereiteln hatte ihm, wie es ſcheint, die Natur verſagt. Um ſo 
freieres Spiel hatte die Hinterliſt. Man fand bald Anlaß und 
Stoff zu Beſchwerden, oder glaubte oder gab vor, ihn gefun⸗ 
den zu haben; denn ob die Beſchwerden, die man uͤber ihn 
erhob, gegruͤndet, alle oder theilweiſe gegruͤndet waren, ſind 
wir nicht im Stande genuͤgend zu ermitteln. Wir beſitzen nur 
die Acten des Klaͤgers, der ſich der Beweisfuͤhrung uͤberhoben 
glaubte, oder vielmehr nur dasjenige aus ihnen, was er be 
kannt werden zu laffen für gut fand, und woran der Richter 
unmittelbar den Spruch knuͤpfte. Wo aber die Gefchichte 
feine Thatſachen berichten kann, da fol fie auch Fein Urtheil 
fällen. Ehrt fchon im gewöhnlichen Leben der Menfch fich 
felbft und die Menfchheit, wenn er in Ermangelung von Thats 
fachen und Mitteln zum Urtheil über den Nächften diefes lie⸗ 
ber zurücdhält, fo fol in ſolchem Falle die Gefchichte noch 
forgfältiger vermeiden die Wahrheit zu gefährden; denn etwas 
Heiligeres als fie kennt fie nicht. Und obgleich ihr Urtheil den 
Zodten nicht mehr fehadet, fo muß doch dad Andenken an Hin: 
gegangene ihrem Griffel ebenfo heilig fein, als der richtenden 
Zunge der gute Name der Lebenden. 


Regierung Sancho's IL, 123 —145 1901 


wie wir fie bald fehen werben,. hätten fie allein ſchwerlich 
verurfacht. Darauf hin arbeitete vor Allen ein Stand, der bie 

fchlaffe Nachficht des Koͤnigs wohl gern fuͤr fich in Aufpruch 

nahm, aber durchgreifende Strenge und Zhatkraft gegen alle 

Andere vom König verlangte, Mit den Prälaten vereinigten 

fi) mehrere Adelige, die ihren Haß gegen bie Günftlinge des 

Königs und ihre ehrfüchtigen Abfichten unter der Maſke des 

Eiferd für des Reichs Wohlfahrt und Die Würde des Throns | 
verbargen, zum Sturze ded Königs. 

Man brachte die Klagen über ihn vor ben päpftüichen 
Stuhl, und Innocenz IV. erließ aldbald von Lyon aus eine \ 
Bulle an den König, in der er Die Befchwerben, wie fie ihm 1245 
vorgeftelt worden, aufführt, den König zur Abſtellung derfel- 80. Mär 
ben und zur fehuldigen Benugthuung ermahnt ‚und endlich 
binzufügt: „Sollteft Du (was wir nicht glauben) in ber Ab⸗ 
ſtellung derſelben läffig fein, fo wird ber apoftolifche Stuhl 
nicht umhin koͤnnen, zu Deinem und bed Reiches Wohl in 
dieſer Hinficht ein angemeſſenes Mittel zu ergreifen ).“ 

Mittlerweile reiften einige portugiefifche Prälaten, der Erz- 
bifchof Johann von Braga, der Bifchof Peter von Porto und 
ber Bifchof Tiburcio von Coimbra nach Lyon, wo Innocenz IV. 
damals auf der Kirchenverfammlung fich befand, um ihm ihre 
DBefchwerden und — Wuͤnſche vorzutragen. Sie waren ges 
wiß, daß fie-perfönli und mimdlic die Sache weit beffer 
und mit mehr Erfolg betreiben würden. Mehrere weltliche 
Große, unter denen Ruy Gomes de Britteiros und Gomes 
Viegad als Abgefandte des Königs Sancho genannt werden, 
begleiteten fie. Der erfle von Beiden, damals noch Infancäo, 
wurde in der Zolge von Affonfo IH. zum Ricohomem erhb- 
ben und legte durch diefe Beförderung eben Feinen Beweis 
von feinem Eifer für Sancho's Sache, die er in Lyon hätte vers 
fechten follen, ab. 

Der Eifer und das Anfehn der Anklaͤger des Koͤnigs 
mochten in Lyon leicht für Gruͤnde gelten, und Innocenz, der. 
bier weit wichtigere Dinge befchäftigten, mochte dem König, 


1) Raynald ad an. 1245. num, 6, Sousa, Provas Tom. L 
num, 23, | 


190 Erſter Zeitraum. J. Bud. 7. Abſchn. 


lich mit Sancho IL im vierten Grade verwandt). Die roͤmi⸗ 
ſche Kirche durfte bei ihrer Strenge in dieſem Punct diefe 
Vermaͤhlung ohne paͤpſtliche Dispenſation eben ſo wenig zu⸗ 
geben, als ſie die uͤblichen Vermaͤhlungsgebraͤuche jener Zeit 
im Dunkel laſſen konnte. Wir koͤnnen daher die alte Überlie⸗ 
ferung, daß Mecia Sancho's Gemahlin geweſen, nur ſo deu⸗ 
ten, daß ſie mit der Abſicht es zu werden nach Portugal kam, 
und in dieſer Vorausſetzung einige Mal in Urkunden ſich ſelbſt 
Königin nannte”). Auch das koͤnnen wir, auf leiſe Andeu⸗ 
tungen ber Gefchichte geftügt, der Überlieferung zugeben, daß 
Sandy in ben legten Jahren feiner Regierung einer gewiſſen 
- Fahrläffigkeit und Schlaffheit, die ihm im Anfang derfelben 
fremd war, ſich fehuldig machte, und daß Mecia diefe zu ihrem 
Vortheil, der leicht dem Lande zum Nachtheil gereichen mochte, 
zu benutzen wuffte ®). 

Dieſe Zahrläffigkeit des Königs in feinen letzten Regie 
rungsjahren, Mecia's nachtheiliger Einfluß auf ihn, Die ehr: 
füchtigen Plane, welche die Infanten verfolgten, oder die uns 
ter ihrem Namen verfolgt wurden, die Fehden einzelner Rit⸗ 
ter und Großen unter einander, diefe Urfachen zufammen konn⸗ 
ten wohl Unzufriedenheit im Reiche verbreiten und felbft hier 
und da einen Aufftand erregen; aber eine Thronummälzung, 


1) Affonfo Henriques I., König von Portugal, 
Sancho IL, Urrac 
König von Portugal, erfte Gemahlin Ferbinanbs IL, 
Königs von Leon, 
Affonfo II., 
König von Portugal, Alfons IX,, 


König von Leon, 
Sandyo IT., lo» 
König von Portugal, Urraca, 
Gemahlin des Lopo Dias de Haro, 


Mecia Lopes de Haro. 
2) Mon. Lus. T. V. Append. Escrit. 88. 


8) Brandäo in der Mon. Lus. liv. 14. cap. 31 und liv. 17. 
cap. 14. Vergl. auch die erfchöpfende Unterfuhung und Widerlegung 
ber VBermählung Mecia's mit Sandjo II. in Barbosa, Catalogo das 
Rainhas de Portugal, p. 161 etc. 


Regierung Sancho's IL, 122314 191 | 
wie wir fie bald fehen werden, hätten fie allein, ſchwerlich 


verurſacht. Darauf hin arbeitete vor Allen ein Stand, der die 
ſchlaffe Nachſicht des Koͤnigs wohl gern fuͤr ſich in Aufbruch 
nahm, aber durchgreifende Strenge und Thatkraft gegen alle 
. Andere vom König verlangte. Mit den Prälaten vereinigten 
ſich mehrere Adelige, die ihren Haß, gegen bie Günftlinge des 
Königs und ihre ehrfüchtigen Abfichten unter der Maſke des 


Eifers für des Reichs Wohlfahrt und Die Würde des Throns | 


verbargen, zum Sturze des Königs. 

Man brachte die Klagen über ihn vor den päpftichen 
Stuhl, und Innocenz IV. erließ alsbald von Lyon aus eine 
Bulle an den König, in ber er die Befchwerden, wie fie ihm 
vorgeftelt worden, aufführt, den König zur Abftellung derfel- 
ben und zur fehuldigen Genugthuung ermahnt und endlich 
binzufügt: „Sollteſt Du (was wir nicht glauben) in ber Ab⸗ 


ftellung derſelben laͤſſig fein, fo wird ber apoftolifche Stuhl 


nicht umhin Eönnen, zu Deinem und des Reiches Wohl in 
diejer Hinficht ein angemeffenes Mittel zu ergreifen ).“ 

Mittlerweile reiften einige portugiefifche Prälaten, der Erz- 
bifchof Sohann von Braga, der Bifchof Peter von Porto und 
der Bifchof Tiburcio von Coimbra nad) Lyon, wo Innocenz IV. 
damals auf der Kirchenverfammlung fich befand, um ihm ihre 
Befchwerden und — Wünfche  vorzutragen. Sie waren ge 
wiß, daß fie-perfönlich und mündlich die Sache weit beffer 
und mit mehr Erfolg betreiben würden. Mehrere weltliche 
Große, unter denen Ruy Gomes de Britteirod und Gomes 
Viegas als Abgefandte des Königs Sancho genannt werden, 
begleiteten fie. Der erfle von Beiden, Damals noch Infancäo, 
wurde in der Folge von Affonfo III. zum Ricohomem erhb- 
ben und legte durch dieſe Beförderung eben keinen Beweis 
von feinem Eifer für Sancho's Sache, die er in Lyon hatte ver⸗ 
fechten ſollen, ab. 

Der Eifer und das Anſehn der Anklaͤger des Koͤnigs 
mochten in Lyon leicht fuͤr Gruͤnde gelten, und Innocenz, den 
hier weit wichtigere Dinge beſchaͤftigten, mochte dem Koͤnig 


1245 


80. W) 


1) Raynald ad an. 1245. num, 6, Sousa, Provas Tom. L 


num, 23. 


N 


4192 Erſter Zeitraum. L Bud. 7. Abſchn. 


des Pleinen Portugal nur eine vorübergehende Aufmerkſamkeit 
ſchenken. In der That Fonnte die Bulle vom 30. März 1245 
als Arzneis oder Droh⸗Mittel kaum gewirkt haben, fo folgte 
ſchon der Todesſtreich, 24. Juli 1245. Sancho wurde von 
der Regierung entfernt‘) und biefe feinem Bruder Affonfo, 
Strafen von Boulogne, übertragen, der wegen feiner Ergeben⸗ 
beit, Redlichkeit und Umficht vielfältig empfehlenswerth ſei, 
und dem König, im Fall er ohne einen rehtmäßis 
gen Sohn ablebe, nach dem Rechte bes Reichs fols 
gen werde. Die Thatfachen, die der Papſt ald Beweg⸗ 
gründe zu diefem aufferordentlichen Verfahren anführt °), find 
diefelben, die in der Bulle Gregor’ IX, auf die er fi be 
zieht, enthalten waren. Unter ihnen hebt Innocenz IV. haupts 
fächlich die gewaltfame Beſitzergreifung der Kirchengüter her⸗ 
vor ımd fügt nur hinzu, „daß die Adeligen fich unterfingen 
Ehen in verbotenem Grade zu fchlieffen”. Aufferdem ruͤgt er Die 


1) Nah den Worten ber Bulle war es nicht bie Abficht des Pap⸗ 
ſtes, daß dem König Sancho oder feinem Cohn, wenn ex einen rechtmaͤ⸗ 
Bigen habe, das Reich genommen werden follte. Per hoc autem non 
intendimus memorato Regi, vel ipsius legitimo filio, si quem habuerit, 
praedietum Regnum adimere, sed potius sibi et eidem Begno destru- 
ctioni exposito, ac vobis ipsis in vita ejusdem Regis, per solicitudi- 
nem et prudentiam Comitis consulere supradicti. — Die Abfegungss 
bulle, datirt von Lyon den 24. Juli 1245, hat Brandäo nad dem im 
erzbiſchoͤflichen Archiv in Braga befindlichen Original abbruden laffen in 
Mon. Lus. Parte IV. Append. Escrit. 23. Gin Theil berfelben fteht 
in Corp. Juris Can. Cap. Grandi de supl. neglig. Praelat. 
in 6, 


2) Näo ha duvida, fagt Brandäo bei Gelegenheit der Abfegung 
Sancho's, que foräo muy urgentes as causas que obrigaräo ao Sum- 
mo Pontifice privar a el Rey D. Sancho do governo do Reyno, ea 
mandar em seu lugar o Infante D, Afonso. Mal se pode disculpar 
el Rey D. Sancho, nem nos o queremos livrar, nem ainda podemos, 
pois ainda inserta no corpo do direito Canonico a Bulla de sua de- 
‚ Posicäo em que vem apontadas as causas que moveräo ao Papa a 
fazer hum estremo täo grande como foi excluir a hum Rey do go- 
verno, e administracao de seu Reyno. Der wahrheitälicbende Mönch 
konnte auch fehr fein fein! 


Regierung Sandyo’s IL, 1223 — 1245 193 


Unordnungen in der Reichsverwaltung und die Straſlofigkeit 
der Verbrecher ). 
Der Infant Affonfo hatte fich ſchon frůher auf eine vor⸗ 
theilhafte Weiſe dem Papſt bekannt gemacht und war ihm von 
einer andern einflußreichen Seite empfohlen worden. Er hatte 
ſich im Jahre 1235 mit Mathilde, der Erbin der Grafſchaft 
Boulogne, der einzigen Tochter des Grafen Raynald von 
Dammartin und der Graͤfin Ida von Boulogne, vermaͤhlt ). 
Eine Mutterſchweſter des Infanten, die Koͤnigin Blanca von 
Caſtilien und Mutter Ludwigs des Heiligen von Frankreich, 
hatte dieſe Heirath, durch die ihre Partei am Hofe verſtaͤrkt 
wurde, geſtiftet. Sie, nicht allein die ſchoͤnſte, ſondern zu⸗ 
gleich die kluͤgſte Frau ihrer Zeit, von ungemeiner Willenskraft 
und Thaͤtigkeit, hatte auch, wie ihr Sohn Ludwig, auf den 
ſie einen ſo großen Einfluß ausuͤbte, den Papſt mit Affonſo's 
ausgezeichneten Faͤhigkeiten bekannt gemacht. Es fand ſich 
bald Gelegenheit dieſe in Anſpruch zu nehmen. Das Vor⸗ 
dringen der Mongolen in Europa ſetzte um jene Zeit alle Laͤn⸗ 
der in Schrecken. Innocenz IV. rief die chriſtlichen Fuͤrſten 
zu ben Waffen, und Affonfo’3 bekannte Tapferkeit beſtimmte 
den Papft, ein befonderes Schreiben von Lyon aus an ihn zu 1244 
richten, in welchem er ihn zur Vertheidigung der Chriftenheit 30. Ia 
‚gegen die Barbaren auffodert ). Da diefer Kreuzzug nicht 
zu Stande Fam, fo entfchloß fich der Infant die gemachten 


1) Nur eine Stelle mag hier ftehen. Caeterum castra, villas, pos- 
sessiones et alia jura Regalia idem Rex propter ipsius desidiam sui- 
que cordis imbecilitatem deperire permittens, ac passim ac illicite 
malignorum acquiescens consiliis alienans, taım personarum ecclesia- 
sticarum quam secularium, nobilium et ignobilium, occisiones nefa- 
rias, dum religioni non parcitur, nec sexui, nec aetati, rapinas, ince- 
stus, raptusque monialium, et secularium mulierum, rusticorum ncgo- 
tiatorum tormenta gravia, quae ipsis a nonnullis Regni praefati pro 
extorquenda ab ipsis pecunia infliguntur, ecclesiarum et caemeterio- 
rum violationes, et incendia, fractiones treugarum, et alia enormia 
quae a sibi subditis Jibere committuntur, scienter tolerat, quin potius 
tot tantisque malis, dum ea praestiterint impänita, consentire vide- 
tur, et pandit aditum ad pejora. 

2) Sousa, hist. geneal. T. I. pag. 165 und 169, 

3) ©. das päpftliche Schreiben in der Mon. Lus. Jiv. 14, cap. 26. 


Schäfer Gefhichte Portugals 1. 43 


19, Erſter Zeitraum. L Bud. 7. Abſchn. 


Ruͤſtungen gegen die Mauren in Spanien zu kehren und er⸗ 


langte von Innocenz IV. eine Bulle, in welcher diefer „dem 
. Snfanten und Allen, die aus dem Königreich Portugal mit 


ihm gegen die Saracenen ziehen würden, benfelben Ablaß zu⸗ 
ficherte, der den Kreuzfahrern nach dem heiligen Land verfpro: 
chen worden ').” Auch diefe Unternehmung zerfchlug fih. Es 
ift nicht unmwahrfcheinlich, daß Affonfo Kunde von der Lage 
der Dinge in Portugal erhalten hatte und unter den Ruͤ⸗ 
fingen zu einem Kreuzzug gegen die Ungläubigen ganz an⸗ 
dere Plane verbarg. Jedenfalls hatte er ſich durch den Ei- 
fer den er für die Befchirmung der Chriftenheit bewiefen, das 
Wohlwollen des Papftes erworben, und Ddiefer zeigte fich jest 
um fo geneigter den Infanten in, feinen Planen zu unter= 
ftügen, je dringender ihn zugleich Die angefehenen und ein=. 


flußreichen Prälaten, aus denen die portugiefifche Geſandtſchaft 


beftand, empfahlen. Sobald fie in Lyon die Abfegungsbulle 
des Königs von dem Papft ausgewirft hatten, reiſten fie ge 
raden Wegs nach Paris, wo ber Graf von Boulogne Damals 


ſich aufhielt. | 
Könnten noch Zweifel über die Beweggrimde unb Ab⸗ 


ſichten diefer Entthronung und über die Perfonen bie fie betrie⸗ 


. ben obwalten, fo vermöchte der Eid, den Affonfo bei ber Über: 


nahme der Regierung in Parid ſchwoͤren muffte, jeden Zweifel. 
zu zerfireuen. Man glaubt in der That, die Kirche allein bilde 
ben Staat, und dieſer wie fein Oberhaupt feien nur um der 
Geiftlichkeit willen da, wenn man die Artikel durchlieft, die 
der Infant am 21. September 1245 in dem Haufe des Kanz- 
lers zu Paris befchwur. Die weltlichen Angelegenheiten des 


Reichs bilden fo zu fagen nur die Ergänzung, nur ein Bei: 


werk der Firchlichen. Die geringen Anfoderungen und Verbeſ⸗ 
ferungöwünfche, die hinfi chtlich jener die Praͤlaten an den 
neuen Regenten ſtellen, ſtehen in einem ſo auffallenden Abſtand 
von dem Zuſtande des Reichs, wie ihn die Abſetzungsbulle 
ſchildert) — ein Bild der aͤrgſten Verwirrung und Zerruͤt⸗ 
tung des Staates durch des Königs Schuld — daß wir 


1) ©. die Bulle ebendaf. 
2) Man vergleiche nur die oben mitgetheilte Stelle aus ber Bulle. 


Regierung Sando’s Il, 1223—12345, 4% 


nicht wiffen, was wir in Zweifel ziehen ſollen, die Wahrheit 
dieſer Schilderung oder den Patriotiſmus jener Vaterlands⸗ 
vertreter. 
Der Graf von Boulogne gelobte eidlich: 1) den Gemeinden | 
und Abdeligen, wie dem ganzen Bold, den Mönchen und der Geift- 
Yichkeit des Reichs alle gute Gewohnpeiten, alle gefchriebene und 
ungefchriebene Rechte zu halten, und alle Misbräuche, die un⸗ 

ter feinem Vater und Bruder eingefchlichen, abzufchaffen, wos 
bin befonders, der gehöre, Daß bei einem gefchehenen Todtſchlag 
von den Anmwohnenden” bed Getöbteten Geld gefobert werde, 
felbft wenn der Thaͤter bekannt ſei; 2) in allen Orten, bie 
dem König untergeben find, gerechte Richter einzufegen und 
eine jährliche Unterfuchung anzuordnen, damit die Fahrläffigen 
geftraft würden; 3) das Necht zu handhaben bei jedem Todt⸗ 
fehlag, befonders aber gegen Solche die felbft oder Durch Andere 
einen Geiftlichen oder einen Mönch gefangen nehmen , beraus 
ben, verwunden oder töbten, und die Strafe bei folchen Vers . 
brechern fo zu feharfen, daß fie Allen zum Exempel diene ') ; 
4) die Kirchen und Klöfter, die Klerifer und Mönche und 
ihr Vermögen zu beſchuͤtzen, ihnen das Entriffene wieber er⸗ 
ftatten zu laſſen, den erlittenen Schaden zu verguͤten und zwar 
nach dem Ermeffen der Prälaten, der Mönche und unverbäch- 
tiger Gemeindsmaͤnner (hemens bons); 5. die Häufer und 
Höfe, die unter der Regierung Sancho's zum Nachtheil Ans 
derer, zumal Geiftlicher und Klöfter erbaut worden, ganz nie 
derzureiffen ; 6) ‚Die Klöfter. und ihre Kirchen gegen Solche, bie 
Das Patronat Über dDiefelben wegen ihrer oder ihrer Verwand⸗ 
ten Vergehen verloren haben, zu vertheidigen, fobalb er von 
dem Bifchofe ded Orts davon in Kenntniß gefeßt worden ; 
7) die Ercommunicirten die ihm angezeigt worden zu meiden, 
ihnen, wenn fie in ihrem Trotz verharren, bie Beneficien, die 
fie von dem König haben, zu entziehen, und bei fortgefeßter 
Halsſtarrigkeit fchwerere Strafen, nad) dem Ermeflen der Prä- 
Yaten, aufzulegen?); 8) mit Beirath der Prälaten gegen dieje⸗ 


1) Hier der Urfprung ber Schugbriefe, von denen die Ordenagao, 
iv, J. tit. 3. $. 6 redet. 
2) Vergl. Orden, liv. II, tit. 8. $. 5, 6, 7. 
33* 


196 Erſter Beittaum. I. Bud 7. Ablſchn. 


nigen, welche Seiftliche, von denen fie excommunicirt worben, 
beleidigen, Strafe zu verhängen und diefe ohne Anfehn ber 
Perſon zu vollziehen ); 9) die Kolheitas nicht in baarem 
Gelde zu erheben, auch nicht größere ald der Großvater erho⸗ 
ben habe, und zwar jährlich nur einmal, die Durchreife durd) 
die zahlpflichtigen Drte aber möglichft zu befchleunigen , uͤber⸗ 
haupt die Artikel der Kirchenfreiheit zu halten und halten zu 
laſſen; 10) die Misbräuche die bisher in Portugal flattges 
funden, nad) Kräften und wie e3' die Praͤlaten mit Beruͤckſich⸗ 
‚tigung der Lage des Reichs zweddienlic finden, abzuftellen ; 
11) das Reich treulich zu verwalten und Jedermann, Hohen 
und Niederen, Reichen und Armen Recht zu verfchaffen; 
12) der römifchen Kirche immer gehorfam und ergeben zu fein, 
“wie ed einem Fatholifchen Fürften zieme, und ihre Ehre und 
Erhebung nach Kräften zu fördern; 13. in allen Gefchäften 
Die das Neich betreffen, mit Zurathziehung der Prälaten ober 
einiger von ihnen, die mit Rüdficht auf Ort und Zeit am geeig- 
netſten zugezogen werben koͤnnen, zu verfahren”). 

„Waren die Prälaten unmäßig im Fodern, fo war ber 
Infant nicht karg im Verſprechen“, fagt bei dieſer Gelegen- 
heit Brandäo. Je freigebiger aber der Graf mit Verſprechun⸗ 
gen war, um fo weniger Zufrauen Tonnte man in bie Auf 
richtigfeit feines Willens, jene auch zu halten, feben, und 
wirklich hielt fich Affonfo durch die Clauſel, „daß er Alles hal: 
ten wolle, unbefchabet feines und des Reiches Recht”, eine 
Thuͤre offen, die er mit den hinzugefügten beruhigenden Wor⸗ 
ten: „ſo jedoch, daß alles oben Gefagte ftetd gültig und ſeſt 


1) Cum contra novos morbos nova oporteant antidota prae- 
parari. ' 

2) Item quod omnibus negotiis contingentibus statum bonum 
Regni procedam cum consilio Praelatorum, vel aliquorum eorum qui 
convenienter vocari potuerint secundum tempus et locum bona fide. 
Das Schwebende und Unbeftimmte in der Beſchraͤnkung dieſes Artikels 
durch den unmittelbar folgenden kann nur im Original empfunden wer 
den: Per hoc autem sacramentum non intelligunt dicti Archiepiscopus 
et Episcopi Comitem esse obligatum, et in dando et tollendo terras 
Regni, et in pecuniis suis dandis teneatur sequi consilium Praelato- 
rum, si melius sibi apparuerit, et hoc concedunt eidem. 


Negietung Sancho's IL, 233— 1245. 497 


bleiben fol" '), gleichfam nur beidrüdte, um den Eidabneh⸗ 
mern jede Beforgniß, daß er auf Ausflüchte finne, zu nehmen. 
Aber die Folgezeit zeigte, daß er diefe Thüre weder verfchlof: 
fen noch vergeflen hatte. 

Nachdem der Graf diefe Artikel feierlich befchworen hatte, 
überließ ex feiner Gemahlin, auf deren Klugheit und Einfich- 
ten er bauen konnte, die Verwaltung ihrer Länder, und trat” 
in Begleitung ber Prälaten und anderer portugiefi fcher Her: 
ven bie fich in Frankreich befanden, die Reife nach Portugal 
an. Gegen Ende des Jahres traf er in Kiffabon ein, das ihm 
fogleich huldigte und dafür fchon im Anfang des folgenden 
Sahres alle feine Rechte und Freiheiten beflätigt erhielt *). 

Bei der Nachricht von Affonfo’3 Ankunft und dem Inhalt 
der päpftlichen Bulle gerieth der König in Beſtuͤrzung. Er 
hatte nicht geahnet, daß der Papft von den Grmahnungen, 
die er kurz vorher an ihn hatte ergehen Yaffen, fofort und ohne 
vorher auch ihn zu hören, zu dem Aufferften fchreiten werde; 
denn zum Aufferften hätte es der König ſchwerlich kommen 
laſſen. Nun aber war, wenigftend für den Augenblick, jede 
Bermittelung unmöglih. Mit einer gewaltigen Waffe, mit 
der päpftlichen Bulle, die alle Portugiefen zum Gehorfam ge 
gen den Grafen von Boulogne ermahnte und den Erzbifchof 
von Braga wie den Bifchof von Coimbra ermächtigte bie 
Miderfpenftigen mit Kirchenftrafen zu belegen, griff Affonfo an 
und ſchuͤtzte ſich zugleich. Einen Augenblid dachte der König 
dem Infanten Gewalt entgegen zu fegen und waffnete in Eile . 
Mannfchaft. Allein der Anblid ded großen Anhangs, den 
Affonfo fand, flimmte ihn wieder um; er folgte dem Rath 
feiner Bertrauten und floh nad Caftilien. Hier wurde er in 
Toledo von dem ihm verwandten König mit hochherziger 
Theilnahme aufgenommen. Ferdinand gab ihm hinlängliche 
Truppen um in fein Reich zuruͤckkehren zu koͤnnen; ber cafli- 


1) Haec omnia supradicta ego praefatus Comes servabo salvo 
jure meo et Regni Portugalliae, ita tamen quod omnia supradicta 
semper rata et firma permaneant, et in omnibus et per omnia ob- 
servenutur. Sousa, Provas T. I. p. 53. 


2) ©. die Urkunde in der Mon. Lus, liv. 14. cap, 27. 


— 


4898 Erſter Zeitraum. J. Buch. 7. Abſchn. 


lianiſche Infant Alfons, viele Ritter und Herren aus Caſtilien 
und Leon (unter ihnen auch Diego Lopes de Haro, Herr von 
Biscaya), die beſten Anfichrer jener Länder, begleiteten das 
Heer. 

Sancho hatte das Reich mit der Hoffnung verlaſſen, daß 
eine kurze Entfernung aus demfelben feiner Sache nicht ſcha⸗ 
den würde; aber dieſe Entfernmg hatte fiber fein Loos ents 
ſchieden. Ste entmuthigte feine Anhänger und väubte ihnen 
den Dereinigungspund. Viele glaubten einen König verlaffen 
zu duͤrfen, ber feine eigene Sache verlaffen zu haben fchien. 
Andern, die fhon ſchwankten, erleichterte des Könige Flucht 


ben Abfol. Aus der Verwaltung des Reichd war der Mit: 


telpunct , bie legte Triebkraft gewichen. Der verlaffene Thron 
fehlen einem Andern offen zu flehen; er fchten den Unterthanen 


das Recht zu geben, foger die Pflicht aufzulegen, fin ſich 


felbft zu forgen. Je nothwendiger aber ein Regent geworben 
war , deſto willkommener muſſte den Portugiefen ein Fuͤrſt 
fein, ber ein Glied der Königsfamilie war und vom heiligen 
Vater felbft zu den Stufen des Thrones, zu dem ihn feine 
Perfönlichkeit nicht weniger ald das Reichsgeſetz berechtigte, ges 
führt wurde. | | 
Afonfo war ber Mann, der diefe Anforüche und Vor: 
theile geltend und für fich erſprießlich zu machen verftand. 
Durch fein einſchmeichelndes Benehmen, durch Güte und Her⸗ 
ablaffung gewann er die Herzen Vieler, Aller, bie in ben 
Kreis feiner unmittelbaren Wirkſamkeit traten und von feiner 
Perjönlichkeit berihrt wirden. Schlechte und widerſpenſtige 
Bürger dagegen fchredite er durch feharfe Zuͤchtigungen. Ins 
bem er ben Flecken und Städten ihre Freiheiten und Rechte 
beftätigte, erwarb er fich ihr Zutrauen und durch Die gerechte 
und kluge Erledigung vieler verjährten Nechtöftreite die Ach⸗ 
tung aller Unterthanen. Während die Geiftlichen aus den 
Verſprechungen, die er gegeben hatte, hohe Erwartungen fchöpf: 
ten und fich daran labten, faumte er nicht den Befehlshabern 
der Feftungen, die ihm noch am fernften ftanden, vorzuftellen, 
wie ber Befehl des heiligen Vaters und das Wohl des Reichs 
ihnen zur Pflicht mache, ihm beizuftehen und feinen Eifer fuͤr 
ba8 Beſte des Vaterlandes zu unterflügen. So wufite und 


Regierung Sancho's II, 1223—1245. 199 


fuchte Affonfo mit den mannichfaltigen Faͤden ber Liebe und 
der Furcht, des Butrauens- und der Achtung, der Hoffnung 
und des Pflichtgefühls die Portugiefen an fich zu ziehen und 
zu fefleln, Eug und gewandt und unermuͤdlich thätig. 

Daß er den Willen eined großen Theils der Nation für 
ſich gewonnen hatte, zeigte die Schnelligkeit, mit der er, als 
er die feindlichen Rüftungen in Gaftilien vernahnr, in wenigen 
Tagen ein Heer 'verfammelte, das ſtark genug war feinem 
Gegner die Spige zu bieten. Doch nur um feinen Worten 


Gewicht und Anfehn geben zu Finnen, fchien er ed aufgeftellt _ 


zu haben. Er z0g, obgleich wohl gerüftet, den Weg der Un 
terhandlung vor.” Das Waffenglüd blieb immer zweifelhaft, 
ein Bruch, ein Krieg mit dem benachbarten Gaftilien bedenk⸗ 
lich; er konnte leicht verderblich werden. Der kluge Affonfo 
verfuchte daher zuerſt die geiftliche Waffe, die ihm der Papfl 
zum Schuß und Angriff gegeben hatte, und die, wermgleich 
unblutig, doch tödtlich traf. Er ließ dem Infanten von Ca⸗ 
flilien und den Anführern des feindlichen Heeres die päpftliche 
Bulle zeigen, Traft deren ihm die Regierung des Reichs uͤber⸗ 
tragen worden war. Alles was zu Gunſten bed Grafen 
ſprach, warb dem Infanten vorgeftelt. Dabei unterſtuͤtzte je 
nen der Erzbifchof von Braga, der durch die Guardiane ber 
Franziskaner in Guarda und Covilhäo, feine Bevollmäcdtigte"), 
Solchen, die Sarıcho8 Sache verfechten und der Bulle des heis 
Yigen Vaterd zumider handeln würden, mit dem Bann droh⸗ 


ten. Dies wirkte. Der Infant kannte die Schärfe und Uns 


fehlbarkeit des geiftlichen Schwertes; er flellte dem unglüdlis 
chen Könige vor, wie andere Waffen hier Nichts vermöchten 
und dem Papfte die Entfcheidung uͤberlaſſen werben mürffe. 
Sancho, der lieber ald Privatmann in der Fremde, als ohne 
feine vorige Würde und ruhmlos unter feinen Vaſallen leben 
wollte, kehrte mit dem Infanten nach Caſtilien zuruͤck?). 
Mehrere portugiefifche Befehlshaber festen beffenungeach- 
tet die Vertheidigung der ihnen anvertrauten Feftungen fort 
und weigerten fi fie ohne Befehl ihres Königs, dem fe 


1) Die erzbifchöfliche Vollmacht f. in ber Mon. Lus. liv. 14. 0.29. 
2) Mon. Lus. 1. c. 


200 Erſter Zeitraum. 1. Bud. 7. Abſchn. 


Treue geſchworen, dem Grafen zu uͤbergeben. Dieſer ſchickte 
ſich daher an, mit gewaffneter Hand ſie zum Gehorſam zu 
zwingen. Zuerſt wurde Obidos, das ſich widerſetzte, gewon⸗ 
nen, ob durch Sturm oder Übergabe, iſt unbekannt. Im Bis⸗ 
thum Coimbra gehorchte allein Montemor dem Grafen, alle 
andere feſte Orte waren dem Koͤnige treu geblieben. Einzelne 
Alcaiden, die hier und da ihre Feſten uͤbergaben, bezeichnete 
die oͤffentliche Stimme als Hochverraͤther. Um ſo hoͤher wur⸗ 
den jene geprieſen, die dem Angriffe Muth und Ausdauer, 
den lockenden Verſuchungen unerſchuͤtterliche Treue und Feſtig⸗ 
keit entgegenſetzten. 

As Fernão Rodrigues Pacheco, der Befehlshaber ber fe⸗ 
ſten Burg Celorico, vom Grafen aufgefodert wurde fie zu 
übergeben und wie andere portugiefifche Ritter ihn anzuers 
kennen, antwortete er, daß er Feinem ‚Andern Gehorfam ers 
weifen werde, fo lange König Sancho, aus defien Händen er 
die Befehlöhaberwürde empfangen habe, noch lebe. Der- 
Graf befchloß darauf mit Gewalt den Ort fi) zu unterwer- 
fen, und Pacheco feste fi) in Vertheidigungsſtand. Die Bes 
lagerung wurde mit großer Lebhaftigfeit betrieben, aber man 
überzeugte fi bald, daß gegen die Entſchloſſenheit und Aus: 
Dauer der Belagerten mit Waffen nichtd auszurichten wäre, 
und Affonfo feßte fih Darum vor, den Ort auszuhungern. Sn 
Furzer Zeit wurde auch, der Mangel an Lebensmitteln fühlber 
und drüdend. Da rettete ein gluͤcklicher Zufall und die Lift, 
mit der ihn der fchlaue Pacheco benußte. Als diefer eines 
Morgens bei Tagesanbruch aufftand, um die Mauerwerke zu 
befichtigen, fah er einen Reiher aus dem Fluffe Mondego, der 
dicht an Celorico vorbeifliefft, fich erheben, mit einer großen 
Forelle in den Klauen. Er flog gerade über die Feſte hin, 
als ihm die frifche Beute entfchlüpfte und herabfiel. Pacheco 
hob fie freudig auf, Tieß fie Föftlich zubereiten und fchidte fie 
mit fehr feinem Brod, das er dazu eigens baden ließ, und 
einigen Erfrifchungen dem Grafen zum Gefchent. „Er möge, 
muflte ihm der Bote fagen, den Widerftand den er leifte, um 
des Königs Sache aufrecht zu halten, nicht tadeln. Das 
Amt, das er vom Könige erhalten habe, und die Pflicht der 
Treue, zu ber ihn fein Eid verbinde, entfchuldigten ihn. Mit 


Negterung Sancho's IL, 1223 — 12345. WI 


dieſen Beweggründen verknuͤpfe er die Abficht, die Vertheidi⸗ 
sung fortzufegen, bi8 er von Sancho den ausbrüdlichen Be 
fehl zur Übergabe oder die Nachricht von feinen Tode erhals 
ten werde. Wolle der Graf auf der Belagerung beharren, fo 
möge er es thunz die Feſte würde durch die Ritter fo vertheis 
digt werden, wie.er ed bisher erfahren habe, und fei wohl 
verforgt mit Lebensmitteln und Erfrifhungen, wie die beifoms 
menden bewiefen, die er anzunehmen würdigen möge.” Der 
Graf war betroffen, er argwöhnte einen geheimen Verkehr des 
Befehlöhaberd mit der Umgegend. Doch antwortete er höflich 
und nabm das Gefchent mit freundlicher Herablaffung an. 
Aber er erwog die Schwierigkeiten, mit denen die Einnahme 
Diefer, wie es fchien, fo wohl verforgten Burg verbunden wäre, 
ben großen Verluſt, den eine längere Belagerung mit fich fühs 
ren wuͤrde, und befchloß fie aufzuheben. Darauf führte er 
feine Streiterhaufen gegen Coimbra. | 
Hier fand Affonfo ähnliche Tapferkeit und Treue, nur 
dort gepaart mit Überrafchender Lift, hier mit rührender Pie 
tät. Martim de Freitas, Alcaide mor der Feſte von Coims 
bra, hielt als ein treuer Vaſall feines Königs nicht allein eine 
hartnddige Belagerung und die lebhafteſten Angriffe des Fein⸗ 
bes flandhaft aus; er hatte einen noch furchtbarern Feind im 
Innern der Fefte felbft zu befämpfen — den Mangel und fein 
Gefolge. Unerträglicher Hunger und Durſt quälten die Bes 
fagung, flimmten fie für Die Übergabe der Feſte und erzeug- 
ten Meutereien gegen ihren Befehlöhaber. Nur das. begei- 
fternde Vorbild der Entfchloffenheit und Standhaftigkeit, ver 
Zreue und Aufopferung, dad Freitas feinen Kampfgenoffen und 
Leidenögefährten in feiner Perſon aufftellte, vermochte Die ver: 
zagten oder fehwierigen Gemüther wieber. zu ermuthigen und 
zu befeftigen. Unterdeffen Fam die Nachricht von Sancho's Tod 
nach Coimbra und wurde auf Befehl des Grafeh den Belas 
gerten in der Feſte bekannt gemacht. Alle hielten den XAlcais 
den nun feiner Verpflichtungen für entbunden, nur er nicht. 
Freitad verlangte von Dem Grafen fichered Geleit, um felbft 
nach Toledo zu geben und von dem Xode des Königs fich 
perfönlich zu überzeugen, zugleich Waffenſtillſtand für Die Seis 
nen während feiner Abwefenheit. Der Graf bewilligte Beides 


202  ÜErfier Zeitraum. L Bud. 7. Abſchn. 


und Freitad machte fi auf den Weg. In Zolevo erfuhr er 
von Augenzeugen ben wirklichen Tod ded Königs, dennoch ließ 
ee fi fein Grab Öffnen, legte die Schlüffel von Coim⸗ 
bra in die Hände des Berblichenen, Tniete neben ihm nieber 
und ſprgch die Worte: „So lange ich wuflte, mein Herr und 
König, daß ihr lebtet, habe ich flr eure Sache die aͤufſerſten 
Drühfeligfeiten ertragen, bie Schwachheit meiner Kampfgefaͤhr⸗ 
ten bald zu verbergen, bald in Muth zu verwandeln gewuſſt 
und fie veranlafft die Bahn der Ehre fortzufegen. Alles was 
fih von einem treuen, ftandhaften, durch den Eid der Treue 
verpflichteten Gemuͤth erwarten läfft, glaube ich pünctlich er: 
fuͤllt zu haben. Nun da ihr geflorben ſeid und ich euch bie 
. Stadt nicht übergeben kann, will ich wenigftens Die Schlüffel 
derſelben euch einhändigen, Damit ich meiner Verpflichtung ges 
gen euch entlebigt bin, und die Übergabe der Stabt als eine 
Perzichtleiftung von eurer Selte und nicht als ein Triumph 
ber Waffen des Gegnerd erfcheinen möge. liber alles dies 
ließ Freitas eine Urkunde ausfertigen und kehrte Damit zu den 
Seinen zuruͤck. Alle lobten die Rittertreue des Alcaiden und 
er uͤbergab fofort das feſte Schloß und die Stadt dem Gra⸗ 
fen, der von allen portugiefifchen Großen und Rittern begleis 
tet fogleich feinen Einzug in diefelbe hielt '). 

So fochten, fich felbft vergeffend und aufopfernd, treue 
Vaſallen fire den König an den Stufen des Throns, den er 
felbft verlaffen, für feine Sache, die er felbft aufgegeben hatte. 
Aber ein fchlechter Fürft konnte der doch nicht geweſen fein, 
dem die treuefte Ergebenheit fo eigentlich bis ins Grab folgte. 
Er hatte fie lange verdient. — Die Zeit feined Lebens in To: 
lebo bis zu feinem Tode 1248 füllten Bußuͤbungen und Ge: 
bete, milde Werfe und fromme Stiftungen — alfo am Ende 
doch eine Wirkſamkeit, zu der einft den wiedergeneſenen 9 Kna⸗ 
ben ſeine Mutter eingekleidet hatte. 


1) Mon, Lus. liv. 14. capp. 28 —- 80. 


Regierung Affonfo’s IL, 1245—1779. 203 


x 


Achter Abſchnitt. 
Kegierung Affonfo’s UL 
(Bon 1245 bis 1279.) 
Affonſo's Negierung unter drei Gefichtöpuncte gefafft: 
feine Erwerbung Algarpe's, feine Staatöverwaltung, fein 
Kampf mit ven Prälaten. 


1) Erwerbung Algarve; 7. 


Früherer Umfang des Landes. Schon Sancho I. nannte fi 
„König von Algarve”. Eroberungen Sancho's IL Af⸗ 
fonfo IM. entreiffe Faro und andere Orte in Algasve ben 
Mauren. Die Portugiefen überfchreiten die Guadiana. Krieg 
des Königs von Gaftilien mit dem von Portugal; jener ers 
wirbt die Nusnieffung, diefer behält das Eigenthum von Als’ 
garve. Eine der Bedingungen bed Vertrags zwifchen beiden‘ 
Königen ift die Vermählung Affonfo’s IM. mit Brites, der 
natürlichen Tochter Alfonſo's des Weiſen. Die Kinder diefer 
Ehe werben erſt nach dem erfolgten Tode ber. Gräfin Ma- 
thilde von dem Papſte für vechtmäßig erklärt. Neue Ver 
träge in Betreff Algarve's zwifchen dem caſtiliſchen und pors 
tugiefifchen König; diefer verfpricht jenem funfzig Lancas zum 
Heere zu flellen. Der kleine Diniz bei bem Großvater in 
Sevilla. Der König von Caftilien entfagt allen Anfprüchen 
auf Algarve. Affonfo’s IT. Anordnungen In diefem Lande. 


Sobald die Kunde von Sancho's Hinfcheiven nach Por: 
tugal gefommen war, dachte man einmüthig darauf, dem bi8- 
herigen Reichöverwefer, dem aͤlteſten Bruder des ohne recht: 
mäßige Nachkommen verftorbenen Königs, die Krone, die ihm 
nad) dem Reichsgeſetz gebührte, von dem Papfle zugebacht 
und nach dem Willen Sancho’3 ') beflimmt war, aufzufegen. 


1) In dem erften Zeflament, von dem wie freilich die Beit ber Ab- 
faſſung nicht wiffen, ernennt ihn Sancho zu feinem Nachfolger: Et si 


4 


204 Erſter Beitraum. L Buch. 8. Abſchn. 


Affonſo hatte bisher nur in der Eigenſchaft eines Verweſers, 
wie es die paͤpſtliche Bulle angeordnet hatte, das Reich ver⸗ 
waltet ). Er Hatte ſich ſogar des Siegels der Grafen von 
Boulogne, nicht des koͤniglich portugieſiſchen bei Regierungs⸗ 
handlungen bedient”). Nach Sancho's Tode berief er ſogleich 
die drei Staͤnde des Reichs nach Liſſabon, wo er ſich eben be⸗ 
fand, und ließ ſich feierlich als Koͤnig huldigen. Er wurde 
von Allen anerkannt. 

Affonſo ſetzte als Koͤnig die Eroberungen ſeines Vorgaͤn⸗ 
gers fort, ertheilte noch weit mehr Gemeinden Ortörechte, gab 
dem Reiche mehrere allgemeine Gefege und beftand wie San- 
cho einen ſchweren Kampf mit der Geiftlichkeit. Wenn er in 
diefen Dingen mehr Regfamkeit, Thatkraft und Klugheit ent: 
widelte. als fein Bruder, ſo fodert die Gerechtigkeit nicht zu 
überfehen, daß ihm auch das Gluͤck holder war. Der glüd: 
liche Erfolg. feiner Wirkſamkeit wurde fein Lobredner ſchon um: 
ter feinen Zeitgenoffen und die Geſchichte unterließ es nicht 
‚fein Wirken unverkleinert der Nachwelt zu rühmen, während 
Sancho's Geſchick duͤſtere Schatten auf fein Leben warf, felbft 
feine Verdienfte unter die Trümmer feines Lebens und Wir: 
tens begrub und der Gefchichte nur zerflreute und raͤthſel⸗ 
hafte Bruchſtuͤcke aufzulefen vergännte. 

Der Glanzpunct der Regierung Affonſo's wurbe feine Er: 
oberung Algarve's; fie eröffnet darum und der Zeitfolge wegen 
feine Regierungögefchichte, Auf der Bahn eines flileren Ruhms 
«werben wir ihn dann befchäftigt fehen dad Wohl feines Vol- 


filium legitimun, vel filiam legitimam non habuero, mando quod fra- 
ter meus Infans D. Alphonsus habeat meum Regnum integre et in 
pace. Sousa, Provas T. I. p. 48. 


1) Er führt den Titel: Comes Boloniensia, Procurator Regni Portu- 
galiae per summum Pontificem, et Defensor, ober Visitator Regni per 
Dominum Papam, Procurator Fratris sui, et Comes Boloniensis, 
Ribeiro, Dissertt. T. IL p. 206. 


2) Dies erhellt aus einer Urkunde v. 3. 1258, in welder gefagt 
wird, daß der Pfarrer von Santa Maria de Barcellos fein Praͤſenta⸗ 
tionsfchreiben (Carta Appresentagäo) „Alfonsi Comitis Baloniae, tunc 
procuratoris Rogni Portugalie, nunc Regis, sigillata sigillo Comita- 
wus Boloniet‘, vorgegeigt habe, Ribeiro, Diss. T. IV. Add, p. 128. 


Regierung Affonfo’a II, 1245 — 1279. 205 


tes mit Sorgfalt zu fördern, vornehmlich durch größern An⸗ 
bau des Landes und zeitgemäßed Ordnen des Gemeindewefens, 
worin der weife Vater feinem größern Sohne trefflich vorat⸗ 
beitete; wentger durch einige andere Verordnungen, die er für 
den Handel und das Münzwefen erlieg und in denen er dem 
unaufgeklärten Zeitalter feine Schuld abtrug. Die legten Jahre 
feines Lebens trübten Mishelligfeiten und Kampfe mit dem 
Klerus, deffen Anfichten und Foderungen er Liſt, Kühnheit und 
eine in jener Zeit ungewöhnliche Unbefangenheit_entgegenfogte,: 
deſſen Allgewalt er aber endlich ſtraͤubend fich fügte, ald bie 
ernfte letzte Stunde, die der Verfühnung immer günftiger iſt 
als dem Widerſtande, nahete. 

Unter Algarve, „dem Lande nach Abend“, begriff man 
zur Zeit der Maurenherrſchaft weit mehr als in der neuern 
Zeit; es bezeichnete Laͤnder in Afrika und Spanien. Hier er⸗ 
ſtreckte es ſich vom Cabo de S. Vicente laͤngs der Kuͤſte hin 
bis Almeria und umfaſſte viele Staͤdte und Orte Luſitaniens 
und Andaluſiens. Von der zunaͤchſt gegenuͤber liegenden Kuͤſte 
von Afrika hieß Algarve die ganze Landſtrecke von der Meer⸗ 
enge bis Tremeſen, Fez, Ceuta und Tanger, die fruͤher unter 
dem Reiche Benamarim begriffen wurden. Aus jener weiten 
Ausdehnung des diesſeitigen Algarve iſt es zu erklaͤren, wie 
die Koͤnige von Portugal und Caſtilien ſich beide „Koͤnige von 
Algarve“ nennen konnten, da jeder von ihnen Theile von die⸗ 
ſem Lande beſaß, und wie die Koͤnige von Portugal, als ſie 
ſich Beſitzungen an der gegenuͤberliegenden Kuͤſte von Afrika 
erwarben, den Titel „König des diesſeitigen und jenſeitigen Als 
garve“ (Bey dos Algarves daquem e dalem mar em Africa) | 
anzunehmen veranlafft wurden '). 

Zum erften Mal nannte fih Sancho I. „König von en 
garve“, ald er im Jahre 1189 Silves und mehrere andere 
Ortfchaften jener Gegend erobert hatte, ließ aber nach dem 
Berlufte diefer Eroberung an die Mauren (1191) dieſen Zus 
jaß feines Ziteld wieder weg ?). Unter Sancho II. wurden 
wieder mehrere Orte und Ländereien in Algarve von dem Kö: 


1) Brandäo in der Monarch. Lausit. liv. 15. cap. 5. 
©. oben in ber Regierungsgefchichte Sancho's I. 


1249 


6 Erſter Zeitraum J Bud. 8. Abſchn. 


nig ober auf feine Beranlaffung erobert, einige von dem treffs 
lichen Payo Peres Corren, der damals ald Komthur von Al 


cacer do Sal mm portugiefifche Ritter zum Siege führte. Aber 


auch nachdem Payo zum Großmeifter des Ordens von Sant: 
iago erwählt worden war (1242) und Caſtilien zu feinem 
Wohnſitz genommen hatte, febten die Portugiefen den Krieg 
in Algarve fort. Noch im letzten Regierungsjahre Sancho's II. 
wurde der von ben Saracenen eroberte Fleden Marachil in 
Algarve dem Bifchof von Porto gefchentt. Über dieſe wie 
über alle den Mauren entriffene Ortfchaften in Algarve ver: 
fügte der König von Portugal ald Here und Eigenthümer der: 
felben. Der König von Caftilien erhob damals Feine Anfprüche 
und konnte Feine erheben, er war mit feinen Waffen noch nicht 
in jene Gegenden gebrungen. | 

Sobald der Graf von Boulogne, nach dem Tode feines 
Bruders, den portugiefifchen Thron befliegen hatte und fi 


darauf befeftigt ſah, ruͤſtete er fich zum Krieg gegen ‚die Mau: 


ren, um ihnen den Theil von Algarve, der noch in ihren 
Händen war, zu entreiffen. Er. brady mit einem Heere auf 
und eröffnete den Feldzug mit einer lebhaften Belagerung Fa: 
x08, wobei ihn eine portugieftfche Flotte unterflügte Als Die 
Saracenen fich von. der Seefeite abgefchnitten, der Hoffnung 
des Entfages beraubt, ihre Zahl täglich vermindert und allen 
Drangfalen fich preisgegeben fahen, verlieffen der Alcaibe und 
Almorarife die Stadt, um wegen ber Übergabe verfelben im 
sortugiefifchen Lager mit dem König zu unterhandeln. Die 
Übergabe wurde unter diefen Bedingungen verfprochen: Den 
Saracenen ift freier Abzug mit ihrem Vermögen geflattet. Die 
in der Stadt wohnen bleiben, zahlen an den Ködig. die naͤmli⸗ 
chen Abgaben, die fie bisher an den Miramulim entrichtet haben, 
behalten ihr Vermögen. und ihre Häufer unverlegt und find 
Vaſallen des Könige von Portugal, der fie vertheidigt und 
dem fie wie Die Portugiefen ins Feld folgen, wie dieſe bie 
Übrigen Unterthanenpflichten erzeigen. Faro wurde mit Por: 
tugal vereinigt (Ende des Jahres 1249); ed wurde zugleich 
der Ausgangspunct für weitere Eroberungen in Algarve. Bei 
der Einnahme Albufeira's erwarb fich der Ordensmeiſter von 
Avis, Martim Fernandes, mit feinen Rittern folche Verbienfte, 


Begierung Affonfo's IL, 1245—1279. 27 


daß fich der König bewogen fühlte den Ort den Rittern zu 
ſchenken, um fie zu belohnen und ‘zugleich zu neuen Anſtren⸗ 
gungen anzufeuern ). Darauf führte Affonfo fein Heer ge 
gen Loule. Die Saracenen ftellten fi ihm hier in Schlacht: 
ordnung entgegen; aber vergeblich. Die Chriften drangen in 
Loule ein und unterwarfen es, ebenfo Aliezur, dad fefte Schloß 
Norches und alle Drte, die in jener Gegend bisher noch von 
den Mauren behauptet worden waren. Nach diefen Erobes 
rungen, die alle in dad Jahr 1249 fielen, verweilte ber Koͤ⸗ 
nig noch einige Zeit in Algarve, um deſſen Angelegenheiten in 
Ordnung zu bringen; im Auguſt 1250 finden wir ihn wieder 
in Coimbra. 
Im folgenden Jahre oder ſpaͤteſtens im Jahre 1262 wur⸗ 
den Arouche und Aracena in Andaluſien den Mauren abge⸗ 
nommen’). Es war nicht das erſte Mal, daß die Portugie⸗ 
fear die Guadiana fiegreich uͤberſchritten. Sancho U. nament: 
lich hatte auf der linken Seite dieſes Zluffes Eroberungen ge 
macht und Moura, Serpa und Ayamonte dem portugiefifchen 
Scepter unterworfen. Gaflilien dachte damals nicht daran, 
diefe Erwerbungen dem Könige von Portugal flreitig zu ma⸗ 
chen, fo wenig ald die Guadiana zur Grenze zwifchen Caſti⸗ 
Yien und Portugal anzunehmen. Die Annahme, daß man bas 
mals diefe Scheidelinte gezogen habe, ift eine Erfindung neuerer 
Schriftfteler. Es war vielmehr herefchende Anſicht, daß alle 
Länder der Halbinfel, welche bie Ungläubigen erobert hatten 
und jest befaßen, den chrifllichen Zürften der Halbinfel gehörs 
ten; wer von biefen fie erobere, fei ihe Here und Eigenthuͤ— 


— 


1) ... pro bono et fideli servitio, quod nobis fecistis, et dante 
Domino facietis. Damus et concedimus vobis .. . castellum de Al- 
bopheira in Algarbio cum omnibus suis terminis et directis quos ha- - 
buit, quando erat in potestate Sarracenorum, et illud habeatis jure 
hereditario ..., exceptis juribus et directie, quae Reges consuove- 
runt habere .... et quod de praedicto castello nobis et nostris 
successoribus faciatis illud quod debetis nobis facere de Avis et de 
aliis possessionibus quas praedecessores nostri . , . vestro ordini in 
Regno Portug. contulerunt, ©. die Schenkungsurkunde in Mon. Lus. 
Parte IV. App. Escrit. 26. Datirt von Faro im März 1250, 


2) Monarch. Lusit, liv. 15. cap. 12. 


2085 Erſter Zeitraum. L Bud. -8 Abſchn. 


mer von Rechts wegen. Mit dieſer Anficht befämpften Caſti⸗ 
lier, Leoneſen und Portugiefen, an verfchiedene Orten und von 
einander entfernt, einen und benfelben Feind und entriffen 
jeder fir fich demfelben eine Befigung nach der andern. Als 
fi aber endlich die Eroberungen der chriftlichen Zürften bier 

4248 berührten, beſonders feit der Einnahme Sevilla's, ald nad) dem 
Tode Ferdinands Alfonfo der Weife die Regierung von Gafli- 
lien und Xeon antrat (im Mai 1252), da dnderten fich die 
Verhältniffe beider Reiche hinfichtlich ihrer Ländererwerbungen. 
Mufften fchon die Eroberungen Affonfo’s IH. in Algarve den 
König von Caſtilien beforgt machen, daß Portugal feine Gren⸗ 
zen zu weit außbehnen, feine Macht zu fehr vergrößern möchte, 
fo waren die legten Eroberungen in Andalufien noch mehr ges 
eignet dieſe Beforgniffe zu fleigern. Dort fehte am Ende das 
Meer eine Schranke, hier nur die Macht der Saracenen, bie 
offenbar immer fchwächer wurde, während auf ihre Koften 
Affonſo's Macht ſich fort und fort verſtaͤrkte. Wundern Tann 
es und daher nicht, wenn biefe fo nahe liegenden Gründe, de 
nen ſich wohl noch andere und unbefannte anreihten '), eine 
Spannung zwifchen beiden Fürften herbeiflihrten, die bald 
nach der Thronbefteigung Alfonſo's des Weifen zu einem’ förm> 
lichen Bruch Fam. 

Mit Misfallen vernahm der Papft diefen Bruch und trat 
ald Vermittler zwifchen beide Fürften. Er ermahnte fie die 
Waffen nieberzulegen und die Entfcheidung des Streites ihm zu 
überlaffen,, indem er hinzufligte, daß feine Abficht keineswegs 
fei, Durch fein Schreiben in diefer Sache den König von Por: 

1252 bis tugal irgend zu beeinträchtigen‘). Der Krieg dauerte nur et: 
1253 was über ein Sahr. Alfonſo's Übermacht verfchaffte ihm in 
bem Frieden, der 1253 gefchloffen wurde, die Einfünfte Als 


1) Die Anfprüde Gaftitiend auf portugicefifche Ländereien, welche 
Sandjo II. dem Alfonſo dem Vater, als dieſer noch Infant war, für den 
ihm geleifteten Beiftand verfprochen haben fol, führen caftitifche Schrift: 
fteller an, aber ohne alle Angabe der Quellen, aus denen fie diefe Rach⸗ 
richt gefchöpft haben. 

2) Neque tamen esse aut fuisse intentionis suae per litteras hac 
in re quidquam praejudicare velle Portugalliae Regi signifcavit ® at- 
que declaravit. Bzovio, T. 13, an. 1253, 


Regierung Affonfo’s IIL, 1245— 1279. 209 


garve’3 auf Lebenszeit, während dem Könige von Portugal bad 
Eigenthum. dieſes Landes blieb’). Doch Eonnte bei aller ſei⸗ 
ner Überlegenheit der König von Caftilien nicht erlangen, daß 
ihm in dieſem Zeitraum irgend eine Handlung ber eigentlichen 
und unmittelbaren Herrfchaft über Algarve geftattet wurbe. 
Kaum war der Vertrag zwifchen beiden Königen gefchloffen, 
fo eilte des Drdensmeifter von Avis fein Schloß Albufeira der 
Abhängigkeit von Caftilien zu entziehen. Alfonfo der. Weife 
wendet fich deshalb an den König von Portugal, damit biefer 
darüber entfcheide, und Affonfo III. beftätigt in einem Schrei _ 
ben die Schenkung, die er zehn Jahre vorher gemacht hat ?). 
Ein andermal maßt fich ber König von Caſtilien Hoheitsrechte 
an, indem er einen feiner Vafallen zum Bifchof von Silves 
ernennt.” Als aber diefer nad) Portugal kam, um des Ks 
nigs Zuftimmung einzuholen, proteftirte Affonfo Dagegen durch 
einen Act, der in ber Kathedrale von Liffabon (22. Ian. 
1254) in Gegenwart amtlicher Zeugen vorgenommen und von 
diefen urkundlich unterzeichnet wurde. . „Der König von Pors 
tugal, heiſſt e8 darin, fei der wahre Herr und wahre Patron 
der Stadt und Didcefe Silves und habe ben Bifchof für die 
Kirche zu präfentiren und zu dotiren; der König von Caftilien 
fei nur der Nusnieffer, nicht der Herr“ *). Endlich er 


1) Die Urkunde des Vertrags zwiſchen beiben Königen findet ſich 
war nicht mehr in dem Löniglichen Archiv in Portugal, aber fpätere auf 
ihn bezügliche Urkunden zeigen uns das Weſentliche feines Inhalts. 


2) ©. das Schreiben bes Königs Affonfo III. an den König von 
Gaftilien vom 24. April 1260 bei Branbäo, Mon. Lus. liv. 15. cap. 5. 
und neuerdings nach dem Original des koͤniglichen Archivs wieber gebruckt 
bei Ribeiro, Dissert. T. I. p. 284, Der Wichtigkeit wegen führen 
wir Folgendes daraus an: E avendo este Castello, eu pusi meus 
pleytos, e myas convenenas Convosco, e assi como vos sabedes, de 
guysa, que ouvestes de tener ou Algarve en vossos dias, assi como 
jaz en nas cartas dos preitos, que sunt entre vos e my... . ERey 
sabede que my plaz de vos delivrardes, e mandardes entregar ao 
Maestre, e a0 Convento d’ Avyz esse Castello de Albofeyra, se a 
vos praz, salvas nossas convenenzas en nos preytos, que sunt entre 
vos e my, que esto nom possa emprezer a nossos preytos, nim a las 
convenenzas, que sunt entre vos 6 my. 


8) Aus dem Löniglichen Archiv abgedruckt in Men. Lus. Parte IV. 
Schäfer Geſchichte Portugals I. 44 


210 Erſter Zeltraum. LBud. 8 Abfem 


Härte der Papft ſelbſt, ber, wie oben bemerft worden, als 
Bermittier zwifchen beiben Königen in ihrem Gtreite über Al⸗ 
garve auftrat, bei einer fich barbietenden Beranlaffung, daß 
Dadurch dem Könige von Portugal keinerlei Eintrag gefchehen 
folle. Innocenz IV. hatte namlich ein Empfehlungöfchreiben 
an den König von Gaflilien erlafien, worin er ihn erfuchte 
einige portugiefifche Fibalgos in den Zoberungen, bie fie in 
Portugal zu machen hätten, zu unterflügen. Es iſt nicht un⸗ 
wahrſcheinlich, daß diefe Portugiefen früher zu Sancho's Pars 
tei gehört Hatten und num den Fahnen bes Königs von Ca⸗ 
Rilien folgten. Da dem Papfte die ängflliche Beſorgniß eini⸗ 
ger Portugiefen befannt wurde, es möchte jenes Schreiben 
dem caftilifchen König zum erwinfchten Vorwande dienen, um 
eine Handlung der Landeshoheit oder Gerichtäbarkeit über Por⸗ 
tugal auszuüben, fo erließ er eine zweite Bulle, bloß um zu 
erflären, daß es in feinen erfien Schreiben nicht feine Abficht 
geweſen, die Unabhängigkeit des Königs von Portugal und die 
ſes Reiches auf irgend eine Weiſe zu beeinträchtigen ”). 

Eine der Beringumgen jenes Vertrags von 1253, durch 
den die Könige von Caſtilien und Portugal ihre Streitigkeiten 


App. Escrit. 31. Auch bier müflen wir das Wichtigfte daraus woͤrtlich 
mittheilen. Dominus Alfonsus Rex Portugalliae . . . protestatus fuit 
eoram fratre Roberto ... Episcopo Silvensi, quem Dominus Rex 
Casteliae miserat ad eundem Regem Portugalliae pro requirendo con- 
sensu creationis suae, tanquam a vero patrono, quod licet placeret 
ei de bono et honore suo, non tamen placebat ei de modo creatio- 
nis et consecrationis suae, cum ipse Rex Portugalliae verus Demi- 
nus, et verus Patronus civitatis, et dioecesis Silvensis eumdem debe- 
ret praesentare, et donare ad Ecclesiam Silvensem. Et inhibuit ei- 
dem Episcopo . .. quod non reciperet possessiones Keclesiasticas, 
vel mundanas ad regnum Silvensem pertinentes, cum Rex Castellae 
tanquam usufructuarius, et non Dominus eas sibi non posset dare etc. 


1) Non por renpeito do proprio Rei queremos que saiba Vossa 
Serenidade, e o declaramos pelo teor das presentes, que nossa inten- 
gao näo foi, nem he, que Vos pela authoritate das sobreditas letras 
exerciteis jurisdicgäo alguma sobre o dito Rei, ou Reino; ou que 
pelas taes letras se siga algum prejuizo ao dito Rei, ou Reine. ©. 
die Bulle vom 1. Oct. 1254 in der Überfegung bei Brandäo in ber 
Mon. Lusit, liv. 15, cap. 17, 


Negierung Affonfo’s IE, 195 1279. 218 


beilegten, enthielt das Verſprechen des Koͤnigs von Vortugal, 
mit der natürlichen Tychter Alfonſo's des Weiſen, Brites, die 


er mit D. Mayor Gilhem aus dem vornehmen Sefchlechte ver 


Guzman erzeugt hat, ſich zu vermählen. Obgleich Brites 
noc nicht das zur Ehe erfoberliche Alter hatte, ſo führte fe 
Affonfo DIL doch nach Portugal, wo fie den Xitel und bie 

Rechte einer Königin anmahmz denn bereits in ber oben er: 
wähnten Proteftation des Königs gegen ben Biſchof von Sil⸗ 
ves (22. Ian. 1254) unterzeichnete fie fi ch als Königin, und 
ebenfo bald darauf in dem Foral von Bea (16. Zebr. 1254). 
Diefe von der Politik gefchloffene Wermählung war verbreche: 
riſch; denn feine Ehe mit der Graͤfin Mathilde war noch nicht 
getrennt ‘). Daß dieſe kinderlos war — nur aus ber erflen 
Ehe hatte Mathilde eine Tochter, Johanna — mochte für ei⸗ 
nen Affonfo II. ein ſtarker Grund zur Scheidung fein. Die 
verftoßene Gemahlin Flagte bei dem päpftlichen Stuhl über 
ihren Gemahl, und da diefer nicht zu bewegen war fich von 
der Brites zu trennen und wieder mit feiner. erſten Gemahlin 
zu leben, fo ward er vom Papft in den Bann gethan, in dem 
er zwei Jahre blieb. Endlich flarb die Gräfin (1262). Biele 
Prälaten des Reiches, denen das Wohl des Königs wie bed 
Landes am Herzen lag, verfammelten fich darauf in Braga 
und berathfchlagten, wie e8 fcheint unter der Leitung des da⸗ 
figen Erzbiſchofs, Uber Die Angelegenheit. Es wurde ein ge 
meinfchaftliches Gefuch. an den Papft befihloffen. Sie baten 
diefen, „ben König, der im Anfange feiner Regierung ımd bei 
Lebzeiten feiner Gemahlin, der Gräfin von Boulogne, mit der 
Tochter des Königs von Eaftilien, Brites, mit der er im vierten 
Grade verwandt fet und die noch nicht das zur Ehe erfo⸗ 
derliche Alter gehabt ?), fich vermählt habe, um ben großen 
und offenbaren Gefahren, die ihm und dem Reiche drohten, 


1) Statt Aller vergl. ben Abſchnitt: O Infante D. Affonso Conde 
de Bolonha näo teve filhos de sua primeira mulher a Condessa Ma- 
thilde in Joze Barbosa’ s Catalogo das Rainhas de Por- 
tugal, pag. 204. 

2) De facto duxit uxorem, ex qua jam geminam prolem noscitur 
suscepisse, nämlich den Infanten Dinig, geboren den 9. Dct. 1261, und 
die Infantin Branca. 


14* 


212 | Erfier Zeitraum. J. Bud. 8. Abſchn. 


zu entgehen, von den Wanne, in ben der Papft Alerander, 
wie man fage, auf Anfuchen der Gräfin Mathilde, den Koͤ⸗ 
nig gethan habe, zu befreien, damit Beiden, dem Könige und 
der Königin Brites, erlaubt fei in der Ehe zu leben und 
ihre Kinder, die fie fchon erzeugt hätten ober noch erzeugen 
wuͤrden, nach des Vaters Tode zur Thronfolge berechtigt feien‘‘'). 
Der Papft bewilligte die Bitte der Prälaten. 

Daß der König aus Gründen der Politik feine erfie Ge 
mahlin verftoßen und mit Brite fich vermählt habe, fpricht 
das Schreiben der Prälaten an den Papſt unverhohlen aus. 
Aber es deutet nur die großen und offenbaren Gefahren an, 
die dem König und dem Reihe (in dem Kriege zwifchen Por⸗ 
tugal und Gaftilien) gedroht hatten”), keineswegs bie Vortheile, 
die aus jener Vermählung dem Lande erwachfen wären. : Und 
Doc) hätte man bier die Erwähnung eines fehr wichtigen Vor: 
theils erwarten follen, der Enverbung Algarve's, das nach der 
Annahme mehrerer, befonderd caftilifcher Schriftfteller, die cas 
ftilifche Brites ihrem Gemahle zum Brautfchag mitbrachte. 
Alein dieſes Schreiben fo wenig, al3 irgend eine andere Ur: 
kunde der Zeit, erwähnt diefer Mitgift, und die Zeitfolge der 
Ereigniffe widerlegt offenbar jere Annahme, Die Eroberung 
Algarve’3 durch Affonfo II. war, wie oben erzählt wurde, fchon 
im Jahr 1250 meift vollendet. Erſt im Mai 1252 trat Al 
fonfo der Weife die Regierung an, begann ben Krieg mit bem 
Könige von Portugal am Ende diefed Jahres und fchloß im 
folgenden den Friedensvertrag, von dem Die Vermähluug Affonfo’3 
mit Brites, die vor dem Suni 1253 flattfand, eine Bedin⸗ 
gung war. Was die auf Urkunden beruhende Darftelung ver 
früheren Ereigniffe und ihre Zeitfolge in Anfehung Algarve’ 
ummiberfprechlich darthun, das wird Die Folgezeit in ein noch 
helleres Licht feßen. 

Jener Sriedendvertrag vom Jahre 1253 hatte Feineswegs 
alle Streitanläffe abgefchnitten. Er war mehr Waffenſtillſtand 


1) ©. das Schreiben der Prälaten, batirt von Braga im Mai 1262 
in der Mon. Lus. liv. 15. cap. 27. 


2) Propter gravia et evidentia quae sibi imminebant et Regno 
pericula, evitanda heifft es in dem erwähnten Schreiben. 


LG 


Regierung Affonfo’s IL, 145— 1279. 213 


ald Friebe, bemerkt ſchon Brandäo richtig. Die ſtaatsrechtli⸗ 
chen Verhältniffe Algarve’s, wie fie jenem Vertrage gemäß feſt⸗ 
geftellt worden, waren an fich und ihrer Natur nach fchwies 
rig und gaben Misverfländniffen Raum. Sie feft, umzweis 
beutig und alfeitig zu ordnen, wäre felbfl für einen heutigen 
Stäntsrechtöfundigen und Diplomaten eine Aufgabe gemwefen, 
an der er fein Meiſterſtuͤck mit Ehren hätte machen Finnen. 
Daß die Vertragsurfunde gerade an dem krankte, was fie vor . 
Misdeutungen ficherte, dürfen wir, ohne fie gefehen zu ha⸗ 
ben, annehmen; denn fehwerlich verleugnete fie die Schwaͤ⸗ 
chen, die jenem Zeitalter der Kindheit der Stantöpraris und 
Diplomatie eigen waren. Doch wenn fie auch durch eine bes 
flimmte und erfchöpfende Abfaffung gegen jede Anfechtung vers 
wahrt gewefen wäre, — gewährten die beiden Könige, bie fie 
abgefchloffen hatten, ihr eine‘ genuͤgende Bürgfchaft? Beide 
gehörten nicht zu den Fürften, die in dem, was fie befaßen, 
das Ziel und die Befriedigung ihrer Wünfche fahen. Die 
oben angeführten Verfuche des Königs von Kaflilien zeigen, . 
daß er immer geneigt war über Die Grenzen feiner Befugniffe 
hinüber zu greifen und feine Übermaht zum Maßftabe feiner 
echte zu machen. Der portugiefifhe Affonfo dagegen konnte 
nur mit verhaltenem Unwillen in dem Befige eined Landes fich 
beeinträchtigt fehen, das er mit feinem und feiner Kampfges 
noffen Blut erobert hatte. Nicht dad darf und unter dieſen 
Umftänden befremden, dag Algarve immer wieder Irrungen 
und Mishelligfeiten zwifchen beiden Königen veranlafite, ſon⸗ 
dern daß diefe nicht wieder zu feindfeligen Ausbrüchen kamen. 
Vielleicht war ed allein jene Frau, in welcher der eine Alfonfo 
die Tochter liebte, der andere die Gattin ehrte und den mäch- 
tigen Vater zu verlegen fich fcheute, Brites, die mit verſoͤh⸗ 
nender Hand die fchlagfertigen Waffen zuruchielt. Eben diefe 
Familienverhältniffe mochten auch jegt neue Beftimmungen über 
Algarve herbeiführen. Die vom Papft verlangte Legitimation 
der Kinder Affonfo’3, welche ihm Brites gefchenft hatte und 
die nun gefegmäßig und in der öffentlihen Meinung zur 
Thronfolge berechtigt waren, mochte auch die Oberherrlichkeit 
über Algarve wieder in Anregung gebracht und biefer Anger 


244 - Erfer Zeitraum. L Buch. 8. Abſchu. 


legenheit in der Seele des Großvaters eine beſſere Wendung 
für feinen Enkel gegeben haben. 

Richt lange nachdem das Gefuch der Prälaten um reis 
fprechung bed ‚Königs vom Banne und um Legitimation fels 
ner Kinder vom Papſte verwilligt worden war, ernannte ber 
König Alfonfo der Weife, von Sevilla aus (20. April 1263), 
den Großmeifter des Ordens von Santiago, Payo Correa, 
ben Großmeifter der Zempelritter in den Reichen Leon, Pors 
tugal und Gaftilien, Martim Nunez, und andere Fidalgos zu 
Berollmächtigten, um in feinem Namen mit dem Könige von 
Portugal einen Vergleich uͤber das Gebiet und die feſten Schloͤſ⸗ 
fer von Algarve, uͤber die Grenzen der Reiche Leon ımd Por 
tugal und über andere Streitpuncte zu treffen). Die weites 
ren Berhandlungen find und zwar unbekannt; aber im fol 
genden Jahre (1264 5. Sun.) wechfelte man in Sevilla bie 
Patente aus, durch weiche Die Grenzen zwifchen ben Reichen 
Leon und Portugal feftgeftelt wurden”). Aronches und Ale 
grete blieben, ber Übereinkunft gemäß, dem Reiche Portugal, 
Marvan und Balenga Dagegen, wie die Nachbarorte des legs 
ten nach Leon hin follten zu diefem gehören’). Beide Kb: 
nige gelobten einander Sreundf haft und gegenfeitige Huͤlfe; 
zwiſchen ihren Reichen fol ein freier Handel mit Brot, Wein 
und andern Erzeugniffen flattfinden *). 

Über Algarve wurden Beſtimmungen für die Folgezeit ges 
macht, bie und zugleich über feine früheren Verhaͤltniſſe Auf- 
fhluß geben. In einer von Alfons dem Weifen in Sevilla 
den 20. Septbr. 1264 auögeftellten Urkunde erklärt er, daß 


1) Avenienza, par, e amor, assi sobre los Castillos, y sobre la 
tierra del Algarbe, como sobre lo partimento de los Reynos de Leon 
y de Portugal, como sobre las otras contiendas e quezumes — etc. 
Mon, Lus. liv. 15. cap. 14 und 30. 

2) Die Vertragsurkunde ift überfehrieben: Litera super partitione 
Regnorum Portugalliae et Legionis propter contendam quae erat in 
allquibus locis. Mon. Lusit. liv. 15. cap. 30. 

3) Man ſieht aus dem Vergleiche, wie Portugal bamals nicht an 
Gaftitien grenzte, fondern an das Reich Leon, deffen Name in der Kolge 
ſich allmaͤlig verlor, wie fein Begriff in dem von Caſtilien unterging. 

. %) ©. bas Nähere in der Mon. Lus. Parte IV. App. Escrit. 29, 


Regierung Affonfo’s IIL, 1245—1279. 245 


ber König von Portugal alle Erbguͤter in Algarve theilen und 
behandeln koͤnne, wie er es fich und feinem Lande zuträglich 
finde; daß er den Bewohnern Algarve's einen Fuero, wie er 
ihn zwedmäßig erachte, zu ertheilen befugt ſei; alle Schenkuns: 
gen, bie der König von Gaftilien in Algarve gemacht habe, bes 
figen und nad) Gutduͤnken damit verfahren dürfe, und Jeder, 
der durch ein vichterliched Urtheil ober irgend etwas fich bes 
ſehwert fühle, an Feinen Andern ald an den König von Por: 
tugal zu appellien die Erlaubniß habe. „Diefe vier Dinge,” 
fagt Alfons von Gaftilien, „die ih mit eurer Bemwilli: 
gung mir auf Lebenszeit in Algarve vorbehalten hatte, über. 
laffe ich euch für immer”). Der König von Portugal iſt 
Dagegen verbunden, dem König von Leon, fo lange er lebt, 

auf fein Verlangen funfzig Lancad oder Reiter zum Heere zu 
fielen. Zur Bürgfchaft follen die feften Schlöffer in Algarve 
in den Händen der Ritter Joäo d'Avoym und feines Sohnes 
Pedro Eannes Portel, denen bisher die Verwaltung von AL 
garve anvertraut gewefen, bleiben, fo daß dieſe, falls der Koͤ⸗ 

nig von Portugal der Verpflichtung hinfichtlih der funfzig 

Lanças nicht nachfommen würde, fortfahren nach wie vor dem 

König von Leon alle Einkünfte, wie er fie bisher als Frucht⸗ 

nieffer ded Landes Algarve erhoben habe, abzulifan. 

Kaum waren drei Jahre verfloffen, fo wurde Algarve 

auch von diefer legten Buͤrde der Abhängigkeit befreit. Im 
Jahre 1267 gg Affonfo II. den Infanten Diniz, der damals 
beinahe fieben Sahre zählte, nach Gaftilien reifen, um aus ben 
Händen feined Großvaterd die Ritterwürbde zu empfangen und 
— dies war wohl die wichtigere, wenn gleich nicht bie kund⸗ 
bare Abficht der Reife — von diefem bie Erlaſſung jener Ob: 
liegenheit zu erbitten. Nach Xopez begleitete ihn die Königin 
Brite dahin. Der Peine Diniz wurde von dem Könige in 
Sevilla mit großen Feftlichfeiten empfangen und fo lange er 
hier verweilte, mit einer Aufmerkſamkeit behandelt, an welcher 


1) E quito a vös para seempre estas quatro cosas davan dichas, 
que yo reteniad por vuestro otorgamiento para my en el Al- 
‚garve en my vida por las cartas, que ende son fechas entre my e@ 
vos. Urkunde im Xöniglichen Archiv im Liv. d’ El Rey D. Af- 
fonse III. fol. 14. 


216 Erſter Zeitraum. J. Buch. 8 Abſchn. 


die Liebenswuͤrdigkeit des Knaben und bie feinem Alter vorei⸗ 
lenden Geiſtesfaͤhigkeiten vielleicht nicht geringern Antheil hat⸗ 
ten, als die großvaͤterliche Liebe zu dem Enkel, dem kuͤnf⸗ 
tigen Thronfolger Portugals. Der Infant erhielt die Ritter⸗ 
würde und, obgleich mit anfaͤnglichem Widerſpruch einiger cas 
ſtiliſchen Großen, bie Erlaſſung der funfzig Langas. Den 
oben genannten Nittern, denen Alfonfo der Weife die Statt⸗ 
balterfchaft in Algarve übertragen hatte, ertheilt er ben Be 
fehl’), alle feſte Schlöffer deö Landes, Tavira, Louls, ©. Mas 
via de Faro, Paterna, Silves und Aliacur, „mit allem Zuges 
hör und allen Einkünften, wie dad ganze Land Algarve, dem 
König von Portugal zu überlaffen”, und entbindet die Ritter 
des Eides der Treue, den fie ihm geleiftet, und- aller Verbind⸗ 
Hichkeiten, bie fie für ihn übernommen haben. An demfelben 
Zag und Ort hebt Alfonfo von Caftilien ale frühern Ver: 
träge, die er mit dem Könige von Portugal gefchloffen habe, 
auf, gibt dad Land dem Sohne beffelben, Diniz, wie er mit 
Zuſtimmung des Vaters es felbft beſeſſen, und verzichtet auf 
alle Anſpruͤche auf Algarve”). Eine zweite Urkunde vom fie 
benten Mai beffelben Jahres beftätigt die vorausgegangene ?). 
„So erfeheint wieder unter ben Titeln bed Königs von Pors 
tugal der Titel König von Algarve, wie aus den koͤnig⸗ 
lichen Urkunden erhellt, Die fortan audgefertigt wurden; das 
Wappen Portugals ziert wieder der Beifag der Thuͤrme wie 
zur Zeit deö erften Sancho, und die Vafallen ‚immer eiferfüch 
tig auf bie Nationalunabhängigkeit, laſſen keine Handlung zu, 
durch welche der König von Caſtilien irgend ein Recht: 





































1) Siehe die Urkunde, datirt Badajoz ben 16. Febr 
Lus. liv. 15. cap. 33. ., 

2)... sobre razom del Algarve, que nos ten 
nuestros dias, & nos mas, el qual nos demos a D. Di 
nos teniemos por vuestro otorgamiento 
ende ayuda en nuestra vida con sincoenta cavalloı 
Reyes de Espanha, sino contra nos etc. Mon. Lu: 

8) Über. bie in der Überfegung von Duarte N 
Worte, que vor dei, bie fid in Eeinee authentife 
vergl. Beandäo in der Mon, Lus. liv. 15, cap. . 
Acad. Real T. VI. p. 20. 


Mesierung Affonfo’s IIL, 1245-1279. 217 


das betreffende Gebiet auch nur von fern erzielte. :Die. Pro= 
teftation des Bischofs von Silved, Bartholomeu, iſt ein merk⸗ 
würdiges Beiſpiel dieſes Nationalgeiſtes“). Sobald berfelbe 1270 
nämlich von dem Bisthum Beſitz genommen hatte, ftellte er im März 
gemeinfchaftlich ‚mit feinem Gapitel eine Urkunde aus, in welz 

cher er den König von Portugal als rechtmäßigen Herrn von 
Agarve und Patron feiner Kirchen feierlich anerkennt, und. bie 
Nechte, die von dem Könige Alfonfo von Caſtilien feinen Vor⸗ 
gängern, Roberto und Garcia, verliehen worden, für nichtig 

erklärt ). 

So fehen wir demnach — um bie Erwerbungsweife dies 
fe3 Landes mit einem Blicke zu überfchauen — Algarve zuerft 
von Sancho I. großentheild erobert und nach wenigen Jahren 
(1191) wieder verloren, zum zweiten Mal von Sancho II. und 
feinem Bruder Affonfo ILL unterworfen, von dem Legtern in 
der Bedrängniß an den Übermächtigen König von Gaftilien zur 
Nusnieffung abgetreten (1253), nach zehn Sahren (1264) an 
Portugal vollftändig wieder zurüdigegeben, nur mit ber Ver⸗ 
pflihtung dem caftilifchen König funfzig Neiter zu ftellen, bis 
endlich auch diefe Buͤrde der Abhängigkeit dem König von 
Portugal abgenommen wird und Alfonfo ber Weiſe alle An⸗ 
ſpruͤche auf Algarve aufgibt (1267) * 


1) Worte Gartano’ 8 bo Amaral in den eben awahnten Me- 
morias p. 20. 


2) Considerantes D. Alfonsum Portugaliae Regem tatius Algarbii 
Dominum verum esse, et ipsum totum Algarbium ad jus, et proprie- 
tatem, ac dominium ejusdem .. . quantum ad usumfructum ac pro- 
prietatem integre ac plenarie pertinere . .. et a nullo alio posse 
possessiones, vel Jura Regalia, Ecclesias, seu Ecclesiarum jure pa- 
tronatus conferri, seu donari, nisi ab eodeın solo Domino Rege Por- 
tugalliae, qui ipsius Algarbiü, et omnium ipsius Algarbii Ecclesiarum 
est verus Dominus ac patronus. Si igitur a quocunque Rege Ca- 
stellae, ac Legionis .. . de facto (cum de jure non possint subsi- 
stere) donationes quocumque tempore aparuerint, eas omnino frivolas, 
et inutiles, atque invalidas reputamus . . . nec non litteris, confirma- 
tionibus, seu Indulgentiis Apostolicis, si quae super hoc quocumque 
tempore aparuerint, in perpetuum renuntismus. Mon. Lus. Tom. IV, 
App. Escrit. 82, 


5) Die Darftellung der Erwerbung Algarve’s, die bei dem Mangel 


218 Erſter Zeitraum. L Bud. 8 Abſchn. 


Sobald Affonfo III. ſich wieber im vollen Befike von Al: 
garve fah, wendete er ber Verwaltung defielben feine Sorgs 
falt zu. Er war bemüht die Bevoͤlkerung des Landes zu meh⸗ 
ren, ben Ortfchaften durch Ertheilung von Foraes ‚Haltung und 
innere Ordnung zu geben, durch befonbere VBorrechte und Frei⸗ 
heiten, die er verlieh, zu Anfiebelungen einzuladen. : Er muflte 
ben, Fleden und Stäbten um fo größere Vergünfligungen ge 
währen, je entfernter fie vom Herzen des Reiched waren und 
je mehr fie in der Nähe der Saracenen und an ber Kuͤſte des 
"Meeres von feindlichen Angriffen zu Land und zur See fort 
während bedroht wurden. Während feines Aufenthaltes in Liſ⸗ 
fabon im Auguft 1266 ertheilte der König den DOrtfchaften in 
“ Algarve Foraed. Die Bewohner von Silves erhielten das 
Ortsrecht von Liffabon felbft, nur mit noch mehr Beguͤnſti⸗ 
gungen’). Zu berfelben Zeit und in ähnlicher Weife gab Af- 
fonfo den Orten Faro, Loule und Zavira Foraes. Befondere 
Befisungen, welche die maurifchen Beherrfcher in dieſen Staͤd⸗ 


an urkunblichen Nachrichten an fich fchivierig ift, wird es noch mehr durch 
die Parteilichkeit der Schriftiteller, die fi) dabei ein Ziel auffer bem 
Begenftande festen, von biefem nur herbeizogen, was jenem bienlich fehien, 
und das Dunkel, womit er-umgeben war, ftatt es aufzuhellen, nur be⸗ 
nusten, um ungebundener- und willtürlicher verfahren zu koͤnnen. Moͤ⸗ 
gen auch jest einzelne Puncte ungewiß, Fragen, bie hier aufgeworfen 
werden koͤnnen, unbeantwortet bleiben, — bie Bauptfache ift klar und 
auffer Zweifel, fobald man die vorhandenen Urkunden fprechen laͤſſt und 
— worauf e3 bier fo fehr ankommt — bie Beitfolge ber Ereihniſſe feft 
im Auge behält. Mit Recht durfte Brandäo fagen: Parece tudo isto 
täo claro, täo certo, e täo palpavel, que quem oje em diante quizer 
pör em duvida estes pontos, se deve ter por contumaz e indigno de 
se persuadir con razöes, ou admittir a disputas. — Die Nachrichten, 
welche Conde (T. IV. cap. 7) wie im Borbeigehen von dem Verluſt 
Algarve’8 gibt, find der Chronologie entgegen und viel zu allgemein umd 
unbeftimmt, als daß man auf fie ein befonderes Gewicht legen Tann; 
man müflte denn, bloß weil fie nichtchriftliche find, fie den urkund⸗ 
lichen chriſtlichen vorziehen. 


1) Facio cartam de foro vobis populatoribus de Sylves, forum, 
usus et consuetudines civitatis Ulixbon., excepta jugada de pane, 
quod vobis in perpetuum quito. Monarch, Lus. liv. 15. cap. 31. 


Regierung Affonfe’s III, 4245 - 1279. 219 


ten gehabt hatten, behielt fich auch Afenſo IH. vor für ſich 
und ſeine Nachfolger ) 


\ 


2) Affonfo's IM. Staatöverwaltung. 

Seine Sorge für den Anbau des Landes, für die Auleguͤng 
von Ortſchaften, für ihte; Bevölkerung und Geſetzge⸗ 
bung. Beja, Melgaço. Die Eoites in Leirla 1254. Ans 
gelegenheiten der Städte Santarem uud Porto. ' Allgemeine 
Sefege zur Sicherheit des Eigenthums und der SPerfonen. 
Gründung jährlicher Märkte. : Feſtſtellung : der Preiſe der 

.Waaren und Güter. Verderbliche Muͤnzveraͤnderungen. Des 


Koͤnigs Schenkungen an die Ritterorden; Miehenigteitrn 
mit biefen: 


Wie in Algarve, fo zeigte Affonfo IN. im ganzen Reiche 
große Thätigkeit in der Befoͤrderung des Anbaues feiner Laͤn⸗ 
der. „Der König Affonfo TIL”, fagt Brandäo, „war einer 
der Könige, die am meiften mit dem Wiederanbau und ber 
Bevölkerung des Landes fich beſchaͤftigten.“ inige Gegenden 
wurden ganz neu angebaut, andere, bie während, der Kriege 
veröbet waren, wurben ber Cultur „wiedergegeben. . Mehrere 
Drtfchaften wurden. angelegt, viele ausgebaut und beſſer befe⸗ 
fligt; die meiften Gemeinden, die noch Feine Foraes hatten, ers 
hielten deren”). Die älteren Ortörechte wurden zum Theil bes 
ſtaͤtigt, meift in Leiria zur Zeit der hier verfammelten Cortes 
(1254, im Min). 

Bor allen zog das wichtige Beja des Königs Aufmerks 
ſamkeit auf fi. Obgleich der Pla& duch die VBerheerungen ' 
des Kriegs und der Zeit fehr gelitten hatte, fo galt er noch 
immer für eines der ſtaͤrkſten Bollwerke des Reiche. Der Kb: 


1) Im. Foral von Faro 3. B. Item retineo mihi et successori- 
bus meis omnes tendas quas Reges Sarraceni solebant tenere tem- 
pore Sarracenorum, 


2) Die Menge der Foraes, welche Affonfo III. ertheilte, iſt unuͤber⸗ 
ſehlich; ein Bid auf 5. N. Franklin's Memoria para servir de In- 
dice dos Foraes das Terras do Reino de Portugal, Relagam III, kann 
davon überzeugen. 


2: Ver Beitraum. L Bud. 8 Alm. 


ug; lies ide won neuem befefligen, die Mauern audbeffern und 
N ——— Gebaͤude der Stadt herſtellen. Der Biſchof 
Martin von Evora verwilligte dazu zwei Drittheile des Zehn⸗ 
ten aller Kirchen in Beja auf zehn Jahre), nachdem Affonfo 
ein Jahr zuvor der Stadt einen Foral gegeben hatte”). Ihre 
Michtigkeit machte dem König eine größere Abhängigkeit Bes 
jas won ber Krone wuͤnſchenswerth. Der Alcaide ſoll daher 
wu) dem Ortsrechte zwar ein Eingeborner von Beja fein, aber 
wicht von feinen Mitbürgern, wie es fonft üblich war, fondern 
von bem koͤniglichen Statihalter von Beja gewählt werden ?). 
Dem feſten Grenzorte Melgaco beftätigt ex das Ortörecht, das 
ibm ber König Sancho IL gegeben hatte, und verlieh uͤberdies 
feinen Einwohnern, deren 350 fein follen, dad merkwürdige 
Vorrecht, daß fie einen portugiefifchen Ritter, der dem Poften 
gewachfen fei und dem König zu huldigen habe, zum Alcai⸗ 
den der Feſtung ernennen dürften“). Unftreitig wollte Affonfo 
Durch dieſe Begünftigung, deren fi) gewiß nur ſehr wenige 
fefte Plaͤtze zu erfreuen hatten, die Bewohner einer Feſte fuͤr 
ſich gewinnen, die durch ihre Lage an der Grenze von Ga 
licien von, nicht geringer Bebeutfamfeit war. Vielleicht lag in 
der ‚augenblictlichen Stellung Affonfo’3 gegen den König von 
Gaftiien der Grund jener Beguͤnſtigung; jedenfall aber wa⸗ 
ren die Orundfäße, nach denen die Befehlshaber in ben feften 
Plaͤtzen ernannt wurden, nicht überall die nämlichen, wie fchon 
eine Vergleihung mit der eben erwähnten Anordnung in Beja 
zeigt, und Affonfo wechfelte auch bier nach den Umftänden 
feine Grundfäge und Maßregeln. — Andern Ortfchaften, die 
gänzlich verfallen waren und wieberhergeflellt wurben, gab 
der König biöweilen neue Namen. So erhielt Contrafta, das 
bei einem feindlichen Einfall der Leonefen unter Affonfo I. zer⸗ 


1) ©. die Urkunde vom Jahr 1255 in Mon. Lus. liv. 15. cap. 18, 

2) „Movudo pela spiracom de deus.“ (!) Der Foral fteht 
in der Collecgäo de Ineditos de Historia Portugueza. T. V. p. 456 
Ebenfo gab Affonfo IH. im folgenden Jahre dem alten Obemira einen 
Koral: „motus inspiratione divina“. 

.8) E o meu nobre homem, que beia de mim tever, non meta 
hy outro alcayde, senom de beia, 

4) Mon. Lus, I. c, 


Regierung Affonfo’s IL, 1245 — 1279. 221 


flört worden war und jegt wieber aufgebaut wurde, ben Na⸗ 
men Valença do Minho. Andere Orte endlich verbankten dem 
Könige ihren Urfprung, 3. B. Diana foz de Lima und Monzon. 

Naͤchſt der Gründung neuer Ortfchaften, ber Ausbeffe: 
rung verfallener und der Ertheilung unzähliger Foraes nah⸗ 
men die innern Angelegenheiten einiger größern Städte, die 
im Genuffe von Gemeinderechten über Eingriffe in diefelben 
klagten oder in denen verfchievene Intereſſen wider einander 
ftieffen, Affonfo’s Aufmerkfamfeit in Anfpruh. Theils um 
Diefe Klagen anzuhören und über die Art ihrer Abhuͤlfe die 
Stimme der Volksvertreter zu vernehmen, theild um durch 
deren Zuſtimmung den Eöniglichen Entfcheidungen und Verfuͤ⸗ 
gungen ein empfehlenderes Anfehn zu geben, berief ber Koͤ⸗ 
nig im Maͤrz 1254 die drei Staͤnde der Cortes nach Leiria. 
Vorzuͤglich waren es die Angelegenheiten der Staͤdte Santa⸗ 
rem und Porto, die hier zur Sprache kamen. Die Einwohner 
von Santarem erhoben Beſchwerde uͤber mehrere Bedruͤckun⸗ 
gen, die ſich die koͤniglichen Beamten gegen ſie erlaubt haͤtten. 
Man beruhigte die Buͤrger durch das Verſprechen, daß ihre 
Foros in Zukunft ſtrenge beobachtet werden ſollten; jeder Be⸗ 
fehl, jedes Schreiben, das ihnen widerſtreite, wurde zum vor⸗ 

aus fuͤr nichtig erklaͤrt. Die eingeſchlichenen Misbraͤuche ſoll⸗ 
ten abgeſtellt werden, alle Freiheiten und Gerechtſame wurden 
gewahrt, „der Zuſtand der Stadt, wie er in fruͤherer Zeit ge⸗ 
weſen, wurde wiederhergeſtellt“ "). 

Schwieriger waren die Irrungen und Verwickelungen in 
Porto, und ſie namentlich mochten die Zuziehung der Cortes 
raͤthlich gemacht haben. In dieſer Stadt lag der Zunder zu ewig 
ſich erneuernden Streitigkeiten zwiſchen den Biſchoͤfen und den 
Koͤnigen. Dieſe konnten nicht verſchmerzen, daß jene durch die 
allzugroße Freigebigkeit der Koͤnigin Thereſia nun der weltli⸗ 
chen wie der geiſtlichen Herrſchaft uͤber das wichtige Porto und 
ſein Gebiet ſich erfreuten. „Mit Unwiſlen ertrugen einige Koͤ⸗ 
nige dieſe Herrſchaft und ſuchten ſie zu mindern, bis ſie die 
weltliche Macht gänzlich an ſich geriſſen hatten”). Seitdem 


1) Mon. Lus. I. c. 
2) Worte Brandäo'“s in ber Mon. Lus, liv. 15. cap. 18, 


222  Erfier Beitraum 1 Bud. 8. Aston. 


der Fiſchfang im Douro.’) eintsäglicher, befonbers aber feitben 
die Schiffahrtzauf diefem Fluſſe lebhafter wurde, und immer 
mehr Fahrzeuge fremder Bölker in Hafen von Porto einkehr⸗ 
ten, bot dee Beſitz diefer Seeſtadt immer größern Reiz bar, 
"und die Wuͤnſche der Könige wuchfen mit den Bortheilen ber 
Bifchöfe Um wenigftend einen Theil diefer Bortheile mitzu⸗ 
genieffen, ließ Affonfo HI. Porto gegemüber die Villa nova de 
Gaya (zum Unterfchied von der Villa velha fo genannt) anles 
gen?) — eine wahre Schmarogerpflanze der Biſchofsſtadt — 
und gab ihr, um fie in Aufnahme zu bringen, im Jahre 1255 
einen Foral mit vielen Freiheiten und Vorrechten. In den 
Cortes von Leiria feßte es dee König durch, daß der britte 
Theil der geladenen Fahrzeuge, die den Douro paffixten, und 
die Hälfte der franzöftfchen und andern ausländifchen Schiffe, 
die in den Fluß einliefen ‚in Villa nova de Gaya ausladen 
muſſten. Er erhob bier einen Theil der Zölle und Auflagen, 
die bisher in der Stadt Porto, die dee König in diefen Cor: 
tes Villa da Igreia nannte, an den Bifchof entrichtet worben 
waren. Späterhin fchmälerte Affonfo IL die Macht und bie 
Einkünfte diefes geiftlichen Zürften noch mehr und veranlaffte 
dadurch neue Streitigfeiten °). 

Bereits drei Sabre vor den Gortes von Leiria, in des 
nen vornehmlich oͤrtliche Verhaͤltniſſe und Angelegenheiten ein= 
zelner Gemeinden geordnet wurden, hatte der König mit Be⸗ 
rathung der Ricoshomens und Fidalgos eine Anzahl allgemei- 
ner Geſetze erlaffen, die hauptfächlich die Sicherheit des Ei- 
genthums und der Perfonen bezwedten. Wenn aud das Ge 


1) Die Klagen des Biſchofs uͤber die eigenmaͤchtige Theilnahme des 
Koͤnigs an der Fiſcherei im Douro wurden ſogar vor den paͤpſtlichen 
Stuhl gebracht. Catalogo e Historia dos Bispos do Porto, Parte I, 
pag. 92. 

2) Espaüa sagr. T. XXI. p. 105. 


: 8) Catalogo dos Bisp. de Porto, P. II. p. 94 und 98. Die vers . 
Thiebenen Gefege und Anorbnungen, bie in ben Gortes von Leiria beras 
then und befchloffen wurden, finden fi) im Livro de Leis antigas und 
in den alten Yorues von Santarem und Beja. ©. den Fioro antigo von 
Santarem in der Collecgao de Ineditos etc. T. IV. p. 531 Weſonders 
die Costumes von 541 an), deu von Bela T. V. p. 456, 


Regierung Affonfo’s HL, 128512779... 22 


feß, das hier an der Spike fleht und nach dem Jeder, der in 
die Wohnung eines Fidalgo einbringt, um ihm Übel zuzufuͤ⸗ 
gen, zum Schadenerfaß und zur Zahlung von dreihundert Mas 
ravedis an den König verbunden iſt, — wenn auch Diefes Ges 
feß die Fidalgos nur für fih und zu ihrer Sicherheit geben 
lieffen, fo erzielten doch die übrigen offenbar da8 Gemeinwohl. 
Mehrere find gegen den Diebftahl von Kleidungsſtuͤcken, bes 
fonderd aber von Vieh, damals dem wichtigften beweglichen 
Eigenthum, gerichtet. Die Größe der Strafe, die theild dem 
König theils dem Beraubten zufällt, richtet fich nach der Gat⸗ 
tung des entwenbeten Viehes. Der Arbeiter fol in Friede le⸗ 
ben, Niemand barf ihn tödten oder ihm Übel zufügen wegen 
eines Todtſchlags (homicidium), den fein Here verübt hat, 
Mer feinen Feind töbtet, darf ihm nichts von dem, was er 
bei ihm findet, rauben. Die Kirche, die in jenem Jahrhun⸗ 
dert nirgends fehlen durfte, tft auch bier, am Schluſſe der 
peinlichen Gefebe, die blos von Laien (wie die Unterfchriften 
zeigen) gegeben wurden, nicht vergefien. „Alle Kirchen follen 
vom König vertheidigt und befchigt werben, wie fie ehebem 
von feinem Vater und Großvater vertheibigt worden find.“ 
Mufften die Laien nicht, daß die Kirchenhäupter weder mit 
dem Vater noch mit dem Großvater fonderlich zufrieden ges 
wefen waren? Geiftliche hätten dem König ſchwerlich feine 
legten Vorgänger ald Muſter von Schirmudgten der Kirche 
aufgeftellt '). 

Mitten unter diefen peinlichen Geſetzen findet fich ein po⸗ 
Yizeiliches, das in ber Folge Gaftilien mit Portugal theilte. 
„Der Reifende darf in einem Orte, wo man ihm feine %es 
benömittel verkaufen will, zwei „achtbare Männer (boni homi- 
nes)” auffobern, dad was er bedarf zu ſchaͤtzen. Für den von 
diefen feftgefeßten Preis müfjen ihm die Lebensmittel verabs 
folgt werden. Weigern fich jene feine Bebürfniffe zu fchägen, 
fo darf er es felbft thun, und fobald er bezahlt hat, fie neh⸗ 
men.” So unvollfommen diefe Anorbnung war, fo zeigt fie 
wenigftend, daß der Verkehr fich zu regen anfing und ber 
Geſetzgeber ihn zu fördern beäbfichtigte. 

1) Mon, Lusit. T. IV. App. Escrit. 37. Sousa, Provay T. L. 
pag. 53, 


24 Erſter Zeitraum. J. Bud. 8. Abſchn. 


Noch mehr ſprach ſich dies in der Gruͤndung von Jahr⸗ 
maͤrkten aus, zu deren Abhaltung in einer beſtimmten Zeit der 
Koͤnig einzelne Orte berechtigte. So erhielt Covilhäa (Covel⸗ 
liana) die Erlaubniß, jährlich acht Zage vor dem Feſte ber 
heil. Maria im’Auguft und eben fo lange nachher einen Jahr⸗ 
markt zu halten. Allen die diefen Markt befuchen, um zu 
Faufen oder zu verkaufen, wird Sicherheit auf der: Hinz und 
Ruͤckreiſe gewährleiftet. Wer den Markt befucht, darf acht 
Tage vor Anfang defielben bis nach Ablauf von breiffig 
Tagen wegen irgend einer Schuld im Reiche nicht verhaftet 
werden, er müffte denn die Schuld auf dem Markte felbft 
gemacht. haben. Wer einem Käufer oder Verkäufer Übel zus 
fügt, zahlt fechötaufend Solidi Strafe an den König und hat 
dem Verletzten doppelten Schabenerfaß zu entrichten '). 

Diefe Anordnungen Tonnten ihre mohlthätigen Wirkungen 
auf den Handel und Verkehr und dadurch auf den Landbau 
und Gewerbfleiß nicht verfehlen. Um fo nachtheiliger aber 
muffte eine andere Maßregel des Königs auf diefelben wirken, ' 
wenn nicht ihre Unauöführbarkfeit, die fich bald fund gab, je 
dem fchädlichen Einfluffe ein Ziel gefebt hätte. Es war Dies 
eine Verordnung, die den Preis der Lebensmittel, der rohen 
wie der Gewerbserzeugniſſe des In⸗ und Auslandes feftftelltte. 
Sie wollte demjenigen Stetigkeit gebieten, was eben fo noth⸗ 
wendig als wohlthätig den Wechſel und die Veraͤnderlichkeit 
in feiner Natur trägt; fie gedachte das auf eine gerade Linie 
zu bannen, was die menfchliche Thaͤtigkeit und die fchaffende 
Natur zu ewigen Abweichungen nöthigen. Unter dem Volke 
verbreitete Furcht vor einer Münzverdnderung hatte die natlır 
liche Folge gehabt, daß die Preife der Waaren in dem Lande 
zwifchen dem Minho und Douro zu einer ungewöhnlichen Höhe 
gefliegen waren?). Die Gefahr, im Verkehr übervortheilt zu 


1) S. die Stiftungsurfunde dom Aug. 1260 in Ribeiro's Diss. 
T, III Append. p. 79. 

2)... et ego scio pro certo, quod res venales et vende- 
bantur, multo carius, quam solebant vendi et debebant, pro eo quod 
timebant, quod ego frangerem monetam, et quia dioebant, quod tem- 
pus britandi monetam apropinquabat, 


K4 


Regierumg Affonfo’s IIL, 1245 —1779. 2235 


werben, muflte jeden Fremden vor dem Beſuche der Märkte 
zuruͤckſchrecken, oder wenn er fie dennoch befuchte, ihn beftim- 
men durch den möglich höchften Preis feiner Waaren den 
Berluft, den ihm die fchlechte Münze drohte, zu decken. Um 
diefen Übelftand zu heben, erließ der König, nachdem er mit 
„den weifeften Ricoshomens feines Hofes, mit feinem Rathe, 
den Prälaten und Rittern, mit Kaufleuten, Bürgern und acht: 
baren Männern aus den Gemeinden‘ fich berathen hatte, eine 
Verordnung, in welcher die Preife aller Gegenflände, die ges 
kauft und verkauft: wurden, für das Land zwifchen dem Minho 
und Douro feflgefeßt wurden ’), Wer gegen biefe Verordnung 
handelte und vor Gericht deffen uͤberfuͤhrt wurde, muffte zur 
Strafe dad Doppelte von dem, was er über ben gefeglichen 
Preis von dem Käufer genommen hatte, bezahlen. Diefe Strafe 
erhoben die koͤniglichen Ortsſchreiber gemeinfchaftlich mit zwei 
Gemeindsmännern. Wer einen Defraubanten anzeigte, erhielt 
ein Drittheil der Strafe, zwei Drittheile fielen dem Könige zu. 

Daß die oben erwähnten Rathgeber bed Königs, die doch 
wohl die ftaatswirthfchaftliche Sntelligenz feiner Regierung bil- 
beten, die verderblichen Folgen biefer Verordnung nicht vor⸗ 
ausfahen, daß fie nicht zögerten ein Heilmittel anzuwenden, das 
gefährlicher war als die Krankheit felbft, Dies ift weniger zu 
wundern, als daß die offenbare Unausführbarkeit diefer Maß⸗ 


regel die Rathgeber des Königs nicht fogleich beftimmte die . 


Maßregel aufzugeben. Berzeihlicher war der Miögriff für den 
König. . Das Beiſpiel feines Schwiegervater Alfonſo des 


1) Die Verordnung, aus dem Föniglichen Archiv abgebrudt in Ri» | 


beiro's Dissert. T. IV. App. pag. 57—72. Das Intereffe, das biefe 
Urkunde als ein Beleg für die tiefe Stufe, auf welcher die Staatswirth> 


ſchaft damals ftand, darbietet, wirb übrigens weit überwogen durch das 


Sntereffe, das fie für die Kenntniß des Landbaues (feiner Erzeugniffe, 
ihrer verhältnigmäßigen Menge und Preife), der Viehzucht und Sagt 
(der verfchiebenen Thiergattungen, bie in jener Zeit in Portugal gezogen 
wurben ober wild lebten), der Gewerbe und Fabriken (der mannichfaltigen 
Zeuge und Stoffe, ihrer größern oder geringern Seltenheit), des Handels 


und Verkehrs (der Städte und Länder, aus denen bie ausländifchen Waa- 


zen bezogen wurben) u. ſ. w. haben. Wären nur nicht fo manche Benennungen 
und Ausbrüde, die in dieſer reichhaltigen Urkunde vorkommen, wahre 
Hieroglyphen für uns! - 

Schäfer Gefchichte Portugals J. 15 


2265 Erſter Zeitraum. LBud. 8. Alan 


Weiſen, der auf ähnliche Weile in Gaftilien fefte Preiſe für 
alle Waaren geſetzt hatte, und der in ſtaatswiſſenſchaftlichen 
Dingen damals fuͤr ein Orakel galt, mochte ihn ſo ſehr be⸗ 
waͤltigen, daß er des eigenen Nachdenkens in dieſem Puncte 
ſich uͤberhoben glaubte '). 

Auſſerdem ſchien dad Übel von einem andern geboten, das 
gewiffermaßen Iandesublich geworben war unb dem König als 
unvermeidlich erfcheinen mochte. Bereits die früheren Könige 
von Portugal hatten von ihrem Kronrechte „Die Münze zu bre⸗ 
chen” 2), d. h. fie umzufchmelzen und ihren Werth zu erhöhen, 
während ihr Gewicht vermindert wurde, fehon oft Gebrauch 
gemacht, und die Vafallen hatten fich nur dann dieſer Maßres 
gel wiberfegt, wenn diefe Erhöhung das Maß überfchritt ober 
zu häufig vorgenommen wurde. Sie hatten ſogar, um einer 
folchen Münzveranderung vorzubeugen, bisweilen eine. Abgabe, 
Monetagio genannt, an den König entrichtet. Sancho I. ließ 
die Münze feines Vaters umfchmelzen und Maravedis novas 
prägen. Affonfo I. und Sancho II. fcheinen daſſelbe gethan 
zu haben. Als Affonfo II. die Nothwendigkeit ausfprach, daß 
die Münze verändert werden müffe, wie fie feine Vorfahren 
bis zu feiner Regierung von Zeit zu Zeit verändert hätten, fo 
bat ihn der größere Theil der GeiftlichEeit und des Volles ins 
ftändig, daß er bis nach Verlauf der nächften fieben .Iahre *) 
die Münze bei ihrem Gewicht laffen möchte, und machte fich 
anheifchig, daß Jeder für die Beibehaltung diefes Münzfußes 
einen gewiſſen Geldbeitrag fleuern ſolle. Der König bewilligte 
dies und gefland damit feine Abficht ein. Der größte Theil 
biefer Auflage war fchon bezahlt, als diefelben Geiftlichen und 
mehrere Laien, die er Darüber zu Rathe zog, ihn verficherten, 
daß dieſe Auflage dem Land und Volk zum größten Verberben 
und felbft dem König zu nicht geringem Nachtheil gereiche. 
Sie baten ihn Daher, für Die Beibehaltung des Münzfußes *) 


1) Mon. Lus. liv. 16. cap. 3. 

2) Quebrar a sua mooda ift ber eigenthümfliche Ausdruck, mo- 
netam frangere. 

3) Usque ad proximum septenium. Dies fheint die herkoͤmmliche 
Friſt gewefen zu fein. 


.%) Pro. conservatione ipsius monetae. 


Regierung Atfonſors IIL, 12451279. 227 


in Zukunft nie wieder eine Abgabe von fei nen Unterthanen zu 
fodern, auffer jener, die feine Vorfahren bei der Muͤnzveraͤn⸗ 
derung zu erheben pflegten ). Er verforach ed „ zur Bewah⸗ 
rung ber Gerechtigkeit und des guten Herfommens im Reich“, 
und ſchwor in die Hände des Bifhofs Martin von Evora 
und auf die heiligen Evangelien, nie mehr bie Münze des 
Reichs zu verkaufen oder verkaufen zu laffen, und auffer: je: 
ner berfömmlichen Auflage Feine weitere zu erheben. Zu dem, 
was er felbit treulich und fonder Gefährde gelobte, verpflichtete 
er auch alle feine Nachfolger ?). 

So blieb die Lage der Dinge, bis Affonfo im April 1264 
ein neued Gefeß über das Münzwefen erließ. Al er anges 
fangen habe, fagt der König hier, die neue Münze zu prä 
gen, wie er der Meinung gewefen, daß es nach Recht unb 
Herkommen ihm zuftände, hätten die Prälaten, Barone, Or⸗ 
densleute und das Volk fich befchwert gefühlt und erklaͤrt, 
„Daß. er Dies weder dem Rechte noch dem Herkommen nach 
thun Sonne und folle”. Sie hätten ihn deshalb erfucht bie 
Cortes zu berufen, um durch diefe beftimmen zu laffen, wie 
es mit ber Münzangelegenpeit gehalten werben; ſolle. Die Cor⸗ 
tes .wären in Coimbra verfammelt worden, und nachdem. ex 
mit ihnen lange geftritten und verhandelt habe, verorbne und. 
gebiete er nun mit ihrer freiwilligen und ‚gemeinfamen Einſtim⸗ 
mung: daß die alte Münze (vetus moneta) ayf ihren vorigen 
Werth zurüchgefeht werben und bei bemfelben immer bleiben, 
die neue Münze (nova moneta) aber, die er eben prägen. laffe, 
ſtets wie die alte gelten folle, jedoch fo, daß bei allen Kaͤu⸗ 
fen, Verkaͤufen und bürgerlichen Gefchäften zwölf Denarü der 


1) Nisi quod in fractione monetae praedecessores mei recipere 
consueverint, 


2) &. bie Urkunde in Form eines Töniglichen Schreibens an den 
Grofßmeifter des Zempelordens in den brei Reichen, Martinho Nunes, in 
Soufa, Provas T. VI. p. 347 als Ergänzung zum erften Bande ber 
Provas. Schreiben von gleichem Inhalte erhielten die Großmeifter der 
übrigen Ritterorden, der Abt von Alcobaca (Malta Portug. Parte II. 
p. 25), und ſelbſt der Papft mit dem Zufage: Quo circa Sanctitati 
Vestrae supplico humiliter et devote: Quatenus hoc factum pro liber- 
tate et utilitate regni juramento firmatum dignemini confirmare. 


15 * 


228 Erfier Zeitraum. 7. Bu. 8. Abſchu. 


neuen den Werth von fechszehn alten Denarii (sexdecim de- 
narii de veteribus denariis) haben follten. Aufferdem, fährt 
das Geſetz fort, wer zehn Livras und weniger ald zwanzig an 
Werth befist, muß eine halbe Livra alter Münge an den Koͤ⸗ 
nig zahlen; wer zwanzig und weniger ald hundert hat, gibt 
eine Livra; von einhundert bis eintaufend werden zwei Livras 
entrichtet; von eintauſend drei; jede größere Summe fleuert 
nicht mehr als drei‘). Die Abgabe wird in allen Theilen des 
Reichs und von allen Perfonen erhoben, mit Ausnahme des 
Erzbifchofs und drei ihm beliebiger Diener feines Haufed, aller 
Biſchoͤfe und zwei Diener eines jeden, des Priord ded Johan⸗ 
niterorbend und der Großmeifter der Templer. und Avißritter 
und zwei Diener eines jeden”). Diefe Auflage darf nur ein 
Jahr lang erhoben werben. Nach Verlauf von vier Jahren 
ift dem König geftattet eine neue Erhöhung der Münze vors 
zunehmen, dann aber in feinem Leben nicht mehr. So fol 
ed auch mit den Nachfolgern des Königs gehalten werben’). 
Affonfo IIL ließ acht Jahre verflieffen, bis er von dem, 
wozu ihn die Cortes von Coimbra ermächtigt hatten, Gebrauch 
machte. Erſt im Jahre 1270 den erfien April ließ er bie 
neue Muͤnzveraͤnderung eintreten, nachdem er fie vorher durch 
ein Öffentliches Ansfchreiben *) feinem Volk angefündet hatte. 
Obgleich Affonfo bei feinem Regierungsantritt unfreitig 
ungewöhnliche Gelbmittel nöthig gehabt hatte, um fih auf 
dem Throne zu befefligen, fo fcheint es doch nicht, daß Geld⸗ 
noth, die in der Regel feine Vorfahren zu ber verderblichen 
Maßregel der Münzverfchlechterung verleitete, ihn in ben leg- 
ten Zeiten feiner Regierung gedrängt habe; er würde fonft 
wohl vier Jahre früher das benugt haben, was ihm angebos 


1) Wie übermäcdtig war noch der Abel und Klerus in biefen Gortes ! 

2) Alfo auch nicht einmal jene drei Livras mochten die Reichften 
der Nation zahlen! 

8) ©. die Carta de Lei im Auszug in Malta Portug. Parte II. 
p. 183. Vergl. damit Elucid. Suppl. p. 49. 

4) E fago-vo-lo ante saber por seerdes certos do dia, que 


mando acrezentar, e fazer essa moeda. S. das Ausfchreiben in Elu- 
cid. T. II. p. 117. Ä Ä 


u "Regierung Affonfo’s II, 145 —1279. 229 


ten wurde. Wenn er gleichwohl auch jetzt wie vorbem ber 
Münzveränberung ald einer Finanzquelle fich bediente, fo fins 
det er, andere Gründe zu gefchweigen, in der Beſchraͤnktheit 
ber Föniglichen Einkünfte in jener Zeit ſchon Entſchuldigung. 
Nur aus den Fleinen Bächen konnte und durfte er fchöpfen, 
die Fluͤſſe ſtroͤmten vergeblich für ihn’ vollauf; ja die bevors 
vechteten, feuerfreien Großen leiteten jene lieber noch in biefe. 
Daß er zu einem fo mislichen und verberblichen Finanzmittel 
feine Zuflucht nahm, werben ihm diejenigen am erflen verzeis 
hen, die zu einer Zeit, in ber die Staatswirthfchaft zur Wiſ⸗ 
fenfchaft gediehen ift, noch daſſelbe Mittel wählen, das Afs 
fonfo und feine Rathgeber in einem Jahrhundert anmenbeten, 
in dem bie Geburt diefer Wiffenfchaft noch nicht geahnet wurde 
und die aufgeklärteften Staatsmänner in folchen Dingen im 
Finftern tappten. Habfucht aber war ed gewiß nicht, was 
ihn zu jenen landesuͤblichen Misgriffen trieb. Davon wuͤrden 
ihn fchon Die vielen Schenkungen, die er an die Ritterorden 
und Prälaten machte, freifprechenz; ober, wenn hierin Die rech⸗ 
nende Klugheit vielleicht flr mächtiger wirkend als die Hab: 
fucht gelten möchte, die befondere Mildthätigkeit, die der Kos 
nig gegen Arme übte und bie ihn einft, wie Brandäo er; 
zählt, bei einer gewiflen Veranlaffung feine Hausgeräthe vers 
pfänden ließ, um Bebürftige unterflügen zu Fönnen. 

Doc) beherrfchte Klugheit Affonfv’s Freigebigkeit. Das wär: 
nende, ihn fo nahe berührende Beifpiel feined Bruders, Sancho, 
der durch die Verfchenkung fo mancher füniglichen Befißungen, 
Einkünfte und Rechte wenig Dank geerntet, wohl aber feine 
Macht gefehwächt hatte, mufite um fo tiefer auf ihn wirken, 
je mehr er Luft und Kraft in fih fühlte, der Krone ihren 
vollen Länderbefiß wieder zu verfchaffen, ihre Rechte und ih⸗ 
ren Glanz zu mehren. Daß Affonfo Inquiricoes im ganzen 
Reiche anorbnete, um die Gerechtfamen der großen Grundbe⸗ 
figer prüfen zu laffen, mag hier nur berührt werben, damit 
feine ber wichtigeren Regierungshandlungen bed Königs uners 
wähnt bleibe; die weitere Erörterung diefer umfaflenden und 
tief eingreifenden Maßregel muß einem andern Orte überlaffen 
werden. König Sancho II. hatte fich vorzüglich bei der Er⸗ 
oberung von Algarve fehr freigebig bewiefer, indem er, wie 


230 Erſter Zeitraum. I. Bud. 8, Abſchn. 


wie oben gefehen, mehrere eben erworbene Ortfchaften dem 
Drden von Santiago und namentlich ihrem verdienftvollen 
Sroßmeifter Payo Correa, der damald noch Komthur von Als 
cacer war, gefchenft hatte. Affonfo DIE, der diefen Ritter 
ebenfalls hochfchäßte, hatte nicht allein ihm einige neue Orte 
-überlaffen (1255) ), fondern auch den Rittern die Schenkungs⸗ 
urfunden von Sancho II. beftätigt (1265). Allein der König, 
ber nach den Zeitumftänden Zweck und Mittel veränderte und 
von dieſen nichts verlangte, ald daß fie zu jenem führten, 
„fand neue Zweifel in dem was er fehon. bewilligt hatte‘ ?), 
als er fi) im ruhigen Befis von Algarve fah und unums> 
fehränkter Herr dieſes Landes geworden war. Es entfpann 
fich zwifchen der Krone und dem Orden ein Streit, den end⸗ 
fih von beiden Seiten ernannte Schiedsrichter durch einen 
Bergleich beilegten ’). Diefem zufolge blieb dem König die 
Herrfchaft über Caſtro Marim, Cacela und Zavira*); daB 
Datronat über mehrere Kirchen dieſer Orte fand dagegen dem 
Orden zu, dem zugleich der Beſitz des Fleckens Aveiras und 
verfchiedener Ländereien zugefihert wurde. Schiffsladungen, 
die nach Mertola die Guadiana hinaufführen, follten die Ab- 
‚gaben an den König entrichten. Affonfo’s Mishelligfeiten mit 
dem Nitterorden von Avis waren bereitö etwas früher befeitigt 
worden. Auch mit den Tempelrittern gerieth der König in 
Grenzſtreitigkeiten (1272) 5 fie wurden ebenfalls durch Schieds⸗ 
richter ausgeglichen (1274). 

Nicht fo bald und fo leicht wurde ein Kampf mit einem 
andern mächtigen Stande des Reichs, mit der Geiftlichkeit, 
beigelegt; das Feuer brannte vielmehr Jahre lang fort, bie 
der König endlich auf dem Sterbebette durch die Erklärung 
der unbedingteften Ergebung es auslöfchte. 


1) Mon. Lus. liv. 15. cap. 19, 
2) Brandäo in Mon. Las. liv. 15. cap. 38. 
8) Den Vergleich ſ. ebendaf. 


4) Am 7. Ian. 1272 verzichtete der Großmeifter feierlich auf dieſe 
Ortſchaften. 


Regierung Affonfo’s IIL, 1245 — 1279, 231 


3) Affonſo's Streitigkeiten mit. der höheren 
| Geiſtlichkeit. 

Die Erwartungen der Praͤlaten vom Koͤnig werden nicht erfuͤllt. 
Sie beſchweren ſich uͤber Eingriffe in ihr Eigenthum und 
ihre Vorrechte. Sieben Biſchoͤfe reifen nah Rom, um 
Klage Liber Affonfo zu erheben. Gregor X. erläfft eine Er: 
mahnungsbulle an ben König. Diefer weicht aus, verfam: 
melt die Corte und verſpricht Abhülfe; aber der Papft er 
wartet vergeblich des Königs Beſſerung. Merkwürdige Bulle 
vom 4. Sept. 1275. Gregor X. ſtirbt und der fchnelle 
Mechfel der folgenden Päpfte rettet den zaudernden König. 
Johann XXI, ein Portugiefe, ſchickt einen Legaten nad 
Portugal, den .Affonfo mit Audienzen hinhält. Der Bruder 
Nicolaus Heft endlich in feierlicher Verfammlung die päpft- 
liche Bannbulle, 1277. In demfelden Jahre ſtirbt Jo⸗ 
hann XXL Der König verfpricht auf dem Krankenbette 
Altes, was ihm der Papft geboten, unbedingt zu erfüllen, 
wird vom Banne freigefprochen und ſtirbt den 16. Febr. 1279. 


Die BVerfprechungen welche Affonfo den portugiefifchen 
Mrälaten gegeben hatte,. waren in der That ungemeflen. So 
leicht e8 dem Grafen von Boulogne geweſen fein mochte dieſe 
Verfprechungen zu geben, fo ſchwer muffte es dem Koͤnige wer⸗ 
den fie in ihrem ganzen Umfange und mit aller Strenge zu 
halten. Doch derfelbe Grund der ihm das Angeloben erleich- 
tert hatte, erleichterte ihm auch die Laft der übernommenen 
Verbindlichkeit und Pflicht. Wie wir Affonfo Tennen gelernt 
haben, vermochte ein abgelegter Eidſchwur ihn in ber Verfol- 
gung feines Zield weder irre zu machen noch aufzuhalten. Es 
konnte ihm nur wenig Überwindung gekoſtet haben durch bie 
Geiftlichkeit den Thron zu befteigen, aber um der Geiftlichkeit 
willen darauf zu fiten und feinen Herrſcherſinn fchlummern 
zu laffen, oder gar feiner NRegentengewalt zu Gunften ber 
Kirche fich zu begeben, hätte einem Affonfo II. die peinlichfte 
Überwindung gekoſtet. Was er that und gethan hatte für bes 
Meiches Erweiterung, für die Winde des Staates und das 
Wohl feines Volles lag offen vor Aller Augen. Er war feis - 


232° Erſter Zeitraum. J. Buch. 8. Abſchn. ” 


ner Kräfte inne geworden, fein Selbſtgefuͤhl widerſtrebte mehr 
und mehr jeder Befchränkung. Das Volk verfannte nicht in 
den Hortfchritten feiner bürgerlichen Wohlfahrt des Königs 
Fräftiges und wohlthätiges Walten. Die Geiftlichkeit freilich 
mochte ganz andere Dinge von ihm erwarten, Wunderdinge 
in der Kirche wie im Staat, und als der König, in dem fie 
ihe Gefchöpf fah, dem gegebenen Wort und ber erregten Hoff: 


nung nicht entfprach, ward ihr Unwille über ihn um fo heftis 


ger, ihre Erbitterung um fo gewaltiger. 

Die erften Jahre des Königs verflrichen in Feldzuͤgen und 
Regierungdgefchäften, unter Streitigkeiten und Verhandlungen 
mit dem König von Caſtilien. Es war Elar, der König mufite 


ſich auf dem Throne zu befefligen fuchen, er muffte darauf 


1268 


feine ganze Shätigkeit verwenden. Die Prälaten mochten darum 
eine Zeit lang Nachficht mit dem König haben. Aber gerade 
bie Befefligung Des Königs auf dem Throne machte ihn dann 
auch weniger geneigt ber Geiftlichfeit in Allem nah Willen 


zu leben, Indem er die Eönigliche Macht und die Rechte der 


Krone zu wahren und weiter auszubehnen bemüht war, mochte 
fih Affonfo Manches erlauben, was gegen die Intereffen ober 
auch nur gegen die Erwartungen der Geiftlichen verſtieß. Sie 
fingen an über Eingriffe in ihre Vorrechte und ihr Eigen» 
thum zu Hagen. Sie machten dem König deshalb Vorftelluns 
gen, baten, ermahnten, bedrohten ihn; vergeblich. Endlich 


Schritten fie zu Kirchenftrafen. Die Befchwerden der Prälaten 


wurden nach Rom gebracht. Clemens IV. fendete darauf fei- 
nen Gapellan Falquini zur Unterfuchung nach Portugal, und 
ein päpftliched Ermahnungsfchreiben follte die Sinnesänderung 
des Königs bewirken; aber es verfehlte feinen Zweck wegen 
bes bald darauf erfolgten Todes des heiligen Vaters. Die 
Page der Dinge in Portugal wurde dadurch nur mißlicher. 
Da fallen die Bifchöfe des Reichs einen „unerhörten Ents 
ſchluß“ (wie Brandäo ſich ausdruͤckt). Ihrer fieben machen 
fih auf den Weg nah Rom. Zum Erflaunen des Papftes 
und der römifchen Gurie bringen fie hier ihre Klagen vor. Die 
Entfcheidung jedoch verzieht fich, und ed fterben unterdeffen in 
Rom der Erzbifchof von Braga und die Bifchöfe von Coim⸗ 
bra und Guarda. Auf Betreiben der übrigen Prälaten ers 


Megierung Affonfo’s IIL, 1245—1279. 233 | 


laͤſſt GregorX. an den König eine Ermahnungsbulle (28. Mai 
1272) '), beauftragt an demfelben Tage zwei höhere Geiftliche 
in Portugal, den Prior der Dominicaner und den Guardian 
der Francifcaner in Liffabon, dem König die Bulle bekannt zu 
machen und feine Antwort abzufodern. Die Befchwerden, 
die über den König erhoben und ihm hier vorgelegt wurden, 
befchränfen fich auf zwei Puncte, auf feine Befigergreifung 
und Vorenthaltung von Kirchengütern und auf den Zwang, - 
den er Geiftlichen auflege, in geiftlihen Rechtshaͤndeln und 
in folchen Angelegenheiten, die vor den geiftlichen Gerichts⸗ 
ftuhl gehörten, vor dem koniglichen Sobrejuiz zu erfcheinen ?). 
Als die Bevollmächtigten des Papftes die apoftolifchen Be⸗ 
fehle vollſtrecken wollten, verweigerte ihnen der König die Aus 
dienz, indem er bald Unpäftlichkeit, bald Gefchäfte vorfchüste ). 
Ihre Abficht konnte Affonfo dadurch nicht vereitein; er wollte 
nur, wie es fcheint, ben Zon, in welchem fie fi) und und ih⸗ 
ren Auftrag anfündigten, herabflimmen. Sie wurden endlich 
vorgelaffen und vollzogen die päpftliche Weifung. Der König 
berief darauf, durch ein Ausfchreiben vom 18. Decbr. 1273, 
die Corted nad) Santarem, verfprach in ihrer Verfammlung 
ben Beſchwerden abzuhelfen, und gab allen Prälaten, Großen 
und feinen Räthen „vollkommene Macht, alles Unrecht, das 
von ihm oder von den Seinen begangen worden, wieder gut 
zu machen ober machen zu laſſen *). Doch auch biefe Vers 


1) Sie findet fi Handfchriftlich im erzbifchäftichen Archiv in Braga. 
Den Anfang berfelben f. in der Mon. Lus. Parte IV. liv. 15. cap. 89.. 

2) Superjudex in Clericose t personas ecclesiasticas dicti Regnf 
indebitam sibi jurisdictionem usurpans in causis ad Ecclesiarum forum 
spectantibus cognoscere, aut de rebus ecclesiasticis judicare prae- 
sumit. 

3) Der PYapft ſagt ſelbſt in ber zweiten Bulle: Tanquam male sibi 
conscius per diversas excusationes nunc infirmitatem nunc alia im- 
pedimenta praetendendo etc, 

4) E dei-Ihes oompridamente poder, que elles corregäo, e fa- 
cäo correger todalas cousas, que acharem, e virem que foräo feitas 
per mim, e pelos meus de meu Reino sem razäo, que se devem a 
correger etc. heifft e8 in dem Töniglichen Schreiben vom 18. Dec. 1278 
bei Brandäol. c. 


234 Erſter Zeitraum. - 1. Bud, 8. Abſchn. 


ſprechungen und Anordnungen blieben ohne Erfolg ). Das 
Jahr 1274 verfloß und ein Theil bes folgenden; ber Papft 
erwartete vergeblich des Königs Befferung. 

Endlich glaubte er mit Strenge durchgreifen zu muͤſſen 
und er erließ eine höchft merkwürdige Bulle (4. Sept. 1275). 
Nachdem er in ihr alle Streitigkeiten durchgegangen , welche 
bie Päpfte mit den Königen von Portugal feit den Zeiten 
Sancho's J. geführt, Alles was die Päpfte gethan haben, um 
dem Übel zu fleuern, Alles was fie namentlich Affonfo dem IH. 
anempfohlen, er auch vor feiner Thronbefteigung verfprochen aber 
nicht gehalten habe, verlangt der Papft, daß der König Die: 
fen nachfomme und alle feine Thronfolger verbunden fein fol- 
Yen, innerhalb Jahresfriſt nach ihrem Regierungsantritt daſſelbe 
zu verſprechen, eine offene, mit Siegeln verſehene Urkunde 
daruͤber auszuſtellen und den Biſchoͤfen des Reichs einzuhaͤndi⸗ 
gen. Ähnliches haͤtten alle koͤnigliche Beamten und Richter 
vor ihrem Amtsantritt zu beſchwoͤren. Zur Erfuͤllung ſeiner 
Verbindlichkeiten wurde dem Koͤnig eine Friſt von drei Mo⸗ 
naten anberaumt, und falls er in dieſer Zeit ſtuͤrbe, feinem 
Nachfolger ein Jahr. Leiſtet der Koͤnig in dieſen drei Mona⸗ 
ten nicht Gehorſam, ſo treffen ihn in gewiſſen Zeitabſchnitten 
immer gefchaͤrftere Strafen; zuerſt der oͤrtliche Bann, wenn 
Affonſo nach Verlauf der drei Monate noch einen Monat ſich un: 
gehorfam bemeift, nach einem weitern Monat der Wiberfpenftig- 
keit ipso facto die Ercommunication, einen Monat fpäter wird die 
Halsftarrigkeit mit dem allgemeinen Interbict des ganzen Reichs 
beftraft: Verharrt endlich nach allem dieſem der König noch 
brei Monate in feinem Starrſinn, fo fpricht der Papft feine 
Unterthanen von dem Gehorfam los, entbindet fie des geleiftes 
ten Eided und nimmt von ihm die Eönigliche Krone; Affonfo 
kann fortan nicht mehr Patron der Kirche fein. Diefelbe 
Strafe fol über ihn kommen, wenn er, nachdem er Beſſe⸗ 
rung verfprochen und den apoftolifchen Befehlen zu gehorchen 
verheiffen hat, ihnen zumiderhandelt oder in ihrer Vollzie⸗ 


| ' 

1)... parum tamen de iis quae tantum verbaliter praetendebat, 

realiter adimplevit, eo magis suae inobedientiae vitium detegens, quo 
amplius illud obtegere satagebat, fagt bie päpftl. Bulle. 


Regierung Affonfo’s IL, 1245 — 1279. 235 


bung fich Sahrläffigkeit zu Schulden kommen laͤſſt. Die Ab⸗ 
ſolution von dem Allen behaͤlt ſich der paͤpſtliche Stuhl 
ſelbſt vor. Auf die ſchuldigen Rathgeber des Koͤnigs faͤllt 
die Strafe des groͤßern Bannes; ſind ſie geiſtliche, fo verlies 
ren fie ihre Beneficien ). 

So hart wollte der Himmel nicht geftraft wiſſen. Gre⸗ 
gor X. flarb am 10. Januar 1276. Imnocenz V., der am 
21. defjelben Monats gewählt wurde, trug nur fünf Monate 
die Ziare, Hadrian V. ſank vom päpftlichen Stuhl, den er 
den 12. Juli beftiegen hatte, fchon den 18. Auguft ind Grab. 
Diefer fchnelle Wechfel verzögerte die Vollziehung der Bulle. 
Der König hatte von Tag zu Tag die Audienz verſchoben, 
welche die paͤpſtlichen Legaten verlangten, um ihm bie Bulle 
Gregors X bekannt zu machen, und Gregor war darüber ge⸗ 
florben. Auf ähnliche Weife hatte er die folgenden Päpfte bis 
zu ihrem Tode hingehalten. 

Endlich wurde Johann XXI., ein Portugiefe von Geburt, 
gewählt (13. Sept). Eine Iebhaftere Theilnahme an den | 
Firchlichen Angelegenheiten feined Vaterlandes mochte ihn bes 
flimmen, gleich im Anfange des folgenden Jahres einen Legas 
ten, den Franciſcaner Nicolaus, einen gebornen Spanier, nach 
Portugal zu ſchicken. Der König nahm. wieder die Rolle des 
Zauderers anz hoffte er alle Päpfte zu uͤberleben? In der er 
ſten Audienz (Anfang Februar 1277) gefhah Nicht3 als daß 
der König den Legaten um Abfchriften von allen Urkunden er- 
fuchte. Die zweite (18. März) im Beifein der Großen des 
Reichs hatte nicht mehr Erfolg. In einer dritten (28. März) 
erklärte der König, „Daß er entfchloffen fei dem Papft Genüge 
zu leiften, aber vorher ihm Gefandte zu ſchicken Willens ſei“. 
Doc der Legat wollte nicht gelten laffen, daß die Berufung 
an den Papft die Wirkung habe, die Kirchenftrafen aufzufchie- 
ben, während der König behauptete, Alles fei aufgefchoben und 
ausgefest fo lange er durch feine Gefandte dem Papft Vorftels 
lungen machen laſſe. Als ber König in ber legten Zufammen- 
£unft endlich im Born berausfuhr: „Gil Rebolo (Decan des 
Bisthums Liffabon , ein Anverwandter des Papftes) hat mir 


1) Raynald. ad an. 1275. n. 21— 27. 


2% | Erſter Zeitraum. J. Buch. 8. Abſchn. 


von Rom geſchrieben, der Papſt habe erklaͤrt, daß er jene 


. teuflifche Verfuͤgung aufheben werde”; da foderte der Legat, 


als der König bei feinem Vorſatze beharrte, die Anweſenden zu 
Zeugen auf, las die Bulle feierlich vor und reifte Darauf ab"). 
Den 16. Mai beffelben Jahres (1277) flarb Papft Jo— 
bann XXL, und dieſer Tod Fam dem König nochmals zu 
flatten. 


Am Anfange des Jahres 1279 erkrankte aber Affonfo 
ſelbſt. Als er fein berannahendes Ende fühlte, ließ er einige 
Geiftliche und Fidalgos des Hofes vor fein Krantenbeit rufen 
und verfprach in ihrer Anwefenheit, daß er Alles, was ibm 
vom Papft geboten worben, nun [hlehthin und unbes 
dingt erfüllen ”) und was in feiner Macht fiehe, fogleich 
vollziehen wolle; das Übrige werde fein Sohn vollſtrecken, der 
es auch alöbalb verſprach. Auf diefes Verſprechen fprach den 
König fein Beichtvater Efleväo , vordem Abt von Alcobaca, 
von dem Banne los (17. Jan.). Nicht lange darauf flarb 
Affonſo (16. Febr. 1279”). Seine Leiche wurde von Liſſa⸗ 
bon nach Alcobaca gebracht und nach feinem Willen neben 
feinem Vater und feiner Mutter beigefekt. 


1) Saetano do Amaral nady einer Urkunde im erzbifchöflichns 
Archiv in Braga. Mem. da Acad. Real, T. VI. p. 9%. 

2) Alfonsus Rex Portugalliae et Algarbii in mortis articulo con- 
stitutus dixit, quod jam dudum intentionis suae fuerat jurare et stare 
mandatis ecclesiae Romanae, sub conditione videlicet salvo jure regni 
sui et filiorum et vasallorum suorum; modo vero volebat jurare sim- 
pliciter et sine aliqua conditione. Aus einer noch vorhande⸗ 


nen Urkunde im Archin bes KGrgbistgung Eiffabon abgebeudt in ber Mon- 
arch. Lus, Part. IV. liv. 15. cap. 47 


3) Rad) dem Lirze den chites de 8. Cruz 


Gemeindeweſen, in ben erſten Jahrhunderten. 237° 


— 


Neunter Abſchnitt. 


Das Gemeindeweſen in den erſten Jahrhunderten 
des Staates. | 


Vorbemerkung. 


Hervorſtechenden Grundfaͤden in einem Gewebe gleich ziehen 
ſich durch die Geſchichte der erſten Jahrhunderte Portugals bie 
Kaͤmpfe der hoͤheren Geiſtlichkeit mit dem Koͤnig und die Ent⸗ 
ſtehung und Ausbildung der Gemeinden. Ohne in naͤherer 
Beziehung zu einander zu ſtehen, treten beide Gegenſtaͤnde ſo 
ſtark hervor und find jenem Zeitraum fo eigenthümlich, daß 
man denfelben den Zeitraum der Gemeindeentwides 
lung und des kirchlichen Kampfes nennen Eönnte, nur 
daß jene gleich nach der Entflehung des Staates anfängt und _ 
mit der Regierung des Königs Diniz allmälig aufhört, dieſer 
dagegen erft nach Affonfo Henriqued (nach der Triegerifchen 
Periode) beginnt, und fich bi8 in das erfle Drittel des funfs 
zehnten Jahrhunderts fortzieht. Deffen ungeachtet weift ihnen 
ihre befondere Natur und ihre Beziehung auf die politifche 
Gefchichte eine verfchiedene Stelle an. Der Kampf ber Präs 
laten mit dem König wird veranlafit durch bie fruͤh entz 
widelte Macht oder Übermacht des Klerus, beren Urfachen 
man wiflen muß; er wird geführt um kirchenſtaatsrecht⸗ 
Viche Puncte, die zu kennen unerläfflich tft, um diefen Kampf 
zu begreifen. Die wiederholten Ausbruͤche beffelben find nur 
AÄufferungen und Stadien des Übels, die den denfenden Zus 
fhauer um fo begieriger machen, den Urfprung und lebten 
Grund diefer Krämpfe in dem Staatskoͤrper zu erfahren. Das 
her war ed erfoberlich, dem Verlaufe der Krankheit die An: 
lage und Urfachen derſelben vorauszufchiden. 

Anderd verhält es fich mit dem Gemeindewefen. Der 
Gegenftand ift an fich verfländlich und jedem König wird fein 
Verdienſt, wenn die Gefchichte berichtet, wie viele und welche 


23 Erſter Zeitraum. IL Bud. Abſcha. 


Gemeinden er gegrüntei ober durch Ortsgeſetze befeſtigt unb 
geregelt habe. Gleichwohl würde tie Geichichte ihren Ben, 
den fie im Lichte ter neuen Zeit hat kennen gelernt, vernach⸗ 
Iäifigen, wollte fie eö bei jenen Anteutungen bavenben I:fien. 
Aus tem Gemeinteweien tiltete ſich meifi das Noifsleben mit 
feinen verſchiedenen Richtungen und Einrichtungen, mir jeinem 
Seifte und feiner Eigenthümlichkeit. Die Gemeinden bildeten 
die vermittelnden Glieder zwifchen den Individuen und tem 
Staat. Auf ten Gemeinden berubte das Staatsleben, fie 
waren tie Zräger befielben in den erflen Sahrhunterten ter 
Monarchie; denn der Staat war Damals weit mehr eine Menge 
für fi) lebender Gemeinden, die nur in ber Anerkennung bes 
Königs oder eines Gerichtöherrn ihre Gemeinfchaft empfanden, 
als eine Gejanmtheit, die dem Geſetz und tem Willen eines 
Einzigen unterthan war. Ein tieferes Eingehen in das Ges 
meinbewefen, in feine Entſtehung und Fortbildung, fin Be 
fen, feine inneren und duffern Bedingungen und Beziehungen 
iſt daher nicht etwa bloß wichtig, es iſt unabweislich. Aber 
Dieles Eingehen kann erfi hier feine Exelle finden, wo wir ten 
Zeitraum, in ten ber Uriprung und die Entwidelung des Ge 
meindeweſens fallt, zu überichauen im Etante find, und es 
Darf nicht langer verjchoben werden, damit nicht durch das 
Eindringen anderer fremder Elemente das Bild veruntreut, 
das Auffajien deſſelben in feiner Reinheit erſchwert werde. 


1) Die e zerſtreute Bevölkerung verbindet ſich zu 
Gemeinden. 


Das Land veroͤdet duch die Kriege mit den Mauren. Erite 
Epur:n der Urbarmachung und des Wiederanbanes. Zer: 
fireut liegende Grundſtuͤcke, Getreideſcheppen und Einzel⸗ 
wohnungen. Herdades, Aldens, Celleitos u. ſ. w. Die 
Coireleiros und der Pobrador des Koͤnigs. Entſtehung von 
Weilern und Dörfern an Fluͤſſen, fruchtbaren Stellen, an 
den Mauern dir Kloͤſter und Städte. Die Burgos. Die 
ummauerten Sleden und Städte. Die Landgemeinden wie 
die Stadtgemeinden fühlen das Beduͤrfniß gejchriebener Geſetze 
und feſter bürgerlicher Einrichtungen. 


Gemeindeweſen, in ben erften Jahrhunderten. 239 


Das urfprüngliche Portugal war. ein erobetted Land und 
vergrößerte fich, bis es feine jegigen Grenzen erhielt, nur Durch 
Krieg und Eroberungen. Diefer Umftand hat auf feinen Ent» 
widelungögang ſichtbar eingewirkt und. eigenthümliche Erfcheis 
nungen in ber Bevoͤlkerungsweiſe, in dem Volksleben, wie in 
den Staatdeinrichtungen der. erften Jahrhunderte hervorgerufen. 
Befonders einflußreich hat er fi auf ven erften Anbau des 
Landes, auf die Entflehung, Stelung und PVerfaffung ber 
Gemeinden bewiefen. Die. langwierigen und blutigen Kämpfe 
mit den Saracenen hatten aller Orten die traurigften Spuren 
binterlaffen. Biele Städte lagen in Truͤmmern, faſt ale Doͤr⸗ 
fer in Afche, unzählige Arbeiter und Landbauer hatte das feind⸗ 
liche Schwert oder Mangel und Elend hingerafft.. Die Felder 
waren verwüftet und veröbetz denn der gewöhnliche Zweck ber 
feindlichen Einfälle der Mauren wie der Chriſten war Fein ans 
derer, ald: die Saaten abzufchneiden und die Fluren zu ver: 
heeren. : Daher trat in vielen Gegenden von: Portugal nach 
ihrer Eroberung der Fall ein, daß Land und Leute gewiſſer⸗ 
maßen in den Urzufland zurüdgeworfen waren. und dieſe mit 
dem Urbarmachen und dem Anbau des Bodens von vorn ans 
fangen mufiten, . Wir wähnen und in Die Zeiten nach ber 
Schöpfung verfeßt, wenn wir, bie portugiefifchen Urkunden 
aus den erften Jahrhunderten des Reichs von dem jungfräus 
lichen Boden fprechen hören). Wir halten manche Rechtöbes 
ſtimmungen heutiger Naturrechtölehrer nicht mehr für imagindr, 
wenn wir von dem Recht des „tobten Feuerd'‘ (Fogo .morto) 
lefen, das den portugiefifchen Colonen, der den rohen oder 
längft verwilderten Boden umgerodet, das Darauf wuchernde 
Geſtraͤuch und Unkraut abgefchnitten: und verbrannt hatte, in 


1) Die Urkunden gebrauchen für das Urbarmadjen und ben Anbau 
des jungfraͤulichen Bodens den bezeichnenden Ausdruck eyviguar, 
deviginare (entjungfern).. . . mais .chantedes, e eyviguedes, 
e facades hi quanto bem puderdes — E se arromperdes em monte 
virgem des ende a quarta parte do pam e do vinho. Doc. de 
Arnoia. In einer andern Urkunde heifft ed: Frater meus, qui in illa 
habitat, de plantatura, quam ibi plantaverit, de terra etiam, quam 
deviginaverit, Vam partem redat ipsis Canonicis. Doc. de Grij6 
in Elucid,. T. I. p. 87% und Supplemento pag. 40. 


240 Erſter Zeitraum. 1 Bud. 9, Abſchu. 


ber Beſitzergreifung (ocempatio), bie er durch jene Bes 
zeichnung (specificatio) erflärte, fehlikte und Jedem verbot 
ihn von einem Befisthum zu vertreiben, dad Durch feinen Fleiß 
angebaut und einträglich gemacht. worden war ). Der fo vers 
wilderte Boden war in der Regel nicht befier ald der ganz 
rohe, noch nie von Menfchenhänden bearbeitete, und bem ver⸗ 
einzelten Zandbauer, der jeden fremden Beiſtand entbehrend 
bloß auf feine perfönliche Kraft beſchraͤnkt war, frommten 
auch wenig manche landwirthſchaftliche Kenntniſſe und Erfah: 
rungen, die aus früherer Beit ihm geblieben waren ober uͤber⸗ 
liefert worden, weil ihm in feiner kuͤmmerlichen Beſchraͤnkung 
die Mittel fie anzuwenden und zu benutzen fehlten. Mit. ber 
Nothdurft -ringend und nur darauf bedacht Dem Boden die 
erften und umentbehrlichften Lebensbebürfnifie für ſich und feine 
Familie abzugewinnen, muffte er lange Zeit in biefem engen 
Kreife fich bewegen. Wir finden daher den Aderbau, nachdem 
er nicht lange zuvor in jenen Gegenden unter ben Arabern fo 
herrlich geblüht hatte, hier wieder in der Kindheit und bie 
Bevölkerung auffer wenigen Städten und Flecken vereinzelt 
und zerflreut. oo. 

Diefe Vereinzelung und Zerftreuung ber Kräfte ließ ben 
Landbau lange nicht gedeihen; fein geringer Fortgang und Er⸗ 
folg hemmten das Wachsthum der Bevoͤlkerung und damit die 
Zortbildung der gefellfchaftlichen Ordnung. In einigen Provinzen 
Portugals waren die einzigen Anzeigen menfchlichen Dafeins und 
menschlicher Wirkfamkeit jene kleinen Ländereien, bie zwar jebess 
mal ein Ganzes für fich bildeten, aber felten zufammenhingen,; 
meift abgefonbert und zerflreut in einem größern oder Heinern 
Umkreis umberlagen, mit einem Haufe, das zundchft zur Aufbes 
wahrung der Früchte und zum Obdach für das Vieh beftimmt 
war und gemeiniglich zugleich eine ärmliche Wohnung für den 
Landbauer und deffen Familie umſchloß. Ein ſolches Gut 
nennen die Urkunden jener Zeit bald Herdade (wofuͤr auch 
Herbamento), bald Caſal, Coirela, Quinta, Predio ruflico, 
Villa, Granja, Celeito, Propriebade, Alden, Alquaris, und 
. 88 bietet fich auch hier Die oft bemerkte Erfcheinung dar, daß 


1) Elucidario, verbo Fogo morte, 


v 


Gemeindewefen, in den erften Jahrhunderten. 241 


ein Begriff oder ein Gegenfland, ber bei einem Volke fehr ges 
wöhnlich und ihm vor Allem werth und wichtig ift, mit einer 
Menge finnvermandter Ausbrüde bezeichnet wird. 

Aldea oder Aldeola, heutigen Tages ein Eleines Dorf, 
bezeichnete in den erften Jahrhunderten nichts weiter ald ein 
einzelnes Haus mit einigen Ländereien, und noch im Jahre 1450 
wird ein folches Alden genannt’). Daffelbe hieß Villa bis 
zum Ende ded zwölften Jahrhunderts. Erſt feit den Zeiten 
des Königs Affonfo MI. fing man an, einem größern Ort mit 
einem Gemeinderath und einem Richter, der in erfler Inftanz 
entfchied, diefen Namen zu geben. Herdade, was jebt ein 
großes, für fich abgeſchloſſenes Gut bedeutet, bezeichnete vom 
neunten bis funfzehnten Jahrhundert einen Fruchtfpeicher oder ein 
Landhaus mit einigen Ländereien, die nicht nothwendig in eis 
nem zufammenhängenden-Ganzen, fondern Öfter aus zerſtreut 
liegenden Grundſtuͤcken beftanden. Es kann daher nicht be 
fremden, wenn ein folches Gut zu verfchiedenen Zeiten feinen 
Namen wechfelt, ohne feine Natur oder auch nur feinen Um⸗ 
fang zu verändern. Die Herdade wird bald Granja, bald 
Gellartum genannt”). . 

Obgleich alle diefe Benennungen im Allgemeinen als 
gleichbedeutend in früherer Zeit gebraucht wurden, fo deutet doch 
jede einzelne auf einen eigenthümlichen Urfprung oder Cha⸗ 
rakter. So wurden z. B. Herdades urfprünglich nur folche 
Grundbefigungen genannt, die durch Erbfchaft und Nachfolge 
vom Water auf den Sohn oder durch legtwillige Verfügung 
erworben worden waren. Die Benennung Granja ober 
Grancha fol, befonders ſeitdem bie Giftercienfermönche' nach 
Portugal gekommen waren und folche Laͤndereien felbft bebau⸗ 
ten oder durch ihre Dienftleute bebauen lieſſen, gewöhnlich 
geworben fein, wiewohl fie fehon vorher in Portugal nicht uns 
befannt war. 

Nach diefen Bauernhöfen theilten die erften portugiefifchen 
Könige größere Landflriche ein, wobei man gewöhnlich das 
Wort Coirella oder Quairella für eine Meierei gebrauchte, 


1) Elucidario, verbo Aldea. 
2) ©. die urkundlichen Belege hierzu in Klucidario, 1. c. 
Schäfer Gefhichte Portugals I. 16 


242 Erſter Zeitraum. Bud. 9. Ara 


die hinreichende Ländereien zum Unterhalt eined Lanbbauers 
mit feiner Familie und den \unentbehrlichfien Dienfiboten ums 
faffte. Auf diefe Weiſe theilte der erfle Aftonfo, ald er bie 
Fruchtſchoppen und Grundflüde von Panoyas verpachtete, Die 
felben in acht Goirellas ein, von denen jede drei Quateiros 
Fruͤchte, jeden von verfchiedener Getreibeart, als Zins (Fore) 
liefern muſſte. König Sancho I. ließ in dem Foral, bad er 
im Sahre 1188 Folgofa gab, Die ganze Gemarkung in zehn 
Duairellas eintheilen. Um die eroberten wüflen und ums 
bebauten Landflriche in Coirellas oder Caſaes einzutheilen 
und unter die Anbauer zu vertheilen, damit fie von neuem 
befielt und bewohnt winden, ermannte unb beauftragte 
man unbefcholtene und zuverläffige Männer, die Eoireleiros 
oder Quaireleiros, die aus den „achtbaren Männern” der Ge 
meinde genommen wırden '). Won ihnen verfchieden war ber 
Pobrador d' EI Rei, ein Eöniglicher Beamter ,. der bie 
Beſtimmung hatte, über die Unterhaltung und Auöbefferung 
der feſten Pläge, wie über alles, was die Bevoͤlkerung be 
traf, befonders in ber Provinz Traz dos Montes, die vom 
Anfang des Reiches an ſchlecht angebaut und bevoͤlkert war, 
zu wachen. Obgleich fein Berufskreis auch über. das platte 
Land fich erfiredte, fo fcheint doch die Sorge für Die ums 
mauerten Drte und ihre Bevölkerung fein Hauptberuf geweſen 
zu fein. Daher tritt er, wiewol feiner fchon unter Sancho I. 
gedacht wird, vorzüglich unter den Affonfo IV. zunaͤchſt vor⸗ 
ausgehenden Rönigen in feiner ganzen Ihätigkeit und Wich⸗ 
tigkeit hervor. 

In diefen Zeiten, namentlich unter und durch Affonſo ILI. 
vervielfaͤltigten und vergroͤßerten ſich naͤmlich die Ortſchaften 
in Portugal zuſehends. Zur Bearbeitung des Feldes wie zur 
Sicherung des Eigenthums bedurfte man mehr und mehr des hel⸗ 
fenden und ſchuͤtzenden Armes Anderer, und ſo ruͤckten die Woh⸗ 
nungen der Landbauer einander naͤher. Ein Fluͤßchen, das die 
Umgegend erfriſchte, die Heerden traͤnkte und die Bebürfniffe 
des gemeinen Lebens bequem befriedigte, lockte mehrere An⸗ 


1) Santa Rosa de Viterbo nach Urkunden in Garda. Ela- 
did. T. I. pag. 290. 


Gemeindeweſen, in den erſten Jahrhunderten 243 


bauer herbei, ihre Wohnungen reihten fidh laͤngs bem Ufer 
bin und aus dem Nebeneinanderleben ward allmdlig ein ges 
meinfchaftliches, ein gemeinheitliches. So bildeten — um nur 
ein Beifpiel anzuführen — urfprünglich zehn Häufer am rech- 
ten Ufer des Douro die Gemeinde Barqueiros, welcher Sans 
cho U. einen oral gab (i. 3. 1223). Nicht die Landkarte al 
lein, die in ben Urkunden jener Zeit fo. häufige Anführung _ 
von Bächen und Zlüffen ald Grenzen der Ländereien deutet 

unleugbar auf dieſe Anziehungskraft des Waſſers. Hier und 
da hatte die Natur den Boden mit größerer Fruchtbarkeit ge 
fchwängert, dem menfchlichen Zleiffe winkte eine reichlichere 
Ernte, und ohne Neid fah der Kandbauer in feiner Nähe den 
Fremben fich anfiedeln. Die nahrhafte. mütterliche Erde konnte 
noch Mehrere fpeifen; fie blieben nicht aus, und der Boden 
brachte mehr hervor, weil man burch Arbeit ihn dazu auf 
foderte. Die Wohnungen erhoben ſich Dichter neben einander, 
fchloffen fich bald zu einem Weiler, der ſich allmälig zu einem 
Dorfe erweitert. So waren es auch bier, wie überall, Bäche 
und Flüffe, ein befferer Boden und eine günftige Lage, die 
zur Anftedelung einluben, die Bevölkerung foͤrderten und bie 
Landbewohner zu Pleinen oder größern Dorfgemeinden vereinig. 
ten. Endlich vervielfältigten fich. die Einzelmohnungen in bee - 
Nähe von größern Ortfchaften. Der leichte und Iohnende Abs 
faß des Überfluffes, den ein regſamer Fleiß, eine forgfältige 
- Wirthfchaftlichkeit neben Genuͤgſamkeit abwarf, führte zur Ans 
fiedelung an den Mauern eines Fleckens, eined Städtchens oder 
Kloſters, das nebenbei den Bedraͤngten in ver dufferften Ge 
fahr Schuß gewähren und zur Zufluchtöftätte- dienen Eonnte. 

. Auf diefe Weife entflanden ohne Zweifel die Burgos in 
den erften Sahrhunderten Portugals. Verſchieden von dem, 
was diefes Wort in andern Rändern, 5. B. in Deutfchland, 
“bedeutet, verfleht man unter Burgo, wie ed in den portugiefis 
ſchen Urkunden jener Zeiten vorfommt, eine Vorſtadt oder eis 
nen Eleinen Ort neben einer Stadt, neben. einem Flecken oder 
Klofter, von welchem der Burgo abhängig war, ob er gleich 
bisweilen befondere Gefege, nach denen er regiert wurde, be 
faß. Zum Beifpiel kann Guimaräed dienen. Don den Be 
wohnern des Burgo, denen der Graf Heinrich einen oral 

16* 


4 Erſter Zeitraum. ı Bud. 9. Abſcha. 


gab, waren die Einwohner der Billa Guimarães, bie er von 
neuem ummauern ließ, verfchieden, indem jene den Borort be- 
wohnten, der mit der Billa zwar verbumden war, aber auffer: 
halb ihrer Mauern lag. Der Bewohner des Burgo hieß 
Burgel, Burgez. Als die Giftercienfermönde von Frank: 
reich aus nach Portugal ſich verbreiteten, nannten fie die Ort⸗ 
ſchaften die neben ihren Klöftern und unter deren Schuß ent- 
landen, Burgos. Solche Orte find die Burgos Arouca, 
Lorvão, Salzedas und Zarouca. Dem lestern verwilligte 
Hapft Coͤleſtin IL, als er die Bullen feiner Vorgänger zu 
Gunften diefes Klofterd im Sahre 1193 beflätigte, von neuem: 
„daß in der Entfernung einer Legua von dem Klofter Fein 
Haus ober Adelsfig gebaut werben dürfe, der Anfloß erregen, 
die Ruhe und den Frieden der Mönche flören könne” ). Es 
war den Klöftern nicht übel zu nehmen, wenn fie mächtige 
Adelige von fi) und ihren Burgos, ihren Pflegekindern, ent: 
fernt zu halten fuchten. 

Nach einer ermuͤdenden Wanderung durch weite Land⸗ 
ſtrecken, in denen nur einzelne bebaute Grundſtuͤcke und aͤrm⸗ 
liche Haͤuſer, die erſten Anfaͤnge der wiederkehrenden Cultur, 
und Ruhepuncte gewährten, Haͤuſer, die zunaͤchſt und haupt⸗ 
ſaͤchlich zu Getreideſchoppen und Viehſtaͤllen beſtimmt, dem Men⸗ 
ſchen nur nebenbei zu einem Obdache dienten, das ſo ganz 
ſeinem kuͤmmerlichen Daſein entſprach, — nach einer ſolchen 
Wanderung ſtehen wir nun vor den Mauern geſchloſſener, be⸗ 
feſtigter Flecken und Staͤdte und hoffen hier uns bequemlich 
niederzulaſſen, um die mancherlei Fragen, die uns hierher ge⸗ 
fuͤhrt haben, beantwortet zu hoͤren. 

Schon ihr aͤuſſeres Ausſehen kuͤndet einen verſchiedenarti⸗ 
gen Urſprung und eine abweichende Beſtimmung an; es laͤſſt 
ſchon zum voraus auf Verſchiedenheit in ihren innern Verhält: 
niffen und in der Stellung ihrer Bewohner fchlieffen. Die ur: 
alten verwitterten Mauern einzelner Städte (Beja, Evora, 
Lisbon, Braga u. a.) und ihre Bauart find Zeugen, daß bier 
ſchon römifche Hände thätig waren und daß die Zerftörungen 
nachfolgender Völker von einer jüngern Zeit ausgebeffert wor: 


1) Elucidario, T. I. 216. 


Gemeindeweſen, in ben erften Jahrhunderten. 245 


den find. Wie aber die Grundlagen römifch find und in ber 
Folgezeit Sueven, Weftgothen, Saracenen und Portugiefen 
Steine herbeitrugen, um auszubefjern was fie zum Theil wol 
felbft zerftört Hatten, fo mögen von allen diefen Völkern Spu⸗ 
ven in jenen Städten zurlidgeblieben fein, Nachkommen, Über⸗ 
refte diefer Völker felbft, wie volksthuͤmliche Einrichtungen und 
Gebräuche derfelben. Die hervorragende Kathedrale eines an⸗ 
dern ummauerten Ortes oder das reiche Kioftergebäube das 
über die niedrigen Bürgerhäufer fich erhebt, laͤſſt vermuthen, 
daß hier Bedürfniffe und Ausflüffe Eirchlicher Stiftungen welt: 
liche Wohnungen um Kirche und Klofter gereiht haben, und 
daß die mehr Eirchliche Gemeinde auch in bürgerlicher Hinficht 
anders eingerichtet und geordnet fein werde. Die flarfe Bes 
feftigung eines dritten Ortes an der Grenze des Reichs oder der 
fühne Bau einer Bergfefte mit ihren Wällen und Thuͤrmen zeigt, 
daß die Nothwendigkeit des Schußed und der Vertheidigung 
gegen dAuffere Feinde fie gegründet, die fortdauernde Gefahr 
fie erweitert und bevölkert hat). Nur große Vortheile wer: 
den fo fchwere Pflichten belohnen Eönnen, und nur große - 
Vorrechte und Freiheiten werden den Bewohner, der unauf: 
hörlich da8 Schwert mit dem Pflug vertaufchen muß, an diefe 
ftet3 bedrohte Vorwache zu feffeln vermögen. 

So verfchiedenartig indeffen auch der Urfprung und bie 
Beftimmung diefer ummauerten Fleden und Städte fein moch- 
ten und fd vielfältig hiernach in der That, wie wir in der 
Folge fehen werden, die Verhältniffe, die Rechte und Pflichten 
ihrer Bevölkerung fich geftalteten, fo theilten fie doch alle ein 
und daffelbe Bebürfniß, die Nothwendigkeit einer geregelten 
bürgerlichen Ordnung im Schooße der Gemeinde. Einer jeden 
Gemeinde muffte alles daran liegen, durch eine feierlich aus⸗ 
geftellte Urkunde des Schußes ihres Gerichtäheren oder des 
Königs verfichert zu fein, das Verhältniß der Gemeinde zu 
demfelben, die Abgaben und Leiſtungen an benfelben feſtge⸗ 
ftelt, die Stellung der verfchiedenen Buͤrgerclaſſen unter ein: 
ander geordnet, die Rechtöftreitigkeiten nach beftimmten Normen 
entfchieden, vor Allem aber in diefer Zeit wilder Fehden und vos . 


1) Soure, Thomar, Sea u. a. 


256 . Erfter Zeitraum. 1, Bud), 8, Abſchn. 
von Rom geſchrieben, der Papſt habe erklaͤrt, daß er jene 


keufliſche Verfuͤgung aufheben werde“; da foberte der Legat, 


als der König bei feinem Vorſatze beharrte, die Anwefenden zu 
Zeugen auf, lad die Bulle feierlich vor und reifte darauf ab’). 
Den 16. Mai deflelben Jahres (1277) ftarb Papft So: 
hann XXL, und dieſer Zob Fam dem König nochmals zu 
ſtatten. 

Am Anfange des Jahres 1279 erkrankte aber Affonſo 
ſelbſt. Als er ſein herannahendes Ende fuͤhlte, ließ er einige 
Geiſtliche und Fidalgos des Hofes vor ſein Krankenbett rufen 
und verſprach in ihrer Anweſenheit, daß er Alles, was ihm 
vom Papſt geboten worden, nun ſchlechthin und unbe—⸗ 
dingt erfüllen ) und was in feiner Macht ſtehe, ſogleich 
vollziehen wolle; das Übrige werde fein Sohn vollſtrecken, der 
ed auch alöbald verfprach. Auf diefes Verfprechen fprach ben 
König fein Beichtvater Eſteväo, vordem Abt von Alcobaca, 
von dem Banne los (17. Jan.). Nicht lange darauf flarb 
Affonfo (16. Febr. 1279). Seine Leiche wurde von Liffe- 
bon nad Alcobasa gebracht und nach feinem Willen neben 
feinem Vater und feiner Mutter beigefeht. Ä 

\ 


1) Gaetano bo Amaral nach einer urkunde gm n erssfäsicnn 
Archiv in Braga. Mem. da Acad. Real, T. VI. p. 9 


2) Alfonsus Rex Portugalliae et Algarbii in mortis articulo con- 
stitutus dixit, quod jam dudum intentionis suae fuerat jurare et stare 
mandatis ecclesiag Romanae, sub conditione videlicet salvo jure regni 
sui et filiorum et vasallorum suorum; modo vero volebat jurare sim- 
pliciter et sine aliqua conditione. Aus einer noch vorhandes 
nen Urkunde im Archiv des Erzbisthums Liffabon abgedruckt in der Mon- 
arch. Lus, Part. IV. liv. 15. cap. 47. 


8) Rad) dem Livro dos obitos de S. Cruz, 


Gemeindeweſen, in ben erſten Jahrhunderten. 237° 


— 


Neunter Abſchnitt. 


Das Gemeindeweſen in den erſten Jahrhunderten 
des Staates. | 


Vorbemerkung. 


Hervorſtechenden Grundfaͤden in einem Gewebe gleich ziehen 
ſich durch die Geſchichte der erſten Jahrhunderte Portugals die 
Kämpfe der höheren Geiftlichkeit mit dem König und die Ent: 
flehung und Ausbildung der Gemeinden. Ohne in näherer 


Beziehung zu einander zu flehen, treten beide Gegenftände fo 


ſtark hervor und find jenem Zeitraum fo eigenthümlich, daß 
man denfelben den Zeitraum der Gemeindeentwides 
lung und des kirchlichen Kampfes nennen könnte, nur 


Daß jene gleich nad) der Entftehung des Staates anfängt und , 


mit der Regierung ded Königs Diniz allmdlig aufhört, dieſer 
Dagegen erft nad Affonfo Henriqued (nach der Triegerifchen 
Periode) beginnt, und fich bis in das erſte Drittel des funfs 
zehnten Sahrhunderts fortzieht. Deffen ungeachtet weiſt ihnen 
ihre befondere Natur und ihre Beziehung auf die politifche 
Gefchichte eine verfchiebene Stelle an. Der Kampf der Prä- 


Iaten mit dem König wirb veranlafft durch die früh ents 


widelte Macht oder Übermacht des Klerus, Deren Urfachen 
man willen muß; er wird geführt um Firchenflaatsrechts 
Viche Puncte, die zu kennen unerläfflich ift, um diefen Kampf 
zu begreifen. Die wiederholten Ausbrüche deſſelben find nur 
AÄufferungen und Stadien des Übels, die den denkenden Zus 
fhauer um fo begieriger machen, den Urfprung und lebten 
Grund diefer Krämpfe in dem Staatskoͤrper zu erfahren. Das 
her war es erfoderlih, dem Verlaufe der Krankheit die Anz 
lage und Urfachen derfelben vorauszufchiden. 

Anders verhält ed fich mit dem Gemeindewefen. Der 
Gegenftand ift an fich verftändlich und jedem König wird fein 
Berdienft, wenn die Gefchichte berichtet, wie viele und welche 


2 ⸗ 


2398 Eeſtet Zeitraum. L Bud. 9, Abſchu. 


Gemeinden er gegrlinbet ober durch Ortögefebe befefligt und 
geregelt ‚habe. Gleichwohl würde die Gefchichte ihren Beruf, 
den fie im Lichte der neuern Zeit hat kennen gelernt, vernach- 
läffigen, wollte fie es bei jenen Andeutungen bewenden laſſen. 


Aus dem Gemeindewefen bildete fich meift das Volfsleben mit 


ſeinen verfchiedenen Richtungen und Einrichtungen, mit feinem 
Geifte und feiner Eigenthümlichkeit. Die Gemeinden bildeten 
die vermittelnden Glieder zwifchen den Individuen und dem 
Staat. Auf den Gemeinden beruhte das Staatöleben, fie 
waren die Zräger deffelben in den erften Sahrhunderten der 
Monarchie; denn der Staat war damals weit mehr eine Menge 
für fich lebender Gemeinden, die nur in der Anerkennung des 
Königs ober eines Gerichtöheren ihre Gemeinfchaft .empfanden, 
als eine Gefammtheit, die dem Geſetz und dem Willen eines 
Einzigen unterthan war. Ein tieferes Eingehen in das Ges 
meindewefen, in feine Entftehung und Fortbildung, fein Wes 
Ten, feine.inneren und duffern Bedingungen. und Beziehungen 
iſt daher. nicht etwa bloß wichtig, es if unabweislich. Aber 
dieſes Eingehen kann erſt hier ſeine Stelle finden, wo wir den 
Zeitraum, in ben der Urſprung und die Entwidelung des Ge- 
meindeweſens faͤllt, zu überfchauen im Stande find, und es 
darf nicht laͤnger verfchoben werden, damit nicht durch das 
Eindringen anderer fremder Elemente das Bild veruntreut, 
Das Auffaſſen deſſelben in ſeiner Reinheit erſchwert werde. 


1) Die dzerſtreute Bevoͤlkerung verbindet ſich zu 
Gemeinden. 


Das Band veroͤdet durch die Kriege mit den Mauren. Erſte 
Spuren der Urbarmachung und des Wiederanbaues. Zer⸗ 
fireut liegende Grundſtuͤcke, Getreidefchoppen und Cinzels 
wohnungen. Herdades, Aldens, Gelleivos u. f. wm. Die 
Coireleiros und der Pobrador des Königs. Entſtehung von 
Weilern und Dörfern an Flüffen, fruchtbaren Stellen, an 
den Mauern der Klöfter und Städte. Die. Burgos. Die 
ummauerten Sleden und Städte. Die Landgemeinden wie 
die Stabtgemeinden fühlen das Beduͤrfniß gefchriebener Gefege 
und fefter bürgerlicher Einrichtungen. 


Gemeindeweſen, in ben erfien Jahrhunderten. 239 


Das urfprüngliche Portugal war ein erobertes Land und 
vergrößerte fich, bis es feine. jetzigen Grenzen erhielt, nur durch 
Krieg und Eroberungen. Diefer Umftand hat auf feinen Ent» 
widelungsgang fichtbar eingewirkt und, eigenthümliche Erſchei⸗ 
nungen in ber Benölferungsweife, in dem Volksleben, wie in 
den Staatdeinrichtungen der. erfien Jahrhunderte hervorgerufen. 
Befonders einflußreich hat. er fi auf ven erften Anbau des 
Landes, auf die Entflehung, Stellung und Verfaffung der 
Gemeinden. bewiefen. Die. langwierigen und blutigen Kämpfe 
mit den Saracenen hatten aller Orten die traurigften Spuren 
binterlaffen. Biele Städte lagen in Trümmern, faſt ale Doͤr⸗ 
fer in Aſche, unzählige Arbeiter und Landbauer hatte das feind- 
liche Schwert oder Mangel und. Elend hingerafft.. Die Felder 
waren verwüftet und verödetz denn der gewöhnliche Zweck der 
feindlichen Einfälle der Mauren wie der Chriſten war Fein ans 
derer, aldi die Saaten abzufchneiden und die Fluren zu vers 
heeren. Daher trat in vielen’ Gegenden von: Portugal nach 
ihrer Eroberung der Fall ein, daß Land und Leute gewiſſer⸗ 
maßen in den Urzuftand zurickgeworfen waren. und dieſe mit 
dem Urbarmachen und dem Anbau des Bodens von vorn ans 
fangen muſſten. Wire wähnen und in die Zeiten nach der 
Schöpfung verfegt, wenn wir, die portugiefifchen Urkunden 
aus den erften Jahrhunderten des Reichs von dem jungfräus 
lichen Boden fprechen hören). Wir halten manche Rechtsbe⸗ 
flimmungen heutiger Naturrechtölehrer nicht mehr für imagindr, 
wenn wir von dem Recht bed „todten Feuers‘ (Fogo morto) 
Iefen, das den portugtefifchen Colonen, der den "rohen ober 
Kängft verwilderten Boden umgerodet, dad darauf mwuchernde 
Geſtraͤuch und Unfraut abgefchnitten: und verbrannt hatte, in 


1) Die Urkunden gebrauchen für das Urbarmachen und den Anbau 
des jungfrdulihen Bodens den bezeichnenden Ausdruck eyviguar, 
deviginare (entjungfern) . . . mais chantedes, e eyviguedes, 
e facades hi quanto bem puderdes. — E se arromperdes em monte 
virgem des ende a quarta parte do pam e do vinho. Doc, de 
Arnoia. In einer andern Urkunde heifft es: Frater meus, qui in ille 
habitat, de plantatura, quam ibi plantaverit, de terra etiam, quam 
deviginaverit, Vam partem redat ipsis Canonicis. Doc, de Grii- 
in Elucid. T. I. p. 87% und Supplemento pag. 40... : - 


240 Erfter Beitraum. L. Bud. 9 Abſchn. 


ber Beſitzergreifung (oceupatio), die er durch jene Bes 
zeichnung (specificatio) erklärte, fchliste und Jedem verbot 
ihn von einem Befisthum zu: vertreiben, Das durch feinen Fleiß 
angebaut und einträglich gemacht: worben war ‘). Der fo vers 
wilderte Boden war in der Regel nicht befier als der ganz 
rohe, noch nie von Menfchenhänden bearbeitete, und dem ver 
einzelten Landbauer, der - jeden fremden Beilland entbehrend 
bloß auf feine perfönliche Kraft befchränft war, frommten 
auch wenig manche Iandwirthfchaftliche Kenntniffe und Erfah: 
rungen, die aus früherer Zeit ihm geblieben waren ober übers 
liefert worden, weil ihm. in feiner Tümmerlichen Beſchraͤnkung 
die Mittel fie anzuwenden und zu benutzen fehlten. Dit. der 
Nothdurft ringend und nur darauf bedacht bem ‚Boden die 
erften und unentbehrlichften Lebensbebürfniffe für fich und feine 
Familie abzugewinnen, muffte er lange Zeit in biefem engen 
Kreife fich bewegen. Wir finden daher den Aderbau, nachdem 
ee nicht lange zuvor in jenen Gegenden unter ben Arabern fo 
herrlich geblüht hatte, bier wieder in der Kindheit und bie 
Bevoͤlkerung auffer wenigen Städten und Flecken vereinzelt 
und zerftreut. oo. 

Diefe Vereinzelung und Zerſtreuung ber Kräfte ließ ben 
Landbau lange nicht gedeihen; fein geringer Forfgang und. Ers 
folg hemmten das Wachsthum ver Bevoͤlkerung und damit die 
Sortbildung der gefellfchaftlichen Ordnung. In einigen Provinzen 
Portugals waren die einzigen Anzeigen menfchlichen Dafeins und 
menfchlicher Wirkſamkeit jene kleinen Ländereien, Die zwar jedes⸗ 
mal ein Ganzes für ſich bildeten, aber felten zuſammenhingen, 
meift abgefondert und zerftreut in einem größern ober Heinern 
Umkreis umberlagen, mit einem Haufe, dad zundchft zur Aufbes 
wahrung der Früchte und zum Obdach für das Vieh beftimmt 
war und gemeiniglich zugleich eine drmliche Wohnung für ben 
Landbauer und deſſen Familie umſchloß. Ein ſolches Gut 
nennen die Urkunden jener Zeit bald Herdade (wofuͤr auch 
Herdamento), bald Caſal, Eoirella, Quinta, Predio ruftico, 
Vila, Granja, Celleiro, Propriedade, Alden, Alquaria, und 
. 8 bietet fich auch hier die oft bemerkte Erfcheinung dar, daß 


1) Elucidario, verbo Fogo morto. 


. 


Gemeindeweſen, in den erſten Jahrhunberten. 241 


ein Begriff oder ein Gegenſtand, der bei einem Volke ſehr ge⸗ 
woͤhnlich und ihm vor Allem werth und wichtig iſt, mit einer 
Menge ſinnverwandter Ausdruͤcke bezeichnet wird. 

Aldea oder Aldeola, heutigen Tages ein kleines Dorf, 
bezeichnete in den erften Jahrhunderten nichts weiter ald ein 
einzelnes Haus mit einigen Ländereien, und noch im Iahre 1450 
wird ein folches Aldea genannt). Daffelbe hieß Villa bis 
zum Ende des zwölften Jahrhunderts. Erſt feit den Zeiten 
des Königs Affonfo II. fing man an, einem größern Ort mit 
einem Gemeinderath und einem Richter, der in erfter Inftanz 
entfchied, diefen Namen zu geben. Herdade, was jest ein 
großes, für fich abgefchloffenes Gut bedeutet, bezeichnete vom 
neunten bis funfzehnten Sahrhundert einen Sruchtfpeicher oder ein 
Landhaus mit einigen Ländereien, die nicht nothwendig in eis 
nem zufammenhängenden-Ganzen, fondern oͤfter aus zerftreut 
liegenden Grundftüden beftanden. Es kann daher nicht bes 
fremden, wenn ein folches Gut zu verfchtebenen Zeiten feinen 
Namen wechfelt, ohne feine Natur oder auch nur feinen Um⸗ 
fang zu verändern. Die Herdade wird bald Granja, bald 
Gellarium genannt”). . 

Obgleich alle diefe Benennungen im Allgemeinen als 
gleichbedeutend in früherer Zeit gebraucht wurden, fo deutet doch 
jede einzelne auf einen eigenthiimlichen Urfprung oder Chas 
rakter. So wurden 3. B. Herdades urfprünglich nur folche 
Grundbefigungen genannt, die durch Erbſchaft und Nachfolge 
vom Water auf den Sohn oder durch lestwillige Verfügung 
ervorben worden waren. Die Benennung Granja oder 
Grancha foll, befonders feitdem die Giftercienfermönche nach 
Portugal gekommen waren und folche Ländereien felbft bebau⸗ 
ten oder durch ihre Dienftleute bebauen lieſſen, gewöhnlich 
geworden fein, wiewohl fie fehon vorher in Portugal nicht uns 
befannt war. 

Nach diefen Bauernhöfen theilten die erften portugiefifchen 
Könige größere Landflriche ein, wobei man gewöhnlich das 
Wort Coirella oder Qunirella für eine Meierei gebrauchte; 


1) Elucidario, verbo Aldea, 
2) ©. die urkundlichen Belege hierzu in Klucidario, I, © 
Schäfer Gefchichte Portugals I. 16 


242 Erſter Zeitraum. L Buch. 9. Abſchn. 


die hinreichende Ländereien zum Unterhalt eines Landbauers 
mit ſeiner Familie und den unentbehrlichſten Dienſtboten um⸗ 
faſſte. Auf dieſe Weiſe theilte der erſte Affonſo, als er die 
Fruchtſchoppen und Grundſtuͤcke von Panoyas verpachtete, die⸗ 
ſelben in acht Coirellas ein, von denen jede drei Quateiros 
Fruͤchte, jeden von verfchiedener Getreibeart, als Zins (Foro) 
liefern muſſte. König Sancho I. ließ in dem Foral, das er 
im Jahre 1188 Zolgofa gab, die ganze Gemarkung in zehn 
Quairellas eintheilen. Um die eroberten wuͤſten ımb uns 
bebauten Landflriche in Coirellas oder Caſaes einzutheilen 
und unter die Anbauer zu vertheilen,; damit fie von neuem 
beſtellt und bewohnt würden, ernannte und beauftragte 
man unbefcholtene und zuverläffige Männer, die Eoireleiros 
ober Quaireleiros, die aus den „achtbaren Männern” der Ges 
meinde genommen wurden ’), Bon ihnen verfchieden war ber | 
Pobrador d' EI Rei, ein Pöniglicher Beamter, Der bie 
Beftimmung hatte, über die Unterhaltung und Auöbefferung 
der feften Pläge, wie über alles, was die Bevoͤlkerung be 
traf, befonderd in der Provinz Traz dos Montes, die vom 
Anfang des Reiches an fchlecht angebaut und bevölkert war, 
zu wachen. Obgleich fein Berufskreis auch über. das platte 
Land fich erſtreckte, fo fcheint Doch die Sorge für bie um: 
mauerten Orte und ihre Bevölkerung fein Hauptberuf gewefen 
zu fein. Daher tritt er, wiewol feiner ſchon unter Sancho I. 
gedacht wird, vorzüglich unter den Affonfo IV. zundchft vor: 
: ausgehenden Königen in feiner ganzen Thaͤtigkeit und Wich⸗ 
tigkeit hervor. 

In dieſen Zeiten, namentlich unter und durch Affonſo III. 
vervielfältigten und vergrößerten ſich nämlich bie Srticaften 
in Portugal zufehende. Zur Bearbeitung des Feldes wie zur 
Sicherung des Eigenthums bedurfte man mehr und mehr des hels 
fenden und fihüßenden Armes Anderer, und fo rüdten die Woh⸗ 
nungen der Landbauer einander näher. Ein Flüßchen, das die 
Umgegend erfrifchte, Die Heerden traͤnkte und die Beduͤrfniſſe 
deö gemeinen Lebens bequem befriedigte, lockte mehrere Anz 


1) Santa Rosa de Viterbo nad Urkunden in Garda. Elu- 
cid. T. I. pag. 290. 


Gemeindeweſen, in beit erſten Jahrhunderten. 243 


bauer herbei, ihre Wohnungen reihten ſich laͤngs dem Ufer 
bin und aus dem Nebeneinanderleben warb allmdlig ein ges 
meinfchaftliches, ein gemeinheitliched. So bildeten — um nur 
ein Beifpiel anzuführen — urfprünglich zehn Häufer am rech⸗ 
ten Ufer des Douro die Gemeinde Barqueiros, welcher Sans 
cho U. einen Foral gab (i. 3. 1223). Nicht die Landkarte al- 
lein, die in den Urkunden jener Zeit fo. häufige Anführung 
von Bächen und Flüffen ald Grenzen der Ländereien deutet 

unleugbar auf diefe Anziehungsfraft des Waſſers. Hier und 
da hatte die Natur den Boden mit größerer Fruchtbarkeit ges 
feywängert, dem menfchlichen Fleiffe winkte eine reichlichere 
Ernte, und ohne Neid fah der Landbauer in feiner Nähe den 
Fremden fich anfiedeln. Die nahrhafte. mütterliche Erde konnte 
noch Mehrere fpeifen; fie blieben nicht aus, und der Boden 
brachte mehr hervor, weil man durch Arbeit ihn dazu auf: 
foderte. Die Wohnungen erhoben fich Dichter neben einander, 
fchloffen fi bald zu einem Weiler, der ſich allmdlig zu einem 
Dorfe erweiterte. So waren es auch bier, wie überall, Bäche 
und Zlüffe, ein befferer Boden und eine günftige Lage, die 
zur Anfiedelung einluden, Die Bevölkerung foͤrderten und bie 
Landbewohner zu Pleinen oder größern Dorfgemeinden vereinig. 
ten. Endlich vervielfältigten fich die Einzelmohnungen in dee 
Nähe von größern Ortfchaften. Der leichte und lohnende Abs 
ſatz des Überfluffes, den ein regſamer Fleiß, eine forgfältige 
. Wirthfchaftlichkeit neben Genuͤgſamkeit abwarf, führte zur Ans 
fiedelung an den Mauern eines Fleckens, eines Staͤdtchens oder 
Kloſters, das nebenbei den Bedraͤngten in der dufferfien Ge 
fahr Schuß gewähren und zur Zufluchtöftätte. dienen konnte. 

. Auf diefe Weife entflanden ohne Zweifel die Burgos in 
ben erften Sahrhunderten Portugals. Verſchieden von dem, 
was dieſes Wort in andern Ländern, 3. B. in Deutfchland, 
bedeutet, verfteht man unter Burgo, wie es in den portugiefis 
fehen Urkunden jener Zeiten vorkommt, eine Vorſtadt oder eis 
nen Eleinen Drt neben einer Stadt, neben einem Fleden ober 
Klofter, von welchem der Burgo abhängig war, ob ee 
bisweilen befondere Geſetze, nach denen er regiert wurd 
ſaß. Zum Beifpiel kann Guimaräes dienen. 
wohnern bed Burgo, denen der Graf Hein 


244 Erſter Zeitraum. L Bud. 9. Abſchn. 


gab, waren bie Einwohner der Villa Guimaräes, die er von 
neuem ummauern ließ, verfchieben, indem jene den Vorort be . 
wohnten, der mit der Villa zwar verbunden war, aber auffer- 
halb ihrer Mauern lag. Der Bewohner des Burgo hieß 
Burgel, Burgez. AS die Ciſtercienſermoͤnche von Frank: 
reich aus nach Portugal fich verbreiteten, nannten fie die Ort: 
ſchaften die neben ihren Klöftern und unter deren Schuß ent⸗ 
flanden, Burgos. Solche Orte find die Burgos Arouca, 
Lorvao, Salzedas und Zarouca. Dem lestern verwilligte 
Papſt Coͤleſtin IH, als er die Bullen’ feiner Vorgänger zu | 
Sunften diefes Klofterd im Jahre 1193 beftätigte, von neuem: 
„daß in der Entfernung einer Legua von dem Klofter Fein 
Haus ober Adelsſitz gebaut werden dürfe, der Anftoß erregen, 
die Ruhe und den Frieden der Mönche ftören Einne” ). Es 
war den Klöftern nicht übel zu nehmen, wenn fie mächtige 
Adelige von fich und ihren Burgos, ihren Pflegefindern, ent: 
fernt zu halten fuchten. 

' Nach einer ermuͤdenden Wanderung durch weite Land⸗ 
ſtrecken, in denen nur einzelne bebaute Grundſtuͤcke und aͤrm⸗ 
liche Haͤuſer, die erſten Anfaͤnge der wiederkehrenden Cultur, 
und Ruhepuncte gewährten, Haͤuſer, die zunaͤchſt und haupt: 
fachlich zu ©etreidefchoppen und Viehftällen beftimmt, dem Men 
ſchen nur nebenbei zu einem Obdache dienten, das fo ganz 
feinem fümmerlichen Dafein entfprah, — nach einer folchen 
MWanderung ftehen wir nun vor den Mauern gefchlofjener, bes 
feftigter Flecken und Städte und hoffen hier uns bequemlich 
nieberzulaffen, um die mancherlei Fragen, die und hierher ges 
führt haben, beantwortet zu hören. 

Schon ihr Aufferes Ausfehen kuͤndet einen verfchiedenarti- 
gen Urfprung und eine abweichende Beflimmung an; es laͤſſt 
fhon zum voraus auf Verfchiedenheit in ihren innern Verhält: 
niffen und in der Stellung ihrer Bewohner fchlieffen. Die ur: 
alten verwitterten Mauern einzelner Städte (Beja, Evora, 
Lisbon, Braga u. a.) und ihre Bauart find Zeugen, daß hier 
ſchon römifche Hände thätig waren und daß die Zerftörungen 
nachfolgender Völker von einer jüngern Zeit ausgebeffert wor: 


1) Elucidario, T. I. 216, 


Gemeindeweſen, in ben erften Jahrhunderten, 245 


den find. Wie aber die Grundlagen römifch find und in ber 
Folgezeit Sueven, Weftgothen, Saracenen und Portugiefen 
Steine herbeitrugen, um auszubeffern was fie zum Theil wol 
ſelbſt zerftört hatten, fo mögen von allen diefen Völkern Spu⸗ 
ren in jenen Städten zuruͤckgeblieben fein, Nachkommen, Übers 
vefte dieſer Wölker felbft, wie volksthuͤmliche Einrichtungen und 
Gebräuche derfelben. Die hervorragende Kathedrale eines ane 
dern ummauerten Ortes oder das reiche Kloftergebäude das 
über die niedrigen Bürgerhäufer fich erhebt, laͤſſt vermuthen, 
daß hier Bebürfniffe und Ausflüffe Firchlicher Stiftungen welt 
liche Wohnungen um Kirche und Kloſter gereiht haben, und 
daß die mehr Firchlihe Gemeinde auch in bürgerlicher Hinficht 
anders eingerichtet und geordnet fein werde. Die flarfe Bes 
feftigung eines dritten Ortes an ber Grenze des Reichs oder der 
fühne Bau einer Bergfefte mit ihren Wällen und Thürmen zeigt, 
daß die Nothwendigkeit des Schußed und ber Vertheidigung 
gegen duffere Zeinde fie gegründet, die fortdauernde Gefahr 
fie erweitert und bevölkert hat). Nur große Vortheile wer: 
ven fo fchwere Pflichten belohnen koͤnnen, und nur große - 
Vorrechte und Freiheiten werden den Bewohner, der unauf: 
hoͤrlich das Schwert mit dem Pflug vertaufchen muß, an diefe 
ſtets bedrohte Vorwache zu feffeln vermögen. 

So verfchiedenartig indeffen auch der Urfprung und die 
Beftimmung diefer ummauerten Flecken und Städte fein moch⸗ 
ten und fo vielfältig hiernach in der That, wie wir in ber 
Folge fehen werden, die Verhältniffe, die Rechte und Pflichten 
ihrer Bevölkerung fich geftalteten, fo theilten fie doch alle ein 
und daffelbe Bebürfniß, die Nothwendigkfeit einer geregelten 
bürgerlichen Ordnung im Schooße der Gemeinde. Einer jeden 
Gemeinde muffte alles daran Itegen, durch eine feierlich aus⸗ 
geftellte Urkunde des Schutzes ihres Gerichtäheren oder bed 
Königs verfichert zu fein, das Verhältnig der Gemeinde zu 
demfelben, die Abgaben und Keiftungen an denfelben feftge: 
ſtellt, die Stellung der verfchiedenen Bürgerclaffen unter 
ander georbnet, die Rechtöftreitigkeiten nach beftimmten Non 
entfchieden, vor Allem aber in diefer Zeit wilder Fehden m" 


1) Soure, Shomar, Sea u. a. 


246 Erfter Beitraum. L Bud. 9. Abſchn. 


ber Ausbrüche der Leidenfchaften die fo häufigen Verletzungen 
des Eigenthumd und des Lebens ihrer Mitbürger beftraft und 
gemindert und endlich die mancherlei Vorrechte und Freiheiten, 
bie fich die eine oder Die andere Gemeinde bei befondern An⸗ 
Läffen erworben hatte, urkundlich gewahrt zu fehen.  - 


2) Die Ortsrechte (Foraes). 


Mer fie ertheilte. Die weſtgothiſche Geſetzſammlung kommt 
mehr und mehr auſſer Gebrauch; Urſachen davon. Grund⸗ 
beſtandtheile und Entſtehungsweiſe dieſes Geſetzbuchs; ſein 
Zielpunct und ſeine Richtung. Verſchiedenheit der Foraes 
in dieſen Beziehungen. 


—Dieſes eben geſchilderte, fo allgemeine als dringende Be⸗ 
duͤrfniß der Gemeinden ſuchte nnd fand Abhuͤlfe im Laufe der 
Zeit. Vom Anfang des zwölften Iahrhunderts bis zum Ans 
fang des vierzehnten, von den legten Jahren des Grafen Hein⸗ 
rich bis zum Ende der Regierung des Koͤnigs Diniz, beſon⸗ 
ders unter Affonſo II, erlangten die meiſten Gemeinden Por: 
tugals Ortsrechte, Foraes, ſo daß dieſe eine hervorſtechende 
Eigenthuͤmlichkeit dieſes Zeitraums bilden und in demſelben 
die Bluͤthe des Gemeindeweſens ſich entfaltet. Nicht allein 
die Koͤnige, die Prinzen, eheliche und auſſereheliche, gaben den 
Ortſchaften Foraes; auch die Großen des Reichs, die Groß⸗ 
meiſter der Ritterorden und die Praͤlaten ertheilten deren in 
nicht geringer Anzahl den Gemeinden, die ihnen untergeben 
waren ). Die Ortörechte der letztern wurden gewöhnlich von 
dem König: fpäterhin beftätigt. Bisweilen gab dieſer gemein- 
Ichaftlich mit einem Drtöheren einen Foral?). Schien dem Kös 


1) Eine Menge Foraed, die von geiftlichen und weltlichen Großen 
einzelnen Ortfchaften vom Jahr 1102 bis zum Jahr 1347 ertheilt wor⸗ 
ben find, in chronologifcher Folge aufgezähtt f. in Memor. da Acad, 
Real, T. VII. p. 851. | 

2) In dem Boral, das der erfte Affonfo im Jahr 1183 den Eins 
wohnern von Caldas d’Aregos, wo Nuno Sanchez Gerichtsherr war ev⸗ 
theilte, heifft eg: Ego Rex Alfonsus .... placuit mihi... una cum 
Nuno Sanches, qui tenet de me Aregos, ut faceremus Cartam. 


Gemeindewelen, in den erften Jahrhunderten. 247 


nig ein Foral vorzüglich zwedmäßig, oder warb er von meh⸗ 
reren Seiten verlangt, fo erhielten biöweilen mehrere Drte, ja 
die meiften einer ganzen Provinz die in ähnlichen Verhältnifs 
fen fich befanden, einen und denfelben Foral. So erneuerte 
König Affonfo das Forum, das fihon Ferdinand der Große 
den Gemeinden Pesqueira, Penella, Paredes, Souto, Linha⸗ 
red, Anciaend gegeben hatte, und das den Anbau und Die 
Bevölkerung von ganz Eftremadura erzielen follte‘). Der 
Fuero von Avila in Gaflilien ging, nachdem er in Evora ein⸗ 
geführt und einheimifch geworben war, von diefer Stadt auf 
die meiften größern Ortfchaften in Alemtejo über, während der 
von ihm verfchiedene Fuero von Salamanca in vielen Orten 
und Gebieten der noͤrdlichen Provinzen von Portugal Ein⸗ 
gang fand ?). 

Die herrfchende Vorliebe für Ortsrechte und ihre uͤberaus 
ſchnelle Verbreitung durch das ganze Reich zeigen offenbar, 
daß der Geiſt des Zeitalters ſie verlangte und daß dieſer von 
den bisher geltenden Geſetzen und Rechten allmaͤlig ſinken ließ, 
was ihm nicht mehr zufagte. Als Portugal ſich ablöfte von 
Gaftilien, theilte e8 noch eine geraume Zeit. mit diefem Staate 
diefelben Gefeße. Die Sammlung der weftgothifchen Geſetze 
namentlich galt in Portugal wie in Caſtilien fortdauernd als 
allgemeines Geſetzbuch und wird in Schenfungsurkunden, Te⸗ 
ſtamenten, Verträgen und richterlichen Urtheilen aus den er 
ſten Zeiten des Staates häufig angeführt). Allmälig aber 


1)... Regis Ferdinandi, et Alfonsi Filii ejus, quos scimus .. 
Extrematuras amplificare, et eum bono foro fiducialiter populare. ©. 
den $oral in Memoria para a Historia das Confirmacöes Regias . . . 
collegidas pelos Discipulos da Aula de Diplomatica no Auno de 1816 
para 1816. Documento No. 35 p. 101. 

2) Joz& Anastasio de Figueiredo in Nova Historia da Militar 
Ordem de Malta em Portugal. Parte I. p. 444. 

3) In einem Kaufbrief vom 13. Febr. 1099 Heifft-es: Magnum 
est enim titulum donationis, et venditionis, et contramutationis actu 
largitatis que nemo potest.e neq. foris lex proicere, sed tenendum, 
et habendum sicut fuit ordinatum ... . in Lex Codice in Libro V. 
et titulo VII. etc. In einem Tauſchvertrag vom Jahr 1115: Sieut 
dicit in Lex Gotorum, ut valeat contramutatio sicut et hemptio ete. 
Roh im Jahr 1162 finden ſich die Worte im oral von Covas: 


2 Erfier Zeitraum. I Bud. 9. Abſchn. 


werden diefe Anführungen feltener bis fie zulegt gänzlich vers 
fchwinden. Die Koften, welche damals die Anfchaffung eine 
Abfchrift von diefer an Umfang nicht unbeträchtlichen Geſetz⸗ 
fammlung den Gemeinden verurfachen muffte, die Schwierig 
feit Richter und Beamte zu finden, welche vertraut genug mit 
diefer inhaltreichen Gefeßgebung und ihrer Sprache, deren 
Kenntniß immer feltner wurde, fich bewiefen — dies waren 
nur duffere Umflände, die jedoch immer unguͤnſtig auf den 
Gebrauch und das Fortgelten diefer Sammlung wirken konn⸗ 
ten. Allein das Geſetzbuch an fi, fein Geift, der eine große ' 
Monarchie zu ordnen und zu regeln beflimmt war, eignete 
fich wenig fir jene kleinen Gemeinden, die eben fo viele alleins 
fiehende bürgerliche Vereine bildeten. Unter ganz andern Um: 
fländen und Zeitverhältniffen war dieſes Gefegbuch entſtanden, 
für andere Zwecke abgefafft und erlaffen worden. Dem Gefeks 
geber der auffeimenden Gemeinden dagegen lag ed ob, ihre 
verfchiebene Entftehungsart, wie ihre jegige Lage, ihre mans 
nichfaltigen Beduͤrfniſſe und ihre Hülfsmittel zu befragen und 
zu Rathe zu ziehen, und dem was der alte Brauch und Die 
neugeftaltende Zeit geboten, willig die Feder zu leihen. Aus 
andern Elementen befland der Fuero juzgo, aus andern bilde« 
ten fich die Foraes. 

In den weftgothifchen Gefegen iſt der mächtige Einfluß 
der hohen Geiftlichkeit unverkennbar. Diefelben Kirchenvers 
fammlungen, die den König auf den Zhron erhoben, gaben 
dem Reich auch Gefebe, zwar zunaͤchſt nur kirchliche, Die aber 
bei der Allgewalt des fpanifchen Klerus den Staat, das bür- 
gerliche, felbft das häusliche Leben vielfach umfchlangen; oft 
aber auch rein politifche, die den Thron, die Ritterburg wie 


canit Gotorum, ut rem donatam, si presentibus tradita fuerit, nullo 
modo repetatur a donatore, sed per testes, et per scripturam convin- 
cit. Diefes Beifpiel. mag zugleich, wenn es beflen bedarf, zum Beleg 
dienen, baß auch die Foraes gefegliche Beſtimmungen des weftgothifchen 
Geſetzbuches in fih aufnahmen. Eine Menge urkundlicher Anführungen 
diefed ober findet fich zufammengeftellt im Eluc. T. IL. p. 67, in den 
Mem. da Acad. Real das Sciencias de Lisboa, T. VII. p. 357 et ss. 
in ber Nova Hist. da Militar Ordem de Malta em Portug. Parte I, 
p. 16. 


| Gemeindeiwefen, in ben erſten Sahrhunderten. 249 | 


die Bauerhütte gleich fehr berührten. Der Antheil, ‚ven die 
Großen vom Laienftande an diefen wie an jenen Geſetzen hats ' 
ten, war fehr gering, und die Zuflimmung des Volks war 
vielleicht nicht bedeutfamer ald jenes dreimalige Fiat! womit 
das frankfurter Volt noch in den lebten Zeiten ber deutfchen 
Kaifer die Wahl des Neich5oberhauptes beftätigte. Ans dieſen 
Gefegen der Conctlien befteht ein Theil der weftgothifchen Ges 
feßfammlung. Und die andern Geſetze derfelben — floffen fie 
nicht gleichfalls meift aus der Feder der Geiftlichen? Geiftliche 
waren bie Beichtväter, die Rathgeber, die Geheimfchreiber, die 
Staatöfecretaire der Könige Sahrhunderte lang. Es dauerte 
überall lange, bis die Ritter häufiger fich entfchloffen das ges 
ſchickt und glänzend geführte Schwert, den Ruhm des Zeital- 
terd, mit der oft undankbaren Feder zu vertaufchen und den 
Prälaten, der das Privilegium der Schreibfunft hatte und dem 
eö nach feiner und der Welt Meinung gebührte, von dem feſt⸗ 
behaupteten Poſten zu verdrängen. Diefe Zeit war noch weit 
entfernt. Gerade unter den weftgothifchen Königen genoß der 
fpanifche Klerus auch in Diefer Beziehung fein erſtes goldenes 
Zeitalter, das er nur verlängert, nicht verfchönert zu fehen 
wünfchen konnte. 

Darauf aber folgten fchlimme Zeiten. Mofcheen erhoben 
fi neben den Kathebralen oder diefe wurden: in jene verwans 
delt, die prächtigen Wohnungen der Prälaten ſanken in Truͤm⸗ 
mern, die Hirten flohen und Die Reichthümer die fie aufge: 
hauft hatten wurden eine Beute der. Sieger. Die Abteien, 
Bisthümer und Erzbisthümer lebten nur noch in der Erinnes 
rung der Menfchen '). Seitdem fich allmälig wieder ein chrift: 


1) Nunc igitur — heifft e8 im Concilium von Oviedo 1. 3. 811 — 
quicumgue in praefatis Sedibus (ndmlid) Braga, Dume, Zuy, Iria, 
Coimbra, Vifeu, Lamego u. f. w.) inventi fuerint Episcopi, ad Conci- 
lium vocentur, eisque, sicuti et nobis, in Asturiis mansiones singulae 
dentur, quibus quisque sua necessaria teneat, ne, dum ad Concilium 
tempore statuto venerit, victus supplementum ei deficiat. Asturiarum 
enim patria tanto temporum spatio est distenta, ut non solum viginti 
Episcopis in ea singulae mansiones possint attribui, verum etiam.. . 
triginta Praesulibus ad vitae subsidia valeant impendi singula loca 
. .. Infra quorum montium (Asturiarum) ambitum . . . possunt vi- 


248 Erſter Zeitraum. I. Bud. 9 Abſchn. 


werden dieſe Anfuͤhrungen ſeltener bis ſie zuletzt gaͤnzlich ver⸗ 
ſchwinden. Die Koſten, welche damals die Anſchaffung einer 
Abſchrift von dieſer an Umfang nicht unbetraͤchtlichen Geſetz⸗ 
ſammlung den Gemeinden verurſachen muſſte, die Schwierig⸗ 
keit Richter und Beamte zu finden, welche vertraut genug mit 
dieſer inhaltreichen Geſetzgebung und ihrer Sprache, deren 
Kenntniß immer ſeltner wurde, ſich bewieſen — dies waren 
nur aͤuſſere Umſtaͤnde, die jedoch immer unguͤnſtig auf den 
Gebrauch und das Fortgelten diefer Sammlung wirken konn⸗ 
ten. Allein dad Geſetzbuch an fich, fein Geift, der eine große ' 
Monarchie zu ordnen und zu regeln beflimmt war, eignete 
fich wenig fir jene kleinen Gemeinden, die eben fo viele alleins 
ftehende bürgerliche Vereine bildeten. Unter ganz andern Um: 
fländen und Zeitverhältniffen war dieſes Gefegbuch entftanden, 
für andere Zwecke abgefafft und erlaflen worden. Dem Geſetz⸗ 
geber der aufleimenden Gemeinden dagegen lag ed ob, ihre 
verfchiedene Entftehungsart, wie ihre jegige Lage, ihre man- 
nichfaltigen Beduͤrfniſſe und ihre Hülfsmittel zu befragen und 
zu Rathe zu ziehen, und dem was der alte Brauch und die 
neugeftaltende Zeit geboten, willig die Feder zu leihen. Aus 
andern Elementen befland der Fuero juzgo, aus andern bilde 
ten fich die Soraes. 

In den weftgothifchen Geſetzen ift der mächtige Einfluß 
ber hohen Geiftlichkeit unverkennbar. Diefelben Kirchenver: 
Tammlungen, die den König auf den Thron erhoben, gaben 
dem Reich auch Gefebe, zwar zundchft nur Firchliche, die aber 
bei der Allgewalt des fpanifchen Klerus den Staat, das buͤr⸗ 
gerliche, felbft das häusliche Leben vielfach umſchlangen; oft 
aber auch rein politifche, die den Thron, die Ritterburg wie 


canit Gotorum, ut rem donatam, si presentibus tradita fuerit, nullo 
modo repetatur a donatore, sed per testes, et per scripturam corivin- 
cit, Diefes Beifpiel mag zugleich, wenn es deſſen bedarf, zum Beleg 
“dienen, daß auch bie Foraes gefegliche Beftimmungen des weftgothifchen 
Geſetzbuches in fih aufnahmen. Eine Menge urfundlicher Anführungen 
dieſes oder findet fich zufammengeftellt im Eluc. T. IL. p. 67, in den 
Mem. da Acad. Real das Sciencias de Lisboa, T. VII. p. 357 et ss. 
in ber Nova Hist. da Militar Ordem de Malta em Portug. Parte I, 
p. 16. 


| Gemeindewefen, in ben erften Sahrhunberten. 249 | 


die Bauerhütte gleich fehr berührten. Der Antheil, ‚den bie 
Großen vom Laienflande an diefen wie an jenen Geſetzen hats 
ten, war fehr gering, und die Zuflimmung des Volks war 
vielleicht nicht bedeutfamer als jene& breimalige Fiat! womit 
das franffurter Volk noch in den lebten Zeiten der beutfchen 
Kaifer die Wahl des Reichsoberhauptes beftätigtee Aus diefen 
Gefegen der Concilien befteht ein Zheil der weftgothifchen Ges 
feßfammlung. Und die andern Gefehe derfelben — floffen fie 
nicht gleichfal3 meift aus der Feder der Geiftlichen? Geiftliche 
waren die Beichtväter, die Nathgeber, Die Geheimfchreiber, die 
Staatöfecretaire der Könige Iahrhunderte lang. Es dauerte 
überall lange, bis die Ritter häufiger fich entfchloffen das ge- 
ſchickt und glänzend geführte Schwert, den Ruhm des Zeitals 
ters, mit der oft undankbaren Feder zu vertaufchen und ben 
Prälaten, der das Privilegium der Schreibfunft hatte und dem 
es nach feiner und der Welt Meinung gebührte, von dem feſt⸗ 
behaupteten Poften zu verdrängen. Diefe Zeit war noch weit 
entfernt. Gerade unter den weftgothifchen Königen genoß der 
fpanifche Klerus auch in diefer Beziehung fein erfted goldenes 
Zeitalter, das er nur verlängert, nicht verfchönert zu fehen 
wünfchen Fonnte. 

Darauf aber folgten fchlimme Zeiten. Mofcheen erhoben 
ſich neben den Kathedralen oder diefe wurden: in jene verwans 
delt, die prächtigen Wohnungen der Prälaten ſanken in Truͤm⸗ 
‚mern, die Hirten flohen und die Neichthümer die fie aufge 
häuft hatten wurden eine Beute der. Sieger. Die Abteien, 
Bisthümer und Erzbiöthümer lebten nur noch in der Erinnes 
rung der Menfchen '). Seitdem ſich allmälig wieder ein chrift: 


1) Nune igitur — heifft e8 im Concilium von Oviedo i. 3. 811 — 
quicumque in praefatis Sedibus (nämlich Braga, Dume, Tuy, Iria, 
Coimbra, Vifeu, Lamego u. f. mw.) inventi fuerint Episcopi, ad Conci- 
lium vocentur, eisque, sicuti et nobis, in Asturiis mansiones singulae 
dentur, quibus quisque sua necessaria teneat, ne, dum ad Concilium 
tempore statuto venerit, victus supplementum ei deficiat. Asturiarım 
enim patria tanto temporum spatio est distenta, ut non solum viginti 
Episcopis in ea singulae mansiones possint attribui, verum etiam. . 
triginta Praesulibus ad vitae subsidia valeant impendi singula loca 
. .. Infra quorum montium (Asturiarum) ambitum . . . possunt vi- 


250 Erfler Zeitraum. L Bud. 9. Abſchn. 


licher Koͤnigshof bildete, zum Theil uͤber Länder, die erſt noch 
erobert werden ſollten, ſah man an demſelben Biſchoͤfe in par- 
tibus inſideliam in Menge. Oviedo ward „die Stadt der 
Biſchoͤfe“ genannt. Dee Nimbus ihrer frühern Macht war 
geblieben „ die Macht felbft aber verfchwunden , da ihr Nerv, 
Länderbefiß, abgefchnitten war. Der fpanifche Klerus muſſte, 
al8 den Ungläubigen die Länder “und Städte nach und nach 
wieder entriffen wurden, gerade wieder von vorn anfangen; 
er muſſte fich befchenten laſſen. Gluͤcklich genug fand er die 
Herzen und Hände der gläubigen Könige und Ritter offen 
und erhielt bald reichlich, was ihm abging, und was ihm Die 
fonft armen Eroberer auch allein ſchenken Eonnten. 

Aber was nuͤtzten der Geifllichkeit die weiten Landſtrecen, 
die unter dem eiſernen Tritte des Krieges verwuͤſtet worden 
und die der Saracene nach einem Kampfe auf Leben und Ted 
allein zurücgelafien hatte? Die größern Gemeinden waren 
verarmt und auf dem platten Rande erhob fich in weiter Bde, 
wie wir geſehen haben, nur hier und da eine ärmliche Hütte 
von emem Landbauer bewohnt, deſſen Eleiner Ader nur noth: 
duͤrftig ihn und feine Familie nährte, für einen. Dritten aber 
nicht8 abwarf. ‘ Hände, viele und fleiffige Hände waren nöthig 
um den verwilderten Boden wieder anzubauen, die Schäße zu 
graben und den Überfluß zu fchaffen, auf den die Prälaten im 
Drud der Gegenwart und in der Erinnerung an bie vers 
fhwundenen goldenen Zeiten, einzig ihre Hoffnung auf eine 
beſſere Zukunft bauen konnten. Einzufehen, daß man für jetzt 
allen weitern Planen und Anfprüchen entfagen müffe, um nur 
auf jenes Eine dad Noth that dad Auge zu heften, dazu ge: 
hörte nicht einmal fo viel Politif, als der Klerus jederzeit be: 
wiefen hat. Die vereinzelten zerftreuten Landbauer mufiten in 
Gemeinden zufammengezogen werden, damit fie durch gegen: 
feitige Unterflüßung und eine weife Vertheilung der Arbeit mit 
befierm Erfolg thätig fein Eonnten. Man mufite dad Loos 
derfelben verbeffern, ihnen eine Reihe von Vorrechten und Frei⸗ 
beiten bewilligen, die ihnen das Zufammenleben und gemein- 


ginti Episcopi mansiones singulas obtinere, suisque Sedibus extra 
_honeste providere. 


| Gemeindeweſen, in ben erfien Jahrhunderten. 251 


fame Wirken wünfchenswerth und feine Vortheile einleuchtend 
machten; man muffte ihnen Schuß gewähren, der ihren Er- 
werb und den freien Genuß der Früchte ihres Fleiſſes ficherte 
und fie zu neuer Thätigkeit ermuthihte und anfpornte. So war 
die Lage der Dinge, ald die erften Drtögefege den entflchenden 
Gemeinden gegeben wurden, und man fieht leicht ein, daß ber 


Einfluß, den die höhere Geiftlichkeit auf dieſe Foraes ausüben . 


Eonnte, fehr gering war und die Macht des Bebürfniffes und 
felbft die Klugheit dem Prälaten nur eine wohlthätige Ein⸗ 
wirfung erlaubte oder gebot. 

Die Veranlaffung und der Zweck der Foraes, die Zeiten 
und Urheber ihrer Abfaffung begründeten zwifchen den Orts⸗ 


rechten und den weftgothifchen Geſetzen einen wefentlichen Uns“ 


terfchied und gaben jenen einen eigenthümlichen Charakter. 
- Einheit der Kirche war das Prindp, von welchem die Ges 
feßgebung der Concilien ausging und auf welche fie Alles zus 
ruͤckfuͤhrte. Eine Idee die dem Klerus mehr oder weniger 
Far vorfchwebte war fein Ziel und feine Richtſchnur in den 
Kirchengefegen, denen fich die Menfchen und die Verhältniffe 
fügen follten und muſſten. Die Ereigniffe und Erfahrungen 


des Lebens gaben gewöhnlich nur den Anlaß zur Berathung; 


die Motive und Zielpuncte der Geſetze lagen in einer andern 
Region. Bei aller Mannichfaltigkeit der individuellen Anfich 
ten und Wuͤnſche welche die Geiftlichen unter einander trennen 
mochten, vereinigten fie fi) doch der Welt und den Laien ges 
geniüber in dem einen Pund. Eine gewifje Einheit waltete 
auch in demjenigen Theile der weitgothifchen Gefeßgebung, der 
nicht von den Kirchenverfammlimgen audgefloffen war und Die 
Hierarchie wenig oder nicht berührt. Wie die Kirche, fo 
firebte auch die Monarchie nach Einheit. So abhängig auch 
ber König von der Geiftlichkeit war und fo fehr deren Beſtre⸗ 
bungen zum Theil dem monarchiſchen Princip widerftreiten 
mochten, fo galt doch der König für den Mittelpunct der Ges 
walten und der Gefeßgebung, und dem Volke wie den weltlichen 
Großen gegenuͤber befreundete fich oft das Eirchliche Princip mit 
dem monarchifchen. Immer aber ging die Geſetzgebung ber 
weftgothifchen Monarchie und der wefigothifchen Kirche, fie 
mochten nun einzeln oder vereinigt auftreten, mehr oder wenis 


—3 


.%2 Erſter Beitraum. 1 Bud, 9. Abſchn. 


ger von einer Theorie aus, welcher fie die Anfoderun⸗ 
gen und Berhältniffe des bürgerlichen Lebend zu unter 
werfen bemüht war. Dem SIndividuellen und Praftifchen 
wurde feltener fein Recht. Drang auch die Gewalt der 
Umftände und des Beduͤrfniſſes dem Gefeßgeber eine erfah- 
rungsgemaͤße Anfiht auf, das daraus ‚hervorgehende Geſetz 
büßte im Gefüge des Syſtems leicht feine Natürlichkeit und 
Tauglichkeit ein. 
Nicht fo bei den Ortsgeſetzen. Die Gefeggebung fand 
den Stoff dazu vor; fie ſchuf ihn nicht, fie ordnete ihn nur 
und fprach die Anfoderungen bie in ihm lagen aus. Über—⸗ 
bie war das Firchliche Element den Foraes fremd. Sie wur: 
den nur für Laien gegeben und gingen faft nur von Laien 
aus. In dem feltenen Fall, wo ein Bifchof einer ihm unter: 
gebenen Gemeinde ein Ortörecht ertheilte, war er biefer nur 
der Gerichtöherr, nichtd mehr und nichtd weniger als was ber 


“weltliche Gerichtöhere andern Orten war '). Der Zweck und 


die Beflimmung der Foraed lag zu nah und zu offen vor 
Augen, ald daß ein geifllicher ober weltlicher Gerichtö= oder 
Landes⸗Herr unbemerkt feine weithin zielenden Plane in die 
Foraes verflechten, die Saat des Eigennußed der reifenden 
Zukunft anvertrauen fonnte, wenn man auch eine tiefe Ab⸗ 
fichtlichkeit vorausfegen wollte, die dem Zeitalter fremd war. 
Überdies bedurfte es nicht einmal gelehrter Kenntniffe und der 
geubten Feder der Geiftlichen zur Abfaffung diefer Gefebe. 
Mancher Brauch, manches Herkommen war hier oder dort, 
oder überall durch Wiederholung fo unmandelbar heilig ge: 
worden, fo genau ausgefprochen, dem Richter und der Partei 
fo gegenwärtig, daß fie durch die Aufzeichnung dem Gedächt: 
niſſe der Zeitgenofjen nicht fefler eingeprägt wurden, als es fo 
viele ungefchriebene Gewohnbheitsrechte blieben, auf welche fich 
die frühern und fpätern Foraes beziehen und berufen, und de⸗ 
ven Aufzeichnung für die Mitwelt eben fo überflüffig war, als 


1) Das Ortsrecht, das der Bifchof und das Gapitel von Evora bem 
Orte Alcasovas, der jenem gehörte, im Jahre 1229 gab, war Fein ande: 
res als ber befannte Koral von Evora. Monarch. Lus. Tom. V. App. 
Escrit. 7. 


Gemeindewefen, in ben erſten Jahrhunderten. 253 


fie für uns wuͤnſchenswerth geweſen wäre. Manche Beſtim⸗ 
mungen der Ortörechte Eonnten mit denfelben Worten nieder: 
gefchrieben werden, mit denen fie fhon lange vorher von 
Mund zu Mund gegangen waren. Der einfache Schreiber 
war bier der befte, und daß man Feine ausgezeichnete Styliften 
Dazu ausfuchte, weiß Jeder, der mit der Sprache der Foraes 
eine Zeit lang gerungen und fich abgemühet hat. 

Diefe Gefege und andere aus früherer Zeit, die. bis Das 
hin ungefchrieben waren und bei der Aufzeichnung wohl eine 
fchärfere Beftimmtheit heifchten, hatten fich aus oͤrtlichen und 
zeitlichen, oft fehr individuellen Bebürfniffen und Verhältniffen 
bervorgebildet und auf der fproffenreichen Leiter der Gewohn⸗ 
heit aus wiederholten Gebräuchen bet Nechtdentfcheidungen zu 
feften Gerichtönormen, aus vorübergehenden und zufälligen An- 
muthungen und Foderungen zu dauernden Rechten, aus frei= 
willigen Leiftungen zu Zwangsobliegenheiten erhoben und ver 
härtet. Die Beflimmungen in den Foraed, die, dem Geſetz⸗ 
buch der Weftgothen entlehnt, die Herrfchaft dieſes Volkes 
iıberlebt hatten, waren im Laufe der Zeit in die öffentliche 
Stimme fo völlig übergegangen, mit dem bürgerlichen Leben 
fo verfchmolzen, daß fie aus bemfelben eher von felbft hervor: 
gegangen als von auffen geboten zu fein fchienen. Aber auch 
die neuen Gefege der Zoraed die nicht in entfernter Vergan⸗ 
genheit wurzelten, entfeimten dem Leben und der Erfahrung 
und waren dad Ergebniß des bürgerlichen Zufammenlebens 
und der Volksthuͤmlichkeit, wie diefe durch Ort und Zeit be 
dingt fich gefaltet hatten. Selbft die Freiheiten und Vorrechte,: 
die wir als Ausflüffe der Eöniglichen oder grundherrlichen 
Gnade anfehen müffen, hatten in den beflehenden Verhältnif: 
fen ihre Beweggründe und waren Gefchenfe, welche ein Blick 
auf die Beduͤrfniſſe und Anfoderungen der Zeit dem Landes: 
und GerichtösHern dringend empfahl. 

So find alle Gefebe der Foraes das treue Abbild der An⸗ 
fihten, Sitten und Gebräuche des Volkes, fie find Kinder der 
Zeit, die fich und ihr Jahrhundert, wenn gleich durch Sprache 
und Denfart und oft faft unverftändlich, doch immer treuhers .. 
zig und unverfälfcht ausfprechen. Sie find darum vorzüglich 
geeignet uns mit dem Entwidelungsgang und der Bildunaaæ- 


24 Erſter Beitraum. 1 Bud. 9, Abſchn. 


flufe der Portugiefen jener Iahrhunderte befannt zu machen, 
und von keiner andern Seite ift ed und vergönnt fo in das 
Innere der gefellichaftlichen Ordnung und des bürgerlichen Les 
bens jener Zeit einzubringen, wie durch diefe Ortsgeſetze. Sie 
zeigen und die Stellung der Gemeinden überhaupt, 
‚wie' die Verhältniffe ihrer verfchiedenen Bürgerclaffen 
zu einander, deren Rechte und Pflichten. Sie führen 
und unter die Streiterfchaaren des Aufgebots, an die Zoll 
ftätte, in die Gerichtsftubes fie halten uns in den herr= 
fhenden Verbrechen und üblichen Strafen, womit fie ung 
befannt machen, einen treuen Spiegel der damaligen Volks⸗ 
thuͤmlichkeit der Portugiefen vor. 


3) Xuffere Berfaffung der Gemeinden. 


Ihre Stellung gegen ben König ober Gerichtöheren. Claſſen ber 
Ortsbuͤrger und Semeindeangehörige. Peoes. Cavalleiros 
— Fidalgos und Villaos. Rechte derſelben. Infançoens. 
Viſinhos. 


Nach den Begriffen jener Zeit gehoͤrte das Land dem 
- König, eigenthuͤmlich; er hatte es erobert. Darum durfte er 
es auch verfchenfen, und wir feben, wie er den Gemein 
den ganze Gemarkungen zum ewigen Beſitz ertheilt). Auch) 
die Waldungen, die Quellen und Flüffe in der Gemarkung 
gehörten gewöhnlich der Gemeinde). Daß der König gleich- 
wohl den Hoheitsrechten über diefe Gemeinden und Gemein- 
bebefigungen nicht entfagte, zeigen und die Foraes, die von 
Prälaten oder Ordensmeiftern ihren Ortfchaften gegeben wur: 
den, und andere Urkunden, in denen fich der König die koͤnig⸗ 
lichen Rechte ausdruͤcklich vorbehält ). Diefe Rechte die gewiſ⸗ 


1) Damus Civitati Bragantie et populatoribus ejus totam Bra- 
gantiam, et Lampazas, cum suis terminis, ad possidendum in perpe- 
taum. Foral von Braganza in ber Memoria para a Hist. 
das Confirmacöes Regias p. 106. - 

2) Montes, fontes et flumina sint Concilii. oral von Penamocor. 

8)... ut populetis illam (civitatem Egitaniensem) cum populo 
et Clero: salvo mihi et successoribus meis jure Regali, fagt König 


Gemeindeweſen, in ben erſten Jahrhunderten. 255 


fermaßen ungertrennlih von der Krone waren, wurden ges 
wöhnlich bei den koͤniglichen Schentungen und Veraͤuſſerungen 
von Grundbeſi itzungen und Ortſchaften ſtillſchweigend ausge⸗ 
nommen und in der Regel gar nicht oder nur im Allgemeinen 
erwähnt ). In einer Urkunde Affonſo's III. vom Jahre 1259 
werben jedoch folgende namentlich aufgeführt: Annadaa, Col- 
lecta, Moeda, Hoste, Appellido, Fossado, Justica, Servieo, 
Adjuda ?), 

Die koͤniglichen Rechte zu wahren, den Zuzug zum Kriegäheer 
vorzubereiten, das Aufgebot zur Vertheidigung des Wohnorts 
anzuführen, die Abgaben und Strafen für die Krone zu er 
heben, war in jeber Gemeinde ein koͤniglicher Beamter ans 
geftelt. Er hatte feinen Sig in einem Föniglichen Gebäube 
des Ortes (in der heutiger Caſa da Camara), das faſt in al- 
len Foraes erwähnt wird, im Palacio, der durch die koͤnig⸗ 
lichen Infignien, Die daran prangten, gewiffermaßen als koͤnig⸗ 
licher Pallaſt bezeichnet war, in den die koͤniglichen Gefaͤlle 
und Auflagen floſſen und aus dem die koͤniglichen Verfuͤgun⸗ 
gen und Gnadenbezeigungen verkuͤndigt wurden. In biſchoͤf⸗ 
lichen oder gerichtsherrlichen Orten ſtand neben dem koͤnigli⸗ 
chen Palacio noch der biſchoͤfliche oder gerichtsherrliche mit 
gleicher Beſtimmung fuͤr den Beamten des Biſchofs oder Ge⸗ 
richtsherrn. Die Palacios waren den Geſetzen der Foraes nicht 


Sancho II. dem zum Biſchof von eiffabon erwaͤhiten Vincenz, da er ihm 
den Auftrag gibt Idanha zu bevoͤlkern. 


1) In der Schenkung, welche Sancho II., den Tempelrittern im J. 
1244 mit den Töniglichen Rechten in Salvaterra und Idanha macht, 
nimmt er ausbrüdtich folgende aus: quod recipiant monetam meam: et 
quod dent inde mihi Collectas: et quod eant in exercitum meum et 
in meam anuduvam: et alia jura, secundum quod habeo, et illa ha- 
bere debeo in aliis Castellis, et Villis, quae praedictus Ordo Templi 
in Regno meo habet. 


2) Monarch. Lus. liv. XV, cap. 24. Diefe Ausdrüde werben 
weiter unten erflärt werden. In Anfehung der Rechtspflege (Just 
waren bereits unter Affonfo III. Veränderungen eingetreten, bie bi 
König geftatteten die Justica in den Kreis der Töniglichen edhte 
ziehen. 


236 Erxſter Zeitraum. L Bud. 9. Abſchn. 


unterworfen '): Dem Palacio gegenüber ſtand dad Gemeinde 
haus, Concilium, der Mittelpunct der Gemeindeverwaltung 
und der Si ber Rechtöpfleg. Der Ort, wo die Verſamm⸗ 
ungen der Gemeinde, wenigftens im fpdtern Mittelalter ge 
halten wurden, hieß Soral”). Die Beamten des Palacio er- 
nannte der König, die der Gemeinde (ded Conciliums) wählte 
diefe aus ihrem Schooße, felbft den Ortsrichter. 

Den Kern der Gemeinde bildeten die Aderbauer, die Ge 
werbtreibenden und die Handelsleute. Sie alle wurden Tri- 
butarii genannt, weil fie die Steuerpflichtigen der Gemeinde 
waren; am gemwöhnlichiten aber Pedites Peoes) in Folge ih⸗ 
ter Kriegöpflicht, der fie aus Mangel an Mitteln nur zu Fuß 
genügen fonnten. Wer eine Alden, ein Gefpann Ochfen, vier 
zig Schafe, einen Efel und zwei Betten befaß, muflte ein 
Yferd anfchaffen und unterhalten ’). Der Tributarius, fobafd 
er fein eigned Pferd zum Kriegsdienſt befteigen Fonnte, flieg 
fomit eine anfehnliche Stufe höher in der bürgerlichen Gefell- 
fchaft; denn beritten 34 fein, war, wie es fcheint, hinreichend 
. um Miles zu. werden. Konnte der Gemeinddmann aber Mi- 
les fein, fo befaß er neben den Pflichten auch alle Vorrechte 
und Vortheile des Miles*) Die Eintheilung der Ortsbuͤr⸗ 
ger in Pedites und Milites. war die durchgreifendfte, und in= 
dem dieſe Eintheilung die gefammte Bürgerfchaft erfchöpfte, 
zeigte fie zugleich, wie vorwaltend die Ruͤckſicht auf den Kriegs: 
dienſt und die Ortövertheidigung war. Der Bürger wurde 
mehr als Krieger denn ald Bürger angefehen, und galt in der 
Gemeinde urfprünglich nur fo viel ald er im Felde Leiftete. 

Die Cavalleiros, wie man bie Milites in der Volks⸗ 
ſprache nannte, fchieden ſich wieder in Gavalleiros oder 
Efeudeiros Fidalgos, die gemeiniglich ſchlechthin und ohne 


1) Venarii, et barrarii domus de Penamocor habeant unum fo- 
rum, exceptis domibus Regis et Episcopi. oral von Penamocor. 
2) No Carvalho de sete pedras, foral onde se fazem as Audien- 
cias do Julgado de Penafiell. Doc. de Bostelio de 1431, 1451 e 1481. 
3) Foraes von Penamocor, Montes mor, Graväo. 
4) Et tributarius si potuerit esse habeat morem militum. Foraes 
von Coimbra und Thomar. In der Überfegung bes letztern heifft es: 
E se o Peom poder seer Cavalejro, aia foro de Cavaleiro. 


Gemeindeweſen, in ben erften Jahrhunderten. 257 


nähere Bezeichnung Miltted genannt wurden, und in Gavals 
leiros oder Eſcudeiros Billaos (Caballarii oder Milites Bis 
lani, Nichtabelige).. Die erften konnten als Fidalgos de Lin⸗ 
hagem nach den alten Geſetzen fuͤnfhundert Solidi Wehrgeld 
anſprechen,“ und durften ihre Solares (Grundbeſitzungen) in 
Honras (Freiguͤter) verwandeln (honrar)). Die letzten wa= 
ren ohne Adel einfache Landbauer; ſie erhielten ein geringeres 
Wehrgeld und entbehrten jenes Vorrecht der Fidalgos in An⸗ 
ſehung der Solares.. Da ſte aber ſoviel Vermoͤgen beſaßen, 
daß ſie ein Pferd halten konnten, ſo genoſſen ſie aus dieſem 
Grunde keine geringe Vorrechte und Befreiungen. Der Ca⸗ 
valleiro Peom oder Villao iſt wie der Fidalgo von der Auf: 
lage der Jugada befreit. Kauft er von dem Peom (oder Tri⸗ 
butarius) einen Weinberg, fo wird diefer abgabenfrei; ebenfo 
wird e8 alle Habe der. Frau, die er. aus dent Stande der 
Steuerpflichtigen heirathet. Vor Gericht theilt er die Rechte 
bes Fidalgo’8 oder Infançoms eined- fremden Gebiets *), und 
hat bei der. Eidesleiftung zwei Eideöhelfer‘ (vor .dem Peom) 
voraus’). Kein Sayam (Gerichtsdiener) darf .an dad ‚Haus 
des Gavalleiro ein gerichtlidjes Ladungszeichen machen... Hat er 
etwas Geſetzwidriges gethan ;: fo erfcheint ex vor Gericht und 
empfängt fein Urtheil nach. dem Geſetz ). Faͤllt dem Caval⸗ 
leiro daS Pferd, fo. gibt: ihm, wenn: er imvermögend ift ein 
anderes zu. faufen, ber König ein anderes. Erhaͤlt er aber 
auch Feines von diefem, fo bleibt er doch in Ehren und in feis 
nen Rechten bis er fo, viel erworben hat, bag er fich ein ans 
deres kaufen kann. Gr behält den Rang des Miles auch wenn 
fein vorgeruͤ gles Alter ihm nicht mehr erlaubt Kriegsdienſte 


1) Das Nähere daruͤber wird an einer andern Stelle erörtert werben. 
2) Dies war das Gewoͤhnliche. In dem oral von Braganza wird 
der Peom vor Gericht dem Cavalleiro ganz gleich geftellt‘ Si pedon 
vestre ville percusserit Cavallerium, aut Cavailarius- pedonem, equa- 
.liter pectent ad invicem, et equale judicium habeant 
vallarii de vestra Civitate, - Koral von Braganza. 
3)... et in juramento troucant super. illos cum duoe 
. 4) E .se alguum Cavaleiro: fezer algus «0 
venha ao Concellie, e seia: julgade direitamente? 
Schäfer Geſchichte Portugals I. 


258 Erſter Zeitraum. L Buch. 9. Abſqhn. 


zu thun. Seine Witwe geniefft gleiche Ehre und Mechte wie 
* Lebzeiten ihres Gatten. Ohne ihre und ihrer Verwandten 
Einwilligung Tann weder fie noch ihre Tochter zu einer ehe⸗ 
lichen Verbindung gezwungen werben '). Den Inbegriff aller 
Vorrechte und Sreiheiten ber Milites. nennen die Foraes ge: 
wöhnlich marem Militum, biöweilen auch consuetudinem 9). 
Obgleich dadurch, daß ſowol die Cavalleiros Villaos als 
die Cavalleiros Fidalgos unter den Milites begriffen: werben, 
die genaye Scheidung beider Claſſen wenigſtens für und er 
fehwert wird, fo ift es doch keinem Zweifel unterworfen, baß 
die Trennung in Ritter von Geburt.und in unabelige 
Berittene ſchon frühzeitig finttfanb und anserkdlih ers 
wähnt wird’). Zur Zeit des Königs. Affonfo DIL fing man 
in Portugal an, der Benennung Fidalgo oder Filho @algo 
fi zu bedienen, um die Cavalleiros. und Eseudeiros de Lin- 
hagem von jenen, die ed nicht von Geburt waren, zu unter 
ſcheiden. So verfügte diefer König in: dem Foral, den ee den 
Einwohnern von Villa Real gab, daß der Alcaibe Mor ber. - 
Burg fietd ein Cavalleiro „Film de alge“, dem fimfhundert 
Solidi Wehrgeld gebührten, fein folle. Den Cavalleiros vom 
Geburt entiprachen die Escudeiros von Gebint‘). Sie unter⸗ 
ſchieden fich von jenen nur dadurch, daß fie den Rang ber 
Cavalleiria noch nicht erlangt hatten,. und es traf ſich daher 
oft , daß der Vater Caballeiro ‚ber Sohn Escubeirs in war. 


Iy) Zoraes bon Coimbra, Thomar, Villa de Moz, Gravão 
2) Vos, qui eſtis cives Milites, istam consuetndinem 
firmiter dono, fügt bie’ Königin Therefia im oral von Mu v. J. 1128. 


3) In dem Foral, den der König Affonfo Henriques im Jahr 1135 
dem Flecken Leiria gab, heifft e8: Quod si fuerit miles, cujus domus 
faerit disrupta, detur inde medietas illi, et alia medietas Regi. Si 
vero fuerit peon, duplet ille quod rapuerit, et det. 500 solidos Regi. 
Si miles. per naturam ibi perdiderit eqnum suum, et reouperare 
non potuerit, seınper stet in foro militis. Alius vero milds, qui 
non fuerit per naturam, si perdiderit equum, stet in foto duos’ 
annos ... Peon si habuerit equum, stet miles si valt. ° 


4) Dem Zoral zufolge, das der König Dinig der Burg Welorlto de 
Baſto gab, ſoll der Alcaide Mor derſelben ſiets ein Fidalgo fein, 
„quemdam militem, vel qomdan 8 Boutiforum fillumde algo.* 


Gemeindeweſen, in ben erſten Sahrhunderten. 259 


Die Ritterwuͤrde Tonnte nur von dem König, oder in. 
deſſen Auftrag durch die Ricoshomens ertheilt werden. .. Als 
dieſe zur Zeit des. Königs Diniz diefes Föntgliche Vorrecht ei- 
genmächtig an fich: gteben wollten und die Gavalleiros. in 
Menge den öffentlichen Leiftungen und: Auflagen, zum großen 
Schaden der Aderbauer. und. Gewerböleute, fich zu entziehen 
ſuchten, widerfeßte fich.dem der König und verbot den Ricos 
bomens durch ein beſonderes Geſetz (im J. 1305) bie Erthei⸗ 
lung ber Ritterwuͤrde ). Ermaͤchtigte der Koͤnig einen‘: An⸗ 
dern zu dieſer Handlung, ſo galt auch hier wie in Spanien?) 
die Regel: nur ein: Ritter kann zum Ritter fchlagen. . -. 

Höher ald die biöher erwähnten Adelsclaſſen flanden bie 
Infanceoend. Daß man unter ihnen nicht die Neffen des Koͤ⸗— 
nigs oder die Brüder des Kronprinzen zu verftehen habe, bat 
Santa Rofa de Viterbo genügend bdargethan‘). Die einzige 
Stelle in den Ortörechten von. Coimbra und Thomar, wonad) 
„Der :Snfancom im. diefen Orten ten Haus und Teinen Mein: 
berg haben darf, wenn ve nicht mit ber übrigen Einwohnen 
dafelbft: wohnen und mit ihnen biefelben. Laften und Leiftungen 
theilen will‘), *' tönmte ‚jene Behauptung widerlegen. Gleich: 
wol ift eine befriedigende. Klarheit nicht zu gewinnen; nur 
das iſt auffer Bweifel, daß die Infançoens im Portugal Fi⸗ 
dalgos von höherem Rang und größerem Grunbbefig waren, 
üb.er den Gavalleiros und ziemlich tief unter den Ricos⸗ 
homens fanden. Diefe Stellung weifen den‘ Infancoens na⸗ 
mentlich die Werzeichniffe der. Unterhaltungskoften an, die von 
den Kirchen und Klöftern an fie entrichtet. werben mufften. _ 
Nach dieſen Verzeichniſſen folgen einander die Adelsclaſſen uͤber⸗ 
haupt in dieſer abſteigenden Stufenreihe: Ricomem, Snfangom, 
Cavalleiro, Escubeiro‘). 


1) Memor. da .Academ. Real T. VI. p. 173, od dem Lir. An- 
tig. das Leis fol, 66. 

2) Partida. II, tit. 31. ley 11. 

$) Elucidar.. T. II. p. 87. nn au Bit; iro in den Obser- 
vacöes de Diplom. "Portng. p. 4 

4) Et servire sicuti vos, - 

5) In einer Inquirigao, bie Bu e bes -Könige, Eftevão 
Soares, in Betreff ber M * Mae he Percos im 


260 Erſter Zeitraum. J. Buch. 9 Abſchn. | 


Alle diefe Adelsclafien, mit Ausnahme der Ricoshomens, 
werben als Mitgliever der Gemeinde in den Foraes erwähnt. 
Auffer ihnen zaͤhlten mehrere Ortſchaften zu ihren Gemeinbes 
angehoͤrigen eine eigenthlimliche Gattung von Bürgern, bie 
. man Visinhos (Nachbarn) nannte. Ihnen war geftattet, Guͤ 
:tee und Grundſtuͤcke in ben Gebieten gewiſſer Städte und Flek⸗ 
ken, die von. neuem bevölkert wurden, zu befiten. Die Vi⸗ 
ftichos, geößtentheild vom hohen Abel und zu den Umgebun: 
gen des Königs gehörig, waren für jene Berechtigung. bie Pas 
teone diefer Gemeinden am Hofe, führten ‚hier deren Rechts⸗ 
haͤndel, beforgten ihre Angelegenheiten und unterftüten ihre 
Geſuche). Aber es gewann weder - die Gerechtigkeitöpflege 
. - fonderlich. durch diefe Einrichtung, noch fcheinen die Vortheile 
der Gemeinde diejenigen, bie fi die Vifinhos auf Koften 
ihrer Glienten. machten, überwogen zu haben. Der König Pe 

ter L; ein großer Eiferer für firenges Recht, erlaubte nicht, 
daß an feinem ‚Hofe „eine Perfon, die ben. Gemeinden vers 
‚pflichtet, ober ein Gemeindenachbar“ ) fi aufbielt, damit 
deſſen Einfluß ober .Anfehn nicht etwa bie Lauterkeit der Ju⸗ 
ſtiz beeinträchtigte. Den Einfluß, den mächtige Viſinhos am 
Hofe zum Vortheil ihrer Gemeinden ausübten, konnten fie 
“noch leichter und außgedehnter zu ihrem eignen Vortheil in 


Jahr 1811 anftellte, heiſſt es: Achei que essa Kigreja era a mer so- 
fraganha do mosteiro de Moreira, e a outra men touseya nesta ma- 
‚neira; que desvende ao Ricomem oito soldos, e ao Infancom 
quatro soldos; e ao Cavalleiro dois soldos; e ao Escudeiro 
hum soldo; e os filhos nom levarem mais que a tercz mentras, que 
os Padres forem vivos; e isto ser huma vez no anno.“ Vergl. auch 
Cod. Affons. liv. I. tit. 44. 8. 23 und 26, wo ben Condes 20 homes 
de bestas, den Ricos-homes 12, den Infangdes 7, ben Cavalleiros und 
Escudeiros nur 4 angerechnet werben. 

1) &o wurben zur Beit bes Königs Affonfo II. mehrere Große feis 
nes Hofes von den Gemeinden Evora, Beja und andern als Bifinhos 

“ aufgenonmmen, und genoffen alle Vorrechte, deren fich biefe Communen 
erfeeuten. Im J. 1211 verkaufte die Gemeinde Metjom frio dem Affonfo 
Pires ein But, und machte ihn zugleich zu ihrem Viſinho, „bamit er ihr 
beiftehe und fie vertheidige gegen Jeden, der z fe zu beunzupigen wage.” 
Docum. de Tarouca im Elucid. T. II. p. 405 

2) „kessoa alguma obrigada, ou visinha "dos Conselhos, 


Gemeindeweſen, in. ben erften Sahefundersen, 261 | 


ben Gemeinden ferbft mißbrauchen, und daß biefe, wenigftens 
in fpäterer Zeit, wohl einfahen und zum Theil erfahren hats 
ten, wie fehr ihr Gemeindewefen dadurch gefährdet wurbe, - 
fchlieffen wir aus der entfchiedenen Seftigkeit, womit manche 
Gemeinde gegen Viſinhos und deren gefeßwidrige Eingriffe ſich 
wehrte und verwahrte). Selbſt wenn bie Viſinhos in dem 
gefeblichen Schranken fich hielten, fo genoffen fie alle Vers 
theile und Worrechte der Ortöbürger, ohne deren Laften zu 
tragen. Ihre Befigungen waren als Güter von Cavalleiros 
fteuerfrei, und. da fie in ber Regel abwefend und in der Ge 
meinde gewöhnlich nicht einmal wohnhaft waren, fo konnten 
fie zum perfönlichen Kriegsdienſt von Seite der Gemeinde 
nicht zugezogen werden. Ihre Stellung zu ihren Mitbürgern 
befreite fie von einer der erften Pflichten bed Gemeindsmannes 
— von der DVertheibigung bed heimatplichen Herdes. 


1) Die Gemeinde Pinhel z. B. ließ ſich nie auf cachdarbriee unb 
Schenkungen an Viſinhos ein. Als i. 3. 1874 der König Ferdinand ihr 
alle Gerechtfame und Freiheiten, bie ihr die Könige ertheilt hatten, beſtaͤ⸗ 
tigte, bekräftigte er ihr auch insbefondere das Vorrecht, „baß keine Gas 
valleiros, Feine Frauen von Abel (Donas), Feine Fidalgos, DOrbensritter, 
noch andere mächtige Perfonen Grunbftüde in diefem Flecken oder in fels 
nem Gebiet kaufen oder erwerben durften, indem, wenn fie bisweilen 
fotche erworben hätten, bie Gemeinde jedesmal durch richterliche Entſchei⸗ 
dung fie abgewiefen habe, ſodaß jenes Privilegium ſtets in Kraft geblies 
ben wäre.’ König Johann I. beftätigte. dafjelbe 1386 gleichfalls und 
verbot den Zabelliaens folche Verkaufsurkunden auszufertigen, bei Strafe 
ber Ungüftigkeit und bes Verluſtes ihrer Stellen. Dennoch erwarb ſich 
ein angefehener Fidalgo, Gongalo Vasques Gontinho, insgeheim einige 
Häufer an ber Mauer von Pinhel und ergwang ſich von einigen Glie⸗ 
deren ber Gemeinde einen Rachbarbrief (Carta de Visinhanga). Aber bie 
Gemeinde zgerftörte jene Häufer mit gewaffnetee Hand, auf den Grund 
bin, „daß mit Pinhel Leine Großen in nachbarlihen Berhättniffen flüns 
den“ (näo visinharem com Pinhe) nenhuns Poderosos), Als biefer Fi⸗ 
dalgo im Kriege gegen Caſtilien von dem König zum Marſchall und Grenz⸗ 
ſtatthalter der Comarca von Beira ernannt wurde und mit ſolcher Amts⸗ 
gewalt nach Pinhel kam, hielt die Furcht die Einwohner eine Zeitlang ab 
ſich Recht zu verſchaffen. Doch nach dem Kriege fiel das richterliche Urs 
theil in Iegter Inſtanz zum Borthell den Demeinde ans, bie ſich freute 
einen „fo boͤſen Nachbar“ entfernen Nach dem Elucidar. 
verb, Visinh» 


Br  Eriter Zeitraum. I. Bud. 9. Abſchn. 


Ä 9 Obliegenheiten der Gemeinbeglieer 
grẽgepflichtigkeit und Ortsvertheidigung. Apelido, Aarla, Foſſado. 


Zu den erſten and unerlafflichften Obliegenheiten der Orts⸗ 
bfirger gehörten: der Zuzug zum koͤniglichen Kriegäheer (hir 
em hoste), die Abwehr faracenifcher Angriffe auf Grenzorte, die 
perfönliche Beſchuͤtzung der Mitbürger bei ihren gemeinfamen 
und gemeinnugigen Werrichtungen aufferhalb - der Ortömauern. 
Diefe DVerpflichkiingen waren hervorgegangm aus ber - eigen- 
thuͤmlichen Entſtehungsweiſe Portugald und wurben fort⸗ 
dauernd geboten Durch die Lage des Reiche. : Won einem'fchmas 
len Landſtriche ven: einzelnen Städten, als Ausgangspuncten, 
war ed durch Eroberung bis zu’ feinen - jetzigen Grenzen er⸗ 
weitert worden: Burg fuͤr Burg und Stadt für Stadt hat⸗ 
ten die fiegreichen Waffen ber Könige nach und nach erfämpft. 
Haft jede Ortfchaft war eine Zeit lang Grenzort gewefen und 
mitten im Binnenlande lagen jest Städte und Schlöffer, die 
laͤngere oder kürzere Zeit Grenzfeflen und Borwachen des Reis 
- ches gewefen waren. Diefer Umftand hatte auf die Stellung 
der Ortöbürger, auf ihre Rechte und Pflichten einen fo durch⸗ 
greifenden Einfluß ausgeübt, daß ihre Dadurch entflandenen 
bürgerlichen Einrichtungen mit der veränderten Lage dieſer Orte 
nicht fogleich fi) aud veränderten. Diefe Einrichtungen wa⸗ 
ren im Laufe der Zeit mit.ihrem Gemeindeweien fo tief und 
innig verwachſen, daß die Gefahr, die ſie hervorgerufen und 
ſo lange in Wirkſamkeit erhalten hatte, laͤngſt verſchwunden 
ſein konnte, ehe man darauf dachte, das uͤberfluͤſſig Gewordene 
aufzugeben und zu entfernen. In dem anderthalb Jahrhun⸗ 
derte, in dem die meiſten Foraes ertheilt wurden, zeigte ſich 
die Gefahr ſtets drohend, und ſo lange die Macht der Mau⸗ 
ren nicht gaͤnzlich gebrochen, dieſer Feind nicht fuͤr immer aus 
Portugal und von ſeinen Grenzen vertrieben war, blieben An⸗ 
ſtalten gegen dieſe Gefahr nothwendig. 

Um ben eben fo unerwarteten und ploͤtzlichen als vers 
derblichen Einfällen und Angriffen der Saracenen begegnen zu 
koͤnnen, wurden nicht allein am Tage auf hohen und freien 

Drten Wächter (Atalayas) ausgeftellt, fonbern auch des Nachts 


Gemeindewefen,.in den erſten Jahrhunderten. 363 


Wachen (Sculcas in dee Sprache der Foraes) angeorbnet‘), 
die bei dem geringften verbächtigen Gerdufche ihre Mitbürger 
mit den Worten: Mauren im Land, Mauren im Sand! Eins 
wohner zu ben Waffen! ?) aufriefen. Auf diefen Ruf erhoben 
ſich Alle, die irgend die Waffen führen Eonnten, in Muſſe. 
Man nannte dieſes ploͤtzliche und laute Aufrufen einer ganzen 
Gemeinde, um gemeinfam und bewaffnet den Feinden, bie bad _ 
Land raubend, verheerend und mordend. hurchflteiften, entge⸗ 
gen zu ziehen, Appellidar a terra, das geruͤſtete Aufgebot ſelbſt 
Apelido ’). Ihm zu folgen war: jeder Ortsbuͤrger, ber höchfle 
wie der geringfte, verpflichtet. Jeder fallte für die Heimat, für: 
den bedrohten. Herd die Waffe ergreifen. Der Cavalleito, 
der fich dieſer natürlichen Pflicht‘ entzog, muſſte zehn So: 
lidi, der. Peom im ſolchem Falle bie ‚Hälfte on bie Mits 
bürger zahlen“). Nur der im Dienfte eines Andern ſtand 
(er hatte Feinen eignen Herd zu fehügen) war: befreit. Da es 
fih hier nicht um bie Vertheidigung bed Baterlandes, fons 
dern der Vaterſtadt handelte, und eine längere und weitere 
Entfernung der. waffenfähigen Bevölkerung bedenklich und ges 
faͤhrlich war, fo verfolgte. man gemeiniglich ben Feinde: nur ſo 


1) In dem Foral, ben Affonfo Henriques i. 3. 1187 Penella un: 
weit Coimbra gab, werben bie Atalayas bed Feldes von den, Vigias ober 
Arrocovas ber. Mauer unterfchieden: De illa Atalaya Rex (ein Titel, den 
der Infant bier anticipirt), medis, et habitatores alla media: de Vigi- 
lia de muro Rex media, et habitatores alia media. Bon ben Atas 
Yayas, het Wachthuͤrmen (denn biefe Bedeutung kat das Wort ehen- 
falls) auf benachbarten Höhen, welche die ganze Umgegenb "beherrfchten, 
gaben die Wächter bei der Annäherung bes Feindes den bedrohten Ort: 
haften. beftimmte Zeichen, am Tage durch Rauch, des Nachts mit Feuer. 
Solcher Atalayas aus jener Zeit finden ſich noch jegt in Portugal. Die 
eigentliche Nachtwache befand fich auf der Dauer der Burg ober Stadt 
ſeibſt. Klucid. T. I. p. 139. 146. 


2) Mouros na terra, Mouros na torren moradores 
äs armas!“ 


8) Elucid. T. I. p. 122. 


4) Foraes von Monte⸗mor, Graväo, P 
u. f. w, 


Br 


20% Erfter Zeitraum, 1 Bud. 2 Abſchn. 


weit, daß man an dem naͤmlichen Tage an den Wohnort zu⸗ 
ruͤckkehren konnie ). 

Beſchwerlicher war die Lage der Orte, die unmittelbar 
an. bad Gebiet der Saracenen grenzten. -Ihre Bewohner durf⸗ 
ten nicht wagen . einzeln ihre Mauern zu verlaſſen, ba jene 
unaufhoͤrlich die Felder durchſtreiften, "die Unvorfichtigen und 
‚ Behrlofen ergriffen und in Gefangenfchaft fchleppten. Nur 
unter. dem Schuge einer bewaffneten ſtarken Mannfchaft gin⸗ 
gen’; fit daher. auf bie Berge, um: bad erfoberliche . Holz zu 
fällen; und während.die Einen dieben, aufluden und wegfuh⸗ 
ren, muſſten die Andern bisweilen im heiſſen Kampfe die Ar⸗ 
beiter ſchuͤtzen. Man nannte eine ſolche militairiſche Holzfaͤl⸗ 
lung Azaria?).. Es war hart, daß von dem mit Schweiß und 
oft mit Blut Errungenen ein Zünftheil an den König abges 
geben werben muſſte ). 

: :Baren dieſe gemeinfamen Unternehmungen, : die Azaria . 
wieder Apelido, burch das Recht und die Pflicht der Selbſt⸗ 
vertheibigung geboten, fo war eine Gattung berfelben nur in 
dem echte des Staͤrkern gegründet und obgleich Tandesüblich 
und gefeglich. erlaubt, darum nicht weniger ein Zug der Roh⸗ 
heit jened Jahrhunderts. In dem Monat, worin das Getreide 
fich der Reife nähert, rüdte man in Maffe und gewaffnet aus, 
um die Srüchte, welche die Feinde gezogen hatten, abzufchneis 
den und einzufammeln. Man bemeifterte fi) zu dem Ende 
der feindlichen Zluren, verwahrte ‚und befeftigte fich leicht im 
Vertiefungen und Gräben (fossas) und befchränkte ſich nur 
auf: die DVertheidigung und den Schuß derer, die mit bem 
Ausziehen oder Abfchneiden der Früchte und des Zutterd bes 
Ichäftigt waren. Einen folchen gemeinfamen Ausfall, der rafch 
und unerwartet audgeführt wurde, nannte man fossado*).. 


1) Burgeses tam longe vadant in apellido, quomodo in ipso die 
possint revertere in domos suns. $oral von Gonft. de Panoyas. 

2) Bon dem alten Aza (im Spanifchen hacha), Haue, Art. Noch 
jegt heiffen in Portugal Achas „mit der Art gefpaltene Holzſtuͤcke.“ 

3) De Azaria nobis Vam partem: vobis IVor sine ulla Alcaida- 
ria. Foral von Soure; aͤhnlich in Thomar, Cea, Alcanede und andern 
Grenzorten. 

2) Elucidario, T. I. p. 476. 


Gemeindeweſen, in den. erſten Jahrhunderten. 265 


Auffer Cavalleiros, Edcubeiros und ordentlicher Kriegsmann⸗ 
fchaft beftand er aus Peoes, Landleuten und Arbeitern , welche 
die Beute einzufamnteln und fortzufchaffen hatten. Der Kös 
nig felbft und die Bifchöfe nahmen. Feinen Anſtand, dieſem 
Auszug auf Raub’), diefem Beutemachen beizumohnen. Ein 
Drittheil der Cavalleiros blieb in dem Orte zurüd, die uͤbri⸗ 
gen waren nach den meiften Foraes verpflichtet, zum Foſſado, 
der in der Regel jährlich nur ein Mal ſtattfand, auszuzie⸗ 
ben. Der Zahrläffige zahlte zehn Solidi?). Wo es allzu 
gefährlich war den Drt von dem meiften Cavalleiros zu ent⸗ 
blößen, 308 nur der dritte Theil derfelben aus. So in der 
Burg Moz, die an der oft bedrohten Grenze von Leon lag; 
mit warmen Brod in der Feldtafche verfehen, folte der Ca: 
valleiro von Moz an dem nämlichen Zage in bie Burg zu⸗ 
ruͤckkehren ?), 

Es ereignete fi. biöweilen, daß bie Cavalleiros, bei dem 
Foſſado wie bei der Azaria, im Kampfe mit den Mauren 
Pferde erbeuteten. Das erſte, das der Portugieſe den Fein⸗ 
den abnahm, gehoͤrte ihm; von allen uͤbrigen, die in ſeine 
Hände fielen, erhielt der Landesherr den fünften Theil bes 
wahren Werthed. So beftimmten ed mehrere Ortsrechte *).. 

Kaum haben wir einen Blick in dad Keben und Treiben 
der Gemeinden geworfen, fo floßen wir auf Abgaben und Ges 


“ 


1) E de roubo, e de Fogado non dedes senon ao Adail as 
duas partes, e a vos fiquem as duas. So brüdt die Überfegung bes 
Sorald von Thomar, die im Anfang bes vierzehnten Jahrhunderts ges 
macht wurde, bie Worte des urfprünglich lateiniſchen Forals aus: De 
preda de Fossado non detis nisi ad Zagam duas partes, vobis re- 
maneant duae. 

2) Foraes von Montes mor, Graväo, Penamocor u, f. w. 

8) Et non faciatis Fossado, nisi cum vestro Seniore una vice 
in anno; ita ut.levetis panem calidum in alforges, et ipso die rever- 
tatis ad vestrum Castellum. oral von Moz, von König Affonfo Hen⸗ 
riques i. 3. 1162 ertheilt. Über Alforges vergl. Joäo de Sousa, 
Vestigios da lingaa arabica em Portugal, verb. Alforges, 

‘ 4) Milites qui fueriat in fossade, vel in zuardie, omnes Caballos 
qui se perdiderint in algara, vel in u⸗ ı eroctetis eos sine 
quinta, et postea detur nobis quinta di ' son Penamocor; 
ähnlich In den Joraes von Kim mor u. f. w. 


‚ähr- 


6 Erſter geitra um. L Bud... 9 Äsfen. 


Kälte, bie an den König ober Gerichtsherrn entrichtet werden, 
Abgaben vom dem mit gewaffneter Hand ſo mahſam errunge⸗ 
nen Holzbedarf ber Gemeinde, wie.von ber Beute umd Dem 
gefeglichen Raube. Bei jevem Schritte in der Gemeinde neh⸗ 
men num aͤhnliche Leitungen und ‚Auflagen der Ditsbirger 
unfere Aufmerkfamkeit in Anuſpruch, und wie biefelken faſt in 
alten bürgerlichen Berhältniffen und begegnem, fo : lernen wir 
durch ſie auch faſt alle buͤrgerliche Verhaͤltniſſe mehr oder we⸗ 
niger genau kennen. Zur Kenntniß des Abgabenweſens hat 
uns. die Überficht der Buͤrgerclaſſen der Gemeinde, wie ihrer 
gemeinfanien Pflichten und Unternehmungen eine nothwendige 
Vorbereitung und einen natürlichen übergang bangeboten. 


5) Abgabenweſen. Beiftungen. 


Während die meiften Verhaͤltniſſe des Staates wie bes 
bürgerlichen Lebens in jenen Iahrhunderten auch in Portugal 
fehr einfach erfcheinen,, . ftellt fich das Abgabenmwefen vielfach 
verwidelt und verfchlungen und höchft beziehungsreich dar. Es 
bildet nicht eine "Seite der Staatäverwaltung und Verfaſſung, 
feinen befondern, für fich beflehenden Theil derfelben; es um⸗ 
fafft gewiffermaßgen alle Seiten und Theile, greift in alle ein, 
und indem ed zu feinem Verfländnig die Kenntniß aller Ver: 
hältniffe vorausfegt, verbreitet es zugleich Licht über alle Ver⸗ 
häftniffe. Es zieht fich durch die lange Kette aller Stände, 
vom Leibeigenen, ber, von allen Mitteln entblößt, nur die 
Kraft feines Armes zu fleuern vermag, bis zum König hinauf, 
überfpringt Feinen Ring, berüdfichtigt vielmehr die Beziehung 
eined jeden zum andern. Es begleitet den Steuerpflichtigen' 
durch alle Lebenöftufen, verläfft ihn felbft am Sarge nicht und 
mehrt noch durch feine Härte die Thraͤnen der Hinterbliebenen 
(Loitosa). Rur für den ſchwer erfchwinglichen baaren . Mara: 
vedi laͤſſt es den Pflichtigen fich losfaufen vom Schweiffe ber 
Feſtungsarbeiten und des Schanzengrabens (Anuda), und fodert 
fogar im Vertheidigungskampfe gegen die Feinde Antheil von 
der errungenen Beute. Selbft indie Gerichtöftube dringt der 
Steuererheber, um vom Verbrecher die gewöhnlich einzige Strafe 
die ihn trifft, die Geldbuße zu fobern (Coima). Er ſtehi uͤber⸗ 


“ . 


Gemeindeweſen, in den eriten Jahrhunderten. 267 


al am Weg und Steg (Portagem), und fo dürftig auch ‚Der 
Gewinn ift den dee kuͤmmerliche Handel: und ‚Verkehr jener 
Zeit abwirft, der Zoll nagt unaufhoͤrlich daran und verfolgt 
die Waaren durch alle Hände, durch. die fie gehen (Passagem). 
Am fchwerften aber laftet das Abgabenwefen auf ben Erzeug- 
niffen ded Landbaued und der Viehzucht (Jugada, Montado), 
bamald gerade ben faſt einzigen Hülföquellen und Nerven 
des Stagted, und lähmt den Arm wie den Lebensmuth des 
armen Adermannes und Viehzüchterd, der allein die zahlrei⸗ 
chen Stände der Benorrechtigten wie den König nährte und 
unterhielt... Im Klerus endlich fieht der Hörige nur -einen 
zweiten Seren, ber-in feinen Foderungen nicht milder ift als 
der weltliche (Dizima). Und in allen Diefen verfchiedenen Staͤn⸗ 
den, BVerhältniffen ‚und Beziehungen gilt nirgend. eine allge 
meine Regel, nirgend eine feſte Norm. Beſchraͤnkungen, Aus⸗ 
nahmen , Vorrechte, Befreiungen wechfeln in allen Claſſen der 
bürgerlichen Geſellſchaft. Beinah in: jedem Fleden, in jeber 
Stadt ändert die Abgabe ihre Natur, ihr Maß; nirgend ein 
Syftem, ein Gleichſtellen; faft überall das Eigenthümlichfte, 
Perfönliched und Örtliches.. J | 

Die Menge der Abgaben und Leiflungen, die in. den 
Drtörechten und Urkunden der erften Iahrhunderte des Stans 
tes erwähnt werben ‚ iſt unzählig).. Zur leichtern - Überficht 
theilen wir fie in drei Claſſen?): erſtens, perfönliche Leiſtun⸗ 
gen oder Erſatz derfelben durch einen Geldbeitrag; zweitens 
Strafgefälle, die aus der Verurtheilung wegen begangener Ver⸗ 
brechen flofienz drittens Abgaben, die unmittelbar auf Guͤ⸗ 


1) Werben ja im Elucidario allein die Namen von mehr als zwei⸗ 
hundert (worunter freilich ‚einige Synonyme find) aufgeführt. Eine ers 
ſchoͤpfende Darftellung ber Leiſtungen und Abgaben würde, wäre‘ fie auch 
möglich (manche Benennungen und Ausbrüde find felbft den Portugiefen 
zweifelhaft und unverftändlich geworden), bie Grenzen bed ung geftatteten 
Raumes und gewiß auch die Grenzen ber Gebulb ber meiften Lefer über: 
fchreiten. Wir beſchraͤnken uns daher auf die uͤblichſten und bedeutend⸗ 
ften und berüdfichtigen babe zugleich folche, die auf die Verhaͤltniſſe bes 
Volkes und Staates einiges Licht werfen. 

2) Wie Eaetano bo Amaral in den Mem. da Acad, Real, 
T. VI. p. 146, 


288 Erſter Zeitraum. L Bud. -9. Abſchn. 


ter gelegt waren, ober bie einen Theil. bes Ertrag ber Grund⸗ 
güter bildeten, oder die als ein Zeichen der Anerfennung ber 
Gerichtöherrlichkeit entrichtet wurden, oder die man von dem 
Handel und Verkehr bezog. . Auffer diefen feſten und ordentlis 
chen Abgaben verlangten bie Könige bei befondern Veranlaſ⸗ 
fungen oder in Zeiten dringender Noth noch aufferorbentliche und 
freiwillige Hülfen (Pedidos). 

Zu der erften Claſſe zählen wir bie Fossadeira und Adua, 
ben Castellatico, die Lobos, bie Carreira und in gewiſſer Be⸗ 
ziehung die Emtruviscada. | 

Die perfönlichen Leiftungen der Gemeindeglieder bei dem 
Foſſado, der wie ber Apelido blos im Vortheil und zum 
Schuß der Gemeinde geſchah, koͤnnen nur inſofern hierher ge⸗ 
zogen werden, als ſie in Geld verwandelt werden durften, das 
zwar zur Beſtreitung der Koſten des Foſſado beſtimmt war, in 
der Folgezeit aber hoͤchſt wahrſcheinlich in die koͤnigliche Schatz⸗ 
kammer floß. Man nannte den Geldbeitrag, den der Pflich⸗ 
tige ſtatt der perfönlichen Leiſtung fir den Foſſado zahlte; 
Fossadeira '). Indeſſen war diefe Abgabe nicht immer ein Er⸗ 
fat fuͤr die zu leiftenden Dienfte, fondern oft eine Strafe fuͤr 
die Unterlaffung der obliegenden Pflicht). Von ber Foffadeira 
(wie von dem Foſſado) befreiten übrigens die Könige manche 
Gemeinden, weil fie an feindlichen Grenzen lagen. oder befons 
bere Verdienfte um die Krone und dad Reich fich erworben 
hatten 9. 

Adua) nannte man eine gewiſſe Abgabe in Geld, die 
zur MWiederherflelung oder neuen Aufführung der Mauern, 
. Xhürme, Gräben und Befeſtigungswerke, die zur- Landesver⸗ 
theidigung erfoderlich waren, entrichtet wurde. - Bisweilen bes 


) Et qui non fuerit ad fossado, pecte pro foro V ff pro fos- 
sadeira. oral von Gaftello:Branco v. 3. 1213. 

2) Et Omem de Sancta Cihice, qui non fuerit in appellido cum 
suos vicinos, ‚pectet uno morabitino., Et si dixer: non lo ovi; juret 
cum duos vicinos. oral von Santa Cruz be Billariga von 1225, 

8) Elucidario T. I. p. 475. 

4) Anuduva, Annaduva, Anuda, Aduba, Anubda, Anuguera, Anu- 
diva und Annaduva. 


Gemeindeweſen, in ben erften Zahrhunderten. 209 


zeichnete man mit. dieſem Worte auch einen Haufen gemeiner 
Leute, die an ſolchen Befeſtigungswerken zu arbeiten verbun⸗ 
den waren. In einigen Gegenden des Landes waren die Orts⸗ 
einwohner zu dieſen Arbeiten an ihrem Wohnfige verpflichtet. 
Aber da dieſe Arbeiten oft ſehr ausgedehnt und anſtrengend 
waren, fo wurden bie Unterthanen aus ber näheren ober fer 
nern Umgegend noch zugezogen. Die Befugniß, die Adua zu 
"verlangen, gehörte: zu den Rechten, die ſich der König bei 
Verſchenkung von Ortfchaften ald unveräufferliche und von ber 
Krone nicht zu trennende vorzubehalten pflegte. Die Anubis 
vas, fie mochten nun perfönlich ober in Geld ‚geleiftet werben, 
wurden, wie es fcheint, oft fehr brüdend, und erregten bie 
Unzufriedenheit dı8 Volkes, wie man aus einem Erlaffe bes 
Königs Affonfo III. vom 3. 1265, der in ‚den Cortes vor 
Santarem 1284 wieder . vorgebracht wurde, erficht. Um 
den Klagen über biefe Leiflung abzuhelfen, wurde von “fs 
fonfo III. verordnet: 

Der König darf nie Gelb flatt ber Adua verlangen. 
Solche bie auf fremden Gütern wohnen und an ihre Herren 
eine gewiffe Abgabe entrichten (die Jugarıi), Kranke und Schwächz 
liche, Pilger, Neuverheirathete im eriten Sahr, Dienftboten, 
gewiffe Gewerbsleute, wie Müller, Bäder u.f. w., Arme bie 
nichtö zu leben haben, Kleriker und abdelige Schilöfnappen find 
von der Abua befreit; ebenfo Alle die es nach den Ortsrechten 
und dem Lanbesbraud fi find. Die zu diefer Leiftung Verpflich⸗ 
teten find ed nur im Krieg und in Zeiten dringender Noth. 
Sie können nur durch die Prätored, die Alvaziles und Ortes 
richter zur Arbeit genöthigt werben ). 

Unter dem Castellatico (ber Burgbaufteuer) verfland man 
eine gewiſſe Abgabe, welche die Vafallen zur Erbauung ober 
Auöbefferung der Burg ihres Ortes oder der Burgen eines 
gewiffen Bezirks jährlich entrichten mufften. In den. erfien 
Zeiten des Staates gab es nicht leicht eine Gemeinde, bie 
nicht ihre Burg hatte. Nachdem aber die Mauren vertrieben 
worben und biefe zahllofen Burgen unnüig ſchlen⸗ 
dieſe Abgabe, au! * deren Entrichtung felbft die N 


1) &. die Urkunde im Elucid. T. L. p. ar 


270 Erſter Beltraum. 1 Bud, 9. Abſchu. 


Geiſtliche verpflichtet waren, zum Aufbau aber zur Wiederher⸗ 
ſtellung ber feften Pläge an ber Grenze bed Reichs verwendet. 
Die Gemeinden kamen endlich überein, den britten Theil ihres 
Einkommens an: bie Krone zu zahlen und biefer Die Sorge für 
bie Landesbefeſtigung zu empfehlen. . So hörte der Castellatico 
auf,.und am feine Stelle.traten die Tergas der Gemeinden '). 
Die Menge Wölfe, Die in manchen Gegenden Portugals, 
beſonders an der Kuͤſte des Meeres und an ben Ufern größe 
rer Fluͤſſe fich zeigten, wurden biöweilen eine furchtbare Land⸗ 
plage. Sie verzehrten die. Heerben und griffen felbft die Hir⸗ 
ten an. Es wurde daher an.jebem Sonntage von ben Orts⸗ 
einwohnern Jagd auf fie gemacht, von der allein die Galeoten⸗ 
fchiffer, wenn die Gefahr nicht befonberd groß war, befreit _ 
wurden ?). Diefe perfönliche Leiflung, die auch in eine‘ Gelb- 
abgabe verwandelt werden . konnte, wurde Lobos genannt”). 
- Die Carreira (der Krohngang oder die Frohnfuhr) war 
eine Leiftimg, die der Pflichtige zu Fuß, oder mit. feinem Zug⸗ 
thiere ober mit einem Wagen, bald an einen beflimmten Drt, 
bald nach Gutbimken des Königs oder des Gerichtäheren bles 
fem jährlich einmal zu thun verbunden war. Da man eine 
Öffentliche Boten, noch weniger Poften hatte, fo war biefe 
Leiftung in jenen Zeiten fehr gewöhnlich *). 2 

| Endlich gehörte zu den uͤblichſten Leiſtungen die Emtru- 
viscada °), eine Obliegenheit, nach welcher „der Emphyteute, 
Colon oder Vaſall“ verbunden war, wenn ber König ober ber 
Gerichtsherr das Vergnügen des Fifchfanges genieſſen wollte, 
jaͤhrlich einmal dabei behuͤlflich zu ſein und zugleich zu einer 
Erfriſchung des Herrn und ſeines Gefolges beizutragen. In 
der ‚Folge wurde es gebräuchlich, diefen Beitrag zu.entrichten, 
auch wenn der Koͤnig nicht bei dem Fiſchfang zugegen war 


| 1 Elucid. T. I. p. 247, T. IL p. 876. 
2) Cod. Affons, liv. I. tit. 69. S. 4. 
6) Elucid, T. IL p. 97. 

4) Beifpiele f. in Elucid. T. I. 241. 
5) Entorviscada, Introviscada und Troviscada. 


9 


 Gemeinbawefen, In ben erften Jahrhunderten. - 274 


ober dieſer gar wicht flattfand. Haft alle Wohnungen in ber 
Nähe fifchreicher Waſſer waren ber Eıntruviscada unterworfen ). 

Eine andere Quelle des sSffentlichen Einkommens waren’ 
bie Geldbußen, womit man begangene Verbrechen beftrafte. 
Se feltener in jenen Jayhrhunderten das Geld, je ſchwerer es 
zu erſchwingen war‘ un fo empfindlicher war dieſe Strafe, 
und wir fehen Saber bie ſchwerſten Verbrechen, ‚uber die man 
in fpäterer. Zeit Körperftrafen verhing , in dieſer mit Geldſtra⸗ 
fen belegt. Sie wurden gemeiniglich mit ben Worten voz, 
voz e coima, carritel, calumnia, deren. Erörterung in der 
Darftellung ber peinlichen Bechiöpfge ihre- ‚Stelle finden wird, 
bezeichnet. 

Die dritte Glaffe der Abgaben umfaffte bie meiſten und 
eintraͤglichſten. Bei dem kuͤmmerlichen Zuſtande, in dem ſich 
die Gewerbe und der Handel damals befanden, boten der 
Landbau und die Viehzucht die Hauptquelle der oͤffentlichen 
Einkuͤnfte dar. Auf dem Landbauer und Viehzuͤchter laſteten 
die meiſten und druͤckendſten Auflagen. Dahin gehoͤrten vor⸗ 

nehmlich die Ingada, Der Montatico und die Ferros. 

Die Jugnda war eine Abgabe von jedem Joche Ochſen, 
mit dem .auf einem Boden, der biefer Abgabe unterworfen 
war (terra jugadeira), ein gewiſſes Maß (ein MA) Weisen 
ober Mais ausgeftellt wurde. Eben fo nannte man Jugada 
die Abgabe, Die gewiſſe Ländereien von bem Getreide, . das 
man barauf. fdete, und den Erzeugnifien, die man darauf ges 
warn, entrichteten. Es gab Jogados von Brod, von Bein, 
von Lein?). 

Aufferdem unterfchieb man bie Jognda nova von Der Ju- 
gada velha. Diefe hatten die Milites oder Cavalleiros zu lies 
fern, die ein Jahr lang Fein Pferd befaßen; jene entrichteten 
diejenigen, die das Gebiet von Vifen von neuem anbauten und 
bevölferten ). Ob die Jugada nova nur in Viſeu ˖ vorkam, iR 
nicht zu ermitteln, 


1) In ben Inquiricöes des Königs Affonfo III. von 1258 kommt 
häufig vor, daß die Hausbefiger „vadant ad introviscadam Regin. “6 


2) Elucid. T. II, p. 62, 
8) Completo anno, ei cavallum non habuerit, det sua 'Jugada. 


272 Erſter Beitraum. LBud. 9. Abſchn. 


‚Bu ben Abgaben von ber Viehzucht gehörte der Monta- 
- fico (auch) Montadego und Montado), der für. das Weiden ber 
Heerden in ber Gemarkung einer fremden Gemeinde oder einer 
gutöherrlichen Länderei bezahlt wurde. Affonfo II. erlieg 1261 
an den Meifter des Tempelordens und deſſen Komthure in 
Portugal ein Schreiben, in dem er ſie benachrichtigt, daß er 
den Montado, den ſie in den Ortſchaften und Landbezirken 
des Ordens zum Schaden und Verderben ſeiner Vaſallen im 
Übermaße erhoͤben, zum Gegenſtande einer Berathung mit den 
Großen feines Hofes gemacht habe. Zufolge derfelben befehle 
er, daß fie (und bie übrigen Orbensleute) eine von ihren Ort⸗ 
haften auswählen folten, in welcher allein ihnen Tünftig ge: 
flattet werde den Montado zu erheben, und daß bier biefe 
Abgabe nicht mehr betragen dürfe, ald fie in ben dem König 
zugehörigen Orten betrage, nämlich: „von einer Heerde Kühe 
eine Kuh, von einer Heerde Schafe vier Hammel, aber nichts 
von Schweinen, Stuten und andern Viehgattungen.” Zugleich 
wurde den Nittern verboten, ben Portagem von Waaren und 
Derfonen, bie durch ihre Orte gingen, zu nehmen '). 

Ferros (duch Ferraduras) nannte man die Abgabe, die 
der Emphyteute oder Colon zur Anfchaffung der Hufeifen. ents 
richten muffte. Sie wurbe gewöhnlich in Natur geliefert und 
beftand dann in fo vielem Eifen, ald zum Hufbeſchlag erfos 
derlih war”). Bisweilen wurde fie in baarem Gelbe, nad 
Maßgabe des jedesmaligen Eifenwerthes, bezahlt. Die Abs 
gabe war drüdend, da ber Pflichtige gewöhnlich: viele Eifen 
bezahlen muffte ’). Ä 

Bon den Früchten und Erzeugniffen des Bodens wurde 
bier ein Viertheil (Quartos), bort ein Achttheil (Outavos), 
an einem andern Orte ein Dreiffigtheil (Trintena) ents 


Et illos Jugarios, qui venerint populare meam terram, veniant nd fo- 
rum de Jugada nova, oral, den die Königin Thereſia 1123 Bifeu gab. 

1) Elacid. T. II. p. 151. Supplemento p. 53. 

2) Quando illo Senior dederit ferrum, que faciant ferraduras et 
Clavos pro ad illum. oral von Gea von 1186. 

8) Elocid. T. I. p. 446. 


Stmeindewefen, in ben erſten Jahrhunderten. 273 


richtet). Es herrfchte hierin die größte Mannichfaltigkeit und 
Berfchiebenheit. 

Zu den Abgaben, bie urſpruͤnglich als ein Zeichen der 
Anerkennung der Grundherrlichkeit von den Pflichtigen entrich⸗ 
tet wurden, gehoͤrt der Condado, den der Emphyteute oder 
Vaſall an den Herrn aus jenem Grunde (jure Domini) bes 
zahlte. Er beftand gewöhnlich in einem Fifche oder einem 
Stud Wildpret, was von beiden dent Gerichtöheren am an⸗ 
genehmften war?). Der Condado wird in ben alten Ortörechs 
ten fehr häufig erwähnt. "Man nannte die Emphyteuten, bie 
zur Entrichtung der Wilbpretäabgabe (foro de Montaria oder 
foro do monte) verbunden waren, gemeiniglic) Foramontaos, 
und mehrere Ortfchaften, die gegenwärtig ben Namen Fora- 
montaos und. Fermontoens führen, haben fich im Laufe der 
Zeit aus den Käufern, die den Foro do monte zu bezahlen 
hatten, gebildet und fi) nach ihnen genannt’). Nicht im- 
mer beftand jedoch diefe Abgabe in einem Stud Wildpret oder 
in mehreren; bisweilen verfland man unter dem Condado do 
monte , wie auch der Foro do monte genannt wird, die Ob⸗ 
Tiegenheit des Pflichtigen, in Gefellfchaft des Gerichtöheren ober 
feines Mordomo mig Waffen und Hunden die Berge zu durch⸗ 
ftreifen. Aus — des Vaſallen erwuchs wie⸗ 
derum die Verbindiſchkeit des Herrn, daß er denen, bie ihn 
auf ſolche Weiſe auf der Jagd begleiteten, einmal des Tages 
reichlich Lebensmittel geben muſſte (Conductar) ‘). 






1) Beifpiele |. in den Memor. da Acad. Real, T. VI. pag. 151. 
Not. a. 

2) Nach dem Foral, den Affonfo Henriques den Einwohnern von 
Baldigem gab, muffte jedes Haus den „Condado de monte et non 
de rivulo“ entrichten. 

8) Elucid, Suppl. p. 43. 

4) Nach dem Foral, den der König Ferdinand Eſtremadura gab, 
Affonfo Henriques fpäter Annahm und Affonfo II. 1218 beftätigte, war 
verorbnet: Et cum ipso Rege, vel cum Vicario suo, una vice in anno 
currere montem; et quantumcunque invenerint, sive carnes, sive “=l- 
les, totum erit de Rege, aut de suo Vicario. Et ipsa die, qu 
currerint ad montem, ipse Rex, vel Vicarius ejus, debet una vu 
die conductare ipsos homines, qui cum eo currerint 
Elucid. T. I. p. 301. 

Schäfer Geſchichte Portugals I. 


274 Erfter Beitraum. J. Bud. 9 Abſchn. 


Bei dem Mangel an Herbergen, die zum Unterhalt des 
wandernden Hoflagerd gehörig mit Lebensmitteln verfehen was 
zen, führten die Anfichten der Zeit,. wie fie die Könige und 
Srundherren von ihren Rechten und von ben Pflichten ihrer 
Unterthanen hatten, ſehr natuͤrlich auf Leiſtungen wie die Col- 
heita, bie von ben Vaſallen an den König oder Gerichtäheren, 
wen er in das Land Fam, entrichtet werben muffte, einmal 


jährlich. Kam er nicht, fo zahlte man auch Nichte. Im Laufe . 
ber Zeit wurbe es jeboch eingeführt, daß dieſe Abgabe entrich⸗ 
bet werben mufite, auch wenn ber König nicht erfhin. Die 


Colkeita war in der Regel eine Naturalleiftung, wurbe aber 


fpäter gewöhnlich in Gelb verwandelt. So erhielt König Die 


niz von ber Gemeinde Lamego jährlich einhundert Livras flatt 
der Colheita, welche die Gemeinde bisher in Naturalien ges 


Befert hatte‘). 


Gleiches oder Ähnliches bezeichnen die Wörter Comedara, 


Procuracao, Vida, Visitacao, Parada und Jantar. Der legte 


Ausdruck kommt insbefondere fehr häufig vor. Unter Sauter ° 


verfland man eine gewiffe Abgabe in Lebensmitteln, welche bie 


Städte, Flecken, Klöfter, Capitel und Militairorden zum Uns - 





wenn er als hoͤchſter Beamte de fli5 zur Bers 
waltung und Handhabung derfelben das Reid 
durchreiſte. Als fpdter unter veränderten Verhaͤltniſſen bie 
Könige folche Reifen allmdlig eingehen lieffen, hörte auch bie 


terhalt des Landesherrn und feines eh liefern mufften, 


. Abgabe des Jantar auf, ober Fam ald Einfommen oder Ges : 


ſchenk an Privaten. Den Iantar erhielten auf ähnliche Weiſe 
die Prälaten, wenn fie ihre Kirchen vifitirten, und die Ges 


richtsherren, wenn fie ihre Ländereien befuchten. Die Kirchen : 
und Klöfter waren verbunden einmal im Sabre den Iantar an. 


ihren Bifchof zu entrichten”). Nebenfirchen (Anexas) ober 
folche, die von Kiöftern geftiftet worden, waren gewöhnlich 
von dieſer Leiftung befreit. Dennocd verlangten fie die Bi⸗ 


1) Elueid, T. I. p. 291. 

2) Per singulos annos Prandium in Cenvbio supradicto Episcopo 
detur, uti mos est Episcoporum, fagt ber Bifchof Gongalo von 
. Coimbra bei der Wieberherftellung bes Kloſters Lorväo i. 3. 1116, 


Gemeindeweſen, in ben erften Jahrhunderten. 275 


fchöfe und erhoben fie bisweilen mit Gewalt; der Biſchof 
Peter IL von Coimbra that den Pfarrer einer folchen Kirche 
wegen des verweigerten Jantars in ben Bann '). 

Keiner der Gründe, die für den Jantar fprachen, Tonnte 
für Die Almeitiga angeflhrt werden — ein Fruͤhſtuͤck, das der 
Mordomo oder Preftameiro, der die Föniglichen Gefälle erhob 
und maß, in Anſpruch nahm und erhielt. Die Miöbräuche, 
die fich bei diefer Leiftung einfchlichen, nöthigten die Könige 
der Habfucht ihrer Beamten einen Zügel anzulegen. Man be 
flimmte dem Mordomo genau, was und wieniel er verlangen 
dinfe. Es war namentlich Affonfo IU. der, ebenfo aufmerk⸗ 
fam auf Misbräuche als bereitwillig fie abzuflelen, die Klagen 
der Gemeinde Lamego über Erpreffungen diefer Art einer ge 
nauen Unterfuchung unterwerfen ließ und nach einer Bera⸗ 
thung mit den Räthen feines Hofed die gegenfeitigen Pflichten 
der Betheiligten feftftelte Den Ricohomem, den er dem Be 
zirk von Lamego vorgefegt hatte, machte er mit „feinem Leib 
und Vermögen” für jebe Überfchreitung und Erpreffung bes 
Mordomo oder Preflameiro verantwortlich ”). | 

Ebenfo wenig wie die Almeitiga auf Rechtlichkeit ges 
gründet und der Umflände wegen, unter benen fie gefobert 
wurde, weit verhafiter und gewöhnlich härter war die Loitosa 
(Luctosa, Luctuosa), eine Abgabe, die bei dem Tode einer 
Perfon, die herkoͤmmlich dazu verpflichtet war, entrichtet wer: 
den muſſte und zwar in ber Zeit zwifchen dem Ableben und 
dem Leichenbegängniffe. Wie ed zu einer Zeit Brauch war, 
daß die Vaſallen des Königs’ über ihre Pferde und Waffen 
nicht Iestwillig verfügen Fonnten, indem dieſe dem Landesherrn 
ald Luctuosa blieben und er damit demjenigen ein Geſchenk 
machte, der an der Stelle des Abgefchiedenen fortan diente; 
wie nach einem alten Herfommen „die Witwen die Luctuosa 
bezahlten”, um ſich wieder verheirathen zu biürfen: auf aͤhn⸗ 
liche Weife wurde es in einigen Gegenden Portugald einge - 
führt, daß bei Dem Tode des Emphyteuten die Luctuosa als eing 


1) Pro Prandio, que non dedit ei. meuam dederunt. Doc. 
von Lorväo im Elucid,. T. II. p. 89 


2) &. die Urkunde ir 


276 Erſter Beitraum. J. Bud: 9. Abſchn. 


landesherrliche Abgabe entrichtet wurde. Sie beſtand in im 
gend einem werthvollen Stuͤck des beweglichen Nachlaſſes ). 
Blos auf dem Grunde uͤberlegener Gewalt, wie es ſcheint, 
beruhte der Maninhadego (Maninhado, auch Maneria), eine 
Auflage, die nur in einzelnen Gegenden des Landes vorkam, 
wie in den Gebieten von Braganza und Miranda und in der 
Provinz Traz os montes. Namentlich war es das Kloſter 
Caſtro de Avelans, das ſie verlangte und immer weiter ver⸗ 
breitete, indem es den verſchiedenen Orten, die es durch 
Schenkungen und ſelbſt durch Ungerechtigkeiten erwarb, Orts⸗ 
geſetze ertheilte, die den Unterthanen dieſe Leiſtung auflegten. 
Der Maninhadego von Avelans beſtand darin, daß das Klo⸗ 
ſter den dritten Theil von allen Guͤtern erbte, die ſeine Un⸗ 
terthanen, die verheirathet waren und ohne Kinder ſtarben 
(mochten ſie auch deren gehabt haben), hinterlieſſen. Ungeachtet 
dies gegen die Foraes von Braganza und andern Orten jener 
Gegend war?), fo dauerte doch der Misbrauch fort, und es 
gelang erſt in der folgenden Periode den Klagen der bethei⸗ 
ligten Gemeinden Gehoͤr zu verſchaffen und den „böfen 
Brauch” (mao custame) auszurotten ?). 

Als Auflagen auf den Handel und Verkehr werben am 
bäufigften der Portadigo und Passagem erwähnt. 

Der Portadigo (Portatico, aud) Portagem) war eine an ben 
König zu leiftende Abgabe von allen Gütern und Lebensmits 
teln, die in den Flecken, Städten und Contos, die ihre befons 
dere Gerichtsbarkeit Hatten, eingeflhrt und verkauft wurden. 
Bon den erften Zeiten Portugald an gab es viele Orte, bie 
nebft ihren Gebieten von ber Entrichtung des Portagemsd im 
ganzen Reiche befreit waren; fie erfreuten fich dieſes Vorrechts 
durch die Foraes, bie ihnen die Könige ertheilt hatten‘). An⸗ 


1) Elucid. T. II. p. 98. 

2) Damos a vös, e outorgamos por Foro: que todo morador 
da Cibidade de Breganga, que fillos ouver, non seia maneiro: 
quer seia o fillo morto, quer vivo . . . K'os que molleres non ouve- 
rem, non seiam maneiros. oral von Braganza. 

8) Elucid. T. II. p. 112. 

4) Nengum pobrador da Cibidade de Braganca en todo meu 


Gemeindeweſen, in ben erften Jahrhunderten. 277 


dere waren allein in ihrem Gebiet, in. welchem eine geawiffe 
Körperfchaft oder ein befonderer. Gerichtöherr gebot, von dem 
Dortagem befreit). Der Betrag der Abgabe war nach den 
verfchiedenen Ortörechten fehr verfchieden ?); erft unter. Dem 
König Manoel fuchte man. Gleichförmigkeit in den Portagem 
zu bringen. 

Don ihm verfchieden war ber Paffagem, eine Abgabe, die 
Jeder zu entrichten hatte, der mit Waaren durch ein Gebiet 
ging, wenn er fie gleich nicht in dem Orte felbft einführte ). 
Megen der aufferordentlichen Miöbräuche, die bei ihrer Eyhes 
bung ftatt anden, wurde fie in der Folge gänzlich aufgehoben. 

Die Juden bezahlten die Juderega (auch Judenga), eine 
Kopffteuer von dreiffig Dinheiros, die fie zur Erinnerung und 
Strafe, daß fie Chriftum für eben fo viel verkauft hatten, 
entrichten mufften *). 

Auffer diefen feften und ordentlichen Auflagen foderten bie 
Könige in Zeiten ber Noth ober bei befondern Anldffen noch 
aufferordentliche: Fintas, Talhas, Servicos, Peitas und 
Pedidos, d. h. „freiwillige Hülfen”, bie den ‚Gemeinden in bes 
flimmten Summen aufgelegt und gemeiniglicy nach Köpfen ans 
gefchlagen und erhoben wurden. Auch die Gerichtöherren ers 
laubten fich folche Auflagen auszufchreiben. Die Könige aber 
erklärten bald, daß dies allein. ihnen zuflehe, und verboten 
ben Prälaten und weltlihen Grundherren ſolche Hülfen von 
ihren Unterthanen zu erheben. Unbemerkt darf nicht bleiben, 
daß diefe Auflagen erfl in der ‚weiten Hälfte biefes Zeitraums. 


Regno nom dia Portage, fagt König Sandıo in dem oral von Bra⸗ 
ganza. 

1) 3. B. in dem Foral, den bie Tempelritter Thomar gaben: Non 
dedes Portagem, nen alcavdla, nen de comer as guardas da Cidade 
ou da porta. 

2, Einen Tarif für die verfchiedenen Güter in dem Foral von Gra⸗ 
väo f. in den Ineditos T. V. p. 8755 einen andern in dem Foral 
von Gaftello-:Branco im Eluc. T. II. p. 230. 

8) Sie hieß auch, ba fie allein bei dem Betreten eines fremden Ges 
bietes bezahlt wurde, Pedagio, quasi a pedibus. Eluc. T. II. p. 229. 

4) Eluc. T. U. p. 61. 


S 


278 Erſter Zeittaum. L Bud. 9. Abſchn. 


üblich wurden, und ihrer daher in den doraes ſelten oder nicht 
gebacht wird’). | 


6) Rechtöpflegee 
Wenige Beſtimmungen ih den Foraes uͤber bürgerliche Rechtsſtrei⸗ 


tigkeiten. Gerichtsperſonen. Gerichtsſtand. Gerichtshand⸗ 
lungen. Peinliche Rechtspflege, Verbrechen und Strafen. 


Einfach wie die bürgerlichen Werhältniffe jener Zeit waren 
in. der Regel auch die Streitigkeiten, bie ſich Uber das Mein 
und Dein entfpannen, und bie Formen, nach denen fie ge⸗ 
flüchtet wurden. Der fhlichte Sinn fand und beurtheilte 
‚ Veicht, was die rohe Keidenfchaft veruͤbt hatte, oder die ſtrei⸗ 
tenden Parteien, von Selbftfucht und Eigennuß befangen, 
dem Rechte zuwider verlangten. War nur der Richter nicht 
durch Neigung oder Abneigung für oder gegen eine Wartet 
. gewiffermaßen felbft in den Rechtsſtreit verwidelt, fo war fein 
Blick leicht Hell und ſcharf genug, ben "wahren Thatbe⸗ 
fand zu überfchauen und ben Widerfkreit der Meinungen und 
Leidenfchaften der fireitenden Theile unparteiifh zu beurtheis 
len. Wenige bürgerliche Gefeße waren zur Entfcheidung hin⸗ 
reichend, und einfach und an Zahl gering wie diefe "waren 
auch die Formen, bie den Gang des gerichtlichen Verfahrens 
beftimmten. Obgleich größtentheild nicht niebergefchrieben (bie 
Foraes enthalten daruͤber äufferfi wenig), konnten diefe Formen 
doch dem Gedächtniffe der Richter nicht entfallen. Indem fie 
tägfich wieberfehrten in Öffentlicher Verfammlung, prägten fie 
füch tiefer ein als der gefchriebene Buchſtabe, und wurden für 
das Leben und Beduͤrfniß um fo anwendbarer und zweck⸗ 
mäßiger, je fhärfer und lebenskraͤftiger Die Erfahrung fie aus: 
prägte. Bürgfchaften gegen Verfälfhungen und ungeſetzliche 
Abweichungen lagen in der Öffentlichkeit des Verfahrens, in 
ber freien Wahl des Richterd, den die Gemeinde aus ihrem 
Schooße erfor, und in der Mehrzahl der „achtbaren Männer“ 
(boni hommes). So finden wir in biefen Dunkeln Jahrhun⸗ 


1) Ordenag. liy. II. tit. 49, Zr 


Semeindewefen, in ben erften Jahrhunderten. 279 


derten bier eine Weisheit, die wir nur darum nicht bewun- 
dern, weil fie der fchlichte Verſtand, vom Beduͤrfniß geleitet, 
eher gefunden.ald erfunden bat. Doch um nicht von 
der Höhe unferd Jahrhunderts herab die Einrichtungen der 
Borzeit in falfchem Lichte zu fehen, um nicht ald Weisheit 
zu rühmen, was vielleicht nur das Merk unfers Geiftes ift, 
und als Unverfland und Unmiffenheit zu bezeichnen, was nux 
wegen unferer Unkunde uns fo erfcheint, müffen wir bei bem 
Buͤck auf die Kindheit der portugiefifchen Rechtöpflege aller 
Anfichten und Kenntniffe unferer Zeit uns entfchlagen, um 
unbefangen jene wahrnehmen zu Eönnen. Zugleich dürfen wir 
nicht vergeffen, daß wir den mangelhaften Rechtözuftand auch 
nur mangelhaft Tennen. Denn nur fümmerliche Überrefle, raͤth⸗ 
felhafte Bruchſtuͤcke hat uns die in jenen Iahrhunderten feltene 
Schreibfunde, die flille Verheerung der Zeit und Portugals 
neueres trauriged Geſchick, das den Bemühungen patriotifcher 
Gefchichtöfteunde, die noch vorhandenen vaterländifchen Rechts⸗ 
und Gefchichtöquellen der Worzeit zu veröffentlichen, fo feind⸗ 
felig entgegentritt, zu benugen vergönnt ). | | 


Gerihtsperfonen. 


Ihre Anzahl war gering. Bon den früheften Seiten an. 
werben Pönigliche Oberrichter in den Comarcas, bie Maiorinos, 
erwähnt. Es gab deren in der Regel fo viele, ald man Co⸗ 
marcas oder Provinzen des Königreichs zählte. Ihr Amt wurde 
gewöhnlich mit dem Worte Tenens, dad dem heutigen Lugar⸗ 
tenente entfpricht, bezeichnet. Zur Zeit des Königs Affonfo IIL 


1) DierBemerkung dürfte hier nicht überfläffig fein, daß ſich der 
Berfaffer bei der folgenden: Darftellung ausfchlieffend an dasjenige. gehal: 
ten bat, was bie Foraes ber erſten Jahrhunderte Über bie Rechtspflege 
darbieten. Er beabfichtigte diefe in ihrer Unverfehrtheit und Eigenthuͤm⸗ 
lichkeit nach den Koraes barzuftellen, bevor fremde Ginflüffe, wie das 
roͤmiſche Recht, bie weitere Ausbildung ber Töniglihen Macht u. |. w. auf . 
fie einwirkten. Die Weränberungen, die durch die Einführung des roͤmi⸗ 
ſchen und kanoniſchen Rechts u. |. w. in der Juſtizverfaſſung und in dem 
gerichtlichen Verfahren herbeigeführt wurben, Tonnen‘ er 
Bande dargeſtellt werben. 


' 


280 Erfier Zeitraum. J. Bud. 9. Abſchn. 


zaͤhlte man ſieben Tenentes). Die Maiorinos oder Meirin⸗ 
hos wurden von dem Koͤnig ernannt. Ihre Jurisdiction war 
ſehr ausgedehnt und erſtreckte ſich ſelbſt über die Adeligen und 
Fidalgos. Sie nahmen Kenntniß von dem, was in den Orts⸗ 
gerichten gefchah, und führten den Vorſitz bei wichtigen Rechts⸗ 
fleeitigkeiten. Von ihnen fand Feine weitere Berufung auffer 
an den König flatt”). Won den Maiorinos mores find zu un⸗ 
terfcheiven Die Maiorinos menores, die von jenen ernannt wur⸗ 
den, und deren Rechtfprechung auf gewifje beflimmte Gegen: 
fände befchränft war ?). 

Als den Mittelpunct der gerichtlichen Xhätigkeit aber, als 
ben eigentlichen Sitz der bürgerlichen und peinlichen Gerechtig- 
teitöpflege in jenen Sahrhunderten muß man die Drtögerichte 
anfehen. Die ordentlichen Ortsrichter, die bald Judiees,, bald 
Alcaides, bald Alvaziles hieffen, wurden von der Gemeinde 
felbft und zwar aus ihrer Mitte gewählt). Sie durften nicht 
von Adel und Feine Patrone von Klöftern und Kirchen (Her- 
deiros) fein. Dem Richter halfen die Homines boni das Recht 
finden. Sie mufften dem Stande der Freien ®) angehören und 
feheinen zugleich den Gemeinderath gebildet zu haben‘). In 
welchem Berhältniffe die „achtbaren Männer” zum Richter 


1) Den oral von Aguiar da Beira, ben Affonfo IIT. 1258 diefem 
Flecken gab, unterzeichneten fieben Maiorinos als Tenentes folgender 
Bezirke: „Braganciam, Ripam Minii, Sansam, Lamecum, Trans Ser- 
ram, Pannoyas, Bayam.‘ 

2) Ebenfo in Leon und Eaftilien, ſ. Partidas, Part. II. tit.9. 1ei 28. 


8) Wie man ſchon im erften Drittel des vierzehnten Jahrhunderts 
anfing den Meirinhos den Namen Corregidores zu geben; über ben Bes 
zuföfreiß u. f. m. ber Lestern f. den folgenden Band. 

4) Iudex et Alcaide sint vobis ex naturalibus Colimbriae. Foral 
von Goimbra, Ebenſo der Foral von Thomar. — Mittantur per bene- 
placitum Concilli, heiſſt es im oral von Penamocor. — Hle Alcalde 
quem vos amardes et que quesieritis ponite illum, — im Foral von 
Sernancelhe u. ſ. w. 


5) Senioribus. oral von Gernancelhe. 


6) Ante presentiam bonorum hominum, per quos civitas Colim- 
bria regebatur, heilt es in einem Urtheilöfpruc zu Gunften bes Kloſters 
S. Jorge vp. 3. 1179. Ribeiro, Dissertt, T. IIL p. 166. 


Gemeindeweſen, in ben erften Jahrhunderten. 281 


ſtanden, welche Proceßhandlungen ihnen und welche dem Rich: 
ter zuftanden, ift nicht befriedigend zu ermitteln. Dürfte man 
auf den Ausdrud Juratos, mit dem der Foral des Fleckens 
Boa Jejua fie bezeichnet, ein befonderes Gewicht legen, fo 
würde er uns ihre Amtöverrichtungen deuten. Ihre Beſtim⸗ 
mung feheint in der That Feine andere gewefen zu fein, als 
mit Ruͤckſicht auf die ihnen vorgelegten Beweiſe nad) ihrer 
Überzeugung die Wahrheit oder Nichtwahrheit derjenigen That: 
fachen zu ermitteln und feftzuftellen, auf welche der Richter 
das Geſetz in Anwendung brachte, und namentlich bei Ankla⸗ 
gen wegen Verbrechen zu beflimmen, ob der Angeklagte bie 
ihm zur Laſt gelegte That begangen habe oder. nicht, und in - 
jenem Fall, ob diefelbe die Natur und das Gepräge eines 
DVerbrechend habe oder nicht. Bei wichtigen Proceſſen, die 
unter dem Vorſitze bed Maiorino, unterftüßt von feinen Unter: 
richtern (suis judicibus et suis saionibus), geführt wurden, 
fiheinen fie mehr die Zeugen und Wächter der Gefehmäßigkeit 
und Richtigkeit des gerichtlichen Verfahrens abgegeben zu haben '). 

Auffer den ordentlichen Richtern und „achtbaren Mäns 
nern’ werden von Gerichtöperfonen noch die von der Gemeinde 
gewählten Sayones, bald als Gerichtädiener, bald als Voll: 
zieher der peinlichen Urtheile, in den Foraes genannt. Der 
Sayom war ein wahrer Proteus auf dem Gebiet der Juſtiz 
und kommt hier in den Urkunden vom zwölften bis zum vier 
zehnten Sahrhundert in den verfchiebenften Amtöverrichtungen 
und Geftalten vor. Während er auf der einen Seite ald achte 
barer Gehülfe bei den Gerichtöverhandlungen erfcheint, tritt er 
auf der andern Seite ald Scherge, Scharfrichter, Henkersknecht 
auf, und fein Name wird gewifjermaßen ein Schimpfname ”). 


1) Defendit ipse Domnus Didacus (Prior bes Klofters Palacioli) 
ipsam hereditatem ..... per suum testimonium et suum juramentum, 
et per judicium roctum testimonio bonorum multorum hominum, ibi 
adsistentium, et per istum plazum: et fuerunt ipsi juratores ( folgen 
die Namen dieſer). S. die ganze Urkunde von 1109 bei Ribeiro, 
Diss. Tom. J. p. 288. . 

2)... . igualmente foi chamado Bayr | netulante, 
e disposto a commetter insultos, com : ügsaforo, 
fagt Santa Rofa be Biterbe - 


| 282 Erfer Beittaum, L Bud, 9. för. 


Als Rechtsbeiſtaͤnde, Anwalte und Vertreter werden, je⸗ 
doch ſeltener in den Foraes als in andern Urkunden jener Zeit, 
die Assertores, bie Rectorss und Exquisiteres erwähnt. Fuͤr 
alle Rechtöfachen,, die den Landesherrn betrafen (querelae de 
Palatio), war der Richter felbft der Vertreter (Vozeiro) '). Wer 
fih gegen einen Mitbürger zum Rechtsbeiſtand eines Untertha- 
nen aus einem fremden Gebiete aufwarf, muffte zehn Solidi 
bezahlen, von denen ein Siebentel dem Ortsherrn zufiel. 


Gerichtsſtand. 


Dem Gerichtsſtande des Klaͤgers folgte der Beklagte, 
wenn dieſer aus einem andern Gerichtsbezirk gebuͤrtig war als 
jener. In den Foraes des zwoͤlften und dreizehnten Jahrhun⸗ 
derts wird faſt jedesmal beſtimmt, daß die Bewohner der 
Ortſchaften, welchen die Foraes gegeben werden, nicht verbun⸗ 
den ſein ſollen die Grenzen ihres Weichbildes bei Rechtsſtrei⸗ 
tigkeiten mit Auswaͤrtigen zu uͤberſchreiten. In der Regel iſt 
in ſolchem Falle die Gerichtsſtaͤtte an der aͤuſſerſten Grenze des 
Gerichtsſprengels?), bisweilen, wenn dieſe durch einen Fluß 

gebildet wird, auf der Bruͤcke über denſelben ?). | 


Gerihtshandlungen. 


Jedem gerichtlichen Verfahren muffte eine Klage voraus- 
gehen, und ohne einen Kläger brauchte Niemand dem Richter 
Rede zu ſtehen ). Der amtlichen Vorladung fcheint eine auf 
fergerichtliche Auffoderung des Klägers an den Beklagten, ihm 
fein Recht zu gewähren, in Anmwefenheit von Zeugen voraus- 
gegangen zu fein; war Died nicht gefchehen, fo durfte ein ge 


1) Foraes von Montesmor und Graväo. 

2) In capite suorum terminorum (in Cabos). Foral von Zouro. 

8) Et si habitor de Lirena habuerit intentionem cum extraneo, 
habeat judicium in ponte de Lirena. oral von Leiria von 1180. 

4) Homines de Penamocor non respondeant sine rancuroso. Foral 
von Penamocor. Ad Judicem nulli respondeat nadi sine rancuroso. 
oral von Santa Eruz. 


Gemeindeweſen, in den erften Jahrhunderten. 283 


richtliches Einſchreiten ‚nicht ſtattſinden ). Die gerichtliche 
Vorladung geſchah entweder durch ein Schreiben (Carta) , oder 
ein gerichtliches Zeichen (Sello de Juiz). Da in jenen Zeiten 
nur wenige Richter die Feder führen und die Vorladungen 
ſchreiben Eonnten, fo gaben fie dem vorladenden Gerichtödiener 
(Sayom, auch Porteiro genannt) irgend ein Zeichen (Sinal), 


ein Kreuz, eine Ziffer oder einen willlinlichen Namenszug, 


den fie mit der Feber zogen oder mit bem Siegel aufdruͤck⸗ 
ten N. Mer auf diefed Ladungszeichen, dad der Gerichtöbies 
ner in dem Haufe des Beklagten vor Zeugen abgab oder an 


demfelben anhing, nicht erfchien, oder wer dieſes Zeichen vers 


legte, muffte einhundert Solibi an den Richter bezahlen ’). 
Wer fich nach einer Friſt von drei Tagen noch weigerte vor 
Gericht zu erfcheinen und das Urtheil zu nehmen, wurde dazu 
gezwungen *). 

Die Unterſuchung und Beweisfuͤhrung geſchah unmittel⸗ 
bar (per exquisam directam) oder mittelbar (per judicium d. i. 
durch Sottesurtheil. Von der letztern Verfahrungsart finden 
ſich mehrere Beiſpiele. An dem Grabmal des ehrwuͤrdigen 
Komthur von Leſſa, Gortia Martins, bewahrte man lange 
Zeit ein Pflugeifen, bas die Frau eines Schmiedes, Die man 
des Ehebruchs fälfchlih angeklagt hatte, glühend auf dem 
Arme bis an jenen heiligen Ort getragen hatte, um ihre Uns 
fhuld zu beweifen. Tareja Soares, von fehr angefehenen Al⸗ 

1) Domus alicnjus non sigilletur, nisi antea vocetur ad directur, 


heifft e8 in mehreren Foraes. Will man biefen Sinn bier nicht gelten 
laſſen, fo würden biefe Worte bedeuten: ber Sayon barf Fein Haus mit 


dem Merkmal ver Auspfänbung bezeichnen, ehe ber Gegenftand durch 


ein vichterliches Urtheil entfchleden iſt. Zu berüdfichtigen ift aber bie 
Stelle im Zoral von Soure: Sagion non eat domum alicujus sigillare: 
sed si aliquis fecerit aliquod illicitum, veniat in Concilium, et judi- 
cetur recte. 

2) Sigillare, sigillum, sello do Juiz nad dem Fuero 
Juzgo. Eluc, T. I. p. 324 und 311. In einem Gefeg von Affonfo II. 
heifft dieſes Zeichen, fuste: Be o nosso Porteiro, quer com letras, 
quer com fuste, quer per si, for fazer eixecugom contra aliquem etc. 
Elucid. Suppl. p. 44. 

3) Foraes von Montesmor und Caftello:Branco. 

4) Si noluerit gratis recipere judicium, recipiat invitus.. \" 


254 Erſter Beitraum. L. Bud. -9. Abſchn. 


teen in Ripa⸗Douro geboren, an einen Adeligen verheirathet und 
bereits Mutter von drei Töchtern und einem Sohn, wurde von 
ihrem Gatten der ehelichen Untreue beſchuldigt. Ihre Ber 
“ wandten wollten durch Zweikampf (Desaflio) ihre Unfchuld dar⸗ 
thunz fie aber gab dies nicht zu, fondern unternahm felbft 
ihre .Vertheidigung, indem fie in der Stadt Braga ein glüs 
hendes Eifen umverfehrt trug (oder über ein folches ging). 
Ihr Gatte, darüber erftaunt, erkannte feinen Irrthum, warf 
fih zu ihren Füßen und bat fie um Verzeihung. Tareja aber 
wendete fich fir immer von ihm und begrub fich, von ihren 
tern begleitet, im Klofter Arouca, damit ihre audgezeichnete 
Schönheit nicht von neuem Veranlaffung zum Verdacht werde‘). 
| In allen Rechtöftreiten, bei denen eine Unterfuchung durch 
Zeugen möglih war, muffte fie von dem Richter und den 
„achtbaren Männern“ vorgenommen werden; das Gottes⸗ 
urtheil war hier nicht zulaͤſſig ). Die Beweisfuͤhrung in ber 
orbentlichen Unterfuchung gefchah in der Hegel durch Zeugen, 
felten durch Urkunden. Im einigen Gebieten konnten allein 
die boni homines Zeugen fein, in andern hing bie Geltung 
des Zeugnifjes von dem Stande bed Zeugen ab. Nach dem 
Zoral des Fledend Zouro galt das Zeugniß des Gavalleiro fo 
viel ald das des Infançom, und Das der Peoens fo viel als 
das der Cavalleiros Villaos. Die Zahl der Zeugen durfte 
nach einem Gefege von Affonfo IM. nicht dreiſſig überfteigen. 
Frauen wurden nur in gewiffen Rechtöftreitigkeiten als Zeus 
gen zugelaffen. Wer die Wahrheit verweigerte, muffte fo 
viel zahlen, ald durch dieſe Weigerung verloren ging’). Wer 
ein falfched Zeugniß ablegte, fiel in eine Geldſtrafe von fechzig 
Solidi, wovon ein Siebentel dem Landesherrn gehörte; der 
Meineidige wurbe überdied aus der Gemeinde geftoßen *). 


1) Santa Rofa de Biterbo nad einer Schenkung ber Tareja an 
das Kloſter Arouca vom Jahr 125%. Eluc. T. I. p.447. 

2) Omnes intentiones tam nostri Mordomi quam nostrorum homi- 
num sint per inquisitionem bonorum hominum, de illis rebus unde 
potuerit habere esquisam (Jdirectam fügt der Foral von Pombal hinzu) 
et non per Judicium. Foral von Befere. 

8) Foral von Pombal. . 

doraes von Penamocor und Graväo. 


Gemeindeweſen, in ben erſten Jahrhunderten. 285 


‚ Nachdem die Parteien vernommen, bie Zeugen abgehört 
worden waren, gab ber Richter in’ Gegenwart der boni homi- 
nes und ber befheiligten Parteien den Befcheid '). Zur Nichts 
ſchnur dienten ihm dabei die Gefege und Beſtimmungen, die 
in ben Foraes niedergelegt waren, wohl auch, wenn biefe 
ſchwiegen, die weftgothifchen Gefege?), Die jeboch feltener in 
den Ortörechten als in dem Gerichte am Eöniglichen Hofe ers 
wähnt werben. Verſagten beide die nöthige Auskunft und 
Richtſchnur, fo war der Richter an die Urquelle des Rechts, an 
feine Vernunft, gewiefen und gab die Entfcheidung nach feis 
nem beften Wiffen und Gewiffen ). Die Partei die fich durch 
das Urtheil des Ortörichterd befchwert fand, konnte ihr Recht 
bei dem Gerichtöheren oder, im Einiglichen Gebiet, bei dem 
König verfolgen. Solche Befchwerden kommen in den Foraes 
unter dem Namen Querimoniae oder Querimad vor, und aus 
ihnen entftanden bei der weitern Ausbildung des. Gerichtövers 
fahrend die Aggravos (Berufungen).. Dft aber unterfagten 
die Gerichtöherren die Berufung an den König. Wer fih in 
ihrem Gebiete weigerte das Urtheil von dem Ortsgericht ans 
zunehmen und fich unterfing an ben König fich zu wenden, 
fiel in eine Strafe von zehn Maravebis und muffte den Drt 
verlaſſen; feine Güter fielen der Gemeinde zu‘). 


1) Et devenimus inde Cresconi ante Domino Egas Moniz, et Ibi 
Sesnando Odoris, et alii filii benenatorum, et exquisierunt ut ego 
Froila non habebat ibi in illas hereditates nulla causa, nisi herentia 
in Sancto Petro de Arauca. Et viderunt homines bonos, et domine 
Egas, ut ipsa cambiatione firmiter extitisset pro hac sententia, et 
ideo placuit mibl. Mon. Lus, lib. 9. cap. 12 und 13, wo noch mehe 
rere Rechtöftreite mit ihren Entſcheidungen angeführt werben. 

2) Qui vocem vestram pulsaverit, illud castrum pariat in qua- 
druplum, et Regiae quomodo liber judicum praecipiat. oral von - 
Soure. 

3) Totas intentiones judicent Alcaide de Villa vestra per suam 
cartam, et alias intentiones judicent secundum suum sensum sicut 
melius poterit, oral von Zouro. 

4) Qui fuerit cum querimonia de suo vicino a Rege, 
quesierit recipere judicium de vestros juratos, p. X mrs, et « 

Villa, et remaneat haereditate in manu de vestro ‘ 
von Boa de Iejta, von Martinho Pirez 1252 ertheilk, 


286 Euer Beitraum L Bud. 9. Abſchn. 


Peinliche Rehtöpfiege, 
Verbrechen und Strafen. 


Zahlreicher find in den Foraes bie Geſetze und Beſtim⸗ 
mungen Über Verbrechen und Strafen ald über bürgerliche 
Rechtsſtreite. Die rohe -Leidenfchaft des kriegeriſchen Volkes, 
die weder in der Sitte und Denkweiſe noch in der Geiftes: 
bildung Schranken fand, entbrannte ſchnell und fehritt eben 
fo ſchnell zur Selbfthälfe und Gewaltthat. Was ein Richter⸗ 
ſpruch friedlich beigelegt hätte, ward Anlaß und Quelle des 
Verbrechens. Das ernfimilde Wort des Rechts, das, zwiſchen 
dem aufglimmenden Funken ber Leidenfchaft und ber Gewalt 


that verföhnend gefprochen, biefe abwenden konnte, warb von 


ihe überholt und der Richter muffte nım frafen, wo er ben 
fhöneren Beruf, Frieden zu fliften und Misklaͤnge zu loͤſen, 
. hätte uͤben mögen. So: häuften ſich Verbrechen auf Werbre 
chen und wurden Strafen nothwendig; beide heifchten mehr 
Beflimmungen und Geſetze als bie bürgerlichen Rechtöfbeeite. 
Aber fo häufig auch die Verbrechen waren, fo wenig 
zahlesich waren ihre Arten. Rachſucht, Habgier, rohe Ge 
Schlechtöluft traten am ſtaͤrkſten hervor und waren bie ge 
wöhnlichften Leidenſchaften. Die Foraes bezeichnen auch ihre 
Ausbrüche und Gewalthandlungen ald die Hauptverbrechen '). 
Was die Ortörechte noch weiter zu den Hauptverbrechen zäh: 
Ien, find nicht Aufferungen anderer Leidenſchaften, fondern die⸗ 
ſelben, nur mit der Rohheit gepaart, wie fie der tiefen Bil⸗ 
dungöftufe des Menfchen eigen if: gewaltfamer Einbruch und 
Lixo em boca. Bei jenem flürzt die Leidenfchaft der Rach⸗ 
fucht oder Habgier, jeden Umweg, den diefe Leibenfchaften bei 
bem befonnenen Gebildeten burchfchleichen, verfchmähend, ge: 
rabezu auf das Ziel los und erfaflt plöglich ihr Opfer; bei 
dem „Koth im Munde” (Lixo em boca) ift die Gemeinheit 
und NRohheit der Rache und des Pöbelmuthwillens in ihrem 
Elemente. 


1) Non sit inter vos calumnie, nisi rausum, et homigidium, 
et stercus in ore, et casa disrupta cum m armis, et furtum. 
Foral von Abiul, 1175. 


d 


Gemeindeweſen, in ben erſten Jahrhunderten. 287 
Als Hauptverbrechen bezeichnen die Foraes: Mord und 
Zodtfchlag, gewaltfame Entführung und Nothzucht, Einfteden 
von Koth in ven Mund, Diebflahl und Einbrud in ein Haus‘). 
Der Mord (omezio) wurde fehr verfchieben geftraft. Nach 
dem alten Foral von Lourinhaa, den Affonfo II. im Jahre 1218 
beftätigte, „fol der Mörder (matador), wenn er ergriffen wers 
den kann, lebendig begraben und der Erfchlagene über denſel⸗ 
ben gelegt werden. Kann er nicht ergriffen werben, fo zahlt 
er an den Prätor (hier Alcaide) dreihundert Solidi und ſetzt 
fih mit den Verwandten des Getoͤdteten“?). In der Regel - 
wurbe der Mord mit einee Geldbuße von breihundert, biswei⸗ 
len fogar nur mit einhundert Solidi beflraft ), wobei unter 
fchieven wurbe, ob der Xhäter aus der Gemeinde des Ers 
ſchlagenen war oder nicht. Nur ber Fremde, der einen Orts⸗ 
bürger erſchlug, zahlte 300 Solidi; tödtete aber dieſer ben 
Bewohner eined andern Orts, fo bezahlte ee baflır nichts *). 
Diefe Begünftigung des Eingebornen gegen den Auswärtigen 
fann in einer Zeit nicht befremden, im welcher jebe Gemeinde 
vereinzelt dafland, in dem Mitgliede einer andern nur den 
Frembling fah und Nechte nur fich beilegte, einer andern Ger 
meinde aber Feine zugefland. Von dem Thron herab gibt noch 
fpät ein portugiefifcher König die Erklärung: „Der Grund if, 
daß der Foro ſich mehr bezieht auf diejenigen die. ihn verlangt 
haben ald auf Fremde; denn jene haben ihn mehr flr fich ver- 
langt ald fir Andere” °). 
Um fo wichtiger war auch in biefer Beziehung bei einem 
Mord oder Todtſchlage die Frage, wer der Thaͤter fei.- Daher 
wohl der feltfame Gebrauch im. Gebiete von Lamego, daß 


1) Belege ſ. in Elucid, T. IL p. 96. 9. 

2) Elucid. ebendaf. 

3) Toraes von Montes mor und Graväo. 

4) Se o morador da vossa Villa matar a outro que nom for de 
vossa Vila, mom peyte por el ne migalla: e se matar o de fora ao 
da vossa Villa, per%e por el COO sscldes. Foral von Braganca von 
1187, .. EN 

5) König * m Gejes in den Ordenac, 
Affons, liv. 


288 . Erfter Beitraum. L Bud. 9. Abſchnu. 


wenn bier ‚der getödtete Leichnam eines Menſchen gefunden 
wurde und man den Thäter nicht kannte, der nächft gelegene 
Drt oder das nächfie Gebiet verbunden war an den Böniglis 
chen Morbomo dreiffig Maravedis zu zahlen, oder nachzuwei⸗ 
fen, wer ihn getöbtet habe, ober auf welche Weife er geſtor⸗ 
ben ſei. König Affonſo IV. hob in ben erſten Cortes die er 
hielt den Gebrauch auf. 

Der Gemeindsmann der einen Fremden erſchlug, weil er 
mit Gewalt Lebensmittel oder andere Guͤter ſich genommen 
hatte, wurde ſo wenig als ſtrafbar angeſehen, daß derjenige 
der bei dem Koͤnig oder Gerichtsherrn Klage uͤber dieſen Mord 
erhob, einhundert Maravedis zur Haͤlfte an den Landesherrn 
und zur Hälfte an die Gemeinde zahlen muſſte)). 

Der ftrafbare Zodtfchläger oder Mörder ?) dagegen wurde 
neben der Geldftrafe, in die er verfiel, aus dem Gebiet, in 
dem er das Verbrechen begangen hatte, als ein Zreulofer, Ver⸗ 
räther und Zodtfeind der Verwandten des Erfchlagenen vers 
wiefen. Der Zamilienrache verfallen, ward er wenigftend von 
der Furcht aller Orten verfolgt. Auch andere Verbrechen auf 
denen keineswegs Todesſtrafe ftand, felbft größere Befchimpfung 
- wurden mit der Strafe eines „Moͤrders“ belegt, indem ber 
Schuldige dad Vaterland verlaffen und feine übrigen Zage als 
Berwiefener verleben muffte ). 

Das zweite Hauptverbrechen war der Rauso*), unter 
dem man, nicht allein den Raub oder die Entführung eines 
Mädchens verftand, das bei feinen Aeltern oder Verwandten 
Iebte und gewaltfam von dem Entführer an einen andern Ort 
zur Befriedigung der Gefchlechtsluft gebracht wurde, fondern 
auch jede Gemwaltthat die an einer weiblichen Perfon, fie 


1) Zorass_von Monte-mor und Graväo. 
2) Omiziero, Homeziäm, Homizial, Homicida. 


8) Et qui in termino de Molas filia aliena rouxaverit extra sua 
voluntate, pectet CCC soldos ad rancurosum, et exeat Omiziero. 
oral von Moz; ebenfo in Gaftello-:Branco, Santa Cruz da Billarica. 


4) Rauxo, Rösse, .Roxo, Rouso, Rouxo von Raptum, Rapto; 
vergl. Elucid. T. U. p. 266. 


Gemeindeweſen, in ben erfien Jahrhunderten. 289 


mochte ledig oder verheirathet oder Wittwe fein, wiber ihren 
Pillen verübt wurde (Aforciar). 

Die Frauen und Maͤdchen unterfchieden fich in den vers 
fchiedenen Ständen und Lebensverhältniffen durch ihren Kopfs 
putz. Ein großer Unterfehied fand flatt zwifchen einer Frau 
die eine Haube trug (andar com touca), und einer: die im 
bloßen Haare ging (em cabello). Die Wittwen erfchienen mit 
bedecktem Kopfe, die verheiratheten Frauen mit unbedecktem, 
aber die Haare gebunden und zufammengehefte. Die Maͤd⸗ 
chen und Iungfrauen dagegen, bie noch unter der väterlichen 
Gewalt ftanden, überhaupt alle Unverheivathete, gingen ohne 
Kopfbevedung mit herabhängendem Haare. Bon ihnen fagte 
man: im Haare bleiben oder fein (remanere, aut esse 
in capillo). Wurde nun eine Wittwe mit kurzem Haare und 
mit einer Haube, oder eine Unverheirathete mit unbes 
dedtem Haupte und ungebundenem Haare von einem 
Manne gewaltfam angegriffen und ſchrie fie innerhalb drei 
Tage in der Straße gegen den Thaͤter, fo war diefer verbun- 
ben gegen diefe Anklage ſich zu vertheidigen, indem er zwölf 
Zeugen, die feine Unfthuld ausfagten, ſtellte. Konnte er dieſe 
nicht beibringen, fo muffte ee 30 Maravedis zahlen, 23 an 
die Klägerin und 7 an bie Kammer (Palacio). Klagte fie 
aber nicht binnen drei Tagen ‘unmittelbar nach der That, fo 
blieb der Thäter frei von der Strafe, wenn er blos fchwur, 
daß er das Verbrechen nicht begangen habe’). Sonft galt 
als Regel: wer ein Mädchen gegen ihren Willen entführt, zahlt 
300 Solidi, halb oder den fiebenten Theil an den Ortsherrn, 
und halb oder das Übrige an den Kläger, fett ſich (avenha-se) 
mit den Xltern des Mädchens umb geht ald Homicida in’s 
Ausland 2). Dagegen fiprachen viele Ortörechte den Auswärs 


1) Si fuerit mancipia in capilo, aut cum touca, et venerint ras- 
cando per illa cal, et dixerit: Folam (i.e. rem mecum violenter ha- 
buit), pro nomine salvet se cum duodecim; et si non potuerit salvar, 


pectet triginte. mgeahltises, et s a Palatio. Et si non venerit 
rascando usiue tauiRMMEBEEE. Turet, sive tertium exiat de calumpnia. 
Koral von Ca * bo Gabor von Sancho II. ertheilt 
1225: Meanco, Penamocor, Braväs. 


mier da Beira, Moz. 
19 


202 Erſter Zeitraum L Buch. 9. Abſchn. 


ſich der offenen Hand bediente, und wenn Blut kam, 124 &os 

lidi u. ſ. w.). Ein Stich mit der Lanze oder dem Speer 
warb gebüßt mit 100 Solidiz ging er durch ben Körper, mit 
20 Solidi?). Wer einem Andern den Arm zerbrach oder einen 
Zahn oder ein Auge ausfchlug, muffte an den Verletzten für 
jedes Glied 100 Solidi entrichten, von denen ber ſiebente Theil 
dem Ortsherrn zufiel ). Mehr noch ind Einzelne geht dad. 
Ortsrecht von Gernancelbe *) und beftimmt Weit geringere: 
Strafanfäge: für ein Ohr 15 Modios °), für die Nafe 50, 
ein Auge 50, beide Augen 100, eine Hand 50, beide Hände 
100, einen Bahn 5, .einen Finger 5, eine Zehe 5 Modios, 
ſaͤmmtlich halb dem König und halb dem Verletzten ober feis 
nen Verwandten. Bon allem Übrigen abgefehen — wie fehr 
bat die Cultur unferer Zeit die Begriffe von dem Werth und 
der Tauglichkeit der einzelnen Glieder des menfchlichen Körpers 
verändert! Welche Betrachtungen überhaupt reihen fich an jene 

Beflimmungen! 

Öffentliche Ehrenverlegimgen ımd Beſchimpfungen wırs 
den (mit Ausnahme des obenerwähnten Lixo en boca) eben: 
falls zu den geringeren Vergehen gezählt, jeboch mit aller 
"Strenge beftraft. So viele Schimpfreben Jemand gegen einen 
Andern auöftieß, fo viel mal drei Solidi muffte er, nach dem 
Foral von Lourinha, an den Beſchimpften erlegen und eben 
fo viel an den Praitor). Das Weib das eine ehrbare Frau 
ohne Grund befhimpfte, erhielt zur Strafe fünf Ruthenftreiche 
(Varangadas) auf das bloße Hemd; und die Mannsperfon, 


1) Zoral von Gonftantim de Panoyas. Über einzelne Berleßungen, 
Eontuftonen u. f. w. und ihre Strafen vergl. Elucid. T. I. 448. verb. 
Feridas chans ober negras, und ebendaf, T. II. p. 210 verb. 
Pena de Sangue. | 

2) Foral von Caſtello⸗Branco. 

3) Foraes von Monte⸗-mor und Graväo. 

4) Gedruckt in den Mem, da Acad. Real, T. VI. p. 7. 

5) über Modio vergl. Eluc. T. IT. p. 141. 

6) Si aliquis dehonestaverit aliquem, quantos deostos ei dixerit, 
tantos tres solidos ei pectet, et Praetorl alios tantos. 


Gemeindeweſen, in den erſten Jahrhunderten. 291 
bewegte. Faſt alle Ortsgeſetze eifern gegen dieſes „Abſcheu⸗ 
liche” (nefando), vie fie es ſchlechthin nennen, ohne es ver: 
bannen zu koͤnnen. König Diniz ſah fi) genöthigt auf einen 
Srevel, der den hundertjährigen Gefegen und Verpönungen, 
der allen Zortfchritten dee Sittigkeit Sohn fprach, Todesſtrafe 
zu ſetzen ). 

Wer des vierten Hauptverbrechens, des Diebſtahls (far- 
tam), fich ſchuldig machte, muſſte das Neunfache des Geftohle: 
nen bezahlen. Der Beraubte erhielt zuvoͤrderſt das Entwen- 
dete oder deffen Werth volfländig wieder und theilte die uͤbri⸗ 
gen acht Theile mit dem Richter zu gleichen Zhellen ?).. Nach 
dem oral von Santa Cruz da Billarica wurden dem Dieb 
aufferdem noch die Ohren abgefchnitten, - und. wenn er zum 
zweiten Male flahl, lieſſen die Alcaiden ihn tödten ?). 

Endlich wurde zu den angefuͤhrten vier Hauptverbrechen 
noch ein fuͤnftes in den meiſten Foraes angefuͤhrt: gewaltſa⸗ 
mer, bewaffneter Einbruch in ein Haus ). Er wurde in der 
Regel mit finfhundert Solidi beftraft. 

Als geringere Vergehen wurden koͤrperliche Berlehungen 
und Berftümmelungen angefehen. Alles war hierbei genau bes 
ruͤckſichtigt und beflimmt, das Mittel und die Art der Ber: 
letzung, das Glied oder dee Körpertheil Die verlegt wurden, ber 
Betrag der Geldftrafe die den Thäter treffen follte.: Wer mit 
geballter Fauſt fchlug , iahue zwoͤlf Denare; fünf Soli, m wer 


1) Estabelecemos e Poemos por Ley, que todo homen, c ou mol- 
her, que a outrem meter merda em boca, ou mandar meter, moira 
porem. Ordenag. Affons. liv. V. tt. 32. $. 1. p. 127. Der abfcheus 
lihe Gebrauch hat felbft in der neueren Zelt unter der Hefe des Porta: 
giefifchen Volkes nicht aufgehört- Eluc.. T. Il. p. 96. 

2) Foral von Penamocorz oder die Kammer erhielt den ſiebenten 
Theil, wie es im Foral von Graväo beſtimmt war. 

3) Eluc. T. II. p. 185. 


4) ... GM digrupke; cum armis aut cum feridas, aut fregerit 


portas, et intraverik vim. Foral, den bas Kloſter Lorvão 
dem Flecken Abit ı dierumperit casaın, qui passet 
limimare cum ' „nceis, aut cum spdtis, aut 
cum cnltal tet quingentos. soh- 


dos ıı cot. 


292 Erſter Zeitraum L Buch. 9. Abſchn. 


ſich der offenen Hand bediente, und wenn Blut kam, 124 &os 
lidi u. ſ. w.). Ein Stich mit der Lanze oder dem Speer 
ward gebüßt mit 100 Solidi; ging er durch den Körper, mit 
20 Solidi ?). Wer einem Andern den Arm zerbrach oder einen 
Zahn oder ein Auge ausfchlug, muflte an den Verletzten für 
jedes Glied 100 Solidi entrichten, von denen ber fiebente. Theil 
dem Ortsherrn zufiel‘). Mehr noch ind Einzelne geht das 
Ortsrecht von Gernancelhe *) und beflimmt weit geringere: 
Strafanfäge: für ein Ohr 15 Modios ), für die Nafe 50, 
ein Auge 50, beide Augen 100, eine Hand 50, beide Hände 
100, einen Bahn 5, .einen Finger 5, eine Sehe 5 Modios, 
fämmtlich halb dem König und halb. dem Verletzten ober feis 
nen Verwandten. Bon allem Übrigen abgefehen — wie fehr 
bat die Eultur unferer Zeit die Begriffe von dem Werth und 
der Tauglichkeit der einzelnen Glieder des menfchlichen Körpers 
verändert! Welche Betrachtungen überhaupt reihen fi) an jene 
Beflimmungen! | 

Öffentliche Ehrenverlegimgen ımb Befchimpfungen wur⸗ 
den (mit Ausnahme des obenerwähnten Lixo en boca) eben: 
falls zu den geringeren Vergehen gezählt, jedoch mit aller 
"Strenge beftraft. So viele Schimpfreden Iemand gegen einen 
Andern ausſtieß, fo viel mal drei Solidi muffte er, nach dem 
Foral von Lourinha, an den Belchimpften erlegen und eben 
fo viel an den Prätor‘). Das Weib das eine ehrbare Frau 
ohne Grund befchimpfte, erhielt zur Strafe fünf Ruthenftreiche 
(Varangadas) auf das bloße Hemd; und die Mannöperfon, 


1) Zoral von Gonftantim de Panoyas. Über einzefne Verletzungen, 
Eontufionen u. |. w. und ihre Strafen vergl. Elucid. T. I. 448. verb. 
Feridas chans ober negras, und ebendaf, T. II. p. 210 verb. 
Pena de Sangue. 

2) Foral von Caſtello⸗Branco. 

3) Foraes von Monte⸗mor und Graväo. 

4) Gedruckt in den Mem. da Acad. Real, T. VI. p. 7. 

5) über Modio vergl. Eluc. T. IT. p. 141. 

6) Si aliquis dehonestaverit aliquem, quantos deostos ei dixerit, 
tantos tres solidos ei pectet, et Praetorl alios tantos. 


Gemeindeweſen, in ben erſten Jahrhunderten. 293 


bie ben guten Namen eined veblichen Mannes ober einer ehr: 
‚ baren Stau verunglimpfte, erhielt doppelt fo viele). Wenn 
eine Perfon einer andern Hurerei vorwarf, einem Manne ins 
Angeficht fagte, daß er Zegulo de fulana fei, ober einer Frau, 
daß fie Zegoniava com fulano ?), und dies‘ bei der Unterſu⸗ 
hung nicht durch Zeugen beweifen Tonnte, wurde in eine 
Strafe von dreifſig Solidi, die bee Kammer zufielen, verurs 
theilt und wie ber „Todtſchlaͤger“ aus dem Orte verftoßen, 
als habe er auch den Leib des Mitbürgers ober der Mitbuͤr⸗ 
gerin.gemorbet, wie er die Ehre und ben guten Namen ver: 
nichtet hatte. Der Kloflerbruber der einen andern einen So⸗ 
bomit (fodidineul) oder Verräther,. einen Krägigen oder Dieb 
fchalt, muffte 5 Solidi an die Brüderfchaft zahlen und erhielt 
Schläge). Wie die Rohheit jener Zeit in Schimpfreben ſich 
ergoß und bie fertigfte Zunge gemeiniglich als die fündhaftefte 
fih bewies, fo war ed auch die muthwillige Derbheit jener 
Zeit, die gegen dad verleumderifche Glied eine eiferne Zunge 
erfann. In dem Gemeindehaufe des Fledend Sanceriz bei 
. Braganza fah man noch in neuerer Zeit einen Zaum, welcher 
Meibern, deren böfe Zunge an dem guten Leumund Anderer fic) 
vergangen hatte, zur Strafe angelegt wurde. Eine eiferne Zunge 
bedeckte den Mund, das Kinn umfpannte ein ſtarker Ring, uͤber 
die Nafe liefen Eiſen, eine Kopfbedeckung hing damit zuſam⸗ 
men, bie Zügel waren an einer Schnalle hinten befeftigt *). 
Die ſpaͤtern Jahrhunderte haben die Strafe aufgehoben; war 
fie unnöthig geworben ober erfolglos ? 

Bei dieſen geringeren Vergehen, der Förperlichen Vers 


1) Foral von Atouguia- 

2) Diefe Ausprüde find bis jetzt noch nicht befriedigend erklärt, 
Vergl. Elucid, T. II, 415, verb. Zegoniar. Im Foral von Eſtre⸗ 
mabdura heifft eg: Si homo, aut mulier dixerit ad suum vicinum, vel 
ad suam vicinam, Zegulo de foam, aut Zegonia com foam, et non 
potuerit gutorgar cum Inquisitione: pectet XXX sol. ad Palacium, 
et exeat homeziam. 

3) Elucid. T. I. 468, 


4) Ibid, T. I. p. 416, 


294 Erſter Zeitraum. I Bud. 9. Abſchn. 


letzung und Kraͤnkung bed guten Namens, wie bei. jenen 
Hauptverbrechen richteten ſich die Strafen, wie ſchön aus 
dem Bisherigen erhellt, theils nach "dem Stande des Thaͤters, 
theils nach. dem Gegenftande, theils nach den Umſtaͤnden, um: 
ter welchen das Unrecht begangen wurde. Man glaubte Das 
mals And noch lange, daß ed Stufer des Standes. und Ran 
ges gebe, bie über der Strafe des Verbrechens . flimden ober 
wenigſtens deren Strenge milderten, wenn fie gleich nicht von 
Verbrechen abhielten ). Daß von dem &tanbe. des Thäters 
abgefehen, die Strafe genau nad, dem Gegenflande abgemeſſen 
wurde, ift aus ben oben angeführten Geldbußen fuͤr Börperliche 
Verlegungen und Verſtuͤmmelungen erfichtlich.. Endlich waren 
ed Ort und Umſtaͤnde, welche die Strafe veränderten. Wer In 
der Kirche oder im Gemeindehauſe oder auf dem Marktplatze 
an einem Andern fich vergriff, muſſteᷣ ſechzig Solidi bezah⸗ 
In”). Wer eine Frau im Beiſein ihres Mannes ſchlug, 
büßte mit dreiſſig Solidi 9). 

Die Geldſtrafen für Die Verbrechen (calampnins , coimas, 
multas) fielen, wie es fchon aus dem Obigen fich exgiebt, zum 
Theil der Töniglichen Kammer, die man bamald unter dem 
Palacio verſtand, zu und bildeten eine Hauptquelle ber koͤnig⸗ 
lichen Einkünfte. Am einträglichften mochten die Strafen für 
die oben genannten Hauptverbrechen fein. Die Rechtfprechung 
über ‘diefe wie bie Erhebung jener*) behielt fich der König 
gewöhnlich vor, wenn er gleich bei Verſchenkung von Lände- 
reien und Ortſchaften nebft der damit verbundenen niederen 
Gerichtöbarkeit der Entfcheidung und Beftrafung geringerer 
Vergehen entfagte. Doch find auch die Falle nicht felten, dag 
bei ſolchen Vergabungen und Entaͤuſſerungen der Koͤnig aller 


1) über die Vorrechte des Cavalleiro vor Gericht ſ. oben S. 90. 
- 2) Foraes von Penamocor und Grapäo. 
3) Foraes von Moz und Graväo. x 


4) Voz, e Coima, In diefer Beziehung heifft dann, wenn beide 
Worte in den Urkunden mit einander verbunden werben, Voz fo viel als 
Carritel, und Coima fo viel als Calumnia: „die Anrufung (die Befug: 
niß der Rechtſprechung) und die Strafe.” 


Gemeinbewefen, in ben erſten Iaprhunbeten. 295 


feiner Rechte in jener Beziehung fich begab '). Der Antheil, 
den die koͤnigliche Kammer von den Geldſtrafen erhielt, be 
trug in der Regel ein Siebentel, biöweilen bie Hälfte Dem 
Alcaiden, ber bie Straffumme zu beflimmen hatte, lag auch 
die Pflicht ob, bei einem gefchehenen Diebflahl dem Beraubs 
ten da8 entwendete Eigenthum oder den vollftändigen Werth 
deffelben (Cahdal), zu deffen Erflattung der Dieb verurtheitt 
worden war, zu verfchaffen und die weitere Gelbftrafe, die er 
zu zahlen hatte, fo. zu theilen, Daß ſechs Theile der Kläger 
(Rancuroso), den fiebenten der Landesherr erhielt *).: 


Sm Übrigen vollzog der Sayom oder der Meirinho das 
- Urtheil. Seine Amtöthätigkeit eröffnete auch das gerichtliche 
Verfahren gegen Berbrecher; denn nur dem Sayom ober dem 
Meirinho fand es zu, ben zu ergreifen, gegen ben des Königs 
Hülfe laut angerufen warb (Aqui d’EI Rei) °), oder über befs 
fen Gewaltthat Jemand Klage erhob (Vox de Carritelo oder 
fohlehthin Vox)*). Zur Verhaftung durfte aber der Sayom 
nur dann fhreiten, wenn ein Kläger erfchien und Zeugen vors 
handen waren. Auch war erfoberlih, bag der Gegenflanb 
der Klage wenigftens fünf Maravedis betrug‘). Der Ber: 


1) &o entfagt Affonfo I. bei der Schenkung bes Couto von Barra 
an das Klofter Celica i. 3. 1175 allen Königlichen Rechten, die er bort 
befige, nämlich der Herdade, Voz, e Calumpnia, und bedroht mit 
ſchwerer Strafe Jeden, der in biefem Couto „onlampnlam afiquam 
fecerit.“* 


2) De quocumgue furto colligat suo Domino suo Cabdal, et par- 
tat illa Calumpnia, et det Septima a Palacio, per manu de Alcaldes, 
oral von Moz, 1162 von Affonfo Henriques ertheilt. 


3) Was in einigen Foraes auch mit dem Worte rascar bezeichnet 
wid. 


4) Eluci, T. I. p. 240. 


5) Sagion, et Maiordomus non ponant Caritel, nisi cum auctore, 
et testibus: Et non sit illud Caritel, nisi de V marav Baur don 
Viſeu. — Et istas calumpnias non respondeat sine rancu 
curoso non valeat sua cherimonia sine testimonium bo 
mum. oral von Conftantim be Panoyad. 


2% Erfter Zeitraum. J Buch. 9. Abſchn. 


brecher muffte ,‚ nach dem Foral von Barcelos, an bemfelben 
Tage an dem er bie That verübt hatte ergriffen werden; an 
den folgenden Tagen konnte man ihm nichts ‘mehr an- 
haben ’). 


1) Non peetem Carritel de nasum (d. h. wenn Blut aus der Naſe 
floß, Eonnte nicht darum allein des Königs Hüife angerufen werben), et 
si fecerint Calumpniam in alia parte, et ipso dis aprehenderint eos, 
‚pectent eam per forum suae Villas: ot ei in ipso die- non aprehende- 
rint eos, in alio nihil respondeant. 


Zweites Bud, . 


Von der Regierung des Königs Diniz bis 
zum Tode Fernando’, 
(Bon 1269 bis 1383.) 


Das Königreich, in der vorigen Periode bis zu feinen 
bleibenden Grenzen erweitert und zur vollen Unabhaͤn⸗ 
gigkeit gereift, befchränkt fi) nun auf jene und ver- 
harret unangefochten in diefer. Nur noch einmal wird 
neben Caftilien auch Portugald Fortbeftehen von einem 
unermeßlichen Saracenenheer bedroht; aber Portugal geht 
mit feinem König aus dieſer Gefahr glorreich hervor. 
Gaftilien denkt nicht mehr daran, dem benachbarten Por- 
tugal bie Selbftändigkeit fireitig zu machen. Diefes 
wendet nun feine Kräfte anf die innere Entwicklung. 
Unter dem Schuge und der Pflege mehrer Eräftiger, 
für Volkswohl beforgter Könige diefer Periode erhebt 
fi) der dritte Stand durch Landbau, Handel und Schiffs 
fahrt. Fortwährende Streitigkeiten der Geiftlichkeit mit 
den Königen. Der Einfluß der Päpfte, überhaupt fchon 
geſchwaͤcht, wirkt auch hier fehwächer in dem Maße bie 
koͤnigliche Macht erftarkt. Überdies treffen biefe Strei- 
tigkeiten mit der kraͤftigen Perfönlichkeit zweier Könige 
(Diniz und Pedro) zufammen. Der Kirche wird im 
unmäßigen Erwerbe von Grundbeſitz ein geſetzt. 
Weniger gluͤcklich ſind die Könige ir *- “ung 


298 Erfter Zeitraum. D. Bud. 1. Abſchn. 


der Misbraͤuche, welche die Adeligen mit ihren grund⸗ 
herrlichen Vorrechten treiben. Dagegen kommt die Juris⸗ 
diction in den Gemeinden immer mehr in die Haͤnde 
der Könige, welche beguͤnſtigt von dem allmaͤlig ein- 
dringenden römifchen Rechte diefes wieder begünftigen. 
Das Eönigliche Anfehn von Affonfo II. auf Kraft und 
Klugheit, von Diniz auf Gerechtigkeit und roͤmiſches 
Recht, auf Menfchenfreundlichkeit und Volksliebe, von 
Afronfo IV. auf Kühnheit, von Pedro auf ſchreckende 
Strenge gebaut, verfällt wieder unter Fernando's ver⸗ 
achtlihem Wankelmuth. 


Erſter Abſchnitt. 


Regierung. bes Koͤnigs Dinis. 
(Bon 1279 bis 1335.) . . 


1) Diniz bis zu feinem Regierungdantritt. 


Diniz's Geburt, Erziehung und Unterricht. Er erhält als Erb: 
prinz einen befondern Hofſtaat. Sein PRegierungsanttitt. 
Entfernung feinee Mutter von den Regierungsgeſchaͤften. 
Vermählung mit Iſabel von Aragonien. 


Diniz wurde am 9. October 1261 in Liſſabon geboren. Von 
dem Tage feiner Geburt, der durch die Kirche dem heiligen Dio- 
nyfius, dem Areopagiten, geweiht ift, erhielt er den Namen. 
Sm Geifte der Zeit fliftete er in der Folge zu Ehren diefes 
Heiligen, in welchem er feinen Schußpatron und Fürfprecher 
bei Gott verehrte '), mehrere Kirchen in dem Bisthume Liffabon 


1)... . a honra de Deos e da Virgem Maria, e de Säo Dinis 
em aujo dia naci, e que tenho por meu padrom para com Deos, 
fagt Diniz felbft bei Erwähnung feiner frommen Stiftung. Mon. Lus, 
liv. 16. cap. 1. 


Megierung des Königs Diniz, 1279 — 1325.. 299 


und namentlich. dad prächtige Klofter S. Diniz de Odivellas 
für Giftercienferinnen ). Sein Geburtsort Liſſabon, die ges 
wöhnliche Reſidenz Affonſo's II, der in dem Kampfe mit feis 
nem Bruder Sancho II. in diefer Stadt eine Hauptſtuͤtze 
gefunden und für fie eine befondere Vorliebe gewonnen hatte, 
wurde für Diniz, wie fein Geburt» und Namendtag, ber 
Gegenftand einer zarten und natürlichern Pietätz er felbft fprach 
diefe Geſinnung gegen die Stadt, in welcher er geboren, ges 
tauft, erzogen und fpäter gekrönt worden, vier und zwanzig 
Sabre fpäter in öffentlicher Verſammlung laut aus ?). 

Je trefflichere Geiſtes⸗ und Gemüth-Anlagen der Prinz 
ſchon als Kind verrieth, um fo mehr beforgt war fein Vater, 
ihre Pflege und Entwidlung den gefchidteflen Händen anzus 
vertrauen. Er wählte zum Erzieher und Führer den Lourenco 
Gonfalvez Magro, einen Nachfommen ded großen Egas Montz, 
jened erften Erzieherd des Königs Affonfo Henriques. Das 
Andenken an diefen Ahnen, beffen Verdienſte um Portugal 
und feinen erften König im Gedächtniß ber Portugiefen noch 
fortlebten, und die Tuͤchtigkeit des gewählten Erziehers lieffen 
ed vergeffen, daß er ein uneheliher Sohn des Goncalo Viegas 
Magro war; einen Affonfo IH. Eonnte dies in der Wahl nicht 
irre machen. Als ein fehöner Zug in Diniz's Charakter ver 
dient bemerkt zu werden, baß Dankbarkeit — der Herold vies 
‚ ler Zugenden — gegen feinen Erzieher den jungen Fuͤrſten auf 
den Thron begleitete. Er ſchenkte dem Führer feiner Jugend 
ven Fleden Arega und machte damit zu Gunften Magro’8 
eine Ausnahme, ald er alle‘ Gefchenfe und Verwilligungen an 
Grundgütern, zu welchen er im Anfange feiner Regierung fich 
hatte bewegen laffen, in der Folge widerrief und aufhob °). 
Mas diefer Führer begonnen hatte, ward mit gleicher Sorgfalt 


1) Sousa, Provas T. I. Num, 12. p. 105, 


2) E disse mais em todo seu Reyno com que ouvesse maiores 
dividos de bem, ga com o conselho de Lisboa, ga hy nacera, e hy 
fora criado e bautizado, e hy fora Rey. Mon. Lus. Tom, V, Ap- 
pend. Escrit. 18, 


3)... . „meu amo por criancga e por servi o que me fez.. .. . 
nem le que eu Ihe revogasse desta doasom.“ Mon. "Im lv. 16, 
cap. 3. 


300 Erſtet Zeitraum. I. Bud. 1. Abſchn. 


fortgefeßt von einem fpätern Erzieher, Nuno Martins de 
Chacim, welchen Diniz bei feiner Thronbefleigung zum Mors 
bomo mor erhob und ben er uns durch diefe Beförderung zu 
einem ber wichtigften Staatdämter ald den Mann bezeichnet, 
von welchem er woahrfcheinlid zu den Regierungsgeſchaͤften 
vorbereitet worden war. 

Sp waren ed demnach) geborene Portugiefen, denen das 
Kleinod feiner Charatterbildung anvertraut wurde, bie im 
Geifte des portugiefifchen Volkes einen portugieſiſchen König 
zu erziehen berufen waren. Zum Unterricht des Prinzen 
wählte Affonfo Lehrer aus Frankreich, aus einem Lande, in 
welchem Wiffenfchaft und Geiftesbildung damals ſchon welter 
vorgefchritten war. Sein früherer Aufenthalt in dieſem Reiche 
mochte ihm jetzt die Auswahl geeigneter Lehrer erleichtern. Bon 
ihnen wurbe wahrfcheinlich die Liebe zur Poefie in dem em⸗ 
pfänglihen Juͤnglinge angefacht. Was fie fonft feinem Geifte 
gaben, mochteihn aufklären, konnte aber wohl einen Charakter 
nicht berüden, der an ben Grunbfägen feiner Erzieher, Mäns 
ner feines Volles, hielt und Stüße fand. Wie im Menfchen 
überhaupt, fo ruht im Fürften die Kraft im Gemuͤth; fie 
werde gepflegt und geftärft von ben Beften und Ebelften feis 
nes Volkes. Weniger bedenklich ift der wifjenfchaftliche Unter 
richt durch Ausländer, dad umgekehrte Verhältniß aber faft 
immer gefährlih. Man fchmeichelte fich im Eöniglichen Juͤng⸗ 
linge, der fo rafche Fortfchritte in Kenntniffen machte, dad Eben> 
bild feines Großvaterd zu fehen ), Alfonfo’8 bed Weifen, ben 
fein 3eitalter ald ein Orakel des Wiffens und der Gelehrſam⸗ 
keit bewundert. Doch Diniz war zu etwas Beſſerem be⸗ 
ſtimmt; er ſollte den Beinamen des Weiſen im wahren 
Sinne des Wortes verdienen. Der gelehrten Richtung, welche 
ihm ſeine Lehrer vielleicht gegeben haben wuͤrden, hielt ſein 
Geſchick ein wohlthaͤtiges Gegengewicht; es ließ ihn ſeinem 
Berufe nicht untreu, nicht Gelehrten auf Koſten des Fuͤrſten 
werden. Koͤnig Affonſo III. wurde vier Jahre lang von koͤr⸗ 
perlichen Leiden und Kraͤnklichkeit heimgeſucht, und der Thron⸗ 
folger muſſte ſich jede Stunde bereit halten das Ruder des 


1) Mon. Lus. T. V. liv. 16. cap. 8. 


Regierung bes Königs Diniz, 12779— 1325. 301 


Stanted zu ergreifen und bie Regierungdgefchäfte zu übernch« 
men. Auf diefe wurde demnach ſchon frühe des Infanten Auf⸗ 
merkſamkeit hingewiefen '), und wie er zeitig lernte der Thron 
als den Ort feiner Beſtimmung zu betrachten und auf ihn 
feine geiftigen Beſtrebungen zu beziehen, fo wurden auch feine 
Erzieher und Lehrer gemahnt und gewöhnt diefen Geſichts⸗ 
punct feft zu halten. 

Auch der Vater theilte indeffen das Verdienſt, dem rafch 
fich entwidelnden Sohn zur frühen Selbftändigkeit verholfen zu 
haben, indem er unter ben portugtefifchen Königen der erſte 
war, ber den Erbpfinzen ein befonderes Haus bilden ließ. 
Nachdem Diniz das fechzehnte Jahr zurückgelegt hatte, bewils 
Tigte ihm ber König 40,000 Libras als jährliches Einkommen, 
beftimmte ihm eine Anzahl Fidalgos zur Umgebung und Dies 
nerfchaft und fegte deren Beſoldung feft ). ben jene an⸗ 
dauernde Kränklichkeit des Vaters und die Frühreife des Soh⸗ 
ned veranlafiten wohl zundchft diefe Anordnung Affonfo’d. Es 
ſcheint felbft feine Abficht gewefen zu fein, bei den Streitigs 
teiten mit dem Klerus, die neben den weltlichen Regierungds 
gefchäften des Königs Sorgfalt in feinen legten Jahren in 
Anfpruch nahmen, ben Infanten Diniz zum Negierungögehüls 
fen zu nehmen. Affonfo’3 hellem Blick konnte nicht entgehen, 
daß er dadurch allein, während er fich felbft Exleichterung vers 
fchaffte, den Nachtheilen eines plöglichen Überganges des Erb⸗ 
prinzen aus der Zuruͤckgezogenheit und Unerfahrenheit bes 
Privatlebend ohne vorausgegangene Verſuche und Übungen in 
ben ſchweren Beruf des felbfithätigen Herrfchers zuvorkommen 
koͤnnte. Durch die Anorbnung eines eigenen Haufes für den 
Erbprinzen mochte der König jenen Schritt vorbereiten wollen. 
Endlid aber hatte Affonfo IU. noch einen befondern Grund, 
von allen portugiefifchen Königen zuerft dem Erbprinzen ein 
eigenes Haus einrichten zu laſſen. Es mufite ihm viel daran 
liegen, daß fein Sohn Diniz in den Augen ber Portugiefen 


1) Mon. Lus. lib. 16. cap. 14. 


2) Das Verzeichniß ber Perfonm, welche ben Hofflaat des Erb * 
prinzen ausmachen ſollten, wie des Silbergeraͤthes, das dem daushan 
deſſelben überwiefen wurde, ſ. in Mon. Las. T. V. App, Bas 


302 Erſter Zeitraum. I. Bud. 1. Abſchnu: 


als ihre Eimftiger Landesherr erfchien, und Affonfo bezeichnete 
ihn dem Wolfe durch jene Anorbnumg als den rechiniäßigen 
Zhronfolger. Affonfo LIE, der von der bisherigen Thronfolge 
abweichend eine Seitenlinie eröffnet hatte, war gleichwol ben 
Geſetzen des Reichs gemäß, auf bie ſich auch bie päpfkliche 
Bulle berief ), feinem Bruder Sancho IL auf dem Thron 
gefolgt. Nach eben diefen Reichögefeken mufjte nun nad 
Affonſo's Tod zu einer neuen Wahl gefchritten werben, und 
nur auf dieſem Wege konnte und durfte fein Sohn zum Thron 
gelangen. Doch wenn auch in bem vorliegenden Falle bie 
Wahl in ben Augen ber Portugiefen überfläffig ſchien und 


dieſe nicht eiferfüchtig waren ein ihnen gebührendes Recht nur 


16. Febr. 
1279 


darum zu üben, um es in Kraft zu erhalten, fo konnte boch 
bie Erbfolge unter Affonſo's Söhnen felbft zweifelhaft und 
fleeitig werben, und Die Folge zeigte ed, daß und worauf ein 
juͤngerer Bruder des Infanten Diniz Anfprüche an.ben Thron 


gründete. Solchen Zweifeln und Streitigkeiten vorzubeugen und 


Portugal vielleicht vor einem Bürgerkrieg zu bewahren, ließ 
Affonfo den Sohn, der nach feinem Tode Thronfolger fein 
follte, fehon bei. feinen Lebzeiten als folchen auftreten und als 
folchen ſich darftellen. Affonfo ging noch weiter: er nannte 
Diniz in einer Urkunde „feinen Erftgebomen und Erben” 2). 
Seitdem ward es Iblich, den Kronerben mit Diefan Beinamen 
zu bezeichnen, nachdem man alle Söhne des Königs ohne Un- 
terfchied Infanten oder felbft Könige, wie die Töchter Infan- 
tinnen oder Köriiginnen genannt hatte. 

Acht Monate nach der Einführung des erbprinzlichen Hof: 
ſtaates flarb der König. Dem ZThronfolger warb fogleich mit 
ben gewöhnlichen Feierlichkeiten gehuldigt ). Im erften Jahre 
theilte Diniz die Regierung mit feiner Mutter; wir ſehen fie 


1) Qui eidern Regi, si absque legitimo decederet filio, jure 
Regni succederet. Die Worte „jure Regni“, bemerkt Brandao 
(Mon. Lus. liv. 16. cap. 10.), find nicht fätfchlich in den Zert einge: 
fhoben, fondern finden fi) in der Originalurfunde und in allen Abs 
fchriften. 

2) Filius, primogenitus et haeres. ©. die Urkunde in Mon. Lus, 
T. V. liv. 16. cap. 5. und Append, Escrit. 1, 


5) Mon. Lws. liv. 16. cap. 18, 


Regierung bes Koͤnigs Diniz, 1779 — 1325. 303 


mit den Räthen des Könige, Durão, Biſchof von Evora, Joäo 
de Avoim und Frei Alfonfo Pires Farinha, Regierungsgefchäfte 
erledigen ). Diefe gemeinfchaftliche Herrfchaft dauerte jeboch 
nicht lange. Diniz ergriff die erfte Gelegenheit, von einer Mit- 
regentin ſich unabhängig zu machen, deren Herz vielleicht mehr 
an Gaftilien und an dem verwandten Königshaufe hing, als 
es ſich mit der Eiferfucht der Portugiefen auf ihre Unabhäns 
gigfeit, zumal in Bezug auf Gaftilien, vertragen mochte. Um 
die Eintracht zwifchen feiner Zochter und feinem Enkel herzu- 
ftellen, reife Alfonfo, ber Vater, nach Badajoz und lud den 
jungen König zu emer Unterredung an der Grenze von Por- 
tugal ein. Diefer ging nun zwar nad) Elvas, aber nicht bis 
Badajoz und wich der Unterrebung aus. Widerſpruch gegen 
den Großvater hätte diefen wie Diniz's Geflhl verlegt und 
Nachgiebigkeit führte leicht zur Abhängigkeit. Sein Nichter: 
feheinen beleidigte zwar gleichfalld den caftilifchen König; aber 
es war ein flummes Zeichen feines feflen Willens, felbft und 
allein zu regieren, und Alfonfo, nicht länger in Zweifel ber 
Diniz's Abfichten, Eehrte nach Sevilla zurüd. Die Königin 
Brites zog fpdter den Aufenthalt in Gaftilien dem in Portus 
gal vor. 

Bald darauf trat in den Kreis der Töniglichen Familie 
eine andere Frau, welche wol Diniz’8 Herz, aber nicht fein 
Reich zu beherrfchen berufen war — feine Gemahlin Sfabel. 
Nicht lange nach feiner Thronbefteigung hatten mehrere Große 
den jungen König darauf aufmerkfam gemacht, wie wünfchens- 
werth feine Vermählung wäre. Die Lebhaftigkeit und Reiz 
barkeit feiner Natur fchienen ihn mit Gefahren zu bedrohen, 
gegen welche ihn in der Folge felbft die Ehe nicht fchüßte. 
Darauf ließ der König durch drei angefehene Männer um die 1280 
aragonifche Infantin Sfabel werben, eine Zochter Peters IIL 
von Aragonien und der Conſtanze von Neapel, der Tochter 
Manfreds und Enkelin des Kaiferd Friedrich II. Zwei Sahre 


1) In einer Urkunde vom 18. März 1379, durch weldye die Privie 
legien bes Kloſters Bouro beftätigt wurden, heiſſt eb am Schtuffe: Rege 
mandante per Dominam Reginam et per Do: u Klborens. 

. tenenteın vicem Reginae’ ’ y, 16, 
cap, 26. 


a 
m .a 


304 Eriter Zeitraum. IL Bud. 1. Abſchn. 


nachher wurde die Wermählung mit Kabel, die zugleich 


24. Sun. 
1282 


durch Schönheit, Geift und Tugend ſich auszeichnete, voll 
zogen. - 


2) Auswärtige Verhältniffe. 


Der König wird, zunaͤchſt duch den Zwiſt mit feinem Bruder 
Affonfo, in die Zerwuͤrfniſſe Caſtiliens verwidel. Diniz's 
Antheil an den dortigen Thronſtreitigkeiten. Er vermit⸗ 
telt als Schledsrichtet den Frieden zwifchen Caſtilien und 
Aragonien und hilft die Ruhe in jenem Reiche herftellen. 


Ungeachtet jenes Misverftändniffes mit Alfonfo von Caflis 


lien erfreute ſich Diniz in ben erften Iahren feiner Regierung 


des Gluͤckes, mit den Nachbarftaaten in Frieden zu Teben. 
Allein es war leicht vorauszufehen, daß die Unruhen, welche 
nicht lange hernach in Caſtilien ausbrachen, das gute Verneh⸗ 
men zwifchen Portugal und Gaftilien gefährden würden; und 
als Alfonfo’3 Tod den Leidenfchaften und Raͤnken der vers 
ſchiednen Kronprätendenten einen freieren Spielraum eröffnete, 
dad Reich von Parteiungen zerriffen und vom Bürgerkrieg 
erſchuͤttrt warb, Fonnte Das nahe Portugal nicht unberührt, 
Das verwandte Königshaus nicht parteilos bleiben .. Es 
war Diniz's eigener Bruder, der ihn unvermerft in Die caflis 
lifchen Händel hineinzog. 

Der Infant Affonfo (geb. 8. Zebr. 1263) war nach dem 
Tode der Gräfin Mathilde von Boulogne, Affonfo’s II. erfter 
Gemahlin, geboren worden, Diniz Dagegen noch bei ihrem 
Leben. Darum behauptete der Infant, daß die Krone ihm 


gebuͤhre; Diniz, in ungefeglicher Ehe erzeugt, fei unfähig auf 


dem Throne zu folgen. Er behauptete dies öffentlich und uns 
umwunden. Solche Aufferungen, aus dem Munde eines Ohn⸗ 
mächtigen, würde Diniz vielleicht unbeachtet gelaffen haben, 
hätte nicht Affonfo’3 Stellung in Portugal und fein Verhaͤlt⸗ 
niß zu Gaftilien ihnen ein gefährliches Gewicht verliehen. Der 
Infant war Herr von Portalegre, Caſtello de Vide, Arronches, 
Marvin, Lourinhäo und andern Orten, welche ihm fein Vater 


3) Mon. Lus. T. V. lib. 16. cap. 20. 


. 


Regierung des Königs Diniz, 1279— 1325. -305 


binterlaffen batte ) und welche ihm: burch ihre Befeſtigung 
und mehr noch durch ihre Lage in der Nähe der caflilianifchen 
Grenze eine nicht unbedeutende Macht und Stuͤtze darboten. 
Dur feine Gemahlin Biolante, eine Tochter des Infanten 


Manuel. eines Sohnes Ferdinands HL von Eaftilien, war er 
mit vielen -caftilianifchen Großen verfchwägert. .:Diefe Vers 


woandtfchaften und jene Befigungen gewährten ihm Mittel ges 
nug, unter. den flreitenden Parteien in Caſtilien fich einen 
Anhang. zu: fehaffen. Bald wurde fein Hof der. Sammelplag 
misvergnügter Großen, die, aus Gaftilien verdrängt oder ges 
flüchtet, mit dem Snfanten fich verbündeten und nun gemein: 
fchaftlich mit ihm in ihr Vaterland feindlich einftelen: Als König 
Sancho IV. bei Diniz darüber Beſchwerde erhob, glaubte die 
fer nicht länger einen Bruder Ichonen zu dürfen, ber ben 
Bürgerkrieg, welcher das nahe Caftilien in Verwirrung ſtuͤrzte, 
auch nach Portugal zu pflanzen drohte. Der Koͤnig brach mit 
einem. Heere auf, belagerte den Infanten in Portalegre und 
zwang ihn endlich die Drte Marväo und Portalegre mit ihren 
Burgen einem portugtefifchen Ritter fo lange in Verwahrung 
zu geben, bis der Zwiefpalt zwifchen ihnen ausgeglichen fein 


werde, - Durch die Vermittlung ber Königin Sfabel wurde 


endlich der ‚Streit beigelegt. Der König verſprach dem Ins 
fanten- jährlich eine gewiffe Summe zu zahlen .und ihm für 
jene Ortfchaften die Fleden Sintra, Qurem und andere in 
ver Comarca von Liſſabon zu Üüberlaffen. So wurde der In: 
fant von ber verführerifchen Grenze Caſtiliens entfernt. 

Diniz aber war unterdeffen zundchft und vornehmlich 
durch den Zwift mit feinem Bruder in die Thronſtreitigkeiten 


Gaftiliend vermwidelt worden, und konnte bei aller Liebe zum 


Frieden nicht vermeiden an dem Bürgerkrieg in dem Nach: 
barreiche und an ben Parteiungen in dem verwandten Könige- 
hauſe Antheil zu nehmen. Um dieſen Antheil gehörig nach⸗ 
zuweifen und zu würdigen, müfjte hier die politifche Gefchichte 
Gaftiliend während der Regierung Sanchos IV., der Minders 
jährigeit und Herrſchaft Ferdinands IV. mit aller Umſtaͤnd⸗ 
lichkeit dargeſtellt werden — eint Umftändlichkeit, welche Fein 


1) Die Urkunden ſ. m u N. 80, u. 31. 
Schäfer Geſchid 20 


1290 


1300 


306 | Erſter Zeitraum. I. Bud, 1. Abſchn. 


anderes Ergebniß liefern wuͤrde als die Überzeugung des Le⸗ 
ſers, daß eben dieſe Mitwirkung des Koͤnigs Diniz mehr fuͤr 
Caſtilien als für Portugal wichtig war und daß bier wenig 
für die Regierungsgeſchichte des Königs Diniz auszubeuten: ifl. 
Das MWichtigfte was aus Diniz's Theilnahme an den Bege⸗ 
benheiten in Caſtilien hervorging, war unflxeitig der Vertrag, 


der im Jahre 1297 zwifchen Portugal und Gaftilien gefchlof: 


1305 


fen wurde. . Um ben Frieden zwifchen beiden Reichen zu be 
feftigen unb dem Jungen Ferdinand: Diniz's Schaut zu fichern, 


wurdr feflgefept, daß Zerbinanb (geb. 6. Dechr. 1285) mit 


ber Tochter des portugiefifchen Könige, Tonflanna (geb; 3. 
Sehr. 1290), fobald fie dad erfoberliche Alte erreicht haben 
wirde, nach emgeholter päpftlicher Erlaubnig fich vermäblen 
ſolle; für Diniz's Sohn dagegen, ben portugieſiſchen Dron⸗ 
erben (geb. 8. Febr. 1291), wurde Die caftilianifche Infantin 
Brited (geb. 1293) zur Gemahlin beſtimmt. Daß dem Ders 
trage gemäß an Portugal die Orte Dlivenza, Conjuela, 

Major und ©. Felix abgetreten werben follten, bewies wie 
hoch die Königin Maria den Beiſtand bes portugiefffchen Koͤ⸗ 
nigs anſchlug. 

Dinizs Benchmen in dieſem Kriege muſſte abrigens ſo 
beſchaffen ſein und in den Augen der verſchiedenen ſtreitenden 
Parteien, felbft der Gegner des Königs fo erſcheinen, Daß es 
berm volles Wertrauen auf feine Einficht und Mechklichkeit ers 
zeugte und verdiente. Nicht leicht vertraut und unterwirſt man 
fi einem Schiedsrichter, dem man nicht den richtigen und 
Plaren Blick in die wahre Lage des Streites, nicht ben unbe 
ftechlichen Sinn für Recht und Billigkeit zutraut. Diniz aber 
hatte den Ruhm in Campillo den Frieden zwifchen Gaftitten 
und Aragonien als Schiedsrichter gu vermitteln und bald dar⸗ 
auf, mit Beihuͤlfe des Königs von Aragonien, einen Vergleich 
zwifchen dem König Zerbinand von Gaftilien und Alfonſo de 
Lacerda zu Stande zu bringen und dadurch endblih, nach fo 
vielem Blutvergieffen, die Ruhe in Caſtilien herzuftellen. Seine 
Berdienfte um dieſes Reich find augenfaͤllig, Caſtilien muffte ſie em⸗ 
pfinden, wenn es fie auch nicht laut anerkannte. Portugal erntete 
davon freilich Feine Vortheile; aber es durfte fich des Ruhmes 
freuen, den fein König unter den Fuͤrſten der Halbinfel ſich 


Megierung des Königs Diniz, 1279 — 13%. 307 


erworben hatte und genoß. Doch beffen bedurfte der Portu⸗ 
giefe nicht um feinen König mit Stolz zu nennen. Was Diniz 
im Schooße feined Reiches geshan und geleitet hatte, . war 
größer als jenes und war eigentlich die Grundlage und Be 
dingung feine Anfehnd unter ben Fuͤrſten, ber- Nerv. feines 
auswärtigen Einfluffes. Hier, innerhalb der Grenzen tens 
Baterlandes, in dem ſtillen Ruhm einer geräufhlofen, aber 
Eräftigen und weifen Pflege ber Volksmohlfahrt muͤſſen wir 
dasjenige fuchen, was ihn unter den Fuͤrſten ſeines Jahr⸗ 
hunderts auszeichnete und ihn den Trefflichſten, die in feinen 
und in: allen ‚Zeiten bie Throne zierten, anreihte::: . : 

Gern kehren wie daxrum, den Schauplag der Kriegsereig⸗ 
niſſe und Sriebendunterhamblungen verlaſſend, zuruͤck, um in 
Portugal ſelbſt den jungen König zu begruͤßen md ihm im 
feinen Wirken unter den pottugieſiſchen Ballen von ſeinem 
Regierungantrit an zu Ti 


3) Shnine Vethaltuiſe Diniz 8 Staatsberwaltung 


Er bereiſt wiederholt das Reich. Anbau des kandes Bezhau, 
"Sande; Schifffahrt, Seemacht. 


Nachdem Diniz’s Mutter nur kurze Zeit die Regierunge⸗ 
geſchaͤfte mit ihm getheilt hatte, entwand ſich ber. neunzehn: 
jährige König diefem Einfluffe, ald ob er der. Mit und Nach⸗ 
Melt ihr Urtheil ber ihn erleichtern wolle, da nun Yes, was 
vom Thron ausging und geſchah, allein als ſein Werk gelten 
ſollte. Die Art wie Diniz ſeine erlangte Unabhaͤ ngigkeit beuügte, 
bewies zur Genüge, daß ex diefe nicht erſtrebt hatte, um etwa 
feinen Saunen ungebunden zu leben und, einer Aafigen. Be 
ſchraͤnkung entrüdt, die Reize einer zwedlofen Wilfür zu ge 
nieffen. - Seine regſame und abſichtsvolle Herrſcherthoͤtigkeit 
gleich nach ‚feinem Regierungsantritt,. feine fpäteren. Leiflungen 
faft in allen Zweigen der. Stpatiperwaltung. erſchlieſſen uns 
ſeine Beweggruͤnde und Abſichten 5. moxten in ‚feiner. Wirk 
ſamkeit nicht gelähmt, in. dem & " b Ausführen ſei⸗ 
ner Regierungsplaͤne i Willen, felbf 
nicht oder vielleicht am lichen, ge 


3068 Erſter Beitraum. I. Bud. 1. Abſchn.“ 


hemmt fein. Daneben mochte das Beblirfniß eined jeben feu⸗ 
rigen und thatbegierigen Geiſtes, ftei in weiteren Bahnen fich 
zu bewegen, den König antreiben feine Freilaſſung fich ſelbſt 
zu ertheilen, : anderer verborgene: (vielleicht weniger beler) 
Dilebfedern zu geſchweigen. 

Gleich im Anfang feiner Reglerung folgte Diniz der Ale 
ten Sitte :feiner Vorgänger, indem er fein Land bereifte, um 

die Vortheile. der eigenen Anſchauung zu geniefien und auf 
dieſe fein. Urtheil zu gründen, die Mängel und Gebrechen in 
ihrem Sige fo Ins Auge zu faffen,-baß er in ihnen felbft bie 
ficherften Mittel zur Abhülfe zu finden vermoͤge. Sobald er 
das Nöthigfte am Hofe und für‘ die Regierung des Landes 
angeordnet ‚hatte, trat er, ſchon im Anfang des Aprils, feine 
erfte Reife an, zimächft nach: Alemtejo, dann in andere Co⸗ 
marcas. Der erſte Ort ber Rich feiner landesvaͤterlichen Fuͤr⸗ 
forge erfreute, war ber Flecken Alcaçovas; ſein fruchtbarer 
Boden, ſein Überfluß an Wild und Fiſchen, ſeine geſunde 
Lage zog den König an. Er ließ in ber alten. Burg des 
Ortes ein Tönigliches Schloß bauen und befchloß ‘ben Flecken 
mit einer Mauer zu umgeben. Den oral ben der Bifchof 
von Evora 1259 Alcacovasd ertbeilt hatte (e8 war ber von 
Evora), beftätigte der König (1379). Darauf wendete er fich 
nach andern Drten in Alemtejo. Diefer Provinz "widmete 
Diniz eine ganz befondere Sorgfalt, weil fie berfelben vor« 
zugöweife bedurfte. Nach Verhaͤltniß ihres beträchtlichen Ume 
fangd war fie. noch wenig bevoͤlkert und gleichwohl verfprach 
ihre natürliche Fruchtbarkeit eine zahlreiche Volksmenge zu 
nähren. Schon Diniz's Großvater, Affonfo II., Hatte dies er 
Fannt und auf Förderung des Anbaues und der Bevoͤlkerung 
diefes Provinz gedacht. Man hatte bie fchlecht ober gar nicht 
bebauten Strecken unter mächtige Perfonen vertheilt, welche 
fie wieder ihren Golonen zur Bewirthfchaftung übergaben. 
Seitdem waren manche verfallene Drtfchaften woieberhergeftellt, 
andere an geeigneten Puncten angelegt worden, einzelne waren 
überbied neu zu Alemtefo hinzugelommen. Die Ergiebigkeit 
des Bodens und die immer zunehmende Bevölkerung, der ans 
fehnliche Umfang und die Lage gegen Eſtremadura und Anda⸗ 


Iufien gaben Alemtejo eine Wichtigkeit, welche der umfichtige - 


Regierung bes Königs Diniz, 1779— 1325. 309 


Diniz zu würdigen verſtand. Auf jegliche Weife ſuchte er 
darum den. Anbau biefer wichtigen Provinz zu befördern, war 
aber auch zugleich ‚darauf bedacht fie der Krone wieder näher 
zu bringen. Mehrere Orte und Ländereien, welche von ber 
Krone loögeriffen oder veräuffert worden waren, wurden ihr 
wieder einverleibt, die Grundherren in andern Comarcas ents 
ſchaͤdigt ). Als Diniz dem Infanten Affonſo, wie wir oben 
geſehen, Arronches, Portalegre und Marvão nahm und ihm 
daflır Drtfchaften in dem Bezirk von Liffabon abtrat, hatte ex 
neben ber Abficht, den Bruder von ber Grenze Gaflifieng, wo 
er fo gefährlich war, zu entfernen, zugleich jene, in Alemtejo 
wieder mehr Grundbefig und fefteren Fuß zu gewinnen. 

Daft das ganze erfte Jahr verwandte der König darauf 
bie Städte und Gemeinden zu befuchen, an Drt und Stelle 
ihre Gerechtfamen und Privilegien zu beftäftigen, für gute 
und fchnelle Rechtöpflege zu ſorgen, die zweckmaͤßigſte Befeſti⸗ 
gung der Grenzen des Reiches in allen Comarcas anzuord⸗ 
nen”). Die Freude an dem jungen König, als er ſich zum 
erften Mal feinen Unterthanen zeigte, gewann ihm ihre Liebe, 
und ald er fpdter von Zeit zu Zeit in ihre Mitte immer wies 
berfehrte und in der landesvaͤterlichen Fuͤrſorge fuͤr ſein Volk 
ſeine Liebe zu ihm kund gab, erkannte es in ihm „den Vater 
des Vaterlandes“ (Pai da Patria) und nannte ihn fo aus vols 
Ier Bruſt. Der Landbauer, von bed Königs Sorge für ihn, 
für fein Wohl und fein Gewerbe aus eigner Anficht uͤberzeugt, 
gab ihm fol; feinen eignen Namen (Lavrädor) und ehrte fi) 
und ihn damit. Häufiger noch als. feine Vorfahren ſehen wir 
Diniz das Königreich bereiſen und muͤſſen ur beklagen, daß 
uns die Geſchichte ſo magere Nachrichten von dieſen Berufs⸗ 
reiſen des Koͤnigs aufbewahrt hat. Denn hier, dem Volke 
gegenuͤber oder vielmehr im Kreiſe des Volkes, wuͤrde ſich uns 
Diniz's Weſen und Weiſe als Menſch und als Koͤnig mehr 
als irgendwo erſchloſſen, ſich klar und belehrend gezeigt haben. 
Welchen herrlichen Kranz haͤtte die Geſchichte aus dieſem in⸗ 
nigen Verkehr zwiſchen Fuͤrſt und Unterthan aus den hier 


1) Mon. Lus, T, VE. Lin. 18. cap. 7 und 21. 
2) Mon. Lus. T. V. Liv. 16. cap: 27. 


410 Erſter Zeltraum. 1. Bud. 1. Abfqn. ” 


geihöpften Fufferungen, Zügen unb Handlungen winden Fön 
nen, wäre fle eben fo thaͤtig imd dem Zeitalter fo meit vor: 
gefchritten gewefen, als es ber ‚König war! So aber müffen 
wir und damit begnägen, bie wenigeh zerſtreuten Blätter aufs 
ulefen, welche die Zeit nicht vertocht und bie Geſchichte auf⸗ 
hewahrt hat. 
Dem Blick und ber Fuͤrſotge Diniy’s war fein Gegen: 
fand, der das Wohl feines Volkes ‚betraf, fremd, und der ges 
ringſte feiner Unterthanen, fühlte er fich in feinen Rechten ge- 
kraͤnkt, fand’ bei dem König Schub und Hülfe Go jene 
Yemen in Liſſabon, denen bie Mildthaͤtigkeit des erſten Koͤnigs 
von Portugal fuͤr ewige Zeiten ein Almoſen zu ſichern gedachte, 
deſſen Betrag mit dem Fleiſſe des Empfaͤngers ſtieg. Als 
naͤmlich Affonſo Henriques Liſſabon von den Mauren erobert 
hatte und das Gebiet dieſer Stadt unter die Ritter und Krie⸗ 
ger, die ihn bei dieſer Unternehmung begleiteten, vertheilte, 
ordnete er an, daß der Gemeinderath das Feld von Valada, 
dad zur Gemarkung von Liſſabon gehörte, alljaͤhrlich unter 
diejenigen Einwohner vertheilen follte, welche ihrer Armuth 
wegen feine Ländereien befäßen. Geltdem wurbe, ſo lange 
Affonfo I. regierte, von den Gemeindebeamten alle Jahre eine 
Lifte der Armen aufgeitellt und danach das Feld unter fie ver: 
theilt. Allmdlig aber fuchten Adelige und Mächtige der Ums 
gegend, von der aufferordentlichen Fruchtbarkeit dieſes Feldes ') 
angelodt, die Armen daraus zu verbiängen und ſich in ben 
Beſitz diefer Ländereien zu fegen. Schon unter Sancho 1. 
wurden Klagen über- Beeinträchtigungen der. Armen erhoben; 
eine Verfügung des Königs (6. Dec. 1180) "verfchaffte jedoch 
Abhülfe und ſtellte die urfprüngliche Einrichtung wieder her. 
Unter Uffonfo U. erzeugte die Habfucht der Adeligert ähnliche 
Beichwerben, bie Gerechtigkeit des Königs gewährte aber aͤhn⸗ 
lichen Schutz. Trotz der wiederholt eingeſchaͤrften Beſtimmun⸗ 
. gen der Könige drängten ſich von neuem unter Diniz's Res 
gierung Adelige in dad Eigentum der Armen von Liffabon 


1)... . Balata dietus, in quo frumentum, ut a Jisbonae incolis 
et plerisque populis Algarbi fertur, quadragesimo ab jactis seminibus 
colligitur die, et qnidem mensura centump!icata, Geogr. Nub. 


Regierung bes Königs Diniz, 1279 — 1325. 311 


ein. Der-König aber hielt durch eine nachbrüdliche Verfuͤgung 
(San. 1284) die urfprüngliche Beſtimmung ber milden Stif⸗ 
tung aufrecht ). Achtung für die Anordnung eines gefeierten 
Ahnherrn, Gerechtigfeitsfiehe und landesvaͤterliche Sorgfalt für 
die unterdruͤckten Armen mochten ihn zundchft dazu beſtimmen; 
doch lag auch der Gedanke nicht fern, daß. die vielen fleifjigen 
Hände, die auf diefen Beetchen ihre Lebenshebürfniffe zu ers 
zielen gefchäftig waren und dem Boden um ſo mehr abgewans 
nen, ba fie allein für ſich arbeiteten, zugleich dem Gemeinwohl 
mehr frommten, als wenn biefe Ländereien, ins Befibe ber 
Aeligen, von fremden Haͤnden für fremde Herren bebaut und 
in ihrer natürlichen Fruchtbarkeit nur laͤſfig unterſtuͤzt und 
genugt würden. Wie forgfältig feine Aufmerkfamkeit auf einen 
regeren und audgebehnteren Anbau des Landes gerichtet war, 
Davon geben mehrere Verfuͤgungen des Königs Zeugniß. Wir 
führen nur den Auftrag bier an, den er feinem Esmoler ex 
theilte, dad unangebaute Sumpfland von Ulmar, un Gebiet 
von Leirig, unter die Pridangehörigen zu vertheilen ). Den 
Flecken Mirandela her an, einer fehr ungünfligen Stelle Ing, 
hie Diniz an feine gegenwärtige verpflanzen ), und noch jetzt 
fol die Lage von Mirandela des Königs Umficht bezeugen. 
Große Sorgfalt verwandte er auf den Wiederaufbau und bie 
Ausbefferung verfallener Drtfchaften, auf die Befefligung und 
Verſchoͤnerung der Städte Viele Fleden und über funfzig 
fefte Schlöffeer wurden neu gegründet ). Liffabon verbanfte 
ihm viele: neue Gebäude und die Straße Run Nova dos 
Ferros. 

Gegenſtaͤnde der Staatswirthſchaft, die bisher unbeachtet 
geblieben, beſchaͤftigten Diniz's Regententhaͤtigkeit. Um den 
Bergbau zu heben, ertheilte der König im Jahre 1290 denen 


1) Bu Branbäo’s Zeiten war fie gänzlich in Bergeffenheit gerathen. 
„Tauto prevalece contra 3 piedade o interesse!“ Mon. Lus. liv. 16. 


cap. 86, .. 

2) Mon. Laus. liv. 17. cap. 9. 

3) Mon. Lus, liv. 16. cap. 28. 

4) Belege hierzu f. in Duarte Nuucz do Lian, | Cronica del 
Rei D. Diuis p. 7%, 75, 


312 Erfter Zeitraum. IL Bud. 1. Abſchn. 


- ein Privilegtum, welche in dem Golbbergwerk von Adica zwi⸗ 
fchen Almada und Cezimbra, das feit:Santho’& I. Beiten- bes 
baut wurde, arbeiteten ). Die Bebeutfamkeit des Bergwerks 
von Adica gab Veranlaffung, daß Alle, die in den Goldminen 
von ganz Riba Tejo befchäftigt waren, Adiçceiros genannt wurs 
den ). Dem Sancius Petri, feinen Serchäftögenoffen und 
Nachlommen, ertheilte der’ König fir immer die Erlaubniß, 
in ganz Portugal und Algarve auf Eifen zu graben, unter 
der Bedingung, daß er ein Fünftheil des gewonnenen Erzes 
und ein Zehntheil des reinen Eifend an den König liefere und 
die aufgelegten Zölle und Abgaben entrichte ®). 

Während dieſe Maßregein bed Könige Aufmerkſamkeit 
auf bisher unbeachtete Zweige der Staatsverwaltung wie fein 
Streben beurfunden, über Alles, was bad Gemeinwohl bes 
- rührte, feine Thätigkeit zu verbreiten, beweifen fie zugleich, daß 
die Betriebfamkeit in Portugal erwacht war und auf neue 
Mittel des Erwerbes zu finnen anfing. Ein lebhafterer Vers 
Fehr begann daneben fich zu entwiden, als Wirkung und 
Urfache zugleih. Er entwidelte ſich von felbft und Diniz 
hielt nur den Schild des koͤniglichen Schußes Über bie -Blüthe 
einer freien Entfaltung. So beftätigte er (1293) die Hans 
delsordnung, welche Die Kaufleute des ganzen Reich unter fich 
errichtet hatten. Ihr zufolge follen alle Barken, die Über eins 
“hundert Tonnen enthalten und in portugiefifchen Häfen für 
Flandern, England, die Normandie, Bretagne oder La Rochelle 
geladen werden, zwanzig Soldos und folche, die unter einhun⸗ 
dert tragen, zehn Soldod Fracht zahlen. Wenn eine Barfe 
von infänbifchen Kaufleuten befrachtet wird, um über See 
nach einem ber eben genannten Länder zu gehen, fo foll von 
ihr ebenfoviel erhoben werben. Davon empfangen die bethei- 
ligten Kaufleute an dem Orte, wohin die Ladung beftimmt 
iſt, einhundert Silbermarken; das Übrige bleibt in dem Lande 
und zwar da, wo fie es fire gut finden. Diefe Anordnung 
hatte urkundlich den Zweck, demjenigen, der in jenen Ländern 


1) Mon. Lus. liv. 16, cap. 31, .. 
2) Elscid. T. I. p. 54. 
$) ©. die Urkunde bei Ribeiro, Diss. T. 11. p. 85. 


Regierung des Rönige Diniz, 1279-1325. 313 


Gefchäfte zu verrichten ober zum:’Beflen und zur Ehre Pors 
tugald etwas zu unternehmen habe, bie. bazu erfoberlichen 
Geldmittel auf diefe Weife zu verfchaffen .. Zwiſchen den 
englifchen und portugiefifchen Handelsleuten befland fehon laͤn⸗ 
gere Zeit ein freundfchaftlicher Vertrag ”), ber von den Könis 
gen beider Reiche befhüst wurde. Diniz und Eduard ers 
neuerten ihn; ben portugiefifchen Kaufleuten wurben Eönigliche 
Geleitöbriefe zugefichert, die Eins und Ausfuhr wie ber 
Waarenhandel in England unter der Bebingung geftattet, daß 
die Portugiefen bie üblichen Abgaben entrichteten und die Ges 
febe des Landes beobachteten ). Dad Seeweſen, das in ber 
Folge den portugiefifchen Namen auf allen Meeren und in den 
vier Welttheilen verherrlichen follte, gefchichtlic) bis zu feiner 
Wiege zu verfolgen, hat uns bie Vorzeit nur dürftige Bruch⸗ 
ſtuͤcke hinterlaffen, leife Spuren von Küftenfahrten und Eleinen 
Seegefechten,, fpdrliche Andeutungen von almäligen Fortſchrit⸗ 
ten. Die Portugiefen felbft haben es bis jest vernachläffigt 
die Blüthe des Ruhmes, den fie auf dem Meere erwarben, 
in ihrem Keime und in deſſen allmäliger Entwidelung zu ers 
forfchen. Sie haben einen Geiflesgenuß verfchmäht, der dem 
Landeseingebornen, dem Erben jened Ruhmes fo natürlich, ihm 
viel leichter und erquidlicher iſt, als dem fernen Fremdling. 
Muͤhſam nur liefet dieſer die zufälligen Aufferungen auf, die 
ein Chronift wie im Vorbeigehen fallen laͤſſt, ober ‚die halb⸗ 
verfiändlichen Worte einer Urkunde, die in ganz. anderer Abs 
ficht abgefafft worden ift, und entläfft den Lefer bed Geſam⸗ 
melten noch weit unbefriedigter, als ben Sammelnden felbft 
das erfolglofe Nachforfchen gelafjen hat. 

Aus dem Dunkel des erſten Jahrhunderts ber Monarchie 


1) ©. bie Urkunde in Ribeiro’s Diss, T. I. p. 170. N. 62. 


2)... quod nos de foedere unionis et amoris, quod inter 
vestros et nostros Mercatores hactenus extitit, fagt der König von 
England in einem Schreiben an den König Dinig i. 3. 1808. Rymer, 
foedera I. 4, p. 

5) —æ vestris literas nostras de salvo et sogero OR . 
ductu veniendi in Regnum nostrum,.morandi et redeundi cum rebus „, 
et mercimoniis suis, ac negotiandi de eisdem, prout sibi utile 'e fan 
perspexerint, favorabiliter duximus concedendas, Ib, . en 


244 Erſter Zeitraum. I Bud. 1. Abſchn. 


glänzt und Fuas Roupinho als Anflıhrer einer Anzahl von 
Sahrzeugen, bie ber Eifer für den Nationalruhm eine Flotte 
genannt Hat, entgegen. ken diefer Eifer hat diefen Sees 
beiden mit einan fo: blendenden Glanze umgeben, daß bie 
wahre Geftalt des Marmes nicht mehr zu erforfchen iſt. Seine 
Perfönlichkeit wird fo großartig geſchildert, daß bie Seemacht, 
am deren Spige er gegen bie Mauren kaͤmpfte, in ben Hinten 
grund tritt und von feinem Schatten verbunfelt wird. 

Die fogenannten Flotten Hefen, fo lange der ‚Hof in 
Goimbra feinen Sig hatte, von der Mimdung bed Mondego 
aus; nach der Eroberung von Liffabon wurden hier Öffentliche 
Seemagazine errichtet und Schiffe erbaut. Das ganze See 
wefen 309 fich allmalig dahin und fchon zur Zeit Sancho's L 
wurde die Armada nach Liffabon verlegt. Die Anordnung 
biefes Königs in dem Foral, den er diefer Stabt ertheilte ober 
beftätigte, daß Die Peoes in Liffabon nicht gegen ihren Willen 
zum Seedienft verwendet werben follten '), Idfit es zweifelhaft, 
ob fie von einer gewifjen Abneigung diefer Buͤrgerclaſſe gegen 
den Seebienft hervorgerufen, oder durch einen vom König 
angewendeten unb von ber oͤffentlichen Stimme gemisbilligten 
Zwang veranlafft wurde; jedenfalls aber beweift fie, daß ber 
Seedienft jebt mehr Menfchen in Anfprucd nahm. Wie unter 
Sancho IE auch bie Juden zu Leiſtungen für dad Seeweſen 
zugezogen wurden, indem fie zu jedem Schiffe dad vom König 
ausgerüftet warb, einen Anker und ein Anterfeil zu liefern 
verbunden waren, tft bereitö früher bemerkt worden. Unter 
demfelben König wird des Föniglichen Arfenald in dem Pfarzs 
fporengel S. Magdalena in Uffabon erwähnt °). 

Anſehnlicher wurde die Marine während ber Regierung 
Affonſo's II. Er unterhielt eine flärfere Flotte, womit er der 
maurifchen 'entgegentrat, ftand dem König von Gaftilien zur 
See bei und wurde wegen feiner Seemacht vom Papfl zum 


4) Nunquam intrent in navigium meum pedites contra suam vo- 
luntatem; sed in eorum sit beneplacito venire per terram aut mare 
ia obsequium meum, Foral von Eifjabon. 

2) In einer Urkunde von. 1237 heifft es von Käufern in Liſſabon: 
Quas habemus in parochia S. Marias Magdaleuse circa palatium 
navigiorum Regis, 


Regierung des Königs Diniz, 179-135. 315 


Belftand in dem Heiligen Krieg eingelaben ). Affonſo's M. 
Nachfolger endlich, Koͤnig Diniz, ber mit bett Blicke des 
Genies die Wichtigkeit des Seeweſens fuͤr Portugal wie die 
guͤnſtige Lage dieſes Landes fir den Seehandel und Verkehr 
mit dem Auslande wahrnahm, wendete jenem eine Sorgfalt 
zu, welcher Nichts entging was ſeinem Zwecke dienen konnte. 
Die Kuͤſte, welche damals den feindlichen Einfaͤllen der Mau⸗ 
ren von Afrika und Granada noch ſehr ausgeſetzt war, wurde 
beſſer bevoͤlkert. Paredes, fuͤr den Handel und Fiſchfang ſo 
vortheilhaft gelegen und wegen der Naͤhe von Leiria, in deſſen 
Comarca Diniz ſo gern dem Vergnuͤgen der Jagd lebte, dem 
König doppelt werth, erhielt von ihm einen Foral (1282) und 
wurde auf jede Weiſe gehoben. Bon dreiffig Einwohnern, 
welche der Ort anfänglich zählte, flieg feine Volkszahl unaufs 
hörlich bis auf Manoeld Zeiten. Aber eine feindliche Natım 
fiegte zulegt Uber Die Beſtrebungen der Menfchen. Von der 
nahen Sandebene trieben die Winde, die hier von allen Seis 
ten ungehindert wehten, den Sand allmälig nach Parebes hin, 
bedeckten die Häufer und verfandeten ben Hafen, ber endlich 
ganz verlaffen wurbe, Eine Einfledelet bezeichnete fpdter den 
Ort, dem unter Diniz die Schiffe zugefegelt waren, wie in 
den fpdtern Zeiten bie Einwohner von Leiria in jährliche 
Wallfahrt auf Marik Geburt von ber Landfeite ihm zumans 
derten. Was Diniz in Hinfiht auf Paredes nicht ahnen 
konnte, fah er von Leiria voraus; er flirchtete, daß beffen 
fruchtbare Flur von den nahen Sandhügeln, die ein heftiger 
Seewind oft in Bewegung fehte, einft bebedft werden möchte. 
Um den beweglichen Boden jener Anhöhe zu feffeln und Lei⸗ 
rind gefegnete Umgebung gegen die Stürme vom Meer her 
zu fehügen, ließ der weitfehende Landesvater jene Huͤgel mit 
Fichten anfden ?) und ward fo der Schöpfer jener herrlichen 
Wälder, die das Schiffbauholz hergaben, auf das Portugal 
feine nachherige Größe baute. Während der König auf eine 
ftärfere Bevölkerung der Küfte hinarbeitete, fegte er zugleich 
vie Flotte im einen“ fo’ ahfeßnfichen Stand, daß er nicht nur 


1) Mon. Lus. ir, 16. 
2) Mon. Lus, ir, 


—R 


1. Febr. 
1317 


316 Erſter Zeitraum. U. Buch. 1. Abſchn. 


die feindlichen Angriffe der Mauren von der Seeſeite mit 
Nachdruck zuruͤckweiſen konnte, ſondern ſelbſt Unternehmungen 
gegen die Kuͤſte von Afrika wagen durfte. Daneben ſchuͤtzte 
und belebte die Marine den aufbluͤhenden Handel mit Eng⸗ 
land, Flandern und Nordfrankreich. 

Je wichtiger die koͤnigliche Flotte fuͤr den Seehandel und 
die Beſchuͤtzung der Kuͤſte war, deſto angelegentlicher dachte 
der Koͤnig darauf, an die Spitze der Seemacht einen Mann 
zu ſtellen, der die Kenntniſſe und Erfahrungen ſeines Zeitalters 
in ſich vereinigte. Er richtete darum, als die Stelle des Al⸗ 
mirante mor durch den Tod des Nuno Fernandes Cogominho 
erledigt war, ſein Augenmerk auf das Mutterland ſo mancher 
ausgezeichneter Seemaͤnner, auf Genua und gab zwei Rittern 
ſeines Hofes, welche als koͤnigliche Geſandte in Avignon ſich 
aufhielten, den Auftrag, einen zu jener wichtigen Stelle be⸗ 
faͤhigten Genueſen aufzuſuchen. Ihre Wahl fiel auf Micer 
Manoel, aus dem edeln Geſchlecht der Pezagno, der alsbald 
nach Portugal reifte, Uber die Bedingungen, unter 'melchen er 
bie Abmiralöftelle zu übernehmen Willens war, mit bem König 
ſich verfländigte und darüber einen Vertrag mit demſelben 
abſchloß ). 

Der Genueſe verſpricht des Koͤnigs Vaſall zu ſein, lei⸗ 
ſtet ihm den Eid der Treue, befehligt feine Flotte und führt 
fie, auf bed Königs Geheiß, gegen beffen Feinde, fie mögen 
nun Mauren oder Chriften fein. Ex geht im Eöniglichen Dienft 
nicht anderd in See ald auf wenigftens drei Galeeren. Überall 
wacht er nach Vermögen für den Nuben und bie Ehre des 
Koͤnigs und bewahrt die ihm anvertrauten Geheimniffe. Zwan⸗ 
zig des Seewefens kundige Genuefen werben ald Alcaides be 
Sales und. Araizes in der portugiefifchen Marine angeftellt 
und von dem König befoldet, wenn fie im Dienfte deſſelben 
befchäftigt find. Sind fie hier unnöthig, fo darf fie der Ad⸗ 
miral für feine eigenen Handelögefchäfte verwenden, indem er 
fie auf feine Koften unterhält. Entfliehen oder fterben einige 
von ihnen, fo hat. fie der Admiral durch andere zu erfegen. 
Ihm ſteht die Gerichtsbarkeit über die gefammte Fönigliche 


1) ©. bie Urkunde des Vertrags in Mon. Lus. liv. 18. cap. 56. 


Regterung des Koͤnigs Diniz, 1279-1325. 317 


Seemannfihäft zu, in ben Häfen.von Portugal, wie uͤberall 
wo fich die Flotte beſindet. Der Abmiral erhält den fünften 
Theil von..dem, was er ‚mit ber Löniglichen Flotte, ‚gewinnt 
oder von dem $einde erbeutet; er empfängt. gewiſſe Grund⸗ 
güter in Portugal zum erblichen Eigenthum. Sein aͤlteſter 
ehelicher Sohn huldigt nach: dem Tode ſeines Vaters dem 
Koͤnig oder deſſen Nachfolger, uͤbernimmt dieſelben Pflichten 
und tritt in dieſelben Rechte und Beſitzungen ein. GHinterlaͤſſt 
der Admiral Eeinen rechtmäßigen Erben, ſo fallt das kehen 
wieder der Krone anheim. 

Manoel Pezagno, der wegen ſeiner Zreue und biplomas 
tifchen Geſchicklichkeit aufferdem zu ‚mehreren. wichtigen: Sens 
bungen von bem König verwendet. wurde,bekleidete bie 
Admiralswuͤrde - noch längere Beit nuter Dina, Rahlelge—, 
Affonſo W. u 


4) aing Dimz und die böhen Srlude, die eig Ä 
und der Adel. — 


So zog, le aus dem Bisherigen erbeit, Khrig Dinis 
ben Anbau und bie Bevoͤlkerung des Landes, die Anlegung 
ober Wiederherflelung unzähliger Flecken und Burgen, bie 
Befefligung und Verſchoͤnerung der Städte, ben Bergbau und 
Handel, die Schifffahrt und das Seewefen in den Bereich des 
koͤniglichen Fuͤrſorge und Thaͤtigkeit. Im allen diefen Ver⸗ 
waltungözweigen wirkte und bewegte fi) Diniz meift unges 
hindert; in einigen kam er nur ber freien Entwidlung ber 
Volksthätigkeit entgegen, und das Volk, gewohnt ihn auf dem 
Wege zu feinem Wohl zu finden, vertraute ihm ſelbſt da, wo 
ihm des Königs Abfichten nicht gerade einleuchteten. Auch in 
biefer Beziehung galt, was man zu Diniz’8 Beit von ihm 
zu fagen pflegte: „König Diniz vermag Alles, was er will“). 
Anderd verhielt es fich da, wo er dem Klerus und Adel gegens 
über fland und Maßregeln ergriff, welche die Intereſſen diefer 
Körperfchaften beruͤhrten. Diefe Stände no be. zu bes 
günftigen als fie von dem Zeitalter begünf . fonnte 


1) El Rei D. Diniz fes tudo:.« 


318 . Eifer Zeitraum. IL Bud. 4. Abſchn. 


einem: Diniz ‚nicht in. den Sinnkommen; es wibnfrite: fels 
nen Anfichten von ber: Rechten der Krone, von Han Wohl 
des Staates, Insbefonbere von dem zeitgewaͤßen Bebürfniffen 
bes dritten Standed, deſſen Wichtigkeit der König: erfannt 
hatte. Die Fuͤlle ber Vorrechte und Freiheiten .aber; deren: fich 
ber: oe: und die Geiſtlichkeit erfreuten, erzeugten in dieſen 
Koͤrporſchaften nichts weniger als ben: Geiſt der Genuͤgſam⸗ 
keit,vielmehr der Natur det Menſchen und Dinge. gemaͤß 
ein Streben: nach Vermehrung ‚ib Erweiterung: der wirklichen 
oder vermeintlichen Rechte, — ein Streben, das Immer lauter 
und üungefchauter in Übertreibungen, Anmaßungen und Miss 
brauchen ſich and that. Unb als ihm Diniz zu begegnen. be 
ſchloß; ſtieß er, wie feine: Vorgänger, uͤberall auf Hinderniſſe 
und -iderftand, In bes verfchiebenen Weiſe diefes Wider 
flanded, den der König bei den Prälaten und Adeligen fan; 
offenbarte fich die Verſchiedenheit ihrer Macht. Iene, die fchon 
einmal: rinen „portugieflihen König vom Thron geſtirzt und 
einen andern darauf geſetzt ober dabei geholfen hätten und bie 
in enggefehloffenen Reihen ;"geftthrt‘ oder wenigſtens unterftügt 
von einer mächtigen ‚Hand jenfeit ber Pprenden, gewaltig eins 
berfehritten , „begannen einen. foͤrmlichen Kampf. ober festen 
vielmehr den Tängft geführten fort. Der Adel dagegen, weni⸗ 
‚ger ſtark durch Einheit, wagte. Feine ‚offene Fehde und fireute 
nur Hinderniffe und Schwierigkeiten in den Weg. . 

Die Schilderung jened Kampfes, den die Geiſtlichkeit mit 
dem König. gleich nach feiner Xhronbefleigung wieder aufnahm, 
weil den. Berfprechungen Affonſo's und Dinizs nicht alsbald 
die wirklichen Leiſtungen nachfolgten, ſo wie die Angabe der 
Maßregeln, welche Diniz zur Ausrottung kirchlicher Miss 
braͤuche ergriff, muß die Darſtellung der Beſtrebungen des 
Königs, die beiden uͤbermaͤchtigen Stände in die Schranken 
zuruͤckzufuͤhren, eröffnen; die Mittel, welche er anwanbte um 
den Unordnungen und Anmaßungen des Adels zu ſteuern, 
moͤgen den dargeſtellten Reibungen zwiſchen dem Thron und 
der Kirche folgen. Aber wie geneigt zugleich Diniz war, beide 
Staͤnde gegen ungerechte Bedruͤckungen zu ſchuͤtzen, darf weder 
bei dem einen noch bei dem andern uͤberſehen werden. Den 
Schutz, welchen der Koͤnig den Kloͤſtern gegen die Erpreſſungen 


Megierung des Königs Diniz, 127915. 319 


ber Herbeiros gewährte, haͤtte den Klerus mit dem König 
verföhnen follen. Die ſchirmende, vettende Hand, welche Diniz 
über den anfehnlichften Xheil, den’ Kern bed Adels, über die 
Kitterorden, hielt, als die portugiefifchen Ritter von. Calız 
trava ihre Heil in der Zrennung von Caſtilien fuchten und aid 
bie Stürme, welde in Frankreich die Tempelherren vernichtet 
hatten, fie auch. in: Portugal mit dem Untergange bedrohten, 
— dieſe Hand muſſte dem Adel zeigen, daß Diniz wohler⸗ 
worbene Rechte zu ehren und bie Berbienfte eines jeden. Stans 
des zu wirdigen wuſſte und daß er bei feinen Schritten nicht 
fih, fondern allein das Gefammiwohl feiner Portuglefen m 
Auge hatte. 


A. Die. Beifticheit 
Stteitigkelten und Verträge des Königs mit dem Klerus, Die 
fogenannten vier Concordias des Könige Diniz. Geſchichte 
der Amortifationsgefege, Während Dinlz auf der einen Seite 
dem Umfichgreffen des Klerus Schranken fest, gewährt er 
auf der ambern den Kiethen und Rloͤſtern Schug gegen die 
Bedruͤckungen der Erden Three Patrone (Herdeiios). 


Diniz hatte feinem Bater verfprochen, dasjenige, was er 
zum Beſten der Kirche und ber Geiftlichkeit nicht mehr ſelbſt 
eführen Tonne, nad) feinem Hinſcheiden ind Werk zu ſetzen. 
Er ſchickte Deshalb, fobald er den Thron beftiegen hatte, Ges 
fandte an ben Papſt; Nicolaus HI. ftarb aber (22. Auguft 
1280), ehe bie Unterhandlungen bed Königs und der Prälaten, 
die ebenfalld Abgeordnete nach Rom gefendet hatten, bafeibft 
zum Biel geführt worden waren. Darauf hielt die höhere 
Geiftlichkeit eine Verſammlung in Suarda, welcher von Seite 
des Königs einige Ricoshomens beiwohnten, und ſtellten hier, 
nach einer Dreimöchentlichen zwiftigen Berathung, die Puncte eines 
Vergleichs auf, den man zur Befldtigung an den neugewählten 
Papft Martin IV. (22. Febr. 1281) zu fcid loß. 
Vorher aber begab ſich Die Verſammlung nach der 
König damals fich aufhielt, und erla 
Beide Parteien richteten fofort: Schrei 


30  -Eifter Zeitraum: MW Bud. 1. Abſchn. 


puncte und bie drausgegangenen Verhandlungen an.ben Papft 
(24. April 1282) 9). 

Der ‚König gibt in feinen Schreiben dem papſt mit klu⸗ 
ger Feinheit zuerſt zu verſtehen, in welcher Eigenſchaft er ihn 
in diefer Angelegenheit anerkenne, naͤmlich mehr in der eines 
Friedensvermittlers als in ber. bes. hoͤchſten Richters; „weil 
Du, ſchreibt: er, auf: Erden: vollfommen bie: Stelle deſſen vers 
trittft der: uns Frieden fchafft, Indem er aus den beiven Reis 
hen>ded. Himmels und der Erdeeined macht; des Vermittlers 
zwifchen.. Gott und. den Menfchen,  Iefus. Chriſtus.“ De 
König. herichtet dann die Entflehungsweife..ber; Vergleichsartis 
Tel, bezeugt feine Beiſtimmung und bittet den Papft,. „fie zu 
beftätigen, damit fie eine dauernde Fefligfeit erlangten. Allein 
fie fanden Anftoß in. Rom und Martin IV. wollte fie nur mit 
gewiffen Veränderungen und Zuſaͤtzen genehmigen. Der König 
ober, nicht gefonnen fie in biefer Form in ben Cortes, wie 
ihm angemuthet wurde, anzunehmen, beſchwerte ſich bei Ho⸗ 
norius IY., der unterdeſſen auf den paͤpſtlichen Stuhl gekom⸗ 
men war April 1285). Doc auch dieſer ſtarb vor der 
Erledigung des Streites und erſt unter Nicolaus IV. (feit 
dem 22. Febr. 1288), der auf Antrieb des Erzbiſchofs von Braga 
und der Biſchoͤfe von Coimbra, Silves und Lamego , welche 
perfönlich. in Rom waren, ber Sache mit Eifer fi) annahm, 
fam ein. Vergleih zu Stande‘ (7. März 1289). ‚Sobald 
diefer von. einem der Eöniglichen Procuratoren (der andere war 
krank) im Namen des Königs in Rom befchworen worben 
war; fnrach ber Papft den König von:den. Kirchenfirafen los 
und hob das Interdict auf, aber jene follten Diniz ipso facto 
von Neuem treffen, wenn er binnen vier Monaten feinem 
Verfprechen nicht Genüge gethan haben würde; ja der Papft 
drohte, bei laͤngerer Widerfeglichkeit eines portugiefifchen Koͤ⸗ 
nigs, feine Unterthanen von. dem Eid der Treue loszuſagen?). 


1) Sie finden ſich überfegt in der Mon. Lus. Parte V. liv. 16, 
cap. 86., aus dem Eönigl. Archiv Liv. I. de Diniz. fol. 51, 

2) E se por ventura cousa que Deos nom manda, algün Rey de 
Portugal em tal maneira amoestado despresar as ditas cousas,,.. 
podera temer, que nom tam soumente a Eygreja de Roma irä contra 


Regierung bes Könige Diniz, 1Y9—1325. 321 


Diniz verfprach in ben Cortes, bie er zu dieſem Zwecke in 
Liſſabon verfammelte und in denen. er den vierzig Artikeln des 
Vergleichs feine feierliche Beiflimmung gab, Folge zu leiften‘). 
Er leugnete die meiften Zhatfachen, über die der Klerus Kla⸗ 
gen erhob, und wir find genöthigt viele der Beſchwerden, fo: 
fern fie gegen Diniz gerichtet waren, für ungegründet zu hals 
ten, da diefer fo entfchieden und wieberholt erklärte, Daß er 
nicht den mindeften Anlaß dazu gegeben habe. - Auch fpricht 
die Art, in welcher mehrere Klagen vorgebracht werben ?), kei⸗ 
—— fuͤr die zweifelsfreie Richtigkeit und Zuverlaͤſſigkeit 
der Angaben des Klerus. Gleichwohl verſprach der Koͤnig, 
ſolche Dinge kuͤnftig ſich nicht zu Schulden kommen zu laſſen 
und den Beſchwerden moͤglichſt abzuhelfen. Wir duͤrfen die 
Puncte nicht mit Stillſchweigen uͤbergehen, um welche ein ſo 
vieljaͤhriger Kampf gefuͤhrt wurde und welche man jetzt durch 
Beſtimmungen feſtſtellte, die als Richtſchnur fuͤr die Folgezeit 
eine Stelle in dem erſten allgemeinen Geſetzbuche fanden. 
Vor Allem erhoben die Praͤlaten bittere Klagen uͤber Ge⸗ 
waltthaͤtigkeiten und Bedruͤckungen, welche ſie in Anſehung ihrer 
Guͤter wie ihrer Perſonen erfahren haͤtten. „Du haſt, ſagten 
ſie, wie man uns angezeigt hat, deine gierigen Blicke auf 
das Eigenthum der Kirchen geworfen, die Güter und Ein— 
fünfte ber Kirchen von Braga, Coimbra, Viſeu und Lamego 
genommen unb behalten, und in Braga, deſſen Beſitz und 
Herrſchaft allein der Kirche von Braga zuſteht, einen Alcaiden 
aus eigener Macht eingeſetzt.“ Der Koͤnig entgegnete, daß er 
jenen Kirchen Nichts genommen und, was ihnen von ſeinem 


elle poendo geeral, antredicto em todo o dito, e em toda sa terra, 
mas ainda ira contra elle absolvendo es vassallos d’omenagö, e do 
juramento, que Ihi som conteudos de guardar; e ira contra elle, que 
Ihi pora antredicom, que nom possa husar do padroada, que ha em 
nas Eygrejas desse Reyno“ etc, 

1) Das urkundliche Verfprechen des Königs ift der Bulle des 8 Pap- 
fted Nicolaus vom 17. März 1289 einverleibt. Mon, Lus. liv. 16. cap. 63, 
Über die Cortes von Liffabon 1289 f. Memorias de Litter. Port. T.U. 
p- 59. 

2) 3. B. „Wir haben fagen gehört u. f. w. Ningen - 
die ung angezeigt worden, haben wir gebAr+ 


Schäfer Geſchichte Portugals 1. 


322 Erſter Beitraum. U. Bud. 1. Abſchn. 


Vater entzogen worben, zurüdigegeben habe, Sei noch etwas 
rhdftändig, fo werde er es wiedererflatten. Einen Alcdiden 
habe er nicht eingefegt noch werde er einen einfegen '). Man 
beſchuldigte ferner den König: er habe viele Parochialkirchen 
mit ihren Einkünften an fich gezogen und fie willkürlich wie 
der an Weltliche und Geiftliche gegeben ?); er zwinge, um ſei⸗ 
nen Willen durchzufegen, die Prioren und Äbte auf ihre Prio⸗ 
rate und Abteien zu verzichten, befonderd in denjenigen Kids 
fern , von melchen er der Patron zu fein behaupte; er lafle 
zur großen Gefahr für. Die Kirche in dem ganzen Reich Unters 
füchungen tiber die Patronate und Güter der Kirchen anftellen, 
und wenn er finde, daß das Patronat einer Kirche ihm ges 
höre, nehme er fogleich Alles in Anfpruch,- wenngleich Diefe 
Kirche feit undenklichen Zeiten ein Befisthbum der Herren ge 
wefen wäre’); von den Kirchen aber, deren Patron er fei, 
fodere er neue und ungewöhnliche Auflagen *); er nöthige 
bie Geiftlichen und Kirchen die Abgabe (Talha) zur Erbauung 
und Ausbefferung der Städte und Ortfchaften, gleich den Laien, 
zu entrichten °) und lege Schwierigkeiten in den Weg, wenn 
eine Kirche an eine andere ein Grundſtuͤck vertaufchen wolle ®). 
‚Dem Allen widerfprach der König, und lebhafter noch leugnete 
er, daß er die Geiftlichen perfönlich mishandeln laſſe, den Erz⸗ 
bifchof und die Bifchöfe mit dem Tod bedrohe, fie bisweilen 
in den Kirchen und Klöftern Durch Juden und Mauren oder durch 
feine Beamten gefangen halten und bewachen, Die Bedienten 
(Sergentes). der Bifchöfe vor ihren Augen ‚töbten ober ihnen 
die Ohren abfchneiden laffe ); daß er und feine Beamten bie 
Geiftlichen verhafteten und fie nicht an die Bifchöfe, wenn dieſe 
ed verlangten, auslieferten, vielmehr die fo WVerhafteten durch 
Verweigerung. ber Lebensmittel oder auf andere Weife töbten 


1) Art. 30, 
2) Art. 32. 
8) Xrt. 18, 
4) Art. 22, 
5) Art. 11. 
6) Art. 26. 
7) Art: 19. 


Regierung des Königs Diniz, 1279-13. 323 


tieffen ). Geiftliche und Mönche endlich würben vom König, 
von feinen Leuten und den Ricoshomend durch Worte und 
Handlung befchimpft, biöweilen zu großem Ärgerniß von ihrer 
Kleidung ganz entblößt ). Der König behauptete von dem 
Allen auch nicht Das Mindefte jemals gethan oder mit Wiffen 
zugelaffen zu haben, und verſprach gegen Adelige, die folches 
wagen würden, fireng zu verfahren. 

Mie der König jeden ungerechten Vorwurf ber Prälaten, 
daß er fie an Ihren. Gütern und Perfonen verlegt habe, zuruͤck⸗ 
wies, fo lehnte er auch jede Befchuldigung einer gefeßwidrigen 
Einmifhung in die Befegung geiftlicher Stellen, eines wider- 
rechtlichen Eingriffs in die geiftliche Gerichtsbarkeit mit Ent⸗ 
fehiebenheit ab. Die GeiftlichEeit befchwerte fich, der König 
nöthige die Bifchöfe Solche, die er zu geiftlichen. Stellen‘ praͤ⸗ 
fentire, anzunehmen und zu beftätigenz; weigerten fie fich deffen, 
fo laffe er durch feine Leute Befis von jenen Kirchen nehmen 
und deren Einkünfte durch Eönigliche Beamte erheben ). Er 
pflege, wenn eine Kirche zwiefpältige Patrone habe und dieſe 
verſchiedene Perfonen präfentirten, der Bifchof aber nach feiner 
beften Überzeugung einen von beiden beftätige und gegen: den 
andern, ber mit Gewalt fich eindrängen wolle, den weltlichen 
Arm des Königs zur Hülfe auffodere, den von der Kirche zu⸗ 
rüdgewiefenen gegen den von ihr angenommenen zu begünfligen 
und zu unterflüben ). Der König ſchicke, klagen die Prälaten 
weiter, wenn Kathebralkicchen erledigt wären, allgemeine Schteis 
ben an bie Capitel und befondere an die einzelnen Stiftöherren, 
um ihnen Geiftliche feines Hofes ober andere, von welchen-er 
mehr Fügfamkeit in feinen Willen und weniger Eifer fin bie 
Rechte der Kirche erwarte, zu. empfehlen und füge zu der Bitte 
Drohungen. Das Letztere leugnete der König - und verfprach 
in feinen Empfehlungäfchreiben nicht zu fobern, daß fie feinen 


andern ald ben von ihm erbetenen wählen follten ). 2 
1) Art. 14. : 
2) Art. 17. 
3) Art. 19. .r 
4) Art. 20. ' un 


5) Art. 38. 


N 


- 


324 Erſter Zeitraum. IL Bud. 1. Abfehn. Ä 


Indem ſich ber. König hier bereitwillig zeigte das Frühere 
Herkommen einzuhalten, verſprach er zugleich bei den Be⸗ 
fchwerden, welche: die Prälaten über Eingriffe des Königs in 
die Gerichtöbarkeit der Kirche erhoben, auf den Kreid.ded ges 
meinen Rechts und älterer Beſtimmungen fich zu befchränken, 
während er andere Eingriffe, deren er befchuldigt warb, ges 
rabezu leugnete. Zu jenen gehört. die Klage, daß ber König 


Rechtöftreitigkeiten, namentlich über Vermächtniffe, die vor ben 


geiftlichen Gerichtöftuhl gehörten, an den Töniglichen Hof ziehe 
und auf diefem Wege dad Vermögen verftorbener Geifllichen 
fih aneigne '); daß der Sobrejuiz, wenn Prälaten und andere 
Geiftliche fich weigerten in Streitigkeiten über kirchliche Eins 
fünfte und Gegenftände am Hofe zu erfcheinen, bennoch im 
diefen Fallen. entfcheide, ungeachtet ihm Feine Gerichtsbarkeit 
daruͤber zuftehe, und daß er Geiftliche, Die nach Rom appellirs 


ten, ald Ungehorfame (por revees) ihres Rechtes verluflig ers 


klaͤre). Den Vorwurf aber, den die Geiftlichkeit dem König 


machte, daß er die Prälaten, Capitel ober Gonvente, welchen 


er ein Recht oder ein lang beſeſſenes Gut zu entreiffen beabs 
fichtige, nöthige mit ihm dem Ausſpruche von Schiedsrichtern 
fih zu unterwerfen und fie im Meigerungsfall ihred Ungehors 
famd wegen’) durch den Oberrichter des Hofed (Sohrejuiz da 
Corte) verurtheilen laffe, — diefen Vorwurf wies. der König 


ald8 ungegründet zurüd*). ‚Ebenfo die Befchulbigung, daß 


der König, wenn von einem geiftlichen Gericht ein Enpbefcheid 
ertheilt würde, denfelben nicht vollziehen, fondern die dem Kläs 
ger zugefprochene Sache für fich felbft in Befig nehmen laffe‘). 
Belegte, Elagten die Prälaten weiter, der Erzbifchof oder ein 
Biſchof, wenn es die Gerechtigkeit vperlange, einen‘ Untertha= 
nen, eine Kirche oder Drtfchaft des Königs mit dem Bann, 
fo werde jener Prälat durch Drohungen gezwungen bie aus⸗ 
gefprochene Kirchenftrafe zu widerrufen, oder, werm er deſſen 


1) Art. 29. 

2) Art. E5. 

8) Per razom da reveria. 
4) Art. 34. 

5) Art. 4. 


Regierung des Königs Diniz, 1279 — 1325. 325 


fih weigere, gefangen gefest und feiner Güter beraubt '). 
Die Ercommunieirten felbft ‚pflegten in einem folchen Fall, fo: 
gleich fich zu vereinigen und unter fich feftzufegen, Daß keiner von 
ihnen den Zehnten an die Kirche entrichten oder dieſer das Ge: 
ringfte vermachen folle?). Bifchöfe und Kirchenvorfteher, welche 
ihre Pfarrkinder mit dem Banne beftraften, weil fie den ſchul⸗ 
digen Zehnten und: die Abgaben verweigerten, laffe der König 
aus dem Lande verjagen und ihrer Güter berauben ’). Werbe 
eine Gemeinde des Königs durch papftliche oder bifchöfliche 
Richter mit dem Interdict belegt, dann verbiete fie .oder der 
König Jedermann bei ſchwerer Strafe, einem Geiftlichen Waa⸗ 
ren zu verkaufen, ihn in ein Haus aufzunehmen und ihm 
„Feuer und Waſſer zu geben”. Und dieſes Verbot werde an 
bem betheiligten Orte und allerwärtd durch Ausrufer befannt 
gemacht *). 

Diefe und Ahnliche "Eingriffe in bie geiftfiche Gerichtös 
barkeit, dieſe Verlegungen der wirklichen oder vermeintlichen 
Rechte der Kirche, deren die Prälaten den König befchuldigten, 
diefer aber keineswegs geftändig war, fehienen den Vorwurf, 
den die Geiftlichfeit dem König machte, zu rechtfertigen: daß 
er „baran arbeite, die Freiheiten der Kirche zu vernichten,” ins 
dem er die höhere wie die niedere Geiftlichkeit, die Städte und 
Ortſchaften der Bifchöfe hart bedrüde und mit unerträglichen 
Laften befchwere, endlich den Eid, den er geſchworen, die Freiheit 
der Kirche zu bewahren, vergeffe und breihe‘). „Enthalte dich," 
fahren die Prälaten im feierlichen Zone der priefterlichen Mahs 
nung und des heiligen Eiferd fort, „enthalte dich der Ver⸗ 
legung der Freiheit! Mer fie verlekt, befchädigt die große 
Feſte, in welcher der Eatholifche Glaube lebt und welche dem 
Lande des Königs zur Zierde dient. Enthalte dich des Rau⸗ 
bes heiliger Gegenflände, zu deren BVertheidigung dich der 


1) Art. 9. 
2) Art. 7. 


3) Art. 2. * 

4) Xıt.6. . Br | 

5)...nom 4 s britador do juramento. 
Art. $1. n 


326 Erſter Zeitraum. IL Bud. 1. Abſchn. 


Geber und Vertheiler aller Reiche mit bem zeitlichen Schwert . 
umgiirtet hat! Enthalte dich der Mishandlung und Verfol⸗ 
gung der Perſonen, die dir Gott empfohlen hat und die als 
fein erlefened Volk feinen Namen verherrlichen ſollen; und 
enthalte du! Dich nicht allein, fondern nöthige auch beine 
Unterthanen fich deffen zu enthalten Y1” 

Der König verfprah am Schluffe ded Vertrags, „die 
Anordnungen und Landesbräuche, die wider die Freiheit der 
Kirche und den friedlichen Zuftand des Reichs eingeführt wors 
den, weder felbft zu beobachten noch beobachten zu laffen, bie 
Kiche und ihre Perfonen vielmehr in voller Freiheit zu ers 
halten.” Doch fügt der König hinzu: „wenn mit der Prälas 
ten Einwilligung irgend etwas für den guten, friedlichen Zus 
ftand des Reichs und zum feften Landeöbrauch angeordnet wird, 
fo ſtimmen die Praͤlaten bei, daß man es beobachte, ſofern 
es eine Anordnung nach Vernunft und Recht und nicht gegen 
die Freiheit der Kirche iſt ). “ 

Sobald das Interdict im Reich aufgehoben war und Thron 
und Kirche ausgeſoͤhnt fchienen, beftätigte der Papſt in einer 
Bulle vom 13. Auguft 1290 die in Liffabon geftiftete Univers 
fität, die fpdterhin (1308) nady Coimbra verlegt wurde ?). 

Der Zriede, den jener Vertrag erzielen follte, währte 
nicht lange. Es entflanden bald wieder neue Mishelligfeiten 
zwifchen der Geifklichkeit und dem König, deren Anläffe uns 
jedoch unbekannt find. Brennftoff lag überall in Menge vor⸗ 
raͤthig. Der Klerus hatte zuviel erworben, ald daß. er nicht 
noch mehr zu erwerben hätte begekren follen, und Diniz war 
Davon zu fehr uͤberzeugt und dabei zu eiferfüchtig auf feine 


1) Art. 88. 


2) e se algiia cousa foi hordenada de consentimento dos Prela- 
dos por böo pacifico estado do Regno, e per costume afortellazado, 
consentirom os Prelados, que se guarde, a tanto que seja costume 
com razom, e com direito, e que nom seja contra a livridooem da 
Igreja. Art. 409. 

3) Noticias Chronologicas da Universidade de Coimbra p. 41 u. 
93, in der Colleccam dos Documentos e Memor. da Acad. Real da 
Historia Portug. Anno de 1729. Näheres über biefen Gegenftand f, im 
folgenden Bande. " 


Regierung des Königs Diniz, 1279— 1325. 327 


Thronrechte, um ber Geiſtlichkeit und ber Kirche gegenüber 
ruhig zuzufehen. Die Allgemeinheit der Ausbrüde, in welchen 
der lebte eben erwähnte Artikel des Vergleichs abgefafft war, 
eröffnete der Willfür ein weites Feld; flatt Misverftändniffen 
vorzubauen, leiftete er ihnen wahrfcheinlich Vorfchub. Es ers 
hoben fich neue Zwiftigkeiten, zu deren Beilegung weitere elf 
Artikel '), die man jenen hinzufügte, befchloffen und auögefer- 
tigt wurden. In einigen derfelben wird die uͤbermaͤßige Aus: 
Dehnung, welche die Geiftlichen ihren Gremtionen gaben, bes 
ſchraͤnkt; in andern wird die Vertheidigung und der Schuß 
des Königs gegen die Gewaltthätigfeiten und Bedruͤckungen, 
worüber die Geiftlichen fich befchwerten, biefen zugefichert und 
beftätigt. 

Allein die Ruhe, die man von diefen Artikeln erwartete, 
war gleichfalls von Furzer Dauer. Kaum waren zwei Jahre 
verfloffen, fo erhoben einige Bifchöfe neue Beſchwerden, die 
man durch neue Erklärungen zu erledigen fuchte. In den zehn 
Artikeln, die auf diefe Weiſe feftgeftellt wurden, bezeichnet der 
König von neuem Fälle, in welchen die Geiftlichen das Vor⸗ 
recht des eignen Gerichtöftandes genieffen follen, befeitigt noch: 
mals Misbräuche, welche bei der Firchlihen Erwerbung von 
Gütern ftattfanden, und beftdtigt einige Artikel bed voraus⸗ 
gegangenen Vertrags ). Nachdem man durch diefe zehn Ar⸗ 
titel die allgemeinen Verhältniffe zwifchen ter Geiftlichkeit und 
dem König feftgefest hatte, wurben an demſelben Tage mit 
den einzelnen Bifchöfen und ihren Gapiteln befondere Verträge 
abgefchloffen, durch welche man, unbefchabet der allgemeinen 
kirchlichen Verhältniffe, die Angelegenheiten ber bifchöflichen 
Gapitel zu ordnen die Abficht hatte’). 


1) Gabriel Pereiva nennt fie die zweite Concordia des Königs 
Diniz. Sie ftehen in den Ordenag.. Affons. liv. II. tit. 2, 

2) Die Eönigliche Verordnung, welche den’ Klagen der vier Biſchoͤfe 
abzuhelfen bezweckt und welche von Pereira die dritte Concordia des Koͤ⸗ 
nigs Diniz genannt wird, wurde am 23. Aug. 1292.55 erlaffen 
und bildet den 3. Zit. des 2. Buchs der Ordenag. ' pr 
ſchrift: „Carta d’El.Bey D. Diniz sobre os € 


3) Mon. Lus. liv. 17. cap. 16, 


328 Erſter Zeitraum. N. Bud. 1. Abſchn. 


Sechzehn Jahre verftrichen, wie e8 fcheint, ohne Störung 
des friedlichen Verhältniffes zwifchen dem König und den Praͤ⸗ 
laten. Im Jahre 1309 erhoben die Geiftlichen von neuem 
Klagen. Sie befchwerten fi), daß die weltlichen Gerichte 
- wieder die Immunität des Priefterftandes verlegt hätten und 
nicht den -apoftolifchen Befchlüffen und Beflimmungen gemäß 
. verführen. „Faſt Alles, fagt Brandäo, was in diefen Be 
fehwerden vorgebracht wurde, war ſchon in den früheren ge. 
fagt worden und ſchien daher mehr eine Wiederholung des bes 
reits Abgeftellten ald eine neue Beſchwerde uͤber Geſetzwidrig⸗ 
Zeiten, welche Niemand bemerkt hatte. Wenn ein Rüdfall in 
die letztere flattfand, was bie Geiftlichen zu zeigen fih be 
mühten, fo gewährte ihnen der König Genugthuung, indem 
er in Allem ihnen guͤnſtig antwortete, ohne feine Kronrechte 
zu beeinträchtigen ).“ In den zweiundzwanzig Artikeln, 
aus welchen die neue Erklärung des Königs beftand, beftätigte 
er theild die früheren Verträge, theild erklärte und erläuterte 
er -fie, befonderd in Anfehung bes bevorrechtigten Gerichts 
flandes, den die Geiftlichfeit übermäßig ausdehnte °). 

Bei weitem der erheblichfte von diefen Artikeln und ber 
wichtigfte Punct in den lebten Verträgen des Königs Diniz 
mit der Geiftlichfeit betraf die Firchliche Erwerbung von Grund: 
gütern. Erſt diefem König gelang ed hierin Schranken zu 
feßen, und erft das Übermaß des eingeriffenen Misbrauchs rief 
die Überzeugung von der Nothmwendigkeit, daß bier durchge⸗ 

griffen werden muͤſſe, den Entſchluß und den Muth, einen 
Damm gegen die Alles verſchlingende Habſucht der Kirche auf: 
zurichten, hervor. Wie das Übel ſchon vor der Entftehung 
Des portugiefifchen Staates in dieſen Gegenden Wurzeln ges 


1) Mon. Lus. Parte VI. liv. 18. cap. 84, 


2) E porque, fügt ber Chronift hinzu, esta materia de queixas 
erdinariamente pecca por excesso, me parece, que assim succedeu 
na prezente etc.“ 

8) Diefe Artikel, welche am erften Auzuft 1309 in Eiffabon unter: 
zeichnet wurden, nennt Pereira de Caftro (de Manu Reg. Part. I, 


n.117.) die vierte Concordia des Königs Diniz. Cie bilden ben 4. Tit., 
liv. 2. der Ordenag. Aftons, 


! 


Megierung bes Königs Diniz, 1779— 13%. 329 


fhlagen hatte und unter den erften Königen fehnell und weit 
um ſich griff, ift bereit oben ) nachgewiefen worden. . Diefe. 
häufigen Schenkungen und Vergabungen an Kirchen und Kids 
fter drohten im Kaufe der Zeit die meiften Ländereien in bie 
todte Hand zu bringen, den größten Theil des Reiches dem 
Krummftab zu unterwerfen ). Überdies erlieffen die erften 
portugiefifchen Könige, aus misverftandener Freigebigkeit und 
Frömmigkeit, den Kirchen oft Die landesherrlichen Abgaben, 
und veranlafften fo den Glauben oder beftdtigten die von an⸗ 
derer Seite eindringende Anficht, daß die Priefter jene Bes 
freiung nicht der Gnade des Landesherrn verdankten, fondern 
fih ihrer nach dem göttlichen Rechte erfreuten, und daß es 
eine ftrafbare Gottlofigkeit fei, jenes Vorrecht auf irgend eine 
Meife anzutaften. Endlich gab Sancho J. den ungeflümen Bit: 
ten ober vielmehr den Drohungen einiger Bifchöfe nach und 
erklärte die Geifllichen frei von der Entrichtung ber Colheitas 
und vom Kriegsdienft (auffer bei feindlichen Einfällen der Sa⸗ 
racenen). War es zu verwundern, wenn bie fo bevorzugten 
Priefter die Meinung hegten und zu ‚verbreiten fuchten, daß 
fie und ihre Güter auch von der höchften Gewalt des Königs 
befreit feien? Diefe Meinung hätte hier entftehen und ſich gel⸗ 
tend machen müffen, wenn fie auch nicht über Die Pyrenden 
heruͤber eingewandert wäre. » 

Als nun die Dinge fo weit gelommen waren, trieben fie 
bie weltliche Macht auf Abhülfe zu denken. Das Dunkel, 
das die Grundfäße des Staatörechtd damals umhüllte, Bonnte 
nicht verhindern, daß nicht biöweilen ein Lichtftrahl durchbrach, 
der die Augen der Könige über ihre unveräufferlichen Kron⸗ 
rechte erleuchtete. Affonfo II. war der erſte portugiefifche Koͤ⸗ 
nig, der, nachdem unter und zum Theil durch feinen Vater 
das Übel fchon hoch geftiegen war, Maßregeln dagegen ergriff 
oder ältere vergeffene Anordnungen wieder in das Gedaͤchtniß 
rief und in ber feierlichen Ständeverfammlung von neuem 


1) Im fechften Abfchnitt des erften Buches. m 

2) . . . „sabendo por verdade, que as Horde& bu 
parte do meu Regno,* fagt König Dir " 
1891, Ordenag. Afſons. liv.-2. dit. 16, . 


330 Erfter Zeitraum. IL Bud. 1. Abſchn. 


verkünden ließ ). Der Nero ded Anfehns und der Macht 
der Geiftlichen war der Grundbefit. In dem Maß biefer be 
fchränkt wurbe, ward jener gefchwächt. Affonfo II. griff Daher 
das Übel an der Wurzel an, als er, wie wir oben geſehen, 
in den Cortes, Die er im erſten Sahre feiner Regierung in 
Goimbra hielt, ein Gefeß erließ, das der Kirche in der Ers 
werbung von Grundgütern engere Grenzen ſetzen follte ?). 
Allein dieſes Gefeß war weber allgemein und unbedingt, noch 
zeigte es fich. wirffam genug. Es verbot ausdruͤcklich nur den 
Ankauf von Gütern), nahm von diefem Verbot felbft die 


1) Es fcheint in der That, daß fehon früher eine Verordnung über 
diefen Gegenftanb vorhanden war. In einem Privilegium, bas König 
Affonfo I, glei im Anfang feiner Regierung ertheilte, und das einer 
Beftätigungsurkunde der Privilegien des Königs Johann II. in ber Übers 
ſetzung einverteibt ift, wird gefagt, daß ber König „fez Couto . .. aos 
presentes Freyres, e seus socessores de todas aquellas cousas, que 
até aquelle dia delle dito Rey, ou doutros tevessem aqueridas, ou 
possoyssem, e daquellas cousas} que daquelle dia por diante per 
sua consecam, ou per conselho de boons varooes aquerisse * etc. 
In einer Schenkung, die berfelbe König Affonfo dem Abt Johann von 
S. Salvador de Craſto madt, bewilligt er ihm die Erlaubniß, 
Srundgüter zu erwerben und andere, die ihm durch Schenkungen und 
Vermaͤchtniſſe zu Theil würden, zu befigen. Memor. da Acad. Real, 
T. VI. p. 75. Not. b. 


2) Wegen feiner Wichtigkeit und weil es bei Brandäo (Mon. 
Lus. P. V. liv. 17. cap. 8) und Gabkiel Pereira (de manu regia, 
T. I. p. 844.) fehlerhaft gedrudt ift, mag das. Wefentliche des Gefepes . 
bier eine Stelle finden. . . . . stabelegemos, que daqui adeante nẽhũa 
cousa (oder, wie es richtiger in einer andern Überfegung heifft, cassa) 
de religiö nö conpre nẽhũa possissom, tirädo pera universsayro de 
nosso padre, ou nosso. E damos a elles lecenca daverem possissöer, 
ou outras cousas pera outra maneyra aguisada. Pero non tolhemos 
a nenhuü Clerigo poder de comprar possissöes, 6 de fazerem dellas 
o que quiserem. E se per ventuyra alguem contra esta nossa cöste- 
tigö quiser hir, perca quanto der pola possissom por pea. Nach dem 
Livro das Leis Antigas abgedruckt in den Memor, da Acad.R, T.VII. 
p. 57. Appendice 54, 

5) In diefem Sinne faſſt fpäter König. Dinig das Geſetz. „Que 
näo somente näo quer El Rei que comprem herangas, mas que ainda 
por forca Ihes occupa as que de muito tempo a esta parte possuem. 
Respondem: consentem os Prelados e Procuradores d’El Rei, que 


Regierung des Königs Dintz, 1279 — 1335. 331 


Kleriker (d. i. hier Canonici) aus und geflattete Schenkungen 
für Anniverfarien. Seine Wirkfamkeit aber fcheiterte an der 
zunehmenden Gewalt der eindringenden kanoniſchen und römis 
fchen Anfichten und Grundfäge, denen die Könige felbft un- 
willfürlich -huldigten, an den Anordnungen einzelner Biſchoͤfe 
zu Gunſten der Gütererwerbung der Kirche '), an ben unkla⸗ 
ren und ſchwankenden Anfichten der Könige von ben Rechten 
und Grenzen der Pirchlichen und Pöniglichen Macht ”) und end⸗ 
ich an den Borurtheilen der Laien, die nicht einfahen, warum 
fie der Freiheit, über ihre Güter zu Gunften der Kirche zu 
verfügen und fich Dadurch der Seligfeit des Himmels zu. vers 
ſichern, entfagen follten. Kein Wunder, daß Affonfo’3 Geſetz 
erfolglo8 blieb und daß während feiner ganzen Regierung und 
unter feinen Nachfolgern Sancho I. und Affonfo IH. die Kirs 
chen und Klöfter durch Schenkungen und felbft durch Anfauf 
Grundgüter erwarben. 

Es war dem König Diniz vorbehalten, was Andere ges 
wollt aber nicht vermocht hatten, mit Klugheit und Zeftigkeit 
durchzufegen. Er verordnete nicht allein, daß das in Vergeſſen⸗ 
heit gerathene Gefeß Affonfo’3 II. erneuert werde und in volle 
Wirkſamkeit trete, fondern daß alle von den Orden und Geifts 
lichen feit feiner Thronbeſteigung bereits erfauften Güter in 
Sahresfrift wieder verfauft werben follten ’) und ſchnitt fo alle 


nesta parte se guarde a lei d’EI Rei D. Affonso seu avö, que he 
nesta etc.“ Art. 2. der zweiten Concordia des Königs Diniz. 


1) 3. 3. die Verfügung einer unter dem Biſchof Mattheus in 
Liffabon 1271 ‚gehaltenen Synode: daß, fo oft Jemand aus dieſer Didcefe 
ein Zeftament mache ohne Beifein des Pfarrers oder -einer von ihm ers 
‚nannten Perfon, die Parodie den dritten Theil der Güter des Teſtators 
erben folle. 

2) Stellte ja Affonfo II. ſelbſt dicht neben das Gefeh, das der Er⸗ 
werbung von Grundgütern und dem Umfichgreifen der Kirchenmacht zu 
fieuern den Zweck hatte, die Beflimmungen: que as sas leys seiam 
guardadas, e os dereitos da santa egreia de Roma; convem a saber, 
que se foren fectas ou estabelegudas contra elles, ou contra a santa 
egreia, que non valhä, n& tenhä etc. 4 


3) Durch ein i. 3. 1286 erlaffenes Geſetz und dur” ein koͤniglich 
Schreiben von bemfelben Jahre an Vaſco Peres und an ben P 


332 Erſter Beiteaum I. Bud. 1. Abſchn. 


vorgefpiegelten Käufe ab, Durch welche die Geiftlichen oft das 
Geſetz zu umgehen oder zu vereiteln fuchten. Am burchgrei- 
fendften aber war das Geſetz, das der König auf die Vor⸗ 
ftellungen vieler angefehener Männer vom Laienftande und nad 
reiflicher Berathung mit den Großen und Räthen feines Hofes 
in Coimbra 1291 bekannt machte. Ihm gemäß durfte von 
den Befigungen folcher, die in einen geiftlichen Orden traten, 
bei ihrem Zode Nichts an diefen fallen, dieſem Nichtd verkauft, 
geſchenkt oder auf irgend eine Weife verduffert werden. Wollte 
jemand für fein Seelenheil etwas vergaben, fo konnte er ein 
Drittel feines Vermögens verkaufen, zwei Drittel blieben ben 
Erben. Jenes Drittel durfte aber nur an foldye Perfonen ver: 
Fauft werden, von welchen ed nicht an geiftliche Orden gebracht 
wurde; die zwei Drittel konnten nur folchen Perfonen‘ verblei- 
ben, welche Peine Drdensangehörige waren. Diejenigen bie 
feine rechtmäßigen Erben hatten, konnten über ihre Güter frei 
verfügen, nur nicht zu Gunſten geiftlicher Stiftungen ). 

Daß diefe Geſetze des Königs Diniz während feiner Re 
gierung auch.befolgt und in ihrem ganzen Umfang vollzogen 
wurden, bezeugen viele gleichzeitige Urkunden, die noch jest in 
den portugiefifhen Archiven fich finden ). Mehrere Könige 
der fodteren Zeit, Zernando, Affonfo V., Manoel, Filippe IL 
und III., Sofe, erneuerten und beftätigten Diniz's Amortiſa⸗ 
tionsgeſetze. 

Wohl mochten dieſe Geſetze den Klerus erbittern, aber 


Zabelliäo von Arouca; dann durch die zweite Concordia von 1289, die 
dritte von 1290 und bie vierte von 1309. 

1) Ordenag. Affons. liv. 2. tit. 15. 8. 3. Auch abgedrudt in 
Souſa's Provas T.I. p.65. Mell. Freirji Hist. juris civil. Lusit. 
p. 60. und öfter. 

2) Bon mehreren, die in den Mem. da Acad. Real,- T. VII. p. 60. 
mitgetheilt find, führen wir nur eine vom Jahre 1311 an, worin 
ber König Diniz der Äbtiffin von Tarouquella erlaußt, für ihr Kiofter. 
ein Grundftüd zu behalten, das fie gekauft habe „zu Fußbedeckungen für 
die Klofterfrauen, um zur Frühmeffe gehen zu Eönnen, ba ber Ort fehr 
kalt fei.” Der König erkiärt in der Urkunde, daß der Ankauf mit koͤnig⸗ 
licher Erlaubniß gefchehen fei, mit der Bedingung, daß das Grundftüd 
nah dem Tode der Käuferin an einen Laien gebracht werde. " 


Regierung des Königs Diniz, 1279—1325. 333 


diefer konnte doch nicht den König darum ber Ungerechtigkeit 


zeihen ; die Prälaten mufften vielmehr Diniz's Unpärteilichkeit 
und Fönigliche Gefinnung ehren und ſich zum Danf verpflichtet 
fühlen, als er die Kirchen und Kloͤſter gegen Die Gewaltthaͤtig⸗ 
keiten und Bedruͤckungen ſchuͤtzte, welche ſich die zahlreichen 
Nachkommen der Gruͤnder und Patrone jener Stiftungen er⸗ 
laubten. 

Wie die Grundherren, welche Kirchen und Kloͤſter ge⸗ 
ſtiftet oder beſchenkt hatten, fo verlangten’ auch die Nachkom⸗ 
men diefer Grundherren, bie ſich Herdeiros (Erben) ober Na- 
turaes jener Firchlichen Stiftungen nannten, ald Anerkennung 
ihres Patronatrechts verfchiedene Abgaben, Comedorias, Pousa- 
dias, Casamentos und Cavallarias. $ür Comedoria (auch Co- 
medura) brauchte man bisweilen auch die befannteren, oben‘) 
erklärten Ausbrüde Colheita und Jantar. Unter Pousadia wurde 
das Recht der Einlagerung, die Befugniß Herberge zu verlan⸗ 
gen verftanden. Cavallaria nannte man „ben Abgabentheil, 
den man an die Männer zu entrichten hatte, Casamento den⸗ 
jenigen, welchen die Frauen erhielten, entweber "weil er zur 
Vermehrung ihres Heirathöguted ober zu einer Beifteuer und 
Unterſtuͤtzung ihrer ſchon vollzogenen Ehe beftimmt war ).“ 
Auf diefe Gefälle und Leiftungen legten die Naturaes gleich 
Anfangs großen Werth, weil fie die Frömmigkeit ihrer Alts 
vordern, der Gründer von Kirchen und Kloͤſtern, in rühms 
lichem Andenken erhielten und den grundherrlichen Rang, bie 
gutöherrliche Würde bezeichneten. Mehr und mehr aber ver= 
drängte der Gewinn, ben die Stiftungen abwarfen, dieſe ebles 
ren Rüdfichten, als fich im Laufe der Zeit die Erben und 
Nachkommen in fchnell wachfendem Verhaͤltniſſe vervielfältig- 
ten, und unter der großen Menge derfelben erzeugte, wie ges 
wöhnlich, der Eigennuß fchneller und mehr Mishräuche, als 
die frühere Standeseitelfeit deren erzeugt haben mochte. Die 
Herdeiros hatten fich fo fehr vermehrt, Daß z. B. das Klofter 
Grijo 208, dad Klofter ©. Send de Monte⸗longo, dad in 
ber Folge mit ber Collegialficche von Guimaräcs ſich verband, 


1) Erſtes Buch, neunter Abſchnitt, 5. 
2) Elucidario, T. I. p. 245, 


a 


334 Erfier Beitraum. 1. Bud. 1. Abſchn. 


273, bad Kloſter Pedroſo gar 374 Herdeiros zählte. Anbef 
fen war es nicht Die große Menge biefer Erben, welche für 
Die Klöfter eine druͤckende, faft unerträgliche Laft wurde; manche 
Herbeiros beeinträchtigten bie Klöfter noch durch einen unver 
fchleierten. und um fo Fränfenderen Betrug, indem fie Abga⸗ 
ben, welche erſt dann fällig wınden, wenn ihre Söhne die 

Kitterrüftung anlegten ober ihre Töchter fich verheiratheten, 
zum voraus foberten und die Gründe und Thatſachen, welche 
ihnen: ein Recht zu diefen Foderungen geben follten, nicht nad) 
wiefen. Andere fcheuten fich nicht Gewalt zu üben, indem fie 
bald in die Güter der erledigten Kirchen, die den Klöftern ge 
hörten, fich eindrängten, bald dieſe mit zahlreihen Familien 
heimfuchten und dadurch zu übermäßigen Ausgaben nöthigten, 
fo daß ben Kiöftern Faum ſo viel übrig blieb, als fie zu ihrem 
eigenen Unterhalt nothwendig beburften ’). 

Die Kiöfter führten vielfaͤltig Beſchwerde bei den Koͤni⸗ 
gen und erwirkten von ihnen verfchiebene Verfügungen zur 
Abhilfe jener. Unprdnungen. In den Corte von Guimaräc 
41261 ergriff Affonfo II. Maßregeln gegen die eingeriffenen 
Misbraͤuche ?), allein mit ‚geringem Erfolg. Der Unfug nahm 
unter Affonfo’3 Nachfolger überhand, befonderd in der Provinz 
Entre Douro e Minho, und unter dem Gerdufch bed Kriegs, 
den ber König damald führte, hörte man kaum die Klagen 
der Klöfter Über die Bedruͤckungen der Adeligen. Doch Diniz 
hatte fuͤr die Seufzer der Unterdruͤckten ein leiſes Gehoͤr. Er 
berief die Cortes nach Guimaräed, an den Mittelpunct ber 
Provinz und den Hauptſitz ihres Adels, um das Übel an Ort 
und Stelle mit ber Wurzel auszurotten ’), gab den Befehl 
(4. Aug. 1307), daß die Gefege feines Vaters über dieſen 
Gegenftand ftreng beobachtet werden follten, und ließ, um bie 
Anläffe zu Ungerechtigfeiten zu befeitigen., durch feinen Meis 
rinho —— mor des Landes Entre Douro e Minho beſtimmen, wie 


2 Memor. da. Acad, Real T. VI. p. 66. 

2) Degtedos do Sür. Rei D. Affonso III. sobre as comedorias, e 
pousadias dos fidalgos nos Mosteiros, e Igrejas etc. noch vorhanden 
im koͤniglichen Archiv. 

8) Mon. Lus. T. VII. liv. 3. cap. 2. 


Regierung des Königs Diniz, 12791335. 335 


viel jedes Klofter, nach Maßgabe feiner Einkünfte, der Zahl 
und des Ranges feiner Patrone, zu entrichten verbunden ſei 9. 
Deffen ungeachtet dauerten die Klagen, der Klöfter über ihre 
Herdeiros fort”), und dieſe Klagen waren nicht ungegründet 
oder übertrieben. Bei der Unterfuchung, welche die Befchwers 
den des Abtes von Tibäes Über die Erpreffungen, die troß ber 
Föniglichen Verfügung von den Adeligen in feinem Klofter ver: 
übt worden, veranlafiten, flellte fich heraus, daß biefes Klo= 
fter nur 160 Maravedis Einkünfte und 60 Moios Brod und 
Wein bezog, ber Herdeiros aber, an welche es Penſionen bes 
zahlen muffte, mehr als vierzig Tamilien waren, welche nah 
an zweihundert Perſonen zaͤhlten. Koͤnig Diniz befahl endlich 
(1315) jene Abgaben auf die Haͤlfte herabzuſetzen. Nur be⸗ 
ſchraͤnken konnte er den Misbrauch, ihn ganz aufzuheben ver⸗ 
mochte er nicht. ine aͤhnliche Erfahrung machte fein Nachs 
folger, ald er in dem erften Jahre feiner Regierung die Klöfter 
von dieſen Leiflungen gänzlich befreien wollte. Das Übel. 
bauerte unter Affonfo’3 IV. und Pedro's Regierung fort >). 
Alle Heilmittel welche von ben Königen angewendet wurden, 
waren von geringem Erfolg. Man fuchte felbft bei den Paͤp⸗ 
ſten Hülfe und ließ den Bannftrahl und das Interdict gegen 
den Unfug richten, ber vecht eigentlich dem geiftlichen Richters ° 
ftuhl anheim zu fallen fhten. Aber diefer fo wenig als der 
weltliche bezwang in dieſer Periode das Übel, und erft in ber 
folgenden, unter ber Regierung des Königs Ioäo IL, ward es 
ganz gehoben. 

Nicht geringer ald die Anmaßungen der Adeligen in ben 
Befigungen und dem Eigenthum der Kirchen und Klöfler wa⸗ 
ren ihre Anmaßungen auf ihren Ritterglitern, bie Übertreibung | 
und der Misbrauch ihrer Vorrechte und Freiheiten in Bezug 
auf den König und Landeöherrn. 


1) Naͤmlich: dem Rico-homem zwölf Laibe Brod zu zwei Dinheiros 
als Santar und ſechs zum Abendtifh, dem Infancäo fechs zum Santar 
und drei zum Abendtiſch; dem Gavalleiro vier zum Jantar und zwei zum 
Abendtifch. 

2) ©. die Klagen ber Fbeifin zdes Kloſters Vairam i. J. 1811 t 
Ribeiro's Dissert. T. I. p. 


8) Memor. da Acad. Real T. VI. p. 67. 


336 Erſter Zeitraum. IL Bud. 1. Abfın. 


| B. Der Adel ald Grundbefiger; die Ritterorden. 
| | Die Inguiricdes ). 


Den großen Srundbefig, welchen der Adel zum Theil ſchon unter 
den Koͤnigen von Leon erworben hatte, erweiterte und mehrte 
er unter den erſten Koͤnigen von Portugal. Verſchiedene 
Arten von adeligen Guͤtern und damit verbundene Rechte 
und Freiheiten. Solares. Coutos. Honras. Behetrias. 
Unmaͤßige Erweiterung der grundherrlichen Gerechtſame und 
Maßregeln der Koͤnige ſie zu beſchraͤnken. Geſchichte der 
fruͤheren Inquirigöes. Verſchiedene Unterſuchungen, welche 
Diniz anſtellen laͤſſt. Misbraͤuche, die dadurch offenbar 
werden. Der Koͤnig hebt alle Honras auf, welche ſeit 1290 
neu gegruͤndet oder erweitert worden ſind. 


Die Gruͤnder des portugieſiſchen Staates fanden viele 
Edle bereits im Beſitze eines betraͤchtlichen Grundeigenthums, 
das ſie unter den Koͤnigen von Leon erworben hatten. Es 
war billig, daß die Vaſallen des Koͤnigs, deren Schwert den 
Mauren das Land wieder entriß und oft jeden Fuß breit mit 
Blut erkaͤmpfen muſſte, belohnt wurden; Grundbeſitz aber war 
in jenen Zeiten faſt das Einzige, womit man groͤßere Dienſte 
bezahlen konnte. Es war zugleich ſtaatsklug, jene Vaſallen 
durch die Grundherrlichkeit mit einer Macht und einem Anſehn 
zu bekleiden, welche ſie in Stand ſetzten ihre Untergebenen 
auch im Frieden in Gehorſam zu halten; die zuͤgelloſe Rohheit 
des Eriegerifchen Volkes, die allgemein herrfchende Selbfthälfe, 
Die Ohnmacht der Gefege oder deren gänzlicher Mangel, die 
Entfernung ded Königs fchienen Died zu verlangen. Was uns 
ter den Königen von Leon billig und ſtaatsklug gewefen wer, 
war ed nicht minder unter den Gründern des portugiefifchen 


1) A historia economica do nosso Reino daquelle periodo nunca 
se podera dicer exacta se näo tirar o seu fundo, igual- 
mente dos Foraes primitivos, que destas Inquiricöes, 
fagen mit Recht die Verfaffer der Memorias para a Hist. das Inquiri- 
cöes, Introducgäo, p. 5. . 


Regierung bes Königs Diniz, 1279 — 1325. 337 


Staates. Sie hatten noch einen Grund mehr, ihre. großen 
Bafallen durch Belohnumgen und Auszeichnungen an fi zu 
feffeln: ihr noch nicht befefligter Zhron machte ihnen folche 
Stüsen 'wünfchenswerth, ja unentbehrlih. Sie bebienten fich 
biefer Vaſallen, um die Eroberungen, die zur Erweiterung und 
fefteren Begründung des urfprünglich fo kleinen Staats noth: 
wendig waren, fortzufegen. Je mehr Tapferkeit die Edlen be- 

wiefen und je größere Landftreden den Mauren entriffen wur: 
den, um fo weniger burfte der König karg fein mit Beloh- 
nungen und Schenkungen. So erhielten die bisherigen Grund⸗ 
herren noch mehr Güter oder auögedehntere Rechte, mancher 
aber, der allein Zriegerifche Tapferkeit befeffen hatte, wurde 
nun ein reicher Grundbefier. \ 

Mit dem Grundbefige an und für fi) waren damals ge- 
wife Rechte und Freiheiten natürlich unzertrennlich verbunden; 
fie wuchfen gleichfam: aus dem Boden, wuchfen von felbft aus 
ihm. Die Eönigliche Gnade, die ben verdienten Krieger mit 
liegendem Eigenthum befchenkte, brauchte kaum jene Rechte 
namhaft hinzuzufügen, fie waren inwohnende Eigenfchaften des 
größeren Grundbefiged. Dem König genügte die Oberherrlich- 
feitz der Hof und der Staat bedurften wenig. Nur im Krieg 
fliegen die Bebürfniffe; dann aber diente der begüterte Grund: 
herr mit Leib und Gut, mit feinem ganzen Aufgebot. 

Durch diefe Erwerbungen von Grundguͤtern, mit welchen 
gewiffe Gerechtfame und Befreiungen verbunden waren ober 
wurden, entftanden die Solares, die Honras, die Coutos. 

, Die Solared, nach den Foraes und alten Urkunden die 
feften MWohnfige der Grundherren ), waren für die Großen. 
die Grundlage ihrer Macht und ihres Anſehns. Auf diefen 
Solared bauten fie zu ihrer Selbftvertheidigung, befonders ge⸗ 
gen plögliche Überfälle der Mauren, Thuͤrme und fefte Bur- 
gen, von welchen hier und da in ben Provinzen biö heute 


1) Et homines de Aquilari, qui homines tenuerint in suas haere- 
ditates, aut in suos Solares, & non fuerit ibi suo Senior. „« 
Et non serviat ad nullo homine, nisi a suo Senior, in cujus Iold 
sederit. oral von Aguiar von 1258; ebenfo im Foral von Moz 116 
Daher die Benennung Solarega (Solarengo, Solariago) für den A 
beiter, Colon, Hörigen u. f. w., der auf dem Solar eines 

Schäfer Gefhichte Portugals I. 22 


338 Erfter Zeitraum. I. Bud. 1. Abſchn. 


überreſte fich erhalten haben ). ‚Zur Zeit des Friedens erhiel⸗ 
ten nur Grundherren hoͤheren Ranges die Erlaubniß ſolche 
feſte Schloͤſſer zu bauen, und nur bei beſondern Anlaͤſſen und 
aus beſonderer Verguͤnſtigung geſtatteten ed die Könige 9). 
Öfter geſchah dies, als kein auswaͤrtiger Feind, kein Sarace⸗ 
neneinfall mehr drohte, und der unruhige, kriegeriſche Adel ſeine 
Kampfluſt in Fehden mit ſeines Gleichen, mitten im Schooße 
ſeines Vaterlandes, zu befriedigen pflegte. Wie in dieſen Feh⸗ 
den ein maͤchtiger Grundherr dem andern feindlich gegenuͤber 
ſtand, ſo die Burg des einen der des andern. Auffallend 
genug finden dieſe Fehden gerade unter Diniz, einem ſo ge⸗ 
achteten und kraͤftigen Koͤnige, ſtatt. Aber er war freilich auch 
der Erſte, der den kriegsluſtigen Adel nicht mehr gegen die 
Mauren fuͤhrte und zu fuͤhren genoͤthigt war, und gegen das 
Ende ſeiner Regierung erzeugte die unheilvolle Zwietracht im 
koͤniglichen Hauſe verderbliche Parteiungen im Reiche und naͤhrte 
die Fehdeluſt. Dem Koͤnig drang ſich bald die Nothwendigkeit 
auf, zu gebieten, daß mehrexe jener Thuͤrme niedergeriſſen 
wuͤrden, und durch Geſetze, die er erließ, dem Misbrauche zu 
ſteuern. Noch Affonſo IV. hatte jedoch mit dem fortwuchern: 
ben Unkraut zu Fämpfen und muſſte in der Zeit, in welcher der, 
blutige Zwiſt, den er einft mit dem eigenen Vater gehabt hatte, 
durch den mit dem eigenen Sohn gerächt wurde, firenge Maß: 
regeln gegen Fehdebuͤndniſſe ergreifen ). Daß die Solares, 
diefe Sige mächtiger Adeligen, welche die Könige einft ben 


1) Namentlich in der Provinz Entre Douro e Minho. Da von 
bier aus der Kampf mit ben Mauren begonnen wurbe und dee Hof der 
erften Könige in Guimaraens feinen Sid zu nehmen pflegte, fo hatten 
auf die Großen mehr Ruhe, um fich auf ihren dortigen Solares einzus 
richten und zu befefligen. Memor, da Acad, Real T. VI. p. 115. 

2) Mon. Lw, T. VI. liv, 19. cap. 27., wo ber König Diniz 
während ded Krieges mit feinem Sohne dem Mem Rodrigues de Vajcon« 
celos, einem Anhänger bes Königs, erlaubt ein feftes Haus in 
feinem Gouto von Penagate zu feiner und feiner Familie Vertheibigung 
zu erbauen. 

8) Belege hierzu f. in ven Mem. da Acad, Real T. VI. p. 116. 
Aus diefen Föniglichen Verfügungen gingen die Segurancas Reaes hervor, 
‚von welchen tit, 122. liv. 3, der Ordenag. Affons. handelt. 


Regierung des Königs Diniz, 1279 — 1325. 339 


verbienten Wertheibigern Ben Zhrones und Vaterlandes geſchenkt 
hatten, von ihren Enkeln in Angriffswaffen zum Theul gegen 
die Koͤnige ſelbſt verwandelt werden wuͤrden, ahneten jene 
freilich nicht. 

Umfaffender als der Kustrud Solar und mehr das Wes 
fen des Gegenflandes bezeichnenh maren hie Menermungen 
Couto und Honra.. Schon vor dee Entſtehung des portu⸗ 
giefifchen Staates nannte man bie Übertragung und Ausſtat⸗ 
tung eines Grumdbefißed mit gewiffen Vorrechten und Bez 
freiungen coutar und folde Beſitzungen felbft Onutos '). Der 
nämlichen Ausdruͤcke bedienten ſich bie erften portugieflfchen 
Regenten ?), indem fie bald ſchlechthin erllärten, daß fie „ein 
bevorrechtigtes Gut vergabten“ (fazino Omuto, da Jedermann 
wuſſte, was dies bebeutete und umfchloß), bald die Befreiuns 
gen und Vortechte einzeln anführen, welche das Mefen bes 
„bevorrechtigten“ (coutado) Beſitzthums begründeten. Die 
Privilegien und Gremtionen ber Contos beftanden hauptfäch- 
lich darin, daß dieſe von vielen koͤniglichen Auflagen befreit 
waren und folglich der Mordomo des Königs oder der Erhe⸗ 
ber der Eöniglichen Gefälle dieſes Gebiet nicht betreten durfte )). 
In diefer weitern Bedeutung umfaflt das Wort Couto auch 
Dasjenige, was man in jener Zeit unter Honra verftand,, und 
wenn in der audgeftellten Urkunde (Carta de Couto) die Abs 
gaben und Leiftungen angeführt wurden, von welchen die Ges 
fchenfnehmer befreit fein follten, fo waren ed. biefelben, von 
welchen in der Folge die Honras befreit waren. Auch wurde 
die Honra auf diefelbe Art gefliftet wie der Couto, indem ihre 
Gründung bald durch Grenzfteine (Marcos), welchen man 
oft den Namen Coutos gab, bald durch eine Urkunde (Carta) 


1) Eine Reihe von Belegen ſ. in Memor. de Litter. Port. T.VII. 
p. 175. 

2) Facio, atque coneedo ... . Cartans de Cauto... Hoc 
autem cautum facio tibi .. . Cauto igitur tübi illud . . . Monaste- 
rium etc. heiſſt eö in ber Carta de Couto, welche bie Königin Thereſia 
dem Kloſter S. João de Pendorada 1123 gab, | 

8) „Coutar huma terra, fagte be Rönig Diakı fd Viterbe, 
he escusar os seus moradores de hoste, a de f: a 
e de toda a peita.“ 


340 Erfer Zeitraum. I. Bud. 1. Abſchn. 


des Königs, bald durch die Fönigliche Fahre (Pendao), die 
mah in ber Honra aufrichtete, bezeichnet wurde ). Die 
Gtleichförmigkeit der Wirkungen, welche die Gründung der 
Honra wie des Couto mit fich führte, hatte die Folge, daß in 
den Urkunden jener Zeit beide Benennungen biöweilen verwech⸗ 
felt und vermifcht wurden ?). Gleichwohl ift nicht zu leugnen, 
daß .man fie oft von einander unterfcheiden muß’), und daß 
von Honras die Rede ift, die in einem Couto enthalten find *). 
Die eigenthimlichen Züge aber, durch welche fie von einander 
verfchieden waren, mit Zuverläffigkeit zu beflimmen und urs 
Bundlich nachzuweifen, ift bis jegt den Portugiefen felbft noch 
nicht gelungen und wird bei der Dunkelheit und Unbeflimmt: 
heit der gleichzeitigen Urkunden ſtets große Schwierigkeiten 
darbieten. 

Auſſer den Coutos und Honras wird noch eine andere 
Art bevorrechtigter Güter erwähnt, die Behetria°). Das 
Vorrecht, auf welchem die eigenthümliche Natur der Behetria 
beruhte, bezog fich nicht fowohl auf Die Grundherren als auf 
die Ortfchaften und ihre Bewohner 9), welchen es Die Könige 


1) „Interrogatus si est honorata per pendonem, per cautum, 
vel per Cartam D. Regis, dixit quod non, sed est honorata per 


Dominum Sueire Reymondo‘ heifft es in einer der erften Inquiricdes 
des Königs Affonfo III. 


2) Man findet Couto e Honra, ſelbſt Honra do Couto. 


3) In einer Inquirigao von 1258 heiſſt es, daß der König von 
Pertugat und Graf von Boulogne „‚mandavit inquirere totam terram 
de inter Cadavum, & Barrosum, & Chavias..... omnia jura, que 
ibi habet. & debet habere. nova & vetera. tam de Regalengis. quam 
de foris. quam de forariis. quam de jure patronatus Ecclesiarum. 


quam de Honoribus. quam de Cauti s“ etc. Nova Malta Part. 2. 
$. 118, 


4) Beifpiele f. in Memorias da Acad. Real T. VI. p 124. 

5) Auch Beatria, Byatria und Beetria. 

6) Et homo de Tauro, qui se tornaverit ad dominum alium, qui 
ei benefaciat, sua casa, et sua hereditas, et uxor sui, et filü 
sui ut sint liberi per forum de Tauro. Foral von Zauro. Et 


todo homine de Mollas, qui se tornar ad alium seniorem ut ei 
benefaciat. Foral von Mo; 


Regierung des Königs Diniz, 1279—13235. 341 


oder die Gerichtöherren bewilligten, gewöhnlich zur Belohnung 
für geleiftete Kriegsdienfte und ald Sporn zu einem regfame: 
ren und ausgedehnteren Anbau. Es beftand die Beguͤnſtigung 
darin, „daß den Ortfchaften, die fich derfelben erfreuten, Feine 
andere Herren gegeben oder von ben Königen beftätigt wurden, 
als folche, welche die. verfammelte Gemeinde gemeinfchaftlich 
mit ihren Richtern, Beamten und Homens bons wählte *), 
und deren Wahl nur für die Lebenszeit des Gewaͤhlten, ober 
fo lange als derfelbe die bei der Wahl vorgefihriebenen Bedin- 
gungen erfüllte, gültig war ).“ 

Vorrechte, wie fie. den Coutos, Honras und Behetrias 
bewilligt und einverleibt wurden, konnten nicht lange ohne 
Misbraͤuche, die wachſenden Misbraͤuche nicht lange ohne Ver⸗— 
ſuche der Abhuͤlfe beſtehen. Die Groͤße der Verwilligungen 
gab den Bevorrechtigten ein Gefuͤhl der Wichtigkeit, welche 
ſie in den Augen des Koͤnigs und Gebers haben muͤſſten, und 
dieſes Gefühl wurde für fie leicht der Maßſtab neuer Fode⸗ 
rungen, ein Beweggrund zu Anmaßungen. Die Unbeftimmts 
beit, die nah Form und Inhalt in. den Stiftungs⸗ und. 
Schenkungsurkunden lag, der Mangel an. fcharfer Begrenzung 
der verfchiedenen Gewalten im Staate, Die Unbedeutfamfeit und 
Abhängigkeit, worin eine zahlreiche Claſſe von Staatsangehöris 
gen noch lebte, gaben der Liebe zur Unabhängigkeit, dem Stres 
ben nach Ungebundenheit und Eigenmacht einen weiten Spiel 
raum. Fuͤhlen und wahrnehmen mochten bie Könige fchon 
früh die einfchleichenden Misbrauche; aber . bald woufiten ..fie 
nicht wie ihnen abzuhelfen fei, bald konnten fie es nicht,; weil 
fie eben Jene, welche ſich Misbräuche zu Schulden. kommen 
lieſſen, ſchonen mufften und nicht entbehren Tonnten, ober weil 
fie zu ohnmächtig waren, um ben ergriffenen. Maßregeln den 


1) Et tu, aut quicumque istam hereditatem habuerit, sitis vas- 
salli cujuscumque volueritis, fagt der Graf Heinrich in einer Schens 
Eungsurfunde von 1110, in welcher er fünf Häufer in Billa Boa be 
Satan zu einer Behetria erklärt. Gewoͤhnlich beifft es: „ut non demus 


vobis seniorem , nisi quale 2 or Iandavaritis,' 
2) Jose Anastasle sido, Memoria para dar huma 
idea justa do que erdo wi Memor, de Litter. Port. 


T.1. p. 114. | 
E = 


342 Erfter Zeitraum. IL Bud. 1. Abſchn. 


gehörigen Nachdtuck zu geben. Als die Könige endlich ihre 
Macht mehr befefligt und erweitert fahen, und bie großen 
Nachtheile, die aus ber Menge ber bevprrechtigten Grundguͤter 
für die Krone entflanden, bie zunehmenden Miöbhräuche, bie 
das koͤnigliche Anfehn fo fühlbar beeinträrhtigten, immer ſtaͤrket 
und offener hervortraten: da waren auch die Könige eifriger 
darauf bedacht jenen Nachtheilen und Misbraͤuthen zu begegnen 
und abzubelfen. Alltin dieſe Misbraͤuche hatten im Kaufe ber 
Zeit fo tiefe Wurzeln gefchlageh und die Inhaber der Wor: 
theile fteiften fich fo fehr auf ihre Rechte, bag die Maßregein, 
welche man wiederholt ergriff um jene auszurotten und Diefe 
in den gefeßlichen Kreis ihrer Gerechtfamen zuruͤckzuweiſen und 
zu bannen, nur den Beweis lieferten, wie fihwierig, ja bei 
nahe unausfuͤhrbar ein folches Unternehmen war. 

Obgleich vor ber Regierung Affonſo's DL Feine all gemti⸗ 
nen „Unterfuchungen” (Inqulrisöes) Uber die bevotrechtigten 
Grundguͤter ftattfanden, fo kommen boch einige befonbere 
ſchon in den fruͤheſten Zeiten vor. Die Altefte noch vorhandene 
Urkunde, welche eine folche Unterfuchung anorbnet, Fällt in dus 
Jahr 1127 und iſt von ber Königin Thereſta und Dem re 
fen Fernando ausgeftelt ). Eine ähnliche Unterſuchung ließ 
der König Sancho J. vornehmen”). Die erſte allgemeine 
ordnete Affonfo IE i. J. 1220 an und ließ Alles, was feit 
feinem Urgroßvater, dem Grafen Heinrich, in Abficht auf 
Hontad und Coutos Hefchehen war, einer genauen Prüfung 
unterziehen. Aus ben Verhandlungen berfelben erficbt man, 
daß der größte Theil der Ländereien, welche als Hontas Ye 
fefien wurden, von Föniglichen Auflagen gänzlich frei waren); 
wenige nur bezahlten noch bad „Viertheil“ oder der ‚‚Behnten.“ 
Ditfer Maßregel ungeachtet fanden umter der Regierung Sancho's 


. D) Menorlas para a Historia das Inguiricdes dos primeitos Rei- 
nados de Portugul.celligidas pelos Discipules da Aula de -Dipköihatica 
no anne de 1814 para 1815. Documeäto L. 

2) Rex Domnus Sancius Senex mandavit inquirire ipsum casale. 


8) Was durch bie Worte: „un faciunt ullam forum Düo Regi“ 
ausgedruͤckt wurbe. 


4 


Regierung des Könige Diniz, 1991325. 343 


Gefegwidrigfeiten und Unosdmmgen flatt, und dauerten, ba - 
ihnen diefer König einen nur ſchwachen Damm enigegenſettte, 
ımter dem Grafen von Boulogne eine Beit lang fort '). 
Affonfo IH. muffte es anfänglich dulden, bis er auf bem 
Zbrene hinlänglich fich befeftigt hatte, Die von ihm endlich 

. 1258 angeorbnete allgemeine Unterfuchung erſtreckte fich 
üben verfchiebene Landesbezirke, deren jeder befondern Unter: 
fuchungsbeamten (Enqueredores) übertragen wurde’). Auch 
diefe Unterfuchung bob dad Übel nicht; das Unkraut wus 
cherte fort. 

Affonfo’s IM. Sohn und Nachfolger hatte nicht lange die 
Megierung angetreten, als er biefem Gegenftande feine beſon⸗ 
dere Sorgfalt widmete. Dimiz kannte eben fo gut die Rechte 
des Thrones, als er Kraft und Willen befaß, fie zu behaup⸗ 
ten und gegen Beeintraͤchtigungen zu fehligen. Seine firenge 
Gerechtigkeitöliebe bewahrte ihh auf Der andern. Seite vor Eins 
griffen in fremdes Eigenthum, vor Verlegung wohlerworbener 
Mechte feiner Vaſallen und Unterthanen. Man pflegte in fei- 
ner Zeit zu fagen: „um fein Vermögen zu fichern, bebarf man 
feinen andern Anwalt als den König Diniz ).“ Wiederholt 
bereifte er die Comarcas des Reichs, um fich in jener Bezie⸗ 
hung die genauefle Kenntniß von dem Stande der Dinge zu 
verfchaffen, fah Aberall mit eigenen Augen, hörte die Klagen 
und Bedruͤckungen at und erforfchte an Ort und Stelle ihren 
Grund, wie die zwedimäßigften Mittel ihrer Abhuͤlfe. Durch 
eigene Anfchauung mit der Lage der Verhältniffe vertraut, 
durfte er dann um fo unbedenklicher Andern übertragen, was 
er perfönlich nicht bewerkſtelligen konnte. Zuerfl im Jahre 
1284 ließ Diniz Unterfuchungen über die Patronate, Nie koͤnig⸗ 
lihen Befigungen (Reguengos) und Abgaben (Foros) im un: 
tern Beira und Entre Douro .e Minho anftellen * Bier 
Sahre fpater (1288) bewogen ihn die Bitten der Cortes von 


1) Belege hierzu . in den Memor. da Acad. Real T. VI, p.130, 

2). Mem. das Inquirigöes pag, 41. Die Unterfuchungen ver einzel 
nen Landesbezirke heiflen Alcadas. 

3) Mon. Lus. liv. 16. oap. 52, 


4) Mem. das Inquir, p. 73, 


344 Erſter Zeitraum. 1. Bud, 1. Abfchn. 


Guimataend, welche das. Anfuchen der Ständeverfammlung 
von Liffabon (1285) ') wieberholten, eine Commiffion niebers 
zufegen (1290), um allgemeine Unterfuchungen über die Hon⸗ 
ras und die in ihnen eingeriffenen Unordnungen und Miss 
braͤuche anzuftellen. Diefer erften Commiffion folgte im Sabre 
1301 eine zweite, eine dritte 1303, eine vierte 13079). Be 
fondere Unterfuchungen fanden noch zwifchen dieſen allgemeinen 
flatt. Jene Commiffionen befchäftigte nicht etwa bloß die Be 
fchräntung ober Aufhebung (Devaſſäo) der Honras, welche in 
früheren Zeiten gegründet worden waren; die Verhandlungen 
ſchon der zweiten Commiffion zeigen: vielmehr, wie feit der er- 
ſten, welche die Vernichtuug vieler Honras verfügt hatte, Die 
Biſchoͤfe, Ricoshomens, Cavalleiros und Kleriker, troß Diefer 
Maßregel und: zum großen Nachtheil für die Föniglichen Rechte 
and Einkünfte, eine Menge neuer Honras geftiftet und andere 
ungebührlich auögedehnt hatten). Der Fönigliche Erlaß von 
1307, wonach die legte Commiſſion niedergefeßt wurde, wies 
berholt Diefelben Klagen über die Errichtung neuer Honras und 
die ungefegliche Vergrößerung der Altern *). Daß in ber Re 
gierung eines -fo Elugen, Träftigen und geachteten Königs, wie 
Diniz war, immer von neuem bie Nothmwendigkeit wiederkehrte 
diefe Misbräuche zu bekämpfen, bemeift, wie tiefe Wurzeln Das 
Übel gefchlagen und wie innig es ſich mit den übrigen Lan⸗ 
beöverhältniffen verzweigt hatte, wie mächtig und gewaltig bie 
höheren Stände waren und wie hoch fie ihre Anmaßungen 
fleigerten. Die mannichfaltigen Misbräuche, die mit den Hon⸗ 
rad getrieben wurden, fchildert und das Schreiben bed Königs, 
in welchem er die legte allgemeine Unterfuchung in feiner Re: 
gierung verordnete °). 


1) Ibid. Documento 14. 

2) Ib. p. 78. 96. 99. 10%. 

8) „Que essa enquiricö filhada, e aberta e poblicada per dante 
sua Corte, porgue achara que as faziam novamente, e sen Razõ 


per Juizo deytou muytas dessas honrras en devasso 
etc. Carta de Diniz 1301. 


4)... tinham feito honras agora novamente e Accrescentarö 
nas velhas que tragiam dante etc. Carta de Diniz 1307. 


5) Ordenagöes Affons. liv. II. tit. 65 


‘ 


Regierung des Königs Diniz, 1279 —1325. 345 


Die Adeligen verboten dem Porteiro (dem Steuererheber) 
des Königs, ihre Honras zu betreten, oder Necht zu fodern 
vor dem Drtörichter, wie Dies bisher gebräuchlich gewefen. 
Sie erklärten den Ort, an. welchem die Landbauer irgend. eine 
Abgabe an. fie zu entrichten hätten, für eine Honra und be 
freiten ihn dadurch von allen Abgaben und Leiſtungen an den 
König. Sie bevorrechtigten auf gleiche Weife den Ort, in 
welchem fie einen Sohn fäugen und erziehen liefen, weshalb 
folhe Orte Amadigos oder Paramos genannt wurden '). 
Wollte ein Landbauer fein Haus oder Gut frei machen, fo 
bat er einen Fidalgo, den nächft wohnenden Herrn einer Honra, 
feinen Sohn ihm zu geben und in feinem Haufe von feinem 
Meibe ihn ernähren zu laſſen. Das Haus diefer Saͤugamme 
wurde dann von den Ültern des Kindes gefchügt und zur 
Honra erklärt, welche ihre Zreiheiten und Rechte über ben 
ganzen Ort und fogar über deſſen Nachbarfchaft ausbreitete 2). 
Und dieſes Vorrecht befchränkte fich nicht nur auf Die Lebens⸗ 
zeitz die Adeligen behaupteten, Daß es auf ewig ihren Nach⸗ 
kommen verbleiben muͤſſe. Nicht zufrieden mit dem örtlichen 
Privilegium, verlangten Andere noch ein perfönliches, das fich 
über alle Güter erſtrecke, die fie in andern Landesbezirken be> 
fäßen. Der Unfug war fchon unter dem König Affonfo II, 
eingefchlichen; unter Diniz ‚wurde ed gewöhnlicher, Söhne von 
Fidalgos in den Einiglichen Gebieten (Reguengos) erziehen zu 
laſſen, und diefen Dadurch alle Rechte und Einkünfte, die der 
König Hier befaß, zu entziehen. Nicht genug; fchon die Er⸗ 
laubniß, den Sohn, den ein Fibalgo mit einer Beifchläferin 
erzeugt hatte (Filho de Barregaan), fäugen zu dürfen, gewährte 
jene aufferordentlichen Vorrechte, fchmälerte die Thronguͤter und 
verleste, die Rechte und — die Ehre der Krone. Um dieſem 
argen Misbrauche ein Ende zu machen, verbot der König im 
3. 1290 die Söhne von Fidalgos in den Reguengos erziehen 


1) Paramo, Paranho. „Emparom o Amo em quanto hé vivo, e 
desde os Amos som mortos, emparom .o Iuwar: nondo-Ihe o nome 
Paranho, isto he, emparado, ou « %4o por Honra, 
heifft es in einer Inquiricao unter be 


246 Erſter Zeitraum. IL Bud). 1. Abfchn. 


zu laſſen und einem Orte, auf den Grund hin, daß ein un⸗ 
ehelicher Sohn eines Adeligen hier erzogen werde, bie Vor⸗ 
rechte der Honra zu geben ). Aufferdem erflärten die Fidals 
908 und Ricoshomens koͤnigliche Güter, die fie kauften und 
an fich brachten, fir Honras, um fie von ben Abgaben, welche 
der König bisher von ihnen erhoben hatte, zu befteiens ebenfo 
bie Häufer, die fie vor den Klöftern und Kischen zum zeit: 
lichen Kebensunterhalt befäßen ?); die Wohnungen three erbs 
zinspflichtigen "Arbeitäleute, Die darum der ſchuldigen Leiſtun⸗ 
gen an bie koͤnigliche Kammer fich entbunden wähnter. Ja 
ed reichte bin, daß der Sohn eines Adeligen acht über vier: 
zehn Tage in dem Haufe eines Landbauerd wohnte, um biefem 
den Beſitz jenes Vorrechted zu verfchaffen, und einige biefer 
Leute behaupteten eben bafjelbe anfprechen zu bärfen, als Ab: 
koͤmmlinge von Herren der Honra, ob fie gleich ihrer Armuth 
wegen nicht als ſolche behandelt worden, indem fie Handwerke 
und Gewerbe, die mit ban Adel unerträglich fein , getrieben 
hätten ). 

Ale diefe und ähnliche Misbraͤuche, die durch bie Houras 
veranlaſſt wurden, deſchloß der König Diniz mit einem Mal 
abaufchneiben, indem er dutch eine Verordnung sum 2. Ottbr. 
41307 ale Honras, welde feit dem Jahre 1290 nengegrünbet 
ober erweitert worden, aufhob und vernichtete ). Die Ber: 
ordnung wurde vollzogen und feheint, fo’ lange Din; tegierte, 
die beabfichtigte Wirkung gehabt zu haben *). 


1) Outro sy julgeu, que en nenhaum logar hu oriarem Filho de 
Barragaa non seja honrado por razom da crianga, GS. die Ver- 
fügung in Ribeiro, Dissert. T. Il. p. 166. Vergl. au Elucid. 
Suppl. p. 45. n 

° 2) Tinhäo em prestimo. 

8) Ordenacöes Affons. liv. II. tit. 65. Mon. Lus. T. V. liv. 16, 
oap. 69 u. 70. Memor. da Acad. Real T.VI. p.186—139, Memor. 
para a Hist. das Inquiricöes, Documentos Nr. 25 u. 26. 

4) Mandou que todalas honras que forom feitas de novo, ou 
acrecentadas as velhas, que nom valham, e que sejam todas em de- 
vasso des o tempo da dita Era de mil e trezentos e vinte e octo 
annos des a dita Inguiricom. Ordenag. Affons, liv. II tit. 65. 
S. 19. 

5) Schon unter Diniz Nachfolger Affonfo IV. wurde es für nöthig 


Regierung bes Könige Diniz, 1279 - 1325. 347 


Die Ritterorden. 


Wie es eine und dieſelbe koͤnigliche Hand war, weiche 
die Misbräuche in der Kirche ausrottete und eben diefe Kirche 
gegen Bedruͤckungen befhüste, fo war ed eine und biefelbe 
£önigliche Hand, die den Anmaßungen des Adels fteuerte und 
eben benfelben Abel in feinem engeren und wohlthätigen Vereine 
und befferen Streben befchirmte. Der König unterftühte die 
portugiefifchen Ritter des Ordens von Santiago, ald ſie zu 
ihrem und ihres Waterlandes Bellen, von dem caftilianifchen 
Großmeifter fich trennend, einen befondern Meifter fich zu ges 
ben bemüht waren. Er rettete den Zempelorden in Portugal, 
indem er ihn im der Stunde der Gefahr verfchwinden und, ald . 
diefe vorliber war, ihn von neuem erſtehen und unter anderem 
Namen zu: einem verjüngten Leben erbluͤhen ließ. 


Der Nitterorden von Santiago in Portugal erhält einen be: | 
fondern Meifter. 


Ritter dieſes Ordens hatten ſchon unter dem erſten Af- 
fonfo Eingang in Portugal gefunden, ohne bier, wie ed fcheint, 
förmlih aufgenommen und gleichfam gefeglich eingewiefen 
worben zu fein. Das Anfehn, das der Drben in Leon und 
Caſtilien genoß, und ber Geift der’ Zeit.empfahlen ihn auch 
hier; des Landes Bebürfniß gab ihm das Bürgerrecht, Af⸗ 
fonfo I. ertheilte ihm Grundbefiß und die folgenden Könige 
folgten feinem Beifpiele Von Sancho I. erhielten die Ritter, 
wie wir in feiner Regierungsgefchichte gefehen haben, Alcacer, 
Palmella, Almuda und Arruda '). Sancho I. fchenkte ihnen 
während und nach der Eroberung von Algarve ‚ wegen ihrer 
Verdienfte um diefelbe, mehrere Ortfchaften in dieſem Lande; 
die Ritter erwarben fich bier vor allen Andern Rechte und 


erachtet, neue Inquirigdes vorzunehmen. Cie betrafen ſeitdem mehr bie 
Gerichtsbarkeit der Grundherren, und würden fchon darum, ande Wi: 
die Zeitfolge es nicht foberte, paflenber an einer andern Stelle ihre F 
ſtellung finden. 


.1) Nova Malta, P. I. p. 56. ii 


348 Erſter Zeitraum. I. Bud. 1. Abſchn. 


Laͤnder ). Ihr Orden hatte feinen Sitz im Kloſter Santos 
o Velho in. Liffabon, das ihnen zur Aufnahme der rauen 
und Töchter der Komthure, wenn dieſe ind Feld zogen, auch 
fortwährend blieb. Nach der Eroberung von Alcacer do Sal, 
unter Aftonfo IL, nahmen fie hier ihren Sitz, verlegten ihn 
dann, unter Sancho IL, in dad eben eroberte Mertola und 
zulegt nach Palmella ?). Indaſſen ftanden die Ritter des Dr: 
dens unter dem Großmeifter von Caſtilien und mufften fich 
den Anorbnungen und Bifitationen defjelben unterziehen. . 
Diefe Abhängigkeit von dem Auslande hatte fchon laͤngſt 
den Königen von Portugal miöfallenz fie verlegte und. beein: 
trächtigte ihre Winde und Selbftändigkeit und ſchadete dem 
Reiche wie dem Orden felbfl. Bei dem großen Umfange der 
Befigungen und den mannichfaltigen Verhältniffen des Ordens, 
welche in Gaftilien, und Leon die Aufmerkfamfeit und Thaͤtig⸗ 
keit des Drdenshauptes in Anfpruch nahmen und, weil fie 
ihm näher lagen, auch wohl feine Theilnahme mehr feffelten, 
bei der beträchtlichen Entfernung des Großmeifters, der nur 
felten bie portugiefifchen Orbenöhäufer befuchen, nur oberfläch- 
lich fie überwachen konnte, war die Vernachläffiging derfelben 
fo natürlich, daß wir der Klagen darüber, die eine päpftliche 
Bulle. und aufbewahrt hat, zum Beweiſe kaum bedürfen ?\. 
Diefe Vernachläffigung aber hatte den Verfall des Ordens in 
Portugal wie die Verfchleuderung feines Vermögens und feis 


.1) Ib, pag. 146. 

.2) Mon. Lus. liv,. 11, cap, 25. 

3) Ad nostrum siquidem pervenit auditum, quod, cum Magister 
vestri Ordinis, ob multa, et ardua, quae sibi ratione commissi Of- 
ficii frequentius imminent, exequenda reddatur quamplurimum occu- 
patus, ipsumque propter multitudinem locorum ejusdem Ordinis, quae 
extra Portugalliae, et Algarbi Regna consistunt, oporteat persaepe 
discurrere, ac in locis moram contrahere supradictis, praefatus Ordo ' 
in Regnis ipsis non modicum in apiritualibus, et temporalibus susti- 
net detrimentum, cum occasione hujusmodi Castra, possessiones, ac | 
bona mobilia et immobilia Ordinis memorati adeo destructa, et dis- 
sipata gnoscantur, quod, nisi per Apostolicae Sedis salubre, celereque 
remedium obvietur, verendum occurrit, prout jam lucidis innotescit 
indiciis, ne totalis subseguatur. Sousa, Provas, T. I. p. 92. 


Regierung des Königs Diniz, 1279 — 1325. 349 


ner Güter in biefem Lande nad) fich gezogen, zum großen 
Schaden bed Drdend und des Staated. Noch verderblicher bes 
wiefen fich für Beide die Misbräuche und Nachtheile, Die aus 
jenem Abhängigkeitöverhältniffe hervorgegangen waren. Auf 
den Großmeifter, der meift in Caſtilien und Leon befchäftigt 
oder im Krieg für bie caftilifchen Könige thätig war, Tonnten 
die portugiefifchen Könige, wenn fie feiner bedurften, nicht nur 
nicht rechnen; er 309 felbft die Ordensritter aus Portugal und 
entblößte dadurch das Reich. Dieſes muffte die kraͤftig⸗ 
ſten Arme, nicht felten in der Stunde der Gefahr, entbeh- 
ren, die Einfünfte und Schäge der Ordensbeſitzungen floffen 
ind Ausland, Unorbnungen riffen ein bei der häufigen oder 
langen Abwefenheit der Ritter, Verfchleppung und Zerrüttung 
ihres Vermögend war unvermeidlich. Nicht genug. Bon Af: 
fonfo J. an hatten die Könige von Portugal viele Schlöffer 
und Flecken dem Ordensmeifter und den Rittern unter der Be: 
dingung und mit der Verpflichtung überlaffen, daß fie Dem 
König von Portugal, als ihrem Herrn, im Kriege gegen Die 
Mauren beiftünden. Mehrere diefer Schlöffer lagen an ber 
Grenze von Leon und Gaftilien, als Schugwehren gegen diefe 
Reiche. Aber in den Kriegen mit eben denfelben hatten die 
Könige von Portugal fehen müffen, wie nicht allein der Groß⸗ 
meifter, fondern felbft portugiefifche Ordensritter, die feinem 
Befehle folgten, auf der Seite des Feindes flanden, wie Da: 
fallen Portugald wider Portugal flritten, bedeutende Kräfte 
und Mittel, welche Portugal angehörten, diefem entzogen und 
dem Feinde zugewendet wurden, um auf ſolche Weiſe verſtaͤrkt 
gegen das eigene Vaterland gerichtet zu werden. Doch dieſes 
Übel, fo verderblich für den Augenblick, war voruͤbergehend; 
andere waren dauernd und führten einen unerfeglichen Verluſt 
mit fih. Daß der Großmeifter die Waffen und Pferde wie 
das Vermögen der portugiefifhen Ritter, welche mit Tod abs 
gingen, fich anzueignen pflegte, mag als ein geringer Nach- 
theil für den Orden und das Reich hier nur berührt werben. 
Die vielen Veräufferungen der Ländereien und Güter des 
dend an Weltliche waren folgenreicher und für den O 
verberblicher. Waren Diefe Laien Landeseingeborene. fa » 

ten jene Veraͤuſſerungen weniger fühlbar für ben 


. 


| ® 
350 Erſter Zeitraum I. Bud. 1. Abſchn. 


fie konnten unter Umftänden ihm felbft erfprießlich werben, 
Aber ein unerfeglicher Verluft und Nachtheil war ed fir Die 
Krone und dad Reich, wenn dieſe Grundbeſitzungen bes Or⸗ 
dens von Portugal Ioögeriffen und an den König von Caſtilien 
veräuffert wurden. So vertaufchte ein Großmeifler von Caſti⸗ 
lien zwei Drtfchaften an der Grenze von Andelufien, Aiamonte 
und Alfgiar de Pena, welche von dem portugiefifchen Affonſo HL 
erobert und dem Orden geſchenkt worden waren, an ben Koͤ⸗ 
nig Alfonfo den Weifen gegen zwei andere Flecken, Eſtepa und 
Caſtro de la Reina, und bereicherte auf dieſe Weiſe Die Ritter 
um den König von Caſtilien auf Koften der portugiefifchen 
Kitten und der portugiefifehen Krone ). 


Ale diefe Nachtheile und Misbräuche waren zu groß und 
zu augenfällig, als daß die Könige von Portugal fie hätten 
überfehen Tonnen. Diefe hatten auch bereits ihre Abſtellung 
und Entfernung von den Großmeiftern verlangt und auf Tren⸗ 


nung bes Ordens gebacht, jedoch ohne Erfolg. König Diniz, 


von dem Nugen und der Notwendigkeit einer folchen Tren⸗ 
nung um fo lebhafter überzeugt, je mehr belehrende Erfahrun- 
gen ihm feine Vorfahren hinterlaſſen hatten, dabei eiferfüchtig 
auf feine Unabhängigkeit, auf die Ehre der Nation und bie 
Wuͤrde des Staates, Flug genug um den rechten Zeitpunct zu 
erfpähen und eben fo Fräftig als muthig ihn zu benußen, griff 
den Plan feiner Vorgänger wieder auf und führte ihn glücklich 
aus. Er ließ durch die Abgeordneten, die er zur Beilegung 
feiner Streitigkeiten mit der portugiefifchen Gelftlichkelt nach 
Rom geſchickt hatte, gerade in dem Augenblid‘, worin bie 
Stimmung des Papſtes Nicolaus IV. in Anfehung jener Firch- 
lichen Angelegenheiten dem König befonders günftig zu fein 
fhien, jenen für den Zrennungsplan gewinnen. Die Tönig- 
lichen Gefandten führten ihren Auftrag fo gefchidt aus, daß 
fie, noch ehe der Vertrag mit dem Klerus abgefchloffen wurde, 
eine päpftliche Bulle (16. Sept. 1288) auswirften, nach wels 
cher ben porfugiefifchen Rittern erlaubt wurbe einen beſondern 

Meifter für Portugal zu wählen, der jedoch unter dem Große 


— 


1) Mon. Lus. liv. 16. cap. 59. 


Regierung des Königs Diniz, 1279— 1825. 351 


meifter in Caſtilien ftehen ſollte ). Nachdem eine zweite 
Bulle i. I. 1290 diefe Anordnung beftdtigt hatte”), ernanne. 
ten dreizehn portugiefifche Drdensritter, denen dad Wahlrecht 
zuftand, den erſten Ordensmeiſter von Portugal. Einſtimmige 
Mahl bezeichnete João Fernandes als den Würdigften. Ex 
half fogleich mehreren Beſchwerden ab, die über den caftilianie 
fchen Großmeifter geführt wurden. " 

‚Ungeachtet Papft Coͤleſtin V. noch Durch zwei Bullen i. 
3. 1290 °) die Zrennung beftätigte, fand fie von Seiten bes 
Großmeilterd den lebhafteſten Widerſpruch. Diefer erlangte 
fogar von Bonifacius VII, daß er die Anordnungen feiner 
Vorgänger (Nicolaus’ IV. und Cöleftin’3.V.) aufhob, und den 
Ordensrittern von Portugal bei Strafe der Ercommunicatior 
befahl ihren Meifter wieder abzufhaffen, mit den caſtiliani⸗ 
fchen Rittern ſich zu vereinigen und dem Großmeifter in Cas 
flilien in ber Weife wie vordem untergeben zu fein. Kaum ' 
aber war Bonifariuß zu Grabe gegangen, fo wählten -fich die 
Portugiefen wieder einen eigenen Ordensmeißer. Darauf bes 
fahl, auf Anfliften der Caſtilianer, Papft Johann XXIL (in eje 
nem Breve vom 17. April 1317) dem König Diniz, den por⸗ 
tugieflfchen Meifter fogleich abzufegen und die Ritter zu noͤthi⸗ 
gen zum Gehorfam gegen den Großmeifter zuruͤckzukehren. 
Die Portugiefen Iegten auf der Stelle Einfprache in Rom ein, 
und Diniz nahm ſich der Sache lebhaft an. Seine Gefandten 
(unter ihnen der oben erwähnte Admiral, ber Genuefe Manoel 
Pezagno) mufften dem Papft nochmals alle Gruͤnde für bie 
Zrennung des Ordens und die Ernennung eines neuen Meis 
ſters in Portugal vorſtellen. Dem wiederholten Einwurfe der 
Gaftilianer, daß Fein Staat, Feine bürgerliche Ordnung mit 


1) Et dicti Ordinis Provincialem in ejnsdem Regni Magistrum 
assumere libere valeatis, qui praefati Ordinis, et personarum, ao 
bonorum ejus in spiritualibus, et temporalibus curam, et administra- 
tionem libere in Portugalliae, et Algarbi Regnis habeat, & »*ꝛt 
supradictis Magistro ejusdem Ordinis visitztione, et correcti 
taxat legitimis per eum faciendis tantummodo reservatis etq. 


2) Sousa, Provas. T. I. p. 91, 
3) Ib. 92, 93, 


352 Erſter Zeitraum. I. Buch. 1. Abſchn. 


u zwei Häuptern beftehen könne, entgegnete der König‘, wie ja, 
der Trennungsbulle gemaͤß, der Meiſter in Portugal der Viſi⸗ 
tation uͤnd Gerichtsbarkeit des Großmeiſters untergeben ſei, 
und berief ſich auf den Orden von Avis, deſſen Meiſter unter 
dem Großmeiſter von Calatrava ſo lange Zeit ſtehe, ohne daß 
jemals in dieſem Orden Streitigkeiten daruͤber entſtanden waͤ⸗ 
ren‘). Der dritte Meiſter von Portugal, Pedro Escacho, der 
4316 gewählt worben war, behauptete ſich trotz des ſteten 
Widerſpruchs der Caftilianer, in feiner Würde, ebenfo wie der 
zweite, Lourenco Annes, bis zu feinem Lebensende ſich be: 
hauptet hatte, und Johann XXI, von den Gründen bes ' 
Königs überführt, fprach fich endlich. (in einer Bulle v. 1320) 
zu Gunſten Portugals aus. Pedro Eöcacho ward vom apo⸗ 
ſtoliſchen Stuhle beftätigt ?). 

Seitdem arbeitete diefer Meifter mit großer Sorgfalt und 
Zhätigkeit an der Abftelung der Misbräuche, die unter der 
nachläffigen Verwaltung der caftiltanifchen Großmeifter einge 
riffen waren, nahm nüßliche Verbefferungen vor, fuchte dem 
Orden, fo weit ed möglich, Die veräufferten Güter wieder zu 
verfchaffen und erwarb ihm viele Privilegien. Died Alles ges 
fchah unter der Mitwirkung zweier Gapitel, welche er in Al 
cacer do Sal (1322), wohin man den Convent von Mertola 
“verlegte, und im Ordenshauſe in Liffabon, wo von ben Drei: 
zehn (dos Treze) ein Großcomthur (Commendador mör) ge: 
wählt wurde, verfammeln ließ. Der Orden wurde in fechzig 
Gommenden eingetheilt, feine Verfaffung durch neue Statuten 
geordnet. In Turzer Zeit hob er fich mächtig, gewann duffere 
Macht und innere Fefligkeit, und Fündete, nachdem er ſchon 
in der erften Capitelverfammlung, worin ber erſte Ordensmei⸗ 
ſter gewählt worden war, durch ein eigenes Siegel und Ban- 
. ner das Gepräge der Selbftändigkeit angenommen hatte, nun 


1)... sunt provinciales Magistri, qui in visitatione, et cor- 
rectione tantummodo sunt dicto generali Magistro de Calatrava sub- 
jecti: cum tantum horum Ordinum eadem sit cum Ordine de Cala- 
travia professio, idem habitus, eadem observantia regularis, laͤſſt der 
König durch feine Abgeorhnete entgegnen. Mon. Lus, liv. 16. cap. 60. 


2) Mon. Lus. liv. 19, cap. 20, 


Regierung bes Königs Diniz, 179— 13. 353 _ 


diefe Selbftändigfeit auch durch eine Präftige und würbige 
Haltung an’). 

Um viefelbe Zeit, in welcher der Santiagoorden in Por: 
tugal die Erlangung feiner Selbfländigkeit dem König Diniz 
verdankte, verdankten ihm die Zempelritter ihre und ihrer Guͤ⸗ 
ter Rettung. 


Die Tempelritter und der Chriftusorden. 


Bunehmender Grundbefig bed Tempelordens felt Affonfo L Bor 
rechte und Befreiungen, welche: bie Päpfte- im Laufe der Beit 
dem Orden bewilligen. Verpflichtungen bee Ritter gegen bie 
Könige von Portugal. Kluges Benehmen diefer gegen jene. 
Zadellofigkeit des Ordens. König Diniz wird vom Papft 
nach Vienne eingeladen; er ſchickt einige Abgeordnete dahin. 
Die portugiefifchen Tempelritter entziehen fi bee Gefahr 
duch bie Flucht, und der König nimmt ihre Güter gerichtlich 
in Beſchlag. Dinizs Verbindung mit den Königen von Ca⸗ 
ftilien und Aragonien. Der Papft macht bei der Aufhebung 
des Tempelordens eine Ausnahme zu Gunften dieſer drei 
Fürften. Diniz verwirft den Bruder Stephan 'als Admini- 
firator ber Tempelguͤter. Die Ritter erſcheinen wieder in 
Portugal. “Stiftung des Chriſtusordens oder vielmehr Wie 
derherſtellung des Tempelordens unter jenem Namen. Diniz 
gibt ihm’ feine Güter zuruͤck und fchenkt ihm Caftro : Maxim, 
den Hauptfig des Ordens. Menue Drbnungen und Einrich- 
tungen deffelben. 


Bereits unter der Regierung Affonſo's I. hatte, wie bort 
berichtet worden ift, der Orden der Tempelritter einen mächtis 
gen Auffhwung. genommen. Neben beträchtlichem Länderbefig 
hatte er fehr bedeutende Vorrechte und Freiheiten fi) erworben. 
Zeigten ſich nun auch die Nachfolger Affonſo's I. weniger frei⸗ 
gebig gegen biefen Orden, theild weil bie. andern NRitterorden, 
die neben demfelben fich erhoben u bien, eine 
gleiche Beruͤckſichtigung anſprachen, ie ſpaͤtern 

1) Mon. Lus. iv, 19.4 
Shäfer Geſchichte Vortug 


354 Erſter Seitraum. IL Bud. 1. Abſchn. 


Könige zu Verſchenkungen auf Koften der Krone immer wenis 
ger fich geneigt fühlten: fo erweiterte ſich doch im Laufe ber 
Zeit der Umfang der Ländereien und weit mehr noch bei Um: 
fang ber Gerecktfamen des Zempelordend augenfällig. Über⸗ 
dies war auch das Eleinfte Grundflüd, das .ein Privatmann 
oder ein König in der fpätern Zeit den Rittern fchenkte, immer 
werthvoller, weil der Landbau und die Bevölkerung in ftetem 
Fortſchreiten begriffen waren. Doch ohne Vergleich wichtiger 
als dieſe Grunderwerbungen waren für den Orden Die 
großen Vorrechte und Freiheiten, welche ihm die Paͤpſte zu 
verfchiedenen Zeiten verwilligt hatten. Die lange Reihe ber 
. Gerechtfamen und Befreiungen, die der Orden bis zu feiner 
Aufhebung von dem apoftolifchen Stuhl erhielt, bildet einen 
großen Freibrief, der die Ritter zu der aufrichtigften Dankbar⸗ 
keit gegen die Päpfle verpflichten muſſte, wenngleich es biefen 
nur einen Feberzug Toftete, um, ohne den geringflen eigenen 
Verluft, die größte Fülle von Rechten dem Orden zuzuwenden. 

Das Recht der Tempelherren, von ben Ländereien, die 
fie felbft bebauten, oder auf ihre Koften bebauen liefen, keinen 
Zehnten zu entrichten, das, wie in ber Regierungsgefchichte 
des erften Königs bemerkt worden ift, der Papſt Alexander III. 
ihnen. verliehen hatte, wurde ihnen von mehreren Päpften bes 
flätigt, und Clemens IV. befahl, gegen Diejenigen, welche dies 
fen Zehnten erheben wollten, gerichtlich zu verfahren. Urban IIL 
(14185 — 1187) erlaubte den Rittern an Orten, welche fie den 
Ungläubigen entriffen, Kirchen zu bauen und dieſe dem apos 
ftolifchen Stuhle unmittelbar zu untergeben. Die Religiofen 
des Ordens follten, Fraft einer Bulle des Papftes Innocenz IIL 
(1198— 1216), von ihren Lebensbebürfniffen weder den Pors 
tagem, nody irgend eine Abgabe zu entrichten verbunden fein, 
und Clemens TV. verbot in der Folge den Tempelrittern unter 
irgend einem Namen eine Abgabe aufzulegen, ed müffte denn 
“auf befondern Befehl des apoftolifchen Stuhles gefchehen. Ins 
nocenz IH. feste aufferdem fefl, daß die Prälaten weder Anges 
hoͤrige des Ordens noch Kirchen deffelben mit der Ercommunis 
cation oder dem Interdict belegen birften, und daß die Tem⸗ 
pelritter nicht verpflichtet fein Schreiben, welche gegen bie 
Privilegien des Ordens verlangt und ertheilt‘ worben, Folge 


u 


Regierung des Koͤnigs Diniz, 179 — 1325. 355 


zu leiften; würden in den Verfügungen die Zempelritter nicht 
ausdruͤcklich erwähnt, fo follen folche Schreiben für fie uns 
gültig fein. Honorius IL (1216—1226) gebot den Prälaten, 
folche, die an einen Zempelbruder Hand anlegten,“ mit der Er- 
communication zu beftrafen und nicht eher Davon Ioszufprechen, 
bis fie die fchuldige Genugthuung geleiftet hätten und nad 
Rom gereift wären. Selbft Diejenigen feien zu ercommuniciren, 
die einen Templer feined Pferdes ober eined andern Gutes be 
raubt hätten. Einer Bulle Alerander’s IV. (1254 — 1261) 
zufolge muͤſſen die Bifchöfe Diejenigen Geiftlichen, welche 
von Tempelrittern für Kirchen ihres Ordens präfentirt worden, 
annehmen, und koͤnnen biefe nicht zwingen jenen Klerikern 
vorher einen angemefjenen Unterhalt zu beflimmen. Clemens IV. 
(1265 —1268) legte den Bifchöfen die Verpflichtung auf, ges 
gen folche ein gerichtliche Verfahren einzuleiten, die gegen bie. 
Häufer und Güter der Templer gewaltfam verführen, biefen, 
was ihnen durch ein Zeflament vermacht worden, vorenthielten, 
gegen ihre Privilegien etwas unternähmen, ben Zehnten von 
ihren Ländereien oder ihren Einkünften foberten u. f. w. Er 
geftattete ihnen fich Priefter zu wählen, welche bie gottes⸗ 
dienftlichen Verrichtungen bei ihnen beforgten, in Sachen ihres 
Drbens ein Zeugniß ablegen zu Fönnen, ohne daß fie von 
jemand mit Gewalt dazu gezwungen werben bürften. res 
gor X. (1271— 1276) ſprach die Ritter von ber Verbindlich 
Feit frei, zu den Hllfsgeldern, welche flr die Befreiung bes 
heiligen Grabes aus den geifllichen Einkünften entrichtet wur⸗ 
ven, beizufteuern. Benedict XI. endlich beftätigte noch in den 
Jahren 1304 und 1305 alle Vorrechte und Freiheiten, welche 
von feinen Vorgängern und von den Königen den Xempels 
rittern jemals verliehen worden '). 

Privilegien und Eremtionen von folchem Umfange und 
folcher Bedeutſamkeit würden dem Thron leicht verberblich und 
gefährlich geworben fein, hätte nicht die weife Vorficht ber 
portugiefiichen Könige dem Orden zugleich Verpflichtungen auf 


1) ia Biöliägkenem quse Pontifices Summi Militibus - 
Templi oonessserss- « asitanias desumptum: in quo eadem 
Privilegia inteern- Regula, Const. Or- 


dinis Cistert. 


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nA 
» 


356  Erfter Beitraum. I. Bud. 1. Abſchn. 


gelegt und Schranken vorgezeichnet, welche jenen ein heilfames 
Gegengewicht hielten. 1. Belämpfung der Mauren und Unters 
ſtuͤzung des Königs im Krieg gegen die Ungläubigen wurde 
den Tempelrittern zur erften Pflicht gemacht, wenn ihnen bie 
Könige oder felbft Private Ländereien ſchenkten ). 2. Ziehen 
fie ins Feld, fo haben fie felbft die Koſten zu beflreiten und 
erhalten feinen Sold vom König; vielmehr find fie verbunden, 
wenn der König oder feine Söhne und Ricoshomens durch 
ihre Ländereien Fonmmen, ihnen Herberge und Lebensmittel zu 
geben ). 3. Ohne ausdrüdliche, Erlaubniß des Königs dürfen 
fie nichts von ihrem Vermögen dem Großmeifter des Ordens, 
der in Paläftina feinen Sig hatte, fchiden ). 4. Es ift ih: 
nen nicht geftattet etwas von ihren Befigungen willkuͤrlich 
zu veräuffern, wohl aber ficht dem König das Recht zu, über 
diefelben zu verfügen und fie ihren Söhnen und andern Rit⸗ 
tern des Reiches, Die fich größere Verdienfle erworben haben, 
zu verleihen. 5. Der portugiefifche Orbensmeifter Tann nur 
mit Zuftimmung des Königs gewählt werden; auch darf er 
nicht ohne Erlaubniß des Landesheren aus dem Reiche gehen, 
fei e8 nun zu einer Kreuzfahrt nach Paldftina, oder in bad 
benachbarte Andalufien oder Granada zum Beiſtand des Koͤ⸗ 
nigs von Gaftilien. Wenn es dem Orbensmeifter erlaubt wird 


1) „Que era certo que os Tempreyros serviä el Rey cötra 
Mouros, & cötra todoutro defendimäto do seu Reyno,“...e que sem- 
pre forom teudos a servir fielmöte polas dictas cousas os Reis de 
Portugal cö cavalos & cö Armas & con todolos seus e:ı ssas proprias 
despesas. E en quanto aos dictos Reis prouguesse. nö Ihis deter- 
minhando tẽpo per quanto devessem servir Mays serviriä El Rey 
quanto fosse asa voontade . & tevesse por bö&. Inquiricäo vom 
Sabre 1314 in Nova Malta Portug. Parte I. p. 56. 


2) Artigo 14 berfelben Inquirigäo, gedruckt ebendaſelbſt Seite 
440. Anmerk. 167. | 
BB)... „ era certo que nöhüas Rendas de Vilas nö de Castelos 
que os dictos Templeyros ouvessö no Reyno de Port’ que nö ousariä 
ende levar nehüa cousa ao Maestre da Alen Mar senö per lecöca 
del Rey de Portugal . ca diziä os Reis de Port’ . que queriä que 
as dietas Rendas & averes se despendessem na ssa terra de Port’ 
& a defendessem a Mouros . & que assy o faziä.“ Ibid. Art. 4. 
Nov. Malta Port, P. I. p. 57. 


Regierung des Königs Diniz, 1279—13%.. 357 


zu folchen Zwecken fich zu entfernen, fo muß er einen Stells 
vertreter zurüdlaffen, den der König, zu beflimmen berechtigt 
ift ). 6. Sollte je ein Ordensmeiſter aus Paldftina für Por: 


tugal gewählt werben, fo koͤnnte er ohne die Beftätigung des 


Königs die Stelle nicht antreten”). 7. Die gewählten Or⸗ 
densmeiſter huldigen nicht allein dem König, fondern auch dem 
Kronprinzen, und fehwören, Diefen nach des Vaters Ableben 
als ihren Heren anzuerkennen. 8. Die portugiefifchen Ordens⸗ 
meifter dürfen nur Portugiefen in den Drden aufnehmen. 
9. Nur an dem Orte, den der Landesherr beflimmt, und nur 
in Gegenwart eined weltlichen Bevollmächtigten, den der Koͤ⸗ 
nig dazu ſchickt, iſt es den Rittern geftattet ein Gapitel zu 
halten °). u | 

Die portugiefifchen Könige hatten nicht allein die Klugheit 
gehabt, die Eräftigen Arme und unternehmenden Feuerkoͤpfe, 
welche andere Fürften und Länder ausfendeten, um dad heilige 
Grab zu erobern und zu vertheidigen, zum Schuße des eignen 
Herbed und zur Erweiterung der Grenzen des Reichs zu ver: 
wenden und fo bem thörichten Hange des Beitalterd eine für 
Portugal wohlthätige Richtung zu geben; fie forgten mit glei 


cher Klugheit dafür, daß die portugiefifche Ritterfchaft, Die zu 


einem Schilde des Thrones und Baterlandes beflimmt war, 
nicht in eine Angriffswaffe gegen diefe fich verfehrte, und dieſes 
mächtige und heilfame Element des Staates nicht in ein über- 
mächtige8 und gefährliches ausarten konnte. Sie wachten 
darüber, Daß die Bedingungen, unter welchen fie die Tempel: 
ritter aufnahmen und mit Ländereien befchenften, fo wie bie 
Schranken, womit fie ihr Machtgebiet begrenzten, fletd in 
frifchem Andenken bei dem Orden fich erhielten. Sie machten 
regelmäßig Gebrauch von den oberherrlichen Rechten, die fie 


1)... . „nö feyxava senö qual El Rey mädava & tijnha por 
be.“ Art. 8. der Inquirigäo von 1314 in Nov. Malta Port. 
P. I. p. 83. 

2) „Que se algü Maestrı ha pera seer Maestre en Port’ q 
nö entraria no Reyno de Pf nd per mädado dee Rey de 
Portugal. E nö seeria } ang voötade.“ Ibid. 

3) Monarch. I- Bi. 


358 | Erſter Zeitraum. IM Bud. L Abſchn. 


der Krone vorbehalten hatten, ahndeten jede Verletzung der⸗ 
ſelben, und uͤbten ſelbſt, wie es ſcheint, dieſe Rechte bisweilen 
nur darum aus, um fie nicht/ auffer Kraft kommen zu laſſen. 
Mehr als einmal nahmen die Könige Tempelrittern, mit denen 
fie unzufrieden waren, die ihnen anvertrauten feften Schlöffer 
und Feflungen, und gaben fie andern, zu denen fie mehr Zus 
trauen hegten. König Affonfo II. entließ einen Tempelritter, 
bem der Ordensmeiſter die Obhut über das Schloß Caſtel⸗ 
branco übertragen hatte, und feste an feine Stelle einen andern. 
König Diniz verfuhr mit mehreren Befigungen und Schlöffern 
des Ordens auf ähnliche Weife, einzig, wie ed fcheint, um baB - 
Recht nicht durch Unterlaffung beffelben zu verlieren ). 


Eine fo forgfältige, faſt eiferfüchtige Aufficht, mit welcher 


die Koͤnige uͤber die Rechte der Krone wachten, ohne die Rit⸗ 


— 


Auguſt 
1 


ter in der freien Entwidelung ihrer Berufsthätigfeit zu hem⸗ 
men, erklärt und zum Theil die merkwuͤrdige Thatfache, die 
bei der endlichen Unterfuhung ihres MWandeld und Betragens 
ſich ergab: in ben zweihundert Jahren fiel ihnen nichts zu 
Loft, als daß fie einen ausländifchen Ritter, einen "Neffen des 


letzten Großmeifterd, aufgenommen hatten. Nie wichen bie 


portugiefifchen Templer von der Zreue ab, die fie dem König 
ſchuldig waren, und während die Zempelritter in Caftilien und 
Leon gegen ihren König ſich auflehnten und offnen Krieg führs 
ten, zeigten fich jene ſtets voll Anhänglichkeit an Fürft und 
Baterland. 


So lebten die Tempelritter in Portugal, als dee Bifchof 
von Liffabon, Johannes, nebft mehreren Prälaten, von dem Papft 


308 Clemens V. die Weifung erhielt, das Betragen und den Lebens 


wanbel ber Zempelritter in Portugal einer genauen Prüfung 
zu unterwerfen. Man fand nicht bei ihnen, was der Papft 
gern gefunden hätte. Diefer hatte bereitd ein Jahr früher Durch 
eine Bulle (vom 12. Aug. 1307) dem König Diniz die Nach: 


richt ertheilt, daß er eine allgemeine Kirchenverfammlung nad) 


Vienne zu berufen Willens fei, um über die Zempelritter zu ent- 
fcheiven. Er hatte den König Dringend eingeladen perfönlich fich 


1) Mon. Lus. ibid. 


Regierung des Königs Diniz, 1279 — 133. 359 


einzufinden '), ‚die Werbrechen der‘ franzöfifchen Tempelberren Ä 
gefchildert und den portugiefifchen Bifchöfen befohlen in Vienne 
zu erfcheinen, um auch die Vergehen der Ritter ihrer Nation 
ind Licht zu ſtellen. 

Diniz fah den Sturm von ferne fommen und ruͤſtete ſi ch, 
ehe er uͤber Portugal hereinbrach, ihm begegnen zu koͤnnen. 
Die weiſe Planmaͤßigkeit und Umſicht, womit der Koͤnig in 
dem großen Proceß gegen den Tempelorden zu Werke ging, 
laͤſſt uns vorausſetzen, daß er fruͤhzeitig den Gang, den er 
nehmen wollte, ſich vorzeichnete. Diniz kannte die Macht des 
Papſtes und des Klerus, den Einfluß Beider auf das Volk. 
Ihm, der ſein Zeitalter begriff, weil er uͤber ihm ſtand, konnte 
bei allem Selbſtgefuͤhl, das ihn beſeelte und emporhob, nicht 
einfallen ben Maßregeln des Papſtes offene Gewalt entgegen 
zu ſtellen. Nur durch berechnende Klugheit und Borficht war 
bier etwas auszurichten. Über die Tempelritter in Portugal, 
über Das, was fie dem Throne und dem Reiche biöher gewe⸗ 
fen waren, wie fie gelebt und gewirkt hatten, — barlıber 
ftand wohl feine Anficht, fein Urtheil längft fell. Er hielt 
fie nicht nur für ſchuldlos, fondern felbft für wohlthätig und 
nüglich, und ihre Verfolgung muſſte ihm eben fo unflug als 
ungerecht erfcheinen. Um fo weniger zeigte er fich bereit, fein - 
Land zu verlafjen und von feinem Wolfe fich zu entfernen, um 
in Vienne ein ſchon voransgefälltes Verbammungsurtheil, dad 
feiner unabhängigen Herrfchergewalt nicht weniger, als feiner 
Staatöklugheit und feinem Rechtögefühl widerſtrebte, durch feine 
Anmefenheit gewiffermaßen zu beftätigen. Er ſchickte indefjen 
einige Bifchöfe dahin, wahrfcheinlich mit Verhaltungsvorſchriſten, 
deren Verluſt wir zu bedauern haben. 

Der Koͤnig blieb zu Hauſe darum nicht muͤßig. Er ließ 
gegen Die Tempelritter ein gerichtliches Verfahren einleiten, je⸗ 
doch nicht ein folches, wie es der Papft im Sinne hatte, und 
Clemens V. wurde fo lange getäufcht, bis feine Enttäufchung 
dem König und dem Orden nicht mehr nachtheilig werben 
konnte. Die portugiefi iſchen Tempelritter hatten ſich, wenn 


Bee aa aan. 
1) Serenitatem tuam re et, hortamur, quatenus studeas 
personaliter interesse. 1 u 


—X 


360 Erſter Zeitraum. I Bud. 1. Abſchn. 


nicht auf des Königs Rath, doch gewiß mit feiner Zuflimmung, 
dem Ungewitter, dad ihnen drohte, durch die Flucht ind Aus⸗ 
land entzogen; Feiner war verhaftet worden. Sofort nahmen 
Fönigliche Procuratoren die meiften Güter des Ordens in An 
ſpruch, weil fie, ihrem Vorgeben nach, wiberrechtlich won ber 
Krone getrennt worden wären, und verführen gerichtlich gegen 
die Ritter. So wurden am 27.Nov. 1309 die Fleden Pom⸗ 
bal, Soure, Ega und Redinha wieder der Krone zugefptochen, 
wobei ald Richter der Bifchof von Liſſabon, der Francifcaners 
prior dafeibft und Maeftre Joanne das Leis thätig waren; 
eben fo i. 3.1310 die Fleden und Schlöffer Idanha a velhe, 
Salvaterra do Eſtremo, Rosmaninhal und andere 9. Diefe 
Proceſſe wurden mit einer Eilfertigkeit entfchieben, Die dem 
fonftigen gefeßlichen Rechtögang Diefer Regierung fremb war. 
Auffer dem König erhoben auch mächtige Geiftliche und Klöfter, 
unter mancherlei Vorwand, Anfprüche auf Ländereien des Tem⸗ 
pelordend. Allein der König befahl, wegen der Abwefenheit 
bed Ordensmeiſters und ber Ritter, diefe Foderungen ruhen zu 
laſſen und. die flreitigen Befigungen mit Befchlag zu belegen,- 
bis die Templer ihre Sache vor dem Papft vertheidigt und 
von ihm das Endurtheil empfangen hätten ?). 

» Auf folhe Weife waren allmdlig die fämmtlichen Güter 
bed Ordens in die Hände ded Königs gelommen. Damit war 
fhon viel gewonnen. Dennoch konnte ſich Diniz nicht bergen, 
daß er allein nicht mächtig genug war dem Verlangen bed 
päpftlichen Stuhld zu widerftehen. Wenn aber diefer über bie 
Güter des Ordens einft verfügen follte, welch’ ärgerlicher Ein 
griff in die Kronrechte, auf welche der König fo eiferfüchtig 
"war! Welcher Nachtheil für das Reich, wenn die aus dem 
Staatöverbande geriffenen Flecken und Schlöffer einem fremden 
Intereſſe folgten! Der König muſſte fich eine Stüße im Aus⸗ 
lande fuchen, und fand fie da, wo gleiche Gefahren und gleiche 
Vortheile ein und dafjelbe Beduͤrfniß hervorgerufen hatten, in 
Gaftilien. Die Unterhandlungen mit dem König Ferdinand, 
feinem Schwiegerfohne, begannen fchon t. 3. 1309 und führten 


1) Mon. Lus. lib. 18. cap. 25. 
2) Mon. Lus. ibid. 


Regierung des Königs Diniz, 179135. Hi 


den 21. Ian. 1310 einen Vertrag herbei, durch den fich beide 
Koͤnige gegenſeitig verpflichteten, im Fall einer endlichen Auf⸗ 
hebung des Ordens, die Giiter und Einkuͤnfte deſſelben ihren 
Laͤndern zu erhalten und jene gegen Jedermann zu vertheidi⸗ 
gen‘). Eine Nationalſynode, die auf Befehl des Papſtes in 
demfelben Jahre. nach Salamanca berufen wurde, um ben 
Lebendwandel und dad Betragen der Tempelritter in den Reis 
chen Caftilien, Leon und Portugal zu unterfuchen, mochte bie 
beiden Könige mit neuen Beforgrüffen erfüllen. Das Ergebs 
niß diefer Kircherverfammlung aber war der Art, daß ed den 
König Diniz in der Meinung, die er von den Zempelrittern 
hegte, auf die erfreulichfle Weiſe beſtaͤrken muſſte. Nach einer 
genauen Unterfuchung der Angefchuldigten wurden fie von den 


1310 


‚verfammelten Prälaten, unter welchen die Bifchöfe von. Liſſa⸗ 


bon und Garda ſich befanden, einflimmig für unfchuldig ers 
klaͤrt. Daß die Verfammlung der heiligen Väter die ganze 
Sache der höchften Entfcheivung des Papftes überließ, konnte 
einen Diniz in feiner Überzeugung nicht wanken machen ?). 
Die Könige von Caftilien und Leon hatten den König 
von Aragonien eingeladen dem Vertrag beizutreten. Jayme IL, 


l 
1) . . . que nos e vos que nos paremos a lo emparar e a lo 
defender contra todos aquellos que lo demandar quisieren etc. G. 
den Vertrag in Mon. Lus. liv. 18. cap, 26. 


2) De vinctis atque supplicibus quaestione habita, caussaque 
cognita, pro eorum innocentia pronunciatum communi Patrum suffra- 
gio: ad Pontificem tamen Romanum rejecta totius rei summa delibe- 
ratio. Mariana, liv. 15. oap. 10. Aguirre, collectio max. 
concill. Hispan. T.V. p. 230. Beachtenswerth ift jene ungedruckte 
und wahrfcheinlich verloren gegangene Urkunde, die in der Kirche von 
Orta aufbewahrt wurbe und bie ben VBefchluß der Kicchenverfammlung 
von Salamanca enthielt. En este instrumento, fagt Pineda, ber 
biefe Notiz mittheilt, se contenia, como por mandado del Papa havian 
hecho pesquisa por toda Kspaüa, sobre la vida y costumbre de los 
Templarios, y testificaron los alli afırmados, que no hallaron contra 


ellos cosa que se les pudiesse acusar en Julde, hle conver- 
sacion, y exemplo; y que assi lo daban jurad B sus 
nombres, en Salamanca. Vergl. Rodriguez ' Dis 
sertaciones histor, del order 1. 


plarios. p. 107. 


362_ Erſter Zeitraum IE Bud. 1. Abſchn. 


‚der fi) mit jenen in gleicher -Lage befand, beobachtete feitbem 
ein mit dem ihrigen übereinflimmendes Verfahren. Er pflich 
tete der Aufmunterung des Königs Diniz bei, „baß fie .alle 
brei Eins fein wollten in der Behauptung ihres Rechts‘ *), 
verfprach, feinen Gefandten am päpftlichen Hofe denfelben Weg, 
ben die portugtefifchen und caftilifchen Abgeoroneten in den 
Unterhandlungen eingefchlagen hätten, vorzuzeichnen, und von 
Alem was in der Sache: gefchehen werde, den König zu be 
nachrichtigen, wie er von ihm benachrichtigt zu werben hoffte*). 
Steiche Sefinnungen hatte Jayme IL ſchon ein Jahr früher 
gegen ben König Ferdinand von Caſtilien geäuffert, und diefem, 
als er gemeinfchaftlich mit dem König Diniz den Erzbifchof 
von Braga an den Papft abordnete, zugefagt, feinen Geſand⸗ 
ten an ben heiligen Stuhl übereinftimmende Verhaltungsbe 
fehle zu geben, „damit der Papft und ber ganze päpftliche 
Hof erkenne, wie in diefem und in Allem die Sache des Kb: 
nigs von Caftilien, des Königs von Portugal und bie feinige 
durchaus eine und biefelbe fei" ?). 


Diefer vereinigte Widerftand dreier Könige wirkte Als 
Clemens V. i. 3. 1312 zur wirklichen Aufhebung des Tempel: 
ordens fchritt und alle Güter defjelben den Sohannitern zu: 
ſprach, machte er zu Gunſten jener drei Fuͤrſten eine Aus- 


D „Como todos tres fuessemos unos a catar nuestro drecho,“ 


2) Carta del Rey de Aragon D. Jayme 4 D, Dionis, Rey de 
Portugal, Barcelona 12, Jul, 1312, aus dem Arch. R. Barcin. re- 
gestr. templariorum fol. 318. abgebrudt in J. L. Villanueva, Viage 
literario & las iglesias de Espana. T. V. p.225, 


S) En guissa quel papa et toda la corte conoscha que en esto, 
et en todas cosas el fecho de vos et del rey de Portugal et nuestro 
es todo uno, Carta del Rey Jayme & Fernando IV. Rey de Castillo, 
Barcelona 17. Aug. 1311 im Viage liter. T. V. p. 206. Wie ber 
König von Aragonien einen Richombre und einen Savallero zu Gefanbten 
gewählt hat, fo empfiehlt er auch dem König von Gaftilien keine Geiſt⸗ 
liche, fondern Laien zu dieſem Gefchäfte zu verwenden, „por que nos 
parege que seria bien que log vuestros mandaderos otrossi fuesen 
legos et personas tales que fuesen pora razonar et; defender tal fecho 
oom este; porque mas cumple razonar lo legos que clerigos.“ 


Regierung des Königs Diniz, 17913. 43 


nahme von ber allgemeinen Verfügung ). Er ſetzte ihnen je 
doch eine peremtorifche Zrift feſt, im welcher fie fich. über bie 
Berwendung biefer Güter mit bein apoflolifchen Stuhle beneh⸗ 
men und vereinigen follten. - Zum Adminiſtrator der portugies 
fifchen Ordensbeſitzungen ernannte ber Papft den Bifchof Ste 
phan von Porto, ben aber Diniz ald einen ihm verbächtigen 
Mann verwarf. Als diefer Freyre noch, wie König Diniz fich 
ausdrüdte, „mit dem Querfad auf der Schulter umberging 
und Almofen bettelte, hatte der König fich feiner angenoms> 
men, ihn zu feinem Beichtvater und in der Folge (1310) zum 
Biſchof von Porto erhoben. Vol Zutrauen zu einem Manne 
der Gluͤck und Ehre ihm verdankte, ſchickte er ihn als feinen 
Bevollmächtigten auf die Kirchenverfammlung nach Vienne und 
vertraute ihm die hochwichtige Angelegenheit des Tempelordens 
an. Vierzigtaufend Libras, die der König ihm einhändigen, 
ließ, follten die Koften feines Aufwandes beftreiten und zugleich 
feiner Überredungskunft gewichtigen Nachdrud geben. Aber 
mit dem Glüd des Prälaten war auch fein Hochmuth geſtie⸗ 
gen; feine Selbftfucht hatte alles Danfgefühl gegen feinen. 
Wohlthäter in ihm erflict, Dem Blide befjelben entrücdt und 
fern von dem Urtheil feiner Mitbürger, arbeitete er ungefcheut 
nur für feine eigenen Zwecke und Vortheile und verwendete 
Dazu die erhaltene Summe. Er trug fich mit dem Plan, den 
bifchöflichen Stuhl von Liffabon zu befleigen und feinem Nef: 
fen den von Porto zu verfchaffen, als ber Tod des Biſchofs 
von Braga, der während der Kirchenverfommlung in Vienne 
ftarb, ihm Ausfichten zur Erreichung feiner Wünfche eröffnete. 
Der König wollte ihn nach Braga verfeßen, aber dem Ehrgeiz 
bes Prälaten verfprach das einflußreichere Liffabon einen größes 
ren und günftigeren Schauplag, und Stephan, bex feine Stellung 


1)... . hospitali seu hospitalis ordini supradictis praefata bona 
concedenda duximus et etiam unienda, bonis ejusdem ordinis militiae 
templi in regnis et terris ... . Castellae, Aragonum, Portugalliae, et 
_ Majoricarum Regum illustrium extra regaum Franciae consistentibus 
dumtaxat exceptis, quae ab unione, concessione et applicatione hujus- 
modi ex certis causis excipienda duximus et etiam excludenda. 
Befchluß des Papftes in Vienne vom 2. Mai-1312 in der Mon. Lus. 
liv. 18. cap. 44. 


HA Erſter Zeitraum. I Bud. 1. Abſchn. 


zu nligen verſtand, erwirfte von dem Papft, daß der Biſchof 
von Liffabon nach Braga, er felbft nach Liſſabon verfeßt wurde 
(Octbr. 1312), und fein Neffe fpäter den bifchöflichen Stuhl 
von Porto erhielt '). Im Liffabon finden wir ihn in der Folge, 
in dem unbeilvollen Zwiſte zwifchen Vater und Sohn, als offenen 
Feind des Königs, mehr ald verbädhtig dad Feuer der Zwie⸗ 
tracht zu ſchuͤren, dann landesfluͤchtig und am päpftlichen Hofe 
gefchäftig feinen Zürften und Wohlthäter zu verleumben. 
Dies war ber Mann, den der Papft zum Adminiſtrator 
dee Güter ded Tempelordens ernannte, den ber König aber 
verwarf. Er war ed auch, ber), flatt die Verhandlungen mit 


. dem päpftlichen Stuhl zu befchleunigen und das vom König 


ihm geſteckte Biel zu erfireben, dieſes feinem eignen Vortheil 
aufopferte und .jene in die Länge zu ziehen durch feine Raͤnke 
wohl am meiften beitrug. Einen Theil der Schuld ber viel 
jährigen Verzögerung trägt freilich auch der Prior der Iohans 
niter, Efteväo Vaſques Pimentel, der während feiner Anweſen⸗ 
beit am päpftlichen Hofe emfig- für feinen Orden wirkte, und 
noch immer hoffte, demfelben auch die fpanifchen und portugie 
fifchen Güter der Tempelritter zuwenden zu koͤnnen. Doc 
hatte, wie es feheint, der Prior in Diniz's Augen weit weni: 
ger Schuld, da biefer ihm noch fpäterhin fein Zutrauen 
ſchenkte ). Jedenfalls aber würden die Verhandlungen fich 
nicht durch volle fechd Jahre hingezogen haben, hätte nicht 
das Verlangen des Königs in dem Papfte felbft und in ber 
päpftlichen Curie den hartnädigften Widerſtand gefunden. Ins 
deſſen trotz dieſes Widerſtandes, troß ber Gegenbemühungen 
des Priors und der Raͤnke des Biſchofs von Liſſabon ſiegte 
ber König endlich am paͤpſtlichen Hofe ob, und erreichte auch 
hier, was er mit feflem und lauterem Willen, mit Klugheit 
und Ausdauer erſtrebt hatte. 

In Portugal hatte Diniz unterdeffen ganz in der Stile 
vorgearbeitet. Als die Aufhebungsbulle hier verkündet worden 
war, hatte diefer Schlag nichts treffen Tönnen, weil nichts 
porhanden war. Die Ritter waren verfchwunden, die Güter 


1) Espana sagr. T. XXI. p. 114 ess. 
2) Mon. Lus. liv. 18, cap. 50. 


- 


Negierung bes Königs Diniz, 1279—13235. 365 


in Diniz's Gewalt, den päpftlichen Adminiſtrator hatte der 
König zuruͤckgewieſen. Die Iohanniter durften nicht wagen, 
bier wie in den andern Ländern die Befigungen, ded Tempels 
orbend an fich zu ziehen, fo fehr fie danach gelüften: mochte. 
Selbft einen Verfuch des Papſtes, uͤber Güter der portugiefis 
fchen Templer zu verfügen, wuſſte Diniz zu vereiteln. Jo⸗ 
hann XXI, der nach Clemens V. den päpftlichen Stuhl bes 
fliegen hatte, nahm \fich heraus feinem Sünfllinge, dem Cars 
dinal Bertrand, den Fleden und dad Schloß Thomar mit 
feinem Gebiet und feinen Einfünften, eine der anfehnlichften 
Befigungen des Ordens, zu fchenfen (1317) Die Sache ers 
regte Auffehn. Der König verhielt fich anfcheinend ruhig, vers 
anlaffte aber den Exrbprinzen und mehrere Große des Reichs 
zu einem entfchiedenen, fürmlichen Widerfpruche. Darauf uns 
terließ der Cardinal die Befißergreifung, wozu eine päpftliche 
Bulle ihn ermächtigt hattes es war .nicht weiter Die Rebe von 
der Schenkung ). Der Papft aber hatte die Erfahrung ges 
macht, daß ex auf Feine Unterflügung, weber bei dem Throns 
erben noch bei den Großen, wo feine Vorgänger fie fo oft 
gefucht und gefunden hatten, rechnen durfte Auch Tonnte 
ihm nicht entgehen, daß ber König von Portugal im Sinne 
feines Volkes handelte, wenn er dem Tempelorden Schuß ges 
währte. Wirklich erfchienen, ſobald der erfte Sturm vorüber 
war, bie Ritter, einer nach dem andern , wieber in Portugal, 
Man vwied ihnen Ruhegehalte auf die in Beſchlag genommes 
nen Güter an, behanbelte die Ritter mit Achtung und ließ fie 
in öffentlichen Urkunden und Handlungen fic „ehemalige Tem⸗ 
pelritter“ (quondam Milites)) nennen. 

So war die Lage der Dinge in Portugal, als eine Bulle 
des Papftes Johann XI. vom 15. März 1319 °) die Grüns 
dung eined neuen Ritterordens in biefem Reiche verkündete und 
anorbnete. Es war in der That Fein anderer als ber Tempel⸗ 
orden, den jene Bulle unter einem andern Namen wieber in's 
Leben rief. Der. Papſt nannte ihn Ehrifiusorben (Ordo 


1) Mon. Lus, Parte VII. liv. 4, cap. 3. Num. 3. 
2) ©. die Urkunde bei Brandäo liv. 18. cap. 26. 
5) Sousa, Provas T. I. p. 80, u 


366 Erſter Beitraum U. Bud. 1. Abſchn. 


_Militiae Jesu Christi), die Ritter Chriſtusritter (Milites Christi). 
Dies war der Name, der den Tempelrittern fchon früher in 
Öffentlichen Urkunden, die ihren Orden betrafen, gegeben wor⸗ 
den war, und fie felbft hatten ihn, abwechfelnd. mit der Be 
nennung „Zempelritter, bei bürgerlichen Handlungen ſich beis 
gelegt '). Die Chriſtusritter follten der Regel der Ciftercienfer 
folgen; diefe war auch bie Megel, nach welcher die Tempel⸗ 
ritter lebten. Der Abt von Alcobaca ift, ber Bulle zufolge, 
ber geiftliche Vorgeſetzte der Ehriftusritter und nimmt, fo oft 
er es väthlich findet, die Vifitation und Correctur des Ordens 
„an Haupt und Gliedern“ vor; Denfelben Beruf hatte Derfelbe 
Abt bei ven Templern. Wie bei dieſen, fo find der Groß 
meifter und die andern Vorgeſetzten bed Chriftusordens vers 
pflichtet, ehe fie ihr Amt antreten, dem König ben Eib ber 
"Treue zu leiften. Wie den Tempelrittern verboten war Güter 
ihres Ordens zu verduflern, fo auch ben Ehriftusrittern; ande 
ver Übereinſtimmungen zwifchen beiden Orden zu geſchweigen. 
Das der Papft den Meifter vom Avisorden, Gil Mars 
tins, zum Großmeifter des Chriſtusordens ernannte, barf nicht 
befremben. Die Aviöritter folgten der Regel der Giftercienfer, 
wie die Tempelherren, und es glich dieſes Verfahren bes Paps 
ſtes einem damals nicht ungewöhnlichen, wonach man einen 
Meligiofen. einer Abtei berief, um die Angehörigen einer andern 
von der nämlichen Regel in ihre Pflichten und Berrichtungen 
einzumeifen und bie im Anfehn gefunfene Abtei in Aufnahme 
zu bringen. Auch ernannte der Papft nur dieſes Mal einen 
Großmeifter, und nahm ihn aus dem Avisorden, einen Mann, 
welchen auögezeichnete Zugenden und Fähigkeiten zu biefer 
Hürde empfahlen *). Nach feinem Ableben ſollen, der Stif⸗ 
tungsbulle gemaͤß, die Bruͤder des neuen Ordens einen Groß⸗ 
meiſter, der nothwendig aus ihrem Orden genommen werden 
muß, ſelbſt waͤhlen. 
Alle beweglichen und unbeweglichen Guͤter, welche der 
Tempelorden in Portugal und Algarve beſeſſen hatte, ſeine 


1) Als Belege dienen die Urkunden aus der Regierungszeit Affonfo’s I. 
im Klucidario“ T. II. p. 867. 


2) Mon, Lus. liv. 18, cap. 4. 


Regierung des Könige Diniz, 179—13%. 367 


fämmtlichen Befigungen mit allaı Rechten und Freiheiten wur⸗ 
den dem Chriftusorben ald Eigenthum zugefprochen. Der Koͤ⸗ 
nig Diniz, der in diefer Angelegenheit bisher nur ben Ruf ber 
Klugheit fi) erworben, daneben aber auch den Vorwurf ber 
Habfucht und Ungerechtigkeit gegen die Tempelritter fich zus 
gezogen hatte, enthuͤllte jebt eine Uneigennügigkeit und Rechts 
lichkeit, Die um fo überrafchender und verbienftlicher waren, je 
länger die Klugheit ihn genöthigt hatte, fie zu verbergen und 
fich felbft dem Miskennen und dem Tadel der Welt Jahre lang 
auszuſetzen. Er befahl nicht allein (26. Nov. 1319) ale Bes 
figungen des Tempelordens, Die er an fich gezogen hatte, benz 
Chriftusorden zu übergeben '), und erklärte alle gerichtliche Urs 
theile, durch welche er bei der Aufhebung des Tempelordens 
deffen Eüter fich hatte zufprechen laſſen, für nichtig; er ließ 
den Chriftusrittern fogar alle Einkünfte, welche die Föniglichen 
Almorarifes von den Gütern des Tempelordens feit feiner Er⸗ 
loͤſchung erhoben hatten, nachbezahlen”). Er fchenkte endlich, 
um feinem Werke die Krone aufzufeben, das von Natur ſtarke 
Gaftro-Marim in Algarve, das die Templer nie befeffen hats 
ten, dem Chriftusorben und beflimmte ed zum Hauptſitze deſ⸗ 
felben °). | 

Hier, in Caſtro⸗Marim, hatte num auch der Ehriftuss 
orden urfprünglich feinen Convent und bier lebten bie erften 
Novizen, die in den Orden traten. Nach ben Regiftern befs 
felben, die in dem Archiv von Thomar, das in ber Folge wies 
der der Hauptfig der Chriftuöritter wurde, fich finden, waren 


1) In dem Schreiben, durch das er dem Chriftusorben die lecken, 
Schloͤſſer und Ortſchaften Soure, Yombal, Ega, Rebinha, die in Eſtre⸗ 
mabıra und in dem Bisthum Coimbra lagen, und Idanha nova unb 
velha, BSalvaterra, Segura, Proensa und Rosmaninhal, ſaͤmmtlich tm 
Bisthum Guarda, zu übergeben befahl, jagt der König: „que a Ordem . 
de Christo se tinho feito em Reformagäo da Ordem do 'Templo, que 
se desfez.““ Klucidario T. II. p. 874. 


2) Mon. Lus. liv. 19. cap, 4. 
3) Der König hatte bereits vor ber Belannt 


bulle den Papft von feiner Abficht, dem Orben b' »achen, 
durch feine Gefandten in Kepntniß ‚gelebt, we ke 
jener Ort erwähnt wird. PER er ee 


ten, wurden durch Kirchenflrafen dazu gezwungen ’). Der vors 


368 Erfter Zeitraum. DM. Bud. 1. Abſchn. I 


die Erſten, die der Großmeiſter in Caſtro⸗Marim aufnahm, 
ehemalige Tempelritter; ja, was noch merkwuͤrdiger iſt, Tem⸗ 
pelritter, die, der Freiheit ſich mehr freuend, zur Aufnahme 
in den neuen Orden innerhalb drei Monaten ſich nicht melde⸗ 


malige Tempelmeiſter ſelbſt, Vaſco Fernandes, ſtarb (1223) 
als Komthur von Monte⸗ alväo und Profeſſe des Chris 


fiusordens * 
Sobald eine Anzahl Ritter eingekleidet worden war, dachte 


der neue Großmeiſter darauf, Durch neue Ordnungen und Ge 


11. Jun. 


. 1321 


18. Nov. 


1321 


fege dem Drden Haltung und Fefligkeit zu geben, feine Wer: 
foffung zu verjüngen und feine Verwaltung zu regeln. Er 
verfammelte zu dem Zwecke in Liffabon, in dem vormaligen 
Gonventhaufe der Tempelherren, ein Gapitel, dad größtentheils 
aus früheren Mitgliedern diefed Ordens beſtand. Die Eonflis 
tutionen der Ritter von Calatrava wurden zum Grunde gelegt. 
Nach Maßgabe der Einkünfte des Chriftusorbend wurde fefl: 


gefeßt, daß er wenigftens vier und achtzig Mitglieber zählen 


folle, von denen neun und fechzig Ritter (Freires Cavaleiros), 
die übrigen geiftlihe Brüder (Freires Clerigos) fein follten. 
Auffer diefen wurben weitere zehn Ritter beflimmt, den Groß 
meifter beftändig zu begleiten. Sie durften Feine Commenden 
befigen und mufften aus dem für die Drdensmeifter = Tafel 


(meza Mestral) beflimmten Vermögen unterhalten werben, 


wozu die Einkünfte, die der Orden aus feinen Befikungen in 
den Gebieten von Liffabon, Alemquer und Santarem (mit 
Ausnahme der Commenden Pinheiro und Cafevel) zog, ange 
wiefen wurden ). Nicht lange nach dieſem Capitel flarb Gil 
Martind. Er hinterließ den Orden in einem geehrten und 
blühenden Zuflande, und nahm den Ruf eines für feine Pflege: 


befohlenen redlich beforgten und eifrig thätigen Meiftere und 


Vaters mit ind Grab. 
Nicht ohne inniges Wohlwollen mochte Diniz in den letz⸗ 
ten Jahren ſeiner Regierung auf ein Inſtitut hinblicken, das 


1) Mon. Lus. lib, 19. cap. 10. 
2) Elucid. T.IL p. 374. 
3) Mon. Lus. Parte VI. liv. 19. capp. 25 u, ‚2. 





Regierang bes Königs Diniz, 1279—1325, 369 


er vom Untergang gerettet und mit verjüngter Lebenskraft be⸗ 
ſeelt hatte. Und wie wuͤrde ſich das Auge des hochſi innigen 
Fuͤrſten erheitert haben, haͤtte es die herrlichen Fruͤchte ſchauen 
koͤnnen, zu welchen er die Keime in den Schoos des gerette⸗ 
ten Ordens gelegt hatte. Haͤtte er nur ahnen koͤnnen, wie 
hundert Jahre ſpaͤter ein Großmeiſter dieſes Ordens, der un⸗ 
ſterbliche Infant Heinrich, am Vorgebirge San Bicente, gleich= 
fam an der Stirn der europdifchen Fungfrau, den großen Ge- 
banken fafite, mit den Mitteln, die ihm der Orden darbot '), : 
die Infeln und Länder zu entbeden, bie er im Geifte lange 
vorhergefehen hatte; wie Die Orbendritter für ihren woeitftre- 
benden Unterfuchungögeift, dem das Kleine Portugal zu enge 
ward, einen größern Schauplag fuchten; wie fie den unbe: 
Fannten Ocean dugchfegelten und in andern Welttheilen den 
Grundſtein zu der Größe legten, die ihrem Eleinen Vaterlande 
einmal in der Weltgefcjichte zu Theil werden folltee Das 
ahnete Diniz nicht, fo wenig als daß jene prächtigen. Fichten: 
wälder, die er in ber Beit, in der er für die Rettung des 
Ordens fo thätig war, auf den Hligeln bei Leiria fäen ließ, 
damit die heftigen Seewinde nicht mit dem Sande der Meeres- 
füfte die fruchtbare Flur feines lieben Leiria °) bededten und 
begruben, — daß dieſe Fichtenwälder einft das Bauholz zu den 
Schiffen liefern wuͤrden, auf welchen die Drdensritter "und 
Seehelden Portugals Herrſchaft über dad Meer ausbreiten und 
einen Handel, der zwei Welttheile mit einander verknuͤpfte, 
vorbereiten ſollten. Welch' eine Saat vermag die wohlthaͤtige 
und feſte Hand eines weiſen Fuͤrſten in die unabſehlichen, 
fruchtbaren Gefilde der Zukunft zu ſtreuen! 


1) Mon. Lus. Parte VI, liv. 19. cap. 14. 


2) Bon dem Schloffe, das ber König. in Leiria, feinem Lieblings⸗ 
aufenthalt, hatte, ſind noch Truͤmmer vorhanden. Balbi, Kasai statisti- 
que sur le Royaume de Portugal, T. II. p. 183. 


8 


Schaͤfer Geſchichte Portugals J. 24 | 


30 Erſter Beitraum. N. Bug. 4. Abſcha 


5. Die legten Jahre des Königs. 


Seine Streitigkeiten mit dem Infanten Affonſo. Wieberholter 
Ausbruch der Feindfeligkeiten zwiſchen Water und Sohn. Die 
Königin Iſabel vermittelt die Verföhnung Beider. Diniz er 
krankt. Seine Anordnungen und letzten Worte. 


Des vielen Guten und Großen, das in langer Regierung 
Diniz geſtiftet und gepflegt hatte, am Ende derſelben ſich uns 
verkuͤmmert zu erfreuen, war ihm nicht vergoͤnnt. Fehler und 
Unvorſichtigkeiten ſeines Privatlebens hinderten in ihren Folgen 
den Koͤnig, mit ſeinem Volk das Gluͤck zu theilen, das er ihm 
zu bereiten ſo ruͤhmlich geſtrebt hatte. Sie, im engen Kreiſe 
der Familie verſchuldet, fuͤhrten landeskundige Irrungen herbei, 
die den Segen ſeiner Regierung wieder zum Theil zu zerſtoͤren 
drohten und den Abend ſeines Lebens truͤbten. 

Der Infant Affonſo, der kuͤnftige Thronerbe, hatte kaum 
ſein ſechſtes Jahr zuruͤckgelegt, als ihm der Koͤnig ein eigenes 
Haus einrichten ließ, fruͤher und glaͤnzender, als er ſelbſt als 
Erbprinz (zuerſt unter den portugieſiſchen Infanten) ein Haus 
gehabt hatte. „Dieſer Beguͤnſtigung, aͤuſſerte ſpaͤterhin Diniz 
in oͤffentlicher Verſammlung, haͤtten ſich die fruͤheren Infanten 
von Portugal nicht erfreut. Sein Großvater Affonfo II. habe, 
obgleich verheirathet und Vater mehrerer Kinder, in dent Haufe 
feines Vaters gelebt und Fein eigenes gebildet” ). In einem 
Alter, in welchem Feine fremde Hand die väterliche zu erfeßen 
vermag, begab fich Diniz eines Theils feines väterlichen Eins 
flufjes und konnte nicht verhüten, daß Andere fich deffelben be⸗ 
mächtigten, und, mehr ihr eigenes als bes Prinzen Wohl ind 
Auge faflend, ihren felbftfüchtigen Planen früh vorarbeiteten. 
Den Sohn, ber nach und nad dem Water fich entfrembet 
fühlte, mit Mistrauen gegen denfelben zu erfüllen, wurbe ben 
Dienern und Umgebungen des Prinzen nicht ſchwer. Der Koͤ⸗ 
nig felbft fcheint Anlaß Dazu gegeben zu haben. Er zeigte fo 


1) Mon. Lus, Parte V. liv. 16. cap. 14, Parte VIL kim &. 
cap. & a liv. 1, ap & 


Regierung. des Königs Diniz, 1279 - 1325. 371 ⸗ 


viel Vorliebe fuͤr ſeinen natuͤrlichen Sohn Affonſo Sanches, 
daß es den Unzufriednen gelang, das Geruͤcht, der Koͤnig wolle 
ihn für. rechtmaͤßig erklaͤren und ihm die Thronfolge zuwenden, 
auszuſtreuen und ihm Glauben zu verſchaffen. Seitdem gluͤhte 
der Funke der Eiferſucht in Affonſo's Bruſt und erloſch nicht 
wieder. Die Anhaͤnger des Prinzen trugen emſig zu und 
ſchuͤrten das Feuer. Sein Haus wurde der Sammelplatz der 
Unzufriednen, ein Zufluchtsort fuͤr Unruhſtifter, welche die 
Strafe der Gerechtigkeit verfolgte, fuͤr Alle, die den Koͤnig zu 
fuͤrchten hatten und den Infanten zu gewinnen hofften. Bald 
nahmen Vornehme und Geringe Theil an dem Familienzwiſt, 
der im koͤniglichen Hauſe ſo leicht die Mauern durchbricht und 
ſeinen Schauplatz uͤber das Koͤnigreich ausdehnt. Diniz ſah 
ſich genoͤthigt einen Landesbefehl zu erlaſſen, in welchem er 
bei ſchwerer Strafe verbot die oͤffentliche Ruhe zu ſtoͤren. 
Die Vorſtellungen, die der König dem Infanten machte, was 


ren vergeblich, und felbft die Bemühungen ded Papſtes, den 


dad aͤrgerliche Auffehn, das diefe Zerwuͤrfniſſe erregten, ver⸗ 
anlafjt hatte dem Bifchof von Evora die Beilegung berfelben 
ana Herz zu legen, blieben erfolglos. Der Infant fuhr fort 
piejenigen zu verfolgen, Die fich als treue Anhänger des Koͤ⸗ 
nigs bewiefen; des Vaters Ungnade reichte hin, um bei dem 
Sohne freundliche Aufnahme zu finden Den Ritter Ramon 
de Cardona wollte der Infant in Gegenwart bes Königs toͤd⸗ 
ten, weil er Diefem fagte, daß Affonfo’3 Bedienten gegen das 
Leben des Königs und den Staat fich verfthworen hätten, und 
nachdem Ramon in ber Folge wegen hochberrätherifcher Ab⸗ 
fihten aus dem Reiche verwiefen worden war, nahm ber 
Prinz fich deffen an, führte einen Briefwechſel mit ihm und 


ſchaͤmte fich nicht eben denfelben, den er zum Theil wegen fel- 


ner Treue gegen den König hatte tödten wollen, zu begünftis 
gen, ald er zum Verräther an dem König geworden war. 

Einen nachtheiligen Einfluß auf den Infanten dufferte 
feine Schwiegermutter, die Königin Maria von Caſtilien, mit 
der er, um fich der Regierung zu bemächtigen, geheime Ein 
verftändniffe unterhielt. Diefe waren dem König nicht 
Fannt. Als daher Maria von Gaftilien den König 
fchriftlich um die Erlaubniß bat, daß der Infant Affe 

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372 Erfter Zeitraum. HD. Bud. 1. Abfhe. 


in Fonte Grimaldo befuchen duͤrfe, verweigerte Diniz feine 
Zuffimmung, mißrieth ald Vater und verbot ald König dem 
Prinzen die Reife. Deſſen ungeachtet erfolgte dieſe. Nach 
Affonfo’3 Unterredbung mit feiner Schwiegermutter an ber 
Grenze beider Reiche, erbreiftete fich die caftilifche Königin dem 
Vater ded Infanten anzumuthen, Daß er die Regierung feinem 
Sohne überlaffen möchte, und ließ den König in Zweifel, „von 
wem er eine größere Beleidigung erfahre, von dem betheiligs 
ten Sohn oder der vermittelnden Schwiegermutter Y.“ Noch 
aber hegte der König die Überzeugung, daß „dieſe Barbarrien 
des SInfanten nicht natürliche Früchte feines Herzens feien, 
fondern Einfläfje der verderblichen Geſellſchaft, die ihn um: 
gebe ).“ 

Eben dieſe Umgebungen des Infanten waren es in der 
That, die immer ii neuem fein Miötrauen ımd feine Eifer 
ſucht reizten. Man hinterbrachte ihm, daß der König, bamit 
er feinem natürlichen Sohne die Krone zuwenden könne, um 
deffen Legitimation bei dem Papſte nachgefucht habe; eine be 
fondere Gefandtfchaft fei deshalb, wiewohl unter einem andern 
Vorwande, an den apoflolifhen Stuhl abgefchit worben. 
Gefchäftig verbreiteten de3 Infanten Anhänger dieſes Gerlicht, 
das zugleich die Schritte. und das Benehmen Affonfo’s gegen 
feinen Water zu rechtfertigen fchien. Der Infant fammelte 
unterdeffen Kriegsmannfchaft, fuchte feinen Anhang zu verflär: 
ten und das Volk für fich zu gewinnen. Um jenen Beſchul⸗ 
digungen und Umtrieben feines Sohnes zu begegnen, betheuerte 
der König nicht allein felbft die Unmwahrheit jened Gerüchte, 
fondern bewog auch den Papft, daß er die Prälaten und 
Großen des Reichs in befondern Schreiben überführte, wie 
der König nie ein Anfinnen diefer Art an ihn oder feine Bor: 
gänger gemacht habe. Damit noch nicht zufrieden, erließ Diniz 
ein Manifeft, in welchem er über Affonſo's Gefinnungen und 
Unternehmungen gegen ihn öffentlich Beſchwerde führte. Aber 


1) Mon. Lus. Parte VII. liv. 4. cap. 4. 


2) „Näo säo, fagt Diniz den verfammelten Großen, Rittern unb 
Drbensmeiftern, e$tas barbaridades naturaes partos de sua inclinagäo, 
säo influencias dag zuins cempanhias, que o rodeäo.* |, c. 


Regierung bes Königs Diniz, 1279—1325. 373 


felbft in diefem Manifeft fanden der Infant und feine Anhaͤn⸗ 
ger Gift; der König, behaupteten fie,” beabfichtige dadurch nur, 
Affonfo bei dem Volk verhafft zu machen, daſſelbe für feinen 
Sohn zu flimmen und für deſſen Thronfolge vorzubereiten. 

Die Kluft zroifchen Vater und Sohn wurde immer größer, 
und der Infant fehritt endlich zu Thätlichkeiten. Er fiel mit 
einem Kriegerhaufen in das Land zwifchen dem Douro und 
Minho ein, deffen Bewohner den Berführungsverfuchen treue 
Anhänglichkeit an den König entgegengefegt hatten. Alle 
die fih nicht für den Infanten erflärten, erfuhren bittere 
Drangfal.. Darauf näherte ſich Affonfo der Stadt Coimbra 
und bemächtigte fi durch geheime Einverftändniffe Leirias. 
Der König fah fich gezwungen Gewalt mit Gewalt zu ver: 
treiben, zog feine Kriegsſchaaren zufammen und ridte an ihrer 
Spige gegen Leiria. Bei feinem Anzuge überließ Affonfg die 
Vertheidigung des Ortes fernem Feldherrn, um fich Santarem, 
- das der König eben verlaffen hatte, zu unterwerfen. Es ge 
lang dem Infanten die unvertheidigte Stadt nebft dem feſten 
Schloſſe einzunehmen. Mittlerweile eroberte der Koͤnig wieder 
Leiria, zuͤchtigte mit gerechter Strenge Alle, die den Infanten 
bei der Einnahme des Platzes unterſtuͤtzt hatten, und wendete 
ſich darauf nach Santarem, um auch dieſe Stadt wieder zum 
Gehorſam zuruͤckzufuͤhren. Der Infant hatte fie bereits 
verlaſſen. 

Unterdeſſen war auf Anſuchen des Koͤnigs der Biſchof 
von Evora, Gerardo, von dem Papſt ermaͤchtigt worden mit 
Kuchenſteafen wider die Stoͤrer der öffentlichen Ruhe zu ver: 
fahren. Daflr drangen, dem Papft und dem König zum 
Hohn, Affonfo Nonoes und Nugno Barreto, die e8 mit dem 
Infanten hielten, in Eftremos, wo fich der wuͤrdige Biſchof 
aufhielt, gewaltfam ein und ermordeten ihn (5. März 1321). 
Um diefelbe Zeit bemühte fich auch der König von Aragonien, 
Durch einen vertrauten Abgeordneten den aͤrgerlichen Zwift in 
dem töniglichen Haufe beizulegen und die Verföhnung zwifchen 


Vater und Sohn zu vermitteln. Aber Jayme's Bemühungen _ 


1320 


hatten fo wenig Erfolg als alle biöherigen. Vielmehr ward” 


der Infant vom fleigenden Haß gegen feinen mai Ken RArr 
der, ber fich fortwährend um den König befand, 


374 Erſter Zeitraum. 1. Bud. 1. Abſchn. 


Argwohn gegen dieſen wieder zu offenen Feindfeligfeiten fort 
geriffen. Er hatte fich bereits mehrerer feſter Plaͤtze bemeiften, 
und Goimbra mit Hülfe der vornehmflen Einwohner eingenom 
men. Guimaraens, das‘ Affonfo’3 Streiterhaufen im Stum 
zu nehmen hofften, wurde nur durch die Feſtigkeit des Drte 
und die Tapferkeit feines Befehlöhabers dem König erhalte 
Als diefer den Verluſt Coimbra’8 erfuhr und die Partei de 
Snfanten von Zag zu Tag wachſen fah, z0g er ſchnell fen 
Kriegsvolk zufammen und führte ed gegen Coimbra. Auf de 
Kunde davon hob Affonfo fogleich die Belagerung von Gut 
maraend auf und eilte mit feiner Schaar der bedrohten Statt 
zu Hilfe Man fürchtete ein blutige Zuſammentreffen be 
Sohnes mit dem Bater. 

Mit befümmertem Herzen vernahm die Königin Iſabe— 
bie Zeindfeligfeiten zwifchen ihrem Gemahl und ihrem Sohn, 
und begab fich unverzüglich auf den Weg, um der Schmed 
eines folchen Kampfes vorzubeugen. Sie fam in dem Augen 
bi an, ald men im Begriffe fland ein Treffen zu Liefer, 
und eilte, von mehreren Prälaten des Reichs begleitet, zuerſt 
in das Lager ihres Gemahls. Hier ſtellte ihm Iſabel die trau 
tigen Folgen einer Schlacht vor, fie möge nun gewonnen 
oder verloren werden, indem in beiden Füllen feine treuen 
Unterthanen das Opfer derfelben würden. Aber der erzürnte 
Vater gab ihren Vorftelungen fein Gehör. Darauf begab fih 
die Königin in das Lager ded Sohnes, und befchwor dieſen 
von einem Vorhaben abzulaffen, das ihn ber Gefahr ausſetze 
an den eignen Vater Hand anzulegen. Sie führte ihm bie 
Ehrerbietung zu Gemüthe, die er dem Monarchen, dem er fein 
Dajein verdanke, ſchuldig fei, den Gehorfam, den eine liebende 
Mutter für ihre Ermahnungen zum Frieden und zur Verſoͤh⸗ 
nung zwifchen dem Sohn und Gatten erwarten bürfe, die 
Dortheile und Segnungen, die dem Reiche erwachfen würden, ' 
wenn er der unheilvollen Fehde jett ein Ende made. Sie 
verficherte ihn, Daß ihm die Thronfolge gewiß fei, was auch 
Verleumder, gegen die er nicht genug auf der Hut fein Eönne, 
ihm einflüftern möchten. 

Die mütterlihen Ermahnungen flimmten den Infanten 
zum Frieden; nur Diniz fchien fortwährend abgeneigt und erfi 







Begterung des Königs Diniz, 1779—13%. 375 


nach einer nochmaligen Unterrebung mit ihm gelang es ber 
Königin, unterfligt von bem Prinzen Pedro, den König zu 
bewegen, daß er vier Tage lang bie Waffen ruhen ließ, um 
durch Bevollmächtigte von beiden Seiten einen Vergleich zu 
vermitteln. Er Fam nicht zu Stande. Darauf flellte der Koͤ⸗ 
nig feine Truppen zum Angriffe auf, um, fobald der Waffen- 
ſtillſtand abgelaufen, in Coimbra einzubringen. Die Befakung 
that einen Ausfall; es Fam zu einem Gefecht, in dem auf 
beiden Seiten viel Blut vergofien, aber nichts entfchieden 
wurde, 

Sn der Hiße des Kampfes mochte weber der Vater noch 
der Sohn dad Ärgerniß fühlen, das den Beſſeren unter dem 
Volk das bier vergoffene Blut gab. Um fo tieferer Kummer 
ergriff die Koͤnigin; aber er laͤhmte nicht ihre Sorgſamkeit, er 


befluͤgelte ſie vielmehr. Wie ein Friedensengel eilte ſie vom 


Vater zum Sohn, vom Sohn zum Vater, ermahnte, warnte, 


bat, flehte mit der unwiderſtehlichen Zaubergewalt einer weiſen 


und liebenden Gattin und Mutter, und ſtimmte endlich bie 
wibderftrebenden Gemüther für einen friedlichen Vergleich. 

Um deſto ungehinderter und ficherer diefen zu Stande zu 
bringen, wurde befchloffen, daß der König mit feinem Kriegs: 
volk nach Leiria, der Infant mit dem feinigen nach Pombal 
ziehen folle. Zur Abfchlieffung des Vergleichs wurben von 


beiden Seiten Bevollmächtigte ernannt; vor Allem aber folte 


die Königin Wermittlerin fein. So wurden folgende Artikel 
fefigeflelt. Der König überläfft feinem Sohne die Stadt 
Goimbra, den Flecken Monte⸗mor o velho und die Burg von 
Porto, damals die einzige Befeſtigung diefer Stadt. Er be 
willigt ihm für feine Haus⸗ und Hofhaltung jährlich) noch 
eine angemeffene Zubuße, die auf fefte Einkünfte der Krone 
angewiefen if, und macht fich verbindlich, fein Schloß und feine 
Wohngebäude auf eine genügende und anfländige Weife ein- 
richten und ausfchmüden zu laffen. Er verfpricht, den Grafen 
von Barcellos wieder in Gnade aufzunehmen und ihm feine 
eingezogenen Güter und Einkünfte zuruͤckzugeben, wie überhaupt 
Allen, welche die Partei des Prinzen gegen ben König er- 
griffen haben, zu verzeihen und ihnen die deshalb verwirkte 
Strafe zu erlaffen. Dagegen verpflichtet ſich der Infant, aus 


132. 


376 Erſter Bettraum. IL Bud. 1: Abſchn. 


feiner Gefelfchaft und feinen Befigungen alle Frevler zu wei 
fen, damit die Gerichte fie ergreifen und die Schuldigen bes 
firafen Eönnenz für keinen derfelben fi zu verwenden, viel 
mehr alle Strafbaren, deren er habhaft werden koͤnne, auszu⸗ 
liefern: Er verfpricht in Bezug auf die Ortfchaften und Laͤn⸗ 
der, die er zufolge dieſes Vertrags erhält, den Huldigungseib 
in die Hände des Königs zu leiften, Die neuerworbenen Be 
fisungen der Krone zu erhalten und ohne Zuftimmung bes 
Königs weder Krieg zu führen, noch Frieden zu fchlieffen. 
Er gelobt, von diefem Tage an ein gehorfamer Sohn und 
treuer Vaſall des Königs zu fein, allen Königlichgefinnten die 
Gewaltthätigkeiten, die fie gegen ihr verübt, zu verzeihen, und 
alled in Diefer Beziehung Geſchehene ald nicht gefchehen zu 
betrachten. Zu Aller Freude wurden dieſe Artifel vom König 
wie vom Infanten angenommen. Jener beſchwor fie feierlich) 
am Altar von S. Simäo in keiria, mit ihm die vornehmften 
Herren und Beamten feined Hofes. Der Infant gelobte ihre 
 Befolgung in Pombal, am Altar von ©. Martinho; feinen 
Eid bekräftigten die angefehenften Fidalgos feiner Partei und. 
auf feine Bitte die Königin und fein Halbbruder ). Darauf 
fehrten die beiderfeitigen Streiterhaufen in ihre Heimat zuruͤck. 
Affonfo ging, auf Veranlaffung der Königin nach Leiria, um 
dem Vater feine Findliche Ehrerbietung und Liebe auszudruͤcken; 
feine Anhänger begluͤckwuͤnſchten den König. In allen Staͤd⸗ 
ten und Ortfchaften des Reichs wurde die Ausfühnung und 
der Friede in der Pöniglichen Familie öffentlich gefeiert. Nach 
einer gefährlichen Krankheit, die der König kurz darauf über: 
fland, und in welcher er fein zweites Teſtament machte (20. 
Sun. 1322) ®), nahm fein natürlicher Sohn, Affonfo Sanches, 
um jeden ÖStreitanlaß zu meiden und nicht des Erbprinzen 
Neid zu erregen, von dem König Abfchied und begab fich nach 
Abuquerque, das ihm gehörte. 


1) Mon. Lus. T, VII. liv. 4. cap. 10. 


2) Ein früheres errichtete er ben 8. April 1299, als er gegen feinen 
Bruder Affonfo zu Felde zog. Mon. Lus. Tom. V. Escrit. 385. Das 
zweite, dad mit dem lesten vom 31. Dechr. 1324 übereinftimmt, ſteht 
in Mon. Lus. T. VI, Escrit. ullima. Sousa (Provas T.I. Num. 11. 
pag. 99.) theilt das zweite mit. , 


Megierung bes Königs Diniz, 1279 — 1325. 377 


Kaum ein Jahr nur dauerte die Ruhe. Affonfo Sans 
che, von dem caftilianifchen Infanten Philipp unterflügt, wat 
- nach Portugal zuruͤckgekehrt, und hatte von dem König er 
Yangt, daß er fih an feinem Hofe aufhalten durfte. Der 
Erbprinz verbarg feine Empfindlichkeit darlıber unter neuen 
Foderungen, die er auf den Rath. feiner Vertrauten an den 
König machte, indem er auf eine Erhöhung feiner Einkünfte 
zum Unterhalt feines Haufes antrug. Beforgt, Affonfo möchte 
zu mächtig werben, wenn feine Mittel noch vermehrt würden, 
antwortete ihm der König, daß dies ohne Zuflimmung der 
Reichsſtaͤnde nicht gefchehen koͤnne, und ließ diefe gegen Ende 
des Detoberd einberufen. Sie verwarfen dad Gefuch des In⸗ 1323. 
fanten, der fofort voll Verdruß nach Santarem ging, wo ed 
feinen Höflingen leicht wurbe, den nur fehlummernden, nicht 
erlofchenen Funken der Eiferfucht und des Haffes wieder ans 
zufachen und den Kronerben zu bereden, mit gewaffneter Hand 
vor Liffabon, wo der König durch feine Strenge die Gemuͤ⸗ 
ther von fich entfernt habe, die verletzte Ehre wiederherzus 
ftelen. Als die Kunde von der Anndherung des Infanten 
mit feinen Streiterhaufen zu dem König gelangte, ließ er 
auf der Stelle ihm befehlen, ſich zurüd zu begeben. Doch 
Affonfo achtete nicht des Befehls und feste feinen Zug mit 
fliegenden Fahnen fort. Darauf ruͤckte Diniz, höchft aufge 
bracht über die Schritte des dibelberathenen Sohnes, an ber 
Spige des Föniglichen Kriegsvolkes ihm entgegen. Sfabel 
aber, die fromme Friebensftifterin, beftieg unverweilt ihr Maul- 
thier, um mit verfühnender Hand den Sohn und Gatten 
wieder zur Eintracht zu leiten. Sie fand Beide nahe bei Lu⸗ 
miar, eben im Begriff ein Treffen zu liefern. Noch einmal 
gelang ed der weifen, liebenden Mutter und Gattin, mit Huͤlfe 
des würdigen Bifchofs von Liffabon, der fie begleitet hatte, 
einem blutigen Kampfe zwifchen Vater und Sohn vorzuber 
gen und Beide zur friedlichen Rüdkehr zu bewegen. Der K- 
nig zog nicht lange hernach felbft nach Santarem, das immer 
ein Lieblingsaufenthalt für ihn geweſen war und feit eink 
Zeit dem Erbprinzen und feiner Familie zum Wohnſitz dient 
Wiewohl Diniz vor feiner Ankunft dafelbft feinen Set" 
fen ließ, daß er ihn bier nicht im geringften®! 


378 Erfter Zeitraum. U Bud 1 Asſchn. 


werbe, fo fah diefer body mt misgimſtigem Auge, wie faı 
natürlicher Bruder ſtets um bie Perion feines Baters war. 
Bald entflanden Reibungen, felbii blutige Fehden zwijchen 
den Hausbedienten des Königs und des Erbprinzen, und Bel 
fahen ſich genöthigt dagegen einzuſchreiten. Man fürdkek 
einen neuen Bruch zwiihen Vater und Sohn, und dachte 
auf Mittel demjelben vorzubauen. Dem König warb vorge 
fhlagen, dem Infanten jährlich weitere zehntaufend Live 
Einkünfte zu verwilligen, dem Affonfo Sanches die Würk 
eines Sherhofmeifters des königlichen Haufes zu entziehen um 
ihn von feiner Perfon zu entfernen. Es koſtete Diniz ſchwer 
Überwindung diefe Opfer zu bringen; doch um die Ruhe bei 
Landes zu erhalten, gab er den Bitten der Räthe und Her 
zen feines Hofes nad), und verließ felbft, damit er jeben A» 
lag zum Unfrieden meide, Santarem, um feinen Sig in & 
fabon zu nehmen. " 


Hier wurde Diniz nicht lange darauf unwohl. Gin 
Reiſe, die er dennoch unternahm, verfchlimmerte feinen Zu 
fand; fein vorgerüdtes Alter machte ihn bedenklich. Da zeigte 
ſich wieder die Königin Ifabel, wie immer im entfcheidenden 
Zeitpunct, in dem fchönen Beruf ihrer edeln Wirkfamteit, in 
dem fie den Snfapten von Zeiria, wo er ſich aufhielt, an ba3 
Krankenbett ded Königs rief. Sie hoffte mit Recht, die m 
vertilgbare, mächtige Stimme der höheren Menfchennatur 
werde an ber Schwelle der Ewigkeit ihre Kraft bewähren und 
alle Misklänge der Leidenfchaften libertönen oder in den Wohl 
ang des Friedens auflöfen. Sobald Affonfo erfuhr, in 
welcher Gefahr der Vater ſchwebe, brach er mit geringer Be 
gleitung unverzüglih auf. Sein Inneres war bewegt. Er 
Aufferte mehrere Mal unterwegs, wie fehmerzlich es ihm fei, daß 
ihm die Zeit nicht erlaube feinem Water Die tiefe Reue zu 
beweifen, die er über die Beleidigungen, die er ihm zugefügt 
habe, empfinde. Der Franke Greis empfing den wiederkehren: 
den Sohn mit Ausdruden der Xiebe, reichte ihm wieberholt 
die Hand zum Kuffe hin und ertheilte ihm mehrere Mal den 


Segen. Um dem König mehr Bequemlichkeit verfchaffen zu 
Tonnen, ließ ihn der Infant in einer Sänfte nad) Santarem 


- 


Regierung bes Königs Diniz, 1279 — 1323. 879 


= tragen, wo er im Gefühl des herannahenden Todes gegen 

Ende des Decemberd die legten Anorbnungen traf. 
⸗ Die Richtigkeit des Urtheils und die Klarheit des Ges 
ſtes, Deren ſich der König in der Bluͤthe feiner Lebenskraft er⸗ 
= freut hatte, blieb ihm im ganzen Berlauf feiner Krankheit- 
. Während berfelben befchäftigte ihn eben fo fehr das Wohl 
: feined Reiches, ‚ald das Heil feiner Seele. Schon gegen Ende 25. Nov, 

des Novemberd hatte Diniz, auf Antrieb des Biſchoſs von 
Liſſabon, Gonealo, der in feiner Krankheit flets um ihn und 
: fein Rathgeber in geiftlichen Dingen war, einen Landesbefehl‘ 
erlaffen, in dem er allen Beamten des Reichs gebot, über der 
Beobachtung des Vergleichs, den er mit dem römifchen Hofe 
und ben portugiefifchen Prälaten abgefchloffen hatte, zu was 
chen, da die Bifchöfe darüber Elagten, daß jener Vergleich 
nicht gehörig befolgt werde. Die. Eöniglihen Hausbeamten 
ließ Diniz im Laufe des Novembers und Decemberd Rech⸗ 
nung ablegen, befeitigte alle Anftände und Streitanläffe, und 
machte es fich zur angelegentlichflen Sorge, fein Hausweſen 
wie ben Staatöhaushalt in einem wohlgeoroneten Zuftande 
feinem Thronfolger zu hinterlaffen. Während er bemüht war 
den Pflichten des Regenten Genüge zu thun, war er nicht 
weniger beforgt, die Beduͤrfniſſe eines chriftlichen Sinnes zu 
befriedigen. “Mit der Innigkeit eines frommen Gemuͤths, das 
in den Wirren einer arbeitoollen und ereignißreichen Regierung 
die Richtung nach einem höhern Leben nicht verloren hat, und 
nun an der Pforte deffelben feiner Beftimmung fich näher ge: 
ruͤckt fühlt, unterhielt ſich König Diniz in ben Abendflunden 
feines Lebens mit Geiftlichen, die durch Sittlichfeit und Wif- 
fenfchaft fi ihm empfahlen, über die wichtigflen Angelegen= 
heiten feines Geifles. Die Zheilnahme, die er, der Vater 
feines Volkes, im ganzen Reich erregte, hatte während feiner 
langen Krankheit eine große Menge Geiftlihe und Weltliche 
in Santarem verfammelt. Jeder, auch der Geringfie, wollte 
nody einmal die theuren Züge des geliebten Königs fehen. 
Man fchien erft jest, da fein Verluft fo nahe bevorftand, die 
ganze Größe deffelben zu fühlen. Doc, was ein Jeder felbft 
fühlte, vergaß er im Hinblid auf das, was die Ki 
ihren kranken Gatten that und empfand. Naͤchſt ih 


1 


®.- 


330 Erſter Zeitraum. II. Bud. 1. Abſchn. 


ſie die allgemeinſte Theilnahme, und erwarb ſich durch ihre 
Zaͤrtlichkeit, Umſicht, Geduld und fromme Standhaftigkeit 
Aller Liebe und Verehrung. Ihr tiefer Schmerz hinderte fie 
nicht, raſtlos thätig zu fein fin ihren Gemahl. Als ob aufs 
fer ihr Niemand ihn zu pflegen vermöge, verrichtete Die Köniz 
gin die geringften Dienfte einer gemeinen Krankenwaͤrterin. 
Ihre Tiebevolle Sorgfalt feffelte fie Zag und Naht an bes 
Königs Krankenlager, und nur fo lange feine Minifter in An: 
gelegenheiten des Reiches mit ihm arbeiteten, entfernte fie fich 
in dad Betzimmer der koͤniglichen Burg, um für ihn de 

Himmels Hülfe und Gnabe zu erflehen. | 
‚ Im ben erften Tagen ded Jahres 1325 ſchien endlich bie 
legte Stunde des Königs gelommen. Als er feiner Auflöfung 
fi) nahe glaubte, ließ er feinen Sohn Affonfo, feinen Enkel 
Pedro, die Infantin Brites, feine Schwiegertochter, die uͤbri⸗ 
gen Kinder und mehrere Prälaten und Herren des Hofes um 
fein Bett verfammeln und nahm von ihnen Abfchied. „Die 
Beweife der Gnade, fprach er, Die ich von meinem Schöpfer 
empfangen habe, find fo groß, die Leiftungen, durch bie ich 
meine Erfenntlichkeit daflır auszudrücken bemüht war, find fo 
gering, daß diefer Gedanke allein vermögend ift die Abſchieds⸗ 
flunde mir fchwer zu machen. Sonft habe ich- mein Hinfchet- 
den weder zu beklagen noch zu fürchten; denn es fehlt mei- 
nem Leben nicht an Gluͤck, da mic, Gott zum König des 
portugiefifchen Volkes gefchaffen hat, und ich fehe bei meinem 


Tode mein Ziel nicht etwa verfehlt, fo daß ich die Fortdauer 


meines Lebens wünfchen, feinen WBerluft bedauern muͤſſte. So 
ftehen meinem Hinfcheiden Feine Hinderniffe mehr im Wege, 
und wenn ihm noch etwas entgegenftehen koͤnnte, fo wäre es 
nur das, daß mir Feine Zeit vergönnt worden, um euch Al 
len Beweiſe der Liebe, bie ich zu euch empfinde, zu geben. 
Denn diefe Liebe ift fo groß, daß ich bei meinem Töniglichen 
Mort fchwöre: der Vater eines Seden von euch kann nur 
eine gleiche, Feine größere Liebe empfinden. Wenn ich fie aber 
nicht Allen erwied, wie ich winfchte und follte, fo fuchet die 
Schuld in den Unrühen, die meine legten Tage trübten und 


mich den Faden der Erinnerung verlieren lieſſen. Diefe Erin: 


nerung hinterlaſſe ich dir, mein Sohn! fuhr er fort (indem 


Regierung bes Königs Diniz, 1279—1325. 381 


er die Augen auf den Infanten richtete), damit du in meis 
nem Namen die Pflichten erfülleft, die ich nicht erflillen konnte. 
Bor Allem empfehle ich dir die größte Liebe zu deinem Wolke, 
denn du wirft der König des beften und treueften Volkes, das 
irgend ein Eatholifcher oder heibnifcher Fürft regiert. Übe da⸗ 
ber dein Fönigliches Amt mehr mit Liebe und Sanftmuth, denn 
als unumſchraͤnkter Herrſcher. Alles wirft du mit geringer 
Anftrengung verwalten, wenn du durch Männer von Uneigens 
nügigfeit und gefundem Rath regierfi, geheime Anhänger da⸗ 
gegen, Zwifchenträger, die an den Böniglichen Einkünften na⸗ 
gen, und Unruhſtifter fern von dir haͤltſt. Übe Gerechtigkeit 
und verlege fie in. feinem Yunct aus irgend einer trdifchen 
Ruͤckſicht; denn Diefelbe Gerechtigkeit, Die Du bei deinen Va⸗ 
fallen übft, wirft du bei Gott finden. Dad Wort, dad bu 
gibft, fei einem Eidſchwure . gleich, weder Zuneigung noch 
Furcht verleite Dich ed zu brechen. Nimm dies als ein Erb⸗ 
theil von mir an, daß ich nie in einer Sache, die ich vers 
fprochen, mein Wort zurüdgenommen habe; der König, der 
feine Berfprechungen nicht hält, wuͤrde befjer Fein Reich ha⸗ 
ben, als daß er darin ald Lügner erfunden werde. Sei eher 
geneigt zur Barmherzigkeit ald zur Strenge in ber Gerechtig⸗ 
feitöpflege; denn es ift mehr werth, wegen Menfchenfreundlich- 
feit geliebt, a8 wegen Strenge in der Handhabung des Rechts » 
gefürchtet zu werben. Doch weil du Died und Alles, was ex: 
foderli iſt um ein Reich zu regieren, weifft, fo empfehle ich 
dir allein die Ausfuͤhrung deſſelben. Euch aber, meine ge⸗ 
treuen Vaſallen, empfehle ich Gehorſam gegen den’ König, 
den euch Gott gegeben hat, und dem Gott, wie ich vertraue, 
ein koͤnigliches Gemüth ſchenken wird, damit ihr nicht in Un⸗ 
frieden mit ihm lebt und er durch Ungehorfam gekraͤnkt werde. 
Die Angelegenheiten des Reiches hinterlaſſe ich in einem Zu⸗ 
ſtande, der mir wenig Urſache zur Unzufriedenheit mit mir 
gibt, da ich Sorge getragen, daß er ber beſte fein möge, ſeit⸗ 
dem Portugal Könige befigt. Die Gefege, die ich zur Mes 
gierung des Reichs gegeben habe, ermahne ich * 
folgen, denn ein ſchlecht befolgtes Geſetz gleicht 
ten, der keinen Einfluß hat. In der Über⸗ 

Alles beobachten werdet, wie ed euer 


382 Erfise Zeitraum IL Bub 4. Abſchn 


finnungen erwarten laffen, und im Gefühl meiner zumehmens 
den Schwäche, die den Lebensfaden jeden Augenblid fallen zu 

laſſen droht, breche ich hier ab und fchlieffe meine Rede da 
mit, daß ich die Königin, meine Gattin, bie hier anmwefend 
und deren Liebe zu euch bekannt genug ift, Allen empfehle. 
Meine Liebe zu ihr, war fie zu einer Zeit nicht fo groß, möge 
ed nun fein, da ich die Königin euch empfehle; denn ich hege 
das Vertrauen, daß durch fie mein Name gefannt ‚ und das 
Reich geehrt werde.‘ ') 

Der König fprach diefe Worte mit fo viel Anmuth, daß 
alle Anwefenden neue Hoffnung fchöpften, ihn wieder genefen 
zu ſehen. Iener wuͤrdevolle Ernft, verſchmolzen mit jener ans 
ziehenden Zraulichkeit, die ihn: immer ausgezeichnet und bes 
gleitet ‚hatten, verliefen ihm auch auf dem Öterbelager nicht, 
und ſchienen feine ungebrochene Lebenskraft zu bezeugen. Doch 
nach wenigen Tagen erlofch-diefer Strahl der Hoffnung; Dis 
niz Ende nahte fichtbar. Er verlangte die heiligen Sacra⸗ 
mente und empfing fie mit großer Rührung. Bid zum legten 
Augenblick blieb ihm fein Elares Bewuſſtſein. Faſt mit dem 

- ‘legten Athemzuge fprah er die Worte: „Sch fterbe, lieber 
Sohn, und nur ein Gedanke beunruhigt mich bei der Erin 
nerung an beine Mutter, der ich in meinen jüngern Jahren 
einigen Verdruß verurfacht habe. Was du, mm dir zu ges’ 
nügen, des Vergangenen wegen mir erweifen möcteft, das 
erweife nun ihr, reichlich in Liebe; meinen und ihren Segen 
wirft du dafür haben." Darauf von dem Sohne fi wer 

Jan. dend, fagte er der Königin das legte Lebewohl und verſchied, 
35 ein Grucifir in der Hand, bald nachher. 


1) Mcn. Lus. Parte VI. liv. 19, cap. 41. 


Regierung Affonfo’s IV, 1326 — 1357. 383 


Zweiter Abſchnitt. 
Regierung Affonfo's IV. 
Bon 1325 bis 1357... 


I) Die Corte von Evora,. 1325. Streit und Aus- 

föhnung zwifchen dem König und feinem natürlichen 

Bruder. Die Ehen zwifchen den portugiefifchen und 
caſtiliſchen Koͤnigsfamilien. 


Affonſo IV. eröffnete feine Regierung mit der Einberus 7. Jan. 
fung der Neichöflände nach Evora. Eine feierliche Huldigung 1325 
ber Corte mochte dem König um fo weniger überflüffig ſchei⸗ 
nen, da die Zerwürfniffe im Löniglichen Haufe Parteiungen 
im Reiche erzeugt hatten, der natürliche Bruder bed Königs, 
Affonfo Sanches, wohl noch Anhänger zählte und die frühes 
ren Gegner des jegigen Königd, wenn auch nur aus Furcht 
vor ihm, Zweifel in Anfehung der Thronfolge in manchem 
Gemuͤth gefliffentlich erregten. Bon Affonfo’3 Staatsklugheit 
und früh gedufferter Eiferfucht auf fein ausfchlieffendes Recht 
auf die Krone laͤſſt es ſich ſchon erwarten, Daß er von der 
Ständeverfammlung, die er bald nach dem Tode feines Va⸗ 
ters berief, den Eid der Treue und die Huldigung gefobert 
habe, wenn auch nicht gleichzeitige Urkunden ed ausdruͤcklich 
fagten ). 

Nachft der Huldigung betrafen die Verhandlungen und 
Befchlüffe diefer Cortes die Leiftungen der Klöfter an ihre 
Patrone, und die Vorrechte, welche die Grundherren für ihre 


1) Eu fazendo Cortes en Kivorg .... pera me receberem por 
Rey, e. por Senhor, e me fazerum ‚Menagem, e me conhogerem Sen- 


horio, e devido natural, come ® Benhor ... e pera livrar 
com des algumas outeas cor- ” servico, e prol dos 
meus Reynos etc. fagt unbe, in Ribeiro 


Dis. T.1. 94. 


384 Erſter Zeitraum 1. Bud. 2. Abſchn. 


Güter anfprachen, — Gegenftände, die, wie im vorigen Ab: 
fehnitte berichtet worden, mehrere Regierungen hindurch die 
höchfte Staatöbehörde befchäftigt hatten und immer wieder 
Klagen und wiederholte Reformverfuche hervorriefen. Auſſer⸗ 
dem feffelten. die Verhältniffe der Mauren und Juden die Auf: 
merkjamkfeit der NReichöverfammlung. Diefe Fremdlinge durften 
nur in ben ihnen angewiefenen und genau begrenzten Stadt 
vierteln wohnen, innerhalb dieſer allein ihre religiöfen Übun- 
gen und Gebräuche vornehmen, und nur am Tage und in eb 
ner fie unterfcheidenden Tracht ihren Wohnbezirk verlaffen. 
Ihr Umgang mit den Chriflen war überdies vielfach befchränkt. 
Indeſſen hatte der Verkehr mit diefen im Laufe der Zeit bie 
Scheidewand zwifchen beiden zum Theil niebergeworfen und bie 
Abneigung der Chriften gegen die Ungläubigen vermindert. Mau: 
ren und Juden hatten die Abzeichen ihrer Kleidung in Stoff 
und Form allmälig verändert; die Unterfcheidungsmerkmale 
verfchwanden nach und nah. Man fürchtete fittliche und bir 
gerliche Nachtheile für die chriftliche und bürgerliche Gefellfchaft, 
und fchärfte darum in den Cortes von Evora von neuem und 
nachdruͤcklich ein, daß fein Maure oder Jude ſich oͤffentlich 
zeigen duͤrfe, ohne ein gewiſſes Abzeichen, das ſeinen Ur⸗ 
ſprung und verſchiedenen Glauben ankuͤnde, zu tragen"): 
Wichtiger als dieſe Angelegenheit mochte endlich fuͤr den Koͤ⸗ 
nig eine andere ſein, die er hier zur Sprache brachte. Es 
war der Antrag: die Guͤter ſeines natuͤrlichen Bruders, als 
eines Friedensſtoͤrers und des eigentlichen Urhebers alles bis⸗ 
herigen Ungluͤcks, einzuziehen und ihn ſelbſt fuͤr immer aus 
dem Lande zu verweiſen. Erhoben die Stände dieſen Antrog 
zum Befchluß, fo hätte der König das Gehäffige deffelben 
wenigftend zum Theil von fich gemwälzt, den gewaltthätigen 
Schritt in der Öffentlichen Meinung gemildert und deffen Aus: 
führung gefichert. Die Stände follen, voll Verwunderung und 
Unwillen über: diefe Anmuthung, die Antwort fchuldig geblies 
ben fein. Man übergab, wie es fcheint, die Sache der Ver: 
geffenheit, aus welcher wir fie nicht zu ziehen vermögen, um 


1) Mon. Lus. T. VI. liv. 6, cap. 2. 


Regierung Affonfo’s IV., 1325—1357. 385 


mit genligender Kenntniß den Grad der Schuld eined jeden 
Betheiligten gewiſſenhaft abzuwägen. 
Nur das ift gewiß, daß Affonfo IV. das. Mistrauen und 
den Haß, den er als Erbprinz gegen feinen Bruder gehegt 
hatte, felbft auf dem Zhron und im unbeftrittenen Beſitze def: 
felben nicht ablegte, und daß er nach jener Ständeverfamm: 
lung feindſelig gegen Affonſo Sanches auftrat. Vergebens 
ſchrieb dieſer einen Brief voll Unterwuͤrfigkeit an den Koͤnig, 
betheuerte darin ſeine Unſchuld und verſprach, mit derſelben 
Treue, womit er ſeinem Vater gedient habe, auch ihm zu 
dienen. Der König verharrte bei feinen Geſinnungen. Nun 
fiel Affonfo Sanches, unterflüßt von dem caftilianifchen In⸗ 
fanten Philipp, mit feinen "Streiterhaufen in Portugal ein 
und richtete große Verheerungen an. Der Großmeifter von 
Avis, der an ber Spike einer anfehnlichen Kriegsfchaar ihm 
entgegenzog, warb geſchlagen. Des Infanten Glüd im 
Relde, vielleicht noch mehr die Vermittelung ber Königin Iſa⸗ 
bel, die auch unter dieſer Regierung zur Eintrachtsſtifterin in der 
Töniglichen Familie berufen zu fein fehien, führte endlich bie 
Verföhnung beider Brüder herbei. Affonfo Sanches erhielt 
wieder feine Beſitzungen Mebelin und Albuquerque. Er farb 
wahrfcheinlich im 3. 1329 '). 

Mehr noch ald die Unterflüsung, welche Affonfo Sarıches 
in Caftilien gefunden hatte, brachten die Verwidlungen, die 
in diefem Reiche flattfanden, den König von Portugal in 
vielfältige Beruͤhrung mit Caftilien. Hier hatte Alfonfo XT., 
um in ven Parteiungen, die bei feinem Regierungsantritt bie: 
ſes Reich verwirrten, den mächtigen und unruhigen Herzog 
Juan Manuel von Villena auf feine Seite zu ziehen, um bie 
Hand feiner Tochter Conftanza ſich beworben. Der Herzog, 
vol Freude und Stolz, feine Tochter zur Königin erhoben zu 
fehen, und vol Hoffnung Einfluß auf die Regierung zu ge 
winnen, hatte fogleich feine Einwilligung gegeben. Das Ber: 
loͤbniß war zu Valladolid im November 1325 gefeiert, die 
Che aber wegen Conſtanzens Jugend noch ni“ I. wor: 
. den. Juan Manuel ergriff fogleich des K Bald 


1) Sousa, Histor, geneal, T 
Schäfer Geſchichte Portugals 1 


386 Erſter Zeitraum. IL Bud. 2. Abfchn. 


aber entflanden Mishelligkeiten zwifchen Beiden. Der Herzog 
verließ die ihm amvertraute Stelle eines Grenzbefehlähabers 
(Adelantamiento de la Frontera) und zog fih nach Chinchilla 
in Murcia zurüd‘, ohne den König davon zu benachrichtigen 
und feinem Befehle, gegen die Mauren ind Feld zu ziehen, 
Folge zu leiften. Gonftanza entfernte. fih vom Föniglichen 
Hofe. Diefe Mishelligkeiten. benugte der König von Portus 
gal, um einen Lieblingsplan feiner Gemahlin. Beatrir, bie 
Bermählung ihrer Tochter Maria mit Alfonfo XI, audzufüh 
ren. Die Vortheile diefer Verbindung leuchteten bem König 
von Caſtilien ein; fein Verdruß über Juan Manuel und bie 
Furcht vor dem unruhigen Unternehmungdgeifte dieſes maͤchti⸗ 
gen Großen machten ihn noch geneigter auf den Antrag eins 
zugehen. Der Antrag wurde von einem andern nicht minder 
annehmbaren begleitet und unterftügt, indem ber König von 
Portugal zugleich eine Vermaͤhlung feines Erbprinzen mit 
Blanca, der Tochter des Infanten Peter von Caflilien, vor 
flug. Durch diefe Verbindung famen die väterlichen Erb⸗ 
länder der Blanca, welche einem Andern eine gefährliche 
Macht verliehen hätten, wieder an den König von Gaflilien, 
da der portugiefifche König ſich anheifhig machte, der Infans 
tin ähnliche Beſitzungen in Portugal einzurdumen. Bei die 
fen Ausfichten zauderte Alfonfo XL nicht mit Maria von 
Portugal fich zu verloben. Der Ehevertrag wurbe 1328 ab 
gefchloffen '), Ort und Zeit zum Empfang ber Gemahlin fefl: 
geſetzt; doch verzögerte Diefen den Ausbruch der Feindſeligkei⸗ 
ten, welche Iuan Manuel bei der Nachricht von des Königs 
neuer Verlobung anfing. Conſtanza war während ber Unters 
handlungen von Alfonfo XL nah Xoro gefchidt worben 
(Octbr. 1327), wo fie auf Befehl des Königs von dem Alcai⸗ 
den in Gewahrfam gehalten wurde, bis die Vermählung mit 
der Infantin von Portugal vollzogen war (im Sept. 1328), 
worauf Conflanza im November defjelben Jahres ihrem Va⸗ 
ter zurücigegeben wurde”). Bald nachher vermählte fich 


1) Er fteht in Sousa Provas-TT. I. p. 288. 


2) Florez, Memorias de las Reynas catholicaee, Secunda Ed. 
T. 2. p. 008. 


Regierung Affonfo’s IV., 1325—1357. 387 


uch der Kronerbe von Portugal mit Blanca, der Tochter des 
nfanten Peter von Gaftilien, die ihrem Gemahl fogleich nach 
)ortugal folgte ’). 

Meder die eine noch die andere dieſer von ber Politik 
efchloffenen Verbindungen war glüdlich. Afonfo’s XI. Ehe 
lieb lange Zeit kinderlos; feine Deffiung einen Kronerben 
ı erhalten verfchgand allmaͤlig. Um ſo mehr mochte er in 
inen Augen Entſchuldigung finden, als er, von unerlaubter 
jebe zu D. Leonore aus dem edlen Gefchlechte der Guzman 
itbrannt, mit ihr einen Sohn erzeugte (1330), der freilich, 
ech feine Geburt von der: Thronfolge auögefchloffen, jene 
yoffnung doch nicht erflillte und nur ein öffentlicher Beweis 
r Untreue des Königs gegen die Königin, ein Vorwurf für 
nen und eine Kraͤnkung für diefe war. Zur Freude des Koͤ⸗ 
igs und bed Reiches gebar die Königin endlich einen Sohn. 
Nein Alfonfo brach darum den Umgang mit Leonore nicht 
J.. Vielmehr gewann fie durch die Schönheit ihrer Geſichts⸗ 
dung, die Neize ihres Geiftes, Die liebenswürdige Anmuth, 
it welcher fie bemüht war in Allem dem König zu Gefallen 
ı Ieben, immer mehr Gewalt über ihn, fo daß fie nicht 
lein feine Geliebte, fondern felbft feine Rathgeberin in den 
eiften Dingen war?). Den Sram, den darüber die Koͤni⸗ 
n empfand, vermochte wohl ihr Vater in Portugal ihr nach⸗ 
fühlen. 

Auch bier war Die zwiſchen dem Kronerben und der ca⸗ 
lianiſchen Infantin geſchloſſene Ehe nicht gluͤcklich. Blan⸗ 
’8 koͤrperliche Leiden vernichteten alle Hoffnung auf einen 
hronfolgr. Man dachte fchon darauf die Verbindung aufs 
löfen. Auf Anfliften des Kanzlerd der Königin Maria, 
ernando’3 Rodriguez de Valboa, eines vertrauten Freundes 
van Manuel’8, wurde der Plan entworfen, den Erbprinzen 
it Conftanza, der reihen Erbtochter des Herzogs, zu ver 
ählen. Der Plan wurde mit allen Gruͤnden, die ihn em⸗ 
eblen Eonnten, den verfammelten Gortes in Santarem (1334) 


1) Mon. Lus, T. VI H- 
2) Florez.l, ı 


1335 


388 Erfter Zeitraum. 1. Bud. 2. Abſchn. 


vorgelegt und von ihnen genehmigt"). Je mehr der Stol 
des Herzogs durch die früher eröffnete und wieder verſchwun⸗ 
dene Ausficht, feine Tochter auf einem Königäthrone zu fehen, 
erregt worden war, um fo mehr fühlte"er fich gefchmeichelt, 
als Gonftanzend Hand von dem portugiefifchen Kronerben ge 
fucht wurde.  Dreihunderttaufend Dobras in Golb, welce 
er feiner Tochter zur Mitgabe verfprach, ſchienen durch ihren 
Klang feine Freude und feinen Stolz ubrüdenz; es war 
eine Summe, welche zu jener Zeit felbft nur wenige Könige 
töchter dem Gemahl mitzubringen im Stande waren. Die 
übrigen Bedingungen der Ehe waren fo, wie fie Eluge Vor 
ficht und die Erfahrungen, welche Iuan Manuel mit feine 
Tochter, der Erbprinz mit Blanca gemacht hatte, an die Hand 
gaben. Der Herzog verfpricht Freundfchaft und Buͤndniß mit 
der Krone von Portugal, und verpflichtet fih, ihr mit fena 
Perfon und feinen Ländern beizuftehen, wann und wie «8 e- 
foderlich fei, nur nicht gegen bie Kirche ober gegen feinen ne 
tuͤrlichen König, dem er nach Necht und Vernunft zu dienen 
fich fehnldig erachte. Dagegen fol ihm der König von Por 
tugal Hülfe Leiften, fo oft er fie fucht umd bebarf. Conſtanza 
berrfcht in den Ländern, die ihr zum Unterhalt ihres Haufe 
gegeben werden, frei und unbefchränft, wie die Königin Brl 
ted und andere Königinnen von Portugal in ben ihrigen ge 
berrfcht ‚haben. Dem Vater der Infantin ift erlaubt Die ver 
heirathete Tochter fo oft er will zu fehen, und zu, dem Imede | 
fo lang ed ihm beliebt in Portugal zu verweilen. Wem 
Conftanza das Alter der weiblichen Reife erreicht Haben wir 
(und nicht unfruchtbar ift), fo darf der Prinz feinem andern 
Weibe beimohnen?), Iſt das zweite Kind ber Che (man 
hoffe zu Gott, das erfte werde ein Prinz fein) ein Sohn, 
und verlange Diefen ber Herzog zum Nachfolger in feinen 
Ländern, fo fol er ihm ohne Widerrede gegeben werden 
Solgt Fein zweiter Sohn, fo wird dem Infanten Peter, Con⸗ 


1) Mon. Lus. T. VII. liv. 7. cap. 6 u. 7. Memor. da Litter. 
Port. T. II. p. 68. 


2) Die Schmach dieſes Artikels trägt der König: von Safliiie ; 
Alfonfo XL. u 


f 
1) ! 


| 


Regierung Affonfo’s IV., 1325 — 1357. 389 
ftanzens Gemahl, ober ihrem Exrfigebornen die Exbfolge in ie 


nen Ländern zu Theil; biefe duͤrfen auf Beinerlei Weife mit 


der Krone von Gaflilien vereinigt werben ') 

Muffte ſchon die Verfloßung der Blanca den König von 
Gaftilien beleidigen, fo verurfachte Die Vermaͤhlung des portu: 
giefifchen Kronprinzen mit der Tochter Juan Manueld, deſſen 
Berbindung mit Portugal ihn unter den beftehenden Umſtaͤn⸗ 
den fo gefährlich machte, dem König Alfonfo XI. einen noch 
empfinblicheren Verdruß. Das unſelige Verhältnig, in wel 
chem er felbft mit feiner Gemahlin lebte, war nicht geeignet, 
ihn, aus Ruͤckſicht auf die Königin, zur Schonung ihrer Ver: 
“wandten zu bewegen. Alfonfo XI zeigte auch fogleich feine 
Empfindlichkeit, indem er Conftanza, bie Verlobte des portu- 


giefifchen Kronerben, in Caftilien zurüchielt. Darauf griff der 


König von Portugal zu ben Waffen. Es Fam zu mehreren 
Gefechten zwifchen der portugiefifchen und caftilianifchen Flotte, 
in welchen die legtere, als die flärfere, die Oberhand behielt. 
Endlich vermittelten der Papft und der König von Aragonien 
einen Vergleich zwifchen beiden Kronen. 


Man verſprach von beiden Selten, alle gegenfeitig zuge: 
fügten Beleidigungen und veruͤbten Feindfeligkeiten einander zu 
verzeihen und zu vergeffen, und diejenigen Städte und Fe 
ftungen, welche die eine Partei der andern weggenommen 


10. Jul. 
1339 


habe, fogleich wieder herauszugeben. Die Infantin Conſtanza 


fol, um fich mit dem Infanten Peter zu vermählen, nad 
Portugal geführt werden, wann und wie fie will. Die Ins 
fantin Blanca dagegen wird als unfrudhtbar entlaffen und 
kehrt nach Gaftilien zuruͤck; fie behält jedoch ihren ganzen 
Brautfchag und Alles was fie fpäter erhalten hat. Der König 
von Caſtilien verpflichtet fich, die D. Leonor Nufiez von Stund 
an zu entfernen, und feine Gemahlin mit der ihr fchuldigen 
Liebe und Achtung zu behandeln. Beide Könige verfprechen 
fi) erfoderlichen Falls gegenfeitigen Beiſtand und geftatten 
dem König von Aragonien, wenn er will. ben Beitritt zu 
diefem Friedensvertrag. Ohne des Anbei Himemung darf 


1) Mon. Lus. T. VII. lir 


390 Erfier Zeitraum. II. Bud, 2, Abſchn. 


feiner der beiden Könige Frieden oder Waffenflilftand mit den 
Mauren von Granada oder Afrika fchlieffen '). 


2) Affonſo 8 Antheil an bem Sieg am Salado über 
die Saracenen. 


Große Rüftungen des Königs von Marocco zu einem Einfall in 
das chriſtliche Spanien. Die verföhnten Könige von "Por 
tugal und Gaftilien verbünden fich zur gemeinfchaftlichen Abs 
wehr der Gefahr. Belagerung von Tariffa. Ein Sturm 
zerſtoͤrt die caftilianifche Flotte. Die chriftlichen Könige ruͤcken 

mit ihren Heeren gegen die vereinigte Macht der Könige von 


Marocco und Granada. Schlacht und Sieg der Chriften 


am Salado. Ungeheurer Berluft der Saracenen. Affonſo 
von Portugal verfhmäht an der reihen Beute Theil zu 
nehmen. 


Der lebte Artikel des Friedenöfchluffes zwifchen ben Ks 
nigen von Caſtilien und Portugal wurde bald der wichtigere 
für beide Fürften, oder war es vielmehr fihon. Ohne die 
Furcht vor den Mauren würbe der König von Caſtilien nicht 
ſo bereitwillig die Hand zum Frieden geboten haben; in dem 
Grad aber Alfonſo jenen Feind zu fuͤrchten hatte, war ihm 
der Beiſtand ſeines Schwiegervaters wuͤnſchenswerth. Der 
furchtbare Sturm, der von Suͤden her uͤber das chriſtliche 
Spanien hereinzubrechen drohte, gebot die häuslichen Zwiſtig⸗ 
Beiten einzuftellen, und ermahnte die einander grolenden Ver⸗ 
wandten zur Einigkeit und zum freundfchaftlichen Beiftande. 
Die aufferordentlichen Kriegsrüftungen, welche der König von 
Marocco, Abul Haffan, machte, erfüllten den König von Ca 
flilien mit gerechten Beforgniffen. Durch die Tollkuͤhnheit feis 
ned Admirald, Zenorio, der mit wenigen caftilianifchen Fahr⸗ 
zeugen Die flarfe maurifche Flotte angegriffen und in einem 
unglüdlichen Gefechte feinen und feiner Schiffe Untergang ge 
funden hatte, war die caftilianifche Seemacht, die ohnedies 


1) Mon. Lus. Tom, VII. liv. 3. cap. 18. Cronica del Rey D. 


Alonsv XI. cap. 216, 


Regierung Affonfo’d IV., 1325 —1357. 391 


damals unbedeutend war, beinahe gaͤnzlich zu Grunde gerichtet 
worden. In dieſer Bedraͤngniß hatte der König’ feine Ge⸗ 
mahlin erfucht, daß fie ihren Water bewegen möchte Die pors 
tugieftfche Zlotte, die fih in gutem Stande befand, ihm fo 
lange zu überlaffen, bis die feinige wiederhergeftellt fe. Ma- 
ria, damals in Sevilla, hatte fogleich ihren Kanzler mit eis - 
nem fehr beweglichen Schreiben an ihren Water geſchickt, ihm 
die Gefahren, welche Spanien bedrohten, gefchildert und ihn 
dringend gebeten, mit feiner Seemacht ihrem Gemahle fo lange 
beizuftehen, bis die caflilianifche Flotte wieder gehörig ausge⸗ 
rüftet wäre ‘). Der König von Portugal’ verſprach feinen Bei⸗ 
fland zur See, und die Flotte erfchien zur Freude bed caftis 
Kanifchen Königs kurz darauf, unter ber Anführung Pezagno’s, 
vor Sevilla; doc weigerte fih der Befehlshaber der Weis 
fung Alfonfo’8 XI, mit der Flotte die Meerenge zu deden, 
Folge zu leiſten. Er fuͤrchte, erklaͤrte er, die allzugroße 
Uberlegenheit der mauriſchen Seemacht, und koͤnne nur vor 
Cadiz eine vortheilhafte Stellung nehmen. Wahrſcheinlich 
folgte Pezagno geheimen Verhaltungsbefehlen ſeines Koͤnigs. 

Unterdeſſen hatten die Galeeren Abul Haſſan's, waͤhrend 
die Meerenge von chriſtlichen Schiffen entbloͤßt war, binnen 
fuͤnf Monaten mehr als ſechzigtauſend Mann mit Waffen und 
Lebensmitteln uͤbergeſetzt. Die meiſten Mauren hatten auch 
ihre Weiber und Kinder mit fich geführt, weil man nicht 
zweifelte, daß der König von Marocco die ganze Halbinfel 
feiner Gewalt unterwerfen werbe. ine unermefllihe Mens 
fchenmenge ergoß fich über die Kuͤſte Spaniens, die noch un: 
ter maurifcher Herrfchaft fland. Mit der fleigenden Gefahr 
war fr Caſtilien die Nothwendigkeit des Friedens mit Portus 
gal und das Einverftänoniß beider Kronen dringender gewor⸗ 
den. Da ſchickte der König Alfonfo XL einen Gefandten an 
feinen Schwiegervater, ließ ihm danken flie die ihm geleiftete 
Huͤlfe, bat ihn für ‚ihre gemeinfame Sicherheit fernerhin 
wirkfam zu fein, und machte. ihm den Vorſchlag, feiner Seits 
geeignete Männer zu ernennen, Durch welche ber : 
schen den koͤniglichen Häufern von Portugal u 


1) Florez, Mem. de las Beynas, T. 


23. Sept. 
1340 


[4 


392 Erfter Zeitraum. I Bud. 2. Abſchn. 


auögeglichen und die lang erfehnte Einigkeit herbeigeführt 
werden möge. Affonfo IV. nahm ben Vorſchlag mit Freude 
auf. So kam der oben erwähnte Friede zu Stande. Con: 
ftanza, von ihrem Water bis an die portugiefifche Grenze be 
gleitet, wurde hier von den vornehmften Herren empfangen 
und nach Liffabon geführt, wo ihre Vermählung mit bem 
Infanten Peter mit großer Pracht gefeiert wurde. Die ge 
fehiedene Blanca kehrte nach Caſtilien zuruͤck und legte im 
Klofter lad Huelgas in Burgos den Schleier an. 

Sobald Abul Haflan von dem zwifchen Caſtilien und 
Portugal gefchloffenen Frieden und Buͤndniſſe Kunde erhielt, 
foderte er den König von Granada auf, feine Kriegsvoͤlker be 
reit zu halten, damit fie jeden Augenblid zu den feinigen flo 
Gen Fünnten. Died geſchah. Auch der König von Portugal 
z0g feine Streiterhaufen zufammen und feste ben König von 
Saitilien davon in Kenntniß. Bald erfuhr man, daß Abul 
Haflan die Abficht habe, die Stadt Zariffa, deren Beſatzung 
Alfonfo von Caſtilien einige Zeit vorher hatte verſtaͤrken laſſen, 
zu belagen. Es wurde fchnell noch ein caftilianifcher Heer⸗ 
haufen in den Pla geworfen. Zehn Tage fpäter erfchienen 
bie Könige von Marocco und Granada vor Tariffa, und fchid: 
ten ſich an den Platz zu erflürmen. Die Beſatzung benach⸗ 
richtigte den König davon und that häufige Ausfälle. Unter 
defien hatte Alfonfo XI eine Fleine Flotte (15 Galeeren, 12 
Schiffe und 4 Fahrzeuge) audgerüftet und ſchickte fie in bie 
Meerenge; die portugiefifche, die in Cadiz lag, erhielt 
Befehl, fich mit jener zu vereinigen; aber fie folgte nicht, aus 
unbekannten Gründen. Ald die caftilianifche Flotte auf ber 
Höhe von Tariffa erfchien, überlieffen fich die Belagerten ber 
größten Freude; Abul Haffan dagegen fürchtete mit Recht, 
wenn zu der caftilianifchen Flotte noch die portugiefifche ſtoße, 
feine Verbindung mit Afrika abgefchnitten zu fehen. Und in 
der That wagten ſchon jegt die Eleinen Fahrzeuge, welche ihm 
Lebensmittel zuführen folten, nicht mehr ſich zu nähern, aus 
Furcht weggefangen oder in Grund gebohrt zu werben. Die 
Theurung, welche dadurch im Lager der Saracenen entftand, 
bewog Abul Haffan Untethandlungen mit dem Feinde anzu= 
fnüpfen, um Zariffa durch Vergleich in feine Gewalt zu be; 


Regierung Affonfo’s IV, 1325—1357. 393 


kommen 9. Da erhob fich plößlich ein heftiger Sturm und 
fehleuderte die meiften caftiltanifchen Schiffe nach der Küfte zu. 
Nur der Admiral von Caftilien, der Prior von ©. Juan, 
rettete fich mit drei Galeeren; die übrigen wurden nach Gars 
thagena und an die Küfte von Walencia verfchlagen ?). Diele 
Shriften kamen im Meere um; bie fich retteten fielen in bie 
Gewalt der Saracenen. 

Nach diefem Ungluͤck, das die caftiltanifche Flotte betrofs 
fen hatte, hielt der König Krieggrath. Man beſchloß Tariffa 
zu entſetzen, es moͤge auch die ſchwerſten Opfer koſten. Die 
Koͤnige von Portugal und Aragonien wurden zu dem gefahr⸗ 
vollen Unternehmen eingeladen. Jenen ließ Alfonſo XI. durch 
ſeine Gemahlin bitten, ungeſaͤumt mit ſeinem Heere aufzubre⸗ 
chen und, uͤber Badajoz ſeinen Zug nehmend, mit ihm ſich 
zu vereinigen. Die Belagerten in Tariffa ermuthigte man 
durch die Ausficht auf baldige Huͤlfe zur Ausdauer, und gab 
ihnen die nöthigen Vorſichtsregeln. Unerwartet fchnell ftand 
Affonfo von Portugal mit feinem Heer vor Sevilla, wo er 
von dem caflilianifchen König und einem glänzenden Gefolge 
mit allen Zeichen der Hochachtung empfangen wurde. Nach 
kurzer Raſt brachen beide Könige an der Spitze eines ſtarken 
Heeres von ‚Sevilla auf, und rüdten in Fleinen Zagemärfchen 
vor, um bie Vereinigung der einzelnen Streiterhaufen mit der 
Hauptmaffe zu erleichtern. Unterdeſſen Fer such die Nachricht 
ein, daß zwölf aragonefifche Galeeren, von Pedro Moncaba 
geführt, angelangt wären; fie erhielten die Weifung, auf ber 
Höhe von Zariffa ſich aufzuftellen. " Endlich wurden die chrift: 
lichen Könige das feindliche Heer anſichtig. Der König von 
Granada hatte fein Lager neben dem des Königs von Marocco 
aufgefchlagen. Nachdem man über den Zufland des mauri- 
Ichen Heeres und Lager wie über Die Lage ber hriftlichen 
Befasung in Tariffa forgfältig Kunde eingezogen hatte, ward 
im Kriegsrathe befchloffen, daß der König von Caſtilien den 
Abul Haffan, Affonfo von Portugal den König von Granada 
angreifen ſolle. Die Befagung von Tariffa warb verftärkt, 

hung — _ 

1) Cronica del R- TE. cap. 245, 

2) Ib. cap. 248. - Mali: 


394 Erſter Zeitraum. IL. Bud. 2. Abſchn.. 


damit. fie deſto Eräftiger dem Feind in den Rüden fallen koͤnne. 
Enplih nahm bei Anbruch des Tages der König von Caſtilien 
das heilige Sacrament, alle Chriften aus Gaflilien und Por⸗ 
tugal folgten feinem Beifpiele; darauf ruͤckte man. in Schlacht⸗ 
ordnung dem Feinde entgegen. 

Nah am Fluſſe Salado flieffen die Chriften auf einem 
mauriſchen Heerhaufen, ber fich bier aufgeftellt hatte, um ik 
nen den Übergang zu verwehren. Ein Angriff der Gaftilianer 
auf diefe Saracenenfchaar wurde das Vorſpiel der berühmten 
Schlacht, die von jenem Fluſſe den Namen erhalten Hat. Sie 
. bemächtigten fich, nachdem fie den Übergang erzwungen, einer 

Anhöhe jenfeitd des Fluſſes umd griffen, durch einen Ausfall 
ber Belagerten unterflügt und mit biefen vereinigt, das Lager 
des maurifchen Königs an. Dreitaufend Reiter und achttau⸗ 
fend Mann maurifches Fußvolk wurden niedergehauen, che ſich 
bie Chriſten des Lagerd bemeifterten. Sobald Afonfo von 
Gaftilien ſah, daß dad Treffen begonnen hatte, ging er mit 
der Hauptfchaar über den Flug und kam, während eine Abs 
theilung voreilte, um eine Anhöhe voraus zu befegen, in per: 
fönlihe Gefahr, worin er ausgezeichneten Muth und Zapfers 
feit bewies. Man eilte dem König zu Hülfe und nun erſt 
warb der Kampf allgemein und blutig. Der Eaftilianer Freude 
darüber, daß fie ihren tapfern König gerettet haften, belebte 
ihre Kampfluft; den Saracenen fing der Muth an zu finten, 
und als fie erfuhren, daß die Befagung von Tariffa einen 
glücklichen Ausfall gethan habe und daß das maurifche Lager 
verloren fei, ergriffen fie ie die Flucht. Unter den Fliehenden 

ward von den Chriften ein großes Blutbad angerichtet. 

Der König von Portugal war an einer andern Stelle, 
aber ungehindert über den Salado gegangen, und hatte mit 
feinen Portugiefen und den Gaflilianern, welche ihm von ſei⸗ 
nem Schwiegerfohn anvertraut worden, ungeſaͤumt den Kb 
nig von Granada angegriffen. Der erfle Widerfland war 
hartnädig; doch gelang es endlich Affonfo IV. die Reihen ber. 
Feinde zu trennen und fie fammt ihrem König in die Flucht 
zu ſchlagen. Im Fliehen vereinigten fie fich mit den Trupf 
pen des Königs von Marocco, welche vor Alfonfo von Ca⸗ 
flilien flohen. Wen man von ihnen erreichte, warb niederge⸗ 


Regierung Affonfo’s IV, 1325 —1357. 395 


bauen. : Der König von Granada e ee, obgleich lebhaft ver: 
folgt, in der Nacht nad) Marbellaz ul Haſſan rettete ſich 
uͤber Algezira nach Ceuta. 

Von 400,000 Mann zu Fuß und 60,000 zu Pferd, 80. Oct! 
woraus das Heer der Ungldubigen beftand, kamen 200,000 1320 
Mann in der. Schlacht von Salado um. Die chriftlichen Koͤ⸗ 
nige zählten nur 40,000 Mann Fußvolk und 18,000 Reiter, und 
follen nur zwanzig Mann verloren haben. Die Spanier fahen 
biefen Sieg ald ein Wunder an, mit Recht, wenn man ihren 
Glauben an diefe geringe Einbuße theilt. Der Verluſt der 
Saracenen war fehwer zu berechnen, jedenfalls aber fehr groß. 
Sobald der König von Marocco in fein Reich zuruͤckgekehrt war, 
erzählt ein Genuefe, welchen Abul Haſſan über das Meer fchickte, 
um über feine gefangenen und getödteten Frauen und Söhne, 
wie über verfchiedene Große feined Reichs Erkundigungen einzu⸗ 
ziehen, ließ er die Zählungäliften (Alcamices), in welchen bie 
Namen Aller, die über dad Meer gegangen, aufgezeichnet was 
ven, herbeiholen und fand, Daß von ihnen 400,000 Menfchen 
fehlten. Aufferdem fagten mehrere Mauren dem König, ihre 
Glaubensgenoffen, die gegen die Chriften ins Zeld gezogen, 
wären fünf Monate lang täglich auf ſechzig Galeeren überges 
fahren, die Übriggebliebenen aber in zwoͤlf Galeeren in funfs 
zehn Tagen zuruͤckgekehrt 9. 

Unermefftiche Reichthliimer wurden im Lager ber. Saraces 

nen gefunden. Sie zu fehägen war nicht möglich, da der Sol 
dat die gemachte Beute meift unterfchlug, und viele nach Ara⸗ 
gonien und Navarra fich begaben, um das Entwendete nicht 
abliefern zu müffen. Die Schäge, die in das Ausland gingen, 
waren fo groß, daß in Paris, Valencia, Barcelona, Pam⸗ 
pelona und andern Orten, wo fie in Umlauf kamen, das 
Gold und Silber um den fechften Theil des gewöhnlichen Wer- 
thes herabfant ). Was an Geld und Koftbarkeiten von ber 
Beute an den König von Gaftilien geliefert wurde, befahl er 
in einen Saal ber Eöniglichen Burg zu bringen und Die ge 
fangenen Saracenen vor dad Thor derfelben zu führen. Dann 


1) Cronica del RäyAlenso XI. cap. 254. 
DI. ap, i 


396 Erfter Zeitraum. I. Bud. 2. Abſchn. 


Iud er den König von Portugal dahin ein und bat ihn, von 
der reichen Beute fich auszuwählen, was und foviel ihm gefiel. 
Affonfo ſchlug jedes Geſchenk aus und begnügte fi) mit dem 
Ruhm, den ihm fein Antheil an dem glorreichen Sieg erwor⸗ 
ben hatte. Nur auf dringendes, anhaltendes Bitten feines 
. Schwiegerfohned nahm er von den Gefangenen ben Neffen 
Abul Hafſans, Aboan, und einige andere vornehme Mauren, 
von Koftbarkeiten einige Säbel mit Evelfteinen befegt, und eis 
nige andere Kleinodien an, zum Andenten an ben großen Sieg 
der Chriften über die Ungläubigen. Dagegen war er nicht- zu 
bewegen, von der großen Menge bed Geldes, bad erbeutet 
worden, das Geringfte anzunehmen. 

Sp wenige zeitliche Vortheile ber Sieg von Salabo den 
König von Portugal brachte, fo wenige brachte er feinem 
Bolfe. Aber er gewährte beiden höhere Güter: dem König 
einen filberreinen Ruhmglanz und jene Selbftbelohnung, welche 
die uneigennüßige Hingebung an eine große Sache in fich 
trägt; dem portugiefifchen Wolfe das flolze Hochgefühl, an dem 
großen Zage, den die Chriftenheit feierte, ruhmvollen Antheil 
zu haben. Darum darf auch diefe Kriegsthat, eine Föftliche 
Perle in Affonſo's Krone und ein herrlicher Denkſtein in ben 
Erinnerungen der Nation, in den Iahrbüchern Portugals nicht 
unerwähnt bleiben. Und galt jener Kampf nur etwa dem 
Ruhm der Portugiefen? Galt er nicht auch der Sicher: 
heit, dem Fortbeſtehen des Staates? Wenn Abul Haſſan 
über die Gaftilianer geftegt hätte, würde er dann die Portus 
giefen gefchont haben? Und hätten dieſe allein wiberftehen 
koͤnnen? 

Die Verdienſte, die der Koͤnig von Portugal um ſeinen 
Schwiegerſohn ſich erworben hatte, indem er ihm, der Kraͤn⸗ 
kungen ungeachtet, die er ſeiner Tochter zugefuͤgt hatte, ſo be⸗ 
reitwillig und uneigennuͤtzig den kraͤftigſten Beiſtand leiſtete, 
ehrte Alfonſo von Caſtilien. Er begleitete ſeinen Schwieger⸗ 
vater, nach dem Siege von Salado, bis nach Cazalla de la 
Sierra, wo er unter Ausdruͤcken der Verehrung und Erkennt⸗ 
lichkeit Abſchied von ihm nahm. Seitdem lebten Beide in voll⸗ 
kommener Eintracht. Der König von Caſtilien ſoll den Um⸗ 
gang mit Leonore von Guzman abgebrochen und feine Ge: 


Regierung Affonfo’s IV., 1325 — 1357. 397 | 


mahlin fortan mit Achtung und Liebe behandelt haben. Die 
Gefahr, worin fein Thron und fein Reich gefchwebt hatte, und 
der Edelmuth, womit ihn Affonfo von Portugal aus derfelben 
hatte retten helfen, mufiten einen zu tiefen Eindrud auf ihn 
machen, ald daß fie in feinem Gedaͤchtniß fpurlos blieben. 
Der König von Portugal aber fah mit der Ruͤckkehr des ehe 
lichen Friedens am Hofe feines Schwiegtrfohnes, auch an ſei⸗ 
nem Hofe das Familiengluͤch das er lange entbehrt hatte, zu⸗ 
ruͤckkehren. 

Doch nur auf kurze Zeit. Ein duͤſteres, verhängnißvolles 
Geſchick waltete über feinem Haufe. Affonfo IV. konnte den 
Frieden ba nicht erwarten und feffeln, wo er felbft zuerft der 
Stimme der Natur den Krieg erklärt hatte. Um zu fühnen 
und an fich felbft zu rächen, was er gegen feinen Water Diniz 
verfchuldet. hatte, muffte Affonfo — fo fehlen es eine höhere 
Hand zu fügen — den eigenen Sohn durch) eine erfchlitternde 
That gleichjam herausfodern. 


3. Ermordung ber Ignez de Gaftro. 
Affonfo’s IV. Tod. Blick auf ihn als Menfhen und Regent. 


Mit der Infantin Conſtanza, der Gemahlin des Infanten 
Peter, war D. Ignez de Gaftro, eine Tochter des Pedro Fer⸗ 
nandez de Gaftro, ald Verwandte und Hoffräulein nad) Por: 
tugal gefommen. Ihre ausgezeichnete Schönheit und Anmuth 
bezauberte und fefjelte das Herz des Infanten, der mit dem 
feinem Charakter eigenen Feuer fich einer Liebe hingab, die fein 
Inneres um fo unbefchränkter beherrfchte, jemehr er fie vor 
den Bliden feiner Gemahlin und feines Vaters zu verbergen 
bemüht war. Dennoch konnte fie der Imfantin nicht unbes 
Tannt bleiben. Diele ſuchte mit kluger Maͤßigung der Leiden⸗ 
ſchaft nur Schwierigkeiten in den Weg zu legen, und hoffte, 
als ſie D. Ignez die Pathenſtelle bei dem Infanten Luiz ver⸗ 
treten ließ, durch dieſe geiftliche Verwandtſchaft ide⸗ 
wand zwiſchen ihrem Gemahl und D. Ignez 
Aber die Schwierigkeiten fachten die Flamme nur 
an. Conſtanza ftarb fchon im Jahre 134 


398 Erſter Zeitraum. D. Bud. 2. Abſchn. 


dem fie kurz vorher (18. Octbr.) von dem Infanten Ferdinand, 
dem nachherigen Thronfolger Pebro’d, entbunden worben war"). 
Sram über jene Leidenfchaft ihres Gemahls fol, nach Eini- 
gen, ihren Tod befchleunigt haben. 

Der Infant, der bis zu ihrem Hinfcheiden feine Gemah⸗ 
Im mit aller Achtung behandelt batte, war nun befreit von 
dem heiligen Bande, das er in feinem Innern wohl ſchon 
laͤngſt zerriſſen hatte, uͤberließ ſich ſeitdem mit weniger Ruͤck⸗ 
ſicht ſeiner Liebe zu Ignez und lehnte mehrere einladende Ver⸗ 
maͤhlungen, die ihm ſein Vater vorſchlug, ab. Vier Pfaͤnder 
der Liebe, welche Ignez dem Infanten nach dem Tode ſeiner 
Gemahlin ſchenkte, ſchienen das Geruͤcht zu beſtaͤtigen, daß 
Beide insgeheim vermaͤhlt ſeien. Man glaubte es zu Beider 
Ehre. Aber Pedro leugnete die Verbindung hartnaͤckig gegen 
ſeinen Vater. Was ihn dazu bewog, berichten uns die Chro⸗ 
niſten nicht und konnten wohl auch nicht berichten, was in 
der verſchloſſenen Seele Pedro's vorging und was zum Theil 
ihm ſelbſt nicht klar wurde. Er ahnete nicht, daß einſt der 
Schmerz uͤber den Verluſt der Geliebten ihm ein Geſtaͤndniß 
abdringen werde, das, jetzt gethan, das Verbrechen wahrſchein⸗ 
lich abgewendet haͤtte. Er wurde indeſſen von der Koͤnigin 
ſeiner Mutter, und von dem Erzbiſchof von Braga, Goncalo 
Dereira, gewarnt vor dem, was zu feinem Verderben im Ge 
heimen vorbereitet wurde. Allein diefe Warnungen, die ihm 
leere Drohungen fehienen, feine natürkiche Furchtlofigkeit, bie 
Liebe zu Ignez und der Glaube an bie Rechtlichkeit feines 
Vaters lieffen ihn forglos auf feinem Pfade fortwandeln. Uns 
terbefien bereitete das Verbrechen die blutige That vor, und 
fuchte auch die Eönigliche Hand dafür zu gewinnen. 

Mit neidifchem Auge und wachfendem Haffe hatten viele 
Große am Hofe und die Vertrauten des Königs das Anfehn 
betrachtet, welches Ignez's Brüder, beide Caftro, Fernando und 
Alvaro Perez, bei dem Infanten genoffen. Daß fie Ausländer 
waren, reichte hin fie verhafft zu machen. Schon Conftanza 
hatte viele Gaftilianer, die in ihrem Dienſte flanden, nad 
Portugal mitgebracht. Ihre Zahl vermehrte fich hier, befon- 


ı) Barbosa, Catalogo das Rainhas de Portugal. p. 292. . 


Reoterung Affonfo’s IV., 135—1357. 390 


ders feitdem Peter der Graufame den caftilianifchen Thron bes 
ftiegen hatte. Diele Misvergnügte verlieffen ihr Vaterland, 
und harrten im nahen Portugal auf beffere Zeiten und auf 
die erfehnte Ruͤckkehr. Andere, von des Königs Grauſamkeit 
verfolgt, retteten ſich auf portugiefiihen Boden und fanden 
hier eine gaftlihe Aufnahme. Der Infant behandelte die 
. Landsleute feiner Geliebten mit rüͤckſichtsvoller Aufmerkfamteit; 
von den Brüdern der Ignez wurden fie als Willkommene freundlich 
begrüßt. Um fo erbitterter waren bie Adeligen und die Höflinge 
Affonfo’s IV. über jene Sremblinge, die, wenn auch nicht uns 
ter diefer Regierung, deſto mehr in der folgenden ihr Anfehn 
zu beſchraͤnken und ihren Einfluß zu untergraben brobten. 
Ignez wurde ald der Anziehungspunct, die VBefchügerin und 
Gönnerin der verhafften Ausländer angefehen, und ob fie 
gleich nach ihrem jegigen geringen Einfluffe, und vielleicht auch 
nach ihrer Denkart ihre Landsleute nicht auf Koften der Pors 
tugiefen begünftigen konnte und mochte, fo fürchtete man doch 
Schlimmes für die Zukunft. Auf Ignez warfeh daher bie 
Mächtigen am Hofe und die Vertrauten des Königs al? ihren 
Haß. Indem fie ihn unter dem Scheine der Sorge: für das 
Wohl und die Ruhe ded Reichs und der Eöniglichen Familie 
verbargen, ftellten fie. dem König vor: wie Die Wohlfahrt des 
Staates ed fobere, daß der Infant fich wieder vermähle, diefer 
aber wegen feiner Liebe zu Ignez und bei feiner Zärtlichkeit 
für ihre Kinder jede anderweitige Vermaͤhlung ablehnen werde; 
wie die Brüder der Ignez, die beiden Caſtro, ſchon mächtig 
in Gaftilien, noch mächtiger in Portugal zu werden anfingen, 
und ihre Ehrfucht und Herrfchbegierbe, indem fie ihren Neffen 
auf dem portugiefifhen Throne zu fehen hofften, die Rechte 
und felbft das Leben des Infanten Berdinand, des Sohnes 
der Infantin Conftanza, gefährdeten. Diefe bange Beſorgniß, 
diefe drohende Gefahr, die über dem rechtmäßigen Thronerben 
fehwebe, werbe nur ber Tod der Ignez entfernen. Er warb 
befchloffen. | 

Von Montemor, wo ber blutige Entfchluß gefafft wurde, 
ging der König, von vielen Großen und Abeligen, unter an- 
dern Alvaro Goncalves, dem Meirinho mor des Reichs, Pedro 
Coelho und Diogo Lopes Pachero, Herrn von Ferreira, welche 


400 Erfter Zeitraum. Bud. 2. Abſchn. 


die vornehmften Rathgeber des Königs in diefer Angelegenkei 
waren, begleitet, nach Coimbra. Hier, im Klofter Santa 
Glara, lebte D. Ignez mit ihren brei Kindern (eind war ge 
florben) fchuld= und harmlos. Als fie die plögliche Ankunft | 
des Königs mit vielen bewaffneten Rittern vernahm, burd- 
fuhr eine fchredliche Ahnung ihre Seele. Ihr und ihrer Kin 
der Leben zu retten, ſah fie jeden Ausweg verfchloflen; de 
Infant hatte fi) — dies war bem König befannt — auf ei 
nige Tage auf die Jagd begeben. Bleich wie dad Bild be} 
Todes, zwei ihrer Lieblinge auf den zitternden Armen, warf 
fi) Ignez zu den Füßen des Königs, ald er in das Kloſter 
eintrat. „Herr! ſprach fie, warum willſt du mich töbten, ohme 
Urfachet Dein Sohn ift Zürft, ihm konnte und Tann id 
nicht widerftehen. Habe Erbarmen mit mir, mit einem Weibe! 
Toͤdte mich nicht ohne Grund! Und wenn bu Fein Mitleid 
mit mir haft, fo habe es mit diefen, deinen Enkeln, beinm 
Blute!“ Diefe und Ahnliche Worte, welche ber verhängnif: 
volle Augenblid dem Mutterherzen eingab, ihre Thraͤnen, der 
ruͤhrende Anblick ihrer Kinder, Tieblicher Wefen von unbefchreib; 
licher Schönheit, ergriffen, erfchltterten den König. Er zu; 
fi) aus dem Zimmer zurüd und fchien die Stimme zu hören, 
die in feinem eignen Innern für Ignez's Unſchuld ſprach. Aber 
die NRachfüchtigen ängftigte nun auch die Furcht vor ben Fol: 
gen des mislungenen Unternehmens, vor ber Rache. ded erzuͤrnten 
Anfanten. Sie beftürmten von neuem den gerlihrten, wankenden 
König mit vorgefpiegelten Gefahren, womit die Unglüdsftifterin 
Thron und Waterkanb bedrohe, und mifchten bittern. Zabel de 
Königs wegen feines Wankelmuths unter die gefteigerten Be 
forgniffe und Befürchtungen '). Gedrängt und beſtuͤrmt von 
allen Seiten entfielen ihm die Worte: „Thut was ihr wollt!" 
Sie thaten es. 

Ohne ein anderes Verbrechen, als daß fie Liebe mit Liebe 
erwibert hatte ”), fiel Ignez als fchuldlofes Opfer Des lang: 


1) A! Senhor, hörte man die Morbfüchtigen fagen, a ese escar- 
nio vimos nos cä: que se perca Purtugal por esta molher! Acen- 
heiro, Cronicas. pag. 109. 

2D)..... s6ö por ter sujeito 

O coracadö a quem soube vencella. "Lnusiad. Canto III. v. 197. 





Negierung Affonfo’s IV., 1325 — 1357. 401 


verhaltenen Haſſes. Diefelben Ritter, bie das Todesurtheil 
über fie gefprochen, vollzogen es auch und befledten ihre Hände 
als Henker, wie fie ihr Gewiffen als Rathgeber beflect hatten. 
Zugleich viffen fie den König zu einer Unthat fort, die wie ein 
fchweres, düfteres Gewoͤlk über feiner Regierung ſchwebt, und 
auf fie einen Schatten wirft, den der Menfchenfreund ſo gern 
aus ihr vertilgen moͤchte. 

Des Himmels Gericht und Strafe, ſagt ein gottesfurch—⸗ 
tiger Chroniſt, erging uͤber den Koͤnig Affonſo, als ſein Sohn 
ſich feindlich wider ihn erhob, wie er einſt wider ſeinen Vater 
Diniz fi) erhoben hatte‘). Aber Pedro hatte bisher feinem 
Vater alle Eindliche Achtung erwiefen, und Affonfo muffte — 
fo fchien ed die Vorfehung zu fügen — um feinen Sohn ge: 
gen fich zu empoͤren, ihm erſt die andere, liebfte Hälfte feines 
Lebens hinmorden. 

Ein namenlofer Schmerz ergriff den Infanten, als er 
nach feiner Ruͤckkehr die blutige Leiche feiner Ignez erblidte. 
Nur die Gluth feiner Liebe, als diefe ihren Wonnemonat 
feierte, glich dem Übermaße dieſes Schmerzes. Bald aber 
wechfelte mit dieſem Gefühle ein anderes, weniger ebeles, aber 
nicht weniger heftiges, das fchnell feine ganze Seele einnahm, 
— NRachbegierde. Gegen jede Mahnung von auffen und ins 
nen taub, fuchte fie unverwandt ihr Opfer. Mit ven Brüdern 
der Gemordeten, den beiden Gaftro und ihren Verwandten, 
mit einem Streiterhaufen, fo groß er ihn in ber Eile zuſam⸗ 
menraffen Eonnte, fiel Pedro in die Provinzen Entre Douro e 
Minho und Tras 08 Montes verheerend ein, ſchreckte vor allen 
die Eöniglichen Städte mit Feuer und Schwert, und firafte, 
von blinder Leidenfchaft getrieben, die Eöniglichen Untertha= 
nen (welche bald feine eigenen werden follten), um an bem 
König Rache zu Üben. Erft als fein wilder Verheerungszug 
an Porto feheiterte, das der Erzbifchof von Braga, Goncalo 
Pereira, vom König beauftragt, mit Kraft und Entfchloffenheit 


1)... ..e porque este houve letijos e volltas com Ell Bei, 
Denys seu pai, cujo sabedor da cullpa Deos que he direito Iufg) 
que este Rei seu filho o Ymfämte Dom Pedro fose, comtra 
Azenheiro, Cron. p. 108. 

Schäfer Geſchichte Portugals I. 2 


402 Erſter Zeitraum. D. Bud. 2. Abſchn. 


befchirmte, als die eindringlichen Vorſtellungen dieſes Prälaten, 
deffen Einfihten und wohlwolende Gefinnungen der Infant 
ſtets verehrt hatte, diefen auf die Bahn ber Pflicht zuruͤd⸗ 
wiefen und ihn fich felber wiedergaben, als die rührenden 
Ermahnungen, die mütterlichen Bitten der Königin in Guima 
rüed das Herz bed Sohnes milder flimmten, warb eine Aus 
föhnung zwiſchen Vater und Sohn möglich. 
5. Aug. Es wurde in Canavefed ein förmlicher Vertrag zwiſchen 
1355 Beiden abgeſchloſſen. Der Infant verſprach Allen, welche zu 
bem Tod der Ignez mit Rath und That beigetragen, Verzei⸗ 
hung; der König gelobte fie Jedem, ber mit dem Infanten 
Partei gegen ihn ergriffen habe. Zugleich verpflichtete fid 
Pedro, künftig in Allem ein treuer Vaſall ded Königs und ein ges 
borfamer Sohn zu fein, und alle Unruheftifter und Strafwuͤrdige 
aus feinem Umgange und feinen Befigungen zu entfernen 
Aufferdem beflimmten einige Artikel den Antheil, welchen be 
Erbprinz an den Regierungshandlungen fortan nehmen ſolle) 
Die Vertragsurkunde wurde durch einen feierlichen Eid, ben 
der Infant in Canavefed, Affonfo in Guimaräed und bie Ks 
nigin in Porto ablegte, bekräftigt, und durch eine Anzahl 
Ritter von beiden Seiten befchworen und gewährleiftet 2). 
Nicht volle zwei Jahre überlebte der König die Verſoͤh⸗ 
nung mit feinem Sohne. Affonfo mochte indeſſen empfunden 
haben, daß auch das feierlichfte Verfprechen des Infanten bie 
Mörder der Ignez nicht vor neuen Ausbrüchen feiner Mache 


1) Der König geftattete, daß ber Infant überall im Reiche, wo 
er fich aufhielt, die volle Königliche Iurisbiction in bürgerlichen wie in 
peinlichen NRechtöftreitigkeiten üben, und in feinem Namen bie Itrtheile, 
Beſchluͤſſe und Verfügungen erlaſſen dürfe; daß feine Duvibores über alle 
Gorregidoren und Richter des Königs erkennen könnten, in Allem jedoch 
nach den Gefegen des Reichs und ohne deren geringfte Berlegung verfah⸗ 
ven follten. Zobesurtheile, Amtöverlegungen und Vermögenseinziehungen 
müfften, ehe fie vollzogen würben, bem König vorgelegt werben, bamit 
diefer verfügen Eönne, was ihm babei zweckdienlich fchien. Wei den oͤffent⸗ 
lichen Bekanntmachungen durch Ausrufer follte die Formel beobachtet wer 
den: „Auf Befehl des Königs, feines Vaters, und in feinem Namen 
gebietet der Pring” u. f. w. 

2) Nunez do Liaö, Cron, del Rei D. Afonso IV. p. 187. 
Mon, Lus. Parte VII. liv. 10. cap. 20, 


Regierung Affonfo’s IV. 1325 — 1357. 403 


fchligen werde. Er ließ deshalb, als er in Lifjabon, wo er 
die legte Zeit lebte, fein herannahendes Ende fühlte, Diogo 
Lopez Pacheco, Alvaro Goncalves und Pedro Coelho, die vors 
nehmften Rathgeber und Vollitreder des Mordes, vor fich 
fommen, und gab ihnen im Beifein ded Prior von Crato, 
Goncalvez Pereira, den Rath, fo ſchnell als möglich und felbft 
mit Hintanfeßung ihres Vermögens, das Reich zu verlaffen, 
um im Auslande eine Sicherheit zu fuchen, welche fie nach 
feinem Zode in Portugal fehwerlich finden würden. Sie folgs 


ten feinem Rathe und flüchteten fi nah Caſtilien. Bald 


Darauf farb Affonfo IV. 28. Mat 1357. Ignez's Tod und 
feine Folgen fcheinen in feinen legten Tagen feine Seele am 
meiften befchäftigt zu haben. Ihr unfchuldig vergoffenes Blut 
bezeichnete ja auch die einzige Unthat, welche fein Alter be 
flecft hatte, wie der Ungehorfam gegen feinen Vater Diniz und 
ber Haß gegen feinen Halbbruber der einzige Zabel war, der 
feine Jugend traf '). 

Man hat von Affonfo IV. gefagt, Daß er ein undankbarer 
Sohn, ein ungerechter Bruber, ein graufamer Vater gewefen 
ſei. Wohl möchte es fchwer fein, den König in diefen Bezie⸗ 
hungen zu rechtfertigen oder auch nur zu entfchuldigen. Es 
find gerade die zarteſten Gefühle der menfchlichen Bruft, welche 
bier verlegt wurden und welche jeden Berfuch einer Ber: 
theidigung des Angellagten fogleich vereiteln. Am fchwerften 
möchte Affonfo als Sohn zu entfchuldigen fein; das moralifche 
Urtheil aber, dad wir hiebei auf der Stelle zu fällen geneigt 
find, ermangelt der geſchichtlichen Unterlage. Die und erhalte: 
nen Nachrichten von dem wahren Verhälthiffe zwifchen Vater 
und Sohn find fo dürftig und ungenügend, der Verwicklun⸗ 
gen aber bier fo viele möglih und wahrſcheinlich, daß eine 


klar und volftändig angeftellte Klage faft eben fo fchwer iſt, 


als eine Widerlegung berfelben. Über des Königs Verfahren 
gegen feinen Bruder find die Nachrichten nicht befriedigender; 
aber hier, wie bei feinem Benehmen gegen feinen Sohn, liegen 


1) Naö havia em el Bel “ng reprehender, senäo 
maculata sua mocidade com »nptra seu pai, 0 vel- 
hioe com o sangue da im» Lias. p. 190. 


1357 


404 Erfter Zeitraum. I. Bud. 2. Abſchu. 


gewiffe Erklärungsgründe klarer vor. Affonfo ſah in fich mehr 
den Negenten, ald daß er auf die Stimme des Menfchen in 
feinem Innern horchte. Die Grundfäge, die er ald Regent 
glaubte befolgen zu müffen, orbnete er denen unter, welde 
ihm ald Menfchen hätten werth fein follen. Wenn jene fpra 
chen, mufften diefe fehmweigen. Jenen folgte er, als er vom 
Throne herab hart, ja graufam gegen feinen Bruder und fe- 
nen. Sohn handelte. Wie jedoch feine Bruderliebe ſchwaͤcher 
wor als feine Sohnesliebe, fo hielt er feine Regentenpflichten 
gegen feinen Sohn, der ficher fein Thronfolger wurde, für 
dringender, ald gegen feinen Bruder, der ihm die Krone kaum 
freitig machen konnte! Im diefen Anfichten beftärkte ihn Die herr: 
ſchende Politif des Zeitalter, das die Schuld mit ihm theilte. 
Nur die Staatöflugheit ſchloß Ehen und loͤſte fie auf mit 
gleicher Leichtigfeitz die Stimme der Humanität und ber Liebe 
blieb dabei unberüdfichtigt. Pedro's Herz mochte immerhin 
bluten, ald Ignez von ihm geriffen und niebergefloßen wurde, 
ed war in den Augen des Vaters eine ſtreng gebotene, un: 
vermeinliche Regentenhandlung. Im Übrigen hielt der König 
in feinem Haufe auf Zucht und gute Sitten; feine Ehe mit 
Brites konnte man glüdlich nennen, und Alfonfo’s XI. Lebens: 
wandel würde er auch dann ſtrenge getabelt haben, wenn feine 
Tochter nicht das Opfer deffelben gewefen wäre. Gleichwol füh: 
len wir und nicht hingezogen zu dieſem Fürften, und Eönnen ihm 
ald Sohn, Bruder und Vater unfere Liebe nicht zumenben. 
Aber er verdient ald Regent unfere Achtung. Auf Dem Thron 
Dachte er koͤniglich; hier, wo er feinen eigentlichen Beruf fand 
und feine eigentliche Beſtimmung fah, war feine Denkungs: 
weife hochherzig. Daß er der aufopfernden Hingebung an 
eine große Sache und edler Großmuth fähig war, bewies er, 
ald er feinem Schwiegerfohne, der ihn empfindlich gekraͤnkt 
hatte, in großer Gefahr am Salado Hülfe brachte. Bor Al: 
lem empfanben es feine Unterthanen, daß er feine Regenten 
pflichten über Alles fegte. Ihr Wohlſtand gebieh unter feine 
Fräftigen Regierung, und nur Unglüdsfälle die nicht in de 
Königs Hand fanden, unterbrachen und hemmten Die.fortfchre: 
tende Entwidlung der Kräfte ded Landes und feiner Bewoh⸗ 
ner: ein furchtbares Erdbeben, das Liffabon i. 3. 1344 ver 


Regierung des Königs Pedro L, 1357 —1367. 405 


heerte, und die Peſt von 1348, welche einen großen Theil dei 
portugiefifchen Bevölkerung hinwegraffte. Daß die Wunden, 
welche diefe Unfälle dem Lande fchlugen, fo bald wieder ver⸗ 
narbten, verdankt es wohl vorzüglich dem weifen Schuße, den 
der König durch Handhabung der Gefege der freien Entfal- 
tung der Volksthaͤtigkeit angebeihen ließ. Er hielt auf firenge 
Nechtöpflege und ſchuͤtzte mit Träftiger Hand einen Jeden in 
feinem Eigenthbum. Die Wünfche und Beduͤrfniſſe des Volkes, 
die in den verfchiedenen Corteöverfammlungen, die er berief’), 
auögefprochen wurden, hörte und befriebigte er mit landesvaͤter⸗ 
licher Sorgfalt. Hier und bei andern Gelegenheiten gab er uͤber 
verfchiedenartige Gegenflände der Staatsverwaltung eine Menge 
Geſetze und Verordnungen ?), deren Zweckmaͤßigkeit ihnen bie 
Aufnahme indie fpätern Gefeßfammlungen verfchafft hat. 


Dritter Abſchnitt. 
Regierung des Königs Pedrol. 
(Bon 1357 bis 1367.) 


1. Handlungen des Königs in Abfihr auf Ignez de 
Caſtro. 


Der Koͤnig von Caſtilien, durch ein Freundſchaftsbuͤndniß mit Pe⸗ 
dro von Portugal verbunden, liefert dieſem die Moͤrder der 
Ignez aus. Zwei derſelben laͤſſt Pedro auf eine grauſame 
Weiſe hinrichten. Schickſale des entflohenen Pacheco. Der 
Koͤnig beſchwoͤrt, daß er mit Ignez kirchlich getraut geweſen. 


1) Cortes von Evora 1325, von Santarem 1831, ebendaſelbſt 1884, 
Cortes von Coimbra 1335, von Santarem 1340, von Liſſabon 1852. 
Die in den Cortes gegebenen Geſetze, ſofern fie in die Ordenag. Affons. 
aufgenommen worben, finden fich nachgewiefen in den Memor. de Litter. 
Portug. T. II. p. 61. 


2) Sie müflen an einer andern Stelle berädfichtigt werben. 


406 Erſter Zeitraum. D. Bud. 8 Abſchn. 


Zwei Zeugen befräftigen es eidlich. Feierliche und öffentliche 
Verkuͤndung der fattgefundenen Vermaͤhlung. Zweifel ber 
Beitgenofien. Ignez's Leiche, mit Zeichen ber koͤniglichen 
Mürde geſchmuͤckt, wird von einem zahlreichen Trauergefolge 
"von Coimbra nah Alcobaga geführt. 


Als Pedro (geb. 8. April 1320) Im fiebenundbreiffigften 
Lebensjahre den ‚näterlichen Thron beftieg, erfreute fich das 
Reich der Ruhe im Innern und bed Friedend mit den Nach 
barländern. Es lag Fein Anlaß vor zu irgend einem Zerwuͤrf⸗ 
niffe mit Spanien oder einem entfernteren Staate ). Die 
war das Merk und Verdienft Affonfo’3 IV., ein ſchoͤnes Erbe, 
das er feinem Sohne hinterließ. Pedro wuffte es zu ſchaͤten; 
er erhielt den Frieden, ſo lange er lebte. 

Um ihn mit Caſtilien zu befeſtigen, ſchickte der Koͤnig bald 
nach ſeinem Regierungsantritt den Ayres Gomes da Silva und 
Goncçalo Annes de Beja als Geſandte an den König Pedro, 
um die Vertraͤge, die zwiſchen beiden Kronen beſtanden, zu 
erneuern und zu beſtaͤtigen. Der Koͤnig von Caſtilien, dem 
die Freundſchaft Portugals um ſo erwuͤnſchter ſein muſſte, je 
beunruhigender die ſchwierige Stimmung in ſeinem Reiche 
wurde, empfing die portugieſiſche Geſandtſchaft mit ſichtbarem 
Wohlgefallen, und erwiederte ſie, indem er Fernando Lopez 
de Stunigna in gleicher Abſicht an den Koͤnig von Portugal 
abordnete. Im folgenden Jahre kamen caſtilianiſche Geſandte, 
ber Oberſchatzmeiſter des Königs, Samuel Levi, der Alguazil 
mayor von Sevilla, Gutierez Tello und Gomez Fernandez be 
Soria, nad Evora, wo fich der König damals befand, und 
fchloffen ein neues Buͤndniß mit demfelben ab. Jeder Theil 
verpflichtete fich, „der Freund der Freunde und der Feind der 
Feinde ded Andern zu fein,” und ihm, fo oft er aufgefodert 
werben würde, mit feiner Land» und See Macht beizuftehen. 
Man zielte- damit auf Aragonienz allein der König von Pors 


1) EI (D. Pedro) per morte del Rei achou o Regno sem nen- 
huma briga, per que ouvesse daver contenda com nenhum Rei da 
Espanha, nem doutra provencia mais alomjada. Lopes, Cron. d’EI 
Rei D, Pedro p 37. in ber Collecgaö de Livros ineditos de Historia 
Portuguesa. Tom. IV, 


MNegierung des Könige Pedro L, 1357 — 1367. 407 


tugal verfprach uͤberdies ausdruͤcklich, den von Caſtilien in 
feinem Kriege mit Aragonten zu unterflüßgen, und warb fonach 
den Verträgen untreu, welche feine Vorgaͤnger für fi) und 
ihre Nachfolger mit dieſer Krone gefchloffen und mehrere Mal 
beftätigt hatten '). Bermählungen zwifchen der portugiefifchen 
und caftilianifhen Königsfamilie follten den Bund und bie 
Freundfchaft beider Negenten befiegeln. Die Infantin. Beatriz, 
ältefte Xochter des Könige Pedro von Caſtilien, wurde zur 
Gemahlin ded Infanten Fernando, des portugiefifchen Thron⸗ 
erben, beſtimmt. Die Infanten João und Diniz, der Ignez 
Söhne, wurden mit den caftilianifchen Infantinnen Conſtanza 
und Sfabel, Töchter der Maria de Padilla, verlobt. 

Ob bereits in biefem Vertrage zwifchen ben Königen von. 
Gaftilien und Portugal die gegenfeitige Auslieferung der Fluͤcht⸗ 
linge, wie Einige annehmen, durch einen geheimen Artikel 
feftgefegt wurde, oder ob, was wahrfcheinlicher iſt, einige Zeit 
barauf der König von Gaftilien, gedrängt von Aragonien, des 
portugiefifchen Beiſtandes bebürftiger, und befannt mit Pebro’s 
heiffem Wunſche, die Mörder der Ignez in feiner Gewalt zu 
haben, den König von Portugal durch das Verfprechen ihrer 
Auslieferung fich geneigter machen wollte, ift nicht zu er⸗ 
mitteln. Doc nur die Zeit der Übereinkunft beider Könige 
ift ungewiß; fie felbft, von dem König von Gaftilien zuerft 
eingeleitet, wird durch ihre Vollſtreckung beurfundet, Durch ein 
Creigniß, das die yortugiefifche und noch. mehr bie caſtiliani⸗ 
fhe Nation mit Schrecken und mit gerechtem Umwillen gegen 
ihren Koͤnig erfüllte”). Der König von Portugal machte ſich 
anheiſchig, die caflilianifchen Adeligen und Ritter, die (aus 
Furcht vor des Königs Graufamkeit) einen Zufluchtdort in 
Portugal gefucht und gefunden hatten, Mem Rodriguez Teno⸗ 
rio, Ferrand Gudiel von Toledo und Kortun Sanchez Calderon, 
dem König auszuliefern. Pedro von Portugal verlangte bages 
gen bie Mörder der Ignez, die, vor feiner Mache fliehend, auf 

1) Lopes, Cron. p. 38. ” 

2) Muito perdeo el Rei de sua boa fama per ale 
este, o qual foi avudo em Portugal e em Castella por 
ınal. Lopes, Cron. p 85. 


1360 


408 Erſter Beitraum. I. Bud. 3. Abſchn. 


caftilianifchem Boden auch der Strafe entflohen zu fein hofften, 
Alvaro Gonçalves, Meirinho mor, Pedro Coelho und Diogo 
Lopes Pacheco ’). 

Die Auslieferung gefchah. Die caftiliantfchen Ritter wur: 
den in Sevilla hingerichtet. Die Portugiefen Gongalves und 
Coelho wurden gefangen nach Santarem geführt, wo fie das 
Todesurtheil erwartete. Pedro genügte nicht die Strenge beö 
Gerichts; er befledte fi und fein Andenken durch Büge em: 
pörender Grauſamkeit. Dem Pedro Coelho ließ er das Her 
durch die Bruft, dem Alvaro Goncalves das feine durch bie 
Achfel heraudgiehen. Sie ertrugen den ungeheuren - Schmer 
mit Ealtem Muthe. „Lege, ſprach Coelho zu Dem Henker, ber 
ihm das Herz auszuziehen im Begriff war, lege die Hand an 
die linke Seite und du wirft ein Herz finden, ſtaͤrker als das 
eines Stiered und treuer ald das eined Pferdes”). Darauf 
wurden beide Verbrecher, während der König an Tafel faß, 
vor feinen Augen auf dem Plage vor der Eöniglichen 
verbrannt. Ä 

Pacheco war entlommen. Ein Bettler, dem er oft U 
mofen gegeben hatte, vernahm, ald die Thore der Stadt, wor: 
in Pacheco lebte, gefchloffen wurden, die Gefahr, in welcer - 
fein Wohithäter fchwebte, und eilte ihn davon zu benachrichti 
gen. Es gelang: ihm verdachtlos das Stabtthor fich oͤffnen 
zu laſſen und dem unkundigen Pacheco, der: mit den Seinigen 
gerade auf der Sagd war, die Schredendfunde zu binterbrin- 
gen. Auf des Bettlerd Rath z0g der Ritter deſſen aͤrmliche 
Kleidung an, fhlug den Weg nad) Aragonien ein und erreichte 
bie Grenzen von Frankreich, wo er bei dem Grafen Henrique 
de Traſtamara eine Sreiftätte fand. Jener arme Mann aber 
hatte nicht allein dem Pacheco das Leben gerettet; die Vorſe 


hung wollte, daß er auch dem König ein Verbrechen erfparte. 


Kurz vor feinem Tode erinnerte fich Pedro auf dem Kranken: 
bette, wie er nach der Hinrichtung des Alvaro Gonçalves und 


1) Auffer den portugiefifchen Chroniken vergl. P. Lopez de Ayals, 
Cronica del Rey D. Pedro. p. 811. 

2) Ch. Rodr. Acenheiro, Cronicas dos Reis de Portugal, 
p. 126. in ber Collegaö de Livros ineditos de Hist. Portug. T. V, 


Regierung des Königs Pedro LJ, 1357 — 1367. 409 


Dedro Coelho von der Unfchuld des entflohenen Pacheco am 
Morde der unglüdlichen Ignez fich "überzeugt habe, befahl das 
Urtheil über ihn zu vernichten und ihm alle feine Güter zu⸗ 
ruͤckzugeben. Pedro's Sohn, dem König Fernando, warb nad 
feinem Regierungsantritt der Seelengenuß, dieſen lebten ver- 
föhnenden Willen feines Vaters zu vollziehen '). 

Pedro hatte dem Andenken der unglüdlichen Ignez und 
feinem unverföhnlichen Rachegefühl die Mörder derfelben . ges 
opfert. Einem .edleren Gefühle feine Herzens that er nicht 
lange nachher Genüge. Er befchloß die Ehre der Unglüdlichen 
noch über ihrem Grabe zu retten, indem er vor allen Großen 
des Reich und vor feinem ganzen Volke feine Vermaͤhlung 
mit der Hingefchiebenen öffentlich befenne. In Gegenwart ſei⸗ 
ned Mordomo mer, ded Grafen von Barcellos, des Joäo 
Affonfo, feines Kanzler, des Vaſco Martins de Soufa, bed 
Meftre Affonfo das Leys und Ioad Efteves, feiner-Vertrauten 
und vieler andern Ritter und Großen des Reichs, fo wie des 
Tabelliad Gonzalo Pires, den er nach Gantanhede befchieben 
hatte, fchwur hier der König, die Hände auf das Evangelien: 
buch legend, einen feierlichen Eid: daß er vor fieben Jahren 
mit D. Ignez de Caſtro, als feiner rechtmäßigen Gemahlin, 
in Braganza ſich habe trauen laſſen und mit ihre als folcher 
bis zu ihrem Tode gelebt habe; daß er aber die eheliche Vers 
bindung bei Lebzeit feines Vaters verfchwiegen, aus Mistrauen 
und Furcht vor demfelben ). Die Rüdficht falle nun weg, 
und er fühle fich gebrungen, um jeben Zweifel bei Andern zu 
zerftreuen und fein Gewiffen zu erleichtern, Öffentlich jene Ver: 
mählung zu befennen. Er befahl varauf dem anmwefenden 
Tabelliäo, Jedem, der ed verlangen würde, eine Urkunde dar⸗ 
über auszuftellen. oo 

Drei Tage ſpaͤter verfammelten fi in Coimbra, in dem 18, zu 
Gebäude, wprin damals die Vorlefungen über die Decretalen 1364 
gehalten wurden, der Graf von Barcellos, Vaſco Martins 
de Souſa und Meftre Affonfo das Leys, mit Zuziehung des 
* Tabelliad Geral des Reichs. Hier gelobten der Bifchof von 


1) Lopes, Cron. d’El Rei Pedro. p. 114. 
2) Urfundlich: „por receio e temor que del avia.“ 


40 Erſter Zeitraum. IL Bud. 3. Abſchn. 


Guarda, Sil, und der Guadaroupa des Königs, Efleväo Las 
bato, welche ald Zeugen der Vermählung vorgeladen waren, 
durch einen feierlichen Eid auf das Evangelienbuch, daß fie 
in diefer Angelegenheit die Wahrheit ausfagen wollten. Jeder 
wurde einzeln befragt. Der Bifchof bezeugte durch einen Eid» 
ſchwur, Daß ex ald Dechant des Bisthumd, was er Damals 
gemwefen, vor ungefähr fieben Jahren (des Monatd und Tages 
erinnere er ſich nicht) in Braganza von dem damaligen Ss 
fanten in das Fönigliche Zimmer, worin D. Ignez de Gaflro 
fich befunden habe, gerufen worden wäre, und auf die Erklaͤ⸗ 
rung des Prinzen, er wolle fie zu feiner Gemahlin nehmen, 
beide unverweilt nach den Gebräuchen der Kirche getraut habe, 
Daffelbe beſchwur Efteväo Lobato, der ald alleiniger Zeuge ber 
Vermaͤhlung beigewohnt hatte; er erinnerte fih noch, Daß fie 
an einem erften Januar flattgefunden habe). 

Während diefe Zeugen abgehört und ihre Ausfagen nieder 
gefchrieben wurden, verfammelten fich zu den oben Genanntn 
noch die Bifchöfe von Kiffabon, Porto und Viſeu, der Prior 
von Santa Cruz in Coimbra, viele andere höhere und niebere 
Geiſtliche, Edle und Kitter, eine große Menge Volkes. Nach⸗ 
bem der Verſammlung Stille geboten, hielt der Graf von 
Barcellos einen Öffentlichen Vortrag, worin er die wefentlichen 
Puncte der flattgefundenen Vermählung, wie fle von dem König 
Öffentlich geftanden und befchworen, von den Zeugen ausgefagt 
und durch einen feierlichen Eid befräftigt worden, zufammens 
fafite ). Noch konnten Bedenklichkeiten obwalten in Hinficht 
auf die Rechtmäßigkeit der Ehe nach den Gefeßen- der Kirche, 
da der Infant und Ignez in verwandtfchaftlihen Verhaͤltniſſe 
fianden ). Um auch »iefe zu entfernen, ließ der Graf eine 
päpftlihe Bulle vom 18. Februar 1325 vorlefen, in welche 


1) Instrumento, porque El Rey D. Pedro recebeo por pa- 
lavras de presente a D. Ignez de Castro, aus dem Torre do Tombo 
gedruckt in Sousa’s Provas. Tom, I p. 275. Berg. auch Lopen 
Cron. p. 72 ess, 

2) Den Vortrag hat wörtli Lopes, Cron. p. 74. 

5) Em ser a dita D. Enez sobrinha do Rey D. Pedro que ora 
he filha de seco Primo com Irmaö. 


Regierung des Königs Pebrok, 1357 — 1367. 411 


Papft Johann XI. dem Infanten erlaubte, ungeachtet der 
Verwandtfchaft mit der Verlobten, die Ehe zu fehlieffen '). 

Ungeachtet aller diefer Beweiſe, Zeugniffe und Eide follen 
fehon damals, fo berichten die Chroniften, Zweifel an ber 
Wahrheit der Vermählung des Infanten mit Ignez vege ges 
worden und die Meinungen der Zeitgenoffen, felbft derer, Die 
jener feierlichen Verſammlung beigemohnt hatten, getheilt ges 
weten fein. Während die Einen dem koͤniglichen Wort und 
den Eidfchwüren der Zeugen Glauben ſchenkten, hielten Andere 
die angebliche Wermählung fin erdichte. Wenn fie wirklich 
ftattgefunden, Aufferten diefe, und vom Infanten aus Zurcht 
vor Affonfo verheimlicht worden wäre, was habe nach bei 
Vaters Tod den König gehindert, fogleich zu erklären, was 
er erft jest nach vier Jahren erfläre? Auch fei e8 ſchwer zu 
glauben, meinten Andere, daB man von einem fo merkwiͤndi⸗ 
gen Ereigniffe, wie die heimliche Trauung eines Thronerben 
gegen den Willen ded Vaters und der Großen, den Monat 
und Tag vergeffen habe, zumal wenn ed, wie von einem ber 
Zeugen ausgefagt worden, der erfle Januar, ein fo leicht gea 
merkter Zag, gewefen fei. Andere dagegen fanden darin ges 
rade einen Beweis fir die Zuverläffigkeit der Zeugen; ihre 
Ausfagen winden fonft m Tag und Monat des Ereigniffes 
ficherlich uͤbereingeſtimmt haben ?). 

Diefelben Leidenfchaften, welche Ignez in das Grab ges 
ſtuͤrzt hatten, konnten auch ihre Ehre über demfelben und felbft 
ben Glauben an die Wahrheit der Eidſchwuͤre ihres koͤniglichen 
Ehrenretterd und Fürfprecherd hinmorden. Zwar die gehaffte 
Ignez war nicht mehr zu fürchten, aber ihre. Söhne lebten 
noch, und an fie knuͤpften fi nun Befürchtungen und Hoff 
nungen, die Leidenfchaften des Haffes ımd der Liebe. Bon 
biefen beherrfcht und durch fie getrennt, flanden fchon Damals, 


1) Die Bulle tft der obenerwähnten Urkunde, welche bie Kinder ber 
Ignez, die Infanten Joäo und Diniz und bie Infantin Beatriz, von 


den Verhandlungen über die Bermählenga “ieflen, einverleibt. 
Sousa, Provas. T. I. p. 278. ’ 
2) Lopes, Cron, p. 76 wm. "yon. del 


Rei D, Pedro. p. 218, 


42 Erſter Zeitraum. U. Bud. 3. Abſchn. 


wie es fcheint, zwei Parteien in Portugal feindlich gegenein- 
ander, und Parteihaß entftellte oder leugnete jene Thatſache; 
er macht uns den Zweifel wie den Glauben daran verbächtig. 
Mehr aber als damald der Parteihaß fuchte achtzehn Jahre 
fpdter die Politik den Glauben an die Vermählung Pebro’s 
mit Ignez zu erfchüttern, ald die Folgen derfelben und bie 
Rechte, welche man daraus herleitete, gewichtuoller, für Thron 
und Land einflußreicher wurden. Als entfchiebener Beſtreiter 
der gefchloffenen Ehe trat ein Mann Öffentlich auf, der zu 
jener Zeit für dad Drafel der Rechtöfunde in Portugal galt. 
João das Regras, deffen Geift und Beredtſamkeit João IL 
nicht weniger verdankte, ald dem unbefiegten Schwert feine 
Gonnetable Alvares Pereira, befämpfte in der entfcheibenben 
Stunde , in welcher die Neihöftände in Coimbra (1385) die 
Zhronfolge beftimmen ſollten, mit allen Waffen, die ihm feine 
vielgeuͤbte Schlauheit, fein juriftifcher Scharffinn. und feine na⸗ 
türliche Wohlredenheit darboten, eine Xhatfache, die feinem 
Ziel, der Erhebung des Großmeiflerd von Avis auf den por 
tugiefifchen Thron, entgegenftand ). Wohl mochten alle 3u 
börer erflaunen über die Dinge, die fie hier hörten und von 
denen fie vorher nichts gewuſſt hatten 9. Das Erftaunen 
laͤhmte ihre Zungen; aber die ganze Werfammlung zauberte 
mit ihrem Glauben, und wir müffen es nicht minder. Es re 
den zu und Worte, gefprochen von dem, in deſſen Seele die 
Zhatfache feſt und Elar fliehen muffte, und in einer Stunde, 
in welcher der Nebel der Taͤuſchung finft und die Wahrheit 
mit unwiderftehlicher Gewalt ihr Recht fodert. Pedro nennt 
in feinem Zeflament, das an dem Tage vor feinem Hinſchei⸗ 
den ausgefertigt wurde, die Infantin Ignez feine Gemah⸗ 
lin’). Er wiederholt bier, gleichſam vor dem Sarge, ber 


1) Seine Xufferungen über Pedro's Vermählung mit Ignez find 
am grünblichften geprüft und widerlegt von Barbosa, Catal, das 
Rainhas. p. 313 — 832, 


2) Foraö todos muy espantados por ouvir taes cousas de que 
antes parte naö sabiad, Fern. Lopes, Cronica d’EI Rey D, 
Joaö I. Part. I. cap. 191. 

5) Item mandamos, que entreguem aos filhos da Infante D. Ig- 
nez, que outro si foy nossa mulher, a quinta de Canidelo, que 


Regierung bes Königs Pedrol, 1357 — 1367. 413 


feine Leiche am folgenden Tage aufnehmen follte, das Geftänd- 
niß, das er fech8 Jahre vorher in jener feierlichen Verſamm⸗ 
lung abgelegt und befehworen hatte. 

Nach diefer Verſammlung befchlog nun ber. König, ber 
Ehrenrettung feiner Gemahlin die Krone aufzufegen. Er gab 
Befehl, ihre Leiche in Alcobaca feierlich zu beftatten, und ließ 
ihr in diefem Eöniglichen Klofter, der Ruheſtaͤtte feiner Ahnen, 
ein prächtiged Grabmal von weiſſem Marmor errichten. Ein 
Standbild auf demfelben flellte Ignez de Caſtro mit der Krone 
auf dem Haupte ald Königin dar, ein rührendes Denkmal der 
Liebe für die Mit: und Nachwelt. Darauf wurden ihre Über- 
tefte aus dem Klofter Santa Clara, wo fie bisher geruhet hatten, 
genommen, emporgerichtet, mit den Zeichen der koͤniglichen Würde 
geſchmuͤckt und in Eoflbare Gewänder gehült. Ihren Saum 
füfften die Ritter und Großen des Reiches zum Zeichen und 
ald Anerkennung ihrer Unterthänigkeit ). Der Sarg, der, mit 
goldgeſtickten Tüchern reichlich umhangen, ihre Leiche umfchloß, 
wurde von Coimbra bi8 Alcobaca, fiebzehn Legoas weit, von 
Nittern getragen. Viele Große und Prälaten, Edelfrauen, 
Kitter, Geiftliche folgten ihr in langem Zuge. Tauſende von 
Menfchen flanden auf beiden Seiten des Weges mit brennen 
den Fackeln, fo daß diefe den ganzen Trauerzug und bie 
Straße von Coimbra bis Alcobaca erhellten. Hier angelangt, 
wurden ihre Überrefte feierlich der Grabftätte anvertraut, neben 
welcher der König eine ähnliche für fich errichten ließ, damit 
er im Tode an der Seite feiner Gemahlin ruhe. So wurde 


era sua, 6 todo aquello, que della ouvemos, como no deviamos pera 
o darem por sa alma, como ella mandou em seu testamento. Sousa, 
Provas. T. I. p. 279. Der Königin Brites, der Mutter Pedro’s, war 
defien Ehe mit Ignez nicht blos bekannt, fondern fie erkannte ſchon meh⸗ 
rere Jahre vor Pedro's oͤffentlichem Belenntniffe ihre Rechtmäßigkeit 
offenbar an. Würde fie fonft, bei ihren ftrengen Grundfägen, in ihrem 
Zeftament vom Sahre 1368 die Söhne der Ignez Infanten genannt, 
und biefe Enkel in ihrem legten Willen eben fo gut bedacht haben, als 
die Kinder der Infantin Conſtanza? S. das Teſtament in Sousa’s 
Provas. T. I. p. 228 


1) Diefe Eingelheit entnehmen wir nur neuer on Ge: 


fchichtfchreibern; die uns zu ‚Gebote flehenden Gh 12, 
Nunez do Lioö und Azenheiro enthalten m 


413 Erſter Zeitraum. TIL Bud. 8 Abſchn. 


D. Ignez wie zwifchen zwei unabfehlichen Sternenreihen zur 
ewigen Ruhe gebracht. Die Ewigkeit ihres Andentens bhienie 
ven ift ihr Durch das unauslöfchliche Mitgefühl in jeber Mes 


ſchenbruſt gefichert. 


2. Die Corteöverfammlung in Elvas im Fahre 1361. 


KBefchwerden und Anträge der Corte, koͤnigliche Entſchlieſſungen. 
Neue von Pedro eingeführte Geſchaͤftsordnung für die hoͤchſte 
Staatsbehoͤrde. 


In dem naͤmlichen Jahre, in welchem Pedro durch die 
oͤffentliche Ehrenrettung der Ignez de Caſtro und ihre feierliche 
Beiſetzung als Koͤnigin den Angelegenheiten ſeines Herzens 
und ſeiner Familie Genuͤge that, bewies er durch Regierungs⸗ 
handlungen, daß ihm nicht minder das Wohl ſeines Volkes 
am Herzen lag. Er berief die Staͤnde des Reichs, „um einige 
Beſchwerden kennen zu lernen, welche, wie man ihm geſagt habe, 
ſeine Unterthanen uͤber Bedruͤckungen koͤniglicher Beamten er⸗ 
hoben haͤtten, und welchen der Koͤnig nach Recht und Gerechtigkeit 
abzuhelfen willens ſei). Am 23. Mai 1361 verſammelten ſich in 
Elvas die Infanten, der Erzbiſchof von Braga und die Biſchoͤfe 
des Reiches, die Übte und Prioren, viele Ricoshomens unb 
Fidalgos, wie die Abgeorbneten der Städte und Fleden. Die 
Letztern trugen ihre Beſchwerden und Gefushe mündlich und 
fchriftlich vor. Der König beantwortete jeden Antrag einzeln, 
- nachdem er ihn mit feinen Raͤthen und mit den Einfichtsvoll 
ften des Reichs berathen hatte. Auf gleiche Weife verfuhr ex 
mit den Befchwerben des Klerus. So entflanden die neunzig 
allgemeinen Artikel, welche die Anträge des dritten ober viels 
mehr des weltlichen Standes und die Eöniglichen Entfchlieffun 
gen enthalten; ebenfo die dreiunddreiffig Artikel, welche die 
Klagen und Gefuche der Geiftlichkeit und die Antworten bes 


1) Worte der Einleitung gu dieſen Corteöverhandlungen. Memorias 
para a Historia, e Theoria das Cortes geraes, que em Portugal 
se celebraraö . . . pelo 2° Visconde de Santarem. P. IL, Documen- 
tos. p. 3. Ä | 


Regierung des Könige Pedrol, 1357-1367. 415 


Königs begreifen). Viele Befchwerben der weltlichen Stände 
betrafen Gegenftände, worüber in den unter Affonfo IV. ge 
haltenen Cortes Geſetze gegeben worden waren, über deren 
Derlegung oder Nichtbeachtung man jest klagte. Vorzuͤglich 
werden die Corted von Kiffabon vom Jahre 1352 in jener Bes 
ziehung erwähnt, und es bleibt daher zweifelhaft, da Pedro's 
Negierungsantritt ungefähr in die Mitte zwifchen den Corted 
von Liffabon und den jegigen in Elvas fällt, ob die Vernach⸗ 
laffigung jener Gefege mehr den legten Regierungsjahren Afs 
fonfo’8, oder den erſten Pedro's, oder beiden gleich fehr zur Laſt 
gelegt werden muß. 

Die meiften Artikel der Corted von Elvas betreffen Be⸗ 
ſchwerden Über die Eöniglichen Beamten, bald über Vernach⸗ 
laffigung ihrer Veruföpflichten, bald uͤber Überfchreitung ihrer 
Befugniffe und ihrer Amtögewalt, befonderd über Eingriffe 
berfelben in die Gerechtfame und Freiheiten der Gemeinden, 
und wir finden hierin wenigſtens einen Erflärungsgrund, 
wenn auch Feine Rechtfertigung der bisweilen an Grauſamkeit 
grenzenden Strenge Pedro's gegen pflichtvergeffene Beamte. 
Neben den Klagen über Beamtendrud und den Bitten um 
Aufrechthaltung der Vorrechte der Gemeinden bilden die Ans 
träge auf Entfernung der Hinderniffe, die dem Aderbau und 
bem Verkehr im Wege fländen, einen Theil des Inhalts Dies 
fer Cortesverhandlungen. Steifinnig und unverhohlen legen die 
Gemeinden felbft folche Befchwerden vor, welche die Perfon 
und den Hof des Königs angehen. Nächft dem Gemeindewes 
fen ift die Juſtizverwaltung vornehmlich Gegenftand dieſer 
Ständeverfammlung. 


In der Bereitwilligfeit, womit der eben nicht leicht zu 
beruͤckende Koͤnig den erhobenen Beſchwerden abzuhelfen und 
die gewuͤnſchten Maßregeln zu nehmen verſpricht, liegt zugleich 


1) Dieſe find ſaͤmmtlich ber erſten allgemeinen Geſetzbuch, ben Or- 
denagoens do Rey D. Affonso V. einverleibt worden, und bilden bem 
fünften Zitel des zweiten Buches mit ber Überfchrift; Dos Artigos, 
que forom acordados em Elvas antre El Rey D. Pedro, e a Clere- 
zia. Von den Artikeln des weltlichen Standes finden fi eipu 
zig in jener Gefegfammlung. 


416 Erſter Zeitraum. I, Bud. 3. Abſchn. 


deſſen Eingeſtaͤndniß, daß jene Beſchwerden gegründet feien, 
und während wir hiebei Pedro's entfchiedenen Willen, den 
Wuͤnſchen feines Volkes entgegenzulommen und deſſen Wohl 
auf jede Weife zu fördern, ehren lernen, gewähren uns bie 
wichtigeren Anträge dieſer Cortes belchrende Blide in ben 
Semeindehaushalt und auf den Zuftand des Volkes und ver: 
Finden und deſſen Wünfche und Beduͤrfniſſe. 


Daß die Gemeinden die Betätigung ihrer Gerechtfame, 
Freiheiten und Gewohnheitörechte von dem König verlangten‘), 
würde mehr im Sinne jened Gebrauch zu verſtehen fein, 
wonach fie Feine Gelegenheit verfäumten, ihr gutes altes Recht 
im Gebächtniffe des Königs wieder aufzufrifchen und zumal 
von jedem neuen Herrfcher feierlich befldtigen zu laffen. Allein 
die Gemeinden Plagen bald darauf, daß die Almorarifer und 
andere Eönigliche Beamten in mehreren Orten täglich) gegen 
ihre alten Rechte und Freiheiten bandelten”), ohne jedoch bei 
biefen Klagen auf genauere Angaben und Nachweifungen (we 
nigftens nicht fehriftlich) fich einzulaffen. Der König verlangt 
Diefe, und verfpricht eben fo allgemein, über der Aufrechthals 
tung ihrer Privilegien wachen zu wollen. Auf ein bedenkliche: 
red Necht bezog fich die. Beſchwerde Uber die Eöniglichen Gor- 
regidores, daß diefe die Ordnungen (Posturas), welche einige. 
Gemeinden zu ihrem Wohl und zur Abwendung jeglichen 
Schadens ſich felbft gaben, oft widerriefen; fie verlangten, 
daß jene deshalb zur Strafe gezogen würden. Der König be 
willigte ihnen died, wie dad Recht der Autonomie, nach wie 
vor, jeboch mit der ausbrüdlichen Bedingung, daß ihre Ge 
meindeordnungen nie den Beftimmungen diefer oder früherer 
Cortes wibderftreiten dürften‘). Ehenfo foderten fie das ur: 
alte, ihnen durch die Foraes verliehene Recht, ihre Ortsrich⸗ 
ter (die Juizes und Alvazis) felbft zu wählen, wieder zuruͤck, 
da in mehreren Orten der Gebrauch eingedrungen war, daß 
der König die Richter mit großen Beſoldungen, welche bie 


1) Art, 14. 
2) Art. 29. 
3) Art. 21. 


Regierung des Königs Pedro I. 1357—1367. 417 


Gemeinden zahlen mufften, anftellte, obgleich diefe, wie fie 
behaupteten, eben fo taugliche Perfonen in ihren Orten hät 
ten. Der König fah fich genöthigt ihr altes Recht ihnen 
wieder zuruͤckzugeben und ſich diefer Eingriffe zu enthalten ”). 
Mit ihnen hing ein anderer Eingriff des Königs in die Com⸗ 
mwmalverfaffung zufammen. Er ertheilte Gemeindeangehörigen 
Freibriefe, wodurd fie von ber Verpflichtung, Gemeindebeam⸗ 
ten, Vormuͤnder oder Euratoren zu werden, entbunden wur 
den. Es entftand daher Mangel an brauchbaren Männern, die 
ganze Laft fiel auf Wenige, und gerade oft die Faͤhigſten ent: 
zogen ſich auf jene Weife dem Gemeindedienft, der fichtbar 
darunter litt). Auf die Beſchwerde der Gemeinden, daß, 
wenn der König in einer Ortfchaft eintehre, die ihn begle- 
tenden Ricoshomend und andere. Große fi) bei ehrbaren Wit⸗ 
wen und bei Frauen, deren Männer gerade abwefend wären, 
einlagerten und dadurch den guten Namen derfelben gefähr 
deten, erwieberte ber König, daß die Einlagerung Fünftig 
nicht anders als mit feiner ausdruͤcklichen Erlaubniß gefchehen 
fole ). Er verfpricht den Gemeinden feinen Töniglichen Bei⸗ 
ftand, wenn Mächtige fich weigerten, wie e8 an einigen Or⸗ 
ten gefchehen, den gefeglichen Foderungen der Gemeindebeam- 
ten Folge zu leiften, und diefe aus Zurcht vor jener Gewalt 
ihre Amtspflichten zum großen Nachtheil der Commune vernach⸗ 
läffigten. Die Eöniglichen Gorregidores find in dieſem Kalle 
angewiefen, jene Mächtige zur Erfüllung ihrer Obliegenheiten 
gegen die Gemeinden zu zwingen‘). De König verfpriht 
ferner durch eben diefelben Corregidores die Bifchöfe und Äbte 
wie die Ordensmeiſter anzuhalten, daß fie ihre Häufer in ben 


1) Art. 9. Nicht unbemerkt dürfen wir den Wink des Königs 
laffen: e facam direito e Justica de guisa que nom ajamos razom de 
tornar a ello pera Ihis seer tranhado. Nad der Antwort des Königs, 
wie fie in den Orden. Affons. (liv. 8. tit. 125) fich findet, darf kein 
Beamter vor Ablauf von drei Jahren von der Gemeinde wieder gewählt 
werden. 

2) e os logares ficayam por hy peior regudos. Art. 45 

3) Art. 56, 

4) Art. 72. 

Schäfer Geſchichte Portugals I. 27 


448 Erſter seitraum I. Bud. 3. Abſchn. 


Städten und gleiten ausbeffi em, die wüften Ländereien unb 
Weinberge, die fie in den Gemarkungen: der Gemeinden bes 
figen, bebauen und außftellen lieffen ). Während die Gemeins 
den die großen geiftlichen und weltlichen Grundbefiger aufs 
muntern und felbft nöthigen mufften ihre Laͤndereien zu bes 
fielen, ſahen fie fich felbft in ihrer Iandwirthfchaftlichen Thaͤ⸗ 
tigkeit gehemmt und Flagten, daß ein Zodfeind der Zandleute‘) 
die Srüchte ihred Fleiſſes ernte umd verzehre, fie felbft in Ar- 
muth ſtuͤrze und viele Aldeas und auch koͤnigliche Laͤndereien 
in wuͤſte Einoͤden verwandele, — das Wild, das zu toͤdten 
ihnen verboten ſei). Der König geſtattete es allenthalben 
zu toͤdten, auſſer an den Orten, wo es ſchon fruͤher von ſei⸗ 
nem Vater und ihm gehegt worden waͤre. Er zeigte ſich 
gleich bereitwillig, andere Hinderniſſe des Ackerbaues und der 
Biehzucht, der Flußſchifffahrt und des Handels, auf welche er 
aufmerkſam gemacht wurde, zu entfernen *). 

Naͤchſt diefen Gegenfländen, die dad Gemeinwohl und 
dad Gemeindewefen betrafen, war ed .die mangelhafte Juſtiz⸗ 
verwaltung, welche Befchwerden veranlaffte und neue Ges 
fege oder die beſſere Handhabung der beftehenden nöthig 
machte. 

Schon in Gortesverfammlungen unter Affonfo IV. war 
feftgefeßt worden, daß die Gorregidored der Comarcas in 
Rechtöftreitigkeiten, die vor. den Richterſtuhl der Ortsrichter 
gehörten, nicht entfcheiden follten. Deffen ungeachtet glaubten 
die Stände Urfache zu haben, über unbefugte Eingriffe der 
Corregidores in die Ortögerichte zu lagen, um fo mehr, da 
bie Gemeinden aus Furcht vor diefen Beamten nicht wagten 
ihnen zu wiberfprechen, und fie Feine gefegliche Strafe in 


1) Art. 1, 2, 

2) Emygos mortaaes dos homens da nossa terra. 

8) .... e que parecia muy sem razom veer dampnar a vinha 
ou a lavoira porque se aviam de mantar e que lhi custava grande 
. algo a lavrar e a fruytar e noın ousar de toruar hy e que ja por 
direito se fosse homem que he melhor e de mays nobre condicom e 
Iho fezess poderia hi tornar. Art. 85. 


4) Art. 77, 13, 12 uw. a. 


Negierung des Könige Debro L, 1357 —4367. 410 


Schranken hielt. Der König befahl, bie von feinem Vater 
deshalb erlaffenen Verordnungen fireng zu befolgen, und ging 
Dabei fo gerade und durchgreifend. zu Werke, daß er den Cor⸗ 
regidored gebot eine Abfchrift von ben Amtsoorfchriften, bie 
er ihnen gegeben habe, einer jeden Gemeinde ihrer Comarcas 
mitzutheilen, damit dieſe beurtheilen koͤnne, ob der Corregidor 
ihnen gemäß handle‘). Auf gleiche Weiſe verbot der König, 
in Folge erhobener Befchwerben der Stände, den Corregidores 
und Ouvidores die Entſcheidung in Sachen, Die in die Polis 
zeigerichtöbarfeit (Almotacaria) der Gemeinden, bie benfelben 
von jeher zugeflanden habe, einfchlügen. Über diefe Gegen⸗ 
ftände follten allein die Almotaces der Gemeinden entfcheiven, 
von beten nur an die Ortörichter (Juizes ordinhairos) appellirt 
werden duͤrſe. Won den Urtheilen dieſer finde keine weitere 
Berufung flatt?). Es wurben ferner die Fälle beftimmt, im’ 
welchen NRechtshändel und Werhaftete an ben Eöniglihen Hof 
gebracht werden follten”).. Diejenigen die wegen Vergeben . 
angeklagt waren, erhielten Sicherheitöbriefe (Cartas de segu- 
ranca), kraft deren Solche, die man eined Todtſchlages befchuls 
digte, vor den Eöniglichen Ouvidores, und Solche, die many 
geringerer Vergehen ſchuldig hielt, vor den Ortsrichtern fichers 
geftellt wurden, bis über ihre Verhaftung gerichtlich erkannt 
worden war. Nur die Verbrechen des Verrathes und Mein⸗ 
eides konnten auf diefe Wohlthat keinen Anfpruch "machen *); 
Der koͤnigliche Mordomo fol in Zukunft Perfonm, bie er 
verhaftet habe, dem ordentlichen Richter, wenn dieſer ihre 
Auslieferung verlange, unter Teinerlei Vorwand vorenthalten. 
Sie follen vielmehr, ehe man fie ind Gefängmiß führt, vor 
ben Richter geftellt werden‘). Der Klage der Stände, daß 
Fidalgos und andere geehrte Bürger, die von den Corregido⸗ 
res verhaftet worden, biöweilen neben gemeine, mit Ketten 


1) Art. 11. Ordenag. Affons. liv. 1. tit, 28,6. 7. 
2) Art. 6. oo —— 
8) Art. 82, Ordenag. Affons. liv. 5. tit. 56. 28 
4) Art. 54. Ordenac. Alfons, liv. 6. at 

5) Art, 11. — 


450 Erſter Zeitraum. IL Bud. 3. Abſchn. 


gefeffelte Werbrecher eingekerkert und mit biefen in die Ge 
sichtöftube geflihrt würden, warb durch angemeffene Maße: 
geln abgeholfen”), Auf die Befchwerbe der Fidalgos und 
Savalleiros, daß, ungeachtet ihrer Verdienfle um den Thron und 
das Meich, ungeachtet ihrer mohlerworbenen Rechte und Frei: 
heiten: auf Eöniglichen Befehl bei ihnen die Folter und. beſon⸗ 
ders Schläge angewendet würben,. in Fällen, in denen das 
Geſetz fie nicht geſtatte, verfprach der König, nur nach ben 
beftehenden- Sefegen zu verfahren, und bie Vorrechte bes 
Wels zu ehren?). Überhaupt wurde die Folter oft geſetzwi⸗ 
vilg von Den : Eorregibored und ben Richtern angewendet. 
Sie bedienten ſich ihrer vornehmlich in der Unterfuchung ge 
den: Solche, die eines Vergehens verbächtig waren, auf dem 
die-Folter-fland, und verweigerten den Angefchuldigten die 
Appellation / woche fie dieſe ergreifen wollten. Oft ‘aber fand 
is fich, daß Der Verdacht ungegründet war und der Gefol- 
terte :fehuloles: den: Schmerz und die Schande erduldet hatte. 
Pedro wies dem Gebrauch der Folter in die Schranken des 
GSeſetzes und befahl Die Appellätion in diefem Falle anzu: 
nehmen’). - 

* Mähren: bie Stände Beſchwerde erhoben. über Gewalt: 
misbrauch der koͤniglichen Beamten und gefegwibeige Anwen⸗ 
dung der Unterfuchungsmittel, klagten fie zugleich über die 
Entziehung des geſetzlichen Beiſtandes vor dem Richterſtuhl 
and: jeglichen Rathes in Rechtshaͤndeln. Schon vor Pedro's 
Regierung hatte man bie Advocaten vielfältig heſchuldigt, daß 
fle bis Proceſſe unnöthig verlängerten, . die Parteien überfor- 
detten u. I. m; Die dagegen. esgriffenen Maßregeln wareh 
dä Erfelg geblieben, und jene.Rlage dauerte fort. Pedro, 
Des im: Eie für Reit und Gerhtigeit leicht zum ' Kuffefien 


1. 


1) Art. 79. 

2) Art. 88," Ordenac. Aflond.- iv. 5. tit. 89%: Sie Hapten: . 
que por esto ficavam defamados em tanto que ja se dhi em deante 
nom aviad,;por homens pera ‚praga nem pera conversar antre boas 
companhas que ab nosso sorvige” e ewperamento da nossa terra 
fazia mester. .. 

8) Art. 71. Ord. Aff. liv. 5. tit. 88. 


To 


Regierung des Königs Pedro L, 1357—1367. 421 


fchritt, glaubte das Übel: mit der Wurzel auszureiffen, Indem 
er ben Befehl gab, daß weder am Hofe, noch im ganzen 
Reich Advocaten geduldet werden follten '). Aber die Cortes 
von Elvas flellten ihm vor: „wie das Volk fich gedruͤckt fühle 
durch Das jüngft erlaffene Geſetz, dem gemäß Jedem bei. Le- 
benöftrafe und Verluſt ded Vermögens an die Krone verboten 
fei, der Advocat, Procurator, Beiltand und Rathgeber eines 
Andern in Rechtöftreitigfeiten Öffentlich oder insgeheim zu fein, 
auffer wenn er von dem König ausdrüdlich dazu ernannt " 
worden wäre. Es bünfe ihm wunderlih, daß ihre Väter, 
Söhne, Verwandten und Freunde, ihre Hausgenoſſen, Dienft: 
boten und Arbeitsleute, die des echtes gänzlich unkundig, 


ber Kundigen Rath und Beiftand entbehren follten. Sie ver: . 


lören deshalb oft ihr gutes Recht und ihre Eigenthum. Nie 
mand möchte mehr fich Kenntniffe erwerben, weil er fie nicht 
benugen dürfe, und fo werde der Mangel an Rechtöverftändi- 
gen immer fühlbarer werden. Sie bäten Daher den König zu 
verfügen, daß Jedem erlaubt fei in feinen Nechtöftreitigkeiten 
Rath und Beiſtand bei Rechtderfahrnen nach Gutdünfen zu 
fuchen.” Die Gemeinden nahmen felbft das alte Herkommen, 
wonach in den Städten und Ortfchaften die Beamten berfel: 
ben und die Gemeinderäthe ihre Advocaten und Sachwalter 
ſich felbft wählen und ernennen durften, ohne vorher Durch 
Eönigliche Schreiber dazu ermächtigt zu fein, als ein Recht in 
Anſpruch. Der König fah fich gendthigt, das Eine wie das 
Andere zu bewilligen. Nur follte mächtigen und angefehenen 
Perſonen verboten bleiben Sachwalter und Bertheidiger ‚eines 
Andern zu fein, wie dies bereitö in. den Cortes von Santa⸗ 
rem (Art. 54) unter Affonfo IV. feflgefegt worden war ?). 
Endlich befchwerte fi) der dritte Stand über Eingriffe 
der geiftlichen Gerichtöbarkeit in Die der Ortörichter, über Be 
drüdungen von Seite der geiftlichen Erbeber u. f. w.°). 
Aber dieſe Befchwerden beziehen fich ebenfo wie die breiund- 
dreiffig Beſchwerden, welche der Klerus in-t 3 fıber 
1) Lo pes, Cron. d’EI Rei D, Pedrr T m 
2) Art. 36 u. 37. un 
8) Art. 49. 58. 60.75. =. 


“= 


423 Erſter Beitraum. IL Bud. 3. Abſchn. 


Beeinträchtigung feiner Vorrechte und Freiheiten vorbrachte, 
mehrentheild auf frühere Beſtimmungen und Verordnungen, 
und koͤnnen nur’ im Zufammenhang mit diefen begriffen und 
gewürdigt werden. Sie werden deshalb in der Darftelung 
der Verhältniffe der Geiftlichkeit eine paſſendere Stelle finden. 
Der Klerud und die weltlichen Stände begegneten fich 
vhbrigens in einer Befchwerde, die den König felbft oder viel 
mehr feine Gefchäftsführung, die Erledigung der an ihn ge 
‚ richteten Gefuche, betraf. Beide wichen nur darin von einan- 
der ab, daß der Klerus feine Klagen über Verzögerung, na⸗ 
mentlich durch die häufige Abwefenheit des Königs während 
der Jagdzeit, allgemein faffte; die weltlihen Stände aber 
bauptfächlich Über das Werbot des Königs, nach einer abſchlaͤ⸗ 
Higen Refolution zum zweiten Mal in der nämlichen Sache eins 
zukommen, fich befchwerten‘). Diefe Beſchwerden bezogen 
fih auf eine neue Gefchäftsordnung, welche im Frühling Dies 
ſes Jahres?) der König ſich ſelbſt und ſeinem Staatsrath vor⸗ 
gezeichnet hatte, und die in ihren Hauptzuͤgen hier mitgetheilt 
wird, weil ſie in mehrfacher Hinſicht unſere Aufmerkſamkeit 
rabient. 
Alle an den König gerichtete Geſuche werben bei dem 
Eferibäo da Puridade eingereicht. Diefer gibt fie fofort einem 
Schreiber, der fie an diejenigen Defembargabores, in deren 
Geſchaͤftskreis fie gehören, vertheilt. Bei Gefuchen, die auf 
dem gewöhnlichen Wege erledigt werden koͤnnen, laffen bie 
Defembargabored Die Refolutionen ſogleich durch ihre Schreis 
ber auöfertigen, fo daß an demfelben oder am folgenden Tage 
die Nachfuchenden abgefertigt fein muͤſſen. Bittfchriften, wels 


V)y Art. 88. der Anträge der weltlichen Stände und Art. 83. ber 
Beſchwerden des Klerus. 


2) Die Verordnung ift zwar ohne Datum, aber Ribeiro, der fie, 
unſeres Wiffens, zuerft dem Druck übergeben hat (in feinen Dissertagöes 
sobre a Historia etc. 'Tom. I, Append. p. 309), fand fie zwifchen Ur: 
Zunden vom 14. und 15. April der Era 1399. Das Wefentliche biefer 
Geſchaͤftsordnung hat Lopes in feine Cron. d’El Rei D. Pedro, 
cap. 4 mitgetheilt, offenbar nach jener Urkunde In ber Genauigkeit, 
womit er fie benugt bat, finden wir eine neue Buͤrgſchaft für die Zuver⸗ 
laͤſſigkeit diefes Ghroniften auch wohl in andern Puncten feines Werkes. 


’ 


Regierung des Königs Mebro KL, 1357—1367. 423 


che Snadefachen oder den koͤniglichen Schag betreffen, Idfit ein 
Bereador durch‘ feinen Schreiber in. die Ementa (ein Buch, 
in welchem die Hauptpuncte der koͤniglichen Erlaffe, Schen⸗ 
Tungöbriefe und Gnabenbewilligungen kurz aufgeführt wurden) 
einzeichnen. Zugleich fchreibt der Eferibäo den Inhalt der 
Petitionen noch befonders auf. Diefe Nachweifung bleibt in 
den Händen des Defembargadors, der fie hat eintragen laſſen, 
und dient bei der Erledigung der in der Ementa aufgeführten 
Sefuhe, wenn fie der König mit dem Defembargador ge: 
meinfchaftlich bucchgeht, zur Controlle. Stimmen die Gefuche 
in beiden der Zahl nach nicht uͤberein, fo trifft denjenigen, dem 
das Verfehen zur Laft fallt, die Tönigliche Ungnade. Nach 
der Erledigung der Petitionen theilt der Defembargador bie 
Entſchlieſſung des Königs den Betheiligten mit, und läflt an 
demfelben Zag oder fpäteftend am folgenden die Refolutionen 
oder Urkunden duch die Schreiber ausfertigen. Diejenigen, 
‚die den König mit neuen Bittfchriften beläftigen '), oder noch 
länger am Hofe verweilen, nachdem ihnen die königliche Ent- 
ſcheidung mitgetheilt worden, follen, wenn fie Perfonen von 
Mang find, eine gewiffe Geldftrafe erlegen, find fie von ge 
meinem Stande”), zwanzig Stodfchläge auf dem öffentlichen 
Platz erhalten. 

Um dem König die Unannehmlichkeit zu exfparen, Daß: 
ihm die bewilligten Gefuche zweimal vorgelegt würden (in der 
Ementa und in den Cartad), und um den Geſchaͤftsgang zu 
befchleunigen, wurde folgende Einrichtung getroffen. Wenn 
der König ein Geſuch gewährte, fo muffte der Defembargado, 
der die Auöfertigung beforgte, fogleich in Gegenwart des Koͤ⸗ 
nigs die Art, in der er es bewilligt, in dad Buch der Ementa 
nieberfchreiben. Died unterzeichnete ber König auf der Stelle 
eigenhändig. Im der Regel muffte der Kanzler bei dieſer Un⸗ 
terzeichnung zugegen fein. Diefem ſchickte dann der Deſem⸗ 


1) Über diefen Punkt namentlich befchwerte fich der dritte Stand in 
den Gortes von Elvas. Der König verordnet, daß die Geſuche mit ſorg⸗ 
fältiger Genauigkeit (com femenga) geprüft werden follten. 


2) pessoa röfece (von fece, Hefe; re iſt Verſtarkuns e Ma; 
griffe). 


44 Erſter Zeitraum. I. Bug. 3. Abſchn. 


bargador, der die Ausfertigung der koͤniglichen Cartas zu beſor⸗ 
gen hatte, dieſe zur Unterſchrift und Unterfiegelung nebſt ver 
von dem König unterzeichneten Ementa (zum urkundlichen 
Beleg der Übereinſtimmung und zur Befeitigung eines jeden 
Anftanded). Dies muffte an dem nämlichen Zag oder ſpaͤte⸗ 
fiens bis zum Mittag des folgenden gefchehen. 

War der König auf die Jagd gegangen unb über vier 
Tage abwefend, fo verfammelten fih Alle, in deren Ge 
ſchaͤftskreis die eingelaufenen Bittſchriften gehörten, zur ge 
meinſchaftlichen Berathung derfelben. Glaubten fie ein Ge 
ſuch abfchlagen zu müfjen, fo waren fie verpflichtet ihre. 
Gründe dem König umftändlih und fehriftlich vorzulegen. 
Hielten fie die Bewilligung für angemeffen, fo ſchickten fie 
Die Ausfertigung durch einen Defembargador aus ihrer Mitte, 
der dem König ihre Beflimmungdgründe entwideln muffte, - 
demfelben . zur Unterfchrift zu. Auf dieſe Weife wurbe der 
König von Allem was in feiner Abwefenheit in Regierungsfa- 
hen am Hofe gefchah, in Kenntniß geſetzt ’). 


3) Pedro's Denk» und Handlungsweiſe, in einzelnen 
Zügen dargeftellt. 


.. Die eben erwähnte Gefchäftsorbnung und jene Gefſetze, 
‚ die in Zolge der Befchwerden der Corted von Elvas gegeben 
wurden, beurkunden Pedro's ernften Willen, die Wünfche und 
. Bedürfniffe feiner Unterthanen zu beberzigen, ihre Wohlfahrt 
auf jede Weife zu fördern und den Gang der Staatöregie 
rung nach feflen Grundfägen zu regeln. Daß die Anordnun⸗ 
gen bes Königs auch von ihm gehandhabt wurden, verbirgt 
uns fein Charakter und berichten die Chroniften ausdruͤcklich ?). 
Ja, feiner Strenge gegen Übertreter der Gefege verdankt er 


1) E por esta guisa vera Ei Rey todo o que se livra na sua 
Corte, e avera a terra Dembargo,.e sera EI Rey partido de muito 
nojo, e de muito aficamento. 


- 2) „Foi mujto manteedor de suas leis e grande executor das 
semtengas iulgadas.““ Lopes, Cron. d’el Rei Pedro I. cap. 1. 


Regierung des Königs Pedro L, 1357— 1367. 425 


das Lob und die Ehre, ihrer wegen hat er den Schimpf und 
den Tadel .verfchuldet, welche die Beinamen, die ihm bie 
Nachwelt ertheilt hat, ausbrüden ). Seine Härte und Grau: 
ſamkeit gegen die fchlafenden Wächter ber Gefehe, gegen 
pflichtvergeffene Beamten, gegen Spelforger von aͤrgerlichem 
Lebenswandel laffen fich, bei der fonfligen Milde und Heiter: 
Zeit feines Wefens, nur aus feinem ſchnell aufwallenden Zorn 
über jede Verlegung der Gefebe, aus feinem affertvollen Eifer 
für deren ſtrenge Vollſtreckung erklären. 

In dieſem Eifer Fannte Pedro Fein Maas und Feine Grens 
zen. „Er begann, fagt Nunez do Liaö, das Urtheil mit ber 
Bolftredung, und die Strafe galt ihm für die Schuld.“ 
Auf einer Reife nach Porto erfuhr der König, daß der Bis 
fchof diefer Stadt, ein reicher und geehrter Prälat, die Gat⸗ 
tin eines angefehenen Bürgers daſelbſt entehrt habe, dieſer 
aber, aus Zurcht vor dem Bifchof, der ihn mit dem Tode 
bebrohe, bei dem König deshalb zu Hagen nicht wage. So: 
bald Pedro in der Stadt angefommen war, ließ er den Bi: 
ſchof in die koͤnigliche Burg entbieten, vorgeblih um in 
Dienftfachen mit ihm zu fprechen. Die Thürhüter des Schlof- 
ſes waren vom König angewiefen, fobald der Prälat in das 
Eönigliche Zimmer eingetreten wäre, alle feine Bedienten wie . 
die Eöniglichen Leute aus der Burg zu entfernen und felbft 
den Raͤthen des Königs den Eintritt hicht zu geftatten. Es 
gefchah. Als Pedro mit dem Bifchofe fi allein fah, ent- 
Eleidete er ihn mit eigener Hand bis auf das Unterfleid, und 
foderte ihn auf, das Verbrechen, deſſen ex beſchuldigt wor⸗ 
den, einzugeftehen, während er die Peitfche, die er gewöhnlich 
bei fich trug, drohend fhwang. Die aus der Burg Gewies 
fenen, mit des Königs Charakter wohl bekannt, argwohnten 
Schlimmes und eilten zum alten Grafen von Barcellos, zum 
Großmeiſter des Chriftusordend und andern vertrauten Räthen 
des Königs, um deren Vermittlung zu erflehen. Diefe Ta- 
men, wagten jedoch nicht, des Eöniglichen Verbotes wegen, 
in das Zimmer zu bringen, bis endih bee ""* da Pu: 


1) „O Justiceiro“, R Crn” dor 
Grauſame). 


426 Erfter Zeitraum. u, Bud. 8. Abſchn. 


ridade, Soncalo Vaſques de Goed, unter dem Vorgeben, bag 
er dringende Schreiben des Königs von Caftilien dem Regen⸗ 

ten einzuhändigen habe, die Erlaubniß zum Eintritt erwirkte. 
Nur durch die ftärfften und eindringlichfien Vorftellungen, bie 
fie dem König über dad Unanftändige, Ungerechte und wegen 
feiner Folgen fo Gefährliche : feines Verfahrens machten, ges 


Yang es ihnen den Born des Königs zu befänftigen und ihn 


zu bewegen von dem Bifchofe abzulaffen '). 


Vergeblich ſchuͤtzten Geiftliche, die fich weltficher Berge . 


ben fchulbig gemacht hatten, ihre Gerechtfamen und Freiheiten 
vor, wonach fie nur vor dem geiftlichen Richterſtuhl Rede 
fiehen und von diefem Strafe annehmen wollten. Der über 
ein veruͤbtes Verbrechen entrüftete Pedro fah nur die Schuld 
“und die Strafe erkannte in diefer Beziehung keinen bevor: 
rechteten Stand an umd berüdfichtigte Feinen Rang. Er hielt 
ſich für berufen, parteiſche Urtheile geiftlicher Richter über 


weltliche Vergehen ihrer Standeögenoffen zu berichtigen, und 


ihre zu gelinde Strafe mit aller Strenge der weltlichen Macht 
zu ſchaͤrfen). Wenn er nach diefer Anficht handelte, fo Tonnte 
er felbft gefeßliche Beflimmungen, die in den Cortes von El: 
v8 zwifchen ihm und der Geiftlichkeit feftgeflelt worden wa⸗ 
ren ?), für ſich anführen, obgleich wir annehmen dürfen, daß 
- ein Pebro im Augenblid des Handelns weniger von jenen, 
ald von den Eingebungen feines lebhaften Gefuͤhls fich bes 
flimmen ließ. — Während einft der König in Evora ſich be 
fand, Hagte ihm eine Frau aus Santarem, daß ein angefes 

1) Lopes, Cron. cap. ?. 

2) Mas assi ardia o coracom delle de fazer justica dos maoos, 
que nom queria’ sua jurdigom, aos clerigos tanbem dordeens pe- 
quenas como de majores; e se Ihe pediam que o mandasse entregar 
a seu vigairo, dizia que 0 posessem na forca, e que assi o entre- 
gassem a Jesus Christo que era seu Vigairo, que fezesse delle di- 
reito no outro mundo; e el per seu corpo os quexia puniz e ator- 
mentar. Lopes, l. c. cap. 7. 
| 8)... e facam (nämlich die Bifchöfe oder ihre Vicare) direito, e 
justiga per tal guisa, que Nos nom ajamos razom de tornar a 
ello; e mandamos que as nossas Justicas nom metam a tormento 


nenhun Clerigo, nem o degradem sem razom. ©. ben gangen Ars 
titel im Cod. Affons, liv. 2. tit. 5. art. 5. 


x 


Regierung des Königs Pedro L, 1357—1367. 427 


hener Geiftlicher diefer Stadt ihren Mann ohne irgend einen 
Grund getödtet habe. Der König berubigte fie mit dem Ver⸗ 
fprechen, daß er bei feiner nächlten Anwefenheit in Santarem 
ihrer gedenken werde. Er hielt Wort. Als er nämlich einige 
Zeit darauf in dieſe Stadt Fam, trug er einem kraͤftigen 
Steinhauer, der ihm gerade in die Augen. fiel und der jenen 
Geiftlichen kannte, auf, biefen zu tödten. Jener vollführte 
die That während einer Proceffion und wurde, da er nicht 
durch die Flucht fich retten konnte, ergriffen und eingekerkert 
Darauf gab der König den Befehl, den lebten Sprud in 
biefer Sache ihm zu überlaffen, jener Frau aber gebot er 


dem Gefangenen das Efien zu bringen, und das Geld dazu . 


von dem Eöniglichen Almofenier fi) geben zu laſſen. Nach⸗ 
dem der Proceß bis zum Endurtheil gediehen war, baten die 
Anverwandten des Geifllichen, ald Kläger, den König um bie 
legte Entfcheidung. Er ließ die Acten fi) vorlegen Mab vor 
ben verfammelten Defembargadored Wort für Wort vorlefen, 
fanb aber nirgends jenen Mann erwähnt, ben der Geiftliche 
getödtet hatte. Pedro ftellte fich als fei ihm diefe That un- 
befannt und fragte Die Richter, ob der Geiflliche zanffüchtig 
geweſen oder irgend ein Verbrechen begangen habe, woburd) 
- feine Ermordung veranlafft worden wäre. Er habe einft, ers 
wieberten Die Defembargadores, einen Mann getöbtet, fei aber 
der Strafe dafür fchon ledig. Auf Pedro's Frage, welche 
Strafe er für diefen Mord erlitten habe, vernahm er, daß er 
von dem geiftlichen Gericht verurtheilt worden, Feine Meffe 
mehr zu lefen und der Verrichtungen feines Ordens ſich zu 
enthalten. Darauf gab der König folgenden Beſcheid: in 
Betracht, daß das geiftliche Gericht dem erwähnten Kleriker 
fir den an einem Weltlichen verübten Mord Feine andere 
Strafe gefebt bat, ald dag ihm fein priefterliches Amt ge⸗ 
nommen werben fol, fo wird von dem weltlichen Richter dem 
angellagten Steinhauer bei Zobeöftrafe verboten, fein Ge: 
werbe fernerhin zu treiben. Der König ließ den Verurtheil⸗ 
ten fogleich berbeirufen, verheirathete ihn mit dr Wü ° ” 
Getoͤdteten, und gab Beiden hinreichende Mittel, m. 

das Steinhauerhandwerk leben zu können '). 

3) Nunez do Liaö, Cron. del Rei D, Pedr 


48 - Erfier Beitranm. II. Bud, 3. Abſchn. 


Es war nicht etwa ein befonderer Haß ober“ Widerwille 
gegen die Geiftlichen, was den König zu Diefer Strenge an 
triebs er flrafte jeden Zrevel, der. zumal von einem Vorneh⸗ 
men’ an einem Oeringern aus dem Volk verübt wurde, und 
ſchonte felbft den Schuldigen nicht, der in irgend einer Be 

ziehung dem Töniglichen Haufe näher fiand und auf des Koͤ— 
nigs Gnade rechnen mochte‘). So verurtheilte er zwei Edel 
Inaben, Die lange Zeit in feinem Dienft am Hofe gelebt hat: 
ten, zum Tode, weil fie einen Juden, der mit Spezereim 
handelte, im freien Felde feiner Waaren beraubt und ihn 
Dann getöbtet hatten. „Ihr thut wohl daran,” fagte dev Koͤ⸗ 
tig mit bitterm Lächeln, als die Ergriffenen vor ihn gebracht, 
wurden, „baß ihr, wenn ihr das Raͤuberhandwerk ergreifen 
‚ und Menfchen auf den Straßen morben wollt, zuerft an den 
Juden es lernt und nachher zu den Chriften übergeht." Waͤh⸗ 
rend DR König dies und Ähnliches fprach, ging er unruhig 
auf und ab und fchien ber vieljährigen Dienfte, welche bie 
. bisher unbefcholtenen Iünglinge ihm geleiftet hatten, gerührt 
zu gebenfen. Man fah einigemal Thraͤnen in feinem Auge. 
Diöglih aber wandte er fih mit firengem Blicke gegen fie, 
tadelte fcharf ihr Vergehen, hielt wieder ein und hörte auf bie 
Fuͤrbitten der Anwefenden, auf alle Gründe, die man für die 
Milderung der Strafe vorbrachte. Umfonftz der König be 
harrte auf dem Urtheil und fagte wiederholt: „fie werben von 
den Juden zu den Chriften übergehen". Die Juͤnglinge wur: 
den enthauptet ?). 

Wenn und der Chronift diefes Königs berichtet, Daß er 

die ergriffenen Verbrecher aus den entfernteflen Theilen des 
Reichs habe vor fich bringen laffen und, kamen fie zur Effens: 
zeit an, fogleih von ber Zafel aufgeftanden fei, um ihnen 
auf der Zolter das Geſtaͤndniß ihrer Schuld auszupreffen; 
daß er, bei hartnädiger Weigerung, felbft Hand anlegte, fie 
entkleidete und graufam fchlug, bis fie eingeftandenz daß er 


1) 2... teendo tal igualdade em fazer direlto, que a nen- 
‚ huum perdoava os erros que fazia, por criacom nem bem quere 
que com el ouvesse. Lopes I. c. cap. 6, 


2) Lopes, 1. c. 


Regierung des Königs Pedro L, 1357—1367. 429 


überall eine Peitſche in feinem Gürtel mittrug, um fie zu 
folchem Zweck immer zur Hand zu haben, — wenn, uns Lo⸗ 
pes dies berichtet, .fo möchten wir und wegwenden von einem 
FKürften, ber. am Strafen feine Freude zu haben ſchien ) und der 
die önigliche Würde über dem Amt ded gemeinen Schergen 
vergeflen konnte. Dann Öffnen uns aber jene Thraͤnen, von 
denen Pedro's Auge benett war, jener Kampf in feinem In⸗ 
nern, ehe er das Todesurtheil über die beiden Juͤnglinge aus⸗ 
fprach, einen wohlthuenben, verföhnenden Bli in feine Seele, 
und wir möchten feine Grauſamkeiten lieber Berirrungen eines 
Veidenfchaftlichen Eiferd für firenge Gerechtigkeit nennen. Von 
diefem Eifer ließ fich der König. zu einem Verfahren gegen 
Verbrecher hinreifien, das feine Raͤthe nicht weniger misbil⸗ 
Iigten ?) als wir. Selbſt feine Anfichten von Verbrechen und 
ihrer Beſtrafung fcheinen aus keiner andern Quelle gefloffen 
zu fein. Sie waren nicht fowol Früchte bes befonnenen 
Nachdenkens, als eines im Dienfle Iebhafter Gefühle und 
mächtig aufwallender Gemlithöbemegungen flehenden Verſtan⸗ 
des, der Allem, mas jene begehren, ‚willig fein &epräge lich. 
Man fagte dem König oft; daß er auf leichte Vergehen zu 
fchwere Strafen febe. Seine Antwort war dann: „Die 
Strafe welche die Menfchen am meiften fürchten, iſt der Tod; 
wenn fie durch die Furcht vor Diefem nicht vom Unrecht ſich 
abhalten Yafien, fo find die andern Strafen erfolglos. Gut 
ift es, Einen oder Zwei aufzuhängen, um die Andern alle zu 
firafen. "Wer vermag bier zu enticheiden, ob. diefe nat 
Urfache oder Wirkung feiner Strenge wart WWermochte «8 
wohl Pedro felbft ? 

Diefe bisweilen graufame Strenge traf in’ der Regel nur 
die Wornehmeren und Mächtigen: Beamte, die fh Beſte⸗ 
ungen oder Bedtuckungen zu Schulden kommen Tieffen, Geiſt⸗ 
liche, die durch ihren Lebenswandel Beiſpiele aufftellten, die fie aus 


1) Fazer nos maos cruezas, fero e — 
Eram os seus mais oertos refrigerios, 
Os Lusiadas, , 
2)... . e pero que dello mujto e ne 
e outros alguna, 2. 


40 Eifer Zeitraum. N. Bud. 3. Abſchn. 


Seelſorgern in Seelverberber verkehrten, frevelnde Adelige und 
Mächtige, deren Straflofigkeit dem Bürger und Landmann 
Die Geſetze als Feffeln feines Standes erfcheinen Tief. Das 
Volk Eonnte bei der Strenge des Königs gegen folche Richten, 
Geiſtliche und Adelige nur gewinnen. . Wie Diefe immer feine 
Gegenwart fürchten -mufiten, fo durfte jenes immer auf fie 
hoffen. Denn „wie der Corregibor amtlich feine Comarca 
bereite, fo der König das Reich; hatte er einen Theil 
deſſelben befucht, fo vergaß er nicht einen andern zu fes 
ben, ſodaß er felten ‘über einen Monat an jedem Orte vers 
weilte Y.“ | 

Gecgen die Graufamfeit, die ihren Si& in einem büftern 
und menfchenfeindlichen Gemuͤthe hat, vertheidigen den König 
feine freundliche Herablaffung auch gegen den Geringften feines 
Volkes, feine leicht fich oͤffnende Zutraulichkeit, Die in ben 
Augen ernfler Menfchen fogar feinem Anfehn Eintrag that ”), 
vor Allem fein natürlicher Frohſinn, der in der Menfchenbruft 
nie neben. Grauſamkeit wohnt. . Ein Freund hbeiterer Feſte 
und durchgreifender Leibesübungen, liebte er vorzüglich den 
Tanz, und gab fich diefem Vergnügen mit einer Leidenfchafts 
lichkeit amd Auögelaffenheit hin, die der ihm näher lebende 
Lopes kaum begreiflich fand, und die wir mit unfern Begriffen 
von Föniglicher Würde nicht wohl vereinbaren Fünnen. Nicht 
allein daß et bei Seftlichkeiten Tag und Nacht tanzte; wenn 
er von Almada über den Strom nach Liffabon fuhr und ihm 
die Bürger mit Tanzen und Spielen, wie ed damals Sitte 
war, enfgegenzogen, dann fprang er wohl aud dem Schiffe 
und tanzte mit ihnen bis zum Eöniglichen Palaſt. Einft, da 
er in Liffabon des Nachts nicht fchlafen konnte, ließ er feine 
Leute weden, den João Mateus und Lorenzo Palos mit ihren 
langen filbernen Trompeten (biefe zog er allen andern Inſtru⸗ 
menten vor) herbeirufen und Fadeln anzünden; dann ging es 
in hellem Zuge tanzend dur die Stadt. Der Zrompeten 
Klang und das Lärmen der luſtigen Schaar wedte die Schla: 
fenden. Die Neugierde rief fie an die Fenſter. „Man freute 


1) Lopes, Cron. cap. 1. 
2) Nunez de Liaöd, I. c. p. 211. 


Regierung bes Königs Pebrol, 1357-1367. 431 


ſich den König fo fröhlich zu fehen.” So verftrich ein Theil 
der Nacht; dann kehrte Pedro in die koͤnigliche Burg zurüd, 
lieg ſich Wein und Obſt zur Erfrifchung reichen und fchlums 
merte ermübet ein’). 

Sonft war die Jagd des Königs Lieblingserholung, fo 
daß fein Chronift Loped von ihm fagen konnte: „Auf drei 
Dinge vornehmlich verwendete der König feine meifte Zeit, auf 
Die Rechtöpflege und die Geichäfte der Regierung, auf die 
Sagd, die er fehr liebte, und auf Zänze und Feſtlichkeiten.“ 
Eine Menge Jäger (mocos de monte), die er bielt, Hunde 
und Vögel aller Art vermehrten dieſe Iagdfreuben. 

Edler aber als diefe raufchenden Freuden der Jagd und bed 
Zanzes war feine Freude am Geben. Freigebigfeit war ihm 
Beduͤrfniß des Herzens und Regentenpfliht. Man hörte ihn 
oft fagen: „An dem Tage, an dem ber König nichts gibt, 
verdient er nicht König genannt zu werben.” Damit er mög» 
lichſt Viele erfreuen koͤnnte, ließ Pedro Eleine Münzen und 
Schmudfachen von Silber und Gold zum Verſchenken fertigen. 
„Macht mir, fprach er zu ben Seinen, den Gürtel loder, das 
mit ich mich frei bewegen und die Hanb (zum Geben) recht 
weit auöftreden Tann.” Am freundlichften und reichlichften 
fpendete er, wenn mit feiner Zreigebigkeit fich feine Dankbar⸗ 
feit vereinigte. Dienfte, die man ihm ober feinem Vater ers 
zeigt hatte, befohnte er Eöniglih und entzog Teinem, was 
ihm Affonfo IV. gegeben hatte; Tieber fügte er neue Gefchenfe 
hinzu ?). 

So erfcheint und Pedro's Charakter in den Zügen,” bie 
und die Gefchichte aufbewahrt hat, in ſcharfen Gegenſaͤtzen ): 
das Liebenswürdigfte neben Verabſcheuungswuͤrdigem, ein mils 
der Sinn ber Freigebigkeit, fo zartfühlend, daß er mit kind⸗ 
licher Pietät Die Schenkungen bed abgefchiedenen Waters ehrte 


1) Lopes, l. c. cap. 14. 
9 Lopes,l.c. cap. 1. Nun. do Liad. p. 211. ⸗- 
8) Schon Nunez do Liaö fühlte dies. Estas tam desvalr 


maneiras e costumes del Rei se contaräo, porque rarammmte -- 


riäo em. hum mesmo homem, e muito menos sei 
p. 212, 


432 Erſter Zeitraum. IL Bud, 3. Abſchn. 


und mehrte, Dankbarkeit, die unter den Tugenden nie allen 
fteht, und — Härte und Grauſamkeit in einer und berfelben 
Bruſt. Eine und diefelbe Hand, bie in ber einen Stunde fid 
weit ausſtrecken möchte, um mit den Wohlthaten, die fie fpen- 
det, vecht Viele zu erfreuen, und. bie in der andern Stunde 
die Peitfche fchwingt, um dem Angefchuldigten durch graufame 
Streiche dad Geftändniß auszupreſſen oder den überwiefenen 
Verbrecher zu züchtigen. Wunderbar fühlen. wir uns bald an 
gezogen, bald abgeftoßen von diefem feltfamen und feltenen 
Fürften, bald von Liebe zu ihm, bald von Unwillen gegen ihn 
bewegt. Doch nicht aus diefen Gefühlen dürfen wir unfer 
Urtheil über ihn fchöpfen. Die Gerechtigkeit, die er erfirebte, 
und die ihn fein Zeitalter und der Sturm feiner Gefühle nicht 
erreichen lieffen, find wir ihm fchuldig, im Lichte unfrer Zeit 
und in der Ruhe unferer Betrachtung. Der Fürft, der fo oft 
wiederholte: „Wenn ihr nicht die Gefege verlegte, fo wuͤrdet 
ihr auch mich nicht beleidigen,” der fonach in. feiner Perfon 
den erſten Vertreter ber Gefebe fah, Geſetz und König in 

einen Begriff faffte, — er verdient wohl, daß wir von feis 
nem Standpuncte aus, mit feinen Augen feine Handlungen 
betrachten und beurtheilen. Pedro aber, der fich des Strebens 
nach Gerechtigkeit fo innig bewufft war, in beffen Seele bie 
Idee der Geſetzmaͤßigkeit fo lebendig waltete, hielt er fich 
wohl für ungerecht, für hart und graufam ? 

Doc-dem fei wie ihm: wolle, fein Volk ‚fühlte fich wohl 
bei feinen Fehlern wie bei feinen Tugenden, bei feinem fiber: 
maß im Belohnen und im Beflrafen. Daß feine übermäßige 
Strenge dem Volke nicht weh that, vielmehr ihm zu gut Fam, 
haben wir gefehen. Das Ungewitter traf nur die hervorragen⸗ 
ben Bäume, den nievern Wald erquicdte der milde Regen. 
Bedenklicher iſt immer eine zu große Freißebigkeit eines Fuͤr⸗ 
ſten; Hunderte werden gedruͤckt, damit Einer durch die Bönigliche 

Gabe erfreut werde. Doch nicht fo bei Pedro. „Bei aller 
Sreigebigkeit regierte er fo, Daß er ohne irgend eine Bedruͤckung 
feines Volkes, und ohne ihm (ungerechte) Auflagen aufzubuͤr⸗ 
den, vieles Geld fammelte und damit den Scha& vergrößerte, 


Regierung bes Königs Pebrol, 1357 — 1367. 439 


den ihm feine Vorfahren hinterlaffen hatten ).“ Wie er das 
Letztere bewerfftelligte, ift merkwürdig genug, um unfere Aufe 
merkſamkeit einen Augenblid dabei verweilen zu laſſen 


4. Pedro ‚bereichert den koͤniglichen Schag nad) dem 
Beifpiele feiner Vorfahren. 


Der König beobachtete bei der Erhaltung und Vermehs 
rung des öffentlichen Schatzes daffelbe Verfahren, dad von feis 
nen Vorfahren befolgt worden war. Sahr fir Jahr hatten 
fich dieſe durch die Oberauffeher ihres Vermögens (Veedores de 
sur fazenda) von allen Ausgaben, die durch Gefandtichaften 
und andere Staatöbebürfniffe veranlafft worden waren, fo wie 
von allen Eöniglichen Einkünften eine Überficht vorlegen laſſen, 
um dad Verhältniß jener zu diefen zu ermitteln: Fand fich, 
wie ed gewöhnlich war, ein Überfchuß, fo gaben die Könige 
Befehl, dafuͤr Gold und Silber einzukaufen. Zu diefem Zwecke 
unterhielten fie in allen dazu geeigneten Städten Wechöler 
(Cambadores), die das Privilegium hatten, das Gold und 
Silber den Einwohnern abzufaufen. Nach Verlauf eines Jah⸗ 
red lieferte jeber Cambabor ab, was er eingehandelt hatte, und 
erhielt von jedem Gold und Silberftül ein Gewiffes für 
feine Mühe. Diefed God und Silber wurde nun in bie 
Burg von Liffabon gebracht und in einent fehr feflen Thurme 
bafelbft, der eigens dazu erbaut war (a torre alvarräa), aufs 
bewahrt. Einen Schlüffel zu dieſem Staatsſchatze hatte ber 
Guardian der Sranciscaner, einen andern der Prior der Do⸗ 
minicaner, einen dritten ein Beneficiat des Bisthums dieſer 
Stadt. Ähnliche Thuͤrme mit gleicher Beftimmung befanden 
ſich in den Föniglichen Burgen in Santarem, Porto, Coimbra 
und andern Städten. Die Bereicherung diefer Schatzkammern 
fah man als eine heilige Pflicht der Könige, ald eines der 
löblichften Verdienfte ihrer Regierung an. Wenn ein König 
verfchied und bei der Öffentlichen Trauer das Gute und Große, 


1) Worte eines Schriftftellers, der Pebro’s 6 
fchärffte tadelt und nie in den Verdacht der Vorliebe 
gelommen if. Nun. do Liaö, l/ e. p. 8 

Süöäfer Geſchichte Portugals I. 


434 Erfter Zeitraum. U. Bud. 3. Abſchn. 


das er gethan, Lobpreifend erwaͤhnt ward, unterließ man nie 
vor Allem zu ruͤhmen, daß er in ſo viel Jahren ſeiner Re⸗ 
gierung ſo viel Gold und Silber im Thurme niedergelegt 
habe; je groͤßer die Summe war, deſto herrlicher ſein Lob. 
Nachdem Pedro die Regierung einige Zeit angetreten hatte, 
duͤnkte es Einigen, daß dieſer König nicht Willens ſei den 
geerbten Schatz nach der guten alten Sitte ſeiner Ahnen zu 
vermehren. Ein wohlwollender Vertrauter des Königs Joas 
Eſtrvez, machte ihm deshalb Vorſtellungen. Pedro, fuͤr jeden 
Rath, der des Staates Wohl erzielte, empfänglich, billigte 
fie, ließ ſich von jenem eine fchriftliche Überficht der Eöniglichen 
Einnahmen und Ausgaben aufftellen und fand nach genauer 
Durchficht, daß er, nad Abzug der üblichen und unvermeibs 
lichen Ausgaben, allein in den Burgthurm in Liffabon jährlich 
bis auf 15,000 Dobras ') Tiefen konnte. Sofort befahl ex 
den Überfbuß feiner Einkünfte jährlih in ber Töniglichen 
Schatzkammer nieberzulegen. „Doch, fügte der König hinzu, 
auch ber thut nicht wenig, der den geerbten Schatz bewahrt: 
und mit den Einkünften des Reiches ausreicht, ohne das Wolt 


zu drüden und ihn dad Geringfte von dem Fragen zu 
nehmen °)." 


5. Pedro's Verhalten gegen Gaftitien. 


Er bewahrt den Frieden mit diefem Reiche, trog der hier eintre⸗ 
tenden gewaltfamen Thronfolge. Zod des Könige, 


So regierte Pedro, gleich entfernt von Geiz und Vers 
ſchwendung, ohne Bedruͤckung feines Volkes, mild im Geben 
und nur hart im Sirafen, das Königreich in tiefem Frieden, 
als im legten Jahre feiner Regierung die Ereigniffe im be 
nachbarten Caſtilien die glüdliche Ruhe zu unterbrechen droh⸗ 
ten. Die wiederholten Graufamkeiten des caftilianifchen Koͤ— 
nigs hatten die Gemüther feiner Unterthanen nach und nad 


1) Eine Dobra Portuguesa, wie fie unter Pedro gefchlagen wurben, 


hatte den Werth von 147 Reis und enthielt vier Libras und zwei 
Soldos. 


2) Lopes, l.c. cap. 12% 


Regierung des Königs Pedrol, 1357 — 1367. 435- 


gänzlich von ihm entfernt und die Zahl feiner Anhänger bis 
auf wenige vermindert; nachdem fein Bruder Henrique in 
Burgos gekrönt worben war, ſank Pedro in völlige Htilflofig- 
keit. In diefem Zuftande wandte er ſich von Sevilla aus an 
den König von Portugal, bat ihn um feinen Beiftand und 1366 
ſchickte ſeine Tochter Beatriz mit einer anfehnlichen Geld⸗ 
fumme nad) Portugal, damit fie, dem beflehenden Vertrage 
zwifcher beiden Königen gemäß, hier dem Infanten Fernando 
vermählt werde. Unterdeffen vernahm man in Sevilla, wo 
Pedro ſich aufhielt, Die Annäherung des Königs Henrique, 
und jener, auch dort verhafft und von einem Aufruhr der 
Einwohner bedroht, verließ mit der Kleinen Kriegsſchaar, 
die ihm noch treu geblieben, in großer Eile die Stadt. Er 
nahm feinen Weg über Serpa nad Coruche in Portugal. 
Bon hier aus ließ er feinem Neffen, dem König von Portugal, 
der ſich in feinem Schloffe zu Vallada bei Santarem befand, 
feine Ankunft melden. Pedro fühlte dad Bedenkliche der Lage, 
in die er durch feinen Oheim gerieth, und lief ihn bitten 
nicht weiter vorzurüden, fondern dort zu verweilen, bis er ihm 
nähere Nachricht geben werbe. 

Sogleich verfammelte der König feine Raͤthe und die 
Großen des Reich zu einer gemeinfchaftlichen Beratyung, "wozu 
auch der eben abmwefende Infant Fernando berufen wurde. Die 
Meinungen waren getheiltz denn Pflicht und Klugheit waren 
hier fchwer zu vereinen. Selbſt jene, die fir die Aufnahme 
und Unterſtuͤtzung des vertriebenen Pedro, mit welchem ihr 
König durch Bande der Verwandtfchaft und feierlich gefchloffes 
ner Verträge verbunden war, flimmten, konnten fich nicht 
bergen, daß alle ihre Hilfsmittel nicht hinreichten einen Koͤ⸗ 
nig wieder auf den Zhron zu heben, den der gerechte Haß 
feines Volkes von demfelben geftürzt hatte, und der nun, von 
Allen verlaffen und verflogen, nur auf fremde Huͤlfe ſich 
ſtuͤtzen wollte. Auf der andern Seite fehien es unmöglich einen 
König zu verdrängen, ber bereits in dem ruhigen Beſitze des 
Reichs war und, v I aelieht, uͤber die Herzen feiner 
Unterthanen wie KON llen feines Staates gebot. 
Der Koͤr flilianern den ver: 


Poße: fogar flrch- 





436 Erſter Zeitraum. OD. Bud. 4. Abſchn. 


ten den eignen Thron zu erſchuͤttern, wenn er die Sache bes 
verabfeheuten Fürften zur feinigen machte. Zudem war aud 
der portugiefiiche Infant Fernando der Gemahlin bes Königs 
Henrique von Gaflilien verwandt (fie war eine Schweſter fe 
ner Mutter Conftanze), und bei dem Abwägen der beiderſeiti⸗ 
gen Gruͤnde hob eine Verwandtſchaft die andere auf. Die 
Klugheit gewann endlich die Oberhand. Man beſchloß in den 
ſchonendſten Ausdruͤcken dem Koͤnig den Beiſtand zu verwei⸗ 
gern und die Infantin Beatriz, mit welcher Fernando ſich 
durchaus ‚nicht vermaͤhlen wollte, ihrem Vater zuruͤckzuſchicken. 
Es geſchah. 


Pedro, hoͤchſt entruͤſtet daruͤber, wandte ſich nun mit ſei⸗ 
nen Streiterhaufen nach Albuquerque, das ihm aber die Thore 
‚ verfchloß, nachdem man einige feiner Leute hinausgeworfen 
hatte. So überall zurüdgewiefen, bat Pedro den König von 
Portugal ihm fichered Geleit zu gewähren, Damit er buch 
fein Land nach Galicien, wo er noch auf einigen Anhang 
rechnete, fich begeben koͤnne. Dies ward ihm bewilligt. Einige 
portugiefifche Ritter begleiteten den unglüdlihen Zürften bis 
Lamego, wo fie von ihm reichlich befchentt wurden; Dann 308 
er allein mit den Seinen, nur ungefähr zweihundert Mann 
zu Pferd, bis an die Grenze von Galicien. 


Unterdeffen war der König Henrique nad) Sevilla gekom⸗ 
men und von den Einwohnern diefer Stadt mit offenen Ar⸗ 
men empfangen worden. Ungeachtet der freudigen Aufnahme, 


‘ die er aller Orten gefunden hatte, hielt er ein gutes Verneh⸗ 


men mit dem König von Portugal für wünfchenswerth, und 
Pedro's Verhalten gegen feinen Oheim, dad dem König von 


Gaftilien befannt geworden, ließ dieſen friedliche Gefinnungen 


von jener Seite hoffen. Henrique faumte daher nicht ſchon 
von Sevilla aus dem portugiefifhen König ein Freundfchafts: 
buͤndniß anzutragen, das auch bald darauf durch bevollmaͤch⸗ 
tigte Sefandte an der Grenze beider Reiche, am Ufer ber 
Caya, feierlich abgefchloffen wurde. Er bewirkte. aufjerbem 
durch feine Vermittlung, die er in diefem Vertrage verfpro- 
chen hatte, daß nicht lange nachher die Kronen von Aragonien 

und Portugal fi einander wieder näherten und bie. alten 


. 





Regierung bes Königs Bernando, 1367— 1383. 437 


Verträge, die einft Fernando und Diniz in Agreda gefchloffen 
hatten, ernenert wurden. 

Kaum aber hatte der König von Portugal den Frieden, 
den fein Reich im Innern genoß, fomit auch nach auffen 
hin gefichert, fo flarb er, nach einer zehnjaͤhrigen Regierung. ir 
„Solche zehn Iahre hat Portugal niemald gehabt,” fagte über 
feinem Grabe das Volt ) — ein fchöner Lobfpruch aus feis 
nem Munde! Herrlicher noch verkündete den Ruhm feiner 
Megierung der blühende Zuſtand, in welchem er das Reich 
hinterließ. 


Vierter Abſchnitt. 


Regierung des Koͤnigs Fernando. 
(Von 1367 bis 1383.) 


1. Bluͤhender Zuſtand Portugals bei Fernando's Regie⸗ 
rungsantritt. Charakter des Koͤnigs. 


Seit Affonſo II. war Portugal in ſtetem Fortſchreiten 
begriffen. Auf verſchiedenen Wegen, aber mit demſelben Ziel 
im Auge hatten die Koͤnige ſeit jener Zeit an der Entwicklung 
der Kraͤfte des Landes und der Betriebſamkeit des Volkes ge⸗ 
arbeitet, oder auch nur die natuͤrliche Entwicklung Beider in 
ihren Schutz genommen. Affonſo III. war der Schoͤpfer und 
Schirmer unzaͤhliger Gemeinden geweſen; in der Beachtung 
des dritten Standes hatte er ſeinem Sohne die Bahn gelichtet. 
Diniz, der den Landbau den Nerven des Staates nannte, 
wirkte in ſechsundvierzigjaͤhriger Regierung fo, daß der Lands 
mann zu Vermögen, durch Vermögen zu Anfehn und. einer 


gewiſſen Vedeutſamt⸗· te, mehr Rechte foderte und 


1) R diziam au = 45008 NUmMoa onve em 
Portugal, com- »-Pudeo, Lopes, 
*** 


N 


438 Erſter Beitraum. IL Bud. 4 Abſchn. 


von der Weisheit des Königs erhielt. Größere Beduͤrfniſſe 
und reichlicherer Gewinn machten nun ben-Gewerbämann xuͤh⸗ 
tiger. Neben dem Landbauer und Handwerker erhob fich der 
Kaufmann, Beide erregend, belebend und belohnend. Alle Drei 
verbrüdert bildeten einen Stand, der zwar unter Diniz Schon 
vorhanden war, aber erft unter ihm und meift durch thn als 
dritter Stand ehrenhafter hervortrat ‚und fich geltend machte. 


Schon dadurch wurde der ungebührlichen Überwucht des Adels 


und Klerus im der Wagfchaale der Stände des "Staates ein 
natürliches Gegengewicht gegeben. Allein Diniz befchnitt ütber- 


dies an jenen Bevorrechteten, was als Misbrauch oder als 


verderblich wirkend ſich Fund that. Affonfo IV. hielt mit flar- 
fem Arm den fchüßenden Scepter über dem Privateigenthum; 
ed Fonnte fich ungeflört mehren und mehrte fich ungeachtet 
großer Unglüdäfälle, wie der ‚menfchenverzehrenden Peft, die 
das Land heimfuchten. Pedro's firenge Haushaltung hielt das 
Übertommene wie das felbft Erworbene zufammen; was er 
freigebig bingab, floß ja den Seinen zu. Nur Verbrecher 
nannten ihn graufamz der redliche, fleiffige Bürger und Land: 
bauer freute fich feines geficherten Erwerbed und genoß unver: 
Eümmert feiner Arbeit Lohn. So konnte ein zehniähriger 
Friede feine Segnungen über das Land ausbreiten. Der Über: 
flug an Erzeugniffen des Bodens floß ind Ausland, Reichthuͤ⸗ 
mer kehrten Dagegen zuruͤck; freilich mit den Waaren aus der 
Fremde auch neue Beduͤrfniſſe. Aber dieſe rveizten nur noch 
mehr zu größerer Anftrengung, zu mehrfeitigerer Betriebſam⸗ 
keit. Das Volk wurde reicher; fein König konnte nicht arm 
bleiben. 

Ws Fernando den Thron beftieg, war er der reichfte Koͤ⸗ 
nig, den man bis dahin in Portugal gefehen hatte. Er fand 
einen beträchtlichen Schag vor, den fein Vater und feine Vor⸗ 
fahren gefommelt hatten. In dem Burgthurme in Liffaboen 
alleta lagen 800,000 Goldſtuͤcke (pesas douro) und 400,000 
Silbermarken (marcos de prata), aufler andern Münzen und 
vielen Koftbarkeiten. Ähnliche Summen und werthuolle Gegen: 
ftände waren noch an mehreren Orten ded Königreich nieder: 
gelegt. Auflerdem betrugen die Eöniglichen Einkünfte jährlich 
800,000 Livras, ungefähr 200,000 Dobrad. Der Ertrag der 


Megierung des Königs Fernando, 1367 — 1383. 439 


Alfandega in Liſſabon und Porto war fo bedeutend, daß er. 
fchon Lopes kaum glaublich ſchien; er betrug vor Fernando’s 
Megierungsantritt in der erflen Stadt, ein Jahr ind andere 
gerechnet, 35 bis 40,000 Dobras, auffer gewiſſen Zehnten, 
welche die Afandega zu erheben hatte. Eine große Menge 
Fremder hielt fich Des Handeld wegen in Biffabon auf, Genüe 
fen, Lombarden, beſonders Mailänder, Corfen, Majercaner, 
Aragoneſen, Bifcayer und Andere. Die franden Handelsleute 
von einem Wolf allein umfafite nicht mehr ein Haus; jedes 
Bolt Hatte zu feinen Herbergen und Niederlagen viele Häufer 
nöthig, und bie Könige bewilligten ihnen Privilegien und 
Freiheiten, die für die portugiefifche Krone fehr einträglic) 
waren. Ein rafcher Umtaufch, eine ſtarke Ein= und Aus: 
fuhr belebten ben Verkehr. Hauptgegenflände der legten wa: 
ven Wein, DI und Sal. Man fand in einem Jahre, daß 
in Liffabon allein 12,000 Zonnen Wein im Herbft eingeladen 
wurden, auffer dem, ber bei einer zweiten Labung im März 
ausgeführt wurde. In dem Hafen dieſer Stadt zählte man 
nieht felten 450 ausländifche und inländifhe Kauffahrteifchiffe. 
Das Zuftrömen fo vieler Fremden von verfchiedenartigen Na: 
tionen ſchien die Öffentliche Sicherheit in Liffabon, das damals 
noch nicht einmal ummauert war, zu gefährden, und man 
ordnete daher, wenn eine befonderd große Anzahl fremder 
Schiffe vor der Stadt lag, in derfelben Nachtwachen zu Fuß 
und zu Pferd zur Sicherheit der Straßen an "). 

Mas vier Könige nacheinander gefammelt und gewirkt 
hatten, Dad ward von einem verfchleudert und zum Theil zer: 
ſtoͤrt. Fernando erfchöpfte den gefüllten Staatsſchatz und zer: 
ruͤttete das Vermögen vieler Unterthanen. Der Charakter war 
«8, der jenen wier Königen das Gepräge von Landesvaͤtern ge: 
geben hatte, und der Mangel an Charakter war ed, der dem 
wohlbegabten Fernando nicht geflattete ein vorzüglicher und 
auch Fein fchlechter König zu fein. In Affonfo II. lebte ein 
fefter Sinn fir des Bolles fahrt und die Würde des 
Staated. Von Diniz wa id er konnte es auf 


1) Fernär "-"nando in der 


Collecgäo de Lx& p. 125. 


40 Erſter Zeitraum. IL Bud. 4. Abſchn. 


bem Todbette Öffentlich von fich fagen), daß er nie die Uns 
wahrheit gefagt, nie fein Wort gebrochen habe. Der Geift 


ſeiner Staatöverwaltung war Gerechtigkeit und Milde ohne 


Schwäche. Gerecht war auch fein Sohn Affonfo IV.; allein 
ber fanfte Hauch der Milde feines Vaters ging ihm ab. Seine 
Kraft gebot Achtung, doch hatte fie bisweilen etwas Schroffes 
und gewann ihm Feine Liebe. In Pedro fchien endlich die 
Natur das Gerechtigkeitsgefuͤhl gleihfam auf die. Spitze zu 
treiben, feine Strenge artete oft in Graufamteit aus. AS 
bätte fich die Natur erfhöpft, zeigte fie fich in feinem Sohn 
erfchlafft ). Sie hatte Fernando manche fehöne Geiſtes⸗ und 
Gemuͤths⸗Gabe gefchentt, allein fie hatte ihm den Nerven, ben 
Halt derfelben verfagt, — den Charakter. Charakterlofigkeit 
aber, im bürgerlichen Leben bisweilen noch von Vortheil, wird 
auf dem Throne das. Verderblichfte für Volk und Staat. 
Fernando (gebor. 31. Octbr. 1345) war zweiundzwanzig 
Sahre alt, eben in der Bluͤthe des Lebens, ald er ben Xhron 
beftieg. Seine anfehnliche Geflalt und feine wahrhaft koͤnig⸗ 
liche Haltung fchienen ihn dem Throne zu eignen. Wer ihn 
auch nicht kannte, hielt ihn unter vielen Männern fogleich fir 
den König *). Dabei war fein Körper überaus mohlgebildet, 
feine Gefichtsbildung anziehend und voll Anmuth; er galt für 
ben fchönften Mann feiner Zeit”). Eine ungemeine Stärke 
und Gewandtheit, deren er fih von Natur erfreute, hatte 
der Süngling durch Eörperliche Übungen vermehrt und erhöhet. 
Im Zweikampf, im Turnieren und Lanzenrennen, in allen 
ritterlichen Künften that es ihm Keiner zuvor. Alle uͤbertraf er 
in der Stärke ded Armes *), und Wenige vermochten gleich 
ihm das Schwert .zu führen und dad Roß zu tummeln. Er 
liebte die Jagd leidenfchaftlih. Mit flnfundvierzig berittenen 


1) Do justo, e duro Pedro nasce o brando, 
(Vede da natureza o desconcerto!) 
Bemisso, 6 Sem cuidado algum, Fernando. 
Os Lusiadas, Canto III. 138. 
2) Lopes, l. 0, pag. 123. 
8) Nunez do Liäo, pag. 870. 


4) Era mujto bragelro, fagt Lopes. 


Regierung des Königs Fernando, 1367—1383. 44 


Falknern, auffer denen zu Fuß und einer Menge Icgerburfche, 
309 er aus zu ben Freuden der Jagd, und fagte wohl, er 
werde nicht cher zufrieden fein, bis in Santarem eine Straße. 
fo bevölkert fei, daß .in ihr hundert Falfner wohnten. Alle 
Gattungen von Vögeln wurden ihm auf der Jagd nachgeführt, 
fodaß vom größten bis zum kleinſten fich Feiner in die Luft 
erheben Tonnte, ohne fich, ehe ihn fein fchneller Flug in Sichers 
heit brachte, von einem Feinde feined Gefchlechtes ergriffen zu 

feben. Das fllchtigfte Wild vermochte nicht der nacheilenden 
Menge der Iagdhunde, die den König begleiteten, zu ents 
.„ Tommen ’). 

Wandte ſi ch Fernando von der Erholung und dem Ge⸗ 
nuſſe, den ihm die Jagd gewaͤhrte, zu den Arbeiten der Re⸗ 
gierung, ſo zeigte er Verſtand und * mehr Einbildungskraft. 
Aber jener war mehr thaͤtig als tief, dieſe mehr lebhaft als 
ſtark. Sie ließ ihn mit Leichtigkeit Plane entwerfen, zu deren 
Ausfuͤhrung ſein reger Verſtand ſchnell Mittel und Wege er⸗ 
ſann. Dieſe Leichtigkeit im Erfinden erzeugte in ihm ben 
Slauben, daß er mit gleicher Leichtigkeit das Entworfene ins 
Merk ſetzen, alle Schwierigkeiten bewältigen, alle Anſtaͤnde 
und Hemmmiffe befiegen werde. Die Ausführung machte ihm 
um fo weniger Sorge, da ihm bei der Wahl der Mittel ihr 
fittlicher Werth felten Bedenklichkeiten verurfachte; er verlangte 
vom Mittel nichts, ald daß es zum Ziele flhrte. Auch ſchei⸗ 
terten feine Plane in der Regel nicht an den Schwierigkeiten, 
Die fich bei der Ausführung etwa erhoben; Fernando’ Unbe⸗ 
ſtaͤndigkeit ließ jene meiſt gar nicht oder nur zum Theil zur 
Ausführung kommen, denn ihm ging die Ausdauer des Wil 
lens, die nachhaltige Zhatkraft gänzlich ab, Weil aber feine 
Diane nicht in die Wirklichkeit traten, ſo wurde ber König 
auch weniger durch die Hinderniffe, Die fich jenen in den Weg 
ftellen mufiten, belehrt und entbehrte der beften Lehrerin, der 
Erfahrung. So ward feine Eitelkeit, die ihm die tiefften Ein- 
fihten in die Staatöhändel vorfpiegelte und Rath feis 

ner verfaffungsmäßigen und wohlmeinenbe aͤhen 


1) S. die ſchoͤne Beſchreibung u - 
pes. p. 144. 


442 Erfter Zeitraum. N. Bud. . 4 Abſchn. 


ließ, immer mehr genährt. Bertrauend nuf feine vermeintlich 
Gewandtheit in der Kunft der Unterhaudlung. und in ber Staats: 
Elugheit, mit der er andere Herrfcher nach feinen Launen und 
Abfichten zu gängeln hoffte, in der Wahl der Mittel wenig 
gewifienhaft, dabei vol Unbeflänbigkeit und Wankelmuth, zer: 
riß Fernando Freundſchaftsbuͤndniſſe, die er fo eben. gefchloffen 
hatte, und. knuͤpfte neue mit feinen: Feinden an, immer bereit 
feierliche Eide leichtſinnig zu ſchwoͤren und ebenſo leichtſinnig 
zu brechen, weil er in ihnen nur Mittel ſah Andere zu bie 
den, fich felbft aber der Verpflichtungen überhoben wähnte, 
fobald fie feine neuen Entwürfe durchkreuzten und ſtoͤrten 
Wie der König in den Frauen nur bad finnlich Reizende liebte 
(gleichwol ihnen eine unbefchränkte Gewalt über fein Gemäth 
und in feinem Herrfcherkreife geftattete) und jenem leidenfchaft- 
lich und unmäßig fi hingab, fo zeigte er ſelbſt in Bezug 
auf feine Tochter unedle Begriffe von Frauenliebe und Ehe⸗ 
gluͤck; denn Beatriz's Herz war ihm ein Spielball feiner wet⸗ 
terwendifchen Politik, „Ihre Hand nur dazu gut, immer new 
Projete zu. ſpinnen. In den wechjelnden Verträgen, die er mt 
fremden Fürften ſchloß, wurbe Beatriz fünfmal vermählt und 
dem veränderlichen Sinne ihres Vaters zum Opfer gebracht. Wie 
Eonnte der König bei folcher Denfart und Unbeftändigfeit im 
Verkehr mit fremden Fuͤrſten Achtung im Auslande gewinnen? 
Unbeftändigfeit allein ift fchon das Grab auch der politifchen 
Würde. 

Sm Yuslande, wo er vornehmlidy nur von Piefer Seite 
gekannt war, genoß darum der König weit weniger Achtung 
als in feinem Reiche. Hier famen ihm Eigenfchaften zu ftat- 
ten, die ihm Vornehme und Geringe geneigt machten. Seine 
aufferorbentliche Freigebigkeit bereitete ihm Lob im Munde 
der Hoben und Niedern, die fich jener zu erfreuen batten. 
Sein König vor ihm hatte die Fidalgos fo reichlich befchenkt 
wie Fernando, ungeachtet bie Zeiten vorüber waren, in wel 
chen die Klugheit gebot durch Schenkungen den Abel an 
Fuͤrſt und Thron zu feffen. Er erhob Viele in den Stand 
der Fidalgos und liebte ihren Umgang; wie ein Vater um 
den hingefchiebenen Sohn, fo weinte Fernando bei dem Tode 


Regierung des Königs Fernando, 1367-—1383. 443 


des geringften .Efeudeire '). _ Dem Wolf gefiel des Königs: 
Herablaffung und Artigkeit, feine Sanftmuth wid Milde; audy 
erfreute es fich feiner Freigebigkeit. So erflärt es ſich, daß 
Fernando, mit Eigenfchaften und Zugenden begabt, die fir 
feine Perfon einnahmen und ‚manche Untugend überfehen. Hieffen, 
von feinen Unterthanen mehr geliebt wurde, ald man e& von 
einem Kürften anzunehmen geneigt ift, der durch feine Fehler 
feinem Lande fo verderblich ward ?). Verderblich aber war in 
der That feine Regierung für Portugal, ungeachtet mehrerer 
guter Geſetze und Verordnungen, bie der König erließ ). Die 
Quelle des vielfältigen Unheils, das über Portugal kam, war 
bauptfächlich Fernando's Perfönlichfeit. Darum ift fein Cha⸗ 
rakter der Schlüffel zu feiner Regierung, feine Regierungsge⸗ 
fchiehte der Commentar zu feiner Charakfterfchilderung. 


» | 
2. Fernando's Streben nad) der Krone von Caftilien. 


Sein Buͤndniß mit den Königen von Aragon und Granada, um 
gemwinfchaftlich mit biefen ben König Henrique von Caſtilien 
zu befriegen. Fernando, obgleich, von feinen Bundesgenoſſen 

unterſtuͤtzt, führt den Krieg laͤfſig und ungeſchickt und fchliefit 
ganz unerwartet einen Vertrag mit bem Feinde ab. Er gibt 
die ihm verlobte aragonifche Infantin Leonor auf und verfpricht 
die Infantin Leonor von Caſtilien zu heirathen. Verluſt ber 
in Aragonien ‚hinterlegten Geldſumme. Erſchoͤpfung des koͤ⸗ 
niglichen Schatzes nach dem Kriege. Fernando's Muͤnzver⸗ 
ſchlechterung und andere verderbliche Maßregeln. 


Sobald Fernando die Regierung angetreten hatte, erneuerte 
es, auf die Einladung des Königs von Aragonien, den alten 
Bund, der zwifchen diefer und ber portugiefifchen Krome be: 
ftand. Die aragonifchen Gefandten. waren noch nicht abgereift, 
als ein Abgeorbneter des Königd Henrique von Gaflilien in 


1) Foi gram criador de fidallgos, e ævit⸗ companheiro com 
elles etc. Lopes |. c. 


2) Nuuez do Liäo, p. 871. 
3) Sie werden im folgenden Band 


44 Erſter Beitraum. IL Bud. 4. Abſchn. 


April 
1367 


ähnlicher Abſicht am portugieſiſchen Hofe erfehlen. Fernando, 


der, ſolange ſein Vater lebte, dem Koͤnig Pedro dem Grau⸗ 


ſamen ſich guͤnſtig bewieſen hatte, zeigte ſich nun nach ſeiner 
Thronbeſteigung bereit, dem natuͤrlichen Bruder deſſelben, dem 
Grafen von Traſtamara, der unter dem Namen Henrique II 
zum König von Caftilien fi erhoben hatte, feinen Beiſtand 


zu verfprechen und mit ihm ein Freundfchaftsbimdnig zu 


ſchlieſſen. Man erneuerte und beftdtigte die Verträge, die 
zwifchen Fernando's Vater, König Pedro von Portugal, und 
Henrique von Gaftilien gefchloffen worden waren). Als je 
doch Fernando bemerkte, daß die Angelegenheiten des Königs 
Henrique eine fchlimme Wendung nahmen und diefer nad) 
der Schlacht von Najera gensthigt war, das Reich zu ver 
laſſen, that der König von Portugal nicht nur Nichts, um 


bie Sache feined Bundesgenoffen aufrecht zu halten, fordern . 


errichtete fogar einen Bund mit feinem Gegner, Pedro bem 


Grauſamen ?). Allein nicht lange darauf kehrte Henrique nach 


Gaftilien zuruͤck und befefligte fich auf dem Thron, nachdem 
er den König Pedro mit eigner Hand in Montiel getöbs 
tet hatte. 

Faft hätte man von Fernando’ Politik erwarten dürfen, 
daß er dem obfiegenden Henrique fich wieder zumenden werde; 
aber nun erft nahm er fich der Sache Pedro's eifrig an, ans 
geblich um ihn zu rächen, in der That aber um die Anſpruͤche, 
bie er felbft auf den Thron von Caſtilien erhob, geltend zu 
machen. Er rüftete feine Land= und Seemacht, um die Städte 
und Flecken in Gaftilien und Galicien, die fich für ihn erflärs 
ten und unter feinen Schuß begaben ), zu befchirmen, und 
den König Henrique, den er einen Verräther und Mörder 
nannte, aus feinen Staaten zu vertreiben; er nahm den Zitel 
„König von Gaftilien” an und ließ Münzen mit dem portu- 


‚giefifchen und caflilianifchen Wappen prägen. Wie Henrique 


1) Lopes, Cronica. cap. 1. 

£) Lopes, 1. ce. cap. 13, 

8) Ciudad Rodrigo, Ledesma, Alcantara, Valencia d’Alcantars, 
Zemora, Tuy, Corufa, Santiago, Lugo, Orense, Padron, Salva- 
tierra etc. 


! 


Regierung des Königs Fernando, 1367— 1383. 445 


die Güter aller derjenigen, welche Fernando's Partei ergriffen, 
einzog, fo nahm diefer den Anhängern Henrique’s ihre Bes - 
figungen und verfchenfte fie an folche, die ihm befreundet, ers 
theilte aufferdem vielen caftilianifchen Flecken und Städten bes 
Deutende Vorrechte, und gab einer Reihe caftilianifcher Adeli⸗ 
gen und Großen portugiefifhe Drtfchaften und Ländereien. 
„Die Meinigen, fagte Fernando, als ihm feine Räthe deshalb 
Vorwuͤrfe machten, haben Häufer und Güter, in denen fie 
behaglich leben koͤnnen; jene aber, die verlaffen find, haben 
gute Herbergen nöthig und müffen mit Gefchenfen unterftügt 
werden.” Cr bat daher die Seinen den Fremdlingen alle 
Ehre zu erzeigen und feste felbft den Ruhm eines guten Fis 
dalgo in ein ſolches Benehmen gegen jene Hülflofe. Die -gute 
Aufnahme lodte eine Menge Gaftilianer an den portugiefifchen 
Hof, wo ihnen eine größere Auszeichnung zu Theil wurde 
als den Landeseingebornen felbft '). 

Immer aber war die Zahl der fo gewonnenen caftilianis 
ſchen Anhänger, auf deren Beifland Fernando zählte, fehr ges 
ring; die Menge der Portugiefen dagegen, Die durch die Be⸗ 
günftigung der Ausländer fich gekraͤnkt fühlten und deren Ans 
hänglichkeit an den König erfaltet: war, um fo größer. Diefem 
fonnte nicht entgehen, daß er zu einem Unternehmen wie bie 
Entthronung Henrique's einer mächtigern Hülfe bedurfte. Er 
bewog zu diefem Ende den maurifchen König von Granada 
einen Bund gegen Henrique von Gaftilien mit ihm zu fchlieffen, 
und. bemühte ſich den König Pedro von Aragonien ebenfalls 
auf feine Seite zu ziehen, indem er um die Hand feiner Toch⸗ 
ter Leonor, die dem caftilianifchen Infanten Iuan, Henrique’8 
Erftgebornem, verfprochen war, werben ließ. Sernando erhielt 
deren Zuficherung und leitete auf dieſe Weiſe einen Vertrag 
mit dem König. von Aragonien ein, kraft deffen dieſer fich 
verbindlich machte, zwei Jahre lang mit feiner Macht gegen 
Hentique von Caſtilien Krieg zu führen, Bundes 
genoffen Fernando ald König und Hen u: 
Staaten anzuerkennen, mit Ausnahme 
der Herrfchaft Molina und ber 


1) Lopes, I. c. cap. 27. Nun. 


446 Erſter Zeitraum: IM. Bud. 4. Abſchn. 


Utiel, Mora, Cañete, Medinaceli, Cuenca, Almazen, Soria 
and Agreda, die der Krone von Aragonien zugetheilt werden 
follten. Der König von Portugal verpflichtete fich Dagegen, 

fimfzehnhumdert- Lanzen auf feine Koften auszuruͤſten und 
dem König vom Aragonien ſechs Monate lang zu überlaffen, 
zugleich fo viel Gold und Silber nach Aragonien zu ſchicken, als 


‚.nöthig, um das zum Sold für jene Schaar erfoderliche Geld 


‚369 


in aragonifchem Münzfuß zu fohlagen. Als Bürgen des Ver 
trages blieben einige portugiefifche Adelige in Aragon; dem 
König Fernando dagegen wurde zu feiner Sicherheit das Schloß 
von Alicante übergeben '). 

Geftust auf den Beiftand der Könige von Granada und 
Aragonien, fiel Fernando an der Spitze eines kleinen Heeres 
in Galicien ein, verheerte die Felder und nahm Coruña nebſt 
einigen andern Orten ein. Da er aber hier Befatzungen zu⸗ 
ruͤcklaſſen muſſte, ſo ſah er feine Streiterhaufen bald ſo ge⸗ 
ſchwaͤcht, daß er bei dem Anzuge des caſtilianiſchen Heeres 
ſich zuruͤckzuziehen genoͤthigt war. Man ſah Fernando auf 
einer Galeere nach Porto zuruͤckkehren. „Der Feldzug, ſagt 
Lopes, war der Art, daß es fuͤr den Koͤnig ehrenvoller gewe⸗ 
fen wäre, wenn er ihn unterlaffen hätte” Henrique hielt 
fih nicht damit auf, die von portugiefifchen Zruppen befeßten 
Orte wieder zu erobern, fondern drang unverweilt mit feinem 
Heere in Portugal ein, nahm Braga weg, -richtete uͤberall 
große DVerheerungen an und belagerte Guimaraens. Unter: 
deffen hatte der König von "Portugal neue Streitfräfte gefam- 
melt und ließ feinen Gegner zum Zweikampf herausfodern. 
Henrique bot ihm dagegen eine Feldſchlacht an; jener zögerte, 
Da wurde der König von Caftilien von einem Unfall benach⸗ 
richtigt, der feine Gegenwart in feinen Staaten dringend noͤ⸗ 
thig machte. 

Der König von Granada, Mohammed hatte, dem gege⸗ 
benen Verſprechen getreu, feinem Bundesgenoſſen Sernando zu 


Gunſten eine mächtige Diverfion: gemacht, indem er Algezira 


369 


weggenommen und gefchleift hatte. Den Verluſt diefer Stadt, 
bie fo wichtig für Andalufien, ja für ganz Gaftilien war, fo 


1) Lopes, I. c. cap. 29. Zurita, Anal. liv. 10. cap. 10, 


Regierung des Königs Fernando, 1367 —1383. 447 


theuer dem König, deſſen Bates fie mit der größten Anfteen= 
gung erobert hatte, empfand Henrique höchft ſchmerzlich. Er 
hob fogleich die Belagerung von Guimaraend auf und eilte 
nach feinen Staaten, um weitern Unfällen und Verluſten vor: 
zubeugen. Unterwegs nahm er wie im Flug noch mehrere 
Orte weg. Fernando dagegen, obgleich fo tröfflich von feinem 
mauriſchen Bundesgenoffen unterſtuͤtzt und durch die glüdliche 
Wendung feiner Lage zur regſten Tchätigfeit aufgefodert, ent⸗ 
ließ zum Theil feine Fampfluftigen Portugiefen oder vertheilte 
fie an den Grenzen. Unter Murren über ihren König zogen 
jene ab, diefe verhöhnten oder fühnten feine Schwäche durch 
die Kuͤhnheit und Zapferfeit, die fie bei ihren Einfällen in. 
Gaftilien bewieſen). Nach dieſem mislungenen Feldzug zu Land 
ließ Fernando ſeine Flotte zu einer Seeunternehmung gegen 23, Febr. 
Saftilien ruͤſten. Aber ein furchtbarer Sturm, der in Liffabon 1370 
die traurigfte Verwuͤſtung anrichtete, befchädigte auch die im 
Hafen liegende Flotte. Doch warb fie bald wiederhergeſtellt 
und lief, 23 Gaͤleeren und 24 Schiffe ſtark, nach dem Gua- 
dalquivir aus. . Allein auch fie Fehrte nach mancherlei Schick⸗ 
folen und einem großen Verluſt an Mannfchaft wieder zuruͤck, 
ohne einen andern Nuben geftiftet zu haben, als daß fie Se: 
villa und feiner Umgegend vielen Schaden zugefügt hatte. 
„Der Körtig verſchwendete (auch hier) ſeine Schaͤtze und ver⸗ 

lor ſeine Mannſchaft mit wenig Vortheil fuͤr ſeinen Staat 
und feine Ehre ).“ 

Fernando's Verfahren war nicht geeignet den Eifer ſei⸗ 
ner Bundesgenoſſen fuͤr ihn anzufachen. Der Koͤnig von 
Granada, der fuͤr Fernando's Sache ſich thaͤtiger bewieſen 
hatte als dieſer ſelbſt, ließ ſich zu einem Waffenſtillſtande mit 
Caſtilien bewegen; Pedro von Aragon, der vielleicht nie Wil⸗ 
lens geweſen war dem Koͤnig von Portugal Opfer zu brin⸗ 
gen, ſchien den Verlauf der Dinge abzuwarten. Der portu⸗ 
gieſiſche Koͤnig ſelbſt, mehr auf Andere als auf ſich geſtuͤtzt, 
mehr in Unterhandlungen und Buͤndniſſen, fuͤr die er ſich die 


1) Pedro Lopez de Ayala, Cronica del Rey D. Earique 
segundo, afi. 2369..cap. 15. 


2) Lopes, I, o. cap, 4. 


h 


1371 


48 Erſter Zeitraum. U. Bud. 4 Abſchn. 


größte Gefchidlichkeit zufraute, als in dem Flug und beharr 
lic) geführten Schwert fein Heil fuchend, fendete von neuem 
eine prachtvolle und Eoftbare Sefandtfchaft nach Aragonien, um 
ben König zur thätigeren Zheilnahme am Kriege und zur Abs 
fendung der Infantin Leonor zu bewegen. Allein Pedro hielt 
feine Tochter zurüd, indem er die Verzögerung ber päpftlichen 
Erlaubniß zur Vollziehung der Ehe vorfchob. In Anfehung 
der Kriegshülfe vereinigten ſich Beide dahin, daß fie neue Ars 
titel zu dem alten Vertrag hinzufügten, ohne dadurch die Uns 
terhandlungen zu Ende zu bringen und ohne den gegenfeitigen 
Erwartungen zu genügen. Die Koften und Bemühungen, bie 


‚ber König Fernando aufgeboten hatte, waren vergeblich; er war 


wieder andern Sinned geworden, und wir fehen ihn, ben 
Bundeögenoffen, den Freund, den Verwandten und Schwies 
gerfohn des Königs von Aragonien, ohne Nüdficht auf den 
beflehenden Vertrag und troß des gegebenen Wortes, mit feis 
nem. Feind und Gegner, dem König Henrique, ein Freunds 
ſchaftsbuͤndniß fchlieffen ). Das Verdienfl der Verföhnung 
beider Könige gebührt zunächft ben beiden Legaten, Die ber 
Papſt Gregor XL nad) Spanien gefchidt hatte, um den Fries 
ben auf der Halbinfel zu vermitteln. Ihre Bemühungen wurs 
den durch einen glüdlichen Erfolg gekrönt. Unter ihrer Mit: 


wirkung wurde ber Friede durch Bevollmaͤchtigte von beiden 


©eiten zu Alcoutin abgefchloffen. Beide Könige verfprachen, 


als Treunde und Bundesgenoffen- fid) gegenfeitigen Beiſtand 


zu leiften und alle Pläbe, die fie im Kriege einander genom⸗ 
men hätten, zurüdzugeben. Fernando verpflichtete ſich, mit 
der Tochter des Königs Henrique, der Infantin Leonor, fich 
zu vermählen. Zur Bürgfchaft des Vertrags, der die nähern 
Beflimmungen feftfegte, überließ jeder König dem andern eine 
gewiffe Anzahl Schlöffer ?). 

Sobald der König von Aragonien Kunde von Fernando's 
Treuloſigkeit und feinem Bündniffe mit Henrique von Gaftilien 


1) Aesta concordia veo el Rei com’ mao conselho, sem primeiro 
teer comprimento com el Rei de Aragäo, com que stava concertado, 
como parente, 6 amigo, e sogro, e em cujo poder tinha tanto the- 
souro, que por isso perdeo. N. do Liaö,l. c. p. 259. 


2) Ayala, af. 1371. cap. 6. Lopes, cap. 53. 


460 Erſter Zeitraum. U. Bud. 4. Abſchn. 


bermuͤnzen, erhoͤhete willkuͤrlich den Werth der geringhaltigen 
neuen und ſetzte fie den werthvollen alten gleich). Vorneh⸗ 
me und Geringe, felbft die Handeldleute wurden getäufcht und 
lieffen ſich täufchen durch diefe Münzfpeculation?). Als aber 
dieſes Geld von geringem Gehalt und hohem Werth in Ums 
lauf kam, gewiflermaßen eine Kippers und Wipperzeit in Pors - 
tugal eintrat, und die Nachtheile dieſer Münzverfchlechterung 
von allen Seiten hervorbrachen und fich Fund thaten, erhob 
dad Wolf bittere Klagen. Man ftellte dem König vor, „daß 
durch die vielen Geldforten von widerfprechendem und wanbel: 
barem Gehalt und Gepräge, die er nach feinem Gutduͤnken 
- gefchlagen und im Lande in Umlauf gebracht habe, die Preife 
der Dinge bis zu einer aufferordentlichen Höhe, weit über den 
wahren Werth, gefteigert worben wären; daß die gemeinen 
Leute vielfältigen Betrügereien fich preisgegeben fähen, indem 
fie aus Unfunde eine Geldforte mit der andern verwechfelten, 
- und daß endlich Viele es wagten Geld auffer Landes zu ver: 
fälfhen, dann wieder einzuführen und unter bad umlaufende 
zu mifchen.“ Das Volk empfand ficherlid noch mehr und 
größere Nachtheile von jener Münzverfchlechterung, als es hier 
anflhrte ober die Gefchichte und berichtet 5; manche dieſer 
Nachtheile begriff es nicht. Doch waren feine Klagen laut 
genug, um den König zu bewegen auf Abhülfe zu denken. 
Er fuchte fie in einer neuen Müngveränderung, indem er bie 


1) ©. die Werthbeftimmung und. Veränderung ber verfchiebenen 
Münzforten bei Lopes I. c. cap. 55. 

2) E era espamto da simprizidade das gentes, nom soomente 
do poboo meudo, mas dos privados del Rei e de seu conselho, que 
mandavom rogar com prata aa moeda que Iha comprassem, emtem- 
demdo que faziam mujto de seu proveito, por que a comprarom a 
dezooito livras de dinheiros Alfonsys e davamlhe por ella vijmte @ 
sete livras que eram vijmte e sete barvudas, non paramdo mentes 
aa fragueza da moeda, mas aa multiplicacom das livras. E mujtos 
mercadores que aviam dhir ao Algarve e a outras partes do Reino, 
hiam aa moeda, a davom vijmte e huum soldo de dinheiros meudos 
por a barvuda, por levar seus dinheiros em mais pequeno logar, 
nom sabemdo nem esguardamdo a gram perda que se Ihe daguello 
seguia. Lopes |, c. 


Regierung des Könige Fernando, 1367 — 1383. 451 


verſchiednen Gelbforten beinahe auf die Hälfte des bisherigen 
Werthes herabfegte‘‘). Der Erfolg entfprach nicht der geheg⸗ 
ten Abficht und Erwartung, und ein Miögriff führte nach je 
nen Schritten, zumal in jenem Beitalter ſtaatswirthſchaftlicher 
uUnkunde und Unerfahrenheit, nothwendig zum andern. Der 
König verminderte abermals den Werth der Münze um ein 
Betraͤchtliches, fo daß z. B. die Barbuda, bie er von zwan⸗ 
zig Soldos auf vierzehn herabgefegt hatte, num gar auf zwei 
Soldos und vier Dinheiros niedergedruͤckt wurde. Umſont; 
der König fah nun die Preife der Lebensbeduͤrfniſſe zu einer 
unerhörten Höhe fleigen und wähnte dem abzuhelfen durch 
Anordnung fefter Preife für ale Gegenftände*). Jede einzelne 
Provinz erhielt nach Maßgabe ihrer Fruchtbarkeit und Lage 
ihren befondern Zarif?). Den Böniglihen Beamten wurde 
bie Weifung gegeben, den Preisanfag, auffer bei jenen vorge 
ſchriebenen Gegenftänden, überall auch da anzuwenden, wo fie 
es für „gut und angemeſſen“ hielten; fo wurde felbft ber Ge— 
findelohn feftgefegt. Damit jedoch der König die Anorbnun 
gen der Beamten in biefer Beziehung beurtheilen und beauf⸗ 
fichtigen Fönne, wurden fie verpflichtet, Abfchriften von ihren 
Anfägen an die hoͤchſte Staatsbehoͤrde einzufchiden. Indeſſen 
griff der König immer tiefer ein in das Eigenthum und bie 
Rechte feiner Unterthanen. Sich ſtuͤtzend auf ein aͤlteres Ge 
feß, wonach in Zeiten der Noth Ieder gewungen werden konnte, 
zum Unterhalt und Bedarf feiner Mitbürger den eigenen Vor 
rath für einen angemeffenen Preis zu verkaufen, gab er den 
Befehl, alles Getreide, das auf ben Fruchtböben der Grund 
herren oder Pächter aufgefpeichert läge, zuerſt zu verfaufenz 
dann, wenn dies nicht ausreiche, Diejenigen welche Getreide 
ernteten, zu deſſen Verkauf zu nöthigen, und wenn endlich 
die Noth erfobere, eine Vertheilung ber Frucht, vorzunehmen, 


1) Die Barvubas, bie 20 Golbos galten, auf 145 bie Pillartes 
von 5 Solbos auf 3+5 bie Reass be 8 Soldos u. f. w. 


2) Hordenou almotagaria 






452 Erfter Beitraum. 1. Bud. 4 Abſchn. 


dieſes Gefchäft zwei Gemeindsmännern, einem angefehenern 
des Ortes und einem unbefcholtenen und verfländigen aus Dem 
niedern Volf, zu übertragen. Kein Fruchtboden irgend eines 
Grafen oder Fidalgo, eines Bifchofs oder Abtes fei von jener 
- Verordnung audgefchloffen, und Jeder ber Getreide befiße und 
ed ganz oder zum Theil verheimliche, fol des verheimlichten, 
wie feined übrigen Vermögens, verluftig gehen; e8 fällt der 
Krone anheim ‘). Die Gefchichte fchildert uns die Wirkun: 
gen bdiefer und jener Anorönungen und Gefege, deren Be: 
tanntmachung fchon einen Nothftand vorausfegte, nicht wei: 
ter. Doc bedarf ed auch kaum einer folchen Schilderung; 
die Zolgen diefer Maßregeln find jedem Denkenden offenkundig. 


3) Fernando's Vermaͤhlung mit Leonor Telles. 


Der Koͤnig entfuͤhrt Leonor ihrem Gatten, um ſich mit ihr zu 
vermaͤhlen. Dadurch veranlaſſter Volksaufſtand in Liſſabon. 
Leonor, auf den Thron erhoben, weiß ſich einen großen 
Anhang zu verſchaffen. 


Waͤren auch die Mittel, welche Fernando anwendete, um 
die Wunde, die er ſelbſt geſchlagen hatte, zu heilen, zweck⸗ 
maͤßiger geweſen, als ſie es wirklich waren, ſo konnte er durch 
ſie doch nicht im Geiſte ſeines Volks die Überzeugung tilgen, 
daß er ebenſo ſchlecht hausgehalten, als den Krieg geführt 
habe, und daß durch fein Verfchulden der Tönigliche Schatz 
erfchöpft, Durch feine Misgriffe das Wermögen des Volks zer: 
rüttet worden wäre. Lieben konnte man einen Landesherrn 
nicht, der fo wenig als Landesvater fich zu erweifen bedacht 
war. Ein anflößiger Schritt, den der König in jener Zeit 
that, brachte ihn um alle Achtung und erregte den lauten 
Unwillen des Volks. 


Innerhalb fuͤnf Monate — ſo war es in dem Friedens⸗ 
vertrage feſtgeſetzt — ſollte der Koͤnig Fernando mit Leonor 


1) Lopes l. c. 


Regierung des Königs Sernanbo, 1367 — 1383. 453 


von Caſtilien ſich vermählen. Während der Zeit verliebte ex 
fi in die Gattin des Joäo Lourenco da Cunha, D. Leonor 
Telles de Menezes, und vergaß Uber dieſe Leonore noch ſchnel⸗ 
ler die caftilianifche, als er Diefe tiber Die aragonifche vergeffen 
hatte. In dem Schloffe des Königs in Liffabon wohnte zu: 
gleich feine Schwefter D. Beatriz, die als das einzige weib⸗ 
liche Glied des Eöniglichen Haufes zur Erhöhung feines Glan⸗ 
zes mit einer Menge Hoffrauen von edler Geburt fich umge: 
ben hatte‘). Da gefchah es, daß Leonor Telled von Beira 
aus, wo fie wohnte, ihre Schwefter, D. Maria Telles, eine 
der Hoffrauen der Infantin, befuchte. Ihre Reize bezauberten 
den" König fo fehr, daß er bald von der glühendften Leiden: 
fchaft beherrfcht wurde. Eine Zeit Yang verbarg er diefe, 
‚dann öffnete er fich zuerft Leonorend Schwefter, Maria, die 
jener an Schönheit nicht nachfland, in allen weiblichen Zu: 
genden fie aber übertraf. Sie ftellte dem König vor, wie 
‚unverträglich eine folche Leidenfchaft mit feiner und ihrer 
Schwefter Ehre wäre; wie ihre Schwefter verheirathet, Die 
Gattin eines geehrten Fidalgo, eines angefehenen Vafallen und 
Verwandten des Königs ſei; wie der König‘ einer Infantin 
von Föniglichem Geblüt, die in jeder Hinficht der Krone fich 
würdig zeige, die Vermaͤhlung verfprochen habe, und diefe Vermaͤh⸗ 
lung für eine Hauptbedingung des Friedensvertrag gelte, deren 
Verlegung von neuem alle Drangfale bed Kriegs über Portugal 
bringen werde. Diefe und ähnliche Vorftellungen waren fruchtlos; 
Fernando's ungeftüme Leidenfchaft wollte nur den Beifall 
Maria's, ihre Beihülfe, nicht ihre Gegenerinnerungen. Der 
König behauptete, daß die Ehe ihrer Schwefter ungültig fei, 
weil fie ohne die zwifchen fo nahen Verwandten erfoderliche 
Dispenfation (die aber, nach Mehreren, wirklich flattgefunden 
hatte) gefchloffen worden wäre; er zweifelte nicht, daß er fich 
feiner Verpflichtung gegen die caftilifche Infantin ohne nach⸗ 
theilige Solgen werde entziehen Fönnen. Gegen die Stimme 
des eigenen Gewiſſens und der öffenf Meinung hatte die 


1) Der König hatte es feiner T meflen, . 
daß man das vertrauliche Zuſa ebr 
als unanftändig hielt. Nune: 


— 


454 Erſter Zeitraum. UV. Buch. 4. Abſchn. 


Leidenſchaft ihn taub gemachtz dem, was ihn nicht beruͤhrte, 
glaubte er nicht begegnen, nicht Rede ſtehen zu muͤſſen. Wie 
daher die Vorſtellungen der Maria Telles vergeblich waren, 
ebenſo waren es die noch ernſteren, die ihr Oheim dem Koͤ⸗ 
nig machte. Überdies brannte das Feuer fchon auf beiden 
Seiten. Leonor Telles, uneingeden? des heiligen Bandes, das 


ſie mit Lourenco verknüpfte und das bereitö einen Knaben, 


das Unterpfand ihrer Liebe, mitumfchlang, gleichgültig gegen 
die Schande, die fie auf den Thron mitbringen würde, nährte 
die Slamme, die den König verzehrte, und warb von dem 
Glanze der Ausfichten, die ihre Eitelkeit ihre vorzauberte, ge 
blendet und bethört. 

Mit Ungeduld betrieb Fernando die Ehefcheidung, und 
Loureneo, der den gefährlichen Boden, worauf er fland, er 
Tannte, rettete fein Leben mit feinem Harme nach Eaftilien‘). 
Den König Henrique ließ Fernando durch Abgeordnete bitten, 
daß er ihn feiner Verpflichtung gegen die Infantin entbinden 
möchte, da er mit einer Edeln feines Reiches fich zu vermaͤh⸗ 
len gefonnen fei, verfprach dagegen alle übrigen Beflimmun- 


gen des zwifchen ihnen beſtehenden Vertrags puͤnctlich zu er⸗ 


fuͤllen. Henrique willigte ein, aus Liebe zum Frieden und 
weil ihm, einen ſolchen Verluſt zu verſchmerzen, wohl nicht 
ſchwer fallen mochte ?). 

Der König von Portugal freute ſich fehr des glücklichen 
Erfolgs Diefer Sendung; es war ein neuer Triumph feiner 
Politik. Doc war damit nicht das Nationalgefühl der Por- 
tugiefen befchwichtigt, das, durch jene Vorgänge verlegt, in 
feinen Regungen und Auſſerungen ſich nicht irre machen ließ. 
Dieſes oͤffentliche Gewiſſen zeigte ſich beſorgter fuͤr des Koͤnigs 


Ehre als fein eigenes, und redete, als dieſes verſtummt 


ſchien. Nicht allein die Großen des Reichs misbilligten jene 
Verbindung des Koͤnigs, ſelbſt das Volk murrte daruͤber. Es 
trat in jenen Tagen aller Orten zuſammen, beſprach und ta⸗ 
delte des Koͤnigs Schritte und druͤckte ſeinen Unwillen hier 


Lopes cap. 57. N. do Liäo, p. 262 
2) Ayala, aü. 1371. cap. 7. 


Negierung bes Königs Fernando, 1367 — 1383. 455 . 


mehr, dort weniger laut aus. Der Pulsfchlag des National: 
gefühls fchlug am färkften in Liffabon, der gewöhnlichen Re= 
fivenz des Königs und gewiffermaßen ſchon der Hauptflabt 
des Reiches. Unvorfi ichtig ließ der König Leonor Telles ins- 
geheim hierher bringen. Da gefchah ed, daß an breitaufend 
Menfihen von allen Gewerben und alle mit Waffen verfehen 
ſich in der Stabt zufammenrotteten, fofort einen Elugen, be 
redten und kuͤhnen Mann, den Schneider Fernäo Vaſquez, 
zu ihrem Führer wählten und mit ihm vor die Eönigliche 
Burg lärmend zogen. Zernando, daruͤber erfchroden, ließ 
die Volksmenge frägen, was fie hierhergeführt: habe. Vaſ—⸗ 
quez ergriff dad Wort, machte dem König fühlbar, wie feht 
feine Ehre und des Keiches Mohlfahrt durch jene Verbindung 
leiden muͤſſte, erflärte, daB das Volk fie nie zugeben werde, 
und bat den König, eine ebenbürtige Gemahlin, welche Nor: 
fugal einen rechtmäßigen Thronfolger hoffen ließ, zu nehmen. 
Obgleich Vaſquez im Sinne des Volks gefprochen hatte, brach 
Diefes, wie es denn, in Mafle verfammelt, nie Maß im 
Reden und Handeln kennt, am Ende in laute Vorwürfe und 
wilde Bewegungen aus. Dadurch gefchredt, ließ ihm der 
König erwiedern, Daß er mit Leonore nicht vermählt fei und 
fidy nicht vermählen werde; er wolle morgen im Klofter ©. . 
Domingos ihnen Allen dies perfönlich und feierlich erklären. 
Eine weit größere Menfchenmenge, fämmtlic) bewaffnet, ver: 
fammelte fi daher am folgenden Tag in und vor ©. Do: - 
mingod und erwartete den König. Er erfchien nicht, denn 
er hatte mit Leonore während der Nacht heimlich die Stadt 
verlaffen und den Weg nach Santarem eingefchlagen. Als 
des Königs Flucht der erwartungsvollen Menge befannt wurde 
und fie fich hintergangen fah, brach ihr Zorn los und fließ die 
ehrenrührigften Schmähungen gegen den König und befonderd 
gegen Leonor Telles aus. De gefährlicher ein folcher Aufftand 
werden. fonnte, um fo mehr dachte man darauf ihn zu unter: 
drüden und zu beftrafen. Zernäo Vaſquez und die vornehm⸗ 
fien Schulbigen wurden ergriffen, dem Einen die Füße, dem 
Andern bie Melnlin. alnehe: + Mehrere retteten fich Durch die 
Flucht. m ihrem Gemahl den Bes 
{ ſerungen uͤber fie 


456 Erſter Zeitraum. I. Bud. 4 Abſchn. 


ausgefundfchaftet und beftraft werden follten. Das Volk ver: 
flummte nun zwar, aber fein Haß grub fich deſto tiefer ein. 
Mit jenen Straferkenntniffen und Befehlen erfuhr es zugleich 
‚die vollzogene Bermählung Fernando's mit Leonore'). 

Beide waren mehrere Tage fortgereift, bis fie endlich in 
dem Klofter Leca in Entre Douro e Minho anhielten. Hier 
ließ fich der König in Gegenwart vieler Großen und Präla- 
ten trauen und darauf die gefchloffene Ehe im Reiche befannt 
machen. Seitdem nannte ſich Zeonore „Königin. Auf Be 
fehl des Königs hatten bei dieſer Gelegenheit alle Großen des 
Reichs, Männer und. Frauen, fowie alle Procuratoren ber 
Städte die Hand der Königin geküfft. Nur der Infant Di: 
niz hatte fich deffen geweigert; Leonore, meinte er, müffe viel- 
mehr ihm die Hand Elffen. Daß ihn dafür "der König nicht 
wirklich mit dem Dolche durchbohrte, wie er ed zu thun im 
Begriffe war, verhinderten allein Fernando's und Diniz Hof 
meifter. 

Wie Diniz dachte, mochte noch mancher Große denken, 
ungeachtet er der Königin gehuldigt hatte. Dies konnte fich 
Zeonor nicht verhehlen, und wie fehr fie von Seiten des Volks 
gehaflt werde, hatte fie in Liffabon und andern Orten ſchmerz⸗ 
lich genug erfähren. Sie vernachläffigte darum Nichts, was 
ihr die Zuneigung des Volks und die Anhänglichfeit der Ade⸗ 
ligen und Großen erwerben konnte. Ihre feltene Schönheit 
und reizende Anmuth, die Eluge Geiftesgewandtheit und Uns 
terhaltungsgabe, die einfchmeichelnde Sanftheit, durch welche 
fie Alles, was in ihren perfönlichen Kreis trat, für fich einzu⸗ 
nehmen und zu feffeln verftand, Famen ihr hierbei fehr zu _ 
flatten. Sie zeigte fich leutfelig und freigebig gegen Alle, die 
ihre Unterflügung anfprachen, und entließ Keinen, ber ihr 
nahete, ohne ihm etwas Verbindliche gefagt oder ihn zum 
Danf verpflichtet zu haben. Den Adel gewann _fie durch) 
Schenkungen von Gütern, Ertheilung hoher Ämter und Wür- 
den, durch Heirathen, die fie fliftete”). Am meiften hob und 
begünftigte fie ihre Anverwandte, die weiblichen durch eheliche 


1) Lopes cap. 60 61. Liäo, p. 254 ess. 
2) Eine Neihe von Beifpielen f..bei Lopes, cap. 69. 


% 


Regierung des Königs Fernando, 1367 — 1383. 457 


Verbindungen mit den angefehenften edeln Familien, ‚die Maͤn⸗ 
ner, indem fie. diefelben zu Befehlshabern der bebeutendften 
Schlöffer und Feften des. Reichs ernennen ließ. Ihr Brubder, 
der Graf João Affonfo Telo, wurde zum Alcaide mor von 
Kffabon, das als die vornehmſte Stadt des Königreichs auf 
dieſes ſchon einen fichtbaren Einfluß auszuüben begann, er= 
nannt, und genoß ald Bruder der Königin damals Fein ges 
ringeres Anfehn als die Infanten, des Königs Söhne und 
Brüder '). Diefe verbargen indefjen ihre Empfindlichkeit dar: 
über; nur Diniz trat bald offen und feindfelig gegen den 


Hof auf. 


4) Neuer Ausbrud) des Kriegs mit SHentique von 
Caſtilien. 


Fernando verbindet ſich mit dem Herzog von Lancaſter gegen den 
Koͤnig von Caſtilien. Dieſer, uͤber Fernando's Treubruch 
entruͤſtet, und vergeblich bemuͤht Frieden zu erhalten, faͤllt 
mit einem Heer in Portugal ein. Der portugieſiſche Koͤnig 
ſieht von den Mauern Santarems herab den Feind nad) Liſ⸗ 
fabon ziehen. Ein Theil diefer Stadt wird ein Raub der 
Flammen. Der päpftliche Zegat Guy de Boulogne vermit- 
telt den Frieden, defien Bedingungen der König von Caſti⸗ 
lien vorfchreibt. Bufammenkunft beidee Könige auf dem 
Zajo. Ihre Berhäteniffe zu dem König von Aragonien. 
Die portugiefiihe Infantin Beatriz wird dem natürlichen 
Sohn des Königs von Caſtilien verlobt. 


Johann, Herzog von Lancafler, Sohn des Königs 
Eduard IM. von England, war mit ber Infantin Conftanza, 
der Alteften Tochter des Königs Pedro von Caſtilien, vermählt, 
und gründete darauf Anfprüche auf den caftilianifchen Thron; 
er hatte bereitö den Titel „König von Caſtilien“ angenommen. 
Um feinen Bemühungen mehr Nahdrud zu geben, lüd er 
den König von Portugal, obgleich dieſer felbft um die cafti- 
lianiſche Krone fih bewarb, zu einem Bunde gegen den Kö: 


1) Nunez do Liäo, p. 269, 


458 Erſter Zeitraum. I. Bud. 4. Abſchn. 


| nig von Caſtilien. Bernando ging fogleich Darauf ein unb 


1372 


verfprach in dem Vertrag, der zwifchen beiden Zünften in 
Braga gefchloffen (Sul. 1372) und bald hernah in England 
betätigt wurde, dem Herzog in dem Krieg, den er gegen bie 
Könige von Caftilien und Aragonien zu führen im Begriffe 
ftehe, mit feinen Streitkräften beizuftehen und dieſe auf eigene 
Koften zu unterhalten. Die Verbündeten festen unter fich feft: 
was der König von Portugal in Gaftilien wegnehme, mit 
Ausnahme von Städten, Feften und Landesgebieten, folle ihm 
gehören; was in Aragonien in Befiß genommen werde, ver 
bleibe dem, der es genommen habe. 

Nur in einer faſt unbegreiflihen Launenhaftigfeit und 
höchft unmännlicyen Unbeftändigkeit laͤſſt fich ein Erklaͤrungs⸗ 
grund dieſes neuen Buͤndniſſes fuchen; eine Rechtfertigung 
deffelben möchte man fchwerlich finden oder auch nur verſu⸗ 
hen. Der Vertrag war unflug, unpolitifcy und treulos zus 
gleich, dabei fo wenig dem Volkswillen gemäß, daß Fernando 
feine Abgeordneten heimlich nach England ſchickte, weil er wohl 


wuſſte, daß die Portugiefen diefen Schritt ihres Königs nicht 


billigen würden. So geheim derſelbe indefjen gehalten wurde, 
fo war er doch im Reiche hier und da ruchbar geworben. 


Die Eaftilianer, die in Portugal fi) aufhielten, regten fich. 


fogleich und unternahmen feindliche Einfälle in Galicien, wo 
fie des Schloffes Viana ſich bemädhtigten. Im Angeficht von 
Liffabon ließ Fernando einige Schiffe fpanifcher Unterthanen 
aus Vifcaya und Afturien ohne allen Grund wegnehmen '). 
Diefe Vorgänge konnten dem König von Gaftilien nicht 
lange unbekannt bleiben. Weniger um ſich der Wahrheit, an 
der er nicht. zweifeln Tonnte, zu vergewiſſern ‚ als um die 
Geſinnungen des Koͤnigs, die Stimmung in Portugal und 
die Streitkraͤfte deſſelben zu erforſchen und zur Erhaltung 
des Friedens, den er ſehr wuͤnſchte, noch einen Verſuch zu 
machen, ſchickte Henrique von Caſtilien den Diogo Lopes 
Pacheco an den Koͤnig Fernando, jenen Portugieſen, der nach 
Ignez's Ermordung ſein Vaterland zweimal geflohen, und in 


der Schule mannichfaltiger Schickſale ſeinen Blick geſchaͤrft 


1) Ayala, an. 1372, cap. 3. 


” 


Regierung des Königs Fernando, 1367 — 1383. 459 


und feine Zunge gebt hatte‘). Pacheco durchfchaute bald 
Fernando's Geſinnungen, die: innere Lage feines Hofes und 
Reiches, gewann insgeheim den Infanten Diniz und mit ihm 
mehrere misvergnügte Portugiefen für feinen Herrn, und 
durfte diefem bei der Ruͤckkehr an den caftilianifchen Hof die 
Ausficht eröffnen, daß er bei der ſchwierigen Stimmung des 
portugiefifehen Adels und Volkes und bei den geringen Ver: 
theidigungsmitteln,, die der König von Portugal bereit halte, 
denfelben mit großem Vortheil und Erfolg angreifen koͤnne. 
So entrüftet Henrique von Gaftilien über Zernando’s Treulo: 
figfeit war, fo fehr war ihm doch daran gelegen den Frieden 
mit Portugal zu erhalten. Bevor er daher zum Aufferften 
fchritt, wollte er noch einen lebten Verſuch machen, und 


ſchickte den Bifchof von Siguenza an den portugiefifchen Hof, 


einen Mann, von defien Klugheit und Befonnenheit man Alles 
erwarten durfte Der Prälat wuſſte das Eindringliche der 
Borftellungen, die er dem König machte, durch weile Ermah⸗ 
nungen, leife Vorwürfe und Drohungen, die er gefchidt ein⸗ 
mifchte, zu fchärfen. Vergeblich bemühte fi) Fernando durch 
Gegenbefchuldigungen feine eigene Schuld von fich abzumälgen 
und den gefafften Entfehluß, feinen bisherigen Bundesgenoffen 
zu befriegen, unter mancherlei Ausflüchten zu verbergen. 
Ebenſo vergeblich führte der Bifchof dem König zu Gemüth: 
„Daß nur derjenige Friede ein wuͤrdiger und glüdlicher fei, 
der auf dem Willen, nicht auf Worten beruhe” ’). Der Koͤ⸗ 


nig konnte den Bifchof nicht täufchen, und dieſer vermochte 


nicht jenen, der fonft fo wanbelbar, von feinem Vorhaben 
abzubringen. „Gott, der alle Dinge weiß”, rief vor allen an= 


1) Pacheco hatte zuerft bei Henrique von Gaftilien eine gute Aufs 
nahme gefunbens er focht längere Zeit für beffen Sache und genoß bes 
Königs Vertrauen und eine ehrenvolle Auszeichnung. Die Sehnfucht 
nad) dem Vaterlande führte ihn, nach Pedro's Tode, in daſſelbe zurüd, 
und Fernando fegte ihn wieder in feine Güter eins er wurde Ricohomkro 
und Mitglied des Löniglichen Rathes. Da er fich aber gegen Ferna 
Vermählung mit Leonor erklaͤrte, fo fiel er in Ungnabe, floh mit | 
Söhnen den portugiefifhen Hof und fınd wieder Gicherbeit unb 
trauen bei dem König Henrique in Gaftilien. Lopes om 


2) Lopes cap. 69. 


460 Erſter Zeitraum. IL Bud. 4 Abſchn. 


wefenden Herren König Henrique, ald ihm der Biſchof den 
Erfolg feiner Sendung erzählte, — „Gott weiß, Daß ih 
nicht den Willen hatte mit Fernando Krieg zu führen, fon 
dern in Friede und Freundfchaft mit ihm zu leben gebachte. 
Nun aber, da ich Krieg mit ihm haben fol, will ich ihn aud 
nicht auffchieben, fondern auf der Stelle beginnen.‘ 

Alle Anwefenden flimmten für den Krieg, nur riethen fie 
damit bis zum Frühling zu zögern. Allein der König, darauf 
bedacht den Vortheil des erften Angriffs und der Überrafchung 
des Unvorbereiteten zu. erhafchen, drang fofort an der Spike 
eined Heered mitten im December (1372) von Zamora aus 
in Portugal ein, nahm Almeida, Pinhel, Linhares, Celourico 
und die Stadt Viſeu, in deren Gomarca ber Infant Diniz 
fi mit ihm vereinigte, gab feinem Admiral in Sevilla Be 
fehl, mit zwölf Galeeren zu feiner Unterftüsung nach Liffabon 
zu fegeln, wandte fich felbft nach Coimbra, wo die Großmei⸗ 
fler von Santiago und Calatrava mit ihren Streiterhaufen, 
wie die aufgebotene Mannfchaft aus Andalufien zu. ihm flie 
Gen. So verflärft ſchlug er fein Lager in der nächften Um⸗ 
gebung von Coimbra auf, und ſchickte ſich an, Diefe Stadt ein: 
zufchlieffen. Der König von Portugal hatte fie bei der Ans 
näherung des caftilianifchen Heeres verlaffen und fih nad 
Santarem gewendet; die Königin dagegen war zurüdgeblieben 
und wurde hier von der Infantin Beatriz, der nachherigen 
Königin von Gafltilien, entbunden. Aus NRüdficht auf die 
Möchnerin brach Henrique mit feinem Kriegsvold auf, um 
geraden Weges auf Lilfabon loszugehen, ald er in Torresno⸗ 
vas Fernando’s Aufenthalt in Santarem erfuhr, ihm eine 
Schlacht zu liefern befchloß, den König aber fo unentfchloffen 
und troß der Bereitwilligkeit feiner Unterthanen ihn zu unter: 
fiügen fo fehlecht gerüftet fand, daß Henrique da, wo Feine 
Gefahr drohte und Feine Ehre zu ernten war, vorüberzog und 
in ber Hauptfladt das Königreich und den König zu befiegen 
fich vorfeßte. Fernando fah von den Mauern von Santarem 
herab das caftilianifche Heer nach Kiffabon ziehen. War fchon 
ber plögliche Einfall deffelben für die Portugiefen überrafchend, 
fo war für fie noch weit überrafchender, daß er von Ddiefer 
Seite, die durch des Königs Gegenwart und Kriegsfchaar ge: 


Regierung bes Königs Fernando, 1367—1383. 461 


ſchuͤtzt ſchien, geſchah. Niemand glaubte, daß der König den 
Feind fo tief in dad Land und gleihfam über feine Perfon 
hin werde dringen laffen. Darum war man nirgend darauf 
bedacht feine Habe zu fichern und zum Kampfe ſich zu rüften. 
Das portugiefifche Volt ſaß am Mittags: oder Abendtifch, 
ging feinen Gefchäften eder Vergnügungen nad), während ber 
Seind fhon im Weichbilde der Stadt oder Ortfchaft fand, 
und plünberte, was ihm preisgegeben war ). 

As die Bewohner von Kiffabon erfuhren, daß das ca= 
flilianifche Heer an Santarem vorübergezogen fei und der 
König Nichts zur Abwehr des Feindes und zu ihrer Vertheis 
digung gethan habe, ergriff fie Beflürzung. Die untere Stadt 
war ganz offenz ihre flarfe Bevölkerung und die Neichthümer, 
die hier aufgehäuft waren, hatten keinen andern Schuß als 
die alten Mauern der obern Stadt. Dorthin flüchtete man 
Daher in großer Haft und Verwirrung Das Koftbarfte. Unter 
deffen war der König vor die Stadt geruͤckt und nahm fein 23. Feb 
Lager in dem hochgelegnen Franciscanerflofter. Auch das cas 1373 
ſtilianiſche Gefchwader zeigte fi) bald darauf vor Liſſabon 
(7. März). Um ed abzuhalten, rüftete man in aller Eile vier 
Galeeren und mehrere Schiffe aus, leitete fie aber fo fehlecht, 
dag die feindlichen Fahrzeuge in den Zajo eindrangen, meh⸗ 
rere portugiefifche wegnahmen und die übrigen nöthigten fich 
höher in den Fluß zurüdzuziehen. Das caftilianifche Geſchwa⸗ 
der ward Meifter des Hafend und Meered. Das: Landheer, 
das in der untern Stadt zerfireut lag, fammelte Beute oder 
focht in blutigen, aber nichts entfcheidenden Scharmuͤtzeln mit 
den Portugiefen, die auf Fernando's Befehl in die befefligte - 
obere Stadt fich geworfen hatten. Da bemerkten jene, daß 
mehrere, dicht an der Mauer gelegene Häufer ihnen hinderlich 
waren, ben Gaftilianern dagegen zum Schuge dienten, und 
zumdeten fie‘ aus dieſem Grunde an. Kaum gewahrten bies 
die Gaftilianer, fo plünderten fie alle Häufer und legten an 
mehreren Stellen Zeuer an, „ann“. wie fie fagten, „ben Por⸗ 


tugiefen, die den Anfang ; „ zu helfen und bie 
Stadt wirklich abzubremmm ganze Rua nova, 


1) Lopes « ». 


462 Erſter Zeitraum. D. Bud. 4 Abſchn. 


die Pfarreien S. Joäo und S. Magdalena, der Wohnbezirk 
der Juden, überhaupt der befte Theil der Stadt ein Raub 
der Flammen '). Nicht glüdlicher für die Portugiefen fiel der 
Kampf aus, der fich zwifchen galicifchen Großen, die mit ih: 
ren ÖStreiterhaufen in Portugal verheerend eingefallen waren, 
und dem portugiefifchen Adel mit feinem Aufgebot im Gebiet 
Entre Douro e Minho entfponnen hatte Da überdies die 
aus England erwartete Hülfe ausblieb, fo wurde Fernando 
bald eined Krieges müde, den er wider alled Recht und alle 
Klugheit begonnen hatte und unbefonnen und ungefchicft führte, 
der ihm felbft nur Schande, über fein Volk nur Unglüd und 
Verderben brachte, und die Portugiefen ihm gänzlich entfrems 
den muffte. 

Um fo willkommener waren ihm die wiederholten Vor 
fhläge zum Arieden, die ihm der Gardinalstegat Guy be 
Boulogne, den der Papft fchon früher zur Beilegung der 
Mishelligkeiten zwifchen den Königen von Portugal und Ca 
ftilien nach Spanien gefchidt hatte, machte. So leicht es je 
doch dem Legaten fiel Fernando für den Frieden zu flimmen, 
fo ſchwer wurde ed ihm die Zuflimmung des Königs von 
Caftilien zu bewirken, nicht etwa weil diefer den Krieg wollte, 
fondern weil er einen Frieden verlangte, an deſſen Seftigkeit 
Fernando's veränderlicher Sinn ſich ohmmächtig erweife. Den 
9. März eifrigen Bemühungen ded Legaten gelang es endlich, den Frie 
1373 den zu Stande zu bringen. Der König von Caſtilien fchrieb 

die Bedingungen vor, und Zernando muſſte fich ihnen fügen. 
Er machte ſich anheifchig, mit dem König von Gaftilien und 
feinen Nachfolgern ſtets im Frieden zu leben, .und fich mit 
ihm, wie mit dem König von Frankreich gegen den König 
von England und den Herzog von Lancafter zu verbinden; 
dem König von Gaftilien drei Sahre lang, fo oft er ſechs oder 
mehr Galeeren gegen England ausrüfte, mit zwei bewaffneten 
Galeeren beizuftehen; den Englandern, die in die Häfen von 
Portugal Fämen, weder Lebensmittel noch Waffen zu geben, 
noch irgend einen Beiftand zu gewähren, vielmehr fie aus 
bem Reiche zu verweifen und dazu, wenn feine Macht nicht 


1) Ayala, an. 1373. cap. 8, 4,5. Lopes cap. 77, 


\ 


Regierung bes Königs Fernando, 1367 — 1383. 463 


binreiche, den König von Caſtilien aufzufodern; achtundzwan⸗ 
zig namhafte Gaftilianer, die fich bei ihm und in Portugal 
aufhielten, innerhalb dreiffig Tage aus dem Königreiche zu 
entfernen; dem Infanten Diniz, dem Diogo Lopes Pacheco 
und allen Portugiefen, die in Henrique's Gunft fländen, wie 
allen portugiefifchen Ortfchaften, die ihm gehuldigt Hätten, zu 
verzeihen, und jenen ihre Güter zurüdzugeben. Die Vermaͤh⸗ 
lung der Schweſter Fernando's „Beatriz, einer Tochter des 
Koͤnigs Pedro und der Ignez de Caſtro, mit dem Bruder des 
Königs von Caſtilien, Sancho, den König Alfonfo mit Leonor 
von Guzman erzeugt hatte, follte die Verföhnung beider Koͤ⸗ 
nige befeftigen und ihren Vertrag befiegen. Alle portugiefis 
ſche Prälaten und Herren, zwanzig Städte und Fleden, wel 
che König Henrique auswählte, mufften den Frieden beſchwoͤ⸗ 
ren; eine Geldbuße von 30,000 Marken Gold und jede ers 
finnliche weltliche und geiftliche Strafe wurde dem angedroht, 
der den Frieben verlegte. Zu Unterpfändern erhielt der König 
von Gaftilien eine gewiffe Anzahl portugiefifher Ortſchaften, 
und ald Geifeln mehrere Portugiefen von hohem Rang, aufs 
fer ihnen ſechs Bürgersföhne aus Liffabon, vier aus Porto 
und gleich viele aus Santarem, die fi) Heinrich felbft aus- 
wählen durfte, auf drei Jahre ausgeliefert ). 

j Darauf Famen beide Monarchen, jeder in einer reich ges 7. Apri 
fchmüdten Barke, auf dem Tajo zufammen. Zwifchen beiven 1373 
hielt die Barke, die den päpftlichen Legaten trug, bier in 
Wahrheit einen Friedensboten und geiftlihen Vermittler. Er 
freute ſich fichtbar eines Werkes, das er großentheild fein 
nennen konnte?). Beide Zürften begrüßten einander freund- 
lich, befhworen den Frieden und befprachen dad Nähere feis 
ner Beſtimmungen; dann Fehrte jeder in fein Reich zuruͤck ). 


1) Ayala, an. 1373. cap. 6. Lopes, cap. 82. Nun. do 
Liäo p. 286. 


2)... . prazemdolhe muito da boa aveemza que vija antrelles. 
Lopes L eo 


3) „Quante en heariondo venho!« fagte Fernando mit dem Aus⸗ 
druck der I iu Saas Mikes is ee an’d Land flieg, und bezeichnete 
damit her eriaue, beffen Anhänger er 

Heu satte. 


464 Erſter Zeitraum. I. Bud. 4 Abſchn. 


Zwei Tage darauf wurde, dem Vertrag gemäß, das Bei: 
lager des Grafen Sancho mit der Infantin Beatriz in Velada 
gefeiert. Zum großen Schmerz des Königs von Caſtilien 
fam jener bei einem Aufruhr in Burgos im folgenden Jahre 
ums Leben; feine Witwe Beatriz wurde bald nachher von ei 


ner Tochter, der nachherigen Königin Leonor von Aragonien, 


entbunden. / 
Sobald der Friede zwifchen Fernando von Portugal und 
Henrique von Gaftilien hergeftellt war, fann jener Darauf, an 


— ge 


Aragonien flr erfahrene Beleidigungen fich zu rächen und de 


erlittenen Schadens wegen an ihm fih zu erholen; namhaft 


. erwähnt wird nur die VBorenthaltung der mehrgedachten Gelb: 


1374 fich daher, auffer dem oben erwähnten Vertrag, noch befonz: 
derd gegen Pedro von Aragonien '). Indeſſen war ed, wie 


fumme. Die Gelegenheit, Aragonien zu züchtigen, fchien jetzt 
gefommen. Der mit Fernando ausgeföhnte Henrique von 
Gaftilien hatte, wie e8 fchien, nicht weniger Urfache zur Uns 
zufriedenheit mit dem König Pedro und erhob ebenfalls Tode 
zungen an benfelben. Aragonien aber, gebrängt von Genua 
und Sayme von Majorca, verfprach den Königen von Caſti⸗ 
lien und Portugal einen leichten Sieg. Beide verbündeten 


ed fcheint, dem König von Caſtilien weniger ernſt; er ſah 
fi vor, daß er, ohne Fernando zu beleidigen, mit Pedro 
bald Frieden fchlieffen Eonnte, und eröffnete unter dem Scheine 
eines Vermittlers zwifchen Beiden dem Erften die Ausficht, 
ihm die vorenthaltene Summe von dem Anden zu verfchaf: 


fen ). Wirklich glich fi Henrique von Gaftilien, aus Liebe 
‚ zum Srieden und um dem König von Frankreich, dem er zu 


1375 


Dank verpflichtet war, beiftehen zu koͤnnen, nicht lange her 
nach mit Pedro von Aragonien aus; die früher beabfichtigte, 
aber durch Misverftändniffe verzögerte Vermählung des caſti⸗ 
lianifchen Snfanten Suan mit Leonor von Aragonien wurde 
vollzogen’). Fernando hatte vergeblich gerüftet und erwar⸗ 
tete vergeblich die Ruͤckzahlung der Geldfumme. Gleichwol 


1) Die gegenfeitigen Verpflichtungen f. bei Lopes cap. 92. 
2) Nunez do Liäo p. 295. 
5) Ayala, an, 1375 cap. 1. 


Regierung des Königs Bernando, 1367 — 1383. 465 


wuffte Henrique ſchlau den Frieden mit dem getäufchten Koͤ⸗ 
nig von Portugal zu erhalten, indem er für feinen natuͤrlichen 
Sohn Zadrique um die Hand der Tochter Fernando's, Bea⸗ 
triz, werben ließ. Der Wichtigkeit wegen wurde dad Geſuch 
den in Leiria verfammelten Cortes vorgelegt. Sie genehmig- 
ten es und huldigten am folgenden Tag der Infantin als 
Thronfölgerin, im Fall Fernando ohne männliche Erben fer: 
ben würde. 


Indeſſen Eonnte der König von Portugal jenen in Ara 
gonien erlittenen Verluſt nicht verfchmerzen, noch der Luft, ſich 
deshalb zu rächen, wiberftehen. Da er den König von Ca⸗ 
flilien mit dem von Aragonien verfühnt fah, wandte er fich 
nun an den Sohn des Königs von Frankreich, den Herzog 
von Anjou, und fchloß mit biefem in Parid einen Vertrag 
ab, um gemeinschaftlich mit ihm in Aragonien einzufallen und 
fi q hier zu entſchaͤdigen. Allein es blieb auch dies Mal bei 


Novbr 
1376 


1377 


dem bloßen Bertrag '). Leicht, ſcheint ed, ſchloß man Ver⸗ 


träge mit Fernando, weil man fi) Fein Gewiffen daraus 
machte ebenfo leicht fie wieder zu brechen. Die Misachtung, 
in welcher der König bei den benachbarten Fürften fland, ent: 
309 jebem Vertrag, den er mit ihnen fchloß, feine feftefte 
Stüge, und Zernando, ohne Treue und Zuverlaͤſſigkeit, hatte 
nicht einmal eine Leidenfchaft, die flarf und andauernd genug 
gewefen wäre, um über feine Launenhaftigkeit laͤngere Zeit 
die Oberhand zu behaupten und Die Dauer eines gefchloffes 
nen Vertrags zu gemährleiften. Die Rache, welche der Kb: 
nig wiederholt Aragonien gefehworen hatte, warb vergeffen 
über Raͤnke, die in jener Zeit an feinem Hofe gefpielt 
wurden, 


1) Mas se esta guerra ouve alguum comeco, ou que se fez 
sobreste, negogio, nos per livros, nem escripturas,. nenbuuma cousa 
podemos achar que mais posess emos em escriptoz' ud: ag = 
temdemos que nom. Lopes, cap. 97. 


Schäfer Geſchichte Portugals J. 


466 Erſter Zeitraum. A. Bud. 4 Abſchn. 


5) Raͤnke der Koͤnigin. 


Leonore veranlafft durch beruͤckende Vorſpiegelungen den Infanten 
Joad, ſeine Gemahlin, ihre eigene Schweſter, zu ermorden. 
Schreckliche Enttaͤuſchung des Infanten. 


Um jene Zeit verliebte ſich Fernando's Bruder, der In⸗ 
fant Ioad, in die Schwefter der Königin, D. Maria Telles, 
Wittwe des Alvaro Diaz de Soufa, eined reichen und ange 
fehenen, aus koͤniglichem Geblüt abflammenden Fidalgo. D. 
Maria ftand noch in der Blüthe der Jugend und Schönheit, 
erfreute fich wegen ihres reinen Wandels der allgemeinen Ad: 
tung und lebte, von vielen Frauen und einer zahlreichen Die: 
nerfchaft umgeben, in einem glänzenden Wohlftande, ven ihr 
die Einkünfte des Großmeiſterthums des Chriftusordens, das 
man ihrem Sohne anvertraut hatte, und beträchtliche eigene 
Güter gewährten. Sittfam und Hug, wie fie war, wies fie 
“alle Anmuthungen ded Infanten, die mit ihrer Tugend un 
vereinbar waren, zurüd und erflärte ihm, daß fie nur als 
feine Gemahlin ihm Gegenliebe erweifen Tünne und waͤnde. 
- Darauf vermählte ſich der Infant mit ihr insgeheim. Gleich⸗ 
wol blieb die Verbindung der Königin nicht lange verborgen. 
Sie hätte ihre Schweſter lieber einem einfachen Edelmann als 
dem Infanten vermählt gefehen. Wohl wiffend, wie allgemein 
geliebt und geachtet ihre Schweiter Maria war, konnte eine 
Vergleichung, die fie zwifchen ihr und fich felbft anftellte, nur 
Neid und Eiferfucht in ihrer Seele erregen; von einer Frau, 
die ed an ihrer Schweſter haffte, daß, fie einft bei den unziem⸗ 
lichen Anträgen des Königs mehr die weibliche Ehre und Tu⸗ 
gend als die Leidenfchaft der verehelichten Schwefter bedacht 
hatte, — von einer folchen Frau durfte man Dies annehmen. 
Aber nicht allein Eiferfucht muffte jene Vermählung in der 
Seele der Königin entzuͤnden; Leonere konnte fich felbft qud- 
lender Beforgniffe für ihr eigenes Anfehn und die Fortdauer 
ihred mächtigen Einfluffes nicht erwehren. Der Infant war 
wegen feiner trefflihen Anlagen und ritterlihen Tapferkeit im 
ganzen Königreich gefchägt und geehrt. Mit Ausfichten auf 


Regierung des Königs Fernando, 1367— 1383. 467 


den Thron vermählte er fich mit einer Frau, bie dieſes Thro⸗ 
nes eben ſo wuͤrdig geachtet wurde als er, und die, mit der 
Koͤnigskrone und daneben mit dem Kranze eines unbefleckten 
Rufes geſchmuͤckt, jene von ſo Vielen gehaſſte Koͤnigin Leonore 
verdunkeln, ſie um ihr Anſehen und ihren Einfluß bringen 
muſſte. Die Gefahr war groß und gar nicht ſehr entfernt. 
Des Koͤnigs Geſundheitsumſtaͤnde verſchlimmerten ſich ſichtbar; 
die Koͤnigin fuͤrchtete fuͤr ihn und noch mehr fuͤr ſich. Wie 
Leonore aber durch ein Verbrechen auf den Thron geſtiegen 
war, ſo ſuchte ſie ſich nun durch Verbrechen auf demſelben 
zu behaupten, und legte mit der ihr eigenen Hinterliſt, die 
vor keinem Verbrechen, wenn es nur zum Ziele fuͤhrte, zuruͤck⸗ 
bebte, die dunkle Frevelthat an. | 

“ . Sn einer traulichen Unterhaltung, die ihr Bruder, ber 
ihr ganz ergebene Graf Joaõ Affonfo Tello, mit dem: Infans 
ten Ioad hatte, muffte jener fcheinbar zufällig und wie aus 
ſich fchöpfend die Aufferung hinwerfen, wie ed der Wunſch 
der Königin fei, daß ſich Ioad mit der Infantin Beatriz, ih: 
rer Tochter, vermählen. möchte, und wie fie, da ihr der Him⸗ 
mel feinen Sohn gefchenkt habe, der nach dem Ableben ihres 
Gemahls das Reich erbe, ihre Zochter lieber mit ihm verhei⸗ 
rathet fehe, ald mit dem Herzog von Benavente, einem Sproͤß⸗ 
ling des caftilianifchen Stammes, von welchem Portugal fo 
viel Übels erbuldet habe. Es fei ihr ſchmerzlich, daß fich dem 
ein Hinderniß entgegenftelle, da, wie ihr erzählt worben, ber 
Infant mit ihrer Schwefter Maria fich verbunden habe. Wäre 
dies der Fall, fo koͤnnte freilich nicht gefchehen, was fie fo 
ſehr wünfche. 

Diefe Worte erregten einen furchtbaren Zwiefpalt in ber 
jungen, reizbaren Seele des Infanten; feine Ruhe war ente 
flohen. Unterdeſſen wurden noch Einige in den verruchten 
Raͤnkeplan gezogen, Diego Affonfo de Zigueiredo, der Haus: 
bofmeifter des Infonten, und Garfia Affonfo do Sabrade, 
‚Komthur von Elvas, einer feiner Räthe. Der junge 
warb von auffen wie von innen beſtuͤrmt, fühlte fih « 
nach der Höhe des Throne hinaufgelodt, bald zu feiner.eb 
Gemahlin hingezogen. Da warf einer der Mi 
die Gefchichte hat den Namen des Verruchten mi 

30 x 


468 Erfter Zeitraum. u. Bud. 4 Abſchn. 


koͤnnen — Zweifel an ber Treue feiner Gattin in feine Seele, 
und warf damit in diefe einen Feuerbrand, deffen Gluth ihm 
die Befinnung zerftörte. 

Bon diefem Gedanken verzehrt und verfolgt eilte der Ins 
fant nach Coimbra, wo feine Gemahlin fich befand, ohne, 
wie er fonft pflegte, bei ihrem Sohne, dem Großmeifter des 
Chriftusordens, in Thomar zu verweilen. Diefer fchöpfte 
Argwohn und benachrichtigte Davon fchleumigft feine Mutter; 
auch vom Hofe kamen ihr warnende Binfe zu Maria je 
doch, Feiner Schuld fich bewufft und voll Zutrauen zu ihrem 
Gemahl, blieb furchtlod. Als der Morgen graute, kam ber 
Infant mit den Seinen vor Coimbra an, ließ mehrere ver: 
felben zuruͤckk und ritt mit wenigen vor das Haus feiner Ges 
mahlin. Ste fchlief noch, ihre Kammer war verfchloffen. 
Load ließ Die Thuͤre gewaltfam aufbrechen und überhäufte 
die durch das Geraͤuſch Erwachte und Erfchrodene mit Vor: 
würfen: fie habe das Geheimniß ihrer Trauung, das fie ges 
gen Alle hätte bewahren follen, verrathen und dadurch ihn 
in Gefahren geftürztz fie habe ihre Ehre durch Untreue bes 
fleckt und verdiene eher den Tod, als fernerhin feine Gattin 
zu fen. Maria betheuerte ihre Unſchuld und bat den Infan⸗ 
ten, einen Augenblid die Dienerfchaft zu entfernen und fie zu 
hören, damit fie jeben Argwohn zerſtreue. „Ich bin nicht 
gekommen,” entgegnete Soad, „um mit Dir Worte zu. wech: 
ſeln,“ riß mit diefen Worten die Dberdede, in die ſich Ma- 
ria eingehuͤllt hatte, da fie ihrer Kleider nicht habhaft werben 
fonnte, binweg und warf Die Unglüdliche auf den Boden. 
Bon dem Schamgefühl, das den Gatten verlaffen hatte, er 
griffen, entfernten fich die Umftehenden oder verhüllten ihr 
Geficht, laut aufweinend, als fie die fittfame Frau faſt ganz 
entblößt erblidten. Der Infant aber verfegte ihr mit dem 
Dolch, den ihr eigener Bruder ihm gegeben hatte, einen Stich 
in die Bruft, nahe an dem Herzen, einen zweiten in den Un⸗ 
terleib, worauf die Unglüdliche, Gott und die heilige Jungs 
frau um Barmherzigkeit für ihre Seele flehend, unter herz 
zerreiffenden Klagen und im Blute fchwimmend - den Geift 
aufgab. Ein unbefchreiblicher Sammer erfüllte dad Haus, Die 
ganze Stadt. Die That erfchien um fo grauenvoller, da ihr 


Regierung bes Königs Fernando, 1367—1383. 469 


Beweggrund unbekannt war. Jeder druͤckte Die Kiebe, bie ex 
für die Ermordete im Leben gefühlt hatte, jet durch die 
Größe des Schmerzed über ihr traurige Gefchid aus. 


Gleich nach dem Morde war der Infant mit feinen Bes 
gleitern davongeritten, unabgefeßt bis nach Sampaio, ſechs 
Legoas von Coimbra, mo er die zurüdgelaffenen Gefährten 
erwartete und wieder um fich verfammelt. Dann hatte er 
ſich nad) Beira gewendet und trieb fi mit den Seinen in 
ben Drtfchaften von Riba de Coa umher. Sobald er ven er- 
ften Eindrud der That von der Zeit verwifchte glaubte, ließ 
er den König und die Königin um Begnabigung für fich und 
die Seinen bitten; „erlange er fie nicht, fo werde er Das Reich 
verlaffen und im Auslande, wo er Nichtd zu fürchten habe, 
Schutz ſuchen.“ In der That ließ die edle Herkunft der D. 
Maria und ihre Vermandtfchaft mit vielen vornehmen Häufern 
den Infanten die Rache faft aller Großen des Reichs fürchten, 
und fchon war ihm hinterbracht worben, daß der Großmeifter 
des Chriftusordend, der Sohn der Ermordeten, und die Gra⸗ 
fen Joad Affonfo und Goncalo, ihre Brüder, fich vereinigt 
hätten, um den Mörder aufzufuchen. Um fo nöthiger war 
diefem die Gnade und der Schuß ded Hofes, und er glaubte 
beide von derjenigen, auf deren Antrieb er fein Gewiſſen und 
feine Hand mit dem Blute feiner Gattin befleckt hatte, zuver⸗ 
fichtlich erwartert zu dürfen. Die Königin hatte, ald fie Die 
Ermordung ihrer Schweſter vernahm, den tiefften Schmerz 
erheuchelt und erwirkte nun, nachdem fie eine Zeit lang durch 
vorgefpiegelte Schwierigkeiten und Zögerungen die Portugiefen 
zu täufchen bemüht gewefen war, von dem König die Be 
gnadigung des Infanten. SIond kehrte an den Hof zurüd. 
Die 150 Reiter, die man ihm zur fchügenden Begleitung auf 
der Reife gab, zeigten jedoch, daB man mit feiner Begnadi⸗ 
gung nicht zugleich feine perfönliche Sicherheit für verbärgt 
hielt. Der Infant wurde von dem König, ber Königin und 
ihren Brüdern am Hofe wohl aufgenommen. 

Diefe gute Aufnahme, die freundliche Zraulichkeit, mit 
der man Anfangs den Infanten hier behandelte, beftärkte ihn 
in dem Glauben, daß er nun am Biel: feiner Wünfche, der 


de 55 il 


4658 Erſter Zeitraum. IL Bud. 4. Abſchn. 


Eönnen — Zweifel an der Treue feiner Gattin in feine Seele, 
und warf damit in Diefe einen Feuerbrand, deſſen Gluth ihm 
die Beſinnung zerftörte. 

Bon diefem Gedanken verzehrt und verfolgt eilte der Ins 
fant nach Coimbra, wo feine Gemahlin fich befand, ohne, 
wie er fonft pflegte, bei ihrem Sohne, dem Großmeifter des 
Chriflusordens, in Thomar zu verweilen. Diefer fchöpfte 
Argwohn und benachrichtige bavon ſchleunigſt feine Mutter; 
auch vom Hofe kamen ihr warnende Winke zu. Maria je 


doch, Feiner Schuld fich bewufft und vol Zutrauen zu ihrem 


Gemahl, blieb furchtlod. Als der Morgen graute, kam ber 
Infant mit den Seinen vor Coimbra an, ließ mehrere der- 
felben zurüd und ritt mit wenigen vor ba8 Haus feiner Ges 
mahlin. Sie fchlief noch, ihre Kammer war verfchloffen. 
Load ließ die Thuͤre gewaltfam aufbrechen und überhäufte 
die durch das Geraͤuſch Erwachte und Erfchrodene mit Vors 
würfen: fie habe das Geheimniß ihrer Trauung, das fie ges 
gen Alle hätte bewahren follen, verrathen und dadurch ihn 
in Gefahren geftürztz fie habe ihre Ehre durch Untreue bes 


fleckt und verdiene eher den Tod, als fernerhin feine Gattin 
"zu fein. Maria betheuerte ihre Unſchuld und bat den Infans 


ten, einen Augenblid die Dienerfchaft zu entfernen und fie zu 
hören, damit fie jeden Argwohn zerſtreue. „Ich bin nicht 
gekommen,“ entgegnete Ioad, „um mit bir Worte zu. wech: 
feln,” riß mit diefen Worten die Oberdede, in bie fi) Ma- 
ria eingehüllt hatte, da fie ihrer Kleider nicht habhaft werben 
fonnte, hinweg und warf die Unglüdliche auf den Boden. 
Bon dem Schamgefühl, das den Gatten verlaffen hatte, ers 
griffen, entfernten fich die Umftehenden oder verhüllten ihr 
Seficht, laut aufweinend, als fie die fittfame Frau fafl ganz 
entblößt erblidten. Der Infant aber verfeßte ihr mit dem 
Dolch, den ihr eigener Bruder ihm gegeben hatte, einen Stich 
in die Bruft, nahe an dem Herzen, einen zweiten in den Un 
terleib, worauf die Unglüdliche,. Gott und die heilige Jungs 
frau um Barmherzigkeit für ihre Seele flehend, unter ber 
zerreiffenden Klagen und im Blute ſchwimmend : den Geift 
aufgab. Ein unbefchreiblicher Jammer erfüllte das Haus, Die 
ganze Stadt. Die That erfchien um fo grauenvoller, da ihr 


Regierung bes Königs Fernando, 1367—1383. 469 


Beweggrund unbefannt war. Jeder druͤckte die Liebe, bie ex 
für die Ermordete im Leben gefühlt hatte, jetzt durch die 
Größe des Schmerzes uͤber ihr trauriged Geſchick aus. 


Gleich nach dem Morde war der Infant mit feinen Bes 
gleiten Davongeritten, unabgefeßt bis nach Sampaio, ſechs 
Legoad von Coimbra, wo er die zurüdgelaffenen Gefährten 
erwartete und wieder um fich verſammelte. Dann hatte er 
fi) nach Beira gewendet und trieb ſich mit den Seinen in 
den Ortfchaften von Riba de Coa umher. Sobald er den er- 
ften Eindrud der That von der Zeit verwifchte glaubte, ließ 
er den König und die Königin um Begnadigung für ſich und 
die Seinen bitten; „erlange er fie nicht, fo werde er das Reich 
verlaffen und im Auslande, wo er Nichts zu fürchten habe, 
Schuß fuchen.” In der That ließ die edle Herkunft der D 
Maria und ihre VBermandtfchaft mit vielen vornehmen Häufern 
den Infanten die Rache faft aller Großen des Reichs fürchten, 
und fchon war ihm hinterbracht worden, daß Der Großmeifter 
des Chriftusordens, der Sohn der Ermordeten, und die Gra- 
fen Soad Affonfo und Goncalo, ihre Brüder, fich vereinigt 
hätten, um den Mörder aufzufuchen. Um fo nöthiger war 
diefem die Gnade und der Schuß ded Hofes, und er glaubte 
beide von derjenigen, auf deren Antrieb er fein Gewiffen und 
feine Hand mit dem Blute feiner Gattin befledt hatte, zuver⸗ 
fichtlich erwartet zu dürfen. Die Königin hatte, als fie die 
Ermordung ihrer Schweſter vernahm, den tiefften Schmerz 
erheuchelt und erwirkte nun, nachdem fie eine Zeit lang durch 
vorgefpiegelte Schwierigkeiten und Zögerungen die Portugiefen 
zu täufchen bemüht gewefen war, von dem König die Bes 
gnadigung des Infanten. Joad kehrte an den Hof zurüd. 
Die 150 Reiter, die man ihm zur fchügenden Begleitung auf 
der Reife gab, zeigten jedoch, daß man mit feiner Begnadi⸗ 
gung nicht zugleich feine perfönliche Sicherheit für verbärgt 
hielt. Der Infant wurde von dem König, der Königin und 
ihren Brüdern am Hofe "wohl aufgenommen. 

Diefe gute Aufnahme, die freundliche ZTraulichfeit, mit 
der man Anfangs den Infanten hier behandelte, beftärkte ihn 
in dem Glauben, daß er nun am Ziel: feiner Wünfche, der 


470 Erfter Zeitraum. I. Bud. 4 Abſchn. 


Vermählung mit der Königstochter, fiehe. Die Königin aber 
war weit entfernt, für dieſe Verbindung zu flimmen. Gie 
wollte berrfchen, fo lange fie athmete, fürchtete nach des Koͤ⸗ 
nigs Zode ihren großen Einfluß zu verlieren und fah daher 
ihre Zochter welt lieber in Gaftilten verheirathet. Durch mans 
cherlei Anftände und Ausflüchte wurde der Infant eine Zeit 
lang hingehalten. Endlich fchredlich enttäufcht und aller ſei⸗ 
ner Hoffnungen beraubt, verließ er den Hof und floh in bie 
‚ Provinz Entre Douro e Minho, dann nach Beira. Das trau 
rigfte Leben war hier fein Loos. Er fah ſich und Die Seinen 
bald von allen Mitteln des Unterhalt entblößt und der bit: 
terſten Noth preisgegeben. Vom Hofe verlaffen, von ben 
meiften Großen gehafft und verfpottet, vom Volke verachtet, 
mehr noch fich felbft verachtend, wandte ex ungern fein Auge 
nach innen. Er hatte feine Gemahlin, das reine und edle 
Weib, verloren, eigenhändig die Unfchuldige hingemordet, und 
dieſes biutigen und theuren Opfers ungeachtet weber Beatriz 
noch die Augficht auf den Thron erworben. Ja die wuchernde 
Strafe feiner Unthat follte noch fpdt über dem Grabe feines 
Bruders fortwirken, indem fie ihm die gerechten Hoffnungen 
und Anfprüche auf den Thron, auf den er ohne jene Unthat 
wahrfcheinlich geftiegen fein würde, vernichtet. Lag gleich 
diefe Strafe noch verborgen im dunkeln Schooße der Zukunft, 
‚fo konnte er doch fchon jeßt fie ahnen, und fie muffte ihm 
fein Leben im Waterlande noch herber machen. Aber, nicht 
einmal der Aufenthalt in dieſem war ihm vergännt. Won 
der Nachricht verfolgt, daß ber Sroßmeifter des Chriftusorbens 
und der Graf Goncalo ihn fuchten, um den Zod der Mutter 
und Schwefter an ihm zu rächen, floh er der Grenze Portus 
gals zu, in das Schloß Villar mayor, wo er nicht weiter 
verfolgt zu werden hoffte Umfonfl. Die Kunde, dag Mas 
ria's Rächer am naͤchſten Morgen hier eintreffen würden, trieb 
ben Unglüdlichen mit ſechs BBegleitern noch in ber Nacht fort, 
uͤber die Grenze feines Vaterlandes, nad) San Felizes de los 
Gallegos, einem caftilianifchen Ort, wo feine Schwefter Bea- 
triz, die Witwe des Grafen Sancho, lebte. Hier blieb er, 
bis König Henrique ihn an feinen Hof kommen ließ und mit 


Megierung des Königs Fernando, 1369 — 1383. 471 


feiner Tochter Conſtanza vermählte‘). Doch nur kurze Zeit 
follte ex fich des gaftfreundlichen Schwiegervaterd freuen. Hen⸗ 
rique flarb fchon 1379 (29. Mai). Die Thronbefleigung 
Juan's L veränderte bald wieder die Verhaͤltniſſe zwifchen den 
Föniglichen Familien von Gaftilien und Portugal. 


6) Zernando’s Krieg mit König Juan I. von Gaftilien. 


Der König von Portugal verfpricht feine oft verlobte Tochter Bea⸗ 
triz dem Sohne Juan's L von Gaftilien und erklärt dieſem 
gleich darauf den Krieg. Der landesverwielene Andeiro un: 
terhandelt insgeheim für Zernando einen Hülfsvertrag mit 
dem Herzog von Lancafter. Andeiro und das Königliche 
Paar im Thurme zu Eſtremos. Juan I und Fernando 
rüften fi zu Land und zur See. Die portugiefifche Flotte 
wird von der caftilianifchen gefchlagen. Ankunft der Eng: 
länder in Liffabon. Die Infantin Beatriz wird dem Sohne 
des Strafen von Cambridge vermählt. Betragen der .Eng: 
länder in Portugal. Anftößiges Verhältniß der Königin zu 
Andeiro, und Verhaftung Azevedo’s und bes Großmeiſters 
von Avis durch die Raͤnke Leonorens. 


Die Geburt des Erbprinzen Henrique, des kuͤnftigen 
Thronfolgerd IuansL, erzeugte in diefem den Gedanken, ſchon 
jetzt eine bereinflige Vermählung des Prinzen mit der achtjähe 
rigen Beatriz, der Kronerbin von Portugal, einzuleiten. Un⸗ 
geachtet die portugiefifche Infantin bereit3 dem Herzog von 
Benavente zugefagt war, ließ der König von Caſtilien für feis 
nen Sohn um ihre Hand werben. Fernando, gewohnt das 
Herz feiner Tochter als den Spielball feiner Laune und als 
ein Mittel feiner wetterwendifchen Politit zu betrachten, wils 
ligte ein, und beide Könige fchloffen durch) Bevollmächtigte 
den Ehevertrag für ihre Kinder ab. Es wurde auf den Grund 
ihrer nahen Verwandtfchaft”) weiter feftgefegt: wenn von dem 


1) Lopes, cap. 100-106. N. do Liad, pag.299ess. Sousa, 
Hitor. geneal, T. XI. p. 615. 


2) Dee König von Gaftitien war sin Sohn ber mit Henrique II. 


472 Erfter Zeitraum. 1. Buch. 4 Abſchn. 


fünftigen Ehepaar ein Theil ohne rechtmäßige Erben ſterbe 
fo ſolle der Überlebende die Nachfolge zugleich in den, Staaten 
des verftorbenen haben. Um dem Vertrag eine feftere Gewähr 
zu verfchaffen, verlangte König Fernando, daß er von ben 
Gortes in Eaftilien beftätigt werde. Dies gefchah. In Soria, 
wohin Suan die Stände berief und der König von Portugal 
Bevollmächtigte von feiner Seite fchidte, wurde zuerſt das 
Verlöbnig des Erbprinzen von Gaftilien mit der Kronerbin 
von Portugal, dann die Zhronfolge in beiden Reichen, wie fie 
der Vertrag anorbnete, von den Ständen. ded Reihe in Ge 
genwart des Königs Juan I. feierlich befldtig. Es wurben 
Urkunden darlber audgeftelt und von der Werfammlung be 
fhworen. Daffelbe follte in. Portugal gefchehen, .und Juan 
ordnete wirklich Bevollmächtigte dahin ab. Eine Verfammlung 
der Cortes fcheint aber hier nicht ftattgefunden zu haben, benn 
nirgend findet fich eine Spur davon. 

Doch ob eine folche in Portugal gehalten wurbe oder 
nicht, ob durch fie jener Vertrag gewährleiftet und dem Koͤ⸗ 
nig von Gaftilien verbürgt wurde oder nicht, das war für 
Fernando und in Abficht auf ihn gleichgültig. Ex ließ ſich 
durch die Gorted fo wenig binden, als durch Die heiligften 
Schwuͤre und die feierlichlten Verträge. Mit vemfelben Leicht: 
finn, womit er Vertraͤge ſchloß und befchwor, zerriß und 
übertrat er fie auch wieder. Eine moralifche Seite hatten fie 
gar nicht für ihn. Nur phyſiſcher Zwang oder Furcht konn⸗ 
ten feine gewiffenlofe Launenhaftigkeit gefangen haltenz gaben 
dieſe ihn los, fo vermochten weber Pflicht noch Ehre ihn zu 

feffeln. Fernando's Raͤthe mochten died noch öfter erfahren, 
als wir e8 aus den Thatfachen, welche die Gefchichte uns ers 
halten hat, entnehmen. Und doch, wie mochten fie den Kös 
nig anflaunen und verachten, als er fie bald nach dem Ab⸗ 
fhluffe des Vertrags mit dem König von Gaftilien verfammelte, 
und ihnen feinen Plan, eben diefem König den Krieg zu er- 
klaͤren, eröffnete und zur Berathung empfahl, Ihr Erflaunen 


vermählten Sohanna, der König von Portugal ein Sohn der an Peter 


den Strengen verheiratheten Conſtanza, beide Töchter des Herzogs Juan 
Manuel’s. 


Negierung bes Königs Fernando, 1367 — 1383. 473 


ließ fie kaum überlegen, ob dieſer Entfhluß des Königs mehr 
feinem Verſtande ober feinem Gewiffen zur Laſt fiel; denn es 
war eben fo lächerlich als treulos, daß er, wie er feinen Raͤ⸗ 
then erflärte, die Unbilden, die er von dem (verftiorbenen) 
König Henrique erlitten habe, namentlich die Verbrennung eis 
nes Theil von Liſſabon, an feinem Sohne, dem König Juan, 
rächen wolle, „ber wol dad Reich, aber vielleicht nicht das 
Gluͤck von feinem Vater geerbt habe". — Was ein gerader, 
reblicher und kluger Sinn einem ſolchen Vorhaben entgegen- 
fegen Eonnte, das erwieberten bie Eöniglichen Raͤthe). Doch 
ber König wollte nicht den Rath ber Nedlichkeit und echten 
Klugheit. „Ich verlangte”, fagte er lächelnd dem alten Gra⸗ 
fen, ber im Namen feiner Amtögenoffen ihm Vorſtellungen 
über fein Vorhaben machte, „ich verlangte eure Meinung dar⸗ 
über, wie der Krieg gegen Gaftilien am beften geführt würde, 
nicht darüber, ob es gut fei ihn zu unternehmen. Da er 
von mir ſchon befchloffen if, fo mag mir nun Gott Rath 
geben, ‚wie ich ihn führen fol.’ 

Hätte doch der König die Räthe, die er Über die Art der 
Kriegführung befragen wollte, auch daruͤber befragt, ob er 
den Krieg unternehmen folle oder nicht! Darliber aber hatte 
er ſich mit Solchen berathen, die er freilich hier-nicht nennen 
konñte und Eluger Meife verſchwieg. Die Königin Eonnte in 
ihrem Innern einem Vertrag nicht beiflimmen, der ohne ihr 
Mitwirken gefchloffen worden war und ihren Einfluß nach 
Fernando's Tod gefährdete. Da fie indeffen den Vertrag 
nicht hintertreiben konnte, fo verbarg fie ihre Misbilligung, 
und erwartete, um feine Wirkungen vereiteln zu Finnen, von 
der Zukunft einen Ausweg. Er fand fich bald. 


Suan Fernandez de Andeiro, ein Galicier von Geburt 
und einer der caftilianifchen Unterthanen, die zufolge des legten 


1) „E ora pois a Deos prougue de vos poer com el Rei Dom 
Hemrrique em paz, e el he ja morto, e vossr terra esta dassessego, 


parege nos que nom he razom nem .dereitr demovaaes a 
fazer tal guerra, moormente com’ tas ” droniessas, 
quaaes vos e nos todos sobrelle ' ”-apes, 


cap. 114, 


Di 


47% Erſter Zeitraum. IL Bud. 4. Abſchn. 


Vertrags, den König Henrique IL mit Fernando gefchlofien 


hatte, von diefem aus Portugal entfernt werben follten, war 
nach England entflohen, wo er bei dem Herzog von Lancafter 
und deffen Bruder, dem Grafen von Cambridge, eine gute 
Aufnahme gefunden hatte. Der König, von Portugal unter 
hielt insgeheim einen Briefwechfel mit Andeiro, und ließ 
durch ihn den Herzog, der felbft noch immer feine Anſpruͤche 
auf den caftilianifchen Thron geltend zu machen hoffte, aufs 
fodern ihm in dem Kriege gegen Caftilien beizuftehen. Die 
Unterhandlungen hatten einen glüdlichen Erfolg, und als man 
daruͤber übereingefommen war, wann, wie und mit wie viel 
Mannfchaft die Engländer den König Fernando unterflügen 
follten, verließ Andeiro England und landete unerkannt in 
Porto. Bon da begab er fich indgeheim nach Eſtremos, wo 
der König ſich damals aufhielt, und Iebte in einem Gemache 
des großen Thurmes, der in der dafigen Burg fich befand 
und in deſſen Zimmern der König und die Königin ihre Ruhe 
fiunden zu halten pflegten, eine längere Zeit verborgen. 


Hier hatten Fernando und Leonore Gelegenheit, wenn bie 
Hofleute fich entfernt hatten, den Galicier zu jeder Stunde 
des Tags und der Nacht zu fprechen. Arglos gegen den ver: 
trauten Flüchtling, ließ ihn der König bisweilen mit feiner 
Gemahlin allein. Die Unterredungen Beider führten zu einer 
Vertraulichkeit, die der Anfangspund und Erklaͤrungsgrund 
mehrerer fpätern Ereigniffe und Verwicklungen wurde"), und 
die fehon damals bei den Wenigen, bie fie beobachten konn⸗ 
ten, Anfloß und Argwohn erregte. Da dem König Alles 
daran lag, daß die bisherige Anwefenheit des verbannten Ga⸗ 
liäciers verborgen bliebe, fo veranftaltete "er, daß Andeiro fich 
heimlich nach Leiria begab, dort fich entdedte und anftellte, 
als ob er eben erſt vom feiner Reife im Auslande anfäme. 
Der König, davon benachrichtigt, fpielte den Erzuͤrnten, lleß 
den verwegenen Verbannten verhaften, jeboch nicht lange 


1) E foi esta afeccom dambos tam grande, que todo o que se 
depois seguio, que adeante ouvirees, daqui ouve seu primeiro co- 
mego. Lopes, cap, 115. 


Megierung des Königs Fernando, 1369— 1383. 475 


darauf mit der Weifung, bei Todesſtrafe das Königreich zu 
verlaffen, wieder in Freiheit feßen '). 

Unterdeffen zeigten fich die Früchte jener heimlichen Unter: 
rebungen im Thurme zu Eſtremos. Der König, des Beiſtan⸗ 
des der Engländer durch den galicifchen Unterhändler verfichert 
und für den neuen Staatsſtreich von der Königin ganz gewon⸗ 
nen, erklärte, wie aben erzählt worden, unerwartet feinen Raͤ⸗ 
then, daß er dem König von Caſtilien den Krieg erklären wolle, 
war es nun, um die Gefinnungen feiner Räthe zu erforfchen, 
ober, wie Lopes meint, um von ihnen nicht nachher den Vor: 
wurf zu bören, daß er ihnen vorher Nichts davon gefagt 
habe.- Ungeachtet aller Vorficht, Die der König aufbot, um 
feinen Plan geheim zu halten, konnte er dem König von Ca⸗ 
ftilien nicht lange ein Geheimniß bleiben. Jene Vorgänge 

’ gingen anfänglich als ein dumpfes Gerücht im Königreiche um: 
ber. Als aber dem König Juan hinterbracht wurde, daß ber 
Graf von Cambridge Anftalten treffe, mit zweitaufend Mann 
nach Portugal überzufegen, und während man am caftiliani- 
fhen Hofe davon redete, Die Nachricht einlief, DaB auch der 
König von Portugal zum Kriege fich rüfle, konnte fi) König 
Juan über Fernando's Abficht nicht länger täufchen. Er traf 
ungefäumt die nöthigen Gegenvorkehrungen, ließ feine Streiter: 
haufen an der Grenze von Portugal zufammenziehen und be: 
fahl feinem Abmiral in Sevilla, die Flotte bereit zu halten, 
Den Ausbruch der Feindfeligfeiten verzögerten die Unruhen, 
die der Graf von Gijon, des Königs Bruder, im Einverftänd- 
nig mit den Portugiefen in Gaftilien erregte, fie wurden jes 
boch bald gedämpft ?). | 

Mittlerweile hatte der König von Portugal eine beträchts 
liche Landmacht verfammelt und eine der caftilianifchen über- 
Iegene Flotte in Liffabon ausrüften laſſen. Da ed an Rude⸗ 
rern fehlte, fo ließ Zernando Zeldarbeiter und andere Arbeits⸗ 
Leute mit Gewalt zum Seedienft zwingen, und erregte dadurch 
Unmuth bei dem Volke. Am elften Jul. 1381’ ging die Flotte, 
21 Galeeren, 4 Schiffe und eine Saleote ſtark, unter der 


1) Lopes, cap. 115. 
2) Ayala, Cronica del Rey D. Juan I. an, 1381. cap 


476 Erſter Beiteaum IL Bud. 4 Abſchn. 


Anflıhrung des Grafen João Affonfo Tello, des Bruders ber 
Königin, unter Segel, traf mit der caftilianifchen, die nur 
aus 17 Schiffen beftand, bei Saltes zufammen und wurde, 
nachdem fie unachtfamer Weife durch Trennung ſich geſchwaͤcht 
17. Zur. hatte, von dem erfahrmen Admiral der Caftilianer, Fernando 
1381 Sanchez de Tobar, angegriffen und gänzlich gefchlagen. Zwan⸗ 
zig portugiefifche Galeeren kamen in die Gewalt des Feindes, 
mit ihnen der Admiral felbft und alle Mannfchaft, Die nicht 
durch Schwert gefallen war '). Ä 
Während der Sieger, der caftitianifche Admiral, in Per: 
fon (mad ihm zum Vorwurf gemacht wurde) Die gefangenen 
Portugiefen nach Sevilla brachte, erichienen die Schiffe der 
Engländer vor Liffabon und legten ſich im Hafen vor Anker 
Dreitaufend Soldaten, mehrere Caftilianer, die nach England 
geflüchtet waren, fliegen and Land, an ihrer Spike ber Graf 
von Cambridge, Edmund, ein- Sohn bed Königs Eduard, mit 
feiner Gemahlin und feinem Sohne, die von dem portugiefl: 
ſchen Hofe glänzend empfangen und beherbergt wurden. Einige 
Zage darauf fchloffen die Engländer mit dem König Fernando 
einen Vertrag ab, dem gemäß die Infantin Beatriz (fie durfte 
in feinem Vertrage, den ihr Vater ſchloß, fehlen) mit Eduard, 
dem achtiährigen Sohne ded Grafen, dereinft fich vermählen 
folte, und der König ſich anheifchig machte, den englifchen 
Truppen den Sold und die erfoberlichen Pferde. zu ftellen. 
Mit derfelben Schonungslofigkeit, womit Fernando die Feld: 
arbeiter zum Seedienft gezwungen hatte, ‚befahl er je&t allen 
Eigenthümern von Pferden im ganzen Reiche Diefe gegen Be: 
zahlung (die aber ausblieb) abzuliefern, fchenkte die fchönften 
derſelben in Menge den angefehenften Engländern, und bewies 
gegen dieſe überhaupt eine Freigebigkfeit, die mit den uner- 
ſchwinglichen Kriegsbedürfniffen und der Noth der Unterthanen 
in grellem Widerfpruche ftand *). Die Freude des Königs über 
diefe erfehnten Fremdlinge, die ihm zu Hülfe gekommen, war 
fo groß, daß fie Alles über ihn vermochten.. Ihr Anführer, 
der Graf von Cambridge, bewog ben König nicht allein bei 


1) Ayala, an, 1381, cap. 4, 
2) Lopes, cap. 129. 


— 


Regierung bes Königs Fernando, 1367— 1383. 477 


der zwiefpältigen Papftwahl den Papſt Clemens VIL, fir ben 
er fich erklärt hatte, wieder aufzugeben und dem in Rom 
lebenden Urban VI. die Obedienz zu erweifen, weil ſich Eng- 
land flr diefen erklärt hatte; er erlangte felbft von dem König 
und der Königin, daß in ber zahlreichen Verſammlung von 
Prälaten und weltlichen Herren, Die zur feierlichen Anerfens 
nung dieſes Papfte berufen wurde, das vorläufige Beilager 
des jungen Eduard mit der Infantin Beatriz in der bei den 
Englaͤndern uͤblichen Weiſe und noch an demſelben Tage ge⸗ 
feiert wurde. Das kleine Ehepaar wurde in Gegenwart der 
Verſammlung in ein praͤchtig geſchmuͤcktes Bett gelegt, mit 
einer koſtbaren Decke, auf welcher zwei große Figuren, die 
eines Koͤnigs und einer Koͤnigin, geſtickt waren, bedeckt, und 
von einem engliſchen Biſchof und dem von Liſſabon eingeſegnet. 
Das Seltſame des Schauſpiels ließ vielleicht die Portugieſen 
nicht fuͤhlen, daß ſie unter dieſen Umſtaͤnden die vaterlaͤndiſche 
Sitte der fremden nicht hintanſetzen durften, daß die Eng⸗ 
laͤnder auf portugieſiſchem Boden ſich wohl ihrer Landesge⸗ 
braͤuche haͤtten begeben und den portugieſiſchen ſich fuͤgen 
ſollen. 

Ward indeſſen durch das Auslaͤndiſche nur ein empfind⸗ 
liches Nationalgefuͤhl hie und da verletzt, ſo gaben die engli⸗ 
hen Soldaten den Portugieſen bald ſtaͤrkere und dringendere 
Srimde zu Klagen. Sie hatten fi in Liffabon und der Um: 
gegend verbreitet, plünderten, wo fie etwas fanden, und mor- 
beten, wo ihnen ber geringfte Widerfland entgegengefegt wurde. 
Ihr Übermuth und die Verachtung, die fie den Portugiefen 
bezeigten, die freche Gemaltthätigkeit, womit fie das ander? 
Geſchlecht zur Befriedigung ihrer rohen Lüfte zwangen, empoͤr⸗ 
ten das ganze Volt, Hohe und Niedere. Aber Niemand wagte 
Klage zu führen bei dem König, weil er Jedem, der die Fremd» 
linge beleidigen würbe, die fchwerfte Strafe angedroht hatte. 
Befchwerden biefer Art wied er ohnehin an den Grafen von 
Gambribge, und als eine Mutter, die ihren Säugling vor fich 


hinhielt, um bie Streiche eines Wuͤtheriche Die fchon ihren 


Mann getroffen hatten, abzuwehren, bai dwert 
zerfpalten fehen muſſte und die bie‘ "Anig 


gezeigt wurden, warb auch fie a r 


478 Erſter Zeitraum. D, Bud. 4 Abſchn. 


aber gab in folchen Fallen hoͤchſtens das Verfprechen, dem Ver: 
legten Recht zu fchaffen, dachte aber nicht weiter Daran, und 
hörte die Klagen der Portugiefen eben fo Ealt an als bie 
Bitten ihres ſchwachen Königs, der genug gethan zu haben 
glaubte, wenn er den Grafen von Zeit zu Zeit gerfuchte nicht 
zuzugeben, daß feine Leute fo das Land zu Grunde richteten. 
Das UÜbfrmaß der Freveltbaten reizte endlich das Volk zur 
Rache und Selbſthuͤlfe: es toͤdtete heimlich ſo viele Englaͤnder, 
daß kaum zwei Drittheile derſelben ſpaͤterhin in ihre Heimat 
zuruͤckkehrten ’). 

Einen Theil des Haſſes, den die Engländer auf füh lu⸗ 
den, verfchuldete und erfuhr diejenige, Die jene herbeigerufen 
hatte, die Königin. Sie, vom Volle mit Recht als die Mit: 
fchuldige betrachtet, erregte in jener Zeit immer mehr den Un: 
willen und lauten Zadel der Nation, Es traten die Zolgen 
von dem ans Licht, was, der Welt verborgen, im Thurme zu 
Eſtremos begonnen und verhandelt worden war. 

Während fi der Hof in Evora befand, erfchienen am 
einem heiffen Tage der Graf Gonealo, Leonorend Bruder, 
und Iuan Fernandez. de Andeiro, von Schweiß bebedt, im 
Zimmer der Königin. Da jene Feine Tücher hatten, um fich 
abzutrocknen, fo zerriß diefe einen Schleier und gab jedem die 


1) Die Betrachtungen, welche Nunez bo Liad an die Erzählung 
der Frevel, die ſich diefe Hülfsvslker in Freundes Land erlaubten, Enüpft, 
find für alleBeiten gefchrieben. Isto se contou tam meugamente para se 
entender quanto devem fugir os Principes, e as Republicas , de tra- 
zer a seus Reinos e casas ajudas de estrangeiros, pois a guerra que 
wuidavaö fazer aos imigos fazem primeiro aos seus. Porque como a 
gente que se poem a soldo para a guerra, he pola moor parte mal 
- costumada, e de pouca consciencia, pois se alougaö para matar ho- 
mees, e saö-homöes necessitados, que näo teem officios, nem remedio 
de vida, ou se o teem, 'seguem aquella vida por mais ociosa, näo 
podem onde staö deixar de fazer semelhantes insultos & violencias, 
‚.moormente se os Capitaös com severidade, e boa disciplina os näo 
enfread. Achegase a isto starem juntos em hum corpo, que nem po- 
dem ser castigados, e teem atrevimento hüs com outros para tudo, 
6 serem pola maior parte homöes de baxa maneira, e da fez do povo, 
cuja natureza propria he exereitarem crueldade. A qual com menos 
dano e perigo seu executaö nos amigos que os recolhem, que nos 
imigos que Ihes resistem. 


Regierung bed Königs Fernando, 1367—1383. 479 


Hälfte. Mit Recht fand man biefes Benehmen der Königin, 
zumal in Abficht auf Andeiro, unanfländig; mehr noch war 
es eine Xufferung, die der Ginftling bei dieſer Gelegenheit 
ber Königin im Vorbeigehen zuflüfterte und worüber dieſe 
lächelte). Eine der Hoffrauen, welche die Aufferung vernoms 
men hatte, theilte fie ihrem Gemahl, Goncalo Vaſquez de 
Azevedo, mit. Diefer, ein angefehener Fidalgo, der Königin 
verwandt und ein Vertrauter bed Königs, verrieth im Verlauf 
einer Unterhaltung mit jener, daß ihm jene Aufferung bekannt 
war, und machte der Königin das Unanftändige derfelben auf 
eine empfindliche Weife fühlbar. Von dem Augenblid an war 
in Leonorend Seele der Untergang Azevedo's befchloffen. Won 
dem Manne, der ihr ind Angeficht das zu fagen wagte, durfte 
fie feine Verfchwiegenheit in Anfehung ihrer Vertraulichkeit 
mit dem ausländifchen Günftling erwarten; fie fürchtete Ge⸗ 
“ fahr und Schande für ihn, wie für fich felbfl. Azevedo muſſte 

aus dem Wege gefchafft werden, und mit ihm zugleich ber 
Einzige im Königreich, der, von Föniglihem Blut entfproffen, 
dieſes zu rächen fich berufen fühlen Fonnte, der Großmeifter 
des Avisordens, der natürliche Bruder ded Königs; alle ans 
bern Großen waren durch die Bande der Verwandtfchaft und 
Dankbarkeit mit Leonore verbunden und ihr verpflichtet. Ihrer 
Schlauheit und Hinterlift gelang ed den Schein eines Einver: 
fländniffes, in welchem beide Männer mit Gaftilien finden, 
auf fie zu werfen, und auf diefe Anfchuldigung hin von dem 
König einen Verhaftsbefehl zu erwirken, Eraft deffen ver Be⸗ 
fehlöhaber von Evora die Angeklagten ind Gefängniß führen 
ließ. Mit dem Grunde ihrer Verhaftung unbekannt, Tieffen 
fie den Grafen von Cambridge, der in Villa Vicofa fich bes 
fand, bitten, für ihre Zreilaffung bei dem König fich zu ver 
wenden, ober wenigſtens ihnen die Urfache ihrer gefänglichen 
. Einziehung anzugeben. „Er habe damit nichts zu fchaffen, 
erwiederte der Graf, und wenn fie gegen den König etwas 
verfchuldet hätten, fo wäre es fehr gut, daß fie dafür geſtraft 

' ed 
1) „Senhora, mais chegado e mais husado queria 

pano, quamdo mo vos ouvessees de dar, que eat- 
e a Rainha comegou de rijnr desto. Lopes; 


2 


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ren Bunkinge seser meer Le ıxe wu Fend 
ner ur Emmi 2ı !smuiier ei ar 2 
Gear roasser ser le rm e u ug Sue 
wien Pr, su u em er ze u z cm 
ya kibzy fen Usa take terdr, uE = ei 
wi Eh ya wen, weine Bra Me — ie 
Yu ını Srtkäbaber — eben ſo Hug als Ad, = Some 
ya Aur⸗incich auhukalın. Am folgenden Nr: va a 
1 ſelbſt zum Koͤnig, ber, voll Erflaunen, ven tem Yıla 
niaas zu wilfen behauptete, tem Befehlshaber aber iranges 
&illidywrigen auflegte. Alle Herren des Hofes befuchten an 
tiefem Aage vie Gefangenen, nur Andeiro nicht; er fchien dadurch 
ſich ſelbſt als den Urheber der fchwarzen Zhat anzuflagem 
As die Königin dieſe gefcheitert fah, dachte fie nun allein 
barauf, bie Schuld und den Schein derfelben von fich zu 
waͤlzen. Sle legte bei dem König eine Zürbitte für die Ge 


fangenen ein, und ber Graf von Cambridge vereinigte feine 


Regierung des Königs Fernando, 1367-1383. 481 


Bitten mit benen der Königin. Wie hätte Fernando folchen 
Bittenden widerſtehen Eönnen! Jene wurben darauf, nad 
zwanzigtägiger Haft, freigelaffen und gaben der Königin für 
ihre Gnade den Handkuß. Auſſer dem König fcheint Feiner 
der Betheiligten Durch diefe Begnadigungsfcenen getäufcht wors 
den zu fein. Die Verftellung feierte bier ihren Zriumph; ſi ie 
wurde noch geehrt, obgleich Ale fie erkannten ). 


7. Aunsgang. des Kriege mit Caſtilien und Tod des 
Koͤnigs. 


Die Rönige:v -von n Portugal und Gaftilien führen Ihre Heere gegen 
einander, fchlieffen aber, ehe es zur Schlacht: Eommt, Frieden. _ 
- Bedingungen beffelben. Die verhafften Engländer: kehren in 
ihre Heimat zuruͤck. Beatriz mit dem caftilianifchen Infanten 
Sernando verlobt. Bald darauf bietet ber König” von Pors 
tugal bie dem Sohne verlobte Beatriz dem Water zur Ges 
- mahlin an. Seierliche Trauung des Königs Suan I. mit ber 
portugiefifchen Infantin. Tod des Königs Bernando, 


Zwiſchenſpiele diefer Art konnten auf den Gang des Kriegs, 
den Zernando gegen Gaftilien begonnen hatte, nur flörend und 
nachtheilig wirken. Indem fie die Liebe zum koͤniglichen Haufe, 
fir das allein der Kampf geführt wurbe, erfalten lieſſen, vers 
leideten fie dem Wolfe immer mehr einen Krieg, ber ohnehin 
feinen Wünfchen und Vortheilen entgegen war. Auch war ber 
Niederlage der Flotte bald die Einnahme von Almeida gefolgt, 
das der König von Eaftilten gleich nach feinem Einfall in Por- 
tugal belagert hatte, ohne ſich Durch die Ankunft der Engländer in 
Liffabon in diefer Belagerung irre machen zu laffen. Nachdem 
Syan lin den eroberten Plag eine ſtarke Befagung gelegt hatte, 
kehrte er in fein Reich zurüd, ließ aber feine Kriegsvoͤlker an der 
Grenze deffelben flehen. Um den Kampf gegen den verftärkten 
Feind mit mehr Nachdrud zu führen, ordnete er neue Rüftuns 
gen an, vermehrte die Landmacht und beſaht alle Schiffe in 


1) Lopes, cap. 139—148. Nun. do ae. 829 — 


Sqcaͤfer Geſchichte Portugals I. 


482 Erfier Zeitraum. IM Buch. 4 Abſchn. 


"ven ‚Häfen von Galicien und Viſcaya auszuräfen, um mbg 


lichſt bald nach Lifjabon fegeln zu koͤnnen, und. jede. "weitere 
Hilfe, welche England ben Portugiefen etwa ſchicken koͤnnte 


zurückzuweiſen. Auch Zernando fäumte nicht alle zum Felt: 


1383 


zuge nöthigen Borbereitungen zu treffen. Seine jämmtlichen 
Kriegöfcharen verfammelte er in Elvas, und errichtete, von 
den Engländern dazu veranlafft, bei. dieſer Gelegenpeit- zwei 
neue Wuͤrden, die eines Connetable und eines Marſchalls; mit 
jener bekleidete er den Grafen von Arraiolos, Alvaro Pirez de 
Caſtro, mit dieſer den Gonçalo Vaſquez de Azevedo. Da der 
Koͤnig von Caſtilien glaubte, Fetnando beabfichtige einen Eins 
fall in Eſtremadura, fo führte er fein Heer, das aus fünf: 
taufend Lanzen, funfzehnhundert * Reitern „und einer 


dajoz, in —E Seinem —e folgte der * 
nig von Caſtilien, und beide Heere ſtanden eine laͤngere Zeit 
ſchlagfertig einander gegenüber, ohne dag weiter etwas gefchah, 
als daß kampfluſtige Ritter. im Angefichte beider Heere ihre 


perſoͤnliche Zapferfeit erglängen lieſſen. 


Unterdeffen waren wohlgefinnte Männer von. beiden Sei⸗ 
ten — von welcher zuerſt, iſt unbekannt — bemüht den Frie⸗ 
den zu vermitteln. Die Englaͤnder entbehrlich zu machen und 
dieſe laͤſtigen Huͤlfsvolker aus dem Reiche zu entfernen, war 
der Wunſch aller portugieſiſchen Großen und Ritter, gewiß 
nicht weniger aus Haß und Neid, als aus Vaterlandsliebe 
und Sorge fuͤr des Landes Wohlfahrt. Damit indeſſen die 
Fremdlinge nicht zu fruͤh die einleitenden Schritte zur Verſoͤhnung 
der Portugieſen und Caſtilianer bemerkten, gingen die Abge⸗ 
ordneten, die der eine Koͤnig ins Lager des andern ſchickte, 
heimlich und nur des Nachts dahin. Endlich fand man eine 
Ubereinkunft. Die Infantin Beatriz, die portugieſiſche Thron⸗ 
erbin, ſollte mit dem Infanten Fernando, dem zweiten Sohn 


1) Ayala, añ. 1388, 


Megierung'des Könige Fernando, 1367—1383. 483 


bes Königs von Gaftilien, vermählt werden, Es wünfchte dies 
der König von Portugal, weil durch Diefe Werbindung der 
Infant Fernando einft den Thron von Portugal beitieg, ohne 
Daß dieſes Meich mit Gaftilien vereinigt wurde, was geſchehen 
wäre, wenn Beatriz mit dam’ Infahten Henrique, dem Throns 
folger Caſtiliens, fich verbunden hätte. — König Iuan gibt 
— ſo wurde weiter beflimmt — dem Koͤnig von Portugal Die 
zwanzig Galeeren, die fein Admiral in dem Geetreffen ihm 
abgenommen, wieder zurüd, und fest alle gefangene Portus 
giefen, namentlich ſeinen⸗· Admiral, den Grafen Ioad Affonfo 
Zello, in Freiheit. Der König von Caſtilien übernimmt es, 
dem Grafen Edmund und feinen Truppen die Schiffe zur 
Ruͤckkehr nach England, gegen Entrichtung der Überfahrtsko⸗ 
fen, zu ſtellen. Denn Fernando's Flotte war vernichtet, Die 
caftittanifche aber lag fegelfertig vor Liffabon. Den Englän« 
dern, fo aufgebracht fie über diefen Ausgang waren, blieb 
Nichts uͤbrig, als die dargebotenen Schiffe zu befleigen und ein 
Lund zu verlaffen, in welchem fie manches Unheil geftiftet und 
wenig Ehre geerntet hatten. Sie waren die einzigen Miöver- 
gnügten uͤber dieſen Friedensſchluß, der im caftilianifchen wie 
yortugiefifchen Heere die größte Freude verbreitete. Als ihn 
der Zrompetenflang verkimdete, fah man Viele ſich auf Die 
Knie werfen, um Gott für den Frieden zu danken ). Auch 
der Papft Clemens VII. hatte fich der veränderten Gefinnung 
des Königs von Portugal zu erfreuen, indem er jest von dem⸗ 
felben die Obedienz erhielt, die nicht lange vorher fein Gegner 
Urban erhalten hatte. 

Der Infantin Vermaͤhlung mit dem Prinzen Fernando 
war gleich nach dem Friedensabſchluſſe gefeiert worden. Doch 
auch diefe vierte Vermählung ber Beatriz ſollte nicht ihre lebte 
fein. Bei feiner Ruͤckkehr nach Gaftilien erfuhr König Iuan 
den Tod feiner Gemahlin. Seinen Schmerz über diefen Ver: 
luſt theilte das ganze caflilianifche Volk, denn Leonore war eine 
Zierde ihres Gefchlechtd und des Thrones von Gaftilien gewe- 
fen. Fernando dagegen, der von ſolchen Rüdfichten wenig be⸗ 
rührt wurde, fah nur von der hingefchiedenen Königin bie 


1) Lopes, cap. 154. 
31* 


454 Erſter Beitraum. D. Bud. 4 Abſcha⸗ 


Stelle, die durch ihr Ableben erledigt war, unb Tonnte es 
nicht über fich gewinnen, feiner ſtets wachſamen und erfindeis 
ſchen Staatöweisheit die Ausführung eines neuen Heirathsplans, 
den fie fogleich erfonnen, zu verfagen. Er bot feine vielver⸗ 
lobte ’) Zochter dem Bater eben bed Infanten,. dem er erſt 
fürzlich fie vermählt hatte, zur Gemahlin an. 

Daß der Infant Zernando noch fo fehr jung war, ber 
König von Portugal aber, der feiner Kränklichfeit wegen fein 
Lebensende nicht mehr fern fah, feiner Zochter Beatriz die 
portugiefifche Krone zu fihern lebhaft. wünfchte, — dies mochte 
leicht von den Beweggrimden bed veränderten Heirathöplanes, 
bie man anführte, der vernünftigere fein. Die Wahl des Ge 
fandten, den man zu biefem Zwecke an den König von Caſti⸗ 
lien abordnete, die Vortheile, welche diefe neue Verbindung 
der Königin Mutter verfprach, und die Bedingungen, unter 
denen fie wirklich abgefchloffen wurde, verrathen deutlich, daß 
die Königin dabei die Hand im Spiele hatte. Ihr Liebling, 
der nunmehrige Graf von Durem, wurde als Gefandter nad 
Gaftilien geſchickt, wo er, von einer großen Anzahl von Kit 
tern und Schildträgern begleitet, von denen die angefehenften 
den Dienft bei ihm thaten, und von einem langen Zug von 
hundert Maulthieren und ihren Zreibern gefolgt, anfam und 
durch feinen pomphaften Aufzug den Gaflilianern Stoff zu 
Spöttereten darbot. Er fand den König Juan zu Pinto und 
entledigte fich des Auftrags feines Herrn. Man traute zwar 
dem wanfelmüthigen Kernando nicht; allein der Infantin Hand 
mit der Krone hatte fuͤr den caftilianifchen König einen maͤch⸗ 
tigen Reiz. Vor diefem trat jenes Miötrauen in den Hinter: 
grund, und überdies mochte Suan ſich ſtark genug fühlen, um 
den König von Portugal nöthigenfalld zur Treue zwingen zu 
Eönnen. Bei der Berathung mit den vertrauten Großen, von 
welcher der caftilianifche König feine Antwort abhängig machte, 
fanden daher die gegründeten Gegenerinnerungen einiger Raͤthe 
des Königs Feinen Anklang; er folgte denen, die für feine 
Wuͤnſche Gründe beibrachten. Darauf wurde der Erzbifchof 


1) E se podia, fagt Nun. do Liaö, bem verificar nelle (Fer- 
nando) o proverbio de casar a filha com muitos genrogs, 


Megierung bes Könige Fernando, 1367 — 1383. 485 


von Santiago, fein Großkanzler, nach Portugal abgefandt, um 
die näheren Bedingungen der Vermaͤhlung mit dem Koͤnig und 
der Koͤnigin zu beſprechen, und wenige Tage nachher ſchloß 
der bevollmaͤchtigte Praͤlat den Heirathsvertrag ab, 

Ihm zufolge erbt, wenn der Koͤnig Fernando keinen Sohn 
erhaͤlt, die Infantin Beatri nach des Vaters Tode die portu⸗ 
gieſiſche Krone, und ihr Gemahl nimmt den Titel „Koͤnig von 
Portugal“ an. Dem Sohn oder der Tochter, von Koͤnig 
Juan mit Beatriz erzeugt, gebuͤhrt die Thronfolge. Überlebt 
der Infantin Mutter, die Koͤnigin Leonore, ihren Gemahl, ſo 
regiert ſie ſo lange, bis jener Sohn oder jene Tochter das 
vierzehnte Jahr erreicht hat, und ſomit die Regierung anzutre⸗ 
ten befaͤhigt iſt. Vater und Mutter hoͤren dann auf, ſich 
Koͤnig und Koͤnigin von Portugal zu nennen. Stirbt 
Beatriz ohne maͤnnliche oder weibliche Nachkommen, ſo 
gehoͤrt die Krone einer andern Tochter Fernando's, wenn 
ihm die Koͤnigin Leonore oder eine andere rechtmaͤßige Ge⸗ 
mahlin noch eine ſchenken ſollte. Ermangelt aber Fernando, 
wie ſeine Tochter Beatriz, ſolcher Nachkommen, dann faͤllt das 
Koͤnigreich Portugal an den König Juan, wie in einem gleis 
chen Falle das Königreich Caſtilien an den König Fernando 
fallen fol’). 

Juan von Caſtilien genehmigte den Vertrag, den in feis 
nem Namen der Großfanzler mit dem König von Portugal 
obgefchloffen hatte, und ſchickte fi an, feine Werlobte, ber 
Übereinkunft gemäß, an der Grenze von Portugal in Empfang 
zu nehmen. Zu diefem Ende wurden bie weltlichen und geifts 
lichen Großen Caſtiliens nach Badajoz eingeladen; der König 
begab fich bald darauf felbft dahin. Die Königin von Por: 
tugal begleitete, von einem glänzenden Hofflaat und den por⸗ 
tugiefifchen Großen umgeben, die Infantin nach Eftremos, 
wohin ihr der Erzbifhof von GCompoftela, als Großkanzler 


1) ... que en este caso los dichos Regnos de Portugual fiquen 
al dicho Rej de Castilla, e por esta misma manera sobceda el dicho 
'Rej de Portugual en los Regnos de Castilla, faleciendo el dicho Rej 
de Castilla, e la Iffante su ermana sin sobcesores legitimos de linea 
derecha. ©. ven ganzen Vertrag in Sousa, Provas. T.I. p.296 esse. 
Veroh auch Ayala, cap. 5. Lopes, cap. 1%, 


13 


\ 


456 Erſter Zeitraum. I Bud. 4. Abſchn. 


von Gaftilien, entgegenfam, um im Namen feines Königs 
deffen Verlobung mit der Infantin zu feiern. Seitdem warb 
Beatriz Königin von Gaflilien genannt. Darauf geſchah die 
perfönliche Verlobung des Königs und der ˖ Infantin in Elvas, 
diefe wie jene mit vielen Förmlichkeitn. Noch an demfelben 
Tage nahm Juan Abfchied von ber Königin Leonore, und 
führte feine Verlobte nach Badajoz, wo Beide in der Kathedrale 
von dem Erzbiſchof von Sevilla unter großen Feierlichkeiten getraut 
wurden ). Der Trauung folgten in Portugal wie in Caſtilien 
wiederholte Eidedleiftungen und Huldigungen der verſchiedenen 
Stände, feierliche Beeidigungen auf den zwifchen Gaftilien und 
Portugal gefchloffenen Vertrag. Nicht leicht iſt ein Staats: 
vertrag fo oft und förmlich befchworen, fo alfeitig und viel- 
fach mit Vorbehalten, Verwahrungen und Bedingungen gleich- 
fam verpfählt worden). Die Fürften bewiefen einander fo 
wenig Zutrauen, daß auch die Völker Mistrauen fchöpfen 
muflten. War ed darum den Portugiefen zu verargen, daß 
fie troß der Verwahrungen fürchteten mit Caſtilien vereinigt 
zu werden und Portugal durch jenen Vertrag für verkauft 
und verrathen hielten )? 

Der zunehmenden Kränklichfeit wegen hatte König Fer: 
nando der Vermählungsfeterlichkeit fchon nicht beimohnen koͤn⸗ 
nen; feine Körperleiden verlieffen ihn feitdem nicht wieder. 
Cr fah in den legten Tagen des Octobers 1383 fein Ende 
nahen und ließ fich in einer Nacht von Almaba, wo er ſich 
aufhielt, nach Liffabon bringen. Als er hier das Sacrament 
empfing und über die Artikel des Glaubens, wie es gebräuch- 
lich war, gefragt wurde, antwortete er: „Alles dieſes glaube 
ich als treuer Chrift, und glaube weiter, daß Gott mir dieſes 


1) Lopes befchreibt fie cap. 167. | 

2) Este foi, fagt Nun. do Liaö, o mais jurado contrato que 
se vio, e o mais acautelado, mas o peor guardado, como 
adiante se diraa. | 

8) E pesava mujto a todollos Portugueeses, assi fidallgos, come 
comuum poboo, com taaes comveengas da sucessom do Regno, por 
aazo da doeinga del Rei, teemdo que per taaes trautos se Portugal 
vemdia. Lopes, cap. 171. | 


Regierung bes Königs Fernando, 1367 — 1383. 487 


Reich gegeben hat, um Recht und Gerechtigkeit barin zu hand⸗ 
haben; aber ich habe ed durch meine Schuld fo gethan, daß 
ich der Gottheit davon fehr. fchlechte Rechnung ablegen werde.‘ 
Bei diefen Worten brach er in bittere Thränen aus und flehte 
Gott um Verzeihung an. Angethan mit einem Srancifcaner: 2% 
kleide verfchieb er am 22. October. Die Königin Leonore wohnte, 1 
obgleich es damals üblich war, der Beftattung ihres Gemahles 
nicht bei, angeblich weil fie unwohl fei und nicht gehen koͤnne. 
Ihr MWegbleiben erregte und befchäftigte das ihr abholde Volk 
weit mehr, ald ed ihre Erfcheinung gethan hätte Das Volt 
ſchlug gleihfam noch einmal Leonorend Lebensgefchichte auf 
und durchlief fie tadelnd; es Fonnte der Königin nicht verzeis 
ben, daß fie ihrem Gatten Die legte Liebe und Ehre verweigert 
hatte. Wäre fie an feinem Grabe erfchienen, ſchwerlich würde 
an diefer Stätte der Tadel laut geworden fein, und bie zulegt 
bewiefene, wenn auch erheuchelte Pietät hätte über manches 
Vergangene den Schleier der Vergeffenheit gezogen oder wenigs 
ſtens das ſcharfe Urtheil gemildert. j 


u DE A AL 428 & 


478 Erſter Zeitraum. D. Buch. 4. Abſchn. 


aber gab in ſolchen Faͤllen hoͤchſtens das Verſprechen, dem Ver⸗ 
letzten Recht zu ſchaffen, dachte aber nicht weiter daran, und 
hoͤrte die Klagen der Portugieſen eben ſo kalt an als die 
Bitten ihres ſchwachen Koͤnigs, der genug gethan zu haben 
glaubte, wenn er den Grafen von Zeit zu Zeit gerfuchte nicht 
zuzugeben, daß feine Leute fo das Land zu Grunde richteten. 
Das Ubkrmaß der Frevelthaten reiste endlich das Volk zur 
Rache und Selbſthuͤlfe: es toͤdtete heimlich ſo viele Englaͤnder, 
daß kaum zwei Drittheile derſelben ſpaͤterhin in ihre Heimat 
zuruͤckkehrten '). 

Einen Theil des Haſſes, den die Engländer auf füh lu⸗ 
ben, verfchuldete und erfuhr diejenige, die jene herbeigerufen 
hatte, die Königin. Sie, vom Volke mit Recht ald die Mit: 
ſchuldige betrachtet, erregte in jener Zeit immer mehr den Un: 
willen und lauten Zabel der Nation. Es traten die Folgen 
von dem and Licht, was, der Welt verborgen, im Thurme zu 

Eftremos begonnen und verhandelt worben war. 
Während fich der Hof in Evora befand, erfchienen an 
einem heiffen Zage der Graf Goncalo, Leonorend Bruber, 
und Juan Fernandez. de Andeiro, von Schweiß bebedit, im 
Zimmer der Königin. Da jene Peine Tücher hatten, um fich 
abzutrocknen, fo zerriß dieſe einen Schleier und gab jedem bie 


1) Die Betrachtungen, welche Nunez bo Liad an die Erzählung 
der Frevel, bie ſich dieſe Hülfsnölker in Freundes Land erlaubten, Enüpft, 
find für alleBeiten gefchrieben. Isto se contou tam meugamente para se 
entender quanto devem fugir os Principes, e as Republicas,, de tra- 
zer a seus Reinos e casas ajudas de estrangeiros, pois a guerra que 
wudavaö fazer aos imigos fazem primeiro aos seus. Porque como a 
gente que se poem a soldo para a guerra, he pola moor parte mal 
. costumada, e de pouca consciencia, pois se alougaö para matar ho- 
möes, e saö-homöes necessitados, que näo teem officios, nem remedio 
de vida, ou se o teem, seguem aquella vida por mais ociosa, näo 
podem onde staö deixar de fazer semelhantes insultos & violencias, 
ı moormente se 03 Capitaös com severidade, e boa disciplina os näo 
enfreaö. Achegase a isto starem juntos em hum corpo, que nem po- 
dem ser castigados, e teem atrevimento hüs com outros para tudo, 
e serem pola maior parte homẽes de baxa maneira, e da fez do povo, 
cuja natureza propria he exercitarem crueldade, A qual com menos 
dano e perigo seu executaö nos amigos que os recolhem, que nos 
imigos que Ihes resistem, 


Regierung des Königs Fernando, 1367— 1383. 479 


Hälfte. Mit. Recht fand man dieſes Benehmen der Königin, 
zumal in Abficht auf Andeiro, unanfländig; mehr noch war 
e3 eine Aufferung, die der Gimftling bei diefer Gelegenheit 
der Königin im Borbeigehen zuflüfterte und worlber dieſe 
lächelte '). Eine der Hoffrauen, welche die Äufferung vernom⸗ 
men hatte, theilte fie ihrem Gemahl, Goncçalo Bafquez de 
Azevedo, mit. Diefer, ein angefehener Fidalgo, der Königin 
verwandt und ein Vertrauter bed Königs, verrieth im Verlauf 
einer Unterhaltung mit jener, daß ihm jene Aufferung bekannt 
war, und machte der Königin das Unanfländige derfelben auf 
eine empfindliche Weiſe fühlbar. Bon dem Augenblid an war 
in Leonorens Seele der Untergang Azevedo's befchloffen. Won 
dem Manne, der ihr ind Angeficht das zu fagen wagte, durfte 
fie feine VBerfchwiegenheit in Anfehung ihrer Vertraulichkeit 
mit dem ausländifchen Gimflling erwarten; fie fürdytete Ge⸗ 
* fahr und Schande für ihn, wie für fich felbfl. Azevedo muſſte 
aus dem Wege gefchafft werden, und mit ihm zugleidy ber 
Einzige im Königreich, der, von koͤniglichem Blut entfproffen, 
dieſes zu rächen ſich berufen fühlen konnte, der Großmeifter 
des Avisordens, der natürliche Bruder des Königs; alle ans 
dern Großen waren durch die Bande der VBerwanbtfchaft und 
Dankbarkeit mit Leonore verbunden und ihr verpflichtet. Ihrer 
Schlauheit und Hinterlift gelang ed den Schein eines Einver: 
fländniffes, in welchem beide Männer mit Gaftilien ftünden, 
auf fie zu werfen, und auf diefe Anfchuldigung hin von dem 
König einen Verhaftöbefehl zu erwirken, kraft deſſen der Be 
fehlshaber von Evora die Angeklagten ins Gefängniß führen 
ließ. Mit dem Grunde ihrer Verhaftung unbefannt, liefien 
fie den Grafen von Cambridge, der in Billa Vicofa fi) be 
fand, bitten, für ihre Zreilafiung bei dem König fich zu ver 
wenden, oder wenigſtens ihnen die Urfache ihrer gefänglichen 
Einziehung anzugeben. „Er habe damit nichts zu fchaffen, 
erwieberte der Graf, und wenn fie gegen den König etwas 
verfepulbet hätten, fo wäre es ſehr gut, daß fie baflır gefiraft 


1) „Senbora, mais chegado e mais husado queria eu de vos o 
pauo, quamdo mo vos ouvessees de dar, que este que me vos daaes: “ 
e a Rainka comecon de rijar desto. Lopes, cap. 139. 


— 


480 Erſter Zeitraum. I. Buch. 4. Abſchn. 
wuͤrden.“ Dieſe Antwort ließ die Gefangenen das Schlimmſte 


fuͤrchten. Ihre Furcht theilte das Volk, dem die Aufſehn er⸗ 


regende Verhaftung ſo hoher Perſonen nicht lange verbor⸗ 
gen blieb. 

Indeſſen argwohnte man nicht begangene Verbrechen bei 
dieſen Männern, die bisher im beſten Rufe ſtanden, ſondern 
die Raͤnke einer Frau, die ſchuldbefleckt den Thron beſtiegen, 


durch ihr ſpaͤteres Leben die Schuld des früheren nicht ges 


fühnt, vielmehr dem Öffentlichen .Mistrauen und Tadel ftets 
neue Nahrung und reichlicheren Stoff gegeben hatte. Ihr ans 
ſtoͤßiges WBerhältnig zu dem Galicier Andeiro fuchte fie zwat 
zu verfchleiern, indem fie feine Gemahlin an den Hof zog unb 
mit Auszeichnungen und Gunftbezeigungen überhäufte. Jeder⸗ 
mann aber hatte feinen Argwohn gegründet und beflätigt ge 
funden, ald nad) dem Tode des Grafen von Durem, des 
Oheims der Königin, auf deren Betreiben jene Graffchaft ih⸗ 
rem Sünftlinge Andeiro ertheilt wurde. Seing Gewalt über 
Die Königin blieb eben fo wenig verborgen, als ihre Gewalt 
über den König, und man gewöhnte fi den Schlüffel zu 
jedem auffallenden Ereignijle, dad vom Hofe ausging, in dem 
Dunkel der Raͤnke zu fuchen, Die hier von der Königin und 
ihrem Günftlinge gefpielt würden. Als daher dem Befehls⸗ 
haber von Evora ein Eöniglicher Befehl zukam, daß er bie 
Gefangenen enthaupten laffen folle, zögerte er, und troß eines 
gefchärften Befehls, der bald dem erften folgte und in dem 
der König feinen Unwillen darüber ausprüdte, daß der erſte 
nicht fogleich vollzogen worden, wuſſte Vaſco Martims — fo 
hieß der Befehlshaber — eben fo Flug ald edel, noch einmal 
den Todesſtreich aufzuhalten. Am folgenden Morgen begab er 
ſich felbft zum König, der, voll Erflaunen, von dem Allen 
nichts zu wifjen behauptete, dem Befehlshaber aber ſtrenges 
Stillfchweigen auflegte. Alle Herren des Hofes befuchten an 
diefem Tage die Gefangenen, nur Andeiro nicht; er ſchien Dadurch 
fi felbft al& den Urheber der fchwarzen That anzuflagen 
Als die Königin diefe gefcheitert fah, dachte fie nun allein 
darauf, die Schuld und den Schein derfelben von fih zu 
wälzen. Sie legte bei dem König eine Fürbitte für die Ge 


fangenen ein, und der Graf von Cambridge vereinigte feine 


" Regierung bed Königs Fernando, 1367-1383. 481 


Bitten mit denen der Königin. Wie hätte Fernando folchen 
Bittenden . widerftehen können! Jene wurden darauf, nach 
zwanzigtägiger Haft, freigelaffen und gaben der Königin für 
ihre Gnade den Handkuß. Auffer dem König fcheint Feiner 
der Betheiligten durch diefe Begnadigungsfcenen getäufcht wors 
ben zu fein. Die Verſtellung . feierte hier ihren Triumph; ie 
wurde noch geehrt, obgleich Alte fie erfannten ). 


7. Anegang, des ariegs mit Caſtilien und Tod des 
Koͤnigs. 


Die Konige v von n Portugal und Gaftitien führen ihre Heere gegen 
einander, fchlieffen aber, ehe es zur Schlacht‘ kommt, Frieden: _ 
- Bedingungen deſſelben. Die verhafften Engländer: Lehren in 
ihre Heimat zurüd. Beatriz mit dem caftilianifchen Infanten 
Sernando verlobt. Bald darauf bietet der König’ von Porz 
tugal die dem Sohne verlobte Beatriz dem Vater zur Ges 
mahlin an. Feierliche Trauung des Königs Suan J. mit ber 
portugiefiihen Infantin. Tod des Königs Fernando. 


Zwifchenfpiele dieſer Art konnten auf ven Gang bes Kriegs, 
‚ben Zernando gegen Gaftilien begonnen hatte, nur flörend und 
nachtheilig wirken. Indem fie die Liebe zum Eöniglichen Haufe, 
für das allein der Kampf geführt wurde, erkalten lieffen, vers 
leideten fie dem Volke inumer mehr einen Krieg, der ohnehin 
feinen Wuͤnſchen und Vortheilen entgegen war.. Auch war ber 
Niederlage der Flotte bald die Einnahme von Almeida gefolgt, 
das der König von Caſtilien gleich nach feinem. Einfall in Por⸗ 
tugal belagert hatte, ohne ſich Durch die Ankunft der Engländer in 
Liffabon in Diefer Belagerung irre machen zu laffen. Nachdem 
Juan L in den eroberten Pla& eine ſtarke Beſatzung gelegt hatte, 
kehrte ex in fein Reich zurüd, ließ aber feine Kriegsvoͤlker an der 
Grenze deffelben flehen. Um den Kampf gegen den verftärkten 
Feind mit mehr Nachdrud zu führen, ordnete er neue Rüftuns 
gen an, vermehrte die Landmacht und befahl alle Schiffe in 


1) Lopes, cap. 1399—148. Nun, do Liaö, p. 325. 829 — 
9 


Sqaͤfer Geſchichte Portugals I. 31 


452. Erſter Zeitraum. MH Bud. 4 Abſchn. 


"ven Häfen ‚von Galicien und Viſcaya auszurüflen, um mög 


tichft bald nach Liſſabon fegeln zu können, . und. jede (weitere 
Hülfe, welche England den Portugiefen etwa ſchicken koͤnnte, 


‚ zurüdzwmoeifen. Auch Fernando ſaͤumte nicht. alle zum: Feld⸗ 


1353 


suge nöthigen Vorbereitungen zu treffen. Seine fämmtlichen 
Kriegsfcharen verfammelte er in Elvas, und errichtete, von 
den Engländern. Dazu veranlafft, Kei. diefer Gelegenheit. ‚zwei 
neue Würden, bie eines Connetable und eines Marſchalls; mit 
jener bekleidete er den Grafen von Arraiolos, Alvaro Pirez de 

Gaftro, mitt diefer den Goncalo Vafquez de Azevedo. Da der 
König von Gaftilien glaubte, Fernando beabfichtige einen Eins 
fall in Efiremabura, fo führte er fein Heer, das aus fünf: 
taufend Lanzen, funfzehnhundert leichten Reitern und einer 
großen Anzahl Bogenſchuͤtzen beſtand, nach BadajozY.. Der 
Koͤnig von Portugal ſtellte darauf das ſeinige, das mit Inbe⸗ 
griff der Engländer gegen fechätaufend Lanzen ſtark war, nebſt 
einer gleichfalls großen Zahl Bogenſchuͤtzen auf dem Felde von 


nig von often und beide Br fanden eine längere Zeit 
fchlagfertig einander. gegenüber, ohne daß weiter etwas gefchah, 
als daß kampfluſtige Ritter. im Angefichte beider: ‘Deere ihre 
perfönliche Tapferkeit erglaͤnzen lieffen. 

Unterdeffen waren mwohlgefinnte Männer von beiden Ski: 
ten — von welcher zuerft, ift unbefannt — benräht den Frie⸗ 
den zu.vermitteln. Die Engländer entbehrlich zu machen und 
diefe laͤſtigen Huͤlfsvolker aus dem Reiche zu entfernen,. war 
der Wunfch. aller portugiefifchen Großen und Ritter, gewiß 
wicht weniger aus Haß ımd Neid, ald aus Vaterlandsliebe 
und Sorge. für des Landes Wohlfahrt. Damit indeſſen die 
Fremdlinge nicht zu früh die einleitenden Schritte zur. Berfähnung 
ber Portugiefen und Caſtilianer bemerkten, gingen die Abge⸗ 
orbneten, bie der eine König ind Lager des andern ſchickte, 
heimlich und nur des Nachts dahin. Endlich fand man eine 
Übereinkunft. Die Infantin Beatriz, die portugieſiſche Thron: 
erbin, follte mit dem Infanten Sernando, dem zweiten Sohn 


1) Ayala, an. 1388, 


Megierung'des Königs Fernando, 1367—1383. 483 


bes Königs von Gaftilien, vermaͤhlt werden. Es wuͤnſchte dies 
der König von Portugal, weil durch Diefe Verbindung ber 
Infant Fernando einft den Thron von Portugal beftieg, ohne 
Daß dieſes Reich mit Gaffilien vereinigt wurde, was geſchehen 
wäre, wenn Beatriz mit dem’ Infahten Henrique; dem Thron⸗ 
folger Caſtiliens, ſich verbunden hätte. — König Yuan gibt 
— ſo wurde weiter beflimmt — dem Koͤnig von Portugal bie 
zwanzig Galeeren, die fein Admiral in dem Geetreffen ihm 
abgenommen, wieder zuruͤck, und fest alle gefangene Portus 
giefen, namentlich feinen. Admiral, den Grafen Ioad Affonfo ' 
Zello, in Freiheit. Der König von Caſtilien übernimmt es, 
dem Grafen Edmund und feinen Truppen bie Schiffe zur 
Ruͤckkehr nach England, gegen Entrihtung ber Überfahrtsko⸗ 
ften, zu fielen. Denn Fernando's Flotte war vernichtet, die 
caftilianifche aber lag fegelfertig vor Liffabon. Den Englän- 
dern, fo aufgebracht fie Über dieſen Ausgang waren, blieb 
Nichts Abrig, als die dargebotenen Schiffe zu befleigen und ein 
Lund zu verlaffen, in welchem fie manches Unheil gefliftet und 
wenig Ehre geerntet hatten. Sie waren die einzigen Miöver- 
gnügten über diefen Friedensſchluß, ber im caftilianifchen wie 
gortugiefifchen Heere die größte Freude verbreitete. Als ihn 
ber Trompetenklang verkündete, ſah man Viele fih auf die 
Knie werfen, um Gott für den Frieden zu danken ). Auch 
der Papft Clemens VII. hatte fich der veränderten Gefinnung 
des Königs von Portugal zu erfreuen, indem er jest von dem⸗ 
felben die Obedienz erhielt, die nicht lange vorher fein Gegner 
Urban erhalten hatte. 

Der Infantin Vermaͤhlung mit dem Prinzen Fernando 
war gleich nach dem Friebensabfchluffe gefeiert worden. Doc) 
auch diefe vierte Wermählung ber Beatriz ſollte nicht ihre letzte 
fein. Bei feiner Ruͤckkehr nad Gaftilien erfuhr König Juan 
den Tod feiner Gemahlin. Seinen Schmerz Über diefen Ber: 
luſt theilte das ganze caflilianifche Volk, denn Leonore war eine 
Zierde ihres Gefchlechtd und des Throne von Caflilien gewe⸗ 
fen. Fernando dagegen, der von folchen Rüdfichten wenig be⸗ 
rührt wurde, fah nur von der hingefchiedenen Königin bie 


1) Lopes, cap. 154. 
31* 


484 Erſter Beiteaum.. H. Bud. 4. Abſchn⸗ 


Stelle, bie durch ihr Ableben erkedigt war, und konnte es 
nicht über fich gewinnen, feiner ſtets wachfamen und erfinberis 
fehen Staatöweisheit die Ausführung eines neuen Heirathsplans, 
den fie fogleich erfonnen, ziz verfagen. Er bot feine vielver- 
lobte ) Zochter dem Water eben des Infanten, dem er erſt 
Fürzlich fie vermählt hatte, zur Gemahlin an. 

Daß der Infant Fernando noch fo fehr jung wear, ber 
König von Portugal aber, der feiner Kränklichkeit wegen fein 
Lebensende nicht mehr fern fah, feiner Zochter Beatriz die 
portugiefifche Krone zu fichern lebhaft, wünfchte, — dies mochte 
leicht von: ben Beweggründen des veränderten Heirathöplanes, 
bie man anführte, der vernünftigere fein. Die Wahl des Ge: 
fandten, den man zu diefem Zwecke an den König von Caſti⸗ 
‚ lien abordnete, die Vortheile, welche dieſe neue Werbindung 
ber Königin Mutter verfprach, und die Bedingungen, unter 
denen fie wirklich abgefchloffen wurde, verrathen deutlich, daß 
bie Königin dabei die Hand im Spiele hatte. Ihr Liebling, 
der nunmehrige Graf von Durem, wurbe als Gefandter nad) 
Gaftilien geſchickt, wo er, von einer großen Anzahl von Rit- 
tern und Schildträgern begleitet, von denen die angefehenften 
den Dienft bei ihm thaten, und von einem langen Zug von 
hundert Maulthieren und ihren Zreibern gefolgt, anfam und 
durd) feinen pomphaften Aufzug den Caftilianern Stoff zu 
Spöttereien darbot. Er fand den König Juan zu Pinto und 
entledigte fich des Auftrags feined Herrn. Man traute zwar 
dem wankelmuͤthigen Kernando nicht; allein der Infantin Hand 
mit der Krone hatte fr den caftilianifchen König einen maͤch⸗ 
tigen Reiz. Vor diefem trat jenes Midtrauen in den Hinter: 
grund, und überdies mochte Suan fi ſtark genug fühlen, um 
den König von Portugal nöthigenfalld zur Treue zwingen zu 
Eönnen. Bei der Berathung mit den vertrauten Großen, von 
welcher ber caftilianifche König feine Antwort abhängig machte, 
fanden daher Die gegründeten Gegenerinnerungen einiger Käthe 
des Königs einen Anklang; er folgte denen, die für feine 
Wuͤnſche Gründe beibrachten. Darauf wurde der Erzbifchof 


1) E se podia, fagt Nun. do Liad, bem verificar nelle (Fer- 
nando) o proverbio de casar a filha com muitos genros, 


Regierung des Königs Fernando, 1367 — 1383. 485 


von Santiago, fein Großkanzler, nad) Portugal abgefandt, um 
die näheren Bedingungen der VBermählung mit dem König und 
der Königin zu befprechen, und wenige Zage nachher ſchloß 
der bevollmächtigte Prälat den Heirathövertrag ab, 

Ihm zufolge erbt, wenn der König Fernando einen Sohn 
erhält, die Infantin Beatriz nach des Vaters Tode die portu⸗ 
giefifche Krone, und ihr Gemahl nimmt den Titel „König von 
Portugal” an. Dem Sohn oder der Tochter, von König 
Juan mit Beatriz erzeugt, gebührt die Thronfolge. Überlebt 


13 


ber Infantin Mutter, die Königin Leonore, ihren Gemahl, fo 


regiert fie fo lange, bid jener Sohn oder jene Tochter das 
vierzehnte Jahr erreicht hat, und fomit die Regierung anzutres 
ten befähigt ift. Vater und Mutter hören dann auf, fi 
König und Königin von Portugal zu nennen. Stirbt 
Beatriz ohne männliche oder weibliche Nachkommen, fo 
gehört die Krone einer andern Tochter Fernando’s, wenn 
ihm bie Königin Leonore oder eine andere rechtmäßige Ge⸗ 
mahlin noch eine ſchenken ſollte. Ermangelt aber Fernando, 
wie ſeine Tochter Beatriz, ſolcher Nachkommen, dann faͤllt das 
Koͤnigreich Portugal an den König Juan, wie in einem gleis 
chen Falle das Königreich Caſtilien an den König Fernando 
fallen fol"). 

Juan von Gaftilien genehmigte den Vertrag, den in ſei⸗ 
nem Namen der Großfanzler mit dem König von Portugal 
obgefchloffen hatte, und ſchickte fih an, feine Verlobte, der 
Übereinkunft gemäß, an der Grenze von Portugal in Empfang 
zu nehmen. Zu biefem Ende wurden die weltlichen und geiſt⸗ 
lichen Großen Gaftiliend nad) Badajoz eingelaben; ber König 
begab fich bald darauf felbft dahin. Die Königin von Por⸗ 
tugal begleitete, von einem glänzenden Hofftaat und den por⸗ 
tugiefifhen Großen umgeben, bie Infantin nach Eſtremos, 
wohin ihr der Erzbifhof von Compoftella, als Großkanzler 


1) ... que en este caso los dichos Regnos de Portugual fiquen 
al dicho Rej de Castilla, e por esta misma manera sobceda el dicho 
Rej de Portugual en los Regnos de Castilla, faleciendo el dicho Rej 
de Castilla, e la Iffante su ermana sin sobcesores legitimos de linea 
derecha. ©. ven ganzen Vertrag in Sousa, Provas. T. J. p.296 esse. 
Vergk au) Ayala, cap. 5. Lopes, cap. 158, 


456 Erſter Zeitraum. I Bud. 4. Abſchn. 


von Caſtilien, entgegenfam, um im Namen feines Königs 
deffen Verlobung mit der Infantin zu feiern. Seitdem warb 
Beatriz Königin von Gaflilien genannt. Darauf geſchah die 
perſoͤnliche Verlobung des Königs und der ˖ Infantin in Elvas, 
dieſe wie jene mit vielen Foͤrmlichkeiten. Noch an demſelben 
Tage nahm Juan Abſchied von der Koͤnigin Leonore, und 
fuͤhrte ſeine Verlobte nach Badajoz, wo Beide in der Kathedrale 
von dem Erzbiſchof von Sevilla unter großen Feierlichkeiten getraut 
wurden ). Der Trauung folgten in Portugal wie in Caſtilien 
wiederholte Eidesleiftungen und Huldigungen ber verfchtedenen 
Stände, feierliche Beeidigungen auf den zwifchen Gaftilien und 
Portugal gefchloffenen Vertrag. Nicht leicht iſt ein Staats: 
vertrag fo oft und förmlich befchworen, fo allfeitig und viel- 
fach mit Vorbehalten, Verwahrungen und Bedingungen gleich- 
fam verpfählt worden ?). Die Fürften bewiefen einander fo 
wenig Zufrauen, daß auch die Völker Mistrauen fchöpfen 
mufften. War es darum den Portugiefen zu verargen, Daß 
fie trog der Verwahrungen fürchteten mit Caſtilien vereinigt 
zu werden und Portugal durch jenen Vertrag für verkauft 
und verrathen hielten ’)? 

Der zunehmenden Kraͤnklichkeit wegen hatte König Fer: 
nando der Vermählungsfeierlichkeit fchon nicht beiwohnen Eön- 
nen; feine Körperleiden verlieffen ihn feitdem nicht wieder. 
Er fah in den legten Zagen des October 1383 fein Ende 
nahen und ließ ſich in einer Nacht von Almaba, wo er fich 
aufhielt, nach Liffabon bringen. Als er hier dad Sacrament 
empfing und über die Artikel des Glaubens, wie es gebräuch- 
lich war, gefragt wurbe, antwortete er: „Alles dieſes glaube 
ich als treuer Chrift, und glaube weiter, daß Gott mir dieſes 


1) Lopes befchreibt fie cap. 167. 


2) Este foi, fagt Nun. do Liad, o mais jurado contrato que 
se vio, e o mais acautelado, mas o peor guardado, como 
adiante se diraa, 


8) E pesava mujto a todollos Portugueeses, assi fidallgos, come 
comuum poboo, com taaes comveencas da sucessom do Reguo, por 
aazo da doeinga del Rei, teemdo que per taaes trautos se Portugal 
vemdia. Lopes, cap. 171. 


Regierung bes Königs Fernando, 1367— 1383. 487 


Reich gegeben hat, um Recht und Gerechtigkeit darin zu hand⸗ 
haben; aber ich habe es durch meine Schuld fo gethan, daß 
ih der Gottheit davon fehr. fchlechte Rechnung ablegen werde. 
Bei diefen Worten brach er in bittere Thränen aus und flehte 
Gott um BVerzeihung an. Angethan mit einem Francifcaner- 
Pleide verfchied er am 22. October. Die Königin Leonore wohnte, 
obgleich es damals üblich war, der Beftattung ihres Gemahles 
nicht bei, angeblich weil fie unwohl fei und nicht gehen koͤnne. 
Ihr MWegbleiben erregte und befchäftigte das ihr abholde Volk 
weit mehr, als ed ihre Erfcheinung gethan hätte. Das Volk 
ſchlug gleichfam noch einmal Leonorend Lebensgefchichte auf 
und durchlief fie tadelnd; es Fonnte der Königin nicht verzeis 
ben, daß fie ihrem Gatten Die letzte Liebe und Ehre verweigert 
hatte. Wäre fie an feinem Grabe erfchienen, fchwerlich wirde 
an diefer Stätte der Tadel laut geworden fein, und Die zuleßt 
bewiefene, wenn auch erheuchelte Pietät hätte über manches 
Vergangene den Schleier ber Vergeffenheit gezogen oder wenig⸗ 
ſtens das fcharfe Urtheil gemildert. 


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DER AR 424 88